Aufſätze und Abhandlungen von Ferdinand Lindheimer Teras. eee von einem ſeiner Schüler. [Ar BE aan] 8 —— „ Buchdruckerei von Theodor Wentz in Frankfurt a. M. 1879. 8 8 ae np 1 * 2 1 a - — ; en 2 = * 5 a 5 er By ö 8 Bi Verſonal-Notiz. Ueber Ferdinand Lindheimer aus Frankfurt a. M deſſen botaniſche Ausbeute des Staates Texas den Botaniker durch Dr. Engelmann und Profeſſor A. Gray bekannt iſt, deſſen Namen ſchon Pflanzen unſerer Gärten führen, gibt Dr. Römer in ſeinem Buche über Texas folgende Nachricht: „Am Ende des Orts (Neu-Braunfels) und in einiger Entfernung von den letzten Häuſern ſtand, halb verſteckt unter einer Gruppe von Ulmen und Eichen und hart an dem Ufer des Comal⸗Fluſſes eine Hütte oder kleines Haus, das mit dem eingezäunten Gärt⸗ chen nach Geſtalt und Lage ein ächtes Bild der Idylle darbot. Als ich mich zum erſten Male dieſer ländlichen, einfachen Be⸗ hauſung näherte, erblickte ich vor dem Eingange der Hütte einen Mann, der eifrig mit Holzſpalten beſchäftigt, und augenſcheinlich dieſer Arbeit nicht ungewohnt war. So weit der dichte ſchwarze Bart, der das ganze Geſicht bedeckte, es zu erkennen erlaubte, konnte es ein Mann im Anfange der Vierziger ſein. Er trug einen blauen, vorn offenen Kittel, gelbe lederne Beinkleider und grobe Schuhe, wie ſie bei den Farmern des Landes üblich ſind. Neben ihm lagen zwei ſchöne braungefleckte Hühnerhunde und an einem der benachbarten Bäume war ein dunkelfarbiger Pony an⸗ gebunden. Der Beſchreibung nach konnte der Mann nur derjenige ſein, den ich ſuchte und die mir in der Sprache eines gebildeten Mannes und mit einer leiſen, faſt zaghaft klingenden Stimme, we welche nicht zu der rauhen Außenſeite des Mannes zu paſſen ſchien, ertheilte Antwort, beſtätigten meine Vermuthung.“ — Nachdem L. auf den beſten deutſchen Schulen und Hochſchulen eine wiſſenſchaftliche, beſonders auf das Studium des klaſſiſchen Alterthums gerichtete Ausbildung erhalten, dann ſchon eine Zeit lang an einer höheren Lehranſtalt gewirkt hatte, trieb ihn vor mehr als einem Jahrzehend die Unzufriedenheit mit den öffentlichen Zuſtänden der Heimath und auch wohl die Luſt nach Abenteuern, über das Weltmeer. Er ging zuerſt mit mehreren Gleichgeſinnten nach Mexiko, lebte hier in der Nähe von Jalapa von dem Er⸗ trage einer Ananas- und Bananenpflanzung, und ging ſpäter nach Texas, um hier als Freiwilliger noch den letzten Theil des texaniſchen Unabhängigkeitskrieges gegen Mexiko mitzumachen. Nach Beendigung des Krieges verſuchte er eine Zeit lang als Ackerbauer zu leben und eine Farm einzurichten. Allein auch dieſe Lebensweiſe ſagte ihm nicht zu und er beſchloß, beſonders auf Anregung eines Freundes in St. Louis, die Befriedigung einer ſeit früherer Jugend gehegten Neigung für Botanik zugleich zu einer Erwerbsquelle zu machen. Er kaufte einen zweiräderigen Karren mit einem Pferde, belud denſelben mit einem Pack Pflanzenpapier und einem Vorrath der nothwendigſten Lebens⸗ mittel, namentlich mit Mehl, Kaffe und Salz, und zog dann mit der Büchſe bewaffnet und mit keinem andern Begleiter, als ſeinen beiden Jagdhunden in die Wildniß hinein, wo er, mit dem Sammeln und Einlegen von Pflanzen beſchäftigt und für ſeine Nahrung beſonders auf das Ergebniß der Jagd angewieſen, oft mehrere Monate hintereinander, ohne ein menſchliches Weſen zu ſehen, zubrachte. Als dann im Spätherbſte 1844 der erſte größere Zug deutſcher Einwanderer unter der Leitung des Prinzen Solms in Texas ankam, ſchloß ſich L. demſelben an und wurde als ein des Landes tundiger und erfahrener Mann von den Neu⸗ lingen freundlich aufgenommen. Er zog mit ihnen an den Comal⸗Fluß, und erbot ſich, als hier im Frühjahre des folgenden Jahres die Stadt Neu- Braunfels gegründet wurde auf alle andern Landanſprüche verzichtend, von dem Prinzen einen un⸗ bedeutenden und werthloſen, aber reizend auf dem ſteilen Ufer — III — des unvergleichlich ſchönen Comal-Fluſſes gelegenen Fleck Landes, erbaute hier eine Hütte und begann von hier aus die reiche und großentheils noch unbekannte Flora von Texas mit mehr Muße und Bequemlichkeit auszubeuten. Er verband ſich darauf mit einer Tochter eines kurz vorher angekommenen Einwohners und lebt, von ſeiner Frau auch in ſeinem Geſchäft unterſtützt und der häuslichen Sorgen entrückt, in urſprünglicher ae in ſeinem Häuschen fort. (Bot. Ztg. No. 47 S. 347 1 Die „Zukunft“, Organ des Nord-Amerikaniſchen Turner⸗ Bundes vom 14. März 1878 bringt F. Lindheimers Aufſatz und Geburtstags-Gedanken eines 75 Jährigen und fügt die Notiz hinzu: „Als die deutſche Colonie gegründet wurde, wählte er Neu Braunfels als ſeinen bleibenden Wohnſitz, wo er im Anfange der fünfziger Jahre die Neu⸗Braunfelſer Zeitung gründete, und dieſelbe unter dem zum Theil denkbar ungünſtigſten Verhältniſſen einige zwanzig Jahre fortgeführt und auf einer geiſtigen Höhe gehalten, wie ſich nur wenige, beſſer geſtellte Blätter deren rühmen können. Seit mehreren Jahren ſchon haben ihn ſeine Mitbürger zu ihrem erſten Friedensrichter gewählt, und obſchon er ſilberweiß und etwas gekrümmt daher gebt, ſo hat er doch bei ſeiner wahrhaft rührenden Einfachheit in Weſen und Lebens⸗ weiſe ſich in ſeinem 76ſten Jahre noch einen ſo kräftigen Körper erhalten, daß er noch ein eifriger Gärtner mit Spaten und Hacken iſt, und wie der obige Aufſatz bezeugt, beſitzt er noch eine jugendliche Friſche des Geiſtes, um die ihn mancher viel jüngerer Mann zu beneiden genügenden Grund hat. a 3 8 aki u acht ind lp n n 54 Ann ene an i in i he Bu cm fi m tee n un * Ne 70 + erde Nau 08 705 eee hann 17 = 8 — we: let ane enen Gl 1 ne . „ er 1 * E Hun; } 2 FIEBER Inh Hl ann 2775 . Inhaltsverzeichniß. — — AR Die Cypreſſe im weſtlichen Texas ; : . Seite Das Klima von Teras : Cine Ueberſicht der Flora von Teras Die kürbisartigen Gewächſe in Texas. Ueber Viehzucht und Ackerbau in Texas Ein Verbrechen der texaniſchen Regierung Meine Reiſe und Aufenthalt in Mexiko Optimismus : Ueber Schulunterricht ; War der Menſch ſchon ein geitgenoſe des Maſtodon? Scheinbare Aufgabe im Leben der Natur und der Menſchheit Reflexionen eines Botaniters ; Geburtstags - Gedanken eines 75 Jährigen. Q C ⁰ U — ” 4 9 a 1125779 h A A raum 9 8 IAnnunn Kir} 1 5 1 10 5 an a — ww 5 . Die Cypreſſe im weſtlichen Texas. Cupressus disticha Wildenow, Taxodium distichum Richard. Unter den Bäumen des weſtlichen Texas ift unſtreitig die Cypreſſe die Königin. Hier, wo die in andern Theilen des Lan— des mächtigſten und hervorragendſten Arten, wie die Platane (Platanus occidentalis L.), die Lebenseiche (Quercus virens W.), die Scharlacheiche (. eoeeinea Wang.) ihren Rieſenwuchs nicht mehr erreichen, tritt die Cypreſſe deſto mächtiger auf. In den Sümpfen von Louiſiana erhebt fie ſich als ein ſchlanker Säulenwald über den dunkelen unheimlichen Waſſer⸗ ſpiegel, der Heimath von Alligatoren, dickköpfigen Schildkröten, Ochſenfröſchen und giftigen Waſſerſchlangen. In Weſt-Texas, wo keine Sümpfe ſind, ſteht die Cypreſſe nur reihenweiſe, aber von größerem Wuchſe, am Waſſerrande klarer fließender Bäche und Ströme; oft ſo dicht gedrängt, daß zwiſchen zwei Stämmen kein gleicher dritter mehr Raum hätte. Wollte ein Maler ſolche Partieen zeichnen, wie an der oberen Guadalupe, am Spring⸗ Creek, an der Sabinas, an der Medina vorkommen, wo oft in dichter Reihe 3 bis 7 Fuß dicke Cypreſſen vorkommen, deren nackter Schaft allein 60 bis 80 Fuß erreicht, man würde ſein Bild unwahr und überladen nennen. „Wie können die Wurzeln ſo dicht ſtehender Bäume nur Raum, geſchweige hinlängliche Nahrung in dem Boden finden?“ würde man ſagen. Doch die Cypreſſe ſcheint mehr ein Waſſergewächs zu ſein, und oft auf felſigen Untiefen, in ſchnellſter Strömung der Ge⸗ birgsflüſſe ſtehen Gruppen kleinerer und mittlerer Cypreſſen, krampfhaft mit ihren Wurzeläſten Felsblöcke umklammernd und wie mit ſichtbarer Anſtrengung gegen das mechaniſche Geſetz der Dia⸗ gonale der Kräfte von Waſſerſtoß und eigener Schwere ſenkrecht 1 a ſich behauptend. Wie hier die organische Natur über die Geſetze der unorganiſchen triumphirt, fo behauptet ſich trotz aller Schein: baren Paradoxen einer niederen Welt- und Lebensanſicht die wahrhaft moraliſche Natur des Menſchen. Doch auch noch von einer anderen, aber traurigen Seite des Lebens mögen uns die Cypreſſen ein Gleichniß ſein: Wenn nämlich der Kampf um das nackte Daſein alle Kräfte dahinnimmt, ſo wird das höchſte Ziel der Vollkommenheit ſchwerlich erreicht. An dem Uferrande des nämlichen Fluſſes ſtehen in geichloj: _ ſener Reihe, Wurzel in Wurzel verſchlungen begünſtigtere Brüder. Ein Baum gibt dem anderen Halt; die mächtigen Wurzeln bil⸗ den zugleich einen geflochtenen Damm gegen die abſpülenden Wel⸗ len und einen Damm gegen das Land hin, der die feinſte durch Regengüſſe zugeführte Dammerde auffängt. So ſichert die Ver⸗ einigung Vieler Feſtigkeit und reichliche Nahrung jedem Einzelnen. Unter ſolchen Bedingungen erreicht die Cypreſſe (und unter analogen der Menſch) ſeine höchſte Vollkommenheit, und an ſol⸗ chen Stellen kommen dann Cypreſſen von ſieben und mehr Fuß Durchmeſſer vor. Doch, lde Leſer, bilde Dir ein, wir wären beide ein jeder mit einer guten amerikaniſchen Axt verſehen, und gingen aus, einen Cypreſſenbaum zu ſuchen, von dem man gute Schin⸗ deln ſpalten könnte. Weil Du nun wahrſcheinlich noch nicht mit den Eigenthümlichkeiten der hieſigen Holzarten bekannt biſt, ſo will ich Dir vorläufig, bis wir zur Stelle gelangen, einiges dar⸗ über berichten. Nicht alle Holzarten werden auf gleiche Weiſe zu Schindeln geſpalten. Manche Arten ſpalten beſſer nach den Jahrringen (concentriſch), manche beſſer quer durch die Jahrringe (diame⸗ tral). Zu den letzteren gehören namentlich die Eichenarten, zu zu den erſteren die Fichtenarten, aber vor allen die Cypreſſe, die auch bei dem ſchlankeſten Stamm in längeren Stücken nicht quer durch die Jahrringe geſpalten werden kann, weßhalb ſie ſich durchaus nicht zu Fenceriegeln gebrauchen läßt. Die Jahr⸗ e der Cypreſſe find nur locker miteinander verbunden, aber innerhalb der Jahrringe durchkreuzen ſich die Holzfaſern FA De f * NR 83 . 5 wie ein künſtliches Geflechte. Bei allen Baumarten iſt es die Regel, daß diejenigen Bäume am beſten ſpalten, deren Rinde am regelmäßigſten parallele ſenkrechte Streifen zeigt. Ferner müſ⸗ ſen wir darauf bedacht ſein, einen tauglichen Baum zu finden, der nicht zu große ſchwere Aeſte nach dem Waſſer hin hat, da— damit er beim Fällen nicht ins Waſſer falle. Durch die Art des Fällens kann man viel dazu beitragen den Baum nach einer beſtimmten Seite hin fallen zu machen. Auf der Seite auf die der Baum hinfallen ſoll, fängt man zuerſt an zu hauen, indem man eine gewiſſe Ordnung und Regelmäßigkeit dabei beobachtet, die die Arbeit ſehr erleichtert. Eine erſt gemachte Kerbe wird durch Abſpalten von Spänen am oberen Rande dieſer Kerbe jedesmal erweitert, bis die obere gehauene Fläche mit der unteren zuſammen— trifft. Dies thut man ſo oft, bis man mit der Kerbe etwas über die Mitte des Baumes hinein gekommen iſt. Dann fängt man auf der entgegengeſetzten Seite an zu hauen, um ein weni⸗ ges höher als der Grund der erſt gemachten Kerbe. Es iſt nun klar, daß wenn nicht ganz bedeutende Hinderniſſe eintreten, zu ſchräge Stellung des Baumes, zu große Aeſte auf einer Seite, ein plötzlicher Windſtoß, oder andere große Bäume in der Nähe, die die Richtung des fallenden Baumes verändern, daß der zu fällende Baum nach der Richtung abbrechen und fallen muß, wo die tiefſte und zugleich niedrigſte Kerbe gehauen wurde. ch indem wir ſo reden, ſind wir der Stelle nahe ge⸗ kommen. Siehſt Du dort in faſt gleicher Höhe mit dem Boden die breiten wagrechten Baumgipfel, ſie erinnern an den Wuchs der italieniſchen Pinien. So iſt allgemein die Geſtalt der alten ausgebildeten Cypreſſen. Sie ſtehen dort am Ufer des Fluſſes am Fuße einer hohen ſenkrechten Felswand. Der Kürze des Weges halber, wollen wir hier in dieſem Einſchnitt, den ein” Waſſerlauf gemacht hat, die Felswand hinabklettern. Später, wenn wir die Schindeln gemacht haben, müſſen wir einen ande⸗ ren Zugang zu dem Platze ſuchen, durch den man mit einem Wagen hin gelangen kann, oder im widrigen Falle müſſen wir die Schindeln auf dem Fluß hinabflößen, bis wir zu einer Stelle gelangen, die für Wagen zugänglich ift. 1* = Br Hört Du das Waſſer rauſchen, gleich find wir dort. Es iſt eine ſchöne Stelle. Von der Höhe dieſes Felſenabhangs kann man ein längeres Stück dieſes Fluſſes überſehen. Dort oben, wo der Fluß weniger tief iſt und über ein wagrechtes Bett von weißem Mergelkalk hinſtrömt, hat das Waſſer die lebhafteſte ſmaragdgrüne Farbe; hier unter unſeren Füßen, wo das Bett plötzlich einen tiefen kleinen See bildet, ſcheint das Waſſer von dem reinſten Dunkelblau. Phänomene die auch Byron an beiden — Armen der Rhone beobachtet hat und in dem dritten Geſange ſeines „Child Harold“ beſchreibt, und die Goethe in ſeiner Farbenlehre näher charakteriſirt. An einer anderen Stelle ſagt Goethe über denſelben Gegen— ſtand: „das Höchſte, wozu der Menſch gelangen kann, iſt das Er: ſtaunen und wenn das Urphänomen ihn in Erſtaunen ſetzt, ſo ſei er zufrieden, ein Höheres kann es ihm nicht gewähren und ein Weiteres ſoll er dahinter nicht ſuchen; hier iſt die Grenze. Aber den Menſchen iſt der Anblick eines Urphänomens gewöhnlich noch nicht genug, ſie denken es müſſe noch weiter gehen, und ſie ſind den Kindern ähnlich, die, wenn ſie in einen Spiegel geguckt, ihn ſogleich umwenden, um zu ſehen, was auf der anderen Seite iſt.“ Doch nun laß uns hinabſteigen. Hier in dieſem Lande, wo jeder Tag unſer Eigenthum iſt, enteilt die Zeit uns immer nur zu Schnell. Das iſt, nebenbei gejagt, das Geheimniß, warum die Tage und die Jahre uns hier ſo ſchnell verſtreichen. Nun find wir an Ort und Stelle. Indianer müſſen früher hier cams pirt haben. Von den Rinden dieſer geſchälten Cypreſſen hatten ſie ſich Winterwohnungen gemacht; und hier dieſe Cypreſſe, an der ein großes Andreaskreuz eingeſchnitten iſt, war einſt von den Indianern als ein Bienenbaum bezeichnet. Laß uns an dem Fluß abwärts gehen und einen tauglichen Baum ausſuchen. Hier dieſes hohe Gerüſt von Stangen, die mit Lindenbaſt zuſammen gebunden ſind, diente einſt einigen Amerikanern, die daneben ſtehende Cypreſſe in der Mitte ihrer Höhe zu fällen. In dem oberen Theile dieſer Cypreſſe war nämlich ein Bienen? ſchwarm mit vielem Honig und um ſich die Mühe zu erſparen den Stamm an feinem äußerſt dicken unteren Ende durdzu: 0 . 5 4 RE hauen, haben ſich die Bienenjäger dieſes Gerüſt gebaut. Ich war ſelbſt mit zu dieſer Partie eingeladen. Wir löſten uns ab beim Fällen des Baumes. Der hohe Standpunkt war ſehr un⸗ bequem, namentlich gefährlich für den, der die letzten Streiche mit der Axt zu thun hatte. Der gewandteſte und ſtärkſte Mann beſtieg zuletzt das Gerüſt. Bedächtig wurde jeder der letzten Strei— che geführt. Aller Augen hingen an den äußerſten Zweigen des Baumes, die beim Fall den größten Bogen beſchreiben und da— her, wenn an dem Hauende noch kaum eine Bewegung ſichtbar iſt, ſchon einen bedeutenden Raum zurückgelegt haben müſſen. — Endlich erzitterten die äußerſten Zweige des Baumes, ein Ruf der Umſtehenden und ein leiſes Kniſtern der zerreißenden Holz faſern, verkündeten den nahen Fall. Der kühne Fäller kletterte halb und ſprang halb von dem gefährlichen Gerüſt. Immer ſchnel⸗ ler neigte ſich der Gipfel, dem Kniſtern folgte ein Krachen des ab: brechenden Stammes und nun nach den Geſetzen des Falles in beſchleunigter Bewegung ſchlägt die abgehauene Baummaſſe auf den Waſſerſpiegel, daß dieſes hoch in die Höhe ſpritzt und in Wellen gegen das Ufer ſchlägt. Glücklicherweiſe war das Flug⸗ loch der Bienen außerhalb des Waſſers, ſonſt hätte das Wal: ſer, wenn es in den Baum eingedrungen wäre, den Honig auf⸗ gelößt. Der auf ruhigem Waſſer ſchwimmende Baum wurde nun beſtiegen, ein kleines Feuer auf demſelben angezündet mittelſt deſſen beſtändig ein Rauch von alten baumwollenen Lappen un⸗ terhalten wurde, um die Bienen abzuwehren. Die hieſigen wilden Bienen ſind überhaupt nicht ſehr bösartig. Es wurde nun ein großes viereckiges Loch in den ſchwimmenden Bienenbaum gehauen und der Honig ſammt den Waben heraus genommen ohne daß irgend jemand von einer Biene geſtochen wurde. Endlich müſſen wir uns aber doch über die Wahl eines Baumes entſcheiden. Dieſer hier ſcheint mir einer der tauglich⸗ ſten zu ſein. Aus Vorſicht können wir vorher erſt einen fußlan⸗ gen Span abſpalten und verſuchen, ob das abgeſpaltene Stück ſich leicht in dünnere Flächen zertheilen ee welches ein ſicheres een der Bee des ganzen Baumes iſt. i die Röcke ausgezogen und zuvor rings den Platz 2 en Geſtrüpp und Ranken gereinigt. Die Ranken find beſonders ge: fährlich, wenn man beim Ausholen mit der ſcharfen Axt an die— ſelben ſtößt und dann einen Fehlbieb thut. Auch muß man dar⸗ auf bedacht ſein, daß man einen freien Platz hat, auf den man ſich beim Falle des Baumes zurückziehen kann. Beſonders müſſen wir darauf Acht haben, daß der Baum bei ſeinem Falle nicht an einem der naheſtehenden großen Bäume hängen bleibe. Nun friſch an die Arbeit! „Harter Werke tägliche Bewahrung“ „Sonſt bedarf es keiner Offenbarung!“ ſagt ein alter Spruch perſiſcher Feueranbeter, älter und weiſer als alle Weisheit Salo— mo's und der Propheten. — Schlag auf Schlag, daß die breiten Späne fliegen! Leicht und ſpielend, wie die Klinge in der Hand des geübten Fechters arbeitet die amerikaniſche Art. Es iſt ein Hauptvortheil beim. Hauen, daß man den richtigen Zug führt. Jeden tüchtigen Holz⸗ hauer kannſt Du gleich daran erkennen, und namentlich hier in Amerika, wo das Bäumefällen mit techniſcher Kunſt geübt wird, iſt der Unterſchied zwiſchen gutem und mittemäßigem Holzhauen beſonders auffallend. Dieſer empiriſch ausgefundene Vortheil des guten Zuges bei demſelben beſteht hauptſächlich darin, daß wir der in den Quadraten der Zeiten beſchleunigten Bewegung der niederfallenden Axt mit einer ebenmäßigen beſchleunigten Beweg⸗ ung unſerer Arme zu Hülfe kommen, die dadurch noch mehr er— höht wird, daß wir durch Zurückziehen der einen Hand am Axt⸗ helm bis zum Einſchlagen der Axt den Hebel beſtändig verlängern. Beim ungeübten Holzhauer erreicht die daran geſetzte Kraft nicht die beſchleunigte Bewegung des Falles, ſondern läuft gleichſam dahinterher und überdieß hält er die beſchleunigte Bewegung des Falles noch dadurch auf, daß er während des niederfallenden Schlages den Hebel oder vielmehr Pendel des Axthelms nicht in einer dem Geſetze des Falles entſprechenden Weiſe verlängert. Bei einem ſymmetriſch gebauten Baume fällt die Achſe des Gleichgewichts, oder wie ich einen amerikaniſchen Holzhauer 4 gelehrt ſich ausdrücken hörte: „das „oentrum gravitatis“ Mitte des Stammes. Wenn man daher wie die Indianer, odel 4 4 1 1 2 1 g 1 rer e 777 e e N . * » 1 auch die neuangekommenen Irländer zu thun pflegen, einen Baum rings herum haut, ſo fällt er nicht früher, als bis man ihn ganz durchgehauen hat, und dann ſelbſt balancirt er oft noch einige Zeit auf ſeiner kegelförmigen Spitze und man weiß nicht wohin er fallen wird. Der ungeübte Holzfäller läuft dann gewöhnlich in großer Beſtürzung davon und ſucht außerhalb des Bereiches des fallenden Baumes zu kommen, und das iſt dann oft gerade ſein Verderben; er wird von den äußerſten Aeſten des Baumes noch erreicht und zu Boden geſchlagen. — Wäre er ruhig an dem Stammende des abgehauenen Baumes ſtehen geblieben, mit der feſten Ueberzeugung, daß der Baum nur nach einer Seite hin fallen könne, daß der Baum am Stammende langſamer falle, als an der Spitze, und daß man an dem Stammende mit drei Schritten außerhalb der Gefahr ſei! — Doch die Inkonſequenz und das unlogiſche der Furcht, die oft das Unvermeidliche ver— meiden möchte, öfter aber uns grade der Mittel beraubt, das Vermeidliche zu vermeiden, iſt tief begründet in der verkehrten Natur der jetzigen Menſchheit, die immer nur Hülfe, Rettung und Erlöſung außer ſich ſelbſt ſucht. — Schon öfter habe ich von Europäern die Behauptung ge⸗ hört, daß die Amerikaner ſo gute Holzhauer ſeien, weil ſie ſo gute Aexte hätten. Ich glaube vielmehr, daß die Sache ſich um: gekehrt verhält. Nämlich die Amerikaner haben ſo gute Aexte, weil ſie ſo gute Holzhauer ſind. Sie ſelbſt haben ſich dieſe Aexte erfunden und waren im Stande, ſich ſolche Aexte zu er: finden, weil ſie zufolge ihrer großen Uebung im Holzhauen wohl merkten, auf welche mechanische Geſetze es hier hauptſächlich an- kam. Ebenſo haben die Araber die beſten Pferde, weil ſie die beſten Reiter ſind; die Nordamerikaner die ſchnellſten Schiffe, weil ſie die beſten Seefahrer ſind; ebenſo haben die Deutſchen die Buchdruckerkunſt erfunden, weil ſie der Welt etwas zu ſagen hatten, und nicht umgekehrt. Dieſe amerikaniſchen Aexte haben nun manchen Vorzug vor den europäiſchen. Die amerikaniſche Art iſt durchſchnittlich ſchwerer wie die europäiſche, muß alfo , da der Hieb gewöhnlich von oben nach unten nichts anders als ein beſchleunigter Fall ift, eine rn ungleich größere Wirkung haben, als die europäische Axt. Die Schneide der amerikaniſchen Axt iſt ohngefähr noch einmal ſo breit als die der deutſchen, ſie haut folglich einen viel breiteren Span. Damit aber dieſe Breite der Schneide nicht am Eindringen der Axt hindere, ſo iſt dieſe Schneide nicht faſt geradelinigt wie bei der deutſchen Axt, ſondern bildet einen Kreisbogen von circa ein Drittel Peripherie, von 120 Graden. Wenn es nun eine aus⸗ gemachte Sache iſt, daß ein Hieb, der die Holzfaſern nicht recht— winkelig, ſondern ſchräg durchſchneidet, tiefer eindringt, wie der Huſar dem Ulanen die Lanze nur ſchräge durchhauen kann, weil dann die Elaſtizität der Holzfaſer nicht ſo ſtarken Widerſtand leiſtet, dann muß es auch klar ſein, daß eine bogenförmige Schneide, die außer der ſchrägen Richtung des Hiebes ſelbſt noch von beiden Seiten, nämlich mit der oberen und der unteren Hälfte ihrer Schneide, ſchräge in die Holzfaſer eindringt, aus doppelten Gründen eine kräftigere Wirkung hat. — Ein anderes Moment, das das kräftigere Eindringen der amerikaniſchen Axt nicht wenig befördert, iſt ihre feine Politur, die die Reibung bedeutend vermindert, ferner die Güte des Stahls, die eine Schärfe der Schneide erlaubt, wie keine deutſche Axt ſie aus⸗ hält ohne zu biegen oder zu brechen. Aber alle dieſe Vortheile der amerikaniſchen Axt wären nutzlos, wenn die Baden derjel: ben (ihre Seitenflächen) geradlinigte Flächen wären. Die tief eingedrungene Axt würde dann jedesmal im Holze ſtecken blei⸗ ben. Bei der amerkaniſchen Axt find die Seitenflächen conver, doch nur fo ſtark gehoben find dieſe Flächen, daß das Einklem⸗ men der Axt zwar verhindert, aber das Eindringen derſelben doch nicht geſtört werde. Ebenſo iſt auch der Stiel der ameri⸗ kaniſchen Axt von unübertrefflicher Geſtalt und Material. Ein Yankee handle von Hickoryholz leiſtet alles, was man von einem ſolchen Werkzeuge fordern kann. So fremdartig dem Eu⸗ ropäer dieſe doppelt gebogene Geſtalt des amerikaniſchen Axt⸗ helms ſcheinen mag, es iſt die meiſt praktiſche Geſtalt für ein Hau⸗Inſtrument, es iſt die Geſtalt des türkiſchen Yatagan! Doch horch, lege einmal das Ohr an den Stamm. Schon arbeitet es leiſe im Innern des Baumes. Nur von Zeit zu Zeit e eee ee ae Be, hört man den Ton von zerreißenden Holzfaſern. Wir können getroſt noch eine Anzahl Streiche mit der Axt thun, ehe der Baum ſich zum Falle neigt. — Jetzt! das Kniſtern und Knarren ver— doppelt ſich, er ſinkt! — Schneller und ſchneller wie ein Sturm— wind rauſchet die Krone durch die Luft. Zerſplitternd brechen die ſtarken Aeſte an dem Boden und mit einem kurzen dumpfen Schall, ſchwer zu ſagen, ob es mehr der Ton des Bodens oder mehr der Ton des Stammes iſt, fällt der Rieſe, der Jahrhunderte zu ſeinem Wachsthume gebrauchte; in deſſen Jahrringen (wenn wir erſt einmal beſſer phyſiologiſch zu leſen verſtehen) die Witter— ungsannalen von circa ſieben Jahrhunderten verzeichnet ſind. — Doch ſchon ſinkt die Sonne, wir haben unſer Tageswerk für heute vollendet. Als wir heute Morgen ausgingen, ſprach ich von der ver— ſchiedenen Spaltbarkeit der Holzarten. Ich ſagte, daß die Cypreſſe ſich nur äußerſt ſchwierig diametral d. h. quer durch die Jahrringe hindurch ſpalten laſſe. Dieſe Eigenſchaft der Cypreſſe macht fie zum geignetſten Holz um Kanoes daraus zu verfertigen, denn grade am Hintertheil und am Vordertheil, wo die Jahr— ringe von den Flächen des Kanoes durchkreuzt werden, würde faſt jede andere Holzart, die Platane (Sycamore) allenfalls aus: genommen, in der Sonne ſpalten. Vor der Platane hat aber die Cypreſſe den Vorzug, daß ſie als ein harzhaltiges Holz der Fäulniß nicht leicht ausgeſetzt iſt. Ich ſelbſt habe einmal ein Kanoe von Cypreſſenholz beſeſſen, das ſeiner Zeit das größte auf Bufallo⸗Bayou war. Der Baum zu dieſem Kande war an den Ufern des Trinity gewachſen, von wo es ein paar kühne Männer zur See um die Küſte herum bis nach Houſton brachten. Ein Sturm hatte ſie auf der See befallen, ſie mußten das Land ſuchen und als ſie daſſelbe mit Noth erreicht hatten, mußten ſie ihr Kanoe hoch auf den Strand ziehen, damit es von der Brandung nicht hinweggeſchwemmt wurde. Zwei Tage wurden die Männer an der Küſte vom Sturme aufgehalten. Brennender Durſt befiel ſie, doch mit einem Spaten, den ſie glücklicher Weiſe bei ſich hatten, fanden ſie in geringer Tiefe, hinter den Dünen der See, ſüßes Waſſer. Fortes fortuna juvat! — — 0 — Siehſt Du dort hinter jenen Bäumen dieſen ſonderbar grau⸗ röthlichen Duft. Es iſt der Rauch unſerer Hütte, der von der Abendſonne durchleuchtet wird, und bei dem freundlichen Mahle, das unſerer dort wartet, will ich Dir noch mehr von den Cypreſſen erzählen. Doch jetzt, gleich wie Magnet und Eiſen, wie es ſich näher kömmt, ſchneller ſich entgegen eilt, treibt die Ungeduld mich Weib und Kinder wieder zu ſehen — drum überlaß einen Augenblick mich meinen eigenen Gedanken. — Siehſt Du, fir und fertig iſt unſer Mahl und der reinliche Tiſch ſchon gedeckt. Mein emſiges Weib läßt nicht auf ſich warten. k Es jollte Dir wohl ſchwer werden zu errathen von welchem Gethier dieſes feine geräucherte Fleiſch herkömmt. Du könnteſt vielleicht an pommeriſche Gänſebrüſte denken, aber es gibt noch ſchönere Brüſte als Gänſebrüſte, und in Texas mußt Du nicht an Pommern denken. Kurz, das hier ſind geräucherte Puterbrüſte. In Andübou's weltberühmtem Werke über die Vögel Nordamerikas iſt vieles und ſonderbares von den Putern erzählt, doch über das gewöhnliche Leben und was dieſer Vogel den Tag über treibt wird darin wenig geſagt. Wenn Du Federn von einem Puter, die Du leicht an ihrem kupfernen Metallglanze unterſcheiden kannſt, und große Vogel⸗ excremente unter einem Baum findeſt, ſo kannſt Du ſicher ſein, daß auf dieſem Baume Puter übernachtet haben; die Lieblings: ſchlafſtelle für Puter, Turkey roost, find die Cypreſſen und das aus mehreren Urſachen. Die Cypreſſe iſt ein ſehr hoher Baum auf welchem der Puter ſich ſicher fühlt; die Cypreſſe hat ſehr lange wagrechte Aeſte, auf welchen ein Vogel bequem ſitzen kann; die Cypreſſe ſteht oft nahe am Felſen, über die der Puter, der ſich mehr auf ſeine Beine als auf ſeine Flügel verläßt, ſich leicht durch die Flucht retten kann. Die Cypreſſe ſteht ferner nahe an dem Waſſer, und Waſſer will dieſer Vogel wegen der Hitze, die ſein ſtarker Verdauungsprozeß erzeugt, des Tages wenigſtens dreimal. Am meiſten lieben die Puter dann ſolche Stellen, wo das klare Waſſer über ſeichten Kiesboden hinrieſelt. Wenn Du nun einen ſolchen Turkey roost gefunden haſt, ſo verbirg Dich eine Stunde vor Sonnenuntergang ganz in der Nähe 5 3 des roost's. Bald wirft Du dann das Krachen von dürren Zweigen hören. Man ſollte faſt glanben es nahe ſich ein Menſch, ſo laut ſind die Tritte. Gewöhnlich erſcheint dann zuerſt ein vorſichtiger Puterhahn, der bald langſam geht, bald läuft, bald ſtille ſteht und ſich umſieht, oder vielmehr horcht. Ob ſeine Bewegungen mehr von der Furcht, oder, was eben ſo wahrſcheinlich iſt, mehr von der Anhänglichkeit an ſeine nachfolgenden Weibchen geleitet werden, iſt ſchwer zu ſagen. Endlich iſt er dem Waſſer nahe gekommen, in das er bald mit ſeinen langen Beinen eine Strecke hineinläuft und trinkt. Die Weibchen folgen einzeln nach. Wahr⸗ ſcheinlich hat ſich das eine hier, das andere dort noch beim Beerenz, Eicheln⸗, Nüſſeſuchen oder Heuſchreckenfangen aufgehalten, oder hat bei ſeiner Rückkehr nach dem Waldſaume eine reife Grasſtelle gefunden, von deren Aehren es mit ſeinem Schnabel die Körner abſtreifte. Noch ehe alle Weibchen angekommen ſind ſucht der Hahn ſein Nachtquartier auf. Nachdem er ein paarmal einen langen Hals gemacht, entſchließt er ſich die trägen Flügel zu bewegen. Auf ſeinem Aſte angelangt wechſelt er dann gewöhnlich noch ein paarmal ſeinen Sitz, bis er die bequemſte Stelle für das Gleichgewicht ſeines ſchweren Körpers gefunden hat, läßt dann ſeine Bruſt auf den Aſt ſinken und zieht ſeinen Hals ein. Nach ähnlichen Vorbereitungen haben ſich dann zuletzt auch alle Weibchen an der Schlafſtelle eingefunden und zur Ruhe begeben. Doch das geringſte Geräuſch würde den ganzen roost wieder aufſcheuchen, darum warteſt Du lieber, wenn Du Puter ſchießen willſt, ſo lange als möglich, ſo lange bis es grade nur noch hell genug iſt zum Treffen. Sollte es eine Vollmondnacht ſein, die hier faſt ſo hell iſt wie ein deutſcher Tag, ” wartet man beſſer bis nach Mitternacht mit der Jagd. g Haſt Du nun einige Puter am Abend geſchoſſen und den roost verſcheucht, jo find dieſe Vögel in der Nacht nur bis zu den nächſten hohen Bäumen geflogen. Du kannſt dann vor Tagesanbruch noch einmal an derſelben Stelle eine gute Jagd machen. Die Puter gehen erſt ſpät von den Bäumen, und es iſt ſchon hell genug zum Schuß, wenn dieſe Vögel noch ſchlafen. Oft treffen die erſten Strahlen der Morgenſonne ihr metallglän⸗ - a. zendes Gefieder, wenn fie den hohen Sitz ihrer Nachtruhe noch nicht verlaſſen haben. Doch vielleicht haſt Du ſchon am Abend vorher hinreichende Beute gemacht und Du ziehſt es vor, am andern Morgen dieſe Puter lieber in ihrem Weſen zu beobachten. Später als der Haushahn kräht, erſt mit anbrechendem Tag, läßt der Puterhahn ſein ſtarkes kullerndes Geſchrei hören. Oft, wenn ſchon die Gipfel der Bäume von den ſchrägen Strahlen der Morgenſonne glänzen, verlaſſen die Puter erſt den Platz ihrer Nachtruhe. Das Waſſer wird dann zuerſt wieder heimgeſucht. Die Hühner verſammeln ſich um den Hahn und der Zug geht dann aus der Flußwaldung heraus. Grenzt an dieſe Flußwal⸗ dung eine Prairie, ſo verſammeln ſich oft viele Hahnen mit ihren Hühnern zu einer großen Heerde, manchmal von mehreren Hun⸗ derten. Oft gehen ſie ſo dicht gedrängt, daß ein Puter an den anderen anſtößt und daß namentlich die Weibchen während ihres wackelnden Ganges ſich einander beißen und an einander hinauf: fliegen. Wenn ſie dann den Plätzen ihrer Atzung näher kommen, dann trennen ſich die einzelnen Puterfamilien wieder von einander und ſelbſt die einzelnen Puter laufen hier hin und dort hin; doch halten ſich die Glieder der Familien immer in einiger Nähe zu⸗ ſammen. Weibchen die ſich zu weit verloren haben, hört man dann oft den Lockton rufen. Folgt man einem ſolchen Weibchen von Ferne, dann kommt man oft ſo nahe zu der Puterfamilie, daß man ihr Scharren und Kratzen in dem dürren Laube hört, wo ſie Eicheln und Peccanüſſe auf dem Boden ſuchen. Doch das wie und wann und wo man die Puter ferner findet, die Arten, Zeiten und Orte der Puterjagd will ich Dir für heute nicht ferner beſchreiben. Es waren nur die Cypreſſen, mit denen die Puterjagd des Weſtens ſo verwandt iſt, die mich heute von den Putern ſprechen machte. Und nun zum Schluß unſerer heutigen Unterhaltung über die Cypreſſen von Weſttexas, ſei noch die größte Cypreſſe er⸗ wähnt, die in hieſiger Umgegend vorkömmt. Den Umfang ihres 5 Stammes können kaum ſieben Männer umklaftern. Ihr halber Durchmeſſer beträgt demnach ungefähr ſieben Fuß, und nach der Es trse ee FORTE RR N 8 1 gewöhnlichen Dicke der Jahrringe bei den Cypreſſen zu rechnen, muß das Alter dieſes Baumes über tauſend Jahre betragen. Das Samenkorn dieſes Baumes iſt vielleicht gefallen und hat gekeimt, als durch Winfrieds chriſtliche Axt die heilige Eiche in Deutſchland gefällt wurde (720 n. Chr.), als das Walhalla, der Lohn der Thaten, von dem chriſtlichen Himmel, dem Lohne des Glaubens, verdrängt wurde. Ein wichtiger Abſchnitt in der Geſchichte der Menſchheit, eine andere Weltanſchauung tritt ein. Statt des guten Rechtes gilt nur noch die Gnade; vom oberſten Weltlenker herab ſanktionirt iſt der Menſch nur noch ein recht— loſes Geſchöpf. Dieſer demoraliſirende Einfluß des Prieſterchri— ſtenthums hat nun ſchon über ein Jahrtauſend es verſucht den Deeident zu orientalifiren. Heiliger Bonifacius, der Du zuerſt die Axt an die deutſche Eiche legteſt: des Allvaters Eichen ſind ein ewiges Geſchlecht, die kannſt Du nicht ausrotten, jo wenig wie die robora populi Germaniei, die Steineichen der deutſchen Nation, das iſt der Kern und die Repräſentanten des deutſchen Geiſtes! Den Birgilins von Straßburg haſt du verketzert, weil er an Antipoden glaubte. Jetzt ſind ganz andere Antipoden für dich erſtanden, Antipoden deines Geiſtes. Das Gnadengeſchenk deines Prieſter-Chriſten⸗ thums iſt uns zu theuer erkauft, wenn wir unſere Menſchen⸗ würde dafür hingeben ſollen. Wir brauchen deine Verheißungen nicht; weder du noch dieſe Cypreſſe noch irgend ein Fixſtern lehrt uns unſer ewiges Daſein. Unſere eigene Logik lehrt uns das. Indem wir mit unſerem Bewußtſein über das Leben der Cypreſſe und des Firiternes hinausragen, beweiſen wir de facto, daß unſer Bewußtſein auch außer dieſer Gegenwart haftet. Es iſt dies der Beweis der Unſterblichkeit, ſo wie der Angeboren⸗ heit dieſes Bewußtſeins; es iſt dieſes zugleich der alte moſaiſche Glaube an das was da iſt, war und ſein wird, den Jehovah, buchſtäblich der Gott der Myſterien. Es iſt der wahrhaft moſai⸗ ſche Glaube; es iſt der wahrhaft chriſtliche Glaube, den uns dieſe Logik und dieſer logiſche Zuſammenhang und dieſe logiſche Bedeutung alles Seyenden lehrt. „Im Anfang war der Logos.“ Diefen chriſlichen Lehrsatz überjegen unsere Geiſlichen: „In = Anfang war das Wort“ und unter Wort verſteht ihr euer un⸗ ſinniges Dogma. Doch Logos iſt ein aus der griechiſchen Philo— ſophie entlehnter Ausdruck und bedeutet urſprünglich den Ge- danken, die Vernunft! Und jo mit gutem Fug und Recht können wir euch Ber: ketzerer, euch Leviten und Pfaffen für die Urketzer der reinen moſaiſchen und reinen Chriſtus-Lehre erklären. Nun ſo lebt denn wohl ihr Cypreſſen. Wenn ich ſo manchmal in nächtlicher Stunde unter euch geſtanden habe, und der leben: dige Odem, der dieſen Erdball umgibt in euren Zweigen lispelte, dann wog ich oft den Werth dieſes Lebens in meinen Gedanken ab: Du tauſendjährige Cypreſſe, du mehr als zwanzigtauſend⸗ jähriges Bett des Guadelupe, und du faſt ewig ſcheinender Fir: ſtern, ihr alle ſeid nur wechſelnde Geſtalten. Seit Sterne erſter Größe am Firmament verſchwunden ſind, kann kein Glaube mehr an irgend ein Beſtehendes ſich halten. — Erſt galt die Erde als der feſte Mittelpunkt, dann galt die Sonne als der feſte Mittelpunkt, aber ſchon der in den ägyptiſchen Tempeln abgebildete Thierkreis zeigte bald, daß auch unſer ganzes Sonnenſyſtem ſich von der Stelle bewege, daß alle 71 Jahre der Frühlings Tag- und Nacht⸗Gleiche⸗ punkt um einen Grad im Thierkreis fortrücke, daß alſo in 360471 Jahren, das iſt in 25,560 Jahren unſer Sonnenſyſtem wieder auf derſelben Stelle im Thierkreiſe ſtehe, alſo einen Umlauf um einen Mittelpunkt gemacht habe, und dieſer Mittelpunkt bewegt ſich zwei⸗ felsohne wieder um einen anderen Mittelpunkt und ſo fort. — Nichts iſt beſtändig im ewigen Wechſel der Dinge! Ja wohl, iſt etwas beſtändig in dieſem Wechſel der Dinge! Es iſt dieſer Wechſel ſelbſt, der beſtändig iſt, und nur darin bes ſteht das Leben, daß es in jedem Augenblicke ein anderes iſt. Dieſes fortwährende Andersſein vom Andersſein, dieſe Negation der Negation, iſt eben die wahre Affirmation. Wir ſelbſt ſind in jedem Momente körperlich und geiſtig ein Anderer. Ohne Anderswerden, ohne Fortſchritt, iſt kein geiſtiges Leben und kein lebendiger Geift denkbar; und was unſeren Körper betrifft, jo iſt in 20 Jahren kaum ein Loth unſeres Fleiſches mehr dasſelbe. So leben wir, indem wir fortwährend ſterben. Dieſer vermeint⸗ 8 liche, dieſer relative Tod iſt nur ein Mißverſtändniß der wahren Geſetze des Lebens. Einen abſoluten Tod giebt es gar nicht. Der Begriff eines abſoluten Todes iſt an ſich ſchon ein Unſinn, eine eontradietio in adjeeto, (eine auf widerſprechende Vorausſetzungen ſich ſtützende Behauptung.) Zum Begriff des Todes können wir nur durch den Begriff des Lebens kommen. Der Tod an ſich iſt blos ein negati⸗ ver Begriff. Nun ſetzen wir z. B. Tod ſoll ſtattfinden! Alfo Leben findet dann in dieſem Falle nicht ſtatt? — Da nun aber der Tod die Negation von dem Leben iſt, und Leben im Falle des Todes nicht ſtattfindet, wie kann da die Negation, der Tod, ſtattfinden, wenn das, wovon es die Negation ſein ſoll, das Leben, nicht zugleich ſtattfindet?! Einen wirklichen Tod gibt es gar nicht! Atra Cupressus! kein Cupressus! Du finftere Todten- cypreſſe, ich verſtehe die Worte, die der Weltgeiſt lebendig in deinen Zweigen lispelt. Als Siegespalme des ewigen Lebens haben dich ſchon die Alten, gleichſam an die Eingänge in den Hades, an ihre Gräber, gepflanzt. Das arme zerknirſchte Chriſten⸗ volk, das von vornherein nur Tod und Verderben ſieht, das das Leben nur als eine Negation des Todes aufzufaſſen vermag, wie der negative Ausdruck Unſterblichkeit beweiſt, Hack nur mit Thränen und Trauer auf die Cypreſſe. Eine Unſterblichkeit gibt es für uns nicht, denn es gibt für uns keinen Tod! Aber ſo wahr dieſes Sinnbild des ewigen Lebens, dieſe Cypreſſe, lebt, und ſo wahr die Geſetze alles Lebens ewige Geſetze ſind, und ſo wahr der Geiſt, der dieſe ewigen Ge⸗ ſetze theilßweis begreift, in ibrer organiſchen Totalität aber von vornherein ſich bewußt iſt, dieſen Geſetzen ſelbſt homogen und ewig ſein muß, ſo wahr muß auch dieſer Menſchengeiſt ewig ſein. Wir blicken nicht mit Thränen auf die Cypreſſe. Wie auf ein erſtürmtes Bollwerk des Todes, ſo pflanzen wir, auß den Wall des Grabes, unſer Ae de Panier der Unſterblichkei die e 1 8 Das Klima von Texas. Nicht allein die mathematiſche, ſondern ebenſowohl die phyſiſche Lage eines Landes beſtimmt das Klima deſſelben. Wer daher von dem freundlichen Himmel des Garda- und Comerſees in Italien einen Schluß machen wollte auf das Klima von Unter⸗ canada, oder von dem milden Wetter Roms auf das von New- York oder Boſton, weil dieſe Orte in faſt gleicher Breite liegen, der würde ebenſo fehl gehen, als wenn einer meinte, wir hier in Texas hätten die Tagesgluth und den nächtlichen Froſt der Wüſte Sahara, die mit uns in gleicher nördlicher Breite liegt. Selbſt in den Tropen gibt es eine Region des ewigen Winters, während das nahe daran und unter derſelben Breite liegende Niederland die volle Gluth einer tropischen Sonne em: pfindet: und zwiſchen dieſem kalten und dieſem heißen Lande der Tropen (tierra fria und tierra caliente, wie es dort die Mexi⸗ kaner nennen), liegt ohngefähr 2000 Fuß über dem Spiegel des Meeres, die tierra templada, das Land des ewigen Frühlings. Auch wir hier in Texas haben, nicht wegen unſerer hohen Lage über der Meeresfläche, ſondern aus anderen Urſachen, trotz unſerer ſo geringen nördlichen Breite, ein gemäßigtes Klima. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß ein weit nach Norden ſich erſtreckendes Continent auch die ſüdlicher liegenden Theile des⸗ ſelben Landes erkältet: deßhalb iſt auch Europa und Nordafrika bedeutend wärmer auf den gleichen Breitegraden, als das bis in die Polargegenden ſich erſtreckende Continent von Nordamerika. Das iſt nun eine Urſache, weßhalb die Sommerhitze von Texas unſerer europäiſchen Vorſtellung von einem Lande auf 300 Breite nicht entſpricht, die wir immer Südeuropa und Nordafrika im Kopfe haben. Eine zweite bedeutende Urſache der verhältnißmäßig niederen Wärmegrade hier in Texas iſt, daß wir nicht längs unſerer Nordgrenze, wie die Lombardei die Alpen, Griechenland CCC den Balkan und Dftindien den Himalaya eine die Nordwinde abhaltende Gebirgskette haben. Ohne Hinderniß ſtreicht hier der Nordwind von den nächtlichen Eisfeldern des Pols bis zum Golf von Mexiko. Die Wärme eines Landes iſt es indeſſen nicht allein, was das Klima desſelben beſtimmt, obſchon die urſprüngliche Bedeu: tung des Wortes nichts weiter bezeichnet (nämlich die Neigung der Erdoberfläche gegen die Sonnenſtrahlen, Klima abgeleitet von dem griechiſchen Verbum klinein). Man ſpricht von einem ge⸗ ſunden, von einem fruchtbaren Klima. Man meint alſo unter Klima die Geſammteinwirkung auf Vegetation und animaliſches Leben; aber auch in dieſem Sinne glaube ich, daß wir dem Kli— ma von Texas nicht nur vor vielen ſondern vor den meiſten Län— dern der Erde den Vorzug geben müſſen. Man nehme nur zum Beiſpiel die große Anzahl der heitern und milden Tage im Jahre und ferner, wie ein friſcher Wind tagtäglich die Hitze des Som— mers mildert, Folge einer fortwährenden Luftſtrömung, die wir unſerer glücklichen Lage zwiſchen den erwärmenden Gewäſſern des Golfſtromes und unſerem weit nach dem Norden ſich erſtreckenden Continente zu danken haben, wo dann die verſchieden erwärmten Luftſchichten, in beſtändigem Streben ſich wieder in's Gleichge- wicht zu ſetzen, eine fortwährende Strömung zwiſchen Norden und Süden hervorbringen. Lord Byron rühmt von dem ſchönen Klima von Attika, daß er während 30 Tage bei ſchönem Wetter alle Tage habe ſpazieren rei⸗ ten können. Iſt nun hier in Texas nicht faſt neun Monate im Jahre ſchönes Wetter? Was die Gemüthsſtimmung für den Menſchen, das iſt das Wetter für eine Landſchaft, und wie oft wird auch durch das Wetter unſere eigne Gemüthsſtimmung bedingt? — Trübe, ſtür⸗ miſche Tage ſind durch die Stimmung die ſie uns geben, größ⸗ tentheils verlorne Zeit unſeres Lebens. Nur die Tage, die wir in heiterer Thätigkeit verbringen, ſind des Lebens werth. An unſeren üblen Tagen in Texas, hat das Wetter die geringſte Schuld, und wollten wir alle die ſchönen Tage zählen, die der Himmel in Texas uns darbietet und die meiſt wir nur uns ver⸗ derben, ſo würden wir ihre Zahl gewiß nicht ſo gering finden, 2 — 11 — als jener große Calif in Spanien, der an jedem guten Tage ein weißes und an jedem böſen Tage ein ſchwarzes Steinchen in eine Urne warf. Hier, wo in drei großen Teraſſen amphitheatraliſch das Land von den nordweſtlich liegenden Gebirgen ſich herabſenkt, hier iſt es, wo die Thiere der Wildniß und die Vögel des Himmels vor der Strenge des Winters eine Zuflucht finden. Welcher Deut: ſche erinnert ſich dann nicht an ſeine alte Heimath? Wann der Todeshauch des Winters die deutſchen Fluren erſtarren macht, und Alles was Flügel hat, auswandert nach einer milderen Zone, dann regen ſich wohl auch die Schwingen unſerer Phantaſie und wir ſagen: „Wo zieht ihr doch hin, in welche Gefilde, die kein Froſt und kein Hunger des Winters erreicht“? — aber ſie antworten uns nicht, fie ziehen eilig vorüber und treiben ſich an mit Ge: ſchrei, denn die Reiſe iſt weit. Daß Texas in ſolch einer milderen Zone liegt, in welcher alljährlich die von Norden kommenden Zugvögel überwintern, das zeigen die zahlreichen Scharen von Enten, Gänſen und Schwänen, welche während des ganzen Winters unſere Gewäſſer bevölkern und die Schwärme von Kranichen auf unſeren Prai⸗ rien und andere nordiſche Zugvögel die Texas auch zu ihren Winterquartieren machen; während der roſenfarbige Löffelreiher, Ptalea Aiaia, der Pelicanus fuscus und Andere, die im Som: mer die heißen Tropen verlaſſen und unſere Küſten aufſuchen von anderer Seite uns ebenfalls den Beweis liefern, daß wir in Texas ein mildes Klima haben; vor Allem aber müſſen uns dies die Farmer bezeugen, die in jedem Monat im Jahr ohne Unterbrechung ihre Feldarbeit verrichten und ſchon im Februar Mais und andere Feldfrüchte pflanzen können. Durch ſeine Flora charakteriſirt ſich Texas ebenfalls als ein an der ſüdlichen Grenze der gemäßigten Zone liegendes Land. Leguminoſenarten ſind häufig, Cacteen ziemlich reich im Weſten des Staates vertreten, Yuccas 5 bis 6 Arten, darunter die baum⸗ artige Y Treculiana. Ferner kommt hier die Fächerpalme, a Kohlpalme und ein baumartiger Cactus vor. ii er Die mittlere Temperatur iſt während des Sommers in Auſtin + 81½ F. und im Winter 50½½ F., im ganzen Jahre + 67½ F., Extreme im Sommer 101 F. und im Winter — 6 F. Der Regenfall iſt im mittleren Texas 31 Zoll des Jahres; an der Küſte und im öſtlichen Theile des Landes etwas mehr. Das ſchönſte Wetter, mit heiterem Himmel, mit abwechſeln⸗ dem Nord: und Südwind, iſt hier in Texas Regel. Trübe, ſtürmiſche Tage find nur Ausnahmen. + 30 R. mit Windſtille und — 3 R. mit Nordwind und gefrierendem Regen (Glatteis) ſind noch weit ſeltener. In manchem Winter haben wir hier weder Eis noch Schnee, jo daß im Januar die zarteſten Ge: wächſe, wie Tabak, Gurken und Waſſermelonen auf den Feldern nicht erfroren. Einer der härteſten Winter war im Jahre 1838. Damals wurden bei 4 Tage anhaltendem Nordwind bei Hou⸗ ſton und im Brazos-Bottom bei San Felipe die Bäume mit Eis bedeckt und die herabrechenden Aeſte ſchlugen das in den Wald geflüchtete Rindvieh todt und noch längere Zeit nachher war die Straße, die durch den Brazos-Bottom nach San Felipe führt, durch umgeſtürzte Bäume unfahrbar gemacht. Hagelſchlag findet ſelten ſtatt. Im Jahre 1842 war in der Brazos-Gegend unterhalb San Felipe ein Strich von Hagelwetter, das die Waldbäume entblätterte, auf den dortigen Farmen Hühner todtſchlug und Rei⸗ ſende zwang vom Pferde abzuſteigen und ihren Kopf mit dem Sat⸗ tel zu bedecken. Im Jahre 1847, im Mai, fand bei Neu⸗Braun⸗ fels ein anderer heftiger Hagelſchlag ſtatt. Die Blüten der wil⸗ den Trauben und der Peccanüſſe wurden dadurch zerſtört, ſo daß ſie dieſes Jahr keine Früchte trugen. An der oberen Guadelupe, 50 Meilen nördlich von Neu⸗Braunfels wo ich mich damals befand merkte ich von dieſem Wetter nichts, als das im Südoſten ſtreich— ende Gewölk. Tages darauf kam ich an die Stelle, wo das Gewitter in weſtlicher Richtung über die Straße gezogen war. 1 Streifen von herabgeſchlagenem Baumlaub bedeckte den Boden, unter welchem in Vertiefungen ſich oft noch 4 Zoll hohe 0 tem Hagel befanden. In Neu-Braunfels tte tte man wahrend des ganzen folgenden Tages noch Ion Eis, rn En daß man in allen Grogſhops ſich das damals ſeltene Vergnügen eines Eispunſches machen konnte. Wenn man die Jahreszeiten in Texas nicht ſowohl aſtro— nomiſch, als nach dem ihnen eigenthümlichen Wetter und nach den Lebensſtufen der vegetativen Welt eintheilt, ſo ergibt ſich, daß die angenehmſten Jahreszeiten, der Frühling und der Herbſt, hier die längſten, und die weniger angenehmen, der Sommer und der Winter, die kürzeſten ſind. Der Frühling mit ſeinen kleinen Regenſchauern, mit ſeinen Lämmerwolken auf dunkel⸗ blauem Firmament, ſeinen Blüten und ſeinem Alles belebenden Odem, währt hier volle vier Monate. Die Anemonen, die Cer- eis reniformis, die Ungnadia speeiosa, die Berberis trifoliolata und andere ſchönblühende Sträucher beginnen anfangs Februar den Kreislauf der Flora im mittleren Texas. An der Küſte fängt die Blütezeit ſchon einen Monat früher an. Hundert eng: liſche Meilen nördlich von Neu-Braunfels, am Fuße der Granit: berge, jenſeits des Llano-Fluſſes, findet die Entwicklung der Ve⸗ getation 1½ Monate ſpäter ſtatt, wie im mittleren Texas. An⸗ fangs April ſind hier, bei Neu-Braunfels, San Antonio und Auſtin die Prairien, namentlich die höher liegenden, mit dem ſchönſten Blumenflor geſchmückt. Auf dem friſchen Grün der Wieſen bilden oft Gruppen von dem reinſten Blau der Lupinen (Lupinus subearnosus), untermiſcht mit ſchwefelgelben, orange: farbenen und ſcharlachrothen Caſtilleien (Castilleia indivisa), mit lilablütiger Phlox (Phlox Roemeriana) und mit dunkelrothen kleinen Malven (Malva pedata), die ſchönſten Schattirungen und Zeichnungen, die je ein orientaliſcher Teppichweber erdacht hat. Der Mai bringt neben den Blüten auch ſchon Früchte; Brombeeren, zwei Arten wilder Maulbeeren, eine ſtrauchartige und eine baumartige, eine wohlſchmeckende Beerberize (Berberis trifoliolata.) Die wilden Trauben färben ſich dunkeler. Im Juni fängt die Hitze an ſchon anhaltender zu werden und Alles drängt zur Reife. Der Mais hat milchige Aehren, die geröſtet von den Südländern für eine Delikateſſe gehalten werden. Der Winterroggen und der Weizen ſtehen ſchon in Garben gebunden auf den Feldern. Die Vögel verſtummen in den Mittegsſtunden a — WW Be. und in der hellen Luft zittert das Sonnenlicht. Im Juli und Auguſt macht ſich die ſüdliche Sonne geltend. Einem ſtehenden Manne fällt in der Mittagsſtunde der Schatten ſeines Kopfes vor die Füße, und wenn dann der Athem des Südwindes ſchweigt, der um dieſe Stunde faſt regelmäßig ſich zu erheben pflegt, dann ſehnt man ſich nach dem September und deſſen kühleren Winden. Eine große Erquickung in dieſer heißen Zeit iſt die ungeheure Menge von Waſſermelonen, welche hier von 20 bis zu 40 Pfund ſchwer werden. — September, October, November und oft noch die erſten Wochen des Dezember bringen freumd- liche Herbſttage, doch darf man dabei nicht an einen deutſchen Herbſt denken, ſondern vielmehr an einen Nachſommer. Schon im Monat October werden die Nordwinde heftiger und kühler, aber erſt nach Mitte November werden ſie ſo kalt, daß ſie das Laub der Bäume gelb färben. Die eigentlich hier ſogenannten „Norther“ finden jedoch gewöhnlich nur von Ende Dezember bis Anfang Februar ſtatt. Wochenlang vorher rollt dann oft der Südwind die vom Golfſtrom ausgedünſteten Wolken landein⸗ wärts, nach den Gebirgen von Texas, bis plötzlich eine Reaction in den Luftſchichten eintritt. Eine kurze Windſtille erfolgt, dann ein electriſches Leuchten am nördlichen Horizont und plötzlich mit wildem Brauſen ſtürzt der Orkan daher, die grauen Wolken⸗ berge vor ſich herwälzend und ihre erkälteten Dünſte als Regen⸗ ſtröme durch die Luft peitſchend. Ein plötzlicher Temperatur⸗ wechſel von 10 Grad Reaumur und mehr tritt dann, zwar nicht oft, aber doch manchmal ein. Solche Nordwinde halten dann gewöhnlich zwei, bis höchſtens vier Tage an. Am zweiten und dritten Tage ſind ſie gewöhnlich am empfindlichſten. Der Regen hat dann aufgehört, aber da alle Gegenſtände, Erde, Bäume, Häuſer und Hausgeräthe erkältet ſind, ſo findet man ſich über⸗ all in der Nähe von kalten Gegenſtänden, die unſerem Körper ſeine natürliche Wärme entziehen. Befindet man ſich im Freien, wo die kalte, ſchnell ſich bewegende Luft beſtändig durch unſere Kleider ſtrömt, ſo möchte es einem beinahe vorkommen, als ſei man nackt dem Nordwinde ausgeſetzt. Dieſe Empfindlichkeit rührt aber jedenfalls nur daher, daß wir gar nicht mehr an Kälte — — gewöhnt ſind. Nicht eher läßt der Nordwind nach, als bis er alle Wolken vor ſich hergetrieben und nur einen heiteren Him⸗ mel hinter ſich zurückgelaſſen hat. Ganz heftige Norther, die die Temperatur bis unter den Gefrierpunkt herabſtimmen, treten gewöhnlich nur wenige in einem Winter ein, und dies iſt auch unſer ganzer Winter, nicht härter als der unter dem milden Himmel von Attica und den wir mit gleichem Rechte wie die Griechen, blos die ſtürmiſche Jahres: zeit (cheimon) nennen könnten. Ohne Norther ſinkt das Thermo— meter hier nie unter den Gefrierpunkt. Gegen Mitte Februar verlieren die Nordwinde an Kälte und Stärke und bilden dann, abwechſelnd mit den Südwinden einen von den großen Vorzügen des Landes Texas, immerwährende Briſen, die die Luft reinigen und das Land erfriſchen. Oſtwinde und Weſtwinde wehen nur ausnahmsweiſe. Der Oſt, der über die Sümpfe des Miſſiſſippi und über die Küſtenländer ſtreicht, bringt erſt Nebelregen, dann Landregen, und wenn er längere Zeit anhält, ſo übt er einen ermattenden und ungeſunden Einfluß auf die Menſchen aus, was auch ſchon vor alten Zeiten von den Spaniern in San Antonio bemerkt worden iſt. Der Weſtwind iſt in Texas der ſeltenſte. Er kommt von den trocknen Ebenen Nordmexikos und bringt immer nur trocknes Wetter. Gewitter ſind in Texas nicht ſehr häufig, häufiger im unteren Lande wie in dem höher liegenden, namentlich im Früh⸗ ling. Die Gewitter von Texas haben den Vorzug vor den Gewittern von Miſſouri und Illinois, daß nach ihnen, nicht wie oft dort, trübe und kalte, ſondern heitere und milde Tage folgen. Ferner haben die hieſigen Gewitter noch andere auffallende Eigenheiten, z. B. über tiefliegenden Bottomwaldungen bleiben ſie oft mehrere Tage hängen. Ueber dem ſieben Meilen breiten Bottomwald des Brazos, bei St. Felipe, habe ich ce = Tage lang blitzen geſehen und donnern hören. Eine Eigenthümlichkeit der hieſigen Gewitter ſind die lang ee Donner, die zwiſchen Forte und Piano ſteigen und fallen und oft zehn Minuten, ja eine Viertelſtunde lang, ohne Unterbrechung anhalten. Kurze einzelne Donnerſchläge, als würde plötzlich eine — 3 — Kanone abgefeuert, ſowie oft das völlige Brennen des wetter: leuchtenden Horizontes hat Texas und namentlich die Küſten⸗ länder deſſelben mit dem tropiſchen Mexiko gemein. Texas leidet manchmal Monate lang an Regenmangel, fo in den Jahren 1846 und 1848. Von 1847 auf 1848 war der ganze Winter trocken. Selbſt die Nordwinde brachten keinen Regen. Die erſten Regen fielen erſt im April 1848. Wo die Prairien von dem vielen Vieh abgeweidet waren, wuchs kein Gras nach. Die Winde führten Staubwolken über das Land und der ſchwarze Prairieboden klaffte in vielen Spalten. Vor mehr als Hundert Jahren, ſoll einmal eine große Trockenheit in Texas geweſen ſein, ſo daß die mexikaniſchen Einwohner im Weſten des Landes, wo nur kleinere Flüſſe angetroffen werden, kein Waſſer für ihre Herden mehr finden konnten. Sie zogen mit ihren Herden nach Oſten und fanden endlich in einem der größeren Flüſſe Waſſer für ſich und ihre Heerden. Sie nannten den Fluß „Los brazůos de Dios“, die rettenden Arme Gottes. Der darauf folgende Fluß hatte von dem rothen Thon ſeines Bettes ein gefärbtes Waſſer und ſie nannten ihn „el Colorado“, den rothen, jetzt ſind zwar die Namen dieſer Flüſſe umgekehrt, wie Jeder weiß. Der weſtliche helle Strom heißt jetzt Colorado und der weiter nach Oſten liegende trübe heißt Brazos. Auf dieſelbe Zeit jener Trockenheit bezieht ſich eine wenig— ſtens eben ſo intereſſante Sage der Indianer: Es ſei zu jener Zeit die Erde in ſo ungeheure Spalten aufgeriſſen, daß Mann und Pferd darin hätten verſinken können, und dieſe Spalten ſeien an einigen Orten des Landes ſo häufig nebeneinander geweſen, daß ſpäter daraus die hier ſogenannten hogwallow Prairien ent⸗ ſtanden ſeien. Die hogwallow Prairien befinden ſich zwiſchen dem niederen und oberen Texas und deren eigenthümliche, regelmäßige, wellenförmige Bildung ſieht oft aus, wie der Boden eines alten verlaſſenen Baumwollefeldes. Da dieſe hogwallows durchaus aus einem humoſen ſchwarzen Boden beſtehen und ferner, da die paral⸗ lelen Reihen ihrer Erhöhungen manchmal durch ganz ähnliche Reihen durchkreuzt werden, ſo ſcheint mir die Erklärung, die die Indianer von deren Entſtehung geben faſt annehmbarer als . eine neptuniſche zu ſein, worauf wohl Jeder zuerſt verfallen würde— rockene und leichte Luft iſt einer der großen Vorzüge von Texas. Leider habe ich keine Verſuche mit dem Hygrometer und dem Barometer anzuſtellen Gelegenheit gehabt. Einzelne Erſchein— ungen weiſen indeß unleugbar darauf hin, daß Texas dieſe herrlichen Vorzüge eines Klimas beſitzt. Hier ſowohl, wie unter dem gerühmten Himmel von Palappa, trocknet dünn geſchnittenes Fleiſch (dasago) leicht an der Luft; hier ſowohl, wie dort vertrocknen öfters todte Maulthiere und Pferde, nach dem die Wölfe die Eingeweide herausgeriſſen haben, mit Fleiſch und Fell zu völligen Mumien. Im Jahre 1836 vertrockneten manche Leichen der ohnedies ſchon ſehr trockenen Mexikaner auf dem Scladt: felde von San Jacinto ſo gut als wie in dem letzten amerikaniſch— mexikaniſchen Kriege auf den Hochebenen von Mexiko. Wie leicht die Luft oft hier fein muß, kann man ſchon daraus ſchließen, daß öfters der Rauch von einem Flintenſchuſſe, den man in der Prairie abfeuert, nicht aufſteigt und ſich in der Luft verbreitet, ſondern plötzlich an den Boden ſinkt und als eine kaum einen Fuß hohe Nebelſchicht darüber hinfließt. Ein Feuer, welches man nämlich in der Nähe von Neu-Braunfels anzündete und Kehricht und Unrath darauf verbrannte, verbreitete ſeinen Rauch weit über den Boden, als eine kaum kniehohe Schichte. Die Reinheit der Luft zeigt ſich deutlich durch ihre Durchſich— tigkeit, ſo daß man entfernte Gegenſtände hier deutlicher erkennen kann, als an anderen Orten. Die gerühmte Fernſichtigkeit der Texaner beruht, außer der Uebung, gewiß auch großen Theils auf dieſer reinen Luft. Die ſoeben angeführten Eigenſchaften werden auf eine andere Weiſe auch wieder durch die vielen ſchönen Urphänomene des Lichtes hier in Texas beſtätigt. Das Zodiakallicht, der Halo, ja ſelbſt ein doppelter Mondregenbogen, von welchen der innere mit herrlichen, deutlichen Farbenkreiſen prangt, ſind in Texas nichts Seltenes. Manchmal iſt grade nach Untergang der Sonne der weſtliche Himmel durch vom Untergangspunkte ausgehende divergirende Linien in 3 Felder, ein blaues, ein rothes und ein weißes abgetheilt. — Hierher gehören auch das tiefe Blau des m: Himmels, das herrliche Violet über dem Meere bei Galveſton und das grüne Licht des Himmels im oberen Lande, beide um Sonnenuntergang ſich zeigend. Hierher gehören die Vollmond— nächte, die an Helle einem nordiſchen Tage wenig nachſtehen; deßgleichen flimmern und leuchten die Sterne bei heiterem Him— mel hier oft ſo hell, als wie nur in Deutſchland in den kälteſten Winternächten. Andere Lichtphänomene, die zwar auch in anderen Gegenden öfter geſehen werden, ſind doch gewiß wegen der reinen Luft und Intenſität des Lichts hier von größter Schönheit. So z. B. der rothe Schein eines von der Sonne durchleuchteten RNauches der brennenden Prairien, oder das herrliche Smaragd: grün, wenn eryſtallreine Waſſer über ein weißes Kalkbett ſtrömen, wie die Gualupe, der Comal, der Salado, der San Marcos und noch ſo manches weſtliche Gewäſſer von Texas. Wo dann dieſe Waſſer tiefere Stellen haben, ſo daß das Licht nicht mehr auf den Boden dringen kann, ſteigert ſich das Grün bis zum tiefſten Blau, ſo ſchön, wie es nur in ſüdlichen Meeren geſehen werden kann. Die Morgenröthe iſt hier, an dem faſt wolkenloſen Him⸗ mel, nicht mit dem wechſelnden Farbenſpiel, wie in Deutſch⸗ land, verbunden, aber dafür haben auch ſelbſt die Planeten, wenn ſie vor der Sonne aufgehen, eine nicht unbedeutende Morgenröthe, ähnlich dem Schein eines großen entfernten Feuers. Morgen: und Abenddämmerung find wegen der ſüdlichen Lage hier ſehr kurz. Aus derſelben Urſache hat auch hier der zumehm- ende Mond ſeine Hörner aufwärts gerichtet, wie er auf den Moſcheen des Orients abgebildet wird. Der abnehmende Mond hat hier feine Hörner abwärts gerichtet. Sonderbare Erſchein— ungen, ſegelnde Schiffe, Seen und Menſchen, die manchmal auf den großen Prairien des unteren Landes geſehen werden und ort nicht vorhanden find, find nichts Anderes als Luftſpiegel— ungen, Fata Morgana. Schreiber dieſes hat ſchon mehrmals hier in Neu⸗Braunfels ganze Landſchaften theils über den Horizont erhoben, theils höher am Himmel abgefpiegelt geſehen. e ie nun dieſes Klima von Texas, welches ich in Vor⸗ ſtehendem zu characteriſiren verſucht habe, in dem Wohlbehagen — 26 — wu Exiſtenz ſich manifeſtirt, bleibt mir noch allein zu ſagen —— Herden leben Jahr aus Jahr ein im Freien, ja von den Menſchen unabhängige, in der Wildniß erzeugte, unge: heure Herden von Pferden, Rindvieh und Schweinen ſind nicht vor Kurzem erſt hier entſtanden, ſondern exiſtiren hier ſchon ſeit Jahrhunderten und haben ſich zu Unterarten ausgebildet, nicht allenfalls zu Krüppelracen, ſondern zu Pferden, ſo glänzend und muskulös, als wären ſie mit Kunſt und Pflege erzogen und zu einer Art von einfarbigem Rindvieh, deſſen Bullen von großer Körperlaſt ſind, mit ſo ungewöhnlich dicken und ſchweren Hörnern, daß man glauben könnte, es ſei eine andere Art, als unſer Hausthier, von dem ſie abſtammen. Doch mögen die Thiere unter dem Himmel von Texas ſich auch noch ſo wohl befinden, der neue Einwanderer hat doch viel zu klagen über die Unbilden des Wetters. Freilich, hier wie in Deutſchland macht der Nordwind kalt und der Sonnenſchein warm und der Regen naß, und es müßte einer die Naturgeſetze verändern, wenn er das in einem Klima anders haben wollte. Die proviſoriſchen Wohnungen der Farmer und die Bretterbuden neuangelegter Städte gewähren freilich keinen Schutz gegen Kälte, Hitze und Feuchtigkeit; daran iſt aber der Himmel von Texas nicht ſchuld. — Freilich, wie die Mehrzahl der Menſchen in moraliſcher Hinſicht weder kalt noch warm, weder trocken noch naß ſind, ſo möchten ſie es auch in der Natur haben; während bei einem kräftigen geſunden Menſchen die Extreme der Witterung die innere Reaction einer gegen alle äußeren Einflüſſe ſich geltend machenden Lebenskraft wohlbehaglich hervorrufen. 5 Doch das Factum! Wo ſieht man mehr rothwangige Amerikaner und geſundere Kinder, als in Texas? Die Hausthiere werden hier ohne Stall und die junge Menſchenbrut ohne Kinder; ſtube aufgezogen. Amerikanische Familien haben hier Jahre lang im Freien unter dem Obdach der immergrünen Lebenseiche ohne Nachtheil ihrer Geſundheit gewohnt. Unſere Grenzjäger liegen Jahr aus, Jahr ein unter freiem Himmel. Dieſe „Ranger“ wie ſie hier genannt werden, 185 freiwillige berittene ane . uns gegen Indianer und Räuber ſchützen. Und find dieſe Ranger nicht geſunder, wie andere Menſchenkinder, die des Sommers im Schatten und des Winters unter Dach und Fach beim Ofen ſitzen? Iſt nicht jedem dieſer Männer die eigene Unabhängigkeits⸗ erklärung an die Stirne geſchrieben, als ſagten ſie: „Bleibt in euren Hütten, euren Zelten, Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten, Ueber meiner Mütze nur die Sterne, Zieh' ich froh in alle Ferne!“ Wir Texaner wiſſen es nur zu gut, daß unſer Klima namentlich das von Mittel- und Ober-Teras ein geſundes iſt. Für ſolche iſt dieſe Abhandlung auch nicht geſchrieben, ſondern für die, die ſich umſehen, wo dann auf dem weiten Erdenrund eine Stelle zu finden ſei, die frei wäre von dem mephitiſchen Druck der Atmosphäre ſowohl, als wie von dem religiöſen Alp geiſtiger Lethargie und politiſcher Kleinkinderſchulen⸗Bevormun⸗ dung; eine telluriſche, ſociale und politiſche Atmosphäre, in welcher der Menſch an Körper und Geiſt geſunden, zur größten Vollkommenheit gedeihen und derſelben genießen möge in dem vollen Umfang aller in und außer ihm gegebenen Möglichkeiten. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika ſind die lichte Region, wo der Menſchengeiſt zuerſt die hiſtoriſchen Schlacken angeerbter Autoritäten durchbrochen hat und wie der Silberblick aus dem Schmelzofen, ſind aus der Revolution die Rechte des Menſchen hervorgebrochen. In der amerikaniſchen Staatskunſt ſind, ſo weit es bis jetzt nur irgendwo und irgendwann möglich war, alle Schwierig⸗ keiten eines demokratiſchen Selbſtregimentes überwunden worden. Frei iſt hier der Einzel: wie der Geſammt⸗Wille, oder vielmehr die That, ſo weit es vernünftiger Weiſe nur irgend möglich gehalten werden darf Alle Grundbedingungen zu einer würdigen ungeſchmälerten menſchlichen Exiſtenz ſind in den Freiſtaaten von Nordamerika mehr als irgendwo gegeben. Kommt nun noch die Geſundheit und das körperliche Wohlbehagen in einem ſchönen Klima hinzu, 8 ſo iſt das wahrlich alles, was der Menſch, auf der jetzigen Stufe der weltgeſchichtlichen Entwicklung, verlangen kann. In keinem Theile der vereinigten Staaten werden vielleicht neben den geiſtigen und körperlichen Bedingungen, Geſundheit und Wohlbehagen in größerem Maße vereinigt gefunden, als in dem milden und fruchtbaren Texas, und mit Ueberzeugung darf ich meinestheils das alte Sprüchwort auf dieſes Land an— wenden: s „Ubi bene, ibi patria!“ Eine Aeberſicht der Flora von Texas. Allgemeine Vorbemerkungen. I. Die Flora von Texas bildet nicht in der Weiſe den Uebergang zwiſchen den Floren von Mexiko und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, daß ſie gar keine ihr allein eigen⸗ thümliche Pflanzen aufzuweiſen hätte. Dieſes früherhin jo all⸗ gemein verbreitete Vorurtheil hat man nun wohl aufgegeben, nachdem der engliſche Sammler Drummond (in 1834) einen Theil des öſtlichen und ſüdlichen Texas abgeſucht, nachdem der wiſſenſchaftliche Dr. Riddell, von Neuorleans, den Trinity⸗Fluß aufwärts und in das nordöſtliche Texas einige Streifzüge gemacht, Dr. Leavenworth von Florida entlang der Oſtgrenze von Texas botanifirt hat, und endlich der Franzoſe Berlondier, wie es ſcheint, nur durchreiſend, in Texas geſammelt hat. Zu vielen FFC E ̃² i ... ̃ . ]. —— ergiebigen Fundgruben ſind bis jetzt weder die Forſcher noch die Sammler vorgedrungen: weder zu den Teraſſen der Guadalupe⸗ Gebirge, noch in die lieblichen Thäler des Llano und San Saba⸗ Fluſſes, noch zu den großen Salzſeen an dem oberen Brazos⸗ Fluß, noch zu den Quellen des Nueces, noch in die Wüſte, — jenſeits des Nueces, über welche Gegenden der große Botaniker Hooker ſagt: es ſei ein „glorious field“ für den Sammler. II. In Mexiko, in den nördlichen Vereinigten Staaten und in Texas hat ſich mir die Bemerkung aufgedrängt, daß die Flora von Amerika die von Europa unverhältnißmäßig mehr durch die große Anzahl der Species, als der Genera übertrifft. So ſind z. B. Solidago, Aſter, Gaura, Verbena, Euphorbia durch außerordentlich viele Arten vertreten. Unterarten und Spielarten ſind häufig und oft ſcheint der Baſtard, z. B. von Verbena-Arten, durch die mannichfaltigſten Zwiſchenglieder und Uebergänge, die Schranken der Species zu durchbrechen. III. Daß in einem teraſſenförmig nach Südoſt ſich ab⸗ dachenden Lande, das noch dazu nicht fern von den Tropen ſich befindet, die Vegetation auf den verſchiedenen Breiten ſo ziemlich verſchieden ſein müſſe, kann man vorausſetzen; aber daß bei einer ſo geringen meridionalen Verſchiedenheit von oft nur 20 deutſchen Meilen bei übrigens ſo ziemlich gleicher Höhe über der Meeresfläche eine ſolche Verſchiedenheit der Vegetation ſtattfindet, daß auch dem mit dem Habitus der einzelnen Pflanzen wenig vertrauten Auge dieſe dennoch auffällt, das muß einen anderen Grund haben, als die bloße Verſchiedenheit der mathematiſchen Lage. Dieſe auffallende Verſchiedenheit der Flora unter den ver⸗ ſchiedenen Längegraden von Texas wird uns weniger befremden, wenn wir folgende Beſchaffenheiten des Landes in Erwägung ziehen: 1. An der ganzen Grenze längs des rechten Ufers des Miſſiſſippi, ſowie an der ganzen Golfküſte von Texas befindet ſich ein ohngefähr 10 geographiſche Meilen breiter Strich von Alluvial⸗Land, dann, faſt gleichlaufend mit dieſem, ein 25 bis etliche und dreißig Meilen breiter Streifen Tertiärbildung; beide von Südweſt nach Nordoſt ſich ſchräg durch den Staat erſtreckend. Jenſeits dieſer Streifen bildet die Kreide⸗Formation das Innere des Landes, und mitten in dieſer befindet ſich wie eine Inſel, eine 20 Meilen lange e ee, umgeben im Norden und s von ſiluriſchem Geſtein a 2. Die iſotherme Linie, die im Süden von Texas mit wenigen Biegungen auf 29½ Grad nördlicher Breite herläuft, zeigt 680 F mittlere Wärme. Eine Iſotherme, die zwiſchen dem 30. und 34. Grad ſehr große Krümmungen macht, zeigt eine mittlere Wärme von 640 F. Eine dritte Iſotherme mit großen Krümmungen, zwiſchen dem 32. und 36. Grad, hat eine mitt⸗ lere Temperatur von 600 F 3. Der Regenfall iſt ſehr verſchieden in den verſchiedenen Theilen des Landes. Ein ſchmaler Strich im Oſten von Texas längs der Grenze von Louiſiana, der 15 bis 20 geographiſche Meilen breit iſt, hat 44 bis 56 Zoll jährlichen Regenfall. Dann folgt ein breiterer Strich, der nicht bis nach Auſtin reicht, aber an der ganzen Küſte von Texas ſich hinzieht, welcher 32 bis 34 Zoll Regenfall hat. Weſtlich von dieſer Zone fällt nur 20 bis 30 Zoll und noch weniger, je näher dem Rio Grande. 4. Hypſometriſche Meſſungen haben gezeigt, daß Texas aus drei Teraſſen gebildet wird, von welchen die niedrigſte in einer Breite von 16 bis 30 geogr. Meilen längs der Golfküſte hinläuft und weniger wie 400 Fuß über dem Meeresſpiegel er⸗ haben iſt. Die zweite Teraſſe, gleichlaufend mit der erſten, und ohngefähr 20 Meilen breit, iſt 400 bis 800 Fuß hoch; und die dritte, welche den übrigen nordweſtlichen Theil des Landes ein— nimmt, hat eine Höhe von 800 bis 2000 Die ſoeben erwähnten geologiſchen, iſothermen und hypſo⸗ metriſchen Eigenſchaften von Texas, ſowie den jo verſchieden vertheilten Regenfall des Landes halte ich für eine hinlängliche Erklärung der nach den Längegraden fo verſchiedenen Flora, jo: wie die Urſache ihrer großen Mannigfaltigkeit überhaupt. IV.) Ferner iſt zu bemerken, daß dieſelben Species an der Küſte früher blühen, als im Inland. Nur 100 bis 120 engl. Meilen aufwärts von der Küſte iſt die Differenz der W tezeit ſchon 1 bis 1½ Monat. V.) Eine ſonderbare Erſcheinung iſt es, daß e Er Gewächſe grade die beiden Extreme in ihrem Standort lieben, daß ſie entweder nur am Meer und Flußufer, oder auf Felſen eeuliana , im Inland gefunden werden, jo z. B. Yucca Tr a ze jan regen — — zn en 8 ar BE Berberis trifoliolata, Opuntia fruteseens, Sophora speeiosa , Oenothera missouriensis , Vachellia Farnesiaua ꝛc. — Der durch die vielen Conchilientrümmer kalkhaltige Strand, ſowie der an den Flußufern blosgelegte Kalk liefert jenen Pflanzen wahrſchein⸗ lich die ähnliche Nahrung wie die Kalkgebirge des inneren Landes. Da ich nun durch meine Vorbemerkungen die Karte von Texas, eines zwiſchen 13 Längegraden und 11 Breitegraden liegenden Landes gleichſam vor den Augen meiner Leſer ausge⸗ breitet habe, ſo iſt die Frage, wie ſoll ich, als botaniſcher Cicerone, ihnen das Intereſſante und die Merkwürdigkeiten des vor ihnen ausgebreiteten Landes zeigen? Soll ich mit ihnen die Herbarien von Tauſenden getrockneter Pflanzenleichen durchblät⸗ tern und unter einer Fluth techniſcher Nomenclatur das Intereſſe, das ich ihnen für meinen Gegenſtand einflößen möchte, verwäſſern und erſticken? Ich maße mir nicht an für die Gelehrten der exacten Wiſſenſchaft zu ſchreiben; aber daß in neuerer Zeit durch Po⸗ pulariſirung der Wiſſenſchaft das Volk in die Vorhallen des Tempels der Iſis eingeführt wird, das iſt ein verdienſtvolles Werk, zu dem ich mit meinen ſchwachen Kräften gern auch mein Scherflein mit beitragen möchte. Freilich, nicht nur die Prieſter des Tempels zu Sais, ſondern alle Prieſter warnen davor, den Schleier des Bildes der Wahrheit zu lüften, wie ſie ſchon vor dem Baume der Erkenntniß im Garten Eden gewarnt haben. Daß mein unſchuldiger Blumen⸗ und Pflanzen je den literariſchen Gaſſenjungen Steine liefern wird, um damit „die Kirchenfenſter einzuwerfen“ (wie Virchow ſich auszudrücken beliebt), das iſt indeß nicht zu befürchten. Wohlgemuth lade ich meine Leſer dazu ein, einen botani⸗ ſchen Spaziergang durch unfer ſchönes Texas mit mir zu machen. arum ſchön? — „„It die Erde nicht ſchön überall Wo der Menſch nicht hinkommt mit ſeiner Qual!“ a Was hindert mich daran, das ganze Erdenrund als einen gi chen Park im großartigſten Stil, oder als ein Sanskrit sa k ein hebräiſches pardes, ein alt⸗perſiſches puradaesas, - — als einen zur Freude der Menſchen geſchaffenen Luſtgarten, zu betrachten? Beginnen wir auf unſerer botaniſchen Vergnügungsreiſe das Land Texas in der Richtung von Oſten nach Weſten ohnge⸗ fähr auf dem 30½ Parallelkreis curſoriſch zu durchlaufen. — In den an den Staat Louiſiana angrenzenden Sümpfen in der Gegend des Sabine- und Neches-Fluſſes herrſcht das rieſenmäßige Rohr, die Miegia macrocarpa vor und bildet mit der Fächerpalme, Sabal Adansonii, vermischt, Dickichte, die nur der furchtloſe Jäger, der niemals ſeine Richtung verliert, durchdringen kann. Die Bäume ſind da oft bis zur Unkenntlichkeit mit den grauen wehenden Büſcheln des hier ſogenannten ſpaniſchen Mooſes (Tillandsia usneoides) behangen. Außerdem wachſen auf dieſen Bäumen Viscum rotundifolium, Tillandsia recurvata und ein Farrenkraut (Polypodium incanum) als Schmarotzer. Der feuch⸗ te Boden iſt oft jo dicht mit Marsilea Arten bekleidet, daß er einem jungen Kleefelde ähnlich ſieht. Eine herrlich feuerfarbig blühende, 5 bis 6 Fuß hohe Aselepias, die ihr Haupt in den ſumpfigen Gebüſchen erhebt, iſt A. himanthophylla n. s. — Doch gehen wir weſtlicher, bis an den Trinity⸗Fluß. Da hat der Wald noch den Charakter eines nordamerikaniſchen Waldes, gemiſcht aus ſehr verſchiedenen Baumarten, Eichen (Quercus falcata, alba, obtusiloba u. ſ. w.), Hickoryarten (Carya), Perſimonen (Diospyrus virginica) u. ſ. w. während weiter weſtlich ganze Wälder vorkommen, die meiſt blos aus einer Baumart beſtehen, z. B. aus Lebenseichen, aus Poſteichen (Quercus obtusiloba), aus Meskit (Algarobia glandulosa) aus ſogenannten Cedern (Juniperus virginica) und weiter weſtlich aus J. occidentalis. Schon am San Jacinto⸗Fluß und bei Houſton herrſcht ein continuirlicher Wald von Fichten (Pinus taeda). Es finden ſich dort Rieſenbäume dieſer Art, die manchmal eine Stammesdicke von 5 Fuß und eine Höhe von 100 Fuß erreichen. In der Nähe der dortigen Flußufer finden ſich folgende charakteriſti⸗ ſche Bäume: der Storarbaum (Liquidambar styraeiflua), deſſen Stamm an 5 Fuß dick und 60 Fuß hoch wird. Seine Blätter ſind wohlriechend und wenn er verletzt wird, ſo fließt aus dem | ee EN jelben der Storax, ein helles balſamiſches Harz; der Saſſafras (Sassafras officinalis), ein lorbeerartiger Baum von 10 bis 20 Fuß Höhe. — Jeder Theil dieſes Baumes hat einen angenehmen Geruch und einen ſüßen aromatiſchen Geſchmack. Am meiſten hat die Rinde der Wurzel dieſe Eigenſchaften —; ferner die großblumige Magnolie (Magnolia grandiflora) ein ſtattlicher Baum, der eine Dicke von 2 bis 3 Fuß und eine Höhe von 70 bis 80 Fuß erreicht. Die glatte graue Rinde deſſelben ſieht der Rinde der Buche ähnlich, ſeine Blätter ſind lederartig, immergrün, 6 bis 8 Zoll lang, auf der oberen Seite glänzend dunkelgrün und auf der unteren Seite roſtfarbig. Die weißen Blüten, mit welchen der Baum Monate lang bedeckt iſt, ſind 8 bis 9 Zoll breit und ſtark wohlriechend. Durch ſeine Schön⸗ heit überraſcht im Waldesdickicht das Schneeflocken-Bäumchen (Chionanthus Virginica), mit ſeinen ſchneeweißen, viertheiligen abwärts hängenden 8 bis 10 Linien langen Blütchen wie über⸗ ſchüttet. Eine für den Europäer ſonderbare Erſcheinung iſt eine baumartige Heidelbeere mit 8 bis 15 Fuß hohem Stämmchen (Vaccinium arboreum), deſſen etwas mehlige Frucht erſt im Winter reif wird. Unmittelbar an den Flußufern imponiren nicht weniger wie die übrigen Baumrieſen, die in gedrängter Reihe ſtehenden Cypreſſen und einzelne mächtige Platanen (Platanus occidentalis) die mit ihren blendend weißen Stämmen geſpenſtig durch das Waldesdunkel hindurch leuchten. a es bei meinem botaniſchen Bericht hauptſächlich der Zweck iſt, deutliche Anſchauungen der texraniſchen Vegetation zu geben, ſo iſt es klar, daß dieſer Zweck leichter bei dem gewöhn⸗ lichen Beobachter an den auffallendſten und größten Pflanzen, den Bäumen, zu erreichen iſt. Da ich durch die vorhergehenden Baumſchilderungen des öſtlichen Theiles von Texas dem Sylva⸗ nus und den Dryaden meine Achtung bewieſen habe, ſo liegt mir jetzt noch die ſchwere Pflicht ob, die Schönheit der Kin⸗ der der Flora dieſes Landestheiles, womöglich, zu beſchreiben. Für die Gräſer ein Su bei meinen Leſern zu erregen, würde 3 3 wohl ſchwer halten, trotzdem, daß manche Arten dieſer unſchein— baren Pflanzen von Blumengärtnern gepflegt und bei Blumen⸗ bouquets mit Erfolg verwendet werden. Wegen der Beſcheiden⸗ heit ihrer Erſcheinung wird ihr innerer Werth überſehen und doch find fie die Stammväter und Geſchwiſter der Cerealien, des Ge: ſchenkes der Göttin, welcher wir das Brod und die Civiliſation verdanken. Von ſchönblühenden Gewächſen erregten in feuchtem ſchat⸗ tigem Walde die über Gebüſche geſchlungenen Guirlanden des zierlich und glänzend belaubten Jasmins (Gelsemium semper- virens) unſer freudiges Wohlgefallen. — Dicht am Rande des Waſſers wächſt die amerikaniſche Lilie (Crinum Americanum), eine weißblühende, wohlriechende Amaryllidea, die ihre dicken fleiſchigen Samen in das Waſſer fallen läßt, von dem ſie fortge— führt werden, während ſie Wurzelfaſern treiben und bei erſter günſtiger Gelegenheit irgendwo am Ufer hängen bleiben und ſich anſiedeln. — In leichtem fruchtbarem Boden kommt die kraut⸗ artige Erythrina (Erythrina herbaeea) vor, ein dunkel ſcharlach⸗ roth blühendes Schotengewächs mit einer dicken, gelben, ausdau⸗ ernden, eßbaren Wurzel und mit aufrechtem bis zwei Fuß hoh⸗ em, jährlich abwelkendem Stengel. Auf der Prairie nordweſtlich von Houſton findet ſich, einzeln ſtehend die 3 bis 6 Fuß hohe Gaura Lindheimeri, eine ausdauernde Pflanze, welche den gan⸗ zen Sommer hindurch blüht und deren vielblumige, weiß und rothen endſtändigen Blütenbüſchel man ſchon von Ferne auf ſchwan⸗ kem Stengel ſich hin und her wiegen ſieht. Am Waldrande des Buffalo Bayou findet ſich, nicht häufig, eine Morea, eine der Tigerlilie an Geſtalt ähnliche Iridea, mit ultramarin blauen Blütenblättern auf denen ſich ſchwefelgelbe Zeichnungen befinden. Noch manche ſchöne Blumen dieſer Gegend könnte ich er⸗ wähnen, rothblühende Gentianen (Sabbatia), ſchöne Lepachys und Coreopsis-Arten, Rudbeekia und Helianthus-Arten, aber wir dürfen uns nicht zu lange an einem Orte aufhalten, wenn wir, wie es hier der Fall iſt, nur eine Ueberſicht und keinen Katalog des in überwältigender Menge uns e So: geben wollen. | er Ehe wir bei unſerer botanischen Wanderung im Inlande weiter nach Weſten vordringen, wollen wir einen Abſtecher nach der Inſel Galveſton und nach der weſtlicher liegenden Meeres— küſte machen. Schon auf dem Wege dorthin finden wir manches Intereſſante; auf der Prairie die ſchönen Irideen, das zierliche, oft in gedrängten Büſcheln ſtehende blaue Blümchen, von den Amerikanern das blauäugige Gras genannt (Sisyrinchium Ber- mudianum) und den ſchönen hellblauen Texas⸗Stern (Ixia eoeles- tina); auf feuchtem Sandboden die zierlich gefiederten Legumino⸗ ſen, Daubentonia longifolia, eine nur in Texas und Nordmexiko einheimiſche Pflanze und das floridaniſche Glottidium Floridanum und die Sesbania maerocarpa mit ihren ſchönen hängenden gelben Blüten. — Die dortigen Prairien ſind reich an Arten von Panicum und Paspalum, unter denen ſich manches neue finden wird. Andropogon glaucum, das ſchöne blaugrau ange: laufene Gras, iſt eine neue Art. Im Jahr 1836, als Galveſton noch unbewohnt war, befanden ſich auf der ganzen Inſel nur drei niedrige Bäumchen, die ſogenannten „Three low trees®, die den Seefahrern als Richtpunkt dienten. Von holzigen Gewächſen fand ſich ſonſt nichts, als einzelne Gebüſche von einer verkrüppelten Mimoſe (Vachellia Farnesiana). In ſeichtem Seewaſſer und Pfützen von ſalzigem Waſſer ſtand die Utricularia subulata. Dieſes Genus, der Waſſerſchlauch, iſt auch in Europa durch Arten ver⸗ treten. Es hat die ſonderbare Eigenſchaft, daß es ſich durch kleine Luftblaſen, die durch einen beweglichen Deckel geſchloſſen werden können, auf der Oberfläche des Waſſers erhält. Ruppia maritima, eine grasähnliche Pflanze, welche hier im Salzwaſſer wächſt, hat einen ſpiralförmigen Blütenſtengel, der beim Steigen und Fallen des Waſſers ſich verlängert und verkürzt. Dicht am Meeresufer wächſt eine ſonderbar fleiſchige, niederliegende Cruci⸗ fere, die Cakile maritima. Auf feuchtem Boden in der Nähe des Meeres wächſt ein zierlicher „Sonnenthau“, ſo genannt, weil die Haare ſeiner Blätter Tropfen eines durchſichtigen Saftes ausſchwitzen, der auch im Sonnenſchein nicht vertrocknet. Die hier erwähnte Art iſt Drosera brevifolia. Eine auf von Salz⸗ 3* A waſſer feuchtem Boden hinkriechende Asclepiadea ift Seutera maritima. Auf trockenem ſandigem Boden finden wir die nie⸗ derliegende großblütige Oenothera Missouriensis, die liebliche Gaillardia 'pieta, einen Syngeneſiſt mit lebhaft rothen Blüten⸗ ſtrahlen deren Spitzen hellgelb find; ferner das Linum Berlan- dieri, eine Flachsart mit orangefarbener Blüte, und ein un⸗ anſehnliches Heliotropium (Curassavicum). Weiter weſtlich, bei Indianola, hat die Vegetation ſchon ein ganz anderes, mehr mexikaniſches Anſehen. Kleine Waldpartien von Lebenseichen (von den Amerikanern „Island“, Waldinſeln genannt) finden ſich in der benachbarten Prairie. Am Meeresufer ſind einzelne Exemplare und auch ganze Gruppen von einer 8 bis 10 Fuß hohen Yucca mit einem palmenartigen Stamm, der in der Spitze gewöhnlich mehrere kurze Aeſte mit 3 bis 4 Fuß langen Blättern hat, deren Spitze mit einem harten und ſpitzen Stachel verſehen iſt. Im April treibt dieſe Pflanze eine 3 bis 4 Fuß große Blütenriſpe, welche oft mehr wie 500 lilienartige, weiße, fleiſchige und wie Porcellan glänzende Blüten trägt. Die Frucht dieſer Art (Yucca Treeuliana) iſt eßbar und wohlſchmeckend. In der Nähe des Strandes find Gebüſche von verſchiedenen Sträuchern (Berberis trifoliolata, einer ſehr wohlſchmeckenden Berberize, die ein der deutſchen Stechpalme ähnliches dorniges Blatt hat; Forestiera acuminata, einem zur Familie der Oliven gehörenden Strauch; ferner von mehreren Arten von Wegdorn (Rhamnaceen), von ſtrauchartiger Perſimone (Diospyrus Mexi- cana) Sapote prieto der Mexikaner, die eine ſaftige, ſehr ſüße Frucht trägt, die aber aus Mangel an Obſtſäure leicht dem Geſchmack widerſteht), gebildet, die mit den dünnen, aufrecht⸗ ſtehenden, langſtacheligen Reiſern der Opuntia frutescens unter⸗ miſcht ſind. Unter dem Schutz dieſer Gebüſche findet ſich häufig eine kleine Brenneſſel (Urtica purpurascens), Nicotiana Roem- eriana, ein weißblühender Tabak und eine ſchön rothblühende Stengel leguminoſe Staude mit 2 bis 4 Fuß hohem aufrechtem (Erythrina herbacea). Einzelne ſonderbare, 10 und mehr Fuß breite und bis 6 Fuß hohe dichte Gebüſche werden von der großgliederigen Opuntia Engelmanni gebildet, deren untere Glie⸗ der ſich zu einem rundlichen Stamm verholzen. Die unbewegliche Starrheit dieſer Cactus⸗Gebüſche macht einen Eindruck, als habe man ein korallenähnliches, mehr mineraliſches, als vegetabiles Gebilde vor ſich. — Einen äußerſt lieblichen Anblick gewähren an dieſem Strande kleine Wäldchen eines ſchotentragenden Bäum⸗ chens (Sophora speeiosa), das hier die Dicke von 4 bis 6 Zoll und eine Höhe von 10 bis 14 Fuß erreicht Es hat immergrüne, glänzende, gefiederte Blätter und iſt im Frühling mit Sträußen ſchmetterlingsblütiger dunkelblauen, äußerſt wohlriechenden Blüten bedeckt. Als ich zum erſtenmale dieſe Gegend betrat, als ſie noch unverſehrt von Menſchenhänden war, überkam mich ein Gefühl, das dem ähnlich geweſen ſein muß, welches Fenelon in ſeinem Telemach durch ſeine Beſchreibung der Feeninſel her⸗ vorzurufen beabſichtigte. Gehen wir nun ab von der Küſte. Auf angeſchwemmtem Lande ſind das Auffallendſte die großen und ſchönen Exemplare des Echinocactus Texensis, mit platten, oder auch kugeligen, 8 bis 12 Zoll dicken Köpfen, und ſchönen roſenfarbigen Blüten und ſcharlachrothen Früchten. Etwas weiter ab vom Waſſer, Sabal Adansonii. Mehr ſtromauf, die erwähnte große Yucca und Opuntia, doch nicht ſo kräftig, wie in der Nähe des Meeres. Nicht häufig die Palme Sabal Palmetto. Den Boden in den Gebüſchen überzieht die genannte Urtiea, Phacelia- und Vesica- ria-Arten. Der Boden der Prairie iſt ſchwarzthonige Dammerde; auf derſelben noch einzelne Opuntien. Der vorherrſchende Baum an den Flüſſen im unteren Lande und in einzelnen Gruppen auf der dortigen Prairie iſt Quercus virens. Dieſe Lebenseiche iſt ein ſo werthvoller Baum, daß wir nicht umhin können ihm unſere beſondere Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Sie iſt ein immer⸗ grüner Baum, der nur in den e Staaten der nordame⸗ rikaniſchen Union vorkommt. Er iſt von ſehr verſchiedenem eee bildet in mie: ſtrauchartigen Abart, die Quercus genannt „oft ausgedehnte Gebüſche. An dem eee Theile der 3 Flüſſe, in dem Mündungsland derſelben, kommt er zu ſeiner ſchönſten Ausbildung und ſein grader Stamm erreicht eine bedeutende Höhe, manchmal 70 Fuß. u Auf felſigem Boden, im oberen Lande, hat er einen breiteren Wuchs und alte Bäume haben einen knorrigen dicken Stamm. Das Holz dieſes Baumes iſt ſehr feſt und ſchwer, dunkelbraun und ſelbſt ſchwarzbraun. Die ſchiefe Fläche, welche durch den Hieb einer ſcharfen amerikaniſchen Axt, oder durch den diametra⸗ len Schnitt einer feinen Säge auf dieſem Holze hervorgebracht wird, zeigt keine Poren wie das Holz der deutſchen Eichen, ſondern iſt glatt und glänzend, wie polirtes Horn. Büchſenkugeln, die gegen den Stamm abgeſchoſſen werden, dringen nicht in denſelben ein, ſondern machen nur eine kleine Vertiefung in denſelben und prallen zurück. Die Zähigkeit und Härte dieſes Holzes iſt ſo groß, daß Büchſen von demſelben, in welchen die eiſernen Achſen von Mühlenrädern liefen, ſich länger tauglich erhielten, wie meſſingene Büchſen. Das Lebenseichenholz iſt das werthvollſte zum Schiffsbau, es iſt auch das beſte Brennholz, ſeine Rinde gibt die beſte Gerberlohe und ſeine Eicheln ſind nicht nur die beſte Maſt für Hirſche und Schweine, ſondern liefern auch, als Kaffee behandelt, ein angenehmeres Getränk, wie die deutſchen Eichelarten. Höher hinauf im Lande kommt mit der Lebenseiche ver⸗ miſcht an den Flüſſen Quercus aquatica und Quercus falcata vor. Doch kehren wir zurück von unſerem Abſtecher nach der Küſte zu der am Buffalo Bayou liegenden Gegend von Houfton und ſetzen unſere botaniſche Wanderung in weſtlicher Richtung fort. Auf den Prairien, weſtlich von Houſton hat die Flora ſchon viele Pflanzenarten, die öſtlich von Houſton nicht vorkom⸗ men, wie zwei Arten von wildwachſendem Indigo, Baptisia alba, ein ein bis zwei Fuß hoher leguminoſer Buſch und Baptisia leucophaca, eben jo groß und gelb blühend; ferner Pentstemon Digitalis, welches Blüten hat, die dem deutſchen Fingerhut (Di- gitalis purpurea) ähnlich ſehen; der texaniſche Nachtſchatten e num Texense) mit hellblauer Blüte. Auf dem Wege nach dem Brazosfluß hin, ohngefähr 40 eng liſche Meilen von Houſton, fängt die Vegetation ſchon an ſich merk⸗ lich zu verändern. Fichtenwälder hören nach und nach auf und wer⸗ — En SER den an den Flüſſen durch andere Baumarten erſetzt, namentlich durch a die dem Weſten von Texas eigenthümliche Ulmenart (Ulmus eras- sifolia) ein ſtattlicher Baum, der die Dicke von 1½ Fuß und die Höhe von 40 Fuß erreicht. Sein Holz iſt zwar nicht wetterfeſt, vermodert leicht im Freien, wenn es aber gegen Regen geſchützt getrocknet wird, jo erlangt es eine Härte, daß man, ohne vor: zubohren, keinen Nagel in daſſelbe einſchlagen kann. Ferner fan⸗ gen hier zwei Häckberry-Arten an häufig zu werden (Celtis reti— eulata und C. Texana), die hier zu großen Bäumen heranwach⸗ ſen. Das weiße Holz derſelben iſt von ſo gleichmäßiger Tex⸗ tur, daß es ſich ganz beſonders zu geſchnitzten Arbeiten eignet, wie zu Ochſenjochen, Schüſſeln, Löffeln etc. Die wenig fleiſchi⸗ gen, erbſengroßen, ſüßen Früchte werden von den Kindern, Vögeln und Schweinen geliebt, verurſachen aber, wenn häufig genoſſen, Obſtructionen. Auf unſerem Wege nach dem Brazos-Fluß, treffen wir auf Brazos⸗Bottomwald, der ſieben Meilen breit iſt, den kräftigſten Baumwuchs hat, in dem Ulmen vorherrſchen und auch große, ſumpfige Stellen ſich finden, die dicht mit Rohr (der genannten Miegia) bewachſen find. — Auf der weſtlichen Seite des Brazos hat die Prairie ſchon viele Pflanzen, die auf der öſtlichen noch nicht vorkommen: z. B. Arten von Petalostemon, Vesicaria, das prächtige Pentstemon Murrayanum, eine Scrophulariacea, de: ren weißliche Blätter jo ſehr contraſtiren mit der tief ſcharlachro⸗ then Blüte; ferner Euphorbia⸗Arten. Beſonders auffallend iſt die bis 6 Fuß hohe Euphorbia marginata, deren lange herab: hängende Blütendeckblätter einen breiten weißen Rand haben. Wie eine Milchſtraße in der Prairie ſieht man dieſe Euphorbien von Weitem ſchimmern. In der Nähe beſehen iſt dieſer ſonder— bare meilenlange Euphorbiaſtreifen nichts anderes, als ein alter, nicht mehr benutzter Fahrweg, auf den früherhin die vom Colo⸗ rado kommenden Frachtwagen den Samen an ihren Rädern öſt⸗ lich verbreitet haben. Auf der weſtlichen Seite des Brazos kommt Wer die Wachsmyrte (Myrica cerifera) vor, ein nied⸗ riger „der oft ganze Strecken feuchter Prairie bedeckt. Auskochen kann man das wohlriechende Wachs, aber wahrſcenlic nur in ſehr geringer Quantität, gewinnen. Wenn „„ man durch eine ſolche Stelle reitet, ſo verbreitet ſich ein merk⸗ licher Wohlgeruch. Auf dem gleichen Längengrade mit der Hauptſtadt Auſtin, aber an der nördlichen Grenze des Staates, kommt in dem ſo⸗ genannten Cross timber ein äußerſt nützlicher Baum vor, die Maclura aurantiaca, jo genannt wegen der fauſtdicken, narbigen, kugeligen gelben Früchte, die einer großen Orange völlig ähnlich ſehen. Dieſer Baum wird hier gewöhnlich bois d’are genannt, denn er liefert den Indianern das äußerſt elaſtiſche Holz zu ihren Bogen; aber eben wegen dieſer Elaſtizität iſt er auch das beſte Material zu feinen Wagen. Als Strauch gezogen iſt er wegen feiner fcharfen Dornen und dichten Hecken, die er bildet, in den ganzen Vereinigten Staaten zu dieſem Zwecke cultivirt. Das Land zwiſchen dem Brazos und Colorado hatte früher ſchöne Wälder von der wohlriechenden rothen Ceder (Juniperus virginiana) aufzuweiſen, die aber jetzt meiſt abgetrieben find. Weſtlich vom Colorado nimmt die Vegetation einen ſchon mehr mexikaniſchen Character an. Continuirliche Muskit⸗Waldungen (Algarobia glandulosa) treten auf. Während weiter nach Oſten der Muskit nur als Strauch gedieh, findet man hier Bäume dieſer Art von ein und mehr Fuß Dicke und 30 Fuß Höhe. Sein rothbraunes harziges Holz fault nicht leicht. Es wird zu Fenzen und als Brennholz benutzt. Das Gummi, welches der Baum ausſchwitzt, hat völlig die Güte von Gummi arabicum. Seine langen Schoten enthalten ein dem Johannisbrod ähnliches Mark, dienen Pferden und Rindvieh als beliebtes Futter und haben im Nothfalle auch ſchon manchem Wanderer das Leben gefriſtet. Mit der Algarobia erſcheinen noch andere Mimoſen und namentlich auch Cactusarten. In den Flußwaldungen kommt die zu Möbeln werthgeſchätzte ſchwarze Wallnuß (Juglans nigra) mit Pappeln, Weiden, Linden und anderen Bäumen vor. Die felſige Hügelreihe, die ſich von Auſtin her nach Weſten zieht, iſt dicht mit Cedern (Juniperus occidentalis) bewachſen, die für den Weſten von Texas das dauerhafteſte Fenzholz und Bauholz liefert. Juniperus occidentalis unterſcheidet ſich von J. virginiana Re im Wachsthum beſonders dadurch, daß fie von unten aus äftig iſt, wodurch die Cederndickichte oft beinahe undurchdringlich werden und an heißen Sommertagen einen beinahe betäubenden Harzgeruch verbreiten, während ſie nur ſchlechten Schatten ge— währen. Dieſe Wälder ſind der Lieblingsverſteck von Raubthieren und herumſtreifenden Indianern. Im Nordweſten von Texas find dieſe Cedernwälder häufig. Manche intereſſante Pflanze findet ſich in ihnen, die characteriſtiſch für Texas iſt. Durch Nennung der Namen dieſer Pflanzen könnte ich indeß nur dem Botaniker eine Anſchauung der Vegetation geben, wäh⸗ rend die kenntliche Beſchreibung einer jeden zu viel Raum in unſerer Abhandlung einnehmen würde. Ich muß mich auf blos Charakteriſtiſches beſchränken, denn wir nahen jetzt einem der reich: ſten botaniſchen Felder von Texas, der Gegend weſtlich vom Guadalupe⸗Fluß. Sie zeichnet ſich aus durch viele Cacteen, Mi- moſeen, durch eine große Anzahl von Sträuchern. Fünf Arten von wilden Trauben kommen hier vor. Von mehreren derſel⸗ ben wird ein trinkbarer ſtarker Wein von den Farmern für ihren Hausbedarf gemacht. Vitis aestivalis, an ſchattigen Ufern der Ströme, reift im Auguſt. Vitis Labrusca, trägt außerordentlich leicht. Eine Anzahl guter Arten, die aus Samen dieſer Art gezogen ſind, werden in den Vereinigten Staaten cultivirt, z. B. die Catawba, Iſabella, Shnykill und andere. Vitis rupestris, aufrecht 3 bis 4 Fuß hoch, nicht rankend, hat eine kleine ſüße Beere, die im Juli rei Vitis cordifolia, Beeren klein, reift ſpät im Herbſt Vitis vulpina. Beeren 7 bis 8 Linien dick. An ſchattigen Flußufern, hoch auf Bäume rankend. Yucca-Arten kommen 5 hier vor. Die Treeuliana hat hier manchmal einen über 20 Fuß hohen Stamm. — Von Cactus⸗ Arten bringt dieſe Gegend 20 hervor, von welchen 14 derſelben ihr eigent ſind. Von ſchön blühenden Sträuchern nenne ich nur die auch an der Küſte vorkommende Sophora speeiosa. Ihre korallen⸗ — — rothen Bohnen werden hier allgemein für giftig gehalten. Die Indianer ſollen ſie als berauſchendes Mittel gebrauchen. Eine halbe Bohne ſoll dieſe Wirkung hervorbringen, eine ganze zu ge: nießen ſoll gefährlich ſein. Sophora affinis iſt ein ſchön blühen des Bäumchen mit großen Büſcheln violetter Schmetterlingsblü⸗ ten. Lippia lyeioides iſt ein äußerſt zierlicher feinblätteriger hoher dünnäſtiger Strauch, der mehreremale im Jahre blüht und deſſen Blüten einen feinen Vanillegeruch verbreiten. Eisenhardtia amorphoides, ein leguminoſer hoher Strauch, ebenfalls zwei bis dreimal im Jahre mit wohlriechenden Blüten bedeckt. Ptelen trifoliata, der Hopfenſtrauch, deſſen Frucht als Surrogat für Hopfen gebraucht wird, deſſen Blüten, aber nicht deſſen Blätter, ſehr wohlriechend find. Uugnadia speeiosa, Strauch und Bäum⸗ chen, eine ſchön rothblühende Kaſtanie, deren Frucht ſehr wohl— ſchmeckend, aber giftig iſt. Zwei bis drei der kleinen Kaſtanien kann man unbeſchadet eſſen, mehr genoſſen erregen fürchterliches Erbrechen und andere bedenkliche Zuſtände. Ein anderer kaſtanien⸗ artiger Strauch iſt die ſchön gelb und auch rothblühende Aesculus Pavia. Die pulveriſirten Blätter und Samen dieſes Strauches werden dazu gebraucht, um Fiſche in ſtehenden Waſſern zu betäuben, ſo daß man ſie mit Händen greifen kann. Die Wurzeln deſſelben werden als Surrogat für Seife gebraucht. Cereis occidentalis, eine Art Judasbaum, hat eine ſchöne rothe Blüte. Styrax platanifolius, eine wohlriechende ſchön blühende Storaxart. Die ſpät im Herbſt blühende Eupatorium agerati- folium. Die auf Galveſton als Strauch vorkommende Acacia Farnesiana wird hier zum großen Baume. Die Acacia Roeme- riana mit hellgelben Mimoſenblüten. Die mexikaniſche Perſimone (Diospyrus Mexicana), die im unteren Lande nur als Strauch vorkommt, wird hier zum ſtattlichen Baume, mit oft fußdickem Stamm, deſſen ſchwarzer Kern an ſeine Verwandſchaft mit dem Ebenholze erinnert. Characteriſtiſch für die hieſige Lokalflora ſind ferner noch die Sträucher und Bäume: drei zu der Fami⸗ lie der Kreuzdorne eee Sträucher, Colubrina Trexensis, Condalia obovata und Zizyphus obtusifolia. Der erſte iſt ein dem Weſten von Texas eigenthümlicher Strauch, der zweite iſt bald . Strauch, bald Baum, ſein Holz wird zum Blaufärben gebraucht, und der dritte zeichnet ſich aus durch ſeine ſcharfen und langen Dorne, in welche alle ſeine Zweige ſich endigen. Ehretia ellyptiea, Strauch und Baum mit ſehr rauhen immergrünen Blättern, die von den Mexikanern gebraucht werden, um durch Reiben mit denſelben Hautflechten zu vertreiben. Die gelben Beeren des Baumes ſind eine von Vögeln und Kindern geliebte Frucht. Guaiacum angustifolium, mit ſehr ſchwerem grünlich braunem Holz. Arbutus Texanus, Strauch und Baum, mit ſehr ſchöner wohlriechender Blüte und mit glatter rothbrauner Rinde. Dieſe drei letzt genannten Sträucher zeigen ſchon deutlich den Uebergang zur mexikaniſchen Flora. Mit Uebergehung einer ziemlich großen Anzahl krautartiger Gewächſe und ſchöner Blumen, die theils neu, theils characteri⸗ ſtiſch find, will ich nur noch einige nennen, die beſonders auf- fallend ſind: Cucumis perennis, eine Cucurbitacea mit dicker ausdauernder Wurzel, mit langen auf dem Boden fortlaufenden Ranken, großen, graulich grünen Blättern und fauſtdicken, kugelrunden, hartſchaligen, gelben Kürbisfrüchten; ferner die Rutosma Texana ein ſehr aromatiſches, merkwürdiges Gewächs, indem es der einzige Repräſentant aus der Familie der Rauten auf dem ganzen Continente von Amerika iſt. Krameria lanceo- lata, mit langen, wagrechten, holzigen Wurzeln, die nach wiſſen⸗ ſchaftlicher Unterſuchung völlig die mediziniſchen Kräfte der Ra⸗ tanhia (Krameria triandra) hat. Ferner das Capsicum bacca- tum, den kleinen Cayennepfeffer, ein ausdaueruder Strauch mit erbſengroßen ſehr ſcharf ſchmeckenden Früchten, die ſowohl zu Saucen und ſonſt zu Speiſen angewendet und auch als Mittel gegen das Wechſelfieber gebraucht werden. In Alkohol extrahirt u fie äußerlich gebraucht gegen Krampf und rheumatiſche becher wir nun weiter nu Weiten, jo treffen wir zwiſchen Neu⸗Braunfels und San Antonio auf dem Cibolo-Fluß (Cibolo iſt der indianiſche Name für Buffalo) der in Sommermonaten an vielen Stellen nur ein trockenes Felſenbett zeigt, indem er ſtreckenweis unterirdiſch in dem zerklüfteten Kalkſtein fließt und — — nur an einzelnen Stellen Teiche und Seen bildet, während ſein Bett weiter oben und weiter unten mit fließendem Waſſer gefüllt iſt. In den trockenen Stellen ſeines Bettes finden ſich manche Pflanzen, die der oberen Gebirgsgegend eigen ſind und deren Samen augenſcheinlich von dorther durch das zu Zeiten fließen⸗ de Waſſer herabgeführt worden ſind. In tiefen klaren Teichen des Cibolo bietet das Nelumbium luteum, das auch in einigen anderen Gegenden der Vereinigten Staaten vorkommt, eine jo auffallende Erſcheinung, daß, wo man ſie auch trifft, nicht ohne Bewunderung betrachten kann. Man denke ſich in einſamen klaren Teichen und Seen große Gruppen von ein bis zwei Fuß breiten kreisrunden Blättern, die von ihren in ihrer Mitte angehefteten hohen Blattſtielen wie Schirme getragen werden und deren vielblätterige, ſeeroſenartige, blaßgelbe, wohlriechende Blüten dreimal jo groß find wie die der Nymphaea odorata. Eine ſolche Nelumbiumgruppe hat das Ausſehen wie etwas künſtlich Gemachtes und verſetzt doch zu gleicher Zeit unſeren Geiſt in einen reinen Naturgenuß, wodurch in unſerer Empfin⸗ dung eine ſonderbare Antitheſe widerſprechender Gefühle entſteht, die aber bald in Wohlgefallen ſich auflöſt, indem man das an⸗ ſcheinend Paradoxe dieſer Erſcheinung ſeinen älteren Anſchauun⸗ gen aſſimilirt und ſo dieſe durch eine neue bereichert. Die Gegend zwiſchen dem Cibolo und der Stadt San An⸗ tonio beſteht meiſt aus Prairie und lichtem Muskitwalde. In den letzten zehn Jabren hat ſich hohes ſtrauchartiges Muskitge⸗ büſch dort ſo ausgebreitet, daß es alle Ausſicht verwehrt. Schon ehe wir San Antonio erreichen, treffen wir auf dicht mit Mus⸗ kitgebüſch und anderen verſchiedenen Sträuchern bewachſenes Land. Viele holzige Pflanzen werden dort zu dornigen Sträuchern. Da iſt ſchon der Aufang und das erſte Auftreten der in der nörd⸗ lichen Flora von Mexiko ſo berüchtigten Chaperals, die bei den Einfällen raubender und mordender Indianer: und Mexikaner⸗ Banden eine ſo bedeutende Rolle ſpielen, und gegen deren Ver⸗ letzungen der Reiter ſich durch weite lederne Ueberziehhoſen von gegerbtem, behaartem Kalb⸗ oder Ziegenfell (Leggins hier ge⸗ nannt) zu ſchützen pflegt. Als ausgezeichnetes Futter für Thiere u wählt unter dieſen Gebüſchen das auch während des ganzen Winters nahrhafte Muskitgras (Aristida, Atheropogon u. a.) Unſere botaniſche Reiſe ging bisher in letzter Zeit entlang des Fußes der dritten großen Teraſſe des Landes. Indem wir, in nördlicher Richtung gehend, über einen mit Felsſtücken be⸗ ſtreuten und mit Cedernwald bewachſenen Abhang hinauf ſteigen, gelangen wir zur dritten Teraſſe. Eine meiſt felſige Ebene mit einzelnen fruchtbaren Thalflächen breitet ſich da vor uns aus. Viele eigenthümliche Pflanzen erfreuen da den Blick des Bota⸗ nikers. Namentlich auffallend iſt ein Dasylirion, eine Liliacee, eine der Ananas ähnliche Pflanze, die ſteiniges Geröll und Felsboden liebt. Sie bildet einen großen Buſch von ſchmalen, bandförmigen, ſtachelrandigen Wurzelblättern, deren weißes zar⸗ teres Herz von Bären ſo geliebt wird, daß man an den abge⸗ riſſenen Blättern unfehlbar die Nähe von Bären erkennt, weß⸗ halb die Pflanze auch Bärengras von den Amerikanern genannt wird. Das zarte Herz der Pflanze können auch Menſchen zu einem dem Weißkraut ähnlichen Gemüſe benutzen. khus virens, ein immergrüner Sumach, iſt eine andere dieſer Gegend und Mexiko eigenthümliche neue Art. Den Comanche⸗Indianern zwar ſchon ſeit lange bekannt und unter dem Namen Kinickenick als Rauchtabak benutzt. An ſenkrechten Felswänden wächſt der grün⸗ blühende kleine Tabak (Nieotiana saxicola). Ebenfalls an ſenk⸗ rechten Felswänden zwei mexikaniſche BERNER (Euenide barton- ioides und Chrysactinea Mexicana.) Auf trockenen Hügeln und an Waldrändern wächſt geſellſchaftlich als 4 bis 5 Fuß hoher vielſtämmiger Strauch, die Prunus rivularis, ſehr unpaſſend fo benannt. Ich hatte ſie früher P. Tawakonia genannt, weil die Tawakony⸗ Indianer die kleine, einer Kirſche ähnliche Frucht, die eine angenehme Säure enthält, mit Honig gekocht, ſehr liebten. Sie ift bei den hieſigen Stadtbewohnern ebenfalls ſehr beliebt, da ſie mit Zucker gekocht ein äußerſt angenehmes Compot Be auch Eingemachtes liefert, das ſich lange aufbewahren läßt. Die Garrya, die hier an abſchüſſigen Seitenwänden von Schluchten vorkommt, iſt ein ſehr dunkelgrüner, vielſtämmiger 4 bis 5 Fuß hoher Strauch von finſterem melancholiſchem Ausſehen. Die Art 1 iſt neu und außer ihr kommt in den ganzen vereinigten Staaten nur noch in Californien eine andere Art vor. Von Bäumen kommen hier Cedern auf Bergen und in Thälern als Wälder vor, Lebenseichen als einzelne Bäume und als Gebüſch und an den Flüſſen und Bächen mächtige Cypreſſen. Bäche und Flüſſe find hier jo klar, wie die Gewäſſer der euro— päiſchen Alpen. Gehen wir in nordweſtlicher Richtung weiter auf unſerem Wege nach dem Llanofluß, ſo treffen wir am Ein⸗ fluß des Siſterthal⸗Baches in die Guadalupe auf die dortige deutſche Anſiedelung und dann auf den Pedermales-Fluß bei Friederichsburg. Auf dieſem Wege überfteigen wir die über 2000 Fuß hohe Waſſerſcheide zwiſchen dem Colorado und der Guadalupe. Die Ausſicht von da iſt wild und romantiſch. Am nördlichen Abfall dieſes Plateaus haben wir die Ausſicht auf ein breites Waldthal und jenſeits deſſelben wird der Horizont durch kahle kegelförmige und ſargförmige Berge begrenzt, an deren Seitenwänden man deutlich die horizontalen Schichten un⸗ terſcheiden kann und die daher oft das Ausſehen von umgekehr⸗ ten ſtreiſig gefärbten Kreiſeln haben. Ganz in der Nähe von Friederichsburg kommt an einzelnen Stellen ſchon Granit in Form von Felſenriffen zum Vorſchein, aber erſt nördlich vom Llano befindet ſich eine ausgedehntere Granitregion von ſenkrechten Felſenwänden und von wagrechten, etwas geneigten Flächen von rothem Granit, welche letztere oft ſpiegelglatt ſind, wahrſcheinlich polirt durch ſcharfen Granitſand, den das Waſſer, oder die Winde ſeit undenklichen Zeiten über dieſe Flächen hingeführt haben. Die Vegetation auf trockenem felſigem Boden, welcher wir auf dieſem Wege begegnen, beſteht theils aus Cedernwäldern, theils in lichtem Lebenseichenwald, theils in Gebüſch von Sumach⸗ arten, von krüppeligem Lebenseichengebüſch und anderen Sträu⸗ chern. Charakteriſtiſch iſt das genannte Dasylirion, das oft ganze Strecken mit ſeinen weißlich grünen Büſchen bedeckt, und mehrere Arten ſtammloſer Yuccas, namentlich eine mit gedrehten Blättern (Y. ortifolia) und eine deren ganzer Blätterbuſch mit feinen Fäden der an ihrem Rande faſerigen Blätter wie von Spinn⸗ weben durchwoben iſt (V. intertexta). Wo der Boden ſandig ie SE iſt, finden ſich oft ausgedehnte Poſteichenwälder (Quercus obtu- siloba), wie z. B. in der Nähe von Friederichsburg. Am Llano⸗ Fluß herrſcht eine Weide vor (Salix nigra), die auffallend ſchlanke hohe Stämme mit dünnen aufwärts ſtrebenden Aeſten hat. In dem Poſteichenwald bei Friederichsburg überraſcht uns der Anblick eines alten deutſchen Bekannten, der Achillea mille- folium, Die Gegend von Friederichsburg iſt reich an verſchiedenen Arten von Artemisia. Von Cacteen finden ſich dort mehrere neue Arten von Mamillarien, einige ſchöne Malvaceen, namentlich die Callirho& digitata mit über zolllangen ſchön gefranzten Blüten: blättern. Die Wurzel derſelben iſt eßbar und angenehmer von Geſchmack wie die von den Indianern als Lebensmittel geſam— melten Wurzeln der Psoralea esculenta. — Eine ausgezeichnet ſchöne Gentianea iſt das auf felſigem Boden bei Friederichsburg wachſende Centauridium Drummondii. Es hat viel Aehnlichkeit mit der deutſchen Erythraea Centaurium, dem Tauſendgülden⸗ kraut, bildet aber einen vielſtängeligen, gedrängten Buſch mit einer großen Fläche von zartrothen Blüten Am Llano finden ſich manche intereffante Pflanzen, von welchen ich nur einige nennen will, wie Talinum aurantiacum , eine neue Art von ſchönem Portulak, Hollmannseggia Jamesi, ein auffallend ſchönes Schotengewächs mit gelben Blütenblättern und rothen Staubfäden, welches früherhin nur an den Kalk⸗ gebirgen an den Quellen des Arkanſasfluſſes gefunden worden iſt. Baccharis Texana, ein ſtrauchartiger Syngeneſiſt, auf trockenem granitiſchem Boden und auf Granitfelſen, oft ganze Strecken bedeckend. Der Granitregion eigen und auf nacktem Granit gedeihend iſt der prachtvolle Cereus Roemeri, breite Büſche bildend, deren Oberfläche mit blendend rothen Blüten bedeckt iſt. Es ſind jetzt grade dreißig Jahre, daß ich einen Sommer und Herbſt in der Gegend des Llano botaniſirte. Damals war es mir nicht möglich weiter nördlich vorzudringen. Es bleibt mir jetzt nur noch übrig, über den fernſten Weſten von Texas noch Einiges zu ae Im Weiten grenzt Texas an Mexiko und es läßt ſich vorausſetzen, daß an diejer . Grenze die Flora ſchon ganz einen eben Character an⸗ 4 Br nimmt. Herrliche Repräſentanten dieſer Flora finden ſich da ſchon auf texaniſchem Boden, wie die ſchöne Parkinsonia acu- lenta, ein baumartiger leguminoſer Strauch mit außerordentlich feingefiederten Blättern und voll von zierlichen goldgelben häng⸗ enden Blütentrauben; ferner die Opuntia arborescens ein baum⸗ artiger äſtiger Cactus, dann der Cereus giganteus, ein Rieſen⸗ cactus, der bis zu einer 60 Fuß hohen Säule aufwächſt und nur an der Spitze in ein Paar nackte Aeſte ſich theilt. Von Bignoniaceen finden ſich da die Chilopsis linearis, ein bis zu 25 Fuß hohes Bäumchen mit weidenartigen Blättern und ſchönen violetrothen Bignoniablüten und das Tecoma stans mit aufrecht⸗ ſtehenden Sträußen, lebhaft gelber Bignoniablüten an den Spitzen ſeiner vielen Stämmchen; und letztlich muß ich noch die pracht⸗ volle Fouquiera splendens erwähnen, ein jo eigenthümlicher Strauch, daß er für ſich ſelbſt eine Pflanzenfamilie, die Fou- quieraceae bildet. Es beſteht aus vielen aſtloſen bis zu 10 Fuß hohen Stämmchen, die an ihrer Spitze karminrothe Blütenrispen tragen. Schluß Reflexion. Wenn uns das Wohlgefallen an der Pflanzenwelt von der Küſte bis an die Granitregion und von dem Miſſiſſippi bis an den Rio Grande getrieben hat, ſo iſt es auch wohl der Mühe werth, zu unterſuchen, wodurch denn eigentlich dieſes Wohl⸗ gefallen an der Pflanzenwelt in unſerem Geiſte erregt wurde. Iſt es der einſchmeichelnde Duft der Wohlgerüche? — Dieſer findet ja nicht bei allen Pflanzen ſtatt. — Iſt es die Reinheit und Harmonie der Farben? — Das mag zum Theil wohl der Fall ſein, aber der Hauptgrund iſt es nicht, denn auch bei Ge⸗ wächſen, die nicht durch den Farbenſinn unſer Wohlgefallen in Anſpruch nehmen, freuen wir uns über die Schönheit ihrer Geſtalt. Ich nenne hier nur zum Beiſpiel die kleine Lyeo- „die Saginella apus, die mit ihren auf dem feuchten Boden ausgebreiteten Blättchen ſich ausnimmt wie eine zierliche . Arabeste. — Freilich, eine Antwort auf unſere erſte Frage haben wir hiermit noch nicht aufgefunden. Wir haben die Frage blos Be weiter hinausgeſchoben, wie ein Advokat, der die rechten Be: weisgründe noch nicht aufgefunden hat und für einen ferneren Termin appellirt. Erſt wenn wir den allgemeinen Grund auf- gefunden haben, worin die Schönheit der Pflanzengeſtalten beſteht, dann haben wir unſere erſte Frage von Grund aus beantwortet. Wenn wir unſer Gefühl des Wohlgefallens an den Pflanzen⸗ geſtalten näher unterſuchen, ſo werden wir finden, daß dies nicht nur in der bis ins Kleinſte ausgeführten mathematiſchen Genauigkeit der Blatt⸗, Blüten-, Frucht: und ſonſtigen Formen der Pflanzentheile, ſondern auch auf der dunkel erkannten Geſetzmä⸗ ßigkeit der Stellung aller verſchiedenen Theile der Pflanze beruht. Wir erinnern hier nur an das Geſetz der ſogenannten Blattſtellung, das der geiſtreiche Schimper aufgefunden und gezeigt hat, daß dieſe Stellung, die immer innerhalb einer Spirallinie ftattfindet, bei den verſchiedenen Pflanzenarten durch verſchiedene Bruchtheile dieſer Spirale ausgedrückt werden kann. Die ganze Erſcheinung der Pflanzenwelt bewegt ſich innerhalb der Schranken dieſer geometriſchen und arithmetiſchen Geſetze und dennoch herrſcht die größtmögliche Freiheit der Ausbildung der einzelnen Indivi⸗ duen, ſo daß keines derſelben die monotone Wiederholung des anderen iſt. Unſer Wohlgefallen an den Pflanzengeſtalten beruht auf dem Wohlgefallen der innigen Verbindung der ſtrengſten Geſetzmäßigkeit mit der größtmöglichen Freiheit. Es iſt dies in feiner Baſis eins der edelſten mora: liſchen Gefühle und gewährt deßhalb auch eine ſo reine Freude und Befriedigung. f Die kürbisartigen Gewächſe in Texas. Zu den kürbisartigen Gewächſen (Cueurbitaceae) rechnet man verſchiedene Pflanzengattungen, z. B. die Kürbisarten (Cu- eurbita), die Gurkenarten (Cueumis), die Kalebaſſen oder Fla— ſchenkürbiſſe (Lagenaria), die Balſamäpfel (Momordiea), die Waſſermelonen (Citrullus), die Geſchlechter der Bryonia, Melothria und Syeios und früherhin auch die Paſſionsblumen, (Passiflora.) 4 4 =: WE Im Vergleich mit anderen Pflanzenfamilien haben die kürbisartigen Pflanzen wenig Gattungen und Arten, aber deſto mehr Spielarten und Baſtarde. Daß die kürbisartigen Pflanzen mehr ein ſüdliches Gewächs ſind, das zeigt ſchon die klimatiſche Verbreitung der auf dem nordamerikaniſchen Continent vorkom⸗ menden wildwachſenden Arten dieſer Familie. In Canada finden ſich blos zwei wildwachſende Arten der Kürbispflanzen, in den nördlichen Staaten, ſo ſüdlich als Ohio und Pennſylvanien, finden ſich nur vier Arten, während in den ſüdlichen Staaten, einſchließlich Texas und Florida wenigſtens 9 Arten Cucurbita⸗ ceen einheimiſch ſind. Wir können daraus füglich den Schluß ziehen, daß die ſüdlichen Staaten der Union und namentlich Texas und Florida, die die meiſten Arten wild wachſender Cucurbitaceen aufzuweiſen haben, auch für den Anbau der Cul⸗ turgewächſe aus dieſer Pflanzenfamilie ein günſtiges Klima und einen günſtigen Boden haben müſſen. Wenn wir den Unterſuchungen des Dr. T. W. Harris von der Harward-Univerſität zu Cambridge, im Staate Maſſachuſetts, Zutrauen ſchenken wollen, ſo ſind die Pumpkins und Squaſches die uralten Culturpflanzen der amerikaniſchen Autochthonen. Har⸗ ris ſagt: „Neuere Botaniker glaubten, daß die meiſten Arten dieſer Culturpflanzen von Aſien und namentlich von Oſt⸗Indien her nach Amerika gekommen ſeien. Dies iſt ein Irrthum, denn dieſe Gewächſe waren weder den bibliſchen noch den griechiſchen oder römiſchen Autoren bekannt; auch die Schriftſteller des Mit⸗ telalters kannten die Pumpkins und Squaſches nicht, während ſie anderer kürbisartiger Gewächſe Erwähnung thun. Erſt nach der Entdeckung von Amerika wurden in Europa dieſe Culturge⸗ wächſe bekannt. Reiſende fanden ſie zuerſt in Weſtindien, Peru, Florida und ſelbſt an der Küſte von Neu⸗England, wo ſie von den Indianern cultivirt wurden, ehe noch eine Anſiedelung von Europäern hier ſtattgefunden hatte. Die alten Botaniker des erſten Jahrhunderts nach der Entdeckung der neuen Welt, oder vielmehr Weſtindiens, waren die erſten, die dieſe Gewächſe be⸗ ſchrieben und ihnen Namen gegeben haben, die deren indianiſche Abkunft deutlich bezeugen. Der falſche Gebrauch die Wilden Re Amerika's Indianer zu nennen, hat ſpätere Botaniker verleitet Oſtindien und Aſien als Vaterland des Pumpkin (Cucurbita Pepo) und des Squaſch (Cucurbita Melopepo) anzugeben.“ „Von dem Studium der Geſchichte der Pflanze wandte ich mich zunächſt zum Stud ium der Species derſelben und habe zu dieſem Zweck jedes Jahr alle Arten derſelben, die ich erhalten konnte cultivirt und unterſucht und glaube behaupten zu können, daß alle Culturgewächſe, die unter den Namen von Pumpkins und Squaſches bekannt ſind, aus Amerika ſtammen und daß ſie unter drei verſchiedenen Gruppen zu begreifen ſind. Die erſte Gruppe bilden die Sommerſquaſches, die harte Schalen haben, wenn ſie reif ſind, die zweite Gruppe bilden die Winterſquaſches und Pumpkins, deren Fruchtſtiel fünf dieſer Furchen hat und die dritte bilden die Winter⸗Pumpkins und Squaſches mit kurzen, cylinderiſchen, runzeligen (nicht gefurchten) Fruchtſtielen. Dieſe letzte Gruppe war urſprünglich nur in den tropiſchen und jub- tropiſchen Gegenden zu Hauſe.“ Dieſe Unterſuchungen des Dr. Harris beſtärken nur noch mehr unſere frühere Behauptung von der Tauglichkeit des Kli⸗ mas und des Bodens von Texas für den Anbau der Cucurbi⸗ taceen und ſo zeigt es ſich auch, daß die Kürbiſſe, Gurken und Melonen ſammt den eßbaren Früchten der erfriſchenden Granditas (Passiflora incarnata) auf das Beſte hier gedeihen. Waſſermelonen, welche vierzig Pfund und mehr wiegen, ſind nichts Seltenes hier. In einem Garten in hieſiger Stadt hat ein Gärtner von einer einzelnen Pflanze des Cushaw (des ſoge⸗ nannten Potatoe Pompkins) 38 Kürbiſſe geerntet, von welchen 5 ohngefähr 20 Pfund wog. Vor mehreren Jahren erntete n Farmer in der zu Neu⸗Braunfels gehörigen Canalſtadt von einer einzigen Ranke, welche ſich über die Aeſte eines in dem Waſſer liegenden Baumes gelagert hatte, 16 Stück Pumpkins, von welchen keiner unter 30 Pfund wog. Von dem ohngefähr I engliiche Meilen von hier entfernten Cibolo⸗Settlement wurde vor mehreren Jahren ein Rieſenkürbis nach Braunfels gebracht. Er hatte die Geſtalt einer platt gedrückten Kugel, war drei Fuß it und einen und einen halben Fuß dick und * . = MM 100 Pfund. (In kleine Scheiben geſchnittene Pumpkins zu trockenen und für den Winter aufzubewahren, wie man in den nördlichen Staaten zu thun pflegt, hat man hier in Texas nicht nöthig, weil man leicht die friſchen Pumpkins in Menge in den Kornhäuſern gegen die geringen hieſigen Fröſte ſchützen und während des ganzen Winters aufbewahren kann). Mannichfaltig iſt der Nutzen und Gebrauch, den die Kürbis⸗ familie dem Südländer gewährt. Eine der nützlichſten Kürbis⸗ arten iſt der oben genannte Cushaw, oder Potatoe Pumpkin. Er iſt weniger ſüß als andere Kürbisarten, aber als Gemüſe gekocht, oder in dem Brodtopf gebacken, eine beliebte Speiſe. Vor allen aber bieten die unzähligen Spielarten der Squaſches einen vortrefflichen Stoff zu Gemüſen, die mit den gehörigen Zuthaten und Bereitungen beinahe die Güte von Blumenkohl erreichen. Der kleine orangegelbe Smell apple, der in den nördlichen Staaten meiſt nur des Wohlgeruches wegen gezogen wird, hat ſich hier mit der Muskmelone (Cucumis Melo) verbaſtardirt und eine ſehr werthvolle Abart erzeugt, welche weit größer iſt, als der gewöhnliche Smell apple, beſſer als andere Cucurbita⸗ ceen einen trockenen Sommer aushält und durch die Miſchung der Säure des Smell apple mit der Süßigkeit der Muskmelone einen dem Apfel ähnlichen Geſchmack erhalten hat, weßhalb der hieſige Smell apple Baſtard ſowohl 92 9 wie gedämpft oder gebacken eine äußerſt angenehme Speiſe i Die ſchöne große Paſſionsblume „ inearnata) kommt an manchen Stellen häufig wild in Texas vor (z. B. im Walde des Whiteoak Bayou bei Houſton, im Gebüſch am San Pedro bei San Antonio, in Gebüſchen an der Guadalupe unterhalb Neu⸗ Braunfels). Sie iſt leicht zu cultiviren, da ſie eine ausdauernde Wurzel hat. Sie it ſehr anwendbar zu Lauben, da fie außer ihren ſchönen Blüten auch eine dichte Blätterwand liefert. Ihre Früchte können mit keiner deutſchen Art verglichen werden. Am ähnlichſten ſind ſie noch im Geſchmack den mexikaniſchen Limo⸗ nen, welche angenehm ſäuerlich und erfriſchend ſind. je Fe ER In des alten Rapp's Colonie in Pennſylvanien gewann man Oel aus Pumpkin⸗Kernen, wozu man aber freilich eines Ueber- fluſſes an Arbeitskräften bedürfte, wie ſie in Amerika nur dem Obſcurantismus zu Gebote ſtehen. In der tierra caliente von Mexiko giebt es eine Art Kürbis, welche ſehr große Kerne hat und die nur um dieſer Kerne willen gezogen wird; doch der lebensluſtige Mexikaner gebraucht dieſe Kerne (pepitas) nicht, um Oel daraus zu preſſen. Dieſe Kerne werden geſchält, zer: ſtoßen und mit Waſſer vermiſcht und ein Getränk daraus bereitet, das ſo lieblich ſchmeckt, wie Mandelmilch. Auf öffentlichen Fandangos, in und um Vera Cruz wird dieſes Getränk gratis herumgereicht. Zweifelsohne könnte dieſe Kürbisart auch in Texas gezogen werden. manches andere könnte man aufzählen, was die Familie der Cucurbitaceen dem Südländer bietet: z. B. Stoff zu Zucker und Syrup vom Saft der Waſſermelonen, Stoff zu Eingemachtem (preserves) von dem feſten Fleisch der Waſſer⸗ melonen und des Smell apple, Viehfutter für Pferde, Schweine und Rindvieh, Reiſeflaſchen, Milchgefäße, Schöpflöffel und Waſſer⸗ eimer liefern die verſchieden geſtalteten Spielarten der hart⸗ ſchaligen Lagenaria (gourds der Amerikaner). Eine ſehr ſchöne Art von Sommerhüten für Frauenzimmer, die wie ein kunſt⸗ volles Geflechte ausſieht, liefert das gebleichte Zellengewebe einer beſonderen Kürbisart, welche die Amerikaner „dish rag gourd“ nennen. Noch manchen anderen Gebrauch der Cucur⸗ bitaceen, den grade die tägliche Nothdurft an die Hand giebt, könnten wir erwähnen. So wird die Schale von großen runden Flaſchenkürbiſſen in Mexiko zum Entenfang gebraucht, indem der Entenfänger in eine ſolche Schale ſeinen Kopf ſteckt und ſeinen Leib im Waſſer verborgen hält, kann er ſich nahe zu den Enten heranſchleichen, die er dann an den Beinen unter das Waſſer zieht und in einen Sack ſteckt. — Zu Reiſeflaſchen um Spirituoſen darin aufzubewahren, taugen die Flaſchenkürbiſſe durchaus nicht in einem heißen Klima. Schon am zweiten Tage während einer Reiſe in Mexiko war ſehr ſtarker Alkohol, den ich in einer Kürbisflaſche mit führte, ſo ſehr verdunſtet, re ee daß nur noch ein fade ſchmeckendes Waſſer übrig war; aber eben dieſe Fähigkeit des Verdunſtens macht dieſe Flaſchenkürbiſſe beſonders tauglich, Waſſer friſch zu erhalten. — Ein anderer intereſſanter Gebrauch von Kürbisſchalen überraſchte mich, als ich einſt in dem tropiſchen Mexiko in eine felſige Baranke hinab⸗ ſtieg. In den hohen Gipfeln der Königspalme lispelte der Seewind und im Grunde der Schlucht zitterten die feingefiederten Blätter des baumartigen Farrenkrautes über einem klaren Bach, in welchem drei geſchwätzige Wäſcherinnen ſtanden, deren leichtes Coſtüm nur in einer halben Kürbisſchale beſtand, die ihr Haupt vor den ſenkrechten Strahlen der tropiſchen Sonne ſchützte — Sancta simplieitas! — Dieſes Bild erinnerte mich lebhaft an die ſchönen Lichteffecte einer Landſchaft des Claude Lorraine, wo unter einer ſchlanken hohen Baumgruppe eine Geſellſchaft Badender eben aus den klaren Fluthen ſteigt. Der kleine wilde teranifche Kürbis (Cucurbita texana) iſt vortrefflich um gegen Mäuſe- und Inſekten⸗Fraß Sämereien darin aufzubewahren. Den engen Hals deſſelben kann man leicht mit einem Kork verſchließen und auf ſeine Außenſeite kann man den Namen des Inhalts ſchreiben. Von den hier wildwachſenden Cucurbitaceen iſt beſonders die amerikaniſche Stachelgurke (Cucu- mis anguria) zu erwähnen, die in Ermangelung eines Beſſeren zu Salat und zu Salzgurken benutzt werden kann, nachdem man ſie zuvor in etwas warmem Waſſer gebrüht und mit einem gro⸗ ben Tuche die weichen Stacheln abgerieben hat. a Eine ſehr nützliche und hier häufig cultivirte Art der Cu⸗ curbitaceen iſt unſtreitig die Gurke, welche in Texas reichliche Ernten liefert. In manchen günſtigen Jahren bringen Farmer ganze Wagenladungen von Gurken in die hieſigen Städte und der Preis für dieſelben iſt oft nicht mehr wie 15 Cents für einen großen Eimer vo Bei der Zucht drr kürbisartigen Gewächſe hüte man ſich aber vor Allem, daß man durch zu nahes Zuſammenpflanzen ru. Arten keine ſchlechten Baſtarde erzeuge, oder ganz und gar aus den guten Arten herauskomme. Ein kleines Beiſpiel der Art fand vor Jahren am Mill Ereck, in Auſtin County, — 5 ſtatt, wo die Waſſermelone ſich mit der äußerlich ganz ähnlichen Abart der dort ſogenannten Schweinemelone verbaſtardirt und ihren Wohlgeſchmack verloren hatte. Aehnliches geſchah vor etwa 30 Jahren hier, wo in einem Felde, wo alle Squaſches (der Arten Cucurbita ovifera und C. Melopepo) ſich mit der einheimi— ſchen wilden Art des texaniſchen Kürbiſſes verbaſtardirt hatten und gallenbitter wurden. Waſſermelonen und Gurken machen ſich gegenſeitig ſchlechter. In manchen Gegenden von Südfranf: reich pflanzt man die Muskmelonen und Gurken auf dieſelben Beete und verſchlechtert dadurch beide Arten. In Oſtindien und auf dem Vorgebirge der Guten Hoffnung arten die Melonen ſo ſchnell aus, daß man faſt jedes Jahr neuen Samen kommen laſſen muß. Man ſchreibt das der ſüdlichen Lage dieſer Länder zu; doch wenn das der Fall wäre, jo müßten, da dieſelben Ur: ſachen dieſelben Wirkungen haben, auch in Surinam und auf den weſtindiſchen Inſeln die Melonen ausarten, welches aber keinesweges der Fall iſt. Ich glaube vielmehr, daß das ſchnelle Ausarten der Melonen in Oſtindien und am Cape durch die ge: wöhnlichen Urſachen, nämlich durch zu naheſtehende Arten dort wildwachſender Cucurbitaceen veranlaßt werde, indem die häufig ab: und zufliegenden Bienen an ihrem haarigen Körper den frem— den Blütenſtaub in die Blüten der edlen Melonen tragen. Wenn man aber die Kreuzung der Abarten gehörig überwacht, ſo kann man fortwährend noch verſchiedene Spielarten erzielen. Auf einer Reiſe durch das nördliche Perſien hat Gmelin 15 verſchiedene Sorten von Melonen beſchrieben und abgebildet. Auch in Texas wäre es der Mühe werth, eine Monographie der Cucurbitaceen zuſammenzuſtellen, welches gewiß einmal der Fall ſein wird, ſo⸗ bald wir uns einmal in Texas die Mühe nehmen werden, mit Kunſt werthvolle Spielarten zu erzeugen Doch zu was hilft all' dieſe Schönrednerei von Granaten, Melonen und Pumpkins, mag mancher der hieſigen Deutſchen denken: „Hätt' ich Kartoffeln und Rüben und Sauerkraut, die 8 irn mir lieber!“ Dieſe Unzufriedenheit ift eben ein Grundzug des menſchliſchen . Im Norden träumen wir von dem Paradieſe des Südens: ee „Kennſt Du das Land, wo die Citrone blüht, Im dunklen Laub die Goldorange glüht?“ Und ſind wir in den Tropen, wo die Orange, die Ananas, die Banane und Sapote reift, dann wünſchen wir uns die Aepfel und Birnen des Nordens. Es liegt eine große Lebensweisheit darin, jedesmal der Gegenwart ihren Reiz abzugewinnen. „Willſt Du immer weiter ſchweifen, Sieh, das Gute liegt ſo nah!“ Doch auch dieſe Unzufriedenheit des Menſchen, wo jeder Beſitz ſogleich nur wieder wie ein Mangel erſcheint, hat ihr Gutes. Ohne dieſe Unzufriedenheit würden wir uns beſcheiden und be- gnügen. Dieſes Sich⸗Beſcheiden und Begnügen mögen Tugenden fataliſtiſcher und ascetiſcher Bekenner ſein, aber Tugenden des ſtrebenden Mannes und Republikaners ſind ſie nicht. Immer das Andere und Beſſere wollen, ſobald wir's erkannt haben und immer bereit und thätig ſein das Beſſere zu erkennen, dazu mögen uns die wechſelnden Wünſche unſerer perſönlichen Intereſ⸗ ſen antreiben, bis wir es ausfinden, daß unſer perſönliches und Privat⸗Intereſſe allein uns nicht genügen und beglücken kann. Wohl den! der, wie in der Sage, der Paradiesvogel über die Wolken und Gewitter der niederen Regionen des täg⸗ lichen Lebens und Strebens ſich erheben und in der bis in die weiteſten Fernen ungetrübten Ausſicht den Blick weiden kann. Wohl dem! der nur im Intereſſe der geſammten Menſchheit handelt und lebt, denn er nimmt ſchon Theil an dem ewigen Leben der Menſchheit ſelbſt und an der Hoffnung freudiger Er⸗ füllung der immer höheren und edleren Zwecke und Aufgaben ſeines Geſchlechtes. — . Aeber Viehzucht und Ackerbau in Texas. In Deutſchland und in faſt ganz Europa wird es als ſabſtoerſtändlich angeſehen, daß der Ackerbau ohne einen in Stäl⸗ len gehaltenen Viehſtand, der den nöthigen Dünger liefert, nicht erfolgreich betrieben werden kann. Hier in Amerika und na⸗ mentlich in Texas verläßt man ſich auf die Unerſchöpflichkeit des jungfräulichen Bodens und überhebt ſich der Mühe der Stall⸗ fütterung und des Düngens, während die zahlreichen Viehheerden der Farmer ſich ihren Unterhalt auf dem vielen noch unbebauten Lande ſelbſt ſuchen. Noch vor vierzig Jahren und auch noch ſpäterhin wurde faſt allgemein behauptet, daß das Ackerland der Vereinigten Staaten keines Düngers bedürfe. Die öſtlichen Staa⸗ ten haben indeß jetzt ſchon die Erfahrung gemacht, daß viele ihrer Felder, die einſt hundertfältige Ernte lieferten, jetzt kaum noch zwanzigfältige bringen, und daß manches urbare, jetzt aus⸗ geſogene Land des Beſtellens gar nicht mehr werth iſt und dem Waldwuchs, der mit magerem Boden zufriedenen und der ſich ſelbſt anpflanzenden Fichte (Old field Pine der Amerikaner, Pinus taeda L.) überlaſſen werden mußte. Daß die Pflanzen nirgends anderswoher, als aus dem Bo— den und aus der Luft, in welcher ſie wachſen, ihre Nahrung ziehen, das muß auch ohne chemiſche und phyſiologiſche Kenntniſſe dem gewöhnlichſten Menſchenverſtande als ſelbſtverſtändlich er: ſcheinen. Die Nahrungsſtoffe, welche die Pflanzen aus der Luft beziehen, werden ihnen immer wieder von Neuem durch dieſes ul Element zugeführt; anders verhält es ſich mit den sſtoffen, welche die Pflanzen durch ihre Wurzeln aus dem Boden aufſaugen. Wenn dieſe Beſtandtheile dem Boden durch fortwährende Ernten entzogen und nicht wieder zurückerſtat⸗ tet werden, fo muß der Boden ärmer an denſelben und die Ern: s ten . jedem Jahre kümmerlicher werden. 1 Ein ſehr einfaches Experiment, um die Stoffe einer Pflanze, welche dieſelbe aus der Luft erhalten hat, von den mineraliſchen auszuſcheiden, welche ſie aus dem Boden erhalten hat, iſt es, die Pflanzen zu verbrennen, wo dann die mineraliſchen Theile als Aſche zurückbleiben und deutlich zeigen, welche mineraliſchen Theile die betreffende Pflanze zu ihrer Aus bildung bedurft hatte. Während der 42 Jahre, in welchen ich hier die wilde Vegetation beobachtet habe, hat es mir geſchienen, daß der Wechſel in der: ſelben wohl nicht allein den im Freien fortwährend weidenden Nindvich:, Pferde⸗, Schaf: und Schweineheerden zuzuſchreiben iſt, denn in eingefenzten Feldern, in welchen kein Vieh weidete, zeigte ſich im Verlauf weniger Jahre oft ein totaler Wechſel in den vorherrſchenden Unkräutern. Jahre lang hatte eine wilde Melde, dann die wilde gelbe Rübe (Daucus pusillus), dann das Stachel⸗ gras (Cenehrus echinatus), dann die Androcera lobata auf meinem eingefenzten Felde die Herrſchaft. Jetzt bilden einige Grasarten, zerſtreute Helianthus Centieularis und Croton ellytieum haupt⸗ ſächlich den Beſtand des Unkrautes in dieſem Felde. Dieſer ſonderbare Wechſel der milden Vegetation, dieſes maſſenweiſe Wandern der Pflanzen ſcheint mir daher zum Theil gewiß die⸗ ſelben Urſachen zu haben, wie das Wandern der Thiere und die Völkerwanderungen der Menſchen, nämlich das Verlaſſen einer Gegend, die nicht mehr fähig iſt, ihre Bewohner zu ernähren. So verlaſſen nach einander faſt alle Pflanzenfamilien eine un⸗ fruchtbare, ausgeſogene Sandgegend, bis zuletzt nur noch die frugale Pinus taeda Beſitz von dem Boden nimmt und mittels ihrer tief eindringenden Wurzeln das Kali näher an die Ober⸗ fläche bringt und den Boden wieder fruchtbar macht. enn die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Nord⸗ amerika in derſelben arithmetiſchen Progreſſion, wie die ſteigen⸗ den zehnjährlichen Cenſusliſten nachweiſen, auch in den nächſten 100 Jahren zunehmen ſollte, wie in dem vergangenen Jahrhun⸗ dert und wenn zu gleicher Zeit das es ai des arne Ackerbaues fortbeſteht, ſo wird bei der nächſten Cent eee das ausgeſogene Land kaum mehr fähig ſein die Bewohner un⸗ ſerer entarteten Republik zu ernähren. Manche Statiſtiker ſehen „ dieſe verhängnißvolle Kriſis ſchon nach den nächſten 50 Jahren eintreten. Als ein glänzendes Beiſpiel von ſorgfältiger Bearbei⸗ tung und Düngung und jugendlich erhaltenen Tragkraft können die ſchon im Jahre 276 nach Chriſti Geburt von dem römiſchen Kaiſer Probus am Rhein und in Ungarn gepflanzten Weinberge dienen, die jetzt, nach ſechszehnhundert Jahren, noch eben ſo reiche Weinernten liefern wie damals zu des Tacitus Zeiten und die alten Germanen zu Einfällen in jene Länder reizten; aber mit welcher ſorglichen Pflege find auch dieſe Weinberge cultivirt wor: den? Alljährlich werden durch Schiffe auf dem Main und Rhein dem Rheingau Ladungen Dünger zugeführt, den die Winzer mit Erde vermiſchen und zu Compoſthaufen verwenden, die, nach ſorgfältiger Zubereitung, auf dem Rücken von den Winzern auf die ſteilen Teraſſen und Abhänge der Weinberge getragen werden. Die in den Vereinigten Staaten von dem Feldbau faſt gänzlich unabhängige Viehzucht iſt in ihren Folgen für Land und Volk eben ſo Verderben bringend, wie das hieſige Raubſyſtem des Ackerbaues. Die Ausfuhr von ungeheuren Heerden van Rind⸗ vieh und Pferden, die von erſteren aus dem weſtlichen Theile von Texas nach Kanſas auf dem Landwege ſtattfand, betrug im Jahre 1867, 37400 Stück, war in jedem folgenden Jahre größer und erreichte 1873 die Höhe von 164,829 Stück. Außerdem wurden auch noch große Maſſen von Rindvieh auf dem Seewege ausge⸗ führt. Auf jeden Fall wurden in letzter Zeit jährlich für mehr als für eine Million Dollar Werth Rindvieh allein ausgeführt, Pferde gar nicht gerechnet. Der Viehhandel von Texas war fo- nach für das Land eine reiche Quelle des Gewinnes. Das iſt aber auch die ſchönſte Seite dieſer Induſtrie, während ſie der Schattenſeiten gar manche hat. Durch dieſe ausgedehnte Viehzucht wird nicht nur den Ackerbauern in Texas, ſondern in den ganzen Vereinigten Staaten die Nothwendigkeit auferlegt, ihre Felder mit koſtſpieligen Fenzen zu umgeben, die in ihrem Geſammtwerthe mehr koſten, als alle werthvollen Gebäude der ganzen Union. ie Ze 3 der Wälder, Vergeudung des werthvollen Nutz⸗ und Brennholzes und die Verminderung des für den Feldbau io nützlichen Regenfalles ſind die unmittelbaren nachtheiligen Me Folgen dieſer Verſchwendung. — Man könnte mir einwenden, daß wenigſtens den Weideplätzen die Ereremente der Thiere zu gute kommen. Dies mag wohl in einem geringen Maßſtabe der Fall ſein. Viel geht indeß von der düngenden Kraft dieſer Ereremente durch Verdunſtung und Austrocknung verloren, und der Schaden, den die Jahr aus Jahr ein weidenden Thiere der Weide ſelbſt verurſachen, iſt bei weitem größer, als der geringe Nutzen ihres Düngers. Sie zerſtören zuvörderſt alle einjährigen Futterpflanzen, weil ſie deren Samen nicht zur Reife kommen laſſen. Zum Glück haben viele Gräſer eine ausdauernde Wurzel, aber wenn ſie mit den übrigen Futterpflanzen fortwährend von den Heerden abgefreſſen werden, ſo gewinnen zuletzt die bitteren und ungenießbaren Unkräuter, große Euphorbien, Wermutharten, Sonnenblumen, Salbai, Spitzkletten u. ſ. w. jo ſehr die Ober⸗ hand, daß wenig Genießbares für die Hausthiere mehr übrig bleibt. Dies iſt namentlich ſchon ſeit manchen Jahren der Fall mit vielen Prairien öſtlich vom Brazos. Vor dreißig Jahren waren die ausgedehnten Prairien, weſtlich und ſüdlich von Neu— Braunfels, noch ſo dicht wie ein Getreidefeld von einer hohen nützlichen Grasart, dem zuckerhaltigen Bartgras (Andropogon fureatum) beſtanden, welches jetzt dicht ſtehend auf eingefenzten Flächen gefunden und zu Heu benutzt wird. Ein anderer Nach⸗ theil des übergroßen Viehſtandes in Texas iſt nicht nur, daß die Thiere nach allen Waſſerläufen Pfade bilden, die dem Regen dann als Rinnſale dienen und zuletzt als Hohlwege und Schluch⸗ ten, ſich ausbilden, ſondern auch, daß die Thiere ganz beſonders die nach Bächen und Flüſſen geneigten Abdachungen alles Graſes entblößen und dadurch, ſowie durch jene Hohlwege das Einſinken des Regens verhindern und indem ſie zugleich den Ablauf des Waſſers befördern, auf jeden Fall mit Urſache von den hohen Waſſerſtänden der Flüſſe und reißenden Fluthen waren, wie ſie in früheren Jahren der weſtlichen Anſiedelungen nicht een defeen den hatten. Doch alle dieſe Nachtheile der vom Ackerbau unabhängigen, namentlich der weſttexaniſchen Viehzucht, find nur unbedeutende Kleinigkeiten, wenn man den Gegenſtand von einem höheren 3 Standpunkte aus betrachtet, nämlich vom ſocialen und morali— ſchen. Wir wollen hier die Mord- und Raubzüge der Indianer nicht erwähnen, die hauptſächlich den Heerden der Grenzbewoh— ner gelten; denn wir können dieſe Wilden nicht von unſerem ſocialen und moraliſchen Standpunkte aus für zurechnungsfähig halten. Ganz richtig entgegnete mir einſt der angeſehenſte Häupt: ling der wilden Comanchen, den ich wegen des Stehlens der In— dianer zur Rede ſtellte, daß wir das Stehlen und Rauben nicht nach unſerer Anſicht beurtheilen müßten, denn ſie wüßten es nicht anders, als daß man Eigenthum nur dadurch erwerben könne, daß man es andern Leuten wegnehme. — Die India: ner ſtellen ſich demnach auf die Stufe unzurechnungsfähiger Raubtbiere und ſprechen ihr eigenes Todesurtheil aus. Nach ihrer Anſicht mögen ſie ihre Raubzüge für Großthaten halten und ſich ſelbſt für Helden, wie Odyſſeus und Diomed, die die Pferde des Königs Rheſus ſtahlen, oder wie Herkules, der die Rinder des Geryon raubte; mit der Demoraliſation, welche in Texas durch dieſe Viehwirthſchaft und Hirtenleben hervorge⸗ bracht wird, dürfen wir ſie nicht belaſten. (Auf den Pußta's in Ungarn finden unter ähnlichen Verhältniſſen faſt die nämlichen Uebelſtände ftatt.) Dieſe Demoraliſation kommt faſt ganz auf Rechnung der weißen Bevölkerung, außer dem kleinen Bruchtheil, für den die Neger verantwortlich ſind, weil ſie mit den gleichen Rechten, die ihnen mit den Weißen gegeben worden ſind, noth⸗ wendig auch dieſelben Pflichten haben müſſen. Für die Raub⸗ züge der mexikaniſchen Viehdiebe ſind viel weniger dieſe zu be⸗ ſchuldigen, wie unſere ehrloſe republikaniſche Regierung, die ſich von dem ohnmächtigen Spanien und dem desorganiſirten Mexiko ungeſtraft Fußtritte verſetzen läßt. Mit Selbſtironie wird daher auch Bruder Jonathan von den Amerikanern mit Zwiebelſchwanz und rückwärts geſtülptem Hute abgebildet, ganz ſo wie der Jude Schmuhl in dem Luſtſpiel „Unſer Verkehr“ dargeſtellt wird, wo ſein Vater zu ihm ſagt: „Schmuhlchen, laß dich ſtumpen, laß dich ſtoße, aber mach a Geſchäftche!“ Welche Demoraliſaton in Folge dieſer verkehrten Viehzucht über Weſttexas gekommen iſt, davon zeugen die vielen Criminal: fälle in jeder Sitzung unſerer Diſtriktsgerichte. Die meiften Mord: thaten und Lynchgerichte werden von und gegen Viehdiebe voll— bracht. Schreckensherrſchaften von Dieben und Mördern, oder von Bürgern, die ſich gegen dieſelben verbunden, terroriſiren ganze Counties. In Maſon County war dies noch vor nicht gar lan⸗ ger Zeit der Fall, und der Brand des Courthauſes von Blanco County war nur angeſtiftet, um die vielen Anklagen gegen Vieh: diebe zu vernichten. Im Courthauſe von Hays County waren aus gleicher Urſache die Bücher des Gerichts auf einen Haufen geworfen und mit Kreoſin beſchüttet worden, um fie zu verbrennen. Zur Vertheidigung dieſer weſttexaniſchen Viehzucht wird oft eingewendet, daß große Striche Landes ſich nicht für den Acker⸗ bau und nur für Viehzucht eigneten. Das mag wohl theilweiſe wahr ſein, aber gewiß nur in beſchränktem Sinne. Es lautet ohngefähr ſo wie der Einwurf, der früher gegen die Aufhebung der Sclaverei im Süden gemacht wurde, daß dann keine Baum⸗ wolle mehr gebaut werden könnte, welcher ſich ſpäterhin doch als unwahr herausgeſtellt hat. Auf jeden Fall iſt noch ein ſehr gro: ßer Theil des weſtlichen Texas für Feldbau, Weinbau und Berg⸗ bau kulturfähig und es bedarf nur der Einwanderung und des Kapitals, um die natürlichen Hülfsquellen auszubeuten; aber die großen Landſpekulanten und unſere engherzigen und unpraktiſchen Legislaturen, die durch jene Spekulanten beeinflußt werden, ſind der Hemmſchuh unſeres Fortſchrittes. Sie ſchrecken die Einwan⸗ derung und das Kapital durch die für beide unvortheilhaften Geſetze zurück. - Es erſcheint uns als eine gräuliche Barbarei, daß einſt die mongoliſchen Großen, im Jahre 1223 unſerer Zeitrechnung, auf ihrem Kirultai (Reichsverſammlung, in welcher die öffentlichen Angelegenheiten beſprochen wurden,) den Vorſchlag machten, alle Einwohner des Landes Sina zu erſchlagen und die Felder in Viehweiden zu verwandeln, weil ſie auf dieſe Weiſe das Land am beſten zu benutzen glaubten. — In ſeinen Folgen iſt indeß das Gebaren unſerer Regierung und großen Landbarone ganz ähnlich der Mongolenpolitik des 13. Jahrhunderts. Ein Verbrechen der texaniſchen Regierung, mit einem Anhang über die hieſigen Indianer. (Historia testis temporum, lux veritatis.) Die ungezähmte Begierde nach Beſitz von Ländereien und durch Landſpeculationen Reichthum zu erwerben iſt in den Ver: einigten Staaten und namentlich hier in Texas die Quelle von vieler Unredlichkeit, Betrug, Erbſchleicherei, Dokumentenverfäl⸗ ſchung, Meineid und anderer Verbrechen. — Beati possidentes! Glücklich ſind die, die ihr Schäfchen ins Trockene getrieben haben; die öffentliche Meinung fragt dann bald nicht mehr, durch welche Mittel dieß geſchehen iſt. Schon ganz von Anfang der Republick su = die Verbrechen, um Landbeſitz zu erwerben, gang u : Als die —— Bungee war, welche Texas von Mexiko trennte, war es von größter Wichtigkeit, mit den Indianern auf freundlichem Fuße zu ſtehen. Unter den Indianer⸗ ſtämmen, die aus den Vereinigten Staaten nach Texas ein⸗ gewandert waren, befanden ſich mehr wie tauſend Krieger, nud wenn ſie ihre Waffen gegen die Texaner gewendet hätten, ſo würden ſie unfehlbar den Kampf zu Gunſten der Mexikaner entſchieden haben. Die Counties von San Auguſtine und Nacogdoches ſandten deßhalb eine Deputation an die Indianer, bei welcher ſich Houſton und Rusk befanden. Dieſe ſagten den Indianern, daß alle Feldmeſſer der Amerikaner Befehl erhalten hätten, ſich von ihren Ländereien fern zu halten und keine Marken auf denſelben zu machen, und man beabſichtige nicht, daß irgend ein Weißer in . Landbeſitz fie ſtören ſolle. A Auf das Anrathen des teranischen Comites von San Felipe wurde von jedem anderen Comite ein Mann erwählt und die Erwählten bildeten ein „Central Concilium“, einen Mittelpunkt der proviſoriſchen Regierung. Dieß war im October 1835. Die Indianerangelegenheiten machten dieſem Concilium viele Sorge. Die Stellung der Indianer war ungewiß und drohend. Vor 13 Jahren waren ihnen Hoffnungen und Verſprechungen gemacht worden und ſeit jener Zeit waren ſie im Beſitz ihrer Ländereien und hatten auf denſelben ſich angebaut. Die Cherokies, eine kleine Tagereiſe nordweſtlich von Nacogdoches, die Shonies zwiſchen den Cherokies und dem Neches Fluß und die Cooſchatties an dem öſtlichen Ufer des Trinity. Wie wir oben geſagt haben, war von den öſtlichen Comiteen eine Deputation an ſie geſchickt worden, um mit ihnen ſich zu beſprechen. Der Wortführer der Indianer war ein freier Neger, Namens William Govens, der bei allen Gelegenheiten ſich als ehrlich und den Texanern ergeben erwieſen hatte. Am 14. October 1835 ſchrieb Houſton an dieſe Indianer, daß ſie ihr Land oberhalb der Landſtraße und zwiſchen dem Neches und der Angelina haben ſollten, ſo, daß darin alle ihre Dörfer eingeſchloſſen wären. Am 26. October lud ſie das Concilium ein nach San Felipe zu kommen, wo man ihre An⸗ gelegenheiten beſorgen wolle. Dieſe Verſprechen hielten die In⸗ dianer ab, feindlich gegen die Texaner aufzutreten. Die Thatſachen ſind folgende: Im Jahre 1822, lange vor⸗ her, ehe ein Coloniſt im öſtlichen Texas ſich angeſiedelt hatte, oder irgend ein Coloniſationsvertrag zur Beſiedelung jener Ge⸗ genden gemacht worden war, waren die Cherokies nach Texas eingewandert. Sie erbauten ein Dorf nördlich von der Stadt Nacogdoches, in einer damals unbewohnten Gegend. Am 8. No⸗ vember jenes Jahres trafen die Cherokies mit der damaligen Regierung die Uebereinkunft, daß einige Häuptlinge mit ihren Dolmetſchern nach Mexiko gehen und mit Iturbide ein Ueberein⸗ kommen treffen ſollten, wegen des Landes, auf dem ihre Anſie⸗ 2 ſich befand. Während dieſer 4 wurde den Cherokies as friedliche R echt ihres Beſitzes und ihrer Ernten garantirt, wi das Privilegium von Eingebornen. Die Häuptlinge gingen ee nach Mexiko und die kaiſerliche Regierung ſtellte fie zufrieden. — Ob dies ſchriftlich, oder mündlich geſchah, ändert nichts an der Sache. Am 22. März 1832 erhielt der Colonel Piedras Befehl vom politiſchen Chef, die Familien der Cherokies in perſönlichen Beſitz des Landes zu ſetzen, welches ſie inne hatten. In der Voll⸗ macht, welche ſpäter dem David Burnet als Empreſſario gegeben wurde, waren die Ländereien ausgeſchloſſen, die bereits an die Indianer vergeben waren Dreizehn Jahre ln hatten die Indianer ihr Land in un⸗ beſtrittenem Beſitz gehabt. Sie waren keine Eindringlinge zum Nachtheile der Weißen, denn ſie waren vor dieſen im Lande. Die mexikaniſche Regierung hatte fie anerkannt als ein Ackerbau treibendes Volk mit mexikaniſchen Privilegien. Colonel Bean war ihr und anderer Indianerſtämme geſetzlicher Agent. Niemals iſt ein Zweifel gegen ihre Beſitztitel erhoben worden. Jedermann hielt ihn für recht und geſetzlich. Um dieſem Titel noch mehr Gewicht zu verleihen, gab die Conſultation vom November 1835, zur Zeit als Texas ſchwach und ſeine Freiheit gefährdet war, wörtlich das folgende Verſprechen: „Wir erklären feierlich, daß wir den friedlichen Genuß der Rechte auf Euer Land, wie auf unſer Land, Euch garantiren. Wir erklären feierlich, daß alle Landbewilligungen, Vermeſſungen und Locirungen von Land, welche innerhalb der vorgenannten Grenzen der von den Indianern beſiedelten Ländereien find, gänzlich null und nichtig find.” Um dieſes Verſprechen noch bindender zu machen, beſchloß die Con⸗ ſultation, daß jedes Mitglied derſelben, als ein Unterpfand der Treue des texaniſchen Volkes, ſeinen Namen unterzeichnen ſollte. Sie thaten dies und unter dieſen Namen ſind die von Wharton, Waller, Martin, Houston, Zavala, Patrick, Henry, Smith, Grimes, J. W. Robinson, Mitchell, Millard und anderer, damals ü ter Männer. Sie beabſichtigten gewiß nicht, die Indianer zu hintergehen und dadurch * Neutralität zu er⸗ kaufen, bis der Krieg vorüber war. Der Einwurf, daß die tation keine Macht hatte, dieſes — zu geben, iſt oe: ae ae 5 — 66 — Präſident Lamar brachte in ſeiner Botſchaft am 21. De⸗ zember 1838 dieſen und noch andere nichtige Gründe gegen den Landbeſitz dieſer Indianer vor. Der Hauptgrund zur Vertreibung dieſer Indianer war indeß kein anderer, als daß viele Amerikaner dieſe guten Ländereien ſelbſt beſitzen wollten. Die Texaner brachen zuerſt den Vertrag von 1835. Die Tinte war kaum auf dem Papiere trocken, ſo ſah man ſchon Leute in dem Indianergebiet, welche Land locirten und Feldmeſſer, welche daſſelbe vermaßen, trotz des Decretes der Conſultation vom 13. November 1835, welches verbot Ländereien zu lociren und zu vermeſſen, während ſo viele Bürger in der Armee dienten und von zu Hauſe abwe⸗ ſend waren. Die Cherokies wurden beſchuldigt, daß ſie die Einwohner beraubt und gemordet hätten. Die Killough⸗Familie war grau⸗ ſamer Weiſe ermordet worden. Nur drei oder vier derſelben entkamen und wurden von den Cherokies in die Anſiedelungen gebracht, wo, wie der damalige Kriegsſekretair behauptete, durch die ſchlaue Darſtel lung dieſer Cherokies das Verbrechen auf die Prairie⸗Indianer und verrätheriſche Mexikaner geſchoben wurde. — Wenn man in dieſer Angelegenheit nach bloßen Wahr⸗ ſcheinlichkeits⸗ Gründen urtheilen will, wie der Kriegsſekretair ge than hat, ſo verdient die Ausſage der Indianer mehr Glauben, als die Anſicht des Kriegsſekretairs, dem mehr an der Gunſt der Land⸗Haifiſche, als der der Indianer gelegen ſein mußte. Eine andere willkommene Beſchuldigung gegen die Cherokies war, daß man einen Brief von Manuel Flores an die Häupt⸗ linge der Muſh und Bowles aufgefangen habe. Wenn eine Correſpondenz zwiſchen dieſen Häuptlingen und der Regierung von Mexiko ſtatt gefunden hat, ſo iſt es auffallend, daß in dem vorgelegten Briefe Big Muſh als der Befehlshaber, und Bowles als Lieutenant Colonel titulirt ſind, woraus hervorgeht, daß der Schreiber ie ſchlecht bekannt war mit ie Rune lingen. Ein anderer, wo möglich noch ſeichterer Grund zur Ver⸗ treibung der civiliſirten Indianer war, daß die Delawaren, Shawnies, Caddoes, Kickapus, Biloxies, Creeks, Ouchies, Mas⸗ a kopies und einige Seminolen, die während des verfloſſenen Frühjahrs und Sommers viele Dörfer angelegt und viele große Felder mit Mais, Bohnen, Erbſen u. ſ. w. bepflanzt hatten, augenſcheinlich ſich auf ein Bündniß mit Mexiko und für einen Krieg mit Texas vorbereiteten. Eine Commiſſion wurde von der texaniſchen Regierung an die Cherokies geſendet, die, wo möglich, die Indianer zu einem freundlichen Abzuge bereden ſollten, bei welchem man ihnen für ihre Improvments einen guten Preis bezahlen wollte. Ob auch für das Land etwas bezahlt werden ſollte, wird nicht geſagt. Die Indianer ließen ſich auf keinen Vergleich ein. Col. Burleſon wurde von Lamar beordert, 400 Mann zuſammen⸗ zubringen; Col. Landrums Regiment von Oſttexas wurde herbei— gezogen, deßgleichen das Regiment von General Rusk von Nawg⸗ doches. Die ganze Streitmacht ſtand unter dem Commando von Brigade⸗General Douglas. Die Indianer wurden aufgefordert ihre Gewehrſchlöſſer auszuliefern und zu ihren Brüdern, nach Arkanſas, auszuwandern. Am 15. Juli 1839 wurden die Unter⸗ handlungen abgebrochen und am Abend dieſes und am folgenden Tage die Cherokies mit Gewalt von ihren Ländereien vertrieben, mehrere Tage lang verfolgt und ihre Dörfer und Ernten abge: brannt. Der Verluſt der Indianer an Todten und Verwundeten ſoll ohngefähr 100 betragen haben und der, der Texaner 5 Todte und 27 Verwundete. Auf dieſe Weiſe wurde „die ſchwierige Frage“ gelöſt, wie man heilige Verträge brechen und die Cherokies aus ihrem recht⸗ mäßigen Beſitzthum vertreiben kann. Nach ihrer Vertreibung ſollen die Cherokies noch mehrere— mals mörderiſche Einfälle gemacht haben. Wer kann ihnen dieß verdenken? Amerikaner würden an ihrer Stelle daſſelbe gethan haben, und wir wollen dieſe Beſchuldigung nicht in Abrede ſtel⸗ len; aber wahr iſt es auch, daß Cherokies, die Mangel an Alem litten, oft noch auf ihre Felder zurückkehrten, nur um noch nothdürftig einige Sämereien, namentlich von Melonen und Pumpkins einzuſammeln und von den Amerikanern nieder⸗ geſchoſſen wurden. — = Dieſe nämlichen Cherokies, die wie wilde Thiere aus dem Staate vertrieben wurden, haben jetzt in dem Indianerterritorium ein liberales Freiſchulen-Syſtem errichtet, in welchem Hon. S. S. Stephens, ein Halbblut-Indianer, ein ſelbſtgemachter Mann und ernſtlicher Freund der Erziehung als Superintendent der öffentlichen Erziehung vorſteht. Sein Gehalt iſt 700 Doll. Die Intereſſen des Schulfonds, welcher von dem Erlös der an die Vereinigten Staaten verkauften Ländereien gebildet wird, reichen völlig hin, die Freiſchulen zu unterhalten, in welchen im Jahre 1874 ſchon 2500 Kinder der Cherokies den nöthigen Unterricht genoſſen. Unterdeſſen hat unſere texaniſche Legislatur unſeren be deutenden Schulfond an Eiſenbahnſpeculanten geliehen, die nicht einmal die Intereſſen zahlen und 1876 hat unſere Legislatur unſer Freiſchulen⸗Syſtem durch den Einfluß der Reichen, die am liebſten nichts beitragen zur Erziehung der ärmeren Klaſſen, durch den Einfluß der Geiſtlichkeit, die die Anzucht ihrer Heerde nicht den Laien überlaſſen wollen, und durch den Einfluß der Privatſchulen, die keine Concurrenz durch die Freiſchulen haben wollen, unſer Freiſchulen⸗Syſtem verkrüppelt und ſo zu ſagen vernichtet. Sieht es nicht aus, wie die infamſte Heuchelei, wenn man große Summen darauf verwendet, wie die Regierung der Ver⸗ einigten Staaten thut, um wilde nomadiſche Indianer, bei denen ſelbſt noch Canibalismus vorkommt, zu civiliſiren und an Acker⸗ bau und feſte Wohnſitze zu gewöhnen, während man civilifirte Indianer, die Ackerbau und Viehzucht treiben, von Florida nach Texas und von Texas nach Arkanſas treibt? — Das erſtere Ver⸗ fahren iſt aber im Intereſſe der Indianeragenten und Liefe⸗ ranten, die die Regierung und die Indianer betrügen, und das zweite Verfahren iſt im Intereſſe der Landſpeculanten. Dieſe wilden Indianer ſind himmelweit verſchieden von den civiliſirten. Ich habe beide Arten dieſer Indianer perſönlich kennen gelernt. Die Comanches, Lipans, Kavankuas, Tonkawais gehören zu den erſteren, die Cherokies, Coſchatties und Dela⸗ waren zu den letzteren. u Mit einem der angeſehenſten Häuptlinge der wilden Coman⸗ ches, Santa Anna, habe ich öfters geſprochen. Das Medium unſerer Unterhaltung war die ſpaniſche Sprache, da die Comanches ſelten das Engliſche verſtehen. Santa Anna war ein großer, ſtark gebauter Mann, von geſunder Urtheilskraft. Ueber ſein Verhältniß zur deutſchen Colonie bei Friedrichsburg, wohin er mehreremale mit einer Anzahl Familien ſeines Stammes kam, Geſchenke empfing und einen Vertrag mit den Deutſchen ab: ſchloß, ſagte er zu mir: „Mit der ganzen Welt kann man nicht Krieg führen, man muß immer mit einem Theile der Menſchen auf friedlichem Fuße ſtehen. Mit den Mexikanern und den Blanjacken (V. St. Soldaten) wollen wir Krieg führen, aber mit Euch wollen wir in Frieden leben und wollen Euch Pferde, Maul⸗ thiere und Mexikanerinnen verkaufen“. Als einſt Santa Anna in Friedrichsburg und das ganze Städtchen voll von Indianern und deren Frauen und Kindern war, fragte ich Santa Anna, ob es zu fürchten ſei, daß uns die Indianer Etwas ſtehlen würden. Er ſagte: „Die Krieger werden wohl nichts ſtehlen, aber vielleicht die Weiber; man müſſe aber die Indianer nicht nach unſeren Anſichten beurtheilen, denn ſie hätten keine Vorſtellung davon, daß man Eigenthum in ande⸗ rer Weiſe erwerben könne, als daß man es Jemand wegnehme.“ Mein zweijähriger Sohn Eugen war ein munteres Kind, das am liebſten nackt im Freien umherlief. Santa Anna hatte eine beſondere Neigung zu dem Kinde gefaßt und bot mir zwei ſchöne Maulthiere und eine junge Mexikanerin für den Knaben an, der mir natürlich nicht feil war. — Für einen Feilkloben und einige Feilen erhandelte die Darmſtädter Colonie ein noch ſehr junges mexikaniſches Mädchen, welches meiner Frau zur Aufſicht übergeben wurde. Es war uns noch mehreremale ent⸗ laufen, aber immer wieder eingefangen worden und von mir: „titschi teiwo*! unartiges Mädchen, gezankt worden. Herr Her: mann Spieß ließ ſpäter das Kind hier in Neu⸗Braunfels erziehen und es iſt nun ſchon an 30 Jahre ſeine angetraute Gattin und iſt nach ſeinem Zeugniß ihm immer mit Liebe und kindlichem Zutrauen ergeben geweſen. Ihre Kinder glichen ächten indiani⸗ . ſchen Papuſen und die Köpfe derſelben waren ſchon bei ihrer Geburt mit kohlſchwarzen Haaren bedeckt. Damals in Friederichsburg machte ich auch die Bekannt⸗ ſchaft eines ungefähr 18 Jahre alten Comanches. Dieſer junge Menſch glaubte, daß die Weißen ein Werkzeug beſäßen, vermit⸗ tels welchem man alle verſchloſſenen Thüren leicht öffnen könne und wünſchte ſehr ein ſolches Werkzeug zu beſitzen, denn auf ſeinem erſten Raubzug, den er als Knabe mit nach Mexiko ge— macht habe, habe es ihn unſägliche Mühe gekoſtet mit einem ſchweren Stein eine verſchloſſene Thüre einzuſchlagen; als dies ihm gelungen war, trat ihm im Innern der Hütte ein Mexikaner entgegen, über ſeinem linken Arm hatte er zu ſeinem Schutz eine Serape geſchlagen und mit ſeinem Karabiner lag er im Anſchlag, ſchoß und fehlte den Indianer, der ihn ermordete, an der Frau ſeine Luſt büßte, ihr den Leib aufſchnitt und ihr Kind ermor⸗ dete —; und das Alles erzählte mir der junge Mann mit ſo ſrenublcher Naivität, wie ein Dandy eine Spritzfahrt berichten würde. 2 Dr. K. E. v. Bär bezweifelt (in feinen publicirten Reden) das Läuſe⸗Eſſen der Indianer. Ich habe dieſes Läuſeeſſen nicht nur ſelbſt zum öfteren mit angeſehen, ſondern, als ganz beſon⸗ dere Freundlichkeit wurde mir von einer alten Indianerfrau an⸗ geboten, die Läufe von dem Kragen des Mäntelchens eines klei— nen Mädchens abzueſſen. Was den Kannibalismus der wilden Indianer betrifft iſt der⸗ ſelbe gewiß ſehr in Abnahme gekommen, und wird, wo er jetzt noch vorkommt von den Indianern verheimlicht. Vor Jahren ſind in San Antonio von einem Raubzuge zurückkehrende Co⸗ manches geſehen worden, die abgeſchnittene menſchliche Arme an ihren Sätteln hängen hatten. Eine Bande Indianer, die einen deutſchen Fuhrmann mit Namen Kunkel ermordet hatten, wurden von dem Ranger⸗Capitän Hipſmith verfolgt, in ihrem Lager an der Catfiſh Croſſing des Llano überraſcht und ſämmtlich getöd⸗ tet. In ihrem Lager fand man die Jacke und einen Arm von Kunkel. — Hier, oberhalb Neu⸗Braunfels, an dem Ufer der Guadelupe hatten die Tonkawäs ein Lager, welches viel von . den Neu-Braunfelſern beſucht wurde. Eines Tages war ein großes Feſt in dieſem Lager. Die Tonkawäs hatten heimlich einen gefangenen Indianer geſchlachtet und kochten ſein Fleiſch. Ich bat ſie, ſie möchten mich doch etwas von dem Fleiſche ver⸗ ſuchen laſſen. Sie gaben ſich alle Mühe, mir auszureden, daß ſie einen Menſchen geſchlachtet hätten. Sie ſagten, es ſei das Fleiſch von einem Wako-Indianer, den die Amerikaner vor mehreren Jahren getödtet hätten (Esel carne de un Waeco, que los Ameriganos mataron) es ſei geräuchert und ſtinke ſehr (mucho hede) und nur die ſchwangeren Weiber äßen davon, damit ihre Kinder den Haß gegen die Wako's erbten. — Die obſcöne Schau⸗ ſtellung einzelner Körpertheile des geſchlachteten Indianers zeigte aber deutlich, daß man es hier mit friſchem und nicht geräu⸗ chertem Menſchenfleiſch zu thun hatte. Daß ich mich bei Erwähnung der wilden Indianer etwas länger aufgehalten habe, ohne jedoch gar manches Unſägliche zu berühren, das mußte ich thun, um nicht in den Verdacht zu gerathen, als ſchildere ich die Indianer nur von ihrer günſtigſten Seite. Gar manche treffende Bemerkung könnte ich erwähnen, die mir von dieſen Naturkindern gemacht wurde. Als ich einſt vorhatte mit einem armen Indianerſtamme durch die Wildniſſe von Texas zu wandern, ſo waren dieſe Menſchen ganz gerne bereit, mir behülflich zu ſein, machten aber die richtige Bemerkung, daß ich die vielen Papiere (zum Einlegen der Pflanzen) auf ihren Streifzügen nicht mitnehmen könnte. Im Anfang unſerer Neu⸗Braunfelſer Anſiedelung, als die hieſige Gegend noch ziemlich weglos und unſicher war, trieb mich die Neugierde, die Gegend zu ſehen, welche jenſeits des mit faſt undurchdringlichem Cedernwald bewachſenen felſigen Ab⸗ hanges ſich befindet, der Neu⸗Braunfels die Ausſicht nach Norden verſchließt. Mit Mühe erreichte ich die Anhöhe. Mein treues gelehriges Pferd hatte Erſtaunliches geleiſtet. Vor mir lag eine weite Hochebene, die mit ſpärlichem Gras bewachſen war und die durch einzelne Waldgruppen das Anſehen eines großen und ſchönen Parks hatte in beffen Hintergrunde die Landſchaft ſich Be, ZEN mit einem Gebirgszuge abſchloß. — Noch verſunken in den An⸗ blick der ſchönen Gegend, fand ich mich plötzlich in der Nähe von einer Bande von Indianern. Sie wunderten ſich, daß ich mit meinem Pferde die Felſen heraufgeklettert war und ſagten, ich hätte ein gutes Pferd; es fiel ihnen aber ſogleich auf, daß die beiden Hahnen meines Doppelgewehres geſpannt waren und fragten mich nach der Urſache davon. Ich antwortete ihne „Vorſicht iſt gut“ (euidado es muy bueno!) Sie e und ſagten, ich hätte recht. Bei einem kalten Nordwinde begegnete ich im Gebirg ein Judianer, der beinahe ganz nackt war und nur ſpärlich dur eine wollene Decke gegen die Kälte ſich ſchützte. Ich frug ihn ob er nicht friere. Er fragte mich, ob ich in meinem Geſichte 5 friere. Ich ſagte: Nein. Da antwortete er mir: „Ich bin ganz Geſicht.“ Wenn die abenteuerlichen Berichte von Reiſenden und Roman- und Novellenſchreibern über die Indianer das Intereſſe der Leſer erregen können, ſo darf ich vielleicht nicht befürchten, daß ich langweilig werde, wenn ich die einzelnen Stufen des urwüchſigen Entwicklungsganges darſtelle, wie ein Indianer, ohne Kenntniß irgend einer Schriftſprache, für ſein Volk eine ſolche erfunden hat, die bedeutende Vorzüge vor mancher anderen Schriftſprache beſitzt. Dieſer Erfinder iſt kein anderer, als der Cherokie Indianer Se-quo-Yah. Er war ein Halbblut Indianer. Nach dem Namen ſeines Vaters, eines Deutſchen, wurde er ſpäter auch „Giſt“ genannt. Seinen Vater ſcheint er kaum gekannt zu haben, ebenſo wenig kannte er die deutſche oder die engliſche Sprache. Bei den Indianern herrſchte die Anſicht, daß die geſchrie⸗ bene Sprache der weißen Leute eine geheimnißvolle Gabe des Gro⸗ ßen Geiſtes ſei. Se- quo- Tah behauptete, daß die Schrift eine bloße geiſtreiche Erfindung ſei, die eben ſo gut von dem MR Manne gemacht werden könne, wenn er es verſuchte. Se-quo-Yah mag wohl ſchon von Anfang gemerkt 1 daß die Cherokieſprache einige beſondere Eigenthümlichkeiten habe, die ſein Unternehmen erſchwerten. Es iſt beinahe unmöglich ein 3 ———— ů —jĩV— ——xů — — Dianiſches Wort richtig mit engliſchen Sprachzeichen zu ſchreiben, das engliſche Alphabet dafür nicht ausreicht. Schon der me der Cherokie Nation kann weder im Engliſchen noch im eutſchen richtig geſchrieben werden. Ein „r“ kommt in der \ ſerokieſprache kaum vor. Die Cherokies ſelbſt nennen ſich Cha- llaque, welches aber fo ausgeſprochen wird, daß es die Mitte zwiſchen dieſem und Schalakke hält. Giſt's erſter Verſuch war natürlich, daß er Symbole für Worte zu finden verſuchte, die er in Rinde ſchnitt, oder gewöhn⸗ lich zeichnete. Durch dieſe Symbole konnte er mit einer Perſon reden, die ſich in einem anderen Zimmer befand. Natürlich vermehrten ſich dieſe Symbolc auf eine erſchreckliche Weiſe. Gewiß war dies ein unglücklicher Verſuch, in einer Sprache, die wie die indianiſche ſo leicht aus Theilen von Wörtern zu— ſammengeſetzte Worte macht. Außerdem kann auch keine Sprache erfolgreich durch ein Wörterbuch gelehrt werden, wenn das Ge— dächtniß der Menſchen nicht ſtärker wird, als es jetzt iſt. — Drei Jahre eines hoffnungsloſen Kampfes auf dieſe Weiſe eine Schrift⸗ ſprache zu ſchaffen, ließen ihn die wahren Elemente der Sprache Iſt es nicht eine bewundernswerthe Thatſache, daß ein Mann, der zu einer Race gehört, die wir Wilde nennen, in wenigen Jahren, ohne Bücher und ohne einen Lehrmeiſter das entwickelte, wozu die Phönizier, Egypter und Griechen ganze Zeitalter gebrauchten? Se- quo- Vah entdeckte, daß die Sprache aus einigen muſi⸗ kaliſchen Lauten, die wir Vokale, und aus theilenden Lauten, die wir Conſonanten nennen, beſteht. In der Beſtimmung der Vo⸗ kale ſchwankte er während des Fortſchrittes ſeiner Entdeckungen, entſchied ſich aber zuletzt für ſechs: a, e, i, o, u und das gutturale a. Dieſe Vokale hatten mit Ausnahme des gutturalen einen langen und einen kurzen Laut. — Er zog dann die Conſonanten in Betracht und unterſuchte die Anzahl der Verbindungen derſel⸗ ben, um alle Laute zu bilden für die Worte ſeiner Sprache Er nahm zuerſt 15 Conſonanten an, entſchied ſich aber für 12, da S und kin ſeiner Sprache eigentlich nur ein Laut war, der mehr „„ wie k als g lautete und d wie t. Dieſe 12 Conſonanten find g, h, I, m, n, qu, t, di oder tl, ts, u, y, 2. r Man ſieht, daß wenn man dieſe 12 Conſonanten mit 6 Voca⸗ len multiplicirt, man 72 verschiedene Verbindungen oder Sylben zuſammenſetzen kann. Wenn man dazu die Vocale addirt, die für ſich ebenfalls Sylben bilden können, jo erhält man 78 Sylben. Sein Alphabet war indeſſen noch nicht vollſtändig, da der Ziſchlaut „s“ bei vielen Lauten in der Cherokieſprache ſtattfindet. Wegen dieſes Lautes hätte er ſein Alphabet, welches eine Syl⸗ benſchrift iſt, noch um viele Zeichen vermehren müſſen. Er ver⸗ mied dieſen Uebelſtand, daß er bei ſolchen Verbindungen für s das Zeichen (00) gebrauchte. Um den veränderlichen Laut g, k auszudrücken, fügte er ein Symbol hinzu. Da die Sylbe na auch aspirirt werden kann, fügte er Symbole für nah und kna hinzu, und indem er auch Zeichen für die verſchiedenen Laute von d und t erfand und für dla und tla, erhielt er eine Syl- benſchrift die aus 85 Zeichen beſtand. Wiſſenſchaftliche Männer wunderten ſich darüber, daß eine ſo wortreiche Sprache nur aus 85 verchiedenen Sylben beſtehe. Dieſe geringe Anzahl von verſchiedenen Sylben kommt aber hauptſächlich daher, weil jede Cherokieſylbe mit einem Vokale, oder mit einem Naſenlaut endigt, und daß dieſe Sprache keine Doppelconſonanten hat, außer tl oder di und ts und die Verbin⸗ dungen mit dem Ziſchlaut s, für welche in dem Alphabet vor: geſehen iſt. a Um ein Beiſpiel dieſer Symbolſchrift zu geben, möge der Namen William H. Seward dienen, welcher unter der in der Cherokieſprache publicirten Emancipations⸗Proclamation ſtand, und folgendermaßen geſchrieben war OP4G6 und die Sylben wi li se wa te (Wili Sewate) bezeichnete Da in einem Sylben⸗ alphabet kein Anfangsbuchſtabe bezeichnet werden kann, ſo wußte der Cherokie⸗Ueberſetzer wahrſcheinlich gar nicht, was das H be⸗ deutete und ließ es daher ganz weg. b Es war im Jahre 1821, daß der amerikaniſche Kadmus ſein Alphabet vollendete. In demſelben gebrauchte er viele Buch⸗ ſtaben des engliſchen Alphabets und Zahlzeichen. Während ſeiner 3 Unterſuchungen war ihm ein engliſches Buchſtabierbuch in die Hände gekommen, aus dem er viele Zeichen entlehnte. Einige davon kehrte er um, andere veränderte er oder fügte Etwas hinzu. Er hatte aber keine Kenntniß davon, welche Laute fie im Engli: ſchen bezeichneten, welches klar aus dem Gebrauch hervorgeht, den er davon machte. Sehr richtig war es, daß Se-quo-Yahs Tochter deſſen erſter Schüler in dieſer Schrift war. Sehr ſchnell, wie alle anderen Cherokies, die es verſuchten, lernte ſie in dieſer Schrift leſen und ſchreiben. — Als Se-quo-Yah feine Erfindung dem in der Nähe wohnenden Agenten, Colonel Lowry mittheilte, der ein unterrichteter Mann war, ſo wollte dieſer es kaum glauben und vermuthete, daß das Ganze blos auf Gedächtniß beruhe und daß die Zeichen keine Beziehung zu den Lauten hätten. Wie alle Wohlthäter ihrer Race, wurde er von Leuten verlacht, die nicht fähig waren, ihn zu begreifen. Der ſchnelle Fortſchritt dieſer Schriftſprache unter ſeinem Volke lieferte indeß bald den Beweis von ihrer Vorzüglichkeit. Die außerordentliche Schnelligkeit mit welcher ſie erlernt wurde, glich einem Wunder. Ein engliſcher Berichterſtatter ſagt: „Nach meiner Beobachtung dauert es ein bis zwei Jahre und manchmal noch längere Zeit, bis ein Kind engliſch Leſen und Schreiben lernt, aber in der Cherokieſprache lernt ein Kind in wenigen Tagen Leſen und Schreiben. Sobald es das Cherokie⸗Alphabet inne hat, iſt es über alle ſchwierigen Fragen der Orthographie hinaus, die im Engliſchen zu überwinden ſind. Georg Giſt wurde von Seite ſeines Volkes alle verdiente Anerkennung und Ehre zu Theil. Kurze Zeit nach ſeiner Er⸗ findung wurde durch ſchriftliche Mittheilungen mittels derſelben eine Verbindung mit dem Theile der Cherokie Nation hergeſtellt, welche in ihrer neuen Heimat, in Arkanſas wohnten. Eifrig für die Verbreitung feiner Erfindung war Gift mehrere Hundert Meilen gewandert, um ihnen ſeine Kunſt zu lehren. Im Jahre 1823 ſtimmte die Generalverſammlung der Cherokie Nation für die Prägung einer großen Silbermedaille für Georg ‚Gift, in Anerkennung feiner Entdeckung. Auf der einen Seite der Medaille waren zwei Pfeifen abgebildet, die * . alten Symbole der indianiſchen Religion und Geſetze. Auf der anderen Seite war der Kopf eines Mannes abgebildet. Folgende Inſchrift befand ſich auf der Medaille: „Dargebracht von dem General Concil der Cherokie Nation wegen der ſcharfſinnigen Erfindung des Cherokie Alphabets.“ Die Miſſionäre machten ſich ſeine Erfindung ſogleich zu Nutz. Sein Alphabet wurde geordnet und mit engliſchen Erklärungen verſehen. Rev. Worcester bemühte ſich, die Grundlinien einer Grammatik feſtzuſtellen und Mr. Budinot und Andere ſtellten ein Wörterbuch auf. Außer der Bibel wurde eine Anzahl Bücher in dieſer Sprache gedruckt, ſowie von Zeit zu Zeit verſchiedene Zeitungen, Kalender, Geſänge und Pſalmen. In ſeinen ſpäteren Jahren, obwohl beinahe ſiebenzig Jahre alt, war ſeine Thatkraft noch nicht erlahmt. Da Giſt ſich nicht den von ihnen vorgeſchriebenen Gebräuchen der chriſtlichen Be— kenntniſſe fügen wollte, ſo behaupteten einige engherzige Geiſtliche, daß Giſt ein Heide ſei, und daß es ihnen leid thue, daß die Bibel in ſeine Sprache überſetzt worden ſei. Sie fuhren fort ihn als einen unwiſſenden Wilden zu betrachten, während er über ſich ſelbſt, ſowie über ſie ein richtiges Urtheil hatte. In ſeinen alten Tagen ſtellte er ſich die Aufgabe ein Buch zu verfaſſen, in welchem er die Verwandtſchaften und Verſchieden⸗ heiten der indianiſchen Sprachen aufſtellen wollte. Bücher waren ihm keine zugänglich, aber unſer braver indianiſcher Philoſoph ließ ſich durch keine Hinderniſſe abſchrecken. Er verſchaffte ſich einige für den Indianerhandel brauchbare Waaren, lud ſie, ſowie ſeine Lebensmittel und Lagergeräthe auf einen Ochſenwagen, nahm einen Indianerknaben als Fuhrmann und Geſellſchafter mit und reiſte unter die wilden Indianer der Ebene und des Gebirges, auf einer philologiſchen Kreuzfahrt, wie noch niemals eine ſtatt⸗ gefunden hat. Eine der bemerkenswertheſten Erfahrungen, die er machte, war die freundliche Behandlung die er überall bei den Wilden fand, die ihm überall die Mittel verſchafften ſeinen Forſchungen innerhalb der Stämme nachzugehen. Daß dieſe Wilden mürriſcher und ſchweigſamer gegen Weiße ſind, darüber darf man ſich nicht t 7 ! wundern, wenn man erwägt, daß faſt alle wiſſenſchaftliche und religiöſe Forſchungen der Weißen mit einem Auge nach Lander— werb ſchielen. So machte Giſt mehrere Reiſen und auf ſeine längſte begab er ſich zuletzt. Es beſtand nämlich in der Cherokie— Nation ein Gerücht, daß ein Theil der Nation irgendwo in Neu⸗Mexiko wohne und daß dieſe ſich ſchon vor Ankunft der Weißen in Amerika abgeſondert hätten. Se-quo-Yah wußte dies und hoffte auf ſeinen Streifzügen dieſen Theil der Nation zu finden. Er hatte auf dem Kamme der Felſengebirge campirt, er war durch die Thäler von Neu-Mexiko gewandert, hatte in den Adobe Dörfern der Pueblos und unter dem braunen unge: kämmten Volke ſich herumgetrieben, die weder Spanier noch Indianer ſind und ein Kauderwälſch reden, das weder ſpaniſch noch indianiſch iſt. | Es war gegen Ende des Jahres 1842, als unſer Wanderer fieberkrank und gebrochen mit ſeinem Ochſenkarren in der Nähe von San Fernandino in Nord⸗Mexiko hielt. Das Schickſal hat es gewollt, daß ſein Werk mit ihm zu Grunde gehen ſollte. Wenig von ſeinen Arbeiten wurde gerettet, aber nicht genug um irgend Jemand in den Stand zu ſetzen ſeine Ideen zu entwicklen. — Schlechte Pflege, Strapazen und Mangel an ärztlicher Hülfe trugen das ihrige zu ſeinem Ende bei, und der größte Mann ſeiner Race ſchläft nun nicht fern von Rio Grande. Einſt ſprach man im Congreß zu Waſhington davon, ſeine körperlichen Reſte zu holen und ein Monument über ihnen zu errichten, aber dies wurde aufs Ungewiſſe hinausgeſchoben. Die Legislatur der kleinen Cherokie Nation hat aber in ihren allgemeinen Bewilligungen eine Penſion von 300 Dollar für ſeine Wittwe mit eingeſchloſſen und dies iſt die einzige literari⸗ ſche Penſion in den ganzen Vereinigten Staaten. Meine Veife und Aufenthalt in Mexiko. Schon ſeit Jahren und wieder in letzter Zeit oftmals auf⸗ gefordert, über meine Erlebniſſe und Erfahrungen während einer Reiſe und anderthalbjährigen Aufenthaltes in Mexiko, in der Neu⸗Braunfelſer Zeitung etwas zu berichten, ergreife ich mit Zö⸗ gern und Widerſtreben die Feder. — Zu dem Bewußtſein, daß ich faſt nur innere und äußere Erlebniſſe berichten kann, die mehr für mich, als vielleicht für Andere intereſſant ſind, die mehr für wenige Gleichgeſinnte, als für das praktiſche Leben Werth haben, geſellt ſich auch der Widerwille gegen gewiſſe Tendenz⸗Novellen und texaniſche Reiſeberichte, die durch ihre verkehrte Phantaſie und unwahren Schilderungen auch den Berichterſtatter von mwirf- lich Erlebtem in den Verdacht eines Aufſchneiders bringen können, wenn derſelbe eee etwas Ungewöhnliches berichten ſollte. — Doch zur Sa In einem Walde in St. Clair County im Staate Illinois ſtand ein verlaſſenes Blockhaus, welches ſich acht junge Männer, meiſt Neueingewanderte zum proviſoriſchen Wohnſitz auserſehen hatten. Nicht weit davon entfernt war die gaſtliche Farm des Herrn Forſtmeiſters E., welcher erſt vor Kurzem aus Rheinbaiern mit einer zahlreichen Familte eingewandert war. Bei ihr gingen die acht jungen Männer in die Koſt. Ich bin überzeugt noch wird ſich jeder der acht mit Vergnügen des Augenblicks erinnern, wenn der Ton des Ochſenhornes durch den Wald ſchallte und uns zum Mahle bei der freundlichen Familie rief, die, wie faſt alle Familien, — nicht blos aus männlichen Mitgliedern beſtand. Große kunſtgerechte Treibjagen, auf welchen wenig Wild geſchoſſen wurde, ziemlich ergiebige Jagden auf Prairie . Belag, vr waen 3 PN * . . un Nachbarn eingeladen wurden, verkürzten uns auf eine angenehme Weiſe unſere Zeit. So angenehm dieſes zweckloſe und unthätige Leben uns Allen eine Zeitlang war, ſo war doch das kar niente und das aus der Taſche zehren nicht der Zweck, weßhalb wir nach Ame— rika gekommen waren. Der Wald und die Prairie hatten ſchon ihr blaſſes Herbſtkleid angezogen und einzelne „Norther“ mahnten an den kommenden Winter. Das Dach unſeres alten Blockhauſes war ſo lückenhaft, daß wir von unſeren Betten aus aſtronomiſche Beobachtungen machen konnten und das große Kamin vermochte in dem letzten kalten Winter die Stube ſo wenig zu erwärmen, daß ein gewiſſer Doctor, welcher täglich Notizen niederſchrieb, zwei Federn gebrauchen mußte, um eine nach der anderen ab— wechſelnd zu erwärmen, damit ihm nicht während des Schreibens die Tinte gefror. Wer kann es uns da verdenken, daß bei ſolchen Ausſichten auf einen nordamerikaniſchen Winter uns ein horror frigidus überkam und eine unwiderſtehliche Sehnſucht nach dem Süden ſich unſerer bemächtigte. Noch einmal wurde ein großer Commers gehalten, zu dem zu jener Zeit (1834) der Stoff noch eine Tagreiſe weit, von St. Louis, hergeholt werden mußte. Aus den ausgehängten Thüren unſeres großen Blockhauſes wurde eine lange Tafel ge⸗ bildet und am Abend ſtand der Hofraum ſo voll geſattelter Pferde unſerer Gäſte, als wäre eine Escadron Cavallerie einge⸗ rückt und unſere lange Tafel war rings mit heiteren Zechern beſetzt. Wenige Tage nachher fuhren ſechs von der Geſellſchaft, die die Vorläufer einer ſüdlichen Auswanderung ſein ſollten, auf einem Dampfboote den Miſſiſſippi hinunter. Urſprünglich hatten wir vor, eine eee zu Fuß durch Texas und Mexiko zu machen. In Neu⸗Orleans erfreute uns der Anblick der vielen friſchen Orangenbäume in den Gärten, hochſtämmiger en im Hofe > Waiſenhauſes und die große und einzige Palme, die in Neu⸗ zus ſich befindet (in der Dauphineſtraße). Was uns nicht „ waren die Muskiten und Wanzen, die uns noch BER tober in Neu⸗Orleans Ben . Damals in Neu⸗Orleans begegnete uns zum erſtenmale ein Abenteurer, der nachher mehreremals in Texas und ſpäter in den mexikaniſchen Revolutionen wieder auftauchte. Ein ſeinwol⸗ lender Baron von Seefeld. Dieſer Mann war von großer im- ponirender Geſtalt und bedeutender Stärke. Er ernährte ſich damals in Neu⸗Orleans mit Fechtunterricht, Unterricht auf der Guitarre und mit Portraitmalen. Wir ſprachen mit Seefeld über unſer Vorhaben nach Texas zu gehen. Er mahnte uns davon ab und rieth uns, ſo lange zu warten, bis Texas zu den Vereinigten Staaten von Nord⸗ amerika kommen würde, was ſo lange nicht mehr dauern könne. Er glaubte, wir würden beſſer thun, wenn mir zu dem Freicorps gingen, welches er im Auftrage Buſtamentes anwerbe. Trotz unſeres abenteuerlichen Vorhabens und wahrſcheinlich auch aben- teuerlichen Ausſehens hatten wir zu Seefelds Anerbieten ſo wenig Luſt, wie zu einem anderen Anerbieten, welches uns damals ge macht wurde, nämlich die verborgenen Schätze des Seeräubers Lafitte aufſuchen zu helfen. Wenn bei dem erſten Anerbieten revolutionäre Freibeuterei durchleuchtete, oder wenn es gar dabei auf einen perſönlichen Betrug gegen uns abgeſehen war, ſo konnte man dem letzteren Anerbieten ſeine ſeeräuberiſchen Abſichten nur zu deutlich anſehen Ein alter gutmüthiger Matroſe, der zufällig meine Unterhaltung mit dem Schatzgräber, die in einer ſpaniſchen Auſternkneipe geführt wurde, mit angehört hatte, nahm mich ſpäter auf die Seite und ſagte mir, daß es höchſt wahrſcheinlich ſei, daß man ſchon mehr Mannſchaft angeworben und daß ein Schoner ausgerüſtet werde, angeblich, um die Schätze Lafittes zu ſuchen, oder um als Kaper gegen die Mexikaner zu dienen, die bald mit Texas in Krieg gerathen würden. Zuletzt aber, wenn wir auf See ſeien, würden wir vielleicht ausfinden, daß Seeräu⸗ berei die einzige Abſicht der Expedition ſei und daß es für uns dann unmöglich wäre, von der Bande wieder los zu kommen. Als wir von Illinois abreiſten, war unſer Reiſeplan, wohl⸗ bewaffnet und mit einem Packmaulthiere verſehen, zu Fuß durch Texas und das nördliche Mexiko nach der Stadt Mexiko zu rei⸗ ſen, wohin uns Empfehlungsbriefe aufgegeben waren. Den Plan Er durch Texas zu reifen, gaben wir bald auf, da ſchon bei unſerer Ankunft in Neu⸗Orleans unſere Reiſegeſellſchaft um die Hälfte ihrer Anzahl ſich verminderte, indem drei unſerer Gefährten wieder nach Miſſouri und Illinois zurückkehrten, die Reiſe durch Texas uns als unmöglich dargeſtellt wurde und da wir weder eine Karte von Texas noch irgend eine Abhandlung oder Nach— richt über dieſes Land in den Buchhandlungen in Neu-Orleans fanden. Ueberdies wurde uns noch erzählt, daß vor Kurzem, eine Geſellſchaft von Polen es verſucht habe, durch Texas zu Land nach Mexiko zu reiſen und daß alle von den Indianern getödtet worden, außer Einem, der in erbärmlichem Zuſtande nach Neu⸗Orleans zurückgekehrt ſei. Wir müſſen geſtehen, daß bei unſerer Ungeduld, über Texas etwas Sicheres zu erfahren, die mageren und völlig verkehrten Berichte, die damals in Neu-Orleans uns zu Theil wurden, uns ſehr ärgerten. Doch was konnte man damals in Neu-Orleans über Texas zu hören verlangen, da ja noch volle zehn Jahre ſpäter, als ſchon regelmäßige Poſtverbindung zwiſchen hier und dort beſtand, eine Unkenntniß unter dem Volke in Neu-Orleans über texaniſche Zuſtände herrſchte, die wahrhaft in Erſtaun en ſetzen muß. Und dies iſt in den entfernten von hier gelegenen Staaten noch bis auf den heutigen Tag der Fall. Da mir und meinen zwei Reiſegefährten namentlich Me⸗ riko mit ſeinen tropiſchen Gegenden äußerſt intereſſant war, ſo beſchloſſen wir von Neu-Orleans aus nach Mexiko überzuſetzen und dann von Mexiko aus zu verſuchen, die Reiſe durch Texas zu machen. Bald fanden wir auch einen kleinen Schoner, welcher im Begriff war nach Veracruz überzufahren. Die Ladung des Schoners beſtand in amerikaniſchen Stühlen und in Stockfisch. Für Doll. 60 die Perſon nahmen wir eine ſogenannte Kajüten⸗ paſſage auf dieſem kleinen Fahrzeug. Doch, um im Staat Mexiko eingelaſſen zu werden, mußte man derzeit einen Paß vom meri- kaniſchen Conſul in Neu⸗Orleans haben, deſſen Poſten damals, u dieſer Accidenz, eine nicht unbedeutende Einnahme gehabt t muß, denn ein ſolcher Paß koſtete für jede Perſon 3 Dollar. 6 a Als wir uns an Bord des kleinen Schiffes einfanden, erſtaunten wir nicht wenig, außer uns drei Reiſenden noch vier andere vorzufinden. Von einem Aufenthalt in der Kajüte konnte für uns Paſſagiere keine Rede ſein, denn dieſe war kaum groß genug für den Kapitain. Ein halbes Dutzend miſerabler Cojen im Zwiſchendeck zwiſchen Stühlen und Stockfiſchen war unſer Loos. Unſere Reiſegeſellſchaft, nicht die der Stühle und Stod- fiſche, ſondern die eines alten ſpaniſchen Colonels, der bei der mexikaniſchen Unabhängigkeitserklärung aus dieſem Lande hatte auswandern müſſen und ein lebhaft bramarbaſirender Gascogner, der eine Plantage in Mexiko beſaß, war ganz angenehm, wenn man die Geſellſchaft von zwei jungen franzöſiſchen Laffen abrech⸗ nete, die aufs Geradewohl nach Mexiko ſteuerten, um ihr Glück dort zu machen. Außerdem war unſer Capitain einer von der widerwärtigſten Sorte ungebildeter Yankees, der ſelbſt von feinem angemaßten Handwerk, der Nautik, wenig zu verſtehen ſchien. Nach einer ausſchweifenden Nacht, bei welcher es wohl toll hergegangen ſein mag, kann der Capitain am Morgen der Ab- fahrt, noch halb berauſcht und mit verbrannten Händen (mit welchen er in ein Kamin gefallen war) auf ſein Schiff. Schon ehe wir aus dem Miſſiſſippi herauskamen, hatten wir mehrere Unfälle zu erleiden. Erſt ſtießen wir an ein anderes Schiff an, dann rannten wir auf eine Untiefe mit dem Vordertheil unſeres Schiffes auf. Dies hatte zur Folge, daß man die ganze Ladung des Vordertheiles auf das Hintertheil packte, um wieder los zu kommen, und während dieſer für die Paſſagiere ſo unbequemen Operationen benutzte einer unſerer Matroſen die gute Gelegenheit, aus dem nahe am Lande liegenden Schiffe zu entfliehen um von dem Allen unangenehmen Capitain los zu kommen. Die Ueberfahrt über den Golf, die zu vier Tage veran⸗ ſchlagt war, dauerte in Folge des ſchlechten Wetters und der Unwiſſenheit des Capitains elf Tage. Wie unzureichend ſeine Kenntniſſe waren, konnte man ſchon daraus erſehen, daß er gar keine Beobachtungen machte und daß er nicht einmal die in ſeiner Cajüte befindlichen Bücher zu gebrauchen wußte. Von Meiers Mondstafeln wußte er nichts und als ich mit ihm über | 1 1 N 9 ee jeine amerikaniſche Ausgabe von logarithmiſchen Tafeln ſprach, in deren Vorrede noch nicht einmal Vega erwähnt war, ſchob er mir dieſe verächtlich auf die Seite und ſchlug mit großer Selbſt⸗ zufriedenheit ein Buch auf, in welchem die Anſichten der Küſten des Golfs abgebildet waren und ſagte: „that is my bible“. Schon an dem erſten Tage unſerer Golffahrt hatte eine Sturmwelle unſeren ganzen Vorrath an lebendigem Geflügel von dem Deck hinweggewaſchen. Die Folge davon war, daß wir von da an nur ſehr ſchlechte Koſt erhielten. Wir hätten uns gewiß darüber nicht beſchwert, wenn nicht der ſpaniſche Colonel (ein Greis, dem beſſere Koſt gehörte) und der Gascogner die Bemerkung gemacht hätten, daß der Capitain für ſich beſſer ſpeiſte als wir. Dieſe beiden beſchwerten ſich deßhalb arg bei dem Capitain, worauf dieſer in größtem Zorne in ſeine Cajüte lief und ſchimpfend zurückkehrte, indem er in jeder Hand einen Säbel ſchwang. Dieſe chineſiſche Bramarbaſade erregte allgemei⸗ nes Gelächter und namentlich den Spott des Gascogners. Voller Wuth ſchrie ihm der Yankee zu: „Vour tongue is to long! Worauf ihm der Gascogner erwiederte: „In Veracruz wird deine Zunge zu kurz werden.“ Nachdem wir in den ſchlechten Hafen von Veracruz einge⸗ laufen waren und unſer Schiff an einem der großen kupfernen Ringe befeſtigt hatten, die zu dieſem Zweck ſich an den Mauern eines Vorwerkes des Forts von San Juan de Ulloa befinden, beſtiegen wir Paſſagiere ſogleich ein Boot, welches uns, mit Zurücklaſſung unſerer Bagage, von dem uns unangenehmen Schiff ans Land brachte. In dieſem Augenblicke wendete ich mein Geſicht nach Weſten über das neue Land hin. Hier, unter 19 Grad Breite ſchien es noch voller Sommer zu ſein und doch bemerkte ich am fernen Horizont einen ungeheuren mit Schnee bedeckten Berg (den 17,372 Fuß hohen Orizaba). Ich theilte dies einem meiner Reiſegefährten mit, der indeß ſo ſehr von der Unmöglichkeit dieſer Erſcheinung überzeugt zu ſein glaubte, daß 7 nicht hinſah und ſagte, daß ich ihn auf eine ſo dumme nicht anführen könne. 8 zu Bi: Nur unſere Gewehre hatte ich und meine zwei Reiſege— fährten mitgenommen. Dieſe mußten wir indeß ſogleich am Lande an die Douane abgeben, weil wir keinen Waffen⸗ paß hatten. — Das einzige Wirthshaus, in welchem damals Europäer einkehrten, die noch kein Spaniſch ſprachen, hielt ein Franzoſe, der nicht weit vom Hafen wohnte Bei dieſem kehrten auch wir ein. Veracruz war damals ein theures Pflaſter. Für ganz frugale Beköſtigung bezahlten wir pr. Tag Doll. 2. Für 3 Flaſchen Porter, von welchen nur eine trinkbar war, Doll. 3. Ein jedes Stück zu waſchen 25 Cents. Havanna⸗Cigarren waren zwar verboten einzuführen und dennoch konnte man dieſelben in allen Tabaksläden kaufen zu 25 Cents das Stück. Wie ſehr das Rauchen Nationaleigenthümlichkeit der Mexikaner iſt, kann man daran ſehen, daß an vielen Kaufläden den ganzen Tag brennende Lunten hängen, zur Bequemlichkeit der vorüber⸗ gehenden Tabacksraucher, daß es ganz gewöhnlich iſt, daß man, im Fall man eine Cigarre auf der Straße anzünden will, den erſten beſten Vorübergehenden um ſeine brennende Cigarre bittet, die einem ſogleich graziös überreicht wird, worauf der Empfänger gewöhnlich mit einem Rücken des Hutes dankt. Außerdem liefert auch die große Maſſe des unter ſchwerer Steuer von Spanien eingeführten Papieres noch einen Beweis für das allgemeine Tabaksrauchen der ganzen Nation, denn dieſes Papier wird nicht zum Schreiben und drucken, ſondern zu Cigaritos gebraucht, die von Männern, Frauen und Kindern geraucht werden. Mittlerweile, daß wir in den alterthümlichen Straßen von Veracruz, deren Häuſer ſämmtlich aus maſſiven zweiſtöckigen Steingebäuden mit Plattdächern beſtehen, unſere erſte Neugierde befriedigt hatten, war von unſeren Reiſegefährten, dem Colonel und dem Gascogner, beim Alcalde eine Klage gegen unſeren Schiffscapitain eingeleitet worden. In der Gerichtsſtube fand ſich dann unſere ganze Schiffsgeſellſchaft noch einmal zuſammen. Die Klage wurde vorgebracht, der Colonel und der Gascogner hielten jeder eine lange lebhafte ſpaniſche Rede, in der ſie un⸗ ſere Leiden und den Uebermuth dieſes Pankee gegen die Paſſa⸗ Biere ſchilderten. Diesmal traten dieſe beiden Männer dem | | f — Schiffscapitain unter ſehr überraſchender Geſtalt entgegen. Der Colonel in ſeiner Colonelsuniform, deren Achſelſpangen mit Diamanten beſetzt waren und der Gascogner in mexikaniſcher Capitainsuniform. Der Yankee war diesmal ſehr kleinlaut ge⸗ worden und der Gascogner bemerkte ihm: „Iſt meine Zunge jetzt noch länger geworden?“ Wegen ſchlechter Behandlung und ſchlechter Bewirthung wurde der Capitain verurtheilt, uns die Hälfte unſeres Paſſagegeldes zurückzuzahlen, welches auch ſofort durch das Haus geſchah, für welches der Schoner geladen hatte und zwar ohne alle Formalitäten, ohne Anweiſung, ohne Bei⸗ hülfe von Conſtable und Sheriff, ſondern einzig und allein auf unſere Anmeldung bei dem betreffenden Kaufmannshauſe. Wohin wir von Veracruz aus reiſen wollten, hatten wir noch nicht beſtimmt. Wir hatten Empfehlungsbriefe nach der Stadt Mexiko. Wenn wir ſogleich unſere Reiſe dorthin angetreten hät⸗ ten, was eines Theils eine ſehr theure und damals ziemlich ge⸗ fährliche Reife war, dany hätten wir von dem ſchönſten Landſtrich, der Tierra templada, nur im Fluge Etwas zu ſehen bekommen. Glücklicher Weiſe hatten wir auch Empfehlungsbriefe an die deut⸗ ſche Colonie, die ungefähr drei Tagreiſen weit von Veracruz, in dem ſchönſten Theile der Tierra templada, in der Nähe von Cordova liegt. Um auf dem einfachſten Wege in dieſe Colonie zu gelangen, die abſeits von der großen Straße nach der Stadt Mexiko liegt, wurde uns von einem Veracruzaner Kaufmanns⸗ hauſe angerathen mit einer Maulthierkaravane von Veracruz ſo weit zu reiſen, bis wo der Weg nach der deutſchen Colonie von der Hauptſtraße abführt, und von da uns durch einen Führer bis in die Colonie bringen zu laſſen. Mittlerweile, bis eine ſolche Karavane von Veracruz ab⸗ ging, hatten wir noch ein paar Tage Zeit, uns in der Stadt umzuſehen. Alle Häuſer, die niedrigen Stadtmauern und der Hafen⸗ damm, welcher letzterer im Verfall iſt und 2,000,000 Doll. geko⸗ ſtet babe ſoll, ſind von Korallenfelſen erbaut. Die Straßen ſind und reinlich, als Eckpfeiler an den Straßenecken und um Brunen ſind eiſerne Kanonen in die Erde gepflanzt, —B a an welchen die Seeluft und das heiße Klima ſchon ſo zerſtö— rende Wirkungen gezeigt haben, daß fauſtgroße Roſtlöcher ſich an den Seiten derſelben befinden. Von der bekannten Kleiderpracht der reichen Mexikaner bekamen wir während der wenigen Tage unſeres Aufenthaltes in Veracruz wenig zu ſehen. Frauenzimmer aus den wohlhabenden Ständen erſcheinen faſt gar nicht auf den Straßen; nur einigemale ſahen wir wohlhabende Mexikaner, die vom Lande in die Stadt geritten kamen. Ihre Pferde hatten koſtbares mit Silber beſchlagenes und Gold geſticktes Geſchirr und der Reiter hatte um ſeinen breitrandigen ſpitzköpfigen Hut fingerdicke goldene Schnüre, um die Schultern die koſtbare Capa geſchlagen, meiſt ein brauner oder ſchwarzer Tuch- oder Sammet⸗ mantel, der mit Seide gefüttert iſt. Dazu hellblaue, ſehr weite Reithoſen, die an den Seiten dicht mit ſilbernen Knöpfen (Me⸗ dio, Realen oder bei Reichen mit Doublonen) beſetzt ſind. Unter dieſen Reithoſen werden weite weißleinene Unterhoſen getragen, die aber ebenfalls dadurch zur Schau geſtellt ſind, daß die wei⸗ ten Oberhoſen jedesmal bis ans Knie aufgeknöpft ſind. Die Fußbekleidung beſteht in feinen Halbſtiefelchen, die meiſt eine an⸗ dere Farben als ſchwarz haben und denen die großen Sporen nicht fehlen dürfen. Auffallend iſt in den Straßen der Stadt die Zahmheit der Aasgeier. Es iſt die kleinere ſchwarze Art. Dieſe Vögel ſchei⸗ nen es zu wiſſen, daß ſie durch das mexikaniſche Geſetze ge⸗ ſchützt werden, denn fie gehen den Menſchen in Veracruz nur zögernd aus dem Wege Während ich allein am Strande vor der Stadt mir die von der See ausgeworfenen Muſcheln und Fucusarten betrach⸗ tete, die großen Schaaren von Waſſervögel, namentlich Pelikanen und rothen Löffelreihern, die längs der Küſte hin⸗ und herziehen und den Seeigel zum erſtenmale lebendig in feinem Elemente fa. hatten meine beiden Reiſegefährten zufällig ein kleines Abenteuer beſtanden, das ſehr ſchlecht für ſie hätte ablaufen können. Beide trugen Schnurrbärte, was in Mexiko nur bei Soldaten üblich iſt. — ſie an den Eingang eines Forts bei der Stadt kamen, gin⸗ gen ſie getroſt in daſſelbe und die davorſtehende Schildwache, die — BE fie für Officiere hielt, ließ fie nicht nur frei hindurch, ſondern präſentirte auch vor ihnen. Als ſie nun im Fort ſich ganz un⸗ genirt umſahen, trat auf einmal ein Mann zu ihnen und ſagte: „Es iſt ein Glück für Sie, daß ſie Deutſche ſind und daß ich Sie getroffen habe, denn es ſteht Todesſtrafe darauf, in dieſes Fort ohne Erlaubniß einzutreten. Wären Sie Yankees, jo hätten Sie wenigſtens ein paar Jahre Feſtungsarreſt auszuhalten. Kom⸗ men Sie ſchnell mit mir aus dem Fort, ich bin ſelbſt ein Deut⸗ ſcher, mein Name iſt Holzinger und ich bin Colonel bei der Ar⸗ tillerie.“ Dieß war die Weiſe, wie wir zuerſt mit Holzinger be⸗ kannt wurden, der, wie die Leſer der Zeitung noch erinnern wer⸗ den in dem texaniſchen Kriege von 1836 erwähnt wurde und der ſich im letzten mexikaniſchen Kriege in Veracruz, jo tapfer bei ſeiner Kanone hielt, daß er ſich dadurch ſelbſt die Anerkennung der Amerikaner erwarb. Dieſer Holzinger, ſeines Handwerks ein Zimmermann aus Mainz, war in Mexiko dadurch zu mili⸗ täriſchen Ehren gelangt, daß er in einer der früheren mexikani⸗ ſchen Revolutionen einen Engpaß auf eine ſehr tapfere Weiſe mit einigen Kanonen vertheidigt hatte; auch war ihm deßhalb ein Grant an dem Fluſſe Guaſacualco, ſüdlich von Veracruz, vom Staate geſchenkt worden. f Noch mehreremale beſuchte uns Holzinger in unſerem Wirthshauſe und ſuchte uns gelegentlich zu bereden, auf ſeinem Grant uns anzuſiedeln. Er erzählte uns viel von der dortigen reichen Waſſerjagd und von den koſtbaren Hölzern, die man nur zu ſchlagen brauche, um ſie zu Markte zu bringen. Indeß konnte das ſchöne Mahagony, Ebenholz, Cedern, Campecheholz, Guaiacholz ſammt Holzinger uns nicht bewegen einen Anfied- lungs⸗Verſuch an der Küſte unter 17 Grad nördl. Breite zu machen. (Wenn Holzinger jetzt noch lebt und im Beſitze ſeines Grants iſt, ſo könnte er wohl vielleicht bald eine Anſiedelung - eee zuwege bringen, da man von Nordamerika aus die Straße über den Guaſacualco oder Coatzacoalcos und —.— aufmerkſam geworden, da man auf derſelben 4½ Tagereiſen weniger gebrauchen würden, als über Panama, um von Neu⸗Nork nach Californien zu gelangen. Schon dem hellſehen⸗ 5 den Cortes leuchtete dieſe Handelsſtraße nach dem Auſtral Ocean und Oſtindien ein und ſchon 1521 unterſuchte Gonzalo de Sandoval deßhalb dieſen eben erſt eroberten Theil des Feſtlandes. Im Jahre 1771 entdeckte man in Veracruz Kanonen, welche in Ma: nilla gegoſſen waren. Deßhalb angeſtellte Unterſuchungen ergaben, daß dieſe Geſchütze zur See nach Tehuantepec gekommen, dann den Fluß Chimalpa hinaufgebracht, darauf 6 Leguas zu Lande fortgeſchafft, auf dem Rio Alcaman oder Malpaſo wieder ein⸗ geſchifft und dieſen Fluß hinab zum Guaſacualco, endlich dieſen hinab zur See nach Veracruz gelangt waren. Dieſe Entdeckung bewog den damaligen Vicekönig von Mexiko die Aufmerkſamkeit des ſpaniſchen Cabinets abermals auf die Wichtigkeit der Land: enge von Tehuantepec zu lenken. Auch noch 1824 wurden von dem republikaniſchen Congreß Vorſchläge zur Verbindung beider Meere gemacht. Alles ſcheiterte jedoch an der Rivalität des mäch⸗ tigen Veracruz.) Da wir nur wenige Tage uns in Veracruz aufhielten und da wir noch nicht ſpaniſch ſprechen konnten, hatten wir wenig Gelegenheit uns mit dem einheimiſchen Volke bekannt zu machen, ‚und da die von Kopf bis zu Fuß weißleinenen Commis, die uns zwar freundlich auf ihrem deutſchen Kaffehaus und Billard⸗ ſalon einführten, uns nicht ſehr amüſiren konnten, ſo blieb uns drei Reiſenden nichts Intereſſanteres übrig, als daß jeder für ſich die Stadt durchſtrich und daß wir dann am Abend uns un⸗ ſere Erlebniſſe mittheilten. Freilich war das auch nicht viel, aber da uns in dem neuen Lande auch jede kleine Erfahrung intereſſant war, ſo verging uns die Zeit doch recht angenehm. Da ſah man einen Maulthiertreiber, der auf ſeinem Thiere ein Paar Säcke Holzkohlen geladen hatte und erfährt bei dieſer Ge⸗ legenheit, daß Veracruz ganz holzarm iſt, und daß daſelbſt die Köchinnen ſo verwöhnt ſind, daß ſie nur bei Kohlenfeuer kochen wollen. — Die Fiſcher bilden in Veracruz eine Gilde und gehen regelmäßig, wenn es das Wetter erlaubt auf die See zum Fiſch⸗ fang. Der einträglichſte Fang iſt der von einer Art Kabliau (Robalo blaneo) welcher geſalzen und getrocknet wird. Die ſchön⸗ ſten Fiſche, welche die Fiſcher einbrachten, und die jederzeit friſch — 99 — in den Wirthshäuſern zu haben waren, ſchien mir eine Art Roth: fiſche (Salm) zu ſein, die oft jo groß waren, daß zwei Männer an einem Fiſche zu tragen hatten. — Das Militär in Veracruz beſteht zum großen Theil aus Sträflingen, denn aus dem oberen Lande der tierra kria in die Garniſon von Veracruz oder San Juan de Ulloa geſchickt zu werden, gilt faſt gleich Todesſtrafe. Auffallend bei dieſem ganz europäiſch gekleideten Militär war uns, daß die Soldaten unter ihren Tſchakos Tücher um den Kopf gebunden hatten und daß die Tſchakos in einem blendend weißen Ueberzug von Leinwand ſteckten, beides, um die Wirkun⸗ gen der tropiſchen Sonne vom Kopfe abzuhalten. Auffallend war bei dieſem Militär ferner das wirklich muſikaliſche Talent der Tamboure, die auf ihren Trommeln auf eine überraſchende Weiſe die verſchiedenen Melodien ihrer Nationalgeſänge darzuſtellen wußten; aber faſt kindiſch erſchien uns das fortwährende Sich zurufen und Antworten der Poſtenlinie an der Stadtmauer wäh⸗ rend der Nacht, um ſich wach zu erhalten. — Auf einem freien Platze war an einem großen öffentlichen Gebäude eine goldene Inſchrift, in welcher die Conſtitution von 1824 erwähnt war. Die hatte damals freilich keine Geltung mehr. So ſchön auch dieſe Conſtitution der Vereinigten Staaten von Nordamerika nachgebildet war, ſo war ihr in ihrem dritten Artikel doch ſchon von vorne herein ihr Todesurtheil ausgeſprochen, in welchem die römiſch⸗katholiſch⸗apoſtoliſche Religion als alleinige Staatsreligion erklärt und jeder andere Cultus verboten war. Nicht weit von dieſem Gebäude war eine enge dunkele Gaſſe, deren Namen ganz ihrem alterthümlichen Ausſehen entſprach, denn ſie hieß „Calle de la Inquisieion.* Endlich erſchien uns der gewünſchte Tag der Abreiſe. Eine Karavane von ein paar Hundert Maulthieren war in Veracruz angekommen, deren Beſtimmung war, eine Ladung Queckſilber, welches ſich in dicken eiſernen Cylindern befand, nach den Berg⸗ werkdiſtricten zu bringen. Vor unſerer Abreiſe verſchaffte uns Holzinger unſere Gewehre wieder und ließ uns auch auf den Päſſen die Erlaubniß ausfertigen, Waffen zu unſerer Vertheidi⸗ gung zu tragen („portar armas para sua defensa.“) Eine andere u, Gefälligkeit, die uns von einem Commis angeboten wurde, uns nämlich unſer Geld aufzuheben, damit wir nicht vielleicht auf der keinesweges ſicheren Reiſe beraubt würden, ſchlugen wir in Gnaden ab, denn, ſagten wir, was kann uns unſer in Veracruz aufgehobenes Geld nützen, wenn wir umgekommen ſind? und ſo lange wir am Leben ſind, kann es uns ſo leicht Niemand nehmen. Der Herr Commis dachte wohl bedeutende Grünhörner vor ſich zu haben. Wenn wir das Geld in Veracruz wollten aufgehoben haben, ſo hätten wir ganz einfach bei einem namhaften Hauſe einen Creditbrief oder Wechſel genommen. An einem ſchönen Herbſtmorgen verließen wir mit der erwähnten Maulthierkaravane Veracruz. Es war ein langer Zug, indem faſt immer nur 2 oder 3 Maulthiere neben einander gingen. Voraus, hinten und an den Seiten waren Arrieros, die durch Pfeifen und Rufen die Thiere antrieben und abhielten ſeitwärts zu laufen. Die Arrieros ſelbſt waren für uns noch ein neuer Anblick in ihren kurzen Lederjacken, ihren äußerſt weiten ledernen Ueberhoſen. Wer von ihnen ein Gewehr oder einen Säbel bei ſich führte, hatte die Waffe ſo am Sattel befeſtigt, daß er ſie zugleich unter ſeinem Schenkel hatte, mit dem er ſie feſthielt. Alte ſchlechte Musketen wurden in ledernen Futteralen nachgeführt, als ſeien fie koſtbare Waffenſtücke. Vor Allem gaben dieſen Rei⸗ tern ihre Lanzen ein alterthümliches ritterliches Anſehen. Der Schaft ihrer Lanzen war von einer Art Bambusrohr, nicht ſehr lang, aber deſto länger war die Spitze, die regelmäßig aus einer ſchmalen zweiſchneidigen Degenklinge beſtand wir die niedrige Stadtmauer von Veracruz hinter uns hatten, an welcher von der Landſeite her ſich an manchen Stellen ſchon ſo viel Flugſand angehäuft hatte, daß man von außen her bequem über dieſelben hätte kommen können, führte unſer Weg zuerſt längs der Seeküſte und dann nach Weſten, landeinwärts. Ich und meine beiden Reiſegefährten 2 zu Fuß hinter der Karavane her. Eine gute Strecke führt der Weg durch eine öde, ſandige Gegend, die von aller Vegetation entblöſt war und in welcher wir außer unſerer Karavane kein anderes lebendes Weſen ſahen, nicht einmal eine Fliege. Die ganze Natur ſchien hier — todt und im Stillſtand zu ſein, denn ſelbſt bei dem Todten fand nicht einmal eine Veränderung ſtatt, die man Verweſung nennt. Todte Maulthiere die am Wege lagen, waren zu förmlichen Mumien vertrocknet. Als aber der Weg allmählig anſtieg, wurden Cactus und Mimoſengebüſche ſichtbar, Später Palmen (die hohe Cojole real), der auffallende Melonenbaum (Carica papaya) an 20 Fuß hoch, ohne Aeſte, mit einer Blätterkrone langgeſtielter, ſchirmförmiger ausgezackter Blätter, unter welchen rings um den Stamm me⸗ lonenartige Früchte hängen. Bekanntlich wird das tropiſche Mexiko in drei verſchiedene Zonen abgetheilt, die je nach ihrer Erhöhung über der Meeres⸗ fläche ein verſchiedenes Klima haben. Die niedrigſte und wärmſte Zone geht bis zu 3000 Fuß über der Meeresfläche und heißt tierra caldente. Die gemäßigte Zone geht von 3000 bis 5000 Fuß über der Meeresfläche und heißt tierra templada. Das über 5000 Fuß hoch liegende Land heißt tierra fria. Auf unſerem Wege durch die tierra caliente trafen wir zu jener Zeit auf kein landwirthſchaftliches größeres Gut (hacienda). Ein großes ſteinernes Gebäude, welches am Verfallen war und innerhalb welchem meine Gefährten eine ungeheuer große Eidech— ſenart ſahen, hielten wir für eine Kloſterruine. Nachher erfuhren wir, daß dieſes Gebäude die Rudera von einem mißglückten Unternehmen eines reichen Mexikaners waren, welcher verſucht hatte, an dieſer Stelle Kaffee im Großen zu bauen, wo derſelbe allerdings vortrefflich gedeiht und nicht ſo viel Transport koſtet als von der tierra templada nach der Küſte. Das ungeſunde Klima der tierra ealiente war indeß Schuld, daß dieſer Kaffee⸗ bauer keine Arbeiter bekommen konnte. Dieſes Klima der tierra caliente fol nämlich für Mexikaner aus dem oberen Lande eben ſo ungeſund ſein, wie für neuangekommene Europäer; ſelbſt die Pferde von oben, los arribenios, können das untere Klima nicht vertragen. Alle Taglöhner kommen aus dem oberen Lande. In der tierra caliente, wo man an manchen Orten des Jahres 4 — 5 Ernten machen kann, wo fo Vieles ohne alle Mühe ge⸗ deiht und wo der Menſch ſo wenig Speiſe, Kleidung und Woh⸗ nung bedarf, da wird meiſt wenig von dem Landvolk gearbeitet. Am thätigſten ſind da noch die guten Hausfrauen, denen das Tortillasreiben, namentlich für 5 bis 6 Perſonen einen großen Theil des Tages hinwegnimmt. (Die Tortillas find nämlich das gewöhnliche Brod der Mexikaner. Im Waſſer aufgequollene Maiskörner werden auf einem platten Stein zu feinem Brei zerrieben, welcher dann auf einer thönernen Platte über Kohlen⸗ feuer zu dünnen Pfannenkuchen ähnlichen Scheiben gebacken wird). Außerdem ſpinnen und weben auch dieſe Frauen noch ohne Spinnrad und ohne Webſtuhl. Gleich nach unſerem Eintritt in den mit Vegetation bewachſenen Theil der tierra caliente hatten wir ſchlagende Beweiſe von der Einfachheit des Lebens in dieſem Eden der neuen Welt. Das erſte lebendige größere Weſen, das uns da begegnete, war ein junger Mann von etwa 20 Jahren, total nackt, der aus einem Waldweg auf uns zukam und einen Bündel Reiſer auf dem Kopf trug. Er ſchien allerdings ſich einigermaßen zu geniren, daß wir ihn ſo unverhofft in ſeinem häuslichen Neglige überraſcht hatten. Später ſahen wir einmal, wie man in der tierra caliente größere Stücke Holz für die Küche herbeibringt. Man ſucht nämlich ein paſſendes Stück, allenfalls einen mäßigen Stamm eines umgefallenen Baumes, an welchem wenig Aeſte ſind. Um dieſes Stück Holz wird dann ein wehuco (eine zähe Liane) befeſtigt und dieſe ganz einfach an den Sattel, oder auch nur an dem Schweif des Pferdes ange: bunden und damit nach Hauſe geritten. Aber auch hier wird an dieſes Küchenholz noch keine Axt gelegt. Man ſchiebt es mit einem Ende in die Hütte und macht ſein Kochfeuer an dieſem Ende an. Wie der Stamm dann kürzer brennt, wird er von außen nachgeſchoben. Waſſer holt man auf eine bequemere Weiſe, daß man an jede Seite von dem Sattel des Pferdes eine „ean- tara“ hängt und damit ſo tief ins Waſſer reitet bis die Gefäße ſich von ſelbſt füllen. Fenzen um Felder macht man, indem man in einer Entfernung von etwa zehn Fuß Pfähle in die Erde ſchlägt und an dieſe Querſtangen mit wehuco bindet, welche letztere man in jedem dichten Walde von jeder beliebigen Dicke und Länge und ſo biegſam und zäh wie Stricke findet. Zu Gar⸗ a tenfenzen benutzt man eine Cactusart, die dem hexagonus ähnlich iſt und in graden ſtacheligen Stangen 8 bis 10 Fuß hoch wächſt. Dieſe Fenzen find ſehr regelmäßig und zierlich. Nicht alle Stan- gen ſind gerade von derſelben Länge, ſtehen aber in einer Linie. Sehr paſſend nennt daher das Volk dieſe Cactusart „Organa“, Orgelpfeifen. Ihre Hütten decken da die armen Leute am ein⸗ fachſten mit den gefiederten Blättern der Palmen, deren 20 Fuß lange Mittelrippe der Länge nach geſpalten wird. Jede halbe Mittelrippe mit den daran hängenden Fiederblättern gibt dann eine Lage für das Dach, die mit wehueo an die Dachlatten ge: bunden wird. Eben ſo einfach iſt das ganze Gerüſt der Hütte aus zuſammengebundenen Stangen gebildet. Statt der Wände dienen Reihen aufrechtſtehender Maisſtengel, die ebenfalls mit wehuco angebunden find. Tiſche und Stühle find nicht im Gebrauch bei dieſer Klaſſe, eben ſo wenig wie Teller, Löffel und Gabeln. Ein kleines Feld mit Mais, ein kleiner platanar (Banane, Musa paradisiaca) der einmal gepflanzt faſt keine Arbeit mehr koſtet und zeitlebens aushält, das ganze Jahr hindurch Früchte bringt und wo jede Pflanze im Jahr 100 Pfund Nahrungsſtoff liefert, etwas Chilicolorado (Cayennepfeffer) und wenn es hoch kömmt, etwas braune Buſchbohnen, krigoles, und etwas Tabak, das iſt ſo ziemlich alles, was eine Familie dieſer frugalen Men⸗ ſchen zum Lebensunterhalte bedarf. Weßhalb da noch arbeiten? Wenn man Geld hat, kann man ſich freilich das große Vergnü⸗ gen machen Hazard zu ſpielen und kann ſich allerlei ſchöne Sa⸗ chen kaufen. Wenn man aber erſt hart für dieſe Vergnügen ar⸗ beiten ſoll, dann ſind ſie doch zu theuer erkauft. So ohngefähr denkt der arme Ureinwohner von Mexiko, und es iſt nicht zu leugnen, daß gerade das, was der civiliſirte Menſch als eine Art von torpider Indolenz anſehen muß, wenn es bei ſonſt red⸗ lichen, wohlwollenden und zufriedenen Menſchen ſtattfindet, wie ich ſie unter den mexikaniſchen Indianern mitunter habe kennen lernen, dieſe Menſchen nur um ſo liebenswürdiger erſcheinen laßt; namentlich in einer ſo reichen Natur, wo die Armuth nie⸗ mals zu darben hat und die Pflicht für ſeine Familie den Men⸗ ſchen nicht zur Arbeit zwingt. Unſere Maulthierkaravane reiſte den ganzen Tag hindurch, ohne anzuhalten. Die Straße, die wir zogen, war die Haupt⸗ ſtraße von Veracruz nach der Stadt Mexiko; ſie war derzeit ſo unbelebt, daß wir kaum des Tages ein paar Menſchen begegneten. Von Thieren ſahen wir da auch nichts Beſonderes. Der hier in Texas ſo häufige Blackbird, ebenſo der rothſchulterige Blackbird, der Cardinal, der kleine grüne Colibri, der kleine Habicht, die ſämmtlich hier in Texas häufig ſind, waren auch dort häufig. Auffallend war eine kleine Taubenart (columba passerina), die ſehr häufig am Wege war. Von den vielen ſchönen Vögeln, die in dem tropiſchen Mexiko leben, bekamen wir erſt ſpäter viele zu ſehen. Die Urſache warum wir in den erſten Tagen ſo wenig Thiere ſahen, lag darin, daß in jenen Gegenden in der warmen Tageszeit und namentlich in den Mittagſtunden die ganze Thierwelt ſich in die dichteſten Schatten der Wälder ge: flüchtet hat. In der ganzen Natur herrſcht dann eine Ruhe und eine feierliche Stille, in welcher man nur das Lispeln des Win⸗ des in den hohen Baumgipfeln hört, (wie dies Theokrit in ſei⸗ nen Idyllen ſo einfach und ſchön beſchrieben hat). Wenn wir nun aber auch von der Thierwelt wenig auf unſerer kurzen Reiſe ſahen, außer ein paar Vögeln und hier und da ein ſchüchternes Rabbit (eanecho, Kaninchen) oder einen der langohrigen mula rabbits (liebre der Mexikaner), ſo entfaltete ſich die Pflanzenwelt der Tropen deſto herrlicher vor unſeren Blicken. Die auffal⸗ lendſten Formen waren die früher ſchon erwähnte cojole real (Königspalme), die über 100 Fuß hoch wird und mit ihrer Krone von langen zierlich gefiederten Blättern ſich in ſcharfen Umriſſen auf dem dunkelblauen Himmel abzeichnet, die dickſtämmigen Yuceas und an ſchattigen Bachufern, die über das Dickicht hoch emporragende Cecropia peltata mit ſchlankem gegliedertem Stamm und einer Krone von langgeſtielten runden ſchirmförmigen Blät⸗ tern, und vor Allem das Rieſenfarrenkraut, welches ebenfalls einen hohen ſchlanken Stamm treibt, auf deſſen Gipfel die langen Farrenkrautblätter ein zitterndes Laubdach bilden. Bekanntlich kommen die Wurzelkeime der jungen Farrenkräuter in einer fla⸗ chen Scheibe, ähnlich dem Ammonshorn oder der Planorbis an —— ä+äil u Geftalt aus dem Boden. So kommen auch die weißlich grünen Keime des Rieſenfarrenkrautes aus dem Boden, nur mit dem Unterſchied, daß ſie ſo groß wie Pflugräder ſind. Unter den aus Gärten und Treibhäuſern uns bekannten Gewächſen ſahen wir Zinnia, Dahlia und in ſchönſter Pracht Datura arborea (den baumartigen Stechapfel); mit ſeinen ſechs Zoll großen herabhän⸗ genden weißen Blütenkelchen verbreitete derſelbe einen ſo ſtarken Wohlgeruch, daß derſelbe faſt betäubend wirkte, wenn man ſich längere Zeit in der Nähe der Pflanze aufhielt. Rechts, am Horizont von unſerem Wege, begleitete uns die wechſelnde Anſicht des zackigen Felſenkammes des eofre de perote, deſſen Gipfel an die Alpenhörner erinnern. An weni⸗ gen Rohrhütten und an ein paar Dörfchen kamen wir vorbei. Alles was ich da im Vorbeiziehen von Lebensmitteln kaufen konnte, beſtand in ein paar weißen Zwiebeln und in einer Stange Zuckerrohr, welche indeß über zwei Zoll dick war und 18 bis 20 ſüße Glieder hatte. 5 Am Abend kamen wir ziemlich hungrig auf unſerem Lager⸗ platze an. Ich und einer der Mitreiſenden hatten viele kleine Tauben geſchoſſen, die wir nun rupften und ausweideten, wäh⸗ rend die Maulthiere abgepackt wurden. Wir übernachteten in der Nähe eines kleinen Dorfes, deſſen Namen ich vergeſſen habe. Alle Tragſättel der Maulthiere wurden nun in einer langen Reihe nebeneinander auf die Erde geſtellt, während man die Maulthiere frei laufen ließ. Ein Feuer war bald angemacht und ein Junge von etwa 14 Jahren machte den Koch. Das Eſſen der Arrieros beſtand in ausgetrocknetem Fleiſche, welches in lange Riemen geſchnitten war (dasago) und aus abgequellten Saubohnen (avas). Dazu wurde eine Sauce von zerriebenem ſpaniſchen Pfeffer (chili) gegeſſen. Da uns als Gäſten die Ar⸗ rieros eine beſondere Ehre anthun wollten, ſo mußte der Koch die für uns beſtimmten großen Bohnen erſt ſchälen, welches aber leider auf eine ſo unappetitliche landesübliche Weiſe geſchah, daß wir lieber pon den ungeſchälten aßen. Zum Schälen der 3 nämlich nahm der Junge dieſelben in den Mund, biß Schalen herunter und ſpuckte die Bohnen in den für ſie be⸗ nn Bi ſtimmten Kochtopf. Beim Eſſen hielt ich die ſchöne rothe Pfeffer: ſauce für irgend ein Compot einer angenehm ſchmeckenden Frucht und fuhr deßhalb tüchtig mit einem gebratenen Stück Fleiſch hinein, ſo daß die Mexikaner ſich ihres gewöhnlichen Ausrufs der Verwunderung („caramba!“) nicht enthalten konnten. Frei⸗ lich merkte ich nur zu bald mein Mißverſtändniß. — In mei⸗ nen Mantel gewickelt, das Gewehr neben mir, legte ich mich ziemlich früh unter einen dichtbelaubten Baum zur Ruhe. Das dichte Laub des Baumes ſchützte mich aber nicht, wie ich beab— ſichtigt hatte, gegen den ſtarken Nachtthau. Der Baum war eine Mimoſenart, die in der Nacht ihre gefiederten Blätter ſo dicht zuſammen legte, daß ich alle Sterne hindurch ſehen konnte und ich am Morgen tüchtig angefeuchtet war. Während am andern Morgen das Frühſtück bereitet wurde, waren mehrere der Maulthiertreiber ausgeritten und trieben die Thiere in das Lager zurück. Eine große Anzahl derſelben war übrigens ſo widerſpenſtig, daß ſie mit dem Lazo eingefangen werden mußten, was indeß unſeren gewandten Burſchen ein Leichtes war. — Voran ging es nun wieder, aber für den Fuß⸗ gänger war ſtellenweiſe der Weg herzlich ſchlecht. An Wegſtrecken, die bei feuchtem Wetter von ſolchen Maulthierconductas zurück⸗ gelegt werden, wird das Terrain völlig holperig, oder vielmehr wellenförmig ausgekerbt, da jedes folgende Maulthier in die Fußtapfen des vor ihm hergehenden tritt. Es war derzeit tro⸗ ckenes Wetter, aber die unangenehme Unebenheit des Weges, wo er durch tiefere Stellen führte, war geblieben. Gewöhnlich erhob ſich die Straße aber bald wieder auf harte ebene Stellen. Das erſte bemerkenswerthe Oertchen, durch welches wir kamen, war das 12 Leguas (ohngefähr 12 Wegſtunden) N. N. W. von Vera Cruz gelegene Dorf Paſo de Ovegas. Faſt alle Wohnun⸗ gen daſelbſt ſind auf die früher von uns beſchriebene Art er⸗ baut, nur daß die Wände der Hütten manchmal aus aufrechten hölzernen Stangen, öfter aber noch aus cane beſtehen (Miegia macrocarpa, welche auch in Texas vorkommt). Paſo de Ovegas liegt an einem kleinen Flüßchen, über welches” eine aus ſpani⸗ ſcher Zeit ſtammende ſchöne ſteinerne Brücke führt. Ohngefähr a zwei Stunden des Weges weiter trafen wir auf einem anſehnlichen Ort, auf Puente Nacional, welches auf beiden Ufern des Rio de Antigua liegt. Der Ort iſt wegen ſeiner romantiſchen Lage mit Recht berühmt. Eine prächtige maſſive Brücke von mehreren Bogen, in großartigem Styl alter Römerbauten aufgeführt, überſpannt den Fluß, der über ungeheure Felsblöcke und zwiſchen ſteilen Felswänden wild dahin brauſt. Die Ufer ſind entzückend ſchön und herrlich, das ſaftige Grün und die reiche Blumen⸗ pracht der aus den Spalten und Ritzen üppig emporſtrebenden tropiſchen Gewächſe, Convolvolen, Bauhinien, Baniſterien ze. Die ganze Atmosphäre iſt da mit würzigem Pflanzenduft, namentlich Vanilla oder ganz ähnlich riechenden Blüten ge— ſchwängert. — Puenta heißt Brücke und dieſe Puenta Nacional war von jeher ein wichtiger militäriſcher Punkt, der auch in dem letzten mexikaniſchen Kriege eine Rolle ſpielte. Unſer nächſtes Nachtlager war wieder bei einem kleinen Dorfe. Hier ging der Weg von der Hauptſtraße nach der deutſchen Anſiedlung ab und hier waren wir durch einen Brief an einen Mexikaner em⸗ pfohlen, bei welchem wir übernachteten und der uns am anderen Morgen einen Führer nach der deutſchen Colonie mit gab. Sowohl beim Nachteſſen, wie zum Frühſtück wurde uns mit gut zubereitetem dasago, gebratenen Hühnern und der Nationalkoſt von frigoles (braunen Bohnen) aufgewartet. Die frigoles werden überhaupt am beſten im Staate Veracruz zubereitet, wozu unter anderen Kunſtgriffen der Kochkunſt, der dazu beiträgt, daß man nicht das reichliche Fett in die Bohnen ſchüttet, ſondern die gekochten Bohnen in das glühend heiße Fett, wodurch ſich beide viel beſſer mit einander verbinden und durchdringen. Kaffe und Chocolade werden aber in ihrer Heimath weit dünner gebraut, als wir Deutſche gewohnt find fie zu trinken. Am nächſten Morgen brachen wir drei Wanderer, wie gewöhnlich, zu Fuße auf, während unſer Führer beritten war. Das Land wurde immer anſteigender, bis wir auf eine weite oͤde Hochebene kamen, auf welcher ſelten Bäume, kein Waſſer und keine Menſchenwohnung mehr zu ſehen war. Manchmal begegneten wir kleinen Baumgruppen, die ein 1 8 Anſehen hatten. Reben und Lianen waren oft rings vom Boden bis in die Gipfel der Bäume geſpannt, wie die Taue an dem Maſt eines Schiffes, während in dem Schutz dieſer Bäume gerade Cactusſäulen bis in deren Kronen hineingewachſen waren, (wahrſcheinlich weil ſie da der Wind nicht umwerfen konnte.) Eine der ſonderbarſten Erſcheinungen auf dieſen öden ſteinigen Savannen waren unabſehbare gerade Linien von mäßig großen Steinen, allenfalls 10 bis 20 Pfund ſchwer, die nach ver⸗ ſchiedenen Richtungen ſo regelmäßig gelegt waren, als ſollten ſie den Grundriß einer großen Stadt bedeuten. Was es mit dieſen von Menſchenhänden gelegten Steinen für eine Bewand⸗ niß hat, konnte ich nicht erfahren. Auf jeden Fall ſind dieſe Steinlinien älter als die Eroberung durch Cortez und ſtammen von den indianiſchen Ureinwohnern. Sollten es vielleicht aſtrono⸗ miſche Figuren ſein? — Endlich, am Abend eines mühevollen Marſches kamen wir an einer einzeln ſtehenden Hütte an, in der wir freundlich aufgenommen wurden und übernachteten. Zu eſſen war indeß faſt nichts vorhanden. — Am anderen Morgen traten wir ziemlich flau wieder unſeren Marſch an; der Führer zu Pferde voraus. Gegen die Mittagszeit hielten wir eine kleine Raſt, während unſer Führer ſein Pferd mit etwas Mais fütterte, den er auf ein Tuch ſchüttete, welches er zu dieſem Zwecke auf die Erde gelegt hatte. Wir aber und unſer Führer hatten weder etwas zu eſſen noch etwas zu trinken bei uns. Als wir dann in der Mittagsſonne mit vertrocknetem Gaumen weiter zogen, probirten wir, den zu dieſer Jahreszeit wenigen Saft aus ab⸗ gehauenen Reben zu ſaugen, auch ſchoſſen wir einige Vögel, deren Blut wir tranken. Endlich ſahen wir in der Entfernung eine helle Steinwand einer Baranka, die man für die Ring⸗ mauer eines Kloſters hätten halten können. Wir fragten unſeren Führer durch Zeichen, ob es dort nichts zu trinken gebe. Der Führer verſtand unſere Frage ganz gut und gab uns die Ant- wort: „Nada!“ Wir glaubten nun Nada ſei irgend ein nationales Getränk, wie Pulke und Tebatſche, die wir beide unterweges gekoſtet hatten und waren sehr erfreut nun bald auch mit Nada — — —— — Er A noch nicht jo viel Spaniſch, um zu wiſſen, daß Nada auf Deutſch „Nichts“ heißt. Als wir indeß nur zu bald die wahre Bedeutung dieſes „Nada“ herausfanden, ſo tröſteten wir uns damit, daß der Menſch im Leben gar oft mit Sehnſucht nach einem Nada verlangt, weil er deſſen Bedeutung noch nicht kennt. Es mochte noch nicht lange Mittag vorbei ſein, als unſer Führer meinte, er wolle in einer nahe liegenden Schlucht nach— ſehen, ob er nicht Waſſer finde. Er ritt deßhalb ab vom Wege und in die Schlucht, die nicht ſehr tief zu ſein ſchien. Wir war⸗ teten lange, aber der Führer kam nicht mehr zurück. Schon ſeit einiger Zeit hatten wir an unſerem Führer bemerkt, daß er den weiteren Weg nicht recht wußte und es war uns jetzt klar, daß er ſich grade deßhalb aus dem Staube gemacht hatte. Es blieb uns nichts übrig, als vorwärts zu gehen. Hunger und Durſt hatten indeß bei uns ſo zugenommen, daß wir uns entſchloſſen, im Nothfalle einen unſerer Hunde zu ſchlachten. Es kam indeſſen nicht dazu, da die Sonne ſchon niedrig ſtand und da wir wuß⸗ ten, wie kurz in den Tropen die Abenddämmerung iſt und uns nicht mehr erlaubt hätte, in der holzarmen Gegend vor Dunkel⸗ heit noch Brennmaterial aufzuſuchen. Noch ehe die Nacht ein⸗ brach, war ich ſo erſchöpft, daß ich nicht mehr weiter gehen wollte und mich niederlegte Meine Reiſegefährten gingen eine bedeutende Strecke weiter. Der Boden, auf dem ich lag, war nackter Felſen, aber die Müdigkeit ließ mich indeß ganz gut darauf ruhen, nur ſind in dieſer Jahreszeit auch ſelbſt in der Tropengegend unter 19 Grad nördl. Breite die Nächte verhält⸗ nißmäßig kühl, wodurch mein Felſen ſich bis gegen Morgen ſo ſehr abgekühlt hatte, daß er der Seite meines Körpers, mit welcher ich auf ihm lag, ſo viel Wärme entzog, daß ich bei Sonnenaufgang faſt ſteif war. Als ich wieder auf dem Wege war, hatte ich bald die Freude, mehrere Menſchen auf mich zu⸗ kommen zu ſehen. Es waren, wie ich nachher erfuhr, Chimas Indianer. Sie trugen große Körbe mit Südfrüchten auf ihrem Rüden. Sarg konnte ich mit den guten 8 kein Wort, e ich ihnen 1 0 ſo viel von ihren 15 5 7* — EM — Sapoten und Granaditas ab, als ich bequem tragen konnte und fragte ſie dann durch Zeichen nach meinen Kameraden. Sie konnten mir ganz gut deutlich machen, daß ſie dieſen begegnet und daß ſie ein gutes Stück voraus ſeien. Um mich über die Perſonen meiner Kameraden zu verſichern, zeigten ſie mir, daß es zwei ſeien und daß einer davon ſehr dicke ſtarke Arme habe. Friſch geſtärkt durch den Genuß dieſer vortrefflichen Süd: früchte, die auf die angenehmſte Weiſe Durſt und Hunger zu⸗ gleich ſtillten, hatte ich bald meine Reiſegefährten eingeholt, die ebenfalls ſich mit einem guten Vorrath von Genießbarem bei den indianiſchen Obſthändlern verſehen hatten. Am Nachmittag endlich erblickten wir in der Entfernung eine Hütte, auf die wir ſogleich wacker losſteuerten. Es war dies eine einſame Hütte eines Vac⸗ cero, eines Kuhhirten. In dieſer Gegend von Mexiko iſt es nämlich Gebrauch oder Geſetz (2), daß Jeder verpflichtet iſt da: für zu ſorgen, daß ſein Vieh keinen Schaden thut, während man nicht verpflichtet iſt ſein Feld durch ſtarcke Fenzen gegen das Vieh zu ſchützen. Wer demnach eine große Heerde Rindvieh, Pferde u. ſ. w. hält, muß dieſe hüten laſſen und dies geſchieht in jenen Gegenden am bequemſten, daß man einen Strich Lan⸗ des, welcher zwiſchen zwei der dort häufig vorkommenden Schluchten liegt, durch Steindämme oder trockene Mauern völlig abſchließt und dann innerhalb dieſer Umzäumungen ſein Vieh weiden läßt. Dies kann jedoch nicht ohne die Aufſicht eines Hir⸗ ten geſchehen, der an Ort und Stelle beſtändig wohnen muß, haupt⸗ ſächlich um die Heerde gegen die Angriffe von Raubthieren zu ſchütz⸗ en namentlich gegen den Jaguar (felis onca, den die Mexikaner tigre nennen) und gegen den Cuguar (felis concolor, den die Mexikaner leon und die Amerikaner panther nennen). Wenn ein Cuguar ſich in der Nähe einer Heerde anſäſſig macht, ſo be⸗ ginnt er gewöhnlich zuerſt mit dem Angriff auf Maulthiere, dann auf Pferde und erſt zuletzt greift er Rindvieh an. Als wir im Hauſe des Vaccero ankamen, wurden wir ſehr gaſtreich aufgenommen und die Frau deſſelben konnte uns nicht genug bedauern, daß wir in zwei Tagen eigentlich nichts Rechtes gegeſſen hatten. Auf einem Teiche beim Hauſe ſchwammen zahme | - — 101 — Enten und die Frau wies uns an, einige davon zu ſchießen, was wir uns nicht zweimal ſagen ließen. Nachdem wir uns tüchtig mit Speiſe und Trank reſtaurirt hatten, legten wir noch an demſelben Abend die kurze Strecke bis nach Mirador, dem Mit: telpunkt der deutſchen Colonie zurück. Die deutſche Colonie, von der wir ſprechen, liegt gewiß in einer der ſchönſten Gegenden der Erde, ohngefähr 3000 Fuß über der Meeresfläche, in der tierra templada, einem geſunden Klima, deſſen Wärmegrade die von Texas nicht überſteigen und deſſen niedrigſte Temperatur nicht unter + 7 Grad R. berab- ſank. Alle tropiſchen Gewächſe gedeihen noch hier, während man nicht den Krankheiten der tierra caliente ausgeſetzt iſt. In un⸗ mittelbarer Nähe hat man die reichſte Vegetation, Felſen, Bäche, Wälder, Savannen und äußerſt fruchtbares Land und auch zu— gleich, weil das Land von der Küſte fortwährend ſtark aufſteigt, die ſchönſten Fernſichten. Die Hacienda Mirador, auf der wir uns befanden, hat davon ihren Namen fein Ort von dem man weit ſieht, das franzöſiſche Belvedere). Nach der Küſte hin ſieht man über die verſchiedenen Stufen der tierra ealiente bis nach Veracruz und zwar ſo deutlich, daß man die weißen Segel der in den Hafen einlaufenden Schiffe erkennen kann, deren Namen man 8 Tage ſpäter in den Zeitungen angegeben findet. Im Norden ſieht man den zackigen Felſenkamm des Cofre de Perote, der in einem Vorgebirg bis ins Meer hinausläuft. Nach dem Weſten hin ſieht man die Hochgebirge des Landes und gleich im Vordergrund den über 17000 Fuß hohen Orizaba, deſſen Fuß mit dunkelem Wald umgürtet iſt, höher folgen die hellgrünen Savannen, noch weiter oben felſiges Terrain mit vielen vor: ſpringenden Kanten und eingefurchten Schluchten, in die ſich Gletſcher herabziehen. Der obere Theil des Berges iſt mit ewi⸗ gem Schnee bedeckt und auf dem Gipfel deſſelben ſieht man in der reinen Luft Mexikos den offenftehenden Krater des alten VBulcaus jo deutlich, daß man auf der hinteren Wand dieſes aters ganz genau die Zerklüftung des Felſens mit bloßem | Auge auf 10 Leguas Entfernung unterſcheiden kann. Nach Sü⸗ den hin iſt die Ausſicht etwas beſchränkter, aber über ſchöne _ 8 Waldpartien hin fieht man am Horizonte die über alles hervor: ragenden Kronen hoher Königspalmen. 3 Doch „der Menſch lebt nicht allein vom Brode“ und noch viel weniger von ſchönen Ausſichten und Naturerſcheinungen. Nachdem der neue Ankömmling in der reichen tropiſchen Natur alle Sinne befriedigt und ſich von den erſten überwältigenden Eindrücken erholt hat, ſo iſt die erſte Frage, wie kann man exiſtiren in einem ſo ſchönen Lande, welche Mittel der Subſiſtenz bieten ſich uns zuvörderſt dar, wie gewinnt die deutſche Colonie ihren Lebensunterhalt? u. ſ. w. Wenn wir zuerſt uns die ganze deutſche Population dieſer Colonie betrachten, ſo finden wir, daß dieſelbe ſehr klein iſt, (im Herbſt 1834). Es ſind da zwei deutſche Zuckerplantagen, die von mexikaniſchen Taglöhnern bearbeitet werden. Die eine Plantage, Mirador, gehört einem gewiſſen Herrn Stein, der früher bei einer deutſchen Bergwerksgeſellſchaft angeſtellt war und wird von ſeinem Bruder, Karl Stein, verwaltet. Die Gebäude dieſer Plantage beſtehen in einem ziemlich geräumigen einſtöckigen Wohnhaus von gebrannten Backſteinen, einem kleinen Gebäude, das als tienda (Kramladen) dient, in welchem aber nicht viel zu kaufen iſt, in einer Schmiedewerkſtatt, in welcher ein deutſcher Schmied arbeitet, in einem trapiche (Zuckermühle), palenke (Branntweinbrennerei), einer Zuckerſiederei und einigen anderen zu dieſem Geſchäfte nöthigen Gebäuden und außerdem in einem Dutzend Hütten, die ſtändigen mexikaniſchen Arbeitern zur Woh⸗ nung dienen. Die zweite Plantage, Zaquapan, iſt nur wenige Meilen von der erſten entfernt und gehört den Herren Sartorius und Lavater. Erſterer war früher ebenfalls bei den Bergwerken angeſtellt und Letzterer war früher Kaufmann und Schweizer Conſul in der Stadt Mexiko Die Einrichtung auf dieſer Plan⸗ tage iſt ohngefähr ebenſo wie die der erſteren. 8 Dieſe beiden Plantagen oder Haciendas, bilden den Haupt⸗ ſtützpunkt der Anſiedelung, ihnen gehört das ganze Land, auf dem man beabſichtigte eine deutſche Colonie anzulegen, und ſie ſind die einzigen, die eigentlich derzeit Etwas verdienen durch den Verkauf von Zucker und chingirito (Zuckerbranntwein) wäh⸗ ; ©. ur —ͤ——n — — — — — — rend die anderen Anſiedler, die paar Handwerker ausgenommen, ſo zu ſagen noch aus der Schnur zehren. Billigerweiſe werden wir demnach bei unſerem Berichte dieſes wichtigſte Geſchäft in der Colonie zuerſt einer genaueren Betrachtung unterwerfen. In Mexiko pflanzt man zwei Arten von Zuckerrohr, und zwar auf der Oſtſeite des Landes, wo auch die deutſche Colonie liegt, das Rohr von Otahaiti, welches keiner künſtlichen Bewäſ⸗ ſerung bedarf, wie das auf der Weſtküſte gepflanzte oſtindiſche Rohr, dicker und länger wird als dieſes und ¼ mehr Ertrag gibt; auch kann man von dem auſtraliſchen Rohr von einer Ausſaat, oder vielmehr Anpflanzung 3 bis 5 Ernten machen, während man von dem oſtindiſchen nur eine bis zwei Ernten machen kann. Das auſtraliſche Rohr liefert bei der erſten Ernte 48 — 50 Centner Zucker vom amerikaniſchen Acker und eben ſo viel Syrup, aus welchem 6 bis 7 Ohm Rum (ehingirito) von 72 Grad Stärke gebrannt werden. 100 Pfund weißer Zucker koſten im Lande ohngefähr Doll. 10 bis 16. Die Auslagen dafür ſollen ohngefähr Doll. 6 betragen. Man rechnet ferner, daß die Aroba (25 Pfund) Zucker Doll. 1 Gewinn abwerfe. Das Barril chingirito (ein Ankerfäßchen von 175 Pfund) koſtet ohngefähr Doll. 25. Außerdem wird an die umwohnenden In⸗ dianer gewöhnlich noch ſo viel Syrup verkauft, daß der Erlös da⸗ von oft ſchon die ganze wöchentliche Auslage einer Hacienda deckt. In Mexiko gebraucht dieſes Otahaiti Rohr 14 bis 18 Monate bis es zum Schnitt reif iſt. Dies ſcheint die Urſache, weßhalb dieſes Zuckerrohr nicht in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gebaut werden kann. Alle Arbeit wird von gemietheten freien Arbeitern auf den Zuckerplantagen gethan. Die Auslagen ſind freilich groß, wenn man bedenkt, daß auf einer ſolchen Hacienda oft über 100 Arbeiter angeſtellt werden müſſen, die pr. Mann ohngefähr 4 Reales (50 Cents) den Tag bekommen, doch wird oft am i 1 8 das ganze an die Arbeiter ausgezahlte Geld wieder in } der Tienda vom Eigenthümer für Waaren zurückgenommen, die noch überdies durchweg mit 100 Procent Gewinn verkauft werden. — 104 — Faſt aller in Mexiko fabrizirte Zucker wird im Lande cvı: ſumirt und fragt man, weßhalb man dieſes vortheilhafte Geſchäft nicht in ſolcher Ausdehnung betreibt, daß man auch zur Aus: fuhr producirt, ſo iſt darauf die einfache Antwort zu geben, erſtens, weil der Transport bis zur Küſte, der auf Maulthieren geſchieht, zu theuer kommt und dann, weil man ohngefähr Doll. 10,000 braucht, um ein derartiges Geſchäft anzufangen und weil die Capitaliſten lieber in Bergwerken und Handel, als mit Plantagenbau ſpekuliren. Die mexikaniſchen Indianer haben oft kleine Zuckerpflan⸗ zungen, zu denen ſie keine fremden Arbeiter bedürfen. Auf die einfachſte Weiſe preſſen ſie durch zwei wagrechte hölzerne Walzen von ſehr mäßiger Dicke den Saft aus dem Zuckerrohr, indem ſie eine der Walzen an einem Dreher, wie der an einem Schleifſtein, mit der Hand herumdrehen. Auf eben ſo einfache Weiſe kochen ſie dann den Saft ein, den ſie in hölzerne Formen gießen, wo er beim Trocknen die bekannten Panelas bildet. Auch dieſes Geſchäft iſt für den armen Indianer noch ziemlich einträglich. Weniger möchte ich den ärmeren deutſchen Farmern dazu rathen, wie Sartorius that, Zuckerrohr zum Verkauf an die Zuckerfabri⸗ kanten zu bauen. Das Zuckerrohr läßt ſich nicht aufheben, wenn es einmal das Alter erreicht, in dem der Zuckerſaft ſich am ſtärkſten entwickelt hat. Läßt man es dann noch länger auf dem Felde ſtehen, ſo fängt es an zu blühen und wird unbrauchbar. Hierdurch würde der kleine Zuckerbauer jedesmal gezwungen, ſein reifes Zuckerrohr um jeden Preis loszuſchlagen, er hinge daun, namentlich, wenn mehr Zuckerrohr in der Umgegend zu gleicher Zeit reif würde, als die Fabrik bequem verarbeiten könnte, gänzlich von der Gnade des Fabrikanten ab. Wenn ich in dem vorhergehenden Abſchnitte meines Berich⸗ tes behauptete, daß in der von mir zu beſchreibenden deutſch⸗ mexikaniſchen Colonie zwei Zuckerplantagen den Hauptſtützpunkt des ganzen Unternehmens bildeten, weil ſie derzeit die einzigen Geſchäfte waren, die von außen her etwas verdienten, ſo hoffte man doch, daß in der nächſten Zukunft auch für die weniger bemittelten Farmer ſich einträgliche Erwerbszweige herausſtellen . 5 | | | | | — 105 — würden und dieſe Hoffnungen bezogen ſich vor Allem auf den Kaffebau. Der Kaffe war noch nicht ſehr lange auf größeren Plantagen angebaut (erſt ſeit 1818) und dies auch nur in eini⸗ gen Gegenden, z B. grade in der Nähe der deutſchen Anſiedelung, in der Umgegend des Orizaba und Cordova. Hier wird auch die kleine runde Moccabohne gebaut, aber auch die gewöhnliche hier gebaute Sorte, welche eine große perlgraue Bohne hat, iſt von ſo vortrefflicher Art, daß ſie alle anderen amerikaniſchen Sorten weit übertrifft. Dabei verurſacht die Anlegung einer Kaffeplantage durchaus keine bedeutende Koſten. Man wählt dazu gewöhnlich waldbewachſene Hügel, deren Bäume und Sträu⸗ cher umgehauen und auf Haufen geſchleift werden. Nachdem dieſe Haufen nur einigermaßen in der Sonne ſo viel getrocknet ſind, daß Laub und Zweige gedörrt, dann zündet man in einer heißen Mittagſtunde, wenn alles Holz von der Sonne erwärmt iſt, die Haufen an, die dann meiſt bis auf wenige Stämme wegbrennen, die man nachher wieder auf Haufen rollt und ſo viel als möglich verbrennt. Junge Setzlinge von Kaffebäumen erhält man, wenn man in ſchattigem Walde ein mäßiges Beet dicht mit Kaffebohnen beſät. Oft findet man auch in der Nähe von übrig gebliebenen Kaffebäumen alter, längſt verlaſſener Ranchos, deren Felder ſchon wieder mit dichtem Geſtrüpp bewach⸗ ſen ſind, eine Menge junger Kaffepflanzen, die ſich ſelbſt ausge⸗ ſäet haben. Von dieſen pflanzt man ohngefähr 12 bis 1400 Bäume auf den Acker, der hierzu nicht erſt umgebrochen wird, ſondern nur des Reinigens mit der Hacke bedarf. Man rechnet, daß eine Familie ganz gut eine Pflanzung von 10,000 Bäumen beſtellen kann. Jedes Bäumchen trägt 1 bis 1½ Pfund Kaffe und bringt jährlich zwei Ernten, nämlich eine um Johanni und eine um Weihnachten. Das Härteſte beim Anfang einer Kaffe⸗ plantage iſt, daß die Bäumchen erſt im 3. und 4. Jahre anfan- gen volle Ernten zu geben. Kaffepflanzer müſſen ſich demnach darauf gefaßt machen, in den erſten drei Jahren auf andere Weiſe die Mittel zu ihrem Lebensunterhalte ſich zu verſchaffen, was indeß für frugale Leute, wie deutſche Bauern, nicht ſehr schwer fallen wird, da hier der Feldbau viel leichter und ertrags⸗ | “4 3 | 1 u fähiger wie in Deutſchland, oder Nordamerika iſt, da in jener Gegend von Mexiko neben allen deutſchen und nordamerikaniſchen Culturgewächſen, noch eine große Anzahl tropiſcher Gewächſe gedeiht, die man in anderen Ländern kaum und ſelten dem Na— men nach kennt, und da ferner für eine frugale Familie die Ausgaben für etwas Küchengeräth und Kleidung ſehr gering ſind. Die Häuſer baut ſich der Farmer ſelbſt und zwar auf eine noch viel wohlfeilere Art, wie der nordamerikaniſche Farmer. Für die 4 Eckpfoſten nimmt man ein feſtes, nicht leicht faulendes Holz, meiſt eine Baumart die Cacao heißt (die aber kein Cacao iſt und wahrſcheinlich wegen ſeiner dunkelbraunen Farbe dieſen Na⸗ men hat). Bei dauerhafteren Häuſern, die mit etwas mehr Sorgfalt gebaut werden, behaut man dieſe Eckpfoſten, die meiſt 9 Zoll bis einen Fuß dick find, vierkantig. Die 4 Edpfoiten werden nun wo möglich 3 Fuß tief in die Erde geſetzt, an ihrem oberen Ende, welches einen Einſchnitt oder auch nur eine natür⸗ liche Gabel hat, werden rings vier ſtarke Stangen angebunden. Auf dieſen Stangen werden nun die Dachſparren, die zu dieſem Zweck ein gabelförmiges Ende haben, aufgeſetzt und an dieſe viele dünne wagrechte Stangen, 6 Zoll von einander, angebunden. Zu dem ganzen Haus wird überhaupt nicht ein einziger Nagel gebraucht, alles wird mit den zähen, biegſamen Schlingpflanzen, Wehuco genannt, angebunden. Vor Allem wird nun das Dach mit Grasbündeln gedeckt. Damit der Regen gut abfließt, muß ein Grasdach unter einem Winkel von mehr als 45 Grad an⸗ ſteigen. Die Wand des Hauſes kann nun auf verſchiedene Weiſe gemacht werden. Die einfachſte iſt, daß man an einer in halber Höhe an den Eckpfeilern angebundenen wagrechten Stange ſenk⸗ recht ſtehende armsdicke Pfähle anbindet, oder daß man eine Art vom grobem Geflechte mit Stöcken macht und dieſes von innen und außen zu gleicher Zeit mit Strohlehmen bewirft. Bei dieſer Beſchäftigung, die meiſt Indianer im Taglohn verrichten, gibt es oft viel zu lachen, denn da das Bewerfen mit Lehm von beiden Seiten mit großer Gewalt auf dieſelbe Stelle geſche⸗ hen muß, ſo geſchieht es oft, daß einem der ſich gegenüberſtehen⸗ den Arbeiter Mund, Naſe oder Augen durch den hindurch fah⸗ — 107 — renden Lehm zugeklebt werden. Thüren ſind an den meiſten dieſer Häuſer keine. Wenn die dunkelbelaubten immergrünen Kaffebäumchen ihre ſchönen rothen, ganz einer Kirſche ähnlichen und auch eßbaren Früchte tragen, ſo werden dieſelben zur Zeit ihrer Reife abge— pflückt und auf Haufen geſchüttet und wenn das Fleiſch anfängt faul zu werden, ſo werden die Bohnen, die der Same ſind, von dieſem Fleiſche auf verſchiedene Weiſe gereinigt. Jede Kirſche enthält zwei Bohnen, die mit ihrer platten Seite an einander liegen und deren jede mit einer pergamentartigen Haut umgeben iſt. Wenn dieſe Bohnen nun gehörig getrocknet ſind, ſo werden ſie in Mexiko auf eine ſehr kunſtloſe Art von dieſer Haut ge⸗ reinigt, indem man ſie in einen kegelförmigen in einen Holzblock gemeißelten Mörſer bringt und ſie ſo lange mit einem ſpitz zu— laufenden Kolben ſtößt, bis alle Schalen ſich von den Kaffeboh— nen getrennt haben und man ſie nur noch zu worfeln braucht, um die Spreu davon zu ſondern. Der ſo gereinigte Kaffe koſtet jetzt im Durchſchnitt einen Real (12½ Cents) das Pfund an Ort und Stelle. Um ihn auf den Markt an die Küſte zu brin⸗ gen, würde das Pfund dieſes Kaffe's 27 Cents zu ſtehen kom⸗ men, und dies iſt hauptſächlich außer dem dreijährigen Warten auf die erſte Ernte, bei den Mexikanern die Urſache, daß kein Kaffe von Mexiko ausgeführt wird. Im Urwald, in der Nähe der deutſchen Colonie, konnte man noch die mit Bäumen überwachſene Straße ſehen, die nach der Küſte führte und die die Mexikaner vor der Entdeckung von Amerika gebaut hatten. Zu unſerer Zeit ſprach man wohl auch ſchon von Eiſenbahnen, aber die Mexikaner waren damals ſehr dagegen, weil ſie glaubten, daß dann die Pankees mit einer feindlichen Armee in einem Tage von Veracruz nach der Stadt Mexiko kommen könnten. Jetzt freilich ſcheinen andere Zeiten in Mexiko anzubrechen. Die Tehuantepek⸗Straße wird eröffnet wer⸗ den, in Grazacoalcos haben ſich ſchon Fremde niedergelaſſen und die Eimbanberng dorthin nimmt täglich zu. Die Eiſenbahn von Mexiko nach Guadalupe macht gute Geſchäfte und die Subſerip⸗ tionen zu deren Fortſetzung nach Puebla und Veracruz belaufen — 108 — ſich ſchon auf mehrere Millionen. Herr Mendeo, der Erbauer der Vera⸗ruz und San Juan Bahn, hat das Projekt einer Ver⸗ bindung von Veracruz und Orizaba aufgenommen und der dar— über pubizirte Bericht verſpricht den Actionären 14 Prozent. — Dieſe Bahn müßte durch, oder dicht an der deutſchen Colonie vorbeiführen, und es wäre ſomit, wenn die Colonie jetzt noch beſteht, alle Ausſicht zu ihrem Gedeihen. Ein zweiter guter Er— werbszweig, auf welchen damals die deutſchen Coloniſten ſpeku⸗ liiten, war der Tabacksbau. In Mexiko wird außerordentlich viel Taback geraucht, aber ſchon ſeit den ſpaniſchen Zeiten her war der Taback Monopol der Regierung. Zu ſpaniſchen Zeiten reiſten eigens dazu angeſtellte Leute im Lande herum, die alle unerlaubten Tabackspflanzungen zerſtörten, aber auch felbſt zu der Zeit, wo ich noch in Mexiko war und noch viel ſpäter, 1850, war es nur in der Gegend von Orizaba und Cordova erlaubt Taback zu banen, damit die Regierung beſſere Auſſicht über ihr Monopol führen konnte. Die ganze Ernte des Tabacks mußte jedesmäl an die Regierung abgeliefert werden, die dann der all— einige Tabacksverkäufer im ganzen Lande war. Natürlich wurde deſſenungeachtet ohne Erlaubniß der Regierung an vielen Orten Taback gebaut und ſo namentlich auch in der deutſchen Anſiedlung. In Mexiko werden mehrere Arten ſehr guter Taback erzeugt. Die Behandlung kommt mehr der in Deutſchland gewöhnlichen gleich, als der der Nordamerikaner. Vom Taback werden in Mexiko jedesmal drei Ernten gemacht, durch Abblatten zu ver— ſchiedenen Zeiten. Dieſe Ernten ſind je nach der Zeit verſchie⸗ den in Qualität. Die letzte und vierte Ernte überläßt man den armen Arbeitern. Wenn der Taback abgeblattet wird, werden die einzelnen Bündel von Blättern (manojos) an die Seite des Ackers auf die Erde gelegt. Bis ſie eingebracht werden, ſind ſie ſchon ziemlich welk von der Sonne. Zum Trocknen des Tabacks muß ein eigenes Haus gebaut werden, natürlich nur ein eben To leichtes, wie das früher beſchriebene Wohnhaus des Ranchero. Mit einer Fußlangen glatten eiſernen Nadel werden dann die einzelnen Tabacksblätter durch das dicke Ende ihres Stiels auf langen Baſtſtreifen aufgereiht und in dem Trockenhaus aufgehängt. — — a —— > — 109 — Tritt Nebel oder Regenwetter ein während des Trocknens, ſo wird im Tabackshaus ein kleines Feuer angemacht. Wenn der Taback in Mexiko verkäuflich ſein ſoll, ſo muß er nach dem Trocknen noch ein⸗ oder zweimal ſchwitzen. Er wird zu dieſem Zweck noch einmal in kleine Bündel gebunden, wobei die Blätter aber glatt und regelmä- ßig aufeinander gelegt und die Bündel an den Blattſtielen zuſam⸗ mengebunden werden. Dieſe Bündel werden dann mit Waſſer aus dem Munde grade ſo angeſpritzt, wie der Schneider das Tuch anſpritzt, und in eine runde Säule, die Stiele nach außen, aufgeſetzt, wo ſie dann ſo lange liegen bleiben, bis man mit der zwiſchen die Tabacksblätter eingeſchobenen Haud eine erhöhte Temperatur wahrnehmen kann. Sie werden dann wieder aus— einander gelegt und getrocknet. Manchmal wird dieſer Gährungs- prozeß zweimal mit dem Taback vorgenommen, ehe er in den Handel gebracht wird. Außer dem Zuckerrohr, Kaffe und Taback wurden derzeit keine Handelspflanzen und Colonialprodukte in der dentſchen Go: lonie gebaut, man müßte denn die angefangene Pflanzung von Caſtoröl des Dr. Eichhorn dahin rechnen. Der hicſige Ricinus hat zwar vor dem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gebauten den Vorzug, daß er im tropiſchen Klima eine aus dau— ernde Pflanze iſt, die nicht jedes Jahr von neuem geſäet werden muß. Aber wenn nun auch der Doctor durch theuren Tagelohn die Caſtorbohnen eingeſammelt hat, wenn er eine Oelmühle be⸗ ſitzt und wenn er Oel gewonnen hat, was will er dann mit dem Del anfangen? — Der Doctor meinte, dann könnte man das Oel an eine große mexikaniſche Stadt verkaufen, die es zur Straßen- beleuchtung verwenden könnte. Ich zweifele indeß ſehr daran, daß, ſelbſt wenn der Doctor ſein Oel ſehr billig herſtellen könnte, eine mexikaniſche Stadt ſich dadurch würde bewegen laſſen, ihre Straßen damit zu beleuchten. Wenn nun Jemand fragen ſollte, welche andere Colonial⸗ produkte und Handelspflanzen man noch hätte an der Grenze der tierra ealiente und tierra templada in Mexiko bauen können, ſo kann man dreiſt antworten: Alle! und zwar nur die den tal⸗ — 10 — ten Klimaten eigenthümlichen nicht, die man dafür aber in der tierra fria bauen kann. Von den mannichfaltigen Pflanzen, die der Menſch unmit⸗ telbar zu ſeiner Nahrung bedarf, wurden ebenfalls nur ſehr we⸗ nige in der deutſchen Colonie gebaut, obwohl man die Gewächſe die hier gedeihen würden zu Hunderten aufzählen könnte. Am allermeiſten wurde der Mais angebaut, ſeltener die mexikaniſche Bohne, noch ſeltener der vortreffliche Manioc und die Cheiote. Außerdem beſaßen auch einige Pflanzungen kleine Bananenfelder und Anlagen von Ananasbeeten, wenige Orangenbäume, Li— monenbäume und ſtrauchartige Citronen. Wenn ich es nun auch unternehme, meinen Leſern den Maisbau zu beſchreiben, wie ich in Mexiko ihn geſehen habe, ſo bitte ich, mich nicht langweiliger Berichte zu beſchuldigen und zu bedenken, daß ich auf Aufforderung einer Geſellſchaft, die von Texas nach Mexiko auszuwandern beabſichtigt, dieſen Bericht ſchreibe. Der aufmerkſame Leſer meines Berichtes wird übrigens gefunden haben, daß ich nicht von Hörenſagen oder aus Büchern, ſondern aus meiner perjönlichen Erfahrung und Anſchauung die Thatſachen berichte. Auch der Mais, dieſes uralte Kulturgewächs der Mexikaner wird auch heutigen Tages noch auf eine wahrhaft adamitiſche Weiſe, ohne alle Feldwerkzeuge, von den Indianern gepflanzt, und da dieſe Art Indianer auch in den deutſchen Colonien die einzigen Taglöhner und Feldarbeiter waren, ſo pflanzten natür⸗ lich die deutſchen Farmer ihren Mais damals noch auf die in⸗ dianiſche Weiſe. Dies geſchieht aber auf folgende Art. Die Hälfte der Arbeiter verſieht ſich mit langen zugeſpitzten Pfählen, die andere Hälfte der Arbeiter theilt ſich in das Saatkorn. Die Arbeiter mit den Pfählen gehen dann nebeneinander der Länge nach durch den Acker und ſtoßen alle zwei Schritte ein jeder mit ſeinem Pfahl ein Loch in die Erde, in welches der hinter ihm hergehende Säemann 3 bis 4 Maiskörner wirft und das Loch mit dem Fuße zutritt. Später muß der Mais noch einmal mit der Hacke gereinigt werden. Man muß indeß nicht glauben, daß — 11 — das rohe für den Mais beftimmte Land vorher gepflügt wird. Es wird nur von Geſtrüpp und Unkraut gereinigt. Da der Mais in dieſer Gegend nur 4 Monate bis zu ſeiner Reife braucht, ſo kann man denſelben zweimal im Jahre pflanzen. Von dem Mais werden grade ſo wie hier in Texas die Blätter und Spitzen, los hojas und la punta für Vichfutter in Bündel, manojos, (die man mit zwei Händen umſpannen kann) gebunden und wovon eine gewiſſe Anzahl die Tagesarbeit, tarea, eines indiſchen Feldarbeiters ausmacht. Im Auskernen des Maiſes haben die Indianer trotz ihrer kleinen Hände eine große Fertigkeit. Mit einem ſpitzen Holze ſtoßen ſie an jedem Maiskolben eine Reihe Körner aus, worauf ſie dann die Kolben ſehr ſchnell von allen Körnern durch Reiben auf den Stielenden eines zuſammengebundenen Bündels abgekörn⸗ ter Kornſtrunken befreien, indem ſie mit jeder Hand einen Kolben abreiben. Die mexikaniſchen krigoles find eine Art brauner Busch: eher, die einen ausgezeichnet guten Geſchmack haben. Die braune und herbe Brühe die beim erſten Abkochen entſteht, muß man jedoch vor der völligen Zubereitung der Speiſe abſchütten, Die Frigoles und die Banane ſind außer dem Mais das Haupt⸗ nahrungsmittel des Landvolkes. Von dem Anbau der Banane iſt in den letzten Jahren ſchon viel in den Zeitungen geſagt worden, ſo, daß es faſt un⸗ nöthig erſcheint, noch etwas Weiteres darüber zu erwähnen, vorausgeſetzt, daß Alles richtig war, was ſeiner Zeit Greely, Douai, Büchner ꝛc. in abolitioniſtiſcher Tendenz über die Banane im Widerſpruch mit Humboldt, Mühlenpfordt und Sartorius und den officiellen Berichten des mexikaniſchen Congreſſes darüber publicirt haben. Wer ein europäiſches Treibhaus geſehen hat, hat gewiß auch ſchon die Banane geſehen, mit ihrem armsdicken Stengel, der eigentlich nur aus übereinander gelegten Blattſcheiden beſteht und ihrer Blätterkrone von 6 bis 8 Fuß langen Blättern. Man ſtelle ſich einen dichten Wald ſolcher Bananen vor, deſſen Stämme — 112 — 6 bis 8 Zoll dick und 12 bis 15 Fuß hoch ſich in ein Blätterdach von 8 bis 12 Fuß langen Blättern endigt, die fortwährend im Lufthauch erzittern und rauſchen und man hat einen mexikaniſchen Platanar. In Mexiko werden drei Arten von Bananen gepflanzt (Musa paradisiaca, Musa regia und Musa sapientum). Sartorius ſagt über die Banane: „Sie iſt eine der herrlichſten Gaben, die die Gottheit dem Menſchen verlieh. Einmal gepflanzt hat man die ſchönſte der Stauden für eine ganze Lebenszeit, denn obgleich jeder Stamm nur einen Fruchtzweig trägt und dann abſtirbt, ſproſſen ſo viele, daß man wenigſtens 4 im Jahre von einem Stocke erhält, welche zuſammen gegen zwei Centner Nahrungsſtoff geben. Die nicht ganz reife Frucht enthält mehr Mehl als Zucker und dient als Gemüſe; die reife wird roh, gebraten, gekocht und auch getrocknet genoſſen; ſie dient als Futter für Hausthiere, zur Branntweinbrennerei und Eſſigfabrikation. Der Ertrag be⸗ ginnt ſchon 12 bis 15 Monate nach der erſten Anpflanzung. Die Faſer des Stammes dient als Bindematerial und für Mat⸗ tengeflecht und das 12 Fuß lange und 2 Fuß breite Blatt iſt das Tiſchtuch des Indianers. Es iſt wirklich merkwürdig, auf wie vielerlei Weiſe die Banane als Speiſe benutzt wird. In der tierra caliente macht ſie den Mais faſt entbehrlich. Unter allen Arten der Banane iſt wohl die Platana Arton (M. paradisiaca) die nützlichſte. Noch ehe die Frucht ganz reif iſt und ſie ihr Stärkemehl noch nicht in Zuckerſtoff verwandelt hat, ſchneidet man die geſchälte Frucht in dünne Scheiben, trocknet ſie an der Sonne und zerreibt ſie dann auf einem Reibſtein zu Brodmehl. Wenn man die reife Frucht in Scheiben ſchneidet und ſie in Fett backt, bis ſie eine hellbraune Farbe bekommen, dann ſchmeckt ſie grade wie gebackene Aepfel. Will man Aepfelbrei davon machen, ſo kocht man die Frucht zu Brei und gießt ein Paar Tropfen Eſſig hinzu, um die Obſtſäure zu erſetzen, die vielen tropiſchen Früchten ganz fehlt. Aber auch roh genoſſen, ſchmeckt die Frucht ſehr angenehm und kann mehr, als andere Obſtarten als tägliche und nahrhafte Koſt benutzt werden. — K — Der Aubau der Banane koſtet wenig Mühe. Man pflanzt die Schößlinge, hält das Land von Unkraut rein, bis die Pflanzen eine gewiſſe Höhe erreicht haben, wo dann das Unkraut unter dem Schatten der breiten Blätter erſtickt. In manchen Gegenden werden die Platanars bewäſſert. Bei Mirador waren ſie in tiefere Thäler in fruchtbare ſchwarze Dammerde gepflanzt. Die Pflanzen werden 6 bis 9 Fuß weit auseinander gepflanzt. Auf eine Fläche von 900 Quadratfuß rechnet man ohngefähr 36 Ba- nauen-Pflanzen. Nach 10 bis 11 Monaten kommt die Frucht zur Reife, d. h. aber nicht alle Früchte zu gleicher Zeit, ſondern nach einander das ganze Jahr hindurch, was für den Unterhalt einer Familie ſehr bequem iſt. Die Frucht, die in einer 50 bis 60 Pfund ſchweren Traube von einzelnen den Gurken ähnlichen Früchten beſteht, wäre ſehr ſchwer von ihrem 10 bis 20 Fuß hohen Standort herunter zu nehmen, wenn nicht der Stamm aus einem ſo weichen Stoff beſtände, daß man ihn ſo leicht wie Speck mit einem Meſſer durchſchneiden könnte, wo ſie dann ſammt dem Stamm zur Erde fällt und von demſelben abgenommen wird. Der Stamm an ſich, hätte keine Frucht mehr gebracht. Aber aus demſelben Wurzelſtock haben ſich ſchon bereits vor der Reife der Frucht wieder eine Anzahl neuer Schößlinge gebildet, von welchen man die kräftigſten ſtehen läßt, deren jeder in 3 bis 4 Monaten auch eine Frucht trägt, die dann wieder wie die erſte abgenommen wird, indem man den Stamm fällt. Man nimmt die Früchte ab, ehe ſie ganz reif ſind und hängt ſie zu Hauſe unter Dach auf, wo ſie in einigen Tagen gelb und zuletzt ihr Ueberzug ganz ſchwarz werden. Jede einzelne Frucht der großen Art (macho) iſt eine dreiſeitige, gekrümmte, gurkenähnliche Frucht von 8 bis 10 Zoll Länge. Die ganze Fruchttraube enthält oft an 180 Stück dieſer Früchte. Ich beſaß ſelbſt einen kleinen Platanar von einem halben Acker, den ich für Doll. 20 gekauft hatte. Wenn ich mir Früchte aus demſelben holen wollte, ſo nahm ich jedesmal 2 Trauben, die ich mit ihren Stielen zuſam⸗ men band und ſie von meinem Pferde, dem ich ſie über den Sattel legte nach Hauſe tragen ließ. Zwei ſolcher 9 180 wogen 120 bis 170 Pfund. N 8 — 114 — Humboldt berechnet, daß eine halbe Hectare, nicht ganz zwei Morgen Landes, mit Bananen bepflanzt, zur Nahrung von 50 Menſchen hinreicht, während dieſelbe Fläche mit Weizen beſtellt im nördlichen Europa in gewöhnlichen Jahren nur für etwa zwei Menſchen Brod liefert. Mit Kartoffeln beſtellt würde ſie deren etwa ſechs ernähren können. Die ſehr bedeutende Menge von Nahrungsſtoff, welche die Banane liefert, veranlaßt auch, daß man über die geringe Ausdehnung der mit ihr bebauten Felder erſtaunt, welche in den heißen Landſtrichen, die von ſtarken In⸗ dianerfamilien bewohnten Orte umgeben. ine aus Afrika ſtammende Art von Banane mit kurzen, mehr rundlich walzenförmigen Früchten und mit ſüßem weichem Fleiſch wird faſt blos roh gegeſſen. Sie wird nicht viel über drei Zoll lang und iſt eine der delicateſten tropiſchen Früchte. Dieſe Art (M. sapientum?) wurden den Negern zu Lieb ſchon früh von den Spaniern aus Afrika nach Weſtindien und Mexiko verpflanzt. Im Lande heißt dieſe Art Cambori und Dominico. n den heißen Thälern der weſtlichen Abhänge wird noch eine vierte Art gebaut, Musa troglodytarum, die ich nicht geſehen habe. Schon die wiſſenſchaftlichen Namen, M. paradisiaca, sapi- entum und troglodytarum bezeichnen als Haupteigenſchaft dieſer Pflanzengattung, daß ſie den Menſchen der Arbeit und der Nah— rungsſorgen entheben, und die Banane thut dies wirklich mehr, wie der jo viel gerühmte Brodbaum. Eine Zeit lang war mein Platanar für mich und meine Hunde das Hauptnahrungsmittel und dabei verkaufte ich noch, da ich am Wege wohnte, für man⸗ chen Medio (halben Neal) 12 Stück Platanos, während man 50 Orangen für einen Medio kaufen konnte. Zu Zeiten der mexikaniſchen Republik von 1824, wo man allerlei Verbeſſerungen im Lande einführen wollte, wo unter Anderem auch ſchon Kameele durch das Gouvernement eingeführt worden waren, die nachher wieder völlig verſchwunden ſind, verfiel der Congreß auf den ſonderbaren Gedanken, alle Platanars im Lande auszurotten, weil durch die Zucht der Bananen das Volk nicht mehr zu ar⸗ beiten brauche und zur Indolenz verleitet werde. Meiner Mei⸗ nung nach liegt der Grund der Indolenz eines Menſchen mehr 1 =, IR ie in feinem angebornen Character, als in den äußeren Umftänden. Der Deutſche und der Nordamerikaner werden auch in dem tropiſchen Klima und unter den paradieſiſchen Bananen nicht indo— [ent werden, dafür bürgt uns ihr raſtloſer Geiſt und ihr ſtreb⸗ ſamer Egoismus. Von anderen Gewächſen zum unmittelbaren Haus- und Küchengebrauch habe ich eine kaum des Erwähnens werthe kleine Anpflanzung von Maniot ( Fatropha Maniot) geſehen. Die Wurzeln deſſelben erreichen eine große Länge und Dicke, manchmal jo dick wie eines Mannes Bein. Gekocht, oder in Aſche gebraten iſt dieſelbe ganz den ſüßen Kartoffeln ähnlich, doch von etwas feſterer Subſtanz Roh gerieben und ausgeſchlemmt gibt die Manioc⸗ wurzel 75 Procent Stärkemehl. Alles Stärkemehl, von dem in Mexiko, bei der bis in die unterſte Klaſſe von Indianern ver: breiteten Sitte, weiße, geſtärkte Hemden zu tragen, ſehr viel ge— braucht wird, wird von der Maniocwurzel bereitet. Der Gebrauch des Maniocmehls für Brod in Braſilien iſt bekannt. Der Anbau des Manioc geſchieht wie bei den Kartoffeln, durch Legung von Wurzelknollen, aber erſt in 7 bis 9 Monaten bringt die Pflanze reife Knollen und erſt in 15 bis 22 Monaten erreichen dieſe eine Schwere von 6 bis 12 Pfund. Ein ausgezeichnetes einjähriges Küchengewächs, die Chaiote (Sechium edule) darf ich zum Schluſſe nicht vergeſſen, da dieſes Gewächs ſich auch vortrefflich für manche Gegenden der ſüdlichen Staaten Nordamerikas eigenen würde. Die fauſtgroße Frucht der Chaiote hat faſt vollkommen den Geſchmack einer zarten Kohlrabi und zugleich trägt ſie auch in der Erde viele eßbare Knollen. Die Anpflanzung der Chaiote iſt die leichteſte von der Welt, man wirft nur eine reife Frucht an einen Zaun oder ein Haus, worauf dieſe Wurzeln ſchlägt und mit ihren Ranken, die bunbertfältig tragen, den Zaun oder das Dach des Hauſes bedeckt. Nachdem ich nun meine Leſer, wie ich hoffe, auf eine an⸗ ſchauliche Weiſe mit dem Ackerbau der deutſchen Colonie im Staate Veracruz bekannt gemacht habe, muß ich ſie zur Abwech⸗ ſelung auch noch einmal hinaus in die ſchöne tropiſche Natur der tierra templada in der Umgegend der Anſiedelung führen, 3 — 116 — die meinen Leſern ſchon theilweis als die des weltberühmten Jalappa bekannt ſein wird und von deſſen Lage Mühlenpfordt ſagt: „In der Umgegend von Jalappa iſt die Natur im höchſten Grade üppig und die heiße und gemäßigte Zone vereinigen ſich hier auf eine wunderbar eigenthümliche Weiſe. Ueberall von Gebirgen und Anhöhen umgeben iſt die Gegend geſchützt gegen Nord- und Nordweſtwinde, welche weiter unten und höher hinauf nachtheilig auf die Vegetation wirken. Ihre Höhe iſt dieſelbe. in welcher die von dem mexikaniſchen Golf heranziehenden Wolken die Cordilleren berühren, und dies gibt der ſtets etwas feuchten Luft eine balſamiſche Weiche, den Pflanzen eine ewige reizende Friſche.“ Zufolge des Naturgeſetzes, daß 3000 Fuß Erhebung über die Meeresfläche beinahe 10 Grad. Unterſchied im Klima gleich kommen, finden wir im tropiſchen Mexiko alle Klimate zuſammen auf der nämlichen Breite, und ſo hat die deutſche Colonie, die in der Nähe von Huatusco, Cordova und Jalappa liegt, ohngefähr auf dem 19. Grade der nördlichen Tropengegend und ohngefähr 3000 Fuß über der Meeresfläche ein ziemlich ge: mäßigtes Klima von ohngefähr 18 Grad R. mittlerer Wärme, während die höchſten Wärmegrade, die ich in anderthalb Jahren dort erlebte ohngefähr 32 Grad R. und die niedrigſten + 7 Grad R. betrugen. Ueberhaupt beträgt der Temperaturwechſel in jener Gegend innerhalb 2 Stunden gewöhnlich nur 4 bis 5 Grade, und der Unterſchied zwiſchen dem längſten und kürzeſten Tag beträgt daſelbſt nur zwei Stunden. Regelmäßig weht in dieſer Gegend im Sommer während des Tages ein erfriſchender See— wind und während der Nacht Landwind. Während des Winters treiben die Nordwinde die Dünſte auf den Golf, die dann durch die Paſſatwinde als Nebel und Staubregen auf der Oſtabdachung der Cordilleren niedergeſchlagen werden und vom Mai bis No⸗ vember herrſcht die Regenzeit, ſo daß jene Gegenden das ganze Jahr hindurch keinen Mangel an Feuchtigkeit jet und der Pflanzenwuchs fortwährend gedeiht, grünt, blüht und Früchte trägt, weßhalb in dieſer Gegend auch manche Pflanzenart, die unter einer nördlicheren Breite einjährig iſt, als ausdauerndes Gewächs viele Jahre hindurch lebendig bleibt. — 117 — In der Gegend der deutſchen Colonie begann die Regen⸗ zeit im Mai und hörte im November auf. In der deutſchen Colonie war es ein ſicheres Zeichen, daß in ein bis zwei Tagen die Regenzeit beginnen würde, ſobald wir das hinter dem Berge liegende Städtchen Cordova, durch Luftſpiegelung gehoben, ſehen konnten. Im Anfange und gegen das Ende der Regenzeit kamen die Regen etwas unregelmäßig, aber in der Mitte derſelben oft Monate lang bis auf die Stunde regelmäßig. Um vier Uhr Nachmittags hörte man einen Donnerſchlag, gleichſam als Sig— nalſchuß, worauf dann bald der Regen über den Wald daher— rauſchte und mit Unterbrechungen bis nach Mitternacht anhielt. Am Morgen und den Tag über war das ſchönſte helle Wetter. Die ganze Pflanzenwelt gedieh zuſehends. Von den ſchönen Naturerſcheinungen, die ich in jener Ge⸗ gend erlebt habe, will ich nur einige erwähnen: In der leichten und reinen Luft ſtieg oftmals der Rauch vom Feuer nicht aufwärts, ſondern legte ſich in einer niedrigen Schicht dicht über den Boden. Ich hatte meine Hütte auf dem Gipfel eines kegelförmigen Berges erbaut, wo es ſich ganz ſonderbar ausnahm, wenn der Rauch von meinem Kochfeuer, ſtatt in die Höhe zu ſteigen, oft ganz ſchnell an der Seite des Hügels wie ein Bach hinabfloß. Denſelben Grund hatte die eigenthümliche Erſcheinung, daß der durch den Nordwind herbeigetriebene Nebel ſich in einem ſo ſchönen horizontalen Niveau in die Thäler lagerte, daß derſelbe wie ein nach allen Seiten ſich erſtreckendes graues Meer ausſah, aus welchem die Berggipfel wie eine Inſel⸗ reihe hervorragten. Wenn die Savannen an den Abhängen des Orizaba abge: brannt wurden, ſo hätte man manchmal glauben können, daß der alte Vulkan wieder anfange thätig zu werden, denn am Tage ſah man dann dichte Rauchwolken aus den Schluchten des Ber⸗ ges hervorquellen und bei Nacht lange Reihen ſpitzer Flammen. Wenn vor der Regenzeit, wie das der Fall iſt, die niedergehaue⸗ nen und getrockneten Hecken und kleineren Bäume auf dem ge⸗ klärten Lande verbrannt wurden, verbreitete ſich das Feuer wie ein reißender Sturm, die größeren Bäume, die die Mexikaner — 118 — mit ihrem armſeligen Tencole nicht niederhauen können, werden dann wie vom Sturmwinde durch die von der Hitze bewegte Luft hin und her bewegt, bis zuletzt auch ihr Laub und ihre Zweige in Brand gerathen. Alles praſſelt, knattert und knallt, der ganze Himmel bedeckt ſich mit Rauch und die tropiſche Sonne erſcheint ſtrahlenlos, wie eine dunkelrothe Scheibe. Wenn dann am an- dern Tage der Brand vorüber iſt und die Sonne wieder hell und warm ſcheint, ſo bilden die von Aſche ſchneeweißen Hügel einen gar ſonderbaren Contraſt zu dem ſommerlichen Wetter. In dem dunkelblauen Himmel glänzen und flimmern des Nachts die Sterne ſo hell, wie in einer klaren deutſchen Winter— nacht, und wenn der Vollmond ſcheint, verbreitet er ein ſo kla— res Licht, wie ein nordiſcher Tag. Was noch um ſo täuſchen⸗ der die tropiſche Vollmondnacht einem deutſchen Tage ähnlich macht, das ſind die längeren Schlagſchatten, die man bei der ſenkrechten tropiſchen Sonne nie ſo gut zu ſehen bekommt. Des Morgens, wenn die Sonne über die ſchmalen langen Wellenſtreifen des Meeres heraufſteigt, erglüht der ſchneeig Gip⸗ fel des Orizaba eben jo ſchön, wie die Firmen der Schweizer: alpen. Wenn ſich dann am Abend die Sonne hinter die Berge hinabſenkt, dann erſcheinen am Himmel die wunderbarſten Far: benſpiele von violettem, gelbem, rothem und grünem Licht. Manchmal theilt ſich dann, wenn die Sonne eben untergegangen iſt, der ganze weſtliche Himmel in drei nach dem Untergangs⸗ punkte ſpitz zulaufende Felder, von welchen das eine roth, das zweite blau und das dritte lichtgelb iſt, während in dem blauen Felde der Abendſtern hell glänzt. Wenn die Sonne untergegan— gen und das Farbenſpiel am weſtlichen Himmel zu Ende iſt, dann erſcheint. manchmal noch am öſtlichen Himmel, ähnlich einer Morgenröthe, ein rother Widerſchein der bereits hinter den Ber⸗ gen verſchwundenen Abendröthe. Auf eine kurze Dämmerung folgt dann ſchnell die Nacht. — Bei dem Anblick ſo herrlicher Naturſcenen bedarf es wahrlich keines beſonderen sentimentalen Charakters, wenn man einſam und nur auf ſeine SSR beſchränkt, in die Worte des frommen Parſen ausbricht; 5 — 19 — Wenn wir oft geſehen den König reiten, Gold an ihm und Gold au allen Seiten, Edelſtein auf ihn und ſeine Großen Ausgeſät wie dichte Hagelſchloßen, Habt ihr jemals ihn darum beneidet? Und nicht herrlicher den Blick geweidet, Wenn die Sonne ſich auf Morgenflügeln Darnawends unzähligen Gipfelhügel Bogenhaft ſich bervorhob? Wer enthielte Sich des Blicks dahin? Ich fühlte, fühlte Tauſendmal, in ſo viel Lebens Tagen, Mich von ihr, der kommenden getragen. Aber ſtieg der Feuerkreis vollendet, Stand ich als in Finſterniß geblendet, Schlug den Buſen, die erfriſchten Glieder, Warf mich Stirn voran zur Erde nieder Wenn ich ſagte, daß in dem tropiſchen Klima von Mexiko alle Klimate auf derſelben Breite vorkommen, ſo will ich jetzt noch hinzufügen, daß fie manchmal auch jo nahe nebeneinander vor- kommen, daß man in wenigen Stunden durch alle verſchiedenen Klimate wandern kann. Mexiko hat hohe, ſchneebedeckte Berge mit einem ganz kalten Klima. Am Fuß dieſer Berge iſt in der tierra templada ein gemäßigtes Klima, und wenn dann in der Nähe ſich eine 2000 Fuß tiefe Baranka befindet, ſo hat man am Boden derſelben ein heißes Klima. Eine dergleichen Baran⸗ ken iſt die von Santa Maria in einiger Entfernung von Mira⸗ dor. Auf der Sohle dieſer Baranka fließt ein Bach, ſind Bana⸗ nenfelder und befindet ſich eine von hohen Palmen umgebene Kirche. Näher bei Mirador iſt eine andere ſchöne Baranka, die jedoch nur 800 Fuß tief iſt. Dieſe Baranken kommen in der dortigen Gegend, und auch ſonſt in Mexiko häufig vor; es ſind Schluchten von oft ſich verengender und wieder erweiternder Sohle, mit ſenkrechten Seitenwänden. Auf dem Grunde fließt gewöhnlich ein kleiner Bach, und ſie haben ganz das Anſehen, als ſeien ſie Sprünge und Riſſe, die durch vulkaniſche Erſchüt⸗ terungen in dem Felsboden entſtanden ſind, denn die gegenüber ſtehenden Kanten und Winkel beider Seiten der Baranka corres⸗ pondiren oft deutlich mit einander. Zugänge und Uebergänge durch dieſe Baranken gibt es jedesmal nur wenige ſchmale, ſteile Pfade, die nur für Menſchen und Maulthiere gangbar ſind. Während der Regenzeit ſind die meiſten dieſer Baranken nicht zu paſſiren, weil auf dem Grunde derſelben dann der kleine Bach zu einem wilden Waldſtrom augeſchwollen iſt, der donnernd Fels: blöcke und Baumſtämme mit ſich fortrollt. Manchmal haben während der Regenzeit bei den revolutionären Katzbalgereien, die kampfbegierigen feindlichen Parteien anf den entgegengeſetzten Seiten einer Baranka ſich Monate lang gegenüber geſtanden, ohne daß eine der anderen etwas zu leid thun konnte. Herr Eduard Friederich hatte einen Rancho, auf welchem ſein Wohnhaus in der Nähe einer ſchmalen Baranke ſtand, über die kein Weg führte. Ihm gegenüber auf der anderen Seite, wohnte eine mexikaniſche Familie, die wir jeden Tag ſo deutlich ſehen konnten, daß wir ihre Geſichtzüge unterſcheiden konnten. Wir beſuchten indeß dieſe Lente nie, denn um die Baranka ber: umzureiten, hätte man einen ganzen Tag gebraucht. In die vorerwähnte näher bei Mirador liegende, 800 Fuß tiefe Baranka machten unſerer fünf einmal einen Ausflug. Der Weg, der in dieſelbe führte, war ſteil, aber ziemlich bequem. Auf dem halben Wege abwärts war durch einen breiten überhän— genden Fels eine Art Obdach gebildet, unter welchem wir noch die Spuren von dem Aufenthalt vieler Menſchen fanden, die ein— mal während einer Revolution, wo wie gewöhnlich improviſirte Räuberbanden unter der Maske von Inſurgerten das Land un⸗ ſicher gemacht hatten hier Schutz ſuchten. Es war im Winter, als wir in die Baranka hinunterſtiegen, aber unten waren die Schmetterlinge, Schlangen, Affen und Papageien ſo häufig und munter wie oben im Sommer. Auch eine Bananenpflanzung eines Indianers ſahen wir unten. Einen großen ſchwarzen Affen, der ſich behende in den Gipfeln der Rieſenbäume herum⸗ trieb, konnten wir nicht zu Schuß bekommen. Das Schönſte in der Baranka, das uns einer in derſelben Bekannter zeigen wollte, war ein grotesker Waſſerfall, den man jedoch nur zu Geſicht be⸗ kommt, wenn man ſich um einen ſcharfen Vorſprung der delſen — „„. — 121 — wand herumſchwang. Nachdem wir uns an dem Anblick des ſchönen Sturzbaches geſättigt hatten, mußten wir natürlich wie— der um dieſelbe Felsecke herumklettern. Da ich ſelbſt für den beſten Kletterer gehalten wurde, blieb ich bis zuletzt zurück. Da durch meine Vorgänger jede Schlingpflanze und jede Wurzel ſchon ab— geriſſen war, ſo war es eine baare Unmöglichkeit für mich, um die Felsbrüſtung herum zuklettern. Da trat Herr O. Friederich, der damals eine außerordentliche Stärke in ſeinen Armen beſaß, ſo nahe als möglich an den Vorſprung und ſtreckte ſeinen Arm nach meiner Seite aus. Mit einem Fuß ſtellte ich mich auf ſeine Hand und ſchwang mich glücklich um die verhängnißvolle Ecke, wo tief unter mir der Bach ſich donnernd in Schaum und Staub auflöste. Wie ich von Anfang in meinem Bericht über die deutſche Colonie in dem tropiſchen Mexiko bemerkt habe, bin ich von einer Anzahl meiner geehrten Leſer eigends zur Abſtattung dieſes Be⸗ richtes aufgefordert worden. Meine Bemühung war es, meinen Leſern die ein Intereſſe an dieſem Theile von Mexiko nehmen, Auſchauliches und aus dem Leben Gegriffenes zu geben, das man ſo im Detail nicht in Büchern findet. Wer freilich nur eine unterhaltende Lectüre in meinem Berichte zu haben wünſcht, für den mag derſelbe oft zu ſehr ins Kleinliche und Unbedeutende ausgedehnt ſcheinen. Aber grade, wenn man ein Land nicht blos aus der Vogelperſpective des Statiſtikers, ſondern aus der Nähe des täglichen Lebens an Ort und Stelle betrachtet, bekommt man ein lebendiges und ausführliches Bild deſſelben. Ein ſolches Bild zu geben, war mein Beſtreben, weil ich auf dieſe Weiſe die Anſprüche der Herren, die mich eigends zu dieſem Berichte aufge⸗ fordert haben, am beſten zu befriedigen hoffte. Nur noch zwei Fortſetzungen meines Berichtes denke ich folgen zu laſſen: Heute Etwas über das Leben der Eingebornen und der einheimiſchen Thierwelt und das ane über die inneren mad der 3 Colonie. | Eine ausführliche Abhandlung über: die eee Mexikos finder ſich in Mühlenpfords „Mexiko,“ die ſehr des Leſens werth i Bekannt iſt es, daß in Mexiko viele verſchiedene Stämme — 122 — und ſogar verſchiedene Nationen von Ureinwohnern ſich neben einander befinden, die nicht nur verſchiedene Dialecte, ſondern ganz verſchiedene Sprachen reden. Die wenigſten Bewohner Mexikos und nur ſolche, die in der Nähe von Städten wohnen, ſprechen Spaniſch. Die, welche Spaniſch ſprechen, ſprechen dieſe Sprache ſehr rein aus, obwohl ſie zum Theil ſehr unrichtig ſprechen. So verwechſeln ſie faſt beſtändig verwandte Begriffe, wie z. B. mercar und comprar, verkaufen und kaufen. Das Indianiſche hört ſich ſehr ſonderbar an mit ſeinen vielen Kehl⸗ lauten und mit dem jo oft ſich wiederholenden tl, was faſt in jedem Worte vorkommt. Die Unterſchiede unter dieſen Kehllauten ſind oft ſo fein, daß es jahrelanger Beobachtung für einen Fremden braucht, um ſie nur durch das Gehör unterſcheiden zu können, geſchweige um fie ausſprechen zu lernen. Die chriſtlichen Miſſio— näre waren freilich genöthigt dieſe urindianiſchen Sprachen für ihre Bekehrungszwecke zu erlernen, die Ausſprache hielt ihnen aber immer ſehr ſchwer. So erzählte mir ein Indianer, als ein ſpaniſcher Geiſtlicher, der in indianiſcher Sprache predigte, auf einmal, als er durch Erwähnung des „heiligen Blutes Jeſu Chriſti“ die Gemeinde in die größte Rührung verſetzen wollte, Alles in Lachen ausbrach, weil er den indianiſchen Kehllaut des Wortes Blut ſo ausſprach, als ſpreche er von der heiligen „Bohne“ Chriſti. Eine ſonderbare Eigenthümlichkeit, die ich in der asteki⸗ ſchen Sprache bemerkt habe, iſt, daß ſie nach einem Fünferſyſtem und nicht nach einem Zehnerſyſtem zählen. Was das Familienleben der mexikaniſchen Indianer in der Nähe der deutſchen Anſiedlung betrifft, ſo leben Viele in wilder Ehe, weil die geiſtliche Copulation für den armen Mann ge⸗ wöhnlich zu hoch zu ſtehen kommt. Im Allgemeinen leben die Eheleute ſehr friedlich. Die Kinder gehen nackt bis ins ſiebente Jahr. Auch die erwachſenen Mexikaner ſind mehr gegen kühles Wetter abgehärtet, wie wir Europäer und haben auf jeden Fall eine dickere und unempfindlichere Haut, wie wir. Im All⸗ gemeinen, wie ich dieſe Indianer habe kennen lernen, ſind ſie höfliche, freundliche und wohlwollende Menſchen, awer eine ganz beſondere Neigung immer lieber die Unwaheheit, wie — — die Wahrheit zu jagen. Sie haben viel mechaniſches Geſchick und ſind ſehr acurat in ihren Arbeiten. Sie ſind nicht ſehr ſtark gebaut, können aber deſſen ungeachtet ſchwere Laſten auf weite Entfernungen tragen. Wenn man durch fie auf einige Entfernung einen Brief will beſorgen laſſen, ſo thut man wohl daran, wenn man den Brief mit einem ſchweren Stein zuſam⸗ menpackt, dann halten ſie die Sache für wichtiger und beſorgen den Brief ſicher, den ſie n nur für ein werthloſes „papel“ halten würden. Außer daß ſich manchmal, was aber ſelten in der Colonie vorkam, ein Indianer in Chingirito (Brantwein aus Syrup und Zucker) betrank, leben dieſe Indianer ſo mäßig in Eſſen und Trinken, daß man kaum begreift, daß ein Menſch ſo weniger Lebensmittel bedarf. Faſt bei jeder Mahlzeit genießt indeß der Mexikaner ſpaniſchen Pfeffer, Chili colorado (Capsicum annuum). Als vor einigen Jahren die Cholera auch in dieſe Gegend ge— drungen war, ſtarben viele Indianer ſchnell weg und keine Arznei wollte bei ihnen anſchlagen. Die deutſchen Aerzte gaben dem vielen Genuß von ſpaniſchem Pfeffer die Schuld dieſer Er⸗ ſcheinung, auch ſoll der häufige Genuß dieſes Pfeffers einen Einfluß auf die Farbe der Haut haben. Die gewöhnlichen Lebensmittel des dortigen Indianers beſtehen in den bekannten Tortillas, den braunen Bohnen (Frigoles) und einer Brühe von Mais, Atole, ſeltener in Fleiſch, welches gewöhnlich in dünne Riemen geſchnitten und an der Sonne gedörrt wird (Daſago). Die mexikaniſchen Indianer ſind oft ſehr gute Jäger und betreiben die Jagd gewöhnlich auf die urſprüngliche alte Weiſe, mit Hunden und mit einem Jagd⸗ meſſer bewaffnet. Die Hunde treiben die Thiere in die Enge und der Jäger fängt ſie mit ſeinem Meſſer ab. Hirſche gab es dort, aber wenige, auch eine kleine ſchöne Garzellenart, kaſtanien⸗ braun, ſo groß wie ein gewöhnlicher Hühnerhund mit kleinen ſchwarzen Hörnchen (gamito der Mexikaner). Außerdem ſind dort wie hier der Waſchbär und das Opoſſum häufig. Den Waſchbär nennen die Mexikaner dechon (Dachs) und das Opoſ— un tlaquatschi. Auch der Jaguar (felis concolor) und die Unze — 2 — (felis onca), der amerikaniſche Panther und Tiger, der leon und el tigre der Mexikaner werden von muthigen Jägern ohne Feuer: gewehr gejagt. Wenn dann das Thier am Ende einer Felſen⸗ ſchlucht in die Enge getrieben iſt, dann hält ihm der Jäger mit ſeiner linken Hand einen belaubten Aſt oder ſeine Serape ent⸗ gegen und verſetzt ihm mit ſeiner Machete den Todesſtoß. Die Machete iſt eine zweiſchneidige drei Fuß lange Klinge, die aber trotz ihrer ſpaniſchen Aufſchrift, die ſie führt, auf einer Seite: „No me saccas sin razon und auf der anderen „no me embaines sin honor (Ziebe mich nicht ohne Urſache und ſtecke mich nicht ein ohne Ehre), doch gute alte Solinger Bekannte ſind. Manchmal zieht ſich das Raubthier auch in eine Höhle zu: rück. Dann wird der Eingang der Höhle mit dürrem Holz und Reiſig gefüllt und mit vorgewälzten Felzblöcken geſchloſſen. Das Reiſig wird angezündet und das Thier durch den Rauch erſtickt. Einmal wohnte ich einer Tigerjagd bei, wo ſie das in ſeine Höhle eingeſchloſſene Thier drei Tage lang räucherten. Am zwei⸗ ten Tage brüllte das Thier zu Zeiten ſo ſtark, daß es ſelbſt den Donner eines ſtarken Gewitters übertönte. Nur ſehr vorſichtig wagten ſich die Mexikaner am dritten Tage in die Höhle. Das Thier war todt und ſein ſchönes Fell ganz unverſehrt vom Feuer. Der Körper ohne den Schweif maß 6 Fuß. Als ich es abzog, fand ich zwiſchen Fell und Fleiſch an ſeiner rechten Seite eine Musketenkugel, die das Thier in die linke Seite getroffen hatte und ſo um den halben Körper herumgelaufen war. Ein Franzoſe, ein Nachbar von mir, ſchoß einen Leon, der auf einem Baume einen Affen verfolgte. Sowohl der eben er⸗ wähnte Tiger, wie dieſer Leon waren voll von Flöhen und Zecken. Sonderbarer Weiſe eſſen die Mexikaner das Fleiſch des Leon, aber nicht das des Tiger. Gute eßbare Jagdthiere ſind die Tapire, Gürtelthiere und Affen. Die Tapire waren in der Gegend von Mirador ganz ausgerottet, weil ſie wegen ihrer Zahmheit ſo leicht zu jagen ſind. Die Gürtelthiere ſind ſehr wohlſchmeckend, aber das wohl⸗ ſchmeckendſte Fleiſch, das ich jemals gegeſſen habe, iſt Affen⸗ fleiſch. Wenn Menſchenfleiſch eben jo wohlſchmeckend iſt, wie zu — 125 — vermuthen, dann kann man den Comanches, Lipans und Tra⸗ kaways dieſe kanibaliſchen Gelüſte nicht verdenken. Als ich einſt in eine indianiſche Hütte eintrat, hatten ſie einen abgezogenen männlichen Affen am Spieß, der grade fo ausſah, wie ein zwei⸗ jähriger Knabe. Es koſtete mich einige Ueberwindung von dem angebotenen Fleiſche zu eſſen, aber ich hatte es ere nicht zu bereuen, ſo koſtbar mundete mir dieſe Fleiſchart. Haup tlichtpunkte im Leben dieſer mexikaniſchen e bilden ihre geſellſchaftlichen Vergnügungen. Ich habe davon zwar weiter nicht viel geſehen, als ihre ſogenannten Fade aber dieſe ſind ſo fröhliche, heitere und zugleich ſo anſtändige und frugale Tanzvergnügen, wie ich ſie ſonſt nirgendwo geſehen. Wenn man in dortiger Gegend einen Fandango halten will, ſo läßt man es die Nachbarſchaft wiſſen, ſorgt für ein Paar Gui⸗ tarrenſpieler, die mit ihren Guitarren und ihrem Geſang die Tanzmuſik bilden und läßt am Abend einige Raketen ſteigen, worauf ſich Tänzer und Tänzerinnen auf dem gaſtlichen Rancho verſammeln. Gegeſſen wird bei ſolchen Fandangos nichts und ge— trunken nur ſehr wenig, allenfalls etwas Mandelmilch, die von den Kernen (pepitas) einer großen Kürbisart gemacht wird, nichts koſtet und ſehr erfriſchend und angenehm ſchmeckt. Auf einem ſolchen Fandango werden ſtets ſehr vielerlei Tänze aufgeführt, die meiſt darin beſtehen, daß die Männer in einer Reihe ihren Tänzerinnen in der anderen Reihe gegenüberſtehen, doch gibt es auch Tänze, wo nur ein Einzelner und dann eine einzelne Tänzerin ſich produciren. Einer dieſer Tänze iſt eine Art Waffentanz, wo der Tänzer ſich geſchickt zwiſchen den Spitzen der zweiſchneid⸗ igen Klingen ſeiner ihn umſtehenden Kameraden bewegt, auch mit ſeinem eigenen Degen allerlei für ihn gefährliche Wendungen und Sprünge macht. Ein ſpaßhafter Tanz eines Mädchens iſt der, daß ſie nach und nach ſich alle Hüte der umſtehenden Männer auf den Kopf ſetzt und dann fortwährend tanzend ſich zuletzt mit einem Thurm von Hüten auf dem Kopfe in den ge: wandteſten graziöſeſten Stellungen bewegt, worauf allgemeiner Applaus, aber immer im Tacte der Muſik, erfolgt und die ei Tänzerin, dann zu kleinen Geſchenken berechtigt its die fie mit einem Hute von der Geſellſchaft einſammelt. 6 Gewöhnliche Tänze find der bolero, eee ln paloma. Ein ganz eigenthümlicher Tanz iſt el orphanito, das Waiſen⸗ kindchen. Die den Tänzern in einer Reihe gegenüberſtehenden Tänzerinnen knieen ſich alle auf ein gegebenes Zeichen der Muſik. Die Tänzerinnen ſtellen die Waiſenkinder vor und die Tänzer umtanzen die Knieenden und machen den „armen Waiſenkind⸗ chen“ alle erdenklichen Liebkoſungen, die den Worten des Geſan— ges des Guitarrenſpielers entſprechen. Raſch, auf ein gegebenes Zeichen der Muſik ſpringen dann die Tänzerinnen wieder auf und tanzen eine Zeit lang den Tänzern gegenüber, bis dieſe auf ein gegebenes Zeichen ſich auf die Kniee werfen und nun ihrer⸗ ſeits von den Tänzerinnen geliebfost werden. — In einem anderen Tanze tanzen alle Tänzer jeder ſeiner Tänzerin allein gegenüber. Die Tänzerin ſingt improviſirend nach dem Takt der Muſik einen Vers und der Tänzer antwortet ihr daun, nach dem Takt der Muſik ſingend. Wenn der improviſirte Vers den Zu⸗ hörern gefällt, dann klatſchen und lachen dieſe, aber immer nur im Takte der Muſik. So habe ich dieſe Indianer halbe Nächte lang auf die anſtändigſte und höflichſte Weiſe, beim Schein einiger. Talglichter und mit den Cigarritos im Munde, ohne Eſſen und Trinken ſich herrlich vergnügen ſehen. Hausthiere: Pferde werden in der deutſchen Colonie nur als Reitpferde gehalten, die man am Seile an einen Buſch in der Nähe anband, wo Gras vorhanden war und gelegentlich mit Mais fütterte. Von einem Pferdediebſtahl habe ich nichts ge⸗ hört, ſo lange ich in der Colonie war. Maulthiere hatten die Zuckerplantagen von Stein und Sar⸗ torius, ſowie die Kaffeplantagen von Gründler eine bedeutende Menge, die ſie zum Transport ihrer Produkte gebrauchten. er dieſe Maulthiere war ein Aufſeher geſetzt (ein mayor domo). liefen Wel in der Umgegend herum. Kühe gab es keine, außer in der vacceria, die ich früher beſchrieben und die unter einem beſonders angeitellten Hirten be: ſtand. Milch und Butter war nicht zu haben. Zugochſen gab es u — — 127 — nicht. Auf ſämmtlichen Plantagen der Colonie gab es keinen Pflug und doch hätten die Zuckerplantagen zur Zeit des Pflan⸗ zens täglich Doll. 20 ſparen können, wenn ſie die Furchen zum Pflanzen des Zuckerrohrs mit dem Pflug gezogen hätten, ſtatt ſie von den indianiſchen Arbeitern mit dem Tencole ziehen zu laſſen, welches, wie früher erwähnt, nichts iſt, als ein zwei Fuß langes ſchweres Waldmeſſer mit einem Hacken an ſeiner Spitze. Schweine ſah ich nur an Seilen angebunden bei den Häu⸗ ſern der Indianer. Ziegen kamen manchmal zu Zehntauſenden, die mit einem halben Dutzend, oder mehr Hirten und Hunden eine nomadiſche Lebensart führen, jo daß fie im Sommer in der tierra frin und im Winter in der tierra templada und caliente waren. Alle Hügel der Umgegend waren dann mit dieſen mederuden Heerden bedeckt und in drei Tagen waren Savannen und alle Gebüſche ſo kahl abgefreſſen, als wären die Heuſchrecken im Lande geweſen. Die Raubthiere folgten dieſen großen Heerden und manche Ziege ging trotz der Wachſamkeit der Hirten verloren, manche wurde auch nebenhinaus, por dos reales das Stück von den Hirten verkauft. Als ich mich nach der Verwendung dieſer großen Zie— genheerden erkundigte, erfuhr ich, daß dieſelben Lichterziehern in Mexiko gehörten, die ſie des Talges wegen hielten. In dem Leben der in dem Naturzuſtande lebenden Thiere iſt manches ſehr eigenthümlich. Affen gibt es dort verſchiedene Arten. Manche leben heer⸗ denweis und wandern. Sie wiſſen genau zu welcher Zeit und an welchem Ort beſtimmte Früchte reif ſind. Sie lieben ſehr die Schoten der Vanilla, ſowie Käfer. Beides reizt ihren Geſchlechts⸗ trieb. Geſchichten, daß Affen Frauen entführt haben ſollen, wurden auch in Mexiko erzählt, jedoch von keinem Verſtändigen geglaubt, dafür ſind die mexikaniſchen Affen doch nicht groß und ſtark genug. In der Nacht hört man die Affenheerden oft bellen wie Hunde. Herr O. Friederich verwundete einen Affen einſt durch einen Schrotſchuß, ohne ihn zu tödten. Das Thier erhob ein entſetzliches Geſchrei, worauf in den hohen Gipfeln der Bäume eine ganze Affenheerde, wie ein Sturmwind herankam. Hr. F. nr U = verhielt ſich ganz ruhig. Die Affen getrauten ſich nicht herunter zu ihm, warfen aber mit dürren Aeſten nach ihm und als ſie die nicht mehr haben konnten, warfen ſie mit ihren Wen nach Hr. F. und ließen ihren Urin auf ihn. Eine Art kleiner wilder Schweine (Peccari) lebt in großen Heerden und wird Menſchen gefährlich. Schon manchmal hat ein Jäger ſich vor ihnen anf einen Baum flüchten müſſen. Ich habe oft Spuren von vielen Hunderten dieſer Thiere zuſammen geſehen. Mehrere Papageienarten leben heerdenweis, ſo die dort ſogenannte Cotorra. Dieſe kommt in ganzen Flügen des Morgens aus der tierra caliente herauf in die tierra templada zur Atzung und fliegt am Abend wieder in ihr Nachtquartier in der tierra ealiente zurück. Bemerkenswerth iſt es, wie dieſe Vögel immer paarweis neben einander fliegen. Einzelne Junggeſellen fliegen hinter dem Zuge her. Ein auffallend Rn Papagei von ziemlich 1 Art iſt von brennend rother Farbe Colibriarten ſind ſehr en und häufig. Intereſſant iſt es dieſe Thierchen zu beobachten, wie die Mäunchen die in einer Reihe, ruhig auf einem Zweige ſitzenden Weibchen, von allen Seiten umſchwärmen, vor und rückwärts, über und unter dem Zweige in einem Bogen um das Weibchen herumfliegen. Die großen rothen, dickköpfigen Ameiſen im ſüdlichen Mexiko ſind wohl dieſelben, wie die texaniſchen, nur noch etwas größer und ſind dort den Maishäuſern ſehr gefährlich, da ſie während der Nacht, wenn ausgekörnter Mais ſich in dem Maishauſe befindet, oft einen bedeutenden Theil davon hinwegtragen. Jede Ameiſe trägt ein ganzes Maiskorn auf einmal. Des⸗ wegen heißt in Mexiko auch dieſe Ameiſenart Arrieros (Fuhrleute). Eine Ameiſe ganz eigenthümlicher Art iſt die Wanderameiſe, eine ziemlich kleine ſchwarze Ameiſe. Sie ſcheint faſt beſtändig zu ziehen. Sie laufen ſchnell, oft nur in einem fingerbreiten Streifen. Wenn ſie in ein Haus kommen, durchſuchen ſie das ganze Haus und reinigen es von allem Ungeziefer, von? N, Wanzen, Scorpionen ꝛc. Die Wanderameiſe iſt ein ſehr friedliches 55 Thier, wenn man ſie ungeſtört gehen läßt. Ein Zug von Wan⸗ derameiſen dauert oft 3 bis 4 Tage und Nächte. Einmal kamen die Wanderameiſen in meine Hütte, zogen an dem Tiſchbein hinauf über meinen Tiſch und um meinen Teller herum. — Merkwürdig iſt das Wandern der Schmetterlinge z. B. des Colias, Heosilica, Morpho, Achilles, Leilus u. A. nach Nordoſten. Ohn⸗ gefähr in 6 Wochen kommen viele dieſer Schmetterlinge abge⸗ flogen und ohne Eier wieder zurück. — Wer die metallifche Farbenpracht dieſer großen Tagſchmetterlinge noch nicht geſehen hat, kann ſich keine Vorſtellung davon machen. Ein ſieben Zoll breiter mit ſchönſter blauer Färbung und mit ¼ Zoll großen Augen auf den Flügeln, die einem ordentlich anzuſehen ſcheinen, iſt eine neue Art und wurde Morpho Uranus genannt. Auch herrliche neue Käferarten fanden wir, namentlich einen großen lebhaft grünen Käfer, mit glänzenden Punkten, der zum Geſchlechte Culopygos gehört. ie deutſche Colonie: Nachdem die niederrheiniſche Berg⸗ werksgeſellſchaft ſich aufgelöſt hatte, blieben mehrere ihrer Beamten in Mexiko und unter dieſen ein ſeit den deutſchen Volksbewegungen von 1817 her bekannter Herr Sartorius und Gründler. Herr Sartorius aſſocirte ſich mit Herrn Lavater, welcher früher Schwei⸗ zer Conſul und Kaufmann in der Stadt Mexiko war und beide gründeten auf einer League Land, die die Kaufleute Stallforth und de Wilde in Veracruz erworben hatten, die früher erwähnte Zuckerplantage Mirador. Faſt zu gleicher Zeit, ſcheint es, erſtand Herr Gründler ein Stück Land auf derſelben League, auf welchem ſich ein mexikaniſcher Rancho befand und legte eine größere Kaffe⸗ plantage an. Die Hacienda Mirador verkauften dann die Herren Sartorius und Lavater an einen Herrn Stein, der bei der niederrheiniſchen Bergwerksgeſellſchaft, wie man behauptet, wäh⸗ rend dem Falliſſement dieſer Geſellſchaft ein bedeutendes Vermögen gemacht habe. Stein übergab ſeinem jüngeren Bruder, der ſchon zur Zeit als noch Sartorius und Lavater im Beſitz von Mirador waren dort eine Tienda (Store) hatte, die Verwaltung von Mirador. Sartorius und Lavater legten dann am unteren Theile 9 - 11 = der League, nach der tierra ealiente zu, eine andere Daker tage an, die ſie Zaquapan nannten. Nicht lange vor unſerer Ankunft in der Colonie waren dort mehrere Deutſche eingetroffen, die ſich angekauft und ange⸗ baut hatten. Ein Herr Ziehl von Nordhauſen mit Frau und mehreren Kindern, hatte eine kleinere Kaffepflanzung angelegt, baute Tabak und machte Cigarren. Ein Herr err Renker, ein jun⸗ ger kräftiger Mann aus Lauterbach in Heſſen, hatte einen Knecht bei ſich und baute mit Hülfe von mexikaniſchen Taglöhnern Mais und Tabak. Ein anderer junger Mann aus Lauterbach, Bär, ſeines Geſchäftes ein Apotheker, wohnte mit einem Knechte zuſammen und hatte den unglücklichen Einfall in der Colonie eine Bierbrauerei anzulegen, wo ein großer Mangel an Gäſten und an baarem Geld war. Ein deutſcher Arzt, Dr. Eichhorn, der früher in Oſtindien, Neu⸗Orleans und Tampico prakticirt hatte, wohnte auf der Hacienda Zaquapan, wo er eine Pflanzung von Rieinus angelegt hatte, um Oel im Gro- ßen daraus zu bereiten. Er hatte damals noch kein Reſultat erzielt. Herr Eduard Friederich, einer meiner Reiſegefährten, hatte ſich eine einſame Ecke Landes gekauft, das den Namen el rineon del faisan (Faſanenecke) hatte; darauf baute er ein mexikaniſches Häuschen und ließ ſich von Nordamerika mehrere Maſchinen zum Entkörnen und Mahlen des Maiſes kommen. Herr O. Friederich, mein anderer Reiſegefährte, wohnte eine Zeit lang auf dem Gipfel eines einſamen Wald⸗Berges mit mir zuſammen in einer ſelbſtgebauten Hütte und wir beſchäftigten uns derzeit blos mit Sammeln von Naturalien. Später half Herr O. Friederich dem jüngeren Stein, von uns gewöhnlich Don Carlitos (das Karlchen) genannt, in der Verwaltung von Mi⸗ rador und ich leitete die doppelte Brennerei in Zaquapan, die Tag und Nacht fortging. Bei der gleichmäßigen Temperatur erfolgte die Gährung bis auf die Stunde regelmäßig und eine ſtarke Quelle, die beſtändig durch das Kühlfaß lief, erſparte die Mühe des in Brennereien gewöhnlichen Aufpumpens Auch Herr O. Friederich hatte unter der Hand ein Stück Wald geklärt, — 181 — 10,000 Kaffebäume gepflanzt und das Holz zu einem deutſchen Haufe ſelbſt behauen. Außerdem wohnte noch in der Nähe auf einem leinen Rancho ein Franzoſe, welcher die Faßbinderarbeit für die beiden Brennereien beſorgte. Auf Mirador wohnte ein deutſcher Schreiner und ein deutſcher Schmied, und in Zaquapan ein deutſcher Töp⸗ fer und Ziegelbrenner, welcher außer den thönernen Formen für die Zuckerraffinerien auch noch etwas andere Arbeit lieferte. Das Schneider⸗ und Schuhmacherhandwerk in der Colonie wurde durch Mexikaner verſehen. Die ganze Colonie beſtand zuſammen aus ohngefähr 19 er⸗ wachſenen Männern, bon welchen 5 verheirathet waren. Lavater war mit den Anſiedelungsplänen von Sartorius nicht ſehr ein⸗ verſtanden, er nannte es eine unglückliche Idee, daß Sartorius den Nordamerikanern nachahmen wollte, wo ganz andere Verhält⸗ niſſe ſeien. Eine Landſpeculation durch Anziehung deutſcher Einwanderer ſchien freilich eine ganz vortheilhafte Sache zu ſein, da das Land in Mexiko unendlich wohlfeiler, wie in den nörd⸗ lichen Staaten zu erlangen iſt; allenfalls von der Regierung als Grant, oder von einem Privatmanne geſchenkt unter der Bedingung, es mit Einwanderern zu beſiedeln, an die man es dann verkaufen könnte. — Während unſeres Aufenthaltes in Mexiko ſagte einmal Miniſter Arriaca, daß er 100 Leguas Land in der Nähe von ae beſitze, daß er 25 davon an Jemand verſchenken wollte, der ſie mit deutſchen Anſiedlern beſiedele, denn ſeine übrigen 75 Leguas wären dann mehr n en ſeine 100. Eine ſo kleine Colonie wie die deutſche, die wie eine Einſiedelei und Hg abgeſchnitten von allen Verbindungsſtraßen in der Einſamkeit liegt, kann die verhältnißmäßig unbedeutenden Erzeugniſſe ihrer kleineren Farmer zu keinem Markte bringen. Hätte man auch Kaffe in größeren Quantitäten erzeugt, man hätte nur nach großen Städten, wo viele Ausländer wohnen, e ee gen eee ee Mexi⸗ kaner ſelbſt trinken wenig Kaffe. Kleine Quantitäten hätten den Transport (mit Maulthieren) nicht getragen und bei een — 132 — Quantitäten wäre bei dem vertheuerten Bau durch indianiſche Arbeiter und durch die theuere Spedition des Herrn Carlitos Stein auch nicht viel herausgekommen. Dasſelbe Bewandtniß hatte es mit den anderen Producten der kleineren Farmer. Ueberhaupt aber laſtete auf allen Familien und Einzelnen, außer den ſelbſtſtändigeren von Sartorius, Lavater und Gründler, das Ausſauge⸗Syſtem von Carlitos Stein. Alle Bedürfniſſe waren nur durch ihn zu beziehen, wenn man nicht ſelbſt Transport⸗ Maulthiere und Treiber halten konnte. Stein betrieb auch den Fleiſchverkauf der Colonie. Von Zeit zu Zeit ließ er einen Ochſen ſchlachten, deſſen Fleiſch er die Aroba (25 Pfund) für 14 Reales, Doll. 1. 75 Cents verkaufte, das iſt das Pfund zu 7 Cents, während ihn die Ochſen auf jeden Fall billiger zu ſtehen kamen, wie derzeit hier in Texas den Metzgern, wo das Fleiſch um die Hälfte dieſes Preiſes verkauft wurde. Ueberhaupt aber wurde, wie Stein ſelbſt ſagte, Nichts unter 100 Procent Profit in der Tienda verkauft. In der Wirklichkeit wurden indeß wohl oft 200 bis 400 Profit genommen. So koſtete z. B. eine der Macheten (Solinger Klingen) 6 Reales (75 Cents) im Ankauf und wurden von Stein für Doll. 4 das Stück (alſo mehr als fünfmal ſo theuer) verkauft. Alle kleineren Farmer und Hand⸗ werksleute der Colonie zahlten und erhielten Zahlung faſt ledig⸗ lich durch Abrechnung mit Stein, wo er ſich nicht ſcheute, bis ins Kleinſte einen ſchäbigen Profit zu machen. So koſteten z. B. Briefe, die mit Schiffsgelegenheit an Stallforth und de Wilde kamen, Nichts. In die Colonie wurden ſie gelegentlich mit einem rückkehrenden Maulthiertransport geſchickt, der Zucker und Chin⸗ guirito nach Veracruz gebracht hatte, und für ſolche Briefe be rechnete Stein manchmal Doll. 2 für das Stück. Zur Zeit der Ernte kaufte er regelmäßig von armen umwohnenden Indianern den Mais auf, der dann von dieſen leichtſinnigen Menſchen um einen wohlfeilen Preis zu haben iſt, obgleich ſie ihn dann noch vor der nächſten Ernte für das Doppelte zurückkaufen müſſen, natürlich nicht für baares Geld, ſondern auf Credit bei Stein. So hatte Stein, um dieſes Geſchäft ausgedehnter betreiben zu können, dem Seren O. F., welcher eine Summe baares Geld — 133 — vorräthig hatte die Partnerſchaft dieſes Maishandels angetragen, fand es nach gemachtem Geſchäfte indeß doch vortheilhafter, Herrn F., Zinſen von dem geliehenen Gelde zu bezahlen, als den Profit mit ihm zu theilen. Doch nicht nur in dieſen kleinen Geſchäften ſcheute Stein die Concurrenz, ſondern ganz beſonders in ſeinem Abſatz von Zucker und Chinguirito nach dem nicht ſehr weit entfernten Städtchen Cordova, und er hätte es deßhalb gar nicht gerne geſehen, wenn Herr F., welcher die Mittel hatte, in der Nähe eine Zuckerplantage errichtet hätte. So lange kein ſtetiger, ſondern nur ein gelegentlicher Ab- ſatz für die Produkte von kleineren Farmern, fo lange feine Fahr⸗ ſtraßen für Wagen bis nach den Abſatzplätzen vorhanden ſind, auf welchen der Farmer auf ſeinem eigenen Fuhrwerke, ohne Vermittlung von theuren Maulthieren und Speditionen à la Stein ſeine Produkte zu Markte bringen kann, müſſen wir eine ſo nan abgeſchloſſene in der Wildniß liegende Colonie, wie die beſchrie bene, für ein Unding halten, das in ſich ſelbſt verkommen — und in welcher alle Handwerker und kleineren Farmer niemals aus der pecuniären Abhängigkeit eines Peons herauskommen können. verſchieden werden ſich indeß ſchon in den nächſten Decennien die Coloniſationsverhältniſſe in Mexiko geſtalten. Ein Land, welches in Hinſicht ſeiner Natur⸗ und Culturprodukte jo überreiche Hülfsquellen hat, muß unter richtiger Bewirthſchaftung und mit Communications⸗ und Transportmitteln verſehen, bald eine der erſten Stellen im Welthandel einnehmen. Wenn erſt einmal die jetzt ſchon projectirten Eiſenbahnen das Innere des Landes mit den Ausfuhrhäfen verbinden, dann wird bald ein, unternehmendes Geſchlecht von Amerikanern und Europäern nach Mexiko ſtrömen, und dann durch Fleiß und Reichthum ver⸗ bunden mit geiſtiger Ueberlegenheit die kümmerliche ſpaniſch⸗ mexikaniſche Civiliſation verdrängen und im Sinne der Englän⸗ der, Deutſchen und Franzoſen europäiſiren. Eiſenbahnen, Tran⸗ ſitſtraßen, ereſſen, Landſpeculationen, Vervollkommnung des Landbaues, Hebung der Manufacturen, beſſere Ausbeutung der Bergwerke, ſteigender Nationalreichthum und mit ihm ver⸗ in mehrte Bedürfniſſe, eiviliſirte Genüſſe und geiftige Bildung werden dann in verhältnißmäßig kurzer Zeit auch Mexiko in das materiell und geiſtig rege Leben der Neuzeit hinein ziehen. — Die Tage der Abgeſchloſſenheit nach außen, die Mexiko von Spanien geerbt hat, ſind gezählt. Die mexikaniſche Population iſt ohnedies kein homogenes nationales Ganze, ſondern nur ein Aggregat von fremdartigen nationalen Elementen, die ſich unter einander miß⸗ trauen und anfeinden. Den materiellen Vortheilen und den geiſtigen Annehmlichkeiten einer höheren Civiliſation werden die ſpaniſch redenden Städte nicht lange widerſtehen können und die unter ſich ſelbſt uneinigen und ſich anfeindenden Stämme und Nationalitäten der indianiſchen Einwohner, die im Allgemeinen nur die Parias und die Leibeigenen der Nation und der Inkas waren, und von jeher an Reſignation gewöhnt ſind, von der ſie das ihnen ſpäter aufgepfropfte Chriſtenthum keinesweges befreit hat, die kümmern ſich wenig um Politik und ſociale Stellung, die waren unter ſpaniſcher Herrſchaft ebenſo zufrieden, wie unter ihren Inkas, die machten keine Revolution gegen Spanien und ſtellten kaum Mannſchaft während der erſten Revolution ins Feld. Es ſind blos die Abkömmlinge der Weißen, Meſtizen und Mulatten und die Pfaffen, die die Indianer zur Revolution aufhetzten. Die Indianer haben aber ſo viele achtbare Eigenſchaften, daß ſie trotz ihrer Verſchloſſenheit, Anhänglichkeit an der Weiſe ihrer Väter im Ackerbau, Gewerbe und Hausweſen und ihrer ſcheinbaren Indolenz, doch ſicher, obwohl langſam, für einen höheren Culturzuſtand gewonnen werden können, ſobald nur zu⸗ verſichtlicher Erwerb und ſicherer Beſitz in Ausſicht geſtellt werden kann. Mit einem Wort, die große Maſſe der Bevölkerung, die indianiſche, legt den Anſiedlern in ihrem ſchönen, nur ſpärlich bewohnten Lande, gewiß nur wenig Schwierigkeiten in den Weg und die beenden der Miſchlingsracen, die das Con⸗ tingent zu den Aufwieglern, Tagdieben, Revolutionären und N ſtellt, iſt verhältnißmäßig ſo gering, daß ſchon nach einer zehnjährigen Dauer eines europäiſchen Einwanderer⸗ ſtromes die politiſchen und ſocialen bali von N ſich völlig ee haben müßten. a Sollte dann allenfalls unter der ene Miſchlingsrace ein Aufſtand gegen die Weißen ſich bilden, ſo wäre dies, wie Sartorius und andere mit den Verhältniſſen wohl bekannte Män⸗ ner glaubten, das Zeichen zu ihrer völligen Vernichtung, ſie wären dann nur um ſo früher ihrem Schickſale verfallen. „Sie wird ausgelöſcht werden aus der Reihe der Nationen, denn ſie hat nicht mehr die Kraft einer energiſchen Entwicklung, ſie kann dem Strome der kaukaſiſchen Race nicht wiederſtehen.“ So ſpra⸗ chen dieſe Männer ſchon vor 23 Jahren, ehe noch an ein Ab⸗ reißen der Provinz Texas und an Filibuſtierzüge gedacht wurde. Ja, in ſcherzhafter Weiſe wurden damals unter uns ſchon die kühnſten Filibuſtiergelüſte ausgeſprochen, indem wir gar nicht an der Unmöglichkeit zweifelten, durch deutſche Actien und ein deut⸗ ſches Heer von Freiwilligen das ſchöne ſo wenig bewohnte und ſo ungenutzte Land erobern zu können, ſobald nur europäiſche und nordamerikaniſche Politik nicht intervenire. Wie die Kreuzzüge und der napoleoniſche Krieg die ent⸗ fernteſten und abgeſchloſſenſten Völker in nahe Berührung brachten und dadurch mächtige Träger der Ideen wurden, ſo hat in kleinerem Maßſtabe der mexikaniſch amerikaniſche Krieg beide Völker plötzlich in genaue Bekanntſchaft mit einander gebracht und der jetzt ſchnell in Mexiko einſchneidenden Speculation vor⸗ gearbeitet; keine Filibuſtierzüge werden Mexiko jetzt erobern, aber die Polypenarme der Eiſenbahnen und der materielle Vortheil wird Mexiko in den unvermeidlichen und ununterbrochenen Ver⸗ kehr mit den civiliſirten Nationen bringen und es für die Cultur erobern. Wir ſind überzeugt, daß dieſe Entwicklungen in Mexiko zu dem Intereſſanteſten der nächſten Zeit gehören werden und wir hoffen es noch zu erleben, deutſche Colonien von ganz anderer Lebenskraft dort entſtehen zu ſehen, wie die, in der wir vor 23 Jahren gelebt haben und über die wir nur berichteten, weil wir die Verhältniſſe in Mexiko für ſo ſtagnant halten mußten, daß auch das damals Erlebte jetzt noch dort gilt. Was die mercantilen und ſozialen Verhältniſſe betrifft und namentlich die Gründung von Colonien, das wird ſich jetzt in einem Jahre mehr Ändern, als früher in Hundert. = Wenn ich zu Anfang meines Berichtes gejagt habe, wie und warum ich nach Mexiko gekommen bin, ſo muß ich zu Ende meines Berichtes füglich auch ſagen, wie und warum ich wieder von Mexiko weggegangen bin. Nach dem vorhergehenden Abſchnitte ſollte man denken, daß das Warum keiner näheren Erläuterung mehr bedürfe. Wer wollte wohl in einer Colonie und in einem Lande leben, wo ihm die vorausſichtlichen Zuſtände für alle Zu⸗ kunft eine unwürdige dee eee von ein paar Weinen prophe⸗ zeien? Unſere Handlungen werden jedoch nicht blos von einfachen Gedanken und Willensbeſchlüſſen geleitet. Der Zufall, oder viel⸗ mehr die Macht der äußeren Ereigniſſe und gar mannichfaltige Nebengedanken haben ebenfalls einen großen Einfluß auf unſere Handlungen. So wäre ich vielleicht noch lange in der ungeſun⸗ den Felſenſchlucht der Brennerei von Sartorius und Lavater ſitzen geblieben, wenn die Zuckerfelder dieſer Herren nicht ſchon, nad): dem ich einen Monat in den Brennereidienſten geſtanden hatte, abgebrannt wären. (Wenn das Zuckerrohr ſeiner Reife entgegen geht und von der Mittagsſonne erwärmt iſt, dann iſt es ein äußerſt brennbares Material.) Bald nach meinem Abſchiede von der Brennerei kam ich in eine bei weitem angenehmere Stellung und wäre vielleicht noch längere Zeit in Mexiko geblieben, wenn der texaniſche Krieg nicht ausgebrochen wäre. Ich hatte früher ſchon eines Herrn Gründler erwähnt, welcher eine Kaffeplantage in der Colonie beſaß. Dieſer Herr lud mich freundlich ein, zu ihm auf ſeine Plantage zu ziehen. Ich hatte früherhin wenig Gelegenheit gehabt Gründlers perſönliche Bekannt: ſchaft zu machen, denn leider beſtand auch in der deutſchen Co⸗ lonie, ſo klein ſie war, doch ſchon eine gute Portion von der bekannten deutſchen Uneinigkeit, die beinahe bis zur perſönlichen Anfeindung ſich geſteigert hatte; und da ich zufällig zuerſt mit Stein und Sartorius bekannt geworden war, die nur tadelnd gegen Gründler ſprachen, ſo iſt es natürlich, da man ohnedies weit auseinander wohnte, daß ich die nähere Bekanntſchaft von Gründler nicht gerade ſuchte. Die Gründe der Mißhelligkeit zwiſchen Gründler, den Herren Stein, Satorius und Lavater — 137 — ſcheinen übrigens viel zu unbedeutend geweſen zu ſein, als daß man durch ſie ſich hätte ſollen verleiten laſſen das freundliche Zuſammenleben von ein paar in einer abgeſchloſſenen Wildniß lebenden Menſchen zu ſtören. Ich für mein Theil habe fo wenig Antheil an dieſen Reibereien genommen, daß ich die unbedeu⸗ tenden Urſachen derſelben meiſt vergeſſen habe. Nicht ſo Herr E. F., deſſen Indignation gegen Gründler ſo weit ging, daß er ihn forderte. Schon war im Walde ein Platz von Geſtrüpp ge⸗ reinigt; ich ſelbſt hatte es leider nicht abſchlagen können, bei dieſem für die kleine Colonie ſo höchſt unangenehmen und ich möchte ſagen unnatürlichen Ereigniß, die Stelle eines Sekundan⸗ ten zu übernehmen. Eben ſollte Gründler auf dem Platze erſchei⸗ nen, als uns Sartorius, welcher mittlerweile von der Sache er⸗ fahren hatte, einen Boten ſchickte, durch den er uns benachrich— tigte, daß das Duell nach mexikaniſchen Geſetzen als ein Crimi⸗ nalverbrechen betrachtet würde und daß er verpflichtet ſei, davon Anzeige zu machen. So unterblieb das Duell. Als ich ſpäterhin mit Gründler eine Zeit lang zuſammen lebte, lernte ich ihn als einen beſonnenen und ordnungsliebenden Mann kennen, der freilich nicht in demſelben Grade eine inte⸗ reſſante Converſation führen konnte, wie Sartorius, bei dem ich indeß dennoch, außer meiner früheren Einſiedelei, die angenehm⸗ ſten Tage in Mexiko verlebte. Jeden Morgen ſtanden wir vor Sonnenaufgang auf, Gründler machte Kaffe auf einer Kaffema⸗ ſchine und jedesmal bei dem Anblick des ſchönen Sonnenaufgan⸗ ges über dem Meere nahmen wir unſer Frühſtück ein. Nach dem Frühſtücke gingen wir auf die Felder und theilten den indiani⸗ ſchen Arbeitern ihre Tareas (Tagesarbeit) aus, die auch jedes⸗ mal am Abend, wenn wir dieſelben nachſahen, von den Arbei⸗ tern pünktlich vollendet waren. Gewöhnlich des Morgens beim Frühſtück laſen wir mexikaniſche Zeitungen und am Abend ſpiel⸗ ten wir Schach. Nirgends ſonſtwo in der Colonie habe ich bei Leuten Zeitungen leſen oder Schach ſpielen ſehen. Wir führten in unſerer Abgeſchloſſenheit ein ſo gemüthliches Leben, daß mir dabei die Phäaken des Homer einfallen mußten; aber nichts deſto weniger nahmen wir durch das Medium der Zeitungen den leb⸗ — 138 — hafteſten Antheil an Allem, was in der Welt geſchah. Oft konnte man in einzelnen Artikeln der mexikaniſchen Zeitungen ganz deut⸗ lich wahrnehmen, daß eine nicht unbedeutende Partei in Mexiko den größten Antheil an den Texanern nahm und daß man nach dem rühmlichen Widerſtand, den Zacatecas dem Uſurpator Santa Anna geleiſtet hatte, und deſſen Bürger jo ſchonungslos maſ⸗ ſacrirte, wie ſpäter Fannins Diviſion, man nur noch auf Texas die letzte Hoffnung ſetzte, daß die Conſtitution von 1824 aufrecht erhalten würde. In dem „Diario del Gobierno“ erſchienen neben ganz bombaſtiſchen Artikeln, „wie das mexikaniſche unüberwind⸗ liche Heer, auf ſeinen Fahnen das heilige Bild der Guadalupe (Maria) über den Rio Grande tragen und die Ketzer züchtigen und ausrotten würde, die ſie, wie eine Schlange in ihrem Buſen aufgenommen hätten“; wieder andere Artikel, die unverkennbar von Freunden des texaniſchen Aufſtandes geſchrieben waren, z. B. eine lebhafte Schilderung von Milan, der die mexikaniſche Freiheit mit erkämpfen half und dann ſpäter von Kerker zu Kerker ge⸗ ſchleppt wurde, wie er ſich durch Schwimmen über den Rio Grande rettete, wo mexikaniſche Freunde ihm ein ſtarkes Pferd zur Flucht bereit hielten, auf dem er, gleich Mazeppa einen tollen Ritt durch eine mehrere hundert Meilen lange Wüſte machte, bis end⸗ lich ſein Renner und er entkräftet niederſtürzten. So lag Milan in der Nähe von Goliad in einem Muskitgebüſch. Er hörte eine bewaffnete Schaar ſich nähern und ſchon glaubte er, daß dies feine mexikauiſchen Verfolger ſeien; da vernimmt er die ſeinem Ohr ſo freundlich klingende engliſche Sprache. Es war ein Trupp Texaner, die die Feſtung Goliad überrumpeln wollten. Auf ein freudiges Erkennen wird Milan einſtimmig zum Anführer der Expedition erwählt, die er auf das Glorreichſte ausführt“, und die bis in ihre Einzelnheiten mit lebhafter Theilnahme des Be⸗ richterſtatters im Diario beſchrieben wird. Ebenſo konnte man im Diario oft ganz vortrefflich „überſetzte“ (2) Freiheitslieder der „frechen“ texaniſchen Rebellen finden, die allem Anſchein nach nur ſpaniſch geſchriebene Originale waren. — Die mexikaniſchen Zeitungen nannten Santa Anna oft ſchmeichelhaft den Napoleon des Weſtens, und es klang faſt wie Ironie, wenn es nicht viel⸗ — 5 leicht Dummheit des Verfaſſers eines langen Artikels war, den „glorreichen nördlichen Feldzug“ nach Texas mit dem ruſſiſchen Feldzuge zu paraliſiren. Ich erkannte es, daß grade jetzt er Zeitpunkt gekommen fei, wo ich den urſprünglichen Plan meiner Reiſe nach Texas auf die intereſſanteſte Weiſe ausführin konnte. Wenn ich mich eilte, ſo konnte ich Texas noch erreichen, ehe der Kampf entſchieden, viel⸗ leicht ehe noch Santa Anna's Armee mit den Texanern zuſammen⸗ getroffen war. Jetzt eröffnete mir Gründler, aber zu ſpät, ſein An⸗ erbieten, daß ich ſeine Plantagen ſo lange verwalten ſollte, bis er ſich einen Partner aus Europa geholt habe, der ihn durch Geldmit⸗ tel in den Stand ſetze, ſein Unternehmen mit mehr Nachdruck zu betreiben. Mein Entſchluß nach Texas zu gehen, war indeß ſchon gefaßt. Ich hatte mir ziemlich viele Sachen von den Ver⸗ einigten Staaten nach Mexiko nachſchicken laſſen, für die ich dem Herrn Carlitos Stein bedeutende Transportkoſten hatte zahlen müſſen, und die ich nun alle zu einem ſehr niedrigen Preiſe aus der Hand verkaufen mußte, wofür ich dann ſtatt Zahlung eine Anweiſung an Stein erhielt, der mich zuletzt in ſchwerem Kup⸗ fergeld auszahlte, das ich erſt in Veracruz wieder auswechſeln mußte. Für die Reiſe war ich nun bald gerüſtet. Nur einen ſtarken Anzug für den Krieg ließ ich mir von dem mexikaniſchen Schneider auf Mirador neu machen. Da zu der Zeit grade eine Silber⸗Conducta aus dem oberen Lande nach Veracruz unterwegs war, und in letzter Zeit auf der Landſtraße mehrere Mordthaten ſtattgefunden hatten, ſo mußte ich den Weg bis Veracruz für ſehr unſicher halten. Ich ließ mir daher von Stein vier ſtarke Pferde mitgeben, die wir, ich und ein merxikaniſcher Diener, abwechſelnd ritten, während jeder von uns ein Pferd an der or führte. Da man in Mexiko auf Reiſen gewöhnlich Galopp reitet und wir ohnedieß der Räuber wegen, unſere Reiſe ſehr bejchleu: nigten, ſo kamen wir ſchon am zweiten Tage Nachmittags in cruz an, aber leider nicht ohne einen für mich empfindli⸗ chen Unfall, denn während des ſchnellen Reitens in der Nacht war das Mantelſäckchen mit meinen Kleidern verloren gegangen. — 0 — Mein mexikaniſcher Begleiter führte damals grade das Pferd, auf welchem der Mantelſack ſich befand und ohne Zweifel hat der Mexikaner denſelben ſelbſt abgeſchnallt und in eine Hecke gewor⸗ fen, um ihn auf dem Rückwege mit nach Hauſe zu nehmen. Die⸗ ſer Mexikaner hatte bei unſerer Abreiſe den Mantelſack ſelbſt an dem Sattel befeſtigt und es iſt unerhört, daß eine Sache un⸗ terweges verloren gehen kann, die ein Mexikaner aufgepackt hat. Es war, mindeſtens geſagt, eine große Rückſichtsloſigkeit, mir grade dieſen Mexikaner mitzugeben, der einſt als Desperado mit ſeiner Machete in der Hand, von mir ergriffen, auf den Boden geworfen und gebunden wurde, als keiner der in der Nähe be⸗ findlichen Mexikaner, ſammt dem Herrn Stein, das Herz hatte dies auf Befehl des Alcalden zu thun. Daß dieſer Mexikaner jetzt noch ziemlich feindlich gegen mich geſinnt war, konnte ich ſeinen Geſprächen mit vorbeireitenden Mexikanern merken, wo ich einigemal ihn ganz vernehmbar mich einen Schurken nennen hörte („es un picaro“.) Nur einmal, während des ganzen Rittes, hat: ten wir uns in einem Dorfe ein paar Stunden Schlaf gegönnt, indem wir die Pferde an den Bäumen vor dem Hauſe eines Be⸗ kannten meines Begleiters anbanden und uns in der Nähe der Pferde auf die Erde legten. Meine Waffen und mein Hund la⸗ geu neben mir und es hätte ſich nicht leicht unbemerkt Jemand nähern können. Anders war es mit meinem Mexikaner, dem ſeine paar Reales, die er in der Taſche hatte, und die großen Sporen während ſeines Schlafes von den Füßen geſtohlen wurden. Als ich zum erſtenmale wieder die Brandung des Meeres hörte, die man auf eine große Entfernung hören kann, bemäch⸗ tigte ſich meiner eine Sehnſucht, nun auch bald das jenſeitige Ufer zu erreichen, die gewiß nicht ſchwächer war, als einſt das Heimweh von Cortez Leuten, als ſie die Brandung wieder hörten. In Veracruz angekommen, brachte mich mein Führer in eine unwirthliche mexikaniſche Kneipe, die ich gleich am anderen Morgen, nachdem ich die Zeche für uns beide und unſere 4 Pferde bezahlt hatte, mit der Poſada des amg dae, e er — 141 — Wie erzählt, hatte ich unterweges meinen einzigen ordent⸗ lichen Anzug verloren und deßhalb war ich gezwungen mit ganz ſchlechten Kleidern, die ich eigentlich vor Veracruz wegwerfen wollte in der Stadt zu erſcheinen. Mein Empfang bei Stallforth und de Wilde (den Agenten der Colonie) war deßhalb auch ſehr kalt, und man ſtellte mir vor, daß ich noch nicht einmal in ein Hospital aufgenommen würde, im Fall ich erkranken ſollte. Auf unſerem Wege nach Veracruz hatten wir auch wirklich ſchon die Vorboten der Krankheit geſehen, nämlich viele große Landkrebſe, die zum Eierlegen nach der Küſte wanderten. Dieſe Krebſe ſind ganz von derſelben viereckigen Geſtalt, wie die Seekrabben und ohngefähr 4 bis 5 Zoll breit, ſind aber nicht eßbar, indem ſie faſt kein Fleiſch haben und wenn genoſſen Fieber verurſachen ſollen. Allemal im Frühjahr, ehe die kranke Zeit anfängt, kommen dieſe Krebſe auch nach Veracruz, wo ſie eine wahre Plage ſind, weil ſie in der Stadt in die Brunnen und Keller fallen und da⸗ ſelbſt verfaulen. Wahrſcheinlich mußten die Herren auf dem Comptoir von Stallforth und de Wilde glauben, ich komme, um ihre Mild⸗ thätigkeit in Anſpruch zu nehmen. Sie riethen mir, nur ſo ſchnell wie möglich wieder zur Colonie zurückzukehren. Auf ihr gnädiges Anfragen, was ſie für mich thun könnten, antwortete ich ihnen auch ganz trocken: „Zahlen Sie mir dieſen Wechſel us,“ indem ich ihnen das betreffende Papier präſentirte. Zum guten Glück hatte ich auf meinem zweiten Pferde noch einen kleinen Bündel, der nicht verloren war und in dem unter Anderem ein Paar ſchwarzſeidene Tricothoſen und desgleichen Jacke ſich ee deren urſprüngliche Beſtimmung war, als Unterkleider zu dienen, die ich nun aber nothgedrungen als phantaſtiſche Oberkleider tragen mußte. Dazu die langen Waſ⸗ ſerſtiefel und die rothe mexikaniſche Binde hätten freilich beſſer für einen Maskenzug, als fürs tägliche Leben gepaßt. In Veracruz jedoch, wo viele Fremde ſich ſehen laſſen, mußte mein Anzug ſo auffallend nicht ſein und in meinem Wirthshauſe ſchloß ſich mir, wahrſcheinlich durch mein ſonderbares Ausſehen verleitet, ein junger ſpaniſcher Schauſpieler, der eben von Havanna gekom⸗ — 142 — men war, ſo freundlich an, daß ich mit ihm von einem Teller eſſen und aus demſelben Glaſe trinken mußte, und da wir zu⸗ ſammen auf einer Stube wohnten, ſo deklamirte er mir oft ganze Rollen vor. Die Heldenrollen ſchienen indeß ſeine Force nicht zu ſein und er nahm ſich wirklich ſehr poſſirlich aus, wenn er in der höchſten Ecſtaſe eines falſchen Pathos, mit meinem türki⸗ ſchen Patagan in der Hand, den Julius Cäſar würdig darzuſtellen glaubte. — Obwohl nun dieſer junge Schauſpieler ein ziemlich oberflächlicher und gar nicht beſonders intereſſanter Menſch war, ſo war er mir doch mit ſeinem unintereſſirten Wohlwollen eine gar freundliche und angenehme Erſcheinung, nachdem ich von den deutſchen e und Landsleuten ſo kalt und en behandelt worden wa Schon 8 Tage hatte ich auf eine Schiffsgelegenheit gewartet und es 3 an, mir ſchon ziemlich unheimlich zu werden. Um mich etwas zu erheitern, lief ich vor die Stadt, aber da war nur eine traurige Umgebung, monotone Cactusgebüſche der großen Opuntia, faſt ohne alle Vegetation. Dann kam ich an die Ruinen eines alten Kloſters, in dem ein paar Bettlerfamilien wohnten, die die kahlen Thür⸗ und Fenſteröffnungen ihres armſeligen Aufenthaltes mit alten Lumpen zugehängt hatten. Nur das immer bewegliche Meer mit ſeinem mannichfaltigen Auswurf am Strand konnte noch einigermaßen auf eine unterhaltende Weiſe meine Aufmerkſamkeit feſſeln. Conchylien und Tangarten und einzelne von Bohrwürmern und mit Entenmuſcheln bevölkerte 8 lagen da umher. Manchmal brachten die ein⸗ Wogen etwas Neues und ſo kam eben eine Anzahl Spiellacten auf einer Welle herangetrieben und wurde zu meinen Füßen auf den Strand geworfen. Zufällig waren die Karten verdeckt gefallen. „Nun wenn das Meer mir die Karte ſchlagen will,“ ſagte ich, „ſo nehme ich es an,“ und mit dieſen Worten Mexiko gebräuchlich ink Da dies ein gutes Omen war, jo er⸗ laubte ich mir dießmal ein Bißchen abergläubiſch zu ſein und e zurück. In awer der enten C te ae re — 143 — Straßen, durch die ich kam ſah ich vor der Thüre ihres Hauſes eine Mexikanerin mit zwei Kindern ſitzen, die Pepitas (große Kürbiskerne) ſchälten und in der heiteren Stimmung, in der ich mich befand, konnte ich mich nicht enthalten, die Frau mit einem Verſe aus einem bekannten Fandango anzureden, „ob ſie mich bei ihrer Arbeit nicht in Dienſt nehmen wolle.“ Freundlich ant⸗ wortete mir die Frau ebenfalls mit einem Verſe, und ſo war ich bei der Familie eingeführt, die zwar arm war, aber die ihrem Menſchenwerthe nach für mich bei weitem mehr Geltung hatte, als eine perſonificirte Handelsfirma. Ebenſo machte ich noch an dem nämlichen Abend die Bekanntſchaft eines jungen Veraernza⸗ ners aus den mittleren Ständen, indem ich ihn geradezu anſprach er möchte mich an die öffentlichen Vergnügungsorte der Stadt führen. Meine Ausbeute an Erfahrungen war da nun freilich nicht groß. Zuerſt führte er mich an einige Häuſer, wo man auf Privatbällen nach der Muſik eines Fortepiano tanzte, wo wir aber natürlich keinen Zutritt hatten. In einem öffentlichen Hauſe, in welchem ein Fandango ſtattfand, wo ebenfalls, wie in der deutſchen Colonie, nur zwei Guitarrenſpieler die Muſik bildeten, nur waren auf dem Veracruzer Fandango viel mehr Tanzende. Der Eintritt war gratis und ebenſo wurde auch Mandelmilch gratis verabreicht. Auch auf dieſem Fandango ging es ſehr anſtändig her, obwohl nur die untere Volksklaſſe ihn zu beſuchen ſchien. Auch den früher erwähnten Colonel Holzinger traf ich wieder in Veracruz. Er bot mir eine Officierſtelle bei der Artillerie an. wenn ich den Feldzug nach Texas mitmachen wolle. Ich ſagte ihm damals voraus, daß dieſer Feldzug einen unglücklichen Aus⸗ gang für die Mexikaner haben würde und daß man in Mexiko dieſe Amerikaner noch viel zu wenig kenne und deßhalb unterſchätze. Endlich war ein Schiff zum Auslaufen bereit, welches nach Neu⸗Orleans fahren wollte, es war ein kleiner mexikaniſcher Schoner. Die einzigen Paſſagiere auf demſelben waren, die Frau des Generals Mejia mit Kindern, ich und zwei junge Franzoſen. Die Verpflegung auf dem Schiffe war bei weitem beſſer, als auf amerikaniſchen Schiffen und der Capitain war ein freundlicher, — 14 — wohlwollender Mann, der aber leider nicht viel von der Nautik zu verſtehen ſchien, denn bei dem ſchönſten Wetter liefen wir am 4. oder 5. Tage auf einer Untiefe in der Nähe einer uns unbe⸗ kannten Küſte auf. Freilich war es Nacht und ſie hielten die weißſchimmernde Küſte für eine Stadt. Der Capitain glaubte, daß wir in der Nähe von Matamoras ſeien. Schon ſein Com⸗ paß hätte es ihm ſagen müſſen, daß wir mehr nach Oſten zuge⸗ fahren waren. Gleich am Anfang der Cataſtrophe wurde eins der Boote von dem Schiffe, das ſich etwas auf die Seite legte, zerdrückt. In dem einzigen noch übrigen Boote wurden Frauen und Kinder und Geld, das ſich in bedeutender Menge auf dem Schiffe befand, ans Land geſchafft. Da aber zuletzt auch dieſes Boot umſchlug, ſo war ich genöthigt ans Land zu ſchwimmen. Nachdem wir einige Tage am Strand gelegen hatten, fuhr ein Dampfboot vorbei, welches gegen gute Bezahlung die Haupt⸗ ladung und Paſſagiere unſeres geſtrandeten Schiffes mitnahm. Von dem Dampfboote erfuhren wir auch, daß wir nicht ſehr weit von Mobile Point, auf einer ſchmalen Landzunge uns be- fanden, an deren weſtlichen Ende das Fort Morgan liegt. Nur ich und die beiden Franzoſen hatten es vorgezogen, zu Fuß nach Mobile Point zu wandern, das wir auch in zwei Tagen erreichten und von wo aus wir dann zu Schiffe nach Mobile fuhren. Optimismus. Diejenige Weltanſchauung, die in der Gegenwart und Wirklichkeit die möglichſt beſte Welt ſieht, iſt nicht nur die glück⸗ lichſte, ſondern auch die einzig richtige Weltanſchauung; denn die Welt, die Menſchen und die Verhältniſſe ſind eben nicht beſ⸗ ſer und nicht ſchlechter, ſondern grade ſo gut, wie ſie 5 5 der bedingenden Urſachen ſein können, — und einer ſtetigen Entwicklung und endlichen Vollkommenheit geht nicht nur jede de — 15 — Pflanze, jeder thieriſche Körper, jede mechaniſche Erfindung, jede einzelne Idee entgegen, ſondern auch die ganze Menſchheit mit ihren politiſchen, religöſen und ſocialen Lebensverhältniſſen. Dieſe Art der Weltanſchauung, dieſe Lebensanſicht nennt man Optimismus. Gar oft wird die Weltanſchauung der ein⸗ zelnen Menſchen durch die Ungunſt ihrer eigenen Verhältniſſe ge: trübt. Sie verzweifeln an der Menſchheit, weil ſie an ſich ſelbſt verzweifeln, und ſie glauben ſich zu dieſer Verzweiflung berech⸗ tigt, weil ſie wie in der alten Fabel vom Herkules am Scheide⸗ wege gar Viele nicht wie dieſen, nach der Ehre und Tugend ſich wenden ſehen, ſondern nach dem Inbegriff von Beſitz und Genuß, nämlich „to make money“. Hazardſpiel und Gewinn hat für viele Menſchen einen un⸗ widerſtehlichen Reiz. Leider kann aber immer nur ein Spieler das gewinnen, was die anderen verlieren. Die großen Speku⸗ lanten kümmern ſich indeß nicht darum, wer durch ihr Spiel verliert. Sie ſpielen gar zu gern Hazard mit Hab und Gut und Glück ihrer Nebenmenſchen. Natürlich ſpielen ſie dabei die Ban⸗ quiers, die 99 Chancen gegen eine haben. Geld! Geld! iſt ihnen der Inbegriff alles deſſen, was man dafür haben kann: äußere Ehre, Behaglichkeit, Gourmandiſen, Trinkluſt, Geſchlechtsbefrie⸗ digung, Rache an Feinden und vor Allem das wohlhäbige Gefühl des reichen Mannes, der da ſagen kann: „Freue dich meine Seele, denm du haſt zu leben auf viele Jahre!“ — Während der Uni⸗ verſitätsjahre habe ich einen Studenten gekannt, der durch eine eigene Ideenverbindung, ſo oft er Geld klingen hörte, erotiſche Regungen fühlte. Aehnlich geht es dieſen Spekulanten und Geld⸗ liebhabern. Die Summen von Dollars ſind ihnen nur algebra⸗ iſche Gleichungen für x und y Leidenſchaften. Wie viel dabei von dem Glücke ihrer Nebenmenſchen aufgeopfert werde, welchen Ein⸗ Be fie durch ihr egoiſtiſches Streben den Zwecken und der Be: des Menſchengeſchlechts thun, das kümmert ſie 8 dem ge wiſſen nicht was ſie 3 Wer die Geſchichte ſo eines einzigen 50 Jahre alten ‚gold nein. Wie oft vieleicht wegen ihm betrogen, geſtohlen, geraubt, gemordet, Unſchuld und Ehre verkauft worden ud, wie Se mit ihm pfäffiſcher Humbug, Hetären und Banditen bezahlt wor: den find, und wie ſelten er ehrlich verdient und wie viel ſeltener er der Barmherzigkeit, der Vaterlandsliebe und den Zwecken des Humanismus zum Opfer gebracht wurde? — Tauſend Jahre dem mütterlichen Schooß der Erde anvertraut nützt ein Goldſtück nicht ſo ab, als wenn es 50 Jahre von Hand zu Hand courſirt. — Ihr zarten Menſchenhände, ihr ſeid nicht ſo weich und ſchuldlos wie ihr ſcheint, ſelbſt Metall könnt ihr abſchleifen und ſelbſt das Gold verliert an Gewicht durch eure Berührung! — Unſchuldiges reines Metall, das du einer Ewigkeit zu trotzen ſcheinſt, wenn der mütterliche Buſen der Erde dich umſchließt. Unkenntlich wird dein Gepräge und faſt aufgerieben wirſt du, wenn du nur ein einziges Jahrhundert den Leidenſchaften der Menſchen gedient haſt. Aber deine abgeſchliffenen Atome gehen wieder zur Erde zurück, gleich den Millionen, welche die Menſchen ſchon vor dir geprägt haben und die im Laufe der Jahrhunderte wieder ver⸗ loren worden ſind; und deren ſind nicht wenige. So werden auch alle Leidenſchaften und Irrwege, denen das Geld gedient hat, zu dem einen Ziele, zur Erreichung der Beſtimmung des Menſchengeſchlechtes, zuletzt zurückführen. Irrwege ſind ja nur denkbar, wo es einen rechten Weg gibt. Der rechte Weg führt zum Glück. Eudlich einmal wird die Maſſe der en zur ee des rechten Weges zum Glücke kommen. b Allmählig ſcheint es Licht zu werden in den Köpfen der Naffen Ein großer Fortſchritt ift in letzter Zeit unleugbar da⸗ durch geſchehen, daß man den oberſten moraliſchen Grundſatz, das erſte ſociale Princip, allgemeiner zu erkennen und anzuer⸗ kennen beginnt. Dieſes oberſte Princip iſt kein anderes, als daß der Einzelne ſeinen Lebenszweck und ſein Lebensglück nicht rück⸗ ſichtslos und abgeſondert von den Zwecken der geſammten Menſch⸗ heit erreichen könne und daß das wahre Glück des Einen nur in dem Glücke Aller möglich wird, weil eben die ganze Menſchheit er geiftges brganiſches . dan —— immer allgemeiner ea — 147 — breitet, dafür zeugt das immer häufiger werdende Aſſociations⸗ ſyſtem bei ſo vielen Unternehmungen, dafür zeugen die ſocialiſti⸗ gen Experimente der neueſten Zeit, die agrariſchen Veſtrebungen, das Freiſchulenſyſtem, die durch Hunger erzeugten Arbeiterbeweg⸗ ungen, die nicht ſowohl daran denken den augenblicklichen Hunger zu ſtillen, als eine ſociale Radicalkur gegen die Wiederkehr eines ſolchen Uebels aufzufinden; dafür zeugt die Coalition der revo⸗ lutionären Elemente Europas und eine, wie in keinem früheren Jahrhundert dageweſene Freundſchaft unter den europäiſchen Völkern. Jetzt ſind wir ſchon ſo weit, daß die Maſſen ſchon eine beſſere Kenntniß des richtigen Weges zu ihrem Glücke hätten, wenn fie nicht künſtlich und gewaltſam von dieſer Kenntniß zu: rückgehalten würden. Dieſes künſtliche Zurückhalten der Er⸗ kenntniß und des Einverſtändniſſes der Maſſen bei der ſchon be⸗ gonnenen geiſtigen Bewegung, kann aber auf die Länge der Zeit eben ſo wenig mehr erfolgreich ſein, als ein künſtlicher Damm gegen eine unabläſſige Naturkraft, als ein Damm gegen ſtets anftürmende Meereswogen, oder ein Damm gegen einen Glet⸗ ſcher, der ſich in ein Thal vorſchiebt. Manchen ungeduldigen Geiſtern ſcheint es indeß oft zu lang⸗ ſam vorwärts zu gehen. Das kommt aber daher, weil ſie die Erkenntniß des Beſſern als eine Errungenſchaft ihres Einzellebens anſehen, die dann auch ſchon während ihrer Lebzeit handgreif: liche Früchte bringen müſſen, während doch ihre perſönliche Er⸗ kenntniß eigentlich nur die Errungenſchaft von vorhergegangenen Jahrtauſenden des Geſammtlebens der Menſchheit iſt. Ja, wem die Menſchheit als ein einiges untheilbares Ganze zum Bewußtſein gekommen iſt und deſſen perſönliche Zwecke nur noch die individuellen Erſcheinungsweiſen des Ge⸗ ſammtzweckes der Menſchheit ſind, der lebt ſelbſt das n Leben der een 155 Einjährige Bilanzen müſſen ſchon im erſten Sommer Früchte Acer um ihre Beſtimmung zu erfüllen. Rein perſönliche Zwecke von Individuen, müſſen (on innerhalb eines Menſchen⸗ lebens erreicht werden können. — Die langlebige Menſchheit 10 * — 8 — kann ſcheinbar zwecklos Jahrhunderte depenſiren und wird den⸗ noch ihre Zwecke erreichen. Darum verzweifelt auch Niemand, der das ewige Leben der Menſchheit ſelbſt mitlebt, daß dieſe und ſomit auch (und zwar nur auf dieſe gemeinſchaftliche Weiſe) die Einzelnen ſtets vollkommneren und 3 glücklichere Zuſtänden entgegenreifen. Dieſe heitere Weltanſicht, die uns, ſelbſt bei den trübſten Erfahrungen, nicht verzweifeln läßt, die uns, ſelbſt bei der größ⸗ ten Noth, nicht beten, ſondern handeln lehrt, dieſe Weltanſicht nennt man Optimis mus und ſie iſt die einzige die heftige Geiſter oft vor Wahnſinn und Verzweifelung bewahren kann, ſie iſt aber auch die Weltanſicht, die weniger wie irgend eine andere erer ſondern verdient WER a. 1 0 Aleber Schnkunterricht. Eoyirt ı aus A Uen-Sraunfelfer Zeitung vom ee Mai 1854. Ju Folge einer 8 ſchriftlichen Anfrage, in wie weit man auf der faktiſch beſtehenden Grundlage des Chriſten⸗ thums mit der Erziehung der künftigen Generation fortbauen könne, ſieht ſich die Redaction abermals auf das religiöſe Feld gerufen und ſich genöthigt, trotz dem, daß wir keine Kirchen- zeitung herausgeben, das chriſtliche Element im Verhältniß zur Moral näher zu betrachten und deſſen hemmende und fördernde genſchaft bei der Srstehiing‘ keuere neuen —n deutlich auseinander zu ſetzen. Die eingegangene Anfrage lüntet age — „Ich unde vielleicht beſſer meine Anfrage an die San Antonio eng da nament lich dieſe durch eine Sammlung von Aufſätzen ger Angriffe gegen Kirche und Pfaffenthum ſich ausgezeichuet allein auch Sie . en — in Ihrer Zeitung ; 5 5 8 in ene 6 — — Vorſtellung einzugehen. — Alle jene Artikel waren nur darauf bedacht einzureißen, aufzubauen wäre aber, dünkt mich, das Weſentlichere. Nicht alle Zeitungsleſer find Profeſſoren — der angegriffene Glaube ohne Belehrung erweckt nur Haß. — In Ländern, wie das unſerige, muß die Zeitung oft den Lehrſtuhl vertreten. — Die neueren Forſchungen, der jetzige Stand des Chriſtenthums, ſollten dargeſtellt, nicht bekannt vorausgeſetzt werden; — Lehr- und Kinderbücher in dieſem Geiſte ſind meines Wiſſens noch gar nicht geſchrieben. Eben ſo wenig iſt deutlich aufgefaßt daß: Liebe deinen Nächſten wie dich ſelbſt, viel ſtrengere Pflichten auferlegt, als irgend ein Glaube. — Statt zu verſöhnen, zu vermittlen, will man nur abſtreifen. — Die Lehre von der Erbſünde iſt nicht jo unvernüftig. Si non e vero e ben trovato. Wer Kinder hat, weiß das. — Die Lehre: Der Genuß iſt erlaubt, iſt weniger werth als die Entſagung. — Entſagung, Aufopferung adelt. Schon die Alten rühmten es als den reinſten geiſtigen Genuß; die Liebe zum Nächſten gebietet fie oft; — es gab keinen großen Mann in Krieg und Frieden, der nicht dem Geiſte über die Forderungen des Körpers mehr oder weniger die Oberherr— ſchaft erkämpfte. Ich will das erſte beſte kirchliche Schulbuch in die Hand nehmen, wie ich ſie für meine Kinder beſitze, und mit Veränderung weniger Worte von deſſen Lehren alles abſtreifen, was nicht mit der Vernunft, wenigſtens jener Vernunft nämlich, die auch die Schwäche des Menſchen und deſſen gehaltloſeſte Stellung im Allgemeinen berückſichtigt, übereinſtimmt.“ „Wollen Sie nicht Ihre Feder oder die eines Ihrer Freunde dieſer Frage widmen?“ i Mit der Nächſtenliebe des Chriſtenthums, die in vorherge⸗ hender Anfrage als ein Grundzug dieſer Religion vorangeſtellt iſt, find wir völlig einverſtanden, nur bezweifeln wir daß es eine chriſtliche Religion geben würde, wie ſie faktiſch jetzt beſteht, wenn dieſe Nächſtenliebe eingeführt würde. Keinen Religions⸗ krieg, wie der Zaar ihn jetzt beabſichtigt, keine Ausſtoßung von Ketzern, wie ſie öfters noch in den Nordamerikaniſchen Chriſten⸗ gemeinden vorkommen, keine politiſche Aufregung der iriſchen Kaꝛholiken gegen die Proteſtanten in den V. Staaten, keine Ab⸗ Dh = ſchließung durch Religionshaß und Sektenweſen gegen feine Mit: menſchen würde es dann mehr geben. Könnte man zuvörderſt nur einmal unter den Menſchen dieſe vielgerühmte; ſelten geübte, chriſtliche Liebe einführen, wie locker würde dann das Band des Sectenweſens und wie wackelig der Beſtand der beſtehenden chriſt⸗ lichen Kirchen werden, die alle nur auf Gegenſatz und Abſonder⸗ ung gegründet ſind. Niemals iſt es dieſen chriſtlichen Kirchen Ernſt geweſen mit der chriſtlichen Liebe, denn in Wahrheit ſind die chriſtlichen Sekten nur durch den chriſtlichen Haß in ihrem Beſtand geſichert. Die Lehre von der Erbfünde ift eine grobe pfäffiſche Er: findung. Fehler, körperliche ſo wie geiſtige, können forterben, aber nicht die moraliſche Verantwortlichkeit für dieſe Fehler. Gegen die Entſagung haben wir nichts einzuwenden, als daß es ein negativer Begriff iſt, wie ihn die chriſtliche Kirche gewöhnlich auffaßt. Man ſoll etwas nicht thun, nicht ſein, oder nicht haben. — Faſſe man denſelben Begriff nur von der poſitiven Seite, nämlich, daß man etwas thun, ſein oder haben ſoll durch die angemuthete Entbehrung, ſo wird ſich die Forder⸗ ung viel freudiger herausſtellen, als nach der eſſeniſchen Eutſag⸗ ungslehre. z. B. Iß ein Stück Brod nicht — um deine Gr liebte vom Hungertode zu retten. Iſt das nicht leicht? — Ueberwinde deine Müdigkeit und deinen Schlaf, — um Weib und Kind vor einem nächtlichen Ueberfall zu ſchützen. — Setze dich der Gefahr des Feuertodes aus, — um deinen Nachbar aus den Flammen zu retten. Was negativ die Eutſagung ift, das iſt poſitiv die ehrende Zu⸗ muthung, ein edler Menſch, ein Held, mit einem Worte ein Mann zu fein. Dazu ſollten wir uns freilich von Jugend auf gewöhnen, daß es uns nicht ſchwer wird. 3 Daß man nicht nur den Körper, eee eee Ihe Willenskraft von Jugend auf abhärten muß, damit der Menſch für das Leben tüchtig werde, das iſt gewiß en wird jeder e 1d e en mit den e einſtimmen. 1 132 — 151 — Wenn man in neuerer Zeit dem Sinnengenuß und den hei— teren Lebensfreuden wieder zu ihrem Rechte verhelfen wollte, ſo war das nur eine Reaction (eine Rückwirkung) gegen eine miß⸗ verſtandene chriſtliche Ascetik (Selbſtkaſteiung), die alles Fleiſch— liche als vom Teufel Beſeſſene verwirft, die befiehlt, daß man ſich alles und jedes Sinnengenuſſes enthalten ſolle; wie ihrerſeits die chriſtliche (und noch viel ſtrengere heidniſche) Ascetik wieder nur eine Reaction gegen eine mißverſtandene Apotheoſe der rohe⸗ ſten Sinnlichkeit war, die ihrer Zeit durch Genußſucht und Orgien, einen fanatiſch wollüſtigen Gottesdienſt, den Staat und die menſchliche Geſellſchaft ſo ſehr zu Grunde zu richten drohte, daß in der altrömiſchen Republik von Staates wegen dagegen eingeſchritten werden mußte. Mit den Forderungen der Entſagung tonnen wir wohl ein⸗ verſtanden ſein, wenn fie nicht einſeitig, als bloße Abtödtung des Sinnlichen aufgefaßt werden, wie von den indiſchen Fakiren, ſondern wenn ſie mit = en. freudigen Bewußtſein eines höheren Zweckes geübt w Jedoch eine wahre Moral auf unſer jetzt unter dem Volke beſtehendes Chriſtenthum und auf die beſtehenden Lehr- und Schulbücher zu gründen, ſollte wohl ſchwer halten, da dieſes Chriſtenthum auf den Grundpfeilern der Immoralität beruht und einen in ſeinem Innerſten unmoraliſchen Menſchen erzieht, einen Menſchen deſſen Antriebe zum Handeln Furcht vor Strafe und Hoffnung auf Belohnung ſind, Hölle und Himmel. — Und dann das Capitel von der in hebräiſchem Sinne aufgefaßten Erlöſung, Rechtfertigung vor der Satzung (satisfactio juridiea plenaria), daß ein Anderer und Unſchuldige, wie der Widder für den Sohn Abrahams, zur Sühne g werden müſſe; was im innerſten Grunde die geheime Anmsvaliſche Vorſtellung verbirgt, daß man zuletzt (durch Vermittlung der Prieſter) nicht ſelbſtf für ſeine Die und ungerechten Handlungen e welche die Jefuiten ſelbſt be * 9 der Erziehung der f zöſiſch Kronprinzen zu Grunde eee in⸗ ä AN ac’ 2 41.4 2 8 Bi gaben, der jedesmal für die Fehler des Dauphin geprügelt —— — 152 — Derlei Vorſtellungen ſind factiſch Gang und Gäbe in unſe⸗ rem Chriſtenthum als Volksreligion, und das find die Schatten— ſeiten des beſtehenden Chriſtenthums. Da nun Alles, was werden ſoll ſich aus dem Beſtehenden entwicklen muß, ſo wirft ſich die Frage auf, wie ſoll aus dem jetzt beſtehenden unſittlichen Volksglauben eine beſſere Grundlage der Moral entwickelt werden? — Das wird ſchwer halten, ſo lange es den Pfaffen noch Vortheil bringt Seligkeit zu verkaufen und ſo lange das Volk dieſe Waare noch mit klingender Münze bezahlt. Der katholiſche Prediger Tauler, Thomas a Kempis und Andere, deren Schriften wir noch im Urtext beſitzen, haben ſchon lange vor der Reformation dieſen Uebelſtand eingeſehen und einfach den Grundſatz wahrer Moralität aufgeſtellt, daß man das Rechte und Gute um des Rechten und Guten willen und nicht um des Lohnes willen vollbringen müſſe. Selbſt vor Tauler hat ſchon ein deutſcher Mönch dieſen moraliſch und logisch richtigen Fundamentalſatz ſcheinbar paradox jo aus⸗ geſprochen: „Man muß Gott lieben und wenn man auch dafür in die Hölle kommen ſollte!“ Man entkleide dieſen Ausſpruch von den Schlacken der unvollkommenen materiellen Anſchauungsweiſe jener Zeit und er heißt nichts Anderes, als: Man muß das Gute wollen, nicht nur, wenn man perſönlichen Vortheil davon, ſondern ſelbſt wenn man davon perſonlich den de Nachtheil hat. Es gibt kein größeres eee Vertrauen in die Rich⸗ üigteit und Tüchtigkeit unſeres Handelns, als wenn jener Grund⸗ ſatz die Triebfeder unſeres Willens iſt. Menſchen, die fo handeln ſind die Muſtermenſchen, die Helden, die Vorbilder unſeres Ge⸗ ſchlechts, ſie ſind die Meſſiaſe und Erlöſer der Menſchheit, die durch ihr 3 e ihr handgreifliches Beiſpiel (dieſe deutlichſte demonstratio ad hominem) die befangenen Menſchen von ihrem Irrwahne ‚Suserlöfen ſuchen, daß der einzelne Menſch für ſich ein Sonderintereſſe habe, das es. en vom Intereſſe der eee een * in und glücklich ſein könne. WG Wenn ein Winkelried ſich in die feindlichen Lanzen ſtürzt, um der Freiheit eine Gaſſe zu machen, wenn ein Marcus Eur tius, hoch zu Roß in den flammenden Abgrund ſprengt, um Rom von der Peſt zu retten, wenn ein Sokrates den Giftbecher trinkt, um der Wahrheit die Ehre zu geben, wenn ein Meſſias den ſchimpflichen Sklaventod am Kreuze erleidet, weil er ſeine Sendung ajs religiöfer Reformator nicht widerrufen will; dann gibt jeder noch nicht ganz verkehrte Menſch, mit einem eigen⸗ thümlichen Gefühl in ſeiner Bruſt, das man herzerhebend nennt, zu ſolchen Handlungen ſeine Zuſtimmung. Dieſe allgemeinere und fernere Wirkung von moraliſchen Großthaten, iſt in ihrem weiteren Verfolge eigentlich noch viel wichtiger, als ihr beſonderer und näherer Zweck; indem ſolche Thaten mehr wie alles Andere in dem Menſchen den Glauben an die Menſchheit befeſtigen, der die Grundlage aller Tugend und alles Menſchenglückes iſt — Wer kann es beſtreiten, daß in dem Chriſtenthume, trotz dem Credo und der Augsburger Confeſſion, dieſer Grundſatz der freudigen Selbſtaufopferung für das Ganze enthalten iſt, daß in ihm ein ſiegesfreudiges Bewußtſein liegt, daß die Menſchheit nur ein einiges und untheilbares Ganze ſei. Was hindert uns, das Weſen des Chriſtenthums als die Lehre vom Menſchenthume aufzufaſſen, wie ſein Gründer, der große Eſſener, es ſelbſt jo auffaßte. Niemand hindert uns daran, als die geiſtlichen Raub⸗ ritter, die Lohnprieſter, die wie in alten Zeiten die arbeitſchenen Ritter und kleinen Souveraine in Deutſchland die gangbarſten Land⸗ und Waſſerſtraßen verlegten, um von dem Volk den Zoll nehmen zu können, uns den Himmelsweg verlegen, damit wir ihnen abkaufen, was noch mehr wie Waſſer und Luft Gemeingut und Privateigenthum aller Menſchen ſein ſollte, unſere reli⸗ giöſe Ueberzeugung! Aber nicht dieſe geiſtlichen Raubritter allein ſind die große Schuld, daß man beinahe, wie zu Tetzels Zeiten, die Seligkeit im Detail. für klingende e verkauft. | Volk ſchlecht, dann kannſt du es knechten“, gilt in der poſitiven Religion der Grundſatz: „Erſt mache ein Volk unmoraliſch, dann iſt es reif für jedes beliebige poſitive Dogma.“ — — Schreiber dieſes glaubt keines Chriſtenthums zu ſeiner Seligkeit zu bedürfen. Um ſo unpartheiiſcher muß daher ſeine Anſicht gelten, wenn er behauptet, daß man bei der Veredlung der civiliſirten Völker vom Chriſtenthume ausgehen müſſe, weil das Chriſtenthum ein hiſtoriſches Factum und die Grundlage der Moralität, wie der Immoralität der Wannen Völker im Allgemeinen war. Wo es Grundlage der Immoralität war, nämlich durch die jüdiſche und heidniſche Vorſtellung des Sühnopfers und deß⸗ halb nöthigen Prieſters, da ſoll es ausgerottet werden, weil es ja Chriſtus ſelbſt für ſeine eigenthümlichſte Sendung hielt, Opfer und Prieſter abzuſchaffen. „Jeder ſoll ſelbſt ſein Hoher⸗ Prieſter ſein und ſich ſelbſt zum Opfer darbringen,“ wie das Urchriſtenthum lehrte. Grade durch dieſe Lehre gab es die Grundlage zur höchſten Moral, die Lehre von der Unmittel⸗ barkeit und Selbfyulänglickeit eines jeden einzelnen Menſchen in ſeinem Verhältniß zur Idee der Menſchheit, zum Zweck alles Daſeins und Lebens, oder daſſelbe perſonificirt ausgeſprochen, zu ſeinem Gott. Ob wir philoſophiſch das Recht haben, einen ſolchen perſoni⸗ ficirten Gott anzunehmen, ſteht freilich dahin. Wenn wir mit der Conſtruction des Weltalls fertig werden können ohne einen Gott, dann haben wir eben ſo wenig das Recht, wie ſonſt wo in der Naturwiſſenſchaft eine unbekannte Kraft anzunehmen, wo die Erklärung und das Verſtändniß einer Naturerſcheinung ohne dieſe unbekannte Kraft gegeben werden kann. Wir ſind indeß noch weit davon entfernt, daß wir das Weltall als ein organi⸗ ſches Ganze in all' ſeinen integrirenden Theilen und Kräften begriffen haben (wie ſelbſt Humboldt in der Vorrede zu ſeinem Kosmos nachdrücklich erwähnt) und eben deßhalb müſſen wir die Frage, ob ein Gott, ein Selbſtbewußtſein dieſes Weltalls ſtattfinde, unbeantwortet laſſen. Geſetzt indeß, das ganze Weltall ſei 0 — ein — wie der menſchliche Körper ein Organismus iſt. — nr Weltall ein eben 10 hoch organiſirtes Geſammtw eſen iſt, oder ein noch höheres, als der menſchliche Körper, ſollte es dann nicht — —e eben ſo wohl zum Selbſtbewußtſein, zur Reflexion und zum Denken gekommen ſein, wie der Menſch? Dann wäre Gott freilich nur das große Weltthier. Wie aber dann, da in der Körper⸗ wie in der Geiſterwelt trotz aller Verſchiedenheit alle Weſen nur analog gebildet ſind, und da ferner das Weſen des Denkens jedesmal das Zuſammen⸗ faſſen in eine Einheit, einen Begriff iſt, und alle fernere Aus⸗ bildung dieſer Begriffe, alles Weiterdenken wieder im Zuſam— menfaſſen vieler Begriffe in einen Begriff iſt; — ſollte dann nicht alles Denken und Begreifen der ganzen Menſchheit und des ganzen Weltalls analog, auf dieſelbe Weiſe, ſich nicht wieder als eine Einheit zuſammen faſſen? Was wäre dies Anderes, als ein ſelbſtbewußtes, we geiftiges Weſen? Ein folder Gott wäre wohl denkbar. Ich freilich brauche zu meiner Moral keinen Gott, denn was wahrhaft nützlich und gut iſt, das iſt auch ſelbſtverſtändlich und gebraucht keines anderen Antriebes. Ich bedarf dazu weder der Billigung noch der Belohnung eines Gottes. Und was die gewöhnliche Vorſtel⸗ lung von der Weltregierung durch einen außerweltlichen Gott betrifft, ſo kommt mir dieſelbe noch armſeliger vor, als wenn es beſtändig eines Uhrmachers bedürfte, um bei einer Uhr das Werk im Gang zu erhalten und die Zeiger herumzudrehen. Nun iſt aber das Univerſum nicht nur eine Uhr, ſondern ein wirk— liches Perpetuum Mobile, ein Organismus, der noch weniger durch eine außer ihm befindlichen Kraft bewegt werden kann, wenn er nicht zum todten Mechanismus herabſinken ſoll. Ich meines Theils brauche keinen beſonderen Weltgott, keinen Demi⸗ ourg, aber ich will weder die Nothwendigkeit eines ſolchen Got: tes für die fromme kindliche Weltanſchauung des Volkes, noch das wirkliche Daſein eines ſolchen Gottes in Abrede ſtellen. Ich ar weder Atheiſt noch Deiſt. Wenn es frommen Chriſten eine wohlthuende Genngthuung i, mit ihrer Geſinnung ſich auf die Worte ihres Evangeliums zu berufen, ſo verdenke man es uns nicht, wenn nach zweiund⸗ Jahren, in der Sprache die Sokrates redete, die Worte der Akademiker wie geiſtige Bruderlaute zu uns — 156 — herüberklingen: „Bezüglich der Götter weiß ich nicht, ob es deren giebt oder ob es keine giebt. So ſagten jene griechiſchen Philoſophen deren Meinung es war, „es ſei ein ſchimpf⸗ icher Leichtſinn, der ſich mit der Würde eines denkenden Menſchen nicht vertrage, Falſches zu glauben, oder, was weder hinlänglich er forſcht noch bewieſen iſt, in den Tag hinein zu me ten (sine ulla dubitatione defendere.)“ War der Nenſch ſchon ein Zeitgenoſſe des | Maſtodon? Die Zeit, welche ſeit dem Ende der Quaternärperiode verfloß, wird die gegenwärtige Periode genannt und die Schichten, welche während ihrer Dauer gebildet wurden, werden die neueren Niederſchläge genannt. Sie ſind neu im Vergleich zu der Qua⸗ ternärperiode, aber nicht nach dem Begriff gewöhnlicher Zeitmeſ⸗ ſung, da die Urſachen zu ihrer Bildung in den meiſten Fällen Tauſende von Jahrhunderten gebrauchten. Dieſe vorläufigen Bemerkungen mögen uns in den Stand ſetzen die weſentlichen Thatſachen zu begreifen, durch welche wir die Paläontologie des Menſchengeſchlechtes beſtimmen. Dieſe Thatſachen werden feſtgeſtellt, erſtens durch die Geologie, zweitens durch die e und drittens durch die vorgeſchichtliche Archäologi Die . Thatsachen ſind RE in den