PNC bon. Dr. A. Mislisenus. — 2 ͤ — Seinen Freunden zum Andenken von seiner Familie. — St. Louis, Mo. 1890. Missour:ı BoTanıcaL — — — — A. WIEgUScH & Bon DH com, Sf. LOUIS, Mo, — — — — — en mn © G Einleitung. enn ein edler Mann ſtirbt, iſt es ein natürlicher Wunſch Hſeiner Familie, Andenken in einer Form oder der anderen an Solche auszutheilen, die dem Verſtorbenen nahe ſtanden. Als ſolches Andenken wünſchen wir, die Freunde des verſtorbenen Dr. A. Wislizenus, dieſe Auswahl von ihm verfaßter Gedichte zu betrachten. Für Solche, die Dr. Wislizenus kannten, mögen ſie Intereſſe haben, inſofern als ſie den Idealismus offenbaren, wel⸗ cher ſein ganzes Leben beſeelte, wiewohl er ſelten darüber reden mochte. Dieſe Gedichte decken eine Periode vom Jünglings⸗ bis zum Greiſenalter. Doch geht ein Grundzug durch das Ganze. Die Begeiſterung für Freiheit, die Achtung für Menſchenrechte, welche den jungen Mann anfeuerten, waren im Alter nicht gedämpft. Ein tief religiöfes Gefühl im weiteren Sinne des Begriffs, das in ſpäteren Jahren poetiſchen Ausdruck fand, war zeitlebens ein Be⸗ . ſtandtheil ſeines Weſens. Es iſt kaum nöthig dem Text ſpezielle Erklärungen beizufügen. Das Politiſche wird jeder deutſche Leſer verſtehen. Für Solche, IF die Dr. Wislizenus' Lebenslauf nicht genau kannten, fügen wir mit Genehmigung von Gouv. Körner, der einer feiner Jugend— freunde war, folgenden Auszug aus ſeinem Buche „Das deutſche Element in den Vereinigten Staaten“ bei. „Dr. Adolph Wislizenus war 1810 in Königſee, Schwarzburg⸗Rudolſtadt, als der Sohn eines proteſtantiſchen Pre⸗ digers geboren. Nach vollendeten Vorſtudien im Gymnaſium zu Rudolſtadt bezog er 1828 die Univerſität Jena. Ein heiterer, lebensluſtiger Student, war er allgemein beliebt, und wenige nur konnten vermuthen, daß er ſchon von vornherein ſeine Wiſſenſchaft ſehr ernſt nahm und tüchtige Studien machte. Gleich ſeinen zahl⸗ reichen Verwandten war er von den Gefühlen für Freiheit und Vaterland durchglüht. Er gehörte ſelbſtverſtändlich zur Burſchen⸗ ſchaft. Seine Studien ſetzte er ſpäter zu Göttingen und Würzburg fort, welch letztere Stadt er verließ, um ſich, nachdem jede Hoffnung auf politiſche Beſſerung in Deutſchland durch die Bundestags⸗ beſchlüſſe von 1832 vernichtet war und ſchon einige der beſten Va⸗ terlandsfreunde, wie Behr, Eiſenmann, Wirth, in Feſſeln ſchmach⸗ teten, zu einem Verſuch, eine Revolution in Deutſchland durch „eine kühne That“ zu erregen, in „Reihe und Glied“ zu ſtellen. Nur wer die herrſchende Aufregung kannte, welche die Juli-Revolution, die einzelnen Aufſtände in Braunſchweig, Kaſſel, Dresden und namentlich die polniſche Revolution in der deutſchen gebildeten Jugend hervorbrachten, vermag einigermaßen das Frankfurter Attentat zu verſtehen. Wislizenus half mit gefälltem Gewehr die Hauptwache ſtürmen; aber glücklicher als manche ſeiner Kampf⸗ genoſſen, gelang es ihm, nachdem das Militär die Oberhand ge⸗ wonnen, aus der Stadt zu entfliehen. In der Schweiz ging er auf die neue Univerſität Zürich, die unter Schönlein und Oken raſch emporgeblüht war, und er war einer der erſten Doktoren, die dort promovirten. We Nach einem Aufenthalt in Paris, um die Hoſpitäler daſelbſt kennen zu lernen, reiſte er im Herbſt 1834 nach New Pork, wo er ſich zur Praxis niederließ. Noch voll von den Ideen, welche ihn in Deutſchland beſeelt hatten, veröffentlichte er dort politiſche Pam⸗ phlete ſtaatsrechtlichen Inhalts, die er „Fragmente“ benannte, und war beſonders thätig, die deutſche Bevölkerung zu größerer Theil⸗ nahme am politiſchen Leben zu bewegen. Nach zweijährigem Auf⸗ enthalt dort, zog es ihn aber unwiderſtehlich nach Weſten, wo ſchon ſo viele ſeiner Schickſalsgenoſſen eine Heimath gefunden hatten, und St. Clair County, Illinois, nahm auch ihn freundlich auf. Er fand aber die Praxis auf dem Lande ebenſo anſtrengend, wie wenig lohnend, und beſchloß, ſich in St. Louis niederzulaſſen, erſt aber eine Reiſe in den fernſten Weſten zu machen. An der Grenze des Staates Miſſouri ſchloß er ſich im Früh⸗ jahr 1839 einer der Expeditionen an, welche die „St. Louiſer Pelz⸗ Compagnie“ jährlich in die Felſengebirge abſchickte. Die Reiſe wurde zu Pferde zurückgelegt. Den Tag über im Sattel, die Nacht auf der Erde, lebte er mit ſeinen Gefährten lediglich von der Jagd. Zahlloſe Büffelheerden durchzogen damals noch die Ebenen bis zu den Gebirgen, an welchen er nach zwei Monaten anlangte. Am oberen Green River, da wo er von den ſchneebedeckten Gipfeln der Windriver⸗Gebirge herabſtrömt, raſtete die Pelz⸗Compagnie kurze Zeit zum Tauſchhandel mit Tauſenden von Indianern und Biber⸗ fängern (trappers) und kehrte dann nach Miſſouri zurück. Wisli⸗ zenus aber zog mit einem großen Lager Indianer, zu den Nez- Perces und Flatheads gehörend, über den Hauptſtock der Felſen⸗ gebirge, bis in die Hochebene des heutigen Utah und bis zum Fort Hall, dem damaligen ſüdlichſten Handelsort der Engländer am Snake River. Sein Plan, über die Sierra Nevada nach Califor⸗ nien vorzudringen, ſcheiterte an dem Mangel eines Führers oder Begleiters. Er kehrte mit einigen Gefährten, den unteren Green River und die Southfork des Platte-Fluſſes überſchreitend, dem Arkanſas entlang nach der Grenze von Miſſouri zurück. Die Reiſe betrachtete er als eine „Erholungsreiſe“ und er hatte bei der Art, wie fie ſtattfand, keine Gelegenheit, fie wiſſenſchaftlich auszubeuten. In St. Louis angekommen, widmete er ſich wieder mit aller Kraft einer bald gewinnreich werdenden Praxis. ; Im Jahre 1846 trieb es ihn wieder zu einer neuen fernen Reiſe. Es galt diesmal dem nördlichen Mexiko, und wo möglich einem Beſuch von Californien auf einem ſüdlichen Wege. Diesmal ſollte die Reiſe eine wiſſenſchaftliche ſein, und ſie ward wohlausge⸗ rüſtet angetreten. In Independence vereinigte er ſich mit einer der großen Handelskaravanen, welche mit New Mexiko und den Staa⸗ ten Chihuhahua und Coahuila den amerikaniſchen Handel vermit⸗ teln und deren Leiter der wegen ſeiner erfolgreichen Karavanen⸗ führungen und ſeinen Handelsunternehmungen in großem Rufe ſtehende A. Speier, ein Deutſcher, war. Nach einer langen, aber für Wislizenus' Zweck deſto mehr lohnenden Reiſe machte der Zug Halt in Santa Fe, und dort erfuhr man denn auch den wirklichen Ausbruch des Krieges zwiſchen den Vereinigten Staaten und Mexiko. Dennoch erhielt er einen Paß zur Weiterreiſe vom mexi⸗ kaniſchen Gouverneur Armigo. Im Herbſt endlich nach Chihuahua, der Hauptſtadt des Staa⸗ tes gleichen Namens, gelangt, fand er Alles in der größten Auf⸗ regung. Doniphan's Zug dahin, die Niederlage der Mexikaner bei Sakramento waren dort gerade bekannt geworden. Ein lärmender Volkshaufen belagerte das Hotel, worin Wislizenus und noch einige Amerikaner ſich befanden, und machten Mienen es zu ſtür⸗ men. Die Amerikaner verbarrikadirten ſich, luden ihre Büchſen und Piſtolen, bereit ihr Leben ſo theuer wie möglich zu verkaufen. Es gelang dem Gouverneur indeſſen, nach einiger Zeit die Ruhe wie⸗ der herzuſtellen. Die Amerikaner aber wurden als Gefangene VII behandelt und nach einem entlegenen Orte internirt, und ſo mußte Wislizenus unfreiwillig bis zum Frühjahr 1847 dort bleiben, was ihn aber befähigte, genaue Studien über den Staat zu machen und ſeine bisherigen Sammlungen zu ordnen. Im Frühjahr rückten die amerikaniſchen Truppen in Chihuahua ein und befreiten ihn. Unter dieſen Umſtänden nach Weſten vorzudringen, wurde unthunlich, und er ſchloß ſich dem Weiterzug der Truppen an, die Befehl hatten, ſich mit General Zachery Taylor bei Saltillo zu vereinigen. Er wurde alsbald als Militärarzt angeſtellt und ge⸗ langte im Sommer 1847 wieder nach St. Louis zurück. Er pu⸗ blizirte einen ausführlichen Bericht dieſer Reiſe, welche um ſo in⸗ tereſſanter war, als zur Zeit das Land, namentlich zwiſchen Santa Fe und der Mündung des Rio Grande del Norte, eine terra incognita“ war. Wislizenus hatte reiche Sammlungen von Mi⸗ neralien und Pflanzen mitgebracht. Die letzteren wurden von Dr. Georg Engelmann klaſſifizirt und beſchrieben. Er hatte ferner die genaueſten meteorologiſchen und aſtronomiſchen Beobachtungen gemacht und namentlich den Höhemeſſungen große Aufmerkſamkeit gewidmet. Eine vortreffliche Karte der von ihm durchreiſten Län⸗ der, ſowie eine geologiſche Skizze derſelben und eine Profil-Karte der Erhöhung begleiteten das von ihm veröffentliche Werk. Nach Prüfung deſſelben von Sachverſtändigen hielt es der Senat der Vereinigten Staaten für ſo wichtig, daß 5,000 Exemplare davon zum Druck beordert wurden. Vieles in dem Werk iſt jetzt veraltet, während andere Reſultate, wie z. B. das Profil von Höhen, auf tägliche barometriſche Beob⸗ achtungen gegründet, von der Grenze von Miſſouri durch das nördliche Mexiko bis zur Mündung des Rio Grande in den Golf von Mexiko, noch heut zu Tage werthvoll ſind. Dieſe Vermeſ⸗ ſungen füllen eine große Lücke in der Hydrographie von Mexiko aus, wie ſelbſt Alexander von Humboldt öffentlich anerkannte. VIII Die furchtbare Cholera-Epidemie in St. Louis 1849 nahm Wislizenus' volle und aufopferndſte Thätigkeit in Anſpruch. Zur Erholung reiſte er im Jahre 1850 nach Europa, beſuchte Frank⸗ reich und Italien, machte einen Abſtecher nach Konſtantinopel, er⸗ neuerte dort ſeine Bekanntſchaft mit einer jungen Dame, die er be⸗ reits in Waſhington hatte kennen lernen, der Schwägerin von Georg P. Marſh, damals unſer Geſchäftsträger in Konſtantinopel, jetzt ſchon feit langen Jahren unſer Geſandter in Italien, und wurde mit ihr im Geſandtſchaftshotel getraut. Ueber das Schwarze Meer, die Donau hinauf, beſuchte er Wien und ſeine alte Heimath Thüringen, und kehrte dann nach den Vereinigten Staaten zurück. Von New Pork machte er eine flüchtige Reiſe über Panama nach Californien, um zu ſehen, ob für ihn dort ein paſſender Platz ſei, die Praxis wieder zu beginnen. Er fand zuletzt, daß für ihn zur Zeit der Aufenthalt in Californien nicht geeignet ſei, und ſo finden wir ihn im Jahre 1852 wieder in St. Louis, aus welcher Stadt er ſich ſeitdem nur zeitweiſe entfernt hat. Er nahm ſeine Praxis wieder auf, ſetzte aber unermüdlich feine naturhiſtoriſchen Studien fort, namentlich feine meteorologi⸗ ſchen Forſchungen und verwendete beſonderen Fleiß auf die Elek⸗ trizität der Luft als eines ſehr wichtigen Faktors in der Meteoro⸗ logie. Die Reſultate dieſer Forſchungen ſind in den Transaktio⸗ nen der Academy of Science’’ niedergelegt, eines Inſtituts, zu deſſen Begründern er gehörte. Eine Abhandlung in denſelben Transaktionen, „Gedanken über Kraft und Stoff“, entſprang einer eingehenden Beobachtung von der ebenſo konſtanten Erhal⸗ tung der Kraft wie der Materie, mit bloß abwechſelnder Form. Dr. Wislizenus iſt Mitglied vieler gelehrten Geſellſchaften, und nach wie vor ein eifriger Arbeiter auf dem Gebiete der Natur⸗ kunde. In der Politik iſt er ſelten öffentlich aufgetreten. Der Demokratie hat er ſeine Jugendliebe bis heute aufbewahrt. Die IX Reifen, die er unternommen, oft auf ſich ſelbſt allein geftellt, mit- ten unter Pelzjägern, Biberfängern und Indianern, zeigen eine Energie und Entſchloſſenheit des Charakters, welche man kaum bei einem Manne ſuchen würde, deſſen milde Geſinnung und liebens— würdiger geſellſchaftlicher Umgang ihm auch in weiteren Kreiſen eine große Anzahl von Freunden erworben haben.“ Der Verluſt zweier geliebter Töchter erſchütterten ihn tief. Ebenſo iſt die Thatſache, daß er in ſeinen letzten Jahren blind war, ein Umſtand, welcher hinzugefügt werden muß, um gewiſſe Gedichte zu erklären. Er lebte zurückgezogen im Kreiſe der Seinen. Er erſehnte die einzig mögliche Erlöſung; doch trug er die Laſten des Alters mit Muth, faſt könnte man ſagen mit Gemüthlichkeit. Er verſchied friedlich am 22. September 1889. Inhalts- Verzeichniß. Seite J%%%%%06ã //) ĩĩ ĩ ̃ ere er 1 BJ 2 %%% m ¼ↄmmFꝓꝶm· ß ͤ 4 JJ TTT... ⁊ 5 t PP 9 ein BIlkklnknln.n..... ee 11 Fretheniskampf in Enns ee 12 An die Freiheitskämpfer in Frankfurt am Main am 3. April 1833 14 Aren ff 2 16 N d 18 Bu Be ũ ] w. . e œů m dd... ĩĩĩͤĩĩ nee bar 20 j 5 ae nase 21 77. rn. a 23 JJ essnennnenaare 24 N A ee j ĩĩĩĩ ĩ ĩ ( ĩĩ 25 J%%%0%000000000 ĩ ĩ , ¼ ¼ ¼¼ / A ĩ 26 Die Luftſpiegelung in den Prairien des Weſtens. (Fata Morgana) . 28 e iiepen dene 8 31 ER DIE nnn. ee ee 32 rein Gauss ß 35 Es war eine Zeit, wo ich noch konnte glauben 38 , JJ 40 ///... ĩͤĩùĩĩ ĩĩĩ „ 41 N u Se 42 N DVV ²˙ev dd“... 43 J 8 ‚·jqVq· 555555556566. 46 %%% ꝛmxꝶß ee 48 Grabes Ruhe. ------urennsneennnennen nen nenn nenn ansn namen sunnnn 49 Stammbuchblatt für meinen Freund Todd. 50 Mind kklklkl ß. 51 Mein Voll und Vaterland. eh' dir, mein Vaterland, mir ewig theuer, Dem ich den letzten Lebenshauch geweiht, Weh' dir, dich feſſelt jetzt ein Ungeheuer, Gar ſeltſam anzuſchaun, voll Scheußlichkeit, Die Arm' von Eiſen, und unzählbar viel', Der Kopf und Rachen dreißigfach an Zahl, Die Bruſt verſchloſſen jeglichem Gefühl, Das Herz ſich nährend von des Volkes Qual. Weh' dir, mein Volk, du herrlichſtes von allen, So hoch geprieſen einſt durch Tapferkeit, Weh' dir, wie tief, wie tief biſt du gefallen In dieſer ſchweren, unheilſchwangern Zeit! Wohl hört man viel von Jammer und von Harm, Von Groll und Zorn und männlichem Entſchluß, Doch nimmer regt für Freiheit ſich ein Arm, Für Menſchenrechte nimmer ſich ein Fuß! Weh' euch, ihr blutgetränkten Siegeshelden, Die ihr geopfert habt des Lebens Gut, Weh' euch, getäuſcht gingt ihr in andre Welten, Denn nur umſonſt floß euer Opferblut! Ihr wußtet noch zu ſterben für das Recht, Für Freiheit zogt ihr jauchzend in den Tod! Ihr ſtarbet — für ein ſchwächeres Geſchlecht, Das lieber vorzieht Sklaverei und Noth! Baffenruf. 0 ne erbei, ihr deutſchen Männer allzumal, Herbei, ihr deutſchen Jüngling' ohne Zahl, Herbei, herbei, euch ruft das Vaterland! Euch ruft des deutſchen Volks zertret' nes Recht, Daß endlich ihr das morſche Joch zerbrecht, Mit dem der Fürſten Willkür uns umwand! Deutſche, jetzt zeigt euch des Namens werth, Die Stunde iſt da, jetzt greift zum Schwerdt, Die Zeit iſt gekommen, nehmt Waffen zur Hand, Zu erkämpfen ein freies deutſches Vaterland! Ihr Fürſten Deutſchlands, ſteigt herab vom Thron' Legt ab den Scepter und die Herrſcherkron', Denn euch erwartet jetzt ein ſtreng Gericht! Das Volk erkennt des Vaterlandes Schmach, Die düſtre Nacht durchdringt der Freiheitstag, Und jubelnd grüßt die Welt das neue Licht. Deutſche, jetzt zeigt euch des Namens werth, ıc. Ihr wähntet wohl, ihr Könige und Herrn, Es beugte ſich das deutſche Volk ſo gern Und willig unter eure Despotie? Weil Kerker jedes freie Wort gehemmt, So wähntet ihr des Volkes Geiſt gelähmt, Ihr kanntet, wahrlich! unfer Volk noch nie. Deutſche, jetzt zeigt euch des Namens werth. c. 7 Ihr aber, Männer, merkt euch eine Lehr', Aus Fürſtenmund traut keinem Eide mehr, Selbſt nicht dem heiligſten vor unſ'rem Gott! Mißtraut Gelübden, ſchon gelobt ſo oft, Auf die, mit Blut erkauft, das Volk gehofft, Denn ſtets noch trieben ſie damit nur Spott. Deutſche, jetzt zeigt euch des Namens werth, ꝛc. Die Schurken drum zu ſtrafen ziehn wir aus, Die Fürſten jagen wir zum Land hinaus Sammt jedem, der ſich rühmet ihrem Knecht! Und fällt daheim uns auch der Abſchied ſchwer, Doch ziehen jauchzend wir zum Freiheitsheer, Mit uns kämpft Gott und Wahrheit und das Recht. Vaterland, wir ſind deines Namens werth, Die Stund iſt da, wir greifen zum Schwerdt, Die Zeit iſt gekommen, wir waffnen die Hand, Zu erkämpfen ein freies deutſches Vaterland! UN. 4 Deutſchlands Erwachung. enn ein gefeſſelter Rieſe erwacht, Wenn er die Kräfte zuſammenrafft, Zerreißt er ſelbſt eiſerne Ketten — Mein Volk iſt der Rieſe, mein Volk iſt erwacht, Der Sturm der Freiheit iſt angefacht, Es klirren und reißen die Ketten! Mein Volk iſt erwacht, Hurrah zur Schlacht! Hurrah für Tod oder Freiheit! Wenn in der Knechtſchaft drückender Schmach Unſere Väter verſanken in Schlaf, Woll'n wir doch die Schande nicht erben; In uns lebt der Rieſe, in uns lebt die Kraft, So lange wir leben, lebt Deutſchlands Macht, Wir wiſſen für Freiheit zu ſterben! Mein Volk iſt erwacht, Hurrah zur Schlacht! Hurrah für Tod oder Freiheit! Volk, deutſches Volk, was zagſt du noch? Verjag' deine Fürſten, zerbrich dein Joch, Erwerb' dir die köſtliche Beute! Schon krachen die Donner, ſchon leuchten die Blitz', Schon wanken die fürſtlichen Herrſcherſitz', Auf, Rieſenvolk, zum Streite! Mein Volk iſt erwacht, Hurrah zur Schlacht! Hurrah für Tod oder Freiheit! N —— Europas Hochzeit. 1880-88. AIR Me, wie durch Zauberſchlag, ein Volk erwacht, , Das lange Zeit in träger Ruh geſchlummert, Wenn ſich ein ganzer Welttheil feindlich ſpaltet, Und alle Kräfte ſich an Kräften reiben, Wenn Millionen gegen Millionen Feindſel'gen Sinnes ſich entgegenſtehn, Und aus des wilden Chaos wildem Toſen Sich neugeſtaltend eine Welt erhebt; Dann ſind's nicht Worte, leere Namen mehr, Um derenwillen ſich die Völker morden, Ideen ſind's, ein Glaube, eine Wahrheit, Die feſt gewurzelt hat im Menſchenherzen, Und dieſer Wahrheit tiefe Ueberzeugung Mag dir kein Menſch, mag dir kein Gott entreißen. Auch unſ're Zeit hat ſich emporgerüttelt, Iſt müd' geworden ihres Winterſchlafs, Und neues Leben, neuer, reger Kreislauf Strömt durch Europas neugeſchwellte Adern, Denn eine Loſung ſcholl vom Seineſtrande, Ein großes Wort, was, ſchon beinah verklungen, Mit Donnerſtimme jetzt die Völker mahnte: Selbſtſtändigkeit und Freiheit! hieß die Mahnung, Freiheit des Einzelnen! Freiheit der Völker! Freiheit Europas und der ganzen Erde! Doch ftill geworden ift mit einem Male, Und Niemand regt ſich auf dem weiten Kampfplatz, Denn eine große, heilig große, Leiche Liegt hingemordet mitten auf dem Felde, Betäubt und ſtumm vor Wehmuth ſehn's die einen, Still und beſchämt ob ihres Sieg's die andern. Das Löwenherz Europas war gebrochen, Das Männervolk Polonias war gefallen, Und dumpf Entſetzen füllte rings die Erde; Da war kein Weſen, das den Schmerz nicht theilte, Kein Herz blieb ungerührt, kein Auge trocken, Kein Männerarm, der ſich nicht krampfhaft regte, Kein Volk, das dieſer Frevel nicht bewegte, Und ſelbſt die Weſen, die man leblos nennt, Sie fühlten mit des Menſchen tiefe Klage, Die Ströme, die das Heldenblut geröthet, Sie wälzten träge ſich zum Meere hin, Der Himmel hüllte ſich in Nachtgewand, Er ſtockte ſchier den Athem der Natur, Um nicht der Todten heil'ge Ruh' zu ſtören; Nur Ein Geſchöpf auf dieſem Erdenrund Blieb regungslos im allgemeinen Jammer, Das Nachtgeſchmeiß, was man die Fürſten nennt, Die Licht⸗ und Sonnenſcheue Vögelbrut, Die bei des Adlers kühnem Sonnenflug Sich ſcheu in ihre Höhlen eingedrängt, Die krochen jetzt hervor aus ihren Löchern, Weil ſie gehört, der Adler ſei gefallen, Zwar ſchüchtern nur und nur aus weiter Ferne Umkreißten ſie zuerſt den todten Feind, . Denn ſelbſt noch ſterbend ſchreckte ſie ſein Anblick, Doch als fie feines Todes ſich verſichert, Da flogen ſie zu Hauf herbei und höhnten Den ſie im Leben doch ſo ſehr gefürchtet, Und jubelten und freuten ſich des Tags, Dieweil es Nacht für ſie geworden war, Und fie jetzt ungeftrafter rauben konnten, Und neu begann ihr altes Regiment. Und immer düſtrer ward's, und immer lauter Erhoben ſie ihr gellendes Geſchrei, Und immer düſtrer, ſtummer ward die Klage Der Völker, die zu ſpät jetzt endlich merkten, Daß ſie mit Klagen ihre Zeit vergeudet, Daß, ſtatt mit Flor den Degen zu umwinden, Sie erſt mit Blut ihn hätten röthen ſollen, Denn blut'ge Zeit verlangt den Mann gerüſtet. Und wahrlich! grauſig genug ward es bald überall, Seltſame Töne hört man durch die Nacht, Seltſam wie Schwerdterklang und Kettenraſſeln, Unheimlich Seufzen, wie aus Kerkerluft, Und tiefes Stöhnen, wie von Sterbenden, Und Blitze zucken durch die Finſterniß, Und Wetterſcheine flammen hie und dort. Und fragt ihr bang, was dieſer Sturm bedeute? Das iſt das Ringen zwei erzürnter Geiſter, Das iſt der Kampf von Licht und Finſterniß, Der Kampf der Wahrheit gegen Trug und Lüge, Der Kampf des Rechtes gegen Ungerechte, Der Kampf der Freiheit gegen Tyrannei, Der heil'ge Kampf der Völker gegen Fürſten! Noch halten beide Kämpfer ſich umſchlungen, Den vollen Sieg hat keiner noch errungen, Doch wie die Sonne durch den Nebel dringt, Wie durch die Finſterniß der Morgen bricht, So wahr wird auch des Lichtes Kämpfer ſiegen. Ob früh, ob ſpäter, mag die Zukunft lehren, Doch eher nicht wird uns der Lorbeer ſchmücken, Nicht eh' geſichert wird der Sieg uns ſein, Als bis vereint Europas Nationen Nach einem Ziele gehen Hand in Hand, Als bis der Bund, den im Geheimen ſchon Europas Völkerherzen ſich geſchworen, Durch Prieſterweihe vor dem Traualtar Vor aller Welt wird laut und offenbar, — Der Prieſter aber, der den Segen ſpricht, Der heißt das Schwerdt, die Hochzeit heißt der Krieg! ERRI- Rebellenlied. — Mas Vaterland in Ketten Braucht Männer, die es retten, Nur aus dem Opferblut' Entſprießt der Freiheit Gut! Wollt Freiheit ihr genießen, Müßt ihr zu ſterben wiſſen, Nicht Tod noch Wunden ſcheu'n. Euch ſtürzen mitten drein! Drum luſtig, ihr Brüder, Singt fröhliche Lieder! Hinaus in den Kampf, In den Pulverdampf! Hinaus zum Leben, hinaus zum Sterben! Ein freies Land, Ein Vaterland Uns kühn zu erwerben, Oder frei auf freiem Boden zu ſterben. Mit Worten ſich zu ſtreiten, Paßt nicht für unſre Zeiten, Nur in dem Schlachtgewühl Erglänzt der Freiheit Ziel! Wo Recht und Falſchheit ſtreiten, Da muß die That entſcheiden, Meineid’ger Fürſten Hohn „„ Verlanget blut'gen Lohn! a „ 10 Drum luſtig ihr Brüder, Singt fröhliche Lieder! Hinaus in den Kampf, In den Pulverdampf! Hinaus zum Leben, hinaus zum Sterben! Ein freies Land, Ein Vaterland Uns kühn zu erwerben, Oder frei auf freiem Boden zu ſterben! Mein Volk, du biſt betrogen, Die Schwerter ſind gezogen, Es bleibt dir keine Wahl, Brich durch der Feinde Zahl! Kein Ausweg, der dich rette, Als der durch Bajonette, Willſt darum frei du ſein, So ſtürz dich wacker drein! Drum luſtig ihr Brüder, Singt fröhliche Lieder! Hinaus in den Kampf, In den Pulverdampf! Hinaus zum Leben, hinaus zum Sterben! Ein freies Land, Ein Vaterland Uns kühn zu erwerben, Oder frei auf freiem Boden zu ſterben! ERRT- Er x Mein Volk. ch kenn' ein Volk, gar treu bewährt In ſeiner frühen Jugend; Ich kenn' ein Volk, gar hoch geehrt Für ſeine Heldentugend. Das Volk war ſtark, das Volk war frei, Und haßte jede Tyrannei; Da ſtiegen Fürſten auf den Thron, Und ſprachen ſeiner Freiheit Hohn. Doch fragt ihr, wer die ärgſte Wund! Dem Vaterlande ſchlug, Das that ein deutſcher Fürſtenbund Durch Liſt, Gewalt und Trug. Frei Verkehren ward verboten, Freies Wort war todt, Im Gefängniß Patrioten Und das Land voll Noth. Drum jagt den Bund zum Land hinaus, Eh' kann's nicht anders ſein, Sind dieſe Räuber einmal d' raus, Kehrt Freiheit wieder ein. l 12 Freiheitskampf in Europa. eg = reiheitswetter aus dem Land der Franken, A Feuergeiſt, der kühn durchbrach die Schranken, Allgewalt'ger Schöpfer unfrer Zeit! Deine Donner wecken Nationen, Deine Blitze zücken über Kronen, Und dein Nam' iſt Unbezwingbarkeit! Großes freilich kann nur groß entſpringen, Nur gewaltig in das Leben dringen Kann ein mächtig hohes Ideal; Darum zagt nicht, wenn der Freiheitsreigen Ernſt und ſchweigſam ſchreitet über Leichen, Hingemordet von dem blanken Stahl! Darum zagt nicht, wenn zertreten worden Jüngſt erſt von deſpotiſch rohen Horden Eine edle, kühne Nation; Aus Polonias großen Heldenleichen Werden tauſend Rachegeiſter ſteigen, Niederſtürzen des Tyrannen Thron! 13 Darum zag' auch du nicht, Land der Eichen, Schwergedrücktes, ſollſt nicht ewig beugen Deinen Nacken unter Zwingherrſchaft; Blutigroth naht ſchon dein Freiheitsmorgen, Darum vorwärts ohne bange Sorgen, Bau nur feſt auf dich und deine Kraft! Wenn dann aber die Trompet' wird ſchallen, Deutſchlands Blüthe wird zuſammenwallen, Jünglinge und Männer Hand in Hand, Tauſch' auch ich die Leier mit dem Schwerte, Und mein einzig Lied und Trachten werde: Süßer Opfertod für's Vaterland! ERRI- 14 An die Freiheitskämpfer in Frankfurt am Main am 3. April 1833. enkt ihr daran, ihr meine deutſchen Brüder, Wie wir dereinſt in unſrem Vaterland, Durch Deſpotismus ſchwer gedrückt darnieder, Zum Schwur erhoben unſre freie Hand, Wie wir gelobt, dem deutſchen Vaterlande Mit unfrem Leib und Leben uns zu weihn, Wie wir gelobt, es von der Knechtſchaft Schande Mit unſrem eignen Herzblut zu befrei'n? Denkt ihr daran, wie wir uns da verſchworen, Voranzugehen auf der Freiheit Bahn, Wie niemals wir den kühnen Muth verloren, Obſchon man's ſchalt als eitlen Frevelwahn, Wie wir des deutſchen Volkes träge Maſſe Erwecken wollten aus dem Todesſchlaf, Der deutſchen Freiheit brechen eine Gaſſe, Wenn auch der Speer das eigne Leben traf? Denkt ihr daran, wie an des Maines Strande, Der vormals manche kühne That geſchaut, Wo einſt ein Volk, das ſich die Franken nannte, An freier Furt die freie Stadt gebaut, Denkt ihr daran, wie wir uns da vereinten, Wir freien Männer zu der freien That, Wie wir vernichten wollten unſren Feinden Das Herz, was nur zu lang' geſchlagen hat? 15 Denkt ihr daran, wie von Verrath umgeben, Umringt von Söldnern unſer Häuflein war, Und wie wir dennoch wagten unſer Leben, Dem Tod geweiht, die kleine Freiheitsſchaar — Wie wir uns todesmuthig da geſchlagen, Wir freien Männer gegen Söldnermacht, Bis endlich wir dem Schickſal unterlagen In jener blut'gen deutſchen Freiheitsnacht? Denkt ihr noch dran, an jene ernſte Stunde, Ihr Männer, die das Schickſal nicht erreicht, Denkt ihr daran bei froher Tafelrunde, So denkt auch derer, die es hat erreicht, Denkt unfrer Brüder, die im Kerker ſchmachten, Denkt, daß das Vaterland noch nicht befreit, Daß wir nach neuen Kämpfen müſſen trachten, Und unſer alter Schwur er ſei erneut! Es 16 Abſchied von Europa. as mir mit Freud' und Luſt Schwellte die Jünglingsbruſt, Was mich ſo tief bewegt, Was mich ſo ſehr erregt Zu Sang und Klang Aus Herzensdrang — Der Völker Freiheitfinn — Er iſt dahin! Freiheit iſt aller Orten Schläfrig und müd' geworden, 's war noch zu kalt auf Erden, Sollte erſt Frühling werden. Und wie ſie flieht, f Verſtummt mein Lied, Möcht' ſich auf wärmeren Höhen Mit ihr ergehen. 17 Klagen, das mag ich nicht, Es ziemt dem Manne nicht, Hör' lieber auf zu ſingen, Laſſe mein Lied verklingen, Verſchließ in's Herz Den herben Schmerz, Bis daß der Winter thaut, Und Frühling graut. Zum letzten Mal dann greif' ich in die Saiten, Sing' noch ein Lied von künft'gen beſſern Zeiten, Nehm gleich das Schwert zur Hand Und ſterb' für's Vaterland. 1834. ER 18 OZ18 48. — s iſt zu ſpät! So ruft des Volkes Stimme Dem treulos ſchlauen Bürgerkönig zu; Zu lang verhöhnteſt Du des Volkes Stimme, Vernimm ſie jetzt, meineid'ger König Du! Die Barrikaden haben Dich erhoben, Die Barrikaden ſind des Volks Replik; In Barrikaden iſt Dein Reich zerſtoben — Es iſt zu ſpät! Hoch leb' die Republik! Es iſt zu ſpät, romant'ſcher Schwanenritter, Und Du von Habsburgs Kaiſer-Dynaſtie, Das Volk zertrat den Gottes Gnaden Flitter, Die Majeſtät beugt vor dem Volk ihr Knie. In Euren Straßen iſt die Saat geſäet, Umſonſt beſchwört Ihr jammernd das Geſchick, Bald wird die blutgetränkte Saat gemähet! — Es iſt zu ſpät! Hoch leb' die Republik! Es iſt zu ſpät, ihr Herrn von Gottes Gnaden! Herab von Eurem angemaßten Thron! Das deutſche Volk wird mit ſich ſelbſt berathen, Was Ihr verdient als Eurer Dienſte Lohn! 19 Wie gnädig! Auch nicht ein Mann unter ihnen, Der kämpfend ſtürbe für ſein fürſtlich Glück, All' ſind bereit, dem deutſchen Volk zu dienen. — Es iſt zu ſpät! Hoch leb' die Republik! Es iſt zu ſpät, ihr Conſtitutionellen! Das morſche Haus iſt Eurer Kunſt entrückt. Es kracht und bricht in Pfeilern, Pfoſten, Schwellen, Der Grund erbebt, weil Ihr am Giebel flickt. — Flickt zu mit Pergament und Parlamenten, Drängt wie ihr könnt das Rad der Zeit zurück, Das Volk wird friſcher That fein Werk vollenden — Es iſt zu ſpät! Hoch leb' die Republik! s 20 Zur Feier des 4. Juli in New Vork. toßt an, Columbia ſoll leben, Hurrah hoch! Als die Welt war verſunken in Sklaverei, Da brach es die Ketten kühn entzwei, Frei iſt das Land, frei iſt das Land! Stoßt an, Waſhington lebe, Hurrah hoch! Er hat uns erkämpfet das freie Land, Er hat es gehütet mit Vaterhand! Frei iſt das Land, frei iſt das Land! Stoßt an, Jefferſon lebe, Hurrah hoch! Als die Sonne der Freiheit umdüſtert war, Enthüllt' er von neuem ſie rein und klar! Frei iſt das Land, frei iſt das Land! Stoßt an, Jackſon ſoll leben, Hurrah hoch! Er hat mit Wort und Schwert gekämpft, Hat inn're und äußere Feinde gedämpft! Frei iſt das Land, frei iſt das Land! Stoßt an, Republik lebe, Hurrah hoch! So lange wir ſchützen Columbias Bund, Wird Freiheit beſtehen auf dem Erdenrund! Frei iſt das Land, frei iſt das Land! N 21 Der Indianerhügel. In der Krämerſtadt St. Louis ſaß ich einſt um Mitternacht Auf dem höchſten jener Hügel, von dem rothen Volk gemacht. Sternbeſäet war der Himmel, Todtenſtille rings umher, Nur der Miſſiſſippi rollte dumpf dahin ſein Wogenmeer, Und mit ſeiner Wogen Drängen fluthete mein Geiſt dahin In die Ferne, in die Weite, zu der Träume Meere hin; Und die Weſen ſah ich wieder, die im fernen Vaterland Meine Kindheit einſt umflochten mit der Liebe zartem Band, Und die Zeiten ſah ich wieder, wo in Idealesgluth Für die Freiheit ich geopfert meines Herzens wärmſtes Blut. Aber ſtill ward's nach dem Sturme, todtenruhig ward die Erde, Nur verborgen glimmt' der Funke auf des Vaterlandes Herde, Und in fernen Ländern ſucht' ich Balſam für die wunde Bruſt, Doch die Ferne konnt' nicht heilen die erdrückte Lebensluſt. Einſam ſtand ich in der Menge, wie ein nackter Fels im Meer, Schaute ſtumm in's Fluthgedränge, das ſich thürmte um mich her. Wie ich ſo im Traum verloren in der öden Wüſte ſtand, Fühlt' ich plötzlich die Berührung einer kalten Todtenhand. Mit dem Bogen, mit dem Köcher, in die Büffelhaut gehüllt, Stand ein Indianer vor mir, ein geſpenſtiſch Schattenbild. „Blaßgeſicht,“ ſprach er, „was haderſt kleinlich du mit dem Geſchick, Weil die Welle deines Lebens nicht gehoben wird vom Glück? 22 Schaue um dich! Wo vor Zeiten weit und breit mein Volk gehau Hat der Sturmwind der Vernichtung über uns dahin gebrauſt Häuptling war ich meines Stammes, dieſer Hügel iſt mein Grab. Doch ſelbſt meines Volkes Name ſtieg mit mir ins Grab hinab So verſchwinden Nationen in des Daſeins Wechſelſpiel; So vergehen Mann und Völker, weil der große Geiſt es will!“ Sprach's, und von des Thurmes Höhe klang der Ruf der Mo 88 genſtunden. In die Tiefe ſank der Häuptling, und mein Traumbild war ver ſchwunden N 23 Der Nordwind heult. 9 Nordwind heult durch die Winternacht, x Auf dem „Vater der Ströme“ die Eisſcholle kracht; Es ſchäumen die Pferde in haſtiger Flucht, Ihr Schaum wird im Nu zu eiſigem Duft. Und fern auf dem Hügel, da ſtrahlet ein Haus Wie ein Leuchtſtern aus düſterer Nacht heraus, Es funkeln die Lichter, und Muſik ertönt, So luſtig, als ob ſie den Nordwind verhöhnt. Und im duftenden Saale da wogt eine Fluth Anmuthiger Geſtalten voll Liebesgluth, Es ſchweben die Grazien den Saal entlang, Mein verroſtetes Herz wird ſo heiß und bang. Doch die Auſtern, die ſchlechten, die ſchmeckten mir nicht; Dann wartete ich auf kein weiter Gericht. Ich ſchwang mich auf's Pferd und ritt und ritt — Hol' der Teufel die Auſtern und die Grazien mit! ER 24 Nacht Skizze in der Prairie. ild war die Nacht, — die weite, ſtille Prairie, Nur von des Mondes Strahlen ſanft beleuchtet, Die Luft getränkt mit Balſam wilder Blumen, Und Gottes Frieden ruhend auf der Landſchaft. Und tief im Schlafe auf der Mutter Erde Lag unſre Caravane hingebettet, Die Wagenburg in Reih' und Glied gekettet, Die Thiere graſend auf der fetten Weide. Und auch in meiner Bruſt ergoß ſich Ruhe, Fern von der Menſchen engbegrenzten Kreiſen Warf ich mich an den Buſen der Natur, Und ſog an ihren Brüſten neues Leben. Ich träumte, ich ſei eines ihrer Kinder, Und liebreich zog ſie mich an's Mutterherz, Strich mir die Zweifel von der düſtern Stirne, Und ſprach manch' tröſtend, traulich Wort zu mir. Da hört' ich's rauſchen dumpf in weiter Ferne, Wie aus den Tannenwäldern meines Vaterlandes, Wie von dem Wellenſchlag des lieben Rheines, Wie von der Fluth des lieblichen Potomac. Der Traum zerrann, das Waſſer rauſchte fort — »S war nur ein Bach, der durch die Ebene rollte; Auf, Träumer, auf! Der Morgen graut heran, Nicht raſten ſollſt du, ſondern raſtlos wandern! eK 25 Weſtenlied. © Zog mit der Caravan’ ich durch die Wüſte Von Gras und Sand, von Fels und Schneegebirg, Bis wo des Meeres Wüſte ſie begrenzt. Und raſtlos lag ich einſt auf meinem Lager, Um mich herum war ſchauerliche Ruh', Der dunkeln Nacht pechſchwarzer Mantel deckte Die weite Prairie wie mit Leichentuch. Tief ſchnarchten die Gefährten um mich her. Nur eine Wölfin heulte in der Ferne; Und an des Lagerfeuers letztem Glühen Sucht' ich den Reſt der Nacht noch zu verträumen. Und durch das Dunkel über Meer und Land Flog ich im Geiſte nach der alten Heimath, Und Bild um Bild ging raſch an mir vorüber, Im Brennpunkt meines Hirns ſich wiederſpiegelnd, Bald hell, bald düſter ſeine Schatten werfend; Doch geiſtergleich, wie Schatten floh'n ſie alle, Und nur das letzte Bild blieb vor mir ſteh' n: Die öde Steppe meines innern Lebens, Die Grabeshügel meiner Jugendträume. Und düſterer ſtarrt' ich in der Kohlen Gluth; Der Wölfe Heulen klang mir wie Muſik, Die dunkle Nacht war mir nicht ſchwarz genug — Get up! Get up!” rief plötzlich unſer Führer, Und munter ward die ganze Caravane. EI 26 5 war Mitternacht. war Mitternacht! Der Sterne Schaaren zogen Geheimnißvoll dahin am Himmelsbogen, Im Schlaf verſenkt war jede Creatur, Nur ſie noch wacht, die ewige Natur. So wacht die Mutter, wenn ihr Liebling ruht, So ruht der Säugling unter Mutterhut, Von ihrem liebevollen Arm umwunden, Bis Kraft zum neuen Leben er gefunden. Doch Schlaf erquickt nicht meine Augenlider, Ich wandere unter'm Himmel auf und nieder, Halt’ Zwieſprach' mit der Sterne gold' nen Weiten, Und frage nach der Zukunft dunkeln Zeiten. Und, wie des delphiſchen Orakels Trug Autwortet dunkel mir des Schickſals Spruch': „Nicht eher, Menſch, ſollſt du die Zukunft ſchauen, Bis du gelernt dem Weltall zu vertrauen.“ Und in des Spruches Sinn war ich verſunken, Da ſprüh'n im Oſten neue Sternenfunken, Und ſtrahlend über alle nah' und fern Erhebt ſich mild und klar der Liebe Stern. 27 Dem Stern der Liebe hab’ ich mich vertraut — Dem Geifte, der das Weltall aufgebaut — In den Geſtirnen wechſelt das Geſchick, Der Stern der Liebe nur verheißt uns Glück! Auch dich hält jetzt der ſüße Schlaf umfangen, Der Unſchuld Lächeln ſpielt um deine Wangen, Der Tugend Frieden deckt die keuſche Bruft, Im Auge ſchläft der Liebe reinſte Luſt. Schlaf' ſanft, mein Engel, ruh' in ſüßen Träumen Bis ſich des Himmels Ränder gülden ſäumen, Schlaf' ruhig — bald wird friſch der Morgen tagen, Schlaf' ſanft, mein Kind! ich und die Liebe wachen. RR 28 Die Suftfpiegelung in den Prairien des Weſtens. (Fata Morgana.) Zieht durch der Wüſte Sand, Gar heiß die Sonne glühte, Schier tödt'n ihn Durſt und Brand. 2 i On Wand'rer, matt und müde, I Da plötzlich, welch' Entzücken! Zaub'riſch wie eine Fee, Taucht auf vor ſeinen Blicken Ein wundervoller See. Kryſtallen iſt ſein Spiegel, Des Himmels tiefſtes Blau Senkt ſanft an jenem Hügel Sich in der Fluthen Thau. Und zarte Lüfte ſchwellen Die himmelblaue Fluth, In leichtgehob'nen Wellen Erſtirbt des Bodens Gluth. Und ſeine Ufer ſäumen Rohr, Dickicht und Geſträuch, Mit ewiggrünen Bäumen, Ergötzlich, ſchattenreich. 29 Und fern im Hintergrunde Glänzt prachtvoll eine Stadt, Wie auf dem Erdenrunde Es wenige nur hat. Ein Schloß und Thürme ragen Weit in die Wüſte hin, Die klaren Fluthen tragen Ihr Spiegelbild darin. Erſtaunt hebt ſich im Bügel Der müde Reitersmann, Giebt drauf dem Pferd die Zügel, So ſtark es laufen kann. „Lauf zu, mein Pferd, lauf munter, „Gefährte meiner Qual! „Trag uns zum Ort der Wunder, „Zu raſten allzumal!“ Der Rappe, ſpitz die Ohren, Die trocknen Nüſtern weit, Rennt friſch und neugeboren, Ein Schlachtroß, hin zum Streit. Wohl manche Meile jagen Der Reiter und ſein Roß; Doch noch viel ſchneller jagen Der See und Stadt und Schloß. Und als er kam zur Stelle, Wo er zuerſt erſchaut » Des Trugbilds Zauberwelle Von Aetherblau bethaut, 5 Stürzt Roß und Reiter nieder Auf dürren, heißen Sand; Erſchöpft ſind Kraft und Glieder, Ihr Lebensmark verbrannt. „Phantom, aus Licht gewoben, „Was lockſt du mich heran? „Trugbild vom Aether droben, „Welch Schickſal trieb dich an, „Daß du mit Zauberblicken, „Mit ſüßer Täuſchung Schein, „Den Wand'rer magſt berücken „Zu ſolchen Todes Pein?“ Und mit der Sonne Neigen Schwand See und Stadt und Schloß; Und auf dem Sande bleichen Der Reiter und ſein Roß. e 31 Rock Independence. (Im fernen Weſten der Vereinigten Staaten, ein hundert bis zweihundert Meilen öſtlich von den Felſengebirgen, liegt ein ungeheurer iſolirter Fels block, inmitten der Prairie. Die“ Sweet water?’ fließen hart an ihm vorüber. Eine Caravane, die den 4. Juli daſelbſt feierte, taufte ihn Rock Independence“). 2 m Weſten in der Wüſte Da ſteht ein Felſenblock, Der Wanderer ihn begrüßte Als „Independence Rock.” Sein Körper iſt graniten, Sein Rücken unbelaubt, Nur Sturm und Wetter hüten Sein nacktes Felſenhaupt. Die „ſüßen Waſſer“ ſpülen An ſeinem Fuße hin. Der Nord- und Weſtwind wühlen An ſein bemooſtes Kinn. Und tauſende von Jahren Steht er ſo da, wie heut, Beſchaut der Büffel Schaaren, Die Prairie weit und breit. Kein Menſch gebeut den Winden, Die Waſſer ſtrömen fort, Der Büffel Schaaren ſchwinden, Der Fels ſteht immerfort. So in der Menſchenwüſte Der Mann von Granit ſteht, Starr ſchaut er in die Wüſte, Die um ihn her vergeht. 32 In die Berne. A 5 Ileus, hinaus! noch einmal in die Ferne, Fort aus der Menſchen ängſtlichem Gewühl! Hinaus in's Weite, wo das Heer der Sterne Im öden Herzen wieder weckt Gefühle; Hinaus, wo mich das Obdach der Natur Mit ſeinen Millionen Augen deckt; Hinaus, wo keines Menſchen läſt'ge Spur Mich aus den Träumen der Erinn' rung ſchreckt. Verwaiſt und einſam fühl' ich mich im Leben, Der Sinnverwandten find' ich wenig hier; Dem Drang zur Ferne muß ich mich ergeben, In weitern Kreiſen ſuch' ich Ruhe mir. Den Staub muß ich von meinen Füßen ſchütteln, Der meines Lebens Poren hat verklebt, Den todten Geiſt aus ſeinem Schlaf aufrütteln, Wo mich der Urgeiſt der Natur umweht. Bei tauſend Meilen weit dehnt ſich die Prairie, Ein ewig wogend Gras- und Sandesmeer, Und mitten der unendlich weiten Prairie Erſcheint kein Strauch, kein kühler Schatten mehr. Der Bäche Ufer, mit Gehölz umſäumet, Oaſengleich dem müden Wandrer winkend. Doch oft auch durch die weite Ebene ſchäumet Ein nackter Bach, im nackten Land verſinkend. 33 Der Elk und Hirſch, ſie raſten dort gemüthlich, Das Bergſchaf pflegt auf Höhen ſeine Ruh', Der Büffel ſchwere Heerden graſen friedlich, Der graue Bär ſchaut ihnen lüſtern zu, Die Antilop' jagt wie ein Blitz vorüber, Im Boden wühlt der kleine Prairiehund, In den Gewäſſern baut der ſinnige Biber, Der Wölfe Chor heult um die Geiſterſtund'. So bin von tauſend Weſen ich umgeben, Die in der Wildniß ſich des Daſeins freuen, Die dieſe öde Einſamkeit beleben, Und nur des Menſchen blut'gen Fußtritt ſcheuen, — Des Menſchen, des erhab'nen, göttergleichen, Der Schöpfung Meiſterwerk, der Erde Zier, Des Herrn der Welt, vor dem ſich alle beugen, Und, wenn beim Licht betrachtet, ſelbſt ein Thier. Ein Fremdling kann nur Fremdlingen begegnen, Er kennt kein ſchützend Obdach, keine Heimath, Kein Herz ſchlägt warm dem ſeinigen entgegen, Da wird das eigene müd' und lebensſatt. In Haß verwandeln ſich die ſtärkſten Triebe; Es reißt ihn aus der Menſchheit kalten Armen, Um in der ew'gen Mutter aller Liebe, Sei's auch im Tode, wieder zu erwarmen. Ew'ge Natur, du Mutter aller Weſen, Du meine treue Amme, die mich liebte, Die mich geſäugt, mir immer hold geweſen, Weil ich gefliſſentlich dich nie betrübte, . 34 Du liebſt mich noch, du haft mich nicht verſtoßen, Dein Mutterherz iſt auch für mich noch offen, Und unzufrieden mit des Lebens Looſen Mag ich in dir noch Ruh' und Frieden hoffen. Ja, Ruh' und Frieden werd' ich in dir finden, Doch nimmer auf dir, alte Scholle Erde; Wer ſich erkühnt das Leben zu ergründen, Und ſich getrennt hat von der großen Heerde, Die unter der Gewohnheit Joch ſich beugt, Der hat ſein Ziel hienieden ſchon gefunden, Der hat die Ruh' aus ſeiner Bruſt verſcheucht; Ein Gott zieht ihn nach oben oder unten. e RD) 35 Mein Glaube. er Woche emſig Treiben iſt vorüber, Das Feſtgeläute ruft zum Haus des Herrn, Und Jung und Alt, geſchmückt mit Sonntagskleidern, Strömt nach der Kirche gottgeweihten Räumen. Der Wuch'rer wirft zerknirſcht ſich auf die Knie Der Woche Sünden im Gebet zu büßen. Der Trunkenbold, der Dieb, und ſelbſt der Mörder, Sie waſchen ſich von ihren Sünden rein. Und durch den Haufen ſchleicht der Liebesgott, Und ſchießt heimtückiſch ſeine leichten Pfeile. Die zarte Jungfrau fleht um den Geliebten, Der Jüngling betet ſeine Göttin an. Frommgläubig auch ergießt ſich manche Seele Vor dem, was ihnen durch Gewohnheit heilig. Und wie das bunte Heer an mir vorüberzieht Wird's mir im Innern ſo unheimlich weh', Ich denke meiner frühen Knabenjahre Wo in der Unſchuld meines Kinderherzens Ich voller Andacht folgte ihrem Zuge. Und wie des Zweifels Dämm'rung dann mich weckte, Und mir des Menſchentruges Blöß' entdeckte, Und wie ich einſam unter ihnen ſtand, Ein armer Wanderer in der Menſchenwüſte, Und wie die alten Freunde von mir ſchieden, 36 Und ich allein verfolgte meinen Pfad, Und wie es trüber, finſterer um mich ward, Bis ſich der Wahrheit Licht in mir entzündet, Und was im Mikrokosmus ich verloren, Ich in des Weltalls Leben wiederfand. Gar mancher freilich lächelt meines Glaubens, Er dünkt ihn ſchlimmer als das Heidenthum. Und mancher gläubig fromme Bibelchriſt Häl mich deßhalb für einen Atheiſt. Ich bin kein Gottesleugner, kein Ungläubiger, Mein Glaube iſt bloß weiter wie der eure. Mein Gott wohnt nicht in euern engen Mauern, Er wohnt im großen. Tempel der Natur. Er wohnt in der Geſtirne weiten Kreiſen, Wie in des Halmes regen Bildungstrieb; Im Blitz und Donner, im Orkan und Sturme, Wie in des todten Steines ſtillem Leben; Im ewigen Einheitskampf der Weltenpole, Wie in des eigenen Hirns Gedankenſtreit, Im Schaffen, Bilden, Toben und Zerſtören Des unergründlich tiefen Lebensſtromes, Im wunderbaren, unerforſchlichen, Geheimnißvollen, ſegensreichen Walten Der abertauſend Kräfte der Natur, Dort wohnt mein Gott und ſpricht mit tauſend Zungen Zu meines Herzens tiefbewegtem Innern. Und dieſen Gott ſoll ich mit eurem tauſchen? Und meinen Tempel gegen eure Klauſe? Mein Gott lebt allwärts in und außer mir, Sein Wort die ewigen Kräfte der Natur, Und ihres Wirkens Grenzen fein Geſetz. 37 So leb' und web’ ich in der großen Schöpfung, Ein Theil des Ganzen und ein Ganzes ſelbſt. Ich fühle meine eigene Kraft und ahne Die hohe, unermeßliche des Weltalls. Könnt ihr mit all dem Flitterſtaat in euern Kirchen Mir dieſes göttliche Gefühl verleihen, Was ich vom Urquell alles Lebens trinke, Wohlan! ſo reiß' ich meinen Tempel ein, Wo nicht, ſo laßt mich meines Weges gehen; Zieht ihr in Frieden nach den engen Mauern; Doch meinen Frieden laßt mir in der Weite! 38 Es war eine Zeit, wo ich noch Konnte glauben. war eine Zeit, wo ich noch konnte glauben An Bibelgott und Bibelfeligfeit, Wo Höll' und Trübſal mir nicht konnte rauben Den ſüßen Traum von Gottes Himmelreich — 's war in den flücht' gen, gold'nen Knabenjahren Voll reichem, reinem, kindlichem Gemüth, Doch wie wir Kinderkleider nicht bewahren, So auch dem reif' ren Geiſt der Glaube flieht. 'S war eine Zeit, wo ich noch konute lieben, Wo in dem Sturme wilder Leidenſchaft 8 Die Kräfte ſich an Idealen üben, Und jeder Menſch ſich eine Welt erſchafft — 's war in der Zeit des kühnen Jugendſtrebens, Wo man die Menſchheit brüderlich umfängt Bis in das enge Bett des eig' nen Lebens Die Wirklichkeit das wilde Bächlein drängt. 'S war eine Zeit, wo ich noch konnte hoffen, Noch hoffen auf der Menſchheit Auferſteh' n, Noch hoffen, daß vom Blitz der That getroffen, Der Heuchler Hydraband' würd' untergeh’n. Doch dumm und feig' iſt noch die große Menge, Sie beugt ſich willig unter's Sklavenjoch, Und in der Menſchenthiere bunt Gedränge Stehn nur vereinzelt wenig Menſchen noch. 39 Und Glaube, Liebe, Hoffnung ift verſchwunden Aus meines Lebens engbegrenztem Raum, Der Zweifel Dämm'rung hab' ich mich entwunden, Vorbei iſt Täuſchung, ausgeträumt der Traum; Nach ſtarren, ewigen Geſetzen waltet Unwandelbar und eiſern das Geſchick, Und was allmächtig über Welten ſchaltet Verleiht uns wechſelnd Mißgeſchick und Glück. Ein Sandkorn ſind wir in dem Bau der Welten, Ein Tropfen nur im Ozean der Zeit — Wer mag die höhern Mächte darum ſchelten, Daß wir nicht faſſen die Unendlichkeit? Der Wurm vermißt ſich, daß er ſei die Mitte, Um die das Firmament in Sphären kreiſt, Dieweil in ſtetem, feſtem Rieſenſchritte Die große Welt das Sandkorn mit ſich reißt. ERRI 40 are „ Was kunſtvoll deine zarte Hand gemacht, Es hat mich überraſchend angezogen: Hier meiner Wiſſenſchaft geweiht? Symbol, Und dort die Fähre, die mich tragen ſoll Auf unbekannten fernen Meereswogen. Wohl werd' ich einſam oft da draußen ſtehen, Werd' ſchweigend in die tiefen Fluthen ſehen, Und meiner fernen Heimath dann gedenken, Und fragend werd' ich nach den Sternen ſchauen, Und was ſie mir geheimnißvoll vertrauen Werd' ich getreulich jenen Blättern ſchenken. Und wenn der Sturm des Lebens mich umbrauſt, Und meinem Auge vor dem Abgrund grauſt, Und mein gewohnter Muth beginnt zu wanken, Dann ſeh' ich deutend jene Zeichen an, Und knüpfe meiner Jugend Träume dran, Und meine Rettung hab' ich dir zu danken. Den Anker doch halt' ich vor Allem feſt, Den Anker, der mich wieder landen läßt. Sobald der Freiheit erſter Ruf wird ſchallen, Dann, Schiffer, eile dich, ich muß an's Land, i Ich will, ich muß — gieb mir ein Schwert zur Hand — Auf deutſcher Erde ſiegen oder fallen! E De Sinnbild, das dein heit' rer Scherz erdacht, 41 Wanderſchaft. > ug find die Menſchen, weit ift die Welt, Drum treibt's mich hinaus in die Weite; Drum fühl' ich mich wohler in Wald und Feld, Und wo ich die Menſchen vermeide. Kalt find die Menfhen, warm die Natur, Drum zieht es mich hin zu der Wärme, Drum ſonne ich mich auf lachender Flur, Wenn ich unter Menſchen mich härme. Todt ſind die Menſchen, ewig die Kraft, Die waltet und ſchaffet im Weltall; Drum bin ich auf ewiger Wanderſchaft, Auf unſerem winzigen Erdball. N RD) 42 König Humbert. ie Krone, die Dein Volk Dir hat gegeben, Im Kampfe für Italiens Einheitsſtreben, Hat Deines Geiſtes Größe nur erhöht; Warm ſchlägt Dein Herz noch für der Menſchheit Leiden, Des Volkes Jammer tönt von allen Seiten, Und treibt Dich hin, wo Peſthauch Dich umweht. Als ſchlichter Bürger, ohne Sölduermaſſen, Geht König Humbert durch Neapels Straßen, Inmitten und vertrauend ſeinem Volk, Glücklich die Mutter, die berührt ſein Kleid, Der Kinder Schaar vergißt ihr eignes Leid, Die Männer ſchau'n auf ihn mit Freud' und Stolz. Furchtlos betritt er bitt'rer Armuth Hütten, Wo von der Seuche Tauſende gelitten; Er tröſtet, ordnet, mindert ihre Leiden, Ermuthigt Zagende, und wirkt und ſchafft, Bis ſelbſt der Seuche gift'ge Wuth erſchlafft, Und er, geſegnet von dem Volk, darf ſcheiden. Den Schlachtenruhm theilſt Du mit andern Fürſten, Die nur nach blutigen Trophäen dürſten; Doch für den höhern Muth auf Fürſtenthrone Zu opfern für das Volk ſein Gut und Blut, Sein Leben ſelbſt — für ſolchen Edelmuth, Ertheilt die Menſchheit Dir des Ruhmes Krone. EN Meine letzte Nuheſtätte. n des Waldes feierlicher Stille, Dort auf Felſenhöh'n, Hab' ich meine Stätte mir erkoren, Einſam, prachtvoll ſchön. Vor mir rollt die weite Eb'ne, Von der Hügel Blau begrenzt, Unter mir „der Ströme Vater“, Der im Sonnenſtrahle glänzt. Um mich rauſcht der Wald und flüſtert, Wie geſchied' ner Geiſter Chor, Seine ſanften, heil'gen Lieder In mein kindlich lauſchend Ohr. Eine Eiche, hundertjährig, Mit der Kron' im Himmelszelt, Deckt mit ihren grünen Zweigen Was mir theuer auf der Welt: Unter ihrem kühlen Schatten Ruht mein Kind, mein Engelsbild, Flora, mit den gold' nen Locken, Mit dem Aug' ſo klar und mild. 8. i Flora, mit der off' nen Stirne, Mit dem Geiſt ſo hehr und kühn, Mit dem reinen, warmen Herzen, Mit dem zarten Schönheitsſinn. Feengleich war ihr Erſcheinen, Zaubervoll ihr Angeſicht, Hold ihr Lächeln, holder noch Ihres Geiſtes dämmernd Licht. Eine Knospe iſt gebrochen Von des Schickſals rauher Hand, Neidiſch zogen höh're Mächte Sie an's dunkeln Grabes Rand. Grabesdunkel, Grabesſtille, Vor der ſelbſt dem Muth'gen graut, Stumm' Geheimniß, Iſisſchleier, Den kein Weiſer noch durchſchaut! Es erſtarren Vater, Mutter — 's ſtockt das Blut im müden Herz, Bis in einer Fluth von Thränen Sich gelöſt der herbſte Schmerz. Blumen, köſtliche und duftend, Streu'ten wir auf ſie herab, Senkten dann die ird'ſche Hülle In ihr einſam Felſengrab. Doch ihr Geiſt, der ew'ge, freie, Lebt noch in des Weltalls Raum, Schwang ſich auf zu höh’rem Sterne, Nach dem kurzen Erdentraum. 45 Kind der Freude, Kind des Schmerzes, Schau herab von lichten Höh'n, Schweb' als Schutzgeiſt um die Eltern, Bis auf wonnig Wiederſeh'n! Und wenn unſre Zeit erfüllet, Sprengt zwei Gräber in's Geſtein, Rechts und links von unſerm Liebling, Leget Vater, Mutter drein; Wie von unſerm Arm umfangen, Sie geruht im Leben hier, So laßt uns im Tode ruhen — Holdes Kind, wir folgen dir! KN 46 Requiem. Im Sinne der neueren Weltanſchauung. — — erbrochen iſt die edle Form, Des Lebens Kreis geſchloſſen; a In Staub zerfällt des Menſchen Form, Des Geiſtes Licht erloſchen! Es iſt im großen Weltalls⸗-Dom Ein Sandkorn nur die Erde, Und doch verſchwindet kein Atom Von's Weltalls Maſſenheerde. Polarer Kräfte ewig Spiel Belebt die todten Maſſen: Bewegung, Formtauſch, Fortſchrittsziel Die ganze Welt umfaſſen. Im Weltall thront als höchſte Kraft Der große Geiſt, der denkt und ſchafft, Der aus des Chaos finſt' rer Nacht Der Sphären Harmonie gemacht, 47 Und der mit ſich'rer, fefter Hand Der Körper und des Geiſtes Welt Durch der Naturgeſetze Band In ewiger Bewegung hält. Die Urkraft, die erſchuf das All', Gab von des ewigen Geiſtes Macht Ein Fünkchen unſerm Erdenball, Des Menſchen Geiſt, als höchſte Kraft. Wie alle Kräfte der Natur, Unſterblich iſt des Menſchen Geiſt, Drum laßt den Staub der Erde nur, Des Menſchen Geiſt — dem Weltengeiſt! N Mein Kindergarten. Ein Traum. s war eine lauwarme Frühlingsnacht, Die Sterne ſtrahlten in ſtiller Pracht, Da trieb es den Vater aus dem einſamen Haus, Zu dem „Kindergarten“ im Walde hinaus; Drei ſeiner Lieben ſind gebettet dort, Maiblümchen und Roſen ſchmücken den Ort, Und am jüngſten Grabe der Vater fragt: Wo im Weltall, mein Kind, dir die Sonne jetzt tagt? Und mit Silberton, den gehört er auf Erden, Die prophetiſchen Worte vernommen werden: „In neuem Gewande auf prachtvollem Stern, Unter glücklichen Menſchen verbleibe ich gern. Doch wenn die Erde verleidet iſt dir, So komm' ich heut' Nacht noch — vertraue mir.“ Hocherfreut nach Hauſe ſich wendet der Greis Vertrauensvoll auf der Tochter Geheiß. Am Morgen das Herz des Vaters war kalt; Sein Körper ruht jetzt bei den Kindern im Wald. n Doch ſein Geiſt iſt entfloh'n — von des Kindes Hand Geleitet in's ferne und beſſere Land. K 49 Grabes Ruhe. enn dies Herz einſt aufgehört zu ſchlagen, Und ſein heißes Blut hat ausgeſchäumt, Wenn mein Körper liegt auf ſchwarzem Schragen, Und mein müdes Hirn hat ausgeträumt; Wenn dann auf dem weiten Erdenrunde Keine Thräne um den Fremdling fließt, Wenn kein Menſch bei meines Todes Kunde In der Trauer Klagen ſich ergießt: Senkt mich in der Erde warmen Boden, Gebt den Elementen mich zurück, Sanfter ruhn in ihrem Schooß die Todten, Die im Leben haßte das Geſchick. Thränen wird des Himmels Thau mir ſpenden, Blumen giebt die Mutter Erde mir, Und um Mitternacht die Winde ſenden Sanfte Geiſterklänge hin zu mir. Nd Stammbuchblatt für meinen Freund Tod. jyrann von Gottes Gnaden, du Wüthrich der Natur, Zerſtörung, Schlachten, Morden bezeichnen deine Spur! Den zarten Säugling reißt du von warmer Mutterbruſt, Du ſättigſt an dem Greiſe die Kannibalenluſt! Der Jugend Blüthenknospen, des Mannes reife Kraft — Du ſchleppſt fie ohn' Erbarmen in deine Kerkernacht! | Noch nie hat menſchlich Rühren dein Marmorherz bewegt, Bald früher nur, bald ſpäterhin dein Arm ſie all' erſchlägt! Drum biſt du mehr gefürchtet wie ein Tyrann auf Erden, Vor dir im Staube kriechend, aus Helden Feigling' werden. Doch Tod, ich kenn' dich beſſer, biſt ſimpler Hausknecht nur, Zu leiſten nied're Dienſte im Haushalt der Natur; Und wo du niedermäheſt, ſchickt taufend Diener Er, Zu wecken friſches Leben, des Weltalls mächt'ger Herr. Die Form magſt du zerſtören, du ſchlägſt den Stoff nicht * Und ewig ſpottet deiner die ew'ge Kraft, Freund Tod! b 51 Blindheit. acht, düſtre Nacht umhüllt mich, Kein Stern am Himmelszelt, Und düſtere Nacht ergießt ſich Durch meine innere Welt. Die Sonn' iſt untergangen, Der Mond ſteigt nicht herauf; Mit ſchwarzem Flor behangen Iſt der Geſtirne Lauf. So war es einſt vor Zeiten, Eh' dieſe Welt erſchien, Eh' Zeit und Raumes Weiten Dem Chaos Form verliehn. Und ſo iſt jetzt mein Leben Ein Chaos düſtrer Nacht; Die Nacht die kann nur heben Wer Zeit und Raum gemacht.