NEE 2 vun wo d ii “% Wi ng en or SEI Seile Aero ee u en kebi, N sus Y Ka .v , 2 Fr re RE . rd Pi PEN vr" Zt BR or 0 Pe Bert IaLsd Ye SReEE ur aense ET ww‘ EN ven EFT 5 suF N Wy" uud We. MER N un s Ey rs ET a f MUND J en a EEE EN BE A re ERITTS > ‘ un f. a IN ’ y u. Sud ET IR I OA a @ R \ EIER \ SS RS Sa & ’ N; R - Mi; $ 6 / R h 8 R \ UNE REN A Ve = - e x a ua B ” ; A N f / 3 x ET An es SE 2a REN: ; f en) S AM ag = BERNER NARAN DR AR A Var \7 E 5 r nr MA N NAAR e A SR Ei 17 N I N 2 oe ne FE 2 La 7 \ \ DR Rz N AAN, gr | REN Ar 5 2 Ar are A Annan Aare er An NA: ; NEL ir An Pr \ N ArAan. VS CE IE IS SUESSESSS | | IDEEN ARMANI VuvvuwvYv = YY YyyvyYus FRE; v de Sn I l Nr N IH MATHEMATISCILE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE BERICHTE AUS UNGARN. MIT UNTERSTÜTZUNG DER UNGARISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER KÖNIGLICH UNGARISCHEN NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON ROLAND BARON EÖTVÖS, JULIUS KÖNIG, KARL Von THAN. REDIGIERT VON JOSEF KÜRSCHAK vn FRANZ SCHAFARZIK, MITGLIEDER DER UNGARISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. VIERUNDZWANZIGSTER BAND. : 1906. MIT 2 TAFELN UND 10 FIGUREN IM TEXT. '°". LEIPZIG, DRUCK UND VERLAG VON B.6.TEUBNER. 1909. [IN WIEN BEI KARL GRAESER & K!E-| 211262 Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin. Encyklopädie der Elementar-Mathematik. Ein Handbuch für Lehrer und Studierende von Dr. Heinrich Weber wa Dr. Joseph Wellstein, Professoren an der Universität Straßburg i. E. In drei Bänden. gr. 8. In Leinw. geb. I. Elementare Algebra und Analysis. Bearbeitet von H. Weber. 2. Auflage. Mit 38 Textfiguren. [XVIO u. 539 S.] 1906. n. # 9.60. Il. Elemente der Geometrie. Bearbeitet von H. Weber, J. Wellstein und W. Jacobs- thal. 2. Auflage. Mit 251 Textfiguren. [XII u. 596 S.] 1907. n. # 12.— Ill. Angewandte Elementar-Mathematik. Bearbeitet von H. Weber, J. Wellstein und R. H. Weber (Rostock). Mit 358 Textfiguren. [XIII u. 666 S.] 1907. n. # 14.— »... Die Encyklopädie will kein Schulbuch im gewöhnlichen Sinne des Wortes sein, ist aber zur Vorbereitung auf den Unterricht, namentlich in den oberen Klassen, den Lehrern. der Mathematik dringend zu empfehlen, welche die bezüglichen Originalarbeiten nicht alle selbst studiert haben, sich aber doch orientieren wollen, wie vom Standpunkte der modernen Wissen- schaft die Begriffsbildungen, Methoden und Entwicklungen der Elementar-Mathematik zu ge- stalten sind.“ (C. Färber im Archiv der Mathematik und Physik.) „. . . Der Kenntnisnahme von den wissenschaftlichen Ergebnissen über die Grundlagen der Geometrie und die damit zusammenhängenden nicht-euklidischen Geometrien wird sich der Mittel- schulmathematiker, der auf der Höhe seiner Aufgabe stehen will, nicht mehr entziehen können.... Ganz leicht ist es ja auch in diesem Buche nicht, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, da der Autor gleich in die dreidimensionale Geometrie einführt; aber, wenn jemand den von Wellstein bearbeiteten Abschnitt über natürliche Geometrie zu lesen beginnt, lasse er sich nicht abschrecken durch das Kugelgebüsch, das dem Eingange wehrt. Ich habe selten eine so reine Freude genossen wie bei der Lektüre der darauf folgenden glänzend geschriebenen Ausführungen...“ (Zeitschrift für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht.) Grundlehren der Mathematik. Für Studierende und Lehrer. In 2 Teilen. Mit vielen Textfiguren. gr. 8. In Leinw. geb. I. Teil: DieGrundlehren derG@eometrie. und Algebra. Bearb. von E. Netto Bearbeitet von W. Fr. Meyer und und @. Färber. 2 Bände. [In Vorber.] H. Thieme. 2 Bände. I. Band: Die Elemente der Geometrie. Bearbeitet von Dr. Hermann Thieme, Pro- fessor an der Kgl. Berger-Oberrealschule zu Posen. Mit 323 Textfiguren. [XII u. 394 S.] 1909. n. M. 9. — II. Band: [In Vorbereitung.) Die „Grundlehren der Mathematik“ sind als ein, dem heutigen Stande der Wissenschaft entsprechendes Gegenstück zu R. Baltzers „Elementen der Mathematik“ gedacht. Sie bilden kein Handbuch, in dem aller irgendwie wissenswerte Stoff aufgespeichert wurde, sondern sie sind in erster Linie dem Unterricht, und zwar auch dem Selbstunterricht gewidmet. 'Tieferen Fragen sucht es durch gelegentliche Ausblicke gerecht zu werden. Nicht minder soll auch den histo- rischen Interessen Rechnung getragen werden durch die Angabe der wichtigsten Momente in der zeitlichen Entwicklung der einzelnen Theorien. Speziell wird der zweite Teil in freier Darstellung den Grundlagen, Grundzügen und Grund- methoden der Geometrie gewidmet sein. Im ersten Bande (Verfasser H. Thieme) erhalten die „Elemente“, einschließlich der analytischen Geometrie der Ebene, gerade durch das sorgfältige Eingehen auf das Axiomatische, ihre charakteristische Färbung, ohne daß die praktischen For- derungen des Lehrstoffes vernachlässigt werden.. Der zweite Band (Verfasser W. Fr. Meyer) wird unter Heranziehung der Hilfsmittel der modernen Algebra (und auch Funktionentheorie) die Geometrie der „Transformationen“ behandeln, wobei mit Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden Raum eine beschränkte Auswahl von selbst geboten ist. _ 1.Teil: DieGrundlehren der Arithmetik PT a EEE EEE EEE EEE Fe Tr En EEE EEE BT SEE SER EEE STE FEEE TE Teen) BEER TEE MATHEMATISCHE NATURWISSENSCHAFTLICHE BERICHTE AUS UNGARN. MIT UNTERSTÜTZUNG DER UNGARISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER KÖNIGLICH UNGARISCHEN NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON ROLAND BARON EÖTVÖS, JULIUS KÖNIG, KARL von THAN. REDIGIERT VON JOSEF KÜRSCHÄK unn FRANZ SCHAFARZIK, MITGLIEDER DER UNGARISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. VIERUNDZWANZIGSTER BAND. 1906. MIT 2 TAFELN UND 10 FIGUREN IM TEXT. & LEIPZIG, DRUCK UND VERLAG VON B.G.TEUBNER. 1909. [IN WIEN BEI KARL GRAESER & K*] AI/RCA ALLE RECHTE, EINSCHLIESZLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. INHALT DES XXIV. BANDES. Abhandlungen. Seite 1. Aroıs Scaurter, Eine Wage für das Dampfkalorimeter 1 2. Kar. Zimänyı, Über den Zinnober von Er und die Licht- brechung des Zinnobers von Almaden . a; Ro) 3. Auoıs SchuLzer, Über mikroskopische Beobachtung von Sch inenugen bei der Bestimmung des elektrischen Widerstandes . RE. 4. Aroıs Schurver, Über die Schnittpunkte der Knotenlinien schwin- gender Scheiben . 5 24 5. Samuer Hönıs, Das Bosch, der Nnaiehun sera der Atome! 30 6. G&za Entz, sen., Die Farben der Tiere und die Mimicry RT 7. J. Lörenzury, Beiträge zur tertiüären Dekapodenfauna Sardiniens . 202 8. J. Lörenrury, Über die pannonischen und levantinischen Schichten von Budapest und deren Fauna . : 5 260 9. FrıeorıcH Rızsz, Die Genesis des Raumbesriifts: 2309 10. Arrrep Lorwy, Aus einem Briefe von Herrn ALrrep oe in Brei- burg i.B. an een G. Ravos in Budapest . 354 Sitzungsberichte. I. Der OI. (mathematisch-naturwissenschaftlichen) Klasse der ungarischen Akademie der Wissenschaften. „364 II. Der Fachsektionen der Königl. Ungar. Naturwissen- schaftlichen Gesellschaft 366 A) Fachsektion für Zoologie. 366 B) Fachsektion für Botanik . IE 373 C) Fachsektion für Chemie und Mineralogie Ä 382 D) Fachsektion für Physiologie . . 387 E) Populäre Abendvorlesungen 398 F) Populärer Kursus . 398 Bericht über die Tätigkeit, den Vermögensstand u. a. der ungarischen Akademie der Wissenschaften und der Königl. Ungar Naturwissenschaftlichen Gesellschaft. I. Ungarische Akademie der Wissenschaften 399 I. Kgl. Ungarische Naturwissenschaftliche Casellscharen 401 Repertorium der ungarischen mathematischen und naturwissenschaftlichen Zeit- schriften und Jahrbücher. 403 NAMENREGISTER.” A1GnEr, L., Melanotische Lepidopteren aus Ungarn 371*. Anpanäzy, Sz., Eine eigentümliche Form von Pinus Strobus 374*. Barrö, R., Studie über die Löslich- keit von Mischkristallen auf Grund der Verhaltens des Salzpaares: Man- gansulfat-Magnesiumsulfat 385*. Barna, B., Gibt es einen Unterschied zwischen der Mutterkornkrankheit (Claviceps purpurea Tul.) der wild- vorkommenden und der kultivierten Graminieen 377*. Bernänsky, J., Über die sekundäre Ge- schlechtsdifferenzierung von Aspara- gus 375*. — Neuere Untersuchungen über die Anatomie der Polygonateen 376*. — Über die natürliche Ver- wandtschaft der Ophiopogoneen und Convallarieen 381*. Bezoex, J., Der Sür-Wald bei Szent- György 375”. Bırö, L., Übersicht der Ameisensamm- lung des ungarischen National-Mu- seums 366*. Bucarszky, Sr., Über den Einfluß des Lösungsmittels auf Reaktions- geschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht 382*. 383*, Cuyzer, C., Wintersammeln in Zele- nika 372*. Csaropı, J., Antrag im Interesse der Erhaltung des Peganum Harmala am Gellerthegy in Budapest 381*. CsAvouszkys, M., Forschungen über die Entstehung der Pflanzennamen Sg: Csixı, E., Die zoologische Literatur Chinas 369*. — Über die systema- tische Stellung der Pulieiden 371*. Davay, E., Mikroskopische Tiere aus den Süßwässern Mongoliens 364* — Daten über dieÖopepodafaunaHinter- indiens 365”. — Daten über parasi- tische Trematoden in südamerika- nischen Fischen 366*. — Über die anatomischen und histologischen Ver- hältnisse der in südamerikanischen Fischen parasitisch lebenden Param- phistomideen-Arten 366*. Darmaoy, Z., Über die katalytische Wirkung des Blutes auf das Hy- drogenperoxyd 395°. — Über das Altern 398*. Extz jun., G., Die Süßwasser-Tintin- niden 367*. — Einige Exemplare von Ascaris mystax Zeder 370*. — Ein * Die mit * bezeichneten Seitenzahlen beziehen sich auf. eine Er- wähnung oder kurze Besprechung in den Sitzungsberichten. NAMENREGISTER. V riesenhaftes Exemplar von Branchi- pus ferox M. Edw. 373*. 'Enzz sen., G., Die Farben der Tiere und die Mimiery 71. — Andenken des Prof. A. Kostuıkur 368#. — Über die Einwanderung der Ratten 369*. Antrag behufs der Nachforschung der Werke von DsccArp und Liprar Su, Fanta,A., Teratologische Pflanzen376*. Fes@r, L., Das Gleichgewicht des Punktes im widerstehenden Mittel 364*. — Über Fourtersche Reihen 365*. 366”. Frses, L. und Mansrerv, G., Der chemische Ablauf der Chloralhydrat- und Alkoholvereiftung bei hungern- den und gut genährten Versuchs- tieren 396*. Fenyvessy, B. und KAsperö, G., Die Bedingungen der Schwefelsäuresyn- these 390*. Fenvvessy, B., Über den Einfluß ex- perimentell-pathologischer Zustände auf die biochemischen 396°. Fröutıchn, ]., Neue Gesetzmäßigkeiten der Polarisation des gebeugten Lich- tes 366*. Synthesen GoLDZIEHER, W., Daten zur patho- logischen Anotomie. der Trachoma 365°. — Beiträge zur Histologie und Physiologie der normalen und patho- logischen Augenbindehaut 393*. Gvörrry, J., Über das Vorkommen von Acaulon triquetrum in Ungarn 375*. — Neue Standortsangaben zur Flora der Hohen Tätra 377*. — Nach- träge zur Anatomie der Gentianeen 379°. — Bemerkungen zur systema- tischen Selbstständigkeit von Poly- trichum ohioense und P. decipiens 380%. — An Fasziation leidende Weidenzweige 381*. — Vergleichende Anatomie von Pterygoneuron cavi- folium 381*. Haräsz, A., Über die bei dem Dia- betes mellitus nachweisbaren Ver- änderungen mit Rücksicht auf die Ätiologie und den klinischen Ver- lauf des Leidens 387*. Hart, J., Über die Ermittelung der Verfälschung von Himbeersirupen 335*. Hikr, P., Über die Trypsinverdauung 364”. 388", Horusy, J., Beitrag zur Flora von Nemes-Podhrägy 377”. Hönıe, S., Das Gesetz der Anziehungs- kraft der Atome 30. Horväru, G., Tingitiden paläarktischer Faunagebiete 366%. — Über die neuere zoologische Literatur Japans 368%. — Exemplare einer kleinen Tingitide (Stephanitis Azaleae Horv.) 368*, JEnDrAssıK, E., Neuere Studien über den Gang, das Laufen und Springen 365”. — Weitere Untersuchungen über das Gehen, das Laufen, das Springen 390*. KıAsvesö, G. und Fenvvsssy, G., Die Bedingungen der Schwefelsäuresyn- these 390*., & Kärory, R., Biologie und Anatomie von Cuscuta suaveolens 379*. Kerrer, O., Über die Morphologie des Vorder- und Zwischenhirns der Te- leostier 370*. Keurzrer, J., Rückenmarksverände- rungen an Versuchstieren nach sub- kutanen Blutimpfungen 391*. Krei, J., Dahinscheiden des Bota- nikers F. Fexkere 375*. — Dahin- scheiden des Botanikers Karr, Frarr 378*, VI NAMENREGISTER Koner, F., Über den VI. Internatio- nalen Kongreß für angewandte Chemie zu Rom 1906 386*. — Einige Beobachtungen über elementar-ana- lytische Aschebestimmung 386”. Könıs, J., Über die Grundprobleme der Mengenlehre 365*. Koränyı, Fr., Untersuchungen über den Klopfton der menschlichen Wirbel- säule 366*. KövssLieer#ay, R, Bericht über den dritten seismologischenKongreß 364*. — Die Behandlung der makroseis- mischen Schwingungen 366*. — Seis- mische Wellenflächen und das Gesetz der seismischen Fernwirkung 366*. — Bestimmung seismischer Längen- unterschiede 366*. Kuxvusevic, J., Über das Vorkommen des Cysticercus in Ungarn und die Methoden der Untersuchung 371*, Lexever, B., Über die Radioaktivität der Jodmineralquelle von Osiz 384*, Leneyer, G., Besprechung der „Plan- tae Menyhartianae‘“ von H.Scumz374*, Loczxa, J., Über die chemische Ana- lyse eines Plumosits von Felsöbänya 383°. Lozwy, A., Aus einem Briefe von Herrn Arrrep Lorwy in Freiburg i.B. an Herm G. Ravos in Budapest 354. LörEntugy, E., Beiträge zur tertiären Dekapodenfauna Sardiniens 202. — Über die pannonischen und levan- tinischen Schichten von Budapest und deren Fauna 260. 365*. MAsöcesy-Dierz, S., Ableben des Bo- tanıkers V. v. Borzäs 373*, — Em monströser Fichtenzapfen 374*.— Ein interessanter Fall des Wurzeldruckes 378*. — Besprechung von Gy. ScHön- HERRS: Der Corvin-Kodex der Casa- nate-Bibliothek in Rom 378*., MansreLp, G. und Fryes, L., Der che- mische Ablauf derChloralhydrat-und Alkoholvergiftung bei hungernden und gut genährten Versuchstieren ST“: h Menkry, L., Beiträge zur Kenntnis der formativen Kräfte des tierischen Organismus 367*. — Über Verbrei- tung und Lebensweise der Hausratte (Mus rattus L.) in Ungarn 368*. — Sturm und Erdbeben anzeigende Tiere 370*. — Über den knöchernen Augenring der Eidechsen 371”. — Die primogenen Elemente des Visce- ralskelettes der Vertebraten 372*. Über die Stimme der Eidechsen 373*. 7 . B° . . Oxopı, A., Die häutigen Teile des mittleren Nasenganges 364”. Pinoy, K., Abnorme Fasernbündel an der Hirnbasis 397*. Pax, F., Flora fossilis ganocensis 373*. Psrerry, M., Bryologische Mittei- lungen 376*. — Daten zur Anatomie von Oligotrichun incurvum 379*, — Zur Ökologie der Torfmoose 381*. Preirer, J., Über technische Gasana- lysen 386*. Prinz, S., Die Nautiliden des unteren Jura 364*. — Die Entdeckung der Anklebungsmuskeln der Hytoceri- daeen-Familie 365*. Propän, Gy., Volkstümliche Pflanzen- namen aus der Gegend von Eger 378*. | Pux@ur, J., Der ungarische Tiernamen „Küllö“ 372%. Quinr, J., Nachtrag zur Bacillarien- flora des Römerbades 375*. Rınos, G., Die stationäre Ebene der räumlichen Kurven 366*. Ranscagurg, P., Die Physik der gei- stigen Funktionen 398*, NAMENREGISTER. Rarascs, R., Beobachtungen über Pflanzenwanderung 374*. — Über die ungarischen Halophytenvereine 377*. Ritz, Sr., Eustrongylus gigas in Ungarn 371*. Rörny, M., Über das verallgemeinerte Osrwaupsche Prinzip und den zwei- ten Hauptsatz derWärmetheorie 364". Revisz, B., Die Flora des Staates Sao Paulo 376*. Revisz, @., Über die Wirkung der farbigen Lichtreize 365%. — Ab- schwächungfarbiger Lichtreize durch weißes Licht 389*. — Das Verhalten der Farbentzündungsreizschwelle zu den achromatischen Prozessen 395*. Rex, A., Über die Lösbarkeit der haloiden Abkömmlinge der Kohlen- wasserstoffe 365*, Rıesz, F., Die Genesis des Raumbe- griffs 309. 365*. Ruorer, L., Über die Darmresorption 388". Scharrer, K., Über die sogenannte fibrilläre Struktur der Nervenzellen unter physiologischen und patho- logischen Umständen 387”. SchHirr, E., Das Blut der Neugeborenen 366°. ScHILBERSZKY, K., Teratologische Bei- träge 378*. — Buxusblätter mit darauf lebenden, epiphyten Flechten 382*. SCHLESINGER, L., Zur Theorie der linea- ren Differentialgleichungen 365*. — Asymptotische Darstellungen in der Theorie der linearen Differential- sleichungen, I. Mitteilung 366*; II. Mitteilung 366*. Schumipr, A., Formenkreis von Precis octavia Oram 373*. SCHULLER, A., Eine Wage für das Dampfkalorimeter 1. 365*. — Über mikroskopische Beobachtung von Schwingungen bei der Bestimmung VI des elektrischen Widerstandes 11. 365%. — Über die Schnittpunkte der Knotenlinien schwingender Scheiben 24365 Scuwan, A., Die Artberechtigung von Tachyoryctes annectensT'homas372*. Sısmonp, A., Über eine neue Aus- drucksweise der chemischen Zu- sammensetzung von Mineralien und Böden 383*. Sırnössy, J., Studien über.den Scharf- blick 365*. Soös, L., Über die morphologischen Verhältnisse der Mantelorgane der Pulmonaten 370*. Surik, S., Zur Theorie der ‚Differen- tialgleichungen 366*. Szarunärv, L., Über die Veränderung des Glühverlustes von Zement unter dem Einflusse der aus dem verbrann- ten Leuchtgase gebildeten schwef- ligen Säure 384*. Szıry, A., Über den Alkali und den Hydroxyliongehalt des Blutes des reifen Foetus 364*. — Über die Säurewiderstandsfähigkeit des tieri- schen Organismus 365*. Szürs, A., Beiträge zur Morphologie und Physiologieder Segmentalorgane des Regenwurmes 368”. Tanz, F., Über den Hydrogen-Ionen- gehalt des Magensaftes 365”. Terryesnıczky, K., Erklärung einer histologischen Täuschung, der soge- nannten Kopulation der Sertolischen Zellen mitden Samenkörperchen38s*. Terxän, L., Die Berechnung der Bahn- elemente von ß Lyrae aus spektro- skopischen und photometrischen Daten 366*. Tuaısz, L., Über den IV., V. und VI. Band der Sammlung ungarischer Gräser, die von der kgl. ung. Samen- kontrollstation herausgegeben wird VIII 375*. — Gedenkrede über V.v. Borsäs 37g*. Tan, K., A kiserleti chemia elemei (Die Elemente der Experimental- chemie) 3. Buch 365*. 385*. Tome, S., Eine interessante und sel- tene Naturerscheinung 380*. Torpay, A., Die klinische Bedeutung der Untersuchungen über Blutkata- lase 396*. Tuzsox, J., Anatomische Bestimmung der fossilen Hölzer des Balaton-Sees 376”. — Denkrede über M. Sraur 378°. — Neuere Beiträge zur Kennt- nis der Gattung Ullmannia 381*. — Vergleichende Anatomie der Nym- NAMENREGISTER. pheen 381”.— Über dieheutigenStand- punkte der Pllanzenanatomie 398”. Vasvary, A., Über Kunstseide 385. Winkter, L., Löslichkeit der Gase in Wasser 365. Wrrruann, F., Untersuchung des von der Budapester Zentrale gelieferten Wechselstroms 364*. ZemeLE£n, Gy., Die innere Reibung der Gase 364*. — Über das Prinzip des größten Energieumlaufes 366”. Zımänyı, K., Über den Zinnober von Alsö-Sajö und die Lichtbrechung des Zinnobers von Almaden 8. 1. EINE WAGE FÜR DAS DAMPFKALORIMETER. Von ALOIS SCHULLER. Vorgelegt in der Sitzung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am 22. Januar 1906. 1. Soll ein Körper gewogen werden, während seine Tempe- ratur wesentlich verschieden ist von der Temperatur der Wage, so pflegt man die Wagschalen nach unten zu verlängern und den zu wägenden Körper auf diese Weise außerhalb des Wagekastens anzubringen. Diese Einrichtung hat außer der Unbequemlichkeit, welche das Arbeiten in zweierlei Höhen verursacht, noch den Nachteil, daß die Erwärmung der Wage nur schwierig vermieden werden kann, falls der zu untersuchende Körper eine bedeutend höhere Temperatur besitzt als die Wage. Zur Vermeidung dieser Umstände ist die zu beschreibende Wage derart eingerichtet, daß der zu wägende Körper außerhalb des Wagekastens in gleicher Höhe mit der Wage angebracht werden kann. Der Kasten der Wage kann auf der Unterplatte, etwa einer Glas- oder Marmorplatte nach vorne und rückwärts verschoben und mit Schrauben befestigt werden. Infolge dieser Anordnung kann die Wage auch vollständig vom Kasten befreit werden, was für manche physikalische Untersuchungen vorteilhaft ist. Die Reiterverschiebung wird am besten auf der Säule der Wage be- festigt, und es ist dann in der Seitenwand des Kastens eine ent- sprechend lange Öffnung anzubringen, deren überflüssiger Teil verdeckt werden kann. Den wesentlichsten Teil der Wage bildet das Gehänge Fig. 1. Auf der linken Endschneide der Wage ruht eine ebene Achat- Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. il 2 ALOIS SCHULLER. platte A in üblicher Weise, oberhalb dieser Platte ist aber, mit ihr fest verbunden, eine kürzere Querschneide 5 angebracht, deren mittlerer Teil eingesenkt ist, so daß die obere Kante aus zwei getrennten Teilen besteht. Auf dieser Querschneide ruht die Pfanne CO, welche mit dem horizontalen Stabe Al aus Aluminium verschraubt ist. Am Ende des längern Armes befindet sich der 5 10 cm =) Haken, auf den der zu wägende Körper, im Falle des Dampf- kalorimeters das aus Metallgewebe geformte Körbchen D gehängt wird, während am kürzeren Ende des Aluminiumstabes ein ge- eignetes Gegenwicht E angebracht wird. Mit demselben Alumi- niumstabe ist auch die Schale fest verbunden, deren Tragsäulen F,F durch die die Achatplatte tragende Metallplatte hindurch- geführt sind, ohne diese zu berühren. Die Verschiebung in Rich- tung der Querschneide ist dadurch beschränkt, daß die Befestigungs- schraube der Querpfanne in die Lücke der Querschneide hinein- EINE WAGE FÜR DAS DAMPFRALORIMETER. > ragt. Damit der Schwerpunkt des Systems genügend tief liege, wird die Schale, die in der Figur nicht gezeichnet ist, mit etwa 100 & bleibend belastet. Für gewöhnliche Wägungen befindet sich die Wage im hin- teren Teile des Kastens, wobei der Aluminiumarm nicht heraus- ragt, und der zu wägende Körper wird anstatt der 100 & auf die Schale gelest; soll aber der Körper außerhalb des Kastens hängen, so schiebt man den Kasten zurück, so daß die Wage nahe zur Vorderwand zu stehen kommt, wobei der Aluminiumarm mit dem Haken durch eine für gewöhnlich verdeckte Öffnung @ der Vorder- wand des Kastens tritt. Die @ewichte werden von der Seite auf die Schalen gelegt, der Kasten ist daher mit Seitentüren versehen. 2. Im Falle des Dampfkalorimeters wird der aufgehängte Körper D, nachdem die Wage ausgeglichen ist, in einen Dampf- raum gebracht. Dazu dient die Dampfkammer H, die samt dem Dampfentwicklungsapparat und dem Blaserohr (5. 5) auf einem Wagen montiert ist, dessen Räder auf Schienen ungefähr parallel zum Wagebalken laufen. Die Endstellungen des Wagens sind durch Anschläge fixiert. Die Dampfkammer # besteht aus einem innern fixen und einem äußern anschließenden, aber mit Reibung drehbaren Zylinder. Beide sind mit Tuch umhüllt und haben an der Seite und in der Deckplatte Ausschnitte (der Sichtbarkeit wegen nicht in der richtigen Lage gezeichnet), durch welche der Körper D und der Aufhängungsdraht in den Dampfraum eindringt, wenn der Wagen vorwärts geschoben wird. Ist dies erreicht, so wird die äußere Hülle mittels eines Griffes umgedreht, wobei die Öffnung bis auf das obere Loch für den Draht geschlossen wird. Der Griff stößt beiderseits auf Anschläge, durch welche die richtige Lage des äußern Zylinders bestimmt wird. Der Dampf tritt von unten bei Z in die Dampfkammer, das kondensierte Wasser fließt durch die nach abwärts gerichtete Röhre in ein Sammelgefäß. Der Dampfentwicklungsapparat wird zweckmäßig derart ein- gerichtet, daß ein gleichmäßiger Dampfstrom beliebig lange zu Gebote steht und jederzeit in Gang gebracht werden kann, ohne die richtige Einstellung der Heizflamme suchen zu müssen. Zu 1 4 ALOIS SCHULLER. diesem Zwecke ist einerseits dafür gesorgt, daß das Wasser des Dampfkessels durch gleichmäßigen Nachfluß beständig ersetzt wird, wozu die mit destilliertem Wasser beschiekte MARIOTTEsche Flasche M dient, andererseits ist in die Gasleitung ein Regulator eingeschaltet, der den Gasdruck unverändert erhält.* Die Marıortesche Flasche M Fig. 2 soll in dem Gefäß N Fig. 2. möglichst geringe Niveauschwankungen verursachen, deshalb ist das Ausflußrohr O der Flasche derart geformt, daß jedesmal nur wenig Luft eingesogen wird, auch wenn das Luftvolumen über dem Wasser schon groß geworden ist. Aus diesem Grunde ist das Niveaugefäß N möglichst eng gemacht, ferner ist das Ausflubß- * A. SchuLter, Verhandl. d. Vereins für Gesundheitstechnik zu Wien S. 141, Berlin 1882, A. Seypeı. EINE WAGE FÜR DAS DAMPFKALORIMETER. 5 rohr 0 oben zu einer Kapillaren verengt, durch die die Luft nur in kleinen Blasen dringen kann, während das entsprechende Wasser durch eine seitliche Öffnung am untern Teile des Rohres abfließt. Diese Einrichtung vermeidet zwar größere Druckschwan- kungen, genügt aber beim Dampfkalorimeter noch nicht, denn das Speisewasser würde das siedende Wasser zeitweise so stark abkühlen, daß der Dampfstrom bei mäßiger Entwicklung, die hier wünschenswert ist, nicht genug gleichmäßig wäre Es ist deshalb dafür gesorgt, daß das Wasser aus dem Gefäß N durch ein Kapillarrohr (18 em lang, 0,35 mm Öffnung) in den Dampf- kessel gelangt, daß also außen beständig ein hinreichender Über- druck herrscht, im Verhältnis zu dem die unvermeidlichen Niveau- schwankungen, welche das Spiel der MArıoTTeschen Flasche mit sich bringt, gering sind, der Nachfluß des Speisewassers also nahezu gleichmäßig erfolgt. Dampfkessel und Leitungsrohr sind durch Umhüllen mit Asbestpapier vor Wärmeverlust möglichst geschützt. Um konstante Einstellungen der Wage zu erzielen, muß be- kanntlich dafür gesorgt sein, daß sich am Aufhängedraht keine Wassertröpfehen bilden. BUunsEen hat die Tröpfchen durch Be- rühren mit einem Pinsel oder mit künstlichem Bimsstein entfernt. Wırtz“® hat deren Bildung durch Erwärmen vermieden. Ich ver- wende dazu ein Blaserohr, welches den Draht an der Austritts- stelle des Dampfes durch einen erhitzten Luftstrom genügend warm erhält und zugleich den Dampf aus der Umgebung des Drahtes entfernt. Ein fingerdickes Eisenrohr, welches bis auf eine mit einer Bunsenschen Lampe erhitzten Stelle mit Asbest- papier umhüllt ist, steht einerseits mittels eines biegsamen Kautschukrohres in Verbindung mit einem Gebläse, etwa einem doppelten Blasebalg, den der Beobachter von Zeit zu Zeit mit dem Fuße betätigt, sobald eine mit dem Blasebalg in Verbindung stehende elektrische Klingel erschallt. In das andere Ende des Rohres ist eine Düse geschraubt, in die vertikal übereinander zwei Löcher von 1 mm Durchmesser schief gebohrt sind, so dab der austretende Luftstrom aus zwei sich kreuzenden Teilen be- * Wırrz, Wied. Ann. 40, 440, 1890. 6 ALOIS SCHULLER. steht. Der resultierende flache Luftstrom trifft den Draht etwas oberhalb der Austrittsstelle des Dampfes, wobei keine Luft in die Dampfkammer geblasen werden darf. Die Wage wird hinreichend vor einseitiger Erwärmung ge- schützt, wenn man die linke Seite und etwa Y, der Vorderwand mit einigen Lagen von Pappe umgibt. Während des Vorwärmens befinden sich die warmen Teile natürlich so weit von der Wage, als die Länge der Laufschienen (80 cm) gestattet. 3. Die beschriebene Anordnung hat unter anderen den Vor- teil, daß der Körper infolge des kurzen Drahtes, auf dem er hängt, nur geringe Schwingungen vollführt, wodurch es möglich wird, die freie Öffnung der Dampfkammer, durch welche der Auf- hängedraht gehen muß, klein zu machen, so daß 6 mm Durch- messer auch für Ungeübte genügt, ohne daß ein Anschlagen und Anhaften infolge der Kapillarität zu befürchten wäre. Dieser Umstand hat nun den weiteren im Gefolge, daß eine mäßige Dampfströmung ausreicht, ohne daß durch die Ausflußöffnung Luft in den Dampfraum gelangen kann. Der entweichende Dampf erwärmt also den Beobachtungsraum nicht wesentlich, es ist also unnötig für die Fortführung des Dampfes zu sorgen, man ist daher nicht an die Nähe eines Schornsteins gebunden. Dies er- hellt aus dem Umstande, daß der stündliche Wasserverbrauch im Dampfentwicklungsapparat nur ungefähr 130 g beträgt. Wie schon SCHÜKAREW* angibt, erreicht die Temperatur der Dampfkammer nicht die dem Barometerstand entsprechende Siede- temperatur, wohl hauptsächlich wegen des Luftgehaltes, der sich bei der hier benutzten, unvollständig geschlossenen Dampfkammer nicht völlig vermeiden läßt, zum Teil auch vom nachfließenden Wasser herrühren kann. Man bestimmt daher am besten die Temperatur nachträglich mit einem eingesenkten Thermometer. Findet man z.B. 0,3° weniger als dem Barometerstand entsprechen würde, so entspricht das ungefähr einem Partialdruck der bei- semengten Luft von S mm Quecksilbersäule, was in Anbetracht des verhältnismäßig großen Dampfraumes im Kessel und in der Dampfkammer, aus dem die Luft erst nach langer: Dampfentwick- ® ScHÜcKAREw, Wied. Ann. 59, 230, 1896. EINE WAGE FÜR DAS DAMPFKALORIMETER. 7 lung verschwinden würde, nicht ausgeschlossen zu sein scheint. Ebenso genau muß natürlich auch die Anfangstemperatur, hier die Zimmertemperatur bestimmt werden, was bekanntlich ver- hältnismäßig längere Zeit beansprucht, während die Wägung im Dampfraum in kurzer Zeit beendet ist, da ja die Dampfkammer vorher schon gründlich durchwärmt war. Mit diesem Apparat läßt sich die Bestimmung der spezi- fischen Wärme nach der von BUNSEN* angegebenen Methode be- quem und genau ausführen, namentlich zeigt sich das Gewicht des Körpers in der Dampfatmosphäre ın solchem Maße konstant, dab die niedergeschlagene Wassermenge bis auf Bruchteile des Milli- gramm genau bestimmbar ist. Zur Erreichung dieser Konstanz ist es aber wesentlich, daß die Dampfkammer 4 aus undurch- sichtigem Material (Metall mit Tuchhülle) bestehe, weil sonst in- folge der Ausstrahlung eine beständige Kondensation des Wasser- dampfes erfolgt. * Bunsen, Über das Dampfkalorimeter, Wied. Ann. 31, 1, 1887. 2. ÜBER DEN ZINNOBER VON ALSO-SAJO UND DIE LICHTBRECHUNG DES ZINNOBERS VON ALMADEN*® Von KARL ZIMANYI. Vorgelegt in der Sitzung der III. Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am 10. April 1905. In Ungarn kommt bekanntlich der am schönsten kristall- sierte Zinnober in Alsösaj6 (Komitat Gömör) vor, derselbe war jedoch noch nicht Gegenstand einer ausführlichen kristallographi- schen Untersuchung. In den ältern Werken von FICHTEL, ESMARK und BEUDANT finden wir kurze Aufzeichnungen über das Vor- kommen, so auch später bei v. COTTA; geologisch durchforschten diese Gegend ANDRIAN, STUR und neuestens SCHAFARZIK. Einige kristallographische Daten finden wir bei v. ZEPHANOVICH im ersten Band seines Mineral. Lexikons. Die Zinnober führenden Lagergänge befinden sich in dem grünlich-grauen, talkigen Porphyroidschiefer; hauptsächlich be- stehen sie aus Quarz und Braunspat, weniger aus Kalkspat, Siderit und Schwerspat; im Gemenge dieser Minerale findet sich der Zinnober und als Begleiter in größern Massen Fahlerz; die übrigen Minerale sind noch Quecksiber, Amalgam und Schwefelkies. In den Hohlräumen der Gänge bildeten sich die schönen, vollkommen ausgebildeten und oft gänzlich durchsichtigen Zinnoberkriställ- chen; ihr Habitus ist vorwiegend rhombo&drisch, seltener dick- tafelförmig. * Die vollständige Übersetzung des ungarischen Originals erschien in Grorus Zeitschr. f. Kristallogr. u. Mineral. 1905, Bd. 41, p. 439. KARL ZIMÄNYI, ÜBER DEN ZINNOBER VON ALS6-SAJO USW. 9 Ich wählte die mehrzählige Rhomboederreihe für positiv, in dieser beobachtete ich 26, in der negativen hingegen nur 6 Rhomboöder. An 16 gemessenen Kristallen wurden 37 Formen bestimmt, von welchen die mit einem * bezeichneten neu sind. Die Formen sind auf die Achseneinheit ScHABUSs’ bezogen, und die Buchstabenbezeichnung ist dieselbe wie in DanaAs System und Hıntzes Handbuch: cm, d, f, 9, i, w, B, KrE il, "V, X 9 IL o, 0, q, A, m, 9 1, g,, W, d, N, n, 9, 1 Y E. Zur Bestimmung der neuen Formen dienten folgende Mes- sungen: : Beobachtet: Berechnet: ce: j = (0001) : (5058) 390 452 390461, 39034 287 :A— : (8089) —49 34 —49 45 49 36 43 X : (9098) —56 1 5605 33 :V = : (8085) 64 35 —64 41 64 42 14 :Y = :(11-0-11-4)— 74 36 — 74 42 71.37 30 :I = 012) — 48 50 48 52 25 I:n = : (2201) — 32 28 3233 50 : 1 : (1011) — 23 29 93 30 14 ıy— : (1101) — 23 30 23 30.14 Es dominiert immer die Basis; mit großen Flächen sind ent- wickelt n und h, mit kleinern m, 4 und %; alle übrigen sind untergeordnet. Nach der Verteilung der Flächen von I, y und & konnte ich auf die trigonal-trapezoödrische Ausbildung keinen sichern Schluß ziehen. Zwillinge sind häufig, und wie die optische Untersuchung zeigte, sind dieselben aus rechten und linken Kristallen gebildet; nur die ganz kleinen Kristalle erwiesen sich als einfache, und. zwar waren sie vorwiegend linksdrehende. Auf der Basis eines Kristalls erhielt ich gut ausgebildete Ätz- figuren mittels Jodwasserstoffsäure (HJ). Ein Gewichtsteil der käuflichen Säure wurde mit drei Teilen destilliertem Wasser ver- dünnt und der Kristall bei gewöhnlicher Zimmertemperatur 15 Mi- nuten der Einwirkung ausgesetzt. Die meisten der Ätzfiguren waren so klein, daß man dieselben nur bei starker (320facher) Vergrößerung genügend scharf ausnehmen konnte. Die Umrisse 10 KARL ZIMANYI, ÜBER DEN ZINNOBER VON ALSÖ-SAJO USW. der kleinern Ätzgrübehen waren gleichseitige Dreiecke, die der größern symmetrische Sechsecke; sie wurden begrenzt durch drei Flächen sehr stumpfer negativer Rhomboeder. Die Lichtbreehungsquotienten bestimmte ich an einem Prisma, welcher aus einem almadener Zinnoberkristall geschliffen war; die Kante war parallel zur optischen Achse und der Brechungs- winkel 14° 38° 30”. Wegen der sehr großen Absorption der stärker gebrochenen Strahlen konnte die Lichtbrechung nur für rotes Licht bestimmt werden. Für Li-Licht und die rote Linie des Wasserstoffs erhielt ich folgende Werte: un Ho = E u DR ı — = | 37° 27.40 | 27% 387 857 6,= ,32 37 35 | 32 52 20 a | ale | 2,8306 et | 3,1615 e—-o— | 0,3272 0,3309 Die partielle Dispersion der zwei Strahlen ist groß: OLi—- Ha 0,0117 €Eli— Ho > 0,0154. 6) e). ÜBER MIKROSKOPISCHE BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN BEI DER BESTIMMUNG DES ELEKTRISCHEN WIDERSTANDES. Von ALOIS SCHULLER. eigen in der Sitzung der Ill. Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am 18. Dezember 1905. I. Beschreibung der Methode. Bei der Bestimmung des Widerstandes von Elektrolyten mittels Wechselstrom hat man in neuerer Zeit anstatt des Hör- telephons das optische Telephon* und das Vibrationsgalvano- meter“”* ın Anwendung gebracht, wodurch nicht nur die Emp- findlichkeit bedeutend gesteigert, sondern auch der störende Einfluß fremder Geräusche vermieden wurde. Demselben Zweck dient der folgende Apparat, bei dem die Schwingung eines leichten, möglichst wenig gedämpften Systems mit dem Mikroskop be- obachtet wird. | Auf dem abnehmbaren Mikroskoptisch befindet sich ein an einem Einde befestigte feine Stahllamelle (Dimensionen siehe S.17) und zu beiden Seiten des freien Endes derselben je ein kleiner Elektromagnet. Die Tischplatte ist sowohl in der Längsrichtung der Lamelle wie auch darauf senkrecht verstellbar und die Elek- tromagneten können überdies der Lamelle mittels Mikrometer- schrauben beliebig genähert werden. An das freie Ende der = M. Wien, Wied. Ann. 42, p. 599, 1891 und 44, p. 680, 1891. “* H. Rusens, Wied. Ann. 56, p. 27, 1895. 12 ALOIS SCHULLER. Stahllamelle ist ein möglichst dünner Metalldraht gelötet oder ein anderer „Zeiger“ befestigt, auf dessen Ende das Mikroskop eingestellt wird. Die Elektromagneten ersetzen die Telephonspule, werden also in die Brücke einer WnrATsToxEschen Kombination geschaltet, und zwar so, daß entgegengesetzte Pole einander gegenüberstehen. Mittels eines Umschalters kann man eventuell anstatt der Elektro- magneten ein Telephon einschalten und kann dann die ungefähre Einstellung, bei der fremde Geräusche nicht stören, mit diesem bewerkstelligen. Den Wechselstrom liefert ein kleiner Induktor, wie bei der Methode von KOHLRAUSCH, die Unterbrechungen des Primärstromes besorgt aber ein Saitenunterbrecher. Es ist nämlich hier wesent- lich, daß die Schwingungsdauer des Unterbrechers derjenigen der schwingenden Lamelle möglichst gleich gemacht werde. Man er- kennt dies in üblicher Weise an der Resonanz, welche eintritt, wenn man einen kleinen Teil des induzierten Stromes, etwa den in der nicht ganz ausgeglichenen Meßbrücke auftretenden Strom durch die Elektromaeneten leitet. Während man den Zeiger im Mikroskop beobachtet, verändert man die Spannung des Saiten- unterbrechers; sobald man sich der Konsonanz nähert, werden die vorher scharfen Ränder des Zeigers verwaschen oder richtiger verdoppelt. Hat man dann durch fortgesetztes Stimmen des Unter- brechers beträchtliche Schwingungen erreicht, so gleicht man die Brückenkombination soweit aus, daß nur mehr kleine Elonga- tionen übrig bleiben, und fährt dann mit dem Einstimmen fort, bis man die höchste Empfindlichkeit erreicht. Die Stahllamelle soll etwas, aber nur wenig magnetisch sein. Starker Magnetismus ist wegen der magnetischen Dämpfung hin- derlich. Den richtigen Grad findet man dureh Annähern und wenn nötig Umlegen eines Magnetstabes in der Längsrichtung der Lamelle Mit dem Annähern des Magneten ändert sich meist die Schwingungsdauer der Lamelle ein wenig; dann kann die Empfindlichkeit durch Nachstimmen des Unterbrechers noch ein wenig gesteigert werden. Behält die Lamelle den erforderlichen geringen Magnetismus auch nach dem Entfernen des Stabes bei, so ist dieser natürlich überflüssig. ÜBER MIKROSK. BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN USW. 19 Soll eine möglichst hohe Empfindlichkeit erreicht werden, welche diejenige des Hörtelephons wesentlich übertrifft, so muß man die Länge des Zeigers so bemessen, dab sein Eigenton mit dem Ton der Lamelle samt Zeiger wenigstens nahezu überein- stimmt.* Bei gegebener Länge der Lamelle erreicht man dies annähernd durch schrittweises Verkürzen des Zeigers mit der Scheere; soll eine bessere Übereinstimmung erreicht werden, so verändert man nachher auch noch vorsichtig die Länge der La- melle, welche zu diesem Zwecke in einer federnden Klemme mit sanfter Reibung verschoben und nachher festgeklemmt werden kann. Bei diesem vorläufigen Stimmen ist es bequem, die Schwingungen des Seitenunterbrechers auf die Lamelle mecha- nisch zu übertragen, wobei es genügt, die Klemme mit der La- melle und dem Zeiger auf das Gestell des Unterbrechers zu legen und die Schwingungen mit freiem Auge oder mit einer Lupe zu beobachten. Der Unterbrecher soll dabei beständig in Tätigkeit sein und wird nach Bedarf nachgestimmt. Der Zweck ist erreicht, wenn das Ende des Zeigers stark schwingt, während die Lamelle verhältnismäßig kleine Schwingungen vollführt und kein Knoten- punkt bemerkbar ist. Eine vollkommenere Übereinstimmung der Schwingungs- perioden des Zeigers einerseits und der Lamelle samt Zeiger anderseits läßt sich bei mikroskopischer Beobachtung erreichen, wie am Ende dieser Mitteilung angegeben ist, hat aber nur aku- stisches Interesse, da die Empfindlichkeit der Lamelle dadurch nicht wesentlich gesteigert zu werden scheint. Die Schwingungen des Zeigers sollen senkrecht zur Visier- linie verlaufen, weshalb die Seitenfläche der Lamelle parallel zur Achse des Mikroskops zu stellen ist. Dabei kann es aber vor- kommen, daß die Schwingungen des Zeigers dennoch in einer andern Richtung vor sich gehen. Man hilft sich dann durch Tordieren des Zeigers. Die Empfindlichkeit hängt außer der soeben besprochenen Spannung noch besonders davon ab, wie kleine Schwingungen * H. Sıeverine und A. Brmum haben die Schwingungen einer Stimm- gabel in ähnlicher Weise vergrößert, Ann. d. Phys. 15, p. 797, 1904. 14 ALOIS SCHULLER. im Mikroskop noch erkannt werden können. Eine große Emp- findlichkeit erfordert daher eine bedeutende Vergrößerung, z. B. bis 600fache, diese wieder bedingt die Einstellung auf eine möglichst scharfe Linie, den Rand des Zeigers oder einen Inter- ferenzstreifen, wobei auch die Beleuchtung genügend kräftig sein muß. Letztere wechselt mit der zu erreichenden Empfind- lichkeit. Bei geringerer Empfindlichkeit, die aber die mit dem Hör- telephon erreichbare übertrifft, genügt die übliche Beleuchtung des Zeigers mit dem Mikroskopspiegel oder mit einem von der Seite grell beleuchteten weißen Papierstreifen, den man unmittel- bar unter den Zeiger legt. Das Bild des Zeigers ist dann dunkel auf hellem Grunde und erscheint während der Schwingung dünner und von einem Halbschatten umsäumt. Diese Erscheinung ist nun bei den hier in Betracht kom- menden sehr geringen Schwingungen nicht besonders auffallend, hingegen werden sehr geringe Schwingungen bemerkbar, wenn man einen möglichst schmalen hellen Spalt auf dunklem Grunde beobachtet. Man erreicht dies dadurch, daß man das Ende des Zeigerdrahtes erst durch Ausglühen weich macht und dann scharf zurückbiest, bis sich einzelne Stellen berühren. Alle diese Erscheinungen vertragen höchstens eine 200 bis 300fache Vergrößerung. Man erhält bedeutend feinere Linien, die bei der Beleuchtung mittels Gasglühlicht auch 600fache Ver- größerung zulassen, wenn man die Interferenstreifen am Rande des Zeigers möglichst scharf entwickelt. Zu diesem Zwecke be- leuchtet man mit einem zur Längsrichtung des Zeigers parallelen Spalt, den man nötigenfalls etwas außerhalb der Mikroskopachse anbringt, damit das Licht den Zeiger seitlich treffe. Der Spalt, auf den man mittels einer Linse das Bild des Glühstrumpfes entwirft, kann 1—2 cm vom Zeiger entfernt sein. Man beobachtet die dunklen Interferenzstreifen, die während der Schwingung ver- waschen werden. — Eine in bezug auf Helligkeit noch auffallen- dere Erscheinung habe ich beobachtet, als der Zeiger aus einem menschlichen Haar hergestellt und von unten mit einem zen- trischen Spalt beleuchtet war. Es zeigten sich bei richtiger Ein- stellung um den mittlern. hellen Streifen auf dunklem Grunde ÜBER MIKROSK. BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN USW. 15 kurze helle, merkwürdig scharfe Streifen, deren Verwaschung während der Schwingung auffallender ist als bei den vorerwähn- ten Interferenzstreifen. Die räumliche Anordnung der einzelnen Apparate. Die Lamelle, deren Schwingungen mit dem Mikroskop bei 200—600facher Vergrößerung beobachtet werden, ist natürlich gegen Erschütterungen recht empfindlich, besonders gegen die Schwingungen des Unterbrechers, auf die sie abgestimmt ist. Die mechanischen Schwingungen werden leicht dadurch abge- halten, daß man das Mikroskop mit der Lamelle auf einen be- sonderen dreibeinigen Stuhl stellt, der unmittelbar vor den Arbeitstisch gestellt ist, ohne ihn zu berühren. Der Stuhl selbst ist vor Erschütterungen durch untergeleste Korkstücke oder der- gleichen geschützt, auf den Stuhl lest man zweckmäßig mehr- fache Lagen von weichen Körpern, Tüchern, Kautschukröhren und dergleichen, abwechselnd mit Brettern, oben wieder ein Tuch, auf welches das Mikroskop gestellt wird. Die Stromleitung zum Mikroskop soll aus dünnen biegsamen Schnüren gebildet sein. Bei derartiger geeigneter Aufstellung des Mikroskops sind die mechanischen Schwingungen des benutzten Torsionsunterbrechers (s. S.17) ohne merklichen Einfluß auf. die Lamelle, und auch einzelne fremde Erschütterungen stören nicht viel, da sie im Mikroskop nur vorübergehend auf kurze Zeit bemerkbar werden. Ebenso vollständig wie die mechanischen Schwingungen des Unterbrechers lassen sich auch die magnetischen abhalten, ob- wohl alle Apparate so nahe zum Mikroskop aufgestellt werden, daß sie vom Beobachter während der Beobachtung gehandhabt werden können. Zu diesem Zwecke hat man nur darauf zu achten, daß die Achsen der Elektromaeneten (am Unterbrecher und im Induktor) in die Ebene der Lamelle fallen und die Pole derselben von der Lamelle nahezu gleichweit entfernt sind. Vorzüge der Methode. Ein Vorzug dieser Methode der Widerstandsbestimmung be- steht in dem Umstande, daß Geräusche, welche in Gegenwart 16 ALOIS SCHULLER. von Praktikanten nicht zu vermeiden sind, die Genauigkeit der Bestimmung nicht beeinträchtigen. Ein fernerer Vorteil besteht darin, daß der störende Einfluß der Kapazität der Leitungen viel geringer ist als bei dem Hörtelephon, sodaß er gewöhnlich erst dann bemerkbar wird, wenn man viel genauer arbeitet als mit dem Telephon möglich ist. Diesen Vorteilen steht allerdings der Nachteil gegenüber, daß die Herstellung und das Einstimmen der Lamelle einige Mühe verursacht, die bei der Verwendung des Hörtelephons ent- fällt; hat man aber einmal die Lamelle mit dem Zeiger her- gestellt und am Mikroskop befestigt, dann die Elektromagneten dem freien Ende der Lamelle gehörig genähert, so ist der Apparat zum Gebrauch jederzeit bereit, und es ist weiter keine Schwierigkeit zu überwinden, denn es ist leicht, den Unter- brecher genau zu stimmen, selbst wenn er vorher ganz falsch gestimmt war. Die Genauigkeit der Bestimmung, welche diese Methode zu- läßt, ist überraschend; sie übertrifft diejenige aller bekannten Methoden, bei denen Wechselströme verwendet werden, und erreicht, wenigstens nahezu, die Genauigkeit, der die Gleichstrommethode bei Verwendung der empfindlichsten Galvanometer fähig ist. Eine KOoHLRAUSCHsche Brückenwalze, bei der der Draht bei einer Länge von 3l4cm 16,03 Ohm Widerstand zeigt, erwies sich zur Aus- nutzung der Empfindlichkeit als ungenügend. Es wurden daher zu beiden Seiten gleiche Widerstände angeschaltet, mit denen der Widerstand den hundertfachen Betrag erreichte, sodaß der Fall eintrat, wie wenn der Brückendraht 100000 Teilstriche lang wäre. Die übrigen Zweige der WHEATSTONEschen Kombinationen hatten je 200 Ohm Widerstand. Wenn dann die Kontakte an der KoHL- RAUSCHschen Walze zuverlässig waren, so wichen die einzelnen Einstellungen bei verschiedenen Lamellen, die mit dem Zeiger nur oberflächlich zusammengestimmt waren, höchstens um einen halben Teilstrich voneinander ab. Abgesehen von dem genaueren Mittelwert ergibt dieser größte Fehler in der Einstellung das Verhältnis der Widerstände zu 50000 40,5 50000 — 0,5 — 1,00002 ÜBER MIKROSK. BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN USW. 17 statt der Einheit; die Abweichung ist also erst in den hundert- tausendstel Teilen bemerkbar. Diese Genauigkeit lieferte eine durch Ätzen dünner gemachte Stahlwelle, die auf 1cm Länge 0,00246 gr Masse besaß; die Lamelle war 20 — 25 mm lang und mit einem ungefähr halb so langen Haarzeiger versehen. Fast dieselbe Empfindlichkeit wurde auch mit einer wiel diekern, schneller schwingenden Stahllamelle (39 mm) erreicht, an die ein 25 mm langer, dünner Bronzedraht als Zeiger an- gelötet war. Die Vergrößerung war eine 600fache. Bei dieser großen Empfindlichkeit macht sich auch der Einfluß der Kapa- zität bemerkbar und die Schwingungen konnten nur bei ge- höriger Ausgleichung der Kapazität zum Verschwinden gebracht werden. Es verdient bemerkt zu werden, daß eine Abweichung von den Angaben des Hörtelephons, wie sie sich beim Tele- phon und beim Elektrodynamometer zeigte, in keinem Falle be- merkt werden konnte, falls die Polarisation durch platinierte Elektroden gehörig vermieden war. Freilich konnte dies nur innerhalb der Genauigkeitsgrenzen des Telephons konstatiert werden. | Infolge der großen Empfindlichkeit empfiehlt sich diese Zu- sammenstellung auch für die Bestimmung metallischer Wider- stände, wobei man den Vorteil hat, daß die Thermoströme un- schädlich werden. Wenn andererseits die mit dem Hörtelephon erreichbare Genauigkeit genügt, so bietet die mikroskopische Beobachtung den Vorteil, mit wesentlich schwächeren Strömen arbeiten zu können, wodurch die Erwärmung und die damit ver- knüpfte Widerstandsänderung entsprechend verringert wird. II. Der Torsions-Saitenunterbrecher. Zur Verminderung der Übertragung mechanischer Schwing- ungen habe ich anstatt des gewöhnlichen Saitenunterbrechers einen zweisaitigen konstruiert, bei dem Torsionsschwingungen auftreten. Wie in der Figur ersichtlich, können die Saiten an einem Ende mittels Schrauben ohne Ende gesondert ge- spannt werden, während sie am andern Ende an einer gemein- Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 2 [0 0] 1 ALOIS SCHULLER. schaftlichen Spannvorrichtung befestigt sind. Letztere besteht aus einem einarmigen Hebel, dessen oberes Ende mittels einer Mikrometerschraube und daran befestigter hundertteiligen Trom- mel genau eingestellt werden kann. Einem Skalenteil ent- spricht eine Verlängerung der Saiten um 1,5 u, wobei die Schwingungszahl im ungünstigsten Falle, nämlich bei starker Spannung der Saiten, um den zwölften Teil einer Schwingung verändert wird, während bei geringerer Spannung die Änderung nur ein vierzigstel einer Schwingung beträgt. Die Schwingungs- Torsionssaitenunterbrecher. zahl kann also sehr genau eingestellt werden, was bei dieser Methode notwendig und mit dem Unterbrecher ohne Schwierig- keit erreichbar ist. Die Saiten sind in der Mitte durch eine Ebonitplatte über- brückt, welche den bei der Schwingung in Quecksilber tauchenden zugespitzten Platindraht trägt. In der Figur ist das Quecksilber- gefäß abgenommen. Zur Vermeidung der schädlichen Wirkung der Funken wird das Quecksilber mit einer Y/, bis °/,prozentigen Salpetersäurelösung überdeckt und der Platindraht mit dem nega- tiven Pol des Elementes (Akkumulator) verbunden, damit der Draht amalgamiert und dadurch der Kontakt gesichert werde. Das sich bildende Quecksilbersalz wird durch Elektrolyse ent- ÜBER MIRROSK. BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN USW. 19 fernt*, zu welchem Zwecke noch ein zweiter Platindraht in die wässerige Lösung taucht, der das Quecksilber nicht berührt und mit dem positiven Pol des Elementes in Verbindung steht. Der negative Strom fließt ferner vom Quecksilber zum Elek- tromagneten des Unterbrechers, der in der Figur ebenfalls aufge- nommen erscheint, und der auf einen senkrecht auf den Saiten gelagerten Anker wirkt. Endlich durchfließt der Strom noch die Primärspule des Induktors (3 Ohm) und einen gewöhnlichen Unter- brecher. Sollen mit dem Saitenunterbrecher möglichst verschiedene Schwingungszahlen erreicht werden, ohne die Spannung der Saiten zu sehr in Anspruch nehmen und ohne die Entfernung der Saiten verändern zu müssen, so empfiehlt es sich, die Saiten mit einem quer befestigten Stabe zu belasten, wie aus der Figur ersichtlich ist. Wählt man Stäbe mit geeigneten Trägheitsmomenten, so kann man die Schwingungszahl in ziemlich weiten Grenzen variieren, man kann z. B. bei 100 Schwingungen der unbelasteten Saiten die Tonhöhe um 4—5 Oktaven erniedrigen, ohne die Saiten zu sehr nachlassen zu müssen. Damit sich die Saiten unter der Be- lastung nicht ungebührlich durchbiegen und der Platinstift nicht zu tief in das Quecksilber einsinke, sind die Saiten in der Mitte aufgehängt. Es ist nämlich eine dünne Nähnadel in die Ebonit- platte getrieben und mit Zwirn an das Gestell gebunden. Die Nadel dient als Achse, um welche die Torsionsschwingungen voll- führt werden, zugleich verhindert dieselbe Parallelschwingungen, die sonst bei einer gewissen langsamen Schwingung auftreten können. Dieser Unterbrecher setzt die Unterlage so wenig in Schwing- ung, daß er auf eine weiche Unterlage (Tücher u. dergl.) gestellt in der Nähe des Mikroskops sein kann, ohne störend zu wirken. Allerdings befindet sich das Mikroskop mit der empfindlichen Lamelle auf einem besondern Stuhle, in der Weise wie auf 8.15 angegeben ist. Wichtiger sind die Schwankungen des Magnetis- mus, deren Umgehung ebenfalls schon behandelt wurde. * A, Scuurzer, Dauerhafter Quecksilberkontakt, Math. u. Naturw. Be- richte aus Ungarn IL, p. 159, 1885. DE 2 20 ALOIS SCHULLER. III. Mehrfache Resonanz der Lamelle. Die Lamelle gerät nicht nur dann in starke Schwingungen, wenn die Periode der Impulse mit der Schwingungsperiode über- einstimmt, sondern auch dann, wenn die Schwingungszahl der Lamelle ein ganzes Vielfaches der Unterbrechungen ist. Bedeutet also n die Schwingungszahl der mit dem Zeiger ausgerüsteten Lamelle, so resoniert diese nicht nur bei » Unterbrechungen in N ” N Dr ar freilich der Reihe nach immer schwächer. Ferner wenn die Schwingungszahl », des Zeigers für sich genügend verschieden der Sekunde, sondern auch bei usw. Unterbrechungen, (for von n ist, so tritt auch noch bein, a, 3» °°" Unterbrechungen merkliche Resonanz ein. Diese mehrfache Resonanz zeigt, daß sich regelmäßig wider- kehrende Impulse als Erreger von Schwingungen wesentlich anders verhalten als harmonische Schwingungen derselben Periode. Wäh- rend nämlich auf eine harmonische Schwingung bloß diejenigen Schwingungen resonieren, deren Perioden mit jener zum min- desten nahezu übereinstimmen, sind in gleichen Zeiten sich wieder- holende kurze Impulse imstande, eine große Zahl von Schwing- ungen hervorzurufen, deren Schwingungszahlen genau oder nahezu ganze Vielfache der erregenden Periodenzahl sind, wobei die dispo- nible Energie auf irgend eine dieser Schwingungen übertragen werden kann. Dies gilt sowohl bei einseitigen Impulsen, z. B. wenn man eine -Stimmgabel dadurch in Schwingungen versetzt, daß eine langsamer schwingende Gabel oder eine Uhr* die Stromunterbrechungen besorgt, wie auch bei abwechselnd ent- gegengesetzten Impulsen, wie sie der Induktionsapparat liefert. Im letztern Falle sind die erregbaren Schwingungen dieselben, wie wenn die in der einen Richtung wirkenden Impulse weg- fallen und nur die übrigen wirken würden, aber die Er- regung ist stärker, wenn auch die entgegengesetzten Impulse mithelfen. * A. Lemann, Verhandlungen d. Phys. Ges. zu Berlin IX, p..57, 1890. A. Schuter, Math. u. Naturw. Berichte aus Ungarn XI, p. 271, 1894. ÜBER MIKROSK. BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN usw. 21 Folgende Tabelle enthält diejenigen Schwingungszahlen (zu- gleich Unterbrechungszahlen) des Unterbrechers, bei denen der in der Brücke wirksame kleine Teil des induzierten Wechsel- stromes möglichst starke Schwingungen hervorrief. N” R — {7 2 | 3 4 5 6 Beobachtet 51,485 ....| 25,677 | 17,131 | 12,854 | 10,292 | 8571 Ri | | ie | Nee 25,702 | 17,148 Berechnet Su a 25,729 | 17153 | 12,864 |: 10,292 8,576 ANbweichung Yo) --...: —19, |) —02 —10 | 0 — 0,8 : Zur Bestimmung der Zahl der Unterbrechungen wurden letztere auf einem sich nahezu gleichmäßig drehenden berußten Papierzylinder markiert und gleichzeitig wurden mit demselben Schreibstift Zeitmarken hergestellt. Die auf eine Sekunde fallende Zahl der Unterbrechungsmarken wurde unmittelbar gezählt, die Bruchteile wurden mit dem Zirkel abgemessen, was hinreichend genau geschehen konnte. Die gleichzeitige Markierung wurde dadurch erreicht, daß die beiden Spulen des Elektromagneten am DEPREZschen Schreibapparat voneinander getrennt wurden; in die eine Spule wurde ein abgezweister Teil des Primärstromes, in die andere der von einem Halbsekundenpendel unterbrochene geleitet“. Der Anker des Elektromagneten mit dem Schreibstift wurde von einer steifen, aber wenig gespannten Spiralfeder in die Ruhelage zurückgezogen, wodurch es einerseits gelang, sehr- kurze Marken von ungefähr Yon Dekundendauer zu erhalten, andererseits mit möglichst geringen Stromstärken zu arbeiten. Die Zahlen der Tabelle bestätigen, daß die Lamelle bei einer beträchtlichen Zahl verschiedener Einstellungen des Unterbrechers in Schwingung gerät. Um über die Zahl der möglichen Fälle ein Urteil zu bekommen, betrachten wir den Fall, daß der Unter- brecher unverändert bleibt und untersuchen, wie vielerlei Schwing- ungen erregt werden können? Zunächst ist klar, dab bei unend- * Letztere Einrichtung siehe A. Scuurzer, Math. u. Naturw. Berichte aus Ungarn XI, p. 271, 1394. 22 ALOIS SCHULLER. lich kurzen Impulsen, die sich in gleichen Zeiten folgen, eine unendliche Zahl von Schwingungen erregt werden könnten, welche die Reihe der natürlichen Töne (1:2:3...) bilden würden. Diese Reihe wird nur durch den Umstand beschränkt, daß die einzelnen Impulse eine merkliche Dauer haben. In dieser Hinsicht ist zu beachten, daß ein Impuls nur dann während seiner ganzen Dauer oünstig wirken kann, wenn er nicht länger wirkt als eine halbe Schwingungsdauer. Praktisch wird eine noch kürzere Dauer des Impulses die günstigste sein. Denn würde jeder Impuls gerade während einer halben Schwingungsdauer wirken, so wäre es zwar denkbar, daß die Bewegung des schwingenden Körpers während dieser ganzen Zeit in derselben Richtung verlaufen würde, in welcher der Impuls verstärkend wirkt, aber die geringste Störung, z. B. eine geringe Verstimmung würde verursachen, daß ein Teil des Impulses zur Zeit der entgegengesetzten Bewegung wirken, daher die Bewegung hemmen würde. Dauert ein Impuls länger als eine halbe Schwingung, so be- fördert nur ein Bruchteil desselben die Schwingung und dieser Teil sinkt auf Null, wenn die ganze Schwingungsdauer erreicht ist. Bei noch länger dauerndem Impuls wirkt nur der hinzu- kommende Teil günstig u. s. f. Bei den Induktionsstößen haben die einzelnen Ströme nur kurze Dauer, deshalb sind sie zur Erregung sehr verschiedener Perioden geeignet. Diesem Umstand dürfte es zuzuschreiben sein, daß die Kapazität der Leiter einen so geringen Einfluß ausübt. Die ungleiche Kapazität der Brückenzweige verursacht nämlich, daß in der für Gleichstrom stromlosen Brücke jeder Induktions- stoß des Induktors zwei entgegengesetzte Ströme hervorruft, welche im Telephon wie auch im Elektrodynamometer zur Geltung ge- langen, welche aber die Lamelle nicht in Schwingung versetzen, falls beide innerhalb einer halben Schwingung der Lamelle dicht zusammengedrängt verlaufen. Das Gesagte bezieht sich auf den Fall, daß die Schwingungs- dauer der Lamelle samt Zeiger nahezu übereinstimmt mit der Schwingungsdauer des Zeigers allein, in welchem Falle nur die gemeinschaftliche Schwingung zustande kommt. Wenn im Gegen- teil jene beiden Schwingungsdauern genügend verschieden sind, so ÜBER MIKROSK. BEOBACHTUNG VON SCHWINGUNGEN USW. 23 sind zweierlei Grundschwingungen mit verschiedener Schwingungs- zahl möglich, und beide können mittels des Induktors durch die- jenigen Schwingungszahlen des Unterbrechers hervorgerufen werden, deren ganze Vielfache sie sind. Hat man nun diejenigen Einstel- lungen des Unterbrechers gefunden, welche diese beiden Schwing- ungsperioden liefern, so weiß man, ob man die Lamelle verlängern oder verkürzen muß, um beide gleich zu machen. Dies ist die Art der Stimmung, auf welche S. 13 hingewiesen wurde. 4. ÜBER DIE SCHNITTPUNKTE DER KNOTENLINIEN SCHWINGENDER SCHEIBEN. Von ALOIS SCHULLER. Vorgelegt in der Sitzung der III. Klasse der ungarischen Akademie der Wissenschaften am 22. Januar 1906. 1. Es ist eine allgemein verbreitete Annahme, daß experi- mentell hergestellte CuLapnIsche Klangfiguren keine Schnittpunkte zeigen, daß sich vielmehr die Knotenlinien ausweichen. Dem gegenüber führen die mathematischen Betrachtungen in gewissen einfachen Fällen zu Schnittpunkten, wenigstens in der zu den Grenzflächen parallelen Mittelebene. Dieselbe Abweichung zeist sich auch bei am Rande befestigten dünnen Membranen, und es ist bis jetzt kein ausreichender Grund für diese Abweichung zwischen Theorie und Erfahrung bekannt. . Nach WHEATSTONE könnten Unregelmäßigkeiten die Ursache sein, aber dieser Annahme schienen die an genau gearbeiteten Scheiben mit großer Sorgfalt gewonnenen Resultate STREHLKES zu widersprechen. Dieser Widerspruch würde nun verschwinden, wenn es sich herausstellen sollte, daß die Knotenlinien und nament- lich deren Schnittpunkte sehr empfindlich gegen kleine Unregel- mäßigkeiten sind. In dieser Richtung angestellte Versuche haben diese Vermutung bestätigt und weisen darauf hin, daß Schnittpunkte der Knotenlinien tatsächlich möglich sind und durch geeignete Behandlung auf jeder Scheibe hervorgebracht werden können. — Es möge aber gleich hier darauf hingewiesen werden, daß sich so scharfe Schnittpunkte, wie die Knotenlinien an entfernteren Stellen sind, naturgemäß nicht erwarten lassen. Denn in der A. SCHULLER, ÜBER D. SCHNITTPUNKTE D. KNOTENLINIEN USW. 25 Nähe eines Schnittpunktes ist die Bewegung immer sehr gering, weshalb sich die Knotenlinien dort nur unvollkommen entwickeln können, im Gegensatz zu den entfernteren Teilen, deren Ent- wicklung durch die dort rein zutage tretende kräftige Torsions- bewegung in zweifacher Weise begünstigt wird.. Einmal werden die Sandkörner von den Seiten gegen die Knotenlinien geschleu- dert und außerdem vollführt die Oberfläche in der Nähe der Knotenlinien wegen der im Innern der Scheibe gelegenen Drehungs- achse Verschiebungen in der eigenen Ebene, welche das Anhaften der Sandkörner lockert und dadurch die Beweglichkeit steigert. Es ist also nicht zu erwarten, daß sich die Knotenlinien bis zu einem Schnittpunkt verfolgen lassen werden, daher entsteht die Frage, woran die Existenz eines Schnittpunktes zu erkennen sein wird? Darüber möge der folgende Versuch Aufschluß geben. 2. Eine quadratische Glasscheibe mit 13,15 em langen Seiten war auf der einen Seite matt geschliffen und wog 98,4763 g. Zwei Spitzen wurden mit dem Daumen und dem Zeigefinger er- faßt und die eine Diagonale mit dem kleinen Finger unterstützt. Mit dem Violinbogen in der Mitte einer Seite angestrichen gab die Scheibe mit Meersand die hyperbelähnliche Figur 1, deren Zweige voneinander bei mn 18,5 mm entfernt waren, während die Enden nicht gegen die Ecken der Scheibe wiesen, besonders auf der einen Seite. Nun wurden die Kanten der Scheibe CD und EF abgeschliffen. Als auf diese Weise 0,1952 g entfernt waren, näherten sich die Scheitel auf 16,5 mm und zugleich kamen die Enden den Ecken der Scheibe bedeutend näher. Das Ab- schleifen der Seiten OD und EF wurde fortgesetzt, und zwar wurde der Reihe nach 0,1011, 0,2075, 0,0745, 0,0423 & entfernt, wobei die Entfernung mn der beiden Knotenlinien auf 14,5, 8,0, ?, O mm sank. Im vorletzten Falle (2?) konnten die Linien nicht mehr deut- lich erhalten werden, die Entfernung ist daher unbestimmt, aber der Schnittpunkt war entschieden nicht erreicht, denn wenn man die Scheibe in der Höhe des Auges hielt und in die Richtung einer Diagonalen visierte, so bemerkte man unzweideutig einen Unterschied in der Richtung der gegenüberliegenden Zweige, der erst beim letzten Abschleifen von 0,0423 & völlig verschwand. Diesen Zustand halte ich für ein Zeichen des Schnittpunktes. 26 ALOIS SCHULLER. Ein ferneres Kennzeichen des Schnittes liefert der folgende Versuch. Belastet man die Scheibe bei A und 5 mittels Kleb- wachskügelchen von zusammen ein- bis zweitausendstel der Masse der Scheibe, so erhält man wieder hyperbolische Linien, die im Verhältnis zu den ursprünglichen um 90° gedreht sind, deren kleinste Entfernung abgemessen wird. Alsdann gibt man die- selben Wachskügelchen auf die Seiten OD und EF, wobei wieder die ursprüngliche Lage der Kurven erscheint. Ist nun die Ent- fernung letzterer gleich der vorher gemessenen, so war der Durch- schnitt der diagonalen Knotenlinien erreicht, andernfalls hat man die Scheibe noch weiter abzuschleifen. Setzt man das Abschleifen der Scheibe auf denselben Seiten noch weiter fort, so erhält man wieder hyperbolische Knoten- C E D 'E linien, die aber gegen die ursprünglichen um 90° verdreht sind. Abschleifen einer Seite des Vierecks und Belastung in der dazu parallelen Mittellinie (bei A und B) verändert die Umgebung des Sehnittpunktes in gleiehem Sinne. 3. Bei derartigen Versuchen muß man auf folgende Umstände achten. In den von den Knotenlinien gebildeten Quadraten nähert sich der Sand dem Schnittpunkt und die Grenze zeigt schließlich eine hyperbolische Krümmung. War der Sand in der Nähe des Sehnittpunktes ursprünglich nicht gleichmäßig verteilt, so kann es leicht den Anschein haben, als wäre die hyperbolische Form in der einen Richtung besser entwickelt als in der darauf senk- rechten; es ist also für gleichmäßige Bestreuung mit Sand zu sorgen. Ferner muß man Temperaturdifferenzen in der Scheibe möglichst vermeiden. Solche können durch längere Berührung mit den Fingern, durch häufiges Streichen mit dem Bogen und ÜBER DIE SCHNITTPUNKTE DER KNOTENLINIEN USW. 27 wohl auch durch die Schwingung selbst veranlaßt werden. Man muß also der Scheibe Zeit zum Temperaturausgleich lassen. Sehr hinderlich kann auch das Auftreten eines harmonischen Obertones sein, beispielsweise mit der dreifachen Schwingungszahl. Die große Veränderlichkeit mancher Schwingungsformen scheint mit solchen Obertönen zusammenzuhängen. Einzelne Teile der Knoten- linien lassen sich dann auch an den von den Schnittpunkten ent- fernten Stellen nicht rein hervorrufen. 4. Einen. dem vorerwähnten entsprechenden Einfluß der Be- lastung kann man auch bei andern Schwingungsformen beobachten. Eine Scheibe gab die in Fig. 2 gezeichneten Knotenlinien, von denen sich die diagonalen entschieden nicht schneiden. Durch Belasten mit Wachs bei « und b konnte die Krümmung in der Mitte beseitigt werden, die entgegengesetzten Zweige fielen in dieselbe Richtung, schienen also die Fortsetzung voneinander zu bilden, sodaß nichts darauf hindeutete, daß sich die Knotenlinien in der Mitte ausweichen würden. Nach dem Vorhergehenden scheint die Annahme gerechtfertigt, daß sich die Knotenlinien in diesem Zustande der Scheibe in der Mitte schneiden würden, wenn es gelänge, sie bis dorthin zu verfolgen. 5. Ähnliches zeigte sich an einzelnen Kreuzungsstellen der Fig. 3. Ursprünglich schien bei d ein Schnittpunkt zu sein, denn die Knotenlinien konnten dort nicht scharf hervorgebracht werden und gegenüberliegende Teile fielen in dieselbe Gerade. Ein Wachs- kügelchen bei a wirkte hauptsächlich auf die Kreuzungsstellen e und d in derselben Diagonalen, und zwar schloß sich c, oder die Krümmung wurde bei stärkerer Belastung entgegengesetzt wie bei e, gleichzeitig öffnete sich d, indem es die frühere Form von c annahm. Ebenso wirkte das Wachskügelchen b auf die Stellen e und f, und zwar auch bei Anwesenheit von a; auch hier näherten sich die Knotenlinien bei e und entfernten sich voneinader bei f. 6. Noch sei die Klangfigur (Fig. 4) erwähnt, von der MELDE in seiner Akustik sagt, daß man die in der Figur punktierte Grund- form, nach CHLADNIs Bezeichnung 2 1, nie erhält. Hat man die in der Figur ausgezogenen Knotenlinien erhalten und klebt man bei unveränderter Lage der die Scheibe haltenden resp. unter- stützenden Finger bei g und h Wachs auf die Platte, so nähern 28 ALOIS SCHULLER. sich die Knotenlinien der punktierten Grundform und bei stärkerer Belastung, namentlich an den Spitzen der Scheibe schlägt die Figur in das Spiegelbild um. Es ist mir nicht gelungen, die Grundform mit der erwünschten Schärfe hervorzurufen, sondern nur die in Fig. 5 gezeichnete Form, bei der statt der beiden Parallelen krumme Linien erscheinen und die Fortsetzungen des mittlern geraden Teils nicht scharf entwickelt werden konnten, deshalb nur punktiert angedeutet sind. Die Abweichungen hängen wahrscheinlich mit dem Auftreten eines harmonischen Obertones zusammen. Derselbe ist sehr auffallend, gibt allein hervorgerufen die Knotenlinien der Fig. 6 und hat wie es scheint genau die dreifache Schwingungszahl, was mit den Angaben CHLADNIs über- Fig. 4, 5 u. 6. einstimmt, nur daß in der betreffenden Figur* eine gerade Dia- gonale gezeichnet ist. Trotz der erwähnten Mängel der Fig.5 wird man gewiß zu- geben, daß sie der Grundform mit geraden, sich schneidenden Knotenlinien näher steht als der bisher bekannten Fig. 4. Für die Schnittpunkte spricht in Fig. 5 allerdings nur der Umstand, daß die wohl entwickelten gegenüberliegenden Zweige an der Kreuzungsstelle genau dieselbe Richtung haben, und daß die mittlere, ebenfalls deutlich erscheinende Knotenlinie auf den vor- erwähnten senkreckt steht, während sie im Falle der Umgehung des Schnittes immer schief steht. 7. Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, daß die Knoten- linien sehr empfindlich sind gegen Veränderungen in der Ver- teilung der Masse, namentlich in der Nähe der Schnittpunkte. Ebenso dürften auch kleine Verschiedenheiten der Blastizität * Carapnı, Die Akustik 1802, Tab. IV, 71b. ÜBER DIE SCHNITTPUNKTE DER KNOTENLINIEN USW. 29 wirken, in welchem Falle es nicht überraschen wird, daß selbst die zu den genauesten Messungen benutzten Scheiben keine Schnitt- punkte gaben. Es wäre aber seltsam, wenn nicht zufällig auch sich schneidende Knotenlinien vorgekommen wären, wie z.B. d in Fig.3. Nur hat man diese, da man sie weder scharf erhalten konnte, noch ein entscheidendes Kennzeichen der Schnittpunkte (s. 8.25 u. 26) bekannt war, unbeachtet gelassen. Wie in einigen einfachen Fällen gezeigt wurde, kann man die Knotenlinien durch Abschleifen sehr kleiner Massen am Rande der Scheibe wie auch durch Hinzufügen ebenso kleiner Massen an geeigneten Stellen der Oberfläche derart verändern, daß sich einander zugekehrte konvexe (z. B. hyperbolische) Zweige nähern und schließlich in zwei sich schneidende Elemente verwandeln. Durch fortgesetzte Veränderung der Masse kann man sogar ent- gegengesetzte Krümmungen hervorrufen, indem konvexe Teile konkav werden, z. B. eine Hyperbel um einen rechten Winkel ver- dreht erscheint. Im Falle des Schnittes fallen die dem Schnitt- punkt zugekehrten gegenüberliegenden Zweige genau in dieselbe Gerade und in diesem Zustande genügt eine geeignete Änderung der Masse der Scheibe um einige Zehntausendstel, um eine merk- bare Richtungsänderung zu bewirken (s. Zahlenangaben auf 3.25). Ein zweites Kennzeichen des Schnittes bildet die vollkommen gleiche Verteilung des Sandes in den vier Quadraten in möglichster Nähe des Schnittpunktes, ein drittes, das allerdings nur selten zu Gebote steht, wurde im Falle des tiefsten Tones auf S.26 er- wähnt, und besteht darin, daß dieselbe Belastung in verschiedenen Quadraten angebracht, gleich große Formänderungen bewirkt. Da nun nach dem Vorhergehenden die Krümmung der Knoten- linien in der Nähe der Schnittpunkte vermieden werden kann, so scheint es im Gegensatz zu früheren Erfahrungen nicht aus- geschlossen zu sein, daß auch gerade Knotenlinien auftreten können. d. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. Von SAMUEL HÖNIG. Vorgelest vom ord. M. Mavurvs Rerey in der Sitzung der III. Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am 15. Mai 1905. Die Gauss-LapLacesche Kapıllaritäts-Theorie und die Werke von VAN. DER Wars haben festgestellt, daß die zwischen den Molekülen wirkende Anziehungskraft dem NEwToNnschen Gesetze nicht unterliegt, sondern daß sie viel größer sei als die NEWTONsche Kraft und daß sie nur in unermeßlich kleiner Entfernung wirk- sam ist. Aber die genannten Theorien konnten nicht entscheiden, welcher Funktion der Masse und der Entfernung diese Molekular- kraft gleich ist. M. P. DE HEEN hat im Jahre 1383 aus der theoretischen Untersuchung des Ausdehnungskoeffizienten® ge- folgert, daß die Molekularkraft ungefähr der siebenten Potenz der Entfernung umgekehrt proportional ist. P. BoHL hat im Jahre 1889** aus der Abweichung der Gase vom Gay LussAc- "MarIoTschem Gesetze gefolgert, daß die Molekularkraft mit der zweiten Potenz der Entfernung umgekehrt proportional ist, d. h. daß die Newronsche Kraft auch zwischen den Molekülen Gültig- keit habe. Zum selben Resultate gelangte B. GALITZINE im Jahre 1389, als er die Wirkungssphäre der Molekularkraft theo- retisch untersuchte.*** Die Gastheorie setzt eine Kraft voraus, die mit der fünften Potenz der Enternung umgekehrt propor- tional ist. Letzthin, im Jahre 1903, fand @. BAKKERT, daß die " Annales de Ohimie et de Physique (6.) 5. 83. (1385). ”* Wiedemanns Annalen 36. 334. (1339). =" Zeitschrift für physikalische Chemie 4. 417. (1889). + Wiedemanns Annalen 11. 207. (1903). S. HÖNIG, DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 1 kapillarischen Erscheinungen auch auf Grund des NEwToNschen Kraftgesetzes zu erklären sind. Wie ersichtlich, führten die bisherigen Untersuchungen zu sehr abweichenden Resultaten und befaßten sich nur mit dem Einfluß der Entfernung auf die Molekularkraft, nicht aber auch mit dem Einfluß der Masse. Bezüglich des Einflusses der Masse setzte man gewöhnlich voraus, daß auch hier wie beim NEwronschen Gesetze die Proportionalität gelte. In dieser Arbeit werde ich, unabhängig von den bisherigen diesbezüglichen Untersuchungen und Resultaten, das zwischen den Atomen wirkende Kraftgesetz ableiten und dann in verschiedenen Anwendungen in einer bedeutenden Reihe von Fällen mit den Versuchswerten bestätigen. Die Ableitung des Gesetzes geschieht durch die Vergleichung der theoretisch berechneten inneren Verdampfungswärme der Ver- bindungen mit dem Versuchswerte derselben. Vor allem entscheide ich, ob das NEwTonsche Gesetz zwischen den Molekülen Gültigkeit hat. Dies stelle ich dadurch fest, daß ich mit Hilfe des Newronschen Gesetzes die innere Verdampfungswärme der Verbindungen berechne und die so er- haltenen Werte mit den Versuchswerten vergleiche. Das Überein- stimmen oder Nichtübereinstimmen der beiden Werte wird dann die Frage entscheiden. Die innere Verdampfungswärme ist das Wärmeäquivalent der Arbeit, welche geleistet wird, wenn sich die Moleküle der Ver- bindung entgegen der aufeinander geübten Anziehungskraft von- einander ins Unendliche entfernen. Wir berechnen diese Arbeit für den Fall, daß zwischen den Atomen die Newroxsche Kraft wirkt. Wenn sich zwei benachbarte Moleküle voneinander unendlich entfernen, so ist die geleistete Arbeit im Sinne des NEwroNschen Kraftgesetzes: Tr, E je.) NR dr u =0(l, +q4,++::) ze 2 1 32 SAMUEL HÖNIG. Hier bedeuten a, a, - - - die wirklichen Massen der in dem Molekül befindlichen Atome; m, =qa, +4, +: - ist die Masse eines Mole- küls der Verbindung und r, die Entfernung zweier benachbarter Moleküle. Verdampft nun eine, dem Molekulargewichte entsprechende Quantität (M,) dieser Verbindung, so vollenden N Moleküle gegen die gegenseitige Anziehung Arbeit. Die hierbei vollbrachte Arbeit, die innere Molekularverdampfungswärme @, ist mit der für die Trennung der zwei Moleküle nötigen Arbeit u, proportional, also Mm Q, = A, Fr } 1 wo A, die Proportionalität ausdrückt. Der Wert von A, kann mittels langwieriger Summierungen festgestellt werden, einstweilen aber ist dies nicht notwendig. Bei einer anderen Verbindung ist die zur Entfernung zweier Moleküle voneinander nötige Arbeit: und wenn die dem Molekulargewichte entsprechende Quantität (M,) verdampft, so ist auch die hierzu nötige Arbeit mit u, pro- portional; also ist Abmız, {re Q, = Nachdem aber auch im zweiten Falle die Arbeit gegen die gegenseitige Anziehung von ebensovielen Molekülen (N) vollführt wurde, als im ersten Falle, so folgt daraus (wenn die Moleküle in beiden Fällen gleichmäßig verteilt waren), daß 2 — ah und Ma m,\? 7, \ ee Ü) Nun ist aber en m, 2» M, und VE 1% N: = N Vo: 779 DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 35 wo V, und V, die Molekularvolumen der Verbindungen, d. h. die aus den Massen M, und M, und den entsprechenden Dichtig- keiten d, und d, gebildeten Quotienten M. Mm, Ga, hen bedeuten. Werden diese Werte in die Gleichung (1) eingesetzt, so be- kommen wir: Or EAN: au Or 7 (2 (ey Behufs dieser Gleichung können wir schon die Verdampfungs- wärme der Verbindungen berechnen, wenn das Molekulargewicht und die Dichte der Verbindungen bekannt sind. Bevor wir aber den aus dieser Gleichung berechneten Wert mit dein experimentellen Wert kontrollieren möchten, müssen wir auf einen sehr wichtigen Umstand Rücksicht nehmen. Bei der obigen Ableitung betrachteten wir das Molekül der Verbindung im flüssigen Zustande für dasselbe als im Gaszustande. Dies ist aber nicht bei allen Verbindungen der Fall, da bei zahlreichen Verbindungen die Moleküle im flüssigen Zustande assoziiert sind, d. h. mehrere Moleküle ein komplexes Molekül bilden. Der Assoziationsgrad gibt die Anzahl derjenigen Moleküle an, die ein komplexes Molekül bilden. Die Bestimmung des Assoziations- grades geschieht mittels des Gesetzes von Eörvös*, obzwar die so erhaltenen Werte nicht ganz befriedigend sind. Wir können auch die Bestimmung des Assoziationsgrades behufs der Methode von TRAUBE** durchführen, aber der so bestimmte Assoziations- grad zeigt größere Abweichungen von den Werten SCHIELDS und Ramsays. Der Umstand, den wir berücksichtigen müssen, besteht nur darin, daß bei der Verdampfung assoziierter Verbindungen auch zur Aufhebung der Assoziation Arbeit nötig ist. Diese Arbeit, die zur Trennung der assoziierten Moleküle in normale Moleküle dient, ist auf experimentalem Wege nicht bestimmbar. * SCHIELD und Raumsay, Zeitschrift f. physikalische Chemie 12, 432. =#* Trauge, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 30, 2730, 1897. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 3 34 SAMUEL HÖNIG. Da aber bei der Anwendung der Gleichung (1a) auf assoziierte Verbindungen die Kenntnis der Assoziationsarbeit nötig ist (nach- dem statt Q, @— Q, zu nehmen ist, wo Q, die Assoziationsarbeit bedeutet), so folgt daraus, daß die Gleichung (1a) auf assoziierte Verbindung nicht anwendbar ist. Deshalb wollen wir die Gültig- keit der Gleichung (la) nur auf die nicht assoziierten, d. h. nor- malen Verbindungen untersuchen. Solche sind (annähernd) nach den Untersuchungen SCHIELDS und Ramsays, wie auch nach TRAUBE die folgenden: die Kohlenwasserstoffe und deren Haloide, die Äther, die Fettsäureester (nach TRAUBE nicht alle), Arsentri- chlorid, Phosphortrichlorid, Schwefelkohlenstoff und auch andere Verbindungen. Die Kontrolle der Formel (la) auf nicht assoziierte Ver- bindungen übte ich mittels der in der Literatur vorgefundenen experimentellen Werte aus. So fand ich, daß die berechneten und experimentellen Werte nicht miteinander übereinstimmen. Damit ist also bewiesen, daß das bei der Ableitung der Gleichung (la) benützte Gesetz NEWTONS auf die zwischen den Atomen befindliche Anziehungskraft nicht gültig ist. In dem folgenden werde ich ein Kraftgesetz aufstellen, welches behufs der obigen Ableitung mit dem experimentellen Werte übereinstimmende Werte gibt. Vorerst beweise ich, daß die Verdampfungswärme nur von der zwischen den Molekülen. auftretenden Anziehungskraft ab- hängt und daß diese Anziehungskraft — wie es auch im NeEwronschen Gesetze zum Ausdrucke kommt — nur von den Molekülen und von deren gegenseitiger Entfernung abhängig sei. Sind diese zwei zu beweisenden Hypothesen richtig, so folst daraus, daß die Verdampfungswärme der Moleküle bei den Ver- bindungen gleich ist, bei denen das Gewicht des Moleküles (richtiger bei denen das Molekül aus identischen Atomen besteht) und die gegenseitige Entfernung (also das Molekularvolumen) gleich sind. Die Verbindungen, bei welchen die Moleküle aus gleichen Atomen bestehen, sind die sogenannten isomeren Verbindungen. Nachdem die Dichtigkeiten der isomeren Verbindungen annähernd DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 35 gleich sind, so sind die Molekularvolumen auch annähernd gleich. Wenn also die obigen Hypothesen richtig sind, so folgt daraus, daß die Verdampfungswärmen der Moleküle bei den nicht asso- ziierten isomeren Verbindungen annähernd gleich sind (voraus- gesetzt, daß größere Abweichungen der Dichtigkeiten nicht vor- handen sind); ich fand dies auch mit den Untersuchungen über- einstimmend. ‚Ich erwähne die folgenden Beispiele: Tabelle 1. Ver- Name der Verbindung ulolelsnleee | IMeleimilsu- dampfungs- formel volumen e 2 R wärmed.M. Mesitilen EN En = CH, 162,41?) .| 8610cal.°) nalen ; EIER 161,82) 0.8010%., 2) I.-butylformiat \. CHEN, 129,952) | 7844 „> Äthylpropionat 1% CHEIROM 107057.2) 4 usn10 >) Propylacetat 4... . | 0,4,.0, | 128,063) | 7864 „9 Methylbutirat E IR IL CSERANON Eon) 5 718608 45) Methyl i. butiratj . OH KON loelsaa | 11000 > Propylbutirat B O7 HA 52:1073,895)7 135800505) I--butylpropionat | & E70 2172232), 1360600) Propyl i. butirat C,0, 173 01)6 |, 8320,02) I.-butylbutirat \ . . C,H,,0, | 200,532) | 8813 „> Propyl-Valerat Ä (180.10 | 197,47), 8913562 9) 1) Schirr, Liebig Annalen 220. 2) Eusisser, Liebig Annalen 218. 3) ScHirr, Liebig Annalen 234. Vollständige Übereinstimmung ist schon deshalb nicht möglich, weil die Molekularvolumen auch nicht vollkommen gleich sind, anderseits spielen auch die Experimentalfehler auch eine Rolle. Da über die bei den weiteren Rechnungen nötige Ver- dampfungswärme wenig Daten zur Verfügung stehen und die Bestimmungen der Verdampfungswärme auch nicht ganz be- friedigend sind, so bin ich gezwungen, in meinen weiteren Rech- nungen die Formel TROUTONs zu benutzen. Nach derselben steht * Da bei der Verdampfungswärme des Moleküls (4) die äußere Arbeit 2T ist. DIE7 DT 36 SAMUEL HÖNIG. Verdampfungswärme des Moleküls (2) mit dem absoluten Siede- punkte (7) der Verbindung in geradem Verhältnisse: A eis const. Der Wert der Konstante (bei nicht assoziierten Verbindungen) schwankt zwischen 19,5—21,1. Ihr Mittelwert ist 20,5. Das Gesetz TROUTONS zeigt aber nur einen annähernden Zusammen- hang, denn der richtige Zusammenhang nach VAN DER WAALS® ist: = = const., wo 7’ die korrespondierende Temperatur zeigt. Man soll also den Siedepunkt sämtlicher Verbindungen nicht auf ein und den- selben Druck (1 Atmosphäre), sondern auf einen bestimmten Bruchteil des kritischen Druckes beziehen. Bei den ähnlich zusammengesetzten Verbindungen ist der normale Siedepunkt eine übereinstimmende Temperatur, während bei den verschiedenartig konstruierten Verbindungen sich kleinere oder größere Abweichungen zeigen. Vorläufig benütze ich die obige Formel, die auch annähernd richtig ist. (Hierauf kehre ich übrigens noch zurück.) Behufs des Gesetzes TROUTONS geht die Formel (la) in die folgende über: Re E d,\ Ya N) (2) Die berechneten und die experimentellen Werte sind hier natürlich auch nicht übereinstimmend. Der obige Satz, daß bei gleicher Dichte und bei gleichem Molekulargewichte der Verbindungen auch die Molekularverdamp- fungswärme gleich ist, gestaltet sich demnach folgendermaßen: Der Siedepunkt der Verbindungen von gleichem Molekular- gewicht (richtiger: von gleicher Konstitution) und gleicher Dichte ist auch gleich. Dies verifizieren die Untersuchungen auch bei nicht asso- zuierten Verbindungen. Wo aber größere Abweichungen hervor- * Van DER Waars, Die Kontinuität ete., Roth, Leipzig 1881, 137. DAS GESETZ DER. ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. By treten, dort stammen sie davon her, daß der Siedepunkt keine korrespondierende Temperatur ist; anderseits kann eine kleine Assoziation auch stören. Nachdem also entschieden ist, daß die zwischen den Atomen wirkende Anziehungskraft nur von der Masse und der Entfernung abhängig ist, will ich nun untersuchen, welche Funktionen dieser Faktoren die Größe der Kraft bestimmen. Ich fasse die Frage gleich einfacher und präziser: Welche Potenzen der Masse und der Entfernung kommen im Gesetze der Anziehungskraft der Atome vor. Es seien die zwei unbe- kannten Exponenten x und y, und zwar x = Exponent der Masse, y= der der Entfernung. Die zwischen den zwei Atomen wirkende Anziehungskraft ist 7 Z daher: > a, en = Berechnen wir a® e — wie vorher — auf Grund dieser An- Fig. 1. ziehungskraft die Verdampfungswärme der Verbindungen. Wenn sich zwei benachbarte Molekülen von einander ent- fernen, wird die vollführte Arbeit (u) folgende sein: (@, @%-:- a, sind die Massen der die Moleküle bildenden Atome.) | Während sich das Atom a, des I. Moleküls von den Atomen d; Ag: a, des II. Moleküls entfernt, ist die vollbrachte Arbeit: n Fer [(a, On yy+l + (a, a) yy+l +...4 (a, a st]: während sich das Atom a, des I. Moleküls von den Atomen des II. Moleküls entfernt, ist die Arbeit: ne (A, O2 yyrı en (a, az yytl 4...4 (ar &,)® »3+1]; die Arbeit zwischen dem Atom a, des I. Moleküls von den Atomen des II. ° an (a, a, )” Ben En (a, 0) yyrl + oo... — (di, an yYr | N Die bei der gegenseitigen Entfernung der beiden Moleküle auf- 38 SAMUEL HÖNIG. tretende Arbeit ist mit der Summe dieser Arbeiten gleich, also: Fa = " RI: (a” fe a5” St ae, air a). (Hier ist angenommen, daß die geringen Distanzdifferenzen zwischen den verschiedenen Atomen keine bemerkbaren Abweichungen ver- ursachen.) Die Molekül-Verdampfungswärme ist proportional mit u, so dab Qı si Ei Per + 2 2 ası age + ---+ apn Nun aber ist re (>) IE NZ A, A T3 wo V, und V, die Molekülvolumen, A, und A, die chemischen Atomgewichte bedeuten, und außerdem kann eh & 7 gesetzt werden”, wo 7, und 7, die betreffenden Wärmegrade, bzw. die absoluten Siedepunkte sind. Wird dies in Betracht ge- zogen, so geht obige Gleichung über in m 9" (& 2 | — - a) . ( v) (2) (4) 1 Alı -F Aa2 — mrlae En Ad 1% N 2 wo V, und V, das Molekularvolumen am Siedepunkte bedeuten. Die Gleichung (4) enthält nach Einsetzung der Versuchs- daten zwei Unbekannte und ist deshalb zur Lösung ungeeignet. Wenn ich sie aber bei Verbindungen anwende, bei denen r MR se V, = Ir : RN AR Ele 2 * Das Gesetz von Trouron lautet eigentlich im: Es ist aber een. Q=4—2T und demnach %. _ en T. — at. —eT, — T. - Die obige Gleichung kann daher auch angewendet werden. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 39 dann wird die Gleichung nur eine Unbekannte enthalten und geht über in i m, _ gear (5) T, (At: + Am)? Nachdem der Wert von x auch aus der Gleichung (5) noch immer nicht genügend leicht berechnet werden kann, will ich die Gleichung zuerst auf solche Verbindungen beziehen, bei denen x nur in einem Gliede vorkommt. Solche Verbindungen sind die Kohlenwasserstoffe, die nur aus C- und H-Atomen bestehen. Das Atomgewicht des Kohlenstoffes ist = 12, das des Wasser- stoffes = 1. Bezeichnen wir noch mit ©, und ©, die Anzahl der Kohle-Atome, mit 7, und A, die Anzahl der Wasserstoffatome in den Kohlenwasserstoff-Verbindungen, so nimmt die Gleichung (5) die folgende Gestalt an: T (© 19° 4 H). — u U 0, Rare) > woraus EN Vz log — SER C, „Aug: (& T, (da) Aus dieser Gleichung habe ich auf Grund der mir zur Ver- fügung stehenden experimentellen Daten aus verschiedenen Ver- bindungen den Wert von & berechnet, welcher sich — wie aus Tabelle II ersichtlich — in sämtlichen Fällen als ständig zeigte. In dieser Tabelle bezieht sich das Molekularvolumen auf den Siedepunkt. Die benützten Daten stammen alle von den ge- nauen Messungen SCHIFFS*, nur die auf das Butan bezüglichen sind von RONALDS®* entnommen. Bei Berechnung des Molekular- volumens wurde als Einheit des Atomgewichts das Hydrogen gewählt; um den Umrechnungen auszuweichen, habe ich in meiner ganzen Arbeit das Hydrogen als Einheit der Atomgewichte be- halten. (Gewöhnlich benütze ich die abgerundeten Werte der Atomgewichte.) * ScHirrF, Liebigs Annalen 220, (1883). "* Ronauos, Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie 1865, p. 507. 40 SAMUEL HÖNIG. Tabelle II. { Zusammen-) | Abs. Verbindung che. air olek. vol. Siedepkt, I Buvanani er. (dal, 96,6 | | 274 0,524 Benzol)... BEL Ola a Me RR 0;H, 117,17) | 304,0 Es Toluol es CE lıcaı) | 382,2 ! nHexann nr ee GE en | ee) | 0,543 m. Xylol 2a GH 139,68 | 412,2 s. Hexan ewe GH,, | 138,7) | 334,0 0.557 Athiylbenzol "7 2m L@DERe 138,93) | 409,0 i Heptan 2.2. (On Eh; 162,56) 371,4 0.541 Mesitylen.| . 2.72 0SE 322 17162,40)) 70.213,75 L sec. Heptan |. . . OrEHlee | 161,98) | 363,3 De Propylbenzol| -..| 0A. | 161,827, 432,0 3 Ochs ee GEBE 184,46 380,8 B : ze | | 0,575 Cymolal 22.2.1 on za erden) 74480057, Abgesehen von dem aus Butan und Benzol berechneten x, zeigt der Wert von & nur geringe Schwankungen. Diese Schwan- kungen können davon herrühren, daß die Molekularvolumen der verglichenen Verbindungen nicht vollständig gleich sind — oder aber, daß der Siedepunkt nur eine annähernd entsprechende Tem- peratur ist. Das Abweichen des Wertes von x für Butan und Benzol kann darin seine Erklärung finden, daß vielleicht der als Molekular- volumen des Butan benützte Wert nicht genau ist, anderseits aber auch darin, daß das Benzol möglicherweise in geringem Maße asso- ziiert ist (worauf übrigens auch die Daten von TRAUBE hinweisen). Aus obigen Werten von x den Mittelwert berechnet, be- kommen wir 0,551, also abgerundet x = 0,55, welchen Wert ich als Basis der weiteren Berechnung annehme. Diesen Wert von & in die Gleichung (5) substituiert, er- halten wır: m A A Ay 2 m Ad .) Bezeichnen wir abermals mit 0, und (, die Anzahl der Kohlen- stoffatome im Molekül der Verbindung, mit 7, und H, die der DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 41 Tabelle III. Molekul.- | Berechn. | Versuchs- MenuurS Volumen Wert Wert ıA1 a) ne oe: 2 2 ee I Pe Teenlaalsayıl | En oe a, pe es) A 3\ r ee, / 2 S 26.7 ea on 2 Ben Ga nal wann I, 100 N £ 2 de iso + 4 | a R E 4 ee en ee oe a Thai | | ia 5008 | 1000 Fair | nem) |. 2 1) Lanporr, Tabellen. 2) Scuirr, Liebigs Annalen 220. 3) Ersässers, Liebigs Annalen 218. 4) Dosrmers Daten. 5) Korrs Daten. 6) Wiens Daten. 7) Zanpers Daten. 8) Schırrs Daten. 9) Sräpers Daten. Wasserstoffatome, mit Cl, und Cl, die der Cloratome, mit 0, und O0, die der Sauerstoffatome usw. Das Atomgewicht auf die 0,55. Potenz gehoben gibt beim Kohlenstoff 1295 — 3,92 beim Wasserstoff 1 — 3,00 beim Chlor 3, — beim Sauerstoff 16955 = 4,60 42 SAMUEL HÖNIG. und wenn wir diese Werte in obige Gleichung substituieren, er- halten wir: m (ei oe Te Ko a VER 0R 0 nn ONeungOLEr Diese Gleichung ist zur Kontrolle des obigen Wertes von & sehr geeignet. Ich berechne mittels dieser Gleichung das Ver- hältnis der absoluten Siedepunkte zweier Verbindungen von gleichem Molekularvolumen und kontrolliere diesen Wert mit den experimentalen Werten des Siedepunktes. Die Abweichungen sind um so größer, je weiter — von chemischem Standpunkte be- trachtet — die verglichenen Verbindungen von einander stehen, weil dann auch ihr Siedepunkt vom korrespondierenden Zustande entfernter liest. Einige Beispiele folgen hier. Der berechnete Wert stammt aus dem Verhältnisse Jen Ep, El Mao H, + 3,92 C, +71 Cl, Set auf Grund der Zusammensetzung der Verbindung. Der Versuchswert aber bedeutet Va auf Grund der experi- mentellen Siedepunkte berechnet. Ich könnte die Beispiele noch vermehren, ohne größere Ab- weichungen zu erhalten, als die hier gefundenen. Nachdem nun x bekannt ist, können wir y aus der 4. Gleichung auf leichte Weise ausrechnen auf Grund der be- kannten experimentellen Daten. In Anbetracht der bisherigen erhält die Gleichung (4) folgende Gestalt: 212 _. 080 TE Uhl OLE o5 =) en (6) TE 5 \EeS os Nee V, woraus H, +3,90, +-- log — 210g 2 ns nz Du (6a) Aus diesen Gleichungen habe ich mit Anwendung der experimentellen Daten den Wert von y m vielen Fällen aus- gerechnet. Wie aus der nächstfolgenden Tabelle ersichtlich, sind die Schwankungen des Wertes von y nicht so groß, als daß wir DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 43 für sie nicht befriedigende Erklärungen finden könnten. Als solche erwähne ich die Fehler der experimentalen Daten, die etwaige geringe Assoziation und besonders den Umstand, daß der Siedepunkt nicht die entsprechende Temperatur ist, denn dann 1 Qı kann = das theoretisch gewünschte Verhältnis o. nicht ersetzen. In Tabelle IV habe ieh diejenigen Verbindungen miteinander gepaart, aus deren Verhältnis ich den Wert von y berech- netee Die absoluten Siedepunkte wurden bei schwankendem Barometerstand zwischen 750—770 mm beobachtet. Das Um- rechnen auf den normalen Druck habe ich als überflüssige Korrektion vernachlässigt, denn diese 0,1—0,2° verändern kaum das Resultat. Die Experimentalwerte habe ich größtenteils den Messungen von SCHIFF*, ELSÄSSER*®*, GARTENMEISTER**" entnommen. Außer- dem habe ich auch von LAnpoLTts Tabellen, BEILSTEINs Hand- buch und OsTwALDs Chemie‘ Daten von verschiedenen Autoren in Anwendung gebracht. Unleugbar weisen die aus den verschiedenen Verbindungen berechneten Werte von y einiges Schwanken auf. Der Grund dieser Schwankungen ist — wie ich im Folgenden beweise — darin zu suchen, daß der Siedepunkt der verschiedenen Ver- bindungen nur eine annähernd korrespondierende Temperatur ist. Wenn ich daher statt des bei der Bestimmung von y erwünschten Werte & den nur annähernd richtigen Quotienten -* benütze, Q; T, können die Werte von y auch nur annähernd richtig sein. Außerdem habe ich den Wert von y aus einer exponentialen Gleichung berechnet, wo manchmal kleine Unterschiede beim Versuche im Werte von y große Abweichungen verursachen können? Wird das Mittel der obigen Werte von y als richtig an- genommen — y—5,5 — und in die Gleichung (6) substituiert, * RoBERT ScHirr, Liebigs Annalen 22 (1883.) ** Huıt Ersässer, Liebigs Annalen 218 (1883.) *** RUDOLF GARTENMAISTER, Liebigs Annalen 233 (1886). r Ostwarn, Chemie, II. Ausgabe, I. Bd, S. 376. 4 SAMUEL HÖNIG. Tabelle IV. . Zusammen- Siede- Molekul.-. Mebndung setzung punkt Volumen | Y sec. Pentan') | . Olake 304 ll 53 sec. Decan) |. ar 432,4 231,31 j n. Hexan’) | ONE, 341,6 189,1 | 595 sec. Octan') | OSERR 380,6 184.46, 0a Amylens) CaHN 308,9 109,95 | zug sec. Octan‘) | a, 380,38 | 18246 2 Bentans)i. .. e=ER, 304 11717 0 25 Gyno ers: CE: 448,4 184,46 2 sec. Octan !) es GES 380,8 184,46 5.06 Tetrachlorkohlenstoff?) | . Col, 348,6 103,66 ? sec. Pentan')\ . On leh,, 304 all 51 Mesitylen!) J. CHEM 437,5 162,41 2 Benzol) |. OEM 353,1 95,94 55 Diamylen )| . &nlahı, 429 211,31 } Amylen ')\. en, 308,9 108,95 4.95 Xylold) |. SER 119.2 00 1336 Ss Pentan | ga GEHN: 304 11717 | 55 Hexal CH. 341,6 | 1a secJHeptano))e..% CHEN: 363,3 161,98 64 Octan )) I CHR, 380,8, 51 18246 0, m Dialyloamin.. 2% CE 332,3 125,82 - 5.6 Diamylendye OH 429 211,31 7 Ather) mu C,H, ,O 307 106.30 100 Diamylen‘) |. . BE 429 Dial Na Hexanı) CH, Ale | aaa Amylend) su GEHN 308,9 168,95 2 Chloroform) ) . . CH(I, 333,9 81,56 | „, Hexan !) I CHEN 341,6 oa Amylen!) | GEN 308,9 108,95 | 5, Caprylen ') | er 396,4 172,22, |, 3 Decan }) I CB; 92,0. | 28181 Athyltoluol!) | . . GER, 435 161,94 i Styrol‘) | GEIL, 416 130,91 ER Decand) | . RER 432,4 231,31 Das Mesitylen')) . CHERN 437,5 162,41 59 Toluol) | C,H, 382,1 117,97 - Diamylen‘)) . CHEN, 429 211,31 5.75 Amylend) |. CAR 308,9 108,95 172 Mesitylen ') | CHR, 437,5 162,41 6.0 Caprylen‘) | . ORERE 396,4 172,22 } Amylen'!)\. GH 309,5 108,95 5.56 Henne CHE, 363,3 | 161,98 AthylbenzolY)\. . . CE 408,8 138,93 50 BOCH>) IM rrier. PO, 383 101,8 = Decan !) | ER, 452,4 231,31 5.45 Xylol) | Car 412,2 | 139,68 2 1) ScHirrs Daten. 2) Burrs Daten. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 45 ler Zusammen- | Siede- |Molekul.-| ® setzung punkt Volumen Y klexann)r \E: CHE 341,6 139,71 5.56 Caprylen’) | . lab 396,4 112122 : Uymol ') ; CHR 448,4 184,46 5.56 Amylen ') | | CHE 308,9 | 108,95 Phosphortrichlorid ? ) \ 2 PC, 350 93,65 u Hexan ') i CAaHE 341,6 139,71 : Athylbutyrat®) | A EA 0.070, 394 150,5 56 Diamylens)y 3 je ans Knlakık 429 211,31 2 Methylformiat°) : C,H,0O, 305,3 62,84 Ba Methylpropionat °) \ 02730, 353 104,86 ’ Äthylacetat?) | . EN 350,1 106,15 25 Amylbutyrat°) | CEO, 451,6 221,52 ) Propylacetat°) \ CE, 0, 385 128,4 ee Octyloctyrat®) | . C..ER,0, 579 404,3 ’ Methylbutyrat ®) CHHNO> 375,3 126,7 51 Propylcapronat ‘) 023:0,03 458,5 222,2 ? i.-Butylpropionat®) | Ole 0h 410 174,23 5.47 Propylheptirat®) E08 579,4 206,4 : Äthylformiat®) | @ERO, 328 84,6 > Hexylvalerat *) a: ern 0 497 272 3 Tetrachloräthylen !) 0,4, 356,3 35,24 5 Dichloräthylacetat !) C,H,0,01, | 4807 | 143,42 5, Äthylbutyrat %) Is GER 394 150,5 50 Butylheptyrat‘) |. €;H,.0, 498 271,3 : Allylacetat !) CFHRO! 376,5 121,37 N Trichlor a ? | 7220,05 440 163,85 1 Hexan !) IEn® SAH 341,6 13 65 Hexyljodid’) | CE 450,1 173,8 = Äthylheptyläther 5) (180,0 439,6 220,8 5.05 Propylbutyläther’) Br G,H,,0 390,1 174,4 ) Methylheptyläther°) | Er) 423 194,6 5.0 Propyloctyläther?) |. CHERNO 480 272,4 z Methyläthyläther | DEE) 283,8 84,0 52 Butyloctyläther®) | CHE, O® 498,7 295,7 12 Äthylpropyläther Sa CHEN O 336,6 127,8 5.0 Diheptyläther °) ET. ee 534,9 3527 ? Äthylbutyläther ) Kara CEO 364,4 150,1 = Heptyloctyläther ) . £ e:H,0 552,0 376,8 : Octan )) IP CIE 380,8 231,31 5.17 Diheptyläther Pl: 85, ® 534,9 352,7 ) Piperidin !) C‚HA,N 378 108,6 54 Phenylbromid 9. C,H,Bad 428,8 119,8 ? Methyljodid’) |. C1,J 314 66 55 Propyljodid>) |. . Sn. en 363 108,4 3 Methyläthyloxalat >) \ ; 0.350, 446,7 139,1 EN Butylmalonat $) el AO Ri | aa 2 1) Schirrs Daten. 4) GARTENMEISTERS Daten, 7) Pısertes und Doprıners Daten. 2) Lanporrs Tabellen. 5) Dosrıners Daten. 8) Wiens Daten. 3) Ersässers Daten. 6) Weszs Daten, 46 SAMUEL HÖNIG. BR Zusammen- | Siede- | Molekul.- une setzung . punkt | Volumen y Hexahydronaftalin)) . . . . ee Airle a 55 Tetrachloräthan®) |... . [CHCI,-CHCL,| 420 or 2 j Amylchlonde) |! 22.0. GIEnaCl 2) 373 Se Propylenchloid) |. ... CHER ER N ar 107,6 ; oakresol) lan ee 3 (&, 157,0) 464 nn Bubylkresol ann. 22 a CEO 496 | } Butyloxalat °) a Ba ao 516 BB Methylmalonat°) | CAEISCH 453,7 137,6 ? 1) Zanpers Daten. 2) Scuirrs Daten. 3) Pırrres und Korps Daten. 4) Pınerres Daten. 5) Wırns Daten. so erhalten wir ee T, \9,+3930,+--.) \V,) ° Hieraus folgt, daß: Ir We TREE IE, 1 2 ;— const. (8) (A, +3,93 0, 47110, +--)? (H,+3,93 (, +7,11 CL,-+--)) Wegen den Abweichungen des Siedepunktes der verschie- denen Verbindungen von der korrespondierenden Temperatur unter- liegt diese Konstante ebensolchen Schwankungen wie y. Setzen wir aber Q, an die Stelle von 7,, so bekommen wir die Gleichung ), vl (B,+3,950,+ 9) wo der Wert der Konstante für jede Verbindung derselbe sein muß, wenn die Schwankungen des Wertes von y tatsächlich da- durch verursacht waren, daß der Siedepunkt bei den verschie- denen Verbindungen nicht der entsprechende Wärmegrad ist. Wie wir in Tabelle VI sehen werden, bezeigen die Versuchs- werte, daß die Konstante in (9) bei sämtlichen Verbindungen (innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler) den gleichen Wert hat. Zuerst will ich aber die auf Grund von Versuchswerten be- rechneten Werte der Konstante in (8) angeben. In den hier mitgeteilten Werten beträgt die größte Ab- weichung, die aber nur selten vorkommt, 25 %,. Diese Ab- weichung wird gänzlich durch den Umstand erklärt, daß der — const., | (9) DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 47 Tabelle V. Verbindung Zusammen- Abs. Siede- Mol-Vol. mi setzung | punkt (7); (©) | (H+ 3,93 C+ »» +)? Bun. on. | C,H. 274 96,6 | 393,9 Bentan2)ı. . .:. CH; 304 TR 384,9 neHexan?) C.H;, 341,6 139,71 400 sec. Heptan?) . . . Hr, 363,3 161,98 395,9 in Beplemö) oe 371,4 162,56 | 406,8 Disoeuyloyı 0... oH, 3808 | 184,46 :| 390,9 Dem) 0, 4324 | 231,31 | 404,8 Amylen?) . . . CH, 308,9 | 108,95 398,8 Caprylen ’?) CE, 3964 | 102,22 398,8 Diamylen>) . . Ge, 429 - 211,81 375,8 Dialyl®9) .... ©.H, 332,3 125,82 416,65 Benzol ?) C,H, 353,1 95,94 380 Toluol ?) C,H, 382,1 117,97 388,5 Xylol) C,H, 412,2 139,68 396,7 Äthylbenzol®) . es, 408,8 138,93 390,2 Styrol?)... . . C,H, 416 180,91 | 401 Mesitylen’) . . Onal, 437,5 lo2RAl 20389, Propylbenzol ?) 00 = BR Asa 102161,82 396 Nthyltolmolo)n. .. . lebe 435 161,93 393,8 Cymol?) . C,H, 448,4 184,43 395,9 Naktalma).a. 02.2... One 490 ea Hexahydronaphtalin°) . lan 473 171,2 372,9 Gens a @,HR: 4495 | 190,24 390 Terpentinöl?) ..... Ger 429,5 182,84 | 3591 Methilenchlorid®) . . . CH, Cl, 314,4 65,12 | A04,E Chnloroterm En ..... CHCI], 333,9 84,56 376,5 Tetrachlorkohlenstoff?).. . CC, 348,6 | 103,66 351 Aihylchloride) 0... C,H,C1 284 In 7162 426 Athylenchlorid ?). . . C,H,0l, 356,5 85,24 411,8 CH, Cl-CH C1,?) CH,6C, 387 102,78 390,2 Perchloräthylen ?) BC], 393 114,18 364,9 CHered>) . LIERL, 410 19214: | 3729 EHEOFENOES, 0 6. H5.0L 420 119,2 371,6 Pentachloräthan’) . . . C‚HÜl], 430 140 JS Bropilehloridd CHERICI 319 9143 | 415,75 Allylenlonid2. . C, H,Cl 318 | 84,22 | 430,3 Phenylätylen ®) L ER 414,6. 4 125,8 | 418,2 Hexahydrotoluol?) . . GEN, 370 IE SA WEIEN 0236235 Hexahydroisoxylol°®) . , EHER 391 ' 164,8 368,2 TeBusylehlorid 3. . C,H,Cl 341 I Au) 412 IeAmylchlosidY.. 2. CHF 373 134,4 406,8 Eropylenehlorid 2... . 17. CH,01, 371 ı 107,6 404,4 Butylenehlerid) 21007 8201 396 129,5 406,3 Aauylehloridis). 2.2.2.1. 0. HCl 373 135,4 411,3 Chlorbenzol?) . . . EREIAEH 405 114,28 389,4 1) Ronaros’ Daten. 2) Schaırrs Daten. 3) Zanpers Daten. 4) Tuorres Daten. 5) Pırrres Daten. 6) Sräpers Daten. 7) STÄDELS und Pırrres Daten. 8) Weszs Daten. 9) Koprs Daten. SAMUEL HÖNIG. Daten. 5) Stäpers Daten. 8) Pırrres und Dogriners Daten. 6) ZAnpers Daten. 9) Dozrıners Daten. verbin Aveo Zusammen-| Abs. Siede- Mol.-Vol. u] SE setzung | punkt (T) (v) (4+3,930+ +)? Chlortoluol !) C.H,Cl 433 134,9 392 Benzylchlorid !) C,H,Cl | 448 133,46 399,1 Benzalchlorid !) CECH I 5 ATE 154,3 401 Benzoylchlorid ?) . CHE ION Al 137.82 17.2390 Methylbromid®) . CH, Br | 286 58.2 387,6 Bromoform ®) CHBr |. 4242 103,53 303 Athylbromid°). CHEN Br 313,7 78,4 all Bromchloroform ®) . CBrÜl, Sad 108,4 322,1 Chlorbromäthan) . C,H, ClBr 381 8801 ;ı 3472 n. Propylbromid®) . C,H,Br 344 97,2... 273680 i. Propylbromid ®) C, H, Br 333 99,2 363 Propylenbromid®) . . CaHlNBr, 0 Alasz 118,4 333,9 Dibromtrimethylen®) . . CHE BEN 138° lat 346,9 ButylbromidY). . . . GEH Br2 112364 120,4 SID Amylbromid°). . CAEEABr2 332 139,2 369,75 Acetylenbromid ’) CIE Br, 1.27 7382,4 St 322 Allylbromid®) . C, H,Br 344 90,5 380,5 Brombenzol?) . (,H,Br 428,8 119,8 356,75 Bromtoluol®) . . Car 455 135 343,2 Äthylenbromid !). C,H, Br, 403 97,65 336,4 Methyljodid®) . CH, J 314 66 371,4 Äthyljodid ®). C,H,J 344 85,8 369,55 n. Propyljodid 6). GEN aid 106,9 | 378,5 i. Propyljodid) . On 1eud] 363 108,4 | 372,3 n. Butyljodid ®) & Ed 403 128,207 100838386 i. Butyljodid ®). GH 393 181,1 386,85 n. Amyljodid ®). CH J 424,7 150,4 386,85 Hexyljodid °) CH 450,1 173,8 398 Heptyljodid °) CH.) 476,8 198,6 412,9 Oktyljodid ?). all 498,5 222,6 418,4 Allyljodid®) . HJ 376 1609 | 392,7 i. Amyljodid }). CET 421 151,1 386 Jodbenzol!) . C,H,J 461 130,6 373 Jodchlorid‘®). . cl 374 56,18 342,3 Methyläthyläther . 0,300 283,8 84 367 Athylätherd), !.... C,H,,0 307 1063 0 05666 Methylpropyläther )) \ ERELON E30, 9 105,1 367 Methylbutyläther®). G;H,,.0 343,3 127,2 375 Äthylpropyläther®). CEERAO 336,6 127,8 |. 320 Athylbutyläther®) . CAEAO 364,4 150,1 3772 Methyl i. amyläther . OHETRON 57364 1481 | 370 Propylbutyläther®). . GH.0 390,1 174,4 388,8 Methylheptyläther IE CEO, 423 194,6 393,8 ' Dibutyläther °). G,H,0 | 413,9 197,3 392 Athylheptyläther°). CH,40727 7139.6 220,8 400,1 Athyloktyläther?) . CRENAOL | 7,3622 246,7 412 Propyloktyläther®) . 07 352077 7480 272,4 417,7 1) Scuirrs Daten. 2) Korprs Daten. 3) Pırrres Daten. 4A) Tuorres 7) Weszs Daten. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 49 Verbi Zusammen-| Abs. Siede- | Mol.-Vol. To’. erbindung We ee setzung | punkt (7) | (v) | (443,93 0+ - - -)? Propylheptyläther !) C.H,0 | 4606 | 245,6 405 Butylheptyläther') . ER NOn ara 2 412 Butyloktyläther !) RE On na 122957 419,5 Diheptyläther ') e73,,0127534,90 1.035927 440,6 Heptyloktyläther !) .. CE OUNT 7558 13X0,8 442 Dioctyläther'). . 0rH,202|, 7756857: | 403,6 444 Diisopropyläther) . CIE O2 73157 15462 357,4 Allyläther®). . . . RE KO aaa enerchs 405,5 Methylformiat?) . @,H50, | 305,3 | 62,84 341,6 Äthylformiat®). . 127.08 So eb 349,7 Propylformiat?’) . 85,0% 354 | 106.83 361 Butylformiat®). . SEN O2 390 127,6 365,1 1. Butylformiat°). OEM.OS 31.0190 12512.9495 361,6 Amylformiat°). GH.0 396,3 150,21 362,3 ij. Amylformiat?). SLENNO> 397 | 153,2 374,1 Hexylformiat *) C377,0} 426,6 | 173,3 378,6 Heptylformiat®) . Oral 95 A lee 387,2 Oktylformiat‘®). . E30! Aue 220,8 393,7 Methylacetat°). . E70), 3. 347,6 Athylacetat°) . (EC 3508 1.106415 351,4 Propylacetat‘®). ©, 150,0), 3038) |; 128,6 362,7 Butylacetat’) CEO 397,300. |,150,6 365 i. Butylacetat°) ORERLOE 3833 1.190116 354,7 Amylacetat‘) . CEO, 420.6 | 173,8 374,8 Hexylacetat‘®) . OAE 50) 442,2 197,7 382,9 Heptylacetat‘). . 0,H4;0 464,3) | 221,0 339 Oktylacetat‘) . . . 0,H,,0,,, 9i83 245,8 394,65 Methylpropionat?) . (&, 18205 39229) 1.104486 350 Athylpropionat°). CHN% Sa eo 356,7 Propylpropionat?’) . er 395,2 | 149,87 359,8 Butylpropionat‘). . ERNON 418,4 143,2 370,9 i. Butylpropionat°). 037,0; 409,8 174,23 367 Amylpropionat°). 0902 433,2 195,04 369,4 Heptylpropionat®) . CEO, 481 247,1 395,8 Oktylpropionat®). a 270,5 400,9 Methylbutirat®) . GH,0, | 3788 126,75 354,9 Athylbutirat°). . GER0F3923 150,37 359 Propylbutirat°) . CEO, 415,0 | 173,89 370 Butylbutirat‘®).. . E,E,05 438,7 197,8 379,1 i. Butylbutirat?) . GEN 0, 429,9 200,53 378 Amylbutirat®).. . CE, 457,8 | 222,3 387 Hexylbutirat®). . 0, ATS DAB 39a Heptylbutirat°) . CHR 0557 74980177 177270,2 400 Oktylbutirat?) . . OSAEIIO, 515,2 | 295,6 404,8 Methylvalerat‘®) . ler 1 SSL 149,6 | 356,8 Athylvalerat®). . CHEN OR 407,3 173,44 | 362,1 Propylvalerat®) . CEO PA | OA 213,70, i. Butylvalerat’) . CEO: Aal, , | 223,40 | . 375,9 1) Dozriners Daten. 2) Zanpers Daten. 3) Ersässers Daten, 4) GARTENMEISTERS Daten. 5) ScHirrs Daten. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV, 4 50 SAMUEL HÖNIG. ae ne Zusammen-'| Abs. Siede- | Mol.-Vol. | To'le setzung | punkt (7) ONE Amylvalerat‘) . 50} 476,7 245,8 - | 390,2 Hexylvalerat'). OHREN 496,8 272 | 403,0 Butylvalerat') . GHRO, 458,8 222,1. |,273802 Heptylvalerat ') CHEN 516,6 ZI ee Octylvalerat ') . E9E5205 533,2 | 322,6 415,5 Methylcapronat !) CAENO, 422,6 .1.12/2 371,2 Athylcapronat') . ERHRO! 439,6 | 1904 380,2 Propylcapronat !) OIERSO! 457.000 10.222592 388 Butylcapronat') . E50, 477,3 246 392,8 Heptylcapronat !) C#H2,0, 532,4 323,9 417,3 Oktyleapronat') . O2E9,.0% 548,2 349,6 420,5 Methylheptirat '). CL O} 445,1 196,2 381,8 Athylheptirat !) 8508 460,1 221,9 337,2 Propylheptirat'!) . er 479,4 246,5 394,3 Butylheptirat ') 2,0% 498,1 271,3 402 Heptylheptirat') . al (08 547,6 | 350,2 420,2 Oktylheptirat }) C5H.,0, | 5630 N 3762 431,4 Methyloctirat !) CHH.O: 465,9 220,1 389,5 Athyloctirat !) . HE, 478,8 245,9 210 0390.1 Propyloctirat !) er r0 497,7 27038 | 39 Butyloctirat') . 6:0 513,5 2999 |. 1 A037 Heptyloctirat !) EREENO: 562,8 377 I Asılnd Oktyloctirat'!) . CEO, 578,9 404,3. |727435,3 Methyloxalat). GHLO, 436° | 116,8 ı 342,27 Allylacetat °) GH 377 121,4 |, 00080087 Methylacrylat®) . & 12-08 353,3 98,4 | 361,15 Äthylearbonat) . OHR; 399 138,8 | 346 Methyläthyloxalat 6) 220, 446,7 1 346,3 Äthyloxalat°) . 04,0 459 166.5 93627 Propyloxalat°). Ed, 486,5 2154 | 377,4 Butyloxalat‘) . . CHE ON Ss 2584 | 3743 Äthylheptyloxalat 6) i 67,0, 936,0 1,9 284,9 6 2 E93 3786 Propylheptyloxalat®) . 03E0, DA N 315.7 EAN Propyloktyloxalat ” Ed) 568,1 340,4 408,7 Methylmalonat®). e270, 453,7 13.700. Ne a Äthylmalonat‘°) . CH.) 471,4 185,1 | 3061 Athylpr opyImalon ) e2E7.07 484 207,8 | 356,8 Propylmalonat®) . e7H7.0, 501,3 234,6 | 371,2 Butylmalonat‘®) OPER 9, 524,5 269,1 3400 Methylsuccinat). GH 468,2 1597.00 W36385 Äthylsuceinat‘) . ea 490 209 362,3 Methyläthylsuceinat 5) CHEAOR 481,2 184,6 356,7 Methylpropylsuceinat 7 CE 504,3 230,2 365,3 Athylbutylsuccinat®) . er) 520 255,9 372,1 Propylbutylsuccinat®) ao Be 277,83 376,5 Propylsuceinat®). . CHR: 0225201 257,8 376,8 Äthylheptylsuccinat 6) CHEN O0 25644 332,9 | 402,1 Heptylsuccinat°). &H,20,2@2623 17459167. 2 224046 . 1) GARTENMEISTERS Daten. 2) Korrs und Wesers Daten. Daten. 4) Wesers Daten. 5) Wiens Daten. 3) SCHIFFS DAS GESETZ DER. ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 51 Verbi Zusammen- Abs. Siede- | Mol.-Vol. To'la "erbindung | REN setzung | punkt (7) (v) NEE 09 Nanylaerylat)) 2. . |4C5HL0, Sms don. |. 367,3 Bropylacrylatı) 2...2..1 CH, 395,9 144,95 | 377,2 Benzaldehyd °). Lk C,H,0 452 ale en Methylbenzoat ® W er OL JaKOR 463 1150,32 ,0..4361%2 Äthylbenzoat ?) SICHER 0, 482 2 302 Amylbenzoat?). . CREOR 539 247,7 | 421,2 Methylsalicylat °) i ESHRO, 496 157 343,7 Zimmtsaures Methyl) . CE: 532,6 188,17 | 401,75 Zimmtsaures Äthyl'). CHE AO, 544 2113275). 8210959 Zimmtsaures n. Propyl 5). 09249,.0%8 558,1 239,43 | 418,3 Phenylpropionat') . EN 552,8 17044 | 413 Phenylmethylpropionat E CHE 509,6 195,19 379,8 a opionat J: CHEN 10} 521,1 221,48 390,1 Anisol?) . . © 20 427 125,2 372 Phenetol?) . . “0.,,0 444,3 148,7 376,8 Phenylpropyläther‘ >). CEO 463,5 172. 387,5 Phenylbutyläther °). er Eno 483,3 19543 394,15 Phenylheptyläther 5. CEO 539,8 270,8 420,9 Phenylpropions. n.Propyl’) | C,,H,,O, 535,1 245,96 394,85 Phenyloktyläther °). CEO 555,8 296,1 424,7 o. Kresol®) . . C,H,0 463,8 121,5 386,4 0. Kresolmethyläther 5) : CEO 444,3 146,1 370,8 o. Kresoläthyläther°) . C,H,,0 457,8 171059 381,7 o. Kresolpropyläther °) en AUT! 195 389,2 o. Kresolbutyläther°) . re) 496 218,4 394,5 o. Kresolheptyläther °) CHEIO 550.5 292,9 413,4 o. Kresoloktyläther°) . ORELIO 565,9 3079 419 m. Kresol?) .. . 3 C,.H,0 475,8 123,2 398,1 m. Kresolmethyläther®) : CEO 450,2 147,5 377,1 m. Kresoläthyläther °) C9H720 465 172 12.388,9 m. Kresolpropyläther°) . ro 483,6 196,2 398,6 m. Kresolbutyläther®) CE 02.5028 220,5 406,2 m. Kresolheptyläther°) . CEO 556,2 296,7 426,1 m. Kresoloktyläther °) CHESNO 571,9 321,9 432,8 p- Kresol’) . : SEO) 474,8 123,5 398,2 p- Kresolmethyläther 5) 5 125, ® 448 147,7 378 p- Kresoläthyläther). OEL 0 462,9 ° | -172,1 337,5 p- Kresolpropyläther°) . CEO 483,4 196 398,1 p. Kresolbutyläther°). ORTE 502,5 | 220,8 406,9 p. Kresolheptyläther . ao 556,3 ZOTT 427,6 p. Kresoloktyläther OEE870 571 322,4 433 kymol>). - OR EO 504,8 188,9 400,7 Thymolmethyläther 5), CHERO. 489.2 214,3 377,2 Thymoläthyläther °) el) 499,9 240 | 373,9 Thymolpropyläther’°). CREERO 516 2655 | 390,6 Thymolbutyläther °) e722,0 531,3 239,2 392,4 Thymolheptyläther’) . CO 759,7 368,0. #156 Thymoloktyläther ’°) CEO 1759238 395,6 421,2 1) Wegers Daten. 2) Korrs Daten. 3) Pınerres Daten. 4“ SAMUEL HÖNIG. St ID Verbindung DRSERUDEN. Abs. Siede- | Mol. Vol ar 7 ala Sebzuu ig punk) N Io Ga on. Olaedr No, #500 1903 . 403 n. Propylamin E Ber OSBESN 322100 0012245516 | 405,5 Allylamin) . A NBE CHEND 17329 Kr | 428 i. Butylamin S), RE TRINE C‚H,N | 340,7 106,2 388 Amylamıma) a 2 EN DEREN] 368 126,8 | 334,9 Diäthylamım yi: 202.0 So SAUaHN) 329 109,1 390,1 Triäthylamin ') RB: GEHEN 362 153,8 374,8 nipropylamin)1 2. 2 KELOHEISEN 429,5 222,1 386,3 Mrallylamın 2). 0, 2002 2° [SRC EN 429 200,3 407 Binding 1 We | ORHeNge 59 89,4 341,4 Pipenidin) . 1.02 2 WOsE, N 378 108,6 350,2 Bicolins)a RC 406,5 111,6 392,9 Anilind). . . 2 RL IEIOSEEN: 456,1 106,6 409,8 Diallylanilin ° 3). Er SCHEN EN! 517 225,2 396,3 ; Diisopropylanilin 2). Fre ROEN 518,4 243,1 361 Dipropylanılın). 2.2 22 KON 494 235,4 397,5 Chinolin !). er C,H,N 507 13glomn 385,2 Nitromethans)e 0.2.2 220 7 3CHEINO: 374 593 408,5 Äthylnitrat‘®) ee ENLCHERNNION 359 SOSE | 321,6 Isoamyılnıtrat)) 72°... 2 MOSER ENOS 420 na 336,5 Nitrobenzol&) 2.02. 2 1505HENO®, 492 124,9 337,2 Phosphorchlorid’) . . . . EOS nE 220350, 1193465 405.7 Phosphoroxychlorid ®). : POCI 381,6 101,6 368,4 Phosphorsulfochlorid ®) . . BISiel, SIsnl an Eisto 413,7 Phosphorylbromchlorid®) . | POOL, Br 4106 1074 342,3 Trimethylphosphat”). ... | C,H,PO, 47,2 13945 | 386,6 Dan un an ep ) = (ODER BIO. Tea To 350,1 Arsentrichlorid °). S AsQl, Audio ST Antimontrichlorid s) N SpCl 227500 00T | 407,8 Antimontribromid®) . . . ShpBr, | 548 1a. 341 SilemmehloridO Je au 7 SiCl, 332 121,5 356,1 staneblorid En wu: 150, 409 1a 416,7 StannichloridoO)r ma. > SnCl, 387,5 131,25 | 326,7 -Essigsäureanhydrid®). . . | C,H,0, . 411 10 9K9NE| 375,7 Nitroäthand) ı. 0°... KO,H,NO,. 1387 | 802... og 1) Scnirrs Daten. 2) Zanpers Daten. 3) Tnorrrs Daten. 4) Korps Daten. 5) Tuorpes und Pıerres Daten. 6) Tuorpes und Burrs Daten. 7) Wesers Daten. 8) Pıerres Daten. 9) ZAnpers Daten. absolute Siedepunkt von den betreffenden Temperaturen der ver- schiedenen Verbindungen oft auch mit 15 %, abweicht, wovon ich mich durch die vorhandenen kritischen Daten überzeugen konnte. Nachdem 15 °%, Abweichung im absoluten Siedepunkt in der 3/,. Potenz des Molekularvolumens ungefähr 10 % Abweichung verursachen kann, so war die obige Differenz von 25 %, im Werte Tv’k des H13%07..) zu erwarten, so daß die Verschiedenheiten DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 53 der aus den verschiedenen Verbindungen erhaltenen Werte auch nur die Richtigkeit des Gesetzes: bezeigen. Die Umrechnung auf die entsprechende Temperatur auf grund der kritischen Daten habe ich weiter unten vollführt; hier sei nur beiläufig nachgewiesen, daß die Abweichungen den obigen Ursachen entsprechen. So entspricht z. B. bei den höheren Glie- Ta.3 n/a Tv ar.) gänzlich der von PAWLEVSZKY für die kritische Temperatur be- stimmten Regelmäßigkeit*, laut welcher on ll const 43, | (I) dern der homologen Reihe die Zunahme des Wertes von wo %, die absolute kritische Temperatur und 7 der absolute Siedepunkt ist. Der Wert der Konstanten ist bei den verschiedenen Gruppen von Verbindungen verschieden; die allgemeine Gültigkeit obiger Regelmäßigkeit (I) konnte in Ermangelung genügender Versuchs- daten nicht ausgesprochen werden. Auf grund dieser Kegelmäßigkeit kommt, dab -,- = 14 ist. Für den Siedepunkt der verschiedenen Verbindungen muß der Wert von & verschieden sein, und zwar größer bei den höhern Homo- logen, da deren Siedepunkte auch höher liegen. Dies ist in völligem Zusammenhange mit der oben bemerkten Zunahme des Wertes. Ich halte es für wahrscheinlich, daß auf die obigen. Werte auch eine geringe Assoziation von Einfluß war. Außerdem können auch der Siedepunkt und das Molekular- volumen 1—2 °%, und auch mehr Abweichung vom richtigen Wert aufweisen. Um die wegen nicht einhalten der entsprechenden Tem- . peratur entstandenen Abweichungen zu beseitigen, habe ich, wie bereits oben angedeutet, auf grund der Gleichung (9) Ola erat on Be m const. die Verdampfungswärme berechnet. Hier erschien der Wert tat- *= Chem. Berichte 15, 2460 (1882). 54 SAMUEL HÖNIG. Tabelle VI. Werbindung Zusammen- Verdampf | Molekul.- | Wert des setzung Wärme | Vol. Konst. Benzol 0, |, 0u8 93,45 9) 95,94 | 7870,6 also nal ee 83,55 1) 117,97 | 7816 Äthylbenzol...| C,H, ea er ‚Mesytilengere re 12, CE: Ta) 162,4 7940 Cymol CH EI 06,5 184,46 | 7334 IDeeanı 0 2. SO,SES 60,83%) | 231,31 | 8087 Octan N oe Loser) Welsartorn m 8250 Propylformiat. .| C,H,O, 90,2°) 106,2 8093] 85,251) 7585 J Methylpropionat..| C,H,0, | 893) | 104,86 | 7769 Propylacetat . .| C,H ,0, | 83,23) | 128,06 | 8200 77,3%) | 0 Äther. | C,B,0|. 91.230)2.106,28 7,3094 DROP hortrichlor all. | lan) 92,8. | 8040 Chlorotformr . 1 GHIO], @k) 92,56 | 8136 Methylbutirat . .| C,H,,0, | >) | 126.750 | 1102 Athyljodide | esErg | 46,87 4) 86,55 | 7951 Äthylformiat . .| C,H,0, | 94) | 814 | 7556 1) SCHIFF. 2) LoU6UININE. 3) Drourr. 4) ANDREWS. sächlich konstant und kamen trotzdem Abweichungen vor, so waren dies solche, daß sie getrost als fehlerhafte Versuchswerte der Verdampfungswärme betrachtet werden können. Es st Q@=e —-L=MI-—-2T, wo oe die Molekularver- dampfungswärme (e = Ml) und L=2T die äußere Arbeit be- deuten (= Grammverdampfungswärme). Ich benutze o statt Q, da dies nur zeitraubend ist und das Endresultat nur unwesentlich beeinflußt; die Gleichung (9) erhält daher folgende Gestalt: .M 1. vw’. (re a oe} Die gebrauchten Werte von / sind hauptsächlich den Daten von SCHIFF*, DROLLY**, REGNAULT***, BERTHELOT*®**, ANDREWS*** und auch den Tabellen von LANDOLT entnommen. * ScHirr, Liebig Ann. 234. ”* Phil. Mag. 41 8. 36. == WINKELMAnNN, Handbuch der Physik 22. — const. (10) Su DAS, GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 5 Da bei den meisten Verbindungen von verschiedenen Autoren oft sehr verschiedene Werte der Verdampfungswärme bekannt sind, werde ich zwecks Vereinfachung der Vergleichungen den Wert von | aus der Gleichung (10) berechnen. (Den Wert der Kon- stanten habe ich auf grund der obigen mit 7750 festgesetzt.) 50 en 3,93 Ze e OU (11) Die aus dieser Gleichung berechneten Werte von / vergleiche ich mit den Versuchswerten der Verdampfungswärme. [Eine streng richtige Regelmäßigkeit können wir nur für die Verdampfungswärme ohne äußere Arbeit (/,) festsetzen: era) ao a a. (11a) Der Einfachheit halber benutze ich die Gleichung (11). Oft finden wir wesentliche Abweichungen zwischen den be- rechneten und den Versuchswerten der Verdampfungswärme, doch findet dies darin seine Erklärung, daß auch die Werte der ver- schiedenen Autoren solche Abweichungen aufweisen. Ich erwähnte, daß HE vor n Se const. nur bei der korrespondierenden Temperatur gültig ist. Nachdem der normale Siedepunkt keine streng korrespondierende Temperatur ist, so zeigen sich. bei dem Werte der Konstanten kleine oder größere Abweichungen. In den Folgenden beziehen sich meine Berech- nungen auf die streng entsprechende Temperatur und so fand ich auch wirklich, daß der Wert der Konstanten innerhalb der Grenzen der Untersuchungsfehler konstant ist. Ich nahm direkt den kritischen Zustand zum korrespon- dierenden Zustande der verschiedenen Verbindungen. So untersuchte ich also die Formel 17) op "a ER (H+ 3,93 c EI Jar, const., (12) wo 9, — den kritischen Siedepunkt in absoluten Graden, 9, — das Molekularvolum bei dem kritischen Zustande anzeigt. Man ersieht hieraus, daß die obige Formel (12) durch die Untersuchungen für richtig erwiesen wurde. SAMUEL HÖNIG. Tabelle VII. & _ Berechnete | Versuchs- Verbindung Zusammen- Molekular | setzung | volumen | Verdampfungswärme | (115,23) Methylformiat . 60,181, 62,841) | 115,8 cal. \ Brest) 1110,15) ( 94,4%) Äthylformiat oe | en) en) : 1105,39 92,2°) | 97% | 2 Methylacetat | 6,2,0,. sau) | 9a ; \| 89,863) 110,24) \f 8819 u. | 4 Äthylacetat . i7C.8,0% | 106.159 Verso Ol | 83,19) ‚(843% . 2 : I 85,208) Propylformiat . "I &m0 | 10693 sea ropylformıa ak 0), ) \ 90.29) \ Q 89°) Methylpropionat . 5 C,HRO, 104,86 ! Sea YuPLOR ats ) | 84,156) Propylacetat = 20-2720, 12848) 78,8 I) DO | ı 2 ” | 83,2 5) x * EN r N 5 Athylproprionat . ao ar) AD | | 818 > [| 79,7% Methylbutirat . -212.0.1,..0524126,755) SIE EN, : Il 77,255) ‚| 75,5% Methylisobutirat.. 1 20. E02 7126549) soo | 159 i. Butylformit . = 62H,,0, 174129595) TA AR 68 | 7705) Methylvalerat . 17 0.1,0,1, 1296.) | ma1o, a0 Amylformiat 21 €-20) | 415059) 724, = una) Propylpropionat . u 10, H50502 12 149,87.) 12,8: ..,.. 1 2221050) Äthylbutirat 21.054780, 2150, 37) Bir2:oı eo 1. Butylpropionat 21220 12210521 1742.32) 66,647 „N 2H662) Amylacetat . | €. 42.0 | Maalsı2) 66,84 66,35 5) 1) Ersässers Daten. 4) ANDREWS. 5) Droııy. 2) GARTENMEISTERS Daten. 6) SCHIFF. 3) BERTHELOT. 7) Wıirız. —] DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. ) ende Zusammen- Molekular- Berechnete | Versuchs- setzung | volumen | Verdampfungswärme Propylbutirat . @H,,0, | 123,899), | 66,80 „ | 66,2:0) Amylpropionat BAER O8 1:135,02. 320 163.100. 63,1510) i. Butylbutirat. C,H,.0, | 200,535) | 60,72 cal. | 61,9%) Propylvalerat . Gl er) | re le) i. Butylisobutirat CH 3025 17:1906:/01.2 1162465, >, 601%) Amylbutirat. CHEN.O, 22152) | Bros | 59,414) Amylisobutirat 0,H,,.0, | 223,043) | 57.08 „ | 57,652) i. Butylvalerat. 2,0% | RW SE) Amylvalerat. 6,05) 2383 54.79 „ Sa) i. Butylacetat . 18,0, sans) | 69,9%) Äthylvalerat. CAR RON las era 64,651) Methyljodid . H,J 66°) 46,21 „ 46,072) Äthyljodid CH,J 85,82) | A567 „ | Asauı) Amyljodid CIE, 7.150443) 54,12 „ 47,513) Amylbromid. ea m 13920, | His. 48,41°) Amylchlorid GER 51354) 66 R% 56,413) Äthyloxalat . C,H,.0, | 166,59 Beistand) louid Snch | 131,45) | 35,48 „ | 30,532) Äthylenbromid C, H,Br, 97,657) | 48,9 ,„ | 43,815) Methylenchlorid . CE. Ch BA ee | er) Phosphortrichlorid . EIel, a. ae iz) | I | Ä Fe eo | 106} | Be...) | | en | ‚ 191,231%) Bew Öse, 95,947) | 91,8 „ | 98,451) Toluol Gen) slalkera)rek) | B28b 12 83,551) Äthylbenzol . ee BR 1339391, Q6.5a, | ed.) Mesitylen = 5.0007 2 n..CCH,. 16243) |.69,92 „ | zıcı) Cymol | Sn aa u a) Decan BRENNT 08 GEN 28a 5, 60,831”) Wem ae. 18246 66, Sal z0,9227) Chloroform . CC, | 94,56%) | 582 „ | 61,136) 1) Ersissers Daten. 2) GARTENMEISTERS Daten. 3) PIeRRES und Dosrıwers Daten. (Mittelwert.) 4) Dosrımers Daten. 5) PıerrEs Daten. 6) Wegers und Korrs Daten. (Mittelwert.) 7) Sckiırrs Daten. 8) Tuorres Daten. 9) Lanvorıs Tabellen. 10) Droury. 11) SCHIFF. 12) Anpeews. 13) Bertraeior. 14) Wirtz. 15) Beix. 16) REUGNAULT. 17) LouGummmne. 58 _ SAMUEL HÖNIG. Tabelle VIII. Verbindung Formel kan 1lamın) Lea Val Ip S 9, P (H+3,93 C+ - - -)? onen oo] ar 307,1 2524 Benzoljodidd) rn... CH) 721 349,28 2520 Benzol 0 er HR 561,5 || 256,85 2568 OD). Narr ne ccl, 556,75 276,85 2438 Ather LE HENKO. Aa Se 2355 Benzolflourid ). . ... . CSHFR 559,55 270,9 2158 Benzolbromid)) 2.2... 0CH, br 670 343,94 2645 Stannichlorid). . . . . Sn Cl, 591.72. 350,22 2178 Methyläthyläther?) . . . GER) 441 | 195,44 2024 Methylformiat!) . 0,1270 487 ae 2417 Äthylformiat°) . 187,0: 506 | 234,9 2499 Äthylformiat). . N 508,3 229 el Propylformiat °) GER, 533,8 288,5 2473 i. Butylformiat >) . 038,08 551,2 354,2 2439 Amylformiat?).. . €. E.08 b75,6 ı | Aa 2394 Methylacetat °). C,H,0, 505,9 231,25 2440 Methylacetat!). . C,H,0, 506,7 227,4 a Äthylacetat?) C,H,0, 522,5 294,04 2438 Äthylacetat !) C.HEO, 523,1 285,62 2333 Propylacetat?).. . 0-H7,03 549,3 351,7 2405 i. Butylacetat?) CE0% 561,3 | 4128 2346 Äthylenchlorid') . . Or181,0) 523 936,3 2780 Methylpropionat') . C,‚H,0, 528,7 | 293,33 2511] Methylpropionat?) . ONESON 530,4 281,75 2317] Äthylpropionat') . (186,08, 545,4 356,9 2430 Methylbutirat !) C>H.03 551 350,5 2406 Äthylbutirat) . . 03,08 565,8 420,3 2434 Äthyl i. butirat'). C,H,,0 553,4 420,3 2382 Methylvalerat ') G-H720, 566,7 417,2 2410 1) Jounes und Rausays Daten, Phil. Mag..33, 153; 35, 595, 1892. 2) Napesvınes Daten. Alles zusammenfassend, ersehen wir, daß das abgeleitete Ge- setz der Atomanziehung (a, as) y»5 f=% auf die folgenden, durch Untersuchungen für richtig befundene Formeln führte: DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 59 Tv? WEIT EB OeasaE wo T die korrespondierende Temperatur der Verbindung im absoluten Werte, v das Molekularvolum bei dieser Temperatur bedeutet, wenn wir zum Ausgangspunkte der korrespondierenden Temperatur z. B. den Siedepunkt des Benzols wählen. — 3), N.) Ava (H+ 393 0+.-)° — 7750, (2) wo 4 die Verdampfungswärme des Moleküls, v das Molekular- volum auf der entsprechenden Temperatur anzeigt. Richtiger "a a N 7000, (2a) wo Q=4-—2T. Aus (1) und (2) folgt, daß das Gesetz TRrOUTons (in der VAN DER WaaArsschen Modifizierung;) nz — 20,4: EZ HI393 072.2 2400. (3) Aus (1) und (3) folgt, daß 9 op» = const. — 0,151, (3a) wo 9-5, und =, - Da 7 die korrespondierende Temperatur anzeigt, # bei jeder Verbindung gleich ist, so folgt aus Gleichung (3a), daß auch bei allen Verbindungen gleich ist, was durch die Gleichung VAN DER Waars’ schon bekannt ist. Wenn wir zum Ausgangspunkte den Siedepunkt des Benzols wählen, so bekommen wir die Formel 99 — 0,151. Ferner folgt hieraus, da die experimentellen Werte bei dem Benzol 353 = .—063, n) ergeben, daß p = 0,386 (nach den Untersuchungen 0,375). 60 SAMUEL HÖNIG. Die experimentelle Kontrolle dieser Werte ist bei den andern Verbindungen überflüssig, da sie keinen neuen Zusammenhang enthalten. Aus der Formel (2) und (3) folgt A; 9, op" er 3,23, (&b) wo Aund g dem Siedepunkte entsprechende Werte zeigen. (p ist hier nicht mehr konstant.) Die Gleichung (3b) kann zur Berechnung des kritischen Volums und der kritischen Dichte benutzt werden und ergibt dann ; ®/a 081 (3e) 0 ae (34) Da (3e) und (3d) nur die Gleichung (2) und (3) enthalten und diese schon durch Untersuchungen kontrolliert wurde, so ist eine weitere Kontrolle überflüssig. Die Formeln (1), (2) und (3) können nur auf nicht assoziierte Verbindungen gültig sein. In dem folgenden werde ich die obigen Formeln auch auf assoziierte Verbindungen untersuchen und anwenden. Die Verdampfungswärme (A) der assoziierten Verbindungen kann man sich aus zwei Bestandteilen vorstellen; der eine Teil (®) ist nötig zum gegenseitigen Entfernen der assoziierten Moleküle (dies ist die eigentliche Verdampfungswärme), der andere Teil (Q,) dient zur Dissoziation der assoziierten Moleküle zu normalen Molekülen. Es ist dann I=- + on Nachdem @ die eigentliche Verdampfungswärme ist, so können wir die Gleichung (3) anwenden; ist « der Grad der Assoziation, so steht in der Gleichung (9) statt vo” das Produkt a” v’» und statt @ das Produkt (A — Q,)a, ferner statt (IH + 3,93 O +: ) das Produkt «a (7 +3,93C + ---). Es wird daher die Gleichung (9) die folgende: also DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME, 61 40 (A = Qa) aa v°la Zossen u und (& — On) v% ak Gera ao ER Durch diese Gleichung wird die Arbeit der Assoziation folgendermaßen berechenbar sein: TS, a 393er.) al, Var a z.B. 7750. (13) re den Verbindung Grad der |Molekul.- Verdampf.- | Assoziations- Assoziation Volumen | Wärme Wärme Wasser, 2,639) | 18,73%) | 9648 cal.) | 7080 cal. Mmlalkohol , 2,24) | 62,182) | 9609 „ ©)| 5994 , Methylalkohol . .. . . Bon 2,71) 8445 „ *)| 6035 „ | Amylalkohol ..... 1576,) 103405)7,106858 7, 0.5390 ” 1) Mittels Rausays und Schıups Daten auf dem Siedepunkt berechnete Wasser. 2) Scuırrs Daten. 3) Zanpers Daten. 4) Favees und SıLBEr- MANNS Daten. Die angewendeten Werte beziehen sich auf den Siedepunkt. Bei diesen Rechnungen wird vorausgesetzt, daß die Assoziation nach der Verdampfung vollkommen aufhört. Bei der Ameisensäure und Essigsäure ist es durch Unter- suchungen festgestellt, daß auch nach der Verdampfung sozusagen der Grad der Assoziation derselbe blieb, als im flüssigen Zu- stande. Bei diesen ist Q,—= O0 und so ins ae) (@ v>)*le nachdem A — MI (l= die Verdampfungswärme eines Gramms). Der Unterschied des so ausgerechneten und des experimen- tellen Wertes ist gering und auch dieser läßt sich durch die Ungewißheit des Assoziationsgrades erklären. Essigsäure CH,O a=1,58* v—=63,2 ! gerechn.— 88,5 lexp. Wert— 84,9"* Ameisens. (,H,0, a=1,57* v—41,44 ] — Tora 103700 ” * Berichte 30, 8.70, 1897. == BERTHELoTs Daten, Winkelmaun, Handbuch d. Physik 2, 2. 623 SAMUEL HÖNIG. Der Assoziationsgrad nimmt mit der Steigung der Temperatur ab. Bei hoher Temperatur besitzt das Wasser z. B. schon eine normale Zusammensetzung. — Und wirklich, wenn wir für das Wasser D, 9," i (an: berechnen, so bekommen wir denselben Wert, wie bei den andern normalen Verbindungen: I, Por Wasser H,O 8, = 631* yo ae or 219 Das Äthylalkohol zeigt noch immer eine kleine Assoziation: EC (H+3,95C+::) Die Essigsäure ist auch assoziiert auf der kritischen 'Tem- C,H,0 8, = 536,7t g, = 167,16t oralel peratur: + L a ®/a H,O, 9, 59461 9 —- 110,16 Grsecrn Die Assoziation des Propylalkohols hebt sich bei der kri- tischen Temperatur ganz auf: F Au d, Po 72 > C,H,0 8,5361 9 — 218,04 gg... e — 2856. Ich gehe jetzt zur Bestimmung des Proportionalitätsfaktors der atomistischen Anziehungskraft über, wenn die Einheit der Entfernung das Zentimeter, die der Masse das Gramm ist. Aus der Gleichung f — ß (an aa)0E8 y5,5 = 299. werde ich also ß bestimmen. Die Berechnung geschieht folgenderweise: auf Grund des Kraft- a @,955 E55 gesetzes f— Pß berechne ich die Verdampfungswärme einer einzigen Verbindung (also nicht wie bisher das Verhältnis‘ der Verdampfungswärmen zweier Verbindungen). Aus den berechneten und den durch Versuch bestimmten Werten der Verdampfungs- wärme ist ß berechenbar. * Napesvines Daten, Winkelmann, Handbuch d. Physik. + Jounes und Rausays Daten, Phyl. Mag. |5], 34, S. 595, 1892. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 63 Die Verdampfungswärme einer Verbindung ist gleich der Arbeit, welche geleistet wird, wenn .die benachbarten Moleküle aus der Distanz r sich in das Unendliche entfernen. Berechnen wir die Arbeit, wenn sich ein Molekül von der Oberfläche der Verbindung verhältnismäßig in das Unendliche ent- fernt. Stellen wir uns die Moleküle der Verbindung regelmäßig gruppiert vor, so daß sie nach drei einander senkrechten Richtungen auf gleiche Distanzen gereiht sind. Ich bemerke, daß jede Gruppierung der Moleküle, wird sie wie immer angenommen, eine willkürliche ist. Bei Flüssigkeit, um die es sich jetzt handelt, lagern die Moleküle durcheinander, jedoch die angegebene Gruppie- rung entspricht der Wahrheit am besten. Ich berechne bei solcher Grup- pierung der Moleküle die Arbeit, welche das Entfernen eines Mole- küls beansprucht. Diese ist nur mit weitläufigem Rechnen bestimm- bar. Es ist nämlich die Anziehung aller Moleküle in Betracht zu ziehen, die auf das abscheidende Molekül einwirken. Auf einige Moleküle gebe ich die erwähnte Berechnung hier an: Es sei O das abscheidende Molekül. Die Masse des Moleküls si (, +%,+::.)=m. Wenn O im Verhältnis zu 1 sich in das Unendliche ent- fernt, ist die entwickelte Arbeit: Fig. 2. we ß (a, 955 AL 1,055 Sem 2 ee Ar a,0 DE = 4,5 Wenn OÖ sich von 2 entfernt, ist die Arbeit: 0,55 0,55 (a, 955 un Q,0,55 1 al .)? — (a5 Ha 4.) ik rer (2 ist »V2 von O entfernt). 64 SAMUEL HÖNIG. Wenn OÖ sich von 3 entfernt, ist die Arbeit: RN (a, 955 — ,055 —+ 0:0 .)2 a en von 4: ER (a, 9.55 — a, 0:55 bis ae ) a, 4,5 0,55 (Y2)45 Wenn z.B. O sich von 9 entfernt, ist die Arbeit, da die Distanz rV3 ist: usf. ER (@, 0,55 == 4,055 Sk 8 -) Be 4,5145 (V3)45 Auf dieselbe Weise habe ich die bei der Entfernung von den nächsten, etwa 8000 Molekülen, entwickelte Arbeit berechnet. Die Summe dieser Arbeiten ergibt die totale Arbeit, welche zum Entfernen eines Moleküls verbraucht wird. 0,55 055)? /5 8 4 5 16 Dee ee) a! rn 4,5 r? a or ee, Ich halte es für unnötig, die außerordentlich vielen Zahlen hier mitzuteilen, sondern gebe nur die Summe der in Klammern eingeschlossenen Zahlen an: ER B (a, 955 — an + a0 )? 8,65. 4,5172 1 Es enthalte das Molekulargewicht der Verbindung N Moleküle. Wenn die N Moleküle verdampfen, entwickeln sie die Arbeit (die Verdampfungswärme des Moleküls): [% 8,65 „ (0,055 a,055 4 ...)2 ' 0=N 4,5 ßB° > . 1; (14) Berücksichtigen wir die Formeln 3/77 V r— m 5 n5 » . (4,955 4,055.) 0 (EBEN (a,% = a, DL. .) Saale an Nl ar W : N = 4,69 . 10°*, 7000 cal = 7000, 42 000,000 erg. * 0. Taan, Chemie I, 158. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 65 und setzen wir diese Werte in die Gleichung (14) ein, so ist = 11,007 2 OT Da so ß bekannt ist, können wir die zwischen den Atomen wirkende Kraft mit jener Kraft vergleichen, welche auf Grund des NEwTonschen Gesetzes zwischen den Atome tätig wäre. Es sei die Anziehungskraft zweier Atome nach dem NEw- ToNschen Gesetze fy, nach meinem Gesetze /,, dann haben wir 6,48-.10-3.a, a, fs = r? 1,067 -10-22 (a, a,)955 fe — DZ wo d, 4, in Grammen, r in Zentimetern ausgedrückt ist. Das Verhältnis der zwei Kräfte 63 10 16 N 72 (a, a,)655 Es ıst aber A A, Teen: a, wo A, und A, die experimentell gefundenen Atomgewichte be- deutet, ER r= Vz (V das Molekularvolum) undenz 769.710, dies ergibt fa 1.66.1015. N2,067 1,33 . 1034 In (4, 4,)94.V% (A, 4,985 7" Der Wert von . ist unter verschiedenen Atomen verschieden; bei einer Distanz, in welcher die Moleküle einer flüssigen Ver- bindung zu einander sich befinden, beträgt das Verhältnis ca. 10°°. Also in flüssigem Zustande ziehen sich die Atome zweier benach- barter Moleküle mit 10° mal so großer Kraft an, wie das im Sinne des Newronschen Gesetzes wäre. Haben die Atome voneinander die Entfernung R=nr, so ist das Verhältnis der zwei Kräfte nach obigem: I NEM In Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIY. 5 Qt NW 66 SAMUEL HÖNIG. Wenn wir die Distanz in Zentimetern ausdrücken, so haben wir, da 1 cm r ca. 10’mal enthält, fa 105,5 De Aus diesem Zusammenhange folgt, daß bei 1 m Distanz die wirkende Anziehungskraft nach dem NEwTonschen Gesetze etwa 30mal so groß ist, als nach dem hier gefundenen. Bei 10 m ist sie schon 100 000 mal größer. Kurz zusammengefaßt: bei großer Entfernung wirkt nur die NEwTonsche Kraft, bei kleiner aber ist nur die atomistische Kraft tätig, was die bisherigen Versuche und meine obigen Rech- nungen beweisen. Wenngleich nach der Erfahrung bei kleineren Distanzen als lm noch immer die NewToxsche Kraft tätig bleibt, können wir diesen Umstand erklären, wenn wir annehmen, daß r nicht mit dem richtigen Wert in Rechnung gezogen wurde, oder die atomistische Kraft mit Zunahme der Entfernung rascher abnimmt, als es das abgeleitete Gesetz erfordert. Nehmen wir den letzteren Fall an, so muß die Kraft bei kleinen Distanzen dem gefundenen Gesetze f — «, nn. folgen, da dieses mit den Erfahrungen vollkommen in Einklang steht und nur mit den größeren Entfernungen nimmt die Kraft rascher ab. Auch die folgende Form entspricht diesen Voraussetzungen: Ban q, lg BD cr 0\ 25,5 i Ob die atomistische Kraft diesem Gesetze wahrlich voll- kommen unterworfen ist und welchen Wert c besitzt, könnten wir nur im Besitze absolut pünktlicher und riehtiger Versuchs- werte entscheiden. Nehmen wir an, zwischen den zwei Atomen wirke die Kraft (a, 0)955 25,5 ; a, a —-cr a2 an I +fn Bar & so folgt gleich, daß bei großer Entfernung das NewTronsche, bei kleiner aber nur das gefundene Gesetz zur Geltung gelangen kann. DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 67 Bei kleinen Entfernungen ist fy zu fa, bei großen Entfernungen fa zu fs verschwindend gering. Die atomistische Kraft nimmt mit Zunahme der Entfernung rascher ab, wie es das abgeleitete Gesetz erfordert. Dieser Um- stand macht es wahrscheinlich, daß die Kraft mit Abnahme der Ent- fernung auch rascher zunimmt. Für diese Voraussetzung spricht auch der Umstand, daß jene Verbindungen, deren Moleküle zu- einander sich näher befinden wie bei den übrigen, von den sub (9), (10) und (12) eingeführten Beziehungen eine solche Ab- weichung aufweisen, welche uns klar anzeigt, daß bei kleineren Entfernungen unter den Atomen eine größere Anziehungskraft wirkt, als solche dem abgeleiteten Gesetze entspräche. Ein solcher Stoff ıst u. a. das Quecksilber, dessen Molekularvolum 16 cm ist. — Welchem Gesetze die atomistische Anziehungskraft bei kleineren Distanzen unterworfen ist, können wir wegen Un- sicherheit der Versuchswerte nicht entscheiden. Jetzt kehre ich zur weiteren Anwendung des abgeleiteten Gesetzes zurück. Da nun das Gesetz der atomistischen Anziehung bekannt ist, können alle Werte und Erscheinungen, die auf der Anziehung beruhen, dadurch berechnet, bzw. festgestellt werden. So ist z. B. die Oberflächenspannung der Flüssigkeiten berechen- bar, und in bezug auf diese können wir das EötTvös-Gesetz ab- leiten. Ferner sind auch die Festigkeit der Körper, die spezifische Wärme der Verbindungen, ihre Lösungswärme usf. berechenbar. Oberflächenspannung der Flüssigkeiten. Die Oberflächenspannung ist bei Kenntnis der atomistischen Anziehungskraft auf theoretischem Wege berechenbar. Das theo- retische Rechnen unterlasse ich vorläufig, aber mit Anwendung einer bekannten Formel und des abgeleiteten Gesetzes berechne ich die Oberflächespannung und kontrolliere den so erhaltenen Wert mit dem Versuchswerte Die angewandte Formel ist die folgende: u — const.* (I) BR *® WIEDEMANN, Annalen 27, 454, 1886. 68 SAMUEL HÖNIG. wo 4 die molekularische Verdampfungswärme, » die Oberflächen- spannung, V das Molekularvolumen bedeuten. Diese Formel wurde durch WATERSTON im Jahre 1858 aufgestellt, aber fehlerhaft, da er die Formel für jede Temperatur gültig annimmt und da dieselbe, wie Eörvös bewies, nur bei den korrespondierenden Temperaturen gültig ist. Aus (I) folgt, daß bei korrespondieren- Temperaturen: Yı _ AM (IN\S in (1a) Aus der Gleichung sub (9) folgt: Q: 4 H, +3,93 0, +: -\2 /7,\3 : rear ie: a Aus den Gleichungen (la) und (II) folet: Yı HB, +3,930, +:-:\2 (V,\18 ee) (II) Auf grund dieser Formel ist die Oberflächenspannung der Flüssigkeiten berechenbar. Da die Gleichungen (I) und (I) ex- perimentell richtig sind, verlangt die (III.) Gleichung keine be- sondere experimentelle Bestätigung. Trotzdem führe ich, einige Verbindungen betreffend, die experimentelle Kontrolle der mit der Gleichung (III) berechneten Werte ein. Da die Gleichung (III) nur bei der korrespondierenden Tempe- ratur gültig ist, so werden wir auch die experimentellen Werte auf diese Temperatur beziehen. Ich bestimme die korrespondierende Temperatur nach VAN DER WAALS auf grund der kritischen Temperatur. | Es sei 7, die beliebige Temperatur einer Verbindung in ab- solutem Werte, 7, die zu dieser gehörige korrespondierende ab- solute Temperatur einer anderen Verbindung, 9, und 9, die kritischen "Temperaturen der zwei Verbindungen in absolutem Werte. So ist: TE I; De (@) und mit Hilfe dieses Zusammenhanges berechne ich die korres- pondierende Temperatur: no, (b) DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. 69 Tabelle IX. Zu- | K .\ Mole- Name 5 Se | 25 M r exper. Aloe Werialsken sammen- Tem- | kular- Ya Ya ee setzung | peratur Volumen berechnet bestimmt n | | | ® j Äthylformiat | CEO EN On ins 93 | [Ba Ras ve 1,0349 1,0247 ° Propylformiat] . 02H, 000214:95) | rat Methylacetat | . OEEPRONE E76 e r or | 1,084 1,0943 Äthylacetat | . Bo es ou I) Methylvalerat | OREERONN BOT aaa 2 | Do 1138 Methylpropionat | OEERN®S | 12,2) 35,10) : Methylacetat \. (121,0. 0.) 76,262) | h en 2 : x 34 1,2398 ® Äthyl i. butirat |. 2.0. os ea nn Methylpropionat | @ERO, 7519527) 95,40 °) | 5 r a | | 37 | 1,1927° Äthylbutirat | oe, el Propylacetat |. BEIN OR 237800 115,05) s = ; 0564 1,0510 ° J.-butylacetat | . CH ,0,| 2082. K1s439 | > Sl Methylbutirat | ®2EE 0, 024257 7113,95) 6 3 Me i 6 533 J.-butylformiat | CEO, 92a) lee) En er) Hexan |]. CIE, ar 10345) , | 9 Oktan |. er. ee Benzol se un 10 2C.H, 31652) 98,12°) ( ; BEE 1,355 372 Oktan } . ©, | 20,36) | 164,55) le. a) 5 CH(l, 14,6) 79,35°) | = er BE 1,41 1,502 TeTassenn oe | eo Diallyl SEEN da) 5) | Die | aları N Te enlorköhleiistet | cc, | 2829 | zıy)| m ei. Methylacetat) .. . .| C,H,0, O9) 77,26 2) x | 5 1,552 9 Hexan a GER, ro) 1418225) I ea 1) Aus Daten Napesvines gerechnet. 2) GARTENMEISTERS Daten. 3) ScHirrs Daten. 4) und 5) Eusässers, ScHirrs und GARTEMMEISTERS Daten. 6) Aus Daten Pıwrewskıs gerechnet (Ber. 16. 2633. 1883). 7) Aus Daten Jounss und Rausavs Daten gerechnet. 8) SAJOTSCHEWSKYS Daten. T, sei der O-Grad des Äthylformiats (C,H,0,) — 273° alba: D, — SUN =, So neu 1, — 0,929) 9. (e) Also können wir, wenn die kritische Temperatur einer Ver- bindung bekannt ist, mit Hilfe der Gleichung (c) die zu O-Grad des Äthylformiats gehörige korrespondierende Temperatur be- ? * Von NADEJDINE. 70 Ss. HÖNIG, DAS GESETZ DER ANZIEHUNGSKRAFT DER ATOME. rechnen. Auf die so berechneten Temperaturen führte ich die experimentelle Kontrolle der Gleichung (III) durch. In Anbetracht der Unsicherheit der hier Rolle spielenden Versuchswerte, sollen die gefundenen Werte — wie das voraussichtlich war — die Richtigkeit der Gleichung (III) beweisen. Die Differenz zwischen dem berechneten und dem experimen- tellen Wert bleibt immer unter 10%. Diese Abweichung findet ihre Ursache außer den oben erwähnten Gründen in der even- tuellen geringen Assoziation. Die bisher festgestellten Beziehungen können zur Feststellung neuer Relationen benützt werden. Die experimentelle Kontrolle dieser neuen Beziehungen beweist die Richtigkeit des abgeleiteten Gesetzes der atomistischen Anziehung. Ich beschäftige mich jetzt mit der eingehenden Untersuchung dieser neuen Beziehungen: Schließlich kann ich es nicht unterlassen, Herrn Professor Dr. Morıtz RETHy für seine Mühe und freundliche Unterstützung auch hiermit meinen besten Dank auszusprechen. 6. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY.“* Von GEZA ENTZ sen. Einleitung. Ein jeder Versuch, die Entwicklung der Farben und Zeiech- nungen der Tiere, sowie die interessanten Erscheinungen der Mimicry zu erklären, muß sich selbstverständlich auf die Lehre von der Evolution stützen. Nur einer dieser Versuche hat in weitere Kreise Eingang gefunden: die sogenannte biologische Erklärung; diese aber ist mit einer der Theorien der Ab- stammungslehre, mit der Selektionstheorie auf das engste ver- knüpft und ist zugleich auch eine der Hauptstützen dieser Theorie. Es dürfte daher angezeigt sein, vor der Besprechung der Tier- farben und der Mimiery einen Blick auf den heutigen Stand der Evolutionslehre zu werfen. Es läßt sich wohl mit Recht behaupten, daß heutzutage in kompetenten Kreisen keine Meinungsverschiedenheit darüber herrscht, daß sich die Mannigfaltigkeit der Lebewesen unter Ein- wirkung natürlicher Faktoren im Verlaufe von langen Zeiträumen entwickelte. Der Grundgedanke der Evolutionslehre erscheint uns bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse als eine wissen- schaftlich erwiesene Wahrheit, welche durch alle neuere Ent- deekungen und Spezialforschungen auf dem weiten Gebiete der * Vorgetragen in den Sitzungen der zoologischen Sektion der Königl. ungar. naturwissenschaftlichen Gesellschaft am 13. Dezember 1903, 15. April 1904 und 13. Januar 1905; erschienen in den Nummern 415, 416, 419, 420, 426 und 427 des Termeszettudomänyi Közlöny. — Die deutsche Über- setzung enthält’außer einigen unbedeutenden Änderungen auch einige Zu- sätze. 12 GEZA ENTZ SEN. Biologie nur. noch fester begründet wird. — Ganz anders steht es hingegen mit den Ursachen der Evolution; was diese betrifft sind die -Auffassungen sehr verschieden und unter den kompe- tentesten Vertretern der Evolutionslehre herrscht eine sehr be- deutende Meinungsverschiedenheit. Von Darwın, dem großen Reformator der uralten Lehre von der Evolution, wird bekanntlich als Hauptfaktor, der zu Ände- rungen führt, der Kampf ums Dasein angesehen, welcher eine Auslese unter den Individuen derselben Art verursacht (natürliche Zuchtwahl, Auslese, Selektion). Diese Lehre, der eigentliche Darwinismus, geht von der Tatsache aus, daß diese Individuen derselben Spezies mehr oder minder, und wenn auch in noch so unbedeutenden Merkmalen, doch stets voneinander abweichen. Von den minimalen’ Verschiedenheiten, welche zufällig, d. h. aus ganz unbekannten Ursachen entstehen, werden jene, welche ihrem Träger irgendwie nützlich sind, nicht nur fixiert, sondern in der Reihenfolge der Generationen auch summiert und gesteigert; denn im Kampfe ums Dasein haben jene Individuen eine Aussicht zu bestehen und in ihren Nachkommen fortzuleben, welche ihre Art- genossen und Mitkonkurrenten mit irgendeiner vorteilhaften Eigen- schaft übertreffen. — Dies ist kurzgefaßt das Wesentliche der natürlichen Selektion. Außer dieser aber soll nach DARwIn auch eine andere, die geschlechtliche Selektion (sexuelle Zuchtwahl, Auslese) ein wichtiger Faktor der Evolution sein, welche sich bei der Mitbewerbung der Geschlechter um die Art- erhaltung (zumeist an den Männchen) geltend macht und die sogenannten sekundären Geschlechtscharaktere (verschiedene Ornamente, Stimmorgane, Waffen usw.) heranzüchtet. | Trotzdem aber, daß DAarwın der Selektion eine so große Rolle zuschrieb, schloß er die Auffassung durchaus nicht aus, daß auf die Evolution auch andere Faktoren von Bedeutung sind: so namentlich die LAmArckschen Prinzipien des Gebrauches und Nichtgebrauches, ferner die verschiedenen Einwirkungen der Außen- welt, auf welche zum Teil auch LAMARCK, besonders aber GEOF- FROY ST. HILAIRE die Ursachen der Veränderungen zurückführte, sowie jene Faktoren, welche im Bau und in der Konstitution des Organismus selbst gegeben sind. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. IS Daß Darwın die Bedeutung dieser Faktoren mit der Zeit immer mehr einsah, bekennt er selbst mit seltenem Freimut. So schreibt er im Jahre 1871: „Ich hatte früher die Existenz vieler Strukturverhältnisse nicht hinreichend betrachtet, welche, soweit wir es beurteilen können, weder wohltätig noch schädlich zu sein scheinen, und ich’ glaube, dies ist eines der größten Versehen, welche ich bis jetzt in meinem Werke entdeckt habe. — — Wenn ich auch darin geirrt habe, daß ich der natürlichen Zucht- wahl eine große Kraft zuschrieb, was ich aber durchaus nicht zugebe, oder daß ich ihren Einfluß übertrieben habe, was an sich wahrscheinlich ist, so habe ich, wie ich hoffe, wenigstens dadurch etwas Gutes gestiftet, daß ich beigetragen habe, das Dogma ein- zelner Schöpfungen umzustoßen.“® Und zwei Jahre vor seinem Tode schreibt er an MorıTz WAGNER: „Meiner Ansicht nach war es mein größter Fehler, daß ich der direkten Einwirkung der Umgebung, Nahrung, Klima usw. unabhängig von der natür- lichen Zuchtwahl eine zu geringe Bedeutung zugeschrieben habe.“** Die Hauptschwäche der Selektionslehre ist in der Tat darin zu suchen, daß sie die selektorische Wirkung des Kampfes ums Dasein überschätzt und ganz geringfügigen Variationen einen Wert zuschreibt. Daß sich im Kampfe ums Dasein die wirklich nützlichen Änderungen erhalten, ist wohl nicht zu bezweifeln; jene ganz minutiösen Variationen aber (z.B. kaum wahrnehmbare Verschieden- heiten in der Färbung, Zeichnung, Skulptur, Behaarung usw.), mit welchen die Selektion beginnen soll, können — da sie doch zu- meist ganz wertlos sind — durch die Auslese unmöglich erhalten werden, und den Ausspruch, daß „ganz minutiöse Unterschiede des Baues den Ausschlag über Leben und Tod geben“,*** dürfte man zumindest für übertrieben halten. * Cm. Darwın, Die Abstammung des Menschen I.Bd., 1871, p. 132—33. Übersetzt von J. V. Carus. ** Kosmos IV. Jahrg., 1880, p. 10. Zitiert nach M. Kassowırz, All- gemeine Biologie II. Bd., 1899, p. 259. #== A, Weismann, Über die Vererbung p. 28. Zitiert nach M. Kasso- wırz II p. 125. 74 GEZA ENTZ SEN. Der Annahme, daß nur nützliche Variationen erhalten werden, widerspricht die tägliche Erfahrung. Es sei mir erlaubt, diese Behauptung an einem Beispiel zu erläutern. Für die typische Form des gemeinen Carabus cancellatus soll es charakteristisch sein, daß das Basalglied seiner Antennen nicht schwarz ist wie die übrigen Glieder, sondern rot. Zur Annahme, daß die rote Farbe des Basalgliedes keine ursprüngliche, sondern eine erworbene Eigenschaft ist, dürfte nicht nur der Vergleich mit anderen Caraben, sondern auch der Umstand berechtigen, daß sich im südöstlichen Ungarn (z. B. in Siebenbürgen und dem ehemaligen Banat) große Gebiete finden, in denen auch das Basal- glied der Antennen dieses Laufkäfers schwarz ist (Ü. cancellatus, var. graniger). Allerdings fehlt der (Ü. cancellatus mit rotem Basal- glied auch in diesen Gebieten nicht ganz, merkwürdigerweise hat aber diese Varietät nicht schwarze, sondern rote Schenkel ((. can- cellatus var. Scythicus). Ob nun das Basalglied der Antennen oder die Schenkel eines Carabus schwarz oder rot sind, hat für den Käfer im Kampfe ums Dasein keinerlei Bedeutung, und dennoch werden diese Charaktere, mit welchen die Selektion gewiß nichts zu schaffen hatte, mit einer Zähigkeit vererbt. Und dasselbe silt von allen jenen geringfügigen und in biologischer Hinsicht ganz wertlosen Merkmalen, welche die sogenannten Lokalrassen der Arten charakterisieren, dem Systematiker bei der scharfen Ab- grenzung der Arten so viel Schwierigkeiten verursachen und zu so vielen unfruchtbaren Streitigkeiten Veranlassung geben. Wo- mit aber durchaus nicht gemeint sein soll, daß die Erforschung ganz geringfügiger Verschiedenheiten keine Berechtigung hat; im Gegenteil wirft sie ein Licht auf die Wege des Variierens und führt zur Erkenntnis dessen, daß in der Welt der Lebewesen, wie überall im Universum, nicht das Nützlichkeitsprinzip dominiert, welches zwischen zufällig auftretenden kleinen Verschiedenheiten seine Auswahl trifft, sondern eine ganz bestimmte Gesetzmäßigkeit, ‘ welche nützliche Änderungen mit derselben Notwendigkeit hervor- bringt, wie ganz indifferente, ja sogar entschieden schädliche. Jemehr nun die Forschungen auf dem von DArWwIN an- gebahnten Wege vordrangen, um so mehr erwies sich die Be- DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. X rechtigung der Lehre von der Evolution, aber um so mehr zeigen sich auch die Mängel und Fehler der ersten Erklärung, des eigent- lichen Darwinismus. Es ist nicht zu verkennen, daß die Selektionslehre — wie LuBINnskı nicht mit Unrecht bemerkt — heutzutage gerade bei den fortgeschrittenen Biologen starke Gegnerschaft findet und daß es schon jetzt mit Bestimmtheit ausgesprochen werden kann, dab der Darwinismus eine mechanische Basis nicht hat: „er ist durch- setzt von anthropomorphischen Grundvorstellungen jeder Art, von Immanenz, Teleologie, Endzweck in verfeinerter Form. Seinen Kerngedanken von der sprunglosen und allmählichen Entwicklung hat er nicht zu verwirklichen. vermocht.“ * Ein großer Teil der Biologen schreibt der Selektion nur eine untergeordnete Bedeutung zu; sie ist bloß ein „Hilfsmoment der Entwicklung“ (Wunpr), sie wirkt nur ausmerzend aber durch- aus nicht sichtend, und kann auch nichts Neues schaffen, sondern arbeitet mit schon Vorhandenem und zwar mit schon Nützlichem (Enter). Die Überschätzung der Selektion wird am besten durch einen geistreichen Vergleich von NÄGELI beleuchtet. Er ver- gleicht die Selektion mit einem Gärtner, welcher die Äste eines Baumes beschneidet und von Kindern leicht für die eigentliche Ursache, daß sich Äste und Zweige bilden, gehalten wird. ** DrEYER erklärt die Selektion für einen äußerlichen, negativ- regulierenden, abernichtinnerlichen, positiv-konstruieren- den Faktor und H. DE VRIES behauptet dasselbe mit den Worten: „daß Arten durch den Kampf ums Dasein und durch die natür- liche Auslese nicht entstehen, sondern vergehen.“ *** — Kurz, eine Anzahl sehr kompetenter Biologen und Philosophen (HERBERT SPENCER, KÖLLIKER, K. E. von BAER, VON HARTMANN, WUNDT, NÄGELI, EIMER, WOLFF, DREYER, KASsOoWITZ u. a.) verkündet die Unzulänglichkeit, oder geradezu die „Ohnmacht“ der Zuchtwahl. * L. Lusınskı, Charles Darwin. Eine Apologie und eine Kritik. In L. Brieger- Wasservogels Klassiker der Naturwissenschaft. II. Bd. p. 112. “= C. NägeLı, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungs- lehre, 1884, p. 18. ##® Conf. L. Prarz, Über die Bedeutung des Darwinschen Selektions- prinzips und Probleme der Artbildung, 1903, p. 14. 76 GEZA ENTZ SEN. Viele Biologen, welche sich von der Selektionslehre ganz emanzipierten, sind bestrebt, die Lehre von der Evolution nach neuen Prinzipien zu reformieren, zum Teil kehren sie auch zu den LamaArckschen Prinzipien zurück (Neo- Lamarckisten). Unter den vielen Reformlehren sind wohl die wichtigsten die von NÄGELI*, EımEr** und De Vrıes. #** NÄGELI lehrt ein den Organismen innewohnendes Streben nach Vervollkommnung: „Die Evolution der Lebewesen kann man nicht auf rein mechanischem Wege erklären. Um die Ent- stehung höherer Formen aus niederen zu erklären, ist es not- wendig, in den Organismen eine besondere Tendenz zum Fort- schritt anzunehmen, die mit der Tendenz zur Veränderung nahe verwandt oder identisch ist und die Lebewesen, soweit es die äußeren Verhältnisse erlauben, zur Vervollkommnune zwingt.“ Nach EIMERs Lehre von der Orthogenese variieren die Örganısmen nach den Gesetzen des organischen Wachsens, die einmal eingeschlagene Variationsrichtung wird Generationen hin- durch beibehalten, und die Variation, wenn die Ursachen an- dauern, allmählich gesteigert; die eingeschlagene Variationsrich- tung führt aber nicht immer zur Vervollkommnung, wie es von NÄGELI gelehrt wurde, sondern jenachdem auch zur Vereinfachung, ja sogar zur Verkümmerung und schließlich auch zum Verschwin- den gewisser Charaktere. H. DE VRIES endlich lehrt in seiner Mutationslehre, welche sich auf eine Reihe von Züchtungsversuchen an Pflanzen stützt, wie vor ihm bereits andere Biologen (KÖLLIKERT, K. E. von BAERTf, KORSCHINSKY u.a.), daß neue Formen nicht durch stufen- * 0. NÄgeuı, Op. cit. ** Ta. Eımer, Die Entstehung der Arten, 1888. — Orthogenesis der Schmetterlinge, 1897. — Artbildung und Verwandtschaft bei Schmetter- lingen, 1889 —95. === H, De Vrıes, Die Mutationstheorie. I. Die Entstehung der Arten durch Mutation, 1901. — Die Mutation und die Mutationsperioden bei der Entstehung der Arten. Vers. deutscher Naturforscher zu Hamburg, 1901. + A. Köruıker, Über die Darwinsche Schöpfungstheorie, Zeitschr. für wiss. Zoologie, V. Bd. 1864, p. 174 ff. ++ K. E. vox Baer, Über Darwins Lehre, Studien aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, II. Ausgabe 1886, p. 235 ff. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 77 weise Steigerung kleiner Variationen allmählich, sondern sprung- weise entstehen. Gegenüber der Bestrebung, die Lehre von der Evolution mit Ausschaltung der Selektion zu reformıeren und neu zu begründen, hält eine Anzahl von Biologen an den altdarwinistischen Prin- zipien fest und ist bestrebt, die Lehre ganz im Geiste von DARWIN weiter zu entwickeln. Es möge genügen die glänzenden Namen: HAECKEL und WALLACE zu nennen, von denen der letztere, be- kanntlich der Mitbegründer der Selektionstheorie, die geschlecht- liche Zuchtwahl allerdings ganz verwirft und, da er nur die natürliche Zuchtwahl anerkennt, eigentlich zu den Neo-Darwini- sten gezählt werden kann. Von Darwin selbst wurde die Auslese im Kampfe ums Dasein, wie allbekannt und bereits auch erwähnt wurde, für einen zwar sehr wichtigen, aber durchaus nicht ausschließlichen Faktor der Evolution gehalten. Nach den Neo-Darwinisten, richtiger Neo-Selektionisten (WEISMANN, SPENGEL u. a.) hingegen soll bei der Evolution die Selektion allein der Ausschlag gebende Faktor sein. Die Auffassung der Neo-Darwinisten kulminiert in der „Allmacht der Selektion“. * Der Kampf ums Dasein soll die Ursache allen Fortschrittes sein: &oıs rarno xdvrov, wie die von EMPEDOKLES bereits vor etwa 2400 Jahren gelehrt wurde. Von WEISMANnN, dem Hauptvertreter des Neo-Darwinismus, wurde die Selektionstheorie gründlich umgestaltet, eigentlich auf der Basis einer genial ausgedachten und meisterhaft entwickelten, blendenden Hypothese, auf der Basis der Germinalselektion neu aufgebaut. WEISMANNs Hypothese geht von der Annahme aus, daß die ersten Änderungen in den lebenden Teilchen des Keimplasmas, und zwar von äußeren Einwirkungen ganz unabhängig entstehen; die Ursache jeder Veränderung beruht auf zufälligen Änderungen im Keimplasma. Vom Keimplasma aber wird angenommen, daß es besteht: „aus einer großen Menge differenter lebender Teilchen, von * A. Weısmans, Die Allmacht der Naturzüchtung, eine Erwiderung an H. Spencer, 1893. — Die Erwiderung bezieht sich auf H. Spzxcers Abhand- lung: Die Unzulänglichkeit der natürlichen Zuchtwahl, Biolog. Centralbl. 1893, p. 696. 705. 737 und 1894, p. 230. 259. 78 GEZA ENTZ SEN. welchen jedes in bestimmter Beziehung zu bestimmten Zellen oder Zellenarten des zu bildenden Organismus steht, d. h. aus “Anlagen” in dem Sinn, daß ihre Mitwirkung beim Zustande- kommen eines bestimmten Teils des Organismus nicht entbehrlich ist, so daß also dieser Teil durch jene Teilchen bestimmt wird.“ * Diese lebenden Teilchen oder Anlagen werden von WEISMANN als Determinanten bezeichnet. „Wohl können wir von dem feinsten Bau des Keimplasmas direkt nichts erfahren, und auch von den Lebensvorgängen im Innern vermögen wir nur sehr wenig zu erraten, aber soviel wenigstens läßt sich sagen, dab seine lebendigen Teilchen ernährt werden und sich vermehren. Daraus aber folgt, daß Nahrung im gelösten Zustand zwischen diese Lebensteilchen eindringt, und weiter, daß es von der Menge des den einzelnen Determinanten zufließenden Nahrung in erster Linie abhängt, ob und wie schnell dieselben wachsen. — — — Würde nun jeder Determinanten-Art stets genau die gleiche Menge von Nahrung zufließen, so würden alle in dem gleichen Maß wachsen müssen, nämlich genau entsprechend ihrer Assimila- tionskraft. Nun wissen wir aber, daß in gröberen Verhältnissen, die wir direkt beobachten können, nirgends absolute Gleichheit vorkommt, daß alle Lebensvorgänge Schwankungen ausgesetzt sind; irgendwelche kleine Hindernisse in dem Zuströmen der Nahrungsflüssigkeit oder in ihrer Zusammensetzung verursachen schlechtere Ernährung des einen, bessere des anderen Teils. Dergleichen Unregelmäßickeiten und Ungleichheiten nun werden wir in den kleinsten, für uns unkontrollierbaren Verhältnissen des Keimplasmas ebenfalls voraussetzen dürfen, und die Folge derselben wird eine jeweilige leise Verschiebung des Größen- und Stärke-Gleichgewichts des Determinanten-Systems sein; denn die schwächer ernährten Determinanten werden langsamer wachsen, geringere Größe und Stärke erreichen und sich langsamer ver- mehren. — — Auf der durch die Zufälligkeiten der Nahrungs- zufuhr bedingten ungleichen Ernährung der Determinanten scheint nun in letzter Instanz die individuelle erbliche Variabilität zu beruhen.“ ** ”" A. Weısmann, Vorträge über die Descendenztheorie, I. Bd. 1902, p. 389. = Op. eit. II Bd. p. 132133. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 19 Dies ist das Wesentliche der WEısmanNschen Hypothese der Germinalselektion, welche viele Bewunderer, aber meines Wissens bis jetzt keine Anhänger gefunden hat. % “ e Aus dem kurzen Überblick der wichtigsten Ansichten über die Evolution dürfte es ersichtlich sein, daß sich zur Zeit die Kontroverse hauptsächlich um die Frage dreht, ob der Selektion jene züchtende Wirkung zukommt, welche diesem Faktor von DARWIN und WALLACE, noch mehr aber von den neueren Selek- tionisten, den Neo-Darwinisten zugeschrieben wird, d. h. ob ın der phyletischen Entwicklung der Lebewesen das schroffe Nütz- lichkeitsprinzip dominiert, oder aber nach bestimmten Gesetzen wirkende andere Faktoren? Wie bereits eingangs erwähnt wurde, werden für die haupt- sächlichsten Beweise der Selektion die vielbesprochenen biologi- schen Farben und Zeichnungen der Tiere, sowie die interessanten, oft überraschenden Erscheinungen der Mimiery angesehen. Ich will nun versuchen, meine im Verlauf mancher Jahre herangereifte Ansicht über diese Hauptbeweise der Selektion darzulegen. Ich muß es offen gestehen, daß ich mich lediglich unter der Einwirkung zwingender Beweise und nur schwer, ich möchte sagen mit weh- mütigem Gefühl, von der überaus anziehenden, poetischen Auf- fassung lossagen konnte, daß die Selektion bei der Entwicklung der Farben, Zeichnungen und der der Mimiery züchtend eingreift. — Es hält immer schwer, den Irrtum in einer lieb gewordenen Auf- fassung einzusehen; denn: „Die Wahrheit widerspricht unserer Natur, der Irrtum nicht, und zwar aus einem sehr einfachen Grunde: die Wahrheit fordert, daß wir uns für beschränkt er- kennen sollen; der Irrtum schmeichelt uns, wir seien auf ein oder die andere Weise unbegrenzt“ (GOETHE). I. Über die Farbe der Tiere im allgemeinen. Wenn man über die Bedeutung der Farbe der Tiere ins Reine kommen will, muß man zuvörderst Antwort suchen auf folgende Frage: was verleiht dem Tiere die verschiedene Färbung 30 GEZA ENTZ SEN. und welche Organisationsverhältnisse und physiologischen Prozesse haben eine entscheidende Einwirkung auf die Entwicklung der Farbstoffe und auf die Färbung der Tiere? Auf diese kurze, aber vieles umfassende Frage ist es, so wünschenswert es auch wäre, unmöglich eine kurze Antwort zu erteilen, denn die Farbenwirkung ist das Resultat sehr verschie- denartiger Faktoren. Auch soll bereits an dieser Stelle bemerkt werden, daß es zurzeit überhaupt nicht im Bereiche der Mögliech- keit liegt, eine vollständig befriedigende Antwort zu erteilen, weil die Farben durchaus noch nicht in jeder Richtung hinreichend studiert worden sind. Wie auf allen anderen Gebieten des menschlichen Wissens, so zeigen sich auch hier nicht nur viele Lücken, sondern auch vielerlei subjektive Auffassungen, die oft- mals im entschiedensten Widerspruch zueinander stehen. Was die eigentliche Ursache der Farbenwirkung betrifft, so ist zunächst ein Unterschied zu machen zwischen den von Farb- stoffen nicht abhängigen Strukturfarben und den durch Farb- stoffe verursachten Pigmentfarben; erstere pflegt man als optische, letztere dagegen als chemische Farben zu bezeichnen. Zu den Strukturfarben gehören die in den Farben des Regen- bogens oder des Edelopals prangenden Interferenzfarben, welche auf außerordentlich fein geschichteten Lamellen, oder dichtge- drängter feiner Strichelung der irisierenden Oberfläche durch Liehtbrechung, also durch einen rein optischen Faktor ebenso zustandekommen, wie an der an sich farblosen Seifenblase. Eine außerordentlich feine Schichtung ist z. B. die Ursache des präch- tigen Farbenspieles der Perlmutterschicht am Gehäuse der Muscheln und Schnecken, wogegen das oft blendende, prachtvolle Irisieren der Haut des Regenwurmes, mancher See-Anneliden, sowie vieler anderer Tiere durch die feine Strichelung der oberflächlichen Hautschicht verursacht wird. Zu den Strukturfarben ist auch zu zählen das Goldemail der silber- und goldglänzenden Schuppen des Peritoneums und der Argentea der Augen der Fische, sowie der Iris des Laubfrosches, der Wechselkröte und zahlreicher Fische, an welchen die Farben- wirkung durch winzige, aus Guaninkalk bestehende Körnchen oder kristallinische Platten hervorgerufen wird. ' DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. sl Seit den wichtigen Untersuchungen von BRÜCKE* werden auch die sogenannten Schiller- oder Metallfarben ganz all- gemein zu den Strukturfarben gerechnet; so die prachtvollen Schillerfarben vieler Vögel (Fasanarten, Tauben, Paradiesvögel, Krähenarten, Schwalben, Kolibris usw.) und Insekten (Schmetter- linge, Laufkäfer, Prachtkäfer, Cetoniden, Chrysomaliden, einiger Hemipteren, Museiden, Libellen, Chrysididen usw.), sowie der männlichen Sapphirinen unter den Copepoden. Dem entgegen sucht WALTER auf Grund seiner Studien über die optischen Ver- hältnisse nachzuweisen, daß die Erscheinung des Schillerns durch besondere Farbstoffe bewirkt wird, die ohne jegliche Struktur der Oberfläche das Licht reflektieren und den metallglänzenden, irisie- renden Schimmer hervorrufen. ** Die Schillerfarben sind nur bei auffallendem Licht sichtbar; der Farbstoff selbst ist anders gefärbt, als die schillernde Ober- fläche, und zeigt entweder ganz oder zumindest annähernd deren komplementäre Farbe. Es seien einige Beispiele angeführt. Unter ‘den Schmetterlingen ist das Pigment der prächtig blau schillern- den Morpho-Arten bei durchfallendem Licht gelb oder gelbbraun das der blaugrün schillernden Apatura Laurentia dunkelrotbraun, das der grünschillernden Papilio Budhae und P. Polyctor aber blutrot. In diesem Falle haben wir es nach WALTER mit der- selben optischen Erscheinung zu tun, wie beim Fuchsin, das bei auffallendem ‚Lichte grün schillert, bei durchfallendem aber rot ist. Von den Kolibris sind die gelblich-srünschillernden Hals- federn von Topaza pella bei durchfallendem Licht rötlich-braun ? ? die rötlich schillernden Bauchfedern hingegen grün, die grasgrün schillernden Bauchfedern von Aithurus polyturus aber rot. Erneuerte Untersuchungen bestätigen die WALTERsche Er- klärung der Schillerfarben, insofern sie sich auf Tiere bezieht, nicht, im Gegenteil bringen sie die ältere Auffassung zu voller Geltung. Nach genauen mikroskopischen Untersuchungen von W. BIEDERMANN läßt sich nicht mehr bezweifeln, daß die Schiller- * E. Brücke, Physiologie der Farben, 1887”. — Über Federfarben, Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 43, 2. Abt. — Über Metallglanz. Ebenda Bd. 53, 2. Abt. ** B. Warrer, Die Oberflächen- oder Schillerfarben, 1895. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. AXIV. 6 82 GEZA ENTZ SEN. farben von Insekten und Vögeln stets durch eine feine Struktuı der schillernden Oberfläche, und zwar entweder durch feine parallele Rippen (Libellen, Falter, Vogelfedern), die sich auch netzartig verbinden können, oder durch ein Mosaik polygonaler Feldehen mit feiner Punktierung oder zierlicher Netzzeichnung (z. B. das Email der Flügeldecke der Cetonia) hervorgerufen wer- den; oder es handelt sich um palissadenartig dicht anemander gerückte prismatische Stäbchen einer feinen Cutieularschicht (viele Käfer, Sapphirinen), welche den prachtvollen Interferenzerschei- nungen zugrunde liegen. * Außer den schillernden gibt es auch matte Farben, die bei auffallendem Lichte eine andere Farbe zeigen, als bei durchfallen- dem. Ob diese auf dieselbe Weise entstehen, wie die Schiller- farben, oder ob sie durch eine Kombination der Pigmentfarben mit den Strukturfarben hervorgebracht werden, wie GADOW be- hauptet, der die Farbe der Vogelfedern eingehend studierte **, bleibt vorläufig eine offene Frage. So viel steht fest, daß die blaue und violette Farbe der Insekten und der Vogelfedern, sowie die grüne Farbe der Vogelfedern — mit Ausnahme der Muso- phagiden und einiger Kolibris — nicht von ebensolchen Pigmen- ten herrühren. Der Farbstoff all dieser, häufig sehr lebhaften Farben ist bei durchfallendem Licht grau, schwarzbraun, schwarz, oder hat eine der entsprechenden Farbe annähernde komplemen- täre Farbe. Die grünen Federn des allgemein bekannten grünen Amazonen-Papageis (Ohrysotis amazonica) z.B. sind bei durchfallen- dem Licht graugelb, die berlinerblauen Federn des Arara macao hingegen braunrötlich; auf der Kehrseite sind diese blauen Federn gelb oder rot. Auch die grüne Farbe der Frösche, z. B. des Laubfrosches rührt nicht von ebensolchem Farbstoff her, denn die Haut des Laubfrosches enthält bekanntlich nur ein schwarzes und ein gelbes Pigment, und das schmutzige Gemenge dieser beiden Farben wird durch eine, meines Wissens noch nicht genauer studierte Struktur des Epithels in ein lebhaftes Grün = W. Bırpermann, Die Schillerfarben bei Insekten und Vögeln, Fest- schrift zum 70. Geburtstag von E. Hazcker, 1904, p. 217. =# Bpronns Klassen und Ordnungen des Thier-Reichs, VI. Band, Vögel IT Theil 1831 p2 578: DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 85 umgewandelt. Auch in dem nur kurze Zeit andauernden, schönen himmelblauen Hochzeitskleid des männlichen Moorfrosches (Rana arvalıs) spielen dunkle Chromatophoren, welche ein schwarzes Pigment und — nach LEyDIG — etwas ins Bläuliche spielende weiße Körnchen enthalten, die Hauptrolle und bringen mit den im Paarungsdrang von opalisierenden Säften geschwellten Lymph- räumen der Haut die blaue Farbe zustande.“ Ganz überraschend lebhafte Farbeneffekte bewirken die durch ein halbdurchsichtiges, trübes Medium durchscheinenden dunklen Farben. Auf diese Weise entsteht die blaue, graue oder grünliche Farbe der Iris. Die Grundfarbe der Iris gibt stets das schwarze Pig- ment der Uvea; enthält nicht nur die Uvea, sondern auch das Stroma der Iris schwarzes Pigment, so erscheint die Iris ganz schwarz; wenn dagegen das Stroma kein Pigment enthält, so erscheint die dunkle Farbe der Uvea durch die nicht ganz durchsichtige, milchartig getrübte Stroma blau oder graublau, oder wenn die Stroma gelb- liches Pigment führt, grünlich. An der blauen Iris kommt der Farbeneffekt ganz auf dieselbe Weise zustande, wie an der Schlehe, Pflaume, der blauen Weintraube und an den blauen Libellen, nur daß in diesen Fällen der feine Wachsreif auf dunklem Grunde die liebliche blaue Färbung ergibt. Dagegen werden die lebhaften Farben der Iris der Vögel, Reptilien und anderen Wirbeltiere durch kleine farbige Fetttropfen bewirkt. Die rote Farbe der Augen albinotischer Tiere aber rührt, bei vollständigem Pig- mentmangel, von dem dichten Netz der Blutgefäße her. Die grellblaue Farbe nackter Körperteile mancher Säugetiere und Vögel, wie z. B. im Gesicht des Mandrill, am Kamm und Ge- sicht des Kasuar, am Kopfe des Puters und des Perlhuhnes, an den Flecken der Wandeidechse usw., kommt auf dieselbe Weise zustande; das Pigment ist einfach schwarz und er- scheint durch die milchartig getrübte Epidermis blau. Diese Farbe kann durch die in der Erregung sich füllenden und die * Fr. Leypıg, Die anuren Batrachier der deutschen Fauna, 1877. — Über das Blau in der Farbe der Tiere, Zool. Anz. 1885, p. 572. Harrer Bira, Über das blaue Hochzeitskleid des Grasfrosches, Zoolog. Anz. 1885, p. 611. — Ergänzung zu meinem Aufsatz ete., Zoolog. Anz. 1886, p. 12. Msuery Lasos, Magyaroszäg barna bekäi, 1892, p. 34. 6* 84 GEZA ENTZ SEN. Haut schwellenden Blutgefäße noch erhöht oder auch modifiziert werden. Ein weißes Pigment existiert eigentlich nicht; diese Farbe wird durch die vollständige Reflexion des Lichtes verursacht. Die weißen Haare und Federn sind alles Farbstoffes ledig; der eigentümliche Silberglanz grauer Haare rührt von den zwischen den Hornzellen befindlichen, lufterfüllten Spalträumen her. Des- selben Ursprunges ist — nach LEYDIG — der Silberglanz der Perlmutterflecke an der Unterseite der Flügel des Perlmutter- vogels (Argynnis Paphia), der durch die in den Porenkanälen der Schuppen befindliche Luft verursacht wird.“ Zahlreiche Insekten verdanken ihre weiße Färbung farblosen Körnchen, zuweilen Kalkkörmern, in anderen Fällen farblosen Haaren. Auch die weißen Flecke der Flügeldecken von Cetonia aurata und wahr- scheinlich auch anderer Insekten werden durch kleine, farblose, starre, leichtzerbrechliche Stäbchen oder Fäden gebildet. Aus ähnlichen Körperchen unbekannter Natur besteht auch der ab- wischbare schuppige Überzug mancher Rüsselkäfer, wie Lixus paraplectieus.#® Der reifartige Überzug anderer Insekten, nament- lich zahlreicher Rhynchoten, besteht, wie bei den Libellen, aus Wachs- körnchen. Es ist ferner bekannt, daß das Wachs am Körper vieler Aphiden, Coceiden und Homopteren einen aus feinen Fäden be- stehenden weißen Flaum oder kreideweiße Stäbchen bildet (z. B. Dorthexia urticae). Ganz anderer Natur ist die undurchsichtige weiße Farbe der Pieriden, die, laut den Untersuchungen von GOWLAND HOPKINS, durch Körnerchen von Harnsäure, welche die Schuppen ausfüllen, verursacht wird. Die Farbe des Zitronenfalters (Gonopteryx Rhamni) stammt gleichfalls von geiblichen Körnchen aus der Harnsäure- gruppe.” Die Farbe der meisten Tiere wird unmittelbar durch ebenso * Fr. Leypıs, Bemerkungen über die Farben der Hautdecke und Nerven der Drüsen bei Insekten, Arch. für mikroskop. Anat. XI. Bd., 1876, p. 539. ** Teypıe, Op. cit. p. 536. === Q, v. Fürra, Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere, 1903, p. 540. 5) 08) DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. gefärbte, bald gelöste, bald körnige Farbstoffe oder Pigmente be- dingt. Es sind dies jene Farben, die man im engern Sinne chemische, Pigment- oder Absorptionsfarben zu nennen pflegt, die man aber füglich auch als gewöhnliche oder echte Farben bezeichnen könnte. Derlei chemische Farben sind unter anderen die rote, orange- rote, gelbe, grüne, die verschieden nuancierte braune und schwarze Farbe der Insekten, sowie die rote, orangerote, gelbe, braune und schwarze Farbe der Vögel, ebenso die grüne Farbe der Muso- phagiden und einzelner Kolibri-Arten, sowie die bald düstere, bald lebhafte Farbe der meisten Wirbel- und wirbellosen Tiere. Zu den chemischen Farben gehören auch die Farbstoffe des Blutes, denen bei Bildung der Körperpigmente eine so hervor- ragende und wenn auch nicht stets, aber doch zumeist eine ent- scheidende Rolle zufällt. Am besten bekannt sind von diesen Farbstoffen der eisenhaltige rote und der kupferhaltige blaue Farbstoff, welche beide an eine eiweißartige Substanz gebunden und kristallisierbar sind. Der rote Farbstoff, das Aaemoglobin, welches für das Blut der Wirbeltiere (mit Ausnahme von Amphi- oxus und den Larven der Aale, den sogenannten Leptocephaliden) so charakteristisch ist, färbt bekanntlich die roten Blutzellen. Dasselbe gilt von einigen Ringelwürmern und Nemertinen; da- gegen ist das Haemoglobin vieler rotblütiger Wirbellosen in der Regel im Blutserum gelöst. Gelöstes Haemoglobin färbt das Blut einiger Stachelhäuter (Ophiactis virens und eine Holothuria), von den Ringelwürmern Lumbricus, Tubifer, Nais und zahlreichen Polychaeten, — von den Weichtieren Planorbis, Arca, Solen, Pee- tumeulus und vieler anderer Seemuscheln und -Schnecken; — von den Crustaceen das von Daphnia, Apus, Branchipus, Artemia, sowie einigen Östracoden und Copepoden, — von den Insekten aber das Blut von Chironomus und Musca. Der blaue Farbstoff, das Haemocyanın ist stets im Blutserum gelöst. Dieser Farbstoff findet sich im Blute der Unioniden und mehrerer anderer Muscheln, Helix, Limnaeus, Arion und zahlreichen Seeschnecken und Üepha- lopoden, sowie der Decapoden, Skorpionen und mancher Spinnen. Die gewöhnliche Nuance des Blutes zahlreicher Insekten stammt vom Chlorophill der Nahrung; doch das sei hier nur be- 36 GEZA ENTZ SEN. rührt, später, bei Besprechung der entlehnten Farben, kommen wir eingehender darauf zurück. Das Insektenblut macht sich hinsichtlich seiner Farbe durch die sehr auffällige Eigenschaft bemerkbar, daß es ergossen, bald in einigen Minuten, bald erst nach einigen Stunden schwarz wird. Diese Schwärzung des Blutes wird laut Untersuchungen von FÜRTH, H. SCHNEIDER und J. DEewITz* durch ein oxidatives Enzym verursacht, welches auf die an sich farblose chromogene Substanz einwirkt. An lebenden Insekten beginnt das Enzym bei der Verpuppung das ÖOhromogen in eine dunkle Melanose zu verwandeln und verursacht die schwarze Farbe der Imago; sehr auffällig ist dies z. B. an den Fliegen, deren Larven farblos, die entwickelten Fliegen aber dunkelfärbig sind. Eine der Verdunke- lung des Insektenblutes ähnliche Erscheinung ist von einigen Tunicaten bekannt, deren farbloses oder gelbliches Blut sich nach Ergießung dunkelblau verfärbt. Diese Farbenveränderung des Blutes erinnert lebhaft an die Farbenveränderung des Sekrets der sogenannten Purpur- oder Hypobranchial-Drüse mancher See- schnecken (Murer, Purpura); dieses Sekret, das Purpurin, aus welchem die Alten bekanntlich ihre kostbare Purpurfarbe berei- teten, nimmt bei Lichteinwirkung zuerst eine gelbliche, dann grünliche, bläuliche, schließlich eine violett-purpurne Farbe an, durchläuft mithin vom Gelb an die ganze Farbenskala. Ferner semahnt diese Farbenveränderung an diejenige mancher See- schwämme, namentlich der Aplysina aerophoba, deren lebhaft schwefelgelbe Farbe sich an der Luft rasch blau verfärbt, ebenso * Vgl. OÖ. v. Fürra, Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere, 1903, p. 93. — J. Dzwırz, Untersuchungen über die Verwandlung der Insektenlarven, Arch. f. Anat. w. Physiologie. Physilog. Abt. 1902, p. 327, und: Weitere Mitteilungen, ebenda p. 427. — Daß Enzyme auch bei der Gestaltung der Organismen wichtige Faktoren sind, wird auf Grund neuerer Untersuchungen immer wahrscheinlicher. Laut Untersuchungen von Drwırz z. B. wirken sowohl bei Entwicklung als auch bei Verkümmerung der Flügel der Vögel und Insekten auch Enzyme mit, auch mag die Behauptung von Dewırz nicht übertrieben sein, daß Enzyme auch bei der Artenbildung eine Rolle spielen, und daß es an der Zeit wäre, dies ganze Problem von dem Gebiete der auf morphologische Verhältnisse basierten müßigen Spekula- tionen auf das Gebiet des physiologischen Experimentes hinüber zu leiten. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 87 wie sich viele giftigen Pilze, wenn man sie entzwei bricht, bläu- lich oder grünlich verfärben. Von den Farbstoffen des Tierkörpers will ich, ohne mich in längere Auseinandersetzungen einzulassen, nur noch die Farbstoffe der Galle und des Harns, sowie das Chlorophyll erwähnen. Das Chlorophyll, diese wichtige Assimilationssubstanz, auf welcher das gesamte Leben basiert, spielt bei den Tieren als selbsterzeugter Farbstoff zwar keine Rolle, kommt aber entweder im rein smaragdgrüner Farbe oder in goldgelber oder gelblich- brauner Farbennuance (Phycophaein) in jenen einzelligen Algen vor, in den sogenannten Zoochlorellen und Zooxanthellen, die mit einer ganzen Schaar niederer Tiere in Symbiose leben, und deren grüne oder gelbe Farbe verursachen. Laut neueren Untersuchungen spielt auch das der Pflanzennahrung entzogene gelöste Chloro- phyll eine Rolle in der Färbung der Tiere. Es färbt nicht nur das Blut, sondern auch den Körper vieler Insekten, z. B. der Raupen und vieler Arthopteren grün, und häuft sich als so- genanntes Enterochlorophyli in der Leber zahlreicher Weichtiere und Krebse an. Auf das Chlorophill werde ich übrigens, wie be- reits erwähnt, noch zurückkehren. Die chemischen Eigenschaften der Pigmente sind noch durch- aus nicht mit wünschenswerter Genauigkeit studiert. FÜRTH unterscheidet in seinem bereits angeführten vortrefflichen zu- sammenfassenden Werke sieben Gruppen von Pigmenten der wirbellosen Tiere. Eine Gruppe bilden die Farbstoffe der Haematinreihe Es sind an Eiweiß gebundene, meist rote Farbstoffe, welche, wie bereits oben erwähnt, die Farbstoffe des Blutes, aber bei vielen niederen Tieren (z. B. mehrere Schwämme, Korallen und See-Anemonen) auch die des Körpers bilden. In sehr großer Verbreitung kommen die Pigmente der Me- lanin-Gruppe vor.* Alle diese sind einander sehr nahe stehende nitrogenhaltige Verbindungen von komplizierter Zusammensetzung, die sich aus Spaltung von Eiweißstoffen, in warmblütigen Tieren wohl aus Haemoslobin, als Dissimilationsprodukte bilden und sich in den verschiedenartigen Pigmentzellen als braune oder schwarze * R. Neunmeiıster, Handb. der physiolog. Chemie, 1897, p. 439. @) 88 GEZA ENTZ SEN. Körnchen anhäufen. Hierher gehören offenbar auch die licht- braunen und gelblichen Pigmentkörnchen der Wirbeltiere, welche mit den dunkeln Körnchen durch eine ununterbrochene Reihe von Nuancen verbunden sein können. Ebenso weitverbreitet sind im Tierreich die Fettfarbstoffe, die sogenannten Lipochrome, nitrogenfreie Stoffe von gelber, roter, rosenroter und purpurner Farbe. Hierher gehört z. B. das Tetra- oerythrin, welches der nackten Haut rings um die Augen des Auer- hahnes, des Schneehuhnes und einiger anderen Waldhühner die srellrote Farbe verleiht, ebenso auch die lebhaften, meist roten Farbstoffe zahlreicher Schwämme, Korallen, Seesterne, Schnecken und Muscheln, Decapoden, Copepoden und Phyllopoden und einiger Insekten, z. B. der Lina, Coceinella- und Pyrrhocoris-Arten usw. Auch in den Eiern sind die Lipochrome häufig. Seltener wird dem Tiere die Färbung durch Zersetzungs- produkte aus der Gruppe der Harnstoffe verliehen. Hierher ge- hört z. B- die bereits erwähnte Harnsäure in den Schuppen der Pieriden, sowie das Guanin und der Guaninkalk. Zu derselben Gruppe zählt der an der Luft blau werdende gelbe Farbstoff von Aplysina aerophoba, sowie der gelbe und gelblich-braune Farb- stoff zahlreicher Korallen und der gelblich-grüne mehrerer Holo- thurien. Die chemische Zusammensetzung mancher Farbstoffe ist zur- zeit so wenig bekannt, daß man sie vorderhand nur nach ihrer Färbung gruppieren kann, als rote, blaue und grüne Farbstoffe. Zu diesen Farbstoffen von unbekannt chemischer Zusammen- setzung gehört der gelbe Farbstoff zahlreicher wirbelloser Tiere, sowie der Sehpurpur (Rhodopsin) der Wirbeltiere. Noch weniger befriedigend als die chemische Zusammen- setzung kennen wir die physiologische Bedeutung und Entstehungs- art der Pigmente. Was die physiologische Bedeutung anlangt, wissen wir noch das meiste von den Farbstoffen des Blutes, die mit dem Oxygen der Luft eine lose Verbindung eingehen, um das belebende Element allen Teilen des Körpers zuzuführen. Es dürfte wohl die Voraus- setzung einiger Forscher richtig sein, wonach gewissen Farbstoffen niederer Tiere eine ähnliche respiratorische Bedeutung zukommt. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 89 Der Wert im Stoffwechsel der zur Gruppe der Harnstoffe gehörenden Pigmente ist evident und erheischt keine weitere Er- örterung. Auch die Farbstoffe der Melaningruppe sind offenbar Dissi- milationsprodukte Daß aber dieselben sich in der Haut nicht bloß der Farbenwirkung zuliebe anhäufen, soll weiter unten aus- führlicher besprochen werden. Die Art der Entstehung und Herkunft des in den Wirbel- tieren so verbreiteten dunklen Pigmentes ist zurzeit noch nicht als gelöst zu betrachten.* Zwei Auffassungen stehen sich gegen- über. Nach der einen Auffassung (AEBY-KÖLLIKERsche Auffassung) wird das Pigment durch Wanderzellen (Melanocyten) in die Haut und an alle jene Stellen geleitet, an welchen sich Pigment an- häuft; das Melanin aber erhalten diese Wanderzellen vom chemisch veränderten Haemoglobin der roten Blutzellen. Nach der anderen (der SCHWwALBEschen) Auffassung hingegen bildet sich das Pigment unmittelbar in jenen Zellen, welche es enthalten; allein auch von dieser Auffassung wird nicht ausgeschlossen, daß das Melanın im Endergebnis doch nur vom Haemoglobin des Blutes herstammt. Daß das Pigment der Haut durch bewegliche Zellen über- führt wird, erscheint nach den von KARG an Negern ausgeführ- ten Transplantations-Experimenten sehr wahrscheinlich. Diese Experimente führten zu dem Resultat, daß die auf granulierende Wundenfläche des Negers transplantierten Hautteile weißer Men- schen nach vier Wochen sich grau zu färben begannen, nach acht Wochen wurde ihr Rand schwarz, die Oberfläche aber schwarz gefleckt und nach zwölf Wochen unterschieden sie sich nicht im mindesten von der gewöhnlichen Negerhaut. Wie unmittelbar die Melaninbildung vom Blute abhängt, läßt sich schon aus der Tatsache schließen, daß die Blutgefäße in ihrem Verlaufe von Pigmentzellen begleitet werden, und zwar in Fischen und Amphibien so reichlich, daß die Blutgefäße derselben gleichsam * Betreffs der literarischen Daten vgl. J. H. List, Über die Herkunft des Pigmentes der Oberhaut, Biology. Zentralblatt Bd. X, 1891, p. 22. — G. Schwarse, Über den Farbenwechsel winterweißer Tiere; Morphol. Arch. Bd.II, 1893, p. 483. — A. Scuönporrr, Über den Farbenwechsel der Forellen; Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 69, 1903, p. 403. 90 GEZA ENTZ SEN. mit einer aus Pigmentzellen bestehenden Hülse umgeben sind. Diese Tiere sind zum Studium der Pigmententwicklung ganz be- sonders geeignet. Am Schwanzkamm des männlichen Wasser- molches hat List denn auch die Pıgmententwicklung unmittelbar beobachtet. Laut seinen Untersuchungen bilden sich in einzelnen roten Blutzellen Melaninkörnerchen, die an Zahl allmählich zu- nehmen; die auf diese Weise -degenerierten Blutzellen zerfallen schließlich und die Körnchen durchdringen auf irgendeine, nicht unmittelbar beobachtete Weise die Wand der Kapillaren, werden von beweglichen Leucocyten aufgenommen und verschleppt. Da das Pigment der Haut der Wirbeltiere vom Blut her- stammt, ist es leicht erklärlich, weshalb sich an jenen Körper- teilen mehr Pigment entwickelt, zu welchem beständig oder zeitweise reichliches Blut gelangt und deren Lage und Organisa- tionsverhältnisse demnach der Pigmentbildung sünstiger sind. Hieraus erklärt es sich, weshalb an der Körperhaut des Menschen, besonders auffallend an der nicht sonnverbrannten Haut weißer Rassen, aber auch an der Haut der Neger, nicht die nackten, sondern einzelne verdeckte Stellen (Achselhöhle, Warzenhof, Genitalien usw.) am dunkelsten sind, denen aus physiologischen Ursachen zeit- weise größere Mengen Blutes zufließen. Dies ist auch die Ursache, warum sich die Uterusschleimhaut zahlreicher Säugetiere während der Schwangerschaft schwärzt, sowie davon, warum bei jenen Zirkulationsstörungen, welche sich in der Schwangerschaft ein- stellen, hier und da dunkle Flecken auftreten, z. B. in der Mittel- linie des Bauches, oder im Antlitz (sogenannte Leberflecke); auch die Pigmentierung der Schleimhäute infolge von chronischen Katarrhen gehört in diese Kategorie. Wie sehr die aus un- bekannten Ursachen entstehenden Störungen des Stoffwechsels auf die Körperpigmente einwirken, wird am besten bewiesen durch das alltägliche Beispiel der Ergrauung, oder auch durch die mit der Entartung der Nebenniere verbundene dunkle Pigmentierung der Haut in der sogenannten Addisonschen Krankheit. Von ABELOUS und BILLARD wurde an Fröschen die Beobachtung gemacht, daß die Haut nach Exstirpation der Thymusdrüse ihr Pigment verliert.* * A. Ecker, R. Wırversueım und E. Gaur, Anatomie des Frosches, III. Teil 1901, p. 214. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. Sl Von jenen Lipochromen, die im Blut, in den Eiern und in verschiedenen Pflanzenteilen allgemein vorkommen, ist es unzweifel- haft, daß ihnen beim Stoffwechsel eine wichtige Rolle zufällt. SCHRÖTTER betont ihren physiologischen Wert mit dem Satze, daß die Lipochromen sich stets im Zentrum der Assimilation be- finden, nach OVERTON aber wird die Selbstregelung des Stoff- wechsels der Zellen dureh die Lipochromen dirigiert.“ Es unter- liegt kaum einem Zweifel, daß auch den übrigen Lipochromen verschiedener Tiere nicht einfach die Aufgabe zukommt, den Tieren ein Kolorit zu geben, sondern daß sie einen wesentlichen Anteil im Stoffwechsel haben. Hinsichtlich der physiologischen Bedeutung und des Ursprungs der Farben sind von großer Wichtigkeit die an gewissen Farb- stoffen der Insekten angestellten Untersuchungen, die schon in ihrem heute noch unvollendeten Zustande geeignet sind, ver- schiedene unklare Punkte zu beleuchten und manche irrige Auf- fassung klarzustellen. Bereits 1873 wurde von einem englischen Forscher, Pock- LINGTON, behauptet**, daß die spanischen Fliesen (Canthariden) Chlorophyll enthalten, was auch von mehreren anderen Forschern bestätigt wurde. Laut Untersuchungen von BECQUEREL und BROGNIART verdankt auch das vielbewunderte wandelnde Blatt (Phyllium) seine grüne Farbe dem Chlorophyll. Dasselbe ver- mutet LEYDIG vom Goldschmied (Carabus auratus) und dem grünen Heupferd (Locusta viridissima); über ein Weibchen des letzteren bemerkt er auch, daß sich dasselbe nach der Eier- ablage braun verfärbte, wie ein welkes Blatt.*** Ebenso hat MaccHIATI Chlorophyll in den Blattläusen auf Malven und Rosen nachgewiesen. Die umfassendsten Untersuchungen in dieser Richtung stammen von POULTON. Er sagt: „Die grüne Farbe des Blutes ® Vol. H. Sınrorz, Über die einfachen Farben im Tierreich; Biolog. Zentralbl. Bd. XVI, 1896, p. 39. — R. Höger, Physiologische Chemie der Zellen und der Gewebe, 1902, p. 117. =" Vgl. Fürre, op. cit. p. 502 und die dort beigezogene Literatur. ##2 Tpyvıe, Bemerkungen über Farben der Hautdecken usw. bei Insekten; Arch. f. mikroskop. Anatomie, 1876, p. 540. 92 GEZA ENTZ SEN. von pflanzenfressenden Insektenlarven ist akzessorischen Ur- sprungs, insofern sie vom Chlorophyll der Blätter abstammt. Bevor das Chlorophyll aber in das Blut übergeht, erfährt es wesentliche Veränderungen. Der grüne Farbstoff gelangt dann aus dem Blatt in die Zellen der Körperoberfläche vieler Raupen, geht jedoch bei der Verpuppung wieder in das Blut über. Bei manchen Arten dient er dann zur Färbung der Eier und gelangt so schließlich in den Körper der jungen Larven, denen die grüne Färbung nach dem Ausschlüpfen zum Schutze dient, bevor sie noch Zeit gehabt haben, frisches Chlorophyll aus den Blättern aufzunehmen. Der Übergang eines akzessorischen Farbstoffes auf eine zweite Generation ist eine merkwürdige Erscheinung, sie dürfte jedoch bei manchen Arten (z. B. Smerinthus ocellatus) zweifellos festgestellt sein.‘“* Hierzu muß ich bemerken, daß ich der Auffassung von PouLTon, wonach der mit der Nahrung des Insekts aufgenommene Farbstoff deshalb in das Ei gelangt, damit das Räupchen gleich von Beginn an eine Schutzfarbe habe aus Gründen, welche weiter unten besprochen werden sollen, nicht beitreten kann. Auch unser fleißiger ungarischer Zoologe KARL SAJO hat, und wie es scheint ganz selbständig, erkannt, daß zahlreiche In- sekten ihre grüne Farbe unmittelbar oder mittelbar aus dem Chlorophyll der Pflanzen erhalten.“* Hierher gehört die grüne COhrysopa vulgaris, Cassida nebulosa, Mantıs religiosa, Tryzalis nasuta, Locusta viridissima. Besonders interessant ist die Chry- sopa, welche ihre grüne Farbe aus zweiter Hand, nämlich von den Blattläusen, die ihr zur Nahrung dienen, erhält; im Herbst nimmt die Chrysopa den vergilbenden Blättern gleich eine fahl- gelbe Farbe an. Am eingehendsten hat die vom Chlorophyll herstammenden Farbstoffe der Insekten Gräfin M. v. LINDEN studiert, deren Unter- suchungen*** zu dem Resultat führten, daß die grüne Farbe so- * ©. v. Fürra, op. eit. p. 504. #* Prometheus, Jahrg. XIV, 1903, Nr. 714, p. 606. * * Die Farben der Schmetterlinge und ihre Ursachen; .Leopoldina 1902, Heft 38. — Das rothe Pigment der Vanessen ete.: Verhandl. der Deutschen Zoolog. Gesellschaft, 1903, p. 53. — Morphologische und physiologische Unter- DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 95 wohl der Raupen als auch der Orthopteren und Neuropteren von den Farbstoffen des Blutes, diese aber von dem Farbstoff der Pflanzennahrung herrühren. Allein auch die Farbstoffe der Flügel von Vanessen, die das Substrat der Untersuchung bildeten, sind Umwandlungsprodukte des ins Blut aufgenommenen Öhlorophylis. Diese ursprünglich vom Chlorophyll stammenden und im Stoff- wechsel des Schmetterlings modifizierten Farbstoffe besitzen die Eigenschaft, daß sie das Oxygen, gleichwie der Farbstoff des Blutes, lose zu binden vermögen, und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß diesen Farbstoffen im Organismus des Insekts eine respiratorische Funktion zukommt, woraus sich leicht erklärt, weshalb diese Farbstoffe gerade dort auftreten, wo die anatomischen Verhältnisse einen lebhaften Stoffwechsel zulassen. Es wird aber zugleich auch verständlich, weshalb sich die Farbe der Farbstoffe verändert, wenn äußere Einwirkungen oder innere physiologische Prozesse des Organismus den Oxygengehalt der Gewebe modifi- zieren, d.i. erhöhen oder vermindern. Vom physiologischen Gesichts- punkte ist jenes Ergebnis dieser Untersuchungen von eminenter Wichtigkeit, wonach das Chlorophyll die Grundsubstanz der Farb- stoffe der Vanessen bildet und daß sich im Insektenleib der assimilierende Farbstoff der Pflanzen in einen respiratorischen umwandelt. er Die überraschenden Resultate dieser in ganz neuer Richtung ausgeführten Untersuchungen können heute zwar noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden, aber auch jetzt schon sind sie geeignet, zur Einsicht zu führen, daß sich das verwickelte Problem der Farbenentwickelung durch Mutmaßungen, welche sich auf einseitige biologische Betrachtungen stützen, nicht lösen läßt, sondern daß hiefür nur tief eingehende chemische und physio- logische Untersuchungen eine sichere Basis schaffen können. Den Farbstoffen der Nahrung, welche in den Tieren mit den chemischen auch verschiedene Änderungen der Farbe durch- machen, kommt sicherlich eine weit bedeutendere Rolle zu, als wir bei dem heutigen Stande unseres Wissens annehmen. Es sei genügend, auf einige Beispiele hinzuweisen. suchungen über die Pigmente der Lepidopteren; Zoolog. Zentralbl., Jahrg. X, 1903, Nr. 17, p. 608. i 94 GEZA ENTZ SEN. Von den Turbellarien (Polycladen) betonen sowohl DALYELL als auch ARNOLD Lang, daß die Farbe ihrer Darmverzweigungen von der Nahrung herrühre* Ein Gleiches gilt wahrscheinlich auch von einigen blutsaugenden Trematoden. Die rote Farbe des an den Kiemen der Thun- und Schwertfische schmarotzenden Tristomum coccineum stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Blute des Wirttieres und ist keinesfalls eine Schutzfarbe, wofür sie KELLER hält,** deren der in der Kiemenhöhle des Wirts wohlgeborgene Parasit durchaus nicht bedarf. Die Farbstoffe jener Proitsten, welche sich tierisch nähren, stammt, wenn auch nieht immer, so doch in den meisten Fällen von den verschieden nüancierten Farbstoffen der verschlungenen Pflanzen. Die von farblosen Bakterien lebenden Protisten sind stets farblos, wogegen unter denjenigen, welche von Algen leben, die reines Ohlorophyll, Phycophaein oder Phycocyan enthalten, viele die aus der Nahrung extrahierten Farbstoffe in verschieden nüancierten Modifikationen in ihrem Körper bewahren. Sehr überzeugende Beispiele hiefür sind die pelagischen Tintinniden, deren gelbes Kolorit unzweifel- haft von ihrer Nahrung, den gelb gefärbten Peridineen, Silico- flagellaten, Diatomeen, oder von jenen Zooxanthellen herrührt, die sie mit kleinen Radiolarien aufnehmen. Von SIMROTH*** wird so- wohl auf Grund eigener Untersuchungen, als auch der von HENSEN und BRANDT hervorgehoben, daß die eupelagischen Tiere der wärmeren Meere außer der blauen nur eine gelbe oder gelblich braune Farbe haben und in dieser Tatsache ein rätselhafter Zusammenhang der komplementären Farben, d. i. zwischen der gelben Farbe der Tiere und der blauen Farbe des Meeres und Himmels vermutet. Meiner Ansicht nach läßt sich der Ursprung der gelben Farbe einfach dadurch erklären, daß auch diese Tiere von gelben pelagischen Pflanzen leben und den gelben Farbstoff von diesen erhalten. Aus alledem, was bisher über die physiologische Bedeutung und den Ursprung der Tierfarben gesagt wurde, ist es er- sichtlich, wie wenig Bestimmtes wir wissen und daß wir auf * A. Lane, Die Polycladen des Golfes von Neapel, 1884, p. 633. *F Kerter, Das Leben des Meeres, 1897, p. 118. "#* SIMROTH, Op. cit., p. 43. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 95 diesem Gebiet bloß am Anfang des Anfangs stehen. Von sehr vielen Farbstoffen fehlen uns in diesen Beziehungen auch die primitivsten Kenntnisse. Auch darüber ist zurzeit gar nichts bekannt, welche Faktoren die Entwicklung der Strukturfarben bewirken. Insofern diese Farben im Leben des Individuums oder der Art nützlich erscheinen, könnten wir geneigt sein anzu- nehmen, dab dieselben im Kampf ums Dasein durch die langsame Arbeit der Selektion gezüchtet wurden. Allein man vergesse nicht, daß die prächtigsten Strukturfarben für ihre Träger sehr häufig reine Luxusfarben sind, denen im Kampf ums Dasein nicht mehr Bedeutung zukommt, wie den Farben der Aufschläge der Uniform für die Entscheidung der Schlacht. Einige Beispiele mögen hier Platz finden. Der prächtige Metallglanz unserer Carabusarten, der jedermann entzückt, ist ganz unnütz, denn die Caraben sind Nachttiere. Unseren prächtigsten Carabus, den goldglänzenden Carabus Escheri, muß man aus morschen Bäumen herauswühlen. Ich bin auf den Bergen Siebenbürgens viel um- hergewandelt, habe aber nur einmal einen solchen Laufkäfer auf einem schattigen Waldweg angetroffen, aber viele in morschen Bäumen gesammelt. Ebenso überflüssig vom biologischen Gesichts- punkte ist der blaue oder grüne Metallglanz am Bauch der Geotrupesarten, denn sie halten sich tagsüber in Kuhmist auf und fliegen nur abends. Die in herrlichen Regenbogenfarben schillern- den Borsten von Aphrodite sind in der Regel mit einer dieken Scehmutzschicht bedeckt. An der Schönheit der schillernden Perl- mutterschicht von Seemuscheln und -schnecken kann man sich erst ergötzen, wenn man die Tiere aus dem Gehäuse heraus- nimmt, oder gar erst, wenn man die das Perlmutter verdeckende Schalenschicht mittels Säuren oder Polierung entfernt. Unter den Säugetieren hat bloß der Pelz des südafrikanischen Gold- maulwurfs (Chrisochloris inaurata) und des australischen Beutel- maulwurfs (Notoryctes typhlops) einen Metallglanz, aber auch der Pelz unseres gemeinen Maulwurfs ist zuweilen metallglänzend, — nun leben aber all diese Tiere beständig unter der Erde und sind blind. Diese Reihe von Beispielen ließe sich nach Belieben fort- setzen. Mit der Erklärung des biologischen Wertes der Farben ist 96 GEZA ENTZ SEN. man ähnlich daran, wie mit dem Leuchten der Tiere. Die meisten Autoren behaupten, das Leuchten des Johanniskäfers diene dazu, daß sich die Pärchen zur Zeit der Parung finden: Hero entzündet eine Fackel, daß Leander die Stelle des Stelldicheins nicht ver- fehle! Für den ersten Moment erscheint diese Erklärung sehr annehmbar; allein weshalb leuchten auch die Larven, ja sogar die Eier des Johanniskäfers? Unter unseren Anthropoden ist nur noch ein Leuchttier, der leuchtende Tausendfuß (Geophilus electricus), der indessen ganz blind ist, ebenso wie eine Schar leuchtender winziger Seetiere oder jene Photobakterien, die in Buchten des Quarnaro in milden Augustnächten bei jedem Ruder- schlag sprühend aufflackern. Es ist nicht zu leugnen, daß sich in der Wiederholung des Kolorits und der Farbenmuster nicht nur nahe verwandter, sondern auch fernstehender Arten eine gewisse Regelmäßigkeit zeigt, welche vermuten läßt, daß dieser Regelmäßigkeit ein gewisses Gesetz zugrunde liegt. Gestützt auf diese Tatsche wurde mehrerer- seits versucht, die Regeln der Aufeinanderfolge der Farben in der phyletischen Reihenfolge festzustellen. In einem Werke, welches das schwierige Problem der Ent- stehung der Landtiere behandelt, geht SIMROTH* von der Voraus- setzung aus, daß zu Anfang, d.i. zur Zeit, als auf der Erde das erste Leben keimte, nur rote Sonnenstrahlen die dichte Dunst- schicht zu durchdringen vermochten und basiert auf diese Hypo- these die Vermutung, daß die ersten Tiere rot gefärbt sein mochten. An vielen altertümlichen Tieren, z. B. an den Krebsen, Würmern, an vielen Cephalopoden hat sich diese Urfarbe bis auf den heutigen Tag erhalten; auch zahlreiche Insekten haben sie beibehalten und zwar entweder für ihre ganze Lebensdauer (z. B. Ligaeus, Pyrrhocoris) oder zumindest im Larvenzustand, z. B. die Larven der Thrips, der Oleriden und des Chironomus, selbst solche, die im Innern von Baumstämmen oder in Früchten leben, wie die Larven von Cossus ligniperda und Carpocapsa pomonella; an anderen haben sich bloß rote Flecke erhalten und zwar öfters an verborgenen Stellen, wie bei Reduwvius, Ranatra und Nepa am * Sıvrorm, Die Entstehung der Landtiere, 1891, p. 411. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 97 Rücken unter den Flügeln, bei Insekten auch an den Unterflügeln an Stellen, an welchen die grelle Farbe keine biologische Be- deutung haben kann. SIMROTH ist sogar geneigt, die an Fischen häufige rote Farbe, sowie die rote Färbung der Ventralseite einiger Batrachier (z. B. Bombinator) für die Urfarbe zu halten. An vielen Tieren hat sich die Urfarbe in der phylogenetischen Reihen- folge nach der Skala des Spektrums verändert, gelangte aber in den meisten Fällen bloß bis zum Grün, hingegen wurden die stärker gebrochenen Farben des Spektrums, die Komplimentärfarben der vorigen, durch Struktur- oder Schillerfarben hervorgerufen. * Durch das Studium der Schmetterlingsfarben wurde PIEPERS zu einer Auffassung geleitet, die sich in manchen Punkten mit der SımroTHschen deckt. Nach PIEPERS macht die Farbe der Schmetterlinge in der phylogenetischen Reihenfolge allmähliche Veränderungen durch, die gleichfalls der Farbenskala folgen und die er als Evolution der Farben bezeichnet. Die Urfarbe ist auch nach PIEPERS®* die rote, die in der phyletischen Reihenfolge durch zurzeit noch nicht näher gekannte chemische Veränderungen in orange, gelb oder grün übergeht, schließlich aber schwindet, worauf der Schmetterling die weiße Farbe annimmt. Allein auch hierauf kann noch ein weiteres Stadium folgen und zwar das- jenige, in welchem die nunmehr ganz unnütz gewordenen Schuppen abfallen und hierauf die Schmetterlingsflügel ebenso durchsichtig werden, wie die Flügel der Dipteren und Hymenopteren. In der Reihenfolge der Farbenevolution tritt aber fast immer in geringerer oder größerer Ausbreitung schwarzes Pigment auf, welches aber später auch wieder von Weiß ersetzt wird. Die übrigen Farben werden nicht durch Pigmente, sondern durch Struktur der Schuppen bedingt. Was und wieviel von der Farbenevolution von SIMROTH und PIEPERS der Wirklichkeit entspricht, sind fernere Forschungen berufen zu entscheiden. Auch EIMER*** ıst nach sehr eingehendem Studium der * Sıurorn, Über die einfachen Farben; Biol. Centralbl., Bd. XVI, p- 48. ** M. ©. Prepers, Mimiery, Selektion, Darwinismus, Leiden 1903, p. 56. *#* G.H. Tu. Eımer, Über die Zeichnung der Säugetiere und Vögel, 1883. Die Entstehung der Arten I—-II. 1888, 1897. — Cfr. M. v. Linpen, Die onto- Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XAIV. 7 9 GEZA ENTZ SEN. [0 0) Zeichnung der Tiere zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zeichnung in der phylogenetischen Reihe nach bestimmten Gesetzen sich ab- ändert. Die ursprüngliche älteste Zeichnung ist die Längsstreifung, ‚ihr folgt die Auflösung der Streifen in Fleckenreihen, schließlich Querstreifung oder Einfärbigkeit. Sehr deutlich zeigt sich die allmähliche Entwicklung der Zeichnung besonders an Raub- tieren (z. B. Viverren, Panther, Tiger), von welchen die alten Formen, z. B. viele Viverren, eine Längsstreifung aufweisen; sie findet sich indes auch an Vögeln, Amphibien, Reptilien, Fischen, Raupen, Schmetterlingen, Nacktschnecken (Limaz, Arion) und an manchen Wiirmern. Eine solche phylogenetische Evolution der Zeichnung wiederholt sich bei manchen Tieren im Verlaufe der individuellen Entwicklung als alter Erbteil, verwischt sich aber später, z. B. die Löwenjungen sind gefleckt, die Ferkel des Schweines, besonders des Wildschweines und des Tapirs längs- gestreift; an anderen Tieren erscheint die ursprüngliche Zeichnung bisweilen als atavistischer Rückfall, z. B. die Querstreifung an den Füßen der Pferde und Esel in der Form von Ringen. Sehr schön beibehalten hat die Spuren ursprünglicher Streifung ein naher Verwandter des ausgestorbenen Helladotherium der Tertiär- zeit, der in unseren Tagen entdeckte ostafrikanische Okapi (Okapia Johnstoni), dessen Oberschenkel und Schienbein dem Zebra gleich gestreift sind, während der übrige Teil des Körpers licht rotbraun ist. Die Erklärung, daß diese Zeichnung ebenso wie die partielle Streifung des Quagga ein Überrest der ursprünglichen Zeichnung sei, hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. Dagegen muß ich die Erklärung von LANDSBERG, wonach diese Streifung eine Schutz- färbung ist, welche an dem übrigen Teil des Körpers darum fehlt, weil der Rumpf, Hals und Kopf keiner Schutzfarbe bedürfe, da das Tier dieselben im Laube der Bäume verbirgt, für recht erzwungen halten.“ Von EIMER wurde die primäre Zeichnung der Säugetiere, die Längsstreifung, einige Zeit als das Resultat der Anpassung an die Umgebung angesehen; diese Längsstreifung sei dadurch genetische Entwicklung der Zeichnung unserer einheimischen Molche. Biolog. Oentralbl.. Bd. XX, 1900, Nr. 5, p 144. = R. Lannsgere, Das Okapi, Natur und Schule, Bd. I, 1902, p. 62. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 99 entstanden, daß die Urformen der Säugetiere mit ihren Streifen den Schatten der langen Blätter der zurzeit ihres Auftretens herrschenden Monocotylen nachgeahmt, d. ı. ihre Zeichnung als eine der Umgebung angepaßte Schutzfärbung erworben haben. Später aber hat EIMER selber diese Erklärung aufgegeben. Da- gegen wurde der EIMERsche Ideengang von SOKOLOWSKY in einer an geistreichen, aber kühnen Erklärungen reichen Abhandlung * weitergesponnen. Laut dieser Auffassung ist die ursprüngliche primäre Zeichnung nicht der Monoeotylen-, sondern der Krypto- gamenflora angepaßt, die zwar in der Carbonperiode auf dem Zenith ihrer Entwicklung stand, aber bis zur Kreidezeit domi- nierend blieb. Die vielen Farrnkräuter, die in den damaligen Koniferenwäldern das Unterholz vertraten, mochten — meint SOKOLOWSKY — sehr geeignet gewesen sein, durch den längs- streifigen Schatten der fast vertikal zur Hauptachse der Blätter stehenden Blattfiedern eine derartige Zeichnung an den kleinen Ursäugern hervorzurufen, sobald diese Schutzvorrichtung im Kampf ums Dasein notwendig wurde. Später, im Tertiär, hat durch die Entwicklung der Laubbäume diese Längsstreifung ihren Wert verloren. Es wurde immer notwendiger, daß die Säugetiere sich dem fleckigen Schatten der Laubwälder anpaßen, und dies hat die Natur durch die Auflösung der Streifen in Fleckenreihen erreicht. Allein die mit der Ausgestaltung verschiedener Klimate veränderte Flora hat notwendigerweise auch eine Veränderung der Tier- zeichnung nach sich gezogen. Die Monocotylenflora entwickelte sich so massenhaft, daß sie gewissen Gegenden einen typischen Stempel aufdrückte. Die vielen Gramineen, Rohr, Bambus etc. werfen einen vertikalen Schattenstreifen, und dies verursachte die Entwickluug der Querstreifen. Ein sehr treffendes, aber auch schon bis zum Überdruß oft wiederholtes Beispiel hiefür ist der Tiger, dessen helle und dunkle Querstreifen sich in der Tat prächtig dem durch das Bamibusdickicht gebildeten Hintergrund einfügen. Allerdings muß man auch bei diesem klassischen Bei- spiel ein Auge zudrücken ob der Tatsache, daß der Tiger ın * A. Sokorowsky, Über die Beziehungen zwischen Lebensweise und Zeichnung der Säugetiere, 1895. gi 100 GEZA ENTZ SEN. Asien bis zum 53° n. Br. verbreitet ist und daß er — laut RADpE* — in den Einöden des südöstlichen Sibirien unter vor- springenden Felsen ruht oder auf Riedgraswiesen den Schnee einfach wegscharrt und einen Teil des Tages auf diesem rauhen Lager verschläft. Weit schwieriger läßt es sich mit der Hypo- these der dem Schatten des Bambus-Dschungeln angepaßten Zeichnung vereinigen, daß auch mehrere Antilopen Querstreifen tragen, wie z. B. der Kudu (Strepsiceros Kudu) und Trage- laphus euryceros. SOKOLOWSKY erklärt dies mit der neuen Hypo- these, daß auch die Querstreifung der Antilopen von der Lebens- weise derselben, d.i. daher rühre, daß sie ursprünglich in Bambus- dickichten hausten. Obgleich sie von dieser Lebensweise längst abgewichen sind, haben sie den Charakter ihrer Zeichung dennoch bis zum heutigen Tag bewahrt und der Kudu diese Zeichnung sogar bis zu einer Höhe von 600—2000 Meter ins Gebirge mit sich genommen.** Doch wollen wir die Frage, ob sich die Schutzzeichnung der Säugetiere den Schattenbildern der Farrnkräuter oder den mono- und dicotylen Pflanzen angepaßt hat, auf sich beruhen lassen, und werfen wir einen Blick auf die Zeichnung anderer Tiere. Hier nun zeigt es sich, daß die Längs-, Quer- und Flecken- zeichnung sich an Vögeln, Amphibien, Reptilien, Fischen, In- sekten, Schnecken und Würmern wiederholt, und es ist wohl überflüssig, den Beweis zu führen, daß uns die Schattenhypothese in den meisten dieser Fälle vollständig im Stiche läßt. Beim heutigen Stande unserer Kenntnisse können wir eben nichts anderes tun, als uns damit zufrieden stellen, daß die Anordnung der Pigmente in bestimmte Zeichnungen auf konstitutionelle Faktoren der Organismen zurückzuführen ist, was der Möglich- keit, ja sogar großen Wahrscheinlichkeit der Auffassung durchaus nicht widerspricht, daß sich die Zeichnungen in der phyloge- netischen Reihe nach gewissen bestimmten Gesetzen modifizieren und einander folgen. In vielen Fällen wissen wir bestimmt, daß die erste An- * L. M&uery, Az ällatok viläga, I, p. 62. =" SOKOLOWSKI, Op. cit p. 41. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 101 ordnung der Pigmente mit den anatomischen Verhältnissen in innigem Zusammenhang steht. Meines Wissens wurde von . SEMPER* zuerst entschieden darauf hingewiesen, daß die Chromo- gene vermittels der Blutbahnen in alle Teile des Körpers ge- langen, sich je nach den lokalen Verhältnissen an einzelnen Stellen anhäufen und Pigmente erzeugen, an anderen dagegen ganz und gar nicht zur Geltung kommen. Die erste Anordnung der Pig- mente hängt somit von dem Verlauf der Blutbahnen ab, sowie von der Form, dem Bau, der Struktur und überhaupt von der Qualität jener Organe oder Körperteile, an welchen die Pigmente zutage treten. So kommt z. B. die bunte Farbe der Schnecken- und Muschelgehäuse durch jene Farbstoffe zustande, die sich an die äußere Schalenschicht ablagern; der Farbstoff selbst wird von den Drüsen des Mantelrandes geliefert. Je nachdem diese Drüsen angeordnet sind und ihre Tätigkeit zeitweilig einstellen, entwickeln sich verschiedenerlei Zeichnungen: Flecke, Streifen, Ziekzack- linien ete. Aus den jüngst veröffentlichten Untersuchungen von SCHULZ”" wissen wir auch, daß diese Farbstoffe Gallenfarben sind, die allem Anschein nach überhaupt bei der Färbung der Schneckenschalen stark beteiligt sind. Nach SımrorH*** häuft sich das dunkle Pigment der Nacktschnecken zunächst in der Richtung der venösen Längsblutsynuse an und verursacht auf diese Weise die Längsstreifung. Nach GRAF} wird der Farbstoff der Egel durch Exkretophoren, d. h. Wanderzellen, verschleppt und zwischen den Längsmuskelbündeln in der Haut abgelagert. Die Anordnung der Muskelbündel bedingt die Zeichnung. So besitzt z. B. Nephelis quattrostriata 5 Gruppen dorsaler Längs- muskelbündel und entsprechend der Zwischenräume, welche einen locus minoris resistentiae für die von der Leibeshöhle her vor- dringenden Exkretophoren bilden, entstehen 4 longitudinale Pigmentstreifen. Dieser Vorgang wurde neuestens von G. KEYS- * K. Semper, Die natürlichen Existenzbedingungen der Tiere, 1888, Th. II, p. 231, 275. * Fr. N. Schurz, Über das Vorkommen von Gallenfarbstoffen im Ge- häuse von Mollusken. Zeitschr. f. allg. Physiologie, Bd. III, Heft 2, 1903. *"* H. Sınrora, Abriß der Biologie der Tiere, I, 1906, p. 61. + Cfr. Fürre, op. ceit. p. 527. 102 GEZA ENTZ SEN. SELITZ durch Beobachtungen an dem Fischegel (Pisecicola) bestätigt. Das Pigment — sagt KEYSSELITZ — rühre größtenteils von Ex- kretophoren her, die sich mit Stoffwechselprodukten beladen und mit denselben in die Epidermis wandern. Daselbst zerfallen sie und unterliegen weiteren Veränderungen. Die Pigmentbildung ist geringer bei Tieren, die nur Lymphe zu sich genommen haben, das Haemoglobin scheint mithin für die Pigmentbildung von Wichtigkeit zu seıin.* Wie sehr die Zeichnung vom Blutlauf abhängt, dafür bietet auch die Kreuzspinne ein gutes Beispiel, deren zierliches Diadem, sowie die blattförmigen Zeichnungen auf dem Hinterleib anderer Spinnen den Verlauf des Rückengefäßes andeuten.** Bereits oben wurde betont, daß die Blutbahnen auch bei den Wirbeltieren die topographische Verteilung der Pigmente beein- flussen. Wie unmittelbar und notgedrungen die Zeichnungen der Haut durch die Verzweigung der Blutbahnen beeinflußt werden, dafür liefern die von ZENNECK an der Ringelnatter unternommenen ontogenetischen Studien sehr interessante Daten, welchen, insofern sie sich auf die Erklärung des Ursprungs der Zeiehnungen be- ziehen, eine geradezu bahnbrechende Bedeutung zugeschrieben werden muß.#** Die typische Zeichnung der Ringelnatter (Tro- pidonotus natrix) besteht aus Fleckenreihen, die an den Körper- seiten an der von den Bauchschienen gerechneten achten, vierten oder fünften und ersten oder zweiten Schuppenreihe verlaufen. Im embryonalen Zustande verlaufen ın jenen Längsstreifen der ‘ Haut, in welchen sich später die Fleckenreihen bilden, Längs- gefäßstämme, die mit tiefer liegenden Stämmen des Gefäßsystemes in regelmäßigen Intervallen durch Gefäßschlingen verbunden sind. Die Pigmentkörnchen entwickeln sich zuerst in den Bindegewebs- zellen der Bauchplatten, welche die Seitenwand des embryonalen Körpers bilden, und zwar in dem tiefern, das Coelom begrenzenden * @. Keysseuitz, Generations- und Wirtswechsel von Trypanoplasma borelli, Arch. f. Protistenkunde, VU., Bd. I, 1906, p. 11. #* SıMmRoTH, Loc. cit. ®=# J Zunneek, Die Anlage der Zeichnung und deren physiologische Ursachen bei Ringelnatterembryonen, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. 48, Heft 3, p. 364. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 103 Teil der Seitenplatten, dort, wo die tief liegenden Hauptstämme der Blutgefäße (aorta, venae cardinales) sich befinden. Die mit Pig- mentkörnchen beladenen Wanderzellen dringen von hier den Ge- fäßschlingen entlang in die Haut und häufen sich im Verlauf der erwähnten drei Längsgefäße der Haut an der Einmündung der Gefäßschlingen an und bilden hier die Fleckenreihen. Hiernach hängt die dunkle Zeichnung der Ringelnatter voll- ständig von der Verteilung des embryonalen Gefäßsystemes ab und kommt ebenso notgedrungen zustande, wie die Form eines Wachsausgusses. Zu demselben Resultat führten die von EHRMANN an Amphibien vorgenommenen Untersuchungen*; auch an den Amphibien wird die Entwicklung der primären Zeichnung durch die Richtung der Blutbahnen bestimmt. Auch von LoEB wurde darauf hingewiesen, daß die Zeichnung der Dotterblase des Fun- dulus, eines Fisches aus der Familie der Cyprinodonten, gleich- falls einzig und allein von der Verteilung der Blutgefäße ab- hängt.** Es ist längs bekannt, daß die Nahrung, sowie verschieden- artige äußere Faktoren, wie das Licht, die Wärme, die Feuchtig- keit der Luft usw., kurz die Summe jener Faktoren, die wir als Klima bezeichnen, oft nur eben wahrnehmbare, oft aber auch sehr augenfällise Veränderungen an den Organismen verursacht; allein erst auf Grund neuerer, mit Experimenten verbundenen Unter- suchungen fangen wir an, die Wirkung dieser Faktoren etwas genauer kennen zu lernen. Uns interessieren bei diesem Anlaß natürlich nur jene Veränderungen, welche die Nahrung und die verschiedenartigen klimatischen Einflüsse in der Farbe und Zeich- nung der Tiere hervorrufen. Auf diese wollen wir einen Blick werfen. Indem ich mit der Nahrung beginne, muß ich bemerken, daß über den Einfluß der Nahrung auf die Farben zurzeit nur wenig verläßliche Angaben vorliegen. Von manchen Singvögeln, namentlich vom Gimpel, Zeisig und Stieglitz wird behauptet, dab sie in der Gefangenschaft, mit Hanfkörnern gefüttert, eine schwarze * Sınrornu, Über die einfachen Farben p. 48. ** M. C. Pırrers, Mimiery, Selektion, Darwinismus, 1903, p. 56. 104 GEZA ENTZ SEN. Farbe annehmen. Vor einigen Jahren sind orangerote Kanarien- vögel in den Handel gekommen, deren Farbe von der Fütterung mit spanischem Pfeffer (Paprika) herrührtee Nach WALLACE* verstehen die Indianer die grüne Färbung des auch bei uns häufig gehaltenen brasilianischen Papageis (CUhrysotis festiva) in Gelb oder Rot zu verwandeln, indem sie denselben mit dem Fette eines welsartigen Fisches füttern. Desgleichen erwähnt WALLACE, daß die in den Handel kommenden Raja-Lori (Domicella atrica- pilla) ihre prangenden Farben einem besonderen Futter verdanken. An dieser Stelle dürfte es zu erwähnen sein, daß sich beim Turako (Turacus cristatus) und einigen anderen Musophagiden, das mit ihrer aus Bananen bestehenden Nahrung aufgenommene Kupfer in dem scharlachroten Farbstoff ihres Gefieders, dem Turacin vorfindet, welches mit seinem 7,06 %, Kupfergehalt unter den tierischen Farbstoffen ganz allein dasteht.** Manche be- haupten, daß die Nahrung auch auf die Färbung einiger Säuge- tiere von Einfluß sei. So schreibt man die gelbliche Färbung des Pelzes des Eisbären der tranreichen Nahrung zu; die dotter- gelbe Färbung des Kehlfleckes des Marders aber hält man für ein Zeichen der guten Ernährung. *** ! Der Einfluß der Nahrung auf Farbe und Zeichnung wurde zunächst an Schmetterlingen und Raupen studiert. Am längsten ist die Farbenänderung des Falters von Archa caja bekannt, wenn die Raupe mit verschiedenen Pflanzen gefüttert wird. Die mit Salat gefütterten Raupen ergeben Falter, auf deren Vorder- flügeln die weiße Grundfarbe vorwiegend ist, wogegen an Faltern, deren Raupen mit Atropa belladonna und Nußblättern genährt wurden, die braunen Farben der Vorderflügel zusammenfließen und die weiße Grundfarbe verschwindet, aber auch die schwarzen Flecken der Hinterflügel sind verschwommen und unterdrücken die orangerote Grundfarbe. MıvArT berichtet, daß aus den Puppen einer Saturnia-Art, welche aus Texas nach der Schweiz gebracht wurden, Falter schlüpften, die mit der amerikanischen * Vgl. Semeer, Loc. cit. p. 82. ** R. Neumeıster, Lehrb. d. physiol. Chemie 1897, p. 494. A, SOKOLOWSKY, OP. Cit. pP. 73. + Vgl. M. v. Lixopen, Über die Entstehung der Arten. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 105 Form vollständig übereinstimmten, hingegen die aus den Eiern derselben gezogenen Raupen, die nicht mit der heimischen Nah- rungspflanze (Juglans nigra), sondern mit den Blättern des euro- päischen Nußbaumes (Juglans regia) gefüttert wurden, Schmetter- linge ergaben, die von der Stammform sowohl in der Färbung als auch in der Form wesentlich verschieden waren.* Es ist jedoch zu bemerken, daß man bei der Beurteilung der Experi- mente mit Schmetterlingsarten, die zur Variierung in Farbe und Zeichnung sehr geneigt sind, wie z. B. die Arctiiden, sehr behut- sam sein muß. Die Fütterungsversuche mit den Raupen von Arctia villica, die STANDFUSS, einer der gründlichsten Kenner der Lepidopteren, jahrelang fortsetzte, führten zu keinem positiven Resultat. ** ’ Laut STANDFUSS*** lebt die rötlichbraune Stammform von Ellopia pı osopiaira an der Fichte (Pinus silvestris), die grüne var. frasinaria dagegen an der Weiß- und Edeltanne (Abies exulta und pectinata), von den zwei Farbenvariitäten von Smerinthus tiliae kommt in Lindenalleen überwiegend die grüne, in Eichen- und Birkenwäldern dagegen hauptsächlich die braune Form vor. Auch STANDFUSS hält es für wahrscheinlich, daß in diesen Fällen die verschiedenen Farben durch die verschiedenartige Nahrung zu- stande kommt, obgleich es möglich ist, daß dies durch Licht und Feuchtigkeit oder durch andere noch unbekannte Faktoren ver- ursacht wird, die in Wäldern von verschiedenem Bestande anders- artig sind. Noch auffallender ist die Farbenänderung der Raupen je nach den verschiedenen Nahrungspflanzen. KRUKENBERGT er- wähnt, daß die Raupe von Ellopia prosopiaria (Stammform) auf der Fichte braun, auf der Weißtanne aber grün ist (var. prasinaria); die Raupe von Xylomiges conspieillaris verändert ihre Farbe je nachdem der Ginster, ihre Nahrungspflanze, eine andere Färbung annimmt: grünt der Ginster, so ist auch die Raupe grün, später am blühenden Ginster wird die Raupe gelblich und schließlich, BIEPRRS op. Lcit ap 141? == M. Stanpruss, Handb. d. paläarkt. Großschmetterlinge 1896, p. 719. 7 0pFCHp3 2 y Krukenserg, Vergleich. physiolog. Vorträge 1886; vgl. Fürth, op. eit. p. 546. 106 GEZA ENTZ SEN. wenn die Blätter des Ginsters welk und dürr sind, ist auch die Färbung der Raupe braun. Die polyphage Raupe von Eupithecia oblongata ist am gelbblühenden Jakobskraut (Senecio Jacobaea) gelb, an der rötlich blühenden Centaurea rötlich, und an der weib blühenden Nelke weißlich. Dieselbe Veränderung nach der Farbe der Nahrungspflanze ist auch an anderen Eupithecia-Raupen be- obachtet worden. Nach dem, was oben über die ursprüngliche Quelle der In- sektenfarben angeführt wurde, kann es durchaus nicht überraschen, daß der aus der Nahrung, d. i. aus den Pflanzen herrührende Farbstoff dieselben Farbenveränderungen durchmachen kann, wie das Chlorophyll der Nahrungspflanze. Es ist somit durchaus nicht notwendig, zur Erklärung dieser Farben die Hypothese der Farbennachahmung herbeizuziehen. Im Gegenteil dürften diese Farben, ebenso wie in dem obenerwähnten Beispiel die Zeichnung der Ringelnatter, notwendigerweise zustande kommen, ohne alle Rücksicht auf die Nützlichkeit, womit keineswegs behauptet werden soll, dab diese mit der Umgebung harmonierende Färbung nebenbei und in gewissen Grenzen für das Tier von Nutzen sei; ich behaupte bloß, daß dieselbe nicht im Kampf ums Dasein durch das Nützlichkeitprinzip angezüchtet worden ist, sondern rein nur durch den Zwang der Notwendigkeit entstanden ist. Daß dem wirklich so seı, dafür bietet meiner Ansicht nach ein klassisches Beispiel das Nonplusultra der Blattnachahmung, das vielbewunderte wandelnde Blatt (Phyllium siccifolium), welches im Jugendstadium, also zur Zeit, wo es einer Schutzfarbe am meisten bedürfte, blutrot ist und erst später eine gelbliche und schließlich eine grüne Färbung annimmt. GUILLOT staunt sogar darüber, daß selbst die Eier dieses Meisters der Verstellung Pflanzensamen nachahmen.* Ich dächte, man hätte keine Ursache sich hierüber zu verwundern, da doch die Bier der meisten Tiere zum Verwechseln Pflanzensamen und Früchten gleichen! Hinsichtlich des Einflusses der Nahrung auf die Farbe und Form möchte ich noch ein Beispiel anführen. Schon vor mehr als einem halben Jahrhundert wurde von RATZEBURG darauf hin- * Brehms Tierleben 1392, Bd. IX, p. 586. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 107 gewiesen, daß die Imagines der Schlupfwespen, die in ein und demselben Wirttiere leben, sich oft auffallend gleichen. Es er- scheint befremdend, sagt RATZEBURG, daß sich die gleichen Säfte in der Form und Farbe zweier Schlupfwespen abspiegeln, die zu verschiedenen Arten oder gar zu verschiedenen Gattungen gehören. * Den unmittelbaren Einfluß der Wärme auf die Färbung und Zeichnung kennen wir auf Grund exakter Untersuchungen nur betreffs der Schmetterlinge, obgleich die mehrfach betonte Be- hauptung, daß die Lebhaftigkeit der Farben mit der Jahres- Mitteltemperatur wenigstens im allgemeinen steigt, annehmbar erscheint.“® Die Richtigkeit dieser Behauptung wird, zumindest für gewisse Tiere, von allen leisenden bestätigt. Viele unserer Schmetterlinge sind lebhafter gefärbt als ihre nordischen Art- genossen, und jenseits der Alpen gilt ein Gleiches betrefis unserer Falter. Es genüge beispielsweise zu erwähnen, daß der gemeine Zitronenfalter (Gonopterye Rhamni) jenseits der Alpen lebhafter gelb ist als bei uns und seine Oberflügel mit einem gesättigt orangeroten Fleck geschmückt sind (Gonopterys Oleo- patra). Viele Schlangen und Eidechsen sind jenseits der Alpen lebhafter gefärbt als diesseits der Alpen. Von den drei euro- päischen Luchsarten zeigt der nordische Luchs (Lynx borealis) kaum Spuren der dunklen Flecke des gemeinen Luchses (L. vul- garis), während beim südeuropäischen Pantherluchs (Z. par- dınus) die dunklen Flecke in weit höherem Gerade entwickelt sind als bei der mitteleuropäischen Art. Der sibirische Tiger und Panther ist matter gefärbt als die indischen Artgenossen, und der Panther der Sunda-Inseln ist am lebhaftesten gefärbt.*** Es ist jedermann bekannt, daß die prächtigst gefärbten Vögel und Insekten in der heißen Zone vorkommen. Und ein Gleiches gilt auch von den Seetieren. Nur in den Özeanen der heißen Zone sprossen die Korallen mit ihrer märchenhaften Farbenpracht * J.P.E. Rarzesure, Die Ichneumonen der Forstinsekten 1848, Bd.II, p- 21 und Bd. III, p. 7. 10—12. Vel. J. Dewırz, Der Apterismus bei Insekten, Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. 1902, p. 67. = Vel> Brire, opzcit. p> 145; Vgl. A. SokorLows&y, op. eit. p. 51. 108 GEZA ENTZ SEN. und in den Feengärten dieser reizenden Blumentiere tummeln sich die prächtigst gefärbten Fische, die Schuppenflosser (Squami- pennes). ,Flecke, Bänder, Streifen, Ringe von blauer, azurener, purpurner, sametschwarzer Färbung sind auf reingoldenem oder silbernem Grunde aufgetragen, das Tiefblau des südlichen Himmels oder das Ultramarin der Meeresfluten ist in den Schuppen der Tiere wiedergegeben, das zarte Rot der Rose, der Regenbogen mit all seinen Schattierungen ist hier gleichsam wiedergespiegelt.“* Sogar einige im Schlamme lebenden Tiere werden in den wärmeren Meeren farbig. Nach SIMROTH*®* ist die stoßzahn- förmige Schale der Dentalien in den kalten Meeren weiß, in der Zone des Mittelländischen Meeres rings der ganzen Erde gelblich- rot, lachsfarbig, in der heißen Zone grün und in einem der wärmsten Meere, im Sulumeere blau, sie ändert sich nach der Farbenskala des Regenbogens von Nord gegen Süd. Allein die Regel, daß die Farben gegen den Äquator zu immer lebhafter werden, gilt, wie bereits betont, nur im allgemeinen; in der reichen Tierwelt der heißen Zone ist die Färbung gar mancher Tiere ebenso ärmlich und einfach, vielleicht noch einfacher, als die ihrer Verwandten in kälteren Zonen, und wenn wir ganz auf- richtig sein wollen, so müssen wir gestehen, daß wir bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse eigentlich: gar nicht berech- tist sind, bestimmt zu behaupten, daß die Lebhaftigkeit der Farben durch die Einwirkung einer höheren Temperatur ge- steigert wird, denn dies kann auch durch Beleuchtungsverhält- nisse oder durch die das Klima bestimmende verschiedene Fak- toren je für sich oder in Gemeinschaft bewirkt werden, — kurz und gerade herausgesast, ist die unmittelbar wirkende Ursache zurzeit einfach nicht bekannt. Wir müssen uns nämlich darüber im Klaren sein, daß der Einfluß der einzelnen Faktoren, die das Klima bilden, noch durchaus nicht, oder wenigstens nur un- genügend studiert ist, und daß, wenn man irgend eine Erschei- nung dem Einfluß des Klimas zuschreibt, man eigentlich gar nichts Bestimmteres ausgesagt hat, als wenn man leichthin be- = Brehms Tierleben Bd. VIII, 1896, p. 46. ** Loc. cit., Biolog. Zentralbl. XVI, p. 47. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 109 hauptet, daß sich Peter oder Paul irgend eine Krankheit durch Erkältung zugezogen habe. Wir bereits erwähnt, stehen uns über den Einfluß der Wärme auf die Farbe bloß an Schmetterlingen auf Experimente basierte exakte Untersuchungen zur Verfügung.* Schon 1845 unternahm DORFMEISTER Experimente, um zu ergründen, welchen Einfluß die Temperatur auf die Farbe und Zeichnung der Schmetterlinge ausübe. Seine Experimente, die er zunächst mit der in zweierlei Farben und Zeichnungen auftretenden mitteleuropäischen Vanessa levana-prorsa vornahm, führten zu dem Resultat, daß sich aus Puppen dieses Schmetterlings bei niedriger Temperatur schwarz gefleckte, rotgelbe Levana-Formen, bei hoher Temperatur aber die schwarze Prorsa-Form, mit einer weißen oder gelblichen Quer- binde, entwickelt. In der freien Natur ist erstere die Frühlings- form, die der überwinterten Puppe entsteist, letztere hingegen die Sommerform, die sich aus den Eiern von Levana entwickelt; aus den überwinternden Puppen aber, welche sich aus den Eiern der Prorsa-Form entwickeln, entschlüpfen im nächsten Frühling wieder Levana-Falter. Bekanntlich ist es dieser Dimorphismus, welchen man als Saison-Dimorphismus bezeichnet. Die Rich- tigkeit dieser überraschenden Resultate von DORFMEISTERS Unter- suchungen fanden durch die genauen Experimente von WeEIS- MANN eine erwünschte Bestätigung. Zufolge der Experimente zahlreicher Forscher (BACHMETJEW, EDWARDS, STANDFUSS, FISCHER usw.) ist es zurzeit von zirka 80 verschiedenen Fami- lien angehörigen Schmetterlingen bekannt, daß sie ihre Färbung bei verschiedener Temperatur mehr oder weniger verändern, und daß sich aus mitteleuropäischen Puppen sowohl südliche, als auch nordische Formen erziehen lassen. So ist es z. B. STANDFUSS gelungen, aus dem schweizer Papilio Podalirius mit erhöhter Temperatur die in Neapel und auf Sizilien heimischen var. zan- claeus und aus überwinternden mitteleuropäischen Puppen von Papilio Machaon die turkestaner Sommerform, var. centralis zu erhalten, andrerseits aber die Züricher Vanessa Urticae bei niedriger * Vgl. M.v. Lınpen, Zusammenfassende Darstellung der experimentellen Ergebnisse über den Einfluß der Temperatur auf Farbe und Zeichnung der Schmetterlinge, Zoolog. Zentralbl., IX. Bd., Nr. 19 u. 20, p. 581. 110 GEZA ENTZ SEN. Temperatur in die lappländische var. polaris, bei erhöhter Tem- peratur hingegen in die korsisch-sardinische var. ichnusa umzu- wandeln.®* Die Farbe der bei erhöhter Temperatur gezogenen Falter ist in der Regel lebhafter, mancher aber, wie z. B. vom Vanessa levana-prorsa, dunkler. Hier ist noch das überraschende Resultat der Experimente von FISCHER hervorzuheben, wonach durch eine sehr hohe Temperatur (40--45° C.) die Sommerfärbung nicht gesteigert wird, wie man vorweg glauben möchte, sondern daß dieselbe im Gegenteil dieselbe Wirkung hat, wie eine niedrige Temperatur (+ 2° C.), d. i. sie bringt die Kälteform zustande. FISCHER erklärt dies dadurch, daß die Temperatur auf Farbe und Zeichnung nicht unmittelbar, sondern auf Umwegen modifizierend eingreift, insofern sie die Entwicklung der Puppe beschleunige oder zurückhalte; die Temperaturextreme aber aus dem Grunde dieselbe Kälteform hervorbringen, weil sie auf die Entwicklung der Puppe gleich hemmend einwirken. Diese interessanten Experi- mente gestatten freilich nur in einem beschränkten Kreise einen Einblick in die schwer zu ergründenden Ursachen der Farben- varlabilität. Immerhin hat sich der Ausspruch EIMERs, daß es mit der Zeit gelingen wird, gewisse Variationen mit dem Thermo- meter in der Hand hervorzubringen, bis zu einem gewissen Grade erfüllt. Von vielen Forschern (z. B. SEMPER, KAsSOWITZ u. a.) wird die weiße Farbe der arktischen Tiere, sowie das weiße Winter- kleid mancher Säugetiere und Vögel der gemäßigten Zone dem Einfluß der niedrigen Temperatur zugeschrieben.** Wir dürfen, allerdings unter Vorbehalt und Vorsicht die Ansicht aussprechen, sagt SEMPER*®**, daß die im Herbst eintretende Temperatur- * Es ist nicht zu verwundern, daß sich in Mitteleuropa in ungewöhn- lich heißen Sommern viele südliche Wärmeformen von Schmetterlingen ent- wickeln. So wurde z. B. die var. ichnusa der Vanessa Urticae in Deutsch- land und in der Schweiz in dem heißen und trocknen Sommer 1904 in zahlreichen Exemplaren gefangen, und auch von anderen Schmetterlingen wurden in diesem Sommer Wärmeformen beobachtet (H. Smror#, Über einige Folgen des letzten Sommers für die Färbung von Tieren, Biolog. Zentralbl. 25. Bd., 1905, p. 216). ** SEMPER, Op. eit. — M. Kassowırz, Allgem. Biologie Bd. II, 1899, p. 75. *#* SEMPER, Op. eit. I T., p. 141. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. sLakal erniedrigung wohl in irgend einer Weise (direkt oder indirekt) eine Wirkung auf die in der Haut abgelagerten Pigmente übe; betont aber, daß dies Weißwerden, ebenso wie das Ergrauen des Menschen verschiedene Ursachen haben kann. Ich begnüge mich hier auf diese Auffassung einfach hinzuweisen, da ich auf dieses schwierige und vielfach gedeutete Problem noch zurückzukehren habe. Es ist männiglich bekannt, daß das Licht eine der Grund- bedingungen des Daseins der Lebewelt bildet; denn zufolge der Einwirkung des Lichtes entwickelt sich in den Pflanzen das Chlorophyll, jener grüne Farbstoff, welcher die aus dem Boden und der Luft stammenden anorganische Verbindungen in orga- nische Verbindungen der lebenden Substanz umwandelt und in ultima analysi beruht alles organische Leben auf der in den Pflanzen angehäuften Energie der Sonnenstrahlen. Der Einfluß des Lichtes auf die Tiere ist zwar nicht so augenfällig wie bei den Pflanzen, immerhin aber ist es unverkennbar, daß unzählige Erscheinungen des tierischen Lebens mit dem Lichte in unmittel- barem Zusammenhange stehen. Tagtiere werden durch das Licht angezogen und zur Tätigkeit angeregt (positiver Heliotro- pismus), wogegen Nachttiere, die in der Erde, im Schlamme, in Höhlen, im Innern von Tieren und Pflanzen und in der Tiefe des Meeres leben, von demselben gleichsam abgestoßen werden (negativer Heliotropismus). An vielen Tieren läßt sich in verschiedenen Stadien ihres Lebens ein entgegengesetzter Helio- tropismus konstatieren. So ist z. B. der Maikäfer drei Jahre hin- durch negativ heliotropisch und wird erst im vierten Jahre positiv heliotropisch. Im allgemeinen werden sehr viele Tiere für die Dauer der Paarungszeit positiv heliotropisch und stürmen dann, ohne jegliche physische Einwirkung, mit blinder Notwendigkeit, wie das vom Magnet angezogene Eisen, der Lichtquelle zu, häufig zu ihrem Verderben. Im Gegensatz sind andere in der Jugend positiv heliotropisch und werden erst später negativ heliotropisch. Derart ist eine ganze Schar von Seetieren, deren Larven nach zeitweiligem pelagischen Umherschwärmen schließlich das Dunkel des Meeresgrundes aufsuchen. Viele andere Tiere werden in regelmäßigen Intervallen positiv oder negativ heliotropisch. Das 142 GEZA ENTZ SEN. periodische Aufsteigen und Sinken der Planktontiere läßt sich auf diese Weise erklären. Ich habe mir die kleine Ablenkung absichtlich erlaubt, um darauf hinzuweisen, daß die Tiere, und zwar oft sogar noch ver- wandte Arten auf dieselbe äußere Einwirkung nicht nur nicht gleichmäßig, sondern häufig in ganz entgegengesetzter Weise reagieren und weil ich daran erinnern wollte, daß man bei der Erklärung der komplizierten Erscheinungen der Lebewelt höchst behutsam sein muß mit der Verallgemeinerung. Bei überstürzter Verallgemeinerung fällt man leicht in den verhängnisvollen Fehler, für ein Gesetz zu halten, was eigentlich nur eine Art von Regel ist, gleich denen der Grammatik, an welchen die Ausnahmen oft mehr ausmachen, als die eigentliche Regel. Den äußeren Ein- flüssen gegenüber verhalten sich die Tiere in ebenso verschie- dener Weise, wie gegen die Gifte. Der Igel, die Schwalbe, nach Csıxı auch der graue Fliegenschnäpper*, verzehren die Kantha- 7 riden ohne Schaden zu leiden; dasselbe gilt von den kleinen Feinden unserer Sammlungen, den Anthrenen, welche die Kantha- riden mit ebenso gesundem Appetit verzehren wie andere nicht- giftige Käfer. Dem Frosch schadet der Bienenstich durchaus nicht, wogegen 50 Bienenstiche einen Hasen töten. Ungefährdet verspeisen die Amseln die Tollkirschen, der Hänfling die Beeren des Seidelbastes, die Schnecken Tollkirschen, Schierling und Fliegenpilze, und wie jedermann weiß, werden die giftigsten unserer Pflanzen von Insekten angegriffen; so lebt z. B. Deilephila Euphorbiae von Wolfsmilch. Nach PETENyI nähren sich die Turteltauben auf der ungarischen Ebene im Monat Juli und August vom Samen der Euphorbien.** Die Vögel sind immun gegen Opium und Atropin, ebenso wie die Ziegen gegen Bleigifte und Nikotin. Die Anobien verzehren den spanischen Pfeffer und den stärksten Havannatabak. Auf die Fadenwürmer sind Morphium, Striehnin, Atropin und Kurara ganz wirkungslos. Kleinere Dosen desselben Giftes, z. B. des Opiums, welche von den meisten Menschen gut vertragen werden, sind für manche Personen lebensgefährlich. * E. Csıxı, Positive Daten über die Nahrung der Vögel, Aguila XI, 1904, p. 303. ”* J. Saromox Prr£xyı, Madärtani töredekek, 1904, p. 334. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 1013 Dasselbe gilt von der Wirkung der Mikroben, welche die Infektionskrankheiten verursachen. Gegen die Milzbrandbazillen sind Mäuse und junge Hunde empfänglich, erwachsene Hunde hingegen teilweise immun; Ratten aber, je nach der Färbung, verschieden resistent*. Die Mikroben, welche die Septikaemie der Kaninchen verursachen, töten Mäuse; hingegen sind Ratten und Meerschweinchen immun. Das Spirillum des Typhus recurrens ist nur auf Menschen und Affen, Syphilis und Lepra auf kein Tier übertragbar; von den Mikroben der Malaria ist für Plas- modium praecox, vivax und malariae bloß der Mensch empfäng- lich, für Haemoproteus Danielewskyi aber bloß Vögel, obgleich erstere durch Anophelus sicherlich auch auf Vögel, letzterer durch Culex auch auf Menschen übertragen wird. Es ist allgemein be- kannt, daß ein oder das andere Mitglied derselben Familie eine Idiosynkrasie hat gegen Speisen, welche die übrigen Familien- glieder mit Genuß verzehren, z. B. verursachen Erdbeeren, Krebse usw. manchen Menschen akute Gastritis und Urticaria.** Kehren wir jedoch zum Lichte zurück. Es erscheint schon apriori höchst wahrscheinlich, daß das Licht, bei welchem die Farben zur Geltung kommen, auf die Farbe der Tiere von Einfluß sein muß; aber es ist auch ein- leuchtend, daß das Licht auf die Färbung verschiedener Tiere verschieden einwirkt, da doch die Tiere, wie die oben angeführten = Nach R. Mürrers Experimenten sind die schwarzen Ratten am resis- tentesten, die grauen im mittleren Grad, die weißen am widerstandslosesten. In Prozenten stellten sich Mürters Ergebnisse in folgender Weise dar: Mit Milzbrand Harbesder Überlebende seimpfte Ratten 100 | weibe | 14 100 schwarz-weiße 23,4 100 graue und grauweise 36,0 100 schwarze | 79,4 (R. Müörter, Der Milzbrand der Ratten, Berlin 1893, p. 35. Vel. L. Anıwerz, Die biologische und züchterische Bedeutung der Haustier- färbung, Wien 1905, p. 41.) Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIY. 8 114 GEZA ENTZ SEN. Beispiele drastisch beweisen, auf dieselben Reize ganz verschieden reagieren. Wie rasch, wie unmittelbar dieser Einfluß sein kann, erscheint sehr auffallend an zwei tierischen Farbstoffen, und zwar an dem Sekret der Purpurdrüsen der Schnecken und am Seh- purpur. Die Ausscheidung der Purpurdrüse verändert, wie be- reits oben erwähnt, zufolge der Lichteinwirkung in rascher Folge die Farben der Farbenskala bis zum prachtvollsten Violettpurpur. Der Sehpurpur hingegen, welcher sich in den Fpithelzellen der Retina bildet und die äußern Glieder der Retinastäbchen färbt, zersetzt sich bei der Einwirkung des Lichtes sehr rasch und ver- schwindet, um sich im Dunkeln aufs neue zu bilden. Uns inter- essiert hier die physiologische Bedeutung des Sehpurpurs nicht, und ich habe denselben samt der Ausscheidung der Purpurdrüse bloß zur Illustrierung dessen erwähnt, wie rasch und mit welcher Energie das Licht auf manche tierischen Farbstoffe wirkt, welchen es im Sekret der Peribronchialdrüse allmählich verändert, im Retinapurpur aber zersetzt und schwinden läßt. Gestützt auf diese Erfahrungssätze dürfte man wohl berechtigt sein, voraus- zusetzen, daß das Licht auch in vielen anderen Fällen bald Farben hervorruft und potenziert, bald aber eine zersetzende Wirkung auf die tierischen Farbstoffe ausübt, nur daß seine Wirkung nicht so energisch und rasch zur Geltung gelangt wie in den gedachten Fällen. Für die Richtigkeit dieses Satzes ist es leicht, Beispiele heranzuziehen. Die Haut des Negers unterscheidet sich von der lichteren Haut anderer Rassen dadurch, daß die Zellen der tiefern Schichten der Epidermis mit Melaninkörnchen beladen sind, wäh- rend dieselben Zellen heller hassen nur sehr wenig schwarzes Pigment enthalten. Wir wissen, daß sich aus den sich rasch vermehrenden Zellen dieser germinativen oder Malpighi-Schicht die Hornschicht der Haut differenziert, welche sich fortwährend abnutzt, abschält und von unten her stets verjüngt. Wir wissen ferner, daß die Hornschicht auch in der Negerhaut farblos ist, obgleich sie sich aus der Malpighi-Schicht erneut; es liegt daher auf der Hand, daß die Pigmentkörnchen, während sich die lebenden Zellen in Hornzellen verwandeln, zugrunde gehen und durch neu- gebildetes Pigment ersetzt werden müssen. Diese Zersetzung des Pigmentes wird aller Wahrscheinlichkeit nach durch das Licht DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 815 bewirkt. Daß aber das Licht nicht nur zersetzend wirkt, sondern in der Malpighi-Schicht die Pigmententwicklung fördert, wird durch das alltägliche Beispiel einer sonnengebräunten Haut er- wiesen. Daß in der gegen den Äquator zu bemerkbaren Poten- zierung der Farben dem Licht eine hervorragende Rolle zukommt, wurde bereits oben berührt. Der Mangel des Lichtes scheint auf einen großen Teil der Tiere im allgemeinen von bleiehender Wirkung zu sein, entweder weil sich bei Lichtmangel überhaupt kein Pigment entwickelt, oder weil das Pigment nicht in die Haut dringt. Als Beispiele mögen die Höhlentiere, so der Proteus, eine Schar von Insekten, Arachniden, Krebse, Würmer usw., die Eingeweidewürmer und die im Innern von Pflanzenteilen lebenden Insektenlarven dienen. Daß in diesen Fällen in der Tat der Liehtmangel die Ursache der Farblosigkeit sei, dafür scheint die am Proteus gemachte Be- obachtung zu sprechen, wonach derselbe in hellem Raum ge- halten, in kurzer Zeit eine graue Färbung annimmt. Manche Forscher, wie SCHWALBE und FINsSEN bringen auch den Pigment- mangel der weißen arktischen Säugetiere und Vögel, sowie das weiße Winterkleid vieler Tiere der gemäßigten Zone mit dem schwachen Lichte der arktischen und winterlichen Sonne in kausalen Zusammenhang. * Allen man möge nicht vergessen, daß die im Gefolge des Lichtmangels auftretende Farblosigkeit nur eine Anzahl von Tieren betrifft, aber durchaus keine für alle Tiere gültige Regel ist, da sie sehr viele Ausnahmen zuläßt. Das Bauchfell vieler Wirbel- tiere, die graue Substanz des Hirns und Rückenmarkes, das grüne Skelett der zur Gattung Belone gehörigen Fische usw. enthalten Pigmente. Viele im Innern der Baumstämme und in Früchten lebende Insektenlarven (z. B. Cossus, Carpocapsa) sind gefärbt. Die beständig unter der Erde lebenden Säugetiere, sowie die- jenigen, welche den Tag in dunklen Höhlen, ausgehöhlten Bäumen und in Löchern zubringen, sind insgesamt, zuweilen sogar sehr dunkel, gefärbt, wie der Maulwurf, oder sie sind geradezu metall- * SchwAgE, Op. cit. p. 498. — Nıirrs Fınsex, Über die Bedeutung der chemischen Strahlen des Lichtes, 1399, p. 15. 8 116 GEZA ENTZ SEN. glänzend, wie der Goldmaulwurf und der Beutelmaulwurf, und sehr häufig ist sogar der bei anderen Säugetieren gewöhnlich lichtere Bauch dunkel, bisweilen dunkler gefärbt als der Rücken (z. B. der Dachs, Iltis, Hamster, die unter dem Namen melano- gaster bekannte Farbenvarietät des Fuchses usw.). A priori könnte angenommen werden, daß die in einer Tiefe von 2—3000 Faden lebenden Seetiere, ebenso wie die Höhlentiere farblos seien; allein die neueren Tiefseeforschungen erbrachten das Ergebnis, daß auch in der vollen Finsternis nicht nur farbige, sondern sogar Tiere von greller Färbung leben. Die Tiefseekrebse sind in der Regel blutrot gefärbt; die Holothurien haben eine rote, violette oder purpurschwarze Farbe; die Tiefseefische haben sogar eine aus- gesprochene Zeichnung, die einen so überraschenden Parallelismus mit den Zeichnungen der oberflächisen Fische aufweist, daß man geneigt wäre anzunehmen, die für die Zeichnung der letzte- ren gültigen Regeln seien auch auf die Tiefseeformen anwendbar. * Es gibt zwar auch hier ganz farblose Tiere, allein dies sind solche (Medusen, Siphonophoren, Ötenophoren), die auch an der Oberfläche farblos sind. Die einzige Ausnahme unter den Fischen bilden meines Wissens bloß die sogenannten Leptocephaliden, be- treffs welcher ich durchaus nicht begreifen kann, weshalb sie von einigen Autoren (KELLER, LENDL**) als klassische Beispiele der durch ihre glasartige Durchsichtigkeit geschützten Tiere angeführt werden, bei denen sogar das Blut seine rote Farbe verloren hat, damit sie vollständig unsichtbar seien. Allerdings sind diese Fische, die bekanntlich nichts anderes sind als Larven der See- aale (Muraeniden), so durchsichtig, daß man durch ihren Körper die Zeitung lesen kann; auch sind ihre Blutzellen, die übrigens der Form nach mit den elliptischen Blutzellen anderer Fische übereinstimmen, in der Tat, aber aus gänzlich unbekannten Grün- den, farblos. Allein diese haben die glasartige Durchsichtigkeit sicherlich nicht des Schutzes wegen erworben, dessen sie durchaus nicht bedürfen, da sie doch in einer Tiefe von 500.m in ewiger Nacht leben. * C. Cuun, Aus den Tiefen des Weltmeeres, 2. Auflage 1903, p. 573. ** KeELter, Das Leben des Meeres, p. 119. — A. Lenpr, Vedöszinek. A Termeszet, 1903, p. 3. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. a Von der Regel, wonach die im Licht lebenden Tiere gewöhn- lich gefärbt sind, bilden die im größten Licht lebenden pelagi- schen, sogenannten Glastiere (Medusen, Siphonophoren, Cteno- phoren, Salpen, Sagitten, einige Ringelwürmer, Weichtiere, un- zählige Copepoden usw.) eine sehr auffallende Ausnahme. Alle diese Tiere sind vollständig durchsichtig, aber nicht immer ganz farblos, häufig zeigen sie zarte gelbe, bräuliche, rosige, bläuliche, grünliche, violette Farbentöne oder sie sind grell rot oder violett gefleckt; bei anderen hingegen, wie z. B. bei den Salpen, sticht der aus dem Darm, der Leber und den Genitalien bestehende Nucleus mit seiner gelblich-braunen Farbe hervor; dem ungeachtet sind sie in den wogenden Wellen in der Tat nur für das geübte Auge sichtbar. Vielleicht noch auffallender als ihre Farblosig- keit ist, daß diese im grellen Lichte umherschwimmenrden Tiere blind sind (Siphonophoren, Ctenophoren, Sagitten, Pteropoden, Janthinen) oder bloß so primitive Augen haben, daß sie das Licht eben nur empfinden, aber sicherlich kein Bild sehen (Me- dusen, Salpen).. Man pflegt die Durchsichtigkeit der pelagischen Tiere als wunderbares Resultat einer nützlichen Selektion anzu- sehen. Falls all diese Glastiere große und erwünschte leckere Bissen wären, so könnte man sich damit zufrieden geben, daß sie ihre Unsichtbarkeit zum Schutze erworben haben; allein gerade diejenigen, welche sich in ganz ungeheuerer Menge im Meere umhertummeln und die Hauptmasse des tierischen Planktons bilden, wie die Öopepoden, Würmer, Krebse, Schnecken, Larven der Echi- nodermen und zahlreicher anderer Seetiere, sowie die pelagischen Protozoen sind so winzig, dab sie mit freiem Auge gar nicht wahrzunehmen sind, und denen die Farblosigkeit weder nützt noch schadet; die größeren aber enthalten so wenig brauchbare organische Substanz, daß es kaum der Mühe lohnt, daß sie irgend ein größeres Tier verschlinge; so enthält Rhizostoma Cuvieri bloß 1,608, Carmarina 0,38, Cestus Veneris 0,24 und Salpa 0,26 °%,; ihr übriger Bestandteil ist Wasser und einige Salze.® Eine faust- große Meduse hat nicht mehr Nährwert als etwa ein bis zwei Löffel Zuckerwasser. Zudem sind die Medusen und Siphono- * v. Fürra, op. cit. p. 500. 118 GEZA ENTZ SEN. phoren vermöge ihrer Nesselorgane für die meisten Tiere un- genießbar. Die unzählbaren winzigen Tierchen, welche das Plankton bilden, und welche für zahlreiche Fische die hauptsächlichste oder geradezu einzige Nahrung abgeben, werden von den Fischen nicht einzeln erhascht, sondern diese schnappen das Wasser gleich einer Maschine taktweise ein, und was sich in ihrem Schlund ansammelt, wird ohne Wahl verschlungen. Mit Berücksichtigung dieser Tat- sachen kann ich mich nicht damit zufrieden geben, daß die pela- gischen Planktontiere durch ihre Unsichtbarkeit geschützt sind und ihre glasartige Durchsichtigkeit aus diesem Grunde erworben haben. Ein anderer Grund oder andere Gründe mußten dies be- wirken, und in erster Reihe dürfte man an den großen Wasser- gehalt ihres Körpers denken. Jedermann weiß, daß das sogenannte weiße Sonnenlicht aus Strahlen von verschiedener Wellenlänge zusammengesetzt ist, die sich durch ein Prisma in die sieben Farben der Farbenskala auflösen lassen. Von den Strahlen verschiedener Wellenlänge sehen wir bloß diejenigen, welche einen Farbeneffekt hervorrufen, d.i. jene, welche sich vom Rot bis zum Violett erstrecken; aber auch jenseits der roten und violetten sind noch Strahlen vor- handen, und zwar sind die unsichtbaren Strahlen jenseits der roten die Wärmestrahlen, jenseits der violetten aber die chemischen Strahlen. In neuerer Zeit haben sich Zoologen und Physiologen (GRABER, Dusoıs, PAUL BERT usw.), insbesondere aber klinische Physio- logen (ÜHARCOT, UnxA, NIELS FINSEN usw.) experimentell mit der Frage befaßt, welchen Einfluß die verschieden gefärbten Strahlen auf den tierischen Organismus ausüben. Die erlangten Resultate sind zum Teil recht überraschend und wurden von mehreren, besonders von dem Dänen FInsEn, auch in der Therapie verwertet. Von diesen Resultaten interessieren uns an dieser Stelle natürlich nur diejenigen, welche sich auf den Einfluß des ver- schiedenfarbigen Lichtes auf die Farben der Tiere beziehen, und welche die Verwertung gewisser Farbstoffe in der Ökonomie des tierischen Organismus in überraschender Weise beleuchten. Das Pigment der Wirbeltiere wird, wie bereits oben erwähnt, aller Wahrscheinlichkeit nach aus Dissimilationsprodukten des DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 119 Farbstoffes des Blutes gebildet. Allein die Tiere verwerten diese notwendig; erzeugten Produkte ihres Stoffwechsels, die am Leben nicht mehr unmittelbar teilnehmen, in anderer Richtung. Sonnengebräunte oder mit Sommersprossen behaftete Gesichter sind alltägliche Erscheinungen. Aber auch das ist jedermann be- kannt, daß intensives Licht schädlich auf den Organismus, haupt- sächlich auf die Haut einwirkt. Dieser schädliche Einfluß ver- ursacht denjenigen, die über sonnenbeschienene Schneefelder und Gletscher der Hochgebirge und arktischer Gegenden wandern, sowie jenen, die sich nach dem Bade im Sande sonnen und den entkleideten Athleten des Rudersports jene schmerzhafte akute Hautentzündung, die unter dem Namen Erythema solare bekannt ist. Nach einigen Tagen vergeht diese Entzündung, die Epidermis löst sich ab, die neue Haut aber ist auffallend gebräunt und für Sonnenbrand nicht mehr empfindlich. Dieselbe Wirkung zeigt sich auch an Haustieren, Pferden und Rindern. Bemerkenswert ist, daß an gefleckten Tieren bloß die weißen Hautstellen vom Erythem betroffen werden, die dunklen dagegen nicht. Eine weiße Kuh, deren eine Körperhälfte mit Teer bestrichen wurde, ist nur an der weißen Seite vom Erythem betroffen worden.* Manche Nahrungsstoffe scheinen die Empfindlichkeit der Haut gegen das Licht zu steigern. Nach den Beobachtungen von WEDDING, welche von VIRCHOW bestätigt wurden, entwickelt sich an der Haut der mit Buchweizen gefütterten Rinder und Schafe, selbst bei diffuser Beleuchtung, ein blasiger Ausschlag, im Finstern dagegen nicht. Interessant und instruktiv ist fol- sendes Experiment, welches FInsEn an sich selber ausgeführt hat. Um die Hautfarbe des Negers nachzuahmen, malte er sich mit Tusche einen ca. zwei Zoll breiten Ring auf den Arm, welchen er sodann ungefähr drei Stunden lang einem sehr inten- siven Sonnenlicht aussetzte. Hierauf wusch er die schwarze Farbe ab, unter welcher die Haut normal weiß geblieben war, während sie sich zu beiden Seiten des Ringes gerötet hatte. Nach einigen Stunden stellten sich Schmerzen ein, und es entwickelte sich ein von schwacher Geschwulst begleitetes typisches Erythem. Die * N. Fınsen, op. cit. p. 10. 120 GEZA ENTZ SEN. Grenzlinien zwischen den angegriffenen und normalen Teilen der Haut waren außerordentlich scharf und zeigten sich daran genau dieselben kleinen Unregelmäßigkeiten wie am Rande des schwarzen Ringes. Das Erythem währte einige Tage, worauf die Haut ziemlich stark pigmentiert wurde, aber sonst normal blieb. Nunmehr setzte FinsEn seinen Arm nochmals der Sonne aus, diesmal aber ohne dem Tuschring. Das Ergebnis war ein geradezu entgegengesetztes; innerhalb des weißen Ringes entwickelte sich das Erythem, da- gegen blieben die angrenzenden Hautteile unverändert und hatten sich höchstens ein wenig nachgebräunt.* Es ist nun die Frage, welche Strahlen des Sonnenlichtes es sind, die so schädlich auf die Haut wirken und auf deren Ein- wirkung die Haut mit Entzündung, sodann mit Pigmentablage- rung — und das ist es, was uns interessiert — antwortet und wodurch dann die Haut gegen die ferneren schädlichen Einwir- kungen des Lichtes geschützt wird. Genaue Untersuchungen führten zu dem Resultat, daß die Wärme- und Lichtstrahlen in dieser Hinsicht ganz indifferent sind und die Wirkung ausschließlich durch die chemischen, d. i. durch die blauen, violetten und ultravioletten Strahlen ausgeübt wird. Mit welcher Energie die chemischen Strahlen auf die Pig- mentzellen einwirken, läßt sich am auffälligsten an den beweglichen Farbzellen, an den sogenannten Chromatophoren wahrnehmen. Nach den Untersuchungen von HOPPE-SEYLER und anderen sind die roten und gelben Strahlen ohne Wirkung auf die Bewegung der Zellen, um so energischer aber wirken die blauen und vio- letten Strahlen, welche Uhromatophoren in die oberflächliche Haut- schicht locken. Es ist eine bekannte Tatsache, daß sich die Haut des Chamaeleons, Stellios und mehrerer anderer Echsen im Sonnen- licht, zufolge Eindringens des schwarzen Pigments der Chromato- phoren in die oberflächliche Hautschicht rasch schwärzt. Daß hier die Schwärzung tatsächlich von den chemischen Strahlen verursacht wird, wird durch das Experiment PAUL BERTSs erwiesen, wonach diejenige Körperseite eines im Dunkeln farblos gewordenen * N. Fınsen, Loc. eit. p. 13. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. ol Chamaeleons, welche einer blauen Beleuchtung ausgesetzt ist, sich rasch schwärzt, während gleichzeitig die andere Seite, die mit rotem Licht beleuchtet ist, seine helle Färbung lange behält. Die plötzliche Schwärzung der Haut des Chamaeleons zeugt mit großer Beweiskraft dafür, daß diese Wirkung in der Tat von den chemi- schen Strahlen herrührt, besonders wenn man in Betracht zieht, daß die Farbe des Ohamaeleons, wenn die Dunkelheit nur lang- sam ins Helle übergeht, erst gräulichgrau, dann dunkel gefieckt und braun wird und nur ganz langsam und allmählich von der lichten nächtlichen Färbung zu der schwarzen Tagfärbung ge- langt. — Dieses Verhalten der Öhromatophoren ist aber durchaus keine allgemeine Regel: unser Laubfrosch wird in grellem Sonnen- licht allmählich heller grün, endlich grünlich strohgelb, im Schatten hingegen wird er dunkelgrün und im Finstern schließlich grünlich- schwarz. AIl das, was ich über den Einfluß des Lichtes auf die Fär- bung der Haut vorgebracht habe, scheint die Auffassung von Unna, FInsEn und anderer Forscher zu bestätigen, wonach die physio- logische Bedeutung des Pigmentes der Haut des Menschen und vieler Tiere darin beruht, daß dasselbe die Haut, in welche es offenbar zufolge irgend eines thermotaktischen Reizes gelangt, gegen die schädliche Einwirkung der chemischen Strahlen schützt. In vollständiger Harmonie mit dieser Auffassung steht die all- gemein bekannte Tatsache, daß bei Wirbeltieren gewöhnlich der Bauch, bei den Pleuronectiden aber die nach unten gekehrte Seite lichter ist, als die dem Lichte ausgesetzte Seite. Meines Wissens ist nur an beständig oder mindestens tagsüber in der Erde oder an dunklen Orten sich aufhaltenden Säugetieren der Bauch gleich oder sogar dunkler gefärbt als der Rücken. Diese Erklärung der lichten Färbung der Bauchseite ist jedenfalls naturgemäßer als die Annahme, daß die Bauchseite zum Schutz eine hellere Farbe annahm, welche den verräterischen Schlagschatten aufhebt, indem sie sich mit dem Schatten zu einem Mittelton kompensiert.® Diese Erklärung wäre wohl annehmbar, wenn der Himmel ewig heiter bliebe und die Sonne beständig im Zenith stände, der Schatten * H. Sınrors, Abriß der Biologie der Tiere I p. 51. 122 GEZA ENTZ SEN. daher stets unter das Tier fiele. Allein dies findet bloß unter dem Äquator und auch dort nur mittags statt (zu welcher Zeit übrigens die Tiere vor der sengenden Glut gewöhnlich ihre Schlupf- winkel aufsuchen), zu einer andern Tageszeit aber fällt der Schatten vor, hinter oder neben das Tier, je nach dem Stande der Sonne mehr oder weniger verlängert. Aber es ist auch nicht der regungs- lose Schatten, welcher das Tier dem lauernden Blick verrät, son- dern der wandelnde Schatten, dessen Auffälligkeit durch die helle Farbe der Bauchseite durchaus nicht geschwächt wird. Gestützt auf die obigen Ergebnisse sucht FINsEN die schwarze Farbe der Negerhaut damit zu erklären, daß dieselbe sich mög- lichst vollkommen zum Schutze gegen die chemischen Strahlen angepaßt habe. Diese Erklärung ist sehr gewinnend und erscheint auch viel wahrscheinlicher als zwei andere Hypothesen, deren eine lehrt, daß die Pigmentanhäufung in der Haut eine Folge der in der großen Hitze unvollkommenen Oxydation sei, während die andere Hypothese die Schwärze der Haut dem Vegetarianismus der Neger, d.i. der kohlenstoffreichen Nahrung zuschreibt.* Von Finsens Deutung ausgehend könnte man auch meinen, daß der Schutz gegen die chemischen Strahlen die Ursache dessen sei, warum in höheren Gebirgsgegenden schwarze Arten, Varietäten oder Rassen mehrerer Tiere vorkommen: schwarze Eichhörnchen, Spechte, lebend gebärende HEidechsen, Blindschleichen (Anguwis fragilis), Ottern (Vipera prester), Klapperschlangen, Salamander, schwarzer Limax masximus, Helix aethiops, schwarze Varietäten mehrerer Carabiden, der Gletscherfloh (Desoria glacialis) usw. Für eine derartige Deutung des Melanismus der Hochgebirgstiere, allerdings nur der. Wirbeltiere, dürfte etwa auch der Umstand mitsprechen, daß auf hohen Bergen der Farbstoff des Blutes be- trächtlich zunimmt, indem sich die Zahl der roten Blutzellen nahezu verdoppelt, im Menschen z. B. in einem Kubikmeter von 5 auf 7—8 Millionen. Ein Gleiches wissen wir auf Grund der Untersuchungen von PAUL BERT, VIAULE und anderer von dem Blute der in Peru in einer Höhe von 3—4000 m gezogenen * Warrz, Anthropologie der Naturvölker 1887, p. 30. — Üfr. Fınsen, op. eit. p. 12. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 123 Lamas, Alpakas, Schafe und Schweine, sowie der auf den Alpen versuchsweise in großer Höhe gezüchteten Kaninchen.“ Allein daß dies nicht die einzige Ursache des Melanismus sein kann, folgt daraus, was oben über melanotische Vögel gesagt wurde; auch das Beispiel des schwarzen Panthers und des schwarzen Puma warnt vor einer Verallgemeinerung. Viele schreiben be- kanntlich den Melanismus dem Einfluß der Feuchtigkeit zu. Wie wenig man berechtist ist, gestützt auf unsere bisherigen, zwar recht wertvollen, aber im ganzen denn doch nur sehr frag- mentarischen Kenntnisse, in dieser Hinsicht allgemeine Schlüsse zu ziehen, ergibt sich aus triftigen Gründen. Es genüge bloß einige Beispiele anzuführen. Die Fınsensche Deutung der Haut- farbe der Neger ist gewiß sehr anziehend. Allein diese Deutung läßt uns gänzlich im Stich, wenn man an Amerika denkt, dessen Ureinwohner auch unter dem Äquator nicht schwarz, sondern ebenso rothäutig sind, wie die Ureinwohner vom Feuerlande, von Patagonien und Kanada. Die unvermischte kaukasische Rasse bräunt sich zwar in den Äquatorialgegenden, aber zum Neger verwandelt sie sich selbst nach Jahrhunderten nicht; die Neger- rasse hingegen beharrt auch in der gemäßigten Zone Generationen hindurch hartnäckig bei ihrer schwarzen Hautfarbe. Noch auf- fallender ist das Verhalten einiger farbenändernder Tiere gegen das Licht. Das Uhamaeleon, Stellio und andere Echsen werden, wie erwähnt, am Licht schwarz, im Dunkeln bleichen sie ab, wo- gegen die Frösche im Lichte heller, im Dunkeln dunkler werden. SCHÖNDORFF hat an Forellen, die unter verschieden farbigem Lichte gehalten wurden, beobachtet**, daß sie im Dunkeln ganz verblaßten; aber nicht im blauen Lichte wurden sie am dunkel- sten, sondern im gelben. All das erweist, daß bei der Ent- wicklung und Verteilung des Farbstoffes bezw. der Chromato- phoren in der Haut nicht ausschließlich äußere Faktoren, sondern auch zurzeit noch gänzlich unbekannte konstitutionelle Ursachen mitwirken. Wenn irgendwo, so ist bei der Deutung der Farben- * H. Kronecker, Die Bergkrankheit, Die deutsche Klinik am Eingange des zwanzigsten Jahrhunderts, 1903, p. 97. ** A, ScHönporFF, Über den Farbenwechsel der Forellen, Arch. für Naturgesch. Jahrg. 69, 1903, p. 462. 124 GEZA ENTZ SEN. entwicklung die Warnung zu beherzigen, die VIRCHOW bei der Erklärung der Färbung der Menschenrassen aussprach, daß man nämlich bei theoretischen Erklärungen stets sehr bescheiden sein soll® Wir sind mit unserm Wissen wirklich so daran, daß das, was uns heute noch als Gesetz erscheint, vielleicht schon morgen als Ausnahme, und was wir heute nur als Ausnahme betrachtet, sich morgen schon als Gesetz erweist. Es wäre wohl hier am Platze, über die Wirkung des reflek- tierten farbigen Lichtes auf die Farbe der Tiere zu sprechen; da indes dies Thema im innigsten Zusammenhange steht mit der biologischen Deutung der Farben, welche ich bisher hie und da eben nur berührte, aber nicht eingehend besprach, so erachte ich es für zweckmäßig, dies mit der biologischen Deutung der Farben weiter unten zu behandeln. Was die Autoren über den Einfluß sonstiger, unter der Be- zeichnung Klima zusammengefaßten Faktoren auf die Farbe der Tiere anführen, ist so wenig verläßlich, daß man füglich darüber hinweggehen könnte. Darüber, ob der Feuchtigkeitsgehalt der Luft, die Bewölkungsverhältnisse, die Höhe über dem Meeresspiegel und sonstige Elemente des Klimas jedes für sich auf die Farbe der Tiere einwirken, besitzen wir, mangels exakter Untersuchungen, keinerlei sichere Kenntnis. Bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse ist es gar nicht Wunder zu nehmen, wenn vollständig entgegengesetzte Meinungen laut werden und manche z. B. be- haupten, daß die Feuchtigkeit der Luft die Lebhaftigkeit der Farben befördere, andere hingegen, daß sie die Farben bleiche. Letzteres behauptet z. B. GOuULD von der Farbe der Vögel, die im Innern der Kontinente mit trockener Luft lebhafter sei, als in feuchteren Küstenländern. ALLEN dagegen betrachtet gerade das Gegenteil als Regel.”®* Den Melanismus schreiben, wie erwähnt, viele dem Einfluß der Feuchtigkeit, andere zumindest für gewisse Tiere dem der Nahrung und wieder andere dem des Lichtes zu. Welcher Art aber auch der Einfluß der einzelnen klima- tischen Elemente sei, soviel scheint sicher zu sein, daß das Klima * J. Range, Der Mensch, Bd. II, 1894, p. 104. ** Vgl. A. R. Warricz, Der Darwinismus 1896, p. 348. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 125 in seiner Gesamtheit einen Einfluß ausübt auf die Farbe der Tiere und ihnen einen Stempel aufdrückt, so zwar, daß sich in der Färbung von phyletisch bald näher, bald ganz fernstehender Tier- gruppen ein gewisse Gleichförmigkeit zeigt. Es genüge, hierfür einige Beispiele anzuführen. Laut WALLACE ist in der Färbung der neotropischen Schmet- terlinge schwarzer Grund mit braunen Flecken die dominierende *, und zwar nicht nur an Heliconiiden und andern Tasfaltern, son- dern auch an den zu verschiedenen Gruppen gehörigen Nacht- faltern, an indischen und afrikanischen Nachtfaltern hingegen schwarzer Grund mit weißen und blauen Flecken. Sehr auffallend ist ferner, daß auf den Inseln der heißen Zone bei den zu ver- schiedenen Familien und Gattungen gehörigen Schmetterlingen und Vögeln weiße Fleckung, sowie die rein weiße Färbung sehr häufig ist. Von WALLACE wird auch der Einfluß der Lokalver- hältnisse und des Klimas auf Farbe und Zeichnungsmuster der Schmetterlinge mit vielen interessanten Beispielen illustriert. So lebt in der heißen Zone von Afrika eine ganze Gruppe von Pieriden, deren weiße oder blaßgelbe Flügel mit runden schwarzen Randflecken geziert sind, und ebenda kommt auch ein zur Familie der Lycaeniden gehöriger Falter vor (Liptena erastus), welcher in Farbe und Zeichnung mit diesen Pieriden derart übereinstimmt, daß man ihn eine zeitlang zur Gattung Pieris zählte Allein diese Farbe ist, wie WALLAGE, einer der Begründer der Mimiery- theorie selbst aussagt, keinesfalls als Mimiery aufzufassen, denn ‘weder den Pieriden noch den Lycaeniden erwächst daraus ein Nutzen. In Südamerika stimmen mehrere Tagfalter aus der Familie der Danaiden, Acraeniden und Heliconüden in ihrer Farbe und Zeichnung bis auf die feinsten Details überein und jede dieser Zeichnungen ist für ein anderes geographisches Gebiet charakte- ristisch. Diese Variabilität ist der gemeinsame Charakterzug der folgenden neun Gattungen: Lycorea, Ceratinia, Mechanitis, Ithomia, Melinaea, Tithorea, Acraea, Heliconius und Ewueides. Gruppen aus drei, vier, fünf Gattungen tragen auf demselben Gebiete gleiche Farben und Zeichnungen, auf dem angrenzenden Gebiet hingegen * Derselbe, Die Tropenwelt 1879, p. 269—278. 126 GEZA ENTZ SEN. kleiden sie sich in andere Farben und Zeichnungen, stimmen aber auch hier miteinander überein. In Guinea sind die Flügelspitzen aller /thomia-, Mechanitis- und Heliconius-Arten mit gelben Flecken geschmückt, und diese Arten werden in Brasilien durch verwandte Arten mit weißen Flecken substituiert. Die Mechanitis-, Melinaea-, Heliconius- und Tithorea-Arten sind in Peru und Bolivia durch schwarze und orangefarbige, in Neu-Granada aber durch schwarze und gelbe Fleckung charakterisiert. Und all diese, sowie zahl- reiche andere Übereinstimmungen können nicht auf Mimiery be- ruhen, da all diese Arten durch ein Sekret geschützt sind, welche sie für die Vögel ungenießbar macht.* Allein auch an den Tieren ganzer Weltteile läßt sich eine gewisser Charakter der Färbung konstatieren. „So überwiegen im Norden der alten Welt die grauen, weißen, gelben und schwarzen Färbungen; in Afrika herschen Gelb und Braun vor; Grün und Rot überwiegen im tropischen Amerika; Gelb und Rot im indi- schen Gebiete, während Australien nebst Nachbarinseln besonders viele schwarze Tiere besitzt. Diese Gegensätze lassen sich z. B. bei Betrachtung der Eisvögel (Alcedonidae) und Sonnenvögel (Nectarinidae) wahrnehmen. Ferner sind die in Südamerika und im Malayischen Archipel stark vertretenen Papageien dort vor- zugsweise grün, hier rot und blau; die Familie der Meisen hat in Afrika hauptsächlich schwarze Vertreter, obwohl diese Vögel anderwärts recht bunt gezeichnet zu sein pflegen.“** HAACKE bemerkt über die australischen Vögel: „Manche Vögel Australiens zeichnen sich durch eine auffällig scharfe Farbenverteilung aus, wie man sie namentlich bei den Papageien und bei den kleinen Webefinken Australiens antriff. — —- Die australischen Papa- geien fallen durch große Häufigkeit und weite Ausdehnung des roten Gefieders auf. Wenn man ein Buch mit Abbildungen von Papageien durchblättert oder die Papageiensammlung eines reich- haltigen Museums besichtigt, so kann man, ohne kaum einmal fehlzugehen, von allen Papageien, die auffallend viel Rot in ihrem Gefieder haben, auch wenn man ihre Herkunft nicht kennt, be- = A R. WarrAck, Die Tropenwelt 1879, p. 269—278. =" A, Jacogı, Die Bedeutung der Farben im Tierreiche, Gemeiwerständl. Darwinistische Vorträge und Abhandlumgen, 1904, p. 17. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. F2R haupten, daß sie dem australischen Gebiet angehören.“® — Wie- viel in diesen und ähnlichen Fällen dem Klima in seiner Gesamt- heit oder seinen einzelnen Komponenten und wieviel dem Einfluß anderer äußerer oder aber jenen konstitutionellen Faktoren zu- zuschreiben ist, welche auf phyletischer Verwandtschaft beruhen, ist zurzeit eine offene Frage, welche ohne planmäßig vorgenom- mene Spezialuntersuchungen gar nicht gelöst werden kann, und vorderhand bloß Gegenstand eines müßigen Wortstreites sein würde. e Ich habe versucht, das Hauptsächlichste dessen, was uns zur- zeit über die Farbe der Tiere bekannt ist, zusammenzufassen. Leider ist es im ganzen recht wenig, was wir sicher wissen, immerhin aber genügt es, um daraus einige Konsequenzen zu ziehen. Diese lassen sich in folgende drei Punkte zusammenfassen: 1. Die Farben der Tiere sind nicht Resultate richtungsloser zufälliger Veränderungen, welche nach ihrer Entstehung von der leitenden Hand der Selektion nach dem Nützlichkeitsprinzip ge- ordnet, entweder erhalten und potenziert oder aber unterdrückt und ausgemerzt werden, sondern sie entwickeln sich unter dem Einfluß teils äußerer, teils innerer konstitutioneller Faktoren not- wendigerweise, nach bestimmten Gesetzen, die uns zurzeit aller- dings nur sehr lückenhaft und nur bis zu einem gewissen Grade bekannt sind. 2. Auf die Entwicklung der Farben übt vor allem der Stoff- wechsel einen entscheidenden Einfluß, und demnach ist das Problem der tierischen Farben in erster Reihe ein chemisch-physiologisches Problem. Hieraus aber folgt: 3. daß die Beurteilung der Farben von einseitigen biologischen Gesichtspunkten und hierauf basierten einseitigen Spekulationen zur Lösung dieses verwickelten Problems nicht führen könne. * W. Hacke, Die Schöpfung der Tierwelt, 1893, p. 233. = 128 GEZA ENTZ SEN. II. Die biologischen Farben. Im vorigen Abschnitt war ich bestrebt, das Wesentliche all dessen zusammenzufassen, was derzeit über die Farbe der Tiere ganz im allgemeinen bekannt ist und trachtete darauf hinzuweisen, daß die Entwicklung der Farben eines der schwierigsten Probleme bildet, dessen Lösung auf Grund verschiedener, in erster Reihe biochemischer Untersuchungen und planmäßiger Experimente zu erhoffen ist. Es ist nicht zu verkennen, daß der ersten genialen Deutung des Ursprungs der Farben, welche sich auch außerhalb der Fachkreise großer Popularität erfreut, sozusagen von Tag zu Tag neue Schwierigkeiten entgegentreten; nicht nur viele, sondern auch sehr kompetente Naturforscher erklären diese Deutung für ungenügend oder nur für einzelne Fälle anwendbar oder gar für gänzlich verfehlt. Die Aufgabe dieses Abschnittes soll sein, die Mängel und Irrtümer dieser Deutung nachzuweisen. Die Irrtümer der ersten Deutung beruhen auf einer Über- schätzung der Wirkung der Selektion. Diese Auffassung lehrt, daß — da weder Licht und Wärme im allgemeinen, noch die Farbe der auf die Organismen wirkenden Lichtstrahlen, noch aber andere äußere Faktoren die Ursache der mannigfachen Farben der Tiere und Pflanzen sein können — es erforderlich sei, diese Farben von einem höheren Gesichtspunkte aus zu überblicken und sie nach ihrem Zweck, sofern wir ihn kennen, oder doch nach ihren Wechselbeziehungen zu den Lebensgewohnheiten ihrer Be- sitzer einzuteilen.* Der Zweck der Farben ist die Nützlichkeit, somit der, daß sie ihren Trägern im Kampf ums Dasein von Nutzen seien. Ferner lehrt diese Anschauung, daß die Farben und Farbenzeich- nungen, ebenso wie jeglicher Charakter, kleinen, zufälligen Ver- änderungen unterworfen sind, von welchen die Selektion die zweckmäßigen, d. ı. nützlichen auswählt, und weiterzüchtet. Dies konsequente Fortspinnen dieses Ideenganges führte zur Lehre von den zweckmäßigen, den sogenannten funktionellen, oder wie man sie allgemein nennt, den biologischen Farben, deren ® Warrack, Die Tropenwelt p. 178. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 128) Grundprinzip es ist, daß die Tiere ihre Farben und Farbenzeich- nungen unter der Wirkung der Grundgesetze der Zweckdienlich- keit erworben haben.“ Zur Vermeidung von Mißverständnissen möchte ich nebenbei bemerken, daß die bereits wiederholt gebrauchten Ausdrücke Zweck und zweckmäßig durchaus nicht jene metaphysische Zweckmäßigkeit bedeuten sollen, deren Beseitigung aus den bio- logischen Wissenschaften zu den Hauptbestrebungen der heutigen Naturforschung zählt. In den biologischen Wissenschaften soll das Wort zweckmäßig — wie MöBıus bemerkt“ — nicht sagen, daß die Einrichtung der Pflanzen- und Tierformen vor ihrer Ver- wirklichung von einem geistigen Wesen ausgedacht und gewollt worden sei, wie Menschenwerke, ehe sie ausgeführt werden. Es soll nur bedeuten, daß die Organe einer jeden Lebensform für deren Erhaltung nach allgemein herrschenden physischen Ge- setzen gut arbeiten, das heißt jene erhaltungsmäßige Einrichtung der lebenden Wesen, die Kant als „Zweckmäßigkeit ohne Zweck“ bezeichnet. Aus zwei Gesichtspunkten erachtete ich es für notwendig dies besonders zu betonen: erstens um den heutigen naturwissen- schaftlichen Standpunkt hervorzuheben, zweitens aber, um darauf hinzuweisen, daß die in Ermangelung zutreffenderer, allgemein gebrauchten und gewöhnten Bezeichnungen „Zweck“ und „zweck- mäßig“ nur all zu sehr geeignet waren, die biologische Bedeutung der Farben auch in jenen Kreisen populär zu machen, die den Lehren der Evolutionstheorie sehr ferne stehen. Man pflegt mehrere Kategorien von biologischen Farben zu unterscheiden. Es sind dies folgende: 1. Schutzfarben; 2. Trutz- farben; und zwar: a) Warn-, Schreck- und Ekelfarben der mit Waffen versehenen Tiere; b) Farben unbewehrter Tiere, welche wehrhafte nachäffen; 3. Erkennungs- oder Signal- farben. 4. Sexuelle Farben. Allein außer diesen Farben sind selbst die Anhänger der biologischen Deutung der Farben ge- nötigt noch eine Kategorie anzunehmen. Diese Gruppe umfaßt * Wautacz, Der Darwinismus p. 290. ** Mösıus, Die Formen, Farben und Bewegungen der Vögel ästhetisch betrachtet, Sitzungsber. d. Königl. preuß. Akad. d. Wiss. VIII. 1904, p. 273. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 9 130 GEZA ENTZ SEN. alle diejenigen Tierarten, die in beiden Geschlechtern prachtvoll oder auffällig gefärbt sind, ohne daß man den Farben einen be- stimmten Zweck beilegen kann, und welche deshalb typisch ge- färbte Tiere genannt werden. Dahin gehört eine große Zahl prunkhaft befiederter Vögel, die Eisvögel, Bartvögel, Tukane, Loris, Meisen und Staare; von Insekten zählen dazu die meisten großen und schönen Schmetterlinge, äußerst zahlreiche, glänzend gefärbte Käfer, Heuschrecken, Libellen und Hautflügler; ferner einzelne Säugetierarten, wie die Zebras®; viele Seefische; tausende * In einer späteren Arbeit (Der Darwinismus, 1891, p. 337) bringt Warracz die Zeichnung des Zebra nochmals zur Sprache und faßt sie als Schutzfärbung auf, indem er sagt: „Man könnte leicht auf die Meinung kommen, daß so auffallende Zeichen, wie die Streifung des Zebra eine große Gefahr in sich schließen in einem Lande, wo Löwen, Leoparden und andere Raubtiere häufig sind, aber dem ist. nicht so. Die Zebras halten sich meist in einem Truppe zusammen und sind so flink und scheu, daß sie bei Tage nur geringer Gefahr ausgesetzt sind- Anders aber in mondhellen Nächten, wenn sie saufen gehen, sind sie hauptsächlich gefährdet, und Francıs GALToN, der sie in ihrer Heimat beobachtete, versichert, daß sie im Zwielichte durch- aus nicht auffallen, indem alsdann die hellen und schwarzen Streifen so zusammenfließen, daß es sehr schwer wird, die so gebildete graue Farbe zu unterscheiden.‘ — Ganz anders wird der biologische Wert der Streifung von Jacosı (Die Bedeutung der Farben im Tierreiche 1904, p. 33) gedeutet. „Das Zebra — sagt Jacosı — mit seiner scharfen schwarzen Streifenzeich- nung auf weißem Grunde müßte sich ohne weiteres von dem gleichmäßigen Hintergrunde abheben, den seine Wohnstätten bilden, aber alle Reisenden versichern, daß es in der Ruhe schon auf recht nahe Entfernung sehr schwer zu erkennen sei: die Streifenzeichnung löst eben das Körperganze in eine Anzahl schmaler Teilstücke auf.“ — (C. G. Scrırzınes, der kühne Forscher „Mit Blitzlicht und Büchse“, faßt den Wert der Zebrastreifung ganz anders auf, indem er berichtet (1905, p. 244): „Ganz erstaunlich ist die Tatsache, daß die so auffallende schwarz-weiß gestreifte Färbung der Zebras ihre Träger in keiner Weise von der sie umgebenden Landschaft abhebt. Je nach der Beleuchtung sehen Zebras ganz verschieden gefärbt, bis zum ein- farbigen Grau, aus; aber selbst da, wo ihre schwarz-weiße Färbung auf nächste Entfernung zur Geltung kommen könnte, verschwimmen die Tiere in ganz außerordentlichem Maße mit der Färbung der Steppe. Aber auch dann wird uns ein höchst bemerkenswertes Beispiel der Mimicry geboten, wenn Zebras um die Mittagsstunde unter schattenspendenden Bäumen und Sträuchern Rast halten: die zitternden Streifen der Schatten, welche durch Baumzweige verursacht werden, mischen sich dann aufs überraschendste DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. a1 schöngestreifter oder gefleckter Raupenarten; eine Menge Mollusken, Seesterne und andere niederen Seetiere.‘“* Diese Reihe, welche ich einem Werke von WALLACE ent- nehme, ließe sich nach Belieben fortsetzen, denn unerschöpflich ist die Zahl derjenigen Tiere, in deren Farbe und Zeichnung selbst die findigste und kühnste Phantasie kaum irgend eine biolo- gische Bedeutung hinein zu deuten vermöchte. Es geht uns mit der Färbung dieser Tiere, wie mit den Farben der Blumen oder der Mineralien, denen in ihren Beziehungen zur Außenwelt gar keine Bedeutung zukommt. Und Darwin, dem als echtem Naturforscher, rein nur die Erkenntnis der Wahrheit, nicht aber der Sieg seiner Theorie am Herzen lag, sprach es ohne Zögern wiederholt offen aus, daß sich die Entstehung der prächtigen Farben und Zeich- nungen gewisser Tiere z. B. der Raupen mit der Selektionstheorie nicht erklären lasse. Nehmen wir nun die biologischen Farben der Reihe nach und prüfen wir sie unbefangen auf ihren biologischen Wert. Hin- sichtlich der in den letzten 23—30 Jahren in ungeheuerer Menge angehäuften literarischen Daten kann ich mich zwar nur auf eine Auslese beschränken, werde indessen bestrebt sein, jene klassischen Beispiele, die den biologischen Wert der Farben am eklatantesten zu beweisen scheinen, nicht außer Acht zu lassen. Bei unserer Analyse sollen uns drei Gesichtspunkte leiten, die sich in folgende drei Fragen fassen lassen. 1. Gewähren die Farben und Zeichnungen den Tieren im Kampf ums Dasein tat- sächlich den großen Vorteil, der ihnen zugeschrieben wird? 2. Be- sitzen wir genügende Beweise dafür, daß die Farben aus zufälligen mit den Streifen der Zebras.‘‘ Die photographische Aufnahme von ScHiLLınss (p. 246) zeigt ein schütteres "Mimosengehölz, in welchem die drei grasenden Zebras allerdings nicht sofort zu erkennen sind, da sie, halb versteckt im hohen Grase und von hinten gesehen, als große gestreifte Ballen aussehen, aber sonst nichts Mimetisches an sich haben. — Ich will jedoch durchaus nicht bezweifeln, daß die Zebras trotz ihrer srellen Streifung in der natür- lichen Umgebung für das ungeübte Auge nicht leicht zu bemerken sind; der Deutung aber, daß sie sich ihre Streifung als Schutzfärbung angezüchtet haben, kann ich durchaus nicht beipflichten: diese Streifung ist eben nichts anderes, als ein altes Familienerbstück afrikanischer Equiden. * Warraicz, Die Tropenwelt p. 185. 132 GEZA ENTZ SEN. geringfügigen Änderungen durch die langsame Wirkung der Se- lektion gezüchtet wurden? 3. Könnte die Entwickelung der Farben nicht auf eine andere, befriedigendere Weise erklärt werden? 1. Schutzfarben. Als schützende, der Umgebung angepaßte, harmonische oder sympathische Farben und Zeichnungen bezeichnet man diejenigen, welche mit der Farbe der Umgebung mehr oder weniger übereinstimmen, mit derselben gleichsam verschmelzen oder zu mindest nicht aus derselben hervortreten, demzufolge das Tier, vorausgesetzt, daß es sich nicht regt, wenigstens dem nicht forschenden Auge leicht unbemerkt bleibt. Daß diese Farben sowohl für all jene Tiere, die fortwährend der Gefahr des Gefressen- werdens ausgesetzt sind, als auch für die Raubtiere, die unbemerkt ihre leicht entfliehende Beute anschleichen müssen, vorteilhaft sind, da sie ihren Träger bis zu einem gewissen Grade unsichtbar machen, ist gewiß nicht in Frage zu stellen. Die überaus häufige Übereinstimmung der Färbung der Tiere mit jener ihrer Umgebung kann natürlich keine neue Entdeckung sein; schon die ältesten Naturforscher gedenken ihrer häufig. So sagt z. B. PLinıus über die Farben der Schlangen: „Es ist all- gemein bekannt, daß die Farbe der meisten dem Boden gleicht, auf dem sie sich aufhalten.“®* Und auch die Erklärung dieser Tatsache hat den Alten kein Kopfzerbrechen verursacht, denn die ‚Ansicht, daß die Farbe dem Träger von Nutzen sei, paßte voll- ständig zu ihrer teleologischen Auffassung., „Manche Insekten,“ sagt einer unserer älteren ungarischen Naturforscher**, „sind gegen das Nachstellen ihrer Feinde durch ihre täuschende Form ge- schützt, wie die einem dürren Ästchen gleichenden Spannerraupen, andere dadurch, daß sie dieselbe Färbung haben, wie die Pflanzen, an welchen sie leben, demzufolge sie sich wenig von denselben unterscheiden nnd deshalb nicht so leicht zu bemerken sind.“ Von der Erklärung der nützlichen Farben ist dabei nur das neu, daß diese Farben durch das langsame Wirken der Selektion heran- gezüchtet wurden. * ©. Prinıus Ssecuxpus, Historia naturalis Lib. VIII, 36. — Cfr. ©. G.Wırt- STEIN, Die Naturgeschichte des C. Pl. Sec. 1881, Bd. II, p. 108. #® Förpı, J., Termöszeti Historia a Linne Syst@mäja szerint. 1801, p- 283. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 133 Allein prüfen wir etwas genauer, ob alle jene Farben, welche die Tiere unsichtbar machen oder zumindest nicht leicht verraten, wirklich ebenso sind, wie die der Umgebung, in welcher sich die Tiere in der Regel aufzuhalten pflegen? Dies ist durchaus nicht der Fall. Allerdings stimmen manche, sogar recht viele jener Farben, welche die Tiere nicht verraten, wenigstens im großen Ganzen mit jenen der Umgebung überein; als klassische Beispiele sollen der Hase, die Ziselmaus, die Lerche, Wachtel, das Rebhuhn angeführt werden, denen sich eine ganze Schaar anderer Tiere anschließt, die sich gewöhnlich auf dem Erdboden aufhalten und der Färbung des Bodens angepaßt sind; derart sind ferner: der Laubfrosch, viele Grashüpfer, Raupen und zahlreiche andere grüne Tiere, die vermöge ihrer Farbe mit der Färbung des Grases und Laubes verschmelzen; derart sind auch die an Baumstämmen ruhenden grauen oder bräunlichen Nachtfalter und andere Insek- ten, Larven und Puppen, sowie auch größere Tiere, Ziegenmelker, Eulen etc.; ja sogar größere Säugetiere, wie die Wildkatze, der Luchs, Panther und Tiger verschmelzen mit ihrer Farbe und Zeichnung mit ihrer Umgebung. Und diese Beispiele ließen sich nach Gutdünken fortsetzen. Allein unsichtbar können, wenigstens für unser Auge, auch solche, selbst große Tiere sein, die nicht nur indifferente oder unbestimmte, sondern häufig sehr bestimmte, bisweilen bunte oder geradezu schreiende Farben tragen, die von der Umgebung sehr abstechen, die wir indes an anderen Natur- gegenständen in gleicher Umgebung derart gewöhnt sind, daß sie uns gar nicht mehr auffallen. In diesem Falle täuscht nicht die Natur uns, sondern wir selber täuschen uns, weil die Phantasie uns das Erinnerungsbild irgend eines, unter ähnlichen Verhält- nissen wiederholt gesehenen Naturobjektes ins Gedächtnis ruft. Die Behauptung von HAACKE, dab Giraffen, also sehr stattliche Tiere, selbst von den geübten Augen des Jägers oft mit alten Aka- zienstämmen, oder diese mit jenen verwechselt werden, ist durch- aus glaubwürdig.“ Mir selbst ist es passiert, daß ich am Ufer des Szamos einen zwischen abgeästeten Weiden liegenden Büffel = W. Hıacke und W. Kumunert, Das Tierleben der Erde, 1903, Bd. III, p- 112. 134 GEZA ENTZ SEN. für einen alten Baumstrunk hielt.“ Von unseren heimischen Spechtarten ist eine schwarz, zwei sind zwar bunt, aber mit grüner Hauptfärbung, die übrigen aber sind mit Weiß, Schwarz und Rot sehr bunt gefleckt und alle, mit Ausnahme einer, tragen, zumindest im männlichen Geschlecht eine lebhaft rote, der drei- zehige Specht aber eine gelbe Kappe. In den Schränken unserer Kabinette erscheinen uns die Spechte insgesamt als recht auffällig gefärbte Vögel, im Freien aber, in ihrer natürlichen Umgebung werden wir ihrer, insolange sie unbeweglich am Baumstamme sitzen, dennoch nicht gewahr, u. z. nicht als ob ihre Farbe der Baum- rinde gliche, sondern weil wir uns erinnern, an Baumstämmen, sei es von Brandpilzen oder von abgebrochenen morschen Ästen oder von deren Schatten herrührende schwarze Flecke, grüne Moos- polster und bunte Flechtenteppiche unzählige Male gesehen zu haben, und im Bann unseres Erinnerungsbildes gewahren wir den Vogel nicht, trotzdem wir ihn kurz vorher an den Baum- stamm fliegen sahen, und trotzdem wir auch jetzt noch seinen schrillen Ruf vernehmen. = 0. G. Scaıcuinss, der kühne Forscher „mit Blitzlicht und Büchse‘, bezeichnet die Giraffe geradezu als ein „wundervolles Beispiel der Mimicry“ und ist der Ansicht, „daß auch in den Photographien die Mimiery besonders sprechend hervortritt.“ (Mit Blitzlicht und Büchse, 1907, p. 283.) Ich muß gestehen, daß ich diese Ansicht nicht bestätigen kann. Auf der Photographie (235) sehe ich zwischen schütter belaubten Bäumen (Flöten- akazien) drei hohe, schlanke Gestalten in der charakteristischen Giraffen- haltung aus der Ebene emporragen, die mir aber nicht den Akazien an derselben Photographie ähnlich sehen, sondern Schwengelbrunnen unserer heimischen Pußten in Erinnerung bringen. Allerdings ist das nur eine subjektive Anschauung; aber beruht nicht ein jeder Vergleich auf subjek- tiver Anschauung? — Auch den Schwengelbrunnen, den mir die Giraffen der Schillingsschen Photographie in Erinnerung bringen, kann ein jeder, je nach seiner Phantasie und seinen Erinnerungsbildern mit gar manchen Objekten vergleichen. Der Schwengelbrunnen, der am Rande des Horizontes über dem zitternden Wasserspiegel, welchen die Fata morgana über die endlose Ebene ergießt, in träumerischer Ruhe dasteht, wird uns auf unseren heimischen Pußten gewiß nicht eine Giraffe, sondern vielleicht einen ge- waltig großen Reiher, der auf Beute lauert, vortäuschen. Die glühende Phantasie des Dichters aber verwandelte den „BReiherbrunnen‘“ — wie wir ihn im Ungarischen nennen — in eine gigantische Stechmücke, welche das Blut der Erde aussaugt. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 135 Übrigens sind es gerade die bunten Farben, die in gewisser Entfernung in der Farbe ihrer Umgebung gänzlich verschwinden. Die Erfahrungen mit den Schutzfarben der Tiere brachten einen englischen Artillerieoffizier auf die Idee, Kanonen und Munitions- wagen unsichtbar zu machen. Seine Versuche haben sich ganz gut bewährt, denn die Färbung der blau, rot und gelb angestrichenen Kanonen und Wagen ist in die Farbe der Umgebung derart auf- gecangen, daß die Truppenführer sie mit ihren Feldstechern erst bemerkten, als sie bis auf zirka einen Kilometer (1000 Yard) herangenaht waren.” Wir können es noch erleben, daß man für die Kosten des polychromen Anstriches der Kanonen und son- stiger militärischer Gerätschaften den Fortschritt der biologischen Wissenschaften verantwortlich macht! Doch lassen wir die Schutz- färbung der Kanonen auf sich beruhen und kehren wir zurück zur Schutzfärbung der Tiere. Daß die in Wirklichkeit oder zufolge des Mitspielens unserer Phantasie der Umgebung angepaßten Farben die Träger derselben für all jene, die für die Tiere kein - besonderes Interesse hegen, und etwa nur zu ihrem Vergnügen im Freien umherschlendern, unbemerkbar machen, bedarf wohl keiner Beweisführung. Allein das ist es nicht, was uns interessiert, sondern ob die Farbe die Tiere gegen ihre natürlichen Feinde schützt? Diese Kardinalfrage bei der Beurteilung der biologischen Bedeutung der Schutzfarben wurde, in verschiedener Weise formu- liert, schon sehr oft und mit Recht aufgeworfen. Es genügt, aus der Reihe jener, welche diese Frage aufwerfen, ohne viel Auswahl, nur einen Autor zu zitieren. Bei TIEBE lesen wir: Wenn wir eine Phyllium- oder Pterochroza-Art im Laube oder eine grüne Raupe auf einem grünen Blatt sehen, wenn wir von M. LACHLAN hören, daß die Raupe desselben Spanners (Kupithecia absinthiata) auf verschiedenen Kompositen deren Farben entsprechend ver- schieden vorkommt, gelb auf Senecio Jacobaea, rötlich auf (entau- rea nigra, weiblich auf Matricarıa, wenn nach WALLACE viele asiatische Schmetterlinge Blättern täuschend ähnlich sehen, dann drängt sich uns mit einer gewissen zwingenden Macht der Ge- = * Schutzfärbung der Kanonen, Piometheus, Jahrg. XIV, N. 722, 1903, p- 735. 136 GEZA ENTZ SEN. danke auf, daß diese Tiere durch ihre Färbung und Zeichnung geschützt seien. Sie sind es sicherlich vor uns; wo aber ist je eine Beobachtung darüber angestellt worden, ob sich die Schutz- farbe den Tieren des Waldes und der Luft gegenüber wirklich als solche bewährt, oder ob etwa Vögel mit schärferen Sinnen die Raupe und den Schmetterling ebenso sicher erkennen, wie der Adler aus gewaltiger Höhe den Hasen oder das Murmeltier auf gleichfarbigem Boden? * Ich bin überzeugt, daß hinsichtlich dieser Frage all jene, welche die Lebensweise, die Gewohnheiten, das Benehmen, insbe- sondere aber die verschiedene Art der Ernährung der Tiere un- befangen untersuchen, darin mit mir übereinstimmen, daß die Tiere durch die Farben gegen die Angriffe ihrer Feinde durchaus nicht dermaßen geschützt sind, wie gegen unser Auge. Indessen ist es ja für uns Menschen schließlich auch keine Lebensfrage, daß wir einen Grashupfer, eine Raupe oder irgend ein anderes Tier, dessen Farbe mit der Umgebung harmoniert, wahrnehmen. Wenn es aber unser Interesse erheischt, daß wir auch derjenigen Tiere habhaft werden, die in der Umgebung schwer zu bemerken sind, wenn wir von der Jagd oder Fischerei leben oder wenn wir im Dienste der Wissenschaft uns mit dem Sammeln von Tieren befassen, so werden wir uns sicherlich nicht ausschließlich auf die Schärfe unseres Auges verlassen, sondern verschiedene Kniffe ausfindig machen, um auch die gänzlich unsichtbaren Tiere zu erbeuten. Die Tiere, für welche es weit wichtiger, ja oft geradezu eine Lebensfrage ist, ihre Beute bezw. ihre Feinde zu bemerken, besitzen zwar keine selbstgefertigten Instrumente, dennoch aber übertreffen sie weitaus den Menschen im Wahrnehmen ihrer Beute oder ihrer Feinde Aus einer gewissen Entfernung kann der Mensch die Giraffe mit Akazienstämmen immerhin verwechseln, allein ich glaube mit nichten, daß ein hungriges Raubtier in einen gleichen Irrtum verfallen könnte. Einen grauen Nachtfalter, der regungslos an einer alten Planke sitzt, wird der Mensch, wenn er nicht gerade Lepidopterologe ist, nicht leicht gewahren, wohl * Tırse, Helligkeits- und Farbensinn der Tiere, Biolog. Zentralblatt Bd. VI, 1837, p. 490. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 157 aber ein insektensuchender Vogel. Wie sehr z. B. der Sperling den Gauklern in die Karten sieht, sagt MEHELY*, beweist eine Beobachtung von WEISMANN, wonach ein Sperlingspaar eine Planke täglich absuchte und die daran sitzenden Schmetterlinge der Reihe nach auflas. Und ein Gleiches läßt sich von jedem Insekten- fresser beobachten. Der Vogel verläßt sich nicht auf sein scharfes Gesicht, sondern durchforscht gewissenhaft jeden Schlupfwinkel mit Picken und Klopfen und läßt sogar den am Boden umher- liegenden Detritus nicht ununtersucht, ob sich darinnen nicht doch noch etwas Eßbares vorfinde. Viele Vögel verfahren bei ihren Streifzügen ganz planmäßig. „Die Meisen und die mit ihnen umherstreifenden Spechte, Spechtmeisen (Sitta), Baumläufer (Certhia) und Goldhähnchen (Regulus) begehen dasselbe Gebiet, selbst den schon untersuchten Teil desselben, oft Tag für Tag wiederholt und säubern es von Insekten, deren Eiern und Larven.“ ** Unter den größeren Tieren, welche sich am Boden aufhalten, ist, wie jedermann weiß, die Zahl derjenigen, die mit ihrer Fär- bung in der Umgebung aufgehen, außerordentlich groß; es läßt sich sogar geradezu behaupten, dab sowohl unter den friedfertigen, wie auch unter den Raubtieren diese in der Überzahl sind. Und diese sympathische Färbung schützt die Tiere, insolange sie sich regungslos verhalten, vor unseren Augen ganz sicher, aber nicht vor denen der Tiere, denn viele Tiere, so die Vögel, besitzen ein weit schärferes Gesicht als der Mensch, bei anderen wieder, wie bei den Säugetieren, ist nicht das Auge, sondern der außerordent- lich feine Geruch der Hauptsinn. Zudem ist in Betracht zu ziehen, daß die Tiere, da sie sich nicht in Gedanken vertiefen, nicht zer- streut sind; außer zur Paarungszeit interessiert sie nichts weiter und sie sind auch mit nichts anderem beschäftigt, als den Magen zu füllen und mit der Sorge von anderen Tieren nicht gefressen zu werden; demzufolge können sie ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem einzigen Wunsch und ihrer einzigen Furcht widmen, und * M&snerLy, A mimicery elve €s jelentösege: Allattami Közlemenyek Bd. Il. p. 19. Vgl. Weısmann, Vorträge über Deszendenztheorie Bd. I. p. 91, 92. ** ], CHerneL, Magyarorszag madarai Különös tekintettel gazdasagi jelentösegökre Bd. I. 1899. p. 109. 138 GEZA ENTZ SEN. dies befähigt sie zu der oft staunenswerten feinen Witterung, womit sie den Menschen weit übertreffen. Ich kann an dieser Stelle nicht umhin, an einem Beispiel zu zeigen, wie verschieden, oft geradezu entgegengesetzt der bio- logische Wert der Färbung aufgefaßt wird. Der Pelz der Hausratte (Mus Rattus) ist bekanntlich ziemlich einfarbig, oben braunschwarz, unten nnr ein wenig heller, der der Wanderratte (M. decumanus) hingegen zweifarbig, oben bräun- lich-grau, unten grauweiß; es gibt aber unter den Wanderratten schwarze Farbenvarietäten, deren Zahl heutzutage im steten Zu- nehmen begriffen sein soll. Die Ursache dieser fortschreiten- den Umfärbung, welche sich an der in Europa länger ansässigen Hausratte längst vollzogen hat, soll der Schutz sein, den die schwarze Farbe bietet. „In der Tat ist die braune Farbe für eine Ratte eine große Gefahr. Während man die graue Maus im Dunkeln außerordentlich schwer sieht, leuchtet der braune Pelz einer Wanderratte einem geschärftem Auge so gut entgegen, daß man sie selbst bei Nacht schießen kann. Der Hauptfeind der Ratte ist die Katze; auch sie sieht das braune Fell besser als das schwarze und trifft somit eine Auswahl, welche über kurz oder lang dahin führen wird, daß wir nur schwarze Wanderratten haben werden.“® Nach SCHÖNICHEN hingegen soll der Wanderratte gerade die bräunlichgraue Farbe einen Vorteil über die schwarze Hausratte sichern und mitgewirkt haben, daß die minder geschützte Hausratte von der Wanderratte verdrängt wurde. „Durch dieses Vorherrschen der grauen Töne in der Pelzfärbung ist die Wanderratte der Erdfarbe, die doch mehr grau als schwarz ist, viel ähnlicher. Sie hebt sich aus diesem Grunde nur wenig von ihrer Umgebung ab, so daß sie sitzend für einen Stein ge- halten werden kann, zumal sie in dieser Stellung, welche sie sehr oft annimmt, den Schwanz unter den Leib zieht. Daß sie ober- seits dunkel, unten heller mit allmählicher Abstufung an den Seiten, gefärbt ist, gewährt ihr einen wirksamen Schutz, indem sie so in einigem Abstande weit weniger leicht sichtbar ist, als * B. ScuirLer-Tıerz, Die Farbe der Tiere, Prometheus, 1905, Nr. 804, p- 383. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 188 wenn sie am Rücken und am Bauche gleichfarbig wäre. Sie be- sitzt also eine für den ÖOffensiv- und Defensivkampf günstige natürliche Marke, die ihrer Konkurrentin nicht im gleichen Maße eigen ist. Sie kann sich unbemerkt auf ihre Beute stürzen, und wird weniger leicht von ihren Verfolgern und Feinden erbliekt“.* — Diese ganz entgegengesetzte Deutung des biologischen Wertes der Färbung unserer Ratten dürfte wohl geeignet sein, in Frage _ zn stellen, ob bei der Entwickelung der Farbe der Ratten eine nützliche Auslese überhaupt mitgewirkt habe. Mir scheint dies recht unwahrscheinlich, gehören doch ähnliche Unterschiede der Farbe nahe verwandter Spezies zu den gewöhnlichsten Vorkomm- nissen: es sind eben typische Farben der Spezies, die unter un- bekannten Einflüssen, je nach der Amplitude der Variabilität der betreffenden Spezies, zwischen gewissen Grenzen hin- und herschwanken. Inwiefern irgend ein größeres Tier durch seine sympathische Färbung geschützt oder nicht geschützt ist, möchte ich nur an die Wüstentiere erinnern. Es ist allgemein bekannt, daß ein großer Teil der Wüstentiere gelblich oder bräunlich fahl gefärbt ist so wie ihre Umgebung. Fahl gelblich ist die Gazelle und der Löwe, deren Schutzfarben man als klassisches Beispiel anzuführen pflest. In der Tat ist die Färbung beider derart, daß sie von der Umgebung nicht absticht und ihren Träger nicht verrät, weder die weidende Gazelle, noch den lauernden Löwen. Für den ersten Moment erscheint die Erklärung unstreitig sehr glaubhaft, daß beide Tiere vom Entdecktwerden durch das andere gesichert sind; allein das, was wir über die Lebensweise der Gazelle und des Löwen wissen, ist nicht geeignet, diese Erklärung sonderlich zu stützen. Die Gazelle ist ein in Herden lebendes, äußerst leb- haftes Tier, das mit seiner Beweglichkeit, mit dem Glanz seiner Hörner, eventuell mit seinem Schatten oder durch den aufge- wirbelten Staub die Aufmerksamkeit auf sich zieht; seine Färbung geht allerdines in der Umgebung vollständig auf, so zwar, dab wie BREHM sagt”*, das ungeübte Auge sie schon in der Entfernung = W. Schönichen, Die Verdrängung der Hausratte durch die Wander- vatte, Prometheus, 1904, Nr. 789, p. 137. ** BreHnm, Tierleben, Bd. III, p. 344. 10 GEZA ENTZ SEN. einer Achtel Meile nicht mehr wahrnimmt; das Adlerauge des afrikanischen Eingeborenen aber wird ihrer schon über eine Meile ansichtig, und sicherlich erspäht sie in dieser Entfernung auch das Raubtier. Eigentlich lassen sich aber die Raubtiere auf der Jagd nicht von ihrem Gesicht, sondern von ihrem Geruch leiten und werden eine erwitterte Gazelle zuversichtlich auch bald erblicken. Dem Löwen gegenüber bedarf übrigens die Gazelle keiner Schutzfärbung, denn der Löwe pflegt bekanntlich erst nach Sonnen- untergang aufzubrechen und wird bei seinen Jagdzügen durch seinen Geruchsinn geleitet; für den Löwen aber, als ein Nachttier, welcher den Antritt seines Beutezuges durch ein furchtbares Gebrüll verkündet, kann die Wüstenfarbe eigentlich ganz gleich- gültig sein. Es ist ersichtlich, daß zumindest in diesem von den Autoren mit großer ‚Vorliebe angezogenen Beispiel weder die Gazelle dem Löwen, noch der Löwe der Gazelle gegenüber einen Nutzen aus der Wüstenfärbung zieht. Ich bin bemüßigt, die Schutz- färbung des Löwen für ebenso überflüssig zu halten, wie die Sand- färbung der tagsüber wohl geborgenen und ausschließlich nur bei Nacht tätigen Gekkos und der großen Skorpionen der Sahara.* Ich kann es nicht unterlassen, an dieser Stelle noch der Fär- bung sonstiger Tiere der großen, heißen und trockenen Ebenen mit einigen Worten zu gedenken. Auf diesen Gebieten ist die Farbe der meisten Tiere in der Tat ebenso, wie die der Umgebung, die während des größten Teiles des Jahres fahl ist, wie das dürre Gras in unserer großen, ungarischen Ebene bei sengender Sonnen- glut, als wenn die Sonne die Farbe der Tiere gebleicht hätte, wie ein schlecht gefärbtes Tuch. Eine solche fahle Färbung charakterisiert den überwiegenden Teil der Säugetiere, Vögel, Echsen, Schlangen und Orthopteren der Wüste. Sogar diejenige der auf eine Schutzfärbung durchaus nicht angewiesenen Nashorne, welche in trockenen Ebenen leben, ist fahl. Sehr auffällig ist dies an den beiden südafrikanischen doppelt gehörnten Nashornen; von welchen die Buren das in Wäldern lebende als schwarzes Nashorn (Rhinoceros bicornis) von dem weißen Nashorn (Rrhinoceros * Fr. Werner, Aus dem Tierleben der Sahara; Naturwiss. Wochen- schrift, Bd. XV, 1980, Nr. 44, p. 517 ff. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 141 simus) der Wüsten unterscheiden; die Farbe des erstern ist dunkel schiefergrau oder schmutzig rötlich braun, die der letztern hin- gegen lichtgelb, bis zum lichtgrau verblaßt oder blaß graubraun.* Allein die fahle Farbe ist durchaus kein allgemeines Gesetz; es gibt nämlich auch in den baumlosen trockenen Steppen grell ge- färbte und lebhaft gezeichnete Tiere, die trotz ihrer verräterischen Färbung ebenso gut fortkommen, wie die fahlen. Von den Anti- lopen pflegt man leichthin zu behaupten, daß sie durch ihre Farbe geschützt seien. Dies gilt in solcher Allgemeinheit durch- aus nicht. An den Antilopen sind vom Dunkelbraun bis zur lichten Isabellfarbe und bis zum Schmutzigweiß all jene Farben vorhanden, welche an Wiederkäuern überhaupt anzutreffen sind. Zudem sind sie entweder einfärbig oder mit verschiedenartigen, oft sehr auffälligen und prächtigen, manche sogar mit schreien- den Farben gezeichnet. Es genüge, die Wandergazelle, den „Spring- bock“ der Buren (Gazella euchore) als Beispiel anzuführen. Diese Gazelle lebt in den Ebenen Südafrikas in ungeheurer Anzahl, und sie ist es, deren nach Hunderten, Tausenden und Hundert- tausenden zählende Herden die Steppen durchschwärmen, und welche die Hauptnahrung der ihnen folgenden Löwen, Panther und Erdwölfe bilden. Die Farbe des Springbocks zeichnet sich durch eine leb- hafte Buntheit aus. Die Grundfarbe ist milchweiß, auf welche gleichsam eine zimmtbraune Satteldecke gebreitet ist, die sich auf den Hals und in einzelnen Streifen auch auf den Kopf und die äußeren Seiten der Keulen erstreckt, an den Körperseiten aber mit einem breiten kastanienbraunen Rand lebhaft von der milch- weiben Färbung des Bauches absticht. Hinter den dunkel ge- färbten Hörnern stechen die ziemlich langen, milchweißen Ohr- muscheln lebhaft hervor. In der hinteren Hälfte des Rückens zieht ein gleichfalls milchweißer Streifen gegen den Schwanz und verbindet sich mit dem großen weißen Steißfleck; längs dem Rückenstreif zieht eine, ebenfalls mit weißen Haaren bedeckte Hautfalte hin, deren Ränder aufgestülpt werden können. Es ist eine sehr auffallende Gewohnheit des Springbockes, daß er von Zeit zu Zeit hoch empor springt und die weiß behaarte Hautfalte * Breums Tierleben Bd. II. p. 104, 106. 3 142 GEZA ENTZ SEN. fächerartig ausbreitet*, als ob er die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. Und dennoch ist diese Antilope, trotz ihrer auf- fallenden Farben und Gewohnheiten das häufigste Wild der süd- afrıkanischen Steppen. In eben demselben Maße auffallend sind in den baumlosen Steppen Afrikas die gestreiften Pferde, die Zebras und Quaggas. Es ist eine sehr auffällige Erscheinung in der Tierwelt der Sahara, daß die Koleopteren keine Wüstenfarbe tragen, sondern mit Ausnahme einiger lebhaft gefärbter Julodis-Arten, der Calo- soma-, Dinodes- und Coccinella-Arten, schwarz sind (Carabiden, koprophage Lamellicornien, eine Schaar Melanosomaten usw.) und auf dem lichtgelben Sandboden weithin hervorstechen. WERNER berichtet**, daß er einzelne derselben, wie den großen Anthia venator, trotz seiner großen Kurzsichtigkeit, schon auf 25 m Ent- fernung bemerkte. Man könnte meinen, daß all diese Käfer auf irgend eine Weise geschützt seien und ihre von der Umgebung abstechende Farbe eine Warnungsfarbe sei, die ihre Ungenießbar- keit kennzeichnet; allein dem ist nicht so, denn laut WERNER werden diese Käfer von einer ganzen Schar kleinerer Raubtiere, Vögel und Echsen verzehrt; nicht einmal die Blapsarten werden von diesen Insektenfressern geschont, obgleich die Blapse in der Sahara nieht minder, sondern ebenso, ja sogar noch mehr übel- riechend sind als unsere. Von manchen, welche den Farben um jeden Preis eine biologische Bedeutung zuschreiben, wird vorausgesetzt, daß die schwarze Farbe dieser Käfer das Resultat ihrer Anpassung an die Schatten der Mondscheinnächte sei. Allein laut den Beobachtungen WERNERs sind diese Käfer zum größten Teil Tagtiere, welche Nachts, auch in Mondscheinnächten zwischen den Wurzeln der Wüstenkräuter einen Schlupfwinkel suchen und finden. Bei den WERNERschen Beobachtungen drängt sich uns die Frage auf, wie es kommt, daß diese auffällig ge- färbten Insekten, die so vielen anderen Tieren zur Nahrung dienen, nicht schon längst ausgerottet wurden? Ich dächte, hierauf ließe sich leicht eıme befriedigende Antwort erteilen. Diese Käfer * Breuus Tierleben Bd. III. p. 353. ** WERNER, Op. cit. p. 519. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 145 werden nicht ausgerottet, weil sie sich stark vermehren, das An- gebot somit größer ist als der Bedarf und weil die Insektenjäger der Wüste die weichleibigen Heuschrecken, Heupferde, Gottes- anbeterinnen usw, die in der Sahara in noch größerer Menge vor- kommen, vorziehen. Allerdinos sind dieselben, wie VOSSELER, der die Orthopteren von Tunis und Algier eingehend studierte, bemerkt, größtenteils der Wüstenfarbe wunderbar angepaßt*, man darf indes nicht vergessen, daß dasselbe auch für unsere Orthopteren Geltung hat und daß sie demungeachtet, besonders wenn sie massenhaft auftreten, wie die marokkanischen und Wanderheu- schrecken, einer ganzen Schaar von Vögeln (Storch, Trappe, Krähe, Staar, viele kleine Falken usw.) zur Nahrung dienen. Man darf eben die Geschicklichkeit, mit welcher die Tiere ihre Beute ausfindig machen, nicht vergleichen mit derjenigen, welche ein . Stubengelehrter in gleichem Falle entfalten würde Denn das Auge desjenigen, der zu Sammelzwecken oder um sich seine Nahrung zu erwerben zur Jagd zieht, ist durch die Übung außer- ordentlich geschärft und gleichwie der Sammler im Wüstensand das am besten angepaßte Tier früher oder später wahrnimmt, können und müssen wir dies auch von den Insektenfressern voraussetzen.” Wenn man annimmt, daß die mit der Umgebung harmo- nierenden Farben wirklich behufs Schutzes von der Fürsicht der Selektion gezüchtet worden sind, so müßte auch das vorausgesetzt werden, daß das Tier sich seiner schützenden Farbe in seinem Betragen auch zu Nutzen zu machen verstände. Dies wird aber durch die Erfahrung durchaus nicht bestätigt. Nicht nur die berühmten Kallima-Falter und sonstige Schmetterlinge der heißen Zone gleichen im Schnitt und Zeichnung ihrer Flügel dürren Blättern, sondern auch ein Teil unserer einheimischen Falter; so sind z. B. unsere Vanessen mit ihren zusammengeklappten Flügeln leicht mit ausgefransten dürren Blättern zu verwechseln und sind, wenn sie sich setzen, wirklich unsichtbar. Doch verstehen sie es nicht, ihre schützende Färbung auszunützen, denn wenn sie sich * VosseELer, Orthopteren Algeriens und Tunesiens, Zool. Jahrb., Abth. für Systematik. Bd. 17, H. 1. — Vgl. Jahrb. f. Naturkunde II. 1904, p. 295. #® WERNER, Op. cit. p. 520. 144 GEZA ENTZ SEN. beim Sonnenschein (bei trübem Wetter fliegen sie überhaupt nicht) niederlassen, können sie nicht umhin, ihre Flügel von Zeit zu Zeit auszubreiten und wenn wir ihnen nachstellen und unser Schatten sie trifft, so fliegen sie sofort von dannen und gelangen dann umso sicherer ins Netz; während, wenn sie sich ruhig ver- hielten, wir an ihnen vorübergingen, ohne sie zu bemerken. Und ein Gleiches gilt von den Heuschrecken, Heupferden und Gottes- anbeterinnen, die grün oder schmutzig bräunlich gefärbt sind und mit frischen oder dürren Blättern, Trieben, Ästen und Halm- fragmenten leicht zu verwechseln sind. Allein auch sie verstehen es nicht, sich ihrer schützenden Färbung zu bedienen, denn schon bei dem leisen Geräusch eines schreitenden Vogels fliegen sie auf oder suchen, wie die @ottesanbeterin, durch Laufen zu entrinnen, wodurch sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und dann bei der unbedachten Flucht von dem nachstellenden Vogel erbeutet werden. Für ein scharf beobachtendes Auge zeugt die Abbildung T. CsöRGEYs vom Rosenstaar, welche diese der Natur abgelauschte Szene sehr getreu darstellt.“ Es gibt kaum Tiere, die ihre Farbe durch das wunderbare Spiel ihrer Chromatophoren der Umgebung besser anzupassen verständen als die Cephalopoden; dem ungeachtet aber vermochte ich trotz der Ungeübtheit meiner Augen aus dem Kahn in einer Tiefe von 1—2 Meter den Octypus wahrzunehmen, denn seine Atmungsbewesungen und das schlängelnde Spiel seiner Arme verraten ihn leicht, und es ist nicht zu verwundern, daß viele Haie und andere Fische, sowie manche Wale ausschließlich oder doch hauptsächlich von Cephalopoden leben, trotz ihrer schützenden Farbenanpassung. Wie wenig Vertrauen, — es sei gestattet, diesen Ausdruck zu gebrauchen —, die Tiere selbst in ihre Schutzfärbung setzen, läßt sich am besten daraus schließen, daß verschiedene Eidechsen und Schlangen, die wunderbar wüstenfarbig sind, sich vor dem Menschen flüchten und im Sand einwühlen, obgleich es anzunehmen wäre, daß sie, wenn sie sich ganz regungslos verhielten, der Be- obachtung viel leichter entgingen.”* Auch zahlreiche Fische, * Madärtani töredekek J. 8. Prrösvı irataiböl. 1904, p. 157. ** WERNER, Op. cit. p. 520. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 145 welche auf sandigem Grunde in geringer Tiefe leben, haben die Gewohnheit, sich, ebenso wie die wüstenfarbige Hornviper in den Wüstensand, in den Bodensand einzubohren, obgleich ihre Farbe vortrefflich zur Umgebung paßt; am auffallendsten ist dies an den flachen Pleuronectiden, denen noch dazu auch die Fähigkeit zukommt, daß sie ihre Farbe je nach der Farbe des Bodens ver- ändern können. Für den ersten Blick erscheint diese Behutsamkeit als ganz überflüssig und dennoch handeln diese Tiere ganz „klug“, denn das Tier wird in den meisten Fällen nicht durch seine Farbe und Form, sondern durch seine Bewegungen verraten... Der auf dem Anstand regungslos lauernde Jäger wird vom scharfen Auge des Wildes, welches aus der Windrichtung kommt, nicht wahr- genommen, allein es stutzt sofort, und schickt sich an zu fliehen, wenn ein jäher Luftzug das Laub bewegt. Die Libellen sind recht scheue und flüchtige Insekten und dennoch kann man sie mit der Hand haschen, wenn man sich ihnen in möglichst regungs- loser Haltung sehr langsam naht und bedacht ist, daß unser Schatten nicht auf sie fällt. Ein Gleiches gilt auch von den Schmetterlingen, Eidechsen und sonstigen flüchtigen Tieren. Über- haupt kümmern sich die Tiere wenig um die Form und Farbe der sie umgebenden Gegenstände, ihre Aufmerksamkeit wird einzig und allein durch unerwartete, rasche Veränderung errest, wie z. B. durch die Bewegung irgend eines Gegenstandes, die Veränderung in der Beleuchtung, ein Geräusch, ein herangewehter Duft usw. Auch möchte ich hier darauf aufmerksam machen, daß wir durchaus nicht berechtigt sind vorauszusetzen, daß niedere Tiere durch Farbe und Form ebenso getäuscht werden, wie der Mensch. Dies kann nur von den mit wohl entwickeltem Gehirn und dem- entsprechend mit höheren Intellekt begabten Säugetieren und Vögeln vorausgesetzt werden und auch bei diesen nur von solchen, die bereits Gelegenheit hatten, zwischen jenen sehr engen Grenzen, innerhalb welcher sie überhaupt ein Interesse für Naturgeschehen zeigen, Erfahrungen zu sammeln und die neuen Eindrücke mit älteren zu vergleichen. Wenn sich eine Fliege neben eine regungs- los lauernde Gottesanbeterin oder eine Spinne sorglos niederläßt, so tut sie dies nicht, weil sie erstere für ein Blatt und letztere Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIY. 10 146 GEZA ENTZ SEN. für irgend einen leblosen Gegenstand oder etwa für eine Knospe hält, sondern weil sie überhaupt keine Vorstellungen hat und somit für ihre sinnlichen Wahrnehmungen keinen Maßstab besitzt. Und wie wäre dies auch anders möglich. Verbringt doch die Fliege einen Teil ihres Lebens als blinde Made im Innern ihrer faulenden Nahrung zu, verwandelt sich dann innerhalb der Puppen- hülle zur Fliege, und ist sie schließlich für einige Tage oder Wochen flügge geworden, so hat sie für die letzte Periode ihres Lebens kein irgendwie brauchbares Erinnerungsbild mit sich ge- bracht; von der im Sonnenlicht prangenden, neuen Zauberwelt, der sie keck entgegenfliest, weiß sie gar nichts, in ihrem Tun und Treiben wird sie ausschließlich von dem Zwange blinder Tropismen geleitet, und wenn sie sich auch eines assoziierenden Erinnerungsvermögens erfreute, was möchte es ihr nützen, da sie doch sterben muß, bevor sie noch Zeit gehabt hätte, Erfahrungen für das Leben zu sammeln. Es ist bekannt, daß die Fliegen auf Blumen, welche Aasgeruch verbreiten, z. B. die Blumen der Stapelia zufliegen und auf diese sogar ihre Eier absetzen, aber sicherlich nicht deshalb, weil sie durch ihre Augen getäuscht diese Blumen für Kadaver halten, sondern weil sie, wenn ihre Eier zur Ablage reif sind, von dem durch den Aasgeruch aus- ‚gelösten Tropismus mit unwiderstehlichem Zwang angezogen werden. Allerdings sind solche Blumen häufig schmutzig gelb- lich mit rötlichen oder bläulichen Zeichnungen, d. i. „leichen- farbig“; indes werden die Fliegen gewiß nicht durch diese Färbung irregeführt, wie z. B. KERNER annimmt“, denn die Fliegen haben gewiß nie in ihrem Leben die Farbe der Leichenflecke eines Kadavers betrachtet. Nur nebenbei bemerke ich, daß es auch solche leichenfärbige Blumen gibt, die einen ekelerregenden, narkotischen aber durchaus keinen Aasgeruch haben, wie z. B. das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), andere aber haben einen ge- radezu köstlichen Duft, wie die Nachtviole (Hesperis tristis) und diese ziehen auch die Aasfliegen nicht an. Es wirft sich hier unwillkürlich die Frage auf, ob die Tiere auch ebenso sehen, wie wir? Sehr verbreitet ist die Ansicht, daß jene * Kerner, Pflanzenleben 2. Aufl., Bd. II, p. 177. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. TAT Tiere, die mit Farben geschmückt sind, die auch uns gefallen, auch einen guten Farbensinn haben. Von den scharfsichtigen und intel- ligenten Vögeln könnte man dies allerdings voraussetzen; aber kann man es auch von den niederen Tieren voraussetzen? Von vielen blinden niederen Seetieren sicherlich nicht, und gerade unter diesen gibt es eine Menge, die sich ihrer märchenhaften Farbenpracht alle Vorstellung übertreffen; solche sind viele Schwämme, Korallen, Ascidien usw. Die Ergründung des Farbensinnes der Tiere gehört zu den schwierigsten Problemen und dies ist eben die Ursache der schwankenden Ansichten, die sich oft ganz und gar wider- sprechen. Wie leicht gelegentlich gemachte Beobachtungen hin- sichtlich des Farbensinnes der Tiere auf Irrwege führen, soll ein einziges Beispiel klar legen. Gustav JÄGER folgerte aus der Mitteilung von fünf englischen Blumenzüchtern, wonach die Sper- linge die gelben Ürocus-Blüten zerstörten, auf eine allgemeine Antipathie der Sperlinge oegen die gelbe Farbe. Ferner zog er mit Hindeutung auf die Farben einiger von manchen Vogelarten gefressenen oder verschmähten Beeren den allgemeinen Schluß, daß nach dem Farbensinn der Tiere das Gelb überhaupt eine Ekel- und im Gegensatz dazu Blau eine Lockfarbe sei. Hinsicht- lich der Sperlinge brachte schon das nächste Jahr eine Wider- lesung der JÄGERschen Erklärung, denn jene Crocus-Liebhaber hatten nunmehr nicht gelbe, sondern blaue Urocus gezogen und siehe da, die bösen Sperlinge fielen jetzt über die Crocus-Blüten mit blauer „Lockfarbe“ her und zupften sie aus.” Der Licht- und Farbensinn der Tiere wurde von PAUL BERT (1869), LuBBock (1879, 1882) und MERESCHKOWSKY (1880), be- sonders eingehend aber von VITUS GRABER studiert.*® Letzterer Forscher hat an ca. 60 Tieren (Schwein, Hund, Katze, Meer- schweincehen, Kaninchen, Stieglitz, Huhn, Taube, Papagei, Schild- * TIEBE, Op. cit. p. 490. ** V. Gräser, Fundamentalversuche über die Helligskeits- und Farben- empfindlichkeit augenloser und geblendeter Tiere: Sitzungsber. d. k.k. Akad. d. Wiss. Wien, 1883. — Grundlinien zur Erforschung des Helligkeits- und Farbensinnes der Tiere. 1884. — Über die Helligkeits- u. Farbenempfind- lichkeit einiger Meertiere: Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiss. Wien, 1885. — (f. Tıese, op. eit. 10* 148 GEZA ENTZ SEN. kröte, Frosch, Moleh, Schlammbeißer, Küchenschabe, Biene, Gelsen- larve, Raupe vom Baumweißling, Rosenkäfer, Flohkrebs, Regen- wurm, Seestern usw.) Tausende von Experimenten angestellt. Bei den Experimenten bediente er sich solcher Schränke und Gefäße mit undurchsichtiger Wandung, die durch eine nicht bis zum Boden reichende Wand in zwei Abteilungen geteilt waren, so daß die Tiere aus der einen in die andere übergehen konnten; jede der beiden Abteilungen belichtete er durch eine in der Decke angebrachte anders gefärbte Glasplatte oder er ließ in die eine Abteilung farbloses Licht einfallen, während die andere verdunkelt war, oder verwendete die Farben des Spektrums, wobei er auch die Wirkung der ultraroten und ultravioletten Strahlen zu stu- dieren vermochte. Die bezeichnete Einrichtung der Behälter er- möglichte es, daß die Tiere sich in jener Abteilung ansammelten, deren farbige Beleuchtung ihnen zusagte. Das Endresultat dieser Experimente war, dab mit geringer Ausnahme sämtliche Tiere sowohl auf das Licht, als auch auf die Farbe reagieren, allein die Empfindlichkeit und Vorliebe der verschiedenen Arten gegen die Intensität des Lichtes und gegen verschiedene Farben ist sehr ver- schieden und die Empfindlichkeit gegen die verschiedenen Farben hängt zum Teil von der Helligkeit der Farben ab; sämtliche Tiere sind gegen die uns unsichtbaren ultravioletten Strahlen empfindlich, während keines auf die ultraroten Strahlen reagiert. Diese Regeln gelten auch für Regenwürmer und für geblendete Molche und Küchenschaben, deren Haut für Licht und Farben empfindlich ist. Es ist eigentümlich, daß manche Tiere, von welchen man einen wohl entwickelten Farbensinn voraussetzen könnte, auf far- biges Licht durchaus nicht reagieren: solche sind manche (aber nicht alle) Hunde, die Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen, Tauben, Hühner und Papageien, Schildkröten und Flohkrebse (Gammarus); das Schwein hat keinen ausgesprochenen Sinn für Farben. Dagegen haben andere Tiere eine besondere Vor- liebe für gewisse Farben. Blau z. B. lieben viele Hunde, der Stieglitz, die Biene, die Gelsenlarve, die Raupe des Baumweib- lines; Rot lieben die Larven der Libellen, die Ameise, die Küchen- schabe und der Rosenkäfer. Bei manchen Tieren wechselt die Vorliebe für gewisse Farben je nach den Lebensstadien; die Li- DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 149 bellenlarve z. B. liebt das Rot, der Imago hingesen das Blau. Auf die Wahl der Farbe ist übrigens auch der Grad des Lichtes von großem Einfluß und modifiziert dieselbe. Der Dunkelheit liebende Molch wählt von der roten, gelben und grünen Farbe stets die dunkelste aus; der ebenfalls Dunkelheit liebende Regen- wurm zieht die hellrote Beleuchtung der dunkelblauen oder grünen vor, und die lichtgrüne der dunkelblauen; der Seestern aber zieht das Blau jeder andern Farbe vor. Hieraus folet, daß sich ein allgemeines Gesetz überhaupt nicht feststellen läßt; wie es scheint, besitzen manche Tiere einen schwachen Lichtsinn, aber einen scharfen Farbensinn und umgekehrt. Dagegen läßt sich nach- weisen, daß die Dunkelheit liebenden Tiere zugleich die rote Farbe bevorzugen, die Licht liebenden hingegen die blaue. Wie interessant und wichtig auch die hier kurz zusammen- gefaßten Resultate der Untersuchungen GRABERS sein mögen, so geben sie doch keinen Aufschluß über die wichtige Frage, wie die Tiere die Farben im Freien empfinden. Nur mit einiger Berech- tigung kann vorausgesetzt werden, daß sie die Farben auch in der freien Natur unterscheiden; doch läßt sich dies nicht bestimmt behaupten; denn mehrere Tiere, von welchen wohl ein entwickelter Farbensinn vorausgesetzt werden dürfte, reagieren im Experimentier- schranke auf die Farben gar nicht; andererseits aber, weil nach GRABERS Experimenten auch die Regenwürmer, sowie enthauptete Schaben und geblendete Molche auf verschiedenfarbige Beleuch- tung reagieren. GRABERs sämtliche Experimente beweisen nur, daß die Tiere auf verschiedenfarbige Beleuchtung reagieren, sie beweisen aber nicht, ob die Tiere die Farben auch zu unter- scheiden vermögen, d. h. daß sie die Farben ebenso sehen, wie wir, denn es ist nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich, daß die Reaktion auf verschieden gefärbtes Licht eigentlich nicht durch die Farben, sondern von dem Grade des Lichtes, von der Helligkeit der Beleuchtung ausgelöst wird. Der Grund der Ver- schiedenheit im Geschmack der Tiere für Farben ist, wie TiEBE bemerkt, natürlich in den zur Zeit unbekannten Verschiedenheiten des Organismus zu suchen und müßte nach der heute herrschen- den Auffassung in irgend einen Zusammenhang mit der Lebens- weise gebracht werden. Man könnte etwa an die Farbe der 150 GEZA ENTZ SEN. Nahrung oder an eine mit dem Geschlechtsleben in Verbindung stehende Bedeutung denken; allein keine dieser Voraussetzungen trifft zu: die Hunde, der Stieglitz, die Libellen, Raupen und Bienen nehmen keine blaue Nahrung zu sich, und, mit Ausnahme einiger Libellen, findet sich an keiner dieser Tierarten irgend eine blaue Färbung. Demnach muß man die biologische Bedeutung des Farbensinnes der Tiere vorläufig noch als ungelöstes Problem betrachten.* Die allgemein bekannte Mitwirkung der Insekten bei der Bestäubung, bzw. Befruchtung der Blumen, drängt unwillkürlich die Frage in den Vordergrund, wodurch die Blumen die Insekten anlocken? Die meisten Forscher, von welchen die Befruchtung der Blumen durch Insekten studiert wurde (CHR. Ü. SPRENGEL, DELPINO, MÜLLER, DARWIN, LUBBOCK, DODEL-PORT, BARROIS usw.) schreiben diese Anziehungskraft, wenn auch nicht ausschließlich, so doch jedenfalls hauptsächlich der Farbe der Blumen zu. Laut DELPINO wirkt die Farbe der Blumen gleich einem Fahnensignal auf die Insekten; H. MÜLLER aber stellt den Fundamentalsatz auf, daß die Blumen unter gleichen Umständen von umsomehr Insekten besucht werden, je lebhafter ihre Farben sind.** In diesem Sinne spricht auch KERNER über die Farbe der Blumen.*** Unstreitig ist diese Auffassung sehr verlockend und erscheint auch sehr wahrscheinlich, vorausgesetzt natürlich, daß die Tiere ebenso sehen wie wir. Allein durch exakte Experimente, hauptsächlich durch Experimente des unermüdlichen PLATEAU wird diese V oraus- setzung nicht bestätigt. Die Frage des Sehens mit dem Mosaik- auge der Insekten ist zwar noch nicht endgültig gelöst, so viel aber läßt sich bestimmt behaupten, daß das Insektenauge anders sieht als unser Auge Was wir in dieser Hinsicht wissen, läßt sich kurz in folgendem zusammenfassen. Die Mosaikaugen sind zum genauen Sehen der Form der Gegenstände nicht geeignet, dagegen können sie die Bewegung größerer Gegenstände, je nach * TiEBE, op. cit. p. 501. #= F. Prareau, Wodurch locken die Blumen die Insekten an? Biol. Oentralbl. Bd. XVI, 1896, p. 417 u. Bd. XVII, p. 599. — PrareAu, Treffen die Insekten unter den Farben eine Auswahl? Zbenda, Bd. XX, 1900, p. 490. ### A Kerner v. MaArıtaun, Pflanzenleben, 2. Aufl., Bd. II, 1898, p. 163—178. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 151 den verschiedenen Arten auf 50—200 em Entfernung unterschei- den und das befähigt die Insekten beim Flug die Hindernisse zu vermeiden und ihre bewegliche Beute (z. B. Libellen) mit Sicher- heit zu erhaschen; beim Kriechen können sie fast gar keinen Gebrauch von ihrem Auge machen. Die Farben unterscheiden die Insekten wahrscheinlich nur nach dem Grade der Helligkeit und dem Gegensatz zur Umgebung; beim Besuche der Blumen aber werden sie nicht von der Farbe geleitet, sondern wie NÄGELI, ERRARA und andere schon früher behaupteten, zahllose Experimente PLATEAUs aber außer Zweifel stellten, ausschließlich durch den Duft. Wie wenig die Insekten beim Besuch der Blumen von der Farbe geleitet werden, läßt sich aus folgender Beobachtung PLA- TEAUS beurteilen. In einem Blumenbeete besuchten die Bienen die dunkelpurpur- und rosafarbenen Blüten von Scabiosa atro- purpuwrea ohne alle Wahl; wenn sich an einem Tage mehr dunkle Blüten öffneten, so fielen auf die dunklen Blüten mehr Besucher, ein anderes Mal, als mehr lichte Blüten vorhanden waren, auf diese. In einem Blumenbeete, in welchem verschiedenfarbige Kornblumen blühten, unter welchen indes die blauen in größerer Zahl waren, wurden von zwei Bienen die Blumen, je nach der Farbe, in dieser Reihenfolge besucht: 1. Biene: blau, purpur, weiß, blau, blau, blau. 2. Biene: weiß, blau, blau, purpur, blau, blau, purpur, blau, purpur, blau. Es ist bekannt, daß die prächtig scharlachroten Blüten von Pelargonium zonale von den Bienen vollständig ignoriert werden. Nun wurde von PLATEAU auf einige Blüten Honig getropft, was die Bienen, die in der Nähe an duftigem Heliotropium naschten, alsbald bemerkten und sofort über die kurz vorher außer acht gelassenen Blüten herfielen; auch aus ziemlich großer Entfernung flogen die Bienen geradenweges den nach Honig duftenden Blüten zu, ohne sich um die unterwegs befindlichen weißen und roten, nicht honigduftenden Blüten im geringsten zu kümmern.“ Es ist beachtenswert, daß die Bienen die scharlach-, zinnober- und orange- roten Blüten gänzlich außer acht lassen. Man pflegt dies damit * Biol. Centralblatt, Bd. XVII, 1897, p. 603. 152 GEZA ENTZ SEN. zu erklären, daß das Rot für die Bienen eine Unlustfarbe sei.* Natürlich ist das nur eine Vermutung, und ich halte es für weit wahrscheinlicher, daß die Biene gegen das Rot farbenblind ist und daher für sie eine rote Blume überhaupt nicht vorhanden ist. Überhaupt dürfte die Farbenblindheit, wie ein sehr kompe- tenter Physiologe, Tu. BEER, der gerade die Physiologie des Sehens eingehend studierte, bemerkt”*, im Tierreich weit häufiger sein, als man heutzutage meint und betont mit Recht, daß man dies bei den auf der Tagesordnung stehenden kühnen biologischen Spekulationen nicht sollte außer acht lassen. Ich glaube, daß es nach dem soeben Vorgebrachten selbstverständlich sein dürfte, daß auch andere Spekulationen, die sich an die Farben und Zeich- nungen der Blumen knüpfen, z. B. die für den ersten Moment sehr annehmbare Erklärung, daß die grellen Flecke in der Nähe der Nektarien mancher Blumen- und Perigonblätter dazu dienen, den Insekten den Weg zu weisen, der zu dem süßen Nektar führt, sowie viele ähnliche teleologische Erklärungen***, auf einer poe- tischen Auffassung der Dinge beruhen, eigentlich aber doch nichts anderes sind, als krasse anthropomorphe Irrtümer. Kehren wir nach diesem Ablenken zu den Schutzfarben zurück. Die bekanntesten und am häufigsten angeführten Beispiele hierfür sind: die fahle Farbe der Wüstentiere, die glasartige Durchsichtigkeit der pelagischen Tiere, die Bodenfarbe der Säuge- tiere, welche sich auf dem Erdboden bewegen, die grüne Farbe der ım Gras und Laub lebenden Tiere und die weiße Farbe der Polartiere. Von sämtlichen ist bereits die Rede gewesen, einige wurden auch eingehender besprochen und demgemäß sollen hier nur noch einige Bemerkungen hinzugefügt werden. Die mit der Umgebung harmonierenden Farben sehr vieler Tiere ist eine so allgemein bekannte Tatsache, daß es wirklich überflüssig wäre, weitere Beispiele anzuführen. Daß diese Farben ihren Trägern in gewissem Grade nützlich sein mögen, soll durch- aus nicht in Zweifel ‚gezogen werden, nur will ich hier betonen, * KERNER, Op. cit. p. 175. Jahre XIV, 19018 1 pe #=*# KERNER, Op. eit. p. 175. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 153 daß dieser Nutzen meist überschätzt wird; der Grund dieser Über- schätzung aber beruht darin, daß den Tieren menschliches Sehen, menschliche geistige Fähigkeiten und gleichzeitig auch mensch- liche Irrtümer zugeschrieben werden. Doch damit will ich mich nicht weiter befassen, sondern nur die oben formulierte Frage zu beantworten trachten: ob es nicht möglich wäre, die Entwicklung der Farben, ohne Mitwirkung der Selektion, auf eine andere, mehr befriedigende Weise zu lösen? Ich muß gestehen, daß ich die Entwicklung der mit der Um- gebung harmonierenden Farben durch das langsame Eingreifen der Selektion nicht nur für unwahrscheinlich, sondern geradezu für unmöglich halte; denn ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend eine kaum bemerkbare Verschiedenheit in der Nüanzierung der Färbung, womit laut der Selektionstheorie der zur Entwick- lung der Schutzfarbe führende Prozeß beginnen mußte, dem Tier seinen Mitbewerbern gegenüber einen noch so geringen Vorteil habe bieten können; wird doch z. B. der Hase selbst durch seine heutige vollkommene Schutzfarbe nicht geschützt, weder gegen den von seinem Geruchssinn geleiteten Fuchs, noch gegen den mit dem Auge jagenden Adler. Für weit annehmbarer halte ich die schon vor längerer Zeit ausgesprochene Vermutung Woops, daß die Anpassung der Farben an die Umgebung auf irgend einer photographischen Empfindlichkeit der Haut beruhe. Diese Ver- mutung aber hat, wie KAıssowitz bemerkt“ durch die Unter- suchungen von WIENER®* eine greifbare Basis gewonnen. „Es ist nämlich bereits seit einiger Zeit bekannt, dab es farben- photographische Verfahren gibt, bei denen die in der Platte befindlichen Stoffe unter der Einwirkung des Lichtes chemische Verbindungen liefern, deren Substanz durch Absorption verschie- dener Ätherschwingungen verschiedenfarbig ist, und zwar in der Weise, daß die verschiedenen Körperfarben mit den jeweiligen Farben der Beleuchtung annähernd übereinstimmen. Neuerdings hat aber WIENER diesen Vorgang so zu erklären versucht, dab * M. Kassowırz, Alle. Biologie, Bd. II, p. 72 u. 73. *= Wiener, Farbenphotographie durch Körperfarben und mechanische Farbenanpassung in der Natur. Wiedemanns Annalen. 55. 2. — Conf. Kassowitzz, op. cit. 154 GEZA ENTZ SEN. von allen entstehungsfähigen Farbstoffen nur der mit der Be- leuchtungsfarbe gleichfarbige auf die Dauer Bestand haben kann, weil er diese Strahlen am besten zurückwirft und daher am wenigsten absorbiert. Die andersfarbigen Verbindungen dagegen können jene Beleuchtungsfarbe absorbieren und können deshalb auch wieder durch diese Lichtschwingungen zersetzt werden. Diese Erklärung wurde auch experimentell bestätigt und damit der Beweis geliefert, daß es grundsätzlich möglich ist, daß farbige Beleuchtung an geeigneten Stellen gleichfarbige Körperfarben er- zeugt.“® Nach dieser Erklärung löst sich auch das Rätselhafte der Beobachtung von POULTON an der bereits oben erwähnten Eupithetia absinthiata. POULTON hat nämlich gefunden, daß die Puppe dieses Spanners immer die Färbung derjenigen Zweige annimmt, an denen sich die Raupe von Jugend an aufgehalten hat, und es ist ihm auch gelungen, die Puppen schwarz, braun, weib oder hellgrün werden zu lassen, je nachdem er sie zwischen so gefärbten Zweigen oder selbst zwischen so gefärbtem Papiere aufzog.** Betreffs der grünen Farbe muß ich daran erinnern, daß die grüne Farbe zahlreicher Insekten (z. B. Raupen, Blattläuse, Gras- hüpfer, Heuschrecken usw.) von dem Chlorophyll der Nahrungs- pflanze herrührt und es nicht zu verwundern ist, wenn dieser entlehnte Farbstoff dieselben Farbenänderungen durchmacht, wie in den welkenden Pflanzenteilen. Daß die von symbiotischen Zoochlorellen herrührende grüne Farbe vieler niederer Tiere (Pro- tozoen, Hydra, Turbellarien usw.) nicht als Schutzfarbe zu betrach- ten sei, bedarf mit Rücksicht auf die Kleinheit dieser Tiere wohl keiner besonderen Beweisführung. Es ist bekannt, daß auch unter den Säugetieren ausnahmsweise solche vorkommen, in deren Pelz grüne Algen wuchern. Ich meine die Faultiere, in deren zottigem Pelze sich dieselben einzellisen Algen (Pleurococeus Bradypodis und Pl. Choloepodis) festsetzen, die auch an den Bäumen der feuchten brasilianischen Wälder wuchern. Man glaube aber ja nicht, daß die Faultiere dieselbe grüne Färbung haben, wie das * M. Kassowırz, Allgemeine Biologie. II. Bd., p. 72. =" Cit. von Kassowırz, op. et loc. cit. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 155 Laub der Bäume, auf welchen sie leben*, denn ihr Pelz hat eben nur einen grünlichen Ton.“* Daß diese trägen Tiere in der Krone hoher Bäume schwer wahrzunehmen sind und daß ihre Unbemerk- barkeit durch den grünlichen Ton ihres Pelzes noch gesteigert wird, ist nicht in Abrede zu stellen; allein der Auffassung, daß die Symbiose des Faultieres und der Alge das Werk der Selektion sei, kann ich mich durchaus nicht anschließen. Bei weitem besser als durch den grünlichen Ton wäre das Faultier geschützt, wenn es den grell orangefarbenen Fleck zwischen den Schultern nicht besäße, wodurch es leicht verraten werden kann. Baron SLACK hat sicher recht, wenn er sagt, daß das Faultier, hart an den Baum angeschmiegt, gerade so aussehe, wie ein Ast, der gelbe Fleck aber täusche vor, daß das Ende des Astes abgebrochen sei; auch will ich zugeben, daß diese Astnachahmung den Jäger oft irre führt***, allein sicherlich läßt sich weder der Jaguar, der seinem feinen Geruch folgt, noch das scharfe Auge des Harpyenadlers (Thrasaötus destructor) täuschen. Und doch sind dies die natür- liehen Feinde des Faultieres, nicht aber die wenigen Menschen, die im Urwald hin und wieder Faultiere jagen. Die grüne Färbung der meisten Tiere (Vögel, Eidechsen, Schlangen, Frösche, Insekten und zahlreiche niedere Seetiere) hat, wie bereits oben erwähnt, mit dem Chlorophyll nichts zu schaffen; welche Faktoren auf die Entwicklung dieser Farbe Einfluß hatten, wissen wir vorderhand nicht, wir sind aber darum noch nicht berechtigt, dieselbe gerade als eine zum Schutz erworbene Farbe zu halten. WEISMANN, der die grüne Farbe entschieden für eine Schutzfarbe hält, bemerkt betreffs der Vögel mit Recht: „Es könnte wundernehmen, dab so wenige Vögel grün sind, die doch so viel- fach sich im Laub aufhalten, doch ist das auch nur für die ge- mäßigten Klimate richtig. Wir haben in Deutschland allerdings nur den Grünspecht, den Zeisig und einige andere kleine Vögel, und auch diese sind nicht lebhaft grün, sondern mehr graugrün“. Und fährt weiter fort: „Die Erklärung dafür liest in dem langen Winter mit den blätterlosen Laubbäumen. In den immergrünen = LenpL, Vedö szinck. Termeszet. VI. evfolyam 17, p. 6. == Haascke, Das Tierleben der Erde, Bd. II, p. 513. akt WALLAcE, Darwinismus p. 308. ; j! 156 GEZA ENTZ SEN. Wäldern der Tropen gibt es zahlreiche grüne Vögel verschiedener Familien.“ * Ich muß gestehen, daß mich diese Erklärung durchaus nicht befriedigen kann; denn gerade diejenigen unserer Vögel, welche die meiste grüne Färbung tragen (Grünspecht, Zeisig, Grünfink, Goldhähnchen, mehrere Meisen) bleiben auch im Winter bei uns, wo doch ihre grüne Farbe sehr vorsticht; ferner, wenn wir die grüne Farbe der Vögel wirklich für eine Schutzfarbe halten, ist es nicht abzusehen, weshalb unter unseren Zugvögeln nicht mehr grüngefärbte sind, denn dieselben leben doch auch während unse- res Winters in grüner Umgebung. Es ist klar, daß der Umstand, daß in der heißen Zone so viele, bei uns aber so wenig grüne Vögel vorkommen, einen andern Grund haben muß. Ich glaube nicht, daß es noch eine Ordnung von Vögeln gibt, bei welcher die lebhafte grüne Farbe so häufig wäre, wie in der Ordnung der Papageien. Allein diese Farbe dürfte die Papageien nicht sonderlich schützen, denn die Papageien sind in Gesellschaft lebende, sehr lebhafte, unruhige Vögel, die sich mit ihren rast- losen Bewegungen, Streitereien und ihrem lauten Kreischen auch in der grünen Umgebung verraten. Es gibt aber auch sehr auffallend bunte Papageien, sowie weiße und schwarze Kakadus, und auch diese bestehen im Kampfe ums Dasein ebensogut, wie die grüngefärbten. Analysiert man die Farbe und Zeichnung der Papageien, so ist es unmöglich zu verkennen, daß in diesen Farben und Zeichnungen, ebenso wie in jenen der Schmetterlinge eine gewisse Gesetzmäßigkeit herrscht, die von dem Nützlichkeits- prinzip vollständig unabhängig ist. Namentlich äußert sich eine Gesetzmäßigkeit darin, daß die grüne Farbe an verwandten Arten oder nur an einem Geschlecht derselben Art, eventuell nur an gewissen Stellen des Körpers durch die komplementäre rote Farbe bzw. das Rot durch Grün substituiert wird; oft aber entwickelt sich bloß eine der Farben, aus welchen das Grün zusammengesetzt ist, d. i. die gelbe oder blaue Farbe. Es sei nur zweier Beispiele gedacht. Bei den auf den Papuainseln lebenden, zur Gattung Eleclus gehörigen Papageien ist das Männchen grün, das Weib- *= Weısmann, Vorträge über Descendenztheorie. Bd. I, p. 54. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 157 chen aber rot; von den zwei großen brasilianischen Araras ist die eine, die Arakanga (Sittace coccinea, 5. aracanga), rot mit blauer Fleckenzeichnung, wogegen am Gefieder des nahe verwandten Ararauna (Sittace coerulea, S. ararauna) das Rot durch eine der Komponenten der Komplementärfarbe, durch Gelb substituiert ist. Bisweilen können sich die schreienden Farben zu einer unbestimm- ten schmutzigen oder grauen Farbe vermischen oder fast gänz- lich schwinden (weißer Kakadu) mit einem blassen Schimmer von rot oder gelb oder im Gegensatz sieh bis zu schwarz ver- dunkeln (Arara-Kakadu, Microglossus aterrimus). Es ist eigen- tümlich, daß bei den Kreuzschnäbeln, die den Papageien so fern stehen, in ihrer Form und Bewegungsweise aber so sehr an die Papageien erinnern, dab BECHSTEIN die eine Art mit Recht als Tannenpapagei (Lo:ia pityopsittacus) bezeichnen konnte, — zwi- schen Männchen und Weibchen ein an die Klectus-Arten gemahnen- der Unterschied herrscht: die grüne Farbe des Weibchens ist nämlich am Männchen durch die Komplementärfarbe, d. i. durch Rot ersetzt. Das am häufigsten erwähnte und unstreitig sehr frappante Beispiel der Anpassung an die Farbe der Umgebung bilden die weißen Polartiere, sowie diejenigen Tiere der polaren und ge- mäßigten Zone, die über den Winter weiß werden. Zu ersteren gehört der Hisbär, das alte Männchen des isländischen Jagdfalken (Falco candicans), dessen Weibchen und Junge aber braun sind, ferner die Polareule (Nyctea scandiaca) und der Polarfuchs (Canis lagopus), dessen unter dem Namen blauer Fuchs bekannte schiefer- oder bräunlichgraue, bisweilen sehr dunkle Farbenvarietät ebenso häufig ist wie die weiße. Letzterem gesellt sich das Hermelin, der Schneehase (Lepus timidus L.= L.variabilis Pall.), der Kragen- lemming (Myodes torguatus), das Schnee- oder Steppenhuhn (Zago- pus alpinus und L. albus), von welchen bloß der Lemming ein beständiger Bewohner des Polarkreises ist. Zur ersten Gruppe zählen mit einiger Berechtigung noch: die Alpenziese (Haplocerus montanus), die indes in Nordamerika zwischen dem 36. und 62.° lebt, sowie der in den westlichen Gebirgen Nord-Amerikas lebende Ovis Dalli; von ersterer bemerkt HAAcKE, daß sie sich prächtig in die Farbe der schneebedeckten Felsen einfügt, aber auf den 158 GEZA ENTZ SEN. dunklen Felsen und grünen Bergmatten umsomehr hervortritt.* Hervorzuheben ist ferner, daß die Färbung mehrerer Säugetiere gegen Norden lichter wird, so am Tiger und Luchs. Dasselbe läßt sich an manchen Vögeln beobachten. So sind nach O. KLEIN- SCHMIDT sibirische Exemplare von Falco peregrinus, Astur palum- barius, Aceipiter nisus, Ouculus canorus bedeutend heller gefärbt, als ihre europäischen Artgenossen; am auffallendsten zeigt sich dieser Unterschied bei der Vergleichung sibirischer Exemplare mit südeuropäischen: letztere sind sehr dunkel, erstere sehr hell, Astur und Accipiter fast weiß gefärbt. In den von KLEINSCHMIDT gegebenen Abbildungen sehen die genannten sibirischen Vögel den sardinischen gegenüber so aus, als ob der Lithograph bei den sibirischen Vögeln den Abdruck von 1—2 Platten erspart hätte.** Auch das Gefieder mancher kleiner Polarvögel zeigt viel weiße Färbung, wie z. B. das Gefieder des Polarammers (Plectrophanes nivalis) und die Lazurmeise (Parus cyaneus), deren sibirische Exemplare weit mehr weiß tragen, als die in Ungarn erlegten.*** Es sei hier bemerkt, daß das Schneehuhn in Schottland und über- haupt auf den britischen Inseln auch im Winter nicht weiß wird, was umso auffallender ist, da das Hermelin auf den schottischen Bergen auch im Sommer weiß bleibt. Vom Polarfuchs wäre vorauszusetzen, daß an der Südgrenze seines Verbreitungsgebietes mehr „blaue“ als weiße Exemplare vorkommen; laut MIDDEN- DORFF verhält es sich gerade entgegengesetzt, und es läßt sich als Regel aufstellen, daß das Uferklima die dunkle Färbung be- günstigt. Ebenso behauptet MIDDENDORFF, daß der Wolf und der gemeine Fuchs im hohen Norden eine dunklere Färbung an- nimmt, und ein Gleiches gilt auch vom Zobel. fr In populären Schriften liest man sehr häufig die leicht hin- geworfene Behauptung, daß die Polartiere insgesamt weiß seien oder zu mindest im Winter weiß werden. Das ist nun nicht der * Haackz, Das Tierleben der Erde. Bd. II, p. 400. == Comptes rendus des seances du sixieme congres international de Zoologie. Berne 1904, p. 577. == Maparäsz, Gr., Magyarorszäg madarai. 1899—1903 p. 138. + Pıerers, Mimiery, Selektion, Darwinismus. Leiden 1903, p. 113. ir G. Scuwage, Morpholog. Arbeiten. Bd. II, p. 491—493. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 159 Fall; denn auch unter dem Polarkreis leben Sommer und Winter hindurch dunkelfarbige Tiere, und zwar in großer Zahl; solche sind z. B. der Wolf, Fuchs, Luchs, Zobel, Vielfraß (Gulo borealis), eine Schar Robben, auf die der Eisbär jagt, das Renntier, der Bisamochs, Lemminge, die im Winter nicht weiß werden usw. Mit dem weißen Falken jagt in den Tundren der Zwergfalk (Falco aesalon) und der rauhfüßige Bussard (Archibuteo lagopus), mit der weißen Polareule der Uhu, die Ural- und lappländische Eule (Syrnium wralense, S. lapponicum) sowie die Sumpfeule (Asio accipitrinus), auch unser Kolkrabe streicht dort umher und eine Schar von Singvögeln von zum Teil auffälliser Form und leb- hafter Färbung wie z. B. der Seidenschwanz (Ampelis garrula), der nordische Kreuzschnabel (Loxia enucleator), der Rosengimpel (Pirhula rosea), das Blaukehlehen (Uyanecula suecica) usw. zau- bern Lebensfreude in die trostlose Eintönigkeit der Tundra. Sie alle finden ihr Fortkommen, trotzdem sie nicht weiß gekleidet sind; neben dem weißen Polarfuchs kann auch der dunkelgefärbte bestehen und im Jagdgebiet des alten weißen Falkenmännchens kommen auch die dunkelgefärbten Weibchen und Jungen nicht vor Hunger um. Es ist evident, daß diese nichtweißen Polartiere die Erklä- rung, daß die weißen Polartiere ihre Färbung zum Schutz erworben haben, durchaus nicht bekräftigen. Und all jene, die sich zu der Hypothese bekennen, daß die Schutzfarben durch die Selektion gezüchtet würden, sehen sich mit WALLACE gezwungen, zu einer anderen Hypothese zu greifen, wonach ein Teil der Polartiere deshalb nicht weiß geworden sei, weil dieselben einer protektiven Färbung überhaupt nicht bedürfen.” Nach den eben Angeführten muß ich diese Behauptung für unbegründet halten, denn es ist nicht einzusehen, weshalb von zwei Füchsen derselben Art der eine einer Schutzfärbung bedarf, der andere aber nicht, und noch weniger ist es zu verstehen, weshalb die Natur von den Jagdfalken gerade nur den erfahrenen alten Räuber schützen sollte, das Weibehen und die unerfahren Jungen aber nicht. Sehen wir nun einige der beweisenden Beispiele etwas näher an. Nach * WartaAcz, Darwinismus p. 292. 160 GEZA ENTZ SEN. WALLACE behält der Zobel seinen schönen dunkeln Pelz ‚den ganzen Winter hindurch, weil er sich auf Bäumen aufhält, wo er nicht nur Sämereien und Früchte sucht, sondern auch Vögel fänet auf den Zweigen der Nadelholzbäume, mit deren Farbe sein Pelz übereinstimmt. Diese Auffassung dürfte meiner Meinung nach nur dann richtig sein, wenn die Bäume während des langen sibirischen Winters von Schnee und Reif frei blieben, und wenn in nordischen Wäldern zwischen dem dunkeln Nadelholze nicht auch Birken ständen mit grell weißer Rinde. Ein anderes Polar- tier, der Bisamochse, behielt seine dunkle Färbung, weil es ge- sellig lebt und es für ihn von Vorteil ist, seine Artgenossen von fern zu erkennen, damit sie sich zur Zeit der Gefahr zusammen- rotten und mit vereinten Kräften verteidigen können. Die Polar- reisenden behaupten in der Tat, daß sich die Bisamochsen und Renntiere in geschlossener Phalanx mutig gegen die Wölfe ver- teidigen; allein auch die Wölfe greifen mit vereinten Kräften an, und wo es viele Wölfe gibt, rotten sie die Bisamochsen allmählich aus. Der Polarreisende NATHORST berichtet, daß sich im nord- östlichen Grönland (zwischen 70—75°) die neu eingewanderten Wölfe außerordentlich vermehrt haben und schreibt es diesem Umstand zu, daß der Bestand der Benntiere sehr gelichtet ist und daß die Bisamochsen kaum mehr Kälber haben.** Nach dem hier Mitgeteilten aber muß ich schließen, dab der dunkle Pelz dem Bisamochsen nicht von besonderm Vorteil sein mag. Auch der Rabe behält sein schwarzes Gefieder auch im hohen Norden und der Grund davon ist, laut WALLACE, voll- ständig klar: Der Rabe ist ein kräftiger Vogel, der keinerlei Feind zu fürchten hat und zugleich hat er als Aasfresser keine Veran- lassung, sich zu verbergen, um seine Beute zu erschleichen. Der zweite Teil dieser Behauptung ist entschieden irrig. Über die Nahrung des Raben schreibt BREHM**: „Es gibt vielleicht keinen Vogel weiter, der im gleichen Umfange wie der Rabe Allesfresser genannt werden kann. Man darf behaupten, daß er buchstäblich * Jahrbuch für Naturkunde. 1. Jahrg 1904, p. 241, =* Breawm, Thierleben Bd. IV, 1893, p. 429 u. 431. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 161 nichts Genießbares verschmäht und für seine Größe und Kraft Unglaubliches leistet. Ihm munden Früchte, Körner und andere genießbare Pflanzenstoffe aller Art; aber er ist auch ein Raubvogel ersten Ranges. — Im Norden ist er der abscheulichste Nesträuber, den es geben kann.“ Ich meine, daß, wenn die räuberische Lebensweise in den Polargegenden das weiße Federkleid überhaupt notwendig macht, der Rabe sich dasselbe ebensogut hätte erwerben müssen, wie der weiße Falke oder die weiße Eule, und die Selektion hätte dies umso leichter bewirken können, weil im nördlichen Teil von Sibirien und Skandinavien, sowie auf Island weiß gefleckte Raben ziemlich häufig sind*, und auf den Faröer Inseln grade nur solche vorkommen. Corvus corax varius BRUN = (. leucophaeus Mauren Aus alledem aber folgere ich, daß die Ursache der weißen Färbung und des winterlichen Weißwerdens vieler Polartiere anderwärts gesucht werden müsse, als darin, daß diese Farbe ihren Träger im weißen Hintergrund — den sie übrigens auch in den Polargegenden nicht beständig vorfinden, denn während des kurzen aber heißen Polarsommers ergrünen auch die Tundren — unsichtbar mache. In dieser Ansicht bekräftigt mich auch der Umstand, daß es auch solche Polartiere gibt, bei welchen die weiße Färbung ein, ich möchte sagen, überflüssiger Luxus ist. Da ist z. B. der Weißwal (Beluga leucas), der in der Jugend braun ist, vom fünften Jahre an allmählich bleicher und bleicher und schließlich ganz weiß wird, so daß er zwischen Eisblöcken schlafend, von diesen nicht zu unterscheiden ist.*** Davon hat aber der Weißwal gar keinen Nutzen, denn das 4+—6 m lange Ungetüm hat keinen Feind und wenn es in der Tiefe fischt, nützt ihm seine Färbung auch nichts. Dasselbe gilt auch vom Narwal, welcher mit seinen kleinen bräunlichen Flecken auf gelblich weißem Grunde im ganzen schmutzig weiß erscheint. Auch kann ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, daß auch mehrere * Breuum, Thierleben Bd. IV, 1, p. 428. ** E. Harterr, Die Vögel der paläarkt. Fauna, 1903, Heft 1, p. 4. =#® Sımrote, Die Entstehung der Landtiere, p. 414. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 11 162 GEZA ENTZ SEN. Robben (z. B. Phoca vitulina, Ph. groenlandica, Ph. barbata etc.) eine Neigung haben weiß zu werden, insofern sie auf bräunlichem Grunde schmutzig gelblich weiß gefleckt sind und daß diese Fär- bung sich je nach dem Individuum, Geschlecht und Lebensalter sehr ändert, so daß bald die dunkle, bald die lichte Farbe als Grund- farbe gelten kann. Von den antarktischen Polarfahrern T. V. Hopeson und G. A. Wırson wird mit Recht die interessante Tatsache betont, daß auch die Antarktik eine Anzahl weißer Tiere aufzuweisen hat, trotzdem dort keine gefährlichen Raubtiere leben. An manchen antarktischen Tieren läßt sich konstatieren, daß die weiße Farben- varietät gegen Süden zunimmt. Von besonderem Interesse ist in dieser Hinsicht der Riesensturmvogel (Ossifraga gigantea). In weniger hohen südlichen Breiten sind die allermeisten von diesen Vögeln dunkel gefärbt und es kommt auf ein paar hundert nur ein weißer. Je weiter man nach Süden vordringt, um so häufiger werden die hellfarbigen und in den südlichsten Breiten, wo sie noch vorkommen, bilden die hellen oder weißen 20°, aller, die man sieht. Sehr bestimmt wird von den genannten Forschern die Meinung ausgesprochen, daß die weiße Farbe die antarktischen Tiere weder vor Feinden schützt noch ihnen den Nahrungserwerb erleichtert. Das häufigste weiße Säugetier der Antarktik ist die weiße Robbe (Lobodon carcinophagus), welches zwischen Packeis sozusagen unsichtbar ist und dennoch wird sie von Orca gladiator so eifrig verfolgt, daß man nur ein Stück unter zehn findet, dessen Haut nicht die langen Rißnarben der Bisse jenes Zahn- wales trägt. * Das Verblassen und gänzliche Weißwerden so vieler Polar- tiere erweckt den Gedanken, daß in den arktischen Zonen zurzeit noch unbekannte Faktoren auf die Tiere einwirken, welche bei denjenigen, die für die Einwirkung dieser Faktoren empfänglich sind, — denn die meisten sind, ich möchte sagen, immun, — die Entwicklung der Pigmente an einem kleinern oder größern Teil des Körpers verhindern; indes bleiben gewisse Körperteile, nament- * R. v. Linpeneern, Über die Fauna der Antarktik, Biolog. Centralbl., 25. Bd., 1905, p. 578 ff. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 163 lich die Chorioidea, Nase und Krallen der Säugetiere, die Schwanz- quasten des Hermelins, die Ohrenspitzen des Alpenhasen, der Schnabel, die Krallen und einzelne Federn der Vögel stets schwarz oder zu mindest farbig. In einzelnen Fällen könnte man dies Weißwerden folglich als frühzeitiges Ergrauen bezeichnen, z. B. am Beluga, am weißen Falken und an der Polareule. Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß dieselbe Erscheinung, d. ı. der Mangel an Farbstoff auch an den Blüten der Polarpflanzen bemerkbar ist, da die Zahl der weißen Blüten gegen den Pol stetig zunimmt; so kommen in Lappland auf 10 farbige Blumen 8, auf den Mellville-Inseln 9, in Grönland 11, auf den Spitzbergen 16 weiße Blumen, in Deutschland dagegen nur 5.* Soll man nun die weiße Farbe der Polarblumen für Schutz- oder für Lockfarbe halten? Erstere Voraussetzung wäre wohl unsinnig, letztere aber kann ich nach all dem, was ich über die Blumenfarben als Lockmittel vorgebracht, gleichfalls nicht annehmen, da doch die meisten dieser Blumen (Draba, Arabis, Saxifraga etc.) so unansehnlich klein sind, daß sie als lockende Signale kaum aufgefaßt werden können. Über die eigentliche Ursache des Weißwerdens arktischer Tiere, sowie der weißen Winterfärbung ist man bekanntlich sehr verschiedener Ansicht. Viele (z. B. SEMPER, KAssowitz, Hopgson und Wırson etc.) glauben es, wie bereits erwähnt, der niedrigen Temperatur, andere (SCHWALBE, FINsEN) der schwachen Beleuch- tung und wieder andere dem von den Schneefeldern reflektierten Lichte zuschreiben zu können. Für den Einfluß der niedrigen äußern Temperatur sprechen allerdings einige direkte Beobachtungen. So wurde vom Kapitän Roos ein Lemming in dunklem Sommerpelz in einem warmen Lokal gehalten, wo er seine dunkle Färbung auch im Winter bei- behielt, aber der Winterkälte ausgesetzt, binnen einer Woche ganz weiß wurde. ** HAACKE erwähnt von einem Wiesel (Putorius vulgaris), welches bekanntlich unter höheren Breiten mit längerem Winter, * Fr. Hınvdesrano, Die Farben der Blüten, 1879, p. 70. ”* Kassowırz, Loc. eit. Bd. II, p. 75, 1lıl= 164 GEZA ENTZ SEN. dem Hermelin gleich, eine weiße Winterfärbung annimmt, daß es den braunen Pelz im geheizten Raum auch den Winter hindurch behielt und knüpft die Bemerkung hinzu, daß es wohl keinem Zweifel unterliegen kann, daß die winterliche Kälte etwas mit dem Eintritt der weißen Winterfärbung zu tun hat; in welcher Weise sie aber wirkt, muß ferneren Untersuchungen vorbehalten werden. ® Eine ganz andere Ursache des Weißwerdens wurde neuer- dings von HAMILTON in einem Vortrag in der Dubliner Akademie entwickelt. HAMILTON stellte fest, daß das periodische Weiß- werden bei Säugern und Vögeln an bestimmten Körperstellen ein- setze und in einer ganz bestimmten Reihenfolge verlaufe. Die- selbe stände im Zusammenhange mit der Fettanhäufung im Unter-, hautbindegewebe, derart, daß dort, wo am meisten peripheres Fett abgesetzt wird, der Prozeb zuerst einsetzt. Deshalb, und nicht wegen der mangelhaften Belichtung sei z. B. die Bauchgegend jene Stelle, welche öfter dauernd weiß oder wenigstens licht er- scheine. Das Kreuz, eine Körperstelle, an der ebenfalls das Fett sich stärker anzuhäufen pflest, werde daher ebenfalls im Winter zuerst weiß. Die Hypothese nun, die HAMILTON auf Grund dieser Beobachtungen aufstellt, gipfelt in der Annahme, daß das Auftreten von Fett auf eine mangelhafte Oxydation, auf eine Ver- langsamung des Stoffwechsels an jener Stelle hinweise, und dab es sich hier um eine Erscheinung handle, welche den Ärzten als fettige Degeneration, als atrophische fettige Entartung längst bekannt sei. So wie die lokale oder allgemeine Herabsetzung des Stoffwechsels mit der Fettabscheidung, so stehe dieselbe auch mit dem Weißwerden der Tiere im Zusammenhang. ** Zu demselben Resultat kam auch FRITJOF NANSEN. Er weist darauf hin, daß arktische und auch antarktische Tiere eine stark ausgeprägte Neigung zur Fettbildung haben. Bei dem periodischen Färbungsprozeß beteiligen sich vorwiegend chemisch-physiologische Einflüsse. Aufgespeichertes Organfett hemmt die Energie aller = W. Haascke, Wesen, Ursachen und Vererbung von Albinismus und Scheckung. Biolog. Oentralbl., 25. Bd., 1895, p. 70. ®* L. Ananmerz, Die biologische nd züchterische Bedeutung der Haus- tierfärbung. Wien, 1905, p. 35. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 165 Lebensvorgänge, wie das von jeder fettigen Degeneration -bekannt ist. Die Annahme eines weißen Winterkleides erfolgt also durch einen Pigmentwechsel in den Haaren und Federn infolge des. auf- gespeicherten Unterhautfettes; die weiße Schutzfärbung ist dem- nach vom physiologischen Gesichtspunkte als eine Atrophie der in den Haarzellen eingebetteten farbigen Pigmentkörper zu be- zeichnen, bewirkt durch den infolge von Fettablagerung herbei- geführten mangelhaften Stoffwechsel. Daß die Entstehung des weißen Farbenkleides des weißen Schwanes ebenso, wie. anderer Polartiere auf atrophische Pigmentbildung infolge von erheb- lichen Fettablagerungen zurückzuführen ist, geht schon aus der Tatsache hervor, daß die jungen Schwäne aschgrau sind und erst im zweiten Jahre weiß werden. * Aus der Kontroverse der Ansichten dürfte wohl mit Recht der Schluß gezogen werden, daß das Weißwerden nicht einer und derselben Ursache zuzuschreiben ist, sondern, daß verschiedene Ursachen imstande sind dieselbe Wirkung hervorzubringen. Es möge genügen diese Behauptung mit einigen Beispielen zu stützen. Unter den Wasservögeln sind die weißen oder solche, deren Feder- kleid überwiegend weiß ist, auf der ganzen Erde überall häufig. Auf den Inseln der heißen Zone ist, wie.schon oben erwähnt, an Schmetterlingen und Vögeln die weiße Farbe vorherrschend, auf den malayischen Inseln kommen mehrere Taubenarten von kreide- weißer Farbe vor; für das australische zoogeographische Gebiet sind die weißen Kakadus, die „Großväterchen“ (Kakatua), wie sie auf malayisch heißen, charakteristisch. ‚Seien wir aber in unseren Folgerungen recht behutsam. Man würde sich sehr irren, wenn man daraus, daß in nördlichen Polargegenden ein weißer Falk und eine weiße Eule vorkommt, schließen wollte, daß bei Falken und Eulen der Pigmentmangel in der Tat das Resultat des Ein- flusses der Polartemperatur sei, denn auch in Australien lebt ein weißer Falke (Astur Novae- En ** und von Indien bis Australien ist eine schneeweiße Eule (Strix candida) verbreitet. *** * N. Scumuer-Tırrz, Die ul der Tiere, Prometheus, Jahrg. XVI, 24, 1905, p. 383 ff. ** Haackz, Tierleben der Dh BaeIip> 614. === Hbenda, p. 340. 166 GEZA ENTZ SEN. Aus dem Umstande, daß der Rabe auf den Faröer Inseln und auch hier und dort im hohen Norden mit großen weißen Flecken geziert ist, könnte man folgern, daß dies durch den Einfluß des Polarklimas verursacht wird, — die Anhänger der Lehre von den Schutzfarben aber könnten meinen, daß sich diese Raben im ersten Stadium des Weißwerdens befinden; freilich müßten sie außer Acht lassen, daß ein weiß und schwarz gefleckter Vogel viel leichter zu sehen ist, als ein farbiger. Beide Erklärungen wären falsch. Die Sache verhält sich so: die Corviden scheinen überhaupt die Neigung zu haben, zufolge unbekannter, sagen wir klimatischer Einflüsse hell, zuletzt weiß gefleckt zu werden. Die gemeine Krähe z. B. ist im westlichen Teil Mittel-Europas bis. zur Elbe ganz schwarz (Rabenkrähe, Corvus corone), in Nord- Europa und östlich der Elbe erhält sie einen aschgrauen Mantel (Nebelkrähe, C. cornix), den sie durch ganz Sibirien bis zum Jenisei behält, jenseits des letzteren werden die Rabenkrähen immer häu- figer und östlich der Lena kommen keine Nebelkrähen mehr vor.* Im Südosten beginnt der Mantel sich zu entfärben, auf der Insel Cypern ist er bereits ganz fahl (O. pallescens); in Persien und Mesopotamien schmutzig weiß (©. Capellanus); eine in Afrika und auf der Insel Madagaskar lebende Krähe (Corvus scapulatus) aber zeichnet sich durch einen blendend weißen Mantel aus. All das, was über die weiße Färbung mitgeteilt wurde, läßt sich kurz dahin zusammenfassen, daß keine überwiegende Beweise für die Voraussetzung vorliegen, daß die weiße Farbe zum Schutze erworben wurde und mangels exakter Untersuchungen läßt sich vorderhand nur sagen, daß das Weißwerden durch unbekannte lokale Faktoren verursacht wird. Allein es ist zugleich zu be- tonen, daß außer den kalten Zonen auch von anderwärts zahl- reiche Beispiele des Weißwerdens bekannt sind, u.a. auch an Tieren, welche in einer Umgebung leben, wo die weiße Farbe für sie nicht nur keine protektive, sondern geradezu verräterische Farbe ist. Es soll an dieser Stelle noch an die allgemein bekannte Tat- sache erinnert werden, daß das partielle oder totale Weißwerden * Ebenda, Bd. IT, p. 51. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 167 durch die Domestikation weit energischer gefördert wird, als durch die im Klima gesuchten unbekannten Faktoren. Meines Wissens gibt es außer dem Büffel (die als Seltenheit geltenden weißen Büffel lasse ich, weil Albinos, außer Acht) kein Haustier, das keine weißgefleckte oder ganz weiße Varietät aufzuweisen hätte; allerdings ist es oft schwierig zu entscheiden, ob das Weißwerden dem Einfluß der Domestikation oder des Klimas zuzuschreiben sei; dies gilt z. B. von den Pferden der sibirischen Jakuten, die laut KRAPOTKIN durchwegs weiß sind *. Welche Faktoren es sind, die bei der Domestikation eine allgemeine Weißfärbiskeit (Leucismus und dessen Superlativ, der Albinismus) oder eine partielle (Scheckung) verursachen, — man spricht von Lichtmangel, psychischen Ursachen, Schädigung der Geschlechtsdrüsen der Elterntiere, mechanische und chemische Reize, starke Entwicklung des Unterhautgewebes, Wegfall der konstitutionellen Auslese, Inzucht, — wissen wir zurzeit nicht. Das aber dürfte als festbegründet betrachtet werden, daß die par- tielle und totale Pigmentlosigkeit unserer domestizierten Tiere als Ausflußb von geweblicher oder konstitutioneller Schwäche anzu- sehen sei. Für eine gewisse Abschwächung der pigmentlosen Hautstellen und für eine biologische Minderwertigkeit solcher Tiere gegen äußere Einwirkungen sprechen jene überzeugenden Tatsachen der Erfahrung, welche in den zitierten Abhandlungen von HAACKE und ADAMETZ** angeführt werden, auf welche ich hinweise, ohne auf sie einzugehen, da sie mir für die Erklärung der Weißfärbigkeit der Tiere im Naturzustande einstweilen nicht verwertbar erscheinen. Nicht nur die Farbe der Tiere selbst, sondern auch die Fär- bung ihrer Eier, namentlich der Vogeleier, hat die Biologen viel- fach beschäftigt. Die Farben der Eier, sagt WALLACE**”*, haben lange Zeit als Widerspruch gegen die Theorie der Farbenanpassung gegolten, weil es in sehr vielen Fällen nicht leicht ist, heraus- * Pıerers, Loc. cit., p. 119. ** W. Hascke, Wesen, Ursachen und Vererbung des Albinismus etec. — L. Anımerz, Die biologische und züchterische Bedeutung der Haustier- färbung. =" WALLAcCE, Darwinismus, p. 325. 168 GEZA ENTZ SEN. zufinden, was der Zweck und Nutzen der besonderen Farben sein kann, welche oft so lebhaft und auffallend sind, daß sie eher die Aufmerksamkeit auf sich ziehen als sich verstecken. Allein diese Frage schien bald ihre Lösung gefunden zu haben. Heutigen Tages liest man allgemein*, daß diejenigen Vögel, die in offenen Nestern brüten, färbige oder gefleckte Eier legen, die von der Umgebung nicht abstechen, wogegen jene, deren Eier mit ihrer weißen Farbe von der Umgebung abstechen, in Höhlen oder gedeckten Nestern brüten. Und innerhalb gewisser Grenzen ist dies auch wirklich der Fall; allein durch eine ganze Schaar von Ausnahmen wird der Wert dieser Regel erheblich vermindert. Daß auch sehr viele verborgen brütende Vögel farbige oder ge- fleckte Eier legen, erschüttert die Theorie der Farbenanpassung- allerdings nicht, denn wenn die Farbe in der finstern Höhle auch nichts nützt, so schadet sie auch nicht; indes wird die Theorie dadurch sehr erschüttert, daß auch viele offen nistende Vögel weiße Eier legen. Derlei sind von unsern Vögeln: die Taube, der Storch, der Zwergrohrdommel und hierher können noch ge- zählt werden: der Kormoran, der europäische Ibis, die Reiher, Enten und Steißfüße, deren Eier schmutzig weiß, graulich, licht grünlich oder bläulich, öl- oder lehmgelblich sind**, sowie die blaß gesprenkelten, licht grünlichen Eier einiger Singvögel, denn sie alle sind schon von weiten gut zu sehen. Die Behauptungen von WALLACE, daß die leuchtend weißen Eier der Tauben dadurch geschützt sind, daß sie in den aus Zweigen lose gebauten Nestern, die freie Lücken zeigen, so daß man hindurch sehen kann, von unten schwer zu sehen sind, — ist meiner Ansicht nach, eine so gezwungene Erklärung, der man nicht beistimmen kann. Ich glaube, daß der Eierdieb, sei es ein vier- oder zweifüßiges, ge- flügeltes oder ungeflügeltes Tier, nachdem er das Nest, etwa vom Auffliegen der Taube, einmal bemerkt hat, kaum ruhen wird, bevor er in dasselbe geblickt und es geplündert hätte. Dem Kukuk, diesem bedauernswürdigen Vogel, der der edel- sten Freude, der Freude der Mutterliebe beraubt ist, schreibt man, * WeıssmAnn, op. cit., Bd. I, p. 69. — Lexpr, op. cit. p. 4, 5. ** J. CHerner, Magyarorszag madarai., Bd. ], 1899, p. 91. ”## Warrvace, Darwinismus, p. 327. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 169 außer dem, daß er sich auf seine alten Tage in einen Sperber verwandelt, auch noch jene Zauberkraft zu, daß er ebenso gefärbte Eier lege, wie derjenige Vogel, in dessen Nest er sein Ei ein- schmuggelt. Die Sache verhält sich nicht ganz so. Es soll vor- erst bemerkt werden, daß es zweifellos festgestellt ist, daß jedes Kukuksweibchen zeitlebens gleiche Eier legt, jedoch nicht immer in das Nest derselben Vogelart; die Kukukseier aber sind laut RıAyY* bald einfarbig, meist grünlich oder bläulich, bald auf grün- lichem, bläulichem oder auch wohl andersfarbigem blassen Grunde in verschiedener Schattierung und Zeichnung gesprenkelt. Von den 117 Vogelarten, in deren Nest der Kukuk sein Ei einzu- schmuggeln pflegt, gleichen die Eier der wenigsten dem Kukuksei. Ray hat unter 597 Kukukseiern im ganzen bloß 180 (30,2 %,) gefunden, die dem Ei der Pflegemutter ähnlich waren, 164 Stück (27,5%) ähnelten nicht den Eiern der Pfleger, sondern denen anderer Arten, 209 Stück (35 %,) zeigten die Merkmale der Eier verschiedener Arten gemischt, 44 Stück (74 %,) zeigten keine Ähnlichkeit mit den Eiern anderer Vogelarten. Am häufigsten hat das Kukuksei Ähnlichkeit mit dem Ei des Gartenrotschwänz- chen (Krithacus phoenieurus)”*. Und was soll nun aus der schön klingenden und viel bewunderten Theorie werden, die da lehrt, daß die Kukukseier in der Regel den Eiern der Pflegeeltern so zum Verwechseln ähnlich sehen, daß sie dieselben für ihre eigenen halten? — frägt HAAckE. Man muß sie einfach verwerfen, wie jede andere Theorie, die sich nicht mehr mit den Tatsachen vereinigen läßt. Es dürfte wohl befremden, daß die brütenden Vögel das von ihren eigenen in Größe und Farbe abweichende eingeschmuggelte Ei nicht bemerken, — obgleich die Vögel sicher- lich die scharfsichtigsten und auch relativ intelligente Tiere sind, die Farben und Formen gut zu unterscheiden wissen; — man möge aber bedenken, daß das ganze Wesen des Vogels zu dieser Zeit von dem mächtigen Triebe der Arterhaltung beherrscht wird, welcher das intelligente Tier auf das Niveau einer willen- und bewußtlos arbeitenden Brütmaschine herabsetzt. Auch die Hühner- * Hasckz, Zur Stammesgeschichte der Instinkte. Biolog. Centralblatt. Bd. XVIL 1899. 5, 6,7, 9 u. 10. ** HAAcEE, op. cit. Biolog. Centralblatt. Bd. XVI, p. 230. 170 GEZA ENTZ SEN. rassen mit bräunlichen Eiern bemerken es nicht, wenn man ihre Eier mit schneeweißen, oder unsere gemeinen Hühner, wenn man ihre weißen Eier mit braunen vertauscht und brüten mit derselben selbstaufopfernden Hingebung auch Enteneier, ja sogar große Gänseier wie ihre eigenen aus. Nach der von WALLACE herrührenden ‚Einteilung der bio- logischen Farben gehören in die zweite Kategorie die Trutz- farben, von welchen ich mich vorläufig bloß mit den Warn-, Schreck- und Ekelfarben befassen, die nachäffenden Farben da- gegen in dem Kapitel über Mimiery besprechen will. 2. Warn-, Schreck- und Ekelfarben. Sehr viele Tiere sind mit beißenden, schneidenden, stechen- den Werkzeugen, mit Stacheln und Giftdrüsen ausgerüstet, oder sie haben einen üblen Geruch oder einen ekelerregenden Geschmack. Es liegt auf der Hand, daß es allen diesen Tieren zum Nutzen gereicht, wenn sie irgend ein Erkennungszeichen besitzen, welches den Feind aufmerksam macht, auf der Hut zu sein, weil er es mit einem Gegner zu tun habe, mit dem es nicht gut ist anzu- binden, das heißt, wenn sie, um einen vielgebrauchten Vergleich anzuwenden, derart bezeichnet sind, wie in der Apotheke die Gift- gläser mit dem jedermann verständlichen Totenkopf. Diese sehr ansprechende Theorie, deren Urheber WALLACE ist, ist eigentlich nicht ganz neu, denn schon die Anhänger der alten teleologischen Naturauffassung lehrten ein Gleiches. Linn& sagt z. B. von den Schlangen: „Hos (i. e. Serpentes) nuda in terra rejectos, artuum ministerio expertes, omnium iniuriae exposi- tos, armavit Natura conservatrix suis armis, horrentibus exsecra- bili Veneno. — Ne vero hi spoliati miserique armis, quae ipsis superessent, nimium saeverint, decimam quamque tantum speciem armavit imperans, sed versipelles eos voluit, ut dubii om- nes metuerentur ab omnibus.“* Was in der Lehre von den Warnfarben neu ist, besteht nur darin, daß nicht die Nutzstrebig- keit der Natur, sondern die Selektion im Kampf ums Dasein sie zustande gebracht hat. * Ö. Lınnası Systema Naturae. Regnum Animale. Ed. X, 1758, p. 194. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. ti Die Warnfarben sind meist grelle Farben, entweder für sich oder mit irgend einer dunklen, zumeist schwarzen Zeichnung, welche mit ihrem Kontrasteffekt die grellen Farben noch mehr zur Geltung bringt. Eine sehr häufige Warnfarbe ist, besonders an den Insekten, die rote Farbe: eine rote Färbung haben z. B. der bekannte Marienkäfer und mehrere andere Coceinellen, die insgesamt Cantharidin enthalten, sowie viele Wanzen, die einen unangenehmen Geruch verbreiten. Eigentümlich ist es, daß sich an Insekten das Rot als abschreckende Warnfarbe so gut bewährt hat, wogegen dieselbe Farbe an Beeren, mit welchen die gedrunge- nen, runden roten Käfer, z. B. gerade die Marienkäfer so leicht zu verwechseln sind (auch der Linn&sche Name Coceinella bedeu- tet eine Beere), laut WALLACE* gerade eine entgegengesetzte biologische Bedeutung hat, d. h. sie ist hier eine Lockfarbe mit der Bestimmung, die Vögel zum Verzehren der Beeren zu ver- locken; mit der Erreichung dieses Zweckes aber wird der Ver- breitung der Pfianze Vorschub geleistet, denn der Same verläßt den Vogeldarm unter Verhältnissen, welche für das Keimen äußerst günstig sind. Freilich haben auch viele giftige Beeren diese schöne rote Lockfarbe, wie z. B. der bittersüße Nachtschatten (Solanum Dulcamara) und einige andere Solanaceen, der gefleckte (Arum maculatum) und andere Aronarten, der Seidelbast usw.; dies aber wird damit erklärt, daß es, wie GRANT ALLEN sagt, für die Pflanze nur von Vorteil sein kann, wenn sie einige Tiere vergiftet, denn auf diese Weise sorgt sie nicht nur für die Ver- breitung ihres Samens, sondern in dem Kadaver des getöteten Tieres auch gleichzeitig für reichliche Düngung dem aus dem Samen aufkeimenden Pflänzchen.** Diese Erklärung ist mit kalter Grausamkeit, aber anscheinend mit tadelloser Logik ausgedacht; es ist jedoch nicht zu vergessen, daß die Tiere die ihnen schäd- lichen Früchte nicht verzehren, denn offenbar besitzen die giftigen Früchte irgend eine für uns nicht wahrnehmbare Eigentümlich- keit — wahrscheinlich einen Duft — der selbst die hungrigen Tiere abstößt. * Warrace, Darwinismus p. 407. ** GRANT ALLen, :Colour Sense p. 113. — Üf. Warcacez, Darwinismus p. 469. 72 ! GEZA ENTZ SEN. Manche giftigen Tiere verbergen für gewöhnlich ihre grell- farbige Schutzmaske, können sie indes zu rechter Zeit wirksam zur Schau tragen. Solches sind z. B. die gelb- und rotbäuchigen Unken, die gereizt, ihren Körper sattelartig nach oben krümmen, und dann mit der grellen Farbe ihres Bauches zur Vorsicht mahnen. Dies läßt sich verstehen; hingegen läßt es sich nicht begreifen, warum manche giftige Tiere ihre Schutzmaske stets verborgen tragen. Derart ist z. B.. der: Wasserskorpion (Nepa cinerea), der sehr empfindlich sticht, auf dem Rücken aber unter den Flügeln ein grell miniumrotes Schutzzeichen trägt, nur daß dies Zeichen unter natürlichen Verhältnissen niemals zu sehen ist, weil die Wasserskorpion nur selten und nur nach Sonnenunter- gang fliest. Der Wasserskorpion ist übrigens ein wirklich be- neidenswerter enfant gäte der Schöpfung, der mit allerlei Waffen verschwenderisch ausgerüstet ist, denn er sticht empfindlich, ist wie ich glaube auch übelriechend, wie die meisten Wanzen, be- sitzt ein Warnzeichen, welches er allerdings nicht zu gebrauchen weiß, dabei ist er, regungslos auf dem Wasser schwebend, mit einem gebräunten Blatt oder mit irgend einem Samen leicht zu verwechseln und wenn er sich dann regt, erschreckt er jedermann, der den Skorpion kennt, da er es so geschickt versteht dies giftige Ungeziefer nachzuahmen. Trotzdem kann er, wie es scheint, seinen natürlichen Feinden nur. schwer entrinnen, denn obgleich sehr gemein, ist er dennoch nur einzeln anzutreffen, während die minder gut bewehrten Notonecta- und Coriza-Arten in demselben Tümpel zu Tausenden umherwimmeln. Viele der mit Stacheln bewehrten Aymenopteren, wie z. B. die. Wespen und zahlreiche Hummeln zeichnen sich durch eine grellgelbe und schwarze Querstreifung aus. Dieses Schwarzgelb ist es aber, was sie leicht erkenntlich macht. Allerdings gibt es im Gegensatz eine ganze Legion bestachelter Aymenopteren, wie z. B. die Bienen, die keinerlei Warnzeichen an sich haben. Gleichfalls durch grellgelbe Fleckung auf schwarzem Grunde avisiert der Feuersalamander (Salamandra maculosa) seine Giftig- keit; sein Blutverwandter dagegen, der Alpenmolch (Salamandra atra), vermag dies nicht, denn er ist durchaus schwarz; dieser soll nun, trotz seiner Giftdrüsen einer Schutzfarbe bedürftig sein, DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 173 welche ihn entweder dem Boden oder aber irgend einem Schatten oder Erdspalt ähnlich macht.* Die Giftschlangen mahnen, wie schon Linne&s oben zitierte Worte erkennen lassen, durch eine oft auffallende Fleckenzeichnung zur Vorsicht. So z. B. sind unsere Vipern an ihrem Zickzackband am Rücken leicht zu erkennen; freilich sieht dies nur der Zoologe sofort. Es gibt indes auch unter den Giftschlangen solche, die einfarbig oder doch nicht auffällig gefleckt. sind. Hingegen finden sich auch unter den nicht giftigen Schlangen sehr bunte, so z. B. Coluber leopardinus, an der ich mich auf der Insel Lussin oftmals ergötzte; diese Schlange ist mit ihren prächtigen braunroten oder ganz blutroten Pantherflecken auf hellgräulichem oder bräunlichem Grunde zweifel- los eine der auffallendsten und schönsten europäischen Schlangen, die man zufolge ihrer warnenden Fleckung füglich für eine Gift- schlange halten könnte. Von den Tagfaltern der tropischen Zone sind über tausend Arten von Heliconiden, Danaiden, Euplociden und Acraeiden bekannt, die sich insgesamt durch ihren ekelhaft riechenden und unangenehm schmeckenden gelblichen Saft (ihr Blut?) kennzeichnen und mit ihrer sehr augenfällig grellen Fleckenzeichnung auf ihre Ungenieb- barkeit aufmerksam machen, und laut übereinstimmender Behaup- tung der Sammler sämtlich sehr langsam fliegen, offenbar damit die Vögel ihre Warnungsfarben gemächlich sehen können. Ich möchte meinen, daß nicht gerade dies die Ursache des langsamen Fluges sei, denn der langsame Flug ist eine gemeinsame Eigenschaft einer ganzen Schar, ja man könnte sagen der meisten, durch nichts geschützten Tagfalter; denken wir nur an die stolzen Ritter ( Kguites) LinnEs, an die prächtigen Papilioniden, die gleichsam, als wollten sie sich mit ihrer Schönheit brüsten, mit vornehmer Grazie durch die Luft segeln, oder an die vom Hintergrund sich scharf abheben- den einfarbig weißen oder gelblichen oder mit orangefarbenen Flecken gezierten Pieriden! Auch unter den Raupen finden sich welche, die mit ihren auffallenden grellen Farben, Zeichnungen und Kontrastfarben auf * Meneıy Lasos, A Mecsekhegyseg €s a Kapella herpetologiai viszonyai. Allattani Közlemenyek. III. Bd. 1904, p. 255. 174 GEZA ENTZ SEN. ihre Ungenießbarkeit aufmerksam machen. Als klassische Bei- spiele hierfür pflegt man die von Wolfsmilch lebende Raupe von Deilephila Euphorbiae und die an Stachelbeersträuchern lebende von Abraxas grossulariata anzuführen. Ich kann zwar dieser Auf- fassung nicht beipflichten, denn, wenigstens für mein Auge, fügen sich beide Raupen ganz prächtig in das Kolorit ihrer Um- gebung ein, der genannte Spanner aber zieht durch sein scharenweises Auftreten und durch das Kahlfressen der Sträu- cher die Aufmerksamkeit auf sich; demungeachtet möchte ich durchaus nicht darüber streiten, ob diese beiden Raupen eine Schutz- oder eine Warnfarbe tragen: beide Ansichten mögen recht haben, je nachdem man das Gewicht auf die Details oder auf den Totaleindruck legt. Übrigens werde ich auf die Be- sprechung des biologischen Wertes der Farbe und Zeichnung der Raupen noch zurückkehren. Wie gesagt sind es gewöhnlich lebhafte, grelle Farben oder Kontrastfarben, denen man eine warnende Bedeutung beimißt; ebensogut können es aber auch düstere, dunkle Farben sein, wenn sie sich vom Kolorit der Umgebung gerade durch ihre Düster- keit abheben. Als Beispiele können die oberwähnten Dlaps-Arten dienen, die mit ihrer schwarzen Färbung schon aus ziemlicher Entfernung von dem lichtgefärbten Wüstensand abstechen, folg- lich mit ihrer dunklen Farbe warnen. Die Warnfarben haben natürlich nur an solchen Tieren Sinn, die durch Gift, eklen Geschmack oder Geruch usw. geschützt sind. Allein grelle Farben oder durch den Kontrast wirkende, scharf umgrenzte Flecke kommen auch an gänzlich unbewehrten Tieren häufig vor. Diese Farben und Flecke sollen den Zweck haben, die Feinde des ungeschützten Tieres abzuschrecken. Es ist be- kannt, daß mehrere Noctuen und Schwärmer an ihren Hinter- Nlügeln, die sie in der Ruhe mit den grauen oder zumindest nicht auffällig gefärbten Vorderflügeln bedecken, mit grellen Far- ben geschmückt sind, z. B. Catocala, Arctia, Oallimorpha, Ache- rontia, Smerinthus usw.; nun haben diese Falter, welche tagsüber ruhen, die Eigenschaft, daß sie gestört, die Vorderflügel erheben, um mit der plötzlich sichtbaren grellen Farbe der Hinterflügel den hierauf nieht vorbereiteten Störenfried zu erschrecken. Die DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 175 Hinterflügel des Abendpfauenauges (Smerinthus ocellatus) tragen auf rosenrotem Grunde schwarz schattierte blaue Augenflecke; wenn nun der Schwärmer plötzlich alle vier Flügel ausbreitet, täuscht er den Kopf eines weit größern Tieres vor, vor welchem der Angreifer zurückschreckt.* Augenflecke sind übrigens im Tierreich, wie bekannt, sehr häufig, gehören sogar bei manchen Tiergruppen sozusagen zu den Modezeichnungen: wir kennen zahlreiche Vögel, mehrere Echsen, Frösche, Fische und eine ganze Legion Insekten, die bald ein oder zwei, bald mehr, entweder einfarbig dunkle, oder prächtig lebhafte oder schillernde Augenflecke tragen. Die biologische Deutung dieser so oft sich wiederholenden Zeichnung hat zu mancherlei Spekulationen und Deutungen Anlaß gegeben. Die Augenflecke mancher Tiere, wie der Smerinthus-Arten, hält man für abschreckende, andere für warnende und wieder andere im Gegenteil für verräterische -Zeichen, die das Tier sorgfältig zu ver- bergen hat. So schreibt KELLER über den augenfleckigen Zitter- rochen (Torpedo ocellata): „Er ist einfarbig hellbraun auf der Oberseite und besitzt fünf lebhafte, blau eingefaßte Augenflecke, hebt sich also gut vom Sandboden ab. Er scheint jedoch zu wissen, daß diese Färbung für ihn unvorteilhaft ist, denn wenn er auf dem Boden lauert, so pflegt er mit Hilfe seines beweglichen Körperrandes die Oberseite mit Steinchen oder mit Sand zu be- decken, wodurch er sich der Beobachtung völlig entzieht.“* Die Augenflecken vieler Tiere (Vögel und Insekten) hält man für Schmuck, selbst bei solchen Tieren (Insekten), von welchen füg- lich anzunehmen ist, daß ihnen das Verständnis fehlt, sich an diesem Schmuck zu ergötzen. Den Nutzen der dunklen Augen- flecke der Fische erblicken manche darin, daß dieselben leicht für Löcher gehalten werden können und dazu angetan sind, die Ähn- lichkeit dieser Fische mit irgend einem leblosen Gegenstande, z.B. mit einem Felsstück — freilich nur wenn sie sich nicht regen — noch zu steigern. Die, meiner Meinung nach denn doch zu sehr gezwungenen Deutungen des biologischen Wertes der * WeısmAnn, op. cit. Bd. I, p. 79. ZIRELTER, op} eit. pm. 176 GEZA ENTZ SEN. dunklen Flecke, hat Anklang gefunden und wurde auch auf andere Tiere angewandt. Laut Fr. v. Lucanus*® soll z. B. die helle und dunkle Fleckung des Spechts den biologischen Wert haben, daß dadurch der Körper des Tieres gleichsam in unregelmäßige Stücke zerlegt und der Vogel dadurch ganz unsichtbar gemacht wird. Dieser Kniff der Natur führt sogar einen klangvollen griechischen Namen: Somatolysis (Körperauflösung). Nach JA- coBI** soll auch die Streifung des Zebras und des Tigers in diese Kategorie der Schutzfärbung gehören, während doch der Tiger nach der oben erwähnten allbekannten älteren Deutung seine Streifung der Anpassung an die hellen und dunkeln Strei- fen der Bambusdschungeln verdanken soll. Welche von beiden Deutungen ist nun die richtige? Doch kehren wir zurück zu den Augenflecken. Die Verschiedenheit in der Deutung des biologischen Wertes der Augenflecke veranlaßt sicherlich jeden Unbefangenen zur Frage, ob denn die Augenflecke auch unbedingt einen biologischen Wert haben müssen? Meiner Meinung nach dürften die Augenflecke ohne alle Rücksicht auf die Nützlichkeit aus konstitutionellen Ursachen entstanden sein und ebensowenig eine biologische Be- deutung haben, wie z. B. die Farbe der Schwanzspitze des Fuchses, der bei einem Fuchs (Linnes Canis Vulpes) weiß ist, beim andern (Linnes C. Alopex) aber schwarz. Die meisten Raupen sind im großen und ganzen durch ihre mit der Umgebung harmonierende oder zu mindest nicht grelle Färbung geschützt. Auch betonte ich bereits, daß die Farbe mancher Raupe als Warnfarbe aufgefaßt wird. Außerdem schützen sich manche Raupen durch erschreckende Farbenflecke. Eine solch abschreckende Zeichnung besitzen mehrere Schwärmerraupen, 2. B. die von Deilephila Elpenor in Form von recht auffälligen Augenflecken auf dem vierten und fünften Segment. „Kinder und Laien nehmen sie für wirkliche Augen und da die Raupe, wenn ein Feind sie bedroht, den Kopf und die vorderen Ringe * Lucanus: Journal f. Ornithologie. Jahrg. I. Heft 1. — Cf£. Jahrb. d. Naturkunde. 7. Jahrg. 1903, p. 211. ** A. Jacosı, Die Bedeutung der Farben im Tierreiche. Gemeinver- ständl. darwinistische Vortr. u. Abh. Hft. 13. 1904, p. 33. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. Sr einzieht, so daß gerade das vierte dick aufgebläht wird, so scheinen die Augenflecke auf einem dicken Kopf zu stehen und es kann nicht wundernehmen, wenn kleine Vögel, Eidechsen und andere Feinde dadurch erschreckt, auf weitere Angriffe verzichten.* Eine sehr harmlose Raupe, die von Harpyia vinula, hat es mit ihrer Schutzfarbe, mit ihren abschreckenden Flecken und ihrer Körperhaltung, seit POULTON auf dies Ungeheuer hingewiesen, zu einer wahren Berühmtheit gebracht. Der große Gabelschwanz, — sagt SIMROTH** — macht eine Reihe von Veränderungen durch, die schließlich in Schreckfärbung gipfeln. Die einzeln ab- gelegten rötlichen Eier erscheinen wie kleine Gallen auf den Weiden- und Pappelblättern; die jungen schwarzen Räupchen halten sich gleichfalls auf der Oberseite der Blätter auf und gleichen den Rostpilzflecken. Mit Wachstum und Häutung kommen Um- färbungen. Der schwarze Fleck beschränkt sich auf den Rücken, behält also die Größe des Pilzfleckes, die Seiten werden grün. Schließlich wird der dunkle Fleck durch eine purpurne Abschat- tierung oder ein Gemisch von Weiß und Grün gemildert und ge- mischt: die Raupe, die jetzt an Zweigen sitzt, ist vortrefflich ge- schützt. Wird sie gestört, dann zieht sie den Kopf in die zu- sammengeschobenen und erweiterten Brustringe zurück, es kommen auf gelbrotem Grunde zwei schwarze Augenflecke zum Vorschein, so daß der Eindruck eines karikierten Wirbeltiergesichtes entsteht. Gleichzeitig schießen aus den emporgekrümmten Gabelenden, d.h. dem umgewandelten letzten Hinterleibspaar. zwei rote Fäden hervor, die wie zwei Fühler über dem Haupte spielen und den Eindruck verstärken. — Daß der große Gabelschwanz in dieser Schutzstellung ein Kind, das plötzlich einen kleinen Krampus vor sich sieht, erschrecken mag, ist kaum in Zweifel zu ziehen, allein sehr zweifelhaft ist es, ob es ihm gelingt auch einen Vogel zu erschrecken, sein erbittertster Feind, eine Schlupfwespe (Paniscus cephalotes) erschrickt sicher nicht vor ihm. Und man darf nicht vergessen, daß den Raupen gefährlichere Feinde als die Vögel in den parasitischen Ichneumoniden, Braconiden und Tachiniden, so- * WeIsMmAnN, op. cit. Bd. I], p. 77. == SımrorH, Abriß der Biologie der Tiere. Bd.I, p. 54. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV, 12 178 GEZA ENTZ SEN. - wie in den zur Gattung Nosema gehörigen Sporozoen erwachsen, gegen die weder Schutz-, noch Schreckfärbung nützt. Nicht ganz als Kuriosum, sondern vielmehr zur Illustration dessen, zu welch absurden Deutungen eine einseitige Beurteilung der Naturerscheinungen führen kann, sei erwähnt, daß manche an den Raupen sogar Schutzzeichen gegen die Ichneumoniden gesucht und auch gefunden haben. Laut POULTON wurde von H. MÜLLER die Entdeckung gemacht, daß die absonderlich gestaltete Raupe von Stauropus Fagi an den Seiten zwei schwarze Punkte aufweist, die den Stich von Schlupfwespen nachahmen und zu dem Zweck vorhanden sind, dem Ichneumonweibchen, daß im Begriffe ist seine Eier abzulegen, glauben zu machen, daß es sich verspätet habe, weil ihr ein anderes Ichneumonweibchen zuvorgekommen, d.h. daß der Platz bereits besetzt sei; die Natur hat also denselben Kniff angewendet, wie der Reisende auf der Eisenbahn, der seinen Koffer auf den Nebensitz stellt, um glauben zu machen, derselbe sei besetzt. Wer das imstande ist zu glauben, der hat wahrlich kein Recht, das ungebildete Volk wegen seines Aberglaubens zu verhöhnen. * Ich kenne kein anderes harmloses Tier, welches den Aber- gläubischen mehr Grund zum Schrecken und Furcht böte, als der Totenkopf (Acherontia Atropos). Wenn dieser Schmetterling, die Flügel dachförmig übereinander gelegt, regungslos sitzt, sieht er ganz so aus, wie ein aufgebahrter kleiner Sarg, auf dessen reich, aber der Stimmung gemäß mit düsteren Farbenmustern dekorierten samtenen Leichentuch ein goldener Totenkopf eingestickt ist. Stört man den Falter, so erhebt er seine Vorderflügel und er- schreckt mit der schwarzgelben Fahne seiner Hinterflügel und den gleichfarbigen Ringen seines Hinterleibes; ergreift man ihn, so läßt er einen so kläglichen und gespensterhaften schrillen Ton hören, daß ihn selbst der mutigste Knabe erschreckt fliegen läßt. All das wurde vom guten alten RÖSEL von ROSENHOF schon vor anderthalb Jahrhunderten treu beschrieben und das bildlich Dar- stellbare meisterhaft abgebildet. ** Allein was nützt all das dem = Pıepers, Loc. cit., p. 225. ®# MÖösEL VON RosEnHor, Der monatlich erscheinenden Insekten -Be- lustigungen Dritter Teil. Nürnberg, 1755, p. 5—16. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 79 Falter seinen natürlichen Feinden gegenüber? Rein gar nichts, denn die Eule und die Fledermaus wissen weder etwas vom Kata- _falk, Sarg, Leichentuch, Totenkopf, noch aber von der symbolischen Bedeutung der Farben, und wenn sie es auch wüßten, käme es dem Falter nicht zu gut, denn sowohl die Eule, als auch die Fledermaus jagen ja im Halbdunkel der Nacht. Die schreckenden, aber auch die warnenden Merkmale, oder zumindest der überwiegende Teil derselben, erscheinen nur dem Menschen so, u. zw. meistens nur, wenn ihn eine aufgeregte Phan- tasie fortreißt; dagegen sind sie den Tieren ebenso gleichgültig, wie die an verschiedenen Tieren, besonders auf den Flügeln der Schmetterlinge siehtbaren Buchstaben (ce, 7, i, 0, 7, %, u etc.), Schriftzeichen (Beistrich, Ausrufungszeichen, Fragezeichen etc.) und Ziffern, wie z. B. die Jahreszahl 1980 des Admirals (Vanessa Atalanta) und die lange arabische Inschrift auf den Flügeln der Wanderheuschrecke, welche, wie BOCHARTUS berichtet, nach JBN Omars Auslegung folgendes bedeutet: „Wir sind die Heerschaar des großen Gottes; wir legen neunundneunzig Bier und wenn wir es auf hundert brächten, würden wir die ganze Welt mit allem, was darauf ist, vernichten“. * Doch lassen wir die Phantasie, die nur den Menschen mit "sich reißt, nicht aber das Tier, und suchen wir die Frage zu be- antworten, ob die Warn- und Schreckfarben die Tiere gegen ihre natürlichen Feinde wirklich schützen? Selbstverständlich kann eine entschiedene Antwort auf diese Frage nur auf Grund genauer Beobachtungen und Experimente erteilt werden. Und was beweist die auf genauen Beobachtungen und Ex- perimenten beruhende Erfahrung? Nichts weniger als dal jedes Tier seine natürlichen Feinde hat, die weder durch Schutz- und Schreekfarben, noch durch Ekelgerüche, ja sogar nicht einmal durch Gift abgeschreckt werden. Im Verlaufe dieses Kapitels fand sich bereits hie und da Gelegenheit auf diesen Umstand hinzuweisen, und ich kann mich daher an dieser Stelle damit begnügen, an einige meist allgemein bekannte Tatsachen zu erinnern. = S. BocHarrus, Hierozoicon, 1675. Pars U, p. 485. 12” 180 GEZA ENTZ SEN. Die Giftschlangen werden von mehreren Raubtieren und Ömnivoren geschickt gefangen und samt ihren Giftdrüsen verzehrt, wie z. B. unsere Öttern vom Igel, Marder, Iltis und Schwein, vom Adler, Bussard, Schlangenbussard (Circadtus gallicus), Falken, von der Krähe, vom Häher, Storch, von größeren Reihern ete.; in Afrika nährt sich der langfüßige Sekretär (Gypogeranus serpentarius) fast ausschließlich von giftigen und nicht giftigen Schlangen, der ostindische Seeadler (Haliactus leucogaster) aber jagt hauptsäch- lich auf giftige Seeschlangen (Hydrophidae)*; die amerikanischen Pflanzer säubern die Rodungen durch Schweine von den Klapper- schlangen. Auch die durch giftige Ausscheidungen und oft auch durch Warnfarben „geschützten“ Amphibien (Bombinator, Triton, Sala- mandra) sind nicht vollständig geschützt. Die Kröten werden von Schlangen verzehrt**, sowie auch von Störchen und Reihern. ÜHERNEL erwähnt, daß er im Kropf der Rohrdommel viele Wasser- molche und je eine Unke gefunden habe.*** LDAURENTI hat Hunde, Truthühner und Hühner mit zerstückten Feuersalamandern gefüttert und gefunden, daß sie die giftigen Bissen ohne Beschwer verzehrten f und aus diesen Experimenten ist zu schließen, daß auch der Salamander durch sein Gift nicht gegen seine natür-_ lichen Feinde geschützt ist; vermutlich wird er von den Schlangen ebenso verschlungen, wie die Kröten. Die mit Stacheln bewehrten Hautflügler, d. i die Bienen und Wespen werden, trotz ihrer meist sehr auffälligen Warnfarben, von Fröschen, Echsen und einer ganzen Schar Vögeln ver- speißt, das Lieblingsgericht des Wespenbussards ( Pernis apivorus) und Bienenfressers (NMerops apiaster) besteht aus Bienen und Wespen. Auch die durch ihre glänzende Farbe auffallende spanische Fliege ist durch das giftige Cantharidin nicht geschützt: der Igel, die Schwalben, der graue Fliegenschnäpper und vermutlich auch andere Vögel verzehren sie ohne nachteilige Folgen. Auch der * Pıepers, Loc. cit., p. 257. ** Breums, Tierleben Bd. VII, 1893, p. 702. ##" CHERNEL, Magyarosszag Madarai, Bd. II, Jahrg. 1899, p. 291. + Brenms, Tierleben Bd. VII, p. 748. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 181 gleichfalls Cantharidin enthaltende Maiwurm (Melo&) wird von den Vögeln verspeißt. Herr J. Lösy war so freundlich mir seine noch nicht veröffentlichen Aufzeichnungen über die Untersuchungen des Inhaltes von Vögelmägen zur Verfügung zu stellen; aus diesen ersehe ich nun, daß er im Magen einer 'Trappe viele Melod majalis antraf. Auch die kleinen Marienkäfer enthalten Cantharidin und man pflegt sie als klassisches Beispiel der durch ihr Gift ge- schützten Käfer anzuführen, welche mit ihrer auffallenden Warn- farbe auf ihre Giftigkeit aufmerksam machen; allein die Erfahrung lehrt, daß die Vögel trotz alledem die Marienkäfer gern fressen. Dies erwähnt PETENYI vom Turmfalken und dem Staar*, Lösy aber in seinen Aufzeichnungen von der Hausschwalbe, vom Rohr- schwätzer, Rotschwänzchen, vom grauen Fliegenschnüpper und vom großen Würger. Bereits oben habe ich betont, daß die übelriechenden Dlaps- Arten, die mit ihrer schwarzen Färbung so stark von dem fahlen Wüstensand abstechen und damit auf ihre angebliche Ungenieß- barkeit aufmerksam machen, dennoch die Hauptnahrung vieler Eidechsen, Vögel und kleinerer Säugetiere bilden. Ein Gleiches gilt von den stinkenden Feldwanzen; PETENYI fand Feldwanzen im Magen der Goldamsel und des Trappen**, Lösy ın dem des Rebhuhns*** und laut seinen unedierten Aufzeichnungen auch in dem Magen vieler anderer Vögel. Auch das Kleid der schwarz- setupften grellroten Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus) kann weder eine Schutz-, noch eine Warnfarbe sein, denn sie wird, laut Lösy, von den Rebhühnern gern gefressen; im Magen eines Rebhuhns fand er nicht weniger als 95 Stück; und schon GROSSINGER er- wähnt, daß kleine Vögel und Frösche diese Wanze begierig ver- schlingen. Ein amerikanischer Forscher, Jupp, gelangte bei der Unter- suchung von 15000 Vogelmagen zu dem Resultate, daß die * Madärtani töredekek Prrenxvr, J.S. irataiböl. Feldolgozta Csörsey, T., bevezette Herman O. 1904, p. 46, 188. = MD, a, 10: BE windl le) === [,ösv, J., Positiv adatok a fogoly @letmödjäahoz: Aquila, Bd.X, 1903. + J. B. Grossinger, Universa Historia physica Regni Hungariae. Pars. IV, 1794, p. 282 u. 402. Sr 182 GEZA ENTZ SEN. Vögel sich an die grelle Warnfarbe der Insekten durchaus nicht stoßen.* Auch über die Wirkung von Schutzfarben der Insekten auf Eidechsen wurden neuestens von A. H. PrıTScHETT in Texas recht interressante Experimente angestellt und mitgeteilt. Von einer Eidechse (Scleropus floridanus) wurden Insekten mit Schreck- farben (Schwarz mit Gelb, Orange, Rot) verzehrt; ebenso wurden auch Blattschmetterlinge früher oder später wahrgenommen und. gefressen. Wanzen mit intensivem Geruch wurden teils gefressen, teils verschmäht, Cantharıs fulvipes aber und ein Julus mit ät- zendem Sekret wurde verschmäht. Von einer anderen Eidechse (Gerhonotus infernalis) wurde eine Schar von Insekten (Schmetter- linge, Käfer, Wanzen, Panorpen) mit Warnfarben verschmäht, jedoch ist zu bemerken, daß sich diese Eidechse mit Grillen, Heuschrecken, Spinnen und Skorpionen nährt und es ist dem- nach begreiflich, daß sie von anderen Kerbtieren nicht gereizt wird.”* Auf die Frage, inwiefern der ekelhafte Geruch und Geschmack die Insekten, besonders die Schmetterlinge und Raupen schützt, läßt sich mangels genauer Experimente, vorläufig keine bestimnite Antwort erteilen, dennoch glaube ich füglich behaupten zu können, daß auch dieser Schutz zu hoch angeschlagen wird. Übrigens ist die Genießbarkeit und Ungenießbarkeit rein Geschmacksache, über die sich nicht streiten läßt, denn was dem Gaumen des einen Tieres behagt, das kann für ein anderes Tier im höchsten Grade ekelhaft sein und umgekehrt. In der durchgesehenen Literatur habe ich nur wenig experimentelle Daten gefunden. Auf WALLACEs Auf- forderung wurden von JENNER-WEIR im Londoner Tiergarten Experimente mit der oben erwähnten Raupe des Harlekins (Abraxas grossulariata) unternommen, die zu dem Resultate führten, daß die heimischen Vögel diese Raupe nicht einmal anrühren, die Eidechsen erfassen sie zwar, verschlingen sie aber nicht, sondern speien sie mit Ekel aus, wogegen sie die * American Naturalist, Bd. 33. 1899. — cfr. Tu. Beer, op. eit., p. 257. ** Ansıe H. Prirschert, Experimente über die Wirkung von Schutz- farben der Insekten auf Eidechsen (Biolog. Bullet. Vol. 5. 1905). Naturw. Wochenschr. 1905, Nr. 5, p. 7 3. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 183 ausländischen Vögel, Affen und die Kröten begierig verschlingen. PLATEAU hat gleichfalls mit den Harlekinraupen experimentiert* und gefunden, daß dieselben von der Schildkröte, vom braunen Frosch (Rana temporaria) und von Spinnen verschmäht, hingegen von Kröten, Molchen, Laufkäfern (Carabus auratus) und Schwimm- käfern (Dytiscus marginatus) gierig gefressen wurden. Endlich entschloß sich PLATEAU, die Raupe selber zu kosten und fand sie wohlschmeckend. Aus diesen Experimenten ergibt sich, außer der Bestätigung der Tatsache, daß der Geschmack der Tiere sehr verschieden ist, nur noch, daß die bunte Färbung der Harlekinraupe weder als Schutz- noch als Warnfarbe aufzufassen sei, weil sonst auch die ausländischen Vögel, Kröten usw. sie unberührt gelassen hätten. Schließlich wurde von PLATEAU noch angegeben, daß er von 97 Raupen blos 29 Falter zu züchten vermochte, denn .die übrigen wurden von Ichneumoniden und Tachiniden zugrunde gerichtet. Dies bestätigt die obige Behauptung, daß die gefährlichsten Feinde der Schmetterlinge und ihrer Raupen nicht die insektenfressenden Vögel, Eidechsen, Frösche und Laufkäfer sind, sondern die Ich- neumoniden, Braconiden und Tachiniden, deren Larven die Raupen stückweise aufzehren, sowie die epidemische Seuchen erzeugenden niederen Pilze und Sporozoen, deren sie sich mit keinerlei Schutz- Warn- oder Schreckfärbung erwehren können. Nicht unerwähnt bleibe, daß, wie FR. MÜLLER nachgewiesen hat, die Vögel den Ekel vor ungenießbaren Schmetterlingen nicht erben, sondern daß jedes einzelne Individuum diese Erfahrung selbst erwerben muß.** Es ist kaum nötig besonders zu betonen, daß dies ein für die armen Schmetterlinge und Raupen sehr be- dauerlicher Umstand ist, denn bis die Vögel den Unterschied zwischen wohl- und übelschmeckenden Faltern und Raupen er- lernen, fallen ihnen deren viele zum Opfer. Sowohl für die Schmetterlinge, als auch für die Raupen werden Verletzungen leicht verhängnißvoll: der Schmetterling, dem ein noch un- erfahrener Vogel die Flügel ausreißt, oder die Raupe, welche er mit dem Schnabel verwundet, ist unrettbar verloren, und es kann 7 * F. Prareau, Beobachtungen und Versuche über die Schutzmittel von Abraxas grossulariata, Biolog. Centralbl., Bd. 15, 1895, p. 348. =* Kosmos, Bd. V, 1881, p. 260. — Cfr. M&sery, op. eit., p. 12. 184 GEZA ENTZ SEN. ihnen nur zu sehr schwachem Trost gereichen, nicht in den Magen des Vogels zu gelangen; denn alsbaid finden sich die Ameisen ein, die das zuckende Tier Stück für Stück zerteilen oder ihr Körper wird von Fäulnisbakterien infiziert und zersetzt. 3. Erkennungsfarben. Es ist allgemein bekannt, daß ‘die in Gesellschaft lebenden Tiere, sei nun diese Gesellschaft eine ungeordnete, z. B. die der Krähen, oder eine unter der Leitung eines krüftigen Bockes oder Bullens stehende Herde, wie z. B. die der Wiederkäuer, oder ein wohlgeordneter, organisierter Staat, wie die der geselligen Insekten (Bienen, Ameisen, Termiten), aber auch solcher Tiere, die nur in einer gewissen, oft durchaus nicht freundschaftlichen Gemeinschaft leben, wie z.B. die Hunde eines Dorfes, eines Meierhofes, — sich gegenseitig kennen und von fremden, nicht in ihre Gemeinschaft gehörigen wohl zu unterscheiden wissen. Auch unterliegt es keinem Zweifel, daß es für die in einer solchen Gemeinschaft lebenden Tiere, sowie zur Paarungszeit für die sich suchenden Paare von Wichtigkeit ist, ihre Genossen leicht zu erkennen. Nehmen wir z. B. zwei nahe bei einander weidende Herden, deren wachsame Führer, sowie sie eine nahende Gefahr wittern, sofort ein Zeichen geben, worauf die zerstreuten, etwa vermischt weidenden Individuen der beiden Herden, die sich sämt- lich kennen, sich zusammenrotten und dann jede Herde ihrem Führer folgend die Flucht ergreift, oder wie z. B. die Bisamochsen, die Kälber in die Mitte nehmend, sich in geschlossener Phalanx mit drohenden Hörnern dem Feind entgegen: stellen. Nun ist es die Frage, woran sich die zu ein und derselben: Gesellschaft gehörigen Tiere erkennen? Die Antwort lautet: in den meisten Fällen an dem spezifischen Geruch. Zwei derselben Art, aber anderen Nestern angehörige Ameisen, die sich in so hohem Grade ähnlich sind, als dies an zwei Tieren ein und derselben Art überhaupt möglich ist und wir nicht im- stande sind irgend einen Unterschied an ihnen wahrzunehmen, können sich dennoch mit voller Sicherheit unterscheiden, u. zw. ganz entschieden an dem Geruch. Eine der Fühler beraubte Ameise DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 185 verliert diese Fähigkeit gänzlich. Dasselbe gilt von den Hunden, die gleichfalls an dem Geruche die Hunde fremder Gehöfte oder anderer Dörfer erkennen. Wie höchst wichtig der Geruch dem Hund zum Erkennen ist, wird durch folgendes Beispiel DArwıns trefflich illustriert: Ein Hund kommt in eine Stube und erblickt im Stehspiegel sein eignes Bild; natürlich wähnt er im Spiegel einen andern Hund zu sehen, geht also hin und beschnuppert ihn, wendet sich dann ab und scheert sich nicht mehr um ihn; denn für den Hund ist ein Hund ohne Hundegeruch eben kein Hund*, und offenbar erkennen die meisten Tiere ihre Genossen an dem gemeinsamen Familiengeruch der Herde oder des Nestes. Allein die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß auch die Farbe und Zeichnung dazu beiträgt, daß die geselligen Tiere die zu ihnen gehörigen schon von ferne erkennen. Es erleidet keinen Zweifel, daß es für die auf einem Schneefeld zerstreuten Bisamochsen wichtig sein muß, einander an ihrem dunklen Pelz schon von ferne wahrzunehmen, obgleich ihr durchdringender Bisamgeruch für sie zur Erkennung wichtiger sein dürfte als die Farbe des Pelzes, und zwar besonders in den langen Polarnächten. Nach der für den ersten Moment sehr ansprechenden Hypo- these von WALLACE sollen gewisse Farben und Zeichnungen, die er als Erkennungsfarben (recognition marks) bezeichnet, von der Selektion geradezu zu dem Zwecke gezüchtet worden sein, daß die Tiere einer Art einander erkennen.** Betrachten wir einige Beispiele. Die kurzgeschwänzten Wiederkäuer, z. B. Antilopen, Schafe und Hirsche sind in der Schwanzgegend meist mit einem sehr auffallenden weißen Steißfleck bezeichnet. Derselbe soll dazu dienen, daß sich die Artgenossen leicht erkennen. Der Schwanz des wilden Kaninchens ist auffallend weiß. Erschrickt das Kanin- chen, so erhebt es den Schwanz und flieht eilig in seinen Bau. Dies Erheben des Schwanzes ist ein wichtiges Zeichen für die übrigen Kaninchen, denn es gemahnt sie, ihrem Bau zuzueilen. Ich kann dieser Deutung nicht beistimmen und meine mit * PIEPERS, Op. cit., p. 222. ** Warracz, Darwinismus p. 332. 186 GEZA ENTZ SEN. DARWIN*®, daß dies für das Kaninchen gefährlich ist, weil es sich dem Jäger und Raubtiere gerade durch den erhobenen weißen Schwanz verrät; jedenfalls täte das Kaninchen besser, bei der Flucht den Schwanz nicht keck zur Schau zu tragen, sondern, wie der geprügelte Hund, einzuziehen. Und ich denke, ein Gleiches gilt auch von dem Steißfleck der Wiederkäuer, der sie schon von fern verrät, während die Farbe der übrigen Körper- teile mit der Umgebung prächtig harmoniert. Es ist eigentüm- lich, daß die sibirischen Varietäten des Hirsches und Rehes (Cervus zanthopygus und Capreolus pygargus) sich von den europäischen dadurch unterscheiden, dab ihr Steißfleck weit größer ist.** Sehen wohl die sibirischen Hirsche und Rehe schlechter, oder sind sie stupider als die europäischen, daß sie nur einen großen weißen Fleck wahrzunehmen vermögen? Ich dächte, daß in diesem Falle unbekannte lokale oder konstitutionelle Faktoren einwirkten, ebenso wie auf die Farbe des Schwanzes des euro- päischen und zentralasiatischen Seeadlers. Von diesen zwei See- adlern ist am zentralasiatischen (Haliaötus leucoryphus) die dunkle Farbe des Schwanzes von einer weißen Querbinde unterbrochen, beim europäischen (MH. albieilla) aber ist der ganze Schwanz weiß. In diesem Falle müßte im Gegensatz vorausgesetzt werden, daß der europäische Seeadler schlechter sieht oder stupider ist als der asiatische. Ja, es hätte sogar den Anschein, als ob sich das Unter- scheidungsvermögen der Seeadler von Ost nach West immer mehr abstumpfte, denn für den nordamerikanischen Seeadler (H. leucoce- . phalus) ist selbst der weiße Schwanz kein genügend deutliches Erkennungszeichen mehr, weshalb er sich gezwungen sah, zu dem weißen Schwanz auch noch einen weißen Kopf und Hals zu er- werben. | Die auf demselben Gebiete lebenden Tierarten weichen be- kanntlich sehr oft nur durch sehr geringe, zuweilen geradezu minutiöse Verschiedenheiten der Farbe und Zeichnung von ein- ander ab, und das ist es eben, was die scharfe Begrenzung der Arten so sehr erschwert. Was der Grund dieser kleinen Ver- * Darwin, Der Ursprung des Menschen p. 542. Engel. Ausg. == Haacke, Tierleben Bd. II, p. 29. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 187 schiedenheiten ist, wissen wir nur ın einzelnen Fällen mit Sicher- heit, oft vermuten wir ihn nur, in den meisten Fällen aber kennen wir den Grund einfach nicht. WALLACE vermutet auch in ‚diesen geringfügigen Verschiedenheiten Erkennungsmerkmale, die den Zweck haben, daß sich die nahestehenden Arten unterscheiden und die Artgenossen erkennen können. Daß. dieser Auffassung des hochverdienten englischen Gelehrten eine Überschätzung zu grunde liest, ist wohl überflüssig, auseinanderzusetzen. Es genüge, auf die bei Nacht fliegenden und im Finstern lebenden Tiere, z. B. auf die Nachtfalter hinzuweisen, deren Arten bekanntlich gleichfalls derartige minutiöse Verschiedenheiten in der Farbe und Zeichnung aufweisen. An Vögeln und Insekten sind diese geringfügigen Verschieden- heiten besonders häufig und an letzteren, namentlich an den Schmetterlingen ist es laut WALLACE wahrschemlich ihr Haupt- zweck, daß die Paarung der Individuen ein und derselben Art gesichert sei.” Ich will hier nicht untersuchen, ob man über- haupt berechtigt sei, bei den Insekten ein solches, zu einer der- artigen Unterscheidung unbedingt notwendiges scharfes Sehvermögen und hohe Intelligenz vorauszusetzen, und bemerke bloß, daß die Tiere beim Aufflammen des Zeugungsdranges nicht von Betrach- tungen, sondern ledielich vom Zwange blinder Tropismen geleitet werden. Die Eintagsfliege (Ephemera) führt 2—3 Jahre ein Räuberleben unter dem Wasser, dann fliest sie, nach Abstreifung ihrer Subimaginalhülle, für einige Stunden in eime ganz neue Zauberwelt, die sie blendet, von der sie aber ganz und gar nichts weiß — und sie findet dennoch ihr Pärchen! Wenn die Tierarten wirklich Merkmale zur gegenseitigen Erkennung besitzen, so kann vorausgesetzt werden, daß sich die- selben nicht bloß auf die Farbe und Zeichnung beschränken, sondern daß auch gewisse morphologische Merkmale eine ähn- liche Bedeutung haben müssen. Und die Lehre von den Er- kennungszeichen hat denn in der Tat auch an diese gedacht: die Mannigfaltigkeit in der Größe, Krümmung und Windung der Hörner der Antilopen soll den Zweck haben, daß sich die Anti- * WALLACE, Op. cit. p. 344. 183 GEZA ENTZ SEN. lopen leichter erkennen.* Das ist unstreitig ein ganz konsequenter Ideengang. Allein, wenn wir auch fernerhin konsequent bleiben wollen und den als richtig angenommenen Ideengang weiter ver- folgen, so gelangen wir schließlich dahin, daß alle Artmerkmale, deren Ergründung und Feststellung vom Systematiker so viel Scharfbliek und Detailstudium fordert, schließlich nur dazu vor- handen sind, daß sich die Tiere zu unterscheiden und zu erkennen vermögen. Und was wollen wir dann mit den minutiösen Art- merkmalen der Pflanzen anfangen? — Wenn man nun die Lehre von den Erkennungsmerkmalen samt ihren Endkonsequenzen un- befangen erwägt, so gelangt man zur Überzeugung, daß sich die verlockende Theorie nicht auf Erfahrung, sondern nur auf eine geistreiche Idee des genialen englischen Gelehrten gründet. 4. Geschlechtliche Sechmuckfarben. - Von den verschiedenartigen, oft sehr prächtigen Farben und Zeichnungen, an welchen sich jeder, der für das aufs Auge wir- kende Schöne Sinn hat, sicherlich schon oftmals ergötzt hat, interessieren uns an dieser Stelle nur diejenigen, welche mit dem Geschlechtsleben der Tiere in Verbindung stehen. Diese Schmuckfarben gehören in dieselbe Kategorie wie die seit HUNTER als sekundäre Geschlechtscharaktere bekannten Differenzierungen und stehen mit den Geschlechtsorganen in engster wechselseitiger Beziehung. Sie entwickeln sich zur Zeit der Pubertät mit den Geschlechtsorganen, und wenn die Ent- wicklung der letzteren aus irgend einer Ursache gehemmt wird, unterbleibt auch ihre Entwicklung; an Tieren, welche sich periodisch wiederholt paaren, entwickeln sie sich oft nur zur Zeit der Paarung temporär und verschwinden hierauf wieder; letztere sind die Hochzeitsfarben; allein auch bei beständig geschmückten, öfter paarenden Tieren ist es der Fall, daß die Prunkfarben beim Herannahen der Brunst lebhafter, prächtiger werden. * WALLAcE, Op. cit. p. 336. — Sımroru, Abriß der Biologie der Tiere, - Bas mr 52: DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 189 Die Schmuckfarben im engern Sinne sind bloß für das eine Geschlecht, mit wenig Ausnahmen für das Männchen charakte- ristisch, und es läßt sich als Regel aufstellen, daß sie an den Tieren der tropischen Zone häufiger sind und hier den höchsten Grad ihrer Schönheit erreichen. DArwın sagt über das Männ- chen eines Paradiesvogels, dessen Weibchen ein einfaches, trübes düsteres, ärmliches Federkleid trägt, folgendes: „Die verlängerten und goldig-orangenen Schmuckfedern, welehe von unterhalb der Flügel der Paradisea apoda entspringen, werden, wenn sie senk- recht aufgerichtet und zum Schwingen gebracht werden, als eine Art von Hof beschrieben, in dessen Mittelpunkt der Kopf wie eine kleine smaragdene Sonne erscheint, deren Strahlen von den beiden Schmuckfedern gebildet werden.“ Mit Ausnahme der Protozoen existiert keine Gruppe der Tiere, in welcher keine Arten mit sexuellem Schmuck vorkämen. Den größten Luxus in Schmuckfarben aber entfalten die frei durch die Luft hinziehenden und sich im reinen Sonnenlicht badenden Schmetterlinge und Vögel. Unter unseren Schmetterlingen sind im Verhältnis nur wenige Männchen mit Schmuckfarben dekoriert, wie z. B. der Aurora- Falter (Anthocharis Cardamines), bei welchem bloß das Männchen am Vorderflügel einen schönen rötlich gelben Fleck trägt; bei den Zycaena-Arten ist die Oberseite der Flügel der Männchen meist blau, die der Weibchen dagegen schwarzbraun. An den meisten unserer Schmetterlinge ist zwischen Männchen und Weib- chen kein Unterschied in der Färbung oder derselbe beschränkt sich darauf, daß die Färbung des Männchens um eine Nüance lebhafter ist (z. B. Gonopteryx Rhammi, mehrere Melitacen- und Arogynnis-Arten), seltener sind Weibchen größer oder kräftiger gezeichnet (z. B. Parnassius-, Pieris-, Oolias-Arten). Umso häufiger sind die Schmuckfarben in der tropischen Zone, und es ist unmöglich, den Glanz der Männchen einiger tropischer Spezies mit Worten zu schildern.** Besonders zeichnen sich die tropischen Papilioniden und Pieriden durch * Darwın, Die Abstammung des Menschen. Bd. II, p. 70. ** Darwin, op. cit. Bd.1, p. 345. 190 GEZA ENTZ SEN. ihre Farbenpracht aus. Bei manchen exotischen Schmetterlings- arten, z. B. bei der südamerikanischen Gattung Epicalia unter- scheidet sich das prächtige Männchen derart von dem einfach gefärbten Weibchen, daß man es vordem zu einer anderen Gat- tung zählte.* ; Eine interessante Tatsache, auf die ich später noch. zurück- kommen werde, ist es, daß manche Schmetterlinge, besonders. mehrere Papilioniden zwei oder mehr verschiedengefärbte Weib- chen haben und daß diese Farbenvarietäten entweder zusammen vorkommen oder eine derselben an einer, die andere an einer anderen Lokalität. Unter diesen Farbenvarietäten finden sich welche, deren Farbenkleid mit dem des Männchens vollständig übereinstimmt, sowie solche, die von dem Männchen ganz abwei- chen und oft Faltern gleichen, die einer andern Art oder geradezu einer andern Gattung angehören. Von dem auf den malayischen Inseln lebenden Papilio Memnon z. B. sind zweierlei, vom P. Pam- mon dreierlei, von dem nordamerikanischen P. Turnus zweierlei, von dem afrikanischen P. Merope aber nicht weniger als fünfer- lei je anders gefärbte Weibchen bekannt. Man pflegt die Ent- stehung dieser verschiedenfarbigen Weibchen durch die Mimiery- theorie zu erklären; ich muß jedoch betonen, daß es auch solche zweierlei Weibchen gibt, deren Entwicklung durchaus nicht auf Farbennachahmung zurückgeführt werden kann, derart sind z. B. mehrere europäische Zycaena-Arten (L. Argus, Icarus, Bellargus, Oorydon, Meleager usw.), von deren zweierlei Weibchen das eine blau wie das Männchen, das andere aber braun ist.”* Ferner muß ich betonen, daß es bei den Insekten, besonders in tropischen Gegenden durchaus keine Seltenheit ist, daß eines oder das andere Geschlecht zwei- oder mehrerlei Varietäten aufweist (sexueller Poiymorphismus), so z. B. hat auf den Philippinischen Inseln der zu den Lamellicornien gehörige Chalcosoma Atlas zweierlei Weibchen, Oladognathus dorsalis hingegen mehrerlei Männchen***, Rham- nusium salicis und einige in Feigen lebende Chalcidinen haben * Darwin, op. eit. Bd. I, p. 346, == STANDFUSS, OP. cit. p. 212. ### Spmper, Die natürlichen Existenzbedingungen. Bd. II, p. 205— 208. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 1onL zweierlei Männchen“, iaut BRAUER einige Orthoptera-Arten der Gattung Neurothemis zweierlei Weibchen** usw. Außer den Schmetterlingen sind nur wenig andere Insekten und Arthropoden, deren Männchen sich durch lebhaftere oder gesättigtere Färbung auffällig von den Weibchen unterscheiden, obgleich sich die Männchen durch sonstige morphologische Unter- schiede häufig auszeichnen. Das Prunkkleid der männlichen Vögel ist gleichfalls häufiger in der tropischen als in der gemäßigten Zone. Von unseren Vögeln . zeichnen sich die Männchen nur weniger Arten durch besonders auffallende Schmuckfärbung aus (z. B. Goldammer, Hänfling, Gimpel, Kreuzschnabel, Goldamsel, einige Enten usw.); im allgemeinen sind die Männchen ebenso gefärbt, wie die Weib- chen, oder sie unterscheiden sich nur durch gesättigtere Nüancen von denselben; dagegen sind aus der tropischen Zone zahlreiche Vögel bekannt, deren Männchen sich durch wirklich verschwen- derische Farbenpracht auszeichnen; solche sind besonders die Fasanenarten, die Paradiesvögel, Kolibris, Tanagra, mehrere Finken- arten usw. Unter den Wirbeltieren sind es außer den Vögeln mehrere Eidechsen und einige Fische, bei welchen sich das Männchen von dem Weibchen unterscheidet, und zumeist nur durch gesättigtere Nüancen; wenn die Färbung des Männchens eine lebhafte ist, so ist dies in der Regel bloß ein vorübergehender Hochzeitsschmuck. Bei den männlichen Säugetieren, die sich in der Färbung von den Weibchen unterscheiden, zeigt sich dies nur in gesättigteren Nüancen; lebhaftere Farben sind im allgemeinen selten; durch solche lebhafte Farben zeichnet sich der männliche Mandrill aus. „Kein andres Glied der ganzen Klasse der Säugetiere ist in so außerordentlicher Weise gefärbt als der erwachsene männliche Mandrill (Oynocephalus mormon). In diesem Alter wird das Ge- sicht schön blau, während der Rücken und die Spitze der Nase von dem brillantesten Rot ist. Nach einigen Autoren ist das Gesicht gleichfalls mit weißlichen Streifen gezeichnet und ist in * Prare, L., Über die Bedeutung des Darwınschen Selektionsprinzips. 2. Aufl. 1903, p. 46. "* Darwın, Op. cit. Bd. I, p. 324. 192 GEZA ENTZ SEN. anderen Teilen in Schwarz schattiert; doch scheinen die Färbungen varıabel zu sein. An der Stirn findet sich ein Haarkamm und am Kinn ein gelber Bart... Wenn das Tier erregt wird, werden alle nackten Teile viel lebhafter gefärbt. Mehrere Schriftsteller haben bei Beschreibung dieser letzteren elänzenden Farben, welche sie mit denen der brillantesten Vögel vergleichen, die allerleb- haftesten Ausdrücke gebraucht“.“ An den Weibchen und Jungen sind diese Farben nur durch blasse Nüancen angedeutet. Hinsichtlich der sexuellen Schmuckfarben gilt als allgemeine Regel, daß das Männchen das Prunkkleid trägt. Es gibt aber Aus- nahmen von dieser Regel. Bereits oben habe ich erwähnt, daß bei den Arten der australischen Papagei-Gattung Electus die Männchen grün, die Weibchen hingegen prachtvoll rot sind. Welche dieser Farben man für schöner hält, ist Geschmackssache; hier aber kommt in erster Reihe das Auffallende im Kolorit in Betracht und in dieser Hinsicht übertrifft das Weibchen, ab- weichend von der Regel, entschieden das Männchen, denn mit seiner Färbung sticht es von der Umgebung ab, während die des Männchens mit der Färbung des Laubes harmoniert. Bei den Arten des unseren Wachteln ähnlichen Laufhühnchens, Turnix, aus der Ordnung der Rallenvögel, sind die Weibchen größer und mit gesättigteren Zeichnungen ausgestattet, als die Männchen; dasselbe gilt von der südafrikanischen und asiatischen Gold- schnepfe (Rhynchaea capensis), sowie vom Kasuar (Casuarius gale- atus), dessen Männchen man geneigt wäre, für das Weibchen zu halten, weil sein Helm kleiner und die kahlen Hautteile weit weniger lebhaft gefärbt sind.”* In dieselbe Kategorie gehören auch noch einige andere Vögel. Auch unter den Schmetterlingen finden sich derlei Ausnahmen. Von unseren Schmetterlingen haben z. B. in der Gattung Thecla bloß die Weibchen orange- farbige Flecke aufzuweisen, ebenso wie ZFpinephele Fanira auf- fällige lichtbraune Flecke; die meisten Colias-Weibehen tragen im schwarzen Außenrand orangefarbene oder gelbe Flecke; bei den Pieriden sind die Flügel der Weibchen mit schwarzen Flecken * Darwın, op. cit. Bd. II, p. 271. =" DARwın, Op; cit. Bd. II, 178.179 DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 193 geschmückt, von welchen sich beim Männchen nur Spuren finden. Bei den Schmetterlingen der tropischen Zone lassen sich weit mehr diesbezügliche Beispiele anführen, so z. B. übertrifft bei mehreren Arten der Gattung Callidryas das Weibchen an Farben- schmuck das Männchen.* Jedermann weiß, daß nach den Gesetzen der Korrelation die Entwicklung eines neuen Merkmals notwendigerweise Verände- rungen im ganzen Organismus hervorrufen muß. Man ist zur Annahme berechtigt, daß die Schmuckfarben der Männchen im Verlaufe der phyletischen Entwieklung erworbene neue Merkmale sind, mit welchen notwendigerweise jene korrelativen Verände- rungen entstanden sind, durch welche sich die Männchen von den konservativeren Weibchen unterscheiden. Daß der erste An- stoß zu all diesen Veränderungen von den Geschlechtsorganen ausgeht, ist dadurch klar bewiesen, daß sich die Geschlechtsunter- schiede in der Periode der Pubertät zu entfalten beginnen. Zur Verschiedenheit der Färbung der Männchen von den Weibchen gesellen sich auch andere korrelative Änderungen: größere Körper- form, kräftigere Muskulatur und all jene konstitutionellen Ver- schiedenheiten, durch welche sich die Männchen unterscheiden. Die Modifikationen erstrecken sich natürlich auch auf das Nerven- system und dementsprechend sind auch die psychischen Anlagen des Männchens von denjenigen des Weibchens verschieden: Das Männchen hat andere Gewohnheiten, Neigungen und Gelüste als ‘das Weibchen. Wenn wir dieselben vor Augen halten, kann es nicht überraschen, wenn in den Fällen, in welchen nicht das Männchen, sondern das Weibchen das sexuelle Prunkkleid träst, auch die psychischen Charakterzüge auf das Weibchen übergehen und umgekehrt. So ist es z. B. von einem Teil derjenigen Vögel, deren Weibchen in Schmuckfarben prangen, bestimmt nachge- wiesen, daß nicht die Weibchen, sondern die Männchen das Brüte- geschäft besorgen, bei dem indischen Turnus pugnax ist das reicher gefärbte Weibchen lärmender und kampflustiger als das Männchen, so daß die Eingeborenen zu ihren „Hähnenkämpfen“ nicht die Männchen, sondern die Weibchen verwenden; der Kehlkopf des * Darwın, op. cit. Bd. I, 478. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 13 194 GEZA ENTZ SEN. mit Prunkfarben geputzten Weibchens der Goldschnepfe hat den- selben Bau, wie die des Männchens der verwandten Arten*. Beim Hochzeitsfluge der Schmetterlinge wird fast stets das Weib- chen vom Männchen getragen, dagegen bei jenen Schmetterlingen, deren Weibchen mehr geschmückt sind, tragen diese ihre Männ- chen.** Ich habe bereits erwähnt, daß die Schmuckfarben an vielen Tieren bloß zur Paarungszeit auftreten und darnach wieder verschwinden. Derlei Hochzeitskleider sind von Tieren der ver- schiedensten Gruppen bekannt. Das Männchen des Bitterlings (Rhodens amarus) prangt während der Laichzeit in den herrlichsten Regenbogenfarben; die Haut des männlichen Grasfrosches nimmt zur Brunstzeit eine schöne blaue Färbung an. Der sich zur Brunstzeit entwickelnde Rückenkamm des Kammmolches ist am Rande mit lichtroten und violetten Tupfen geschmückt, der gelbe Bauch aber wird brennend orangefarben, überall mit dunklen runden Flecken bedeckt; das Gefieder des männlichen Pelikan (Pelecanus onocrotalus) bekommt zur Hochzeit einen schönen rosen- roten Anflug, an der Brust aber zeigen sich zitronengelbe Flecke etc. In gewissem Sinne sind auch die prächtigen Farben der männ- lichen Schmetterlinge als Hochzeitsputz aufzufassen, ist doch eigentlich ihr ganzes Leben nichts als ein kurzes Liebesidyll. Von den permanenten sexuellen Farben kann als allgemeine Regel gelten, daß sie zur Paarungszeit lebhafter und gesättigter werden; also auch diese Tiere werfen sich zur Hochzeit in ihren Sonn- tagsstaat. Da nun die sexuellen Schmuckfarben der Männchen im Tier- reich so häufig sind, wirft sich von selber die Frage auf, was wohl die eigentliche Ursache der Entstehung dieser Farben sei? Daß die natürliche Zuchtwahl sie nicht hervorbringen konnte, bedarf wohl keiner Beweisführung; was könnte auch z. B. dem Pfau das prächtige, glänzende Gefieder im Kampf ums Dasein nützen? Eine Erklärung der Entstehung dieser Farben wurde, wie bekannt, durch DArwın versucht, der neben seine Hypothese der natürlichen Zuchtwahl auch noch eine zweite, die der Ge- * Dırwm, op. cit., Bd. II. ** Darwın, loc. cit., Bd. 1. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 195 schlechtlichen Zuchtwahl stellte, welche die Entstehung des Schönen ebenso zu erklären sucht, wie die Hypothese von der natürlichen Zuchtwahl, die des Natürlichen und Zweckmäßigen.* Diese ebenso geniale, wie anmutende Hypothese lehrt nun, daß der Schmuck der Männchen und die sekundären Geschlechts- charaktere überhaupt auf die Weise entstanden sind, daß die Weib- chen aus dem Reigen ihrer Bewerber stets dasjenige Männchen be- vorzugten, welches seine Mitbewerber durch einen, eventuell ganz geringfügigen, aber gefälligeren Grad seines Schmuckes übertraf, denn die Schönheit des Männchens dient, laut JORDAN, nur dem einen Zweck: das Weibchen zu entzücken und zu bezaubern;** die Wiederholung dieser Auswahl durch eine lange Reihe von Generationen hat dann die Schönheit der Männchen fort und fort gesteigert. Diese Erklärung erscheint im Prinzip ganz annehmbar, in- sofern es sich um intellektuell höher entwickelte Tiere, z. B. um Vögel handelt, von denen man einen gewissen Gefallen an schönen Farben allenfalls voraussetzen könnte. Aber auch schon bei den Vögeln zeigen sich wesentliche Schwierigkeiten. Namentlich ist es schwer verständlich, daß die Verschiedenheit der Schmuck- farben verwandter Arten auf Änderung des Geschmackes der Weibchen beruhen soll. HoLzMANnN führt diesbezüglich mehrere Beispiele an, von denen ich mich nur auf eines beschränke und ‘will dies mit den Worten PLATES wiedergeben: „Der chilenische Kolibri Eustephanus galeritus, der in den beiden Geschlechtern grün ist, ist vom Kontinente nach der Inselgruppe Juan Fernan- doz verschlagen worden. Auf Masatierra hat er sich zu Eust. fernandensis, auf Masafuera zu Eust. Leyboldi entwickelt. Diese beiden Arten stimmen im weiblichen Geschlecht mit der Kon- tinentalform ziemlich überein, sind also in der Hauptfarbe grün, während die Männchen rot geworden sind, aber in verschiedener Weise. Der Eust. galeritus findet sich auch auf Masatierra, aber in genau der gleichen Färbung wie auf dem Festlande Man muß also annehmen, daß diese Art zu zwei Malen nach Masatierra * G. J. Romanes, Darwin und nach Darwin 1892. Bd. I, p. 439. #* Darwin, Op. cit., Bd. II, p. 82. 13* 196 GEZA ENTZ SEN. I verschlagen wurde, einmal vor sehr langer Zeit — diese Invasion verwandelte sich in Eust. fernandensis, und ein zweites Mal vor relativ kurzer Zeit, — diese Einwanderung zeigt keine Zeichen einer Transmutation. Soll man nun in derartigen Fällen immer einen Wechsel in dem Schönheitsideal des Weibehens annehmen? Dies wäre doch wohl zu anthropomorph gedacht und würde auch nicht verständlich machen, daß auf derselben Insel bei derselben Art sich einmal ein solcher Umschwung vollzogen hat und im zweiten Falle nicht. Es liegt doch näher, hierin einfach die Ein- wirkung äußerer Faktoren zu sehen, welche in erster Linie die Männchen beeinflussen, weil diese im allgemeinen überhaupt vari- abler sind und in der physischen Entwicklung vorangehen. Das Klima auf den Juan Fernandez-Inseln ist milder und wärmer als auf dem Festlande und rief leuchtendere Farben hervor nach dem allgemeinen Gesetz, daß die Farbenintensität mit dem Jahresmittel zunimmt.“ * Schwer verständlich ist es ferner, auf welche Weise der Ge- schmack der Weibchen bei den Männchen solche Farbenverschieden- heiten herausgezüchtet hat, die nach unserm Geschmack kaum schöner sind als die der Weibehen. So tragen gewisse Papageien- männchen einen rosenroten Halsring statt eines schmalen lebhaft smaragdgrünen Ringes oder sie haben eine schwarze Halsbinde, statt eines schmalen gelben Ringes, und einen bleiblauen Kopf, statt eines rosenroten. Zu diesen Beispielen bemerkt DArwıIn mit Recht, es habe den Anschein, als ob das Neue, die Verände- rung an sich gewissermaßen als Zauber auf die Vögel einwirkte, gerade so wie die Veränderungen der Mode auf unsere Frauen.** Noch größeren Schwierigkeiten steht man gegenüber, wenn man an die niederen Tiere denkt, bei welchen man noch weniger Grund hat, einen scharfen Farbensinn oder gar einen ästhetischen Geschmack vorauszusetzen. Die vorerwähnten Untersuchungen von PLATEAU machen es sogar zweifelhaft, ob die buntgefärbten Schmetterlinge, deren Männchen so vielfach Prunkfarben tragen, überhaupt imstande sind die Farben zu unterscheiden. Für gänz- rPrATE, Op.cıt.sp. 12): ** Darwın, Bd. II, p. 220. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 197 lich ausgeschlossen aber halte ich es, daß die weiblichen Falter sich an geringfügige Verschiedenheiten in den Farben oder Zeichen den Männchen zu ergötzen vermöchten.* Auch kann ich nicht außer Acht lassen, daß die Prunkfarben und sonstige sekundäre Schmuckmerkmale der Männchen auch bei den Nachtfaltern und sonstigen nächtlichen Tieren nicht zu den Seltenheiten gehören. Ferner hat man damit zu rechnen, daß auch die Männchen sehr stumpfsinniger oder gar blinder Tiere Prunkfarben tragen können, so z. B. erglänzen die Männchen der winzigen Sapphirinen wie die feurigsten Edelsteine in den herrlichsten Regenbogenfarben, und gewähren, wenn sie bei grellem Sonnenschein im Meere umherschwärmen, einen geradezu feenhaften Anblick; es ist aber kaum glaublich, daß diese verschwenderische Farbenpracht, auf irgend eine Weise auf die Sapphirinen-Weibchen Eindruck machen könnte, denn diese führen ein sehr verborgenes Leben in der Atmungshöhle der Salpen. Selbst unter den Würmern, namentlich den kingelwürmern scheint Farbenverschiedenheit der Geschlechter nicht gerade selten zu sein. So sind nach OsawA von den kopf- losen geschlechtsreifen Individuen des japanischen Palolo, die im zweiten Teil vom Oktober auf der Meeresoberfläche in Millionen erscheinen, die männlichen Stücke rot, die weiblichen grünlich- gelb.** Vom echten Palolowurm (Eunica viridis) sind die männlichen Teilstücke braun, die weiblichen schmutzig dunkel- grün.*** Andere Ringelwürmer werden nach QUATREFAGE zur Zeit der Geschlechtsreife lebhafter gefärbt. Sogar von einem Schwamm mit getrenntem Geschlecht ist eine sexuelle Farben- verschiedenheit bekannt. KELLER erwähnt, daß die weiblichen Individuen der Chalinula fertilis ihre braungelbe Färbung zur Zeit der Geschlechtsreife in Rosa verwandeln mit einem Stich ins Lila.yy Durch all diese Beispiele, die sich beliebig fortsetzen ließen, * MEHery, op. cit., p. 11. * K. Osawa, Über den japanischen Palolo. Verhandl. des V. intern. Zoologen-Kongreß zu Berlin. 1892. p. 751. ###= MEISENHEIMER, Der Palolowurm. Naturwiss. Wochenschr. 1902, p. 225. ri Darwın, op. cit., Bd. I, p. 406. tr C. Keuter, Das Leben des Meeres. 1895, p. 495. 198 GEZA ENTZ SEN. wird die Annahme sehr erschüttert, daß die Schmuckfarben durch die geschlechtliche Zuchtwahl zustande gekommen seien, es ist vielmehr weit wahrscheinlicher, daß die Entstehung dieser Farben, sowie der sekundären Geschlechtscharaktere überhaupt in korre- lativer Beziehung mit der Entwicklung der Geschlechtsorgane steht und daß es sich um konstitutionelle Merkmale handelt, die sich ohne Mitwirkung der Selektion ganz unabhängig entwickelten. Das Schwergewicht der Sache beruht aber jedenfalls in der Frage, ob die Voraussetzung auch richtig ist, daß die Weibchen in der Tat die schönsten Männchen auswählen. Die Tatsachen der Erfahrung erteilen auf diese Frage keine bejahende Antwort. Im ganzen Tierreich ist es Regel, daß es die Männchen sind, die bei der Werbung dreister, aggressiver, so zu sagen zudringlicher sind, die Weibchen sich dagegen passiv verhalten. Die Weibchen haben nicht einmal recht Gelegenheit, unter den Männchen zu wählen, denn ihre Lage ist ungefähr dieselbe, wie die der Frauen unzivilisierter Völker, die von den Männern, wie HERBERT SPENCER bemerkt*, entweder gleich einer Waare gekauft oder geraubt werden. Die Hauptstütze der Darwınschen Theorie bilden die Vögel, aber auch bezüglich dieser mußte DARWIN, wie PLATE betont, zugeben: „Was Vögel im Naturzustande betrifft, so ist die erste sich jeder- mann aufdrängende und am meisten in die Augen springende Vermutung die, daß das Weibchen zur gehörigen Zeit das erste Männchen, dem es zufällig begegnet, annimmt.“ Und das Mate- rial an Beobachtungen — fährt PLATE fort —, welches er bei- bringt, ist äußerst dürftig. „Es betrifft einige Fälle von Bastar- dierung, welche doch als Abnormitäten nicht in Betracht kommen können.“ ** Sehr überzeugend gegen die freie Wahl der Weibehen spricht der Umstand, daß bei Vögeln und anderen Tieren, die in Poly- gamie leben, die Wahl der Weibehen überhaupt ausgeschlossen ist und gerade an den Männchen der in solchem ehelichen Ver- bande lebenden Tiere sind die auffälligssten sexuellen Verschieden- heiten häufig; die Hühner z.B. sind nicht in der Lage zwischen * Kassowrız, op. cit., Bd. Il, p. 148. BrAn,nop.seit., sp: 115, DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 199 einem schönen und weniger schönen Hahn wählen zu können und der Kampf zweier nebenbuhlerischer Hähne wird nicht durch den ästhetischen Sinn der Hühner entschieden, sondern, wie jeder Kampf, die Zufälligkeiten abgerechnet, durch die größere rohe Kraft oder vollkommenere Waffen des einen Kämpfers, was natürlich von der Schönheit des Gefieders und des Kammes gänz- lich unabhängig ist. Dasselbe gilt von den Säugetieren, denn die Weibchen fallen immer dem Sieger zu, mithin kann von einer Wahl auch hier nicht die Rede sein. Dasselbe hat wohl noch bei anderen Wirbeltieren Geltung. Von DousLass wurden die Männchen der Mauereidechse im Hochzeitskleid gerade in dieser Hinsicht studiert, ob die sehr variabeln Schmuckfarben der Männchen auf die Weibchen von Einfluß seien; diese Unter- suchungen führten nun zu dem Ergebnis, daß sich die Eidechsen durcheinander kreuzten ohne Bevorzugung einer Farbe oder einer Zeichnung. Ebenso fand DÜNGLER, daß Eidechsen-Männchen mit verstümmelten Schwänzen sich in ihrem Liebeswerben nicht be- irren lassen.” Daß die Weibchen der Insekten keine Wahl unter den Männchen treffen, läßt sich vorweg voraussetzen. Und in der Tat sind all jene, die in dieser Richtung Untersuchungen an- stellten, zu demselben Resultate gelangt, wie STANDFUSS, einer der gründlichsten Kenner der Lebensweise der Schmetterlinge, daß die gesättigtere oder mattere Schmuckfärbung der Schmetter- linge bei der Paarung sicher keinerlei Rolle spielt. ** Mehrere Beobachter, wie z. B. SCHILDE und SEITZ versichern, daß ganz abgeflogene Tagfalter, die also sicher nieht mehr vor einem ästhetisch-kritischen Auge bestehen würden, in Kopula an- getroffen werden. *** Nach alle dem wird man es für ganz natürlich finden, daß Darwın’s Hypothese von der Entstehung der Prunkfarben, von einem sehr großen, wohl dem überwiegenden Teil des kompetenten Forscher verworfen wird. Mit Recht sagt EısıG in seiner Mono- graphie der Capitelliden: „Welch ausgiebiges Arbeitsfeld hier der FBrAnE, op.2eit, pr 120: =" Kassowızz, op. eit., Bd. II, p. 147. - Pre, opSchrep le 200 GEZA ENTZ SEN. Forschung noch vorliegt, kann nicht drastischer ausgedrückt werden, als durch das Faktum, daß derjenige Forscher, der über die Be- deutung und das Zustandekommen der „Färbungen“ am meisten nachgedacht und wahrscheinlich zugleich auch über das größte Maß von einem Menschen jemals zugänglich gewordenen Erfahrungen auf diesem Gebiete verfügte, nämlich DArwın, einen sehr erheb- lichen Teil aller Tierfärbungen dem Einflusse der „geschlecht- liehen Auswahl“ zuschrieb, und — daß derjenige andere Forscher, der allein sich in dieser Frage sowohl hinsichtlich des Erfahrungs-, als auch des Gedankengebietes mit DARWIN messen kann, nämlich WALLACE, einen solchen Einfluß so gut wie gar nicht erkennt. “* Es ist wohl überflüssig zu betonen, daß ich in dieser Hinsicht die Ansicht von WALLACE teile. ' Dessen ungeachtet steht es mir fern, den biologischen Wert der Schmuckfarben gänzlich leugnen zu wollen. Im Gegenteil ziehe ich es durchaus nicht in Zweifel, daß die Schmuckfarben und sonstiger, sekundären Geschlechtscharaktere, welche die Männchen vor den Weibchen so effektvoll, oft graziös, ein ander- mal geradezu mit lächerlich verrückter Pantomime zu entfalten wissen, auf (die Weibchen solcher Tiere, welche sich auf eine höhere Stufe der Intelligenz hinaufgeschwungen haben, von Einfluß sind’ und die zur Paarungszeit ohnehin schon gesteigerte Erregtheit derselben im Interesse der Erhaltung der Art zu ent- flammen vermögen, und in diesem Sinne in biologischer Hinsicht nützlich sind. Auch ziehe ich nicht in Zweifel, daß die übrigen biologischen Farben, besonders die Schutzfarben, innerhalb ge- wisser Grenzen, dem Tiere von Nutzen sind. Dagegen kann ich mich nicht damit zufrieden geben, daß all diese Farben aus bio- logisch ganz wertlosen geringfügigen Veränderungen durch die Selektion herausgezüchtet sein sollen. Inwofern es mir vergönnt war, einigen Einblick in die Geheimnisse der Lebewelt zu gewinnen, deucht es ımir weit wahrscheinlicher, daß die Farben durch den Einfluß verschiedener noch zu ergründender Faktoren als notwendige Produkte der Konstitution und des Stoffwechsels, ohne alle Rück- * H. Eısıs, Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel. 1887, p. 787. DIE FARBEN DER TIERE UND DIE MIMICRY. 201 sicht auf ihre Nützlichkeit entstanden und erst sekundär nützlich geworden sind: d.i., daß ihr Nutzen für das Individuum und die Art gleichsam nur ein Nebeuprodukt des verwickelten Prozesses der Evolution ist. Ein Beispiel dürfte den Sinn meiner Worte klarer darlegen. Die Farbe des arteriellen Blutes des Menschen ist gewiß eine der schönsten Farben. Diese Farbe leuchtet an den von Blut- gefäßen reich durchzogenen dünnern Hautstellen durch. Dieses Netz von Blutgefäßen verleiht den schwellenden Lippen jene kirschrote Farbe, hinter welcher die Perlenreihe der Zähne so entzückend leuchtet, und dies zaubert auf das zarte Antlitz der Jungfrau jene vielbesungenen Rosen, die vor und nach Helena zur Quelle so vieler Wonne und von so vielem Weh wurden. Und all diese Schönheit, all dieser Reiz wird durch die rote Farbe des in dem Netzwerk der Blutgefäße zirkulierenden Blutes hervor- gerufen, welche sicherlich nicht durch die Selektion herangezüchtet wurde; aber auch für jenes Morgenrot ist die Selektion nicht verantwortlich, welches auf der Nase des alten Trunkenboldes glüht. Hier das abstoßend Häßliche, dort das reizend Schöne, und beide sind nichts anderes, als notwendige Nebenprodukte verschiedener physiologischer Wirkungen auf eine dem Wesen nach identische konstitutionelle Einrichtung. (Schluß folgt im nächsten Bande.) 7. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. [Ungarisch erschienen in „Mathematikai es Termeszettudomänyi Közle- menyek“ Bd. XXIX, Heft 2, 1907, unter dem Titel: Palaeontologiai tanul- mänyok a harmadkorü rakok köreböl. VI. Adatok Sardinia harmad- szakbeli rak faunäjahoz.] (Mit zwei Tafeln.) Von Prof. Dr. I. LÖRENTHEY. Vorgelegt der Akademie durch das ord. Mitglied Prof. Dr. Anton Kocn in der Sitzung vom 18. April 1904. Noch Ende 1901 erging an mich von Herrn DoMENIco LovısATO, dem hervorragenden Professor der Geologie an der Universität in Cagliari, die überaus ehrende Aufforderung, die von ihm in Sardinien gesammelten Dekapoden zu bearbeiten, über welche er auf S.17 und 13 seiner Le calcaire grossier jau- nätre de Pirri del Lamarmora ed i calcari di Cagliari come pietre da costruzione betitelten Schrift folgendes berichtet: „Weiland M. EpwArps, dem ich einige der vorliegenden Fragmente über- sendet habe, fand, daß er meine Genusbestimmungen nicht be- stärken, jedoch auch nicht anzweifeln könne. Derselben Ansicht waren auch andere in- und ausländische Spezialisten, welche die- selben sämtlich für unbestimmbar erklärten. Ich weiß nicht, ob ich mit diesen meinen Reliquien bei einem neuerlichen Versuche mehr Glück haben werde, den ich bei einem illustren ausländischen Spezialisten gemacht habe, der sich in neuerer Zeit mit dem Studium der tertiären Crustaceen seines Heimatlandes eingehend befaßte. So lange mir vom Gegenteil keine überzeugenden Be- I. LÖRENTHEY, BEITR. Z. TERT. DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 203 ‚weise vorliegen, halte ich die von mir stammenden Bestimmungen jener Gattungen aufrecht, welche von MENEGHINI aus unseren Schiehten (banco) nicht erwähnt werden .. .“ Nachdem ich mit Freude und Dankbarkeit den mich aus- zeichnenden Auftrag annahm, wurde mir von Prof. LovisATo so- gleich der größte Teil seines reichen Dekapodenmaterials zu- gesendet, den er später durch neuere Sendungen ergänzte. Ich machte mich sofort an das teilweise Präparieren und die Unter- suchung des meist bestimmten Materials, doch war ich bisher durch meine Agenden an der Universität und andere Arbeiten an der Vollendung derselben verhindert, so daß ich erst jetzt in der Lage bin, die Beschreibung dieser Dekapoden vorzulegen. Es ist jedoch zu bemerken, daß sich mehrere Fxemplare erst nach sorgfältiger Präparation zur sicheren Bestimmung eigneten und auch dieses viel Zeit beanspruchende Präparieren zur Ver- zögerung der Arbeit wesentlich beigetragen hat. Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich Herrn Prof. DoMEnIco LovisaTo auch hier nicht nur für seinen ehrenden Auftrag und seine Geduld, sondern auch für die Freundlichkeit, “ mit welcher er mein Manuskript zu revidieren und die Namen der Fundorte auszubessern die Güte hatte, besten Dank sage. Von Sardinien sind in der Literatur bisher verhältnis- mäßig wenig Dekapoden bekannt. G. MENEGHINI ist der erste, welcher 1857 |Paleontologie de TIle de Sardaigne pour faire suite & la troisieme partie du voyage en Sardaigne, p. 448] und LAamArMmorA 1857 [Voyage en Sar- daigne, III® part, tom. I, p. 296], der vom Capo S. Marco bei Cagliari den Platycarcinus antiquus, E. Sısm (= Cancer Sismondae, Mey.) erwähnt.® G. Rıstorı erwähnt 1891 [Contributo alla fauna careinologica * Prof. D. Lovisaro gibt in seinem an mich gerichteten Schreiben der Ansicht Ausdruck, daß dieses Exemplar wahrscheinlich gar nicht aus Sar- dinien stammt. In der mir zugesandten Suite ist dieselbe Art tatsächlich in dem vom Capo 9. Marco stammenden Tone nicht vorhanden, doch ist mir ein schönes Exemplar derselben aus S. Michel nächst Cagliari be- kannt. 204 I. LÖRENTHEY, del pliocene Italiano (Atti della Soc. Toscana di scienze nat. res. in Pisa, Vol. XD)]: Cancer Sismondae, MEy., vom Capo 8. Marco bei Cagliari. G. RıstorI zählt ebenfalls 1891 [Aleuni erostacei del mio- cene medio Italiano] und noch auf: Xantho? Manzonii Rıst. (= Pagurus Manzoniüi Rıst.) aus den miozänen Schichten (tramezzario) des Pietra forte di S. Bartolomeo und Pietra cantone di S. Michele bei Cagliari; Neptunus granulatus M. Epw. aus dem miozänen Ton von Fan- gario; Calianassa Desmarestiana M. Epw. vom Pietra forte di S. Bar- tolomeo bei Cagliari. G. RıstoRI beschreibt ferner 1896 [ÜCrostacei neogenici di Sardegna e di alcune altre localita Italiane (Boll. d. soc. geol. Italiana, vol. XV)] auf Grund eingehender paläontologischer Stu- dien aus den jungtertiären Bildungen von Cagliari die folgenden Formen: Calappa sp. ind., von S. Guglielmo aus Mergelkalk; Pagurus cfr. substriatus(?) M. Epw., von Capo 8. Elia aus mittelmiozänem Kalkstein; Pagurus Manzonü, RısT., aus dem „Lramezzario“ zwischen S. Avendrace und Monte della Pace, ferner am Pietra cantone di S. Michele und Pietra forte di S. Barto- lomeo, aus mittelmiozänen Schichten; Calianassa calaritana, Rıst., von S. Avendrace, aus hartem (mittelmiozänem) Kalk und vom Pietra forte di S. Barto- lomeo (Cagliari) aus gleichalten Schichten; Oalianassa Desmarestiana, M. Epw., aus der Umgebung von Bosa und Cagliari, aus dem Neptunus granulatus, M. Epw. füh- renden Mergelkalk. Aus der Sammlung Prof. LovIsAaTos ist nunmehr ein sehr wertvolles und reiches Dekapodenmaterial aus dem Tertiär, nament- lich aber aus dem Miozän Sardiniens bekannt. Dieses Material erhielt ich zur Bearbeitung, welches ich nach erfolgter Präpara- BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 205. tion bestimmte und unter dem Titel Palaeontologiar tanulmanyok a harmadkori rakok köreböl* 1904, später auch — 1905 — in deutscher Sprache Paläontologische Studien über tertiäre Deka- poden** im Auszuge mitgeteilt habe. Hier zählte ich die Deka- podenfauna der einzelnen Bildungen, des mittleren Oligozäns, oberen ÖOligozäns, unteren Mediterrans, oberen Meditterans, der sarmatischen und schließlich der nicht getrennten miozänen Schichten der Reihe nach auf. Seit dem Erscheinen dieser meiner Arbeit trat im Bilde dieser Fauna einigermaßen eine Ver- änderung ein, indem ich einerseits neueres Material erhalten, andrerseits aber Prof. LovIsarto seither das genaue Alter der nicht getrennten miozänen Schichten bestimmt hat, so daß die Fauna dieser letzteren zur Bereicherung der bereits früher be- kannten Schiehten ebenfalls beiträgt. Diesen neuen Daten ent- sprechend ist die erste eingehende Beschreibung anfangs 1907 ın ungarischer Sprache unter dem Titel: Adatok Sardiniai harmadlı- döszakbeli rak faundjahoz erschienen, deren deutsche Übertragung die vorliegende Arbeit ist. Bevor ich auf die Beschreibung der einzelnen Arten über- gehe, zähle ich im folgenden, behufs leichterer Übersicht der Zeitalter und Fundorte, die Fauna in chronologischer Reihenfolge nach den Lokalitäten auf. I. Aus dem mittleren Oligozän (Bormidien). Hierher zählt Prof. LovisAaTo, wie er mir mitteilte: aus Nurri den feinkörnigen Kalksandstein, aus welchem mehrere Exemplare von Calianassa Desmarestiana M. Epw. vor- liegen, ferner eine näher nicht bestimmbare Calianassa Sp., mehrere Vertreter von Calappa sp. ind. sowie ein Bruchstück von Pagurus Manzonii RısT.? und sonstige Fingerfragmente, die aber nicht einmal generisch bestimmt werden können; aus Chiaramonti (Provinz Sassari) den Scutella subrotunda * Mathematikai &s Termeszettudomänyi Ertesitö Bd. XXII, H. 3. ** Mathem. u. Naturwissensch. Berichte aus Ungarn Bd. XXL. 206 I. LÖRENTHEY. und Agassizia Lovisatoi führenden Grobsand, aus welchem ich Callianassa Desmarestiana M. EDw. erhielt; ferner bei Torralba vom Monte Pala de sa Costa (Provinz Sas- sarı) den feinkörnigen, grünlichen Kalksandstein, in welchem sich Callianassa cfr. rakosiensis LÖRENT. vorfand; sowie von ebendaselbst den bräunlichen Kalksandsteın des Monte Pala de sa Corte mit x Neptunus sp.?; aus Ittiri (Provinz Sassari) aus der Umgebung der Notre- Dame-Kirche den scutella- und ch we führenden grünlich- gelben Sandstein mit Callianassa Sp.; und von ebenda den gelblichweißen Lithothamnienkalk mit Callianassa Desmarestiana M. Epw.?; gleichfalls von hier den gelblichgrauen Kalkmergel, in welchem sich der Abdominalteil und die Spuren der Extremitäten eines Macruren vorfanden; vom Capo 8. Elia, welcher 4 km von Cagliari an der Straße nach S. Bartolomeo gelegen ist, den weißlichen Litho- thamnienkalk, aus welchem ich eine wahrscheinlich einer Pagurus- art angehörende Hand; und von ebenda den im Liegenden des Sandsteins befindlichen Kalkmergel, aus welchem ich Pagurus cefr. substriatus? M. Epw. (RısTORri) erhielt; schließlich vom sogen. Pietra Forte bei Lamarmora, aus der zum Gefängnis gehörenden Grube, vom Cap. S. Elia (Cagliari) den dichten weißen Kalk, aus welchem ich einen abgeriebenen Pagurus bekam, den ich unter Fragezeichen zu Pagurus Manzonii Rıst.? zähle. Wahrscheinlich hat Rıstorı (Taf. XII, Fig. 6) von hier den Pagurus Manzoni Rıst. abgebildet. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 207 II. Aus dem oberen Oligozän (Aquitanien). Aus dieser Stufe bekam ich bloß von einem Fundort Mate- rıal und zwar aus der Grube des 3 Stunden vom Strande bei Fontanazza gelegenen Monte Vecchio, aus dem dem „vulka- nischen Tuff“ auflagernden weißen dichten Kalktuff Callianassa Sp.; aus der diesem Tuff auflagernden quarzreichen Kalkbreceie . aber eine schlecht erhaltene Hand von Callianassa Desmarestiana M. Epw. III. Aus dem unteren Mediterran (Mittleres Miozän, Langhien). Aus Fangario bei Cagliari erhielt ich aus dem gelblich- grauen, harten, sandigen Ton des Bingia Fargeri einen nicht sicher bestimmbaren Abdomen, der wahrscheinlich von Palaega herstammt. Aus diesem Ton beschrieb Prof. LovisaTo die außer- ordentlich interessante und seltene Sqwilla miocenica Lov. [Avanzi di Squilla nel miocene medio di Sardegna (Rendiconti della R. accad. dei lincei; vol. III) Roma 1894], sowie C. F. PARoNA die Sepia calaritana PARONA und S. Lovisatoi PARONA |Deserizione di aleuni fossili mioceniei di Sardegna (Atti della Se. It. di Sc. Nat. Milano. 1892, Vol. XXXIV, P. 165, T. III, Fig. 1—2)]. Aus der brieflichen Mitteilung Prof. LovisaTos ist mir be- kannt, daß aus diesem der abyssalen Zone angehörenden sandigen Ton von Fangario schöne Exemplare von Neptunus granulatus M. Epw. hervorgegangen sind. Auf der Straße von Cagliarı nach Monte S. Michele, 30 Minuten von Cagliari entfernt, liegt der Weinberg Cugia. Von hier bekam ich einen mit Mollusken- und Korallensteinkernen und -Abdrücken erfüllten, harten, gelblichbraunen Kalkstein, aus welchem ich Hepatinulus Lovisatoi nov. Sp., Pagurus ind. sp., 208 I. LÖRENTHEY. Calappa? sp. ind. (RISTORI), Oallianassa?, kleine Handfragmente, bestimmt habe. Vom Monte S. Michele bei Cagliari sind mir aus einem gelblichen Kalkmergel kleine Scherenfragmente, wahrscheinlich von Calappa sp. ind., Neptunus sp.?, ferner Oancer Sismondae MEy., Ebalia Lamarmorai nov. Sp., Pagurus Manzonü Rıst.?, Pagurus substriatus M. EDw.?, weiter eine mangelhafte Pagurushand mit langen Fingern, wahr- scheinlich ein schlankes Exemplar von Pagurus Manzonü Rist., wie es aus dem Tramezzario von S. Avendrace vorliegt, bekannt. Vom Pietra cantone die 8. Michele (Cagliari) bekam ich aus mit dem obigen Kalkmergel gleichalten Schichten Pagurus Manzonü RiST., aus dem gelben Kalkmergel des San Guglielmo bei Cagliari Calappa sp. ind. (RısToRI), aus dem Tonmergel des ober Bonorva gelegenen Weißen- Grabens bei Cadreas (Provinz Sassari), der durch massenhaftes Auftreten von Pecten cristatus und durch Amusium denudatum gekennzeichnet ist, Calappa SP., Neptunus granulatus M. Epw., und Oallianassa? sp.; von ebenda aus einem kalkreichen, bläulichgrauen Glimmer- sandstein Neptumus granulatus M. Epw. Unweit der Bisenbahnstation Bonorva sind in einem grau- lich gefärbten dichten Kalkstein die Steinkerne von Händen der Callianassa sp. und Calappa sp. vorhanden; BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 209 bei Sedini (Provinz Sassarı) vom Monte Ruda aus dem spatangusführenden diehten Kalkstein im Liegenden des Kalktuffs Oallianassa Desmarestiana M. Epw.?, von ebenda aus weißlichem Kalkstein Callianassa Desmarestiana M. Epw.?, von ebenda aus gelbem Kalkmergel Neptunus granulatus M. Epw. Aus Ardara (Provinz Sassari) liegt aus einem Mergelkalk die zusammengedrückte Hand von Neptunus gramulatus M. Epw.? vor; aus Bessude (Provinz Sassari) aus einem graulichen, Scu- tella subrotunda führenden Kalkmergel Neptunus granulatus M. EDw.; aus S. George, am Wege von Sassari nach Alshero, aus ‚pecten- und balanusführendem Mergelkalk Oallianassa subterranea MONTG. sp.; von Ploaghe (Provinz Sassari) aus graulichem Kalkmergel Handfragmente von Neptunus granulatus M. Epw.?; aus St. Baingio Scapezzato bei Portotorres aus grau- lichem Kalkstein Scherenfragmente von Neptunus granulatus M. Epw.; aus Magomadas nächst Planargia (Provinz Bosa) aus graulichweißem Kalkstein Neptunus granulatus M. Epw. RısTorı führt in seiner Arbeit über Sardinien aus der Um- sebung von Bosa aus dem Kalkmergel bei Magomadas Callianassa Desmarestiana M. Epw. und Neptunus granulatus M. Epw. an, welche von Prof. DE STEFANI gesammelt wurden. Aus Tresnuraghes in der Planargia (Provinz Cagliari, Bosa) sind aus einem gelblichen Kalkmergel die hier auf Taf. II, Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XAXIV. 14 210 I. LÖRENTHEY. Fig. 1 u.2 abgebildeten Exemplare von Neptunus granulatus M. Epw. vorhanden. VonÜoroneddu nächst Bosa erhielt ich aus einem Mergelkalk Callianassa pedemontana CREMA?. Vom Cap 8. Marco nächst Cagliari (Oristano) erwähnt LAMARMORA [Voyage en Sardaigne; part III, vol.I, p. 296] Cancer Sismondae MEy. Diese Art wird von ebenda 1891 auch durch Rıstorı |Con- tributo alla fauna carcinologica usw.| erwähnt. Diese Schichten gehören nach einer brieflichen Mitteilung Prof. LovisaTos in das mittlere Miozän, d.ı. in das untere Mediterran. VI. Aus dem oberen Mediterran (Helvetien). Es liegen vor: aus dem clipeasterführenden Kalkstein beim Friedhof von Cagliarı Callianassa Desmarestiana M. Epw. und Neptunus? sp.; aus dem weißen oder rötlichen, an Lithothamnien, Bryozoen und Mollusken reichen Kalksteine von S. Bartolomeo (Cagliari), welcher nach LovIsAaTo zur Laminariazone gehört, sehr zahlreiche Exemplare von Calianassa Desmarestiana M. Epw.; aus demselben Kalkstein von Cap. S. Elia (Cagliari) Callianassa Desmarestiana M. Epw., Pagurus? sp. und das einzige ausgezeichnet erhaltene Exemplar von Xanthus? Lovisatoi nov. sp.; von ebenda stammt aus dem dichten Kalkmergel im Liegenden des Sandsteins auch der bei Rıstorı aus Sardinien (Taf. XII, Fig. 5) abgebildete Pagurus (cefr.) substriatus? M. Epw.; BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 211 aus der Vorstadt S. Avendrace von Cagliari aus gelb- lichem, dichtem Kalkstein Callianassa calaritana RiST., Desmarestiana M. Epw., ind. sp., ” ” Calappa sp.; von ebenda aus gelblichem Kalkmergel Neptunus? sp.; von der Piazza d’Armi oder Is Mirrionis in Cagliarı aus körnigem, weißem Kalkstein näher nicht bestimmbare Frag- mente von N Callianassa sp. und Pagurus?; aus dem auflagernden lockeren, gelblichen Mergelkalk eben- falls sehlecht erhaltene Dekapodenreste, und zwar die wahrschein- lich einer Callianassa? sp. und Pagurus? sp. angehörenden Hände; von dem in der Fortsetzung des Is Mirrionis nordöstlich von Cagliari gelegenen Monte della Pace aus lithothamnien- führendem, weißlichem Mergelkalke, der von den Arbeitern „tra- mezzario“ genannt wird, einige wahrscheinlich einer Pagurus sp. angehörende Handfragmente; von ebenda aus einem gelblichen Mergelkalk Pagurus Manzonü RisT., Pagurus efr. substriatus M. Epw. und Mursiopsis? ind. sp.?; aus der Vorstadt S. Avendrace von Cagliari aus gelblichem, zum Teil lockerem Kalkmergel (tramezzario) Pagurus Manzonii RisT., ferner Scherenfragmente, die einer Pagurusart angehören, ja sogar auch solche, die auf Neptunus und andere, die auf (alappa ver- weisen, deren Zugehörigkeit jedoch nicht festgestellt werden kann; 14* 212 I. LÖRENTHEY. aus dem Kalkstein von S. Lucia bei Cuglieri Callianassa sp.; aus der in der Fortsetzung des Friedhofes von Cagliari ge- legenen Bonaria aus einem dichten weißen Kalkstein die Scheren- hand einer Cyclometopidae, vielleicht einer Cancer? sp.; aus dem dichten Kalkstein des Capo della Frasca Callianassa sp. (cfr. Desmarestiana M. Epw.); aus dem an Bryozoen, Foraminiferen, namentlich aber an Heterostegina und Lithothamnium reichen gelblichen Kalkstein des Monte S. Lorenzo bei Nulvi (Provinz Sassari) Callianassa sp. und viel Callianassa Desmarestiana M. Epw. V. Aus der sarmatischen Stufe (Tortonien). Vom Cap 8. Marco (Oristano) bei Cagliari sind in einem: fossilreichen, weißen, salzig schmeckenden Kalkstein unter zahl- reichen unbestimmbaren Dekapodenresten vorhanden: Galathea affinıs Rıst.?, Gonoplax efr. Sacci ÜREMA, Maja miocaenica uov. sp. und Oallianassa? sp. ind: Von derselben Lokalität stammen aus einem gelblichen fossil- reichen Kalkmergel Maja miocaenica Nov. Sp. * * 5 Außerdem sind noch von mehreren Punkten Sardiniens mio- zäne Dekapodenreste vorhanden, die aber so schlecht erhalten sind, daß eine sichere Bestimmung unmöglich war. Nachdem auf schlecht erhaltenes oder mangelhaftes Material basierte Be- stimmungen in den meisten Fällen nur Verwirrungen in der Wissenschaft verursachen, versuchte ich es gar nicht, dieselben BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 213 zu determinieren. Namentlich enthielt ich mich bei den Calia- nassen einesteils einer Bestimmung des schlechten Materials, andernteils aber bei den besser erhaltenen Exemplaren einer auf geringfügige Unterschiede begründeten artlichen Abtrennung, um- somehr als ja bei denselben ein und dasselbe Individuum von- einander abweichende Hände besitzen kann, insbesondere wenn eine derselben nach erfolgter Verstümmelung von neuem nach- wächst. A. MACRURA LAartr. Thalassinidae. Callianassa LEACH. 1. Callianassa Desmarestiana, M. EDW. |Tafel IV, Fig. 3 und 4.] 1829. Pagurus Desmarestianus?, MARCEL DE SERRES. (Geognosie Ä des terrains tertiaires; pag. 154. 1861. Callianassa Desmarestiana, M. Epw. Histoire de crust. podo- phtalmaires fossile. Monogr. des Portuniens et des Thalas- siniens. [Ann. de Scien. nat. zool. Tom. XIV, serie 4a, pag. 204, Tab. 13, Fie. 4.] 1891. Callianassa Desmarestiana, M. Epw. G. Rıstorı, Aleuni Crostacei del miocene medio Italiano. [Atti della Soe. Toscana di Scien. nat. vol. IX, fase. 1, pag. 6, Taf. IV, Fig. 12 u. 13.] 1896. Callianassa Desmarestiana, M. Epw. G. RiSTORI, Crostacei neogenici di Sardegna e di alcune altre localıta Italiane. [Boll. della soc. geol. Italiana. Vol. XV, pag. 513.] 1904. Callianassa Desmarestiana, M. Epw. LÖRENTHEY, Palaeon- tologiai tanulmanyok a harmadkoru rakok köreböl. (Math. es Termeszettud. Ertesitö. Bd. XXIL, H. 3, p. 163 u. 164. 1905. Callianassa Desmarestiana, M. Epw. LÖRENTHEY, Paläon- tologische Studien über tertiäre Dekapoden. |Math. u. Naturw. Ber. aus Ungarn. Bd. XXI, pag. 32 u. 33]. 1907. Callianassa Desmarestiana M. Epw. 1. LÖRENTHEY, Palae- ontologiai tanulmanyok a harmadkoru rakok köreböl. VI. a I. LÖRENTHEY. Adatok Sardinia harmadidöszakbeli rak faunäjahoz (Math. es Termeszettud. Közlem. Bd. XXIX, H. 2, pag. 61, Taf. 4, Fig. 3 und 4). Auf Grund der sardinischen Exemplare, insbesondere der vom Pietra forte di S. Bartolomeo bei Cagliari und von Nurri stammenden, erfuhren unsere Kenntnisse über diese Spezies in vielen Stücken eine Bereicherung, nachdem wir den beweg- lichen Finger, ferner den Unter- und Oberarm kennen lernten. Das besterhaltene Exemplar bilde ich auf Taf. IV, Fig. 4 ab. Der bewegliche Finger besitzt ein gebogenes, etwas haken- förmiges Ende und auf dem zum Greifen dienenden scharfen Rande zwei Zähne, von welchen der vordere, kräftigere, doppelt zu sein scheint. In der Mitte des oberen Teiles ist auf dem Finger eine kaum wahrnehmbare abgerundete Kante vorhanden, an deren Innenseite ca. 6—8 runde, an der Außenseite dagegen 2—3 vertikal stehende, längliche Borstengrübchen sichtbar sind. Einige von einander etwas entfernter stehende runde Borstengrübchen erblicken wir auch noch in der Nähe des zum Greifen dienenden unteren Randes des beweglichen Fingers. Übrigens sind bei einem Exemplare nahe zum Unterrand des Index ebenfalls kräftige Borstengrübchen zu beobachten, welche — abweichend von dem bei M. EpwArps abgebildeten Exemplar — bis zum vorderen Ende des Fingers reichen. Der Unterarm ist 25 mm lang und 20 mm hoch, unten und oben scharf, außen und innen schwach gewölbt, so daß dieses Exemplar in der Mitte eine Dicke von 10 mm besitzt. Seine vordere Insertionsfläche liegt in der Weise schief, daß sie am hinteren Teil stärker nach vorn greift, während sie aufwärts immer mehr nach hinten geneigt ist. Unter- und Oberrand nähern sich gegen rückwärts einander, infolgedessen der ganze Unterarm nach hinten schmäler und flacher wird. Wie nach einzelnen Exemplaren von Fontanazza beurteilt werden kann, sind auf dem Unterrand des Unterarmes, namentlich aber gegen dessen hinteres Ende zu, Borstengrübchen vorhanden. Die hintere Insertionsfläche ist oben halbkreisförmig stark ausgeschnitten und weist so die Form eines verkehrten S (2) auf. Der Oberarm konnte nicht studiert werden, da derselbe entweder in Form eines BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 215 ‚schlecht erhaltenen Steinkernes vorliest oder aber aus dem ein- schließenden festen Gestein nicht losgelöst werden konnte, ohne das ganze Exemplar zu gefährden. Besonders gut erhalten sind die vom Monte S. Lorenzo bei Nulvi stammenden Exemplare, welche ebenfalls mehr ge- drungen sind als die Exemplare M. EDwArDs’ aus dem ober- tertiären Kalkstein von Moellons bei Montpelier. Der untere Rand der Hand ist sehr scharf, was infolge des Umstandes, daß sein innerer Teil oberhalb des Randes sehr stark eingedrückt, konkav, ist, noch schärfer hervortritt. Der Unterrand erscheint infolge der auf demselben befindlichen runden Borstengrübchen gesägt. Über diesem Sägerand sind außen in einer Reihe läng- liche, vertikale, manchmal sogar noch einige außerhalb derselben stehende Borstengrübchen zu beobachten. Manchmal treten die runden Borstengrübchen nicht ganz am Rande, sondern weiter innen auf und in diesem Falle ist derselbe natürlich nicht säge- artig gezähnt. Der obere Rand ist bedeutend breiter, abgerundet ‚und weist eine im Verhältnis zur Kante des Unterrandes schwächere nach hinten stärker, gegen vorn schwächer werdende, allmählich verschwindende Kante auf, welche aus der Mittellinie etwas an die Innenseite verschoben ist. Besonders gut sind die für diese Art charakteristischen, sowohl an der Innen-, als auch an der Außenfläche in großer Anzahl und ziemlich dicht stehenden Tuberkel sichtbar, welche zwischen der Gelenkgrube des beweg- lichen Fingers und dem Index an der vorderen Seite der Hand verstreut sind. Die sardinischen Exemplare unterscheiden sich von den fran- zösischen MILNE EDWARDS’ außer ihrer gedrungeneren, kürzeren Gestalt auch dadurch, daß die Basis des unbeweglichen Fingers ‚auf den sardinischen Formen schmäler ist, so daß die Greifkante mit dem Unterrand beinahe parallel läuft, während auf der Figur M. EpwaArps’ diese Greifkante von hinten nach vorn stark ge- neigt ist. Während sich bei den französischen Exemplaren die Tuberkel hinter der Gelenköffnung des beweglichen Fingers an beiden Seiten befinden und sich nur selten weiter abwärts er- strecken, sind sie bei den von Sardinien stammenden zwischen der Insertionsgrube und dem Index verstreut und reichen nur 216 I. LÖRENTHEY. selten weiter aufwärts. Ihre Zahl ist bei den sardinischen Exem- plaren größer, sie stehen dichter und ist auch ihre Größe im Ver- hältnis zur Hand bedeutender. Obzwar — wie aus Öbigem ersichtlich — zwischen den französischen und sardinischen Exemplaren von Callianassa Des- marestiana Unterschiede bestehen, so halte ich eine Trennung der- selben doch nicht für gerechtfertigt, da gerade bei den Callianassen beobachtet werden kann, daß die Ausbildung der Hände innerhalb derselben Spezies eine veränderliche ist, ja häufig sogar bei ein und demselben Exemplar sich die rechte von der linken Hand unterscheidet. Fundort: Die verbreitetste und häufigste Dekapode des jüngeren Tertiärs Sardiniens ist Callianassa Desmarestiana M. Epw. Ihre besterhaltenen Exemplare (ca. 10 Stück) sind aus dem mitt- leren Oligozän (Bormidien), aus dem feinkörnigen Kalksandstein der Umgebung von Nurri bekannt, die samt der Schale aus dem umgebenden graulichen oder bräunlichen Kalksandstein befreit werden können, so daß sich auch ihre Oberflächenverzierung unter- suchen läßt. Ebenfalls aus dem mittleren Oligozän sind ihre Exemplare von Ohiaramonte (Provinz Sassari) aus Scutella subrotunda und Agassizia Lovisatoi führendem Grobsand sowie von Ittiri (Provinz Sassari) aus der Umgebung der Notre Dame- Kirche aus gelblichweißem Lithothamnienkalk bekannt. Auch im oberen Oligozän kommen sie — obzwar selten -— vor. Ich er- hielt ein einziges schlecht erhaltenes Exemplar von Fontanazza aus der Grube des am Meere liegenden Monte Vecchio, aus der quarzreichen Kalkbreceie, welche dem vulkanischen Tuff auflagert. Ferner ist Oallianassa Desmarestiana im unteren Mediterran (Langhien) Sardiniens vorhanden. RısTorı erwähnt sie nämlich in seiner sardinischen Arbeit bei Magomadas (Provinz Caglari, Bosa) aus einem Kalkmergel dieser Stufe. Auch im oberen Mediterran (Helvetien) ist diese Spezies häufig. So erhielt ich vom sogen. Pietra forte di S. Bartolomeo bei Cagliari — von wo sie auch RısTorı abbildet — aus lithotham- nienreichem Kalkstein über 35 Hände. Leider sind dieselben mit dem einschließenden weißen oder rötlichen Kalke derart verbunden, daß die Schale sich beim Befreien nicht vom Gesteine löst und BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 217 die Stücke bloß als Steinkerne erhalten werden können. Fig. 3 und 4 auf Taf. IV stellen ebenfalls Steinkerne dar. Desgleichen ' entstammen dem oberen Mediterran jene mehr oder weniger mangel- haften Exemplare, welche aus dem gelblichen, dichten Kalkstein von 8. Avendrace bei Cagliari und aus dem celypeaster- und neptunusführenden Kalk des Friedhofes von Üagliari hervor- gegangen sind; ebenso auch mehrere wohlerhaltene Stücke aus dem den Phlyctenodes Lovisator nov. sp. einschließenden, rötlichen Lithothamnienkalk des Cap. 5. Elia bei Cagliari, sowie die aus dem bryozoen-, foraminiferen- und lithothamnienreichen gelblichen Kalkstein des Monte S. Lorenzo bei Nulvi (Provinz Sassarı). Unter Fragezeichen zähle ich dieser Art jene untermediterranen Formen zu, welche Prof. Lovisaro aus dem spatangusführenden Kalktuff und weißen Kalkstein des Monte Ruda bei Sedini (Provinz Sassari) gesammelt hat. Schließlich gehört dieser Art wahrscheinlich auch jener Unterarm an, der aus dem Kalkstein des S. Lucia bei Ouglieri hevorgegangen ist. 2. Callianassa cf. rakosiensis, LÖRENTHEY. 1904. Callianassa rakosiensis LÖRENT.? — LÖRENTHEY. Palaeon- tologiai tanulmanyok a harmadkori rakok köreböl. [Math. es Termeszettud. Estesitö. Bd. XXIL, H. 3, pag. 163.] 1905. Callianassa rakosiensis LÖRENT.? — LÖRENTHEY. Paläon- tologische Studien über tertiäre Dekapoden. |Math. und Naturwiss. Ber. aus Ungarn. Bd. XXII, pag. 32.] 1906. Callianassa efr. rakosiensis LÖRENT. — LÖRENTHEY, Pro- tokoll. Földtanı Közlöny, Bd. XXXVI, pag. 210. 1907. Callianassa cfr. rakosiensis LÖRENT. — LÖRENTHEY. Sar- dinia rakjai pag. 69. Aus Torralba erhielt ich einige Calianassahände, welche zwischen Callianassa rakosiensis LÖRENT.* und (al. Rovasendae * (Oallianassa räkosiensis Lörent. — Lörzntury. Adatok Magyarorszag harmadkorü rakfaunäajahoz [Math. es Termeszettud. Közlemenyek. Bd. XXVIJ, H. 2, pag. 131, Taf. IX, Fig. 4] 1899. Lörensury, Beiträge zur Dekapodenfauna des ungarischen Tertiärs [Termeszetrajzi Füzetek, Vol. XXI, pag. 103, Taf. IX, Fig. 4] 1898. 218 I. LÖRENTHEY. ÜREMA* stehen. Der Carpopodit der Hand verschmälert sich auch hier nach vorn wie ‘bei diesen beiden Arten. Auch ist der Ober- wie der Unterarm mit einer Kante versehen und die Innenseite längs der Kanten — insbesondere unten — in schmaler Linie konkav. Soweit nach den mangelhaften Steinkernen geurteilt werden kann, sind auf der Innenfläche des Öarpopoditen, unmittel- bar über der unteren Kante wie bei Cal. rakosiensis und Cal. Rova- sendae, der Länge nach stehende, längliche, oben aber mit (Cal. rakosiensis übereinstimmend vertikal stehende Borstengrübchen vor- handen. An der Innenseite des unteren unbeweglichen Fingers be- findet sich eine Kante, die mit dem Unterrand einen starken Winkel “bildet, während sie bei den beiden anderen Arten mit demselben nahezu parallel verläuft. Der nahe an der Basis des Index be- findliche Zahn steht an der Außenseite und stimmt hierin mit Cal. Rovasendae überein, da er bei Cal. rakosiensis gerade umge- kehrt an den inneren Rand des Index verschoben ist. Die Ge- lenkgrube des beweglichen Fingers ist groß, sie nimmt die Hälfte der Handhöhe ein; ihr Rand — soweit dies beurteilt werden kann — ist schwulstig und außen wie innen durch Furchen begrenzt. Die äußere und innere Oberfläche scheint, abgesehen von den Borstengrübchen, glatt zu sein. Diese Form könnte ganz gut als neue Art aufgefaßt werden, da sie sowohl von Cal. rakosiensis, als auch von (al. Rovasendae ziemlich abweicht; doch führe ich sie unter der Bezeichnung (al. cfr. rakosiensis an, da einesteils die abgeriebenen Exemplare mangel- haft, anderseits die Grenzen unbekannt sind, zwischen welchen die Speziescharaktere schwanken. Fundort: Aus dem mitteloligozänen (Bormidien) feinkörnigen, grünlichen Kalksandstein von Torralba (Provinz Sassari) liegen einige Exemplare vor. 3. Callianassa calaritana, RISTORI. 1896. Callianassa calaritana RıisToRIL. Crostacei neogenici di Sardegna e di alcune altre localitä Italiane. |[Boll. d. soc. geol. Italiana. Bd. XV,:pag. 512, Taf. XII, Fig. 9.] * ÖCamırro Crema. Sopra alcuni decapodi terziarii del Piemonte. [Acead. r. d. se. di Terino.: Bd. XXX, pas. 7, Tak]; Eig. 22] 71895 BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DESAPODENFAUNA SARDINIENS. 219 1904. Callianassa calaritana RISTORI, LÖRENTHEY. Palaeontolo- giai tanulmanyok; pag. 169. 1905. Callianassa calaritana BRiSTORI, LÖRENTHEY. Paläontol. Stud., pag. 33. 1907. Callianassa calaritana Rıst. — LÖRENTHEY. Sardinia rakjaı p. 66. Von dieser Art, welche Rısrtorı als neue Spezies in die Gattung Callianassa eingereiht hat, fand ich in dem mir über- sendeten Materiale bloß jenen Steinkern vor, welcher bei Rıstorı in der zitierten Figur abgebildet ist. So kann denn auch ich von demselben nicht mehr berichten als Rısrorı mitgeteilt hat, der die Beschreibung der Art folgendermaßen gibt: „Der Unter- arm (propodit) schmal, etwas gewölbt und mit glatter Oberfläche, die Länge der Hand (carpopodit): ziemlich reduziert, die Ober- fläche sehr konvex, so sehr, daß sie der von Pagurus ähnlich ist. Der Unterrand dieser Hand kaum wahrnehmbar gezähnt, mit einer Rippe verziert. Der Index kurz und mehr plump, der be- wegliche Finger mehr oder weniger ähnlich, doch fehlt auf beiden der mittlere Zahn.“ Nach besserer Präparation des Exemplars kann ich folgendes bemerken. Der Oberrand der Hand ist länger als dies RısTorıs Figur erkennen läßt, so daß dieselbe regelmäßiger viereckig er- scheint. Die Hand ist nicht so sehr konvex, daß sie mit der von Pagurus verglichen werden könnte; auf der den Unterrand ein- säumenden Leiste läßt sich — bei dem heutigen Zustande des Stückes — keine Spur einer Zähnelung erkennen. Der Index war, namentlich an der Basis, schwach gezähnelt. Schließlich bildet der unbewegliche Finger und der Unterrand der Hand eine bedeutend geradere Linie als auf der Abbildung RısTorıs. Fundort: Aus der Vorstadt S. Avendrace von Caeliarı ist mir aus obermediterranem (Helvetien), dichtem, gelblichem Kalkstein ein vollständiges Exemplar bekannt. 4, Callianassa subterranea, MONTG. sp. [Taf. I, Fig. 11.] 1808. Cancer astacus subterraneus MONTAGU. — MonTAasU G. Descriptione of sever. mar. Anim. on the 9. Coast of 220 \- I. LÖRENTHEY. Devon. . [ Trans. Lin. Soc. Vol. IX, pag. 88, Tav. III, Fig. 1—2.] 1904. Oallianassa subterranea MONTG. sp. ÜREMA Ü. Sopra alcuni Decapodi terziarii del Piemonte. [Acead, real. d. sc. di Torino. Anno 1894—95, pag. 10, Taf. I, Fig. Sa—b.] 1904. Callianassa subterranew MONTG. sp. — LÖRENTHEY. Paläon- ' tologiai tanulmanyok, pag. 164. 1905. Callianassa subterranes MONTG. sp. — LÖRENTHEY. Paläont. Stud., pag. 39. 1906. Callianassa subterranea MONTG. sp. — LÖRENTHEY. Pro- tokoll, Földt. Közl. Bd. XXXVI, pag. 210. 1907. Callianassa subterranea MONTG. sp. — LÖRENTHEY. Sar- dinia rakjai pag. 67, Taf. III, Fig. 11. Eine aus $. George bekommene einzelne rechte Hand stimmt mit dem aus Albugnano abgebildeten Exemplare CREMAs überein. Die sardinische Form weicht höchstens insofern ab, als ihr unterer unbeweglicher Finger etwas schwächer entwickelt, der in der Mitte desselben sichtbare zahnartige Höcker aber — wie aus meiner Abbildung ersichtlich — kräftig, stärker als bei dem Exemplar von Albugnano ist. Fundort: Ich erhielt eine einzelne rechte Hand von S. George bei Alghero (Provinz Sassari) aus einem pecten- und balanus- führenden untermediterranen (Langhien) Mergelkalk. 5. Callianassa pedemontana, CREMA?. 1895. Callianassa pedemontana ÜREMA. Sopra alcuni decapodi terziarii del Piemonte; pag. 6, Taf. I, Fig. 1. 1904. Callianassa pedemontanad CREMA?. — LÖRENTHEY. Palaeont. tanulmanyok, pag. 164. s 1905. Callianassa pedemontana ÜREMA?. — LÖRENTHEY. Paläont. Stud., pag. 33. 1906. Callianassa pedemontana CREMA?. — LÖRENTHEY. Pro- tokoll, Földt. Közl. pag. 210. 1907. Callianassa pedemontana CREMA?. — LÖRENTHEY. Sar- dinia rakjai pag. 67. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 221 Aus dem Kalkmergel von Coroneddu bekam ich eine einzelne mangelhafte rechte Hand, welche auf Grund ihrer sichtbaren Charaktere zu der vom Torinoer Hügel beschriebenen Art ÜREMAs ‘gestellt werden muß, nachdem auf sie die folgende Beschreibung von CREMA paßt. „Die Hand beinahe vollkommen quadratisch. Die Außenseite konvex, die innere flach, bezw. schwach konkav und beide gänzlich glatt. Sowohl der Ober-, als auch der. Unter- rand scharf, insbesondere der letztere, welcher mit zwei Reihen Borsten eingefaßt war; die Grübchen der einen, spärlichen Borsten- reihe befinden sich an der äußeren, die der anderen, dichteren an der inneren Seite. Der Hinterrand scheint beinahe gerade zu sein. Der steife (unbewegliche) Finger kräftig und kurz, spitzig, etwas gebogen, der Umriß dreieckig, am oberen Teil mit zwei Kämmen, durch deren einen der Außen-, durch den anderen der Innenrand gebildet wird. Der den Außenrand bildende sehr ge- bogen, fein gezähnelt; der andere (Innenrand) weniger gebogen, - rippenartig auf die Innenfläche der Hand herabreichend und unter der Gelenköffnung eine kleine Vertiefung bildend. Diese beiden Kämme vereinigen sich am Ende des Index, inzwischen eine dreieckige, schwach konkave Höhlung einschließend, durch welche die obere Fläche des unbeweglichen Fingers gebildet wird. Auf dem Index, ferner auf dem Teile zwischen seiner Basis und der Gelenkfläche des beweglichen Fingers verläuft sowohl an der Innen- als aueh an der Außenseite je eine Reihe Borsten nahezu parallel mit den Rändern des Fingers.“ An dem von Prof. LovisaTo gesammelten Exemplar kann bloß jene Eigentümlichkeit des Index — infolge seines schlechten Erhaltungszustandes — nicht beobachtet werden, wonach die Gelenkfläche an der Basis in zwei nach vorn gebogenen und spitzen Tuberkeln endigt. Zur Ergänzung der Beschreibung kann noch erwähnt werden, daß die innere Kante schwach und abgerundet, die höher gelegene äußere dagegen kräftig und scharf ist; daß ferner unter der inneren wie unter der äußeren Kante einige runde Borstengrübchen verstreut sind. Der bewegliche Finger fehlt auf diesem Exemplar. Fundort: Ich erhielt ein einziges mangelhaftes Exemplar dieser Art aus dem untermediterranen (Langhien) graulichen Kalk- 222 I. LÖRENTHEY. mergel von Öoroneddu in der Planorgia (Provinz Cagliari, Bosa). Dieses einzelne mangelhafte Exemplar stelle ich bloß unter Fragezeichen zur Cal. pedemontana, umsomehr als sie CREMA selbst nur bedingungsweise als neue Art mitteilt. 6. Callianassa ind. sp. 1904. Callianassa ind. sp. LÖRENTHEY. Palaeontologiai tanul- maänyok, pag. 165 und 164. 1905. Callianassa ind. sp. LÖRENTHEY. Paläont. Studien, pag. 32 und 33. Unter dieser Bezeichnung fasse ich sämtliche artlich unbe- stimmbare Callianassen oder Formen zusammen, die als solche betrachtet werden können. Fundort: Solche Stücke bekam ich von folgenden Lokali- täten, u. zw. aus dem mittleren Oligozän (Bormidien): aus dem feinkörnigen Kalksandstein der Gemarkung von Nurri; aus dem scutella- und clypeasterführenden grünlichgelben Sandstein in der Umgebung der Notre-Dame-Kirche in Ittiri (Provinz Sassari); — aus dem oberen Oligozän (Aquitanien): vom Strande bei Fontanazza, aus der Grube des Monte Vecchio, aus dem Kalk- tuff im Hangenden des vulkanischen Tuffs; — aus dem unteren Mediterran (Langhien): aus dem graulichen dichten Kalkstein und Tonmergel von Bonorva; ferner vom Weinberg Cugia bei Cagliari, aus dem mit Steinkernen und Abdrücken von Mollusken und Korallen erfüllten harten, gelblichbraunen Kalkstein; — aus dem oberen Mediterran (Helvetien): aus dem gelblichen dichten Kalkstein von 3. Avendrace (Cagliari); aus körnigem weißem Kalkstein ähnlichen Alters, sowie dem .auflagernden gelblichen lockeren Kalkmergel von Is. Mirrionis (Cagliari), aus dem Kalk- stein von S. Lucia bei Cuglieri; aus dem heterosteginen- und lithothamnienführenden gelblichen Kalkstein des Monte 8. Lo- renzo bei Nulvi (Provinz Sassari); schließlich aus dem dichten Kalkstein vom Capo della Frasca; — aus der sarmatischen Stufe (Tortonien): im lockeren, weißlichen Kalkstein vom Capo S. Marco fand ich ebenfalls Spuren, die wahrscheinlich einer Cal- lianassaart angehören. ” D ID) BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. > B. ANOMURA M. Epw. I. Paguridae. Pagurus FABR. 7. Pagurus Manzonii, RISTORI. 1391. Xantho®? Manzonii Rıst. — Rıstorı G. Alcuni Crostacei del miocene medio: Italiano, pag. 2, Tav. IV, Fig. 1—4. 1895. Xantho? Manzonii RIST. — ÜREMA. Sopra alcuni deca- - podi terziarii del Piemonte, pag. 18. 1896. Pagurus Manzoniü Rıst. — RisTorı G. Crostacei neo- genici di Sardegna e di alcune altre localita Italiane, p. 511, Tav. XII, Fig. 6—8. 1904. Pagurus Manzonit RısT. — - LÖRENTHRY. Palaeontologiai tanulmanyok a harmadkoru rakok körebül, pag.163 und 164. 1904. Pagurus efr. Manzonti Rıst. — LÖRENTHEY. Ibid. p. 164. 1905. Pagurus Manzonii RısTt. — LÖRENTHEY. Paläont. Stud., pag. 32 u. 33. 1905. Pagurus cfr. Manzonii Rıst. — LÖRENTHEY. Ibid, p. 33. 1907. Pagurus Manzonii Rıst. — LÖRENTHEY. Sardinia rakjai pag. TO. In dem „Tramezzarıo“ von S. Avendrace befinden sich nebeneinander typische gedrungene und verlängerte schmale Hände, die ich aber als einer Art angehörend betrachten muß. In meinem als Auszug der vorliegenden Arbeit in den Mathem. u. Naturw. Berichten aus Ungarn Bd. XXII publizierten vorläufigen Bericht erwähne ich diese schlankeren Formen als Pagurus efr. Manzomit Rıst., nachdem ich sie aber besser präpariert hatte, überzeugte ich mich davon, daß es zweckmäßiger ist, diese so wie so mangel- haften Exemplare mit Bestimmtheit zu Pagurus Manzonüi zu stellen, nachdenı auch zwischen den beiden Händen eines Indivi- dıums Abweichungen solchen Grades vorkommen. Fundort: Aus dem mittleren Oligozän (Bormidien) liegen meist: mangelhafte Exemplare vor, wie z. B. aus dem feinkörnigen Kalksandstein der Gemarkung von Nurri, weshalb ich dieselben unter Fragezeichen hierher zähle Unter Fragezeichen stelle ich hierher noch ein abgeriebenes Exemplar, welches ich vom sogen. 224 I. LÖRENTHEY. Pietra Forte, Lamarmora, aus der zum Gefängnis von $. Bar- tolomeo gehörenden Grube, vom Cap. S. Elia bei Cagliari aus dichtem, weißem Kalkstein erhielt. Wahrscheinlich stammt auch ein als Grundlage der Speziesbeschreibung dienendes Ori- ginalexemplar von hier, welches RısToRI in seiner sardinischen Arbeit Taf. XII, Fig. 6 abbildetee Dem unteren Mediterran entstammt aus dem gelblichen Kalkmergel des Monte S. Michele bei Cagliari das in Rıstorıs sardinischer Arbeit Taf. XII, Fig. 7 abgebildete Exemplar sowie mehrere Bruchstücke, die ich geneigt bin ebenfalls hierher zu zählen. Auch aus dem Mergelkalke des Pietra cantone di S. Michele bei Cagliarı sind Exemplare von Pagurus Manzonii vorhanden, die RısToRI in seiner Arbeit über die miozänen Dekapoden Sardiniens auf Taf. IV, Fig. 2 und 5 auch abgebildet hat. Aus dem Kalkmergel von Monte S. Michele bei Cagliarı liegen ferner Exemplare mit schmaler Hand und langen Fingern vor. Im oberen Mediterran (Helvetien) ist die Spezies ebenfalls an mehreren Lokalitäten vorhanden. So im gelblichen Kalkstein (tramezzario) des Monte della Pace bei Cagliari. Von hier bildet Rısrorı auf Taf. XII, Fig. 8 zwei mangelhafte Exemplare ab. Auf Grund der Sammlungen Prof. LoviısarTos ist sie auch aus dem Mergelkalk (tramezzario) von S. Avendrace bei Cagliari bekannt. Im graulichen, lockeren Mergelkalk der Piazza d’Armi oder Is Mirrionis von Cagliari kommen die Steinkerne großer Finger vor, welche RısTorI nach dem Briefe Prof. LovısaTos ebenfalls zu dieser Art gestellt hat. Von dieser in den Formenkreis des lebenden Pagurus brunnea DAanA und des mediterranen P. priscus Broccı gehörenden Art sind in dem von Prof. LovısAarTo erhaltenen Materiale zahlreiche Exemplare vorhanden. Die Stücke sind meist Steinkerne oder aber die Schale — wo vorhanden — derart ausgelaugt, daß sich auf derselben die Charaktere kaum deutlich erkennen lassen Ich hatte Gelegenheit, Rıstoris sämtliche aus Sardinien stammende Öriginalexemplare zu untersuchen, doch erübrigt mir nichts, was ich an seine Mitteilungen knüpfen könnte. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 225 8. Pagurus (cfr.) substriatus(?), M. EDW. 1396. Pagurus (cfr.) substriatus(?) M. Epw. — RiıstorI G,, Crostacei neogenici di Sardegna usw. pag. 510, Taf. XII, Fig. 5. 1904. Pagurus (efr.) substriatus(?) M. Epw. LÖRENTHEY. Palaeontologiai tanulmanyok a harmadkoru rakok köreböl. |Math. es Termeszettud. Ertesitö. Bd. XXII, H. 3, pag. 163]. 1904. Pagurus substriatus M. Epw.(?) — LÖRENTHEY. Ibid. 1905. Pagurus (cfr.) substriatus(?) M. Epw. — LÖRENTHEY. Paläontologische Studien über tertiäre Dekapoden; p. 39. 1905. Pagurus substriatus M. Epw.(?). — LÖRENTHEY. Ibid. 1907. Pagurus (cfr.) substriatus (?) M. Epw. — LÖRENTHEY. Sardinia rakjai, p. 72. In dem vom Professor LovısaTo erhaltenen Material befinden sich zwei Stücke, die unter Fragezeichen zu dieser Art gestellt werden können. Das eine ist das Original zur obigen Abbildung Rıstoris. Es ist dies — wie auch Rıstorı bemerkt — der Steinkern einer Hand und ihres Indexes, welchem die die Arten- charaktere tragende Kalkschale fehlt. RıstorI beschreibt ihn deshalb auch gar nicht, sondern bildet ihn bloß ab und läßt, denselben mit Fragezeichen versehen, die endgültige Bestimmung in Schwebe. Doch hebt er hervor, daß sich der aus dem Pliozän bekannte Pagurus substriatus M. Epw. gerade durch die Nähe der schuppenartigen Falten der Schere und die bedeutende Ver- schiedenheit der den Rand der Falten verzierenden Tuberkel vom lebenden Pagurus striatus DANA unterscheiden. Ich kann zu den Aufzeichnungen RısToris höchstens noch bemerken, daß seine Abbildung nicht zum besten gelungen ist. Die die Oberfläche verzierenden Leisten und dieselben einsäumen- den Furchen erstrecken sich nämlich — soweit dies am Steinkern sichtbar ist — wellig und mehrfach unterbrochen vom Ober- zum Unterrand, während sie bei RısTorı Au lu 2 a und beinahe gerade verlaufend dargestellt sind. Das zweite Exemplar ist eine mangelhafte linke Hand, von der bloß die abgeriebene und ausgelaugte Innnenseite sichtbar ist, während die ceharakteristischere Außenseite nicht studiert werden Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 115) 226 I. LÖRENTHEY. kann, nachdem ich mir infolge des schlechten Erhaltungszustandes dieselbe aus dem umgebenden Kalkmergel nicht zu befreien wagte. So kann sie also bloß unter Fragezeichen zu Pagurus substriatus M. Epw. gezählt werden. Fundort: Einen Steinkern hat Professor LovisAaTo bei Cagliari aus dem im Liegenden des obermediterranen Sand- steines von Cap. S. Elia befindlichen, ebentalls obermediterranen (Helvetien) Kalkmergel, — ein zweites Exemplar aber, eine mangel- hafte linke Hand, im untermediterranen Kalkmergel des Monte S. Michele bei Oagliari gesammelt. 9. Pagurus mediterraneus nov. sp. Rat IT Ries5@20.] 1904. Pagurus efr. substriatus M. Epw.? — LÖRENTHEY. Palae- ontol. tanulmanyok, pag. 169. 1905. Pagurus efr. substriatus M. Epw.? — LÖRENTHEY. Paläont. Stud. pag. 39. 1906. Pagurus mediterraneus nov. sp. LÖRENTHEY. Protokoll, Földt. Közl. p. 210. 1907. Pagurus mediterraneus nov. sp. LÖRENTHEY. Sardinia räkjai, p. 75, Taf. 4, Fig. 5. Von den bisherigen Pagurushänden weicht jene linke Hand ab, die Professor LoRISATO im Mergelkalke des Monte della Pace bei Cagliari gesammelt und als Pagurus substriatus M. Epw. bestimmt hat, die ich aber später in Erkenntnis der Unter- schiede unter der Bezeichnung Pagurus cfr. substriatus erwähnte. Es ist zwar richtig, daß bei den Anomuren — wie bereits er- wähnt — die Hand ziemlich variabel, ja sogar bei demselben Individuum die rechte und linke Hand abweichend entwickelt ist, doch offenbaren sich diese Unterschiede mehr in der Größe, während die Verzierung — wenigstens dem Wesen nach — be- ständig zu sein pflegt. Meine Form ist jedenfalls nahe mit Pagurus substriatus verwandt, doch glaube ich trotzdem, daß die weiter unten aufgezählten Unterschiede die artliche Abtrennung gerechtfertigt erscheinen lassen sowie auch, nachdem mir eine BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 227 ähnliche Form nicht bekannt ist, die Aufstellung einer neuen Art. Da die mir bekannte einzige Hand nicht am besten erhalten, ihre Oberfläche nämlich ausgelaugt und die Verzierung infolgedessen nicht deutlich sichtbar ist, kann ich über sie nicht viel mehr be- richten, als meine Abbildungen veranschaulichen. Ihre Charaktere können in Kürze folgendermaßen zusammen- gefaßt werden: Die flach zylindrische, nach vorn etwas ver- schmälerte Hand bedeutend länger als hoch, an der Außenseite gleichmäßig konvex, innen konvexer. Etwas unter der Mittellinie der Hand verläuft eine schwache Kante parallel mit dem Unter- rand. Diese Kante geht ungefähr vom unteren Drittel der hinteren Gelenköffnung der Hand aus und endet am unteren Rand der Gelenköffnung des beweglichen Fingers. Unter derselben ist die Oberfläche der Hand konvex, ober ihr dagegen flach. Die Oberfläche mit wellig verlaufenden, mehrfach unterbrochenen schuppenartigen Falten bedeckt, die am Oberrand der Hand in kräftigen Stacheln endigen. Die hintere Gelenköffnung der Hand groß und weit, mit einer durch Furchen stark begrenzten Leiste umgeben. Soweit nach der ausgefressenen Oberfläche beurteilt werden kann, ist der Greifrand der Finger gezähnt, bezw. mit Tuberkeln bedeckt. Der unbewegliche und bewegliche Finger von ungefähr gleicher Länge, jedoch bedeutend kürzer als die Hand, zylindrisch, wenig bogenförmig und bloß die innere, zum Greifen dienende Fläche hinter dem gezähnten Finger flach. Der einzigen Hand Länge bis zum Zwischen- raum der. beiden Fmger . . . . . . 20mm Breiten (Hohes 2 a met ee nalen > icons 2 m ar a u er Diese sardinische Form ist die nächste Verwandte des plio- zänen Pagurus substriatus M. Epw., der 1846 durch SısmonDa, mit dem lebenden Pagurus striatus, DAnA identifiziert, von Pie- mont unter diesem Namen beschrieben wurde.* Nachdem aber * E. Sısmonpa. Descrizione dei pesci e dei crostacei fossili nel Pie- monte. |Mem. della R. Accad. della sc. di Torino. Ser. I, tom. X, pag. 69, 70, Tav. III, Fig. 8.] Torino 1846. le 228 I. LÖRENTHEY. die pliozäne Form durch die Nähe der die Schere verzierenden schuppenartigen Falten und die bedeutende Verschiedenheit der Tuberkel des Randes von der lebenden abweicht, wurde sie von M. EDwArD als neue Art Pagurus substriatus benannt.” Später erwähnt sie SISMONDA selbst als Pagurus substriatus** und auch RısTor1.*** Meine neue Spezies Pagurus mediterraneus weicht jedoch vom Pagurus substriatus wesentlich ab, da die Hand des letzteren nahezu so breit (hoch) als lang ist, während sie bei Pagurus mediterraneus bedeutend länger als hoch ist. Außerdem ist an der Innenfläche der Hand bei Pagurus mediterraneus eine schwache Kante vorhanden, der Oberrand der Hand mit Stacheln ver- ziert wie bei Pagurus priscus BROCC., während dagegen bei Pagurus substriatus die Stachelverzierung sowohl der innern Kante wie des Oberrandes fehlt. Schließlich herrscht auch in der vertikalen Verbreitung zwischen den beiden Arten ein wesentlicher Unterschied, denn während Pagurus mediterraneus im oberen Mediterran, lebte Pagurus substriatus im Pliozän. Fundort: Professor LovIsAaTo sammelte bloß eine linke Hand dieser interessanten neuen Art bei Cagliarı ım ober- mediterranen (Helvetien) Kalkmergel des Monte della Pace. II. Galatheidae. Galathea, FABR. 10. Galathea affinis RISTORI. 1386. Galathea affınis RiSTORI. |] crostacei brachiuri e anomuri del pliocene Italiano; pag. 36, Tav. II, Fig. 18. 1904. Galathea affinis RıstorRI?. LÖRENTHEY. Palaeontologiai tanulmanyok, pag. 164. * M. EpwArv. L’Institut, journal universel des sciences n. 1418, 6 mars 1861. ** B, Sısuonpa. Appendice alla descrizione dei pesci e dei crostacei fossili nel Piemonte. [Mem. della R. Accad. della sc. di Torino. Ser. I, tom. XIX, pag. 20—21] Torino 1861. ### G. Rıstorı. 1 Crostacei del Pliocene Ital. pag. 34, Tav. IH, Fig. 14—15. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 229 1905. Galathea affınis RısTORI?. LÖRENTHEY. Paläont. Studien pag. 33. 1906. Galathea affinis Rıst. LÖRENTHEY. Protokoll, Földt-Közl., PRO! 1907. Galathea affınis Rıst. LÖRENTHEY. Sardinia räkjai, p. 75. Während in den bisher untersuchten jüngeren Tertiärbildungen die Anomuren höchstens durch ein oder zwei Arten der Gattung Pagurus vertreten waren, ist im Miozän Sardiniens außer den im vorhergehenden beschriebenen drei Pagurusarten auch noch eine Galathea vorhanden. \ Jene beiden mangelhaften Exemplare, welche Professor Lovısaro vom Capo S. Marco bei Oristano aus einem lockeren sarmatischen Kalkstein gesammelt hat,’ sind — soweit ich dies nach dem einen mangelhaften Cephalothorax zu beurteilen ver- mag — mit jener Art identisch, die Rıstori aus dem Pliozän Siziliens aus Bianchi von der Ebene Sequenza asti beschrieben hat. An dem erwähnten Exemplar fehlt der Frontalrand und der hintere linke Teil des Cephalothorax; was jedoch an demselben zu sehen ist, stimmt mit Rıstorıs Abbildung und Beschreibung überein. Das sardinische Exemplar erreicht nicht ganz die halbe Größe des sizilianischen, da es eine Länge von ca 13 mm und eine Breite von 10 mm besitzt, während die sizilianische Form, auf Rıstoris Abbildung gemessen, 29 mm lang und 22 mm breit ist. Auf Grund des sardinischen Exemplars kann ich, wenn es tatsächlich mit der pliozänen Spezies RıstToris artlich identisch ist, die Charaktere der Art mit einer neuen Angabe ergänzen, nämlich, daß die die Oberfläche schmückenden wellig verlaufenden Leisten am Seitenrand in nach vorn gerichteten kräftigen Stacheln enden. Diese Stachel werden nach hinten zu schwächer. Fundort: Von dieser mit der lebenden Galathea strigosa nahe verwandten pliozänen Art sammelte Professor LoVIsATo zwei mangelhafte Exemplare im lockeren, fossilreichen, weißlichen, salzig schmeckenden sarmatischen Kalkstein des Capo S. Marco bei Oristano. 230 I. LÖRENTHEY. C. BRACHYURA. I. Oxythomidae. Hepatinulus RISTORI. 11. Hepatinulus Lovisatoi nov. sp. [Taf. I, Fig. 8.] 1904. Hepatinulus Lovisatoi nov. sp. LÖRENTHEY. _Palaeont. tanulmanyok, pag. 164. 1905. Hepatinulus Lovisatoi nov. sp. LÖRENTHEY. Paläont. Studien, pag. 33. 1906. Hepatinulus Lovisatoi nov. sp. LÖRENTHEY. Protokoll, Földtani Közlöny, Bd. XXXVI, pag. 210. 1907. Hepatinulus Lovisatoi nov. sp. LÖRENTHEY. Sardinia räk- jals p2.06,, Tat I Rıg7 8. Der einzige bekannte Vertreter der von Rıstorı aufgestellten Gattung Hepatinulus war Hepatinulus Sequentiae RiSTORI, welchen RısTorı aus dem Pliozän Siziliens auf Grund zweier fragmenta- rischer Exemplare beschrieben hat.“ Demselben reiht sich nun eine zweite Art an, welehe dem unteren Mediterran von Cagliari (Weingärten Ougia) entstammt und die ich zu Ehren ihres Ent- deckers, Herrn Professor LovIsATo, benenne. Die vorliegende kleine Brachyure stimmt der äußeren Form nach am besten mit der Gattung Hepatinulus Rıst. überein, wes- halb ich sie zur selben stelle, obzwar ihre Hauptregionen schärfer getrennt sind als bei Hepatinulus Sequentiae Rıst. Auf dem ein- zigen sardinischen Exemplar fehlt nicht nur der Stirnrand wie bei Hepatinulus Sequentiae, sondern auch noch der Hinterrand. Die Charaktere der Art können wie folgt zusammengefaßt werden. Der rundliche Cephalothorax dürfte in vollständigem Zustande ebenso lang als breit gewesen sein (1D mm) und wenig gewölbt. Die ganze Oberfläche mit runden Tuberkeln von zweierlei Größe dicht besät. Der Unterrand des Cephalothorax gezähnelt. Der Stirnrand fehlt, doch dürften — soweit dies am vorhandenen Teil beurteilt werden kann — die sehr nahe neben einander befind- * I crostacei brachiuri e anomuri del pliocene Italiano. [Boll. d. soc. geol. Ital. vol. V., pag. 51, Tav. III, Fig. 6—7, Roma 1886.] BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 231 lichen Augenhöhlen durch einen schmalen abwärts und etwas nach vorn gerichteten dreieckigen Stirnrand getrennt gewesen sein. Die vorderen Seitenränder kurz, schwach bogig und einen zusammenhängenden Bogen mit den etwas längeren und ebenfalls leicht gebogenen hinteren Seitenrändern bildend. Keiner derselben verziert, sondern glatt. Die stark hervortretenden Hauptregionen durch breite Vertiefungen von einander getrennt; besonders stark sind die die Gastralcardialregionen von den Hepatical- und Bran- chialregionen trennenden eingedrückten Furchen. Die Gastral- region unregelmäßig hexagonal, ihr vorderer Teil von der in der Mittellinie verlaufenden Kante gegen die Hepaticalregion zu dach- artig abfallend, nach hinten dagegen unvermerkt in den ent- sprechenden hinteren Teil der Hypogastral- und Urogastralregion übergehend. Dieser Teil ist im ganzen fünfeckig und mit vier, kaum hervortretenden Tuberkeln geschmückt, deren drei (auf der ‘ Abbildung sind bloß zwei sichtbar) in der Linie des größten Breitendurchmessers in einer Reihe stehen und den höchsten Teil des Cephalothoraxes bilden, während die vierte sich hinter den- selben in der Mittellinie befindet. Die Cardialregion durch eine ziemlich scharfe, schmale Furche* von der Gastralregion getrennt, die — wie es scheint — oval und stark hervortretend war. Die Hepaticalregion ist ziemlich entwickelt, stark gewölbt, oval; die untere Hepaticalregion ebenfalls ziemlich gewölbt und durch eine Mittelfurche entzweigeteilt. Die große Branchialregion eiförmig, stark gewölbt, in der Mitte mit einem kräftigen Höcker verziert, der um etwas weniges hinter dem größten Breitendurchmesser, in der Nähe der Gastralregion steht. Der obere Teil der Bran- chialregion durch einen abgerundeten Kiel vom untern getrennt. Auf dem einzigen abgeriebenen Stück ist bloß der mangelhafte Cephalothorax erhalten, während Abdomen und Gliedmaßen gänz- lich fehlen. Dimensionen: ange car 0 a. 9n, Oümm Breite 2 were. oe u. L0smm Merhaltnısnderabeiden 2 2 2 Zee Eloher Se An mm * Diese Furche ist auf der Abbildung (Taf.], Fig. 8) nicht veranschaulicht, N (St ID I. LÖRENTHEY. Es ist überflüssig diese neue mediterrane Art mit dem bis- her allein bekannten pliozänen Hepatinulus Sequentiae eingehender zu vergleichen, da ein Vergleich der Rıstorischen Abbildung mit der meinigen die sehr wesentliche Verschiedenheit der beiden Arten auf den ersten Blick erkennen läßt. Bei meiner neuen Art, Hepatinulus Lovisatoi, sind — wie bereits erwähnt — die Hauptregionen nicht durch „sehr feine, kaum wahrnehmbare Furehen“ von einander getrennt, sondern durch breite, furchen- artige Vertiefungen. Hierdurch ist ein derart scharfer Unterschied zwischen den bisher bekannten beiden Arten der Gattung Hepa- tinulus, dem Hepatinulus Sequentiae und Hepatinulus Lovisatoı, bedingt, daß sie — würden von diesem wie von jenem bessere Stücke vorliegen — vielleicht gar nicht in ein Genus einge- reiht werden könnten. Betrachten wir sie jedoch als einem Genus angehörend, so werden die von RiSTORI festgestellten Gattungscharaktere durch Hepatinulus Lovisatoi entschieden modi- fiziert, zumindest die die Regionen trennenden Furchen und so einigermaßen auch die Ausbildung der Hepaticalregion be- treffend. Fundort: Ein einziges mangelhaftes Exemplar der Art wurde von Professor LoGISATO bei Cagliari im untermediterranen Kalkstein des Weinberges Cugia gesammelt. Ebalia LEACH. 12. Ebalia Lamarmorai nov. sp. Taf. I, Fig. 2 und 3a—b.] 1904. Ebalia nov. sp. LÖRENTHEY, Palaeontologiai tanulmänyok. pag. 163. 1904. Ebalia Cranchii LEACH var. romana Rısr.?. Ibid. pag. 163. 1905. Ebalia nov. sp. LÖRENTHEY, Paläontol. Studien, pag. 32. 1905. Ebalia Cranchii LEACH var. romana Rıst.?. Ibid. pag. 32. 1906. Ebalia Lamarmorai nov. sp. LÖRENTHEY. Protokoll, Föld- tani Közlöny, Bd. XXXVI, pag. 210. 1907. Ebalia Lamarmorai nov. sp. LÖRENTHEY. Sardinia rakjai, p. 79 Tat. II) Big 220002. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 233 Diese neue Spezies aus dem Untermediterran Sardiniens ist die älteste Vertreterin der Gattung Ebalia; bisher waren nämlich bloß aus dem Pliozän versteinerte Tiere dieser im Mittelländischen Meere wohnenden Gattung bekannt, und zwar Ebalia Bryerii LEACH aus dem englischen Orag, — Ebalia Pennantii LEACH und Ebalia Cranchii LEACH var. romana RisT. aber aus dem italie- nischen Oberpliozän. Die abgeriebenen mangelhaften Exemplare weichen auf den ersten Blick von sämtlichen bisher bekannten Fbalien ab und sind somit Vertreter einer wohlcharakterisierten neuen Art, deren Charaktere folgendermaßen zusammengefaßt werden können. Der außerordentlich kleine Cephalothorax ist nicht sowohl rundlich, als vielmehr, im ganzen genommen, herzförmig. In der Richtung des Breiten- wie des Längendurchmessers gleichmäßig und schwach gewölbt. Die Regionen sind nicht von einander gesondert und bloß durch tuberkelartige Erhebungen angedeutet. Die ganze Oberfläche des Cephalothoraxes mit verhältnismäßig großen runden Tuberkeln übersät. Der Stirnrand fehlt. Der kurze und einen leicht konkaven Bogen bildende vordere Seiten- rand vermittels eines stark abgerundeten stumpfen Winkels in den etwas längeren und ebenfalls einen schwach konkaven Bogen bildenden hinteren Seitenrand übergehend. Der unter sämtlichen kürzeste und in zwei abgerundeten schwachen .dornartigen Höckern endigende Hinterrand sehr kurz und ebenfalls konkav. Die Ränder ohne Verzierung, glatt und unvermerkt in einander übergehend. Auf dem der mittleren Gastralregion entsprechenden Teile befinden sich zu beiden Seiten der Mittellinie unmittelbar vor dem größten Breitendurchmesser zwei schwache Tuberkel (Fig. 3a, und b) und etwas hinter denselben, auf den Branchialregionen, ebenfalls je eine etwas schmälere Tuberkel, die auf dem Exemplar Fig. 3 kaum, wohl aber auf dem Steinkern Fig. 2 sichtbar sind. Be- deutend stärker und größer als die übrigen ist jene Tuberkel, welche die Cardialregion bedeckt; rechts und links von der- selben ist ebenfalls je eine kleine schwache Tuberkel in der hintere Ecke der Branchialresionen vorhanden. In der Nähe der Tuberkel sind die Regionen leicht erhoben, wodurch ge- wisse tief liegende, furchenartige Partien entstehen. Solche mar- 234 I. LÖRNNTHEY. kieren die Grenze zwischen der Gastrocardial- und den Bran- chialregionen. Fig.3 Fig.2 (Steinkern) Dimensionen: Breite... . . . 43 mm 4,5 mm Länge ungefähr ebensoviel Hohes. 2%... 02mm 2 mm Es ist bloß der Cephalothorax bekannt, Abdomen und Ex- tremitäten fehlen. Nahe verwandt mit dieser außerordentlich kleinen mediter- ranen Art ist Kbalia Oranchiü LEACH var. romana Rıst., welche Rıstorı aus dem Pliozän Italiens beschrieben hat. Meine Form ist jedoch noch kleiner, ihr vorderer und hinterer Seiten- sowie ihr Hinterrand nicht so sehr konkav wie bei Rıstorıs Varietät und der Berührungswinkel des vorderen und hinteren Seitenrandes bei meiner Form mehr abgerundet. Die beiden stachelartigen Enden des Hinterrandes sind bei Zbalia Lamarmorai bedeutend schwächer als bei Rısrorıs Varietät. Die Tuberkel der Cardial- region ist bei meiner neuen Art größer, stärker und auch mehr nach hinten verschoben als bei var. romana; die übrigen Tuberkel dagegen schwächer ausgebildet und beinahe in einer Linie stehend, während sie bei var. romana einen stärker gebogenen Halbkreis bilden, länglicher und kräftiger sind. Ebalia Lamarmorai ıst also, trotzdem sie der Ebalia Oranchii var. romana nahe steht, auf Grund ihrer Charaktere doch eine gut charakterisierte neue Art. Ein Exemplar von Zbalia Lamar- morai nahm ich anfangs unter Fragezeichen zu Ebalia Cranchü LEACH var. romana Rıst., doch stellte sich später die Zugehörig- keit der beiden Exemplare zu einer Art heraus. Ich benannte dieselben zum Andenken an LAMARMORA, der sich in der Er- forschung der geologischen Verhältnisse Sardiniens unvergängliche Verdienste erworben hat, Kbalia Lamarmorai: Fundort: Die bisher älteste Vertreterin der im Mittellän- dischen Meere noch heute lebenden Gattung Ebalia ist Ebalia Lamarmorai, deren zwei mangelhafte Exemplare Professor LOVISATO bei Cagliari im untermediterranen Kalkmergel des S. Michele gesammelt hat. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 235 -Galappa FABR. 13. Calappa sp. ind. RISTORI. [Taf. II, Fig. 7.] 1896. Calappa sp. ind. RiSTORI, Crostacei neogenici di Sardegna e di alcune altre localitä Italiane; pag. 507, Tav. XII, Fig. 11. 1904. COalappa sp. ind. Rıstorı. LÖRENTHEY, Palaeont. tanulm. pag. 163. 1904. Calappa? sp. ind. RısTorI. LÖRENTHEY, Ibid. pag. 164. 1905. Calappa sp. ind. Rıstori. LÖRENTHEY, Paläont. Stud. pag. 32. | 1905. Calappa? sp. ind. Rıstori. LÖRENTHEY, Ibid. pag. 33. 1907. Calappa sp. ind. Rıst. LÖRENTHEY, Sardinia rakjai, p. 81, rn IN, ns fe Mit dem sardinischen Material bekam ich auch das von Rıstort aus dem gelblichen Kalkmergel des S. Guglielmo bei Cagliari abgebildete Calappaexemplar, von welchem es sich heraus- stellte, daß Rısrorıs Abbildung (Taf. XI, Fig. 11) gänzlich ver- fehlt ist. Hinesteils war das Stück nicht 'hinlänglich präpariert und wurde infolgedessen auch eine Partie des Gesteinsmaterials als ein Teil des Fingers dargestellt, anderseits der fehlende Teil fehlerhaft ergänzt. Ich habe das Exemplar präpariert und nach einem anderen Exemplar ergänzt von neuem abbilden lassen. Rısrorıs Abbildung ist von meiner so grundverschieden, dab man gar nicht glauben möchte, daß beide (abgesehen von dem ergänzten Fingerteil) von einem Exemplar hergestellt wurden. Fundort: Von dieser in den untermediterranen Bildungen Sardiniens ziemlich verbreiteten Calappaart sind bloß die beweg- lichen Finger, bezw. bloß deren Fragmente bekannt, infolgedessen sie spezifisch auch nicht bestimmt werden kann. Professor Lovısato hat sie bisher an folgenden Lokalitäten gesammelt: bei Cadreas (Provinz Sassari) aus dem untermediterranen Tonmergel des Weißen Grabens oberhalb Bonorva ein Fragment, bei Cagliari aus dem gelblichen untermediterranen Kalkmergel des _ Monte $. Michele ein weiteres Fragment und schließlich in Cagliari aus dem gelblichen untermediterranen Kalkmergel des S. Guglielmo ebenfalls ein Bruchstück. DD SE) a I. LÖRENTHEY. 14. Calappa sp. ind. Es liegen mehrere unbestimmbare Hand- bezw. Fingerfrag- mente aus den Tertiärbildungen Sardiniens vor, die ich unter gemeinschaftlichem Namen aufzähle, obzwar es möglich ist, daß eines oder das andere einer anderen verwandten Gattung angehört. Fundort: Gemarkung von Nurri, mitteloligozäner Kalk- sandstein. Monte S. Michele bei Cagliari, untermediter- raner gelblicher Kalkmergel. Weißer Graben ober Bonorva, untermediterraner Tonmergel. Eisenbahnstation Bonorva, untermediterraner graulicher, dichter Kalkstein mit Steinkernen von Händen. Vorstadt S. Avendrace von Cagliari, gelblicher, dichter, obermediterraner Kalkstein. 15. Calappa? sp. ind. [Taf. IT, Fig. 8] 1907.. Calappa? sp. ind. LÖRENTHEY. Sardinia rakjai, p. 82, Tat V, Ric. Die abgebildete Hand (Propodit) und ein Carpopodit, welche von Professor LOvVIsATO bei Bonorva gesammelt wurden, gehören wahrscheinlich irgend einer Calappaart an. Fundort: Professor LORISATO sammelte eine rechte Hand und einen Öarpopodit unweit der Eisenbahnstation Bonorva in untermediterranem Kalkstein. Mursiopsis RISTORI. 16. Mursiopsis? ind. sp.? 1904. Mursiopsis? ind. sp.? LÖRENTHEY, Palaeont. tanulm. p. 163. 1905. Mursiopsis? ind. sp.? LÖRENTHEY, Paläont. Studien, p. 33. 1907. Mursiopsis? ind. sp.? LÖRENTHEY, Sardinia räkjai, p. 82. Aus dem erhaltenen Material präparierte ich ein unbestimm- bares Cephalothoraxfragment (Mittelstück), welches noch mit größter Wahrscheinlichkeit ein Vertreter der von RısTorI auf- gestellten Gattung Mursiopsis sein kann, da das vorhandene Cephalothoraxfragment den gleichen Teilen des aus dem unteren BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 237 Miozän von Piemont beschriebenen Mursiopsis pustulosus Rıst. am ähnlichsten ist. Es erinnert jedoch auch an die lebende Gattung Acanthocarpus sowie an die von M. EpwArDps aus Biaritz be- schriebene Stenodromia gibbosa | Paleontologie de Biaritz. (Congres scientifigue de France 1873.)] Fundort: Ein wahrscheinlich hierher gehörendes Cepha- lothoraxfragment wurde von Professor LOVISATO aus dem ober- mediterranen (Helvetien) gelblichen Kalkstein des Monte della Pace bei Cagliari gesammelt. II. Oxyrrhynchidae. Maja LAMK, 17. Maja miocaenica nov. sp. (Taf. I, Fig. 1a—b und 10 a—f.| 1904. Maja miocaenica nov. sp. LÖRENTHEY. Palaeontologiai tanulmänyok, pag. 164. 1905. Maja miocaenica nov. sp. LÖRENTHEY. Paläont. Studien, pag. 39. 1906. Maja miocaenica nov. sp. LÖRENTHEY. Protokoll, Földt.- Közl., p. 210. 1907. Maja miocaenica nov. sp. LÖRENTHEY. Sardınia rakjai, pe Mar MER u‘: Fossile Vertreter dieser im Mittelländischen Meere verbreiteten und an beständig mit Wasser bedeckten Uferstrecken lebenden Gattung waren bisher unbekannt. H. WoopwArD erwähnt zwar 1873 aus dem Miozän von Malta eine Maja, die jedoch meines Wissens bis heute nicht publiziert wurde.* So ist denn das vorliegende das erste und einzige sicher bestimmte fossile Exemplar, welches Professor LovIsaTo im sarmatischen Kalke des Capo S. Marco bei Oristano gesammelt hat, und welches beweist, daß die Gattung Maja bereits zu Ende des Miozäns an der Stelle des heutigen Mittelländischen Meeres gelebt hat. Nachdem das fossile Exemplar mit keiner der mir bekannten lebenden ® Report of the 42. meet. of the Brit. Ass. f. the advancement of sc., p- 321. 238 . I. LÖRENTHEY. Arten identisch ist, muß ich es als neue Art betrachten und nach- dem es die erste Maja aus dem Miozän ist, benenne ich sie Maja miocaenica. Vom Cephalothorax ist bloß der vordere rechtsseitige Teil . vorhanden, der Frontalteil mit den beiden Augengruben, die rechts- seitige Hepaticaltegion, ein Teil der vorderen und z. T. der mitt- leren Gastralregion. Die übrigen Teile fehlen leider. Vergleichen wir die Abbildung der vorhandenen Teile mit der nahe ver- wandten lebenden Maja sqwinado RoNnD. so fallen sofort die Unterschiede ins Auge, in welchen die spezifische Abtrennung begründet ist. Nachdem bloß ein kleiner Teil des Cephalothorax und einige Extremitätenstücke vorliegen, die ich der Art zuzu- zählen geneigt bin (Fig. 10), lassen sich die artlichen Charaktere nicht in befriedigender Weise zusammenfassen, weshalb ich mich auf die Aufzählung der Unterschiede beschränke, die zwischen meiner fossilen Art und der lebenden Maja sqwinado obwalten. Die den Vorderrand bildenden beiden Dornen (rostrum) sind viel kräftiger und weniger zugespitzt als bei M. sgqwinado. Der die seitlich stehende Augenhöhle beschirmende Orbitalrand reicht nicht so weit nach vorn wie bei M. squinado. Die Gliederung desselben ist übrigens bei beiden Arten die gleiche. Das die vorderen zwei Drittel des obern Orbitalrandes bildende Segment endet auch bei M. miocaenica in einem kräftigen spitzen Stachel wie bei M. squinado, vorn aber sondert es sich weniger vom Stachelfortsatz der Stirn ab. Der das hintere Drittel des oberen Orbitalrandes bildende dornartige Teil ist bei meiner neuen Art ähnlich entwickelt wie bei M. sqwinado. Dasselbe läßt sich auch von dem diesem gegenüber befindlichen und die Augen- höhle am unteren Teile des Cephalothorax begrenzenden stachel- artigen Lappen sagen. Die Augenhöhle ist ringsum beinahe gänzlich geschlossen, bloß unten, ın der inneren Ecke — unter der das RKostrum von der Augenhöhle trennenden Furche — ist eine geringfügige offene Furche vorhanden. Dies ist auf Fig. la leider nicht sichtbar. Die Ausbildung der Hepaticalregion, ihre Verzierung sowie die Entwicklung der dieselbe begrenzenden Furchen ist bei den beiden Arten übereinstimmend, bloß der vordere Stachel der Hepaticalregion, welcher hinten die Augenhöhle BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 239 begrenzt, ist bei M. möocaenica stärker nach vorn gerichtet als bei M. sqwinado. Die Ausbildung, Begrenzung und Verzierung der Protogastralregionen ist bei beiden Arten ebenfalls die gleiche. M. miocaenica war — soweit aus dem vorhandenen Fragment ge- schlossen werden kann — rundlicher als M. squinado. Die stachel- artigen Fortsätze des Stirnrandes sind bei M. miocaenica im Ver- hältnis zur Größe des Cephalothorax derart kräftig entwickelt, daß dieselbe auf dieser Grundlage schon auf den ersten Blick von der lebenden M. squinado zu trennen ist. Nehmen wir hierzu noch die in der Entwicklung des Orbitalrandes sich kundgebenden Abweichungen und den großen Altersunterschied, so ist die art- liche Abtrennung des einzigen bisher bekannten fossilen Exem- plars zur Genüge gerechtfertigt. Ich bin überzeugt, daß auf einem vollständigen Cephalothorax noch mehr Unterschiede festgestellt werden könnten. Noch sind einige Extremitätenteile vorhanden, die ich zu dieser Art zu zählen geneigt bin. Statt einer langatmigen Be- schreibung möge Fig. 10 zur Aufklärung dienen, aus welcher er- sichtlich ist, daß M. miocaenica auch in der Verzierung der Ex- tremitätenglieder von M. squinado abweicht, da dieselben bei gleichalten und großen Exemplaren der M. squinado glatt, bei M. miocaenica dagegen mit je einem Stachel und — wie Fig. 10d und e zeigt — mit in Reihen angeordneten Tuberkeln geschmückt sind. Bei M. squinado sind die Glieder der vorderen Extremitäten bloß bei größeren Exemplaren mit Tuberkeln versehen. Fig. 10a, b und ce stellt den Carpopoditen der vorderen linken Scherenhand dar, welcher oben, über dem Gelenkausschnitt, mit einem Dorn verziert ist. Die Extremitätenglieder in Fig. 10d, e und f, mit Ausnahme von 10f mit Stacheln und Tuberkelreihen verziert, sind die mittleren Glieder, wahrscheinlich die Meropoditen der Gehfüße. Fundort: Diese einzige bisher beschriebene fossile Maja wurde von Prof. Lovisaro am Capo S. Marco (Oristano) aus einem sarmatischen (Tortonien) gelblichen Kalkmergel und von ebenda aus einem weißeren lockeren Mergelkalk in Gesellschaft von 'Galathea affinis Rıst.? und Gonoplax efr. Sacci CREMA gesammelt. 240 I. LÖRENTHEY. III. Cyclometopidae. Cancer (L.) LEACH. 18. Cancer Sismondae MEYER. 1857. Platycarcinus antiquus. E. SISM. — LAMARMORA. Voyage en Sardaigne. Part. III, Tome 1, p. 294. 1886. Cancer Sismondae Mey. — RısTorı. I crostacei brachiuri e anomuri del pliocene Italiano. p. 5, Taf. II, Fig. 1. [S. hier auch die vorhergehende Literatur. ] 1891. Cancer Sismondae Mey. — RısTorıL. Aleuni crostacei del miocene medio Italiano, pag. 6. 1891. Platycarcinus Sismondai MEY. sp. — Rıstorı. Contributo alla fauna carcinologiea del pliocene Italiano, pag. 4. 1895. Cancer Sismondai MEY. — CREMA. Sopra alcuni decapodi terziarii del Piemonte, pag. 20, Tav. I, Fie. 19. 1896. Platicarcinus Sismondai MEY. sp. — VINASSA DE REGNY. Il Platicareinus Sismondai del Museo parmense e il Palaeo- carpilius macrocheilus del Museo pisano. [Rivista Italiana di Palaeontologia. \.ol. II, pag. 1, Tav. II, Fig. 1. 1904. Cancer Sismondae Mey. — LÖRENTHEY. Palaeontologiai tanulmanyok, pag. 163. 1905.: Cancer Sismondae Mey. — LÖRENTHEY. Paläontol. Studien, pag. 32. 1907. Cancer Sismondae Mey. LÖRENTHEY. Sardinia räljai p. 85. Diese interessante Art wurde durch LAMARMORA vom Capo S. Marco, Cagliari nach SISMONDA*® als Platicarcinus antiquus E. Sısm., später durch Rıstori** von ebenda unter der Bezeich- nung Cancer Sismondae erwähnt. Ich bekam von Prof. LovisAaTo aus dem mittelmiozänen (untermediterranen?) gelblichen Kalk- mergel des Monte $. Michele bei Cagliari ein vorzüglich erhaltenes beinahe vollständiges Exemplar, von dessen Cephalothorax bloß der Hinterrand und der linke Hinterseitenrand fehlt. Die Ober- * Sısmonpa. Descrizione dei pesci e dei crostacei fossili del Piemonte pag. 58, Tav. III, Fig. 1—2. ** Rıstorı. (Contributo alla fauna carcinologica del pliocene Italiano, pag. 4. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 241 fläche ist etwas ausgelaugt, trotzdem sind aber die dieselbe schmückenden Tuberkeln sichtbar. Außerdem ist ungefähr die vordere Hälfte des Abdomens dieses männlichen Exemplars mit den beiden Scherenhänden und den drei rechtsseitigen Gehfüßen erhalten, so daß dieses Stück jedenfalls eines der schönsten bisher bekannten Exemplare ist. Dasselbe ist von bloß mittelmäßiger Größe, da es ergänzt eine Länge von ca 95 mm und eine Breite von 50 mm besitzt. Das geologische Alter der Verbreitung dieser Art betreffend scheinen die Forscher bis zum heutigen Tage nicht im Reinen zu sein. RısTorı schreibt auf S.6 und 7 seiner Alcuni crostacei del miocene medio Italiano, daß er in seiner früheren Schrift über die pliozänen Crustaceen (Cancer Sismondae auf Grund jener irrtümlichen Angaben, die er bezüglich des Alters der Schichten von Lesignano dei Bagni (Parmigiano) bekommen hat, außer dem Pliozän auch im Miozän vorkommend bezeichnet hat. Nach diesen unrichtigen Daten — schreibt Rıstorr — hielt ich jene Schichten als dem Miozän angehörend, während heute Prof. DE STEFANI behauptet, daß dieses prächtige Exemplar von (Cancer Sismondae aus dem Pliozän stammt. Hieraus ist ersichtlich, daß Cancer Sismondae heute als pliozäne Form aufgefaßt und die Behauptung, als hätte derselbe auch im Miozän gelebt, als auf Irrtümern beruhend betrachtet wird. Dem gegenüber weist dieses sardinische Vorkommen darauf hin, daß Cancer Sısmondae — wenigstens im Gebiete des heutigen Sardi- niens — bereits in der Mitte des Miozäns gelebt hat, was ich mit den in oben zitierter Arbeit enthaltenen Worten Rısroris beweisen kann. Derselbe bemerkt auf S. 7 fortsetzungsweise, daß Neptunus gramulatus M.Epw. infolge seiner Häufigkeit innerhalb der miozänen Bildungen zu einer solchen geologischen und paläontologischen Wichtigkeit gelangte, daß er als eine der charakteristischsten fos- silen Arten des Mittelmiozäns bezeichnet werden kann. Am Fund- orte des Monte 5. Michele bei Cagliari ist aber Cancer Sismondae in der Gesellschaft von Neptunus granulatus M. Epw., Ebalia Lamar- morai nov. sp., Pagurus Manzonü Rıst., Pagurus (cfr.) substriatus M. Epw. ? usw. vorhanden, was entschieden das Vorkommen von (ancer Sismondae im Mittelmiozän Sardiniens beweist. Prof. LovisaTo bezeichnet in einem an mich gerichteten Briefe Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIY. 16 242 I. LÖRENTHEY. diese interessante Beobachtung als sicher eine der wichtigsten Ergebnisse meiner Studien über die tertiären Dekapoden Sar- diniens, auf Grund welcher das Vorkommen des Cancer Siemondae im Miozän unzweifelhaft festgestellt erscheint. Fundort: In dem von Prof. LovısaTo erhaltenen reichen Materiale befindet sich ein wohlerhaltenes und nahezu vollstän- diges Exemplar dieser Art, welches er bei Cagliari im unter- mediterranen (mittelmiozänen, Langhien) gelblichen Kalk- mergel des Monte S. Michele zusammen mit Neptunus gramu- latus M. Epw. und Pagurus Manzonii Rıst. gesammelt hat. Neptunus DE HAANN (emend. M. EDWARDS). Neptunus granulatus M. EDWARDS. [Taf. I, Fig. 1 uad 2.] 1898. Neptunus efr. granulatus M. Epw. — LÖRENTHEY. Adatok Magyarorszag harmadkorü rakfaunajähoz. |Palaeont. tanul- mänyok a harmadkoru räkok köreb£l. (Math. es Terme- szettud. Közlemenyek. Bd. XXVII, pag. 118, Taf. IX, Fie. 2 u.3)]. [S. hier die vorhergehende Literatur.] 1898. Neptunus cfr. granulatus M. Epw. — LÖRENTHEY. Beiträge zur Dekapodenfauna des ungarischen Tertiärs. | Termeszet- rajzi Füzetek. Bd. XXI, pag. 92, Taf. IX, Fig. 2 u. 3.] 1904. Neptunus efr. granulatus M. Epw. — LÖRENTHEY. Palaeont. tanulmänyok; pag. 162, 163 u. 164. 1904. Neptunus granulatus M. Epw. — LÖRENTHEy. Palaeont. tanulmanyok; pag. 163 u. 164. 1905. Neptunus efr. granulatus M. Epw. — LÖRENTHEY. Paläont. Studien, pag. 33. 1905. Neptunus granulatus M. Epw. — LÖRENTHEY. Paläont. Studien; pag. 32. u. 39. 1907. Neptunus granulatus M. Epw. LÖRENTHEY. Sardınia rakjai, p. 88, Taf. IV, Fig. 1 und 2. Bei der Beschreibung des Cancer Sismondae Mey. wurde be- reits erwähnt, daß Rıstorı am Ende seiner Arbeit: Alcuni ero- stacei del miocene medio Italiano hervorhebt, Neptunus granulatus BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 243 M. Epw. sei eines der charakteristischsten Fossilien des mittleren Miozäns. Dies wird auch durch meine Untersuchungen bekräftigt, aus welchen sich ergab, daß diese Art im sardinischen Miozän ebenso wie im ungarischen Obermediterran verbreitet ist. M. EpwaArps hat diese Spezies auf Grund von Fragmenten beschrieben, so daß viele — nachdem vollständige Exemplare derselben nicht bekannt waren — ihre Stücke nicht bestimmt mit N. granulatus za identifizieren wagten, sondern sie lieber reserviert als N. cfr. granulatus M. Epw. bezeichneten. So führt auch BITTNER die von Felsöorbö und ich die Exemplare aus der Umgebung von Budapest und sogar einen Teil der sardinischen bloß als N. cfr. granulatus M. Epw. an. In Anbetracht der voll- kommenen Übereinstimmung der bisher bekannten sardinischen und ungarischen Exemplare unter einander, sowie mit den Ab- bildungen M. EpwaArps’ müssen dieselben bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse als einer Art angehörend betrachtet werden. Eben deshalb hielt ich es — nachdem bisher vollstän- dige Exemplare derselben kaum abgebildet wurden — für not- wendig, drei Exemplare in verschiedener Stellung abzubilden, umsomehr als diese sardinischen Stücke mit dem originalen Cepha- lothorax von M. EDWARDS am besten — selbst auch der Größe nach — übereinstimmen. Am Cephalothorax des männlichen Exemplars in Fig. 1 ist hinten die Schattierung übermäßig stark, so daß infolgedessen der ganze Cephalothorax gewölbter erscheint als er tatsächlich ist. Um Mißverständnissen vorzubeugen, teile ich die Dimensionen dieses Exemplars mit. Ergänzt und auf dem abgebrochenen Stachel gemessen ist die größte Breite 55 mm, die Länge 25 mm, die Höhe dagegen bloß ca S mm. Am meisten gewölbt ist der Cephälothorax entlang des größten Breitendurch- messers der Urogastralregion. Auf der Abbildung ist auf den Protogastralregionen die in ihrer mittleren Partie mit in der Breite verlaufenden Tuberkeln bedeckte schwache Kante nicht sichtbar, obschon sie sich auf sämtlichen sardinischen Cepha- lothoraxexemplaren, wie auf dem bei M. EpwArps abgebildeten Exemplare deutlich erkennen läßt. Der in drei Lappen geteilte Örbitalrand ist hinten durch eine ziemlich tiefe Furche begrenzt, und hinter derselben befindet sich je eine halbkreisförmige 16* 244 I. LÖRENTHEY. Tuberkelreihe.e Der Mundrahmen ist breit, bei dem in Rede stehenden kleinen Exemplar 16 mm. Auch aus Bessude liegt ein männliches Exemplar vor, welches der Größe nach mit dem bei RısTorI* in Fig. 5 und 8 abgebildeteten, sowie mit jenem von Felsöorbö (Komitat Alsö-Feher) stammenden Exemplar überein- stimmt, welches BITTNER** unter der Bezeichnung Neptunus efr. granulatus M. Epw. erwähnt. Der Carpopodit dieser Art war bisher unbekannt oder ist zu- mindest nicht beschrieben. Auf der von Prof. LovisaTo aus dem miozänen Kalkmergel von Magomadas nächst Bosa gesammelten mangelhaften, zusammengedrückten Hand ist auch der Carpopodit erhalten, auf dessen oberem Teile vorn ein kräftiger, nach vorn greifender Stachel vorhanden ist. Fundort: Aus dem untermediterranen (mittelmiozänen) grünlichen Kalkmergel erhielt ich zwei rechte und eine linke Hand aus dem ober Bonorva gelegenen Weißen Graben bei Cadreas (Provinz Sassarı). Wahrscheinlich derselben Art ge- hört eine mangelhafte große rechte Hand an, die von ebenda und aus demselben Gestein hervorging. Von Trenuraghes in Planargia (Provinz Cagliari Bosa) stammen aus einem gelblichen Kalkmergel die hier (Taf. II, Fig. 1 u. 2) abgebildeten, vorzüglich erhaltenen Exemplare. Von Magomadas in Planargia bekam ich aus graulichem Kalkstein eine mangelhafte linke Hand mit dem Car- popoditen. Aus dem graulichen Kalkstein von 5. Baingio Sca- pezzato beiPortotorres liegen Scherenfragmente, von Ploaghe (Provinz Sassari) aus grünlichem Kalkmergel zwei Handfragmente, von Bessude (Provinz Sassari) aus grauem, Seutella subrotunda führendem Kalkmergel der ziemlich wohlerhaltene Cephalothorax eines männlichen Tieres vor, von welchem auch der Abdomen und das Sternum erhalten blieb. Dieses Exemplar stimmt mit dem aus dem Obermediterran von Felsöorb6 stammenden, in der geologischen und paläontologischen Sammlung der Universität Budapest aufbewahrten, bereits erwähnten Exemplar vollkommen überein und ebenso auch mit den erwähnten Rıstorıschen Fig. 5 * Rısrorı, Aleuni crostacei del miocene medio Italiano, 1891. ®* Biırtser, Dekapoden des pannonischen Tertiärs, p. 19. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 245 und 8& Aus dem gelblichen Kalkmergel von Sedin (Provinz Sassarı) ging ein fragmentarischer Cephalothorax und mangelhafte vordere Extremitäten hervor, die ich anfangs als Neptunus efr. granulatus deutete; ich glaube jedoch nicht zu irren, wenn ich sie zu N. granulatus zähle. Unter Fragezeichen stelle ich hierher jene auf Jugendexem- plare verweisende Fußglieder und eine fingerlose Hand, welche von Ardara (Provinz Sassari) aus einem Mergelkalk stammen. 20. Neptunus? sp. In der miozänen Fauna Sardiniens kommen noch einige art- lich nicht bestimmbare, wahrscheinlich aber zur Gattung Neptunus gehörende Scherenfragmente vor. Als solche können erwähnt werden zwei ziemlich große Finger der rechten Hand, die ich vom Monte Pala desaa Costa bei Torralba (Provinz Sassari) aus einem feinkörnigen, grünlichen mitteloligozänen (Bormi- dien) Kalksandstein erhielt. Ferner jenes Fingerfragment, welches aus dem gelblichen untermediterranen (Langhien) Kalkmergel des Monte S. Michele bei Cagliari stammt. Hierher nehme ich auch zwei Fingerabdrücke in obermediterranem (Helvetien) Kalkmergel und einige Bruchstücke aus härterem Kalkmergel von S. Avendrace. Wahrscheinlich gehört auch jener Steinkern eines. beweglichen Fingers einen Neptunus an, welcher in dem graulichen, ebenfalls obermediterranen (Helvetien) Kalkstein des Friedhofes in Cagliari gefunden worden ist. Xanthus Dana. 21. Xanthus? Lovisatoi nov. sp. [Taf. I, Fig. 120 —d.] 1907. Xanthus? Lovisatoi nov. sp. LÖRENTHEY. Sardinia räkjai, _ Pl, Bar Ike. Ich fasse die Gattung Xanthus im Sinne DanAs auf, der in dieselbe Xantho, Paraxanthus, Euxanthus und Xanthodes als Unter- gattungen einreiht. Meine Form kann ich nur unter dem Sammel- namen Xanthus und auch da bloß unter Fragezeichen aufzählen, da z. B. auch im Genus Pilodius-Arten mit ähnlich entwickeltem 246 I. LÖRENTHEY. Cephalothorax vorhanden sind. Bei den meisten fossilen Gattungen ist bloß der Cephalothorax selbst bekannt, während die Antennen, Füße und der Abdomen gänzlich unbekannt sind, gerade auf deren Entwicklung bei den lebenden Formen großenteils die Gattungen und noch mehr die Untergattungen basiert sind. Unter solchen Umständen können die für die fossilen Formen aufge- stellten Genera mit den für die lebenden Formen aufgestellten Gattungen nicht gleichwertig sein; die fossilen Gattungen sind bis zu einem gewissen Gerade stets Sammelbegriffe den lebenden gegenüber. So bewahrheitet sich denn immer mehr, was von den mit fossilen Dekapoden sich befassenden Paläontologen be- reits wiederholt ausgesprochen wurde, daß es beinahe unmöglich ist, die nähere Verwandtschaft der fossilen Dekapoden mit den lebenden in befriedigender Weise festzustellen. Den Habitus sowie die Entwicklung der Regionen des Cepha- lothorax betreffend stimmt meine Form am besten mit den lebenden Arten Kuxanthus sculptilis DanA und E. nitidus DANA überein; ob sie jedoch tatsächlich dem Subgenus Euxanthus an- gehört, konnte nicht festgestellt werden, nachdem die Antennen fehlen und daher die Art der Artikulation nicht sichtbar ist. Die Charaktere dieser hübschen kleinen Spezies, welche ich ihrem Ent- decker, Herrn Prof. LovisATo, widme, fasse ich im folgenden zu- sammen. Der kleine Cephalothorax ist bedeutend breiter als lang; in der Richtung des Breitendurchmessers kaum, in der Längenrich- tung — insbesondere am vorderen Drittel — stärker gewölbt. Auf der Oberfläche sind nicht nur die Haupt-, sondern auch die Neben- regionen scharf von einander getrennt. Der ganze obere Teil des Öephalothorax ist — soweit dies auf einem Steinkern beurteilt werden kann — mit kleineren und größeren Tuberkeln bedeckt. Der vordere Seitenrand bildet mit dem Stirnrand beinahe einen voll- ständigen Halbkreis. Der Stirnrand ist durch einen seichten Ein- schnitt in zwei Lappen geteilt, etwas nach unten und vorn gerichtet, zwischen den Augenhöhlen etwas vorgezogen, jedoch so, daß er sich gegen die Augenhöhlen immer mehr zurückzieht. Der die Augenhöhle innen begrenzende zahnartige Fortsatz ist schwach. Der obere Orbitalrand bildet einen Halbkreis und ist, nachdem er BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 247 hinten durch eine tiefe Furche begrenzt wird, auch geschwellt; nach außen in einem, im Verhältnis zum inneren, stärkeren Fortsatz endisend. Ob der obere Orbitalrand geteilt oder ganz ist, kann auf dem einzigen Steinkern nicht sicher festgestellt werden, doch scheint es, als wäre er durch zwei schwache Einschnitte in drei Teile geteilt gewesen. Der wellig gezähnte, einen stark konvexen Bogen bildende vordere Seitenrand reicht, von Xantho abweichend, über den größten Breitendurchmesser hinaus. Er ist mit vier stumpfen Stacheln verziert, worunter der dritte, in der Linie des größten Breitendurchmessers befindliche am stärksten ist; der vierte, an der Grenze des hinteren Seitenrandes stehende, etwas schwächer. Der hintere Seitenrand bildet einen schwach kon- kaven Bogen und übergeht mit einem schwachen Einschnitt in den geraden Hinterrand. Der an der Grenze der beiden be- findliche Ausschnitt dient zur Erleichterung der Bewegung der Gehfüße. Unter den Furchen der Oberfläche ist die der Gastro- branchialregion am stärksten ausgebildet. Auch unter den Regionen sind die Gastral- und Branchialregionen am kräf- tigsten entwickelt. Die fünfeckige Mesogastralregion befindet sich hinter dem größten Breitendurchmesser, bloß ihr vorderer zungenartiger Fortsatz erstreckt sich nach vorn zwischen den Proto- gastralregionen bis an die Epigastralregionen. Die verhältnis- mäßig großen Protogastralregionen sind durch je eine Längs- furche in einen inneren kleineren und einen bedeutend größeren äußeren Lappen geteilt. Außerdem ist auch die Epigastralregion ausgebildet, welche aus zwei runden Tuberkeln besteht. Die Tuberkeln befinden sich zwischen den Augenhöhlen hinter dem Stirnrand; sie werden durch die den Stirnrand entzwei teilende Mittelfurche getrennt, in welche sich auch der Fortsatz der Meso- gastralregion erstreckt. Die Hepaticalregion ist sehr klein, bloß durch die hinter der Augengrube befindliche erste Randtuberkel vertreten, welche hinten durch eine sehr schwache Furche von der Branchialregion getrennt wird. Die Branchialregion ist vorn und seitlich gegen die Gastralregionen zu scharf begrenzt, hinten da- gegen unvermerkt in den hinteren Teil des Cephalothoraxes über- gehend. Sie besteht aus sechs Tuberkeln, worunter die beiden ersten mit der Protogastralregion in einer Linie stehen; die innere 248 I. LÖRENTHEY. derselben ist groß, eiförmig, die äußere bedeutend kleiner und be- steht sozusagen bloß aus dem zweiten Randtuberkel. In der Linie des größten Breitendurchmessers befinden sich drei rundliche Tuber- keln der Branchialregion, worunter die mittlere am größten ist, die kleinere äußere aber den dritten Stachel des vorderen Seitenrandes bildet. Die sechste Tuberkel der Branchialresion ist langleisten- förmig; sie beginnt an der Cardialregion und bildet, fortwährend stärker werdend, die den vorderen und hinteren Seitenrand begren- zende stachelartige vierte Randtuberkel. Die schwach erhobene und mit Furchen kaum begrenzte Öardialregion hat die Form eines mit der Spitze nach hinten gerichteten Fünfecks.. Am Hinterteil des Cephalothoraxes befindet sich zwischen der Cardialresion und dem mit einer Leiste begrenzten Hinterrande eine leistenförmige, gegen ihre Enden stärker werdende und mit dem Hinterrand parallele Tuberkel. Die die Regionen trennenden Furchen sind am vor- deren Teile des Cephalothorax am stärksten, am hinteren Teil dagegen auf dem einzigen Steinkern so schwach, daß sie auf der Schale des Cephalothorax wahrscheinlich gänzlich fehlten oder bloß sehr schwach — kaum merklich — vorhanden waren. Am stärksten ausgebildet sind die Furchen der Gastro-Branchial- regionen; stark ferner noch die die Hepaticalregion umgrenzenden, sowie die Furchen der Unterregionen der Hepaticalregion und die, welche die Epi- und Protogastralresionen trennen. Sehr schwach sind dagegen die Furchen, welche die Meso- und Proto- gastral-, sowie jene, welche die Mesogastral- und Cardialregionen trennen, ferner auch die die Cardialregion begrenzenden Furchen. Der auf die untere Partie des Cephalothorax herabreichende Teil der Branchial- und Hepaticalregion ist ebenfalls vorhanden; die- selben sind auch hier durch Furchen getrennt. Dieser untere Teil des Cephalothorax, welcher durch eine in der Nähe des Randes verlaufende Furche begrenzt wird, erstreckt sich in der Form eines zungenförmigen Fortsatzes bis unter die die Augen- höhle im Innern begrenzende stachelartige Tuberkel, so daß auf diese Weise die runde Augenhöhle nahezu vollkommen um- schlossen und bloß zwischen diesem Ende des unteren Fort- satzes der Hepaticalregion und dem inneren Stachel der Augen- höhle etwas offen ist. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 249 Die Dimensionen des einzigen kleinen Cephalothorax sind folgende: Breite des Cephalothorax. .... 9,5 mm Länge „ BEN REDE. UN, DD. Verhältnis derselben... ..... 1,46 :1 Höhe des Cephalothorax ..... 3 mm Länge des Stirnrandes....... Ne Stirnrand mit den Augenhöhlen . 6 „ Vorderer Seitenrand ........ Aare. Hinterer N EEE, Dt klintersande mama um nn. 4 | Nachdem. auf Taf. I in Fig. 12a die Verteilung der Regionen, insbesondere die der Meso- und Proto- gastralregionen fehlerhaft ist, schalte ich hier die verbesserte Zeichnung des Exem- plars ein. Fundort: Prof. LovısaTo hat bloß einen kleinen Steinkern dieser Art in der Laminarienzone des Obermediterrans Xanthus? Lovisatoi nov. sp. x x Be g r Die Verteilung seiner Regionen. (Helvetien) von Sardinien, im lithotham- nien-, bryozoen- und molluskenreichen Kalkstein des Cap. S. Elia bei Cagliari gesammelt. Catometopidae. Gonoplax LEACH. 22. Gonoplax cfr. Sacei CREMA. [Taf. I, Fig. 44—c, 6 u.7; Taf. II, Fig. 6.] 1895. Gonoplax Sacct CREMA, Sopra alcuni decapodi tertiarii del Piemonte. [Accad. reale d. scienze di Torino, pag. 15, Tav.l, Fig. 15.] 1904. Gonoplax Sacci ÜREMA, LÖRENTHEY, Palaeont. tanulmanyok, pag. 164. 1905. Gonoplax Sacci CREMA, LÖRENTHEY, Paläont. Studien, 99 Pag. 99. 250 I. LÖRENTHEY. 1906. Gonoplax Sacci ÜREMA. LÖRENTHEY, Protokoll, Földt. Közl. Bd. XXXVr, pag. 210. | 1907. Gonoplax cfr. Sacci ÜREMA. LÖRENTHEY, Sardinia räkjai pag. 94, Taf. III, Fig. 4a —c, 6 und 7; Taf. IV, Fig. 6. Das in umstehender Figur abgebildete vollständige, sowie das teils defekte und zerdrückte Exemplar ziehe ich zu der von ÜREMA aus den Tertiärschichten von Piacenza beschriebenen Spezies, da CREMAs Beschreibung zum größten Teil auch für die aus Sar- dinien stammenden Exemplare zutrifft. Nachdem aber einesteils das einzige Exemplar ÜREMAs, auf welche er seine neue Art be- gründet hat, defekt und schadhaft ist, anderseits die sardinischen Exemplare mit demselben doch nicht vollständig übereinstimmen, wage ich sie bloß unter dem Zeichen cfr. zu Gonoplax Sacci zu stellen. Die Hauptcharaktere sind bei den Exemplaren von Piacenza und Sardinien gemeinsam; die äußere Form des Cephalothorax steht nämlich bei beiden dem Quadrat näher, als dem Trapez, während die lebende Gonoplax angulata M. Epw. (= M. bispinosa LEACH) und die entfernter stehende Gonoplax rhomboidea L., sowie die von RıstTorr aus dem Pliozän von Rapolano (Siena) be- schriebene Gonoplax Meneghinii mehr trapezförmig sind. Beide erscheinen in der Breite schwach, in der Längsrichtung dagegen stärker gewölbt. Die kurzen vorderen Seitenränder entfernen sich von dem die Augenhöhle begrenzenden scharfen Stachel angefangen bis zum zweiten Seitenstachel etwas voneinander, während sich die Hinterseitenränder einander wieder nähern und mit schwachem Ausschnitt in den sehr schwach konkaven Hinterrand übergehen. Der hervorstehende und wenig abwärts gebogene Stirnrand ist kaum etwas schmäler als ein Drittel der Länge des Vorderrandes, während sowohl bei den lebenden G. angulata und G. rhomboidea, sowie bei der fossilen @. Meneghinii der Stirnrand bloß ein Viertel bis ein Fünftel des Vorderrandes ausmacht; bei diesen ist also die Augenhöhle bedeutend breiter als bei der typischen @. Sacei und den sardinischen Exemplaren. Form und Anordnung der die Augenhöhle begrenzenden Strahlen ist bei sämtlichen erwähnten Formen die gleiche und ungefähr dasselbe läßt sich auch über das hintere, etwas schwächere Stachelpaar sagen, von denen bei BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 251 G. rhomboidea bloß eine Spur vorhanden ist. Die Oberfläche des Cephalothorax ist sowohl bei den Exemplaren von Piacenza, als auch bei jenen von Sardinien glatt und bloß mit dem freien Auge kaum erkennbaren Poren verschiedener Größe unregelmäßig besät. Auch in bezug auf die Entwicklung der Regionen stimmen die Formen dieser beiden Fundorte überein; die Gastralregionen sind nämlich nicht begrenzt; dagegen ziemlich erhoben und demnach einigermaßen umgrenzt die Hepatical- und Branchialregionen. Am besten begrenzt ist die Urocardialregion, da sie gegen die Bran- chialregionen zu von je einer halbmondförmigsen Furche, hinten aber durch breitere Vertiefungen umgeben ist. Die Mesogastral- region wird hinten durch eine halbmondförmige schwache, jedoch deutlich sichtbare, mit ihren Enden nach vorn gerichtete Quer- furche begrenzt. Eine quergerichtete Wulst des Cephalothorax begrenzt bezw. trennt die Hepatical- und Branchialregionen von einander und in dieser Beziehung stimmen die Exemplare von Piacenza und Sardinien auch mit @. Meneghinii überein. Dies sind jene gemeinschaftlichen Charaktere, welche mich veranlaßten die sardinischen Exemplare zu Gonoplax Saccı zu stellen; daß ich aber doch nicht wage, sie mit dieser Art ganz zu identifizieren, findet in den folgenden Unterschieden seine Er- klärung. CREMA hebt bei Beschreibung der Art hervor, daß un- gefähr in der Mittellinie der Querrichtung an beiden Seiten des Cephalothorax eine Reihe feiner Anschwellungen zu beobachten ist; dem gegenüber zieht bei den sardinischen Exemplaren, etwas weiter vorn, von den hinteren Strahlen ausgehend, je eine Poren- reihe zu den beiden Enden der halbmondförmigen Furche der Cardiogastralregion. Während ferner nach ÜREMA zwischen dem vorderen und hinteren Teil der Cardialregion zwei Gruppen von kleinen Tuberkeln vorhanden sind, finden sich dagegen bei den sardinischen Exemplaren in der der Genitalregion entsprechenden Furche zwei größere, längliche Poren und eine dritte, etwas schwächere, weiter hinten zwischen den beiden ersteren Poren in der Mittellinie des Cephalothoraxes vor. Diese Unterschiede ge- nügen meiner Ansicht nach — da sie sich ausschließlich auf die Verzierung beschränken — nicht, um die sardinischen Formen von CREMAs Spezies abzutrennen. Solche Unterschiede können 252 I. LÖRENTHEY. durch die geschlechtliche Verschiedenheit oder eventuell auch durch den Erhaltungszustand erklärt werden. Sowohl das bei ÜREMA abgebildete Exemplar, als auch das hier auf Taf. I, Fig. 6 vorgeführte ist zerdrückt, beschädigt und bloß das auf Taf. I, Fig. 4 abgebildete ist nicht zerdrückt. Hierauf läßt sich der beim Vergleich der Abbildungen auffallende, in der Form sich offenbarende Unterschied zurückführen. Ich möchte noch UrEMmAs Beschreibung mit einigen an den sardinischen Exemplaren beobachteten Charakteren ergänzen. Hinter den hinteren Stacheln der Ränder befindet sich eine breite Quer- furche und vor wie hinter derselben erscheint die Oberfläche mit derselben parallel angeschwollen. Hinter der hinteren Wulst fällt die Oberfläche des Cephalothorax plötzlicher auf den nahezu ganz geraden, mit einer Leiste begrenzten Hinterrand herab. Auch der Stirnrand ist beinahe vollständig gerade. Hinter demselben stehen zwischen den beiden Augenhöhlen, in einer Linie mit dem Örbitalrand, zwei ziemlich große, runde Tuberkeln, die vielleicht der Epigastralregion entsprechen. Auf dem kleineren und voll- ständigeren Exemplar in Fig. 4 ist auch der untere Teil des Cepha- lothorax erhalten, welcher sich, angefangen von dem bei der Berührungsstelle des Hinterrandes mit dem hinteren Seitenrand befindlichen Ausschnitt bis zum Stirnrand nach vorn erstreckt und die Augenhöhle von unten begrenzt. Zwischen dem Saume des Stirnrandes und diesem unteren Rande der Augenhöhle befindet sich bloß eine sehr schmale Spalte. Vom selben Fundort, aus welchem die beiden Öephalothoraxe hervorgingen, stammen auch die auf Taf. I in Fig. 6 und 7 abgebildeten beiden Finger der rechten Hand. Über dieselben kann außer den auch auf der Abbildung sichtbaren Charakteren bloß noch soviel berichtet werden, daß am beweglichen Finger oben eine schwache gegen das Fingerende hin verschwindende Furche vorhanden ist; eine ähnliche Furche befindet sich auch in der Mitte der inneren kon- kaven Seite und ebenda auch einige längliche, horizontal stehende Borstengrübchen über den Zähnen. Auf dem unteren unbeweg- lichen Finger sind vier aus langen Poren bestehende Furchen sichtbar und zwar zwei schwache auf der Innenseite, eine ähnlich schwache auf dem Unterrand und eine vierte stärkste gegen das BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 253 Fingerende zunehmende Furche am unteren Teil der Außenseite des Fingers. Außerdem sind noch einige längliche, im Verhältnis zu den bisherigen, größere und rundliche Borstengrübchen vor- handen, welche in einer Reihe unmittelbar über den Zähnen auf der Außen- und Innenseite stehen. Im folgenden sind die Dimensionen der sardinischen Exemplare jenen des Exemplars von Piacenza gegenübergestellt. Fig 6 Fig 4 Exemplar (zerdrückt) u von Piacenza Breite, auf den zwei Dornenpaaren gemessen 32mm 17mm 31mm langeernsngns, wale ara en ai 13 DA Merhältnisgdersbeideng 2 \27.2.20.220:7 7.202058 5101872310.21550. 212.129: Fundort: Bei Cagliarı sammelte Prof. LovısaTo im lockeren fossilreichen, weißlichen sarmatischen Kalkstein des Cap. S. Marco (Oristano) zwei Üephalothoraxe und mehrere Hand- fragmente in Gesellschaft von Galathea affinis RıstT.?, Calianassa? sp. ind. und Maja miocaenica LÖRENT. * Als Anhang möge hier noch — obschon nicht hierher ge- hörend — erwähnt sein, daß im sardinischen Material auch eine Isopode vorliegt, die ich zu der in die Familie Aegidae ein- gereihten Gattung Palaega zu stellen geneigt bin. Prof. LovisATo hat in Fangario bei Cagliari aus dem untermediterranen graulichgelben, harten sandigen Ton der Bingia Fargeri einen aus ca 7 Gliedern bestehenden Abdomen gesammelt, welcher auf Grund der Ähnlichkeit mit den aus dem jüngeren Tertiär Italiens beschriebenen Palaegen zur Gattung Palaega gezählt werden muß. Mir sind bisher zwei Arten derselben aus den jüngeren Tertiär- bildungen Italiens bekannt: Palaega Gastaldii Sısm. sp.“ aus dem Miozän von Torino und P. Sismondai Rıst.”* aus dem Pliozän von Siena (Mucigliani). * SısmonpAa, Sphaeroma Gastaldii E. Sısm. [|Descrizione dei pesci e dei crostacei fossili nel Piemonte. (Memorie del. reale Accad. d. sc. di Torino. Serie II, Tom. X, pag. 67, Tav. III, Fig. 10) 1846]. ** Rıstorı, Palaega Sismondai Rısr. [Contributo alla fauna carcino- logiea del pliocene Italiano. (Atti della societa Toscana di sc. naturali resi- dente in Pisa. Vol. XI, pag. 17, Tav. I, Fig. 18) 1891]. 254 I. LÖRENTHEY. Zusammenfassung. Wie ersichtlich, sind im Oligozän und Miozän Sardinens Anomuren wie Macruren und Brachyuren, also sämtliche Unter- ordnungen der Dekapoden vertreten. Nach meinen bisherigen Beobachtungen herrschen an den meisten Lokalitäten, wo Deka- poden häufiger sind, in den älteren Tertiärschichten die Brachyuren, im Miozän dagegen mehr die Macruren vor, während die Anomien überall eine untergeordnete Rolle spielen. Demgegenüber herrschen im Oligozän wie im Miozän Sardiniens die Macruren vor, doch sind nebst denselben auch die Anomuren häufig. Die Maeruren sind durch die Gattung Callianassa mit zu- mindest sechs Arten vertreten, worunter Callianassa Desmarestiana M. Epw. am häufigsten vorkommt, welche überhaupt die verbrei- tetste und häufigste Spezies der jüngeren Tertiärbildungen Sar- diniens ist. Die Kenntnis dieser durch M. EpwArps aus dem oberen Tertiärkalk von Moellons beschriebenen Art erfährt durch die an den sardinischen Exemplaren gemachten Beobachtungen eine wesentliche Ergänzung, An den Exemplaren vom Piatra forte di S. Bartolomeo bei Cagliarı und jenen von Nurri lernten wir den bisher unbekannt gewesenen beweglichen Finger, den Ober- und Unterarm kennen. Die sardinischen Exemplare sind im allgemeinen gedrungener als die französischen. Auch die vertikale Verbreitung der Art ist ziemlich groß, nachdem sie bereits im mittleren Oligozän (Nurri, Ohiaramonte, Ittiri) und oberen Oligozän (Monte Vecchio bei Fontanazza) vorkommt, jedoch im Mediterran am häufigsten ist. So im unteren Medi- terran (Magomadas), hauptsächlich aber im oberen Mediterran (St. Bartolomeo, S. Avendrace beide in Cagliari, Friedhof von Cag- liari, Cap. S. Elia, Nulvi, Sedini, Cuglieri. Aus dem mittleren Oligozän liegen von Torralba noch einige Exemplare der Callia- nassa fr. rakosiensis LÖRENT. vor. Aus dem unteren Medi- terran ist Callianassa subterranea MOoNTG. sp. (S. George) und Cal. pedemontana ÜREMA? (Coroneddu) bekannt. Aus dem oberen Mediterran beschrieb ich Calianassa callaritana RısT. von S.Aven- drace in Cagliari. Außerdem sind nahezu aus allen Schichten Cal- lianassen bekannt, die aber artlich nicht bestimmbar sind. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 255 Die Anomuren sind durch drei Pagurusarten — darunter eine neue — und eine (ralathea vertreten. Unter den : Paguren ist der mit Tuberkeln bedeckte, also in den Formenkreis des lebenden Pagurus brunnea Dana und des fossilen P.priscus BROCCHI gehörende Pagurus Manzonii Rıst. am häufigsten, der auch im allgemeinen häufig und dessen vertikale Verbreitung ebenfalls groß ist. Er kommt im mittleren Oligozän (Nurri, Cagliari, Cap. S. Elia), im unteren Mediterran (Cagliari, Monte S. Michele, Pietra cantone di S. Michele) und im oberen Mediterran (Öagliari, Monte della Pace, 5. Avendrace und Piazza d’Arni in Cagliari) vor. Die zweite Gruppe der Paguren, die mit schuppigen Händen, deren Typus der lebende Pagurus striatus DAanA ist, findet sich ebenfalls, jedoch nur mehr auf das Mediterran beschränkt, vor. So ist Pa- yurus (cfr.) substriatus(?) M. Epw. aus dem unteren Mediterran (Cagliari, Monte $. Michele) und aus dem oberen Mediterran (Cagliari, Cap. S. Elia) bekannt. Eine andere dieser Gruppe an- gehörende Spezies ist die mit dem pliozänen P. substriatus nahe verwandte neue Art Pagurus mediterraneus, die aus den ober- mediterranen Schichten des Monte della Pace bei Gagliarı hervor- gegangen ist. Die Familie Galatheidae hat in der Galathea affinis Rıst. einen Vertreter, die bisher bloß aus dem Pliozän Siziliens bekannt war und welche ich jetzt aus dem sarmatischen Kalk- stein des Öap. S. Marco mitteile. Von den bBrachyuren sind vier Familien vertreten, und zwar Oxystomidae, Oxyrrhynchidae, Oyclometopidae und Catometopidae. An Gattungen am reichsten ist die Gruppe der Oxystomidae, da sie. vier Genera und innerhalb dieser fünf Arten aufweist. Sehr interessant ist die neue Spezies Hepatinulus Lovisatoi, welche die älteste Vertreterin der Gattung Hepatinulus ist, da sie aus den untermediterranen Schichten des Weinberges ÖUugia bei Cagliari hervorging, während bisher bloß aus dem Pliozän Siziliens eine Art dieser Gattung, nämlich H. Sequentiae RısTt., bekannt war. In ähnlicher Weise ist auch Zbalia Lamarmorai nov. sp. die älteste Vertreterin der Gattung Zbalia, nachdem sie aus den untermediterranen Schichten des S. Michele bei Cagliarı stammt, während das Genus bisher nur aus dem Pliozän Italiens und Englands, sowie lebend aus dem Mittelländischen 256 I. LÖRENTHEY. Meere bekannt war. Die im Mediterran allgemein verbreitete Gattung Calappa besitzt im Mediterran Sardiniens zumindest zwei Arten, die aber infolge ihres mangelhaften Erhaltungszustandes spezifisch nicht bestimmt werden können. Außerdem liegt noch aus den obermediterranen Schichten des Monte della Pace bei Cagliari ein wahrscheinlich der Gattung Mursiopsis angehörender mangelhafter Cephalothoraxteil vor. Die Oxyrrhynchidae weisen bloß eine Spezies, Maja mio- caenica nov. sp. auf, die insofern von Interesse ist, als sie die ‘ erste fossile Vertreterin der lebenden Gattung Maja darstellt; die- selbe wurde von Prof. LovIsato im sarmatischen Kalkstein des Cap. S. Marco bei Cagliarı gesammelt. Die Oyclometopidae wird innerhalb drei Gattungen von vier Arten vertreten. Betreffs des Cancer Sismondae MEYER, von welchem man in neuerer Zeit annahm, daß er bloß im Pliozän lebte, stellte sich auf Grund des ın den untermediterranen Schichten des Monte S. Michele bei Cagliarı durch Prof. LovI- sATO gemachten Fundes heraus, daß er bedeutend langlebiger war, als man bisher dachte. Die andere interessante Art ist Nep- tunus granulatus M. Epw., welche Rıstorı als die charakteristischste Spezies des unteren Mediterrans betrachtet. Dieselbe ist vor- handen in den untermediterranen Schichten des Weißen Gra- bens oberhalb Bonorva, ferner von Tresnuraghes, Magoma- das, S. Baingio-Scapezzato, Ploagha, Bessude, Sedini und Ardara, während sie in Ungarn für das obere Mediterran charak- teristisch ist. Überdies liegen von zahlreichen sardinischen Fund- orten Neptunusfragmente vor, darunter sogar auch solche aus dem mittleren Oligozän, die jedoch artlich nicht bestimmt werden können. Eine interessante Art der Cyclometopidae von Sardinien ist Xanthus? Lovisatoi nov. sp., welche aus den obermediter- ranen Schichten des Cap. S. Elia bei Cagliarı stammt. Die Catometopidae sind bloß durch eine Art, durch die in den Formenkreis der lebenden Gonoplax angulata M. Epw. gehörende @. cfr. Sacci CREMA vertreten. Dieselbe wurde durch Prof. Lovı- SATO im sarmatischen Kalkstein des Cap. S. Marco bei Cagliari gesammelt, während der typische Vertreter der Spezies aus den Tertiärschichten von Piacenza bekannt ist. Lörenthey, Beiträge zur tertiären Dekapodenfauna Sardiniens. Tafel I Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. Lörenthey, Beiträge zur tertiären Dekapodenfauna Sardiniens. Tafel IT. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XAIVP. BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 257 Außer den im obigen aufgezählten Arten sind in den Ter- tiärbildungen Sardiniens noch viele Dekapodenfragmente vor- handen, die jedoch nicht sicher bestimmt werden können und deren annähernde Determination bloß Verwirrungen verursachen würde. In den Tertiärbildungen Sardiniens ist die Gruppe Thora- costraca nicht nur durch die Ordnung Decapoda, sondern auch durch die Ordnung Stomatopoda, die der Heuschreckenkrebse, mit der von LovisaTo beschriebenen interessanten Squilla miocenica Lov.* vertreten. Prof. Lovısaro sammelte dasselbe in Fangario bei Cagliari, aus dem untermediterranen sandigen Ton der Bingia Fargeri. Auf demselben Fundort und in derselben - Schicht fand er auch einen Vertreter der Arthrostraca, eine Palaega, deren ich bereits weiter oben gedachte. Zur leichteren Übersicht der vertikalen Verbreitung der ein- zelnen Gattungen und Arten möge umstehende Tabelle dienen. Tafel I. 0 Seite Fig. 1. Maja miocaenica nov. sp., Cephalothoraxfragment. 1a der vor- handene Teil des ÖCephalothorax von oben, 1b von unten. Cag- liari, Cap. S. Marco (Oristano); aus sarmatischem (Tortonien) Eelicehen Kalkmerselen 2.27 BZ Fig. 2 u. 3. Ebalia Lamarmorai nov. Sp., Corn slelhoraee 2 Steinkern, 3 Schalenexemplar. 35 irrtümlich numeriert, nachdem sie das in Fig. 2 abgebildete Exemplar von vorn gesehen darstellt. S. Michele bei Cagliari; aus untermediterranem Kalkmergel . . . . . 232 Fig. 4. Gonoplax cfr. Sacci Crema, Cephalothorax. 4a von vorn, 4b von oben und 4c von rechts. Cagliari, Cap. > Marco aus sarmatischem Kalkmergel. .... . ar 2 Fig. 5. Eine nicht bestimmbare Hand, onfesster ae She 249 Fig. 6 u.7. Gonoplax efr. Sacci Orzma, Finger der rechten Hand. ilosnalo 249 Fig. 8. Hepatinulus Lovisatoi nov. sp., Cephalothorax. Cagliari, Weinberg Cugia; aus untermediterranem Kalkstein . . . . 230 Fig. 9. Callianassa? ind.sp., rechte Hand von außen. Cagliari, Cap. S. Marco, aus sarmatischem Kalkmergel ......... .. 222 * Avanzı di Squilla nel miocene medio di Sardegna. |Rendiconti della r. accad. dei lincei, Vol. II] Roma 1894. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 17 258 I. LÖRENTHEY. Name Sarma- tische Stufe Arthrostraca Palaega ind. sp. Stomatopoda | Squilla miocenica Lov. Callianassa Desmarestiana M. Epow. 3 E cfr. rakosiensis LörENT. sl = 5 = ie calaritana Rısr. I | | o = el s 5 subterranea Monrg. sp. | — | =. I] & | | 3 5 pedemontana Crema? | 5 ind. sp. | 2 Pagurus Manzonii Rısr. | XS lIa| 2 : elle ur mediterraneus nov. Sp. I Een Sen fr.) substriatus (2) M.E o | © 5 (efr.)substriatus (?) M.Epw. & | = | - < © 8 18 — RS ; 2 | S | == | Galathea affinis Rısr. er mon] oO. San | | gS|ıe®| . h e | |o| „ | Hepatinulus Lovisatoi nov. sp. [@) [eb) {as} | rg 5 . zule -3 | Ebalia Lamarmorai nov. sp. | E | = Calappa sp. ind | & . . | Ki = PEN Mursiopsis? ind. sp.? | | ® Hıhus : : { B 5831 Maja miocaenica nov. sp. .- -5 & | [e! | —n | |.8 |. © | Cancer Sismondae MrryEr Pas | a a = | Neptunus granulatus M. Eow. | 3 E es ? SP. (2) I 5 | Xanthus? Lovisatoi M. Eow. IST ©) 1228 : ı=53 | Gonoplax cfr. Sacci Crema ODER . BEITRÄGE ZUR TERTIÄREN DEKAPODENFAUNA SARDINIENS. 259 Seite Fig. 10. Maja miocaenica nov.sp., Extremitätenglieder. 104—c Carpo- podit der vorderen linken Scheerenhand, 10d—f sonstige Extremi- tätenglieder. Cagliari, Cap. S. Marco; aus sarmatischem, gelbemy Kallımerselrpmeg ee 0237, Fig. 11. Callianassa subterranea Mon: sp., rechte Hand. 11a von außen, 115 von innen und 11c von vorn. 8. George bei Alghero; aussuniesmiediitezrantermeNergelkalkan a Mg Fig. 12. Xanthus? Lovisatoi nov. sp., Cephalothorax. 12a von oben (die Ausbildung der Gastralregionen fehlerhaft), 12b von vorn, 12c von links; 12d natürliche Größe. Cagliari, Cap. S. Elia; aussober med VerranemeKalkstene TE nenn 24 Tafel II. Fig. 1. Neptunus granulatus M. Epw., Cephalothorax eines männlichen Tieres. Tresnuraghes in Planargia (Provinz Cagliari, Bosa); ausemstitelmsnozänem Kalkmergel 2,2 mean 22 Fig. 2. Neptunus granulatus M. Epw., männliches Exemplar. 2a von Iimles92/br von unten, Ebenda . 7... 242 Fig. 3 u.4. COallianassa Desmarestiana M. Bor Beetle de: hen Hand. Cagliari, Pietra forte di S. Bastei neo; aus ober- mediterranem Kalkstein .. . SER EN BA IR Fig. 5. Pagurus mediterraneus noV._Sp., Take Hand. en Außenseite, 5b Innenseite. Cagliari, Monte della Pace; aus obermedi- terranem Kalkmergel ..... 02226 Fig. 6. Gonoplax cfr. Sacci Crema, Deschadınte Cephaloheae Cap. S. Marco (Oristano); aus en tsseren (Tortonien) Kalkstein . 249 Fig.7. Calappa sp. ind. Rıstorr, beweglicher Finger der rechten Hand von außen; rekonstruiert nach der Fingerwurzel aus dem unter- mediterranen gelblichen Kalkmergel des S. Guglielmo bei Cagliari und dem Fingerende aus dem untermediterranen Kalkmergel des Monte S. Michele bei Cagliari. Das Fingerende am Originalexemplar etwas mehr gebogen . . . 235 Fig. 8. Calappa? sp. ind., Außenseite der rechten eradl onen station Bonorva; aus untermediterranem Kalkstein. . . . 236 le 3 Ie ÜBER DIE PANNONISCHEN UND LEVANTINISCHEN SCHICHTEN VON BUDAPEST UND DEREN FAUNA, Von Prof. Dr. I. LÖRENTHEY, korr. Mitglied. (Antrittsvortrag.) Vorgelest in der Sitzung der III. Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften am 2. April 1906. Indem ich der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, die mich in Anerkennung meiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu ihrem korrespondierenden Mitglied erwählte, für diese hohe Auszeich- nung meinen Dank ausspreche, erfülle ich gleichzeitig eine an- genehme Pflicht, indem ich den Statuten entsprechend unter obigem Titel meinen Antrittsvortrag der hochgeehrten III. Klasse vorzulegen mir die Ehre gebe. Meine erste Arbeit aus diesem Wissenskreise ist 1890 er- schienen und dieser ließ ich eine Reihe von Aufsätzen die panno- nischen Bildungen und ihre Fauna betreffend folgen. In meiner neuestens, im Jahre 1905, erschienenen Arbeit „Beiträge zur Fauna und stratigraphischen Lage der pannonischen Schichten in der Umgebung des Balaton- sees“* publizierte ich eine von 31 Fundorten, aus 69 Schichten stammende Fauna und stellte gleichzeitig auch die Stratigraphie der pannonischen Bildungen Ungarns fest. | * Resultate der wissenschaftlichen Erforschung des Balatonsees. Paläon- tologischer Anhang zum 1. Teil des I. Bandes. I. LÖRENTHEY, PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST. 261 Die an den pannonischen Bildungen der Balatongegend durch- geführte Horizontierung wird durch die Tatsachen, welche an den hier zu besprechenden Bildungen beobachtet wurden, bekräftigt und teilweise ergänzt. Ich betrachte das Studium der zum Teil im Detail noch nicht genau bekannten geologischen Verhältnisse Budapests und inner- halb der einzelnen Stufen die Ermittelung ihrer Fauna als eine mir willkommene Aufgabe, die mich instand setzt, dazu bei- tragen zu können, daß unsere Studierenden auf einem gut durch- forschten und detailliert bekannten Gebiete in die Geologie und Paläontologie eingeführt werden. Die unterpannonischen Bildungen, sowie den tiefsten Hori- zont der oberpannonischen Stufe und deren Fauna habe ich be- reits 1902 in meiner Arbeit „Die pannonische Fauna von Budapest“* beschrieben. Mein Antrittsvortrag, in welchem ich mich mit den übrigen Horizonten der pannonischen, ferner mit der levantinischen Stufe und ihren Faunen befasse, bildet die Fortsetzung und den Schluß dieser Arbeit. Hiermit erlaube ich mir den kurzen Auszug meines Vortrages vorzulegen. Betrachten wir den Entwicklungsgang unserer auf diese Bil- dungen bezüglichen Kenntnisse, so müssen wir gestehen, daß diese Bildungen bisher, sowohl ihre Fauna als auch ihre Strati- graphie betreffend, so gut wie unbekannt waren. Obwohl mehrere Abhandlungen von J. HarLavArs die jüngeren Tertiärbildungen zum Gegenstand haben, so erfuhren unsere Kenntnisse seit der 1856 erschienenen diesbezüglichen Arbeit J. v. SzaBös kaum eine Bereicherung. Ich möchte hier die mit den geologischen Verhältnissen Budapests sich befassenden Arbeiten von F. 5. BEUDANT aus dem Jahre 1822** und von ST. BARRA***, 1839, sowie einige in den einzelnen Sitzungen der Ungarischen Kgl. Naturwissenschaftlichen und der Ungarischen Geologischen Gesellschaft mitgeteilte kleinere Beobachtungen von J. v. SzaB6, ebenso wie seine Arbeiten „Die * Palaeontographica Bd. XLVII, Stuttgart 1902. ** Voyage mineralogique et geologique en Hongrie, pendant l’annee 1818. === Tekintetes Nemes Pest-Pilis &s ’Solt törvenyesen egyesült värme- gyeknek termeszet-tudomanyi leiräsa. 262 I. LÖRENTHEY. geologischen Verhältnisse Ofens“* und „Budapest terüle- tenek földtani fejlödese“** nicht weiter berühren, da sie sich auf die in Rede stehenden Bildungen sozusagen nicht er- strecken. K. PETERS schreibt in seinem Aufsatze „Die Umgebung von Ofen“*#** auch über die neogenen Bildungen und beruft sich hierbei auf den in der Wanderversammlung deutscher Ärzte und Naturforscher in Wien 1856 gehaltenen Vortrag J. v. SzABös. Derselbe stellt den Sand und Sandstein des Szechenyi-Berges (Sväbhegy) in das Neogen und erwähnt aus ihm das Vorkommen von Aceratherium incisivum KaAup; ja selbst auch den darüber lagernden Süßwasserkalk zählt er hierher, wobei er aus demselben die Gattungen Helix, Planorbis und Limnaeus anführt und be- merkt, daß die Planorben dem Pl. pseudoammonius ScHL. ähn- lich seien. PETERS faßt den aceratherienführenden Sandstein als äqui- valent mit dem Belvedereschotter (obzwar dieses Fossil nach ihm auch im Inzersdorfer Ton vorhanden ist), ja sogar mit dem Leitha- kalk von Lorettom auf, den er als eine marine Fazies des Belve- dereschotters betrachtet(!). Ferner befaßt er sich mit der Aus- bildung und Verbreitung dieser Ablagerungen und trennt ganz richtig den Süßwasserkalk des Szechenyi-Berges von jenem des Josephsberges, dem von Kisczell, dem am Festungsberge, am Szent- Gellert- und am Rochusberge, welche J. v. SzaBö auch später noch gemeinschaftlich behandelt und sämtlich als diluvial be- trachtet. J. v. SzaBÖ bemerkt in seiner 1358 erschienenen Abhandlung „Die Beziehungen des Trachyts zu den Sedimentgesteinen bei Budapest“ bezüglich des „Congerientones“, daß er über dem Grobkalk lagere, jedoch nicht unmittelbar, da zwischen die * Erster Jahresbericht der k. k. Oberrealschule der kel. freien Haupt- stadt Ofen, 1856. ** Magyar Akademiai Ertesitö, Jahrg. XVI, p. 323, 1856. #* RK, Prrers, Geologische Studien aus Ungarn. I. Die Umgebung von Ofen. (Jahrbuch d. k. k. geol. R.-Anst. Bd. VII, p. 308.) + Amtlicher Bericht über die 32. Versammlung deutscher Natur- forscher und Ärzte zu Wien im September 1856. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 263 beiden meist eine dünne Lage „alten Schotters“ eingeschaltet ist. Die in dieser Bildung vorkommenden Cardien und Congerien be- treffend setzte er sehr richtig hinzu, daß sie stellenweise in der ganzen Ablagerung zerstreut auftreten, während sie sich an anderen Lokalitäten wieder auf einzelne sandige Schichten be- schränken. 1858 befaßt sich J. v. SzAaBÖ in seiner Arbeit „Pest-Buda környekenek földtani leırasa“® mit der Verbreitung des „Congerientones“ und seiner petrographischen Beschaffenheit. Als Fundorte werden erwähnt: Naphegy, Diösd (Öräs), Teteny, Promontor, Insel Csepel (nordöstlich von der Ortschaft Csepel), Grube der Ziegelei in Erzsebetfalva (damals von Gubacs), Szentlörinez, Wirtshaus Szarvas-csarda, Pest- Köbanya, Räkos, Ozinkota und Usömör. Es wird hervor- gehoben, daß die Masse des Tones überall geschichtet ist, die Schichten sich scharf voneinander absondern und so auf eine sehr langsam erfolgte Ablagerung hinweisen. Mergelknollen kommen ohne sonderliche Regelmäßigkeit in der Lagerung zur nicht besonderen Freude der Ziegelschläger beinahe überall vor. Aus diesen Tonen wird auch hier „Oongeria triangularis“ erwähnt, von welcher man häufig geschlossene Klappenpaare findet. Dieser Ton lagert stellenweise unmittelbar dem sarmatischen Kalke auf, an anderen Punkten kommt zwischen den beiden eine trachyt- lose dünne Schotterlage vor. Bezüglich des am Gipfel des Nagy-Svabhegy vorhandenen Süßwasserkalkes führt v. SzaBO aus, daß derselbe, nachdem er auf „unterem oder marinem Ton“ (Kisczeller Tegel) lagert, jünger als dieser sei; da er aber nirgends mit jüngeren Schichten in Be- rührung kommt, kann er mit den übrigen Gliedern der neogenen Gruppe nicht parallelisiert werden. Er versetzt ihn unter die tertiären Bildungen bloß provisorisch, bis nicht auf Grund von Fossilien oder der Schichtenverhältnisse seine stratigraphische Lage genau festgestellt werden kann. Von organischen Körpern sind in demselben Süßwasser- und Landschnecken vorhanden. * Durch die Ungarische Akademie der Wissenschaften mit dem Nagy Kärory-Preise gekrönte Schrift. 264 I. LÖRENTHEY. In J. v. Szapös 1879 erschienener Abhandlung „Budapest es környeke geologiai tekintetben“* ist das diese Schichten behandelnde Kapitel mit der Überschrift „Pontusi retegek. (Con- geria-retegek“* (= Pontische Schichten. Congerienschichten) ver- sehen. Hier hebt er zuerst hervor, daß am Gipfel des Szechenyi- berges an mehreren Punkten horizontal gelagerter Congeriensand vorkommt. Aus den Schichten der Tongrube der Ziegelfabrik in Raäkos (Kohlenbergbau- und Ziegelfabriks - Aktiengesellschaft) er- wähnt er hier bereits Fossilien; und zwar (ongeria triangularis PARTSCH, Cong. Szaboi MUNIER-CHALMAS, Cardium apertum MÜNST., Card. conjungens PARTSCH, Card. hungaricum Hörn., Blattabdrücke, Bruchstücke von versteinerten Hölzern oder Knochen usw. Von Köbanya führt er aus den Aufschlüssen der dortigen Ziegeleien Cardium carnuntinum PARTSCH, Valenciennesia sp. und an Castor erinnernde Knochen an. Auch hebt er hervor, daß die Masse des Tones oben an beiden Stellen gelblich, unten dagegen bläulich ist und das Hangende von quartärem Schotter, das Liegende aber von grobem Cerithienkalk gebildet wird. Den Schotter, welchen v. SzABÖ in seiner vorher zitierten Abhandlung von Budafok (Promontor) als solchen verzeichnet, der zwischen dem sarmatischen Kalkstein und dem „Congerienton“ eine dünne Lage bildet, erwähnt er jedoch von hier nicht, obschon derselbe sehr schön ausgebil- det ist. Von der Gubacspuszta, aus den Schichten, welche in der zwischen der Landstraße Budapest— Soroksar und der Donau, nächst dem Schleusenwehr der kleinen Donau, etwas südlich davon gelegenen Tongrube der heutigen Erzsebetfalvaer Ziegelei aufgeschlossen sind, erwähnt v. SzaB6 bloß Congeria und Cardium ohne nähere (artliche) Bestimmung. Er hebt hervor, daß hier auffallend viel Pyrit, namentlich im bläulichen feinen Ton, vor- handen ist. Ferner bemerkt er noch, daß er in seiner vorher zitierten Arbeit irrtümlich auch vom nördlichen Teile der Insel Csepel diese Bildung erwähnt hat, nachdem sie dort nicht vor- handen ist und die Ziegel aus alluvialem Ton gebrannt werden. * Budapest &s környeke termeöszetrajzi, orvosi es közmivelädesi leirasa. p y )z1, ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 265 Seiner Ansicht nach besitzt diese Bildung auch bei Diösd (Oras) eine beträchtliche Verbreitung, obzwar sie nicht auf- geschlossen ist. Das Sandsteinmaterial der am südlichen und südöstlichen Gehänge des Nagy-Svabhegy befindlichen Steinbrüche gehört — nach ihm — ebenfalls der „Congerienbildung“ an. In diesem Sandstein fand Baron JOSEPH EöTvös das Kieferbruchstück eines Aceratherium incisivum. | Ebenfalls vom Nagy-Svabhegy, aus dem nächst dem Disz- nofö aufgeschlossenen Süßwassermergel, führt er auf Grund der Bestimmung Dr. Karı HormAnns die folgenden Fossilien an: Melanopsis Stwri Fuchs, Neritina radmanesti FucHs, Planorbis corneus BRONGT., Pl. efr. applanatus THOMAE, Hydrobia (bezw. Paludina) acuta Drap., Helix sp. usw. Südlich von der zwischen dem Farkas- und Budaörsi- berg befindlichen Verengung der Straße erwähnt er aus Süß- wasserkalk: Helix sp. und Congeria cfr. spathulata PARTSCH. Auf der Pester Seite ist diese Bildung noch bei Üsömör, bei Czinkota und der Szarvascsärda nächst Pusztaszentlö- rıncz vorhanden; an letzterer Stelle kommt nach v. SzaBö auch eine unbedeutende Kohlenschmitze vor und von hier erwähnt A. J. KRENNER den Backenzahn eines Mastodon sp., wahrscheinlich des M. arvernensis CRo1Z. et JOB. aus sieben Klafter Tiefe (Földtani Közlöny, 1573, p. 142). Bezüglich der Budaer Seite äußert sich v. SzaBö über den Süßwasserkalk des Nagy-Svabhegy dahin, daß derselbe eigen- tümlich dicht, manchmal graulichbraun und in diesem Falle bituminös sei; derselbe war unter sehr ruhigen Verhältnissen in einem seichten See zur Ablagerung gelangt. Dieser Kalkstein könnte — nach v. SZABÖ — infolge seiner stratigraphischen Lage vielleicht als der Vertreter der levantinischen Stufe in der Um- gebung von Budapest betrachtet werden. Nach Fuchs’ Be- stimmungen zählt er aus demselben Helix reinensis GOBANZ., Limnaeus sp. und Planorbis sp. (ähnlich dem eozänen Pl. euom- phalus Sow.) auf. Schließlich erwähnt er noch von Ö-Buda, vom Hidesküter Wege, einen oolithischen Süßwasserkalk mit Mela- nopsis Sp. 266 I. LÖRENTHEY. Die den pannonischen Schichten auflagernden und mit den- selben gleichalten „trachytführenden“ Schotter, welche in Pro- montor, Ö-Buda, Köbänya, Csömör, Czinkota, Szentlö- rinez, Keresztür, Soroksär, Gubacs usw. aufgeschlossen sind, betrachtet v. SzABÖO in seinen bisherigen Arbeiten als diluvial. Er berichtet hierüber“, „daß diese Bildung keine eigenen orga- nischen Einschlüsse besitzt; man findet jedoch darin größere, sehr abgerollte Ostreen, Bruchstücke von größeren Peeten mit ebenfalls abgewetzten Kanten, schließlich die dickeren Teile von Congerien. Die beiden ersteren stammen wahrscheinlich aus dem mediterranen Schotter, die letzteren aus den Congerien- schichten.“* Hie und da hörte ich auch von Knochen Erwäh- nung tun — setzt er fort — namentlich fand man in der Schotter- grube bei Szentlörinez Knochenreste von Dickhäutern, ich selbst sah jedoch nichts.“ Die gestörte Lagerung eines Teils dieses Schotters wird hier bereits von v. SZABÖ vermerkt (p. 37), er ist sogar bestrebt, für dieselbe eine Erklärung zu geben. Er schreibt nämlich: „Auf den Anhöhen (in Köbänya, Csömör, Budafok [Promontor], O-Buda) sind Spuren einer stark bewegten Ablagerung. zu .er- kennen®*®, nicht nur daß die größten Stücke von den kleineren und sogar vom Sande nicht getrennt sind, man sieht auch häufig flache Stücke auf der Kante stehen.“ SzaBÖö setzt weiter fort: „Entgegengesetztes beobachten wir fern von den An- höhen, auf der Ebene; ich könnte kaum einen charakteristischeren Punkt angeben, als Szentlörinez, wo das Durchschlämmen des Materials in größter Ordnung, ungestört verlaufen ist, die größeren wie die kleineren Stücke bilden je eine besondere Schicht und die flachen liegen sämtlich auf den Seiten.“ Dies entspricht heute * Budapest es környeke geologiai tekintetben, p. 38, 1379. ** Hier erwähnt v. Szasö irrtümlich sarmatische Schichten statt „Con- gerienschichten“, doch kommen dieselben in seiner 1858 erschienenen Arbeit unter letzterer Bezeichnung vor. ##® In seiner 1858 erschienenen Arbeit „Pest-Buda környekenek földtani leiräsa“ setzt er außerdem noch hinzu (p. 24): „Es sind Spuren einer beweg- ten Ablagerung oder einer durch Hebung erfolgten Störung zu erkennen“. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST UsSw. 267 jedoch nicht mehr den Tatsachen, da es sich herausgestellt hat, daß oben auch hier die Lagerung gestört ist und bloß die tieferen Schichten ungestört horizontal lagern. J. v. SzaBö teilte in seinem 1883 erschienenen Lehrbuche „@eologia“ das erste Profil der pannonischen Schichten von Buda- pest-Köbanya aus dem DrAscHeschen Ziegelschlage mit. In diesem Profil bringt er 14 den geneigten sarmatischen Kalksteinen hori- zontal — also diskordant — auflagernde pannonische Schichten zur Darstellung, auf welchen Sand und Schotter (diluvial?) und schließlich Humus liegen. In den pannonischen Schichten finden sich nach ihm „Congeria triangularıs“, „Cardien“ und ,„Valencien- nesien“ vor. B.v. InkEy befaßt sich in seinem 1892 erschienenen Aufsatze „@eologisch-agronomische Kartierung der Umgebung von Pusztaszentlörinez (Komitat Pest)“* eingehender mit den Schichten der pannonischen oder wie er sie bezeichnet, „pontischen Stufe“ und dem darüber lagernden levantischen Schotter. Die panno- nischen Schichten sind hier, seinen Angaben nach, mit Ausnahme _ des Einschnittes der Temesvärer Eisenbahnlinie, wo sie bereits mit Graswuchs bedeckt sind, in zwei Ziegelschlägen aufgeschlossen: im SOUHEITELsSchen und in der Ziegelei der Ungarischen all- gemeinen Kreditbank. (v. SzaB6 erwähnt diesen Aufschluß als den bei der Szarvascsärda bereits 1858.) Über ersteren berichtet v. INKEY nichts, von letzterem gibt er jedoch ein Profil, in wel- chem die pannonischen Schichten in einer Mächtigkeit von 20 m aufgeschlossen erscheinen und über denselben 0,50—0,60 m dilu- viale Schichten folgen, zwischen den beiden aber, nach ihm, an einer Stelle (Fig. 3) auskeilender oberpliozäner Schotter lagert. v. InKEY erwähnt zuerst, daß hier die Schichten nicht horizontal lagern, sondern mit 4—5° nach OSO (7,5") einfallen. Aus diesen Schichten führt er die folgenden Mollusken an: Melanopsis Bouei FER., Neritina radmanesti Fuchs, Planorbis sp., Unio sp. (Frag- mente) und Helix cfr. robusta REuss. Die Mächtigkeit dieses gegen O und W auskeilenden Schotter- * Mitteilungen aus dem Jahrbuche der kgl. ungar. Geologischen An- stalt. Bd. X, 1892. 268 I. LÖRENTHEY. lagers, dessen Alter jünger als das des pannonischen Tones und Sandes ist, setzt v. InkEy mit 20 m an. Über die in der oberen Partie dieser Flußschotterablagerung sichtbaren Störungen und Trichter referiert derselbe eingehend. Die Störungen konnten seiner Ansicht nach durch Abrutschungen, welche von geringen Hebungen begleitet waren, hervorgerufen worden sein. Auf Grund der im Schotter gefundenen Reste von Mastodon borsoni KAYSER, Mast. arvernensis CROIZ. et JOB. und Rihinoceros sp. betrachtet er die ganze Schotterbildung als dem oberen Pliozän (Thrazische Stufe) angehörend. v. SzaBO hat dieselbe in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in das obere Tertiär gestellt, während sie in den späteren Aufnahmen der ungarischen Geologischen Anstalt als diluvial figurieren, was nach v. INKEy „insofern auch richtig ist, wenn man die oberste Decke von den darunter liegen- den Schotterbänken unterscheidet.“ Während in v. InkEys Arbeit mehrere interessante neue geologische Daten bezüglich der pliozänen Bildungen der Um- gebung von Budapest, namentlich aber den levantinischen Schotter betreffend, enthalten sind, finden wir in der drei Jahre später, 1895 erschienenen Abhandlung HALavArs’: „Die geologischen Verhältnisse des Alföld zwischen Donau und Theiß“* über diese ‘Bildungen nichts Neues. Alles in allem verbesserte er die alte Bezeichnung „Congeria triangularis“ auf Congeria ungula- caprae Münsrt. (die er jedoch seitdem bereits auf Congeria Hör- nesi BRUS. umänderte) und führte aus dem Ziegelschlage bei Rakos als neue Arten Limnocardium Penslii Fuchs sp.”* und Limnocardium secans FUCHS sp. an. Den für levantinisch angenommenen Schotter bezeichnet er als Donaugeschiebe, als Scehuttkegel dieses Stromes. Über die im * Mitteilungen aus dem Jahrbuche der kgl. ungar. Geologischen An- stalt. Bd. XI, Budapest 1897. ** Haravars schreibt den Namen dieser Arten unrichtig, da Fucus keine Limnocardien, sondern Cardien beschrieben hat, so daß in dem Namen Limnocardium Penslii bloß die Spezies bei Fucas und Hırıvärs gemeinsam sind, weshalb entweder der Name-des Autors in Klammern oder noch zweck- mäßiger „sp.‘‘ darnach zu setzen ist, als Zeichen dessen, daß Fucns bloß den Speziesnamen, jedoch einen andern Genusnamen benutzt hat. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 269 oberen Teile des Schotters und des pannonischen Sandes vorhan- denen Störungen äußert er sich wie über Faltungen. In seinem 1893 erschienenen Aufsatze: „Das Alter der Schotterablagerungen in der Umgebung von Budapest“ (Földtani Közlöny, Bd. XXVII) meint HaravArs die Beobachtung Th. Fuchs’* bestätigen zu können, wonach Mastodon arvernensis und Elephas meridionalis zwei verschiedenen Säugetierfaunen an- gehören und die Schichten mit Mastodon arvernensis sich strenge den Congerienschichten, die mit Elephas meridionalis aber den Quartärbildungen anschließen. Mastodonten kommen aber auch nach HALAVATS sowohl in den pannonischen, als auch in den levantinischen Schichten vor und doch bemerkt er bezüglich des mastodonführenden Schotters der Umgebung von Budapest, daß derselbe „mit großer Wahrscheinlichkeit levantinischen Alters“ sei. Als Beweis hierfür beruft er sich auf den Umstand, daß es ihm gelungen ist, im oberen Teil der pannonischen Ablagerung eine Schicht zu entdecken, welche, obzwar noch als pannonisch zu betrachten, in ihrer Fauna bereits auch levantinische Formen führt und daher als die oberste Schicht der pannonischen Stufe aufzufassen sei. „Auf ihr liegt der Schotter und so ist er mit noch mehr Recht als levantinisch zu betrachten.“ Mir sind derartige levantinische Formen einschließende Schich- ten in der Umgebung von Szenlörinez nicht bekannt, das diluviale Alter der Elephas meridionalis führenden Schichten aber ist gerade auf Grund der von HALAVATS zitierten Vorkommen bei Eresi und Aszöd noch recht fraglich. Als neues, bisher in der Literatur noch unbekanntes Fossil führt derselbe Quercinum Staubi FELIX an. Bezüclich des eben- daselbst durch HALAVATS von „Pusztaszentmihäly“ erwähnten „levantinischen“ Schotters habe ich bereits nachgewiesen, daß er untermediterran ist.“”* Im Rahmen dieser meiner Abhandlung gibt * «Über neue Vorkommnisse fossiler Säugetiere von Jeni Saghra in Rumelien und von Ajnäcskö in Ungarn, nebst einigen allgemeinen Bemer- kungen über die sogenannte „pliozäne Säugetierfauna‘“» (Verhandlung d.k. k. geol. R.-A. Jahrg. 1879, p. 49). *= Lörextuey, Über das Alter des Schotters am Sashalom bei Räkos- szentmihäly (Földtani Közlöny Bd. XXXIV, 1904). TO I. LÖRENTHEY. E. v. CHOLNOKY jener Ansicht Ausdruck, daß er den Mastodon- schotter der Umgebung von Budapest „für kein, von einem großen Strome abgelagertes Material“ betrachtet — wie HALAVATS — „es dürften denselben“ seiner Ansicht nach „eher vielleicht perio- dische Wasserläufe einem älteren Schotter ausgeschwemmt haben“. A. SCHMIDT bespricht in seinem 1893 erschienenen Aufsatze „Die geologischen Verhältnisse von Czinkota“* die Ver- breitung der pannonischen Schichten bei dieser Ortschaft, sowie deren petrographische Ausbildung. Aus dem beim Graben der Eisgruben zutage geförderten Materiale erwähnt er: Congeria? cfr. spathulata PARTSCH und Congeria? subglobosa PARTSCH, die aber — wie ich mich davon überzeugte — Jugendexemplare von Congeria Partschi Czszex sind. Aus dem herrschaftlichen Ziegel- schlage in der NO-Ecke der Gemeinde zählt derselbe „Cardium apertum“ Münst (häufig, Planorbis radmanesti Fucus, Congeria sp. (häufig), Zagrabica sp., Cardium sp. und Hydrobia sp.“ auf. Nachdem die 1871 erschienene geologische Karte von Buda- pest (Maßstab 1: 144000), sowie deren zweite Auflage vergriffen war, gab die kgl. ungar. Geologische Anstalt 1901 eine neueste, reambulierte — jedoch viele Fehler enthaltende — Karte im Maß- stab 1: 75000 heraus, deren nördliche Hälfte durch Dr. FRANZ SCHAFARZIK, die südliche aber durch JuLius HALAVATS ream- buliert wurden, die auch die Kartenerläuterungen verfaßten.** F. SCHAFARZIK bespricht mit Berücksichtigung der gesamten Literatur in seiner mustergültigen Erläuterung — nach SCHMIDT — auch die pannonischen Schichten der Umgebung von Czinkota, sowie das Vorkommen derselben am Svabhegy als eine See- ablagerung und ferner auch den levantinischen Mastodonschotter. Wahrscheinlich levantinischen Alters betrachtet er im ungarischen Text der Erläuterung auch den Schotter bei Csömör, Czinkota und Räkosszentmihäly. Bezüglich des letzteren habe ich seither * Földtani Közlöny Bd. XXIII, p. 375. =* FE, SCHAFARZIK, Die Umgebung von Budapest und Szentendre, Blatt Zone 15, Kol. XX (1: 75000). — G. Haravirs, Die Umgebung von Budapest und Teteny, Blatt Zone 16, Kol. XX (1:7500). Erläuterungen zur geolog. Spezialkarte der Länder der ungarischen Krone. Budapest, ungarisch 1902, deutsch die erstere 1904, die letztere 1903. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 271 („Über das Alter des Schotters am Sashalom bei Räkosszentmihäly. 1904“) auf Grund späterer paläontologischer Funde und der geo- logischen Verhältnisse nachgewiesen, daß sie untermediterran sind, so daß SCHAFARZIK im deutschen Text seiner Kartenerläuterung, den Ergebnissen meiner Untersuchungen Rechnung tragend, den Schotter von Szentmihäly bereits als untermediterran bezeichnet. Die Störungen im oberen Teil unseres levantinischen Schotters, welche HALAvATs als Faltungen bezeichnet, ist v. CHOLNORY auf Grund seiner eigenen wie meiner Beobachtungen geneigt, auf eine durch zeitweilige Regengüsse hervorgerufene wadiartige Durch- furchung des trocken gewordenen Schotters zurückzuführen. Auf HarvavAts’ südlichem Blatte sind die jungtertiären Bil- dungen in bedeutend mächtigerer Ausbildung vorhanden, und ob- zwar sie teils zur Ziegelfabrikation, teils behufs Gewinnung von Schotter von Tag zu Tag mehr und mehr aufgeschlossen werden, weist die Karte ebenso wenig als die Erläuterung zur selben, im Vergleiche zu den bisherigen Kenntnissen einen Fortschritt auf, so daß sie bei den heutigen Aufschlußverhältnissen und dem gegenwärtigen (1902) Stand der Wissenschaft als sehr mangel- und fehlerhaft bezeichnet werden müssen. Die pannonischen Bil- dungen z. B., welche seit Jahrzehnten den Gegenstand seiner speziellen Studien bilden, hat HaravArs ohne Begehung des Ge- bietes — also ohne Reambulation — in die Karte eingetragen, im erläuternden Text aber — wie sofort nachgewiesen werden soll — bloß die alten literarischen Daten wiederholt, und auch dies manchmal fehlerhaft. Ich beabsichtige hier nicht die Fehler der HaLAvArsschen Karte aufzuzählen — umso weniger als ich dies teilweise an anderer Stelle bereits getan habe“ —, sondern * Ich habe nämlich nachgewiesen, daß während HarıvÄrs von den Produkten der mediterranen vulkanischen Tätigkeit nichts erwähnt, bei Räkos, längs des sogenannten Königsgleises, unter und im Leithakalk Rhyo- littuff vorhanden ist („Über das Alter des Schotters am Sashalom bei Räkos- szentmihäly, 1904“). Dieser Tuff lagert unmittelbar auf dem untermediter- ranen Konglomerate und Schotter, eine Bank desselben sogar im Leithakalk, woraus hervorgeht, daß hier die Eruption zu Ende des unteren Mediterrans begonnen und sich auch im oberen Mediterran fortgesetzt hat. Tufftrümmer sind auch im darüber befindlichen sarmatischen Kalke häufig. Der Rhyolit- tuff ist überall dort, wo er in beträchtlicherer Mächtigkeit auftritt, zu 21% 1. LÖRENTHEY. werde bloß seine auf den Gegenstand der vorliegenden Schrift bezüglichen Daten rekapitulieren. Er bemerkt, daß die pannonischen Schichten „unmittelbar und konkordant dem sarmatischen Kalkstein auflagern“. Der sarmatische Kalk fällt im Vereine mit dem Leithakalk — seiner Angabe nach — mit 5° nach SW ein; in diesem Falle müßten also auch die pannonischen Schichten mit 5° gegen SW einfallen. Jedoch hat bereits v. InkEY nachgewiesen, daß dieselben „mit 4—5° gegen OSO (7,5") einfallen“, also gerade in entgegen- gesetzter Richtung. Übrigens hat auch schon v. SzaB6 die Dis- kordanz zwischen den sarmatischen und pannonischen Schichten beobachtet und betont, nur sind bei ihm auf südwestlich ein- fallenden sarmatischen Schichten die pannonischen in horizontaler Lagerung zur Darstellung gebracht worden. Diese beiden Bil- dungen lagern nur an wenigen Punkten konkordant aufeinander. Über den in den Gruben der Ziegeleien in Köbänya und Räkos aufgeschlossenen Ton schreibt HALAVATS: „Im allgemeinen führt derselbe keine Fossilien, eine seiner tiefer gelegenen Schichten schließt aber eine große Anzahl von Schalen der (ongeria Hörnesi Brus. ein.“ Dem gegenüber habe ich aus diesen Schichten von Rakos bisher 35, von Köbanya aber 31 Mollusken beschrieben, und werde weiter unten noch bedeutend mehr aufzählen. Aus diesem Tone stammt nach HALAVATS der im Ungarischen Nationalmuseum aufbewahrte Backenzahn von Dinotherium gigan- teum Kaup., was jedoch bloß als eine Annahme betrachtet werden kann, da auf der Etikette dieses Stückes nur soviel verzeichnet ist, daß dasselbe ein Geschenk JOSEPH ZEILINGERSs bilde und sein Fundort Pest-Köbanya (1845) ist. oberst sehr kalkig (kalksteinartig). Harsvirs kennt den Bryozoenkalk nicht, obschon derselbe in Budatok vorhanden ist. ScuArarzık scheidet denselben am nördlichen Blatte mit besonderer Farbe aus. (LörRENTHEY, Paläontologische Studien über tertiäre Dekapoden, Mathem. u. Naturw. Berichte aus Ungarn Bd. XXL, H. 3.) Eine mit dem Bryozoenkalk gleich- wertige bryozoenführende Riffbildung ist auch in Budapest-Räkos vor- handen, deren Beschreibung in neuester Zeit erschienen ist. (M. Errm£r- Vapväsz: „Über die obermediterrane Fauna von Budapest-Räkos“. Földtani Közlöny Bd. XXXVI, Budapest 1906.) ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 273 Die einzige neue Angabe HALAvATts’ bezieht sich auf den Unio Wetzleri-Sand von Pusztaszentlörinez, aus welchem er auch Pisidium priscum EıcHw., Melanopsis cfr. praemorsa L., Mel. sp. und Vivipara Semseyi HALAv. anführt. Unmittelbar darnach schreibt er: „In dieser Sandablagerung wurde in Köbäanya auch der Molar von Mastadon arvernensis UR. et JoB., welcher sich im Besitze unserer (der kgl. ungar. Geologischen) Anstalt be- findet, gefunden,“ wo doch der Unio Wetzleri-Sand von Köbanya bis zum heutigen Tage unbekannt ist. Ferner gedenkt er auch des Umio Wetzleri-Sandes von Erd und bemerkt, daß „von hier“ die im Nationalmuseum sowie im geologischen und paläontologischen Universitätsinstitute aufbe- wahrten Stücke des Mastodon Borsoni KAys. stammen. Auch er- wähnt er das am ScHAFARZIKschen nördlichen Blatte befindliche Vorkommen am Sväbhegy und führt das von S. @. PETENYI be- stimmte und schon bei PETERS 1857, sowie bei v. SzaB6 1879 erwähnte Aceratherium ineisivcum Kaup. als Anthracotherium magnum Cuv. an. Aus dem Süßwasserkalk, welcher diesen pan- nonischen Schichten des Svabhegy auflagert, zählt er für die Bestimmung ungeeignete Schalen von Congeria, Planorbis, Lim- naeus und Helix auf. Den sogenannten Mastodon-(levantinischen)Schotter von Puszta- szentlörinez und Räkoskeresztüur betrachtet HALAVATS für den Schuttkegel der Donau, welcher durch diesen Strom in dem das ungarische große Alföld ausfüllenden Süßwassersee abgelagert wurde. Das Alter dieses Schotters betreffend bemerkt derselbe, daß er auf Grund der stratigraphischen Lage — im Hangenden der obersten pannonischen Schicht — sowie der aus dem Schotter hervorgegangenen Zähne von Mastodon arvernensis UROIZ. et JOB. und Mastodon Borsoni Kays. denselben bereits früher als levan- tinisch bezeichnet habe. Im Gegensatz hierzu muß ich bemerken, daß E. v. CHOLNOKY, der sich mit der Erforschung der Verschiebungen des Donaubettes befaßt, in diesem Schotter auf Grund seiner Beobachtungen keinen Donauschotter erblickt. Dieser Anschauung schließe ich mich an, nicht so sehr weil die einzelnen Stücke dieses Schotters viel abgerundeter sind als es bei dem Schotter eines so großen Stromes Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 18 374 I. LÖRENTHEY. der Fall zu sein pflegt, indem derselbe bereits abgestoßen in die Donau gelangt sein mochte, sondern vielleicht auch aus dem Grunde, daß nordwestlich vom Durchbruch der Donau bei Vise- grad meines Wissens weder das Miozän, noch das ältere Pliozän durch einen derartigen Schotter vertreten ist, aus welchem der Strom das Material hätte mitbringen können. Aus dem Vor- kommen von Mastodon arvernensis und Mastodon Borsoni aber kann auf das Alter des Schotters am wenigsten ein Schluß ge- zogen werden, da sie ja — wie weiter oben dargelegt wurde — HALAVATS selbst aus den tieferen pannonischen Schichten der Umgebung von Budapest anführt und später auch ich sie er- wähnen werde Daß dieser Schotter den obersten pannonischen Schichten auflagere, geht aus dem, was bei HALAvÄTs angegeben ist, nicht hervor, nachdem er die Horizonte der pannonischen Stufe nicht berührt. Die Verfasser der bisher aufgezählten Arbeiten legten bloß auf die Verbreitung und petrographische Beschaffenheit der pan- nonischen und levantinischen Bildungen in der Umgebung von Budapest das Hauptgewicht, wobei sie ihre reiche Fauna und die auf Grund derselben konstatierbaren stratigraphischen Beziehungen außer acht ließen. In meiner Arbeit „Foraminiferen der pan- nonischen Stufe Ungarns“ (Neues Jahrb. für Min., Geol. und Paläont. 1900, Bd. II, p. 102) teile ich meine Entdeckung mit, wonach auch in unseren pannonischen Seen, die mit beinahe voll- ständig ausgesüßtem Wasser erfüllt waren, autochthone Foramini- feren gelebt haben. Ich zählte hier aus dem Material des Brunnens in der Schweinemastanstalt die Arten Rotalia Beccarüi L., Nonionina depressa W. et J. sp. (granosa D’ORB.), Polystomella striatopunctata F. et M. sp. (Listeri D’ORB.) und Polystomella macella F.et M. sp. auf. In derselben Arbeit rufe ich auch die beinahe gänzlich in Vergessenheit geratene Benennung „pannonische Fauna“ statt der unrichtigen und zweideutigen* Bezeichnung „pontische Fauna“ in Erinnerung zurück und benutze sie von neuem. Ich begann zuerst die Fossilien dieser Bildungen zu sammeln * Zweideutig insofern, als man darunter auch die Fauna des Schwarzen Meeres (Pontus euxinus) versteht. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 275 und so ihre Fauna zu studieren. In meiner 1902 in Stuttgart erschienenen Arbeit „Die pannonische Fauna von Budapest“ beschrieb ich vom Gebiete Budapests zwei reiche Faunen. Die eine derselben stammt aus dem Brunnen der Ersenschen Schweinemastanstalt in Budapest-Köbanya und umfaßt die folgen- den 42 Arten: Rotalia Deccarü L. sp., Nonionina granosa D’ORB., Polystom- mella Listeri D’ORB., Polgstomella macella F. et M., Congeria Git- neri BRUS., Cong. scrobiculata BRUS., Cong. scrobiculata BRUS. var. carinifera LÖRENT. nov. sp., (ong. Märtonfii LÖRENT., Cong. Mär- tonfii LÖRENT. var. speudoauricularis LÖRENT., Limnocardium mini- mum LÖRENT. nov. sp., Limn. Halaväatsi LÖRENT. nov. sp.? Limn. sp. ind., Limn. (Pontalmyra) Andrusovi LÖRENT. nov. sp., Limn. (Pontalmyra) Andrusovi LÖRENT. var. spinosum LÖRENT. nov. £.? Monodacna (Pseudocatillus) pannonica LÖRENT. nov. sp., Papyro- theca gracilis LÖRENT. nov. sp., Planorbis (Tropodiscus) Sabljari Brus., Pl. verticillus Brus., Planorbis (Armiger) ptycophorus BRUS,., Pl. (Gyraulus) solenoöides LÖRENT. n. sp., Ancylus ilyricus NEUM., Orygoceras Fuchsi KITTL. sp.*, Or. filoeinetum BRUS., Or. cultra- tum Brus., Melania (Melanordes) Vasarhelyii HANTK. sp., Mela- nopsis rarispina LÖRENT. nov. sp., Melanopsis (Lyrcaea) Marti- niana FER., Mel. (Lyrcaea) impressa Krauss., Mel. (Lyrcaea) impressa KRAUSS, var. Bonellüi E. SısuD., Mel. (Lyrcaea) impressa Krauss, var. carinatissima Sacco, Mel. (Lyrcaea) Matheroni MAYR., Mel. (Lyrcaea) vindobonensis FUCHS, Hydrobia (Caspia) Vujiei Brus., Hydr. (Caspia) Krambergeri LÖRENT. nov. sp., Baglivia sopronensis R. HOERN., Micromelania? cylindrica LÖRENT. nov. sp., Prososthenia Zitteli LÖRENT. nov. sp., Pros. sepuleralis PARTSCH sp., Dithynia Jurinaci BRUS., Valvata balatonica ROLLE, Neritina (Clithon) Pilari Brus., Ner. (Clithon) cfr. Cunici Brus., ferner Fischknochen und Ostracoden. Die zweite Fauna, welche ich in dieser Arbeit beschrieb, stammt aus dem höheren, durch massenhaftes Auftreten von Con- geria ungula-caprae MÜNST. charakterisierten Horizont und wurde an zwei Fundorten, in Budapest-Räkos (Steinkohlen- und * Im Original unter dem Namen Origoceras corniculum Brus. 135 » 276 I. LÖRENTHEY. Ziegelfabriks-Aktiengesellschaft) und Budapest-Köbanya (Buda- pester Dampfziegelfabriks-Gesellschaft) gesammelt. In der Tongrube der Steinkohlen- und Ziegelfabriks-A.-G. Budapest-Räkos, von wo bis dahin nach v. SzaB6 5 Mollusken- arten bekannt waren, beschrieb ich auf Grund meiner Samm- lungen die folgenden 27 Arten: Oongeria ungula-caprae MÜNST., Cong. ungula-caprae MÜNST. var. rhombiformis LÖRENT. nov.form., Cong. Partschi Czszer, Oong.? Gitneri Brus.?, Cong.? ind. sp., Dreissensia ind. sp., Dreissensio- mya intermedia FucHs?, Limnocardium Penslii FucHs sp., Limn. secans FUCHS sp., Limn. Steindachmeri BRUS. sp., Limn. subdeser- tum LÖRENT. nov. sp., Limn. budapestiniense LÖRENT. n. sp., Limn. fragile LÖRENT. nov. sp., Phyllicardium complamatum FucHs sp., Iberus Balatonicus STOL., Planorbis tenuis FucHs, Pl. porcellanea LÖRENT. nov. sp., Pl. ind. sp., Melanopsis pygmaea PARTSCH, Pyrgula incisa Fuchs, Micromelania? Fuchsiana BRUS., Mier.? laevis Fuchs sp., Valvata kupensis Fuchs, Valv. minima Fuchs, Valv. subgradata LÖRENT. nov. sp., Hydrobia scalarıs FUCHS, Bithynia? proxima Fuchs, Otolithen und Ostracoden. Von hier hat auch K. GORJANOVIC-KRAMBERGER eine neue Fischart, Olupea hungarica GORJ.-KRAMB.n.sp., in seinen Paläoich- thyologischen Beiträgen 1902 beschrieben.“ Von Budapest-Köbänya, aus der Tongrube der Budapester Dampfziegelfabriks-Gesellschaft, von wo v. SzABÖ 3 Arten erwähnt, beschrieb ich 31 Molluskenarten; es sind dies: Oongeria ungula-caprae MÜNST., Congeria ungula-caprae MÜNST. var. rhombiformis LÖRENT. nov. form., Congeria ungula-capraeMÜNST. var. crassissima LÖRENT. nov. form., Cong. Partschi Czszex, Cong.? Gitneri BRUS , Dreissensia bipartita BRUS., Dreiss. ind. sp., Dreis- sensiomya intermedia FUCHS, Limnocardium Penslii FucHs sp., Limn. secans FucHs sp., Limn. Steindachneri BRUS. sp., Limn. subdesertum LÖRENT. nov. sp., Limn. budapestiniense LÖRENT. nov. sp., Limn. complanatum Fuchs sp., Limnaea sp. cf. paug- spira Fuchs, Valencienmesia sp., Planorbis tenuis FucHs, Pl. por- * Mitteilungen aus dem Jahrbuche der kgl. ungar. Geologischen An- stalt Bd. XIV, H. 1. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 277 cellanea LÖRENT. nov. sp., Pl. solenoöides LÖRENT. nov. Sp., Melanopsis pygmaea PARTSCH, Pyrgula incisa FUCHS, Microme- lania? Fuchsiana BRUS., Mier.? laevis FucHs sp., Valvata Inipensis Fuchs, Valv. minima FucHs, Valv. subgradata LÖRENT. nov. Sp., Valv. varians LÖRENT. nov. sp., Hydrobia scalaris FucHs sp., Bithynella sp. ind. Dithynia? margaritula FucHs, Bith.? proxima Fuchs und Östracoden. Ich wies in dieser Abhandlung auf Grund der aus 42 Arten bestehenden Fauna die vom Gebiete Budapests bisher unbekannt gewesene unterpannonische Stufe nach und stellte gleichzeitig fest, daß die von Budapest-Köbanya und Budapest-Rakos be- schriebene, aus 7 Arten bestehende Fauna, deren Artenzahl ich auf 35 erhöhte, dem untersten, durch massenhaftes Auftreten von Congeria ungula-caprae MÜNST. und Oong. Partschi CZszex charak- terisierten Horizont der oberpannonischen Stufe angehört. Zum Schlusse wird noch erwähnt, daß ich in Budapest- Köbanya, am Territorium der Budapester Dampfziegelfabriks-Ge- sellschaft, ober den letztgenannten Schichten eine aus grobem Sand und feinem Schotter bestehende Lage vorfand, in welcher eine große Menge von Congeria triangularis PARTSCH enthalten ist. Es ist dies also ein höherer, vom Gebiete Budapests bisher un- bekannter Horizont der oberpannonischen Stufe, dessen Fauna jedoch noch nicht untersucht wurde. Nach dem Erscheinen der in Rede stehenden Arbeit setzte ich die Erforschung unserer pannonischen Schichten fort und be- gann die Spur der unterpannonischen Stufe, sowie den vorher erwähnten Congeria triangularis-Horizont der oberpannonischen Stufe zu verfolgen. Der in Köbanya befindliche Aufschluß der Budapester Dampfziegelfabriks-Gesellschaft eignet sich zum Sam- meln der Fossilien dieses Horizontes nicht, da in diesem eisen- schüssigen lockeren Sande einesteils die Fossilien sehr stark aus- gelaugt sind, anderseits aber der kleine Aufschluß stark mit Gras verwachsen und das Material der geringfügigen Schicht seither zum größten Teil fortgeschafft worden ist. Aus dem südöstlichen Einfallen der Schichten geschlossen, muß auch hier dieser höhere Horizont, gleichwie die übrigen Horizonte, gegen Südosten entwickelt sein, während die Schichten 278 I. LÖRENTHEY. der unterpannonischen Stufe — wenn überhaupt vorhanden — im Westen zu suchen sind. Ich machte mich daher, ausgerüstet mit der geologischen Karte, an die Durchforschung dieser Auf- schlüsse bezw. Tongruben. Diese Untersuchungen führten zu einem nicht erhofften Ergebnis. Einesteils stellte es sich heraus, daß in der neuestens heraus- gegebenen geologischen Karte an Stelle mehrerer Vorkommen der pannonischen Schichten Flugsand und Moorboden eingetragen ist, anderseits aber, daß diese von HALavArs als fossilleer be- zeichneten Schichten zu den fossilreichsten und interessantesten Fundorten Ungarns gehören, so zwar, daß es mir möglich ge- wesen ist, auf Grund der Fossilien, sämtliche Horizonte der klassischen pannonischen Schichtenreihe des Balatonseegebietes hier nachzuweisen, wo bisher noch niemand Horizonte zu unter- scheiden vermochte. In den westlichst gelegenen Aufschlüssen, welche sich der Schweinemastanstalt am nächsten befinden, suchte ich nach den lyrcaeenreichen Schichten der unterpannonischen Stufe, ohne sie jedoch entdeckt zu haben. Zu diesem Behufe untersuchte ich die in der Nähe des Kapolna-ter in Köbanya befindlichen Tongruben der VIRAVA-, SEIFERT- und HOFHAUSERschen Ziegeleien, welehe — gleich den übrigen Aufschlüssen — in der Literatur bisher völlig unbe- kannt sind. In der Grube der Vıravaschen Ziegelei lagert unter dem Humus eine 4 m mächtige Schotterschicht mit Einsackungen (zahlreiche abgeriebene Ostreen führend), darunter in einer Mäch- tigkeit von 10—12 m ein mit Sand wechsellagernder pannonischer Ton und unter diesem sarmatischer Kalk. In den sandigeren Bänken sammelte ich bisher außer den Ostracoden: Congeria ungula-caprae MÜNST., Congeria ind. Sp., Limnocardium ind. sp., h subdesertum LÖRENT., Planorbis tenwis FUCHS, Pyrgula incisa FUCHS, ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 279 Mieromelania? Fuchsiana BRUS., Valvata varians LÖRENT., Otolithus (Sciena) und Zähne dieser Art, Mastodon sp. (longirostris KAuPp.?). In der Grube der unmittelbar benachbarten SEIFERTschen Ziegelei ist unter dem Humus ebenfalls eine 4 m mächtige Schotter- lage mit Einsackungen, ferner 16 m mit Sand abwechselnder pan- nonischer Ton und zuunterst der sarmatische Kalk aufgeschlossen Die Schichtenbildung ist ganz dieselbe wie in der vorhergehenden Grube, ein Unterschied besteht nur insofern, als hier der unterste diekbankige blaue Ton — die Schicht 7 — nicht 5—-6, sondern 7—8 m mächtig ist. Aus einer der Sandbänke habe ich außer Östracoden gesammelt: Congeria ungula-caprae MÜNST., Oongeria ind. sp.?, Limnocardium Penslii FucHs sp., 5 subdesertum LÖRENT., h: Steindachneri BRUS., Limnocardium sp. ind., Planorbis tenwis Fuchs, y porcellanea LÖRENT., Melanopsis pygmaea PARTSCH, Micromelania? Fuchsiana BRUS., 4, laevis FUCHS sp., Pyrgula incisa FUCHS, Hogdrobia scalaris FUCHS, 4 sp. ind., Bithynia? proxima Fuchs, Valvata minima Fuchs, * kupensis FUCHS, ., varians LÖRENT., Otolithus (Scienidae) sp. ind., irregularis KOK. var. angularıs SCHUB. ” ” In der Grube der etwas südlicher gelegenen aufgelassenen Hornuauserschen Ziegelei ist unter dem Humus eine 1—1,5 m mächtige Schotterlage mit Einsackungen, sodann 3—3,5 m bläu- 280 I. LÖRENTHEY. licher pannonischer Ton mit Congeria ungula-caprae MÜNST. und darunter sarmatischer Kalk sichtbar. Von tektonischem Gesichtspunkte ist unter den Aufschlüssen in Budapest-Räkos die Tongrube der ÖrLEYschen Ziegelei sehr interessant. Hier läßt sich nämlich eine der Verwerfungen des die Liegendschicht bildenden sarmatischen Kalkes sehr schön studieren. Ihre Richtung ist N—S und der Kalkstein an der- selben um 5m verworfen. In Rakos sind in der Tongrube der LECHNERschen Ziegelei unter Im Humus 1m Schotter mit Einsackungen, sodann 10 m pannonischer Sand und namentlich Ton vorhanden, in welchem drei fossilführende Schichten. beobachtet werden können. Im Liegenden des Tones folgt ein sehr feiner blätteriger Mergel, so- dann eisenschüssiger Schotter, der unmittelbar dem unter 9° gegen Süden einfallenden sarmatischen Kalkstein auflagert. In diesem eisenschüssigen Schotter sind Exemplare von Congeria Partschi Czszer selten. Aus der dem Ton aufgelagerten fossilführenden Schicht habe ich außer den Ostracoden bisher gesammelt: Congeria ungula-caprae MÜNST., Congeria ind. Sp., Limnocardium Penslii FucHs sp., „ banaticum FUCHS sp.?, ® subdesertum LÖRENT., Planorbis tenuis FUCHS, h porcellanea LÖRENT., Melanopsis pygmaea PARTSCH, Pyrgula ıncisa Fuchs, Micromelania? Fuchsiana BRUS., ® ? laevis Fuchs, Valvata varians LÖRENT., „. subgradata LÖRENT. In der Grube der Örtevschen Ziegelei in Räkos lagert unter 1m Humus 3m Schotter mit Einsackungen und sodann in einer Mächtigkeit von 20 m ein von Sandschnüren durchzogener pan- nonischer Ton mit zwei fossilführenden Bändern bezw. Linsen. Darunter folgt der um 5 m verworfene sarmatische Kalk, auf ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 281 welchem ein eisenschüssiger Schotter als tiefste Schicht der pan- nonischen Stufe liegt. In diesem Schotter sammelte ich bisher: Congeria Partschi ÜCäszEr, & subglobosa PARTSCH, Limnocardium Penslüi Fuchs sp., 5; Steindachneri BRUS. sp., 5 subdesertum LÖRENT., Valvata subgradata LÖRENT., Planorbis ind. sp. Aus der unteren, dem Ton eingelagerten fossilführenden Sand- lage aber: Oongeria ungula-caprae MÜünsr., = Partschi Czszex, Congeria ind. sp., Limnocardium subdesertum LÖRENT., Planorbis tenuis Fuchs, Pyrgula incisa Fuchs, Mireromelania? Fuchsiana BRUS., Bithynia®? proxima Fuchs, Valvata subgradata LÖRENT. In der Grube der Budapester Dampfziegelfabriks-Gesellschaft Rakos lagert unter 1 m Humus Schotter mit Einsackungen, dessen Mächtigkeit zwischen 1—3 m schwankt; sodann 26—28 m panno- nischer Ton mit Sandlinsen, aus dessen unterer fossilführenden Schicht ich außer Ostracoden und Fischzähnen die folgenden Arten gesammelt habe: Congeria ungula-caprae MÜNST., “ 1 var. rhombiformis LÖRENT., n Partschi, Czszex, rs 5 sp. ind., Limnocardium Penslii FUCHS sp., » subdesertum LÖRENT., Ei Steindachneri BRUS. Sp., „ secans FUCHS, > sp. ind., Phyllicardium complanatum FUCHS sp., 282 I. LÖRENTHEY. Planorbis tenwis FucHs, porcellanea LÖRENT., n parvulus LÖRENT., Micromelania? Fuchsiana BRUS., Pyrgula incisa Fuchs, Bithynia? proxima Fuchs, Valvata subgradata LÖRENT., „ varians LÖRENT., Neritina (Clithon) sp. Otolithus (Seiena) ind. sp. „ Unter diesem findet sich — im Hangenden des sarınatischen Kalkes — ein feinerer und gröberer eisenschüssiger Schotter in einer Mächtigkeit von 0,5—0,15 m mit vielen Fossilien vor. Ich sammelte aus demselben: Congeria Partschi Cäszex, Limnocardium Pensliüi Fuchs sp., secans FUCHS sp., subdesertum LÖRENT., Steindachneri BRUS. sp., 7 „ ” In der Grube der von diesen südöstlich gelegenen Ziegelei der Ungarischen Keramischen Fabriks-Aktiengesellschaft in Kö- banya sind die dem sarmatischen Kalkstein aufgelagerten panno- nischen Schichten 30—32 m mächtig. Unter dem Humus liegt gelber Ton, weiter abwärts fetter, hie und da mit schwächeren oder stärkeren Sandbändern wechsellagernd blauer Ton. 18—19 m unter der Oberfläche befindet sich eine fossilführende Tonschicht, aus welcher ich außer Östracoden und Scienidenzähnen sammelte: Heterolepa Dutemplei D’ORB., Oristellaria sp. ind., Congeria ungula-caprae MÜNST., var.rhombiformis LÖRENT. var. crassissima LÖRENT. 7 7 ” ” ” ” ” ” » sp. ind., Dreissensia sp. ind., Dreissensiomya Sp., Phyllicardium complanatum FUCHS sp., ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 283 Limnocardium Penslii FucHs sp., „ secans FucHs, 9 sp. (cfr. Steindachneri Brus.), Planorbis parvulus LÖRENT., porcellanea LÖRENT., Ä tenuis FUCHS, Melanopsis pygmaea PARTSCH, Micromelania? laevis FUCHS sp., ER ? Fuchsiana BRUS., Pyrgula incisa Fuchs, Prososthenia Zitteli LÖRENT. var. similis LÖRENT., Bithynia? proxima Fuchs, Valvata balatonica ROLLE, minima FucHs, katpensis FUCHS, varians LÖRENT., subgradata LÖRENT. ” ” Einige Meter unter dieser fossilführenden Schicht lagert eine spannbreite, dünnplattige Mergelschicht, die sich um einen halben Meter tiefer wiederholt. Unmittelbar über dem sarmatischen Kalke kommt hier nicht Schotter, wie in den übrigen Tongruben der Ziegeleien in Rakos und Köbanya, sondern ein kalkiger Ton vor, der auch hier mit Exemplaren von Congeria Partschi CzsZex er- füllt ist. In dieser Grube fand ich also noch immer nicht den Hori- zont der Üongeria triangularıs, sondern denselben tieferen, durch Congeria ungula-caprae charakterisierten Horizont, der ın Buda- pest-Rakos und in den westlicheren Gruben von Köbanya auf- geschlossen ist. Ein besonderes Interesse verleiht der hier ge- sammelten Fauna der Umstand, daß ich in diesem tiefsten Hori- zont der oberpannonischen Stufe hier die ersten Foraminiferen gefunden habe, als einen Beweis meiner Beobachtung, wonach sämtliche Horizonte der pannonischen Stufe ihre ärmliche, jedoch autochthone Foraminiferenfauna besitzen. Weiter östlich sind in den beiden Tongruben der Köbäanyaer Ziegelei und der Vereinigten Ziegel- und Zementfabriks-Aktien- 284 I. LÖRENTHEY. gesellschaft bereits die Schichten des höheren, durch Congeria triangularıs charakterisierten Horizontes aufgeschlossen, und zwar 16 fossilführende, wechsellagernde Sand-, Sandstein-, sandige Ton-, Ton- und Lignitschichten. Aus der Sandschicht 11 habe ich bisher die folgenden 37 Mollusken, 3 Fische und Ostracoden ge- sammelt: Congeria triangularis PARTSCH, 3; balatonica PARTSCH, 5 chilotrema BRUS., & subrhomboidae ANDR., Dreissensia auricularıs FUCHS var. simplex Fuchs, Dreissensiomya sp. ind., Anodonta inflata LÖRENT., Unio Halavatsı BRUS. sp., Limnocardium pseudo-banaticum G&ORJ.-KRAME. , 5 banaticum FUCHS sp., „ Penslii Fuchs sp., 5 decorum FUCHS sp., * arpdadense M. HÖöRn. var. diprosopum BRUS., 5 platypleura BRUS., wo Schedelianum PANTSCH, 5 zagrabiense BRUS., a scabriusculum FUCHS sp., Planorbis tenuis FUCHS, 5 varians FUCHS, Melanopsis (Lyrcaea) caryota BRUS., Hydrobia? atropida BRUS., bithynia? margaritula Fuchs, »„. 2? proxima Fuchs, Pyrgula bieincta LÖRENT., Mieeromelania? laevis FUCHS sp., s ? Fuchsiana BRUS., ” DBielzi BRUS. sp., = radmanesti FUCHS sp., e ? Schwabenaui FucHs sp., Valvata variabilis FUCHS, » balatonica ROLLE, ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 285 Valvata tihanyensis LÖRENT., „ variams LÖRENT., „ Kochi nov. sp., „ (Aphanotylus) adeorboides FucHs, Vivipara Loczyi HALAV., 5 Semseyi HALAV., Otolithus (Sceiena) compactus SCHUB., 5 ri irregularıs var. angulata SCHUB., ” 2) SP- ind., Ostracodaen. Diese Schicht ist eine der fossilreichsten in der pannonischen Stufe Ungarns, nicht sowohl bezüglich der Arten als vielmehr der Individuen. So sind z. B. Congeria triangularis PARTSCH, Dreissensia auricularis var. simplex FUCHS, Limnocardium Penslüi FUcHs sp., Limn. zagrabiense BRUS., Micromelania? laevis FucHs sp., Valvata balatonica ROLLE und Vivipara Loczyi HALAV. zu: Hunderten im besten Erhaltungszustande in ihr zu sammeln. Nach aufwärts wechseln Ton, Sand und Sandstein mitein- ander. Jede einzelne Schicht besitzt ihre Fauna, wenn auch nicht eine so reiche und mannigfaltige wie die Schichten 11 und 2. Nach oben zu nimmt die Zahl der Congeria triangularıs PARTSCH ab und die der Oongeria balatonica PARTSCH zu, so daß, während ich in der Schicht 11 von Congeria triangularis 450 und von Cong. balatonica 3 Exemplare gesammelt habe, in der Schicht 2 auf 150 Exemplare der Congeria balatonica bloß 10 Exemplare der Cong. triangularis entfallen. Auch in der oberen Partie der Bil- ‘dung, an der Basis der Schichten 6 und 4, ja sogar von 2, sind einzelne Nester dünner Lagen vorhanden, die mit Viviparen er- füllt sind; in der einen wiegt Vivipara Sadleri PARTSCH, in der anderen Vivipara Loczyı HALAVATS vor. Eine der fossilreichsten Schichten bildet der im nördlichsten Teile der Grube unter dem Triangulationspunkt aufgeschlossene eisenschüssige Sand Nr. 2, in welchem ich außer Ostracoden fol- sende 39 Arten sammelte: Congeria balatonica PARTSCH, 5 chilotrema BRUS., 286 I. LÖRENTHEY. Oongeria labiata ANDR., Br triangularıs PARTSCH, Dreissensia Dobrei Brus.?, s auriculuris Fuchs var. simplex Fuchs, 5 serbica BRUS., Dreissensiomya ind. sp., Pisidium sp. ind., Anodonta Brandenburgi Brus.?, Unio sp. ind., Plagiodacna Awingeri FUCHS, Limnocardium apertum MÜNST. sp., es secans FUCHS sp., 5 arpadense M.HÖöRrN, var.diprosopum BRUS.sp., Planorbis varians FUCHS, 5 tenuis FucHs, Melanopsis decollata STOL., 5 gradata FUCHS, e (Lyrcaea) cylindrica STOL., K a Petrovici BRUS., Micromelania monilifera BRUS., 5 Bielzi BRUS. sp., „ ? Schwabenaui FUCHS sp., > ? laevis FUCHS sp., >, ? Fuchsiana BRts., Haidingeri STOL. sp., Pyrgula incisa FUCHS var. pannonica LÖRENT., 5 bieincta LÖRENT.?, Bithynia? proxima Fuchs, Vivipara Sadleri PARTSCH, » Loczyi HALAVv. Valvata balatonica ROLLE, = variabilis FUCHS, 5 simplex FUCHS var. bicineta Fuchs, 5 (Aphanotylus) kupensis FUCHS, Neritina (Olithon) ind. sp., Otolithus (Seiena) sp. ind., sp. ind. ” 2 ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 287 Diese 16 Schichten bilden einen zusammenhängenden Schichten- komplex, welcher dem oberpannonischen Congeria triangularis- und Cong. balatonica-Horizont der Umgebung des Balatonsees (Tihany, Fonyöd) und dem von Radmanest entspricht. Daß hier von den durch diese Arten gekennzeichneten Schichten jene, welche durch das massenhafte Auftreten der Cong. balatonica charakterisiert sind, höher liegen als die an Cong. triangularis reichen, ist eine lokale Erscheinung, die an der stratigraphischen Einteilung nichts ändert. | Etwas gegen Südost liegt die zu Pusztaszentlörinez gehörende SOUHEITELsche Ziegelei. Es ist dies dieselbe, welche auch v. SzABÖ mit der Farbe der pannonischen Schichten in der Karte bezeichnet hat; v. Inkey erwähnt sie bereits unter diesem Namen. Über ihre Schichten und außerordentlich reiche Fauna wurde jedoch nichts mitgeteilt, so daß sie in der Literatur bis zum heutigen Tage völlig unbekannt war. Hier sind über sieben fossilführende Schichten vorhanden, worunter ich bloß die fossilreichen erwähne; und zwar sammelte ich aus dem der unteren Sandsteinbank aufgelagerten tonigen Sande außer den Ostracoden die folgenden 20 Arten: Oongeria Neumayri ANDR.?, Dreissensia serbica BRUS., Dreissensiomya wunioides FUCHS, Anodonta inflata LÖRENT., 4 sp. (Drandenburgi BRUS.?), Unio Halavatsi BRus., Limnocardium decorum FUCHS sp., Planorbis varians FUCHS, Melanopsis decollata STOL., = (Lyrcaea) cylindrica STOL., Mieromelania? laevis FucHs sp., 5 Haidingeri STOL. sp., bBithynia sp. (operculum), Vivipara Sadleri PARTSCH, 5 Loezyi HALAV., Valvata (Aphanotylus) kupensis Fuchs, nn 3 aderoboides FUCHS, 2838 I. LÖRENTHEY. Neritina (Clithon) sp., ” ” SP-, = Otolithus (Seiena) ind. sp. Die Pflanzenwelt ist durch eine Charafrucht vertreten. Die in der Fauna vorherrschenden Formen sind in der Reihe ihrer Häufigkeit die folgenden: Micromelania? laevis FUCHS sp., Limnocardium decorum Fuchs sp., Unio Halavatsi Brus., Mela- nopsis (Lyrcaea) cylindrica STOL. und Melanopsis decollata STOL. Weiter oben folgt eine glimmerreiche Sandschicht, welche mit Viviparen erfüllt ist. Aus ihr sammelte ich: Vivipara Sadleri PARTSCH, 5; Loöczyi HALAV., Melanopsis (Lyrcaea) eylindrica STOL., 5 decollata STOL., Micromelania? laevis FUCHS sp., Limnocardium decorum FUCHS sp., Dreissensia serbica BRUS., 5 auricularis FUCHS var. simplex Fuchs. Unmittelbar über derselben lagert ein gelblicher eisen- schüssiger, mit Congeria balatonica erfüllter Sand, aus welchem ich gesammelt habe: Oongeria balatonica PARTSCH, „ triangularıs PARTSCH, Dreissensia serbica BRUS., e auricularis FUCHS var. simplex FucHs, Limnocardium Penslii FUCHS sp., ss apertum MÜNST. sp., Plagiodacna Awingeri FUCHS sp., Planorbis tenwis FUCHs, Micromelania monilifera BRUS., 5 coelata BRUS., 5 Haidingeri STOL., > ? laevis FucHs sp., a ? Fuchsiana FUCHS, % Bielzi BRUS. sp., ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 289 Pyrgula bicincta LÖRENT., Bithynia? proxima Fuchs, Fischzähne, Ostracoden und Charafrucht. Über dieser Schicht, 6—8 m unter dem Humus ist ein 0,5 m mächtiger dunkler Ton vorhanden, der voll verkohlter Sumpf- pflanzen ist. In diesem fand ich: Hipparion gracıle Kaurp. sp., Extremitätenknochen. Die in der Tongrube der SOUHEITELschen Ziegelei aufge- schlossenen Schichten gehören ebenfalls noch in den durch Con- geria triangularıs und Cong. balatonica charakterisierten Horizont der oberpannonischen Stufe. Innerhalb dieses Horizontes findet sich auch hier eine unionenreiche Schicht vor, wie in Tihany (Schicht II des Feherpart) und eine viviparareiche, wie in der nördlichen Grube der Vereinigten Ziegel- und Zementfabrik in Köbanya. Auf Grund dieses Aufschlusses ist es gleichzeitig fest- gestellt, wann Hipparion gracıle Kaup. sp. in der Umgebung von Budapest aufgetreten ist. Südlich von der SOUHEITELschen liegt die Szentlörinezer Ziegelei der Ungarischen Allgemeinen Kreditbank. Dieselbe ist bereits auch auf der v. Szapöschen Karte als der Aufschluß beim Wirtshaus Szarvas esarda verzeichnet. B. v. InKEy teilt in seiner an- geführten Arbeit auch das Schichtenprofil dieser Tongrube mit. Er führt neun Schichten an, so daß, abgerechnet das zuoberst lagernde 0,5—0,6 m mächtige Diluvium, das pannonische Sediment, dessen Schichten unter 4—5° nach OSO einfallen, im Jahre 1902 in einer Mächtigkeit von 20 m aufgeschlossen war. Fossilien er- wähnt derselbe bloß aus der Schicht 4, Helix cfr. robusta Ross., und aus der Schicht 7, Melanopis Bouei FErR., Neritina radmanesti FucHs, Planorbis sp. und Bruchstücke von Umio sp. Seither wurde die Grube um zirka 6 m vertieft, so daß nunmehr 15 Schiehten aufgeschlossen sind, worunter ich aus der 14. zahl- reiche Exemplare von Helix (Tacheocampylaea) Doderleini BRUS. gesammelt habe. In der Ziegeleikanzlei erhielt ich überaus wertvolle Säuge- tierknochen, welche aus v. InKEys Schicht 8, einem zähen, ge- Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 19 290 I. LÖRENTHEY. schichteten, schwärzlichbläulich gefärbten Ton stammen. Die- selben gehören den folgenden Arten an: Hipparion gracile KAuP sp., Tragocerus Loczyi nov. Sp., Cervus sp. ind. (nov. sp.?), Mastodon sp. ind. Von hier erwähnt J. A. KRENNER aus einer Tiefe von 7 Klaf- tern (= 13,25 m) einen Mastodonzahn. Diese Tiefe entspricht der v. Inkeyschen vierten Schicht, aus welcher er den Helix cfr. robusta anführt, der wahrscheinlich mit dem von mir in der Schicht 14 in mehreren Exemplaren gesammelten Helix (Tacheo- campylaea) Doderleini identisch ist. In den v. InkEyschen Schich- ten 2 und 3 gelang es mir, eine ziemlich reiche Fauna zu sam- meln, aus welcher ersichtlich ist, daß diese oberste Schicht den höchsten Horizont der oberpannonischen Stufe, den durch massen- haftes Auftreten von Unio Wetzleri charakterisierten Horizont bildet. Aus diesem sammelte ich bisher: Unio Wetzleri DUNKER, Congeria Neumayri ANDR., Pisidium sp. ind., Planorbis (Coretus) cornu. L., Helix (Tachea) baconicus HALAV.?, » (Tacheocampylaea) Doderleini BRUS.?, Vivipara Fuchsi NEUM., Melanopsis praemorsa L., 5 Entzi BRUS,., „ sp. ind., Valvata Entzi nov. sp., 3 „ LÖRENT. var. tricarinata, nov. form., Neritina (Olithon) sp. ind. Dieser Aufschluß ist einer der interessantesten, da die Haupt- masse der Schichten durch Helix (Tacheocampyluea) Doderleini charakterisiert wird, der mir bisher nur aus dem durch Congeria rhomboidea gekennzeichneten Horizont der oberpannonischen Stufe bekannt ist. Auf diese Weise schaltet sich die in Rede stehende Schicht gut zwischen den unter dieselbe einfallenden Horizont ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 291 der Cong. triangularis und Cong. balatonica und den ihr auf- lagernden Unio Wetzleri-Horizont ein. Interessant ist dieser Auf- schluß auch noch insofern, als im nordöstlichen Winkel der Grube das Auflagern des auskeilenden mastodonführenden — bezw. des die Einsackungen besitzenden — Schotters auf die obersten Schichten der pannonischen Stufe sichtbar ist. Die pannonischen Schichten dürften — aus ihrem Einfallen geurteilt — hier am mächtigsten, zumindest 80 m mächtig sein. ' Nach der geologischen Karte wären die Schichten der pan- nonischen Stufe — außer den bisher aufgezählten — am linken Ufer der Donau nur noch in den Gruben der Ziegelei von Erzsebet- falva aufgeschlossen. Wer jedoch seinen Weg nach Pusztaszent- lörinez nimmt, dem fallen an der nach Lajosmizse führenden Eisenbahnlinie die Schlote einer Ziegelei auf. Wenn wir die- selbe besuchen, so können wir uns davon überzeugen, daß auch hier die pannonischen Schichten aufgeschlossen sind, obzwar in die Karte an Stelle derselben Moorboden und Flugsand ein- getragen ist. Es ist dies die Ziegelei von Kispest, welche von Kispest gegen Süden, von Pusztaszentlörinez gegen Westen und von der Gubacspuszta gegen Norden liegt. Hier lagert unter 0,5 m schwarzem Humus (Nr. 1) ein feiner, stellenweise gröberer, geschichteter, gelblichgrauer Sand in einer Mächtigkeit von 3m (Nr. 2), darunter 2 m welliger Schotter mit falscher Schichtung, abgeriebene Östreenfragmente und Wirbel- teile von Congeria ungula-caprae führend (Nr. 5), ferner I m glimmeriger, sandiger, dunkelblauer Ton mit Fossilien (Nr. 4), 0,25 m welliger, mit Markasitknollen erfüllter schwarzer Ton (Nr. 5) und zuunterst in einer Mächtigkeit von 3—4 m auf- geschlossen blauer, glimmeriger, sandiger Ton (Nr. 6), in welchem, namentlich an seiner Basis, die folgenden Mollusken in großer Menge gesammelt werden können: Congeria Neumayri ANDR., Dreissensia serbica BRUS.?, n sp. ind., Limnocardium decorum Fuchs sp., Pisidium sp. ind., Micromelania? laevis FUCHS sp., io) 292 I. LÖRENTHEY. Micromelania Schwabenaui FUCHS Ssp., Pyrgula bicincta LÖRENT., Valvata balatoniva ROLLE, „. fossaruliformis BRUS., Melanopsis gradata Fuchs, % oxyacantha BRUS., » ind. sp., % decollata STOL.?, 3 (Lyrcaea) ceylindrica STOL., 5 > Petrovici BRUS., Vivipara Fuchsi NEUM., Neritina (Clithon) radmanesti FUCHS. Die oberste, sowie vielleicht auch die darunter folgende zweite Schicht können als alluvial, die dritte aber als dıluvial betrachtet werden, während die übrigen, von der vierten abwärts, der pannonischen Stufe angehören. Möglich auch, daß schon die Schicht 2 diluvial und die Nr. 3 levantinisch ist. Die Fauna der Schichten 4—6 ist dieselbe, weshalb ich diese drei Schichten in den Congeria rhomboidea-Horizont der oberpannonischen Stufe stelle und mit jenen Schichten als gleichalterig betrachte, welche in der Ziegelei der Ungarischen allgemeinen Kreditbank in Puszta- szentlörinez im Liegenden der an Umio Wetzleri reichen Schichten aufgeschlossen sind. Unter den am linken Ufer der Donau gelegenen Aufschlüssen der pannonischen Stufe liegt die von Erzsebetfalva am west- lichsten. Es ist dies jene, welche bei v. SzaBö als Gubaeser Ziegelei verzeichnet ist. Wir finden hier in der Tongrube der Kobhlenbergbau- und Ziegelfabriks-Aktiengesellschaft die Schichten in einer Mächtigkeit von 20 m aufgeschlossen. Unter 1—15 m Humus lagert, 4—5 m mächtig, Schotter mit Einsackungen (wadiartige Bildung), welcher fossile Hölzer und angeblich die Extremitätenknochen von großen Tieren (?) einschließt. Dieser Schotter ist jenem, ebenfalls Einsackungen (Trichter) aufweisenden Schotter vollkommen ähnlich, aus welchem in Pusztaszlörinez und Rakoskeresztür die obere Partie des levan- tinischen Schotters gebildet wird. Möglich, daß derselbe eben- ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 293 falls levantinisch ist, doch erscheint es nicht ausgeschlossen, daß ' er schon diluvial oder eventuell alluvial sei. Unter diesem Schotter ist in einer Mächtigkeit von 12—13 m ein mit dünnen Sandein- lagerungen wechsellagernder pannonischer, blauer, sodann schwärz- licher Ton aufgeschlossenen, aus welchem die Ziegel hergestellt werden. Die Schichten fallen unter 4—5° gegen Südosten ein. Unmittelbar unter dem die Einsackungen aufweisenden Schotter folgt ein feiner Quarzsand, dessen 0,5 m betragende Mächtigkeit gegen Südwesten bis 25 m zunimmt. Aus diesem sammelte ich die folgenden schlecht erhaltenen Mollusken: Dreissensiomya Sp., Limnocardium Penslii FUCHS sp., % sp. (cfr. Rogenhoferi BRUS.), Planorbis tenwis FUCHS, Micromelania? laevis FUCHS sp., 5 Bielzi BRUS. sp., Valvata variabilis FUCHS, „ balatonica ROLLE. Obzwar in dieser Faunula keine für den Horizont bezeich- nende Form vorhanden ist, so erachte ich es doch nicht für un- möglich, daß diese Sandschicht bereits zum Congeria triangularis- Horizont der oberpannonischen Stufe gehöre. Der darunter folgende, jetzt aufgeschlossene Schichtenkomplex aber vertritt den tieferen Congeria ungula-caprae-Horizont. Aus einer Sand- schicht desselben habe ich bisher gesammelt: Oongeria ungula-caprae MÜNST. (sehr zahlreich), Dreissensiomya ind. sp. (häufig), Phyllicardium complanatum Fuchs sp. (1 Stück), Limnocardium Penslii Fuchs sp. (häufig), h Steindachneri BRUS. sp. (1 Bruchstück). Einer der interessantesten Funde ist jener zwei Zähne auf- weisende rechtsseitige Unterkiefer von Mastodon longirostris KAUP., welcher aus dem unteren Teile des Tones, aus 12m Tiefe her- vorgegangen ist und im vergangenen Jahre in den Besitz der 294 I. LÖRENTHEY. königl. ungarischen Geologischen Anstalt gelangte. Es ist dies der älteste unter den von Budapest bisher bekannten Mastodon- Funden, da er dem tiefsten Horizont der oberpannonischen Stufe, dem Üongeria ungula-caprae-Horizont entstammt. Bevor ich auf die Besprechung der an der rechten Seite der Donau gelegenen pannonischen Bildungen überginge, möchte ich noch zwei entfernter gelegene Fundorte erwähnen. | Der eine liest südlich von Räakoskeresztür bei dem Fuchs’'schen Gehöfte und findet sich in der geologischen Karte ebenfalls nicht vor. Hier wurde vor etwa 14 Jahren eine Ziegelei errichtet, deren Betrieb jedoch in neuerer Zeit eingestellt wurde. In der dazu gehörenden Tongrube ist unter 1—2 m Flugsand in einer Mächtigkeit von einigen Metern gelblicher, sandiger und bläulicher pannonischer Ton auf- geschlossen, in welchem keine Spur von Fossilien entdeckt werden konnte. Der zweite Aufschluß befindet sich bei Osömör. Derselbe war beim Bau der nach Kerepes führenden Vizinalbahn, etwas östlich von der Station Csömör, unter der den Eisenbahneinschnitt überbrückenden Fahrstraße 1903 entstanden. Heute ist er be- reits vollständig mit Gras verwachsen und daher nicht mehr sichtbar. Hier sammelte ich aus einem harten blauen Tone die häufigen Exemplare von Congeria Partschi Czszex und Limnocardium sp., schlecht erhaltene Exemplare, welche mehreren Arten dieses Genus angehören. Es ist hier also derselbe Horizont der oberpannonischen Stufe vorhanden, welchen SCHMIDT und nach ihm SCHAFARZIK von Ozinkota erwähnt, d. i. der unterste Horizont, welcher bei der Ziegelei in Budapest-Rakos durch den dem sarmatischen Kalk auflagernden eisenschüssigen, groben Sand und zum Teil den darüber folgenden Ton vertreten wird. Eine vollkommen übereinstimmende Ausbildung weist die pannonische Bildung am rechten Donauufer bei Diösd (Oras) auf. Hier sammelte ich in den Tongruben der südwestlich von ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 295 der Ortschaft gelegenen Ziegelei ebenfalls schlecht erhaltene Exemplare von Congeria Partschi Czszex und Limnocardium. Bei Budafok kommen am Ostfuße des Gebirges bloß zwei kleine Partien der pannonischen Bildung vor, die der Denudation bisher erfolgreich Widerstand geleistet haben. Auf dem kleinen Plateau, etwas nördlich von der Bierbrauerei, sind hier in kleinen Sandgruben pannonische Schichten aufgeschlossen, wo unter 1 m mächtigen, Andesittrümmer und abgeriebene Ostreen einschließen- den alluvialen (?) Schotter 2 m geschichteter, eisenschüssiger, so- dann grauer Quarzsand mit vielen schlecht erhaltenen Exem- plaren von Dreissensia auricularıs FUCHS lagert. Unter diesem folgt, zumindest 6 m mächtig, ein glim- meriger, gelber, sandiger, von Rissen durchsetzter Ton, mit eben- falls schlecht erhaltenen Exemplaren von Limnocardium Penslii Fuchs sp. und Melanopsis ind. sp. Dieser lagert bereits dem sarmatischen Kalkstein auf, in welchem die Keller ausgehöhlt sind. Diese Schichtreihe weist keine horizontbezeichnenden Fossi- lien auf, so daß ihr Alter innerhalb der oberpannonischen Stufe derzeit nicht genau bestimmt werden kann. Sicher ist nur, daß sie eine Brackwasserablagerung ist. Von diesen bei Diösd und Budafok vorhandenen pannonischen Ablagerungen völlig abweichend ist die Ausbildung der am Nord- ende des Szechenyihegy und auf dem südlich vom Pozsonyi- hegy gelegenen Haromküthegy in einer Höhe von 400-450 m vorkommenden pannonischen Sedimente. Ihre Mächtigkeit beträgt 10—12 m; sie bestehen in der unteren Partie aus Ton, Sand und Sandstein und sind in mehreren Gruben aufgeschlossen. Von der Grenze einer gröberen und feineren Sandsteinbank stammt die im Ungarischen Nationalmuseum aufbewahrte von 8. J. PETENYI als Aceratherium incisivum KauPp. bestimmte und von HALAVATS 296 I. LÖRENTHEY. fälschlich als Anthracotherium magnum Cuv. angeführte Zahn- reihe. Von oben, aus der Nähe des Disznöfö, stammt vom Wege bei der alten VasvArvyschen Villa aus einem lockeren gelblichen Mergel jene Fauna, die nach den Bestimmungen K. HormaAnNs von J. v. SZABÖ, F. SCHAFARZIK und J. HALAVATS erwähnt wird. Es ist dies mit meiner Sammlung ergänzt die folgende: Mela- nopsis Entzi BRUS. (in der Literatur acicularis non FER.), Mel. Sturi Fuchs., Mel. Sinzowi LÖRENT. (von hier bisher unbekannt), Pla- norbis (Coretus) cornu BRONG., Pl. bakonicus HaLAv. (in der Lite- ratur Pl. applanatus non Tnom.), Valvata obstusaeformis LÖRENT. (in der Literatur Valv. piscinalis non MÜLLER), Hydrobia pseudo- cornea BRUS.?, Succinea (Lucena) oblonga Drar. var. elongata A. Braun (von hier bisher unbekannt), Limnaea (Gulnaria) ovata Drap.? (von hier bisher unbekannt), Limnaea (Gulnaria) sp. ind. (von hier bisher unbekannt), Neritina (Olithon) radmanesti Fuchs, Neritina (Clithon) sp. ind. (von hier neu). Es liegen somit von hier fünf neue Arten vor. Zuoberst ist das Plateau des Berges von einem bräunlichen, bituminösen Süßwasserkalk, als der jüngsten Schicht der panno- nischen Stufe bedeckt. In demselben kommen Steinkerne von Helix, Planorbis und Limmaeus in großer Menge vor. Ich be- trachte diesen Kalkstein für die Ablagerung eines Quellwasser- teiches, ähnlich jenem des Lukacsbades. Er entspricht den Süß- wasserkalken der Umgebung des Balatonsees (Szentkiralyszabadja, Värpalota). Diese Ausbildung der pannonischen Ablagerungen im Budaer Gebirge entspricht den obersten Schichten der oberpannonischen Stufe. Die beim Disznöfö aufgeschlossene Schicht mit Melanopsis Sturi Fuchs, Mel. Entzi Brus. und Valwata obtusaeformis LÖRENT. repräsentiert die Süßwasserfazies des Congeria rhomboidea-Hori- zontes. Es ist dies dieselbe Schicht, wie die bei Öcs, Nagyvazsony und Fonyöd (Schicht 4) in der Balatongegend, ferner bei der Ziegelei der Kreditbank in Pusztaszentlörinez — mit Ausnahme des Unio Wetzleri-Sandes —, sowie in der Ziegelei nächst Kispest an der linken Seite der Donau aufgeschlossenen, Congeria Neu- mayri ANDR. und Mel. oxyacantha Brus. führenden Schichten. Der bituminöse Süßwasserkalk aber bildet — wie ich dies in ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 297 meiner Arbeit über die Umgebung des Balatonsees dargelegt habe — die Landfazies des obersten, nämlich des Umio Wetzleri- Horizontes. Welchem Horizonte der oberpannonischen Stufe die unteren Tone, Sande und Sandsteine des Szechenyihegy und Häromkuüthegy angehören, kann nach den bisherigen Daten nicht sicher entschieden werden. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß sie dem Üongeria rhomboidea-Horizont entsprechen, obzwar es nicht unmöglich ist, daß sie zum Teil dem Horizont der Cong. triangularıs und Oong. balatomica angehören. Auf einen klassischen Fundort der durch Congeria Neumayri ANDR., Melanopsis Entzi Brus., Mel. Sturi Fuchs und Mel. oxyacantha BRUS. charakterisierten Süßwasserfazies stieß ich in Erd ‚ hinter dem Granarium, an dem zwischen den nordwestlichen Häusern der Ortschaft gegen Süden führenden Fahrwege.* Aus dem hier vorkommenden, einige Meter mächtigen, lockeren san- digen Tone sammelte ich die folgende Fauna: Congeria Neumayri ANDR.?, Dreissensia serbica BRUS., Limnocardium decorum FUCHS sp., 2 sp. ind., Unio Halavatsi BRUS., Limax fonyodensis LÖRENT., Helix striataformis LÖRENT., Xerophila ind. sp.?, Limnaea (Limmophysa) palustris L. foss.?, n (Gulnaria) ind. sp. (efr. ampla. var. Monardi HARrTM.), en Bouilleti MıcH.?, Planorbis sp. (cornu L.?), % bakonicus HALAV., K subptychophorus HALAV., Melanopsis (Lyrcaea) cylindrica STOL., s gradata Fuchs, 5 Entzi BRUS., * Heute ist dieser Aufschluß bereits verstürzt, wie ich dies leider gelegentlich eines Ausfluges am 11. April 1906 konstatieren mußte. 298 I. LÖRENTHEY. Melanopsis Sturi FucHs, N oxyacantha BRUS., Micromelania? laevis FUCHS sp., 5 Schwabenawi FUCHS, Bithymia, Deckel, „.2 prosima Fuchs, Vivipara Loczyi HALAV.?, Valvata balatonıca ROLLE, „... fossaruliformis BRUS., Neritina (Clithon) radmanesti FUCHS, 3 5 sp. ind. Außerdem Füschknochen, Zähne und Ostracoden. Die Pflanzen- welt wird durch eine Charafrucht vertreten. Nachdem die Schichten gegen Süden einfallen, müssen wir im Süden die Hangend-, im Norden dagegen die Liegendschichten suchen, und es gelang mir auch in den Eisenbahneinschnitten bei Erd den von hier noch unbekannten tieferen Congeria trian- gularis-Horizont zu finden. Dieser besteht zuunterst aus einem feinen, weißen, glimmerigen Quarzsand, auf welchem ein bankiger Sandstein mit Pflanzenabdrücken lagert. Aus dem Sande sam- melte ich die folgenden schlecht erhaltenen Fossilien: Congeria triangularis PARTSCH, Limnocardium sp. ind., Melanopsis decollata STOL., Valvata simplex Fuchs var. bieineta Fuchs. Südlich von Erd, zwischen Erd und Batta, wechsellagern am hohen Steilufer der Donau Ton, toniger Sand und lockerer Sand, welche die Hangendschichten der hinter dem Granarium in Erd aufgeschlossenen Schichten repräsentieren. Eine hell gefärbte, lockere, glimmerige Quarzsandschicht ist mit großen Exemplaren von Unio Wetzleri Dunck. erfüllt, doch fand ich auch noch die folgenden, von hier bisher unbekannten Arten: Unio sp. (aus dem Formenkreis von Zelebori NEUM.), Pisidium sp., Helix sp. (die Wirbelteile einer großen Art) und . Vivipara Fuchsi NEUM. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 299 Der in der paläontologischen Sammlung der Universität Budapest befindliche Zahn von Mastodon Borsoni Kays., auf den sich auch HALAVATS in seiner Kartenerläuterung beruft, ent- stammt nicht — wie HALAVATS annimmt — dem Unio Wetzleri-, sondern einem höheren Horizont. Derselbe wurde nämlich am 15. Septemper 1880 zwischen Batta und Erd, gelegentlich einer Abrutschung am Malomhesy gefunden, dort also, wo nur mehr solche (demselben auflagernde) Schichten aufgeschlossen wurden, die jünger als der Unio Wetzleri-Sand sind. In diesen Schichten finden sich auch in der Grube der benachbarten Aue zu Batta Zähne von Mastodon Borsoni vor. * - In der Umgebung von Budapest wurden als levantinische Ablagerungen bloß das Vorkommen des in einer Mächtigkeit von 20—24 m in Üsömör, Czinkota, Rakoskeresztüur und Puszta- szentlörinez ausgebildeten sogenannten „Mastodonschotters“ be- trachtet, von denen HALAVATS wenigstens den von Rakoskeresztür und Pusztaszentlörinez als Donaugeschiebe betrachtet. Wenn wir jedoch dieselben mit v. CHOLNOKY nicht als die Geschiebe eines großen Flusses ansehen, so müssen wir eine andere Erklärung für ihre Herkunft suchen. Obzwar wir uns noch völlig am An- fange der diesbezüglichen Untersuchungen befinden, so glaube ich doch nicht zu irren, wenn ich dieselben aus dem Komitat Nögrad herstammend betrachte. Ich suche nämlich ihren Ursprung in den untermediterranen Schichten, welche im südlichen Teile von Nögräd, in der Um- gebung von Bank, Tereske usw. aus grobem Schotter bestehen. Daß z. B. der Schotter von Pusztaszentlörinez aus dem Mediterran stammt, betrachte ich dadurch erwiesen, daß ich in demselben abgeriebene Baumstämme vorfand, von welchen mein geehrter Freund, Herr JoH. Tuzson, feststellte, daß sie der für unser Medi- terran bezeichnenden Magnolites silvatica Tuzson angehören. Der Weg aber, auf welchem der Schotter von Nögräd in die Umgebung von Budapest gelangt war, dürfte das Tal des heutigen Galga- flusses bei Aszöd gewesen sein. Als Wegweiser dient jener Masto- 300 I. LÖRENTHEY. donschotter, welcher in Aszöd unter der Oberfläche mit Mastodon arvernensis ÜR. et JOB. vorhanden ist. Der auf das levantinische Alter dieses Mastodonschotters hinweisende, vielleicht einzige Be- weis ist der, daß derselbe in Pusztaszentlörinez dem obersten pannonischen Horizont, den Unio Wetzleri-Schichten auflagert. Denn jener andere Beweis, den HAarLavArs vorbringt, wonach sich in dem Schotter Zähne von Mastodon arvernensis OR. et JOB. und Mastodon Borsoni Kays. befinden, hörte auf, ein solcher zu sein, da ich im Vorhergehenden schon aus der oberpannonischen Stufe Mastodon arvernensis erwähnte. Übrigens muß betont werden, daß hier bloß der die Einsackungen aufweisende Schotter dem Unio Wetzleri-Horizont auflagert, welcher auf der Pester Seite überall über den pannonischen Schichten und unter dem Humus angetroffen werden kann. | Akzeptierten wir die Ausführungen von HALAvATs für das levantinische Alter einer Bildung, daß dieselbe im Hangenden der obersten pannonischen Schicht vorkomme und Mastodon avernensis wie M. Borsoni führe, so müßten wir auf dieser Grundlage auch die in der Tongrube der Ziegelei bei Batta aufgeschlossenen Schichten als levantinisch betrachten, die jedoch in seiner Karte als pannonisch bezeichnet sind. Es ist möglich, daß der scheinbar gefaltete obere Teil dieser Schottervorkommen — der mit Einsackungen versehene — jünger als die ungestört lagernde untere Partie, vielleicht diluvial oder alluvial ist. Dies wird durch fernere Untersuchungen wohl ent- schieden werden. Gegen das diluviale Alter der ganzen Schotter- bildung spricht aber der Umstand, daß wir in derselben nirgends das im Diluvium so sehr verbreitete Mammut, den Elephas primi- genius BLUMB., vorfinden; die Mastodonzähne dagegen scheinen nicht an sekundärer Stätte zu liegen, da sie nicht im geringsten abgerieben sind. Wenn wir den die Einsackungen aufweisenden Schotter als diluvial oder alluvial annehmen, so müssen wir dieses Schotter- material bereits als an dritter Stätte lagernd betrachten und zum größten Teil aus dem weiter nördlich vorkommenden levantinischen Schotter ableiten. Ich betone: zum größten Teil, da das feinere Material auch aus dem Mediterran der Umgebung von Budapest, ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 301 von Norden herstammen kann. In diesem Falle würde auf der Karte diluvialer oder alluvialer Schotter den größeren Raum ein- nehmen, da er nicht nur im Hangenden aller levantinischen Schottervorkommen einzutragen wäre, sondern auch dort, wo solcher nicht verzeichnet ist, wie bei Erzsebetfalva, Kispest, Köbanya, Rakos und Budafok. Sehr interessant und strittig ist die Entstehung dieses ein- gesackten Schotters bezw. der faltenartigen Einsackungen selbst In dem diluvialen Schotter der Umgebung von München sind derartige Faltungen und Einsackungen sehr schön sichtbar; hier kann aber diese Erscheinung ohne Schwierigkeit durch die Fort- bewegung der Eismassen und den durch dieselben ausgeübten Druck erklärt werden. Im vorliegenden Falle dagegen, wo keine Gletscherspuren bekannt sind, müssen wir uns nach einer andern Erklärung umsehen. Ein Teil der scheinbaren Faltungen ist eigentlich der Durchschnitt von wadiartigen Furchen, die durch periodische Wasserläufe in die trockenliegende Schotteroberfläche eingegraben wurden. Durch diesen Vorgang läßt sich jedoch die Entstehung der Trichter nicht erklären, an deren Rändern die Schotterrollstücke vertikal stehen und welche mit einem tonigen, sandigen Materiale ausgefüllt sind. v. InkEyY schreibt dieselben Verrutschungen zu, welche durch vor dem Diluvium erfolgte schwache Hebungen verursacht wurden. Es fragt sich, ob nicht die Entstehung der Trichter derart erklärt werden könnte, daß die mit dem Schotter stellenweise wechsellagernden Sandschichten und -Linsen durch das in den Schotter einsickernde und in demselben ablaufende Wasser ausgeschwemmt wurden und in den so entstandenen Hohlräumen die oberen Schichten ein- gestürzt sind. Auf diese Weise konnten auch die zwischen die Schichten geratenen Schotterstücke in eine vertikale Lage ge- langt sein. Möglich übrigens, daß im Zustandebringen dieser Störungen mehrere Kräfte zusammenwirkten; jedenfalls wird auch diese Frage durch die weiteren Untersuchungen geklärt werden. Während in der Literatur aus diesem Schotter bloß die Reste von drei Wirbeltieren, und zwar von Mastodon arvernensis CROIZ. et JoB., Mastodon Borsoni Kays. und Rhinoceros sp., ferner von 302 I. LÖRENTHEY. einer Pflanzenart, Quercinum Staubi FELIX, bekannt sind, sammelte ich darin die folgenden Arten: \ Mastodon arvernensis OROIZ et JOB., Dinotherium giganteum KAUP., Rhinoceros sp. ind., Hipparion gracile KAup., Capreolus cusanus UROIZ et JOB., Palaeory& nov. Sp. und aus der Pflanzenwelt: Magnolites silvatica TUzson.* Überblicken wir das im obigen Dargelegte, so sehen wir, daß vor dem Erscheinen meiner Arbeit „Die pannonische Fauna von Budapest“ über die pannonischen Bildungen der Umgebung von Budapest kaum etwas bekannt war. Wir wußten bloß so viel, daß in Budapest-Rakos und Budapest-Köbanya dem sarmatischen Kalke eisenschüssiger Schotter und diesem wieder in beträchtlicher Mächtigkeit pannonischer Ton mit Sand- bändern auflagert. Aus denselben waren 10 Fossilien bekannt. Von Pusztaszentlörinez haben wir nach v. InkeY Kenntnis von wechsellagernden Ton- und Sandschichten mit 5 Fossilien und später nach HaLAvATs vom Unio Wetzleri-Horizont ebenfalls mit 5 Fossilien. Vom Szechenyihegy (Sväbhegey) wußten wir, daß hier das Pliozän zu unterst von Sanden und Sandsteinen mit Aceratherium incisivum, beim Disznöfö durch eine Schicht mit 6 Molluskenarten, zu oberst aber durch Süßwasserkalk mit einigen schlecht erhaltenen Fossilien vertreten ist. Von Erzsebetfalva, Budapest und Diösd (Oras) war gar nichts, von Erd bloß zwei Fossilien bekannt. Die stratigraphischen Verhältnisse dieser Schichten waren bisher völlig in Dunkel gehüllt, nachdem wir weder über ihr Verhältnis zueinander, noch zu den Schichten anderer erforschter Gebiete Ungarns etwas wußten, bis es mir * JonAnn Tuzson, Földtani Közlöny Bd. XXXVI, H.1—3, Fachsitzungs- protokoll, p. 71. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 303 schließlich gelang, hier die sämtlichen aus Ungarn bisher be- kannten Horizonte der pannonischen Stufe nachzuweisen, teils auf Grund reicher Fauna, teils aber nach den Lagerungsverhält- nissen. Nunmehr können wir sagen, daß die Ausbildung des Pliozäns in der Umgebung von Budapest zu den interessantesten Vorkommen Ungarns gehört und die Fauna desselben eine der reichhaltigsten ist. 1902 habe ich von Budapest-Köbänya aus einem neuen Aufschlusse die von hier bis dahin unbekannt gewesene unter- pannonische Stufe mit 42 Arten nachgewiesen und festgestellt, daß die Schichten der Ziegelfabriken in Budapest-Rakos und Budapest-Köbänya auf Grund der in denselben in großer Anzahl vorkommenden Congeria Partschi Czs2. und Cong. ungula-caprae MünsT. den tiefsten Horizont der oberpannonischen Stufe dar- stellen. Während von Räkos aus der Grube der Steinkohlen- und Ziegelfabriks-Gesellschaft in der Literatur bisher eine aus 5 Arten bestehende Fauna bekannt war, teilte ich deren 28, von Köbänya aber, aus der Grube der Budapester Dampfziegelei- Aktiengesellschaft den bisherigen 3 Arten gegenüber deren 31 mit, darunter auch mehrere neue Arten. Von den in der Literatur bisher unbekannten Schichten gehören in diesen Horizont noch die in den Gruben der Ziegeleien zu Köbänya aufgeschlossenen Ton- und Sandschichten, so die in der VıravAschen mit 10 Arten, in der SEIFERTschen mit 20 Arten, in jener der Keramischen Fabrik mit 26 Arten und in jener der Steinkohlen- und Ziegel- fabribsgesellschaft zu Erzebetfalva mit 6 Arten; ferner die Schich- ten in Räkos, und zwar die in der LECHNERschen Grube mit 14, die in der Örveyschen mit 13 und in jener der Budapester Dampfziegelei- Aktiengesellschaft mit 20 Arten. Hierher gehören schließlich auch noch auf Grund des massenhaften Auftretens von Congeria Partschi Czsz. die durch A. Schmidt beschriebenen Schichten von Czinkota, sowie die des bisher unbekannten Auf- schlusses in Csömör mit zirka 3 Arten und die bei Diösd auf- geschlossenen Schichten mit ebenfalls zirka 3 Arten. Dieser Hori- zont bildet gegen die Hauptstadt zu von Csömör bis Diösd im Halbkreise die innere Zone. Diesem Horizont entspricht in der Balatongegend die unterste Schicht der Gödrösoldal bei Tihany. 304 I. LÖRENTHEY. Bereits in meiner 1902 erschienenen Arbeit wurde erwähnt, daß zwischen Räkos und Köbänya über dem Congeria ungula- caprae-Horizont auch der höhere Cong. triangularıs-Horizont mit Cong. triangularis und vielen schlecht erhaltenen Limnocardien vorhanden ist. Dieser Horizont tritt in bedeutenderer Mächtig- keit in der folgenden äußeren Zone auf, doch war derselbe bisher aus der Umgebung von Budapest unbekannt, obwohl seine Mäch- tigkeit eine ansehnliche und er an mehreren Punkten aufgeschlossen ist, seine Fauna aber zu den reichhaltigsten bisher bekannten Fundorten dieses Horizontes zählt. Dieser Horizont ist in zwei, seit Jahrzehnten betriebenen Tongruben, in jenen der Vereinigten Ziegel- und Zementfabriks-Aktiengesellschaft in Köbanya und der SoUHEITELschen Ziegelei in Pusztaszentlörinez aufgeschlossen. In der ersteren sind bisher 16 fossilführende Schichten freigelegt, wo- runter ich aus der Schicht Nr. 11 außer den Östracoden 40, aus Nr. 2 39 Arten bestimmt habe. In der SOUHEITELschen Tongrube sind ebenfalls mehrere Schichten innerhalb dieses Horizontes aufgeschlossen. Aus der der unteren Sandsteinbank auflagernden Schicht sammelte ich 20, aus einer höheren, viviparareichen 8, aus dem darüber folgenden, an Cong. balatonica reichen eisen- schüssigem Sande 16 Arten und aus der diesem letzteren auf- lagernden Tonschicht Hipparion gracile. Diese oberste Tonschicht gehört möglicherweise bereits zum höheren Horizont. Dem Hori- zont der Congeria triangularis und Cong. balatonica zugehörig ist der im Eisenbahneinschnitt bei Erd aufgeschlossene Schichten- komplex; ferner wahrscheinlich die obere Schicht der Ziegelei in Erzsebetfalva, eventuell sogar auch die Limnocardium Pensli führende untere Schicht des Aufschlusses bei der Bierbrauerei in Budafok. Auch ist es nicht unmöglich, daß die untere Partie des Ton-, Sand- und Sandsteinkomplexes am Szechenyihegy eben- falls diesem Horizont angehört, obzwar ich eher geneigt bin an- zunehmen, daß er im ganzen zum höheren Horizont zu zählen sei. Mit diesen gleichalterig sind die Schichten I-III des Feher- part und die obere Schicht der Gödrösoldal bei Tihany, ferner die untere 1. Schicht des Fonyödhegy bei Fonyöd, die in Radmanest aufgeschlossenen bisher bekannten Schichten usw. In einer noch weiter nach außen gelegenen Zone befinden ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST USw. 305 sich die Schichten des höheren sogenannten Congeria rhomboidea- Horizontes, zwar nicht in typischer Ausbildung mit Congeria rhomboidea, sondern dessen Süßwasserfazies, wie sie in der Balaton- gegend bei Öes, Nagyvazsony und Fonyöd (Schicht 4 des Fonyödhegy) konstatiert wurde, mit Congeria Neumayri ANDR., Helix (Tacheocampylaea) Doderlein! BRUS., Melanopsis Entzi BRUS., Mel. oxyacantha Brus., Planorbis (Coretus) cornu BRONG. usw. In diesen Horizont gehören die in der Tongrube der Ziegelei der Kreditbank zu Pusztaszentlörinez aufgeschlossenen, eine Wirbel- tierfauna einschließenden Schichten, mit Ausnahme des Unio Wetzleri-Sandes und des Schotters; ferner sämtliche fossil- führenden Schichten der in der Literatur gänzlich unbekannten Tongrube bei der Ziegelei in Kispest mit 18 Mollusken. Dieses ‚Vorkommen ist selbst in die geologische Karte nicht einge- tragen. Des weiteren zumindest der obere Teil des Ton-, Sand- und Aceratherium ineisivum führenden Sandsteinkomplexes am Dzechenyihesy mit der beim Disznöfö gesammelten, aus 12 Arten bestehenden Fauna; schließlich vielleicht der obere, an Dreissensia auricularis reiche Sand des Aufschlusses bei der Bierbrauerei in Budafok. Eine typischste Ausbildung dieses Horizontes repräsen- tiert der bisher noch unbekannte Ton von Erd, aus dem Auf- schlusse beim Granarium mit einer 23 Arten umfassenden Fauna. Der oberste Horizont der pannonischen Stufe wird auch hier wie in der Balatongegend von dem Unio Wetzleri führenden oberen Sande und dessen Landfazies, dem Süßwasserkalk, ge- bildet. In der Umgebung von Budapest ist dieser Horizont aus der Ziegeleigrube der Kreditbank in Pusztaszentlörinez mit 13 Arten und aus dem Aufschlusse des am Donauufer von Erd nach Batta führenden Weges mit 5 Arten bekannt. Diesen entspricht im Ge- biete des Balatonsees der Unionensand am Somlodomb bei Pere- marton und am Öreghegy bei Zsid, sowie die untere Partie der Schicht 5 des Fonyödhegy bei Fonyöd. Die Landfazies dieses Unio Wetzleri-Sandes wird von jenem Süßwasserkalk gebildet, der in einem Quellenteich abgelagert, den Gipfel des Szechenyihegy bedeckt. Er entspricht den Süßwasser- kalken von Szentkirälyszabadja und Värpalota der Balaton- gegend. Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 20 306 I. LÖRENTHEY. In die levantinische Stufe wurden bisher jene Schotter allein gestellt, welche in Räkoskeresztür und Pusztaszentlörinez 20—24 m mächtig ausgebildet sind. Ob ihr oberer, mit Ein- sackungen versehener Teil ebenfalls levantinischen oder bereits diluvialen, eventuell alluvialen Alters ist, wird durch spätere Untersuchungen festgestellt werden. Sollten sie sich ihrem ganzen Umfange nach als levantinisch erweisen, so werden die levan- tinischen Schichten auf der geologischen Karte ganz anders ver- anschaulicht werden müssen. In diesem Falle wären die mit Ein- sackungen versehenen Schottervorkommen, welche in Köbänya in den Tongruben der VIRAVA-, SEIFERT- und HorHAUSERSschen, in Räkos in der LECHNER- und ÖrLEyschen, sowie in jener der Budapester Dampfziegelei-Aktiengesellschaft, ferner in den Gruben zu Erzebetfalva und Kispest den pannonischen Schichten auflagern, hierher bezogen werden, ja vielleicht sogar auch der Schotter im Aufschlusse bei der Bierbrauerei in Budafok. Außerdem müßte das ganze Gebiet von Czinkota bis Csömör und Taresa als levantinisch eingezeichnet werden; ja sogar die Tone und Sande von Batta sind mit größter Wahrscheinlichkeit levantinisch. Vom faunistischen Gesichtspunkte ist die Rolle der Fora- miniferen und Säugetiere eine höchst interessante. Foraminiferen waren bisher aus der unterpannonischen Stufe von Budapest-Köbänya — aus dem Brunnen der Schweinemastanstalt —, von Tinnye, Szöcsäan und dem Walde von Peremarton bekannt; aus dem Congeria triangularis- und Cong. balatonica-Horizonte der oberpannonischen Stufe aber von Tihany und aus dem oberen, durch Cong. rhomboidea und Oong. spinicrista gekennzeichneten Horizont von Kurd und Nagy- mänyok. Bisher fehlten also die Foraminiferen aus dem untersten Horizont der oberpannonischen Stufe, dem Cong. ungula-caprae-, und dem obersten, dem Umio Wetzleri-Horizonte. In neuester Zeit gelang es mir im Cong. ungula-caprae-Horizonte, in der Tongrube der Keramischen Ziegelfabrik, Vertreter derselben zu finden, so daß sie nunmehr bloß aus dem obersten Horizont der ober- pannonischen Stufe unbekannt sind. Unter den Säugetieren ist namentlich die Rolle von Mastodon und Hipparion im Pliozän der Umgebung von Budapest interessant. ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN V. BUDAPEST usw. 307 Mastodon arvernensis CR. et JOB. war bisher aus dem levan- tinischen Schotter und: nach HaravArs aus dem pannonischen Sand von Köbanya bekannt. In neuerer Zeit gelang es Mastodon longirostris KAup. in dem tiefsten, dem Congeria ungula-caprae- Horizont, der oberpannonischen Stufe in Erzsebetfalva nachzu- weisen. Wahrscheinlich stammt auch jenes Schneidezahnfragment von derselben, welches in Köbanya in der VıravaAschen Grube gefunden wurde. Wenn das von HALAvArs erwähnte Mastodon arvernensis UR. et JOB. tatsächlich von Köbanya herrührt, so ent- stammt es ebenfalls aus dem Congeria ungula-caprae-Horizont und beweist, daß Mastodon arvernensis Ur. et JoB. vom Beginn des oberpannonischen Alters an gelebt und sich bis in das levan- tinische Alter hinein erhalten hat. Mastodon ‚borsoni Kays. ist nur aus dem levantinischen Schotter und von Batta aus dem hangenden Unio Wetzleri-Sande desselben bekannt, so daß ich auch deshalb geneigt bin, diese Schichten von Batta als levan- tinisch zu betrachten. Von Dinotherium giganteum KaAup. hatten wir bisher bloß in den Congeria ungula-caprae-Schichten von Köbanya Kenntnis, während ich es neuerdings auch im levan- tinischen Schotter von Pusztaszentlörincz auffand. Hipparion gracile Kaup. kannten wir hier bloß aus dem levantinischen Schotter, mir gelang es, diese Spezies in Pusztaszentlörinez schon in den Schichten der oberpannonischen Stufe, an der Grenze des Oongeria triangularis- und Cong. rhomboidea-Horizontes, aufzufinden. In der Fauna von Budapest sind bisher ausschließ- lich oberpannonische Formen: Mastodon longirostris KAuPp., Castor sp., Tragocerus Loczyi nov. sp. und Aceratherium incisivum KAUP., dagegen ausschließlich levantinische: Mastodon Borsoni Kays., Palaeoryz nov. sp. und Rhinoceros sp. Behufs leichterer Übersicht fasse ich die pannonischen und levantinischen Bildungen der Umgebung von Budapest auf folgen- der Seite in einer Tabelle zusammen und parallelisiere mit der- selben gleichzeitig die Fundorte der Balatongegend, sowie anderer in der Literatur bekannten interessanteren Lokalitäten Ungarns. : 20* 308 I. LÖRENTHEY, ÜBER DIE PANNON. U. LEVANT. SCHICHTEN USW. 5 | | Anderwärtige = Umgebung von Budapest. ' Balatongebiet. Lokalitäten 77 Ungarns. WIR | Basalt zum ößten 32] Schotter von Pusztaszentlörinez und Raä- | Teil. SEHEN des z@| koskeresztür mit Mastodon arvernensis und Basalte, Basalttuffe. | Szeklerlandes, großes 321 Mastodon Borsoni. Alföld (Tiefenschich- a8 ten). aus Die Schichten 2 und 3 der Ziegelei- Unionen ang des Bomb: | SS |grube der Kreditbank in Pusztaszentlö- En. = D rincz. Die Schichten der Steilwand in | Unterster Teilder Schicht %os Baltavär SP |Erd, zum Teil. — Als Landfazies dieses 2 ” Eu er ge ? ; ES) nn AL“ An .. „_ | Süßwasserkalk von Szent- = Horizontes der bituminöse Süßwasser irälyseabadia nayatnat ES |kalk am Szechenyihegy. | lota. | Die meisten Schichten der Tongrube . Brack- bei der Ziegelfabrik der Kreditbank in | Fonyöd (Schicht 4), Ocs wasserfazies: Pusztaszentlörinez mit der Wirbeltier- | WdNagyväzsony als Süß- Hidasd, Kurd, 2 5 wasserfazies.. — Ferner fauna. Die Schichten des Aufschlusses | Köttse, Tür, Tab, Karäd, Üszög, Szeczärd, in Kispest. Der untere Horizont hinter Bäbony, Bälvänyosi na Arpäd, Nagyma- dem Granarium in Erd. Am Szechenyi- | 10m, Nasybereny, Sz&- | nyok, Kekesd, | R R razd, Jankovics puszta, | = ‚hegy der Ton, Sand, Sandstein (mit Ace- | Sandor puszta, Rädi | lbafa, Baköeza, Obere pannonische Stufe. Untere panno- nische Stufe. Sißwasserfazies des (long. vhomboidea-Horizontes. ratherium incisivum) und der Ton beim puszta, Lengyeltöti, Ore- Magyarsoros,Ma- ziegelei; ı Zementfabriks - A.-G., lei. gularis u. 0. balatonica. Schicht in der Tongrube der Dampf- die sämtlichen Schichten in der Grube der Vereinigten Ziegel- und sowie der Sou- seıterschen (Pusztaszentlörinez) Ziege- In Budafok die untere Schicht des ‚Aufschlusses hinter der Bierbrauerei(?). Am Szechenyihegy vielleicht die untere Tihany (Feher- part, Schichten 1-3; Gödrös-oldal, obere Schicht), Fonyöd(Fo- nyödhesy,Schicht 1), Balatonföldvär, Siö- maros, Enying, Be- Disznöfö. In Budafok, im Aufschlusse | &12% Sümeg, Zsid (Fer- | „yarszek, Szäsz- B % ur 2 töshegy), Sägväar (Lu- | 2! N. hinter der Bierbrauerei, die obere, | kasdomb), Hegymagas, var,Bükkösd,Sor- ı Dreissensia aurieularis einschließende Keszthely, Aräcs. mas, Kirälykegye Schicht (?). usw. In Budapest-Köbänya die obere Radmanest usw. schi | Horizont d. Cong. trian- ‚Partie der Schichten. Die Schichten | none ar. ‚des Eisenbahneinschnittes bei Erd. | | $ |) In Räkos Gruben der Steinkohlen- 2 S |und Ziegelfabriks-A.-G., der Lronner- | S S und Örrzyschen Ziegeleien, sowie der| Tih S 3 | Budapester Dampfziegelei-A.-G. In Kö- (Gö ern A Sn np euer dar, Sowas terste Schicht) Vörö- Somlöväsärhely S S |Hornauserschen Ziegeleien, sowie der Were (Wassers en ; — 2 ‚ Budapester Dampfziegel- und Kerami-| _ 1 En rn nn S > |schenFabriks-A.-G. Erzsebetfalvauntere 3° “® PATaLonSees). "55 | Schichten bei derZiegelei (mit Mastodon | = 5 ‚longirostris). Czinkota, Osömör, Diösd. Die Fauna aus dem Brunnen der Eıcer-| Töteyörk, $zo- schen Schweinemastanstalt in Budapest-Kö- banya mit Foraminiferen, eulata, Congeria Maärtonfii, roni usw. Congeria scrobi- Orygoceras, Pa- pyrotheca, Melanopsis impressa, Mel. Mathe- Wald von Pere- marton. csan (zum Teil), Tinnye, Perecsen, Szilagysomlyö, Nadalbest usw. 2). DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS.* Von FRIEDRICH RIESZ. Einleitung. Als exakte Wissenschaft baut sich die Geometrie auf ge- wissen Voraussetzungen auf, die ihr als Axiome an die Spitze gestellt werden. Jedes System der Geometrie ist berechtigt, wenn das System der zugrunde liegenden Axiome keinen inneren Wider- spruch aufweist und wenn dabei das System vollständig ist, d.h. wenn irgend zwei Systeme von Dingen, welche beide jenem Sy- steme von Axiomen genügen, notwendig in einer eindeutig um- kehrbaren Beziehung zueinander stehen derart, daß falls für ein Teilsystem des einen eine in jenen Axiomen definierte Beziehung besteht, dieselbe auch für das entsprechende Teilsystem besteht. Solche Systeme von Axiomen sind mannigfach für ver- schiedene geometrische Systeme angegeben und eingehend unter- sucht worden. Faßt man jedoch die Geometrie als Naturwissenschaft auf, so wird man von jedem System von Voraussetzungen, das als Grundlage für eine beschreibende Geometrie dienen soll, fragen müssen, ob es sich mit unserer Raumanschauung, mit unseren Raumvorstellungen verträgt, wie weit es aus denselben folgt, und ob die Geometrie, die auf Grund jener Voraussetzungen aufgebaut wird, für die Beschreibung unserer Raumvorstellungen geeignet ist? * Das ungarische Original dieser Arbeit wurde am 22. Januar 1906 der III. Klasse der ungarischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt. 310 FRIEDRICH RIESZ. Gleich bei dem ersten Schritte, schon bei der ersten Frage stoßen wir auf eine Lücke, an der man lange Zeit hindurch stillschweigend vorüberging. Die Systeme von Dingen, mit denen die Geometrie als reine Wissenschaft arbeitet, erscheinen bei dem Aufbau zu mathematischen Kontinua vereinigt, es kommen ihnen gewisse Stetigkeits- oder richtiger Zusammenhangseigenschaften zu, sie erscheinen verdichtet, indem auf Grund der Axiome Ble- mente gewissen Teilmengen als Verdichtungsstellen zugeordnet werden. Ja, eben jene Versuche zur Grundlegung der Geometrie, die der physikalischen Auffassung am nächsten stehen, operieren von Haus aus mit einer Art mathematischen Kontinuums; sie stellen doch an die Spitze den Begriff der n-fach ausgedehnten Mannigfaltigkeit.“ Dagegen sind unsere Raumvorstellungen physi- kalische Kontinua, Systeme von Dingen, die unterscheidbar oder ununterscheidbar sind; die maßgebenden Beziehungen sind von jenen für mathematische Kontinua im Grunde verschieden. Jedenfalls lassen sich Systeme von Teilmengen eines mathe- matischen Kontinuums leicht als physikalische Kontinua auffassen, wenn nämlich Teilmengen mit gemeinsamem Elemente für un- unterscheidbar, Teilmengen ohne gemeinsames Element aber für unterscheidbar gelten; wir werden auch für jede einzelne Raum- vorstellung entsprechende mathematische Kontinua angeben können; damit ist aber die Frage, ob alle möglichen Raumvorstellungen mittels eines einzigen mathematischen Kontinuums beschrieben werden können, noch weit nicht erledigt. Diese erste und die letzte Frage sind aber nicht die wichtig- sten; für die praktische Geometrie kommen wir mit unseren geo- * Bei Rırmann haftet noch etwas Mystisches an diesem Begriff; bei Lre ersetzt ihn ohne weiteres das Zahlenkontinuum; allgemeiner und scharf definiert erscheint er erst bei Hırzerr (Göttinger Nachrichten, 1902, p. 17). Er läßt jedoch noch weitere Verallgemeinerung zu. Mit besonderer Vor- liebe, meistens jedoch mystischer als die Wahrsager von Delos, äußern sich über die Stetigkeit Philosophen, die nicht Mathematiker sind. Ich wiederhole hier die Worte Russers, die nicht nur für Hzeer charakteristisch sind:... the Hegelian dietum that every thing discrete is also continuous and vice versa. This remark... has been tamely repeated by all his follo- wers. But as to what they meant by continuity and discreteness, they preserved a discrete and continuous silence; .... (Principles of math. I, p. 287.) DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. >11 metrischen Systemen — wenigstens einstweilen — jedenfalls ganz gut aus. Gesetzt nun, es gebe ein mathematisches Kontinuum oder sogar, es gebe ein geometrisches System, welches sich mit unseren räumlichen Vorstellungen vollständig verträgt, ja sogar für die Beschreibung derselben ausreicht, so wird noch die Frage zu beantworten sein, inwieweit dieses System durch jene Vor- stellungen bedingt ist, ob es durch die Natur unserer Denkarbeit, unseres psychischen Lebens eindeutig festgelegt ist, oder aber ver- schiedene Systeme denselben Dienst leisten. Es ist die Frage nach der Entwicklung des Raumbegriffs. Die Antwort wird uns im wesentlichen durch die psychologischen Hypothesen ge- leistet, die wir uns durch Induktion auf Grund der Beobachtung unserer Geistesarbeit bilden, und die dann die Beziehungen un- serer räumlichen und zeitlichen Vorstellungen regeln. Es handelt sich nicht um eine Bekämpfung der Kanrtschen Theorie, nach welcher Raum und Zeit als aprioristische Formen des Denkens erscheinen. Jedenfalls besitzen wir zurzeit, wo wir uns über unsere Geistesarbeit gewissermaßen Rechenschaft geben können, die Anlage, unsere Empfindungen in Raum und Zeit aufeinander zu beziehen, d. h. derart zu physikalischen Kontinua zu vereinigen, daß räumliche und zeitliche Vorstellungen entstehen, zwei Typen von Vorstellungen, die Realität besitzen, in jenem Sinne, daß über die einzelnen Beziehungen ein Gedanken- austausch möglich ist. Ob dann jene Anlage ererbt, eine in un- serem Organismus wurzelnde Tätigkeit ist, oder aber sich in dem Alter, wo wir unseres psychischen Lebens noch nicht genügend bewußt sind, infolge der praktischen Bedürfnisse des physikalischen Lebens entwickelt hat, bleibe dahingestellt. Wesentlich für uns ist nur, daß eine solche Anlage von einer gewissen Zeit an vor- handen ist. Unsere Gruppen von Empfindungen lassen sich zu je zwei entweder voneinander unterscheiden oder sie sind ununterscheidbar. Die Anlage, jene Gruppen in Zeit und Raum aufeinander zu beziehen, besteht nun darin, daß wir auf Grund inneren Bedürfnisses oder auf Grund ‘von durch Erfahrung erwiesener Zweckmäßigkeit über- einkommen, auch solche Gruppen, die unterscheidbar 312 FRIEDRICH RIESZ. sind, in Zeit, resp. Raum nicht zu unterscheiden.* Die Mengen solcher Gruppen erscheinen dadurch als physikalische Kontinua und wir werden einerseits zu einfach geordneten Reihen von Zeitpunkten, den momentanen Zeitvorstellungen geführt, andererseits wird jedem Zeitpunkte ein physikalisches Kontinuum, die momentane Raumvorstellung zugeordnet. Die Hypothese, daß in unser Bewußtsein zu jedem Zeitpunkte nur eine endliche Anzahl von Empfindungen aufgenommen ist, verbunden mit jener, daß wir die Grenzen unseres psychischen Lebens nicht kennen, führt uns dazu, daß wir den psychologischen, den subjektiven Zeitbegriff als abzählbare Reihe der Zeit- punkte auffassen; es entspricht ihr dann die abzählbare Reihe der momentanen Raumvorstellungen; es sind dies physikalische Kontinua, deren jedes aus einer endlichen Anzahl von Elementen besteht. Der Inbegriff dieser physi- kalischen Kontinua samt ihrer Beziehungen zueinander ist der erste Ansatz zum Raumbegriff. Es läßt sich mittels desselben ein mathematisches Kontinuum definieren, das Raum genannt wird; die einzelnen physikalischen Kontinua, wie auch die zu- grunde liegenden Raumvorstellungen lassen sich eindeutig um- kehrbar auf Systeme von Teilmengen des Raumes abbilden, der- art, daß Teilmengen mit gemeinsamem Elemente ununterscheid- baren, Teilmengen ohne gemeinsames Element unterscheidbaren Punkten entsprechen. Für das definierte mathematische Kontinuum lassen sich auf Grund der Hypothesen, die über jene Reihe physikalischer Kon- tinua aufgestellt werden, gewisse Eigenschaften nachweisen, die ohne den Verdichtungstypus desselben eindeutig festzulegen, es jedenfalls als ein mathematisches Kontinuum charakterisieren, das sich gewissermaßen vernünftig benimmt. Die Analogie, die jene Eigenschaften mit bekannten Eigenschaften eines Zahlenkonti- nuums zeigen, erleichtert es, den einzuschlagenden Wege für die weitere Untersuchung zu finden. Der Raum erscheint auf dieser Stufe als ein zusammenhängendes mathematisches * Bezüglich der eingehenden Analyse der entsprechenden psycho- logischen Prozesse verweise ich auf Poıncar£'s La valeur de la science. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. a3 Kontinuum, für welches Sätze gelten, die dem BoLZANO-WEIER- STRASSschen, resp. dem verallgemeinerten BoRELschen Satze für Punktmengen analog sind; auch gibt es für jeden seiner Punkte eine konvergente abzählbare Reihe; und es läßt sich auch ein ausreichendes System spezieller Umgebungen angeben, das ab- zählbar ist. Alle diese Eigenschaften sind aber noch einer aus- gedehnten Klasse mathematischer Kontinua eigen; wie soll nun unser Raum weiter charakterisiert werden? Eine Eigenschaft aller geometrischer Systeme, die wir für die Beschreibung unserer Raumvorstellungen verwenden, ist, ohne im vollen Umfange verstanden zu werden, jedem geläufig, der einen Unterricht in den ersten Elementen einer beschreibenden Geometrie erhalten hat; jene nämlich, daß der Raum eine Mannigfaltigkeit von drei Dimensionen ist. Für die Raum- vorstellungen als physikalische Kontinua hat es Herr PoIncArE versucht, den Dimensionsbegriff zu präzisieren; er gelangt zu dem Resultate, daß es erlaubt und bequem ist, die Raumvorstellungen derart als physikalische Kontinua aufzufassen, daß man mit 3 Dimensionen auskommt.” Wird man es aber versuchen, den POINcArKschen Dimensions- begriff einer weiteren Untersuchung des Raumbegriffes zugrunde zu legen, so stößt man bald auf große Schwierigkeiten. Zunächst rechnet schon POINCARE bei der Einführung des Begriffes nicht mit den Merkmalen, die auch schon einer naiven Dimensions- vorstellung eigen sind, so z. B. daß ein System gewisser Dimen- sion kein System höherer Dimension enthalten soll. Nach der PoıncAr&schen Definition wird ein Doppelkegel als physikalisches Kontinuum von einer Dimension sein. Doch läßt sich diesem Fehler noch leicht abhelfen. Die größte Schwierigkeit liegt darin, daß der Dimensionsbegriff für mathematische Kontinua schwer zu fassen ist**; vor einer gründlichen Analyse dieses Begriffes kann nicht daran gedacht werden, den Dimensionsbegriff für physi- kalische Kontinua und jenen für mathematische Kontinua irgend wie miteinander zu verbinden. Der Dimensionsbegriff kann so- * La valeur de la science, p. 59—136. ** Bezüglich des Dimensionsbegriffes für Punktmengen s. F. Rırsz, Sur les ensembles discontinus, Comptes Rendus, 23 octobre 1905. 314 FRIEDRICH RIESZ. mit den weiteren Untersuchungen einstweilen nicht als sichere Grundlage dienen. Anstatt unsicher herumzutasten, lenke ich meine weitere Untersuchungen in bestimmte Richtung. Ich kehre nämlich die Frage um und frage nun: Alle die Untersuchungen, die an die Grundlegung der Geometrie von dem Begriffe des stetigen Raumes aus herangehen, schreiben dem Verdiehtungs- typus des Raumes gewisse Eigenschaften zu; welehe neue Voraussetzungen über unsere Raumvorstellungen müssen nun herangezogen werden, damit für den Verdichtungs- typus des Raumes jene Eigenschaften folgen? Auf dieser Stufe tritt der Begriff der Anordnung, der in kleinerem Maße schon zur Erklärung der zeitlichen Anordnung mitwirkte, in vollem Umfange auf. Der Begriff des geordneten physikalischen Kontinuums erscheint schon auf einer niederen Stufe der Raum- anschauung, indem wir gewissen Gegenständen Länge, Breite und Höhe zuschreiben. Mittels der Begriffe des geordneten physika- lischen und des geordneten mathematischen Kontinuums gelingt es mir, jene Voraussetzungen anzugeben, welche notwendig sind, damit der Raum als ein mathematisches Kontinuum erscheine, das in der Umgebung eines jeden seiner Punkte dreifach geordnet werden kann, derart, daß der Punkt eine absolut zusammen- hängende, vollständige Umgebung besitze. Die früheren Voraus- setzungen bewirken es dann, daß der Raum mittels der reellen Zahlen beschrieben werden kann. Durch die erreichte Umgrenzung des möglichen Verdichtungs- typus des Raumes ist jedoch die Grundlegung der Geometrie noch weit nicht beendet. Der Verdichtungstypus ist noch nicht ein- deutig festgelegt; aber auch durch eine eindeutige Festlegung desselben würden erst für die Analysis Situs die Fundamente gelegt sein. Die metrische, affine, ja schon die projektive Geo- metrie zeichnen gewisse Punktmengen über andere, die ihnen homöomorph sind, aus; welche weitere Voraussetzungen führen zu einer derartigen Unterscheidung homöomorpher Punktmengen, führen z. B. zu dem Begriffe der Geraden? Auf die diesbezüg- lichen Probleme gehe ich hier nicht tiefer ein; ich berühre sie nur in kurzen Andeutungen. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 315 Damit schließe ich auch meine Untersuchungen. Ich hatte nicht die Absicht, auf die psychologische Analyse der Rauman- schauung näher einzugehen; diesbezüglich verweise ich auf das öfters zitierte wertvolle Buch von PoIncArE. Ich suche nur den Weg, der von den räumlichen Vorstellungen zu dem Raumbe- griffe führt. Die Aufgabe ist schwierig; denn wir sind gewohnt, den physikalischen Raum mit dem mathematischen zu identifizieren; eine Trennung unserer Raumanschauung von unseren exakt geo- metrischen Kenntnissen ist recht mühsam. Ich gebe auch nichts Abgerundetes; ich wollte nur den Weg bahnen, auf dem weitere Untersuchungen fortschreiten können. Das physikalische Kontinuum. Ich sage von einer Mannigfaltiskeit, sie bilde ein physi- kalisches Kontinuum, wenn auf Grund irgend einer Vorschrift für jedes Paar von Elementen der Mannigfaltigkeit eine und nur eine der beiden Beziehungen besteht: a) die beiden Elemente sind unterscheidbar; b) die beiden Elemente sind ununter- scheidbar. Anstatt: die Elemente « und b sind unterscheidbar (ununter- scheidbar), sage ich auch: «a ist unterscheidbar (ununterscheidbar) von b, oder auch: b ist unterscheidbar (ununterscheidbar) von a. Ich sage, das physikalische Kontinuum sei ein eigentliches, wenn es wenigstens ein unterscheidbares und ein ununterscheid- bares Paar von Elementen enthält; ich sage, es sei diskret, wenn jedes Paar von Elementen unterscheidbar ist; ich sage endlich, es sei punktartig, wenn jedes Paar ununterscheidbar ist. In den folgenden Untersuchungen handelt es sich hauptsächlich um eigentliche physikalische Kontinua; unter kurzwegs „physi- kalisches Kontinuum“ ist in der Folge, falls nicht das Gegenteil ausdrücklich betont wird, ein eigentliches physikalisches Kon- tinuum zu verstehen. Das physikalische Kontinuum heißt zusammenhängend, wenn es nicht derart in zwei Teilmengen zerlegt werden kann, daß jedes Element der einen Teilmenge unterscheidbar sei von jedem Elemente der anderen Teilmenge. Wird ein zusammen- 316 FRIEDRICH RIESZ. hängendes physikalisches Kontinuum auf beliebige Art in zwei Teilmengen zerlegt, so gibt es stets wenigstens je ein Element der beiden Teilmengen, die ununterscheidbar sind. Wird ein zusammenhängendes physikalisches Kontinuum der- art in zwei Teilmengen zerlegt, daß die eine Teilmenge nur ein Element enthält, dann gibt es wenigstens ein Element der andern Teilmenge, welches ununterscheidbar von jenem Elemente ist. Damit also ein physikalisches Kontinuum zusammenhängend sei, ist es unbedingt notwendig, daß es zu jedem Elemente desselben wenigstens ein ununterscheidbares Element gebe. Es leuchtet unmittelbar ein, daß diese Bedingung nicht zugleich hinreichend ist. Die notwendige und zugleich hinreichende Bedingung liefert der Satz: Satz I: Sind a und b zwei beliebige Elemente eines zusammenhängenrden physikalischen Kontinuums, so gibt es eine endliche Kette a, c,, &,..... ‚6, db von Elementen, derart, daß je zwei aufeinanderfolgende Elemente der Kette ununterscheidbar sind. Umgekehrt, gibt es für jedes beliebige Elementenpaar eines physikalischen Kontinuums eine endliche Kette der bezeichneten Eigen- schaft, so ist das physikalische Kontinuum zusammen- hängend. Gäbe es nämlich zu irgend einem Elemente «a eines zusanımen- hängenden physikalischen Kontinuums ein Element b, so daß das Elementenpaar «a, b nicht die bezeichnete Eigenschaft besäße, so bildete die Gesamtheit aller solchen Elemente b eine gewisse Teilmenge; jedes Elementenpaar, das aus einem Elemente der Komplementärmenge und aus dem Elemente a besteht, besäße die bezeichnete Eigenschaft. Da nun das physikalische Kontinuum zusammenhängend ist, so gäbe es ein Element d der Teilmenge und ein Element e der Komplementärmenge, die ununterscheidbar sind; es gäbe daher eine endliche Kette a, «, &,...,c,, e, d, so daß je zwei aufeinanderfolgende Elemente der Kette ununterscheid- bar wären. Das Elementenpaar a, d besäße somit die bezeichnete Eigenschaft, was jedoch unserer Voraussetzung widerspricht. Umgekehrt, es werde ein physikalisches Kontinuum, für dessen jedes Elementenpaar die Eigenschaft zutrifft, auf beliebige DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 317 Art in zwei Teilmengen zerlegt; a sei ein Element der einen, b der anderen Teilmenge; a, €, €, ...., c,, b sei eine entsprechende Kette. Es gibt dann in der Kette ein letztes, von b verschiedenes Element, das der ersten Teilmenge angehört; das nächstfolgende Element gehört der zweiten Teilmenge an, und die beiden Ele- mente sind ununterscheidbar. Das physikalische Kontinuum ist somit zusammenhängend. Von. zwei ununterscheidbaren Elementen sage ich, sie seien logisch ununterscheidbar, wenn es kein Element des physi- kalischen Kontinuums gibt, das von dem einen Elemente unter- scheidbar, von dem andern Elemente ununterscheidbar wäre. Alle Elemente eines punktartigen physikalischen Kontinuums sind logisch ununterscheidbar. Sind dıe Elemente a und 5b, b und c logisch ununter- scheidbar, so sind es auch die Elemente a und c. Ich sage von einem physikalischen Kontinuum, es sei logisch diskret, wenn jedes ununterscheidbare Paar von Elementen logisch ununterscheidbar ist. Durch Verschmelzung der ununter- scheidbaren Elemente kann man das logisch diskrete Kontinuum als diskretes Kontinuum auffassen. In einem zusammenhängenden physikalischen Kontinuum, das nicht punktartig ist, gibt es sicher zwei unterscheidbare Ele- mente, a und b. Wird das Kontinuum derart in zwei Teilmengen zerlegt, daß die eine Teilmenge durch die Gesamtheit der von a ununterscheidbaren Blemente gebildet wird, « mit inbegriffen, so gibt es wenigstens je ein Element ce und d der Teilmenge und ihrer Komplementärmenge, die ununterscheidbar sind; a ist von jedem Elemente der Komplementärmenge, also auch von d un- terscheidbar. Die Elemente «a und c sind somit nicht logisch ununterscheidbar. Es gilt daher der Satz II. In jedem zusammenhängenden physikali- schen Kontinuum, das nicht punktartig ist, gibt es wenigstens zwei ununterscheidbare Elemente, die nicht logisch ununterscheidbar sind. 318 FRIEDRICH. RIESZ. Das mathematische Kontinuum. Ich sage von einer Mannigfaltigkeit, sie bilde ein mathe- matisches Kontinuum, wenn auf Grund irgend einer Vorschrift zwischen jedem Elemente und jeder Teilmenge derselben eine und nur eine der beiden Beziehungen besteht: a) das Element ist in bezug .auf die Teilmenge isoliert; b) das Element ist eine Ver- diehtungsstelle der Teilmenge, und dabei folgende Grundsätze befriedigt werden: 1. In bezug auf eine Teilmenge, die aus einer endlichen An- zahl von Elementen besteht, ist jedes Element isoliert. 2. Ist ein Element Verdichtungsstelle einer Teilmenge, so ist es auch Verdichtungsstelle einer jeden weiteren Teilmenge, in welcher jene Teilmenge enthalten ist. 3. Wird eine Teilmenge in zwei weitere Teilmengen zerlegt, so ist jedes Element, das Verdichtungsstelle jener Teilmenge ist, zugleich Verdichtungsstelle wenigstens einer jener Teilmengen. 4. Ist A eine Verdichtungsstelle der Teilmenge ? und 5 ein von A verschiedenes Element, so gibt es eine weitere Teilmenge f® von t, in bezug auf welche A Verdichtungsstelle, DB aber isoliert ist. Eine Punktmannigfaltigkeit liefert das einfachste Beispiel eines mathematischen Kontinuums. Die vermittelnde Vorschrift kann dabei verschieden sein; sie kann z. B. auf dem Begriffe der Distanz, wie auch auf dem Begriffe des Ordnungstypus beruhen. Ein allgemeineres Beispiel liefern die einfachen und mehrfachen Ordnungstypen. Für die Behandlung der Funktionenmannigfaltig- keiten reichen auch die Odnungstypen nicht aus; es muß je nach der Art der Problemstellung der Begriff der Reihenkonvergenz, oder auch der gleichmäßigen Konvergenz, oder endlich eine zweck- mäßige Verallgemeinerung des Distanzbegriffes herangezogen werden; je nach den Vorschriften wechselt dann auch eventuell die Art der Verdiehtung, d. h. Elemente, die auf Grund der einen Vorschrift isoliert in bezug auf eine Teilmenge sind, können auf Grund einer andern Vorschrift derselben Teilmenge als Verdich- tungsstellen zugeordnet werden. Ein Beispiel der Anwendung verschiedener Vorschriften auf dieselbe Manniefaltigkeit liefern DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 319 die Begriffe der schwachen und starken Extrema in der Varia- tionsrechnung, deren scharfe Unterscheidung für jene Wissenschaft von grundlegender Bedeutung ist. Lassen sich die Elemente zweier mathematischer Kontinua einander eindeutig umkehrbar derart zuordnen, daß jedes beliebige Element und jede beliebige Teilmenge des einen Kontinuums und das entsprechende Element und die entsprechende Teilmenge des anderen Kontinuums in derselben Beziehung zueinander stehen, so sage ich, die beiden Kontinua seien ähnlich verdichtet. Das Gemeinsame aller mathematischen Kontinua, die einander ähn- lich verdichtet sind, nenne ich ihren Verdichtungstypus. Nach dem Beispiele der CAntorschen Definition des Ordnungstypus könnte der Verdichtungstypus als der Allgemeinbegriff definiert werden, der entsteht, wenn man von der Beschaffenheit der Ele- mente abstrahiert, die Beziehungen zwischen Elementen und Teil- mengen aber beibehält. Ich nenne irgend ein Element des mathematischen Konti- nuums Hauptelement, wenn es Verdichtungsstelle irgend einer Teilmenge ist. Ich sage von einer Teilmenge des mathematischen Konti- nuums, sie sei eine Umgebung des Elementes A, wenn sie A enthält, und überdies A in bezug auf die Komplementärmenge isoliert ist. Für ein Element, das nicht Hauptelement ist, ist jede Teilmenge, die es enthält, eine Umgebung. Aus Grundsatz 3. folgt, daß falls das Element A eine Verdichtungsstelle -der Teilmenge t ist, es auch Verdichtungssstelle ist für jede weitere Teilmenge von £, die durch eine Umgebung des Elementes aus ?t ausgeschieden wird. Aus Grundsatz 1. folgt dann, daß jede Umgebung des Elementes A unend- lich viele Elemente der Teilmenge ? enthält. Der Satz läßt sich umkehren. Sind, %,,...,u, eineendlicheAnzahl von Umgebungen des Elementes A, so ist die Gesamtheit der Elemente, die allen na Umgebungen gemeinsam sind, ebenfalls eine Umgebung von A. Der Satz folgt aus den Grundsätzen 2. und 3. mittels vollständiger Induktion. Je nach der Art der Problemstellung, welche ein gewisses 320 FRIEDRICH RIESZ. mathematisches Kontinuum betrifft, wird es oft vorteilhaft sein, den Begriff der Umgebung zweckmäßig zu spezialisieren. So z. B. benützen wir in der Theorie der Punktmannigfaltigkeiten kugel- artige, würfelartige, bei projektiver Grundlegung eventuell tetrae- drale Umgebungen.* Von einem System spezieller Umgebungen sage ich, es sei ausreichend, wenn es zu jeder Umgebung eines jeden Hauptelementes eine spezielle Umgebung des Elementes gibt, die in ihr enthalten ist. So z. B. bildet für den Punktraum die Gesamtheit der Kugeln mit rationalen Mittelpunkten und rationalen Radien ein abzählbares, ausreichendes System spezieller Umgebungen. Ein Element A einer Teilmenge # heiße inneres Ele- ment der Teilmenge, wenn diese eine Umgebung des Elementes bildet, wenn also das Element keine Verdichtungsstelle der Kom- plementärmenge ıst; jedes Element der Teilmenge, das Ver- dichtungsstelle in bezug auf die Komplementärmenge ist, nenne ich Randelement der Teilmenge. Die Teilmenge heiße offen, wenn sie nur aus inneren Elementen besteht. Die Gesamtheit der Randelemente der Teilmenge t und ihrer Komplementärmenge nenne ich die Grenze der Teilmenge. Zwei Teilmengen, die Komplementärmengen für einander sind, haben ihre Grenze gemein. Das mathematische Kontinuum heiße zusammenhängend, wenn es nicht in zwei offene Teilmengen zerlegt werden kann, die Komplementärmengen für einander sind. Die Gesamtheit der Verdichtungsstellen der Teilmenge ? nenne ich ihre Ableitung; ich bezeichne sie durch .** Die Vereinigungsmenge der Mengen ? und f bezeichne ich durch [#, f‘). Zwei Teilmengen ohne gemeinsames Element heißen in bezug aufeinander separiert. * Für die Vertiefung der Lehre über Irrationalzahlen gebraucht R. Baıre mit Erfolg spezielle Umgebungen, die auf der Kettenbruchent- wicklung jener Zahlen beruhen. (Sur la theorie des ensembles; Sur la theorie des fonetions discontinues, Comptes Rendus 1899 (2)). =* Es ist nicht notwendig t” =(f) in t' enthalten. Die Abgeschlossen- heit der Ableitung, die doch für die Theorie der Punktmengen eine so fruchtbare Prämisse ist, muß somit in einer allgemeinen Theorie der ma- thematischen Kontinua vermißt werden. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 321 Zwei Teilmengen, i, und ,, heißen in bezug aufeinander isoliert, wenn die Mengen (#,,,} und [t,,f,! in bezug auf- einander separiert sind. Die Teilmenge £ heiße zusammenhängend, wenn sie nicht in zwei Teilmengen zerlegt werden kann, die in bezug aufeinander isoliert sind. | Die Teilmenge t heiße absolut zusammenhängend, wenn es für jede Zerlegung derselben in zwei Teilmengen wenigstens ein Element gibt, das der einen Teilmenge angehört, in bezug auf die andere aber Verdichtungsstelle ist. Jede Teilmenge eines mathematischen Kontinuums läßt sich auch selbständig als mathematisches Kontinuum auffassen, und zwar so, daß zwischen den Elementen und Teilmengen derselben dieselben Beziehungen bestehen, wie im ursprünglichen Konti- nuum. Die Bedingung dafür, damit eine Teilmenge absolut zu- sammenhängend sei, kann dann auch so ausgedrückt werden: die Teilmenge muß selbständig aufgefaßt ein zusammenhängendes mathematisches Kontinuum abgeben. Die bekannten Sätze über Vereinigungsmengen zusammen- hängender Punktmengen lassen sich leicht sowohl auf zusammen- hängende, wie auch auf absolut zusammenhängende Mengen über- tragen. Es folgt auch der Satz II. Damit ein mathematisches Kontinuum zu- sammenhängend sei, ist es notwendig und hinreichend, daß es für jedes Paar von Elementen eine absolut zu- sammenhängende Teilmenge gebe, die das Elementen- paar enthält. Die Notwendigkeit der Bedingung leuchtet unmittelbar ein; denn das zusammenhängende Kontinuum ist selbst eine absolut zusammenhängende Teilmenge, die alle Elementenpaare enthält. Die Bedingung ist auch hinreichend. Zerlegt man nämlich ein mathematisches Kontinuum, das der Bedingung genügt, auf be- liebige Art in zwei Teilmengen: f, und t,, und ist A, ein Ele- ment der einen, A, ein Element der andern Teilmenge, so gibt es laut der Bedingung eine absolut zusammenhängende Teilmenge t, welche die Elemente A, und A, enthält. Ich zerlege nun die Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 21 322 FRIEDRICH RIESZ. Menge {* in zwei Teilmengen t/ und t, derart, daß } nur Ele- mente aus Z,, {; nur Elemente aus {, enthält. Beide Teilmengen enthalten wenigstens je ein Element, nämlich A,, resp. A,. Da nun die Menge {* absolut zusemmenhängend ist, so gibt es wenigstens ein Element BD, das einer. der Teilmengen {, t, an- ‘gehört und zugleich Verdichtungsstelle der andern ist. Laut Grundsatz 2. steht dann das Element B in derselben Beziehung zu den Teilmengen t, und t,; es gehört der einen an und ist Verdichtungsstelle der andern. Das mathematische Kontinuum ist somit zusammenhängend. Weitere Begriffe, die der Theorie der Punktmengen eigen sind, wie auch tiefer liegende Begriffsbildungen, die für eine iso- lierte Theorie der Punktmengen keine Bedeutung haben, lassen sich leicht entwiekeln und bilden dann die Grundlage für eine allgemeine Theorie der Verdichtungstypen.* In dieser Arbeit will ich nur jene Begriffe heranziehen, deren Verwendung für das zu behandelnde Problem von Nutzen erscheint. Außer den schon behandelten Begriffen sind dies die Begriffe des Ordnungs- typus und der stetigen Abbildung. Der Begriff des mathematischen Kontinuums resp. jener des Verdiehtungstypus erscheint meines Wissens in diesen Unter- suchungen das erste Mal in voller Allgemeinheit. In der Ana- lyse der entsprechenden Begriffsbildungen bin ich etwas weiter gegangen, als dies für die Zwecke des zu behandelnden Problems notwendig ist. Ich wollte nicht die Gelegenheit unbenützt lassen, die sich mir dargeboten hat, auf die wichtige systematisierende Rolle hinzuweisen, zu welcher meines Erachtens der Begriff des Verdichtungstypus in der Mathematik berufen ist. * Vor einer gründlichen Untersuchung mannigfacher Klassen spezieller Verdichtungstypen wäre ein Versuch einer allgemeinen Theorie der Ver- dichtungstypen — glaube ich — verfrüht. Eine ausgedehnte Klasse von Verdichtungstypen hat M. Frscher untersucht, jene Verdichtungstypen, nämlich in denen es für jedes Hauptelement eine abzählbare Folge von Ele- menten gibt, die gegen das Hauptelement konvergiert. Besonders interes- sante Resultate ergeben sich für Verdichtungstypen, für welche ein Begriff des „ecart“ konstruiert werden kann. (Comptes Rendus, 21 novembre 1904, 2 janvier 1905, 20 mars 1905). DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 323 Die Vorstellung als physikalisches Kontinuum. Gewisse, sich in unserem Bewußtsein abspielende Prozesse führen uns dazu, Systeme von Empfindungsgruppen als physi- kalische Kontinua aufzufassen, indem die Gruppen aufeinander bezogen werden und gewisse Paare von Gruppen als ununter- scheidbar, andere als unterscheidbar erscheinen. Zunächst werden Gruppen als ununterscheidbar gelten, die wir nicht voneinander unterscheiden können, dann aber auch solche, die wir nicht unter- scheiden wollen. Die ersten nenne ich notwendig, die zweiten nach Übereinkommen* ununterscheidbar. Das Prinzip — das Übereinkommen —, auf Grund dessen sonst unterscheidbare Gruppen in gewissen Denkprozessen als ununterscheidbar be- trachtet werden, beruht auf durch Erfahrung gerechtfertigter Zweckmäßigkeit. Je nach den verschiedenen Zielen der Denk- _ prozesse sind dann auch die Übereinkommen verschieden. Unter den mannigfach möglichen Prinzipien sind für unser Problem zwei von Wichtigkeit. Wir besitzen die Anlage, unsere Empfindungs- gruppen im Raume, wie auch jene, sie in der Zeit aufeinander zu beziehen. Je nach dem Übereinkommen, welches für das Aufeinanderbeziehen maßgebend ist, entstehen räumliche oder zeitliche Vorstellungen. Auf die Übereinkommen, auf die Er- fahrungen, die zu denselben führen, auf ihre Gerechtfertigtkeit und Zweckmäßigkeit gehe ich hier nicht ein; die interessante und gründliche Analyse dieser Fragen findet man in dem schon zitierten Buche PoincArEs. Das Wesentliche für mich ist, daß es sich in meinem Bewußtsein abspielende Prozesse gibt, die zu gewissen physikalischen Kontinua, zu räumlichen und zeitlichen Vor- * Die Pomcarssche Ausdrucksweise: identique par convention, führt leicht zu Mißverständnis. Ich hebe es ausdrücklich hervor, daß auf Grund der Ununterscheidbarkeit zweier Gruppen nichts über ihre Identität aus- gesagt werden kann; eine solche Aussage hätte überhaupt keinen Sinn. Der Identitätsbegriff entsteht erst auf einer höheren Stufe des logischen Denkens — nämlich während des wissenschaftlichen Denkens. Auf jener Stufe, wo sich erst die Vorstellungen entwickeln, kann nur von Ununter- scheidbarkeit, jedoch nicht von Identität die Rede sein; höchstens in dem Sinne, indem jede Empfindung und jede Vorstellung mit sich selbst iden- tisch ist. 2 324 FRIEDRICH RIESZ. stellungen führen, und daß in dem Zeitpunkte, wo ich diesen Satz schließe, in meinem Bewußtsein eine bestimmte momentane Raumvorstellung existiert. Die momentanen Zeit- und Raumvorstellungen. Alle Gruppen von Empfindungen erscheinen in meinem Be- wußtsein in der Zeit geordnet, indem die eine Gruppe in meinem Bewußtsein früher, die andere später auftritt, oder aber über die Reihenfolge zweier Gruppen nichts entschieden werden kann. Abstrahiere ich nun von der Beschaffenheit der Gruppen und betrachte sie nur aus dem Gesichtspunkte ihrer Aufeinander- folge, nehme ich jene, über deren Reinenfolge ich nichts ent- scheiden kann, als ununterscheidbar, alle übrigen als unterscheidbar an, so wird durch jede Gruppe eine momentane Zeitvorstel- lung bestimmt, ein gewisses physikalisches Kontinuum, das nach Einführung der Beziehungen „früher“ und „später“ einfach geordnet erscheint”. Irgend zwei Elemente dieses physikalischen Kontinuums sind entweder ununterscheidbar, oder aber sie sınd unterscheidbar und das eine geht dem andern voran, wobei der Grundsatz besteht: Geht das Element « dem Elemente b, das Element 5b dem Elemente ce voran, so geht das Element a auch dem Elemente c voran. Nennt man nun jedes System von Ele- menten dieses Kontinuums, das aus logisch ununterscheidbaren Elementen besteht und deren Elemente von keinem im System nicht enthaltenen Elemente logisch ununterscheidbar sind, einen Zeitpunkt, so bilden die Teilpunkte ein einfach geordnetes physi- kalisches Kontinuum, das kein logisch ununterscheidbares Elementen- paar enthält. Ein solches Kontinuum läßt sich als einfach ge- ordnete Reihe auffassen. Daß die Reihe der Zeitpunkte mehrere Glieder enthält, wird * Weiteres über geordnete physikalische Kontinua siehe im diesbezüg- lichen Kapitel. Ich gehe hier nicht auf die Frage ein, durch welche Übereinkommen die Beziehungen „früher“ und „später“ geregelt werden; die Möglichkeit einer zeitlichen Anordnung übernehme ich fertig aus den diesbezüglichen psychologischen Untersuchungen. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 325 durch die Voraussetzung gesichert, daß es Gruppen von Emp- findungen gibt, die in der Zeit unterscheidbar sind. Eine erste einschränkende Voraussetzung ist nun jene, daß die Anzahl der Empfindungen, die irgend einer Emp- findung in der Zeit vorausgehen, die also bis zu einem Zeitpunkte in unser Bewußtsein eingetreten sind, eine endliche ist. Somit ist dann auch die Anzahl der Zeit- punkte, die irgend einem Zeitpunkte vorangehen, end- lich. Jedem Zeitpunkte kommt daher ein bestimmter Rang zu. Bis zu jedem Zeitpunkte wurde eine endliche Anzahl von Empfindungen, also auch eine endliche Anzahl von Gruppen der- selben in unser Bewußtsein aufgenommen; die Gruppen sind einerseits in der Zeit entweder ununterscheidbar oder sie folgen aufeinander; andererseits sind sie im Raume ununterscheidbar oder unterscheidbar; wir nehmen zwei Gruppen für ununter- scheidbar an, wenn sie entweder notwendig, oder auf Grund eines Übereinkommens ununterscheidbar sind; andernfalls gelten die Gruppen für unterscheidbar. Wollen wir irgend eine Empfindungsgruppe in unserem Ge- dächtnisse rekonstruieren, so werden die entstehenden psychischen Reize nicht nur durch jene Gruppen, sondern auch von weiteren, von ihnen ununterscheidbaren Gruppen beeinflußt. Wenn ich nun jede Reihe von im Raume ununterscheidbaren, in der Zeit aufeinander folgenden Empfindungsgruppen, die ausschließlich aus Empfindungsgruppen besteht, welche bis zum n-ten Zeitpunkte (inklusive) in mein Bewußtsein eingetreten sind, physikalischen Punkt n-ter Ordnung nenne; wenn ich dann zwei physi- kalische Punkte derselben Ordnung für ununterscheidbar oder für unterscheidbar annehme, je nachdem die entsprechenden Empfin- dungsgruppen sämtlich ununterscheidbar sind, oder aber es unter denselben unterscheidbare gibt, so bilden die physikalischen Punkte n-ter Ordnung ein gewisses physikalisches Kontinuum, das ich die momentane Raumvorstellung »n-ter Ordnung oder auch die n-te momentane Raumvorstellung nenne Mittels der momentanen Raumvorstellung »-ter Ordnung läßt sich jede räum- liche Vorstellung, die aus einschließlich bis zu dem n-ten Zeitpunkte aufgenommenen Empfindungsgruppen besteht, rekonstruieren. 326 FRIEDRICH RIESZ. Zu irgend einem m-ten Zeitpunkte, der dem »-ten Zeit- punkte vorangeht, gehört ebenfalls ein bestimmtes physikalisches Kontinuum: die momentane Raumvorstellung m-ter Ordnung. Jedes Element dieser Raumvorstellung ist auch in der »-ten Raumvorstellung zu finden; in der letzteren gibt es aber auch Elemente, die die Fortsetzung von Elementen der m-ten Raum- vorstellung sind, nämlich Reihen, die auch Empfindungsgruppen enthalten, welche nach dem m-ten Zeitpunkt aufgenommen wurden; die übrigen Elemente dieser Reihen bilden den bezüglichen physi- kalischen Punkt m-ter Ordnung, der durch spätere Empfindungs- gruppen zu dem bezüglichen physikalischen Punkte »-ter Ord- nung ergänzt wurde. Ich definiere nun: Der physikalische Punkt n-ter Ordnung a, heiße in dem physikalischen Punkt m-ter Ordnung a, enthalten, wenn a, entweder aus denselben Emp- findungsgruppen wie a, besteht, oder aber die Empfindungs- gruppen, aus denen a, besteht, auch zu a, beitragen, und jede weitere Empfindungsgruppe, die zu a, beiträgt, nach dem m-ten Zeitpunkte ins Bewußtsein aufgenommen wurde. Ich sage, der physikalische Punkt n-ter Orduung a, sei ein eigentlicher, wenn es unter den Empfindungsgruppen, aus denen a, besteht, eine gibt, die im »-ten Zeitpunkte in mein Bewußtsein aufgenommen wurde; im entgegengesetzten Falle sage ich, a, sei ein uneigentlicher* physikalischer Punkt n-ter Ordnung. Die Reihe der momentanen Raumvorstellungen. Jedem Zeitpunkte ist nun ein physikalisches Kontinuum zu- geordnet; das physikalische Kontinuum, das dem »-ten Teilpunkte zugeordnet ist, nannte ich die n-te momentane Raumvorstellung, die Elemente derselben physikalische Punkte n-ter Ordnung. Ich trennte die physikalischen Punkte n-ter Ordnung in eigentliche uud uneigentliche. Die physikalischen Punkte verschiedener Ord- nung habe ich aufeinander bezogen, indem für irgend zwei physi- * Für den Aufbau des Raumbegriffes sind nur die eigentlichen Punkte n-ter Ordnung von Belang; die Einführung der uneigentlichen Punkte dient nur zur Vereinfachung der Ausdrucksweise. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 327 kalische Punkte verschiedener Ordnung a, und a, (m m, so besteht zwischen irgend einem Punkte m-ter Ordnung qa,, und irgend einem Punkte n-ter Ordnung a, immer eine und nur eine der beiden Beziehungen: 1) der Punkt «a,, enthält den Punkt a, ; 2) der Punkt a, enthält den Punkt a, nicht; (1) a, ist in a, enthalten; 2) a, ist nicht in a, enthalten. Die momentanen Raumvorstellungen und ihre Beziehungen zueinander genügen nun folgenden Voraussetzungen: Mm 1) Jeder physikalische Punkt m-ter Ordnung enthält einen und nur einen uneigentlichen physikalischen Punkt m + 1-ter Ordnung, und jeder uneigentliche physikalische Punkt m + 1-ter Ordnung ist in einem und nur einem physikalischen Punkte »m-ter Ordnung enthalten. 2) Ist a, in a, und a, in a, enthalten, so ist auch a, in a, enthalten. 3) Ist m m, derart, daß die physikalischen Punkte nter Ordnung, die in a, und zugleich in eigentlichen physikalischen Punkten höherer als der mten Ordnung enthalten sind, ein zu- sammenhängendes physikalisches Kontinuum bilden, und daß jeder in a,, enthaltene physikalische Punkt höherer als der nten Ord- nung ununterscheidbar ist von wenigstens einem physikalischen Punkte, der in einem Punkte dieses Kontinuuns enthalten ist. Ich untersuche nicht, in wieweit die einzelnen Voraussetzungen voneinander abhängen. Es gibt darunter solche, die teilweise oder im ganzen aus den übrigen folgen; für Voraussetzung 10) z.B. leuchtet dies unmittelbar ein; dieselbe wurde nur der Bequemlich- keit halber als selbständige Voraussetzung eingeführt. Jedenfalls m DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 331 ist das System widerspruchsfrei; denn es können auf mannigfache Weise Systeme von Dingen definiert werden, die durch reelle Zahlen beschreibbar sind und sämtlichen Voraussetzungen ge- nügen.* Ich definiere nun den mathematischen Punkt als eine unendliche Reihe a, @,,,, @nı2,:- für welche sich die Ordnungszahlen der aufeinander folgenden Punkte stets um 1 unterscheiden, jeder physikalische Punkt den auf ihn folgenden enthält, und in welcher für jedes » eigentliche physikalische Punkte höherer als der nten Ordnung vorkommen. Die Existenz mathematischer Punkte folgt aus den Voraus- setzungen 1) und 11). Ist A=\a,,a,,4,-...) der durch die Reihe @,,.@,,1,--- definierte mathematische Punkt, und ist a, ein Element der Reihe, so sage ich, der mathematische Punkt A sei in dem physikalischen Punkte a, enthalten. Ich sage, die beiden mathematischen Punkte A= {a ,a,,1,:--} und B={b,,b, ‚....}seienidentisch, wennfürjedes N(N>m,N>n) die Punkte a, und b, ununterscheidbar oder identisch sind. Ich bezeichne die Identität der Punkte A und B durch: A=B. Aus der Definition der Identität folgt: 1) A=B; 2) It A=DB, so ist auch B= 4A. Aus Voraussetzung 12) folgt: It A= b und B=(, so ist auh A=(. Ich sage, die beiden mathematischen Punkte A und B seien verschieden, wenn sie nicht identisch sind. . von physikalischen Punkten, m? * So z. B. können als eigentliche physikalische Punkte nter Ordnung jene Kreise der Zahlenebene angenommen werden, für welche die Koordi- 1 naten des Mittelpunktes Multipla von gr und kleiner als n sind, der Radius gu ist, als uneigentliche aber Kreise, die schon für irgend ein mn; anderenfalls ist der Punkt A in be- zug auf die Menge £ isoliert. Es folgt nun leicht, daß, falls der Punkt A auf Grund der gegebenen Definition eine Verdichtungsstelle der Menge £ ist, es für jedes » unendlich viele Punkte der Mense gibt, welche zu A von höherem Grade als » benachbart sind. 334 ° _ FRIEDRICH RIESZ. Es leuchtet unmittelbar ein, daß das gegebene Verdichtungs- prinzip die ersten drei Grundsätze für mathematische Kontinua befriedist. Aus dem nächst zu beweisenden Satze folgt dann, daß es auch dem Grundsatze 4) genügt. Satz V. Ist der Punkt A eine Verdichtungsstelle der Menge t, dann gibt es eine abzählbare Teilmenge der Menge t, für welche A die einzige Häufungsstelle ist. Es gibt nämlich eine erste Zahl », und einen entsprechenden Punkt A, der Menge t, so daß A und A, benachbart (n,) sind. Es gibt dann eine erste Zahl n,>n, und einen entsprechenden Punkt A, der Menge t, so daß A und A, benachbart (n,) sind. Die Reihe der Zahlen n,,»,,... und die Reihe der entsprechenden Punkte A,,A,,... lassen sich beliebig fortsetzen. Es gibt somit jedenfalls eine unendliche Reihe stets wachsender Zahlen »n, und eine entsprechende Reihe von Punkten A,, so daß die Punkte A und A, benachbart (»,) sind.* ‘ Der Punkt A ist eine Ver- dichtungsstelle der Reihe A,, A,,... Güäbe es nun einen von A verschiedenen Punkt A*, der ebenfalls Verdichtungsstelle der Reihe wäre, so könnte man aus derselben eine Reihe A,, A,,..- auswählen, wo die k, stets wachsende Zahlen sind, und es exi- stierten zwei Reihen »,,r,,... und s,,5,... stets wachsender Zahlen, so daß A und A, benarhbart (r,), A* und A, benach- bart s; wären. Dann aber Zähe es für jede beliebig große Zahl n zwei ununterscheidbare physikalische Punkte, die in eigentlichen physikalischen Punkten höherer als der nten Ordnung enthalten sind, derart, daß der eine Punkt den Punkt A, der andere den Punkt A* enthält. Dies aber wäre zufolge der Voraussetzungen 12) und 15) nur in dem Falle möglich, wenn A und 4A* iden- tisch wären. % Ich e nur die Existenz der Reihe A,, A.,...; die Reihe selbst ist nicht eindeutig festgelest. Wären wir im Beäitze eines Prinzips, mit dessen Hilfe unsere Empfindungen nach dem Typus w, oder wenigstens wohlgeordnet werden könnten, dann könnte auf Grund desselben eine be- stimmte Reihe A,, A,,... ausgezeichnet werden. In Ermangelung eines derartigen Prinzipes mußte ich mich mit der benutzten Beweisart begnügen, die doch auch sonstigen mengentheoretischen Untersuchungen geläufig ist. Siehe diesbezüglich: F. Bernstein, Bemerkung zur Mengenlehre, Gött. Nachr. 1904, p. 6. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 335 Auf diese Weise habe ich den Raum als mathematisches Kontinuum definiert; eine erste wichtige Eigenschaft dieses mathe- matischen Kontinuums habe ich in Satz V ausgesprochen. Zu- nächst wird nun die Frage zu beantworten sein, welche weitere charakteristische Eigenschaften dieses mathematischen Kontinuums aus unseren Voraussetzungen folgen? Der Bolzano-Weierstraßsche Satz. Von einer Menge mathematischer Punkte (kurzwegs Punkt- menge) sage ich, sie sei im Endlichen gelegen, wenn die Ordnung aller ihrer Punkte unterhalb einer endlichen Grenze liegt. Jede Menge einer endlichen Anzahl von Punkten, wie auch jede Elementarmenge ist sicher im Endlichen gelegen. Die Ver- einigungsmenge einer endlichen Anzahl von Mengen, die im End- lichen gelegen sind, wie auch jede Teilmenge einer im Endlichen gelegenen Menge, sind ebenfalls im Endlichen gelegen. Satz VI. Für jede im Endlichen gelegene Menge, die unendlich viele Punkte enthält, gibt es wenigstens einen Punkt, der Verdichtungsstelle der Menge ist. Beweis: Da die Menge im Endlichen gelegen ist, so gibt es jedenfalls eine Zahl N, die größer ist, als die Ordnungszahl eines jeden Punktes der Menge. Jeder Punkt der Menge ist dann in wenigstens einem physikalischen Punkte Nter Ordnung ent- halten. Da nun die Anzahl der physikalischen Punkte Nter Ordnung eine endliche ist, so sind in wenigstens einem derselben unendlich viele Punkte der Menge enthalten. Es sei a, ein physikalischer Punkt Nter Ordnung, der unendlich viele Punkte der Menge enthält. Jeder dieser Punkte ist dann auch in wenig- stens einem physikalischen Punkte N + 1ter Ordnung enthalten, der selbst in a, enthalten ist. Es gibt also wenigstens einen physikalischen Punkt N+ Iter Ordnung, der ina,, enthalten ist und unendlich viele jener Punkte enthält. Gibt es einen eigentlichen physikalischen Punkt N + lter Ordnung dieser Art, so wählen wireinensolchenfüra,_, ; andernfalls einen uneigentlichen. Wählen wir nach demselben Grundsatze einen Punkt N + 2ter Ordnung, 336 FRIEDRICH RIESZ. der in a enthalten ist, als «a usw., so bilden diese Punkte N+1 +2 eine abzählbare Reihe ineinander enthaltener Punkte, die infolge der Voraussetzung 13) unendlich viele eigentliche physikalische Punkte enthält, und somit einen mathematischen Punkt A. defi- niert.* In jedem der physikalischen Punkte der Reihe sind un- endlich viele Punkte der Menge enthalten, es enthält somit jeder Punkt der Reihe jedenfalls einen Punkt der Menge, der von A verschieden ist; A ist somit eine Verdichtungsstelle der Menge. In der Lehre über Zahlenmannigfaltigkeiten (Punktmannig- faltigkeiten) ist das Analogon des eben ausgesprochenen Satzes unter dem Namen BOLZANO-WEIERSTRASSscher Satz bekannt. Ich bezeichne unsern Satz kurzwegs mit demselben Namen. Der Borelsche Satz. Von einer im Endlichen gelegenen Punktmenge sage ich, sie sei abgeschlossen, wenn sie alle ihre Verdichtungsstellen ent- hält. Für abgeschlossene Punktmengen gilt der Satz VI. Jedes System von Punktmengen u, welches die Eigenschaft besitzt, daß es unter den Mengen u für jeden Punkt der abgeschlossenen Menge a wenigstens eine gibt, die eine Umgebung für den Punkt ist, enthält ein endliches Teilsystem von derselben Eigenschaft. In der Lehre über Zahlenmannigfaltiskeiten (Punktmannig- faltigkeiten) ist das Analogon des soeben ausgesprochenen Satzes unter dem Namen Borerscher Satz, richtiger unter dem Namen der verallgemeinerte BoRELsche Satz bekannt. Den hier aus- gesprochenen Satz nenne ich kurzwees ebenfalls den Borel- schen Satz. Um den Satz zu beweisen, definiere ich zunächst den Begriff der ausgezeichneten Umgebung. Ich bezeichne als nte aus- gezeichnete Umgebung des Punktes A die Gesamtheit jener Punkte (den Punkt A mit inbegriffen), die mit A benachbart (k) sind, * Bezüglich der Eindeutigheit der Bestimmung des Punktes A siehe die zum Beweise des Satzes V gemachte Bemerkung. DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 337 wo %k alle Werte >n durchläuft. Es folgt aus der Definition, daß falls m p. Dieses Resultat aber wider- spräche dem Prinzipe, nach welchem die Zahlen »(A) ausgewählt wurden; denn die pte Umgebung des Punktes A, mußte auch schon in einer Menge u enthalten sein. Es gibt somit eine end- liche obere Grenze für die Zahlen »n(A). Die Anzahl der den Punkten der Menge « zugeordneten, voneinander verschiedenen ‚ausgezeichneten Umgebungen ist daher eine endliche.e Wird nun jede derselben durch eine Menge u ersetzt, in der sie enthalten ist, dann ist endlich ein endliches System von Mengen u bestimmt, ‘unter welchen es für jeden Punkt der Menge a wenigstens eine Umgebung gibt. Damit ist der Borelsche Satz bewiesen. Der Raum ist zusammenhängend. Von einer Punktmenge sage ich, sie sei in sich dicht, wenn sämtliche Punkte der Menge zugleich Verdichtungsstellen derselben sind. Aus den Voraussetzungen 1), 3), 4), 11) und 15) folgt, daß jede Elementarmenge in sich dicht ist. Hieraus folgt dann, daß auch der Raum selbst eine in sich dichte Menge ist. Jede zusammenhängende Menge ist in sich dicht; doch ist nicht, umgekehrt, jede in sich dichte Menge notwendig zusammenhängend. Ich beweise, daß jede Elementarmenge zu- sammenhängend, und zwar absolut zusammenhängend ist. Die Elementarmenge e werde in zwei Teilmengen, e, und &,, DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 339 zerlegt. Die-Menge e=e,+ e, ist die Gesamtheit der in einem gewissen physikalischen Punkte »ter Ordnung «a, enthaltenen mathematischen Punkte. Die Menge e, +e, ist in sich dicht; wenn also z. B. die Menge e, nicht in sich dicht ist, dann gibt es unter den Punkten derselben wenigstens einen, der Verdichtungs- stelle der Menge e, ist. In diesem Falle gibt es somit wenigstens einen Punkt, der der einen der Mengen e, und e, angehört, in bezug auf die andere aber Verdichtungsstelle ist. Demgemäß darf ich mich für weiterhin auf Zerlegungen beschränken, für welche beide Mengen e, und e, in sich dicht sind. Zufolge der Voraussetzungen 1), 3), 4), 14) und 16) gibt es sicher einen in «a, enthaltenen eigentlichen physikalischen Punkt nter Ordnung a,, so daß die in a, enthaltenen mathematischen Punkte teils zu e,, teils zu e, gehören. Wenn nun die Anzahl der in a, und in einer der beiden Teilmengen, z. B. in e, ent- haltenen Punkte eine endliche ist, dann ist jeder solche Punkt eine Verdichtungsstelle der Menge e,. Wenn weder die Anzahl der in a, und e,, noch jene der in a, und e, enthaltenen Punkte eine endliche ist, dann gibt es wieder einen in a, enthaltenen eigentlichen physikalischen Punkt n”ter Ordnung a,’, so daß die in demselben enthaltenen mathematischen Punkte teils zu e, teils zu e, gehören. Es gibt somit entweder einen in a, enthaltenen physikalischen Punkt, der aus einer der beiden Mengen e,, e, nur eine endliche Anzahl von Punkten enthält; in diesem Falle sind diese Punkte, da die Menge der in jenem physikalischen Punkte enthaltenen Punkte als Elementarmenge in sich dicht ist, notwendig Ver- dichtungsstellen der andern Teilmenge. Oder aber es gibt eine unendliche Reihe ‘ineinander ent- haltener eigentlicher physikalischer Punkte a,, a, a,,..., von der Eigenschaft, daß jeder physikalische Punkt der Reihe sowohl aus e,, wie auch aus e, unendlich viele Punkte enthält. Infolge der Voraussetzung 3) wird durch diese Reihe eindeutig ein mathe- metischer Punkt definiert; derselbe gehört der Menge e, also einer der beiden Teilmengen e, und e, an und ist eine Verdichtungs- stelle der beiden Teilmengen. Wie man immer also die Elementarmenge in zwei Teil- 393*F 340 FRIEDRICH RIESZ. mengen zerlegt, gibt es sicher wenigstens einen Punkt, der der einen der beiden Teilmengen angehört und Verdichtungsstelle der andern ist. Die Elementarmenge ist somit absolut. zu- sammenhängend. Man zerlege nun den Raum, als mathematisches Kontinuum, in zwei Teilmengen, t, und t,. A, sei ein Punkt der Menge &,, A, ein Punkt der Menge t,. Die größere der Ordnungszahlen der Punkte A,, A, sei n. Dann gibt es unter den physikalischen Punkten nter Ordnung solche, die Punkte aus {,, wie auch solche, die Punkte aus f, enthalten. Zufolge der Voraussetzungen 1), 4) und 8) ist nun die momentane Raumvorstellung ein zusammen- hängendes physikalisches Kontinuum; andererseits gibt es für zwei ununterscheidbare physikalische Punkte wenigstens einen mathe- matischen Punkt, der in beiden enthalten ist. Es gibt somit wenigstens einen physikalischen Punkt »ter Ordnung, also wenig- stens eine Elementarmenge, deren Punkte teils i,, teils i, ange- hören. Nun ist aber die Elementarmenge absolut zusammen- hängend; es gibt somit sicher einen Punkt, welcher der einen der Mengen t, und t, angehört und Verdichtungsstelle der andern ist. Es besteht also der Satz VIII. Der Raum als mathematisches Konti- nuum ist zusammenhängend. Das physikalische Kontinuum als geordnete Menge. Ich sage von einem physikalischen Kontinuum, es sei »- fach geordnet, wenn infolge irgend eines Prinzipes für jedes Paar a, b von Elementen und jede der ganzen Zahlen ie —1,2,...n) eine und nur eine der Beziehungen a<üb, ajiib, ai>b be- steht und dabei folgende Grundsätze befriedigt werden: 1) Aus a <üib folgt bi>a; 2) Aus ai>b folet b b drücke ich in Worten durch folgende Sätze aus: a b: in bezug auf die ste Rangordnung folgt a auf b. Wenn a<öib oder ai>b, so sage ich auch: a und b sind in bezug auf die öte Rangordnung unterscheidbar. Die Gesamtheit der n Beziehungen, die für das Paar a,b maßgebend sind, nenne ich das Rangverhältnis des Paares a, b. Ich sage, das physikalische Kontinuum sei in bezug auf die ite Rangordnung zusammenhängend, wenn es für jede Teilung desselben in 2 Klassen wenigstens je ein Element der beiden Klassen gibt, die in bezug auf die ite Rangordnung un- unterscheidbar sind. Ist das physikalische Kontinuum überhaupt zusammenhängend, so ist es auch in bezug auf jede Rangordnung zusammenhängend.. Denn es gibt dann für jede Teilung in 2 Klassen wenigstens je ein Element der beiden Klassen, die un- unterscheidbar sind; die beiden Elemente sind dann nach Grund- satz 4) in bezug auf jede Rangordnug ununterscheidbar. Eine Umkehrung des Satzes besteht nicht. Es kann ein n fach ge- ordnetes physikalisches Kontinuum in bezug auf jede Rang- ordnung zusammenhängend sein, ohne daß das Kontinuum selbst zusammenhängend wäre. Ich nenne das n-fach geordnete physikalische Kontinuum vollständig, wenn es für jedes beliebige System von » Ele- menten q,, Ay,..., d,, die nicht verschieden sein müssen, wenig- stens ein Blement « gibt, für welches die » Beziehungen a il «a, (=1,2,...,n) gelten. Das vollständige n-fach geordnete Kon- tinuum heißt ein eigentliches, wenn es in bezug auf jede Rang- ordnung Elemente gibt, die in bezug auf jene Rangordnung unter- scheidbar sind. Das mathematische Kontinuum als geordnete Menge. Die Theorie der mehrfach geordneten Mengen habe ich an anderer Stelle auseinandergesetzt*; hier sollen nur jene Defini- * F. Rızsz, Über mehrfache Ordnungstypen I, Math. Ann. Bd. 61, p. 406. 342 FRIEDRICH RIESZ. tionen und Resultate, die für den Zweck dieser Arbeit notwendig sind, wiedergegeben werden. Eine Menge heißt n-fach geordnet, wenn jedes Paar A, B von Elementen und jede der ganzen Zahlen i@—=1,2,...n) eine und nur eine der Beziehungen AB be- steht, und dabei folgende Grundsätze gelten: DAus A a5 folet Bo 1. 2) Aus Ar 5 folot BL Ar SDEAus AB, BG 1015 AO: 4) Für zwei verschiedene Blemente A, B kann nicht Ai B für alle © gelten. Aus den Grundsätzen folgt: It A= DB, so ist auch 524. Ist A= Bund B B werden durch fol- gende Sätze ausgedrückt: in bezug auf die te Rangordnung geht A B voran, in bezug auf die ste Rangordnung sind A und B von gleichem Range; in bezug auf die «te Rangordnung folgt A auf B. Können zwei n-fach geordnete Mengen umkehrbar eindeutig aufeinander so bezogen werden, daß die Rangverhältnisse erhalten bleiben, so sage ich, die beiden Mengen seien ähnlich ge- ordnet. Das Gemeinsame aller ähnlich geordneten Mengen nenne ich ihren Ordnungstypus. Ist A irgend ein Element der geordneten Menge und gibt es nPaare B,, C,; B,, O,;.:.; D,, C, von Elementen, welche mit A die Beziehungen Da A0, (=1,...,n) eingehen, so nenne ich die Gesamtheit der Elemente U, für welche ebenfalls die Beziehungen B, gelten je nachdem <— 4; u B; ı> Die so definierte geordnete Menge ist vom vollständigen Ordnungstypus. Ich nenne sie die zur Menge gehörige voll- ständige Menge. Die primäre Menge ist dann jener Teilmenge der zugehörigen vollständigen Menge ähnlich, für deren Elemente A=4=...=A4,, wenn für deren Elemente ihr Rangverhältnis in der vollständigen Menge erhalten bleibt. Jeder Ordnungstypus läßt sich somit als Teiltypus des zugehörigen vollständigen Ord- nungstypus auffassen. Eine spezielle Umgebung im engeren Sinne eines Elementes A nenne ich vollständig, wenn sie zugleich spezielle Umgebung desselben innerhalb der zugehörigen vollständigen Menge ist. Zu einem n-fachen Ordnungstypus und jeder Zahl ? @=1,...,n) gibt es je einen einfachen Ordnungstypus von der Eigenschaft, 344 FRIEDRICH RIESZ. daß jedem Elemente A Aes 'n-fachen Ordnungstypus ein Element A, des iten einfachen Ördnungstypus zugeordnet ist, und daß zwischen den Elementen A, und B, des iten Ordnungstypus die Beziehungen < A=S#B; bestehen, je nachdem im »-fachen Ordnungstypus Zwei Elementen, die in bezug auf die te Rangordnung von gleichem Range sind, ist in dem öten einfachen Ordnungstypus dasselbe Element zugeordnet. Der :-te einfache Ordnungstypus heißt die te Projektion des »-fachen. Der vollständige Ordnungstypus kann als die Kom- plexmenge seiner Projektionen aufgefaßt werden. Für die »-fach geordneten Mengen liefert die Anordnung ein verdichtendes Prinzip. Das Element A ist eine Verdichtungs- stelle der Teilmenge t, wenn es in jeder speziellen Umgebung von A Elemente aus t gibt, die von A verschieden sind; anderen- falls heißt das Element A in bezug auf die Menge £ isoliert. Es leuchtet unmittelbar ein, daß dieses verdichtende Prinzip den vier Grundsätzen für mathematische Kontinua genügt. Die Begriffe „zusammenhängend“ und „absolut zusammen- hängend“ für mathematische Kontinua und ihre Teilmengen, brauchen für die Ordnungstypen, als spezielle Klasse mathe- matischer Kontinua, nicht von neuem definiert zu werden. Es gilt der Satz, daß der zu einem zusammenhängenden Ördnungstypus gehörige vollständige ÖOrdnungstypus, wie auch sämtliche Projektionen desselben, ebenfalls zusammenhängend sind. Die Umkehrung des Satzes trifft nicht zu. Von den Begriffen, die für geordnete Mengen definiert wurden, interessiert uns hier speziell der Begriff „überall dicht“. Eine Teilmenge eines Ordnungstypus heißt überall dicht im Ordnungs- typus, wenn jedes Element des Ordnungstypus Element oder Ver- dichtungsstelle der Teilmenge ist. Es besteht dann der Satz, der DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 345 in etwas anderer Form von G@. CANTOR* gegeben worden ist, daß jede zusammenhängende, einfach geordnete Menge ohne erstes und letztes Element, die eine abzählbare überall diehte Teilmenge enthält, den Ordnungstypus der Menge der Größe nach geordneten reellen Zahlen besitzt. Ich nenne »-dimensionellen Bereich jeden zusammen- hängenden, n-fachen Ordnungstypus, für dessen sämtliche Ele- mente es eigentliche vollständige Umgebungen gibt, die absolut zusammenhängende Teilmengen sind. Es besteht der Satz, daß ein m-dimensioneller und ein »n-dimensioneller Bereich, wenn m und » verschiedene Zahlen sind, nicht von dem- selben Verdichtungstypus sein können.** Gibt es nun für ein mathematisches Kontinuum eine n-fach geordnete Menge, so daß die beiden Mengen ähnlich verdichtet sind, daß also ihr Verdichtungstypus derselbe ist, so sage ich, das mathematische Kontinuum könne n-fach stetig ge- ordnet, oder kurzwegs, es könne n»-fach geordnet werden. Ich sage, das mathematische Kontinuum sei stetig n-fach ge- ordnet, wenn es derart n-fach geordnet ist, daß die durch die Anordnung bewirkte Verdichtung mit der Verdichtung des ma- thematischen Kontinuums übereinstimmt. Ich sage dann auch kurz, das mathematische Kontinuum sei n-fach geordnet. Gibt es für das Element A eines mathematischen Kontinuums eine Umgebung, die als selbständiges Kontinuum aufgefaßt n-fach geordnet werden kann, so sage ich, das mathematische Kon- tinuum könne in der Umgebung des Elementes A n-fach geordnet werden. Aus dem Umstande, daß ein mathematisches Kontinuum in der Umgebung eines jeden Elementes »n-fach ge- ordnet werden kann, folgt nicht, daß das mathematische Konti- nuum im ganzen eine »-fache Anordnung zuläßt. Beispiel: Der Kreisumfang, als Punktmenge. * G. Cantor, Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre, Math. Ann. Bd. 46. =* Der Satz ist eine Verallgemeinerung des Satzes von Netto, nach welchem die gerade Strecke nicht das umkehrbar eindeutige und stetige Bild des Quadrates sein kann. 346 FRIEDRICH RIESZ. Die Anordnung des Raumes. Ich habe den Raum zuerst als eine abzählbare Reihe gewisser physikalischer Kontinua definiert, deren Elemente in gewissen Beziehungen zueinander standen; ich habe hieraus ein mathema- tisches Kontinuum abgeleitet, mittels dessen sich jene physika- lischen Kontinua und auch jene Beziehungen beschreiben lassen. Dieses mathematische Kontinuum habe ich ebenfalls Raum genannt. Aus den Grundsätzen, die ich für jene Reihe physikalischer Kon- tinua aufgestellt hatte, schloß ich auf gewisse Eigenschaften des Raumes als mathematischen Kontinuums. Doch kommen diese Eigenschaften noch einer großen Klasse von Verdichtungstypen zu; jedenfalls besitzt eine beliebige, absolut zusammenhängende Teilmenge des Zahlenraumes von beliebiger Anzahl von Dimen- sionen alle jene Eigenschaften; und es kann auch für jede solche Menge eine abzählbare Reihe physikalischer Kontinua angegeben werden, welche unseren Grundsätzen genügt, so daß das abge- leitete mathematische Kontinuum mit jener Menge ähnlich ver- diehtet sei. Durch unsere Grundsätze ist somit der Verdiehtungs- typus des Raumes noch sicher nicht eindeutig festgelegt. Wollen wir daher diesen Verdichtungstypus näher charakterisieren, so müssen über jene Reihe physikalischer Kontinua weitere Voraus- setzungen gemacht werden. Nach Analogie der HiLBertschen Definition der Ebene wird bei einer Grundlegung der exakten Geometrie, die aus dem Be- griffe der Stetigkeit, nach unserer Ausdrucksweise aus dem Be- griffe des mathematischen Kontinuums ausgeht, der Raum als ein mathematisches Kontinuum definiert, dessen Elemente Punkte heißen, und das den Verdichtungstypus eines Gebietes des drei- dimensionalen projektiven Zahlenraumes besitzt; er erscheint als ein zusammenhängendes mathematisches Kontinuum, das in der Umgebung eines jeden seiner Elemente dreifach geordnet werden kann, und zwar so, daß das Element eine vollständige Umgebung besitzt, die von demselben Ordnungstypus ist, wie der dreidimen- sionale gewöhnliche Zahlenraum. Schließt man die elliptische Geometrie von vornherein aus, so kann der Raum im ganzen als dreifach geordnete Menge aufgefaßt werden. Es fragt sich nun, DIE GENESIS DES RAUMBEGRIFFS. 347 welche weitere Voraussetzungen über jene Reihe physikalischer Kontinua gemacht werden müssen, damit der Raum als mathe- matisches Kontinuum erscheine, das in der Umgebung jedes Punktes, resp. im ganzen dreifach geordnet werden kann und da- bei jene weiteren Eigenschaften aufweist, die jenem System, das zur Grundlegung der exakten Geometrie dient, eigen sind. Es liegt nahe, jene Voraussetzungen mittels der Auffassung unserer physikalischen Kontinua als geordnete Mengen zu suchen. Ich kehre nämlich die Frage um und frage zunächst: ge- setzt, der Raum als mathematisches Kontinuum lasse sich n-fach anordnen, was folgt hieraus für die physikalischen Kontinua der Reihe, die den Raum definiert? Eine gewisse n»-fache Anordnung des Raumes bestimmt für jedes jener physikalischen Kontinua eine n-fache Anordnung, indem ich festsetze, der physikalische Punkt a gehe dem physikalischen Punkte b desselben physikalı- schen Kontinuums in bezug auf die öte Rangordnung dann und nur dann voran, wenn jeder mathematische Punkt, der in a ent- halten ist, jedem mathematischen Punkte, der in 5b enthalten ist, in bezug auf die ite Rangordnung vorangeht; es folgt dann aus den Grundsätzen für geordnete mathematische Kontinua, daß da- durch eine n-fache Anordnung eines jeden der physikalischen Kontinua eindeutig festgelegt ist, die den Grundsätzen 1)—5) für geordnete physikalische Kontinua genügt; daß auch der Grund- satz 4) befriedigt wird, folgt aus dem Satze, daß es für jedes Paar ununterscheidbarer physikalischer Punkte wenigstens einen mathematischen Punkt gibt, der in beiden Punkten enthalten ist. Zieht man nun die Voraussetzungen für jene Reihe physikalischer Kontinua heran, so folgt: Die Voraussetzung, daß der Raum als mathematisches Kontinuum n-fach geordnet werden kann, ist jener Voraus- setzung äquivalent, daß es für jedes physikalische Kontinuum der definierenden Reihe eine bestimmte »-fache Anordnung gibt, und daß die Reihe der auf diese Art bestimmten n-fach geordneten physikalischen Kontinua folgenden Bedingungen genügt: 1. Besteht für die physikalischen Punkte mter Ordnung qa,, und b,, die Beziehung «a, I (@;; Sy 17) = eier existiere, die bei allen Substitutionen der Gruppe invariant bleibt. Ist diese Form vom Range r (r Mrkui kurs el. Beil da H eine HERMITEsche Form ist, sind hr und Al; konjugiert imaginär. Transformiert man RR ; 20 sh 2, ‚, nach den Sub- stitutionen der Gruppe G, und En, er ER En hierzu kon- jugiert imaginär, so bleibt der herausgehobene Komplex offenbar invariant. Hieraus folgt, daß sich dieser Komplex, abgesehen von einer reellen multiplikativen Konstanten, nicht von der bei ©, invarianten Heruiteschen Form H, unterscheiden kann. i=f, k=f7 Wir fassen ferner den Gliederkomplex N BB; u 2, von Ü eh Bei H auf; u und v seien zwei voneinander verschiedene Zahlen der Reihe 1, 2,..., r,;; A sei eine Zahl der Reihe 1, 2,..., J. ap ul . . . . 01..09 . Da #,;,#,. und x,, &,; nicht konjugiert imaginär sind, so brauchen, was zur Vermeidung von Mißverständnissen bemerkt sei, die Größen 2 DER Bu S au $ ; m;, und mx; nicht konjugiert imaginär zu sein. Der Bestandteil i=f, k= =f7 > > mi, ® I ae von H bleibt, wie man unmittelbar sieht, invariant, wenn die Variablen ER : RR ee 0 nach den Substitutionen der Gruppe G, und die Variablen 2, ne I #,,, hierzu konjugiert ima- ginär transformiert werden. Hieraus folgt, daß auch die bilineare Form: 3 Sm E: u a a bei der nur die Variablen &uı, Zus, -.-, Zuy, an die Stelle von EN er N: Zyı, Era, -.., Zur, gesetzt wurden, invariant bleibt, wenn die AR 2 , Variablen &.1, %u2, -.., &ur, durch die Substitution G, von ©, ee = BR REEL, und Zu, Zuey ---, Zur, durch die konjugiert imaginären Sub- AUS EINEM BRIEFE VON A. LOEWY AN 6. RADOS. 361. stitutionen G, transformiert werden. Mit M, sei die Matrix | mi; | (3, k=1, 2, .. fh) bezeichnet. Dann gilt die symbolische Gleichung G,M,G,=M,: Durch Übergang zu den transponierten und konjugiert imaginären Matrices folgt: @G/ M,)G,= M,. Hieraus ergibt sich: G; (M, An M,) G, IR M; = AU, und Vu. Wa Vu u) Diese zwei Gleichungen besagen: die zwei HERMITEschen Formen M; + M,/ und Y-1(M,-—M,) sind invariante Her- MıTEsche FöFfäen der Gruppe ©,. Daher müssen sie, abgesehen von einem reellen konstanten Faktor, mit der HERMITEschen Form H, übereinstimmen. Bedeuten 6, und r, zwei reelle Konstanten, so kann man setzen: MM, =26H, V-1 (M/ —-M,)—-2t M,=(6,+V-1v)Q},.. Die bei der Gruppe &, invariante HermitEsche Form A, laute: Mithin wird: i=f, k=f7 H, = = 2 = ae @: ) a Beil hierbei ist, da H, eine Herrmiresche Form ist, die zu hi, kon- jugiert imaginäre Größe H,—hi;. Aus M,=-(&+V-12)H, folgt: 2 ER 2 Mma— (0, + V-i 7) dir. *) Abgesehen von einer reellen multiplikativen Konstanten stimmen, wie erinnert sei, die jetzigen Größen Di und die früher verwendeten hy, überein. H ist eine HERMITEsche Form; VENEN ALFRED LOEWY. folglich muß 7 auch den zu > a mi; ® na oa Teil i=fyk=f, > = Mir 0: = Kal! konjugiert imaginären enthalten. We En 2 ER ä N a: Da m;, konjugiert imaginär zu m;. ist, folet: ma (5, —-V-17)5a=-(,—-V-iz) bi. Mithin wird: i=f, k=f7 (en De 2) — ve Beil i=f) k=f = (6 Vu lm: ui Re za! = i=f7 k=f, \ ei 3 %,:V- eo en). ae Offenbar bleibt bei den Transformationen der Gruppe ® jede Teilform: i=fy k=f, Bil (B= n DE i=f7 k=f} (2) 7 = Var 2, + 9,8 tVv,u,v=1,2,. i=f7 k=f} (3) del Beil uFv,wv=-1,2..., r,) für sich invariant. Da 7 auch keine drei angeführten Gattungen enthält, r,) ’ N) Ü Di L,x 5) Y,), > > (v-1 [6% x: u hi: Zui®r]) BOLD) anderen Bestandteile als die setzt sich die allgemeinste AUS EINEM BRIEFE VON A. LOEWY AN G. RADOS. 363 bei © invariante HERMITEsche Form aus den angegebenen 72?+r2+:::+r7 linear homogen mit beliebigen reellen kon- stanten Koefizienten zusammen. Der unter (1) angegebene Typus ist die nach Voraussetzung existierende, bei der Teilgruppe ©, (A=1,2,...,j) invariante HerMmITEsche Form H,. Die zu © gehörige allgemeinste invariante HERMITEsche Form 7 kann daher aus den HERMITEschen Formen H, (A=1,2,...j) leicht kon- struiert werden. Der Voraussetzung der vollständigen Reduzibilität und der Bedingung, daß zu jeder irreduziblen Teilgruppe eine invariante HERMITEsche Form gehört, genügen die Gruppen linearer homo- gener Supstitutionen, die eine definite HERMITEsche Form in sich transformieren. Aus dem bewiesenen Satze ergibt sich daher im besonderen als Spezialfall: Ist © eine Gruppe linearer homogener Substitu- tionen, die eine definite HERMITEsche Form in sich trans- formiert, und hat © die Indizes r,,r,,...,r,, so ist die Gesamtheit HErMITEscher Formen, die © invariant läßt, eine lineare homogene Kombination von ! +r3+--+rj unabhängigen; sie läßt sich aus den semidefiniten HERr- MITEschen Formen, die bei den irreduziblen Bestandteilen von © invariant bleiben, unmittelbar konstruieren. Da die endlichen Gruppen linearer homogener Substitutionen zu der zuletzt besprochenen Gruppengattung gehören, ist hiermit auch in Übereinstimmung mit Herrn W. BurxsipE (Acta math. Bd. 28, 380) das von Herrn Vıswya fürn =n=- =-r,=-1 gelöste Problem der Aufsuchung aller bei einer endlichen Gruppe linearer homogener Substitutionen invarianten HERMITEschen Formen erledigt. SITZUNGSBERICHTE.* I. In den Sitzungen der III. (mathematisch-naturwissenschaft- lichen) Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften wurden vom Oktober 1905 bis Juni 1906 von den nachbenannten Autoren die folgenden Arbeiten vorgelegt: Sitzung am 23. Oktober 1905. 1. Maurus Rörhy, 0. M.: Über das verallgemeinerte Osrwarosche Prinzip und den zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie. 2. RuDoLr v. KÖVESLIGETHY, k.M.: Bericht über den dritten internationalen seismologischen Kongreß. 3. ALEXANDER SzıLy: Über den Alkali und den Hydroxyliongehalt des Blutes des reifen Foetus. Vorgelegt vom k. M. Franz Tancı. 4. Paun HArı: Über die Trypsinverdauung. Vorgelegt von demselben. 5. Franz Wırtmann: Untersuchung des von der Budapester Zentrale ge- lieferten Wechselstromes. Vorgelest vom o. M. ALovs SCHULLER. 6. JuLius Prinz: Die Nautiliden des unteren Jura. Vorgelegt vom o.M. Anton Koch. 7. Gyöz6 ZEMPLEN: Die innere Reibung der Gase. Vorgelegt vom o,M. Br. RoLAnD v. Eörvös. Sitzung am 20. November 1905. 1. EuGEn v. Dapay, k. M.: Mikroskopische Tiere aus den Süßwässern Mongoliens. . ADOLF v. OxoD1, k. M.: Die häutigen Teile des mittleren Nasenganges. 3. LEOPOLD FEJER: Das Gleichgewicht des Punktes im wiederstehenden Mittel. Vorgelest vom o. M. MAurus Rerny. DD * In dieser Abteilung geben wir eine Übersicht der in den Sitzungen der IH. Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und der kgl. Ungarischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft vorgelegten Arbeiten, Vor- träge und Vorlesungen. Ein Teil derselben ist entweder dem ganzen Um- fange nach oder in längerem Auszuge im vorangehenden Teile dieses Bandes enthalten; dieser Umstand ist auch bei den betreffenden, hier der Vollständigkeit wegen angeführten Titeln angedeutet. or pe 0 Hr» 0% [0) N DO SITZUNGSBERICHTE. 365 . ALEXANDER Rex: Über die Lösbarkeit der haloiden Abkömmlinge der Kohlenwasserstoffe. Vorgelegt vom k. M. LupwıG WINKLER. Sitzung am 18. Dezember 1905. . ALOIS SCHULLER 0.M.: Über mikroskopische Beobachtung von Schwing- ungen bei der Bestimmung des elektrischen Widerstandes. (S. 11—23 dieses Bandes.) . LupwIG SCHLESINGER, k. M.: Zur Theorie der linearen Differential- gleichungen. . Lupwıg WINKLER, k. M.: Löslichkeit der Gase in Wasser. . Franz Tancr, k. M.: Uber den Hydrogen-Ionengehalt des Magensaftes. . ALEXANDER SzıLy: Über die Säurewiderstandsfähigkeit des tierischen Organismus. Vorgelest vom k. M. Karr v. Tnan. Sitzung am 22. Januar 1906. . JuLius König, 0. M.: Über die Grundprobleme der Mengenlehre. . ALoIs SCHULLER, 0. M.: a) Eine Wage für das Dampfkalorimeter. (S. 1—7 dieses Bandes.) b) Über die Schnittpunkte der Knotenlinien schwingender Scheiben. (8. 24—29 dieses Bandes.) . Eugen V. Davay, k. M.: Daten über die Copepodafauma Hinterindiens. . FriepricH Rıesz: Die Genesis des Raumbegriffs. (S. 309—353 dieses Bandes.) Vorgelegt vom k. M. Gustav Ranvos. . JuLıus Revesz: Über die Wirkung der farbigen Lichtreize. Vorgelegt vom k. M. Franz TanGL. Sitzung am 19. Februar 1906. . KARL v. Than, 0. M. legt das 3. Buch vor von seinem Werke: A kiser- leti chemia elemei (Die Elemente der Experimentalchemie). (Siehe S. 353—375 des XXIH. Bandes dieser Berichte.) . ERNST JENDRÄSSIK, 0. M.: Neuere Studien über den Gang, das Laufen und Springen. . Gustav RaDos, k. M.: Die stationäre Ebene der räumlichen Kurven. . LEOPOLD FEJER: Über Fovrızrsche Reihen. (I. Mitteilung.) Vorgelegt vom k. M. Gustav RApos. . Juuıus SıLössy als Gast: Studien über den Scharfblick. . WILHELM GOLDZIEHER: Daten zur pathologischen Anotomie der Tra- choma. Vorgelegt vom o. M. LupwıG THANHOFFER. Sitzung am 2. April 1906. . EmMERICH LÖRENTHEY, k. M.: Über die pannonischen und levanti- nischen Schichten von Budapest und deren Fauna. (Antrittsvortrag. S. 260—308 dieses Bandes.) . JuLıus Prinz: Die Entdeckung der Anklebungsmuskeln der Hytoce- ridaeen- Familie. Vorgelegt vom o. M. Anton Koch. 366 SITZUNGSBERICHTE. ou | Sr 4. . Ruporr v. KÖVESIGELHY, k. M.: Die Behandlung der makroseismischen Schwingungen. . LupwiG TerkAn: Die Berechnung der Bahnelemente von ß Lyrae aus spektroskopischen und photometrischen Daten. Vorgelegt vom k. M. R. v. KövESLIGETHY. . Ernst ScHirr: Das Blut der Neugeborenen. V orgelegt von ADoLF OnoDı. . LUDWIG SCHLESINGER, k.M.: Asymptotische Darstellungen in der Theorie der Systeme linearer Differentialgleichungen. (I. Mitteilung.) . LeoroLv FrJEr: Über Fovrrersche Reihen. (II. Mitteilung.) Vorge- lest vom k. M. LupwıG SCHLESINGER. Sitzung am 14. Mai 1906. . IsivoR FRÖHLICH, o. M.: Neue Gesetzmäpßigkeiten der Polarisation des gebeugten Lichtes. . EuGen v. Davay, k. M.: Daten über parasitische Trematoden in süd- amerikanischen Fischen. . RupoLr v. KÖveEsLiegetHy, k M.: Seismische Wellenflächen und das Gesetz der seismischen Fernewirkung. . Derselbe: Bestimmung seismischer Längenunterschiede. . JOSEF SUTAK: Zur Theorie der Differentialgleichungen. Vorgelegt vom o. M. JuLius Könıc. . Grözö Zempr£n: Über das Prinzip des größten Energieumlaufes. Vor- gelegt vom k. M. Gustav Rapos. Sitzung am 25. Juni 1906. . GeyzA v. HoRVATH, 0. M.: Tingitiden paläarktischer Faunagebiete. . FRIEDRICH KorRANYI, k. M.: Untersuchungen über den Klopfton der menschlichen Wirbelsäule. Vorgelegt vom o. M. FErDInAnD v. Kruc. . Eugen v. Davay, k. M.: Über die anatomischen und histologischen Ver- hältnisse der in südamerikanischen Fischen parasitisch lebenden Param- phistomiden- Arten. LUDWIG SCHLESINGER, k. M.: Asymptotische Darstellungen in der Theorie der linearen Differentialgleichungen. (1. Mitteilung.) II. In den Sitzungen der Königl. Ungarischen Naturwissen- schaftlichen Gesellschaft wurden vom Oktober 1905 bis Juni 1906 die folgenden Vorlesungen gehalten: ie A) Fachsektion für Zoologie. (Referiert von LupwıG von M&HELY.) Sitzung am 6. Oktober 1905. L. Bırö gibt eine „Übersicht der Ameisensammlung des ungarischen National-Museums“. Diese enthält eine Kollektion von 76 einheimi- [So SITZUNGSBERICHTE. 367 schen Arten in 480 Exemplaren und eine allgemeine Sammlung von 670 Arten in 10500 Stücken. . G. Entz jun. schildert die „Süßwasser- Tintinniden“. Nachdem Verf. die Organisation und das Sammeln der‘ Süßwasser-Tintinniden be- sprochen, schildert er eingehend die folgenden Arten: Tintinnidium fluwviatile STE, Tintinnidium semiciliatum STERKI, Tintinnopsis eylindra Dapvay, Tintinnopsis fusiformis Dapay. und Codonella lacustris Extz. Die zwei erstgenannten Arten können eventuell vereinigt werden. DapAys beide Arten können als Tintinnopsis cylindrica vereinigt werden, zu der sich fusiformis, mit hinten spitzig ausgezogener Schale, nur als Varietät hinzugesellt. Von Codonella lacustris werden zwei Formen unterschieden: reticulata und laevis. Bei der ersteren ist die im Umriß dreieckige Schale reticuliert und die Kerne sind getrennt; bei der letzteren ist die hinten abgerundete Schale glatt und die Kerne liegen aneinander geschlossen. Die enorme Variabilität der besprochenen Arten wird teilweise auf Wachstumserscheinungen zurückgeführt, teil- weise aber dem Teilungs- und Konjugations-Prozesse zugeschrieben. . L. M£Hery liefert „Beiträge zur Kenntnis der formativen Kräfte des tierischen Organismus“. Verf. hat im verflossenen Sommer verschie- dene Eidechsenarten im Terrarium beobachtet und zwischen ihrer Lebensweise und ihren morphologischen Charakteren einen deutlichen Zusammenhang wahrgenommen. Er fand, daß sich Zacerta Horvathi MEn., diese vom Verf. unlängst entdeckte eigentümliche Art der Ka- pela und des Velebit-Gebirges, mit ihrer Schnauze in die Erde ein- wählt, ihre Hintergliedmaßen aber zum Scharren nicht gebraucht. Aus dem Grunde stößt bei dieser Art das durch die formativen Reize ver- größerte Rostrale an das Internasale und das Supranasale an das Frenale an, wogegen die außer Aktion getretene Tibia an der Innenseite, außer der bei allen Lacerten vorhandenen großen Schilderreihe, nur mit winzigen Schildern bedeckt ist. Ganz ähnliche Verhältnisse weist Lacerta mosoriensis KoLomB auf mit dem Unterschiede, daß das Supra- nasale mit dem Frenale noch nicht in Berührung getreten ist und die Schilder der Tibia etwas größer sind, woraus hervorgeht, daß diese Art noch nicht so intensiv wühlt, wie die vorhergenannte. Lacerta muralis Laur. wühlt nicht mit der Schnauze, gräbt aber mit den Hintergliedmaßen, weshalb die genannten Schilder der Schnauze von einander entfernt stehen und die Innenseite der Tibia von zwei großen Schilderreihen bekleidet wird. Aus den Beobachtungen des Verf. geht hervor, daß die Eigen- artigkeit der besprochenen morphologischen Charaktere auf die Wir- kung mechanischer Reize zurückzuführen sei, wonach die LAMARcK- schen Faktoren für die formativen Kräfte zu gelten hätten. Dennoch glaubt Verf., den LamArcxschen Faktoren nur die Einleitung der Transformation zuschreiben zu dürfen, während die definitive Aus- - 368 SITZUNGSBERICHTE. bildung und Erhaltung der morphologischen Charaktere den Dar-' wimischen Faktoren eingeräumt werden muB. Sitzung am 3. November 1905. 1. G. HorvÄrn: „Über die neuere zoologische Literatur Japans“. Der Vortragende erörtert den fördernden Einfluß des Unterrichtes, der zoologischen Stationen und- Gesellschaften, dem der gewaltige Auf- schwung der Zoologie in Japan zu verdanken sei. Daran anknüpfend legt er den jetzt erschienenen ersten Band von MArzumuras „Tausend japamische Insekten“ vor, worin 200 Arten in Wort und Bild vor- geführt werden. Der Verfasser, der sich im Ung. National-Museum ein Jahr lang mit entomologischen Studien beschäftigte, steht noch in warmer Erinnerung der Sektionsmitglieder. 2. G. HorvArH demonstriert mehrere Exemplare einer kleinen Tingitide (Stephanitis Azaleae Horv.), die in Holland auf von Japan impor- tierten Azaleen schädlich aufgetreten ist. 3. L. M£nery berichtet „, Über Verbreitung und Lebensweise der Haus- ratte (Mus rattus L.) in Ungarn“. Im verflossenen Sommer hatte er Gelegenheit, die schwarze oder Hausratte in Kis-Pöse (Comitat Vas) zu beobachten und fand, daß diese Art die Aufböden bewohnt, woher sie nur des Abends herniedersteigt. Sie bewohnt nur von der Land- straße entfernt gelegene Dörfer und wird von Mitte August an der Weinrebe schädlich. Gewöhnlich sucht sie nur zur Nachtzeit die Reben auf, an warmen Tagen kommt sie jedoch schon vor Einbruch. der Dämmerung zum Vorschein und nachdem sie sich in den Zweig- gabeln des Weinstockes festgesetzt hat, packt sie zwischen ihre Vorder- tatzen die losgelöste Rebe und benagt die Beeren nach der Art des Eichhörnchens. Sitzung am 9. Dezember 1905. Der Präsident G. Exrtz widmet vor der Tagesordnung warme Worte dem Andenken des am 2. November verstorbenen Würzburger Professors A. KOELLIKER. Im Laufe der Tagesordnung wurden folgende Vorträge gehalten: 1. A. Szürs jun.: „Beiträge zur Morphologie uud Physiologie der Segmen- talorgane des Regenwurmes“. Verfasser untersuchte den Bau der Segmentalorgane bei Lumbricus terrestris var. platyurus ÖrLEY, Allolo- bophora mucosa Eısen und Oriodrilus lacuum Horrım. und bestätigt im allgemeinen die Befunde Brnuaus. DBehufs Feststellung der Exere- tionsvorgänge hat Verfasser Einspritzungen von Ammoniak- und In- digkarmin vorgenommen. Hierbei konnte festgestellt werden, daß das Indigkarmin von den chloragogenen Zellen aufgenommen und dann im gelösten Zustand dem Blut übergeben wird, worauf dasselbe in die Nephridien gelangt und dort zur Ausscheidung gebracht: wird. SITZUNGSBERICHTE. 369 2. E. Csıkı: „Die zoologische Literatur Chinas“. Von einer wissenschaft- lich betriebenen Zoologie kann in China keine Rede sein. Dies be- weisen die chinesischen Werke, die mit den albernsten Abbildungen (Drachen und dergleichen) geschmückt sind. Eine wissenschaftliche Tätigkeit üben nur die Jesuiten von Zi-ka-vei aus, deren wertvolle Publikationen in französischer Sprache erscheinen. Dieselben werden vorgelest. 3.G. Entz: „Über die Einwanderung der Ratten“. Angeregt durch die Beobachtung, daß in Lussin-Grande sowohl die Haus- als die Wander- ratte in demselben Gehöft lebt, bearbeitet Verfasser die Frage über die Einwanderung der Ratten. Auf die ältesten Quellen zurück- greifend beleuchtet er kritisch die Angaben der bisherigen Autoren und kommt zu folgenden Schlüssen. Von den im alten Testament erwähnten mausartigen Tieren entspricht Saphan dem Hyrax syriacus Schrep., mit Achbar kann nur die Hausmaus gemeint sein und Choled dürfte auf Spalax Ehrenbergi NurG zu beziehen sein. In letzterer Auffassung wird Verfasser durch die Worte ABENBITARES, eines ara- bischen Schriftstellers, bestärkt, der angibt, daß dieses blinde Tier die Wurzeln der Bäume benagt und an dem Geruch der Zwiebeln und des Schnittlauchs einen derartigen Gefallen findet, daß es durch den- selben angelockt aus seinem Versteck hervorkommt. Die Kulturvölker des Altertums hatten noch für die Bezeichnung der Ratten keinen be- sonderen Ausdruck, obwohl die alten Ägypter, wie aus LENoRMANTS Aufzeichnungen hervorgeht, die Ratte bereits gekannt haben. Nach Cornauıa war die Hausratte (Mus rattus foss.) in der Lombardei be- reits im Pleistocän vertreten. Die erste kenntliche Beschreibung der Hausratte rührt von Atzertus MAGnus her und die erste charakte- ristische Abbildung findet sich bei CoxrAD GESNER. Die Urheimat der Wanderratte ist das östliche Asien, weshalb ihre fossilen Über- reste in Europa, wo sie sich nur in den letzten Jahrhunderten ver- breitete, nicht aufgefunden werden konnten. Auf welchem Wege die Wanderratte nach Europa gelangte, ist bisher nicht erschlossen, es kann jedoch angenommen werden, daß dieselbe aus Indien durch Schiffe ein- geschleppt wurde. Die Berufung auf Pauras, wonach dieselbe nach einem Erdbeben im Jahre 1727 die Wolga bei Astrachan übersetzend ihren Weg nach Europa genommen hätte, beruht auf einem Mißver- ständnis, da Pauras das gerade Gegenteil behauptet, nämlich daß die “ Wanderratte von den westlichen Steppen nach Astrachan eindrang (Novae spec. quadrup. e glir. ord., 1784, p. 92) GEsners Mus aqua- ticus ist keine Wanderratte, sondern, wie die Abbildung bei ALpro- vAnDI lehrt, die Bisamratte. Die Wanderratte, die in Europa gegen die Mitte des XVIII. Jahrhunderts bereits weit verbreitet war und von vielen Autoren besprochen wurde, hat schon Joxstoxus gut ge- kannt und in seinem „Theatrum Animalium“ (1603--1675) durch Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XAXIV. 24 3 Ö SITZUNGSBERICHTE. MarnuıAs Merıan nebst der Hausratte und den Mäusen abbilden lassen. Da Jonstox sein Werk auf seinem Gute in Schlesien schrieb, dürften die abgebildeten Exemplare deutscher Provenienz gewesen sein. . G. Exrz jun. demonstriert einige Exemplare von Ascaris mystax Zeder die aus Nadläny (Comitat Nyitra) eingeschickt wurden. Dieselben wurden durch ein acht Monate altes Kind erbrochen (19 an der Zahl). Die Weibchen waren höchstens 9, die Männchen 4—5 cm lang. Sitzung am 5. Januar 1906. . ©. Ketrer legt seine Arbeit „ Über die Morphologie des Vorder- und Zwischenhirns der Teleostier“ vor. Verfasser studierte die Beschaffen- heit der betreffenden Organe bei Carassius vulgaris Nilss., Esox lueius L. und Tinca vulgaris Cuv. Die Epiphyse bei Esox dem mächtig ent- wickelten Epiphysenpolster aufruht, was bei Carassius vermißt wird. Solche Zellfortsätze, wie CarrızE in der Epiphyse des Esox und Hirt bei Salmo beschrieben haben, hat Verfasser nicht auffinden können, ebenso wenig solche Sinneszellen, wie STuUpxickA zwischen die in- differenten Zellen eingebettet bei Selachiern und Ganoiden antrat. In der Epiphyse der Karausche entdeckte Verfasser einen kleinen Faserstrang, dessen Fasern aus dem unteren Teil der Habenula ent- springen und durch den Tractus pinealis in das Endstück der Epiphyse eindringen. Dieser Faserstrang entspricht der von Hour beschriebenen habenularen Verbindung. Das Corpus geniculatum gewahrte Verfasser sehr deutlich bei Tinca und Carassius und bemerkte auf der Peri- pherie desselben eine große Anzahl von Fasern, deren Endigung in demselben auf den mit Osmium behandelten Schnitten vollkommen klar hervortrat. .L. M&nery spricht über „Sturm und Erdbeben anzeigende Tiere“. An seine frühren Erfahrungen anknüpfend berichtet er über die inter- essanten Beobachtungen des Herrn G. Vrıtn, der anläßlich des letzten Erdbebens in Zägrab (Agram) die Überzeugung gewann, daß die Kreuzotter das erfolgte Erdbeben um 10—12 Stunden früher durch außerordentliche Unruhe anzeige. Der Vortragende ist der Ansicht, daß der Sitz dieses Vorgefühles in den Sinnesknospen zu suchen sei. Sitzung am 9. Februar 1906. .L. Soös spricht „Über die morphologischen Verhältnisse der Mantel- organe der Pulmonaten“. Unter Mantelorganen verstehen wir die Summe der in der Mantel- resp. Atmungshöhle vorhandenen Organe, nämlich die Lunge, den Enddarm, die Niere, das Herz und die Kiemen. Die letzteren sind bei den Pulmonaten rückgebildet. Die Lunge be- steht aus einer dünneren oder dickeren Membran, die von Bluträumen durchsetzt wird. Die Bestandteile derselben sind zwei Epithelial- © SITZUNGSBERICHTE. al schichten, die unter denselben liegenden Muskeln und die aus Binde- gewebsfasern bestehende Schichte, außerdem Mucin- und Leypıssche Zellen, welch letztere bei Planorbis sternförmig erscheinen. In der Lunge von Planorbis sind auch große mucinbildende Zellen. Die sackförmige Wand der Niere wird von in den Falten aufgespeicherten Sekretionszellen bekleidet. Der Nierengang ist bei den Basomato- phoren die direkte Fortsetzung der Niere, bei den Stylommatophoren hingegen besteht derselbe aus zwei Teilen, von denen sich der eine vom Nierenende nach rückwärts bis zur Nierenbasis erstreckt, während der zweite von hier aus entlang des Enddarms bis zur Öffnung der Atmungshöhle hinzieht. Letzterer Abschnitt kann teilweise oder ganz durch eine Rinne ersetzt werden. Ein Gang der Niere steht durch Vermittelung des Wimpertrichters mit dem Herzbeutel in Ver- bindung. Der Wimpertrichter ist ein in der Rückbildung begriffenes Organ, das gegen die Niere manchmal schon blind abschließt. . 1. KukuLsevic referiert „Über das Vorkommen des Cysticercus in Ungarn und die Methoden der Untersuchung“. Es werden statistische Daten der letzten elf Jahre herangezogen und die in der Kontumaz- Anstalt von Köbäanya befolgte Untersuchungsweise der verdächtigen Tiere geschildert. . St. RAtz spricht über „Eustrongylus gigas in Ungarn‘ und demonstriert ein Exemplar dieses Wurmes, welches in Budapest ın der Bauchhöhle eines Hundes gefunden wurde. Sitzung am 2. März 1906. . L. AıGxer demonstriert „Melanotische Lepidopteren aus Ungarn“. Die Ursache des Melanismus erblickt er in Entwicklungsstörungen, haupt- sächlich in Änderungen, die durch die Kälte hervorgerufen werden. Seine Ansicht begründet er damit, daß man umsomehr melanotische Formen antrifft, je weiter man gegen Norden vordringt und je höher im Gebirge steigt. . E. Csıkı referiert im Anschluß an Semenxovs Arbeit „Über die syste- matische Stellung der Puliciden“. .L. M£nery gibt eine Schilderung „Über den knöchernen Angenring der Eidechsen“. Auf der Sclera der durch ihn entdeckten ZLacerta Horvathi fand er einen wohl entwickelten Knochenring, der auch bei den kaukasischen Verwandten dieser Art in ähnlicher Beschaffenheit, jedoch den einzelnen Arten entsprechend in etwas abweichender Form vorkommt. Möglicherweise liest hier ein subtiler Unterscheidungs- charakter der Arten vor. Der Vortragende weist auf den ähnlich zusammengesetzten Selerotikalring der Vögel hin und in Heranziehung auch anderer Charaktere erläutert er die Blutsverwandtschaft der Sauropsiden. 24* 372 SITZUNGSBERICHTE. Sitzung am 6. April 1906. 1. I. Pungur erörtert den ungarischen Tiernamen „Küllo“ und dessen Socii. Der Vortragende befaßt sich seit 1872 mit dem Sammeln der ungarischen Tiernamen und brachte bisher etwa sechzigtausend Daten zusammen. Bei dieser Gelegenheit bespricht er die Gruppe des Namens „Küllo“, der auf drei Vögel und auf einen Fisch angewendet wird. 2. C. Cuvzer legt seinen Aufsatz „Wintersammeln in Zelenika“. Im verflossenen Dezember fand er in der Umgebung der genannten dal- matinischen Stadt mehrere interessante Spinnen, deren dreie (Ciniflo annulatus, Harpactes Chyzeri und Tegenaria dalmatica) von Prof. Kurczynskı als neu beschriebenen wurden. 3. L. Ms#&Ly erläutert im Anschluß an JAEKELS wichtige Arbeit „Die primogenen Elemente des Visceralskelettes der Vertebraten“. 4. A. Schwarm berichtet über „Die Artberechtigung von Tachyoryctes amnectens Thomas“. Verfasser untersuchte den Schädel und das Ge- biß eines adulten und eines juvenilen Exemplars von Tachyoryctes spendens Rürprp. aus dem Kilima-Ndjaro-Gebiet und gewahrte, daß das jugendliche Gebiß dieser Art genau dem von 7. annectens entspricht. Grund dessen ist er der Ansicht, daß die letztere Art auf solche Exemplare des 7. splendens gegründet wurde, die Charaktere des juvenilen Gebisses auch im Alter bewahrt haben. 5. G. Entz stellt einen „Antrag behufs der Nachforschung der Werke von DEccarn und Lrprar“. Or. DECCARD und seine beiden Söhne CHrI- STOPH und WILHELM unternahmen in der ersten Hälfte des XVIII. Jahr- hunderts eine eingehende Schilderung der jagdbaren und fischbaren Tiere Ungarns, samt der Beschreibung der dazumal geübten Weisen der Jagd und Fischerei. Die Arbeit, die als III. Band zu M. B£us großem Werke „Über die Landwirtschaft Ungarns“ erscheinen sollte, war im Manuskript vollendet, ist aber niemals vor die Öffentlichkeit gelangt. Dem Inhalte nach ist das Werk aus St. Weszpr&£mis Auf- zeichnungen (in Succincta medicorum Hungariae et Transilvaniae bio- graphia, Tomus IV, 1787 p. 99—112) bekannt, der mit dem jungen B&£r befreundet war und vielleicht durch denselben die betreffenden Angaben erhalten hat. Da letzterer von 1743 bis 1782 Professor der Poetik auf der Universität zu Leipzig und nachher Vorsteher der akademischen und königlichen Bibliothek war, dürfte DeccArps Manu- skript eventuell in Leipzig aufgefunden werden können. Das zweite im Manuskript abgeschlossene, aber ebenfalls ver- schollene Werk hatte P. Lıpeay zum Verfasser, der in den Jahren 1642—1665 Ungarn bereiste, die Naturobjekte des Landes erforschte, beschrieb und abbildete und dieselben in einem mit 200 Abbildungen illustrierten Werke (De admirandis Hungariae rebus) zusammenfaßte. SITZUNGSBERICHTE. 375 Als er jedoch die literarischen Früchte seiner Tätigkeit in Wien er- scheinen lassen wollte, ereilte ihn, zum großen Schaden der vater- ländischen Biologie, der frühe Tod. Es ist unnötig, die außerordentliche Bedeutung dieser beiden Werke für die Beurteilung der damaligen faunistischen Verhältnisse Ungarns des näheren zu erörtern. Im Interesse der Wissenschaft er- _ ergeht aber die Bitte an alle ausländischen Fachgenossen, die vielleicht einen Faden zur Auffindung dieser uns so wertvollen Werke in der Hand haben, hierüber den Vortragenden gütigst verständigen zu wollen. Sitzung am 4. Mai 1906. 1. L. M£EHELY spricht „, Über die Stimme der Eidechsen“. Im Anschluß an bekannte Erscheinungen berichtetder Vortragende über ein Männchen von Lacerta Gallotii, welches in der Gefangenschaft wiederholt einen knarrenden Laut ausstieß. 2. A. Scumipr schildert den „Formenkreis von Precis octavia ORAM“. 3. G. Entz jun. demonstriert „Ein riesenhaftes Exemplar von Branchipus ferox M. Enw.“. Aus Szerep (Komitat Bihar) erhielt Verfasser ein weibliches Exemplar dieser Art, mit dem riesigen Ausmaß von 60 mm (samt Gabel gemessen). B) Fachsektion für Botanik. (Referiert von J. BERNÄTsKY.) Sitzung am 11. Oktober 1905. 1. Vorsitzender 3. MAcocsy-Dierz berichtet tief ergriffen über das am 17. Juli erfolgte Ableben des Mitgliedes der botanischen Sektion und bekannten Botanikers V. v. BorBAs. Mit dem Verstorbenen verlor nicht nur die Universität zu Ko- lozsvar ihren Professor der systematischen Botanik und die Ung. Naturwissenschaftliche Gesellschaft, sowie deren botanische Sektion eines ihrer Mitglieder, sondern auch die ungarische Botanik einen ihrer eifrigsten und bekanntesten Vertreter. Namentlich die Erfor- schung der floristischen Verhältnisse Ungarns war ein Gebiet, in welchem er viel leistete, wovon seine außerordentlich zahlreichen Arbeiten ein beredtes Zeugnis ablegen. Nach mehreren amtlichen Verhandlungen bezüglich Ehrung des Andenkens BorsBäs’ wird L. v. Tuaısz aufgefordert, in der Sektion eine Denkrede über den Verstorbenen zu halten, was Tnuaısz bereitwillig annimmt. (Vgl. p. 379.) 2. F. Pıx’ Arbeit „Flora fossilis ganocensis“ wird vorgelegt von Z. Szago. 374 SITZUNGSBERICHTE. JuLius KLEIN empfiehlt die interessante Arbeit des deutschen Verfassers ihres Themas wegen im „Beiblatt“ der „Növenytani Közle- menyek“ vollinhaltlich elhramdang ken. J. Tuzson fügt die sachliche Bemerkung hinzu, daß das auf Nymphaea. Lotus benMailiehe Ergebnis der enlheillieneileihern Arbeit in betreff der Erklärung des Vorikommasne dieser Pflanze bei Püspökfürdö sehr wichtig ist und wenn jenes Ergebnis als sicher erwiesen an- genommen wird, so berechtigt dies zu recht weitgehenden Schluß- folgerungen. Eben deshalb gibt Tuzson aber auch seiner Meinung Ausdruck, daß die anatomische Methode über die systematische Zu- gehörigkeit fossiler Pflanzenreste kein sicheres Urteil zuläßt und des- wegen di apodiktische Aufzählung von Nymphaea Lotus unter den Fossılen Pflanzen von Gändez nicht vollkommen begründet erscheint. Nachdem sich derselben Meinung auch K. SCHILBERSZKY an- schließt, sprechen noch zum Gegenstande S. MAcocsy-DiErz, J. Kreis, R. Rorn, Z. SzaB0. 3.R. Raraıcs’ Arbeit „Beobachtungen über Pflanzenwanderung“ wird vorgelegt von G. LexeyeL. Die Arbeit enthält Beobachtungen über das Vorkommen mehrerer Pflanzen bei Szolnok in Ungarn und bei Radegund in Steiermark. 4. G. LenGYer bespricht das Werk „Plantae Menyhartianae“ von H.Scaınz. In dem Werke ist das von dem ungarischen Botaniker L. MEnYHART in Afrika in der Zambesi-Gegend gesammelte Pflanzenmaterial auf- gearbeitet, und zwar unter Mitwirkung von A. En@Ler-Berlin, F. Pax- Breslau, N. Wırrr-Christiania, HACKEL-Graz. 5. S. MAcocsv-Dierz legt einen „monströsen Fichtenzapfen“ vor. 6. K. ScHiLBErszkY und nachher J. Kreıy berichten über den Verlauf und die Ergebnisse der Ausflüge, die eine Anzahl Mitglieder des im Juni in Wien zusammengetretenen botanischen Kongresses unter Führung der Kgl. Ung. Naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Ungarn unter- nommen haben. In Budapest waren 81 ausländische und 33 ungarische Teilnehmer zugegen. Am Ausfluge nach Herkulesbad nahmen 47 aus- ländische und 9 ungarische, nach Debreezen und der Hortobägyer Puszta 31 ausländische und 13 ungarische Mitglieder teil. Sitzung am 8. November 1905. 1. Sz. AnvauAzys Arbeit „Eine eigentümliche Form von Pinus Strobus (L.)“ wird vorgelegt von J. B. Kümmerrr: Im alten Spitalsgarten zu Beszterezebänya steht ein Baum (Pinus Strobus), dessen Alter sich auf 50—60 Jahre belaufen dürfte und der bisher eine Höhe von 25 m erreicht hat. Er fällt durch seinen im oberen Teil stark bogenförmig gebeugten Stamm auf, und zwar entspricht die Krümmungsrichtung genau der in der Gegend herrschen- SITZUNGSBERICHTE. 375 den Windrichtung; eine Beeinflussung seitens des Bodens ist sozu- sagen ausgeschlossen und man hat alle Ursache, die eigentümliche Form des Baumes der Windwirkung zuzuschreiben. . J. BEZDERS Arbeit, „Der Sur-Wald bei Szent-György“ wird vorgelegt von J. B. Kümmerte. In der Arbeit werden die pflanzengeographischen und besonders die physiognomischen Verhältnisse des betreffenden Waldes besprochen, auch sind ihr mehrere von J. PAntocsEk an- gefertigte Photographien beigelegt. . Die Arbeit J. Györrrys „Über das Vorkommen von Acaulon trique- trum in Ungarn“ wird vorgelegt von K. SCHILBERSZKY. Der Verfasser teilt in seiner Abhandlung mehrere neue Stand- orte dieses, auch im Ausland nicht sehr häufigen Mooses mit und zwar viele Fundorte aus der Umgebung von Mako0 im ungarischen Tiefland, ferner aus Kolozsvar. Dieses Moos war bisher aus der Gegend der Hohen Tatra nicht bekannt. Er sammelte es an folgenden Stellen: Kesmärk, Szepesbela, Busöez, Keresztfalu, Rokusz; letzterer Standort ist auch deshalb interessant, weil er 704 m über dem Meere liest, und somit die obere Grenze der geographischen Verbreitung der Art um mehr als hundert Meter erhöht wird. Bei einem Exemplare aus Makö sind nebeneinander zwei Kapseln entsprossen. .J. Quint hält einen Vortrag unter dem Titel „Nachtrag zur Bacillarien- flora des Römerbades“. Es war ihm gelungen, seit Abschluß seiner Untersuchungen der Bacillarienflora des Römerbades neuerdings noch 46 Arten festzustellen. .L. v. Thuaısz legt vor und bespricht den IV., V. und VI. Band der Sammlung ungarischer Gräser, die von der kgl. ung. Samenkontroll- station herausgegeben wird. .J. BERNATSKY hält einen Vortrag „, Über die sekundäre Geschlechts- differenzierung von Asparagus“. Daß die europäischen Asparagus- Arten diözisch, ja sogar polygam triözisch sind, war bekannt. Den Beobachtungen des Vortragenden zufolge differieren die weiblichen und männlichen Exemplare aber auch in ihren vegetativen Organen, wodurch einige Systematiker unrichtigerweise zur Aufstellung ver- schiedener Varietäten bewogen wurden. Sitzung am 13. Dezember 1905. . Vorsitzender JuLıus KLEIN erstattet schmerzerfüllt Meldung von dem am 27. November 1905 erfolgten Tode des Garteninspektors J. FEKETE. Der Verstorbene, der lange Zeit Obergärtner und Inspektor des bota- nischen Gartens der Universität in Budapest gewesen, nahm auch an den Sitzungen und ‚allen Veranstaltungen der Sektion regen Anteil. Mit der Pflege und Zucht der Gewächse befaßte er sich schon seit 376 SITZUNGSBERICHTE. früher Jugend und die unausgesetzte Übung, deren er sich befleißigte, brachte es mit sich, daß er in den Kreisen der ungarischen Gärtner mit Recht als hervorragende Kapazität galt und auch die Botaniker ihm volle Anerkennung zuteil werden ließen. Die botanische Sektion wird seiner immer mit Ehren gedenken. 2. J. BERNATSKYS Arbeit „Neuere Untersuchungen über die Anatomie der Polygonateen“ wird vorgelegt von J. Tuzsox. Verfassers Unter- suchungen beziehen sich auf die systematische Anatomie sämtlicher ungarischen und zweier exotischen Arten, und zwar wird die Wurzel, Rhizom, Stengel und Laubblatt je für sich behandelt. Das Haupt- augenmerk richtet er darauf, die einzelnen Arten auf Grund je eines dieser Organe zu bestimmen. Nebstdem werden physiologische Fragen berührt. 3. A. Fanta berichtet über seine Arbeit „Zeratologische Pflanzen“. Es werden in ihr 58 verschiedene teratologisch ausgebildete Pflanzen be- schrieben. 4. M. Psrerrys Arbeit „Bryologische Mitteilungen“ wird vorgelegt von K. ScmiLgerszey. Verfasser berichtet ausführlich über das Vorkommen von Grimmia plagiopodia Hedw. in Ungarn, sowie über den Bau von Cephalosiella. 5. B. Rev£szs Arbeit „Die Flora des Staates Sao Paulo“ wird vorgelegt von I. Ernyeı. Verfasser befaßt sich mit der Vegetation dieses Landes auf Grund der Literatur und seiner eigenen mehrjährigen Erfahrungen als Arzt in Santos, Parahiba und Botucatu und zitiert besonders auch LÖFGREN, mit dem er zu verkehren Gelegenheit hatte. 6. J. Tuzsox bespricht als vorläufige Mitteilungen seine Untersuchungen über die „anatomische Bestimmung der fossilen Hölzer des Balaton- Sees“. Das Material wurde ihm von Prof. L. v. Löczy, Präsidenten der Balaton-Kommission zur Verfügung gestellt. Verfasser lest vor allem seinen Standpunkt klar, demgemäß als Grundlage zur Bestimmung der fossilen Pflanzenreste nicht so sehr die vielfach zweifelhaften Er- gebnisse der paläontologischen Literatur, sondern in erster Reihe die genau bekannte Pflanzenwelt der Gegenwart zu dienen hat. Von den Hölzern des Balaton-Sees dürfen als sicher bestimmt folgende gelten: Magnolites silvatica n. sp., die in der Umgebung des Balaton im jüngeren Tertiär geradezu Wälder gebildet haben muß; Celtitis Klei- nii n. sp. aus der Gegend von Sümeg; Araucarites-Arten; Pilzmyzelien und Bakterien. 7. K. ScHiLBeErszey erstattet Bericht über die Anteilnahme der Sektion und der Botaniker bei der Beerdigung des jüngst verstorbenen Mit- gliedes Garteninspektor J. FEKETE und fordert schließlich zur Er- richtung eines Denkmals für den Verstorbenen auf. 8. J. B. KümmertEe meldet in Angelegenheit der Aufrechterhaltung der Naturdenkmäler, daß von seiten des Landes-Forstvereins in die im SITZUNGSBERICHTE. 377 Rahmen der botanischen Sektion der Naturwissenschaftlichen Gesell- schaft zusammentretende Kommission Vereinssekretär K. Bunp ent- sendet wurde. Sitzung am 10. Januar 1906. . Vorsitzender JutLıus Krein begrüßt die Versammelten aus Anlaß der ersten Sitzung im neuen Jahr, gedenkt der Teilnahme am Botanischen Kongreß in Wien und des Ausfluges mehrerer Mitglieder des Kon- gresses nach Ungarn, an der hervorragende Botaniker teilnahmen. Er erstattet ferner Meldung von der Zuerkennung des „7'Horr- Preises‘ der Pariser Akademie der Wissenschaften an Gy. IstvÄnrrı voN CSIK-MÄADEFALVA, Direktor der kgl. ung. Ampelologischen Zentral- anstalt. Es ist dies schon das zweitemal, daß IstvAnrrı zum Ruhme der ungarischen Botanik diesen Preis errang. . B. Barnas Arbeit „Gibt es einen Unterschied zwischen der Mutterkorn- krankheit (Olaviceps purpurea Tul.) der wildvorkommenden und der kultivierten Graminieen?“ wird vorgelest von J. Tome. Verfasser hat die Sklerotien von COlaviceps purpurea auf Hordeum nudum, Lo- lium temulentum, Triticum caninum, Agropyrum barbulatum und Aira flexuosa zuerst gefunden. Diese mit eingerechnet sind gegenwärtig 35 solche Gramineen bekannt, die von der Mutterkornkrankheit be- fallen werden. Verfasser weist darauf hin, daß die Infizierung des Roggens und der übrigen kultivierten Gramineen nicht so sehr durch die Ascussporen, als vielmehr durch die im Honistau schwimmenden Konidien geschieht. Die Infizierung wild vorkommender Pflanzen mit den auf kultivierten Pflanzen vorkommenden Sporen, sowie um- gekehrt glückte dem Verfasser u. a. auch in bezug auf Triticum repens, Dactylis glomerata und Bromus inermis. J. Tomex fügt die Bemerkung hinzu, daß ganz ähnliche Arbeiten über den Gegenstand von R. SrÄser (Bot. Zentralbl. 1900 und Bot. Zeitung 1903) vorliegen. J. Tuzson hebt hervor, daß die Ergebnisse, insofern sie sich auf Revidierung und Bekräftigung früherer Arbeiten oder aber auf Be- obachtungen an solchen Pflanzenarten beziehen, die in dieser Hinsicht bisher noch nicht untersucht waren, trotz des von Tome erwähnten Umstandes als wertvoll zu begrüßen sind, doch darf jedenfalls die einschlägige Literatur von seiten des Verfassers nicht mit Stillschweigen übergangen werden. . J. GyörRFrrys Arbeit „Neue Standortsangaben zur Flora der Hohen Tatra“ wird vorgelegt von L. Tuaısz. .J. HoLupys Arbeit „Beitrag zur Flora von Nemes-Podhragy“‘ wird vorgelegt von S. MAcocsy-Dierz. .R. Rapaıcs’ Arbeit „Über die ungarischen Halophytenvereine“ wird vorgelegt von J. BERNATskY. Verfasser unterscheidet u. a. scharf 375 SITZUNGSBERICHTE. [SO] zwischen Halophytismus und Xerophytismus, indem letztere Erscheinung auf physikalische Einflüsse (Wärme und Licht), erstere durchaus auf chemische Einflüsse zurückzuführen ist. Verfasser unterscheidet ferner auch eine positive und negative Wanderung, sowie Neohalo- phyten und Archihalophyten. Zu dem Gegenstand spricht L. Tuaısz. . K. ScHILBERszky hält einen Vortrag u. d. Titel „Teratologische Bei- träge“, die sich auf Almus glutinosa, T’huja gigantea, Fraxinus, Castanea vesca, Prunus armeniaca und Pirus communis beziehen. Zu dem Gegenstand sprechen J. Tuzsox und S. MAsocsv-Dierz. Sitzung am 14. Februar 1906. . Nach der Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden JuLıus KLEIN hält J. Tuzsox eine Denkrede über das verstorbene Mitglied M. Srtaue. . Vorsitzender JuLıus Kreim meldet mit Bedauern, daß durch den Tod neuerdings ein Mitglied der Sektion dahingerafft wurde, indem am 10. Februar d. J. KarL Frarr v. ArröLp, Assistent der kgl. ung. Samenkontrollstation dahinschied. Frarr hatte sich durch seine Kenntnisse in bezug auf die ältere botanische Literatur einen Ruf er- worben. In seiner Privatbibliothek gelang es ihm eine große Anzahl seltener Linx&scher Werke zu sammeln. Deswegen konnte er auch des Öftern strittige oder unsichere ungarische bibliographische Fragen richtigstellen. . 8. MAcocsy-Dierz hält einen Vortrag unter dem Titel: „Ein inte- ressanter Fall des Wurzeldruckes“. Vortragender hatte im Botanischen Garten der Universität zu Budapest schon seit mehreren Jahren Ge- legenheit zu beobachten, daß alljährlich im Winter, zur Zeit der ersten starken Fröste die Stengel von Verbesine virginica in der Nähe des Bodens von Eis bedeckt sind. Die Eismasse war hauptsächlich an der Seite der Stengel angeordnet, wo die Rinde der Stengel auch verletzt erschien. Dem Anschein nach war infolge des starken Wurzel- druckes der Wasserstrom seitlich durch die Rinde gebrochen, und die Flüssigkeit erstarrte dann in der Kälte zu Eis. Ein Versuch mit Fuchsien, die im Winter aus dem Treibhaus ins Freie gebracht wurden, ließ eine ganz ähnliche Erscheinung wahrnehmen. Vortragender legt zugleich mehrere Photographien vor, die von mit Eis umgebenen Pflanzen aufgenommen wurden. . Eine Arbeit von Gy. PropAn über die „Volkstümlichen Pflanzennamen aus der Gegend von Eger“ wird durch L. FraLowskı vorgelegt. Es werden in der Arbeit 55 Namen von 41 Arten mitgeteilt. . 5. MAcocsY-DIETz bespricht das Werk Gy. SCHÖNHERRs: „Der Corvin- Kodex der Casanate-Bibliothek in Rom“. Der Kodex ist ein ärztliches Lexikon, das von den drei Naturreichen und den in ärztlicher Hin- SITZUNGSBERICHTE. 379 sicht verwertbaren Naturgegenständen handelt. Er enthält auch Ein- tragungen, die sich auf ungarische Pflanzennamen beziehen. Sitzung am 14. März 1906. . M. CsAvouszkvs Arbeit „Forschungen über die Entstehung der Pflanzen- namen“ wird durch J. Ernyey vorgelegt. .J. GYörFFYS Arbeit „Nachträge zur Anatomie der Gentianeen“ wird vorgelegt von J. Tomer. Die Arbeit enthält u. a. Beiträge zur Ana- tomie des Blattes von Menyanthes, Sweertia und vier Gentiana-Arten. . R. KArorys Arbeit „Biologie und Anatomie von Cuscuta suaveolens“ wird vorgelegt von B. Augusrin. . M.Prrerris Arbeit „Daten zur Anatomie von Oligotrichum incurvum“ wird vorgelegt von S. JAvoRKA. — Bekanntlich bilden die Polytri- chaceae — wohin auch Oligotrichum gehört — jene Familie der Laub- moose, die anatomisch am höchsten entwickelt ist, indem man bei bei den Vertretern der Polytrichaceen bereits solche Leitbündel findet, in denen die zur Leitung des Wassers und der plastischen Stoffe dienen- den Elemente sicher zu erkennen sind. Um so auffallender ist es daher, daß nach Limprıcur (RABENHORST, Kryptogamenflora) bei Oligotrichum incurvum, dann bei einigen Catharinaea-, Psilopilum- und Pogonatum- Arten homogene Leitbündel vorkommen sollen. Deshalb war es von Interesse, vorerst O. incurvum in dieser Richtung zu untersuchen, und da ließ sich feststellen, daß auch hier das Leitbündel ein der Wasser- leitung dienendes Hadrom und ein plastische Stoffe führendes Leptom erkennen läßt. Bei O. incurvum ist sowohl im Stämmchen, als in der Seta ein axiles, mit außen liegendem Leptom versehenes konzentrisches Leitbündel zu finden, dessen anatomische Struktur mit dem von HABERLANDT untersuchten Leitbündel von Pogonatum aloides überein- stimmt. Sitzung am 25. April 1906. . L. Tuaısz hält eine Gedenkrede über V. v. BoRBAS. BorgAs schied unerwartet, am 17. Juli 1905, im 61. Lebens- jahre aus der Reihe der Lebenden und mit ihm verlor die ungarische Floristik einen ihrer ältesten Vertreter, der zuerst als Realschul- professor, dann als Privatdozent und schließlich als Professor an der - Universität Kolozsvar bemüht war durch Wort und Schrift, mit viel Fleiß und großem Wissen die Kenntnis der Pflanzenwelt Ungarns zu fördern. Er entwickelte eine große schriftstellerische Tätigkeit, so- wohl in populärer als in rein wissenschaftlicher Richtung. Er sammelte fast in allen Teilen Ungarns und brachte ein sehr bedeutendes Her- barium zusammen, aus dem er Pflanzen sowohl inländischen als aus- ländischen Fachgenossen zukommen ließ. Seine literarische Tätigkeit 380 SITZUNGSBERICHTE. [S0) war mehr rapsodisch, oft momentanen Eingebungen folgend, und so geschah es mehrmals, daß, wenn einer seiner Fachgenossen ein Genus, eine Familie bearbeitete, er gleichfalls dasselbe Thema von neuem aufnahm und dann .auch Kritik übte. Neben einigen größeren Mono- graphien veröffentlichte B. zahlreiche, jedoch meist nur kleinere floristische Mitteilungen; zu einer Zusammenstellung der Flora ganz Ungarns kam er nicht. In seinen Schriften hat B. eine sehr große Anzahl neuer Arten aufgestellt, ob aber auch alle Berechtigung haben, das werden die nachfolgenden Untersuchungen entscheiden, wozu es vor allem wünschenswert wäre, daß sein Herbarium hier im Lande verbleibe. Seine Hauptarbeiten — die in ungarischer Sprache, jedoch mit lateinischen Diagnosen erschienen — sind: Bericht über die im Jahre 1873 im südöstlichen Teile Ungarns ausgeführten botanischen Untersuchungen (1874). — Die Sommer- flora von Arbe und Veglia (1877). — Untersuchungen über einheimi- sche Arabis-Arten und andere Cruciferen (1878). — Zur Kennt- nis der einheimischen Epilobium-Arten (1879). — Die Flora von Budapest und Umgebung (1879). — Versuch einer Monographie der im Königreich Ungarn wildwachsenden Rosen (1881). — Die Flora des moitates Bekes (1881). — Die Pflanzenwelt der ungarischen Sand- Puszten mit Bezug auf die Sandbindung (1884). — Die Vegetation des Komitates Temes (1884). — Übersicht unserer Rubens Auen (1885). — Übersicht unserer Rhamnus-Arten (1885). — Zusammenstellung der großschuppigen Eichen Europas (1887). — Flora und Ben geographie des Komitates Vas (1889). — Die Thymus-Arten Mittel- europas, besonders Ungarns (1890). — Zusammenstellung unserer Spiraea-Sträucher (1890). — Bearbeitung der Violaceae, Polygaleae und gemeinsam mit Wohlfarth der Silenaceae in Kocus Synopsis (1890). — Die Ahorne Ungarns und des Balkans (1891). — Die einheimischen Galeopsis-Arten (1894). — Die Pflanzen Fiumes und seiner Umgebung (1897). — Die Flora des Komitates Nyitra (1899). — Die Flora des Balaton (1900). — Die Pflanzen der Veterna Hola (1900). — Die Flora des Komitates Szaboles (1900). — Die Hesperis- Arten Ungarns und des Balkans (1902— 1903). Er hat die Arbeit Kıraıgers mit großem Eifer fortgesetzt und wesentlich gefördert, es wird nun Aufgabe der nachfolgenden Gene- ration sein, die gesammelten reichen Daten zu einer Flora Ungarns zusammenzustellen. .J. TomERs Arbeit „Eine interessante und seltene Naturerscheinung“ wird vorgelegt von Z. SzAB0. . J. GYÖRFFYS Arbeit „Bemerkungen zur systematischen Selbständigkeit von Folytrichum ohioense und P. decipiens“ wird vorgelegt von J. SZURÄR. il, 2. SITZUNGSBERICHTE. 381 Ferner werden von dem Verfasser der Arbeit eingesandte, an Fasziation leidende Weidenzweige von K. SCHILBERSZEY vorgelegt. .J. Tuzsox hält einen Vortrag: ‚Neuere Beiträge zur Kenntnis der Gattung Ullmannia“. Vortragendem gelang es zwischen dem Ull- mannia Geinitzii Heer benannten in Pecs vorkommenden Laub und den ebenfalls dort vorkommenden Araucaria-artigen Stammteilen auf anatomischer Grundlage einen Zusammenhang nachzuweisen. Die in Permer Schichten vorkommenden Araucaria-Stämme sind wenigstens zum Teil der Gattung Ullmannia zuzurechnen; die im Trias und Jura vorkommenden sind in die Gattung Pagiophyllum einzureihen, eine Gattung, die von Ullmannia kaum getrennt werden kann. Vor- tragender nennt daher die betreffenden Stammstücke Ullmannites, zum Unterschiede von jenen Araucaria-artigen Stämmen, die seit der Kreide auftreten und zu den jetzt lebenden Gattungen Araucaria und Dammara gehören. Sitzung am 9. Mai 1906. . J. Tuzson hält einen Vortrag: „Vergleichende Anatomie der Nympheen“. Verfasser untersuchte neun Nymphaea-Arten. Besonders wichtig war die anatomisch-systematische Untersuchung von Nymphaea Lotus L. und N. thermalis DC. Letztere verliert ihre Trichomgebilde schon sehr früh, wogegen sie bei N. Lotus auch noch im vorgerückten Alter des Organs vorzufinden sind. Der Umstand, daß in dem von Pax seinerzeit beschriebenen und anatomisch untersuchten, aus den Kalk- tuffablagerungen von Ganöcz herstammenden Nymphaea-Stengel bloß Luftgänge, aber keine Spikularzellen zu finden sind, beweist noch nicht, daß man es in diesem Falle mit N. thermalis zu tun habe; denn der Mangel an Spikularzellen ist nicht nur für N. thermalis und N. Lotus, sondern auch noch für N. madagascarensis, N. coerulea und N. Martiacii kennzeichnend. Zu dem Gegenstand sprechen S. MAcocsv-DiErz, ferner J. BER- nAtsky und J. B. KüMMERLE. . J. GYöRFFYs Arbeit ‚Vergleichende Anatomie von Pterygoneuron cavi- folium“ wird vorgelegt von K. SCHILBERSZKY. Sitzung am 13. Juni 1906. J. BernArskys Arbeit „Über die natürliche Verwandtschaft der Ophio- pogoneen und Öonvallarieen“ wird vorgelest von J. Tuzson. J. Csapopı reicht einen Antrag im Interesse der Erhaltung des Peganum Harmala am Gellerthegy in Budapest ein. . M. P£rerris Arbeit „Zur Ökologie der Torfmoosc“ wird vorgelegt von K. SCHILBERSZKY. 382 SITZUNGSBERICHTE. Verfasser bespricht vorerst die ökologischen Verhältnisse, be- sonders den Boden und die Zusammensetzung der Sphagnum-Moore, deren Zustandekommen und Entwicklung, um dann auf die Besprechung der physiologisch-anatomischen Merkmale der Torfmoose näher ein- zugehen. Und zwar bespricht er je für sich das Hautsystem, das . mechanische System, das Absorptions-, Assimilations-, Leitungs- und Speichersystem. Es werden ferner einesteils gemeinsame, sämtlichen Torfmoosen zukommende, anderenteils aber solche ökologische Eigen- schaften erwähnt, die nur gewissen Gruppen zukommen. Demgemäß werden die Torfmoose vom ökologischen Standpunkte in drei Gruppen eingeteilt, indem hydrophyle, hygrophile und xerophile Formen zu unterscheiden sind. 4. K. ScHiLBERSzZkY legt Bbuxusblätter mit darauf lebenden, epiphyten Flechten vor. GC) Fachsektion für Chemie und Mineralogie.” (Referiert von Dr. Frıeprich von Koxek.) Sitzung am 24. Oktober 1905. 1. St. BuGarszeKY sprach „, Über den Einfluß des Lösungsmittels auf Reak- tionsgeschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht“. Redner referiert über die Resultate, welche er bezüglich des zeitlichen Verlaufes der Einwirkung von Brom auf Äthylalkohol in verschiedenen indifferenten organischen Lösungsmitteln erhielt. Die chemische Reaktionsgleichung 20.4 00H OB: 010, CH Apr müßte, wenn Brom auf einen großen Alkoholüberschuß wirkt und keine störenden Umstände obwalten würden, im Sinne folgender Diffe- rentialgleichung verlaufen: E=KAB- N, worin x die Molekeln Brom bedeutet, die sich in der Zeit t umsetzen; B ist die Anfangskonzentration des Broms, A diejenige des Alkohols, während » und »’ die Anzahl der Alkohol- bzw. Brommolekeln be- deutet, die sich an der Reaktion beteiligen. Aus seinen Versuchen folgt, daß neben obiger chemischer Umsetzung noch folgende zwei umkehrbare Reaktionen stattfinden: Br, |. ENBrz>> EiBr und 216, H, - OEbze (CEO Unter dieser Annahme ergibt sich, daß das Brom eigentlich die kompli- zierten Alkohol-Doppelmolekeln angreift und daß n = n’ = list, und * Diese Referate sind zuerst in der „Chemiker Zeitung“ erschienen. SITZUNGSBERICHTE.. 383 daß die Ergebnisse seiner Messungen übereinstimmen mit denjenigen Gleichungen, zu denen wir (unter Zugrundelegung des Gesetzes der Massenwirkung) dann gelangen, wenn wir voraussetzen, daß alle drei chemischen Umsetzungen gleichzeitig nebeneinander verlaufen. Der Vortragende gibt als Endergebnis seiner Versuche folgende Tabelle: Lösungsmittel K, K Ka CCL, 0,00420 0,0051 0,521 CS, 0,00922 0,0036 1,225 C,H,Br 0,300 0,00265 2,49 worin K,, K, Ka die Geschwindigkeit bzw. Dissoziationskonstanten der obigen drei chemischen Umsetzungen bedeuten. 2. J. Loczka referiert „Über die chemische Analyse eines Plumosits von Felsöbänya“. Das Mineral bildet haarfeine, zu Büscheln vereinigte ähren- und federförmige Kristalle, deren chemische Analyse folgende Zu- sammensetzung ergab: S=21,59 Proz., Sb 35,80 Proz., Pb 39,38 Proz., Fe 2,87 Proz., As, Sn, Ag Spuren, Unlösliches 0,50 Proz.; hieraus folgt die Formel: $,,80,Pb,Fe oder 3Sb,S, - 4PbS - FeS. Seiner Zusammensetzung und anderen Eigenschaften nach erinnert das Mineral an Jamesonit: Sb,S, - 2PbS. Sitzung am 28. November 1905. 1. A. v. Sıcmoxn hält einen Vortrag: „Über eine nıne Ausdrucksweise der chemischen Zusammensetzung von Mineralien und Böden“. Vor- tragender hat die Zusammensetzung einiger bodenbildender Mineralien und typischer Böden gemäß der neueren Auffassung nach den posi- tiven Metallbestandteilen und den negativen Säureresten berechnet; hierbei haben sich einige charakteristische Werte ergeben. Unter anderem beobachtete er, daß die auf 100 bezogenen Äquivalente des trivalenten. Aluminiumbestandteiles in den Feldspaten und Zeolithen nahezu 75 Proz. ausmachen; weiterhin, daß die Säurereste Si, 0,, SO, und SiO, in den betreffenden wohlcharakterisierten Mineralien mit den für Kieselsäure (Si0,) gefundenen Werten recht gut überein- stimmen usw. In den Böden sind die Aquivalente der positiven Be- standteile gegenüber denjenigen der Säurereste für gewöhnlich im Überschuß. In einigen speziellen Bodenarten sind vermutlich freies Al (OH), oder aluminatartige Verbindungen vorhanden; in anderen wiederum ist ein Überschuß an SiO, nachweisbar. Diese Befunde dünken Redner zur Charakterisierung der betreffenden Bodenarten von Belang zu sein. Sitzung am 10. Dezember 1905. St. BuGarszky beendigt seinen am 24. Oktober begonnenen Vortrag: „Über den Einfluß des Lösungsmittels auf Reaktionsgeschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht.“ 384 ° SITZUNGSBERICHTE. L. Sitzung am 30. Januar 1906. Anläßlich der Einladung zum VI. Internationalen Kongreß für angewandte Ühemie zu Rom wurde ein Komitee zur Vertretung Ungarns auf diesem Kongresse gebildet, und zu dessen Präsidenten Dr. Tu. v. KossurAny bestimmt. V. SZATHMÄRY Sprach „, Über die Veränderung des Glühverlustes von Zement unter dem Einflusse der aus dem verbrannten Leuchtgase ge- bildeten schwefligen Säure“. Vortragender beobachtete gelegentlich der Bestimmung des Glühverlustes verschiedener Zemente, daß nach einer gewissen Zeit, auf wiederholtes Glühen, eine Gewichtszunahme eintritt. Roman- und Portland-Zement zeigten hierbei das gleiche Verhalten. Daß diese Gewichtszunahme auf die Absorption der aus dem Leuchtgase stammenden schwefligen Säure zurückzuführen sei, davon überzeugte sich Vortragender durch die Bestimmung des Sul- fates in den untersuchten Zementen vor und nach dem Glühen. Er prüfte sodann diesbezüglich die im Zemente vorkommenden Metall- oxyde und fand, daß nur Calciumoxyd beim Glühen mit der Leucht- gaslamme eine erheblichere Gewichtszunahme zeigt, während Mag- nesiumoxyd und Aluminiumtrioxyd auf dem beim ersten Glühen er- reichten Glühverluste konstant bleiben; es ist somit wahrscheinlich, daß der Kalkgehalt der Zemente die verbrennungsschweflige Säure absorbiert. Man vermeidet diese Absorption der Leuchtgasverbren- nungsprodukte, indem man den zu glühenden Tiegel in die ent- sprechende Öffnung einer Asbestplatte enganschmiegend hineinpaßt; diese Vorsichtsmaßregel empfiehlt sich bei allen gewichtsanalytischen Kalkbestimmungen. Die Gewichtszunahme erreicht beim Portland-Zement viel rascher ihr Maximum, als beim Roman-Zement, welches Verhalten im Einklange steht mit dem Kalkgehalte, der im Portland-Zement (Beocsin) 63 Proz., im Roman-Zement (Läbatlan) hingegen nur 43—44 Proz. beträgt. Sitzung am 20. Februar 1906. . v. LenGyEL sprach „Über die Radioaktivität der Jodmineralquelle von Osiz“. Diese entspringt in einer Tiefe von 31 m, ihre Fassung ist tadellos. Aus der Quelle entweichen stündlich etwa 2000 cem Gas, welches hauptsächlich aus Methan, Stickstoff und nur wenig Kohlen- säure besteht Die Radioaktivität dieses Gases wurde mit dem Appa- ‚rate von ELSTER und GEITEL gemessen. Das Gas verursacht literweise und im Laufe von 15 Min. eine Voltabnahme von 8,7 Einheiten, 125 g des Quellensedimentes gaben stündlich 13 Einheiten Voltabnahme, während 0,2 g Uranoxyduloxyd 26 V. zeigten. Der mit heißem Wasser ausgelaugte Schlamm ist noch einmal so stark radioaktiv. Im Quellengase findet sich Argon, dessen Menge schätzungsweise 0,1 Proz. betragen dürfte. Helium konnte nicht nachgewiesen werden. SITZUNGSBERICHTE. 3835 Sitzung am 27. März 1906. C. von THan lest der Sektion das 3. Buch seines monumentalen Werkes „A kiserleti chemia elemei“ (Die Elemente der Experimentalchemie) vor. [Selbstanzeige des Verfassers erschienen in XXIII Bande dieser Berichte. | Sitzung am 24. April 1906. A. VAJoLAFY sprach über die „Aunstseide“. Sitzung am 29. Mai 1906. 1. R. Barıö: „Studie über die Löslichkeit von Mischkristallen auf Grund des Verhaltens des Salzpaares: Mangansulfat-Magnesiumsulfat.“ Das Ziel der Untersuchung war die Erkenntnis der Bildung des Mine- rals Fauserit von Urvölgy, welches (Mn, Mg) SO, (5—7H,0) enthält; es handelt sich also hierbei um die gemeinsamen Löslich- keits- und Kristallisationsverhältnisse zweier Salze. Die diesbezüg- lichen bisherigen Forschungsergebnisse sind recht widersprechend. Rozesooms Arbeiten klärten die Sachlage, welcher Forscher die Lösungen zweier Salze zuerst mit der gemeinsamen Verdampfung zweier Flüssigkeiten verglich, und wir wissen heutzutage, daß von zwei Salzen jedes sich derartig löst, vorausgesetzt, daß sie nicht zu- sammen kristallisieren, als ob das andere nicht gegenwärtig wäre. Zwischen Mischkristallen und der Zusammensetzung der mit ihnen im Gleichgewicht befindlichen Lösung besteht ein enger Zusammenhang dergestalt, daß aus letzterer auf erstere geschlossen werden kann. Vortragender suchte also die Löslichkeits- und Kristallisationsverhält- nisse von MnSO, -5H,0 + MgSO, - 7H,O in der Weise aufzuklären, daß er den Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung von Misch- kristall und Mutterlauge feststellte, und fand hierbei, daß Lösung C (Mischkristall) ihre Zusammensetzung bis zur Erreichung des Ver- hältnisses 80,5 Mol. UnSO, auf 19,5 Mol. M9SO, veränderte, welches bis zum Eintrocknen konstant blieb. Indem er die Zusammensetzung seiner durch fraktionierte Kristallisation erhaltenen Mischkristalle mit dem natürlichen Fauserit vergleicht, kommt er zu dem Schluß, daß sich das Mineral wahrscheinlich aus 10—18° warmen Lösungen ab- schied, welche ursprünglich mehr Mn SO, und weniger MgSO, ent- hielten, als der erreichbaren endgültigen Zusammensetzung entspricht. Redner beobachtete fernerhin noch, daß der Kristallwassergehalt der Mischkristalle nicht konstant ist, sondern entgegen unseren Anschau- ungen über Isodimorphismus, mit der Zunahme von MnSO, abnimmt und beabsichtigt, seine diesbezüglichen Versuche fortzusetzen. 2.J. Hauuı referiert „Über die Ermittelung der Verfälschung von Him- beersirupen“. Er führte eingangs die Bereitung, die Zusammensetzung und die analytischen Konstanten unverfälschter, natürlicher Himbeer- Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIY. 25 386 SITZUNGSBERICHTE. säfte an. Im hauptstädtischen Nahrungsmitteluntersuchungsamte wurden von 17 Handelssirupen nur 6 als unverfälscht erkannt, 4 waren reich- lich gewässert und 7 enthielten statt Zucker 25—70 Proz. Stärke- zuckersirup. Vorrragender kann, auf Grund seiner mit im Labora- torium bereiteten natürlichen Himbeersirupen ausgeführten Unter- suchungen, die Angaben von SPAETH, Lünrıg, BEYTHIEN und JUCKE- NACK nur voll bestätigen und in Übereinstimmung mit diesen Forschern zur sicheren Beurteilung von Himbeersäften folgende Normen auf- stellen: 1. rapie: von dunkelroter Farbe, strengflüssig, süß, mit ausgesprochenem Himbeeraroma. 2. Extraktgehalt en nicht weniger als 65 Proz. betragen. 3. Asche: 0,16—0, 20 Proz. 4. Aschenalka- linität soll in 100 cem Sirup 1,7—2,1 ccm norm H,S0, betragen, niedrigere Werte lassen auf Wässerung schließen; hierauf Aleaten der weniger als 1,25 Proz. betragende zuckerfreie Extrakt- und der unter 0,6 Proz. liegende Säuregehalt (als Zitronensäure berechnet). Andere Säuren als Zitronen- und Apfelsäure, z. B. Weinsäure, deuten auf ein Kunstprodukt. Weitere Daten beziehen sich auf spezifisches Gewicht, auf Alkalinität der Asche und die Polarisation vor und nach der In- version. Zwischen den analytischen Daten reiner und gefälschter Syrupe bestehen so wesentliche Unterschiede, daß es fast immer gelingen wird, (gröbere) Fälschungen sicher nachzuweisen. 3. Fr. v. Koxex referiert „Über den VI. Internationalen Kongreß für angewandte Chemie zu Rom 1906“, und legt der Sektion ein kurzes Referat über seinen auf dem römischen Kongresse gehaltenen Vor- trag vor, welcher „Einige Beobachtungen über elementar-analytische Aschebestimmung“ zum Gegenstand hat. 4, J. Preirer berichtet ‚Über technische Gasanalysen“. Der Vortragende demonstriert einen modifizierten Orsar-Apparat, geeignet zur Analyse von Leucht-, Generator- und Auspuffgas der Motoren; dieser enthält an Stelle der dritten Absorptionspipette, eine Explosionspipette, ver- bunden mit einer Quecksilberniveauflasche; außerdem enthält der Apparat einen Wasserstoffentwickler, welcher nur bei, an brennbaren Gasen armen Gemischen verwendet wird. Bei Generatorgas wird ('O, und 0, absorbiert, ein gemessener Teil mit bestimmtem Luftvolumen in der Explosionspipette verbrannt und aus der Kontraktion der ent- standenen (O0, und dem Sauerstoffüberschusse, Wasserstoff, Methan und Kohlenoxyd berechnet. Man erhält verläßliche Resultate, wenn die Explosion mit nicht allzu großem Luftüberschuß erfolgt; da auf diese Weise die langwierige Kohlenoxydabsorption. umgangen wird, kann man mit einem so modifizierten ORsAT-Apparat Gasanalysen in 20 Minuten ausführen. Bei Auspuffgasen mengt man nach vorhergehen- der Absorption von CO, und O, mit etwa 1/5 Vol. Wasserstoff und 2 Vol. Luft und zündet; nach Abzug der entsprechenden Kontraktionen SITZUNGSBERICHTE. 387 lassen sich — ähnlich wie beim Generatorgas — die brennbaren Bestandteile des Auspufies berechnen. Redner verwendet zur‘ Eliminie- rung der Kapillarfehler an der Verbindungskapillare selbst angebrachte Dreiweghähne und außerdem ein durch Glashahn kommunizierendes Triehterrohr, welches gestattet, die in der Kapillare verbleibende Gas- oder Luftmenge je nach Bedarf, durch Wasserverdrängung, entweder in die Meßröhre oder aber ins Freie zu befördern. D) Fachsektion für Physiologie. (Mit Benutzung der Protokolle referiert von Dr. RupoLr Pıcker.) Sitzung am 3. Oktober 1905. Prof. Dr. KarL ScHArrEr referiert in einem Vortrag: „Über die soge- nannt fibrilläre Struktur der Nervenzellen unter physiologischen und pathologischen Umständen“ über seine einschlägigen Untersuchungen mit Benutzung der Bisnscnhowskyschen Methode. Als Ergebnis dieser sei die Struktur der Nervenzelle nicht wie BETHE behauptet fbrillär, sondern in Übereinstimmung mit den Untersuchungen DonagslIos reti- kulär. Das Netz verdichtet sich gegen den Zellkern zu und tritt als endozelluläres Geflecht mit dem an der Oberfläche der Zelle befind- lichen perizellulären Geflecht in Verbindung. Dieses, nach Sch.s Auf- fassung dem (GouGischen Netz analoge Gebilde weist nicht überall dieselbe Struktur auf; man findet mitunter polygonale Geflechte, doch besteht das Retikulum an vielen Stellen auch aus parallel verlaufenden Fibrillen, die aber durch sie durchquerende schiefe feine Fasern in langgestreckte Maschen von rhombischer Gestalt abgeteilt werden. Die von den Forschern als Neurofibrillen beschriebenen Fibrillen der menschlichen Nervenzelle sind eigentlich die Pseudofibrillen dieses ober- flächlichen Geflechtes. Dem perizellulären Retikulum mischen sich auch fremde Fasern bei, wie dies auch BETHR behauptet; es sind dies schief oder senkrecht nach dem Gorsıschen Geflecht zu verlaufende feine Fäden, die stets in einen Maschenknoten zusammenlaufen. Die pathologischen Veränderungen dieses Neuroretikulums stu- dierte Sch. besonders an einigen Fällen der Sacusschen familiären amaurotischen Idiotie und an mehreren Fällen progressiver Demenz. Bei ersterer Krankheit betrifft die pathologische Veränderung. die interfibrilläre Substanz, insoferne als die zwischen den Fibrillen be- findliche strukturlose Grundsubstanz wesentlich vermehrt ist; bei letz- terer betrifft die Veränderung die Fibrillen, welche zuletzt in Körnchen zerfallen. Sitzung am 21. November 1905. 1. Dr. Arapir Haräsz: Über die bei dem Diabetes mellitus nachweis- baren Veränderungen mit Rücksicht auf die Atiologie und den klinischen 252 388 SITZUNGSBERICHTE, [SS] Verlauf des Leidens“. Beschreibung und Resultate seiner Unter- suchung, welche sich dahin zusammenfassen lassen, daß die Ursache der Zuckerharnruhr bei jungen Leuten unbekannt ist, bei Leuten in vorgerückterem Alter spielt unter den die Krankheit verursachenden Veränderungen die Erkrankung der Blutgefäße der Pankreas die Hauptrolle. . Prof. Dr. KoLomAn TerLyEsnIcky: „Erklärung einer histologischen Täuschung, der sogenannten Kopulation der Sertolischen Zellen mit den Samenkörperchen“. Vortragender führt in seinem mit Demon- strationen verbundenen Vortrag die Konglomerierung der Samfäden und ihre Einstellung gegen die Sertolischen Zellen zu auf mechanische Ursachen zurück. Sitzung am 16. Januar 1906. . Doz. Dr. Paun Härı: „Untersuchungen über die Trypsinverdauung“. H. bemühte sich, die Fragen aufzuklären a) ob im Verlaufe des Verdauungsaktes chemische Energie ver- braucht werde, b) ob solehe aufgespeichert werde oder c) ob dieser Prozeß vom thermodynamischen Standpunkt aus be- trachtet neutral verlaufe. Aus seinen Untersuchungen geht hervor, daß bei der Verdauung des Eiweißes durch Pankreasextrakt oder Trypsin der Energieverlust ein recht beträchtlicher ist; zu erklären ist er wahrscheinlich durch die Vergasung N-haltiger Substanz. Verwendete er zur’ Verdauung Pankreatin, so war die Energieeinbuße zwar bedeutend geringer, aber noch stets zu groß, um sich auf Fehler im Experiment zurückführen zu lassen. Aus den Analysen ging des weiteren noch hervor, dab dieser geringe Verlust an Energie nicht aus dem Verdauungsprozesse selbst zu erklären sei, sondern aus der Einbuße an Untersuchungs- material, welche durch die zwecks der Energiebestimmung erforder- liche Eindichtung des Untersuchungsmaterial verursacht wird. Dem- entsprechend ist der Wert der Reaktionstemperatur für die Trypsin- verdauung gleich Null oder wenigstens nicht bestimmbar. An der Diskussion beteiligten sich die Herren Doz. C. Körössv, L. LieBermAnn, F. TAncr und F. v. Kruc. . Doz. Dr. Lapısuaus RHorer: „Über die Darmresorption“. Vortragender referiert über Versuchsergebnisse an überlebendem Katzendarm und weistnach, daß die Anschauung CoHnHEIns, wonach die lebenden Darm- epithelien eine Strömung vom Darmlumen nach der Serosa zu unter- hielten, falsch ist. SITZUNGSBERICHTE. 389 Sitzung am 6. Februar 1906. 1. Dr. Gsza Rev&sz referiert in seinem Vortrage: „Abschwächung far- biger Lichtreize durch weißes Licht“ über einschlägige im Physiolo- gischen Institut zu Jena von ihm angestellte Versuche. Als Ausgangspunkt seiner Untersuchungen diente die bekannte optische Erscheinung, dergemäß ein und dieselbe graugefärbte Ober- fläche abwechselnd auf eine weiße und schwarze Unterlage gelegt im ersten Falle infolge der Kontrastwirkung der weißen Unterlage be- deutend dunkler erscheint als auf schwarzer Unterlage. Will man nun, daß die beiden objektiv dieselbe Menge grauer Farbe enthaltenden Oberflächen dem Auge gleich dunkel resp. licht erscheinen, so muß man die Intensität der auf der weißen Unterlage befindlichen grauen Oberfläche gegen das Weiß zu verstärken. R. untersucht nun zu- nächst, ob bei zwei subjektiv gleich grau gefärbten, Oberflächen die Farbenempfindung bei gleich intensivem Farbenreiz auftrete, resp. ob man auf beiden Oberflächen zur Erreichung der Farbenreizschwelle gleichstarke Farbenreize benötige oder solche von verschiedener In- tensität. Die Versuchsanordnung war folgende: Durch einen BKlektomotor wurden zwei Scheiben I und II rasch gedreht. I kestand aus drei konzentrischen Scheiben von verschiedenem Durchmesser: die größte und die kleinste Scheibe, A und (, waren aus mattem schwarzem Papier ausgeschnitten, die mittlere Scheibe 3 bestand aus drei gleich großen über einander verschiebbaren Scheiben von weißem, schwarzem und farbigem Papier. Nachdem nun die größte Scheibe A vom Be- obachter aus am entferntesten lag, die Scheibe B auf A, die kleinste (C) wieder auf B, d. h. dem Beobachter am nächsten gelegen war, wurde bei der raschen Drehung ein Ring auf schwarzer Unterlage wahrnehmbar, welcher je nach dem gegenseitigen Verhältnisse des weißen, schwarzen und farbigen Kreisausschnittes in verschiedener Licht- und Farbintensität erschien. Die Scheibe II zeigt dieselbe An- ordnung mit dem Unterschiede, daß die Scheiben A und (' weiß waren und bei der Rotation ein farbiger Ring auf weißer Unterlage wahr- nehmbar wurde. Nachdem er für die beiden auf verschieden belich- teter Unterlage erscheinenden Ringe die Gleichung für die subjektive Lichtstärke gefunden hatte, bestimmte er auch für jeden der beiden Ringe getrennt die Reizschwelle der Lichtempfindung. Bei der Be- stimmung dieser Reizschwellen verwendete er nach den Anforderungen der psychophysischen Methodik die rote, gelbe, grüne und blaue Farbe. Langwierige Versuche, mit verschiedenen Personen angestellt, ergaben, daß die Reizschwelle für die Ringe auf schwarzer Unterlage niedriger ist als für solche auf weißer. Die Verhältniszahl, welche die Rela- tion der den beiden Ringen entsprechenden Reizschwellen ausdrückt, 390 SITZUNGSBERICHTE. bezeichnet Rev&sz als den Abschwächungskoeffizienten, welcher für die einzelnen Farben verschiedene Werte aufweist. Er steigt in der Reihenfolge: gelb, rot, grün, blau an. Für das Blau auf weißem Grunde ist die Farbenempfindung ungefähr achtmal so stark als für dieselbe Farbe auf schwarzer Unterlage. Um den Abschwächungskoeffizienten besser studieren zu können, stellte R. seine Versuche auch mit stärkeren Reizen an. Unser diesen sind jene die bedeutungsvollsten, bei welchen er den Abschwächungs- koeffizienten vermittels absoluter Farbengleichungen bestimmte. Auch hierbei bestimmte er zunächst die Gleichung für die objektive Licht- stärke der beiden Ringe. Sodann schaltete er in die eine Scheibe einen farbigen Sektor von bestimmter Größe ein und es war nun Aufgabe der betreffenden Versuchsperson, den anderen Ring so einzustellen, daß beide auf verschiedener Grundlage wahrnehmbaren Ringe sowohl in bezug auf Helle als auch auf Farbe gleich erscheinen sollten. Systematische Untersuchungen ergaben, daß auch bei Verwendung absoluter Lichtgleichungen die Abschwächungskoeffizienten für die einzelnen Farben dieselbe Reihenfolge aufweisen, als die bei der Aufnahme der Farbempfindungsreizschwelle gewonnenen Koeffizienten. Des weiteren ergab sich, daß der Wert des Abschwächungskoeffizienten von der absoluten Größe des Farbreizes unabhängig ist. Für die gemischten Farben ergab sich dann in einer weiteren Versuchsreihe, daß ihre Abschwächungskoeffizienten sich zwischen die Werte der Abschwächungskoeffizienten der sie erzeugenden Grund- farben einreihen. 2. Doz. Dr. BELA v. Fenvvessy referiert mit GEORG KABDEBO gemein- sam angestellte Untersuchungen betreffend: „Die Bedingungen der Schwefelsäuresynthese“. Ihre Untersuchungen zielten besonders darauf ab, festzustellen, inwieweit die Menge der im Organismus erzeugten Phenolschwefelsäure abhängig ist von der Menge 1) des dem Orga- nismus einverleibten Phenoles, 2) von der in denselben kreisenden Sulfate. Es ergab a) die Bildung der Ätherschwefelsäure hält nicht Schritt mit der Phenoleinfuhr, b) diese Beschränkung der Synthese ist verursacht durch die temporäre Insuffizienz der zur Synthese ver- wendbaren Schwefelsäure, ce) das Na-sulfat vermehrt die Synthese der Ätherschwefelsäure, d) zwischen der Schwefelsäure- und der Glykuron- säure-Synthese ist das Verhältnis ein solches, daß das Phenol im Or- ganismus zunächst an die Schwefelsäure gebunden wird und erst wenn diese Synthese zur Bindung des Phenols nicht ausreicht, tritt die Glukuronsynthese ein. Sitzung am 20. Februar 1906. 1. Prof. E. JEnDrAssık demonstriert unter dem Titel: „Weitere Unter- suchungen über das Gehen, das Laufen, das Springen“ die dritte Folge SITZUNGSBERICHTE. 391 seiner diesbezüglichen Untersuchungen. Er verfertigte mit sehr kurzer kinematographischer Expositionszeit photographische Aufnahmen lau- fender und sprirgender Menschen, an denen er sich die Zentren der in Frage kommenden Gelenke anmerkte. Auf Grund dieser Daten konstruierte er sich die Bewegungskurve für jedes einzelne Gelenk. Es ließ sich aus diesen Resultaten ermitteln, wie groß der Anteil der einzelnen Muskeln an der aufgewendeten Arbeit sei und wie sich die Bewegungsbahnen der einzelnen Gelenke zeitlich aneinanderreihten. Das Laufen unterscheidet sich vom Gehen besonders dadurch, daß der Gesamtschwerpunkt sich zwischen den zwei vertikalen Stütz- punkten nicht in konkaver, sondern in konvexer Kurve bewegt. Diese Bahn des Gesamtschwerpunktes, sowie die Bahn des schwunggebenden ersten Schrittes entspricht einem Parabelabschnitte. Auch die WEBER- sche Pendeltheorie erfährt durch das Resultat dieser Untersuchungen interessante Aufschlüsse. Im Sinne dieser Lehre vollführt beim Gehen das frei nach vorne schwingende Bein seine Pendelbewegung nur unter dem Einflusse der Gravitation. In dieser Fassung be- steht nach J.s Untersuchungen dieser Satz nicht zu recht; doch nimmt zufolge anderer Gründe die Gravitation doch einen Ein- Auß auf den Ablauf des Gehaktes, da der sich während eines Schrittes nach vorwärts bewegende Gesamtschwerpunkt des Körpers insolange ausschließlich unter dem Einfluß der Gravitation steht, bis das nach vorne schwingende Bein nicht Fuß am Boden ge- faßt hat. In diesem Abschnitte des Gehaktes wirkt die Anziehungs- kraft der Erde also in vollem Maße auf den Gesamtschwerpunkt des Körpers ein. 2. Dr. JuLıus KEUTZLER: „Rückenmarksveränderungen an Versuchstieren nach subkutanen Blutimpfungen“. Vortragender machte im Verlaufe von Versuchen, die er zwecks Untersuchung des Komplementgehaltes des Blutes Tuberkulöser aufgestellt, die Beobachtung, daß bei den mit Blut geimpften Versuchstieren Lähmungen auftraten und sich gleichzeitig auch eine beträchtliche Abnahme des Körpergewichtes nachweisen ließ. Die Lähmungserscheinungen konnte er bei sieben Versuchstieren beobachten; sie traten durchschnittlich 4—6 Wochen nach der ersten Blutinjektion auf. Die inneren Organe wiesen, ab- gesehen von einer Erweiterung des Mastdarmes und einer ziemlich hochgradigen Blasenlähmung, keinerlei Abweichungen von der Norm auf. Auch die histologische der großen drüsigen Organe ließ keinerlei Verminderung erkennen, nur im Rücken wiesen die großen motorischen Ganglienzellen des Vorderhomes pathologische Verhältnisse auf; Fasern- degeneration und Fasernausfall, sowie Zeichen entzündlicher Verände- rungen fehlten gänzlich. Dagegen fanden sich alle Stadien der- Zell- degeneration von der schlechteren Färberung bis zum vollständigen Untergang der Zelle unter Anteilnahme sämtlicher Zellbestandteile. 392 SITZUNGSBERICHTE. Die Stätte der tiefgreifendsten Veränderungen war stets der sakrolum- bale Abschnitt des Rückenmarkes, von hier nach aufwärts verloren sich die Degenerationserscheinungen allmählich. Vortragender benutzte das Blut von gebärenden Frauen; um jedoch entscheiden zu können, ob nicht im Plazentablut dieser irgend- welche unbekannte giftige Substanz vorhanden sei, nahm er die Impfungen mit Tierblut (Rind, Schwein, Kaninchen) vor. Die oben erwähnten pathologischen Veränderungen traten auch nach Verwendung: dieser Blutarten auf, als sicherer Beweis dessen, daß das Blut selbst die Lähmungserscheinungen verursacht. Hierauf galt es nun festzustelien, ob das Serum oder die Blut- körperchen die Lähmung verursachten? Versuche mit Serum ergaben negatives Resultat, so daß die beobachteten Erscheinungen mit den Blutkörperchen in Beziehung gebracht werden müssen. Diese nun können auf zweierlei Art wirken: 1. die in ihrem Leibe enthaltene Substanz wirkt nach Auflösung der Zellen giftig, 2. oder aber die eingebrachten Blutkörperchen regen den Organismus zur Bildung von spezifischen Giftstoffen an; als Beweis für letztere Auffassung führt er an, daß früher im Organismus nicht vorhandene Stoffe nach er- folgster Immunisation später nachweisbar waren. Zur Erhärtung dieser Auffassung löste er zunächst in Kitro Blutkörperchen mit Hilfe von hämolytischem Serum auf. Das so behandelte Blut filtrierte er durch Tonzylinder und brachte nun seinen Versuchstieren nur das im Innern der Zellen enthaltene Gift subkutan bei unter der Voraussetzung, daß die Endotoxine den Organismus nicht zur Produktion von Anti- körpern reizen. Diese Versuche waren positiv: die Lähmungserschei- nungen, die Gewichtsabnahme, sowie die Rückenmarksdegeneration traten auf. Vortragender schreibt also auf Grund dieser Resultate das Zustandekommen der oben erwähnten Veränderungen einem Zyto- endotoxin, einem im Innern der Zelle befindlichen Giftstoffe zu. Für die Endotoxinwirkung sprechen auch noch die Versuche, die K. mit Milch, Eiern und Blutserum anstellte. Die mit diesen Stoffen geimpften Tiere zeigten keinerlei Lähmungserscheinungen, die Tiere vertragen die Impfungen gut, nahmen öfter an Gewicht zu, während die mit Blut behandelten Kontrolltiere die typischen Veränderungen aufwiesen. Eine frisch im Organismus gebildete Präzipitinsubstanz konnte also die in Rede stehenden Veränderungen nicht erzeugt haben, und so müssen die nach Blutimpfungen auftretenden Erscheinungen den nach der Auflösung der Blutkörperchen in den Kreislauf gelangten ‘ Endotoxinen zur Last gelegt werden. Das zeitliche Auftreten der Lähmungen spricht zum Teil für die Einwirkung frisch im Organismus erzeugter Substanzen, deren Auftreten zeitgemäß dem Erscheinen von immunisierenden Stoffen entspricht; es läßt sich aber auch aus jener Inkubationszeit erklären, SITZUNGSBERICHTE. 393 welche z. B. bei Tetanusimpfungen stets zu beobachten ist und auch hier vorhanden sein mag. Hierfür sprechen auch zum Schlusse noch die Versuche, die Ver- fasser mit Anthrax- und Typhusbazillenendotoxin angestellt, in denen die Lähmungserscheinungen ebenfalls auftraten. Die Blutimpfungen und die Rückenmarkveränderungen stehen also im kausalen Nexus, ohne daß diese für einzelne Blut- oder Bakterienarten spezifisch genannt werden könnten. Weitgreifende Schlüsse lassen sich aus den vorliegenden Versuchsergebnissen nicht ableiten: Vortragender will dennoch auf gewisse aus der menschlichen Pathologie bekannte aufsteigende Nervenerkrankungen hingewiesen haben, in denen eine bakterische Infektion zwar nicht nachweisbar ist, aber für welche seinen Versuchen zufolge die Annahme eines Autointoxitationsvorganges eine gewisse Berechtigung besitzt. Sitzung am 6. März 1906. . Prof. Dr. WILHELM GOLDZIEHER: „Beiträge zur Histologie und Phy- siologie der normalen und pathologischen Augenbindehaut“. Vortragender betont in der Einleitung, daß wir die Struktur der Konjunktiva trotz vielfacher einschlägiger Untersuchungen noch nicht ganz kennen, weshalb auch die Interpretation der sich in ihr abspielenden patho- logischen Vorgänge große Schwierigkeiten bietet. Infolgedessen herrschen auch zwischen den Forschern recht bedeutende Meinungs- verschiedenheiten, weshalb G. zunächst folgende strittige Punkte auf- zuklären versuchte: a) Besitzt das Epithel der Konjunktiva ständige Einstülpungen? Sind diese einfache Furchen, wie dies StıepA behauptet, oder Drüsen- kanäle, eine Ansicht, die von HruLE stammt? b) Befindet sich unter dem Epithel der Konjunktiva Iymphoides Gewebe? Befinden sich in diesem Lymphspalten oder gar Lymph- drüsen ? Die Oberfläche der Konjunktiva des menschlichen Embryos und des Neugeborenen ist vollständig glatt; tubuläre Drüsen finden sich nicht, ebenso wenig als Iymphoide Gewebe, die sogenannte „adenoide Schichte“ fehlt ganz. Diese beiden entwickeln sich später, und zwar um die physiologische Funktion der Bindehaut zu sichern. Die Hauptfunktion der Bindehaut besteht in der fortwährenden Tränenabsonderung, um die Oberfläche des Bulbus und besonders die Komea stets feucht zu erhalten. Sie ist also in funktioneller Be- ziehung als eine flächenhaft ausgebreitete Tränendrüse zu betrachten. Hierauf hat Vortragender schon im Jahre 1893 in einem in dieser Sektion gehaltenen Vortrage hingewiesen; diese Tatsache hat seither 394 i SITZUNGSBERICHTE. auch allgemeine Anerkennung gefunden. Die Tränen sind zweierlei Ursprungs: teils stammen sie aus der Tränendrüse, teils aus der Kon- junktiva. Erstere kommt nur beim Weinen in Funktion, letztere sezerniert ohne Unterbrechung beständig, Es müssen sich deshalb in der Konjunktiva solche anatomische Einrichtungen finden, welche im Dienste dieser Sekretion stehen. In der Tat ist eine solche im subepithelialen Blutgefäßnetz gegeben, auf deren besondere Struktur zuerst Hykrı und später Langer die Aufmerksamkeit gelenkt haben. Es besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Durch- messer des Lumens des auf- und des absteigenden Astes der Blut- gefäßschlingen; das Lumen des venösen, absteigenden Astes übertrifft das des aufsteigenden arteriellen fast um das Doppelte. Diese ana- tomische Einrichtung ist sozusagen eine physiologische Stase und die Grundbedingung für den daraus hervorgehenden Durchtritt von Flüssigkeit. In der Tierwelt finden wir ähnliche Einrichtungen besonders an solchen Organen, die periodische Hyperämie aufweisen, so z. B. am Fruchtträger der lebend gebärenden Amphibien zwecks Abscheidung jener Flüssigkeit, die die Embryonen umgibt. Zweifellos ist diese Einrichtung ein Vorläufer für die Struktur der Blutgefäßversorgung der menschlichen Konjunktiva. In den ersten Lebensmonaten treibt das subepitheliale Blutgefäß- netz Papillen und erhebt das Epithel vor sich. Es ist ganz selbst- verständlich, daß beim Embryo die Papillen des subepithelialen Blut- gefäßnetzes und infolgedessen die Unebenheiten, Furchen des Epithels noch nicht vorhanden sind, da während des intrauterinen Lebens die Notwendigkeit der Befeuchtung der Komea noch nicht vorhanden ist. Diese tritt erst dann ein, wenn das menschliche Auge den Schädlich- keiten der Außenwelt, in erster Linie der austrocknenden Wirkung der Luft ausgesetzt ist. Nachdem nun dieser physiologisch jederzeit bestehende Reiz ununterbrochen auf die Bindehaut einwirkt, treffen wir auch noch eine andere anatomisch zu nennende Veränderung an, und zwar die perivaskuläre, lymphoide Infiltration als Ergebnis der gesteigerten Inanspruchnahme der Blutgefäße. So entsteht einerseits die Papillenbildung als Ursache für die Krypten des Epithels, anderer- seits die lymphoide Infiltration, das sogenannte adenoide Gewebe als anatomisches Resultat der physiologischen Funktion der Kon- junktiva. Es wird daher die subepitheliale Schicht, welche den Raum zwischen Epithel und Tarsus resp. subepithelialem Bindegewebe ein- nimmt, als „adenoides Gewebe‘ bezeichnet. Von Rechtswegen müßte man sie Blutgefäßschichte nennen, da das Blutgefäßnetz die Grund- lage für die physiologische Funktion der Konjunktiva darstellt, wo- gegen das Iymphoide Gewebe nur ein akzessorischer Bestandteil ist, SITZUNGSBERICHTE. 395 dessen Entwicklung großen individuellen Schwankungen unterworfen ist, das in einzelnen Fällen sogar vollständig fehlt. Auf Grund dieser Tatsachen bekennt sich G. zu der Anschauung, daß die Hruneschen Trachomdrüsen (die sog. epithelialen Krypten) einfache Einstülpungen des Epithels sind, die von den Blutgefäß- schlingen gebildeten Papillen auskleiden, da sämtliche physiologische _ und pathologische Prozesse beweisen, daß die Ausgestaltung der Bindehautoberfläche von dem Zustand der subepithelialen Blutgefäße abhängt. Das zwischen die wachsenden Blutgefäßpapillen eindringende Epithel bringt so stellenweise sich verzweigende, sackartige Aus- buchtungen hervor. Hernach auf die pathologisch-anatomischen Ver- änderungen der Konjunktiva übergehend, befaßt sich Vortragender hauptsächlich mit dem Trachom, dem Konjunktivalkatarrh alter Leute und der akuten Blennorrhoe und erläuterte das gegenseitige Verhält- nis dieser Prozesse zueinander. . Dr. Geza Rev&sz erläutert in seinem Vortrag „Das Verhalten der Farbentzündungsreizschwelle zu den achromatischen Prozessen“ zunächst seinen Standpunkt betreffs der Farbempfindung für Weiß und Schwarz. Sodann befaßte er sich mit der Frage, in welcher Weise die weiß- schwarze Reizung in verschiedenen Intensitätsabstufungen auf die Farbempfindung einwirke. Auf Grund seiner Versuche kommt er zu dem Resultate, daß der Wert für die Reizschwelle der Farbempfindung die lineare Funktion der gegebenen weißen Lichtreize ist, d. h. bei wachsender weißer Lichtintensität muß die Farbintensität in gerader Proportion erhöht werden, um eine Farbempfindung hervorzubringen. Auch die Frage löste R., wie sich der Wert für die Reizschwelle der Farbempfindung bei wachsendem schwarzen Reiz verhalte und kam zu dem Resultate, daß der Wert der Farbempfindungsreizschwelle die lineare Funktion der Lichtstärke der gegebenen kontrasterweckenden Oberfläche ist. Am Schlusse spricht R. über den Minimalwert der Farbempfindungsreizschwelle; seine Versuche lehrten ihn, daß die verschiedenen Farben bei verschiedenen Kontrastunterlagen die Minimal- werte der Reizschwelle aufweisen. Sitzung am 3. April 1906. . Dr. ZourAn v. Darmapy: „Über die katalytische Wirkung des Blutes auf das Hydrogenperoxyd“. Wird diese nach JOLLES-OÖPpExHEIMm bestimmt, so gewinnt man brauchbare Vergleichswertee Aus diesen Zahlenwerten und ihren relativen Differenzen lassen sich jedoch nach D. keinerlei Schlüsse ziehen, weder in bezug auf die intra vitam sich abspielenden kata- lytischen Prozesse, noch auf die absolute oder relative Menge der Katalase. Der gefundene Zahlenwert zeigt nur wieviel H,O, 0,01 cm? 396 SITZUNGSBERICHTE. Blut unter gegebenen Umständen aufzulösen vermag. Dieser Wert kann für die Art des Bluts charakteristisch sein. 0,01 cm? Blut mit 10 cm? 0,9%, Na Ol-Lösung verdünnt, kata- lysiert aus 30 cm? Y/, normal H,O, (= 0,255 gm H,0,) innerhalb zwei Stunden bei Zimmertemperatur (18° 0), be Horse len Personen, bei Nervenkranken, an chronischem Mittelohrkatarrh leidenden Dan sonen durchschnitiheh 0,390 g H,0,. Auf 1 cm? Blut umgerechnet ist diese Ziffer für den ala iechen Wert K, = 19,00: 0,02 cm? Blut ‚katalysiert unter gleichen Verhältnissen 0,240 gm H,0,; auf 1 cm? Blut De K,— 12. Unter normalen Verhältnissen ist KR —-B,= 1,0 und Z — 11.6, K, 2.Dr. ArrAn Torvay: „Die klinische Bedeutung der Untersuchungen über Blutkatalase“. Der Zusammenhang zwischen dem klinischen Blutbilde und dem katalytischen Vermögen des Blutes ist ein sehr loser. Noch am ehesten zeigt sich eine Abhängiekeit vom Haemo- globingehalt des Blutes. Ist der Haemoglobinwert über 50%, so ist K, stets über 16. Ist das katalytische Vermögen aber gering (K, >10), so können 0,02 em? Blut mehr H,O, katalysieren als 0,01 em? Blut; oder X, — K, wird eine Ziffer und E ein echter Bruch. Dies kommt nur bei sehr kachektischen Tanstehndlen vor, unter 300 Kranken fand er nur 15. Das Sinken der katalytischen Kraft ist für keine Krankheit bezeichnend. Die meisten Krankheiten, be- sonders Blutkrankheiten, Nierenleiden, fieberhafte Prozesse setzen das katalytische Vermögen des Blutes herab. Sitzung am 1. Mai 1906. 1. Doz. Dr. Bera von Fenyvessy: „Über den Einfluß experimentell- pathologischer Zustände auf die biochemischen Synthesen“. F. berichtet über Untersuchungen, die er anstellte um zu ergründen, ob im Orga- nismus von Versuchstieren, die mit Diphtherie- und Dysenterietoxin vergiftet waren, Hippursäure und die Glykuronsäuren in ebendemselben Maße gebildet würden als im gesunden Organismus. Die Resultate seiner Versuche beweisen, daß in Hinsicht auf die Synthese der Urochloralsäure und Phenylelykuronsäure sich keinerlei Unterschiede ergeben; hingegen erwies sich die Synthese der Kampferglykuron- säureverbindung sowohl bei den mit dem Diphtherie- als auch mit dem Dysenterietoxin vergifteten Versuchstieren stark herabgesetzt. Die Bildung der Hippursäure war bei den mit Diphtherietoxin ver- gifteten Tieren nahezu normal, bei den mit Dysenterietoxin behan- delten zeigte sie eine erhebliche Abnahme. 2. Dr. GeEzA Ma und Lupwie FEJes: „Der chemische Ablauf der SITZUNGSBERICHTE. 397 Chloralhıydrat- und Alkoholvergiftung bei humngernden und gut genährten Versuchstieren“. Vortragende setzen auseinander, in welchem Maße die Hirnsubstanz gut genährter und hungernder Kaninchen Narkotika mit verschiedenen Dissolutionskoeffizienten binden können. Quantitative Analysen der Gehirne von Tieren, die in den verschiedenen Stadien der Chloralhydrat- und Alkoholvergiftung getötet wurden, ergaben, daß das Chloralhydrat infolge seiner großen Affinität zu den Lipoiden der Hirnsubstanz sich im Gehirne hungernder Tiere in bedeutend größerer Menge anhäuft als im Hirne gut genährter Versuchstiere, während der Alkohol infolge seines niedrigen Dissolutionsquotienten von den Tieren beider Versuchsreihen in nahezu gleichem Maße re- teniert wird. Nachdem nun bekanntermaßen während des Essens das Verhältnis zwischen den Lipoiden des Hirnes und den Fettstoffen des Organismus bedeutend wächst, bestätigen auch die Ergebnisse dieser Versuche die Richtigkeit der MAvEr-Överronschen Narkose- theorie für Tiere mit nervösen Zentralorganen. An der Diskussion beteiligten sich die Herren Doz. KoLomANn PAnpy, KoLOMAN v. TELLYESONICZKY und ZOoLTAN v. VAmossy. . Dr. Koroman v. PAnpr: „Abnorme Fasernbündel an der Hirnbasis“. Demonstration von Präparaten, an denen deutlich ersichtlich ist, daß die Fasern der sogenannten äußeren Schleifenbahn in schiefer oder longitudinaler Richtung aufsteigend unter der Pons verschwinden. An einer Medulla oblongata demonstriert K. ein sehr selten vor- kommendes Fasernbündel von 2 mm Dicke, welches aus dem Sulcus lateralis posticus entspringt und schief über die Olive verläuft. An eben diesem Spezimen ist an der gekreuzten Brückenhälfte ein etwa 21), cm dickes, langgestrecktes Fasernbündel sichtlich, das bereits Prof. Mıc#. Lexuosser im Jahre 1887 beschrieben hat, und das die direkte Fortsetzung des vom Vortragenden demonstrierten abnormalen Fasernbündels der Oblongata ist. Dieses abnormale Fasernbündel ist auch an einem anderen Präparate P.s gut zu sehen. Es sind dies nach P.s Ansicht abnorm verlaufende Fasern der sensorischen Bahn, die auf Grund seiner embryologischen Untersuchungen größtenteils dem Gorrschen Strange angehören und so die Empfindunssleitung der unteren Extremitäten besorgen. Ihr Erscheinen auf den Quer- fasern der Pons und auf den Pyramiden läßt sich aus der Tatsache erklären, daß die Markscheiden dieser Fasern sich zuletzt entwickeln. Sodann erläutert K. die Bahn der sensorischen Fasern in den einzelnen Hirnregionen und Schichten, erwähnt noch die übrigen abnormen Fasernbündel der Pons und Oblongata und illustriert zum Schlusse seinen Vortrag mit Hilfe von projizierten Bildern. 398 SITZUNGSBERICHTE. E) Populäre Abendvorlesungen. 1. ZoutAn Darmapy hielt zwei Vorlesungen „Über das Altern“ am 17. und 24. November 1905. 2. Jonann Tuzson hielt eine Vorlesung: „Über die heutigen Standpunkte der Pflanzenanatomie“ am 7. Dezember 1905. F) Populärer Kursus. PauL RANsSCHBURG hielt sechs Vortäge über „Die Physik der geistigen Fumktionen“ in den Monaten Februar und März. BERICHTE ÜBER TÄTIGKEIT, VERMÖGENSSTAND U. A. DER UNGARISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER KGL. UNG. NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT. I. Ungarische Akademie der Wissenschaften. 1% Die LXVI. feierliche Jahresversammlung der ungarischen Aka- demie der Wissenschaften am 25. März 1906 war dem Andenken des im Sommer 1805 geborenen ungarischen Literaturhistorikers FRANZ ToLpy gewidmet. ) Die Vernligausyerlklutsse der Akademie sind aus folgenden Daten ersichtlich: ; Kronen Heller Die Akademie besaß am 31. Dezember 1905 ein reines Gesamtvermögen von. . . . 5731323 56 Davon entfallen auf das Gebäude, die Biblio- thek, den Büchervorrat usw. : . .. 2000000 —. Das Bades der Akademie belief sich im Jahre 1905 auf . . Ä 426 805 98 Die Ausgaben der II. Kae Iheiiefen sich im Jahre 1909 Tate en a 23.0590 41 3% Die Anzahl der Mitglieder der Ungarischen Akademie der Wissen- schaften am Ende des Jahres 1905 ist aus folgender Tabelle er- sichtlich: 400 TÄTIGKEIT, VERMÖGENSSTAND U. A. % | I. II. 3 (sprachwissen- | (philosophische (mathematische | 5 S schaftl. u. ästhe- | und historische) u. naturwissen- | N 8 tische) Klasse | Klasse ‚schaftl.) Klasse B- Ehrenmitglieder 3 | OR 7 19 Ordentl. Mitgl. 12 | 24 | 2 57 Korresp. Mitgl. 33 | 56 | 54 143 Auswärt. Mitgl. 33 18 | 28 79 Zusammen ..... 81 | 107 | 110 298 Die Vermögensangelegenheiten verwaltete der Direktionsrat der Akademie, der aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten, dem General- sekretär und 19 Mitgliedern bestand. Nach den Statuten beträgt der Status der Akademie: Ehrenmit- glieder 24, ordentliche Mitglieder 60, korrespondierende Mitglieder 156. Im März 1906 wurden in der III. Klasse die folgenden neuen Mitglieder gewählt: Zum ordentlichen Mitelied: ANTON GENERSICH, Anatom, bisher k. M. Zu auswärtigen Miele: DAvıo Hier Ulak Göttingen, Hexry Done Mathematiker, ae 4. Bibliothek. Die Anzahl der geordneten Fächer beträgt 54. Diese enthalten 73048 Werke. Darunter: Anthropologie . . SEE oe) Mathematik und A one! a 2} Natuswissenschaft m 249 Physıkar ee aan 8 ee za Chemle ln 80 EN ONE 469 Naturgesehichter u... eo Zoologier 1. de ae 2. 0, 139 Bonn Er NR. ABU NINE 460 Mineralogie und eos RD Lam Le) Medrinsehe MWassensehatten 0..2222022590 Ausgaben von Akademien und wissen- schaftlichen Gesellschaften . . 634 Ausgaben der Ungar. Akademie d. W. 386 Auslandische Zeitschriften a 206 Inländische Zeitschrüten . .-. . . 400 Bolyanana a 200g. oa 39 D. AKADEMIE D. WISS. UND D. NATURW. GESELLSCHAFT. 401 Der Fachkatalog besteht aus 115 Bänden und 48 Zettelkasten. - Angekauft wurden 414 Werke. Als Pflichtexemplare wurden erhalten von 329 Druckereien 9146 Werke. Weiland GEorG RATH, pens. Senats- präsident der königl. Tafel, legierte der Akademie seine Sammlung von über 2000 ungarischen oder auf Ungarn bezüglichen Werken, von denen nur die bereits in der Bibliothek der Akademie vorhandenen anderen ‘öffentlichen Bibliotheken zu überlassen sind. Außerdem wurden von Privaten und Behörden 119 Werke der Akademie geschenkt. Im Lesesaal der Bibliothek benutzten 8420 Personen 12393 Werke. Ausgeliehen waren 743 Werke. II. Kgl. Ungarische Naturwissenschaftliche Gesellschaft. ie Die Gesellschaft hielt ihre Generalversammlung am 24. Januar 1906 ab. Nach der Eröffnungsrede des Präsidenten Prof. Vinzenz WarTHA folgte der Jahresbericht des Sekretärs Prof. Josser PaAsz- LAVSZKY, aus dem wir die folgenden Daten entnehmen: Im Jahre 1905 sind in die Gesellschaft 627 neue Mitglieder ein- getreten. Die Gesellschaft hat jetzt 8912 Mitglieder. Die Gesellschaft gibt die folgenden ungarischen Zeitschriften heraus: Termeszettudomdnyi Közlöny (Naturwissenschaftliche Mitteilungen) und hierzu Pötfüzetek a Termeszettudomanyi Közlönyhöz (Ergänzungshefte der Naturwissenschaftlichen Mitteilungen); Allattani Közlemenyek (Zoologische Mitteilungen); Növenytani _Közlemenyek (Botanische Mitteilungen); Magyar Chemiai Folyöirat (Ungarische Chemische Zeitschrift). Außerdem hat die Gesellschaft eine Verlagsunternehmung für Prä- numeranten, die je einen Zyklus von drei Jahren abonnieren. Vom XII. Zyklus (1905—1907) erschienen im Jahre 1905 die folgenden Werke: Fr. Szurörısz: A növenyvildg ds az ember (Die Pflanzenwelt und der Mensch); L. Irosvar: Bevezetes a szerves chemidba. I. Szenhidrogenek (Einleitung in die organische Chemie. I. Kohlenwasserstoffe). 2. Aus dem Berichte des Kassierers entnehmen wir die folgenden Daten: Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 26 402 TÄTIGKEIT, VERMÖGENSSTAND U. A. D. AKADEMIE D. WISS. USW. Kronen Heller Die Gesellschaft besaß am 31. Dezember 1905 ein reines Gesamtvermögen von . . ... 434972 58 Davon entfallen auf das Gebäude. . . . . 238000 — aufrdiesBibliotheki.. ....2...2100000527 auß den Büchervorrat!. . .. 2 A000022 Das Budget der Gesellschaft belief sich im Jahresl90H auta n neeal n nTat to Ort 5% Aus dem Berichte des Bibliothekars erfahren wir, dab die Bibliothek der Gesellschaft um 719 Bände gewachsen ist, so daß sie mit Ende 1905 insgesamt 27028 Bände umfaßte. Den Mitgliedern standen im Lesezimmer 134 Zeitschriften zur Verfügung. Auf neue Bücher und Einbände wurden 7018 Kronen verwendet. Der Bibliothek wurden im Jahre 1905 von 3785 Mitgliedern 4547 Bände entliehen. REPERTORIUM DER UNGARISCHEN MATHEMATISCHEN UND NATURWISSENSCHAFTLICHEN ZEITSCHRIFTEN UND JAHRBÜCHER. Im „Mathematikai es termeszettudomanyi ertesitö“ (Mathema- tischer und naturwissenschaftlicher Anzeiger) bd. XXIII (1905) sind die in der Ungar. Akademie der Wissenschaften vom Oktober 1904 bis Oktober 1905 vorgelegten Abhandlungen erschienen. Heft 1—3 von bd. XXIV (1906) enthält vom Oktober 1905 bis Mai 1906 vorgelegte Abhandlungen. In den „Mathematikai es physikai lapok“ (Mathematische und physikalische Blätter, Zeitschrift der math. und phys. Gesellschaft in Budapest) sind die folgenden ÖOriginalaufsätze erschienen (nur ungarisch): In Band XIV (1905). ANDERKO, AUREL: Über den vertikalen Gradienten des Luftdruckes. p- 223— 257. BAUER, MicHAEL: Untersuchungen über die dem Bereiche [1| entstam- menden Genusbereiche. p. 1—12, 88—109. — Über die arithmetische Progression. p. 313—315. Ber, Emanuer: Über die Fundamentalgleichung der linearen Differen- tialgleichungen. p. 82—87. — Über die Äquivalenz von Mengen. p. 275—279. Bozöky, AnpreAas: Gleichförmigkeit in der Bezeichnung der physi- kalischen Größen. p. 48—53. CsorsA, Viktor: Über doppelte Partition. (Schluß.) p. 320-360. CURIE, SKLODOWSKA: Untersuchungen über Radioktivität. (Übersetzung, III. —V. Mitteilung.) p. 25—47, 110—141, 280—312. Dıenes, Paur: Beiträge zur Theorie der analytischen Funktionen. p>161 192: 26” 404 REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. KAROLY, IRENEUS: Die elektrische Transparenz der Elektrolyten. p. 212 — a Krus, LeopoLp: Der Kegelschnitt als Ort von Punkten, deren Abstands- verhältnisse von gewissen Gebilden konstant sind. (Schluß.) p. 57 —ö König, Dronvsıus: Über die Färbung der Landkarten. p. 193—200. Prıvorsz£ky, Aroıs: Zur Theorie der Funktionen mehrerer Variablen. p. 201—211. Rırsz, FrieprıcH: Über einen Satz der Analysis Situs. p. 409—415. SCHLESINGER, Lupwig: Über zwei elementare Fragen der Integral- rechnung. p. 265—274. Sös, Ernst: Beiträge zur Behandlung der Bewegung des Punktes in natürlichen Koordinaten. p. 142—160. SzAaB6, Peter: Ein neuer analytischer Beweis des DESARGUES schen Satzes. p. 316— 319. ZEMPLEN, VIKTOR: Diskontinuierliche Bewegungen in Flüssigkeiten. pP» 361.390. In Band XV (1906), Heft 1—5. Bere, EmAnvEL: Zur Theorie der Gammafunktion. p: 3—9. — Die CAaucarvschen Integralsätze p. 123—131. BoporA, Lupwig: Über die binomische Formel. p. 207—208. Bocvö, SamuEL: Zum BErnoutLischen Satze. p. 203—206. Büry, Aureu: Ein neuer vertikaler Intensitäts-Variometer. p. 175—196. — Über die Brauchbarkeit der Seismographen. p. 209—226. DAvip, Lupwig: Der Gausssche Algorithmus des arithmetisch - geome- trischen Mittels und dessen Verallgemeinerung, behandelt auf grund der Jacogıschen Thetafunktionen. p. 20—23, 152—151. FrJ£r, LeopoLp: Das Ostwauosche Prinzip in der Mechanik. p. 24 —48. — Über Stabilität und Labilität in der Mechanik. p. 152—172. FEnves, Desiverius: Die mathematischen Grundlagen der Berechnung ermäßister Tarife. p. 197 — 200. KürschHäx, Joser: Über die Irreduziblität gewisser Determinanten. p. 1 — a — Der DesArguzssche Satz. p. 201—202. P&ch, ALavAr: Über den kritischen Zustand. p. 65—72. Rapvos, Gustav: Zur Verteilung des BoryAr-Preises. p. 72—93. Rırsz, FriepricHn: Die Genesis die Raumbegriffs. (I. Mitteilung.) p. 97 12a TerkAn, Lupwig: Die Berechnung der Radiationspunkte der Stern- schnuppen. p. 227 — 239. Wırrmann, Franz: Über Apparate zur Demonstration der Grunderschei- nungen bei Wechselströmen. p. 49 —64. REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 405. In der populären Zeitschrift „Termeszettudomanyi Közlöny“ (Naturwissenschaftliche Mitteilungen) erschienen die folgenden Originalaufsätze: In Band XXXVII (1905). Im Janwarhefte: SCHMIDT, ALEXANDER: Der Weg und die Arbeit des Wassers. p. 1—20. JABLONOWSKI, JoSEF: Springende Früchte, springende Galläpfel. p.20—32. Hreyrokı, Jakog: Über die Temperaturverhältnisse Ungarns. p. 33—38. FRANCE, RAouL: Über die Abstammung der Haustiere. p. 383—47. Reraty, Anton: Das Erdbeben am 4. April 1904. p. 47—51. SCHENK, JAKOB: Über den Winterschlaf der Vögel. p. 51—56. Im Februarhefte: EnTz, sen., GEza: Die Farben der Tiere und die Mimicry. (V. Mitteilung.) p- 97-137. Csopey, jun., LapısLAaus: Leuchtende Pflanzen. p. 138— 157. Im Märzhefte: Entz, sen., Geza: Die Farben der Tiere und die Mimiery. (VI. Mit- herlkmee Schluß.) p. 201—221. Horusırzey, Heinrich: Über den Schlamm des Flusses Väg. p. 222—226. Auseszky, AtavAr: Über die Bakterien des Meeres. p. 227—231. h Im Aprilhefte: Nasy, DEsiıDERIUS: Über die moderne Wasserwirtschaft. p. 257—273. PAury, Morıtz: Über den Pokolsar in Kovaszna. p. 274—279. Heeyrokı, JAKOB: Die Drehung des Windes. p. 279—282, Im Maihefte: Lang, Max: Milchwirtschaftliche Probleme. p. 313—323. LEHOTZEY, JuLius: Die neueren Untersuchungen über den Planeten Mars pP. 393 — 336. Laxıts,FrAnz: Die Sternbilder und ihre ungarischen Namen. p.337— 340, SZEKERES, KOLOMAN: Die Tantalglühlampe. p. 341—344. Im Junthefte: KoHAuT, RuDoLr: Die Flöhe. p. 369—386. SaJ6, Kart: Die Bodenauswahl der Pflanzen und Insekten. p. 387— 3960. HEGYFoKI, JAKOB: Die Temperatur der höheren Luftschichten. p. 397 —401. Im Julihefte: ZEMPLEN, G.: Über das radioaktive Verhalten der Körper. (I. Mitteilung.) p. 497 —442. Kıss, Viktor EMANUEL: Über das 460. 406 REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRE. Im Augusthefte: ZrMmPLEN, G.: Über das radioaktive Verhalten der Körper. (IL. Mitteilung.) p. 481—508. Szavay, Lapıstaus: Über die Empfindlichkeit der Gewitter anzeigenden Apparate. p. 509—513. Kerr&sz, KoLoman: Zur Frage der Dan cuns der Hypoderma-Larven. p- sa 517. Im Septemberhefte: ZEMPLEN, G.: Über das radioaktive Verhalten der Körper. (II. Mit- teilung, Schluß.) p. 537—552. PAzAr, Srepman: Die Entwicklung der Eisenbahn in unsren Tagen. p- 553 — 566. Herman, Otto: Der vierte internationale ornithologische Kongreß. p.566 — OU. JABLONOWSKI, JOSEF: Die mit Kupfervitriol berieselte Traube. p. 572 —576. Im Oktoberhefte: LenGYEL, BELA: Die Chemie als Kulturfaktor. p. 593—601. SZIGETHI-GYULA, ANDREAS: Der Rückschlag des Weinstockes und dessen Verhütung. p. 601—616. Im Novemberhefte: BALkAnYI, MICHAEL: MICHAEL FAZERAS als Naturforscher. p. 649—658. Birö, sm: Hygiene in der Steinzeit. p. 658—668. Some. Friepricn: Die Rose. p. 668—691. Im Dezemberhefte: SAr6, Kar: Die Rettung der Naturdenkmäler. p. 705—739. MAgöcsy-DIETZ, SAnDorR: Der zweite internationale botanische Kongreß. p. 740— 746. Ivosvay, Lupwig: Die Kohlenwasserstoffe im praktischen Leben. p. 746 ll. In Band XXXVIII (1906). Im Januarhefte: Darmaoy, ZoutAn: Das Altern. (I. Mitteilung.) p. 1—16. ZEMPLEN, G.: PsıtLıpp LENARD. p. 16—29. ILosvay, Lupwig: ApouLr BAEYER. p. 26—28. AUJESZKY, ALADÄR: RoBERT KocH. p. 283—34. Im Februarhefte: Darmapy, Zovrän: Das Altern. (.II. Mitteilung, Schluß.) p. 99—118. Lang, Max: Die Verwertung der magern Milch. p. 119—126. STÖCKER, Aroys: Das Sammeln von Heilpflanzen. p. 127—140. REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 407 Im Märzhefte: | Huryra, Franz: Unsichtbare Lebewesen. p. 203—212. M&£nery, Lupwie: Gewitter und Erdbeben anzeigende Tiere. p. 212—219. ZEMPLEN, G.: Über die elektromagnetische Masse. p. 220—229. Im Aprilhefte: Extz, sen., Guza: Das einfachste Tier. p. 257—276. TZALTSCHEKR, ARTUR: Das Konservieren der Lebensmittel. (I. Mitteilung.) p: 277 — 285. SzıLArv, BELA: Die Ursache der Farbe der Steinsalzkristalle p. 285 —aS Im Maihefte: 'TÖRÖK, Aureu: Der Grundgedanke der Kriminalanthropologie von Lom- BROSO. p. 313— 3831. ZAITSCHEK, ArTUR: Das Konservieren der Lebensmittel. (II. Mitteilung, Schluß.) p. 331—339. ‚SCHAFARZIK, Franz: Die Grubenkatastrophe in Courrieres. p. 340—347. ZEMPLEN, G.: PIERRE ÜvRIE. p. 348—350. Im Junihefte: Hürrr, Ernst: Küchenchemie. (I. Mitteilung.) p. 369—387. Paver, Kar: Der alpinische Sport und seine Gefahren. (I. Mitteilung.) p. 388— 5396. Kaiser, Kar: Das Pferdefleisch. p. 397 —403. 'GABNAY, Franz: Verwüstete Wälder. p. 404—410. Im Julihefte: Hürrt, Ernst: Küchenchemie. (II. Mitteilung, Schluß.) p. 425 —446. PAver, Kar: Der alpinische Sport. (II. Mitteilung, Schluß.) p. 447—460. Harıı, Jurius: Die alkoholfreien Getränke. p. 460—466. In den „Potfüzetek a Termeszeitudomanyi Közlönyhöz“ (Er- gänzungshefte der Naturwissenschaftlichen Mitteilungen) erschienen die folgenden Aufsätze: Im Hefte Nr. LXXVII (Februar 1905): Preisz, Hw6o: Die Ursachen der beschränkten Leistung des Ultra- mikroskopes und unserer optischen Instrumente. p. 1—18. Wırrmann, Franz: Akustische Versuche. p. 19 —31. ÜSEMEZ, JOSEF: Über die Ursachen von Gravitation und Kohäsion. p. 32 — 37. Im Doppelhefte Nr.LXXVIILI-LXXIX (Mai— August 1905): France, Raour: Die Tierseele. p. 49 —82. BozökY, ANDREAS: Über die elektrischen Strahlen. p. 83—113, 408 REPERTORIUM D. UNG. MATHE. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. Kocn, Anrox: Bau und Bild der Karparthen. p. 114—123. Csorey, Lavısraus: Das Meer und unsere Kenntnisse darüber. (Nach Br. F. Rıcnrnoren.) p. 124—134. — Aus der Physiologie des Schwimmens. p. 134—138. Im Hefte Nr. LXXX (November 1905): Prinz, Jurıus: Die Geschichte des Klimas. p. 145—165. Csemez, Joser: Die Dematerialisation der Materie. p. 166—179. Gapnay, Franz: Die Abstammung der Säugetiere Afrikas. p. 180—185. Im Hefte Nr. LXXXI (Februar 1906): KonkoLY THEGE, jun., NıkoLAus: Die Wolken. p. 1—18. BernArsky, EuGen: Die Bestimmung der ungarischen Seifenwurz. p.1% —29. BECKER, GEoRG F., Die gegenwärtigen Probleme der Geophysik. (Über- setzt von Franz Laxıts.) p. 26—33. Mach, Erst: Über das Prinzip der Vergleichung in der Physik. (Über- setzt von ApoLr Barrus.) p. 33—42. Im Doppelhefte Nr. LXXXLI-LXXXIII (Mai— August 1906): Tuzson, JOHANN: Der heutige Stand der Pflanzenanatomie. p. 49 —62. Sas6, Karu: Die rotgescheckte schwarze Schutzfarbe von Insekten. p. 63. — len Hreyrok1, JAKOB: Der Regen bei Tag. p. 74—80. ZempL£n, G.: Die Unveränderlichkeit der Masse bei chemischen Vor- gängen. p. 80—93. Par, Jonanx: Die Entstehung des Lehms. p. 94—102. Soös, Lupwis: Das Gesetz der Hybridenbildung. p. 103—112. Sıcmonn, Auex: Über die Enzyme. p. 112—117. SzırArp, Bera: Die Strahlungserscheinungen des menschlischen Orga- nismus. p. 118—123. JAMBOR, JosEr: Über die Verwertung des Nitrogens der Luft. p. 123—127- In den „Allattani Közlömenyek“ (Zoologische Mitteilungen) sind die folgenden Originalaufsätze erschienen (in ungarischer Sprache mit deutscher Revue über den Inhalt): In Band IV (1905). M&sery, Lupwie: Über den heutigen Stand der Deszendenzlehre. p. 1 —13, 61—97, Rev. 55—56, 111—112. | TUNNER, J. Kart: Die Morphologie des männlichen Geschlechtsapparates und der osmotische Druck des Blutes von Cybister laterimarginalis DE GEER. p. 14—48, Rev. 56—57. . Kormos, Tueopor: Über Neritinen von Püspökfürdö und Tata. p. 38 —44, Rev. 57. REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 409 Csıkı, Ernst: Beiträge zur Kenntnis von Myrmecophila acervorum Paxnz. p. 97100, Rev. 113. Koruos, Tueovor: Batrachierlarven aus Ägypten. p. 100-103, Rev.113: ME£HeELy, LupwıG: Bericht über den in Bern abgehaltenen VI. internatio- nalen Zoologenkongreß. p. 117—125, 222—235, Rev. 163, 246. Soös, Lupwıig: Die Hauptprinzipien der Molluskenphylogenese. p. 126 — 139, 185—197, Rev. 163, 246. TArFnErR, Vıpor: Beiträge zur Acariden-Fauna Ungarns. p. 140—152, Rev. 163. GORKA, ALEXANDER: Erinnerung an KoLoman Farkas. p. 153—155, Rev. 163. Kormos, Turopor: Über die Anpassung von Melanopsis hungarica Korn. p. 155—156, Rev. 164. | HorvATH, GEzA: Die Bedeutung der beirrenden Farben in der Natur. p. 165—170, Rev. 245. MEHeLy, LupwiG: Beiträge zur Kenntnis der formativen Kräfte des tierischen Organismus. p. 171—185, Rev. 245—246. Erz, jun., G£zA: Über Süßwasser-Tintinniden. p. 198—218, Rev. 246. TorH, Sıcısmunp: Nachruf an A. KoELLIKER. p. 218—222, Rev. 246. WACHSMAnNn, Franz: Der letzte Biber in Ungarn. p.235— 236, Rev. 247, Heft 1—2 des V. Bandes (1906). EnTz, sen., GEza: Über die Einwanderung der Ratten. p. 1—25, Rev. 103— 104. Soös, Lupwig: Über die morphologischen Verhältnisse der Mantelorgane der Pulmonaten. p. 23>—47, Rev. 104—105. KeLver, Oskar: Über die Morphologie des Vorder- und Zwischenhirns der Teleostier. p. 48—86, Rev. 105. In den „Növenytani Közlemenyek“ (Botanische Mitteilungen) sind die folgenden Originalaufsätze erschienen (in ungarischer Sprache mit deutscher Revue über den Inhalt im Beiblatt): Band IV (1905). RenHnm, H.: Contributiones mycologicae ad Floram Hungariae. p. 1—6. ÜSEREY, ADOLF: Die hygroskopische Natur der Moose. p.7—9, Beibl.1—2. KErErevArrto, ArpAp: Die Phanerogamen Ungarns in Bezug auf die Blütenfarbe. p. 10—16, Beibl. 3—4. Röru, Roßerr: Eine eigentümliche Fichtenform in der Hohen Tätra. p- 16—21, Beibl. 5. Furö, MıcHAet: Polypodium vulgare L. und Polypodium vulgare y serra- tum WırLp. p. 22—26, Beibl. 5—6. LENnGYEL, GEzA: Neue Beiträge zur Kenntnis der Vegetation der Um- gebung von Budapest. p. 26—27, Beibl.7. A410 REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. WOoLcsANsZKY, JOHANN: Beiträge zur Kenntnis der Laubmoose Due p- 283—33, Beibl. 28. nenn, Anprkas: Über die Anatomie der Vitiswurzel it be- sonderer Rücksicht auf die durch die Phylloxera verursachte Be- schädigung. p. 45—62, Beibl. 9—14 (französisch). Mozsz, Gustav: Tersstalloehishe Funde aus der Umgebung von Ba 1% 6274, Beibl. eo Szaro, Zovrän: Einige Pflanzen aus dem Kaukasus. p. 74—78, Beibl. 17. Pax, Frrvınannp: Die fossile Flora von Gänocz bei Poprad. p. 89—95, Beibl. 19—59. GYÖrFFY, Srepman: Über einen neuern Fundort von Hymenostylium curvirostre var. ß. scabrum in Ungarn, sowie über die Anatomie dieses Mooses. p. 95—100, Beibl. 59 — 61. Szrankovits, RupoLr: Zur Kenntnis der Anatomie der ungarischen Quercusfrüchte. p. 1235—149, Beibl. 65— 72. Quist, Joser: Beiträge zur Bacillarienflora des Budapester Römer-Bades. p. 151—162, Beibl. 73. Heft 1—2 des V. Bandes (1906). BERNATSKY, Eugen: Über die sekundäre Geschlechtsdifferenzierung bei Aspargus. p. 3—9, Beibl. 2—4. LengyeL, G#£za: Floristische Beiträge aus dem nördlichen Teile des Heveser Komitates. p. 9—20, 51—61, Beibl. 4—6, 15. Tuaısz, Lupwıig: Kritische Bemerkungen über einige ungarische Grami- neen. p. 20—22, Beibl. 6—7. Györrry, Srerman: Über das Vorkommen von Acaulon triquetrum (Spruce) C. Mürr. in Ungarn. p. 22—27, Beibl. 7. Tvzson, JoHAnN: Erinnerung an Morız StAaue. p. 37—45, Beibl. 11—12. P#TerrF1, Marrın: Biologische Mitteilungen. III—IV. p. 46—51, Beibl. 12—14. GyörFry, Srterman: Neue Standorte phanerogamer Pflanzen aus der Hohen Tätra. p. 61—65, Beibl. 15—16. In der von der Chemisch-Mineralogischen Sektion der Königl. Ungar. Naturwissenschaftlichen Gesellschaft herausgegebenen Fach- zeitschrift „Magyar chemiai folyoirat“ (Ungarische Chemische Zeit- schrift) erschienen die folgenden Originalaufsätze: In Band XI (1905). Neumann, Sıcısmunp: Chemische Analyse des Mineralwassers von Ken- deres. p. 3—4. Konex, Frırz: Die Analyse organischer Verbindungen im elektrischen Eikerarmaltern p. 4—6. REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 411 LenGyYEL, Loranr: Die Bestimmung der Schwefelsäure im Harn mittels alkoholischer Strontiumchloridlösung. p. 6—8. Awer, HrmrıcH: Die Sonderung von Salzen durch Gefrieren. p. 9—11, 26 28. Bırr6ö, Beta: Die Synthese und künstliche Erzeugung des Kampfers. - 3 I, BEL, ZALTSCHEK, ARTUR und SZONTAGH, FEuix: Vergleichende Untersuchungen über die proteolitischen und diastatischen Enzime von Milchen. p. 17 —al, 39890; LEOPOLD, ANDREAS: Bestimmung der wesentlichen Bestandteile der Pink= colour, p: 21 22. WEISER, STEPHAN: Eisensilikate. p. 22—26. ZAITSCHEK, ARTUR: Die Zusammensetzung der Theißblüte. p. 36—38. SzILAÄRD, BELA: Die Wirkung des Lichtes auf organische Verbindungen. p- 38 —411. LrROPOLD, AnprEAs: Kristallige Glasuren. p. 42 —45. ZAITSCHEK, ARTUR und SZONTAGH, Fruix: Die Lösbarkeit der Milch und ihrer Kaseine in Pepsinsalzsäure. p. 49—54, 65— 70. EULENBERG, Ferix: Über das Indigo. p. 54—58, 76—78. ‘VAsonxv, Lupwig: Daten zur Entwicklung der Fuselöle der Fermen- tation, pP 013,84 881035 106, 23 .124,4154 139, le i Kazay, ANDREAS: HARTMANNs Formel zur Bestimmung der Wellenlänge der Spektrallinien zu Spektroskopen mit verschiedener Skala. p. 74 —/d. WinpischH, Rıcuarv: Beiträge zur Kenntnis der Büffelmilch. p. 81—82. Korper, ApoLr: Die Ausnützung der Proteinstoffe bei der Hefefabri- kation. p. 82—84. BARrTAL, AUREL: Die Darstellung von Indigo. p. 88—91. BURGER, Franz: Die Stärke. p. 92 —93, 108&—110, 124—126, 139 — 143. BALtö, M. und Rözssxyı, J.: Die Bestimmung der schwefligen Säure in der atmosphärischen Luft. p. 97—99, 115—118. SZILASI, JAKOB: Beiträge zur Milchuntersuchung. p. 100—103. Dusovırz, Hv6o: Analyse des Celluloids. p. 106 — 108. MAUTHNER, FERDINAND: Über Phenoxthin. p. 119—122. Tora, JuLius: Ein Beitrag zur Prüfung der Asphaltstoffe. p. 129—134. LENGYEL, LorAnt: Die Reaktionswärme der Pepsinverdauung. p. 145 —ıldi. HaAspu, EpmunD: Die Untersuchung einiger Bismutprodukte. p.156—159. KrAmszeyv, LupwıG: Bestimmung der Gerbsäure im Weine. p. 161—169. FERENCZY, JOSEF: Antimonbestimmung in Legierungen. p. 169 — 171. Meszu&xyı, Ems: Über eine Molibdenverbindung des Nikotin. p. 171 — 173, 185 —188. 412 REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. LEoPoLD, AnDrREAS: Kaolinbestimmung im Ton. p. 137—183. JAmBoR, Joser: Die Veränderungen des Leinöls unter Einwirkung von Luft oder Oxygen. p. 183—185. Heft 1-5 des XII. Bandes (1906). Sıcmoxn, Avex.: Über die chemische Zusammensetzung der gebundenen Sodaböden des Theißtales.. p. 2—6, 17—21. Winpiscn, Rıcnarp: Borsäure enthaltendes Pergamentpapier. p. 6—8. SzıLArv, B£ra: Luminiscenz verursachende Vorgänge. p. 9—11. BarrA, Anpreas: Quantitative Bestimmung der paaren Glycuronsäuren. Dear 13, 96 au 13245, Schwarz, Eugen: Über die industrielle Erzeugung des Ozon. p. 21—23. Say, Morrrz: Über die Diuranate. p. 23—26, 40—42. Bartat, Aurer: Die Darstellung des Brombromides. p. 33 —36. Heim, Oskar: Über die Fähigkeit der Nucleoalbumine und Nucleine der Leber zur Zurückhaltung von Giften. p. 36—39. SzarumAry, Lapıstaus: Über die Veränderung des Glühverlustes von Zement unter dem Einflusse der aus dem verbrannten Leuchtgase gebildeten schwefligen Säure. p. 49 —52. ALTNEDER, Franz: Ein neues Verfahren zur Bestimmung des Silber- gehaltes von Legierungen auf nassem Wege. p. 52—53. Kmszey, Eugen: Die Anwendung der Leitungsfähigkeit der Lösungen zu Indikatoren bei dem Titrieren von "oo N-Lösungen. p. 56—61. Lensver, B£ta: Über die Radioaktivität der Jodmineralquelle von Osız. Pr65 06. ' MArkus, Eugen: Über das bei der Bestimmung der Jodzahl verbrauchte Jod. pP. 76. In den „Annales historico-naturales Musei Nationalis Hungarici“ Bd. IH (Jahrgang 1905) erschienen die folgenden Aufsätze (sämt- lich auch in lateinischer, französischer, englischer, italienischer oder deutscher Sprache): BernArsky, Eugen: Über die Halophytenvegetation des Sodabodens im Ungarischen Tieflande. p. 121—214. Bezzı, MArıo: Clinocerae tres novae ex Europa. p. 362— 366. — Empididae neotropicae Musei Nationalis Hungarici. p. 424—460. Borivar, Ign.: Conocephalides de la Nouvelle-Guinee appartenant au Musee de Budapest. p. 388—395. Brauns, Hans: Masaridae von Südafrika. p. 219— 234. BrRUES, CHARLES T.: A collection of Phoridae from Peru. p. 396—400. — Phoridae from the Indo-Australian Region. p. 543—559. Csıkı, Ernest: Öonspectus generum Mycetaeinarum, Endomychidarum subfamiliae. p. 573— 574. REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 413 CsıKI, Ernest: Coleoptera nova ex Hungaria. II. p. 575—582. Desneux, J.: Isoptera of New Guinea collected by L. Biro. p. 367—377. HorvATH, G&zA: Berytidae novae. p. 56—60. — Species generis Ommatidiotus Spin. p. 378—387. —- Hemipteres nouveaux de Japon. p. 413—423. — Tingitidae novae vel minus cognitae e regione palaearctica. p. 556 — 5172. Kurny, Desıp.: Insecta Heptapotamica a DD. ArmAsy et STUMMER- TRAUNFELS collecta. II. Orthoptera. p. 215—218. Maparäsz, J.: Über eine neue Bradypterusart. p. 401—402. Maurıitz, Beta: Bournonit von der Mine Pulacayo in Bolivien. p. 461 — 472. ; MEHery, L.: Die herpetologischen Verhältnisse des Mecsekgebirges und der Kapela. p. 256— 316. MELICHAR, L.: Genera tria Fulgoridarum mundi antiqui. p. 473— 477. MEnvIER, Fernanp: Monographie des Psychodidae de l’ambre de la Bal- tique. p. 235 —255. MocsäÄry, Arex: Rhyssae sociarumque species in collectione Musei Na- tionalis Hungarieci. p. 1—20. Moxranpon, A. L.: Trois nouvelles especes d’ Hemipteres Cryptocerates des collections du Musee National Hongrois. p. 403—406. MOoNTICELLI, FR. Sav.: Di una Temnocephala della Sesarma gracilipes raccolta nella Nuova Guinea dal Sig. L. Biro. p. 21—24. Noitr, G.: Tritodynamia Horvathi Nob., nuovo Decapodo del Giappone. p- 407—411. — Decapodi e Isopodi della Nuova Guinea Tedesca raccolti dal Sign. L. Birö. p. 479—507. Rzenax, A.: Das Kalksintervorkommen am „Siklos“ bei Leva in Ungarn. p. 478—479. SCHOUTEDEN, H.: Monographie du genre Coleotichus. p. 317 — 361. SZEPLIGETI, V.: Exotische Braconiden aus den aethiopischen, orien- talischen und australischen Regionen. p. 25—55. — Übersicht der paläarktischen Ichneumoniden. I. p. 508—540. THEoBALD, Fren. V.: A Catalogue of the Culieidae in the Hungarian National Museum with descriptions of new genera and species. p. 61 — 8, In den Publikationen der königl. ungar. Geologischen Anstalt erschienen die folgenden Aufsätze (ungarisch und deutsch; die folgenden Angaben beziehen sich auf die deutsche Ausgabe): A) In den Mitteilungen aus dem Jahrbuch. Rozrozsnık, PauL: Über die metamorphen und paläozoischen Gesteine der Nagybihar. Bd. XV, Heft 2, p. 143—181. 414 REPERTORIUM D. UNG. MATMH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRE. STAFF, Hans v.: Beiträge zur Stratigraphie und Tektonik des Gerecse- gebirges. Bd. XV, Heft 3, p. 183—233. Mit 1 Tafel und 2 Pro- filen im Text. Posewırz, THEopDorR: Petroleum und Asphalt in Ungarn. Bd. XV, Heft 4, p. 235—465. Mit 1 Tafel. B) Im Jahresberichte 1903 (erschienen 1905). BöckH, Jonann: Direktionsbericht. p. 5—44. Posewırz, THEODOR: Aufnahmebericht vom Jahre 1903. p. 45—62. SzoNTAGH, THomAs v.: Die geologischen Verhältnisse von Rev-Bihar- kalota und der Kolonie im Vidatal (Kirälyerdö). p. 63—69. Papp, Karı v.: Die Umgebung von Alvacza und Kazanesd im Komitat Hunyad. p. 70—104. PALFY, er v.: Geologische Notizen aus dem Tale der Feher-Körös. p. 105109: Roru v. TuEeLEeGD, Lupwıg: Der Ostrand des siebenbürgischen Erz- gebirges in der Umgebung von Felsögald, Czelna und Ompolyicza. p.110- 112. HaravÄrs, JuLıus: Der geologische Bau der Umgebung von Lunkany und Pojen sowie des Kornyatales bei Nadrag. p. 125—138. Kapı6, OrToRAR: Die geologischen Verhältnisse des Hügellandes an der oberen Bega, in der Umgebung von Facset, Kostej und Kurtya. p- 139— 154. Böck, Huco: Beiträge zur Geologie des Kodrugebirges. p. 155—169. GESELL, ALEXANDER: Die geologischen Verhältnisse auf dem Gebiete zwischen Nagy-Veszveres, der Stadt Rozsnyö und Rekenyefalu. PAlO 108. PAvEr v. KApoLnA, Viktor: Montangeologischer Aufnahmebericht vom Sommer des Jahres 1903. p. 179—200. Resury, Eugen: Der Südabhang von Nagykö ielovecz) zwischen Betler und Rozsnyo. p. 201—209. TrEITZ, PETER: oe Beschreibung der Umgebung von Solt- vadkert und Kiskunhalas. p. 210—237. GüLL, WILHELM, Agrogeologische Notizen ans der Gegend von Künszent- miklos und Alsodabas. p. 238—245. LırraA, AurEL: Geologische Notizen aus der Gegend von Särisap. p. 246 — OT. Horusırzey, Hrısrıcn: Die Umgebung von Tornöcz und Ürmeny im Komitat Niptra. p. 268—3095. Tımkö, EmerıcHn: Die agrogeologischen Verhältnisse im zentralen Teil der Insel Csalloköz zwischen Nyärasd, Vajka und Kulesod. p. 306 — LT, LAszLö, GABRIEL v.: Agrogeologische Aufnahme im Jahre 1903. p. 318 — Ball, -REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 415 Euszt, Kotoman: Mitteilungen aus dem chemischen Laboratorium der agrogeologischen Abteilung der kgl. ungar. Geologischen Anstalt. pP. 322 — 327. C) Im Jahresberichte 1904 (erschienen 1906). Böck, JOHANN: Direktionsbericht. p. 5 AB. Posewrrz, T#Eopor: Die Umgebung von Polena im Komitate Bereg. p. 46—57. SzontagH, Tmomas v.: Über die Geologie der Umgebung von Rossia und der Selavatanya (Gemeinde Lunkaspri). p. 58—61. Parr, Karr v.: Über die geologischen Verhältnisse der Umgebung von Menyhäza. p. 62—100. PAury, Morırz v.: Über die geologischen Verhältnisse im westlichen Teile des Siebenbürgischen Erzgebirges. p, 101—105. Rora v. Teregn, Lupwıc: Der Ostrand des Siebenbürgischen Erzgebirges in der Umgebung von Särd, Metesd, Ompolypreszaka, Rakato und Gyulafehervär. p. 106—126. HaravArs, Julius v.: Der geologische Bau der Umgebung von Kudsir- Csora-Felsöpiän. p. 127—140. ScHArarzır, Franz: Über die geologischen Verhältnisse von Forasest und Tomest im Komitat Krasso-Szöreny. p. L41—147. Kapı6, OrTokar: Die geologischen Verhältnisse des Berglandes am linken Ufer der Maros, in der Umgebung von Czella, Bulza und Pozsoga. po18 1/65: SzApeczkv, JuLivs v.: Über den geologischen Aufbau des Bihargebirges zwischen den Gemeinden Rezbänya, Petrosz und Szkerisora. p. 166 — UT GESELL, ALEXANDER: Die geologischen Verhältnisse des Csermosnya- baches- auf dem zwischen Dernö und Lucska liegenden Abschnitte nördlich bis zur Komitatsgrenze. p. 180—184. Resury, Eugen: Der Südabhang des Volovecz zwischen Veszverecs und Betler. p. 185—191. ACKER, VIKTOR: Die geologischen Verhältnisse des Usermosnyatales im Komitat Gömör. p. 192-—202. Treitz, Perer: Bericht über die agrogeologische Spezialaufnahme im Jahre 1904. p. 203229, GÜLL, WILHELM: Agrogeologische Notizen aus der Gegend längs der großen Donau. p. 230—249. Tınkö, EmericH: Agrogeologischer Aufnahmebericht vom Jahre 1904. p. 250268. Lırra, Aureu: Agrogeologische Notizen aus der Gegend von Tinnye und Perbal.. p. 269— 297. Horusırzey, HeinkıcH: Über die agrogeologischen Verhältnisse des Ge- bietes zwischen dem Vagflusse und der kleinen Donau. p. 298—320. 416 REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB, LAszLö, GABRIEL v.: Über das Gebiet zwischen dem Pandorfer Plateau und dem Hansagmoore. p. 321—325. KALECSINSZKY, ALEXANDER v.: Mitteilungen aus dem chemischen Labo- ratorium der kgl. ungar. Geologischen Anstalt. p. 326—327. Euszr, KoLoman: Bericht über die Tätigkeit des Laboratoriums der agrogeologischen Abteilung der kgl. ungar. Geologischen Anstalt. p. 328-339. Im „Földtani Közlöny“ (Zeitschrift der Ungar. Geologischen Gesellschaft) Jahrg. XXXV, 1905, erschienen die folgenden Original- aufsätze (alle in ungarischer und in den Supplementen in deutscher Sprache): ARraDı, jun., Victor: Lias und Dogger im Budaer Gebirge. p. 79—835, Suppl. 142 —146. Böcku, Hugo und Eumszr, KoLoman: Über ein neues, wasserhaltiges, normales Ferrisulfat, den Jänosit. p. 76—78, Suppl. 139—142. GAAL, STEPHAN: Beiträge zur mediterranen Fauna des Osztroski-Vepor- Gebirges. p. 288—313, Suppl. 338 — 365. Gürr, WILHELM: Die Gruppierung der Bodenbestandteile. p. 170—174, Buppl. 195 193: Horvsırzey, Heisrıcn: Über die Bierzsche Konchyliensammlung. p.83 — 85, Suppl. 147 —148. — Vorläufiger Bericht über den alluvialen Sumplöß des ungarischen Großen Alföld. p. 403—404, Suppl. 451—452. Koch, Anton: Gedenkrede über Prof. Dr. Morırz Srtaup. p. 61—76, Suppl. 127—139. — Das geologische und paläontologische Institut der Universität in Budapest und seine neueren Erwerbungen. p. 234—236, Suppl. 270 —2T3. Koruos, Turovor: Über den Ursprung der Thermenfauna von Püspök- fürdö. p. 375—-402, Suppl. 421—450. MaAurrrz, B£va: Pyrit von Foinicza (Bosnien). p. 484—491, Suppl. 537 — 544. MELCZER, Gustav: Daten zur genauen Kenntnis des Albit. p. 153— 170, Suppl. 191—194. PArry, Morıtz: Über die geologischen und hydrologischen Verhältnisse von Borszekfürdö und Gyergyobelbor. p. 1—12, Suppl. 3—46. — Einige Bemerkungen zu Bergassessor SEMPERS Beiträge zur Kenntnis des siebenbürgischen Erzgebirges. p. 277—287, Suppl. 326— 377. — Beiträge zur genaueren Kenntnis des Gesteins vom Kirnik bei Veres- patak. p. 314—318, Suppl. 366— 371. Prinz, Juzius: Über die Kielbildung in der Familie Phylloceratidae. p. 13—20, Suppl. 47—54. REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. 417 ROZLOZSNIK, PauL: Die Eruptivgesteine des Gebietes zwischen den Flüssen Maros und Körös an der Grenze der Komitate Arad und Hunyad. 455—-483, Suppl. 505—537. SZÄDECZKY, JuLius: Die Aluminiumerze des Bihargebirges. p. 213—231, Suppl. 247—267. Treıtz, Peter: Das Bohnenerz. p. 495—550, Suppl. 549—550. WINDHAGER, Franz: Quarzbostonit aus der Umgebung von Rezbänya. p. 232—234, Suppl. 267 — 270. ZımAnyI, KARL: Beiträge zur Mineralogie der Komitate Gömör und Abauj-Torna. p. 491—495, Suppl. 544—548. Im Jahrbuche „Orvos es Termeszettudomanyi Egyesület Közle- menyei“ (Verhandlungen des Vereins für Natur- und Heilkunde) zu Pozsony; neue Folge, Bd. XVII, der ganzen Reihe XXVI. Bi Jahrg. 1905, erschien (ungarisch): FLEISCHER, Emit: Das Verstopfen der Nase und deren Ursachen. p. 37 —=öl: In den „Verhandlungen und Mitteilungen des siebenbürgischen - Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt“ Bd. LV, Jahr- gang 1905, ist erschienen (deutsch): BOETTGER, O.: Zur Kenntnis der Fauna der mittelmiozänen Schichten von Kostej im Krasso-Szörenyer Komitat. (Fortsetzung.) p. 101—244. In der Zeitschrift „Ertesitö az erdelyi Muzeumegylet orvos- termeszettudomanyi szakosztajyabol“ (Sitzungsberichte der medi- zinisch-naturwissenschaftl. Sektion des siebenbürgischen Museum- vereins) erschienen die folgenden Originalaufsätze (in ungarischer Sprache mit deutscher Revue über den Inhalt): Jahrg. XXX, Bd. XXVII, 1905. I. Medizinische Abteilung. ABDERHALMEN, EmiL und RemHoLp, BsrA: Die Monoamionsäuren des Edestins aus Sonnenblumensamen und dessen Verhalten gegen Pan- kreassaft. p. 1—10, Rev. 1. — Der Abbau des Edestins aus Baumwollsamen durch Pankreassaft. p- 42—-57, Rev. 1 GörH, Lupwis: Gangraena phlegmonosa vulvae bei einer Schwangeren. p. 42 —57, Rev. 16—18. JAKABHAzy, SıGısmunD und DEMETER, GEoRG: Über die Oleanderver- giftung, im Anschluß an einem beobachteten Fall. p. 58—64, Rev. ad, Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. XXIV. 27 418 REPERTORIUM D. UNG. MATH. U. NATURW. ZEITSCHR. U. JAHRB. KeEnveres, Brasıus: Über den Eintritt der Ohnmacht und des Todes bei Verletzungen des Herzens. p. 11—28, Rev. 2—5. KonkAp, Eugen: Über ein Ovarialeystom mit schweren Komplikationen. p. 29—33, Rev. 6 8. — Über ein Chorio-angiom der Placenta. p. 34—37, Rev. 9—10. Veress, Erem#r: Über die Empfindlichkeit der mm. reetus lateralis und medialis. p. 38—41, Rev. 11—-12. II. Naturwissenschaftliche Abteilung. Worr, Orro: Kontraktion und Dilatation bei der Bildung von Verbin- dungen. p. 1—52, Rev. 20. — Über die Verbrennungswärme isomerer Stoffe. p. 53—71, Rev. 20. Szäörv, Tısor: Über die Kondensation von Brenzcatechin mit Ketonen. p-:73—89, Rey. 1 9. FaAgınyI, RupoLF und SzEry, Tızor: Neue Verbindungen von Aceton und Methylaethylketon mit Pyrogallol. p. 175—183, Rev. 56. SZENTPETERY, SIGISMUND: Petrographische Verhältnisse des zwischen Borev-Värfalva-Czegez und Toroczko liegenden Teiles des Tür- Toroczköer eruptiven Höhenzuges. p. 184—212, Rev. 23—55. Furö, MicHAeL: Einiges über die Merkmale der Unterarten und Varie- täten der Arten der Filicales.. p. 150—158, Rev. 10—19. — Relationen von Aspidium lobatum Sw., Aspidium angulose KırAıe und Aspidium Braunii SPENCER zueinander. p. 163—174, Rev. 56 KocnH, Axrox: Siebenbürger mezozoische Formationen. p. 90—149. „A magyar orvosok es termeszetvizsgalok 1903 szeptember 6—-9-ig Kolozsvarott tartott XXXII vandorgyülesenek törteneti vazlata es munkalatai“ (Geschichtliche Skizze und Arbeiten der in Kolozsvar am 6—9. September 1903 abgehaltenen XXXII. Wanderversamm- lung der ungarischen Ärzte und Naturforscher) enthält den Aus- zug von über hundert Reden und wissenschaftlichen Vorlesungen. Mit besonderer Berücksichtigung der neueren Anschauungen und Ergebnisse dargestellt von Dr. H. Starke, Professor an der Universität Greifswald. Mit 275 Abbildungen. [XIV u.4228.] gr.8. 1904. In Leinwand geb.n. M.6.— Das in Lehrbuchform gehaltene Werk ist für alle diejenigen bestimmt, welche sich, ohne größere mathematische Vorkenntnisse, doch eingehender mit der Elektrizitätslehre beschäftigen wollen. Es ist als eine Einfükrung in das Studium der theoretischen Elek- trizitätslehre gedacht, vor allem aber für den Experimentalphysiker auch für den Gebrauch im Laboratorium bestimmt, indem unter anderem beispielsweise die Aufgaben, welche in dem neuerdings sehr erweiterten elektrischen Praktikum des physikalischen Instituts der Berliner Universität bearbeitet werden, besondere Berücksichtigung erfahren haben. „Ein Lehrbuch, wie das vorliegende, das von ganz modernem, theoretisch einheit- lichem Standpunkte aus unsere Kenntnisse auf dem Gebiete der Atherphysik zusammen- stellt, war längst ein Bedürfnis. Der Verfasser ist ihm in ungemein glücklicher Weise entgegengekommen und ein großer Erfolg ist seinem Werke gewiß. In der eleganten, klaren Art, die theoretischen Prinzipien zu entwickeln und die Tatsachen lebendig darum zu gruppieren, gleicht die Darstellung den bisher in Deutschland kaum erreichten Mustern französischer Lehrbücher. Die Reichhaltigkeit des mitgeteilten, bis zu den neuesten Ergebnissen der Elektronentheorie reichenden Materials ist erstaunlich. Nur durch so echt wissenschaftliche Behandlung, also durch feste theoretische Fundierung konnte auf so kleinem Raum so viel gebracht werden, und zwar so gebracht werden, daß man es bei der Lektüre wirklich ‚erlebt‘. Auch die prinzipiellen Seiten der technischen Anwendungen sind sehr ausgiebig eingefügt, so daß das Buch gleichzeitig eine Einführung in die Elektrotechnik ist, wie es zurzeit kaum eine bessere in Deutschland gibt. Die Ausstattung ist dem Gehalte entsprechend.“ (H. Th. Simon in der Physikalischen Zeitschrift.) Verlag von B.G.Teubner in Leipzig und Berlin. Experimentelle Elektrizitätslehre. Verlag von B.G. Teubner in Leipzig und Berlin. Anfangsgründe der Maxwellschen Theorie verknüpft mit der Elektronentheorie. Von Professor Dr. Fr, Richarz. Mit 69 Figuren. [IX u. 246 8.] gr. 8. 1909. In Leinwand geb. n. # 8.— Verfasser hat über den obigen Gegenstand für den ersten Marburger Oberlehrerkurs im Oktober 1906 eine Reihe von Vorträgen gehalten, die dem Druck zu übergeben er von mehreren Teilnehmern gebeten wurde. Zwar sind diese Vorträge selbst in der an- sekündigten Schrift nicht veröffentlicht, aber ihr weiter ausgeführter Gedankengang: un- gefähr in der Ausdehnung, wie Verfasser ihn in einer einstündigen Vorlesung des Winter- semesters 1904/05 und in daran anschließenden Ergänzungen in den folgenden Semestern gebracht hat. Hieraus ist ersichtlich, daß es sich nicht um ein auf Vollständigkeit auch nur einigermaßen Anspruch machendes Lehrbuch handeln soll. Um so größeres Gewicht ist aber auf möglichst klare und anschauliche Herausarbeitung der Grundbegriffe und fundamentalen Beziehungen gelegt worden. Dabei wird von vornherein von der Elek- tronentheorie Gebrauch gemacht; erst durch sie gewinnen die Begriffe der neutralen Elektrizität, der dielektrischen Polarisation in ponderablen Medien, der Leitung u. a. bestimmte Bedeutung, die ihnen in der ursprünglichen Maxwellschen Theorie fehlt. Die Entwicklungen sind alsdann in jedem Teilgebiete bis zur Ableitung der wichtigsten experimentell gefundenen Einzelgesetze durchgeführt worden. Die Schrift soll einerseits das Bedürfnis nach einer kurzen Einführung in die mit der Elektronen- theorie verknüpfte Maxwellsche Theorie erfüllen. Andererseits werden für ihren Ge- dankengang maßgebend sein die vom Verfasser verschiedentlich zerstreut veröffentlichten eigenen Überlegungen und Herleitungen über die behandelten Grundlagen der mit- einander zu verschmelzenden beiden modernen Theorien der Elektrizitätslehre. Verlag von B.G. Teubner in Leipzig und Berlin WISSENSCHAFT UND HYPOTHESE. Sammlung von Einzeldarstellungen aus dem Gesamtgebiet der Wissenschaften mit besonderer Berücksichtigung ihrer Grundlagen und Methoden, ihrer Endziele und Anwendungen. Die Sammlung will die in den verschiedenen Wissensgebieten durch rastlose Arbeit ge- wonnenen Erkenntnisse von umfassenden Gesichtspunkten aus im Zusammenhang mitein- ander betrachten. Die Wissenschaften werden in dem Bewußtsein ihres festen Besitzes, in ihren Voraussetzungen dargestellt, ihr pulsierendes Leben, ihr Haben, Können und Wollen aufgedeckt. Andererseits aber wird in erster Linie auck auf die durch die Schranken der Sinneswahrnehmung und der Erfahrung überhaupt bedingten Hypothesen hingewiesen. I. Band: Wissenschaft und Hypothese Von H. Poincare&, membre de l’Academie, in Paris. Autorisierte deutsche Ausgabe mit erläuternden Anmerkungen von L. und.F.Lindemann in München. 2.verb. Aufl. 8. 1906. Geb.n. .#.4.80. Dies Buch behandelt in den Hauptstücken: Zahl und Größe, den Raum, die Kraft, die Natur, die Mathematik, Geometrie, Mechanik und einige Kapitel der Physik. Zahlreiche An- merkungen des Herausgebers kommen dem allgemeinen Verständnis noch mehr entgegen und geben dem Leser wertvolle literarische Angaben zu weiterem Studium. . I. Band: Der Wert der Wissenschaft. Von H. Poincar&, membre de l’Academie, in Paris. Mit Genehmigung des Verfassers ins Deutsche übertragen von E. Weber. Mit Anmerkungen und Zusätzen vom /H. Weber, Professor in Straßburg i. E. Mit einem Bildnis des Verfassers. &;, 1906. Geb. n. M. 3.60. Der geistvolle Verfasser gibt einen Überblick über den heutigen Standpunkt der Wissen- schaft und über ihre allmähliche Entwicklung, wie sie sowohl bis jetzt vor sich gegangen ist, als wie er sich ihre zukünftigen Fortschritte denkt. Das Werk ist für den Gelehrten zweifellos von größtem Interesse, durch seine zahlreichen Beispiele und Erläuterungen wird es aber auch jedem modernen Gebildeten zugänglich gemacht. III. Band: Mythenbildung und Erkenntnis. Eine Abhandlung über die Grund- lagen der Philosophie. Von,G. F. Lipps. 8. 1907. Geb. n. M. 5.— Der Verfasser zeigt, daß erst durch die Widersprüche, die mit dem naiven, zur Mythenbildung führenden Verhalten unvermeidlich verknüpft sind, der Mensch auf die Tatsache aufmerksam wird, daß sein Denken die Quelle der Erkenntnis ist — er wird kritisch und gelangt zu der kritischen Welt- betrachtung. Die Entwicklung der kritischen Weltbetrachtung stellt die Geschichte der Philosophie dar. IV.Band: Die nichteuklidische Geometrie. Historisch-kritische Darstellung, ihrer Entwicklung. Von R.Bonola in Pavia. Autorisierte deutsche Ausgabe besorgt von Professor Dr. H.LiebmanninLeipzig. Mit 76 Figuren. 8. 1908. Geh.n. #.5.— In dervom Verfasser und Übersetzer erweitertn deutschen Ausgabe wird wohl nichtnur den Mathe- matikern ein Gefallen erwiesen, sondern vor allem auch den vielen, welche mit elementaren mathe- matischen Vorkenntnissen zAüsgestattet, Ziele und Methoden der nichteuklidischen Geometrie kennen lernen Wollen; Mau; gvird in der elementar gehaltenen und flüssigen Darstellung die Antwort auf viele Fragen Bydenzwoauderg nyr dem gründlich vorgebildeten Mathematiker zugängliche Quellen versagten. 2.58 ’ © User: re . . Q V. Bangdı:. Ebbe und Flut sowie verwandte Erscheinungen im Sonnensystem. Von G. H, Dawwimin Cambridge. Autorisierte deutsche Ausgabe nach der zweiten eng- lischen Aufdag& von; A. Pockels in Braunschweig. Mit cinem Einführungswort von G.v. Neumayer in Hamburg. Mit 43 Illustrationen. 8. 1902. Geb. n. M. 6.80. Nach..einer Übersicht über die Erscheinungen der Ebbe und Flut, der Seeschwankungen, der besonderen Flutphänomene sowie die Beobachtungsmethoden werden in sehr anschaulicher, durch Figuren erläuterter \\ eise die fluterzeugenden Kräfte, die Theorien der Gezeiten sowie die Herstellung ... „von Gezeitentafeln erklärt. Die folgenden Kapitel sind geophysikalischen und astronomischen Fragen, ‚ die nit der Einwirkung der Gezeitenkräfte auf die \Weltkörper zusammenhängen, gewidmet. VI. Band: Das Prinzip der Erhaltung der Fnergie. Von M. Planck in Berlin. Von der philosoph. Fakultät Göttingen preisgekr. 2. Aufl. 8. 1908. Geb. n. M.6.— In drei Abschnitten wird behandelt: die historische Entwicklung des Prinzips von seinen Ur- anfängen bis zu seiner allgemeinen Durchführung in den Arbeiten von Mayer, Joule, Helmholtz, Clausius, Thomson; die allgemeine Definition des Energiebegriffs, die Formulierung des Erhaltungs- prinzips nebst einer Übersicht und Kritik über die versuchten Beweise; schließlich die Darlegung, wie man durch Anwendung des Prinzips unabhängig von jeglichen Hypothesen über das Wesen der Naturkräfte zu einer einheitlichen Übersicht über die Gesetze der gesamten Erscheinungswelt gelangen kann. VII. Band: Grundlagen der Geometrie. Von D.Hilbert in Göttingen. 3. durch Zusätze und Literaturhinweise von neuem vermehrte und mit sieben Anhängen ver- sehene Auflage. 8. 1909. Geb. n. M. 6.— Diese Untersuchung ist ein Versuch, für die Geometrie ein vollständiges und möglichst einfaches System von Axiomen aufzustellen und aus demselben die wichtigsten geometrischen Sätze in der Weise abzuleiten, daß dabei die Bedeutung der verschiedenen Axiomgruppen und die Tragweite der aus den einzelnen Axiomen zu ziehenden Folgerungen klar zutage tritt. Weitere Bände befinden sich in Vorbereitung. an A EN RR, R aa} RER u" ART a a & RT r A . Ve aaa Er £ AR 2 ınAän x A ARARRAAANAR LE EEE, CU CCE EU ET (a XV, PER } A AN ARAMMMAMTTN I ANAANN Eee 2 3 f / A i % Y 3 / 54. A; v An Marsa AR ZaaA.. Sr NE? DENT ER mM wr Br u \ d rl TE PR : E er R a 4 F FE Ren Nr 2 A AAAMAR m aanAA Era Ä ER EREN a ’ en NER ES EN Mar. Br An N A, ; ana An Ä BO ER LLE. EL, RE ARE «<< A \ Ä Na A N ER aan NÄFN A [2 i CE c« Sa > u cu KOT EL ICELK KREHFE ei 2, „ j, SC at i P% r) 5: Sg c Bn Ge ce \ IKLAILrT IT: AAN AN: AN NAR - \ - u RAN AREA, IANR. am Aa IN /N Rr Ann. AARNNT SRANaN N I N A a) RN AN Aa IN A a) i An n BE A SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARI mm 3 9088 6 fe VIYT u MMO IDG U OU I) ONE ur BE, Id 2 I Merle >) 4 eg ee DD DR EDDIE ' ED) Fr IM DI ERDE 2ER DIS BIP. DIMD N INMPD Y EN Re PL Un A EN, VYujuy