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MITTHEILUNGEN

DES

INSTITUTES

IN ATHEN.

•Mit vierzehn Tafeln, viei* Beilagen und vieleit A.bbildun§ren im Xext.

ATHEN,

IN COMMISSION BEI K A R L 'WI LBE RG. 1885

Athen nruck von aEBRÜEDER PERRIS. Uiiiversitaets-Plat/.

Inlialt.

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DoEiiPFKLi), Di' P.opylüen der Alviopolis von Mlicii.

I. II. (Tat. II III \ I . . . . . ;5.s.iai » » Das cli()i'ai:;is(.*lio Moiiiiiin'iiL (Jcs Ni-

kias (Tal'. VII) . . . . . . . IW)

» )) h.'i' alle Allit'iia - Tein|M'l auf der

.\kro|)()lis zu Mlicii,

•nr.

» » Mi'li'()loji;isclu' Rt'ilriiue. \^ D;is ila-

lisclie Maass - System 280

F. DüEMMLER, Marmoi'statiie in !> 'iriit (Taf. I) . . 27 E. Fabiucius, Altertliiimor auf Krola. II. Die Idäische Zeusi;rolte (mit einer Heilage). III. Ar- chaische Inschriften (mit einer Bei-

la£?e) 59.92

» » Ein bemaltes Grah aus Tanagra . 158

» » Der Tempel des Apollon Chresterios bei

Aigai 272

ü. KoEHLER, Insclirift von Samos 32

Potamos. Ein Beitrag zur Geschichte und

Topographie der attischen Demen . Numismatische Beiträge. III Die soh)ni-

105

sehe Münzreform 151

» » Die choresische Inschrift des Nikias. . 231 » » Die attischen Grabsteine des fünften Jahr- hunderts. I (Taf. XIII \IV) .... 359 Fr. Koepp, Die Attische Ilygieia. Mit einem Excurs

(Taf. VIII IX) ." 255

B. Latischew, Die in Russland befindlichen griechischen

Inschriften. Zweiter Theil . . . . 113

E. Loewy, Künstlerinschrift aus Megara 145

H. G. LoLLiNG, Das Delphinion bei Oropos und der De

mos Psaphis

F. Marx, Bronzemünze von Elaia

» » Diosku renartige Gotlh.-iten (Taf. IV) » )) Marmorgruppe aus Sparta (Taf. VI)

350 21 81

177

»

))

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»

»

»

»

jV INHALT

P. J. Meier, L'eber das archaische Giebelrelief von der

Akropolis 1.11. III. (mit einer Beilage) 237.322 J. H. Müiü)TMA>N, Ueber einige vorderasiatische Gott- heiten 11

Inschriften aus dem Tschinili Kiösck. 15

Inschriften aus Syrien ..... 165

Zur Epigtapliik von Ryzikos III . . 200

Inschriften aus Varnn (Odessos) . . 313

A. NmrsKV, Zu C. I. .4. II 141. 57

» » Zu den delphischen Proxentnlisten. . 101

N. NovosADSKv, De inscriptione Lebadiae nnper invenla. 217

E. Petersen, Zum Erechtheion 1

W. M. Ramsav, Notes and Inscriptions frnm Asia Mi- nor IV-VII ........ 334

Tu. Sciiiu.ir.EK. Alcxaiidrinische Sculptiii'cn in Athen

(T.if. \ XI XII) 380

LiDw. V. SvHEL, Askh'pins und Alkon 97

G. WEiiEK, Akdsche - Kajti. Eine unbekannle Felsburg

bei Sinyina (mit einer Beilage). . . . 212

MISCELLEN

St. ApAror.MHi:, "Tafono; 172

E. Fabricius, Zur Idäischen Zeusgrotte 280

Ap. Fontrier, Inseription d'AYdin 278

» » 'E'fcatax.fj £;ciypa-jT) 401

U. KOEHLER, Wäsclier und Waschfrauen in Atlien 77

» » Bialpliabete Inschrift in Athen 281

» » Grabsteine und - Denlcmäler 402

Fr. Koepp, TerracüUagruppe aus Tanagra 173

B. Latischew, C. I. A II 60^) 76

H. G. LOLLING, Maralhonische Inschriften . 279

» » Inschriften in Chalkis 282

» » Inschriften aus Sykamino und Limogardi .... 283

J. H. MoRDTMANN, Nachträge zu i^.200 fg. (Zur Epigraphik von Kyzikos) 402

11 EP. r. Zkp.ventis, 'ETT'.yoaaai s'y. 'Po'oou (i;uv£)(^£ta) 73

Lilteratur un<l FuiHh' 78.174.285.406

Sitzuiigs|)rol(tcolle 175

Ernennungen 176

Zum trechUieion V

Ohne Noth hat man den \ ielhesprochencn ^ Bau, welcher der v£w? £v CO To äp^aiov öcyaXij.a genannt wird, complicierter gemacht als er gewesen. Rücken an Rücken enthielt er zwei iinnefähr quadrate Räume, einen östlichen mit östlicher Vor- halle, prostyl, sechssäuh'g, der xpdaTX'Ti; xpö; eco ; einen um 9 Fuss tiefer gelegenen westlichen mit westlichem Vorraum, der aher nicht eine offene Halle war sondern durch eine Mauer, den TO"t;(oc 7üp6; tou Oav^po'jeio'j der Bauurkurde, ge- schlossen^. Obgleich diese Westfront, im oberen Theil mit vier Halbsäulen zwischen zwei Anten geziert, der Ostfront in der Erscheinung sich annähert, bleibt doch ein Unterschied, welchen Pausanias zum Ausdruck bringen zu wollen scheint, indem er das eine ol'/.'/^|7.a, nennt, das andre va-o;"^. Dass die- ser, welchen der Perieget erst nach jenem besucht, eben die

^ Michaelis, welcher diese Zeilen vor dem Druck gelesen, theilt mir mit, dass er die Zweistöckigkeit des Baus schon nach Borrmanns Unlersuchun- gen aufgegeben habe, an Pausanias. Einlritt durch die Südhalle fest halten müsse.

2 S. bei Borrmann in diesen Mittheilungen II, 373, 1. Rangabis Aufsatz ebenda VII S. 258 u. 321 darf als ein älterer angesehen werden. Murrays Meinung Journal of hell, sludies I 224 (mit dem Borrmann S. 378 überein- stimmt) und Fergussons Erwiderung ebenda II, 83 kommen hier nicht in Betracht.

3 Die Geschlossenheit war allerdings weit geringer wenn Borrmanns S.387 mit seiner sehr ansprechenden Vermuthung, dass ursprünglich nur Gitter- werk zwischen diesen Säulen vorhanden war. Recht hatte.

^ Aus der Zusammenstellung Schubarts im Philologus 15, 38511". ergiebt sich zunächst ein bewusster Gegensatz zwischen o(y.r^\j.x und vao';. \\ 6, 22. 8 oiy-rffiat« zkz'.TZZTO öXiya xal 'AX^eta^a? 'Apxe'fx'So; ayaXjxa £v vao, ; ähnlich ö, 21, 1 und 2, 13, 8, desgleichen zwischen dem synonymen ol/.oooar,[ia uud vaö? 7, 15, 10 oj'te ispa . . . oj'xi o'./.ooo[jLr;[j.aTa. Dass an dieser Unterscheidung

MITTH. D. ARGH. INST. X. 1

2 ZUM ERECHTHEION

prostyle Osthälfte ist, hat Michaelis aus der Inschrift erwie- sen, welche, wie sie die einzelnen Säulen der Osthalle von einem seitlich gelegenen Altar (dem der Dione) aus bestimmt, so von allen zusammen als rtöv /.axa tov ßwaöv (Jahn-Michae- lis Pausaniae arc. Ath. descr. tit. 20 c 1 35 u. ß4) oder twv r,y.fy. töv ßcoy.öv (c II 48) spricht. Denn 6 ßcojv.o? ohne nähere Bestimmung muss der Altar der Atliena sein, so gut wie to ayyAaa (to äp^aTov) tit. IV), 1 und I 75 ihr Bild bezeichnet ^ In der That ist nun auch der Westbau vermöge jener Ge- schlossenheit des Vorraums ein SittT^oOv oi/f/ij^-a, wie Pausanias nachträglich da angiebt, wo er aus dem einen in das andre Gemach tritt. Auch sonst bezeichnet er, wie Schubart Philo- log. 15, 394 f. nachgewiesen, zwei neben oder hinterein- ander gelegene Räume in dieser Weise. Dass er mit diesem Ausdruck hier allein etwas anderes bezeichne, nämlich zwei übereinander gelegene Räume: diese Ansicht hat, wie Julius und Borrmann gezeigt, um mich nicht auf die eigenen Augen zu berufen, an den erhaltenen Theilen des Baus keinen An- halt; die von Michaelis versuchte Durchführuno; ist unan- nehmbar und eben mit dem Text des Pausanias unvereinbar^. Denn die Altäre, welche Michaelis, im Gegensatz zu demje- nigen des Zeus Hypatos -pö tvi; e^toSou, drinnen aufführt i<;z)M\)(j<. Ss v.Gi ßwaoi lloi^siSaivo? u.s.w. hat eine vorurtheilslose

in erster Linie die Bestimmung der Gebäude betheiligt sei, ergiebt sich daraus, dass zwar ausser profanen Bauten auch geweihte sich unter den ol- ■/.7][jLa genannten linden, aber wem, geweiht"? Adonis, Tyche, dieselbe und der äyaOo; oa;[j.wv, das Skcptron Agamemnons, Dioskuren, Amphiaraos und Asklepius, nach andern aber Prometheus, endlich Ilypnos sind denn doch Dämonen eigener Art; ^ der einzige Apoll Karncios ist mit Hypnos verbun- den. Demgemäss wird aber auch die Form der Gebäude kaum tempelartig gewesen sein. Allerdings 2, 10, 2 wird wohl vgl. 2, 11, 8 ev ttj cioa rich- tig von dem Bau selbst verstanden.

' Michaelis in diesen Mittheilungen II, 18. Borrmanns (S. 390) Bedenken scheinen mir unbegründet.

- Es scheint doch auch was Pausanias 3, 15, 10 sagt vaöv ol tov oTSa (xdvo) Toj-o /.a'i jTcspwov a)Xo £;rw/.o5o'[xriTa'. Mop-jou; Upöv jener x\nnahme entgegen zu stehen: denn was er hier alt einzig hervorhebt ist nicht ein updv über dem andern sondern ein ii;:£pwov im vad?, trotz der Unterscheidung von olV.Tjpia.

ZUM ERECHTHEION 3

Auslegung in dem zunäclistbetretenen Ilauni, d. i. auch nach Michaelis das westliche Vorgemach, ich will es mit ihm Pro- stomiaion nennen, zu suchen; eine Treppe hoch im Ober- stock, selbst wenn es einen solchen gegeben hätte, würde man wenigstens einen Altar des Poseidon-Ereclitheus überhaupt kaum glaubhaft finden können. Wie sonderbar wäre über- dies, wenn Fausanias, dessen Worte Michaelis weiterhin für lückenhaft erklärt und mit /.y.TocSalci ergänzend also schreiben will /.axaSocGi Ss (S'.-T^o'jv yxp l'jTt to ol'x-/i[xa) xat uStop e^jTiv i'v- Sov Baly.'TTiov u. s. w-, auf die Zweistöckigkeit des Baus nicht beim Hinaufsteigen sondern erst beim Wieder-Ilinabsteigen aufmerksam machte. Das doppelte x.ai ist unverdächtig. Grade Pausanias liebt im Anfang eines Satzes diese doppelte An- knüpfung, des ganzen Satzes mit ' und', des hervorgehobenen Begriffs mit 'auch', der Art dass diese beiden >tai durch ein Wort getrennt werden wie 3, 14, 7 xai jy^oi x.at toOto «.TCo^paivei Tov ).6yQv etx-OTa, 3, 22, 12 xai ti /.ai jxxvrsuj^.a r,v, 1, 1, 2 y,at vew; zai e? iu.s okoi r;«7av ^ Statt dieses augenscheinlich nur der Trennung zweier gleichlautender Wörter wegen dazwischen geschobenen Sätztheils hat Pausanias an jener Stelle die das folgende i'vSov, welches bei Michaelis nicht recht verständlich ist, erklärende Bemerkung eingefügt.

Also die Altäre des Poseidon-Erechtheus, Butes, Hephai- stos im Prostomiaion, Salzwasserbrunnen und Dreizackmal im zweiten inneren Gemach, der eigentlichen Cella des in sei- nem Element anwesenden Gott-Heros. Wie auch immer die widersprechenden Aussagen von Borrmann, Julius, Michae- lis, Bötticher, Tetaz und der Protokolle der athenischen Com- mission über die Oeffnung im Boden der Nordhalle sich mit- einander abfinden werden, dass Pausanias, oder sein Gewährs- mann Brunnen und Mal im zweiten Gemach sah oder zu se- hen glaubte wird man zugeben müssen, dass beides im Hei-

■• AndrB Beispiele 1, 5, 3 xal ot) ym 14, 5 ebenso, dasselbe im Satz 1, 23, 8 43 fl)i., ferner 44, 9 xai acpiat 7.a,( 28, 5 y.a.i [loi /.xl i, 31, 2 xa\ saTi xal £s £[A£ 43, 3 y.at Ol /.a'i aXXa u. s. w.

4 ZUM ERECHTHEION

ligthum mehr als draussen am Platz sei, schwerlich leugnen. Den Namen Prostomiaion für das Vorgemach hat Michaelis theils mit einer Stelle der Bauurkunde, theils mit einer Aus- leoung jenes Namens zu begründen versucht. Das Resultat scheint mir, wie gesagt, richtig, aber die Begründung im er- sten Theil zu ergänzen im zweiten zu berichtigen. Zunächst das l.etztere. Michaelis, cxö^aioc als ostia fauces fassend, erklärt es als ' Thürenvorplatz ' : wegen der ungewöhnlich vielen, nach ihm fünf, vielleicht sechs (S. 29j, Ausgänge. Bleiben von diesen nach Beseitigung der Zweistöckigkeit auch nur vier übrig, so ist die Zahl allerdings immer noch gross. Lag denn aber dieser Raum vor den Thüren? Freilich vor der einen ins innere (i'vSov) führenden, aber doch hinter den drei Eingängen von den zwei Prostaseis und vom Pandroseion her. Denn das 'vor' (und 'hinter') so gut wie 'innen' und ' aussen ' steht fest, kann nicht je nach der Richtung des Ein- oder Aus-gehenden wechseln. Als Vorplatz vor der einen Eingangsthür wird man das F^rostomiaion nicht passend be- nannt linden, vielleicht doch auch wegen der nicht gewöhn- lichen Verwendung von ct6[j.'.ov, wohl aber als Gemach, ol- /tr,[Aa möchte ich mit Michaelis S. 29 ergänzen, vor dem Sto- mion, der Mimdiing des Salzwasserbrunnens, dieses Wun- ders, das die Hauptsache, die von Pausanias einzig namhaft geraachte, des inneren Raumes war. Grade für wunderbare, geheiligte Erdöffnungen wird o-6'uov bekanntlich gebraucht, so für den Orakelschlund in Delphi Aischylos Cho. 790 und Strabo 9,419 das ä'vToov . . . oO u.xky. sOp'JaTOjj.ov . . . Ü7i:£p-/,£"i(j6ai Sk TO'j ciToiJ.io'j xpiTToSa u. s. w., dem verwandt wohl das gto- [urri in Olympia mit Altar der Themis daneben, bei Paus. 5, 1 i, 8, der Allarordnung gemäss in bedeutungsvoller Nach- barscbaft zwischen Altären der Ge (einst Orakel) und des Zeus Kataibates genannt. Aristoteles Kosm. 4 statuiert wie Was- ser- und Feuer- so auch Windquellen der Erde, ofj.oiw? Se y.y.i 7wV£ui7-7.T0)v Two'XXöc 77oVAa/oO yr,? cToy.ix ävswx.xai, unter denen er die Orakelschlünde von Del|)hi und Lebadea aufzäblt. Dann heissen auch von Menschenhand gemachte in die Erde füh-

ZUM ERECHTHEION 5

rende Oi^ffminuen GT6[X'.a, so des Txcpo; der Antigone, eines Bergwerks l><)Iyb. 1(5, 11, i, der arabischen Cislernen Diod. 19, 04. Mit SieluM'licil darf man hcliaiipten dass (Mn ' Pnisto- miaion ' in d(M' Itnüchiing dos wunderbaren oclro. in welchem man bei Sddwind VVeilenranschen zu vernehmen glanble, von diesem her seinen Namen empfangen liat ; aber man könnte meinen das Wort miisse etwas vor dem Stomion Be- legenes, nicht das vor dem Gemach, in welchem das Stomion sich befand, belegene Vorgemach bezeichnen. Eine solche Meinung verträgt sicli jedoch kaum mit dem einzigen Zeug- niss, welches uns den Namen des Prostomiaion überliefert. Das führt mich auf den ersten Theil der Begründung von Mi- chaelis, den ich zu ergänzen verhiess.

An der von Michaelis a. 0. S. 28, von Borrmann S. 390 be- sprochenen Stelle der Baunrkunde (Michaelis tit.\S)\ GOff.) wer- den nach dem inneren toi/o; nacheinander aufgeführt Theile ToO £v TCO -porTTOiy.iaiw, Tvi? rapaaTXf^o?, toO Trpoi; Twyy.^jv.y.To;. Michaelis und Borrmann sind einig, dass zu toO beide Male TOiyo'j zu ergänzen, aber den -roiyo? tvco? -rwyy.'Xy.aTo; versteht jener von der Scheidewand zwischen Erechtheion und Polias- tempel, als vor welcher gegen Osten gekehrt das Bild stand, dieser die Thürwand dem Bild gegenüber. Das letztere möchte dem eigentlichen Sinn von Trpo; mit Genetiv wohl am mei- sten entsprechen. Da Trpö? so aber üuch mit gesichtslosen Dingen verbunden wird, wie in derselben Urkunde 77pö; toO ß(o;7.o'j, und gleichbedeutend -pö; votov neben -poc vöto-j sich findet, so scheint mir jedesfalls die dem Bild nächste d. i. ohne Zweifel die hinter demselben befindliche Wand gemeint, um so mehr als dem Bild gegenüber die Thür gelegen sein musstc, und die Thürwand eben die Parastas sein muss. Parastas für eine 'Bildnische' gesagt ist so viel ich sehe nicht nachgewiesen. In guier Zeit, in Originalstellen bedeutet das Wort den zur Seite der Thür vortretenden Wandvor- sprung, deren zwei mit der Thürwand die Vorhalle bilden. Es brauchen nicht Misverständnisse der Grammatiker, die das Wort in den Schoben zu Eur. Androm. 1089 und P/wen. 418

ZUM EREGHTHEION

richtis; erklären, zu sein wenn dann TrapaaTcc; auch im Sin- gular dem ganzen xpoO'jpov gleichgesetzt wird, wie bei Hesy- chius unter cplix, oder bei anderen Grammatikern (s. Boetti- cher Tektonik I-, 198, 4) ^apacxi; mit GTaejj.o? erklärt wird, obgleich damit der Name von dem VVandvorsprung auf die Thürwand oder einen Theil derselben übergegangen ist. Pa- rastaden in jenem ersten Sinne hat der prostyle Poliastempel nicht; wohl aber nennt das inschriftliche Inventar Michaelis tu. 23 und 24 Corp. inscr. alt. II, 2, 733 und 735 Gegen- stände im oLpiouoc, v£co? zuerst'ausserhalb der Thür an der Pa- rastas, dann hinter d. h. wohl noch in der Thür, dann innen rechts und links vom Eingang an der Parastas.Was kann die Parastas hier anders sein als die Thürwand des Poliastem- pels? Diese werden wir auch in jener anderen Urkunde ver- stehen, wenn nicht ihre Aussenseite so ihre Innenseite.

Damit ist nun auch der zol-^oq T^po? Tcoya'Xjj-aTo? fixiert und endlich auch der im Prostomiaion, welcher in diesem Zusam- menhang nicht wohl eine Balustrade vor dem Stomion, son- dern nur ein Theil des Baus sein kann. Ob man aus den Be- nennungen des -zoiyoc; schliessen darf, auf welcher Seite die unfertigen Theile sich befanden? Es scheint natürlich, dass es bei dem letzteren, der Parastas an der westlichen, bei dem ersteren, dem t. izpoq -rcöy. dagegen an der östlichen Mauer- seite war. Warum aber werden die drei Quer-Wände nicht von Ost nach West oder umgekehrt aufgeführt sondern erst die westliche, dann die östliche, drittens die mittlere? Die Auf- zählung wird dem Gange derJBesichtigung folgen. Diese aber konnte, wenn sie mit der, wie es scheint, grössten Zahl im Prostomiaion anfangen wollte, danach nur erst an die vor- dere, hernach an die hintere Wand in der Poliascella gelan- gen, wenn keine Verbindungsthür aus dem Erechtheion in jene führte. Solche wurde früher allerdings angenommen ^

< Auch Bornnanii S. 385 doch nur leichthin veiMnulhcnd. Ich kann nicht glauben, rlass die mehreren /XtixaxfSe? der Inschriften hei Michaelis 16, 3 17 a 22 26 35 f. b\ wirkliche Treppen sind.

ZUM ERECHTHEION 7

Michaelis hat sie aufoe<i;eben, wie mir scheint mit gutem Grund. Denn die sowohl nördlich als auch siidlidi aussen am Tempel durch die Trei)})en und beiden Prostasen, die nördliche Tupö? tou O'jpcoy.aro; die südliche Trpo? tö» Ksy-poTüiw geschaffenen Verbindungen zwischen dem Poliastempel und dem Erechlheion, bez. Pandroseion schliessen eine Verbin- dung innen, wie mir scheint aus, wie ja auch zwischen He- katompedos und Parthenon, nach Üssing-Dörpfelds Benen- nung, keine Verbindungsthüren vorhanden Avaren ^

Konnte man nun durch die nördliche so gut wie durch die südliche l*rostasis in das Prostomiaion^ einen ''Vorplatz",aber nicht einen 'Corridor' zwischen jenen beiden Prostaseis, der keinen Sinn gehabt hätte, gelangen, so Trage auch ich noch einmal, welchen Zugang wählte Pausanias? Der Grund wel- chen Michaelis S. 19 für den Eintritt durch die Südhalle an- führt, ist hinfällig. Auf Pausanias' 'pedantische Weise' könnte man sich berufen, wenn es sich darum handelte, ob er von Osten oder durch eine der Seitenhallen eintrat. Da je- nes aber auch für Michaelis ausgeschlossen ist, und nicht einmal gewiss ist, ob das letztgenannte Monument, die Athena des Endoios nord - oder süd- östlich vom Poliastempel stand, und nur das Eine feststeht, dass Pausanias nicht von Ost nach West vorgehend Poliastempel, Erechtheion, Pandroseion besucht nnd beschrieben, sondern mit dem in der Mitte lie- genden Erechtheion begonnen hat, so ist es für die pedanti- sche Regelmässigkeit in der That gleichgiltig, ob er nördlich oder südlich den Poliastempel umgehend ins Erechtheion trat. Eine Entscheidung muss andre Gründe haben oder un- terbleiben.

Pausanias erwähnt Tzpo ttiq elnö^o^j einen Altar des Zeus Hypatos: er erkennt also nur einen Eingang an, und verglei- chen wir die drei vorhandenen Einoäno;e, so müssen wir zu- geben, dass von ihnen einer, der nördliche, in der That derar- tig ausgezeichnet ist schon durch die breite Treppe nördlich

< S. in diesen Mittheilungen VI 285 tf. (verdruckt 385).

8 ZUM EBECHTHEION

vom Poliastempel, sodann durcli die o;rosse Prostasis^ endlich durch das Oupo)[y-a, dass er jedenfalls dei- Haupteingang ge- nannt werden muss,jaer ist der einzige der als der Eingang eines Heiligthums charakterisiert ist. Es ist durchaus natiir- lich, dass wenn Pausanias Grund halte das Erechtheion vor dem Poliastempel zu hesuchen und vielleicht genügte ihm, oder seiner mehr systematischen Quelle die Absicht, die Po- lias und ihren Tempel von dem Pandroseion und dem Oel- baum nicht zu trennen er durch den Haupteingang eintrat. Weiter entspricht es jenen Worten des Pausanias nicht ge- nau, wenn Michaelis S. 19 den Altar des Zeus irgendwo aus- sen in dem Peribolos südlich von dem Gesammtbau sucht. Die i'ToSo; der Korenhalle ist nicht die egoSo? des olV/i[xa,: viel- mehr wenn vor der eio;entlichen '(ao^oc, ein Vorbau wie die TrpocTaci; sich befand, werden wir die Worte genau nehmend, den Altar in der Prostasis suchend Von einem Altar in der südlichen Prostasis haben wir weder Lieberlieferuns; noch eine Spur; in der nördlichen stand laut den Urkunden (Michaelis tüAd I 77 II 95 20,61) der ßcop?(ToO) Oori/oO, nicht nach einem Gott sondern nach dem Opferer benannt. Dieser Name be- zeugt aber, wie schon Thiersch Epikrisis S. 418 sah, ohne, durch Vorurtheil befangen wie er war, den nöthigen Schluss daraus zu ziehen, ^ lür den Opferbrauch dieses Altars das-

< Bei Gräbern z. B. die aussen vor dem Tempel liegen, sagt Pausanias 7ip6 TO'j vaoj 2, 21, 3 Vgl. 22, 1, oder loü vaojH'[x:T:poaOcv. Wo er unmillclljar naclieinander vor dem Eingang und (hinter demselben d. h.) drinnen etwas angiebt wie beim Erechtheion oder 2, 10, 2 s? Ss 'AaxXrjjTtcTov eaioüai xaO' Ixatspov T^; sao'oou i^ [ilv Ilavö; xa6Tf[i.£vov eaitv ol-^oCKij.«. zfi Ss "ApiE[i.i? E'^ziqy.tv, lasXOoClot 6 6£Ö; scheint mir die Thür selbst, die nach 5, 10, 9 ja auch im Pronaos sein kann, verstanden werden zu müssen. So nennt denn P. 2. 11, 8 erst die a£To\ dann etwas in der atoa, danach die s'aooo?; ebenso 2, 17, 3 erst den Schmuck von Giebeln und Metopen, dann die ollenbar in der Sloa stehenden Bildnisse -pö t% lao'oou um dann in den 7:povaos einzutreten. Die Thür einer Grotte heisst laoSo; 1, 32 fin., eines Tempels 2, 10, 'i, und deut- lich ist namentlich 2, 21, 4 np6 t% eao'oou (lou Upoü) L';iep twv Oupwv.

2 Durch Michaelis aufmerksam gemacht finde ich, dass auch Bursian im Litlerar. Cenlralblatl 1879 S. 620 und sogar in der Griech. Geogr. 1, 317

ZUM ERECHTHEION 9

selbe was Paiisanias für denjem\i?en des Zeus Hypatos über- liefert evOx ä'y.'l'jyov O'jO'joriv o-jf^sv, -s'y.aaxy. Hl Osvte: oÖ^sv eti * ol'v(j> ipy)cx<yf)y.\. vo[xi?^o'j'7iv. Denn (lass die ()pfert>alic'n, von wel- chen der Oj7;/ö? d. i. Ojt^x.oo; seinen Namen hat, auch Trey.y.y.Ta heissen können zeigt die Anm. 1 angeführte Stelle des Pau- sanias 5, 15, G und Hcsychios unter Oow . . . i'vioi tö. äooiaa-ra.

Pausanias, der auch S, 2, 3 sicli des Zeus Hypatos und seines Altars und Opferbrauches erinnert, und hier Kekrops als Stifter nennt, erwähnt 1, 24, 4 noch einen anderen Altar des Zeus, nämlich des Polieus. So wenig also der vorm Ein- gang ins Erechtheion gelegene Altar des Zeus Hypatos mit demjenigen des Zeus Herkeios, welchen Pausanias allerdings nicht erwähnt, der aber unter dem Oelbaum im Pandroseion stand, zu welchem der Perieget erst 27, 2 gelangt, identisch sein kann, so wenig mit demjenigen des Zeus Polieus. Dies auch darum nicht, weil zwar auch auf diesem Altar nach der Cultuslegende der Dipolia (s. die Zeugnisse bei Jahn-Michae- lis zu Paus. 1, 24, i) ursprünglich nur xyvx O'jy.axa darge- bracht waren, gleichfalls Trslavo; (und O'Ar^fxaTa) nach den meisten und besten Zeugen benannt, aber seit alten Zeiten, nach Pausanias 1, 28, 10 seit König Erechtheus auch ein Stier geopfert wurde. Der Ritus war also nach der Tradition auf dem einen Altar der ursprüngliche geblieben, auf dem andern abgeändert; beide aber standen mit dem Götterstreit in Ver- bindung: bei dem Bild und Altar des Polieus stand das Bild- werk xb 9'jtÖv t-?;? ily.iy.q 'AOviva x.ai ySju.y. xvacpaivwv IIotsiSwv,

den Altar des Ojtj/o; su erklärt, und die nördliche Tliür für den llauplcingang und darum für Pausanias Eingang nimmt.

* Ich sehe nicht ein warum ojosv ät- ändern: "sie legen Kuchen auf. ohne noch Wein dazuzuthun'. Denn sonst ptlegte man allerdings auf die Kuchen noch eine nüssige Spende zu giessen. Pausanias 5, 15, b Xi6avwTou yap 6[A0j jtupoc; (j.£[i.ay[j.='voi; u-ikiTi [xc[jLaY[i.c'vot; (so wird aus Weihrauch ein

7C£u.[ia) öufxiwtriv ini töv ßwjiüiv nOsaa-. 31 xal x).wvas sXata; eti' a'jTwv za; oi'vco /pövTai (j;^ovo^ und 8, 42, 5 eOuaa (ein Opferthier) . . ojoe'v, oj a-o twv ös'vSpcüv . . . y.ai [j.eX'.txwv t; -/.ripioi . . . xidixiiv ik'. xov ßojjiöv (iV/.o5o[i.r)[ji£'vov -qq

10 ZUM ERECHTHEION

der Altar des Hypatos vorm Eingang ins Erechtheion muss in nächster Nähe der Götterzeichen selbst gestanden haben. Dass der Platz, welchen Michaelis dem Altar des Hypatos gegeben hat. zu dieser Verbindung schlechter passt als der ß(i>{xö; TO'j 6'jrr/^o'3 vor der doppelten Thür, deren eine zur 6i- y.'xn'sx, die andere zur i\yJ.x führte, ist klar. Einen Priester des Zeus Hypatos werden wir nun nicht mehr vermissen wie A. Mommsen, welcher in der Heortologie S- 450** die Frage aufwarf, ob es nicht derselbe gewesen sei wie der des Polieus: im Theater sind im mittleren Cuneus zur Seite des Dionysos- priesters dem Priester des Zeus Polieus und dem Thyechoos bei einander die Plätze ans'ewiesen. Ob die Rasur über dem

ö

0YHXOOY etwa die mögliche andere Bezeichnung des

c c

Priesters des Zeus Hypatos beseitigt hat, weiss ich nicht. Prag.

E. PETERSEN.

üeber einige vorderasiatische Gottheilen.

1. "Ocrio? /.y-l Si/caio?. '^ Der rieih'ij;e und Gerechte" scheint sich nur in Phrygien und an seinen Grenzen zu fin- den : C. I G. 3.V.)4 (Alexandria Troas): 'Otuo y.y.i ^'./.aio) ne- ben zwei ausgestreckten Händen; ganz ähnhcli C. I. ^\ 6845

( " Tergesti in niuseo pubhco'' )

Ao'jx,'/^epa.

^ hoc loco duae manus sublatae '

Onioi -/.yj. Si/.aio)

Arch. epigr. Mitth. ausOesterr. VII 177 (aus Eskisehehr); M, A'jp. TiT'.avo; NjTTwp oTrsp aa'jToO /.£ töv (oicov tt^vtcov ütüeo üyta? /.ai TOT'/ipia; 'Ocricp /,£ A'/z-ecp eü^^'/iv ; Mitth. d. arch. Inst. VII 137 (aus Seidiler): 'Ofriw />ai Aix.-/;w uTrep tto.vtwv »rcoTr,- pia; ZojTi . . ; sUpeu?, Osco or.pyr,yizr,, i\jyr,v.

Die beiden letzten Inschriften zeigen, dass die Händepaare, welche C. I. G. 359 i und 6845 auf dem Steine abgebildet sind, nicht gerade, ' certum quoddam execrationis genus' zu bezeichnen brauchen, wie C. l. G. III S. 1051 angenommen wird; ebensowenig deutet der Name des Gottes daraufhin, dass er als Ilächer eines Todten angerufen wird.

Statt "O'jio; y.y.1 Ai/.aio; kommt auch "Ogio; allein vor : C. I. G. 4117 mit folgendem Lemma " in vico Togray (Belso Hatden- gry) ad sepulcrum, ed. Gruler p. MLXXVI 1 1 ex schedis Busbe- quianis, exlat etiam in schedis Belsi in quibiis additur appicta arula" :

ABIBA CAPIC

T UU N O C Y n

e P T UU O A I UU

N o c e I UU e Y

X H N

\2 UEBER EINIGE VORDERASIATISCHE GOTTHEITEN

1. 'A^i^a? 'ApiGTuvo; 6~£p t(ö[v eijf^twv 'Oasito £'jj(^7iv (von Franz nicht sehr glücklich behandelt).

Mou-reiov -/.«i ßig\. t- sOayy. ^^x- 1878 S. 53 N" 124 (aus [] s c h a k) : 'AyaOvi Tuy Y| A'jo . M-^vocpiXo? KoHy-nc IOtix-ev 'Oaiw sü- [;^-;;]v.Die Beschreibung der dazu gehörigen bildlichen Darstel- lung s. Mitth. VI S. 139 fo. ; darnach ist auf dem Steine "durch vier von seinem Haupte emporragende Strahlen ge- nügend charakterisirt, Helios, der ein im Galopp dahinspren- gendes Viergespann lenkt" dargestellt; vgl. hierzu ©sw Si- •/cai(p MiOpz aus Kilisse Hissar = Tyana bei Rizo Kaz/caSo- Ki/ca 113.

Ebenfalls nach Lydien gehört Moug. •/.. ßX.i880, 169 t.xy' (aus Golde bei Kula) : ösw 'Oaiw xai Ar/.aio) 'Epix-^? 'Hrpai'JTiw-

Merkwürdig ist das Vorkommen der Mehrzahl Oeoi öcioi xoci. St-/.aioi C. /. G. 3830. Diese Inschrift fand Fellows (S. 137) im Thale des Pursak Tschai (Thymbres) zwischen In Oenü und Kiutahja (Cotyaeum), später gelangte das Denkmal ins hiesige Museum, wo Dethier ( Epigr. von Byzantion 90) und Dumont die Inschrift, allerdings nicht viel besser als der erste Herausgeber entzifferten. Es ist eine Art Altar, welcher auf seinen vier Seiten folgende Darstellungen trägt:

1. Vorderseite: Reiter nach r.; die Rechte, welche eine Doppelaxt hält, holt nach hinten aus.

2. Rechte Schmalseite: Weibliche Figur stehend cn face, in d. R. eine Waage haltend; um die Figur zwei Guirlan- den, von denen Epheublätter herabhängen-

3. Hinterseite; Rechts stehende weibliche Gestalt mit Füll- horn; l. ein grosser Krater, darunter Traube mit Blättern und Stengel.

4. Linke Schmalseite : Männliche^stehende Figur; rechts ein Baumstamm, um den sich eine Schlange windet ^

' Hiernach ist die Beschreit)ung Dumonts zu t)erichtigen; namentlich hebe ich hervor, dass der I^ciler auf der Vorderseite durchaus nicht doppel- köpfig ist ( " t7 a un double visagc, ilont iun regarde ä droite devant lui et

UEBER EINIGE VORDERASIATISCHE GOTTHEITEN 13

Die Inschrift aurdcr Vorderseile lautet nach einem Ahklatsch:

ArAGHTYXHOEOIEOEIOICKAlA

KAI0ICHP04)IÄ ÜAnAEYXHN

AyaO-/] 'i\>yri Oeol,; öatot; x.at S[i]/caioi; 'Hp6''^i"X[o;] Ilaxa. eüj^yjv. Auf der 1. Schmalseite;

ACKÄACKAIACKÄHnA OlACKAHnAÄÄTYnOI KOYPNAITH N O I

'AiJt'Xa? xcLi 'A(j-/Ayi7T:a[?] ol 'Atx.XyitvX Xaru-oi KoupvaiT'/ivoi.

2. AEI. Diese Schreibung für Au hat v. Domaszevvski 14 (Kurschumlu) AeiBPONTUUNTI, ebenso in N" 33 (Al- piköi) beidemal nach Abklatsch; ebenso wird auf einem Vo- tivallar in der Sammlung des Smyrnäer Museums (vgl. Mouc. xai ßigX. 1875 S. 75 N" 39) gelesen AsT Sü)T'?ipi. C. l. G. 3817: A7ij;-a; '/.ai Tiioq Oxsp ßowv tSicov riaxia ALI StoTvipi (so Kin- neir; Leake: AI - - I); auf dem Stein steht gewiss AEI \a, während dies C. I. G. 3822 Z. 3, wo Kinneir AH gibt, nicht so sicher ist; C. 1. G. 4135 " ante Ogur [alibi OgiU) '' aus den Papieren des Belsus: Hoöao? Nava, Oxerp] t[(ö]v tSkov 7:x[v-:]wv y.(ai) T-^? xco^ATi; ÄETBPONTUUNTI eüj^yjv ; auch hier ist ÄET für AEI verlesen.

Ausserhalb Phrygiens scheint sich diese Form nicht weiter zu finden.

l'autre derriere"'' ), trotzdem annh D(5thier dies behauptet; Ati?, ohjei mhoü' naissable qui ressemble ä un caducec, dunt l'exlreniilc superieure, au Heu d'e- tre dicoupee et ä Jour, serait massive ! ist so deutlich wie möglich eine Ama- zonenaxt. Ebenso unrichtig ist die ISeschreibung der 1. Schmalseite, bei D. deuxieme face. IJcsscr schon (h'r vuii Öalonion lleinach angefertigte Calalo- gue du musie Imperial N" 27Ü.

14 UEBER EINIGE VORDERASIATISCHE GOTTHEITEN

3. In Eskischelir fand Hr. v. Domaszewski folgende In- schrift (N" 23):

MMTPIOE^NKPA .OCMEFAAOY

Aio(pxvYi; T£ipL[e]ou [so zu lesen] üizi[^ t]s eauTOo /.al twv iSi[(ov

TTXVTCOV S'J^Ylv].

Z. 1 fg. liest der Herausgeber: Mvirpl Oeöv '/.px[T]o{u)<; f^^syä- >.o'j. aber eine solche Ausdrucksvveise wäre doch sehr unaje- wohnlich. Ich glaube, dass dieselbe "Mutter" auch C. I G. 4121 —aus Bukaraler erwähnt wird : 'AyaÖ^ Tiij^vi EFOICO K n M H T A [I] u-tp sauTcov >c(ai) töv xapTraiv MHTPIKPANO MErAAHNH euyYjv u. s. w. Darnach ist wohl auch in un- serer Inschrift Z. 2 z. A. der fehlende Buchstabe ein N gewe- sen und KP A N O CM Er A AO Y als Ortsname zu fassen; aber allerdings ist bei dieser Deutung METAAGY st. M E- r A A H C auffällig; auf einer thrakischen Inschrift findet sich j(_(opiov N'/}T0'j[xeyxX7]; utzq Na>coXiav.

Pera.

J. H. MORDTMANN.

Inschriften aus dem Tschinili Kiösek.

1. Grabstele mit Giebelkrönung; im Giebelfeld der sog. Thrakische Reiter n, r., darunter: männliche Büste en face, daneben Gladiator n. 1. mit 'riuirsehild und kurzem Dolche (in der L.) bewaffnet^ Roinach Catalogue N" 234. Darunter folgende Inschrift, welche [sich durch ungewöhnliche ßuch- stabenligaturen auszeichnet:

T 4^AA :^j <I c:/\TYP<I

N fe ll<H<l>0 PcQ> °1tKET^A^K

AAIMONÖ (^T«aKAKl\Rhr=Q

XAPM EKT^NlAlöN XAIFENAIKICCE XAlPEKAlLYTICnoTEI

T. <l>X7.0'jio; Hy.T'jpo; Nsuvicpopoi Suvstoj Aax£[S]«iu!.ovt(p Tto xal

Na[p]x«i(j'je' yocTps /.a.1 <j'j, ti? tcot'sL

Dieser Grabstein stammt aus KiouTupoXi bei Salonichi ; Bavet- Duchesne Mm. au Moni Athos theilen N" 80 eine Copie des Hadji Thomas mit, welche jedoch ganz unbrauchbar ist.

2. Dethier, in der Sammlung archäologischer Aufsätze, die nach seinem Tode verötten flicht worden ist, beschreibt S. 120 ein Basrelief mit Thrakischem Reiter, welches aus Brussa hierher geschickt sein soll. Reinach a. a. 0. N" 236 wieder- holt diese Angabe mit dem Fehler Amios st. Amias; die In- schrift ist aber die bei Bayet Duchesne a. a. 0. unter iN" 83 mitgetheilte und es gehört also das Denkmal nach Salonichi.

16

INSCHRIFTEN AUS DEM TSGHINILI KIOESGK

üeberhaupt ist der Provenienzangabe Brussaim Reinach'schen Cataloo-e auch bei andern Stücken nicht zu trauen.

3. Umgekehrt ist nach Salonichi ein Grabstein verwiesen worden, der sicherlich nicht dorthin, sondern nach Phrygien gehört. Dethier a. a. 0. 113 beschreibt das Relief und die Inschrift, und lleinach a. a. 0. 244 ist ihm durchaus gefolgt.

(In Giebelfelde: Adler) Auseinandergeklapptes Korb mit

Diptychon Rabe?

Men en face mit

phrygischer Mütze,

Halbmond auf der

Schulter; in der L.

Palme.

Weibliche Büste en face mit einer Art Aureole auf einem Halbmond, ruht auf den Köpfen der He-

kate. Die dreifache He- kate mit Fackeln. Die Inschrift lautet nach meiner Abschrift:

Kamm

Spiegel

NackterKnabe enface in der R. einen Dop- pelhammer, in der L. einem Hunde einen Iraubentörmigen Ge- genstand hinhaltend.

Any lONTONeAYTHCCYNBIONrAeiON K ATCG I 6 PUUC GNC UU T I P H 6 KATHKAIAne.AAACK AlFAeiOCeTeiMHCA NTOYC 6 AYT UU N T O

NICMN HMHC XAPIN TS IMG ACMOY PMATe ANOC

Att'Iiov [für 'Axcp'.ov] tÖv iaux-^; guv^iov Fietov /caTSsispw'jSv Sw- [j.rc<j.rtq /_y.p!.v. Tsijxeoc; Mo'jp|7,aT£avö;. Üntei' der Inschrift sind

INSCHRIFTEN AUS DEM TSCHINILI KIOESCK 17

eine männliche und eine weibliche Biiste mit Spindel en face abgebildet; ganz unten ein IM'lugscliaar.

Diese Inschrift zeigt die grösste Aehnlichkeit mit C. I. G. 3827 9 = Le Bas lS" 805: 'AyaO-?i Tu/-/). >]oiTctpr;((;)) 'E/A^r,

['Ov-/)C)i][y-o? >t(ai) "A-pcpr, A'/jij.ooOsvt) tÖv ea-jxoJv utov T6i[p'.rj]0£VTa Oxö i](jL)T£tpYi; 'E/tXT'/)? /taT£i ep(i)(7a,v A-/i;xo(jO£v/]i; Traxpcoi; y.(al) 'Av£i-

[•/,7]T0? ] <jUV3CaT£l£pW<jaV T£>.£(jCpOpOi; .... .po? (7llV>taT£l£-

[pcocev]. .

Die Le-Bas'sche Inschrift stammt aus Colyaeum und es wäre ein seltsamer Zufall, wenn ein Grabstein in Salonichi mit ihm in so auffälliger Weise übereinstimmte, wie dies hier der Fall ist, namenllieh in der Form lllcoTEip-/] und -/.aT£t£pa)':£v ; etwas ähnliches kommt auf den Inschriften von Salonichi nicht vor, wohl aber lässt sich die Zugeiiörigkeit nach Phry- gien noch anderweitig wahrscheinlich machen :

1) Die 'E/.xT'o erscheint unter dem Namen IlwT£tpa auf phr^/gischen Münzen, vgl. Eckhel DN 111 122; C LG. ;]857 /t aus Äppia steht folgende Verwünschung:

6; (xv 7upo«70ic£i )(^£!.pa TTjV ßapu'pOovov 'Ex-XTV); [J!.£XaivY)i; 7;£pi7ü£c;oiTO Saiao'jiv.

2) Die seltsame barbarische Form xa.T£i£pwc;£v scheint speciell phrygisch zu sein; vgl. C. I. G. 5921 B^ und zwei Inschrif- ten von Kula Mo-j^. •/.. ßigl. t. EOocyy. S;^. 1880 S. IGO N" T/.a '= Wagner /rtscr. Grecques recueillies en Asie mineure S. 19 und T/tß',wo zur Abwechslung >taTa£upa)C)av geschrieben ist.

3) Die Namen "ATwcpiov und T£if;.£a; sind namentlich häuiig in Phrygien.

4) Die Sitte, dass der Steinmetz seinen Namen und sein

* Der in dieser Inschrift von den Te/vEtra! geehrte Q. Julius Miielus ruft 5922 den Schutz des Sarapis für die [xapfxapapiot an und giebt an aus der Stadt Asiens Tripolis zu sein; b'J32 ist eine Dedication dcrseüjen Tc/vcTtat an den speciell phrygischen Zeü? ßpoviuiv; danach dürfte unter Tripolis die Stadt dieses Namensam Mäander, heute Jcnidjc, zu verstehen sein ; vgl. Bull, de corr. hell. VIII 379.

MITTH. D. ARGH. INST. X. 2

18 INSCHRIFTEN AUS DEM TSCHINfLI KIOESGK

Vaterland auf dem Denkmal hinzufügt, ist ebenfalls speciell der phrygisclien Epigrapliik eigen; vgl. die "Xa-oTroi KoupvaiTr,- voi C. I. G. 3830 und zu 3827 ^ .

4. Zwei zusammengehörige Fragmente einer Stele; Höhe von a 0,47, Br. 0,60-6: H. 0,51, "ßr. 0,47.

ArA0HI-l§iXHI

a. KATATOAOPMATHZKPA TI2THZ B0¥AH2:KAIT0¥ IEPnTATO¥AHMO¥AY P H AI ANEY(|)HMIAN0YrATEPATO¥

5 A:2:'^/^'"''~'^'^^"'"^vRA7''^p''^^

b. ZEKO¥NAEINO¥AIOrN A¥PHAI0Z5:ABEINIAN K¥INTIANOZOZ¥Nrr-

10 E¥T¥XßZ

'Ayaö'^i TujriV xaTÖc xo S6y[/.a Tvig "/«paTicTTTi; ßou7.r,; y.y.i toö lepcoTaTOu Sri[xo'j AüpYi'Xiav E'jipYitjiav Guyarepa toO dcEioT^oycoTXTO'j ßaailsci); [eine Zeile] H£-/.ouvS£ivo'j Ai6yv[io;] Aüp'/iX'-o? SaSstvia- v[6?] KuivTiavo; 6 Guvy£[v7i?]. Eijtuj(_w;.

üeber die Provenienz der Inschrift steht so viel fest, dass sie bis vor etwa zehn Jahren im Galatathurm aufbewahrt wurde; sie stammt also möglicher Weise nicht von auswärts, sondern gehört zur Epigraphik von Byzanz; der Vater der 'Aurelia Euphemia war vermuthlich ein bosporanischer König des 11 oder III Jahrb. n. Chr.; stand nun am Ende der ver- lorenen öten Zeile yuvaua Ss, so hat man für die fehlenden 11 Buchstaben die Wahl zwischen 'Poi{;.7iTxX)tou oder 'PaGicouTro- piSo;.

Für die Provenienz des Steines aus Byzanz kann man noch das z'jxuy^üiq am Schlüsse anführen, welches so öfter auf thra- kischen Inschriften vorkommt.

5. Stele, oben abgebrochen; H. 0,44, Br. unten 0,28. Pro- venienz unbekannt.

INSCHRIFTEN AUS DKM TSCHINILI KIOESCK 19

EPMIAZAMATOK^ 'Ept/ia? 'Aty.aT6/.[ou.

(). Zwei Fragrnenlo; a li. 0,2 i, br. 0,5:2; b. li. 0,38, br. 0,Ü7.

0 E O (1) I A O 2 A I O r E N .NTEOAÜTAIO n P O Z h _PTO¥KAIA¥TONEME TAAETHNHMETEPANFA ZOPON A/^ZEIT

b.

YSKAAAIXOPITIAOZEÜE

rpoznAnrros ,moy

A¥THNKATATE0H NÄI HNMHAENAETEPO'JEIZ ZQ' " K A I T H n O A I ^^ NA

M

Dieser Stein fand sicli unter den Baumaterialien des Seraske- rals zu Anfang der 70 er Jahre und kam kurz darauf in das Museum; er ist vermuthlieh bei den Abbruchsarbeiten oder dem Ausgraben der Fundamente zu Tage gekommen:

©eocpiT-o? AioY£v[oju? KalXiy^opixu^o? £X£[ ev f, tccoJsv-

TeOaTTTOci 6 TTpo; (v^YiJxpo; tüxt^xo; (7.o'j [Name uizjep to-j -/.al aü- TÖv £[/,£ [i?] aÜT7)v xotTaTEÖ-^vai [xai Ty;v yjvawx [;.ou' p'-£]TÖt. Sk t')]v

71[X£T£paV £v[Ta<p]r,V [J,7lS£Va £'T£po[v] £t;[€V/)67ivai' £1 §£ Tl? . . . . Tr,v]

(jopöv Sü>C)£t t[(i> Ta[7-£iG) X . . . ] x.a,t ttj ttoXi.

Das Grab ist später trotz des Verbotes von einem Unberu- fenen benutzt worden, welcher auch die Inschrift theiiweise tilgte; doch sind von dem späteren Texte nur einige Buchsta- ben erhalten. Es ist wohl möglich dass der Stein wie so manches andere Material schon in byz. Zeit aus Chalkedon nach Constantinopel verschleppt ist, da aus Chalkedon ein Phylenname Ka'X>>i;(^op£aT . . . inschriftlich überliefert ist [C. 1. G. 3794).

7. Basrelief = Ileinach a. a. 0. 169, angeblich aus Samos stammend; h. 0,30, br. 0,38; unten vier ringende Knaben,

20 INSCHRIFTEN AUS DEM TSCHINILI KIOESCK

vermuthlich aus dem Corps der veoi; K. freilich erklärt sie für Amoretten; wahrscheinlich aus Kyzikos. üeber dem Bas- relief das folgende Namensverzeichniss (mit mehreren Liga- turen) :

02 HPENN0L

AIOY N O YM H NI2-B-

AH2HPAKAE WNOSHPAKAEIAHZrAYKWN ..OnAiOSOYAAEPIOY AFAOHNWP-B-

5 lOYAlO^EniZA AIONYZIOZOYAAEPIOZ

AIOZKOYPIAHZZATYPINNOZ - Zwn YPOSEPMOAWP AlAAElZnATTA OYAAHZ O Y A A E P I O Y

AFAONNAAAA HP E NN O Y A A E N T02

KOTY2X PH ZTO Y A10NYZI02 0P<I)E05:

Die Träger der Namen AiXXei; na::«., 'Ayaöwv AaSa, Kotu; Xp-/i<7Tou werden wohl mysische oder thrakische Barbaren ge- wesen sein; die Lesung dieser Namen sowie das ER I ZA Z. 5 I Col. steht durchaus fest.

J. H. MORDTMANN.

IJroncemünze von Elaia.

F. Imhoof-Blnmer hat Monnaies grecques S. 274 eine im Wiener Kabinet befindliche Broncemünze von Elaia in der Aiolis beschrieben und zugleich die interessante Darstel- lung auf dem Revers derselben in einem Holzschnitt mit- geteilt. Der Avers der Münze zeigt das bekleidete, lorbeer- bekränzte Brustbild Marc Aureis nach rechts «ewendet mit der Umschrift A'j[TO)cpaTwp] K[aTo:ap] M[ä.p/-o<;] Aupyj'X'.o? 'Avtco- vtvo?, die Darstellung auf dem Revers lässt Imhoof-Blumer ungedeutet^ Aus einer kunstvoll verzierten Lade, von der Art wie uns von Vasenbildern die "Xapva^ der Danaesage und vei'wandter Mythen bekannt ist^, erhebt sich eine langge- lockte, mit einem kurzärmlichen_, langen Chiton bekleidete weibliche Gestalt en face, welche die linke Hand auf den Rand der Lade stützt und die rechte wie zur Begrüssung ei-

* Die hier als Vignette vorgedruckte Zeichnung des Reverses der Münzein natürlicher Grösse ist nach einem Abguss vorn Original gemacht, welcher der Güte von Domaszewskis verdankt wird.

2 Welker A. D. V Taf. XVII Mus. Borb. II Taf. XXX.

22 BRONCEMUENZE VON ELAIA

nem bärtigen Mann darreicht, der links von dem Kasten steht, wie es scheint, dicht vor dem Schiff, dessen Vorderteil neben ihm sichtbar wird. Ihm entspricht rechts ein ähnli- cher bärtiger Mann, wie jener mit einem kurzen^ nur bis über die Hüften reichenden, gegürteten Chiton bekleidet; er trägt eine viereckige Tasche an der linken Hüfte und hebt er- staunt die linke Hand auf. Hinter diesem, dem Schiffsvorder- teil entsprechend, steht, wie angelehnt, ein Steuerruder, lie- ber den hochaufgeschlagenen Deckel der Lade sieht man noch die Köpfe von zwei bärtigen Männern hervorragen: der rechts stehende legt erstaunt die Hand an die Stirn, der zur linken hält mit dem rechten Arm den Deckel der Kiste fest. Die Ki- ste selbst scheint in einem Netz zu stehen, dessen Maschen und nach unten gebogenen Saum man unterhalb der Or- namente erkennt, lieber der Darstellung lesen wir Itüi <7Tpa[Tn- yoii] ne"X"Xwvio'j veo/.[6po'j] ^ in dem kleinen Segment unter der- selben 'ET^ociTcöv .

' Irahüüf- Blumei giebt NEOY (?) (wobei sich das Fragezeichen auf das sehr unsichere Y bezieht), statt dessen zweifellos zu lesen ist N EO K. Unter den Strategen, welche auf den Münzen von Elaia, ICyniai, Smyrna, Kolophon, Tralleis, Pergamon und Phokaia als höchste eponyrae Ma- gistrate erscheinen, kommt der Name des Pellonios auf den zahlreichen Münzen von Elaia mehrmals vor. Zweimal lesen wir Ini IlsXXwvfou bei Mionnet Suppl. VI S. 28 no. 191 und S. 29 no. 198, von denen die letztci- tierte Münze auf dem Avers den Kopf Hadrians zeigt, und einmal in\ izp. nsXXwvio? (sie) bei Mionnet III S. 16 no. 93. Drei andere Münzen bieten die Legende im airp. IIeXacüviou ve. bei Mionnet Suppl. VI S. 28 no. 190. III S. 16 no. 95 S.18 no. 105, von denen die letztcitierte mit dem Kopf der jün- geren Faustina der unsrigen gleichzeitig ist. In den Buchslaben vs hat Eckhel D. N. II S. 495 und andere vor ihm nach manigfachen Analogieen sicher die Abkürzung von vsozopoj erkannt, und darnach und nacli der Münze mildem Kopf des Commoilus bei Mionnel Suppl.Vl S.31 no.2H auf der wir lesen sn:i atp. IIcXkuMou t. a. vco/.. ist auch auf unserer Münze zu testen veo- x[o'poj] stall des .^nnlosen ve'oj. Der untere schräge Strich des K scheint nicht ausgedrückt zu sein und das ■/. erscheint desshalb als ein u. Nach einer Miltheilung von Domaszewskis wäre übrigens nach dem veo überhaupt kein Buchstabe mehr zu erkennen.— .\ucli die Münze bei Mionnet III S. 16 no. 95 erinnert an die Lokalsage; sie trägt den Kopf des MsvsaOeü? -/.ziair^i : vgl. Stepli. Dyz. s. V. 'EXai'a.

BRONGEMUENZE VON ELA.IA 23

Die Situation, welelio das Miinzbild uns vor Au^^en fülirt, ist nnverkonnhar. Durcli den ScliilTssoIinabcl und das Steuer ist die nnmitlelbare lNüIic dos Meeres an«i,e(leutet, an dessen Geslade Fischer, als solche durch den kurzen Chilon charak- terisiert \ in ihrem Netz eine grosse Lade ans Land gezogen und geölTnel haben : zu ihrem Erstaimen befindet sich eine Frau in dem wundersamen Gehäuse. .1 moins de reconnaUre Danae, sagt lmhoof-i31umer a. a. 0., qiu vient d'aborder äVUe de Seriphos, avec son enfant Persee, cache encore au fand du coffre, et qui est accueillie par Diktys^comme M. Six me le pro- pose le type doit se rapporter d quelque mytlie local d'Elaia, dont nous n'avons pas connaissance .

Die Deutung der Darstellung dürfte doch zu finden sein. Die Stadt Elaia, nach welcher der ganze Golf benannt wurde, lag in der Nähe der Mündung des Kaikos, nach Strabo nur 12 Stadien vom Ausfluss desselben entfernt, XIII S.615: MsTot Ss TTjv riiTivr/v 6 Kxuo; £ig tov 'EXatxviv x,a7;0'ju-£vov xcIttov ev TptaxovTa rjTaSiOK; sx.^iStomv. sv Ss Tuspav xou Kaix,ou owosx,a Suvourjoc Tou TroTa[7-oij TTaSiou? 'EXaia %o\ic, Ato"Xu7i xal aüno, neoYa(/,7ivoiv e-xivsiov , £x,aTOV x,ai sl'xoTi (jxaöio'j? öiljro'j'ja tou rispyitxo'j. Es war die ILafenstadt von Pergamon , wo die nach Pergamon Reisenden landeten: Liv. XXXVIII 18,37. Polyb. XXI 8. In der Mündung des Kaikos ward aber der Sage nach der Kasten der Auge durch Athenas Walten angetrieben : so hatte Euripides gedichtet nach Strabo XIII S. 615: MsTa^'j §£ 'Elocia? ts xai H'.txv/i? -/.ai 'Axa-pvEco? y.ai Hep- yau.ou TsuOpavia e'^ti . . . /.ai, 6 TeuOpa; K'Aix-cov xai Mucrwv itto- pTiTai ßarjiXsu?. EupiTTu^'o? S'Otto 'AXeo'j (p'oai tou t^c Auyvi; Tira- Tpo? et; \xpvocx.a t7)v AuyTiv xocTaTsOslcrav afxa tS> ttäiSI Tvi'Xe'pcp KaTaTTOVTwOvivat (pa)p7,C)a,vT0? t'/]v s^ 'Hpay."X£0'jg (pOopav 'ABYiva? oe xpovoia T'/jv Xxpvaxa -epaicoOet'jav ex.TCSCieov et? (jTOjxa tou KaJ- xo'j, TOV Se TeuÖpocvTcc ä,va7^a€6vTa tx acöi^XTa tyj [j.£v cÖ? yaaeT"^

' Charakleristisch ist auch das Slclion mit eingeknickten Knioen für die Seeleute, wie bei der Statue des Fischers bei Clarac Tf. 325. Visconti Mus. Pio Clem. III Tf. 32.

24 BRONCEMUENZE VON ELAIA

j^p7)(7a(jOat, Se w? eajToö TüaiSi und ebenso erzählte Hekataios von Milet nach Paus. VIII 4, 9: 'Alicd Ss ap^eve? iasv TuatSe? A'jxo'jpyo? xai 'A[/.(piSy.[y.a(; -/.at K'/i<p£u?, OuyxTYip ^s sylvsTO ACyT;. Ta'JT-(i T'?i A'JYXI '^'P 'E/.aTaiou 'Xoyw rjuveyivsTO 'HpaxXyit; OTTOTe ä'iix.oiTO e; T^ylav tsIo; Ss /.ai s^pcopy.Ov] tetox-uTo. ex. toO 'HpaJcXeO'j? x,ai auTviv 6 "A'Xeoi; ETÖsjxevo? 6[/.oi) xaiSl s; 'Xxpvax.a i^piriTiv £? By-XaiTiTav. x,a,i t) piv äoix.£TO I? TeuOpocvra, S'jvaaTTiv ocv- Spx £v Katx-O'j 77£Si(0, x.ai c>uvcox,7]'7£v iparjOlvTi TeoGpavTi* x.at vijv £<7Ti a£v A'jy/i;* [AV7J[7,a £v nepyy.i/w t-^ Oxep tou Kaf)iO'j, y^;

J^öi{/,a T^lOo'J 7ü£p!,£'/6(X£VOV X.p'/ITUIÖI, £'7X1 §£ £V TCO [XV'^fXy.Tl ETriÖYlfy-O.

yrjxk/,o\t TZiTzovriiJ.ivO'i, yjv/i yju.vr;.

Nicht alle Mythographen berichteten über Auges Ausset- zung mit dem neugeborenen Telephos, wie Hekataios erzählt und nach ihm Euripides gedichtet hatte. Nach andern wird die schwangere Auge von dem erzürnten Aleos dem Nauplios übergeben sie ins Meer zu versenken : auf dem Weg dahin gebiert sie den Telephos, der von einer Hirschkuh in Arka- dien ernährt wird und als erwachsener Jüngling nach Mysien zieht seine von Nauplios an den Myserkönig Teuthras ver- kaufte Mutter aufzusuchen. So mit geringen Abweichungen Hygin. fab. 99. 100 Alkid. Odyss. S. 670 Bekker Apollod. n 7, 4 Diod. IV 33 Paus. VIII 48, 7- Von einem Einschlies- sen in eine Lade, wie Euripides und Hekataios erzählt, ist dabei nicht die Rede. In Pergamon, wo nach Paus. III 26, 10 Telephos göttlich verehrt wurde und die Telephossage ein beliebtes Motiv der bildenden Kunst war, wie der kleine Relieffries am Zeusaltar gezeigt hat^, scheint die von Heka- taios und Euripides abweichende Version die anerkannte Stammsage gewesen zu sein: wenigstens wollen die Perga- mener, welche ein Orakel C. l. G. 3538 Telephiden nennt, Arkader sein tüv öy.ou T7)X£ipco SiaSxvTcov Iq xry 'Aaiocv (Paus. I 4, 6), woraus hervorgeht, dass die Erzählung von einer

* Über den jetzt als (ivnb der Auij;e hezeichiieten Grabhügel E. Curtius Beiträge zur Gescliiclile und Topographie Kleiiiasiens Ö. 53. 2 Die Ergebnisse der Ausgrabungen zu Pergamon S. 65 ff.

BRONCEMUENZE VON ELAIA ?5

ü^leiclizeiti^^en Landung von Mutter und Sohn bei den Perga- menern nicht sosehr vorherrschte, wii; die Sage von dem sj)ii- teren Zug des Telephos nach Mysien. Die Darstelhingen des kleinen Relieffrieses schliessen sich in der Hauptsache durch- aus an die von der Euri|)ideischen verschiedene Version an. Trotzdem erscheint es zweifellos, dass auf unserer Münze der kästen der Auge dargestellt ist, den Fischer an der Kaikos' mündung unweit Elaia in ihrem Netz ans Land gezogen und geöffnet haben, wie die Fischer von Seriphos den Kasten der Danae und die von Oinoie den des Thoas. Das auffallende an unserer Darstellung, dass der kleine Telephos abweichend von Euripides und [Jekataios fehlt, dass nur Auge in der Lade an dem mysischen Gestade anlandet, kann man ver- schieden erklären. Anzunehmen, dass der Knabe noch in dem Kasten verborgen gedacht sei, wie Six wollte, oder dass die Darstellung eine ungenaue wäre, dazu berechtigt nichts. Man könnte vermuten, dass dieses Münzbild auf eine Version der Sage zurückgehe, nach der die schwangere Auge von Aleos in die Lade eingeschlossen wird und erst in Mysien als Gat- tin des Teulhras von Telephos, den sie von Herakles enij)fau- gen, entbunden wird; so wird Rhoio, von Apollo schwanger, in einer T^icva^ von ihrem Vater Staphylos in das Meer ver- senkt, landet in Euboia und gebiert dort den Anios nach Schol. Lycophr. 570 Kinkel epic. Gr. fragm. S. 29 Diod. V 62. Besser nehmen wir an —und darauf weist die oben er- wähnte Stammsage der Pergamener hin , dass man die Sa- genversion des Hekataios und Euripides von der Aussetzung in der Kiste mit der anderen Gestaltung der Sage, nach der Telephos, in Arkadien geboren und auf wunderbare Weise erzogen, später nach Mysien auszieht seine Mutter zu suchen, in der Version vereinigte, welche der Darstellung auf unserer Münze zu Grunde liegt. Auge, nachdem sie in Arkadien den Telephos geboren und ausgesetzt, wird von Aleos in die Lade eingeschlossen und gelangt so durch das Wallen der Gölter an das Teuthranische Gestade. Bei diesen Sagen von einer Einschliessung in die Xäpva^, Aussetzung im Meer und wun-

26 BRONCEMUENZE VON ELAIA

derbaren Landung handelt es sich nicht immer um eine Mut- ter mit ihrem Rind, wie bei Danae mit Persens und Semele mit Dionysos nach der Landessage der Brasiaer (Paus. III 24, 3). So landen in einem Kasten eingeschlossen Thoas, der Vater der Hypsipyle, auf Oinoie [Apollon. R/iod. 1 621) und die Geschwister Tenes und Hemithea auf Tenedos (Paus. X 14 Schol. Hom. A 38 Schol. Lycophr. 232 Diod. V 83). Ueber die in Pergamon herrschende Form der Augesage wird die bevorstehende Publikation des kleinen Relieffrieses sicherlich Licht verbreiten, auf dem nach der Beschreibung ja auch Auge dargestellt zu sein scheint, in Trauer zusammengebeugt auf einem Felsen sitzend, im Begriff übers Meer gebracht zu werdend

FRIEDRICH MARX.

* Die Ergebnisse d. Ausgr. z. Pergamon S. 67 unten.

Marmorstatue in Beirut.

(Hierzu Tafel I.)

Die Marmorgruppe, welche wir auf Tafel I vorlegen, wurde im Jahre KSH'i in Beirut beim Abbruch eines Hauses gefun- den und o;elano;te in den Besitz des Herrn Alexander Sursock. Wir verdanken die Mittheilung des Fundes sowie die Anfer- tigung einer Photographie den Bemühungen des deutschen Consuls für Syrien Herrn Schröder, welcher ferner mittheilt, dass die Höhe der weiblichen Figur 1,35 m. beträgt, dass dieselbe an der Rückseite des Gürtels Spuren rother Bema- lung bewahrt hat und am linken Oberarm sowie am linken Knie Ansätze zeigt, welche darauf schliessen lassen, dass sie in der linken Hand einen langen Gegenstand hielt. Der sit- zende Knabe ist geflügelt, der linke Flügel ist abgebrochen. Nach der von Herrn Schröder vermittelten Photographie hat Herr Gillieron eine Federzeichnung angefertigt, welche un- serm Lichtdruck zu Grunde liegt. Einige Uebelstände waren bei diesem Verfahren trotz der erreichbar grössten stilisti- schen Treue unvermeidlich, da die Photographie unter fal- scher Beleuchtuno; aut'o;enommen war. Um eine künstlerische fleproduction zu erzielen, musste das Licht gedreht werden, und so musste zum Theil das auf der Photographie sichtbare Detail wegen der neuen Beleuchtung wegbleiben, zum Theil bot die Photographie gerade an den Stellen, wo es bei der Zeichnung zur Geltung gekommen wäre, kein Detail wegen zu tiefer Schatten. Die Gruppe verdient unser Interesse sowohl wegen der bisher nicht vertretenen Composition, namentlich aber als eines der wenigen Werke hellenistischer Kunst in Syrien, welche uns erhalten sind. Obwohl Kopf und rechter

28 MARMORSTATÜE IN BEIRUT

Unterarm der weiblichen Figur und rechter Arm sowie linke Hand und beide Füsse des Kindes fehlen^, so kann doch über die Deutung der Gruppe kein Zweifel obwalten. Der geflü- gelte Knabe kann nur Eros sein und die weibliche Figur ist mithin Aphrodite. Versuchen wir nun die Beiruter Gruppe stilistisch einzureihen, so bieten sich unter den erhaltenen Aphroditestatuen keine Parallelen. Zwar darf man sich dar- über, dass die Fis-ur vollständio; bekleidet ist. nicht wundern, wenn auch zufällig aus gleicher Zeit keine gänzlich beklei- dete Aphrodite vorhanden ist. Seitdem auf Grund volkstüm- licher Etymologie jene Differenzierung zwischen der Urania, welche ursprünglich orientalischer Sinnlichkeit vornehmlich nahe steht, und der Pandemos geschaffen worden ist, wie sie uns in Piatons Symposion entgegentritt und in Olympia in der Nachbarschaft der Statuen des Pheidias und Skopas ihren Aus- druck fand, wird sittsame Bekleidung stets ein Hauptmerk- mal der himmlichen Göttin geblieben sein. Das Auffällige liegt vielmehr in der streng gebundenen Stellung der Göttin und in ihrer Beziehung zu dem Kinde, welches nicht zu einer le- bendigen Gruppe mit ihr vereinigt ist, sondern wie auf man- chen Monumenten der müde Sklave apathisch ihr zu Füssen sitzt- Zwar Hesse sich für letzteres Motiv eine Parallele aus Pausanias^ anführen. Im Heraion zu Olympia stand eine eherne Statue der Aphrodite von Kleon aus Sikyon, einem Enkelschü- ler des Polyklet : TtaiSiov Se sT^iypucov /.xOrjTai yjtxvov Tvpo ttj? 'AcppoSiTT);. BoTiöo? Vt iTopBrjrsiv auTo Konpyjn^övio^. Es würde je- doch gewagt sein, hierin das Vorbild unsrer Statue zu vermu- then, denn auch bei der olympischen Zusammenstellung ist einheitliche Conception und oi-ganischer Zusammenhang frag- lich, da das kleine Kunstwerk des Boethos später äusserlich

' Wie weit der linke Arm der weibliclieii l<M^ur erhalten ist, ist mir un- bekannt und aus der Photographie nicht zu ersehen. Nach der Ansalzspur kurz über dem unteren Rande des Diploidions sowie den von Herrn Schrö- der erwähnten Ansätzen scheint er gesenkt zu sein.

2 V 47, 4.

MARMORSTATUE IN BEIRUT 29

angefügt sein kann. Das Absonderliche unsrer Gruppe erklärt sich vielmehr gerade daraus, dass die weibliche Figur ur- sprünglich als Einzelslalue concipiert war und nun äusser- iich durch den hinzugelügleu Eios als Aphrodite charakteri- siert wird

Die Göttin ist ursprünglich keine Ajjhrodite sondern Äthe- na. Sie gehört zu jenen Nachahmungen der l*arthenos des Pheidias, von welchen l^ange in der Archaeologischen Zei- tung 1881 S. lt)7 Anm. 2 eine Anzahl zusammen gestellt hat. Wie die Parthenos steht sie auf dem rechten Beine, welches durch schwere Vertikal fallen vollständig verborgen wird, wie jene hat sie das linke Bein ziemlich weit seitwärts gesetzt, so dass nur die Fusspilze den Boden berührt, bei beiden fälil vom Knie abwärts eine steife Verlikalfalte, während bei spä- teren Umformungen desselben Motivs der Lmriss des Schien- beins, welcher nur von kleinen schrägen Falten geschnitten wird, die äussere Gränze der Statue bildet. Auch die Armhal- tung scheint der Parthenos entsprochen zu haben und sogar Kleinigkeiten wie die Gürtung über dem Diploidion und die hohen Sandalen kehren wieder. Gleichwohl stammt die Sta- tue weder aus der Schule des Pheidias noch will sie eine Co- pie eines seiner Werke sein, sondern sie ist ein Original aus hellenistischer Zeit und vertritt innerhalb derselben eine bestimmte Geschmacksrichtung. Mit Lysipp war der Höhe- punkt technischen Könnens erreicht worden. Die Kunst be* sass vollständige Freiheit der Bewegung,verbunden mit gross« ter Glätte und Zierlichkeit, sie hatte den Kreis der damals möglichen Probleme durchlaufen, die Plastik hatte zum Theil wohl ihre Gränzen schon überschritten. Mit dem Heraustreten aus den landschaftlichen Gränzen büsste sie an religiösem und patriotischem Gehalt ein und trat in den Dienst des Lu- xus. Gegen diese Gefahren wird sich schon früh eine lleac- tion geltend gemacht haben, welche aber nichts Selbständiges, Positives an Stelle des Verschmähten setzen konnte und später zu einem dürftigen und stillosen Archaisieren führte. Einen eigenartigen U ebergang zu dieser Richtung stellt unsre Sta-

30 MARMORSTATUE IN BEIRUT

tue dar. Der Künstler wollte ein frommes, strenges Werk schatTen, er fand unter den vorhandenen Aphrodiletypen kei- nen, der ihm genügte und grifY auf eins der strengsten Ideale attischer Kunst zurück. Er musste nun zu einem äusserlichen Mittel greifen um die Göttin als Aphrodite zu charakterisie- ren. Der Eros ist fast wappenartig hinzugefügt, wie ander- wärts der Delphin. Da sich für den Eros kein klassisches Vorbild fand, so steht er im schärfsten Gegensalze zu dem strengen Motiv der Götlin und verräth den Künstler als Kind seiner Zeit, Er bildet für sich ein Genrebild von um so grös- serem Reiz, als bei ihm keine Spuren eines zwiespältigen Be- strebens sichtbar sind. Die kindlichen Proportionen sind voll- kommen richtig wiedergegeben. Fleisch und Haarbehandlung scheint von grosser Wahrheit und Frische, er steht dem Werke des Boethos, dem Knaben mit der Gans, nahe und be- zeichnet dem Dionysosknaben des Praxiteles gegenüber einen jener wenigen Fortschritte, welche der hellenistischen Epoche vorbehalten blieben. Aber auch in der Behandlung der Göt- tin selbst verläugnet sich diese Epoche nicht, der Vortrag steht auch hier im Gegensatze zum Motiv. Durch kleine kaum merkliche Modificationen ist überall das Gewand aus einem ruhigen, starren in ein weiches, unruhiges verwandelt ^ Die Vertikalfalten am rechten Beine sind durch kleine Eindrücke aut dem Faltenrücken als weich und sciilaff charakterisiert, während man bei der Parthenos auf den Gedanken hat kom- men können, das Gewand mit Blech zu vergleichen. Das Di- ploidion ist am rechten Arm weit durch den Gürtel hinauf- gezogen und bildet ein System rechtwinkliger Falten, welche sowohl zu den gespannten Falten über der Brust wie zu den gebauschten über der Mitte des Gürtels einen Gegensatz bil- den. Nur zu dem Zwecke, Unruhe in die Falten zu bringen, ist der Göttin ein Band gegeben, welches von der rechten

' Hier hat die Pliolograpliie Vorzüge, welche beim Umzeiclinen verloren gehn mussten.

MARMORSTATUE IN BEIRUT 31

Schulter nach der linken Weiche läuft und straff anliefi;l ^ Sehr künstlich sind die Falten des üehersclilaj^s unter dem Gürtel, sie setzen eine Kunststul'e voraus wie sie durch das Gewand des Praxitelischen Herines repräsentiert wird- Der untere Hand des üeberschlags bildet im Gegensatz zur Ein- fachheit der Parthenos eine vielfach gebrochene Linie.

Wie die Statue zu ergänzen sei, wage ich nicht zu bestim- men^ da viele Vermuthungen möglich sind Vielleicht würde die Anlehnung an die Parthenos am besten erklärt, wenn man sich kriegerische Attribute dächte, etwa in der rechten Hand den Helm, am linken Arm die Lanze. Die Stärke der Stütze an der rechten Hüfte spricht dafür, dass die rechte Hand einen schwereren Gegenstand tru«;.

Jedenfalls überwiegt das stilistische Interesse das sachli- che. Wenn auch die Güte der Arbeit auf gute Zeit schliessen lässt jedenfalls noch drittes Jahrhundert so hat doch der Eklekticismus des Werkes etwas Unharmonisches und ist ein sicheres Kennzeichen des Epigonen.

Athen, 10. März 1885.

FERDINAND DÜMMLEll.

< Dies Band ist wohl von Arlemisstatuen herüber genommen, wo es voll- ständig motiviert ist, da es den Köcher trägt. Ohne eine derartige Motivie- rung erscheint es z. B. in Claracs Musee de sculplure III Fl. 516, lüöü hei einer Thalia und ebenda IV IM. 6ü6 B 1621 A bei einer Bacchantin. Keine Analogieen fand ich für den breiten Ring an dieser Stelle des rechten Arms.

Inschrift von Samos.

Die nachstehende Inschrift kann beinahe als unbekannt gel- ten. Zwar ist eine Abschrift gedruckt worden ', aber diese Ab- schrift scheint unter ungünstigen Verhältnissen gemacht wor- den zu sein; eine Ergänzung oder Erklärung ist nicht versucht worden. Ohne von der früheren Publication Kenntnisszu haben hat Hr. Fabricius während seiner Anwesenheit in Samos eine Copie und zwei Abklatsche des Steines angefertigt, die er mir auf meine Bitte zur Benutzung überlassen hat.

"ISHNErKANOIAIPEOEN rPA<t>OIPEPITHSENEAIKaNiai

SAPOAEIKNYMENOY^YPOTnNXIAIASTHpnNEPIMHNlOYSTI-; H^SYNOAOYTHSENEAlKnNinin NOMEN H2EPIMHNIEYEINEAN ANAEAPOAHMnSINOYSANKATAAlPa^lNAYTQNKYPIOYSKATA AYTEPArrEATOITINE?PEISO?ITOYSAYTaNXlAIASTHPA? '^NTOISAYTOYXI A IA2THPSIANAEAIPEOEISTI2HAYTOS vSHlEISPPAXOHTnAPAXMASAIAKOSIASYPOTnNN '^NK'AIT v\HNinNTnNSYNAPOAEI

Der Stein ist links und unten gebrochen. Der obere Rand ist verstümmelt, doch ist vor den erhaltenen keine Zeile verloren gegangen. An der rechten Seite fehlt nichts. Ueber die Lesung kann nur an einer Stelle ein Zweifel obwalten. Z. 2 a. E. ist die Oberfläche des Steines verletzt. In der mir vorliegenden Abschrift sind die drei letzten Buchstaben gelesen worden TPE, doch hat sich der Urheber der ersteren damit einver- standen erklärt, dass die auf den Abklatschen erkennbaren Spuren vielmehr auf THS: führen.

Die Inschrift lässt sich dem Inhalt nach folgendermaassen herstellen :

* Bull, de corr. hell. VII (1883) S. 517.

INSCHRIFT VON SAMOS 33

[TäSs ^ e]i'7-/)V£Y/tav ol atp£0£v[T£(; vo[xo]ypa(poi xEpl Tvi; £v 'EXixw-

viw [öucia?" TOu]? ä— oo£t/.vu|J'.£vou? üxo tcöv yCkiy.a':r,p(i)v £7:i[j,rjViO'J5

T[7ii;] [TravT^yopiax]"?]? cjvooO'j t'^? £v'E7.ixt>)viw yivoy.Evr,? £7:ip/ovi£'j£tv eäv [£vSrip-w(Jt, ijäv (X7roö'(i[;-(]j(7iv, ou? a,v xaxaliTvto'jiv aÜTÜv X'j-

ptoui; /.aTO. 5 [Taüxa. Eotv Se] a'jT£777.yy£'XToi tiv£; Tvsiawcii Toü; aüxdiv y/kioi-

(jT^pa;, [ - - auTojv Tot; aÜTOü j^^i'Xio.Gxrjp'ji. äv §£ atp£0£i; xt; '/^ aüxo? [-Etira? p,r, £-:n[;!.-/ivi£6](j-/i, £t(T7rpaj(_0'/ixco Spa^ixx? Siaitocia; utco

xcov v[o]- [(/.oypxcpoiv xoJv a.ip£6£vxo)]v zocl x[(ov £7ri]{j:,-/ivi(i)v xwv cuvaTCoSet-

[•/.vu{;.£vcov].

So gelesen enthält die Inschrift einige zwar nicht durch ihre Neuheit überraschende aber immerhin willkommene Daten zur Geschichte von Samos. Dieselbe giebt sich als Antrag ei- ner Gesetzescommission (vojxoypäfpoi) in Betreff der Festfeier im Helikonion zu erkennen. Dass der Antrag die Zustimmung des Volkes erhalten habe, folgt aus der Existenz der Urkunde darüber ohne Weiteres, und ist wie in andern ähnlichen Fäl- len in der letzteren nicht besonders bemerkt worden. Die Com- mission, welche ihn eingebracht hatte, war, w ie der Zusatz ol aip£6£vx£? beweist, eine ausserordentliche, keine stehende Be- hörde. Der Opferdienst an der Festfeier im Helikonion ist durch das vorliegende Gesetz den von den Chiliasteren jeder Zeit ernannten i-iixrivio'. übertragen worden. Wie andere sa- mische Inschriften gelehrt haben war die Bürgerschaft der In sei in Phylen, Chiliastyen, Hekatostyen und Geschlechter ein getheilt; mit dem hier zum ersten Mal vorkommenden Wor )(^di,a'7xr,p£; werden die Älilglieder einer Chiliastys bezeichnet Wie die folgende Bestimmung zeigt, wonach die £7:i{x-/)vtoi ge

^ Möglich wäre auch [Kara laSs s]iorjv£Y/.av ; ich habe angenommen, dass die erste Z. links sowie rechts um ein Paar Stellen eingerückt war.

MITTH. D. ARGH. INST. X. 3

34 INSCHRIFT VON SA MOS

halten sein sollen im Falle ihrer Abwesenheit bevollmächtigte Stellvertreter (aOröJv x'jpiou;) zu hinterlassen, ist denselben der Opferdienst im Helikonion neben ihren sonstigen Funktionen übertragen worden; wären sie eigens für das Fest ernannt gewesen, so hätte begreiflicher Weise jener Fall nicht ein- treten können. Hiernach ist unter den eri^ar^vioi von Samos eine jährlich für die Hauptfeste ernannte Opferbehörde zu ver- stehen ähnlich wie die UpoTvoiot in Athen ^ Eine weitere Be- stimmung betraf die Ernennung von Männern zu £7:i[;//]vtot, welche sich ihren Chiliasteren selbst zur Uebernahme der Functionen bereit erklärt hatten. Dass die Ernennung solcher Candidaten zugelassen war, zeigt das Folgende; in welcher Form dies ausgesprochen oder welche Bedingung daran ge- knüpft war, wird sich mit den jetzigen Mitteln kaum feststellen lassen. Für die i-iy/n^>M scheint sicli daraus zu ergeben, dass ihre Function mit eigenen Ausgaben wenigstens verbunden sein konnte und darum als eine Art von Liturgie betrachtet oder behandelt wurde ^ Eine kleine Schwierigkeit ist in der letzten Bestimmung der Inschrift enthalten, der zu Folge die Einziehung fälliger Bussen den Nomographen und £7:i{y//)viot obliegen soll. Hiernach könnte es scheinen, als seien entwe- der die Nomographen eine stehende Behörde oder das Fest ein einmaliges gewesen, Suppositionen, von denen die eine eben- sowenig wie die andere mit der Fassung der Urkunde verei- nigt werden kann. An der vorgenommenen Ergänzung halte ich gleichwohl fest und halte für möglich, dass die Formu-

' Wenn in der Inschrift von Smyrna C. 1. ß. 3137 Z. 31 unter den smii.i\- vtoi Tf]; ßouX^; der geschäftsführende Ausschuss des Rathes zu verstehen ist, so kann in der samisclien Inschrift doch augenscheinlich diese politische Behör- de nicht gemeint sein, auch abgesehen davon dass in den weiter zu erwähnen- den Volksbeschlüssen der Samier die Prytanen genannt sind. Nach dem Zu- satz Ol uKo Twv /iXtaaTrfpwv äTToSeixvufjiEvoi zu schliessen gab es in Samos meh- rere CoUegien von £;it[i.rjvtot, sowie in Athen mehrere Classen von hpoKOiol zu unterscheiden sind (vgl. Diltcnberger SijlL 334 Anni. 13).

2 Vgl. das Decret des zotvöv twv au[j.:rop£uo[Ji.£vojv 7:apa A^a 'Ts'xiov auS Kos b. Cauer Del. 162, in welchem ETrijjLrjvtoi xjziKix-^yili:oi wegen ihrer Leistungen belobt werden.

INSCHRIFT VON SAMOS 35

lirimg der Bestimmung nicht ganz corrcct ist und die erste Hälfte sich auf diejenige Zeit heschrünkt, in der die Nomo- graphen noch in Function sein würden. Lebrigens ist es mir wahrscheinlich, dass hiermit die Urkunde schloss und so- mit die 8. Zeile die letzte der Inschrift war.

Nach den graphischen und sprachlichen Eigenthümlichkei- ten der Inschrift kann das Gesetz über die helikonische Fest- feier unmöglich in die Zeit vor der Besiedelung von Samos mit attischen Kleruchen (3G5 v. Ch.) gehören. Diese Periode der samischen Geschichte endigte im J.322, in welchem Per- dikkas die Athener nöthigte die Insel an die Samier zurück zu geben, die nach ihrer Heimkehr nichts dringenderes zu thun hatten als das seit einem halben Jahrhundert aufgelöste Staatswesen wieder herzustellen und soweit Mittel und Um- stände es gestatteten ihren Verpflichtungen gegen alle diejeni- gen, welche ihnen das Exil erleichtert hatten, zu genügen. Von diesem lobenswerthen Bestreben legen eine ziemliche Reihe von Beschlüssen des Rathes und Volkes Zeugniss ab, in denen Bürgern verschiedener griechischer Städte, welche sich den vertriebenen Samiern nützlich erwiesen hatten, Lob und Ehren gespendet werden^; das helikonische Gesetz gehört in das Verfassungswerk. Unter dem Helikonion ist eine Cuit- stätte des helikonischen Poseidon zu verstehen, dessen Hei- ligthum am Vorgebirge Mykale den sacralen Mittelpunkt der kleinasiatischen Jonier bildete und daher den Namen Pan- ionion führte. Pausanias (VII 4, 5) erwähnt Helikonien bei Milet und in Teos; von der Existenz der Cultslätte in Samos war bisher nichts bekannt. Wahrscheinlich ist der Gott ur- sprünglich in allen Städten, welche an der Feier der Panionien Theil hatten, besonders verehrt worden; diese städtischen Culte gewannen an Bedeutung in Zeiten, in denen die am- phiktionische Feier unterbrochen war. Die herrschende An- sicht scheint allerdings zu sein, dass die Panionien un- unterbrochen bis in die Kaiserzeit hinab gefeiert worden

Vgl. Fabricius Mitth. IX S. 193 ff.

36 INSCHRIFT VON SAMOS

seien; aber es ist ziemlich sicher, dass das amphiktionische Fest während des o-pössten Theiles des fünften und vierten Jahrhunderts nicht begangen und erst im Beginn der helle- nistischen Epoche neu organisirt worden ist ^ Die Inschrift von Samos ist nach dem Inhalt in die erste Zeit nach der Rückkehr der Samier aus dem Exil zu setzen; sie ist wahr- scheinlich etwas älter als die oben erwähnten Ehrendecrete des samischen Ralhes und V^olkes. Man lernt daraus dass die heimo-ekehrten Samier ähnlich wie die Athener nach der Ver- treibung der Dreissig eine Commission zur Ausarbeitung von Gesetzesentv\ ürfen für das neu zu constituirende Gemeinwe- sen eingesetzt hatten, welche der Genehmigung durch das Volk bedurften, um für rechtskräftig zu gelten. Der auf das nationale Fest bezügliche Antrag ist uns in der hier bespro- chenen Inschrift erhalten, welche dem Inhalt nach zu schlies- sen in dem Helikonion aufgestellt war. Letzteres mit dem Tempel des Poseidon an der Ostküste von Samos zu identifi- ciren, welchen Strabo 637 erwähnt, liegt kein Grund vor. Der Inschriftstein wurde früher in einem Hause des Dorfes

^ Herodot I 148 (vgl. 170 Anf.) spriclit von der Feier der Panionicn als der Vergangenlieit angeliörig (äyeaxov öpi7\v) ; sie wird die Niederwerfung des jonischen Aufslandes (499 496) und die nivellirenden Verwallungs- niaassregeln des Artaphernes nicht überlebt haben. So lange das attische Reich bestand, war die Wiederherstellung derselben ein unmöglicher Ana- chronismus. Was es mit der Erzählung Diodors (XV 49, vgl. Ötrab 385 und Schoeraann Anl. j. p. Gr. S. 413, 10) von der Verlegung der Feier nach Ephesos im J. 374 auf sich hat, soll hier dahingeslelll bleiben; an sich er- scheint es nicht unmöglich, dass damals ein partieller Versuch (der Text Diodors spricht von 9 Städten) gemacht worden sei die alte amphiklionische Feier wieder zu beleben. Die erste Spur des neu organisirteu zoivciv steht in einer Inschrift aus der Zeil zwischen 306 und 302 (Le Bas Asie min. 86 = Dillenberger SyU. 126 z. Anf.). Zu dem öflei' herausgegebenen Beschluss der 13 jonischen Städte zu Ehren des Hippostratos, des Günsllings des Königs Lysimachos, ist neuerdings ein interessantes, leider stark fragmentirtes De- cret aus der Rcgicrungszeit des Antiochos Soter hinzugekommen (herausge- geben von Ar. Fontrier in dein demnächst erscheinenden Heft der Publica- lion der evang. Schule in Smyrna äp. v32). Das an der Stelle des Panio- nions gefundene Decret 0. I. G. 2909 ist chronologisch nicht lixirl, stammt aber wahrscheinlich auch aus der hellenistischen Zeit.

INSCHRIFT VON SAMOS 37

Mylilini aiifbovvalirl, welches nngefälir 1 y,, Sliinden nord- wesllicli von den Iliniiinauern der allen Stadt Samos 700'" über dem Meeresspiei2;el liegt '. Das F'anionion am Vorgebirge Mykale sowie die Helikonien bei Milet und in Teos waren hei- lige Bezirke mit dem Altar des Gotles. Das Gleiche darf man für das Helikonion in Samos vermiithen. Heilige Bezirke mit Altären waren die tViihste und einfachste Form der (lultslät- ten in Griechenland, Es scheint, dass diese Form, die in man- chen Landschaften, welche abseits lagen von den Centren des nationalen Lebens und in denen sich daher alterthümliche Lebensformen länger erhielten, wie in den griechischen Städ- ten Kyperns"^, erst in der hellenistischen Zeit den kunstvolleren Tempelbauten gewichen ist, in dem uralten Dienst des heli- konischen Poseidon typisch geblieben ist^.

ULRICH KOEHLER.

' Vgl. über die Allerthümer in Mytilini die Bemerkungen von Fabricius a. a. O. S. 192.

2 Vgl. die Auseinandersetzungen von Rieh. Neubauer über das Temenos des Apollon bei Atienu Gomm- in hon. Mommseni S. 673 fi". Das Ileiliglhurn bei Voni, über dessen Aufdeckung Mitth. IX S. 127 iT. berichtet ist, war of- fenbar gleichfalls ein Temenos ohne Tempel. Cesnola Ci/prus S. 139 will das F'ehlen von Baugliedern bei Atienu und anderswo auf der Insel daraus er- klären, dass die Tempel aus Luftziegeln und Holz aufgeführt gewesen seien. Es wird einer erneuten Untersuchung der Fundstätten auf Cypern bedürfen um zu entscheiden, wie weit diese Annahme ausgedehnt werden darf.

^ Die Berichte über das Erdbeben von Helike erwähnen nur das Teme- nos des Helikoniers. welches ausserhalb der Stadt am Meere lag. und das Bild des Gottes. Die lonier in Athen verehrten den StammgoU anderEa/apa jenseits des Ilissos auf der höchsten Spitze der Hügel von Agrai, Wachs- muth Die Stadt Athen S 394 f. Vor der Stadt lag wie erwähnt auch das Helikonion von Milet. Danach scheinen die Jonier den Erderschüttercr geflissentlich seine Cultställen abseits von den Wohnungen der Menschen bereitet zu haben.

Die Propyläen der Akropolis von Athen, I. Das ursprüngliche Project des Mnesikles.

Während die bauo;eschichtliche Forschung sich bei den griechischen Bauwerken bisher meist darauf beschränkt hat, ein möo-lichst vollständio;es Bild von dem Innern und Aeus- sern derselben zu gewinnen, sowie die Zeit ihrer Erbauung und Zerstörung zu ermitteln, fasst sie auf dem Gebiete der mittelalterlichen und neueren Baukunst ihre Aufgabe schon längst als eine weitergehende auf, indem sie vor allem auch die Abänderungen, welche der ursprüngliche Entwurf eines Bauwerkes während der Bauzeit oder später erfahren hat, in den Kreis ihrer Untersuchung zieht. So ist, um nur an ein Beispiel zu erinneren, an der Peterskirche in Rom bekannt- lich längst ermittelt, welche Gestalt der ursprüngliche Plan des Bramante hatte und in welcher Weise dieses schöne Pro- ject von den späteren Architekten der Kirche umgeändert ist. Lässt sich diese Art der Forschung nicht auch auf die antike Baukunst anwenden ?

Bei vielen griechischen Bauwerken werden solche Unter- suchungen aus dem einfachen Grunde zu keinem Ziele füh- ren, weil ihr Plan genau in der Weise zur Ausführung ge- langt ist, wie ihn der Architekt zuerst entworfen hat. Die Grundrisse der griechischen Tempel sind meist so einfach, dass spätere Abänderungen oder Einschränkungen fast ganz unmöglich waren. Aber es giebt auch antike Bauten, wel- che in ganz andrer Weise ausgeführt sind, als sie ursprüng- lich projeclirt waren; sei es dass man den zuerst aufgestellten Plan allmählich erweitert hat, sei es dass derselbe während

DIE PnOPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 39

der Ausführung bedeutendere Einschränkungen erfuhr. Zu der ersteren Klasse von Bauten gehört z. B. das Olympieion in Athen, das von Pisistralus begonnen und von Antioclius und Hadrian erweitert und vollendet wurde. In die zweite Kate- gorie gehören die Propyläen von Athen-

Welches Project Perikles und der Architekt Mnesikles für dieses Festlbor entworfen haben und wie dieser grossartige Plan allmählich verkleinert, ja auf die Hälfte reducirt worden ist, sollen die folgenden Zeilen darlegen.

Nachdem der Parthenon im Jahre 438 vollendet und bei der Panathenäenfeier eingeweiht war, fasste Perikles den Plan, den westlichen Aufgang der Burg, der noch mit den altertümlichen Resten des Pelasgikon und mit dem Thorge- bäude des Kimon versehen war, mit einem grossartigen Fest- thore auszustatten. Der Architekt Mnesikles wurde mit dieser Aufgabe betraut. In der kurzen Zeit von io7 432 führte er einen Thorbau aus, der im Altertum hochgepriesen wurde und auch noch heute, obwohl er in Trümmern liegt, die Be- wunderung der Welt verdient. Wie der Bau aussah, als er noch aufrecht stand, ist durch die Aufnahmen und Untersu- chungen von Stuart und Revett, le Roy, Hoffer und Scholl, Penrose, Julius und Bohn festgestellt. Den beiden letzteren gebührt namentlich das Verdienst, die seltsame Gestalt des Südflügels aus den im Frankenthurm vermauerten Baustücken ermittelt und im Einzelnen nachgewiesen zu haben.

Fast alle Gelehrte, welche sich mit den Propyläen be- schäftigt haben, (ich nenne ausser den obigen noch nament- lich Ross, Bötticher, Michaelis und Robert) haben bemerkt, dass der Bau des Mnesikles niemals fertig geworden ist. Man erkannte wohl, dass der Südflügel anfänglich eine andere Ge stall haben sollte, und dass innerhalb der Burg zu beiden Sei- ten der Hinterhalle grosse Säulenhallen projectirt waren. Wel- che Gestalt diese Neben bauten aber haben sollten, wie ihr Grundriss und Aufriss im Project des Mnesikles aussah, dar- über hat sich i)isher noch niemand genauer ausgesprochen. Man ging offenbar von der Voraussetzung aus, dass es bei dem

40 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

Mangel bestimmter literarischer Nachrichten nicht genügende Anhaltspunkte gäbe, um die Gestalt der nicht zur Ausführung gelangten Bautheile zu bestimmen. Diese Voraussetzung ist aber, wie wir sehen werden, eine irrige. Die Ruinen liefern uns in ihrem jetzigen Zustande noch ausreichendes Material zur Reconstruction des ursprünglichen Entwurfes.

Auf den beiden beigefügten Tafeln habe ich den Grund- riss und einige Aufrisse der Propyläen im Maasstab 1 : 250 gegeben. Im Grundrisse sind die wirklich ausgeführten Bau- teile mit schwarzer Farbe schrafHirt, während die nicht zur Ausführung gelangten, nur projectirten Teile durch eine rothe Schraffirung kenntlich gemacht sind. Tafel III zeigt verschie- dene Aufrisse des ursprünglichen Projecles.

Der Mittelbau der Propyläen ist genau nach dem Entwürfe des Mnesikles fertiggestellt worden, wenigstens weist nichts daraufhin, dass während der Ausführung Veränderungen des ursprünglichen Planes stattgefunden haben. Westlich von der Abschlussmauer, die von fünf Thoren durchbrochen ist, liegt eine grosse Vorhalle mit 6 dorischen Säulen an der Front; die prächtige steinerne Decke des Innern wurde von 6 joni- schen Säulen getragen. An der Innenseite der Burg ist eine schmalere liinterhalle angeordnet, welche ebenfalls eine von 6 dorischen Säulen gebildete Fassade hatte.

Die Grenzmauer der Burg, oder sagen wir lieber des heili- gen Bezirks der Athena, sollte von aussen nicht ganz schmuck- los erscheinen und wurde desshalb nördlich und südlich von der sechssäuligen Vorhalle mit Nebenbauten ausgestattet, wel- che man jetzt gewöhnlich als Nord- resp. Südflügel bezeichnet. Der nordwestliche Flügel so wollen wir den ersteren zum Unterschied von einem nordöstlichen Anbau nennen ist genau nach dem Projecte ausgeführt und, wenn wir von dem an vielen Stellen noch abzuarbeitenden Werkzoll abse- hen, auch ganz vollendet worden. Er besteht aus einem un- gefähr quadratischen Saale mit einer nach Süden gelegenen Vorhalle. Die Südwand öffnet sich mit drei Säulen zwischen zwei Anten, enthält also vier hitercolumnien. Die West- und

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 41

Nordwand sind vollständig; frcsclilossen, weil sin nahn an den Rand des Burgfelsens liei'antreten und auf sehr iioliem l nler- bau stehen.

üeber die Gestalt, welche der südwestliche Flügel im Altertume gehabt hat, ist man lange im Unklaren gewesen; erst nachdem der Frankenlhurm gefallen war, und die in dem- selben vermauerten Bauglieder der Propyläen untersucht wer- den konnten, hat Julius in dieser Zeitschrift (I S. 26) und später Bohn in seinem grossen Werke über die Propyläen die richtige Lösung für die Grundrissform ^ dargelegt. Auf Ta- fel li kann man an der schwarzen Schrallirung erkennen, welche Gestalt dieser Flügel im Altertume gehabt hat. Die Nordfront enthielt drei dorische Säulen zwischen zwei Anten, war also vollständig symmetrisch mit der ihr gegenüberlie- genden Südfront des nordwestlichen Flügels gebildet. Hinter dieser Front lag nach Süden nur ein einziger Raum, nicht zwei, wie bei dem anderen Flügel. Im 0. und S. war der- selbe von geschlossenen Wänden umgeben. Nach W. reiclite er nicht bis an den westlichen Eckpfeiler der Front heran, sondern war schon bei der dritten Säule beendet, denn von dieser ging das von einem schmalen Miltelpfeiler unterstützte Gebälk auf die Südwand über. Der Eckpfeiler der Nordfront sprang also coulissenartig vor und stand vollständig isolirt da.

Ein so seltsamer Grundriss ist nicht von Anfang an pro- jectirt gewesen ; darüber kann kein Zweifel sein. Es fragt sich aber, welche Gestalt dieser Flügel ursprünglich haben sollte, und welche Umstände eine solche Reduction des ersten Pla- nes herbeigeführt haben. Man hat bisher fast allgen)ein an- genommen, dass der Flügel nach Westen bis zum Eckpfeiler reichen, also dieselbe Länge haben sollte, wie der N. W. Flü- gel, dass aber die Südwand schon im Project in derjenigen Entfernung von der iNordwand angesetzt war, welche sie jetzt zeigt. So richtig die erstere Annahme ist, so falsch ist die

* Dass der obere Abscliluss anders gewesen ist, als mau bisher annahm, werde ich in einem zweiten Aufsatze nachweisen,

42 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

zweite. Der S.W. Flügel sollte nicht nur dieselbe Länge, son- dern auch dieselbe Tiefe wie der N. W. Flügel (die Pinako- thek) haben.

Um diese Behauptung zu beweisen, betrachten wir zunächst die ausgeführte S. W. Ante {A auf Plan HI), welche einst den Abschluss der Südwand bildete. Nach Bötticher, Julius und Robert soll diese Ante als Thiirpfosten charakterisirt sein und einer Thür angehören, welche in der S. W. Ecke des Gema- ches angebracht war. Ich will kein Gewicht auf den Umstand legen, dass man eine solche Thür, wenn man sie anlegen wollte, doch schwerlich in der äussersten Ecke des Flügels angelegt hätte, denn es sind immerhin Gründe denkbar, wel- che eine solche Lage der Thür rechtfertigen könnten; aber es ist ein architektonischer Irrlhum, in der Ante einen Thür- pfosten zu erkennen. Man sehe doch nur, wie die 5 Thüren des Mittelbaues der Propyläen, wie diejenige im N. W. Flü- gel und wie überhaupt die Thüren in alten dorischen Bauten gebildet sind. V^on steinernen Anten ist dort nichts zu fin- den, denn alle diese Thüren waren mit einer hölzernen Um- rahmung versehen. Die Form unserer Ante beweist vielmehr, dass sie zur Aufnahme eines von Westen kommenden Archi- traves bestimmt war, und dass also genau in der Verlängerung der Mauer eine Stütze und zwar unbedingt eine runde Säule stehen sollte. Diese Säule, welche selbstverständlich den glei- chen Durchmesser haben musste wie die anderen Säulen der Flügelbauten, kann nur in einem solchen Abstände von der Ante projectirt gewesen sein, dass ihre Axe genau in die Flucht des grossen N. W. Pfeilers unseres Flügels und damit zugleich in die Verlängerung der westlichen Abschlusswand der Pinakothek fiel. Der Standplatz der Säule ist dadurch ge- nau bestimmt, ihr Centrum liegt 2,25" von der S. VV. Ante (.4) nach Westen und 6,5ß'" von der Aussenkante der Nord- wand nach Süden.

Dass die Weslwand des S. W. Flügels im ursprünglichen Projecte Säulen enthalten sollte, können wir auch noch auf einem anderen Wege beweisen. Die eigenthümliche Form des

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grossen N. W. Pfeilers (ß), wie sie Tafel II im Grundriss zeigt, ist bisher noch nicht genügend erklärt worden. Wenn dieser Pfeiler nur den provisorischen Abschluss der Nord- wand bilden sollte, so hätte man ihn gewiss einfach rjuadra- tisch gemacht und ihm nicht jene complicirte Form gegeben. Seine Gestalt ist nur dann erklärlich, wenn wir annehmen, dass er schon im Projecte des Mnesikles genau so gebildet war, wie er später ausgeführt ist. Wir können dann den Pfei- ler architektonisch definiren als ein kurzes Wandstück, das an zwei Enden antenförmis; abgeschlossen ist. Der nördliche Abschluss hat ganz dieselbe Form wie die gegenüberliegende S. W. Ante der Pinakothek und der südliche Abschluss ist gerade so gestaltet wie die östliche Ante der Nordwand oder die oben besprochene westliche Ante der Südwand. Da nun eine solche Parastas nur dann architektonisch berechtigt ist, wenn ihr eine Säule gegenüber steht, so folgere ich, dass sich im Projecte des Mnesikles an den grossen N. W. Pfeiler nach Süden eine Säulenstellunor anschliessen sollte. Da die Axweiten dieser Säulen unzweifelhaft ebenso gross sein müssen, wie diejenigen der wirklich ausgeführten Nord- wand, so können wir aus den Dimensionen der letzteren die Standplätze der Säulen an der Westseite berechnen. Nach Bohn ist bei der Nordwand diej Entfernung der östlichsten Säule von der östlichsten Ante^ 2,32'" und die Axweite der 3 Säulen beträgt je 2,50™. Die|erste Säule der Westwand muss daher auch 2,32™ von der'Ante entfernt sein und die zweite Säule wieder 2,50™ von der ersten. Berechnen wir hiernach die Dimensionen der Westwand, so erhalten wir für die Ent- fernuno; der ersten Säule von der Aussenkante der Nordwand 4,08™ und für die Entfernung der z wei ten Säule von der- selben Kante 6,58™. Da wir oben den Abstand derjenigen Säule, welche in der westlichen Verlängerung der Südwand

^ Es versteht sich von selbst, dass nicht etwa der Abstand der westlichen Säule von ihrer Ante genommen werden darf, weil letztere sich wegen ihrer grösseren Breite anders zum Triglyphenfriese verhält, als die östliche Ante, welche genau die Breite einer Triglyphe hat.

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stehen sollte, von der Aussenkante der Nordwand auf dasselbe Maass (0,50™) bestimmt haben, so ergiebt sich das wichtige Resultat, dass diese Säule mit der zwei ten Sau le der West- wand identisch ist. Diese üebereinstimmung der Zahlen ist der denkbar sicherste Beweis für die Richtigkeit unserer bis- herigen Schlüsse.

Die Westfront des S. W. Flügels zeigt also bis jetzt links einen von zwei schmalen Anten eingefassten Pfeiler und wei- ter rechts noch zwei Säulen. Es liegt auf der Hand, dass eine so unregelmässige Front nicht von Mnesikles projectirt sein kann, sondern dass er die Wand auch rechts mit einer Ante abgeschlossen haben wird. Wie viele Säulen waren aber zwi- schen den beiden Anten ansreordnet? Auch hier führt uns ein einfaches Rechenexempel zu einem sicheren Ziel. Nehmen wir nämlich an, dass die ganze Westfront ausser den beiden breiten Eckpfeilern noch 4 Säulen gehabt habe, so berechnet sich die ganze Breite auf 1 ,76+2, -32+2, 50+2, 50+2, 50 + 2,32+1,76"'= 15,66"". Das ist aber nach dem Bohnschen Plane ganz genau das Breitenmass der Pinakothek (15,64™). Was man also schon von vorne herein hätte annehmen kön- nen, dass nämlich der S. W. Flügel im Projecte genau so breit und tief war als der N. W. Flügel, das wird durch unsere Berechnung; aufs beste bestätiot. Wie sich hiernach die projectirte Westfront des S. W. Flügels gestaltet, habe ich auf Tafel II im Grundriss mit rother Schraffirnng und auf Tafel III im Aufriss dargestellt. An den südlichen Pfeiler sollte sich jedenfalls eine undurchbrochene Siidwand an- schliessen, welche der Nordvvand der Pinakothek entsprach.

Der Standplatz des projectirten S. W. Pfeilers liegt zwar, wie man auf dem Grundriss erkennt, etwas ausserhalb der Burgmauer, allein der Burgfels springt an jener Stelle so weit vor, dass der Fundamentirung des Pfeilers keinerlei Schwie- rigkeiten entgegenstanden. Wir dürfen sogar den Umstand, dass der Bauplatz der Propyläen gerade die p]rrichtung zweier gleich grosser Flügelbauten erlaubt, als eine willkommene Bestätigung unserer Beweisführung ansehen. Die jetzt vor-

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 45

handene Südwand war, wie wir spälcr sehen werden, im Ui'spriinglichen Projecte jedenfalls nicht vorgesehen, sondern der ganze S. VV Flügel sollte einen einzigen, nngelheillen Raum hilden, der sich nacii i\. mit 1 Inlercolumnien zum Miltelhau der Propyläen, nach VV. mit. 5 Inteccolnmnien zum Nikepyrgos öff'nele. Eine vollständige Symmetrie der heiden westlichen Flügelbanten, wie sie sich am meisten empfahl, konnte der Archilect nicht erreichen, weil durcii den S. VV. Flügel ein Zugang zum Tleiligthiim der Athena Nike gesrliaf- fen, also die VV^estwand durchbrochen werden mussle, wäh- rend die Westwand der Pinakothek wegen des steilen Felsen- abhanges geschlossen war. Und doch wollte er beide Flügel wenigstens möglichst orleichmässis machen. Deshali) erhielt die Pinakothek an ihrer VV-'estseite genau dasselbe Gebälk, wie der S. VV. Flügel, obwohl nach den Kegeln des dorischen Stiles auf der geschlossenen W.Wand kein besonderer Archi- trav zu liegen brauchte; deshalb wurde an der S. VV. Ecke der Pinakothek auch eine Ante Eingeordnet obwohl bei gleich- zeitigen oder älteren dorischen Bauten eine gewöhnliche Mau- erecke niemals eine Ante zeigt. Auch der Umstand, dass für die beiden Eckpfeiler an der Westwand des S. W. Flügels keine einfachen Parastaden, sondern wirkliche Mauerstücke mit je zwei schmalen Anten gewählt worden sind, bezeugt uns den Wunsch des Architekten, die beiden Flügelbaulen nach Möglichkeit symmetrisch zu gestalten.

Haben wir somit erwiesen, welche Form der S- W. Flügel im ursprünglichen Project des Mnesikles hatte, so fragt es sich weiter, welche Gründe den Architekten zu der lleduction seines Planes gezwungen haben. Bei Ausführung des ganzen S. W. Flügels hätten von zwei verschiedenen älteren Meilig- thümern, dem Bezirke der Artemis Brauronia und demjeni- gen der Athena Nike, Stücke abgeschnitten werden müssen. Die Priester haben sich gewiss, so bald Mnesikles sein Pro- ject öffentlich bekannt gab, dieser Verkleinerung der Bezirke widersetzt und auf eine Abänderung des Entwurfes gedrun- gen. Dass sie ihren Willen durchgesetzt haben, zeigt uns die

46 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

jetzii^e Gestalt des Flügels, denn wegen der brauronischen Terrasse ist die Südwand weiter nach N. und wegen des Be- zirkes oder Altares der Athena Nike die westliche Wand mehr nach 0. verlegt worden. Aber Perikles und sein Architekt haben trotzdem ihr Project nicht aufgegeben. Obwohl nach- weisbar schon vor dem Beginne des Baues die Keductionen ansjeordnet und eingetreten sind, hat der Architekt doch nicht für den verringerten Bauplatz einen ganz neuen Entwurf aus- gearbeitet, sondern hat den alten, durch die Reduction ent- stellten Plan beibehalten, in der Hoffnung, dass in näherer oder fernerer Zukunft die vorhandenen Schwierigkeiten geho- ben,und dann das grosse Project in seiner ganzen Ausdehnung zur Ausführung kommen würde. Nur unter dieser Voraus- setzung ist, wie wir sehen werden, die eigenthümliche Ge- stalt des S. VV. Flügels zu erklären. Das Vorhandensein der grossen pelasgischen Festungsmauer, welche zugleich die Grenzmauer des Bezirkes der Artemis Brauronia bildete, machte die Erbauung der projectirten Südwand unmöglich. Es hätte nun nahe gelegen, dem S.W. Flügel dieselbe Tiefe zu geben wie der Vorhalle der Pinakothek. Dies geschah aber nicht,sondern die Wand wurde genau in die Axe der zweiten Säule der pro- jectirten Westwand gelegt und mit einer Ante abgeschlossen, welche auf diese Säule Rücksicht nimmt. Der Architekt hoffte also die Erlaubniss zur Erbauung der Westwand mit ihren 4 Säulen und 2 Pfeilern noch nachträglich zu erhalten, und dann würde die provisorische Südwand in organischem Zu- sammenhang mit dieser Säulenstellung gestanden haben. Diese Hoffnung hat sich aber weder während des Baues noch später jemals erfüllt, und so hat denn der S. W. Flügel bis zu seiner Zerstörung die seltsame Form behalten müssen, die anfänglich nur ein Provisorium sein sollte.

Ich habe die Frage nach dem Alter des Niketempels und des Nikepyrgos hierbei unberührt gelassen, weil sie für unser Thema irrelevant ist. indem ich mir vorbehalte, in einem an- deren Aufsatze auf dieselbe zurückzukommen, bespreche ich hier nur einen Punkt, der für unsern Gegenstand von Wich-

DIE PROPYLAEEN DKH AKItOPOLIS VON ATHEN 47

ligkeit ist. Julius und Bolin nehmen an, dass während des Baues der Propyläen der Beschluss zur iM-nclilunii des Nike- tempels gefasst, und durch diesen Beschluss die IManvtMÜn- derung des südwestlichen Prop) lüenllügels herheigelührt wor- den sei. Aus der obigen Darstellung geht schon hervor, dass ich diese Annahme nicht tur richtig halle. Da ihatsächlich in den untersten Fundamenten des S. VV. Flügels die Re- duction schon eingetreten ist, so kann sie nicht erst w iili- rend des Baues, sondern muss schon vor Beginn dessel- ben vorgenommen worden sein. Hierbei ist es vollständig gleichgültig, ob der jetzige Niketempel damals schon existirte, oder ob ein älterer Tempel oder ein Altar an seiner Stelle stand. Irgend ein Heiligthum hat jedenfalls schon vor Erbau- ung der Propyläen auf dem Nikepyrgos gestanden, sonst würde ja die Anordnung von Intercolumnien in der West- wand des S. VV. Flügels schwer verständlich sein.

Ausser den beiden westlichen Flüe;elbauten sollten auch im Osten, also im Innern der Akropolis zwei Flügel und zwar zwei grosse Hallen errichtet werden. Die Merkmale, welche diese Absicht des Mnesikles erkennen lassen, sind schon viel- fach erkannt, aber erst von Robert und Thür (Kydathen S. 190) und später von Bohn (Propyläen S. 31) eingehend ge- würdigt worden. Betrachten wir zunächst den N. 0. Flügel. Unmittelbar neben der grossen N. 0. Ante des Mittelbaues der Propyläen springt nach N. ein schmaler Pfeiler vor, wel- cher deutlich als Ante charakterisirt ist und zwar als eine solche, welche einen von N. kommenden Architrav aufneh- men sollte. In der Verlängerung des Pfeilers war also eine Säulenstellung projectirt. Obgleich weder von diesen Säulen noch von ihrem Stylobate jemals irgend ein Stück fertig ge- worden ist, genügt doch allein der antenförmige Pfeiler, um die Existenz einer grossen N- 0. Säulenhalle im Projecte des Mnesikles zu erweisen. Man hat allerdings den Pfeiler auch in andrer Weise erklärt; man glaubte, dass er bis ans Haupl- gesimse des Mittelbaues habe hinaufgeführt werden sollen, damit sich an ihm die in verschiedenen Höhen liegenden Ge-

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simse des Mittelbaues lodt laufen könnten. Allein diese Er- kläruno; könnte nur dann Anspruch auf Richtigkeit machen, wenn der Pfeiler erstens grade in der Verlängerung der Fünf- thorwand stände, denn hier stossen die Gesimse der beiden Theile des Mittelbaues in hässlicher Weise zusammen, und wenn er zweitens nicht im Grundriss unabweislich als Ante charakterisirt wäre.

Für die Existenz einer grossen N. ü. Halle spricht aber weiter noch der Umstand, dass die Süd- und VVestwand die- ser Halle an ihrer Innenseite mit einem Gesimse versehen sind, wie es nur bei Innenräumen vorkommt, und wie es auch die beiden westlichen Flügelbauten der Propyläen im Innern besitzen. Da dieses Gesimse sich an der ganzen Westwand, selbst an dem über die Pinakothek nach N. vorspringenden Stück befindet, so ist dargethan, dass die Säulenhalle sich nach N. über die Pinakothek hinaus erstrecken sollte. Der jetzige nördliche Abschluss der VVestwand ist wie sich nach- weisen lässt, ein provisorischer; nach dem ursprünglichen Entwürfe sollte sich diese Wand noch weiter nach Norden ausdehnen, denn ihre Fundamente reichen noch jetzt bis un- mittelbar an die Burgmauer heran- Die nördliche Grenze der N. 0. Halle sollte also, ebenso wie bei der Pinakothek, von dem Rande des Burgfelsens gebildet werden. Dies wird be- stätigt durch die projectirte S. 0. Halle; dieselbe erhielt, wenn sie ebenfalls bis zum Rande des Burgfelsens reich- te, grade dieselbe Länge wie die N. 0. Halle, weil, wie man auf Tafel H erkennen kann, die Entfernung vom Mittelbau bis zur Burgmauer im Süden und Norden gleich gross ist. Die Axe der Propyläen ist also so gelegt worden, dass an bei- den Seiten des Mittelbaues Säulenhallen von gleicher Länge erbaut werden konnten. Die Länge einer jeden Stoa lässt sich hiernach auf rund 23™ bestimmen.

Wieviele Säulen werden an der Ostfront einer jeden dieser grossen Hallen gestanden haben? Um diese Frage beantwor- ten zu können, müssen wir zunächst die Axweite der Säulen bestimmen. Das einzige sichere Mittel hierzu bieten uns die

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Dimensionen der wirklich ausgeführten Ante. Bei dem Mittel- bau und bei den vvesllichen Flügeln stehen nämlich die Ab- messungen der Anten in einem bestimmten Veriiältniss zur Axweite der Säulen. So ist bei beiden Bauten die Axweite der Säulen (3,G3 resp. 2,51'°) ziemlich genau das 2 7-2 fliehe der Anlenbreite (1,43 resp. 1,01'"] und das 0,il resp. 0,43 fache der Antenhöhe (8,85 resp. 5, 85"'). Da nun die zur Ausführung gelangte Ante eine Breite von 0,87'" hat, und ihre Höhe, wenn wir ausser den erhaltenen Quaderschichten noch eine Schicht fürs Kapitell rechnen, circa 5,40'" beträgt, so berechnet sich hieraus nach obigen Verhältnisszahlen die Axweite auf 2,18- 2,32'", wofür wir im Mittel 2,25"^ nehmen dürfen. Bei Zu- grundelegung dieser Zahl können an der Front der Halle ge- rade 9 Säulen angesetzt werden.

Noch eine andre Art von Merkmalen, welche schlagend für die Existenz einer grossen N. 0. Halle im Entwürfe des Mne- sikles spricht, lässt sich anführen, nämlich die für die Holz- construction des Daches bestimmten Löcher. Erstens befin- det sich an der Südwand, genau in der Mitte zwischen Vor- der- und Rückwand der Halle, etwa 0,84'" über dem oberen Wandgesimse, ein grosses Loch von 0,76'" Breite, 0,64'" Höhe und 0,38™ Tiefe, welches unzweifelhaft eine mächtige höl- zerne Firslpfette aufnehmen solltet Von dieser Pfette, welche fast dieselben Abmessungen wie die als Pfetten dienenden Epistylia in der Skeuothek des Philon hatten, sollte das Dach nach beiden Seiten, d. h. nach VV. und 0., in gleichmässi- ger Neigung abfallen und über der nördlichen Schlussw^and wahrscheinlich in einem Giebel endigen.

Zweitens erkennt man an der Westwand unmittelbar über dem Wandgesimse eine Reihe grosser Löcher, welche in Ab- ständen von 0.61"' liegen und 0,61'" breit, 0,49" hoch und 0,36"" tief sind ; sie waren entweder zur Aufnahme von

' Durch die Existenz dieser Firstpfette wird Bohii's Annahme wider- legt, dass in dieser Ecke ein olfener Huf mit einer ringsherum laufenden Halle projectirt sei.

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MITTH. D. ARCH. KNST. X.

tO DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

horizontalen Balken oder von schrägen Sparren bestimmt. Bei der grossen Tiefe der Halle ( 12,90'" im Lichten) ist die Annahme, dass horizontale Balken ohne mittlere Unter- stützung von der Vorderwand bis zur Rückwand hätten rei- chen sollen, so gut wie ausgeschlossen. Eine horizontale Decke liess sich nur so construiren, dass entweder ein starker Trä- ger quer unter den Balken lag und dieselben in der Mitte un- terstützte, oder dass die Balken an einem über ihnen liegen- den Träger aufgehängt waren. Die erstere Lösung, welche die einfachere gewesen wäre, kann nicht beabsichtigt gewesen sein, weil an der Südwand der Halle kein Loch zur Aufnahme eines Unterzuges vorhanden ist. Bei der zweiten Construction konnte die gewaltige Firstpfette, deren Existenz gesichert ist, als Träger dienen, an welchem die Deckbalken mit Eisen aufgehängt werden sollten (vergl. die xepyaSs? in der Skeuo- thek des Philon). Eine solche Decke setzte natürlich Innen- säulen voraus, welche die Firstpfette oder einige der Balken unterstützten. Diese Construction habe ich auf Tafel III Figur 3 gezeichnet wo zwischen der Firstpfette und den Deckbal- ken noch ein besonderes Zwischenholz angeordnet ist. Die Aussensäulen müssen in diesem Falle um eine Quadratschicht (0,49™) höher sein, als wir oben angenommen haben.

Es ist noch eine andre Dachconstruction möglich, nämlich eine solche ohne horizontale Balken. Auf Tafel HI ist sie in dem Querschnitt (Fig. 2) durch punctirte Linien angegeben. Sie war eine sehr einfache. Eine hölzerne Firstpfette von 0,76"" Breite und 0,64'° Höhe, weichein das beschriebene Loch der Südwand eingriff, reichte von der Mitte der S.Wand bis zur N.Wand; sie musstevon mehreren schlanken Säulen unterstützt werden, weil sie sich auf eine Distanz von 23"" nicht freitragen konnte. Von dieser Pfette reichten stehende Sparren ((7(pr,/.i<7/toi) nach W.bis zur Rückwand und nach O.bis zur Vorderwand. Die Breite der- selben sollte nach den Dimensionen der vorhandenen Löcher 0,61'" und ihre Distanz von Mitte zu Mitte 1,22'" betragen. Ihre projectirte Höhe lässt sich nicht ermitteln, kann aber bei der grossen Spannweite nicht gut kleiner als 0,25'" gewesen

Die propylaeen der akropolis von athen 54

sein, üeber den Sparren sollten jedenfalls Qiierli(")lzer (l[x«vTei;) parallel zur Firslpfelte und über diesen Deckbretter (x.ocT.ufx- [jt.aTa) parallel zu den (jr^fiyday.oi Hetzen.

Dass eine solche Anordnung; des Daches wahrscbeinlich die beabsichtigte war, dafür liefert einen ziemlich siche- ren Beweis die Abschräüunü- der an der nördlichen Aussen- vsand des Mittelbaues vorhandenen Auskragung. Der Zweck dieser Auskragung ist schon von Thür und Bohn richtig er- kannt worden: die Erbreiterung der iN.Wand des Mittelbaues sollte nicht im Inneren der N. 0. Halle sichtbar sein und da- her musste sie gerade da stattlinden, wo sie vom Dache der Säulenhalle verdeckt war. Bei unserer Reconstruction trifTt nun die " consolartige " Abschrägung der vorgekragten Ecke genau mit der Oberkante des Sparrens überein, in der Weise, dass der unmittelbar an der Wand liegende Sparren gerade unter der schrägen Quader liegt und diese für den im Inne- ren der Halle Stehenden verdeckt. Die Abschrägung der aus- gekragten Ecke giebt also genau die Dachneigung und zwar speziell die Lage des Sparrens an. Dass sie übrigens keine zwecklose Anarbeitung ist, w ird durch das Vorkommen einer ganz gleichen Abschrägung in der projectirten S. 0. Halle zur Genüge erwiesen. Bei der zuerst erwähnten Dachcon- sti'uction (Tafel III, Figur 3) trifft die Abschrägung des vor- gekragten Steines mit der ünterkante des Sparrens überein, es kann daher in diesem Falle unmittelbar an der Südwand un- möglich ein Sparren gelegen haben, was mit den an der West- wand vorhandenen Löchern nicht in Einklang zu brin- gen ist.

Beide Lösungen des Daches bieten noch eine andre Schwie- rigkeit. Das Tranfgesimse der Westwand kann bei ihnen nicht in der Höhe des östlichen Traufgesimses gelegen haben, weil in derjenigen Höhe, wo über den östlichen Säulen das Gesimse liegt, in der Westwand noch eine resp. zwei glatte Quaderschichten erhalten sind. Wie diese Schwierigkeit über- wunden werden sollte weiss ich nicht. Man könnte an ein nach W. ansteigendes Pulldach an Stelle des Satteldaches denken,

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wenn nicht der über der S. W. Ecke der Halle vorhandene Triglyph des Mittelbaues einer solchen Annahme widersprä- che. Die Form eines solchen Pultdaches ist in Figur 3 auf Tafel II i durch punktirte Linien angegeben.

Zur Unterstützung der grossen Pfette mussten jedenfalls in der Mitte der Halle Säulen aufgestellt werden, wel- che vom Fussboden bis zur Pfette hinaufreichen sollten. Ir- gend welche Spuren solcher Säulen oder Fundamente der- selben haben sich nicht gefunden. Auf Tafel 11 habe ich des- halb die 4 Innensäulen, welche ich jeder Halle gegeben habe, nur durch punktirte Kreise bezeichnet. Die Zahl der- selben ergab sich aus der bei anderen Säulenhallen beob- achteten Thatsache , dass die Innensäulen gewöhnlich die doppelte Axweite der äusseren haben, ihre Höhe ist na- mentlich bei dem Dache ohne horizontale Balken auffallend gross im Verhältniss zu derjenigen der Aussensäulen ; da sie jedoch sicherlich jonisch oder korinthisch sein sollten, wäh- rend für die letzteren unzweifelhaft der dorische Stil vorge- sehen war, so konnten ihre Durchmesser noch kleiner sein als die der Aussensäulen. Auch erreicht ihre Höhe (c. 8,25'°) noch lange nicht das Maass der jonischen Säulen in der Mit- telhalle (10,30™).

lieber die Fussbodenhöhe habe ich noch einige Worte hin- zuzufügen. Wie dt^r Querschnitt auf Tafel III zeigt, liegen der Stylobat und die Orthostaten der zur Ausführung gelangten S. 0. Parastas der Halle mit den entsprechenden Schichten der daneben stehenden grossen Ante des Mittelbaues in glei- cher Höhe. An der südlichen und westlichen Innenwand der Stoa reichen dagegen die Orthostaten um fast 1'" tiefer herab. Trotzdem braucht der Fussboden der Halle nicht tiefer als ihr östlicher Stylobat gelegen zu haben, denn die grosse Tiefe der Orthostaten ist lediglich dadurch veranlasst, dass die beiden Mauern an der Aussenseite (in der vorderen Mittelhalle und in der Pinakothek) ihre Orthostaten gerade in solcher Höhe haben mussten. Ein ähnlicher Fall kommt bei der N. Wand des Erechtheion vor. Wie nehmen daher an, dass der Fuss-

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boden der N. 0. Halle genau in der Höhe ihres östlichen Sty- lobatos liefj;en sollte.

Von der projectirten grossen nordöstlichen Säulenhalle wis- sen wir also, dass sie 12,90™ tief und c. 23'" lang war, dass an ihrer Ostseite 0 dorische Säulen und 2 Anten und im In- neren vermulhlich 4 jonische Säulen standen, und dass der ganze Bau mit einem hölzernen Dach überdeckt war. Aber diese geräumige Stoa, in welcher mehrere hundert Menschen Platz gefunden hätten, ist nie zur Ausführung gelangt. Denn ob- wohl ihre S. 0. Parastas, die Löcher für Firstpfette und Spar- ren, das innere Deckengesimse und die consolartige Abschrä- gung an der Südwand schon ausgeführt waren und noch jetzt vorhanden sind, so hat doch nachweislich weder der östliche Stylobat noch die nördliche Wand jemals bestanden. Ob für die Innensäulen schon einzelne Fundamentpfeiler hergestellt waren, lässt sich nicht bestimmen, da sie bei Erbauung der grossen Cisterne, welche jetzt diese Ecke der Propyläen ein- nimmt, zerstört worden sein können.

Weshalb hat man aber diese grosse Säulenhalle, die ein prächtiger Schmuck der Akropolis gewesen wäre, nicht aus- geführt? Ist es auch hier irgend ein Heiligthum gewesen, des- sen Einschränkung dem Architekten nicht erlaubt wurde, oder hat der Ausbruch des peloponnesischen Krieges und der da- mals eingetretene Geldmangel dem Architekten Halt geboten? Möglicher Weise haben hier ähnliche Hinderungsgründe vor- gelegen, wie beim S. W. Flügel^ denn durch die neuesten Ausgrabungen sind die starken Fundamente eines antiken Ge- bäudes zum Vorschein gekommen^ welches in den Bauplatz der N. 0. Halle hineinreicht und daher bei einer wirklichen Ausführung des ganzen Projectes hätte zerstört werden müs- sen (vergl. Tafel II links oben). Allein der jetzige Thatbe- stand an der im S. O. projectirten zweiten Halle weist, wie wir sehen werden, darauf hin, dass die Erbauung der nörd- lichen Säulenhalle lediglich durch den Ausbruch des grossen Krieges verhindert worden ist.

Dass südlich vom Mittelbau eine der N. 0. Halle ganz

54 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

gleiche Stoa errichtet werden sollte, haben wir früher schon erwähnt. Die Existenz ihrer nordöstlichen Parastas und der consolartigen Abschrägung an der Südwand des Mittelbaues beweist dies zur Genüge (vergl. die Zeichnung von Thür bei Robert, Kydathen). Das innere Deckengesimse und die Löcher für Firstpfette und Sparren, welche wir in der N. 0. Halle fanden, fehlen aber hier vollständig. Dürfen wir etwa hier- aus schliessen, dass im S. 0. überhaupt keine Halle projec- tirt war, und dass die vorspringende Parastas nur der Sym- metrie halber hergestellt war? Keineswegs. Vielmehr lehrt uns dieser Thatbestand nur, dass die S. 0. Halle früher aus dem Bauprogramm gestrichen ist als die N. 0. Halle. Und der Grund hierfür liegt ja klar zu Tage. Durch die Er- bauung der S. 0. Halle wäre die Terrasse der brauronischen Artemis mindestens auf die Hälfte ihrer jetzigen Ausdehnung einofeschränkt worden. Gegen eine solche Absicht hat natür- lieh die Priesterschaft energisch prolestirt und zwar, wie wir sehen, mit Erfolg. Bei Beginn des Baues hat der Architekt noch gehofft, er werde trotz des Einspruches der Priesterschaft die S. 0. Halle nachträglich noch ausführen können; dess- halb Hess er die Parastas errichten, um bei einer späteren Hinzufügung der Halle keine technischen Schwierigkeiten zu haben. Als aber der Bau der Propyläen bis zur halben Höhe gediehen war, erkannte er die Nichtigkeit seiner Hoffnungen und entfernte sowohl das innere VVandgesimse wie die ßal- kenlöcher aus den Bauplänen der S. 0. Halle. Die nördliche Stoa glaubte er damals noch fertigstellen zu können, denn hier Hess er nicht nur das ganze Gesimse anbringen, sondern auch schon die Löcher für die Hölzer des Daches aussparen. Dieser Unterschied zwischen der südlichen und nördlichen Säulenhalle berechtigt uns zu der Annahme, dass es ganz ver- schiedene Momente waren, welche den Bau der beiden Säu- lenhallen verhindert haben; bei der südlichen wird es der Einspruch der Priesterschaft, bei der nördlichen der Beginn des peloponnesischen Krieges gewesen sein-

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 55

Fassen wir zum Schlüsse die Ergebnisse unserer Untersu- chung kurz zusammen: Der Plan des Mnesikles zu einem Festthore der Akropolis war bei weitem umfangreicher als die wirklich ausgeführten Propyläen, deren Ruinen erhalten sind. Zu beiden Seiten des grossen Mittelbaues, welcher die fünf Thore enthält, sollten im Inneren der Burg geräumige, bis an die Burgmauern reichende Säulenhallen erbaut werden, und im Westen waren zwei vorspringende Flügelbauten von gleicher Grösse projectirt. Der Zweck der einzelnen Bauten ist nicht sicher zu bestimmen; wahrscheinlich sollten sie alle als offene Hallen dienen, in denen das Volk gegen Sonnen- schein, Regen und Wind Schutz finden konnte. Der S. W. Flügel wurde ausserdem als Durchgang zum Heiligthume der Athena Nike benutzt.

Das grossartige Project war ohne jede Rücksichtnahme auf ältere Bauten oder heilige Bezirke, ausschliesslich nach künst- lerischen Gesichtspunkten entworfen. Das neue Festthor sollte ein dem Parthenon ebenbürtiges Bauwerk werden und die ganze Westseite der Burg einnehmen. Vor Beginn des Baues wird wohl ein heftiger Kampf entbrannt sein zwischen Peri- kles, der gewiss das Project seines Architekten eifrig durch- zusetzen suchte, und der Priesterschaft, welche die Einschrän- kung oder Vernichtung der Heiligthümer nicht zulassen wolltet Perikles und Mnesikles unterlagen zwar in diesem Kampfe, denn das Project ist reducirt und den bestehenden Heiligthümern angepasst worden; allein sie Hessen den ein- mal gefassten Plan doch nicht ganz fahren, sondern richteten den Bau so ein, dass die abgeschnittenen Theile später leicht hinzugefügt werden konnten. Der Bau war noch nicht ganz fertig, als sich der peloponnesische Krieg am Horizonte zeig- te. Schnell mussten die angefangenen Theile vollendet und

< Ob die Inschrift aus Eleusis über die neue Abgrenzung der Heiligthü- mer im Pelasgikon mit diesem Kampfe in Verbindung gebracht werden kann (Kekulö, Balustr. d. Ath. Nike, S.25 und Löschke, Dorp. Progr. 1883, S. 19), vermag ich nicht zu entscheiden.

56 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

weitere Reductionen vorgenommen werden. Der Ausbruch des traurigen Krieges setzte den Arbeiten am Bau für immer ein Ende. Gewiss hoffte der Architekt, in besseren Zeiten seinen Plan noch vollenden zu können; allein diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Bis zu ihrer Zerstörung sind die Pro- pyläen unvollendet geblieben.

WILH. DOERPFELD.

Zu C. 1. A. 11, 141.

Vor kurzem ist ein zweites Fragment der Inschrift C. I. A. II, 141 zu meiner Kenntniss gelangt, welches ich hier folgen lasse :

S A I 1 A A A E ^ 0 A I ONOTIAOKEI AIMENKAEOMIN ANAloNEPEIAHK oTHNAHI^iTnNEA I AYNATA I AFAOO riNAiaNKAI E I NAI A I EYEPrETHNAYT »^^YToYAOHK

Die cToij^viSöv geschriebene Inschrift steht auf einer Platte von c. M. 0,11 Länge, 0,14 Breite und 0,07 Dicke; rechts ist der Rand erhalten, an den übrigen Seiten Bruch, unten leerer Raum (von c. 0,02) K Die Zusammengehörigkeit der beiden Fragmente ist zweifellos. Es ist zu lesen:

. . . XpOCTT)? >ta - - -

tv] TrOO£Sp£U£[lV £V TüJl SYi[J;.(i)l £1? T'/^-

V TCpJwTYiv £5t)c>.[iO(jiav j^pYijxaxiJcai [tce-

< Der Stein wird nächstens der archaeologischen Gesellschaft übergebe^ ■werden.

58 zu C. I. A. II, 141.

pl tJoutcov, yvo)[[j(.-ov Vt cruiy-SjilXsdOai

TT]'. ß]oii>75i £7r[aive(i]ai (/.ev K>.£0(/.iv 10 'A7ro>.]XoSä)pou [M7]9'j][jtvaiov, ETvetSr] x- ai To]u; ö.'XovTa; [Ü7:]6 tüv 7^7ii<jTöv sX- uffaTo] /.ai TuoieT [ot]i Suvaxai äyotöo- V Tov Svif^Jov tÖv 'A[07)]vatwv, xal eivat auTOv 7:p6]^£vov [xjai eüepYexviv auT- 6v xai £xy6v]ou[? toö S-/]][xo'j tou 'AOv)v- aiwvj.

Der Geehrte ist allem Anschein nach der aus Isokrates be- kannte Tyrann von Methymna {Epist. ad Timoth., § 8 f., de- ren Abfassungszeit etwa 346 oder 345 v. Chr. ist, s. Schae- fer, Demosth. u. s. Z. 1, S. 435, und Blass, Die Att. Bereds. H Abth., S.303). Schaefer und Blass a. a.O.vermuthen ferner, dass eben derselbe bei Athenaeus (X, S.442 Faus Theopomp), wo K^sofAsv-io; steht, zu verstehen sei. Weniger wahrscheinlich ist, soviel ich sehe, die Vermuthung, dass auch der beim De- mosthenes {g. Boeot. II, 37, S. 1019) erwähnte Kammes mit dem Kleomis identisch sei (s. z. B. Korais, 'Icrox.pxTou? axavTa, 1840 II S. 239), denn obwohl es der Zeit nach nicht unmög- lich wäre, ist doch bei Demosthenes vom Tyrann von My- tilene, bei Isokrates aber von demjenigen von Methymna die Rede. Ebensowenig entschliesse ich mich apzunehmen, dass unser Kleomis S. des Apollodoros und die sogenannten 'A7iro'X>oSc3jp£iot von Eresos (s. die bekannte Inschrift von Ere- sos, zuletzt edirt bei Collitz, Dial. Inschr. Heft II N 218 c) in Verwandtschaft standen. Athen März 1885.

A. NIKITSKY.

iElLAGE ZU MITTH. D. ARCH INST. X S. 59.

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Alterthümer auf Kreta.

li Die Idäische Zeusgrotte.

Im Idagebirge, das ungefähr die Mitte der Insel Kreta ein- nimmt, liegt östlich von dem über achttausend Fuss hohen Hauptgipfel eine rings von steilen Felsabhängen umgebene Hochebene. Während die jetzige Bezeichnung des Gebirges Psiloriti lautet, und der Gipfel nach einer dort erbauten Ka- pelle des heiligen Kreuzes Stavros genannt wird, hat sich an jener Hochebene der antike Name mit geringer Veränderung erhalten: sie heisst tti; NiSa? 6 xx^atto?, das Nida - Feld. Die Ebene liegt zwischen vier und fünf Tausend Fuss über dem Meere ^ und in den VVintermonaten bedeckt sie tiefer Schnee. Ist im Frühjahr der Schnee geschmolzen, so über- zieht sich alsbald der ganze Grund mit frischem Grün und bietet die köstlichsten Weiden dar. Ausserdem entspringen rund um die Ebene zahlreiche Qi]ellen, die einzigen in dem sonst wasserarmen Hochgebirg, und daher bildet das Nidafeld den natürlichen Sammelplatz für die Hirten der umliegenden Ortschaften, die die Sommermonate mit ihren Herden im Ge- birg zubringen. Bis auf die nächsten Umgebungen der Quel- len, sind die Abhänge fast ganz unbewaldet. Gewaltige Stürme, die von Zeit zu Zeit hier toben sollen, haben die meisten grös- seren Bäume entwurzelt; überall sieht man die dürren Stäm- me am Boden liegen.

^ Nach meiner Barometermessung liegt die Ebene 1100™ unter der Spitze des Ida, die ihrerseits auf 2460™ Seehöhe angegeben wird. Die grösste AuS' dehnung der Ebene von ü. nach W. beträgt zwischen 3 und 4 km.

60 ALTERTHUEMER AUF KRETA

Auf der Westseite des Hochplateaus, da wo der Pfad von der höchsten Spitze des Ida herabkommt, liegt am Abhang etwa 500 Fuss über der Ebene eine natürliche Grotte, die von den Hirten und oft auch von Fremden bei Besteigungen des Ida zum üebernachten benutzt wird ^ Fm Innern sowie in der unmittelbaren Umgebung dieser Grotte haben Hirten von dem vier Stunden entfernten, am Nordostabhange des Gebirges ge- legenen Dorf Anoja ('Avcöyeia) im vergangenen Sommer durch zufällige Funde veranlasst Nachgrabungen angestellt, bei wel- chen eine grosse Anzahl von Alterthümern gefunden wurde. Die Kunde von diesen Entdeckungen bestimmte mich, die Grotte zu besuchen und jene antiken Reste, die ich zum Glück noch grösstentheils in den Händen der Hirten fand, genau zu besichtigen.

Gleichzeitig mit der Nachricht von den Funden am Nida- feld tauchte auf Kreta selbst die Vermuthung auf, jene Grotte sei die des Zeus, mag sich nun eine Erinnerung an das 'I^aTov avTpov Tou Ai6? im Volke erhalten haben, oder die Kenntniss durch moderne Reisende verbreitet sein. Die Richtigkeit jener Vermuthung lässt sich durch das von mir gesammelte Mate- rial, obwohl inschriftliche Zeugnisse bis jetzt noch fehlen, direct beweisen. Denn erstens zeigen die an der Höhle selbst haftenden Spuren sowie der Charakter der meisten Fundge- genstände deutlich, dass hier im Alterthum ein bedeutendes Heiligthum bestanden hat, und zweitens stimmen die zum Theil schon angeführten Beobachtungen über Lage und Um- gebung der Grotte vollkommen mit allem überein, was an- tike Schrifsteller über das 'iSaTov avrpov, die Stätte, wo Zeus als Kind von Nymphen und Kureten gepflegt und behütet sein sollte, überliefert haben.

Der Eingang der Grotte ist nach Osten gerichtet. Vor ihm dehnt sich ein kleines Plateau aus, das sich gleich der Cavea

< Unter Anderen hat Capt. Spratt hier übernachtet; vgl. dessen Schilde- rung der Nidaebene Travels and Researclies in Crele I S. 9 u. S. 19. Die Höhe des Einganges der Grotte über der Ebene habe ich mit dem Barome- \tx auf 160°» gemessen.

ALTERTHUEMER AUF KRETA 6i

eines antiken Theaters von allen Seiten nach der ca. 25"" brei- ten Oetlnuntj; zu senkt. Ueber dem Eingang steigt ganz senk- recht eine Felswand von über 100 Fuss Höhe auf, den Hin- tergrund bildend in einem eigentbunilich wirkungsvollen landseharilichen Bilde, kurz und tretend kennzeichnet der Römer solche Oertlichkeit mit numen inest. Zur Linken des Herankommenden tritt ein Felsen etwas vor. Sein äusser- ster, mehrere Meter über den Grund sich erhebender Vor- sprung ist sorgfältig behauen : die Spitze bildet einen rech- winkligen Aufsatz von 4,90'" Länge, 2,10'" Breite und bis 0,90™ Höhe, den eine ungefähr 1"' breite Plattform umgiebt*. Es ist der grosse Altar, auf dem im Alterthum die Brand- opfer dargebracht wurden. Auf der gegenüberliegenden An- höhe nördlich vom Emgang der Höhle fanden wir im Dorn- gebüsch behauene Kalksteinblöcke, die sich als Basen gros- ser Weihgeschenke bestimmen Hessen. Ein 1^70'" langer, 0,95"" breiter Block zeigte auf der einen Langseite Anschluss- fläche, sowie Bettungen für zwei H förmige Klammern, wäh- rend auf der Oberseite die Standspuren einer Bronzestatue, ein grosser ausgemeisselter Fuss nebst mehreren kleinen Ein- satzlöchern, unverkennbar waren. Die andere zugehörige Hälf- te desselben Bathron lag dabei, tief verschüttet. Auch ein zwei- ter kleinerer Block Hess deutliche Standspuren einer Statue er- kennen. Weitere behauene Stücke lagen gerade vor dem Ein- gang der Höhle in der Einsenkung zwischen jenen grösseren Basen und dem Altar. Hier ist zugleich die Stelle, wo kaum einen Meter unter der heutigen Oberfläche die meisten der gleich zu erwähnenden Bronze-, Silber- und Gold- Sachen gefunden worden sind.

Das Innere der Grotte zerfällt in zwei Abiheilungen. Ist man über die Geröllhalde, die jetzt den Eingang bedeckt, hinabgestiegen, so gelangt man in eine weite Halle, dem Chor eines grossen Domes vergleichbar. Nirgends erkennt man

' Vgl. die bloss nach dem Augenmass gezeichnete kleine Planskizze der Höhle auf der Beilage zu diesem Artikel links unten.

62 ALTfiRTHUEMER AUF KREtA

Spuren von Bearbeitung an der natürlichen Felswand. Auf der Südseite dieses ersten Raumes fanden wir noch im Sep- tember einen ansehnlichen Schneeberg, der die Sommerhitze überdauert hatte. Offenbar schieben sich in jedem Winter grosse Schneemassen von dem Plateau aus in die Höhle hinab, und die starke Verschüttung des Eingangs, die an die Moraine eines Gletschers erinnert, ist eben diesem Arbeiten der Natur zuzuschreiben. Nördlich schliesst sich an den Hauptraum eine kleinere Kammer an von nur geringer Höhe (6-8™), 20" tief und 8"° breit. Der Boden dieses Raumes ist auf mehrere Fuss Tiefe mit Asche und Kohlen resten bedeckt. Hier sind zahlreiche Thonlampen gefunden worden, von denen ich über 100 Exemplare gesehen habe. Scherben von I.ampen lagen noch bei unserem Besuch in der Höhle umher. Auch mehrere halbvermoderte Stierschädel mit ansitzenden Hörnern sind hier zum Vorschein gekommen, die ich nicht anstehe, für an- tike Bukranien zu haltend Sie mögen einst an den Wänden der Grotte aufgehängt gewesen sein.

Das Heiligthum stand jedenfalls zur Nida-Ebene in naher Beziehung. Gerade unterhalb der Grotte, am Westrande der Ebene an einer Stelle, wo vermuthlich der antike Weg herauf- geführt hat, sind Fundamente eines römischen Hauses erhal- ten, das den Wächtern des Heiligthumes zur Wohnung ge- dient hat.

Ebenso deutlich, wie die Ueberreste aus dem Alterthum, die ich an Ort und Stelle verzeichnen konnte, weist die Mehr- zahl der Einzelfunde auf Kultzwecke und Mysteriendienst hin, der bekanntlich bis in späte Zeit mit der Verehrung des Idäi- schen Zeus verbunden war 2.

Die grosse Masse der vor der Höhle ausgegrabenen Ge-

^ Diese Schädel haben wegen der Form der Hörner bei den Kretensern grosse Verwunderung erregt, weil heutzutage keine Stiere von ähnlicher Rasse auf der Insel vorkommen sollen. Am Ida weiden gegenwärtig nur Ziegen.

2 Hoeck, Kreta I S. 176. Die Stellen vollständiger bei Hermann Gottes- dienstliche Alterthümer § 32, 6.

aLTERTHUEMER auf KRETA 63

genstände ^ sind Tlieile bronzener Weihgeschenke: Beine und ein Uinghenkel von grossen Dreifüsseii, zerdrückte Bronzekessel und Schalen, Henkel und bewegliche GrifiV; mit Attachen, Fragmente von kleinen Gestellen zum Aufsetzen von Gefässen mit Füssen in Form von Löwenklauen, figürli- cher Schmuck von Gelassen, lauter Stücke, die ihre nächsten Analogien in dem Bronzemuseum von Olympia haben und unter den Funden von Dodona.

Die wichtigsten Stücke zähle ich hier kurz auf 2. Die Drei- füsse gehören jener Gattung an, von der in Olympia zahl- reiche Beispiele gefunden sind, und deren Vorkommen jetzt auch für Delos nachgewiesen ist 3. Die Beine, von denen 6-8 Stücke von verschiedener Grösse vor der Grotte ausgegraben wurden, haben die Form von Schienen, nur ist bei den Mai- schen Exemplaren die Deckplatte nicht, wie bei den meisten Olympischen, überstehend^, die Kanten sind vielmehr nur durch reliefartig erhobene Längsstreifen hervorgehoben, was indessen auch in Olympia vorkommt. An zwei Stücken ver- schiedener Grösse (Breite der Schiene des einen 45'"'", der des anderen 22'""', Beilage Fig. 5) ist die angearbeitete breite Platte erhalten, mit der der Fuss an dem aus Blech getriebe- nen Kessel ansass, sowie die Bronzenieten, die zur Befesti- gung des Ansatzes an den Kessel gedient haben. Der einzige Ringhenkel, der gefunden worden ist, (0,244'" Durchmesser,

< Die Funde sind jetzt theilweise in den Besitz des Griechischen Syllo- gos in Iraclio (Candia), der neuerdings ein kleines Museum gebildet hat, übergegangen, theilweise in die Hände des Antikenhändlers Mitzotakis,rus- sichen Consuls in Iraclio, gelangt.

2 Vgl. dazu die Abbildungen auf der litographischen Beilage, die nach meinen flüchtigen Bleistift-Skizzen angefertigt sind und keinen Anspruch auf Genauigkeit machen.

3 Vgl. über die Olympischeu Dreifüsse Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia, Abhandl. d. Kgl. Akad. d. Wissensch. zu Berlin 1879, S. 12 ff., und Aimali 1880 S. 118 ff., über die Delischen Archäol. Zeitung 1882 Spalte 333.

^ Vgl. den Querschnitt [eines Dreifussbeines auf der Furtwängler's Ab- handlung beigegebenen Tafel Fig. 4a; Abbildung eines gegossenen Ring- henkels ebenda Fig. 3.

64 ALTERTHUEMER AUF KRETA

Beilage Fig. 4) zeigt die gleiche durchbrochene Arbeit, wie viele ebenfalls gegossene Olympische Dreifussringe. Der breite Bügel, mit welchem der Ring an dem Kessel befestigt war, ist absrebrochen, dafires-en haben sich Theile von zwei schräg nach unten gehenden, runden Stäben rechts und links von der Bruchstelle erhalten, welche den aufrechtstehenden Ring mit dem Kesselrande verbanden. Äehnliche Stützen kommen auch an Ringhenkeln von Olympia vor.

Auf Grund der Fundumstände und der dem geometrischen System entlehnten Decoration weist Furtwängler den Olym- pischen Dreifüssen ein hohes Alter zu; sie scheinen nur etwa bis zum fünften Jahrhundert v. Chr. herabzugehen. Es ist aber kein Grund vorhanden, die Idäischen Dreifüsse für jün- ger zu halten, wie die Mehrzahl der Olympischen.

Ob ein grosser Bronzekessel, von dessen Rand ein 0,95"" langes Stück erhalten ist, zu einem Dreifuss gehört hat, oder selbständig als Krater geweiht war, Hess sich nicht ent- scheiden. Von Schalen ist eine Anzahl grosser Fragmente gefunden worden, die zum Theil getriebene Buckel zeigen. Bei einem Exemplar fehlt nur der ursprünglich dünne Boden, während der kreisrunde Rand (0,18™ Durchmesser) vollständig ist. Da die grösseren Gefässe meist aus wenig starkem Bron- zeblech gearbeitet waren, sind sie durch Oxydation bis auf kleine Fragmente zu Grund gegangen, die schweren, gegos- senen Henkel oder beweglichen Griffe hingegen ha- ben sich in vielen Exemplaren erhalten. Sie lassen genau die- selben Formen ei;kennen, die in Olympia massenhaft vorkom- men; u. A. begegnet ein sehr fein gearbeitetes Exemplar je- ner unten in eine Palmette auslaufenden Attache, in der sich ein durch Ringe mehrfach getheilter Griff dreht so gross, dass bequem die Hand hineinfassen kann, (Beilage Fig. 6, vgl. Furtwängler a. a. 0. S. 72). Andere nicht minder gut gear- beitete Attachen und Griffe sind mit Perlschnur- Ornamen- ten und erhabenen Ringen geschmückt (das beste Exemplar Beilage Fig. 7) und erinnern an Muster aus Dodona, Ca- rapanos Taf. 45, 5 6 9, Taf. 47, 8. Auch ein Henkelfrag-

ALTERTHUEMER AUF KRETA 65

ment mit einem 40'"™ langen, sorgfältig modellirten und gra- virlen Schlangenkopf findet sich (hii'tintcr, ähnlich den Stü- cken aus Dodona, Carapanos 'raf,2I n. iS. Die kleinen ring- förmigen , von drei Fiissen in Form von Löwcnklauen ge- tragenen Untersätze grosser Gefässe, von denen melirere gleichartige, aber nicht zusammengehörige Fragmente gefun- den wurden, haben genau die Form, wie die bei Carapanos Taf. 41, 1,2; 23,2 abgebildeten Untersätze aus Dodona, zu denen sich ein ganz entsprechendes Seitenstück im Bronzemu- seum zu Olympia befindet (Inv. 433G, Furtwängler S. 65); selbst hinsichtlich der Ciselirung stimmen die Idäischen Exem- plare mit jenen überein.

Zur Verzierung eines Gefässes diente augenscheinlich die reliefartig behandeüe Bronzefigur einer gelagerten Sphinx (n. r., Kopf e. f., Beilage Fig. 2) mit einem dem Modius ähn- lichen Aufsatz auf dem Kopf, lang herabfallenden Flechten und grossen Flügeln (80"'" breit, öö""'" hoch). Der untere Ab- schluss dieser eher archaistischen wie archaischen Ficrur ist

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durch eine mit eingravirler Zickzacklinie verzierte Leiste ge- bildet, die in zwei Voluten endigt, ähnlich wie bei der ur- sprünglich dem gleichen Zweck dienenden Bronzefigur einer geflügelten Meduse acht alterthümlichen Stiels in Olympia, Ausgrabungen IV Taf. 23 Mittel

Mit mehr Sicherheit, wie die letztgenannte Figur, lassen sich zwei weitere Fundstücke der archaischen Kunstepoche zuweisen. Das erste ist eine 0,160'" hohe, vollgegossene Sta- tuette, einen bartlosen nackten Mann von sehr kräftigem Körperbau darstellend, der mit fest zusammengeschlossenen Füssen und glatt an den Oberschenkeln anliegenden Händen grad und steif auf einer kleinen viereckigen Platte steht (Fig. 1). Die Haare liegen wie eine dicke Haube um den Kopf und fallen als breiter Schopf auf den Rücken herab. Die Augen

' Zwei weitere Exemplare von gelagerten Sphingen wurden nach Mit- theilungen, die ich der Güte des Herrn Chatzidakis, Vorsitzenden des Syl- logos in Iraclio, und Dr. Halbherr's verdanke, nach meiner Abreise von Kreta gefunden und vom Syllogos erworben.

MITTH. D. ARGH. INST. X. 5

66 ALTERTHUEMER AUF KRETA

sind Stark vortretend gebildet; durch das Gesicht geht leider ein Gussfehier. Bei dem gänzlichen Fehlen von Attributen bleibt es unentschieden, ob diese Statuette etwa einen jugend- lichen Zeus' darstellt, oder vielmehr als Bildniss des Wei- henden gefasst werden muss. Der andere, sehr alterthümliche Gegenstand ist das in fünf Stücke gebrochene grössere Frag- ment von dünnem Bronzeblech mit Reliefdarstellun- gen, von der Bekleidung eines kreisrunden Gegenstandes stammend, von dem wir hier eine ziemlich treue Skizze ver- kleinert im Holzschnitt mittheilen. Durch concentrische Kreise

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war die Platte in eine Anzahl breitere und schmälere Strei- fen getheilt. in den letzteren ist ein Ornament angebracht, kleine Buckel um die sich ein Fleclitband windet, während die breiteren Streifen bildliche Darstellungen zeigen. Auf dem erhaltenen Sluck erkennt man von aussen nach innen: sie- hende, geflügelte Löwen, weidende Hirsche und springende

< Ueber die Darstellungen des Zeus in jugendlicher Gestalt vgl. Overbeck Kunstmylholügie IS. 195 U'.

ALTERTHüEMER AUF KRETA 67

Raubtliiere, alle nach links gCNvendct. Die Haupllinien sind mit einem scharfen Meissel einj^ehauen, Kreise, Ornamente und Fiiijnren ^ireii-ieben, die letzteren ausserdem noch sorgfäl- tig ciselirl. Nach (iem erhaltenen Stück (breit 0,1 ;V2"', hoch 0,lo6"'j zu urlheilen, muss die ganze Platte mindestens 0,44'" Durchmesser gehabt haben. Der äussere Hand ist nirgends erhalten. Vielleicht war das Ganze ein natürlich nur als Weihgeschenk gearbeiteter Schild. Von einem anderen ähnli- chen Ueliet* sind über zwanzig sehr kleine Stücke gefunden worden, die alle getriebene und ciselirte Zotteln eines Felles zeigen.

Direct auf den Zeuskultus weist die kleine Figur eines Stieres mit grossen Hörnern hin, ein Stück primitivster, ro- hesler Technik, das allein von allen Bronzen im Innern der Höhle gefunden worden ist (60'"'" lang), während das Vor- kommen einer frei und natiirlich gearbeiteten, liegenden Zifge mit umgewendetem Kopf (45'"'" lang) sich durch die Beziehung auf die Ziege Amalthea, die im Mythus das Zeus- kind nährt, noch besonders erklären liesse.

Von Bronzen sind schliesslich noch zu nennen eine 0,288'° lange blattförmige La iizenspi Ize, sowie eine 60'"'" lange Fibel guter Arbeit (Fig. 8), der Form nach mit den Fibeln von Olvnipia übereinstimmend, deren schönstes Beispiel Furt- wängler a. a. O. Taf. Fig. 7 abgebildet hat'. Das viereckige Blechblätlchen am unteren Ende des Bügels, der eigenthüm- liche Theil der Fibeln dieser Gattung, ist bei dem Idäischen E.vemplar ebenso wie bei einem Olympischen schmucklos. Der Bügel zeigt links und rechts von der verdickten Mitte je zwei erhabene Reifen an Stelle der eingravirten Ringe an der Fibel aus Olympia.

Zusammen mit den Bronzen ist auf dem i*laleau vor der Höhle eine beträchtliche Anzahl von Gold- und Silbersa- chen entdeckt worden. Das wichtigste Stück ist eine grosse silberne Haarnadel mit kunstvoll gearbeitetem vergolde-

< Vgl. den Text S. 36 IL, und Annati 1880 S. 122 ff.

68 ALTERTHUEMER AUF KRETA

teil Kopf (0,180'" lang, der Stab 6"'"'dick,77 Gramm schwer, Beilage Fig. 3), für die mir keine Analogie bekannt ist. Wäh- rend die Oberseile des flachgedrückten Kopfes durch eine in Relief gearbeitete Rosette geschmückt ist, zeigt der gleichfalls vergoldete Hals ein System von Ringen. Ferner habe ich eine grosse Anzahl (über 60) runder und viereckiger Goldblätt- chen von verschiedener Grösse gesehen, die alle entweder durchbohrt oder mit kleinen Oesen versehen waren, also wohl zu einem kostbaren Schmuck gehört haben. Die grössten der runden Goldblättchen (bis 40'"'" Durchm., 2 72 Gramm Gew.) zeigen schwach aiifgepresste Rosetten, die bei einigen weni- gen Exemplaren durch aufgelöthete feine Goldkörner hervor- gehoben waren. Die viereckigen Blättchen sind von einem feinen Band ganz kleiner ebenfalls gepressier Spiralen umzo- gen. Auch einzelne perlenarlige Goldhülsen, die auf eine Schnur gezogen als Schmuck gedient zu haben scheinen, sind an derselben Stelle gefunden worden- Endlich ist im Schutt vorder Höhle ein Te t rad räch m on von Chersonesos auf Kreta zum Vorschein gekommen mit dem nach rechts ge- wendeten weiblichen Artemiskopf auf der einen, dem die Keule schwingenden Heracles und der Beischrift XEPS;ONA2!inN auf der anderen Seite, ein Stück von ausoezeichneter Schön- heit^Von Eisen Sachen wurde ausser vielen kleinen Pfeil- spitzen ein grosser gewöhnlicher Radreifen vor der Grotte ausgegraben, von dem es sich schwer erklären lässt, wie er

< Wie von Sallet, Zeitschr. f. Numisni. II S. 124 f. gezeigt hat, ist diese Münze von Cliersonesos eine Copie der Stücke von Stymphalos in Arca- dien. Das bei der Idagrotte gefundene Exemplar stimmt niclit nur in der Richtung des weihlichen, Kropfes, sondern auch in allen Einzelheiten mit der dort abgebildeten Münze von Stymphalos genau überein, überragt die- selbe aber, wenn die Abbildung nicht täuscht, noch weit an Feinheit: Sie macht alles weniger als den Eindruck einer "geistlosen und rohen Copie", wie das a. a ü. ebenfalls abgebildete Stück von Chersonesos (mit n. 1. ge- wendetem Frauenkopf) der Berliner Sammlung. Auch eine Silbermünze von Lyttos ist, wie Herr Chalzidakis mir mittheilt, kürzlich bei der Ida- Grolle gefunden worden.

ALTERTHUEMER AUF KRETA 69

in diese Felseneinöde, zu der niemals ein fahrbarer Weg hin- auf geführt haben kann, gekommen sein mag.

Während die Mehrzahl der im Freien vor der Höhle ent- deckten Gegenstände sicher griechischer, einzelne Stiicke so- gar sehr alter Zeit anijehören, sind die Funde vom Innern der Grotte mit alleiniger Ausnahme des erwähnten kleinen Bronzestieres römisch. Wir gedachten bereits der zahlreichen Thonlampen, die in der von Kohle geschwärzten Erde des hinteren Raumes gefunden sind. Die meisten sind klein, nur für eine Flamtne berechnet und zeigen roh aufgepresste Or- namente, unter denen ein einfacher Blattkranz und stilisirte Epheublätter vorherrschen. Mit bildlichen Darstellungen habe ich etwa 10 Exemplare gesehen; neben obscönen Scenen kommt ein Wettrenner auf der liiga, ein zweihöckeriges Ka- mel, ein sitzender Leierspieler, ein Adler und ein Eros vor, nichts, was älter zu sein scheint, wie römische Kaiserzeit. An vielen Exemplaren hat sich rother Firniss erhalten *. Viel- leicht fanden diese Lampen bei dem Geheimdienst Verwen- dung, der bis in späte Zeit mit dem Kult des Idäischen Zeus verbunden war. Gleichfalls mit Mysteriendienst in Verbin- dung zu bringen ist üewlss eine Anzahl eioenartiger Ana- theme aus gebran n tem Thon,die zugleich mit den Lam- pen, mit denen sie auch wohl zeitlich zusammengehören, in dem hinteren Kaum der Grotte vorkommen, stilisirte Akan- thusblätter von verschiedener Grösse, die unten mit einem Fuss und hinten mit einem kleinen Henkel zum Durchstecken des Fingers versehen sind, sowie kleine, ebenso ausgestattete, oben mit einem Pinienapfel abgeschlossene Reliefbildchen des thronenden Pluton. Der Gott ist e. f. dargestellt mit dem Modius aut dem Kopf, das oben in eine Spirale endende Scep- ter in der Linken, zur Rechten den dreiköpfigen Cerberus. Während ich von den letzlen^n Figürchen nur wenige Bruch

* Fragmente gleicharUger liampen sind zusammen mit einer schlecht er- haltencn römischen Kupfermiinze l)ei den erwähnten Haureslen am West- rande des Nida- Plateau's Kefuuden worden.

70 ALTERTHUEMER AUF KRETA

Stücke von im Durchschnitt 0,160" hohen, roh gearbeiteten Exemplaren gesehen habe, waren von der ersten Gattung, den stilisirten Blättern, zahlreiche zum Theil grosse Fragmente vorhanden. Darunter befanden sich zwei besonders grosse Stücke, bei welchen symmetrisch zwischen den Ranken zwei ganz übereinstimmende Reliefbildchen des Eros mit den Waf- fen des Heracles (62""" hoch) angebracht sind. Auch diese Anatheme waren ursprünglich roth gefirnisst.

Endlich ist auch im Innern der Grotte der einzige In- schriftstein gefunden worden, der bis jetzt vorliegt, ein 'Hill K links unvollständiger Block aus Muschelkalk, T 'Hill I O I 0,195"' hoch und 0,10"^ dick, auf dem ich die ne- YIOC Hill benstehenden, schlecht eingehauenen und stark O C Y F verwitterten Buchstaben gelesen habe. Gleichfalls

N aus dem Innern der Höhle stammt ein 0,10™ lan-

ges Fragment vom Rand eines grossen Thongefässes, auf dem die vor dem Brennen eingekratzten Buchstaben AEITTONI (oder AEITTO N I) stehen.

Vergleichen wir nun die Nachrichten bei antiken Schrift- stellern über das 'iSa.iov ävxpov toO Atoc mit dem, was die ün- tersuchuno- der Grotte an der Nidaebene und die Prüfung der Funde ergeben hat. Drei Stellen sind es, die hier vornehmlich in Betracht kommen^, die Beschreibung der Grotte und ihrer Umgebung bei Diodor, eine gelegentliche Erwähnung in der Pflanzengeschichte des Theophrast, und die Einleitung zu Piatons Gesetzen. Diodor sagt B. V. K. 70: /.axä ttiv "ISyiv ev Yl cuvlby) Tparprjvai tov Osov t6 te avrpov ev cp t'/iv SiaiTav üyj. xaö- i^pwrai x.at ol xepi auTO \n[j.is>^ii; oji-oicoi; ävelvrai Tvspt T7)v ä.>cpw- peiav ovTe?. Diese heiligen Gefilde wird man in der Nidaebene suchen müssen, die jedenfalls in naher Beziehung zur Grotte gestanden hat. Weiter spricht Diodor von den Bienen, die dem Mythus nach den Gott mit ihrem Honig ernährt hätten, er habe zum Andenken daran ihre Farbe verändert und sie un-

< Vgl. die Zusammenslellung aller Nachrichlen bei Iloeck. Kreta I S. 175-77.

ALTERTHUEMEn AUF KRETA 71

empfindlich cjemaclit geilen dio rauhe Witterung: too tozo'j

yivoac'vtov /.oti /lövo? TToT^Vr,; ■;ti-to'j(7'/1{;. Wie vortriilllich diese Scliilderung zu der Umgebung der IN ida- Ebene passt, erliellt aus dem, was oben über d(>n ('harakler derselben gesagt ist. Die Stelle bei Theophrast hist. plant. III, 3, 4 lautet: ev Kpr,T-(i f^£ x,ai al'yeipo'- '/.aprip-oi xXeiouc dni' jxia fy.ev ev Tai GTO[y.i(p xoo av- xpo'j TO'j £v T'?i "IfViTi, £v (I) TO. oi.\v.Hrty.ot.xff. äv7./i£iTai, a»7; §£ [7-iy.py. ttItictiov aTTcoTepo) Se j/.i'XtGTa So)S£/ta TTaSiou? 7:£pi Tiva /.orjvriV Saopo'j xa^o'jyivrjv 77o").).ai. Wir haben hier also ein ausdrück- liches Zeugniss, dass die idagrotte des Zeus, denn nur diese konnte Theophrast meinen, im Alterthum mit Weihgeschen- ken angefüllt war. Der Name Sauros ist als Bezeichnung für eine der 7 bis 8 Quellen an der Nidaebene den dortigen Hir- ten heute nicht mehr bekannt. Die platonischen Gesetze end- lich beginnen mit der poetischen Schilderung, wie sich die drei Personen des Dialoges anschicken, gemeinsam von Kno- sos zur Idäischen Grotte zu wandern. Der Athener begründet seinen Vorschlag, unterwegs über Verfassung und Gesetze zu sprechen, mit den Worten: ttxvtw? S' -/i ye U KvoiToö oSo; ei? TO TO'J Atö; avTpov xal Upov, cö? äxotjoaev, i/.av7) y.y.1 avi-a'jlat '/.xxx Tv;v Of^öv (öc £r/,ö? Trviyoui; ovto? xx vöv Iv toI? u'^tiIoi; ^EvSpe- (Ttv £07'. «7x.iapa.i x.t£, und der Kreter bestätigt dies, indem er besonders die schönen Cypressenhaine rühmt, durch die der Weg hindurchführe. Zunächst lehrt die Stelle, dass die hei- lige Grotte des Zeus auf dem Ida ein Wallfahrtsort war, den auch Fremde im Sommer von Knosos aus häufig besuchten, und ferner scheint es als ob die geschilderte Scenerie in der That der Wirklichkeit entlehnt sei. Auf direclem Weg beträgt die Entfernung von Knosos, dessen Lage in der Ebene östlich vom Ida eine Stunde südlich von Iraclio (Candia) gesichert ist, bis zum Nidafeld 8 bis 9 Stunden, gerade einen Tages- marsch, und es wird von Theophrast {hist. plant. IV 1, 3) und Anderen ausdrücklich bezeugt, dass die Abhänge des Ida, wo heutzutage nur immergrüne Eichen, Ahorn und spärli-

72 ALTERTHUEMER AUF KRETA

ches Buschwerk vorkommen, im Alterthum gerade von Cy- pressen bewachsen waren.

Im vorstehenden Berichte habe ich mich der grösseren Uebersiclitlichkeit zu Liebe darauf beschränkt, Anak)gien zu den bei der Idagrotte gefundenen Gegenständen nur soweit anzuführen, als nöthig schien, um von den letzteren eine hin- reichende VorstelluniT zu sreben, und ohne auf die Thatsache selbst der üebereinstimmung jener Funde mit solchen vom griechischen Festlande einzugehen. Sie constatirt zu haben genügt, um die grosse Wichtigkeit der Idafunde ausser Frage zu stellen. Anderseits würde jede Schlussfolgerung aus dieser üebereinstimmung verfrüht sein, da die Grabungen kaum über einen Meter Tiefe vorgedrungen sind und ohne Zweifel fortgesetzt werden. Erst wenn mehr Material zum Vergleich der Idäischen Bronzen namentlich mit den Olympischen vor- liegt und entschieden ist, dass die üebereinstimmung auch für die ältere Zeit zutrifft, wird man mit Sicherheit darüber urtheilen können, ob, worauf ja die mythische Tradition hin- zuweisen scheint, in der That ein Zusammenhang bestanden hat zwischen der Kunstübunsj, deren Erzeuo;nisse in den äl- teren Fundschichten der Altis von Olympia vorkommen, und derjenigen, die die Zeusgrotte im kretischen Ida mit Weihge- schenken gefüllt hat.

ERNST FABRICIÜS.

Miscellen.

'Exiypacpai iy. 'PöSou. (i]jv^/£ta.)

8. TIMAKPATHZ Tit^axpiT-^?.

API2TIQNOZ 'Api<7Tiü)vo;.

B O Y A I A O Bou7.iS[a;?].

'EtwI v£>tpur,? xilTTT,?.

9. MENANAPO M£vavSpo[; ....

A I N A O AivSo[TCo'XiTa;.

'FiTzl Tep.ayiO'j 'XiBou.

10. TIMOAIKOY TipSix-o'j nVOOTENEYS OueoyEvsu?

AAAAPMIOY AaSap[y.io'j.

'EtttI £7ripr/C0u? >.i6o'j j(^pYi<5tjj.£uovTo; viSv) ü)<; Xapva^.

11. AEIO0EA 'AlioUcL

YEAOßNOZ EjuaOcovo?

Y r A 2 I Z Tyact?

rYNAAE<l>IAiaN02 yjvx Se 4>at(ovo;.

'EtcI pjcpou ßxOpou a.Yal{J^aTo;. 'ES71[xo(JI£'j9-/i e'XXitvw? £v tu 7^5- pioSiJcü ßw//. de corr. hell. IX. ceX. 121 äp. 25,

74 MISCELLEN

12. A r H M n N 'Ayviutov GEYPOMPOY e£U7r6|^.TCO'j. AMNHSTIOS 'Ap-;i(7Tio(;.

'Exi |7.ix,po'j ßxOpo'j ö.yy.'XaaTO;.

13. HPOAOTOY 'HpoSoTO'j APZTANAPIAA 'Ap(i)7TavSpiSa

T H A 1 O Y Tvi^^iou.

'Exi f;-'.-/tpoij ßy.Bpou (xyüfxaTO?.

14. API2TOKPATEY2 'Api-7ToxpxT£u?

APIZTÜNOZ 'Api'TTwvo;

KYMIZAAEÜS Ku[xic>al£co;.

'Ettti p.upoCi ßiOpou äyaT^p.aTog.

15. AMYNTA2 'Af^.uvxa? KAnPAAOZ KaTTTräSo^.

'Etti {y-'.y.poij ßaOpou äyx'Xf/.a.To;.

16. EAAATOPA 'EUayöpa. 'Etci v£x.piX7i<; >'-i>>7nr](;.

17. A P T E M I 2 "Apreai? 0 P Y r I A «l^puyia.

'EtüI T£[y.a^{o'j XiOou.

18. AIAIAMENEE0EIATHKAI KAAAIKAEIAOAAYIOEAPAK^N

O A N H P

MISCELLEN 75

KaX'Xi/Asia ^lAx'Jio; A://.wv 6 äv7]p,

■^S'^ cö; üSpoSoyY)?.

19. E Y 0 A N H Z E Y 0 A E Y 2 E'jrpivo; Eü^ieu?

T Y M N I O Z Tu;j.viO(;.

'Etti TeTpaywvO'j T£aaytO'j XiOo'j £VT£T6iy(^i(jf;-£vou. 'ESTifjLOTie'jO'o £c(pa>>|7,£V(i)(; £v ßev. iirc/i. \lll 'teX. 364 ap. 41.

20. P A O Y T I ü N nXo'jTicov A Y K I O Z A6>tio;.

'Ettl [j-ix,pou (üiOpo'j äyz'XixaTo;.

21. AHMYAOYZAMIOY

EYEPFETAKAI TAZTYNAIK O Z A0ANOKAEIAZ(t)AZHAITY

Ayi(X'jXou Safxiou

£Ü£py£Ta AXi

Ta; yuvaDcö; 'Aöavo/clEia; $aGy)>.iT[iSo?.

'PoStvT) Trpö? Map'/r7iov töv 'Ayidiv 'Avapyupwv.

22. = E N a N S£Vü)v E r r E N H Z iyyev-;)?.

'Eti [xr/cpoo ßxOpO'j ö.yoc'Xii.ocTo;, £t; MapxTiQv 'Ay. 'Avapyu-

76 MISCELLEN

23. 0 I A H T O Y $ayiTOu

AAEZANAPEftZ 'AT^e^avSpsw?.

'EtcI {ADtpoö ßaOpou äyaXp,aTo;.

24.

26.

Z n 1 2 1 A A 2

. . . . ? IIi'TiSac

rOZX AI PE

. . . t]o; yoCipt.

A A K 1

'Alxi^ ....

ANI O Y

aviou.

N 1 K O A A Z

Nix.6>va;

(j) P Y Z

4>p6^.

'Ev 'Ep|i.ou;:dX£i Supou.

ÜEPIKAHS r. ZEPAENTHS.

C. I. A. II 605. Briefliche Mittheiliing.)

Dans votre petit article insere dans les Mittheil. VIII p.382 vous restituez im passage de la liste des proxenes publiee pur HaussouUier en la rapprochant d'iine inscriptinn Attique et vous ernyez que la ville qui y est nommee doit etre Laodicee du Lyons. Mais le decret de Delphes publie par Le Bas n. 880 me semble prouver que ce n'est pas ainsi: il est fait en l'honneur de Aiicatapp; «^tXwviSa AaoSr/.eü; qui doit etre iden- tique avec un des deux freres de la liste des proxenes; or il est dit dans ce decret, que Aixa(ap/o; cuvepyei; {xetoc Trxcvi? Trpo- Öu{;-ia? toi? äcpuvoufxevot; A£l(pwv ttoti tov ßadtXe'a 'AvTio;(_ov et qu'il est citoyen de Laodicee ttotL ^aXxaaoc, c'est ä dire de L. de Syrie. De la sorte les ßac^ast; nommes dans l'inscription AttK^ue doivent etre ceux de Syrie.

B. LATISCHEW.

MISCELLEN T7

Wäscher und Waschfrauen in Athen,

^KIKVeEPUV/^TPIAAEKATE/^A/^EeEKEA'

Die vorstehende Inschrift, zu lesen Sp>t'jG-o TüXuvxpia ^v/.x- T71V äv£Orix.£v, ist rund um einen Untersatz eingegraben, der vielleiclit ein -cpippxvTopiov gelragen hat. Sie war im Bau- schutt des Parthenon vergraben und reicht sicher in das sech- ste Jahrhundert zurüci^. Die Verbindung d -r Standesangabe mit Personennamen ist in der attischen Epigraphik, nament- lich wenn man von der römischen Zeit absieht, ausserordent- lich selten. Doch sind von dieser Regel drei Stände auszu- nehmen, nemlich die Äerzte, die Schauspieler und die Wä- scher. Die Aerzte werden nicht nur in Grab- nnd Weihin- schriften (vgl. C.I. A. II 83") Frg. c-/ Z. 13,836 Frg. c-Ä- Z. 17) sondern auch in privatrechtlichen Urkunden (ebda. 1149) als solche bezeichnet. Was die Wäscher anlangt, so ist die Weihinschrift der zwölf 7ü)^'jvr,? (darunter 2 Frauen) an dem jetzt in Berlin befindlichen Relief Nani (C. /. G. 455) aus der er- sten Hälfte des 4len Jahrb. längst bekannt, unedirt meines Wissens die nachstehende Grabschrift:

O N H 5: I M O 2 'OvyicifJLo?

P A Y N E Y s: ttluveu?.

Damit ist zu verbinden die der Inschrift der Smikythe gleich- altrige VVeihinschrift des xvoccpeu; Simon C. I. A. I St^/jp/. 373/*. Die Erscheinung, dass gerade den Namen der Aerzte, Schau-

IS MISÖELLEN

Spieler und Wäscher iii den Inschriften die Angabe des Ge- werbes beigefügt wird, scheint sich aus der Bedeutung zu er- klären, welche jene drei Stände jeder in seiner Art für das bürgerliche Leben des alten Athen hatten. Die Gleichstellung der Aerzle mit den Waschfrauen, die darin zu liegen scheint, darf keinen Anstoss erregen; vom antiken Standpunkt aus waren die Einen und die Andern Banausen ^

ULRICH KOEHLER.

Litteratur und Funde.

Der diesjährige Winter ist an archäologischen Funden ver- gleichsweise unfruchtbar gewesen. Die Ausgrabungen der ar- chäologischen Gesellschaft wurden während der unfreundlich- sten Monate unterbrochen. Indess sind zwei interessante Ent- deckungen gemacht worden. In Epidauros hat Hr. Kabba- dias in einer der früher aufgefundenen Inschriften die voll- ständige Bauurkunde des Haupttempels des Heiligthums er- kannt. Es ist dies die dritte umfangreiche Bauinschrift, wel- che seit dem J. 1882 zum Vorschein gekommen ist. In das Gebiet der alten Architektur gehört auch die zweite Entde- ckung die in den letzten Monaten gemacht worden ist. Bei der Untersuchung; des Innenraumes des Telesterions von Eleusis ist Hr. Philios auf die Fundamente eines älteren Baues gestossen, welcher durch den Bau des Koroibos ersetzt worden ist. Die Arbeiten auf der Akropolis sind in Folge der längeren Krankheit und des Todes des Hrn. Stamatakis

< Wenn in den Listen geweititer Schalen ( C I. A. II 768 ff., u. S.512) die Stifter durctigeliends nacli dem Wolinort und dem Gewerbe bezeiclinet sind, so tiängl das unzweifelhaft mit dem Ursprung jener Listen zusammen, der noch immer nicht vollständig aufgeklärt ist.

MISGELLEN 19

ins Stocken «eralhen. Die Anerivenniing-, welche die langjäli- rige amlliclie Tliiiligkeil des Versloi-Itenen als l-lplioros und zuletzt General - Kplioros der Allei-lhiinier sowolil wie sein schlichter und ehrenwerther f-liaraktcr hei seinen I^andsleu- ten gefunilen hatte, ist hei seinem Begrähniss in imposanter Weise zu Tage getreten.

An dein Wege, der nordwärts von Athen nach dem Dorfe Kolokythu führt, sind von Arbeitern einige Grabsteine späterer Zeit ausgegraben worden, lieber den Fund eines al- ten Grabes am Fusse des Lykabettos ist bisher Näheres nicht in die Oeffentlichkeit gedrungen.

In Saloniki sollen nach einer kurzen Zeitungsnotiz Reste eines alten Thores freigelegt worden sein.

'E<pYi[;.6pi(; (xp^aioXoyix,ri 1884 Heft IV': St. A. KoujjLavouSyii;, 'Atti/cöv tj/7](pi(j[;.a (mit 1 Tafel). Xp. T(70'jvTa?, 'Exiypacpr/ e^ 'A/.poTgöXeco; (mit 1 Tafel). T. NspoOrTOi;, !l]r,[X£iü)a£i; £~i Sex.y. {y.o[7-i(xi; (mit 1 Tafel). A. «I'i'Xto;, VlDTz-zix. e; 'EXeurjtvo; (mit 1 Tafel). I. X. ApayxT(j'/i;, 'ETüiyparpat ex FletpaKÜi;- K. Kapa- Tcävo;, 'O v(xö; tou 'AtcoX'Xwvo; TTrepTeXeocTOu. I. IlavTa^iöTit;, Bpaj(_£t;at fj'ri[j.Hbiai.i^ dq xiva? i^ 'KIvjcXvoi; eTriypacpxg. Su!7.p:.i/CTa.

Bull, de corr. Hell- 1885 H. I: Haussoullier, Inscriptions de Crete. üiehl, La pierre de Cana. Collignon, Bronze grec du Musee de Tschinli- Kiosk ä Constanlinople (mit 1 Tafel). Cousin u. Durbach, Insaiptions de Leinnos. Blavette, Legende du plan d'Eleusis (mit i Tafel). Paris u. HoUeaux, Inscrip- tions de Carte.

Bull, de corr. Hell. 1885 H. 11: HoUeaux u. Diehl, inscrip- tions de rtle de Hliodes. Clerc, Inscription de Nysa. Miller, Inscriptions grecques de l'Egypte. Paris, Inscription choragi- que de Delos. Fottier u. Keinach, Nike et Psyche (mit 2 Ta- feln).— Cousin, inscription du Musee de Constanlinople . Bi- bliographie.

80 MlSCELLEN

Bull, de corr. Hell. 1885 III: Pottier li. Reinach, Fouitles dans la necropole de Myrma. Diehl, Peintures Byzantines de ntalie meridionale . Foiicart, Inscri/dions de Thessalie. Pa- ris, Nouveau fragment de l'Edit de Üiocletien. Mat'lha, Cas- tor et Pollux (mit 1 Tafel). Mylonas, Inscriptions de Laco- nie. Coiiignon, Miroir grec du Musee du Louvre (mit 2 Ta- feln).

OapvadToc T6[x. 0' t£u/. ß' S. 155 bespricht M. P. Lam- pros ein im Leipziger Hesperos (Heft 74 N" 30) publicirtes aus Kypern stammendes angeblich antikes Reliefbild der Athena aus Bronze und beweist, dass dies eins der Aufbilder sei, welche die unter der englischen Oberherrschaft 1810 in der Eptanesos gebildeten griechischen Regimenter auf Helm und Waffengürtel trugen.

K(i)V(TT. N. K(i)(7Ty5(;, riepl äSix,7)[xa.To: xal t^oivt^? ev ir\ apj^aiac £>.\"/lvi)tf, TpaywSia. 'AOrivriCi, TuTcoyp. llaT^iyyeveaia. 1885.

'I. Sa;cx.£).icov, ToO f/,ax.apt(i)TiTOu 0£oScop7]TOu, irciay.OTZou Ku- pon, £7Ct<7To'Xai S'joiv SEOUTaiv TCEVTVjxovTa EX. OaTpaKoö ^£ipoypa-

<pOU TE'jyO'J? VUV T^pdiTOV T'JTVOIC £/cSt.S6[7.£Vat. 'AO-OVYiTl, TUTCOyp. TÖV

'AS£).(pwv ÜEppr,, 1885.

Mapy. r. A'/iuLiTca?, 'I(7T0pia Tvi? 'Al£^avSp£ia; aTro ty)? xti- «T£w; {Jt.£/pi TYi; uTTO Töiv 'Apä€(ov xaTax.T7ic;£(ii; ocuTri?. Metoc totto- ypa(pi>tou ^apTOu. 'Ev 'A6-/ivai; ex. toO xuTroypacpEiou " 6 üala^ar)- ^Ti;" 1885.

Mapy. r. AripTca«;, ÜEpioSEia Tvi? AiyouTOu. 'Ev 'Aörivat; £>t ToG TUTToypy.cpEiO'j S. 11 . 'lacEp'.iSou 1885.

(April 1885.)

Dioskurenartige Gottheiten.

(Taf. IV.)

K. Gerhard hat in der Archacolon^isclien Zeitung 18G5 Taf. CXCIX eine in Kyzikos gefundene Terrakotte aus dem Besitz G. Perrots veröffentlicht, welche durch die Seltsannkeit der Darstellung den Anlass gab drei analoge Stücke, zwei aus dem hiesigen Museum der Arcliaeolo'nschen Gesellschaft, ein drittes aus dem Museum zu Olympia hier mitzuteilen. Jene Perrotsche Terrakotte stellt zwei nackte Knaben im frühesten Kindesalter dar, mit den pausbackigen Köpfen eng an einan- der geschmiegt, die inneren Arme sich gegenseitig um die Schultern legend wie Kitylos und Dermys auf der bekannten böotischen Grabstele. Sie sitzen auf einem mit hohem Polster belegten Stuhl mit zwei Seitenlehnen (?), um deren rechte der rechts sitzende Knabe den rechten Arm hinten herumzu- legen scheint. Das unlere Stück der Vorderseite ist heraus- gebrochen: die Rückseite bis auf die rechte, untere Ecke gut erhalten. Die drallen, derben Kinderkörper sind völlig nackt, die Köpfe schmücken hinten gefranste phrygische Spitzmüt- zen, deren lange Laschen über ihre äusseren Schultern, hin- ler den deutlich ausgeprägten Ohren herabfallen. Der Ge- sichtsausdruck erscheint derb kindlich und natürlich. Gerhard deutet die Knaben auf Dioskuren a. a. 0. S. 66. Er erinnert dabei an die Eigenartigkeit der Idole der Stadt Kyzikos und an die für Daktylen und Kabiren übliche Darstellung in zwerghafter Kindesgestalt ^ Zur Vergleichung mit jener Ky- zikener Terrakotte mögen vorerst die auf Tafel IV 1.2 in na- türlicher Grösse abgebildeten Stücke aus Böotien dienen, wel-

' Über welche, soviel ich sehe, etwas Sicheres nicht überliefert ist. Stellen wie Herod. III 37 Paus. VIII 31, 3 Diod. V 64 sind nicht beweisend.

MITTH. D. ABOH. US'ST. X. ß

82 dioskurenartiCtE Gottheiten

che beweisen dass jene Art der Darstellung keineswegs spezi- jQsch Kyzikenisch war.

Das erste Stücke ein grauschwarzes Terrakottaläfelchen aus Theben, N" 482 der Sammlung, 0,01)5'" lang, 0,05™ breit, die grösste Dicke ist etwa 0,01'", war etwas unterhalb der Mitte entzweigebrochen: die untere Hälfte ist vom Brand ge- schwärzt— die Feuerspuren sind unverkennbar die obere sieht grau aus. Das Täfelchen, dessen Uückseile völlig glatt ist, stellt eine Art von Tragbett dar, auf dem zwei kleine Kinder gebettet sind. Man erkennt zwei mit Tuch überklei- dete Hölzer, zwischen denen ein Tuch gespannt zu sein scheint, das oben und unten wie zur Verzierung mehr oder weniger regelmässige, rundliche Ausschnitte zeigt: unter dem Kopf der beiden Kinder liegt ein Kopfkissen von der Gestalt eines länglichen Rechtecks. Diese selbst sind, jedes für sich, vom Hals bis zu den Füssen in ein Tuch eingewickelt und darüber noch in je einen Umschlag eingehüllt, der vom Hals an zu halbmondartigen Falten sich formend in der Gegend der Füsse sich nach unten spifzwinklich auf den beiden erst- genannten, viereckig gefalteten Tüchern abhebt. Ihre Köpfe sind mit spitzen Hüten bedeckt, an denen, wie gleichermas- sen an dem Kopfkissen Spuren roter Farbe deutlich erhalten sind. Der linksliegende Knabe, rechts vom Beschauer, er- scheint etwas kräftiger gebildet als sein Zwillingsbruder: sein Hut ist um einen kugelartigen Ansatz höher als der andere

Das andere Stück 2, W 21*2 der Sammlung, ist ungewisser Provenienz: wahrscheinlich stammt es aber nach der Aussage des Conservators des Museums, Herrn Kumanudis, ebenfalls aus Boeotien. Höhe und Länge 0,08'", Breite 0,035'". Auf ei- ner Kline sitzen nebeneinander zwei kleine Knaben. Beide

' Beschrieben von J. Martha, Caialogue des jigurines en terre cuile du mu- s6e de la socieU archiologique d'Atkenes 1880 S. 78 N'^ 415, der die Farbspu- ren und den Bruch übersehen zu haben scheint.

2 Martha a. a. O. 8. 195 N" 909. Die roten Farbspuren an den Hüten hat er übersehen : die Spuren von Gelb, die er als an den Füssen der Kline be- üadlich augiebt, kann ich nicht für Farbspureu halten.

blOSKURENARTIGE GOTTHEITEN

83

tragen den Pilos und das Himation, unter diesem erkennt man bei beiden die Kniee und den rechten Arm, den der rechts sitzende aufsein rechtes Kniee leijt; der andere legt den rechten Unterarm quer über die Brust nacli der linken Schul- ter zu. Der nach innen umgeschlagene Saum ihres Himations zieht sich bei beiden von der rechten Schulter nach der lin- ken Hüfte herab: der sichtbare untergeschlagene Teil des bis zu den Füssen reichenden Gewandes steht mit seinen drei bis vier Falten senkrecht auf jenem Saum, Auch hier erscheint der links sitzende Knabe etwas kräftiger gebildet und ist durch einen grösseren Hut vor dem andern ausgezeichnet. Wie die Farbspuren beweisen, waren auch hier die Hüte rot bemalt: ein grösserer Rest von Blau befindet sich auf der Kline und eine Spur von Hot in dem Gesicht der Knaben. Die Rückseite der Terrakotte ist roh: man kann niclit erkennen, worauf die Knabon sitzen. Die Farbe des Materials ist braunrot.

Imu drittes Exemplar, von dem nach einer Zeichnung mei- nes Freundes Fabricius eine Skizze in natürlicher Grösse hier im Text gegeben ist, fand sich im Museum zu Olympia. Es

ist ein Stück aus rötlich braunf^m Thon, 0,055'" hoch und

M ÖIOSKUhENAR'TmE GOTTHEITEN

ebenso breit: Inventar no. 74. Gefunden wurde dasselbe in dem Westgraben, an der byzantinischen Westmauer: die un- tere Hälfte ist weggebrochen. Innerhalb einer oben giebelartig abgeschlossenen Umrahmung liegen bis über die Ohren in Windeln eingehüllt zwei kleine Kinder: hier erscheint das rechtsliegende grösser gebildet. Die zwei kreuzweise über ihre Brust ausgespannten Bänder haben, wie es scheint, den Zweck sie auf ihrem gemeinsamen Bett festzuhalten.

Die Analogie dieser drei Stücke mit jener Terrakotte aus Kyzikos ist einleuchtend und klar die Absicht der Verfertiger aller dieser Stücke Zwillinge darzustellen: die Deutung der- selben ist aber schwierig und ungewiss und der Zweck dieser Abhandlung ist mehr der auf diese sicherlich in noch vielen Exemplaren vertretene Gattung von Monumenten aufmerksam zu machen, als eine endgültige Deutung derselben zu geben. Fragen wir, was für Zwillinge dargestellt seien, so wird schon durch die Verschiedenheit des Fundorts bei einer so gleich- artigen Darstellung der Gedanke an Genre abgewiesen. Es wäre dagegen wohl denkbar, dass Eltern nach der Geburt von Zwillingen, um deren Gesundheit es nahe lag besonders besorgt zu sein, derartige Bildchen in dem Tempel irgend ei- ner Gottheit aufzustellen pflegten. Bedenkt man jedoch die vielerwähnte Unfruchtbarkeit der Ehen im Altertum , die Aengstlichkeit, mit der man im Altertum auf geringe Anzahl von Kindern bedacht war (Hermann- Blümner Gr. Privatal- tertümer S. 278) und demnach Zwillingsgeburten nicht ge- rade als freudiges Ereigniss begrüssen mochte, endlich die re- lative Seltenheit von Zwillingsgeburten überhaupt, so hat bei der Verschiedenheit des Fundorts eine derartige Annahme we- nig V^'ahrscheinlichkeit für sich. Es sind also göttliche Zwil- lingsknaben—an die Letokinder zu denken berechtigt nichts gewiss Aiö; /.oupoi, wie Gerhard deutete, aber nicht die Söhne der Leda, von deren Kult oder Sage in Boeotien nir- gends eine Spur zu bemerken ist. Auch sind nicht die Spitz- mülzen, mit denen wir oft bei Terrakotten und auf Grabre-

DIOSKÜRENARTIGE GOTTHEITEN 85

liefs* die Köpfe kleiner Kinder bedeckt sehen, das entschei- dende: vielmehr können wir ebenso wie Phitarch {de [rat. amore 1 ) über das Bihl der Tyndariden zu Sparta so über diese Terrakotten sagen, dass So>t£T roi 'pi'XaSe'Xcpo) twv 9eoiv otx.£Tov ei- voci Tou äva6ri[AaTo? to /.oivöv y.ai iSiaipeTov. Bemerkenswert ist, dass, wie oben schon erwähnt, ebenso in diesen l'^rzeugnissen des niederen Kunstliandvverks, wie auf Gemälden, Vasenbil- dern und Skulpturen jeder Art bei Darstellungen der Tynda- riden und des Amphion und Zethos, das Bestreben klar her- vortritt, den einen der Zwillinge in irgendwelcher Weise vor dem anderen hervorzuheben und auszuzeichnen : darüber ge- nüge es zu verweisen auf Welcker Götterlehre II S. 427, Alte Denkmäler I S. 359. 369, von Paucker in der Arch. Zeit.1853 S. 134, Mercklin ebenda 1854 S. 255.

lieber ganz Griechenland und die Kolonien ist der alt in- dogermanische Kult^ von Götterzwillingen verbreitet, von zwei jugendliehen Lichtgöttern, die stets eine unzertrennbare Einheit bilden, selbst dann noch w-enn sie zu Heroen ver- blasst, durch die Sage immer mehr unter einander geschieden wurden und durch Sondernamen und Sondereigenschaften sich mehr und mehr von ihrer ursprünglichen Gleichheit ent- fernten. Das berühmteste dieser Götterzwillinge ist das spar- tanisch-messenische Brüderpar der Tyndariden, die, ursprüng- lich sicher einander gleich wie die beiden Balken, ihr altes Kullbild in Sparta 2, durch Sage und Dichtung, die von einem Kastor und einem Polydeukes zu erzählen nicht müde ward, sich nach und nach trennten. Aber wo Sage und Dichtung nicht in gleicher Weise tätig war, ging diese Scheidung nicht vor sich. Auf der Insel Pephnos, der Geburtsstätte der Dioscu- ren nach Alkman und der Landessage standen nach Paus. III 2(), 3 äy7.>v[j.aTa AiOfj/.o'jpwv yoCkxoi [j-sysÖo; TwoSiala ev 'j~ai9p(i> xTii v-^ciSo?. Hier sind es noch sicher Dioskuren : aber in ßra-

< Arcliaeol. Zeit. 1845 Taf. XXXIV Koerte Mittheilungen III S. 325 und öfters.

2 Welcker Gr. Götterlehre I S 607.

3 Die ooxava, Plut. de (rat. amore \.

86 DIOSKURENARTIGE GOTTHKITEM -

siae scheinen es nur verwandte Götter zu sein III 24, 5: a/.oa

0 £'(TTi £v xaT; BpocGtai? [^.'//.py., Trpoeyo'jTa 'öcey.a s; ttiv OyAaTTav x,al ETr'a'jT'^ yjx.'k-/.r>X xoöiaiQv iaTrr/.y.niv oO ixsi^ovs;, tti^ou; et:», rai? y.£<pa>aT; e^ovxe?- oü/. oiSa, et AtOTx.O'jpou; c;'pa.c Yj Kop'j^avTa: voai- Co'jC)i. Diese kleinen nur einen Fuss hohen Broncebildchen mit den Spitzmützen, deren Kleinheit dadurch, dass sie im Freien standen doppelt auffallen musste, müssen einen ähnlichen Eindruck gemacht haben wie unsere Terrakotten. Aehnlich berichtet Pausanias X 38, 7 über Amphissa in Lokris : "Ayo'j<7i y,al xeT^eTYiv oi 'Ai/jj^iaan^ ävx/wTwv Xwaloufxsvwv TraiSwv oiTtve; ö£ Beöv £irriv ol avaxT£(; to-TSe? /.axa Ta'jxa ectiv £ip7)[;ivov, ä»öt £tvai Aio<7xoupo'j?, Ol Se Ko'jpYixa?, ol Sk ttIeov ti E-i'jTa'jöai vo^xi- ^ovT£; Ka^Eipou; liyo^jm. Einen ähnlichen Kult erwähnt er X 33,6 bei den Charadraern in Phokis : XapaSpaiot? Se yipwwv xaloupJvcov Eirrlv £v T'?i ocyopa ß(0[/.oi /,ai auroü; ol [xev Aioaxoupwv,

01 Se l-xij^ciipioiv Eivai (pacrtv 7)pwcov. An den erwähnten Orten ist der Kult der Götterzwillinge noch in seiner ursprünglichen, namenlosen Unbestimmtheit erhalten gewesen : anderswo wer- den, wie bei den Athenern die ursprünglich selbstständigen attischen avax.E? oder avaxol, die alten göttlichen Brüder durch mächtige Einflüsse spartanischer Kulte von den Tyndariden absorbiert* oder sie sinken, wie die Aphariden, Aktoriden, Aloaden und die vielen Brüder- und Freundespare der Hel- densage zu einfachen Heroen herab 2.

Unsere aus den verschiedensten Teilen der griechischen Welt stammenden Terrakotten setzen, wie es scheint, einen dem Lokalkult jener avax.T£; Trai^E? von Amphissa in seiner Unbestimmtheit etwa entsprechenden Kult eines göttlichen Zwillingspares voraus, der eine weite Verbreitung gehabt ha- ben muss und von dem in der litterarischen Ueberlief'erung kein Zeugniss erhalten zu sein scheint. Zwar können wir an den drei Fundorten, in Kyzikos, in Olympia und in Theben, überhaupt in Boeotien Dioskurenkulte nachweisen: dieselben

< Preller Gr. Myth. II 104 Welcker Arch. Zeit. 1854 S. 279.

3 Mehr derartige Götterzwillinge bei Gerhard Gr. Mylh. I §: 161-167.

DIOSKUnENARTiriK OOTTHRfTEX 87

sind aber sehr hotoroo-ener Natur, während docli jene Terra- kotten als ziisaninu'nii;('hötM|L!; zu hetraehlen sind. In der llip- paphesis in Olympia erwjilmt Paiisanias V 15, 5 einen Altar der Dioskiiren zusainnu'ii mit Allaren des Poseidon llippios lind der Hera Hippia: es sind dies wohl die rossetnmmeln- den Tyndariden, die ja auch einst in Olympia den Siej; da- von<>et ragen (Paus. V 8, 4). Auf einen Dioskurtmkult in Ky- zikos lassen abijjesehen von der Argonautensage (vgl. Gerhard Arch. Zeit, ist;,') S (h ) besonders die Kaisermünzen der Stadt mit Sicherheit schliessen, welche das Bild derselben aufwei- sen : Mionnet Sup}d. V S. 326 no. 281 S. 335 no. 347. 349. Es sind dies aber wohl die Osoi [xiyi'koi rrcoTTipe;, die Schiff- fahrtsgötter von Samothrake, die, ungewiss wann, mit den Tyndariden zu einem Götterpar verschmolzen wurden und denen auch die zur See mächtigen Kyzikener ihre Verehrung bezeugen (C. /. G. 2157. 2158. Conze Reisen auf d. Inseln d. Thrak. Meeres S.65. 70). Ganz anderer Art ist aber der Dios- kurenkult in Theben, überhaupt in Boeotien und einem Teil von Phokis. Dort hat sich ein selbstständiger Kult der genann- ten Art erhalten, der Kult der Söhne des Zeus und der An- tiope, welche dieselbe Rolle in der thebanischen Sage spielen, wie die italischen Dioskuren Romulus und Remus in der rö- mischen. Sie führen den Namen Aiö? xoupoi; wie die Tynda- riden und die eingeborenen Aktoriden* heissen auch sie ^-vj- ■M-hiloi. So berichtet Hesych s. u. AioTv.oupoi- ol 'EXevyi? oL^ik- (poi. ZviOo? y.y.l 'A7,<pioiv Is'jy.o-co'Xoi y,v.\o'j y.i^joi und über die bei- den der Schol. Hom. t 518 outoi tocc Q-'n^ctq oly.oxJm xpöTov xal xa"XoOvTai At.ö; /.oOpoi >.£'j/.6'nr(oloi. So nennt sie in der Tat Eu- ripides Herc. für. 29 Phoen. GOG. Bildsäulen töv eE 'Av-rio- TT'/i? yevvr,6£VT(ov Atoax.oopwv . . . 'Ajxcpiwvo; /,vA Zr.Oou von Tlbe- rius in Antiochia errichtet, erwähnt Jo. Malalas S. 234 d. Bonner Ausg. Euripides nennt sie noch Oeol "Xe'jx.o-toXoi und erwähnt dabei ihren Tempel in Theben Phoen. (50G : xal Oscüv Töv Xe'j>co7rü)"X(ov S(ö[;.aTa. Ihr Kult, wahrscheinlich meist mit dem

< Find. Pytli. I 66 Ibykos bei Athen. II S. 58.

öö DIOSKURENARTIGE GOTTHEITEN

der Mutter verbunden muss in Boeolien Phokis Sikyon weit verbreitet gewesen sein: die Sage weist auf Verehrung in Hy- ria* oder Hysiae, der Heimat der Antiope^, in Sikyon wohin sie flüchtete^, in Eleutherae, wo sie die Zwillinge gebar ^ und aussetzte, in Eutresis, wo diese auch die Mauern erbaut ha- ben sollen, bevor sie nach Theben kamen ^, vor allem in The- ben selbst und in Tithorea am Parnass in Phokis. Bei den Sikyoniern, welche die böotischen Dioskuren wie ihre Mutter als ihnen angehörig ansahen (Paus. II 10, 4), hatte Antiope eine Statue im Tempelbezirk der Aphrodite (Paus. II 6). In Theben knüpfte sich ihr HauptkuU an das Grabmal des Ze- thos und Amphion, das die Tragiker verschiedentlich erwäh- nen^ und von dem Paus. IX 17, 3 berichtet: ZtiÖw Se pTijxa 5tal 'Ap.(picovi £v Koivoi yriq j^Si^i. Ictiv [/.eya. ucpaipeTcöai Se eOe- "kouaiv äx' auToij tt); yriq, ol TiÖopsav ev tti <S>w}ciSi e^ovxe;, eOe- 7.0'jci 06 ETTSiSäv tÖv £v O'jpavü Taopov 6 ri'ki.oq SieEr/)' Tiov'//cauTOC yotp "^v äx' auToü 'XaSovTs; yviv 'Avtiotttj? i7,v'/i(;-aTt, [Trepty-^j/oxyi], Tt- Oopeeudiv oiati -/.ocpTrov y) ^wpa, öioSaioi? Se O'j^ Of^.oico?. /.ai £7rt TOUTO) (ppo'jpäv ol ÖioSaiot t6t£ eyoucri toö (xv/jj^aTo;. Die Titho- reer wallfahrten also viele Meilen weit vom Parnass nach Theben, um die segenbringende Erde vom Grab der Diosku- ren zu erbeuten und auf das Grab der Antiope, das bei ihnen war, niederzulegen'^. Nach Stephanus von Byzanz s. u. TtOo- pea jedoch waren Amphion und Zethos in Tithorea selbst be- graben.

Weder mit den rosselummelnden Tyndariden, noch mit

< Steph. Byz. s. u. Tp^a.

2 Strab. IX 404.

3 ApoUod. III 5, 5 Hygin. fab. 7 Schol. Apoll. Rhod. IV 1090. -> Paus. I 38, 9.

s Steph. Byz. s. v. Ei'Tpr)at; Strab. IX 411 B.

6 Aeschyl. Sept. 509 Eurip. Phoen. 147 Jahn Archaeol. Zeit. 1853 S. 72 Anm. 21.

■^ Thebaner und Tithoreer streiten wohl in diesem Brauch um den Besitz des Grabes; für dessen Besitzergreifung ist die Wegnahme einer Erdscholle symbolisch : vergl. die Erzählung über den Tcailöwv xacpos bei den Chalkidiern auf Euboea bei Plut. quaest. Graecae 22.

DJOßKUHIiNAUTlGE GOTTHEITEN 89

den Samothraki sehen grossen Göttern oder den Söhnen der Äntiope haben unsere Thonll^uren irfjjeiid etwas zu tun: hei der Verschiedenheit des Fundorts schliesst das eine immer das andere aus. Sind dieselben wirklich Götterbilder— wofür wie oben erwähnt alles spricht so setzen sie einen weitver- breiteten Kult eines Dioskurenartigen göttlichen Zwillingspa- res voraus, welches so originell und eigenartig gewesen sein muss, wie seine uns eriialtene Darstellung handwerkartiger Kunst. Das Auffallende eben an diesen vier Götterbildchen ist die Darstelluno; in Gestalt kleiner Kinder. Man kann dabei erinnern an ähnliche Darstellungen, wie an die des Zeus als Säugling und Knaben (Ovcrbeck Kiinstrnythologie Zeus S. 194 IT.), an Jakchos, den Photius und Suidas als Aiov-j-to; i-i TW pLa(jT(p erklären, an den Sosipolis der Eleer, an Telespho- ros u. dgl. m.'. Man kann auch diese Art der Darstellung ähnlich erklären wie die rohe Symbolik flei' Sö>tava zu Sparta: es will der Künstler lediglich den Begriff der Zwillingschaft und diesen möglichst klar zum Ausdruck bringen und dies geschieht ungleich mehr durch die Darstellung als kleine Kin- der und Säuglinge, welche nur eine gleichzeitige, gemeinsame Geburt in der Weise paren konnte, als wenn sie als erwach- sene Jünglinge gebildet waren, die wohl gleichgross und ver- schiedenen Alters, Freunde und Brüder sein konnten- Die vollständig realistisclie Ausstatlierung der neugeborenen Göt- terzwillinge, die Kinderhütchen auf ihren Köpfen, welche mit den Dioskurenhüten nichts zu tun haben, entspricht vollstän- dig dem, was Hymn. in Apoll- Del. V. 120 über die Wartung des neugeborenen Apoll erzählt wird. Sicherlich wird erst eine weitere Bereicherung des Materials die Erklärung dieser merkwürdioen Monumente im Wesentlichen sicher stellen und vielleicht auch das iXichtzusammengehörige unter diesen vier Terrakotten ausscheiden.

' So erwähnt Cicero de cliuin. II 85 zu Praeneste einen Juppiter puer, qui lactens cum Jiinune Fortunae in gremio sedens mammam appetens eastissime colitur a malribus. Vgl. die Terrakotte bei Gerhari Antike Bildwerke Taf. IV \ .

90 DIOSKURENARTIGE GOTTHEITEN

Die Zwillingskinder, welche in der bildenden Kunst am meisten dargestellt wurden, waren, soviel wir sehen, Apoll und Artemis auf den Armen der Leto oder ihrer Amme Or- tygia. Frühzeitig ward das Schema der Darstellung für die Mutter mit den Zwillingen auf den Armen in der Kunst der- art fixiert, dass dieselbe auf dem rechten und dem linken Arm je eines der Kinder trug: diese Art der Darstellung fin- den wir ausschliesslich auf Broncen (Caylus Recueil d'antiqui- tes III Tf. 41,5), Vasenbiidern {Elite des mon. ceramographi- ques II Tf. 1 und 2 Gerhard Auserlesene Vasenbilder I Taf.55 Micali antichi mon. TL So) und Münzen (die Citate in der Elite d- m. ceram. II S. 7 Imhoof- Blumer Monnaies grecques S. 285. 412). Nach diesem Schema war die Nacht mit Schlaf und Tod auf den Armen auf der Kypseloslade gebildet (Paus. V 18 1) und ebenso die Ortygia des Skopas mit den Letokin- dern (Strabo XIV 640). Eine verwandte Darstellung bietet eine Terrakotte aus Boeotien, von der eine Abbildung am Schluss dieser Abhandlung im Text gegeben ist.

Das Stück, N" 693 der Sammlung der Archaeologischen Gesellschaft, stammt aus der Gegend des alten Thisbe^ Höhe 0,06™ Breite 0,075"". Rotbrauner Thon. Es stellt eine Frau dar, welche mit der erhobenen rechten Hand das Gewand, das ihr um die Schullern und auf den Armen liegt, gefasst hat; auf dem linken Arm trägt sie auf einem GewandsLück zwei eingewickelte kleine Kinder mit Mützen auf den Köpfen. Der rechte Unterarm ist unterhalb des Handgelenks abgebro- chen, die linke Hand ist stark beschädigt, der ganze untere Teil der Figur ist unter der nackten Brust weggebrochen. Die einzelnen Harsträhne sind in lockenartigen Wülsten anoredeu- tet: eine Harlocke oder wulstige Harsträhne fällt nach vor- nen über die linke Schulter auf die Brust lang herab. Auf den Haren sind Spuren braunroter Farbe. Sorgfältige Arbeit.

' Beschrieben von Martha a. a. 0. ö.

DIOSKURENARTiriK GOTTHEITEN

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Diese anmutige Thonfignr ist desslialb interessant, weil sie abweichend von dem gewöhnlichen Schema, wie es die oben erwähnten Monumente aufweisen, eine Mutter darstellt, wel- che beide Kinder nebeneinander auf dem linken Arme trägt. Es ist dies eine Art der Darstellung, wie sie schwerlich der Wirklichkeit entnommen ist: die gewöhnliche Darstellungs- weise, welche auch Skopas für seire Ortygia in Anwendung brachte, erscheint weit naturgemässer. Der Bildner der Ter- rakotte, welcher sich bei seiner Darstellung an das bekannte Schema der Mutter mit einem Kinde auf dem linken Arm eng anschliessen wollte, brachte allerdings den Betriff der Zwil- linge in den beiden Kindern, welche wie ein Wesen auf dem Arm der Mutter nebeneinandergebettet daliegen, auf seine Weise weit klarer zum Ausdruck, als wenn er sich an das überlieferte Schema gehalten hätte. Gegen die zunächstlie- gende Deutung auf Leto mit ihren Kindern scheint eben diese Abweichung von der gewöhnlichen Art der Darstellung zu sprechen, während für eine andere Deutung, etwa auf Leda oder Antiope, jeder Anhaltspunkt fehlt.

FRIEDRICH MARX.

Alterthümer auf Kreta. III. Archaische Inschriften,

1. Die grösste der auf der lithographischen Beilage zu die- sem Artikel abgebildeten Inschriften stammt aus dem Dorfe Priniäs im Bezirk Mylopotamo, wo sie an der üeberwöl- bung des Hofthores von dem Hause des Konstantinos N. Za- charakis eingemauert ist. Priniäs liegt wenige Minuten süd- lich von den Ruinen der Akropolis des alten Eleutherna (vgl. Spratt, Travels in Crete II S 89 ff., Thenon Revue ar- cheol. n. s. XVII S. 293 ff.). Der Block besteht aus Kalkstein und ist erst neuerdings zu dem Zweck, dem er jetzt dient, zurechtgehauen worden, wobei ein beträchtlicher Theil der, wie man mir sagte, ursprünglich viel grösseren Inschrift zer- stört worden ist. Die Schrittfläche scheint rechteckig gewe- sen zu sein, breiter wie 0,90'° und höher wie 0,60™. Die Buchstaben sind sorgfältig eingehauen; Schriflhöhe 2(i (O®) bis 35™'°, Zeilenhöhe 40'°'".

Hinsichtlich der Richtung der Zeilen steht die Inschrift un- ter allen griechischen Inschriften, wenn ich nicht irre, allein da: auf dem erhaltenen Stück wechselt je eine linksläufige mit je zwei rechtsläufigen Zeilen, ähnlich wie auf der marsi- schen Bronzeinschrift vom Fuciner See, wo Zeile 1, 3 und 4 nach rechts, 2 und 5 nach links geschrieben sind. Diese Ei- genthümlichkeit , ein Vorbote der späteren rechtsläufigen Schreibweise, ist bei der Inschrift aus Eleutherna um so auf- fallender, als bei anderen kretischen Inschriften älterer Zeit die Neigung zur linksläufigen Schrift entschieden vorherrscht. Von links nach rechts sind die Columnen angeordnet beim

BEILAGE ZU MITTH D ARCH INST. X. S 92

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ALTKRTHUEMER AUF KRETA 93

Gesetz von Gortyn, iiuksiäuiig 6iu(J dorl die ersten Zeilen der Columnen eingehauen, linkslaiifig fast alle allen einzeiligen Inschriften von Kreta. Anderseils ist dem Schriflcharakler nach unsere Inschrift kaum jünger als die Gortynische. Das Alphabet hat wieder nur 18 oder 1*) Zeichen, von denen [i, Y und vielleicht Digamma und o nur zufällig nicht vorkom- men. Epsilon mit nur zwei schrägen Strichen F tritt hier zum ersten Mal auf griechisclicn Inschriften auf. Pi hat die ge- wöhnliche Gestall P anstatt der in Gortyn und Lytlos übli- chen Form c, womit die Inschrift aus Eleutherna sich denen .VOR Axos anreiht (/. G. A. 480 und Haussoullier Bull, decorr. Hell. IX (1885) S. 2), die gleichfalls Pi in der Gestalt P zei- gen. Die Bildung des lllio P in Zeile 3 neben der älteren F* Z.

2 u. 4, lässt das allmähliche Eindringen jüngerer Schriflfor- men erkennen.

In der ersten linksläufigen Zeile, über der man die Enden mehrerer Hasten einer vorhergehenden Zeile erkennt, ist zu lesen: Aiowoaiav vevo und der liest eines Buchstabens, viel- leicht eines K; das A ist sicher. Z. 2 beginnt mit einer schrä- gen Hasta, dann ist ^ sicher vor Ti^aapj(_o; (der Name ist in späterer Zeit noch in Eleutherna heimisch, Polybius IV 53,2); das folgende F ist wohl ehr ri zu lesen und damit anzuneh- men, dass das besondere Zeichen für y) im Alphabet fehle, als zum Folgenden /co'7fy-iü)[v oder xo(J[aio[vt . . zu ziehen. Z.

3 erkennt man hinter den mir unverständlichen Buchstaben Sic'jpoTToioi, von denen auch die ersten drei sicher sind, rpico- Se'Xov To ; vgl. das Gesetz von Gortyn II Z. 1."), wo ich irr- thümlich in der Umschrift [ev öj^slov für [öjSeT^ov ergänzt habe, und Z. 16 S'j' oSeXov;.— Z. 4 am Anfang kann sowohl i^s wie /^ S gestanden haben; das Weitere ist mir unverständlich, hinter K P^ 5 ® A scheint ^ gestanden zu haben. Am Schluss der Zeile ist vielleicht zu lesen: ai Sk StaP, der letzte Buch- stabe ist fast sicher. —Z. 5 in der linken Hälfte ist vor dem ersten ^ nichts, nach ® ein F, in der Hälfte rechts f=* A A' P mit Sicherheit zu erkennen. Z. 6 ist nur T A sicher, der

94 ALTERTHUEMKIl AUF KRETA

Buchstabe vorher ist ganz verrieben, nachher ist sowohl N \ möglich, wie T oder F '^.

2. Kleines Bruchstück von weisslichem Kalkstein, im Stadt- gebiet von Eleutherna bei der Kapelle Hagia Irini aufge- lesen. Oben und links Anschlusstläche, rechts und unten Bruch, h. 0,120'" br. 0,195'". Die Schrift ist nach Form und Grösse ganz übereinstimmend mit der der grösseren Inschrift, nur mehr verrieben, beide Stücke könnten einem und dem- selben Denkmal angehört haben. In Z. 1 (rechtsläufig) liest man [piJaiT'jp-, Z. 2 (linksläufig) o x.ai to; das ^ ist nach der falschen Seite gerichtet, wie in Z. 40 der ersten Columne des Gesetzes von Gortyn. Unter Z. 2 scheint auf dem erhaltenen Stück nichs mehr gestanden zu haben.

Das Fragment hat einer Inschrift angehört, die über min- destens zwei Schichten einer in regulärem Quaderbau ausge- führten Wand eingehauen war, und liefert damit einen neuen Beleg für die in Kreta besonders beliebte Sitte, Inschriften auf den Wänden von Gebäuden anzubringen. Es verdient hervor- gehoben zu werden, dass die vor Kurzem von Haussoullier publizi.-len Inschriften aus Axos (s. o.) keine einzelnen Denk- mäler sind, sondern ebenfalls einer grossen Wandinschrift an- gehört haben. Die Blöcke sind nehmlich nicht, wie der He- rausgeber unrichtig angiebt, rechteckige Platten aus weissli- chem Marmor {plagues rectangulaires de marbre blanchätre), sondern polygonale Blöcke aus gewöhnlichem Kalkstein. Aus einer etwas genaueren Zeichnung hätte die polygonale Form der Stücke ersichtlich sein müssen. Die Inschrift, der alle von Haussoullier sur la coUine qui domine le village d'Axos gesehenen Bruchstücke angehören, stand also an der in Po- lygonal-Technik erbauten Wand eines Gebäudes auf der al- ten Akropolis.

3. Gortyn. Block aus grauem Kalkstein, eingemauert am Metochi des Rezep Kutzakis am 1. Ufer des Lethäus, 8 Minu- ten unterhalb von der Fundstelle der grossen Gesetzesinschrift. Der Stein war ursprünglich wohl Wandquader, ist rechts neu behauen, unten vielleicht unvollständig; br. 0,55™, h. 0,29™,

ALTERTHCEMER AUF KRETA 95

t. 0,23™. Die Schrift ist tiei aber weniger regelmässig einge- hauen,wie bei jenem Denkmal; Buclistabenhöhe 0,025 0,030, Zeilenhöhe ungleich, ca. 0,0()0"'. Die Oberlläche hat sehr ge- litten.

Alphabet und Schriftcharakter zeigen gegenüber der gros- sen Inschrift von Gortyn manche Verschiedenheileii : E und H sind unterschieden, der Winkel zwischen den schrägen Ha- sten des K ist viel spitzer wie dort, die mittleren Hasten von M, die hinteren von nn und H sind kürzer. Dagegen stimmt die Schrift mit der von Dr. Halbherr aufgenommenen klei- neren Geselzesinschrift an der Mauer nördlich vom Rundbau (Milth. W S. 370) überein.

Den Zusammenhang vermag ich nicht herzustellen; nur einzelne Worte sind zuerkennen: Z. 1: Sei/.aovTi a-.M ; der letzte Buchslabe ist zweifelhaft. Z.2-3 : eSJoTO-v xä.; Ss/ca c|Ta- T'/ipa; Toc?; M am Anfang von Z- 2 ist fast sicher, ganz sicher das M am Ende von Z. 3. Z. 4-5: e]v -olT. laTO<jiot|(; -/.aTy.- 8oa7)v x. Vielleicht ist /.aTaSoiv-ev zu lesen, und eine Vertau- schung von E und H anzunehmen, die auf jener grösseren, in gleicher Schrift geschriebenen Geselzesinschrift häufig be- gegnet. Sollte AaToMtoi; für laThNioi? verschrieben sein? Z. 6: ava',. [All Se \j:r\ £? y.\ zwischen 2 und z ist auffallender W^eise keine Spur von dem A zu erkennen; die Stelle sieht wie ab- sichtlich freigelassen ai]s.

4. Gortyn. Einzeilige, linkslaüfig geschriebene Inschrift auf einem Kalksteinblock von 0,605'" Länge, 0,30'" Höhe, 0,39"" Dicke; Buchstabenhöhe OjOB*". Der Block lag in einem vor kurzem zerstörten Grabe, das südlich vom Dorfe Hag. Deka, also südöstlich von der alten Stadt, im Acker des Geor- gios Boskakis aufgefunden worden ist.

Die erhaltenen Ueberreste des Grabes gestatten seine ur- sprüngliche Einrichtung vollständig zu erkennen. Darnach war das Grab unterirdisch in geringer Tiefe unter der Erdo- berfläche angelegt und in vorzüglichem Quaderbau ausgeführt. Es bestand aus einer nach Osten gerichteten Kammer, an die sich westlich eine zur Aufnahme des Todten bestimmte iM-

96 altertHuemer auf kreta

sehe schloss. Die Kammer hatte eine lichte "Weite von 2,72™ bei 3,33™ innerer Längenausdehnung und war mit einem Ton- nengewölbe überdeckt aus 9 ohne allen Verband sorgfältig ge- fügten Schichten von je 2 bis 3 keilförmig zugehauenen Blö- cken. Auch die Nische war durch ein flaches Gewölbe von 2,12'° Spannweite überdeckt. Verband war nirgends ange- wendet. Ein Grab von ganz gleicher Constriiction habe ich in Kisamos, dem allen Hafenplatz von Polyrrlienia, im Westen Kretas gesehen, und ich halte es trotz der Verwendung des Gewölbebaufs für sehr wohl möglich, dass beide Anlagen aus griechischer Zeit stammen. Bei der Auflindung soll nach Aus- sage des Entdeckers der Grabbau bei H. Deka o-anz unver- sehrt gewesen sein, und man habe im Innern die Inschrift, die ich nicht mehr an ihrer alten Stelle fand, sehen können. Leider waren die Leute aber nicht im Stande, mir den ur- sprünglichen Platz genau zu zeigen, so dass es nicht möglich war zu entscheiden, ob die Inschrift in irgend einer Bezie- hung zu dem Grabe gestanden hat, oder ob der Block bei Er- bauung des Grabes nur wiederverwendet worden ist. An sich spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Inschrift viel älter ist, als das Bauwerk.

Leider ist der erste Buchstabe sehr zerstört, so dass man über die Lesung schwanken kann. Am meisten weisen die Spuren auf M (SwTtp?), aber dann wäre das erste Sigma nur 30""" breit, neben dem 36""° breiten sicheren Schluss-Sigma. Anderseits müssle Pi die in Gortyn nach Münzen und In- schriften wie es scheint allein übliche semilunare Form c ha- ben, während M weder zu den Resten recht passt, noch auch eine wahrscheinliche Lesung ergiebt.

ERNST FABRICIÜS.

Asklepios und Alkon.

Im atlienischen Asklepieion verlritL Hygieia, auf Bildwer- ken mit Kanne' oder Schale dargestellt, die (Jiiellnymplie. Der epidaurische Cultiis und mit ihm die Tochter des Askle- pios ist erst im fünften Jahrhundert dort eingeführt worden; wie liiess die ursprüngliche Nympiie, wie hless die Heilquelle der Grotte?

Die Legende erzählt, an dieser Quelle habe Alkippe, Ares und Aglauros Tochter, \on Halirrhotios, dem Sohne Posei- dons, Gewalt erlitten '^. Als physische Basis des Mythus ist die brakige Natur des Wassers vermuthet worden^. Auch un- abhängig von der Richtigkeit dieser Mythendeutung wird Al- kipp(! als die gesuchte ursprüngliche Quellnymphe, ihr iVame als der der Quelle angesehen werden dürfen; sie wurde durch die Tochter des Asklepios bei Seite geschoben.

Der Name Alkippe eignet mehreren Heroinen, ist übrigens mit Aganippe bildungsverwandt; die äV/cv) könnte hier ur- sprünglich auf die Heilkraft gegangen sein und doch die je- denfalls secundäre Genealogie (A. Tochter des Ares und der Aglauros) mit veranlasst haben.

Dem 'A(j)tXTrim£iov ev cLgth steht ein ausserstädtisches gegen- über^ bei Plin. 2, 2 25 ein phalerisches: quae in Aesculapi fönte Athenis mersa sunt, in Phalerico redduntur (vgl. was vom Alpheios erzählt wird). Der Heros Phaleros war Sohn des

< S. ra. Katalog S. XV, z. B. 4347 = Mitth. II Taf. 14; vgl. v. Duhn ebd. II S. 117 Anm. 1.

2 Eur. /. T. 946. EL 1260. Paus. 1, 21, 4. Apd. 3, 14, 2. Schol. Pind. Ol. 11, 83; daselbst sagt Didymus, Halirrhotios sei Epiklese des Poseidon (vgl. Erechtheus- Poseidon).

3 Bursian Geogr. I 303. Vgl. Xen. comm. 3, 13, 3. Girard VAsclepieion d'Athenes bezieht auch die 6aXa-cia bei Aristoph. Plut. 656 auf die Quelle un- ter Vergleichung der Erechtheis Hdl. 8,53 und des neugriechischen Sprach- gebrauchs. Dagegen spricht aber Vs. 659 ETtei-ca npö; x6 TSfiEvo; f,jj.£v toj Oeod die Quelle lag doch innerhalb des Temenos.

MITTH. D. ABCH. INST. X. 7

98 ASKLEPIOS UND ALKON

Alkon. ''Man wird auch hierin, meint PauckerS wieder eine Spur erkennen, die darauf zu leiten scheint, dass Alkon der dem Asklepios verwandte Heros selbst in dem Tempel des Gottes eine Stätte hatte und der Queilnymphe Alkippe nicht fremd war". Der Scholiast zu Ai'istoph. Plut. (ili zwar setzt das ausserstädtische Asklepieion in den Piräus^; aber es fragt sich, ob in der üeberlieferung nicht wahrscheinlicher der jün- gere Hafen den älteren verdrängt hat, als umgekehrt; und wiederum, ob nicht auch am Phaleron eine Cultslätte des Al- kon gewesen ist, auch hier in Ortsgemeinschaft mit der des Asklepios. Bei allem Diesem ist die Voraussetzung, dass Pau- cker mit Recht den Heilhems Alkon mit dem gleichnamigen Erechthiden und Vater des Argonauten Phaleros identificirt hat; Athen gehören sie ja beide an. StoU in Roschers mytho- logischem Lexikon unterscheidet neun Träger des Namens, da- runter die genannten als n, 4 und 5.

Sophokles war bei Lebzeiten Priester des Alkon, 6; laxiv rtpo? [A£t' 'AocV/TTTiou 7:apa Xeipwvi [Tpafpei? Meineke; vgl. hierzu u. zum Folgenden die Vit. Sop/i. mit Parallelstellen vor Otto Jahn's Elektra]. Sophokles erhielt nach seinem Tode heroi- sche Ehren (istros in der Vita), unter dem Cultnamen Ae^iwv, otTTo TT,? ToO 'ÄG/AyiTTtoa Ss^iwcrsw; [Et.M.) Auch hatte er ihm ei- nen Altar gestiftet. In dem, Ant/ioL Pal. 6, 145 erhaltenen Weihepigramm ist von mehreren Göttern und Altären die Rede, welche Bergk Comm. de vita Sophoclis auf Asklepios und andere Heilgötter bezog; es muss aber erwähnt werden, dass wenigstens die Asklepiaden Altargenossen des Asklepios waren ^ Endlich hat Sophokles einen Päan auf den Gott ge- dichtet; in späten Zeiten war er noch in Gebrauch^ und ward das athenische Asklepieion als das ^' von Sophokles her be- rühmte" bezeichnet^. L'nter den izoXkk Texp/zipio., die sich von

* Abhandl. der Curländ. Ges. lieft 4 (1848): Alkou der Heros der päoni- sctien Heilkraft S. 95.

2 Vgl. U. Kühler Milth. II S. 176.

3 Kühler MiUh. II S. 242.

■* Philüstr. Ap. Tijan. 3, 17. Luciaii Encom. Uem. 27. ^ T6 ä.r.6 '^o-fOy.\ioji im-fa.vli 'AaxXrjntelov Mariü. Pl'ucl. 29.

ASKLEPIOS UND ALKON 99

der Epixenosis erhalten', werden Päan und Altar zu verste- hen sein.

Die Heroisirung des gefeierten Dichters speciell zu begrün- den und dem Askiepieion in den Augen der Späteren Glanz zu verleihen mag Dexiosis, Altargi'Qndung und Päan hinrei- chend erscheinen. Aber was besagt der Dexiosismythus? und hat die Altargriindung irgend eine über das persönliche Inte- resse des Stifters hinausgehende liedeutung gehabt? bei wel- cher Gelegenheit ist der Päan gedichtet worden? Demeter in Argos von Pelasgos oder Mysios aufgenommen, in Pheneos von Trisaules und Damilhales, in Kleusis von Keleos der- gleichen Mythen wollen die Einführung des Cultus erzählen. Sollte nun auch der sophokleische Dexiosismythus auf die (in diesem Falle historische) Einführung des Cultus sich be- ziehen? So hätte Sophokles den epidaurischen Cul- tus in Athen eingeführt. Bwjy-ou? TouiSe öeoT; So<pox.V/i(; iSp'jGa,To TrpuTog dies Epigramm mag Bergk mit Recht auf eine Erneuerung der Altäre bezogen haben. Ob die ausgegrabene In- schrift ähnlichen Inhalts zum Altar des ersten oder zweiten Tempels gehörte, lässt Köhler Mitth. IIS. 241 unentschieden.

** Der Päan wird gesungen, nachdem die Krankheit über- wunden ist "2. Die Freude, wenigstens ein Fragment des so- phokleischen Päan gefunden zu haben, hat nicht gedauert^, auch die litterarische Ueberlieferung versagt. Bergk ^ vermu thete seine Veranlassung in der grossen Pest; deren Aufhö- ren wäre ja Grund genug gewesen, dem Gott zu opfern und zu singen. Die frühesten Erwähnungen des Asklepios und der Asklepiaden in Athen finden sich beim lambographen Her- mippos um 420^ und in Aristophanes Pkitus, aufgeführt un- ter dem Archon Antipatros Ol. 97,4^389. Die Inschriften gehen nicht über das vierte Jahrhundert zurück.

< Plut. nonposse s. v. 22 S. 1103 ß.

2 Sctiol. Arist. Plut. 636.

3 Vgl. C. I. Att. III add. 171 g.

< P. L. Gr. -^ II, 245. Comm. de vita Sopli. § 6.

8 Schol. Arist. Plut. 701. Bergk P. L. Gr.^ II, 505.

100 ASKLEPIOS UND ALKON

Sophokles also war Priester des Alkon, des altathenischen Heilheros' und Mitschülers des Asklepios bei Cheiron. Wenn der eigene Priester sich an den auswärtigen CoUegen seines Heros wendet, diesem Altäre gründet und Paane dichtet, ja seinen Besuch empfängt, so muss Alkon verlieren. Und wenn gefragt werden muss, welche Stätte Sophokles für seinen As- klepiosaltar wählte, allgemeiner gesprochen, welche Stätte dem Asklepios für seinen athenischen Cult bereitet ward, so bietet sich die Hypothese, dass Alkon auch local durch As- klepios verdrängt ist, wie wir Alkippe durch Hygieia sagen wir bei Seite geschoben sahen: Sophokles hat im Temenos des altalhenischen Heros Alkon und an der altverehrten Heil- quelle Alkippe dem epidaurischen Gott den ersten Altar ge- gründet, um auf kümmerlichen Stamm ein kräftigeres Reis zu pfropfen,

Nach Sophokles' Tode errichtete sein Sohn lophon ihm eine Statue, nicht als dem Alkonpriester im Priesteroruat, sondern als dem Heros Dexion 2, dem von Asklepios begnadeten. Das vornehme Bild im Lateranmuseum (Benndorf-Schöne n. 237) kann nicht wohl die von lophon dedicirte Statue direct wie- dergeben, aber sie erinnert in gewissen Zügen, der einge- schlagenen und eingestemmten Linken unter dem überge- schlagenen Mantelsaum, mit der so schön vom Arm fallen- den Draperie, an den Haupttypus des Asklepios (vgl. m. Ka- talog S. X.V); unter den vielen poetes et p/iilosophes bei Clarac nähern sich sonst nur noch die Statuen 5, 846, 2 131 (Flo- renz), 843, 2122 (Aeschines Neapel), 908, 2301 B (Florenz) und ausserdem der "Sardanapalos" (vgl. m. Katalog n. 292). Ist das Zufall? Diese Mantelmänner sind doch so fein diffe- renzirt.

LUDWIG V. SYBEL.

* Der rjpü)? laxpö; {C I. AU. II, ), 403, 404) ist in Marathon zu Hause und nach Athen nur übertragen, vgl. Hermes XX S. 43. 2 Vgl. 0. Jahn's Texlgestaltung der Vita und Bergk's Comment.

Zu den delphischen Proxenenlisten.

In der Sammhino; der Älterlhümer zu Kastri habe ich neu- erdings unter anderen die folgende Inschrift copirt:

b a

S KAEY20ENI t. N . . . /\ .

..... E.KY....-

AKIAITIMOOEOZ El E P Y O. . .

IEYPYAAM05:ZEN0(|)QNT0 ENKAA.ON .

::h AprioiAiTi/ \ok p i t o 2 e n m y p inaih

:TEIAIOEP^nNroPr E FPOJA

E:EN0 2(|)IAnN ENEA I.

....IKAIO 2EYN02 ~ N r E P r . . . I

AIFOAITASFYPPOY ENFI lAI . .

.M. . . KO SAPPAI E N K A N . . . .

ÜNFEYKIOS ENATAPI.

lZANAPoZ(t)IAIFFo ..BA

. AI AHMH TP102(1)I AlFFoY ENAZZ....

AAZFYPPIoY ENAT'^AI.

KAMENE2TPATOS ENAN'TA.

T102NE0FT0AEM0 ENFAPrA..

..YoQNFOAYoZ ENAMAZITÜ

OEY0IAOZOEY4)IAOY ..APIZ.

. . AiroPrIAS .... A 10 I A

Ich lese :

£V

e[v] K6[aat

£v 'Epu6[paT; . . . £v K'Xa[{^"!o[[X£vaT; . . £v Mupivai H , . . np[(j)]Ta . . .

102 zu DEN DELPHISCHEN PROXENENLISTEN

£v 'EX[aiai

£v nepY[a[;-Ci)i . . .

£V IIlTä[vOCl ....

10 £v Ka,v[ai;

£v 'ATäp[vai. . . . . . ßad. . .

£V "A(J(j[(Ol?

£v 'ATpa[[7.ijTta)i . . 15 £v 'AvTa[vSpci)i ....

£v rapyx[poi? . . . £v 'A[;.a^iT(ö[i . . . £v A]api<j[ai . . . 20

h £v] K'X£'J(tO£V'o[?

£v] A E I A I TijxoOeo;

£v] ....... i EüpuS(X[;.0(; E£vo(pa)VTOi;

5 £v 'Apyfiöiai? Tij^.o'/tpiTo;

£v] T E I A I ©£p(T(i)v ropY£[iou

£v] ^£vo; <J>i'X(ov . . .

£v] {/.ocio; Eüvoa[T . . .

£v] AI rioXiTa; riuppoi»

10 £v] [A . . . y.o; 'App(x[Saiou?

£v] cjv FIeuxio«;

£v] cavSpo? <I»iXt7V7ro[u

y.?]ai Ay)(X7iTpio? ^i'Xitctuo'j

£v Sa? ri'jppiou

15 £v] KA M£V£GTpaTog

£v] TtO; N£07UTOl£p.o[u

£v] 'JOcov IlöXuo;

£v] ©Eurpilo? 0£ij(piXou

20 £v] AI Topyia;

ev] A I O I A . .

zu DEN DELPHISCHEN PROXENENLISTEN 103

Das Fragment ooIk'h'I zu der geographisch geordneten Pro- xenenliste, von welcher drei Fragmente von II. Ilaiissoiillier herausgegeben sind {Bull, de corr. hell. \'\\, S. 191 ff.); nach der \'crgleichung mit den Frgg, .4 und ß (das Frg. C habe ich nicht aufgefunden) zu urtheilen steht die unter a abge- druckte Inschrift auf der Vorderseite und b auf der linken Schmalseite. Die Vorderseite ist 0,105 breit, die Schmalseite 0,25; die Höhe bis zu dem erhaltenen Hand ist 0,20; auf allen anderen Seilen ist der Stein gebrochen, auf der Rück- seite aber vielleicht nur sehr wenig (die Dicke der Frgg. A u. B bei Haussoullier ist 0,26). Die Buchstabenhöhe ist in b 0,005 und etwas grösser in a. Die Oberfläche des Steins in a rechts, sowie in b links ist sehr verwischt.

Auf der Seite a waren unzweifelhaft die delphischen Pro- xenen in den Küstenstädten Kleinasiens eingeschrieben, und sind unsere Ergänzungen richtig, so war die Liste in diesem Abschnitt streng geographisch geordnet: nur an zwei Stellen wird die Ordnung unterbrochen (Z. 2 u. 13), aber in keiner auffallenden Weise.

Von der Seite 6 finde ich nichts näheres zu sagen, da nur ein Sladtname erhalten ist (Z. 5 'ApyeOia ; die Lesung halte ich nur für wahrscheinlich). Es ist zu bemerken, dass ein Proxenos in Argethia schon bei Haussoullier A III 35 genannt ist, aber auch wenn in beiden Stellen von derselben Stadt die Rede ist, so ist das Vorkommen eines zweiten Proxenen noch kein Beweis dafür, dass wir ein Fragment von einer anderen Liste vor uns haben (vgl. A II 15 u. 21 ; III 31 u. 40).—

Der von mir genommene Abklatsch von der bekannten chronologischen Proxenenliste (Wescher und Foucart, Inscr. de 'ielphes N" 18 = Di iten berger, SylL N" 198) gibt einige Abweichungen von der Abschrift der ersten Herausgeber.

Z. 23. Auf dem Abklatsch sehe ich ganz deutlich Nt/.wvo; statt Kt/twvog.

Z. 25. Nach den erkennbaren Spuren scheint mir die Le- sung AxTpo-o; wahrscheinlicher, als 'l-/Tpo7rog (ein AirpoTro; ist in den delphischen Inschriften bei VV.-F. 436 = Philo-

104 ZU DEN DELPHISCHEN PROXENENLISTEN

logus, Bd. 19, S. 178 unter den Zeugen genannt, doch ist hier das Ethnikon nicht hinzugefügt).

Zwischen den Zz. 137 u. 138 ist eine Zeile ausgefallen; auf dem Stein steht:

Z. 136 'ApKJTOV'.Ko; 'Api<TTOvi/COu 'AXs^avSpeu? 137 nTO>.£[7.aiO(; HTo'XeiJ.aiou 'AXsEavr^psu? 137 6 Newv [lToX£t;.atO'j 'A'XeEavSps'j;

Kofxavo? 'AXe^avSpeu;

Z. 142 steht T A n E Y Z auf dem Stein.

Z. 166 ist zu lesen Mvaala st. ©paaeoc, Z. 167 ^iXittttou st. ^iXaiTcölou, Z. 268 Sex'jwvioi st. Sivcucövioi.

Z. 282 hat der Stein, soviel ich sehe, nicht y^Tzo 'ATrxfxou, sondern in grossen Buchstaben AFOFYPAMoY, i-o Ou- pxjxou ; die Stfcidt 'AvTi6)(^£ia i-ivl too n'jpxao'j in Cilicien ist bei Steph. V. Byz. {s. v. 'AvTio/eia) erwähnt.

Endlich sind die Versehen des Steinmetzen

Z. 63 riapvvotcciou st. riapvaTCiiou, Z. 202 Seupav st. Ss'jxepav, Z. 216 'A^zvSpou st. 'AXe^xvSpo'j (auf dem Steine ist keine Lücke zwischen A und Z) u. 2473HIAB0YAEY0NI ON T fl N T A N schon von den Herausgebern berichtigt.

Zwischen den Zeilen 290 u. 300, wie sie bei W.-F. S.29 bezeichnet sind, ist Nichts ausgefallen (das hielt Th. Bergk für möglich, Philologus Bd. 42, S. 228); es scheint nur so in Folge eines Druckfehlers: die Liste hat nicht 319 Zeilen, sondern nur 314-|-1 (==137 6)2. Athen 1885 Me^i.

A. NIKITSKY.

< So, nicht hinter den Zeilen 137—139.

a Ob in Z. 307 (=302) 'Ap/> oder 'Ap-//Aa steht (s Bergk, ebd. S.264), kann ich nicht sagßn, da ich leider einen Theil des Abklatsches (die zwei- ten Hälften von Zz. 302-307 ) auf der I^eise verloren habe. Die Zeilen von 81 bis 121 sind jetzt wieder verschüttet.

Potamos.

Ein Beitrag zur Geschichte und Topographie der attischen Demen.

In den Mitth. IV (1879) S. 102 habe ich bei der Bespre- chung einer Liste der Prylanen der Phyle Leontis aus dem Anfang des vierten Jahrhunderts (C. I. A. II 864) darauf auf merksam gemacht, dass darin die Rubrik HoTaij-ioi drei Mal vorkommt. Es sind nemhch die Demen in der Inschrift von Anfang an in der nachstehenden Reihenfolge aufgezählt: K-^TTioi 'AXi[7.o'jr;ioi IloTXjj-'. Ol /t ot 6 0 TT £ p Ö s V (2 Namcn ) rio- TOCji-tot uxevepOev (1 N.) Sx,oc[x€coviSai \vr/.oyoiriq XoXktX^v.i $peappioi (9 N.) So'jviyi? (4 >f.) AeipaSiwTai (2 N.) noTCCtxioi (2 N.) u. s. w. Nun ist zwar durch dieselbe Liste die Exi- stenz dreier Demen des Namens Koluvo? definitiv erwiesen worden, aber diese gehörten verschiedenen Phylen an; dass in derselben Phyle drei Demen denselben Namen geführt ha- ben sollten, schien nicht unbedenklich. Ich glaubte daher wenigstens die Möglichkeit ofl'en halten zu sollen, dass bei der Aufzeichnung der streng genommen nicht amtlichen Ur- kunde ein V^ersehen vorgekommen und dadurch der Schein erweckt worden sei, als wenn es drei Demen Namens Doxa- (xo; gegeben habe. Eine neuerdings von mir in den Kellerräu- men des Varvakion copirte Inschrift schliesst diese Möglich- keit aus und eröffnet einen Blick in die Geschichte der Orga- nisation der attischen Demen.

Der Stein ist von allen Seiten abgebrochen, von der Auf- schrift Folgendes erhalten ;

106

POTAMOS

X OY

N E^TPATOY

10

K

A I O

AVK I NC 4)ANIA^ArAN AEYKnNAHMEOY EYBOYAO^AIOAÜPOY A P K T O KPITO^AYTO 0 A N O Y AOHNOTIMOY ^OYNIH^

ANAPOMENHC XAAKIAEÜ^ AIO(t)ANH^AIOnEI OOY^ OOYTIMlAH^(t)ANI0Y A lONY ^ I 0 1 A O ^OOYrEITONC nOTAMICElPAAlÜTAI PYPPO^ ^MAXOY ^^ A V ^ E OPTIOY T A I frei Auf den ersten Blick vermuthet man in der Inschrift ein Fragment einer (.iste der Prytanen der Leontis, und diese Vermuthung bestätigt sich bei näherem Zusehen. Die Reihen- folge der Demen in der erhaltenen Columne ist ähnlich wie in der oben erwähnten vollständigen Liste, die Zahl der un- ter den einzelnen liubriken aufgeführten Personen die gleiche. Es ist zu lesen :

[«^ p £ a p p 1 0 1]

15

AYKAEOY^ <EK4)ANT0Y

AYNANAPOY

\AI€TPATOY ^K AE O Y^

^ PO Y ^ p

-

- - - - X^'^

K ,

[

MeJvefTxpäTOu

Aio -

[Demotikon]

A'jxavo[(; - - -]

[

OoJ'X'jXwXsou;

^avia; 'Ayav -

5 -

- i 'Ex.cpivTOu

AeuxGjv A'/][j!,EO'j

[Demotikon]

EuSou'Xo; AioScopo'j

[

- - - 'A][jLuvavSpou

'ApidTOycpiTO? AÜTO(pOCVOU

-

'AÖYlVOTip.O'J

S 0 u V t '/i g

[Demotikon]

'AvSpo[7iv7i; XaV^iSsw?

0[

- - - KaXj'Xt'TTpxTO'j

AiocpavTi; AioTustSou?

-

■' - -OJcXeou;

©ouTifxiSy); $a.viou

POTAMOS 107

[Demotikon] AiovucriipiXo? Oo'jyeiTOvo;

[■-.__ -f^]ä)pou Hot <x.i^JAo[i AjeipaSiwTat

[ -Swpou] IIuppO? [...u]t7.7.J(_Q'J

15 ri[ol'jx.'Xr,](; 'EopTiou

[ A £ i p a S i w ] T a i

Die Inschrift gehört in die Zeit nach der Mitte des vierten Jahrhunderts ^ Die zu Anfang der zweiten Columne erhalte- nen Namen rühren unzweifelhaft aus der Rubrik tt>p£appioi her; dieser Demos ist der einzige der Phyle Leontis, der nach Ausweis der älteren Liste mehr als vier Buleuten gestellt hat. Die Rubrik Souvivi? stimmt in der Zahl der Prytanen mit der letzteren überein; hierauf folgen an Stelle der Rubriken Aet- paSiwxai und IloTajxiot mit je zwei Buleuten, in der jüngeren Liste die Rubriken Uoi:xi/.ioi AeipaSiöTai mit zwei Prytanen und, schon im Bruch, AeipaSiwTai. Daraus folgt, dass es im vierten Jahrhundert in Attika drei Demen Namens Iloxa^ao; gegeben hat, deren Mitglieder als noToc[xioi xaOuxepÖev, IL 'jtzI- vepOev und IL AeipaSiöTai unterschieden worden sind. Diese drei Demen waren, wie aus der Benennung zu schliessen ist, dadurch entstanden, dass ein Theil von Potamos mit einem entsprechenden Theil von Deirades vereinigt und der Rest in die beiden Gemeinden Ober- und önterpotamos gespalten worden war 2. Wann ist diese doppelte Theilung vorgenom-

' Dass die Liste nicht älter ist als 350 folgt aus der Schreibweise ohne Weiteres; dieselbe darf wegen der darin verzeichneten Zahlen der Pryta- nen gewiss nicht unter die Zeit der 10 Phylen herabgerückt werden Der Schriftcharakter weist auf die Zeit nach der Mitte des Jahrhunderts; der Prytane Aioaavr); Ato:i£tOou? wird der Sohn des Suniers Diopeithes sein, der in Aeschines' Rede geg. Tira. 63 erwähnt ist.

2 Man könnte auf den Gedanken kommen, dass die Bezeichnung IIoTa- |i.tot AEipao'.öiai nach der Analogie von 'AXal 'Apa^i^v^E? zu beurtheilen sei und nur die Lage bezeichne, und den Beweis für die Richtigkeil dieser Auf- fassung in der räumlichen Trennung der OoTafA-ot xa9. und univ. von den n. AsipaSiwTat in der Liste linden. Aber der sprachliche Ausdruck lässt jene Deutung schwerlich zu, und was die Stelle in der Liste anlangt, so wird man sich leicht überzeugen, dass sie nicht in der angegebenen Weise zu verwenden ist.

108 POTAMOS

men worden und welches sind die bestimmenden Gründe ge- wesen?

Man hat den Bericht Herodots, wonach Kleisthenes den 10 Phylen entsprechend lOü Deinen creirte, mit der Angabe Stra- bons, Attika zähle 174 Demen, durch die Annahme in Ein- klang zu setzen gesucht, dass im Laufe des fünften Jahrhun- derts in Folge der Zunahme der Bevölkerung die grösseren Demen getheilt und neue Demen geschaffen worden seien und dass auf diese Weise allmählich die Gesammtzahl der Demen gewachsen sei ^ ; und diese Combination hat fast all- gemeine Zustimmung gefunden, obwohl Hermann Sauppe schon vor 40 Jahren hervorgehoben hat^, dass die notorische Ungleichheit der Demen derselben entgegensteht. Dieser von Sauppe mit vollem Recht erhobene Einwand lässt sich heute im Einzelnen bestimmter begründen, als es damals möglich war^.VVenn, wie oben nachgewiesen ist, die drei Gemeinden der Potamier zusammen dnrch fünf, oderwenn Ober- und ün- terankyle {C.I.A. II 870 und 872) durch zwei Buleuten vertreten waren, während andere bis zu drei und zwanzig Mitglieder des Rathes stellten, kann da die Uebervölker u ng der Grund gewesen sein, jene Demen zu halbieren und zu dritteln? Und was soll man dazu sagen, wenn Oberpaeania durch elf, ün- terpaeania durch eine Stimme vertreten ist (C. I. A. II 865 und 871)? Kann man vernünftigerweise annehmen, dass, wenn der Demos aus dem angegebenen Grunde gespalten worden wäre, die Theilung in so ungleicher Weise vorgenommen sein

Vgl. Ross, Die Demen v. A. S. 3 f und Schömann, Die Verfassungs- geschichle Athens S. 61 i\. (und ähnlich schon in seinen früheren Schriften).

2 De demis urbanis AthenarumS. 9. Der Verfasser bezweifelt ähnlich wie vor ihm C. Fr. Hermann und Grote die Genauigkeit des bei Ilerodot vor- liegenden Berichtes.

' Dass nicht nur die Demen im Ralhe vertreten waren, wie ich Mitth. a. a. O. nachgewiesen hatte, sondern dass, was damals nur vermuthet wer- den konnte, ein festes Verhältniss zwischen der Zahl der Demoten und Bu- leuten bestand, haben spätere Funde, namentlich C I. A. II 872 gezeigt; vgl« die Bemerkungen von Hauvette- Besnault, Bull, de corr. hell. 1881 S. 367f.

POTAMOS 109

würde? Kämen diese Fälle allein in Frage, so würde viel- mehr zu vermuthen sein, dass innerhalb der Demen selbst Secessionen stattgefunden hätten und von der Volksgerneinde anerkannt worden wärtiu. Aber auf diesem Wege hätten wohl einzelne neue Demen entstehen, nimmermehr aber die Liste um nahezu Dreiviertel vermehrt werden können, wie es durch Strabon bezeugt ist. Die; grosse Anzahl der neu creirten Ge- meinden allein hätte darauf führen sollen, dass diese nicht allmählich aus zufälligen Ursachen entstanden sind, sondern dass die Demenlisten der einzelnen Phylen aus administrati- ven Gründen durch einen einmaligen Akt des sou verainen Volkes umgestaltet worden sind. Bis hierher glaube ich mei- ner Sache sicher zu sein; was folgt gebe ich als lly|)Othese, die hoffentlich wenigstens dazu dienen wird Andere für die Frage zu interessiren.

Neben den Phylen imd Demen hatte Kleisthenes für die Regelung des Flottendiensles die alte Eintheilung der Bür- gerschaft in Naukrarien bestehen lassen, indem er ihre Zahl, um sie der der Phylen sowohl wie derjenigen der Demen an- zupassen, auf fünfzig erhöhte. Aber schon im J. 483 setzte Themistokles seinen Plan durch, welcher die Stärke der Flotte verdreifachte und die Summe der SchifTe mit einem Male auf einhundert und fünfzig brachtet Mit dieser Neugründung der Flotte muss eine neue Regelung des Dienstes verbunden gewesen sein, da die alte Ordnung sich an die Zahl der Schiffe anschloss. Die Naukrarien kommen später nicht mehr vor; sie werden damals aufgelöst worden sein. Nach der Ordnung, welche damals eingeführt zu sein scheint, zerfielen die Phy- len in je drei Abtheilungen oder Triltyen, deren jede eine ent- sprechende Anzahl grösserer und kleinerer Demen in sich schloss und nach einem derselben genannt war 2. Ich vermu-

' S. über die Zeit Th. Bergk im t^heiii. Mus. 1881 S. 108.

2 Dass Kleisllienes die Naukrarien Ijeslelien liess, beruht auf dem Zeug- niss des K^icideinos. Die neuerdings aufgefundenen opot der Triltyen gehö- ren nacli der Selirifl noch in die erste Hälfte des fünflen Jahrhunderts, sie können sehr wohl aus der Zeil der Perserkriege stammen. Dies spricht ge-

HO POTAMOS

the, dass in Verbindung mit der Einrichtung der Trittyen die Zahl der Demen durch Theilung und Verleihung der Demen- reehte an Flecken vermehrt worden ist^ lieber die Reorga- nisation der Flotte hat sich keine Tradition erhalten; kein Wunder, dass keine Nachricht über die Vermehrung der klei- sthenischen Demen, die mit jener im engsten Zusammenhange stand, auf uns gekommen ist

Den Demos Potamos nennt Strabon in seiner Aufzählung der attischen Küstendemen zwischen Thorikos und Prasiai; von der irrigen Ansicht ausgehend, dass der Demos einer der volkreichsten gewesen sei, haben Leake und Ross denselben bei dem Dorfe Keratea angesetzt 2. Aber nach der Statistik der Grabinschriften, soweit mir dieselbe bisher vorliegt, zu schlies- sen lag bei Keratea vielmehr der Demos Kephale, den Ross jedenfalls richtig im Süden oder Osten des Hymettos gesucht hat. Hiernach werden die drei Potamoi mit Bursian ^ an der Küste in der Gegend von Dhaskalio und den anstossenden ßerg- abhängen zu suchen sein; und Deirades,über dessen Lage bisher jeder sichere Anhalt fehlte, welches aber wie aus der Existenz des Demos IloTipoi AeipaSicÖTai zu schliessen ist an Potamos grenzte, erhält nunmehr seine naturgemässe Lage an den Bergrücken (SeipxSei;) die sich von Dhaskalio nordwärts bis

gen C. Schäfer, der die Einrichtung der Trittyen mit der perikleischen Staatsleitung in Verbindung bringen möchte (Mitth. 1880 S. 87).

' Dass die im Text vorgetragene Combinalion Manches unaufgeklärt lässt, verkenne ich nicht. Wir wissen eben von der Organisation des Seedienstes im fünften Jahrhundert fast nichts als den Namen. Praktisch bewährt hat sich auf die Länge auch diese Organisation nicht; in der Ueberlieferung des vierten Jahrhunderts treten durchaus die Demen in den Vordergrund, obwohl die Trittyen wie bekannt fortexistirt haben. Uebrigens halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass auch später noch, ausser den Berenikiden und Apolloniern, der eine oder andere Demos creirt worden ist. Aber die 182 Demen, welche Geizer in den Beilagen zu Hermanns Staatsalterthümera zusammengezählt hat, hätten nicht mehr als Beweis für die allmähliche Vermehrung der Demen angeführt werden sollen, seitdem der dritte Band des Corpus und Dittenbergers Untersuchungen über die Phylen vorliegen.

' Leake, Die Demen v. A. S. 61; Ross, Die Demen v. A. S. 92.

' Geogr. v. Gr. I S. 352.

POTAMOS \{i

nach Porto- Raphti, dem Hafen von Prasiai hinziehen (jetzt Mavronoros). Seitwärts an einer Ruinenstälte zwischen Ku- vara und Kalybia Knvara wird soweit ich jetzt seilen kann Prospalta anzusetzen sein, welches in dieser Gegend gelegen haben muss und neuerdings gewöhnlich zu Folge einer von Ernst Curlius gegebenen Anregung bei Keratea angesetzt wird. Man sieht, wie diciit gedrängt hier die Demen bei einander lagen. Die für den Seeverkehr offene Lage und der Betrieb der Bergwerke haben frühzeitig schon die Südostspitze von Attikazudem bevölkertsten Theilder Landschaft gemacht; wie die Aufnahmen der Officiere des Deutschen Generalstabes er- geben haben, ist dieses Gebiet wie besät mit Resten antiker Gründungen.

Die Topographie der attischen Demen ist durch die eben erwähnten Aufnahmen in ein neues Stadium getreten. Die- selben geben das topographische Gesammtbild; um die alten Namen für die einzelnen Ruinenstälten zu finden ist eine Auf- nahme der sämmtlichen in der Landschaft zerstreuten Grab- inschriften nothwendig. Erst wenn diese Aufgabe gelöst ist, wird es möglicli sein die Topographie von Attika auf der von Leake und Ross gelegten Grundlage auszuführen.

Zum Schlüsse theile ich hier ein inschriftfragment mit, dessen Copie ich Hrn. Korolkow verdanke:

<

I H 0

A I E n A

ANATPAYAI

^YNH^ENEKAOT

1 EKP I NENAYTO^HBOAH

N I KANTA^AAAA^(t)YAA^

ft^AP I ^TAPPYTANEY^A

TA^TH I POAE I

Den Anfang kann ich nicht ergänzen; dann ist zu lesen:

e7:a[iv£(jai y.ixl] ävotypxtj/ai [SuaiojcuvTi; ev£)ca, oti expivev au-

POTAMOS

TO'j? 7) ßo'jV/) vixav Ta; a)^"Xa<; cp-j'Xa.? ö? apicxa TCpuTaveu(7a[v]Ta(; T-?i TToT^si. Das Fragment rührt von einem Volksbeschluss zu Ehren der Prytanen einer Phyle her; es stammt aus dem An- fang des vierten Jahrhunderts. Dasselbe bestätigt, dass in der älteren Zeit nur eine Prytanie im Jahre ausgezeichnet wurde, wie ich früher vermuthet habe; man entnimmt daraus, dass die Entscheidung im Käthe lag, der die Ansprüche der ein- zelnen Phylen prüfte; und dass damals noch nicht die Verlei- hung eines Kranzes mit der Belobigung verbunden war. Die Inschrift ist in Magula, einem auf einer Anhöhe nördlich von Eleusis gelegenen Dorfe, abgeschrieben worden. Aller Wahr- scheinlichkeit nach war dieselbe in dem Heiligthum der Phyle aufgestellt, deren Prytanen darin belobt waren; aber es liegt soviel ich weiss bis jetzt kein fester Anhalt dafür vor, welcher alte Demos an der Stelle von Magula gelegen hat. Leake wollte Thria (Oineis) dort localisiren ^, aber mit Recht ist eingewen- det worden, dass die Reihenfolge bei Strabon dieser Ansetzung widerspricht.

ULRICH KOEHLER.

' Leake a. a. O. S. 146.

Die in Russland befindlichen Griechischen Inschriften.

{Fortsetzung.) II. IJnseln des Aegäischen Meeres.

a. Aegi?ia. \(y. In der Kaiserlichen Ermitage wird seit dem Anfange der 50-ger Jahre das aus Aegina stammende Grabdenkmal eines Antiochiers Theraistokles aufbewahrt, zu- erst ptiblicirt von L. Stephan! in Bulletin hist.-phil. de l^Acad. de St. Petersbourg IX S. 21'6 = Melanges greco-rom. IS. 193*, dann von K. Keil Phiiol. \ III S. 174 wiederholt und daraus von Kaibel Epigr- gr. ex lapid. conl. n" 112 entlehnt. Da das Denkmal seh )n \on den früheren Herausgebern ausführlich genug behandelt ist, so beschränke ich mich auf die Repro- duclion seiner Inschrift nach meiner Copie und Abklatsch, da in Slephanis Copie die Foi-men der Buchstaben nicht immer genau widergegeben sind.

ANTIoXH0EMIZ/vNoZAE0AO(t)OPoNKoNI2:HAE KEY0EIA^AEXETHFAIAA0EMIZTOKAEA OZBoYAANKAI0ÄP2O2EX^NIZoM/vNYMrvlANAPI ////ONH2KEITHNMolP^NoYFPO(j)Yr^NAYNAMIN

Die Buchstaben sind klein (0,005 0,008 cm.), aber ziemlich

' Auch in der von dem verewigten Prof. Leontjew herausgegebenen rus- sischen periodischen Sammlung " Propyläen " Bd. V (1856) S. 281.

MITTH. D. ABfiH. INST. X. ^

Il4 aRIECHrSCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

tief eingeschnitten und leicht zu entziffern, Das stumme Iota in der 3-ten Zeile ist ganz deutlich auf dem Stein.

b- Rheneia. Im Journal d'Odessa 1827 n" 22 (19 Mars) le- sen wir folgende Notiz von de B[laram bergj : Uu bätiment arrive de VArchipel avait decharge wie partie de son lest pres du mole de la quarantaine. M. Sontag, capitaine du port d'Odessa, ayant remarque par hazard parmi les pierres qui composaient ce lest, quelques debris en marbre, crut devoir les examiner de plus pi^es; il se trouva que ces inorceaux constituaient deux pierres sepulcrales avec bas-reliefs et inscriplions parfaitement bien con- servees. Ces mouuments . . . fönt maintenant partie de la collec- tion d'antiquites du musee d'Odessa. D'aprh la declaration du capitaine du bätiment qui conferait ce lest, ces pierres funer ai- res auraient ete ramassees sur le rivage de l'ile de A-^lo; {Delos), consacree, comme on sait, d Apollon, et la saintete du Heu avait fait defendre de brüler ou d'inhumer les niorts ; mais il est plus vraisemblable quelles se trouvaient sur une petite tle deserte ä laquelle les Grecs d'aujourdkui donnent vulgairement le meme nom. C'est l'ancienne Rhenia de Strabon, eloignee seulement de quatre Stades de l'ile de Delos, et ou etaient les sepultures des Deliens. Les sujets des deux bas-reliefs sont ä peu pres les me- ines, et representent c/iacun une figure de fenime assise et un jeune komme devant eile qui lui serre ta main en signe d'eter- nel adieu.— Au dessous sont gravees les inscriptions suivantes. Die Texte der Inschriften sind in gewöhnlichen Majuskeln ge- geben. Diese Beschreibung ist fast wörtlich im Bulletin des Sciences histor- B. IX (182(S) 8.249 wiederholt; daraus sind die Texte im C. I. Gr. 2314 und 2317 ( Le Bas, lies 1940 u.2037) wiedergegeben. Die Steine befinden sich bis jetzt im Museum der Odess. Gesellschaft der Gesch. und Alterth., und die Ver- gleichung ihres jetzigen Ztislandes mit den Beschreibungen und Copien zeigt, dass alle Herausgeber Fehler gemacht haben. Blararnberg stellt zwar genau die Inschriften dar, aber er irrt sich, indem er behauptet, dass beide Steine mit Relief- darstellungen geschmückt seien_, da in der That nur einer mit einem Kelief versehen ist; bei den anderen Herausgebern

Griechische Inschriften in russland 116

sind ancli die Inschriften ungenau wiedergegeben, wie es un- ten angegeben wird.

17. Grabstein von weissem Marmor, oben abgebrochen, H. 0,36"', Br. 0,37'", D. 0,07'". Von dem Kelief, das sich auf dem Steine befand, hat sich die untere Uiilftc der im Sessel ruhen- den Frauenfigur und die zu ihrer Rechten (vom Beschauer) befindliche Männerfigur bis zur Brust erlialten. Die Inschrift ist unter dem Belief auf der rechten Seile des Steines einge- graben. C. I. Cr. 2317 (Le Bas 1940). Copie und Abklatsch.

HPAKAEÜN 'Hca-/.>£(ov | Neixiou 'Avtio[-/^£ö

NEIKIOYANTIO X^riazl ivÄpt. XEYXPHZTE X A I P E

Die Inschrift steht vollständio; im Journ. d'Od. und im Bull, des sc. hist., aber im C. I. Gr. (wie auch bei Le Kas) fehlt die letzte Zeile.

18. Viereckige Basis aus Kalkstein, wie es scheint, H.0,14™, Br. 0,48'", D. 0,29"'; oben ist eine viereckige Vertiefung zu sehen. Die Inschrift, welche unweit von dem oberen Rande der Vorderseite des Steines steht, lässt sich noch sehr gut ent- ziffern C. I. Gr. 2314 (Le Bas 2037). Copie und Abklatsch.

EYnOPJAHPAKAJTOYXPHSTHXAlPE

EuTCopia 'Hpce./.'kizo'j y^pf\nx'/] J^capt.

Der Name der Verstoibeneu steht richtig bei Blaramberg, aber

H6 ÖRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLANÖ

schon im Bull, des sc. hist. ist EYTPOniA gegeben, wie auch im C. I. Gr. und bei Le Bas. So ist man genöthigt an- zunehmen, dass Boeckh selbst das Journal d'Odessa nicht zu Gesicht bekommen hat.

Nach den Schriftzügen zu urtheilen, ist diese Inschrift äl- ter als die vorige und kann noch im II. oder im 1. Jahrb. vor Chr. geschrieben sein.

c. A7norgos.~-\m Museum der Od. Gesellscbaft werden auch drei Fragmente von Inschriften aus Amorgos aufbewahrt, welche sämmllich zur Zahl der auch anderweitig bekannten Decrete der Milesier aus Aegiale gehören. Eine von ihnen ist schon hinlänglich bekannt nach der Herausgabe im C.I Gr. 2264; alle drei sind von Prof. Leontjew in Monatsber. der Berl. Akad- 1854 S. G84 publizirt, aber bloss in Majuskeln ohne jede Erklärung; aiisserdpm sind zwei von Prof Jurge- wicz in den Memoiren der Od. Gesellschatt Bd. VI S. 30 fg. mit russischem Commentar behandelt. Nach der Angabe des letzten Herausgebers^ sind diese Inschriften im Jahre 1840 dem Museum sammt anderen Alterlhümern einverleibt wor- den, die der Sammlung des vormaligen Russ. Consuln in Sm^rna Sp. Destunis gehörten. Ich theile hier meine Copien aller drei Documente mit, da die Leontjewschen Copien nicht überall genau sind, die Jurgewiczsche Ausgabe aber im Aus- land weniof zuffänolich ist und ausserdem die Texte von ihm in gewöhnlichen Majuskeln abgedruckt sind, weiche die Schriftzüge und die zahlreichen Ligaturen nicht wiedergeben.

19. Platte aus weissem Marmor oben nnd unten abgebro- chen, H. 0,35'", Br. 0,32'", D. 0,07'". Sie war mit einer Re- liefdarstellung geschmückt, von welcher jetzt nur der untere Theil einer mit Himatioii bekleideten Männerligur und eines links von ihr sitzenden Hundes erhalten ist. C. /. Gr. 2264. Leon tj e w a. a. 0. n" 2.

' Vgl. auch Mein. d. Od. Ges. I S. 637.

GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

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MEIAHSIQNTniAlG. rONAiriAAHNKATOIK O

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THr^NKAIAEKAÜPaTnNEXONTUUl.. K AIT§|f/ 1 . P Y TAN ..HN.5:O...ANIEHrHEAME.O MM'/l 5 0IZMAIA. Dfl///|//OYETPATnNOZEniYh^i MENOYAErÄÄHNOYTOYnAPAMnNÜ KATATONNOMON -^ ETTEIArAOCÜ XOYÄNHPNEOCTHHÄlKlAAlAf

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«iifiüCTEIMH,^,^

Die Ver«3leichuno[ mit der im C. I. Gr. aljojed ruckten Copie zeigt dass der Stein rechts sehr gelitten hat seitdem er von Millingen und Cadalvene copiert worden ist; aber es ist kaum nöthig die Varianten aufzuzählen. Böckhs Ergänzun- gen von der 7. Zeile ab werden zweifelhaft, aber etwas ganz sicheres statt ihrer zu geben ist bis jetzt noch si'hwer. Am E. der 6- Zeile ist unzweifelhaft i[ypx(^'n] statt des von Böckh ge- gebenen e[/./.'X7)'7iy.] zu lesen.

20. Fragment einer Platte aus grauem Marmor H. 0/)'2"', Br. 0,46", D. 0,0b™. Auch diese ist mit einem jetzt beschä- digten Relief versehen, welches ein sogenanntes Todtenmal darstellt: man sieht noch eine -/.■XivY], auf welcher eine männ- liche Figur liegt; vor ihr steht ein dreitüssiger Tisch und am Fusse der yJlvr/] ist noch eine Frauenfigur zu sehen. Leont- jew a. a. 0. n" 3. Jurgewicz a. a. 0. S. 34*.

* [Die zahlreichen Ligaturen der Inschrift haben im Druck nur durch die Stellung der Buchslaben angedeutet werden können. U. K.]

\[S GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

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GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND 119

[Msi'Xri'jtJwv Twv 'Aaopyov A'lyizlrjV x.y.TOix.ouvTcov i'^o^ev ap-

[[7.(0, yvcojy.Ti (jTpaTr,Ya)v x.a'. f^s/arcco-rwv, iyiv'byi o\ /.ai, ty,v

-p'j-:avix,7;v £- [Eo'jTiav, i.\lG-rr(r,ny-[j.ivj'j to 'Ir/^iTp.a A'jp. ISlvTiciiOeou toO Eüa-

AO'j. £7:i'|r,<Di- [cauivou Se Aü]p. SepaT^iwvo; y'' £yp^-<p'0 x-axä tov v6[;-0v. 5 ['EtteiSy; 'AyaOJYip.epU ^o)T-/ipi/0'j, yjvr, Aüp. E'VppoTUVO'j, av-

Spö; [twv äpir>T(>)v?] oIsitwv, y.r,T7;p Aücp. ^wT'/ipiyo'j x.al E'Vppo-

[(jovo'j x.al ]o'j ävSpwv i'v te ip^ai; x.ai. ).£iTO'jpyta.i;

[— XTai? x.al [y.ovwv x,al asTjz twv tj'x.vwv aOrtov £v T'?i TcaTpioi

(X

W\'--

[tcTO); lj7:T,p£T0'JVTC0V, Ol)GT£ y-]r;Ö£V £V a7]f)£V!. TTj 7TaTpif)l £VÖ£- ^£r,X.£-

10 [vai ] TTi? O'jyaTpo? a'jT'?/? Aup.

'AopoSsifji- [a; TYj cTJpaTYiyiz x.aT£i>?i-

[te oöcia ^'Ao7:poi77;y6pou (?) x.al EuTrpoiTjyöJpo'j, w? Baup-y^eTOai [auT7)v x,ai äyaTjacjOai u7:ö xvtojv i~\ x.a'XjO/tayaSia, Tavov ä- [(pTOpT^xyri Otto tt^; ei^aapp.£V7ii;, w? 'XfiX-j^'^cOai tou; >ca?]Xou? ettI

T'^ [;.£Ta-

15 [)v).ayfj TOij ßto'j? S£S6^9]ai T'?i ßouX'^ xai

[tw ^r,aw ] '/ipco'U fxovo-

[ TTapai^.'jOioGaoOai §£ toÜ; luyyEVEt; auxr,; j^je-

Tpiw; <p£- [p£iv aufxSsG'iOx.oi; ....

Aüp'/iT^io; SspaTiriwv y' ist wohl der Sohn des Aüp. ÜEpaTüttov G', welcher in einem älinlichen Decret 'AO-/iv. 11 S. 408 erwähnt ist. Die (zwar nicht immer sicheren) Ergänzungen sind nach anderen ähnlichen Inschriften angegeben.

21. Platte aus weissem Marmor, oben und links beschä- digt, H. 0,57'", Br. 0,35"', D. 0,07'". Oben befindet sich ein

120 GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

Relief dem Inhalt nach dem von n" 20 ähnlich: eine Frau ist auf einer ylivr, halbliegend und sich auf die linke Hand stüt- zend dargestellt; vor der -Alb-t] steht ein niedriger Tisch. Leontjew n" 1. Jur^gewicz a. a. 0. S. 39,

D N Ä I r I A Ä H NKÄTOIKOYNTaN E A O Z E N MHZTPATHrnNKAIAEKA nPÜTaNEXON NIKHNEZOYS I Ä N I Z H r H 2 Ä M E N O Y T O 4^ H X P Ä M O N O Y E n I Y H (t)12AMENOYAEAN0OYTO 5 ONNOMON EnEIZYNHPnAKENÄI(t)NI Ainz HSEiMÄPMENHZ ^SIMHNArÄGEINOYOYrATE ÄTÄTEÄAAÄ(t)lAÄNAP ONKAlzn(j)PONÄnPÄ

nANTÄzÄNGPnnoYz nApEsxHKYiÄNasnE^

HNAIAYTHAM E M TTTONKAiEY2TÄ0HBION;/////. rasura 10 TOAeAoXOAiTHBOYA HKAlTnAHMflTTPOMOl imenoyüApäinesaimenA IÄTOYAeTOYYH<|)IZ

NEIZÄYTH2KÄI T ONÄN APÄEYMOAnON B-KÄIC § AOTÄ2OTIOY KEZTINÄMYNÄinPOZTHNEni ITETArMENHNMOl pAn AOYNÄlTEAYTHTOnON 15 TTOYANOlOIKEIOlAYTHSnPoAlPaNTAlEAc ENHZEKKAH ZI Azn P OSKAHTOYnPO I K AÄ-iA If vac.

[M£i\y)ti(ov tüv 'Aaopyojv Alyixk-riv -/taTOi/tO'jvxcov eSo^ev [apy__0'j«7i, ßouX-^, S'/jaw' yvoj^av) irxpaT'/iyöv />ai Ss/ca-pwTcov,

[twv öe /.oü T-/1V TCp'JTa]viyC-/iv £^0'j(7iav, iTyiy/iTajj-evo'j to <]/'/)- [<ptc[A(X Toö ösivo; TOd na]pa[i,6vo'j,£7ri'];7icpi(jx[j'.£vo'j Ss "AvBou to[u] 5 [(Jeivo?, eypxcp-/) /taxk t]6v v6;j-ov. 'EtteI (j'JV'/;p7:a>t6v aicpvtSico? [y) ä,7tapaiTy)To; xai äve'Xejv)!; eltxapfyivY) Z(i)(jtfj(,'ov 'AyaOetvou 6u-

yare- [pa, Eu[j.6>.7ro'j oe yuvat'/c]a toc ts ciXka (piT^avSpov xal <jcocppova,

Tcpa- [ÖT7]TX xe -/lOo'j? Tupöc] Tixvxa? ivöpcoTCOug xaps'T^f'/T/.'jiav, w? tte- [pi TrXsiffxou 7toi7)6?]7Jvoti aüx^ a(Jt,e[J!.7uxov jcai. eücxaö'^ ßtov ....

GRIECHrSCHlC INSCHRIFTEN IN RCSSI-AND 121

10 [ Stx TO'jjxo Ss^ö/Oat TY) ßo'jVri xy.i Toi Sr,jJ-o>

[pGj? TOOTOu Y£Y£vri?][j(,£VO'j TTapaiveGai j^.av öix TOOöe toO (j/'ocpiG- [[AocTo; Tou; te yojvei; auT'?!; x.al xöv xvt^pa E'jy.o).-ov €' /.at o[i]-

[(pepo{X£V7iv !XT:acrt] T£TaY[i.evrjv [xoipav, SoOvoci a'jx-i^ totuov 15 [liq Tr,v y.rjSeiav ö]~ou ocv ol oix.sioi auTvi; TupoatpoJvTai. "EJbo- [^£ TW Sr,aü) iyoaJEVT); £X>tX-/irj{a; poG/.'XrjTO'j 7:po i' x,a7.. 'Ia[vou- apiwv . . .

Z. 4 ist vielleicht derselbe raV/;vö; napa[x6vou genannt, der in n" 19 Z. 6 vorkommt. Der Inluak dieser späteren Decrete von Milesiern aus Aeo;iale ist fast immer derselbe: sie enthal- ten verschiedene Ehrenbezeigungen für verstorbene Persön- lichkeiten als Dankbarkeitszeichen für ihre Verdienste und zum Trost ihrer verwaisten Verwandten. Nicht sehen werden auch die vornehmsten Frauen durch solche Decrete o-eehrt für ihr bescheidenes Leben, ihre Güte, Frömmigkeit u. s. w.

So erinnern uns diese Decrete ihrem Inhalt nach an un- sere Grabreden, nur in sehr gedrängter Form. Eine besondere Ausbreitung scheint diese Sitte in Aegiale im II. und III. Jahrb. n. Chr. erreicht zu haben: die oft wiederholten Namen Aüpvi- "Xto? gestatten uns nicht die Decrete der Zeit vor der Herr- schaft der Aurelier zuzuschreiben; dann begegnen wir in ei- nigen Decreten dem römischen Kalender', welcher bekannt- lich erst sehr spät von den Griechen adoptirt wurde; endlich sind schon zwei Fälle der Dalirung nach den Namen der Con- suln aus dem III. Jahrb. bekannt 2.

d. Leshos. - 22. (-ylinder aus grauem Marmor ungefähr 1 M. hoch und 0,50" im Durchschnitt, oben ein wenig beschä- digt, im Odess. Museum. Die Inschrift ist sorgfältig einge- graben, die Buchstaben sind mit apices verziert. Herausgeg.

^ So zum Beisp. Millheil d D. Insl. I S. 347 fg im" 15 u 16, wie aucli unser 21.

- Mitllieil. a. a. O. lieber die Sjtle im Allgemeineii vgl. Weils Be- merkuneen a- a. O. S. 348,

122 GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

von P. Becker in Mem. dor Od. Gesellschaft B. V (1863) S. 76 fg. Nach der Angabe des Herausgebers behauptete der vormalige Besitzer des Steines, der ihn aus Lesbos nach Odessa gebracht und später der Gesellschaft abgetreten hat, dass der Stein in Halikarnass gefunden sei; aber schon Be- ckerselbst hat auf Grund der Vergleichung der Inschrift mit anderen I^esbischen unwiderleglich bewiesen, dass über die Herkunft des Steines aus Lesbos und namentlich aus Mytilene kein Zweifel obwalten kann.

O n A M O 2 ABANTAKON^ N 02IPA TEY 2ANTAKAIArnNO0ETHZAN TATA2NEAZAAIKIA J. T QOi b K Q. T a H -Z EBAZTriNKAI TAS OEPMIAKAZnANArYPIOZEY ZEBEß2TTPO2TETOIZ0EOIZ ZEBASTOIZKAlTONZYMnAN TAAYTQNOIKONKAITOIznA 10 TPniOiZOEOlZ <l)IAArA0az AEKAIMETAnA|2AZAAMTTPO TATOZTAZEZTANTTOAI N

0 Sap.o? "ASavTÄ Kovcovo; IpaTEu- (javTa xal ä.yo)vo9£T'/^<7av- xa Toc; vsa? i7.r/',ia; Toi ol'- 5 xw Twv SeSacTtov xai xoc; ©sppy.xa? Travayopioi; eu- ae^ioic, 7rp6; te toIi; Oeok; ^^eSy.cTOi? xai xöv gu^-tzolv- xa aoxtov ouov y.ai xoi? Tra- 10 xpwioi? öeoi?, i'^iXayxOcL);

Sk x,ai p.exöc 7zy.iay.c, lapi-xpo- xa.xo(; xa; e; xäv xoXiv,

GRIECHISCHK INSCHRIFTEN IN nUSSLAND 1?3

Aehnliche Losbische KhreninscIinCten s. jetzt in der Collitz- sclien Suinniliini:; dv\- (Iriccli. Dialckt-Iusflirirtcn Hd. I S. \)i fg. nn" 2 i 1-252.

III. I\ I (' i n a s i e II .

a. Cyzicus (^). 2''i. Ein vollkommen (M-Iiaitenes Grab- denkmal aus weissem Marmor, II. 1,80'", Br. (),G<S"', 0.0,25'". Oben ist es mit einem Fron ton versehen, iinler welehem in einer tiefen Nische ein unbärtiger Mann dem Zuschauer zu- gewandt steht; er ist mit Chiton und einem llimation beklei- det, dessen Falten er mit der lleclit''n auf der Brust festhält, während er in der herabgesenkten Linken eine Holle hält; drei andere zusammengebundene Rollen liegen zu seinen mit Sandalen bekleideten Füssen. Die Höhe der Figur erreicht 1,45'"; die Inschrift, welche jetzt sehr verwischt ist, befindet sich auf dem Fronton. Das Denkmal wird im Museum der Od. Gesellschaft aufbewahrt. Die Inschrift ist zuerst von Mursa- kewicz in Mem. der Od. Gesellschaft B. 1 (18ii) S. 284 herausgegeben '; nach dessen Ansjabe soll das Denkmal im Jahre 1828 oder 1829 in den Trümmern von Olbia gefunden sein; aber später ist dasselbe im C- I. Cr. IV n" 6978 edirt mit folgendem Lemma : monumentum Constantinopoli ,uhi quam- diu fuerit ignoratiir, missum est ad Blarambergium, qui delinea- tionem misit; da es dem Museum wirklich aus der Blaram- bergschen Collection einverleibt worden ist^ und da im Jour- nal d' Odessa 1826 n" 19 sich eine Notiz über die ihm aus Constantinopel zugekommenen Alterthümer befindet (obgleich in ihren kurzen Beschreibungen keine einzige ist, die gerade zu unserem Denkmal passen könnte), so muss man Blaram- bergs Angabe über die Herkunft des Denkmals unbedingt den Vorzug geben vor der des Mursakewicz. um so mehr, da es

* Wiederholt von E. Muralt im Bullelin hist-phil. de l'Ac. de Sl- Pe- tersbourg III S. 35-2, daraus in Zeitschrift für die Alterthumswiss. 18478.680. 2 Vgl. Mem. der Od. Ges. I S. 283 u. 637.

124 GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

der Inschrift nach eine anffallende Aehnlichkeit mit den Grab- denkmälern von Cyzicus hat, zu deren Zahl es schon von K. Keil Philol. XVI S. 22 und J. H. Mordtmann Mitth. d. D. Inst. VI S. 127 gerechnet worden ist.

OY

YnOM N H M A-nOT AM DNOZ-TOY-AAEZANAP OKATEIKEYAIENAYTQ-O-AAEA0OI-AIONYIIOZ-AAEHANAP'/////

Z. 2 am E. APOY Murs. und Blar. Es ist kaum nöthig die augenscheinlichen Fehler ihrer Abschriften hier aufzu- zählen.

Das Denkmal ist kaum älter als der Anfang der christlichen Zeitrechnung.

b. Smyrna.—2i. In der Ermitage wird seit 1853 ein inte- ressantes Denkmal ans dieser Stadt aufbewahrt, welches schon mehrmals edirt worden ist. Seine erste und beste Copie ist von Wagener noch zur Zeit als der Siein in Smyrna war (in der Sammlung von IvanofT) angefertigt und bei Le Bas- Wad- dington, Inscr. d'AsieMin. 1532 publiciert. Nachdem der Stein nach Petersburg geschafft war, hat B. Köhne, Hevue archeol. X (1853) S- 504 die Inschrift herausgegeben^ und neuerdings ist sie nach der Wagenerschen Abschrift von Kai- bel Epigr. gr. n" 311 reproduziert worden. Da die zugäng- lichste ('opie von VVagener auch die beste ist, so finde ich es unnöthio; eine neue Abschrift zu o-eben. Ich beschränke mich auf die Bemerkung, dass am Anfange der .l. Z. gewiss mit Waddington tooO' 5 ttot' wv zu lesen ist und nicht to-jOo ttot'wv mit Kaibel, der ausserdem am E der 3. Z. fehlerhaft £;(_co statt E/ov gegeben hat.

' Ausserdem (inden sicti Copien dieser Iiisciuift in zwei Russischen Biiclicrn, ncinlich im " Auszuge aus dem Bericlite über die arcliäol. For- scliungen im .Jalire 1853 ' S. 24 und in "Pro|)yläen" Bd. V S. 279 (hier ju Minuskeln).

GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND 125

IV. I nsc.'li i'i f ten von u nbekan n le r Herkunft.

In der Ermitage holiiiden sicli einige Denkmäler und Frag- mente, deren Provenienz unbekannt bleibt, da man aus den Catalogeu der Sammlung nur erlabrt, dass su' im .1. 1872 aus der Petersburger Akademie der Künste, wo sie seit langen Jahren aufbewahrt wurden, dahin versetzt worden sind. Da über die Uebeifülirung einer ansehnlichen Quantität von an- tiken Denkmälern aus Griechenland nach l*etersburg in un- serem Jahrhunderte nichts bekannt ist, aus Süd-Russland aber die Steine gewiss nicht stammen, so scheint es mir am wahrscheinlichsten zu sein, dass diese Denkmäler nichts an- deres als die üeberieste der Alterthümer sind, die auf den In- seln des Archipels während des Aufenthalts der Russischen Flotte daselbst im Jahre 1770 und fg. erworben wurden ^ Für diese Meinung kann man einige Besläti";unn; in den Mo- numenten selbst üuden; so ist zum Beispiel n" 25 eine ar- chaische Inschrift in Ionischer Schrift, unzweifelhaft also von einer der Inseln des Archipels oder aus Kleinasien stammend; die Dorische Inschrift n" 2!) kann aus Melos oder Thera stam- men; von dieser letzten Insel kann auch das Denkmal n" 33 herkommen, da seine Inschrift der Galtung nach den bekann- ten Theräischen Grabinschriften sehr ähnlich ist, u. s. w.

25. Bruchstück aus weissem Marmor, oben und links un- versehrt, 0,12'" hoch, 0,17'" breit; die Höhe der Buchstaben erreicht 0,02. Copie und Abklatsch.

^ Bröndsted, Reisen und Untersuch, in Griechen). (Paris 18?6) B. I S. 35 Iheilt aus einer tlandscliriri von Viiloison die i'ulgeiide Bemerlvung mit: Les Busses unt enleve beaucuiip d'inscriplions et de marbres de Poles ä Zea, de Regio-castru {par currupliun on i'appeUc Uibreo-caslro) ä Tliermie et du Moni Sainl-Elienne n Saniorin. Bröndsted selbst fügt folgendes hinzu: "Dass einst ein russisches Schilf (wahrscheinlich gegen 1770, als Orlort mit der Flotte aus K^ronstadt zum Erstaunen der Türlven im griechischen Meere und an den Küsten von Morea erschien) in der Bucht bei Täs Poläs von den dortigen Ruinen mehrere Marmor eingcschifTt habe, wurde auch uns in Zea er- zälilt". Vgl. auch C 1. Gr. zu u' 2462 und 'A6r)vatov III S- 649.

1^6 GRIECHISCHE INSCHUlFTEN IN RUSSLAND

® E P ^ A ©£p(JCt[vSpWl j

T n I P Y A Toii 'Pua[ ..... SsSoTai]

A T E A E H XTskiri [aü-roj'. x.ai sy]-

r O N O I YÖvoi[?].

Es ist zu bedauern, dass die Herkunft dieses Bruchstückes nicht genau bekannt ist, da es zur I"]i'weiterun2; unserer Kennt- nisse über das archaische Alphabet der Gegend, aus der es stammt, dienen könnte. Die (nschrift kann mit grösster Wahr- scheinlichkeit der 1. Hälfte des V. Jahrhunderts zugeschrie- ben werden, da die Form des ® uns nicht gestattet sie für jünger zu halten; andei'erseits haben aber manche andere Buchstaben (besonders AEH) schon die jüngeren Formen.

26. Fragment aus weissem Marmor 0,08'" hoch, 0,18™ breit, mit 0,01 hohen Buchstaben geschrieben. Copie und Ab- klatsch.

frei TPIAKAAlOlA P Xv^i TANEPTAAElIvTHMPA^ NnPoZTAKOlHAPPoi: ^ TOM ETPIAM A^

Nach dem Character der Schriftzüge kann das Bruchstück noch aus dem III Jahrhundert v, Chr. slammen.

27. Kleine Grabplatte aus weissem Marmor mit der Uelief- darstellung eines mit Himation bekleideten Mannes. H.0,28™, Br. 0,17.

AIOKÄHÄAY Aio/Avi aluTire yaTps.

TT '^ X Ä I pe

Das Denkmal stammt aus Römischer Zeit.

28. Unterer Theil eines Grabdenkmals aus weissem Mar- mor; H. 0,21'", Br. 0,34. Es sind die unteren Theile (von den Hüften ab) zweier Männer und dazwischen eines Hundes zu sehen. Darunter liest man folgende Inschrift:

Griechische iNscnrtiFTEN in russland 127

HAI O A O p £§ Ai/ill//l/iAÖHH O /\QPt O I A O H N C ,; O Y iimM X A I P E T (^

'IlXioScops [>t]a[i] 'AQ'/ivöSojpe

ot [ 'A]6riVo[^a)p]o'j yy-ipeze.

29. Grabdenkmal ans weissem Marmor etwa I M. Iiocli und 0,50 breit (es war mir iiniiKi^iich es genau aiisziimessen). Es träst folurende künstlich i^eniig ausgeführte Darstellung: zu jeder Seile steht eine Korinthische mit Caneluren versehene Säule; sie stützen ein Dorisches Fronton mit einer Rosette und einem Fries mit acht Triglyplien, zwischen welchen auf den Metopen je eine Rosette angebracht ist. Zwischen den Säulen sitzt eine mit einem über den Kopf gezogenen Hima- tion bekleidete Frau, welche mit einer Hand das Himation auf der Schulter festhält und mit der anderen ein Kästchen von dem vor ihr stehenden Mädchen empfangt; das Mädchen hält in der anderen Hand eine Schale. Neben dem Sessel der Frau ist noch ein kleines Mädchen zu sehen. Darunter liest man bloss den Namen der Verstorbenen und zwar in der Dori- schen Form :

A^iZTOBfiAA ['AJpiaxogwXa.

30. Platte aus weissem Marmor 0,20'" hoch, 0,22"' breit.

\ 0 e M l Ä e n I M [ 'Av?]6£|^,ia £771 M.

A Y P O A Y M n I O Y K e A'jp. 'Olu-^.xiou jtk

ePMOreNOYCer 'Epfy.oy£vou; £y-

r"ONUUNTOYKT yovwv toO x.t-

ICTOYoAYmTTIoY WTOi. '0).up.7riou.

Die Inschrift ist sehr spät, aber wie es scheint noch nicht christlich.

1^8 GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN ftUSSLANÖ

31. Bruchstück aus weissem Marmor mit grauen Adern, 0,\b"' hoch, 0,27" breit.

^ KHAIA(t)ePOY ii:(o|7.aToO]r,-/.Y) (S)i(>:<p£pou[<7a too rAOLUNOCAP [Ssivo; xai 'AjyiÖwvo? 'Ap

Christliche Grabinschrift aus ziemlich später Zeit.

32. Links unversehrtes Bruchstück aus grauem Marmor, 0,23™ hoch, 0,15'" breit.

I I

E E Y

N O ¥ I

E A B A

O E N "I

A H E K

Einige andere Denkmäler unbekannter Herkunft hab'ich an anderen Orten abseschrieben.

33. In Petersbnr"- m der Akademie der Künste; ein oben abgebrochenes 0,46™ hohes und 0,33™ breites Grabdenkmal, oberhalb mit einem das sogenannte Todlenmahi darstellenden Relief 'j;eschmückt : ein Mann ist auf einem Lager auso;estreckt

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ZU dem ein niedriger dreifüssiger mit Gelassen besetzter Tisch herangerückt ist; neben dem Tisch sitzt ein kleiner Hund und links steht ein Knabe. Die unter dem Belief befindliche In- schriftist sehr nachlässig eingemeisselt und lässt sich nur mit Mühe entziffern :

ETTA(t)PA2TAN0YrA 'E-acppa? txv O-jya-

TEPAZÜTHRAM Tspa ^ÜTTipav

A 4) H P n 1 1 E ä(p7)po>i(^)6.

Das Denkmal stammt aus Römischer Zeit und ist wahrschein- lich mit den oben angeführten jetzt in der Ermitage belind-

GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND f29

liehen Steinen aus dem Archipel nach Petersburg gebracht worden: ähnliclie Formeln begejinen namentlich in den The- räischen Grabinscliriften, vgl. C. l V,r. 2i()7 247o.

34. In l^elersbnrg, im numismatischen Kabinet der Aka- demie der Wissenschaften ; kleines Bruchstück ans grauenn Marmor, von allen Seiten ausser der rechten abgebrochen.

M H (X-/1-

i N l< A E [vo? Toö Seivo? ]a)v IQe-

O A I O ^ A [wvo; (?) etxev. 'EtteiS-o 6 Selva 'PjoS-.o; i-

A I A T E A E [vYip äyaOö? xai ;^pr,ai{;.o; wv] SiaT£);£[T]

5 K A I T O I 21 [tcüi Sr,[xa)i twi ] xai toi;

N O I S! T i^ [de, ä<p!,/cvoutxs]voi(; Ta)[v

Herr G. Kicserilzky, dessen l.iebenswürdigkeit ich die Kennt- niss dieses Bruchslückes verdanke, konnte mir nichts Genaues dai'über mitlheilen,\vie wann und woher es in die Akademie gebracht wurde. Nach dem Charakter der Schrift scheint das- selbe nicht später als aus dem III. Jahrb. v. Chr. zu stammen.

35. Im Museum der Odessaei- Gesellschaft d. Geschichte und Alterth.; eine fast unbeschädigte Platte aus weissem Marmor, H. 0,29'", Br. 0,4;V", D. 0,10'". Die gut erhaltene Inschrift ist in schönen Buchstaben der Römischen Zeit ein- gegraben und mit einem Rahmen umzogen, ausserhalb des- sen an den Ecken des Steines Reliefverzierungen eingemeis- selt sind: unterhalb links eine Blume und rechts eine Schlan- ge, oberhalb rechts ein Scorpion ; die Verzierung der linken oberen Ecke ist beschädigt,

TOMNHMEIONKATE2 Ti fy.vYi|j.£rov xarec-

ZKEYA5:AN-AYA0ZBET cxsüaTav AÖXo? Bex-

T lAPI OZKPIZTTOZKAIAY Tiäpio? Kpia-wO? y.al Au-

A02:BETTIAPI02ETTA lo? BeTTiocpto; 'Exa-

5 (iJPOAEITOZ-CpYAHZ (ppot^eiTO? <s^^Ar^^

OHZZHIAOSi.EAY G-oaa'/jiSo? iau-

TOIZKAITOIZJAIOIZ- toT? >tal toi? tSioi;

KAiATTEAE^^FPOlZ xai äireXtuöepoi?.

MITTH. D. AUCH. UN ST. X. 9

130 GRIECHISCHE INSCHRIFTEN IN RUSSLAND

In dem Catalog des Museums (8le Ausg. 1880 S. 42) ist an- seseben, dass das Denkmal aus Athen stammt, aber diese Äno-abe wird namentlich durch die Erwähnuno; der Phvle Theseis auf demselben, die in Attika nie existirte, widerlegt. Dieser Name kommt hier, wenn ich mich niciit irre, zum er- sten Mal vor und kann deshalb nicht als Indicium der Her- kunft des Denkmals aus dieser oder jener Stadt dienen; aber am wahrscheinlichsten stammt es aus einer der Thrakischen oder Kleinasiatischen Städte. Üeber die in diesen vorkommen- den Phylen vgl. I. H. Mordtmann, Marinora Ancyranii {diss. inaug. Berl. 187 4) S. 23 fg.

Das sind alle in Russland aufbewahrten Inschriften aus ver- schiedenen Gegenden der Griechischen Welt, die ich bis jetzt kennen gelernt habe; wenn es mir später gelingt andere zu finden, so werde ich trachten sie auf den Seiten dieser Mit- theilungen bekannt zu machen.

S. Petersburg.

ß. LATISCHEW.

Die Propyläen der Akropolis von Athen,

II. üeber die Gestalt des Südweslflügels.

(Hierzu Tafel V.

Im ersten Abschnitte dieser Arbeit (s, oben S. 38) haben ^^ir unter Anderem zu ermitleln versucht, welche Form der südwestliche Flügel der Propyläen in dem ursprünglichen Projecte des Mnesikles hatte, und wie dieser erste Entwurf noch vor seiner Ausführung eingeschränkt und verändert wurde. Die letztere Fi-agc konnte nur kurz behandelt wer- den, verdient aber eine besondiTe eingehende Besprechung.

Ueber die Gestalt, welche der S. W. Flügel nach seiner Vollendung zeigte und bis zu seiner Zerstörung im Mittelalter bewahrt hat, ist man lange verschiedener Meinung gewesen. Dass an seiner N. Wand eine Ante und drei Säulen standen, dass die 0. Wand geschlossen war, und dass die ebenfalls geschlossene S. Wand im Westen in einer Ante endete, geht aus dem Zustand der Ruine noch jetzt mit vollkommener Si- cherheit liervor, es fragte sich aber, ob die N- Wand an ih- rem westlichen Ende noch eine zweite Paraslas (derjenigen des N. W. Flügels entsprechend) gehabt habe, und wie die W. Wand gebildet gewesen sei.

Diese beiden Fragen konnten erst eine bestimmte Lösung finden, als im Jahre 1875 der über unserem Flügel erbaute grosse Frankenthurm abgebrochen wurde und unter dem

132 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

hierbei gewonnenen ßaumaleriale sehr viele der fehlenden Bauglieder der Propyläen zum Vorschein kamen. Zuerst hat L. Juhus dieses neue Material in einem Aufsatze über den Südflügel (Mitth. IS. 26) verwerthet. Er weist überzeugend nach, dass die N. Fronte des S. W. Flügels genau in dersel- ben Weise gebildet war wie die S- Fronte des iN.VV. Flügels, dass ihr westlicher Eckpfeiler eine eigenthümliche aus zwei Anten combinirte Grundrissform hatte und dass zwischen der 3. Säule der N. Wand und der westlichen Paraslas der S. Wand ein schmaler Pfeiler stand, welcher das Gebälk der W. Wand trug, üeberdeckt denkt sich Julius den Flügel mit einem zweiseitigen Walmdach, dessen Grat von der 3. Säule der N. Wand zur S. 0. Ecke des Baues lief.

Später hat R. Bohn in seinem vorzüglichen Werke über die Propyläen die Frage nach der Form des S. W. Flugeis noch- mals eingehend behandelt. In Bezug auf die Gestaltung des Grundrisses stimmt er seinem Vorgänger vollständig bei, auch bezüglich der Form von Pfeiler und Gebälk weicht er nur in einigen Nebenpunkten von jenem ab, dagegen schlägt er für das Dach eine ganz andere Lösung vor. Ceber der N. Wand nimmt er einen Giebel an, dessen First sich bis zur Mitte der S. Wand erstreckt. Wo der First die Wand trifft, beginnt eine Kehle, welche zur N. 0. Ecke des Baues hinunterläuft. Wie der westliche Theil des Daches gestaltet war, vermag Bohn nicht anzugeben. Wenn in der That über der N. Wand des S. W. Flügels ein Giebel angeordnet war, so muss selbstver- ständlich der N. W. Flügel an seiner S. Seile ebenfalls einen Giebel getragen haben.

Ausser den Schwierigkeiten, welche die Anordnung eines Giebels über der N- Wand unseres Flugeis in technischer Be- ziehung bei der Construclion des Daches bot, hatte diese Lö- sung noch Unregelmässigkeiten und Bedenken architektoni- scher Art im Gefolge. Unter der Mitte des Giebels hätte eine Säule gestanden und die beiden Parastaden der N.Wand wä- ren nicht einmal symmetrisch zu dieser Mittelsäule aufgestellt gewesen. Bohn verhehlte sich diese Schwierigkeiten allerdings

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 133

nicht, glaubte aber durch das Vorhandensein mehrerer eigen- thiimlichei' Gicbcl^eisa, für welche Julius keine passende Stelle halte finden können, zu seiner Annahme gezwungen zu sein.

Diese Geisa, von denen iiohn die wichtigsten auf Taf. XVIII seines Werkes unter Fig. Ha. €. y imd f"^ abbildet, waren bei Abb'uch des Frankenthurmes gefunden worden und muss- ten, da fast sämtntliches Baumaterial dieses Thurmes von den Propyläen stammte und da sie ausserdem in Bezug auf Material, Arbeit und Grösse mit den Werkstücken der Pro- pyläen übereinstimmten, in irgend einer Weise bei den Pro- pyläen untergebracht werden. Dass sie einem Giebel angehört hatten, zeigte ein Anfangstück (14 ß) und ein Scheitelstück (H y). Da das letztere, ebenso wie zwei andere Gesimsblöcke, nach hinten in seltsamer Weise abgeschrägt war, musste der Giebel weiter einem Bau angehören, dessen Dach nicht in der gewöhnlichen Weise gestaltet war. Offenbar passte dies alles so vorzüglich zu der unregelmässigen Form des S. W. Flü- gels, dass ein Zweifel daran, ob die Geisa auch wirklich zu diesem Flügel gehörten, ziemlich ausgeschlossen war.

Während Bohn mit diesen Untersuchungen beschäftigt war, besuchten B. Borrmann und ich auf einige Tage Athen. Bohn hatte damals die Güte, uns bei einer Besichtigung der Propy- läen auch jene Geisa zu zeigen und zu erklären. Wir verhehl- ten ihm zwar unsere Bedenken eeiien seine Dachlösun«; und die Anordnunnj von drei Giebeln an der Fronte der Propyläen nicht, vermochten ihm aber keinen einzigen besseren Aus- wies; vorzusch lauen.

Erst am Ende des vorigen Jahres ist es mir nach langen vergeblichen Versuchen gelungen, die richtige Lösung zu fin- den, wie sie auf der beia;efüo;ten Tafel V in mehreren Zeich- nunoen dargestellt ist. Dass sie mit Becht die richtige se- nannt werden darf, hoffe ich durch die nachfolgende Beweis- führung darzulegen.

Die Thatsachen, welche mit der Bohn'schen Anordnung jiur

134 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

schwer in Einklang zu bringen waren, sind namentlich die folgenden :

1) Die ebenffills im Frankenthurme gefundenen und un- zweifelhaft zur N. Wand unseres Flügels gehörigen horizon- talen Geisa (vergl. Bohn, Tafel XVIll, Fig. 11) sind an ihrer Oberfläche sämmllich nur rauh bearbeitet und können daher nach den Regeln der antiken Technik niemals einen Giebel getragen haben. Denn zur Aufnahme der Quadern des Gie- beldreiecks hätte ihre obere Fläche vollständig geglättet wer- den müssen.

2) Dieselben Geisa zeigen, wie man auch auf der Zeichnung Bohns erkennt, an ihrer Rückfläche grosse, schräg eingear- beitete Löcher, welche offenbar für stehende Sparren bestimmt sind. Ihre Existenz neben einem Giebel über derselben Wand kann nur in gezwungener Weise erklärt werden.

3) Die Bedenken künstlerischer Art habe ich schon oben erwähnt. Die Nordwand ist unsymmetrisch gebildet und hat ausserdem in ihrer Mitte kein Intercolumnium sondern eine Säule; es hätte den Gesetzen der griechischen Kunst wenig entsprochen, wenn über einer solchen Fronte ein Giebel an- geordnet worden wäre.

4) Da der N. W. Pfeiler coulissenartig vor die W. Wand vorspringt, so wäre, wenn sich über der N. Wand ein Gie- bel befand, ein Stück der Rückseite dieses Giebels stets sicht- bar gewesen ; einen schönen Anblick hätte das nicht gewährt !

5) Die schon erwähnte eigenthümliche hintere Abschrägung einiger Giebelgeisa findet bei Bohns Reconstruction keine ge- nügende Erklärung. Man begreift nicht, zu welchem Zwecke das Scheitelgeison des Giebels nach hinten abgeschrägt war, da doch der First horizontal verlaufen musste.

Diese verschiedenartigen Bedenken werden wohl jeden zu der Ueberzeugung bringen, dass über der N. Wand kein Gie- bel gewesen sein kann und dass wir uns daher nach einem anderen Platz für jene Giebelgeisa umsehen müssen. Kann nicht die W. Wand einen Giebel gehabt haben? Es lassen sich in der That mehrere Gründe anführen, welche eine solche

DIE PnOPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 135

Annahme glauhwunliii crsclicinen lassen, und ich will geste- h(Mi, dass ich cini; Zeil lani>; diese Lösung l'iir diirchfnhrbap hielt. Allein auch hiiM- erheben sich bald verschiedene Be- denken. Erstens ist die VV. Wand in ihrer jetzigen Form zu kurz im Verhiillniss zn den vorhandenen zahlreichen Giebel- geisa, nnd eine coiilissenarlige Verlängerong der VV. Wand nach S. (dein iirspiiinglichen Projecte des Mnesikles entspre- chend) anzunehmen, verbietet auf's bestimmteste der Zu- stand der Ruine. Allerdings ist durch die letzten Ausgrabun- gen des leider zu (Vüli verstorbenen Herrn Stamatakis con- statirt worden, dass der Stylobat und das Fundament der W. Wand sich nach S. bis zur Burgmauer ausdehnte, dass also der dreieckige Baum zwischen der S. Wand und der Brau- ronischen Terrasse an seiner Westseite durch eine Schwelle begrenzt und möglicher Weise auch durch eine niedrige Mauer oder ein Gitter abgeschlossen war. Allein das Breitenmaass dieser Schwelle und namentlich der wohl erhaltene Ab- schluss des Architravs über der S. W. Ante beweisen sicher, dass auf der Schwelle keine Stützenstellung mit Gebälk ge- standen haben kann.

Zweitens sind die zur W. Wand gehörigen horizontalen Geisa, welche ebenfalls der Frankenihurm geliefert hat, an ihriM- Obeifläche nur rauh gearbeitet i.nd können daher nie- mals ein Giebeldreieck getragen haben. Die W. Wand kann mithin als Platz für unsere Giebelgeisa nicht in Betracht kommen.

Dass auch über der 0. Wand des Flügels kein Giebel ge- wesen sein kann, bedarf keines weiteren Beweises, da das Quadermauerwerk noch jetzt bis über die Dachfläche des Flü- gelbaues erhalten ist. Es bleibt also schliesslich nur die S. Wand für die Unterbringung jener Giebelgeisa übrig. Einen Giebel im sjewöhnlichcn Sinne des Wortes kann aber auch diese Wand nicht getragen haben, denn am östlichen Ende lag die Dachfläche nachweisbar höher als am westlichen. Aber ist denn auch die Voraussetzung richtig, dass jene Geisa wirk- lich gewöhnliche Giebelgeisa sind? Mit dieser Frage haben

136 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

wir den schwachen Punkt in der Beweisführuno; Bohns ge- troffen. Sehen wir uns die Geisa einmal etwas genauer an 1 Der von Bohn auf seiner Tafel XVIII unter Fig. 14 ß abge- bildete Block (auf unserer Tafel V Fig. 7 mit F bezeichnet) ist allerdings unbestreitbar der zweite Anfänger eines mit ei- ner Neigung von 1 : 5 ansteigenden Gesimses; der Stein 14 y dagegen (auf unserer Tafel mit C bezeichnet) ist von F.ohn falsch abgebildet. Der Winkel, welchen die beiden Schenkel einschliessen, ist bei Bohn viel kleiner als in Wirklichkeit; er ist genau so gross wie der Winkel von 14 ß. Wenn man dem kurzen linken Schenkel die Neigung 1 : 5 giebt, so fällt der längere Schenkel nicht unter demselben Winkel nach rechts hinab, wie es bei einem regelmässigen Giebel erforder lieh wäre, sondern er läuft horizontal nach rechts weiter- Die fraglichen Geisa haben also nie einen Giebel ge- bildet, sondern gehören einem Gesimse an, welches zuerst unter einem Winkel von 1 : ■) ansteigt und dann, indem es einen Knick macht, horizontal verläuft Gerade eine solche Form muss aber das auf der Südwand liegende Gesimse ge- habt haben, wie wir auf einem anderen Wege beweisen werden.

An der Innenseite der 0. Wand (vergl. den Querschnitt Fig. 5 auf Tafel V) erkennt man noch das kleine Deckenge- simse, über welchem die Holzbalken der horizontalen Decke lagen. Oberhalb dieses Gesimses erblickt man eine von links nach rechts ansteigende, in die Wand eingehauene Rille, welche ein Steigungsverhältniss von 1:5 hat. Dass diese Rille nicht aus byzantinischer oder fränkischer Zeil stammt, sondern fiir das antike Dach gearbeitet ist. haben schon Ju- lius und Bohn mit Recht hervorgehoben. Sie war bestimmt, die über den Sparren liegenden Querhölzer, die iaxvrs; und '/taX'jaaara, aufzunehmen. Die Sparren selbst lagen unterhalb der Rille, die Marmorziegel dagegen, wie man an der Ver- witterung der Wandquadern erkennen kann, über derselben. Die Sparrenfüsse griffen in die schon erwähnten, in den Traufgeisa der ]\. Wand befindlichen schrägen Löcher ein

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 137

lind lagen sein* diclil iu'b(>nein;in(ler' (Abstand nur 0, IG"). Die oberen Enden der Sparren lagen nicht, wie man vermu- Ihen konnte, auf der S. Wand auf— denn diese Wand besitzt keine Löcher für dit^selben , sondern müssen dundi einen dicht an der Wand liegenden Balken unterstützt worden sein.

Ausser der durch diese Sparren gebildeten Dachfläche, wel- che von dem Gesimse der N. Wand nach S. ansteigt, können wir an dem Bau selbst, trotz seiner starken Zerstörung, noch das fridiere Vorhandensein einer zweiten Dachnäcliu constati- ren, welche von dem Geison der W. Wand nach (). ansteigt und die erstere Fläche in einem Grate schneidet. Schon 1^. Julius hat (Milth. I S. 2"22) darauf liingewiesen, dass man an der Innenseite der Südwand sichere Spuren einer Dachlinie erkennen könne. Bei Bestimmung derselben muss er sich aber vermessen haben, denn die von ihm berechnete Dachneignng, welche geringer ist als diejenige an der 0. Wand (1 : 5) und bei welcher das Geison der S. Wand ohne Knick und ohne horizontalen Schenkel nach 0- ansteigen würde, ist in Wirk- lichkeit nicht vorhanden. Hätte Julius diesen kleinen Mess- fehler nicht gemacht, so würde er schon die vollkommen richtige Dachlösung und damit auch die richtige Stelle tür jene Geisa gefunden haben-

Bohn erwähnt die von Julius beschriebenen Spuren der Dachneigung an der S. Wand nicht. Sie waren in der That auch nur mit Mühe zu erkennen, weil oben auf der S. Wand noch Mauerwerk von dem Frankenlhurm stehen geblieben war, welches ihre Oberfläche verdeckte. Nachdem dieses späte Mauerwerk auf meine Bitte im vorigen Jahre durch Herrn Slamatakis entfernt worden war, trat die Neigung der Ober- kante der S. Wand ganz deutlich zu Tage. Der Stein K (Fig. 7 auf unserer Tafel V) zeigt eine starke Abschrägung nach links; sein Nachbarstein L, welcher ebenfalls keiltörmig ist, lag zwar nicht mehr in situ, befand sich aber in dem späte- ren Mauerwerk und konnte daher wieder an seine alte Stelle gerückt werden; die Quader M liegt noch in situ und zeigt in ihrer westlichen Hälfte dasselbe Gefälle wie K und L; die

138 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

folgende keilförmige Quader N fVhlle, ich fand .sie aber bald unter den am Boden liegenden Steinen und konnte sie daher wenigstens in der Zeichnuns; wieder an ihren früheren Platz setzeil (es ist derselbe Stein, den Bidin auf seiner Tafel XVIII unter Fig. 16 als Stein eines Giebeldreiecks abgebildet hat); die anstossende Quader 0, welche ebenfalls fehlt, konnte ich nirgends finden. Mit P habe ich das von Bohn auf seiner Ta- fel XVIII in Fig. 15 mitgetheilte Fckgeison bezeichnet, es liegt zwar nicht mehr m situ., gehört aber unzweifelhaft an diese Stelle. Ebenso habe ich die von Bohn (Tafel XVIII, Fig. 7 a) gezeichnete und richtig erklärte Quader Q in der Zeichnung wieder an ihren allen Platz gesetzt.

Die obere Abschrägung der S. Wand, welche an den auf- gezählten Quadern mit Sichei'heit festgestellt ist, besitzt ein Gefälle von 1 : 5, stimmt also überein mit dem Steigungs- verhältniss, welches wir an der Rille der 0. Wand und an den Geisonbiöcken F und C fanden. Wir sind daher berech- tigt den Gesimsblock F an das westliche lünde der S. W^and auf das Eckgeison P zu setzen. Als ich dies thal, stellte sich heraus, dass nicht nur die Dübellöcher der beiden Steine ge- nau aufeinander passen, sondern dass man auch auf der Über- fläche von P die eigenlhümliche Umrisslinie von F an der verschiedenen Art der Verwitleriing noch deutlich erkennen konnte. Das winkelförmige Geison C müssen wir an dieje- nige Stelle setzen, wo die Steigung der S. Wand in die Ho- rizontale übergeht. Die letzte abgeschrägte Quader istX; ihre rechte Nachbarquader J, welche noch mit ihrem alten Eisen- dübel befestigt ist und daher sicher in situ liegt, zeigt schon eine horizontale Oberfläche. Lieber der Stossfuge von K und J nnuss also der Knick des Gesimses liegen. Man wendet viel- leicht ein, dass doch möglicher Weise über J noch eine keil- förmige Quader gelegen haben könne. Dass dies jedoch nicht der Fall gewesen sein kann, beweist schon die Höhe der Qua- der ./, welche 0,58'" misst, während alle übrigen Quader- schichten der Wände und sogar die Quadern der entsprechen- den Schicht der 0. Wand nur 0,49 0,50™ hoch sind. Der

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 139

Stein J und seine beiden (■>stli('li(!n Nachbarn mnssten höher gemacht werden, damit das Geison gerade seine richtige Hö- henlage bekam. Die Stelle fiir den Oosimsblock C ist also ge- naii bestimml, sein horizontaler Schenkel miiss auf der Qua- der J, sein geneifiter Schenkel auf /v liegen. Zwischen den bei- den Geisa F und C und östlich von C haben wir nun die übri- gen Geisonsteine (im Ganzen 7 Slück) unterzubringen.

öm diese Vertheilung vornehmen zu können, müssen wir eine schon kurz erwähnte Eigenthümlichkeit einzelner dieser Geisa besprechen. Zwei von ihnen zeigen nämlich, ebenso wie das Winkelgeison C, eine Abschrägung der Oberfläche nach hinten, durch welche ihre Höhe von 0,29'" auf 0,14"' verrin- gert wii'd (vergl. Bohn, Taf. XVHI, 14 y und ^). Gerade eine solche Abschrägung mnssten aber, wie man auf unserem Querschnitt (Taf. V, Fig. 5) erkennen kann, die auf der Süd- wand liegenden horizontalen Geisa haben, damit ihre hori- zontale Oberfläche in die geneigte Dachfläche übergehen konnte. Die ansteigenden Geisa derselben Wand durften da- gegen nicht abgeschrägt sein, ihre Oberfläche lag schon von selbst mit der zweiten Dachfläche in einer Ebene. Hieraus folgt, dass die beiden hinten abgeschrägten Geisa IB und A) ösilich von C ihre Stelle haben. Das dort <j;erade lür die bei- den einzigen gefundenen Stücke Platz ist, dürfen wir als ei- nen werthvollen Beweis für die Richtigkeit unserer Kecon- struction ansehen. Das Geison A zeigt noch eine Besonder- h'^it, welche früher nicht bemerkt worden ist. Dasselbe ist nämlich im Grundrisse schief abgeschnitten und zwar unter demselben Winkel, nach welchem die ganze S. 0. Ecke un- seres Flügels durch die kyklopische Mauer der Artemis-Ter- rasse coupirt wird. In Fig. 3 und 7 auf Tafel V habe ich diese Coupirung der S. 0. Ecke unter Weglassung der kyklopi- sehen Mauer durch eine dunkle Schrafhrung sichtbar gemacht. Hiernach ist es nicht nur zweifellos, dass das Geison A an die S. i). Ecke gehört, sondern wir dürfen auch weiter die wich- tige Folgerung ziehen, dass die kykiopische Mauer der Arte-

140 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

mis-Terrasse zur Zeit der Eibauung der Propyläen noch bis über das Dach des S. W. Flügels hinausragte.

Die noch übrigen 5 Gesimsblöcke, welche ich mit D be- zeichnet habe, oehören z,u dem ansteiarenden Theile des Gei- son und lassen sich zwischen die beiden Fixpunkle C und F gerade so einordnen, dass ihre Dübellöcher mit den auf der Wand befindlichen l.öchern zusammenpassen. Sie füllen den Zwischenraum von C bis F nicht ganz aus, sondern es bleibt noch eine Lücke übrig für einen Block E, welcher ebenso wie das kleine Eckstück G und wie so manche andere Steine der Propyläen zerschlagen oder verloren ist.

Sämmtliche bei Abbruch des Frankenihurmes gewonnenen Geisa sind jetzt am S. W. Flügel untergebracht: die Geisa mit den Tropfenplatten gehören zur Nordwand, die einfachen horizontalen Gesimse zur Westwand und die etwas anders profilirten sog. Giebelgeisa zur Südwand.

Dass unsere Reconstruction des S. W. Flügels wirklich die richtige ist, dafür können wir schliesslich noch einen letzten und zwar schlagenden Beweis anführen. Nach unseren bishe- rigen Darlegungen bestand das Dach aus zwei Flächen (Wal- men), welche von der nördlichen und westlichen Traufe an- stiegen und sich in einem nach S. 0. gerichteten Grate durch- schnitten. Da die beiden VValme erwiesenermaassen ein glei- ches Gefälle (1 : 5) hatten, musste der Grat im Griindriss den Winkel der beiden Trauflinien halbiren. Hiernach können wir leicht bestimmen, an welcher Stelle der Gratbalken die Süd- wand traf. Ist nun unsere Reconstruction des Daches richtig, so muss erstens diese Stelle mit dem Knick in dem Geison der S. Wand zusammentreffen und zweilens muss »-erade dort auch irgend ein Auflager für den Gratbalken vorhanden sein. Beide Bedingungen werden vollständig erfüllt, denn nicht nur trifft eine von dem Schnittpunkt der beiden Trau- fen unter 45 Grad gezogene Diagonale genau diejenige Stelle der Südwand, wo das ansteigende Geison in das horizontale übergeht, sondern an der betreffenden Stelle befindet sich auch, wie man auf unserer Tafel im Grundrisse (Fig. 4), im Quer-

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN 14!

schnitte (Fig. 5) und im Längenscliiiillc (Fig. Gj selicn kann, noch jclzl ein grosses schräg eingearbeitetes Luch zur Auf- nahme des müchlii'en Gralbalkcns.

Wir haben bisher bei unserer Untersuchung stillschwei- gend vorausgesetzt, dass der Gnindriss des S.W. Flügelsein einfaches Hechteck sei, welches im W. bei der 3. Säule der N.Wand abschliesse. In Wirklichkeit war dies aber nichtder Fall, sondern an der TN. W, Ecke sprang der grosse Eckpfei- ler mit seinem Gebälke coulissenartig vor. Trotzdem waren , wir zu dieser Voraussetzung vollkommen berechtigt, weil der vorspringende Pfeiler die Gestalt des Daches in keiner Weise beeinflusst hat. Der Eckpfeiler, dessen architektonische Be- deutung wir in dem ersten Theile dieser Arbeit (oben S. 38) besprochen haben, hatte einen fast horizontalen Abschluss mit einem geringen Gefälle nach allen drei freien Seiten. Das Dach des Flüü;elbaues war bei der 3. Säule der N. Wand beendigt und ohne jede Rücksicht auf die vorspringende Ecke angelegt.

Wie der südwestliche Flügel der Propyläen hiernach im Alterthume aussah^ sollen die drei Ansichten auf Taf. V dem Leser veranschaulichen. Es sind geometrische Aufrisse im Maasstabe 1 : 150, bei welchen die zurückliegenden Theile et- was dunkler als die weiter vorspringenden gehalten sind. Um die Form des Daches möglichst deutlich zu zeigen, habe ich die Sima und LMarinorziegel forlgelassen und nur die Stossfu- gen der Ziegel durch einfache Linien angedeutet. In Fig.l und 3 sieht man am besten, dass das Dach erst bei der 3. Säule der N. Fronte beginnt und dass der grosse Eckpfeiler ganz dach- los gewesen ist. In Fig. 7 habe ich den oberen Theil von Fig. 3 im doppelten Maasstabe (1 : 75) wiederholt, um die einzel- nen Steine besser zu zeigen und ihre Dimensionen angeben zu können. Der Grundriss und die beiden Schnitte sind ebenso wie die Ansichten im Maasstabe 1 : 150 gezeichnet.

Nachdem wir bewiesen haben, dass der S. W. Flügel an seiner Nordseite keinen Giebel besass, kann natürlich auch der N. W. Flügel den ihm von Bohn aus Gründen der Sym-

142 DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

raetrie zugetheilten Giebel nicht mehr behalten, sondern wird ebenso wie jener ein Walmdach gehabt haben. Nach Analo- gie des S. W. Flügels und nach den erhaltenen Spuren der Dachneigung muss dieses Dach aus 3 VValmen bestanden ha- ben,welche sämmtlich dasselbe Gefälle hatten und sich daher in zwei Graten und einem kurzen Firste durchschnitten.

Hatte aber der N. VV. Flügel ein dreiseitiges Walmdach, so kann man die Frage aufwerfen, warum Mnesikles nicht auch dem S. W. Flügel drei statt der beiden Walme gege- ben hat. An Stelle des eigenthümlichen gebrochenen Gesim- ses würde dann die Südwand auch nur ein einziges horizon- tales Hauptgesimse gehabt haben. Der Grund hierfür liegt vermuthlich darin, dass der Architekt den S. W. Flügel als einen nicht fertigen Bau charaklerisiren wollte. Seine Dachform entstand dadurch, dass von dem dreiseitigen Walmdache des projectirlen Flügels ein Stück von der Breite des reducirten Baues abgeschnitten wurde. Die Durchschnittsfläche erhielt hierbei gerade diejenige Gestalt, welche die S. Wand im Al- terthume zeigte, ßeachtenswerlh ist in dieser Beziehung noch, dass Mnesikles an der S. Wand nicht neben dem oberen ge- brochenen Gesimse auch das horizontale Geison der beiden anderen Seiten herumführte, sondern dasselbe an einer vor- tretenden einfachen Quader sich todtlaufen liess. Die Form dieses Gesims-Abschlusses hat Bohn bereits gefunden und ge- nau festgestellt.

Zum Schlüsse mache ich noch besonders auf die geringe Dachneigung der beiden Flügelbauten (1 : 5) aufmerksam Die meisten griechischen Tempeibauten hatten Dachneigungen von 1 : 3 Y2 bis J :4 74 und dementsprechend schwankt bei den erhaltenen Giebeln das Verhältniss der Höhe und Grund- linie fast immer zwischen 1 : 7 und 1 : 8 ^j^. Die Flügelbau- ten der Propyläen hatten also auffallend flache Dächer. Wie ist diese Thatsache zu erklären? Man könnte annehmen, der Architekt habe die Walmdächer so flach gemacht, um sie nicht sichtbar werden zu lassen; allein auch schon bei eirem Gefälle von 1 : 4 74, ^vie es der Mittelbau der Propyläen auf-

DIE PROPYLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN U3

weist, hätte man bei der liohen Lage des Baues die Dächer fast von keinem Punkte sehen könniMi. Man könnte wiuter vermutiieii, die üücIhm- der Fiugclljaulen seien dessliaib so nie- drig, damit ijir First noch iinlcr dem Gesimse der beiden grossen projectirlen östlichen Säulenhallen bleibe. Allein ich habe schon im ersten Aufsätze (S. 51) darauf hingewiesen, dass das Gesimse an der Westseite dieser Hallen keinenlalis mit dem Hauptgesimse an ihrer Ostl'ronte in einer Höhe ge- legen haben kann. Da ich aus diesem Grunde jelzt die dritte der von mir damals angeführten Möglichkeiten, dass nämlich die grossen östlichen Säulenhallen mit einfachen Pultdächern abgedeckt werden sollten, für die bei weitem wahrscheinli- chere halte, so lag das Gesimse an der Westseite der östli- chen Hallen ungefähr in der Höhe des Geison vom Mittelbau und der Architekt konnte mithin die Dächer der Flügelbau- ten noch beträchtlich steiler machen, ohne mit den Firsten derselben das Gesimse der Säulenhallen zu erreichen.

Ich glaube vielmehr, dass die geringe Dachneigung durch das Eindeckungsmaterial veranlasst worden ist. Einem mit Mai-morziegeln eingedeckten Dache konnte man ein geringe- res Gefälle geben, als einem Thonziegeldach, weil sauber be- arbeitete Marmorziegel genauer auf einander passen und da- her weniger Wind und liegen durchlassen als gebrannte Thonziegel, welche beim Brennen immer etwas windschief und uno-enau werden. Während man daher bei Marmordä- ehern sehr gut ein Gefälle von 1:5 anwenden konnte, ging man bei Thonziegeln nicht gerne unter l : 3 ■^/4 hinunter. Dass trotzdem die Marmordächer fast sämnitlich eine arrössere Stei- gung als 1 : 5 besitzen, hat darin seinen Grund, dass diese Bauten fast stets Giebel hatten. Der griechische Giebel ist nämlich an dem älteren 'i'honziegeldach entstanden und hat daher die Proportionen dieses Daches angenommen. Als man später die Marmorziegei erfand, hätte man die Giebelneigung bedeutend verringern können. Man that dies aber nur in sehr geringem Maasse, vermuthlich,weil man die einmal als schön

444 t>l£ PRÖPYLAEEN DER aKROPOLIS VON ATHEI^

erkannten Proportionen des Giebels, an die man sich gewöhnt hatte, nicht mehr abändern wollte. Für den Mittelbau der Pro pyläen mnsste demnach Mnesikles des Giebels wegen eine Dachneigung von 1:4 Y4 wählen, während er die Walmdächer der Flügelbauten mit dem für Marmorziegel hinreichenden Gefälle von 1 : 5 versah.

WILH. DOERPFELD.

Künstlerinschrift aus Megara.

Vor dem Hause des Christos Penkos in Megara, welches sich unmillelbar atn Nordfusse des östlichen der beiden Hügel in der Ebene, in der Gegend befindet, welche den Namen Kamari führt', liegt eine Anzahl antiker Blöcke, welche vor etwa drei Jahren beim Baue des Hauses in ganz geringer Tiefe zum Vorschein gekommen sein sollen. Dieselben beste- hen alle aus dem gleichen grauen Marmor, wie er sich in Megara auch sonst zahlreich verwendet findet. Zwei davon er- weisen sich durch eine über sie hinlaufende Inschrift zunächst als zusammengehörig; sie sind beide 0,2(S Meter hoch, 0,80 dick, die Länge beträgt bei a 1,27, bei b 1,26. Die obere La- gerfläche zeigt einen umlaufenden geglätteten Rand, welcher bei 6 0,05 Meter breit ist. Leberdiess haben beide Blöcke auf dieser Fläche nahe der rechten hinteren Ecke eine viereckige Vertiefung, welche bei a 0,07 tief, 0,28 lang und breit, von der Kante der Rückseite 0,185 und vom rechten Rande 0,08 entfernt ist; dieselbe öffnet sich rechts in einer schmalen Rinne, die bis an den Hand geht. Bei b ist die Vertiefung 0,32 lang, 0,24 breit; mehr liess sich hier nicht feststellen, da der Stein verkehrt am Boden liegt; nur in der Mitte der oberen Lagerfläche war noch eine schmale, etwa 0,15 lange Rinne, wie für eine Klammer, sichtbar. Man wird aus diesen Vor- richtungen auf eherne Figuren, zu deren Aufnahme dieselben dienten, schliessen dürfen =

' Etwas weiter westlich von der Fundstelle belinden sich in giusser An- zahl mächtige Quadern, die ich in der Dunkelheit nicht näher untersuchen konnte. Dieselben dürften mit den von Vclsen Archäol. Anzeiger 1853 S. 380 auf das Olympieion bezogenen Resten identisch sein.

MITTH. D. ARGH. INST. X. 10

146 KUENSTLERINSCHRIFT AUS MEGARA

Von den übrigen Blöcken lassen sich weiters drei wegen der üebereinstimmiing der Maasse als zusammengehörig anse- hen. Bei einer durchgehenden Höhe von 0,3G sind die übri- gen Dimensionen: 0,94X0,91, 0,93x0,90, 0,94x0,89. Der letzlangeführte Block zeigt oben bei rauhgehaltener Innenflä- che einen ses-iätteten erhöhten Rand; derselbe findet sich an drei Seiten, auf der vierten ist der Stein Verstössen (daher die Länge von nur 0,89) Ein genau ebensolcher Saum von glei- cher Breite ist auch an dem zweitangeführten Blocke, dessen eine Ecke ganz fehlt und dessen Kanten zum Teile Verstössen sind, zu erkennen; doch liegt der Stein mit der betreffenden Fläche gegen den Boden. Der erstangeführte Stein endlich, welcher jetzt für eine VVeinpresse zugearbeitet, in seinen Kan- ten aber intact ist, zeigt aul der bei seiner gegenwärtigen Lage nach oben gekehrten Fläche bloss zvsei Löcher an der ei- nen längeren Kante, welche ich nicht mit Sicherheit als Klam- merlöcher zu bezeichnen mich getraue; von der entgegenge- setzten Lagerfläche liess sich nichts sehen. Aus der geschil- derten Beschaffenheit dieser drei Blöcke geht hervor, dass dieselben bestimmt waren, oben ein stufenförmig zurücktre- tendes Glied aufzunehmen, als welches sich nach den Maassen die beiden Inschriftblöcke eroeben. Wird die Breite des er- höhten Randes, welcher für die jetzt am Boden liegende Flä- che des als VVeinpresse dienenden Steines gleichfalls voraus- gesetzt werden kann und den ich an den anderen beiden mit 0,06 und 0,065 mass, von 0,94 abgezogen, so stimmt diess auf das Genaueste mit der 0,80 betragenden Breite der In- schriftblöcke. Ein Gleiches gilt von der Länge, die bei den Inschriftblöcken zusammen 2,53 beträgt, da der Saum an der 0,94 messenden Seite des oben an dritter Stelle angeführten Blockes etwas breiter ist als an den beiden anderen. Dei" eben genannte Block, welcher an der angeführten Seite eine geglät- tete Stossfläche aufweist, wird sonach an der entoeo-enaresetz-

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ten, jetzt verstossenen Seite überhaupt keinen erhöhten Saum gehabt haben.

KUENSTLERINSCHRIFT AUS MEGARA 147

Das Bathron muss aber noch weitere Glieder gehabt haben. Daraufweisen zwei Blöcke, von denen der eine mit den Maas- sen 0,3(>X0,91 XO,64 bei den früher bntrachtelcn liegt; der- selbe hat oben einen nur 0,01 (S breiten vertieften Band (Schlag) und seine linke Stossflüche ist als Anschlusslläche mit geglät- tetem Rand gearbeitet. Der andere Block, welcher im Hause des Penkos verbaut ist, ist zerbrochen; seine Höhe mass ich mit 0,35, was der der vier anderen wol gleichkömmt. Wie nach diesen -Stücken, zu denen nach den mir gemachten Angaben noch andere in der Nachbarschaft verschleppte hinzuzufügen sein dürften, die weitere Beconstruction des Ganzen vorzu- nehmen ist, muss einer Nachprüfung von fachmännischer Seite vorbehalten bleiben, von welcher sich auch für die an- geführten Steine eine Ergänzung der obigen Angaben erwar- ten lässt^ Doch führen schon die betrachteten Umstände, welche ein mindestens zweistufiges und in dem obersten Gliede 2,53X0,80 messendes Bathron ergeben, auf eine Stif- tung von ansehnlicher Grösse.

Den Künstler, von welchem dieselbe herrührte, lehrt die Inschrift kennen, welche die beiden oberen Blöcke des Ba- throns in symmetrischer Anordnung einnimmt, und welche das nebenstehende Facsimile (S.148) in ^5 der wirklichen Grös- se reproduciert. Zwischen ihr und dem Rande bleibt links ein Raum von 0,255, rechts von 0,24 frei.

' Hier sei noch bemerkt, dass der erwäiinte fragmentierte Block von 0,36 Höhe auf der unleren Lagerfläche, d. i. jener, welcher der den erhöhten Rand tragenden entgegengesetzt ist, in analoger Weise wie die Inschrift- blöcke eine viereckige, 0,06 tiefe und in Länge und Breite 0,27X0,28 mes- sende Vertiefung hat, welche von der einen glatt gearbeiteten Seite vou 0,93 Länge 0,15, von der anstossenden, gleichfalls glatt gearbeiteten, 0,90 langen, 0,06 absteht. Auf der anderen Seite von 0,93 waren auf dieser La- gerfläche zwei Löcher wie die zu dem modern zugerichteten Block erwähn- ten angebracht, von denen, da die eine Ecke des Steines fehlt, nur eines er- halten ist. Zusammen mit den genannten liegt auch ein Block von bläu- lichem Marmor (0,27X0,88X0,70) mit allseits rauh gehaltenen Flächen welcher wol schwerlich zugehörig ist.

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KUENSTLERINSCHRIFT AUS MEGARA 149

Während ich für (h'ii als Stifter genannten Theramenes eine Identification nicht vorzunehmen vermao;, scheint mir die des Lysi[)!)r)s mit dem bcrülimten sikyonischen Künstler nicht be- zweit'eil werden zu dürfen. Zwar überrascht zunächst der Schriftcharakter, den man von vorne herein geneigt sein wird, einer späteren Zeit zuzuweisen, und die Anwendung des Im- perfects eizoUi. Indessen haben, was Ersteres betrifft, eine Reihe von Tatsachen, die erst in der aihirjüngsten Zeit be- kannt geworden sind, schrittweise für die Chronologie Lysipps und seiner Schule zu einer Herabrückung geführt, wonach es möglich wird, die Tätigkeit des Künstlers später, als bisher angenommen wurde, beginnen und sich bis hart an das Ende des vierten Jahrhunderts erstrecken zu lassend Damit ver- mindern sich aber zugleich, wie ich glaube, die paläographi sehen Bedenken in erheblichem Maasse.Dass die üebertragung der an attischen Inschriften gewonnenen Anschauungen üher die für die verschiedenen Perioden charakteristischen Schrift- formen auf Inscliriften anderweitiger Provenienz nicht ohne Weiteres statthaft sei, steht lange fest. Doch bieten aus dem Kreise der Künstlerinschriften die attischen n. 83 und 104, welche zum Teile sogar noch um ein Beträchtliches älter sein können als die vorliegende Inschrift, Analogien, deren Ge- wicht durch die in der megarischen Inschrift erscheinenden Grundformen des P mit durchgehends un verlängertem liori- zontalbalken und des 5 mit der verticalen Mittelhaste ver- stärkt wird, während beispielsweise die böotische Inschrift des Lysipp (n. 93) und sogar die des Praxiteles von gleicher Provenienz (n. 76) die Form Z ohne senkrechten Strich auf- weisen. Ich glaube sonach, dass eine Ansetzung der megari- schen Inschrift am Ende des vierten Jahrhunderts durchaus zulässig ist, und kann ein Hindernis dafür in der allerdings

' Vgl. Inscliriften griechischer Bildhauer n. 93. 94. 487 mit Zusätzen für Lysipp; n. 120 f. ni. Nachlr. für Tisikrales; n. 135 « . \db^ und im Nach- trag n. 135"= , ferner 154, k. l für Xenokratcs, endlich Nachtrag n. 103« ,

150 KUENSTLERINSCHRIFT AUS MEGARA

ganz vereinzelten Anwendung; des Imperfeetums ' im Verbum nicht erblicken. Vielmehr erscheint mir dös Vorkommen die- ser Form in einer Inschrift, die man nach der Schrift doch nicht wesentlich unter das dritte Jahrhundert hinabriicken wiii-de, dafür lehrreich, wie bedenklich es bei derartigen Dingen rein formaler Natur ist, selbst aus einem reichlich imd aus- nahmslos belegten Gebrauche bindende Regeln gewinnen zu wollen. Denn für das Imperfect in einer Bildhauerinschrift des griechischen Festlandes finden sich, von den archaischen Inschriften natürlich abgesehen, bisher die frühesten Analo- gien erst in der Kaiserzeit-. Soweit lässt sich die Inschrift aber keinesfalls herabrücken, vielmehr wird für dieselbe ein ungewöhnlicher, individueller Gebrauch zu statuieren sein, den man aber gerade einem Künstler wmc Lysipp gerne zumu- ten mag.

Dass Lysipp für Megara tätig war, wird von Pausanias be- zeugt, w^elcher daselbst eine Gruppe des Zeus mit Musen von ihm erwähnt (1 43, 6) : y.ai sv xw vaw tt^yigiov MouTac -m1 5^aV/co'jv Ata ettoi-ots Auaiimro?; vorher werden die Tempel der Aphrodite und der Tyche angeführt. Auf eine Gruppe von mehreren Figuren weisen die Dimensionen des Bathrons hin, und auch in der VVidmungsinschrift sehe ich kein Hindernis für eine etwaige Identität, da die von Pausanias genannte Gruppe gleichfalls bloss ein Weihgeschenk gewesen sein kann. Doch muss ich mich bei dem Fehlen sonstiger Indicien und dem Stande unserer Kenlnis von der Topographie des alten Megara mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, dass das erhal- tene Bathron zu dem von Pausanias gesehenen Werke des Ly- sipp gehöre, bescheiden.

E. LOEWY.

' Vgl. darüber Brunn Sitzungsberichle der bayrischen Akademie 1880 8. 485 (Bildhaucrinschrirten S. 349). ' Bildhaueiinschriflen zu n. 243.

Numismatisclie Beiträge.

(Vgl. MiUli. IX S. 354.)

3. Die solonische Münzreform. Die Veränderung, welche So- Ion mil der athenischen Münze vornahm, gieht, je nach dem Standpunkt, zu drei Fragen Veranlassung: Erstens, worin bestand thatsächlich die von dem Gesetzgeber in dem Münz- wesen der Stadt eingeführte Neuerung; zweitens^ wie ver- hielt sich der von demselben eingeführte Münzfuss zu den älteren in und ausserhalb Athens geltenden Währungen; drittens, welchen Grund hat Solon gehabt die Währung zu ändern. Die anliquarische Frage ist von Böckh in endgülti- ofer Weise beantwortet worden. Solon hat den Metallwerth der Münzen um beiläufig 27 p. C. herabgesetzt, während er den Nominalwerth unverändert Hess. Auf die Lösung der zweiten, der metrologischen Frage ist viel Gelehrsamkeit und Scharfsinn verwandt worden, bis sie neuerdings durch Im- hoof-Blume:- auf Grund der numismatischen Denkmäler in einfacher und überzeugender Weise entschieden worden ist. Der von Solon eingeführte Münzfuss ist derselbe, nach wel- chem in den Städten Euboeas damals noch geprägt wurde und der darum den Namen des Euboeischen führt; dass die in Athen vorausgegangene Währung die aeginaeische gewe- sen sei, hatte man schon früher erkannt. Die historische Frage ist bisher oar nicht formiilirt worden- Die Antwort auf die- selbe schien zugleich mit der üeberlieferung über die Münz- reform gegeben zu sein. Nach der Darstellung Androtions

152 NUMISMATISCHE BEITRAEGE

hatte Solon den Münzfuss herabgesetzt, um das Volk von der Schuldenlast zu befreien, unter der es seufzte (Plut. SoL 15), Die in schwerem Gelde contrahirten Schulden seien in leich- tem Geld zurückgezahlt, gleichzeitig der Zinsfuss ermassigt worden. Entspricht diese Darstellung den Thatsachen, wie Boeckh u. A. geglaubt haben, so ist in der That die Frage, aus welchem Grunde Solon die Währung in Athen geändert habe, im voraus entschieden.

Aber die Auffassung, welche die Seisaclithie durch die V^er- änderung der Münzwährnng erklärt, war weder die einzige im Alterthum noch auch die verbreitetste. Die Meisten von denen, welche darüber berichteten, unter ihnen Philochoros, waren der Ansicht, Solon habe Kraft der ihm verliehenen Vollmachten einen allgemeinen Schuldenerlass angeordnet, die bestehenden Schuld vertrage für null und nichtig erklärt. Dieser Ansicht hat sich Plutarch angeschlossen. Er führt die Verse an, in denen sich Solon rühmt, Attika von den Pfand- säulen befreit und die der Schuldknechtschaft Verfallenen er- löst zu haben, und bemerkt sehr richtig, dass damit Andro- tions Darstellung nicht übereinstimme. Beschränkte sich die Seisachthie auf eine Ermässisruno; der Zinsen und eine Herab- Setzung des Capitales in der angegebenen Höhe, so mochten diejenigen Schuldner, welche Hab und Gut verpfändet hat- ten, hoffen sich im Laufe der Zeit, wenn ihnen das Glück günstig war, emporzuarbeiten; der grossen Zahl derer, welche nichts als den Leib hatten einsetzen können und in Knecht- schaft gerathen waren, blieb selbst diese Hoffnung versagt. Damit lassen sich Solons Aeusserungen über den Erfolg sei- ner Wirksamkeit schlechterdings nicht vereinigen, auch wenn man zugeben will, dass die Aufregung des Volkes durch die Aussichten auf eine ungewisse Zukunft hätte beschwichtigt werden können. Die Seisachthie, die Stellung, welche Solon nach derselben eingenommen hat, lassen sich nur verstehen unter der Voraussetzung eines Schuldenerlasses; für die Aen- derung des Münzfusses muss der Gesetzgeber andere Gründe

NUMISMATISCHE BEITRAEGE 153

gehabt liab'ii'. Um diese zu ciktMiicn ist es nölhig zunächst einen Blick aui* die Geschichte des iii-icchisclicu Münzwesens zu werfen.

Das älteste sichere Factum aus der Geschichte des Münz- wesens des griechischen Mutterlandes ist das Nebeneinander- bestehen zweier Währungen, welche, bezeichnend genug, nach zwei Inseln genannt sind, die seit den frühesten Zeiten als Mittelpunkte der SchifTfahrt und des Handels genannt wer- den. Von diesen Währungen herrscht die aeginaeische auf dem grössten Theil des Festlandes, soweit dasselbe Münzen schlägt, und auf den Kykladen Kreta einbegriffen, während die eu- boeische auf die Slädte dieser Insel und auf Korinth beschränkt ist. Wie Münzfunde beweisen, circulirte im sechsten Jahr- hundert das Geld der verschiedenen Städte, welche nach dem- selben System j)räglen, unterschiedslos nebeneinander-^. Grie- chenland zerfiel auf diese Weise in zwei freilich sehr imglei- che Münz- und— als nothwendige Folge hiervon— Handels- gebiete, und die Veränderung, welche Solon mit der attischen Münze vornahm, lief darauf hinaus, dass Athen von dem einen

< Dass die Seisachthie ohne Schuldenerlass nicht begreiflich ist, wird heute wohl von den Meisten zugegeben, nur über die Ausdehnung des letz- teren divergiren die Meinungen. Grote und Duncker wollen ihn auf gewisse ICalegorien von Schuldnern beschränkt wissen, beide aus dem ausgesproche- nen Grunde, weil bei einem allgemeinen Schuldenerlass Solon keine Ver- anlassung gehabt haben würde den Münzfuss herabzusetzen (Grote Gesch. Griechen!. II S. 81 Duncker Gesch. des Alterth. IV 1857 S. 180 Anm. 3).

2 Ueber Funde aus dem euboeischen Münzgebiet vgl. Milth.IX S.358. Für das aeginaeische Gebiet wird die Thatsache illustriert durch den merkwürdi- gen Münzfund von Santorin aus dem J. 1821, welchen M^ Warwick Worth kürzlich durch seinen dankenswerthen Aufsatz in Num. Chron. IV 8.26911". der Vergessenheit entzogen hat. Der Fund von Santorin enthielt 760 Mün- zen, die sich auf 13 verschiedene Prägstätten vertheilen. Von diesen 13 Gc- prägen gehören zehn, die grosse Masse der Münzen, der aeginaeischon Wäh- rung an, während drei, die nur durch ganz wenige wohl durch Zufall in den Fund gekommene (im Ganzen sechs) Exemplare vertreten sind, das klein- asiatische Gewicht haben. Merkwürdig ist das häulige Vorkommen des Del- phins als Haupt- oder Nebentypus auf Münzen aeginaeischer Währung ver- schiedener Prägstätten.

154 NUMISMATISCHE BEITRAEGE

Gebiet zu dem anderen überging. Die für ihn bestimmenden Gründe müssen speciell handelspolitischer Natur gewesen sein, denn an sich war kein Grund, die eine Währung der anderen vorzuziehen; wohl aber war der aeginaeische Fuss am weitesten verbreitet und Athen auch durch seine Lage mehr auf diesen angewiesen als auf den euboeischen.

Die Neuordnung der Münze, Maasse und Gewichte bildete einen Theil des Landrechtes, welches Solon aufsetzte, in der Absicht eine Wiederkehr des momentan überwundenen Nolh- standes in der Zukunft unmöglich zu machen imd Athen in die Bahn des Fortschrittes und der Entwickelung hinüberzu- leiten, um dieses Ziel zu erreichen musste unter Anderem der Volkswohlstand gehoben werden, dadurch dass der Erwerbs- thätigkeit neue Hülfsquellen eröffnet wurden. Athen war bis dahin vorwiegend ein ackerbautreibender Staat gewesen, wäh- rend die Bodenbeschaffenheit und Lage des Landes die Be- wohner auf Industrie und Handel anwiesen. Die Tendenz den Gewerbsbetrieb zu heben tritt in den erhaltenen üeberresten der solonischen Gesetza;ebuno; klar zu Taoe und ist schon im Alterthum als vorhanden erkannt worden. Aber damit war es nicht gethan. Für die für den Export bestimmten Manufacte und Producte des Landes musste ein Absatzgebiet gefunden werden. Athen hatte sich an dem Aufschwung, den in Ver- binduno; mit der Colonisation der griechische Handel seit dem achten Jahrhundert genommen hatte, nicht betheiligt. Seine nächsten Nachbarn im saronischen Busen hatten es überflü- gelt. Der Handel nach dem Ponlusgebiet einerseits, den Küstenlandschaften des syrisch - aegyptischen Meeres ande- rerseits war in den Händen der Meffarer und Aeo;ineten, die sich mit den kleinasiatischen Emporien in die Vortheile des- selben theilten^Es lag am wenigsten im Interesse von Aegina

' Dass Megara vor Athen den Getreidehandel zwischen den Pontoslän- dern und Griechenlaiul vermittelt und diesem Mandel seinen frühen Wohl- stand verdankt hat, ist eine wahrscheinlich richtige Vermuthuiig von H. Droyseij (Alhcii und der Westen S. 41 f). Für die Richtung des Handels

NUMISMATISCHE BEITRAEGE 155

und Megara, Athen, dessen I{i\alitat sie in joder Beziehung zu fürchten hatten, den Kintritt in den Welthandel zu er- leichtern. Solon musste seine Blicke nach einer andern Seite wenden, wenn er ein Ahsatzgehict lur die von ihm ^M!j)flegte attische Industrie suchte. Seit etwas mehr als hundert Jahren hatten die Stammgenossen der Athener die Chalkidier begonnen im Norden die Halhinsel Chalkidike, im Westen die sicilische Küste zu colonisiren und dadurch dem griecliischen Handel zwei neue Gebiete gewonnen, deren hauptsächlichste Producle, Getreide und Bauholz, gerade diejenigen waren, deren Athen für die Einfuhr am Meisten bedurfte. Den Chalkidiern waren in beiden Landschaften die Korinthier auf dem Fusse gefolgt; die Gemeinsamkeit der Handelsbeziehungen hatte in den auf dem gleichen Fusse basirten Münzwährungen ihren Ausdruck ge- funden. Auf denselben Fiiss sind die ältesten Münzen der Städte Siciliens und der Chalkidike, welche bis jelzt bekannt geworden sind, ausgebracht ; diese Münzen scheinen nicht lange vor dem Anfang des fünften Jahrhunderts geschlagen zu sein, aber es unterliegt keinem Zweifel, dass von den Anfän- gen der Prägung an in den chalkidischen Colonien die eu- boeische Währung Geltung gehabt hat*. Wenn man sich alle

der Aegiiieten ist es bezeichnend, dass Aegina die einzige Stadt des grie- chischen Mutterlandes ist, die im sechsten Jahrhundert eine Factorei im Nildelta angelegt hat. Es ist zu hofren, dass die neuerdings an der Stelle des alten Naukratis gemachten Funde (vgl. M"" Reginaid Stuart Poole in The Academy 1885 Ö. 391) auch über den griechisch -aegyptischen Mandel Auf- klärung bringen werden.

^ Ich bin im Text Imboof- Blumer gefolgt, der in dem in den chalki- dischen Colonien Siciliens geprägten Silberstück von 5, 90 80 Drittel des Tetradrachmon euboeischer Währung erkennt, welche um des Ausgleichs mit dem aeginaeischen Gelde Willen ausgegeben worden sind [Le sysieme monüaire euboicjue S. 4 f.). Wie Imhoof-Blumer nachgewiesen hat, sind ähnliche Ausgleichsversuche fast überall gemacht worden, wo der euboei- sche Fuss gegolten hat: ganz natürlich, da die euböische Währung in Be- zug auf die Verbreitung sowohl hinter der aeginaeischen wie hinter der kleinasiatischen weit zurückstand Historisch lässt sich das Münzsystem der sicilischen Städte nur unter jener Voraussetzung verstehen. Nicht ohne Grund setzte Boeckh in den chalkidischen Colonien die euböische Wäh-

456 NUMISMATISCHE BEITRAEGE

diese Dinge versjeorenwärtio-i : die wirthschaftliehen Zustände Athens und die Tendenz der neuen Gesetzgebung, die allge- meine Handelslage und das Verhältniss der Geld- und Wäh- rungsfrage zu derselben, so wird man, scheint mir, auf den Schlnss geführt, dass Snlon den Münzfuss in Athen geändert und statt der aeginaeischen die euboeische Währung einsre- führt hat in der Absicht, dadurch Athen den Anschlussan das chalkidisch - korinthische Handelsgebiet zu eröffnen.

Dass das makedonische Küstenland und Sicilien seit dem fünften Jahrhundert für den athenischen Handel von zuneh- mender Bedeutung gewesen und dass selbst die Geschicke der Stadt wiederholt hierdurch beeinflusst worden sind, ist bekannt und braucht hier nur erwähnt zu werden. Auch da- rüber ist man einverstanden, dass der athenische Kaufmann in Sicilien und Italien den chalkidischen und korinthischen verdrängt hat. Aber über die Anfänge der attischen Handels im Westen sind wir zur Zeit noch im Dunkel, welches nur durch sorgfältige Beobachtung der in Italien imd namentlich in Sicilien gemachten Gräberfimde gelichtet werden kann. Fragt man, welche Artikel Athen im sechsten Jahrhundert ausführen konnte, so werden die Fabricate der xepau.ei? und ya\y.Hc und Olivenöl zu nennen sein, welches letztere damals in Italien wenn überhaupt so doch gewiss nur in kleinen Quantitäten producirt wurde und dessen Ausfuhr Solon, sehr bezeichnend für die hier berührten Fragen, ausdrücklich frei gegeben hatte. Von diesen Artikeln gewähren nur die Thon- waaren die Möglichkeit chronologischer Fixirungen, wegen der bekannten Sitte der Gräberausstattunor. Nach dem Urtheil Kundiger lässt sich der Import attischer Thongefässe in Sici-

rung voraus, al)er dadurcli, dass er das c'ilberstück von 5,90 für die euboei- sche Drachme hielt, gerieth er auf Abwege. Man hat dann angenommen, dass an der Nordostküste von Sicilien Anfangs die aeginaeische Wäh- rung gegolten habe, welche später durch die von Solon in Athen einge- führte ersetzt worden sei. Ich überlasse dem I^eser die Unwahrscheinlich- keilen, um nicht zu sagen Unmöglichkeiten zu erwägen, an denen djese Vorstellung leidet.

NUMISMATISCHE BEITRAEGE 157

lien bis in das Ende des sechsten Jahrhunderts zurückverfol- gen ^ Auf ältere Schichten scheint man wenigstens in dem Gebiet der chalkidischen Städte bisher überhaupt nicht ge- stossen zu sein; dass Hoffnung vorhanden ist die lAicke aus- gefüllt zu sehen, lehren die neuerdings in der Nekropole del Fusco bei Syrakus gemachton ihrer Zusammensetzung nach noch nicht hinlänglich bekannten Funde. Die Geschichte des antiken Geldwesens und die Geschichte des antiken Handels hängen eng zusammen; in demselben Maasse, in welchem das eine der beiden Gebiete aufgeklärt wird, wird das andere Licht erhalten.

ULRICH koehli:r.

' C. Robert bei H. Droysen a. a. O. S. 34.

Ein bemaltes Grab aus Tanagra.

Vor Kurzem ist in der Nekropole von Tanagra ein Grab ge- funden worden, das wegen seiner Ausschmückung durch Ma- lerei ein besonderes Interesse beanspruchen kann. Leider ist es bei der Auffindung seines Inhaltes heimlich beraubt, und die Anlage selbst zerstört worden, so dass ich über jenen gar nichts erfahren konnte, während sich die letzlere nur aus den erhaltenen Bruchstücken einigermassen reconstruiren lässt. Diese Bruchstücke, vier theilweise zerschlagene Porosplatten von bedeutender Grösse, sind durch die Fürsorge des Aufse- hers der Tanagräischen Allerthümer nach Skimatari gebracht worden, wo ich sie kürzlich im Hof bei dem Hause des Auf- sehers gesehen und die nachstehenden Notizen aufgenommen habe.

Die vier Platten bestehen aus weisslichem, weichem Porös, haben alle gleiche Dicke von 0,15 0,16'" und gleiche Höhe von 0,83", zwei Platten, ursprünglich die Langseiten des Grabes waren über 2™ lang, während die Länge der beiden andern nur ca. 0,80™ misst.Von dem Boden und von der Be- deckung des Grabes ist nichts erhalten. Alle Platten sind nur auf je einer Breitseite sorgfältig geglättet und zwar waren die geglätteten Seiten ursprünglich nach Innen gewendet. Die Schmalseiten rechts und links sind nämlich bei allen Platten im Winkel von 45° abgeschrägt, so dass über die frühere Zusammensetzung kein Zweifel obwalten kann. Die seitlichen Ränder der geglätteten Innenseiten sind ganz wenig vorgebo- gen, die Ecken des Grabes waren also ursprünglich etwas ge- rundet. Da von Aussen gegen die rauh gelassenen Rückseiten

EIN HEMALTKS GHAU AUS TANAGIU 159

Erde angeschüttet war, bediifflen die IMatlcti keines \'erban- des. Der durch sie iimfriedigtc Kaum halle eine Länge von genau 2,00'" bei 0,73'" BreiU;.

Das Grab aehörl also zu dvv \oii Lollin'r bei Kekule Grie- chische Thonliguren aus Tanagra S. 11 unter No. 4 und von Haussoullier in der Dissertation Quomodo se/mlcra Tanagraei decoraverinl S. 65 ff. unter IV 2 beschriebenen Galtung. Auch die Abmessungen des Grabes stimmen mit den Dimensionen dervon Haussoullier aufgeführten anderen Beispiele überein.

Während sich bei früher bekannten Gräbern gleicher An- lage nur ein L'eberzug der Innenseite mit rother Farbe, bei einigen wenigen auch schwarze und rothe Ornamente vorge- funden haben, waren die geglällelen Innentlächen der oben beschriebenen Platten durch bunte Zeichnungen geschmückt, von denen sich bedeutende Reste erhalten haben. Die Bilder sind direcl auf die geglättete weissliche Fläche des Sleines aufgetragen soviel ich sehen konnte ohne vorherige Grundi- rung mit weissem Gips, wie sie bei den von Haussoullier a. a. 0. S. B(i beschriebenen Gräbern vorkommt. Von Farben unterscheidet man Schwarz, Grau, ein helleres imd ein dunk- leres Roth (Rolhbraun), Gelb und Braun. Sie sind in Wasser nicht löslich also vermuthlich enkaustisch aufgetragen. In der bekannten Dicäarch von Messene zugeschriebenen Beschrei- bung von Tanagra wird die Sitte der Bewohner erwähnt, en- kaustische Gemälde als Anatheme öffentlich aufzustellen:

Fragm. hist. Craec. II S. 257 : ■/) ttö'X'-? tot? tojv oi>ciwv Trpo-

öupoic -y^ai ey/caup-aTiv ävaO'/][j-aTi,x.oT? x.x'X'Xi(7Ta. -/.o(.Tiny.vjixnfj.vjri (vgl. Haussoullier S. 34). Die Zeichnung ist ganz frei von jeder alterthümlichen Steifheit, theilweise skizzenhaft und flüchtig. Der Versuch perspectivisch darzustellen unverkennbar, wenn- gleich nicht ganz gelungen. Der Maler hat dunkelrothe und schwarze Linien zur Schattengebung verwendet. Man wird deshalb die Entstehung des Grabes in ziemlich späte Zeit set- zen müssen (drittes Jahrhundert v. Chr.?).

Zwischen 0,05 und 0,15'" vom oberen Rande der Platten ist ein breiter Ornamentstreifen in Form einer Guirlande

^60 EIN BEMALTES GRAB AUS TANAGRA

gemalt, die sich ursprünglich ununterbrochen und stets mit der gleichen Richtung der Blätter nach links auf allen vier Seiten des Grabes herumzog. Die einzelnen Blätter oder klei- nen Zweige (vielleicht sollen es Tannenzweige sein) sind mit schwarzer Farbe sehr flüchtig gemalt und nur stellenweise wohlerhalten. Doch erkennt man deutlich dass das Gewinde auf jeder Schmalseite je ein Mal, auf den Langseiten je zwei Mal mit einem breiten rothen Bande doppelt umschlungen dargestellt war.

Nicht bloss am besten erhalten, sondern wohl auch ur- sprünglich am sorgfältigsten ausgeführt ist die Darstellung auf der einen Schmalseite .4. Die Platte selbst ist leider in vier Stücke zerschlagen. Man sieht hier links Kopf und Brust ei- nes Pferdes im Profil nach links gewendet. Die Kopflänge misst 0,30'°, für Hintertheil und Beine reichte der Platz nicht aus; die untere Hälfte der Brust war indessen ausgeführt und ist jetzt nur zerstört. Mit hellem Roth ist der Kopf ganzgrun- dirt, der Aussen-Contour, die '^gespitzten" Ohren, Auge, Maul, das einfache Zaumzeug und die Mähnen, die letzteren in einzelnen von einander gelösten Strängen, sowie endlich der Contour der Schultermuskeln sind mit dunkelem Roth, die Nüstern mit Schwarz eingetragen. Die Zeichnung ist na- turgetreu und lebendig. Rechts von dem Nacken des Pferdes ist ein Wehrgehänge dargestellt, das Schwiert mit gelbem Griff in rother, auf beiden Seiten geschweifter Scheide, und lose darumgelegt der gleichfalls rolhe Gurt, der wie eine Schlinge von der Guirlande herabhängt. Mit dunklerem Roth ist die Parierstange hervorgehoben und am unteren Rand der Schwertscheide eine Schattenlinie gezogen, sowie auch der Schatten angegeben, den die vor der Scheide her gehende Hälfte des Gurtes auf erstere wirft, während die andere Hälfte des Gurtes, die hinter der Scheide liegt und von der Innen- seite sichtbar wird, ganz mit dunklerem Roth übermalt ist.

Die andere Schmalseite B nimmt das Bild eines aufrecht stehenden Webstuhles ein, trotz der mangelhaften Erhal- tung (links u. unten unvollständig) und der auf die Haupt-

EIN nEMALTKS GHAU AUS TANAGHA !€»<

theile beschränkten Darstelhinf]; unverkennbar. An zwei star- ken, senkrecht aiif^epdanzten Hölzern, den iGxÖTzo^t^ oder )C£- ■XeovTe?, ist ein horizontales Querholz von gleicher Dicke an- gebracht, auf dem der gtouwv, die Keihe der senkreclit lau- fenden Fäden, 16-18 an Zahl, aufgespannt sind. Weiteres De- tail ist weggelassen oder nicht erhaltend Die Farbe ist roth- braun in hellerer und dunklerer Schatliriing. Die Breite des Querholzes oben beträgt 0,41'", die Höhe lässt sich nicht mehr bestimmen.

Weit schwieriger wahrzunehmen und zu verstehen sind die Zeichnungen auf den beiden Langseiten des Grabes. Nicht bloss ist hier die Erhaltung sehr viel schlechter, sondern die Ausführung scheint ursprünglich auch weit flüchtiger gewe- sen zu sein, wie namentlich bei Seite A. Welche von den bei- den Platten rechts und welche links von A angebracht war, ist nicht mehr zu entscheiden. Beide sind in zwei Stücke ge- brochen.

Auf der einen, C, glaubte ich eine Landschaft zu erken- nen. Ganz links sieht man in perspectivischer Zeichnung ein kleines Haus mit flachem Dach. Die Thüre, die fast die ganze Vorderseite einnimmt, scheint halbgeöfl'net. Die Thürumrah- mung und die Ränder der rechten Seitenfläche des kleinen Baues sind gelb^ das Mittelfeld jener Fläche schwarz, die Thüre selbst hellroth und das Innere neben der Thür dunkel- roth gemalt. Das Häuschen hat etwa ein Drittel Plattenhöhe. Es folgt rechts davon ein zeltartiger Bau gleichfalls in uncor- rekter perspectivischer Ansicht. Das hohe Dach ist durch rothbraune in eine schwarze, abgestumpfte Spitze zusammen- laufende Linien auf hellrothem Grund angegeben, breite dun- kelrothe Streifen bezeichnen die Ecken des Baues, auf der rechts sichtbaren Schmalseite erkennt man ein schwarzes Feld,

' Ungleich vollkommener ist die Darstellung eines stehenden Webstuh- les dieser Art auf dem belcannten Skyphos aus Chiusi mit Odysseebildern, Monumenti IX T. 42; vgl. Conze Ann. 1872 S. 190 Ü'., Blümner Technologie und Terminologie I S. 356 ff.

MITTH. D. AROH. INST. X. 1 1

46ä EIN BEMALTES GRAB AUS TANAGRA

das die Thüre vorstellen könnte. Das ganze Gebäude hat etwa halbe Plallenliöhe. Ungefähr die Mitte der Platte nimmt ein Palmbaum ein, dessen Aeste durch sechs geschweifte rothe Linien angedeutet sind. Er hat nur ein Drittel Plattenhölie, ist aber soweit in die Höhe gerückt, dass seine Spitze die Guir- lande berührt: es ist nicht mit Sicherheit zu erkennen, ob der Maler sich den Baum weit im Hinlergrund oder auf einem Hügel stehend dachte, vermutlilich das Erstere.Vor der Palme, den Stamm verdeckend, haben sich schwache Reste eines dem erstgenannten kleinen Häuschen ähnlichen Baues erhalten. Weiter rechts, jenseits des Bruches, der die Platte in zwei ungleiche Hälften trennt, bemerkt man einen länglichen Ge- genstand, der Aehnlichkeit hat mit einem Kasten oder Troo-, wieder perspectivisch in brauner Farbe gemalt. Auf ihm steht ein grosses halbkugeiförmiges Gefäss (rolhbraun). Farbspu- ren über dem Gefäss lassen vermuthen, dass hier ein Brun- nen daroestellt war. Endlich "lanz rechts erkennt man wie- der deutlich einen Palmbaum mit gekrümmtem Stamm (roth- braun) und geschweiften Aesten (in Hellroth). Er steht mehr im Vordergrund wie der andere Baum und der Brunnen und hat ungefähr halbe Plattenhöhe.

Die vierte Langsei Le Ü endlich ist mit emer Anzahl von Geräthschaf ten geschmückt, deren Erklärung mir indes- sen nicht «reluno-en ist. Sie haben alle etwa halbe Plattenhöhe. Man erkennt von links nach rechts: l. Ein kleines Fässchen in horizontaler Lage, oben an der Stelle des Spundloches mit einem Eiuguss. Es ist mit fünf (oder mehr?) Binden umwun- den, deren wellenförmige Enden Irei herabhäugen. Das Fäss- chen selbst ist grau, die Binden sind schwarz, der Einguss und die gegen die Gesetze der Perspective beide sichtbaren Schmalseiten des Fässchens sind roth gemalt. Ein Gefäss von der gleichen Form trägt der die Leiter hinabsteigende Jüng- ling auf der Fieoronischeii Cista. 2. Zwei symmetrisch zu einander von einem kleinen horizontalen Stab herabhängende Büschel ans rothen und schwarzen Strängen, wie zwei Spinn- rocken gelormt, 3- Ungefähr die Mitte der Platte einneh-

EIN BEMALTES GRAB AUS TANA6BA ^63

mend ein grosser gelbgemaller Kreis oder Iting, der an einem in Kolh angegebenen Zapfen oder Nagel aufgeliängl selieint. Von seinem nnlersten liogen liängen 7-8 schwarze rollibraune und hellrolhe Bänder (?) herab, deren leiden in die Höhe ge- bogen sind. 4. Jenseils des Bruches, der die IMalle D in zwei ungleiche Hälften theilt, erkennt man nalie dem rechten Plattenrand einen Onij)halos - ähnlichen Gegenstand, von hell- rothen doppelten Linien umzogen und geschmückt durch ur- sprünglich etwa sechs horizontale Streifen, die von rothbrau- nen Linien eingefassl und mit einem netzartigen Ornament von schrägen sieh kreuzenden Strichen in gleicher Farbe aus- gefüllt sind. -5. In der Ecke rechts oben hängt ein schwarz gemalter Kranz an der Gniriande.

Die beiden diii-ch sorgfältigere Ausführung der Malerei be- vorzugten, ursprunglich sich gegenüberliegenden Schmalsei- ten .1 und ß sind auch in der Decoralion als Gegenstücke be- handelt: hier Boss und Schwert, dort der Webstuhl; unzwei- deutiger konnte der Hinweis auf Mann und Frau kaum aus- gesprochen werden'. Von aussen waren die Bilder niemals sichtbar. Nicht um ein ehrenvolles Gedäclilniss an die Ver- storbenen bei den Ueberlebenden wachzuhalten, sind sie an den Wänden des engen Grabes angebracht worden, sondern nur an die Todten ist dabei gedacht. Nichts Passenderes konnte man dazu wählen, als die Gegenstände, die diesen im Leben der grösste Stolz und die grösste Freude waren.

Anderseits ist aber auch die Aehnlichkeit der Bilder auf

' Üass die Tanagräcr Gräber dieser Gattung niclit bloss für einen einzi- gen Todten beslinunl waren, sondern auch als Familiengräber gebraucht wurden, würde sich aus dem von HaussouUier a. a. 0. S. 66 unter 3 milgelheilten Fundbcrichl eines mit vier Inschriftsteinen bedeckten Grabes ergeben, wenn als sicher angenommen werden könnte (was aus den Wor- ten von HaussouUier nicht hervorgeht), dass die Inschriflsteine, von denen drei Fraueuiiamen tragen, wirklich zu dem betrelTciiden Grabe gehören und nicht voll andern Gräbern genommen und hier bloss als Baumaterial verwendet sind. In dem Abschnitt S. 76 § 2 von Ilaussoullier's Schrift ver- misst man eine Bemerkung darüber, ob dem Verfasser Gräber mit Ueber- reslen von mehreren Todlen bekannt geworden sind.

164 EIN BEMALTES GRAB AUS TANAGRA

Seite A mit den Darstellungen von Ross und Waffen auf Grab- reliefs, namenllicli auf den sogenannten Todtenmahlen un- verkennbar. Hier, auf den Grabgemälden, lässl die Gegen- überstellung von Ross und Waffen mit dem Webstuhl keinen Zweifel über die Anschauung, die der Wahl dieser Gegen- stände zum Schmuck des Grabes zu Grunde liegt. So wird denn wohl auch dort, bei den Grabreliefs, die Voraussetzung der gleichen Anschauung, die in dem Ross das Streitross des Mannes sieht, das er im Leben geritten, in dem Schwert seine Waffe, die er im Leben getragen, den Vorzug verdienen vor der in neurer Zeit oft wiederholten Auffassung des Pferdes als das dem heroisirten Todten als solchem zukommende At- tribut^

ERNST FABRICIÜS.

^ Vf?l- besonders Furlwüiigler, Millh. VII S. 165 f. und die Zusammen- stcllunf,' der verschiedenen Ansichten über das l^ferd auf Grabreliefs bei Gardner, Journal of Hell. Sludies V. S. 114.

Inscliriflen aus Syrien.

Herr D"" Paul Schroeder, Deutscher Reichs-Consul in Bei- rut, übersandte mir vor einigen Wochen die folgenden In- schriften aus Beirut und Umgegend :

1). Im Herbst 1884 wurde in Beirut, oder in der Nähe, bei dem Aufgraben der Fundamente für einen Neubau an der Damascus- Chaussee eine Steinplatte gefunden, welche nach dem Abklatsch M. 0,45 h. und M. 0,54 breit ist; dieselbe besteht aus einem vertieften Viereck (0,33x0,42) mit einem erhöhten Rahmen. Im Viereck in starkem Relief ein mäch- tiges fascinum, welches an einem Bande eine Glocke trägt, etwa wie ein Kameel oder anderes Thier; mit diesem fasci- num sind noch zwei andere von kleineren Dimensionen ver- bunden.

Auf dem erhöhten Rande oben folgende Inschrift:

TTATAZIBAZKANOS darunter schon im Viereck :

K A I 2 Y 2). Grabsäulc mit hohem Piedestal im Serail zu Beirut; soll aus Tartus [Antaradus bez. Marathus) stammen. Copie.

MArNAXPHCTH K A I A AOinEXAlPE

ZHCAEAETHM0I ETEAEYTA3T

üeber die Ruinen von Der-el-qal 'a, woher die folgen- den Inschriften stammen, sehe man Texier Architecture By- zantine S. 86 ff. und Renan's Mission en Phenicie 353-358. Aus dem Schreiben des Herrn D'' Schröder setze ich folgende Stellen hierher:

**Die Ruinen sind sehr erheblich und durch die Colossa-

166

INSCHRIFTEN AUS SYRIEN

lität der jetzt wirr durcheinander liegenden Steinblöcke im- posant; die Einwohner des benachbarten grossen Dorfes Beit-Meri (Vileggiatur der Beirutiner, ca. 800 M. über dem Meere) holen grosse Quadern aus diesen Ruinen zum Bau ih- rer Häuser; man braucht nur 1-2 Fuss tief zu graben und zieht die schönsten Blöcke, bisweilen mit Inschriften, heraus. Hier müssen ausser dem grossen Tempel des Ba'al Marqod noch andere Tempel und grossartige Tempel gestanden ha- ben.—Bei meiner Excursion nach Der-el-qaPa habeich auch einen Plan des Tempels des Balmarqod aufgenommen; er lässt sich ziemlich leicht reconstruiren, obgleich die Kloster- räume und die Kapelle theihveise in die Fundamente des Tem- pels hineingebaut sind. Die Steinblöcke der Grundmauern, die noch vollständig mehrere Meter hoch erhalten sind, sind von enormen Dimensionen, and die vier noch aufrecht ste- henden monolithen Säulen (a, b, c, d), colossaler als die Säu- len von Baalbek, haben einen unglaublichen Umfang. Vor der Westfacade des Tempels standen zwei Säulenreihen zu je vier Säulen Die Tempelcella war c. 30 M. 1. und 17 M. br." (bei Texier a. a. 0. auch ein Grundriss).

Auf den in diesem Tempel verehrten Baal bezieht sich na- mentlich die folgende Inschrift, die sich auf dem in zwei

INSCHRIFTEN AUS SYRIEN 167

Stücke zerbrochenem Piodestal einer broncenen Ammonstatne befand:

M. 'O/.TXO'jio; "D^apo; sü^xasvo? ävsOo/cy. 0-ep nuiXTipiv.:; K. . . . E'jT'jyfoO; y.xi -ex.vtov.

y.xl ySk'h ao'j, ^ETTrora, vjv 'lüpo-j'

Gol o(.)v xveOvT/.a

TYi'XoOsv sx. v^TOio 'Pofio'j zi/'fy.Gu.y. tvoOivov "At;.7,{ovo; xepaoO y^iV/ceov «.VTiT'jTrov , "^rpoyeovTa ßpoxoi; IspoSpoaov uStop.

So dCirfte wolil auf Grund dei" vorlietienden Abschriften zu lesen sein, die nameiiliicli in KAYCCOY nicht /Aue [[xjou Z. 2 übereinstimmen; aus der Zeichnung bei Texier [und Saulcv^ <?eht ferner liervor dass vor Trpo/lovTa Nichts fehlt; man lluit also der freien Versilication Zwang an, wenn man darin regelrechte Hexameter und Pentameter sucht.

Die Aolleren sahen in Baimarcos eine Nebenform von Baal Melqart, wesshalb Franz Ba'Xaap/.w[6] corrigirle; llenan da- gegen und AA. fassten es mit grosser Wahrscheinlichkeit als üebersetzung des daneben siehenden -/toipave /.ä)[Acov, indem ra- qad im Flebräischen und Syrischen ''springen" ''tanzen" be- deutet. Die Correctur Ba'X[xap/.o)[0] erweist sich übrigens schon durch die lateinischen Inschriften (C. /. L. III 155: Jovi Bal- marcodi; Henzen 5617 u. s. w.) als unbegründet. Auf diesen Baal beziehen sich folgende Inschriften :

3). "In unmittelbarer Nähe des Klosters liegen einige Steine mit fragmentirten Inschriften, die nach Angabe der Mönche erst seit einigen Jahren ausgegraben sind, sie wurden in den Fundamenten des Tempels gefunden". Dies sind ausser die- ser N" noch N" 4 und 5. Abklatsch. 0,3 1-0,32 b.

G E N 2 D C Gen. Do[m.

B Ä L M Ä R C Balmarc[od ....

r "^ I M i«j I G. Vinni[us etc.

Z. 3 hat die handschriftliche Copie Herrn D"" Schröders CO Slh»KSI.

168 INSCHRIFTEN AUS SYRIEN

4). ''Fragment eines Altars; es scheint, dass die Inschrift nur aus vier Zeilen bestand ; die Inschrift ist 0,29 h., 0,21 b.; die ganze Breite des Altars scheint 0,50 betragen zu haben ".

P V R I PROSA ET S V C

Vielleicht der Schluss von N" 3. 5). M. 0,30 h., 0,27 br.

I O M I Tl - I V L E V H E L P I S T V

J. 0. M. [B] Ti. Jul. Euhelpistu[s].

6). 'Mn Bet Meri" schreibt Hr. D'" S. ''sah ich vordem Hause des Herrn Alphons Nakkasch zwischen Bausteinen, die verarbeitet werden sollten, drei Steine mit lateinischen Inschriften, lauter schwer leserliche Bruchstücke; dieselben sind aus Der-el-qala verschleppt, wo sie zusammen mit der Inschrift McUri Matutae gefunden wurden " (s. u. N** 8).

Herr D"" Schröder theilt folgende Copie mit:

ERIORVMSVORVMET SENTIAEMVSAEVXORIS V L - A S -

pro saliUe sua et lib]er[t]oru7n suorum et Sentiae Musae uxoris V. l. a. s.

7). Aus Der-el-qala, jetzt in Privatbesitz in Beirut. Herr Vice-Consul Loytved theilLe mir folgenden Abklatsch mit (H. 0,78, Br. 0,32):

INSCHRIFTEN AUS SYRIEN 1G9

\ Y P I UU I e I K]up(6> [r]£[v-

N Ä I UU B Ä A vaio) liaX-

M Ä P K UU A I aapxtoSi

T U) K A I M H T(ji >cai M-n-

5 rPINKATA y^i^ /caTÖt

K A 6 Y c I N xaeuaiv

0 e O Y A Oeou 'A-

P e M 0 H I p£(i.07ii-

N O Y M A voO Mot-

to z I M O C ^ipt.0?

e Y X A P I C T eüj^api^TT-

UU N A N E wv äv£-

0 H K A e-oKa.

Aus diesem Texte lernen wir zwei oder drei neue Bezeicli- nungcn des Gottes liennen; die Worte K-jpio? yEwato; Ba'Xp.ap- xtl)? stecken auch vielleicht im Anfano; der lat. Inschrift ohcn N" 3 Gen{naeo) l)o[m{inoj] Balmarc[odi u. s. w. und der Bei- name Mriypiv Z. */f, i" dem 7. 0. M. M. der Mummeius- In- schrift (Renan a a. 0. 350). Zweifelhaft ist, oh unter dem 6eö<; 'ApejxÖYiivo; Z. 7 f. wieder der Balinarcos zu verstehen ist. 'Ap£|xOioiv6? ist offenhar ein Ethnikon ahgeleitet von einem einheimischen Ortsnamen 'ApsfAÖy] oder ähnlich, der in der syrischen Onomatologie mehrfache Analoga hat (s. Gesenius Thes. L. Hebr. 11 1275 f., das 'Api[xaOa-;a Matth. 27, 57, 'Pa- [u^ixSteph. Byz. iii Mein. 'Pa[xaO£{;. 1 Makk. ll,3i); im llebr. hirämäh, st. cstr. rämat eine dem Götzendienst geweihte Höhe. 8). Auf meine Bitte fertigte Hr. D"" Schröder einen Ab- klatsch der von Mommsen in der Ephem. Epigr. im Aucla- rium zu C. /. L. unter 1332 nach Ganneau publicirten In- schrift an. H. ca. 0,50, Br. 0.55.

MATRI-MATVTAE FLÄVIÄ-T-FIL-NICOLÄIS SÄDDÄNE-L-ÄNTISTII- VETERIS- EXRESPONSO 5 D E I V N O N I S - AR Am FECIT.DEDICAVITQVE

170 INSCHRIFTEN AUS SYRIEN

Matri Matutae Flavia T. Filia Nicolais Saddane L. Antistii Ve- leris ex responso deae lunonis aram fecit dedicavitque.

Die Dealuno wohl identisch mit der Mater Matula kommt noch Eph. Ep. a, a. 0. N" 1331 als Juno Oricina, fer- ner eine Juno Regina bei Texier a. a. 0. S. 89, vgl. Renan a. a. 0. 358 vor, vgl. die Inschrift C. I. L. III 159: taberna OBMCATONVM /. 0. M. B. et Jimonis ßl. Jovis Sim . . ebenfalls aus Dör-el-qala- Hier überall ist sicher eine einhei- mische Gottheit die Ba altis, oder wie sie in einer lat. Inschrift heisst {Auctarium C- I. L. III in der Eph. Ep. Bd. II N" 675: Balti diae divinae et Diasuriae) die grosse syrische Göttin zu verstehen. Es bestätigt sich auch hierdurch Herrn D"" Schrö- ders Vermuthung, dass in Der-el-qala die Ruinen mehrerer Tempel von verschiedenen Gottheiten erhalten sind.

9). Ban'ias = Balajiae, vgl. Renan a. a. 0. 106-1 10. Mar- mor über der Thüre eines Hauses, h. 0,95, br.0,35. Abschrift.

THCBOYAHC

NTAANAPIN

AUUPUUANTIO

AHMHTPIOY 5 THCANTIAP

PeCBeYCANTI

Noe iotaton

\TOPA-CeiTUJ I e Z I A I UU N 10 eVCANTIAFO

CANTI-AEKA C A N T 1 0 I A O A M e N UU A e I HoeNTiYno

15 eUUCnAPATOi

TOKPATO P I

e T O Y N T I ^

' e Z I A I UU N

lOTHCiePAC 20 rXPITHCS

INSCHRIFTEN AUS SYRIEN 171

Zur Ergänzung vgl. die ganz älinliche Inschrift aus Banjas bei Renan a. a. 0. S. 108.

[Tov üttÖ] Tvi; ßouV?;; [<|/-/i(pi(TO£]vT[o(.] äv§p'.[a]vTa. . . . Swpw 'Av- ti6[you toö] Ar/y//iTpiO'j [TTpaT'oJyr/cavTi ap[^avTi 7r]p£<Jo£'jr?otvTi [rapk tÖ]v OeiOTaTOv [aÜTOx.pJi-ropa, 'j£',Tco[v/;<javT]i 1^ töitov .... eudavTi, (XYo[pavo[/."yi]<70tvTi, S£y.a[7rp(OT£'j](7avTi, <pi>.o[T£iaYi'7]a[/.£V(i>

aei, yiOevt'. OttÖ [tti? ttoT^Ieü); Trapa [a'jjxoxpxTopt, . . .

£TOijVTi . . . . £^ iSi(i)v[ . , . üJtto T7i; lEpa«;

10). Aus Bassa, zwischen Tyrus und Akka. Abklatsch (h. cir. 0,35 br. cir. 0,42) mitgetheilt von Herrn Loylved.

Oben : Zwei sich gegenüberstehende Widder, zwischen ih- nen ein Kreuz; darunter die folgende Inschrift:

fEniTOYENAOzr ZUUIAOYETPATHAc so\ KAI TOY0EOCEB£ TABAKjMAKAPIOY 5 K,A O I nUUNAAEA0^

_ 8

K,AKYAINnPEK TOnPIBATON

'EtTI TOij £vSo^(oTXTOu) ZcOlXou (TTpaT71>.(äT0'j) '/.cd TOU 9£0<T£b(e-

(TTXTO'j) TxSax.. (?) Ma-x.apiou x(ai) >.oi'n:wv äS£)^<p(o>v) x(at) 'AxuXi-

VOU 7rp(£cSuT£pOu) £X.[Ti(79r)] TrpiSoCTOV.

Das abgekürzte TaftaA; scheint irgend ein Amt zu bezeichnen.

Pßrä.

J. H. MORDTMANN.

Miscellen.

Mittheilungen des deutsehen Arch. Institutes, I S. 139-150. 255, 256. Ein griechisches Gesetz über Todtenbestattung.

Zeile 14-17 : t-1q Se ücTepx [-epijppaivsiv ttjv oikiyjv [sjXsüGepov 0a>.[>^o't(5i] TrpwTOv, sTueiTa [S Jvra x>.7v.

'AvTt7rapa€a>.wv xpö etcov outco (AETayeypafj'.f^.lvov utto tou exSoTOu TT]? sTTiypa^^? x. Ü. Koehler xeifAsvov Trpo; ttiv ev Tcapap- T7i[/.aTi /.£Cp(x*Xaioi? Ypx|Jt,[jLaGiv ä7V£i.x.6vi(nv auxou, v^ouacuv ev 'JTij^cd

16 OUTCO?"

nPftTONEPEITAA.Y<ftT..O..ITH

e'xpiva TuiOavov oti 6 'JTtj^o; outo; £t)(_£V wSs"

TrpÖTOv, ETreiTOC ^[e] ü[(j]ü)[7r(i)i] o . . ix'f] ci.^y.Tzrik''r\rsix^ ixiliGTa t6 toQ ';v£VTY])tocTOü (j;a>.pt.oö " pavTiet; [xe Ü(t- (Tü)7rcp xai )ca6api(T67)(jo[7.ai ".

'E(p£To; Se, laSciiv (xev j^otpTivov aTVOTUXtofxa xüv gtij^cov toutwv T'^; EX'.ypacpy];, äEeTX'ja; Ss xal auxöv xöv XtOov £7rt[j(,£\co<;, ettI [y.ev TOU ä7roTU7r(o{/.aTO?, utuo tou \\jjy^\i piiXiGTa to ©oi;, Gafpw? Su>tpiva To, l'^VTj TO'j TS >cai tou n xai äxapaiov to tt]? 3taTa>.ri^£a)? ß,

ETCI. TOU >.tOou ETTE^EßatCOCa T7)V XV Gty V 0) (71V .

OuTG); tjo^.f^ äv(xvTippv)T(i)(;" " TVEpippaivEiv ttiv otx(y;v E^EuÖEpov

BooHoTci TTpÖTOv, £r£'.Ta Se ütwxo) ". "Ey^ojxEv S7)"XaS'/i pocvTt(jj/.a xai

)ca9api(jaöv tyi; otxta? ("e-jttiv Se Siappavö'^ x,a6(xpyiv Eivai tviv ot-

xi'/iv ), xapaTr'Xvicia. TOt? xai a'/ii^-Epov Trap'Titxiv toT; -^pi'JTiavoi;

E'XXYim /.aTO, OpYi(jXi£uTix,rjV xapxSoGiv TE"Xoupi£voii;.

Ti 6 voOKOQ r\ vcrau.noQ (StOTi y,al outco ypacpETai) tt^? 71[J!.et£- pa? £7rtypa<prj? ; 'Api ßozdyri p\>nTixri^ y; xaTO. SouiSav £v TOv i\a€iS ({/a>.{Jt.(|» StjXouulevt) ; v^ vacanlq t) (jotfxij/uyo;, xaö' 'H(yy-

MISCKI.LEK 173

j(^iov, ap(i){/.aTi>töv dfidpaxor , ■'/) [i3cpSap6(p(i)vo; 'öp-cov iiarrCovpdra (j5(op,ati7Ti, /taToc Aio(j)copiSyiv, jt/a^Coy^ara majoranu), yiv ßa-xi- CjOVTEi; et; äyiaofia oi Yi[ji,£T£poi lepeic, paivo'jciv Y)[J!.a; te xai xa? oi- xia? 7i{x(ov Tupö; äyiaTixöv 5tat xaOotpiGu.ov ; IliOavcoi; toOto, to ^eu-

TEpOV.

'AXXa. ToC ;j.£v TroT^T^aTrXoo ßoTavi/COu *(7iT-/)tj.aT0? y) Xuci; äv-/;X.Ei o.'X'Xoi? äp[7-ooi(OT£poi; xpiTai;, ücp ' öSYiyoti; toi? äpyaioi? Aio(jx,opiS'(i xai n>.ivi(o etSt.xoi? TCEpi OgcotO'j ypx(]/a<jiv '. Ei; Yi[i.a; S' äpx.£t t) xapaT7ipv)C)^ OTi, av toO OawTrou t] TcpojTV) yvüXjTy) p.vEia uiirxpyri £V TTi ißpaüYi 'E^ödo), o)? ßE^aiot 6 rj^o'XiaaT-Ji? xat ejcSot-iti; toO Aio- (jÄopioo'j Ko'jpTio? HxpEyyeX, ävavTtppYiTw? TcpcoTviv )ta9apw? e'XXt)- VU71V TTEpl OctoTVOu [jLapTuptav E^oaev Tr,v ev t-?) tti; Kecj £Xiypa<p*?).

Stefanos N. APAroYMHS.

Terracottagruppe aus Tanagra.

(Vgl. oben S. 81 ff.)

Seit Kurzem befindet sich in der Sammlung der Archaeo- logischen Gesellschaft (n. 1698) eine Terracottagruppe aus Tanagra welche mit den von Marx oben S. 81 ff. besproche- nen Monumenten so nah verwandt ist dass es angemessen er- scheint hier eine kurze Beschreibung folgen zu lassen.

Auf einem Felsen sitzt eine Frau und blickt sinnend nieder auf ein Zwillingspaar, das zu ihren Füssen liegt. Der Kopf der Frau ist zur linken Schulter geneigt, die linke Hand zum

< Atoaxopioou r'. 30, 47 xai (j/dXia tou Snp^yyeX. OXtviou Hist. Nat. XIV 16 XX 1.5 xa'i ä.Xka.yoxi. Ntxavopou 0rjp. at. 872 xal «jy^dXia. "EtiiO; xa\ 'AOr,va^ou 0. 681 xal oaa Ttspl äpiapaxou Xe'yei 6 ©id^paaTo;. tlap« Bapva6a xat EuasSUi) ovo[xa Exo^pcxai oüoexs'pwi;, uawiuov, oGxw Se xa\ Xaxiviaxl und IlXtvtoo xat Maxepo{, apacvr/.ws Se j^rö xoCi laxpo'j K^Xaou. "Efo8o; IB ' 22. BaaiX. A'.33. Aeutx. IA'.4,6, 52. 'Apiö. r. 6, 18. lojavv. K")'. 22.— IlapaSaXE xat Littr6, Dict. de la laügue fr. £v Xe^Et hysope xat John Kitlo, The pictorial Bible, Exodus XII 22, ev xf) [xaxpa ar][ji£tojaEt ev fj 8t8aaxExat dxt Sta'^opo? xou xotvoö uaoi;iou 6 ev xot^ ävw ar]- [XEtwÖEtat XE[i.ay^ot? xi^; xe IlaXaia; xat xrj? Katvfji AtaOirjxr]? üawno? (iSpataxt ezou »j ezob). 'AXX' ö xoü il'a^^iJLOu;

174 MlSCELLEN'

Kinn erhoben, das auf den Spitzen der beiden ausgestreckten Finger (jetzt abgebrochen) leicht zu ruhen schien. Der rechte Arm liegt, in das Gewand gehüllt, im Schooss. Der Felssitz ist so hoch dass die Füsse den Boden nicht erreichen : frei- schwebend ist der rechte über den linken geschlagen. Der Peplos verhüllt den Unterkörper, ist hinten bis über den Na- cken in die Höhe gezogen und um den rechten Arm ge- schlungen, auch die Hand verhüllend, während er Brust und linken Arm frei lässl.Den Kopf bedeckt eine über dem Schei- tel in eine Spitze auslaufende Haube (ähnlich bei n. 6) aus der auf jeder Seite eine Locke hervorquillt und auf die Schul- ter herabfällt. Der Fels, dessen dünne Wände aus vielen Stü- cken wieder zusammengesetzt werden mussten, während die weibliche Figur fast unverletzt wai', ist hinten senkrecht ab- geschnitten und offen gelassen, vornen dagegen schliesst sich ein dimne Plinthe von annähernd dreieckiger Form an, auf der das ganz flache Bettchen mit den Zwillingen steht. Wie bei der auf Tafel IV 1 publicirten Terracotte haben beide Wickelkinder spitze Mützchen ; wie dort erscheint das eine (hier dasjenige links) grösser als das andere; endlich stimmt die Form des Bettchens aufs genauste überein. Farbspuren sind folgende zu bemerken: weisse Deckfarbe am Peplos und Kör- per der Frau und an den Wickelbändern des Kindes rechts; Rot an den Haaren der Frau und den Wickelbändern des Kin- des links; Blau am Boden, dem Band des ßetlchens und in schwachen Spuren an dem Fels. Die Höhe der ganzen Gruppe beträgt ungefähr 0,18.

FR. KOEPP.

Litteratur und Funde.

Herr Penrose hat die vor zwei Jahren begonaenen Untersuchungen an der Stelle des allen ülympieioiis in Athen (vgl. Millh. VIII S. 386) im vergangenen Monat wieder aufgenommen und zu Ende geführt. Schon seil mehreren Jahren ging die Archäologische Gesellschaft mit dem Plane um, im Norden der Stadt Athen zwischen der sog. TiuXrj xf]j äyopä«,

MISCELLEN <75

dem Thurm der Winde und dem sog. Gymnasium lladrians Aus- grabungen anzustellen, die Verhandlungen niil den Grundbcsilzern zogen sich jedoch in die Länge. Da brannte im vorigen Soiiimerder Bazar nieder, der in die Peribolusniauern des Gymnasiums hincdngebaul war.Uieser Unglücivsrali hat der Geseiischalt die Gelegenheil gegcbiMi ihren früheren Plan in weite- terem Umfang auszuführen; dieselbe hat seit einigen Tagen die Ausgrabun- gen an der Stelle des Bazars begonnen. Im Piraeus sticss man vor Kur- zem bei der Anlage einer Kahrslrasse, die längs der Üslseile des Hafens Zea nach den Zillerschen Häusern führt, auf alle Reste. Eine Untersuchung, welche die Arehaeulogische Gesellschaft anstellen Hess, hat ergeben, dass diese Reste von den alten ÖchiH'shäusern herrühren, welche sich landein- wärts bis über die moderne Strasse hinaus erstreckten und hier von einer Mauer abgeschlossen wurden. Die wahrscheinlich hölzernen Dächer der vEojcoixot wurden von runden Stützen aus piraeischem Stein gelragen, die in parallelen Reihen von der Rückwand abwärts nach dem Meere liefen. Reste dieser Säulen waren früher sichtbar und haben zu der irrigen Ver- mulhung Veranlassung gegeben, dass der Hafen Zea ringsum von einer Ilallenanlage umgeben gewesen sei. Die J^Vanzösische Schule gräbt seil einiger Zeil an der Stelle des IJeiligthums des Ptoischen Apoll bei dem Dorfe Kardilza im Boeotien, mit glücklichem Erfolge: eine grosse Anzahl von allerlhüiiilichen Skulpturen, Bronzen, Inschriften und Vasen- scherben siiul gefunden worden. Auf Kosten der K. Italienischen Regie- rung hat sich vor einigen Monaten Herr Ilalbherr nach Kreta begeben, um an der Stelle von Gortys weitere Nachforschungen nach archaischen Inschriften anzustellen.

'E'^r|jjL;p'.; äp/a'.oAOYi/.'i 1885 Heft I: II- Ka,6aota;, "E:ctYP*?*' '^ '^'^ '^ 'Erci- Saupix avaa/.X'^ojv. X. TaoJvia;, üi Tipo'.dioptxol zxzioi iv 'EXXäoi. II. Kaoo«- Si'a;, 'AyflcXfiaTa ex twv £v 'Eretoaupia «vaaxa^öiv (mit zwei Tafeln). X. Tcjojv- ■ca;, 'AyyctoniXaaTat 'AOrjvalot (mit einer Tafel). XlJjJLfjiixta: N. No6oaaÖTxrj, Wr\- <pta(Jia rpo^cvixöv i^ "Apyou;. T. Havta^tor);, IIcpl xuÜ 'l'TCEpTeXsaTou. A. 4>^- Xto;, T6 Tjapa Tr^v Ze'av sv Haipatel Oeatpov. 11. A. KojjJiavo'jor,;, "AvaYpaip»] nu- Xwpdiv ~T]; axpo~dXioj; 'AOr,vojv.

IJuUetin de corr. hell. 1885 Heft IV: Homolle, Note siir Irois tetes de mar' bre truuvces ä Delus ( mit zwei Tafeln). Reinach, Les arelalogues dans ian- tiquite. Latyschew, La cunslüulion de Chersonesos en Tauride. Daresle, La loi de Gorlyne, Iraduclion. Durbach, liiscviplions d'Aegosienes et de Pa- gae. Collignon, Miruir grec ä relief [mii einer Tafel). Paris u. HoUeaux, hucripliuns de Garie.

Sitzii ngsprotocolle .

Sitzung am lOteii December 1884 : Koe hier, über aegyptische Urkunden und grieehischo Tradition. Dörpfeld, über das älteste griechische Thea- ter.—Lo I li iig, über die Topographie der Doris (vgl. Mitth. IX S. 305).

i16 ÄilSCELLfiltf

Sitzung am 24sten December: Bohn, über die letzten Resultate der Aus- grabungen von Pergamon. Köhler, legt eine Mittheilung von Dragatsis über einen Stempel vor. Marx, über die Kratere aus Poggio-Somraavilla Mun. II 55, Jahn Arch. Beitr. Taf. V und VI.

Sitzung am 7len Januar 1885: Dörpfeld, über die Propyläen (vgl. oben S. 38). Dümrnler, über einige Caeretaner Vasen. P'abricius, über die Zeusgrotte am Ida (vgl. oben S. 59).

Sitzung vom 21sten Januar: Köhler, über zwei attische Todtenlisten. Mylonas, über einige neugefundene Inschriften. Lo Hing, über die Lage von Halonnesos.

Sitzung am 4ten Februar: Köhler, über attische Grenzsteine Lolling, über die Lage des Aninov 7i£Ö;'ov.

Sitzung am iSlen Februar: Köhler, über eine neue Aufnahme von Cons- tantinopel (Constantmople au moyen-äge. Relevi, topographique - - dresse par le Dr. A. Mordimami). Kabbadias, über eine Inschrift aus Epidauros. Koepp, über eine Darstellung der Gigantomachie in Rom. Dörpfeld, über die älteste griechische Dachconstruction.

Sitzung am 4ten März: Köhler, legt das Werk von Ü. Benndorf und G. Niemann, Reisen in Lykien und Karlen vor. Schliemann, legt die Tafeln seiner Publication über Tiryns vor. Köhler und Dörpfeld, über das choregische Monument des Nikias.

Sitzung am ISten März: Mylonas, über Inschriften aus Lakonien. Lolling, über die Lage der Städte der Molosser. Fabricius, über kre- tische Vasenfunde ältester Technik (s. unten).

Sitzung am Isten April: Köhler, über eine samische Inschrift (vgl. oben S. 32). Dumm 1er. über chalkidische Vasen.

Sitzung am 15ten April: Köhler, über den Ursprung des Gorgoneions (s. unten). Dörpfeld, über den Ursprung der Basiliken (vgl. Konr. Lange, Haus und Halle). Loewy, über eine Künstlerinschrift von der Akropolis.

Sitzung am 29sten April: Postolaka, legt Probender Tafeln griechi- scher Grabreliefs vor. Lolling, über die Lage von Aphelai. Köhler, über die solonische Münzreform (vgl. oben S. 151 ). Derselbe, legt Mün- zen bithynischer Städte vor.

Ernennungen.

Unter dem 2isten April 1885 sind zu ordentlichen Mitgliedern des Insti- tutes u. A. die Herren W. Dörpfeld, St. Dragoumis, H. Schliemann in Athen, E. Fabricius in Pergamon, B. Latischew in Petersburg; zu Correspondenten die Herren F. Kopp in Athen, A. Nikitsky a. Odessa z. Z. in Athen, lac. Dragatsis in Piraeus, P. Zerlentis in Syra, los. Chatzidakis in Heraklion in Kreta, F. Halbherr aus Roveredo z. Z. in Kreta ernannt worden.

(Juni 1885.)

Marmorgruppe aus Sparla.

(Taf. VI.)

Die staik vorsliiminellc Mariiior^ruppc, welche nach Gil- lieronschcn Zeichnungen ('/.^ der natürlichen Grösse) hier auf Tal'rl \l niilgeleill isi, wurde hei dem Dorfe Magula aus- gegi'al)en und befindet su h jelzl in dem Provincialmuseum zu Sparla. Höhe ü, iS'", Breite 0,28'". Das Material ist der lo- cale, blaugraue Marmor, wie es scheint, derselbe der sparta- nischen Kelief's Vermutungsweise ist dies seltsame Stück in dem Dressel-Milchhöferschen ('atalog der antiken Kunstwerke aus Sparla und Umgebung (Mittheilungen II 8.297) als Gruppe einer kinderniihrenden Frau bezeichnet und an die Spitze der archaischen Sculptuien gestellt worden. Sicherlich macht diese Gruppe, welche nach dem Gegenstand der Darstellung ganz vereinzelt dasteht, unter allen dort vorhandenen Denkmälern archaischer kunslübung von den Reliefs abgesehen nach der lechnik den am meisten altertümlichen Eindruck.

Wir erkennen eine völlig nackte Frau, an welche sich zu beiden Seiten je eine in kleineren Verhältnissen gearbeitete männliche Figui' eng anschmiegt. Betrachten wir zuerst die Mitlelligur der Gruppe. Nicht erlialten sind der Kopf und Hals, die Arme und Unlei'seheiikel von den Knieen ab; die linke Schulter ist völlig, die linke Brust bis auf einen kleinen liest weggebrocheu. Wie abgezirkelt heben sich die flachen Halbkugeln der Brii.sle, aui" widclien die Brustwarzen nicht angegeben sind, von dein vei'hällnissmässig breiten Brustkas- ten ab: in der Gegend der Weichen ist der Rumpf enger ein- geschnüi't und erweitei't sich wieder etwas weiter unten zur Bilduno- des Beckens. Der Leib ist ganz o;latt und flach, zeigt

MITTH. D. ABOH. INST. X. 12

nS MARMORGRUPPE AUS SPARTA

keinerlei Detail von Knochen orler Muskelbildung : nach un- ten, wo die besonders drall und iippiju hervortreUMidcn Ober- schenkel ansetz(^n, läuft derselbe dreieckifj; zu. Das /judeHdiitti nadiehre isL deutlich anffeoeben : nicht so der Nabel. Elwa.s obei'halb der Kniee trennen sich die fest aiieinander^eprcssten Übersehenkel wieder: zwischen b^'iden Knieeii ist, der Stein stehen a;eblieben. Das rechte Bein ist kurz über dem knie we"- o-eb röche n : das linke gerade bis auf das Knie erhalten, des- sen spitze Form man noch zur (iiMiiige erkennen kann. Aus letzterem [Imstande ist seh )n in deui Catalo2;e richtij^ £;e- schlossen worden, dass dasselbe ruckwärls i>ebeuo;t »ewesen sein muss. Der Hiimpf (vei'oi. die Seitenansicht) bildet tnitden Oberschenkeln einen stumpfen Winkel: auffallend ist die iin- verhältnissmässig grosse Tiefe des linislkastens (0, 1 .')'"), des Leibes und der Schenkel, welche sich daraus erklärt, dass der Künstler sich den für die Bildung i\{'V Seilenligureu u/iligeu Kautii sichern wollte. Die Einschnürung des Frnueuled)es über dem Becken in der Gegend der Hüften springt l»ei der Seitenansicht infolge des stark herxorspriugenden oberen Rü- ckens und des ebenso auffallend h_^rvorlrelenden Gesässes be- sonders in die Aiiaren. Die Rückseite ist loh behandelt: das Gesäss ohne jeglichen Spalt, das Rückgrat nur flüchtig durch eine Vertiefung angedeutet, die Oberschenkel unterhalb des Gesässes durch eine wenig tiefe llinue von einander getrennt. Wenden wir uns nunmehr zu der Betrachtung der beiden männlichen Seitenlignren, zuer.-il zu der den Proportionen nach grösseren Figur rechts vom Beschauer, von der nui' ^i'V linke Arm, ein Stück Leib mit dem Geschlechtsteil und dem Ansatz der Beine, und Aqv (lontur des oberen Rückens auf der (nicht gezeichneten) linken Seite der bereits beschriebe- nen Hauptligiir der Gruppe erhalten ist. Dieser (lontur des sonst völliii' zerstcirten Ol)erkör|)ers des ,JiiM2;liu2;s ^ welcluM- sich deutlich auf der linken Seite (\^^^ Frauenkörpers abhebt und besonders klar die l rnrisslinii-M des (d)L'i'en Rückens er-

' Der Beweis für die Iiiclilii,^ls.cil dieser Beiicinuniir erfüll weiter unten.

MARMORCRUPPE AUS SPARTA 179

kennen liisst, beweist znr Kvi<lenz, dass derselbe iriil dein (HK'i'l\("tr(K'i- etwas naeli vorwiirls bzw. seitwärts links geneigt lind niil seiner l>nisl eni; an die linke Seite der Frau ange- s(;htniegt war. Die liidve, geidl'nele Hand legt er auf den Un- terleib derselben: der Ellbogen isl an ilirer Hüfte leicht ge- kriimint, i\i'V Znsarnmenbang des Oberarms mit dem llnmpf des .Iniiglings an dw Aeliselliölile am Original so klar ersiclit- licdi, dass keinerlei Zweifel über die Zugeiiörigkeit des Armes anfkommen kann. Daraus folgt, dass der Gesclilecbtsteil ent- weder lals(dilu:li an die; linke llüite zu sitzen kam oder der Körper des Jünglings unnatürlich verrenkt dargestellt war. Man ei'wartet, dass derselbe den Uumpf der Frau mit beiden Händen und Armen von der Seite umfing, dass also sein rech- ter Arm auf dem Rücken der Miltelüi'ur zu liefen kam: da sich aber dort keinerlei Ansatzspur findet und die ganze Gruppe iiir di(! \ordei ansieht fraglos berechnet war, so mag derselbe einfach an seiner rechten Seite herabhänoend Gebildet <j;evve- sen sein. Der Künstler beabsichtigte der Gleichförmigkeit hal- ber auch diese Figur analog den beiden andern Figuren der Gruppe en face darzustellen, trotzdem dass durch die Lage des Körpers eine andere Stellung geboten war. Fr verrenkte desshalb den Obei'körper der .Jüno;linosliour so, dass der Ge- schlechtsteil en face zu stehen kam, woraus man sicherlich schliessen darf, dass auch der Kopf e/z /l2ce dargestellt und nicht etwa mit dem Angesicht in die Seliulter der Frau ver- graben war. Dem Gebrauch der archaischen Kunst entspricht dies durchaus.

Etwas mehr erhalten isl von der männlichen Figur links vom Beschauer. Dieselbe war, wie man schon aus der Ver- gleichung des rechten Arms mit dem linken quer über dem Leib der MitleÜigur liegenden Arm des vorherbesprochenen Jünglings ersehen kann, in um ein wenig kleineren Verhält- nissen gearbeitet: während sein Scheitel nur bis zur Mitte der rechten Brust der Frau heranreicht, muss der Kopf des an- dern die linke Brust derselben noch etwas überraart haben. Von seinem linken Bein, welches mit leicht gekrümmtem

180 MARMORGRUPPE AUS SPARTA

Knie vorgesetzt war, ist der obere Teil und der ganze (iOntur bis zum [üiüclu'i am Sclicukcl der Fi'.iii doiillich crki'iinhar : das rechte Standbein ist oberhalb d.-s Knies weggebroehen, Hüeivgrat und der Spalt im Gesäss sind sorgfältig angegeben, ebenso der Geschlechtsteil. So sehr auch der dicke Kopf und die Unterarme beslossen sind, so erkennt man doch deutlich die grossen Augen, die stumpfe, dreieckige Nase und diecha- racteristische Behandlung des Hars, das bis auf die Schullern herah-, am Halse keilförmig \or\valll und wie ringsherum abgeschnitten erscheint. L'eber dem Ohr s|)ringl eine einzelne Harpartie nach dem Auge zu vor'. Die Behandlung des Ha- res bestimmt uns die richtige Benennung der beiden Seitei.- figuren bezüglich des Lebensalters. I^s sind natürlich keine Kinder, aber auch keine Knaben, welche nach Lycurgs Vor- schrift £v /od) '/.v/.T.pu.vioi bis zum Eintritt ins Jünülingsaller einhergingen. Es sind die Jünglinge im E|)hel)eiialter, die sich x.o;j.wvT£?, im vollen, ofTenen Harschmiick, bis zum l']intritt ins Mannesalter trug-^n ', wie die jugendliclie von Loeschcke Zeus-Amphiaraos genannte männliche Figur der spartani- schen Basis, welche auch schon im C.alaloo- zur V erbleich iino; herangezogen ist. Deutlich sind ferner zwei Finger zu er- kennen, welche der Jüngling an die Li|)pen legt oder in den Mund steckt: ebenso ist sicher der rechte Arm gekrümmt und führt eben einen oder zwei Finger an (»der in den Mund. Es ist aber bei der Rohheit der Arbeit und dw schlechten Er- haltung gerade dieser Partie kaum zu bestimmen, (d) nur die rechte, oder ob beide Hände zum Munde geführt sind, ob der Jüngling die Finger nur auf die Lippen legt oder ob er sie in di'U Mund steckt: schliesslich könnte man in dieser Figur selbst einen die Doppelflöte blasenden Jüngling erkennen wollen. Indessen hat bei genauerer Betrachtung des Originals die An- sicht, welche teilweise auch im Calalog vei-treten ist, nämlich

' Ganz analof,^ auf der spartaiiisclicn Steh; am Ivopf des jugondliohoii " Aiii(jliiaiau.s". - Piularcli. Lycurg. 16. 22.

MARMORGRÜPPE AUS SPARTA 181

dass der Jiinglini!; je einen riniier dass es gerade der Daii- nieii sei, dalVir sprielil iiidils— |(' cinei' lland an (»der in den Mund Frdirl. am meisten W alir.scjicinlichkeil. Denn zw iselicn seinem i-cclilcn I nierarm und di-i- lliifie Arv Miiudfli^nr selieinl eben eine l']rli("»linnii aid" diMi liest des altu:(*s(osspnen linken Interarms Acs Jnnulini^s liinziiweisen, weJclier ii;l(!i(ddalls zum Mund iielidirl war. Wie die Fij^nren eines Hochreliefs sind die beiden SeilenliüMren aid' den Seileidliielien der Mil- f.elfifTiir heransii-earhi'ilel : nur das re(dile l»ein des znl(Uzl be- spmelienen J(ini2;Iinij;s muss vom Knie ab frei üjearbeilel gewe- sen sein, da sieb an dem woblerhaltenen rechten Schenkel der Frau keinerlei Ansatzspur zeigt. Aehulieh verhielt es sich wohl aiieli mit dem reeliteu Hein des grösseren der beiden, welches nach der IJingsrichtung des ('ontnrs seines Ilückens zu schliessen gleichfalls frei gearbeitet gewesen sein ninss.

Alles kommt darauf au zu bestimmen in welcher Weise man sich die Hau|)lligur i\v\' Darstellung ergänzt denken mnss. Auch die beiden Zeichnungen genügen darüber zum Schliiss zu kommen, wenngleich erst die Betrachtung des Ori- ginals oder eines Abi>(isses über die richtige AnlTassunü die- ser merkwürdigen Grup])e völlig überzeugen kann. Wir ha- ben auszugehen von der am besten erhaltenen d^A- drei Figu- ren, der zuletzt besjjrocheiien männlichen Seilenligur links vom Bes(Oiauer. Es unterliegt keinerlei Zweifel dass dieselbe stehend gebildet war, vitdieicht ein klein wenig nach vorn geneigt. Daraus ergiebt si(di, duss an dem unteren Ende der Mittelfigur gerade noch soviel fehlen muss, um die l iiter- schenkel und Füsse des Junglings richtig proportional ergän- zen zu kr»nnen, also nicht so sehr viel bis zur Basis: denn etwa anzunehmen, dass die mit dei- llauplUgur ans einem Stuck gearbeiteten Seitenliguren erhöbt auf gesonderten Basen gestanden hätten, wäre olTenbar verfehlt. Bringen wir den Körper des Jünglings in die richtige senkrechte l-.age, so steht auch i\y'v l\iimpt' (\i'\- Fimh scnivrechl, w ie wir es nicht anders erwarten dürfen : dieselbt; kann aber dann weder gesessen noch gestanden haben. Gestanden selbstverständlich nicht:

185 MARMORGRUPPE AUS SPARTA

der Rumpf bildet ja mit den Oberschenkeln einen stumpfen Winkel und wie das linke, spitze Knie andeutet, waren die Unterschenkel nach rückwärts gekrümmt, die Seitenfigiiren schwebten überdiess in der Luft. Sitzen ist aber ebenso un- möglich. Denn absresehen davon, dass man Stuhl und Frau zusammengearbeitet erwartete und an dem glatt bearbeiteten Gesäss keinerlei Ansatz erhalten ist, dass die Seitenfiguren auf erhöhten Bathren gestanden haben müssten, kann die Mittel- figur desshalb nie eine sitzende Stellung eingenommen haben, weil, wenn man dieselbe in der Tat auf das Gesäss setzt, sie selbst mit dem Jüngling unnatürlich hintenüberliegt : bringt man sie daaieoren in eine sjerade La2;e und denkt sich die Fi- gur da sie in der Tat infolge der Bearbeitung des Gesässes so nicht sitzen kann etwa hintenangelehnt und von en face gesehen sitzend gedacht, so bleibt abgesehen erstens von der gänzlichen ünzulässigkeit einer solchen Annahme und zwei- tens davon, dass der Winkel, den Rumpf und Oberschenkel bilden, zum Sitzen viel zu stumpf ist, immernoch die Schwie- rigkeit mit den rückwärts gekrümmten Unterschenkeln und den Seitenfiguren, welche wiederum nicht hätten, worauf sie stünden.

Offenbar führten Erwägungen ähnlichen Inhalts die Ver- fasser des Catalogs zu dem Resultat, dass die Frau sich in kauernder Stellung befunden haben muss, ohne diese Stel- lung näher zu beschreiben. Indessen stossen wir auch bei der Annahme einer kauernden Stellung jedweder Art auf diesel- ben Schwierigkeiten, wie bei der Annahme der sitzenden oder stehenden Lage, Schwierigkeiten, welche sich, wenn nicht alles täuscht, nur dann völlig lösen, wenn man die Mittelfi- gur als auf derselben Basis knieend auffasst. auf der die beiden Seitenfiauren stehen; in der Art ist die Gruppe in dem Holzschnitt hier im Text wenn auch wenig stilvoll ergänzt worden. Es erweist diese Erü-änzunj^ sicherlich die Richtis- keit der Auffassung besser als jede Argumentation-

MARMORGRUPPE AUS SPARTA

183

Die Auffassung der MilteUiiiiii' als kniende Frau hilft wei- ter zur Ausdeutuuii' der Gi'uppe und erklärt zugleich gut die Art ihrer Erhallunü; bezv\ . ihrer Zei'slöruno;. Mit der Basis aus einem Stück gearbeitet hing dir Hauptfigur mit derselben nur an der schiefen Bruchfläche an den Knieen (vgl. die Seiten- ansicht) zusammen: ebenso dienten die beiden teilweise frei gearbeiteten rechten Beine der Seitenfiguren, welche geti-ennt auf der Basis aufstanden, mit als Stütze für die schwere Last des Frauenkörpers. Die Ijeiden Arme der Frau müssen ent- weder wagreclit nach vornen oder senkrecht nacli aufwärts i^estreckt gewesen sein: weni<j;stens ist weder an ihrer wohl- erhalleneu rechten Seile noch an dem Jüngling daselbst die Ansatzspur eines Armes Norhanden. Kopf und Arme der Frau sowie die freigearl)eiteten Teile der Sei tenfigu reu waren zuerst der Zerstörung ausgesetzt: da ferner an der Stelle, wo die Mitlelfigur der Gruppe mit der Basis zusammenhing, der Stein eine verhältnissmässig nur gei-inge Dicke hat. so musste ebenda in den Kniekehlen der Frauenkörper mittelbar von der zuge- hörigen Basis, unmittelbar von den Unterschenkeln bei ge- walltätigen Finfli'issen \on aussen wegbrechen.

Was stellt dies mei-kwürdige Bildwerk dar? Mit der \ er- mutung es sei ein kindernährendes Weib werden wir uns

184 MARMORGRUPPE AUS SPARTA

doch nicht zufrieden geben. Gehen wir aus von der Hauptfi- gur der Gruppe, der nackten, knieenden Frau. In den Dar- stellungen der aegyptischen und indischen Kunstwerk;^ ist die knieende Slelluno- besonders bei Frauen sehr häufiff. Sie ist indessen mit dem Sitzen völlig gleichbedeutend: das Knieen ist nur eine andere A.rt des Sitzens. Auch Schutzflehende se- hen wir ebenso auf griechischen Kunstv^^erken in dieser Stellung das Erbarmen einer Gottheit oder eines Mächtigen anflehen. Von etwas derartigem kann bei unserer Darstellung nicht die Hede sein. Mit der nackten Frau. Vk'elche hinknieet und die Arme ausstreckt, geht irgend etwas vor, wobei die beiden männlichen Fisuren zur Seite helfend eingreifen, am unmittelbarsten und werktätigsten olTenbar die Figur rechts vom Beschauer, welche ihr den linken Arm auf den Unter- leib legt. Aber wir wissen auch von Götterbildern in knieen- der Stellung. In Aegina genossen hohe Verehrung die Schnitz- bilder der Damia und Auxesia. aus dem heiliaren Holze des attischen Oelbaums gefertigt. Die Tempellegende berichtete, beide Idole seien zusammen auf die Kniee o;efallen, als die Athener dieselben vor Alters gewaltsam wegnehmen wollten, und seien seitdem in dieser Stellung verharrt (Herod.V 82 ff). Sie waren ursprünglich von den Aegineten aus Epidauros ent- führt. Auch in Troezen wurden die Göttinnen verehrt. Ihr Cult war aus Kreta dort eingeführt und es wurde ihnen ein Fest AiöoSoT^ia genannt dort gefeiert, woraus sich die Sage ent- wickelt hatte, es seien kretische Mädchen gewesen welche vor Alters bei Gelegenheit eines Ständekampfes in der Stadt ge- steinigt worden waren (Paus. II 32, 2). In Aegina und Epi- dauros ehrte man die Göttinnen durch von Männern geführte Weiberchöre, welche nur die einheimischen Weiber, nicht die Männer in Spottliedern schmähten: auch sonst waren die Cullgebräuche den eleusinischen ähnlich (Herod. a. a. 0. Paus. II 30, 5). Warum beide Göttinnen knieend dargestellt waren, darüber giebt weder Herodot, der die Geschiciue von ihrem wunderbaren Kniefall wohl erzählt, aber nicht glaubt, noch Pausanias irgendwelche Auskunft. Wohl giebt aber letzterer

MARMOROniPPE AUS SPARTA 185

durch eine Nachricht über das (liillhild der KihMthyia in Te- gea (Um Schliissul zum Versliindniss der actfineLiscIien Knie- bihier. ''Aiicii von (h'i' l']ileilhyia" hi'iicIiUU er ^ Ili 1JS,5, ''li;i- ben die Tei:;('al('n auf dem Markte ein(Mi Tempel mil (irdler- biid. Sie nennen sie aber A-jy/; iv yova^j'.v, weil \iii;e als sie von iNanj)li()s wegi^elVilirl wurde, dort wo jetzt das IltMligtnm der l^leitbyia ist, auf die Kniee Del und so den kuabeii i^'e- bar". Wie wir aus dcv Foi-m di!r ae^inetiseiien Selmilzbildi'r auf ihre nrs|)rimgliche liech'ntnng seliliessen müssen, so müs- sen wir bei der Kileithyiastatne von Tegea aus ibrer Bedeu- tung und Benennung auf ihre Form scbliessen. Es kann keine Fi'a^e sein, dass die Teneaten ihr Fileithviabild nur (h^sshalb " Äuge auf den Knieen" benannten, weil ihr(! Geburtsgötlin wirklich ursprünglich den NanuMi Auge führle und wirklich aul'den Knieen liegend in ilirer (ailtstatue dari-estellt war, und ebenso khir ist, dass die Knidaurier Aei>inelen und Troezeniei' jene chlhonischen Göttinnen sich ursprünglich als gebärende Erdmütler in ihren Kniebildern vorslellten.WeIcker (Kl. Sehr. III S. 187 und andere nach ihm) geht zu weil indem er an- nimmt, dass Damia und Aiixesia wirklich ursprünglich (h^r Entbinduno; der Frauen vorstanden: aus der Ijeherlieferniii'- erhellt nur, dass es Göttinnen der Fruchtbarkeit und des Ge- deihens der Erdtrüchte waren, welche eben die Symbolik ur- alter Kiinsl Übung als Gebärerinnen auf den Knieen darstellte. Die knieende Stell unii' war die Slelluno; der kreissenden Frauen. Dieselbe war l'ur den Akt der Entbindung so charac- teristisch, dass man wie jene I^ileitliyia-Auge von Tegea so- gar männliche Gottheiten, welche den gebärenden Frauen in der Stunde der Niederkunft beistanden, in knieender Stellung darstellte. \ov der Cella der Minerva auf dem Capitol befan- den sich drei männlielie Kiiieligiiren. Entbindungsg(>lter, wie Paulus S. 17.) berichtet, welche den Kreissenden in ihren Wehen beistanden. Sie hiessen di nixi d.h. zurückübersetzt in die Sprache ihrer eigentlichen Heimat Hsoi sv yöva.Tiv ' .

' So wird (las Slernt)il(l :v ^ovaa'-v oder Eufjonasis bei Martian Capelle^

186 MARMORGRUPPE AUS SPARTA

Alis Griechenland sollten sie, nach einigen von M'. Aciliiis nach der Besiegiinfi des Antiochos, nach andern nach dem Fall von Corinth nach Kom oebracht worden sein (Fesliis S. 17 i). Am bekanntesten aber war die Niederkunft der knieen- den Leto auf Delos, wie sie der fiymn. Honi. in Apoll. Del. 116 ff. beschreibt:

£'JT ' £7:1 A-^lo'j sSaivs aoyoTTO/.o; Et'Xsiövia, Sr, TOTE T71V t6>co? eVkt, [;-£voiv/)a£v Sk T£>C£'jOai. ittipl Sk (poivt/.i ^xke Tz-'rij^si, yoOva o £p£t<7£v X£U7-wvi jxaXa/tC)' [jLetSr,c£ Sk yai' Ü7ü£v£pÖ£v.

£-/. S' £Oop£V TirpÖ (p6(i)cS£.

iJ.iss es bei mauclien Naiurvölkern Brauch war und jetzt noch Brauch ist in knieender Stelluno- zu gebärfn, hat VVelcker a. a. O. S. 190 au dem Beispiel der Kamlschadaiinnen und Abessinieriuneu aus Beiseberichten erwiesen: es verdient auch mitgeteilt zu werdeti, dass der Gymuasiarchos in Sparta versicherte, dass heule noch in Lakouien die Frauen aul dem Laude in dieser Slellune; entbuudcn werden '.

Mach der Analogie der Hau])tligur uusi-er Gruppe mit deu bes|)rocheneu Nachrichten ist dieselbe gewiss als kreissende Flau aufzufassen : die deutlichere Aüi»abi^ des sch\van<Jeren Leibes wii'd bei dev Vordei-ausicIiL niemand \ermissen oder bei der Seitenansicht in der auffallenden Tiefe des ganzen Frauenkörpers erkennen wollen. Anders wie die zahlreichen knieenden Frauen auf aegyptischen Denkmälein, welche mit dem Gesässaufden Lnterschenkeln fest aufsitzen, kniet iin-

VIII S. 838. 84U. H'i'2 Kupp mit iii.nis ühcisetzl Die nLin vvenieu aucli ei- wiiliiil tjei Nullius S. ')! u. eiit.rae. [Jbcv die Siulle Ovid. inelmn. 1X294 wei- ter uiilcn.

' Mclir Ijei vuii Siel)ul(l Gesell, il < iciiiirlsliiiHV I 8. 3U. l^luss Über die Lage und ölelluny der Frau wälireiid der (Icljurl bei verscliiedenen Völ- kern Leipz.1872. G. Eiigelmann Die Geburt bei den Urvöllceru Wien lS8i Letztere Schriften sind mir augenblicklich nicht zur Hand.

MARMORGRUPPE AUS SPARTA 187

sere spartanische Wöchnerin analog der Staliie von Mykonos [Monum. deW imtil. I U VVeIcker Kl. Sehr. III S.IHH). NNeh-he weder Leto wie Welker wollte^ nuch Ijlcilli via, .sondern am wahrscheinlichsten einlach eine zur Ijilhiiidiing nii'derknic;- eiide Frau darslelh ', w(!iL slrilci' iiiid i>cra(lcr. Non hildli- chen l)ar;>lelliinii,('n einer iMilhindniijj'sscene sind im lolj^enden einii;e zusammengestelll: ein einzij^es Monument, eine ägyp- tische Darstellung ans der Zeit der hetzten Ptolemäer auf der Ostwand der Cella zu Erment {Description d'Egypte A. vol. I pl. 96 Lepsius Denkmäler ans /Vegypten und Aethiopien Ab- theil. IV' B. I\ Blatt ()0) kommt für unsere Gruppe näher in Betracht. Die Wöchnerin liegt auf den Knieen, ebenso wie die vor ihr knieende Entbindungsgöttin, weiche das Neuge- borene aus dem Schos der Mutter zieht. Hinter ihr steht eine zweite weibliche Figur, welche mil der rechten Hand die Brust der eben Enibiindenen berührt, mit der linken die auf- wärts gestreckte linke Hand derselben fest nmfasst; dei' rechte Arm der Gebäi'erin ist gleichfalls nach aufwärts erhoben und fasst die rechte Schulter der hintei- ihr stellenden Wehmut- ter. Die übrigen Figuren der Darstelluna; kommen nicht wei- ter in Betracht.

Andre Darslellunoen "gleichen Inhalts zeigen uns den Akt der Entbindung, wie er sich in späterer Zeit nach den An- ordnungen (\i'v Hebammenkunst und der medicinischen Wis- senschaft zu v(»llzielien pflegte: so das Kalksteinrelief aus Golgoi der Sanimlnng (iCsnola (Doell, die Sammlung (lesnola Memoires de l'acad. de St. Petersbourg \^l'^ VII. Serie Tafel Vi t Cesnola Colleclion of Cypriote antiquities I Tafel lAVI), das Gemälde der ritnsthermen (Ve.stif/ia del/e terme dl Tito c loro interne pitture no. 17), das Kelief M//.s\ Pio Clem. W . 37, das Elfenbeinrelief der Palagischen Sammlum; in der Archaeol. Zeitung l(SH)Taf. \\\V||| u. a. Sie illustrieren gut die Vor- schriften des Soranus -spi yjva'./sior,' und des nach dem Werk des Soranus zusammen<Testellten Hid)ammenkatechismus des

' Anders Milchhöfer Mittlieiluiii-en 1879 S. ^6,

188 MARMORGRUPPE AUS SPARTA

Miiscio (Sorani gynaeciorum uetus translatio lieraiisgeg. v. Rose S. 21 ff. S. 2o() ff). Die äusserst rohe Terrakolte aus Dali oder l.arnaka bei Heiizey Tcrres cuites du Louvre Tf. 9 S. 7 ' wird erklärt durch die Anordiinni;- des Soranus S. 239 [lose: <j.r, y.cövTO: Ss toO ao.uoTi/.'j'j h'/oooj y,y.'. itzI u/riCfAz y'jvoor/.o; x.aOs- 'Cou.v^r,; i yJj-iz H'r/'XZT.i ysveriOai Gycy.y.z'.i'j.'i; x.t>.. S. 22 Sl llPro sella obsteiricalis non est, in forlis mulieris femora sedere dehel ut illic pariat. Die knieeiide Stfllimg bei der Niederkunft wird nur bei besonderen Fällen einpCohleii (S o57 Rose). So- ranus eifert gegen alle siiperstiliösen Gebräuche bei der Geburt: so gegen die V'orsclii'ift einiger, welche anordnen, die He- bamme müsse knieend ihre Hanlu-riingen verrichten (S. 239 Rose), ebens(t gegen die Anordnung die Kleider. Binden und Hare der Wöchnerin zu lösen aus einem andern als rein practischen Grunde (S. 240), beides \'üv uns wichtige Finger- zeige alter Symbolik. Die gelösten Hare der oben erwähnlen knieenden Slatue von Mykonos waren gleichermassen wie das gelöste Gewand (Oppian. Cynec. 1 190) lui- die Deutung auf eine kreissende zu verwerfen: schliesslich sei noch auf die Analogie dieser Knietigur mit den um den neugeborenen Pria- pos auf der Ära von Aquileia (Archaeol. L]pigi'. Mittheilungen aus Oesterreich I Tal*. \') beschäftigten knieenden Frauen und den Helferinnen auf den beiden Gemälden der Titusthermen {Vestigia delle terme di Tito no. 17 und l(i), welche gleichfalls das Gewand halb gelöst, die eine Brust nackt zeigen, kurz hin<j;e wiesen.

Die Richtigkeit der Auffassung iinsrer Gruppe als Darstel- lung einer Entbindung wird bestätigt durch die Betrachtung der männlichen Figur rechts vom Beschauer. Mit einer die VVichti2;keit dieser Gebärde in hfdiem Maasse veranschaiili- chenden Deutlichkeit legt dieselb' die geöffnete linke Hand auf den Unterleib der knieenden Frau, dicht über dem deut- lich ausgeprägten pudenduni mulivlire derselben Der bekannte Ver.s 6:70'j ti: xl^^v. /.j'.Oi /.7.'. ty;v /s'.:' v/n dient etwas modili-

' Audi abi?ebil(lRl bei Perrot-('tiipi('z IJisluirr de l'arl dans Vanti(jnüe \\\ S. .^54. .

MARMORGRUPPE AUS SPARTA

<89

eiert zur Erklürunjj^ auch dieses Gestus '. Der Kreissenden sieht ein männlicher (ichni'lsdacrnoii. jciicii di itixi vergleich- bar, zur Seile und siicIiL iiii- die Wehen zu (!i-leicJilern. Sora- nus 238 Hose ordnet ähnlich an : to-j? Se ttövou? jxev ttoiütov TY) Siä 6ep(/.ö>v -rdiv yetpwv Trpo'jacpYi ::pa'jv£iv; und S. 241 : veoii tÖv rjyx.ov £•/. -lavtwv 'j-r.psTu^s: i'7Tco'77.i ttoo; tO'j; /.xtoj tÖtto-j: TTpzw; ioiH'Xi-hicxy. was Muscio S. 2i interpretiert: A laleribiis uero ministrae sine (juassalioue manibus apertis /// deorsiun Uterum deducnnt. Da die Lage des rechten Anns nicht mehr mit Sicherheil zu ermitleln isl, so wird [uan sich mit dieser Erklärung bescheiden müssen : fände sich am Kücken der Mittelhgur ein Ansatz des zerstörten rechten Armes, so würde die besprochene SeilenMgur der Grup|)e die Frau in dei"sell)en Weise fest halten und stützen, wie die Eileitliyia-Thalna den kreissenden Zeus auf dem etruskischen Spiegel bei Gerhard Etrusk. Spiegel I Taf. ()(> und i\^'\' Gemme Archaeol. Zeit. 1849 Taf. Vn.

' Man vergleiclie die Terralvulle aus dem Louvre bei Pcriut-Chipiez His- tuire de l'art III S. 201: La inain droile s'appidc sitr le venire, äonl la saillie anormale semble indiquer un etat de grossesse, und die Lajje des rechten Arms der Gcburtslielferin auf der obeiicilierlen Ileuzejsclieu Terrakotte.

19Ö MARMOUGRCPPE AUd Sl'AKTA

Die Berührung des Leibes der Frau von Seilen der Golllieit bewirkt die L^nlbindimg '. Als Aphrodite, Ehefrau des Ado- nis geworden, ilire von Dionysos vor der \ erebelichung eni- pfangene Leibesfrucht in Lampsakos vernichten will, bewirkt die darüber ergriniinte Ehegöltin Hera ihre .Niederkunft da- durch, dass dieselbe y-cj^.ays'jy.evr, tY| /£ipi iori^'^-'O Tr,; yacxpö; aÜT'?;? /cai e-oi'/irrev ocÜtt/^ te/.jiv -xi^x ov Ilpirj-ov övo;j.a'7(i'?;va.t, xayTiif.o^ /.ai 7laop<pov /.tX. ^. Aeh.iüche Gebärden wie die be- sprochene kann man in jedeni geburlshiltlichen Alhis sehen. Schwieriger ist die Erkläi'iing der zweiten männlichen Fi- gur links vom Beschauer, welche mit beiden Händen je einen Finger an die Lippen legt oder in den Mund steckt und den obertläciilichen Beschaiiei' zuerst an Harpokrales erinnert. Es ist bekannt, dass die zahlreichen Darstellungen des Harpo- krales aus der römisch-alexandrinischen Epoche nur rein äusserlich in der Form mit dem ägyptischen " Horus als Kind " ^ zusammenhängen. Nach der allgemeinen Anschauung des Altertums dienten diese und ähnliche Figuien, welche bald weiblich, bald männlich, bald als Kind, bald erwachsen, bald einzeln, bald in Gruppen, mit dem Finger oder der Hand an oder auf dem Mund gebildet sind und keinesweers den Harpoki'atestypus genau nachbilden, zur Abwehr bösen Zau- bers jeder Art (O. Jahn Beri.chte d. sächs. Ges. d.Wissensch. 1855 S.47 Leironne Reime archeol. III Tf. 51 Gerhard Etrusk. Spiegel I Tf. 1'2). Inwieweit aber alle diese Atnulete, welche ursprünglich nur die Beslimmung haltenden bösartigen Ein- fluss abzuwehren, den man jedem unzeitigen Wort und omi- nösen Geräusch zuschrieb, wirklich von dem aegyptischen Harpokrales abhängig sind, inw ieweit dessen Eintreten in die

' Ovid. )nelam. X .jlü CuiuliLil ad rainus milis Lucina dolenie.s Adinuvil- que manus el ucrba pucrpvra di.rit.

2 So das Etijmul. Mann. ri. ?, LS, etwas verschieden davon, aber sicher aus derselben Quelle Sdiul. ApolUm. Rliod. I 932. Die Erzälilunj^' im E. M. bietet an mehreren Stellen die ricliligerc Lesung und zeigt allein logischen Zusammenhang in der Daistellung.

•■* Bunsen, Aegyptens Stellung in der Weltgeschichte I S. 505.

MAHMOUGRUPPK AUS SPAHtA 191

kiinst 1111(1 Sii|>('rslili()ii ilcv hcidcri antiken ViHker diiicli iiliii- liclii' (icstaltcii (K's lii'iiiiisclicii (ir»llci'i;laiil»'iis iiml Alx'i'i^lau- bens schon voilMTcilcl war, isl iiocli kcint'swcjis rcslsttdicnd. Weniü'slens niidil IVir dir üi'ircdii.sidie W t-ll. Dem llönnM- war dei' Gesttis dos llarpokaics niclils Neues. Kine Göllin (ler in- digitamenta, die sia(li>(liiiinrn(lf Aniicroiia war dargestellt tyrc ublif/ato ohsicjiKiloquc nach iMin. III (i.) : nach Ma('r(d». Mi i), i (lifji'to ad OS adinotd silciiliuiii dcmniluil. \elinlieln' (ioll- heiten nuissen die Tacila und Miita gewesen sein: dnreh Op- fer an die erslere fesselt man " fei ndseliij;e Zungen und un- freundliche ßlieke" nach Ovid. f'((sl . II ÖTO tf.

Dass ein rein iiusseriieher Zusauiuieuhauij; der l)es|)roelie- nen Figur luil, (l\ii\ aegypiischen llarpokrateshiidern besiehe, ist bei der Eigenarligkeit der Darslellung keinesfalls anzuneh- men : es ist aber Aiv Ti-age offen zu lassen, ob nicht au(di in der griechischen Welt, die abergläubische Anschauunu;, wel- che man späterhin auf die Harpokralesbilder übertrug, durch bildliche Darstcdlungen bereits früher einen Ausdruck gefun- den hatte. DtM' (iestiis drs Knaben uiuss auf alle Falle hoch- bedeutsam sein, ob er nun du! Finger nur au die Lippen legt oder in den Mund steckt: auf keinen Fall ist dies eine rein aenrehafte Darstellunu '. Wahrend otfenbar der .lunüjlinü rechts unmittelbar wciküitig in den Akt der l^^ntbindung ein- greift, fördert sein Zw illiugsbrndei' aiil' der andern Seile die schmerzvolle Arbeit du ich eiiufii heilkrüftigen Zauber, im Al- tertum bei Göltern und Mensehv'ii niidil gei'inger angeschla- gen als rein äusserliche Hilfieisluniien bei der Geburt, Durch einen zauberhaft wirkenden (Jestiis hält die Geburtsgöttin Hera selbst die Entbindung der s(diwer kreissenden Alkmene auf bei Ovid. metam. W 2*).") IT.

dextroque a ijoplite laeuom pressa (/emi dinitis inter sc pectine iunctis sustiimil iSixKS '. Tacita (jKoqiie carmina iioce dixit.

' Calalog Ö.297 : " fülirl beide Daumen zum Munde, um daran zu saugen". - Über diese Sehreibung \veiter unleu.

i92 MARMOHGRUPPE AUS SPARTA

Umgekehrt fördern die Eileilhyien, welche auf Vasenbil- dern bei Darstellungen der Athenaseburt den kreissenden Zeus umstehen, mehr maoisch durch die Gesten ihrer hoch- erhobenen Hände als durch sinnlich werktätiges Eingreifen den Akt der Geburt:^ erst spätere Darstellungen, wie die etruskischen und praenestinischen Spiegelzelchnungen ma- chen sie zu wirklich anfassenden, hantierenden Hebammen. Die Sympathiemitlel und symbolischen Handlungen, denen das Altertum eine Beschleunigung und Erleichterung der Geburt zuschrieb, einzeln aufzuzählen, ist unn()lig: es genüge zu ver- weisen auf Plin. XXVIII 3;]. 42. ;>9 Boetliger Kl. Sehr. I S. 80 VVelcker Kl. Sehr. III S. J'.)I. VX] und die Anmerkung Diltheys Archaeol. Epigr. Mittlieil. aus Oeslerr. II S. 50. Die mt'hrfach citierle medicinisch - oehurlshiiüliche Litteratur macht durch ihre Aufgeklärtheit in Bezug auf Superstition jeder Art einen äusserst wohllätigen Eindruck.

Ob nun die besprochene männliche Figur rechts von der Frau wirklich die Finger auf die Lippen legt um während der Entbindung jedes unzeitige oder gar bezaubernde Wort von aussen verstummen oder unschädlich zu machen, oder ob der Geslus sich auf die F()rderunc; der Geburt bezieht und eine lösende oder heilbi'ingende Bedeutung hatte, bleibe da- hingestellt. Heilbringendei' Geslen mit den Fingern, nicht al- lein mit dem diyitus salutaris, unserm "Daumen einschla- gen" {ijollkem premere Plin. XXVIII 25) vergleichbar, mag es ja im Altertum viele gegeben haben und für die letztere Autfassung spi'icht die Analogie mit der Geschichte von der Entbindung der Alkmene. Nach der Analogie der andern männlichen Figur rechts vom Beschauer erwartet man über- diess auch viel mehr, dass auch auf der andern Seite die schmerzvolle Entbindung selbst tatkräftig gefördert, als dass von aussen her kommendes ünlieil von der Kreissenden ab- gewendet werde. Zwar liesse sich auch für die erstere Auf- fassung einiges vorbringen: das Schweigen spielt in dem Aber-

< Weicker Kl. Sehr. III S. 191. l'J2. Elile ceramogr. I Ö. 185.

MARMORGRUPPE AUS SPARTA 193

glauben der Alten, in der Medicin (Plin. XXVIII (52), in der sparlanisclien äy^YY) und der dorischen Philosophie eine grosse Kolle : llo"XXoTc yxp ivOpcoTroiTi (pä.p[;.a.y.ov /.a/^.wv Siy'ö : doch sind die Gründe, welche l'iir die letztere sprechen, ent- schieden stichhaltiger'.

Wir haben also nine zur Entbindung niederknieende Frau vor uns, welchei* zwei hilfVeiche Dämonen denn für göttli- clie lielfer haben wir die beiden Seitenliguren gewiss zu hal- ten—in der schweren Stunde zur Seite stehen. Ist nun diese knieende, nackte Frau, äiinlicii der Eileithyia der Tegeaten und den griechischen di nixi auf dem Capitol, selbst eine Eileithvia, vielleicht das auf uns bekommene Cullbild aus einem der beiden Tempel der Göttin, welche Pausanias III 14, (i. 17, 1 erwähnt? Schwerlich. Es spricht dagegen die Dar- stellung als Gruppe und man ginge ferner in der Annahme religiöser Symbolik viel zu weit, wenn man sich die Geburts- göttin selbst von zwei andern Geburtsgöttern entbunden in der Weise dargestellt denken wollte. Es ist weit wahrschein- licher dass unsere Gruppe ein Weihgeschenk ist, für eine glückliche Entbindung den beiden hilfreichen, jugendlichen Göttern dargebracht, welche wir an der MitteÜigur tätig se- hen. Es ist dies durchaus die Sitte des Altertums, dass der Weihende sein eignes Abbild der Gottheit in derselben Stel- lung und Lage darbringt, in der er deren Hilfe und Beistand erfahren hat: der Wagenlenker auf dem Wagen, der Krieger in Rüstung, der Flötenspieler die Flöte blasend, das Mutter gewordene Weib in der Stellung des Gebarens. Weihgeschen- ke für eine glücklich überstandene Entbindung darzubringen war im Altertum ganz gewöhnlich ^: der Tempel der Eilei- thyia zu Hermione war voll derselben (Paus. II 35, 8) und in

< Sollte in dem be.sprochenen Jüngling liuics dennoch ein Flötenspieler zu erkennen sein, so Hesse sich auch dafür eine Analogie vorbringen: vgl. die oben cilierle Abhandlung Dillheys a. a. 0.

- Aus Sparla sind die Aufschriften zweier Weihgeschenke an Eileithyia, welche dorl unter dem Namen As/oi verehrt worden zu sein scheint, erhal- ten : Roehl WA 52 Mittheilungen 1877 S. 435. 440.

.MITTH. D. ABfiH. INST. X. 13

194 iMARMORGHUPPE AL'S SPAHTA

dem Cesnolaschen Relief, der Heuzeyschen Terrakotte und der Kniestatue von Mykonos sind uns analoge J>eispiele er- halten. Von dem Cult zweier Entbindungsgölter in Sparta haben wir keine besondere Kunde*. Möglicherweise dass eben unsere Marmorgruppe von einem derartigen Cult uns Kunde giebt. Aber nicht unwahrscheinlich ist es, dass dieselben identisch sind mit dem spartanischen Götlerzwillingspar, dem überhaupt die grosse Masse der dort noch vorhandenen VVeih- geschenke gegolten hat, den Tyndareossöhnen, den Reitern in Not und Gefahr. Sowohl in Sparta wie in Argos war ihr Tempel nahe bei dem Heiligtum der Eileithyia, welche ähn- lich der Auge-Eileithyia von Tegea in Argos nur eine andere Gestallung der Mondgöttin Helena war (VYelcker Kl. Sehr. ni S. 186 Paus. II 22, 7 III 14, (i). Für Sjiarta sind die Dios- curen niro;ends klar als Götter des weiblichen Geschlechts be- zeichnet: vielleicht dass die Nachricht des Varro bei Gellius XI 6, wonach in Rom ursprünglich nur die Frauen bei den Castores schwuren, auf einen verwandten Brauch in ihrer Ur- heimat schliessen lässt, aus der ihr Cult über Süditalien auch nach Rom verpflanzt worden ist. Dass der Jüngling rechts vom Beschauer in seinen Proportionen etwas grösser und stärker gebildet ist, entspricht dem Brauch der alten Kunst (Paus. V 19, 1). Das besprochene Bildwerk ist für die Kennt-

' Was die bei Hesych. u. d. W. 'AAx.t5ar Osoi zivti jzapa AazsSatjjLovt'ot? und U. Aptojodvas* Oioi Ttapa Aa/.£oa'.[iov''ot; Ti;j.tü[j.svo'. erwäliiiteii i'üi" hilfreiche (3ölLer (vgl."A)./.tov) waren, isLdunkel : es waren wohl gleichfalls Zwillingsgötler,den Tyndariden ähnlich, niil denen sie Gerhard Gr .NJyth.I Ö.124 vergleicht. Wäre übrigens bei üvid. metam. IX 294 Lucinam Nixosque pares clamore uocabam (Büettiger a. a. O. S. 81: "Rief . . . die Lucina mit Schrein und die Zwil- lingsuiächte des Kreissens") die I^esung richtig hergestellt und richtig er- klärt, so hätten wir eine analoge Erscheinung. Die llandschr. weisen aber mehr auf uLvmque was wohl richtig ist. Mit den drei di ni.ri des Festus könnteu diese nixi pares nur verwandt, keinesfalls identisch sein. jVt.rwA- sind die woivc;, die EtXciOu-.at (ElXs'.Ouia; . . . i^ioxi 03 Ta; föoiya; Ilesych.), wel- che an der oben angeführten Ovidstelle Juno sustincl, wie sie bei Homer ri19 'AX/tijiTfvri? ävsÄauas xo'y.ov, 07£O£ o' EiXs'.Oji'ai;. Ich habe darum an der obigen Stelle Nixus mit grossem Anfangsbuchstaben geschrieben. Pares harrt noch der Verbesserung oder Erklärung.

MARMORGRUPPE ALS SPARTA 195

nis der ältesten lociilen Marinor.sciilj)liir Spartas, liberliaupt liir die Kenntnis der iilteslen iiriecliischen Sculptiir von un- gemeiner \\ iclitigkeil. I^]s stellt olTenbar einen der ältesten Versuelie (jiner i^nksst-ren, <i;ruppenai'tii^en r,omj)()sili()n dar und ist selion desslialb von besonderem Interesse- Nacli den vorhandenen Funden zu urteilen wurde in dem Laconien des sechsten Jahrhunderts im Gegensatz zur Kcdiefbildnerei die statuarische Marmortechnik wenig geübt' : für die Cultbihler und Kinzelstatuen war das altlu'rkömmliche Material Holz oder die ßronce, welche bei der hohen IJlüte des Erzgusses um die Mitte des Jahrhunderts wirkt Theodoros von Samos in Sparta besonders dort Eingang gefunden liaben muss. Daü;eü;en wird die handwerksmässio-e Ansübunii; der Marmor-

CO o ~

reliefsculptur, wie die erhaltenen Stücke zeigen, an der Hand eines ausgedehnten Heroen-und Gräbercultus früh ausgebil- det. Von diesen Gesichtspunkten aus ist unsere Gruppe zu beurteilen: die Mittelfigur ist lediglich ein in die Marmor- technik übersetztes Xoanon, die Seitenfiguren sind reliefartig aus den zu dem Zweck un verhältnismässig breit gelassenen Seitenflächen der Mittelfigur lierausgearbeitel. Von der Seite als Kelief betrachtet ist infolge dessen die männliche Figur links bezüglich der Proportionen kaum zu tadeln: von vorn gesehen ist dieselbe gänzlich formlos, der Kopf unverhältnis- mässig dick, der Leib und die Hüften viel zu schmal, das linke Bein überhaupt nur halb, das Ganze wie mit der Mittelfigur verwachsen. Und doch war die ganze Gruppe zweifellos für die Vorderansicht gearbeitet.

Betrachten wir die Hauptfigur der Gruppe. Die Technik ist die für viele Bildwerke der ältesten Epoche characteristische, welche den engen Anschluss der Steinsculptur an die Holz- schnitzerei bekundet. So die halbkugelförmigen Brüste, die drallen, ähnlich wie bei aegyptischen Frauenfiguren nach vorn vorquellenden Schenkel, der bretarlig flache, an den Hüften

' Milclitiöfer, MilUieilungeii 1877 S. 4öD Anin.— Die glciclie Talsaclie in dem Attica des seclisteii Jalirliuiideits: Loesclickc Millheiluugen 1879 S. 306.

196 MAUiMOHGRUPPE AUS SPARTA

eingezogene Leib. Besonders interessant ist die Form der Brüste. Sie sehen aus, wie gedrechselte Holzhalbkugeln, welche auf einem Bret aufsitzen, ähnlich wie auf den bretartigen pri- mitiven Terrakottaidolen das Geschlecht durch zwei aufge- setzte, flache Brüste angedeutet ist. Ganz anders beispielsweise die in den Archaeol. Epigr. Mittheil, aus Oeslerreich II Tafel VIIl publicierte nackte weibliche Broncestatuette archaischen Stils, welche weit vollkommener in der Durchbildung der Formen eine ganz verschiedene Kunstrichtung offenbart. Diese Form der Brüste ist offenbar hervorgegangen aus der Technik der lediglich auf Enfaceansicht berechneten bretarti- gen Schnitzbilder aus Holz.

Die völlige Nacktheit des Frauenkörpers, die barbarische Deutlichkeit, mit der das Geschlecht angegeben ist, springt in die Augen, beides Erbteile der barbarischen Kunstübung, welcher die griechische Kunst ihre erste Anregung verdankt, und auf einem Bildwerk aus Sparta, wo die Entblössung der Frauen zum Befremden der übrigen Hellenen und der Römer nichts Unschickliches hatte, weniger auffallend: insbesondere kommt ausserdem der gynaecologische Gegenstand der Dar- stellung dafür in Betracht. Die Brustwarzen sind nicht ange- geben : ebenso fehlt im Gegensatz zu den übrigen erhaltenen nackten Statuen der archaischen Kunst die Angabe des Na- bels. Besonders für letzteren Teil wird wohl die Annahme von Bemalung berechtigt sein. Wie bei allen archaischen Sta- tuen ladet das Gesäss weit aus und erscheint das Kreuz infol- gedessen tief eingezogen : es scheint diese stark hervortretende süuuyia indessen auch zur Hervorhebung der Weiblichkeit zu dienen man vergleiche auf der Seitenansicht den Contur des Rückens der männlichen Figur mit dem Rücken der Frau. Wir beobachten dieselbe Erscheinung auf dem technisch voll- endeten Relief aus der Maina Mittheilungen Vlll Taf. XVI und an der oben citierten archaischen weiblichen Broncesta- tuette in Wien. Fine Einordnung der besprochenen Gruppe in die Reihe der erhaltenen archaischen Denkmäler erscheint schwer möglich. Wir lesen am Schluss der Beschreibung im

MARMOnGRUPPE AUS SPARTA 197

Catalog: ''das ganze ist nocli stillos und erinnert stark an primitive Idole aegyptiscli-syrisclier Herkunft". Darnach tmisslc dasselbe zienilich hoch hinaufdatiert werden. Allein der Umstand, dass wir kein Denkmal derselben Art erhalten haben, dass uns liberhaupt fast jedes Maass der Beurteilung und chronologischen Fixierung der spartanischen archaisclien Sculpturen des sechsten Jahrhunderts bis jetzt fehlt, mahnt zur Vorsicht. Ebenso wenig ist es berecliligt, Sculpturen aus anderen Landschaften zur Ver2;leichun2; heranzuziehen: wir haben ein Erzeugniss rein localer Kunstübung vor uns, und wie man bei der (Chronologie und Beurteilung eines Kunst- werks rein localer Technik von den Werken anderer I^and- schaften und Schulen hinsichtlich der Vollendung der Arbeit völlig absehen muss. kann die Grabstele des Kitylos und Der- inys hinreichend lehren. Von dem Wirken auswärtiger Mar- morbildhauer in Sparta ist nichts überliefert: vordem Fehler aus der Nachricht des Plinius XX XVI 9, welcher berichtet, Dipoinos und Skyllis hätten zuerst von allen in der Marmor- sculptur Ruhm erlangt, etwa zu schliessen, dass deren in La- conien gebürtige Schüler oder sie selbst die Marmorsculptur dort begründet, davor bewahren uns Kleins Untersuchungen in den Archaeol. Epigraph. Mittheil, aus Oesterr. V S. 93 ff. Zur Vergleichung können eben nur die spartanischen Grab- reliefs in beschränktem Maasse herangezogen werden und diese Vergleichung kann uns davor bewahren die besprochene Gruppe allzu hoch hinaufzudatieren ^ Greifen wir aus unserer Gruppe die Teile heraus, welche einen Vergleich hinsichtlich der Technik mit den Reliefs erlauben : den quer über den I^eib der Mittelfigur gelegten Arm der Figur rechts vom Be- schauer. Wir sind überrascht, bei der sonstioren uneefüffen Rohheit der Arbeit hier anatomisch durchgebildete Formen,

' Es ist zudem zu beachten, dass ganz ähnlich wie in dorn AUica des sechsten Jahrhunderts, ebenso in Laconien bei dem Überwiegen der Relief- ildnerei vor der statuarischen Marmurtechniic die letzlere auch denige- bmäss anders hinsichtlich der technischen Volieudung zu beurteilen ist (Loe-schcke Mitlheilungcn KS79 S. 3Ü5 11'.).

198 MARMORGRUPPE AUS SPARTA

weiche schwellende Linien und eine richlise Naturbeobach- tunff zu finden: mmz anders die Behandhino- der Giiedmassen auf den lleliefs Mittheilungen 1877 Taf.W \X11 \\\ b oder auf dem Relief von Chrysapha Mitlheilungen 1882 Tai". VII mit ihren unbeholfenen, eckigen, geradlinig scharfen Contu- ren- Der Arm ist so sorgfältig und sicher gearbeitet wie die Gliedmassen auf dem Relief des vollendeten archaischen Stils Miltheilungen 1877 Taf. XXIV. A.m interessantesten ist die Figur links vom Beschauer, welche wie schon oben bemerkt, von vornen gesehen in ihren Verhältnissen durchaus unhar- monisch und vertrakt erscheint: von der Seite gleichsam als Relief betrachtet hält dieselbe den Vergleich mit dem Am- phiaraos der spartanischen Stele wohl aus: sie erscheint viel- mehr in den Prouortionen noch vollkommener, die Linien sind weicher und mehr unter einander vermittelt. Die Arbeit der ganzen Gruppe war eine äusserst sorgfällige, wie die gut erhaltenen Stellen beweisen. Sie setzt eine bedeutende Be- herrschung des Materials voraus, wie man schon aus den frei gearbeiteten Teilen, ganz besonders den vorwärts oder auf- ^värts gestreckten Armen der Mittelfigur schliessen kann und wie dies schon durch den kühnen Versuch eine Gruppe zu componieren bedingt wird. Innerhalb der Sonderentwicklung der laconischen Marmorsculptur setzt dieselbe gegenüber den uns aus andern Landschaften erhaltenen sogenannten daeda- lischen nackten männlichen Statuen mit den steif anliegenden Armen einen bedeutenden Fortschritt in der Kunst der Stein- arbeit voraus.

Wir dürfen nach diesen Erwägungen die Zeit der Gruppe nicht zu hoch hinaufdatieren. Dieselbe bezeichnet einen Ver- such localer Kunstübung eine freie mehrfigurige Composition in Marmor darzustellen, mit den Mitteln welche die gleich- zeitige Relieftechnik an die Hand gab. Der Versuch ist recht plump und ungefüge ausgefallen: aber es wäre verfehlt dess- halb auf iKiheres Alter zu schliessen.

Für eine festere Datierung der älteren Reliefs fehlt uns noch jeder Anhaltpunkt. Zwei derselben, Mittheilungen 1877

MARMORGRUPPE AUS SPARTA 109

Taf. XXV & 1883 Taf. Will 2 tragen fnsch.'iften, aus deren Cliaracler wir mit Siehei'lieit schlicssen k/innen, dass sie älter sind wie das fiinftc Talirliiindert: wie weit wir aber die lle- liefs im sechsten Jalirliiinderl liinaiirnieken müssen, ist v()lli<^ iinbestimmhar. Nacii der lieliaiidliing der Glieder zu sehlies- sen, ist unsere Gruppe weil jünger als das erstgenannte Tino- klesrelief: am näelisten kommt dieselb(! dem jüngeren Weih- geschenk des IMeistiadas, welches indessen in der Behand- lung der Conturen eine noch geringere Fertigkeit zeigt, wie die Seitenfignren unserer Gruppe. Milchhöter Mittheilungen 1877 S. 455 setzt das Thioklesrelief in den Ausgang des sech- sten Jahrhunderts. Vielleicht noch zu jung. Denn es scheint unwahrscheinlich, dass sich in so kurzer Zeit das lacedaemo- nische Alphabet in der Weise völlig zu den Formen umge- w^andelt hätte, welche uns auf dem datierbaren Plataeischen Weihgeschenk erscheint: zwischen beiden Monumenten steht noch das Dioscurenrelief des Pleistiadas. Wir rücken besser das Thioklesrelief mindestens in die Mitte des sechsten Jahr- hunderts, wenn nicht noch höher, hinauf: um eine gute Zeit darnach ist unsere Gruppe, etwas älter als diese das Weih- üeschenk des Pleistiadas anzusetzen. Mehr als diese annä- hernde Zeitbestimmung zu geben erscheint vorerst unmöglich.

FRIEDRICH MARX.

Zur Epigraphik von Kyzikos. III.

(Vgl. Mitth. VI 40 fg., 121 fg., VII 251 fg.)

N" 28. Dieser und der folgende Stein sind vor unsrefähr drei Monaten von Kyzikos hierher gebracht worden.

28, eine Stele, unten 0,64™, oben 0,60'" br. und links 0,67°" h., trägt folgende Darstellung: Herakles holt mit der Keule nach einem r. von ihm zu Boden gesunkenen Manne aus, indem er ihm das 1. Knie auf den Rücken setzt; sein Gegner, offenbar im Fliehen eingeholt, versucht sich aufzu- richten und durch Vorhalten eines Armes den tödtlichen Streich abzuwehren; rechtsein Baum, an welchem ein Schild und eine Löwenhaut aufgehängt sind. Leider ist das Relief dadurch arg zugerichtet, dass es als Verzierung eines Lauf- brunnens gedient hat und durch das in der Mitte durchge- brochene Ausgussloch der Kopf und die oberen Theile des Gegners des Herakles zerstört sind ; man erkennt noch, dass er mit einem langen Gewände bekleidet war; an seiner lin- ken Seite hängt eine leere Schwertscheide. Vermuthlich ist die Episode aus der Argonautensage dargestellt, wie Herakles im nächtlichen Kampfe aus Versehen den befreundeten König Kyzikos, den Ktisten der gleichnamigen Stadt, erschlägt, vgl. Marquardt Cyzicus 43 und über Herakles auf Münzen Eckhel.

Oben über dem Relief folgende Inschrift :

ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 201

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?02 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS

Unsere Inschrift s;iebt einis-e Aufschlüsse über die Verfas- siing der Stadt. Böckh nahm für Kyzikos sechs Phylen an; aus der Mitth. VI 42 v(^töfYentlichten Inschrift ergab sich, wenigstens für die Kaiserzeit, eine siebente, die der SeSaaTsi;, der vorliegende Text beweist, dass sogar nenn Phylen vor- handen waren ; ebenso wird die Zahl der Strategen erst jetzt festgestellt. Die ungefähr gleichzeitige Inschrift Rev. arch. XXX 1)3 fg. lässt vermuthen, dass der an erster Stelle ge- nannte Stratege bez. Phylarche einen höheren Rang hatte als die übrigen; der erste Stratege wird derjenige sein, dessen Name zuweilen auf späteren Münzen genannt wird.

Von den eponymen Hipparchen sind bis jetzt folgende be- kannt geworden :

1. £7:i 'AvTiylvou; too 'Epp-ayopou iTTTüocp^sco C. I. G. 2157.

2. £:ri IxTripyeo) Bottcwvoc C. I. G. 3658.

3. l-l 'ETTiaio'j ToO nor>etS(ovio'j unedirt.

4. ETUI 'Eraipicovo; tou Eijt;.vr,(7T0'j t[-7:ä.]p[)(^£0) C. /. G. 2158.

5. eVi] E'j[fi.£VO'j; to'j 'A]pt,(7TxvSpo'j iTTTräpyEcoi C. I. G. 3695* .

6. iTz]i E'j'^'/;[X0'j TO'J A£(i)^ä[[j.a]vTO; i7r-ap/£w Re'y.örcÄ.XXX93 ff.

7. iizl 0£OyV/)TO'J TOd .... XO'J ["KTZXpy^ZlxH C. I. G. 3668 ^.

8. £711 'Ittttovi/cou toO Au(Tay6po'j iTC^ap^Eo) Inschr. bei Conze- Hauser-Niemann I 43, 21.

9. £xi na'j(Tavt[o'j tJoü .... Mitth. VI, 55.

10. ItzI Faiou Kaiffapo; ixTrap/Ewi Berl. Berr. 1874 S. 1 ff. n°IV.

11. iTTTCapj^o'jvTo? 'ApiGTayopou TO'J 'ApiyvtÖTO'j, unten n" 29.

12. iTTzapyo'jvTo; Bo'j*XeiSo'j to'j M'/jTpoSwpO'j C /. G. 3668 ^.

13. IxTüapj^ouvTo; MevegOeco; to'j Ilo'X'jtSo'j unten n" 30.

14. i7i:7i:ap^O'jvTo; T. K>.. Eup.£vo'j; -/ipwo; Mitth. VI 121 (so zu lesen, nach einer von Hrn. Papadopulos Kerameus mit- getheilten Revision des Originals).

15. i7:7:ap;((^ouvTO? K'X. Xaipso'j -/ipwo; Mitth. VI, 42, vgl. i::- Tripy'Yi XaipEz To r,' ebend. 44.

IG. ITTXapy^O'JVTtOV T£p£VTi(0'j) AwVXTO'J '/.V-l B£l€i(ou) 'A[A(pUTUO-

vo;C. LG. 3661.

zun EPir.RAPHIK VON KYZIKOS 203

17. iTTTTap^ouTT]; AupTolia? 'lou'Xia; MevelaiSo^-zipwiSo; G./.G 3665.

18. IxTrapyo'jTY)? Kl. nToXsp-atSo? .Mitlli. VI 122.

19. iTTTuapyo'jfycov . . . .Jpsiv/i? to e' /-(at) Nojvia; Ko7.:tl'/i? Mittll.

VI 127.

20. ol TTpuTai^vs'j'Ta.vTs; [j.r,va 'AJpxsy.i'Tiwva tov ettI K'X. Hxfjnr,!; [^[Trapj^ouTr/C y.y.i x,aX>.'.]7.'7avT£; tov Txupewva e[~i . . .

t]qu iXlOV'JGlO'J.

Auch ist wohl mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass die in den Praescripten von C. I. G. 3()r)6 (£7:1 'Apiaxxv^po'j ToO 'AxoAXo<pzvo'j) und der beiden Dekrete zu Ehren der Klei- dike (C. [. G 3657 : Itzi 'Hyoaiou ; Mitth.VIl 156: i-jzi llei.?. . .) genannten Magistrate Hipparchen sind. Auffällig ist in der obigen Zusammenstellung das Vorkommen zweier Hippar- chen (N" 15), bez. Hipparchusen, wenn die Ergänzung der Inschrift Mitth. VI 127 richtig ist.

N" 29. Copie, mitgetheilt von Flerrn 'Iwxwr,; F. riavtopio;, hellenischem Viceconsul in Panderma (n7.vop[j!.o?) :

inPAPXOYNTOZAPJSTArorOPOYTOYAPi r N a T O Y A I O I K O I T H Z MENIPPOZAZKAHPIAAOY

rPAMMATEY2 AZKAHPIAAHSAPTEMIAnPOY

A I A K O N O I APOAAO(l)AN HSGAYMriNOS APTEMIAnP02(t)IA0NIK0Y MENIPP02 MEIAIOY MEIAlAi: AOHNinNOZ MENEKPATHZ MHNIAOZ OINO0YAAZ rOPAQN MEMNONOZ M H TP I TO A YP 1 A N H X AP I S T H P I O N

204 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS

'iTTTrapyouvTo; *Apt(JTa<YO)Y6po'j toO 'ApiyvcÖTOu' ^ioix(y])t7i ?* MaviTTTTo; 'AcxV/iTCixSo'j* y p a[^.[/aT£u ?• 'AcjcItixkxSti; 'AprepSco- po'j* Sta,x.ovof 'A7Col>.o'^7.v'/)(: 0au[X(ovo;, 'ApTEfv-iScopo? $t>^ovty.o'j, MsviTTTTo? MeiSio'j, MeiSia? 'A9y)vi(ovo;, Mevs^pdcTTj; MrjviSo?* oivo- i3p'jXaE' röpScov M£[y.vovo; [j-viTpl ToXoTTtocv^ yapiaT'^piov

Herr Panorios schreibt: Gij^o; p.apj^.xpo'j 1,41, ■Tr'XaTo; 0,59. 'Etui x£i3paV?5? t'?)!; xlaxö; t6 ä.7i:£i/-6via[Ji,a tt^; To>.ixiav^(; MviTpo? ä(/,£(j(i)5 )CZT(i)0£v £vv£a UpEi?, (Lv 7rpo7rop£0£Tai TraT? ayojv £t; Ouciav y.pt6v, (XTTEvavTi §£ ß(0[xö?. Au(i) wpa; NA ty)? riavopj^.O'j Trapa

y^^Wpiov A£TC>.£5t£ (ZV£tjp£9?l T; X>.a^ aUT75 •y)5:p(i)TyipiaGU,£V7] (XVü)0£V, 7^£(X£l Se t6 Tipd'J [J!.£pO? T-^? EtX.ÖvO? T^? ^ZOiC, [^Z/lTpO?. 'Ev T^ 0£<7£l

£v Yj tiipi^-/) uTuäp^oucTiv TTolT^ix '7uvT£Tpti/.[X£va p.äpjy.apa, xiovojcpavoc

£x,£l vaö; ouTtvo? l')(^v/) [7.6vov cpaivovTat. 0'jS£(/.iav ocXV/iv s7:iypa'p'/;v -/lS'jv-/i6-ov va £!jpw £7rt T£;7-aj^i0'j [j-övov [/.otpfxäpou £vt6; äypou uxap- ^'O'jfTt Toc ypap'.pLaTa. AY. M£Ta^u §£ Ilavopy.O'j x.ai toO jfcopiou A £-

vaou xapa Ty)v o-^H-riv y£i{Aappou etc.

N" 30. Stele, br. 0,36'", li. 0,57'", oben abgebrochen; von dem über der Inschrift befindh'chen Relief ist nur die untere Hälfte erhalten, doch ist die Darstellung noch deutlich zu er- kennen :

rechts: die Kybele en face auf einem Sessel thronend, die L. auf ein Tympanon gestützt, in dei' R. eine Opferschale haltend; neben dem Sessel zwei sitzende Löwen;

in der Mitte: der untere Theil einer mit einem langen Gewände bekleideten stehenden Gestalt en face, deren 1. Arm im Ellbogen auf eine Stele aufstützt;

links: Altar, vor welchem ein Sklave einen Widder zum Opfer führt; links davon eine nach r. ausschreitende Gestalt.

Die beiden Gottheiten sind ungefähr doppelt so gross aus- gefallen als die beiden menschlichen Wesen-

Das Ganze zeigt die grösste Aehulichkeit mit dem angeblich aus Nikäa stammenden Votivrelief an ApoUon und Kybele,

zun KI'lGUAinilK VON KYZIKOS i'05

welches Conze in seiner "Heise auf der Insel Lesbos" Taf.XIX publiciert hat. Auf diesem letzteren ist in der Mitte der Apol- lon Kitharödos (laro;eslellt, und wir dürfen wohl anneinnen, dass derselbe auch auf unserem Relief mit der Kybele ver- bunden war und die Reste der Gestalt im langen Gewände demnach zu erklären sind. Auch die Votivreliefs an den Apol- lon Krateanos, Arch. Zeit. IN. F. Vi! 162 fii, zeigen viel Aehn- lichkeit.

Darunter die folgende Inschrift:

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IPPAPXOYNTOZMEN E^IOE^S TOYPoAYlAoY APX./^NH5:2KoniAi:olBPoYArAOAPXo5:NIKlo/f/ EPIToYXPHMATIZ MoY/AEIA|A S A P o A .0.1/^// ToYMEIAloY /AENAM AP02MENAN APoY KAIMEToIXol AHMHTPIoZOEoPENoY A P I 2 T I /^ N A P I Z T I rv N O 2 A I o M YSIOS APIZTI/xNoS APTEMIA/^POZKAE l/AAMAPoY M E N E 2 O EYZHPAK A E I T o Y M H T POA/xPO Z M H T PO (t>A NoY 0 E o KP ITOZO E o K P I T o Y A P X E B I o Z APXEBloYToYAlO N Y 2 I O Y APT E/A^HAPTE/A^MOZ A Fl A Z A H AA H T P I o Y AIOMYZIOZAIONYZIOY KAIEPAF^rolAI ON Y ZIOZZ-n-THPoZ A I o H Y Z I OSZ^KPA T o Y P02EiAj^MIKAIA<t)P0AEI THPoNTIA XAPISTHPloH

'iTCxappövTO? MevEGÖeco; to-j lloXutSou- äp)(_o)v/i(;' S^OTTia? 0igpou (?) , 'AyocOapx^o; N[siy,i]o[>j] e tc l t o u x, p 'z: [^ * t i c [a o u Mei- Sta? 'ATTO^^fXcovio'j ? 'ÄTTo'X'XoSwpo'j?] ToO MeiSiou, MevavSpo; Me- vy.vSpo'j- v.9.1 ixixoiyoi' A-/i[xr,Tpto? ösoylvo-j, 'Api<TTiwv ApicTio)- vo?, AiovuGto? 'ApicTicovo?, 'ApT£[xiSwpo? KX£i{xävSpou, MtvicHtix; 'HpaxAeiTOu, MyivoSwpo; MnTpo(pocvov, 0£6/tpiTO5 ©eo/tpiTOu, 'Ap^t*

206 ZUR EPIGKAPMIK VON KYZIKOS

€io; 'ApyeSiou toO Aiov-j-rio"-», 'ApTEfjiwv 'ApT£(/.a)vo?, 'Ayia; Arj- [j-TOTpio'j. Aiovoc)'.o; Aiov'jcriou" x,ai sTraytoyoi" Aiovoirtoc SwT'^po;, AiovOaio? ^(ox.pxTO'j lIo'i£'.'^divi -/.al 'AcppoSeiTrj llovxty. ^apiGX'öpiov.

Die GeselUchalt, welche hier dem Poseidon und der Aphro- dite Pontia ein Dankgeschenk weiht, hatte irgend ein mit der Fischerei oder der Seefahit zusammenhängendes Gewerbe oder den Zoll von einem solchen gepachtet. An der Spitze stehen der ipywvY)?. bez. zwei ' Haiiptpächter' und zwei 'Ge- schäftsführer' (i-Tzi xou yjr,y.xTin^.o<Z) : ausserdem werden die elf 'Theilhaber' [/Azoiy^oi und zum Schluss zwei äT^aycoyol ge- nannt.

'Apywv^; ist nach Hesychios 6 -por/yo-jasvo; ly.pyo'ky.^iji^ ri ep- yoAx^wv. Hier sind die Theilnehmer als tj-iroiyoi bezeichnet, ein Ausdruck der sonst nicht vorkommt, dessen Lesung aber durchaus sicher ist und durch die in den Wörterbüchern angeführte Stelle des Andokides tc. t. (jt-uar. 133: 'Ayuppio; yicp otjTo;t, 6 /.aT^o; x.iyixGo!;, äp^covYi? eysvETO tt,:; 7C£vt£x.ogt7^; xpt- Tov £T0;, v.al £7rpiaT0 xpii/.ovTa -raÜvTcov, atiia'/ ov Sk auxw outoi 7rivT£; Ol 7i:apa(j'A>ey£VT£; Otto t-/^v 'X£6x.-/iv /.t'X. vgl. z. Schluss des ^ ö"Xiyo'j 7:pa9£i'i-/i(; [7,£Tac7y£Tv und § 134 oi asTaa/övTs? be- stätigt wird. Ferner gehört hierher das Bull- de corr. hell. I 409 veröffentlichte Priaposrelief aus Gallipoli, welches nach der Inschrift von einer Fischereigesellschaft geweiht ist, de- ren Mitglieder mit ihren Chargen aufgeführt werden. Die vom Herausgeber, wie es scheint, nicht überall richtig gelesene und ergänzte Inschrift lautet mit VVeglassung der langen Ei- gennamen : £7ul i£p£a); x.ai «j . . o; . . , . A£'j/tiou $>.a€iou zo S£'j- Tepov oi St/tT'japy__-/i<75t,vT£; xy.i T£[Xcov]a[p^]-/;<7avT£C £v tw N£[t]Xai(i) ap^wvoOvTO? IIo— lio'j 'Aouiou A'jfji^.xyOD, SixT'jxpyo'jvxtov y.z'k. (4 Namen), G-/,o-ta^6v-rwv x.ta. (2 Namen) x.'j€£pvcüVTtov (2 Namen) (p£>.[>.o])^aXa<7TOuvTO? xoO SjIvo:, £(p'/)[/.£p£'JovTo; to'j S£ivoc, ivTiypa- cpoL/.£vo'j Toö Sfivo;, >.£p.€ap/[oüv]Tcov (4 Namen) cuwaOTai ; merk- würdig ist die Uebereinstimmung in der Zahl des Personals; sie beträgt in der Inschrift von Kyzikoswie in der von Kalli- polis, mit Ausschluss des äpywv/^c, 15, sodass man auf die Vermuthung kommt, dass sie nicht zufällig ist; vielleicht

zun EPIGHAI'IIIK VOxN KYZlKOS 2ü7

sind die piToi/o-. niclil nur die iiiil CapiLuiien an der Unter- nehmung Belheiligten, sondern aueh solche, die als Schifls- führer, Steuerleute, ,\etz\veri'er etc. das gepachtete Gewerbe selbst ausübten.

Die Mitlh. I\ G3 veröü'enllichte Inschrift aus Kamaräs (l*a- rion) zeigt manche Analogie mit der Inschrift von Gallipoli und ist vielleicht so zu ergänzen:

Upei ] <I>ai)C7iv'!fo <i>ip[7,cp [ot . . 7.py]r,ny.'j':ti; ev <t>pO'j ....

^. Mipjcioi; Miyvo; <I>poO/.TO?, <l>0'j<7)to[; iy.07:]ix-

(^ovTwv <I»ouc)co['j /.TA. Di^v Dativ z. A. wie manchmal in den Consuldaten = £-1 lepeco; z. Auf. der Inschrift von Kallipolis; das .... 7;(javT£; £v tppo'j .... ist vielhMcht mit den Worten Ol SixT'japvviGavTE: . . £v tw NEiTvaiw der letzteren Inschrift zu vergleichen (vgl. Ilapapr. äpy. toO ie' t6;j.. toiJ 'EXX. (pi>.. t-j'X'X. S. 64 N" 5).— C. /. G. 3912*(Hierapolis) kommt ein ap^wv/i? [^]u[(7]toi; ß' vor, welclier der rruvepya'jia vermuthlich der Färber eine Herkulesstalue weiht.

AufYällig ist die Dissonanz zwischen dem Relief, welches, wie wir sahen, den Apollon und die Kybele darstellt, und der Inschrift, welche den Poseidon und die Aphrodite Pontia als die Gottheilen nennt, denen das Dankgeschenk darge- bracht wird. Der Steinmetz, bei dem dieses bestellt wurde, hatte vermuthlich nur von der ersteren Sorte auf Lager und verwandte das schon fertige Relief ohne Rücksicht auf die Bestimmung. lieber die Aphrodite in Kyzikos s. Mitlh. VI 43 N" 2 III' Z. 31, VII 255 N" 27.

N" 31. In Ermeniköi bei Takvor. Relief, von dem oben r. ein Stück abgeschlagen ist, bei Z. 1 der Inschr. 0,25"' br., an der 1. Kante 0,21'" h.

Dargestellt ist ein Opfer an Artemis: 1. sechs Figuren in zwei Reihen en proßl n. r. in anbetender Stellung; r. davon Altar, vor dem Altar ein Sklave ein Schaf führend; über dem Altar eine aedicula mit einer Büste; r. vom Altar ein Hirsch; r. sind noch einioe Reste der Göttin, namentlich eine Schale, die sie vermuthlich in der R. ausgestreckt hielt, zu erkennen.

Darunter folgende Inschrift :

i>08 ZUfi EPtGRAPHIK VON KYZIKOS

rAYKHNAnOAAaNlOYKAI L/,y F Y i AYTOYZTPATONIKHMENANAPC KAIYIOIAYTOYEP/AOFEN HZTA NOZKAirAYKQNrAYKÜNO A N H Z T P O <t) I M O Z A P T T EM I Af

rX'J/Cwv 'A7:o>.>.(ovio'j xai t] y^v^'/iJ aurou UrpaTOvi/tr, M£vy.vSpo[u] xat uioi auTOö 'EpjxoyEvrj? r>.[Ö5t(i)jvo? x.ai r>.uxcov r>.'r/,(i)vo[; ....

M]ivYi; Tpo^pifxo;, 'ApT[ .... 'Ap]T£p.iSi [^'^X'^'*']*

Ueber den Namen Manes in Kyzikos s. Mitlh. VI 53.

N" 32. In einem Hause in l']rmeniköi wurde mir am 26. Mai d. J. eine grosse Platte mit Paaren von Fusssolilen ge- zeigt, ohne dass es mir gestattet wurde die Inschriften zu co- piren; auf einem Paare las ich AÜToxpaTwp TiSspto? Katcap Se- €a<jTOo 'jIÖ; SeSa^TTÖ; Se'Jxepov vgl. Mitth. VI 121 N" 4, VII 252 N" 18.

33. Ein Marmorstück, wie es scheint Fragment von einem cylindrischen ausgehöhlten Gefässe, mit folgender Dar- stellung: 1. Hermes en face, in der L. den Caduceus, in der R. einen Beutel haltend; r. Theile einer weiblichen beklei- deten Gestalt, in der R. eine Opferschale haltend; darüber folgende Inschrift :

Z - E A l< C "Ep[;/?i]; <7a-/.o[^öpo(;?

N" 34. Im Jahre 1876 sah ich hier in Privatbesitz folsen- des Relief, welches angeblich in Kyzikos gefunden war: Rei- ter nach r. mit fliegender Chlamys; 1. Lorbeerbaum um den sich eine Schlange windet; die r. Seite des Steines ist abge- brochen (br. 0,17, 0,24™ h.).

Darüber : A Y P A O M E Aup(r,).tO(;) Aop.£[Tto; ....

Darunter: KA0IAPYZENK -/.aOiSpuTev )t(at) [ä^i^pwcev] 0 E ^ I /^ öeü 'A[tc6>;>{ovi.

ME und NK stehen in Ligatur.

ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS

N" 35. Grosser Block; Abklatsch.

209

A I O r N I O Z TOYAIOFNHTOY AOH N A I O Y

Aiöyvto; tou AioyvYjTOo 'AOvivaio'j.

iN" 3G. Copie Carabella's; zwei metrische Fraj:;mente, viel- leicht zusammengehörig. Br. 2,11'", h. 0,98'".

a. b.

eineTiNocroA NOTeNHsnAT eineAGKAiTic NjeKAieiKOce TicAeMiNeNOAAe opeiAMeNoiG

AIOCA'NS NAPO MOYCAICniCYNO

I A H e K

a. Z. 1 1. £ITC£ TtVO? [7u]6>.]£0)i; . . . . Z. 3 Ti; Se [/.tv £v[6otS]* =[6a^/£v . . . Z. 4 Sio; 'A['X]£[^a]vSpo[<; ; 6 Z. 1 : M7i]vo[Y]£vn[?.

N" 37. Grabrelief mit folgender Darstellung:

1 2 3 4

Baum mit 4 Männer, die L. auf Ruhekissen

Schlange. gestützt, in der R.Schalen hallend

Sitzende mit Ausnahme von 1; 4 ist

Frau, den bärtig und von älterem Aussehen.

Schleier Knabe mit Tisch mit Krater,

lüftend. Schale. Speisen.

Sklave en face die Hände auf dem Bauche ge- kreuzt, das r. Bein über das 1. geschla- gen.

Halbes Pferd Frau sich entschlei- ernd. Sklavin.

MITTH. D. ABr.H. INST. X.

14

*21D ZUR EPiaRAPHiK VON KYZiKOS

Darunter folgende Inschrift:

AIONYIIOYTOY FAMMENOY AIONYIIOY ©EoKPIToYToY

KANAIONOZ TOYNOYMHNIOY ToYBAKXIoY BAKXIoY

Vergleicht man das Relief mit den Namen, so ergiebt sich mit Wahrscheinlichkeit^ dass in dem Grabe zwei Brüder, Dionysios und Theokrilos, Söhne des Bakchios, und ihre bei- den Schwäger beigesetzt waren,

N" 38. Grosser Sarkophag im hiesigen Museum.

YnOMNHMA

a i o^y a i o y o nh 2imoyokate zkeya2:enay

5 TßOnATPn

N H Z T 1 I O Y A I O 2 0 P O Y r E I Z EiESTnAET^AnE '[ AEYOEPnMOYTEOHN

10 AlEniTYNXANONT

l2TAYn0THN20P0NEIAETI2Eni X E! PH 2EI TE0HNAII2THNZOPONHK EINHZAITOnfiMA AnOAÜZEITQcMSKaX/ Bc|)KEYnEY0Y NOSEZTÜTnTHZTY NB ßPYXIAZENK AHMATI

In meiner Copie oder auf dem Steine selber ist zwischen Z. 10 u. 11 ein I ausgefallen. In Ligatur sind geschrieben Z. 2 NH Z. 9 TE u. HN Z. 11 THN Z. 12 TE, HN, HN, NHK, NH Z. 13 KE u. RE Z. 14 TH, NB, NK, HM. 39. Copie Carabella's.

1 ANenAYCATOOTHC

MerAAonpen^KAieN

AOZ^MNHMHCAAeiAN MHNINOeMPSAiNA

ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 2H

'Av£7ira'jaaT0 6 T'?i? ly.eYaXoTtrpeTcfeTTaTyi;) /iat £vSo[^(oTdtT'yi(;)] p.vr,- |j.7i; 'A'X£Eav[SpO(;] [7.r,vi NoE[Jt,[€jp(tw) X' ivS(i)CTiüivo<;) ....

N" 40: Mi-c/ieinin de Pandcnna ä Kourchomnlou, suü i h. est de tanderma, dans la chapelle rustique d\in monastere {A'ia Anna) sitae sur la montagne an quart d'heure du bord de la mer. Copie Carabella's.

a b c

Yno

AAMIANOY AAYniAK

'AZENEAYT OPEÜTHRa

{T 0\'ZTEK\H;i/ I G A M H Z H E - E P O N K

HKT02 fr-rxTA

Fragmente eines Sarkophages ähnlich wie N" 37.

N" 41. Aus Panderma hierhergebracht; i. J. 1879 beim Antikadji Minas copirt.

L.AENHBOCnA 'Eli^n BocTra.

Darunter ein Relief: Frau stehend en face, links neben ihr Dienerin. Zum Vatersnamen vgl. Böottov auf der kyz. Inschrift C. I. G. 3658.

Pera, Sept. 1885.

J. H. MORDTMANN.

Akdsche - Kaja. Eine unbekannte Felsburg bei Smyrna.

Der grossartige Bergkranz, der den Golf von Smyrna uin- giebt, besieht in seinem südliehen Theil aus den nördlichen Ausläufern des Kizil-Dagh (Kolhberg). Die Hauptspitzen die- ses Zuges sind die zwei Brüder, die drei Schwestern und der Pagos. Der antike Name der ganzen Kette ist nicht sicher überliefert; Strabos Bezeichnungen (Korakion bei Kolophon, Korykos zwischen Teos und Erythrae Strab. 644 645) schei- nen sich blos auf den Rand des Gebirgsstockes zu beziehen, sowie sich der Name Pagos nur auf den Burgfelsen von Smyrna bezieht. Der höchste Gipfel des ganzen Zuges erhebt sich zwei Stunden von Smyrna bis zu der Höhe von 1070™, während die beiden Brüder nur 876 und 860'", die nörd- lichste von den drei Schwestern nur 426"" erreichen ; diese letz- tere Bergkette in gerader Linie bis Sediköi verfolgt (vgl. das Kärtchen auf der Beilage) bildet eigentlich den Abschluss des Gebirges gegen NO hin. Von hier aus bis zur Stadt Smyrna entwickelt sich ein Meer von Hügeln, die sich sowohl ihrer Gestalt wie ihrer geologischen Formation nach völlig von dem Kizil-Dagh unterscheiden: während dieser letztere, mei- stens aus Sandstein und Schieferlhon bestehend, mit hohen, scharf zugespitzten Gipfeln erscheint, ziehen sich dort Kalk- steinhügel bei viel geringerer Höhe (280'") wellenförmig da- hin, bis sie am NO- Rande bei den Trachythügeln von Pagos ihren Abschluss finden.

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Südwestliche Umgebung

SMYR.HA

bis lurRuineAkdsche-Kaja aufgenommen

PLAN DER AKROPOLIS von AKDSCHEKAJA, aufeenommen von GAVeher, 1882.

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AKDSCHE-KAJA 213

In jener Kette zwischen den drei Schwestern (ßallschowa^) und Sediküi und zwar etwa in der Mitte ragt neben grün be- wachsenen Gipfeln eine weisse Kalksteinknppc liervor, die schon lange meine Aufmerksamkeit auf sich g«'Zogen halle, bis es mir im Frtilijalir 18(S2 gelang trotz der iiäuberbanden einen Ausflug dahin zu unternehmen.

Nachdem man die Eisenbahnlinie da wo sich der Neben- fluss von Tachtadschiköi in den sog. Meles ergiesst verlassen hat, schneidet man, dem Laufe des ersteren folueud, zuei'sl die alte Strasse von Smyrna nach Ephesos. Eine doppel bögige liriicke aus dem Mittelaller führt über das während des Som- mers meist wasserlose Flussbelt. Nach allen Seiten hin sind liauernü-ehöfte mit Gärlen und Weinbergen, meist von Tür- ken bewohnt, zerslreut; die Gegend führt den Namen Rara- baglaria. Der Weg berührt in kurzer Entfernung eine zerstörte Wasserleitung: nur in der Thalsohle sind noch schöne Kalk- steinr|uadern erhallen, an beiden Seiten des engen Thaies hinauf zieht sich unförmliches Mauerwerk aus Steinen und Mörtel, das seine bessere Gewandung an die umwohnenden Fiauern zum Bau ihrer Häuser ab^eeeben hat. Bald darauf gelansjt man zu dem kleinen türkischen Dorf Tachtadschiköi, um dann stark ansteigend über eine vorliegende Hügelreihe den Fuss der Kalksteinkuppe zu erreichen. Ein kleiner Bach entspringt an der Südseile, umkreist sie zur Hälfte, wendet sich dann gegen Norden und wirft sich unterhalb Baltschowa ins Meer. Ein von Sediköi kommender Pfad folgt ihm in sei- ner ganzen Länge.

Die Kalksteinkuppe selbst, Akdsche- Kaja (weisslicher Felsen) genannt, erhebt sich isolirt, nur im Westen mit den hinteren Bergen verbunden auf breiter runder Grundlage na- hezu 100'" über die Thalsohle; die absolute Höhe beli'ägt 430"'. An dem Abhänge fallen sofort zwei Terrassirungen in die Augen. Auf der unteren liegen die Grundmauern eines antiken Gebäudes, ungefähr 40™ lang und 35" breit; auch im

< Auf der engl. Adiniralilütsltarle Baltchikevy.

214 AKDSCHfe-KAIA

Innern sind liebte von Mauerzügen erhalten, doch ist die Zer- störung zu weit fortgeschritten, um eine Restauration zuzu- lassen. An der nach Osten gewandten Aussenseite ist die gut griechische Mauer noch in zwei Reihen schöner Quadersleine, ohne Spur von Kalk, erhalten- Die zweite Terrassirung ist eigentlich die alte Strasse, die in weitem Bogen langsam am Berg hinaufführt, um an der entgegengesetzten Seite in die Akropolis einzumünden. Am innern Rande der Strasse trifft man auf zwei Kalköfen, die auch hier den antiken Ruinen verhängnissvoll gewesen sind (s. den Plan auf der Beilage).

Oben angekommen steht man vor einer langen, jähen 5 8"

hohen Felswand, welche von N. nach S. abfallend den gan- zen Gipfel im Westen begleitet und eine natürliche Festungs- mauer abgiebt.

Der Eingang in die Felswand (m auf dem Plan) ist 9"* lang und an der Mündung 2,84'° breit, erweitert sich aber dann bis zu 3, SS-". Da der Eingang der Erhebung des Felsgrades folgend stark ansteigt, so waren in der ganzen Breite Stufen angelegt, die zwar jetzt fehlen, aber untrügliche Spuren hinterlassen haben. Von den zwei untersten ist noch je ein Stützstein in situ erhalten ; die drei folgenden Stufen ruhten auf beiden Sei- ten im Felsen selbst, wie es die regelmässigen treppenarti- gen Einschnitte in den Wänden erweisen. Die Länge und Höhe derselben betragen je 0,40™, die Tiefe nur 0,30™.

Ist man auf dem Plateau angekommen, so fällt sofort sein doppelter Charakter ins Auge. Die südliche Hälfte ist eine stark gegen Osten abfallende Fläche, deren äusserer Rand di- rekt in den Bergabhang übergeht; nur im Süden und Wes- ten bieten die Felsen Schutz. Die nördliche Hälfte hingegen erhebt sich zur eigentlichen Akropolis, ist überall von Felsen umgeben und leicht zu vertheidigen. Da wo beide Hälften durch eine Art Mulde verbunden werden, ist eine 25'" lange, aus grossen unbehauenen Steinen zusammengesetzte aber nur in der unteren Schicht erhaltene Futtermauer (fe) gezogen. Von einem Thor habe ich hier keine Spur mehr finden können.

AKDSCHE-KA.IA 215

Ueberreste der ümfassunnjsmauer finden sich hei b c d und g. Bei b und g sind es nur Fiillmauern in der natürlichen Felswand ; bei d sind, aber nur auf ein Paar Schritte, noch zwei Schichten schöner Quadersteine erhalten.

im Innern der Burg, deren Terrain anstei<Jt, passirl man zuerst die nur zum Theil erhaltenen Grundmauern eines lang- seitigen Gebäudes (/). Etwa 8'" weiter zieht sich eine ziemlich lange Mauer {i) hin, die im Westen verschiedene Absätze hat; bei y lassen sich deutlich die Spuren eines Einganges nach- weisen. Im Osten, bei k, liegen zwei Säulenschafte aus ro- them Sandstein, die wahrscheinlich zu dem vorher erwähnten Gebäude gehören; die Zerstörung der Ueberreste ist zu weit fortgeschritten, als dass man ohne Ausgrabungen einen si- chern Anhalt erewinnen könnte.

Auf der nördlichen Seite dieser Anhöhe trifft man eine pa- rallele, nur viel kürzere Fultermauer, an welche sich eine natürliche Felswand anschliesst. Bei h lassen Einschnitte in den Felsen auf eine Fortsetzung dieser Mauer und gewiss auch eine Verbindung mit der Mauer i schliessen. Im Westen ist das Terrain durch eine Felswand abgeschlossen. Im Mittel- punkt des so eingeschlossenen Raumes erblickt man, von ei- nem grossen Steinhaufen umgeben, eine wohl erhaltene mit Quadern ausgemauerte Cisterne. Der Grundriss derselben ist auffallender Weise birnförmig ; ihre Länge beträgt 4,70™, die grösste Breite 3,10'". Die Höhe der Quaderschichten variirt zwischen 0,20™ und 0,30'"; die Länge der einzelnen Blöcke zwischen 0,40™ und 0,64"^; die Tiefe der Cisterne beträgt 3"°.

Diese Felsburg erinnert sofort an die Akropolis von Alt- Smyrna sowie an die zwei Stunden tiefer im Gebirge liegende Burg von ''Ada" ^ : derselbe Verein von Quaderbau, polygo- nalem und cyclopischem Ausbau; hier wie dort folgt der Mauerzug genau den Umrissen des Plateaus. Wir sind daher

' In meinem Buclie Sipylos et ses monuments als Hicron der Kybele be- schrieben. Vgl. auch in dem Journ. of Hell. Studies v. J. 1880 den Aufsatz von W. M. Ramsay : Newly diso, siles near Smyrna.

216 AKDSGHE-KAJA

wohl berechtigt diese Anlagen derselben Zeit und demselben Volke zuzuschreiben. In einem Punkte unterscheidet sich je- doch die neue Anlage von den früher bekannten: während die Burgen von Ada und Alt-Smyrna das Meer beherrschen, trägt Akdsche - Kajä ganz den Charakter einer Landfestung ; wie von jenen aus jede feindliche Annäherung vom Meere her sofort bemerkt werden konnte, so dürfte den Inhabern dieser keine Bewegung entgangen sein, die von Süden her durch das Melesthal gegen den smyrnäischen Meerbusen zu gerichtet war.

Smyrna im Juni 1885.

GEORG WEBER.

De inscriptione Lebadiae nuper inventa.

D' G. Lambakis luimanissime mihi praestitit ectypum cliarlaceum decreti de proxenia, quod exeunte proximo anno Lebadiae inventum esse dixit. Tabula ab inferiore parte est fracta. Litterae 0,008 altae sunt; totidem fere distant inter se singuli quique versus perspicuis in ectypo lineolis a lapida- rio inclusi-

OI02:EPATfiNos:APXoNTos:B OlQToI^AAA(|) o T H S: X I N AO E A E i E E P I A E I T I /A n N A H A A A a P E P P H

bos:e^0aaannas:xpeis:imos:estito isai aei menoi^aeaoxohtoiaamoippoienon

EIMENKHEYEPrETANTaKoINftBoir^Tn AYToNKHErroNnSKHEIMENAYT

as:eppa^inkhfis:oti^'^

-{ A X ''III/II/Ij \ H K H P o A F

1 0t6;. 'EpXTcovo; ap^ovTo; BotcoxoT? 'A^/^or[efoi;] ['H](5j^ivao Iki^e' i-nii^d Ti^u-wv A-/iSocXci> Ileppv)-

{yJvoi?, SeSo^Oyi toi Sä[ji.oi Trpo^evov 5 et[/,6v X7) eüepyerav tw /.otvoi Boicotcü[v]

auTOv xt; eyyovGx; x,7] Eijxev aÜT[ot? ya? x,y) Foi-] [)tt]a; £TC7ca(jiv X7] FicoT£[Xtav xy) ä(j(pütav] [xY]] ä(5[oulia]v y.ri noXil^Aü xy) tpxva<; x.t.'X.

Quis fuerit Tinion ille Perrhaebus aut Amphoterus Ae- schini filius, nos latet neque magis sumus edocti, quo anno Eratou eponymum gesserit apud ßoeotos magistratum. I^itte«

218 DE INSCRIPTIONE LEBADIAE NUPER INVENTA.

ramm quidem formis indicatur titulum tertio ante Chr. n. seculo posteriorem vix esse. Qiiod spatium quo aceuratius de- finiatur, animiim advertamus oportet honorari proxenia a foe- dere Boeotieo Perrhaebiim. Nam cum ex amicis civitati- bus proxenos sibi quaeque eivitas eligeret, non abhorret a vero Timoni eo tempore proxeniam totius foederis Boeotici delatam esse, quo Boeoti amicitiam cum Perrhaebis haberent. Frequentius autem commercium et amicitiam intercessisse inter utramque gentem probabile est post initum a Boeotis Antigono auctore factum foedus, cuius mentionem facit Po- lybius (IV 9, 4): In yöcp evop/to? i'tjt.£V£ tzxgiv v) y£y£V7i[/,£V7i <ju[i.f7.(xj^ia Si' 'AvTiyovou /.ätÖc too; KX£oa£vi)toü; /taipou; 'A^aioT?, HrEipcÖTat;, $w)t£'^(7i, Max£S6(jt, Boicütoi?, 'Ajcapvau'., ©Exxa- "koXi. Par enim erat Perrhaebos, qui ea aetate sub Antigoui dicione essent, eisdem ac Macedones sociis atque amicis uli. Quae cum ita sint, paullo post commemoratam illam a Po- lybio (juu,p.a;(tav datum esse hoc decretum videtur.

In singulis adnotanda sunt perpauca. L. 3. I; $alocvva? cf. Kolli tz. Samml. IV 383 n" 1329, 15: xai tot? | i? xav 4)alav- vaiav 7i:oXi[(ov xo>.i]'r£iav toT? 7roxypa({/a(y.£voi;.

L. 4-5: a(S€i{X£voi; cf. 'ABriv. 1881. ail. 362, €. 5: ßeilo-.

Praebet titulus eam dicendi brevitatem, quae in plerisque decretis Boeotorum de proxenia nobis occurrit. Cnum enim de meritis Timonis dicere visum est satis : esse cum toT; aiö£i[j-£voi; j^p£i<jip.ov.

N. NOVOSADSKY.

Das choragische Monument des Nikias.

(Hierzu Tafel VII.)

(n dem sog. Beuleschen Thore am westlichen Fiisse der Akropolis von Athen sind eine Anzahl dorischer Architectur glieder verbaut, welche bisher nicht die Beachtung gefunden haben, welche sie verdienen. Beule, der Entdecker des Tho- res, welcher in seinem Buche Uacropole d^Athhies gute Zeich- nungen desselben veröffentlicht hat, schrieb diese Steine ver- schiedenen Bauten zu. Die marmornen Architrave, welche eine Sieger-Inschrift tragen, erkannte er als Tlieile eines cho- ragischen Monumentes; die Triglyphen aus Porös theilte er einem der zahlreichen archaischen Tempel zu, welche Xerxes zerstört habe; die marmornen Geisa und die profilirten Blö- cke der obersten Schicht des Thores glaubte er andern Tem- peln zuschreiben zu müssen.

Diese verschiedenen dorischen Bauglieder gehören aber, wie wir sehen werden, trotz der Verschiedenheit ihres Mate- rials alle zu einem einzigen grossen Gebäude und zwar zu einem choragischen Denkmal, welches Nikias, der Sohn des Nikodemos, im Jahre 3 ^^/jg zur Aufstellungeines Sieges-Drei- fussses errichtet hat. Dasselbe darf we2;en seiner technischen und künstlerischen Ausführung eine ehrenvolle Stelle unter den antiken Bauten beanspruchen. Seine Bedeutung für die Architekturgeschichte wird noch dadurch erhöht, dass es er- stens genau datirt werden kann, was bekanntlich nur bei we- nigen griechischen Bauten der Fall ist, und dass es uns zwei- tens über die Polychromie der antiken Gebäude erwünschten Aufschluss giebt.

220 DAS CHORAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS

Wir stellen zunächst das noch vorhandene Material zusam- men und versuchen aus demselben den Grundriss und Auf- riss des Baues zu reconstruiren- Nachdem wir denselben so- dann mit anderen schon bekannten choragischen Monumen- ten verglichen haben, besprechen wir seine technischen und architektonischen Details und schliessen mit einem Excurs über die Bemalung antiker Bauwerke.

Das erhaltene Baumaterial des Nikias-Monumentes ist zum grössten Theil im Beuleschen Thore verbaut, aber ausserdem findet man in der Nähe dieses Thores noch manchen Stein herumliegend, welcher ebenfalls mit Sicherheit dem Bau des Nikias zusreschrieben werden kann. Einige Blöcke liefen west- lieh vom Thore ausserhalb der jetzigen Burgmauer, andere befinden sich in dem kleinen Hofe beim jetzigen Eingang zur Burg, wieder andere stecken in der Festungsmauer, welche an die S. W. Ecke des Nikepyrgos stösst, und noch andere liegen in dem Räume zwischen dem Beuleschen Thore und dem Nikepyrgos. Alle diese Steine waren vermuthlich als Material zu der gleichzeitig mit dem Beuleschen Thore er- richteten westlichen Burgmauer verwendet und sind erst in diesem Jahrhundert beim Abbruch einzelner Stücke dieser Mauer zum Vorschein gekommen.

Unter diesen verschiedenen Bauffliedern nehmen die Ar- ehitrave aus weissem pentelischen Marmor wegen ihrer grossen Zahl und wegen ihrer Bedeutung für die Reconstruc- tion des Baues die erste Stelle ein. Es sind 13 hochkantig ge- stellte Platten von verschiedener Länge, deren Vorderseite sauber geglättet und deren Hinterseite zum Anschluss an eine zweite Platte hergerichtet ist (vergl. die beigefügte Tafel VII). Diese 13 Steine lassen sich in folgende Gruppen zertheilen :

1) 2 Eckstücke mit je 2 Y2 Tropfenleisten an der Vorder-

seite (a und e auf Tafel VII).

2) 3 Blöcke mit je 2 halben und 1 ganzen Tropfenleiste.

(6, c und (/); diese 3 tragen die Bauinschrift.

3) 2 Steine mit je 2 ganzen Tropfenleisten und 3 den Me-

topen entsprechenden Zwischenräumen (/"und/i); 3

DAS CHOHAGISCHE MONUMENT ÜKS NIKIAS 22!

andere Platten, welche fragmentirt sind, können die- ser Gruppe nur mit Wahrscheinlichkeit zugetheilt werden.

4) 1 Architrav mit 8 ganzen Tropfenleisten und 2 Meto-

pen, {g); ein anderer fragmentirter Architrav war vermuthlich ebenso gestaltet.

5) 1 Stein mit 1 ganzen, 1 halben und einem kleinen Stück

einer dritten Tropfenleiste (/<;). Die unter N" 2 aufgeführten drei Platten, welche die Bau- inschrift tragen, gehören unbedingt zur Front unseres Monu- mentes. Dasselbe gilt von den beiden Eckstücken N" 1, weil bei allen griechischen Bauten die schmale Seite der Eckar- chitrave zur Seitenfront gerichtet ist. Da alle diese 5 Steine genau in der Mitte der Tropfenleisten zusammengefügt sind, so kann erstens keiner der übrigen 8 Architrave zur Front gehören, denn diese alle sind anders abgelheilt, und zweitens muss die Front aus einzelnen Stützen und nicht aus einer ge- schlossenen Wand bestanden haben. Letzteres beweisen aus- serdem die ünterflächen der Steine. 5 Architrave erfordern aber 5 Intercolumnien und 6 Stützen und es muss daher un- ser Monument eine o;ewöhnliche sechssäuliare Fassade von fast 11'" Länge gehabt haben, wie Fig. 1 auf Taf. VII zeigt. Die übrigen Architrave sind also den Nebenfronten zuzutheilen. Ueber die Gestaltung der letzteren belehrt uns der Fugen- schnitt der gefundenen Architrav- Stücke. Die unter N" 5 ge- nannte Platte [k) passt nämlich genau an den Eckarchitrav (a) heran, dessen Tropfenleiste erst durch Anfügung des an der Platte k erhaltenen kleinen Stückes einer solchen zu der rich- tigen Länge ergänzt wird. Sie muss also den ersten Archi- travblock der Nebenseite gebildet haben. Ihre zweite Stoss- fuge trifft gerade die Mitte einer Tropfenleiste und hat daher wahrscheinlich wiederum auf einer Stütze und nicht auf ei- ner geschlossenen Wand gelegen. Die nach links angrenzende Platte {i in Fig. 2) ist leider nicht gefunden, muss aber, um^ den üebergang zu den anders geschnittenen Architravplattert zu bilden, entweder die in unserer Zeichnung angegebene

222 DAS CHOBAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS

Form gehabt haben, oder links mit einer Metope abgeschlos- sen gewesen sein. Im letzteren Falle könnte eines der unter 3 genannten Fragmente dem Steine i angehören. Die wei- ter nach links sich anschliessenden Stücke h, g und /"lagen sicherlich auf einer geschlossenen Wand, weil im andern Fall ihre vertikalen Slossfugen mit den Mitten der Tropfenleisten zusammenfallen müssten. Unter der Stossfuge von z und h hat vermuthlich die Ante gelegen, welche die Wand ab- schloss. Die zahlreichen Architravstücke allein gestatten uns also schon, ein allgemeines Bild des Nikias- Monumentes zu entwerfen. Es war ein grosser Bau mit 6 dorischen Säulen an der Vorderseile, über den drei mittelsten Intercolumnien stand die Weihinschrift. An den Seitenfronten waren ver- muthlich eine Ecksäule und daneben eine zweite Säule auf- gestellt, während der übrige Theil von einer geschlossenen Wand eingenommen war. Ob eine Rückwand vorhanden war, oder ob sich der Bau ebenso wie das choragische Monument des Thrasyllos an die Felswand anlehnte, ist nicht zu ent- scheiden, doch spricht das Fehlen der hinteren Eckblöcke für die letztere Annahme. Die beschriebenen Architrave bildeten nur die äussere Hälfte des aus zwei neben einander gestell- ten, hochkantigen Platten bestehenden Epistyls. Die innere Hälfte wurde von den Marmorblöcken gebildet, welche jetzt die oberste Schicht des Beuleschen Thores einnehmen und an ihrer Oberkante mit einem Kyma geschmückt sind. Dass diese Blöcke in der That an jene Stelle gehören, beweisen ihre Di- mensionen und ihre Bearbeitung aufs Schlagendste. Beide hochkantigen Platten waren durch I I förmige eiserne Klam- mern mit einander verbunden.

Von dem Triglyphenfriese sind eine Menge Blöcke ge- funden, welche ans Porös bestehen und an welche die Tri- glyphen angearbeitet sind. Die Metopen waren aus dünnen Marmorplatten hergestellt und in besondere Falze von oben her zwischen die Triglyphen eingeschoben. Die Slossfugen der einzelnen Blöcke lagen gerade in der Mitte zwischen je zwei Triglyphen und waren daher von den Metopenplatten

DAS CHORAGISCHE MONUMENT DES NIKI AS '2^3

überdeckt. Die Conslruction des Frieses erkennt man am l)e- sten aus der kleinen perspeclivisclien Skizze (Fig. 5), in wel- cher die aus Porös bestehenden Tlieile eine dunkle Schatti- rung erhalten haben. Die l*orosblöcke waren unter sich durch eiserne Kkimmern, mit dem Archilrav und Geison durch ei- serne Splintdübel verbunden.

Während wir aus den zahlreichen Friesstücken nichts Neues über die Gestalt des IJaues erfahren, lehren uns die erhalte- nen Geisa, dass das Monument mit einem Giebel ausgestat- tet war. Von den vorhandenen Geisonblöcken gehören näm- lich die im Beuleschen Thore verbauten dem horizontalen Giebelgesimse an; unter den in der Nähe des Thores gefun- denen ist aber auch eines mit ansteigender Oberfläche, wel- ches mithin zu den Traufseiten gehört. Da sich nach dem letzteren Blocke die Giebelneigung wenigstens annähernd be- stimmen lässt, konnten wir in Fig. 1 den Giebel in seinen Umrissen reconstruiren, obwohl keines der ansteigenden Gie- belgesimse gefunden ist. Das Material des Gesimses ist pen- telischer Marmor. Die einzelnen Blöcke waren unter sich gleichfalls durch eiserne Klammern verbunden. Die im Beu- leschen Thore verbauten Blöcke zeigen an ihrer überkante die Buchstaben A B F A 6 Z H, welche von der Erbauung des Thores, also von der zweiten Verwendung der Steine her- rühren. Sie liefern, wie schon Beule erkannt hat, einen An- haltspunkt zur chronologischen Festsetzung der Zerstörung des Nikias-Monumentes und der Erbauung des Thores.

Wir sind bisher von der Annahme ausgegangen, dass die verschiedenen Bausteine (die Architrave, Triglyphen, Meto- pen und Geisa) zu einem einzigen Bau gehören, obwohl wir wissen, dass Beule dies entschieden leugnet. Wir haben da- her diese Annahme noch zu beweisen. Die Gründe, welche Beule für seine Ansicht anführt, sind verschiedener Art, aber sämmtlich leicht zu widerlegen. Zunächst sollen die Trigly- phen, weil sie aus Porös, die andern Bautheile aber aus Mar- mor bestehen, einem andern und zwar einem archaischen Ge- J)äude angehören. Aber der Wechsel des Materials beweist

224 DAS CHORAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS

nichts, wie uns die dem älteren Parthenon zugeschriebenen Bauglieder in der Nordmauer der Akropolis lehren; bei ih- nen sind die Metopen ans Marmor, die andern Theile des Ge- bälkes aus Porös. Und wie will es Beule erklären, dass die Breitenmasse der Triglyphen und Metopen ganz genau mit den Tropfenleisten des Ärchitravs und ihren Zwischenräumen übereinstimmen? Die Identität der Abmessungen, die Gleich- heit der technischen Bearbeitung und das Zusammenpassen der Dübellöcher beweisen znr Genüge, dass die Porostrigly- phen auch zu dem Nikias- Monumente gehören. Ferner sollen die Geisa desshalb nicht mit den Architraven und Triglyphen von einem Gebäude stammen können, weil ihre Tropfenplat- ten schmaler seien, als die Triglyphen und die mit diesen übereinstimmenden Tropfenleisten des Ärchitravs. Dies ist ein Irrthum Beules, der sich dadurch erklärt, dass jetzt an dem schlechtgebauten Thore das ganze Gesimse gegen die Trigly- phen etwas verschoben ist. Beules Architekt, Herr Lebou- teux, giebt auf Tafel IV die Breite der Tropienplatten voll- kommen richtig an. Endlich sollen auch die in der obersten Schicht des Thores vorhandenen Profilsteine einem anderen Gebäude, und zwar dem Inneren einer Tempelcella angehö- ren, während doch ihre Zusammengehörigkeit mit den äus- seren Architravplatten auf Grund ihrer gleichen Abmessun- gen, ihrer gleichen Bearbeitung und des Zusammentreffens ihrer Klammerlöcher ganz ausser Frage steht. Die dorischen Bauglieder des Beuleschen Thores stammen also sicherlich von demselben antiken Gebäude. Was hätte auch die Erbauer des Thores dazu veranlasssen können, die sämmtlichen Ar- chitrave von einem choragischen Monumente, die Triglyphen von einem anderen schon durch die Perser zerstörten Poros- bau, die Geisa wieder von einem anderen Gebäude und end- lich die inneren Architravbalken von einer Tempelcella zu nehmen? War es nicht einfacher, von demselben Monumente, dessen Architrave sie benutzten, auch die übrigen Bauglieder zu verwenden? Letzteres ist in der That der Fall gewesen. Beim Bau der westlichen Festungsmauer hat man das Nikias-

Das choragische monlment des nikias 255

Monument abgebrochen und die Steine seines Gebälkes zur Errichtung' des Thores und der unstosseiideii liurgmauer ver- wendet.

I^eider ist es mir nicht gelungen, ausser den aiifgezählten Baugliedern nocii andere Steine des choragischen Denkmales zu linden. l']s ist zwar in der äusseren Festungsmauer neben dem jetzigen Burgeingang ein gutes dorisches Marmorcapitell verbaut und ein zweites liegt ausserhalb der Burg in der iNiilie des Beuleschen Thores; aber beide sind im xMaasstabe viel zu klein, als dass sie auch nur mit einiger Wahrscheinlich- keit unserem Monumente zugetheilt werden könnten. Wir wissen daher weder, wie die Säulen und Anten gestaltet vs'a- ren, noch wieviele Stuten der Stylobat hatte, noch wie die geschlossene Wand gebildet war. Aber trotzdem können wir uns aus den vorhandenen Baulheilen ein Bild des Gebäudes machen und dieses mit den anderen choragischen Monu- menten vergleichen.

Von grösseren Bauten zur Aufstellung von Siegesdreifüssen waren bisher zwei Beispiele allgemein bekannt, die choragi- schen Monumente des l^ysikrates und des Thrasyllos. Das erstere ist der bekannte zierliche Rundbau korinthischen Styles, welclier noch jetzt im Osten der Akropolis an der al- ten Dreifuss- Strasse steht und aus dem Jahre 334 stammt. Das andere stand bis zu den griechischen Freiheitskriegen oberhalb des Dionysoslheaters vor einer Grolle und war eine aus zwei breiten Eckpfeilern und einem schmalen Mittelpfei- ler gebildete kleine dorische Halle, welche im Jahre 320 von Thrasyllos erbaut worden war. Durch das Nikias-Monument lernen wir eine drille Form dieser Gebäudeciasse kennen. Es hatte die Geslall eines Tempels; über den (> dorischen Säu- len der Front lag ein vollständiges dorisches Gebälk mit ei- nem ziemlich niedrigen Giebel; vermullilich stand es nicht ganz frei, sondern halle ebenso wie das Thrasyllos- Monu- ment die Gestall einer Halle, deren Kückwand vom Burg- felsen firebildel war. Im letzteren Falle könnte das Gebäude möglicher Weise an der Südseite der Burg unmittelbar un-

MITTH. D. ABfiH. INST. X. 15

226 DAS GHOBAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS

ter dem Niketempel und dem Siidflügel der Propyläen ge- standen haben. Denn u;egenüber dem jetzigen Burglhore ist der Fels zur Aufnahme eines grösseren Baues abgearbeitet. Daselbst sahen Spon und Wheler im 17. Jahrhundert nocli die Reste eines Marmorgebäudes, welches so prächtig sei, dass es mehr als eine halbe Million Thaler gekostet haben müsse. Bevor jedoch nicht die Wächterhäuschen und kleinen Mu- seen, welche jetzt neben dem ßurgeingang stehen, abgebro- chen sind, wird es nicht möglich sein zu ermitteln, ob der Platz auch für das stattliche Nikias-Monument ausreicht.

Es ist ein seltsames Zusammentreffen, dass wir durch lit- terarische üeberlieferung ein zweites tempelartiges Anathem zur Aufsteilung von Dreifüssen am Südabhange der Burg kennen, welches ebenfalls von einem Nikias, aber von dem berühmten Feldherrn des 5. Jahrhunderts errichtet war. Plu- tarch berichtet nämlich (iNik.3), dass von dem Feldherrn Ni- kias noch 2 Anatheme erhalten seien, ein Palladion auf der Akropolis xal 6 toii; j^opvjyuoi? xpiTTroaiv u7uo/.6iiJ!.£vO(; ev Atovucou (TirepißöXü) 0. Müller) vew?.

Man könnte geneigt sein unser Monument, welches ja auch eine Tempelform hatte, mit diesem Tempel des älteren Nikias zu identiiiciren. Plutarch müsste in diesem Falle das Ana- them des jüngeren Nikias, des Sohnes des Aristodemos, irr- thümlich dem älteren berühmten iXikias, dessen f.ebensge- schichte er verfasste, zugeschrieben haben. Da wir aber wis- sen, dass auch der ältere Nikias, der Sohn des Nikeratos, viele Choregien geleistet hat, dürfen wir die Nachricht Plutarchs nicht in Zweifel ziehen, sondern müssen annehmen, dass es in der Nähe der Akropolis zwei tempelartige Monumente des Nikias, das eine von dem älteren, das andere von dem jün- geren Besitzer dieses Namens gegeben hat.

Es masr hier nebenbei noch auf eine andere Eiffenlhümlich- keit aufmerksam gemacht werden. Das Nikias-Monument hatte eine aus (5 Säulen gebildete dorische Fassade, welche mit der Westfront des Mittelbaues der Perikleischen Propy- läen im Wesentlichen übereinstimmte. Das Thrasyllos-Mo-

DAS CHOHAGISCHE MONUMENT Dliö NlKlAS 227

numenl ist dagegen ofTcnbar dem SüdtUit!;el der l*r()})yläen nachgebildet^ denn hei beiden Bauten besieht die Front aus zwei breiten F^ckpIVilern und cinetn dünneren Mittelpfeiler, bei beiden ist der Arcliilra\ mit einer ununterbrochenen Reilie von Tropfen versehen und bei beiden fehlen um Friese die Triglyphen.

Da das Erbauungsjahr des Nikias-Monuments feststeht, ist es für uns von besonderem VVerthe, seine co n s tr uc t i v en und künstlerischen Details kennen zu lernen und sie mit denjenigen anderer Bauten zu vergleichen. Was zunächst die Construction anbetrifft, so stelil die Technik der Stein- beai'beitung und Steinfügung durchaus nicht hinter derjeni- gen an den Perikleischen Bauten zurück. Nicht nur die sicht- baren Aussenflächen sondern auch die äusseren Bänder der Stossflächen sind sauber bearbeitet und geschliffen. Nur die- jenigen Theile, welche bemalt werden sollten, haben ihre erste rauhere Bearbeitung behalten. Die horizontalen Eisen- klammern und die vertikalen Eisendübel haben noch dieselbe Form (I 1) wie am Parthenon und an den Propyläen, wäh- rend bei anderen gleichzeitigen Bauten (z. B. beim Philip- peion und bei der Echohalle in Olympia) schon die späteren Klammern (I I) vorkommen. Die Pioportionen der einzel- nen Architekturglieder weichen dagegen schon mehr von de- nen der älteren Bauten ab; bei einer Vergleichung derauf Taf. VTI eingeschriebenen Maasse kann sich jeder leicht hier- von überzeuo;en. Es ma«; 2;enüo;en, hier nur auf das Verhält- niss der Architravhöhe zur Triglyi)henhöhe und auf die Pro- portion zwischen Höhe und Breite der Triglyphen hinzuwei- sen. Beim Tempel auf Aegina, beim Parthenon, beim The- seion und bei den Propyläen Athens ist der Architrav noch ebenso hoch wie das Ti'iglyphon (eine ganz kleine Differenz von höchstens 1 Daktylos kommt hier nicht in Betracht), während beim iNikias-Monument das Epistyl 0,565, das Tri- glyphon aber 0,68 1™ hoch ist. Die Epistylhöhe verhält sich hier also zur Triglyphenhöhe wie 100:120. Beim Tempel zu Nemea beträgt dieselbe Proportion 100:112. Im Laufe des

228 DAS GHORAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS

vierten Jahrhunderts wird also der Architrav beträchtlich niedriger als das Triglyphon, während er vorher demselben fast vollkommen gleich war. Das Verhältniss der Breite der Triglyphe zu ihrer Höhe beträgt beim Tempel auf Aegina 100: 173, beim Parthenon 100:163, beim Theseion 100:101, bei dem Nikias-Monument 100:162 und beim Tempel von Ne- mea 100:156. Die Triglyphen sind also bei älteren Bauten schlank und werden allmählich gedrückter, beim Nikias- Monument sind ihre Proportionen aber noch dieselben wie bei den Bauten des Perikles.

Zum Schluss haben wir noch die Bemalung des Nikias- Monumentes zu besprechen. Als Beule das späte Thor der Akropolis freilegte und so die Bausteine unseres Monumentes zu Tage förderte, fand er an demselben noch ziemlich viele Farbenspuren, an den Tropfenplatten und den Triglyphen sah er blaue, an den Zwischenräumen der Tropfenplalten rothe Farbe "in ihrer vollen Lebhaftigkeit". Jetzt sind nur noch geringe Farbenspuren zu finden. An einem der Porostrigly- phen erkennt man noch kleine Reste von Blau, ebenso an ei- ner Tropfenplatte, an einem der Eckarchitrave ist ein Stück des oberen Abakus noch roth sefärbt. Aber trotz dieser ore- ringen Spuren der früheren Bemalung ist das Nikias-Monu- ment für die Frage nach der Polychromie der antiken Bau- ten von ganz hervorragender Wichtigkeit.

Während nämlich der ganze Bau, soweit wir ihn kennen, aus weissem Marmor besteht, sind die Triglyphen aus ge- wöhnlichem Piräuskalk (Porös) hergestellt. Da nun der Porös bedeutend billiger ist als Marmor, so hat der Architekt offen- bar der Koslenersparniss halber die Triglyphen aus Porös ge- macht. Warum hat er denn aber nicht auch andere Glieder aus dem billigeren Materiale hergestellt? Sicherlich desshalb, weil nur hei den Triglyphen die ganze Aussenfläche von ei- nem Farbenüherzug bedeckt und daher unsichtbar war, wäh- rend man b:'i allen anderen Baugliedern das Material, aus welchem sie bestanden, erkennen konnte. Dass sich dies that- sächlich so verhielt, dass wirklich die Triglyphen am dori-

DAS CHORAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS 229

sehen Bau die einzigen Steine waren, welehe eine volle Far- bendeeke besassen, dafür können wir die vielen Porosbaiilen Olympias und vor Allem das l.eonidaion daselbst anfuhren, dessen liaui!;lieder, weil sie schon zur Zeit Neros wiederum vermauert worden sind, noch jetzt ihre Bemalnng in fast vol- ler Frische aufweisen. An den Porosbauten von Olympia un- terscheidet man jetzt noch 3 verschiedene Arten der Behand- lung der Oberfläche :

1) Diejenigen Stellen der Aussenfläche, welche keine Farbe erhalten sollten, sind mit einem feinen weissen Marmorsluck überzogen, welcher eine sauber geglättete Oberfläche besitzt.

2) Alle Gliederungen, welche mit mehrfarbigen Ornamenten geschmückt werden sollten, haben ebenfalls denselben glat- ten Marmorpulz erhalten. Auf diesen Putz sind dann die Ver- zierungen aufgezeichnet und mit verschiedenen Farben ausge- füllt worden.

3) Sollten dagegen Theile der Aussenfläche mit einer einheit- lichen Farbe überzogen werden, so wurde nicht etwa zuerst der glatte Marmorputz gemacht und dieser mit Farbe über- zogen, sondern man trug die Farbe, wahrscheinlich mit Kalk vermischt, unmittelbar auf den Stein auf. Dieser Überzug war bei weitem nicht so wetterbeständig als der glatte Marmor- putz und so lindet man denn häufig, dass an einem Sleiublock diejenigen Stellen, welche einheitlich bemalt waren, keinen Stucküberzug mehr besitzen, sondern nur noch ganz geringe Farbreste unmittelbar auf dem Porös zeigen, während die an- deren Theile, welche gar nicht bemalt waren, noch mit einem wohlconservirten Marmorputz überzogen sind.

In der zuerst aufgeführten Weise sind in Olympia gewöhn- lich die Säulenschäfte und Kapitelle, die Architrave, die Me- topen und die vordere Fläche der Geisa verputzt. Diese Bau- theile haben also meist keine Farbe gehabt, sondern zeigten einen einfachen weissen, vielleicht etwas abgetönten Marmor- putz. Mit verschiedenartigem Ornament versehen waren na- mentlich die kleinen Gliederungen, die Kymatien, Äbaken etc. Zur dritten Kategorie, also zu den einheitlich bemalten

230 DAS CHORAGISCHE MONUMENT DES NIKIAS

Baugliedern, gehören vor allem die ganzen Triglyphen, fer- ner die Tropfenieisten und der Abakus des Architravs und endlich die Tropfenplalten und die Zwischenräume derselben am Geison. An den dorischen Porosbauten Olympias waren daher sicherlich die Triglyphen die einzigen Bausteine, wel- che in ihrer ganzen Ausdehnung gefärbt waren.

An den Marmorbauten werden in entsprechender Weise die zur ersten Kategorie gehörigen Baulheile keinerlei Putz ge- habt, sondern den glatten polirlen Marmor gezeigt haben, während bei den andern Gliedern der Marmor mit einer Farb- schicht überzogen und daher unsichtbar war. Wenn nun ein Architekt an einem Marmorbau möglichst sparen wollte, so konnte er diejenigen Glieder, welche ganz bemalt werden soll- ten, aus Porös machen. An den Säulen, am Architrav,an den Metopen und am Geison sind aber nur kleinere Stücke mit Farbe überzogen, diese Baulheile mussten daher unbedingt aus Marmor hergestellt werden. Nur die Triglyphen waren ganz bemalt und konnten mithin, ohne dass es später bemerk- bar war, aus billigerem Materiale bestehen. Beim Nikias-Mo- nument ist dies thatsächlich a;eschehen und daher ist uns die ser Bau ein wichtiges Zeugniss dafür, dass die in Olympia von den Porosbauten abgeleiteten Gesetze der Polychromie richtig sind und auch für die attischen Marmorbauten gelten.

WILH. DOEBPFELD.

Die choregische Inschrift des JNikias.

Dil! über dem lieulesclien Tlior vermauerte choregische In- schrift hat die IVüheren Herausgel)er in Verlegenheit gesetzt'. Weder über die l^esung noch über die Erklärung hat man sich einigen können. Eine im vergangenen Frühjahr für die Sammlung der attischen Inschriften vorgenommene llevision des Originales hat mich in den Stand gesetzt den Text der Urkunde zu lixiren und dadurch den Weg zum Verständniss derselben zu bahnen. Das Ilesultat ist interessant genug um hier mitgetheilt zu werden.

Die Inschrift ist vollständig zu lesen

Ni[x]i[a](; Nirx]oSY)(7.0'j S'j[7T]£Taiwv äveOr/xe vixiocra? y^opnywv Ke-

[riaJvxa'Xgcov Six'j(ovio[c] -rivln, xn^j.y. 'EXTTTivwp Ti[i.o9£Ou. N£[aiyJ- |y-[o]; -/ip/^sv.

Sie weicht in mehrfacher Beziehung von den bekannten In- Schriften derselben Gattung ab. Dass sich der Chore«; darin ausdrücklich als den Weihenden, nicht blos als Sieger (/opv:- ywv evty.a) bezeichnet, ist formaler Natur und hat ein Seiten- stück in der auf dieselbe Festfeier, die grossen Dionysien des Js. 319, zurückgehenden choregischen Inschrift des Thrasyl-

' Beule L'arrupule d'Alhcnes 1 S. 102 Kangabis Ani. Hellen. 986. Danach Iveil Alelanges greco-rom. II Ö. 76 und kürzlich Reisch, De musicis Graeco' rum certaminibus S. 36. Der recliiicirte Text C. 1. A. II 1246.

232 DIE CHOREGISGHE INSCHRIFT DES NIKIAS

los, welcher den sieggekrönten Männerchor gestellt hatte*. Bedeutungsvoller ist es, dass in der zweiten Zeile neben dem den Chor begleitenden Flötenspieler die Bezeichnung des Dichters und Chormeisters, des Chorodidaskalos vermisst wird. Man hat dem dadurch abzuhelfen gesucht, dass man zu Anfang der Zeile sSiSa^/^ev eingesetzt, nach S'./.'jüVno; inter- pungirt und r,"At\. mit dem Folgenden verbunden hat. Dieser Herstellung würde die ungewöhnliche und unmotivirte Wort- stellung ebenso wie der nicht übliche und überflüssige Zu- satz icT^aa in der Bezeichnung des Flötenspielers entgegen- stehen : die Hauptsache aber ist, dass das Original eine Er- gänzung an irgend einer Stelle der Inschrift nicht zulässt, die letztere vielmehr wie oben gegeben vollständig ist. Wenn demnach Pantaleon mit -/luT^si zu verbinden ist, so bleiben die Worte ä(7[;.a 'ElTi-^vwp Tijv.oOso-j zur Erklärung übrig. Kön- nen diese gleichbedeutend sein mit 'EItttivcoo Tii^.oOeou äSiSa- Tx-ev ? In einem nach Rubriken geordneten Siegercatalog würde eine solche Breviloquenz nicht auffallend sein: in einer ana- thematischen Inschrift ist sie unzulässig.

Man kommt auf die richtio;e Fährte, wenn man sich erin- nert, dass Elpenor ein aus der heroischen Sage bekannter im Leben selten vorkommender, Timotheos der iName eines re- nommirten Dichters war. Nicht der Chorodidaskalos war in den ausgeschriebenen Worten der Inschrift genannt, wie man nach der Analogie der übrigen Choregeninschrif'ten voraus- gesetzthat, sondern der zur Aufführung gekommene Dithyram- bos, welcher den Titel Elpenor trug und Timotheos zum Ver- fasser hatte. Augenscheinlich ist diese Deutunsr auch vom i!;ram- matischenGesichtspunkt aus die nächstliegende. Wenn aber in der Inschrift das Gedicht, nicht der Dichter genannt war, so folgt daraus, dass der letztere den Chor nicht eingeübt hatte, nicht

' 0pä(juXXo; 0paajX),ou AcXiXcE'j; avs'Orj/.cV y opr^ytüv vtxrj'ja; ävopaaiv 'I;:;:oOojvTi'ot (puXi). Eü'.05 XaXztos'j; r]u'X£t. N^'at/fjLO; ripyz^j. Kapxi?«(Ao; SojctiO? s5;5aay.£v C. I- G. nk~C. 1. A. 11 1247. Vgl DittenbergeV Syll. 423, welcher zur Fassung tue Privatweihungen der Choregen vergleiclil- Die im Beul(5sclien Thor ver- baute Inschrift scheint Djtlenberger nicht gekannt zu haben.

DIE nHOREfilSCHE INSCHRIFT DES NIKIA8 233

hatte einüben können: Timotheos von Milet, neben Philoxe- nos der gefeiertste Ditliyranibendichter des vierten Jahrlinn- derts, war bereits am Ende, der seehzii^er Jahre VLM'slorben ; Elpenor ein altes Stück, welches im J. 319 von nenem auf das Repertoire gesetzt worden war. Aus den Didaskalien lia- l)en wir gelernt, dass seit der Mitte des vierten .lahrliunderts auf der attischen Bühne neben den neuen regelmässig eine alle Traorödie aufo;eführt wurde und dass der beherrschende Einfluss, den Euripides auf seine Zeilgenossen ausübte, auch nach seinem Tode fortdauerte (Mitth. Ili S. 114 ff). Für den Dilhyrambos war das Bedürfniss geringer, aber es ist gewiss kein Zufall, dass das zweite bekannte Beispiel einer Wieder- aufführung eines solchen ebenfalls ein Gedicht des Timotheos betrifft': die gleiche Geschmacksrichtung der beiden durch persönliche Freundschaft verbundenen Dichter, des Dra- matikers und des Melikers, hat bewirkt, dass ihre Dichtungen das gleiche Schicksal gehabt haben. Für jene zeugt, was Timotheos betrifft, auch der Titel des in der choregischen In- schrift genannten Gedichtes: das rührende Moment in der Sage von dem unglücklichen Knaben, der vor der lleife durch einen tückischen Zufall den Tod findet und durch ein ver- häno;nissvolles Zusammentreffen Gefahr läuft der Grabeseh- ren verlustig zu gehen, war für ihn bei der Wahl des Stoffes bestimmend.

Das Gegenstück zu dem Bau des Nikias, welchen Herr

' Luciau Ilantiüiiid. t. Die 8tellc ist angeführt von Ileiscli a a. ü. 8 29, Avelclier daraus den richtigen Schluss gezogen hat, dass aucii in den musi- schen Agonen in der späteren Zeit ältere Dichtungen vorgetragen worden sind. Wenn aber Relsch ineiut die Chorodidaskaloi, welche alteGedichte zum Vortrag brachten, hätten an Bedeutung eingebüsst, so war vielmeiir zu sa- gen, dass in solchen Fällen ein Chorodidaskalos überhaupt nicht bestellt wurde, sondern der Aulet dessen Stelle vertrat, ebenso wie wieder aufge- führte Dramen unter der Leitung des Protagonisten einstudirt wurden. Der Dichter, welchen Lucian meint, ist unzweifelhaft Timotheos von Milet, das von ihm genannte Gedicht Ata? E[ji[i.avri; ist ebenso wie Elpenor in die Liste der Dithyramben des letzteren einzureihen.

234 DIE CHOREGISCHE INSCHRIFT DES NIKIAS

Dörpfeld oben S. 219 ff. ans den Heberresten reconstruirt hat, bildete das noch im Anfang dieses Jahrhunderts aufrecht ste- hende Monument des Thrasyllos, der an demselben Tage, an welchem jener mit dem Knabenchor siegte, mit dem Män- nerchor den Preis davon getragen hatte- Im Grundriss und Aufbau einfacher, in den Verhältnissen bescheidener gehal- ten als der tempelartige Bau mit der sechssäuligen Fa- cade wirkte es durch die hervorragende Aufstellung mitten über dem Rund des Theaters und durch die Silzstatue des Dionysos, die über der Attika thronte, nicht weniger als die- ser. Mit der anspruchsvollen Erscheinimg der beiden Bau- werke harmonirt die ungewöhnliche Fassung der daran angebrachten Inschriften, in denen sich Nikias und Thrasyl- los, wie schon bemerkt wurde, nicht allein als Sieger son- dern als Weihende bezeichnen ^ Man wiirde sich begnügen müssen, diese Thatsachen lediglich auf die Rivalität der bei- den Männer zurückzuführen-, wenn sich nicht eine Combi- nation darböte, welche dieselben noch in einem andern Lichte erscheinen lässt. Das Fest, an welches die beiden Monumente erinnern, scheint unter ausserordentlichen Umständen gefeiert worden zu sein. Als nach Antipaters Tode Kassander Anstal-

' Mag nun der Dreif'uss des Nikias auf der Giebelfirst oder im Innern des Gebäudes aufgestellt gewesen sein, das Missveriiältniss zwischen der Be- stimmung und den Dimensionen des letzteren bleibt dasselbe. Auch in die- ser Beziehung kann wie mir scheint das choregische Monument des Lysi- krates durch den Vergleich mit dem des Nikias nur gewinnen. Uebrigens wäre es wohl an der Zeil, dass die Statue vom Monument des Thrasyllos neu publicirl und bei dieser Gelegenheit zugleich entschieden würde, ob die- selbe den Dreifuss auf dem Schoosse getragen hat, was behauptet und bestrit- ten worden ist.

- Die Familie des Thrasyllos ist aus Inschriften bekannt, nicht so Ni- kias. Der letztere ist vielleicht identisch mit dem berühmten Maler des gleichen Namens, welcher Athener und im Besitz eines grossen Vermögens war. Der Vater des Malers heisst an den drei Stellen des Pausanias, an de- nen er genannt ist (1. 29, 15 III 19, 4 IV 31, 1'2), in den Ausgaben Niko- medes, aber an der ersten Stelle wird aus der Pariser IIS. Bekkers statt Ni- ■/.ofiTJSous notirt Ni/.oSrljjiou.

DIE CHOREGISCHE INSCHRIFT DES NIKIAS 235

ten traf sich die ihm von dem sterbenden Vater versagte Würde als Keichsverweser anzueignen, war einer seiner er- sten Sehritte der, dass er einem ihm ergebenen Ollicier, dem .\ikanor, den Oberbefehl iiber die makedonische Besatzung übertrug, welche von Munychia ans die Athener im Zaume hielt. Nikanor erreichte sein Ziel, bevor die Nachricht vom Tode Antipalers nach Athen gedrungen war. Als dieser Fall einige Tage später eintrat, gerieth das Volk in grosse Aufre- gung, um so mehr als man argwöhnte, Phokion sei im Ein- verständniss mit dem neuen Phrurarchen. Phokion soll da- rüber seinen Gleichmuth nicht verloren haben, bewog aber Nikanor sich zuvorkommend gegen die Athener zu zeigen, xal (piXoTi[/.ia? Tiva; iTZHne /.ai rW.— xva; 0— OTTvivai yevov.evov äycovoOs- TYiv (Plut. Phoc. e)l). Die ausgeschriebenen Worte hat Droy- sen auf die grossen Dionysien des Js 319 bezogen, an denen Nikanor als Agonothet fungirt habe '. Nim kann allerdings die Angabe der Quelh?, so gefasst, nicht richtig sein, da das Amt des Agonotheten erst ein Jahrzehnt später geschaffen worden ist. Aber andererseits weist der gebrauchte Ausdruck doch auf die Dionysien hin 2, und es scheint mir sehr begreif- lich, dass, wenn Nikanor, sei es nun auf Anrathen Phokions oder in Folge der ihm von Kassander ertheilten Instructionen, den Athenern zur Ausrichtung des Festes ein Geldgeschenk machte und bei der Feier assistirte, in einer später nieder- geschriebenen Relation diese Betheiliguno; in einer Weise be- zeichnet wurde, die nur formell ungenau war: nicht als Ago- nothet ex officio aber freiwillig als Privatmann hatte Nikanor die musischen Aufführungen ausgerichtet. Fn dieser Modifi- cirung scheint mir Droysens Auffassung zutreffend zu sein; es folgt daraus, dass die Dionysien des Js. 319 mit nicht ge-

' Gescti. der Diadoc'nen II S. 215 Anm. 1-

2 Die Agonothesie derTheseen ist schwerlich älter als die der Dionysien, der Agon selbst scheint erst in der späteren Zeit grössere Reden tiinii gewon- nen zu haben.

23Ö DIE CHOREGISGHE INSCHRIFT DES NIKIAS

wohnlichem Pomp begangen wurden' . Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass mit dem Einfluss, den der makedonische General d.imals auf das griechische Volksfest ausgeübt hat, der anspruchsvolle gegen die zweckbewusste Selbstbeschränkimg älterer Zeit so auffallend abstechende Cha- rakter der Monumente und ihrer Aufschriften im Zusammen- hang steht, welche Nikias und Thrasyllos zum bleibenden Andenken an ihre Erfolge haben herstellen lassen.

ULKICH KOEHLER.

' Den Tud Aiilipaters hat Droysen nach dein Zusaninienliang der Ereij,'- nisse in die zweite Hälfte des Aroliunlales des Neaichmos, in den An- fang des Jahres 319 gesetzt. Diodor (XVHI 48) erzählt denselben unter dem Arc|iontat des Apüllo(iorüs,\velclies er dem jiilianischen Jahr 319 gleich setzt.

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Ueber das archaische Giebelrehef von der Akropolis.

Unter den neuen Funden aus dem Bauschutt des Parthe- non, welche ich im Frulijahr ]88i im Akropohs-Museum noch ungeordnet aufgestellt sah, nahmen unstreitig die zahl- reichen Fragmente eines Flachreliefs aus l'oros den ersten Platz ein. Sie sind inzwischen durch Purgold zusammenge- setzt, als Theile emes Giebelfeldes erkannt und in der 'E(pr,i^.£pi; apj(^aioXoYur, 1884, die zugleich auf Tafel 7 eine von Gillieron besorgte Publicalion giebt, Sp. 147 ff. besprochen worden'. Das Monument bietet soviel iNeues und erweckt ein so viel- seitiges Interesse, dass die Akten darüber kaum so bald ge-

Ich eulneliiiic PurgoUls AuCsalz, dessen zweiler Theil iiucli aussteht, Folgendes: Das Relief wurde 1882 in tler Südostecke der Akropolis nörd- lich vom Museum in einer zur Flanirung des Terrains gemachten Aufschüt- tung gefunden Es bestand aus sechs Platten Porosstein, welche auf beide Flügel gleichniässig vertheilt waren; ihre Stärke schwankt zwischen 16 und 18 cent. Der Stein ist reichlich mit Muscheln durchsetzt und jetzt sehr bröck- lich.— Soweit Purgold. Der Relielgrund ist ungleich, die Farbe direct auf den Stein aufgetragen. Vgl. die Beilage, auf welcher mit Frl.iubniss der Redaction der 'Ap/aioXoyt/.ri 'E-fT]ji.£pl? die in dieser mitgetheilte Zeichnung in verkleiner- tem Maasstabe wiederholt ist. Von dem Relief ist neuerdings noch ein klei- nes Fragment, einen Schlangcnkopf darstellend, aufgefunden worden. Die an der gleichen Stelle gefundenen Archilekturfragmentc harren noch der technis(h(>n Untersuchung. Als Länge des linken Flügels des Reliefs hat man 2,899'°, als die des rechten 2,91'" berechnet; doch ist die Ungleichheit bei dem Zustande der Stücke und dem unsicheren Materiale nicht auHällig. Als Gesammlläiige ergeben sich 8,80'". als grössle Höhe 0,79, als Steigungswin- kel 7,4«. Über ein für sich stehendes l'^ragmcnt vgl. Excurs I. an Ende von Abschnitt III.

238 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

schlössen werden möchten. Die fol^^enden Zeilen beanspru- chen demji'emäss auch nicht, erschöpfend und nach allen Sei- ten hin das Thema zu behandeln, sondern solh-n vielmehr nur einige besonders wichliiie Punkte zur Discussion bringen.

Dargestellt ist, wie bekannt, Herakles' Kampf gegen die Hydra. Der H'^ld, nur im Panzer i, den Köcher umgehängt, scheint mit der Linken einen der Schlangenköpfe ergreifen zu wollen, um ihn mit der in der Rechten hocherhobenen Keule zu zerschmettern. Seine Feindin, die wenigstens 8, höchst wahrscheinlich 9 Köpfe besass, nimmt den ganzen rechten Flügel des Giebels ein. Die Köpfe sind zum grössten Theil Herakles enlgegengeslreckt, nur zwei, die schon von der Keule getroffen sind, sieht man gesenkt und von oben. Die Mäuler sind weit geöffnet, so dass die Zunge hervorschaut, der Un- terkiefer ist mit einem Bart versehen. Die in den Hälsen wild verschlungenen Glieder ordnen §ich weiter hinten zu paralle- len Windungen, welche schliesslich zu einem Leibe zusam- menwachsen. Den linken Flügel dagegen füllt, Herakles zu- nächst, sein Zweigespann, nach links gewendet. Der bärtige, mit einem Wams bekleidete lolaos, der den Kopf dem Kampfe zuwendet, hält in beiden Händen die Zügel und betritt mit dem linken Bein den Wagen. Beide Pferde senken die Köpfe;

' Peisandros von Kameiios, der in der zweiten Hälfte des siebenten Jaiir- hunderts blühte, soll zuerst Herakles mit der später üblichen L.iwenbaut versehen haben: \ii]. Kinkel Epiror um G fragme?ita Ü. 2b0. Hesiod srid. 12-211. und die ällest-n Darstellungen zeigen ihn, wie Strabon XV 688 be- nchtel und wir jetzt durch die Monumente selbst wissen, ohne dieselbe. Na- turlich ist Peisandros mit seinem Herakleskostüm ohne Einfluss auf die bildende Kunst geblieben; diese hat sich vielmehr hierin ebenso, wie der Rhodier selbst, an Bilder des sog. phönikischen Herakles (z. B. Perrot-Chi- piez, Phönicie et Cfnjpre S. 577; aiigoschlüsscn. Wie lange sich die ältere irachl in der Kunst gehallen, wann zuerst die neue aufgekommen, wissen wir nicht.

GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS 239

aber nur von dem des hinleren ist ein Tlieil erhallen '. Deut- lich, auch in ihren Kinzelheiten, ist die Zügelrnaschine. Das spitze Ende des Giel)els iiininit ein gewaltiger Krebs ein, der leider stark zerstört ist: Gillieron hat ihm in der Ergänzunur auf Grund der gleichen Dai'stellung auf Vasen die Form eines Taschenkrebses gegeben.

In die Augen fällt bei dem Relief vor allem die vveilge- hende ßernalung und ihi- Princip. Bei sämmtlichen, an ei- nem Tempel befindlichen Skulpturen, die man bisher kannte, fand sich, soweit überhaupt Farbe constatirt werden konnte", der Grund dunkel, und zwar entweder rolh oder blau be- malt. Jene Farbe war verwendet bei den Metopen von Seli- nunt, sowohl den ältesten, als den jüngsten '\ diese dagegen beim Giebel des megarischen Schatzhauses und den anderen gleichzeitigen Reliefs aus Mergvikalk in Olympia, beim Athe- natempel zu Aigina, dem Harpyienmonument, dem Theseion-

' Dass der Kopf dem hinleren Pferde angehört, ergiebl sich daraus, dass derselbe abgesehen von den rothen Nüstern ebenso unbenialt ist, wie der sonstige Körper desselben. Gillieron hat ihn zu weil rechts geslelll; so könnte nur der Kopf des vorderen Pferdes zu stehen l^omnien.

2 Beim Parthenon z. B. ist dies leider nicht möglich; die Farbspuren müssen doch zu gering gewesen sein, wenn sie bald als rolh, bald als blau erkannt sind; vgl. Michaelis Parthenon S. 125.

3 Übrigens auch beim Grunde der «tele des ArisUon und dem bemallen Stelenfragment, welches Löschcke Millh.IV Taf. II 2 veröHenllichl hat, vgl ferner Milchhöfer ebend. V ö. 190 11'. No. 2. 8. Löschcke nimmt auf Grund dieser Darstellungen das Gleiche für die Lyseasslele in An.spruch.— Auf einem noch strengen, vermuthlich altischen P'lachrelief im Neapler Museum fand ich in der Verliefung des Conlurs zahlreiche Spuren von rolh; dar- gestellt ist hier ein fast nackter Reiter auf einem nach links sprengenden Pferd; von seiner lechten Schuller llalterl eine Chlamys lang herab. Seine zerstörte Linke lag auf dem gleichfalls abgebrochenen Kopf des Pferdes, ohne Zweifel um ihm einen Kranz aufzulegen (vgl. darüber Löschcke a. a. o! S. 292 neb.-,! Beilage und Taf. IV ); die Kechte hält senkrecht eine Lanze. Der Kopf des Iteiters fehlt. Beine flösse und Arme desselben, sowie die Hufe des Pferdes sind unnatürlich laug; sonst ist jedoch die Arbeil gut. Die Slosslläche ist nur unten erhallen; die grösste Breite beträgt 0,27"', die grösste Höhe 0,245™. Den Marmor konnte ich nicht genau beslimm'en.wahr- scheinlich ist es penlelischer.

240 GlEBELRIiLlEF VON DER AKROPOLIS

tries; dazu kommt das cärelaner Giebelakrolerion in Berlin mit Eos und KepJialos (vii;l. Furtwängler Archäol. Zeitung 1882 S. 353 Anm. 74, Taf. 15), welches gleichfalls blau im

im Grunde hat^ Abwechselnd blau und roth scheint bei den Metopen des Zeuslempels zu Olympia verwendet zu sein; blau fand sich beider Stier-, roth bei der Hydrametope (vgl. Bötticher Olympia S. 299), welche beide der westlichen Seite des Tempels angehören. Beim Fries des Erechtheions ferner hoben sich die weissen Marmorliguren hell von dem schwar- zen eleusinischen Kalkstein ab, der den Hintergrund bildete. Wenn uns daher auch bei anderen architektonischen Skulp- turen sichere Angaben in dieser Beziehung tehlen,so ist doch für alle diese mit grösster Wahrscheinlichkeit vorauszusetzen, dass sie jenem Princip der Bemalung folgten, welches die hellen Figuren in Gegensatz stellte zum dunklen Hinter- grund. Nur die Schlussfolgerung, die man vielleicht gemacht hat, dies Verhältniss des Beliefs zum Grunde wäre bei Skulp- turen jener Gattung von Anbeginn an die Hegel gewesen, würde sich angesichts des Akropolisreliefs als irrig erweisen. Denn hier hat man auf dem Grunde keine Spur von Farbe ge- funden; er hat also stets seine natürliche, hellbräunliche Fär- bung besessen. Dagegen sind fast alle Belieftheile kolorirt und zwar in sehr naturalistischer Weise, so dass keineswegs nur im Allgemeinen der Gegensatz der einzelnen Farben in der Natur angedeutet werden soll, wie dies Brunn z. B. fiir die Aegineten nachweist (Glyptothek S.72). So sind beim He- rakles und lolaos alle nacklen Parthieen mit Fleischfarbe überzogen, während man Theile, die schon in der Natur eine dem Ton des Steines ähnliche Färbung haben, wie der Pan-

' Im Ccntralmuseurn zu Athen beliiidet sich ein gleichbehanclelles, spä- tes (wohl römisches) ürabrelief (breit 0,4475'", hoch 0,935'") von Anten und Giebel eingefassl, mit der Darstellung eines Mädchens von vorn ; dasselbe trägt Chiton mit Brustbändern und Mantel, und hält in der gesenkten Rech- ten eine Ente. Blau bemeikle ich ausser im Grunde am Aiitenkapitäl; roth sind dagegen das Haar und die Schuhe. Auf dem Archilrav steht XOPHDS XOPHfinNOi. Bei Sj-bel ist es noch nicht verzeichnet.

GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS 541

zer und die Keulo des Ilerakics, das Gewand des lolaos, der Waiden «grossen llieils und das liinlere IMerd unbemalt blieben. Im übiiiirn isl bei dem xordeien Pferde, bei IJaar ßart und Augen des b)laos bei IJerakles febll der Kopf bis aid" einen kleinen Kest des gleielifalls seliwarzen Bartes , sowie iheil- weise bei den Windungen der Hydra sebwarz, bei den Köpfen und JJälscn der leLzlereii liellgriin angebraelit; rolli sind die Zügel, der VVagenrand, das Küclierband des Herakles und das Maul der Scblangenköpfe; ibre Zungen, die bei der bröckli- clien Natur des Steines zu stark liätten ausfallen müssen, sind vertieft dari>;estellt und sebwaiz bemalt. Dort, wo die einzel- nen Scblangenleiber zu einem JUindel paralleler Windungen zusammenwachsen, siebt man mebrfaeb einen Wechsel zwi- schen schwarz und Grundton, der nur bei einzelnen Frag- menten fehlt, welche wohl zerstörenden Einflüssen stark aus- gesetzt waren und daher jetzt ganz farblos sind. Die verschie- dene Färbung hatte vermuthlich den Zweck, das Gewirr der Schangenleiber etwas zu mildern.

Der Künstler war also bestrebt, das Relief sich dunkel von dem helleren Grunde abheben zu lassen, oder er betrachtete vielmehr, wenn man die Sache scharf fasst, den Grund als eine durchaus neutrale Fläche, die nicht in principiellem Ge- gensatz zum Bilde steht, wie dies später der Fall ist, sondern nur das Material repräsentirt, auf dem sich das Relief, resp. die Malerei behndet^ An einem Relief, welches den Giebel eines Tempels schmückte, ist dies für uns neu; aber das Princip ist durchaus natürlich und ging ursprünglich durch alle Gattungen der bildenden Kunst, soweit sie hierfür in Be- tracht kommt.

Fragen wir zuerst, wie sich die Vasenmalerei, die sich ja mit den einfachsten Mitteln begnügt, zu dieser Frage stellt. Wenn wir von den primitiven silhouettenartigen Figuren auf

So isl ja z. B. das Weis» dei nackten weiblichen IvürpcrUicile tieller, als der Grund und das Gleiclie ist bei einigen ägjplisclien Wandgemälden der Fall.

MITTH. ü. ABOH. INST. X.

242 GIEBELRELIEF VON DEH AKHOPOLIo

den Dipylonvasen absehen, so war, um eine Gestalt darzustel- len, nur der äussere ümriss erforderlich mit den nothwen- digsten Innenlinien im Gesicht für Auge, Mund und Ohr, so- wie an den Stellen, wo sich die Beine berühren und die Arme den Körper kreuzen. Benutzte man hierbei an Stelle ei- nes spitzen Instrumentes den Pinsel, wie es bei der Vasenma- lerei geschah, so lag es nahe, nicht allein Umrisse, sondern auch farbig ausgefüllte Flächen zu geben'. Da dies Princip jedoch mit der Innenzeichnung nicht recht harmonirte denn ein Aussparen der Linien war nicht leicht , so wurde es nur bei Gewändern und ähnlichen Theilen verwendet, dage- gen blieb der blosse Contur im Gesicht und bei den anderen nackten Theilen, die in der Farbe mit jenem übereinstimmen musslen. Dies war um so natürlicher als die Farbe des hel- leren Thons die des Gesichtes ganz pass -nd wiederzugeben schien. Hierher gehören die kyprischen ii.id altrhodischen (z. B. Furtwängler Berl. Vasen 295. 290) Gelasse, ferner Vasen von Troia, Mykenä, Tiryns, Melos, Thera und die des Aristono- phos {Mon. d. Inst. IX 4). Später überträgt man das Ciseliren von der Metalltechnik auf die Vasenmalerei (vgl. Klein Eu- phronios S. 24 und Benndorf Archäol. Zeitung 1(S(S1 S. 4) und überzieht nun auch die nackten Fleischtheile mit brauner Farbe, während man die Innenzeithnung eingravirt; dies lässt sich zuerst bei der sog. protodorischen Klasse beobach- ten; vgl. Furtwängler Archäol. Zeitung 1883 Taf. 10 Sp- 155 ff. und in seinem Vasenkatalog 33ü. Der sich hiermit er- gebende Gegensatz zwischen dem Grunde und dem ganzen

< Übrigens ist keineswegs damit gesagt, dass dies Verfahren sich aus dem anderen entwickelt hat; mit Recht sagt Brunn Kunst lergeschichte II S. 7: " Sehen wir doch auch schon hei ersten Versuchen von Kindern, dass sie sich nicht immer mit blossen äusseren Umrissen begnügen, sondern sich ehensowulil auch der Farbe zu silhoueUenartigen Bildern bedienen; ohne dass das eine oder das andere nothwendig als spätere Entwicklungs- stufe zu belrachlon wäre". Überhaupt wird die ganze Construction der al- ten Malerei bei Plinius hinfällig, wenn man bedenkt, dass dieselbe bei den Griechen ebensowenig von den ersten Anfängen an selbständig erfunden ist, wie Architektur und Plastik.

GlKHELliKLlEK VON DÜU AKIlOPOLIS 243

Bilde wird tiiii ein Beträchtliches erhöht in der clialkidisclien und sl'^'. ullisclien Vasenmalerei, welche beide sieh für ihre Figuren des seiiönen schwaizen Firnisses bedienen und die Innenzeichnunjjj wieder durch Bilzlinien herstellen. Durch jene Neuei'ung i^ewinnen die Gefässe unzweifelhaft ein i^iiin- zenderes Aussehen, enifernen sich aber mit ihren wunderba- ren schwarzen Gestalten selir weit von der Natur, welche von den älteren Gallungen trotz deren beschränkteren Mitteln ver- hältnissmässig getreu wiedergegeben wurde (vgl. Excurs II); ziemlich für sich steht der Teller von Kameiros mit dem Zweikauipr zwischen Hektor und Menelaos über Euphorbos Leiche (Salztnann, Necropolc de Camiros Taf. 5'>); zu Grunde liegt hier eine Cmrisszeichnung von brauner Farbe, welche letztere in verschiedenen Slücken auch fiii' WafTenstücke und ürnamenle benutzt ist; roth sind einzelne Theile an der Ge- wandung und IVüstung; auffallend ist aber vor allem, dass sämmlliche nackten Theile innerhalb des braunen Umrisses mit rosa Fleischfarbe iiberzosen sind. In ähnlicher Weise ist auf dem korinthischen l^inax 387 zu Berlin das Gesicht Poseidons mit schwarzem Firnisscontur umrissen, das Innere mit hellrollier Fleischlarbe ausgefüllt. Offenbar lehnen sich beide Bilder sehr eng an den Gebrauch der monumentalen Malerei resp. Reliefplastik an, vgl. auch Pinax 393. Aber trotz der grossen Unterschiede haben alle diese Vasengattun- gen das Gemeinsame, dass sie dem Grund seine natürliche Färbung lassen^, dahingegen die Darstellung selbst durch meist dunklere Farbe vom Grunde sich abheben lassen.

Die gleiche Farbenverlheilung tritt uns dann bei den älte- ren Wandgemälden ^ so denen aus Paestum in Neapel und den etruskischen, im Unterschied von der pompejanischen Malerei entgegen; der LJmriss ist mit dem Pinsel gezogen, die Fläche farbig gefüllt, aber der Grund hell gelassen ; ebenfalls sind die weiblichen Körpertheile, wie dies auch bei einzelnen

' Bekaniillicli isl das Gleiche scliou (lurelij;;tuj;ig auf ägyplisclicii Warul- gemälden der I-'all. Ul)er die allatlisclie l)enialte Siele in Berlin vt,'l. u.

244 GIEßELRELIEF VüN DER AKRüPOLIS

Vasen geschieht (vgl. Exciirs II), farblos geblieben'. Diesen Wandbildern sehliessen sich enger, als den übrigen Vasen, die polychromen atiischen Lekylhoi mit iliren buhten Figuren und weissem Grunde an, wie die Berliner Gefässe 2684.2685 Furtvv. Und wiederum dieselbe Polychromie findet sich bei den bemalten cäretaner Terrakotlatafeln in Berlin, besonders dem Archäol. Zeitung 1872 Taf. 68 publicirten Fragment; der Grund und das von bi-aunem Contur umgebene Fleisch der beiden Frauen dass es zwei sind, sah Curtius a.a.O.S.97 Anm. 5 richtig , blieb hell, die Lippen sindroth, Pupille schwarz, das Fleisch des Mannes, der Vogelleib, Gewand und Halskette der Frau hellbraun. Hier müssen auch die Mon. deinnst.XlTathS f. publicirten und Annali 1883 S.168 tV. von Puchstein und Hu- mann besprochenen bemalten TerrakoKasaikophage aus Kla- zomenai erwähnt werden, die in der Art ihrer Decoralion sich eng mit den archaischen Vasen berühren. Die Figuren sind nämlich bei dem älteren Exemplar auf weissem Grunde mit gelblichen Linien umrissen und mit röthlicher Farbe ohne An- wendung von Innenlinien gefüllt (nur bji d^^n beiden Bri- sten von behelmten Männern und von Thieren ist Umrisszeich- nung verwendet, vgl. auch den S. 168 beschriebenen Sarko- phag aus Kamiros); auf dem jüngeren ohne vorherige Um-

< Ganz für sich steht das uralte Bild vom Palast zu Tiryns, welches einen Gaukler auf einem Stier darstellt. Hier ist nämlich zuerst der Stier mit ro- ther Farbe gemalt, dann der Grund blau ausffofülll und auf diesen der Mann weiss aufgetragen, vgl. einstweilen v Hhoiien in Haunieisters Denkmälern des klassischen Alterthums II S.852. Dass hier das oben besprochene Princip vom Gegensalz der hellen P'iguren zum dunklen Grunde klar ausgesprochen ist, möchte ich bezweifeln, da in der allen orientalischen Kunst, besonders in der ägyptischen das praktische Bedürfniss nach demselben, soweit ich sehe, gefehlt hat. Ich glaube vielmehr, dass das Bild, welches sich hinsicht- lich der Grösse mit den im Text behandelten Grabgemälden gar nicht ver- gleichen lässt, nicht selbständige Bedeutung bei der Dekoration der Wand gehabt hat, sondern nebensächlich verwendet war und sich desshalb im Grundton nach seiner Umgebung richten musste. Übrigens besteht nicht der geringste innere Zusammenhang zwischen diesem Bilde und der späte- ren griechischen Malerei, sundern es weist dasselbe auch in der vollende- ten Durchführung lediglich auf den Orient.

GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS 245

risszeichniing einfach als Silhouetten mit schwarzem Firniss gleichfalls auf weissen Grunde hinii^emalt. Besonders die letz- tere Art der Bemaliino- ist, z. li. auch liinsichliieh der Aus- führung-, identisch mit der, welche die letzten Exemplare der sfg. Vasen- Gattung aufweisen, wie sie besonders in der Va- sensamnilung zu Alhen so häufig sind. Denn mit Recht stellt es Puchstein a. a. (). S. 171 als das wahrscheinlichste hin, dass niemals auf den beiden Sarkophagen etwas anderes, als die noch jetzt vorhandenen Silhouetten existirt haben. Daher hat die figürliche Decoration dieser Sarkophage nicht selb- ständigen VVerlh und schliesst sich ebenso eng an die Vasen- malerei, als das oben erwähn le Terrakottafragment an die Wandmalerei, ^uv hei dem S. 178 I\o. G beschriebenen Sar- kophag wird polychrome Malerei angegeben; andere No. 5 a und 7 haben die Innenzeichnung eingeritzt. Die polychrome Behandlung des Beliefs, soweit dasselbe nicht an architekto- nisch bedeutsamer Stelle sich befand in diesem Falle war, wie wM'r sahen, der Grund regelmässig dunkel gehalten—, ist nur selten festzustellen, da die Farben meist völlig verbli- chen sind. Doch zeigt das Relief von der Akropolis, grade in seinem Gegensatz zu allen späteren Giebelsciilpturen, sowie der durchgehende Gebrauch aller Gattungen der Malerei in älterer Zeit, dass ursprünglich auch das Relief, das noch dazu in gewissem Sinne nur ein besonderer Zweig der Malerei ist, den Grund unbemalt liess. Wodurch erklärt sich nun der völlige Umschwung dieses Princips, der fast auf allen Gebie- ten eintritt, nirgends aber sich so aufdrängt, als bei der Va- senmalerei? Es wird gut sein, die Frage zunächst auf dieses Gebiet zu beschränken, da man hier bereits den Versuch ge- macht hat, dieselbe zu lösen. Löschcke hat nämlich in seinem inhaltreichen Aufsatz über altattische Grabstelen (Mitth. IV S. 36 ff.) unter ausführlicher Begründung die Vermuthung ausgesprochen, dass die rothfigurige Vasenmalerei in der An- ordnung der Farben von den bemalten Stelen abhängig sei; denn auch diese färbten den Grund dunkel und liessen die Darstellung hellfarbig. Der Zusammenhang zwischen den bei-

246 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

den iMonumentenklassen ist, voran sueselzt, dass man unter den '' bemalten Stelen " auch die polychromen Relief- stelen versteht, wohl zweifellos; aber dass an eine vollstän- dige Abhängigkeit der Vasen von den Stelen zu denken ist, kann noch nicht für erwiesen geltend Und angenommen, sie hätte bestanden , so wäre die Lösuno; der eigentlichen

' Co

Frage, auf die es uns hier ankommt, doch damit noch nicht gegeben, sondern nur weiter hinausgeschoben. Wie kommt es, so fragen wir weiter, dass die altattischen Grabstelen, so- wohl die nur bemalten, als die skulpirten und dann gefärb- ten, im Gegen satze zu anderen Monumentengattungen ihre Farben vertheilen? In der Technik selbst scheint der Grund nicht zu liegen. Auch fügen sich nicht alle Stelen diesem Ge- setze. So war auf dem Fragment einer einst polychromen Stele in Berlin (Verzeichniss der antiken Sculpturen des Ber-

^ Der Einwand freilich, mit dem Franz Winter in seinem Aufsalz über Vasen mit Umrisszeiclinung Arcliüol. Zeitung 1885 lieft 3 Lüschckes Ver- mutliung zu widerlegen glaubt möchte nicht stichhaltig sein. Er sagt "eine directe Abhängigi<.eit würde nur dann wahrscheinlich sein, wenn die Va- sen, aufweichen die rothligurige Technilv zum ersten Male angewendet ist, noch unter dem frischen Eindruck einer neuen Ertindung entstanden wä- ren". Derartige radicale Aenderungen können wubl sprungweise vor sich gehen, aber dann ist für die allmähliche innere Umbildung eine längere Zeit der Entwicklung anzusetzen. Das Piincip der Bemalung musste sich erst auf dem betrelTenden Gebiet bewähren und das Auge sich soweit daran gewöhnen, dass es dasselbe auch sonst angewandt sehen wollte. Ebenso sind die Nachbildungen der Partlienonhildwerke auf Vasen (z. 13. die Verfolgung Helenas i/Ms. Gregoriano II Taf. .5, 2", die Berliner Vase 2357 mit der Darstellung des ü7vo6i6a?£a6at) erst geraume Zeit nach Vollendung des Baus entstanden, und lässt sich nicht auch die Thatsache vergleichen, dass die ersten Wirkungen der Tragödie auf die Vasenmalerei bedeutend später fal- len, als man glauben sollte? Noch weniger kann der Einwurf Milchhöfers Mitth V S.165 bestehen ; verstehe ich ihn recht, so meint er, die dunkle Fär- bung des Hintergrundes auf bemalten Stelen sei nur ein Surrogat für die Schattenwirkungen des Reliefs Aber die Relief-Stele des Aristion hat ja gleichfalls dunklen Grund. Den Umschwung der Vasenmalerei leitet üb- rigens Klein keineswegs nur aus inneren Gesetzen und Wandelungen her; die letzteren sind ihm vielmehr gegenüber den äusseren Einwirkiuigen des Kimon von Kleonä mit Recht nur begleitende Momente; vgl. Euphro- nios S. 24.

GTEBELRELIEF VON DER AKROPOMS '247

liner Museums 1885 No. 734; piibl. Bull, de corr. hell. VIII Taf. XIV und Archäol. Zpitnni; 188:> Heft 3) der jetzt zer- fressene Grund nicht mit Farbe l)edeckt,\välirend das Gesiclit eben diinli den schützenden Ueberziig gut conservirt ist. l nd dieses Verhältniss scheint später sogar wieder die Regel ge- worden zu sein; vgl. Milchhöfer Mitth.VS. 188 ff. Wir müs- sen also schliessen, dass ähnlich, wie bei der rfg. Vasenma- lerei, auch bei der Stelenmalerei ein äusserer Einfluss mass- gebend gewesen sei.

Noch auf einem dritten Gebiete sahen wir einen plötzlichen Umschlag in der Polychromie. Das Relief von der Akropolis besass farblosen Grund, alle übrigen Tempelsculpturen dun- kel gefärbten. Wir werden im Folgenden sehen, wodurch hier eine Veränderung veranlasst war ; im Augenblick ge- nügt es, dieselbe zu constatiren und zu bemerken, dass sie hier offenbar früher erfolgt ist, als bei den anderen Monu- mentenklassen; denn der meo;arische Giebel und die selinun- tischen Metopen, welche bereits das neue Princip befolgen, reichen ja in bedeutend höhere Zeit, als Stelen und Vasen mit dunklem Grunde. Dass zweimal selbständig jene Aende- rung vorgenommen ist, ist um so weniger wahrscheinlich, als wir in dem einen Fall vergeblich nach einem inneren Be- weo;2;runde suchten und einen äusseren annehmen musslen. Ich halte es für das sicherste Ergebniss dieser Untersuchung, dass bei den Tempelsculpturen zuerst der erfolgreiche Ver- such gemacht wurde, den Grund dunkel zu färben, und dass seitdem diese neue Erfindung nicht allein auf dem beschränk- ten Gebiet, wo sie gemacht wurde, die weiteste Verbreitung;, sondern auf allen anderen Gebiet^'n bald Nachahmung fand. Der grosse Kontrast, in welchem erst jetzt die helleren Mar- mor-Figuren zum dunklen FJintero;rund traten, die Schärfe und Deutlichkeit des äusseren Conturs derselben fielen so sehr in rlie Augen und predigten so handgreiflich die Vor- iheile des neuen Princips, dass die weitgehendsten Wirkun- gen nicht ausbleiben konnten. Ich leugnete oben nicht den Zusammenhang zwischen den Stelen und den Yasenbildern ;

248 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

ich halte es vielmehr für gewiss, dass die polychrome Aen- derung zuerst bei den Stelen befolgt wurde und dass dieser Vorsrano- nicht ohne Bedeutuns; für die Vasenmalerei ijoltlie- ben ist; aber im Grunde haben beide Gattungen der bilden- den Kunst hierin dasselbe Vorbild gehabt'. Indessen ha- ben noch andere Momente bei Stelen und Vasen die neue Ge- wohnheit beeinflusst. In früherer Zeit hatte man Holz oder o;ewühnlichere Steinsorten verwendet, welche ijanz mit Farbe überzogen werden mussten. Die Oberfläche des Marmors da- gegen, welcher sich von den Inseln her überallhin verbreitet

' Klein (Euphrunios S. 24 f.) und 1^'ranz Winter a. a O. führen die Neu- erung der Vasen auf den Maler Kimon von Kleonä zurück. In der bekann- ten Pliniusstelle über denselben Natur, hist. 35, 56: hie catagrapha inveaü, hoc est obliquas imagines, ei varie formare voltus, respicientis, suspicientisve vel despicienti.s etc. deutet IClein abweichend vun Plinius Übersetzung den Ausdruck •/.aiaypa-.pr] als Umrisszeichnung; er glaubt Kinion hätte an die Stelle der alten, noch durch Euraaros vertretenen Silhouettenzeichnung die Umrisszeichnung treten lassen, auf der ja auch die rfg. Vasenmalerei im Grunde beruhe- Im Gegensatz zu Klein fasst Winter richtig das catagrapha mit Plinius als Profil, und nimmt an, dass man invenit, wie in so vielen Fällen bei Plinius, nicht wörtlich auffassen dürfe. Aber er scheint der Mei- nung zu sein, dass vor Kimon die Figuren in der monumentalen Malerei so silhouettenartig und dunkel gewesen sind, wie auf den Vasen, und dass Kimon zuerst das Verhältniss der hellen Figuren zum dunklen Grunde ein- geführt hat, und darin irrt Winter. Die Maler haben von Anfang an dar- nach gestrebt, ihre Figuren auch in der Farbe soweit als irgend möglich mit der Natur übereinstimmen zu lassen; dies erkennen wir schon bei den alt- ägyptischen Gemälden, und dass das Gleiche in Griechenland der Fall war, zeigt das Akropolisrelief sowie die S.244 erwähnten Vasenbilder mit inreih- chender Deutlichkeit. Die sfg. Vasenbilder sind nur ihrem schönen Firniss zu Liebe hiervon abgegangen. Ferner ist oben gezeigt, dass auch noch in den älteren Wandgemälden, die aber doch erheblich jünger sind, als Ki- mon, der Grund als neutrale Unterlage der Malerei betrachtet wurde; dies wird bei Kimon und noch geraume Zeil nach ihm nicht anders gewesen sein. Auch finde ich in der Pliniusstelle einen Gegensatz des Kimon zu Eumaros, den Winter aufstellt, nicht heraus; im Gegentheil heissl es, Kimon hätte die Erfindungen des Eumaros weiter ausgebildet Dass Ki- mon mit seiner sauberen, eingehenden Ausführung der Einzelheiten, mit seiner Fähigkeit, dem wechselnden Gesichtsausdruck gerecht zu werden, auf die rfg. Vasenmalerei einen starken Einfluss ausgeübt hat, bleibt nichts desto weniger in vollem Umfang bestehen.

r.IliBELHEIJKF VON DEIt AKHOl'OMS 240

hatte, dann in den verschiedenen Landschal'tcn selbst {gewon- nen wurde, war so seliön, glänzend und i;latt, dass es tliö- richl gewesen wäre, sie mit einer F.irhkrnste zu verdecken und dass man daher bald zu AhKniiiuiicn durch Beizen seine Zuflucht nahm. In diesem FaHe aber konnte sicdi bei den Ste- len das Gesicht und alle nackten Theile, soweit sie direkt auf dem Grunde standen, nicht genügend abheben; schon dess- halb war es hier von Vorlheii, den (irund dnidad zu färben. Ftir die VasiMi andrerseits fiiiirl klein (i'jiplii'onios S.17) aus, dass die Sitte, einen grossen Theil des Gelasses mit Firniss zu bemalen, und die frühe Füllung der Schaleninnern mit dem wesentlich ihongrundigen Gorgoneion (vgl. Puchstein Ar- chäol. Zeitung 1881 Sp. 245) die Einfidirung rother Figuren wesentlich erleicherte; auch mag das Lnnatürliclie, das in der schwarzen Hautfarbe der Männer lag, nicht weni"- dazu bei- getragen hab^n '. Es ist möglich, dass man damals auch im Marmor noch das Fleisch von Mann und Weib durch Nuance in der Färbung unterschieden hat^; aber der Unterschied konnte kein grosser mehr sein und mussle z. B, bei den hoch gestellten Tempelsculpturen faktisch fortfallen. Ueberhaupt wird der Kontrast des hellen Marmors und des dunklen Hin- tergrundes so stark gewesen sein, dass andere Farben, z. B. an Gewandstücken, die vielleicht auch nur massig angebracht

' Man liatle t'nilier versuclit, sicli auch auf andere Weise zu helfen; da- J)iii gcliörl die I'ülluiig des inäniiliclien Gcsiclites mit duulvelrolti, wie auf verscliiedenen Jvorialliisclicii Piiiaives zu Berlin (bei Furiwängler 347. 368. 370 u. s. w.) und kuriulliischen Gelassen, z. B. dem Kraler im Museo Gregu- riano II Taf. 23, 1, ferner auf der im Excurs II besproclienen Mydria 125 in München, dem attischen Gefäss von Aigina in Berlin 682 (publ. vun Furlwäng'ler Arcliäul. Zeitung 1882 Taf. lü). In tier Sammlung Bourguignon in Neapel belindcl sich das Fragment einer scliöncn sfg. N'ase atlisclien Stiles mit der Darslellung einer Göllerprocession, hier liat der unbärlige Apollon ein vullsländig mit rolhbraun überzogenes Gesicht. Die Beispiele Hessen sich leicht vermehren.

2 Dass es überhaupt bei Temi)elsculpturen gescliah. zeigen die späteren selinuntischen Metopen , bei denen die unbekleideten Kurpertheile der Frauen im Gegensatz zu den anderen Figuren aus Marmor hergestellt sind.

250 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

waren, mehr verschwanden und der Hanpteindruck auf der Doppelfarbiijkeit beruhte. Ich möchte vermuthen, dass da- durch die gleiche F^rschcinung rothfiguriger Vasen nicht un- wesentlich beeinttusst wurde.

II.

Das Äkropolisrelief ermöglicht uns einen weiten (Jeberblick über die allmähliche Entwicklung der Tempelsculpturen, vor allem der sculpirten Giebelfelder. Wir lernen durch dasselbe, dass man für diesen verhältnissmässig spät entstandenen Theil des dorischen Tempels (s. unten), wie natürlich, nicht eine £;anz neue Art von Verzieruno; erfunden, sondern einfach das Relief, das bereits anderweitig ausoebildet war, auf den Giebel übertragen und hierbei nur diejenigen Aenderungen vorgenommen hat, welche der eng begränzte Raum er- heischtet Fast sieht es aus, als wenn das Akropolisrelief den ersten Versuch einer solchen Uebertragung böte; jedenfalls steht es demselben ausserordentUich nahe. Denn in allem, in der Composition, in der Vertheilung der Figuren, in der Verwendung der Farben ist es ebenso von allen späteren Gie- belfeldern verschieden, wie es mit gewöhnlichen Streifenre- liefs, friesartiiien Wandgemälden, sfg. Vasenbildern verwandt ist. Machen wir uns die wesentlichen Eioenschaften archai- scher Giebelsculpturen klar! Es herrscht bei ihnen die streng- ste Symmetrie. Die Mitte des Giebels mit ihrer grösseren Höhe erfordert eine einzelne Gestalt, die wenn möglich auch inner- lich die ganze Darstellung beherrscht, für gewöhnlich also

^ Das Relief als Schmuck iJes Giebelfeldes kann jetzt nicht mehr als Sin- gularität gelten, sondern muss als die erste Stufe der Tympanonsculptur gelten. Führt nicht auch die eigenthümlich verdrehte Fussstellung der Alheua im äginetischen Giebel, die auch auf der selinuntischen Perseus- metope, aber hier noch verdrehter, vorkommt, auf die Gewohnheit des Re- liefslils?

GIEHELHKLIEF VUX UKlt AKHnl>()r,IS 251

einen Gott, wie ihn die äginetisehen Giebel und die vom olympischen Zeiistempel haben. Im Ge^tmsalz dazu sind in den beiden Ecken iijelajjijerte Fiiiiirei), bald Todte und Ver- wundete, bald Orts- und Fliissgöttei' angcdjracht. Die Sym- metrie, die in diesen Eckfiguren besteht, erstreckt sich dann auch auf den übrioren Raum. Man sehe nur, wie "leichmäs- sig jene oben ervviilinten Giebel disponirt sind; im Oslgiebel des Zeustempeis ist das Gesetz sogar zu?ii langweiligen Schema geworden. Nicht weniger dem gegebenen Raum entsprechend ist aber auch das bislier älteste Giebelfeld vom Schatzhaus der Megarer angeordnet. Nur war eine Mittelfigur hier aus- geschlossen, da der oberste Gott selbst in den Kampf verwi- ckelt war; dafür trat eine Mittelgru ppe ein (Zeus schlagt den feindlichen Gigant zu Boden), und nun folgen gleichmässig auf beiden Seiten die anderen Zweikämpfe : zuerst je eine Gruppe eines Gottes (links Athena, rechts Herakles) und eines rücklings gestreckten Feindes, dann jederseits eine ähnliche zweite Gruppe, in welcher nur des engen Raumes wegen der siegreiche Gott (links Poseidon, rechts Ares)' vor seinem ge- fallenen Gegner niederkniet, um diesem den Todesstoss zu geben. Ohne Zweifel steht in stilistischer Strenge, Sorgfalt und Zurückhaltung dieses Giebelrelief hinter den jüngeren Aegineten, die mehr Schulung zeigen, zurück; aber man wird dem Meister das Lob nicht versao;en können, dass er mit üe- berlegung und mit Verständniss für die Forderungen eines Tympanon komponirt hat; man beachte auch wie vortrefflich der gegebene Raum mit Figuren gefüllt war.

Wie himmelweit davon verschieden ist das Akropolisrelief. Obgleich es nahe lag, die Hauptfigur in die Mitte zu rücken, befindet sich Herakles fast mit seinem ganzen Körper noch auf dem linken Flügel; nur sein linker Arm, der Vordertheil der Keule, die Zehen des linken Fusses ragen über die Mittel- linie hinaus. Dei- gewaltigen Hydra, die den rechten Flügel so vollständig lullt, dass kaum ein Stückchen des Grundes

Vgl. über die Benennung der Figuren Friederichs- Wolters No. 294.295,

252 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

vorschaiit, vermögen die Figuren der anderen Seite, die ver- hältnissmässig nur wenig Raum beanspruchen, nur schlecht zu entsprechen. Indess n ist doch anzuerkennen, dass auch dieser Künstler nicht ohne Nachdenken an sein Werk gegan- gen ist. Die Schlange wird dem niedergehenden Flügel ganz natürlich angepasst und füllt ihn auf das Beste. Das Gleiche fand offenbar statt bei der äussersten linken Ecke, wo der Krebs angebracht war; gewöhnlich finden wir ihn in gröss- ler Nähe des Herakles, den er bereits in das Bein beisst ^ ; wenn er auf dem Giebel die Darstellung links schliesst, so ist es geschehen, weil der Künstler seine vortreffliche Ver- wendbarkeit an dieser Stelle einsah und erkannte, dass er in die Mitte der Scene nicht wohl gerückt werden konnte. Wie geschickt verstand es ferner der Künstler, die Neigung der Pferdeköpfe, welche gleichfalls durch den Raum bedingt war, zu motiviren. Der erhaltene Kopf schnüffelt offenbar an dem langsam herankriechenden Krebs, der ilim nicht "eheuer vor- kommt. Auch in dem Grössenverhältnisse des Herakles, des lolaos und der Pferde wird dem Raum Rechnung getragen. Im übrigen ist der Künstler durchaus Herr des Reliefstils. Alle Gestalten sind normal im Sinne der Zeit wiederoreo;eben, w^ohl proportionirt, mit massvollen Bewegungen, sorgfältig und sauber ausgeführt. Die Härten, die sich in den eckis;en Zügeln, den grade vertieften Schlangenzungen und sonst zei- gen, fallen nicht sowohl dem Meister, als dem schlechten Ma- terial zur Last. Sonst erkennt man überall tüchtioe Schulunaf, geschickte Aneignung der überlieferten Formen, volle Beherr- schung des Stilistischen. —Wenn wir noch einmal eine Pa- rallele ziehen zwischen dem Akropolisrelief und dem mega- rischen Schatzhausgiebel, so scheint es, als ob zwischen ih- nen eine Zeit liegt, in welcher man allmählich die Forderun- gen eines Giebelfeldes erkannt und zu erfüllen gelernt hat, ohne den gewohnten Basreliefstil zu verlassen, und dass der megarische Giebel zu den allerersten Versuchen gehört, die

Vgl. Berliner Vase 1854; Welcker Alle Denkm. III Taf. 6.

GIEBELRKLrEF VON DER AKROPOUS 253

Gestalten soweit als mr)<ilicli vom llinler^iiinde frei zu lösen. Denn auf dem \\ ej^e vom Akropoüsrelief zu den Aeginelen musste das Hochrelief als Lleberi'angssladiuni berührt wer- den. Ohne Zweiliil henilil das Fclilerhafle und Ungeschickte in dem megarischen Tympanon darauf, dass man noch nicht gewohnt war, hoehplaslischo Figuren zu meisseln. Zu dem Unterschied in der IJöhc des Keliels kommt der bereits oben erwähnte in der Farbengebiing: auf dem attischen Helief ist der Grund farblos, auf dem megarischen blau. Die Veran- lassung zu dieser zweifachen Aenderung des Reliefs und der Farbengebung lässl sich unschwer erkennen. Das Giebelfeld eines Tempels bietet der Sculptur nicht durchweg günstige Bedingungen; das vorspringende Dach wirft starken Schatten, die Entfernung vom Standpunkt des Beschauers verwischt leicht die Umrisse und erschwert die Uebersicht, sobald eine grössere Zahl von Figuren erforderlich ist, die (vom Beschauer aus gerechnet) nicht allein neben, sondern auch hinter einan- der angeordnet sind. Das altische Giebelfeld mit seinen 5,80 Metern ursprünglicher Ausdehnung wird nur bei einem klei- nen und niedrigen Tempel Anwendung gefunden haben. Die gerügten Uebelstände aber ergaben sich sofort bei einem grös- seren Bauwerk, und sofort wurde beiden abareholfen. Wie das megarische Schatzhaus beweist, wurde bereits in früher Zeit der Reliefgrund dunkel gefärbt, und da auch diese Aen- derung nicht zu genügen schien, bald darauf oder zu gleicher Zeit die erhaltenen Monumente bieten beide Neuerungen das Relief erhöht, so dass sich die Figuren in doppelter Be- ziehung klar und deutlich vom Grunde ablösten. Das Ghuche geschah eben so früh bei dem Apollotempel zu Selinunt, des- sen Metopen ein starkes Hochrelief mit rothem Hintergrund erhielten ^ Erst jetzt war es möglich, Giebelfelder und Meto-

' Auch liier wird das liücksichtslose, (liol('sk-iinü:e.scliickte. in dci' Dar- slellung dein noch unentwickellcii und ungewohnlea Hochrelief zuzuschrei- ben sein. Dass die Melopcn dem "Ursprung des Ileliefslils" so nahe ste- hen, wie man allgemein annimmt, glaube ich nicht. Das Flächenartige scheint mir grade hier überwunden zu sein; man beachte vor allein die

254 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

pen auch an hochragenden Tempeln mit Sculpturen zn schmü- cken, bewegtere und beleblere Composilionen mit grosser Fi- gurenzahl zu verwenden, so vor allem leidenschaftliche Kampfscenen, die nun besonders beliebt wurden. Lange dau- erte es nicht, so that man den weiteren Scbritl, die Figuren ganz frei hinzustellen und so der Entwicklung der Tympa- nonplastik und der Plastik überhaupt einen mächtigen An- stoss zu geben.

Die Aenderung, besonders in der Farbengebung, war so zweckmässig, dass sie, soweit wir dies aus den erhaltenen Denkmälern schliessen dürfen, bald in allen Landschaften Griechenlands, selbst bei kleineren Gebäuden, zu denen ja auch das megarische Schatzhaus gehört, Aufnahme fand und sich das Auge rasch daran gewöhnte, die Gestallen vom dun- klen anders gefärbten Hintergrund sich abheben zu sehen. In Athen fehlen uns jelzt die iMillelglieder zwischen dem Relief auf der Akropolis und den grossen Tempelsculpturen. Aber sie bestanden ohne Zweifel und sie werden zum grössten Theil die neue Art der Bemalung benutzt haben. Dass die Neue- runij; in Athen zuerst ijemachl wurde, lässt sich weder be- iiaupten noch verneinen, aber sie ist, soviel wir sehen, hier zuerst auf andere Gebiete der Kunst, auf Stelen- und Vasen- malerei übertragen worden.

{Fortsetzung folgt.)

Braunschvvcii;.

P. J. MEIER.

Pferde der Viergespannmetopo, die ducli entschieden halbirl sind. Auch die Beine des Herakles sind verhällnissniässig starlv gerundet. Der Umstand, dass hier mit dem dunlvlen Hintergrund eine Neuerung benutzt ist, die das Aivropolisrelief noch nicht liennt, muss uns vorsichtig machen, die Meto- I>en für älter zu halten, als sie wirklich sind. An das siebente Jahrhundert möchte ich wenigstens nicht denken.

Die Attische Hygieia.

(Ilici/.ii T.if. Vin niid IX.)

In den letzten Jahrzehnten des fünften Jahrhunderts ist der Cultus des Asklepios von Epidauros nach Athen verpflanzt worden. Ein älterer Heilheros ward von dem Solin der ko- ronis verdrängt. Und kein anderer als der Priester eben jenes Heros Alkon war es der den Asklepios in Athen einführte: Sophokles. Das hat neuerdings, wie mir scheint überzeugend, Sybel erschlossen'. Aber wenn dem Alkon, als iNymphe der Heilquelle, eine Alkippe zur Seite gestanden hatte, so ist es, zunächst wenigstens, nicht Hygieia gewesen welche die Stelle derselben einnahm. Hygieia ist nicht, wie Sybel meint, mit Asklepios vom Epidaurischen Hieron an den Südabhang der Akropoiis übergesiedelt. Sie ist überhaupt nicht von Epidau- ros gekommen. Erst zu Pausanias' Zeit, so scheint es, ward ihr dort ein Tempel errichtet, von dem Senator Antoninus, dem späteren Kaiser. Ein erwähnenswertes ßild scheint es im Hieron auch damals noch nicht gegeben zu haben. Wol aber gab es dort wie in dem städtischen Heiligtume Bilder der E[)ione, die zu Epidauros als die Gemahlin des Asklepios, als die Mutter der laso Panakeia und Aigle galt 2. Dass auf Epi- daurischen Weih in Schriften Hygieia auch erst im zweiten Jahrhundert erscheint kann ich nicht zum Beweise anführen, da alle bis jetzt bekannt gewordenen Weihmschriften der Kai- serzeit angehören. Dass sie abei- nur zweimal erscheint-^, wüh-

* S. oben 8. 97 f.; vgl. den r]\curs.

2 Pausanias II 27, 6 f. 29, 1. Suidas u. 'Hiitovr;.

3 'Eor)[x. äp/_. 1883 S. 149 II. 40 und 1884 Ö. 24 n. 63.

256 DIE ATTISCHE HYGIEIA

rend wir so viele Weihungen an Askiepios und Apollon be- sitzen, beweist doch wol dass Hygieia auch zu dieser Zeit in Epidanros noch nicht gleichen Ansehens genoss wie in Atlien und anderwärts.

Der Komiker Hermippos nannte in seinen Jamben die As- klepioslüchter laso Panakeia und Aigle: von Hygieia wusste er nichts ^ Aristophanes bezeichnet im Plutos laso und Pa- nakeia als Begleiterinnen dos Gottes: von Hygieia weiss er nicht. Wir sind gewöhnt uns Hygieia stets und überall mit Askiepios verbunden zu denken. Aber nicht nur diese beiden ältesten Schriftsteller- Zeugnisse sondern auch worauf mich Herr Professor Koehler gelegentlich aufmerksam gemacht hat die Inschriften und endlich die Kunstwerke beweisen dass der Epidaurische Gott diesen Bund erst in Athen eingegan- gen und dass derselbe nur allmählich so fest geworden ist wie die Fülle später Zeugnisse ihn erscheinen lässt.

In zwei Inschriften des dritten Jahrhunderts ('AÖ/ivaiov V S.103 n. 13 und S.339 n. h=C. I. A. II 839 und 567*) und einer dritten welche Kumanudis noch ins vierte Jahrhundert setzt ('AÖr,v.VI S,133 n. 9) wird der Priesternur nach Askiepios benannt, während wir für spätere Zeit Upeu; 'Ag/cXtittiou x.ai Tyiaa? als den officiellen Titel kennen-. Aber einerseits wis- sen wir dass damals bereits Hygieia dem Askiepios beigesellt war, andererseits wird auch noch in weit späterer Zeit der Name der Hygieia zuweilen weggelassen (wie 'AOyivatov V S.

< rtcliül. zu Aristuph. Plul.V. 701 (Meineide F. C Gr. I S. 9G Kock F. CA. I S. 247 Bergic P. L. Gr. '< II S. 505). Dieses gilt als das älteste literari- sche Zeugniss für dea Aslilepioscullus in Atlien (s. z. B. Wilamowitz, Aus Kydalhen S. 170) Zu l)emerken ist dass nach Hermippos die Asklepiostöch- ter Kinder der Ilelostochler Lampetia waren. Arist. Flut. V. 701 f. V. 730. Der bittere Spott den der Dichter (bes.V. 076 f.) über den Cullus ausgiesst, und der sich, wie mir scheint, sehr bestimmt unterscheidet von dem was Aristophanes sonst wol über andere (löUer scherzend sagt, erscheint in ganz anderem Lichte wenn er gegen einen ganz 'neugebackenen' Cullus gerich- tel ist. Er wird auch im ersten Plutos gestanden haben, der Ol. 92, 4 auf- geführt worden ist.

2 Koehler, Mittheilungen II S. 241,

DIE ATTISCHE HYHIEIA 257

198 n. S = C. L A. III 712« und S. 42(5 n. 1!) = C. /. A. II 477''). Kein Zufall dagegen isl es dass die wenigen VVeiliinsehril'ten welche der ältesten Zeit des atlienisclien (^iil- tes anzugehören scheinen durchweg den Asklepios allein nen- nen, wahrscheinlich doch um so weniger Zufall als eine da- von für eine Frau , eine andere von einer Frau gesetzt ist (V S. 325 n. 4 und S. 415). I^]ndlicli beweisen auch die beiden Inschriften des Telemachos^ so verstümmelt sie sein mögen, dass Hygieia damals noch nicht dieselbe Stellung wie später einnahm. Denn das that sie nicht, auch wenn sie sich was ich nicht »laube und im Verlaufe dieser IJntersuchunEr als durchaus unwahrscheinlich nachzuweisen holte— unter den 6{7.öS(i)y.oi der einen Inschrift ('Aöy)v.VI S 137 n.l4) oder unter den Asklepiostöchtern, die in der anderen nach den Söhnen genannt gewesen zu sein scheinen (ebd. S. 138 n.l5), verber- gen sollte. Einen directen Beweis dafür dass Hygieia nicht mit Asklepios von Epidauros herübergekommen ist würden wir schliesslich in der Inschrift 'AÖr^vatov \\ S. 137 n. 13 besit- zen, wenn Kumanudis' Ergänzung so sicher wäre als sie wahrscheinlich isl. Denn dann würde der Gott neben Hygi- eia als 6 £v ETTiSaupco bezeichnet sein was sich hier nur auf die Herkunft des Cultes beziehen kann.

Es isl immer eine gewisse Bürgschaft für die Richtigkeit einer Hypothese wenn man die Reihenfolge der Beweise um- kehren kann. Die Hypothese welche ich bis jetzt durch lite- rarische Zeugnisse und Inschriften zu begründen versucht habe hat sich mir zuersL aufgedrängt bei der Betrachtung der Monumente. Es muss jedem der die VVeihreliefs aus dem As- klepieion überblickt ins Auge fallen : diejenigen welche diese Reliefs schufen kannten keinen festen Typus der Hygieia. Wer sich bewusst ist mit welch sparsamer Selbstbeschränkung die griechische Kunst sonst mit wenigen Typen haushält, wie ste- tig und folgerichtig sie andere Göttertypen entwickelt hat, den muss die Mannichfaltigkeit dieser Hygieiagestalten befrem-

^ Koehler, Mittheilungen II S. 241 Gerard L' AscUpieion S. 13.

MITTH. D. ABßH. INST. X. 17

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DIE ATTISCHE MYGlElA

den. die zwischen dem aiifblühenden Mädchen und der wür- devollen Matrone schwankt. Denn dass wir da wo neben Äs- klepios eine weibliche Gestalt erscheint, wenn dieselbe nicht ansdrücklich als eine andere Göttin gekennzeichnet ist, Hy- gieia zu erkennen haben wird doch wol angesichts der In- schriften und der späteren Monumente nicht erst des Bewei- ses bedürfen. Wie konnte man fast zur selben Zeit denn fast alle diese Reliefs gehören einem ziemlich eng begrenzten Zeit- raum an dieselbe Göttin in so verschiedener Gestalt darstel- len? Die Reihe der bis jetzt publicirten Reliefs lässt diese Verschiedenheit noch nicht genügend zu Tage treten : es ist unter ihnen keines auf dem Hygieia ganz matronal erscheint. Desshalb wird in dem nachstehenden Holzschnitt ein solches mitgetheilt*.

' Dulin n. -lOrriSybel n. 4001 /Gipsabguss Martinelli 249). Die Alibildung gibt nur die eine Hälfte des Reliefs wieder, da es hier nur auf die Gestalt der Ilygieia ankommt, und die andere Hälfte welche nur die Adoranlen ent- hält überhaupt ohne Interesse ist. Weitere Beispiele der matronalen Hygi- eia sind D. 17 = 8. 3994; D. 15 =S. 4009; D. 32 = 8. 4013. Wenn es zwi- schen den matronalen und den mädchenhaften Hygieiagestalten nicht auch Uebergänge gäbe, wie z. B, die Hygieia Mitth. 11 T. XVH, könnte man

Die attische Hvr.iEtA 259

Es ist klar : die Zeit in welcher die Reliefs entslandon sind, sagen wir in l>aiiscli und nniitMi das vierte Jalirhiindert, suclite erst nach ciiuMii Typus (\(iv llygieia. Also kann die Göttin nicht von Epidauros heriibergekommen sein. Auch für Askle pios, kann man einwerfen, haben die Keliet's nicht nur einen Typus. Es ist wahr. Aber alle Varianten lassen sieh auf zwei Grundtypen zurückführen *, von denen der eine, der des thro- nenden Gottes, neben dessen Sessel die Schlange sich auf- rollt, eben der Epidaurische ist, den wir durch Pausanias' Beschreibung des Goldelfenbeinbildes im Hieron so genau kennen. Ihn variirten freilich die Künstler in freierer Weise, wie er auch in Epidauros selbst variirt ward^; aber wo wäre ein Unterschied wie derjenige zwischen der schlanken Hygi- eia, die auf dem Relief D. n. 7=S. n. 4019 an dem Stuhle des Asklepios lehnt, wie Hebe auf Vasenbildern neben Hera (Rekule, Hebe T. V 3) und der iMatrone der oben aufgezähl- ten Reliefs? Daneben sehen wir denn allerdings einen ganz neuen Typus gewissermassen vor unseren Augen entstehen, den des beobachtenden Arztes (Duhn Mittheilungen II S.218)^.

Doch kehren wir zu Hygieia zurück. Dass sie nicht aus Epidauros gekommen ist haben auch die Reliefs uns gelehrt. Aber sie lehren uns noch mehr. Auf dem Relief Mittheilun-

wol daran (lenken jene gar nicht l^Iygieia zu nennen sondern in ihnen etwa Demeter zu selien, die ja auf dem Relief Mitth. II T. XVIII und vielleicht auch sonst noch in der Thal mit Asklepios vereint ist; aber man würde da- mit auf andere Bedenken stossen.

< D. 7i=S. 3991 gehört, wenn hier überhaupt Asklepios und Hygieia dar- gestellt sind, doch sicherlich nicht der Reihe von "Adorantenreliefs",wemi dieser Ausdruck gestattet ist, an, von denen hier allein die Rede ist.

2 Das zeigt das neuerdings publicirte Relief: 'Etprifz. äp^. 1885 Ta-el 2, 6.

3 Die ' abwartende Ruhe des beobachtenden Arztes' passt wol für den Gott dem sich Sterbliche hilfesuchend nahen. Aber wenn sie Pheidias in dem 'Asklepios' des Ostfrieses zum Ausdruck gebracht hätte, wie Duhn meint (Arch Zeitung 1885 S. 103), so wäre das recht ungeschickt gewesen. Der Gott sitzt doch nicht desshalb unter den anderen Olympiern um aufzu- passen ob etwa im Feslzug jemand marode wird. Er hat aber von der ' ab- wartenden Ruhe" auch nicht mehr als Athena oder Zeus und manche an- dere Gestalt des Pheidias.

"260 DIE ATTISCHE HYGIEIA

gen 11 T. XIV (Sybel n. 4327), welches Duhn mit Recht für das älteste von allen erklärt hat, folgen dem Asklepios zwei Mädchen. Wenn Hygieia nicht mit den anderen Asklepiaden von Epidauros herübergekommen ist, wenn sie wirklich erst späten Mythographen eine Tochter der Epione war, wenn an den vorausgegangenen Erörterungen irgend etwas wahres ist, so kann Hygieia unmöglich im fünften Jahrhundert mit laso oder Panakeia in dieser Weise verbunden worden sein. Und dem Ausgang des fünften Jahrhundert gehört das Relief zwei- fellos an. Erinnern wir uns des Aristophanischen Plutos. Ganz so wie der Gott hier erscheint schildert ihn der Dich- ter, von laso und Panakeia begleitet. Diese haben wir ohne Zweifel auch hier zu erkennen. Dem fünften Jahrhundert ge- hört auch das Mittheilungen II T. XV publicirte Relief (Sy- bel n. 3995) an, wenn auch die Verwandtschaft, besonders des zweiten Mädchens, mit den Figuren des Parthenon frieses uns nicht verführen darf das Relief gleich hoch hinauf zu cken : es bedurfte einiger Zeit bis die Gestalten der grossen Kunst Gemeingut der handwerksmässigen Kunst wurden, und dann wieder längerer Zeit bis sie auch hier den modernen Idealen wichen. Auch hier hat der Gott zwei jugendliche Be- oleiterinnen, auch hier sind sie ohne Zweifel laso und Pana- keia zu nennen. Dass die dem Vater zunächst stehende einen etwas älteren volleren Eindruck macht liegt nur an der En- face-Wendung des Oberkörpers, durch welche der Künstler andererseits eine so reizvolle Beziehung zu der folgenden Schwester erreicht hat. Von einem dritten Relief derselben Art ist leider nur ein Bruchstück erhalten: der Kopf des As- klepios im Profil nach rechts, vor diesem in gleicher Höhe der [Jmriss eines anderen Kopfes, von dem es ungewiss ist ob er einem Jüngling oder einem Mädchen in Haube (wie auf dem ersten dieser Reliefs: T. XIV) angehört, auf Asklepios folgend ein Mädchen mit langen Locken, ganz ähnlich dem- jenigen auf dem zweiten Relief (T. XV), hinter diesem noch ein Gewand rest, der zu einer vierten Figur gehört zu haben scheint. Es war also hier wie es scheint der Gott von wenig-

DIE ATTISCHK HYGIEIA 261

stens drei Personen begleitet, vielleielit von den drei Töchtern der E|)ione, vielleicht auch von den Söhnen, keinesfalls von Uyg ii'ia ^

Erwähnen muss ich hier noch das vor hundert Jahren aus Athen nach England versetzte Relief, welches sich jetzt in Brockleshy-i*ark befindet (Micliaelis, Ancient Marbles in Greal Britain S. 228 n. 10). liier folgt auf Askle[)ios nur ein Mäd- chen, dem ich denn doch den Namen Hygieia nicht ohne Be- denken abstreiten würde. Und doch ist der Typus ganz der- jenige der eben besprochenen Reliefs und den Stil, über wel- chen die Abbildung im Museum Worsleianum I 1 kein Trleil gestattet, nennt Michaelis dem des Parthenonfrieses sehr ähn- lich. Doch ehe wir eine stilgetreue Publication besitzen kann wol das letzte Wort über das Verhältniss zu unseren Reliefs nicht gesagt werden.

Mit dem vorliegenden Material aber glaube ich den ge- wissermassen autochlhonen Ursprung der Hygieia im Gegen- satz zu den von Epidauros zugewanderten Asklepiaden hin- länglich sichergestellt zu haben. Gegen Ende des fünften Jahr- hunderts zog der Gott von Epidauros in Athen ein; zu An- fang des vierten, so scheint es, ward ihm Hygieia beigesellt 2.

Wir haben gesehen wie die Kunst des vierten Jahrhunderts nach einem Typus der Hygieia suchte; bedarf es da noch des

^ Dulin 3=:Syt)el 4374. Eine Zeiclinung wird E. Loewy in der von itini vortjereiteten tiainmluiig allisclier Iteliefs pul)liciren.

- Damit ist nalürlicli weder Kesaf,^ dass alle diejenigen Ileiiefs auf denen Aslilepios mit den Töcliterii der Epione ersclieinl notwendig; äl'er sein müs- sen als die Gesaramttieil derjenigen aufweichen ihn Hygieia allein beglei- tet, noch ist damit absolut ausgeschlossen dass man in späterer Zeit einmal Hygieia mitten unter die Epidaurische Familie versetzt habe, mit der sie von Haus aus nichts zu thun hat. Aber selbst in dem Hymnos C- I. A HI 1 n. 171 . wo das letztere geschieht, wird in der Verbindung doch der Hy- gieia ihre Sonderstellung bewahrt, ja vielleicht sollte sie gar nicht für eine Tochter der Epione gelten Es heist von Asklepios (Z. 14 f I : Tod 0' l^i^io^-o xopot IIoÖaAsip'.o; rßi Ma/aojv, " VXt.ri'z[<y -/.oafJirJTopE] Xö^/^r,; '.rj Haiav r^o' 'laaw 'Axsaw TS xal Al'yAr; zal navä-/.3ta, 'HTito'vrj? [Ö^yaips;, aüv] apiTzps'rTo) 'Yy^ta it) Ha'.av. Späte Mylhographen freilich reihten ja sicher Hygieia den Töchtern der Epione ein: Suidas u. d. W. '\\-'.6yr,. Aristides VH S. 79 Dindorf.

262 DIE ATTISCHE HYGIEIA

Beweises dafür dass dem fünften Jahrhundert, das so viele Göttertypen für alle Zeiten ausgeprägt hat, diese Aufgabe noch ü;ar nicht gestellt war?^ Denn einmal gestellt musste sie auch irgendwie gelöst werden. Die Dichtung kann die Göttin wol als ■nrpsTSi'jTa. (y.a/cipcov anrufen und dann doch wieder von ihr eine anmutig jugendliche Vorstellung erwecken, die Kunst muss sich, wenn sie verstanden werden will, schliesslich für die eine oder die andere entscheiden, im Notfall zu Attribu- ten ihre Zuflucht nehmen Aber wie alt auch immer die Per- sonification des höchsten Lebensgutes, der Gesundheit, in der Poesie der Volkssprache oder der Dichtung sein mag 2, eine leibhaftige Göttin wurde Hygieia erst als Genossin des As- klepios.

Als die Athener der Athena als Hygieia jene Broncestatue weihten, deren Basis noch jetzt an Ort und Stelle vor der s. ö. Ecksäule der Propylaien steht •^, hatte Hygieia sicherlich noch keinen Cultus in Athen, war sie noch einfache Personifica- tion, ebenso wie Nike zu Athen noch lediglich poetische Vor- stellung gewesen sein wird als man der Athena als Nike einen Tempel weihte.

Das vierte Jahrhundert also hat die attische Göttin Hygieia in Wahrheit erst geschafYen; ihm fiel auch die Aufgabe zu der neuen Göttin künstlerisch Gestalt zu geben. Wie hat es

* Dass im Westgiebel des Parthenon Asklepios und Hygieia nicht dar- gestellt waren bedarf heute keines Beweises mehr nachdem die andere Deu- tung durch Loeschck.es überaus glückliche Interpretation der einst gegen- über heündlichen Figuren über allen Zweifel erhoben ist: eine Deutung stützt die andere weil sich beide zu einem (3anzen zusainmenschliessen wie man es schö.ier, kunstgeschichllich wie historisch bedeutungsvoller nicht denken kann- »

2 Blosse Personilication ist Hygieia wenn sie neben Eudaimonia und Pandaisia auf einem attischen Vasenbild erscheint: Briti.sk Museum Catalo- gue n. 1263, Jahn, Vasen mit Goldschmuck T. II.

3 Loewy, Inschriften griechischer Hildhauer n. 53. Neben der Athena Hygieia sah Pausanias noch eine Statue der Hygieia, i^v 'AaxÄ7)7cioü 7cat8a a- vai liyojGi. Vielleicht nahm er dafür die SsSaarr) Tys^'a deren Basis hier ge- funden worden ist: G. I. A. IH 1, 46Ü.

DIE ATTISCHE HYßlEIA ?63

diese Aufgabe gelöst? Ist man überhaupt hinausgekommen über (h-is Schwanken und Suchen von welchem die lleliel's zu- näclisl Zeiigniss ablegen? Duhn meint (a. a. (3. S. 220) im allgemeinen finde man die matronale Bildung mehr auf den Reliefs späteren Ursprungs, die mädchenhafte mehr auf de- nen der besten griechischen Periode. Das wäre nnffallend \veil die spätere Kunst, die doch wahrscheinlich hier wie sonst von der attischen abhängig ist, an diesen und nicht an jenen Ty- pus angeknüpft zu haben scheint ^ Aber wenn wir die ältes- ten Reliefs mit Recht ausgeschieden haben bleibt kein Grund mehr zu Duhns Annahme. Denn man wird schwerlich mit einigem Schein behaupten können dass beispielsweise das Re- lief Mitth. ii T. XVI älter sei als das beistehend publicirte. Ue-

berhaupt scheinen mir, wie ich schon hervorgehoben habe, diese Reliefs einem so begrenzten Zeitraum anzugehören ^ dass

' Soviel kann man wol sagen obgleich das reiche Material späterer H.ygi- eia-Darslellungen erst noch einer gründlichen Sichtung liedart' Ob die späteren ICunslwerke überhau|)i von anderen als attischen abhängig sein könnten das heissl ob Hygieia anderwärts früher als in Alben CultgöUin wurde ist eine Frage die ich einer anderen Untersuchung vorbehalte.

- Das ist ja nicht auH'allend sondern vielmehr sclbslversländlicb l']s ist die Zeit da die altische Reliefkunst überhaupt ein reiches Leben führt von den I^rosamen vom Tische des Pheidias.

264 DIE ATTISCHE HYGIEIA

ich eine chronologische Scheidung für unausführbar und für bedeutungslos halten möchte ^

Wol aber lässt sich, wenn wir auf das zufällig erhaltene Material überhaupt einen Schluss gründen dürfen, ein Vor- wiegen des jugendlichen Typus bemerken, welches diesem schliesslich den Sieg zu versprechen scheint 2.

Für diesen jugendlichen Typus sind nicht nur die schlan- ken jungfräulichen Formen charakteristisch sondern auch die Stellung Selten nur steht Hygieia frei und selbständig, in sich abgeschlossen da, wie stets wenn sie malronal gebildet ist. Meist lehnt sie sich seis an einen Baum, seis an einen Pi- laster, seis an den Sessel des Asklepios oder endlich an des- sen Schulter 2. Häufig ist dabei das eine Bein ganz entlastet, der eine Fuss über den anderen geschlagen ^. Der Kopf folgt häufig der lässigen Haltung des Körpers durch eine leichte Neigung zur einen Schulter^.

Zuweilen sind nur die umrisse der Figuren übrig geblie- ben'''; selten sind die Köpfe, seltener noch die Gesichter erhal-

' D. 32=:S. 4013 macht allerclinfj;s den FJiiidruck eines späten Machwerks und doch ist hier Hygieia niatronal gebildet. Aber geringe Arbeit er- scheint uns immer spät, oft gewiss mit Unrecht. Das Relief ist das kleinste und ärmlichste von allen. Der Charakter der Inschrift gibt keine Veran- lassung es in besonders späte Zeit zu setzen.

2 Die vier Beispiele des matronalen Typus sind oben aufgezählt. Jugend- lich aber erscheint Hygieia auf folgenden Reliefs: D. 8=8. 4002 (Mitth.Tf. XVI); D. 33=8. 4007 (Bull, de corr. hell H Tf. IX); D. 9=8. 4000 (ebenda Tf. VII); D. 7=8. 4019; D. 11=8. 3993; D 13=8. 4264; D. 42=8. 4010; D. 29=8. 4032; D. 21=8. 4310; 8. '(027; D. 27=8. 4986.

•■' An einen Baum (beidemal mit hochaufgestütztem Arm) : Bulletin Tf. VH und Tf.VIII, ferner 8.4293; an einen Pilaster (in derselben Weise) : ebd. Tf. IX und 8. 4265; an die Stuhllehne des Asklepios: 8. 4019 und 8. 4254 (publicirt auf 8. 263); an Asklepios' Schulter: 8. 4010, 8. 173, 8. 4027, S. 4281, wahrscheinlich 8. 3993. Etwas selbständiger erscheint sie: S.4310, nochmehr 8. 49S6 8. 4008 Mitth. II T. XVII. Alle Fragmente, soweit sich auf ihnen die Stellung der Hygieia überhaupt erkennen lässt, dieser Stati- stik einzureihen, erscheint überflüssig.

^ Sybel 4002. 4019, 4293.

■' Sybel 4007, 4010, 4264, 4265, 4986.

« Sybel 4986 ff.

DIE ATTTSCHE HYPtIEIA 265

ten. Bei dem im Bulletin TL VII piiblicirten Relief (SybeliOOO) sowie bei Sybel iOlO und 'il)(S() lässl dei" erhaltene limriss des Kopfes noch erkennen dass das Haar der Hy*!;ieia boch- aufgebunden war. Dieselbe Frisur finden wir denn auch auf den beiden Reliefs welche den Kopf der Göttin verhäll- nissmässig wolerhalten darbieten: Sybel 4001 = Bulletin Tf. I\ und 42()4 (hier zuerst abgebildet S. 2G3)'. Diese Frisur also schien, vermutlich nach der Mode jener Zeit, der ju- gendlichen Göttin angemessen. Fs ist die Haartracht späte- rer ApoUonköple, auch der Artemis und Aphrodite^. Im vier- ten Jahrhundert wird sie die Tracht junger iMädchen gewesen sein und ist dann alsbald von Artemis auf Apoüon übertra- gen worden.

Wenn nun im Asklepieion ein weiblicher Kopf von jugend- lichen Formen gefunden worden ist, der jene leichte ^eiglmg zur einen Schulter sowie jene hohe Frisur hat, so dürfen wir ihnwol als Kopf der Hygieia in Anspruch nehmen. Es ist der Kopf welcher auf unserer Tafel VIII nach einer Zeichnung L. Ottos abgebildet ist^. Der nach aussen gerichtete Blick und der leicht geöffnete Mund charakterisiren das Alter, das starke Kinn dessen untere Linie fast ganz gerade verläuft gibt dem

^ Der Jüngling rechts sicherlich einer der Asklepiaden Hess sieh durch das Fragment Sybel 43"?3ä ergänzen, wodurch sich ergibt dass dieses mit n. 4323*' nichts zu Ihun hal.

2 Conze, Nuuve Memorie delV huiUiilo S. 40S f.

3 Sybel 4119 Leider gibt die Zeichnung den Ko[»f nicht in der noch deut- lich erkennbaren Neigung, welche '.ranz mit derjenigen des Hygieiakopfes auf dem S.263 abgebildeten Relief übereinstimmt. Der llaarschopf ist etwas zu hoch geraten, das Kinn etwas zu niedrig und weich Um den Kopf geht eine 0,01 breite Bandbettung, die vornen vor dem Schopf sich ver- läuft: das Melallband, welches wol vermittelst eines hinten in der Bandbet- tung belindlichen liOches befestigt war, schien unter dem Haar zu ver- schwinden. Wozu ein zweites rundes I^och mitten auf dem Kopf gedient haben könnte weiss ich nicht zu sagen. Im 1. Ohr sind zwei Ilinglücher, im rechten eines Hinten und oben ist das Haar nur ganz oberflächlich be- handelt sodass sich nicht erkennen lässt dass das Haar, wie man annehmen muss, hinten aufwärts gestrichen ist. Gesichtshöhe vom Kinn bis zum Haar 0,17, mit dem Haar 0,23.

266 DIE ATTISCHE HYGIEIA

Ausdruck etwas Festes, Keusches. Der Kopf scheint mir dem Typus des Äpollon näher zu stehen als die Zeichnung erken- nen lässt. Man wird lim unbedenklich ins vierte Jahrhundert setzen können.

Auf der folgenden Tafel (IX) wird einer der reizvollsten Mäd- chenköpfe attischer Kunst zum erstenmale veröffentlicht ^ Man hat ihm längst den Namen Hygieia gegeben. Und die Verwandtschaft mil dem Kopf des Asklepieions ist ja unver- kennbar: die gleichen mädchenhaften Formen, die gleiche leise Neigung des Kopfes, fast übereinstimmende Haartracht. Der schlanke Hals erhöht den Eindruck des Jugendlichen. Die Haare sind rings um den Kopf straff in die Höhe gestri- chen um zu dem Schopf vereinigt zu werden, während bei dem anderen Kopf die Stirn- und Schläfenhaare seitwärts ge- strichen sind und so die Ohren halb verdecken : auch dieser Unterschied lässt jenen Kopf noch jünger, mädchenhafter er- scheinen. Er dürfte kaum viel späterer Zeit angehören. Si- cherlich ist er noch guter Zeit würdig. Den Namen Hygieia mag er immerhin führen.

F. KOEPP.

Excurs.

Der vorliegende Aufsatz war niedergeschrieben als das zweite Heft der Archaeologischen Zeitung erschien. Meine An- schauung von der Altischen Hygieia ist nicht wie Sybels As- klepios- Hypothese abhängig von der Frage ob schon am Par- thenon Asklepios dargestellt werden konnte. V^iclmehr könnte ich wenn Duhn (a. a. 0. S. 90 f.) Recht behielte gerade da- rin dass der Gott .-illein erscheint, zumal wenn der Aphrodite ihre Tempelgenossin Peitho beigesellt wäre, ein -n neuen Be-

* Im Cenlralmiisoiiiri. Sybel n. 64U. A1),l;uss hei Marüiiclli, danach der Lichldruck.

DIE ATTrSCHI'; HYrtlErA 267

weis für meine Hypothese finden : nur miissten alle Daten um ein Menschenaller elNva ziii'ück<Ji;ei'iickt WLM'den. Aber ich halte auch an Sybels Combinatioii fest. So bestechend Dulins Be- weisführung auf den ersten Blick zu sein scheint nicht we- niger als alles was wir vom Asklepioscult wissen spricht da gegen dass er bereits um die Mitte des Jahrhunderts ein- gebürgert gewesen wäre, geschweige denn eine so hervorra- gende Stellung eingenommen hätte. Die Zeugnisse sind im Verlaufe dieser Untersuchung fast alle berührt worden ; ich brauche sie hier nicht noch einmal zusammenzustellen. Dazu scheint mir S_ybels Hypothese nicht leicht zu wiegen. Kin stricter Beweis lässt sich freilich nicht führen. Aber anderer- seits verliert auch Duhns Argumentation bei näherem Zuse- hen viel von ihrem bestechenden Schein. Dieser besteht ja vornehmlich darin dass mit der Deutung auf Asklepios auch das Princip gefunden scheint nach dem die Auswahl der Göt- ter getroffen ist. Diejenigen Götter sollen dargestellt sein ' die man besonders Veranlassung hatte als Zeugen gegenwärtig zu denken, w^enn der panatheuäische Festzug seinem Ziele zu- strebte': in den beiden mittleren Paaren die Hauptgötter der Burg, in den äusseren Grup|)en die Götter der Unterstadt, an deren Tempeln die Processioa vorüberzog, Aber Zeus selbst war auf der Akropolis keine Hauptperson und über die An- wesenheit der Hera o;ar a;eht Duhn doch etwas zu leichten Fusses hinweg (S. 102); endlich die Art wie dem Leser insi- nuirt wird dass die Aphrodite keine andere sei als die vom Südabhang erscheint mir fa.^t als ein unerlaubter Kunstgriff. Denn es wird doch niemand im Ernst glauben dass Aphro- dite desshalb in die Ferne schaut und weist weil ihr Heilig- tum xaT6^j/lov y?}; xr,; Tpo'.^r,viy.; war und nicht einzig und al- lein desshalb weil sie ihrem Knaben Eros den hei'ankommen- den Zug zeigt. Die Anwesenheit des Eros und der Nike sollte doch auch vor der strengen Durchfühi-nng des "topographi- schen Princips' warnen. Diese geht schon bei 'Asklepios' und Dionysos etwas weit; bei Demeter und Ares aber soll gar die Gruppirung des Frieses als ' Bestätigung einer an und für

268 DIE ATTISCHE HYGIEIA

sich schon höchst wahrscheinlichen topographischen Thatsa- che' gelten. Was soll dann erst die vielbesprochene Gruppi- rnng der Demeter mit dem gegenübersitzenden Jüngling für topographische Folgt*rnngen nach sich ziehen! Dass wir die Hauptgötter der Stadt hier zu suchen haben scheint sich zu- nächst von selbst zu verstehen; dass an deren Tempeln die Panathenäenprocession vorüberzog ist an und für sich wahr- scheinlich. Aber dadurch Hess sich die Phantasie des Künst- lers nicht binden. Wolke Pheidias überhaupt die Götter dar- stellen wie sie in Athens Tempeln wohnten, nicht wie sie in den olympischen Wohnungen um Zeus und Hera versammelt waren, so durfte er nicht mit solcher Freiheit verfahren: der Hermes des Frieses ist doch thatsäehlich nicht derjenige wel- chen man auf dem Markte verehrte, der Dionysos des Frieses gleicht auf keinen Fall dem Gott der h Aipai; wohnte, die Pal- las des Frieses ist nicht die Polias,der das Gewand dargebracht wird : könnte sie sonst auch gleich den anderen Göttern als unbetheiligte Zuschauerin dasitzen? Duhn sagt (S.102) 'Wäre unter den Göttern, die ausgeschlossen werden sollten oder durften, Poseidon, so würde sich dafüi* ebensogut eine Erklä- rung finden lassen, wie sich bis jetzt die Gelehrten abmüh- ten, darzuthun, dass derselbe am wenigsten könne gefehlt haben'. So unbestimmt und schwankend sind in der That unsere Vorstellungen von dem Götterkreis der Athen im fünf- ten Jahrhundert beherrschte. Wir würden zurückgehen auf die Gründungssage der Panathenaeen und sagen, Poseidon- Erechtheus, der sie eingeführt, könne nicht den anderen Göt- tern gleichberechtigt der Feier beiwohnen. Aber weil der Künstler die directe Beziehung des Zuges zur Biirggöttin nicht zum Ausdruck gebracht hat, weil er Athena gleich den ande- ren Olympiern Zuschauerin sein lässt durfte er .luch, ja mir scheint musste er, den Tempelgenossen oder Nachbar der Göttin auch Zuschauer sein lassen, f^oseidon - Enchlheus war einmal einer der \ornehmslen Götter der Buri>- und es wäre gelehrte Tüftelei gewesen, wie wir sie dem Pheidias und dem fünften Jahrhundert nicht zutrauen können, wenn er aus dem

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angedeuteten Grund ausgeschlossen worden wäre. Denn diese Gütterversammlung ist eine freie Scliöj)f'ung des Künstlers, unabhängig von uralten Mythen und Volksvorstellungtm, die eine naive Zeit wol im Ritus fortleben iässt, doch ohne sie sich zum Bewusstsein zu bringen.

Wenn aber der Aiigensclicin lehrt dass hier nicht Poseidon dargestellt ist? ' Wo immer die Kunst des sechsten und fünf- ten Jahrhunderts Gelegenheit halle, Poseidon darzustellen, suchte sie iii ihm den kraftvollen Bruder des höchsten Him- meisgottes vorzuführen, jenem nahezu gleichberechtigt und unumschränkter Herrscher in seinem Gebiet'. So Duhn (S- 99). Echt altertümliche Statuen oder Keliefs gibt es nicht, die schwarzfigurigen V'asenbilder kommen nicht in Betracht, weil bei ihnen, wie Overbeck (Kunstmythologie III S. '213) richtig bemerkt, ' von einer bevvussten Charakteristik nicht die Rede sein kann '. Die Münzen von Poseidonia weichen in wesentlichen Dingen von einander ab (ebenda S.217 f.): bald ist der Gott bärtig bald un bärtig (?), bald hat er lange Locken bald kurzes Haar. Der Tynus stand offenbar noch nicht fest. Dass der weitausschreitende den Dreizack schwingende Gott hier wie auf den rolfigurigen Vasen strengen Stils (S. 224 f.) gewaltig: und muskelkräftiß- gebildet wurde versteht sich von selbst. Aber ist der Unterschied zwischen diesem Poseidon und dem des Frieses grösser als der zwischen dem Blitze schleudernden Zeus der Gigantenkämpfe und dem desselben Frieses, der so bequem in seinem Sessel sitzt? xMan sollte doch nur solche Poseidondarstellimgen mit dem ' Poseidon ' des Frieses vergleichen, die den Gott in gleicher Ruhe, sitzend, nicht in der lebhaften Bewegung des Kampfes oder der Ver- folgung zeigen. Es sind unter den r. f. Vasen des strengen Stils nur ganz wenige (Overbeck S. 229). Aber auch nur sol- che Monumente sollte man heranziehen die stilistisch dem Relief des Parthenon verwandt sind. Und das sind nicht die Vas^n des 'strengen Stiles'. Der Poseidon der Schale des Er- ginos und Aristophanes steht dem des Parthenonfrieses näher als derjenige der von Overbeck S. 224 zusammengestellten

270 blE ATTlSCrtE HYGIEIA

Vasen. Durch Verwandtschaft der Situation würde nnter den Vasen des freieren Stiles am ersten die Schale Monumenti V Tf. 59 zum Vergleich aiilTordern. Doch Overhecks Alias kann jeden überzeugen dass man überhaupt nicht Statuen Reliefs Vasen Münzen und geschnittene Steine in eine Entwicke- lungsreihe zwängen kann, weil jede Monumentengaltung ihre eigene Entwickelung hat. Wie sollen wir da nachweisen dass Poseidon ausserhalb jeder Action, ruhig dasitzend in der Re- liefkunst der Zeit des Pheidias anders habe aussehen müssen?

Nur Zeus geniesst in der Götterversammlung des Ostfrie- ses den Vorzug eines Lehnstuhles und macht davon zu seiner Bequemlichkeit Gebrauch. Die übrigen Götter sitzen alle, so- weit sie nicht den Oberkörper en face wenden mit etwas ge- krümmtem Rücken, wie jedermann bei lässigem Sitzen auf einem Stuhl ohne Lehne. So Hermes, so Pallas, so auch Po- seidon. Es ist kein Zeichen von Gebrechlichkeit.

Der rechte Arm des Gottes hängt schlaff herab. Soll das des Meerbeherrschers unwürdig sein? Es ist ja hier keine Ge- legenheit den Dreizack zu schwingen. Ich glaube nicht dass Pheidias einen Unterschied machte oder auch machen konnte zwischen einem ruhig herabhängenden Arm der wol versteht 'eine wuchtige Angriffswaffe zu schwingen' und einem ru- hig herabhängenden Arm, dessen ' blosse Erhebung, das Aus- strecken der Hand, genügt um die Menschheit zu überzeu- gen von der Wirksamkeit göttlicher Kraft'. Habe ich von der Kunst des Pheidias eine zu geringe Meinung? Sieht man denn der Rechten des Zeus an dass sie gewohnt ist Blitze zu schleu- dern oder derjenigen der Pallas dass sie die mächtige Lanze schwingt? Die linke Hand des Gottes hielt einen Stab. Es scheint in der That dass derselbe nur a;emalt war; denn we- der oben am Rand der Platte noch unter dem Daumen ist ein Bohrloch. Warum soll es kein Dreizack gewesen sein? Es ist ja bekannt genug wie willkürlich am Parthenonfries bloss gemalte Details mit bronzenen abwechseln (Michaelis S. 225). Aber man kann auch daran erinnern dass auf der Hie-

biK ATTlöCHli HVdlElA 271

ronvase Monumenti W Tf. V>\, die eine der wenigen Darstel- lungen des sitzenden Poseidon auf r. f. Vasen des strengeren Stils bietet, Poseidon statt des Dreizacks ein Scepler iiält.

Mehr weiss ieli gegen Dulm's Hypothese augenblicklich nicht zu sagen. Dass es kein strieter Beweis ist habe ich vor- ausgeschickt.

F. K.

Der Tempel des Apollon Chresterios bei Aigai.

Auf einer Reise von Pergamon über Myrina und Aigai (iNimrud-Kalessi) * nach Magnesia am Sipylos, die ich im No- vember dieses Jahres iheilweise in Gemeinschaft mit Herrn R. Bohn und in Beij;leituno von Herrn Demostbenes Bahazzi ausgeführt habe, bin ich in der Nähe von Nimrud-Kalessi auf die Ruinen eines Tempels geslossen, der nach der erhaltenen VVeihinscbrifl dem ApoUon Chresterios unter dem Proconsul P, Servilius Isauricus geweiht worden ist, dem Mitconsul Caesars vom Jahre 48 v. Chr., der im Jahre 46 die Provinz Asia verwaltet hat.

Von dem Sattel, der die Höhe von Nimrud-Kalessi von dem östlich sich anschliessenden Gebirgszug trennt, führt ein antiker, mit rechteckigen Trachytplatten sorgfältig be- legter Weg in südöstlicher Richtung an der Berglehne hinab zum Bett des Kodja-Tschai, des Flusses, der südlich an Nim- rud-Kalessi vorbeifliesst und in der Nähe von Kalabassary in den Golf von Ischandailik mündet^. An der Stelle, wo dieser Weg die Sohle des Thaies erreicht, drei Viertelstunden von Nimrud-Kalessi entfernt liegen auf dem rechten Ufer des Flus- ses die Trümmer des genannten Tempels noch alle so zusam- men, wie sie bei dem Einsturz des Baues, der durch Erdbe- ben veranlasst zu sein scheint, Erefallen sind. In Mitten mas- senhafter, malerisch übereinander gethürmter Werkstücke steht die gewaltige Thür der Cella, aus drei monolithen Blö-

< Bull. d. Corr. Hell. 1881 S. 131-136. 511.

2 Vgl. Poltier und Reinach, Bull. d. Corr. Hell. 1882 S. 199 und 205-207.

DEn TEMPEL DßS APOM,ON CMHESTERIOS BEI AlGAI 273

cken tJjebildel, allein noch aufreclit. Die Süuleiitrommcln zei- gen die Cannelirung jonisclier Baulcn und aucli die jonischen Kapitale sind vorhanden sowie h][)ist}lijl(")cke mit dreifacher Theilung der Vorderseite, Friesplatten, mit liukranien und Guirlanden in llelief geziert, und endlich die schön profilir- ten Geisa mit Zahnsehnitt und VVassers|)eiern, Alles aus röth- lich braunem Trachyt. Es müssen die Werkstiicke des Baues noch nahezu vollständig vorhanden sein. Grösse und Grund- risstorm zu erkennen, ist indessen nur nach Wegräumung der den Stylobat bedeckenden Trümmer möglich, eine Ar- beit, deren Vollendung ich nicht abwarten konnte. Sie wer- den sich bei der genauen Aufnahme des Ganzen, die Herr Bohn binnen kurzem herausgeben wird, ebenso wie die Re- construction des Baues zweifellos mit Sicherheit bestimmen lassen.

V^on der VVeihinschrift, die auf zwei Streifen vertheilt an dem Epislyl der Vorderseile des Tempels angebracht war, sind zwei grosse Stücke erhalten beziehungsweise zur Zeit sichtbar: a. dasjenige Epistylion, das den Anfang der In- schrift trägt, rechts unvollständig und der Länge nach gespal- ten, und b. das sich ursprünglich anschliessende zweite Epi- stylion, vollständig:

a. OAAMOZAn

YnononAi^zE 6.

HZTHPiaiXAPISTHPIONSnC AiaYlfilZAYPIKQTQANOYnATß

'O SäcfAo; 'A7t[61>.(ovi XpJyj'iT'/ipioj ^api(JTr,ptov (ji>i^[eiar,^ tt/? TraTpiSo;] i)7c6 llox'Xiw Se[poiXi(«> no7r]>>t(o ulo 'laaupi-zco) tw ävOuTcaTW.

Auf der Agora von Pergamon ist die Basis einer Statue des- selben Servilius Isauricus gefunden worden, aus deren Auf- schrift hervorgeht, dass Servilius als Proconsul in Pergamon die demokratische Verfassung nach älterer Form wiederher-

MITTH. D. ABOH. INST. X. lg

274 DER TEMPEL DßS APOLLON CHRESTERIOS ÖEI AIGaI

gestellt hatte. Die Inschrift, die ihn deshalh als Hettor nnd Wohlthäter preist, lautet (h]ri;el)nisse der Ausgr. von Perga- inon I S. 7()) : 6 fVi^ao; etiixtiTSv Uott'Xiov i^spoD.iov Flo-'Xio'j utov 'I(7aupi>tov Tov avOuxaTOv, yeyovoTy. rjcoTTipa /.ai sOspylTr^v xr,? -6- 'Xeco? xal äTTOr^e^coy-OTa t-^ ttoIei tou: Trarpio'j? voao'jg x,a'. Tr,v ot)- aoxpaTiav äf^o'jXfoTov. hjiie ähnliehe Vei'i2;i'msli<i;iing seheinl Ser- vilins auch der Stadt Aia;ai gewährt zu hahen, wofür ihn die Gemeinde in der VVeihinschrift unseres Tempels neben Apol- lon nennt. Die Ergänzung von Z. I wird daher dem Sinne nach das Richtige treffen.

Durch den Nachweis eines Apolhdieiliglhumes am oberen Kodja-Tschai wird nunmehr auch die bis jetzt vereinzelte Nachrieht des Agathias von Myrina, dass der Fluss, an des- sen Mimdung seine Vaterstadt liege, rJjOix.o; geheissen habe, verständlich, und die idenlificirung i\e.y Ruinen von Kalabas- sary, wo der Kodja-'rschai miindct, mit denen von Myrina erhält damit eine neue Bestätigimg.

Noch verdient erwähnt zu wertlen, dass wir Kunde haben von einem zweiten, älteren Tempel des Apollon Chresterios in derselben Gegend, nämlich durch Cyriacus von Ancona, der zu Strabo XIII (122, zu der Stelle über den Apollotempel von Gryni()n,im codex Mediceus an den Handgeschrieben hat: Kuptaxo; S' eyö aÜTO? [/.exa^u Muptvio; /CocL K6[).'f)Q Iq toc toO a'jxoiJ 'Ato'X'Xcovo; Upo'j i^ÜTZiy. ev uTrepxeiasvcp 'XiÖw tt); Tzu'k'riq, [J-syt- CTO'.? y.y.i y.oCk\ia-zoi; ypxtv-fxa'jt 7;a>>!Xiol; xoSe t6 ETriypaaixa supov APOAA^NI XPHZTHPini (t)IAETAIP02 ATTAAOY. Dass das lleiligthum, dessen Kuinen C-yriacus gesehen hat, der oft- erwähnte Apollotempel von Grynion sei, nimmt der berülimte Italiener vielleicht mit Unrecht an ^ ; dieselben müssen aber

< Vgl. Pottier u. Reinach a. a. O. S. 20o Aiiiii. 2. jedenfalls in der Nähe der kiiste, vermuthlich niclit weit vom Pythicus gelegen haben.

EllNST FABKICILIS.

Der alle Alhena- Tempel auf der Akropolis zu Athen.

Ks wird den Lesern dieser Mitfheiliin^en erwünscht sein, eine vorläufige Nachricht über einen Bau zu erhalten, wel- cher bisher noch unbekannt war, aber eine lanj>e Zeit hin- durch der t^ntsste 'remj)el Athens pjewesen ist.

Mau |)ll('j^l als erwiesen zu helraclilcu, dass vor den Per- serkriegeu an (h^r Stelle des jelzij^i'u Parthenon ein von den Pisistratiden erbauter grosser Tempel stand, welcher noch nicht gauz vollendet war, als er von den P(!rsern verbrannt und zerstört wurde. Seine Säulen aus Marmor und sein Ge- bälk aus Porös sollen von Themistokles beim schnellen Auf- bau der nindliehen Burgmauer als Baumaterial verwendet sein. Auf seinem von der Zerstörung nicht mitbetrolTenen Un- terbau habe dann l*erikles den jetzigen l*arthenon errichtet. Gegen diese Annahme lassen sich aber mehrere Bedenken gel- tend machen.

Die in der Burgmauer verbauten Säulentrommeln können mit den daselbst befindlichen Gebälkstücken schwerlich zu einem Gebäude gehören, denn jene bestehen aus penteli- schem Marmor, diese aus l*iraeuskalk (Porös); auch sind jene noch nicht ganz vollendet, während diese nicht nur ganz aus- gearbeitet und verj)utzt, sondern auch schon bemalt waren. Ferner lässt sich aus technischen Merkmalen nachweisen, dass der unter dem perikleisclien Parthenon liegende Unterbau ei- nes älteren Tempels zu gleicher Zeit mit der grossen Süd- mauer der Burg errichtet sein muss. Dies passt aber nicht zu der bisherigen Annahme, dass der ältere Parthenon schon lange vor den Perserkriegen bestanden habe, denn nach dem einstimmigen Bericht der alten Schriftsteller ist die grosse Stützmauer erst von Rimon erbaut worden, b^ndlich war es auilallend, dass die Athener in der langen Zeit von den Per-

276 DER ALTE ATHENA- TEMPEL AUF DER AKROPOLIS ZU ATHEN

serkriegen bis zu Perikles nicht an den Wiederaufbau ihres grossen Athena- Tempels gedacht haben sollten. Diese und noch andre fragliche Punkte erhallen mit einem Mal eine be- friedigende Lösung durch einen jüngst gemachten Fund. Zwi- schen Parthenon und Erechlheion, dicht neben dem letzteren Tempel liegt ein rechteckiges Plateau von 22'" Breite und 45'" Länge, in welchem man bisher den heiligen Bezirk der Alhena Polias erkannte. Diese Terrasse ist aber nicht wie man glaubte ganz mit polygonalen Steinen gepflastert, sondern besteht aus mehreren starken Mauern, deren Zwischenräume mit Erde ge- füllt sind.

In diesen Mauern dürfen wir die Reste eines grossen Tempels erkennen, welcher nur der von Herodot oft erwähnte und von den Persern ver- brannte Athena- Tempel sein kann. Schon jetzt bevor noch Ausgrabungen gemacht sind, erkennt man, dass der Tempel ein Peripleros gewesen sein muss. Die noch vor- handenen Fundamente und Stufen beweisen weiter, dass er aus der vorpersischen Zeit stammt, denn in ihrer Construc- tion und ihrem Material (dichter Kalkstein) stimmen sie über- ein mit den Resten des älteren Dionysos- Tempels in Athen und des kürzlich entdeckten älteren Tempels in Eleusis. Da ferner der nördliche Stylobat von der Korenhalle des Erech- theions überbaut ist, so muss der Tempel unbedingt schon zerstört gewesen sein, als das jetzige Erechtheion errichtet wurde. Zu den Maassen des Unterhaus passl nun das in die nördliche Burgmauer verbaute alte Gebälk aus Porös ganz vorzüglich, wenn wir annehmen dass der Tempel je G Säulen an den Fronten und je 12 an den Langseiten hatte. Einige Reste der Säulentrommeln aus Porös kamen im vorigen Jahre bei den Ausgrabungen östlich vom Parthenon zum Vorschein und andere Säulentrommeln sind, wie eine genaue Untersu- chung der kimonischen Südmauer neuerdings ergeben hat, in den untersten Schichten derselben als Material verwendet. Das Aeussere des alten Tempels lässt sich hiernach ziemlich vollständig reconstruiren. Die Form und die Abmessungen

DER ALTE ATHENA- TKMPEL AUF HER AKROPOLIS ZU ATHEN ?77

der Cella sind dagegen noch vollkommen unbekannt, werden sicli aber durch Ausgrabungen hofTcntlich feststeUen lassen.

I)i(> Lage des Tempels im VerliaUuiss zu den andern Ge- bäuden der Burg erkennt man am besten auf dem kleinen Plane der Akropolis in Michaelis- Jahn: Pamaniae descrijdio arcis Athenarum, wo der Platz weiss gelassen und durch die Zahl 30 als Area der Athene bezeichnet ist. Nachdem die Per- ser diesen allen Porös- Tempel zerstört haben, l)egann Ki- mon weiter südlich an der Stelle des jetzigen Parthenon einen stattlichen Neubau, für den er mit Errichtung der grossen südlichen liurgmaucr zunächst einen Bauplatz schaffen musste. Dieser neue Tempel, welcher noch grösser werden sollte, als der Perikleische Parthenon, wurde aber nicht vollendet, denn Kimons Verbannung und die schlechten Zeiten, welche Athen bald darauf durchzumachen hatte, unterbrachen den Bau in den ersten Anfangen. Ihm gehören die halbfertigen Säulen- trommeln aus pentelischem Marmor an, welche in der nörd- lichen Burgmauer östlich von dem Porosgebälk sichtbar sind. Nach Verlegung des Bundesschatzes von Delos nach Athen nahm Perikles den Bau wieder auf und führte ihn in etwas veränderter Gestalt zu Ende.

Vor den Perserkriegen hat also an der Stelle des jetzigen Parthenon noch kein Athena- Tempel gestanden, vielmehr lag in jenen Zeiten der grosse Athena- Tempel der Burg ne- ben und zum Theil unter dem jetzigen Erechtheion. Die alten Kultmale: der heilige üelbaum, das Dreizackmal des Posei- don, der Brunnen mit Seewasser und das Grabmal des Ke- krops lagen unmittelbar neben der nördlichen äusseren Säu- lenhalle des alten Athena- Heiliglhums theils in, theils neben dem alten Tempel des Erechtheus.

WILH. DOEBPFELD.

Miscellen.

Inscription d'Aidin.

AAPAZTOSAAP/ TOYTOYAAPA2TO AAMAAQN lEPOS NEIKATHNTPITH N nE PI O AONTQN X A P MIAEinNÜAIAr^N

nANKPATION Ar^N O0ETOYNTOS TT O-A I A- Ao Y K 1 A I A N O Y

AIONYZ I O Y EniMEAHOENTOZ T H 2 ANAZTA^EÜZ TOYANAPIAN T02AAPA 2TOYTOY B TOYü A T P O Z AYTO Y

"A^paaxoi; 'ASpx[c?- TO'j Toö 'A(^pxr>To[u

V£l/,5c T-/]V XpiT'/lV

TTspioSov Tüv Xap- [^-losiwv Tiraiowv

7rav)tpa.Tiov äywvoOsToOvTO? no(7c\io'j) Ail(iO'j) Ao'j/'Aiavo'j

AiovuGtou ETri'xs'XTiOevTo;

TOu ä.vSpi!XVTo; 'ASpa.-

«7T0'j TO'j 'ASpacTO'j TOU zarpo; auTOu.

L'inscription est gravee sur iine base de statue de marbre blane d'iin melre de bauteur, 0,44 de largeur sur la base, 0,40 sur la partie superieure, et de 0,46 d'epaisseur, portee ä la gare du chemin de fer d'Aidin du village Omourlou si- tue tout pres d'Aidin*.

Smyrne le 3/15 Aout 1885.

ARISTOTE M. FONTRIER.

* [Die Inschrift ist, mittlerweile in MouasTov xa't BiöXioÖrlxr) xfa EyayyEXtx^s S/oXtjs. ricp-'ooo? ziiiKTi]. 'Ev Sjxjpvr] 1885 äp. uLj' in Minuskeln publicirt wor- den.—U. K.]

MISCELLEN 279

Marathonische Inschriflen.

1. Vor kurzer Zeit wurde unp;. 80'" südöstlich vom sog. PyPijjos in einem Weinberg der marathonischen Ebene ein würfelförmiges Postament (li. 0,i9; br. (),'t(;; d. 0,3!)'") aus weissem Marmor gefunden, dessen am obei'en Hand etwas beschädigte Frontseite die Inschrift

O A Y A E I lI]oXuSe[uxiü)V

TÜAIONYCQ flilli Tü> AiovO-TO) [eu-

CIEBEIAIIENEKA (jeßeia? £V£x.a.

trägt, uns also wieder eins der in Kephisia und Marathon häutigen Monumente kennen lehrt, die aul Herodes Attikos zurückgehen ; in der Mitte der oberen Fläche dieses Steines ist ein kleines rundes Einsatzioch erhalten, das vermuthlich zur Befestigung einer Dionysosstatuette diente.

Auch dieses Monument giebt leider ebenso wenig wie die Mitth. III S. '259 fg. besprochene Weihung der T E T P A- P O A E E ^ (so ist nach meiner neuen Revision zu lesen) ei- nen genauen Anhalt zur Ansetzung des Dionysosheiligthums in Marathon, denn der neue Stein ist auch nicht in situ ge- funden. Ein unter der Inschrift eingeritztes Kreuz zeigt, dass er zu der Kapelle gehörte, deren Ruinen mit vielen antiken Quadern untermischt nur ung. 100'" östlich von seiner Fund- stätte entfernt liegen Der Zustand dieser Ruinen macht wohl wahrscheinlich, dass die Kapelle an die Stelle eines alten Hei- ligthums, vielleicht des Dionysos, getreten ist, aber zusam- menhängende Fundamente sind wenigstens jetzt nicht zu sehen.

2. An dem grossen Brunnen im Hofe des einem gewissen Rabanis gehörenden Gehöftes beim Sorös sind zwei Frag- mente eines Altars aus pent. Marmor vermauert, der am obern Rand mit Rosetten geschmückt war. Auf einem der beiden Fragmente steht APTSMIAOC, auf dem andern 6 I A 6 I-

280 MISCELLEN

OYißN; der Altar ist schon im Alterthum zerstört und das zweite Fragment als Grabstein benutzt worden, da auf einer Seitenfläche desselben in grossen plumpen Zügen MS I K 6 I ÄC eingehauen ist.

In demselben Hofe tragt eine grosse pent. Marmorplatte, die als Basis für den Holzpfeiler einer Kelter dient, auf einer der längeren Schmalseiten folgende gross und sorgfältig ge- schriebene Inschrift.

H I H M r 'H[y]:0(/.[ü)V

f" I ^ I ^ ['Hy/)<7ioo].

H. G. LOLLING.

Zur Idäischen Zeusgrotte.

Es liegt nunmehr auch die inschriftliche Bestätigung dafür vor, dass die Grotte beim Nidafeld im kretischen Idagebirge in der That das Heiligtum des Zeus Idaios ist. Nach einer gü- tigen Mittheilung der Herrn I. Chatzidakis und Fr. Halbherr aus Iraclio (Candia) ist in diesem Sommer in der Grotte ein Täfelchen aus gebranntem Thon gefunden worden, welches in Typen, die an die Formen der Cursivschrift erinnern, nach- folgende Inschrift trägt :

A 1 1 A A 1 »i

AI 'lSai[a)(0]

e Y X H N

SÜJ^TIV.

Ä C T H P / i

'AcTTip 'A-

Ä e N

"Xe^dcv-

A P O Y

Spou.

Dr. Halbherr, dem wir die Abschrift verdanken, giebt fol- gende Beschreibung des Täfelchens: Tavoletta dt terra cotta {spessore 7 mm, alt. 45 mm larg. 60 mm) un po' frammentata a

MISr.KfJ.EN 281

destra. l solchi delle letteresono riempüi d'una tinta rosso-chiara. AI rovescio porta iinpressa la sigla: A.

Der griechische Syllogos von Iraclio haL in ielzler Zeil re- gelrechte Ausgrabungen bei der Grolle vorgenommen, denen Dr. Halbherr beigewohnt hat. iNach einer Mittheilung des Letzleren wurden dabei weilere üeberresle von VVeihgeschen- ken gefunden, Theile von bronzenen Dreit'üssen und grosse Stücke von Bronzeschilden, letztere mit älmlichen Heliefdar- stellungen wie auf dem oben S. 66 veröiTentlichten kleinen Fragment. *

ERNST FÄßlllClüS.

Bialphabete Inschrift in Athen.

Rechteckige Platte aus pentelischem Marmor, nach der rech ten Seite hin gebrochen.

A X L A n f / u N I

^ V /^ ® E ^ I A X E U O I C

Die erste Zeile steht hart am oberen Rand, die zweite nach dem unteren Rande zu; in jener ist von einigen Buchsta- ben jetzt nur die untere Hälfte erhalten. Der Stein scheint in eine Wand eingelassen gewesen zu sein. Augenscheinlich war derselbe Vermerk in etwas verschiedener Fassuni? zwei Mal, ein Mal in der attischen Schrift aus der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts, das andere Mal in der jonischen Schrift der zweiten Hälfte des vierten Jahrh. auf dem Steine einge- graben. Die Herstellung ist unsicher, vermuthlich waren die) Nymphen durch ein Attribut gekennzeichnet, also wohl;

282 MISGELLEN

N'jv(p-/i':i ' Aytkiinöli iepov].

Die Entstellung der doppelten Fassung wird man sieh nicht anders denken können als so, dass die erste Zeile später, nach- dem die attische Schrift ausser Uebunsr sjekommen war, um der Deutlichkeit Willen auf dem Stein hinzugefügt worden ist. Die nächste Analogie bietet der zuerst durch J. H. Mordtmann bekannt gemachte Stein aus Kyzikos fe. Roehl /. G. A. 491 ; verwandt sind auch die Inschriften der sos. Herme von Si- geion, deren Entstehung indess noch nicht aufgeklärt ist^Dass Ächeloos in Attika verehrt worden sei, hat man aus dem Eingang des Phaidros geschlossen; ein inschriflliches Zeug- niss steht C. I. G. 470 b, ist aber nicht als solches erkannt worden; der von Fauvel copirte Text ist zu lesen: [Njaucw (oder ein anderer ähnlicher Name) 'A)(^s[Xjo)w äveO-zixev EÜ[xvyi- «TTO'j riaiaviea)? yuv/]. Die Weihinschrift rührt aus der ersten Hälfte des vierten Jahrb. her.

ULRICH KOEHLER.

Inschriften in Chalkis.

1. Vor der Dimarchie steht ein dunkelgrauer prismatisch geformter Steinblock, der bei der Arethusa gefunden wurde und auf einer seiner grösseren Flächen folgende Inschrift trägt:

EV0e:MO^ANE©/f Eu'f-op? 7.v£6[7i-

M 3 >l x£v.

2. Im Hof der Dimarchie wird eine weisse Marmorplatte

* [Vgl. jetzt y. WilamowiU Udiones epigr. Güllingea 1885 S. 3 f.].

MISCELLEN 283

aufbewahrt, welche von Jakupi unweit Bathonda bei Chalkis stammt. Die Insclirift lautet:

rHPAIAHKAEONIKEAinnNBIONAINE TOSA2TOI t KEISAITONAEMETANTYMBON E* E??AM E N O? IEIAIAEKrErAnSAinAPO?AETOKAIO?OPl??a PAIAnNTEAKMAIAAEIPETAIAAlKIA

KAEON IKO

(}> E I A I O Y

rripa'i St), KXsovi/te, >.i77wv ßiov atvexo? acTOi?

4>]£iSia EJcyEyao); liTrapö? §£ x,'X[£]o? ÖTüt^jrro),

riaiStov ä/CjAaioc X£i7r£Tai ä,Xi>tia. K'Xeovi'.co?

<I>£lSiO'J.

H. G. LOLLING.

Inschriften aus Svkamino und Limocrardi.

Auf dem Gute des Herrn Timoleon Bassos in Sykamino, ^2 Stunde vom Dorfe Oropos, sieht u. a. ein weisser Mar- morblock, der foloende Inschrift trägt:

b P M Q N

'Epjy-cjv

A A EZ A N

'AXe^gcv-

APO YEFI

SpOU £TCl-

M E A HTHZ

(/.e>.7)Ty]?

PEN O MEN

yevöjJLEv-

OZHPAKAEI

o; 'HaoLyCi

Unter den Zeilen 1, 2, 3 und i ist eine IJnie horizontal über

den Stein gezogen-

284 MISCELLEN

Im Bull, de corr. hell. 1882 S.580 fg. veröffentlicht B. Lati- schew ein Verzeiehniss von Bürgern aus Nart hak i on, weiche als Proxenen fremder Slaaten fiinffirt haben, sov^ae Fragmenle von 2 Coliimnen einer Bürgerliste in der sich einige INamen der Proxenenliste wiederfinden. In dem ebenfalls gleichzeiti- gen grösseren epigraphischen Denkmal der Sladt, dem a. a. 0. S. 364 fg. mitgetheilten Senatusconsult, kehrt ferner ein auch in den beiden übrigen Denkmälern vertretener Name wieder.

Auf dem Gute des Ep. Dimolulias in Liniogardi fand ich ein weiteres Fragment der von Latischew S. 588 fg. publicir- ten Columnen von Bürgernamen, durch welches eine dersel- ben vervollständigt und die Anfänge einer 3ten Columne (a) neu bekannt werden; letztere stand auf einer andern (links anstossenden) Seite des Steins.

Durch die neuen Fragmente werden einige der von L. auf- gestellten Vermuthungen bestätigt, andere beseitigt; ich hebe nur hervor, dass im Senatusconsult .4 Z. i statt Ku^itütcou ein- zusetzen ist <l>£iS{7:7rou . Die neuen Stücke sind

a. b.

V A

§ E / 0 E I ^ I I ITTTTO?,

_ Y B Eügo'j"XiSa. A N T I F xarpoc,

r H / XIa? A P X I A / [7.0? YH A liv.. OYO I E Y ^^ vSpou.

Cn^/ vSpo? E Y A N Spo?

A F O A IwviSa. A P X I A ä.i^.o-j.

N I K O /^ ao? E Y A N A po;,

N I K A vSpo'j. F O A Y K Ivi;

NIKAvSpO; O I ({) E I A I TTTTOJ.

NIKOAäo'j. ^ K A E O I €ou-Xo?, M E r A / 'XoxVo; K A E O ^ xpaTo;

E Y F O ).£[xou. O I K A E A ivetou.

0 P A^ ^ '^(^ap? M I K K I tov,

N I K O A 70V, F O A Y icpaTY)^

Misniji.t.KN' ?85

A I ^ X I va? O I A N T iTraxpo-j.

r A Y P taxou. N I K O A ao?

r A Y P t'7/.o; A I K A I / p/ou.

K A E O /^ i>co;

Eine i\eiiverp;leic',lHirit>- der I^oxenenlisLe hat er^cbun, dass Z. 5 P Ä T I il N K A E M I, also XlrlpaTiüiV K>.£a[vc5po; od. KX£a[i- vETOi;, Z. 21 M'//,/cioiv , Z. '25 0£p'7ia zu lesen ist.

H. G. LOLLING.

Litteratur und Funde.

Der neuernannte General- Ephur der Alterthüraer Herr Kabbadias hat die dankenswerthe Eiiiriclitung getrulVen in der 'Efrj[i.;p\; if,; KuSepvrlasw; monatliche Übersichten über die im Bereich des Königreichs gemachten und zur Kennlniss des Oeneral- Epborates gekommenen Funde von Antiken zu verölFentlichen. Herr Kabbadias hat gestattet, dass diese Berichte in den Mittbeilungeu des Institutes wiederholt werden. Beim Abdruck ist der Text an einigen Stellen, wo es unbeschadet der Sache zulässig schien, ge- kürzt worden.

APXAIOAOriKON AeATION TOJ [ArjVO; 'lo'jvi'ou 1885. Kaia tciv |J.^'va 'lojviov £l- O7J/Ori0av et? 10 Ypa^^tov xtj; v£vtx% soopi'a? ai l^fj; äp/^aiOTrjTES' 1) "iVyaXjAa 'A:i:oX- T^tJüvo; piappLaptvov tpuaixou ixzyiOouc, awov, ip/ (xivMiix-zov T»jv [xoptprjv. 2) Kop[A6; yj- [i.voy aya^-jJ-aTo; ouatzoD [xsyc'Ooj; 'iyo)v so»' Ixaxe'po'j twv [xriptüv äpyaiV.rjv ETktypayrjV. 3) Ke-faÄr) 'A:idAXojvoi; (;) »ua'.zoü [asys'Öous äp/aVxojTaTr] -u/jv [xopsrjv xa\ Epyaaiav xal xaXXtuTT]? S'.aTTJpr^asüJc. 4) To xai'o [Jispo; äp^atV.wTaTOu ayaXjjiaroj £x 7:cop;vo'j ).!0ou, lyovTo; [loptprjv (jTrjXr)?- 'j;i£p tou? ;idoa; aw^ciai ßoüaipoc'Tjoov y£ypa[i.ij.£vr) ävaOr][jLa- Tix»! ET^iypayrJ. 5) KEyaXrj 'A:idXXojvo; (;) [/appiapivri äp/atxr] Trjv TE/vrjV, [JL£y£0ou4 xa-cä Tt tAtxpoTEpou Tou yuatzoO'. 6) XaXxouv ayaX;i.aTtov 'ATrdXXwvo; äp/aVxtoTaTov ":J)v pLopiprjv [Acx' äva9rjp.«Tr/.f](; ßouaTposprjoov y£ypa[jL[j.£vr]; Imfpazif^i;. 7) Hpaüaf/axa 3ta|)o'ptiJV ayy£''wv za'; «XXtov ::t]X;vojv Eupr) piaTcoy, eiotoXitüv xXti. 8) "ET£pov äyaXixa- Tiov ip-^a'v/jjv p.£v T/jv [JLopcprjV, äXXa zaXXt'aTr); t£)(_v7];" r/^£t xai touto äp/aVxTjv, o^cwi; Ta aXXa £7T'.ypa-^rjv. At äp-/_aidTr;T£s auTat £up^67)(jav aTiasai £v Tat; £:i\ tou dpou^ ntrooj T^; Boiojxt'a; (^rapa xrjv Kapjtiaav) £V£pyou(j.£'vai; ävaaza-ial; CiTto xf]? FaXXt- x^; ayoXf];.

llapa xrjV XaXz^öa, £v xaxaozEua^ojJLEvr) 8r)[jLoaix öooj, Eupe'Br, xptyojvizov ßaOpov ayaXjJiaxo?, £v to aoiCsxat äp^aixrj ßou(jxpoor,oöv y£ypa[x(Xcvrj ävaOrjuaxtzfj sTitypaoTJ *,

S. oben auf S. 282.

286 MISCliLLEN

'E:ii T^; ööoj 81 xf^c, p.£Ta?ü XaXxioos xat 3r)po/copioj jupsÜT) iiTtö yioptz wv ay.£<paAov aYaX[j.a yuvaixos -jyatxoij [Aey^^O'^? poj[i.aVx(J5v ypo'vwv.

ApxAiOAOriKON Aeation tou ;xt)v6$ 'Io'jV.ou. A' . ' Ap^awT^rec, elaaj(^ßeTaai eiq Tt)r rerixi)r Ecpoplar. i) Auo /«Tontpa yaXxa, ojv ev £/£i Itci t^; Irspa; twv Irtt. ?pav£iwv ajToO wpoc.oTaiov ävayXu'-pov £txov''Cov rfjy Evptomir eti'i tou Tavpov, xal uTir) ■joÜTOV Ö£l(pZra. T6 £T£pov £iv£ T£OpauCT[X£'vov ci? T£[xay^ta xat aoj^Etai nspiTtou xaia ta 2/3, t/v. ZI xal TO'JTO xäXXtaiov ävacYAj^ov elxov'^ov Nr)pr)tSa öyoupiEvrjv da.laaalov ijinov. Ti xatOTcipa TaOxa (jiEia nvwv äYyci'tov T£6paua;jL£'vo)v, w; etii izkv.rsiow, xat oüy\ «^''tuv Xo'you, EÜpE'Orjcjav £v 'Ep£Tp!a ::£pi loyoypiov « xatw Mari.ouXa ». 2) 'E7:t- Ta^iov avotyXupov, r/ov <J/jfjpia vataxou xa\ h xw ExtatuXiw xai ä£Toi[jLaTt EJttypayrjv.

'H Trapaaxaat; £tv£ iwv xaXoufXEvwv vszp'.xwv Oc'!:ivojv. T6 ävocyXu^ov toüto ;tpO£'py£- Tat £x Bapvrj?. 3) Tptaxovxa r£VT£ vopu'apiaTa, £^ wv ta [jlev Eix-oa; xat £v £lv£ Sidpaxfta 'A2e(ärdpov, toc S: xpi'a Sidpa^^a (PiXiTtnov. Ta vo{x;'a[i.aTa xauia £'jp£'6r,<Tav £v Ku- -apnjat'a, £v xjj xaxaax£ua!^op.£vif) £X£t Tipoxujjiata. 4-5) 'Apy^atdxaxov xr)v xi/yriw '^al- xovr äfaJftavior avopo; fipovzoi opuytxöv tiTXov, e^ovxo; xoug Tcooa; auyxcxoXXr)[jL£- vou? xat xoc; X.^'P*5 ^'l^ F"'^^ T^po? "^^ *vw x£xa[i.[j.£vrjv, xfjv oe Tcpö; xa xäxw, xat [i.ap- [JLaptvT] xecpaÄi) rearlov pw[i.atxfjs X£yv7)$ xat [j.£y£Öou; [i.'.xpox£pou toü fj[j.faea); <pi;at- xou. Taüxa Eup^Ö/jtjav ;:apa xoü; AeX'^ou; ev xf, xaxaax£ua(^op.£'vT] Syijxoat'a 63(I>.

ß'. 'Apj(^ai6zr}zsQ Tuir fjrapjj^twr. 'Ev xat; avojXEpw (ap 1) [Jivr|[xov£uGctaat; ävaaxa'^at; xa^ojv, 7:Xt)v xwv xaxoTixpwv xat äyy£iojv, supEÖri Tipoi; xouxoi; Ejrtxa^tov cV£7:iypa^ov äray^vjpor, Etxovt'sov Süo [xopaa;, ojv f) [xi'a xpaxEl £ts xi; ayxocXa; ßpEipo;.

'Ev 'AxaXdvXT) £'jp£6r]5av ouo Xt'öot TiEptipEpoS; ßaöpou, k'yovxo? ETütypa-^rjv, 8r)- Xouaav Ttpö; xoT; aXXot; xa ovdp.axa 8Jo 0ri6ai:'ojv XEy^vtxwv.

r". 'Araaxarpai. Ai £v A/JXw ävaaxot'^at ytvovxat oaTcavat; xr); TaXXtx^; Kuösp- vrJaEw;. 'A:^oxA£CTfi.a xwv fJ-.ypt xouOc ävaa/.aswv xojXojv ctvat f; ä7:oxaXu']/t; xou oa- TtEOOu ayvwoxou raov Siopixov pvO^ov xat f) £Üp£at? fX£yaXou ävaöyjpiaxtxoü ärajXv- cpov, Vi M xptic, (X7zo-AzY.poj<!iiiv(xi. piopaat eJziYpacprjc djwrtOTtpcfjc, ^v fj JcoXXä ovö- [jLaxa opafjtaxtxwv 7iot7]Xwv, azecparoizixuir iji'qyKjfiäzior Y.a.\ za^iiaxZir xazajpacpZir, (ov TUcptcydfjLEVov £tvc xaxaXoyo; ävaOr)[j.axojv, Xoyaptaaptög £7it(jx£uwv, [xtaÖwaEwv, Evoix^wv xxX. E'jpEÖriaav Ixt Ocxa TiipiTzou ä;i.50p£T;, [i.txpä üja.liiäzia xat xtva ro^i- (Tjiaza-

'Ev Tavaypa JodOrj aO£ta ;:api xoÜ 'Y'rtoupyetoj st; xov A. Fiaytav, t'va £v£p- yrjar] avaoxacpa; npöi ävaxaXu'^iv xä-jfov iv totoxxrjxot; otypoT;. A'. ävaaxa(pal auxat k'ifiE- pov [Jtc'ypt xouOi £t; 0.0)? ETtxä £V£7:typä-^ou; eJttzvfiGiovQ ozr)2ac /'-a't xs'aaapa a^tdXoya TtrjXtva äyali^azia.

üaaJxto; xtji I. fla^aXT] lyoprjyTJOr) aocta 7:apa xoü 'TjiO'jpyetou voe IvEpyi^'ar) £V- xailOa xaxot xa OT;[i,oxtxa a-^ayEta ävaaxa-^a; ;ipö; avaxaXu'|iv xa-^wv. 'Ev xaT; spya- atat; xaüxat; äv£xaXu-^8r)'jav äpxExo't xä-^ot, äXX' £üpr;[ji.axa lyEvovxo TZoXb öXt'ya xa't ävä- ^ta Xdyou.

Ytzo x^; Tcvtx^; 'E'fOpat'a; c'vrjpyrJOr] ävaaxaor) Tcapa xdv ßpayov xoj 'Apct'ou näyou Tipö; avaxaXu^J/tv xoj oaTiEÖou xoj v/.ii xaT£p£t7ioj[i.£'voj vaoj xoj Atovu- alo\i xo'j 'Apsiortayt'xou. 'Ev x^ Epyaata xajxr) äv£xaXu»9rj öXdxXrjpov xd cSayo; xou vaoj xa't E'jp^Orioav X£(i.a/iov i22r}rixov ävay2v(pov, £v (o 6 axpo? Tioü? avSpö; xa't xop,uö; axTjXT); (;), /Ju^arrtrör xieröxparor, xal zpia Mrixä xioyoxpara, wv 8jo npo^p/ovxat £^ oixo3o[Ji.rj[j.axo; xoiv xaXwv 'EXXrjVixwv ypövtxiv. 'AJCExaXocaÖrjaav §£ xai ;;oXXo"t ji^p tOTtanxoi zacpoi rtXrJoEt; Ötxwv, sv ot; oüo£v £X£pov Eup^ör; rj T£(jt«yta uaX{-

MlSfiELLEN 287

vo)V x£/pa)[/ana[Jisvwv ä.yyd(j)v. llpo^Sr) f) spyaa^a xat Tzipxv t^5 c'.aooou tou vaoCi 7.0.1 ExsT atTjcxaXuyOrj (Jispo; «pjj^otou iJ.Ar)ri,xov zoijf^ov, 00115 ärtoxeXiT ßeSa-'o^? ajvs- /£iav Toü Tot'/oj JXEi'vou, o'jTtvo? aoirovTat X£!'|ava 67:$p iriv npö; [joppav toj vaoü /a- Twcp£p£iav.

ApXAiOAOriKON Ai:\TlON tou [jit)voi; A'jyO'jitou A'. 'Ap'^^aiör^zK: tiaay^änoai tir xi)r Fsrixiir i<j)opilay. 1) 'AvayXjsov zi/vr^i xtÜv xaXwv 'LJXXrjvtxwv ypovoiv, Iv «o eixovt'^exai yu[j.v6? vEav'a?, oipuyj öta07][j.a ;i£p! xriV xopirjV xai JC£p'.6aXXa)v 8ta t^i; apt- aT£pa{ xai o[ov£i E;:£pci5o'(Ji£vo; £7tt ;w£.:;'.-^=poj; i'.vo; ö'yxoj.To ävayX'Jy'Ov xoCto ctvc yw- viaxov TEfJiaytov ^coo'^opou o!xo8o[xrj[J.ai05 nvo?,xa't aipEÖrj ev t^ Ctto irjv äpx-:!xr,v tiXeu- pav T/j? 'AxpOTtoXifii; otxt'a xwv xXr,povo[i.'ov Bapjxa. 2) 'l'J;i'.YP*-^''i ■/p''i'Tt[A£'JO'jTa w; öpda7)[AOV xal £XX£n}(0£'.ori? ßaai; aYaX[i.a-:o;, EÜpsOstaat £v Xfö £v IIaxr;aiO'.; Uooi vaoj xou '(^a;ou Aojxä. 3) BaOpov, £v (■> zmypa-^ri avaOr,|i.ax;xrj « 'Aoptavw 'OXu[i.ntfo », eupc6Jv £V 'A0rjvai5.

B'- 'Apj^atözrizsQ zuir inap^iw-. 'Kv MEyapoi? cjpE'Orjaav ouo äxfpaXa yuvaixjTa aYaX[xaxa ptojjLai'xwv yp'jvtov xai oua'.xoO' [xsyE'Oou;.

'i^v Kapoixar) xr]? (-)£aaaX;a; äv£xaX'JcpOr) äp/atoj xoc'^oi;, e-^'ou £7:txu[Ji5!o; £V£;:;'ypa- ipo; Xi'öo;, ry(^ajv xal avocyXu-^ov £txovt!^ov xov Oavdvxa xa\ nixp ' aüxoi Suo ixExa;.

'Ev x^ {■KcupyJ.'x MEyaXojcdXiU»?, xaxaax£ua^o[XEvr); 8r]ij.oa!'a? oSoÜ, äv£uplGrj ßaOpov, £v w ava07i[i.ax'.xr) £i; « M- Ta3iov S;:£Otavov, xa äXXa ::oXtX£Uua{X£vov iptXoxi'pitüt xai aytiivoOEXTlaavxa xwv A'.xa;ajv xa\ KaiaapiOiv xX::.»

F'. 'Araaxafpal. AI jtiÖ xfj? FaXXixrj; KuÖEpvrJijEo); £V£pyo'ju.£vai ävaaxa-^a'i £v ArjXüj EJicpaxwOTjaav. TcXsuxaTa EjpTJjxaxa £y£vovxo l^^;-

1) 'ApyaVxöv axEaaXov äyaXjjLa "Atio'XXojvo;, ;üap£tx-^£p£; xoT; £v Teve'oc, ev 'Op/^0- [J.EVW, £v Hrfpa /.a\ xWxyoit XTJ; 'I^X?.aoo; EJOEOciai. 2) KepaXr) Aiovjcou, xaXXtaxa otax7;poj[j.£vri. 3) Tp'ywvtxov ßaOpov, e/ov e!? xJ]v [j.'.'av xöiv yojv.cjijv ävayXj^ov xE'fa- Xrjv xp'.oS xai £i; x/jv IxEpav xE-^aXrjv MEOouarj;. 'Ev aüxw aoji^Exai ETiiypa-^r] äp/aixr) ßouaxpo^Tjoov yEypa[jL[j.E'vT), 07)XoCiaa xov Tcoirjaavxa Nä^iov XE-/vixr|V. 4) [IXETaxa; etci- ypasal, ev ai; ojoj xaXwi; oiaxrjpoiijjiEvai avaypa-ja'i avaOr,[j.axo)v.

'Ev xaT; j-o xr,v E7r;xr[p7)aiv xr,; xuÖEpvrJoEw; jtiÖ ioio>xtJüv yivo[i.E'vai; oti/afjxaoaT? ev Tavaypa a;cExaX'j'^Or)aav oyoorjxovxa TtEpiTCOj xaaoi, 01 [x£v oia piEyäXcov ^loipivwv rXa- xüiv xaxEaxEuaaiJLE'vot, 01 oe öia XEpajxtoojv. Ta Iv xoT; xa-^oi; 8e xouxoi? y£vo'[JiEva xxe- piapiaxa eive oX;ya ^^(^EXtxa); TTpo; xov apiöjjidv aüxwv, oidxi 01 jrXEiaxoi T]<jav TEOUArjuiE'- voi xai 7tEpi£i/ov a-y^^prjixa pidvov CTjvxpifXjjLaxa.

'I*]v 'AOrjvai; E'yEvovxo ävaaxa-iixai ipyaaiai ev x^ jtio xfjv ßopEi'av -XcUpav xf;; 'AxpOTcdXEojs oixt'a xwv xXripovd[xwv BapJxa. 'Ev xai; Epyaaiat; Ss xaüxai; xa'i £v xrj xaxEoaai'aEi xfj; oixi'as EupEÖrj xd avwxEpoj [avtjploveuOev 'jk äp. 1 ävayXu-^ov xai £X£pa X£[Jia-/ia, ETCiypa-itxa xe xa'i yXuT^xixa, ävEpyd[Ji£va £v oho Et? OExaxEaoaoa xöv äptOpidv.

APXAiOAOriKON Aeation xoö [xrjvci; i]E;:xE[xvpiou. A'. ' Apj^^ai6zi]Z£c elaa^dnaai £tC f/'/r r£i-ix))r iipopeiar- \] FuvaixETov äxEsaXov ayaX[Aa ex :iap!OU (j.ap[jLapou , Xi- y^^^r^i; äp/_aix% xa'i [AEyE'Oou; (xäXXov 'j;t£p-^uoixo2, £vO£OU[i.Evov roorj'pT) ytxwva xai ijjiä- xiov xaxEp/diAEVov \t.i/pi xwv yovaxwv. 'II 01' auxo'j EtxoviCofAEvr) 0=a (;) napt'axaxai ßao;^ouaa, xa'i oüxw; e/ei xöv apiaxEpdv 7:60a 7i;po6E6X7][j.E'vov xa'i xyiyzi xöv yiXfova oia x^; ö[jiüJVj[xoj axpa; y_Etpös, £v to 6 OE^id; ^jpxy'.hy/ rjxo XExa[A[i.E'vo; xaxa xöv äyxüiva xai npö? xi £jj.;:poaOEV XExapiEvo;. '11 [i.axpa xa'i oaaEia xdfjir] xaxaTiirtXEi £15 TiXoxa- [JLOU5, wv Ol ava oüo eti'i xwv [jiaaxwv xaxaX/fyovxE; £xo(j[i.oüvxo 8iä yaXxcüv Oucravwv rj ;;«panXr)(ifwv xoap,ii.axojv. '0 Xaipiö; oe eive XExoa[i.rj[jiE'vo5 oii 7i£pi3£pai'ou xat Suo

^288 miscEllen

xatvtwv, xaTcp'/ofxs'vojv fA^/pt tcjv [j^aariöv. T6 aya^f^a io'jto Ejpi'Or] ev ArJXw, £v I'tei 1883, £v Tai? JTCO TTJs raXXiz^; SyoXfj; svEpyoujjLc'vai; ävaaxaoaT;.

2) KsoaXy] -wytovo^dpo;, äpyatXouar)? TS/vrj;, ji.£Y£'Oou; ouatzoO xal xaAXi'aTTji; ota- Tr]p7Jajw?. EupsÖT) y.a\ auTr, sv ArjXti).

3| Auo ETTt^paoal £7iii'j[x6ioi y.al STfcCtüfxStov svsJttypatpov ävayXu-^ov •/oivf]; tf/^vr]?, £i/.ov'.'Cov Y'Jvat/.a ijTa[j.£vr,v op9;av xa't £v5£0U[i.£'vr|V 7:oor|pr] y_tTwva zal '.[jiat'.ov, oS ävi- ■y(^£( xpaa;i£00v ot' IxaTEpaj twv yzipojv. E'jp£'6r)aav xa~ä ttjv S'.aaTaupojatv Toiv öowv SoipoxX^ou; xal napOevaYwyEtou.

4) 'E7CiTufji6io; E^rtypaipr), E'jpcÖcioa sv t^ xaxa ttjv 63öv KoXoxoTpüivT) oix;a toj x. Ar][x. MTidpoa.

5) KE^aXf, yuvaixsta, [xeyEÖO'j; öX'yov Tt [i.txpoT£'pou toü Z/uaixoCi', xal T£[JLa-/iov äva- yXü-jou, £V u) yuvatx£ta [xopcpr], £v5£0U[X£'vt) jioÖTJpr, ytiwva xal xpaioijaa o'.a Tfj; Oc^ia? Ii£'pav [xop'^rjv. 'Apfoxspa eive T£')(^vr]; xoiv^; xal eupö'örjaav ev 'ixv. 1880, £v t^ 68w KaXajJitoiTou, Iv ttj oixt'a töv äSsXcowv M£V'.5iaiou.

B'. Mp^atortjrfc ^t^r f'jrapj^^-icür. 'Ev S;rapTr] sOpsSr] ävayXu'-sov 1^6/ oj xaXXo- v^;, eIxovi^ov avopa xpaxo'jvia Xupav xal yuvaTxa xpaxouaav xüXtxa xal jcapa T0Ü5 :id- 8a; ä[JL-^OTipwv ouo :i:xr,va.

Oapi Tr,v 'EpsTpatav avE/.aXü-^Or) xaxi Tuy^rjV [is'po; xuxXoiepou; £x zwpi'vwv Xi'Owv o!xooo[Ji7J(xaTOi;, xal aupe'Oriaav Trspl aütö ayaX[i.a cxyEVci'ou äv5pö;, k'yov u'|o; Suo ::£p;'- Tcou [xExpwv xal £v5£3up.£'vov TcoorJpT] y^tTwva xal [[xaTtov, xal 8'jo avaOrjpiaTtxal £7itypa- csal, 6iv 7] [i.;a k'y^Ei oütoj: 0 KXeo'vcixov Ajuavopou 'AfA^ixpaTT]; Auaavopou tov lauToy ^fXov »■ EjpEÖT^ 7:po; TOJTOt; xal 7:poTO[jt.f, ävSpixrj, rj; zXkelTzei td avo_) [Jispo; tou xpavt'ou.

E*HMEPis APXAiOAOriKH 1885 Heft III: Xp. A. TaouyTa?,'E:ttypaaal £? 'Axpo- TcdXcw;. A. <l>iXto?, 'ETriypaaial s$ 'EX£uaTvo;. B. AsovapiSo;, 'Apiptapsfou Im- ypa'^at. il. Apayojfxrj?, 'E;i[ypacpal £x Mcy*p;oo;. XIt. Kouu.avoj07);,'ATTtxal £7Ci- ypa-ja;. A. «tt'X'.o;, 'Ap/aioXoy.xa £Opr][i.aTa sx twv £v 'EXcjaTv. ävaaxa-jwv (mit zwei Tafeln). i]u[ji[jL'.xxa.

Bulletin de corr. kell. 1885 Heft V: Cousin und Durrbach, Inscriptions de Nemee. Haussou liier, Inscription de Thebes. Pottier, Fouilles dans la n6- cropole de Myrina (mit zwei Tafeln). Egger, Inscription de l'ile de Leuce. Reinach, Servius Cornelius Lenlulus preteur proconsul ä Delos. Foucart, Inscriptions d'Asie Mineure. Foucart, Inscriptions de Beolie. Radet und Paris, Üeux nouveause gouvernenrs de provinces. Diehl und Cousin, Sena- tiis consulte de Lagina. Beeret relalif au droit d'asijle. Holleaux, Fouilles au temple d'Apollon Ptoos.

Mou(J£tov xai B'.SXtoOrlxTj zf\q EJayycXtxfi; ^/oX^;. HaptooG; XEXapxrj.'Ev il[i.tjpvr) 188'i: Weber, Etüde sur la chorographie d'Ephöse. KapoXiSr)?, 'H Iv KaTi-

T:aoox;a XaXoujiEvr^ IXXrjvixvj i5'aX£xxo; xal xa iv aüxv^ awi^dfisva r/vr) x% aoyaiasxajt- 7iaooxtxf){ yXojaar)g. IIcp^ooo; 7:^[j.7:xr)" 'Ev SjAupv?) 1885: 'E;itypacpa^.

Ae. PorEünorAOE, 'E7T:iaxoXal ip/.A'nep': st'xdvo; 'AvxiydvT);. 'Ev "Aör^vai; 1885 (mit einer Tafel).

December 1885.)

Metrologische Beiträge. IV. Das italische Maass- System.

In dem ersten melrologisehen Beitrag (Mitth. VII, S. 277) haben wir nachgewiesen, dass der in einem grossen Theile Griechenlands übliche und von Solon in Athen eingefiilirte Längenfuss gleicli dem römischen Fusse von 0,296'" gewesen ist. Da die Griechen diesen Fuss koinenfalls erst von den llö- mern erhalten haben, so können wir uns die üebereinstimmung nur in zweierlei Weise erklären : Entweder war der Fuss von 0,290'" ein altes Erbstück des graeko- italischen Volksstam- mes und daher seit uralten Zeiten bei beiden Völkern im Ge- brauch, oder aber die Kömer haben denselben und das auf ihm basirte Maass- System erst von den Griechen entlehnt. Das erstere kann nicht der Fall sein, weil auch die Griechen diesen Fuss nachweisbar erst in historischer Zeit eingeführt haben; es bleibt also nur die zweite Möglichkeit übrig, dass nämlich die Römer ihren pes monetalis von den Griechen übernommen haben.

Dass die römischen Maasse, und zwar nicht nur ihre Na- men, sondern auch ihre Eintheilung, in Folge des lebhaften Verkehrs zwischen den llömern und Griechen etwas verändert und den griechischen Maassen angepassl worden sind, wird meines Wissens allgemein als feststehend angenommen. Man ist aber gewöhnlich der Ansicht, dass diese Veränderung nur eine geringe gewesen sei und dass die römischen Längen- maasse. Gewichte und Hohlmaasse in der ältesten Zeit schon ungefähr dieselbe Grösse gehabt haben, wie zur Zeit der Kai- ser; der griechische Einfluss habe nur bewirkt, dass die

MITTH, D. ARfiH. INST. X. 19

$90 METROLOGISCHE BEITRAEGE

Maasse der beiden Völker in ein einfaches Verhältniss zu ein- ander gesetzt und höchstens einige griechische Theilmaasse in das römische System eingeordnet seien. Dass diese Ansicht nicht richtig ist, wird die nachstehende Untersuchung zeigen. Wie das römische Alphabet, die römische Kunst und noch manche andre römische Einrichtung von den Griechen ent- lehnt ist, so haben die Römer auch das griechische Längen- maass, Hohlmaass und Gewicht unter Abschaffung ihrer ei- genen älteren Maasse angenommen. Nur einzelne Eigenlhüm- lichkeiteu des alten Systems sind beibehalten und bis in die Kaiserzeit bewahrt worden. Diese Reminiscenzen an das äl- tere System sind es namentlich, welche wir im Folgenden be- sprechen werden. Sie geben uns in Verbindung mit den Nach- richten der Schriftsteller und mit den aufgefundenen alten Maassen und Münzen genügendes Beweismaterial, um darzu- legen, dass erstens ursprünglich in Rom und in einem Theile Italiens ein Längenfuss von 0,278" und ein auf demselben ba- sirtes System der Hohlmaasse und Gewichte im Gebrauch war und dass zweitens der griechische Fuss von 0,296'° und des- sen Maass- System wahrscheinlich im Jahre 268 v. Ch. in Rom eingeführt worden ist.

A. Die Laengenmaasse. i) Varro {de r.r.\, iO) und Frontin {de /m. S.30) berichten übereinstimmend, dass in Campanien (resp.bei den ümbrern und Oskern) nicht das duodecimal ge- theilte Jugerum, sondern der vorsus von 100 Fuss Seitenlänge als Flächenmaass in Anwendung war. Dieser vorsus verhielt sich nach einer weiteren Angabe Hygins [de cond. agr. S.121) zum römischen Jugerum wie 1 : 3 Y3. Wäre nun der vorsus 100 mische Fuss lang und breit gewesen, so hätte er sich zum Jugerum wie 10000 : 28800, oder wie 1 : 2,88 verhalten müs- sen. Der Fuss, nach welchem der vorsus gemessen wurde, muss daher kleiner, als der römische gewesen sein, und zwar muss er sich zu diesem wie v2,88:v3,33, oder wie 1,697 : 1,826, oder wie 93: 100 verhalten haben. Da der römische

* Über die Lesail Daliaalia statt Camyania vei},'!. Hullsch S.üTl Auui.

METROLOGISCHE BEITRAEGE 291

Fuss 0,296'° ist, so erhalten wir für den oskisch - umbrisclien Fuss 0,2753'".

2) iNissen (Templurn S.iJj) inaclildaraul'aufmerksam,dass Hygin (S. 340) eine Limilirung erwähnt, nach welcher in ein- zelnen Theilen Italiens Terminalcippen 94 l' , 375 1' und 470^ von einander entfernt standen. Er schliesst mit vollem Rechte hieraus, dass mit diesen Zahlen Beträge von 100, 400 und 500 älteren Füssen gemeint sind. Dieser Fuss verhielt sich also zum römischen von 0,290'" wie 94 : 100 und war also gleich 0,2782'".

3) iNissen hat ferner (Pompejan. Studien S. 83) nachgewie- sen, dass ein Fuss von 0,275 an den älteren Bauten Pompejis vorkommt und dass erst die späteren Bauten dieser Stadt nach dem römischen Fuss von 0,290'" errichtet sind.

4) Die Maass- Tabellen Herons {Metr. scriptor. 1 S. 180) und die dem Euklid zugeschriebene Tafel {Met?\ Script. 1 S. 197) kennen einen Fuss, welcher der italische genannt wird und sich zum philetärischen wie 5 : 6, zum römischen wie 50 : 54 verhall. Diesen Fuss haben wir schon in unserm drit- ten metrol. Aufsalze (Mitlh. Vlll S.355) auf 0,2775'" berechnet.

5) Da der italische Fuss des lleron nachweisbar in klein- asien im Gebrauch gewesen ist, so dürfen wir einen in Fla- viopolis (in Phrygien) aufgefundenen Maasstab von 0,555"", (zweifussige Elle) auch zur Bestimmung des italischen Fus- ses heranziehen. Er liefert uns einen Betrag von 0,2775'".

Gj Hultsch hat aus zwei Inschriften (C. /. Gr. 5774 und 5775), welche über Landvermessungen in Herakleia berichten, nachzuweisen versucht (Metrol. S. 068), dass in dieser Stadt ein Fuss von 0,278'" in Anwendung gewesen sei. Dieser Nach- weis ist aber auf theils Vkillkührlichen, theils geradezu fal- schen Voraussetzungen aufgebaut,so dass er als nicht erbracht gellen muss. Obwohl die Möglichkeit, dass der italische Fuss auch in Herakleia benutzt wurde, nicht auss-eschlossen ist, scheint es mir doch unzulässig den von liultsch berechneten Betrag hier als Beweis zu verwerthen.

Die unter 1 5 angeführten Punkte genügen auch vollkom-

292 METROLOGISCHE BEITRAEGE

men, um zu constatiren, dass es einen Längenfuss von 0,275™ 0,278™ gegeben hat, dass dieser Fuss der italische genannt worden ist, dass er in einigen Gegenden Italiens noch wäh- rend der Kaiserzeit im Gebrauch war und dass er in Pompeji durch den römischen pes monetalis verdrängt worden ist.

Um einen möglichst genauen VVerth für diesen Fuss zu ge- winnen, dürfen wir nicht einfach das arithmetische Mittel der fünf verschiedenen Resultate nehmen, sondern müssen uns erst fragen, ob auch die einzelnen Berechnungen wenigstens annähernd gleiche Beweiskraft besitzen. Vor Allem haben wir die beiden Exempel 1 und 2 gegen einander abzuwägen. Den Ausgangspunkt für N" 1 bildete die Gleichung, dass 3 ^3 vorsus = 1 jugerum, oder 10 vorsus^^^'S jugera sind. Wir be- rechneten daraus, dass 100 " oskische", oder sagen wir lieber allgemein "italische" Fusse = 93 römischen Füssen sind. Da nun aber aus N" 2 folgt, dass die römischen Feldmesser 100 italische Fusse nicht zu 98, sondern zu 94 röm. Füssen rechneten, so kann es kaum einem Zweifel unterliegen, dass die letztere Gleichung genauer ist, als die erstere. In der That ist auch rein mathematisch betrachtet ein Verhältnissvon 3:10 zwischen zwei grossen Flächenmaassen abgerundeter und daher wahrscheinlich ungenauer, als ein Verhältniss von 94:100 zwischen Längen maassen. Hieran kann auch die scheinbar sehr genaue Zahl 8640, welche Hj^gin anführt,nichls ändern, denn dieselbe ist in Wirklichkeit nur nach dem run- den Verhältniss 3:10 aus der Zahl der Quadratfusse eines Ju- gerum berechnet. Das Resultat N" 2 (0,278) muss daher rich- tiger sein, als N" 1 (0,275).

Hat aber nicht Nissen den letzteren Betrag an den Pompe- janischen Bauten nachgewiesen (N" 3)? Allerdings; aber die pompejanischen Bauwerke gestatten theils in Folge ihres Ver- falls keine genaue Messung mehr, theils sind sie schon im Al- terthum nicht ganz regelmässig ausgeführt worden. JNach mei- ner Erfahrung passt ein Fuss von 0,278 oder 0,277 an eini- gen Bauwerken Pompejis last ebenso gut, als ein Fuss von 0,275. iNiösen hat seinen Untersuchungen von vorne herein

METROLOGISCHE BEITRAEGE 293

den Betrag von 0,275"' zu Griinrle gelegt, weil er von der Be- rechnung N" 1 ausging, welelie er fiir die genaueste liiolt. Eine Special - Untersuchung muss angestellt \verden, um diese Frage zu entscheiden, und doch ist es hei der Ungenauigkeit der Pompejan. Bauten sehr fraglich, ob eine solche Arbeit zu ei- nem sichern Resultat führen würde. Unter diesen Umständen kann unser E\empel 3 auch keinen Anspruch auf beson- dere Genauigkeit erhoben. Es verbleiben uns daher zur Be- stimmung eines möglichst genauen Werthes hauptsächlich die drei übrigen Zahlen 0,2775—0,2782, wofür wir im Mittel 0,278™ setzen miissen.

Haben wir hiermit bewiesen, dass der Fuss von 0,278™ in einigen Gegenden Italiens vorkam, so ist dadurch natürlich fiir Rom selbst noch nichts gewonnen. Man müsste, um die- sen Fuss auch für das alte Rom nachzuweisen, die altrömi- schen Bauten auf den ihnen zu Grunde liegendenden Fuss hin untersuchen. In Bezug auf den Tempel des Capitol. Jupiter ist dies vor einiger Zeit von O. Richter geschehen. Dieser hat (Hermes 1883, S. 016) nachgewiesen, dass die von Dionysius überlieferten Grössenangaben desselben nicht für den römi- schen, sondern nur für den kleineren italischen Fuss von 0,278™ passen. Allein ich trage Bedenken, dieses Resultat, welches die Frage entscheiden würde, in meiner Beweisfüh- rung zu verwerthen, weil ich nicht weiss, in wieweit das für die jetzt ausgegrabene Terrasse des Jupitertempels angege- bene Maass gesichert ist. Ich begnüge mich daher damit, die Existenz eines Fusses von 0,278 für einen Theil Italiens nach- gewiesen zu haben. Für Rom selbst werden wir die von die- sem Fusse abgeleiteten Hohlmaasse und Gewichte constatiren und können dann indirect auch auf das Vorhandensein des italischen Längenfusses schliessen.

ß. Die Hohlmaasse. \u den Pompejanischen Studien (S.70fT) weist Nissen nach, dass in Pompeji und ebenso in Minturnae die Hohlmaasse während der Kaiserzeit verändert worden sind. Die älteren Maasse waren, wie der in Pompeji gefundene Messtisch zeigt, kleiner als die gewöhnlichen römischen Maasse. Wie

294 METROLOGISCHE BEITRAEGE

gross diese Differenz war,lässt sieh an dem gefundenen Messti- sche nicht ermitteln. Wir können aber für Rom selbst ein noch zur Kaiserzeit daselbst zum Messen von Oela;ebräuch liebes Hohl- maass nachweisen, welches ein üeberbleibsel der älteren Hohl- maasse sein muss. Galen (Metr. Script. S. 209-218) erwähnt mehrmals ein in 12 Unzen abgetheiltes Hörn, mit welchem man Oel zu messen pflege und das man Oelpfund nenne. Er habe selbst, sagt Galen S. 217,13, eine genaue Messung die- ses Hornes vorgenommen, um zu bestimmen, wie viel ge- wöhnliche Gewichtsunzen es enthalte und habe gefunden, dass die 12 Raumunzen des Horns gleich 10 Gewichtsunzen seien. Galen hat also jedenfalls das Hörn mit Wasser gefüllt und dann das Gewicht dieses Wasserquantums zu 10 Ge- wichtsunzen bestimmt. Dieser Messung entsprechend rechnet er an einer andern Stelle (S. 216, 2) die Unzen des Oelhor- nes, welche er auch " italische" nennt, nach dem Verhält- niss von 10: 12 in Unzen des römischen Pfundes um (vergl. Hultsch S. 120 Anm. 1). Es gab mithin in Rom ein Pfund, welches wir nach Galen "italisches" nennen dürfen und das sich zum gewöhnlichen römischen Pfunde wie 10 : 12 verhält. Ist nun das italische Hohlmaass und Gewicht, ebenso wie die römischen Maasse, von einem Längenfuss abhängig (1 Pfund = Y8Q Cbfuss Wasser), so muss sich der zu dem italischen Pfunde gehörige Längenfuss zum römischen Fussewie^jQ:

f,_ , oder wie 1 : 1,063 verhalten. Der römische Fuss ist = Vi 2

0,296'", folglich der italische = o,29rY^,oe3=: 0,278™.

Ein altes römisches Hohlmaass führt uns also auf densel- ben Längenfuss von 0,278, den wir oben für einen Theil Ita- liens als älteren Fuss nachgewiesen haben. Ist es hiernach nicht höchst wahrscheinlich, dass dieser Fuss von 0,278 auch bei den Römern vor Einführung des griechischen Fusses von 0,296 im Gebrauch war?

Das System der italischen Hohlmaasse, welches sich hier- nach ergiebt und in welches sich das Oelhorn orafanisch ein- ordnet, setzt sich in folgender Weise zusammen :

METROLOaiSCHE BEITRAEGE 295

1) Cubns von 1 ital. F. (0,278'")= 1 italisolie Amphora

oder Keramion = 21,5 Liter

2) Cul)iis von V2 F. (0,139"')=V«Cbf. = 1 ital. conr/ms =

2, 7 Litor

3) y^Q Cuh\\du?^^^y^^cnnfJ^m = Oe\horn = 0,2'l Liter.

Es verliiilt sieli also die italische Amphora zum Congius und zum Oelhorn = 80: 10: 1.

C. Geiiricht und Münzrn. Während die Griechen ihre Ta- lente, die Wassergewichte ihrer Cubikfusse, in fiO Theile thcil- ten und so als Haupt- Gewichtseinheit die Mine erhielten, hatten die Römer als grösste Unterabtheilung des Talentes das Pfund (lilra, lihra), von dem 80 ein Talent ausmachten. Bei den italischen Völkern kommen beide Arten der Theilung vor, denn sowohl Y^^ wie^go ^^^ Talents lassen sich als gebräuch- liche Gewichte für Italien nachweisen.

Ein italischer Cbfuss fasste 21,5 Liter, enthielt also auch rund 21,5 Klo;. Wasser oder Wein. Diese Gewichtsmensie war das i talische Talent. Die nach griechischer Weise gebil- dete Unterabtheilung (Voo)' welche von den Griechen Mine, von den Italern wahrscheinlich auch Pfund genannt wurde, wog 21^5/^^ = 0,358 Klg. oder 358 Gramm. Dass ein solches Gewicht in Italien im Gebrauch gewesen ist, lehren uns:

a) zahlreiche, noch erhaltene Gewichtsstücke, von denen ich hier einige aulTühre^

1) Erzgevviclit mit silbei'uer Marke V und Inschrilt', wiegt 17üG Gramm, giebt eine Mine von 353 gr.

2) Erzgewicht, mit Marke X und Inschrift, wiegt

3549 gr., giebt für die Mine 355 »

< 1-5 sind der Zusaiiiineiislolluug Boeclclis (Metrol. Untersuchungen S. 181) entnommen, wälirond N" 6 und 7 in einem Aufsatze Monirasens über attisclie Gewichte in Pumpeji (Hermes 1881 S. 317) ansefülirt werden.

2 Über die Inschrit't dieses und der folgenden Gewichte vergl. Boeckh Metrol. Untersuchungen S. 189.

296 METROLOGISCHE BEITRAEGE

3) Erzgewiclit mit AA {Iura I) wiegt .... 355 »

4) Erzgewicht mit Marke 11 und Inschrift wiegt

7173 gr., giebt eine Mine von 359 »

5) Hercul. Gewicht mit TA-II Swiegt 42,74 Klg.,

giebt für 1 Talent 21,37 Klg. und für 1 Mine . 356 »

6) Nefrit-Gewicht, ^5 Mine von 226 gr., giebt l

Mine von ............ 377 »

7) Desgl. ^/jQ Mine von 22,1 gr., giebt 1 Mine von 368 »

6) die in einem Theile Italiens und speciell auch in Rom selbst vorkommende Drachme ( = YiooMine) von 3,58 gr. Gewicht. In Rom wird diese Drachme zum Unterschiede von dem der Kupferwährung angehörigen Denar nach ihrem Ge- präge Victoriatus genannt. Nach der von Bahrfeldt (Berl. Zts. f. Num. 1883 S. 186) gegebenen Zusammenstellung passt der Betrag von 3,58 gr. viel besser als ursprüngliches Normalge- wicht für den Victoriatus, als der von Hultsch angenommene Mittelwerth von 3,41 gr. Es spricht entschieden für die Rich- tigkeit unserer ganzen Hypothese, dass der Victoriat, dessen Entstehung und Verhältniss zur römischen As- Rechnung bisher nur schwer zu erklären war, sich bei unserer Annahme eines auf den Längenfuss von 0,278 aufgebauten italischen Maass- Systems ganz von selbst als italische Drachme heraus- stellt. Als gewöhnliche Drachme (Vgooo ^^^ Talents) brauchte er nicht wie der Denar eine Aufschrift zur Angabe seines Werthes in Kupfer- Assen; er gehörte vielmehr als Einheit zu einem ganz anderen System und daher durfte seine Hälfte auch einfach mit dem Buchstaben S bezeichnet werden.

Ist somit die Theilune des Talentes von 21,5 KIs. nach griechischer Weise in 60 Minen und 6000 Drachmen nach- gewiesen, so haben wir noch zu untersuchen, ob die römische

< So glaube ich statt TA-H lesen zu müssen. Herr Postolaccas, Director des Münz-Cabinets in Athen, halte die Güte, während seiner Anwesenheit in Neapel nach dem Aufbewahrungsort dieses CTewichlsleines zu forschen, um die Aufschrift zu controlliren. Leider vergebens. Das Stück ist nicht mehr aufzufinden.

METROLOGISCHE BEITRAERE ?97

Eintlieilnna^ in 80 Pfunde, welche wir schon bei den Hohl- maassen kennen lernten, sicli anch bei den Gewichten wieder- findet. DerSO.Theil eines Talentes von 21,5 Klir. l)eträi,n 269 Gramm. Hat es ein solches Pfund in Rom gegeben?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Blick auf das ältere römische Miinzwesen werfen. Alle römischen Schriftsteller, welche von dem alten römischen Kiipfergelde berichten (Varro, Plinius, Verrius Flaccns u. a.), sagen aus- drücklich dass der alte As, die Einheit des schweren römi- schen Knpfergeldes, ein volles Pfund (327 gr.) gewogen habe. Mit dieser Ueberliefernns: stimmen aber die in sehr grosser Zahl gefundenen alten römischen Asse nicht überein. Denn von mehreren Tausenden schweren Assen ist kein ein- ziger ein volles römisches Pfund schwer. Einzelne nähern sich zwar dem Betrage des Pfundes, ''aber die weitaus grössere Masse des heutzutage noch erhaltenen Schwerkupfers ergiebt für den As ein Gewicht zwischen 11 und 9 Unzen, ist also auf einen Münzfuss von etwa 10 Unzen ausgebracht" (Hultsch, Metr. S. 259). Wie die weiter unten mitzutheilende Tabelle zeigt, wiegen 92^0 sämmtlicher schweren Asse zwischen 11 Unzen und 9 Unzen ; nur 2 °/q derselben sind schwerer als 1 1 Unzen (in max. 1 1 Yo Unzen) und 6 7o gehen unter 9 Unzen hinab.

Man hat die verschiedensten Versuche gemacht, diesen auf- fallenden Widerspruch zwischen der Ueberlieferung und den Funden zu erklären. Mommsen {La mon. rom. 1 S- 235 ff.) glaubt, dass man die kupfernen Asse desshalb etwas leichter als ein Pfund gemacht habe, damit ihr Werth nach dem Ver- hältniss 250: 1 genau einem Scrupel Silber entspräche. Gegen diese Hypothese hat schon Hultsch mit Recht mehrere Be- denken geltend gemacht; namentlich hält er es für unwahr- scheinlich, ''dass die Römer fast 200 Jahre lang in Silber gerechnet, oder wenigstens ihr Kupfer nach einem bestimm- ten Verhältniss zum Silber ausgemünzt hätten, während sie ausschliesslich Kupfermünze und kein einziges Siiberstück besassen",

298 METROLOGISCHE BEITRAEGE

Hultsch seinerseits (Metr. S. 261) zieht das übrige italische Schwerkupfer zur Erklärung jenes Widerspruches heran. Das- selbe habe einen grossen Einfluss auf das römische Knpfer- geld ausgeübt und, da es durchschnittlich leichter, als ein rö- misches Pfund gewesen sei^ habe man auch den römischen As sehr bald leichter gegossen. Ein solcher Einfluss des auswär- tigen Geldes auf die römischen Asse hätte vielleicht bewirken können, dass die letzteren allmählich etwas niedriger als 12 Unzen ausgebracht worden wären; aber auf diese Weise er- klärt sich doch noch nicht, dass es überhaupt keinen einzi- gen Äs über 11 Y2 Unzen giebt, während doch die üeberlie- ferung einstimmig dem alten As 12 Unzen zuschreibt.

Bahrfeldt (Gesch. des älteren röm. Münzwes. S. 46) end- lich sucht neuerdings nachzuweisen, dass der älteste As in der That ursprünglich ein volles Pfund gewogen habe. Der Münzfuss sei sehr bald von 12 auf 10 Unzen gesunken und dann lange Zeit bei diesem Betrage stehen geblieben, weil die Bedürfnisse des Staates eine lano-e Zeit hindurch nicht zur weiteren Verschlechterung der Münze gedrängt hätten. Die schwersten Stücke habe man eins-eschmolzen und es sei nur Zufall, dass man bisher keinen einzigen As von mehr als 11 ^^ llnzen gefunden habe. Aber auch dieser Versuch einer Erklä- rung jenes Widerspruches muss als wenig überzeugend be- zeichnet werden. Erstens müssten hiernach die schwersten der gefundenen Asse die ältesten, die leichtesten dagegen die jüngsten sein; aber der grosse Münzfund von Cervetri beweist augenscheinlich das Geerentheil. Denn obwohl er s;anz sicher schon der Periode der Asreductionen angehört, enthält er ge- rade die schwersten bisher gefundenen vollen Stücke. Zwei- tens lässt sich Bahrfeldt mit seinen eigenen Worten widerle- gen. S. 173 rechnet er nämlich (meines Erachtens mit vol- lem Recht) zum Zwei-Unzen-Fusse noch solche Asse, welche um 20 "^/q schwerer sind, als 2 Unzen, indem er sie als über- münzte Stücke aufTasst. Consequenter Weise müsste er nun aber auch die verhältnissmässig wenigen Asse von 10 ^^

METROLOGISCHE BEITRAEGE 299

11 Y2 ünz^n als übermünzte Exemplare des Asses von 10 Un- zen auffassen.

Diese drei Erklärungsversuche werden überflüssig, wenn wir uns an die schon oben erwiesene Thalsache erinnern, dass in einem Theile Italiens und speciell in Rom ursprünglich kleinere ^laasse im Gfhrauch waren. Für Korn lial)en wir ein Hohlmaass, das Oelpfund, kenneu gelernt, dessen VVasserge- wicht gerade 10 römische Unzen betrug. Es gab also that- sächlich in Rom ein Pfund, welches um 2 Unzen kleiner war, als das spätere nimische Pfund. Da nun fast allgemein zuge- üchen wird, dass die schweren Asse durchschnittlich auf ei- nen Fuss von 10 Unzen ausgebracht sind, kann man da noch zweifeln, dass es dieses ältere Pfund ist, nach welchem alle schweren Asse normirt sind? Der Widerspruch zwischen der litterarischen Ueberlieferung und den erhaltenen Münzen fällt dann fort: der alte As war wirklich ein volles Pfund schwer, allerdings kein späteres römisches, sondern ein altes etwas kleineres Pfund. Die römischen Schriftsteller der Kaiserzeit waren sich des Unterschiedes zwischen den beiden Pfunden allerdings nicht bewusst. Sie kannten die Ueberlieferung, dass der As ursprünglich pfundig war und dachten dabei unwill- kürlich an ein späteres römisches Pfund.

Die älteren Asse sind hiernach offenbar für unsere L'nter- suchuns; über die Grösse der älteren römischen Maasse und Gewichte von so grosser Bedeutung, dass wir die Frage nach ihrer ursprünglichen Grösse und ihrer späteren Gewichtsver- ringerung hier eingehend behandeln müssen.

Einen sehr lehrreichen Ueberblick über die Gewichte der aufgefundenen gegossenen ganzen Asse gewährt die nachste- hendeTabelle, welche ich auf Grund des Bahrfeldtschen Buches über die ältesten Asse angefertigt habe*. Hiernach giebt es :

* Die Zahlen sind zwar dem Buche Bahrfeldts entnommen, doch habe ich die einzelnen Posten nach halben und nicht nach ganzen Unzen abnehmen lassen.

300 METROLOGISCHE BEITRAEGE

ASSE

UNZEN

ASSE

UNZEN

0

zwischen

12-117,

0

zwischen

6 72-6

17

»

1172 11

1

»

6 5 7,

53

»

11 107,

7

»

572-5

222

»

1072 10

7

))

5-472

331

»

10 972

9

))

4 7o - 4

175

»

9*/. -9

20

»

4-37,

35

»

9 - 872

20

»

3 7, - 3

10

»

87. 8

31

»

3 - 2 7,

5

»

8 - 77,

30

»

272-2

1

»

77o 7

16

))

2 - 1 7o

1

»

7 - 67,

2

»

1 7'^ - ^

In Bezug auf die Zahl der vorkonnmenden Asse unterschei- det man sofort zwei grosse Gruppen. Die erste umfasst die Stücke von 11 72 6 7'2 Unzen, die zweite die leichteren Stücke von 6—1 Unze. Innerhalb der ersteren beginnt die Zahl der Asse mit 17, steigt auf 331 und fällt wieder bis auf 1, innerhalb der letzteren steigt sie von 1 auf 31 und fällt wieder bis auf 2. Betrachten wir ztinächst nur die erstere, die Gruppe der schweren Asse. Die beiden ganz vereinzelten Exemplare, welche zwischen 772 ""^ ^^/'z liegen, können wir hierbei füglich ausser Acht lassen. Wir haben dann als obere Grenze dieser Gruppe 11 72> ^'^ untere 7 72 Unzen. Das schnelle Steigen und ebenso schnelle Fallen der Stückzahl und ferner der Umstand, dass die weitaus grösste Zahl der Asse zwischen 10 72 ^^^ 9 Unzen liegt, beweisen zur Genüge, dass das Gewicht des Asses in ältester Zeit nicht normal 1 1 72 Un- zen, oder gar 12 Unzen war und allmählich bis auf 7 72 '^'"' absank, sondern dass wir für alle die schweren Asse ein einziges mittleres Normalgewicht annehmen müssen. Die schwersten Stücke sind übermünzte, die leich- testen untermünzte oder durch den Gebrauch leichter gewor- dene Asse desselben Fusses. Um die Grösse dieses Normalge- wichts zu bestimmen, dürfen wir nicht etwa das arithmeti-

METROLOGISCHE BEITRAEfiE 301

sehe Mittel sämmtlieher Exemplare nehmen, denn das würde nur dann zu einem rieliLigen llesullaL iuhien ktinnen, wenn die Stücke sämmtlieh noch ihr ursprüngliches Gewicht hät- ten. Wir müssen vielmehr in Betracht ziehen, dass die Stü- cke wohl sämmtlieh mehr oder minder lange im Umlaut' ge- wesen sind und daher an Gewicht etwas verloren haben. Das Normalgewicht muss demnach etwas höher sein als das mitt- lere Gewicht aller Stücke. Dieser Bedingung entspricht aber ein Gewicht von 10 Unzen ganz vorzüglich, denn die Ueber- münzung beträgt in diesem. Falle in maximo 15 "/q, bei ziem- lich vielen Stücken bis 10 "^/q, während die Untermünzung in V^erbindung mit der Verringerung des Gewichtes in maximo 25 7oj t^^i einer grösseren Anzahl von Exemplaren 20 ^/^ be- trägt. Man wird vielleicht einwenden, dass diese Procentsätze zu hohe seien, um das Vorhandensein eines einzigen unverän- derten Normalgewichts wahrscheinlich zu machen. Jedoch erwäge man erstens, dass die Asse nicht geprägt, sondern ge- gossen sind und ausserdem aus einem wenig werthvollen Me- talle bestellen. Da bei unsern heutigen Kupfermünzen trotz der vollkommenen modernen Maschinen 5 ^/q Uebermünzung und ebensoviele Frocente Untermünzung erlaubt sind, dürfen wir uns nicht wundern, wenn bei dem primitiven Schwer- kupfer Koms Uebermünzungen bis zu 10 7o ^"d t)ei ganz ver- einzelten Stücken bis zu 15 "/gVorkommen-Bei dem verhältniss- mässig geringen VVerlhe des Kupfers war es für den Staat sowohl, wie für den Privatmann gleichgültig, ob einzelne Stü- cke etwas schwerer, andere etwas leichter waren, wenn nur die im Curs befindlichen Stücke in ihrer Gesammtheit das vorgeschriebene Normalgewicht erreichten. Zweitens können wir aber auf analoge Fälle, auf die späteren Asse von 2 Un- zen und von l Unze hinweisen, bei welchen nachweisbar Ue- bermünzungen und Untermünzungen bis zu denselben Pro- centsälzen vorkommen. Dies ist ausgeführt von Bahrfeldt S.78 und S. 173. An letzterer Stelle werden z. B. Asse von 66, 62 61 und 58 gr. aufgezählt, welche ihrem Gepräge nach zum 2

302 METROLOGISCHE BEITRAEGE

Unzen- As von 54 gr. gehören müssen, obwohl ihre üeber- münzung in maximo sogar ca. 20 ^/^ beträgt.

Jener Einwand ist damit erledio;t und wir dürfen als bewie- sen ansehen, dass alle der ersten Gruppe angehörigen Asse dasselbe Normalgewicht von 10 römischen Unzen, oder einem alten italischen Pfunde gehabt haben.

Wann das schwere Kupfergeld ausser Curs gesetzt und wann in Verbindung mit einer Münzreform das Silbergeld und wahrscheinlich gleichzeitig ein neues Maass- System ein- geführt wurde, wird uns eine kurze Betrachtung der As- Re- ductionen lehren. Werfen wir nunmehr einen Blick auf die zweite Gruppe unserer obigen Tabelle. Dass die leichteren Asse, welche diese zweite Gruppe bilden, von denen der er- sten Gruppe durch eine Kluft getrennt sind, ist augenschein- lich; giebt es doch zwischen 7 ^9 und 5 Y? Unzen nur 3 ganz vereinzelte Asse. Es muss daher zu irgend einer Zeit eine plötzliche Herabsetzung des As- Gewichtes statt- gefunden haben. Wie gross ist diese Reduction gewesen? Neh- men wir für die zweite Gruppe dieselbe Uebermünzung, wel- che wir für die erstere nachgewiesen haben, nämlich in ma- ximo 15 °/q an, so erhalten wir als Normalgewicht für die schwersten Asse der zweiten Gruppe h römische Unzen. Das Gewicht des Asses muss also von 10 Unzen plötzlich auf 5 Unzen, also auf die Hälfte herabgesetzt worden sein. Dieser auf mathematischem Wege gefundene Ansatz wird bestätigt durch die Ueberlegung, dass es der Natur der Sache nach ein rundes Verhältniss gewesen sein muss, in welchem der äl- tere As zu dem reducirten stand. Die alten Asse konnten nicht sofort sämmtlich aus dem Verkehr gezogen werden, sondern mussten nach neuen Assen bequem tarifirt werden können. Die Umrechnung war am einfachsten, wenn 1 alter As genau gleich zwei neuen galt. Die Veranlassung zu dieser plötzli- chen Reduction der pfundigen Asse auf ein halbes Pfund muss wohl eine grosse Geldnoth gewesen sein. Alle Schulden so- wohl des Staats als auch der Privaten wurden durch diese

METROLOGISCHE BEITRAEGE 303

Maassregel auf die Hälfte herabgesetzt; die Gläubiger verlo- ren, die Schuldner gewannen 50 7o-

Zu dieser Annahme einer plötzlichen Kcdnction des Asge- wichles auf ö Unzen passen die Münzfunde und vornehmlich der Fund von Cervelri ganz vorzüglich. Währcmd z. B. der Schatz vom Monte Mario (liahrfeldt S. 183) nur Asse von 11 bis 8 Unzen, also nur librale Asse enthielt, lieferte der Münz- fund von Cervetrl ueben 1575 pfundigen römischen Assen schon 3 reducirte Stucke von b^^—h römischen Unzen. Der letztere Schatz ist also vergraben worden, als eben die erste Reduction stattgefunden hatte. Neben den Assen von 5 Unzen waren damals noch die alten vollen Asse von 10 Unzen im Curs. Nachdem einmal die schiefe Bahn der Münzverschlech- terung betreten war, ging es bald unaufhaltsam bergab. Die Asse wurden allmählich immer leichter ausgebracht. Das lehrt uns ein Blick aut unsere Tabelle. Bei den pfundigen Assen lag das Maximum der Stückzahl ganz in der Nähe des Nor- malgewichts von 10 Unzen, bei den reducirten Assen dage- gen steigt diese Zahl von 5 Unzen an noch allmählich in die Höhe, erreicht erst bei der Stufe 3 272 Unzen ihr Maxi- mum und sinkt dann schnell wieder herab. Wir schliessen hieraus, dass nach der ersten Reduction schlechte Zeiten für den römischen Staat kamen, welche ihn nöthigten, die Ver- ringerung des As- Gewichts immer weiter fortzusetzen. Als die Gewichts- Reduction bei 2 Unzen angelangt war, fand die grosse Münzreform statt, welche in der Eintührung des Sil- bergeldes und einer neuen gesetzlichen Regelung des kupfer- geldes bestand; nach bestimmter Ueberlieferung fällt sie in das Jahr 269 oder 268 v. Chr. Dieses feste Datum giebt uns einen Anhaltspunkt, um auch rückwärts für die erste Reduc- tion einen passenden Zeitpunkt ausfindig zu machen. Da die- selbe eine Verminderung aller Schulden um 50 ^/q bedeutet, so liegt die Vermuthung nahe, dass sie 286 v. Chr. stattge- gefunden hat, weil in jenem Jahre das römische Volk zum dritten Mal nach dem Janiculum auswanderte und durch Hor- tensius unter dem Versprechen der Schulden- Erleichterung

304 METROLOGISCHE BEITRAEGE

und der Gewährung einiger politischer Rechte^zur Rückkehr bewogen wurde. Der Schatz von Cervetri könnte dann sehr gut etwa im Jahre 283 während des Krieges mit den Etrus- kern und Galliern vergraben worden sein. Die schlimmen Jahre des Krieges mit Pyrrhos (280-275) brachten vermuth- lich die weiteren Reductionen des Asses bis auf 2 Unzen,

Nachdem im Jahre 272 Tarent eingenommen und ganz Süd- Italien unterworfen war, musste es Roms erste Sorge sein, seine zerrütteten Münzverhältnisse zu ordnen. Im Jahre 269 2(58 wurde diese Reform vorgenommen. Man verzich- tete auf den auschliesslichen Gebrauch des Kupfergeldes und übernahm von den griechischen Städten Süditaliens und Si- ciliens das dort schon längst übliche Silbergeld. Wie das Sil- ber der bisherigen Kupfermünze angepasst wurde und wie in Folge dessen eine neue Doppelwährung entstand, haben wir noch zu erörtern. Das Gewicht des Asses war thatsächlich von 5 Unzen auf 4, 3 und schliesslich auf 2 Unzen herabgegan- gen, während es gesetzlich noch immer 5 Unzen betragen sollte. Der neuen Doppelwährung legte man nun den am Häu- figsten im Verkehr vorkommenden As von 2 Unzen zu Grunde und schuf 3 Silbermünzen:

\) den Denar von 10 kleinen Assen = 20 Unzen l\upfer:

2) den Quinar von 5 kleinen Assen = 10 » »

3) den besterz von 2 </2 kleinen Assen=5 » »

Der alte Kupferas stand gesetzlich auf 5 Unzen, folglich musste er gleich einem Silber- Sesterz gerechnet werden. Dass dies in der That geschehen ist, und dass die Rechnung nach aes grave und Sesterzen ohne Unterschied bis in die Kaiser- zeit neben einander im Gebrauch blieb, ist namentlich von Mommsen erwiesen worden (vergl. Hultsch Metrol. S. 273 Anm. 3).

Da der Denar von '/ü Unze Siibergewicht gleich 10 redu- cirten Assen von je 2 Unzen, also gleich "^O Unzen Kupfer galt, so muss das damalige Werthverhältniss zwischen Silber und Kupfer 1 : 120 gewesen sein. Ein solches Verhältniss der beiden Metalle passt zwar sehr gut zu demjenigen, welches

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Silber

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METROLOGISCHE BEITRAEGE 305

durch die spätere Münzordniinpj vom Jahre 217 v. Chr. fest- gesetzt wurde (1 : 112) und stimmt auch mit den heutigsn Werthen des Silbers und Kupfers (ca 1 : 00) wohl überein. Bis- her hat man aber aligemein für die Zeit des römischen Schwer- kupfers und für die ersten Jahrzehnte der römischen Silber- währung ein ganz anderes Verhältniss angenommen, nämlich ca 1:250 (vergl. Huitsch Metr. S. 264). Das Kupfer müsste daher in kurzer Zeit um das Doppelte im VVerthe gestiegen, oder das Silber um ebensoviel gefallen sein. Es würde mich hier zu weit führen, das Unwahrscheinliche eines solchen Vor- ganges darzulegen und die Beweise, welche für die Existenz des Verhältnisses 1 :250 beigebracht werden, einzeln zu prü- fen. Ich verweise desshalb auf die Darlegungen Bahrfeldts (a.a.ü.S.178) und mache hier nur noch auf einen Punkt auf- merksam. Aus Pollux ist bekannt, dass Aristoteles den silber- nen korinthischen Stater einem sicilischen Dekalitron aus Kup- fer gleichsetzt. Daraus leitet man unter der Annahme, dass eine sicilische Litra='/i2o Talent sei, ein Werthverhältniss des Kupfers zum Silber von 1:250 ab. Kann aber die Litra, welche Aristoteles meint, nicht die reducirte Litra von Y240 Talent sein? Ist dies möglich, so würde das Werthverhältniss in Sicilien damals 1 : 125 gewesen sein.

Den besten Beweis für die Richtigkeit unseres Satzes, dass die Einführung des Silbergeldes gleichzeitig ist mit der lle- ducirung des Kupfer-Asses auf 2 Unzen, und dass mithin das Werthverhältniss der beiden Metalle damals 1 : 120 gewesen ist, liefert uns das schon oft citirte Buch Bahrfeldts. In dem- selben wird aus dem Gepräge der silbernen und kupfernen Münzen und ihren Beizeichen der Nachweis geführt, dass die ältesten Silberdenare ausschliesslich zu Kupfermünzen des Zwei-Cnzen-Fusses gehören. Dass Bahrfeldt und ich unabhän- gig von einander und von ganz verschiedenen Gesichtspunk- ten ausgehend zu demselben Resultat gelangt sind, spricht gewiss für die Richtigkeit des letzteren.

Die weiteren Reductionen der Kupfer- und Silbermünzen haben für unsere Untersuchung wenig Interesse und mögen

MITTH. D. ABCH. INST. X. 20

306 METROLOGISCHE BEITRAEGE

daher nur kurz erwähnt werden. Bald nach der Einführung des Silbergeldes und der Reform des Münzwesens kamen wie- der schlechte Zeiten für den römischen Staat. Der Kupferas ging allmählich von 2 Unzen auf l Unze und der silberne Denar von 4,50 Gramm auf 3,90 Gramm herab. Im Jahre 217 fand desshalb wiederum eine Reform statt; das Gewicht des Asses wurde nun gesetzlich auf 1 Unze (27 gr.), dasjenige des Denars auf 7? Unze (3,90 gr.) festgesetzt und es wurde zu- gleich bestimmt, dass auf den Denar IG neue Asse gerechnet werden sollten. Das Werthverhältniss zwischen Silber und Kupfer betrug demnach 1:112. Die lex Flaminia, welche diese Reform anordnete, darf mit Recht als der letzte Versuch be- zeichnet werden, das Münzverhältniss zwischen Silber und Kupfer dem wirklichen Werthverhältniss der beiden Metalle anzunähern (Hultsch Metr. S. 290 Anm. 1). Es dauerte nicht lange, so ging der Kupferas noch weiter bis auf Yz Unze her- ab. Er hörte damit auf VVerlhgeld zu sein und war Scheide- münze geworden.

Die Geschichte der As- Reductionen zeigt hiernach folgende Phasen.

1) Der As ist ursprünglich pfundig u. zw. gleich einem alten Pfunde von 10 römischen Unzen. Die Stücke werden gegossen und sind daher theils etwas schwerer, theils etwas leichter als das Normalgewicht.

2) Gesetzliche Reduction des Asses von 10 auf 5 Unzen, eine Maassregel zur Verminderung der Schulden. Ausprägung hö- herer Nominale in Kupfer.

3) Nachdem das Gewicht des Asses allmählich von 5 auf 2 Unzen herabgesunken ist, wird durch die Münzreform des Jahres 268 v. Chr. Silbergeld eingeführt und gleichzeitig der As auf 2 Unzen festgesetzt. 1 Denar von 4,50 gr. ist gleich 10 reducirten Assen von je 2 Unzen; 1 Sesterz ist gleich 2 Y2 neuen Assen von je 2 Unzen und also gleich einem älteren As von 5 Unzen. Verhältniss zwischen Silber und Kupfer wie 1 : 120. Die höheren Kupfernominale werden seltener und verschwinden allmählich.

METROLOGISCHE BEITRAEGE 307

4) Das Gewicht des Kupfer- und Silbergeldes fängt bald wieder an zu sinken. Eine neue Revision findet im Jahre 217 statt. Der Kupferas wiegt l Unze, der Denar Y? Ijnze- IG Asse gelten einen Denar.

5) Durch das weitere Sinken des Kupferasses bis auf Y2 Cnze wird derselbe zur Scheidemünze.

Wie stimmen hiermit die iVachrichten der alten römischen Schriftsteller? Varro, Plinius und Andere (vergl. Hultsch S. 277 Anm. 1) berichten im Wesentlichen übereinstimmend, er- stens dass der As ursprünglich ein volles Pfund gewogen, zweitens dass der Staat wegen grosser Schulden den As auf 2 Unzen reducirt habe, drittens dass im Jahre 268 zuerst Sil- bergeld geprägt worden sei und viertens dass man im Jahre 217 den As von 1 Unze eingeführt habe- Der erste Punkt ist richtig, nur wogen die Asse kein späteres römisches, sondern ein altes Pfund, dessen frühere Existenz den Schriftstellern der Kaiserzeit unbekannt war. Die erste Reduction des Asses von 10 auf 5 Unzen, welche sich aus den erhaltenen Münzen augenscheinlich ergiebt, kennen die Schriftsteller nicht. Sie berichten nur über die zweite Reduction auf 2 Unzen und glauben, dass diese zur Erleichterung der Schulden stattge- funden habe, während nach unserer Annahme nur die erste Reduction durch die hohen Schulden veranlasst, die zweite dagegen eine Münzreform war, durch welche die immer schlechter gewordenen Münzverhältnisse wieder verbessert werden sollten. Die dritte und vierte Nachricht der Schrift- steller haben wir ohne Bedenken acceptirt. Die Tradition über den alten As und seine Reduction ist hiernach zwar eine lü- ckenhafte, lässt sich aber ohne grosse Schwierigkeiten mit un- sern obigen Resultaten in Einklang bringen.

Als metrologisches Ergebniss unserer Darlegung des älte- ren römischen Münzvvesens haben wir vor allem die Existenz eines älteren Pfundes zu notiren, welches zu dem späteren rö- mischen Pfunde in dem Verhältniss 10 : 12 stand und dem in Rom zur Kaiserzeit noch üblichen Oelpfunde gleich war. Die oben (S. 297) aufgeworfene Frage ob es ein Pfund von 269 gr.

308 METROLOGISCHE BEITRAEGE

in den älteren Zeiten in Rom gegeben habe, dürfen wir daher mit einem entschiedenen Ja beantworten.

Bisher haben wir stillschweigend vorausgesetzt^ dass dieses Pfund, welches gleich 10 späteren römischen Cnzen war, nicht in 12, sondern in 10 Unzen getheilt worden, und dass mit- hin die ältere Unze mit der späteren identisch gewesen sei. Ist diese Voraussetzung richtig?

Für die späteren Zeiten des römischen Staates steht aller- dings unumstösslich fest, dass das Pfund in 12 Unzen zerfiel. Für die Jahrhunderte vor Einführung dieses Pfundes, als noch das ältere Pfund in Gebrauch war, ist damit aber noch nichts erwiesen. Vielmehr ist es recht wohl denkbar, dass der äl- tere Pfund- As 10 eigene Unzen hatte und dass man nach Einführung des um grösseren Pfundes die Zahl der Unzen einfach von 10 auf 12 erhöhte ohne die Grösse der einzelnen Unze zu verändern.

Betrachten wir zunächst die Gründe, welche für die ur- sprüngliche Decimaltheilung und dann diejenigen, welche ge- gen dieselbe sprechen. Erstens ist im Allgemeinen das Deci- malsystem in ältester Zeit in Italien mehr im Gebrauch ge- wesen als später. Mommsen (Rom. Gesch. 7. Aufl. 1 S. 204) sagt darüber, nachdem er zuvor die ursprüngliche Ausschliess- lichkeit des Decimalsystems bei den Indogermanen hervor- gehoben: " Was Italien anlangt, so sind hier alle ältesten Ver- hältnisse vom Decimalsystem durchdrungen : es genügt an die so gewöhnliche Zehnzahl der Zeugen, Bürgen, Gesand- ten, Magistrate, an die gesetzliche Gleichselzung von einem Rind und 10 Schafen, an die Theilung des Gaues in 10 Cu- rien und überhaupt an die durchstehende Decuriirung, an die Limitation, den Opfer- und Ackerzehnten, das Decimiren, den Vornamen Decimus zu erinnern. Dem Gebiet von Maass und Schrift angehörige Anwendungen dieses ältesten Decimal- systems sind die merkwürdigen italischen Ziffern".

Zweitens weist die in Rom übliche Eintheilung des itali- schen Talentes in 80 Pfunde entschieden auf ein Decimalsy- stem hin. Da nämlich das Talent ebenso wie die Amphora von

METROLOGISCHE BEITRAEGE 309

dem Cubikfuss abgeleitet ist, so war die natürlichste und zweekmässigste üntcrabtheiliing für beide das Achtel, weil dieses sjerade dem Cubus eines halben Fusses entsprach. Die- ses Achtel, welches als Hohlmaass congius hiess, wurde nun weiter decimal getheilt und zwar war die nächste ünterab- theilung das Pfund = '/lo ^^"Ö'^^^^ Vso l'alent. Ist es nun nicht sehr wahrscheinlich, dass auch dieses Pfund ursprüng- lich weiter decimal in 10 Unzen getheilt wurde?

Einen dritten Beweis für die Zehntheilunsi; liefert uns ferner die ThaLsache, dass der Sesterz, welcher nach Einführung des Silbergeldes dem alten As aeris gravis entsprach, als Rech- nungsmünze in 10 Theile {lihellae) getheilt wurde, obwohl der silberne Sesterz selbst keine solche decimalen Unterab- theilun^en hatte. Diese Schwierigkeit findet nur dann eine vollkommene und natürliche Erklärung, wenn der alte librale Kupferas, dessen Aequivalent in Silber der Sesterz war, schon vor der Einführung des Silbergeldes in 10 Theile getheilt wurde und diese Eintheilung des schweren Asses auf seinen Stellvertreter, den Sesterz überging.

Endlich ist beachtenswerth, dass in Hatria und überhaupt den transapenninischen Städten der As sicherlich in 10 Theile getheilt wurde. Marchi [Vaes grave) und nach ihm Lepsius (lieber die Verbreitung des ital. Münzsystems S.50) haben dies bewiesen und ich halte diesen Beweis für erbracht, obwohl ihn Mommsen (La mon. rom. I S. 248 Anm. 2) verwirft. Da die Einheit in Hatria litra (U) hiess und als Unterabtheilun- gen 5, 4, 3, 2 und 1 Unze vorkommen, so können letztere bei dem Fehlen von 6 Unzen unmöglich ^/j^, Y12 ^^^- s^*" sondern müssen YioZ/io^'^^' darstellen. Das Pfund der Städte Hatria, Ariminum, Vestini, Venusia, Luceria bestand daher unbedingt aus 10 Unzen. Andrerseits kann freilich nach den vorhandenen Münzen nicht bezweifelt werden, dass in Etrurien und Sici- lien das Pfund von Alters her 12 Unzen enthielt. Für Rom und die ihm benachbarten Städte geben uns die Aufschriften der Münzen keinen directen Anhalt zur Bestimmung der Ein- theilung des Pfundes. Denn die Unterabtheilungen des Asses

310 METROLOGISCHE BEITRAEPtE

sind dort durch den Buchstaben S für die Hälfte und durch 4, 3, 2, 1 Kügelchen für die kleineren Theile bezeichnet und es ist, wenn wir von dem efTectiven Gewicht der Münzen ab- sehen, ganz unmöglich, auf mathematischem Wege zu ent- scheiden, ob S = 7i2 oder ^/^^ und ob demnach 4 Kügelchen Yi9 oder Yio bezeichnen etc.

Diesen Beweisen, welche eine Zehntheilung des Asses als wahrscheinlich, oder wenigstens als möglich erscheinen las- sen, stehen andrerseits einige Thatsachen gegenüber, welche einer Zwölftheilung das Wort reden.

Erstens wurde das in Rom übliche Oelpfund, welches Ga- len bespricht, nach der ausdrücklichen Angabe dieses Schrift- stellers in 12 Dnzen getheilt und diese Unzen hiessen "itali- sche". Da wir nun in diesem Oelpfunde oder Oelhorne das alte italische Pfund nachgewiesen haben, so ist es sehr wahr- scheinlich, dass auch letzteres 12 Unzen hatte. Man könnte hiergegen nur einwenden, dass die Eintheilung des Oelhor- nes in 12 Unzen erst später eingeführt sei, weil nach der da- maligen Anschauung jedes Pfund unbedingt in 12 Unzen zer- fallen müsse; allein einem solchen Einwand kann immerhin nur wenig Gewicht beigelegt werden.

Zweitens kommt hier das effective Gewicht der Münzen, und zwar speciell der Unterabtheilungen (vom Semis, Triens bis zur Unze) des römischen Libralasses in Betracht. Wenn wir nämlich das Durchschnittsgewicht sämmtlicher erhaltenen Semisse nehmen, so können wir das Durchschnittsgewicht des ganzen Asses durch Verdoppelung sofort bestimmen, mag nun der As 10 oder 12 Unzen gehabt haben. Bei den kleine- ren Theilstücken ist dies jedoch nicht möglich, bei ihnen er- halten wir verschiedene Werthe für den As, je nachdem wir diesen zu 12 oder zu 10 Unzen ansetzen. Das Stück von 4 Unzen z. B. war = Y3 ^^> wenn der letztere 12 Unzen hatte und durfte in diesem Falle mit Recht Triens genannt werden; es war aber^ Yio ^^^^ Vs '^^' wenn letzterer 10 Unzen hatte. Ebenso war das Zwei-Unzen-Slück = '/^ As in ersterem und = 75 ^s ^^ letzterem Falle. Da wir nun aus den Semissen

METROLOßlSCHE BEITRAEßE 311

das Durchschnittsgewicht des ganzen Asses sicher bestimmen können, so lässt sich leicht ermitteln, ob die Gewichte der kleineren Theilstücke besser zu einem As von 12 Unzen oder zu einem solchen von 10 Unzen passen. Eine solche Berech- nung^ ergiebt nun, dass die ünterabtheilungen des schweren römischen Asses unbedingt besser zu einer duodecimalen Theilung des Asses passen. Für die Asse von flatria, Lnceria etc. erhallen wir dagegen das entgegengesetzte Hesullat.

Wäoen wir diese verschiedenen Gründe seseneinander ab, so müssen wir besonders mit Rücksicht auf den letzten Be- weis unsere obige Voraussetzung, dass der ältere römische Pfundas in 10 Unzen zerfiel, als kaum haltbar bezeichnen. Die grössere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass zwar im östlichen Italien der As zu 10 Unzen, dass er aber in Rom selbst zu 12 Unzen gerechnet wurde.

Für unsere Darstellung der As-Reductionen in Rom ist die Entscheidung dieser Frage materiell ohne Einfluss, nur for- mell hat derjenige eine kleine Veränderung vorzunehmen, welcher sich für die Zwölftheilung entscheidet. Die erste Re- duction e.ifolgte in diesem Falle von 12 alten Unzen auf Gälte Unzen, und die zweite gesetzliche Herabsetzung fand von 6 alten Unzen auf 2 neue Unzen statt. Da 6 alte Unzen gleich 5 neuen waren, so war das Verhältniss zwischen 6 alten und 2 neuen Unzen dasselbe wie zwischen dem Sesterz und einem Zwei-Unzen-As, d. h. 2 7o: 1-

Nach unserer obigen Darstellung kann es kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass die officielle Abschaffung der alten italischen Maasse und Gewichte und die Einführung eines neuen Maass - Systems mit der grossen Münzreform des Jah- res 268 zusammenfällt. Dass diese Einführung neuer Maasse

< Herr Dr. jur. Haeberlin in Frankfurt a/M. hatte die Güte, mir brieflich eine Zusanimensteiluuf,' der hier in Betracht iiommenden Münzen niitzu- theileri und mich auf die Wichtigiieil dieser Durchschniltsgewichte auf- merksam zu machen.

312 METROLOGISCHE BEITRAE6E

eine einheitliche war, d. h. dass mit den Gewichten auch gleichzeitig die Hohlmaasse und Längenmaasse verändert wurden, bedarf meines Erachtens keines besonderen Bewei- ses, weil das ältere Gewicht ja offenbar von dem alten itali- schen Längenfuss, das neue von dem neuen römischen pes monetalis abgeleitet ist. Die neuen Maasse wurden, wie die Schriftsteller berichten, im Tempel der Juno Moneta aufbe- wahrt, woselbst man auch eine Münzstätte errichtete. Den neuen Fuss nannte man desshalb im Gesrensatz zu dem alte- ren den pes monelalis.

Dass dieser Fuss der griechische war, haben wir in der Einleitung schon erwähnt. Die Römer lernten ihn, wie auch das auf ihm basirte Maass- System in den griechischen Städ- ten ünteritaliens und Siciliens kennen, wo fast überall das attische Münzgewicht und mithin auch der solonische Längen- fuss im Gebrauch war.

Es zeugt von dem weiten Blick der römischen Staatsmän- ner jener Zeit, dass sie nach der Eroberung Süditaliens nicht zögerten, die alten particularen Maasse Roms aufzugeben und dafür das damalige Weltmaass, das griechische, anzunehmen. Ganz abgeschafft wurde das alte Maass - System allerdings nicht, sondern manche Eigenthümlichkeiten der älteren ita- lischen Maasse blieben bestehen und so entstand das beson- dere Maass -System, welches wir unter dem Namen des rö- mischen kennen.

WILH. DOERPFELD.

Inschriften aus Varna (Odessos'

Herr B. A. Mystakides aus Athen hat auf meine Veranlas- sung gelegentlich einer Reise nach Varna die folgenden dort vorhandenen Inschriften abgeklatscht und mir die Abklatsche behufs Veröffentlichung in uneigennützigster Weise überlas- sen. Hr. M. schrieb ausserdem eine handschriftliche Samm- lung von Inschriften ab: leider erwies sich die darauf ver- wandte Mühe als unnütz, indem, wie ich zur W^arnung für zukünftige Reisende bemerke, die darin enthaltenen Texte sämmtlich aus gedruckten Werken entnommen sind.

In der Revue archeol. 1878 (Febr. u. März) habe ich eine Anzahl Inschriften von Odessos nach Photographien des Rus- sen Ermakow veröffentlicht; die Abklatsche sind an manchen Stellen deutlicher ausgefallen und ich wiederhole daher hier die wichtigeren Texte.

N" 1, Hev. arch. a. a. 0. nM; h. 0,31, br. (Z.l) 0,11, {Z.13)0,17.

O N A I S />

O I F P Y T A h ESiTEOANO Y EFIMHNIEY^ A N AFOAAQNJON

s: I M ß N o s:

0^ KAAAIMAXON

' Vgl. C. I. G. II 2056-2056«= und die Add.; Homraaire de Hell »'oyage en Turqiiie et en Perse I (mir unzugänglich); Rev. Arch. 1878 XXXV S.llO fg.; XXXVI, 303 = Kaibel 540 'in aliqua Thraciae parte'; Mittb. IX 227, nM?- 15; Arch. Ztg. 1852 S. 141 n" 6 7.

314

10

INSCHRIFTEN AUS VARNA

<t> AN EPO Y KAirPAMMATEI OESiSAAON APTEMIAQPOY 7 PO Y

Zwischenraum von 5 Zeilen unbeschrieben; dann die Reste zweier Distlcha:

15

ßAE^EAAON

GEFATPHf E M N Offf §§- O Y

lieber die e7ui{Air)vioi dieser Inschrift vgl. Doermer De Graeco- rum sacrißculis qui I E P O n O I O I dicuntur S. 73 fg. 2. Rev. archeol. n" 3; h. 0,17, br. 0,41.

K A H z I N i iii/iiuM, A I N mmiMiMi

T E A Y T i/ll/a A I H N E I E 2 I N

' A O T E I M - E 0 A N O Y N § T O N

KAOEKASTOfENIf/fTONENTOIZEP MAIOIZANA§rEAAONTOZTOYKHPY K020I NEOISTE.ANOYZINZENAN Af/ONAFATOYPIOYq IAOAOEIA2ENE KENTfSEISEAYTOYSTHNAEFIME AHANFOilfS\Z0AITH5:ANArOPEY2EnZ TOYSTE0ANO YTOY2 KA0EKAZTONENI 'F'NOME r-s

Man erkennt jetzt Z. 1. fg. ... . £7r]aiv[£i;v] xt auT[Qv lizl to"??] öiYiv£[)t]£(jiv (pi"XoT£t[;.[iai: )tal 'jjxecpocvouv [aujrov xaö * £xa'7To[v] £vi[au]- tÖv £v toI; 'Epi^atoi; äva[y]Y£7tlovTO; toO -/Cr/puitOi;' ol v£Oi «7T£<^avoC!- Tiv S£vavS[p]ov 'ATraxovptO'j rpiXoSo^ta? £V£X£v Tf'^Jc £'!; iauTOu?, t7)v ok iTTijjJXyiav so! 7ro[t7;]'ja'jOai tt)? ävayopEijTew? toO TtEcpavou Tou; >ta6 ' £)ta(jTOv £vi[a'JTOv] y£ivo{JL£[vou(;

INSCHRIFTEN AUS VARNA

315

Von der letzten Zeile, welclie im Abklatsch nicht deutlich hervortritt, erkennt man auf der Photographie:

O N r E I N O M .

. Z

es steht also vielleicht auf dem Stein: to-j? xa9' exaiTov evt[ai>- t]ov yt\.^ou.i[vo'j]i; Yu[[J!.va]'7[i3cp)^0'j;.

IN" 3. Rev. Arch. n" 5, ohne wesentliche Varianten. Nach Z. 10 ist in der Colnmne rechts noch ein Name erkennbar:

T O Y P I O Y = 'ATraJxoupiou.

Bdccco'j; halte ich nicht mehr für Transcription von Bassus, sondern für einen einheimischen Eigennamen, wie sich deren anf -o'j? häufig in den sarmatischen Inschriften finden, s. Boeckh's Introd. Inscr. Sarm. C. I. G. II 117, 4.

4. Fragment, h. 0,24, br. (Z. 2-6) 0,19; evTÖ? rr,; o(- v-icLc, TO'j laTpou Ba>.YyiSa.

c AO^Ö A\ l^ §§ lllllllilU

TEIAN^POEAPIANIZO f §'Ü NQNAKJE'SArnzi NHEZf §H 2 EfÄÄÄM TEinNENKTH 5 2 K ÄiiÄ'Ii AOYNKAIEKFAOY 2 ff Ä YAEIKAIAZFONAEIEI flEFITHNBOYAHNKAITONA

fi A T O N A E I E P O F O I O N A f f OAEEISTEAAM^K 10 ZAMOOPAKlOh

freier Raum

Offenbar Seh In SS eines Proxeniedekrets, und zwar, wenn nicht Alles täuscht, identisch mit C. /. G. 2056. Diese letztere In- schrift ist zuerst in Georgii Dousae de Itinere suo Constantino- politano Epistola, Leyden 1590 S. 104 mit dem Lemma " ev

TY] TcoliTsia Bipvri £vtö? ty)? My)Tpo7c6>.£(0(; " (d. i. in der Stadt

316 INSCHRIFTEN AUS VARNA

Varna, in der Wohnung des Metropoliten) und in Minuskeln ohne Zeilenabtheilung herausgegeben; Gruter (419, 2) wie- derholte sie in Majuskeln und in 25 Zeilen '^e Dousae Con- stantinopolitanis^^ ) sie lautet in Transcription: "ESo^e t'^ ßou>,v) y.ai SyijW-w' KpaTiGÖlvri? Zwt>.0'j eIttsV stteiSt; "Epfxsio? 'A(j)t).viTnoSc[)pO'j 'AvTiO)(^£u; Starpt^wv Tuapx ßaci'XET S/.uöcov Ka- v{Ta (so zu lesen, s. Rh. Mus. N. F. XXIV 562 A. 2) suvouv xai 7:p69'j[;.ov iauTov Srijxo) SiaTeXsi [Traps'j^oiv] v.cd tSiK toT; £VT'JYj(avou(j!.v a'jTÖ Twv TTo'XiTwv [TüolstTÜv Grut.] aup.TTapi'JTaTat, (jxouSvic ouOsv £7i:i>.£iTC(ov £v 7r5t(7i ToT; a.^tou[X£voi?, S£S6)(_6at Tvi ßou\9i "/cai TW ö7ij/,(p SE^oiOat auTö v.cd ejtyovoK; [exyovsK; Grut.) Tupo^eviav, 7ro>.iT£iav, 7rpo£dpiav, xxi'kBicfy j^pvifxiTcov xavTcov, cov ocv EiGaywci )tai e^otycodt etti ktyitsi, xai syysttov i'y^cTTiGiv jcai Sixa? 7rpoSiy.ou; [^po^ixa? Dousa], x,ai si^ttIouv xal EXTir'Xo'jv K.at Tro'Xsjy.ou Jtai eipy)- VTOC iau>.£i /tai adTcovSet, slvai Ss auToT? ^ai [von D. weggel.] £(po- Sov exi TTiv ßo'j'X7)v >tal tov Syjaov TrpwTOn; asra t«. Upa' tov Ss le- poTTOtöv avaypx(|/at to (j;y)<pi<7[xa touto ei? Ts'Xajj.wva xal OsTvai ei? lepov.

Ist unsere obige Vermuthung richtig, so erweist sich durch das neugefundene Fragment die Grutersche Zeilenabtheilung als willkürlich; dagegen fehlen gerade zufällig die Stellen, an denen Gruters Text von Dousa abweicht, so dass sich über den Werth der Varianten nichts entscheiden lässt.Wohl aber bietet unser Fragment einige andere abweichende Lesarten:

Z. 1 { = Z. 11 fg. Grut.) scheint nach dem Abklatsch auf SESöaOai ein A zu folgen; Z. 2 fg. =Z. 13 fg. Gr. IrsoxilsioLw anstatt äTs>,£iav j^^p-ofXJCTcov Tuavxwv, wv a.v elaxyoirsu ri anstatt siaaywcri y.ai l^xydini: ähnlich in der Inschrift ausMesembria C.I.G. II 2053c = Mitth. IX 218,4; Z.8ff.==Z.22 fg. Grut.: Tov ö£ UpoTTOiov ävaypa^pai to ij/7)cpi(jp,a toSe Grut. toOto £1; TE'XajAüva xal 0£ivai £t? to Upöv [tö] Sajj.oOpxxiov. Dies letzte Wort fehlt bei Dousa und Gruter, Böckh hatte es indess schon ver- misst: in ßne puto dei nomen periisse, verbi causa toG A16;, quem offerunt numi; zum Heiligthum der Samothrakischen

INSCHRIFTEN AUS VARNA 317

Götter vgl. das Dioskurenrelief Rev. arch a. a. 0. N" 2 und unten 6.

Uebrigens sind auch die Buchstabenformen C und UU bei Gruter rein willkürlich gewählt; das erhaltene Fragment hat stets Z und ß.

N" 5. Höhe des Abklatsches 1,23, Br. 0,40.

ArAGHITYXHIOIAEIEPH NTAI Ti^OEQIMETATHNKAGOAON HrE/AftNSftZTPATOY NOYMHNIOZEAAHNOZ ÖKOTYZAEPNAIOY

/AHTPOAflPOZMHTPOAnPOY AnATOYPIOZAnATOYPIOY u.Sii'^IOZ 2POY

AMYNTÜPEAAHNOZ

10 ATTOAAAZEKATAIOY EAAHNNOY/AHNIOY TTAPMENaNAPTEMIAftPOY AnOAAAZAlONYZIOY AnOAAAZATTOAAftN lOY

15AMYNTQPAIANTIAOY EPMA(1)IA05: EAAH NOZ AlANTIAHSAnOAAA TEI/AOKPATHZEÜIMENOYS TTAP/AENinNTTAP/AENinN 02

SOnOSIAHOZATTOAAA

APTEMlAnPOZAÜOAAOAnPOY NOYMHNIOZAnOAAflNIOY A^KAHÜlAAHZAPTE/AIAnPOY ATTOAAaNIOZTTPO/AAeißNOZ

25 MAPKOZANTHN iOZA0HNAIO2 AlONY^IOZZftnYPIÜNOZ API2TEIAH2AIZXPiaN0Z ZHNI2ArA0HNOPO2 ArAOH NßPZHNI

318 INSCHRIFTEN AUS VARNA

30FAP/AENÜNZaiAOY MHTP0AÜP02 jiji O N Ü N O Z APTEMIAftPOZNOYMHNIOY EAAHNEFIMENOYZ EYFOAE/AOZATTEß

SSnOZZEIZZENi^NOZ

APTEMIAÜPOZEZTIAI OY P O ZI Aft NIOZNOYMH NIOY H0AIZTinNAIONYZIOY APIZTOKAHZZHNI

40<|)IAEINOZAAEZIMAXOY FPOMAOlßNAFOAAi^NIOY AlONYZIOZEKATOAftPOY HPOTIMOZArAOH NOPOZ nOZZEIZAlOFENOY

45NOYM H N lOZIPFOMEAONTOS A I O N Y Z I O Z F Ä 2 E: I O f

eine Zeile anscheinend frei

flONYZIOZAFÄTOYPIOY MOZXiaNZillAOY

Was sofort auffällt ist die Verschiedenheit in der Schrift zwischen der ersten Hälfte der Inschrift Z. 1 28 und der zweiten Z. 29 ff.; letztere zeigt schmale, auseinandergezogene ältere Buchstabenformen, mit Ausnahme von Z. 48, welche wieder dem Anfange gleich ist; man beachte auch die jüngere Schreibung Tei[jt,o>tpäT7i? Z. 18 gegenüber IlocriSwvio? Z. 37, 'HpÖTifAo; Z. 43. Vielleicht stehen die ersten 28 Zeilen in Ra- sur, was sich auf dem Abklatsch nicht erkennen lässt, doch können auch andere Umstände eingewirkt haben.

Für die Zeitbestimmung des vorliegenden Prieslerverzeich- nisses giebt die Inschrift C./.G.2056^ aus Varna aus der Zeit des Tiberius einen Anhaltspunkt; der dort erwähnte 'AuoT^lövio? 'ArtolXwviou TOü ripofxaOiwvo; ist doch jedenfalls identisch mit dem Träger des gleichen Namens in unserer Inschrift Z. 24;

INSCHRIFTEN AUS VAHNA 319

ZU dieser Ansetzung slimmt auch der Name Mapxo; 'Avtcövio; 'A67]vaio?, der unmittelbar darauf Z. 2h folgt.

Die Lesung ist überall sieber; Z. 8 ist vermuthlich 'Ecti- aTo[; MriTpoSjwpou zu erganzen; unter den Eigennamen sind hervorzuheben Kotu? Aepvatou Z. 5 offenbar thrakisclien Ursprungs^ II6c<j£i<; Z. ii, gen. ri[6]'7£io[;, Z. iG, und Zvivi; Z. 28, </e/i. Zvivi Z. 21) u 39; diese letztere Form ist nicht nur durch ihr doppeltes Vorkommen geschützt, sondern auch durch die Inschrift Rev. arch. a. a. 0. N" 9 bestätigt:

J. A fKOYSEAAHNOZOYrATHP rVNHAEAPIZTOKAEOYSTOYIH N I /rei X A I P E

Sa./tOD? "EÜTivo; O'jyjcTvip, yuvv) Ss 'ApidTOxT^eou? tou Zrivi* ;^aTp£, denn es ist doch kaum zu bezweifeln, dass der 'Apicro- •/.Irii; Zvivi in unserer Inschrift identisch ist mit dem gleichna- migen Manne der Sa.)(,ou;. Aehnliche Genitivformen in den sarmatischen Inschriften (Boeckh C. I. G. II S.lll) machen es wahrscheinlich, dass auch Zvivi? ein nichlhellenischer Name ist; vgl. den Dardaner Z9ivi? Xenoph. Hell. 3,1,10.

6. Br. 0,22.

OY2Eni(t)ANEI2 6e]ou; e7:i(pav£t?

a P O 2 E M H N O Z so\ My)Tpö^>po? "EX^yivo;.

Vermuthlich eine Dedication an dieDioskuren, vgl. oben N^i. 7 'ßatOpov Movo?'; h. 0,17, b;-. (Z. 3) 0,15=ßeü. arch. a. a. 0. n" 17; oben und unten vollständig.

A A B I A K I <|)]Xagta K . . .

T A K Y M A I To. x.uf^ocT[ia . . .

NH A UU P O N vvi ^(opov

A A' e 0 H K A aveOyjKa.

320 INSCHRIFTEN AUS VARNA

N" 8. Ohne nähere Angaben.

E Z T I A I O 2

AIOZKOYPIAOY

1 A I B A n N

N" 9. Br. des Abklatsches 0,28.

EAAHNECTIA X H C

X A I P E

N" 10. Basrelief: Rechts Mann gelagert mit Kranz in d. R.; links Frau, die Rechte auf der Brust; zwei Diener. H. 0,60. Heber dem Relief:

MENTHC NEIKlOYrYNH

AYTOYANNIiENftNOC darunter:

TOYAYTOKPATOYC

OYTATHP XAIPETE

Die thrakischen Namen Mevty)?, "Awi fallen nicht mehr auf, nachdem wir aus andern Inschriften Bdc(75ou? (s.o.N" 3\ Zt^vi? (s. 0. N" 5), KoTu; Aepvaiou (ebd.),"ATT£co (ebd. Z. 34), Tioötä (Mitth. IX 230 14), MaSayaOa {Rev. arc/i. a. a. 0. 15), 0iaO{o'j? (s. u. 12), Aep^eÜTO-j, Küpaa {Rev. arch- a. a. 0. N" 6) kennen gelernt haben.

N" 11. Fragmente a H. 0,09, Br. 0,11.-6. H. 0,16, Br., soweit der Abklatsch reicht 0,13 *.

aAOHT h OANHÄPÄY

f >iKAIM TÄTO Y HP ß "|

TD'^ 2NÄNErPA I

K ß MH

* [Die Ligaturen der Inschriften H und 12 haben im Druck nur angedeu- tet werden können. U. K.]

INSCHRIFTEN AUS VARNA 321

h '/j.2: Toö "XaiATüpoJTäTOu 7}pw[o? ; Z. o: -bi-^ äveYpa[i{/£v ; Z. 4:

^" 12. ('oj)ie inilgellicill von mciiicin ]jrudt!r."To(ltenmalil von schöner Arbeit".

0lA0lo¥C^0¥rA THP AE-AITEAAAAOSXAIPE

Vermulhlich Schluss einer Grabschrift: yjvrj aÜToG]

In Varna fand Hr. Mystakides das Cybelerelief anf,welches ich in der liev. arch. 1878, \XXV1 298 als aus Philippopel stammend veröffentlicht habe. Ich habe die Angaben auf den Ermakovv'schen Photographien, wo ich sie sonst controlliren konnte (z. B. bei den Inschrii'len aus Ancyra), stets als correct befunden; ich halte es daher nicht für unmöglich, dass dies Relief bei seinen geringen Dimensionen (H.0,15, Br. 0,168'") nach Varna verschleppt ist. Doch will ich erwähnen, dass auch die Inschrift aus Varna Rev. arch. a. a. 0. 15 nach VVeickum (s. Münchener Ber. 1875 S. 74 fg. 9) aus Küs- tendje Tomi —stammt; aber auch hier ist ein Zweifel er- laubt; Weickum schrieb diese Inschrift ''bei D"" CuUen " ab, d. h. wie den grössten Theil seiner Sammlung, aus D"" Cul- lens Papieren (s. Flapaorrjao, xoy. des XIII. Bandes der Schrif- ten des hiesigen Syllogos S. 66) und hat sie offenbar nicht vor Augen gehabt. Umgekehrt ist zwei handschriftlichen Co- i)ien der Inschriften von Tomi Perrot Mem. d'arch. 183 N" 4 2 beigeschrieben 'Ode

Constautinopel, Sept. 1885.

und 2 beigeschrieben 'Odessus' d. i. Varna

DM. H. MORDTMANN.

MITTH. D. ABCH. INST. X. 21

Üeber das archaische Giebelrelief von der Akropohs.

III.

Eine bestimmte Zeit für die Entstehung des Giebelreliefs anzugeben, ist nicht möglich; trotzdem sind wir im Stande, demselben im aligemeinen seine Stellung in der Kunstge- schichte anzuweisen. Die Composition und die Farhengebung desselben zeigten, dass wir es mit einem der frühesten skul- pirlen Giebelfelder zu thun hahen. Denn nicht allein das dort ausgesprochene Princip der Ausschmückung, sondern das Monument selbst scheint mir älter zu sein, als der megari- sche Giebel. Attika ist freilich m der ersten Periode der bil- denden Kunst nicht tonangebend gewesen, aber es waren hier doch zahlreiche Künstler von den ionischen Inseln, vermuth- lich auch von anderen Stätten mit Kunstschulen thätig, und so wird man eine Neuerung, wie wir sie am megarischen Gie- bel und den selinuntischen Metopen sehen, hier bald aufge- nommen haben, während die alte Weise rasch verschwand. Auf sehr alte Zeit weist aber auch die Bekleidung des Hera- kles auf dem Relief, der nur den Panzer, nicht aber das Lö- wenfell trägt, lediglich eine EigenlhümJichkeit der frühsten Monumente, und die Benutzung geringen Materiales an Stelle des schon früh verwendeten Marmors. Aber zuweit in der Zu- rückdatirung zu gehen, verbieten uns auf der anderen Seite wieder ganz bestimmte Momente. Zuerst ist es klar, dass je- nes llelief nicht an einem aus Luftziegeln und Holz erbauten, sondern an einem steinernen dorischen Tempel angebracht

GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS S^S

war. Ueberliaupt wäre die Annahme verkehrt, dass bereits an jenem duiisehen Lrtempei, z. LJ. am IJeraion, ein Giebelrelief man miissle hierbei an iiölzerne Keliefs denken verwen- det wurde. Denn abgesehen davon, dass Tu r dieselbe auch nicht ein Grund spricht, erhebt sich gegen dieselbe der schwer wiegende Umstand, dass, wenn diese Gattung der Pla- stik bereits eine Entwicklung vor der Schöpfung des Slein- tempels gehabt hätte, die Forderungen, welche der eigenthüm- lich gestaltete Raum an die Composition stellte, wenigstens zum Theil besser erkannt und beobachtet wären, als es bei dem steinernen Akropolisrelief der Fall ist. Wie dringend grade der Umfang der Schwierigkeiten ihre Beseitigung er- heischte und wie rasch dieselbe erfolgte, können wir an dem Fortschritt bemerken, den das Schatzhaus der Megarer dem Akropolisrelief gegenüber aufweist, obwohl die Zw ischenzeit zwischen beiden nicht sehr gross sein kann. Wissen wir über- haupt, ob der dorische Urtempel Giebelfelder besessen hat? Für die allererste Form desselben, die des templum in antis, hat Reimers in seiner kleinen Schrift Zur Entwicklung des do- rischen Tempels die plausible Ansicht aufgestellt, dass er ein Walmdach besessen; dagegen schliesst Dörpfeld in seinem äusserst lehrreichen Aufsatz über den antiken Ziegelbau und seinen Einfluss auf den dorischen Stil (Historische und phi- lologische Aufsätze E. Curtius gewidmet S.137 ff.) auf ein ur- sprüngliches horizontales Lehmdach. Die Hauptsache ist, dass das Dach dieses Tempels, wie es auch sonst gewesen sein mag, nach allen vier Seiten gleichmässig gestaltet war, also einen Giebel ausschloss. W'ann creoen diese Form des Daches das spätere Giebeldach eingetauscht wurde, ist nicht bekannt; es liegt aber nahe, anzunehmen, dass dies im Anschluss an die Erbauung des Tempels aus Stein erfolgt ist. Jedenfalls kann man vor jener Hypothese hölzerner Giebelreliefs nicht drin- oend oenuo; warnen. Ist aber wenigstens die Ausschmü- ckung des Giebels an den Steintempel geknüpft, so gewin- nen wir zunächst als termi?ms post quem die Einführung des Steintempels. Aber wir werden noch weiter gegen den ande-

324 GIb;BELRKLIEF VON DER AKRÜPOLIS

ren Terminus hin gedrängt, wenn wir bedenken, dass der Ent- stehung des Giebels, wie wir oben gesehen haben, die schuJ- mässige Ausbildung des Reliefslils vorangehen musste. So werden wir wohl am sichersten gehn, wenn wir das Akropo- lisrelief in die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts setzen. Sollen wir nun mit Purgold (a. a. ü. Sp. 150) annehmen, dass das Relief im eigentlichen Sinne ein attisches genannt werden kann, d. h. dass es nicht allein auf attischem Boden, sondern auch von einem attischen Künstler verfertigt sei? Ich fflaube nicht. Die Künstler, welche noch im sechsten Jahr- hundert in Athen statuarisch tliätig sind, scheinen vorzugs- weise Griechen aus dem Osten gewesen zu sein, so Aristion und Endoios, vielleicht auch Kritios und iNesiotes (vgl. Lösch- eke Athen. Mittheilungen IV S. 305, Milchhöfer ebend. V S. 170). Früher, als die Rundplastik hat sich freilich, wie Lösch- cke mit Recht annimmt, die Reliefplastik in Athen ausge- bildet; aber den bisherigen Funden nach scheint sie erst mit dem Gebrauch des pentelischen Marmors aus diesem ist nicht allein die Stele des Lyseas gearbeitet sondern auch die des Aristion und die Stelen bei Sybel 5. 6. 7. 9 aufgekom- men zu sein; für das Stelenfragment von der Themistoklei- schen Stadtmauer Sybel 2904 aus parischem Marmor möchte ich noch einen parischen Meister annehmen, wenngleich die Xenophantosbasis, die nach Löschcke a.a.O.S.300 das statua- rische Werk eines Pariers trug, nicht dazu gehört. Von jenen rein attischen Marmorstelen ist das Porosrelief von der Akro- polis zeitlich weit entfernt; aber nicht weniger stilistisch. Für Aristion, wie für Lyseas lassen sich die attischen Vasen- bilder zur Vergleichung heranziehen ; dieselbe Stellung, An- ordnung des Gewandes, Rüstung; dieselben Proportionen, dasselbe Profil, wie dort, findet sich auch hier. Für das Akro- polisrelief fehlen diese Analogieen durchaus. Der Unterschied tritt weniger bei Herakles, als bei lolaos mit seinen gedrun- genen Körperformen, am stärksten aber bei den Pferden her- vor; sie haben nicht die Spur von dem, was die Pferde auf

niEBEMlKLIEF VON DEIl AKROPOLIS 325

altisclien Vasen auszeichnet ^ Noch weniger, als an einen altischen Künstler, werden wir an einen parischen denken; dcmii di(^ pai'ische Schule scheint, in welcher Landscliaft sie auch immer auftritt, vom parischen Marmor unzertrennlicli gewesen zu sein; hat doch nur durch sie dieses schöne Ma- terial seine weite Verbreituno; finden können. Dass ein Parier in einem Lande, wo der Marmor seiner Insel in alter Zeit so sehr Elingang gefunden hatte-, den im Grunde völlig unzu- reichenden Porös benutzte, erscheint mir undenkbar. Mit aller Reserve, wie sie auf einem derartigen Gebiete unumgäng- lich ist, möchte ich eine andere Vermuthung aufstellen. In der 'E(p7iaepi? Taf. 7 ist zugleich mit dem Relief dasjenige Vasenbild abgebildet, welches Herakles Kampf gegen die Hy- dra am ähnlichsten zur Darstellung bringt. Die Reihenfolge des Wagens, des lolaos, des Herakles, der Schlange ist iden- tisch lolaos ist auf beiden mit seinem Gespann nach links ge- wendet und dreht den Kopf zurück. Auf dem Vasenbild ist er freilich gerüstet, doch muss betont werden, dass er hier eben- sowenig in die Handlung selbst eingreift, wie auf dem Re- lief 2. Sehr ähnlich ist ferner die Hydra gebildet; sie rollt sich in gleicher Weise zusammen und hat hier, wie dort neun Köpfe, die mit Ausnahme von zweien dem Herakles entgegen- zischen ; diese zwei aber sind gesenkt und werden von oben sichtbar.

Von den Pferden des Vasenbildes, die ebenso, wie die wel- che Tyxis auf der gleichfalls chalkidischen Vase Gerhard Aus- erlesene Vasenbilder lli Taf. 190. 191 reitet, unleugbare

* Eine eingehende stilistische Vergleichung mit anderen Reliefs ist mir leider nicht möglich; hei der früheren Aufstellung der Fragmeute wurde dergleichen sehr erschwert und die Publikation giebl den Eindruck duch nicht völlig befriedigend wieder.

2 Vgl.v.Sybel Skulpturen zu Athen S.V; auch die archaischen Akropolis- funde der letzten Jahre sind durchweg aus parischem Marmor gearbeitet.

^ Das Gleiche sehen wir auch auf dem Kypseloskasten; denn lolaos wird bekanntlich mit Unrecht von Pausanias zu den Leichenspielen des Pelias gezogen.

326 CiIEBELRELIEF VoN DER AKROPOLIS

Aehnlichkeit mit denen des Reliefs besitzen, haben zwei die Köpfe gesenkt. Die Ver^Yenduno• des Viergespanns auf der Vase, die Bekleidung des Helden jnit dem Löwenfell das- selbe fehlt übrigens auch auf den chalkidischen Vasen Ger- hard a. a. 0. IV Taf. 323 und Heydemann Neaplei* Vasen S. A. 120 , vielleicht auch die Anwesenheit der Göttin weisen auf den späteren Ursprung der Vase hin. Aber die Ueberein- stimmungen scheinen mir doch so gross, dass man wenig- stens die Conjektur wagen darf, der Zusammenhang sei ein innerlicher, der Giebel sei ebenso, wie das Vasenbild, chal- kidische Arbeit. Abgesehen von der Vasenmalerei wissen wir freilich nichts von specifisch chalkidischer Kunst. Aber in ei- ner Stadt, die in den bedeutendsten Aeusserungen der Cultur, in Schrift und Münzsyslem selbständig auftrat, die als die erste griechische Stadt im fernen Westen, auf Sicilien und in Italien lebensfähiee Colonien gründete, die den dort ansäs- sigen Völkerschaften, namentlich den Etruskern, die Keime höherer Cultur einpflanzte, die vor allem auch ohne Zweifel diesem Volke die Elemente der bildenden Kunst gebracht hat, in einer solchen Stadt musste selbstredend auch der Plastik ein breiter Spielraum gewährt sein. Und sollten nicht, wie attische Vasen zum grossen Theil, so auch chalkidische mehr- fach Anregungen durch die höhere Kunst empfangen haben? Die Stammesgleichheit w^ird gewiss einen regen Verkehr zwi sehen Chalkis und Athen hervorgerufen haben und ebenso gut, wie attische Meister sich früh von der chalkidischen Va- senmalerei beeinflussen Hessen, können Künstler der benach- barten Insel auf der Akropolis thätig gewesen sein.

Zu welchem Tempel der Giebel gehört haben mag, wissen wir nicht. Aus der Wahl des Gegenstandes darf man jeden- falls keinen Schluss auf die Person des Gottes ziehen. Denn der ältesten Kunst der Griechen kommt es nur darauf an, über- haupt ein Monument oder einen Gegenstand bildlich zu ver- zieren. Ein Zusammenhang zwischen solcher Darstellung und dem Zweck, dem sie dient, ergiebt sich erst später. Vergeb- lich würde man versuchen, die Bildwerke am Thron des

GlEBET.nELIKF VON DER AKROPOLFS 327

amykläischen Apollon in Beziehung zu dieser Gottheit zu set- zen. Auch würde es in unserem Falle schwer sein, den Kampf gegen die Hydra als besonders passend zu einer der auf der Akropolis mit einem Tempel verehrten Gottheiten nachzuwei- sen. Ja man möchte sogar annehmen, dass einem Tempel der A thena das Fehlen ihrer Figur im Giebel widerspricht; denn hier ist es schwer zu glauben, dass der Künstler nicht wenig- stens diesen, im Stoff liegenden Bezug hervorgehoben hätte.

Excurs I.

Zu gleicher Zeit mit dem Belief, welches Herakles Kampf gegen die Hydra darstellt, ist ein anderes, aus demselben Ma- terial gearbeitetes gefunden (publ. ebenfalls 'E<p-/it^,£pi; 1884 Taf. 7), welches sehr viel mehr zerstört ist. Eine nur im Ober- körper erhaltene, bärtige Figur mit langwallenden Haaren sucht der gewaltsamen Umarmung einer zweiten, von hinten herankommenden Figur zu entfliehen, welche den rechten Arm um den Hals des Gegners gelegt hat und mit der Lin- ken die eigene rechte Handwurzel fest hält, um den Druck zu verstärken. Beide sind nach links gewendet. Die unterliegende Figur streckt den rechten Arm hülferufend aus. Der Grund des Reliefs ist unbemalt, die durchweg nackten Körper gleich- massig mit rolh von ziemlich dunkler Nuance überzogen, wie es z. B. der Fall ist bei dem neu hinzugefundenen Bruch- stück eines Votivreliefs an Athena (vgl. Friederichs Wolters Bausteine No. 117). Es besteht die Ansicht, das erwähnte Relief gehöre zu dem Ostgiebel desselben Tempels, der auf seiner Westseite mit Herakles Kampf gegen die Hydra ge- schmückt war. Mir erscheint die Zusammengehörigkeit sehr unwahrscheinlich. Das Relief des fraglichen Stückes offen- bar ist Herakles Kampf mit Triton dargestellt ist ziemlich hoch, die Färbung des Körpers gänzlich verschieden von der.

328 GIEBELRELIEF VON DEK AKROPOLIS

welche die nackten Theile des andern Monumentes tragen. Und woher wissen wir überhaupt dass der Tempel ein zweites Tympanon gehabt hat? Das einfache templum in antis zu ei- nem solchen gehörte seiner kleinen Dimensionen wegen ohne Zweifel das Relief scheint nur e i n Giebelfeld gehabt zu ha ben, wie die olympischen Schatzhäuser, die ja auch nach der Antenform gebaut sind, und die Tradition, dass zuerst die Korinther— in doch nicht allzufrüher Zeit, wie es scheint dem Tempel zwei Giebel gegeben haben (vgl. Reimers Dori- scher Tempel S.23) wahrscheinlich machen. Ein zweites Gie- belfeld war doch nur dann am Platze, wenn dem Prodomos ein Opisthodomos entsprach, der Tempel also grössere Ausdeh- uno; besass. Von dem Stil des Tritonreliefs habe ich keine sichere Vorstell uns; mehr.

Excurs II (zu Seite .'43 ).

Schon früh hatte man sich genöthigt gesehen, auch in der Vasenmalerei den Unterschied in der Färbung des männli- chen und weiblichen Körpers, der bereits in Aegypten zum Ausdruck gebracht war, ohne Zweifel im Anschluss an höhere Gattungen der Kunst hervorzuheben. So lange man bei den Gesichtern durchweg Linearzeichnung anwandte war eine Differenzierung von Mann und Frau im Gesicht noch nicht möglich. Selbst auf den ältesten korinthischen Vasen, wo Frauen überhaupt selten dargestellt sind, bemerken wir noch nichts von derselben; so sind auf dem korinthischen Napf 2438 in der Sammlung der archäologischen Gesellschaft in Athen Frauen, welche sich im Reigentanz die Hände rei- chen, ohne Anwendung von weiss dargestellt'. Plinins be-

^ Auf der Vase des Timonides Collij^iiuii ISl isl I'olyioiia ebenso wie die übri^'cn Fi^'ureii iiiil brauner Farbe und ciiiiiekialzter Inneuzeichnung dargestelll.

GIEBELHELIEF VON DEU AKHOPOLIS 329

richtet, dass zuerst der Athener Eumaros Mann und Frau geschieden liabe ; auf welche Weise er es getlian lial. erfali- ren wir nicht. Es wäre voreilig anzunehmen dass es ebenso geschehen sein müsse, wie fast diircligeliends auf den sog. sfg. Vasen. Denn dies Verfahren war nicht das einzige in früher Zeit. Wenn der kiH-pcr des Manntvs mit hraiiner oder dunklerer Farbe überzogen war , genügte es ja , den der Frau ganz unbemalt zu lassen und ihn nur mit braunen Li- nien zu umziehen. Diese Methode, welche sieh mit Leich- tigkeit aus der alten Gewohnheit, alle nackten Theile in Lm- risszeichnung zu geben, entwickeln konnte, wird desshalb wohl auch als die älteste zu betracdilen sein. Sie findet sich im Gebiete der Vasenmalerei zuerst auf dem melischen (iefäss (Conze Taf. III. IV), der allattischen Schüssel aus Aigina (Ber- liner Vasensammluiig 1G82; publ. v. Furtwängler Archäol. Zeitung 1882 Taf. 9), wo in der Perseusdarstellung Athena so gezeichnet erscheint, bei den Bildern der Amphitrite auf ver- schiedenen korinthischen Pinakes (Berlin. Vasens. 475. 477. 479. 487. 488. 493. 495. 498. 538. 787. 827. 828. 705, vgl. auch 765. 891.) und dem der Athena auf der attischen Vase des Kolchos (Berlin. Vasens. 1732). Wir dürfen aber wegen der wenigen Beispiele nicht schliessen, dass das Verfahren nur in beschränkter Weise angewendet wäre. Wir sahen viel- mehr oben, dass es sich auf dem cäretaner Terracottafragment in Berlin und durchgehends bei den älteren Wandgemälden in Gräbern hndet. Ich denke mir, dass hiermit auch die Ge- wohnheit verschiedener Schalenmaler, vor allem des Hermo- genes, jede Seite des Gefässes mit einem Kopf in Umriss- zeichnung zu schmücken, zusammenhängt; denn es kann kaum Zufall sein, dass fast ausschliesslich weibliche Köpfe verwendet sind' Beide Momente, das hohe Alter des Verfahrens

* Andrerseits lässl es sich ganz wohl erklären, wie innerhaih dieses eng begränzten Gebietes nun auch männliche Köpfe in Umrisszeichnung gege- ben wurden. Hierher gehürlauch der tJerliner Pinax 490, auf welchem nicht allein Amphitrites sondern auch Poseidons Gesicht nur im Conlur gegeben

330 GIEBELRELIEF VON DER AKROPOLIS

und seine Beschränkung \N'esnnflieh auf Bilder von Frauen scheinen mir die Ansicht Winters a. a. 0. auszuschliessen, der erlaubt, jene Vasen mit ümrisszeichnuno; hätten von sf». zu rfo;. Technik insofern den üebero-ano; o;ebildet als sie der erste Versuch waren, mit der alten sfg. Technik zu brechen. Aus dieser [Imrisszeichnuna; entwickelt sich der Gebrauch die durch den Contur eingeschlossene Fläche mit weiss zu füllen und die Innenzeichnung mit brauner Farbe darüber zu legen; derselbe findet sich durchgehends bei den späleren ko- rinthischen Gefässen, besonders den Krateren, und auf der Francoisvase, welche auch in dieser Beziehung einzig unter den attischen Vasen dasteht. Inzwischen beginnt man aber, auch die nackten Theile der Frauen und somit die ganze Dar- stellung gleichmässig schwarz anzulegen und erst nachträg- lich ebenso, wie an anderen Stellen rothbrau m, weiss darüber zu malen '. Dies s^eschieht bei allen sfs;. attischen Vasen ohne

ist; vgl. aucli 846 (Jäger mit^gelbein Coiilur). Vgl. Winters melufacli er- wähnten Aufsalz, in weicliem er die Vasen mit Unirisszeiclinung zusam- mengestellt hat.

' Bei ruthbraun geschieht es regelmässig, schon bei der protukuiinlhi- schen Lekylhos 336 in Berlin (vgl. Furtwängler Archäol. Zeitung 1883 Sp. 155); aber es ist auch bei weiss auf korinthischen Vasen fast die Regel, wenn es sich um Kleinigkeiten handelt, die man sich bei der ersten Conceplion des Bildes noch nicht überlegt, die man vielmehr erst nachträglich hinzu- fügt. Es liegt also wenigstens hier Vereinfachung des Verfahrens zu Grunde; dieselbe ist dann consequenl in der chalkidischen und attischen sfg. Va- senmalerei durchgeführt, so dass nun mit derselben Ijeichligkeil der irgend- wie vorgezeichnete Umriss des Bildes, wie später in der rfg. Technik der Grund ausserhalb des Umrisses schwarz ausgefüllt werde;n konnte; vgl. auch Flasch, I^olychroraie der griechischen Vasenbilder S. 32. Hierbei ist es sehr häutig geschehen, dass der Maler von der strengen tjmrisslinie nach innen oder aussen abwich, und es liegt daher die Vermuthung nahe, dass zu dieser Arbeit jüngere, lernende tvräfie verwendet wurden, während eine geübtere Hand den Umriss zog und zuletzt Innenzeichung und feines Detail hinzufügte Die Absicht die Arbeit zu erleichtern scheint mir um so wahrscheinlicher flem geschilderten Gebrauch zu Grunde zu liegen, als der- m'Mh". keineswegs dazu beiliug, das leicht abspringende Weiss besser am Ge- fäss haften zu lassen. Es hat sich meines Wissens auf dem Thon besser ge- halten, als auf dem schwarzen Firniss. Auf den Unterschied im Auftrag

GIEHELHKLIEF VON DER AKHOPOLIS 331

Ausnahme, selbst denjenigen, welche direkte NaclitiliinLing korinthischer Waare sind*, und zwar im Änschlnss an die chalkidische Fabrikation, welche aucli zum ersten Mal den schwarzen Firniss an Stelle des braunen brnutzt hat. Ich beo- bachlele diese Gewohnheit auf l'olgendcn chaikidischen Ge- fässen : auf den Fragmenten in Florenz mit Meiiiuons und Achills Zweikampf (No 10 in der Aiii'ziihlung bei Klein Va\- phronios S. 31), dem Napf mit gleicher Darstellung und dem Dreif'ussraub in Neapel, bei IJ(!jdemann Sanlangelo {'20; auch auf dem grossen Gefäss Monumenti ckW Insliluto 1 Taf.ol muss bei Athena, da sie in der Publikation schwarz angegeben ist, weiss auf schwarz gesessen haben. Hierzu kommt die von Furtwängler chalkidisch genannte sfg. Schale 1()72 in Berlin. Bei der chaikidischen Ampliora IGTO ebendaselbst liegt es nur an der Nachlässigkeil des Malers, wenn iheilvveise bei den Pferdeschvvänzen weiss nicht die gewöhnliche schwarze LJn- terlage hat. Die Hydria 125 in München (i\o 9 bei Klein, Gerhard Auserlesene Vasenbilder III Tal*. 237) verfährt nicht consequent hierin. Weiss steht auf dem Thongrund auf der Vorderseite bei Figur 1 (Chiton), 2 (Gesicht, Hand, Fijssej, 7 und 9 (Chiton) Dagegen scheint bei Alalant«^ schwarz un- tergelegt zu sein, obwohl hier die Innenzeichnung nicht ein- geritzt, sondern wie beim Aussencontur mit hellerem Firniss

der weissen Farbe hat zuerst Furtwängler aufnierl<^sani gemacht ; vgl ki- chäol. Zeitung 1882 Sp. 205 und seinen Berliner Vasenkatalog.

* Lüschcke Archäol. Zeitung 1876 S 115 setzt diese Vasen in die Mitte des fünften Jahrhunderts, worin ihm Klein Euphronios S.3o, 2 widerspricht. Ich kann mir für diese IniitaLion fremder Produkte nur die Entstehung den- ken, dass irgend ein attischer Fabrikant die Absicht halte, mil seiner mög- lichsl getreu kopirten Waare den bisherigen Absatz korinthischer Am- phoren in Etrurien zu seinem. Vortheil zu ändern. Seine Gefässe sind offenbar als echt korinthische angepriesen und als solche auch gekauft worden ; daraus ergiebl sich, dass sie in derselben Zeil angefertigt wurden, inwehdier der Export der korinthischen Gefässe besonders scdiwnn^liafl betrieben wurde, also früher, als Ldschcke annimmt. Andrerseits zwingt der (Imsland. dass auf allen diesen korinthisirenden Vasen, die ich gesehen habe, weiss auf schwarz aufgetragen ist, zu der Annahme, dass dies Verfahren sich be- reits völlig in Anika eingebürgert halle, als jene verfertigt wurden,

332 rrlEBELRELIEP VON DER AKROPOLIS

gezoo;en ist, was auch auf diesem Gefäss die Ree;el ist, wo weiss keine besondere Unterlage hat. Unzweifelhaft ist weiss auf schwarz aufgetragen beim Chiton des Typhon. Zugleich be- merke ich, dass bei einzelnen Männern, bei Figur 1, 6, 7 am Halse, bei 1 und 6 auch im Gesicht rothbraun verwendet ist, was auf dem schwarzen Firniss steht (vgl. oben S.249); der Bari ist jedesmal schwarz geblieben ^

Da ich einmal von chalkidischen Gefässen spreche, möchte ich auf das Fragment einer sfg. Thonplalte in der Sammlung der archä'dogischen Gesellschaft zu Athen aufmerksam ma- chen, welches sicher nicht attisch, vermuthlich ebenfalls chal- kidisch ist. Es ist nur der untere Theil mit dem Rand erhal- ten und auf ihm die Beine zweier Figuren; die der einen (links) sind nach links, die der anderen nach rechts gewen- det; vielleicht sind Spuren von dem Fuss einer dritten Figur erhalten. Die Beine sind mit braunrothen Schienen bedeckt. Dargestellt war der Kampf der Götter gegen die Giganten; zwischen den Beinen des ersten Kriea;ers steht nämlich EJ0IAUTEC, zwischen denen des zweiten AI^ E^ ; zu- gleich befindet sich hier eine Palmetle. Eingeritzte Umrissli- nien sind selbst bei den meisten Buchstaben verwendet*. Be- weisend für die Verwandtschaft mit chalkidischer Vasenma- lerei ist die wellenförmioe Form des Sigma, die mit dem vier-

~ CD '

strichigen grössere Aehnlichkeit zeigt, als mit dem dreistri- chigen. Diese Form, die sich auf sfg. attischen Gefässen nicht findet, weisen konstant die beiden chalkidischen Vasen in München 125 und 1108 auf-, denn auch 110(S ist sicher chal- kidisch, schon der sofort auffallenden, stilistischen Eigen- ihümlichkeiten wegen, welche dasselbe trotz Brunns Wider-

* Die Publikation bei Geiiiard ist in diesen Dingen völlig unzuverlässig.

* [Die Scherbe ist kürzlicti von Herrn Philios in der 'E9. ap/.18S5 Tf. IX Fig. 12 und 12» zu Sp.178 f. herausgegeben worden. Sie ist auf beiden Sei- ten bemall; gefunden isl sie bei den Ausgrabungen in Eleusis.]

- Ivirchhoir Griechisclies Alphabet S. 112 f. giebt die Eigenthümlichkeil niclil immer so genau wieder, als die Facsimiles in Jahns Beschreibung der jTiüncheaer Vaseiisammlung.

GIEHELHELIEF VON DER AKROPOLIS 333

sprucli sclir bestimmt von Produkten attischer Fabrication scheiden. Weiss ist bei diesem Gef'ässe und dem athenischen Pinaxfragment niciit zur Verwendung gekommen.

Isolirt steht in Bezug auf den Auftrag der weissen Farbe unter korinthischen Tlionwaaren (hu- Berlinc^r Pina.v i8() da, wo das Gesicht Amphiti'ites jetzt freilich schwarz ist, einst aber darüber, was niclit nur walirscheinlich, sondern sicher ist, weisse Deckfarbe trug; aber auch der sorgfältige viel ent- wickeltere Stil erinnert stark an feine attische Zeichnuntr. Vielleicht war auch auf dem Pina.v 764 Athena ursprünglich weiss, während jetzt nur die schwarze Unterlage erhalten ist.

Brau?isc/iweig .

P. J. MEII^R.

JNotes and Inscriptions from Asia Minor.

{Mittheihmgen 1883, p. 71.)

IV. Milyasa and Cabalis.

The value of the order of enumeralion in Hierocles's lists as an aid to restore the ancient topography of Anatolia has been oflen insisted on ^ A striking proof of this prineiple is afforded by the cities in the soiithvvestern district of Pisidia, or according to Byzantine arrangemenl in the province of Pamphylia Secunda.

Hierocles begins bis lisL of the Pamphylian cities witli the western part of Pamphylia proper, i. e. ihe coast-Lind south of mount Taurus. He then passes by Termessus, ^^hich lies on the pass over Mount Taurus, to the highlands of Pisidia, and enumerates the cities of the Taurus valley as follows:

The names have been much corriipted. The first should clear- ly be Syijxou MevSsvscov. The word S^ifj-ou has been repeated incorrectly before the following name, which is obviously in- tended for the city Pogla. SivSa is perhaps correct, bul it is much more probable that the true form "I^ivSa was originally

< G. Hirsclifeltl, Geograph. Jahrh. X p. 444,

NOTES AND INSnniPTIONS FROM ASIA MI'NOn 335

written here. Bsp^T) is cornjct, hui ^vj^y.'r^y. Iias hcen corrup- ted so niucli tlial no one lias liillierto recogniscd in il llie city Andeda, vvell-known to numistnalisls : it appoars more cor- reclly in the Notitiae Episcopatuum as Sandidos or Sandida (i. e. [et]? "AvS'oSa).

Of these five cities llic sile ol' l*ogla alone lias yet Ijüoii do- termined cerlainly. Prof. Kiepert recognised llial ihe Turkisli village Fulla relains the ancient naine: the local pronuncia- tion appeared to me to he, not Fulla, hut Fughla, vvhich ap proaches very closely to the usual Byzantine form Oo'jy'Xa. Isinda has heen conjecturally identified with the modern Ista- noz, but the identification has not been generally accepted. No Suggestion has ever been made about Berbe, Andeda, aud the demos of the Mendeneis.

In June 1884 Mr. A. H. Smith and I e.vplored part of the Taurus valley^Fugla is obviously an ancient site: \ve copied a number of inscriplions, none of vvhich give any evidence as to the ancient name, but ihere can be no reasonabie doubt that Kiepert was righl in identifying Fughla wilh Pogla.The foUo- wing inscription, on a iarge basis in the cemelery, is of some interest.

A K O A O Y 0/^

M A Z I N r

AYPHAION/

A I A I T P I A N O N A P Tf

M O Y A P X I A I P E n Z K Af/

KTIZTOYANAPANEAN

ANTTAIAEIAAIATTPE^AN

TAAPzANTATHNETTQNY

MONAPXHNKAIAHMI

< I had hoped that ttie inscriplions given in this paper would have been published heforc this lime by Mr Smith.

336 NOTES AND INSCRtPTIONS FROM ASIA MINOR

OYPrHZANTATTOIH ZANTAKAITTPOOAO KAIAEITTNH2ANTATOY2 TETTOAEITAZITANTAS: K A ITOYSEÜlAHMH^iA TAZzENOYZIEPAZ M E H O f!/ K A \ A \ O T /:, E r fl, TOY KAITYXH2EBA2TQ

0 M O I m: A I TT NH Z A N T A T o Y 2 TEÜOAEITAZKAIzENOYZ ETTITAISIEPQZYNAIZAON

TnNAYTfiNKAIEIZKATA EKEYHNEPrnNxAyN

1 P H N A P X H Z A N T A TT A P A TT E M f TOAIEPANANN^NANTO §Af ANAPIANTAANEZTH2E f Hf ^ ^ "^ WlimiillM T E M E I Z

(n 1. 2 r is probably an incomplete PI*.

'A)co'Xo'jO[oi? ^|/7i^i(j][^-a(jiv [Ilcoy'Xecov]. Aupr/T^iov 'A[pT£i[7.av] ^iki- rpiavov, 'ApT[£i][AO'j apj(_i(£)p£(o; x.a[i] xtictou, av^pa v£av[t]av irai- Sfita SiaTrp£i];avTa., ap^avTa ttjv £7üwvup-ov apj^vjv. zai, Srjfxioupy/)- cavra, TroivjCjavTa x.at 7rpo6So[u(;] ^ x,al SfiTüv/icavTa toO; TCo7;£iTa; TtavTa? Y.y.1 tou; £7i;tSYi[j.ri'7a[v]Ta(; ^svo'j?, i£pac)[oc][j-£vo[v] /.y.i Ato? [Ml£y[i<>]TO'j Jtat Tijy7)(c) S£Ga.GTü)[v], 6t;-ot(o? S(£)i7rv-/;(7avTa tou? Tro'X£iTa; xai ^£vou? £7ri rat; i£p(o«7uvai;, Sövtcov X'jtwv x-y.t £i; xa- Ta(jK£U'yiv i'pywv (Svivapia) ,«4'^', [£]tp7)vapj(_Yi(javT(X, xapa7C£[Jt.!}[avTa] TO S' Upäv ä.vv(ovav to[v] ^[k] avSpiivTa äv£STV)'7£[v] 7) [yuvy)] aü-

t[0Ö Aup. 'Ap]T£[X£l?.

The phrase TcapaTrsf^.'j/avTa to S' Upkv avvwvav is uniqiie in in-

* [Die Ligaturen des Originales sind im Druck dadurch angedeutet, dass die betreuenden Zeichen näher aneinander gerückt sind. U. K.J.

^ öuch is the certain reading on the stone: it probably means processions in lioaour ul' Ihe guds uf the State, TOjire«;.

NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR 337

scriptions of this kind ': Dililrianos had four times been prosecu- tor a///JO/?ae. The eirenarchia and tlie prosecutio annonae are enu- merated among tlie munera personalia, in the Z)/^(?s/.50,4,18,3. About three miles soulh of Fughla is a village Andia or An- diya. There can be no doubt that it is an ancient site, for in- scriptions abound here as at Fughla, and the modern name is obviously only a slight alteration of the ancient Andeda; but we were also forlunale in finding the corroborative evidence of the following inscription, which is engraved on a small broken pedeslal in the cemetery.

ANAHAEff^N :)^AHKAITtf5AHMff5

fozEnArAOof

% I A 2 E K O ¥ i

5 :) ¥ A \ A -E. ^ i §

§ T p A n E i/fim'/,

11, \ T P O Z A ^ 'Hill

\ r A A M / Uli

3 A z E r i'

10 ^ ^ Z A N WÄWM

\ I K I N N I A lllllllfim

Z < K A I I E P O M f f

i O Y A I O Y . P O f 1 2

'AvStiSewv

'loo'Xijo; 'E7iry.Ya9o[? xal 'louXjia S£/,oo[vSa xjt:-

71 ; Eu?]Tpa7r£['Xou tti^

^ Prof. Mommsen k.iüdly replied to my enquiry on this point. See Cod. Theodos., 13. 9, 4, on the prosecutio annonae.

- In line 12 it is douhtful whether the lelter after A is N or M or 1 1 or TT. The third letter from Ihe end of line 13 is perhaps FI or r. Line 2 is com- plele on Ihe right. Line 1 is complete,

MITTH, D. ABOH. INST. X. 22

338 NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR

. . . (x]Ya>.(/,[a )tat? . . . . .]€a? £7r[oiYi(7av /.at? 10 y.aöiejpcocav [i-jzi apj^-

ovTO??] Ar/Civvia[voi) FXu-

JtWVO?]? Xai l£pO[J!.[v7)|/.0-

vo? 'IJouXiou [n]p6[xXo'j. The restoration of lines 8-9 is very doubtful. Julius Epa- gathus dedicated to the Senate and People some objects of art, (xyaXfxa or äyäT^fxaTa. The gap at the end of 7 and beginning of 8 perhaps contained the name ot the deity whose image was dedicated : an example of this custom occurs C. L G. 3946, TOu; 7ir£VT£ "Epcoxa? t'^ yliDcuTXT'i;! TjaxpiSt (äv£9Yi/t£v). An Other part of the dedicatory offering seems to be described in the beginning of 9 ^ The inscription probably belongs to the first Century after Christ.

A few rare coins bear the legend OYePBIANÜN. The ethnic was otherwise unknown, and we were therefore mueh pleased to discover the foUowing inscription in the cemetery of Andia.

H B O Y A H KAIOAHMOC MAPKONÜAAN KIONKOPNHAI 5 ANONPAIONARXI

E^ACAMENONTUUNCEBAC TUUN<t)IAOnATPIN(j)IAO TEIMONKTICTHyfy-ENoYC TOYnP^TEYONTOCÜA 10 PHMEINAPXIEPAEAMENON AEKAIENTHOYEPBIA NUUNITOAEIEYNOIAE ENEKENTHCEICTHN n A T P I A A

* Unless B was written for Y, Ihe reading may have been [Atovuaou ä'JyaX- {j.[a xal T«j xEAejöas.

NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR 339

'H ßo'jV/1 y.ai 6 ^'ny-oc, Map^ov nXotvx.iov Kopvvi"Xtav6v Fätov, ap-

"/_i£[p]acä[y.£vov Twv iSe^aGTcöv, «piloTCaxpiv, «ptTvOTeiw-ov, x.Ti(JT7i[v y]e- vou? TOu xpoTeuovTo; 7:ap ' f/jjtetv, äpj^tepacap.evov Se x.ai ev t*^ Ou- epoiavüiv TCo'Xei, euvota; ä'vexev Tvi; ei; TrjV uaTpiSa.

It is to be inferred from this inscription that -h OuepSiavöv Tzolii; was not far distant from Andia, since a Citizen of the one tovvn could hold a priesthood in the other. This is con- firmed by the order in Hierocles, BepSvi, i^ivSotuvSa. The No- titiae Episcopatuum also always mention together Andeda and Berbe or Barbe.

Berbe must therefore have been situated near Andeda in the Valley of the Taiirus. There was probably an other town in the Valley of the same tribiitary where Andeda is situated, near the village of Zivint. This town and Andeda are grouped by natiire as a pair, and hence ihey are always mentioned toge- ther in the Byzantine writers. The inscriptions found at Zi- vint present the elosest possible analogy to those of Andia, biit they are not of sullicieiit interest to be published here.

The spelling BspSn in later documents corresponds to Oü- sp^T) in coins and inscriptions: so e. q. Ba€a.; and Oüaoua?. Andeda has been corrupted in the text of Hierocles to Sin- daunda, where the first syllable has been imported from the precediiig name HivSa. These names have been the cause of much dilliculty and of some errors among modern vvriters, and M. VVaddington in bis Voyage Numismatique (s. v. Isinda), identifies Hierocles' Sindaunda and the Sandida of the Noti- tiae with the Sinda of Livy (XXXVIII. 15). The facts are as foUows. (1) Besides the city Andeda, there was a city Isinda, about twelve miles to the south, near the modern Istanoz, al the western end of the pass leading from Pamphylia across Mount Taurus by Termessus in to Pisidia (töv xaTo. Tepanc- aöv GTEvcÜv /cai TTj? ei; to evxo; tou Taupou ÖTüepOefjeoo; Si ' aÜTÜv irzi "laivSa Strab. p. G31). The road which crosses this pass, and which must of necessity go through Istanoz, is of ex- treme imporlance. All intercourse between Pamphylia on the

34Ö NOTES AND INSCRIPTIONS FROiM ASIA MINOR

south, and Carla, lonia, and the Lycus valley, on the north, must take ihis route. Isinda therefore \Yas an importanl point, commanding a narrow gateway in the hüls on the north side of the Istanoz valley. Its coinage is conslderable, and very si- milar In character to that of Termessos. It is mentloned by Livy as isionda, and the war between it and Termessos Is na- tural between two powerful eitles, whose territorles were con- termlnous. (2) A town Isinda of Lycia Is mentloned only once, In an Inscrlption publlshed by M. Waddington (Le Bas, 129Ü), A\ho at ürst identitied this city with the precedmg one, but afterwards dlsllnguished them. The second opinlon Is more probable. (3) A small town Sinda in Cabalis (Isinda Is in Mi- lyas or Milya) is mentloned by Livy (XXXVill. 15) and by Strabo (p. 570, 630). The passage of Livy shows that it was sltuated either on the rulns close to Aghlan Keui \ about twelve mlles north east of Cibyra, or possibly a Utile further on the march of Manllus In the valley of Göl Hissar. This Si- tuation agrees admirably with the words of Strabo.

Isinda of Plsidia then was situated near Istanoz, the which shows by numerous large sculptured stones the proxlmlty of an anclent city. The inscrlptions which we copled are Insl- gnificant, but an Inscrlption found in an other part of the Val- ley mentions a Citizen of Isinda as worshipper of the god of a nelghbouring people. The inscription is engraved on the side of the rock sanctuary descrlbed in the foUowlng paragraph. It is as foUows :

MAPKOC TIBe PI OC A N T UU N IOC I Cl N AS Y C e Y X H N

The inscription does not prove anything as to the Situation of Isinda, but when on other grounds Isinda is placed in the

There are hvo villages Beuyeuk Aghlan Keui and CutchukAghlaii Keui-

NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR 344

same Valley, it is natural to find a native of Isinda inscribing bis name on tlie rock.

One otber name remains in tbe, passage of Hierocles, f^7ip,o'j MevSevewKv). Two inscriplions found by Mr A. H. Smith and me give tbe trne form of tbe name, and sbow tbat a syllable bas been lost in tbe text of Hierocles. Tbe people were named Perminodeis, and tbey inbabilcd tbe lower valley, between Istanoz and tbe lake of Kestel.A little sontb of tbe point wbere tbe river of Istanoz flows into tbe lake, tbe village of Kizilja Ägatcb lies about a mile from the west bank of tbe river, among tbe bills. Near tbe villaiie tbere is a little rock sanc- tuary, wbere it is evident tbat cutting of tbe rocks was com- bined witb a certain amonnt of building to produce a small temple. Tbe place is now entirely dismantled, but a number of inscriptions on tbe rock, of wbicb Mr A. H. Smitb and I decipbered seven witb great difficulty, reveal tbe original sanctity of tbe sbrine, tbe deity to wbom it was dedicated, and tbe name of tbe district. One of tbe inscriptions was well- cut in laro;e bold letters. It is as foUows :

TIKAPOYZQNAnOAAffSNITTEPMINO AEc^NEYXHN

Tbe name riepfxivoSecov occurs in a second inscription, and is tberefore perfectly certain.

Of these five places wbicb Hierocles enumerates in succes- sion, Isinda and tbe people Perminodeis lie on the Istanoz Tcbai, wbile tbe otber three are in tbe valley of a Iribiitary stream. Wbile tbey form a group^and are tberefore properly enumerated side by side, it is clear tbat tbe order in wbich Hierocles men- tions tbem is ratber baphazard : but if we transpose bis SivSa and bis StvSauvSa, tbe order is true. On tbis bypotbesis tbe original text was Srifxoo OepaivoSswv, Ilwyla, "Av^r;Sa., Bsp^T),

342 NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR

It is important for the proper estimate of Ptolemy's map lo compare these results with his evidence. His list of the dis- trict Cabalia mentions together the foHowing four towns Pogla, Menedemion, Ouranopolis, Pisinda. It is eertainly tempting to Substitute for the improbable Ouranopolis the form Ouerbianopolis and for Menedemion üep^aivoSewv S9i[7.o;, and we should then have four of the five cities side by side, but the change is violent.

Ptolemy utterly misrepresents the Situation of these two districts, if we accept the far better authority of Strabo. Ac- cording to the latter Milya or Milyas extends from Termessos and Isinda to Sagalassos, and the cities which must then be included in it are Pogla, Andeda, Ouerbe, the Perminodeis, Comana Coionia, the town overhanging the Kestel lake on the north, and Cretopolis. Ptolemy however places most of these towns in Cabalia. He places the district Milyas in the heart of Lycia, and assigns the Pisidian town Milyas to Cabalia. Ac- cording to Strabo Cabalis or Cabalia extends from Cibyra east- wards, and the whole valley of the Gebren Su, together with the highlying district of Ali Fachreddin Yaila and the lake of Sugut must be included in it. Of the nine towns which Pto- lemy enumerates in Cabalia only Ariassos (perhaps Hassan Pasha) and Corbasa (northeast from Kemer) belong to it.There can be little doubt that Strabo is correct, and Ptolemy utterly wrong. Ptolemy places Corbasa in Cabalis and Cormasa in Phrygian Pisidia. These are two names of the same place, which is called Colbasa by Hierocles, and which strikes coins with the legend KOABACCeaN, implying also a form Colbassos. The name has been corrupted in Strab., p. 570, to TapSaGGÖ;, unless we accept this as one more variety of the Greek attempts to render a Pisidian name^

' So Olba of Cilicia Tracheia is given twice, in Cilicia and in Cappado- cia, as M. Waddington has shown.

NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR 343

V. TREBENNA of Pamphylia.

Trebenna Struck some very rare coins. The British Museum possesses two, the first of which was piiblished by Borrell {Num.Chron.lHiß), the second by Waddinfjton {Rev. Numis7n. 1853. p. 97). The latter remarks that the sole reference to the city is in Ptolemy, vvho places Trebendai among the Lycian cities about Mount Massicytos. He therefore concludes that Trebenna is a Lycian town. But Ptolemy includes the Pisi- dian Sagalassos in the same group. It has not been observed that all the Byzantine lists mention Trebenna as a city of Pam- phylia Secunda.Hierocles hasitin the form Tresena, which may be unhesitatinglv corrected to Trebena. The Notitiae have the forms Perbaina and Perbena. The Epistle of the Bishops of Pamphylia Secunda to the emperor Leo (A. D. 458) is signed by Polemon of Trebenna. These authorities far outweigh Ptolemy.

The boundary between Lycia and Pamphylia is not uncertain: itlies in the mountainoiis and almost trackless region between Elmali and Termessus. Trebenna then is in Pamphylia, east of the mountains. Now any one who reads the description gi- ven by Spratt and Forbes ' of the ruins at Evde Khan, in the Pamphylian piain close to the entrance of the pass to Termes- sos, will certainly conclude that a city existed there, and the Order of Hierocles assigns to that city the name Trebenna. Hie- rocles gives the cities of the Pamphylian piain as follows: Perga, Syllaion, Magydos, Attalia, Demou Olbianou ^, Tre- benna, Diki Tanavra: these are enumerated in proper order around the piain, if we assume that Olbia has been correctly placed by Spratt and Forbes (which seems cerlain), and that

* Confirmed by Hirschfeld, Berlin. Monatsber. 1874, p. 718, who rightly rejects Ihe ancicnl namc suggested by Spratt and Forbes, but proposes no other.

2 Hierocles has the corrupt form Demou Ouliambos.

344 NOTES AND INSGRIPTIONS FROM ASIA MINOR

the ruins near Kirk Göz at the foot of the pass to Padem Agatch belong to the small town Diki Tanavra. The exacl form of the latter name is quite uncertain : it occurs as Dikio- tanabra, Adiketanaiira, Diketanauros, Dikitanabra, Kitan- naura, Ädeia Tanaura^ and in Hierocles as Demou Kanaura. Having exhausted the Pamphylian piain, Hierocles crosses the pass of Termessus, in which lay the three tovvns lobia, Ter- messus, and Eudokias generally united under one bishop.

The Variation in the initial letter in Trebena or Trebenna and Perbena is apparently due to a peculiar sound in Pamphy- lian. The same Variation occiirs in Aspendos, on whose an- cient coins the legend E2TFEAIIY2 occurs, where TF represent the same sound which was afterwards indicated by the Greek symbol TT.

VI. The Province Pamphylia.

The Roman Colony Julia Augusta Fida Comana, about six miles southeast of the lake of Kestel, was founded B. C. 6. It was in the province of Galatia, as is proved by the men- tion of the legatus Augusti, Cornelius Aquila, on the miles- tone^, which was erected there when the colony was founded and the syslem of roads connecting it with the military cen- tre, Antioch of Pisidia, was completed. The road from An- tioch to Comana must certainly have passed through Cremna Colonia and then along the northern shore of the Kestel Lake, but the rest of its course is quite uncertain.The total distance from Antiochia to Comana is given as CXXIl Roman miles "2.

On another inscription of Comana^, dated under Antoni- nus Pius, Q. Voconius Saxa, legatus Augusti, is mentioned, and M. VVaddino-ton informs me that he was governor of the

'D

go^

^ Ephemeris Epigraphica V. p. 584.

2 It is hypothetical that the distance is measured from Aiitiocheia.

3 Ephemeris Epigraphica, V. p. 582.

NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR 345

Province Lycia- Pamphylia 149 A. D. Between 6 B. C. and 149 A. D., therefore, Comana and the country round had been transferred from the province of'Galutia to tliat of Lycia-Pam- phylia- This is conlirmed by the aulhority oC Ptolemy, who assigns the whole of central and southern Pisidia to the Ro- man Pamphylia, and gives only the northern districts of Pi- sidia (Apollonia, Antiocli, Amblada, Neapolis, Pappa and Mis- thion) to ihe Roman Galatia. The enlire Valleys of the Gebren Tchai, of Isbarta, and of the rivers Eurymedon, Melas, and Cestrus, were during the second Century governed by the le- gale of Lycia- Pamphylia, and Aufidius Coresinus, whom M. Perrot ^ makes governor of Galatia, must certainly be assi- gned to Lycia - Pamphylia.

This reorganisation doubtless took place when the province of Lycia- Pamphylia was constituted by Vespasian, and pla- ced under a legatus Augusti.

When the provinces were reorganised by Diocletian, the boundaries of Pamphylia on the north were altered. The Val- ley of the Gebren Su remained attached to Pamphylia, also the middle and lower Valleys of the Cestrns and Eurymedon, and probably the whole valley of the Melas, but the country along the Buldur lake, the valley of Isbarta, Sagalassos, and the flan Ova at the head of the Eurymedon ~ were made part of the new province of Pisidia. The Byzantine lists imply a further division into Prima, and Secunda Pamphylia. M. Waddington {Rev. Numisiyi. 1883, p. 29) remarks ihat the subdivision of Pamphylia is posterior to the list of Hierocles. This is not correct, (1) The Epistle of the Bishops of the Region of Pamphylia to the Emperor Leo is signed by fifteen bishops of Pamphylia Secunda, but not by any bishop of Pamphylia Prima ^. It is therefore clear that in A. D. 458 the bishopries of Pamphylia were divided between the metropolis of Side

* De Galatia Provincia Romana, p. 122.

2 Timbrias was on the Eurymedon, wtiose name appears on an unpu- blished coin: it must therefore have lieen situated in the Ilan Uva.

3 Ada Concil., ed. Mansi, VII. p. 57G.

346 NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR

(Prima) and the metropolis of Perga (Secunda). (2) Hierocles enumerates first all the towns of Secunda Pamphylia, and then those of Prima, ünless llie division existed in bis time, it is hardly possible that he should have so accurately followed the partition between the two districls.Probably tbe bishopnes were appoptioned between the two metropoleis, but no civil division had been made. Hierocles follows the ecclesiastical Classification^, as 6 Tupt,SpiaS£(i)v (e-iTx.o-o?), and he always puts ^■riy.o'j in the genitive, implying £-{ax.o7ro; : he therefore placed first all the towns under the metropolis Perga. On the other band bis Order of enumerating the cities of Phrygia Pa- catiana disregards the division of that province between the two metropoleis of Laodiceia and Hierapolis, and proves that the division was unknown to bim.

Vli. Corrections.

I may take this opportunity of correcting some topographi- cal mistakes into which 1 have fallen-

(1) Colonia Pariais. in the Bulletin de Correspondance Helle- nique, 1883, p. 318 I have proved that a Roman Colony exis- ted at Khatyn Serai, south of Iconium. As only one Roman colony in Lycaonia remained to be placed on the map, Par- iais, I drevv the conclusion that it was situated at Khatyn Se- rai. Since that time M. Waddington {Hev. Numism. 1883, p. 57), followed by M. Imhoof-Blumer [Monnaies grecques, p. 347), have publisbed coins which prove that Lystra also was a colony. My argument therefore ceases to have any validity; but the choice of names is restricted to the two, Colonia Par- lais and Colonia Lystra. We must look to the results of Mr Sterrett's exploration of northern Isauria to decide the doubt.

(2) Hadrianopolis of Phrygia. In the MiUheilwigen, 1883,

' See Journal of Hellenic Sludies, 1883, p. 373, 416.

NOTES AND INSGRIPTIONS FROM ASIA MINOR 347

p. 76, I have stated the opinion that Hadrianopolis was si- tuated at Isakli. This is absolutely vvrong A passage in Cin- namus makes it perfeclly piain tlial Hadrianopolis was si- tuated on the direcl road from Philoinelium to Iconiiini, south of a village Gaita, whicli retains its name to the present day as Agait. This road has been traversed by my late friend Co- lonel J. D. H. Stewart (who was afterwards with Gordon in Khartum). His estimates ofdistance are from Äk Sheher (Phi- lomelium) Agayit 7, Doghan Hissar 17, Tchir 29, Kavakli 48, Konia 64 English miles, The site of Hadrianopolis was near Doghan Hissar. Mr J. II. S. Sterrett has correctly placed Ha- drianopolis here ^ though the inscription which he gives as evidence does not really afford any proof, as it merely states that a native of Hadrianopolis was buried here. This city was included in the Byzantine Pisidia.

(3) Prymnessos and Metropolis. In Mittheilungen 1882 I at- tempted to solve a problem which I have found one of the most difficult in Phrygian topography. The Peutinger Table seems to give a road which runs nearly due south from Do- rylaion by Docimion to Synnada; I attempted to trace the course of this road and the stations on it^. In regard to Augus- topolis and the Byzantine fortresses Acroinos and Cedrea, I be- lieve 1 was right in placing them at Siirmene, Afiom Kara Hissar and Bayat. But there was no such Roman road as I, like all previous writers, had inferred from the Peutinger Ta- ble : the Table really gives a bad representation of two roads, one from Dorylaion to Amorion, and the other from Synnada by Prymnessos and Docimion to Amorion. It may be useful to State here briefly the topography of the district, as far as l believe myself to have succeeded in fixing it. Conni was at

< See his Preliminary Report, Boston, 1885, p. 10. The exact site is said by him to be at Kotcbash, one and a half hours N. E. of Doghan Hissar. ICotchash isclearly false: it conlains the word agatch,tree (pronounced ätch).

2 I wrongly followed Kiepert in placing Lysias at Khosrev Pasha Khan, and Hirschfeld in placing Metropolis (the southern) in the plaiu of Olu Borlu.

348 NOTES AND INSCRIPTIONS FROM ASIA MINOR

Beuyeuk Tchorgia, seven miles north of Äfiom Kara Hissar; Ämbasos er Metropolis (cp. Steph. Byz., s. v. "AjaSkto?) at Ambanaz, which is also probably the "AaTrouv of Anna Com- nena, 11, p. 336; Acroenos at Afiom Kara Hissar; Prymnes- sos at Seiilun; Anaboura, afterwards Augustopolis (perhaps an imperial eslate gave rise to the name) at Surmene; Doc- imion at Istya Kara Hissar; Cedrea, at Assar Kaie tvvo miles west of ßayat; Petsia or Pissia at Bayat; Caccabokome at Khosrev Pasha Khan, and Lysias at Bazar Agatch on the bor- ders of Phrygia Paroreios^ There are no coins Struck by the northern Metropolis of Phrygia; all those coins which bear the legend MHTPOTTOAeiTQN and have been altrib- uted to Phrygia, must be given to the loniaii Metropolis. The northern Metropolis of Phrygia was a small place, which was linder the authority of Prymnessos and did not receive the rank of a city tili affer the Eastern Empire began. The sou- thern Metropolis of Phrygia, siluated near Tatarli in the Tchul Ova, Struck coins with the legend M HTPOTTOAeiT^N^PY. Melissa, where Alcibiades died,v\as on the road between Syn- nada and the southern Prymnessos.

(4) Carallia, Misthia, Amblada, Pappa, and Vasada. In Mittheilungeri 1883, p. 77, I adopted the old belief that Ke- reli on the lake of Beisheher retains the name of the ancient Carallia. The actual pronunciation of the name is rather Kirli, which is a common Turkish name for villages: the spelling Kereli is due to the fixed idea that the name is ancient. I found it difficult to explain how the Byzantine province of Pamphylia could extend so far north as to include Kereli or Kirli, and my attempted explanation was quite insufficient. Moreover, as Amblada belonged to Lycaonia, and as I had formerly schown that Amblada probably lies somewhere in the country west of Egerdir Göl and north of Beisheher Göl, the extension of Pamphylia to include Kirli cuts off one part

' I have only unsatisfactory evidence aboul Pissia, and only inference about Lysias. Ttie resl are nearly cerlain.

NOTES AND INSCRIl'TIONS FROM ASIA MINOR 349

of I^ycaonia from the rest. Many difTiculties disappear if we treat Kirli as a piirely Turkish name. The town near Kirli was a Station on the lloman road from Iconiiim lo Antioch. Misthia, as the Anonymus Ravenncmis proves, was a Station on a road in this district: it was also one of tlie two cities of the Orondeis. l'appa also was a city of the Orondeis, and was afterwards included in the Byzantine Pisidia, while Misthia was in Lycaonia. Novv the order in Hierocles favours the pla- cing of Pappa southwest of Antiocheia, on the road thence by Hadrianopolis to Tyriaion (we know also from the Auon.Rav. that it was a Station on a roadj. As to Misthia, Hierocles pla- ces it next to Amblada: Hence there can be little doubt that it is somewhere towards the northeast of ßeisheher Göl, and in all probability at the site near Kirli. In regard to Amblada, the ditlicuity is to lind a site which can reasonably be inclu- ded in Lycaonia, and yet be in the counlry towards Egerdir GöP. A site at the extreme northwestern end of the lake of Beisheher would satisfy these, and Hirschfeld mentions that remains exist at ßeldjeis. As to Carallia, there is everv rea- son to connect it with the lake Caralis: the Byzantine lists sometimes have the form Coralia, and the lake is called Co- ralis in Strabo. An ancient site existed somewhere at the son- thern end of the lake, as Sir C. Wilson copied inscriptions at Beisheher; and to this site we may assign the name Carallia 2. M. VVaddington {Rev. Numism. 1883, p. 36 ff.) rightly re- jects Kereli or Kirli as the site of Carallia, but on account of his belief that the Byzantine Pamphylia did not extend so far north as I have extended it, he inclines to place Carallia much further south, in a country which I believe is too mountai- nous to Support the cities placed there by M. VVaddington.

W. M. RAMSAY.

* See Journal of Hellenic Studies, 1883, p. 38.

2 Col. Stewart mentions a ruined biidgeat Beisheher, still passable, which he considers to show traces of Roman work.

Das Delphinion bei Oropos und der Demos Psaphis.

1. Delphinion. Die einzige Erwähnung des Delphinion oder heiligen Hafens von Oropos findet sich in folgender ih- rem Wortlaute nach oft angezweifelten Stelle Strabons (403): 'E^ri? §£ xriv TrepiYiyviaiv ty]? X'^?^^ Tuoir.Tsov (Xp^a[x£vou(; (X7rö tyi; Trpoi; EuSoiav Tirapalioti; tt); guv£J(_ou? t-^ 'Attix'?)" ipj(_vi S' 6 'üpco- Tcö; Koct 6 Upo; Xt.j/.y}v ov x,aXou(Ji AsXcpiviov, x.aO' dv tj TiraXatöc 'Epe- Tpta £v T^ EüSoiiX, SixtcXouv ijOKtacc £^7]>covTa (TxaSiwv ixETa t6 AeX<piviov 6 'QpoiTuö; £v £l'x,0(ji GTaSioi;' /caTO, §£ toutov ecTTiv t) vuv 'Eperpia, SiäxXou? S ' £7i: ' a'jTVjv (jTxStoi T£TTapa'^ovTa" Eixa AriXiov ktX. Die handschriftliche Lieberlieferung gibt hier die Entfer- nung von Oropos zu Neu- Eretria, von denen ersteres bei der jetzigen Skala von Oropö, letzteres an der Stelle der jetzigen gleichnamigen (volksthümlicher Aletria genannten) Stadt lag, auf 40 Stadien an, während der Epitomator (X 10, bei C. Müller in den Geogr. gr. min. II 58G) dafür 60 Stadien setzt. Groskurd hat zur angeführten Stelle Strabons bemerkt, dass sie nicht aus der Epitome und aus Thuk. Vlll 95, der eben- falls 60 Stadien bietet, geändert werden dürfe, da der Zusam- menhang auf Verschiedenheit der beiden Entfernungen, zwi- schen Delphinion und Alt- Eretria einer- und Oropos und Neu- Eretria andererseits deute und dass der Epitomator wahrscheinlich aus Thukydides habe verbessern wollen.

Da allerdings eine Verschiedenheit der beiden Entfernungs- angaben durch die Fassung des Textes postulirt wird, könn- ten die von Thukydides und dem Epitomator angegebenen 60

DAS DELPHINION BEI OROPOS UND DER DEMOS PSAPHIS 351

Stadien nur dann in den Text Strabons aufgenommen wer- den, wenn die vorhergehenden üü Stadien geändert würden, hier also ein Fehler des Textes oder ein Versehen des Schrift- stellers angenommen würdet Zur Stütze der letzteren An- nahme Hesse sich darauf liinweisen, dass die auf Küstenge- genden bezüglichen Angaben Strabons vornehmlich auf Schif- ferbüchern beruhen, die einem praktischen Bedürfnisse ent- sprangen, zwischen dem verschollenen Alt- Eretria und Del- phinion aber sicher kein regelmässiger Verkehr bestand, so- dass die Angabe über ihre beiderseitige Entfernung aus einer andern Quelle entnommen oder durch Combination gewon- nen sein muss. So lange darum die Stelle Alt- Eretrias wie die des Delphinion noch nicht nachgewiesen ist, könnte ein Zweifel an der Richtigkeit der Entfern i.ngsangabe geltend gemacht werden. Dass ein solcher Zweifel aber abgewiesen werden muss, wird die im Folgenden gegebene Nachweisung des Delphinion und eine Untersuchung über die muthmass- liche Lage Alt- Eretrias lehren.

Aus der oben mitgetheilten Stelle Strabons geht hervor, dass wir den Delphinion genannten Hafen 20 Stadien von Oropos an der sich in südöstlicher Richtung hinziehenden Küste zu suchen haben. Meine Nachforschungen an der so deutlich bezeichneten Stelle sowie bei den Bewohnern dieses Küstenstriches haben ergeben, dass sich c. 1 Stunde von der Skala, d. h. dem alten Oropos, an der Kamaraki genannten Stelle der Küste eine antike j. als Mandraki bezeichnete Ha- fenanlage befindet, die wir unbedenklich für den delphini- schen Hafen erklären. Wer ohne mit der Sachlage bekannt zu sein, den von Skala nach den Mühlen von Kalamo führen- den Weg verfolgt, wird freilich nichts von einer Hafenanlage bemerken. Nur wer bei ruhiger See mit dem Boote hier in

^ Dass die Entfernung von Oropos nach Eretria wirklich auf 40 Stadien angegeben war, wird dadurch fast ausser Zweifel gesetzt, dass die Entfer- nung von der Skala nach Eretria in der That genau 40 Stadien beträgt. Irr- thümlich behauptet Classen zu der angef. Stelle des Thuk., dass dieser mit Strabon übereinstimme.

352 DAS DELPHINtON BEI OROPOS UNt) DER DEMOS PSAPHIS

der Nähe der Küste hinfährt oder wer den schroff aufsteigen- den Küstenhügel über dieser Stelle ersteigt bemerkt etwa ei- nen halben Fuss unter dem Wasser ein ziemlich grosses an- tikes Bassin, das wegen seiner Aehnlichkeit mit einer moder- nen Hürde den Namen Mandraki erhalten hat. Von einem dasselbe mit der Küste verbindenden Molo ist jetzt nichts zu sehen, doch kann ein solcher natürlich nicht gefehlt haben

Die Bezeichnung des delphinischen als heiligen Hafens be- rechtigt zu der Annahme, dass derselbe zunächst oder aus- schliesslich zum Ämphiaraeion gehörte. In der That ist die Stelle des Hafens genau derjenige Punkt der Küste, der dem j, in Mavrodilisi wiederaufgedeckten Heiligthum des Amphia- raos am nächsten liegt. Zwar schieben sich die nach der Küs- tenseite ziemlich steil abfallenden Verzweigungen des sog. Phanö- Berges zwischen beide und sowohl der Weg von Oro- pos als der von der Ebene von Kalamo im Ravin des Baches von Mavrodilisi heraufführende Fusssteig bieten eine etwas bequemere Verbindung zwischen Heiligthum und Küste, wie aber der Thatbesland lehrt, muss die Rücksicht auf Abkür- zung des Weges der Grund zur Anlegung des künstlichen Hafenbassins von Mandraki gewesen sein. LJebrigens bietet nur die erste Hälfte des Weges vom Delphinion zum Heilig- thum einige Schwierigkeit dar, die zweite ist bequem und an dieser zweiten zeugen üeberreste von 2 Kapellen (darunter die des heiligen Michael, aus welcher die Inschrift 'Ecpyifjt.. äp)^. 1884 S. 128, 5 stammt) dafür, dass hier früher ein regerer Verkehr herrschte als jetzt, wo fast die ganze Hügel- landschaft zwischen Mavrodilisi und der Küste den Hirten überlassen wird.

Nach dieser Darlegung des Thatbestandes kehren wir zur Prüfung der Angabe Strabons zurück, dass die Entfernung von Delphinion bis Alt- Eretria 60 Stadien betrage. Nach- dem der eine Endpunkt soeben festgelegt ist, wird es zunächst nölhig sein, auch den zweiten so weit es möglich ist zu be- stimmen. Was ist Alt- Eretria? Dieses ist nur Strabon be-

DAS DELPHINION BEI OROPOS UND DER DEMOS PSAPHIS 353

kannt'. An eine wirkliche Verlegung der Stadt und noch dazu an eine so nahe liegende andere Stelle wird niemand glauben, denn so gewiss die Stadigründung Athens sich an die Akropolis anschloss, so deutlich ist auch die vortretende Höhe des eretrischen ülympos von Natur zur Akropole einer grösseren Sladtgründung des Mord- Attika gegenüber liegen- den Küstenstrichs prädestinirt. Auch das Schweigen der His- toriker und aller anderen Schriftsteller berechtigt uns zu der Annahme, dass die Bezeichnung der Fundamente unweit der Stadt als "Alt- Erelria " auf eine Linie zu stellen ist milder jetzigen Bezeichnung Paläochora für eine Ortschaft, deren Name verschollen ist oder mit der Benennung Alt- Theben für mehrere Ruinenstätten, die gleichfalls namenlos gewor- den sind^.

Ueber die als Alt- Eretria bezeichneten Mauerzüge entneh- men wir aus Strabon nur, dass sie von Eretria aus in der Richtung nach dem Süden der Insel hin an der Küste zu su- chen sind^. Die für die Entfernung vom Delphinion nach Alt- Eretria überlieferten 60 Stadien führen uns zu dem Punkte der Küste, an welchem diese von Eretria aus zunächst nord-

' Ausser der angeführten Stelle noch 448: Mdav^t; o' sxaXeTTo Tipoxspov fj 'Epizpia. xai 'Apo'tpia- la'JTrjS o' jaVt xoip.rj fj 'AftäpuvOo; ä-^' l;:Ta (jTaSt'wv xou zd- ■/ou;' t})v \ih ojv äp/a;av :idXtv xaTsa/a'^av Hepaai, laYTiveuoavTE; (o; -^rjatv 'Hpd- 80TOJ loü; ävOpojTCOu? -CO) ;rXT[Oci, nepiyuOs'vTwv twv ßap6äpwv Tai Tei)(^ei (xat Setxvu- ouatv st; toÜ; OejaeXiou;, xaXoüai oi j;:aXatav 'EpsTp'.av), rj 81 vCv ertEXTiaiat.

2 Die Annahme von Ross (Königsr. II S. 116), dass die 1 St. von Vasi- liko nach Eretria hin auf einer flachen Küstenhöhe gelegenen Überreste ei- ner alten Ortschaft Alt- Eretria gehören könnten, ist bereits von Bursian (Sachs. Ber. 1859 S. 127 Anm.) widerlegt worden. Auch darf nicht mit Ul- richs (Reis. u. Forsch. II S. 250) und Baumei^er (Topogr. Skizze der Insel Euböa S. 50 fg.) daran gedacht werden, dass nach den Perserkriegen die Burg dieselbe geblieben, die Unterstadt aber verlegt sei, denn dann müsste ja auch eine Verlegung des Hafens angenommen werden und Strabon, des- sen Worte allein diese Frage ins Leben gerufen haben, unterscheidet deut- lich genug zwei von einander entfernte Lokalitäten.

3 Dass die Entfernung vott Eretria, wie Bursian (a. a. O. S. 130) meint, eine Stunde betragen habe, kann aus Strabon 403 nicht geschlossen werden,

iUTTH. D. ABOH. INST. X. 23

354 DAS DELPHINION BEI OROPOS UND DER DEMOS PSAPHIS

Östlich verlaufend in eine ung. östliche Richtung übergeht*. Dieser Punkt, an welchem sich Fundamente mehrerer alten Gebäude finden, ist von Eretria eine kleine halbe Stunde ent- fernt. Schon Bursian hat (a. a. 0. S. 131, vgl. Geogr. v. Griech. 11 S- 421 fg.) angenommen, dass diese L'eberreste die Stelle des Heiligthums der "ApT£[j.i? 'Ap.apucrta oder 'Ajxap'jvöia bezeichnen, welches wiederum nicht füglich von der xwjjlyi 'Ap,xp'jv6o; gelrennt werden kann, die nach Stabon 448 7 Sta- dien von Eretria entfernt war. Das genaue Zusammentreffen dieser Stelle mit dem Endpunkte einer vom Delphinion aus gezogenen Linie von 60 Stadien, an welchem wir nach Stra- bon Alt- Eretria zu suchen haben sowie die enge Verbindung, in welche er Alt- Eretria zu Amarynthos zu setzen scheint, kann zur Vermuthung führen, dass die Eretrier in der Nähe von Amarynthos und seines altberühmten Tempels, ihres Hauptcultlokales, die Stätte ihrer alten Stadt oder in jener Korne einen üeberrest derselben zu erblicken glaubten ^.

Wenn die Identificirung von Alt- Eretria mit Amarynthos immer und die Ansetzung des letzteren wenigstens vorläufig eine Hypothese bleiben muss, so ergibt sich doch aus der vorstehenden Untersuchung zur Genüge, dass kein Grund vorliegt, die überlieferten Zahlen des strabonischen Textes zu ändern.

2. Psaphis. Strabon 399 fügt seiner Aufzählung der at- tischen Küstendemen nach der Beschreibung von Marathon, Trikorynthos und Rhamnus hinzu: ska ^a^pU ^ twv 'üpoTcitov svxaGOa hi titou x,ai to 'Afxcpiipeiöv £<jTt .... 'üpojTro; Ss . . . . iSpuTai . . . . ev {xsOopio) x^; xe 'Axxuvi; )tai xvi? Boiojxia?. Eine

^ Die englische Seekarte schreibt hier 'Tamynä?'.

^ Der von Strabon gebrauchte Ausdruck £7:='xna-:ai deutet auf die Nähe der von ihm geschiedenen Gründungen der vor -und nachpersischen Zeit hin, weiter nicht; an ein unmittelbares Zusammenliegen kann Strabon bei seiner Annahme einer Verlegung der Stadt nicht gedacht haben. Wenn Amarynthos bei Sleph. von Byz. eine v^io; genannt wird, so soll dadurch wie so häulig durch das neugriechische vrja; wohl nur eine peninsulare Lage angedeutet werden.

DAS DELPHlNlUN BEI OltOI'OS UND DE« DEMOS PSAI'HIS 355

zweite Erwähnung des später (in Ephebenlisten des zweiten Jahrh. n. Chr., C. 1. .4. III 1122 und 1160) als Demos der Aianlis erscheinenden Psaphis hat man in dem sog. Dikäarch (Fr. 59, 6, fragm. hist. gr. II S. 25Gj linden wollen, wo C. Müller in den handschriftlich überlieferten Worten evteöGev (d. h. von Athen) ei? 'üpcoTröv SacpviSöv >iai tou 'A[^.(piapdtQu Aiö; lepou oSöv x.t"X. statt des verderbten SacpviSöv mit Salmasius Ya<p'.Sd)v geschrieben hat. Da aber der Weg von Athen nach dem Amj)hiaraeion hart an der Westseite des alten Aphidnä auf dem Rotronihügel bei Kapandriti vorüberführt und Psa- phis in der iNähe der von diesem Wege nirgends berührten Küste gesucht werden muss, kann nur das von Wordsworth [Athens and Attica S. 23) vorgeschlagene Si' 'AcpiSvoiv richtig sein. Pausanias erwähnt (I 33 2) zwar den Küstenpfad, der von iMarathon über Kato Suli, Ovriokastro, Hagia Marina, die Mühlen von Kalamo und Kamaraki nach der Skala von Oropo lührl, nennt aber nur die Hauptslationen und erwähnt Psa- phis ebenso wenig wie Trikorynthos und Delphinion. So sind wir für die Bestimmung der Lage von Psaphis allein auf die ausgeschriebene Stelle Strabons angewiesen, nach welcher wir Psaphis unweit des Amphiaraeion und zwischen Rhamnus und Uropos nahe der Nordgrenze Attikas in der Nähe des Meeres zu suchen haben.

Diese Andeutungen führen uns in die Gegend des grossen, hoch auf den Grenzhöhen seiner Küstenebene gelegenen Dor- fes Kalamo und die älteren Topographen haben geradezu ge- meint, dass dieses die Stelle von Psaphis einnehme; es ist ebenso wie Markopulo nur eine halbe Stunde vom Amphia- raeion entfernt und liegt auf dem Wege von Athen nach die- sem Heiligthume. Aber nach einem längeren Aufenthalt da- selbst darf ich versichern, dass sich dort auch nicht die ge- ringste Spur einer antiken Bewohnung finde, zweitens ist das Dorf nicht weniger als eine Stunde vom Meere entfernt und die Verbindung mit demselben wegen der Steilheit seiner Hü- gelabhänge unbequem, sodass es wie die übrigen Dörfer des jetzigen Demos Oropos die 2 Stunden entfernte Skala benutzt.

356 DAS DELPHINION BEI OROPOS UND DEK DEMOS PSAFHIS

Hiernach isl es an die Hand gegeben, dass Psaphis vielmehr in dem Küstenstrich unterhalb Kalamos zu suchen ist.

Dieser Küstenstrich zerfällt in zwei ungleich grosse Theile, die durch die vom Tzesiberge (dahinter liegt das zu Mendeli gehörende Klösterchen Kalo Livadi) vortretenden, Chamolesa genannten Hügel geschieden werden. Diese Hügel sind flach und zum Theil angebaut; sie bieten dem Verkehr zwischen beiden Hälften der Ebene keine erhebliche Schwierigkeit dar^; die gewöhnliche Verbindung erfolgt auf dem Küstenwege, der von den am Rande der östlicheren Hälfte gelegenen Mühlen von Kalamo an der Kapelle der Hagia Marina vorbei zur west- licheren unter Kalamo liegenden Hälfte führt. Der östliche Theil wird von der spitzen ans Meer grenzenden Höhe Pirgar- ihi (mit der Spiliä tu Tölia), dem schroffen Zastäni, dem brei- ten Paraskeviberge, der Kette des Laka Kükia (Rothacker), dem Tzesi und den Chamolesahügeln, der westliche von letz- teren, den Hügeln von Kalamo, Mavrodilisi und den Ausläu- fern des Phanöberges in weiten Bogen umspannt; am West- rande des ersteren läuft ein wasserreicher aus einem von Kalo- Livadi und einem etwas östlicheren Arme entstehender Bach den Mühlen von Kalamo zu, der westliche wird vom Unterlauf des ofi heftig anschwellenden Ravins von Mavro- dilisi durchschnitten. Die Küste des östlicheren Theils bietet bei den Mühlen eine kleine wenn auch ziemlich offene Rhede dar; neben letzterer entspringen zwei starke Sumpfquellen, welche die auch von Skala benutzten Mühlen treiben und aus dem Adyton der Apostelkapelle strömt eine starke Quelle gu- ten Trinkwassers, ebenfalls in der Nähe des Meeres und der Mündung des erwähnten von Kalo Livadi herunter kommen- den Baches. Die Küste des westlichen Theils dagegen, an wel- cher in dem Vlichada genannten Distrikt j. aufgegebene Kel- ter und bei Blastö auf der niedrigen Magülahöhe vor den Aus-

^ Über sie hin läuft der Weg von Kalamo zu den Mühlen, an den Ka- pellen der Panagia und Hag. Georgios (nebeneinander auf halbem Wege unter dem Tz(3siberge) vorbei.

DAS DELI'HINION BKI OHOPOS UND DER DEMOS PSAPHIS 357

läufern des Phanö unbedeutende vielleicht z. Th- antike Ue- berreste von Terrassen mauern liegen, verläuft in fast gerader Linie. So ist also die Küste des östlicheren Theils des Küsten- striches von Kalamo die von Natur bevorzugtere und deshalb schloss sich auch an sie die antike Ortschaft an, die c. 10 Minuten vom Meere auf einem flach ansteigenden Hügel lag, der durch den an seiner Westseite vorbeiziehenden Bach von den Chamolesahügeln getrennt wird. Unmittelbar an diesem Bache liegen c. 20 Minuten vom Meere bei einer dachlosen Petroskapelle die Ruinen des ganz aufgegebenen Dörfchens Revithia, nach welchem der Bach und gewöhnlich auch der ebenervvähnte ebenfalls als Magula bezeichneter Hügel be- nannt wird. Die Magula von Revithia bietet sanft ansteigend einen breiten flachen Rücken dar, an dessen Rändern und hier und da quer über die Fläche laufend noch jetzt Mauer- züge bemerkbar sind, obgleich diese Ueberreste aus dem Ai- lerthume vor der weiter schreitenden Cultur immer mehr ver- schwinden Die hier o;eleo;ene Ortschaft darf unbedenklich für das alte Psaphis erklärt werden; es nahm ungefähr so viel Raum ein wie ein Dorf mittlerer Grösse ^

Mit ofosser Wahrscheinlichkit kann man dem hiermit nachgewiesenen Psaphis die Inschriften vindiciren, welche sich in dem c.'/o St. entfernt en Klösterchen Kalo- Livadi theils befanden, theils noch jetzt finden. Es sind die beiden jetzt von dort weggenommenen Grabschriften, welche Hauvette- Besnaull im Bull, de corr. hell. HI (1879) S. 200 N" 9 u. 10 mitgetheill hat, die Aufschrift einer an der S. W. Ecke der Klosterkirche eingemauerten bläulichen Marmorquader:

A P I Z I f V xoci A Z K A H r idcSv);

* Wie es scheint nur nach der französischen Generalstabskarte hat be- reits Bursian Geugr. v. Gr. I S. '221 den Demos bei Revithia gesucht: dass er selbst den Urt nicht besucht hat gehl aus seinem Reisebericlil (Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. a. a. O. S. 110 fg.) hervor.

358 DAS DELPHINION BEI OROPOS UND DER DEMOS PSAPHIS

K A I T I M apj(_o? ol T I M A P X ou T71V iau- >' J^ N M H T Ipa <t»ai- TT TT A N T I pösou T '^ i Oew

und die vor dem mittleren Eingang ins Heiligste der Kirche liegende VVeihinschrift, die in der letzten Publication (von Martha in dem Bull, de corr. hell. IV (1880) S. 260) ein etwas alterthümliches Aussehen erhalten hat (statt F P).

Weitere Anzeichen dafür, dass das Kloster etwa die Stelle eines alten Heiligthums einnehme, sind nicht vorhanden.

H. G. LOLLING.

Die attischen Grabsteine des fünften Jahrhunderts,

(Hierzu Tafel XIII XIV.)

I. Die Grabsteine atts der Zeit zwischen den Perserkriegen und dem pelopojinesisc/ien Krieg. —YjU den auffallendsten Er- scheinungen in der attischen Epigraphik gehört das Missver- hältniss, welches der Zahl nach zwischen den Grabinschrif- ten des alten, der Hauptsache nach vorpersischen und denen des jüngeren, ausgeschriebenen attischen Alphabetes obwaltet. Vierunddreissig Stück der ersten Classe stehen in der Samm- lung der attischen Inschriften vier der zweiten gegenüber (C. /. A. 1 489 491 und 491^ in den Suppl.) Allerdings ist bei der ßeurlheilung dieser Zahlen in Betracht zu ziehen, dass sich die Grabschriften im unausgebildeten Alphabet, woran heut zu Tage nicht mehr zu zweifeln ist, auf einen Zeitraum ver- theilen, der mindestens noch ein Mal so lang ist als derjenige, welcher von den Perserkriegen bis zu der ofTiciellen Reception der jonischen Schrift in Athen verstrichen ist. Allein das Ver- hällniss der Zahlen bleibt auch unter dieser Voraussetzung abnorm, zumal da erfahrungsmässig die Zahl der erhaltenen Denkmäler nach unten hin progressiv zunimmt. Nicht ohne Grund hat man daher aus dem Fehlen der Grabschriften auf das Fehlen der Grabsteine geschlossen; allein eine so auffal- lende Erscheinung war schwer zu erklären, wenn man nicht zu sehr weitgehenden Annahmen über die Gräbersitte und Kunstübung des fünften Jahrhunderts seine Zuflucht nehmen wollte. Neuerdings hat sich gegen solche Anschauungen eine Reaction geltend gemacht. Auf der Thatsache fussend, dass

360 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

das jonische Alphabet im fünften Jahrhundert in Athen bekannt gewesen ist und vereinzelt jonische Zeichen in den öffentli- chen Urkunden seit dem Beginn des peloponnesischen Krie- ges begegnen, hat man mehrere Grabmäler in jonischer Schrift nach dem Stil der an denselben angebrachten Reliefdarstel- lungen in das fünfte Jahrhundert zurückdatirt. Zu festen zeit- lichen Bestimmungen ist man auf diesem an sich unzweifel- haft richtigen Wege nicht gekommen, aber auch das vorlie- ajende Problem kann als gelöst nicht betrachtet werden. Die Schrift hat im Laufe des fünften Jahrhunderts in formaler Beziehung Wandelungen durchgemacht, welche in den Grab- schriften, falls solche vorhanden waren, nach weisbar sein mus- sten, mochten diese nun im attischen oder jonischen Alpha- bet geschrieben sein. Ferner ist die Thatsache unbeachtet oder unberücksichtigt geblieben, dass in der zweiten grossen Grup- pe der Privatinschriften, den Weihungen, die Lücke, wel- che in den Grabinschriften klafft, nicht bemerkt wird.

Ich habe Veranlassung gehabt die attischen Grabinschrif- ten, soweit es die Zerstreuung des Materiales zulässt, auf das fünfte Jahrhundert durchzusehen und theile die Ergebnisse, welche nach mehr als einer Seite hin belehrend sind, hier mit.

Die attischen Schriftdenkmäler aus der nachpersischen Zeit zerfallen in zwei Gruppen, insofern als sie entweder die Ue- bergangsformen aus der älteren unregelmässigen in die spa- tere regelmässige, oder die ausgebildete regelmässige Schrift aufweisen. Auf diesem unterschiede beruht in vielen Fällen allein die genauere chronologische Fixirung der Inschriften des fünften Jahrhunderts. Dabei ist es gleichgültig, ob das angewandte Alphabet das attische oder jonische ist: der Stil der Schrift ist von dem Alphabet unabhängig. Der Lebergang von der unregelmässigen zu der ausgebildeten Schrift voll- zieht sich in den öffentlichen Urkunden um das Jahr 440; ich setze hier als spätesten Termin den Anfang des peloponnesi- schen Krieges dafür ein. Innerhalb des vorhergehenden Zeit- raumes bietet das dreischenkliche Sigma einen chronologi-

DIE ATTISCHEN ftRABSTEINE 36i

sehen Anhaltspunkt, welches in den öffentlichen Inschriften um das Jahr 450 der jüngeren Form Platz macht'.

Aus der Masse der attischen Grabsohriften lassen sich mit Sicherheit eine Anzahl aussondern, welche die Uebergangs- formen der Schrift aufweisen und danach der Zeit vor dem peloponnesischen Kriege zuzuschreiben sind. Diese Inschrif- ten enthalten theils attische und jonische Zeichen nebeneinan- der, theils sind sie im reinen jonischen Alphabet geschrie- ben. Ich lasse hier mit Uebergehung der aus dem Corpus an- geführten zunächst die Inschriften des Mischalphabeles, so- dann eine Auswahl der Inschriften im jonischen Alphabet folgen .

1 Niedrige an den Rändern und auf den un leren Flächen rauh gelassene Platte a. penl. M., auf beiden Seiten (a 6) be- schrieben.

a

^

O T

H

P

1

A

H

S

o

A Y

M

A

p

E

T

H

K

A U

U

1 h

^

T

O

M

A

K H

P

A

T

0

^

A

P X

A

r

A

v^

0

;

A X H

M Y P T ß

Neben den attischen Zeichen für den langen 0 - Laut (ein Mal) und Lamda stehen die jonischen für den langen E-Laut, Gamma und den langen 0-Laul (ein Mal), ü e bergan gsfor- men von Alpha und Hho^.

2 Kleiner nachlässig behauener Pfeiler a. pent. M., oben Verstössen.

' Vgl Urkunden und Unters, zur Gescti. des del-att. Bundes S. 4 f., wo ich die Wandlungen, welche die Schrift in Athen im Laufe des fünften Jahr- hunderts durchgemacht hat, zuerst nachgewiesen habe.

3 Im Druck babeu diese Nuancen nicht wiedergegebeu werden können,

362 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

^ K v^ E A ^ ME^A

Alphabet unbestimmbar, hierher gesetzt wegen der beiden neben einander verwandten Formen des Sigma.

3 Massive Vase a. pent. M. mit Relief; besehrieben v, Sybel Katalog der Skulpturen z. Athen 230. Dargestellt ist ein von links heranschreitender bärtiger Mann, welcher einem ebenfalls bärtigen Mann die Hand gereicht hat. Der letztere stützt sich auf einen plastisch nicht angegebenen Stab. Zu bei- den Seiten des Kopfes des ersteren steht die Inschrift

© I A E ^1 O

S. Taf. XIII Jonisches Lamda neben dem attischen Zeichen für den langen E- Laut. Unterhalb des Reliefs waren ein breiter Maeander und eine Palmette aufgemalt,

4| unförmliches Fragment a. pent. M., wohl von der Ba- sis einer Stele herrührend, mit der Inschrift (Kumanudis 2990)

O P A ^ O N

A N H P Ar AOO?

Das attische Zeichen für den langen 0 - Laut neben den jo- nischen für Gamma und den langen E- Laut.

5 Kleine Tafel a. pent. M. oben glatt abgeschnitten.

A P + I P P H ^ // O YME/^ I O

Der lange E- Laut ist ein Mal nach jonischer und ein Mal

DIE ATTISCHEN GRABSTEINE 363

nach attischerWeise bezeichnet. Schöne alterthümliche Buch- staben. *

G Kleine Stele a. pent. M. mit Leiste und Kyma als obe- ren Abschluss. Hart unter der Leiste die Inschrift (Kumanu- dis 2740):

AHM A PETE

Alphabet wie in der vorhergehenden Nummer.

7 Kleiner Pfeiler a. Kalkstein.

0 1 A O i H H H

Das jonische Alphabet hat den Schreiber verleitet in der vor- letzten Sylbe das Eta für den kurzen E- l^aut zu verwenden; ähnliche Fehler in den 3 folgenden Nummern.

8 Kleine Stele a. pent. M. oben abgeschlossen durch eine Leiste mit Kyma. Hart unter der Leiste die Inschrift (Kuma- nudis 2961 Kaibel Epi^r. Gr. 73):

ANOEMIAOSTOAESHMAKYKAniSTE<|>A I^OYS/VITAIPOlMyVHMEIONAPETHS OYyVEKAKAI<|)IAIA ?

A N O E M I ^ H PO<t)l AE

Das unter den Eigennamen gemalt gewesene Bild ist ver- schwunden. Die Schrift weist den Stein in die Zeit vor dem peloponnesischen Kriege. Man hat gelesen :

'AvOejJiiSo? ToSe (j95[j(.a xuxXö <7Te<pavoi)c(i)v (e)TaTpot jjt.VYi{ji.£t(ov apexYic oGvexa xai cpi>.ia;. 'Hp6^i>>£. *Av0e|xi5.

Zunächst war hier unstreitig statt 'Hp6«pi>.e zu lesen *Hpo(piXe d. i. 'Hpo<pt)^7i; der Schreiber hat ein Mai den langen E- Laut durch Epsylon wiedergegeben. Aber auch die Verse sind

364 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

schwerlich richtig gelesen worden. Kaibel lässt pyifXEttov von (TTecpavouciv abhängen (recentior est structura, huic tarnen low necessaria) und versteht unter den piofAETa Bhimen und Krän- ze. Ich will die Construetion sowohl wie die Bezeichnung der ver£jänürlichen Kränze auf sich beruhen lassen ; die Verbin- düng •/C'jxT.ö TT£9avo'j<;iv nöthigt das Verbum im weiteren Sinn zu fassen. Ich lese :

[/.vTOfxs'iov apsTvi; oCvexa xai (p'Aia?.

Den um den Grabstein versammelten Genossen wird derselbe ein Denkmal (avv^ij.eTov) der Tugenden der Verstorbenen sein. Ich denke der im Gebrauch des jonischen Alphabets noch wenig geübte Schreiber des Epigramms hat in avYif7.£icov das jonische Zeichen für den langen Vocal an der falschen Stelle gesetzt; ob bei derWahl des Zeichens die Rücksicht auf das Metrum mit- gewirkt habe, welches eine Länge verlangt, lasse ich dahin gestellt sein. 4us der Stellung der Namen über dem jetzt verblichenen Bilde ist zu schliessen, dass Herophile sitzend, Änthemis stehend und jener die Hand reichend abgebildet war. Nach dem Epigramm ist anzunehmen, dass Herophile zu den Genossen der Verstorbenen 'gehörte, die ihr das Denk- mal hatten errichten lassen.

9 Platte a. pent. M. mit abgerundetem Giebel und Relief, oben zu beiden Seiten verstümmelt; vgl. Wolters- Friede- richs Gipsabg. des Berl. Mus. 1020. Im Giebel waren zwei sich gegenüber liegende Löwen dargestellt, darüber eine Ro- sette. Das Relief unter der Leiste stellt zwei bärtige Männer dar, die sich die Hände reichen, dazwischen ein Kind (Mäd- chen), welches die Rechte zu dem links stehenden Manne in die Höhe streckt. Auf der Leiste die Inschrift

Links sind 2 oder 3 Buchstaben weggebrochen. Schon Wol- lers hat vermuthet, dass [KXeoJfxsv-/); oder ein ähnlicher Name zu lesen sei; der Schreiber hat in der vorletzten Sylbe H statt

DIE ATTISCHEN GRAßäTEINK 365

E gesetzt; M und N liaben alterlhümliclie Formen. Der zweite Name ist nicht herstellbar.

10 L'nrörniliehes Bruchstück einer sculpirten Platte a. pent. M., vgl. He}'demann Marmorbildvverke z. Athen 215 und v. Sybel a. a. O. 2067. Vom Relief ist der Kopf eines bärtigen, über der Stirn kahlen Mannes erhalten (Höhe c. 0,13), der untere Theil des Gesichts von der Nase an ist mit weggebro- chen. Leber der Leiste in dem verstossenen Giebelfeld die Inschrift (Kumanudis 2951) :

II II PAK/ EAH^

üeber HpaK'XeiSYi; stand vorhandenen Spuren nach zu schlies sen vielleicht (?) ein weiblicher Name. Grosse in schwachen Zügen unsicher eingeritzte Buchstaben, die in den Formen an die vorpersischen Grabsteine erinnern. Die Inschrift darf nicht jünger gesetzt werden als die Mitte des 5ten Jahrhunderts; die hervorragende Schönheit des Reliefs würde an eine spätere Zeit denken lassen. Bemerkenswerthe Form des Lamda, wel- che in der folgenden iNummer wiederkehrt.

11 Kleine Platte a. weissem M.,nach dem beigefügten In- ventarvermerk in Ättika gefunden, beschrieben von Milch- höfer Mitth. 1880 S- 191 n. 6. Auf dem wannenartig vertief- ten Grunde ist ein Bild gemalt: vor einer nach rechts ge- wandten männlichen Figur steht ein kleines Mädchen. Lieber und rechts von dem Bilde die Inschrift (Kumanudis 3105) :

AV^IMAXO^ I

h-

CL >

O

c

366 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

Schöne regelmässig eingegrabene Buchstaben , aber sicher dem 5ten Jahrhundert angehörig; ge- rade an diese Stelle gebracht wegen der Form des Lamda, welche sich in der aranzen attischen Epigraphik nur in dieser und der vorhergehen- den Inschrift findet.

12 Kleine Tafel a. parischem Marmor mit Lei- ste und Kyma als oberen Abschluss, jetzt im Ber- liner Museum, wo ich sie untersucht habe. Die Inschrift (C. /. G. 940 C. I. A. III 3102 Kuma- nudis 2799) hier nach einer Abschrift von M. Fränkel.

A O K I M O

Wegen der Form des mit der rechten Hälfte in der Luft schwebenden My sicher der Zeit um die Mitte des 5ten Jahrhunderts angehörig. Wohl gleichzeitig die an derselben Stelle gefundene Ta- fel mit der Inschrift (t)AINn C. LG. 1013, Do- ^ O ^ kimos und Phaino könnten Mann und Frau ge- wesen sein.

13 Pfeiler a.pent.M. h.1,85 br.0,50 d. 0,25, eingelassen in eine ebenfalls marmorne Plinthe, welche auf einem Sockel aus Porös ruht. Am oberen Rande des Pfeilers in grossen Buchsta- ben die Inschrift (Kumanudis 15 Arch. Zeit. 1871 S. 29 Kaibel Epigr. Gr. 36)

PTOArOI>0 Auf der Plinthe in kleineren Buchstaben :

(s. links am Rande)

Regelmässige schöne Buchstaben, aber durchweg alte Formen. Mit dem alterthümlichen Stil der Schrift harmonirt die lektonische Form des Denk- mals,welches den vorpersischen Stelen am näch- sten steht; wie auf diesen war auf dem Pfeiler das Bild des Verstorbenen nahezu in natürlicher

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DIE ATTISCHEN GRABSTEINE 367

Grösse aufgemalt. Mit Unrecht haben die Herausgeber der In- schrift diese in den Anfang des vierten Jahrhunderts gesetzt; sie kann nicht jünger sein als die Milte des fünflcn Jahrhun- derts,mag sie nun, wie derVVorthujt vermuthen lässt, unter den Auspicien der athenischen Behörden oder, worauf die dialek- tischen Formen der Eigennamen hinweisen, im Aultrag der Hinlerhliebenen des Pythagoras eingegraben sein.

14 Kleine pfeilerartige Stele a. penl. M. Anstatt der Leiste ein blau aufgemalter Streifen am oberen Kande. Nach einem Zwischenraum die Inschrift (Kumanudis 22G9)

MNH^APETH 0 I A I A' I A O ErMTPIA'H^

Unterhalb der Inschrift Bruch. Schöne alterthümliche Buch- staben.

15 Kleine Platte a. pent. M., an den Seiten abgeschrägt (Kumanudis 1814).

KE©AAO€ O E ^ A A O ^

Grosse, unsicher geführte Buchstaben.

16 Schmale pfeilerartige kleine Stele a. pent. M., oben glatt abgeschnitten, rechts und links in eigenthümlicher Weise abgeschrägt.

A A Y T H ^ E Y A H M I A O T O P ft /^ A I O

Die beiden letzten Buchstaben der zweiten Zeile stehen auf der rechten Schmalseite. Unter der Inschrift war eine in einen Knoten verschlungene Taenie aufgemalt.

17 Kleine Stele a. pt-nl. M, mit freiste und Ivvmation als Abschluss.

368 DtE ATTISCHEN GRABSTEINE

M I K K O ^

KAAA I KAEIAO T O P Q /^ A I O^

18 Kleine Stele a. pent. M., mit glattem bemalt gewese- nen Giebel; unter der Leiste die Inschrift

APXIA^NEBPO A N A P I O

Aehnliehe Buchstabenformen wie N" 8.

19 Platte a. pent. M. mit Giebel.

EY(t>PA/^TIAH^ MA H APß A'O^ A^TYPAAAIEOC

20 Kleine Stele a. pent. M. mit Leiste und Kymation als Abschluss ('E^p. ipj^. 380 Kumanudis 2469).

AOHNOAOTO^

lATPOKAEO^

<t) A ^ H A I T O

Grosse schöne regelmässige Buchstaben, jünger als die Um- gebung aber dem 5len Jahrhundert angehörig, von mir hier- her gestellt wegen der Fassung, s. unten.

21 Kleine Tafel a. pent. M. mit Leiste und Kyma als Ab- schluss, im Felde die Inschrift (napva<j(76; 1881 S. 275):

A I ^ X P I ß /^^ 4) I A I K O K /^ I A I O ^

22 Auf dem unteren Theil einer kleinen pfeilerartigen Stele a. pent. M.

DIE ATTISCHEN GRABSTEINE 369

A A E i I A E n P P O K A El AO AAMYAKHAO^

Den oberen Theil des Steines nahm eine aufgemalte Pal-

mette ein, welche durch eine gleichfalls gemalte Leiste von der Inschrifttläche abgesondert wurde.

23 Kleine Stele a. pent. M. mit Leiste und Ryma als obe- ren Abschluss und der Inschrift (C. /. G. 973* 'E(p. äp;^.1537 C;. /. A. 111 3291)

M Y P T 1 ^ OP//|OIQ/^0€

Schöne grosse alterthümliche Buchstaben der Uebergangszeit.

24 Kleine Stele aus pent. M. mit Leiste und Kyma; darauf die Inschrift (llapvacco? 1881 S.275):

^AAAMI/^IO^ (J) I A Ü /^

Das Ethnikon steht unmittelbar unter der Leiste, der Eigen- name unten im Felde, dieser vermuthlich über dem hier gemalt gewesenen Bilde des Verstorbenen.

25 Kleiner Pfeiler a.pent.M.; die Fläche unter der Inschrift ist rauh gelassen (Kumanudis 3469).

+ A P T O

Man hat vorgeschlagen zu lesen XapTo[;], aber die Inschrift ist vollständig. Als Nominativ hat man sich XapTTi? zu denken.

26 Bruchstück einer Platte a. pent. M.

MITTH. D. ABGH. INST. X. 24

370 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

A O H /^ O A O T O

Die Grösse und Form der Buchstaben und die Vertheilung der Zeilen lassen über die Zeit keinen Zweifel,

27 Kleine pfeilerartige Stele a. pent. M. unten gebrochen, am oberen Kande die Inschrift (Kumanudis 3185 ß)

^ A tA E /^ H ^

Unsicher und leicht eingeritzte Buchstaben, die indess keinem Zweifel über die Zeit Raum lassen. Unterhalb der Inschrift Rest eines Reliefs, welches den Todten bartlos in stehender Haltung darstellte; das Gesicht Verstössen.

28 Stele aus graulichem Marmor, oben Gesims. Die erste Z. der Inschrift steht auf dem Gesims, die folgenden zwei un- ter dem Gesims im Felde.

AlO/^V^OAßPOY

APO AAQN I AHS X EPPONHSITH2

Unsicher eingegrabene üebergangsformen. Die Stele war na- türlich bemalt.

29 Kleiner Pfeiler a. pent. M. gef. b. der Hagia Trias.

0 I A A I /^ I /^ E O A A E K E T A I

30 Bruchstück einer Platte a. pent. M. an der Seite abge- schrägt (Kumanudis 2049).

DIE ATTISCHEN GRABSTEINE 371

APXEAHMO A P I €TOBOAH^

Grosse schöne Schrift. Ausgeprägt alterthümliche Formen fehlen zufällig, über die Zeil kann kein Zweifel sein.

31 Platte a. pent. M. oben glatt abgeschnitten; unter dem Rand die Inschrift (Kumanudis 3121):

MEAETHENOAAE KEITAirYAHArAO

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32 Tafel a. pent. M. mit Giebel und Relief, vgl. Heyde- mann Marmorbild werke z. Athen n. 804 v. Sybel Katalog der Skulpturen z. Athen 104. Einer nach rechts sitzenden Frau mit verhülltem Hinterkopf reicht eine stehende, weibliche Gestalt die Rechte; in der gesenkten L. hält die letztere einen Vogel. Am Schaft die Inschrift ('E<p.ap;^. 261 1 Kumanudis 2629):

ENOAAEAPI^^TVAAAKEITAI PAI^AP l^€TaNO^TEKAIPOAIAAH€

€n4)pnNrnoYrATEP

Ungelenke noch durch keine feste Regel gebundene Schrift.

33 Massive Vase a. pent. M. mit Relief: eine nach rechts sitzende Frau, welche in der Linken einen Spiegel hält, hat einem vor ihr stehenden Manne die Hand gereicht; neben dem Stuhl steht ein Kind, welches in der Rechten dem Manne einen Vogel entgegen hält; darüber die Inschrift (Kumanu- dis 3209) :

NIKO^^TPATHTYNHAPUTH Schrift ähnlich wie in der vorhergehenden Nummer.

372 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

34 Niedriger Pfeiler a. pent. M.; der Raum unter der In- schrift ist nicht geglättet (Kumanudis 3422).

0 I A I n P H EME/^OXftPA

Es wird nicht anders gelesen werden können als «I>i>.{tc7U7]. 'E(ji.([x)£vo'j ywpa. In der zweiten Z. wird die Begräbnissstätte als dem Emmenes, vermuthlich dem Mann der Philippe, an- gehörig bezeichnet. In demselben Sinne stand x"P°^ vielleicht C.I. A. I 497; im 4. Jahrh. ist der übliche Ausdruck j^wpiov^

35 Kleiner schmaler Pfeiler a. pent. M. (Kumanudis 3059).

K AET/xK AET^ N Y M O

Eigenthümliche im Druck nicht wiederzugebende Schrift. Das zweite Tau reicht über die übrigen Buchstaben hinweg, während das Omega beide Male in der Luft schwebt.

36 Sehr kleines Täfelchen a. pent. M. mit glattem spitzen Giebel.

APUTOKAEIA EA'OAAE K E ITAI

37 Tafel a. pent. M. mit runder Bekrönung, auf welcher in Relief zwei sich gegenüber stehende Löwen mit erhobenen Tatzen dargestellt sind. Darunter auf der Leiste die Inschrift (Kumanudis 587)

A P K T E A ^ : I C|) I T I A A H ^

Darunter auf einer zweiten Leiste in grösseren Buchstaben

' In diesem Sinne steht das Wort Arisloph. Ljs. 600.

DIE ATTISCHEN GRABSTEINE 878

TIMAPI^TH/^tOEOC^aA^TO^AAMPTPEin^ API^Tn/^YMO€:APUTAIOY:l0I^TIAAH^ APUT0MAX0€:APUTE0Y:I<1)UTIAAH^

Darunter Relief: rechts zwei bärtige Männer, die sich die Rechte reichen; links ihnen ziii^ewandt eine Frau, welche die Sphendone trägt und mit der L. einen Zipfel des Gewandes nach dem Gesicht zu führen scheint; alle Figuren stehend. Die Inschrift ist incorrect eingehauen, TIMAPI^TH/^ statt TIMAPI^TH, ein Mal APICTAIOY statt API^TEOY.

Die hiernach dem formalen (Iharakter der Schrift zusam- mengestellten Grabsteine bilden auch in anderen Beziehun- gen, in der Fassung und Anordnung der Aufschriften, dem Stil und der Composition der bildlichen Darstellungen und der tektonischen Form eine geschlossene Gruppe, die sich so wohl von den älteren wie den jüngeren Monumenten unter- scheidet. Es würde einer grösseren Anzahl von Abbildungen bedürfen, um diese verschiedenen Gesichtspunkte zu verfol- gen; ich begnüge mich hier einige Momente hervorzuheben.

Was die angeführten Grabdenkmäler verbindet und schei- det, ist hauptsächlich ein Negatives: das Fehlen fester con- ventioneller Formen. Diese Regellosigkeit giebt sich ebenso wie in den Formen der Buchstaben in der Fassung der In- schriften kund. Die vorpersischen Grabsteine tragen, von me- trischen Inschriften abgesehen, den Namen des Todten im Ge- netiv ohne weiteren Zusatz; die spätere Sitte setzt auf den Grabstein der attischen Bürger den Namen des Todten im Nominativ mit folgendem Vatersnamen und Demolikon; bei Bürgerinnen tritt ausserdem noch der Name des Gatten hinzu. Die aufkommende Sitte den Namen des Vaters beizufügen hat wohl die erste Veranlassung gegeben, dass man den Namen des Todten in den Nominativ statt in den Genetiv setzte. In den oben gesammelten Inschriften gehen regellos Nominativ und Genetiv mit und ohne Vatersnamen neben einander her. Das

374 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

durchgehende Fehlen der Demotika in diesen Inschriften darf niclit als etwas Conventionelles angesehen werden, sondern heruht auf einem historischen Grund: es wird dadurch be- wiesen, dass die Gemeindeverfassung des Kleislhenes um die Mitte des fünften Jahrhunderts noch nicht zu dem festen Rah- men geworden war, in welchem sich das bürgerliche Leben bewegte. Eine Ausnahme bildet die Inschrift n.37, welche aus formalen Gründen der Schrift von mir an das Ende der Reihe gestellt worden ist und vielleicht aus der folgenden Periode stammt, obwohl sie andere Unregelmässigkeiten an sich trägt, auf welche oben hingewiesen worden ist. In den älteren Stü- cken ist dem Namen des Todten einige Male ein avvip äyaOo?, yuvy] (xyaOyi beigefügt, ein Ansatz zu einer stehenden Formel wie in den Grabschriften anderer Landschaften j^pYiaro?, j^pyiuTTj oder 'opw<;, welcher später durch das Demotikon verdrängt worden ist.

Eine grössere Vollständigkeit in der Nomenclatur und grössere Gleich mässigkeit in der Fassung als die Grabschriften der attischen Bürgerweisen diejenigen derFremden auf,doch fehlt es auch in diesen nicht ganz an Abweichungen, welche bestätigen, dass sie derselben Epoche angehören wie jene. Das Ethnikon ist drei Mal (n. 18. 19.20) abweichend von dem Ge- brauch der späteren Zeit nicht auf den Namen des Todten son- dern auf den desVaters desselben bezogen. Vermuthlich hat man durch diese Verbindung anzeigen wollen, dass der Vater des Verstorbenen in Attika eingewandert war, eine Unterschei- dung welche später nicht mehr gemacht worden ist. Eigen- thümlich ist die Anordnung der Inschriften H und 28, in welchen, in jener das Ethnikon, in dieser der Name des Vaters vor und über dem Namen des Verstorbenen eingegraben sind. Was die lek ton ische Form derSteine anlangt, so erschei- nen als besonders charakteriscli für den hier behandelten Zeitraum die kleine oben mit Leiste und Kyma abgeschlos- sene Stele, der kleine etwa eine Spanne breite und entspre- chend hohe Pfeiler und die kleine oben giebelartig zugespizte Tafel oder Stele. Die Stele mit Palmettenbekrönung fehlt ge-

DIE ATTISCHEN GRABSTEINE 375

wiss nur zufällig in dem aufgestellten Verzeichniss; sie wird vertreten durch die Stücke 9 und 37, auf denen das sonst zur Aufnahme der l^alinette dienende Rund durch ein wappen- arlig behandeltes Lüwenpaar vertreten ist, übrigens so viel ich weiss die einzigen bisher bekannt gewordenen Beispiele ihrer Art^ Daneben kommt die Tafel mit dem Giebel, aber noch ohne die seitlichen Pilaster vor, welche das architekto- nische Bild vollenden. Alle diese tektonischen Formen gehen in letzter Instanz auf den zur Aufnahme des Namens und Bil- des des Todten bestimmten Pfeiler zurück. Auf einem ande- ren Princip beruhen die Formen der massiven Vase und des massiven einfach profilirten Rechtecks, von denen jene die beim Todtencult gebrauchte ihönerne Lekythos, diese den Holzsar- cophag nachbildet. Man hat gemeint, dass die Sitte den Lei- chensteinen die Form eines Gefässes zu geben auf das vierte Jahrhundert beschränkt gewesen sei; das oben unter n. 3 be- schriebene Exemplar beweist, dass sie wenigstens bis in die Mitte des fünften zurückreicht. Das höhere Alter des letzteren giebt sich auch in der Bildung zu erkennen: die starke Ver- jüngung wirkt weniger gefällig als die mehr bauchige Form jüngerer Exemplare. Während also die Grabvase dem fünften Jahrhundert nicht abgesprochen werden darf, reicht die dem Sarcophag nachgebildete Form der Grabsteine, welche in viel späterer Zeit mit Relieffriesen geschmückt und in dieser Aus- bildung nach Rom übertragen worden ist, nach den bisheri- gen Erfahrungen in Attika nicht über die Mitte des vierten Jahrhunderts hinauf.

Um von dem Reliefstil der hier besprochenen Grabdenk- mäler wenigstens eine Vorstellung zu geben, habe ich die Steine des Phi lesios und der A r i sty IIa auf Taf.Xlli und XlVabbilden lassen. Der erstere trägt das älteste nachweisbare Beispiel der Darstellung der Se^icoiri? auf attischen Grabsteinen.

' Verwandt aber wie es scheint jünj2;cren Ursprunges ist die öfter vor- kommende Ausfüllung des Sielenrundes mit zwei sich über einem am Bo- den stehenden Kantharos stossenden Ziegenböcken.

376 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

Nichts deutet in diesem Relief auf die Wiederholung eines traditionellen Typus hin; die rechts stehende Figur des Va- ters des Philesios ist ganz originell gedacht. Wie die Haltung des in den Mantel gewickelten linken Armes zeigt, hat man sich den Alten auf einen Stock gestützt zu denken; in Folge dieses Motives ist der Mantel hinten hinabgeglitten und lässt den in Dreiviertelansichl dem Beschauer zugewandten Rücken frei; die Linie des Rückgrats ist am Original durch eine tiefe Furche bezeichnet. Es ist dem Künstler nicht gelungen, die Haltung des Oberkörpers mit dem Motiv des Aufstützens voll- kommen in Einklang zu setzen. Der Grabstein der Aristylla wiederhohlt den Typus der Dexiosis; die Mutter der Aristylla Rodilla ist sitzend dargestellt, wie meistens die Frauen in die- sen Scenen. Während diese Figur durch die bewegungslose Ruhe, in der sie befangen erscheint, idolartig wirkt, erinnert die vor ihr stehende Gestalt der Aristylla in Haltung und Ge- wandbehandlung an manche Figuren des Parthenonfrieses; auch die Züge der Beischrift lassen auf Gleichzeitigkeit mit diesem schliessen. Aber auch die Figur der Aristylla für sich betrachtet macht keinen ganz harmonischen Eindruck. In den Beschreibungen des Grabsteins wird die Figur als "Frau" bezeichnet oder aufgefasst, und in der That ist der erste Ein- druck den man erhält der einer Frau oder eines erwachsenen Mädchens. Der Künstler hat, wie die unentwickelte Brust imd das in den Beschreibungen übersehene Attribut des Vogels beweisen, ein Kind darstellen wollen, hat es aber nicht ver- slanden bei der Ausführung die Formen und Proportionen des weiblichen Körpers in das Kindliche umzusetzen. Aehn- lich wie die Figur der Aristylla auf dem attischen Grabstein wirkt das Mädchen mit dem Voejel auf einem bekannten, künstlerisch weit höher stehenden Relief aus Paros, welches auch zeitlich jenem verwandt ist {\nc Marbles in Great Britain z. S. 229).

Den besprochenen Grabsteinen haftet etwas Unfertiges, Un- harmonisches aber Ursprüngliches an, welches sich in der Form sowohl wie in der Aufschrift und dem Bildwerk kund

DIE ATTrSCHEN ORABSTEINE 377

giebt. Diese Eigenschaften geben ihnen ein eigenthümli- ches Gepräge. Die Grabsteine stellen darin nicht allein. Es sind dieselben Eigenschaften, vveleho die gesammte Cultur der grösseren Hälfte des fünften Jahrhunderts charakterisiren und ihr einen besonderen Keiz verleihen. Dem war nicht im- mer so gewesen. Es war eine Zeit vorausgegangen, in wel- cher sich Sitte und Kunst in Griechenland in festen, durch die Tradition bestimmten Formen bewegt hatten. Die typische Form für den Schmuck der Gräber war wenigstens in Athen die schlanke hohe Stele mit dem lebensgrossen Bild des Ver- storbenen und einer meist metrischen Inschrift gewesen. Durch den Sturm der persischen Invasion, welcher wie kein anderes früheres oder späteres Ereigniss der griechischen Ge- schichte das gesammte nationale Leben bis in die innersten Tiefen aufgeregt hat, waren die alten überlieferten Formen gebrochen, war die Bahn zu einer neuen Entwickelung frei gemacht worden. Die griechische Cultur ist aus den Perser- kriegen nicht nur gerettet, sondern neugeboren hervorgegan- gen. Von dieser Neugeburt sind auch die attischen Grab- denkmäler beeinflusst worden. Auch auf diesem beschränk- ten Gebiet ist man von den alten traditionnellen Formen abgewichen, ohne deshalb vollständig mit der Vergangen- heit zu brechen. Nach der vorpersischen Sitte war der Name des nächsten Anverwandten^ welcher den Grabstein hatte errichten lassen, neben dem Namen des Todten in dem Epigramm genannt worden; in der nachpersischen Zeit hat man den Errichter des Denkmals neben dem Todten auf dem Grabstein abgebildet und den beiden Bildern die Namen über- geschrieben. Später hat man dann die Bilder anderer dem Verstorbenen durch die Bande des Blutes oder treuer Anhäng- lichkeit verbundener Lieben hinzugefügt. So sind die wun- derbaren Familienscenen entstanden, welche, mit den Mitteln der neu aufblühenden Kunstfertigkeit ausgeführt, seitdem den charakteristischen Schmuck der attischen Gräber bilden. Die Erweiterung der bildlichen Darstellung erforderte andere Raumverhältnisse; so entstanden neue Formen der Grabsteine,

378 DIE ATTISCHEN GRABSTEINE

welche theils von der alten Stelenform abgeleitet theils von dieser unabhängig waren.

Wie weit die oben mitgetheilten Inschriften in der Zeit hinaufreichen, ist mit Sicherheit nicht zu sagen; die ältesten derselben werden schwerlich viel jünger sein als der Abzug der Perser aus Griechenland. Das vierschenkeliche Sigma ist höchst wahrscheinlich aus dem jonischen Alphabet in das atti- sche übergegangen; Inschriften wie n. 2 lassen vermuthen,dass es ähnlich wie jenes in den Privatgebrauch früher recipirt wor- den ist als vom Staate. Die mitgetheilten Texte beweisen, dass das jonische Alphabet in Athen um die Mitte des fünlten Jahr- hunderts für private Aufzeichnungen auf Stein verwandt wor- den ist; es kann nicht wohl anders gedacht werden, als dass es in den litterarisch gebildeten und ihätigen Kreisen schon in der vorhergehenden Epoche im Gebrauch gewesen ist ^ Wenn daher die Weihinschriften in attischem Alphabet bis an das F]nde des fünften Jahrhunderts herabreichen, so ist daraus zu schliessen, dass man für die zur Aufstellung in öf- fentlichen Heiligthümern bestimmten Aufzeichnungen andern Grundsätzen gefolgt ist und an der alten Schrift festgehalten hat, so lange der Staat sich derselben für seine amtlichen Aufzeichnunofen bediente. Dasieeen o^iebt es eine andere Classe von Denkmälern, welche genau dieselben Erscheinungen der Schrift aufweist wie die Grabsteine aus der nachpersischen Zeit und von diesen nicht getrennt werden kann. Auf rothfi- gurigen Vasen findet man nicht nur attische und jonische Zeichen in den Formen der üebergangszeil neben einander verwendet, sondern auch dieselben Fehler in der Verwendung der jonischen Zeichen für die langen Vocale wie in einigen der oben besprochenen Grabinschriften^.

* Ich glaube auf Grund der Grabsteine noch etwas weiter gehen zu kön- nen als V. Wilamowitz (Homerische Unters. S. 303 f.), der im Uebrigen richtig geurtheilt hat. Den Grabstein der Hipparete aber hätte v. W. nicht wieder dem fünften Jahrhundert zuschreiben sollen; die Inschrift ist wirk- lich nicht älter als die Mitte des vierten.

2 Für die Bequemlichkeit der Leser setze ich zur Vergleichung die In-

DIE ATTISCHEN CtRABSTEINE 379

Grabinschriften in aUisscheiri Alphabet und vollkommen re- gelmässiger Schrift sind nicht vorhanden. Von den aus dem Corpus angeführten Inschriften gehören n. 489 und 401, welche ich im Original gesehen habe, sicher, 491« nach den Drucken wahrscheinlich der Uebergangszeil der Schrift an; 490 ist nur vermuthungsweise unter die Grabschriften aufgenommen wor- den. Auf den Steinen der üebergangszeit überwiegt das jo- nische Alphabet. Alles drängt zu dem Schluss, dass dieses spätestens seit dem Anfang des peloponnesischen Krieges in Attika allgemein in den Grabinschriften angewendet wor- den sei.

ULRICH KOEHLER.

Schriften einer dieser Vasen hier her (Dumont, Les CSramiques de la Grece propre Tf. IX): PO/VTOMEAEIA AO^O r/^AYKE OAAEIA KYMOAflKE KYMO- OEA TAAE/VE. Ein anderes Beispiel b. Furtwängler, Die Samml. Sabouroff Tf. 55. Diese Vasen dem vierten Jahrhundert zuzuschreiben halte ich we- gen der Schrift für unmöglich. Mit den Aufschriften der Grabsteine stim- men natürlich auch die von Gräbern herrührenden opot überein. C. I. A. II 1064. 1071 (vgl. S 540) und 1073 gehören, obwohl in, jonischem Alphabet ge- schrieben, der Üebergangszeit des fünften Jahrhunderts an. Gemischtes Al- phabet hat der 'Aörjvaiov IV S. 123, 13 verötfentlichte Stein; in der Fassung hat diese Inschrift eine gewisse Aehnlichkeit mit der Grabschrift der Phi- lippe (oben n. 34).

Alexandrinische Sculpturen in Athen,

(Tafel XXI XII.)

Vor einigen Jahren hat Puchstein in diesen Mittheilungen (1882, S. 8 ff.) auf eine Anzahl hellenistischer Bildwerke auf- merksam gemacht, welche mit einer Sammlung aegyptischer Älterthümer als Schenkung eines griechischen Patrioten, Gio- vanni di Demetrio, in den Besitz der Archäologischen Gesell- schaft in Athen gelangt sind und jetzt im Polytechnikum da- selbst bewahrt werden. Seitdem ist eine griechisch-römi- sche Bronze daraus, die Figur eines tanzenden Fauns, in der 'E^prjf;.. i.^/. 1885 ziv. 6 und eine altaegyptische Bronze, die Portraetfigur einer Priesterin Takuschi, in der Gaz. ar- cheol. 1883 Tf. 33 und 34 publicirt worden. Das Interesse, welches diese Produkte alexandrinischer Steinkunst verdie- nen, wird es aber rechtfertigen, wenn wir auf Tafel 10-12 einige andere Figuren der Sammlung Demetrio veröffent- lichen.

Der Fundort der einzelnen Stücke ist nicht genauer be- kannt. Gewiss ist nur, dass sie aus Aegypten stammen, und als wahrscheinlich darf man annehmen, dass Demetrio haupt- sachlich in seinem Wohnort Alexandrien und dessen Umge- bung, überhaupt im Bereiche des Nildella gesammelt hat, welches noch heutzutage, wie zu Minutoli' s Zeiten und noch früher', von den Antiquaren Alexandriens und von industriel-

* Minutoli, Reise nach dem Ammonstempel S. 35. Ders. Abhandlungen vermischten Inhalts II, 1 S. 154 f. Michaelis, Anc. marbl. in Girat Briiain Ö. 188 und neuerdiuf^s Arneric. Journ. of Archacul. I 8 18.

ALEXANDRINISCHE SRUI.PTUREN IN ATHEN 38t

len Arabern mit Erfolg ansgebeiitiU wird. Wenn an der Pro- venienz im allgemeinen noch ein Zweifei bestehen könnte, so würde ihn der Gesammtcharakter dieser Funde, der Vasen Bronzen und Geräthe, ihre grösstentheiis rein aegyptischen Formen und Gegenstände, zerstreuen. Auch wird von anderen Antiken desselben Sammlers, welche nach Frankreich und England gekommen sind, die Herkunft aus Alexandrien aus- drücklich bezeugt '.

Zur Erklärung der auf unseren Tafeln vereinigten Bild- werke hat bereits Puchstein in dem erwähnten Aufsatz einige Andeutungen gegeben. Ihm entnehme ich auch die sachli- chen Notizen über Grösse, Material und Arbeit der Originale, die ich selbst nicht untersuchen konnte.

Einen bekannten Atlantentypus variirt die kleine Bronze- figur Taf.XI, 1, deren Höhe etwa 0,10 beträgt. Der knieende, unbekleidete und unbärtige Träger stützt mit beiden erhobe- nen Armen eine dreieckige Platte, welche durch eine nach dem Rücken der Figur geführte Stange noch grösseren Halt gewinnt. Offenbar ist es der Träger eines jetzt fehlenden, ursprünglich auf die Platte aufgelöteten Gefässes und wir ha- ben uns die Figur mit noch zwei anderen so vereint zu den- ken, dass sie das Geräth zwischen sich nahmen. So finden sich kauernde Atlanten als Stützen eines Wasserbeckens im vatikanischen Museum^ und ganz ähnlich als Träger eines kugelförmigen Gegenstandes auf dem Relief von Scherschel im Louvre^ Die Kopfbeckung erklärt Puchstein a. a. 0. S.

* Eine runde Marmorbasis hieratischen Stils " aus Alexandrien" ehemals bei üio.di Demetrio.jetzt in Cambridge, Trinily College nr.tl.^) (Michaelis /Im;, marbl.S. 271), vgl. auch Michaelis, Journ. of hell. stud. 1885 S.292 f. Über die

reicheSammlung griechisch-römischer Amphorenhenkel, welche Demetrio aus den Scherbenbergen Alexandriens gewonnen hat, berichtet Nerutsos, 'Emyp. 1^? äp/. toXecüs 'AXs^otvSpet'a? xxX. 'A6. 1885 S.45 (Scpar. Abdr. aus dem 'A^^ vatov 1874). Die oben erwähnte Bronzeligur einer aegyptischen Prieslerin stammt aus Zakazik im Nildelta (Pietschmann zu Perrot's Gesch. d. Kunst d. Alt. I S. 890).

2 Visconti Mt(.s. Pio-Clem. VH Tf. 4 = Clarac 726 />, 1770/1.

3 Arch. Zeit. 1862 Taf. 166, 1.

382 ALEXANDRINISCHE SCULPTUREN IN ATHEN

11 nr. 157 fragvveise als einen Helm, doch gleicht sie eher einer Haube, die sich kaputzenartig um Wangen und Kinn legt. Vermuthlich ist die persische Tiara gemeint, und als Perser aufgelasst entspricht die Figur auch der Bedeutung nach besser der Bestimmung eines Atlanten'. Das dem grie- chischen Selbstgelühl schmeichelnde Motiv ist vielleicht zum erstenmal an der persischen Halle in Sparta (Paus. 3, 11. 3 vgl. Curtius, Peloponnes 11,226) angewendet worden ; dass es erklärlicherweise in hellenistischer Zeit wieder aufkam, beweisen ausser der alexandrin ischen Bronze auch zwei als Pfeilerstützen dienende, ebenfalls kauernde Perserstatuen des neapler Museums, die in der Auffassung der Bronze sehr ähn- lich, sich hauptsächlich durch das sorgfältig ausgeführte iNa- tionalkostüm von ihr unterscheiden.

Mit ungemein scharfer Charakteristik ist der Typus eines Schmarotzers in dem Figürchen Taf. X wiedergegeben (H. 0,15). An der schlanken, hageren Gestalt, deren Leib keinen Verdacht allzu reichlicher Ernährung aufkommen lässt, ist der dicke Kopf mit der eingedrückten aufgestülpten Nase und dem unförmlich breiten Mund das einzig Bemerkenswerthe. Wie der aypoixo; in Theophrasts Charakteren scheint er heim- licher Weise etwas aus der Vorrathskammer erwischt zu ha- ben,was er jetzt gierig hinunter schlingt. Aber der würgende Bissen ist zu gross gerathen und muss mit beiden Händen die Kehle hinab gedrückt werden. Das übermässig entwickelte Geschlechtsglied verstärkt den Eindruck des Komisch-Wi- derlichen. Die Durchbohrung desselben weiss ich nicht zu erklären. Sie kann meines Erachtens weder die Infibulation darstellen, noch etwa (woran ich einen Moment gedacht hatte) dazu gedient haben darin einen Ring zum Aufhängen der Fi- gur zu befestigen. Auch die Hallung bleibt unklar, wenn man nicht mit Puchstein (a. a. 0. S. 15 nr. 333) annehmen will,

' Gefesselte Kriegsgefangene als Stützen eines Thrones finden sich be- reits in der aegyplischen und assyrischen Kunst, iSeniper Ölil li^ Ö.15f. 20. Wilkinson, Manmrs and customs 11 Tf. H, 3.

ALEXANDRINISCHE SGULPTUREN IN ATHEN 383

dass irgend ein als Sitz dienender Gegenstand doch schwer- lich ein ''Sessel" verloren gegangen ist.

Die beiden übrigen Statuetten haben ihren Vorwurf augen- scheinlich Volkstypen entlehnt, wie sie in den Strassen Ale- xandriens und anderer Städte des Ptolemaeerreiches ganz ge- wöhnlich sein mussten. Das kleine Bronzefigürchen Tafel XI, 2, dessen Höhe nur 0,05 beträgt (Puchstein S. 14 nr. 332), stellt einen nubischen Strassenverkäufer dar*. Seine Waare wie es scheint sind es Früchte liegt vor ihm auf dem Bo- den. Er selbst hat sich nach einer noch im heutigen Aegyp- ten allgemein üblichen Sitte auf die Erde gesetzt, das eine Bein aufgestützt, das andere untergeschlagen 2. Die Hände und der Kopf ruhen auf dem erhobenen Knie. Der Ver- käufer hält etwas Siesta und der auf seiner rechten Schul- ter hockende kleine Affe erhöht das VYohlgefühl der Ruhe durch emsiges Krauen in dem dicken VVollenhaar seines Herren. Die zweite, bei weitem grössere Statuette Tafel XII ist aus Basalt '^ und in ihrem jetzigen Zustand etwa 0,40 hoch (Puchstein S. 15 nach nr. 333). Es ist ein Knabe von schlanken Formen , wiederum mit der scharf ausge- geprägten Physiognomie eines Nubiers. Er steht ruhig auf dem linken Bein, hat den linken Ellenbogen fest in die Hüfte gestemmt und mit der Hand einen Gegenstand hochgehalten, zu welchem der breite Ansatz auf der linken Schuller gehört

* Herr Prof. Rob. Hartmanii in Berlin hatte die Güte mir über diese Bronze brieflich mitzulheilen: Überraschend wirkt Taf. XI Fig. 2: Haar- tracht, die glatte, etwas bärtige Physiognomie, die Art des Kauerns, die dünnen Glieder, der stark entwickelte Phallus, das Ätl'chen erinnern durch- aus an einen Schwarzen des oberen Nilsyslems. Unter meinen Bleistift-und Aquarellskizzen aus Dongola und Sennaar tindet sich diese, dort ganz na- türliche Stellung öfters dargestellt, sie ist eben echt landesgemäss. Aber auch die sonstigen Einzelheiten des Figürchens trügen nicht.

2 Diese Sitzweise zeigt auch die Bronzeligur eines Neger- Knaben in den Wiener Kaiserl. Sammlungen, welche Schneider im Jahrb. d. Kunsthist. Samml. d. allerh. Kaiserh. 1885 S. 3 Ü'. publicirt hat, wo im Text die Ver- breitung des Typus ausführlich besprochen ist.

3 Auf der Tafel ist irrlhüuilich Bronze als Material augegeben.

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haben muss. Der rechte Arm bewegt sich gegen diesen jetzt fehlenden Gegenstand, den Puchstein für eine Leyer hält. Auch Prof. Hartmann empfing zunächst den Eindruck, als könne in der Statuette ein Leyerspieler gemeint sein, er- kannte aber auch, das» die Rassenmerkmale (die starke Ent- wicklung der Genitalien, die breittlüglige Nase, der breite fleischige Mund und das lockige Haar) aus dem griechisch - römischen Kreise herausweisen. Zu letzteren Merkmalen ge- hört sicher das wollige Haar, welches an griechischen Köpfen mit hellenischem Typus nicht vorkommt, den einzelnen Fall des gewöhnlich auf ßerenike bezogenen Bronzekopfes im nea- pler Museum {Bronzi d'Erc. I. 59. 60) ausgenommen, dessen Vorbild eben desshalb im Bereich alexandrinischer Mischkul- tur zu suchen ist. Jedenfalls würde das Musikgeräth des nu- bischen Knaben nicht die griechische Leyer, sondern irgend ein in den oberen Nilländern übliches Instrument gewesen sein. Doch ist diese Ergänzung keineswegs sicher. Aus der starken Einbiegung der Hüfte und dem Aufstützen des Arms auf dieselbe ist zunächst nur zu scliliessen, dass der Knabe ein schweres Geräth nach der noch jetzt im Süden gewöhnli- chen Weise * mit emporgehaltener Handfläche getragen hat, und man könnte vermuthen, dass er die Last durch Anfas- sen mit der Rechten vor dem Wanken bewahren wollte. Von dem Kopf meint Puchstein, er sei bittend oder bettlerhaft links nach oben gewendet. War es also ebenfalls ein Stras- senverkäufer , den der Verfertiger der Statuette darstellen wollte, so mag man sich denken, dass er in den Strassen Ale- xandriens mit lauter Stimme seine Waaren angepriesen hat und nun, nach den Erkern- emporschauend, die Wirkung seines Rufes abwartet.

* Vergleiche z. B. Ebers, Aegypten II S. 157, eine Orangenverkäuferin, welche ihre Früchte auf der Ilachen, emporgehobenen Hand trägt. Ein alt- aegyplisches Beispiel giebt Wilkinson, Manners II Fig. 77 IS. 6.

^ Ich bemerke beiläufig, dass balconi pensüi (maeniana) schon im alten Alexandria vorauszusetzen sind, als Vorbilder der pompejanischen Erker- bauten und zugleich der arabischen Maschreblyen.

ALEXANDRINISCHE SCULPTUREN in ATHEN 385

Auf die technische Ausführung der Figuren kann ich ohne Autopsie der Originale nicht näher eingehen. Die sorgfältige Zeichnung, welche den Abbildungen zu Grunde liegt, erlaubt jedoch noch in einem Punkte, der für die zeitliche Ansetzung der Statuetten entscheidend ist, ein hinreichend sicheres Lir- theil. Die Perserligur Taf. XI, 1 in ihrer "rohen" Modelli- rung könnte auch in römischer Zeit entstanden sein, nicht so die übrigen Bronzen und die Basaltfigur, an denen die tref- fende Charakteristik des gierigen Schmarotzers und des nubi- sehen Rassentypus das höchste Lob verdient. Es steigert sich noch, wenn wir beobachten, mit welchem Fleiss an dem kaum daumenlangen Figürchen des nubischen Fruchthändlers selbst noch die einzelnen Löckchen des wolligen Haupthaars ausge- führt sind. Solcher Leistungen war die gewöhnliche Routine römischer Bronzearbeiter nicht fähig, wir dürfen sie nur in der hellenistischen Epoche suchen, in welcher die griechische Toreutik ihre höchste Vollendung erreichte. Soweit mit der Datirung hinaufzurücken, nöthigt uns auch die geschickte Behandlung des Basaltes in der Statuette des nubischen Kna- ben. In römischer Zeit wird dieses harte Material noch häu- fig genug für Sculpturen verwendet, aber die erlahmende Technik vermag ihm nicht mehr feinere Modellirung abzuge- winnen. Die alexandrinischen Steinarbeiter der hellenistischen Epoche und namentlich der früheren Zeit der Ptolemaeer- herrschaft waren darin den römischen Steinmetzen weit über- legen, da sie die Handgriffe der Technik direkt von ihren ait- aegyptischen Vorgängern überkamen. Es lässt sich aus den erhaltenen Denkmälern überhaupt nachweisen, dass die ge- rühmten Handfertigkeiten der Werkstätten Aegyptens vor Ale- xanders Zeit, die Kunst in den härtesten Steinen, in Glas und Edelmetallen zu arbeiten, mit ihren besonderen Manipulatio- nen, ihren Formen und Mustern, nach dem Einwandern grie- chischer Kultur auch auf die alexandrinisch - griechische Kleinkunst überging.

Ich habe kein Bedenken getragen unsere Figuren sofort in den kunsthistorischen Zusammenhang einzureihen, dem sie

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meiner Ueberzeugung nach angehören. Aber es bedarf noch der Rechtfertigung von aiexandrinischer Plastik im engeren Sinne des Wortes zu reden, einer Kunst deren Vertreter die schriftliche üeberiieferung völlig mit Stillschweigen übergeht, während sie von alexandrinischen Architekten und Malern so viel zu berichten weiss. Sollte es nicht bedeutsam sein, wird man einwenden, dass sich kein einziger Name eines in Ale- xandrien geborenen und daselbst thätigen Bildhauers der Pto- lemaeerzeil erhalten hat?* L,ucy Mitchell {Hist. of anc.sculpt. S. 60(3) kommt denn auch zu dem Schluss, dass kein Grund vorliege in Aegypten eine neue und lebenskräftige Kunst der Art, wie sie sich in Pergamon und auf Rhodos entwickelt hat, vorauszusetzen. Die Statue des Nil im Vatikan, deren Ursprung man so gern nach Alexandria verlegt, und ein Paar daselbst gefundene Kunstwerke, sowie die Zeugnisse des Kallixenos und des Theokrit werden zwar angeführt, gelten aber nicht als genügender Gegenbeweis. Auch nicht für die beiden Au- toritäten, die vor ihr das Problem berührt haben. Brunn (Gesch. d. gr. K. 1, 595) versuchte die Lücke der üeberiiefe- rung damit zu erklären, dass die in Aegypten seit Jahrtau- senden blühende, einheimische Kunst die Ptolemaeer genö- thigt habe sich in ihren künstlerischen Unternehmungen den nationalen Ansprüchen zu fügen und sich zu begnügen eine Umgestaltung nur allmählich einzuleiten. Und auch Overbeck (Gesch. d. gr. Plast. iP, 199) ist der Meinung, Alexandria habe keine selbständige Kunstschule erzeugt, es habe keine Plastik besessen, welche sich über das Niveau des künstle- rischen Handwerks erhob. Trotzdem hoffe ich durch die Zu- sammenfassung bereits vorliegender Thatsachen den Nach- weis zu liefern, dass in Alexandrien neben einer aufs höchste

* Aus römischer Zeil sind einige aegyptische Steinmetzen bekannt, Löwy 1GB. nr. 363 (Frotys) und soviel aus dem Namen zu schliessen nr. 382 (Phidias und Ammonios). Die von Nerutsos, 'Entypajpal xt)>. S. 35 publicirte Votivinscljrift nennt nicht die Verfertiger des Votivs, sondern die Donato- ren, lieber die Bildhauer Theou und Demetrios siehe weiter unten.

ALEXANDRINISCHE SnULPTUREN IN ATHEN 387

gesteigerten wahrhaft schöpferisch vorgehenden Bauthätigkeit und einem ungeahnten Aufscliwung der Wand - und Tafel- maierei auch die Plastik nicht verkümmert ist, vielmehr neue und eigenartige Wege gefunden hat^

Die allgemeinen Gründe, welche dafür sprechen, mögen in aller Kürze angedeutet werden. Schon an sich ist begreif- lich, dass die monumentalen Schöpfungen Alexanders und der ersten Ptolemaeer, welche aus der Hauptstadt des neuen Weltreichs eine für alle folgenden Zeiten als Vorbild geltende Musteranlage gemacht haben, auch des plastischen Schmu- ckes nicht entbehren konnten. Aus den Schilderungen des Kallixenos (Frg. 1 und 2 bei Müller F. H. G. III, 59) über den Festzug des Ptolemaeos Philadelphos und über die Pracht- gemächer der Staatsbarke (OaXa^-Toyo?) des Philopator, aus de- nen Theokrits (15, HO fgg.) über die Adonisfeier der Arsinoe erfahren wir genauer, welchen verschwenderischen Gebrauch man damals in Alexandrien von Kunstwerken aller Art, na- mentlich auch von Statuen zu machen liebte. Eine zufällig erhaltene Künstlerinschrift aus dem Beginn des 2. vorchrist- lichen Jahrhunderts (Löwy IGB. nr. 187) nennt einen Bild- hauer Theon von Antiochia und einen Rhodier Demelrios als Verfertiger eines Reiterstandbildes in Alexandria, zeigt also in einem einzelnen, aber gewiss nicht vereinzelten Falle, dass der Fürstenhof der Ptolemaeer ganz ebenso fremde Künstler an sich gelockt hat, wie Pergamon zur Zeit der Attaliden^.

' Auf die Frage, warum die literarische Ueberlieferung über alexandrini- sche Plastik so schweigsam ist, kann ich an dieser Stelle ohne weitläuGg zu werden nicht näher eingehen. Es begreift sich aber leicht, dass darüber allein die Wahl der Quellen, welche unsere beiden Hauptautoren zu Rathe zogen, d. h. deren Stotfgrenzen entscheiden raussten, und dass das argumen- tum ex sileniio hier noch weniger als anderwärts gilt. Was wüssten wir z. B. über die rhodische Kunst, wenn nicht zufällig die Künstlerinschriften in die klalfende Lücke bei Plinius und Pausanias getreten wären?

^ Der Name eines anderen Bildhauers scheint an dem concaven Theile einer Plinlhe erhalten zu sein, welche zusammen mit einer Heraklesstatue aus Marmor im Jahre 186tj in Alexandria gefunden wurde (Bull, de VJnst.

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Ich glaube, dass auch Bryaxis, der Schöpfer der KuUstatue des Sarapeions in Alexandria, aus Kleinasien herbeigerufen war, sehr wahrscheinlich von Ptoiemaios I. Soter, dem Er- bauer oder V ollender desselben K Und an Aufträgen für diese zuwandernden Bildhauer Hessen es die Lagiden auch sonst nicht fehlen. Bereits der Begründer der neuen Dynastie sorgt dafür, dass sein doch wohl in Alexandrien ausgeführtes Stand- bild in Olympia aufgestellt wird (Paus. (3, 15, öj. An kunst- liebe und Sammelleidenschaft überbietet ihn sein iNachfolger, Ptolemaeos Philadelphos ^, dessen Ehrenstatuen wir ebenfalls in den vornehmsten Kultstätten Griechenlands begegnen. Sei- ner Geliebten und Mundschenkin Klemo liess Philadelphos überall in Alexandrien Standbilder errichten (Polyb. 14, 11. 2=:Athen.l3 S. 576). Kultstatuen in den von ihm seinen El- lern und seiner Schwester Arsinoe erbauten Tempeln führen Theokrit 17, 124 (Goldelfenbeinbilder) und Plin. 37, 108

egypi. nr. 10 [1866] S. 21). Erhalten waren von der ersten Zeile die Buch- staben AQP, darunter in kleineren Charakteren der Rest voü ['H-r.oiTt<3]i.v. Der Verbleib der Ötatue und des Basisfragiuenls ist mir nicht bekannt.

' Dieser Bryaxis, den Athenodürus (bei Uiem. Alex. Protr. 4, 48) be- stimmt von dem Zeitgenossen des Bkopas unterscheidet, ist vermulhlich wie sein Name (Bull, de corr. hell. V S. 4yci Ü'. Bezzenberger Beiträge X ö. 177) Karischer Herkunft. Seinen Aufenthall am Hofe des öeleukosNikator (3Ü6- 281) bezeugt ^Fiin. 34, 73 und die Apollostatue in Daphne bei Anliochia, der Sommerresidenz der Seleukiden (Uverb. SQ. 1321 11.). Dass die Beschrei- bung bei Clemens von Alexandrien gerade auf das Bild im Sarapeion geht und dieses nichts weniger als märchenhaft ist, wie man neuerdings wieder- holt angenommen hat, beweisen die bisher überseheneu Angaben in Ruf- lins Kirchengeschichle H, 23 (auch in Eilelberger, Quellenschriften f. Kunst- gesch. XH S. 1911'.). über die verwickelte Streitfrage bezüglich der Her- kunft des Bildes oder des Kults aus Sinopevergl. jetzt auch Michaelis your«. ul liell. sind. 1885 S. 28U II'., dessen scharfsinnigen Erörterungen ich mich nur iheilweise auschiiesen kann.

^ Bekannt ist die Vorliebe des Philadelphos für Gemälde der Sikyoni- schen Schule (Kallixenos l'rg.2), eine Neigung, welche Aratos geschickt be- nutzte (üutschmid zu Sharpes Cesch. Egypl. 1, 2IU). Charakteristisch sind seine Verhandlungen mit deui Maler Nikias (Uverb. SQ. 18141.) und mit Anliochos, von dem er sich eine schöne Arlemisslatuc erbeten balle (Li- ban. oral. 1, öUü, Vi ed. Keiske), um sie in Alexaudria aufzustellen.

ALEXANDRINrSCHE SCULPTUREN IN ATHEN 389

(Statue der Arsinoe aus einem Topasblock) an. Auch die Staats- barke des Philopator (221-204) war mit Göttei'bildern und den Poi'trätstatnen der königlichen Familie reich ausgestattet (Kallix. Frg.l). Derselbe Ptolemaeer schmückt das alexandri- nische Homereion mit den Statuen des Dichters und der sie- ben konkurrirenden Geburlsslädte (Ael. V. H. 13, 21). Nach alle dem war Verherrlichung der Person des Königs und sei- ner Günstlinge, Ausschmückung seiner Bauten vermuthlich lange Zeit, wenn auch nicht die einzige so doch eine Haupt- aufgabe der alexandrinischen Hofkünstler ^, bis das wüste Treiben des Ptolemaeos Physkon (Athen. 4 S. 184) um die Mitte des zweiten Jahrhunderts jene Flucht der Künstler und Gelehrten veranlasste, welche wie es scheint den Niedergang der alexandrinischen Kunslblüthe zur Folge gehabt hat. Dass sich aber in dem Zeitraum zweier Jahrhunderte neben einer zu und abziehenden Künstlerschaft auch eine ansässige Künst- lergilde herausgebildet! hat, dürfen wir als selbstverständlich voraussetzen. Es fragt sich nur, ob ihren Schöpfungen in Form und Gedanken ein specifisch alexandrinisches Gepräge aufgedrückt war und auf diese Frage geben die erhaltenen Bildwerke noch eine unzweideutige Antwort.

Die Menge der nachweislich im Nildelta und speciell auf dem Gebiet Alexandrias gefundenen Antiken und Anticaglien griechischen Ursprungs ist grösser, als man bei der gänzli- chen Zerstörung der hellenistischen Städte Aegyptens vermu- then sollte. Sie sind weithin in den europaeischen Museen zerstreut und nur zrmi allergeringsten Theil im Lande ge- blieben. Es fehlt nicht an grösseren Bildwerken unter ihnen, an Statuen und Besten von solchen aus den besten Zeiten ale- xandrinischer Kunst bis zu den Dimensionen jenes kolossa-

' Porträtslatuen der Ptolemaeer, von ihnen oder ihren Höflingen gestif- tet, erwähnt Pausanias 6,3,1; 16,7; 17,2; 9,31,i u. s. o- Einige aus Aegyp- ten stammende Bildnisse der Ptulemaeer sind in das Britische Museum und in englischen Privatbesitz (Michaelis, Anc. marbl. S. 416. 659) gekommen.

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len Marmorfusses im Britischen Museum ^ den man versucht sein könnte mit dem erwähnten Kultbild des Bryaxis in Ver- bindune: zu bringen. Doch überwiearen begreiflicher Weise die kleineren Kunstprodukte, wie Terrakotten und Bronzen, von denen namentlich bei den durch Napoleon Hl angeregten Ausgrabungen in Älexandrien grosse Mengen gefunden wor- den sind 2. Ist auch bei derartigen Erzeugnissen der Klein- kunst, die oft genug zu Exportartikeln werden, die Prove- nienz zunächst kein Zeugniss für den Enstehungsort, so wir- ken doch hier in vielen Fällen zwei Momente zusammen den alexandrinischen Ursprung sicher zu stellen, der specifische Charakter der Gegenstände und die üebereinstimmung der Formen.

Man kann sich leicht vorstellen, dass in einem Lande von so eigenartiger Naturscenerie und Bevölkerung, von tausend- jähriger Kultur und voller bewunderungswürdiger Monumente die Anregungen für die einwandernde griechische Kunst an- derer Art gewesen sein müssen, als im eigentlichen Griechen- land. In keiner anderen Stadt des Alterlhums gab es einen solchen Zusammenfluss der heterogensten Volkselemente, von Griechen, Asiaten, Juden, Aegyptern und Negern, wie in Äle- xandrien; ein so buntes, ausgelassenes Treiben auf den Stras- sen, eine Bevölkerung, die nur für Wettspiele, Aufzüge, Tän- zer, Musikanten und Possenreisser begeistert war^ und deren beissenden Witz noch die römischen Beamten, ja die Kaiser selbst bei ihren Besuchen der Stadt zu fürchten hatten. Die glänzende Schilderung Alexandrias in Friedländers Sittenge-

1

Jetzt aufgestellt in der Southern Egyptian Galery nr. 847. Sharpe's Ver- mulhung (Gesch. Eg. II, 244) hat Emil Braun B. d. J. 1849 S. 151 sehr fein durch die Bemerkung unterstützt, dass mit dieser Annahme auch erklärt wird, warum der Fuss als Theil eines Akroliths hinterwärts, wo das Ge- wand verdeckte, glatt abgeschnitten ist.

2 Oppermann in der Archaeol. Zeitung 1868 S. 14.

3 Das Unwesen der Gaukler und Musikanten im heutigen Aegypten, wel- Iches Goltz, Ein Kleinstädter in Aegypten S,134 so drastisch schildert, deckt sich noch ganz mit dem der Ptolemaeer- und Römerzeit.

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schichte Roms IP S. 133 ff. und jetzt die kurze, aber tref- fende Charakteristik in Monimsens Römischer Geschichte V, 577 ff überhebt mich der Aufgabe davon ausführlicher zu re- den. Unter diesen Einllüssen erhielt die neben der weiter exi- stirenden aegypfischen neu aufblühende griechische Lokal- kunst des Ptolemaeerreiches und seiner Residenz S wie wir aus ihren Produkten, den Terrakotten und Bronzen, den Va- sen und Schmucksachen, den Statuen und vor allem auch aus zahlreichen, specifisch alexandrinischen Bildern und Motiven der campanischen Wandmalerei erkennen, ihren eigenthüm- lichen Charakter. Sie zeigen uns als die frappantesten Züge alexandrinischer Kunst das Herübernehmen gewisser techni- scher Prozeduren der altaegyptischen Kunst, den Versuch im Ornament und in Bau- und Geräthformen aegyptische Mo- tive den griechischen zu assimilieren, eine Hinneigung zum extremsten Realismus, welcher der Sinnesart des Alexandri- ners und der gelehrt -didaktischen Richtung, die alle geistige Thätigkeit daselbst beherrschte, so angemessen war, und was damit in natürlichem Zusammenhang steht, die rückhaltlo- seste Hingabe an alle Stoffe, welche das Leben und Treiben auf den Strassen Alexandriens dem Ausre darbot. Nur selten ist die Auffassung solcher Gegenstände so naiv und launig -hei- ter, wie in dem londoner Silberfigürchen des Knaben, den die Gans, sein Spielgefährte, in das Ohr beisst^, und gerade diese Figur weist stilistisch in einen besonderen Kreis von Bild- werken, auf den ich zurückkommen werde. Meist wird der Vorwurf mit dem derbsten Cynismus behandelt und in das Grotesk - Komische herabgezogen. Um es kurz zu sagen. Ale- xandrien scheint nicht nur die eigentliche Brutstätte des hel-

* Die literarischen Zeugnisse für das hochentwickelte alexandrinische Kunstgewerbe der hellenistischen Zeit hat Lumbroso, L'rconomie politique de VEgijpte sous les Lagides 8. 100 IT. gesammelt. Ich unterlasse es sie hier nochmals anzuführen und mit den Denkmälern zu confrontiren.

2 Die Figur, in Alexandrien gefunden und jetzt im Britischen Museum, ist vor kurzem von Ernest A. Gardner im Journal of Hell. Stiidies 1885 Tf. A publicirt und sehr eingehend und gelehrt besprochen worden.

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lenistischen Genre's zu sein, sondern auch mit der Schöpfung jener Carricaturen, die wir so ungemein häufig in spätgrie- chischen Terrakotten finden, den Anfang gemacht zu haben. Bereits der alexandrinische Maler Antiphilos, der Zeitge- nosse des ersten Ptolemaeers und Widersacher des Apelles, macht sich einen Namen mit seinen Gemälden tanzender Gryl- len (Plin. 35, 114), die zum Vorbild einer neuen Kunstgat- tungwurden. Es sind jene, auf römischen Monumenten * öfters vorkommenden Zwers-ffestalten mit unförmlich hängendem Glied, spitzem Kopf und spitzer Mütze, die gewöhnlich in einem Nilboot auf hohem Podium unter Flötenmusik ihre wunderlichen Tänze {ypuXkiaif.ht;, Phrynichos bei Bekker, Anec- dot. gr. l S. 33) aufführen, vielleicht eine Parodie der zügel- losen Lustbarkeiten von Kanobos, welche Strabo 17, 1,17 be- schrieben hat. Nahe verwandt sind ihnen die ebenfalls zwerg- haften Pygmaeen, die gelegentlich auch dieselbe spitze, an den italiänischen Pulcinella erinnernde Filzmütze tragen (Hei- big,Wandb. nr. 1531), dazu aber noch einen Spitzbauch oder unmässig grosse Glutaeen, einen dicken Kopf und schwäch- lich dünne Beinchen bekommen. Allerlei Zerrbildungen ähn- licher Art schliessen sich an. Mit solchen Kobolden bevölkert die alexandrinische Malerei 2 gern ihre Nillandschaften, sie

* per volle Typus findet sich auf geschnittenen Steinen, z. B. Ficoroni, Gemmae litterat. Tf. III Fig. 8. Caylus, Reciieü I Tf. 3. 3. Die Einzelfigur eines Tänzers auf einer aegyptisirenden Bronze-Vase der Sammlung Char- vet bei Fröhner, Mus. de France Tf. 18 (am Hals der Vase Krokodillkampf). Die landschaftlichen Motive deuten immer bestimmt auf Aegyptcn. Ein- zelne Tänzer auch auf Lampen Bellori, Lucern. sepidcr. I, 34, auf einem Mosaik aus Villa Corsini ebd. Tf.35, unter den pompejanischen Bronzen u. s. w. Vgl. O Jahn, Archaeol. Beiträge S. 431 Anm. 71.

2 Heibig, Camp. Wandb. nr. 1527(1. Presuhn, Reg. 9 ins. 5 nr. 8-10. Gaz. arch. 1880 Tf. 25 und sonst. Ein Pygmaee gegen einen Kranich kämp- fend auf einer dreieckigen Flasche der aus alexandrinischen Funden gebil- deten Sammlung Pugioli (nach Mittheilung des Herrn D'" Puchstein). Pyg- maeen, in Nilbüten fahrend, an der Basis des vatikanischen Nil [Mus. Pio- Clem. I Tf. 37) und auf aegyptisirenden Thonfriesen (z B. Combe Tf. 20. Agincourt Tf. 9, 2). Die Aufzählung der Darstellungen Hesse sich leicht vermehren. Einiges bezügliche Material stellt Jahn, Arch. Beitr. S. 430 zu- sammen.

ALEXANDRINISCHE SGULPTUREN IN ATHEN 393

spuken in alle möglichen Situationen des Alltagslebens hin- ein, an Stelle der sonst in der hellenistischen Kunst als Hand- langer oder Stellvertreter der Menschen dienenden Eroten. Sie finden sich auch noch in einer grossen Menge von Bronzen und Terrakotten, die aus Alexandrien stammen. Ein Figür- chen im pariser Cabinet des Medaüles aus der Sammlung Oppermann, welche zahlreiche alexandrinische Funde enthält (Arch. Zeit. 1868 S. 14), stellt einen solchen Zwerg mit lan- gem Glied, Spitzkopf und Dickbauch dar, dessen Hände sammt dem Kopf nach einer noch jetzt in Aegyplen üblichen Weise in einem auf den Schultern ruhenden Zwangsholz gefesselt sind, unter den alexandrinischen Terrakotten, welche Pugioli vor Jahren dem Berliner aegyptischen Museum zum Verkauf anbot und deren Photographien sich noch im Besitz dessel- ben befinden, kehrt verschiedene Male der Typus eines Mu- sikanten oder eines Possenreissers in ähnlicher Auffassung wieder. Andere dergleichen sah ich in der aegyptischen Ab- theilung des Britischen Museums. Das aegyptische Museum in Berlin enthält wenigstens in der Bronzefigur eines Cande- laberträgers (mit nr. 8315 bezeichnet) ein gutes Beispiel sol- cher Groteskbildungen.

Wie sind diese Darstellungen zu erklären? Sind sie ledig- lich freie Schöpfungen der alexandrinischen Spottsucht? Man würde sie anderwärts als Phantasiefiguren bezeichnen müssen, in Alexandria waren es wirkliche Strassen typen. Wir wissen, dass man hier eine eigenthümliche Vorliebe für zwer- genartioe Sklaven hatte, die aus den südlichen Nilländern ein- geführt wurden. Auf dem Sklavenmarkt von Alexandrien standen sie neben den Pantomimen, den schönen Mädchen und Sklaven zum Verkauf (Lumbroso, ^con. polü. de VEg. sous les Lagides S. 65). Selbst das königliche Haus hielt sich solche Zwerge als Hofnarren, wie wir aus dem Geschichtchen bei Josephus (.4. /. 12, 4, 9) erfahren. Dies sind ohne Zwei- fel die Vorbilder der in der klassischen Literatur von Homer bis auf Aristoteles und weiterhin so oft erwähnten Pygmaeen und neuere Forscher glauben sie in gewissen Völkerstämmen

394 ALEXANDRINISCHE SGULPTUREN IN ATHEN

von Innerafrika, die möglicherweise Reste der Urbevölkerung sind, noch jetzt nachweisen zu können. Die Beschreibung, welche der Reisende Schweinfurth von den modernen Pyg- maeen im Lande der Monbutlu entwirft*, passt in einigen Zü- gen auch auf die alexandrinische Bronze des gierigen Schlu- ckers. Den runden Kopf, die eingedrückte Nase, den affenar- tig breiten Mund, die sehr langen Arme dieser Zwergvölker finden wir an der Bronzetigur des Schmarotzers wieder, nur dass der aufgeblähte Bauch, um die Charakteristik des Hun- gerleiders zu vollenden, hier weggelassen ist. Und wenn der Verfertiger unserer Bronze auch nicht direkt jene Vorbilder benutzt haben sollte, die Anregung zu seiner Schöpfung scheint er doch von ihnen empfangen zu haben.

Bei der Basaltstatue des nubischen Knaben und der Bronze des nubischen Strassenverkäufers kann nach Stoff und For- men die alexandrinische Arbeit noch weniger zweifelhaft sein. Zwar ist schon zu Theophrasts Zeiten {c/iar.2\) ein nubischer Sklave in Athen nichts unerhörtes, in der Kaiserzeit in Rom sogar etwas sehr gewöhnliches. Aber Strassentypen,wie diese, waren nur in Aegypten möglich und auch nur hier konnte das Interesse an der hässlichen Barbarenrasse so lebhaft wer- den, die Gelegenheit zur Beobachtung so häufig sein, dass ein griechischer Bildhauer es fertig brachte seine Nachbildung zu solcher tNaturwahrheit zu erheben Einen geistigen Contact zwischen der Gedankenwelt, welche die Gelehrten des ale- xandrinischen Museums beschäftigte, und derjenigen der dor- tigen Künstler wird man nicht leugnen wollen. Gerade in Alexandrien aber wird die Völkerkunde zuerst zu einer V^is- senschaft erhoben und gerade hier legte man sich mit Vor- liebe auf das Studium Aegyptens, wie die massenhaften Mo-

' Bull, {'gyplien nr. 12 (1873) S. 18t. Vgl. Kiepert, Lehrb. d. ant. Geogr. § 188. Ilartmann, Die Völker Afrikas, 6211', der Ö. 297 darauf hinweist, dass man bereits im allaegyptischen Reiche Hofzwerge gekannt habe, und" dass Zwerge und Verkrüppelle noch jetzt in vielen afrikanischen Ländern von den Häuptlingen und Königen als Merkwürdigkeiten gehalten werden.

ALEXANDR INISCHE SCULPTUREN IN ATHEN 395

nographieen über dieses Thema (Gulschmid im Pliilologns X, 716 ff.) beweisen.

Es liat vielleiclit wiederholter Anläufe für die bildende Kunst bedurft, ehe sie dieser Leistungen liihig war; jedenfalls sind Darstellungen von Negern in Alexandrien nichts selte- nes gewesen. Von hier stammt auch eine Negerslatue aus schwarzem Marmor, die bereits im Beginn des 17. Jahrhun- derts gefunden wurde und jetzt verschollen zu sein scheint (Michaelis, Anc. marbl. in Great Britain S 189,- Alexandri ni- scher Erfindung ist ohne Zweifel die londoner Statue des nu- bischen, auf einem gezähmten Krokodil! balancirenden Gauk- lers (Clarac 875, 2223 .1, womit Slrab. 17, L 38 zu verglei- chen), unbekannt ist mir die Herkunft des Marmorkopfes einer Nubierin in den Basement Booms des Britischen Mu- seums. Aber wohl die vollendetste Leistung, welche aus dieser Kunstrichtung hervorgegangen ist, dürfte die Bronzehgur des nubischen Knaben im pariser Münzkabinet sein'. Das Motiv ist demjenigen der Basaltfigur so ähnlich, nur umgekehrt, dass man für beide Figuren dieselbe Erklärung suchen möchte. Ich bin jedoch auch bei der pariser Statuette, die bis auf den fehlenden Gegenstand in der erhobenen Kechten vollständig erhalten ist, nicht im Stande den ursprünglichen Gedanken zu errathen, wenn nicht etwa in der gekrümmten rechten Hand ein triangelartiges Instrument vorauszusetzen ist, an welches die etwas tiefer gehaltene Linke mit einem Metall- stäbchen anschlug. Der Mund ist zum Hufen oder Singen geöff- net, der Kopf wie in der Basaltstatuette etwas zur Schulter ge- neigt. Lieber dem Gesicht liegt ein eigenthümlicher Ausdruck von Verdrossenheit und Schwermuth. Die ganze Haltung ist ungemein lebendig erfasst und ganz meisterhaft ist die Durch- bildung aller Formen der mageren, fast dürren Beine, des schmächtigen Leibes und besonders des mit dem höchsten Rea- lismus ausgeführten Kopfes.

< Chabouillel, Camees et pierres grav^es de la Biblioth. imper. nr. 3078. Caylus, Recueü (VII) Suppl. Tf. 81, 3-5. Mon. deW Inst. IV Tf. 20 B (ver- kehrt). Am besten jetzt, bei Rayel, Mon. de l'art antüfue U Tf. 58.

396 ALEXANDRINISCHE SCULPTUREN IN ATHEN

Ich stehe nicht an, ebenfalls als ein Originalwerk alexan- drinischer Plastik die Marmorstatue der alten Bäuerin mit dem Böcklein nnter dem Arm anzureihen , die durch die esquilinischen Ausgrabungen auf Piazza Fanti in Rom zu Tage gebracht wurde und sich jetzt im Oktogon des neuen kapitolinischen Museums befindet ^ Das Motiv ist echt alex- andrinisch, es ist ein plastisches Gegenstück zur Figur der Hekate in der Dichtung des Kallimachos. Jeder Zug ist dem Leben abgesehen, die welke schlaffe Haut des halb un- bedeckten Oberkörpers, die zusammengekniffenen Lippen des zahnlosen Mundes, die eingesunkenen, tief umrtänderlen Au- gen, der faltige Hals, das mühsame, in der Beinstellung das Geschlecht verralhende Schreiten, die gekrümmte Haltung und anderes, was in seiner Gesammtheit abschreckend hässlich wirken müsste, wenn es nicht durch die packende Natur- wahrheit und durch den freundlichen Ausdruck des ver- witterten Gesichts der Alten sympathisch würde.

Darf ich noch einen Schritt weiter gehen und jenes Dich- terporträt, das Dilthey auf Kallimachos bezogen hat, andere für Theokrit oder Philetas in Anspruch nehmen, in diesen Kreis stellen?- Keine dieser Deutungen ist gesichert, aber alle drei sind möglich und sämmtlich würden sie mit der ange- nommenen Herkunft des Originals im besten Einklang ste- hen. Der eigenthümliche Reiz, den dieses von Furchen zer- rissene Gesicht eines unbekannten noch jetzt ausübt, liegt doch allein darin, dass es uns hinter der körperlichen Ruine den ungebrochen lebendigen Geist eines bedeutenden Men- schen ahnen lässt. Ein solches physiognomisches Problem mochte die Künstler reizen, welche bei den Anatomen des alexandrinischen Museums das Muskel- und Sehnengefüge des Körpers kennen gelernt hatten, und nur solchem Wissen

' Die Statue, ist nocli unpublicirt. Ich urllieile nach einer mir vorliegen- den Photographie.

a Brizio, Annali deWInst. 1873, Tf. L S. 98 ff. Mau Bull. deW Inst. 1883 S 89 ir. Rayet, Mon. de l'art anlique II, Tf. 59.

ALEXANDIUNISCHE SGUM'TUHEN IN ATHEN 397

gelangen dann aucli ähnliche Schöplungen, der Typus des Ho- mer, der vielleicht für das llomereiün in Alexandria erfunden wurde, der Typus jenes 1^'ischers, von dem eine Replik im Louvre miL dem angeführlen Üichlerkopt zusammengesetzt war und früher als Seneca gedeutet wurde, u. a. *.

Ich weiss, dass jeder Versuch in der wirren, heimatlosen Masse der hellenistischen Sculpluren Ordnung zu schallen, das Zusammengehörige auszusondern, örtliche Gruppen oder gar eine consequente Entwicklung herauszulinden, auf grosse Schwierigkeiten stösst und manche Bedenken wach ruft. Hat sich seit dem Ausgang des 4. Jahrhunderts der strenge Lokal- verband der Schulen allmählich soweit gelockert, dass der Künstler, wie der hellenistische Grieche überhaupt, sich die freiesle Selbständigkeit seiner Individualität erringt? Wer sich zu dieser Ansicht ohne Einschränkung bekennt, wird viel- leicht auch geneigt sein die künstlerische Tradition in der hellenistischen Epoche für weniger zähe zu halten, in den al- ten Kunstorten eine viel geringere Gemeinsamkeit des Stils, der Motive und Gedanken anzunehmen, als sie der älteren Zeit eigen thümlich war. Aber andererseits lehren die spät- griechischen Sculpturen, die aus Athen und Pergamon stam- men, dass man mit der Vergangenheit, mit dem von Athen ausgehenden Formenidealismus keineswegs gebrochen hat und dass man in den Werkstätten der kleineren einheimischen Meister, welche für Monumentalbauten von der Art des per- gamenischen Altars die ausführenden Kräfte hergaben, eine gewisse gleichmässige Schulung und bestimmte Muster besass. Sie waren das Dauernde, Gefestigte, während die grossen, er- tindenden Meister häuhg den Wirkungsort gewechselt haben und von einem Fürstenhof zum andern gewandert sind. Daher zeigen auch die Reliefs jenes Altarbaues in der Arbeit und

^ Clarac 325, 2247 mit verschiedenen Repliken Tf. 879, 2244 (besser bei L. Mitclieli, Hid. ufaac. sculpt. Ö. 611 Fig. 246), Tf. 880, 2248. Tf. 879, 2245. Einer verwautllen Darstellung gehört der Fischerkopf des Museo Tor- lonia (Visconti M. T. nr. 131), an, sicher ein hellenisUsches Original werk.

398 ALEXANDRINISCHE SCULPTLREN IN ATHEN

Modellirung trotz kleinerer Unterschiede, im Ganzen eine sehr bemerkenswerthe Uebereinstirnmung, an der man vielleicht einst die lokale Färbung leicht herausfinden konnte. Desshalb folgere ich weiter, dass eine von der "hellenisch-attischen"* grundsätzlich verschiedene Kunstweise, ein Kunstprinzip, wel- ches die Wahrheit über die Schönheit stellte und das Schöne gelegentlich selbst im Hässlichen suchte, nur auf einem freien Boden und unter Einflüssen, die denen der attischen Geistes- richlung direkt gegenüber standen, erwachsen sein kann.

Ganz unabhängig freilich von der ansässigen Künstlerschaft Alexandriens, welche Geschmack, iNaturell und Bildung der Bevölkerung in ihren Werken abspiegelte, müssen wir uns den wechselnden Kreis der durch die Gunst des Hofes ange- zogenen fremden Künstler denken. Es hat für die Diadochen- zeit nichts auffalliges, dass an demselben Ort, wo Gr)'llen und Pygmaeen, Negerdarstellungen und andere Slrassenlypen die populärsten Stoffe waren, auch Werke eines idealen, an die attische Kunst erinnernden Stiles zum Vorschein arekom- men sind, ich nenne beispielsweise von den im Britischen Museum befindlichen Sculpturen den herrlichen Alexander- kopf aus Alexandrien, das oben erwähnte Silberfigürchen des Knaben mit der Ente, die Marmorstatuelte eines Knaben aus dem königlichen Hause, als Harpokrates aufgefasst, beide ebendaher stammend, und den Kopf eines Ptolemaeers im Kna- benalter mit der Krone von Ober- und ünteraegypten ^ ,

* Ich adoptire einstweilen diese Bezeichnung Kekules (Thonfiguren aus Tanagra S. 23) für die unter dem vorwiegenden attischen Einfluss in der Diadüchenzeit entstehende nationalhellenische Kunstweise, glaube aber nicht, dass man sich auf die Dauer mit diesem allgemeinen Begriff wird behelfeil können. Nach meiner Beobachtung treten auch in dieser Zeit noch neue stilistische Gruppen mit ganz bestimmten Stilnüancen hervor. Sind sie erst sicher ausgeschieden, so wird man auch zu dem Versuch geführt wer- den sie örtlich gegen einander abzugrenzen oder wenigstens den Keim- punkl zu üxiren.

2 Der Alexauderkopf (Stark, Zwei Alexanderköpfe Taf. 3. Mitchell, Hisi. ofanc. sculpt. Fig. 218) gehörte, wie ich glaube, zu einer Statue, welche das rechte Bein aufstützte, den linken Arm erhob. Bezüglich der StilrichtUDg,

ALEXANDRINISCHE 8CÜLPTUREN IN ATHEN 399

Sculpluren die sämmtlich noch den ersten Zeiten der Ptole- maeerherrschaCl angvliören und eine einjenthiimlich weiche, lliessende Modcliining-, eine mehr skizzenhafte, aUe nehen- sächliehen Zuge unterdrückende Ausführung gemeinsam haben.

Aus solcher Thätigkeit fremder Künsth^r in der Residenz der Lagiden könnten sehr wohl die einheimischen Anregun- gen verschiedener Art empfangen haben, wie diese wiederum ihre Wirksamkeit weithin erstreckten ^ Vollkommen zu über- sehen sind bereits die Beziehungen, welche zwischen der ale- xaudrinischen Lokalkunst und den frühzeitig hellenisirten Städten der kampanischen Küste bestanden haben. Puteoli, die Hauptstation des Handelsverkehrs zwischen Alexandrien und dem italischen Festlande, erhält ebenso wie das Pompeji des dritten und zweiten vorchristlichen .Jahrhunderts seine künstlerische Ausstattung und seinen Haiisrath aus Alexan- drien. Die Sammlung Demetrio in Athen hat dafür erst neu- erdings wieder einen Beweis geliefert. Die von Mylonas im letzten Hefte der 'Efpyi[/.£pl; äp^^^aio^oyi/t-)] (Tafel zu S. 227 ff. und Tziv. 6) publicirte, aus Tanis im nördlichen Nildelta stammende Bronzefigur eines tanzenden Satyrs entspricht im Motiv und in der Arbeit durchaus der bekannten Statuette, welche in der nach ihr benannten Casa del Fauno zu Pompeji gefunden wurde. Dieses Haus ist aber mit seiner gesammten Ausstattung in alexandrinischem Geschmack eingerichtet ge- wesen. Der Besitzer hat offenbar die deutlich aegyptisirenden

der die angeführten Werke zuzuweisen sind, niuss ich das Urtheil olJen halten. Stark (a. a. O. S. 21) wollte indem londoner Alexanderkopfe (einen Zweifel an der Benennung halle ich für unbegründet) das frische Leben lysippischer Kunst erkennen.

^ Derselbe Synkretismus der Ideen und Formen, den wir als das Merk- mal hellenistischer Kultur auf so vielen geistigen Gebieten, vor allem auf dem der Religion beobachten, kann auch auf dem der bildenden Kunst nicht ausgeblieben sein.

400 ALEXANDRINISCHE SGULPTUREN in ATHEN

Mosaiken direkt aus Alexandrien bezogen'. Aegyptisirende Motive klingen in der VVanddecoration (Mau, Pomp. VVandm. Taf. I, e), in den Sphinxen unter dem Carnies (Niccolini TF.8), in jener als Tischt'uss dienenden Sphinx (Overbeek, Pomp. Fig. 229'^), in der Farbenskala der Wände und Mosaiken an. Aus alexandrinischen VVerkslälten stammt sicher die hier ge- fundene Glasvase Auldjo des britischen Museums (Fnihner, La verrerie antique S. 85) und so ist auch der tanzende Faun ein beredtes Zeugniss für den lebhaften Export, den die ale- xandrinische Kleinkunst schon in der Ptolemaeerzeit wie noch unter den römischen Kaisern unterhalten hat.

TH. SCHIIEIBER.

' Das t)erühmte Mosaik der Alexanderschlaclit enthält als Umrahmung eine Nillandschaft. In der rechten Ala des Atriums fand sich das Mosaik mit der Kalze, die eine Wachtel zerreisst. Die in Aegyplen abergläubisch verehrte Katze war damals noch nicht aus ihrer Heimat nach Italien über- tragen (Hehn, Culturpll. u. Hauslh. S. 378'). In den decorativen Mustern der Casa del Fauno wird gern Schwarz und Weiss in Contrast gestellt, ganz wie in dem aegyptischen Saale der Thalamegos des Ptolemaeos Phila- delphos (Athen. V, 89 S. 206). Auch eine alexandrinische Bronze der Sammlung Pugioli (sitzender Fischer mit der Angelrulhe in der Rechten) kommt nach den Aufzeichnungen Puchsteins im Motiv einer pompejani- schen Bronzeslaluette (Uverbeck, Pompeji Fig. 295^) ganz nahe, so dass letzlere ebenfalls als alexandrinische Arbeit gelten darf.

Miscellen.

'EcpEoriax'r] eiriypacpr].

Y^EPTH2TO^ xupiou Y)[^-öv AYTQKPATOPOZTiTO'j Ka{-

ZAPOZYriHASKAIAIAMONHST H2 POMAIÜN HrEMONIA5:AnOKATEZTA OHTOBAABENnEPITEIX IZMATOYAY rOYZTHOYAlATAzANTOZMAPKOYOYAni OYTPAIANOYTOYANOYnATOYEniMEAH 0ENTOZnOMnaNIOYBA22OYTOYnPEZ BEY ToöTH2EniXOPHriAZrENOMENH2EKTnN JSiwN nPOZOAQNrPAMMATEYONTOZAOY xiou EPENNlOYnEPErPEINOY-AFNOYTOB

Töv Suo xpwToiv 6£ipwv Tix Ypä[X[jt.aTa etvai [/.eya^-eiTEpa twv

'XOITTWV,

SuvsTr'XTipoxja to toO AuTOxpäxopo? ovo[j(.a 6SyiyY)0eli; £>c röiv toö )t. Waddington ypovoloyt)CGJv twv ävöuxxTwv xaTa>.6y(ov (Fastes des provinces Asiatiques, Le Bas et Waddington), h ol? 6 utt'

äpiOfxov 100 (AV7)[;.ov6u£i tÖv evTauOa (Xvacpep6[jL£vov Mapxov OuXttiov

Tpaiavov, tov 7caT£pa toO auTOxpocTopo? Tpa'iavoO *,

Apist. M. $ontpiep.

* [Die neuerdings in 'AyiaaouXoüx gefundene Inschrift ist von Hrn. Fon- trier zuerst in Minuskeln in der in Smyrna erscheinenden Zeitung 'ApfAovfa V. 28 November herausgegeben worden. U. K.]

MITTH. D. ABßH. INST. X. 26

402 MISCELLEN

Nachträge zu S. 200 ff. (Zur Epigraphik von Kyzikos.)

S. 200 st. " dieser und der folgende Stein " 1. '' dieser und der unter N" 30 folgende Stein ".

S. 203 nach Z. 7 oben ist das Citat '' Milth. VI S. 45 N" 2 11 6" ausgefallen.

Ebd. Von N" 29 erhielt ich durch die Güte des russischen Archäologen Hrn. D"" v. Regel einen guten Abklatsch. Darnach bilden Z- 1 u. 2 der Copie vielmehr eine einzige Zeile; st. APISTArorOPOY ist richtig APIZTAFOROY, ebenso Z. 2 -bez. 3 der Copie AI Ol KH TH2 zu lesen; für rOPAßN Z. 14 der Copie bietet der Abklatsch rOPrßN, ferner ist überall A statt A einzusetzen. Der Name der 'Mutter' ist richtig MviTpi TOAYFIANH Z. 15; ich be- merke dies weil Hr. Panorios in seinem Briefe To>.imavr) schreibt.

Die Nummern 28, 30 u. 33 sind in den Besitz S"" Exe. des Kais. Botschafters Hrn. v. Radowitz übergegangen; N" 35 und 37 befinden sich im Tschinili Kiöschk.

W J. H. MORDTMANN.

Grab - Steine und Denkmäler.

1) Weisser anscheinend pentelischer Marmor verbaut in den Kern des Mauervorsprunges östlich von dem inneren Ein- gang des Dipylon^ Der Stein ist mit der Schriftseitenach oben gewandt und ist durch die Zerstörung der Mauer blos-

< Auf V. Aliens Plan Milth. III Tf. III mit 41 bezeichnet.

MISCELLKN 403

gelegt worden. Er scheint an drei Seilen gebrochen, links der Rand erhalten zu sein.

/

AP.-TEF^KAUAI^ + PO^E/ret

w i llllli Hill frei Man erkennt den Schluss einer metrischen Grabschrift; etwa:

[S-J^i/a ToS' 'EpyJ<j[i(/.e]ve[i TraJxTip Ka^aicjrpo; £[9yix£].

Reste anderer vorpersischer Grabdenkmäler sind in der Nähe aus der Ringmauer gezogen worden (vgl. B. Schmidt, Die Thorfrage in der Topographie Athens S.14 f.). Die Frage muss aufgeworfen werden, ob das Dipylon,wie angenommen wird, in seinem sanzen Umfano; nachthemistokleisch sei.

'}) Kleine Stele a. pent. M. mit Anthemion und der Auf- schrift :

r H P Y i.

1 O T

E

A H ^

N 1

K

Q.

r H P Y o ^

r

Y N H

O E O (J) 1 A O

1

^ O T E A H ^

EITOKAAn^E^TIOANEINKAMOITOYTAPENEIMETYXH OYAE<l>AO?AEY?nNOrEAAIMO?INHNArHPA?TO? PASINAANOPfiPOISIPAPESXONANENKAHTONE/AAYTON ENTIMONXOONIOlSIGEOISYPEAEiATOrAlA

KAIErnTOYAANAPOSE<t)YNKAIPANTAOMOIA rHPAIKAI(t)PONTIAIEYSEBIASENEKA

Fvip'jc t(jOTe>.y}?.

404 MISGBLLEN

Et t6 xa>Lüi(; iaxi Oaveiv xäjxol tout' a,7r£V6ijj!.£ Tuj^^y)*

Tvaiiv S' (XvöpÖTiOKJi Tzxpiajo'^ av£vx.Xr/TOv ejxauTOV svTtfAOv j^Öovioiai öeoT? uTreSe^axo yaia,

Kai eyoj toöS' avSpo? e'fpuv xai TCOcvra 6{xoia yripa xal (ppovxiSi suceSia? £ve)ta.

Nach den Schriftzügen nicht jünger als die Mitte des dritten Jahrhunderts. Auch wer mit den '' Kirchhofspoesieen " ver- traut ist, wird diesen Galimalias nicht ohne Erstaunen le- sen, aber auch bald erkennen, dass es ein Cento aus verschie- denen Epigrammen ist. Ich kann heute nur für den Anfang das Original nachweisen, welches einen erlauchten Namen an der Stirne trägt {Anthol. Pal.Wl 253 = Bergk P. L. G. S. 11 49):

2 I M ß N I A O Y. El t6 xaXw; OvYiaxEtv apsTvi; [Jt-Epo? Itsrl {XEyKjTOv,

Y)p.TV £X TraVTüJV TOOt' a7r£V£'.[J(,£ Tuj^Y)*

'EXXdtSi yap (y7U£üSovT£? £>^£'j9£piav '7T£pi9£ivai xei{/.£0' (xyYipavTq) j^pwfXEvoi EuXoytr,.

3) An der Stadionstrasse dem Parlamentsgebäude gegen- über ist man bei der Fundamentirung eines Hauses auf die Reste einer Grabstätte gestossen, welche der Lage nach zu der Nekropole vor dem Diomeischen Thore gehörte. Die Grä- ber waren von Mauerzügen umgeben, welche nur zum Theil aufgedeckt worden sind. Der Inhalt der Gräber war unbe- deutend, von um so grösserem Interesse die lebensgrosse, lei- der jetzt kopflose Figur einer sitzenden Frau, welche im Mo- tiv, in der Tracht und wie es scheint auch der Arbeit mit zwei bekannten Statuen der Sammlung Sabouroff (Furtwängler, Die Sammlung Sabouroff Taf. XV— XVII) übereinstimmt und

MI8CELLEN 405

die Aufstellungen des Herausgebers der letzteren über ihre Bedeutung und Verwendung bestätigt. Die innerhalb der Mauern gefundenen Inschriften sind nicht jünger als die Mitte des vierten Jahrhunderts; ein kleiner Pfeiler a. pent. M. trägt die Aufschrift :

H M A

I E POK

A E O ^

Dieselbe Inschrift in anderer Anordnung war auf einer Platte a. hym. Stein wiederholt. Zwei Grabsteine tragen die Namen von Frauen.

4) Unterer Theil einer Platte a. pent. M. Darauf die In- schrift :

rHPAIANANO^ONPAIAA^PAIAaN EPIAOY^ANAY^IAAANKATEXEI KOI NOTA^H^OAAAMO^

ry)patocv avo<JOv xaT^a; Tuai^ojv ewiSoudav

Nicht die Sentenz allein erinnert in diesem Epigramm, wel- ches nicht viel jünger ist als die Mitte des 4ten Jahrhunderts, an Herodots Erzählung von der Unterredung Solons mit Kroi- sos. Die pessimistische Anschauung, welche in einem frühen Tod ein Glück sieht, ist den attischen Grabschriften ebenso fremd wie dem alten Epos. Der Tod in der Kindheit, vor der Reife ist grausam; wer nach vollbrachtem Lebenslauf, umge- ben von Kindern und Kindeskindern und von Krankheit un- berührt aus dem Leben scheidet, darf sich glücklich preisen. Der xotvoTa(p7)? öiXafxoi; in dem Epigramm ist eine poetische Floskel; gerade die Grabschriften beweisen, dass die geläu- terte Auffassung der Philosophen von dem Wesen der Seele seit den letzten Jahrzehnten des 5ten Jahrhunderts in den ge- bildeten Kreisen Athens verbreitet gewesen ist, Pas Composj-

406 MISGELLEN

tum )toivoTa9rj<; ist neu. Das Epigramm ist für das Grab der Lysilla geschrieben; insofern ist es original.

ULRICH KOEHLER.

Litteratur und Funde.

ApXAlOAOriKON Aeation Tüiv [xrjvwv 'OxTtoSpfou xal Noe[j.5pfoj. A' . ''Ag^aio- TTjrcc daa^QtXaai tic zi)r r£ri.xi)r scpopeiar. 1) 'Evve'a a^ia Xdyou TcrjXiva aYaXp-«- Tta EupEÖEVTa £v Tavaypoc, wv Tiivxe yuvatxsTa, taia(A£va opOta xai sv xaörjfzsvov, xaX- Xtarov T7]v [i.op^r]v, £)(^ov Tr)v auTrjv axaaiv, [[xartafjiöv xat ötaOsoiv, i^v £'X^^ 'l y^^'^'^'l Tü)^ri Toö EÜTU-/_t8ou SV 'Avito/^eia. 2) Tic £v loi [jLoua£t'w Tfjs Tsy^a? x£f[JL£va X£i|aya EX Twv £v TOl? ä£Toj[Aaat Toü vaou T^s 'AX£as 'AÖTjväs äyaXiJLaTwv, rj'xot at oüo £X£tvat yvojaxat x£yaXat xai f] XcyaX»] tou xa;rpou. TouTOt? TrpouETEÖT) xal fj Ttapi tw £yp£Tr) KoTaapi'oT) ü-Jiip/^ouoa. fjfJiiaEta xE^aXrj, oiaiE xal at oüo xE^aXal £tv£ i]^ri TcXTJpEt;. 3) KE^aXr) yuvaixEt'a, ^uatxou fXEy^Öou; xal xaXX^dTr]; xiyyriq, EupEÖEiaa Iv A£pvT) xal xataxEÖETaa Tcpoawpivw; Iv Toi [Aouasico "Apyoui;, yvcoat») Ix ttJ; Iv x3 TiepioStxäi xou IvtaCiOa r£p[xavixoü 'IvaiiiouTou SripioaieuaEcos aux^s Iv xo'fi. H. Iltv. 10. 4) 'Ava- yXuspov X£Öpauu[i.^vov, Iv a> aoSI^Exai xaxw pi^po? Imiiwz, oO O7:t<j0£v laxap.£vo; avrjp. Eup^ÖT) ;rapä xaXou{X£vov BouXEUxrJpiov aTtEvavxi xou hpou vaou x% 'TTuajiavxfj;. 5) 'E7:txu(i.6tOi; iTiiypafflr), £up£6£Taa Iv x^ oIxoSo[xou[jL^vr) Iv oooi 'A[i.aXia$ otxfa xou x. Sx£'^. ApayoüfXT).

'idracjcagaat. 'E7cav£XrJ(p9r)aav xrj 11 NoE[i.6p^ou al utcö x% 'Ap)(^atoXoyix^; 'Exai- pi'a; lv£pyou[j.£vat ävaaxa^al Iv xfj 'Ay.po7toX£i uTtö xrjv Ijciaxacfav xfj? FEVtxf]; loopEia?.

At Iv Tavaypa IvEpyoupiEvat avaaxa'^al ux6 A. Fiayta lji£paxoS67]aav. y£vd[J.£va S' £v auxat5 Eup/ffiaxa IxopttiOrjaav aTcavxa Iv x^ Fevix^ laiop£^a, £v6a [jlIv xaXXt- <jxa, oia avwxEpco pivT][i.ov£u9ivxa Ivv^a ayaXptaxia, TcapEXri^^Öriaav 5tä 'E9vtxöv Moua£tov, xa Se ^xxovo? Xo'you a^ta äTCESo'Örjaav xw Xa6o'vxt xrjv a8£tav xal IvEpyrjaavxt xä? avaaxaooe;.

Ai £v 'Axpatcpvt'w xrj; Botwxta; lv£pyou(Jt£vat uTtö x^? Tiap' fjpitv FaXXtx^? SyoX^? oiExo'jcrjarav £V£xa xpu -/EtpLwvo;. 'Ev xat? «vaaxaüati; xauxat; £up£'9r)aav a') XaXxou? Xe'Gt)? u:t£pjjL£y£6ir); äXX' ItpOappLEvo?, ou at I? öpEtyaXxou Xa6al £txov^^ouatv 'ApTCut'a?, ■/.aXX''aXT)i; äpyatV.^ '':iyvrii; xal xaXXtaxa otaxripou[j.£'va?" 6') XaXxoiJv ayaXjiaxiov 'Atio'XXojvo?, apyatV.^; xal xouxo XEyvrj?, oaxt; IxpaxEi, w; tpatvExat, Ev [ilv xrj apt- axEpa xo'^ov, Iv Se xr] Sc^ta ßc'Xoi;" y') Mapptapivo? xoppiöj pttxpou äyaX[xaxos 'AtcÖX- Xwvo? ip/^a:(/.f^(; xe/vt)?' o') Kv^alri 'Atvo'XXojvo; piapjxaptvy], äpyatxTJi; x^yvT];' e') KE'^aXrj '^uatxou jjLEyE'Oou; Ix Tiajpt'vou Xt'Oou, EtxovtXouaa y^povxa Tttuycovo'^o'pov" xal ot') 'AftoXoya yaXxiva atyaXfxdxta, apya'txfjs t^/vt); xat xaXXfoxrji; otaxrjprjaEO)?, rj'xot TiavÖrjp, Xe'ojv xat XaSrj xaxo'jcxpou, Ttaptaxwaa avSpa, "AxXavxa law;.

Et; xoü; A. Mtie'aXov xal Noaxpaxr]v r/opTjyTjör] äoEta 1 vEpyTJaojaiv ävaaxacpäs Iv lOtwxtxoT; xXT{[jLaatv Iv 'EpExpEta. At ävaaxatpal auxat E^Epov Et; (pw; öXt'ya xtvä ;:pay- |j.axa, ojv a^toXoywxEpa XrJxuOo; xtJiv Tiatotxwv, Ey^ouaa XEaoapa; [xopoä; EpuOpä;, xa-

MISCELLEN 407

Xf]? T:iyyyi(;, xal xaXaO^uxo; tcXextö? £x tpuTwv, rept^/wv yaXxoÜv xotvöv xocTOTtipov, :iu- $föa $uX^;r)v xai xxe'vav.

ApxAiOA.oriKON Aeation too (XTivös Aexe[A6p:^ou. ^4 '. ' ApxaiSzriieQ BlaaxBelaai eic, zi)r Ferixiir iyopeiar. 1) Kopfxö? äyaXfxaxot 'AndXXwvo; yuatxoü |i.£Y^Oouj xa\ XE/^VT); «p/_atV.fj?, £/_ovxo? xrjv (xopyrjv Toü yvojaiou ex TsvEa; 'ÄTcdXXwvo;. To ayaXfxa TOUTO, cj; xal xi iTcdjjiEva [x^ypt xoü äpiOjjLoCI 9, cup^Or) ev xal; ev 'AxpaKpv^w xijs Botcoxta;, ev xw tEpw xoO llxwou 'A^cdXXwvo?, EväpyriOE^aa'.; ävaaxa^at; utxö xfj; nap' TjjAtv raXXixfjs H/^oX^;. 2) Kopji.6; [JLixpox^poj äyaXixaxo; 'A:xdXXa)VOs, äp)(^atx^; e;:i- aj)s XE/VT); xal xr)v aüxrjv xS ;tpoT]YOU[iEvoj I/^ovxo; [/.op^rfv. 3) KE^aXr) ex :xwptvou Xi:- 6ou, E/ouaa (Ji^ysÖo? epuatxöv xal Etxovi'^ouoa yspovxa j^ojywvocpdpov, oüyl Öeov xtva r] Tjptua, äXX' ävOpw;xov. 4) XaXxoCiv äyaXixaxtov 'ATrdXXwvo; (\j<\i. 0,12) äp)(^atx^i; xe'/^- vrjs, aw!^dp.Evov [t-i'/^pi xwv acpupwv xal xaXXiaxa otaxrjpo'jpiEvov. 'Ev auxw Etxov^Cs'^«' ö OeÖ; yupivö?, ioxa[jLEvo; dp9io; xal xpaxaiv x6 rtotXat 7:payji.a xi ev xt) Se^ia xal sv tt) apiaxEpa. 5) XaXxJ) Xa6fj xaxo'jxxpou, naptaxwaa yujAvov avopa xpaxoövxa oia xöiv ava- XExajAE'vwv '/^etpwv e;:i x^; XEcpaX^; ro £XXET;tov xaxoTixpov. 6) Aiio Xa6al /aXxat X^ötj- xo? u;xEp[i.Ey^Oou? :rapi<jxcüaat xaXXtaxa otaxripou(x£vas 'Ap:iuia;. 7) TpEt? )(^aXxoi Xe'ov- xe; xaXXtaxrji; äp/^aiV.^; ^jy^i- 8) Mtxpo; /aXxou; TzoXEpitaxr); äpyatxrj? X£/^vr]s laxa- (AEvo; opOto;, ^Epojv 7iEp'.x£(paXa;av xal xvri[Ji.Toa; xal xpaxaiv ev x») äpiaxEpa TCEpioEp^ äoKt'oa, EV w ota xf,; OE^iä; ExpaxEt odpu. 9) XaXxoiji; EvETCi'ypaipos Xu)(_vOi;, ßäoEi? )r_aX- xöv ayaXpiaxuov EVE^nypaawv, xal aXXa ijxxovos Xdyoj apy^ala, EÜpEÖE'vxa a;iavxa ev xals ävwxEpoj (ji.vT]|jLOV£uO£;aat; ävaaxaspaTj. 10) IvEifaXr] Tiojywvoydpo; jxEy^Oous jjuxpdv xt uTCEp^uaixoü, 7)s x6 7cpdaw7:ov evxeXw; o/^eo6v äjroxExpojapiEvov, cOpsÖElaa Ttapä xtjv ExxXrjatav xf,; 'TTraTiavxTJ;.

Ä'. 'Araaxacpai. 'Ev xal; ev 'EpExpEta uizö A. Mtze'XXou xal Noaxpaxrj svEpyou- [xe'vat; aSe^a x^s Ku6£pvr|a£co; avaaxa^at; Eup^Or) xäzompor ^(^aXxoO'v, 2)(_ov Siio Ttoi- |jLaxa, ly ' IxaxE'pou xöiv 6;xo;tov rjxo TipoaxExoXXrnjLEvo; oi'axo;. « [i.£v £? aüxwv r/^£t » jxapaaxauiv avotyXuJXXOv 3t £(j.7xaiaxtxou xpü;xou ex otio (xop^cüv, xrj; [j.ev ävopixrj;, » xpaxoüuT); Oüpaov, xrj; oe yuvatxEi'a;, o;iiatü xjj; Ortoi'a; u7iäp-/_Et aXXo; Osipao; ävaxE- » xXtfjLEVo; Tcpo; ßpa/_ov al [i.op^al auxat äaTca^ovxat ocAXrJXa; Epcoxtxca;. 'O EXEpo; öi- » oxos iy^si ävayXurtxov ;xapäaxacjtv EJit'ar); ex öuo {Aopcptöv, tuv rj (xta, law; JtxEpioxrj » xal yuvatxE^a, ßaaxä^Et xtjv §X£'pav, ouaav VEavtxriv, etiI xwv yovaxtuv ». 'Ev xaT; aü- xat; ävaaxacpai; EOpE'Srjaav k'xt ^üXXa ^puaoü ujiEp xa XEaaapaxovxa, [Atxpo; aojXrjv, £7X107); -/^puaoü;, £x xivo; xoap.TJp.axo;, XEaaapE; oivo/^dat JCTJXtvat psXaval, pExa poptpwv Xeuxwv x6 TxXEcaxov, xal pappocptvo; Xe'ojv EXXtjtTj; xoü; Tcdöa; xal xrjv oüpav, xal zij- vrjs {xexp^a; (ExÖEaEt; E^opou Hp. Taouvxa).

Die unter der Leitung des General- Ephoren der Alterthü- mer Hrn. Kabbadias wieder aufgenommenen Ausgrabungen auf der Akropolis haben in der letzten Zeit zu merkwürdigen und überraschenden Resultaten geführt. Es hat sich gezeigt, dass wie an der Südseite so auch an der Nordseite der Burg (zwischen den Propylaeen und dem Erechtheion) der abfallende Felsen in der nachpersischen Zeit aufgehöht worden ist und dass zur Planirung hier wie dort die Sculpturen der vorper-

408 MISCELLEN

sischen Zeit verwandt worden sind. Es sind bis jetzt die Tor- sen von vierzehn meist weiblichen Statuen, darunter sieben mit den Köpfen; ferner einige Bronzen, Vasenscherben, be- malte Thontafeln und Weihinschriften gefunden. Unter den Marmorwerken sind wegen des Gegenstandes die Torsen einer Nike und eines Reiters bemerkenswerth- Die übrigen Statuen wiederholten meist denselben Typus einer stehenden Frau, welche mit der gesenkten Linken das Gewand fasst und in der ausgestreckten Rechten wohl ein Attribut hielt. Die Aus- grabungen werden fortgesetzt.

E^HMEPis ÄPXAlOAOriKH 1885 Heft IV: n. KagSaSia?, 'Etci- Ypa^al ex töv ev 'EmSaupicf äva(y)ta(poiv. Em. Loewy, 'Etci- Ypa^>) tej^viTwv e^ 'Axa.'kxvzriq. St. A. Kou[^.avouS7i;, 'Exiypa- (pai £>t Ty5<; £v T^ ayopa 'AÖtqvwv (xva'7-^a9>i?. Xp, A. Tcouvrot?, KpaTTjp e^ 'AxpoTiröleo); (mit zwei Tafeln). K. A. Mu^Xaivot?, '0 ev TYJ (juXKoyri 'Icoxvvoy A7)[jt.7iTpiou j^a>.Koö; SiTupo? (mit einer Tafel. n. KaS^aSia?, Kopivöiaxöv xiovoxpavov (mit einer Tafel). K. Purgold, 'Apj(^aix6v aeTü)(xa cjc t-^? 'AxpoTuö^eo);. ©. So- «pou^v)?, KuXi^ e)t KopivÖou (mit einer Tafel). Z. A. FaSaT^X?, 'AvexSoTo; äva6y)jjt.aTi>t75 e7r'.Ypa^7) ^oXeyÄvSpou.

Bullelin de corr. hell. 1885 Heft VI: Pottier und Reinach, Fouilles dans la necropole de Myrina (mit drei Tafeln). Mar- tha, Inscriptions de Naxos. Clerc, Fouilles ä l'Heraion de Sa- mos. Durbach, Inscriptions du Peloponnese. Holleaux,FoM«7- les au temple d'Apollon Ptoos.

Bulletin de corr. hell. 1886 Heft I: Cousin und Durbach, Bas-relief de Lemnos avec inscriptions. HomoUe, Note sur la Chronologie des archontes atheniens de la seconde moitie du 11°^^ siede avantJ.-C Cousin und Diehl, Inscriptions de Gary- anda en Lycie. Holleaux, Fouilles au temple d'Apollon Ptoos (mit zwei Tafeln).

;März 1886.)

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. 1 NSTITUTES 1885.

TAFEL

MARMORSTATUEIN BEIRUT.

Liclitdruck v A. Frisch , Berlan W

TAFELL JJ

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URSPRÜNGLICHES PROJECT DES MNESIKLES.

Die rotli scliraiTirlen. llveile sind T\ic>it z"ur A-usfüliruji^ gel^oiamen .

JitTi TL 5TuTidin.aTj>. , Athen

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MITTHEILUNGEN D ARCHAEOL. INSTITUTES 1885

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FIG. 2. QUERSCHNITT DURCH DIE N.O.HALLE MIT SEITENANSICHT DES MITTELBAUES.

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PROPYLÄEN IN ATHEN.

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5. GEBAELK

MENT DES NIKIAS

I.itli . K.CniiulTriaini. Atlien ,

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1885.

TAFEL VIII.

WEIBLICHER KOPF

AUS ATHEN.

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. I NSTITUTES 1885.

TAFEL IX.

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KOPF i N ATHEN

Lichtdru ck v.APnsch, Berlin.

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL INSTITUTES 1885

TAFEL X.

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BRONZE AUS ALEXANDRIEN

, Berlin W.

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. I NSTITUTES 188b.

TAFEL XI.

BRONZEN AUS ALEXANDRIEN

vA. Frisch. Bern" '-V

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. I NSTITUTES 1885

TAFEL XI

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BRONZE AUS ALEXANDRIEN.

Lichtdruck v A^ f-hsch . Berun W,

TAl-i;i. XIII.

WITTHEU UNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1885.

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ATTISCHE GRABVASE

Licittdruck v. Gebr. Rho ni aide s, Athen.

lAKF.I XIV.

MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1885.

ATTISCHER GRABSTEIN

Lichtdruck v. Gebr. Rh o mal des, Athet

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