Tili: I. i'Aii. (,i- 1 r^- AUM-.r,\i i iHi^;.\in

Mitteilungen

AUS Dl'LM

Germanischen Nationalmuseum

HER AUSGEGEREN

VOM DiREC/rüRIU.M.

JAHRGANG 1897.

MIT ABBILDUNGEN.

NÜRNBERG, 1897,

VKRLAGSEIGENTl'^I DES CiERMAXISCIIEX ML'SELMS.

Wissenschaftliche Instrumente im germanischen Museum.

as germanische Museum besitzt eine reichhaltige Sammlung von wissenschaftlichen Instrumenten aus älterer Zeit, namentlich aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die Alethoden der wissenschaftlichen Beobachtung, wie die der 1 lerstellung der Instrumente haben sich im Laufe des 18. und namentlich des 19. Jahrhunderts aufserordentlich vervollkommnet, manches ältere Instrument ist ganz aufser Gebrauch gekommen, während andere in mehr oder minder veränderter Form noch Anwendung finden. Diese älteren Instrumente geben mancherlei Aufschlüsse über die Methoden der wissenschaftlichen Beobachtung in früheren Jahrhunderten und sind nicht selten auch durch ihre künstlerische Ausführung von Interesse. In letzterer Hinsicht stehen die Instrumente aus vergold(;tem Messing von Praetorius allen anderen voran. Diese Instrumente sind Eigentum der Stadt Nürnberg, sie stammen gröfstenteils aus dem Nachlasse des Aegidius Aeyerer, eines reichen Liebhabers, für welchen sie Praetorius gefertigt hat. 1675 wurden sie von der Stadt Nürnberg erworben. Auch unter den übrigen Beständen der Sammlung sind sehr schöne Instrumente.

Die Erfinder neuer Instrumente haben nicht selten in kleinen Traktaten Beschreibun^^en und Anweisunt/en für den Gebrauch derselben (/e<reben. Oft spricht aus diesen Traktaten die; naive Freude der Erfinder an ihren Erfin- dungen und sie bekunden in ansprechender Weise den h^ifer, mit welchem sie bestrebt sind, sie möglichst vollkommen und vielfach verwendbar zu machen. Im Folgenden sollen einige Instrumente unserer Sammlung beschrieben und abgebildet, und ihre Anwendung erläutert werden. Zui' Bestimmung der historischen Stellung der Instrumente müssen zuweilen auch solche herange- zogen werden, welche wir nicht besitzen. Ich halje dabei nicht den engeren Kreis der Fachleute, denen ich als Laie kaum Neues sagen kann, sondern den weiten Kreis der Leser der Mitteikmgen im Auge. Einige c^lementare geometrische Ausführungen werden sich nicht vermeiden lassen; ich werde suchen, sie m('>f{lichst all;^^emein verständlich zu halttm und hoffe, dafs das Interesse des Gegenstandes dem Leser übei' etwaige SchwicM-igkeiten der Er- klärung hinweghelfen wird.

I. Die Mensula Praetoriana und das Winkelinstrument des

Andreas Albrecht.

,^Nuperri)ne eani ^Nori}nbrri^a»r »lihi dclei^i doDuoii perpctua})i tum propter conmioditateni instru7)icntoru))i et nunxnur asti'oiioDi/corujn qiiihus

4

tota sidcralis itniititur discipliua, tioii propter uui^^rrsalem conversationem faciliiis habi')idani cum sf!n//os/s lir/'s Hbicunijiic vitani dcgentibus, quod locus illc pcrnidc ,juasi cr/itnoii I-.uropac proptcr cxcursuni nwrcatorum habcatur. Ich liahi' mir jetzt Niirnt)^!«; zu nu-incni dauernden Wohnsitze erwählt, sowohl weisen der Annehmlichkeit, die es durch Instrumente, insonderluMt astronomische hieltet, auf welchen die gesammte Sternkunde beruht, als auch wei^uMi des leichten Verkehrs mit den Gelehrten aller I.ändiM-, da di(\ser Ort seines Handelsverkehrs wegen, gewissermafsen als der Mittelpunkt lunopas gelttMi kann." So schrieb Regiomontanus am 4. Juli 1471 an den Mathematiker Cdnistian R(')der in Erfurt. Wenige Monate vorlier war er aus dem Dienste des Ungarnkönigs Matthias Corvinus aus- getreten und nach Xürnberg übergesiedelt. Er hatte das Glück in Bernhard Walther einen gleichstrebenden h'reund zu finden , der seine Absichten in freigebigster Weise f(')rderte. Walther bot ihm nicht nur die Möglichkeit astronomische Instrumente zu fertigen und beteiligte sich an seinen Be- obachtungen, sondern er errichtete sogar eine eigene Druckerei, in welcher die litterarischen Arbeiten des Regiomontanus, für welche er ein umfassendes Programm aufgestellt und von welchen er vieles schon ausgearbeitet hatte, gedruckt werden sollten.

Nur vier Jahre weilte Regiomontanus in Nürnberg. 1475 W'urde er von Sixtus IV. nach Rom berufen, um an der Verbesserung des Kalenders mit- zuwirk(Mi und schon im folgenden Jahre starb er daselbst. Doch die An- regtmgen, welche di(\ser mächtige Geist in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in Nürnberg ausübte waren nicht verloren; mehr denn hundert Jahre blieb Xürnberg ein Mittelpimkt mathematischer Studien in Deutschland. Auch für die Richtung diesen- Studien blieb sein Vorbild bestimmend, weniger die reine als die angewandte Mathematik wurde in Nürnberg gepflegt, insonderheit Astronomie, Geographie und Geometrie.

1492 f(M-tigte Martin P>ehaim seinen Globus. Ihm folgte in der Frühzeit des 16. Jahrhunderts Johann Schöner, von dem noch mehrere Erdgloben vorhanden sind.

1462 kam Johannes Praetorius aus loachimsthal nach Nürnberg. Während seines ersti-n Aufenthaltes bis 1.569 beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Anfertigung astrononüscher Instrumente, pjn Teil derselben kam 1675 in den Besitz der Stadt Nih-nberg und bc-findet sich jetzt in den Sammlungen des germanischen Museums. In xergoldetem Kupfer ausgeführt erfreuen sie das Auge des Mathematikers wie das des Kunstfreundes durch die Genaiüg- keit ihrer Austührung und dui'ch die SchTinheit ihrer Erscheinung.

1569 \'(.'rli(;fs Praetorius Xürnberg. h'olgte aber 1576 einem Rufe an die Xürnbi-igei- Eni\-ersitJit Alttlorf, wo er bis zu seinem Tode 1616 als Pro- fess()r der Mathematik thätig war.

In seinen Schritten behandelte er algebraische und geometrische, sowie astronomi.^che Probleme' und galj .Anleitungen zur ]'\;ldmerskunst. Merk- würdigerweise hielt er in seinen iXnscliauungen \'om Weltgebäude an dem System des Ptole:inaeus lest. \'g!. I^op5)elma\ r. historische Nachricht von den

nürnbergischen Mathematicis und Künstlern S. 88, wo mehrere Belegstellen angeführt sind. Von den Schriften des Praetorius ist wenig veröffentlicht. 34 Bände in Manuscript übergab der Sohn seines Nachfolgcn-s Daniel Schwenter der Universitätsbibliothek in Altdorf, von wo sie nach Aufhebung der Uni- versität Altdorf in die Erlanger Universitätsbibliothek gelangten.

Praetorius hat sich nicht darauf beschränkt astronomische und andere Instrumente in der überkommenen Weise anzufertigen, sondern er hat an denselben allenthalben Verbesserungen angebracht und neue Instrumente er- funden. Unter diesen letzteren hat der Alefstisch, die mensula Praetoriana eine weite Verbreitung gefunden und ist, im Einzelnen verbessert, noch heute im Gebrauch.

Das Verfahren der Landavifnahme*j war bis ins 16. und selbst ins 17. Jahrhundert ein ziemlich oberflächliches. Einzelne Hauptrichtj)unkte wurden durch Winkelmessung mit dem Quadranten und der Bussole, Ent- fernungen durch Messung mit Stab und Kette oder nur durch Abschreiten das Zwischenliegende durch Schätzung bestimmt. Das Verfahren, nach wel- chem unter Anderem die Apianische Landtafel von Bayern von 1566 her- gestellt ist, gab recht brauchbare Ergebnisse, genügte aber doch höheren Anforderungen an Genauigkeit nicht. Mit der Konstruktion des Mefstisches führte Praetorius ein Aufnahmeverfahren ein, das eine weit gröfsere Genauig- keit verbürgte und zugleich den Vorteil bot, dafs das verjüngte Bild der auf- zunehmenden Objekte sofort auf dem Felde aufgezeichnet wurde.

Der Mefstisch des Praetorius wurde zum ersten Male beschrieben von dessen Schüler und Nachfolger Daniel Schwenter im dritten Tractat der Geometria practica nova 1618. Die umstehende Abbildung Figur 1 ist diesem Tractat entnommen. Wir besitzen keinen jMefstisch von Praetorius, und ich weifs auch nicht, ob überhaupt einer erhalten ist.

Der Mefstisch AB CD ist ein quadratisches Brett von 15 Zoll (37 ' - cm.) Seitenlänge. In der einen Ecke A ist eine Ikissole E eingelassen. Von I aus geht nach unten eine Schraube G H, mittels deren der Tisch auf das Holz I K geschraubt wird, an welch letzteres bei M N und () die Stäbe des Gestelles S T V angeschraubt werden. Damit ist der Tisch zum Aufstellen fertig.

Zum Arbeiten sind noch verschiedene Instrumente erfordcu-lich. Zunächst ein Diopterlineal W von 14 Zoll Länge, an dessen iMnem I^^nde a sich in einem halbkreisförmigen Vorsprung ein kltMues Loch befindet, desscMi Mittel- punkt in der Richtung der Kante a c Hegt, l^in gleiches Loch steht im Abstand eines halben Fufses bei b. Die beiden L()cher sind so grofs, dafs man eine feine Nadel hindurchstecken und so das Lineal auf der 'i'ischplatte befestigen kann, e und f sind die -Absehen- (Diojjter), welche aufgeklappt werden können. Die Länge ist in 100, 200 oder cMue andere Zahl von l^^iilen geteilt. Dieses Instrument nennt Schwenter die i lauptr(;gel.

*) Vgl. Max Schmidt, mensula Praetoriana in der Z. f. Vermessunt^swe.sen 1893. XXII. 269.

Drei Nc^licnrc^Ljoln, x y z, L,fl(Mchfalls mit Län<^umtcilun(^ können zu einem reclit\\ink('li|L^(Mi DiiMc^ck zusaninu-ni^(\sicllt und, wie an der Figur zu sehen, an einer Seite (.1er Tischijlatte anyt-sehraul^t werden, wenn Höhen gemessen werden sollen.

l'',in weiteres Lineal h i mit einem ÜlcMlot, die Lotgahel dicmt dazu, den Slan(J])UMl;t, \(>n d< m aus Ljemesscn wei-den soll, auf dic^ 'risch])!atte zu über- t!a;_;eu, weil hici- die 1 lauitticed angelegt werdcMi nuifs.

Oie 1 iseliplatte Aii-d mittels einer Setzwage horizontal gestt^llt. Die iihiigen auf l'"ig. ] a!)!;el)ildeten hisiiaimente .^ind \-on L^(M-inüerem ISelane.

7

Das Meisverfahren ist ein graphisches, und zwar wird unmittelbar auf dem Felde ein verkleinertes Bild der aufzunehmenden Linien und Flächen auf die mit Papier bespannte Mefstischplatte aufgezeichnet.

Es kann sich hier nicht darum handeln, die sehr mannigfaltige Ver- wendbarkeit des Mefstisches allseitig zu erörtern, ein ganz einfaches Beispiel mag genügen, einen Begriff von der Art und Weise der Aufnahmen zu geben.

Es soll der Abstand zweier Thürme Fig. 2 B C, welcher nicht direkt gemessen werden kann, bestimmt werden.

Die Messung mufs von zwei Standpunkten aus geschehen. Man nimmt den ersten in einem passenden Abstände B o an, schlägt hier seinen Mefs- tisch auf, überträgt den Punkt o mittelst der Lothgabel auf die Tischplatte

"S^v^'S^

Fig-. 2.

und befestigt hier die Hauptregel. Nun wird zunächst eine Standlinie ge- wählt und auf dieser ein Stab aufgestellt in p. Dann wird mit dem Diopter von o nach p visiert und auf dem Mefstisch mit der Regel die Linie o p gezogen, desgleichen visiert man von o nach den Spitzen der Türme und zieht die Linien ob und o c. Ist dies geschehen, so wird der Mefstisch von o entfernt und in o ein Stab aufgestellt. Ferner wird auf der Standlinic ein passender Abstand b n. hier 38 Ruten , abgemessen , desgleichen werden 38 kleine Teile auf der Regel mit dem Zirkel abgegriffen und auf der Zeichnung der Standlinie von o nach n aufgetragen. Der Tisch wird alsdann so aufgestellt, dafs der Punkt n der Zeichnung senkrecht über n der wahren Standlinie zu stehen kommt, die Regel wird in n befestigt und so gerichtet, dafs ihre Kante mit n o der Zeichnung zusammenfällt. Die Regel bleibt auf n o liegen

S

iinil der Tiscli wird solaiii^'c L(i'(lr(dit, bis (li(> ini erstem Standpunkte o auf- ^'('strllu- StaiiL^c im I>i(i])t('i in der iiclitii;cn Stcllun^f erscheint. Der Tisch steht alsdann richlii;. Nun wird wiedtn- nach li und C visiert imd auf dem Tisch mit der Kcm'l die Limen n b und n c ^U'zogen. Die Schnittpunkte b und c mit den xun o aus i^u/oi^^enen Linien o b und o c ^eben in verjinigtein Nhilsstabe den /Xbstand bt-ider 'liirme (hier 41 Ivuten). Mit diesen Operationen ist aber nicht nur der /\l)stand H C, sondern auch (he Abstände o B und n C bi'stiuimt .

Fiir. n.

Das Verfalu-en berulit, wie man sieht, darauf, dafs auf dem Mefstisch eine der natürlichen ähnliche l-'i-^ur i^^cnvonnen wird.

Analo;; ist das \'(>rfahr(;n bei HTthenmessungen, wo mit rechtwinkehgen Dreiecken (ipcriert wird.

J;as grnnrmische .Museum besitzt ein histrument (W. J. 1262), welches An- dreas Albrccht irj2.'>, also wenige Jahre nach dtnn l'Irscheinen von Schwenters Cjcomclna an-<gcl)cn hat und wcl(;hes als eine Kombination des Alelstisches mit der I'cldiiK ■^s(■li)Ilss<,ll• ci-schcun. k'.s -estattc^t nicht, wie die mensula l'rafnoriana, eine mmiittclbai-e giai)hische /Xulnahme von JMguren, sondern nur eme solclu- \()n Waui.ciii. 1 )as .ViiM ia;^en dei" lMgur(-n geschah nachtr;iglich.

Die Platte besteht aus einem in Holz gebundenen Notizbuch, welchem eine gedruckte Beschreibung und Gebrauchsanweisung beigebunden ist. Die Notiz- blätter fehlen jetzt. Der Titel des Ruches lautet: Eygendliche Beschreibung und Abrifs Eines sonderbaren nutzlich und nohtwendigen Mechanischen Instruments, so auff ein Schreibtafel gerichtet, welche.'^ zum Feldmessen, zum Vestung aufsstecken, zum höh- und tiefen messen, zum Land und Wasser abwegen, desgleichen zur Perspectiv, gar füglich zu gebrauchen ist.

Fis- 4.

Durch Andreas Albrecht von Nürnberg an Tag geben. 1625. Dem Text waren fünf Tafeln beigegeben, von w(;lchon in uns(M-em Exc-mplar die erste, welche die Beschreibung erläuterte, fehlt. Doch läfst .sich aus dem Vergleiche des gleichfalls unvollständigen Instrumentes mit der ISeschreihung eine Rekon- struktion des Instrumentes vornehmen, wie in l'ig. 3 vcnsucht ist.

In den oberen Deckel E war eine Bussole A mit Angabe der vier Orte der Weh eingelassen. An dieser war eine Regel B befestigt. Beide waren fest verbunden und konnten gedreht werden. Mitteilungen aus dem german, Nationalmuseum. 1897, II.

10

Sic sind unii,'ct)(ii \(.n cinriii auf dem Deckel fl(\s Buch(\s bcfcsti^fton, in 36(^ (irade i^fetciltcn Kicis C. der ;^deichfalls mit den vier Orten d(;r Welt bezeichnet ist. l'nter dem Kreis und iiher ihn vorstellend ist eine kreis- f()rmiL;e Schreil)tah'l I) hel'e^ti^t.

An die Seite des Ihiches. an welchcM' es aufijeschla^fc^n wird, ist eine nii'ssiuL^'ene Rohre, 1" (\ anL^i'schrauht, welche^ um die Axe H drehbar ist. Sie ist als I)i(ii>tcr einL^ericlUet, und es kann an ihi' ein in zweimal 90 (jrade ^'eti'ilter I lali)kreis mit einem l'tMulel befestiL;t wei'den.

An Stelle der 1 )i(ii)teir('ihre kann <Mn Lineal ijeschraubt werden, auf widchem der XürnlxMj^fer Schuh in natürliclKM' Cir()fs(\ in ' :{ und in einer weiteren W-rjünsiuni' verzeichnet ist.

Fi-. 5.

Mit einer Hülse, welche ab,f,u\schraubt werden konnte, wird das Instru- ment auf ein Stativ aufi.(es(>tzt.

Das Instrument ist wie bemerkt, jc^tzt unvollständi.L,^ Die Russole A mit der Rcl^cI I; und der Teilkreis C. fehlen, desj^leichen das Diopter F G. Die Schreibtafel, KicideoTund auf I.eder ist schadhaft. An Stelle der fehlen- den llu-sole i^t (ine solche aus dem IS. Jahrhundert ein^^esetzt. Sie ist nicht drehbar. Auch das Lineal mit dem Lotmafs ist aus d(Mii LS. lahrhundert. h"i^. 4 stellt das L^anze Instrument auf dem Stativ dar.

Seine Aiu'venduuL; ^(,11 an eini;^en einfachen lieispielen _i,u>zei,qt werden. Wie bereits an.L,'<-(leutet, sind die AuhKihnu- auf dem Felde imd die [graphische AutzeichmmL^' ^fetrennte ' )perationen.

[bekanntlich ist ein Dreieck in allen si/inen Stücken bestimmt, wenn

11

eine Seite und die beiden anliegenden Winkel bekannt sind. In dem ge- gebenen Falle Fig. 5 ist also zunächst die Länge der Linie a b zu messen und es wird diese Gröfse in das mit dem Instrument verbundene Notizbuch einge- tragen. Dann wird das Instrument über dem Punkte a aufgestellt, mit dem Diopter von a nach b visiert und die an der Hülse befindliche Schraube an- gezogen, so dafs eine Drehung der Platte nicht mehr möglich ist. Hierauf wird die Bussole mit der Regel B so gedrc^ht, dafs die Xordnadcl einspielt, und diese Richtung auf der Schreibtafel D mit 1 bezc-ichnet.

Alsdann wird das Instrument soweit gedreht, dafs die Sehlinie des Diopters die Richtung a c erhält, die Bussole wird wieder orientiert und die Orientierung auf der Schreibtafel mit 2 verzeichnet.

Eine einfache Überlegung zeigt, dafs der Winkel der beiden Orien- tierungen dem Winkel bac gleich ist. Völlig gleich ist er allerdings nur, wenn die beiden Punkte, nach welchen visiert wird, gleich weit vom Standpunkte entfernt sind. Denn wie die Fig. 5 zeigt, ist das Instrument mit einem Fehler behaftet, der darin besteht, dafs die Sehaxe des Diopters sich nicht mit der Drehungsaxe des Instrumentes kreuzt. Der in der Zeichnung sehr auffallende Fehler wird indes dadurch wesentlich verringert, dafs die Abstände der Stand- punkte und der zu bestimmenden Punkte im Verhältnis zu den Abmessungen des Instrumentes in Wahrheit weit gröfsere sind als auf der Zeichnung; dann dadurch, dafs die Winkeldifferenz immer auf d(n-selben Seite der Visierlinie liegt. Der Fehler kann ganz vermieden werden, wenn man das Instrument bei jeder Visierung dreht, so dafs das Diopter einmal rechts, das andere Mal links von der Bussole steht und das Mittel aus beiden Visierungen nimmt, oder wenn man in a und b statt des Instrumentes Visierstäbe aufstellt, es sind aber dann für a und je zwei verschiedene Standpunkte des Instrumentes erforderlich.

Die gleichen Operationen werden in b wiederholt und so der Winkel a b c auf der Schrcibtafel verzeichnet und damit sind für die vorliegende Aufgabe die Arbeiten auf dem Felde beendet. Das Aufzeichnen der Figur geschieht zu Hause.

Das Instrument wird vom Stativ genommen und die Hülsi" abgeschraubt, desgleichen das Diopter, an dessen Stelle nun das erwähnte Lineal bet<,\stigt wird. Das so veränderte Instrument wird alsdann auf ein ZeMchenbrett ge- legt, das während der Ausführung der Zeichnung \-ollstandig un\ errückt lieg(;n bleiben mufs. Die Reihenfolge der Operation^-n ist hier die umge- kehrte wie auf dem Felde. Um die Richtung der Standlinie a b zu bestimmen, wird die Regel B auf die mit 1 bezeichnete Linie in der Schreibtafel I) ge- stellt imd mm das ganze Instrument solange gedreht, bis die Xordnadel einspielt, das Lineal hat alsdann die Richtung a b, welche auf dem Zeichen- brett angezeichnet wird. Auf diesei' Linie wird die gemesscMie Länge a b in der gewünscht(Mi Verjüngtmg aufgetragen. Weiti'r wird die Regel 1> aut die Linie 2 der Schreibtafel D gestc:llt, in dem Punkte^ a des Zeichenbi'ettes eine Nadel eingesteckt, das Instrument nüt dem Lineal an diese Nadel heran- geschoben und um den Punkt a solange gedreht, bis die Xoidnadel einspielt.

12

Das Lineal hat alsdann dir Richtung a c, Durcli die ^deiche Operation in b wird die Richtuni,' h c ^(d'undcMi und es ist tlaniit in dem vcrjünt^tcMi Alafsstabe, der der ZtMchnunL^ zu (jruntU^ k^''li'Ut ist, der Abstand und die Lage des Punktes c gi'gen a und b bestininit.

Die \di\\ das Instrument selbst zum Auftragen der Zeichnung zu b(;- nützen, hat L(>\inus llulsius in einc-m Hussoleninstrument, das er Planimetra nennt, schon gi'gen iCncU^ dc\s 16. Jahrliunderts verwirklicht und es darf an- genomuKMi winden, dafs Albrecht die Planinu^tra des llulsius kannte;.

Wie das InstruuK^nt zur Atifnahme von l'dächen imd zu deren Auf- zeichnung in verjüngtem ALafsstabe dient, so kann es auch umgekehrt zur Absteckung von Plänen nach Zeichnungen benützt werden.

Es dient ferner zur Messung von Höhen. Soll die II(')he a b k"ig, 6 g(;- messen werden, so wird das Instrument in einiger Pmtfernung aufgestellt. Man visiert mit dem Diopter, an welchem nunmehr der Transporteur befestigt ist, nach b und, ohne das Diopter zu verschieben, nach c. Dieser Punkt wird mit

Fig. 6.

einer Stange bezeichnet. Dann wird an dem Transporteur mittelst des Lot- maises der Winkel X abgelesen, in welchem das Dioi)ter zur vertikalen steht, und endlich wird der Abstand a c gemessen.

Um di(; Figur aufzuzeichnen,- wird der Transporteur vom Diopter ab- genommen, und an Stelle des Pendels ein Lineal befestigt, dessen eine Kante durch den Drehpunkt des Pendels geht.

PLs werden zunächst auf einem Reifsbrett zwei senkrecht sich kreuzende Linien g(;zogen, das Lineal am Transporteur auf den Winkel X gestellt und so an die; Vertikallinie angelegt, dann hat die Oberkante des Transporteurs die Richtung b c, welche das Diopter auf dem Felde hatte. Zicdit man diese Linie und mifst von ihrem Schnittpunkte mit der horizontalen auf diescM' in verjüngtem Mafsstab(> die Länge a c al), errichtet in a ein(^ vertikale, so liegt der Schnitt])unkt b diesei- letztertm mit der Linie b c b in der gesuchtc^n H(')ht;.

Mit ZW'CM AufnahuK'n kann auch eine Mühe, an deren P\ifs man nicht gelangen kann, bestimmt werden. Ferner gestattet das mit dem Diopter

13

verbundene T.otmafs, das Instrument als Nivellierinstrunnent zu verwenden. Endlich können durch die Kombination der Planaufnahme mit der Höhen- aufnahme perspektivische Bilder von Gegenständen gewonnen werden. Die Methode ist die der Zentralprojektion.

Die Genauigkeit, welche das Instrument gc>währlcistet, steht hinter der des IMefstisches mit fester 1 lolzplatte und Kippregel oder Diopterlineal erheb- lich zurück. Sein geringes Gewicht und seine wenigstens für den ersten Teil der Arbeiten, die Aufnahme auf dem F(^lde, einfache Handhabung mögen es für Fälle, in welchen keine grofse Genauigkeit und rasche Aufnahme ver- langt wurden, empfohlen haben. Eine grofse Verbreitung hat es nicht ge- funden und unser Alefstischchen wird wohl das einzig erhaltene Exemplar sein.

Schon 1617, also einige Jahre früher als Albrecht hat Johann Lörer, Bürger und Kleinuhrenmacher zu Basel ein auf dem gleichen Grundgedanken beruhendes Instrument zur zeichnerischen Aufnahme von Winkeln erfunden und in einem Traktat : »Novum Instrumentum geometricum perfectum, das ist voUkommner vnd grundlicher Bericht, alle Weite, Breite, Höhe und Tieffe, mit sonderbarem Vortheil, als mit einem einzigen Instrument ohne Ziffer und Rechnung gantz gewifs abzumessen« beschrieben.

Das Instrument besteht aus einer kreisförmigen, horizontal zu stellenden Scheibe. Ein Eineal, dessen eine Kante durch das Centrum der Scheibe geht, dreht sich um einen in der Mitte der Scheibe befindlichen Zapfen. Über dem Lineal erhebt sich eine zweite vertikale Kreisscheibe. An dieser ist, gleich- falls drehbar und das Centrum berührend, ein langes Diopterlineal angebracht, dessen Sehaxe mit der Kante des Lineales parallel ist und mit der des unteren Lineales in einer Vertikalebene liegt. Die Scheiben werden mit Papier be- spannt , horizontale Winkel werden auf der horizontalen , vertikale auf der vertikalen Scheibe verzeichnet.

In verbesserter Form war dieses Instrument noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch. Die Winkelscheibe (plancJiette ronde) ist in dem Traite de la constriiction et des principaux iisages des Instruments de "tuathe- matique par N. Bion. 4""^ edition. Paris 1752. S. 123 beschrieben und auf PI. XIV. abgebildet. Die Planchette ronde ist eine Metallscheibe von etwa 1 Fufs Durchmesser. Der Rand ist in Grade geteilt. Bei 0", 360" und 1km 180" sind Diopter angebracht. Die Innenfläche ist verti(Tt, so dafs einige Blätter Papier eingelegt werden kcinnen. In der Mitte erhebt sich ein Zapfen, um welchen sich eine Regel dreht, deren Kante die Di'ehaxe schneidc-t. L'ber der Regel befindet sich ein Fernrohr , dessen Sehaxe der Kante der Regel parallel ist. Seitlich an d(M- Regel ist eine lUissole angc^bracht.

Wie man sieht, sind die Operationen mit di(\sen insti-umentiMi einfacluM-, als mit dem Albrcxhtschen und zugleich ist durch (li(> konzt-ntrische Lage der Visieraxe eine gr(")rsere GtMiauigk'cit gewähik'istt^t. \)'w Winkel wiM-den bei jedem Standpunkte auf ein gesondertes lilatt gcveichnet. I^ie Instrumente selbst könncm nicht zum Auftragen der ZcMchnung gebraucht werden.

Ahnliche lu-wägungen wie sie L()rer und Albrecht angestellt ha!)en. hattet schon 1607 den schweizer Geometer Leonhard Zül)ler zu einer Umgestaltung

14

des McMstische^^- L^u'fiihrt. wolclir cv mit clcni Namen: Instrunientum Choro- c;rnp}iicn»i lnveu-hnet. I )i(\se.s InstruiiuMit wurde später von Athanasius Kircher verhi-ssi-rt. liei diesen Instrumenten tlreht sich der äufsere rechteckige Teil der I'latte nnt dem l)i(»|)tt'r und der RegtM um (Mne mittlere runde Scheibe, auf welche ^^eztMclunt wird. Letztere bleibt wie bei dem Albrecht'schen In- strument fest o! ientieit. DagegcMi gestattet das Instrument die zeichnerische Aufnahme dcM /u vernu\^stMiden Winkel und I'dächen auf dem Felde.

Lennhard Ziibler hat sein Instrument unter dem Titel; Fabrica usus In- strumenti Cdnii-iigiai)hici , . . i^asel 1607, beschrieben.

Die Ik'schriMbung des Kircher'schen Alefstischchens Pantometrum findet sicii in der (ieomt^tria i)ractica von P. Schott. Beide Instrumente beschreibt auch lakob I.eu])(ild in seinem Theatrum arithmetico-geometricum Leipzig 1727.

Nim übe rg. Gustav von Bezold.

Richard von England.

o/fTik4^ n dem Wolkensteinischen Archiv des Museums befindet sich , auf

rVf '■^•'\V teinerem, ziemlich weifsi^m Pergament geschrieben, eine Lrkunde ,-,^^-^>V) \'om 5, April 1494, deren Aussteller im Eingang sich als Richard, Herzog \'on York, Sohn und Erbe König Eduards W . von England bezeichnet und sich unterschreibt als Rychard off england.

In derselben verspricht dieser Richard dem edlen und sehr mächtigen Herrn Michael \-on Wolkenstein lur täglich bewiesene und fernerhin zu be- weisende gute Gesinnung, sowit; für die heilsam(.'n, in der \"crfolgung seiner AngelegenheitcMT ihm gewährten Ratschläge 1000 Goldgulden deutscher Wäh- rung , die ihm selbst oder seinem rechtmäfsigen Vertreter ausgezahlt werden sollen, sobald Richard in England die Anerkennung seines Geburtsrechtes erlangt hat.

Die Urkunde lautet:

Xf)tum sit, quod nos, Ricardus, dux Eboraci , filius et heres metuen- (Jissimi domini et patris nostri , Edwardi (.piarti , nuper regis Anglie et h'rancie ac domini Hibcrnie, bonum et gratuitum obsequium per nobilem et prei)C)tcntem \iruni, dominum Michaelem de Wolqui'stain, nobis in dies multiplicittM' im])cnsiim vX im])osterum impendendum. in ministrando nobis suum Sanum et salubic consilium circa n(>gocia nostra agenda, intime con- .^iderantf^, conce^sinuis et per ])rcscntes Cf>ncedimus, quf)d. cum ad ins et icctum nn^iruni ad (juod nati sumus in .Anglia diuina gratia adducti et stabiüti fuei-iiiius, ^dhiiMiius seu solui faciemns ])re(lict(» .Michaeli aut suo sutficicnti et ligittiniM in liac ])artt' atti irnato summam mille florenorum auri de Alm.ania. ad quam (|ui(li-m sdlucionem modo i>t forma predictis hdelitei" ficndam et pciimi)l(ndam obligamu.^ no-. tirmiler jicr i)resentes , signeto no-^tio manuali signatas et ^igillo noxtro -.igillatas. Datum quinto die men- sis /Xpiili^ anno douiini millesimo (luadringintesimo nonagesimo quarto.

Rvchard oft" england.

15

Das Siegel von dunklem Wachs hängt an; doch ist es am Rande so beschädigt, dafs von der Umschrift nichts mehr zu entziffern ist. Dagegen läfst das Wappen im zweiten und dritten Felde deutlich die drei Leoparden, im ersten und vierten bei schärferer Prüfung die Lilien erkennen und ist offenbar als das königliche Wappen aus der Zeit der Plantagenets, Lancaster und York zu bezeichnen. Die Urkunde ist in klarer, leicht lesbarer Kanzlei- schrift geschrieben, etwas verwäscht. Die eigenhändige Unterschrift Richards zeigt feste, energische Züge. Dafs der Ort der Ausstellung nicht angegeben ist, ist nicht störend und stimmt mit der Persönlichkeit des Ausstellers eines heimatlosen Prätendenten.

Denn wer ist dieser Richard von England , vorgeblicher Sohn König Eduards IV. und Herzog von York.^ Ohne Zweifel niemand anders, als jener Perkin Warbeck, dessen abenteuerliche Gestalt Schiller zu einem Drama an- regte, wovon der Entwurf uns erhalten ist. Eine Zeitlang anerkannt in Flan- dern, wo er in Brüssel am Hofe der Margarete von York lebte, landete er seit 1495 wiederholt in England, Schottland und Irland. Er fand Aufnahme bei dem jungen ritterlichen Jacolj IV. von Schottland, der im Jahre 1497 auch Warbecks Schilderhebung in Cornwales durch einen bewaffneten Einfall in Eng- land, der allerdings nicht zur Ausführung kam, unterstützen wollte^). Schiller bringt in seiner Dichtung Warbeck mit dem echten Warwnck zusammen ; mit diesem safs er, in Gefangenschaft geraten, thatsächlich im Tower und wurde, als er ihn zu einem gemeinsamen Fluchtversuch verleitet hatte, 1499 mit ihm hingerichtet.

Über Michael von Wolkenstein, den Empfänger der Urkunde, sei hier bemerkt, dafs er seit 1499 als Hofmeister und Mitglied des von Kaiser Maximilian eingesetzten Landesregiments hervortritt und beim Tode des Kaisers Landhofmeister ist. Sein Leben verlief ruhiger, als das seines be- rühmten Stammesgenossen Oswald. Die Thaten und Ereignisse, auf welche unsere Urkunde hindeutet, fallen in die Zeit seiner Jugend.

Das Bindeglied zwischen ihm und »Richard von England« bildet sein Landesherr Maximilian. Man vergleiche hierzu Ranke, Engl. Geschichte, S. 101, der bei Schilderung der Schwierigkeiten, welche den Regierungsan- fang Heinrichs VII. von England kennzeichnen, unter Anderem sagt: Noch lebte die Witwe des Herzogs Karl von Burgund (jene oben erwähnte Mar- garete), die es unerträglich fand, dafs das Haus York, aus dem sie stammte, von seiner -triumphierenden Majestät« herabgestürzt worden sei. Bei ihr fanden die flüchtigen Anhänger des Hauses York Aufnahme und Schutz : v(M1 ihr und ihrem Schwiegersohn Maximilian von Osterreich wurden die Präten- denten ausgerüstet, welche Heinrich VU. die Krone streitig machten.

Wir denken später über Michael von Wolkenstein lungehenderes zu bringen und begnügen uns hier mit dem Abdruck dieser Urkunde, die seine Gestalt eigenartig einführt und auf den Anfang seiner Laufbahn ein roman- tisches Licht wirft.

Nürnberg. Dr. R. Schmidt.

^) Ranke, Enirli.sche Geschichte, S. 99.

1 6

Ganerben. I.

*-i^>.

'^jTV^^n (iriniins \\'(>it(Ml)Uch 1m1. 1\', 1. S]). 1215 Icsrn wir unter ^Mncrbc: rif'\V^i alul. ist bezeugt kanari);in, canluM-hcn, aber L,^liicklich auch die r^^^-^j-^ ältere (It-stalt ij;c-aner\(), fiaukisch 9. jli., in einem capitularc der K()nim' I.ud\vi;4 und Lothar (l'ertz uion. 3, 262), nachlier (Um- i^eaniMvo siner, coluMes i^jus, abt'r auch schon i^Mncrvo siner, wie dann nihd. j^^anerbe, nmd. i^ancrxe, also urspiiins^lich L^i-ana-erbo. Das bestäti^^t eine Form des 13. jh. mit Umstcdlun^ der beiden Vorsätze ancf^^^erve.

Die ältere Form ^eanerbe wurde also frühzeitig in ganerbe zusammen- gezogen. Nun lieifst es weiter bei Grimm, Sp. 1217 unter 3a: Dafs dies gan. an dem die sjjätere Gelehrsamkeit wunderlich herumgc^deutet hat, schon im 14. jahrh. und fri'iher \erdunkelt war, zeigen die wunderlichen var. im Ssp. I, 17 bei Homeyer, z. B. als gan gönnt ausgelegt, wie die Uebersetzung fa\orabiles heredcs zeigt, oder als gegen« nach generben u. ä., im Kaiser- rechte 3, 10 gagenerben, auch als gahen eilen. . . Dagegen klingt das Richtige nach in der Form geanerbet Parz. 330, 30 var., geanerbet sitzen R. A. 482 anm. (vom J. 1326j, worin freilich anerbe, ancrben hineingefühlt sein wird.^ Dann heifst es unter 3 b): Um so merkwürdiger ist daneben, wie noch im Jahre 1267 das ge-an am Rhein lebendig gefühlt, ja in seiner Stellung beweglich, flüssig erscheint. <' Das urkundliche Beispiel ist: si quid questionis . . emerserit ab hiis qui uulgo anegeruen dicuntur, das Duplikat der Urk. aber hat ganeruen.«

Angesichts dieser Ausführungen dürfte es interessieren, dafs noch w-eit später als in den oben angeführten Beispielen v. J. 1267 und von 1326 das Richtige nicht nur nachklingt oder lebendig gefühlt wird, sondern die ältere Form geanerben thatsächlich noch vorkommt. Kürzlich [s. Anz. 1896. Nr. 6 S. 80 oben) ward von uns in einem gröfseren Komplex eine Urk., Orig. perg. vom 25. Juli 1381 , ebenfalls aus der Rheingegend stammend, erworben, welche in dem hier in Betracht kommenden Teil lautet:

Ich Daniel xon Muderspach wepener dun kunt allen luden die dissen briet sehent oder horent lesen, daz ich mit gehencknisse minre kmherrn unde mit gunst unde willen Diederiches mins bruder unde minre mage unde gean- erbin han gewiedemet unde wiedemen Gretin min eliche husfrauwe mit solichcm gude, als ich unde mine geanert)en han zu lene xon deme edeln mime lieben junchcrn, junchern Ilcnnrichen greben zu Nassauwe, herrn zu Bil- scheim nut namen dinizen Iniwen mit zinsen, mit zienden, mit iernie zugehore besucht unde unbc^ucht, daz allcz halp ist minrt^ mage, minre giMnc-rben etc. Und später heilet es noch einnial : So lian ich Daniel gebedin Diederichen minen bruder unde mine geiuage, mine geanerbt;n.

X'ieiinal kommt also hiei- in iMner L'rk. \-om ). 1381 noch die l-'orm geanerben \dr. 1 )agegen haben zwei, dei-selben Kollektion ang(-h()i'ende und dem Inhalte nach mit diesei' Ui'k. in /iisamnienhang stehende, die r,anerben \-r,n Wittenberg betrettende L'rkk. \ om ö. Sei)t. 1384 und \om 31. Dez. 1405 nur noch in wiedeiholtei- Nennung die h'orm ganerben.

Nürnberg. Dr. R. Schmidt.

17

Ein süddeutsches bürgerliches Wohnhaus vom Beginne des 18. Jahrhunderts.

(Mit 14 Tafeln.)

;n den Sammlungen des germanischen ^Museums nehmen die Abtei- lungen, welche den deutschen Hausrat der Vergangenheit umfassen, mit vollem Rechte einen sehr grofsen Teil der Räume ein, welche dem Publikum allgemein zugänglich sind. Reichhaltige Serien von Möbeln sind hier vereinigt mit umfangreichen und lehrreichen Sammlungen von kleineren Geräten aller Art und aus allen möglichen Materialien, welche im Süden und Norden, im Westen und Osten unseres Vaterlandes zu einer bestimmten Zeit im Hause gebraucht wurden. Kostbare Teppiche und kunstvoll ausgeführte goldne Pokale, reich geschnitzte Bettstellen und eingelegte Schränke , zierlich getriebenes Eisenwerk und schön reliefiertes Zinngeschirr , bunt emaillierte Gläser und farbig dekorierte Thonschüsseln bekunden , dafs alle Handwerke im Dienste des Hauses standen und dafs alle miteinander wetteiferten, durch formenschöne , zweckentsprechende und solide Geräte das Haus wohnlich zu machen, es zu verschcinern und durch den Gesamteindruck, den sie hervor- riefen, durch den Zauber, den dieser ausübte, die Bewohner des fiauses an dieses zu fesseln.

Naturgemäfs gehört nur der kleinere Teil dem Mittelalter an , während der weitaus gröfsere der späteren Zeit entstammt. Wenn es nun auch noch keine besondere Schwierigkeiten macht , einzelne häusliche Denkmäler der letzten Jahrhunderte zu erwerben , obgleich auch diese nachgerade anfangen seltener zu werden, so ist es dagegen doch aufserordentlich schwierig, das jMaterial zusammenzubringen , um das Gesamtbild eines Wohnraumes einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Gegend und einer bestimmten (jesc^llschafts- klasse zu geben. Im germanischen Museum ist ja auch hiemit der Anfang gemacht worden; aber die Versuche sind noch weit entfernt von der Lcxsung dieser Aufgabe. Sie haben nur bestätigt, dafs es kaum m(')glich ist , solche Gesamtbilder mit allen erforderlichen Einzelheiten und namentlich den \ielen Kleinigkeiten, die dazu gehören, aufzustellen, da ja zeitlich und räumlich nicht Zusammengehöriges, da Geräte des Baue-rn mit solchen der Patrizier nicht nebeneinander verwendet werden dürfen.

Unter diesen Verhältnissen ist es freudig zu begrülscn, dafs das ger- manische Museum eint; Hilfe bei L()sung dieser /Xutgabe durch die schtnuMi PuppenhäuscM- erhaltiMi hat , die im Kl(Mnen das Inneri^ d(\s 1 laust's und aller seiner Räume in grofser XWahrheitstrtnie wiederspit\g(^ln. In Deutschland sind sie vorzugsw(Mse in Nürnberg und Augsburg gebräuchlich gewesen und so kommt t\s, dafs das germanische Museum deren nn-hr als iigend eine anclei'c Anstalt besitzt. Der Umstand, dafs ein solches l'uiJix'nliaus alle Räume tles Hauses vom Keller bis zum Dachboden \(.)rführt . dafs fei'ner die l'upi)en- häuser xerschitulenen Zeiten angeh()ren , bei manchen d\c l-'iniichtung und Ausstattung auch später, dem damaligen Geschniacke t'ntspi'echend, geändert

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. III.

I S

wuihIi'II, (tIk)!!! den kultuihistoiisclKMi Wert, der den Pu])i)(>nhäu.scni als Mo- dc'lU'ii alter Wohnhäuser innewohnt, j^'anz htuleutend.

Zu diMi l'anzi'lstücken und den Modellen kommt aber nocli ein dritter k'aktor, dei' sehr wesentlich dazu beiträgt, dal's wir uns ein ^^etreues 15ild ein- zelner Wohniäuuie dei' X'orzeit machen k<')nnen, Ucämlich die bildlichen Darstel- lungen solchei', ili(,> in Miniatur- untl Tafelmalerei, in I landzcMchnun^f, in Kupfer- stich und in Holzschnitt in nicht gerinj^^er Zahl auf uns i^U'kommen sind. So wert \ olle Kunstwerke, so lehrreiche I^ilder sich darunter befmdcm, haben sie doch den Nachteil, dals sie ebim nur einen I^laum eines Hauses wieder^fcben, währi'nd wir iiber die übrigen Lokale keinen Aufschlufs erhalten und uns deriMi l'^rschtMnunL,' verborgen bleibt.

Durch dic^ Güte des Herrn Geheimrat(;s, Direktors Dr. J. von Hefner- Alteneck in !\binchen, des Nestors der deutschen Kulturhistoriker, ist dem <,U'rmanischen Museum nun eine L^U'aphische Darstellung^ d(;s Innc^-n eines Wohn- hauses zugt'kommen, die an dem erwähnten Mangel nicht leidet, die \iclmehr gleich einem Dockenhause alle Räume \om Keller unter der Erde bis zu dem Speicher unter dem das Haus bekrcnienden Dache enthält. Zu einer Zeit schon, als das Interesse ffir die Kulturgeschichte; noch in tiefem Schlaf ver- sunken war und man Diejenigen, welche solches zu erkennen gaben, für ver- schrobene Köpfe, für Sonderlinge ansah, hat Geheimrat von Hefner-Alteneck, den kulturschichtlich(Mi Wert dieser Darstellungen sofort erkennend , diese Blätter erworben imd sie seinen wertvollen Sammlungen eingefügt. Nicht ganz leicht wurde es ihm, sich von den reizenden Blättern, die ihm lieb ge- worden, zu trennen; aber die Ansicht, dafs sie in dem deutschen kulturgeschicht- lichen Zentralmuseum am Allerbesten aufgehoben, dafs sie hier am y)assendsten Platze seien , machte ihm den Abschied weniger schwer. Wärmster Dank sei ihm hiefür auch an dieser Stelle dargebracht! Auch uns haben die Bildchen hoch erfreut; wir zweifeln nicht, dafs sie auch weiteren Kreisen Genufs bereiten werden in einer Zeit , in welcher die Freude an der Väter Werk allerf)rts eine sehr rege und stilvoll eingerichtete oder sogen, 'alt- deutsche Zinnner zu besitzen, das Streben \c)n Tausenden und Abertausen- d(Mi ist.

Die Serie besteht aus 14 einzc^lnen lilättchen , dit' mit der l'Tnler auf Liclblichcs l'a])i(r sehr sauber, aber auch tlott gezeichnet und alle leicht an- getuscht sind. Die Jahreszahl 1736 auf der Platte eines gufseisernen Ofens in einem der \-orgeführten Zinnn(M- besagt wohl, wann die Zeichnungen ent- standen. Das Kosti'im der l-'i-auen, namentlich ihre eigenartige Kopfbedeck- ung mit den Schneppen auf der Stirne und an den Schläfen, verkündet, dals die Iil;ittci- in /Xugsbui-g, in der Metropole des deutschcMi Kupferstiches mi ].s. [aluhundeit, (>ntstanden sind. Die Hantierungen in vtM-schicuJenen käuincn \cirat('n fernei' , dafs der Künstlei', und zwar ein Kupferstecher, sein eigenes HaiLs gezi'ichnel hat, dafs er die i\äum(> vorführt, die ihm und den Seinigen zu behaglichem /Xufenthalte gedient. Der Zeichner hat sich leider ant k-eineni der llildchen genannt; wir werden auf die h'rage, wem sie ihie l-'ntstehung /u wi'danken haben, am Schlüsse; dieser Mitteiluni>en

19

nochmals zurückkommen. Schon an dieser Stelle aber kann erwähnt werden, dafs die Zeichnungen zur Vervielfältigung in Kupferstich bestimmt waren und wohl auch in Kupfer gestochen wurden, da sie bis auf zwei Blätter die Waschküche und eine Flur auf der Rückseite mit Röthel bestrichen sind, mit dessen Hilfe man die Zeichnung auf die Kupferplatte zu übertragen pflegte. Herr Geheimrat Dr. J. von Hefner-Alteneck, der so aufserordentlich viel kennt und dem so viel durch die Hände gegangen, hat nur ein einziges Mal einen Stich nach einer dieser Zeichnungen und zwar in der fürstlich Öttingen- Wallerstein' sehen Sammlung zu Maihingen gefunden. Doch soll der Stich eine sehr stümperhafte Arbeit sein und weit hinter der Original- zeichnung zurückstehen. Mir ist noch keine Wiedergabe irgend eines dieser Blätter zu Gesicht gekommen. Man sieht daraus wiederum, wie viele der Kupferstiche und auch Holzschnitte , die in vergangenen lahr- hunderten gefertigt wurden, im Laufe der Zeit spurlos verschwunden sind, und welch grofse Mengen aus der Anfangszeit dieser Kunstübungen uns ver- loren gegangen sein müssen, wenn schon Blätter aus dem 18. Jahrhundert nicht mehr aufzutreiben sind.

Aus dem Charakter der Zeichnungen, aus der Ruhe und Behaglichkeit, die sie atmen, geht hervor, dafs der Künstler seine Wohnung in aller Treue wie- dergegeben und sich keinerlei »Verbesserungen« beflissen hat, die etwa die- selbe vornehmer erscheinen lassen sollten , als sie in der That war. Er hat keinerlei Künsteleien vorgenommen; die Zeichnungen sind, bis auf eine, wie aus einem Gusse, die verschiedenen Interieurs harmonieren vollständig mit- einander. Sie stellen das wohleingerichtete und gut ausgestattete Wohnhaus, die gemütlichen Wohnräume eines nicht reichen, aber in angenehmen, ge- ordneten Verhältnissen lebenden Bürgers dar, der heute eine Seltenheit in grölseren Städten so glücklich war , mit seiner Familie ein Haus allein bewohnen zu können. Acht deutscher Geist und vielleicht unbewufste Freude an dem scheinen , traulichen Besitze spricht aus diesen mit grofser Liebe ausgeführten Blättern. Des Künstlers Heim gehinte wohl zu jenen Häusern, die Paul von Stetten d. J. im Auge hatte, als er 1765 von seiner Vaterstadt Augsburg schrieb: >So ist unsere Stadt seit fünfzig Jahren aber- mahls verschönert worden , und haben wir schon wenig Pallästc , so haben wir doch bequem gebaute bürg(M-liche Häuser ')<.

Wir wollen nun die verschiedenen Räume des Hauses, ihre Einrichtung und Ausstattung betrachten und als Erläuterung dasjenige mitteilen, was in dem Werke >Die so kluge als künstliche von Arachne und l'enelope getreulich unterwiesene Haufs-Halteriuv; (Nürnberg 1703-) übcM- die einzelnen Räume eines Nürnberger Wohnhauses zu jencM- Zeit gesagt ist. Hei den \ic-len Be- ziehungen, welche die beiden vornehmsten süddeutschen Reichsstädte zu cm- ander hatten, und dem Umstände, dafs das Ihich und die; Zt-ichmmgen auch zeitlich nicht weit auseinander stehen, kcHinen die Ausführungen d(\s ersteren

1) Erläntcrun^fcn tlcr in Kupfer (^'cstoclHiicn \'()r,stc>lliiii>^cn aus der Geschichte- der Reich.sstadt Augsburg. Augsl_)urg 176.5 S. L'Oö.

2) BibHüthek de.s german. Museum.s Gs. 1228.

20

als Trxt zu ilcn Un/ttMcMi anL^i'schcn werden. Die Ni'irnber^HM- » I laufs-l lalterin enthalt auf beinahe lOOO ( hiaitseitcn /Mies, was zu jener Zeit jnn<^e Mädchen uikI ['"lautMi wisst-n sollten; ihi- Inhalt ist für die Kulttu-<4eschichte von beson- derem Werte.

Der Hof (Taf. I).

Die ersti" der Darstellungen ist die einzige der Reihe, welche aus dem 1 lause luMausführt. Der liof, der sich liintcr demselben befindet imd zu ver- sehiiMlent-n Aibeitc-n, die innerhalb des I lauses sich nicht «^ut ausführen lassen, so zweckniäfsi^ i^ebraticht winden kann, ist von bescheidener Gröfse. Rechts bc>L;tiMizt ihn die Rückseite des Wohnhatises, links die Akauer eines Xeben- !4ebäudc\s, vorn eine Akauer mit einer Thüre m derselben, die wohl in eine Xebeni;asse führt. Der 1 lof ist gepflastert mit Kieseln, wie sie aus dem Schotter des Deckbettes ausgesucht werden. Viele der alten y\ugsburger Strafsen zt-igen heute noch das gleiche Pflastermaterial. Am Rande des 1 lofes läuft ein Belag von gröfseren Steinplatten. Der Brunnen am Hause, d(;r das 'krink- imd Waschwasser liefert, ist einfachster Konstruktion, während er in vornehmeren Häusern Nürnbergs, und sicher auch Augsburgs, eine Zier(U^ des klofes war und in architektonischer Umrahmung plastische Dar- stellimgen, häufig schcme Bronzegüsse z(Mgte. LetztcM'e sind leider zimi gröfsten Teile der Sammehvut unseres Jahrhunderts zum Opfer gefallen.

Der Hof gab den Bewohnern des Hauses Gelegenheit, ihre Fretide an der Natur zum Ausdrucke zu bringen. Er ist der Tummelplatz des Ge- flügels, der Tauben und Hühner, der Enten und Truthühner. Die Akauer mit der Thüre zeigt ein SpaliiM- mit Weinreben, ein schwacher Ersatz für den Ikausgarten, der das Sehnen aller Stadtbewohner ist. Von Interesse ist, was die Nürnberger Hauls-kkalterin ti. a. über den Ersatz der kleinen Hausgärten schreibt (S. 738 f.), den sie> namentlich in Blumengerüsten sieht, die vor den k'enstern angebracht und mit Kübeln und Blumentöpfen besetzt werden, die mit allerley k]äumlein, Wurtzeln, Zwiebeln und Saam-werck anzufüllen sind, Aiig und Geruch erg(')tzcn, tmd (kann man) also seine Vergnügung so gut als in den schönsten Garten haben.'

Wir k(")nnen uns nicht versagen, hier noch mitztiteilen, was in dem be- sagten W(M'ke über den Euxus gesagt wird, der zu jener ZtMt mit Blumen- tiiplcn gctrieb(>n wurde und der so recht die 1^'reude imscM'er Vorfahren an Ziel- und Schmuck bekundet: -Werden die h(')ltzerne Kübel oder \'i(M--eckichte Kästen gemeiniglich zu mehrerer Zierde mit l)imden l^'arben l)eli(>biger massen ang(_'stiiclH'n, mit zierliclien Laub-werck, oder wohl gar mit den Wappen defs 1 laufs-Pati-ons bemahlet, die; l\eife oder eiserne Ringe \ erguldet, die ertl(>ne l!lumcn-'I r)ptfe sch(')n braun, grün, oder sonst nach GtTallen g(,'glaset und in dcis 1 'i])tiers Ofen gebiannt, ingleichen aucki an deroselbcm statt gantze (.'rdene oder ". on (jips ioi-niii'te und mit l'"arl)en bemahlte Brust-P)ilder aufgi\stt'llet, in deriMi jeden Kopf man einen kleinen erdenen giMueinen Blumen-Tojjf mit BlunuMi angeti'illct zu setzen l>fleget, und weil (Muige (]ew<ächse (-ini^s Pfahk\s oder (jcländers \ on liimd-wcMck benothigt sind, als werden auch dieselbige mit eben

- 21

solcher Färb wie die Kübel oder Kästen bemahlet, und oben mit güldenen Knöpffen gezieret.«

Der Herr im liefe mag wohl der Hausherr sein, der nach des Tages Last und ?^Iühe hier etwas frische Luft sch(')})ft und sich mit seiner Frau und einem Besuche aus der Nachbarschaft unterhält. Der Knabe und das Mädchen erscheinen für ihr Alter merkwürdig gesetzt; sonst mögen w^ohl auch sie sich in dem Hofe weidlich getummelt hab(;n.

Die Ausführung dieses Blattes steht hinter jener der übrigen Blätter etwas zurück. Da auch das Papier nicht gelblich gc^färbt ist, sondern die weifse Naturfarbe zeigt, so scheint (\s erst später der Serie angefügt und von einem etwas weniger tüchtigen Künstler ausgeführt worden zu sein. Vielleicht hat es seine nachträgliche Anfertigung dem Umstände zu ver- danken, dafs dem Verleger die ungerade Zahl 13, welche die Innenräume des Hauses ergaben, nicht pafstc und er durch Hinzufügung eines weiteren Blattes, zu dem sicli der Vorwurf dann nur aulser dem Hause fand, eine gerade Zahl erreichen wollte.

Der Keller (Taf. II).

>Nun gehen wir in den Keller. Selbiger je trockener er ist, schreibt die Nürnberger Haufs-Halterin, je besser ist er, weil sonst alles darinnen ver- stocket und gerne anlauftt: Fr soll versehen seyn beedes mit einen starcken Wein- und Bier-Läger, und dann auch mit einen bequämen h()lzernen mit frischen Stroh überdeckten Lager vor das Obst, mit einem Gläser-Bchälterlein, oder kleinen Rei)()sitorio zu denen gebrannten Wassern, welche^ sich in dem S})eifs-Gew()lb nicht allzu wol halten: man \erwahret in den Keller den Mssig, man stellet darein so wohl das lange saure, als eingemachte Kumbus-'') und klein-gehackte Ruben-Kraut. so man eines oder das andere im Haufs selb.st eingemachet hat; wann man von l'"leisch-werck etwas eingesaltzen oder in F.ssig eing(^beitz(;t im Vorrath hat, hält sichs im Keller in einen bedeckten h()lzernen Wännlein gleichfalls am besten, und das Wild-])ret kan man daselbst am längsten gut aufbehalten, fremde Weine in gläsernen Flaschen oder Bouteillen, so man sie oben am Halfs wohl wM'macht, und in einen Hauffen Sand (den man ohne dem auch in) Keller auf zu schütten gewohnet) zu setzen pfleget, kan man lange ZtMt, ja wolil lahr und '\:v^c auf das beste aufheben und gut erhalten; ingl(;ichen werdc-n dic^ l'onuM-anzen, Limonien, h'cMgen. Lorbc^er und andere 15äumc\ so man Sommers-Zeit xor den Fenstern oder auf denc>n /Mlonen zur Erg()tzung stehen hat, in dencMi Kellei'n sehr wolü vor der Kälte bewahret und übcM-wintert ; doch nüissen zu solche^- Zeit die Lutit- und Keller- L()cher mit Stroh odc'r Dumnumg') wohl \erstoi)iet und

■') l'hiT die Ziihercitun^f drs I\uml)iiS' , Komhus- odi r Ca] 'i)Us-Kraul vi^l. die Xürn- IxT^'cr llaul's-I lallt rin S. '-'47 u, Srlimtllfi-- I-'roinniann üaytr, Wb. I. 'U."). wosellisl auch f iuiii]K).st , (iuni])as, l\umi)as. Kumpost rtr. als ^kichhcdrulcnd aii;^et'ührl werden. Ks unterscheidet sich vom Sauerkran.t dadurch, dals es, nach der I lauls-1 lalteiin. nicht wie diesL's lein j^eschnitten . sondern das I iäui itlein nin' in \ier Stücke «geteilt imd diese in einem fasse: niit haik Wc'in unil hall) Wasser ükeri^ossen wurtlcn.

■*; Dün^un^e, Dünger.

_ 22

MTwnlirt't \\i-i(l(Mi, (lafs der rauhe T.utTt nicht (^indringc, und den Gewächsen Scliaden hiiuLje

l'nsiM' Kc'ller t-rwiMst sich als ein hohei' Kaum, der wohl auch ents])rech(Mid trocken war. Duich eine \ tMi^'itti'rte runde ( )tTnun<^ im (jew(')lbe und ein \ier- ecki^jes l-'ensti-r neben der rr(.'i)i)e lallt etwas TaL^eslicht herein. Weiter wird der KellcM- durch zwei an IMeilern befestii^te Kerzt'ntrcäger erhellt, (he mit Blenden \ ersehen sind, und c'\nc Lampe, die .auf einem xom Gew()ll)e herab- häUL^enden \ icM-ecki_Lj(Mi l)rette bei tler 'l"re])i)e steht und diese erleucliten soll. In den h'ässern sind die Vorräte an \\\>in , Bier und Mssi».,', welche früher jede bessere l-'amilii' sich in (Umi Keller le<^ftt-. Drei Küfer sind mit diesen ^düssii,rl<^.ite^ beschäftiget. ]üner derselben liat sich beim Abziehen des Weines etwas übernomnun; er hat einen stillen Winkel aufi^esucht , wird aber ohne sein Wissen \on dem Hausherrn, der auf der Treppe steht, beobachtet. Auf der Bank in der Mitte des Kellers lie<.(t neben dem LeuchtcM- ein Heber und Werg für den Küfer; cmu Hammer tmd ein Trichter stehen auf dem kleinen Bänkclien neben einem Kru<4e, in welchen der Küfer den Rest eines Getränk(\s gitM'st. Links an der Wand sind zwischen den Pfeilern Lai^^er mit Obst und zwei Käslaiben, von denen der eine ani^eschnitten ist. Auf dem Lager an der rechten Seite befinden sich Schüsseln und Krüge, die einge- beiztes h'leisch , eingekochtes Obst, bezw. Schnäi)se und ausländische Weine enthalten m(")gen. Zu beiden Seiten sieht man auch Lager, die an Seilen von dem Gewölbe herunterhängen , um die Speisevorräte vor dem Besuche von Ratten und Mäusen zu schützen. Die linke Hänge scheint ebenfalls Käslaibe zu bewahren, die rechte vielleicht Meisch, Eingemachtes u, s. w. I)\c stehen- den Fässer unter der Trepjie enthalten (iie verschiedenen Sorten Kraut, wt'lche zu den Wintervorräten gehr)rten. Heute wiu'de der Keller sicher auch noch ein Quantum Kartoffeln bergen; damals waren aber die Tartuffeln noch nicht sehr verbreitet, die man, wie .Alwin Schultz"') berichtet, mit BaumcU einmachte und allerdings doch auch schon auf \erschiedene WiHse l)ereitete.

Geilt man die Tre[)pe d(\s Kellers hinauf, so gelangt man auf

die Flur iTaL 111).

in Süddeutschland xit-lfach auch Tt^nne gc-nannt Ihren einzigen Schmuck, ihr ganze-^ ln\entar bildet ein Lüsterweibclien in k'orm einer Meerjungter, das \<»n der Decke herabhängt. Dic^ Mur ist ein Durchgangsraum um in die iibngen Käumlichk-eiten des 1 lau-.t's zu gelangen. ICin Cjang rechts führt in den Ihit; eint' l-"i-au mit einem .Mädchen an der Hand kommt \-on demselben herein. Letzleres h;ilt in dei' Hand einc^ Blume; im HintcM-grund sieht man einen Baum, den <lie .\nsicht des Hofi's allerdings nicht aufzuweisen hat. dei- abei- \ielleicht ruif der Seile stand, \(>n wehdier der Hof canfgenonunen wui'di-. Der st.attliche Herr uut l'errücke untl Degen ist wulil der Be.^it/er dies Hauses, dei' sich lebhatt mit seinei" Li'au unteihäll. Die 'Ireiijn' herab kommt c\n .') .\!ll;i;4-'i 1 ic n ciiK r (hnl-^clKii l'raii /u AnlaiiL: des IS, lahrhunilcrts, Lt-ip/ij^, h. Ilnv<'i Is'^ii. S, 1"M. l'nstrr AI il .ililuiv^c n sind 'nftiiclu: lllustralioiieii zu dieseni W'erl^e, das V'.ir aücn |( iii.:ii. iii( si( li tiir die Zciv m die unsere 1 '»arstclluni^en lallen, interessieren. li(.-'i< ns eiupleir:' u KiMUlell

23 -

Mann, der über seine Arme ^^ele^^t eine Partie Kupferstiche trcägt. Sie werden in die unten stehende geöffnete Kiste, auf dcM-en Rand ebenfalls schon Stiche Heften , verpackt und dann versendet werden. Es ist unglaublich , welche Unmassen von Kupferstichen im vergangenen Jahrhunderte in Augsburg ge- fertigt und in alle Länder exportiert wurden. Der Kunstwert derselben ist meist ein nicht sehr grofser, doch befriedigten sie das künstlerische Bedürf- ni,'? der grofsen Masse des Volkes vollauf. Ihr Preis wird ja wohl auch nicht sehr hoch gewesen sein. Fiir die Gegenwart hat ein grofser Teil dieser Blätter lediglich kulturgeschichtliches Interesse.

Die verschnih-ten Ballen neben der Kiste enthalten wohl Papier zum Drucke bestimmt. Bei dem an der Wand stehenden Ballen hat der Zeichner oben eine falsche Kontur gezogen, die er für den Stecher korrigiert hat. Die Kisten und Ballen erinnern daran, dafs in der Flur allerlei Geschäfte besorgt wurden, die man nicht gerne im Zimmer vornahm. Hier wurde Wäsche zusammen- gelegt, Gemüse geputzt, die Kinder si)iclten, und im Sommer setzten sich wohl die Frauen des Hauses mit ihrer Handarbeit in dic;scn kühlen Raum. »P'ür uns Kinder, eine jiingcre Schwester und mich, erzählt Goethe''), war die untere weitläufige Hausflur der liebste Raum , welche neben der Thüre ein grofscs hölzernes Gitterwerk hatte, wodurch man unmittelbar mit der Strafse und der freien Luft in Verbindung kam. l'2inen solchen Vogelbauer, mit dem viele Häuser versehen waren, nannte man ein Geräms. Die P^-auen safsen darin um zu nähen und zu stricken ; die Köchin las ihren Salat ; die Nach- barinnen besprachen sich von daher miteinander.« Ein Geräms* hatten die Augsl)urger Häuser zwar nicht , sonst aber wurde deren Plur zu gleichem Zwecke benützt wie diejenige der P^-ankfurter.

Rechts vor dem an die Wand gelehnten l^rette ist Ih-ennholz aufge- schichtet. Folgt man der Magd links, die einen Zuber oder Kübel, süddeutsch Schaff, mit Wasser auf dem Kopfe trägt, so gelangt man in

die Waschküche (TaP IV).

I^ieselbe ist mit \iereckigen steinernen E^latten belegt; di(^ Decke ist getäfelt. Aufser jener Thüre, zu welcher die Magd mit dem K.übel hereinkommt, welchen sie inzwischen vom Kopf herunter genommen, hat die Waschküche, in Süddeutsch- land auch Waschhaus genannt, noch zwei Thiu-cn; die eine führt in den Hof, in den auch das grofse P'enster geht, zu dem ein MädcluMi hereinblickt, um zu sehen, was in der Waschküche vorgeht. Wohin dic^ an(UM'e TIiüit führt, kann nicht gesagt werden; in derselben ist ein (juckfcMisterclum mit runden, in Blei gefafsten Scheiben, unter demsell)en r\u llrc^tt zum hinaufk'lappen, aut welches die Hausfrau das Frühstück un.d andere MahlzeittMi für die Wäscht;- rinnen gestellt haben mag. Denn nach Schultz') bc\s()rgt(MT das Waschen

6) Aus meinem Leben. Dichtunt^ und W'ahrlicit. 1. IJand. Oocthcs Werke. (Weimar) 26. 15(1,, S. 12.

7) a. a. O. S. 1.51, \\oscll)st aucli die l^inricluun^ eines \,\'asclili;uises und (kr Ljan/e Prozcf.s, der .sicli i)cim Reinigen der W;isclu; vom l^inw luchcn bis zum Auflu'hen in dem Wäschckasten abspielte, ^eschiklerl ist.

_ 24 -

tn-somUMc WäsclicriniKMi , die, \vi(> i\s luMitc noch lihlicli ist, im Tnj^^clohn arli(.'!ti't('n und \on (Kmi 1 )it'nstniä^(lc'n untcM-.stützt worden sein ni<')f(en. Von cMncui eii,UMitüniliclicn ( iehtaiiclie dc-r Wäsclic-rinnen berichtet Schultz. Sie hattcMi nänihch eint'U < Klin^t'-lunitel , offenbar c^deich jenen, che in dtMi Kirchen i^t'biaueht werden, welchen si(> den VorbcM^ehenden xorhiclten, diese dabei um ein l"rink^(dd zu liianntw ein ansjjrcxhend. Ihre nasse l)eschäfti<.(un^f mochte sie für solchen besondcM's aufnahnud'ähi^ macJKMi. In unserem Aui^'sbur^^cr I lause konnte ilieser l^nfu<.,f nicht ausgeübt werden, da (li(^ Waschküche verniniftii^fer Weise auf den llof und nicht auf die Stralse L,ncn<^. Die I*'rau mit dem Kopf- bunde, die den Dtxkel des einen Kessels in die IIr)lK> hebt um sich nach der kochenilen Wäsche umzusehen, mag eine berufsmäfsige Wäscherin sein.

Die beiden W\aschkessel sind die Hauptausstattungsstücke d(;s Wasch- hauses. L'ber ihnen behndet sich ein mächtiger Schlotmantel , auf dem die verschiedensten Gegenstände; ein Fafs , cHnt^ Decke, eine Säge, ein Hobel, ein Topf mit Teller und einem Kochlöffel, eine Pfanne, eine Schüssel, ein Bilderrahmen und eine Ofengabel friedlich vereint ruhen. Die Waschküche bildete also auch eine Art Rumpelkammer oder doch wenigstens den Auf- bewahrungsort für verschiedene Gegenstände , welche eigentlich mit dem W'aschen nichts zu thun hatten; z. B. auch für die rechts an der Wand leh- nende Leiter, für das Sieb über der Thürc, imd auch für den Sack, der an der Wand hängt, dessen Inhalt wir aber nicht kennen. Die Laterne, die in der Mitte der Decke hängt und der Leuchter auf dem F'ensterbrctt. waren sehr notwendige Gebrauchsgegenstände des Waschhauses, da man sicher da- mals, wie noch vor 30 und 40 Jahren, gleich nach ?^Iitternacht zu waschen anfieng.

In der Ecke neben der Thüre, die in den Garten führt, stehen einige Stangen, die wohl zum Spreizen der Leine gedient haben, auf welcher die Wäsche getrocknet wurde. Über der Thüre mit dem Guckfensterchen ist ein W^andbord, vor derselben an der Decke ein IJängebrett, das leer ist, auf welchem aber irgend welche Gegenstände, die man vor vierfüisigen Haus- bewohnern schützen wollte, ihren Platz fanden. Und nun ist noch der ver- schiedenen Kufen, Bottiche, Kübel, Schauer. Zuber, Gelten und Wannen, die je nach der GrcMse, Ffirm und Gegt;nd diese abweichenden Namen führen, zu gedenken. \"on welchen eine Kufe der Küfer in i\rbeit hat, der in unserem (Jeutschen Vaterlande beinahe eben so viele \erschiedene Xamen hat, wie die Geräte, welche er herstellt. D(M"in aufser dem Namen KiifiM' führt dieser Handwerker auch noch den Namen lj()ttch(M-. Büttner, Kubier. Schäffler und Fafsljinder. letzteren mit den L'ntcM-arten WeifsbindcM- . dic^ nur Gefälse aus weichc'm Holze fertigen, Rotl)inder. die solche aus Rotbuchen, und Schwarz- binder, die sf)!che aus kjchenholz herstellen.

Den grolsen kJotticii. dessen Reife ilcv KüUm- antreibt. bcMiützte man zum I'jnweichen der Wäsche;, das Schr)pfkiil)elchen. das auf dem Tritte steht, auf welchen sich die WTischerinnen stclKn, um nicht nasse k'ülse zu be- kommen, zum Aus.sch()pten dei' Bottiche. iJaneben steht eine (ieltc'. dalunter i-nic nicilrige Kult'; das da\oi' licL'ende Kiibelehen nul dem laUL'en Stiele

ex

o

3

C

o

J3

3 :3

w

i4

3

C O

o

u

J3

ü

Vi

T3 :3

G

c

>

7^.

c 5/.

0 u

3

G X3 o

J2

:3 J3

- 25

diente zum Ausschöpfen von Gruben etc. Die an der Wand lehnende grofse Wanne hat eine Vorrichtung zum Ablassen des Wassers, nämlich einen langen Zapfen, der in der Röhre einer stärkeren Fafsdaube läuft und ein Abflufsloch im Boden verschliefst, durch welches das Wasser abfliefst, sobald der Zapfen in die Höhe gezogen wird. In der Wanne wird vorzugsweise das Fielen, d. i. das Ausspülen der Wäsche, vorgenommen. Vielleicht hat diese Wanne auch zum Baden, das Waschhaus auch als Badezimmer gedient. Unsere Nürnberger »Haufs-Halterin« sagt nichts von einem Waschhaus, sondern be- richtet in dem nachstehenden Texte über das Bad im Hause, dafs man zum Waschen irgendwo im Hofe einen Kessel eingemauert hätte, also wohl im Hofe wusch. Hiegegen fehlt dem Augsburger Hause das Bad. Es folgt daher, da es möglich ist, dafs die Waschküche auch als Baderaum benützt wurde, zur Ergänzung Dasjenige, was die > Haufs-Halterin < über das I^ad berichtet. »Wo man ein Bad in den Häusern hat, findet man in den Ofen derselben einen grossen küpfernen Kessel eingemauret, um das benöthigte Wasser darinnen auf zu wärmen, welchen Kessel, wo man zum waschen nicht mit einen bc- sondern dazu irgendwo in den Hof eingemauerten versehen, man hiezu eben- falls gar wohl gebrauchen kan ; übrigens mufs das I^ad mit Bäncken inn- geben und rings um mit Ploltz getäfelt seyn, damit die Kälte nicht durch das Mauer-werck häufig eindringe, und man an einen Ort verbrenne, und an den andern fast erfröhre.

Nechst deme gehören auch in das Bad ein messing- oder küpfernes Laugen-Kesselein, den Kopf zu zwagen, ein und andere Bad-Wannen, hölzerne Schäfflein und Gelten, so wohl zu kalten Wasser, das allzu heisse damit zu temperiren und abzukühlen, als auch zu warmen Wasser, die l'üsse darein zu setzen, wiewohl man gemeiniglich hiezu besondere aus Kupfer gemachte tiefe Fufs-Becken hat, w-elche man hiezu gebrauchen, und jedes mal aus der Küche hinab in das Bad zu tragen pfleget.«

Über das Waschen selbst verbreitet sich S. 483 ff. die Haufs-Halterin < ausführlich; es liegt jedoch kein Grund vor, an dieser Stelle näher darauf einzuijehen.

Über die Lage der bis jetzt besprochenen Räume kann wohl kein Zweifel bestehen; anders ist es mit dem gröfseren Teil dt^- übrigen Räume. Dafs der Bodenraum (Speicher) unter dem Dacln^ sich befindet, iind die zweite Flur nicht ebenfalls im Erdgeschosse, sondern nui- in eintMU oIxmxmi (ieschosse sein kann, nachdem die Flur des Erdgeschosses festgestellt weixlen konntiN wissen wir ja. Wir dürfen auch wohl annehmen, dafs die Mägdc^kauuner und Wäsche- kammer in dem oberen Stock-werke untergebracht sind, aber wie wir di(^ übrigiMi I\.äume : das Wohnzimmer, das Schlafzimmer, zwei zu Arlx'itslokaltMi \(M-wendete gröfsere Zimmer, che Küchc^ und dic^ S})eisekamm(M-, \tM-leil(Mi soIKmi, welcluMii Geschosse diese zuzuweisen sind, ist um so schwitM"igcM' zu cmtsclKMchMi , als wir gar nicht wissen, wiexieU^ StockwerlvC das Haus unsei'es Künstlers übcM'- hau])t hatte, l^ine alte NunmiericM'ung der l)lättei- auf dei' RückstMte gibt hicr-

Mitteilungen aus dem german, Nationalmuseum. 1897. IV.

26

\\\^c\■ ebenfalls kiMnc /Xuskunft. In^U'iclirn i^clx-n die I\äunu' sc'll).st, die Thürcn und 1'\misIcm- dcisidbcMi nur L;(.Mini4t' /Vnhaltspunktc über die- La^^c der einzelnen Räunu'. (\:\ s\c ja nicht aHe xon cintM' und derselben Seite (^^esehen , sondern otkMibai' \on \ i-ischieck'nen Seiten aufgenommen sind. l^in vollständiges dritti.'s (jeschols ist abt'r nicht wohl anzunehmen. Wir sind abc;r doch nicht sicher, dats \\w ilas Kiclitii^i' s^etrotfen liab(>n, wenn wir das Wohnzimmer imd das Schlat/immer in das kj-d^eschols, die beid(Mi £,n(')rseren Arbeitszimmer, Kiiclu' und Speisekammer in das oben' Geschc )rs, die; .Ma<^fdkammer imd die W'iischekammer in t-inem Aufbau auf die Mitte d(.\sselben verlegen.

l^Fürtsctzun<4 tol^t.j Niirnbers». Hans Br>sch.

Wissenschaftliche Instrumente im germanischen Museum.

II.

Das Quadratum geometricum.

j^ oll ein Grundstück aufu'cMiommen werden, so kann die Aufnahme

öfi^

kCi mit Stcäben imd der AIcMskettt^ ^wschehen, ebenso k()nnen Höhen ^iJ^:^^(|j in vielen Fcällen direkt gemessen werden, die Autnahme wird aber sehr \ereinfacht, wenn die Messung' von Linien und Winkeln kombiniert wird.

Mit den bisher besprochenen Instrumenten werden die Winkel i^^raphisch aufi^enommen und mit dem Mefsstich wird sot^ar sofort auf dem Felde ein verkleincTtes Bild der aufzunehmenden Tdäche «gewonnen. Xel)en den Instru- menten zur ^graphischen Aufnahme stehen solche zur Messinig der Winkel.

W'inkt'l werdtMi durch Kreisbr);4(.'n i^emessen, deren Mittelpunkt im Scheitel der Winkel liegt. Hie Mafseinh(Mt ist der Grad, d(>r dreihundertundsechzigstc eines Kreises, dieser wird in 60 Minuten und die Bogenminute wieder in 60 SekuncU'U geteilt. X(d)en dei- Teilung des Kreises in 360 " war in früheren Zeiten ein(' solche in 24 Teile in (Gebrauch, welche man Stimden nannte und noch In-ute wenden die MarkschcMdei" in den Bergwerken Instrumente mit diesei- Teilung an. hjue Stunde entsi)i-icht einem Winkel \"on 15". Sie wird wieder in X'iertel , Achtel und Sechzehntt'l geteilt, od(M- auch in 15 Teile, was d<'r Teilung des Kreises in Cii'ade entspricht.

Hie Bestinmiung dei' Gr<")lst' cMUt-s Winkels kann al)er auch noch in der Weise geschehen, dafs man ihn als Bestimmungsstück (MUes Hin-iecks, inson- derheit eint-s r(;chtwinkeligen HrcMccks auffafst. Hie \'erhältnisst\ in welchen die S(Mten des rechtwinkeligen Hi-eiecks untereinander stelun , hängen xon dei' (ji-()lse der < lei' f lypotenusc anliegenden Winkel ab, und umLjekelii-t eigibt sich die Cji-iilse dicsei' Winkel aus den l\rlationt;n dei' Seiteii. Man bezi'ichnet dii'se kclationei"! als die ti'igonouietrischen k'unktionen. Sie müssen als bekamit vorausgesetzt uerdtm, denn ihrt' lOntwickt'lung würcK- an dieser Stelk- zu W(;it tiihren.

-- 27

Sämtlichen trigonometrischen Fimktionen ist es eigen, dafs einer gleichen Zunahme eines Winkels nicht eine gleiche Zu- oder Abnahme der zugehörigen Funktionen entspricht ; diese ändern sich vielmehr progressiv. Die Über- tragung dieser Progressionen auf eine Scala ergibt deshalb ungleiche Teile und ist selten ausgeführt worden, man hat vielmehr wie noch heute die Winkel nach Graden gemessen und die Gröfse der Funktionen , seit Erfindung der Logarithmen die letzteren aus den trigonometrischen Tafeln abgelesen.

Um aber eine gleichmäfsig fortschreitende Scala zu gewinnen, aus der man durch eine einfache Proportionsrechnung Entfernungen und Reihen er- mitteln kann, genügt es, ein rechtwinkeliges Dreieck mit beweglicher Hypo- tenuse zu konstruieren und die beiden Katheden nach gleichem Alafsstabe zu teilen. Auf einem solchen Instrumente kann man dadurch , dafs man die Hypotenuse um den Endpunkt der einen Kathede dreht, ein dem zu messen- den ähnliches Dreieck herstellen und erhält durch Messung einer Kathede des aufzunehmenden Dreiecks die zum Ansätze einer Propositionsrechnung nötigen Gröfsen. Eine W^inkelmessung nach Graden findet dabei nicht statt.

Diesen Gedanken hat schon Ptolemaeus der Konstruktion seines Trique- trum 'zu Grunde gelegt. Das Triquetrum war aus drei Stäben zusammen- gesetzt, einem senkrechten um dessen oberes Ende sich als zweiter der Vi- sierstab drehte und einem dritten horizontalen mit Teilung versehenen , auf welchem der Visierstab je nach seiner Elevation verschiedene Längen abschnitt. Ein Zusammenhang zwischen diesem Instrumente und dem auf dem gleichen Grundgedanken beruhenden geometrischen Quadrat ist zwar nicht nachweis- bar, kann aber nicht unbedingt abgewiesen werden.

Die Zeit der Erfindung des geometrischen Quadrates konnte ich nicht ermitteln. Es wird von einigen als Erfindung Georgs von Peurbach 1423 1461 betrachtet, ist aber älter. Die Scalen der umbra recta und der umbra versa finden sich schon auf Astrolabien des 13. und 14. Jahrhunderts und kommen noch auf Winkelinstrumenten des 18. Jahrhunderts vor. Ihre Hezeichnung als umbra. Schatten, weist auf den gnomonischen Ursprung des Instrumentc^s hin.

Das geometrische Quadrat (quadratum geometricum) wurde namentlich zur Messung von Höhen benutzt, fand aber auch zur Messung von horizontalen Entfernungen sowie zu astronomischen Beobachtungen AnwcMidung.

Hs ist eine; quadratische Scheibe, auf welcher zwei zusammenstofsende S(,nten in 12 oder in 100 gleiche Teile geteilt sind. Die l^^lungslinien gn^hen vf)n d(M' gegenüberliegenden Ecke aus, trc-fien also unt(M' wrschiedenem Winkel auf (Uc geteilten Strecken. Die beiden and(M-tMi SiMtc-n, welche stets mit ihrer ganzen Länge- in Rcxhnung gt\'^tel]t wcMxitMi , krmntMi ungeteilt bleiben. Die nebenstc^lumcU' k'igur 7. dcM- ocularis radicalis demonstratio usus quadrantis von Le\inus Ilulsius aus GcMit, Nürnberg 1596, entnonmien, \-eranschaulicht die Teilung dc\s Instrumentes. Sie ist hier eine d()ppelt(\ in 12 und in 100 Teile, die Tinlungslinien der unil)ra recta und dtM" umt)ra vcM-sa gehen von der Ecke- a aus, die- Teihmg läuft xon 1) und el nach c. Auf diesem Instrume-nte; sinel auch die- Se-ite;n a b unel a el in de)))pe]ter Weise in 12 und in 100 Teile (>"e't(>ilt. Zut/Ie;ich (jeben die- Aufschritte-n an

2S

den Seiten ;in, was liei \ertikalei" Aufstt'llimL; des Instrumentes an jeder ScMle al)L;eK\st'n wiid. Pas InstninuMit entli.ält aufser der Teilung des Ouadrates ncicli einen in 9< > ( Irade L,U'teilten (juadranten. Zum Visieien mufs eini' um den Punkt a ihclihare kc^Ljc'l ( I )i()i)teilineal), ans^ebracht werden, l-^ine solche 1\c\l;(.'1 ist jeddch nicht in alliMi h'älK'n vorhanden, ja sie (hu'ftc; , abj^esehen \(in den Astrolaiiien nicht zur ursprimi^dicht'U I'jniichtuni( des histrunientes Ljehoit haben, l'.s sind \iehnehr bei den meisten ältei'en bistrumenten an t'iner i.\cr un;:^eteilten Seiten kleine Diopter auLjebracht ; so an einem kleinen Oua- diat eintachster Ait vom jähre 1523, W. b 26. 10i</entum der Stadt Xürnbei"';,

Fi|.'. 7. i,»ua(lratiim treometrii-uni nach Lovinus Hulins.

an dem scheinen Instrument von Christo])h Schiefsler von 1596, W. |. \'M , l-'iL,'.9. so\\i(' auf dem i^U'ometi-ischen (Juadrat des braetorius \ on 1.571. W. |. 12., k.ii^entum der Stadt Nih■nbeI■L,^ Soll mit diescMi Insti'umenten (^femc^ssen wer- den, so inuls das L;an/.c (juadrat so lanL;'e (^unlreht wei'den, bis die .Seite mit den l)io])tern in dei- Richtung der X'isiti'linie >teht und die W-iL^un^ uird durch ein Pendel, das in dei' der beilurii^ ^ei^'eniibeiliei^^enden !{cke auL^e- hauft ist. anm'L;cben. \\'ähicn<l dii> Sc'iten des eistbes])i-( .dienen mit einer KcL^el \ (i'^-ehenen bMiadrates bei den AlessunL;en horizontal und \'ertikal stehen, i^t die noiinale .Stelliin;^ des (juadrates mit fest steinenden l)ioi)tern iiber b'.ck und wird dasselbe t)ei den Messuns^en in positiver oder nei_;ati\(M' RichtiniL; aus rlit'ser .Stelluno j^fedreht.

29

Bei den .Astrolabien ist reL^clniäfsii^' ein i^'eoinctrischcvs Quadrat auf der Rückseite angebracht. Ks findet sich sclion auf einem alten arabischen Instrumcmt unserer Saniniluni^ W". j. 35:1 Vii^uv 8 stellt ein Astrolabium aus dem 15. JalirhundcMt W. I. 21, lüi^entum der vStadt Xürnbero-, dar. Die Stellun^j des yVstrolabiums ist durch die Aufhäni^un^' an eincMii Rint^^ gegeben, es kann deshalb das Pendel nicht zur Pn^stimmung eines Winkels benutzt werden und es wird statt desselben ein P)io))terlineal angebracht, dessen Kante durch den ^Mittelpunkt geht. Das (Juadrat ist auf den /\strolaf)ien gewöhnlich zweimal in tnitgegengc;setzter Richtung aufgc^zeichnet.

S 9 10 (.10

Fiir. S. (Geometrisches (Juadrut auf i](.t Ixiu'kseite eines Astrolabiuiiis aus dem 1^. .lahrliumii'i-t.

l'jne einfache Iberlegung Z(^igt, dafs die Teilung dei- umbra recta und

umb'/a versa aui den Kreis oder auf Polygone i'ibei tragen wei'den kann.

Schlägt man xom .Ausgangspunkte dei" Teilungslinien (MUen X'iertelski'eis,

\\(>lch(M- diese Pinien durchschneidet, so wii-(l diestM' in eine der I eilung cu\~

spr(X-hend(^ -Anzahl Non TiMlen geteilt, wt-lclu^ \-on beiden landen gegen die

)iagonale kpMner wtM'dcm. 1 )i(\s(> ,\rt dei' Teilung fincU'l sieh aul den

JUcadrantcMi, welche Ajiian löMo in seinem In^liiinuMitenbucli angibt und si(^

:ommt aut dem /Xnnuliis si)liaeri(Mis, sowie an! \ ielen W'inkcT'nstiaimentt'n \'oi".

'ig. 9 stellt ein Instrument \ on rhii>ti)pli Schielslei' in .\ugsburg vn 1596,

mit der l'beilragung (U-r ScalcMi dei- Pmbra rt-cta und Pmbra \ ei'sa auf den

Kreis. \V. 1. 137.

'AO

Wirft ein sriikrcchtcr (icLjcnstand seinen Schatten auf c'inr horizontale Mäehe, so kann seine 1 iTihe (hnch ^h'sslln^ <ler I -äni^e des Schattens und chireh che Hestinunun>^f des NcM^^un^sw inkels der SonnenstrahU^n ermittelt werden, denn der ficj^enstand, die ( irnndtläclie und die Grenzlinie des Schattens unisehliel'sen ein rechtwinkeliges DicMeck, \T)n welchem alsdann eine Seitt' und die lieicU'U anlies^endt^n Winkel bekannt sind.

Zur X'ornahnu' dieser .Messunij winde das (^Geometrische Quadrat mit feststehendtu Dioptern an dei- einc-n Seite ht-iuitzt und zwar anfänglich nicht in der Weise, dals man durch die L()cher des l)io])t(MS nach dem Gipfel des Gegenstandes \isicMte, sondern indem man es so Ian_L(e drehte, bis <Mn Sonnen- strahl durch beide L()ch(M' hindurchfiel. War dies der Fall, so wurde durch die beicien Kanten des Quadrates und durch das Bleilot ein rechtwinkeliges

Fit'. ;t. Instnnnent vmh Christoph Schi^fslrr in Aii^'sburtr. mit der (licii rairiiiiir ihr Sralni di^r liiihra ryi-ta und Inihra v^ isu auf' drm Ki'i.is. W. .1. . .

I)rei(>ck begrenzt, das dem zu messenden ähnlich war. \\\ar der Gegc^istand lu'iher, als die Länge des Schattens, so tu^l das Lot in die umbra recta und die ganze Länge der ( juadratscMte entsjirach ilcv I l(>he dt's ( u'genstandes, der Abschnitt aut der umbra recta der Limge des Schattens.

Ist z. li. l'"ig. 10 das Lot auf den 27) Teilstrich der in lOO Teile ge- teilten Scala L;cfalien und Iiat ilcv Schatten 42 l-'iif-^ Länge, so liat man folgende Proportion: 2,^i : 42 =r ]()(* : \, und .\, die \ \i\hc des Turmes ist lOX ImiTs.

Steht (lagegtMi die Soune tiefer als i,^". so dals der Schatten längcM' wird, als die 1 lr,he des ( iegenstandes , so fällt das Lot in die umbra \ ersa imd in diesem l-'alle entspi-iclit die t-anze ( )uadratseitt: dei- Sch.attenlänL'i', der

31

Abschnitt auf der umbra versa der II(')l-ie. Fällt dcM- Faden auf 75 u. v. und ist die Schattenlänge gleich 240 Fufs, so haben wir folgende Proportion : 100 : 240 = 75 : X und x ist 180 Fufs.

Diese Alessungsmethode erklärt die Ausdrücke umbra recta und umbra versa. Bei beiden wird mit dem Schatten operiert, b'ällt das Lot in die umbra recta, so entspricht der Abschnitt thatsächlich der Länge des Schattens (umbra rectaj, fällt es in umbra versa, so entspricht er nicht der Schattenlänge, sondern der M(')he, d.aher umbra \ersa.

Das Verfahren war nur bei Sonnen- oder Mondschein anwendbar. Es mufste daher schon frülizeitig aucli das Visieren nach dem Gegenstande An- w'endung finden. liiezu aber mufste es bequemer erscheinen, beim Visieren nicht immer das ganze Instrument drehen zu müssen, und man brachte eine drehbare Regel in dem Eckpunkte an, welcher den Scalen der umbra gegen-

b'ig'. In. lUilieiiiiiessung iiiirtels des Si'liattciis unter AiiwiMidiiiig di si'eouK'trisclieii (.Quadrates oder des (,)iiadraiiteii.

Überliegt. Die Quadratseiten wurden alsdann, wie oben bemerkt, horizontal und vertikal gestellt. Der Neigungswinkel der Ixegel war jetzt nicht mehr von der Sonnenhöhe, sondern \on dem i\bstand(^ des Instrumentes und der Höhe des Gc?genstandes abhängig. Um die I I(')ln^ richtig zu linden, muls die Standlinie bis zu dem Punkte verlängert werden, in welchem sie von der rückwärts \'c;rlängerten Visierlinie geschnitten wird, oder c\s nuifs, wenn sie nur bis zum Standpunkte des Instrumentes gemessen wird, die Höhe des letzteren der berechneten Hf')he zugezählt werden.

Zur Messung von k^ntfernungcMi gil)t Le\inus Ibilsius zunächst ein Ver- fahren an, das auf die; Umkehr dei- H(")hcnnu'ssung hinausläuft und das aus Fig. 11 B A T und B O \ ersicinlich ist. Ilii^lu'i wird statt der Grund- linie; die H<")he B A beziehungsweis;^ 15 O mit di'iu Lot gemesstMi.

Ein zweites VerfahrcMT aus zwei Ständi'U ist aus diM-selbcMi h'igur er- sichtlich, wo im 1 iintcM-gruncU' dic^ lireite (Mnc\s Fluss(\s gemesst'n wird. Zu

32

dieser Opt'ration uiid das Instrument hoiizontal auf dem Stah hefestJL^t und so t^"(\stellt. dals dii' eine Kante vom ersten Standpunkte nach dem anzu- messenden I'unkt i^eiicditet ist; ternei' wird mit der l\eL;el eine auf di(\ser X'isierlinie senkreehtt' Standlinie al)\isiert und al)L;esteckt, .auf dieser ein zwaater Standpunkt ("in^emessen und hier (kas histiument aufL;c'stcllt. Die weiteren ( )peiationiMi sind i.\\c ^ieicht-n wie bei cUm' I l(")henm(;ssun_L;'.

\)cv (jiad ilcv ( uMiaui^keit (Um' .Messun,L;en mit diesem histrunuaite ist kein schv hoher, (k)ch kann ein k'ünfliunch'itstel (k'r (jesamtscaka schon hei nüifsiLj L;iofsen histrumenten mit ziemhchei- Siclierlieil L^eschätzt werden.

Obii^U's wird s^cMii'is^en, um einiai k)e_<4"riff zu i^c^hcai \on der liünriclitunL,^ d(>s i^eomctrischi'n Ouach-ates und von scaner \\;rw ('uduns^f in dca' h'ekhncMs-

s^s^-^-v*

Viu:- 11. Messuiiir von Jlöln-n iind Knt,lcriiinigt;ii mit di/in iritoiiK^trisclicii (Juiulrnt. Nach I,i"viiiiis lliilsiiis.

kunst. /\ut st:in(a- l^däche sind j4(w\(")linhcli noch vciscliieckaie Linicai zur üc- stimmun^f der H<)he eka- (iestiine, dca- Sternstuuihai u. s. w. \ (M'zcMchnc^t, worauf ich spätca- zurückkommen w(a-(k\

Distanzmesser (Tachometer).

ALan ncaint h(aite I )ist.anzmessei- solche histrunuaite , mit w ekdu-n (he -ntfernun^ zweier Punkte \f)n cancan (h'esia- kunkte aus iiaan(\ss(ai \vei(kai ann. .Akan benutzt zur \h\s,sun^ L[ew <")hnhc:h eine s(Mikreehte Standlinie und a dieselbe ^CL^iaiiiber der zu messiai(kai kaiiL'e seht klein ist, halxai diese

33

Instrumente befriedigende Eri^ebnisse erst geliefert , seit die Messung kleiner Winkel mittels Spiegeln oder Prismen sehr vervollkommt ist.

Im Grunde aber ist die Messung einer Entfernung mit dem geometrischen Quadrat von zwei Standpunkten aus auch als Distanzmessung zu betrachten. Da man es hiebei in der Hand hatte , den f)arallektischen Winkel nach Be- lieben zu vergröfsern, konnten auch diese unvollkommenen Instrumente ziem- lich befriedigende Resultate geben.

Nachdem man gelernt hatte , mit der Ähnlichkeit rechtwinkeliger Drei- ecke zu operieren, lag der Gedanke um so Ucähcr Instrumente zu konstruieren, welche gestatteten, der Messung ein beliebiges Dreieck zu Grunde zu legen.

FiK. 12. Ähnlich,; Dreiecke. CA. \\ «^ 0 DK. Nach l,c(.iih:ir(l Ziibl.-r.

als es in manchen Fällen unm(')glich sein konnte, eine Standlinic zu findt^n, welche auf der einen Visierlinie senkrecht stand, ist es nämlich möglich mit einem Instrumente (Fig. 12) das Dreieck CDE dem zu messenden Dreitxk C A B ähnlich zu gestalten und ist auf den Seiten des kleinen Dreiecks ein verjüngter Mafsstab angebracht, so kann man auf diesem sofort die Längen der Seiten C A und B A ablesen, wc;nn C \i der Längi^ C B entsprechend eingestellt ist.

Wir besitzen ein derartiges InstrumcMit (W. j. 1]5D aus dem ICnde des 16. Jahrhunderts (Fig. 13). k".s ist bc^zeichnet Joachiiii Kreiclt zu Wcyniar anno 1599. Das Instrument bestecht aus drei Regeln. Dic^ eine feste

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897.

V.

34

kann mittels cinci- I liilsf auf (Miion Stab Ljt'stcckt werden, sie hat eine Länj^e \cin 25 CHI, nahe an ihrem einen hjide an der Seite, an welcher sich die Hülse befindet ist cm 1 laibkreis an^rebracht, der in zweimal 90 Grade <^u;teilt ist. um den Mittelpunkt dreht sich eine zweite Rca^c] von der (gleichen Läni;e wie die tM-sti-. luni^ dritte^ gleich ^jrolse , der zweiten symmetrische Re^c^l ist über t-inem i^leichen Halbkreis angebracht und um dessen Mittelpunkt drehbar. Sie kann mit einer Hülse (Schlitten) auf die Grund- ret^H'l L,^esteckt und auf dic\ser verschoben werden. Über den Mittelpunkten der HalbkrtMsc^ stehen drehbare Diopter und am l^ndpunkte jeder bewes^lichen RcL^cl ist ein Korn, über welclies vom ztijL,u,'hörigen Diopter aus visiert wird.

J!t

Fig. l:i. l>ist;iiiznifsser von .Joachim Kreich aus Weimar 109*.). i..jrm. Mus. W. .). 11.51.

Die Scalen sind mit einer Teilung vcrsehc^n, welche eine doppelte Nu.m- m(!rierung trägt, die erste geht \"om Drehpunkte der Regeln aus und ist so der sechzehnte Teil mit 1 und mit 16, bcvw. 2 : 32 u. s. f. bezi'ichnct. 1 : 16 Teile sind = 23 mm. V.s ist eine Teilung in i^^ufs und Ruten, letztere zu 16 l-'ufs in „'„,. Die zweite; Xunmierierung bezieht sich auf doppelt so grofse Teile', also ,l_/, die Ziffern <S, 16, 24 u. s. w. stehen j(;weils um 8 kleine, be- ziehungsw(Msc; 4 groise 1 eile \on der ersten Xummerierung ab und zwar, so dals der lieginn um 4 hinter dc;n Drehpunkten zurückliegt. Der Gi'und dieser X'ei'schiebung ist mir nicht klar geworden. Um di(> I.imgc; dei' Standlinie i'iclitig bestiunm-n zu kcinnen , ist auf (kMii Schieber eine vom Drehpunkte nach rechts lautende Teilung von 2.', Ruten in .,',^ aut'gebracht. Man muls also, um das \erjüngte .Mafs der Standlinie zu erhalten, den Anfang d(;s Schiebers

35

auf einen Teilstrich der Hauptre^^el stellen , der um 24 Teile ^^egen die zu fixierende Länge zurückliegt.

Das Instrument ist ungenau gearbeitet. Die Operationen mit demselben sind einfach. Zur Erläuterung mag Fig. 15 dienen.

Ist der Abstand A C zu suchen so wird das Instrument in A auf- gestellt und eine Standlinie angenommen, welche nach ihrer Richtung und Länge so zu wählen ist, dafs beim Visieren eine Kreuzung der beweglichen Regeln stattfindet. Auf diese Standlinie wird die Hauptregel eingestellt, die bewegliche Regel a. c aber auf die Linie A. C. Sie mufs in dieser Stellung

Fig. 14. Instrument von Leonhard Zübler in Züricli. 161J.

unverriickt bleiben, h'erner wird der Schieber mit der zweiten beweglichcMi Regel so gestellt, dafs a b in dem VcM-liältnis von .,1^ oder ,|,, zu A. 1! steht, das Instrument in B aufgestellt und auf /\ zuriickvisiert und endlich die Rt-gel b c auf f! C eingestellt. Die beid(>n beweglichcMi ivegcln sclunMtlen sich als- dann in A[)ständen a c und 1) o, weicht^ den nali'nlichen .Abständen ])r(>por- tional sind und es können diese \-on di-m Instrument sotort al)g(M(>s(Mi wiM'ilen. Das Instrument verwirklicht einen cMufachen und prak-tisclicn (irund- gedanken in ansprechenden- Weise und mochte in FälliMi, in welchen c\s auf grofse Genauisjkeit nicht ankam, uutc Dienste leisten.

36 -

Dir Teilkreise bei a und b L;estatten c'mc Mc>ssiin,L,' der der 1 Iaui)tre^H>l anlie^'enden Winkel und somit auch die Herechnun^^ des Winkels bei C.

VAn ähnliches Instrument hat Leonhard ZiibU-r in Zürich 1614 an^^e*,^eben und in einem Traktat; Novum instrumcMitum ^eometricuni , das ist kurtzer und _L,M-undtlicher Bericht, alle Weite, lircMte , I I()he und Tieffe mit sonder- barem X'ortlieik kmistlichem und <,fe\vifs aucli von der Arithmetik unerfahrnen abzumeisen* beschrieben.

Das Instrument {V\i^. 14) besteht aus einer Scheibe A B C D, welche etwas mehr als einen Halbkreis umfafst. Der Umfang ist von dem Durch- messer BAD ist in BSO Grade geteilt. Auf diese Scheibe sind zwei um

Fifr. 15. Messung,' mit den liistnimciiten von /übler iiml Kreich. Naoh L. Ziibler.

den Mitt(^lpunkt drehbare Regeln A E und y\ j angebracht, deren innere Kante den .Mitt(;linmkt trifft. Die Regeln sind ihrt'r Länge nach in tausend Teile geteilt, pjne weitere Reg(d I, welche mit dem Instrument niclit in fester Verbindung steht, trägt die glcMche Teilung. Das InstrunuMit kann mittels (Mner Bussr)lc mit Stimdent(Mlung orientiert werdi'U. l'ber dem Mitt(^li)unkt ist ein nad(;lförmig(;s feststehendes Diopter M errichtet, über den Innenkanti'U der drehbarem Regeln v(M-schi(;bbart> G und II. Am Dnde der Regel J ist ein klein(\s Loch, mittels dessen sie auf die Diopternadc^ln aufgesteckt werden kann. Das Instrument wird auf (MUen Stab L \-on 4' I I(")he autgesetzt.

Die Messung greiserer Lntfernungen geschieht aus zwei StändcMi Lig. 15. DabcM wird in A die eine Regel auf die Standlinie eingestellt, die andere aul

37

den Gegenstand C. Die Rei(eln k(')nnen durch Klemm .schrauben festgestellt werden. Vom Standpunkt B aus wu'd zurückvisiert, dann das Diopter an der Standlinie parallelen Regel der Länge dieses Linie entsprechend gestellt und nun das Diopter auf der anderen Regel so lange verschoben, bis es in die Visierlinie B C zu stehen kommt. Seine Stellung gibt dann die Länge A C in verjüngtem Alafsstab wieder.

Handelt es sich darum, den Abstand zweier unzugänglicher Punkte zu bestimmen, so werden ihre Abstände von zwei zugänglichen Punkten in der eben angegebenen Weise gemessen und zugleich die Winkel der Visierlinien. Das Verfahren entspricht der Mclstischaufnahme Fig. 2, mit dem Unter-

Fig'. Ifi. Distanzmessiin^ a>is einem Stniido. Nach Leoiihard Ziibler. Itil t.

schiede, dafs die Linien und Winkel nicht gczeichn(-t, sondern durch die Stellung der Regeln bestimmt werdi:n. Der gesuchte /Xbstand der zwei Punkte^ wird mit der losen Regel |. gcMuessen.

Kleinere P2ntfernung(Mi kcninen mit dem Instrument von einem Stand aus gemessen werden. Die; Figur 16 bedarf wohl keiner Frläutc-rung. Hei Fntfernungen über 200' wird dcM- parallaklische Winkel zu klein und die Messung ungenau. Der (jedanke ist dcM" gl(Mclie, der tlen ncMieren Distanz- messern zu Grunde; lit;^^-

Leonhard Zübler hat in seiner giM)nietrischcn lüichsenmeisterei noch ein zweites ähnliches Instrument angegi-ben (Fig. 17). Wii- be-sitzcMi cm

38

Kxenij)lnr dii\s(\s Instruincnti\s (W. I. 1143). wolchcs wahrscheinlich von Zübler selbst L^efertiL,^ ist, denn es stimmt ziemlich <^fenau mit der Zeichnung und Hesclireihuni; iibcM-ein, mit Ausnahme (Muer Teilung, welche auf unserem l^xemi)lar fehlt, LcMder ist unser l^xiMuplar nicht vollständig, es fehlen die Diopter, eine R(\g(^l und die Bussole.

Das Instrument als Winkelinstrument besteht aus zwei um einen Punkt drehbaren Regeln. Die eine (N M) kann mittc^ls einer Stellschraube am Stativ auf cMue bestimmte Richtung firiert werden, l^n dritter kürzerer Arm

1\

:^

Fi^^ 17. Winkfliiistnimiiit von Lconhaid Zühln- 1614, virl. (liTin. Mus. W. J. 1113.

trägt an s(Mnem Ivnde eine Bussole. Auf diesem Arme bewegt sich ein Schlitten, \-on dem aus zwei gleich lange lUige (Ouerstrc^ben) nach den R(-gcln g(dien, an welchcMi sie in gKMchc-n Abständen \'om Drtdipunkt ange- schraubt sind, doch so. dafs das ganze System xcrschiebbar bleibt.

Das Instrument wird als WinkelinstrumcMit wie- als Distanznu'sser in der gleichem Weise Ixmützt, wie das xorhi-i-gidumde. VAnc direkte Messung des Winkels der bt^dcm Reg(^ln ist bei unstM'em l^xemplar nicht m(')glich. Nach Zübl(M-s ZcMchnung findet sie auf einei' auf dem dritten Arme ange- brachten Scala durch die Stelluni/ des Schieb(.-rs statt. lune indirekte

39

Messung ist mittels der Bussole möglich. Auf dem dritten Arme; ist eine weitere Scala , mittels deren die Regeln so gestellt werden können , dafs sie die Winkel der regelmäfsigen Polygone vom Viereck bis zum Fünfzehneck an- geben. Auch diese Scala fehlt bei unserem Instrument, dagegen trägt der mittlere Arm an seinem Ende drei Kaliberscalen für Eisen, Blei und Stein von 1 100 ^' für artilleristische Zwecke. Die Messung geschieht mit den Spitzen der Regeln und der Schieber gibt das Kaliber an.

Die Bussole dient zur Orientierung des Instrumentes. Auf ihr kann die Lage der festen Regel abgelesen werden, wenn das Instrument geschlossen, also der Winkel N M R = 0 ist. Ist dann die bewegliche Regel auf einen gewissen Punkt eingestellt, so kann der W'inkel der beiden Regeln mittels der Bussole berechnet werden, denn sie hat sich von der ersten Stellung bei geschlossenem Instrument um die Hälfte dieses Winkels gedreht.

Nürnberg. Gustav von Bczold.

Nürnberger Ratsverlässe Joachim Desehler

betreffend.

'^*"^9i.elegentlich einer Besprechung des neuen Werkes von Karl Domanig: len des Erzhauses Österreich von Kaiser Friedrich III.

i^liv^'Fll Portraitmedailler J^Ts^^^yt bis Kaiser Fran

•anz II. (Gilhofer und Ranschburg, Wien 1896) in Nr. 1 und 2 des gegenwärtigen Jahrgangs der Bayerischen Gewerbezeitung habe ich u. a. ein paar neue urkundliche Nachrichten über den Nürnberger Klein- künstler Joachim Deschier, der sich vor Allem als Medailleur sein Zeichen ist ein aus J und D zusammengesetztes Monogramm ausgezeichnet hat, aus den im Kreisarchiv Nürnberg verwahrten Ratsprotokollen mitgeteilt, näm- Hch:

[1537, II, la] S. Mai 1537: Joachim Teschler den Bildhawer zu Burgern vmbs gellt anneuKMi.

und |1554, VII, 19a'| 24. September 1554: Auff Joachim Tcschlers bitlichs ansuchen sol man seiner dochter zu irer frumefs hochtzeit mit Wolffen Michel ain abenttennzlein vergönnen. Hier folgen noch einige weitere auf Deschier oder Angehörige seiner Familie bezügliche Ratsxerlässe, auf die ich im Laufe weiterer Studien über Nürnberger Medailleure, Goldschmiede etc. gestofsen bin und mit denen die Zahl der aus den Ratsj)rotokollcn zu g(nvinnen(U'n urkundlichcMi Nachrichtc^n über unseren Künstler wohl als abgeschlossen gi'lten kann, dtmn zu Anfang der sechziger Jahre siedelte Deschier dauernd nach Wien übcM'. Von hiteresse sind diese Nachrichten unter anderm auch deswegen, weil wir aus ihnen cv- fahren, dafs Joachim Deschier sich offenbar in zweite^- I\he mit der Künstler- familie Glockendon verschwägert hatten Der mc^hrfach genannte^ Jörg Glocken- don, dessen Wittwe er heiratete, kann nur der Sohn des llluniinisten Xiko-

40

laus (t 1534) sein, ilcv 1547, als Johann N(nid(')rf(-r seine Nachrichten von Niu'nber*,fer Künstlern und Werkleuten schrieb , noch ani Leben war (ed. Locliner S. 143). Die Tochter, die sich 1554 mit dem kechc^imeister (auch tcutscher Schreiber wird er zuweilen i.,H'nannt) Wolf .Michel verheiratete, stammte wohl aus Deschlers ersten Ehe, denn Michel wird nie direkt als Schwager der jun<.,UMi Glockendone bezeichnet.

|1560, I, Abteilung 2, 9b | ii. Mai i^ißO: Hannsen \nnd Gabrieln der Glockendhon gebrueder vnnd Irer Mit- erben Suj)[)lication soll mann Joachim TeschlcMn ytzo zu Wien einschliessen, vnnd schreiben, sich mit ersten hieher zuucMfugen vnnd die Erbschafft sach mit seinen Sticfkynndern an ein ort zupringen oder vfs wenigst ein Vol- mechtigen Anwaldt dartzu zuuiMordnen, damit die Supplicanten lennger nit aufgehalten werden.

|1560, III, 33b] iO. Juli lo60: Alls sich Hanns vnnd Gabriel dj Glokendhon wider Wolffen Michln alls Irer Muter der Joachim Teschlerin seligen Testaments Executorn be- clagt, wie er nit Inuentiern, noch mit Inen Ires Mutterlichen Erbs halben abtheilen wolle, darauf sich dann gedachter Wolff Michl endtschuldigt, das sein Mitexecutor gemelter Joachim Teschler nit alhie vnd er one desselben beywesen den Inuentarium vnnd schulden nit richtig machen khönne, Ist der hanndel herrn doctor [34a] Schurstaben vmb sein bedennckhen furge- halten vnnd vff sein mundtlich referirts bedenkhen den clagenden glocken- dhonen gesagt worden, Mann könn dem Wolff Michl vf\ sein gethane ent- schuldigung nichts auflegen, Sie möchten aber Ir notturfft Inn einer schrift verfasst Meinen herren vbergeben, die wolt mann dem Teschler zuschickhen, vnd Ine vff einen bcMiannten Termin anheims eruordern , die sach richtig zumachen, wo Inen aber der so lannge \ertzug beschwerlich, möchten sie einen Anwaldt hindterlassen.

Hans und Gabriel Glockendon , die beiden schon volljährigen Söhne Georgs des jüngeren, hatten also ihren Wohnsitz aufserhalb Nürnbergs.

[1560, IV, 46a] 7. Aug-usi 1560: Welchergestalt Joachim Teschlern am Jüngsten geschrieben worden sich hieher zustellen zur handt suchen vnd widerbringen.

|1560, XI, 22b] 4. Februar 1561: Wolff Micheln Rechenmaister alls Vormunder Jörgen Glockendhons seligen kynnder jd. h. also der noch unmündigen Stiefgeschwister seiner Erau! auf sein bitt zulassen. seincM' i)flegkinder l^ehausung kauflich anzu- nemen, doch \f ein \orgehenntls angloben, das sein furgebcMi die warheit seye.

l'Linige sonstige DeschlcM's Schwiegersohn Wolf Michel betreffende Ver- lässe haben für uns \i\v.r kein weiteres Interesse.

N ü r n 1) e r l^ ' 'i- ' '^ 'ii 1' <'•

41

Ein süddeutsches bürgerliches Wohnhaus vom Beginne des 18. Jahrhunderts.

(Mit 14 Tafeln.)

(Fortsetzung:)

Das Wohnzimmer (Taf. V).

^^JijJj iii^ii anheimelnden Eindruck macht das Wohnzimmer, dessen Wände, ^|>^-^Y ausgenommen die Ecke, an welcher der Ofen steht, bis zu zwei Drittel Vi^-idl^ ihrer Höhe mit einfachem, aber hübschem Täfelwerk \erkleidet sind. Sehr praktisch sind die mit demselben organisch verbundenen Sitze unter den Fensterbögen. Die Fenster befincUni sich in tiefen, runden Bögen, sind aber rechteckig. Sie zeigen runde Scheiben in Blei gefafst, unten in jedem der beiden Flügel je ein kleines viereckiges Fensterchen, das für gcw('")hnlich zum Hinaussehen gebraucht wurde, um nicht immer die ganzen, grofsen Flü- gel aufmachen zu müssen. Um deren vollständige Öffnung zu erm<")glichen, ist das Gesims des Täfelwerkes an der Stelle, wo es an das h'cMister anstehst, abgeschrägt.

Betrachtet man die Einrichtung des Zimmers, so fällt vor allem der mächtige Ofen auf. Er steht mit seinen zwei dünnen, aus gewundenem Stab- eisen gebildeten h'üfsen auf einem, von hölzernem Rahmen umgebenen Pflaster. Der untere Teil , der Feuerkasten , der von aufsen geheizt wird und noch keinen Rost hat, wird durch Platten von Gufseisen gel)ildet, die hinten auf einem gemauerten Vorsprung an der Wand aufstehen. Die Seitenplatten zeig(Mi in Relief ornamentiertes Rankenwerk, die vordere den Doppeladler, darübtM- die Kaiserkrone. Den Aufbau, der in seinem untern Teil t;ine Ofenr(')ln-e mit Thüre enthält, hat man sich aus schönen, grün glasierten, mit Nischen, Gehängen und anderem Ornamentwerk verzierten Thonkacheln hergestc;llt zu denken. Sehr stattlich ist die ornamentale Bekrönung des Ofens, welche etwas an die üjjpige, phantastische Ornamentik der grofsartigen Cjfen des Augsburger Rat- hauses erinnert. Um den oberen Teil des Ofens geht eine Hänge, welclii^ durch vier eiserne, von der Decke hcrabgehende, ins Rcxhteck gestc-llte Stäbe g(!l)ildet wird, durch dercMi Öffnungen runde Stangen geschoben sind, (lii> an den Enden einen eichelf()rmigen Knauf haben. Auf dieser H;lnge wärmte man im Winter die Kleidungsstücke, die man anzi(dien wollte, und trocknete sie, W(>nn sie vom Regen und Schnee durchnäfst worden waren; die Hausfrau hängte wohl auch einen Teil der wcifsen Wäsche hier nach (Unn .Mangen auf, bevor sie in den Schränken aufgehoben wurde.

Neben, res}), hinter dem Ohm sch( int noch ein kleines Schränkchen zu stehen; man siecht von ihm nur den Fufs , den' eine Schublade (Mithält. /\n der hinteren Wand steht neben der Thüre, (Umxmi Rahmen mehrfaclu^ \\m- kr()pfung(,m zeigt, ein Aufsatzschrank. \)cä untere T(m1 (U;ssc>lben hesttdit aus zwei h2tagen, von dencMi JcmF; zwcm Thürclien hat, ilie mit geonu'ti-ischen P'iguren, wohl durch aufgesetzt«.; profilierte LeistcMi hergestellt, geziert sind. Der Atifsatz enthält unt(Mi vier Scluibladen , dai"ül)er zwei offene, mit eirn'm

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. VI.

42

Drnanu'iit i;("kr()nU' l'\'ichc'r, in welchen laudier, untt>n solche «^n-cifseren, oben solche kleineren h'oiniatt's, stehen. X'ielkMcht I)ir;_;t auch der unlere Teil des Schlankes HücIkm', wohl vorzugsweise solche niil Kui)ferstichen , die dem Künstler, der tlit'ses Haus bewohnte, Motive für seine Arbeiten lieferten, wenn er sie nicht i^leich direkt nach^estochen hat, was damals in Aui^sburf^ ja Hott betrieben wurde. Der H(icher\ orrat im bür_L;t'rlichc;n Mause zu Au^^sbiU'L,» war aulserdem zu jeniM" Zeit ein stdir bescheidener. Stetten ^) berichtet aus der Zeit nach dem dreifsigjährigen Kriege: -HingX'gen las kein junges Frauen- zimmer etwas anderes als geistliche Bücher und dv.n Calender.' Auch in der Zeit, in der unsere Bilder entstanden, wird es in Bezug auf die literarischen Bedürfnisse des anderen Geschlechtes noch nicht viel anders gewesen sein, denn von den Romanen, welche Alwin Schultz'') aufführt, werden wohl nicht sehr viele in das bürgerliche Maus gewandert sein. Die Aufserimg des Ab- raham a. Sta. Clara über die müssigen Weiljsbilder, welche \erliebte Bücher lesen, wird auch die Meinung \ieler ehrsamen Büi'ger Augsburgs gewesen sein.

Die Nürnberger Haufs-I Ialterin< , welche die Töchter in allen möglichen Künsten und Arbeiten unterrichtet, sagt von der Lektüre der Akädchen gar nichts, und trotz ausführlicher Beschreibung aller Käume des Hauses, erwähnt sie \ün Büchern und ihrer Aufbewahrung nicht das Mindeste; dagegtm äufsert sie sich über das Studium der Töchter, also über eine Frage, die in der Gegenwart brennend gewonlen ist, in nicht uninteressanter Weise, weshalb die kleine Abschweifung, welche durch die betreffende Stelle hervorgerufen wird, entschuldigt werden möge. Sie schreibt :

•Betreffend nun auch das Studiren der Weibs-Personen, so ist die Frage ob ihnen solches zu zulassen.' solche aber ist schon hin und wieder von den Gelehrten theils mit Ja, theils mit Nein beantwortet worden, meines Frachtims aber ist der Ausspruch mit einen mercklichen Unterschied zu machen: Dann es ist nicht zu laugnen, dafs man gar leicht einen zimlichen Catalogum von gelehrten Frauenzimmer, so sich hier und dar gefunden, und eine in diesem die andcM'e in einem andern Studio rühmlich floriret habe, anführen kcnme ; wann nun ihnen der liebe GDtt solche Gabe gleich den ]\Ianns-Pei-s()nen ver- liehen, warum sollen si(> sich clcM'selben nicht gel)rauchen dürlTen.' allein man muls hierihi'U eine unterscheid wie schon erw(~hnet machen, und auf den Stand und das \\."rm(')ge solcher l\;rsone sehen; In den bürgeiiichen Stand einc^ iochter zum Studiren anhalten wollen, t'rfordert ein grosses Capital, da- von sie ihre Unterhaltung Fel)ens-Iang zu suchen wisse, dann wegen ihrer Studi(;n, sonderlich, wo sie nicht mit ungcMUeiner Sclu'»nluMt zugleich begabt, wird so leicht kein anständiger reichei- k'reyer sich einlindt'U , indeme die meinste nu-hr auf Geld und eine kluge 1 laufshalterin scIkmi , welches ilmen auch in solchem Stand nutzer ist, als wan eint' dei-gleiche gelehrte k'rau den gantzen Tag ü\)cv den Büchern sitzet, die sch()nsle Sonnettt\ Madrigal und C)den verft'rtiget; Zu deme wird sie auch mit alk-n ihre Fleifs und Studiren nicht \iel gewinnen, weil sie gleich den Manns-l'ersonen nicht zu r)f1'entlichen

8j ;i. a. O. S. H):i. 9) a. a. O. S. l,'!;i.

...._ 43 - -

Aemptern gezogen werden kan ; sind nun die Mittel nicht sonders grofs, inufs sie zu all ihrer Wissenschaftt Hunger und Kummer leiden, und wäre ihr besser gewesen, andere dem Weiblichen Geschlecht wohl anständige Künste, zumal die Wissenschafft einem Haufshalten wohl vorzustehen erlernet zu haben : Hohen Stands-Personen aber stehet das Studiren weit besser an , als welche nicht nöthig haben sich in Nahrungs-Sorgen zu verwickeln, noch niit Haus- Geschäfften umzugehen, sondern dazu ihre Hofmeisterinnen, Kammer- und Kuchen-Bediente haben, welchen solches oblieget, daher können sie auch den von GOTT ihnen verliehenen hohen Geist, desto freyer empor schwingen, und sowohl in der Edlen Poesi und Wohlredenheit, als auch in Historischen und Politischen Staats-Wissenschafftcm ihre Vergnügung und sich zu^^perfec- tioniren suchen, zumal sie an grosser Herrn Höfen tausenderley Gelegenheit haben, solches nutzlich anzuwenden.«

Nun wieder zurück zu unserem Zimmer. Rechts von dem Bücherschranke hängt an der Wand ein Waschapparat, bestehend aus einem hübsch ornamen- tierten Rahmen, in dessen Füllung ein wohl aus Zinn gefertigter ei- oder eichel- f()rmiger Wasserbehälter mit einem Hahnen hängt, aus welchem das Wasser in das darunter befindliche Becken fliefst , welches auf einer mit dem Rahmen organisch verbundenen Console steht. Das Waschschränkchen ist soweit oben an der Wand angel)racht, dafs man es nur benützen konnte, wenn man sich auf einen Stuhl stellte, was man sicher nicht that. Vielleicht hat es der Künstler etwas hinaufgerückt, damit das schöne Möbel, das in der Gegenwart wieder so viele Freunde gefunden hat, durch den davor stehenden Knecht nicht verdeckt wird. Vielleicht war das Geräte aber damals schon aufser Gebrauch gestellt und durch ein tragbares Gestell ersetzt worden. Denn die »Haufs-Halterin« scin-eibt darübc^r bereits vom Jahr 1703: Gleiche F^eschaffenheit (d. h. dafs es mehr zum Schein als zum Nutzen dient) hat es auch mit denen aus Zinn ge- gossenen, und in einen besondern oftenen Schrank eingefassten Idand-Fässern und Giefs-ilehältern, welche noch von den werthen Alten herrühren, heut zu Tage aber auf eine gantz andere Art, iintl zwar ins gemein die Hand-becki-n in l'\)rm einer auf Kugeln ruhenden Muschel, der Aufgufs aber wie ein Wall- fisch, oder wie es sonst beliebt, gemachet, und auf cm besonderes Gestelle, so man mit dem daran abhängenden Iland-tuch hin und her tragen kan. gc>- stellet werden.« Die Annahme, dafs das Augsburger Waschschränkchen schon anti([uiert war, dürfte der Mangel eines Handtuches f:»ekräftigen. Die ohr- muschelf()rmigen Verzierungen an den Seitc^nteilen des Rahmens deuten auch auf eine früliere Entstehung des Möbels, etwa auf die Zeit um 1630 -1660 hin.

In der Ecke links von der Tliüre steht ein Tischchen mit sechseckiger Platte und geschweiften Bein(Mi, auf dc^mselben (>ine \'ast- mit l)lumenstraufs. An den bcM(len [Meilern zwischen dcu Fernstem und am Tische^ siecht uian StiihK^ mit hoher i .c-hne, deren Sitz ebenso wie der dic^ beiden I .ehncMipfosten \ iMbindcndt^Tcil mit Eed(M- überzogen gewc\sen sein düiften. Dic^ IMosten d(,\s am Irische stehi>n- diMi Stuhk\s sind nicht gerade wie die beiiUMi andern, sonckM'n untcMi mit einiM" Krümnumg xersehcn. Der Tisch ist \T)n einfacher Alt; die schräggestellten Immuc sind sjewunden und durch einen ziemlich breiten Untersatz zum Auf-

',4

strllcn i\cr ViW'sc xcrlnimU-n. Die Tischplatte liat (Miicn zwisclicn zwei LcMstcn sich hcwcL^U'ntlcn Schubkasten, der etwas herausL^t'/o^en ist. VAn sehr an- spruclisloser th'eihcMniLjiM- Stuhl xor dem Dfen mit «gedrechselter Lehne und ein Sessel nebcMi d(Mn ( )fen , auf dem der ( jrofsvater sitzt, \ ervollst.ändi^fen tlas i^nolse Mol)iliai- des Wohnzimmers. Das h'ulshcän kellen vor dem (jrols- \ater und der Stock in seiner Linken lassen \cM-mutcn , dals der alte I Unr von l'odagra L^n'plas^t wird. \Melleicht haben ihm t^^iite Friumde eine Auf- nahmsurkunde in den ()r(len der Podai^risten zugesendet, womit man zu jener Zeit Leidende di(\ser Art gerne neckte.

Sieht man sich nach den kleinen i'^inrichtungsgc^genständen und dem Zimmerschmuck um , die dem Raimi erst ein wohnliches Gepräge \'erleihen, so fallen vor allem die zahlreichen Bikler auf, welche ringsum auf dem Ge- simse der Wandtäfelung stehen. kls sind wohl eingerahmte Ku])ferstiche, vielleicht auch die Vorlagen zu solchen : Zeichnungen und Gemälde. Zu er- kiMinen ist nur das Bild über dem Grofsvater, das ein Kreuz mit einem Kranz darstellt, imd da.sjenige in der ersten k'ensternische mit dem P^ildnisse eines Herrn. An demselben Pfeiler hängt schräg über dem Gesimse ein Sj)iegel mit reichgeschnitztem Rahmen, der noch tlem 17. lahrhundert angehören dürfte. An dvv Wand neben der 'Phüre hängt ein I hit (Dreispilz i und eine 'Paschenuhr, hinter dem Grofsxater ein Akmtel und ein rundes geflochtenes K()rbchen.

Von den IJewohnern des Zinnners ist des GrolsN'aters bereits gedacht worden; auch den Kncxdit haben wir erwähnt, der einen geiVillten Korl) her- einträgt. Neben ihm steht ein S])innrocken. Alwin Schultz'") sclnxMbt: im Hause beschäftigte sich dit' Dame, ihr Hauswest;n in Ordnung zu halten. Noch war das Spinnen eine sehr gc^schätzte Arbc-it; in keinem Hause t\'hlte der Spinnrocken, Dem widerspricht nun die Xürnb(M-ger 1 laufs-l lalterin etwas, indem sie l)erichtet ' ' ) : Auf das Spinnen haben unsere in (jott ruhende Alte sehr viel gehalten, so gar, dafs sie fast durchgehends alle junge 'P()chtcM- dazu angehalten sjjinnen zu lernen, unter dem Vorwand, es sey v'mc Schande, wann nicht eine jedt^ 'Pochter ihren Vater ein PIcmd gc\sponnen habe . . . heut zu 'Pag aber ist es nur allein eine Arbeit vor die Mägde und alte Weiber, welche andern X'errichtungen nicht mehr wohl vorstehen können.

In der .Mitte des Zimmers sitzt im be(]uemen Hausanzug auf einem Schemel die fleilsige Plausfrau und wick(>lt Garn oder Wolle \-om (jarnwickcM, in Si'ul- deutschland Haspel genannt, auf einen Knäuel. Das tiache, get1ocht(.-ne Ki'n'b- chen mit der Leinwand zu ihrcM' Linken, harrt auch ihrer flinken Hand. Am 'i'ische, mit dem Kücken gegen das Licht, sitzt der 1 liM'r des Hauses, auch in bequemem Hausanzug; er zeichnet wohl, da ein Tuschschälchen xor ihm steht. Dann hat das Zimmer auch noch einige \ie)-füfsigt' Ijcwohnei" : die Katze, dir sich unter dem Ofen einen wainien I'latz luM-ausgesucht liat. und den Hund, der untei' dem Stuhl ni'ben dem 'lisch hervorsieht. /\n der Decke endlich hängt (in X'ogelbauer, in dem ein gefied(;rt(.M- Sänger stnne lustigen

^<>' a. a. D. S. IS'J. 1 r S. 471 ,

45

Weisen ertönen läfst. Wie' sc^hr man damals es lic>bt(> , Sin<(vö^^el zu halten, bekundet der Umstand, dafs auch in den beiden anderen Zimmern sich Vo^^el- bauer befinden und die Xiirnberger »Haufs-I lalterin den singendem Vögeln, >\Yclche man in Häusern zu halten pfleget , einen ganzen Abschnitt widmet'-). Nachstehend folgt die lunUntung desselben, welche die Freude verrät, mit welchen man an diesen kleinen I Iausg(;nossen hing.

»Die V(')gc;! s(dien einige lieber in der Schüssel als im Kefig , andere aber wählen vielmehr das Gegentheil, in deme sie sich an ihren angenehmen Gesang ergötzen, und defswegen das gantze Jahr durch ernähren, ob sie schon solcher ihrer Lust nur kurtze Zeit genüsen, in deme die wenigste das gantze Jahr durch singen, sondern die mehreste nur etliche Monat, doch gleichwohl findet man allhier gar wenige^ Häuser, worinnen nicht einige solcher singen- den Vögel anzutrelTen , welche wir am füglichsten in dre\'erley Sorten ein- theilen , nemlich in kleine, mittelmässige und grofse , oder in zwizerende, j)feiffende und singende; ja es ist sich nicht wenig zu verwundern, dafs auch einige derselben so gelernig seyn, dafs ob sie schon von Natur einen wilden und unlauttm Laut von sich gebcni, doch gleich wol es so weit bringen, dafs sie gewiese Melodien, i\rien und Lieder pfeiffen, auch so nett und artig nach- ahmen lernen, dafs ein Unwissender behaubten sollte, sie würden auf einem Klagcdlet oder andern Instrument geblasen: Andere ahmen so gar menschliche Stinnne in so ferne nach, dafs sie gewiese Worte und Iveden auf das deut- lichste nachsi)rechen und ausreden lerncni; diejenige aber, so zu diesc^n beeden inigeschickt, wissen sich durch allerhand andere Lust- und Gaukel-Possen angenehm und beliebt zu machen, in denen Häusern gedultet zu werden, und ihre Kost und /Xzung zu \erdienen. Nun ist auch diese gar unterschiedlich, gleichwie auch die Gesang-V()gc>l imtc'rschiedliche Arten von Ivefigen erfor- dern, wann man sie zum Singen in denen Häusern halten will, weil aber dieses untl jenes nicht allen bekannt, als wollen wir nebst der kurtzen Beschreibung eines jeden X'ogels solcln\s zugleich berichten.

Dann folgt die Aufzählung und Beschreibung der cMuzelnen Vögel, ihrer l'jgenschaften, Nahrung und Ik^liandlung. Ls werden angeführt als kleinere singc'ucU- V(')gel: die Ahnst«, Kohl-VcMse, IMau-VcMst', Kobel-Meise, Zogel-Meise, i\Ieisen-M(')nche, Zeislein, Hänfling, Linck, Blut-Linck oder Gimi)eL Distel- Linck oder Stigelitz , lirnmerling imd Rothkehlein; als andere wohlsingende \^"igel klein(M-er Art: L(M-che, Nachtigall inid Ganarien- Vogel ; als singtMide \'r)gel unltlerer (u-(')fsc«: Wachtel, Krumm-Sehuabel , Vistier, Di'oschel und Amschel ; als \'<")gel gr(')fs(M'er Art: I letzt^ odcM' Atzel, Slaar untl Papagei. /\us- tührlich wird namentlich die Zucht der Kanaricni\()gel und ihre Abi'ichtung zu allerlei KunststückcMi behandelt.

Der lu^schreibung dieses .Augsburger Wohnzininu^'s folgt am In^sten zum Schlüsse noch Dasjenige, was die" Niirnbei'gx'r 1 laufs-1 lalterin über das Nürn- bcM'gcn- nutteilt. TeilwcMse slinnnt es mit der wiedergegebtMUMi .Abbildunt;, teilweise mit jtMien tlcr folgenden beidcMi anderen Zinuuer ; doch fehlt es selbst\-ersländlich nicht an kleinen AbwtMchungen. Sit« schreibl :

TJ) S. S')'( IT,

46 -

'l)i(" Wohn-stuln' (M-fordcrt zum wcMiis^stcn zwccmi, oder wann si{> weit, drcy Irische, d.'uon der iMnt^ etwas i^nofs, und i\cv SpiMls-tisch ^cüKMinct wird, wimI man darauf läßlich zu speisen pflet^c^t, t^s hat si^lbii^iM' s^tmuMnii^licli olxm ^c\L,UMi d(M' Tlüir über seine vStelle, inlcv aber wann es der l'latz lei<let, in der Mitte des Zimmers; der and(M"(" 1 isch wird etwas abwärts l(("l,fen die 'Idiüre zu i^festcdli^t, und dc\n Stuben- oder RannncM-mensclien, odcM' wie man sie hier nennet, der lx\schHeserin, darauf zu neben, zu b(\L(eln, oder and(Me (I(M<^fleiclien ArbcMt zu M-rrieliten eini;eraum(^t. Wo drc^y d'ische in der Stube; sti;h(m, werden die beede kleinere^ «^emeiniL^lich an die Wand also i^u\stellet, dafs der eine, wie i^edacht, etwas abwärts, auf einer, der andere af)er liinaufwärts, an der andern Seiten nahe an tlcnn r\;nster zu stellen kommest, und der Frau zu Diensten bleibet , welche so sie dabey sitzet , zus^UmcIi eincMi Icutseeli^en pros])cct auf den Platz oder die Strasse haben kan : und weil solche Tische dann und wann beschwerlich, findet man hier in den meinsten Wohnstuben nechst am k\Mister kleine Hani^-Tischlein an<j;emachet , welche man nach Be- lieben aufstellen und niederlassen, odei" s^ar ablu^bt-n und t^antz hinweg nehmcm kan. Zu solchen Tischen werden wenii^^stens ein halb Dutzend Stühle und zween Sessel erfordert, deren jenc^ vor die, so mit bey Tisch spcMsen , oder sonst in der Stube eine sitzende Arbeit zu verrichtc-n haben, diese aber vor die Hcrrschaftt, und andere Bekannte auiser dem Haufs, wann sie ihie liinkehr nehmen, dienen.

In denen meisten Wohn-stub(Mi allhier findet man ein mit den Täfel- werck fest-eingemachtes Wand- und k\aul-l)ett, vielleicht von faullentzcMi also benamset, welches hoch aufgebettet, und mit (;iner säubern Decke überdecket, worauf zum Raubten ein grosses gantz dickes und starres Kissen ang(d(dinet ist , entweder wcifs bczieget , und mit einem schön-genehetcMi Blumen-Strich oder Borten verbremet, oder aber auf den' untern Seite Ledern, auf der obern aber mit bunten Genehe gezieret, so allcrU^y Daub- imd Blumen-wcMck, auch (')ffters des Haufs-Patrons Wappen vorstellet , und werden di(\se kiettem gar selten abgcraumct und ge^brauchet, sondern dicMicn mcdir zum Schein als zum Nutzen.' (Was an dieser Stelle über das Waschschränkchen gi^sagt ist, wurde schon weiter vorn mitgeteilt.)

'Ausser dcmc gehören auch in eine Wohn-stube cmu oder zwey wohl- versperrte k]ehält(M-lein , wt^lche man bey uns fast alkmthalben in di(^ Wand schon eingemachet findet, in deren (Mn(\s mrm den d'isch-ZcMig, in das andere aber die llaufs-Ahitter ihri^ zu denen andcM-n ZinuncMU und IkdiältiMU in [lan- den halxiide Schlüssel, imd das zur täglicluMi /\usgal)i' betiT)! higtc^ (ield zu verschlies(Mi und zu vcM-wahrcu ])flegt>t.

Den Auff)ntz defs Wohn-ziuuners bc-treflend, so bestehest selbiger \-or allen in einen feinen Spiegel, welcher gemeiniglich g(\gen die Thür üIxm', und zwar etwas schreg, auf ziei'lichcni von Messing g(Mli-(diet(>n, oilcv aus Zinn ge- gossenen Schrauben! ruhend , g(\stellet wird , damit der Staub nicht so s(du' darein falle, und man sieh ,'uich <lesto besser darimicm b(\s])it>g(-ln und be- schulen k(')nn(>: Die Tische solKm mit scheinen T(^pi)iehen überdecket, und die b\,'nster mit V^)rhängen wn-se^hen seyn. Die^ (jesiinsc- plli'get man ge-

-^ 47 -

meini^flich mit Mahl(M"ey(M"i zu belehnen , manchmal Pyramiden , verguldete Kugeln, antiquische von Holtz geschnittene, oder nur von Gips gegossene Brust-Bilder, auch wohl von Porcellain gemachte grosse Schalen darzwischen zu stellen und aufzulehnen, wie es nemlich einen jeden beliebt , und dessen Zustand und vermengen leidet. Das vornehmste aber ist die Reinlichkeit, dafs man nemlich das W'ohn-Zinuner so wohl als die andere sauber halte, durch die Mägde täglich auskehren, auch zu gewiesen Zeiten reinigen und säubern lasse, damit es nicht so wohl einer Wohnung der Schweine als vernünfTtigen Menschen gleiche.«

Man geht wohl nicht irre , wenn man annimmt , dafs die Thüre des Wohnzimmers in

das Schlafzimmer (Taf. VI)

führt. Nimmt man an, dafs dieses von der entgegengesetzten Seite wie das Wohnzimmer dargestellt ist, so decken sich die Thüren dieser beiden Räume vollkommen. Auch in der Gegenwart liebt man es noch , dieselben neben- einander zu haben, damit das nicht heizbare Schlafzimmer im Winter etwas von der Wärme des Wohnzimmers abbekonnrit. Das Schlafzimmer ist ge- täfelt wie das Wohnzimmer ; es hat auch dieselben Fenster. Doch ist ein Flügel des einen durch ein Drahtgitter ersetzt worden, das den Zutritt frischer Luft gestattet, den Insekten aber den Eingang verwehrt. Die Decke zeigt ein grofses Feld, das wohl durch Stuckarbeit hergestellt ist, der Fufsboden quadratischen Bodenbelag, der aber kaum als steinern angesprochen werden darf. Das ffau})tstück des Schlafzimmers ist, wie sich von selbst versteht, das Ehe- bett, ein grofses zweischläferiges Bett mit einem Himmel, der zu Füfsen von zwei gewundenen Säulen, zu Köpfen von dem Kopfende getragen wird, das architektonisch aufgebaut mit Säulen und Bogenstellungen versehen ist. Es ist hier wohl am Platze mitzuteilen, was die »Haufs-Halterin« über die Betten sagt, über welche sie sich, als über sehr wichtige Möbel, folgendermafsen aus- führlicli ergeht :

-Wir wollen hingegen sagen von den h(')lzernen Betten , als welche dermahlen am meinsten im Gebrauch sind, selbige werden gar selten von gemeinen Floltz gemacht, ohne diejenige, so vor das Gesind gehören, sondern gemeiniglich von Eichen, und Nufs-baumen, oder von schwartz-gebeitzten, je zuweilen mit schönen Brasilien, oder auch wohl Plben-IIoltz, eingeleget, manch- mal nur mit Leisten-werck , inid h'illungen , je zuweilen mit zierlichen Laub, P'rüchten, Festinen, und Säulen, oder wohl gar mit Bildern und andern häuf- figen Schnitzwerck, gezieret: man findet auch kostbare Betten, so zwar nur von gemeinen Holtz gemachet, aber mit stattlichen Gezeug überzogen sind, so mit den Tapezereyen defs Zimmers ül)erein kommen.

Die Ehe u.nd Sechswochen-Bette sind mit cnnen auf artiggewundenen Seulen ruhenden Zelt versehen, so entwediM- mit rauer Leinwat ül:)t"rzogen, und beedes in- und auswendig zierlich gemahk:t , oder mit TattMid oder an- dcvn Gezeug überkleidet, und mit derglcicluMi Vorhängen umgebt'U , an ilcn

4.S

vier Fxken sic^hc^t man <">frtcis i^UHlrc-JK^tc^ Si)it/.<Mi oder Kugeln von Holtz, oder auch, nach 1 IcydniscluM- und dem /MtcMthum abt^ebor^ter Art gemachte und mit zierHchen h'edei-büschen l)est(>ckte IMumen-Trjpfe zur Zierde stehen: So wol an diesen, als andern Galanterie- und Prani^-lU^tten, sind die bifs auf die Erde abhängende Vorhcänge unten an den Saum herum . an gewiesen Orten mit Bley versidiiMi, und also eingerichtet, dals sie von der darinnen ruhenden Pers(Mi, mit einen einigen Zug rings herum gantz oder halb aufgezogen, und wie es beliebt, also bcvestiget, endlich aber wieder nic>dergelasscn werden k(')nnen , wc^lches dann nicht nur sehr be(|uem , sondern auch gar wol und zierlich in die Augen fallet. Wie die and(;rn Arten dtM" Ijetten beschaffen, ist bey dero Benennung schon guten theils angezeiget worden , und hi(;r zu wiederholen unnöthig.

Was nun in so mancherley Arten der Bette geleget werde , sind mit einem Wort, Polster und Kissen: Es sind aber selbe entweder von Eeder gemachet , und werden sonderlich zu denen Wand-Faul und Stuben-Betten gebrauchet , bevorab gerne in denen Studier-Stuben gefunden , um sich nur so gleich hin mit den Kleidern darauf zu steuern , und einer kurtzen Ruhe zu gcnüssen. Oder von Barchent, und die, so etwas kostbarer, linder und subtiler, von Bomesin ^'M gemachet, und mit leinenen weissen, oder auch blau und weifs-zierlich gemodelten Tuch und Kölnisch'^ , oder die feinere Betten mit zarter Leinwat überzogen, auch auf der Seiten mit bunden l'affend oder Atlafs verbremet, die Zügen aber selbst mit artigen Blumen und Eaub-werck in ein enges Gestrick genehet, so man hier zu Land Striche nennet, oder mit ge- wirckten Borten und Spitzen gezieret.

Aller Orten werden die Betten nicht auf einerley Art zugerichtet, son- dern an den meinsten Orten nur ein w-enig auseinander getheiltes Stroh unten in das Span-bett eingeleget, mit einer Matratze, oder mit Watt, Baum- oder Schecr-wolle angefüUet- und abgeneheten Decke, und diese wieder mit einen Leylachen überdecket, unter den Kopf ein Polster und Ilaubt-kissen gclcget, und zur Ober-deckc wiederum eine Matratze , mit einen übergeschlagenen Leylachen aufgebreitet : Hier zu Nürnberg aber und an dencm meinsten Orten Teutsches Landes wird das Stroh ordentlich, und zwar sehr fest zusammen gehefftet, in einen oder zween nach der Länge und Breite dcfs Bettes abge- messene Flache, und einer Spannen dicke zwilchenc , oder von blau- und weissen Köllnisch verfertigte Säcke eingefüllet, und auf den Bxxlen der I^ett- statt geleget, ein oder auch wol zwey gute wohl angefüllte Unter-betten darauf gebettet, beedes ein Haubt- und k'ufs-PoIster etwas schr(\g angelehnet, alsdann ein Leylachen cingebreitet, und zwar so, dafs der k^uls-rolster daruntcM', der Haubt Pcjlster aber darauf zu liegen komme, die Kopf-kissen schTin lioch auf- gestellet, und das Deck-betten, woran noch einige ein übiM-schlagenes Lcylach hefften, aufgelegt. Diese letztere Art der IjettcMi ist weit wärmer als die erste, auch \iel linder und sänfftei' darauf zu ruhen als auf jenen, wie Wdl dii.' Ge-

i:')! d. i. ISaumwolle, v<^l. Schmcllcr-l-'roni!:: üW'l). [. '_'.'!').

14! auch K(')lisch, Golisch, eine wcifs und blau oder wcifs und ml ucstreiltc odir m- würfelte Art Leinwand .Schm.-Fr. lUVP.. 1. SO:^.

>

^

TD

C

c

3

>

•f* '

'kl.

>

c

o

0)

o o

c

u o

o

u o

>

3

Co

c

X!

o

o

'S <u

ÖD u

:p XI

0)

XI

o m

T5 •Ö

Ol

C

>

2:

G

3

G

Ol

Xi G

O

0)

JG o

:G

O w

:3

- _ 49 -

wonhcit \ ic^] thut, und diese Betten denen Fremden anfän^^lich " fremd vor- kommen , jedoch aber von eini^^en bald gewohnet und überaus sehr gelobet worden : Die Krancke bedienen sich bey uns etwas leichterer und nicht so schwer-angefüUter Deck-betten, auch sind \iele gewohnet, zur heifsen Sommer- zeit die Deck-betten gar hinweg zu legen, und an deren statt sich mit einer ALatratze oder zierlich abgcneheten Decke zu bedecken.

Die ALaterie, womit die Kissen angefüUet werden, sind entweder Watt, P)aum- oder Scheerwolle, und meinst zu denen Galanterie-Iietten gebräuchlich; die cärmcre Leute bedienen sich allerley Vogel-Federn, von welchen man vor- gibt, dafs man darauf nicht ersterben kcmne, welches aber ein falscher Wahn, und vielleicht daher rühren mag, dafs die arme Nothleidendc; aus Mangel ge- nügsamer Febens-Mittel nach und nach sich abzuzehren , auszuschmachten,- und auf ihren Sterb-Bettlein freylich lang zu liegen pflegen , bifs sie nach GOttes heiligen Willen , die ausgestandene Trübsalen dieser Zeit , mit der Fremde der seeligen Ew^igkcnt \ erwechseln : hisgemein aber sind die Federn \C)n den Gänsen zu den Betten die gebräuchlichste, wiewol auch grosse Herren sich solcher von denen Schwanen bedienen.'

Auffallend ist bei uns(M-cr Bettstatt, dafs die Vorhänge fehlen ; man geht wolil nicht fehl, wenn man annimmt, dafs sie der Künstler nur deshalf) weg- gelassen hat , damit die Partie cJes Zimmers hinter der Bettstelle nicht ver- deckt wird. An der dem Beschauer zugekehrten Fangseite des Bettes steht ein Kasten, der eben so lang ist wie dieses und als Tritt diente, um in die hochaufgetih-mten Kissen, den Stolz der Hausfrau, zu gelangen. Benötigte man doch nach der "Flaufs-Halterin« zu einem Nürnl)erger ]^2ehebett 125 Pfund h^edern zu zwei Unterbetten , einem Kopfpolster und einem Fufspolster und 30 Pfund Federstaub zum Deckbett, zu zwei Kopfkissen und zwei 'Bauch- Küfslein-, also zusammen 155 Pfund PY^dern für ein zweischläfriges Bett! Der Tritt war wohl zugleich Truhe, diente aber auch als Sitzbank. Die zwei 'Passem, die auf ihm stehen, dürften das Frühstück für Mann und k'rau ent- haltcm haben. Zu hYifsen des ISettes steht ein Schränkchen in der Ilöhe des Fufscmdes derselben. Solche Schränke sind namentlich auch in Ulm in Gc- brauch gewesen, wo sie den Namen -k^ifsnet« oder Fufsnetkasten- führen. Das Schränkchen hat an den Seiten eiserne, bewegliche Griffe, um es leicht von einc>m Ort zum andern transportieren zu kcninen. Ms diente zum Aufbe- wahren der Bettwäsche und zum y\ufF;gen der einzc^lnen lU^ttteile beim Machen des Bettes. l>ei dem GriiTe hängt ein Kehrwisch. Die Platte, die auf dem Schränkchen sttdit und an der sich der Junge mit dem Messer zu schaffcMi macht, enthält Wdht einen 'l\;il (k;s l'^rühstückes.

NebcMi der liettstatt steht ein grofser Schrank mit drei SäukMi , an der hintercMi Wand ein etwas kleinerer, der dagegen reich xcMvieil ist. lOr dürtle. wie schon die gf)tischen süddcnitschen Scliränke zweigt'scliDssig sc-in ; zwei Reihen Säulen mit Gebälktm st(>lum je auf einem Sockel übereinandei'. l)ie Thüren enthalten architc-ktonisch gc^gliedcMte NiscluMi. \'or allem abei' fällt die reiche luT-rcHiung d(\s Schrank(\^ ins /\ugc>, die früher wohl dic^ meisten Schränke^ hattiMi, die :\\)cy h(')chst selten auf di(^ Cjegcmwart gekonuutMi ist Der Schi'ank

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum, 1897. VII.

r>()

dürfte ein Krl)sti'ick !^(nvcs(M"i sein, da er noch in die Mitte des 17. Jahrhun- derts zu setzen ist. W'ic^ man sielit, besteht das Mobiliar des Sclilafzinmiors neben dem Ivht^bette haui)tsächlich .aus Schiiinken. \-'.s stimmt dies auch mit ilen AusTührunLien der 1 lauls-l lalterin über (He ICinriclituns^' der Schlafzimmer überein, dit> b(,'richti-t : jn die Schlaf-kanuner t;eh(')ret das IChi^-lx^tt , samt einen ludialter ' ■') zu dem alltäij;iichen weissen (iezeu^, vor «.^u-ofs und kleine, in allerley l''ällen zu ^febraucluMi , auch pf1ei^u>n \i(de ihre bestt- Sachen von Silber-Cjeschmeid, Kleinodien etc. in eincnii gleichfalls hiezu s^ehririL^^en, wohl- verschlossenen Schrank, so man defsweL^'cn den Silber-üehalttM- zu nennen l)llei4"ct, in dieser Kammer zu verwahren, weil man solchen allhicM- stets vor Augen hat, und nicht so leicht ohnvermerckt enUfnet werden kan, als t'twan in einen andern Zimmer, darein man selten zu kommen i)fle((et: ICs ,i,Hdi(')ret auch in diese Kammer ein kleines Artzney-Schrjinklein , damit man selbiges auf ereignenden k'all zur Hand halxMi, und daraus, was der zu Händen gestossenc Zufall erfordert, hervor langen m(")ge; zuxc'u'derst aber soll auch ein Nacht- stuhl vorhanden seyn , sonderlich so das gew()hnliche r)rt etwas weit davon entlegen und entfernet ist.<'

Ob das letztere Geräte vorhanden ist oder nicht, kann nicht mit Ge- wifsheit entschieden werden. Vielleicht ist es das Stück rechts im V^order- grunde, auf welchem die hölzcM-ne Büste: mit der Perrücke des 1 lausherrn steht. Das Mobiliar vervollständigen noch zwei Tische: ein kleiner mit geschweiften Beinen nel)en der Thüre , auf welchem zwei Gläser stehen, welche Toilette- Artikel enthalten das eine wohl Puder, da an der Wand darüber eine Pu- dercjiiaste hängt und ein grofser einfacher Tisch an der Wand zwischen den beiden P'enstern, der gekreuzte kleine, einen Tritt zum Aufstellen der Vükc hat und gedeckt ist. Auf ihm stehen ein Leuchter mit Licht und einige Gebetbücher, die dem Ehepaare beim Niederlegen und Aufstehen zur Verrichtung der häuslichen Andacht dienten. Der Herr des Hauses, der seine Strümpfe anzieht, sitzt auf einem dreibeinigen Schemel; ein solcher dürfte auch der Frau als Sitzgelegc^nheit dienen. I-Lifrigst mit dem Auftrennen einer Naht beschäftigt, iibersieht sie das Hinidchen, das \()r ihr sitzt und aufwartet. /\uf dem Gesimse der \\' andtäfelung stellen ausschliefslich Bilder. k)as neigen der Thüre ist ein Sinnbild der .Auferstehung: aus einem Totenkopfe wächst eine BluuK^ heraus. Die zwei kleinen danel)en stellen k'iguren dar, das am Pfeiler zwischen den ]'\,'nstern einen Herrn vor einem \^)rhange stehend, also wohl ein I'orträt, das in der Fensternische ein tanzendes l'aar. Neben der Puder(.iuaste hängt die Hausmütze (oder Schlat'mütze .- 1 des Herrn, weitei' vorn dessen Rock. Schliefslich ist noch der (jlocke zu gedenken, die in der ersten l'\-nsternisclu; angebracht ist imd den Bewohnern des Hauses Kunde" von Denjenigen gibt, cht: Linlafs in dasselbe begehren.

Wenn nun auch wede;r die I lauls-llalterin in ihrer Beschreilnuig (Jes Schlafzinimei's e:int' Waschgelegenheit erwähnt, noch unsi'n- Abbildung eine solche zeigt, so ist trotzem doch wohl anzunehmen, dals c;ine solche diesem

15i ij, i. Srhr;uik.

51 -

Räume nicht felilte. Sic ma^ an der Wand Platz ^fcfundc;n haben , die auf der Abbildung nicht sichtbar ist.

Begibt man sich in das obere Geschofs , so kommt man zunächst wie- derum in einen

Vorplatz (Taf. VII), von dem aus Thüren in die übrigen Räume des oberen Geschosses und eine Treppe in den von uns angenommenen Aufbau führt. Dieselbe herab kommt ein Knecht, der auf den Schultern einen Sack trägt. Der Vorplatz ist wie- derum sehr einfacher Art. Die Wände getüncht, der Boden mit viereckigen Platten, wohl aus Solnhofer Stein belegt, nur die Rahmen der Thüren sind etwas reich profiliert. Ein Kronleuchter oder Lüsterweibchen ist nicht vor- handen, sondern nur ein Wandarm. Aufserdem besteht die Ausstattung der obern P'lur nur noch aus einem runden Tischchen mit gedrehtem Fufs , auf und neben welchem einiges Geschirr steht, und einem Gemälde über der Zimmerthüre rechts, welche ein Stillleben, Hut, Kanne, Glas und Früchte darstellt. Eine Magd mit Besen, Kübel, Kehrwisch und Schaufel macht den Vorplatz rein. Im Hintergrund rechts in einer offenen Thür hat ein Mann ein Buch in der Hand, links trägt ein Mann Holz, wahrscheinlich in die Küche, wie später dargethan werden wird. Ein Hündchen zeugt von der grofsen Vorliebe damaliger Zeit für Tiere.

Über der Thüre links befindet sich ein länglich rundes Fenster mit ver- bleiten runden Scheiben , ein sogenanntes Och.senauge , das von dem Lichte des Zimmers etwas an den Vorplatz abgeben soll. Ein ebensolches Ochsen- auge hat über der Thüre

das Wohn- und Arbeitszimmer (Tafel VIII).

Man kann also annehmen , dafs dieses Zimmer an den vorstehend be- schriebenen Vorplatz stöfst. Ms ist gleichfalls mit Wandtäfelung versehen, wie die übrigen Zimmer, und nur die Wand, an welcher der Ofen steht, ist in üblicher Weise von solchcM" frei. Dei- Fufsboden ist quer gebrettert, die Decke (jucM" getäfelt. Die PY-nster zeigen dieselbe Form und Gröfse wie diejenigen in dem erstbeschriebenen Zimmer, die Fensternischen sind mit Bänken ver- sehen. Das erste Fenster hat eine grofse Blende von Papier oder Leinwand, die das Licht däm[)ft, welches auf die Platte fällt, an welcher der Kupfer- stecher arbeitet. Die Platte liegt auf dem Titsche am h'enster, nc^bcn ihr stecht ein Spiegc;!, welcher die; Wirlage im negativen Sinne wic-dergibt , in dem sic^ auch gc\st()ch(Mi wird, damit das IJild beim Abdrucke wieder in positi\eui Sinnc> konmit. Dabei lic^gen Stichel und ein Lineal \mi\ stt>ht ein T()i)fchen mit (-iner l-\>der. Der Tisch selbst hat breite , aus P)i-(>ttern ausgi\schnittenc^ Fülse, die nach aufsen und iimen ein durch aufgesetzte* Leisten geliiKKnes r(xhteckiges Vc](\ enthalten. Sie sind durcli iMuen St(\^' und unten elurch einen Fufstritt x'erbunden. Dcm- Tiscli stand auf dit-se Art wohl si^hr fest, was dcM- Künstler im InhM'esse seiner Ai'beittMi wünschen nnüste. Dii* 1 isch- platle hat durch .Abschrägung der locken c]nc achteckige Form (M'halten.

1-jii zwriU'i' Tisch mit i^cspri-iztcn, Licdichtcn iH-incn, die ebenfalls duich cim-n iMilstiitt verbunden sind, stcdU rechts in der ICcke; ein dritter links an der Thür. Dieser hat L^cki-euzte, durch tMiien Stes^ und [''ufstritte \-erlnind(^ne iMilse. l"r ist L^edeckt ; auf ihm steht eine Kanne, c\uc l'lasche , wohl ans Zinn, mid ein lu-cher. Ztmi Mobiliar ;^ft>h(")r(>n ferner eine IJank , die an der Wand im llinttM-^runde entlani^" läuft, drei Stühle mil hohen Lcdmen, wie sie auch im W'ohnzinuncM- sich finden und im I lintergrtmde ein von diesen ab- weichcMuler Stuhl mit SiMtenlehn(>n. NelxMi diesem Stuhl, auf den Ofen zu, steht t-in wit-^enähnliches (?) (lestellc>, von (K'm cMne I)(xke herabhängen und auf d(Mn ein Kiubchen mit Wäsche sich befindet. Der Ofen stimmt in Auf- bau, OrnanuMit imd Material vollständig^ mit jenem d(\s Wohnzimmers überein; auch er ist mit einer Hänsle mi\<.(c^ben. Hinter dt-m Aufsatz des Ofens steht einc^ Kanrn' imd hängen zwcn Würste.

Weiter sind zu erwähnen drei Schemel verschiedener k\)riTi; auf zweien dc-rselben sitzen Knaben , xon dencm dcM- cdne eifrig mit Zeichnen auf einer Tafel beschäftigt ist, die er auf dem Knieen hält. Neben ihm steht auf dem Fufsboden cm Schälchen mit darauf liegendem Pinsel. Der andere^ Knabe, dcv stMue Külse auf ein k'ufsbänkchen stützt , blättert in dem auf seinem Schofse liegenden Buche und blickt auf die Zeichnung mit der Darstellung iMues Mannes, die auf dcMii kleinen Pulte liegt, der vor ihm steht. Dieses nette M<')bel hat imten drei grofse und oben zwei kUdne Schubladen. Die Knaben sind wohl keine Lehrlinge des Kuj)ferstechers, sondern Schüler, denen er Cnterricht im Zeichm-n gibt. Bestärkt werden wir in dieser Annahme durch die Sanduhr, die auf dem dritten der Schemel steht; wenn sie abge- laufen, war die Zeichenstunde vorüber, die Schüler entfernten sich, um \iel- k-icht anderen Platz zu machen. An der Thüre selbst sttdit, die Kechte auf den Drücker des scheinen Schlosses legend, der Herr des I lauses, eine statt- liche Figur, in seinem Galaanzug. Der ALantel, den er an hat, sagt, dafs er im In'gritTe ist , auszug(dien. In der Pinken hält er cnne Rolle. Auch in diesem Zimmer fehlt es nicht an Tieren. Am erstbeschriebenc>n Tische sitzt der Hund bei seinem Frefsnai)f, im Hintergründe sieht man zwei Katzen, von welchem eine munter unter dem Ofen hervorspringt, an der PVxke hängt ein Vogelbauer.

Noch ist der übrigen Stücke zum Schnuicke des Zimmers zu gedenken. In stattlicher Anzalil sind die eingerahmten Bikler \(M'tret(Mi , die' au.f elem (iesimse' der 'I'äfedimg stehen. In deM" e'rste'n Nische' sieht man e'inen Baum, am Pfeile-r elaime'be-n den gekreuzigten Heilanel, am näclisten Pfedler hängt in ver- zieitcm Rahmen (;in schräg gestellter Spie'ge'l. Die Darstellungeii eler Bilder im Hintergründe' lassen sich nicht genau feststelle-n. ?Nel)e'n de-r Thiire' hängt ^chi'äg eine' Landschaft mit grejlse'm Hause', auf die- Thüre se'lbst ist e-in Blatt ant^enagelt mit e-iner weiblichem T'igur in Zeichnung ode^- Stich. .Auf den liänken liegen und stelu'ii Büche;r, wolil K.upferwerke', an eleiAVand im Hiiitei'- L;i"unde hängen zwei LTjcke, eine' Pei'rücke' unel ein DreTspitz. Das Hörn, das ddi't ebenfalls Platz gefunden, läfst de-n wackeiii Meiste')- auch als Freund der edlen Lrau .Musica ei'kenne'U.

53 -

Von Wichti<,>kcit für die Orientierung^ in diescMn Haust- ist das vier- eckige Fenster mit den rundem ein<(ebkMten Scheiben. Es führt nämlich in die Küche, ck^r Tisch mit seinen Gefäfsen, der davor steht, wird dadurch als Anrichte oder Servirtisch leL^itimiert.

(Fortsctzun^f k)l<ft.)

N ü r n b e r i^. Hans B ö seh.

Zwei Handzeichnungen des Wolf Huber im Germanisehen Museum.

>en Anlafs zu folgenden Zeilen gab das unter Nr. 1 abgebildete Blatt, (1 Idz. 2430) das bisher unter den unbekannten Meistern eingereiht war, und das ich, auf Grund stilistischen Vergleichs, dem Passauer Meister Wolf Huber zuschreibe. Am nächsten steht ihm die unter Nr. 2

abgel)ildete HandziMchnung (Hdz. 161 I, die auch \\\ Schmidt, dcM" gcMiain-ste KenntM- imd h'ntdecker VV. HubiM's . laut handschiiftliclKM" Xotiz unstM'cm Meister zuschreibt.

Das erste l)latt gibt uns d(Mi hjnblick in c\n TliälclKMi , das c\n von Bäumen umg(-bent'r Fach durchzieht. l'JU Haus, sovvii- wc-itcM' im Hinter- grund eine Bur<>^ auf einem kleinen Himel rapen aus den Bäumen. Den

54

I lintciL:! und nimmt iiufsti-ii^cmlcs I Icx-liLjchii l^c ein. \ )\c Z(Mchnun_<^f ist, von 1520 datiert, tlott ausi^cfühit mit l)l;hilicli lassender l''eder. Sie stannnt aus diMH iiltesti-n llestand des Museums, da sie noeli die Autsels'sche Marke tr.ä^^t. \)\c andere /A'iehnuni,^ (Ai)l). 2) trä^t ehentalls die alte Autsefs'sche Mark(> und stimmt in Technik und Ausführuni; mit dem erstt'n ISlatl stark iiher- ein. Nui' Iniden wir nc^hen der bläulichen 'idnte noch einen l)i-<'"uinlichen Ton, in dem auf ilcv unteren .Abbildunij die ll;iuserLiiu|)[)e links, die- l!ur<^f rechts sowic^ ein Teil dcv li;iunn' in der Mitte L;eiialten sind. In der obeicn /\1)- teilnu!^ ist bi'äunlich <4ezeichnet di(; iWir^^rujJi'e rechts, sowie der am I\ande rt"chts ansteiiii'nde 1 liiu^T Diese beidiMi 1 landzeichnun^en bilden mit dt;n

übi'iLjen im Museum befindlichen dc^sselben Meister eine hübsche Serie, die einen lehrreichen hanblick in die Kunst I lubers L;ibt , dies(-s herxorra^t-nden 1 ,an(Nchaftszeichners. l'"s seien eiwiilint die 1 .519 ilat iei-te l-\'dci-zeichnunL; ln!_;ob stat , eine lh"ichtii( aber ^(\s(duckt un'l ch.'irakteristisch gezeichnete .Silhouette lies .Stadtbildes i I Idz. 2'M'>\\ , ternii' ll.iiiuist udien ;iiit i'otbr.aun L;etrjntem P.ipii-r in i_;ell) und \\('ii's ^ehTihter |-"edcrzeichnunL; i 1 Idz. b7< i), Ljanz in dei' \\"eisc Alt- doiMer'-. aber wdhl auch \dn 1 lubcr heiiiihrciid. auch .Schmidts .Xuloi'ität nei^it ^ich diesei- .Annahme zu i und endlich die ciitziickend feine bedcrzeicdinunii, W, II. 1510 den .Mon(ls( i' darstellend i I Idz. ISi, eine der l)(>deiitendsten und kiinstlerisch lier\ orraijcndsten 1 .andschait.-^zeichnunijen aus dem .XnfaUL^

55

des 16. Jahrhunderts (abgebildet bei Eye nntl Falke, Kunst und Leben der Vorzeit 1868, 11 75) bereits unserem Meister zuj^^eschrieben. Wolf Huber war uns bis vor wenigen JahrcMi nur bekannt durch seine im P. Behaim'schen Manuskript von 1618 erwähntem Holzschnitte (vgl. Bartsch VII 485 Pass. I 230. III 305. Wessely Repertor. VI 6]) W. Schmidt hat zuerst (Repertor. XI 358) die teilweise datierten und geistreichen k'ederzeichnungen zu Budapest, München, Nürnberg, Erlangen, Dresden und Berlin besprochen. Er hat die früher dem Altdorfer zugeschrielxmen Platter herausgehoben und in ihrer Eigen- art charakterisiert.

Weiterhin hat er das Werk des Meisters erweitert, er hat ihm den früher Grünewald zugeteilten Christus am Krc;uze xon 1503 in Schieissheim zuge- schrieben und endlich ein Altargemälde m der Pfarrkirche zu Feldkirch in Voralberg, eine auch urkundlich bezeugte Beweinung Christi, bezeichnet W. II. MDXXI, entdeckt (Kunstchronik N. F. IV. Sp. 46. Repert. XVI. 148).

Was mm unsen^ beiden oben mitgeteilten 1 landzeichnungen l)etrifft, so glaul)e ich mit ukmucm- Zuschrcnbung an W^ Iluber der allgemeinen Aner- kennung sicher zu sein. Aufserc; und innc^re Gründe s])rechen dafür. Das- sell)e Naturgefühl, dieselbcMi stilistischen Eigenheiten, die Zeichnung der Berg- konturen, die Behandlung des Baumschlages, die Strichelung der Schatten, die auch von Schmidt ht,'r\()rgehol)en(.> zungenf(")rmig(,> Bildung des Ufers« erscheinen mir aufserordentlich charakteristisch für Huber. Was das Datum des 2. Blattes betrifft, so ist es, an und für sich undeutlich, in der Repro- duktion noch etwas verunglückt. Ich lese es aber für 1510. Ist dieses Datum recht, dann ist es für die Kunstweise Hubers immerhin sehr wichtig, da es den auf dem ersten Blatte von 1520 ausgebildeten reifen Stil bereits im Jahre 1510 aufweilst.

Nürnberg. Dr. Edmund Braun.

Wissenschaftliche Instrumente im germanischen Museum.

IV. Bussoleinstrumente zu Winkelmessungen.

(M d(;n bisher betrachteten Instrumenten wurde die Gr(")fse (Um- Winkel entwculer auf graphiscluMn Wege bestinuut, oder dadurch, dafs sie als Ik'standteile \ on I)rcMi'ck(Mi behandelt wurden. Die InstrunuMite fiir die letztertMi Aufnahuu'n waren zum reil mit (jradbogXMi oder Scalen versehen, welche eine Messung clor Winkel nach (jraden ei'm(')glichten. Diese Art dcv .Messung ist die \ crljreitt^ste. Die neucMcMi Instrumente, sowohl die Theodolite, als die Si>ic,\gelscxtanten, erm(')glichen (MUcmi sehr hohen (ji-ad von Genauigkeit tler Messung. Hier haben wir t>s mit älteren InstruuuMiten zu thun. Winkel kcnmen entwedei- einfach nach ihrei" (jrrifse gemessen werdcMi odvr CS k-ann zuglrich dii^ E-'\ge ihrei' Sc-henkel gegcMi eine« Ix-stimmte 1 lim-

nr)

nit'lsiichtuni; bestimmt weiden. Als solche wiid allgemein die Süd-Xord- riehtuiiL; an;^eiiommeii, welche jedeizeit (hirch iWc Mai^netnadel <Tkannt werden kann. l-"reilich sti-lU sich die Nonhiadel nicht aut (k'n Nordpol der hada.xe, sondein auf den mai^netischen Nordpol ein, sie Liil>t also nicht unmittelbar die Kichtuni.^' dei- l-adnuM'idiane , sondern die der ma^netiscdien Meridiane; (li'iin der niai^MU'lische Noi'd]>ol tiilll bekanntlieh nicht nnt dem l-jdpol zu- samnuMi. Man nt'nnt die /Abweichung.; der magnetischen .Meridiane von den ideographischen die 1 )i-klination. l)ie excentiische I^aL;e des ma^n('tischen Nordi)oles bedinj^t, dals diese Deklination bii' < Arte unier verschiedeneidSreitc^ oder Läni^e eint' \ i'i"schi(,'(k"ne ist. l'beidit's ist die Lai^e des ma^'netischen Nord- poles keine testi', sonelern wechselt in lan^^^'n l'eiioden, so dals die l)eclination für einen bestimmti'U Ort keine konstante ist. Sie wav beispi(ds\\ eise für Paris im Jahre 1 5S() = 11" :i()' (•.stlich, 163:S = 0", LS14 = 22" 34' westlich und nimmt seit dieser Zeit wieder ab. y\ufser dieser sa(xularcn yXndcM'uni,' der Deklination macht die Nadel noch tätlich periodische Schwankuni^cn von etwa (S RoL^aMiminuten. lAidlich treten zuweilen mai^nt'tische St(>riingen ein, welche pl(")tzliclu^ Anderuni^en im Stande der Maqnc^tnadel mit sich brin^^en. Alle diese Schwankun^fcn betMUträchti^en die (jcnauii^keit der auf der An- wendung der Magnetnadel beruhenden Instrumente, welche man allgemein als Bussolen-lnstrunuMitc bezeichntd.

Die Bussole, die I^üchse, in welcher sich die auf einer Stütze balancierte Magnetnadel befindet, ist mit einem entweder nach (jraden odei- nach Stunden geteilten Kreis verseilen. /\uf ihr(.M- (jrundscheii)e sind die I laupthimmels- richtungen, gew<')hnlich auch die: Deklination, angegel)en und Süd oder Nord fallen zumeist auf den 0 360" der Kreisteilung. In fester X'erbindung mit der Bussole steht ein Dioi)ter, dessen Visierlinie entwed(M- die Drehungsaxe der Bussole bezw. der Magnetnadel schneid(;t oder seitlich an ihr \ orüber- geführt ist. Die Visierlinie ist einer der 1 lauptrichtungen der Kreisteilung S. N. oder O. W. parallel

Dit- Winkelmessung geschieht in der Weise, dafs das Instrument im Scheitel des Winkels aufgestellt und erst auf den tdnen, dann auf den andercMT Winkelschenkel eingestellt wii'd. Bei dit'S(Mi lAnstellungen wird das Diopter und damit der Xullpunkt der Kreisteilung aus dcv Meridianrichtung herausgedrcdit, während die Nadel im magnetischen Meridian --tehen bU-ibt und die fji"()fse des Winkels anzeigt, um welc-hen das I )iopter gedreht wurde. l)ie Difterenz zweier /\l)lesungen ents])richt der (ü-rifsr (U's zu mt'ssendi-n Winkels.

Idntache Bussoleninsti'umente wai'cn schon im 10. |ahi"luind(Ml , \iellei(du ruich schon biiher, in AnwtMidun^. l'.inen solchen l-'eldmessei-kompafs be- schieibt Paul l'tinzing in seiner .Ah'thodus geoinetric.i ].">'JN, deren < ha^inal- hoIzstr)ckc das germanische Museum bewalu't ' i. Das Instianuent ( k ig. B^) besteht aus ciivm in einem (]uadi"atisciien llolzstock- \ < in 1 3 ' _■ cm St-iten- länge eingelassenen Kompafs nut Stunden und \']ertelsl undenteihing , an

iirii'lxn im l\at;ili i^; der I il/sst Tick

■li lllltel- \r.

4:!.'

57

dessen einer Seite ein verjünc^ter Mafsstab angebracht ist. Dieser Kompafs wird in ein Kästchen von \ii Fufs Länt^e so ein^^esetzt, dafs dessen Lang- seiten der Südnordlinie des Kompafs parallel sind. Der Kompafs wird mit einem Schiebedeckel bedeckt, auf welchem ein Notizblatt befestigt werden kann. An der Seite des Kästchens ist eine drehbare Regel angebracht.

Pfinzings Traktat ist besonders dadurch von Bedeutung, dafs er einen genauen Einblick in die Methode der Landaufnahme im 16. Jahrhundert ge- währt. Er gibt an, wie die Ak\ssungen zu Fufs, zu Pferd und zu Wagen ausgeführt werden und erläutert seine Ausführungen durch anschauliche Bilder.

Die Winkelmessungen werden alle aus freier Hand, d. h. ohne dafs das Instrument auf ein Stativ gesetzt wird, vorgenommen, die Entfernungen werden abgeschritten.

Der Feldmesser (Fig. 19), welcher eine Fläche aufnehmen will, stellt sich an einem Endpunkt derselben auf, setzt den Kompafs an die Brust, er- hebt die Regel und visiert nach dem nächsten Eckpunkt, hier einem Baum, in der Weise, dafs die Regel, der Stift, auf dem sie, wenn sie geschlossen ist, ruht, und der Baum in eine Linie kommen. Ist die Richtung einvisiert,

Fi«,'. 18. Fcldbussole von Paul rfinzini:

so sieht man nach der Stunde, welche die Nordnadel angibt und notiert diesc^ auf dem Notizblatt. Dann wird der Abstand der beiden Punkte alogeschritten. In dieser Weise wird das ganze Grundstück Umschriften. Das Verfahren zu Rofs ist das gleiche, bei Berechnung der Entfernungen werden die Schritte^ des rechten Vorderfufses gezählt. Der Schritt des Pferdes mufs gleich zwei Schritten des Mannes sein, denn nicht alle WY^ge k'Hinen zu Pferd gemacht werden, und der Reiter mufs alsdann absteigen und dic^ h^ntfcrnung abschreiten. Man muis also ein Pferd verwenden, dessen Schritt sich dem des Mannc\s vergleicht. Am Schlufs dieses Kapitels benun'kt Pfmzing allerdings, dafs man bei keinem Feldmesser finden wird, dafs sie gänzlich auf den Schritt gangen, ob sie schon bisweilen der .Meinung gewc^sen, so fallen sie doch wieder auf ihre Ruthen, Schnur odtu' Grad und messen das Land nach der Elle aus. Darum sind ihre Wege so scIuvcm- und unannchmlicli gewesen, dafs ihrer viele darüber müde gtnvorden und ganz davon gelassen. <

Das Ergebnis der ersten Aufnahme sind die IIaupt])unkte und Linien des aufzunehmenden Land(\s. Sind sie auf dem PapicM" (>ing(>tragt'n, so wird

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. VIII.

58

das Land c-in z\V('it(>s mal uni<^an((('n oder umritten und Gründe, Berufe, Wälder, Deuter u. s. w. von der Hand und nach dem y\uL(en.scliein darein L^t'risst-n. l'unkte, an welclie man nicht S4elant^en kann, oder solche, -da es sich niclit gebühren will. L^ar liin zu reiten oder zu s^elu^n,*' wie ein hohes (jtMicht, weiiK'U, wenn es auf L^rcjfsere (jenauis^kiMt ankonmit, mit dem Kompafs tlurcli Messuni^ aus zwei Ständen bestinnnt.

\)\c Messuni4 mit einem W'as^uMi ist zu\erlässi^^er, als die zu Fufs oder zu rferd. weil dcv Umfang;' des Rades stets vollkommen konstant bleil)t. Die

Fi;r. l',t. Laiiilaiifiiuhiiit.' mit ili-r F(l(lbu>si)le von I'aiil l'fiiizint.

Uni(lreluinL;(.'n des I\ad(>s werden durch einen Ijewe_L^un<{szähler, der auch als Schrittzählei- für .Mann und R(jfs dienen kann, (gezählt. Im übrii^en ist das Verfahren das L^knche wie zu Fufs oder zu Rofs.

Man sieht, dafs di(> Anff)rderunL(en an rlie Genauigkeit der AufnahmcMi nf)ch S(;hr weit hinter denieni<^'en unst-rer Zeit zurückstanden. Die Aufnahmen PfmzinLjs von den Nürnberger Pflei^^ämtern. der(;n mehi-ere im kt^i. Kreisarchiv zu Xüi'nberL; xcrwahrt werden, bewcHscm indes, dafs das l{ri_;ebnis keineswe^^s so mans^elhaft war, als wii' erwarten. Auch hätte sich die Methode nicht bis zum Schluls des 16. Jahihunderts, also in eine Zeit, da sowohl genauere

59

Winkelinstrumente, als auch der Mefstisch schon in An\vendun,f( waren, er- halten können, wenn ihre Ergebnisse allzusc^hr hinter den mit jenen histru- menten erreichten zurückgeblieben wären.

Zum Auftragen der Aufnahmen verwendet Pfinzing entweder das Kom- pafskästchen selbst oder ein besonderes Instrument, das mit einem Stunden- kreis und Zeiger versehen an eine Reifsschiene angeschraubt werden konnte.

Genauere Ergebnisse lieferte die Aufnahme , wenn das Instrument auf ein Stativ gesetzt und der Abstand der verschiedenen Standpunkte gemessen wurde. So hat sich der Feldmesserkompafs oder die Eeldbussole in wenig veränderter Form bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Wir besitzen einen Feld- messerkompafs von Quillet in Paris aus den' zweiten Hälfte des 18. Jahr- hunderts (W. J. 1049.)

Das Instrument besteht aus einem hölzernem Kästchen von 16 cm Seiten- länge, in welches eine Magnetnadel von 106 mm Fänge eingesetzt ist. Der Limbus ist von links nach rechts laufend in 360" geteilt. Auf der Grund- fläche der Bussole befindet sich ein zweiter Teilkreis , der von Süden und Norden aus in 4 Quadranten mit Gradteilung geteilt ist. Die Orientierung geschieht nach dem magnetischen INIeridian. An der Ostseite ist ein Diopter

Fig-. 20. Planimetra nach Levinus Hulsius.

angebracht. Mittels einer Plülse mit Kugelgelenk kann das Instrument auf ein Stativ gesteckt werden.

Hat sich die einfachste Form den- Feldbussole lang(> erhaltcm, so werdcMi doch schon im Ausgange des 16. und in der Frühzeit des 17. Jahrhunderts VcM-suche zu Umgestaltungen und Verbesserungen gcnuacht. Das Wink'el- instrument des Andreas Albrcxht von 1625 ist im Grunde ein Hussoleninstru- ment , ein anderes , auf welches ich bei der Besprechung jenes hingtnvic-sen habe ist die Planimetra, welche Levinus Hulsius aus (]cnt gt\g(m l^ndc d(\s 16. Jahrhunderts konstruiert und 1603 in dem ersten Traktat dcv meclianiscln'n Instrumente beschrieben hat. Das Instrument Planimetra (Fig. 20) ist eine hall)runde Scheibe aus Holz oder Messing von 1 2 Zoll DurclmiesscM-, in \V(-lche cnn Kompafs eing(^setzt ist. An d(mi I^urchmesser ist cm Fiin'al D 1'^ aus Messing von 1 Fufs Länge, in 12 Zoll und diest^ in je 5 (lerstenköi-ner geteilt und an diesem ein zweites um die Schraube? L drehbares Lineal 1. K. befestigt, welches statt eines Diopters zum Absehen dient.

Zu denn Instrument gehiut ein Stab \(»n 4 Vu\s Läng(\ w(4chcM- unti-n mit eintM- t>isernen Spitze, oben mit einem kleinen ürettchen MMsclu-n ist.

60

Uc\ der Aufnahnic wirtl dtM- Stab in die Erde L(e.st(xkt und das InstiiuiKMit auf das I^ix-ttclicn i^idoi^n, womit (\s zur Aufnahnu' fertig' ist.

Vm dit' Planiiurtra aucli zur Mcssuni,' xon I I(")hrn verwenden zu kcinnen, ist auf tler Rückseite ein L^^eonietrisclies Quadrat angebracht und dcM' Unifan^^ (k's HalbkrcMses in (}ra(k> i^^etcMlt, von ck-r Mitte nach links 0 90, nacli rechts 360 270, Wird nun ckas Instrument in vertikakn- l\ichtuni{ an ck-m Stab beft.\sti_L;t, so kcumen mittels des Lotmafses auf dem Quadrat I kihen bestinunt, untl es kann durch H(>obachtunL,^ der Stellung* des Lötens auf dem geteilten Umfang nivelliert, sowie die Höhe der Gestirne über dem Horizont abgelesen werden.

Die Operationen zur Messung von horizontalen Winkeln sind di(>selben wie bei anderen Feldbussolcn. Auch zum Auftragen der Zeichnung kann di(;

Fiy. 21. Feldnierskoiiipars aus der Frülizeit des 18. .lahrhuiiddits. W. .1. 172.

Planimetra benützt werden. Hulsius beschreibt aber unter dem Nanum In- ductorium auch ein Zulegeinstrument , das (k;m des Paul Pfinzing nachge- gebild(.'t ist.

Es leuchtet sofort (mu, dafs auch die Planimetra noch c\n ziemlich un- vollkommenes InstruuKMit war, mit welchem eine grofsc^ Genauigkeit nicht er- zielt werden konnte. k]!in Mangel ist der, dafs sie keinen festcMi , mit dem Scheitel des Winkels zusammenfallenden Drehpunkt hat, ein anderer, der auch den obc^n beschriidn-nen h'eldbussolen genunn ist , dafs die Visierlinie exzentrisch liegt, d.h. dafs sie sich mit der Drcdiungsaxe d(M- Magnetnadel nicht kreuzt. Die ('beistände^ welche die (exzentrische Eag(^ der VisitM'axe zur k\)lge hat, sind schon bei 15esprechung des VVinkelinstruuu'nt(\s des y\n- dreas Albrecdit er(»rt(n1 worden.

61

Diesen Übelständen wurde in der Fol^^c^ ahi^eholfen. Das germanische Museum besitzt einen Feldmesserivompafs aus der Frühzeit des 18. Jahrhun- derts W. J. 172 (Fig. 21). Auf einer rechteckigen Alessingplatte, welche mit einer Hülse auf ein Stativ gesteckt werdcm konnte, ist eine Bussole von 10 cm cäufserem Durchmesser mit eini'r Magnetnadel von 6' 2 cm Länge befestigt. Der Teilkrcns ist in 360 (jlrade geteilt. HruchteiU; von solchen kcmnen noch bis auf ungefähr ein Viertel eines Grades geschätzt werden.

Seitlich ist ein Halbkreis von FS cm. Durchmesser angebracht, an welchem sich zwei Diopter befinden. Das eine dient zur Messung von horizontalen Wink(^ln und seine Axe kreuzt die mit dcv Drehungsaxe des Instrumentes zu- sammcnfalU^nde Axe der Bussole. Das andere steht über dem Halbkreis und seine Sehaxe ist dem Durchmesser desselben parallel, es wird bei H(')hen- messungen angewandt.

Der Flalbkreis ist mit einem Lotmafse versehen und von der Mitte aus nach beiden Seiten in 90 Grade geteilt. Eine zweite Teilung nimmt von dem

Fig. 22. llängekoiuiKifs von .Viidreiis Wolf in München, zwritu JliUl'te des 18. .laliiliiindri-ls

W. J. 845.

Nullpunkt aus nach beiden Seiten einen Winkel von 76 Grad ein. Diesc^ Tei- lung (in 40 Teile) ist eine Übertragung der Teilung des geometrischen Qua- drates auf den Kreis.

Ein zweites Instrument W. J. 845 (1^'ig. 22), bei welchem die Ablesung gleichfalls unmittelbar an der Bussole \orgcMiommen wird, ist ein Hängc^kom- pafs, wie solche in den Bergwerken Inmützt werden. Das InstrunnMit ist xon Andreas Wolf in München wohl in dcM" zweiten Hälfte dc>s 18. Jahrhunderts gefertigt. Die Ihissole ist in zwei Ringen aulgehängt und stellt sich von st'lbst horizontal. Der äufsere Ring ist \'om I lorizont aus in 4 Quadranten zu je 90" geteilt. Die Bussole^ trägt StundcMiteilung von 0—24. jcule StmiiU- ist in 8 Teile geteilt.

Die Messung mit d(Mn 1 längc-kompafs wird in di-r VWmsc- xorgiMiommtMi, dafs Schnüre in der Richtung der \Vink(4sch(Mikc4 ausg(\si)annt wc-rden, imd dafs das Instrument an diese Schnüre^ L^ehänut wird. Die DitU'renz der Ab-

-- 62 -

I('^iinL;c-n (MLjilit dir riicMsc des Winkels. UniL,U'k(dirt kann ('in(> bcstimintc Kichtim^ aliL;istt'(kt wcnhMi, wenn man die Schnur an cincnn Fixpunkte hc- li'stiL;!, das Instiuiucnl autliäuLjt uml das freie k!nde der Sclinur solauL^e hin- und liertx-wc's^t , bis die Nadel auf die vorlierhestinimte Richtun^^ einspielt. 1 )ie luissele kann aus den Kinnen lierausi(en<iuunen und in cMue mit Dioptern xcrseluMU^ l'latte, wehdie wiedcM' auf t'iner s4r<')iscM t-n recht(xkiL(i>n Platte ruht, eiuL^elasscMi wenU'n. /\uf der (ilxM-en Platte ist um die Oftnun^' für die I-)Uss()le t'in Kreis eins^e/eichnet, i\cy von der X'isierlinie .aus in Ouadranten zu 90" i^ettalt ist.

Das Instrument kann in di(\ser k'orm auf einer Fläch(> helfend zur Winkel- uiessunL^f, sowie' zum /\uftrai.,U'n der gemessenen Winkel (als so^^enanntes Zu- let.,U'zeuj4) lienützt werdtMi.

VÄn cähnliches Instrument mit Stundentcnlun^, von 1668 ist unvollständig, es ft'hlt die 1 Län^H'\-orrichtunt(.

(Fortsctzunt^ folfjt.)

NürnberL^ Gustav von Bezold.

Ein süddeutsches bürgerliches Wohnhaus vom Beginne des 18. Jahrhunderts.

(Mit 14 Tafeln.) (Fortsetzun«^.)

Die Küche (Taf. IX).

fC¥r?>w-^ic t^n-ofse i^'eräumigc; Küche zeigt rechts das \iercckigc Fenster mit J')\^h^y^ den runden verbleiten Scheiben, welches in das soeben besprochene ]^^3^^tt^ Wohn-, auch P^fs- und Arbeitszimmer führt. Der Boden kst mit ([uadratischen Steini)latten gepflastert, die I3eck(^ getcäfelt, die W^ände sind wohl als weifs oder gelljlich getüncht anzusehen. Aufser dem erwähnten kleinen P'enstcr, das in das Zimmer führt, hat die Küche noch zwei gröfsere, von denen aber das (nne hall) vermauert ist, so dafs dieser Raum für seine Cir<")fse eigentlich nicht sehr viel Licht hat. f3as wichtigste Stück der Küchen- einrichtung ist der gemauerte Herd mit seinem mächtigen Alantel , durch welchen der Rauch abzieht. Gar lustig brennt das Ferner, um die Speise, die sich in der Pfanne befindet, welche der Pfannenhalter an der Wand trägt, /.]\ bereiten. Auf dem Herd befindet sich an der Wand ein gemauerter Auf- satz, der wohl zur Bereitung \'on Backwerk dient. Ivs scheint, dafs ein eisei-ucs l\(ihr den Rauch aus dem Ofen, der im Zinuner nebe-n dem mehr- ei-\\;dmten l-'enster steht, in den Schlot leitet. Auf (U:r Herdplatte liegt eine eiserne Zange, in dem flogen untei' dem Heide Brennholz. L^m den Schlot- inantel gehen zwei hrilzerne R.'ihmchen, auf welchen allerlei fjeschirr steht.

Das grc'.lste .Möbel der Küche ist der .an der gegenüber lic^genden Wand stehende ni(^diige einkiche Schrank mit zwei grofsen Mügi'ltliiiren , dessen l'.eken abgeschrägt sind. in dit;sem Schrank wirtl wohl besseres Gc'schirr,

63

das man nicht alle Tag benützte, aufbewahrt worden sein. An der dem Be- schauer zugekehrten schmalen Seite des Schrankes hängt ein rechteckiger eiserner Rost mit vier Füfsen und hölzernem Handgriffe, der zum Braten der Bratwürste gedient haben dürfte. Auf dem Schranke stehen, an die Wand gelehnt, einige runde Platten mit Handgriffen, einige kleinere Platten ohne solche, dann eine viereckige Pfanne, ferner einige kannenähnliche Gefäfse ohne Henkel, ein Hafen, ein Krug und wie es scheint, eine ovale zinnerne Wärmflasche, wie sie in Süddeutschland heute noch in Gebrauch ist.

Neben dem Fenster, das in das Zimmer führt, steht ein Anrichtetisch, auf dem in friedlichem Vereine eine zinnerne Schraubenkanne, ein Becher und ein Blasebalg sich befinden. Unter demselben stehen auf dem Brette zwei kupferne Kannen, ein Krüglein und noch einige Gefäfse, auf dem Fufs- boden ein Kehrichtfafs und eine Mausfalle. An der P\ifswand der Anrichte hängt ein Hammer und eine Bürste; in dem Winkel, den dieselbe bildet, lehnen Besen und Schaufel, für welche die Nürnberger »Haufs-Halterin,« wie nachstehend zu ersehen ist, besondere Behälter anführt. In der andern Ecke lehnt die Ofengabel, nnt welcher Töpfe in das Feuer gestellt oder aus dem- selben geholt wurden. An Mobiliar ist noch zu erwähnen ein grofser Geflügel- käfig, der nicht unbelebt ist, und eine ziemliche grofse Bank mit geschweiften Beinen, auf welcher ein seltener Gast in der Küche ein Mann mit einer Tabakspfeife in der Linken, den linken P'ufs auf einen viereckigen Klotz gestützt, sitzt. Was hat dieser Mann in der Küche zu thun.^^ Vielleicht hat er sich eine Kohle auf den Tabak seiner Pfeife gelegt und ruht nur einen Augenblick aus. Die Küche ist kein Aufenthalt für Männer. Nach Alwin Schultz ^'^) bindet die Köchin dem Manne, der sich unbefugt eindrängt, die Küchenschürze in Augsburg Küchen-Fürfleck, in Nürnberg Küchenfleck genannt um, und er mufste sich mit einem Trinkgeld loskaufen. Ebenso machten es die Scheuerweiber, die den Mann, der in ihr Bereich kam, mit Stroh banden. Der Korbmacher, der weiter hinten einen Korb ausbessert, hatte ein solches Verfahren nicht zu befürchten ; seine Arbeit gab ihm ein Recht zum Aufenthalt in der Küche. Die dritte Person, die sich hier befindet, ist die Köchin, die im Hintergrunde, am Gofsstein (Ausgufs) vor dem Küchen- fenster, mit dem Spülen (Scheuern) des Geschirres beschäftigt ist. Zu ihrer Rechten steht ein hölzerner Kübel, zu ihrer Einken stehen zwei Fässer; vor ihr läuft zwischen den zwei Fenstern eine Bank, bezw. ein schmaler Tisch. An dem Pfeiler zwischen den zwei Fenstern hängt oben ein Bund Lichter (.?), darunter zwei Schüsseln mit Griften, \ielleicht Spülschüsscln ; an dem zuge- mauerten Teile des linken Fensters ist ein L()ffelrahm mit acht Löft'eln ver- schiedener Art.

Betrachtet man das übrige Geschirr, mit dem dic^ Küche ausgcM'üstet ist, so sind zunächst an der Wand, die mit dem Zimmer gemeinschaftlich ist, vier Pfannen mit langen Stielte, wohl aus Messing, anzuführen. Darunter hängen eine Lichtputzscheere und zwei L(>uchter aus Messing oder Kujjfer

16) ;i. a. O. S, 14<) und 14().

64

mit Kcr/cn. tMn SpülhacUMn (Sclu'ucrlapjx-n) und c\nv ijrofso Spülschüsscl, dir in der Gc^UMiwart miMst aus IMccli ist. Auf dem Schlotmantel habt;n Häfen \H'rsclii(,'dentM- Gr(')fse, 'ric'_i,U'l, Krü^e mit Deckeln und anderes mehr Platz tfefuntlen. Cber dem Schranke^ rechts finden sich zwei Reihen von /inniMuen 'l\Ml(Mn, Schüsseln und Platten und einige kupferne Backformen, darül)er ein Satz von acht th(")ncrnen, gewundenen Krügen, wahrscheinlich dunkelblau glasiert, mit Deckeln. Daneben stehen wieder zwei zinnerne Tiegel mit Deckel und noch ein Deckelkrug. Ganz oben hängen verschiedene Lebensmittel: einige Schinken, ein ballonartiger Korb mit unbekanntem Inhalt, ein 1 läse und zwei Bündel kleineres Geflügel , wahrscheinlich Feldhühner. Ihnen schliefsen sich noch drei Schüsseln mit Plandgriffen an, jenen beiden gleich, welche an dem Fensterpfeiler hängen.

So hübsch die Küche ausgestattet ist, so würde die Köchin, welche anfangen wollte zu kochen und zu backen, doch recht viel vermissen; es konnten eben die Kleinigkeiten, welche zur Ausstattung einer Küche gehören, nicht alle auf der Zeichnung angebracht werden. Was man damals aber zur PZinrichtung einer Küche für notwendig erachtete, sagt ausführlich die Nürn- berger Uaus-Halterin«, die zum Schlüsse der nachstehenden Mitteilung auch der Prangküchen gedenkt, die in Nürnbergs bessern Häusern der Stolz der Hausfrauen war. Sie schreibt über die Küchen: »Von einer wohl-gebauten Küche wird vornemlich erfordert, dafs sie nicht allzu weit von der Efs-Stube entfernet seye, damit nicht im Winter das Essen, wann es so weit getragen werden mufs, kalt auf den Tisch gebracht werde, sie soll weit und hell seyn, rings um mit niedern Behältern umgeben, und einen kleinen Kämmerlein zu Besen, Spiel-standen und dergleichen Gezeug versehen seyn, einen grossen und breiten Herd, weiten und wohl-geführten Schlot, so nicht rauchet, und zu Aufhäng- und Dörrung des Fleisches dienliche Eisen, wie auch sowohl um den Schlot innwendig einen hölzernen Rechen die Häfen daran zu hangen, als auch auswendig und an allen Wänden kleine Rähmlein haben, allerley Zien-Geräthe darauf zu stellen, oder die Pfannen auf zu machen, nicht w'eniger hier und dar verzierte Schrauben, die so zicncn- als kupferne Becken und Näpfe daran zu hängen.

Das Zien-werck bestehet aus Hand-beckcn, und dazu gehörigen Auf- güssen, allerley Gattungen von grofs- und kleinen, flach- und tiefen Schüsseln, Bratens Dellern , gemeinen und nach jetziger neuerfundenen Art mit Ein- giessung warmen Wassers, sehr bequemen Wärm-Dellern, Wann- und andern zu manchcrley Gebrauch insgemein dienlichen Becken, Fisch- und Schwanck- Kesseln, aus Kannen, Krügen und Flaschen, unterschiedlicher Art Leuchtern, Schüssel -Ringen. Saltz-P'ässern , Pasteten -Tiegt>ln, Pasteten -Blechen, Thee- Kann(>n etc. etc.

Von .Messing hat man in der Küche grofs- und kleine Mörser mit ihren Pistillen und Stämijfeln , Leuchter und Putz - schet-ren oder Liecht- --chneutzen, Kessel und Pfannen, (jlut- und Wärm-Pfmuen.

Von Kujjfer, Wasser- Häfeii, Sch(")pf- IkU'c-n, einwendig wohl v(M-zient(> Kdclid läfen und Stiitzeu, Schwanck- und KüliLKessel . samt (Umhmi tlazu ge-

X

E

TD

bjc 3

X

fcX

o

T3

n c

X

C

d

P

c c

=1

C! O

o

<u t-i

£5

o

:3

C

2

65

hörigen Schwanck - Brettern , Fleisch -Schäffern, Seyer, Salat -Sieblein, Spiel- Ständen. Butten und Stüzcn, Brat-Pfannen, Meel-Kübelein, Mülterlein, Kohl- und Glut -Pfannen, Bett -Wärmer, Dorten- Pfannen, Schärtlein zu kleinen Pa- stetlein und allerleyBach-werck, grofs-und kleine Becken, sonderlich auf Muschel Art getriebene Becken, die so genannten Gogel-hopfen darinnen zu bachen, Schüsseln , und dergleichen , welches alles einwendig wohl verzinnet ist. Zu geschweigen, dafs die meinste Ausgufs in denenen mehresten hiesigen Häusern aus Kupfer bestehen.

Das Eiserne Kuchen-Gerät he ebenfalls zu benennen, sind selbiges die Bräter oder Braten-wender, und entweder hier zu Land Feder-Bräter, oder Zug- und Gewicht-Bräter , samt denen dazu gehörigen , wie auch allerley Arten von Hand-Spifsen also genannt, weil man sie mit der Hand umdrehet; theils Orten werden auch die Bräter von Hunden umgetrieben: Man hat von Eisen-werck in denen Küchen beedes Brat-Pfannen und gemeine Pfannen, Glut- oder Kohl-Pfannen , Schüssel-Ringe , gemeine und aufgebogene Stirzen zum abbräunen, Rost, tiefe Traif-Löffel, löcherichte Faim-Löffel, flache löcherichte Bach-Löffel, Fisch-Reisten, Hack-messer, Fleisch-parten, Bratwürst-Zänglein, Fisch-Schäufelin, Schmaltz-stecher,Spick-Nadel, Leuchter und Liecht-schneutzen, Feuer-zeug, Feuer-Zangen, Feuer-Hacken, Pfannen-Knechte, Dreyfufs, Ofen- Gabeln, Ofen-Schäuffclein.

Von Holz-werck Koch-Löftel, ein Hack-bret, Dellcr, samt dem dazu gehörigen Gestell, tiefe Schüsseln, allerley Fleisch- uud Fisch-Bretter, Mülter- lein. Gewürtz-Büchsen , Spül-Standen , Schäffer, Ständlein, ein Kehrig-fa(s, Kehr-wisch und Kehrig-Schaufel samt einen Ofenrohr: Allhier in Nürnl)erg haben theils Frauen eine grosse Freude mit besondern Prang-Kuch en , darinnen niemal gekochet, sondern das Gerethe nur allein zur Zierde und Gepräng aufgestellet wird, da siehet man nichts von Eisen noch Holtz, sondern es mufs alles von Zinn und Messing schimmern und gläntzen, auch sogar der Besen-stiel und das Kehrig-fafs von Zinn gemachet seyn, ob man nun davon nicht füglicl sagen möchte: Wozu dienet dieser kostbare Unrath.i^ lasse ich andere davon urtheilen.«

Auf unserer Darstellung der Küche befindet sich links, neben dem halb- gemauerten Fenster, eine Thüre, die offenbar in die

Speisekammer (Taf. X) führt, deren rechts befindliche halb geöfthete Thüre mit der 11üire in der Küche zusammenfällt.

Die Speisekammer macht einen rcxht angenc-hmen ]{indruck; der wohl ausgestattete Raum läfst auf gute Yermög(Mis\ eiiiältnisse und eine tüchtige fürsichtige Hausfrau schliefsen. Gar stattlich prästMitiert sie sich in dem- selben. Hier ist ihr wohl. P2ifrig ist sie unterstützt von ihre)- Tochter bedacht, die Vorräte zu ergänzen und dafür zu sorgen, dafs ik>r richtige ZcMtpunkt hiefür nicht \(U'säunit wercU^

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. IX.

-- 66 -

Durch zwei l'\nist(M- in (1(m- Art der übris^uMi fällt Liclit in di(^ Speise, der(M"i [''urslxulcn urid Decke s^ehrettert ist. Dinks vorn steht ein Kasten mit ScIiubladiMi, wi'lclu" Iliilsenfrüchte und Mehl I)t;rL,^(-n. An der vordem Seite desselht-n hautet ein Netz und cmu Jiratspiefs. Auf cUmii Kasten sind Scnfen- stiicke auf^eschlichtc^t und steht c'mc Platte mit 1^'ischen (r). An der Wand liäUi^iMT zwei W'iirste und zwei SäckchtMi, welche^ wohl Kräuter enthalten. In di'm darüber bi'tindlichen \Vandschränkclu;n mit Doppelthiuen bewahrt die l*"rau des 1 lauses wahrscheinlich (jewürze , iMUL^emachte und j.,fetrocknete l''rüchte um! antlere Ljute SacluMi , durch w(dche sie ihren Speisen (M'höhten Wohlge- schmack zu verleihen weifs. An der Seite häns^t ein Reibeisen; auf dem Scliranke steht eine Schüsse;! mit Krug und ein Haspel zur Abnahme des Garnes xom Spinnrad. Darüber hängt an der Wand eine eiserne Bratpfanne.

Gar stattlich erscheint n(>ben diesen Schränken ein grofses Repositorium, welches unten das Kssigfafs, daneben ein anderes Fäfschen und einen augen- blicklich nicht benutzten Hühnerstall enthält, während in den vier ober Bor- den grofse Schüsseln und [Matten aus Zinn und buntbemalter Fayene, mäch- tige Krüge und Kannen stehen, welche nur bei festlichen Gelegenheiten diesen Raum \erlassen, um die Tafel zu zieren. Auch ein Mörser, Tiegel mit Deckel, Töpfe u. a. sind hier aufgestellt. An der Seite hängt ein Eimer, wahrschein- lich aus Kupfer . vielleicht fih' Fische. Zwischen den beiden Fenstern ist in die Wand ein Schränkchen eingelassen , in welchem Gläser , darunter solche in Römerform, sich befinden. Unter dem Schränkchen hängt wiederum ein gestricktes Xetz und steht ein Brett , an die Wand gelehnt. Links davon stellt ein Bratspiefs, rechts ein Tritt mit vier Stufen, um zu den hochstehen- den oder hängenden Gegenständen gelangen zu können.

An der rechten W^and hängt an dem Pfeiler neben der Thüre ein Seiher wohl aus Kupfer mit langem Stiele. Die übrige T>änge der Wand nimmt eine Anrichte ein. Unter der Platte derselben hängt zunächst ein Salzfafs, dann findet sich ein sehr grofser llaf(.;n aus gebranntem Thon und zwei hölzerne Kübel, welche Butter und Schmalz enthalten dürften. An der Seitenwand der Anrichte hängen cMue runde Pfanne mit Stiel und ein eiserner rechteckiger Rost, l'ber der Platte hängt vnn der Decke an eiserner Kette eine ziemlich grofse Wage; heral), um das (jewicht der angekauften Vorräte j)rüfen und (Jie zur Bereitung der Speisen notwendigen Mengen al)wiegen zu kcjnnen. Auf der Anrichte stehen Cj(n\ichte, die Spitze eines Zuckerhutes, eine angeschnittene runde; Scheibe (Käse; od(.M- Salz) und ein Krug mit Henkel und Ausgufsröhre. Auf den Rahmcm über der Anrichte stehen Krüge verschie- dener h\)i-m, wahrsclieinlich für P'ruchtsäfte, Ole u. s. w. Finks davon hängen zwe'i runde Platten, rt'chts ein 'J'richter mit langem Stiele und ein Lichter- krtrbchen, sowie zwi'i Pjüschel Unschlittlichter, daiiilx-r zwei geflochtene Körbe verschiede'uer Form, Schliefslich ist noch zu ei-wähnen, ein getl(.)chtt:ner seich- ter r(.-chteckiger Korb, der nebst einer Schüssel auf einer Bank vor der P'rau des Haus(;s steht, ein hülischer rundcM' Tisch, der eigentlich besser in ein Zimmer jjalst. mit einem Korb \-oll Früchte, einer Krume und einem nmden llolzteller mit zwe! uuiudgerecht gemachten BriUchen und oben an der Deck(>

^ 67 ^-

ein an drei Ketten hängender kronleuchtcrartiger eiserner Kranz, welcher ein halbes Dutzend sicher delikater Schinken trägt.

Die Nürnberger »Haufs-Halterin« ergeht sich in sehr ausführlicher und lehrreicher Weise über die Speisekammer. Sie hält neben der Speisekam- mer eigentlich noch ein Speisegewölbe für notwendig, > wiewol die Unbequem- lichkeit der Häuser offtermals eine kluge Haus-Mutter nöthigct, aus beeden eines zu machen, oder wohl gar einen besondern S})cifs-Behalter verfertigen zu lassen.« Ihre weiteren Ausführungen, die öfter mit unseren Darstellungen übereinstimmen, lauten folgendermafsen :

»In der Speifs-Kammer, welche nebst der Küchen, und den gewöhnlichen Wohn-Zimmern , auf einer Ebene scyn solle , wird der kleinere , in dem Gc- wölb aber der gröffere Vorrath aufbehalten : Zu solchem Ende siehet man in denen Speifs-Kammern eine gewiese Anzahl Schubladen mit allerley Zugemüfs, von Einsen , gantzen und gcrendelten Erbsen , gekncuten oder abgebälgten Hirfs zum kochen, gantzen Hirfs und Wicken zu Mästung der Tauben, Weitzen vor die Hüner, Heydel, Grob- und Klarer Gersten, Reifs, Schönen Mecl und Mettel-Meel, allerley dürren Obst, als Zwetschgen, Aepfcl- und Birn-Schnitzen, wie auch mit Saltz ctc angefüUet : Ingleichen etliche noch andere Schubladen, zu denen Unschlicht-Eiechtern.

Es gehören herein etliche zinnerne oder auch nur höltzerne Büchsen, zu den gestossenen Zucker und gemahlenen Gewürtz , als Ingwer , Pfeffer, Negelein , Cordomomen , Saffran, Nuscaten-blüh , deren letztere nicht viel auf einmal gcstossen werden solle ; die Muscaten-Nüsse und das Zimmet im Vor- rat gar nicht, wiewol man sie gleich wol in dergleichen Büchsen annoch gantz in die Speifs-Kammer zur Hand zu stellen gewohnet ist.

Nebst denen zinnernen Gewürtz-Büchsen, hat man auch in den Speifs- Kammern zinnerne, oder in Ermanglung derselben, erdene Butter-Tigel , so wol zur frischen Koch- als auch eingesaltzenen Butter, wiewol diese letztere in i;rdcnen Geschirren weit besser aufgehoben wird : So soll man auch von frischen Schmaltz und guten Baum-Oel allezeit etwas in der Speifs-Kammer bei Händen haben , damit man nicht defshalben jedesmal in das Speifs-Ge- wölb oder den Keller zu lauffen gcncithigt seyc : Und weil di(^ Speifs-Kammern auf den Seiten gemeiniglich um und um mit Rähmlein \ ersehen, als pfleget man sie mit allerley Gattungen , grofs- und kleinen , tief- und flachen aus Porzellainen gemachten Schalen , zu luancherley (jcbrauch zu besetzen , und die noch übrige leere Wand mit allerley Sorten \on l\(")rbcn zu behängen.

Auf den Gesimsen stehet die Saife in xicreckichtc^ Stücke geschnitten aufgestellet , damit sie desto besser ertrocken, wie auch etliche Schachteln, voll gedörrten Maurachen oder Morgeln, (Champignon, aufgetrockneten Spargel und Artischocken-Kernen, diirren 1 liefen oder I lagen-butten , \\\'ixeln. Prü- nellen oder auf dergleicluMi Art zugtM-ichteten geschc-lten Pllauinen und Zwetsch- gen, dürren Eorbc>er(;n, MajcM'an, Salbe\', Rosiuai-in, dann unel wann zu aller- ley Brühen und Sosen zu gebrauchen; die ülMige noch \i:cvc Simse werden mit Zucker-hüten besetzet:

- 68

Vhcv dieses alles L(eh()ret noch in eine Speifs-Kaninicr, ein t^utes Schnitt- Messer, das Gewürtz und antlere harte MateriaHcm damit zu schneidern, eine Gewiirtz-Mühl , s^rols- und kleine Walcher-h(')lzer , Pasteten- und Raviolen- Rädlein, ht^lzerne Spritzen, mit ihren dazu gehcuii^fcn StcM-n, wie auch allerley Mcklel und l'\)rmen zu unterschiedlichen Bachwerck, vor allem ahc;r ein(.> gute Waai^f und richtit^es \voh!-abi4eeigt(\s Gewicht.

Das Speirs-(jew(')lb umls von allen diesen jetzt-heschriebenen, mit cMuen weit gr()ss(Mn Vorrath , und noch mit vielen andern Sachen dazu versehen seyn : und solchem nach die fleissi^^c Maufs-Alutter ausrechnen, was sie das lahr über beyläuffig von diesem und jenem zu verbrauchen n(")thig habe, und so dann im X^^rruth zu rechter Zeit , wann es gut und wohlfeil , nicht aber annoch rar und teuer ist, einkauffen lassen.

Was das Zugemüfs betrifft , (dafs wir bey der in der Speifs - Kammer gehaltenen Ordnung bleiben) gehöret solches samt dem Mehl nicht hierein in das Speifs-Gewölb, weil man gar selten so trockene Gewölber findet, da- rinnen sie sich nicht patzen, anlauffen, und so dann einen widrigen Geschmack anziehen sollten : sondern an einen trockenen Ort , in eine Neben-Kammer, oder aber in einen besondern Verschlag oben auf den Boden , w(jhin man auch das in grossen mit Schlössern verwahrten Stübichen oder \'ers];)errten Truhen befindliche dörre Obst setzen, und als einen guten und nützlichen Vorrath aufbehalten kan.

Haubtsächlich aber gehören in das Speifs-Gewölb etliche Scheiben mit Saltz, welche man aber nicht so blofs auf den Erd-boden, sondern auf ein paar Scheiter-Holtz stellen solle, dafs sie unten hohl stehen, und das Saltz nicht flüssend werde und ausrinne. Die Unschlicht-Liechter soll man Centner- weifs, sonderlich wo ein aus vielen freuten bestehendes Haushalten ist, bey Händen haben, und so wol dicke, mittelmässige als dinne fein sortirt, in einen alten Schranck, oder \or den Mäusen wohl-verwahrten Küsten aufbehalten.

Das Gewürtz gehöret in Schachteln oder Säcke, und mufs man sonder- lich den Saffran wohl verwahren, zu w'elchen viel verständige Frauen etliche kleine Zwiebeln zu legen gewohnet sind, und glauben, dadurch zu verhindern, dafs er nicht so stark verrieche; ich bin aber versichert, dafs die Zwiebeln allein wenig helffen würden, wann man nicht den Saffran erstlich in einer trockenen Rinds-Blase oder ledernen xestverbundenen Sack, und so dann in einer bl(;ycrnen Büchse oder geheben Schachtel zugknch \erwahrete.

Der Zucker gehöret nicht weniger in versperrte Küsten oder Fässer, weil der Katzen Lecker-ljifslein, die gefrässige Mäuse, selbigen sehr gefähr sind, uncJ die Hüte so künstlich auszuhöhlen wissen, dafs das blaue Papic^- mit s(-incn ]'\ad(_'n umbunden, un\errucket stehen l)leil.)ct, nicht änderst als ob der Zucker annoch unversehret darinnen bc^findlich wäre: Das luaum-Oel wird in zinnernen weitem, und iriit dazu geh<>rigen Deckeln versehcmen vStän- d.cin, das frisclic ausgelassene Schmaltz aber am bestem in besonderen aus k.iclicn-I loltz giiiiachten, und mit Raifen \'on dem Bettiger oder ISüttnen- wohl- gcl)und(-nen Kübcdn und k^äfslcMn aufbehalten. Der Ihitter-Vorrath hingegen. so wol der frischen als gesaltzenen , gehciret besser im Keller, wiewol ich

69

denen keinen Fehler beizumessen gesonnen bin , so sie mit in den Speits- Gewölb aufzubehalten gewohnet sind: Eben dieses verstehet sich auch von denen, so in Saltz-Wasser als Essig eingemachten Gurcken und Kümmerlingen, Cappern, Oliven, Kühn-Schroten oder Genister-Spröfslein, Spargel, Artischocken, Wegwarten, Stachelbeeren, Rothen Rüben etc

Hieher gehören auch allerley in Zucker eingemachte Sachen und Säffte

welche in starcken und weiten Zucker-Gläsern, oder aber steinernen Tiegeln aufbehalten, und entweder nebst denen vorbenannten in Essig eingemachten Früchten, in einen besonders dazu zugerichteten Behalter verschlossenen, oder aber in gewiese Repositoria ordentlich mit angcklebt(Mi Zetteln, was in jeder Büchse enthalten seye, aufgestellet werden, damit man nicht lange nach einem und dem andern zu suchen habe.

Insonderheit werden in dem Speifs-Gewölb aufgehoben allerley Fisch- Waaren, als marinirte und eingemachte Fische, oder, nach dem es an der Zeit ist, Pricken oder Neunaugen, Heringe, so frischer, als gesaltzen- und geräucherter Lax, Picklinge, Plateifs und Halbfische, Stockfische, Laperdon etc.

Oben an der Höhe defs Speifs-Gewölbes findet man gemeinlich grosse eingemauerte eiserne Hacken und Ringe, zu dem Ende, dafs man an selbige hölzerne, mit groben Tuch überzogene Gehäuse, um Käse, Butter, und andere dergleichen Sachen , vor den Mäusen und Ratzen zu verwahren , anhängen könne, oder auch runde weite um und um mit krumm-aufgcbogenen Hacken versehene Fleisch - Ringe , das gedörrte und aufgeträgte Fleisch , Zungen, Schincken etc. daran zu hangen : Wo man das Brod im Hause zu bachen gewohnet , hat man in den Speifs-Gewölb auch eine besondere Brod-Hänge, worauf man die Laibe zu legen , nach und nach hinauf zu tragen und zu essen pfleget. '<

Wie aus diesen Mitteilungen zu ersehen, erfüllt in unserem Hause der Keller manche jener Aufgaben, welche nach der »Haufs-Halterin« dem Speise- gewölbe obliegen. Die Häuser hatten ebensowenig wie heutzutage schablonen- hafte Einrichtungen; man mufste sich wie in der Gegenwait eben nacli der Decke strecken und nach den Räumen, die zu Gebote standen, richten und diese so gut und zweckmäfsig als möglich ausnützen.

Im oberen Stocke dürfte auch das dritte Zimmer des Hauses seinen Platz gehabt haben, das wohl als

Arbeitszimmer (Taf. XI) zu bezeichnen ist, wenn es wohl auch zu Wohnzwecken benützt worden sein mag. Es hat links drei grofse hY^nster in gleichtM' Form und Gr("')fsc\ wie sie auch die anderen Zimmer zeigen, rechts zwei Thüren und ober der tMuen ein Fenster in Ochsenaugenform. Zwei ebensolche h\'nster Mntlcn sich im I Un- tergrund auf der Schmalseite des Zimmers. Wohin die Thüren und h'enster führen, kann nicht bestimmt werden. Die Wände sind wiederum bis zu Zwei- drittelhöhe getäfelt, die hölzerne Decke zeigt tjuadralische Kassetten.

Mit M(')beln ist das Zimmer nicht besondtM's reich ausgestattet; es ist des- halb viel Platz vorhanden, um sich frei bewc^gen zu können. An dem ersten

70

Ftmstcr ist ein Konsoltiscli mit ,t,K\sch weiften Füfsen an der Brüstung befestigt. Auf der (quadratisch gemusterten 'l'ischdecke steht eine zweihenkehgc Vase mit Bhimenstraufs, ein (jlas und ein Becher, sowie eine IMatte mit OI)st, daneben Hegt cMU Ah\sser. Vielleicht sind es die Reste eines Frühstückes, bei dem auch die Kanne und die Schüssel mit dem Getlügelbraten, welche das schlanke MädcluMi zur Thüre hinausträgt und nach welclier der Hund seine begehr- lichen ]-)lickt^ wirft , eine Rolle gespielt. An den ersten Tisch stöfst ein zweiter, gr()rserer , v'm einfacher Arbeitstisch mit sechs Beinen und grofser Platte. \'or ihm sitzt auf einem Sessel, der g(;schweifte Füfse hat, in nach- lässiger Haltung und im Ilauskostüm unser Künstler; er stützt sein Haupt auf die Rechte und scheint sich von den Anstrengungen des Frühstückes zu erholen. Das Fenster vor ihm ist mit einer Blende, wohl aus Papier, ver- sehen; auf dem Tische liegt die Platte, an welcher er arbeitet, steht der Sjiiegel, welche das Bild, das er sticht, im gegenteiligen Sinne widergibt, liegt ein (Grabstichel und steht eine Büchse mit Arbeitsgeräte.

Zwei Sessel, gleich jenem, auf dem der Kupferstecher sitzt , stehen an der Wand zwischen den beiden Thüren. In der Mitte der hinteren Vi^and hat der Ofen Platz gefunden. Fr hat einen auf gedrehten Füfsen ruhenden Untersatz aus gufseisernen Platten , deren vordere den Reichsadk.-r und die Jahreszahl 1736 enthält, welche wohl die Zeit angibt, in der die Zeichnungen ausgeführt worden sind. Der hohe viereckige Aufsatz mit seiner Bekrönung ist aus glasierten Thonkacheln aufgebaut. Links vom Ofen steht eine I^ank (.') mit Wänden an den Seiten und am Rücken, ein etwas eigentümliches !\Iöbel ! Auf ihm liegt eine Zeichnung oder ein Stich mit Darstellung eines Waldes. Rechts befindet sich ein Aufsatzschrank, wohl schwarz poliert, dessen unterer Teil mit Schubladen verschen ist, während der Aufsatz zwei Flügel- thüren zeigt , hinter welchen sich kleine Schublädchen , vielleicht mit ge- schnitzten, eingelegten oder gemalten Kopfwänden bergen. Solche Schränke waren eine Spezialität der Augsburger Kunsthandwerker. Gekrönt wird der Aufsatz durch die in Holz geschnitzte lebendige Figur eines Amors , der triumphierend in der erhobenen Rechten den verwundenden Pfeil hält. Neben dem Schrank ist ein Reilsl)rett an die Wand gekdmt.

lüemit ist der Bi\stand des Zinuners an gröfseren Möbeln erschöpft. Von der Decke herab hängen die imvcrmeidlichen beiden Vogelbauer aus Draht. Auf dem Gesims des Täfelwcrkes am ersten Fenster hängt schief wiederum der S[)iegc] in reicliem, mit Voluten geziertem Rahmen. Von tler an der Wand hängenden Geige, der Perrücke und dem Rock, sowie einigen Büchern auf dem Täfelgesims neben deiu Ofen abgesehen, besteht der übrige Inhalt des Zinuiiers aus eingerahmten Ijildern, wohl gemalten, teilweise wohl auch Kupfcr.sticlien oder den Vorlagen für di(>sc^lb(>n. Fnter dem Spiegel und in der erst(;n h'ensternischt; hängt je ein männliches ISrustbild , am zweiten Pfeiler wolil auch ein PjiUJnis, tlarüber auf dem (jcsims ein Bild, das Vater und Sohn darstellen dürfte. Auf chnn Täfelwerk zv.ischen Fenster und Oten und zwi'-chen den beirlen Thüren stehe'U \"ier zusanuneng(;h(')rige Landschatten, die \ielleicht die \ier Jahreszeiten versinnbildlichen, l'ber der Thüre haben

71 --

drei Bildchen Platz gefunden , von denen das mittlere einen sitzenden Amor darstellt; flankiert werden diese Bilder durch zweihenkelige Vasen mit Blumen. Neben der Thüre steht eine Staffelei mit dem Bildnis eines Geistlichen. Solche stachen die Kupferstecher mit Vorliebe; da jeder das Bild seines Beichtvaters haben wollte , so war die Herstellung solcher Portraits ein einträgliches Ge- schäft. Von dem in Nürnberg sehr beliebten Prediger zu St. Sobald Joh. Mich. Dilherr z. B. zählt G. W. Panzer in seinem Verzeichnis von Nürn- bergischen Portraiten (Nürnberg 1790j gegen 40 verschiedene gestochene Por- traits auf. Als letztes Stück des reichen künstlerischen Schmuckes dieses Zimmers, der natürlich durch den Beruf seines Bewohners veranlafst ist , sei noch die heilige Familie auf dem Täfelwerke über der Staffelei erwähnt.

Zum Schlüsse sei noch der dritten Person, die sich in diesem Zimmer aufhält , des I^ehrlings mit der Zipfelmütze gedacht , der aus der auf dem Fufsboden stehenden Schublade Stiche herausnimmt , auch schon herausge- nommen hat, wie die daneben auf dem Boden liegenden Blätter darthun.

Dieses Zimmer ist das letzte des Hauses , das von der Herrschaft bewohnt wurde. Eine Prunk- oder Prachtstube , oder wie sie in der Gegen- wart heifst, eine »gute« oder »schöne Stube« hatte das Haus vernünftiger Weise nicht. Es war eben ein einfaches bürgerliches. Den Häusern der reichen Kaufleute und der Patrizier durfte aber eine solche nicht fehlen. Wie diese eingerichtet und ausgestattet waren , welche Anforderungen man stellte, sagt wieder ausführlich die Nürnberger »Haufs-Halterin«, die anschliefsend hieran auch die Säle der Vornehmen beschreibt. Sie berichtet:

»Die Prang- und Audientz-Stuben sind hier zu Fand gebräuchlicher als die Säle, und rings um die Wände derselben mit wohl-ausgearbeit(;ten aus Flader- oder andern schönen Holtz gemachten Täfel-werck umgeben, die Ober-decke oder das Tillwerck , mit zierlichen nach der Geometrie ausge- theilten Füllungen, ebenfalls von fioltz bereitet, in deren Mitte ein mit \ielen Schenckeln und Armen prangender messinger Cronen-Feuchter hanget. Die Thür ist mit schönen jezuweilen hier und dar vergüldeten und blau-überlauffenen eisernen I^anden und kostbaren Schlössern beschlagen, man siehet in diesen Zimmern einen steinernen aus zierlichen Bilderwerck formirten, und (.ebenfalls theils Orten vergüldeten Ofen, eine Stufen-weifs aufgeführte und mit kostbar- geschnittenen Gläsern besetzte Credentz ; gegen der Thür über hänget ein grosser Spiegel, in eine entweder in Silber oder von Bildschnitzer Arbeit sehr wohl geschnittene, und mit Planier- oder Glantz-Gold belegte Rahm gefasset ; theils Orten, wann es der I^latz leidet, ]>flcget man zween dergleichen Spiegt^l neben einander aufzuhängen , und zwischen bereden nur c'mc.n wenigen Platz zu lassen. Der Tisch wird mitten in das Zimmer gesteliet, mit einen bifs auf die Erde, oder auch etwas weniges davon abhängenden bundtm Ti>i)j)ich be- decket, ein zierlicher von Silber, oder Porcellein verfertigt(M- Plunien - Krug mit schönen von Seiden oder Feinwat gemachten lUumcMi bc^steckel . darauf gesetzet, dergleichen Blumen aus Italien sehr \iele vcM'schickt't, auch einigen von allhiesigen curiosen Frauen untl Jungfrauen s(» tleissig, accurat, und dem

T.rbcii-ähnlich nach i,foniach(^t worden, dafs sie auch die Khigeste und Scharf- sicliti^stt' betroLjcMi, welclie sie vor recht-natürhch an^u^selien haben: Dieser l'isch wiitl wt-ni^stcms mit einem halben Duzend Sessehi umsetzet, oder so deroselben z\V()h'te sind, also einL^ethcnlet, dafs auf jcxler Seiten an der Wand sechse zu stehen kommen: Die Gesimse sind mit kostbaren von guten Meistcnn gemahlten Schildereycn und Tafeln gezieret, mit zierlich aus lloltz geschnit- tenen und schc'm \ergiildeten Bildern , Pyramiden , oder grossen von guten Porcellain gemachten Schalen untermischet: ja es wird an manclie dergleichen Stube und deren Aufbutz viel Geld gewendet, welches aber die Verständigere nicht billigen, sondern vor rathsamer lialten, nicht gar so viel an den Haufs- rath zu hängen, weil man solches Geld weit nützlicher anlegen , nutzen und gebrauchen kan :

Die Säle sind von diesen Prang-Stuben darinnen unterschieden, dafs die Oberdecke entweder durch und durch gemahlct, oder von Stuccador-Arbeit gantz überzogen, oder auch so, dafs nur die mittlere P'üUung, bifsweilcn auch noch eine und die andere aus sch(')ner Gemählden, das übrige aber aus Schnee- weisser solcher Gips-Arbeit bestehe; die Wände sind ebenfalls nicht getäfelt, sondern entweder mit Tapezereyen und Spagliern ^'') überkleidct, oder doch auf solche Art bemahlet; der P\ifs-boden mufs nicht gebrettert, sondern entweder ge()stert''^), oder mit Marmor, oder wenigstens mit gebackenen Steinen beleget, und zierlich mit Farben angestrichen seyn: Es gehöret auch kein Ofen, wie schön er auch immer seyn mag, in einen Saal, welches bey uns an vielen Orten ein grosser Fehler ist, sondern an deren Stelle ein zierlich-aufgeführter Camin mit seinen Feuer-Böcken , Zangen und Schir-hacken , welche mit messingen Hand-heben und Zieraten versehen: Die Gemähide, weil keine Gesimse vor- handen, werden an die Wände über die Tapezereyen aufgehangen, und also vertheilet, dafs neben jedes derselben auf beeden Seiten zween schöne Wand- Leuchter, bei hohen Personen von Silber, bei geringern aber von Gold-färbigen Messing gemacht, an der Wand bevestiget zu stehen kommen. Da hingegen die in denen Stuben an der Decke abhängende Cronen-Leuchter hier keinen Platz finden : bleut zu Tage pfleget man in einen Saal vier grosse Spiegeln auf zu hängen, und so zu vertheilen, dafs der eine, so die Thür sich nicht gerade mitten im Zimmer öffnet, in die Mitte defs Saals, zwischen den P'enstern, imd der andere; diesen gerade gegen über , der dritte oben rechter, und der vierdte unten linker Hand, zu hangen komme: so aber die Thür auf die Mitte defs Zimmers gerad zutrifft, gebrauchet man nur drey grosse Spiegel, deren der (,'rste gegen selbige über, der andere an der obern , der dritte; aber an der untern Seite; defs Saals aufgehänget wird , damit man alles , was in d(;n Zimm(;r ist, aller Orten darinnen sehen und wahrnehmen könne. <^

In den \ornehmen Häusern, in welchen man einen Saal hatte, stand der h'rau des Hauses auch ein besonderes To i lettenzi nimer zur Verfügung;

]/) Spaliere, Si)()licrc nannte man nacli Alwin Scluilz a. a. O. S. 129 halbseidene und halbleinene gestreifte Tai)eten, die al)cr auch als Susics bezeichnet wurden. iSj von {".strich, dem ^eitHaste:rten J''ufsl)<)dcn, also so viel wie <4ei)Mastcrt.

73

dem Aiigsburger Haus mangelt natürlich auch dieses. Die Nürnberger »Hauls- halterin« aber schreibt darüber:

»In hohen Ständen haben die Frauen ihr besonderes Aufbuz-Zimmer und Cabinet, selbiges soll von Rechts wegen ebenfalls ausspagliret ^■') seyn, und also eingerichtet, dafs gegen der Thür zu ein kleiner Altar mit einem Crucifix und zweyen silbernen Leuchtern, samt einen davor-stehenden Bet-schämel, ihre Andacht dabey zu verrichten, zukomme, auf beeden Seiten aber, so es die Grösse des Zimmers leidet , zwey kleine mit schönen bifs zur Erde ab- hängenden Teppichen bedeckte Tischlein, und über jeden derselben ein grosser Spiegel hangen, das eine soll mit einen zierlichen Schreib-Tisch besetzet seyn, und nechst dabey eine schöne Sack- oder andere Galanterie-Uhr liegen, oder aber an der Wand eine runde Scheiben-Uhr hangen : Auf das andere kleine Tisch- lein gehöret der Nacht-Zeug, bestehend in einen Tabulet-Spiegel , den man auf den Tisch vor sich stellen kan, einen wohl-ausgezierten Küstlein, worinnen ein Kamm und Bürste mit Silber beschlagen, samt einer guten Scheer zum Haar-schneiden, eine silberne Buder-Schachtel, dergleichen Haar-Nadeln, unter- schiedliche wohlriechende Essenzen, ein und anderes kleines silbernes Hand- Leuchterlein , etliche so silberne als porcellainene Schällein , zu mancherley Gebrauch, etc. etc. befindlich : Nebst der Thür, oder so nur ein Tischlein im Zimmer, stehet gegen selbigen über an der Wand ein kleines Galanterie- Bettlein, mit einen schönen Teppich bedecket, ingleichen auch ein oder zwey Paar Sesseln : Ist es aber nur ein Cabinet und der Platz klein , mufs man hierinnen menagiren und alles so genau zusammenrichten, als es immer möglich.«

Und noch einer Stube , die in den Häusern der bevorzugten Stände nicht fehlen durfte, ist zu gedenken: der Kinderstube. Auch diese fehlt dem bescheidenen Augsburger Kupferstecherhause. Die Nürnberger »Haufs- Halterin« läfst sich aber auch hierüber und zwar folgendermafsen vernehmen:

>>Wo Kinder sind, wird ihnen, so es änderst die Gelegenheit und die Mittel der Eltern leyden , nicht nur eine , sondern wol gar zwo besondere Mägde zur Pflege und Wartung zugeeignet , sondern auch eine absonderliche Stube eingegeben, so man daher auch die Kinder-Stube zu nennen gewohnet ist.

Diese mufs fürnemlich mit einen oder zweyen Betten vor die Mägde, wie auch mit so viel kleinen Betten als der Kinder sind, versehen seyn; in- gleichen einen Tisch, die Kinder daran zu setzen, auch so sie noch gar klein, darauf zu wickeln : Es gehöret darein eine Lauff-Banck, worinnen sie gehen lernen, welche man hin und her tragen kan, und weit besser sind als die vor Alters gebräuchliche Lauff-Wagen , weil sich die Kinder darinnen , wann sie im Lauff kommen, nicht helffen, noch selbige aufhalten können, sondern offt nicht ohne grosse Gefahr sich zu verrencken , mit fort gezeschet werden, welches aber in denen Lauff-Bänckcn nicht zu besorgen: Es gehchet dart;in ein zinnern Becken, dergleichen Wasser-Häfelein , und Schwämme, wie auch Kamm und Bürsten die Kinder daraus zu waschen , auch damit zu reinigen und zu säubern, dafs sie nicht in Unflat xcrderbcn , kranck und ungesund werden, ein besonderes kleines Nacht-Stühlein, um sich darauf zu erleichtern,

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum, 1897. X.

74

ein kleiner Schranck, das weisse Kinder-Gezeug in guter Ordnung, was diesem

und jenem gt-lKue, zusanunen zu k'gen, und darinnen aufzuheben; nebst deme

soll man auch aUerley Spiel-gezeug bey der Hand haben , um sie damit zu

stillen.«

(Schlufs folgt.)

Nürnberg. Hans Bf) seh.

Deutsche Bauernstühle.

r^T'^^J s ist eine genügend bekannte Thatsache, dafs nicht nur in Sitten yyl^ ^'"^"^ Gebräuchen, sondern auch in der Ausübung ihrer künstlerischen £1a Bedürfnisse, im weitesten Sinne des Wortes, die Landbevölkerung allerwärts länger und liebevoller an dem Althergebrachten festhielt, als das raschlebige Volk unserer Städte. Die stets über das gestrige hinausstreben- den Stilwandlungen in der grofsen Kunst berühren nur mit den äufsersten, leise auslaufenden Ringen ihrer Wellen diesen Boden, auf dem die Bauweise und die ganze Anlage des Wohnhauses, die bunte Bemalung und das Schnitz- werk an Truhe und Kasten, Schnitt und Farbe der Kleidung ohne den Ein- flufs des Modegeschmacks und der städtischen Kunstübung sich konservativ erhalten, um so mehr, als den Bedürfnissen des Landvolkes eigene Bauern- handwerker, z.B. Landschneider und Landschreiner in Nürnberg dienten, deren zünftige Abgeschlossenheit das Eindringen des Städtergeschmacks erschweren mufste.

Wenn wir von der höchst selbständigen, oft zu hervorragender Schön- heit gelangenden Blumenornamentik absehen, stellt sich die bäuerliche Kunst dar als eine merkwürdige Mischung altererbter einheimischer Formen, die wir in den Werkstätten der städtischen Handwerker nirgends finden, und ver- späteten verflachten Reminiszensen an die bekannten Formen des städtischen Kunstgewerbes. Primitive Schlichtheit und bequeme Brauchbarkeit auch bei schwerfälligen Formen , kennzeichnet das Mobiliar des Bauernhauses ; der Verzicht auf reiche Reliefschnitzerci, auf Furniere und Intarsien, dagegen eine ausgesprochene Neigung zu bunter Bemalung und zur Anwendung von Flach- schnitzerei ist ihm mit wenigen Ausnahmen eigen. Fast jeder Gau des deutschen Landes, in dem einige W^ohlhabenheit einem selbständigen Bauern- stand über die einfachsten Tagesbedürfnisse hinauszugehen gestattet, hat in dieser W^eise seine eigenen Formen gebildet und bis in unser Jahrhundert bewahrt. Heute, wo diese eigenartigen Stücke schon fast überall modernen l^'abrikarbeiten d(;n Platz geräumt haben, ist es an der Zeit, das Beste dieser im Verschwinden begriffenen Ijauernkunst als lehrreichen Typus deutschen Volksgeschmacks aufzubewahren.

IJie drei Typen deutscher I^auernstühle, die wir aus den IJeständen des germanischen Museums hier mitt(;ilen, sind in ihrer l^igcnait charakteristisch für drei verschiedene Landstriche, in denen sie bis zur Alitte tuiseres Jahr- hundL-rts in 'U'ofser Zahl zu finden waren. Gemeinsam ist ihnen ein kräftiger,

75 -

breiter Bau mit zahlreichen Ouersprossen, die Vorliebe für reichUche Ver- wendung gedrehter Sprossen als zierliche Füllung der Arm- und Rückenlehne und ein leuchtender einfarbiger Anstrich bald in hellem Blau , bald in kräf- tigem Rot.

Der erste, der Stuhl der Mette Eggers von 1793, stammt aus den hamburgischen Vierlanden. Seine vierkantigen gespreizten Beine sind bis auf die Stellen, wo sie mit den Querhölzern verzapft sind, abgcfast; die flache Schnitzerei der geraden Rücklehne zeigt einen gekrönten Doppeladler um- geben von flauen Ranken von bäurischem Rococo und grofsen Blumen. Zier- lich gedrechselte Stäbe füllen die Öffnung unter der Rücklehne und tragen die ebenfalls gedrehten Armlehnen ; den Sitz bildet ein Geflecht von starken

Fitr. 1. A'ierländcr Haucrnstuhl von 1793.

gespaltenen Weidenruten in zwei Farben. Der hohe, etwas nach rückwärts sich lehnende Stuhl der J. Ahlheit Zumfelde von 1798 gibt dagt^gen den Ty])us des Bauernstuhles, wie er im hanno\crschen Altenlande üblich war. Pfosten und Sprossen sind alle reich gedreht, doch weicher, ohne jene schart absetzenden Profile der Vierländer Art. Die Armlehncni bilden bet]uein ge- schweifte Bretter; das Kopfende der hohcMi Rücklehne zeigt ausgc-sägtes Ornament, dessen Mittelstück ein Taubenpaai' bildet, das nie fclilentU: Symbol ehelicher Liebe. Den nach vorne stark breiter werdenden Sitz l)ildet ein

76

Brett, auf dcni ein I*'eclerkissen meist mit ^()b(;]inarti<^H>r Weherei von hlumen- umrahmten Bibelszenen zu liegen kam.

\i\n (lerartii^es Prunkkissen denn fiir den alltäj^lichcMi Gebrauch waren sie sicht-r einfacher ausj^eführt aus ck;m Jalirc; 1722 stammend, besitzt das Museum; es trä^^t auf blau-griinem Grunde eine Gru[)pe von gezierten Kostüm- tiguren umgeben von einem Blumenkranz, eine Szen(!, die sich bei näherem ZusehcMi als die Begegnung Jakobs mit Rebekka am Brunnen darstellt.

¥\g. 2. Ilcimbachcr und .Vltonliüulor Hauonistuhl.

Während man dem schwarzwäldcM- IJaucM-nstuhl z. 1). iiiit siMuer hi'ibsch ausgeschweiften Rückenlehne, dem lirc^ttsitz ohne; Ou(M-h(")lz(M- und Arm- hdmen mit zicmliclnM- Bestimmtheit die Herkunft von der süddeutschtm Stuhlform d(;s s])ätern 16. Jahrhunderts ansehcMi kann, ist t\s besonders bei d(m b(;iden friesischen Arbeiten, die wir el)<;n kennen lerntcm, schwer, über die Abstammung ihrer Stilformen eine M<:inung sich zu bilden. Sicher sind

die Rococozuthaten im Schnitzwcrk nur äiifserlich und unwesentlich; da^^egen erinnert die reiche Verwendung gedrehter Stäbe und die damit verbundene farbige Behandlung merkwürdig an jene eigenartigen Möbelzeichnungen, die uns von Bettgestellen und Stühlen des 12. Jahrhunderts in den Zeichnungen zum Lustgarten der Herrad von Landsberg und in den Miniaturen eines Psal- teriums des 10. Jahrhunderts in der K. Bibliothek zu Stuttgart bekannt sind.

Fig-. 3. .Maria (V!) aul' reicliciii 'l'lirdiisesst'l.

Auch dieses Mobiliar bestand nur aus gedrehten Pfosten ganz in der Art des Alten- länder Stuhls mit abwechselnd rot und gelb cxUm" ähnlich gestrichenen RingtMi und mit dazwischen eingefügten Füllbrettern '), also einc^ Hauweise;, dic^ sich \-on \'i(,>]let le Ducs Rekonstruktionen der frühmittelalterlichen Zimmereinrichtung sehr

1) vgl. Ilefner-AIteneck. Trachten, Kun.stwcrkc u. GcräLschaftcii Dd. I. 26. oO, uL'.

- 78

weit unterscheidet. Und durcli einen L^lückliclien Zufall ist uns sogar unter den Schätzen des t^ernianischen Museums t;in Ihronsesscl dieser Art erhalten, den wir uns nicht \ersaL(en können, hier zum Vergleiciie wiederzugeben: Ein annähernd ziuerlässiges Bild jener um das Endi; dc;s 12. Jahrhunderts irgend- wo in Deutschland üblichen Stuhlform mufs die kleine, etwas beschädigte Holzskuli)tur geben; ob sie wirklich aus iirol stammt, ol) sie die Madonna oder S. Anna darstellen wollte, bleibt für vms belanglos. Gedrehte Pfosten und vielfach profilierte gedrehte Stäbe als Füllglieder finden wir hier wieder, auch hier in abwechselnder bunter Bemalung von rot, weifs und gelb -). Man wird aus dieser auffallenden Ähnlichkeit, für deren Einzelheiten die Abbildungen sprechen mögen, den Schlufs ziehen dürfen, dafs die friesischen Bauernstühle in ihrem Charakter einiges von der mittelalterlichen Möbeltechnik mit ihrer V^orliebe für Drechslerarbeit bewahrt haben, in Formen, die seit dem 15. Jahrh. zum mindesten aus dem städtischen Kunstgewerbe verschwunden sind. Aller- dings wird man dabei berücksichtigen müssen, dafs mit der Drehbank und ihrer Technik die Formen für Pfosten und Sprossen der Stühle nicht wesent- lich anders im 18. Jahrhundert gebildet werden konnten, als sie der romanische Thron und die Zeichnungen schon aus dem 10. und 12. überlieferten.

Ganz anders, aber nicht minder originell als bequem ist der aus dem Rheingau stammende Ileimbacher Stuhl gebaut. Auch er trägt die Jahreszahl 1798 und die Anfangsbuchstaben vom Namen seines Besitzers an der Rück- lehne; der dreieckig geschnittene Brettsitz ruht auf drei festen gedrehten Pfosten, von denen der hintere sich als Träger einer kleinen geschweiften Rücklehne nach oben fortsetzt, während die vorderen in der Höhe der halb- rund gebogenen, aus einem dünnen Brett geschnittenen Seitenlehne endigen. Eine solide Behäbigkeit ist der Vorzug dieses Möbels , in dessen Art das Museum noch ein zweites Stück mit dreieckigem Sitz und kleiner Rücklehne aber gedrehten Stangen als Armlehnen besitzt.

So wenig man wird behaupten können , dafs die Einzelformen dieses Ileimbacher Stuhls an gotische Stilformen gemahnen, so hat doch die Art, wie die Konstruktion der Pfosten und Eehncn zu Tage liegt, ohne Zuthaten und zwecklose Zierrate etwas entschieden gotisches, und auch rein äufserlich genommen, gibt es für die Bauart dieses Möbels aus der Zeit des gotischen Stils auffallend verwandte Gebilde : Der dreieckige Brettsitz und die niedere Lehne, die im Bogen um die drei stützenden Pfosten geführt ist, kehren ge- nau so wieder an einem gotischen Stuhle des 16. Jahrhunderts, den das Museuiu aus rheinisch-westfälischem Boden erwarb. Drei mit geringer Pro- filierung geschnitzte Säulen werden verbunden durch ein aus ICichenbrettern aiisg(.'schnittcnes Gitterwerk, das hier die Stelle? der Oucrsprossen vertritt, und auf welches der Sitz aufgelegt ist. Die P)ildung der RückleluK^ des Ileim- bacher Stuhls geschieht dagegen wieder in iXnlehnung rm das Motiv des romanischen Thiones h'ig. 3, wcMin auch zweckentsprcxluMid beciuemer; das ganze; Mr^hel schmückt ein dunkelroter einfarbiger Anstrich.

2) A. von Kssenwcin hat im jahr^an^ 18U1 dieser Mitteilungen der inlcre.ssanten I-'i^ur liereils eine eingehende Hesiireehim^' gewidmet (S. 51 ff.j.

79

Bei der grofsen Aufmerksamkeit, die unsere Zeit gerade den Volksalter- tümern und der Volkskunst zuwendet, liegt meines Wissens nicht selten der Gedanke zu Grunde , als sei hier im Schnitt und in der Farbenwahl der Kleidung, im Hausbau, in Gebräuchen und Benennungen etwas stammhaftes altgermanisches erhalten, was sich als Merkmal des Stammcharakters z. B. der Alemannen oder Friesen betrachten liefse, und was eben deshalb erhalten und gepflegt zu werden in hohem Mafse verdiene. Ich glaube vielmehr, man sollte um eine unanfechtbare Grundlage für eine wissenschaftliche Bearbei- tung dieser Volksaltertümer zu ermöglichen , von einem etwas skeptischeren Standpunkt ausgehen und zunächst historisch sichten: Für eine Ge seh ich te der oder jener Volkstracht, des oder jenes Bauernhaustypus läfst sich heute weit leichter greifbares Material zusammenstellen , als für ihre Ätiologie , die wohl noch längere Zeit für wissenschaftliche Betrachtung \erschleiert liegen wird.

Nürnberg. K. Schaefer.

'j

Ausrüstung einer Wagenburg im 15. Jahrhundert.

i^,^^J^\ n dem um die ]\Iitte des 15. Jahrhunderts geschriebenen Codex 637 ^ (^'1^4?%. des im Germanischen Museum deponierten Freiherrl. von Löffel- ^cSNJ^ holzschen Familienarchives findet sich auf Blatt 356 eine kurze Wagenburgordnung , die von den bisher bekannten ') in manchen Punkten abweicht und daher hier wiedergegeben sein möge. Die Erwähnung der Ketzer in dieser Aufzeichnung läfst vermuten , dafs es sich um eine kriege- rische Unternehmung gegen die Hussiten gehandelt habe, die bekanntlich in der neuen, erfolgreichen Verwendung beweglicher Wagenburgen die Lehr- meister ihrer Nachbarn gewesen waren -).

Der Abdruck der Ordnung erfolgt diplomatisch genau; nur die Inter- punktion ist von mir hinzugefügt.

[Bl. 356a Spalte 1] »Item zw einem streitbagen gchorn sechs schützen vnd zw iglichem ambrust vier schock pfeyl , zwen man mit hantjjuchscn, zw itlicher vierschok kugelich vnd puluers gnug, vier man mit hacken, vier man mit drischelen, zwu hacken, zwu schaufeien, zwu keylhauen oder grabscheyt.

Item zw itlichem wagen vier starcker hengst ; welcher aber nicht starke pferde hat, der nem sunst sechs, doch das itlicher wagen zwein furman hab gewappent.

Item dy schaufeien , grabscheit vnd hacken durffen nicht sunder Knvt [bedarf Ol nicht besonderer Le7tte\, Sunder, wirt man ir bedirtien , so nym))t man sy, [wo man sy] wolt, aufs dem hauffen, do lewt gnug werden.

Summa zw einem wagen XVIIl person , dy sich von dem wagcMi nit fwgen sollen, es sey dan mit des hauptmans gcheifs.

1) V<j!. namentlich J. Würdin^cr, Kriegsgeschichte von l?aycrn, l^Vanken, IMalz und Schwaben von i:>47 bis böUö. 11. Hand. München 1.86S S. :i77 ff., da/u Anzeiger für Kuntle der deutschen Vorzeit XIX (1872) S)). L'S.'UT,, 341 ff; Max Jilhns, Handbuch einer (leschichte des Kriegswesens. Leipzig 188(i S. 'MM ff

2j Vgl. Jahns a. a. O. S. 'M4.

80

Item siilcluM- starker wa^en sol sein in fas.sani^f.s weifs (?) mit holtzen leyttern i^etarrast [verbarrikadiert] vom felde zwyschen den leittern vnd vnder den leittern mit <,'uten han^^enden bretern an stark(>nn weyden oder ketten.

Item pey itlichem wa^'en siillen ketten sein, dy selben zw winden, ob ez not sein.

|2. Si)alte.] Item albe<^' zw funff werfen sol sein ein stein piichs, f^enant iiaufnicz, vnd zw itlicher ein schogk stein zwm mynsten vnd puluers ^mu^, vnd zw der selben puchsen vnd zw iren stein müfs man ein wesundern wa^en haben.

Item man mufs auch auff den selben wa^en kein speifs le^^cn , Sunder ein stat dor auff lassen, dor ein man den lewten wurff stein leget.

Item wafs vbriger lewt sein vber bestellunge wegen , dy sullen alle ire were haben vnd thun noch geheifs des hauptmans.

Item vil sach vnd westellunge mag man dor zw thun , dy do nicht zw schriben, Sunder nach gclegenheit der lewte vnd ordenung aufs zw richten sind, als man das dann vor äugen sehen werdet.

Item ee man zw feit aufs zeucht, das dann alle obgeschriben stuke be- reit sind.

Item zw allen obgeschriben sachen sullen leute aufs erkoren sein , die alle dinge wesehen werden vnd ordiniren, das daz volkumclich zw gec.

Item es sol vnder dem volk ein sulch ordenung sein, daz ye zehen man einen hauptman haben vnd hundert einen vnd tausent auch einen vnd [Bl. 356b 1. Spalte] also ymmer für sich wifs auf den ober.sten hauptman, als man dann lewte gnug haben wirt, dy solche sache vnd schikung wol ordi- niren können, vnd das ye ein hauptman auf den ander sehe, als dan gebon- heit ist.

Item man sol vndersteen, das alle huldunge ab sein werde.

Item das yder man uf sey mit sein selbs leybe.

Item wer aber von alter oder von krankheyt wegen nicht ziehen muge der mag einen andern an sein stat bestellen.

Item wer sich in den obgeschriben sachen vngehorsam finden Hesse, zu des leybe vnd gut solt man greiffen , alfs zw einem zw leger vnd helffcr der ketzer on alle genade.

Item das man gereissig volk zw rosse aufbringe. So man meyst müg, vnd das man dem fufs\-olk auch gereyssig lewte in der wagen bürge zw schiken sol.

Item auch sullen die fursten , herren vnd fttet grofs vnd klein buchsen \-nd ander zeugk mit in bringen, so sy meist mugen.

Item als man vnfsn herren aufs der schlesingen zw sagen sol, wy starck yderman helfen sol, ist notturfft, dafs vnfser herre sein treftelich potschaft \2. Siialte; zw allen landen vnd stetten thun vnd yn weuelhc , suIcIk^ zw sa- gung auf zw ncmen , es sol auch nymant wifs(Mi , waz dy summe ist solcher macht, dann dy, dy dar zw geschickt ,^int . dy das auch vnfscM'm hrrrcn \()n stund an \crkundt:n sullen.-

X ü rn b e r g. 'l'h- H.

81

Wissenschaftliche Instrumente im germanischen Museum.

(Fortsetzung.)

V. Scheibeninstrumente, Graphometra.

ussoleinstrumente, bei welchen die Ablesung unmittelbar durch die Beobachtung des Standes der Magnetnadel geschieht, sind stets an kleine Dimensionen gebunden und gewähren, abgesehen von ihren sonstigen Mängeln schon aus diesem Grunde nur eine geringe Genauigkeit. Es leuchtet ein, dafs die Genauigkeit der Teilung solange man die modernen Hilfsmittel nicht kannte , mit der Gröfse des Teilkreises zunimmt , dafs also grofse Instrumente eine genauere Beobachtung ermöglichen als kleine.

Grofse Kreise oder Teile von solchen, Quadranten waren in der Astro- nomie schon von Ptolomäus angewandt worden ; die Beobachtungen wurden mit Diopterregeln vorgenommen. Tycho Brahes Mauerquadranten, wie seine grofsen beweglichen Azimuthaiquadranten waren bei einem Radius von fünf Ellen in Grade, Minuten und Sechstelminuten geteilt, so dafs die kleinste Tei- lung einem Winkel von 10" entsprach und die Hälfte dieses Winkels , also 5" noch geschätzt werden konnte. Mit der Abnahme der Dimensionen nahm aber auch die Genauigkeit rasch ab, selbst wenn Nonnianische Kreise die Teilung des Limbus ergänzten. Vgl. Tychonis Brahe , Astronomiae instau- ratae mechanica. Noribergae apud Levinum Hulsium. Anno MDCII. 2 ^.

Es lag nahe , Instrumente mit Teilkreis und beweglicher Diopterregel (Alhidade) auch in der Feldmefskunst anzuwenden. Die älteren Autoren be- zeichnen solche Instrumente als Scheiben Instrumente oder Graphometra. Da bei Aufnahmen im Gelände sowohl spitze als stumpfe Winkel zu messen sind, ist der Quadrant nicht die geeignete Form für das Scheibeninstrument, es fanden vielmehr Halbkreise oder Vollkreise Verwendung und die Instru- mente wurden danach, nicht sehr korrekt, als halbe und ganze Scheiben- instrumente bezeichnet.

Den Zeitpunkt ihrer ersten Einführung konnte ich nicht genau ermitteln. Nach freundlicher Mitteilung des Direktors des Conservatoire des arts et metiers zu Paris, Herrn Oberst Eaussedat gibt Daufrie, tailleur des monnaies de Franc 1598 die Beschreibung eines von ihm erfundenen Graphometrons mit einer festen und einer beweglichen Regel. Dies ist die älteste bis jetzt bekannte Beschreibung eines Scheibeninstrumentes. Das Instrument selbst war aber schon früher bekannt. Wir besitzen ein zu geometrischen, astro- nomischen und gnomonischen Zwecken verwendbares Instrument von Praetorius W. 1. 13 aus dem Jahre 1568. welches unter anderem auch die Teilkreise und Diopter der Scheibenin.strumente enthält. Aus dem Ende des 16. Jahr- hunderts haben wir eine sogen. Eisenscheibe W. J. 1033, und die fniher be- sprochenen Distanzmesser von Joachim Kreich und Leonhard Zübler, welche auch mit Teilkreisen verschen waren beweisen , dafs Scheibeninj^trumente zu Ende des 16. Jahrhunderts in Gebrauch waren.

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XI.

82

Die ScluMbi-ninstriniKMitc; hostelicn aus ciiKnii Teilkreis mit cintn- dem Anfang,' lier Teilunj^ iMitsprechcntlcn festen , und einer um den Mittelpunkt diehbaren Dioptene^el , deren Sehaxe di(; Diehunj^saxe scjineidet. Beiiuts Messun^f eines Winkels wird das Instrument im Scheitel des Winkels so auf- ^u\stellt, dals die Scheibe nK)i^dichst horizontal steht, k'.s wird dann die fest- stelu'udi" l)ioi)terre^u>l auf den c>inen Schenkel einvisiert und das Instrument fest^^estc^llt. Weiter wird das bewe<4liche Diopter solange gedreht, bis es die Richtuni,' des anderen Schenkels hat. Die Ablesung des Punktes, welchen die bewegliche Regel in dieser Stellung auf dem Teilkreis berührt , gibt die (jr()fse des Winkels unmittelbar an. Ist mit dem Instrument eine Bussole verbunden, so läi'st sich, da die feste Regel entweder parallel oder senkrecht zur Südnordrichtung steht, ohne Mühe auch die Himmelsrichtung der Visier- linien bestimmen. Hei Aufnahme von Polygonen wird beim zweiten und den folgenden Standpunkten die feste Regel auf den jeweils vorhergehenden Punkt eingestellt imd mit der beweglichen auf den folgenden visiert. Aufserdem sind die Längen der Seiten zu messen.

Ältere Instrumente, welche mit Bussolen versehen sind, sind nicht selten auch zum Auftragen der Aufnahmen eingerichtet. Später fand das Auftragen gewöhnlich mittels des Transporteurs statt.

Fig. 28.

Fig. 24.

Bei der Teilung der Kreise wird im Allgemeinen nicht über halbe Grade hinausgegangen, soferne die Teilung auf den äufsersten Kreis beschränkt wird. Will man kleinere Teile von Giaden mefsbar machen , so werden mehrere Kreise und zwischen diescMi Transxersalen von Grad zu Grad gezogen, welche gestatten, noch W^inkel von 10 6 Minuten zu messen. Das Prinzip ist das der Transversalmafsstäbt,'. Will man einen Abstand a-b (Fig. 23) in eine Anzahl , gleiche Teile teilen , so zieht man in gleichen Abständen Parallele \on gleicher Länge und verbindet den linken h^.ndpunkt dcM- unteren mit dem rechten der oberen Parallele durch eine (jerade, diese schneidet alsdann auf den z\visch(Miliegenden Parallelen Teile ab, welche auf die (Grundlinie projicirt, diese in gleiche 'Peile teilen.

Bei l'bertragung dieses Teilungsprinzipes auf den Kreis ergeben sich freilich, wenn die Abstände dcv Parallelkreise gleich und dit; Trans\-ersalen gerade sind, unglciclu^ Teile, \gl. Fig. 24 1, doch ist der Fehlen-, weMin die Teikmg nicht auf einen grcilseren Sector wie hier, sondern nur auf 1 " aus- gedehnt ist (;in s(ihr geringen" und wurde g(,'W(Jhnlich \ernachlälsigt. Line richtige Teilung lälst sich auf zwei Wegen eri-eich(;n, entweder indem man

83

bei gleichen Abständen der Parallelkreise die Transversale krümmt, oder indem man bei gerader Transversale die Abstände der Parallelkreise ungleich macht, vgl. Fig. 24, II und III. Ersteres Verfahren gibt Bion in seinem Traite de la construction . . . des instrumens de mathematique, Paris 1752, S. 127 und PI. XIV an, das andere ist bei mehreren unserer Instrumente angewendet.

Das Bestreben der alten Instrumentenmacher , eine möglichst vielseitige Anwendbarkeit der Instrumente zu ermöglichen führte dahin , dafs entweder auf dem Limbus oder auf der Scheibe noch andere Teilungen angebracht wurden.

\^w-^^<

Fig. 2."). (lanzeÄ Sclieibciiiiistruineiit vom Hefriim lirs 17. .lahrhuiidrrts. W. .1. 1231.

Das germanische Museum bc;sitzt neun Sch(MlHMiinstnimente tcMJs mit Vollkreis, teils mit Halbkreis, aus dem 17. und 18. Jahrhundert und eines mit P'ernrohr aus dem 19. Jahrhundert.

Das älte.ste (Fig. 25) ist ein ganz(\s Scheibeninstrument, W. J. 122], aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts. Das Instrument stammt aus der Samm- lung Spitzer (La collection Sjiitzer Tom. V. }>. 81. Nr. ].> Der Kreis hat einen Durchmesser von 19 "nun und ist in halbe Grade geteilt, eine schätzungsweise

84 -

Bestiiniiuinj^ von 't Graden ^ 15' ist noch ohne Mühe auszuführen. Am oberen Teil des Kreises ist eine zweite Teihm^f an^^ebracht , welclie der Ein- teilunj.:^ des Kreises in rej^^fehiiälsii^e FolyL,^oni> \-oni ViiM-eck bis zum Zwölfeck entsjiricht. Die Scheibi? selbst ist durchbrochen. In den Zwischenraum zwi- schen dem Limbus und der mittleren Scheibe ist ein doppeltes s^^eometrisches Quadrat einL^'eschrieben, dessen Seiten in 60 Teile ^fet(;ilt sind. An den Enden des Haujitdiuchmessers 0 360" 180" stehen feste Abseilen (Diopter). Die bewegliche Regel trug ehemals eine HussoK;.

Dem Hauptdurchmesser parallel ist eine Kegc-l mit dem Kreis in fester Verbindung. Das Instrument konnte also mit Verwendung der Bussole auch zum zeichnerischen Auftragen der Aufnahmen gebraucht werden.

An die Scheibe ist unten eine mit einem horizontalen Gelenk versehene Hülse angeschraubt, mittels deren die Scheibe auf das Stativ aufgesetzt wurde. Das Gelenk ermöglicht, die Scheibe in senkrechte Stellung zu bringen, was nötig war, wenn Höhen nach Graden oder mit dem geometrischen Quadrat gemessen werden sollten.

Aufser zum ^Messen oder zum Abstecken vr)n horizontalen Winkeln war das Instrument also auch zum Höhenmessen und endlich zuiti Abstecken von regelmäfsigen Polygonen, wie sie namentlich im h'estungsbau vorkamen, verw-endbar.

Ein halbes Scheibeninstrument, W. J. 265, bezeichnet: Michael Scheffelt Uhu fecit An. lyoS, hat gleichfalls eine Teilung zum Abstecken von Poly- gonen. Die Diopter sind zum Umlegen eingerichtet. Ihre Träger sowie die Füllung der inneren Scheibenfläche sind mit schcnien durchbrochenen und gravierten Ornamenten geziert.

Ein hervorragend schönes Instrument, W. j. 250 ist in Fig. 26 darge- stellt. Es ist l)ezeichnet: Franciscits Ficbig vie fecit und ist aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Der Durchmesser des KrcMses beträgt 314 mm. Der Limbus, auf welchem verschiedene Teilungen angebracht sind, hat eine Breite von 36 mm, innerhalb desselben ist die Fläche ausgeschnitten , nur vier Stege laufen nach dem mittleren Kreis. Die 1-Lnden der Stege sind mit durchbrochenen Rankenornamenten verziert. Auf dem mittleren Kreis ist eine Bussole befestigt, um welche sich die bewegliche Regel dreht. An den vier Enden der Hauptdurchmesser der Scheibe, wie an den lüidcm der beweglichen Regel sind Diopter angebracht.

Der Limbus trägt drei Teilungen. Der äufsere Kreis ist in 360" und diese in je sechs Teile geteilt, so dafs eine dirt^kte Ablesung auf zehn Bogen- minut(;n m(',g]ich ist. Bei genauer Ijeobachtung kann man Schätzungsweise auf 5' kommen. Die Teilung ist von rechts nach links und \<in links nach rechts numeriert und zwar stehen die Anfänge bt-idei- Numerierungen um 15" von einanrler ab. Dies rührt daher, dafs die Ablesung nicht in der \"isier- linie der beweglichen Diojjicr sondern an den Kanten di'r Kegel geschieht, w(,'lche auf die Pjreite des Limtjus eine radiale Richtung habcMi und um 7 ' •_> " vc)n der X'isierlinie abstehen.

85

Der innere Kreis ist in den vier Quadranten mit einer Skala zu Höhen- messungen, einer Übertragung des geometrischen Quadrates auf den Kreis versehen, jeder Quadrant ist in zweimal Hundert, gegen die Alitte abnehmende Teile geteilt. Auch hier ist die Teilung gegen die Axe der festen Diopter um7\L>" nach rechts verschoben. Zwischen diesen beiden Teilungen ist, auf die vier Quadranten verteilt die Gröfsc der trigonometrischen Funktionen Sinus, Tangente, Secante und Sagitta := Sinus \ersus in der Weise dargestellt, dafs man von jedem Bogen aus die Gröfse der ihm entsprechenden Funktion ablesen kann. Hiebei ist eine Teilung des Radius in 1000 Teile zu Grunde gelegt.

Fig 26. Gaiizps S<',h('ibeninstrument von Fraiiciscus Ficbiir. 17. Jahrhundert 2. H. W. .1. 25fi.

Das Instrument ist zunächst zu Winkelmessungen !)(\stimmt , es kann aber auch zur Messung von H()hen und horizontalen Längen, sowie zu deren trigonometrischer IJerechnung xerwenck^t werden.

Die Ausführung des Instrumentes ist iMue \ ortrt^Tliche , sowohl das in technischer wie in dekorativer Hinsicht.

Fin kleines hübsch gearl)eitet(^s halbes Scheibeninstrument W. J. 1266 \on nur 7 '.- cm Durchmesser, bezeichnet /Xnthon Sneew , aus dem 17. Jahr- hundert, hat eine Teilung in halbe Grade und auf dem inneren Rande des Limbus eine Scala zur Hcihenmessung igeometrisches Quatlral aui den Kreis

86

iibertra^u'n). Auf dem Drc^hpunktc* cl(>r hcwcj^flichcn Re^'cl ist, mit ihr drehbar, eine Bussole ans^ebracht.

l^ei der Mehrzahl unsercM" Instiumente ist eine Teihm^ der einzelnen Grade durcli TransNersalen, ^nnv()hnhch in sechs Teile zu 10', zuweilen in zehn Teile zu 6' ani^ei^u^ben. Hier sei zunächst das ^'anze Scheibeninstrument W. j. 1263, Vi\i. 27 erwähnt, dessen Limbus eine 'l'ransversalteilun<^f mit gleichen Abständ(Mi in Sc^chstelsgiade (10') trägt. Auf dem Instrument ist ein do])peltes geometrisches Ouadrat angebracht. I)(ni Haujjtdurchmessern entsprechen Diopter, selbstverständlich ist auch die bewegliche Regel mit einem solchen versehen. Über dem Zentrum ist eine feststehc;nde Bussole angebracht.

Fig. 27. Ganzes Sch.'ibotiinstrumetit. 18. Jahrluindert. W. .). 1263.

Die Scheibe ist mit durchbrochenem Ranktmornament geziert , das, prächtig gezeichnet, den Raum in vortrefflicher Weise ausfüllt. Leider ent- si)richt die Sorgfalt der Teilung nicht ganz dem künstlerischen Werte des sch(")ncn Instrumentes.

Das Instrument hat noch sc'in altes Stativ mit Kugelgelenk, auf welches es mittels einer Hülse aufgesetzt wird. Die halben Scheibeninstrumente W. ). 2,")] aus dem 17. Jahrhundert und W. j. 1220 von Bulterfield in Paris (aus der Sammlung Spitzer Nr. 2769) sowie W. j. 967 von (diapotot aus Paris aus dc;m 1<S. Jahrhundert haben TranswMsalteilung der einzelnen Grade mit aefjuidistantcn Kreisen. Bei den beiden ersteren sind die Grade in sechs, bei letzterem in zehn Teile geteilt.

87

Ein halbes Scheibeninstrument von J. G. Ebersberger in Nürnberg 1729, W. J. 252, Fig. 28, hat Transversalteilung mit ungleichen Abständen der Kreise, so dafs die Teilung vollkommen korrekt ist. Es ist einfach, aber sorg- fältig gearbeitet.

Das Visieren mit Dioptern erfordert eine grofse Accommodationsfähig- keit des Auges, welche nicht jedem Auge eigen ist, man hat deshalb schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts an Stelle der Diopter h'ernrohre mit Faden- kreuz gesetzt. Abbildungen derartiger Instrumente mit einem festen und einem drehbaren Fernrohr finden sich schon in der ersten Auflage von Bions Traite, übersetzt von Doppelmcyer. 1712. Tab. XIII und XIV, ersteres eine sog. Planchette ronde (vgl. Seite 13), letzteres ein halbes Scheibeninstrument. Ein Instrument aus der Spätzeit des 18. oder dem Beginn des 19. Jahrhun- derts besitzt das germanische Museum (W. J. 631). Der Limbus i.st in ganze, halbe und vierteis Grade geteilt, innerhalb desselben ist die Fläche der Scheibe

Fig. 28. Halbes Srhiiiboiiiiistruinent von .). G. Ebersperger in Nürnberg-. 172'.».

etwas vertieft, so dafs ein Zeichnungsblatt eingelegt werden kann. Auf die Mitte kann eine Kippregel mit Fernrohr aufgeschraubt werden. An der Kipp- regel ist ein Nonius befestigt, an welchem 30 Teile 29 V'iertelsgraden des Limbus gleich sind. Das Instrument kann also zur Messung wie zur Auf- zeichnung von horizontalen Winkeln benützt werden. Leider ist es so defekt, dafs ich hier von einer Beschreibung absehen nuils.

Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dafs die Scheibeninstrumente auch zur Messung vertikaler Winkel benutzt wurden; die Scheibe nuifste als- dann vertikal gestellt werden, was mittels einer horizontalen Axe oder mittels eines Kugelgelenkes möglich war. Diese Umstellung der Scheibe licfs sich vermeiden, wenn man das bewegliche Diopter so einrichtete . dals es nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Richtung gedreht werden konnte und wenn zugleich eine Ablesung des Winkels der vertikalen Drehung mög- lich war.

SS

Audi solche^ Iiistninientc waren schon im 16. jahrhundcMt im Gebrauch. Ich erinnere an da.s h^in^^an^s erwähnte Univer.sahn.strument von Praetoriu.s au.s dem Jahre 156S. Ferner ^eh(')rt hierher die Ei.sen.scheibe (Markscheide- instrument) W. ). 1033 Fi^^ 29 und der Aufsatz einer solchen W. J. 1149. Beide sind in ihrer Konstruktion nah(^zu iek^itisch , (\s ^enüt^t also die Be- schreibun^,' des vollstcändi^reren. V(.,d. auch das Instrument von Lörcr S. 13.

Dieses trä^^t die Bezeichnung W. P. Der Stil der Ornamente und die Schrift weisen auf das Ende des 16. Jahrhunderts und ein Zulegein.strument desselben Meisters trägt die Jahreszahl 1599. Den Namen des Meisters konnte ich nicht ermitteln, dagegen ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dafs sich sein Bildnis im germanischen Museum befindet. Dieses Bildnis hängt in der sog. Kostümgallerie unter Nr. 652. Es ist von Hieronymus von Kessel im Jahre 1613 gemalt (Eigentum der kgl. bayerischen Staats-Gemäldcsammlung N. Inv. 5546) und stellt eine Familie in bih-gerlicher Tracht , Mann , P'rau und zwei Kinder dar. Der Mann hält in der linken Hand das vielleicht von ihm erfundene

Fig. 29. Eisenscheibi; von W. P. Um 1600.

Zulegeinstrument mit der Bezeichnung F. W. 1591. Die Tracht ist deutsch und die Anhänger, welche sämtliche Familienglieder tragen, besagen, dafs die Familie der katholischen Konfession angeh(")rt. Die Provenienz des Bildes ist nicht bekannt.

Die geometrischen Instrumente erfahren für die Anwc;ndung in der Mark- scheid(;kunst, der auf den Bergbau angewandten Mefskunst, gewisse Umgestal- tungen , welche hauptsächlich dadurch bedingt sind , dafs in vielen Fällen längere Visicriinien, wie sie die Anwendung von Dio])tern oder Fernrohren erfordert, nicht gegeben sind. Schon bcM diM' Besi)rechung des ! längekompafs habe' ich (Mwähnt, dafs das Streichen d(;r Linien durch g(;spannte Schnüre angegeben wiid. Von Alters her ist in der .Markscheid(^kunst die Teilung des Kreises in 24 Stundcm üblich. Auch für die Richtung der Linien sind beson- dere d(M- übrigen Feldniefskunst fremde Ausdrücke* in Gebrauch geblieb(Mi. hjne horizontale Liiüe heifst s(')hlig, eine vertikale seiger und eine* schiel an-

89

steinende donlegi^. Die Projektion einer donlegi^^en Linie auf eine horizontale Fläche wird als ihre Sohle, die auf eine vertikale Fläche als Seigerteuffe be- zeichnet.

Das Instrument Fig. 29 besteht aus einer horizontalen Scheibe und aus einem, um eine in deren Mittelpunkte errichtete, vertikale Axe drehbaren Aufsatz. Das Instrument konnte auf ein Stativ oder eine andere Unterlage geschraubt werden. Die horizontale Scheibe hat einen Durchmesser von 176 mm; sie ist aus Birnbaumholz, auf ihrer oberen Fläche ist der Limbus und das füllende Ornament, auf dei- unteren die Bezeichnung W. P. aus Bein eingelegt. Der Limbus ist in 24 vStunden und jede Stunde in acht Teile ge- teilt. Die Numerierung der Stunden läuft von links nach rechts wie bei der Uhr. in die Scheibe sind zwei Bussolen eingelassen , deren IMittagslinie von den Stunden 0 24 nach 12 geht. Die freibleibende Fläche ist mit derbem Blattornament gefüllt. Die (Gravierungen auf den weifsen Flächen sind mit schwarzer und roter Farbe eingerieben.

Ein Dorn, der sich in der Mitte der Scheibe erhebt, trägt den drehbaren Aufsatz. Statt des Diopters, das in den Gruben keine Anwendung fand, ist ein Richtscheit (Arm) angebracht , das mit einem horizontalen Gelenk und einem Zeiger versehen ist und vorn in einen Hacken ausläuft, in welchen die die Richtung der Linien bezeichnende Schnur eingehängt wird. Das Gelenk des Richtscheites , welches eine Drehung des vorderen Teiles in xertikaler Richtung gestattet , steht im Mittelpunkt eines V'ertikalkreises. Die beiden äufseren Quadranten dieses Kreises sind von der söhligen Stellung des Richt- scheites aus in je 12 Stunden und jede Stunde in acht Teile geteilt. Der Winkel einer Stunde umfafst also nicht 15" wie auf der söhligen Scheibe', sondern niir l^i. Ich weifs nicht ob diese Art der Teilung allgemein verbreitet war; bei dem Aufsatz einer Eisenscheibe \V. J. 1149 findet sie sich ebenfalls. In späterer Zeit wurde, auch wenn das Streichen der Linien in Stunden an- gegeben wurde, ihre Donlege (Neigung) nach Graden gemessen.

Aufser dem Richtscheit und dem Teilkreis ist an dem Aufsatz ein Zeiger angebracht, der die Stellung des Richtscheites auf der söhligen Scheibe an- zeigt und endlich ein Lotmafs zum Zweck der genauen Aufstellung des In- strumentes.

War das Instrument S(')hlig und nach der Mittagslinie aufgestellt, so dafs sich sein Mittelpunkt über einer, oder über dem Schnittpunkte zweier Linien stand, wurde die Mefsschnur in den 1 lacken des Richtscheites eingehängt und angespannt, so dafs sie der Richtung der zu bc^stinunenden Linie parallel war, so stellte" sich der Aufsatz in eine Vcn-tikalebene ein, welche duixh den Dorn und die Schnur bezw. die Linie gelegt wai- und (k'r untere Zeiger gab aut der EisenschcMbe den Winkel der Linie gegen die Mittagslinie, der ZcMger am Richtscheit die Donlegc^ dei" Linie an. liei Messung \()n Winkeln mulsten die Differenzen der /AblesungcMi gesuehl we-idcn.

lun geometrisches Instrument ähnliclKM" Konstruktion aus dc>m IS. Jahr- hundert, besitzt das geinianische Museum untei' W. j. 166, k'ig. 'M). Auf cMuer horizontalen Scheibe xon 13,2 cm DuichmesscM", dercMi Limt)us in ganze

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XII.

90

Grade <^u-tcilt ist\ ist konzentrisch eine kl('in(M-e drchharc SchcMbc anf^cbraclit. Aul" ilit'scM- ScheÜH* (.-rhcbt sich (Mn Gc-stell , das eine um eine horizontale Axe ih-ehbare 1 )i()i)terre<4el untl einen mit dieser aus einem Stücke ^beschnit- tenen I laibkreis trä^ft. Der I Iall)kreis ist von der Mitte an nach beiden ScMten in 90" ^'eteilt. h^in Lot, welclies an der Axe Ix;festi(^t war, jetzt aber fehlt, spielte^ bcM horizontaler Stellun<,f der Re<,U'l auf den Null])unkt der Teilung ein und i,^ab, wenn das I^iopter um die horizontak^ Axe «gedreht wurde, dessen NiMgunij l^'cgen den Horizont an. Zum Zweckt' der Messung vtjn llorizontal-

Fifr. 31». Iiistr iiiiuit 7iii Mis-^in.' \ n li ii/ iitil n un 1 \ itikaieii Winkeln 1^. Jahihiindut, W . J. U,h.

winkeln ist an der dr(dibaren Scheibe in d(>r Richtung der Dioptt^-rt^gel ein Stift angebracht, welcher auf denn Limbus (Um- fcvsten Scheibe die Stellung der Visierlini(; angibt. Die Differenz der Ablesungen ergibt die (jrr)fse des Winkels.

An der festen 1 iorizf)ntalscheibe ist, parallel zu dcv Idnie 0 ],S() der Tt'ilung eine; Diopleri-egel angebracht, {\s konnte also, wenn diese auf (Jen (;inen, und die (Ji-chbarc auf den anderen W'inkelschtMikel eing(\stellt war, die (jr()lse des Winkc'ls auf dei' 1 lorizontalscheibe auch uiunittt-lbar ab<relesen wcv-

91

den. Die Ablesung ist mit einem kleinen, aus der Exzentricität der Visier- linien herrührenden Fehler behaftet.

Die S[)angen auf der drehbaren Scheibe trugen ehemals eine Bussole.

Das Instrument ist kein einfaches Scheibeninstrument mehr, sondern es ist im Prinzip ein Theodolit, allerdings von einfachster PV)rm und Konstruk- tion und der Weg von ihm bis zu den äufserst vollkommenen Instrumenten unserer Zeit ist ein weiter, aber die Grundgedanken des Theodolits sind in unserem Instrumente schon verwirklicht.

Unsere Sammlung besitzt keine Instrumente, welche die allmälige Aus- bildung des Theodolites veranschaulichen, lünige derartige Instrumente sind in der fürstlich Wallerstein'schen Sammlung in Alaihingen, andere im Museum l'ridericianum in Kassel, auch in den geodätischen Sammlungen der technischen Hochschulen, in den Beständen der topographischen Bureaus, der Kataster- bureaus u. s. w. dürfte sich manches Material zur h^ntwick(?lungsgeschichte des Theodoliten, des vollkommensten geodätischen Winkelinstrumentes finden.

(Fortsetzung fol<;t.)

Nürnberg. Gustav von Bezold.

^^/K*^ Is das sowohl kunstgesc /'.\/^^V^^ samste Stück der zu

Der Zeugdruck mit der heiligen Anna, der Jungfrau Maria und Seraphim (aus der Samm- lung Forrer, jetzt im Germanischen Museum)

und einige altkölnische Handzeichnungen.

(Mit einer Lichtdrucktafel.)

schichtlich, wie auch rein künstlerisch bedeut- v^/.w«- .ncti,...;.v ^L^.^iv vav^x x,i. Anfang des Jahres 1895 vom Germanischen ^-iv^i >*=>-. Museum erworbenen Dr. R. ForrcM-'schen Zeugdrucksammhmg, mit deren Katalogisieiung der Unterzeichnete zur Zeit beschäftigt ist, darf ohne Zweifel der ungebleichte Leinenstoff gelten, dessen schwarz aufgedruckte Dar- stellung unstu-e Textabbildung in Li der Originalgr(')fse wiedergibt M-

Rcxhts sehen wir die heilige Mutter Anna in cm faltenreiches Gewand gehüllt auf einer Bank sitzend, den linken Fufs auf (Muen hTifsschemel von d(^r vorauszusetzenden Länge der l)ank gesetzt. Ihr zur S(Mte stecht die jugendlichiN kaum dem Kindesalter entwachscme .Maria, sich lc>rnl)egierig über c'mc SchriftrolU; beugend, die sie mit beiden Händen hrilt und die aufgcM-ollt üb('r (Umi Schofs der Mutter bis auf die Kn\c hinabfällt. Die heilige^ Anna weist mit denn Zcngefingcn' der rechten Hand offenbar auf Noten zu Anfang des Schriftbandes hin, und der weiter folgi-nde Text der Rolle: gloria laus deo< -) zeigt uns, clafs es der Gesang zu Lob und Preis des H(')chsttMT

11 Herr Dr. Forrer war so liebenswürdig', vnis tias ("liehe für diesen Auisatz wie für den Gewebekatalo^f zur \'erfü<,UTn^ zu stellen,

2) Das letzte Wort verkehrt geschnitten. V;4l. auch Forrer, Die Zeuj^tlrucke der byzantinischen, romanischen, ^'otischen und späteren Kunstcjioche n. Stralsbur;^ IS'M S. L'S.

92

ist, worin ilit- Mutter die Tochter unterrichtet. Sie wird darin \(»n fünf als \'(")j4el nut l-'.ni^udskopfen i^^fcstaltetiMi Seraj)liini unt(M-stützt. (he hinter der Jung- frau Maria, ihr lieiht; . heiH^. licihij sinkend, den Kaum erfüllen. Dieser wird ül)erw(ill)t \ on dici laotischen Baldachinen, \-on denen der inittlert', breiten' und auch wohl xorspiins^i'nd L,fedachte wiederum in drei 'I'eile (geteilt ist. Dil' mit Krabben und Kicuzblumen Ljeschnu'ickten Wimpers^c derselben ra^en \ov einer Arkadenreilic emjjor, die \(.n einem X'ierpafsfries überh()ht wird, worauf das Ganze mit einer Bekrömm^ xon Blumen abschliefst.

T«:#T4»2ft:«r«%^i<^^^^^^%4

Nit-derrheinisi'lier (kölnischer) Zi,-ii?i]ni''k. 15. .lahrhiindert.

Diese Darstellung erscheint hell auf dunl^lem, mit gotischtmi Distel- und Kankenwerk ^u-mustertcm Grunde und wiederhc)lte sich zum mindesten nach oben hin n'jch einmal. Von diesei' Wiederholung^ scheidet sie eine 12 mm breite \'ieii)arsbf)rdüre, und eine ebensolche IJordüre bildet auch nach unten hin den Abschlufs, (jerade der Umstand, dafs wir es q'cwissermafsen nur mit der hjnheit einer Must('runL; zu thun haben, verdunkelt uns den Zweck, zu d('m unsei" Ze-ULjdruck ui'sjJi'ünL^'lich hei'L,'estellt sein ma;^. Handelte es sich nui- um cinc^n einmaligen Abdruck des Models, um einen Bilddruck, so wären wii' wr)hl ehei' b(,'rechtiL^t, eine X^irlaj^e \'i\v Stickerei darin zu erblicken, wie solche nachweislich nicht selten durch ModehJruck heruesti'llt wordim

93

sind'^). Wie die Sache liej^t. scheint mir indessen diese Vermutung,' Forrers ') nur wenig WahrsclieinHchkeit für sich zu haben, um so weniger, als die sorg- fältige und elegante Zeichnung doch wohl \errät . dafs dieselbe sich selbst Zweck war. Die eigentlichem Stickereixorlagen in Zeugdruck sind zumeist weit gröber. In späterer Zeit werden dabei auch wohl die verschiedenen Sticharten zugleich mitangedeutet . wie das z. P). bei dem \on Forrer (Die Zeugdrucke Taf. LVI) rejjroduzierten Zeugdruck, der, im wesentlichen genau nach der Darstellung des Titelblatts von Dürers MaricMilebcMi , die Madonna mit dem Kinde zeigt und sich jetzt ebenfalls im Germanischen Museum be- findet, der k^all ist. Fher möchte ich noch bei unserem Zc:ugdruck mit der heil. Anna, der Jungfrau Maria und den Seraphim an die aus einer doppeltcMi Reihe gleicher Darstellungen bestehende breite Finfassung einc?s auch im übrigen auf einfache Art mit stilisierten Mohn[){lanz(Mi , Distelzweigen oder dergl. gemusterten kirchlichen Vf)rhanges zur Abkleidung eines Kaumes (vgl. die zur Fastenzeit vor dem Altar aufgehängten Hungertücher etc.) od(M- als Wandbehang denken. Alinliche Doppelborten zu solchem Zweck die Darstelkmgen in der Kegel freilich nicht xon so ansehnlichen Abmessungen finden sich unter den Geweben des 14. und 15. Jahrhunderts nicht selten.

k^benso schwc-r, wie über die urs])rüngliche Bestimmung läfst sich über r)rt untl Zeit der I'^ntstehung des in Rede stehenden Zeugdrucks nach diesem allein selbst Sicheres aussagen. Die Nachrichten über s(nne Provenienz be- schränken sich darauf, dafs er in einer Kirche bei luiskirchen gefunden wurde. Wie dieser k\mdort. sf) mufste auch das häufige Vorkonuuen alter Zeugdrucke namentlich in den ärmeren Kirchen der (hegenden xon K(")ln , Düsseldorf, Aachen u. s. w. xon vornherein dazu führen, den h'abrikationsort unseres Zeug- drucks in die Landschaften um den XiedcM-rhein oder die angrenzenden (je- biete zu \erlegen, und die auf dtm k^ntstehungsort gtMichtete Frage hat denn aucli bisher nur gelautet und kann in der That wohl nui' lautt-n : nieüer- rheinisch-kölniscli oder franz(')sisch-burgundisch .'

Die Ansicht, dafs der Zeugdruck xielleicht burgundischen Ursprungs sei. gründet sich vornehmlich auf einem Urteile \V. F. Schreil)ers , wonach die Auffassung der Seraphim als Vogelgestalten auf l-'rankreich weiscMi soU'i. Ich kann die Richtigkeit dieser l-)ehau])tung nicht kontrolicM-en , da es mir hic/.u an dem n(")tigen ikonographischen Vergleichsmaterial fehlt. Was ich im Original oder in Al)bildungen an Seraphimdarstellungen kennc> , steht mit alleiniger Ausnahme der wtnter untcMi zu bes])rcchenden Mandzt-ichnung den l-.ngels- gestalten des Zeugdrucks denn mit eigentlichem Seraphim, d\c nach Je- saias 6, 2 drei Paar hdügel liabcMi müfstcMi und für die aulscM'dem eine tc^il- weise X'erdeckung dc\s (jesichts charakterist iscli ist, haben wii" es hier nicht mehr zu thun \()llig fern, vnid auch ( )skar WultT in seiner \ cidiensllichen

3) Vgl. namentlich Ivs.scnwcin im .Anziimr liir Kumlr der (Untscln'ii X'or/rit IST'J Sp. '245, Lippmann, Über die Ani';inL;e der l'(iinT<chiieideknnst und des lülddiucks, im Rcpcrtorium für Kun.stwi.s.sen.schaft 1 il87(ii S. L'17. Forrer a. a. O. .b. '_") u. a. m,

4) a. a. O.

5) Forrer a. a. ü. S. 28,

- 94

DissiTtation CluTuhini , TliroiK^ und Seraphim. Ik()n()gra])hi(' der ersten lüijL,^elshierarchie in der cliristlicluMi Kunst (1. Teil Altenbur^ 1894) erwähnt oder hinschreibt niclUs AhnHches, olis^diMch er zahh-eiche Typen bespricht und abbiUli^t, S. 6.S tV. alle ihm bekannten Sera])hdarstellun(^fen bis zum 14. Jahr- hundert aufzählt und kui/ charakterisiert und S. 72 ff. auch der si)äteren Um- wandluni^j; namentlich der Seraphimty])en ein besonderes Kapitel widmet. Nur /u zwei unter den dort behandelten 1^'ällen bemerkt Wulff, dafs man den Ijndruck dcv Vos.;el_L(estalt erhalte, weil die hdü^fcl fast L^anz oder ganz unter- halb des Ko})fes angeordnet sind«, nämlich bei der Darstellung zweier Vier- tliigUn- auf einem rohen Frescogemälde des 13. Jahrhunderts in Xederizy bei Nowgorod und bei zwei ähnlichen k'iguren auf der hirzthiir der Kathech-ale von Susdal iGoux ernement Wladimir i, die trotz der Übereinstimmung in der Technik mit den Thiu-en von S. Paokj und des Domes xon Amalfi erst eine Stiftung des 16. Jahrhunderts zu sein scheine''). Beide Werke östlicher Kunst- iibimg k(')nnen, welches auch immer ihre \'orbilder gewesen sein mr)gen, für unser Stück gcwifs in keiner Weise zur \"ergleichtmg in Betracht kommen. Ich mufs also die Frage , ob sicli etwa aus der Art der Seraphimdarstellung ein Kriterium fin- die Herkunft unseres Zeugdrucks ergibt, auf sich beruhen lassen.

Dagegen hätten wohl auch andere ikonograjihische Gründe für die Ansicht, dafs die Darstellung der franz(')sischen Kunsts|)häre angehören und entsprossen sein möge, beigebracht werden können. Zunächst k()nnte man versucht sein, es aus dem Gegenstand der Darstellung selbst zu schliefsen. Denn seitdem 1378 der öffentliche Kultus der heil. Anna, der im christlichen Orient Ixn'eits früh- zeitig geblüht, auch im Abendlande Eingang gefunden hatte, indem Papst Ur- ban VI. ihn den Engländern gestattete, scheint sich anfangs Frankreich dem- selben mit weit gröfserem Eifer hingegeben zu haben, als Deutschland, wo erst gegen das Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts mit dem mäch- tigen Aufschwung, den zu Ausgang des Mittelalters noch einmal der Marien- kultus nahm, namentlich infolge der Bemühungen des Abtes Trithemius auch die Verehrung der Mutter Anna allgemeiner gcnvorden zu sein scheint '). Schon die \(M-hältnismäfsig häufige Dai'stellung der heiligen Anna als Hau])tperson in Werken der franz(')sischen Kunst vor der Mitte des 15. Jaln"hunderts gegenüber dem seltenen W^rkomnuMT dcM'selbtm auf dcnitschem lioden spricht ohne Zweifel dafür. Auch die auf unserem Zeugdruck dargestellte^ Szene : die heil. .An.na ihre 1 ochter .Maria unterweisend, begegnt't uns in k'rankreich f)ereits im 14. lahr- hundert. z. li. als Schnitzerei am Chorgestühl der Kathedrale zu Amiens ""l. Die Szene findet in dei' Fegende der heiligen Anna keine Stütze, ja es galt sogar als unorthodox, anzunehnu^i, dafs d\c heilige lungfrau, die ja seit und \f)r ihrer (jeburt mit allen Gabeln des heiligen Geistes reichlich ausgestattet

61 Oskar Wultf ;l a. O. S. SD.i

7 \'^l, 1- . l'aik f)ic VcrchruiiL; üer heiligen .Anna nn X\'. lahrliundcrl in 1 )cr Ka- tholik lA'ill. 1 1S7S S. i,'i\\. Der Vci lasser fbalk hat vor allem die dcutsclun Verhält- nisse im Au^'e.

S,! l-vlas.si.schcr ^kulptui cn.scdialz ^,'r. 77,

95

war, von irgend jeniandcnn unterrichtet zu werden brauchte ''). Daher ist diese DarsteHung, die wenit^^er dem religicjsen als einem rein menschlichen Empfinden entsprang, im Mittelalter nicht gerade häufig. Aus Deutschland wüfste ich im Augenblick kaum eine; zu nennen , denn eine gotische IIolz- skulptur der Kirche zu Kirchlinde in Westfalen, dic^ man nach dem Licht- druck in den Bau- und Kunstdenkmälern \on Westfalen (Kreis Dortmund- Land Tafel 24 Xr. 4) ohne Zweifel als eine solche Darstellung ansprechen würde, wird in dem genannten Inventar als -Selbdritt- mit dem Zusatz -Jesus verstümmelt <' von Ergänzungen sagt der Text indessen nichts bezeichet, und eine gleichfalls in Westfalen, in einem Codex der Esterhazy'schen Bi- bliothek auf dem Schlosse zu Xordkirchen befindliche Miniaturmalerei, die eben- falls unsere Szene zum Gegenstand hat vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Lüdinghausen l~af. 75 scheint mir zu starke flandrische Ein- flüsse zu verraten, lun als spezifisch deutsche Kunst in Anspruch genommen werden zu können; sie steht möglicherweise in näheren oder entfernteren l^e- ziehungen zu den Heures« der Anne de l>retagne, aus deren reichem Minia- turenschmuck Dibdin und nach ihm Guenebault die reiz\'olle Darstellung -Sainte Anne instruisant sa fillc' besonders her\orheben '"). immerhin sieht man schon aus diesen Anführungen deutlich, dafs nicht erst, wie in den meisten ikonographischen Handbüchern zu lesen steht, die Neuzeit, nicht erst Murillo , Rubens u. s. w. das anziehende Motiv in das Bereich ihres künst- lerischen Schaffens gezogen haben, sondern dafs die Darstellung bereits dem späteren Mittelalter eigen war , Erankreich offenbar früher als Deutschland. Ebenso scheint in der Baldachinarchitektur unseres Zeugdrucks das kräftige Betonen der Horizontale eher auf Erankreich als auf Deutschland hinzuweisen. Aber gerade hinsichtlich dieser Architektur brauchten wir , auch wenn wir den deutschen Niederrhein bezw. K.öln als Entstehungsort des Zeugdrucks annehmen würden, nach einem Vorbilde nicht weit zu suchen. Die Wand- malereien im Chor des Kölner Doms, das Leben der Maria (schon mit zwei Szenen aus der V'orgeschichte), sowie die LegendcMi der heil, drei Kcniige, des Papstes Silvester imd der Apostel Petrus und Paulus darstellend, weisen als Umrahmung für die einzelnen Hauptbilder eine scdir ähnliche, nui- reicher durchbrochene Architektur auf, die teilweise ebenfalls mit Ai-kadenreihen hinter den Wimpergen und einem Drcipafsfries (anstatt des X^ierpafsfrieses unseres Zeugdruckes), freilich noch mit anschliefsendem Dach und loekrcnien- der Zackenreihe nach oben hin abschlic;fst ' ')■ J^i *'>^ macht sieht nicht ein- mal ein durch die verschiedene Enstehungszeit l)edingter StiluntcM-schied be-

9) B. Eckl . Die Madonna als (ic<4cn.stanii chri.sllichcr Kvinstmalcrci und Skulptur, Brixcn 188.'], S. 06.

]()! r)il)din, Voyaycs en France 1, Ih-I .\nm. A.; L.-J. duc iirhaulf , Dictionnaire icono- >^rai)hi([uc des monumcnts de ranli(|uitc chrcliennc: et du nioyeu ,i;4c (Paris lS4;it 1, <i4.

11.) Die Kopien und Durchzeichnun^en, die Ostcruald seinerzeit von dm Malereien im Chor des K(')lner Dom.s ^eferti^^t hat und die .sich jetzt iin k^l. Ivunstj^ew erhemuseuni in l'erlin bclinden , konnte ich durch das rreuniHiche hnt^c ;^'enkoninien der X'erwaltun^ de.s Kun.st^cuerheinuseums zu v(M-lie^ender l'ntersucliun|4 im (urmanischen Museum Ik - luilzen.

96

sondtTs ^^rltrnd . ohi^tliMcli docli die Malereien des Kölner Domchors ohne Zweite! aus tlen /wanzii^er oder dreilsif^fer Jahren des 14. Jahrhunderts stanmien - die Weihe des ("hors erfol^^le schon 1322 , während wir als die ICpoche, in welcluM- unser ZeuL,ulruck iMilstanden ist. zunächst einmal die ^anze Zeit- si)anni' von 1 oVS bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts im Aul,u; behalten wollen. Alk- in nach der Architektur würde man den Zeu^^druck \ielleicht um einige Jahrzehnte früher datieren.

In i^deicher Weise aber k<')nnten jene anderen ikonographischen Beson- derheiten — mit stilkritischen I^rwägungen kcjmmen wir infolge des Mangels an Vergleichsmaterial der gleichen Technik und Zeit bei unserem Zeugdrucke nicht \-om Fleck nicht sowohl auf franzcKsischen Ursprung als nur auf fran- z()sisch-l)urgundische Einflüsse deuten, wie sie sich ja in der Kunstübung der i\heinlande während des Mittelalters so häufig und zahlreich geltend gemacht haben. Und so äufsert bereits R. Forrer (Die Zeugdrucke S. 2<S f.), dafs trotz der oben zitierten Meinung Schreibers bei der Herkunft des Stoffes aus jener Kirche bei Fuskirchen > immerhin auch der Gedanke an eine am Niederrhein unter burgundischem Finflufs entstandene Arbeit nicht, ganz aus- geschlossen sein möchte, und in seinem neuesten W^erk (Die Kunst des Zeugdrucks vom Mittelalter bis zur Emjjirezeit. Stral^sburg 1898 S. 26) nennt er schon etwas bestinimter , wenn auch noch immer zweifelnd , die Kölner Gegend als den Entstehungsort des bedeutsamen Stückes '-).

Diese Ansicht Forrers glaube ich wesentlich unterstützen zu können durch einen Vergleich des Zeugdrucks mit einer kleinen Reihe von Hand- zeichungen, die das Kupferstichkabinet des Germanischen Museums bewahrt (Hz. 37 und 38). Eine derselben, die als die Rückseite zweier anderer be- handelt war und aus diesem Grunde bisher so gut wie unbeachtet ge- blieben ist , weist nämlich fast genau die gleiche Darstellung wie unser Zeugdruck auf, nur dafs, da es sich überhaupt nur um eine Skizze handelt, die Architektur und der letzte der fünf Seraphim fehlt, zu einer Musterung des Hintergrundes erst lUichtige Ansätze gemacht sind und die ganze Szene überdies im Gegensinne erscheint. Unsere Eichtdrucktafel giebt an erster Stelle diese Seite und Darstellung des betreffenden Blättchens (Hz. 38) in Originalgr(')fse wieder. Ein X'ergleich mit der Textillustration zeigt, wie Zeugdruck und Handzeichnung sogar in Einzelheiten übereinstimmen. Die Haltung der heiligc-n Anna und der FaltcMiwurf ihres Gewandes, Haltung und Et'bcnsalter der Maria, die beidemale abweichend \-on anderen Dar- stellungen und noch mehr abweichend von der Fegende, wonach die heilige lungfrau kaum drei Jahre alt bereits \'on ihrt'U l^ltcM'n dem Dienste des T(;mi)cls geweiht wurde als i'twa 12- bis 14 jährig dargi'stellt ist. die An- ordntmg de!" \ier Hände, die tatzenai'tige lüldung dei- h'üfse bezw. Hände der Seraphim, von denen IxMdemale einer die Schriftrolle unten halten hiltt, die Behandlung des lockigen Haares der l'",ngel, ia 1 laltimg und Ausdruck ihrer

\'J Dn.s zuhtzt zuierti W'eik ist zur /i it dn ich dies srhreihe, wohl nerh kaum er^ehicncn. Mir l,i^ ein zum 'l\ul uurh liainlsclirillliches l'",\emiilar davon vor. das Herr I)r l'orrer die j- rcundlielikeit hatte, zur cinstw eiliifeu iknutzuniJ zu senden.

>

X

u

C

x: u

03

c^

>^

-^

0)

T3

C

•J.

■>-.

3

/■; . ''-^

c

v^-r>s

x: 0

^'*^

rf

--:^^

'o)

■>- -y

N)

iV;

/:>'

T3

CS

T!

-^-^^* ^^.fe*Ä#^^

- 97

Köpfe sind hier wie dort fast völlig die gleichen, fn einigen Punkten kann die Handzeichnung gewissermafsen als Kommentar für den Zeugdruck dienen. Man erkennt z. R. aus ihr er.st mit Deutlichkeit, dafs die je mit einer Art Auge endigenden Schwung- und Schwanzfedern der Seraphim nur der letzte, fünfte, der in der Handzeichnung fehlt, ist damit nicht in derselben Weise bedacht worden -- Pfauenfedern bedeuten sollen : ein sehr an- sprechender, wahrhaft künstlerischer Auffassung entspringender Ersatz für die zahlreichen Augen, die, eine frühe Entlehnung vom Cherub, sonst meist, etwa als goldene Flecken, das Gefieder der Seraphim zu bedecken oder auch, in Reihen gestellt, bandartig, wenig sinnvoll zu umsäumen pflegen. Dem allen gegenüber können die bestehenden Unterschiede , dafs in der Hand- zeichnung die Heiligenscheine fehlen, auf dem Zeugdruck der vierte der Seraphim, wie es scheint, eine geschlossene Schriftrolle in der Rechten hält etc. die wichtigeren Abweichungen wurden ja bereits angegeben nicht eben schwer ins Gewicht fallen ; es wird zugegeben werden müssen, dafs zwischen Zeugdruck und Handzeichnung sehr nahe Beziehungen ob- walten. Ja man wird sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen dürfen, dafs beide aller Wahrscheinlichkeit nach bezüglich des Ortes von Zeit und Werkstatt sehen wir hier noch ab der gleichen Herkunft sind, dafs also, wenn sich für unsere Handzeichnung der Entstehungsort nach- weisen liefse, er auch für den Zeugdruck nachgewiesen wäre.

Allerdings hat ein unwiderleglich sicherer Nachweis in Fällen wie dem vorliegenden seine grofsen Schwierigkeiten, grenzt, wenn dem Forscher nicht ein günstiger Zufall, ein glücklicher Fund zu Hilfe kommt, sogar ans Un- mögliche. Immerhin mufste es, da die nahe Verwandtschaft des Zeugdrucks mit der besprochenen und infolgedessen auch mit einigen weiteren Hand- zeichnungen desselben Meisters als ausgemacht gelten konnte, in hohem Grade lockend und lohnend erscheinen, nun auch in die weitere Untersuchung ein- zutreten, der Entstehung, der Schule dieser Handzeichnungen, die überdies nicht unbedeutende künstlerische Qualitäten aufweisen, genauer nachzugehen, selbst auf die Gefahr hin, keine sicheren Resultate zu erzielen, sondern etwa nur einen Wahrscheinlichkeitsnachweis zu erbringen. Diesen wenigstens glaube ich, wie ich der Entwicklung vorgreifend schon hier bemerke, im Folgenden führen zu können. Vielleicht dafs Andere, denen der Kunstkreis, um welchen es sich hier handelt, mit seinen originalen Denkmälern örtlich näher liegt, weiter zu gelangen, die Wahrscheinlichkeit zur Gewilsheit zu er- heben, im Stande sind.

Demselben Meister, der die bereits ln\sprochene I landzeichnung skizzen- haft, aber doch nicht ohne manche h\^inheiten in der Ausführung tMitwarf, geh()ren nun zunächst die beiden Zeichnungen an, welche die andere Seite des Blättchens einnehmen und auf unscM-er Lichtdrucktafel an zwcmIcm' Stelle wiedergegeben sind. Dic> IScMiutzung einc^s und d(\sselben Blattt\s und die Gleichheit in Stil und Ausführung man vei-glcMcln^ z. 1). Hikhmg und Aus-

druck des Gesichtes der heiligen Anna mit den Gesichtszügen der zweiten von dc^n beiden I'rauengestalten lassen darüber (Muen ZwiMfc^l nicht aufkonmien.

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XIII.

'JN

Die cisti' ilci l-"i;_;urcn stellt sich un^ als eine höchst nicrkwüi-dii^c Wt- niischimL: \ fi-scliicdciici- ikonoi^raphischcr Typen dar, für die ich keine /Xnaldi^it' hcilninL^cn kann. Ivs ist olVcnhar die juni^drau Maria, die, das lockiL^c llaupt ein wcnii; nach rechts xor^enei^t, in \vi;ittM\ taltema'icher Cje- wanihniL^ luhiL; dasteht. Aus ihrem Scholse nur mit dem Oheikrii"))cr hei'- \(inaL;end ist m kleiner ( li^staltuni; der ;^()ttliche Sohn sichtbar. In .älmHcher W'erse findet man. wohl l»ei 1 )arstellunL;en der 1 leimsuchun^" (^fele^eiitlich die l, 'oiiception anL^edeutet. doch mit dem wesentlichen L'nterschiede. dals dann n\L;elm;it'>iL^ sowohl hei .Maria wie bei der hdisabeth die edle Leibesfrucht in kindlichei- IhlduiiL; i'rscheint, während wir hiei" den 1 leiland am 1-nde seiner l'jl(iser!aufl)ahn dar^e'stellt sehen. I)as tote Haupt ist zur Seite ijesunken, die /iii^e des 1 )iilderantlitzes sind xon Schmerz \crz()<j;en, (iie durchbohrten 1 kinde liefen ki'euzweis i'ibereinandcr. Ivs ist di;'selbe k)arstellun^, die uns ])■ i d.en X'esperbildern . dei' ISewcinun;^ oder Pietä <^fcläufii^ ist. (jKdchwohl kommen Kumniei- und Schmerz in dem (iesichte unsr'rer Madonna nicht zum \"o]K'n .Ausdruck. Ist sie doch, wie die Krone deutlich zei^t, nicht vXwd als schmerzliche Mutter i^edacht, sondern \ielmehr als über alles irdische Weh erha!)ene ! lim.melsk()ni;^in (larl;(^stellt. Ms ist hier also der Versuch ^s^cmacht, die dri'i betleutsamstc.-n .Momente aus der (beschichte der allerseli^Ljstcn lung- trau in einem Ijilde, in e i m-r k'iLjur zu \ i'ix'ini^en. Maj^ man di^'sen Ver- such wdhl^ei^lückt nennen, den (jedankcMi selbst wird man nicht als besonders L^U'schmackvoll bezeichnen k('>nnen. Der Kimstler liat hi^'r mit dem dog- UKitisch gebildeten, tromm-gläubigen Christen nicht Schritt gehalten.

Weit mehr mutet uns die letzte Darstellung unscMws ISlattes, die noch zu l)esprechen bleibt, an. diejenige der Madonna mit dem Kinde. Die frei- lich allzu schlanke und kräftige (jestalt der heiligen inn-tVau ist ganz in ein taltc'nreiches (ji'wand gelüiUt, das nur das (jesicht, die rechte Hand und eine h'ufsspitze unbedeckt läfst. Das L hristuskind, das sie auf dem rechten, etwas steif gelialtenen Arm trägt, schmiegt seinen K.oj)f an das (jesicht der .Mutt(M- und liebko-t sie auch mit dem rechten Händchen, während sich beii '!(■!■ l.ipiien im Ku^se begegnen. 'Trotz der angedeuteten Mängel der /eichnunL.; \ err;it diicselbe do;;h eine nicht zu unterschätzeniJe künstlerische Kiaft. Da-- sinnig und natürlicii zum /Ausdruck gebrachte Motiv di-r Lieb- ko^uuL; und die feinen, seeleiv. ollen (jesichter von Muttir und Kind zt-ugen \ ou '1 iete der hjnpfindung . der kaitenw uid und der weiche bluls des (je- wandes, das offenbai' als ein WollenstolV gedacht ist, zeiL;e'n deutlich eine gute 1 lioliaclitun- unij tüchtige .Schulung an. \'on der hjgenart seines Denf;en^ und seiner .Auttassung \\ai'en bereits die \ orboprochenen bt^iden 1 landzindmungen unsei'es Meisters ein Zeugnis.

.\Is ^'(dnen Kiin.-tlei- lernen wir ihn auch .-'us der letzten der hiei' zu Ite-^pneliendtii I Iandzi-itdmunL;en kennen, deien /.u-eh(nigkeit zu jenen ani'.ei'en bi leit-^ duieh i!as gleiche l'apier, die i^leiclie d Cchnik' umi die gleiche l'roMniiuz so -Mt wn Ni(diei- l;i stellt wii'd. k.s ist der Heiland in \oller \'ordeian-^ii:ht und ganzer i''igur daigestellt, die Ivechtt^ segnend erhoben, in d'i Linken di.' .-sie^/ ^fahne. 1 bei- d( m Lnlei mwv ande träüt er um die

_ 99

Schultern einen weiten Mantel, der auf der Brust durch eine kleine rauten- förmige Agraffe oder 1 feftel zusammengehalten wird und zu seinen Füfsen beiderseits fast symmetrisch am Boden schleppt, sich rechts noch einmal um- schlagend. Wir werden auf dieses Motiv im weiteren Verlaufe unserer Untersuchung zurückkommen müssen. Ähnliches hätten wir übrigens bereits bei der Maria als Himmelskönigin zu beobachten Gelegenheit gehabt. Auch dort schlep[)t ein Zijjfel des Gewandes am Boden. Das langgelockte Haupt des Erlösers umgiebt ein kreuzführender Nimbus , wie ein solcher auch das Köpfchen des Christusknaben auf der an dritter Stelle besprochenen Hand- zeichnung umstrahlt. Das Antlitz soll Hoheit und Milde widerspiegeln, doch haben leider die Augen eher einen schalkhaften Ausdruck erhalten, der die bedeutende Wirkung des Blattes etwas beeinträchtigt. Die Stellung be- zeichnet oifenbar di(^ erste Phase der Auferstehungsgeschichte: der Heiland hat soeben glorreich das Grab verlassen. In ganz ähnlicher Weise ist der Auferstandene namentlich in später(;r Zeit häufig dargestellt worden.

Treten wir nun der I'rage nach Nam' und Art unserer Zeichnungen näher, so ist zunächst zu sagen, dafs uns, wie so häufig in solchen knallen, die Überlieferung v()llig im Stich läfst. Das kleine Aufsefs'sche Wappen, das beide Blätter tragen, zeigt nur an, dafs sie zum ältesten Bestände der Kupferstichsammlung des Germanischen ^Museums gehören. Im geschriebenen Kataloge werden sie als »altkölnische Schule des 14. Jahrhunderts« bezeich- net, ob aus anderen, gewisseren als stilkritischen Gründen, läfst sich nicht sagen. Ein Vermerk, woher sie etwa vom Ereiherrn von Aufsefs erworben wurden, findet sich nicht beigefügt.

Etwa.s bessere Ausbeute gewährt die P)ctrachtung der Äufserlichkeiten. Im geschriebenen Kataloge wercJen die Blätter Federzeichnungen genannt. Trotz der feinen Strichlagen mancher Partien scheinen <\s dennoch Pinsel- zeichnungen zu sein. Oder man müfste ein Zusammenwirken \()n Eeder und Pins(d annehmen wollen, denn mit der Eeder allein wären so sanfte Ab- schattierungen und L bc^-gänge kaum m<')glich gewesen. Auch der ZcMchner, der, bereits in den fünfziger Jahren, für das Bilderre])ertoriu]u des Ger- manischen Museums sorgfältige Kopien sowohl der Pliiumelskcniigin wie der AEidonna mit dem Kinde und des auferstandenen Christus angefertigt hat, b(>diente sich offenbar hierbei des Pinsels. Di(^ Earbe c;rscheint tiefschwarz, nicht, wi(^ auf unserer Eichtdrucktafel, mit eincnu Stich ins I:]räunliche. Als (hund diente ein starkes, hie und da leicht wolkiges Papier mit v.cMter Ripi)ung, die auch iiu Eichtdruck zu erkennen ist: 11 Ivi]i[)en =1 29 nun, ICs geht dahcM- nicht wohl an. das Papier seinem- l^itstehung nach später als in die achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts zu setzen. \'on Stegen ist in d(^i' Rippung ims(M-(M- Blätter nichts zu entdecken, dagegcMi weist das hier in Eicht- (iruck reproduzicM'te Blatt in einer l-xk'e ein alleidings nur zum kleincM-en '1 eil erhaltcMies \Yass(M-zeichen auf. Dieses W;)sserzeicli(Mi-Bruchstück sieht aus wie (^in durch drei helle EiniiMi in \ier ziemlich gleiche, etwa 3 7 nun l)r(Mt(^ Teile geteiltes I'^'agment eines Radc\s mit cMuer dünnen S])cMclie. Ich liai)e es in der mir zugänglichen einschlägigen Eitteralin- (Kirchnc.M-, Keinz, PiE

1 00 -

(]uc\ u '>. w. ) nicht idcntitl/icrcn l<()nn(Mi. \\n nächsten konniit ihm etwa (las 1)01 Kcinz Die \\'asserz(Mch(Mi tles XIW JahihundtMts in Handschriften der k. bayei'. llof- und Staatsbibliotlu'k in den Ahhandlunj^en der k. bayer. Akademie ^\cv Wissenschaften 1. ("1. XX. Bd. 111. /\ht. .MiinchtMi 1X96) iinter Xr. 60 abijebiKlete und beschriebene^ Wasserzeichen des 14. Jahrhunderts I dessen l'rinenienz übrigens dunkel bleibt), doch blicht unser Radfra^nnent auf der einen Seite deutlich mit eincM'. wie es scheint, (.^febi'ochenen Linie ab, worauf die ivipiu-n sich tortsetzen.

(jemäfs der l'j'fahrunii; mm, dafs sowohl KlcKStcM' wie Werkstätten sich bei dem re^en I'apicM'-KlcMnhandi^l damalii^er Zeiten in der Rei^el nicht mit ^n-(')1'seren l'a])ier\()rräten fiii' län^er(- Zeit zu \-ersehen ptle^^tiMi. dürfen wir wohl aus der beschriebenen Art lies fapieri^s schliefsen, dafs auch die I landzeich- nunj^iMi in iUmi achtzis^cr, spätestens neimziger jähren des 14. Jahrhunderts entstanden sind. Sic früher als 1378 zu datieren, ijeht schon aus dem oben mehrfach an^fezo<.,^enen Grunde nicht gut an.

Die ikonograj)hischcn Besonderheiten unserer Zeichmmgen sind bereits ausführlich dargelegt worden. l''in- die weitere Untersuchung ergiebt sich aus ihnen nicht eben \iel. jedoch luag schon hier auf die Ähnlichkeit, die zwischen imserer Madf)nna ir.it dmn Kinde imd der sog. Madonna mit der Hohnenl^lüte im K()lner Musinuu hinsichtlich des sonst nicht gerade häufig vorkommenden Gestus der Liebkosung obwaltet, hingewiesen sein. Zur eigent- lichen Führerin aber müssen wir nunmehr die Stilkritik wälilen und an ihrer PLand namentlich die h'ragc nach dem Entstehungsort zu beantworten versuchen.

Wir können auch da wohl, schon wegen der nahen Verwandtschaft der Handzeichnungen mit dem Z(;ugdruck, \"on vornherein die frühere Beschränkung eintreten lassen und wiederum lediglich fragen: niederrheinisch-kölnisch oder franz(")sisch-l)urgundisch.- Die erwähnte Ik-zeichnung der Blätter als -altkölnische Schule legt es nahe, diese .Möglichkeit in erster Linie zu c>rwägen, jene Be- Z(Mchnung, die aller Wahrscheinliclikeit nach aus dem allgemeinen Charakter der Zeichnungen, einem sicherlich nicht zu unterschätzenden Faktor, ent- sj)rang, zu\'f)rderst näher auf ihren Wert zu prüfen.

Auf di(; Zeit, in ilcr die noch streng stilisierten, ernsten Wandmalereien im KTjJner Domchor vermutlich durch die her\'orragendsten Kräfte unter den zeitgen()ssischen l\(")lm'r Künstl(M-n geschat'fen wurden, folgt in (jer Geschichte der kTilnischen MaK-rei jene l-]i)oche, welcher Mei.ster Wilhelm, der beste Maler in allen deutschen Landen , wie ihn der Limbui"ger Chronist nennt, ihr Ge- l>räge gegebtm haben mufs. Leider hat (\^ bisher nicht gelingen wollen, ein Bild \on der ICigenart dieses Meistcn's zu gi^winnen. Wir k(")nnen ihm zur Zeit noch k'cin Werk mit einiger Sicherheit oder auch nur Wahrsclunnlich- l;{Mt zuschi-eiben , wie denn Denkmäler der Kolner Malerei aus lenei' ICpoche iiberhaupt nui' .-iurserst späi'lich erhalten sind. AK'ister Wilht'lm stai'l) 137S; xcine Kunst und sein Stil kTiunte also für uns ohnehin zur X'ergieichung nicht in Betracht kommen.

Aber auch die folgenden j-jitwicklungsphasen tler Kolner .Malei'ei liegen noch sehr im Dunkeln. Firmenicli-i\ichai-tz, der sich m neuester Zeit durch

~ 101

zahlreiche Studien unbestrcibarc Verdienste um die Erforschung der alt- kölnischen Malerei erworben hat freilich mufste seine Thätic^^keit nament- lich für die älteste Zeit zunächst mehr im Xied(M-reifsen, denn im Aufbauen bestehen , knüpft bei der Betrachtung^ der Kölner Malerei in den Jahr- zehnten nach Meister Wilhelms Tod, die dann von der Kunst des Meisters der Madonna mit der Bohnenblüte abgelöst wird und die für uns hier von ganz besonderem Interesse ist, an die sicher datierten Miniaturmalereien der Privilegien-, Statuten- und Memorabilienbücher der Universität Köln an, die von verschiedenen Händen herrühren '•'). Sie stammen sämtlich aus den neun- ziger Jahren des 14. lahrhunderts und legen in der That Zeugnis dafür ab, dafs erst um diese Zeit der alte starre Stil des Mittelalters der für die spätere kölnische Malerei so bezeichnenden innigen, milden und indi\"iduellen Auffassung zu weichen beginnt, freilich müssen wir hinzufügen : in der Buch- malerei. Ob nicht für dit; Wand- und Tafc'lmalerei , soweit letztere damals schon existierte^, der Umschwung etwas weiter zurückdatic^rt und nicht doch vielleicht dem weitberühmten Meister Wilhelm kein ganz unwesentlichtM' An- teil daran zugeschrieben werden dürfte, was Firmenich-Richartz durchaus in Abrede stellt '■*), kann hier nicht näher untersucht werden. Gegenwärtig zu halten hat man sich dabei jedenfalls, dafs die grofse Malerei zu jener Z(Mt wohl mit der Bildschnitzerei nicht aber mit der von Mcnichen oder beson- deren Illuminatoren geübten Miniaturmalerei Seite an Seite und gleichen Schrittes marschierte, grofse Neuerungen und Stilwandlungen stets \on jener ausgegangen sind, während der Buchmalerei in der Regel ein konservativerer Zug anhaftet, alte Tradition in ihr länger fortwirkt. Das wird auch bei der I)eurteilung des Verhältnisses unserer Zeichnungen zu jenen Miniaturen in Anschlag zu bringen sein.

Unter letzteren verraten nur die in dem Privilegien-, I^d- und Statuten- buch von 1392 eine wirkliche Künstlerhand, wcmn auch nicht, wie h'irmenich- Richartz mcnnt, einen -Künstler allerersten Ranges . Xur diese stehen auch bereits \"öllig auf dem Boden des neuen Stiles, für dc>n überschlanke Zierlich- keit der Gestalten und minnigliche Zartheit der P2mpfindung so charak- teristisch sind, während die Miniaturen der anderen I]ücher bei handwerks- mäfsigercM- Ausführung noch mehr oder weniger in den IJahnen dcM' älteren, strengeren, gebundeneren Kunstweise \erharren. Dennoch läfst sich sowohl bei diesem, wie bt'i jenen eine ganze Reihe sicherlich nicht zufällig zu unseM'en Handzeichnungen stinuncMider Zügc^ aufzeig(Mi. So ist d\c. Zeichnimg imd Haltung des Kejrpers des Gekreuzigten in (Umu Statutenbuch xon i;!92'-'i

1,'^ V<4l. I''innc:nich-Richartz , ?*Icist(T Wilhelm. l-'.in(j Studie' zur dcsohicliu- der altkriluischcu Malerei, in der Zeilschril't für chrisiliclie Kunst i\' ilS'tli .<)). 'JöO (. Dic;- j(;nii^cn vier Statutenhücher, welche jetzt da.s .Stadtarchiv zu Kciln in \'er\\ ahruu;^ hat, nämlich das I'rivile^nen-, Kid- und Statutenliut'h der l'niversiiat von l.'l't^ \r. I ■, das Statutenbuch der medizini.schen l'akultjit von l,'!').'! Nr. 7i. das Privilegien-, Statuten- und jMemorahilienliuch von lH<)ö iXr. 'Ji und das l'rivilej^ienliuch der .Nrti.steutakultat von i:f')S (Nr. 4), habe ich dank dem liebenswürdigen l-]nt!_;e!^eukonnnen der Verwaltung des Kölner Stadtarchivs im ( lermanischen Museum benützen können,

14i a, a. O, S}). 'J5L' f. Irt) Reproduziert in dem mehrfach an^ezui^fenen Aufsatz

von I'innenich-Kichartz Sp. 24M.

102

fast l;imi;hi tue Ljlciclif . wir \)c\ der Darstclluni^' des Schmerzensmannes auf dei- oben an /wcitcf Stelle hesproclienen 1 landzeiclinun^ , und zei^t sich der weiche^ fa^t antikisc-]ie I-'altenlhils der ("lewandunL; des ICni^uds Matthaei in ckMUselbeii l'>uehe'') mit der W'ietkML^abe (.\cv CK'wandunL,^ ims(M"er Madf)nna mit dem Kinde auf das nächste \-er\\\UKlt. Im Ausdruck der Gesichter frei- lich und nauuntlieh in dei' lü-handluni; des I laares L,daubt man noch wesent- liche Abweichungen zu eikennen. W'iUu'end insbesondere das KTtpfchen des lüiLjels iibei- die liehandlunL^ der Kippte des 1 leilandes , der Maria oder des loh,amK\s aui diMU KreuziiLjun^sbilde des Buches kann man leider weL,'en der mauLielhaften kj-haltun*^ nur schwi^' urteilen <hu'cliaus dem bekanntc'n ry]>us des .M(-isteis des .Münchener X'eronikabildes etc. entspricht , nimmt man doch Anstand, die Kr)pt"e, wie si(; unsere I Iandzeichnun<4en aufw(,'isen, mit iiüdein wie die X'eionika i Kataloo der Gemäldesaumilun<^f der k^^d. cälteren Pina- kothek Nr. 1 I den Klai-enaltar, die Madonna mit der fjohnenblüte, (im K<)lner Museum I, d\c .Madonna mit den h2rbsenblüten oder St. Katharina und St. Elisa- beth (Katalog der im (jermanischem Museum befindlichen Genicälde Nr. 7, 88 und 89 1 und so \ielen andei-en iiber t'inen ijrofsen Teil Xiederdeutschlands \erbreiteten , kurz mit der ehemals fälschlich Typus Meister Wilhelms l,U"- nannten Stilrichtuni^ und Ausdrucksweise direkt in Parallele zu setzen. Dabei machen jedoch die Zeichnun^^^Mi nicht so sehr den h'dndruck ^(röfserer l'nreife --- h(')clistens die häufi:,; nach den inneren Au_L,U'nwinkeln hin verschobcMien Pupillen könnten an die Pro])lietenbilder aus denn I lansasaale des Kctlner Rat- hauses erinnern, mit deren strenger Art sie im übrigen nichts mehr zu thun haben - als den von Erzeugnissen einer anderen selbständigen und eigen- artigen Künstlerindividualität. M(>glich allerdings, dafs diesen" Eindruck durch die X'erschiedenheit der Ausführung der vielfarbigen (aemälde und Minia- turen einerseits, der (dnfaxh in Schwarz ausgeführten 1 landzeichnungen an- dererseits — wescmtlich bedingt ist oder doch \ erstarkt wird. Unsere Blätter mit autlu:ntischen K()lner Mandzeichnungen aus der W'eniJe des 14. Jahrhun- derts vergk-ichen zu kcuinen, habe ich bisher keine Gelegenheit gehabt.

Auch die Miniatui'en dei' anderen K()lner üniwM'sitätsbücher bieten bei einem Vergleich mit unseren ZeichnungcMi im Allgemeinen wie im HesoncJeren manclies .Analoge. I)a hnden wir bei deui lohannes des Kreuzigungsl)ildes. W(;lches das Privilegitmbuch (Um' Artistenfakultät von 1 39.S schmückt, wie bei unsere!' Madonna mit dem Kinde den wohlgelungenen X'ersuch gemacht, durch ent^pi'echende weiche \'erti-( ibung der I.ichtei' und Schatten den sanften Plufs und baltenwurf eines wollenen < )bergewandes w ie(ieizugel)en . wie wir das jUmlich auch bei K'ilnei' Tafel! )ild{M-n und W'ei-ken dei- Kr)lner I'lastik aus (Kmu letzten \ ieitel des 14. jaluhundei-ts beobachten kTinnen; man xci'gleiche z. !!. die G<\\andung des heil. |i liiannes auf dem \ on Schnütgen im 11. lahi'gange d.ei- Zeitschiift fin- ch.ri-tliche Kun>t il8,s9i Sji. 137 lV. publizierten und be- sprochenen altk-o!r,i^e!ien Tafelgemälde aus daui Kr)lnei- .Museum. Ganz t lesoni l<i- häufig bege;^net uns sodann in den Miniaturen die.ser Enivcrsitäts- biicher das ob(n näihei- beschiTTenc^ Moti\- dcvs am Hoden schle])pendt'n, sich

\>>j Rcpr(jilu/ii n Llieiiila.

103

in der Regel noch einmal umschlagenden Gewandzipfels, zuweihm bei ein und derselben Figur doppelt in fast symmetrischer Anordnung wie bei dem seg- nenden Heiland unserer Handzeichnung(>n ; man \ ergleiche hierzu namentlich den Engel des Matthäus in dem Statutenbuch der medizinischen Fakultät von 1393, die Madonna auf dem erwähnten Kreuzigungsbilde des Buches von 1398'') .Maria und Johannes auf dem Krc'uzigungsbilde des Privilegien-, Sta- tuten- und Memorabilienbuchs von 1395. Die unteren Teile der Figuren, des Ilauptbildes in dem Privilegien-, Eid- und Statutenbuche von 1392 sind leider durch das Auflegen der Finger bcn der Eidesleistung bis zur Unkennt- lichkeit verdorben. Dafs es sich hierbei in der That um eine specifisch kölnische Eigentümlichkeit aus dem 1^2nde des 14. lahrhundcrts handelt, scheinen auch andere k()lnische Arbeiten jener Zeit , wie beispielsweise die beiden in der Zeitschrift für christliche Kunst Vll (1894j Sp. 23 ff. von Schnüt- gen veröftentlichten altkölnischen Madonnenbildchen in durchsichtigem Email u. a. m. zur Genüge darzuthun. Schon im benachbarten Westfalen wie an- dererseits in der gleichzeitigen französiscli-burgundischen Kunst kommt es, so- weit ich sehe, in dieser Ausprägung kaimi vor.

Es könnte leicht noch eine Reihe weiterer Übereinstimmungen zwischen unseren Handzeichnungen und den .Miniaturen der Universitätsbücher oder anderen Werken kölnischer Kunstthätigkeit aus der VV'ende des Jahrhunderts namhaft gemacht werden. Die angeführten wichtigeren Parallelen genügen indessen, um die nahe Verwandtschaft beider Grin)pen zu erweisen. Und da nun der Nachweis ähnlich naher Beziehungen zur französischen Kunst oder niederländisch-burgundischen Schule auf erhebliche Schwierigkeiten st()fst nur die kräftig-schlanke Gestalt der Madonna mit dem Kinde scheint auch hier burgundische Einflüsse zu verraten, erinnert unwillkürlich ein wenig an (^laus Sluters Madonna vom Portal dcM- Karthause zu Dijon , so werden wir wohl unbedenklich unsere Handzeichnungen, in Übereinstimmung mit dem handschriftlichen Katalog, als Eeistung eines bedeutend angelegten Kölner Meisters aus der Wende des 14. Jahrhunderts ans})rec]ien dürfen.

Damit neigt sich aber auch hinsichtlich des Zeugdrucks, \'on dcAn unsere Untersuchung ausging und dei' im Mittelpunkt derselben steht, das Zünglein der Wage zu Gunsten Kr)lns, und es l)liel)e nun nur noch zu er- wägen, in welcher Zeit dieses bedeutende Stiick daselbst entstandi-n sein mag.

Auch darüber sind bisher die .Meinungen geteilt; die lunen m()chten als iMitstehungszeit des Zeugdrucks den Anfang des 15. Jahi'hunderts, Andere di(^ Zeit um 1440 in y\nspruch nehmcni.'^) Die h^ntscheidung darüber, welche von diesen beiden Ansichten der Wahrheit am nächsten kommt, würde ohne Zweifel ganz wesentlich erleichtert werden, wenn sicli das Verhältnis, in dem der Zeugdruck imd die an erster Stelle besprochene 1 landzeichnung zu ein- ander stehen, näher bestimmen Heise. KcMinte man nachweisem, tlals die Zeichnung ein k^ntwurf zu dem betreffenden ZfUgdruckniodel g(>wc\sen sei, so dürfte; man sicherlich die hLntstehungszeiten l)cMder nicht allzu weit ausein-

t7) Rcpro(lul<tiün l)ci Firmcnich-Richartz a. a. O Sp. '24'-). 18) Ycr^l. f'orrer, f)ic Zcumlrvicl<:e etc., S. 2')

104

antlcni'ickcn, niürsli- sich \iclnu-hi- notwendig,' zur ersten (Um- Ixidcn Ansichten hekenniMi. W'äi'e aber jenc^ Z(Mchniin^ etwa die Skizze zu einem jetzt unter- _Lii\i4an_i,UM-ien oder wiscIioIKmumi Tatel- odvv W'and^femälde, \()n dem dann erst der Modelzi'ichncM' die Darstellung; entlehnt hcätte, so läL,*e zu so früher Datieruui^ des Zt'U^drucks nicht die L^leiche X()ti,<^ani^' xor. Mcmu subjektives F^mpfintien um sichere Anhaltspunkte^ kann es sicli kaum noch handeln neit^ft melir der l(>tzteren Auffassung zu. Es kommt dafi'ir u. a. dc-r durchaus statuarische CharaktcM" der in den drei anderen Mandz(nchnun^»en zur Dar- stelluni,f _i,ud-)rachten l-'iL^urcMi in Betracht, die wahrsclieinlich auf (Mne Aus- führunt^f in Holz berechnet waren. Davon weicht allcrdini^s die Darstellung der heilit^en Anna mit der Junj^^frau Maria und den vier Sera])him erheblich ab. Sie war oline Zweifel eher auf eine malerische Wiedergabe^ als auf eine Ausführung in Relief oder gar als plastische Gruppe berechnet. Die Hand- zeichnungen entstammen also augenscheinlich einer ansehnlichen, namentlich mit der Herstellung von Altären, Heiligenfiguren, bemalten Reliquien- schreinen u. s. w. beschäftigten Maler- und Ijildschnitzerwerkstatt, und dafs man bei einem solchen Betriebe nebenher auch Zeit gefunden habe, Vor- zeichnungen für den Zeugdruck zu fertigen, ist nicht sehr wahrscheinlich. Vermutlich war diese Arbeit Sache der Zeugdrucker und Modelstecher selbst oder blieb den Formschneidern für den Holzschnitt, den Wappen- und Brief- malern etc. überlassen.

Trotzdem aber möchte ich, auch wenn es sich so verhalten sollte, was schwer mit Sicherheit zu entscheiden sein dürfte , den Zeugdruck zeitlich nicht allzu weit von unseren Handzeichnimgen fortrücken, vielmehr annehmen, dafs die originelle und wirkungs\olle neue Darstellung einen feinsinnigen Künstler unter den Zeugdruckern alsbald zur Nachahmung gereizt habe. Stilistische Gründe stehen einer solchen Annahme, nach der wir also die Ent- stehung unseres Zeugdrucks etwa in das erste Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zu setzen hätten, meines Erachtens nicht entgegen, sowenig sich allerdings aus der Art der Darstellung des Zeugdrucks selbst triftige Gründe gegen eine spätere Entstehung desselben beibringen lassen.

Doch wir sind damit unversehens auf das (Gebiet der reinen 1 lypothese gelangt, in das wir nicht weiter xordringen wollen. Die l''rage nach dem Namen \-on Zeichner odtn- Ztnigdruckcr bleibt^ unberührt, und nicht minder die Frage, welche Stellung dem ]\I(Mster unserer Handzeichnungen innerhalb der Geschichte der altki'jlnischen Malerei t^twa zuzuweisen sein mcichte. Bei einem Vergleiche; mit d(;m gesamten \'orratc> an DenkmäkM-n der k(")lnischen Kunst aus dem Juitle (U\s 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts, der Zeit des i'bergangs \om alten zu (;inem neuen Stil, wüixie sich ohne Zweitid noch manches nicht Uninteressante für die ZtMchnungen u.nd ihre kunstgeschicht- liche Bedeutung ergelxMi, Vüv uns wart'U sit' hier zunächst nur Mittel zum Zw(;ck.

N ü r n 1) e r g. 1" h. I I a m p e.

Ein Brief des Abtes Heinrieh von Herrenalb aus dem Jahre 1429.

^as erst kürzlich in den H(;sitz des .Museums gelan_i(te Pergament- Original ist nicht ganz xollständig. Pls ist unten be\schnitten , so dafs die Siegel fehlen, und an der linken Kante den Rand herunter, so dafs zu Anfang jeder Zeik^ sich (nne Lücke befindet. Obwohl es sich jedesmal nur um wenige Worte handeln kann , so sind diese Lück(>n doch nicht leicht zu ergänz(m und erschweren das Verständnis des Inhalts. Das Äufsere des Dokuments läfst darauf schliefsen, dafs es als Hucheinband \ cm- wendet worden ist.

Das Schreiben ist gerichtet an den Abt von Citeaux und die übrigen ehrwürdigen Äbte und \'isitatortm (diffmitores), die zum jährlichen General- konvent des Ordens in (Mteaux (aput Cystercium) x'cn'sammelt sind. Abt Heinrich, der ordnungsgemäfs zur Teilnahme; \erpflichtet ist (Zeile 4: ex ordine obligor etc.), entschuldigt sich, dafs er wegen grofser und schwerer Geschäfte, die seinem Kloster obliegen, nicht kommcni fcönne. h^s handelt sich, wic^ aus Zeile 5 und 6 hervorgcdit , um einen auf den nächst bevorstehenden 8. Septeml)er (prejximum festum nativitatis Maric^j angesetzten Schiedstag zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen dem Abt Meinrich und seinem Kloster einerseits und einem anderen Kloster andcn-erseits. Die k'eststelhmg dieses zweiten Klosters kann nur aus der einmaligen, am Anfang der sechsten Zeile durch eine Lücke unterbrochenen Bezeichnung den- W^ortc et monasterio . . . Albe ex parte altera erfolgen. Da als der Name dieses feindlichcMi Klosters ebenfalls Alba genannt wird, und dieses zugleich in Gegensatz zu meo mona- sterio Ilerrenalb gesetzt ist, so kann wohl nur an Frauenalb gedacht werden, welches als benachbartes Klo.ster auch ganz gut pafst, obschon auffällig bleibt, dafs es nicht ausdrücklich Alba dominarum genannt wird; die Lücke scheint, der Wortstellung nach zu urteilen, kaum das Wort dominarum enthalten zu haben , da dominarum doch hinter Albe stehen mufste. Als Schiedsrichter in dem Streit wird der Graf Bernhard v. ld)erstein namhaft gemacht. Der Abt Heinrich kann sich jetzt kein(\sfalls entfernem , unel er beM-uft sich auf (las Zeuignis eMues aneJeren .Abte^s, le)hannes mit Xanie'U , dem die Sache' bekannt se'i und den- ihn, wie e:r hoffe-, durch wahrhentsgetre'uen Ben-icht ent- schuldigen we'reje. Welchem Klosten- der .Abt Je)hanne's \ e)rge;standeni hat, ist nicht ersichtlich, ela dcv Name' eies Kle)sters ge;raeie' in eleu Anfang de'r Liicke' von Zeile 8 fällt. Abe'r noch e'inen zweMteni 'lag, eicn e'r be'suchen nnifs, gibt y\l)t Heinrich als emtschulelige'nden Gi-und scine's Xichtcrsclu'inens auf dem Ke)n\-e'nt zu Citeaux an. Nach Zeile 9 hat auf W'ranlassung eler h^dlen ve)n Ryetpur ele'i' .Markgraf \e)n [iade'U die\sen Tag ange'setzt, be'i euin es sich ohne Zweifel ebenfalls um eie'U Austrag \'on Streiligkeite-n, hie;r \\e)hl zwischen ele'm Kloster unel den genannte'U l'^dle'U, haneleln uirel. Wir sehen, die' Lage' eies Kle)ste'rs ist In^drängt. Abe'r ne)ch Anele'ics ke)mmt hinzu. Auf de'Ui Kloster lasten gfe)fse Schulelen (pre>])te'i' magna sarcin,i eJebitejrmn i unei de'i Al)t sie'ht sich (Ze'ile' 12) zu denn unangeniehnu'n (Aeständnis ge'n()tigt, elaf'- er

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XIV.

1 06

kainii bei seinri- Anwesenheit im Kloster im Stande wäre, die Gläubi^ei' zu befriedigten und zu besänftigen, und wie die Lücke wohl er^^änzt werck^n kann zu \ ci h i ndcM-n s dal's sie soj^ar di(^ Güter des Klosters in Besitz nehmen i Zeile 13). Wie \icdmehr würden sie in seiner Abwesenheit dies ohne Zweifel zum ^nofsen Schaden des Klosters zu thun nicht unterlassen ! Die Gründe des Abtes, wie man sieht, sind triftii^s und beweglich klagt er in Zeili^ 14 und 15: Da Derartiges, wie das Erwähnte-, und Anderes ach! täglich \c)rfällt, so bin ich gezwungen Eure Gnaden mit gebeugten Knieen anzutiidien , dafs ihr mir gestattet, vom Generalkapitel zurückzubleiben, was auch meinem Konvent nötig und \ernünftig erscheint wegen verschiedener Geschäfte und Gel'ahren.« Er fährt dann fort (Zeile 16); »Es (Teignet sich s(; Vieles, was abhängig ist und hervorsprofst ') aus den verkehrt gewordenen (oder zurückgeschobenen, rückwärts gerichteten) Zeiten," a retroactis temporibus, und nachdem er in seinem eigenen geringen Namen und zugleich in dtmi seines Konventes die besten Segenswünsche ausgedrückt hat, bittet er zum Schlufs noch einmal , man möge alles Vorausgegangene für wahr und not- wendig halten.

Ein Bild des Zerfalles der Klöster ! Hader mit den Nachbarn, trotz der Güter Schulden ! Die drückendsten Verhältnisse in einem der Cisterzienser- klöster, die sich sonst gerade durch wirtschaftliche Blüte, Kultivirung des Landes, durch gute Ökonomie auszeichneten. Über die Abhaltung der Ge- neral-Kapitel sagt R. Dohme-i: -> Alljährlich an einem bestimmten Termine haben sich die Vorsteher sämtlicher Ordensstiftungen in der gemeinsamen Alutterabtei unter dem Vorsitze des dortigen Abtes zu \ersammeln. Das Richterkollegium bestand aus den Abten der fünf ersten Klöster, deren jeder noch vier .Definitoren' hinzuwählte, mithin im Ganzen aus 25 Personen. Jeder Abt war verpflichtet, auf diesen Versammlungen zu erscheinen, nur schwere Krankheit entschuldigte, oder bei weiterer Verbreitung des Ordens zu grofse Entfernung seines Wohnsitzes von Citeaux. In letzterem Falle aber sollte Jeder doch wenigstens alle drei lahre einmal erscheinen. < Weiter unten heifst es dann: -Ereilich mochte sich im Lauf(; der Zeiten eine laxere Befolgung des Gesetzes gcdtend machen, und oft \erhinderten die bürgerlichen Unruhen und Kriege geradezu die Abhaltung der Kapitel, so dafs Unterbrechungen bis zu 20 Jahren eintrettm mufsten.« Für diese Darlegung gcnvährt das Schreiben des Abtes Heinrich eine ebenfalls die Zeit charakterisierende Illustration.

Drei Stellen in der Urkunde beziehen sich auf die Erage der Besiege- lung. Zeile 5: sigillum generosi domini Bernhardi comitis de k'berstein prae- fixi michi etc., Zeile 16: attestante hoc sigillo sucj hie flnaliter coapjxmso, und endlich Zeile 19: sigilla nostra praesentibus sunt appensa. Dit- beeiden ersten Stellen sind lückenhaft. Jedenfalls ist anzunehmen, dafs Graf lUM"nhard sein Siegel mit an den Brief gehängt hat, um die; Aussagen des Abt(>s zu bekräf-

1; 'le])(jn(icnri;t und pullulancia kann auch als .Apposition zu nc<^'ocia und jiericula ijf-h'iren. je nachdem f\\e b(icl^(; zu Anfang von Zeile Id au.szufiillen ist.

2i R. Dcjhmc. Die Kirchen des Cistcrcicnser-Ordens in Deutschland, Berlin, 186.S. S. 22 u, 2,3.

107

tigen. Sein Siegel hing wohl an erster Stelle ; darauf könnte praefixi deuten, obschon wahrscheinlicher ist, dafs das praefixi in demselben grammatischen Sinn angewendet ist, wie in den Worten Zeile 8 : Alius quoque dies michi praefixus est. Die zweite^ Stelle Zeile 16 spricht ebenfalls von einem zum Zeugnis am Schlui's mitangehängten Siegel, doch Icäfst sich wegen der Lücke die grammatische Konstruktion nicht genau erkennen. Es kann der Konvent gemeint sein, dann würde man zwei Ablativi absoluti anncdimen können, und also ergänzen und interpungiren : attestante hoc, sigillo suo hie finaliter coap- penso, conventu: indem der Konvent dies bezeugt, dadurch, dafs sein Siegel hier am Schlufs mit angehängt ist. Einfach wäre die Sache, wenn man attestanti (Dativ) lesen kcmnte, dann wäre attestanti als Apposition zu meo conventui in Zeile 15 zu beziehen, und die Übersetzung würd(> lauten: es erscheint auch meinem Konvent nötig, welcher dies bezeugt, indem er sein Siegel zum Schlufs mitangehängt hat. Doch müfste man dann einen Schreibfehler an- nehmen, da deutlich attestante dasteht. Es kann sich auch die Stelle wieder- um auf den Grafen [Bernhard beziehen, doch ist dies weniger wahrscheinlich, da er zum zweiten Male kaum in dieser Form eingc;führt wäre. Sehr wohl kann man aber an eine andere, wegen der Lücke nicht erkennbare Person denken. Die letzte Stelle, Zeile 19, ist wohl ganz klar. Sigilla nostra sind wohl auf das Siegel des Abtes und das des Konventes zu beziehen, da cnne derartige I3esiegelung ja dem Herkommen entspricht und sich in vielen Ur- kunden findet. Es sind also entweder 3 oder 4 Siegel an der Urkunde ge- wesen, drei, das des Grafen Bernhard, das des Abtes und da.sjcnige des Kon- ventes, oder vier, nämlich die Siegel der genannten drei Personen und das- jenige einer vierten nicht erkennbaren Person, auf welche sich die Worte in Zeile 16 beziehen.

Über das zur schwäbischen Pro\inz des Cisterzienser-Ordens gehörige Kloster Herrenalb zitier(" ich zum Schlufs noch die Notiz aus E. Schnell, Die oberdeutsche Provinz des Cistercienser-Ordens , S. 235: 1 lerrenalb , alba do- minorum, früher Filial von Neuburg, später von SaUnn, in der Dir)zese Speyer gelegen, wurde 1148 von dem Grafen Berthold \ on h^berstein und seiner (lemahlin Utta gestiftet.

Es folgt nun die genaue Wied(;rgabe des Dokuments, indem wir die Schreibart buchstäblich beibehalten und unsererseits nur die Interpunktion hinzufügen.

Excusaciü domini abbatis de all)a s])ir(>nsis diocesis. (1) . . . US et dominis, domino dignissimo abbati C'ystiM'cii c(?t('risquc^ venera- bilibus dominis abbatibus et diffinitoribus xniucrsis (2) . . . aput Üystcrciuni in dei nomine congregatis frattu' lleinricus, huniilis abbas nionasterii in Alba dicti ordinis Spirensis dyocesis (^3) . . . dam obedicncie pi'cMnptitudintmi om- nibus et singulis exhibendam cum rcnierencia et honore subiectis. (juia ad capitulum generale (4) . . . ex ordine obligor ad {)resens \t-nire non \aleo propter magna et ardua negocia meo monast(Mio incumbentia })raesertim (5) . . . Sigillum trenerosi domini üernhardi coniitis de. l^bcrstt^in i)ra('ri.\i niiclii et

lOS -

mco monastcMici ex i)art(' \na et nionastcrio (6) . . . Allx' ^> ex parte altera circa proximuni testuiii natiuitatis gloriose \irgini.s Marie tamqiiam arbitris*) a nobis ex utra(]U(^ parte electi (7) ... ine ab eo \lluinf)d(j ab.senture j)()ssum. Sicut eciaiu hoc iiotuiii est venerabili patii et doniino lohanni abbati iiiona- sterii (8) . . quem .spero m(^ excii.sare erga ve.stras pat(>rnitate.s relacione \eii(-lica. .\iiiis quoque dies itenini niichi j)raefixus est (9) ... dus \)cv illiistrcMii principem doniinum Marchioneni de IJaden'') ex parte nobiliuni de Ryetpui' quem eque minus \aleo (10) . . . uersaliter sin^ulis et sigillatim '') \ niuersis humiliter et obnixe sui)plico dictis patribus abbatibus et specialiter ditfini . . (11) . . . dictorum impefliinentorum facto et re ita s(^ habc^ncium ut praemissum est necnon i)ro])ter magna sarcina') debitorum circa \. . (12) . . . beni persoluendoriim me habeant (^xcusatum. Cum enim presens exi- stens non uel \ix \aleo comi)escer(.> ac si^dare creditores (13) . . . ut et occu- pent bona monasterii, quantomagis in absencia inei hoc sine; dubio cum magno tlampno non obmitterent. lliis (14) . . . s praemissis nee non et aliis cotti- die heu incidentibus cogor \estris paternitatibus supplicare genibus prouolutis, quatenus (15) . . . atis remanere a capitulo generali, quod et mc^o conuentui videtur esse neccssariuni et racionabile propter diuersa negocia et pericula (16) . . . incidunt dependencia quodammodo et puUulancia aretroactis '*) tem- poribus. attestante hoc sigillo suo hie finaliter coappenso (17) . . . conuentus erga omnipotentem deum et vestras j)aternitates legales quantum suppetit nostra

paruitas votis onmibus (18' creri, suscipientes in animas et conscien-

cias n(\stras'') omnia praemissa esse \(M'a et necessaria. In quorum onmium praemissorum (19i . . . iom sigilla nostra praesentibus sunt appensa. Datum in nostro monasteric; praetacto , ipso die decollacionis sancti Johannis'") (20) . . . millesimo quadringentesimo vicesimo nono.

3j Frauenalb.

4i Es steht deutlich arbitris da; man erwartet arbitri als Genitiv, homogen Bern- hard! und electi; jctlenfalls hat der Schreiber den Genetiv im Sinne (,'chabt. Das Mönchs- latL-in zei^'t sich auch z. H. Zeile 8 : (jucm spero me excusare.

!^} Es ist Mark(,'raf Bernhard I. l'i;i79--1431), der nach dem Tode seines Bruders Rudolf YII (s^est. l,'591i die <^'anze Mark^rafschaft allein beherrschte und nach einer thäti<4en, inhaltreichcn Regierung allgemein l>etrauert starb, ("ber ihn als F()rderer der Werke des Friedens, als welcher er hier erscheint, sagt Fr. v. Weech , Badische Geschichte, S, .5S; Die Kirchen unii Klöster seines Landes durften sich seines Schutzes und seiner P'reigebigkeit rühmen; dem Kloster Frauenalb gab er schon l.'^96 eine neue, bisherige Mifsstände beseitigende Ordnung; unter seiner Mitwirkung wurden 14(i3 die' in den Kriegs- läuften zerstörten Klostergebäude von Herrenalb wiedc-r aufgeluaut und befestigt, die Benediktinerabtei Gottesaue beabsichtigte-' er mit der im Jahre 14L'3 erwirkten Ge- nehmigung des Paiistes in ein Kartäuserkloster umzuwandeln und beschenkte , als sich dies Vorhaben nicht ausführen liefs , das verarmte (iotteshaus mit namhaften Summen, dem Kloster ^chuarzach erteilte er 143ii einen Freibrief, welcher die bisher ihm zu- stehenden Di( nste und (jefälle der Klosterleiite dem Kloster überliefs.

u) g'eieh singulatim.

7, müfst( i^ropter magnas sarcinas heifsen, Schreiber tiimmt ein Wort sarcinnm an.

S) in eint 111 Wort geschrieben, gleich a retroactis.

9 ' Man uiu'de nestras erwarten; aber es steht deutlich nostras da. 1(1; 2'», August.

X ii ]■ n b e r o. R, Sc li m i d t.

109

Ein süddeutsches bürgerliches Wohnhaus vom Beginne des 18. Jahrhunderts.

(Mit 14 Tafeln.)

(Schlufs.)

Die Wäsche- und Kleiderkammer (Taf. XII).

lenn nicht noch im oberen Geschosse , so dürfte sich die in der Überschrift j^^enannte Kammer, in dem Aufbaue befinden, welcher in der Einleitung für das beschriebene Haus angenommen wurde. Zwei verhältnismäfsig kleine Fenster, deren geringe Gröfse und Tiefe für ein höheres Stockwerk sprechen , geben dem ziemlich grofsen Räume nur spär- liches Licht, welches das Oberlicht über der einzigen Thüre dieses Raumes zu verbessern bestimmt ist. Die Decke ist Stuckarbeit, der Fufsboden ge- brettert, die Wände mit Nischenbögen wohl einfach weifs oder gelb getüncht. Der Bestimmung des Raumes entsprechend ist die Ausstattung eine sehr ein- fache; sie besteht beinahe lediglich aus Wäsche- und Kleiderschränken.

Der doppelthürige Schrank direkt neben der einzigen Thür der Kammer zeigt ein von drei runden Säulen, welche halb heraustreten und hübsche Ka- pitale haben , getragenes Gebälke. Im Fufse befinden sich ein oder zwei Schubladen. In diesem Schranke wurden die Kleider aufbewahrt ; auf welche Weise man hiebei verfuhr, wird weiter unten nach der Nürnberger »Haufs- Halterin« dargethan werden. Oben auf dem Schranke stehen einige runde Papp- oder Holzschachteln, welche bemalt oder mit Buntpapier überzogen ge- wesen sein und Hüte und Hauben der Frauen des Hauses bewahren dürften. An der Seite des Schrankes hängt eine Tafel, welche wohl zum Aufschreiben der Vorräte diente.

An der gegenüber liegenden Wand der Kammer stehen zwei Schränke, alle beide bedeutend einfacherer Art wie der vorstehend beschriebene. Der vordere zeigt architektonischen Aufl^au. An der Stelle der halbrunden Säulen des erstbeschriebenen Schrankes finden sich einfache glatte Pfeiler. Er hat auf einem Untersatze mit zwei Schubladen, zwei Kästen, jeder mit Doppel- thüren und an den Seiten eiserne Handgriffe, um sie im Falle einer Umstellung oder eines Umzuges oder bei h^euersgefahr bccjuem tiansportieren zu können. Die Thüren haben einfache, wohl durch aufgesetzte Leisten gebildete Füllungen. Auf dem niedrigen Gesimse steht ein flacher Giebel, der in der Mitte auf der Fortsetzung des durchgehenden Pfeilers eine Vase enthält wie sie etwas kleiner, auch zu beiden Seiten des (liebels auf dt;n Seitenpfeilern stehen. Oben auf dem Schranke stecht ein längliches Kästchen, wenn es sich hier nicht etwa um cnnen Aufsatz handelt, der zum daraufst(^llen von Gc\genständen diente. Die eine Thüre des oberen Kastens ist ger)ftnet, man siecht, dafs der letztere durch zwei wagrechte Bi-etter in drei l-^ächer geteilt ist , \ on d(Mien die beiden unteren mit Wäsche gefüllt sind. Es dient der Schrank also zur Aufbewahrung der letzteren.

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XV.

- no

X(^btMi di(\seni Wäschcsclirank steht ein zweiter, der tiDch einfacherer Art ist. l-^r hat auch einen Untersatz mit Schul )lad(^ auf dtmi der doppel- thürigi^ ein<^esch()ssi!_;(' Schrank mit tälinhcher einfacher, architektonischer Gli(;- diMuni^^ \vi(^ dcv \ oibeschriebent;, steht. Das Gesims ist jedoch kräfti^^er ent- wickelt ; es wird ebenfalls durch einen Gii^iel <,fekr<')nt , d(M- über die «^anze Breite des Schiankes ^udit und ohne Urne ist. Das McUx;) ist wohl als Klei- derschrank anzusprechen.

Was sich sonst noch an M(")beln in diesem ivaume In^hndet, dient alles mehr odt-r weni^u;r dem Zwecke desselben. In der Mitte steht ein grofser Tisch mit geschwcnften, durch einen Steg verl)undenen k'i'ifsen; er ist mit einem Tischtuche bedeckt, auf welchem einige kleine Stöfse Wäsche liegen. \'or dem Tische steht eine l-]ank (oder Truhenbank.'), welche wohl zum darauflegen der Wäsche, wenige^" zum daraufsteige n l)eim Einräumen derselben in die Schränke diente. Zu diesem Zwcxke ward vielmehr vorzugsweise die dreistufige h()lzerne Trej)pe xcrwtMidet, w(>lche xor dem Schrank, dessen eine obere Thüre geöffnet ist, steht. X'or dieser Treppe steht ein flacher vier- eckiger Korb, welcher di(^ frisch gewasch(>ne Wäsche birgt, welche di(^ dar- über gebückte Frau in den Schrank einzuräumen beabsichtigt. Eine weitere Partie Wäsche, die unterzubringen ist, befindet sich auf einem Brett, das auf zwei Querleisten auf dem Boden liegt.

Aufser der erwähnten Frau befinden sich noch zwei weibliche Wiesen in dieser Kammer. Nahe der offenen Thüre steht die stattliche Hausfrau und sagt dem vor ihr stehenden Töchterchen, in welcher Weise sich diese bei dem Einräumen der Wäsche fjeteiligen soll. J'rühzeitig mufs das Mädchen mithelfen, um selbst einmal eine tüchtige Hausfrau zu werden.

Auch \'or dem zweiten Schranke rechts steht ein Korb , diesmal ein runder, mit Wäsche. Zwischen den beiden Fenstern hängt ein viereckiger Spiegel , dessen Rahmen eine geschnitzte Bekr(')nung hat ; die Frauen des Hauses wollten doch gleich schon hier oben sehen, wie sie dies oder jenes Stück kleide. Unter dem Spiegel steht ein \icrbeiniger Stuhl mit geschnitzter Dehne und herzförmigem Ausschnitt zum Anfassen, ein heute I']auernstuhl genanntes M(")bel. In der Ecke rrchts leimt ein Brett zum lüigeln oder Plätten (Jer Wäsche , links steht ein Mr.ljcl , das zwischen Schemel und Bank die Mitte hält; auf ihm steht mit vic-reckigenn Untersatz ein auf gewimdener Säule ruhcmJes KlTippelkissen, (Jas hier untergebracht WcU-, wenn die l^rauen es nicht zur Arbeit beuf^tigten.

Die Xürnberger Haufs-Halteriiv kennt nur eine Kleiderkammer; die Wäsche wurde nach ihr, soweit (,\s kiettzeug war, im Schlafzimmer aufbewahrt, im ül)rigen schweigt sie sich darüb(M' aus. Es ist dalun" wohl nur \-ergessen \vr)i-d('n zu erwähnen, dafs Wäsche auch in dei' Klciderkammer zu finden ist. Ubei' letztei'e belichtet die Nürnl)erger Hauls-HaUcrin k'olgendes:

Was in di(,' Kleider-Kammer g(_'h(")re , ist aus deren Benennung leicht abzunehmeii, nenilicli ein und amlere J-iehälter, die kehren- und andtMe saubere Kleidei-, so man nicht täglich an zu tragen pfleget, darinnen aufzuheben, vor denen Schaben, .Staub uncJ andern Uni-einigkeiten zu \e!"\\ahren. und in guten

- 111

Stand vor Verderbnis und Schaden zu erhalten. Es ist aber hier billig an- zumercken, dafs die lange Kleider beedes der Mann- als Weibs-Personen besser hangen als liegen, daher dann, wie die gemeine Behälter mit Fächern inn- wendig unterschieden und abgeteilet sind , was beliebt , darauf zu legen , so haben die Kleider- Schräncke solche nicht, ohne etwan nur zu öberst ein einiges Fach, da sie hingegen mit Schrauben verschen, besagte lange Kleider daran zu hängen ; Zu den Mandeln sind besondere Mandelhöltzer an den hin- tersten Bret vest angemachet, darüber man selbige schlagen , und so dann mit einen reinen Tuch überdecken kan; Zu den Weiber-Röcken aber und bey uns sogenannten Schürtzcn, hat man besondere runde mit Ralfen umbundene, oben etwas enge, und so dann immer zu erweiterte Stöcke, welche man oben an eine Schraube, und also einen oder mehr Röcke über einander daran her- um hänget, auf welche sie unverkripptilt ihre Falten auf das schönste behalten. Sehr wohl ist es gethan, wann man diese Behälter und Schräncke also ein- richtet , dafs sie auf beeden Seiten mit starcken gegen einander in gerader Linie übc^rstehenden Fältzen versehen werden , worein man nach Belieben hiezu gerichtete schcm glatt gehobelte Bretter schieben, und also einen gemeinen Behalter mit Fächern daraus machen kan; so man aber besagte Bretter ent- weder alle, oder nur etliche nach Befinden heraus ziehet, auch zu einem Klei- der-Behalter dienet: So man einen Cberflufs von ungerichteten Betten hat, kann man selbige auch herein in diese Kammer stellen, ob sie schon ihre Benennung von den Kleidern, so darinnen aufbehalten, hauptsächlich erhalten. <; in gleicher Stockwerkhöhe mit diesem Räume dürfte sich die

Magdkammer (Taf. XII l) befinden. Dieselbe hat in der Anlage grofse Ähnlichkeit mit der Kleider- kammer. Auch sie hat nur an der schmalen Seite zwei nicht sehr grofse Fenster und auf der linken Seite eine Thüre, aber eine einfachere, ohne Ober- licht. Dann sind die Langseiten der Wände nicht getüncht , sondern mit einfachem , aus Rahmen gebildetem Täfelwerk versehen. In gleiclier Weise ist die Decke ausgeführt, der h\ifsboden aber scheint gepflastert zu sein, was für eine Schlafkammer bei unserem rauhen Klima allerdings nicht sehr an- genehm war.

Das Hauptmöblement dieser Kammer bilden die beiden Bettstellen, die sehr einfacher Art sind, keinc^n Himmel haben, daher einer besonderen Be- schreibung wohl nicht bedürfen. Der Kopfteil des im Hintergründe stehen- den Bettes wächst aber doch ziemlich in die H()he und ist von einem Giebel gekrcmt. Vielleicht darf aus dieser Verschiedenheit geschlossen werden, dafs in dieser besseren I^ettstatt das Töchterchen des Hauses zu ruhen pllegte. Denn es war damals noch wie im 16. Jahrhundert Sitte die Mädchen, wc^nn sie gröfser waren, Nachts in der Magdkammer, die Knaben bei den Dienern unterzubringen. .Man mufs bei den letzteren nicht gleich an Hausknechte und Hausdiener denken, es wiu-den als Diener auch die Buchhalter, Kassiere u.s.w. bezeichne!, die in einem Kaufmannshause thätig waren imcl daselbst, wie all- gemein üblich, auch Wohnung und Essen hatten. Die Nürnberger Itauis-

- 112

Ilaltfiin sai4t hicMiibcr : W'.inn d\c Kinder das siebende^ und achtt^ jalir er- reichet halxMi, })fle_L(et man sie aus dies(M" Kinder-Stube JKTaus, und entweder die Eltern zu sich des Tages in die Wohn-stube , und des Nachts in die Schlaf-kanuiier zu nehmen, oder so es S(')hne, zu den I^cnlienten, so es aber Töchter, zu dcM- Heschhesserin imd Mägden in (He Kammer zu legen, und schon allgemach zu ernsthattten Sachen und etwas nutzliches zu erlernen, an zu gewehnen.

Es spricht für ein sch(")nes Verhältnis zwischen Herrschaft und DicMier- personal, dafs erstere kein Bedenken hatte, den in ihrem Dienste Stcdienden das Liebste anzuvertrauen, was sie hatte: ihre Kinder; heute sind solch(> Ver- hältnisse wohl nur Ausnahmen. Zwischen der Bt-ttstatt der Magd und der Wand steht eine Bank, ohne Eehne, welche wohl beim Auskleiden diente imd auf welche Nachts die Kleider gelegt wurden. ]{ine soIcIk; Bank mag wohl auch bei dem Bette der Tochter des Hauses stehen. Unter dem Mägdebett steht ein hölzerner Kasten, liegt umgekehrt, mit den Eiifscm nach obcm, ein hölzerner Fufsschemel, und stehen vorne zwei Paar Schuhe, die der Sitte der Zeit entsprechend, hohe Absätze haben. Ein Geräte, das schon auf Holz- schnitten des 15. Jahrhunderts unter dem Bette sich befindet, f(?hlt hier. Gegenüber dem Mägdebett steht an der anderen Seitenwand des Zimmers ein einfacher, niedrigen-, doppelthüriger Schrank mit durch Leisten gebildeten Füllungen. In ihm bewahrte die !\Iagd ihre Kleider und Wäsche , sowie sonstigen Habseligkeiten auf. Auf diesem Schranke stehen zunächst zwei Büchlein, also wohl Gebetbücher, darneben ein Haubenstock mit einem Augs- burger Schneppenhäubchen mit je einer Schne[)pe in Mitte der Stirn und an den Schläfen. Der auf dem Schrank stehende Kasten hat einen Schubdeckel; vielleicht birgt er Hüte oder Hauben und wird in ihm sonst das Schneppen- häubchen aufbewahrt, das jetzt vor ihm steht. Auf dem Kasten befinden sich ein Becher und eine Schale , neben demselben steht ein kleiner einfacher Spiegel, der durch eine bewegliche Spreize auf der Rückwand schräg gestellt ist. Er ist das wichtigste Stück der Toilettenartikel der Magd des Hauses; der Spiegel mit viereckigem Rahmen, der zwischen den beiden k'enstern hängt, gehört wohl der Tochter des Hauses. Unter letzterem steht ein einfaches Tischchen mit Becher und Schale, wohl das Waschzeug der Tochter.

Zu dem Mobiliar gehört ferner noch ein dreibeiniger niedriger Stuhl mit rundem Sitze (jhne Lehne, wie sie noch niedriger die Schuhmacher gel)rauchen. Auf ihm liegen zwei Kämme und eine; Ilürste \x)n pins(Martigr^r Form zu Händen des daneben stehenden Mädchens, welche dei' vor ihr sitzenden statt- lichen Frau das Haar fiicht. Letztere sitzt wohl auf einem gleichen Stuhle Das dritte weibliche Wesen, das diese Kammer belebt, hängt bei der linken l^cke des Zimmers einen viereckigen gefiochtcnen Korb auf. Längs des Magdbettes ist ein einfaches Wandbrett in ziemlicher 1 1(')1k- angebracht, aut welchem Wäsche liegt und eine kugelf(')rmig(^ |-"raueniiuitze ( Pelzhaube .- 1 steht. Darunter hängt vAn h'ranenrock, daneben an der Wand einige Beutel oder Netze mit unbekanntem Inhalt i schmutziger Wäsche.-). An der Wand gegenüber ober dem niedrigen Schrank liegen über einer Stange, welche an zwei Stricken \<in der

- 113

Decke herabhängt, einige Hemden, und Schnüre, daneben eine Bettjacke (?). Eine ebensolche dürfte über dem Kopfteil des Tochterbettes hängen.

Die Nürnberger >Haufs-IIalterin« äufsert sich über diesen Raum folgen- dermafsen : vNach deme man viele Mägde hat, nach deme mufs man auch viele Better in der Mägde-Kammer haben, ingleichen auch vor die T()chter, so viel nemlich derselben bereits aus der Kinder-stube heraus genommen , bei den Mägden in der Kammer ihre Lieger-statt haben sollen, wiewohl es öffters ge- schiehet , dafs ihrer zwo in einen etwas grössern Bett beysammen schlafen ; wann es die Gelegenheit defs Zimmers zulasset, ist es nicht übel gethan, wann auch in diesen ein und anderer Schranck und behalter stehet, so den Mägden eingeraumet wird, ihre Kleider, weisses Gezeug und andere Zugehör darinnen aufzuheben und zu verwahren: Es mufs aber diese Kammer also angeordnet werden, dafs sie dem Schlaf-Gemach der Diener nicht zu nahe gelegen seye, damit nicht die Gelegenheit Schälcke mache , und Feuer und Stroh , so es einander zu nahe kommet, brenne.«

Mit dieser Kammer sind die Wohnräume unseres Hauses alle vorgeführt. Sie mochten für eine einfache bürgerliche Familie ja weitaus genügen. Die Nürnberger -Haufs-Halterin« kennt aufser den weiteren Zimmern, die schon oben beschrieben worden sind, auch noch eine Gastkammer, die dem Augs- l)urger Hause fehlt. Wie aus der nachfolgenden Beschreibung aber hervor- geht, wahr auch diese sehr einfacher Art. Ks wird darüber gemeldet:

»Zur Gast -Kammer soll man vor andern ein schönes helles und rein- liches wohl-angelegenes Zimmer erwehlen , mit etlichen wohl-zugerichteten Betten, auch wann das Span- und Holtz-w'erck darnach beschaffen, selbige so wohl als die Fenster mit Vorhängen behängen, mit einigen Stühlen oder Ses- seln, um sich derselben beym an- und ab-kleiden zu bedienen, besetzen, und die W^and mit etlichen Schrauben versehen, damit man die Kleider daran aufhängen kcmne, zumahl aber die Nacht-Geschirr hinein zu setzen, weil den Fremden defs Hauses Gelegenheit imwissend, nicht vergessen.

Die Nürnberger »Haufs-Halterin< sagt zum Schlüsse ihrer Ausführungen, dafs diese nur ein Leitfaden sein sollen, dafs es aber Jedem seilest überlassen bleiben müsse, mit wieviel Wohnräumen er sich behelfen und wie er dieselben einrichten und ausstatten wolle. Sie schreibt: ICs ist aber hietx^y wohl zu erinnern, dafs diese Beschreibung und Auszierung der Gemächer nicht eben nothwendig also seyn miisse ; dann wer nicht so \-\c\ Zimmer hat, und haben kan, mufs sich wohl mit wenigem behelffen, zu deme stehen jc^Umu frey, solche nach Gefallen köstlicher und schicklichcM- aus zu zieren , denen so nicht bey Mitteln, bleibet es schon selbsten gewehrc^, solclu-s nach zu ahmen; ich ge- schweige, dafs nicht jederman Lust zu so unnützen (jcpräng und vielen Haus- rath Belieben habe, welche wir selbsten vor klug achten, jcnloch das \'er- langen einiger Liebhaber zu stillen, und gegenwärtiges Werk, d(\^to xollkom- mener zu machen, haben wir diese Ijeschreibung hier als ein nach Belieben zu änderndes Modell xorstelliL^ machen wollen,-

114 -

Wenn nun .uich die W'ohntäume des Au<4shui"j^U'r I lauscs aufL;eführt sind, s(i bleibt dcicli noch, als letzter, ein Kaum zu beschreiben:

der Boden ( Taf. XIV), in manchen Ciet^enden unseres VatcMlandes auch Sjjcicher i^enannt. Die Treppe, die an der Wand der .MaL;dkanum-r zum Boden empor führt, kann nicht die- jenige sein, die in den abgebildeten Bodenraum mimdet, da sie eben an der St'ite des Bodens gelegen sein mülste. Wohin man auf dieser 'rre[)i)e kommt, kann nicht gesagt werdtm , da ein zweiter Bodenraum nicht dargestellt ist. Die Xinnberger Haufs-Halterin teilt über den Boden sehr prosaisch mit: .Ausser diesen nun sehr \veitläufig-beschri(>benen Zimmern, hat man auch eines Wösch-Bodens und einer Holz-Lage n(')thig, jener soll mit Stangen oder Stricken behangen seyn . um die Wösch darauf zu trocknen; diese aber so \ erwahret, und beschaffen, dafs sie raumig seye , eine gute Anzahl Holtz im V'orrath einzukauffen und zusammen zu legen , anbey gewölbt oder doch wenigstens ausser dem Gesicht, damit es \()r den h^euer und bösen Leuten sicher, nicht so bald höchst- verderblichen Schäden erleiden möge.«

Poetischer hat der Künstler unserer Zeichnungen die Sache aufgefafst, er stellt den B(;den nicht als drockenraum für die Wäsche, sondern als Tum- melplatz fih" die Kinder bei schlechtem Wetter dar, welches den yAufenthalt im Freien nicht gestattet. Line schon ziemlich erwachsene Tochter schaukelt sich, ein Bruder sitzt auf einer Kiste und betreibt das unglückselige Flöten- spieb , um die Ohren der Litern nicht zu beleidigen, zwei andere Knaben aber halten Rat, was sie nun miteinandcM- anstellen wollen. Eine r^Iagd mit einem Kleinen auf dem Arm sieht zu und übt wohl so eine Art Oberaufsicht aus, die hier, fern \on den hdtern . doch notwendig ist. Der getreue Hund des Hauses ist auch gern da, wo es munter und lustig zugeht. Über die Aus- stattung ist wf)hl kein Wort zu V(M-lieren , nur auf das \'esperbrot , das auf einem Läfschen sich l)(;findet, sei noch aufmerksam gemacht.

Den Kindern ist dieser Boden sehr ans Herz gewachsen; hier werden alle mr'jglichen S[)iel(^ ausgeführt und der jugendlichen Phantasie, die hiebei zur Cicjltung kommt, wiid durch d'w Litern kein Dämpfer auferlegt. Der Schreiber dies(>r Zeikcn hat auf (U'm Boden des elterlichen Hauses selbst ein- mal bei dei' .Aufführung der l'reziosa mitgewirkt, die natürlich wimderschön- \erlief und Akteure^ wie Zuschauer hochentzückte . D(M- Dichter in Nürn- berger Mundart, |(jh. Wolfg. Weikert (y LS,^)6), erzählt in einem seiner besten fjedichtc Die Ritterburg. Vju |ugendschwank '■') wie er mit anderen ISuben den Holzstofs auf dem liodcn zur Ritterburg machte, die schliefslich zu wanken anfieng.

Mit ahmaul knn^t nici Kitterhur^ .■\n r)art von Ucl)cr^ w iclU, Su (lafs in Au(;'n^(;ttcsblick

1'') j{»h. W'oU^, Wcikcrts Aus;^! w ;ilillc dcdichlr in Xürnlurm-r Mundart. Hiraus- 'jciiclK n und mit t incm L;ranimatisrlu-n .Abriis und Glosar versehen. \'(m I)r, CTtMir«^ Karl Irominann. Nürnljcrg 1S57, S. .5.5 ff.

115

Der Hulzstaufs äff es ligt : Der Kunz ligt afTn Adelbert Zammbrochen ist des Ritterschwert Und alli thenna heul'n.

Die Mutter häirt des Poltern ah

Bis nunter in die Stub'n.

Glabst's, Moh, dau stürzt der Hulzstaufs ei r

Wos Teuf'l is dau drub'n !

Die Boub'n senn's, dau wett' i draf!

Döi Galingstrick' ! Warft, laufst mi naf!«

Sie fiöigt ner su die Stöig'n,

Und bricht halt öiz in Bud'n nei ;

Die Ritter und die Knapp'n,

Den woll'n g'schwind die St()ig'n noh -

In an, den thout s' dertapp'n,

Und dachtelt'n röcht tüchti oh,

Xou wörft s'n goar die Stöig'n noh ;

D()s is der Thurnwart g'wös'n.

Mei gouter Ritter Adelbert,

Oiz kummt on den der Reiha,

Denn knapp derblickt s' ihr Schnöierbrust,

Su thout s' ah Zeter schreia,

Und nau föllt s' über'n Ritter her

Und tascht'n ober kreuz a quer,

Der heult und schreit erbärmli.

Der Ritter Kunz will hint'n weck,

Den thout s' grod no dergratsch'n,

Äff den haut s' lang a Schneid scho g'hat:

Den langt s'öiz Fetz'n-Watsch'n,

Nau peitscht s'n no die Stöig'n noh,

Der heult und schreit Komordio ;

Z'letzt tlanna alli Knapp'n.«

In ähnlicher Weise mögen sich auch die Augsburger Kinder in diesem Hause die Zeit atif dem Boden vertrieben und allerlei lustige Geschichten auf- geführt haben, nicht immer gerade zum Vergnügen der heitern.

Dem in der Einleitung gegebenen Versprechen, am Schlüsse^ dieser Mit- teilungen auf die Frage, welchem Künstler die Bilder ihre h^ntstehung \ er- danken, ziu'ückzukonmien , sei hiemit entsproclKm. LeidcM" kann aber nur gesagt werden, dal's es nicht m<")glich war, über den ZcMchner di(.'ser Blätter Klarheit zu gewinnen. Dic^ Zahl der Augsburger Künstler und KupfcM'stecher war im vorigen ]ahrhundert so grofs, ein grofsci" Teil dei'selben hat so wcMiig Individuelles, c\s ist ihnen vielmehr gr()fst('nteils so etwas (j(>meinschaftliclu\s eigen, dafs es nicht möglich ist, aus dem ("hara!<t(M- (Um- ZcMclmungen aut den Künstler zu schliefsen. Ks muis d(;shalb dic\s(; i''rag(> zunächst ungt^I<)st liIcubtMi, da es doch keinen Zweck hat, lU^liauptungiMi aufzustellen, füv welche eini' H(nveisführung nicht möglich ist.

116

Au^fsburcjs Ri'uLjer haben einten ^rofsen Sinn für Häuslichkeit gehabt ; es sa_i,'en dies nicht nur die mit so grofser Liel)e aus^^eführten Zeichnungen, es geht cHi's auch aus anderen eigenartigen Sch(')i)fungen liervor, di(> in Augs- burg im \()rigen Jahrhundert entstanden sind. Man fertigte nämhch die Dar- stelhmg des eigenen Hauses in der Art, dafs man Bilderb(')gen kaufte, welche Ansichten von Zimmern, Hausgeräten, Menschen und Tieren enthielten, diese ausschnitt und die Ausschnitte zu einem Bilde zusammenklebte, welches irgend einen Raum des Hauses wiedergeben sollte. Auf diese Art und Weise stellte man das ganze Haus vom Keller bis zum Boden dar, ja man führte sogar die verschiedenen Wände der Zimmer vor , vergafs auch das Aufsere des Hauses und selbst den geheimen Ort nicht, dessen Thüre und Deckel, wie alle dargestellten Thüren, auch die der Schränke, so dafs man deren Inhalt sehen konnte, beweglich waren. Und wenn die Bilderbogen das notwendige Material nicht vollständig lieferten , so half man sich dadurch , dafs man das P^ehlende durch Zeichnungen ergänzte. Von dieser Art Darstellungen, die kulturgeschichtlich recht merkwürdige I3ilder liefern , ist uns ein starker Band im [Privatbesitz in einem Städtchen Württembergs und hier in Nürnberg der Rest eines solchen , der aber nur aus der äufseren Ansicht des Hauses, der Küche und der Speisekammer besteht, bekannt. Sicher existieren noch mehr von diesen Büchern, von welchen aber doch wohl die meisten im Laufe der Jahre den Weg aller Bilderbücher gegangen sind, denn als solche sind diese Werke anzusehen.

Eine ähnliche Reihe Darstellungen wie die wieder gegebenen Bilder ist in Augsburg noch in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts erschienen und zwar in der Herzberg'schen Kunsthandlung. Die Folge führt den Titel: Zwölf Blätter Kinder-Bilder zur Unterhaltung und mündlichen Belehrung«. Das erste Heft dieses Werkes war für Mädchen bestimmt. Es führt wie die veröffentlichte Serie alle Räume des Hauses vor, die natürlich im Stile jener Zeit, der Biedermeierzeit gehalten und auch ausgestattet sind. Sie sind ganz gut gezeichnet , wenn auch die Interieurs in ihrer Erscheinung weit hinter den hier mitgeteilten zurückbleiben. Das zweite Heft enthält die Darstellung verschiedener Handwerke; es war den Knaben gewidmet. Der Stecher oder Zeichner ist nicht genannt. Ein Teil dieser Stiche ist in dem in hiesigem Privatbesitze bc^findlichen Bande enthalten , in welchem sich die drei übrig gebliebenen Darstellungen der älteren Serie befinden.

Heutzutage fehlt es durchaus nicht an Bildern der jetzigen Wohnungs- rämne , gibt es ja sogar besondere Zeitschriften, die sich ausschliefslich mit der Ver()ffcntlichung solcher befassen. Aber lange wird man bei diesen suchen dürfen, bis man ein so abgerundet harmonisches, auf keinerlei Effekt berech- net(;s, einfaches, aber darum um so anziehenderes und anheimelnderes Innere wieder findet, bis man ein für die Zeit der Darstelkmg so charakteristisches Bild eines bürgci-lichen Hauses wiederum zu sehen kriegt, als wie es unsere Handzeichnungen vor Augen führen.

N ü r n b e r <f . H a n s B ö seh.

X

a

X

03

u

4)

a a

a

u a>

S^

m

ja C

o

X! o

u

o

•■p

(1>

X3

o

•3

w

>

c c

117

Geheimmittelindustrie im 18. Jahrhundert.

VP^^*^ alt wie die Heilkunde ist auch der Geheimmittelschwindel und ihn durch den Lauf der Jahrhunderte, bis zum heutigen Tage, wo er noch unentwegt sein Wesen treibt, zu verfolgen, gehört zu den kultur- gesichtlich interessantesten Kapiteln der Geschichte der Medizin. Besondere Blüte hatte bekanntlich der Charlatanismus und die Quacksalberei im 16. und 17. Jahrhundert gezeitigt. Mit Recht hat Hermann Peters in seinem trefflichen Buche »Aus pharmazeutischer Vorzeit in Wort und Bild« in dem einschlägigen Kapitel (II. Bd. 225 ff.) darauf hingewiesen, welch' wichtige Stellung in der Quacksalberei die Reklame der angeblichen Heilmittel durch den Buchdruck fast vom Auftreten desselben an gespielt, wie gerade wie in unseren Tagen die Presse oder, was sie damals vertrat, als erste und wichtigste Helfershelferin der nichtzünftigen Heilkünstler angerufen wurde. Vereinzelte Anpreisungen von Heilmitteln jeder Art haben sich in gröfserer Zahl bis in unsere Zeit erhalten. Über die Verwendung dieser als Flugblätter gedruckten Reklamen gibt ein auch von Peters mitgeteiltes (a. a. O. S. 228 ff.) Gutachten des Nürnberger Arztes und medizinischen Schriftstellers Dr. Joachim Cammermeister Aufschlufs, welches am 27. Dezember 1571 dem Nürnberger Rate überreicht Bedenken, welcher gestalt in einem wolgeordneten Regiment es mit den Aerzten und Artzneien sambt allen anderen darzu notwendigen Stücken möcht geordnet und gehalten werden« betitelt und in seinem fünften Teil »den frembden Leuten, die sich allerlei Artzneiens unterstehen wollten« gewidmet ist. Darin heifst es: >Zum dritten lassen sie getruckte, herrliche, offne Zettel, die voller brechtiger Zusagung der Gesundheit , und das mehrers thail mit anderer Arzt Verkleinerung und Verachtung gesteh und gemeiniglich voller Unwahr- heit sein, an allen Orten anschlagen, welche ihre besten Lockvögel sein, damit sie das Gelt von den Leuten bringen, und ziehen hernach davon.« Mit dem Aufkommen der Zeitungen kam die Verwendung als Plakat wohl nicht mehr so ausschliefslich zur Verwendung, die Anpreisungen wurden genau wie heute den Zeitungen als Beilage beigegeben, soweit sie nicht etwa beim Verkauf als Gebrauchsanweisung und etwa am Verkaufsort selbst an die anwesende Menge verteilt wurden. Über den in ersterer Weise getriebenen Unfug gibt wieder ein Nürnberger Ratsverlafs aus dem Jahre 1720 Auskunft (Peters a. a. O. S. 250): Wegen der medicinischcn Tractätlein, Thee-Kräuter und anderer dergleichen Dinge, welche denen Medicis und Apotheckern zum Nachtheil bisshcro öftters an die hiesige Wochcnzt'itungen getruckt worden, dem Herrn Zeitimgs-Censori, dergleichen Dinge auf denen Zeitungen durchgehends nicht mehr stehcm zu lassen, zu bedenken. Denen Zeitungsdruckern aber btn einer nahmhaften Geldstraff das Verbot zu thun, nicht das Geringste mt^hr von solcherlei Diiigen ohne spezielle Erlaubnis ihren Zeitungen mit anzufügen.« Geholfen hat dies Verbot aber wob! nur wenig.

Die nicht unbedeutende Zahl von marktschreierischen auf Geheimmittel bezüglichen Einzelblättern vom 16. bis zmn 19. Jahrb., welche das germanische

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XVI.

118

Museum besitzt, konnte vor einiger Zeit um eine kleine Sammkmg, die schon im IS. lahrhundert angek^gt und zusammengebundi-n wurde, vermehrt werden. Diese BIätt(M- gewinnen dackirch besonderes Interesse, dafs sie zum grofsten Teil sicher, wahrscheinlich aber Alle von demsc^lben Händler, der das Geschäft ziemlich im (jrofsen betrieben zu haben scheint , herrühren. Es sind im ganzen 26 BlätttM-, xon dtMien 17 das »Signet im heutigen Sinne die Schutz- marke oder das Warenzeichen eines gewissen Lorentz HlumenhötTer tragen. Dasselbe , bestehend aus einem Wa])pen mit zwei gekreuzten Fackeln und zwei Flügen mit einem Stern in der Mitte als Helmzicr, ist an die Spitze des Druckes gestellt, im Text wird ganz wie heute darauf hingewiesen, dafs jede Packung mit diesem Signet versehen oder petschiert" sein mufs, während am Schlufs sich der Verkäufer in folgender Weise nennt: -Diese Medica- nienta sind in Leipziger Mefs-Zeiten bey Lorentz IMum(;nhört'er von ffamburg in seinem Gewölbe zu bekommen. Während die Mehrzahl der Blätter mit der Anpreisung eines Mittels dessen Geschichte und Gebrauchsanweisung enthält , ist auf einem derselben eine Art Warenliste zusammengestellt , die wir hier folgen lassen.

L

Der Welt-berühmte Uiiivcrsal-l^&h&n^ baisam , welcher nach Ost- und Westindien geschickt wird, und bey allen Menschen gute W^ürckung erweiset, indem er die gantze Natur stärcket , und die mehresten Kranckheiten ver- treibet. In der Taubheit, und im schwachen Gesichte erweiset er geschwinde Hülfte , denn er stärcket alle Lebens-Geister, und wird er fleissig gebraucht, wird man wie neu gebohren.

2.

Eine herrliche Essentia Mineralis , die v,"eislich viele Mühe und Arbeit erfordert, ehe sie verfertiget wird: Sie widerstehet dem Krebs, er mag offen oder verborgen seyn , denn sie reiniget das Geblüt ungemein, welches ihr nicht leicht ein Medicament nachthun wird. Imgleichen ist es gut für Schwangere, denn es verhütet aborttini , oder unzeitige Gebührten. Wie es denn auch geschwinde I lülffe erweiset, denen Unfruchtbahren , bei welchen der Uterus oder die Mutter stark verschleimt, oder \'erkältet wird.

3.

Essentia Vegctabiiis. Es bestehet die Würckung dieser herrlichen Medizin in einer stärckenden Krafft des Magens, und aller andern Teile, in allen Fiel)ern, in allen Hau])t-Schmertzen. in allem Durchlauft", in der rothen und weif'^en Ruhr, in der Colica, wie auch in Mutter-lSeschwerung , im Er- brechen des Magens, ja in allen Schmertzen des Leibes, also Stein-Beschwe- rung ec. Im Sootbrcmnen gibt diese Artzney geschwinde Hülffe.

4.

luiglisches Cordial. Dieses macht das Gc'blüt flüchtig, und erhält es in einer guten Circulation. , nimmt allen kalten Schleim von der Brust hin-

119

weg ; und machet daselbst Lufft , indem es das sich verstopffende Geäder in der Lunge wiederum eröffnet; ist gut für die Lungensüchtigen, und sicher in allen Fiebern zu gebrauchen, e. g. in hectischen, hitzigen und kalten Fiebern, welches recht zu bewundern ist.

5. Ein fürtreflich Elixier Vitac , oder l^ehans-Elixir , welches schon mehr als 100. Jahr im Gebrauch gewesen, auch seine Würckung ganz erwiesen hat. Es eröfnet den Leib gelinde, führet die Galle und dem Schleim aus dem Magen und Gedärmen, befördert die haemorhoides, oder güldene Ader wie auch bey dem Frauenzimmer die incnses, und ist ein gewünschtes Hülffs-Mittel für den Magen, der die Speisen nicht gut verdauen kann.

6.

Eine bewährte Stern- Tinctur , welche den Stein in den Nieren und in der Blasen zermalmet, falls das Uebel nicht gar zu alt ist; indem es die scharffe Materie gelinde durch den Urin abführet, auch die Schmertzen und alle Zu- fälle vertreibet, dass nicht leicht ein böser Zufall dazu kommen kann.

7. Ein Sauer-Brunnen, welches ein recht himmlisches Medicament, so alles Podagra, Gicht und Wassersucht gänzlich ausrottet ; vertreibet die Geschwulst aus denen Füssen, wie auch das erschreckliche Hertzklopffen. Inngleichen wiederstehet dieser Sauer-Brunn dem Zittern der Glieder, nimmt die grosse Hitze aus dem Geblüte und ist gut wieder die Blutstürtzung; denn dieses Medicament leidet durchaus keine Ünreinigkeit bey dem Menschen. Wieder den weissen Fluss ist es ein gewisses Hülffsmittel : wie auch gegen die Go- norrhaea Benigna, oder Samen-Fluss , da sonst andere Mcdicavienta nichts ausrichten können : Doch hilft dieses gewiss.

8.

Pulver contra, epilepsiavi. Es sind viele gewesen , die dieses niahnn haben curiren wollen, aber es hat ihnen niemahls geglücket. Dieses kan ich mit gutem Gewissen sagen, dass es mir nie fehl geschlagen, und habe ich noch erst kürtzlich eine vornehme Dame glücklich mit diesem Pulver curiret, und ein jeder der es gebrauchen wird, der ward es rühmen müssen. In einer Schachtel ist ein halb Loth.

9.

Panacea Antipyretica. Diese Pa.nacea dienet in allen verdriesslichcn Kranckheiten , sonderlich in der Ft';-/z^.9-Kranckheit : Wer dieses Medicament fleissig gebrauchet, hat nicht viel andere nöthig.

10.

Das l^nglisch rothe Gold-Pulver, welches dienet das Gedächtniss /u stärckt>n; Schlag und Schwindel ist es sehr diensam; inngleichen für schwangere Frauen, wenn sie sich etwa erschrecket oder geärgert haben : Es stärcket die

120

Frucht, wenn es \]c\ssh^ L,'ebraucht wird, auch hat man sich nicht zu be- fürchten . dass das Kind mit der schweren Noth sollte behafftet werden , da dieses Wunder-Pulver ein recht universal dawieder ist. In Blattern und Massi'ln ist es unschätzbar.

11.

Ein Gesundheits-Thee, welcher seiner herrlichen Wirkim^ halber von allen Mt'uschen gepriMset wird, indem er alle; I^rüche des Leibes nimmt, sie möi^en Nahmen haben, \\'\e sie wollen. Wieder die Schwindsucht, wie auch Wassersucht, ist er sehr '•^\\\ zu <,'ebrauchen : Wieder den weissen Muss der Weil)er, wie auch wieder den Saamenlluss der Männer, ist es sehr diensam, und hat in diesen Kranckheiten nicht leicht seines gleichen.

12.

Essentia iniracnlosa. Ein herrliches Mittel das verlohrne Gehör wieder zu bringen, welches an vielen versucht, und jederzeit für gut befunden wor- den. W^ieder das Sausen und Brausen der Ohren hat es, seiner geschwinden Hülffe wegen, nicht seines gleichen. Es wird anders nicht alss äusserlich gebraucht.

13.

Hauf)t- und ¥\\\ss- Esseftz wieder Kopff-Schmertzen , Ohren -Sausen, Scharbock und dergleichen. In denen daraus herrührenden Zahn -Wehtagen ist es ein gewünschtes Mittel.

14.

Ein grün Augen-W^asser , welches nunmehro in der gantzen Welt be- rühmt, indem es alle Augen-Mängel curirt, die Fellen von den Augen gäntz- lich hinwegnimmt, auch trübe und Hiessende Augen in kurtzer Zeit gut machet.

15. Ein Fluss- und Glieder-.Sy^m/z^j-, äusserlich zu gebrauchen in Lähmungen, in grofsen Geschwulsten, starcken Flüssen, sich darmit gewaschen, hilttt wun- derbahr.

16. Ein Mund- und Zahn-Lattwerge, die alle Mund-I^'äule hinwegnimmt, die Zähne weiss, wie auch die wackelnde fest machet ; imgleichen maclit sie das Zahnfleisch wachsend. Für Leute, die starck aus dem Munde riechen, ist es sehr diensam zu gebrauchen.

17.

l--.in Sch(')nheits\vasser. Dieses nimmt alle .Mängel der Haut weg, und machet dieselbe fein und weiss, \erhütet auch das Schi-umpffen der Haut. Wer sich fleissig damit waschet, wird solche zarte 1 laut bekommen, wie er nie gehabt hat. Die I lolder-Sprossen curirt es auch mit der Zeit.

121

Das rechte aufrichtiL,^^ Olciun Talci , oder Schönheits - Gel , welches keine Unreinigkeit der Haut leidet, und gut wieder die Pocken-Gruben zu gebrauchen ist.

Von den hier mitgeteilten Geheimmitteln finden diejenigen unter Nr. 2, 8, 10, 12, 13 17 noch auf Einzelblättern eingehende Erörterung, aufserdem, ebenfalls mit dem Signet und der Adresse Lorentz Blumenhöfer gezeichnet, sind noch vorhanden: Eine Schönheitspomade und eine Tacken Salbe oder Unguentum Haemorrhodialis (sie). Die zweite Reihe von Reclameblättern, welche den Namen des Verfertigers oder Verkäufers nicht trägt, bezieht sich auf folgende IVIittel. 1. Cordial Royale oder das in Engelland so sehr be- rühmte Königliche Cordial. 2. Das Englische Printzliche Cordial. (In erster Linie ist es gegen das Podagra bestimmt, seine Vielseitigkeit geht aber aus dem folgenden Schlufs der Reclame hervor : Und auf eben diese Art wird diese Medizin von denen gebraucht welche mit den Blasen- oder Lenden- Stein , Schaarbock , Schwind- und Wasser - Sucht Colica und Reissen im Leibe und mit einem schwachen / überladenen und verderbten Magen iii- conimodiret sein so wohl Manns als Frauens.

Diese Medizin ist auch absonderlich den Frauenzimmern in ihren Be- schwerungen und indispositionen ein gewisses revicdium.) 3. Englisches Cor- dial. Vor den Husten und Verkältung Schwind- und Lungensucht. 4. Vor die Haemorrhoides oder sogenannte Tacken. 5. Englische Median. Vor die Colicq und Reissen im Leibe. Die eben genannten fünf lassen durch ihre typographische Ausstattung und die Ähnlichkeit der Sprache erkennen , dafs sie einem und demselben Geheimmittclgeschäft entstammen. Ebenso geh(')ren die drei letzten, welche einen »güldenen Englischen L()ffel-Kraut S})iritus-, den »weissen h^nglischen Löffelkraut Spiritus« und nochmals ein »Englisches Cordial" behandeln, zusammen. Vielleicht aber, und das ist ziemlich wahr- scheinlich, haben wir es mit Anzeigen derselben »Firma« nur aus verschie- denen Zeiten zu thun.

Vf)n der zum Teil ergötzlichen Art dieser Reklamen mögen die nach- folgenden Proben Zeugnis geben.

Rechter Gebrauch und wahrer Nutzen der ESSENTIAE MINERALIS Was für ein gesegnetes Medicanient und was für eine (jutthat es sey, welche doch billig der Gnade GOttes zuzuschreiben , wenn gegen den Krebs endlich ein Mittel gefunden worden, um diese Pein-bringendc Kranckheit da- mit auszurotten, wird niemand der \on solcher incommodiret , in Abrede seyn. Es haben sich zwar schon xor vielen lahrcn viele gclehito Männer die Mühe gegeben, etwas zu erfinden, womit diese crnellc Kranckheit mochte ausgerottet werden, es ist abcM- vergc^bens g(nvesen : jedennoch hat <\cx liebe GOtt selbst ein Mittel dargegeben , denen armen Menschen zum nutzbaren

122

iincl heilsamen Gel>rauch, wofür dann sein Ileilii^'ei- Nahine gelobet und ge- priesen sey. Zwai alle Kranekheiten , sie mi')gen Nahmen haben wie wollen, sind beschweriieh. doch i'ibertrit'tt fast der Krebs sie insgesamt. Man erwege nur Vors erste, was tür eine entsetzliche Pein die mit dieser Plage belegten Menschen ausstehen müssen : ingleichen wenn der Krebs offen ist , was für einen entsetzlichen (iestanck sie sodann riechc^n müss(>n : gewisslich eine solche Plage, dass jedermann mit dergleicluMi (ie])lagten billig Mitl(Mden haben muss. PiescMi prt\shattten l'iMsonen nun zur Hülffe und zum Trost, ist dieses Me- (licajih'iit ausgefundrn worden, und wird aus lauter Mineralien gemachet, welclu^s wahrlich \i(l(^ Mühe imd Arbeit erfordert. Dass es aber gewiss und wahrhafftig unter G()ttlichen Heystand und Segen die Menschen davon befreyt, davon k(')nnen 4 Standespersonen, welche glücklich durch dieses Medicament vom Krebs-Schaden curiret worden, Zeugen seyn, wann nur nicht das schlimmste wäre, das die L(nite es niemals haben wollen, dass solches öftentlich kund werde ; vielmehr wird man \'on ihnen gebeten , man soll es doch niemand sagen; welches aber nicht recht ist, sintemal man GOttes Güte, der den Segen zu ein soliches Mcdicauicnt verleihet, billig ])reissen muss: woran aber leider der wenigste gedenket , wann er erst wieder gesund , und muss man öffters von vielen erfahren, dass die Perle unter die Säue geworffen worden.

Hierauf folgt eine sehr umständliche Gebrauchsanw(Msung, der sich die folgende nicht unintcn-essante Definierung des Krebses anschliefst:

Denn der Krebs bestehet aus lautcM' kleinen lebendigen Würmern: Je- doch sind sie so gross nicht, dass man sie äusserlich sogleich sehen kann, sondern sie müssen durch ein Microscopiruii oder Vergrösserungs-Glass wahr- genommen werden, und wer cnricitx sein will, der nehme nur ein klein Kliergen, da Materie drinnen ist, und lese die Haut umbin r ab, und lege es auf einen Ijogen schwartz Papier an der warmen Lufft , so wird es keine X'icrthel Stunde dauren, der Bogen Papier wird überall voll solcher kleinen lebendigen Würmern seyn, aber so klein, dass sie nicht anders, als durch ein Vergrösserungs-Glass gesehen werden können. •> Der Schlufs heilst: -Wann nun dieselben (die Würmer) insgesamt getödtet sind, glcich\\ie es durch meine Medicin geschieht, so wird der Patient durch die Gnade GOttes frisch und gesund. Es sollen sich billig alle Menschen dieses edle Medicament an- schaffen: Denn es praeservirt und bewahret einen für dergleichen anstecken- d('n gifftigen Kranekheiten, wenn man alle Monath ein oder zweymal davon einnimmt: und \ ersichere ich alsdann dass keiner von solcher erschrecklichen Kranckheit kan inficirt odcM- angesteckt werden. Als weiteres Beispiel mag das \"'jrhältnismäfsig kurz gefafste lilatt über ein grünes Augenwasser dienen.

litscJircihniif^ des ^c^nintz nicht zu rerhessernden grünen Augen-Wassers, welches von einem Mcniche ist erfimden worden, der mehr als tausend iJi-esshatfte Pei-sonen , die stockblind gewesen, durch die (jnade (jC )ttc,s '-ehcnd g'^niacht hat. Ivs nimmt dieses vortreffliche Augen- Wasser alle Pelle der ,\ugen, .sie nu'igcn so alt seyn, wie sie; wollcm. hinweg, und mi'issen sie dafür weichen; ingleichen dient es fürtretlich zur Heilung

123

der fliessend- und trleffenden Augen; nicht weniger deren Röthe und über- mässige Hitze hinwegzunehmen. Für Augen die da blöde sind , oder blöde werden wollen, ist es ein gewünschtes Hülffs-Mittel. So kan auch nichts bessers und heilsamers gebraucht werden für das starcke Jucken und Beissen in den Augen, wie auch, wann die Augen alle Nächte sich zusammen backen, als eben dieses unverbesserliche Augenwasser. Es sind noch nicht viele Wochen verstrichen, cJass eine Frau, die 4. Jahr von dem Staar blind gewesen, hierdurch wieder sehend worden : ingleichen zwjey kleine Kinder , die des Tages Licht nicht sehen können , hatt GOtt gleichfalls durch dieses Mittel geholffen.

Was nun den Gebrauch anlangt, so muss man demjenigen, der gantz blind ist, des Abends und Morgens 3. Tropffen lauwarm eintripfFen; welcher aber ein Fell auf den Augen hat , alle Abend und Morgen einen Tropffen, oder auch wohl zwey , nachdem es die Noth erfordert , und nach dem das Fell hart oder weich ist. Hat einer blöde Augen, der kann sich bei Schlaffen- gehen mit dem Finger etwas hineinwischen. Für alte Feute ist es sehr nütz- lich zu gebrauchen, denn es stärcket die Augen gantz fürtrefflich : und dienet zur Nachricht , dass ich es nicht um des schnöden Gewinstes willen ver- kauffe, sondern nur zu dem Ende, meinem Nächsten dadurch zu dienen; sintemal es mir selber fast so viel kostet, als ich davor bekomme.

NB. Es kan wol 20. biss 30 Jahr daurcn, und verdirbet nicht, kan auch nur alle Jahr einmal gemacht werden.-

Diese Beispiele geben von der Art der Anpreisung einen guten Begriff, die charakteristischsten Mittel indessen sind nach dem beigegebenen Text etwa die »Essentia vegetabilis«.

Aus der Art und Weise wie die Anpreisungen verfafst sind , die das unverkenntliche Bestreben zeigten , den Schein der Wissenschaftlichkeit zu wahren die zahlreichen termini technici der damaligen Medizin und die verhältnismäfsig geschickte Stilisierung mögen als Ijcleg angeführt sein läfst sich die Vermutung herleiten, dafs entweder hier in Lorentz Blumen- höfter ein zünftiger Apotheker vorliegt, der sich auf die Geheimmittelherstt;l- lung im Grofsen geworfen hatte, oder dafs, wie es ja heute noch häufig ge- schieht, aus schnöder Gewinnsucht wissenschaftlich gebildete Arzte sich dazu hergaben, diesem Geheimmittelschwindel ihre Ilülfci zu leihen. Es dürfte um die Einträglichkeit des Geschäftes zu erweisen, schliefslich nicht uninteressant sein, die Preise (üniger der empfohlenen Mittel mitzuteilen, die leider nur bei einzelnen derselben vermerkt sind. Der abführende SaucM'brunnen < kostet »ein Fläschgen, worinnen sich 600 Tropffen befinden, 3. Rthlr. und wird man keine Medicin finden, die so klein tropfft, als eben diese.

Vom Tulvis Ei)ilepticum beläutt sich der PrcMs für -ein Gläsgen wor- innen sich ein halb Eoth befindc-t 2. Reichsthaler.- Der Flufs- und Glieder- spiritus kostet »eine Flasche worinnen ein halb Pfund oben auf nüt des Alttoris gewöhnlichen I^etschafft versiegelt nebst dem ge(Ii-uckt(Mi Bericht 1. Rthlr.'

- 1 24

1 .('ider ist auf dtMi Blättern k(Mnc> Zeitan^fabe, wann sie (^'ednickt sind, docli düiften alle Umstände auf die erste I lälfte des achtzehnten Jahrhunderts verweisen.

jvs ist jetlenfalls lehrreich zu sehen , wie vor anderthalb fahrhunderten in ilic\stM- Materie i^enau mit denselben Mitt(;ln gearbeitet wurde, die L(-icht- ^däubii^keit und den (jeldbeutel der Kranken auszubeuten! wie in modernster Zeit. Wir lirauchen nur die heuti^^e Ta^respresse zur iland zu nehmen, um den beweis dafür zu finden. Das Jahrhundert der Aufklärung bewegt sich hier auf demselben boden, wie das dunkelste; Mittelalter. Ob es je anders werden wirtl.- Schwerlich; die Devise unter der die Quacksalberei nach wie vor reichliche Ernte hält, heifst eben: Die Dummen werden nicht alle.

Nürnberg. Hans Stegmann.

Das Baumeisterbuch des Wolf Jakob Stromer.

Kr,

'»■ ^r

.NT i"" ^^'' 2^''t ^^^ uneingeschränkten Virtuosentums in der Architektur, c>^*,l^V)f in den letzten Jahrzehnten des gotischen Baustils, begannen die n^^_e>"»> deutschen Steinmetzen das Zeichnen sozusagen als Selbstzweck zu betreiben; wenigstens werden wir es nicht für Zufall halten wollen, dafs aus der vorhergehenden Zeit uns auf deutschem Boden weder ein Theoretiker der Baukun.st, noch auch Architekturzeichnungen in gröfserer Zahl bekannt sind. Es lag wohl auch an der eigenartigen Entwickelung des einst so klaren willkürlosen gotischen Baustils zu phantastisch reichen spielenden Schnörkel- formen, dafs man mehr erfand und entwarf, als ausführte; die vielgestaltige Ereiheit in der Kombination von Streben , Fialen und Mafswerk , die fast keinen konstruktiven Sinn mehr besafsen, verlockte zur Erfindung immer neuer Zierwerke; zahlreiche Entwürfe zu Sakramentshäuschen, Taufbecken und Kapellenl)auten zur Aufnahme eines Sarkophags oder des Corpus Christi sind {jeweise dafür. Wenn man sie mit dem ernsten systematischen Denken der italienischen Theoretiker der Frührenaissance vergleichen wollte , halbem auch solche Auslassungen wie das Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit von .Math. Roritzer, oder die Unterweisungen des H. Schmuttermayer, diesen selben (Tiarakter oberfiächlicher Spielereien.

Als dann die wälschen Säulenordnungen und Gebälke zur i\Iode wurden, war es die Schar der Architekturzeichner, die ihnen dii^sseits der Al})en zu rascher W'rbrcitung half und anderseits den ausschliefslich dekorativen, spielendem (Charakter der ersten dtnitschen RenaissanctTormen verursachte ; willkommener Tunuuelplatz für phantasie\olle Erfindungen war diesen Zeichnern die Ijaukunst und wenige von ihnen aufser dem genialen klaren Kopfe II. llol- beins konnten sich rühiuen, metgliche . ausführbare Architekturen gezeichnet zu haben. Und während des ganzen ITi. lahrh. bleibt dieser miorganiche dekorative Charakter, aus dessen Gebilden man die phantastisch schaffende, gegen Material und Konstruktion gleich rücksichtslose Hand des ZeichntM-s

125

herausfühlt , mehr oder minder die Eigenheit der deutschen Renaissance ; denn erst gegen das Jahr 1600 wächst der itaUenische Gedanke von dem gesetzmäfsigen einheitlichen Bauorganismus des neuen Stils sich langsam aus; Architekturzeichner wie der Maler und Formschneider Heinrich Vogther von Strafsburg, der Holländer Vredemann de Vries, Wendel Dieterlin begnügen sich alle noch mit dem freien Erfinden lustiger Alotive für alle möglichen Zierglieder unbekümmert um die Ausführbarkeit, also mehr Anregung als Vorbild gebend für den Baumeister. Hand in Hand mit diesem Wechsel der Geschmacksgrundsätze vervollkommnet sich auch bis zum Ende des Jahr- hunderts der Renaissance erst die klare, gesonderte Vorstc^llung von Grund- rifs, geometrischem Aufrifs und perspektivischer Ansicht, ihrerseits wieder im Zusammenhang mit der von Praetorius ausgehenden Vervollkommnung der Feldmefskunst und der dazu dienlichen Instrumente.

Das ist ungefähr der Boden, auf dem die Zeichnungen eines künstlerisch wie kulturgeschichtlich höchst merkwürdigen Buches entstanden , des Bau- meister-Buches von Wolf Jakob Stromer. Der mächtige Querfolioband , den bisher nur W\ Lübke in der Einleitung seiner deutschen Renaissance kurz besi)rochen hat , ist der wissenschaftlichen Benützung nunmehr zugänglich gemacht worden, nachdem die Freiherrliche Familie von Stromer das wert- volle Vermächtnis eines kunstsinnigen Vorfahren in dankenswerter Liberalität dem Germanischen Museum unter Eigentumsvorbehalt übergeben hat.

Schon zur Zeit als man den schönen Brunnen baute, war ein Mitglied des alten Nürnberger rathsfähigen Geschlechts der Stromer Stadtbaumeister gewesen; der uns hier angeht, Wolf Jakob Stromer, war 1561 gebi^ren, mit etwa 30 Jahren in den Rat gekommen und verwaltete da mehrere Jahre hindurch das Baumeisteramt.

Die Baumeister der alten Reichsstadt Nürnberg waren nicht etwa Archi- tekten vom Fach, Werkmeister, die selbst mit Hand anlegten beim Bau, sondern wie in anderen Städteverfassungen eine Kommission von Bauherrn waren sie zur Verwaltung des städtischen Bauamts verordnet; Mitglieder des engeren Rats hatten sie das Referat in allen Bausachen und führten die Ober- aufsicht über die Werkleute auf der Peunt (dem Stadtbauhof), den Stein- metz-, den Maurer- und den Zimmermeister samt ihren Gesellen. Künstler waren demnach die Stadtbaumeister keineswegs ; wohl aber dürfen wir annehmen, dafs sie Männer von ausgezeichnetem Kunstsinn unter ihren Amtsgenossen waren, vielleicht gelegentlich auch Dilettanten. Denn Männer von künstler- ischer Begabung, die sich auch selbst thätig versuchtc-n, sind unter dem Nürnberger Patriziat des 16. Jahrhunderts nicht all zu selten. Dafs Wolf Jakob Stromer einige von den Blättern seines Baumeisterbuches selbst gc;- zeichnet habe, haben wir trotzdem keine Veranlassung anzunc^hmen.

Da gab es bald Konkurrenzentwürfe für ein städtisches Gebäude, eine Brücke oder ein Stadtthor zu prüfen , bald dem Rat die sachverständige Er- läuterung zu einem Bauprojekt zu geben, bald unter einer grol'sc^n Zahl von Bewerbern, die ihre Visierungen oder Modelle eingeschickt hatten, einen tüchtigen Werkmeister ausfindig zu machen. Gerade in di'v Y.ch um dit-

Mitteilungen aus dem german. Nationalmuseum. 1897. XVII.

126

Wende des 16. zum 17. Jahrhundert bericliten uns die Ratsverläs.se nicht selten \itn SteinnietzcMi, di(^ sich durcli ein<^esandte Zeichnungen, Stadtansichten oder GebäudcH-ntwürie , hiMui Rat in empfehlende Erinnerung zu bringen suchen, und \i»m Rathausbau wissen wir ja, wie viele; Konkurrenzen und F^ntwürfe ucHil; waren, Ins die heutit^e Renaissancefassade fertii( stand. Da war c\s naheliem'nd i{enu_^ , dafs der StadtbaumeistcM" , durch dessen Hände alles das i^ieuij, auf den Gedanken kam, Skizzen und Entwürfe derart zu t'ineiu Sammel!)ande zu vereinigen.

So entsand das Baumeisterbuch, ein stattlicher Lederband, dessen 248 l-\)lioblätter s^icjfstcMi Eormats teils aufgeklebte, t(Mls auf das vorzügliche Nürn- bergiM- Papier gleich aufgezeichnete Eederzeichnungen enthalten.

Den anfcänglichen Grundstock für diese Sammhmg bildete vielleicht die grofse Menge tler Entwürfe für den Neubau der Eleischbrücke 1596 98. Das war damals eine Aufsehen machende Angelegenheit; an Stelle der 1595 vom 1 lochwasser unterspülten und baufällig gewordenen alten sollt«; eine stattliche neue Brücke von einem einzigen Bogen errichtet werden, so etwas wie der ponte Rialto, den mancher der Ratsherrn schon mit Bewunderung betrachtet hatte. Wie an beiden Seiten Strafsenanschüttungen zu machen seien , wie der Pfahlrost in die Pegnitz zu legen , wie das Lehrgerüst aufzu- schlagen und darüber der flache Brückenbogen zu wölben sei, all das ist da mit Durchschnitten, Perspektiven und Aufrissen gezeichnet; auch einige nicht zur Ausführung gekommene Entw'ürfe mit reichen Mafswerkgeländern mit Obelisken und allerlei Bildhauerarbeit befinden sich darunter.

Eine etwas kleinere Folge von Blättern enthält Visierungen von Brunnen, die zum Teil allerdings nur ein papierenes Dasein erlebten. Interssant sind darunter zwei verschollene Arbeiten von dem IMeister des Tugendbrunnens, dem Rotgiefser Benedikt Wurzelbauer : die eine, auch aus einem gleichzeitigen Kupferstich bekannt, zeigt den in Dieterlins Art sehr phantastisch kompo- nierten Xeptunsbrunnen , der auf Bestellung des Dänenkönigs nach Kopen- hagen kam ; knieende Vollfiguren von Schützen im Zeitkostüm auf dem Rande des Brunn enbcckeiis lassen aus Büchse und Pfeil Wasserstrahlen nach der -Mitte springen, wo der Meergott auf hohem Postament sich erhebt. Eine zweite, sonst bisher nicht bekannte Arbeit mit der Bronzegruppe von Venus und Amor ward 1599 in der gleichen Werkstätte gefertigt und anscheinend nach Prag gc;licfert, wo sie verschollen ist. Eine merkwürdig antiquarische Idee gibt (;in anderes Blatt mit einer Skizze , wie der Schöne Brunnen auf (U'm Markt zn Nürnberg im 15. Jahrhundert ausgesehen habe, ein Phantasie- gcbilde, das weder in künstlerischer noch in geschichtlicher Hinsicht glaub- haft ist. Jedenfalls l)ilden diese Blätter für die reiz\'olle Phantastik, mit der die l-rfindungsgab(> der deutschen Künstler von Dürer an bis auf Dieterlin das ganze; 16. Jahrhundcn-t hindurch ihre Brunnengru{)pen ersann, interessante Beiträge.

Als die kunstgeschichtlich wertvollste Partie des Buches müssen wir aber die l*'assa(]en(;ntwürfe und Ansichten im Stil der deutschen Hochrenais- sance ncnn(;n. hjui^e^ davon sind wohl unter (U;m Eindruck der Pellerhaus-

127

architektur entstanden: mächtig vortretende, grofse Quader, schwere Pilaster und Voluten, vielstöckige Giebel, auf deren Stufen gelegentlich ganz natur- wahr gezeichnete Tierfiguren sitzen. Dals nach einer dieser Skizzen ein Bau- werk ausgeführt worden sei, ist mir unwahrscheinlich; dagegen erkennen wir unter diesen Blättern eine ziemliche Anzahl Ansichten namhafter, noch heute erhaltener Renaissancebauten: so einen wunderbar gezeichneten Durchschnitt des ehemaligen Lusthauses am Schlofsplatz zu Stuttgart, eine Fassadenansicht des alten Schlosses Gottesau bei Karlsruhe , den Turmunterbau der kürzlich durch Feuersbrunst zerstörten Kreuzkirche zu IDresden, also Gebäude, die eben damals entstanden waren und lernbegierigen jungen Architekten wohl Stoff zum Studium bieten konnten.

Für die Kunsttopographie des alten Nürnberg insbesondere finden wir in dem Baumeisterbuch naturgemäfs eine ganze Reihe von wertvollen Blättern. Wie das Gebäude der städtischen Schau auf S. Sebalds Kirchhof mit seinem gotischen Giebelaufbau nach Maus Beheims Entwurf aussah, und wie dann zu Stromers Zeit ein Stockwerk mit Fenstersäulen und Zahnschnittgesims und mit Mafswerkfüllungen unter den Fensterbänken aufgesetzt wurde ; wie der Markt mit seinen rings umlaufenden Verkaufslauben und der Gebäudekomplex des heutigen Rathauses um das Jahr 1600 sich ausnahm; die Burg und ihre Bastionirung nach Norden hin all das isl hier im damaligen Zustand auf- genommen. Auch einen sehr gewissenhaft ausgeführten Stadtplan von Nürnberg, zahlreiche ^laschinen, Hebevorrichtungen und Räderwerke enthält das Buch, dessen Einleitung einige unbedeutende allegorische Kompositionen bilden, während am Schlüsse einige Kuriositäten , ein Giraffe , die Mifsgeburt einer Ente, ein seltsamer Fisch abgebildet sind. Dazwischen finden wir dann wieder theoretische Zeichnungen zum Festungsbauwesen, Pläne zu einem Fort, das, obwohl im Jahre 1592 erdacht, doch schon die Hauptzüge des Vauban'schen Systems erkennen lälst ; ein Kaspar Schwabe, kurbrandenburgischer Baumeister, der in Crailsheim und 1 leidenheim ansäfsig war, nennt sich als ihr Verfertiger.

Wer die übrigen in der Art der Ausführung ebenso wie an künstlerischem Werte verschiedenartigen Blätter gezeichnet habe, wie viele Hände dabei thätig gewesen sind, läfst sich kaum entscheiden; aufser dem Monogramm I.W. und 1. H.W., das vielleicht auf Jacob Wolf, den Steinmetzmeister des städtischen Bauhofs, den Vater des nachmaligen Rathauserbauers zu beziehen ist, ist keine Künstlersignatur in dem Buche zu finden. Jedenfalls sind auch die unsig- nierten Blätter viel zu sicher in der Perspektive und im Federstrich, als dafs man sie einem Dilettanten zuschreiben dürfte. Dem Stadtbaumeister Wolf Jacob Stromer bleibt das Verdienst, diesen in der Geschichte der deutschen Baukunst einzigartigen Prachtband gesammelt und angelegt zu haben.

Nürnberg. Dr. K. Schaefer.

Inhaltsverzeichnis zum Jahrgang 1897

der

3Iitteilinis>en aus dem J4eriiiaiiiseheii Nationalmuseum.

Seite Wissenschaftliche Instrumente im germanischen Museum, von Gustav

von Bezüld 3, 26, 55, 81

Richard von England, von Dr. R. Schmidt 14

Ganerl)en I.. von Dr. R. Schmidt 16

Ein süddeutsches bürgerliches Wohnhaus vom Beginne des 18. Jahrhun- derts, von Hans Bosch 17, 41, 62, 109

Nürnberger Ratsverlässe Joachim Deschler betreffend, von Dr. Theodor

Hampe 39

Zwei Handzeichnungen des Wolf Huber im germanischen Museum , von

Dr. Edmund Braun 53

Deutsche Bauernstühle, von Dr. KarlSchaefer 74

Ausrüstung einer W^agenburg im 15. Jahrhundert, von Dr. Theodor

Hampe 79

Der Zeugdruck mit der heiligen Anna, der Jungfrau Maria und Seraphim (aus der Sammlung Eorrer, jetzt im germanischen ^luseum) und einige altkölnische Handzeichnungen, von Dr. Theodor

Hampe 91

Ein Brief des Abtes Heinrich von Herrenalb aus dem Jahre 1429 , von

Dr. R. Schmidt 105

Geheimmittelindustrie im 18. Jahrhundert, von Dr. Hans Stegmann . 117

Das Pjaumeistcrbuch des Wolf fakob Stromer, von Dr. Karl Schaefer 124

GFTTY CFNTER LIBRARY

iriiiüMiiii

3 3125 00456 0419

uV fit f « *

-*Ci i I » f

'vi,].« f «

•t t

$ t 1 i j

J t « Jj

1 « •■

,!• I t 9&i

* * *J.ß^

« t

I t I I « i i

IM'

itm

:«!•

^Je vaer'^"'; ^

J

«

*