ne: 85.8 Sam rasılien auf Befehl Sr. Majestät © MAXIMILIAN JOSEPH 1. Rönigs von Baiern in den Jahren 1817 bis 1820 gemach t = - > : Eon weiland Dr. Joh. Bapt. von Spıx, Ritter des k. baier. Civil- Verdienstordens, ord. wirkl. Mitgliede d. k. b. Akademie d. W. Conservator der zool. zoot. Sammlungen, der Car. Leop. Akad. d. Naturforsch., der Edinb. Mosk., Marb., Frankf., Niederrhein. naturf. Gesellschaft Mitgliede, und ’ Dr. Carl Friedr. Phil. von Marrıvs, . Rüter des k. baier, Civil - Verdienstordens, ord. wirkl. Mitgliede d.k. b. Akademie d. W., Mitvorstand u. zweit. Conservator d. k. bot. Gartens, Prof. Ord. an der Ludw. Maxim. Universität, Corresp. d. Instituts von Frankreich, d. Car. Leop. Akad. d: Naturforsch. und mehrerer naturf. Gesellschaften Mitgliede. Ma ” ; Dritter und letzter Theil, bearbewtar und herausgegeben wo Dr. €. F.P. von MArrıvus. Mit einer Karte vom Amazonensirome, München, 1831, beidem Verfasser. Leipzig, in Gomm. bei Friedr. Fleischer, To. Bot, Sart Mo ? Asch r e 3 Bu < b l. Kapitel. Aufenthalt in der Stadt $. Maria de Belem do Gram’ Para. Seite 887 — gü1. € kr ‘ Die Landschaft um Para. Schildeeeng eines Tages unter dem fee Harmonie aller klimatischen Verhältnisse. Topographie der Stadt. Ihre Einwohner, Nahrungs- mittel, Krankheitscharakter , Bildung, Lebensweise, Behörden, Handelsartikel , Natur- producte. Ueber die Blattern in Para. Bevölkerung der Provinzen Para und Rio Negro. Geschichtliche Darstellung des Zustandes der Indianer inPara; Einfuhr - und Ausfuhrhandel. Ueber einige zu Parä cultivirte ausländische Gewächse. II. Rapitel. Ausflüge in die Umgegend von Parä, und Vorbereitungen zur Reise auf dem Amazonenstrome ins Innere. 5. 942 — 973. Die Ilha das Oncas; Verirrung auf derselben. Die Urwälder um Pard. Die Termiten und Ameisen. Das Thierreich in diesen feuchten Gegenden. Die Sturmfluth Pororoca ; zu S. Domingos. Vorbereitungen zur Reise auf dem Amazonenstrome. Ueber die Ufervegetation zu Para. Vergleichung der Sturmfluth mit ähnlichen Erscheinungen. Historischer Ueberblick der vor uns auf dem Amazonas ausgeführten Reisen. Astrono- - Puncte am Amazonas und Solimoes. IH. Kapitel. a: von Para durch den Archipel in den Amazonen- strom, und auf diesem bis zur Enge von Obydos. $. 974— 1053. ö Jacuarary am Flusse Moju. Der Canal Igarape-mirim. Eintritt in die Mündung des Toocantins in der Bai von Limoeiro. Die Bai das Bocas. Landung zu Breyes auf der Insel Marajö. Schilderung der Insel Marajö. Fahrt durch den Stromarm Tagipurü. Die Villa Gurupa. Rührende Treue einer Indianerin. Plage der Stechfliegen. Die Villa do Porto de Möz am Flusse Xingu. Der es ee Canal Aquiqui. Fe a IV . ee mM. m [4 Ansicht der Gebirge von Paru. Wollbaume, Schildkröten, ungeheure Schlangen, die sogenannte Flussmutter. Fischreichthum; Fischergeschäfte der Indianer. Die am Amazonas angesiedelten Indianer. Villa de Santarem am Flusse Tapajöz. Charakter der Umgegend. Insel Paricatuba. Stromenge von Obydos. — Ueber den Rio Mojü und die Deltaverbindungen in seinem Gebiete. Ueber die Palme Mauritia flexuosa.: Geschichtliches, Literärisches und Geographisches über den Rio Tocantins. Ueber die Bahia dos Bocas. Bevölkerung der Insel Marajö. Ausfuhr auf dem Amazonas. Geographie des Rio Xingu. Geschichtliches, Geographisches und Ethnographisches über den Rio Tapajöz. Ueber die Palme Bubunha, _ er. Kapitel. Reise von der Enge von Obydos nach der Fortaleza da Barra, dem Hauptorte der Provinz von Rio N egro. 5. 1054— 1099. Rio das Trombetas. Die Stechfliegen des Amazonas. Parentim, der Grenzposten zwischen Parä und Rio Negro. Villa nova da Rainha oder Topinambarana. Veberreste der alten Topinambazes. Fischfang durch giftige Pflanzenmilch. Die Muras, india- mische Wegelagerer, Der Schnupftaback Parica. Villa de Serpa.. Die Mündungen des Lago Saraca. Thonessen der Indianer. Die Hoccos. Indianische Zaubereien. Wasservögel. Sturm. Zitteraale. Anmerkungen über die Amazonen; über die Tupis ‚und ihre Sprache; über das Arzneimittel Guarana; über die Amazonensteine. Neuntes Buch: 1. Kapitel. Aufenthalt in der Fortaleza da Barra -do Rio Negro, und II. Ka pitel. Reise von der . andere vegetabilische Producte. Ausflüge in der Umgegend. $, 1100— 1133. Topographie der Fortaleza da Barra. Verschlagenheit eines Affen. Sage von 'ge- geschwänzten Indianern. Gespensterfurcht der Indianer. Cacao, Toncabaum, und ‚ups Der indianische Fischtanz. Ausflug nach Manacaru. Laternenträger. Tänze der Muras. Der Delphin vom Amazonas. Der schwarze Kaiman und der Lamantin. Geschichtliche Momente der Provinz Rio Negro. Ueber die Affen am Amazonas ‚„„Solimoes und Yupura. Leuchtende Insecten. | Barra do Rio Negro auf dem Solimoes nach der Villa de Ega. 9, 1134 — 1180. Die Sandinseln im Solimoes. Nächtlicher Ueberfall eines Crocodils. Canäle von Pa- ratary. Sandinsel Goajaratuva und Lese von Schildkröteneiern. Naturgeschichte der ug Flussschildkröte. Mündung des Rio Puruz. Die verschollenen Cochiuuäras. Sandinsel das Oncas. Gefleckte Indianer. See von Coari und Dorf Alvellos. India- nische Geräthe und Kunstfertigkeiten, Das Blasrohr und die übrigen Waffen. See von Teffe und Yilla de Ega. » Die Vegetation desFestlandes und die der überschwemm- ten Waldung. Die Pflanze Ypadu oder Coca. Dörf Nogueira. Indianische Töpfer- arbeiten. Ueber den Fluss Puruz. Ueber gefleckte Indianer. Chemische Constitution £ 4 Mm. IV. % Ve — V — der essbaren und gefärbten Thonarten. Handel zwischen Rio Negro und Maynas, Ueber Holzarten und über die Cocapflanze. ’ Kapitel. Des Dr. Spix Reise von Ega den Solimots aufwärts bis nach dem Grenzpresidio de Tabatinga, und zurück nach der . Beten do Rio Negro. 8. 1181 — 1196. ara oder Alvarads. Indianer Jumanas., Körperbildung der Indianer und der ge- mischten Ragen. Strom Yuruä. Barreira castelhana. Fonte Boa. Rio Jutahy. Die Indianer Maraüha. Dörfchen am 'YTonantin. Die Indianer Cauixanas. Militärquartel _ am Ica. Indianer Juri und Passe. Villa de Olivenza Die Indianer Campevas. Grenz- ort Tabatinga. Die Indianer Majorunas und Tecunas. — Anmerkungen: über Alva- raes, die Ponta de Parauari, den Strom Yurua, über Fonte-Boa, Tonantin, Ica, Olivenza, die Campevas und Omaguas, Tabatinga, die Majorunas und Tecunas. Kapitel. Des Dr. Martius Reise von Ega den. Yupurä aufwärts bis an den Fall von Arara-Coara,, und weräch nagh,. der Barra ‚do Rio Negro. 9. 1197— 1290. . Sie *Haupt- dnd Nebencanäle des Yupurä. Fischereien. Dorf Maripi. Indianer Coerunas, Passes, Jumanas und Uainumas; ihre Sitten und Abzeichen. Indianische Hühnerzucht, Hunde und zahme Schlangen. Zauberer. Verrätherei eines Indianers. Die Cauixanas am See Acunauü. Zugvögel. Dorf $. Joao do Principe. Indianische Getränke. Die Juris in Uarivau. Leben dieser Indianer. Katarakte von Cupati. Die Juris in Manacarü. Bereitung des Pfeilgiftes Urari. Hafen der Indianer Miranhas. Sitten und Beschäftigung, Anthropophagie derselben. Nach dem Wasserfall von Arara- Coara, an der Grenze von Neu-Granada. Die Umauas - Indianer. Besteigung des -Bergs von Arara-Coara.’ Krankheit der Equipage im Hafen der Miranhas. Cha- „rakteristik dieser Menschenfresser. Rückreise. Besteigung. des Berges von Cupati. Anmerkungen: über die Reisen im Gebiete des Yupura; über Abzeichen der India- nertribus; über die Salsaparille; über die medicinischen Kent tnisse der Indianer, und die Krankheiten am Yupurä; über den Fluss Apaporis; den Ameisenzunder; über in- dianische Sculpturen. Botanisches, Geographisches, Geognostisches, den Yupurä be- treffend. Bea) die Indianer und das Land Manao. Kisieel Des Dr. Spix Reise auf dem Rio Negro von der Barra bis Barcellos, und zurück. 5. 1291 — 190%: ” Fazenda Taruma. Perioden im Anschwellen dee z lüsse. Charakteristik der Landschaft am Rio Negro. Endemisches bösartiges Fieber. Dorf Airao. Pflanzen und Land- wirthschaft am Rio Negro. Villa de Moura.- Dorf Carvoeiro. Villa de Barcellos. Anmerkungen zur Geographie und Ethnographie des Rio Negro. VI. Kapitel. Reise von der Barra do Rio Negro in den Madeira- strom, zu den Indianern Mundrucüs und Mauhes, und zurück nach Parä. 9. 1305 — 1376. Die Vereinigung des Rio Negro mit dem Amazonas. Eintritt in den Madeira. Treib- holz. Schwermüthige Landschaft am’Strome. Einfahrt in den Canal von Iraria „ nach der Mission von Canoma. Wilder Reis. Die Mundrucüs zu Canoma und Caiaue. Physischer Charakter und nationale.Abzeichen dieses Stammes. Ihre Art Krieg zu führen. Gebirsformation und Vegetation zu Canomä, Fahrt auf dem Iraria nach der Aldea der Mauhes. Sitten dieses Stammes. Ankunft in der Villa Nova da Rainha. Villa de Obydos und die Stromenge. Villa de Santarem. Villa de Almeirim. Be- steigung des Berges von Almeirim (Parü). Fahrt durch den Tagipurüu nach Para. Historisches und Geographisches über den Rio Madeira. Astronomische Puncte am Madeira und in Mato Grosso. — Fernere Nachrichten über die Mundrucüs. Ihre früheren Kriegszüge. Sie scheinen eine Horde des Tupistammes. — Geographisches und Statistisches über Arrayolos uud Macapa. Zur Geographie des Amazonas und seines Stromgebietes. Zusammensetzung des Stro- mes. Länge seines Hauptstammes und seiner Confluenten. Uebersicht des Stromge- bietes. Wasserscheiden. Haupt- und Nebenbecken des Stromgebietes. Höhe der begrenzenden Gebirge. Mangel der Bergsysteme im Stromgebiete. Gehänge und Gefälle. Die Ufer des Stromes, Ufersecili Quellenreichthum. Verbindungen der Affluenten. Breite, Inseln des Stromes. Seine Ges ;hwindigkeit, Periodicität. Ebbe und Flu Leichtigkeit der Schiffahrt, Dampfschiffahrt. Aussichten für die Zukunft. Reiserou- ten auf den Gewässern des Estado do Gram Pari. Geognostischer Ueberblick des Landes am Amazonenstrom, Herrschendes Gebirge, dessen Modificationen und untergeordnete Lager. Vergleichung mit den angrenzen- den Gegenden. Hypothese von der Vorzeit. — Die Vegetation im Gebiete des Ama- zonenstromes. Ihr landschaftlicher Charakter und ihre Verschiedenheiten. Die herr- schendsten Pflanzenfamilien. a luth. Physische Eigenschaften des Stromwassers. Salubrität der Gegend. Rapitel. Letzter Aufenthalt zu Para, und Rückkehr über Lissa- bon nach München. S$, 1377 —ı388. Vorbereitungen zur Heimreise, Der Convoi. Abfahrt von Parz. Mosqueiro. Ab- schied von Brasilien. Seereise. Ein Kaper, auf der Höhe der Azoren. Ankunft und Aufenthalt zu Lissabon. Ausbruch politischer Unruhen. . Reise über Elvas und Bada- 30% nach Madrid, Aufenthalt daselbst. Reise über Barcellgna, Perpignan, nach Frank- reich, über Lyon, Strassburg nach Deutschland. Ankunft in München. — Allgemein- ste Uebersicht der literärischen Ausbeute aus der uns aufgetragenen Reise. rd Sr Erklärung ’ der Abbildung und der Karten, welche den dritten Theil begleiten. Aroaqui. Catauuixis. Yupuä Miranha. Arara. Mundrucdh. Mauhe. Wir wünschen durch die Zusammenstellung mehrerer naturgetreuer Porträte von In- dianern sowohl die allgemein der gesammten rothen Menschenrage gemeinschaftliche Phy- siognomie zu schildern, als auch denBildungskreis zu bezeichnen, innerhalb dessen sich der individuelle Ausdruck verschiedenartig darstellt. Man vergleiche übrigens über den Aroa-_ qui S. ı114., über den Catauuixis S. 1148., über den Yupui S. 1274., über den Miranha $. 1243., über die Mundrucus und den Arara $. ı312. u. 1314., über den Mauhe $. 1318. » i . Lu s = “Karte der Provinz Ciara, - Im Jahre n— sendete mir mein Freund Hr. W. vos Escuwesr aus Lissabon eine Spe- cialkarte der Provinz Ciara, die ihm zu diesem Ende von Hrn. pe Samraro, ehemals Gene- ralgouverneur dieser Provinz (vergl. I. S. 798.), war übergeben worden. Diese Mitthei- lung war ven der Nachricht begleitet, dass die Positionen der Villas der Provinz nach den von Hrn. Sameasro selbst und von Hrn. Pavrer angestellten astronomischen Beobachtungen. aufgetragen seyen, und dass eine genauere Angabe des Verfahrens bei Ausführung der Kar- te nachfolgen würde. Leider sind mir diese Details, im Drange politischer Unruhen, nicht zugekommen. Da aber die Karte selbst ohne Zweifel die neueste geographische Darstellung von jener Provinz ist, und die Aufnahme der Küsten durch die Expedition des Hrn. Baron Roussın sichere Anhaltspuncte darbot, so schien die Bekanntmachung jener Karte unter Be- nützung der übrigen Materialien in jedem Falle zweckmässig. Ausser den schönen Küsten- karten der französischen Expedition benützten wir, Hr. ScHwARZzMANN und ich, vorzüglich noch einzelne Bahäschriftliche Notizen aus Pizarro e Araujo Memorias historicas do Rio de Janeiro, und des Joäo da Silva. 3 Ensaio BO e politico sobre a Capit. do Seara, im Journ. Patriota 3. Subse.- pP» 47. ff. grten vom Amazonenstrome und vom obern ad des Madeira. “, Hierüber findet sich das Nöthige im Anhange S. 38. ud in der Reise IH. S. 1043- f. 5. _— ff. 1277. 78. 1287. 1296. ff. 1332. ff. 1830. 0 K.» _ vu Karte von Ostbrasilien, in vier Blättern. RE a wichtigste Material, welches dieser Karte zum Grunde liegt, ist eine mir i. J. 1828. von dem Verf. mitgetheilte handschriftliche Karte: Novo Mappa da Capitania de Mi- nas Gera@s, levantado por G. B. de Eschwege, Tenente Coronel do Real Corpo dos Engen- heiros 1821. (Maassstab per ı° = 3,44 par. Zoll.) , welche nicht blos die Provinz Minas Gera@s, ‘sondern auch den nördlichen Theil der von S. Paulo, bis Sorocaba, Cidade de S$., Paulo u. Santos, darstellt. Hr. v. Escwesx, durch genaue Prüfung von der Unzulänglich- keit aller-früherhin in Minas angestellten astronomischen Beobachtungen überzeugt, hat bei dieser ausgedehnten Arbeit vorzugsweise seine eigenen astronomischen Beobachtungen zum Grund gelegt, die er auf vielfältigen Reisen in.alle Gegenden der Provinz angestellt hatte, Die von ihm angenommenen Positionen gründen sich auf Breitenbeobachtungen mittelst eines guten Quadranten und eines künstlichen Horizontes, und auf chronometrische Längenbestim- mungen. Als Hauptpuncte, wo die vorzüglichsten Bestimmungen gemacht wurden, gelten die Stadt Ouro Preto (Villa Rica), Tejuco, Formigas , Desemboque, Mina da Galena do Abaite, Pitangui, Tamandua, Villa da Campanha da Princesa, Villa de Barbacena, Villa de S. Joäo * EI Rey, S. Joäo Baptista'u. a. Indem nun durch diese schöne Arbeit die Geographie von Minas Gera&s zum Erstenmale eine zuyerlässige Grundlage erhielt, und überdiess die Resul- tate der Aufnahmen durch B. Rovssin, die Gestalt und Längen der Küsten verändernd, auch die benachbarten Positionen wesentlich verschieben mussten, glaubte ich die von Hfn. ‚von Escnwese dargebotene Gelegenheit zur Bekanntmachung um so mehr annehmen zu müssen, als sich in den Talenten und Kenntnissen des Hrn. Oberl. Scuwanzuann die sicherste Ge- währschaft darbot, diese Materialien mit denjenigen, welche uns rücksichtlich der nördlich und nordöstlich gelegenen Länder zu Gebote standen, zu einem naturgetreuen Kärtenbilde zu verschmelzen, Die älteren Bestimmungen hatten vorzüglich die Längen der Ortschaften im Sertäo von Minas viel zu wenig nach VVesten gelegt, (wie. denn auch die einzige Karte von Goyaz, i. J. 1777 vom Major Tnuom& pr Souza aufgenommen, diese ganze Provinz um 2° a 30’ zu weib nach Osten rückt); mit der Vermeidung dieses Fehlers musste sich die gesammte Gestaltung des Landes ändern. Auch die westlichen Grenzen von Bahia und Pernambuco erscheinen desshalb auf unserer Karte beträchtlich. weiter nach W. fortgerückt, wobei wir freilich den Mangel an Längenpositionen in diesem so wenig bekannten Lande sehr bedauern | müssen. Eine nochmalige sorgfältige Prüfung der vorliegenden MS.karten von dem Gebiete zwischen den Nordgrenzen vonMinas und dem Rio de 8. Francisco (vergl. Anhang $. 23. ff.) R an den 'Yhatsachen, wie sie Hr. v. Escuwrer’s Karte darstellt, an den französischen Küsten- karten und mehreren genauen Roteiros ergab sofort aucl ı für jene nördlichen Theile der arte eine genauere und hoffentlich naturgemässere Darstellung. Die zahlreichen, beson- ders von unserm Freunde auf seinen Reisen angestellten Barometermessungen, deren Re- festen auf der Karte selbst eingetragen sind, erleichterten die Darstellung der Gebirgszüge. ‚Für die Provinz von Rio de Janeiro sind überdiess noch die Karten nach Maxorı, Yırına Ban " Fnxvciners Atlas, für dieCampos de Goiatacazes, für dieProvinzen von Espiritu San- t0 und Bahia sind noch viele neue handschriftliche Mittheilungen benutzt worden. & i % * Ferse tn Brasilien Dritver 2 BeIT = Achte E "Bu ch: Rrstez3 Kapitel Aufenthalt in der Stadt S. Maria de Belem do Gram Kard. Nur wenige Tage hatten wir. die Rossinha, jenen anmuthigen Land- sitz bei Para, welcher uns durch wohlwollende Gastfreundschaft eröffnet war, bewohnt, so empfanden wir eine schnelle und allgemeine Veränderung unseres physischen Zustandes. ‘Verjüngt und erkräftiget richteten wir _ » uns auf, feuriger schlug&n unsere Pulse, rascher bewegten wir uns, ” ” . ® ‚® mit grösserem Verlangen setzten wir uns zum Mahle, und die Gegen- stände um uns her traten den klarerern Sinnen in höherem Glanze ent-* „gegen. Mit Erstaunen bemerkten wir diese schnelle Veränderung an " uns selbst; und, mochte es nun die gesunde Luft oder die heitere Um- . gebung. unseres SolEulukes, mochte die Freude über die Erreichung ' eines langersehnten Zieles es seyn, was eine so zauberhafte Wirkung veranlasste, — wir wünschten uns Glück zu dieser Wiedergeburt, und gelobten sie in froher Thätigkeit zu nützen. “- * ' Unsere Wohnung, ein sehr geräumiges Viereck, welches nicht bloss uns in zahlreichen Gemächern aufnahm, sondern auf der Hinter- IH. Theil. » - >* KHESDUR BOTANIGAD GARDEN LIRRABE * ” 888 see von mehreren Negerfamilien, den Dienern in diesem schönen Be- sitzthume , besetzt war, bietet, obgleich nur: wenig von der Stadt ent- ferpt, alle Reize der Einsamkeit dar. Vor ihr breitet sich eine ebene Wiese aus, von künstlicherf Hecken umfangen, und unterbrochen hier von einzelnen Palmen, dort vön zerstreutem Buschwerke. An die Rück- seite des «Hauses schliesst sich ein geräumiger Küchen - und Baumgar- "ten, von dem aus sich enge Fusspfade zu einem ungleichen unbe- bauten Terrain fortschlängeln, das, mit 'schattenreicher WValdung und mit undurchdringlichem Dickicht bewachsen, sich ohne Abgrenzung in die Ferne zieht. Hier winden sich durch die Niederungen Gräben und Teiche hin, und aus dem Gewässer schiesst ein wildes Gehäge breit- blätteriger Schilfe und stachelicher Rohrpalmen® empor. Mit Grauen verliert sich der Naturforscher, unsicheren Schrittes, in diese Gründe, wo ihn das Gefieder des Waldes verlässt, nur scheue Capivaren. bis- weilen seinem Blicke begegnen, oder ein heftiger Moschusgeruch jene gepanzerten Ungeheuer, die Kaimans, verräth, welche sich, wie. die tiefste Verworfenheit, in Moder und Dunkel verborgen halten. $o fan- den wir uns also in einer Gegend, die auf der einen Seite schon durch* Cultur veredelt worden, auf der andern aber noch die wilde gund un- besiegte Zeugungskraft des americanishen Bodens vergegenwärligte; und ein einziger Blick führte uns die mannichfachsten Naturentwickelungen vor. Wenn wir aber bei ‚Jedem Schritte den’üppigen Reichthum, die unermessliche Fruchtbarkeit dieser Schöpfung bewundern mussten, so *fühlten wir uns: zugleich erhoben und erquickt von dem Ausdrucke un- aussprechlicher Ruhe und Harmonie, den die Natur hier athmet. Was uns umgab, trat vernehmlich hervor‘ als ein Laut, eine Handlung in dem grossen herrlichen Drama der Welt, wo Alles und Jedes, vom Schöpfer mit der unsterblichen Lust des Seyns beseeliget, sich nach seiner Weise zu Preis und Dank hervordrängt ; und bedeutsamer, of- fenbarer als anderswo schienen uns die Pflanze wie das Thier , die Ele- mente wie der Aether und die den Planeten bemeisternd& Sonne zu sem erhabenen Hymnus des Lebens zusammen zu klingen. Noch nir- en; NE ER: Betrachtungsweise sich in unserm Innern so tief, 50 ” * 689 nothwendig angekündigt , als hier, wo die Nähe des Erdgleichers unserm Standpunkte eine neue, uns heilige Bedeutung verlieh, und wir hielten, an diesem Orte des Vollgenusses angelangt, uns aufgefordert, die Frucht einer Betrachtung zu brechen, welche vorhergehende einzelne Erfahrungen und Anschauungen allmälig in uns gereift hatten. Da dieser Reisebe- richt auch ein Spiegel unsers ihnern Lebens seyn, dem freundlichen Leser nicht bloss von dem Gegenständlichen unserer Beobachtungen Kunde geben soll, so sey erlaubt, dass der Herausgeber ein Blatt seines Ta- gebuchs beifüge, welches freilich ; in einer andern, als der gewöhnten Form, die Stimmung und Auffassung j jener unvergesslichen Gegenwart Makita. — „Parä, den ı6. August ı8ı9g. Wie glücklich bin ich Ye; wie tief und innig kommt hier? so Manches zu meinem Verständnisse, das mir vorher unerreichbar stand! Die Heiligkeit dieses Ortes, wo alle Kräfte sich harmonisch vereinen, und wie zum Triumphgesang zusam- mentönen, zeitiget "Gefühle und Gedanken, Ich mein&"besser zu verste- hen, ivas es’heisse, Seschichtschreiber der Natur seyn. Ich versenke mich täglich in das grosse und unaussprechliche Stillleben der Natur , und vermag ich auch nicht, es zu erfassen in seiner göttlichen Pragma- tik, so erfüllt mich doch die Ahnung seiner Herrlichkeit mit nie gefühl- ten Wonneschauern. — Es ist 3 Uhr Morgens; ich verlasse meine Hang- malte, denn der Schlaf flieht "mich Aufgeregten ; ; ich öffne die Läden, und sehe hinaus in die dunkle, hehre Nacht. Feierlich flimmern die Sterne, und der Strom glänzt im Widerscheine des untergehenden Mondes zu mir herüber. Wie geheimnissvoll und stille ist Alles um mich her! Ich wandle mit der Blendlatefne hinaus in die kühle Varanda und betrachte meine trauten Freunde: Bäume und Gesträuche, die um die Wohnung herstehen. Manche schlafen mit dicht zusammengelegten Blättern, andere aber, die Tagschläfer sind, ragen ruhig ausgebreitet in die stille Nacht auf; wenige Blumen stehen geöffnet; nur ihr, süss- ' duftende Paullinienhecken begrüsset mit feinstem Wohlgeruche den Wan- derer , und du erhabene, düsterschattende Manga, deren dichtbelaubte * * 890 Krone mich gegen den Nachtthau schützet. Gespensterhaft flattern grosse Nachtschmetterlinge um die verführenden Lichter meiner Laterne. Immer stärker durchnässt der Thau die «frisch aufathmenden Wiesen, und die Nachtluft legt sich feucht auf die erwärmten Glieder. Eine Cicade, die im Hause wohnet, lockt mich mit heimischem Gezirpe wie- der hinein, und leistet dem glücklichen Halbträumer Gesellschaft, der den Tag erwartet, vom Gesumse der Mosquiten, den paukenähnlichen Schlägen eines Ochsenfrosches, oder dem klagenden Rufe des Ziegen- melkers wach erhalten. Um fünf Uhr seh’ ich ringsum den Morgen dämimern; ein feines gleichmässiges Grau, mit Morgenröth verschmol- zen und davon erheitert, umzieht den Himmel; nur der Zenith ist dunk- ler. Die Formen der Bäume treten näher und näher, det Landwind der in Osten aufsteht, bewegt sie langsam; —schon schimmern rosen- rothe Lichter und Reflexe um die Kuppeln der domartig gewölbten Ca- ryocar-, Bertholetia-"und Symphoniastämme. Die Zweige, die Blätter regen sich; die Träumer wächen auf, und baden in der erfrischten Morgenluft ; Käfer*fliegen, Mücken summen, Vögel +rufen , Affen klet- tern schreiend ins Dickicht zurück; die Nachtschmetterlinge* suchen® licht- scheu taumelnd ihre Waldnacht wieder; auf den Wegen regt sich’s, die Nagthiere laufen ins Gemäuer zurück, und die hinterlistigen Mar- derarten schleichen sachte vom Geflügel, dem der prunkende Haushahn den „Morgen ausruft. Immer heller“ wird’s in der Luft; — der Tag brieht an; —eine. unbeschreibliche Feier liegt über der Natur: die Er- de erwartet ihren Bräutigam; und siehe! da ist er: wie rothe Blitze leuchtet der Sonnenrand, jetzt steigt die Sonne empor,—in einem Nu ıst sıe ganz über dem Horizonte, auftauchend aus feurigen Wellen, und ' ” wirft glühönde Strahlen über die Erde hin. Die magische Dämmerung weicht, grosse Reflexe flüchten sich verfolgt von Dunkel zu Dunkel, und auf einmal steht rings um den entzückten Beschauer die Erde in frischen Thauglanz, festlich, jugendlich 'heiter: die schönste Braut. “Rein Wölkchen am Himmel ‚ ungetrübt wölbt er sich eher der Erde. Alles ist Leben; Thiere und Pflänzen im Genuss, im Kampf. Um sie- .ben Uhr beginnt der Thau zu verschwinden, der Landwind lässt et- * . > - Ps . 891 13 & ” BR. * € ® L was nach, schon wird die zunehfnende Wärme bemerklich. Die Sonne steigt schnell und senkrecht am klaren und durchsichtig blauen Himmel auf, in welchem allg Dünste gleichmässig aufgelöst sind, bis sich. spä- terhin, niedrig am westlichen Horizonte, kleine; weissflockige Wolken bilden; diese spitzen sich gegen das Tagsgestirn zu, und verlängern sich allmälich weithin am Firmamente. Um die ‚neünte Stunde wird die Wiese ganz trocken ; der Wald steht im Glanze seiner Lorbeer- blätter; andere Blüthen entfalten sich, andere hat schneller Liebesge- nuss bereits hinweggerafft. Noch eine Stunde später, und die Wolken wölben sich hoch auf, sie gestalten sich: zu breiten dichteren Massen , und Ziehen bisweilen verdunkelnd und kühlend Enter der Sonne hin, die in leuchtender Fülle die Landschaft beherrschet. Es zucken die Pflanzen unter den sengenden Strahlen der Sonne; ganz selbst verloren geben sie sich dem mächtigen Reize hin. Buidheichyiingto Käfer und Kolibris schwirren lustig näher, ein lebendiges Farbenspiel gaukeln bunte Schmetterlinge und Libellen am Ufer durcheinander; die Wege wimmeln von Ameisen, die in ausgedehnten Zügen Blätter zu ihren Bauwerken schleppen. Aber auch die trägern Fhiefe empfinden den Sonnenreiz; das Krokodil steigt vom Schlamme des untern Ufers weiter herauf, und lagert Sich in den heissen Sand; Schildkröten und Eidech- sen werden aus ihren feuchten Schatten hervorgelockt; buntschillernde und düsterfärbige Schlangen schleichen in die warm beleuchteten Fuss- wege. Die Wolken senken sich tief,«sie sondern sich schichtenweise ab, immer schwerer, dichter, düsterer umhüllen sie bläulichgrau den Horizont, gegen den Zenith thürmen sie sich an zu hellern, weitver- verbreiteten Massen, ein Abbild riesiger Gebirge in der Luft. Auf ein- mal überzieht sich der ganze Himmel, nur hie und da blickt noch die tiefe Bläue zwischen durch; die Sonne verbirgt sich, aber um so heis- ser* liegt die Gluth‘ der Jaft auf der.Landschaft. Mittag ist vorüber: trüb, schwer, melancholisch hängt diese Stunde über der Natur ; immer tiefer greift die Spannung, und das Weh ist da, welches die Lust, des Tages gezeugt hat. Hunger und Durst jagen die Thiere umher; nur die ru-* higen, die trägen, in die Schatten des Waldes geflüchteten ahnen nichts 802 . . S x " von der gewaltigen Krise der Natur. * Aber sie kommt; raschen Schrit- tes und unäbweisslich wird sie hereinbrechen: schon erkältet sich die Luft, die Winde fahren wild gegen einander; sie wühlen den Wald auf, und dann das Meer, das immer schwärzer einherwogt, und die Flüsse, die dunkler, und vom Winde übertönt lautlos dahin zu fliessen scheinen. Der Sturm ist da! — zwei, dreimal reisst ein fahler Blitz durch die’ Wolken; zwei, dreimal rollt der Donner, rollt langsam , ruhig, erbebend; Tropfen fallen. — Die Pflanzen athmen aus der Er- mattung neu auf; ein neuer Donner, und — nicht Regen, Wasserströ- me giesst nun der erschütterte Himmel aus. Der Wald erseufzt 5” das lispelnde Plätschern “der bewegten Blätter wächst zum Rauschen an, zum weithin tönenden dumpfen Getrommel. Blumen schwanken , Blät- ter fallen, Zerrissene Aeste, morsche Stämme stürzen; mit Gewalt nimmt der Orcan den letzten Reiz der Jungfräulichkeit von den niedergedrück- ten Pflanzengeschlechtern. Warum auch nicht? — Haben sie nicht geblüht und geliebt; knäuselt nicht ‘die Inga ihre bereits entleerten Staubfäden zusammen; lässt nicht die Banisterie die goldnen Blättchen von dem bereits befruchteten Kelche fallen; giebt nicht der Aronschaft fruchtschwer seine verwelkte Hülltute dem Sturme Preiss? — Auch die Thierwelt *hat diese furchtbare Stunde ergriffen; verstummt, entsetzt flattert das Gefieder des Waldes am Boden; zitternd suchen die zahl- losen GeSchlechter der Insegten unter Blättern ‚„ an Stämmen Schutz; von Krieg und Mord abgemahnt.lässt das Säugthier nach in der Ver- folgung; nur die kaltblütigen Amphibien freuen sich der herabstürzen- den Fluth, und tausendstimmig singen die Chöre der Frösche und Un- 805 Firmaments umsäumen. Schon lächelt der Himmel aus tiefblauem Auge die Erde wieder an, und bald hat sie den Schreck vergessen. Eine Stunde länger, und keine Spur des Sturms ist mehr vorhanden; in neuer Frische, vom warmen Sonnenstrahl abgetrocknet, stehen die Pflanzen, und das Thier bewegt sich wieder nach alter Weise, den angestammten Trieben Folge leistend. So zieht der Abend heran, und neue Wolken erscheinen zwischen den weissen Flocken am Horizonte; sie führen bald einen violetten, bald einen fahlgelben Schein in die Landschaft ein, der harmonisch den Hintergrund der hohen Waldung, den Strom und das Meer verbindet. Die Sonne sinkt, und tritt, umge- ben vom buntesten Farbenschmelze, aus dem westlichen Thore des Fir- maments; Ruhe und Liebe hat sie der Creatur zurückgelassen ; mit dem Dunkel des Abends wird Thier und Pflanze zu neuen Ahnun- gen fortgerissen, und trauliches Geflüster und Schwirren belebt die Schatten des Waldes; verjüngte Liebessehnsucht athmet in den wollust- reichen Düften, die aus neu erschlossenen Blumen strömen: die Natur überlässt sich dem gewaltigen Zuge des Geschlechtes. Noch schwim- men einzelne Lichtblicke im Abglanz der untergegangenen Sonne um die Firsten, da steigt in stiller Kühle, ruhig, mild und geisterhaft, der silberweisse Mond über den dunklen Wald hervor, und in neue, wei- chere Formen verschmelzen sich die Gestalten. Es kommt die Nacht; in Schlaf und Traum sinkt die Natur, und der Aether, sich in ahnungsvoller Unermesslichkeit über die Erde wölbend, von zahllosen Zeugen fernster Herrlichkeit erglänzend, strahlt Demuth und Vertrauen in das Herz des Menschen: die ER Gabe nach einem Tag des Schauens und des Geniessens.“ In gleicher Folge, wie diess allgemeine Bild sie schildert, treten - hier in Pard *) von Tag zu Tag, wenigstens einen grossen Theil des *) Unser erster Aufenthalt zu Par« fiel in die Monate Juli und August, der zweite in April, Mai und Juni. Wir lernten daher den Wendepunct in diesem Aequatorialklima, welcher in die Monate October nnd November fällt, nicht aus eigener Anschauung kennen. Von August bis October wird das Klima immer trockner, und man beobachtet dann die Rögen weniger 114 894 Jahres hindurch, dieselben Naturphänomene auf. Mit gesetzmässiger Herrlichkeit bringt jede Stunde dieselben Spannungen, dieselben Nach- lässe der Naturkräfte, und jede Creatur erscheint im vorgeschriebnen Momente auf der grossen Bühne, handelt, und verliert sich dann wie- der in der Mannichfaltigkeit der Nachbargestalten. Jedes gehorcht dem eignen Triebe seines Daseyns, und ist doch darin nur Diener der all- gemeinen Gesetze; Jedes scheint nur sich selbst im Auge zu haben, und doch ist es so ganz der Gesammtheit verfallen; der Mensch aber, sonst gewohnt, nur in seinem Bewusstseyn die Uhr der Weltepochen zu finden, erkennt in jenen gewaltigen Pulsschlägen der Natur ihren eigenen Stundenzeiger. Und dieses merkwürdige Verhältniss einer ge- setzmässig voraus bestimmten Ordnung der Erscheinungen muss sich gerade hier, unter dem Aequator, am deutlichsten offenbaren. Ueberall ist unser Planet bemeistert, und gleichsam zur Dienstbarkeit dem hö- hern Gestirne unterworfen; aber hier allein, wo die Sonne in immer gleiche® Entfernung immer dieselben Gesetze vorschreibt, kündigen sich . die von jener aufgezwungenen Acte des Erdlebens wie freie Bewegun- gen an, und die Erde scheint der Verbündete, nicht der Diener des beherrschenden Weltkörpers. Wie ganz anders verhält sich diess im Norden und Süden, wo die bezwungene Erde nicht in friedlicher Hin- gebung, sondern in feindlicher Knechtschaft die verschiedenartigsten Zustände und heftig stürmische Uebergänge von einem in den andern erfahren muss. Der schroffe Gegensatz der Jahreszeiten ist in dieser glücklichen Weltbreite verlöscht, kaum merklich unterscheiden sie sich durch schwachen Unterschied der Tageslänge. Trockne und feuchte Jahreszeit (Sommer und Winter) treten einander kaum gegenüber, da regelmässig, ale wir sie geschildert haben; die eigentlichen Regenmonate beginnen im November, = n UNE stadkerer aa länger andauernder Donnerweiter. Sie halten in bedeutender Stärke is Februar Baer März an, werden aber oft durch einen Zeitraum des Nachlasses im Regen in den Monaten Januar und Februar (Weranico, a wir, vom Ostwinde begünstigt, stromaufwärts schifften, erfuhren wir die grösste Tro- eit, dagegen die stärksten Regenstürme auf der Rückfahrt im Monat März. gleichsam Vorsommer) weiter hinausgeschoben. an 805 fast jeder Tag in Sonnenschein und Regen wechselt, ja gewissermaassen verkündigen sich nur Frühling und Herbst durch die Perioden in der Vegetation. Diese aber, hier durch ihre wahren Lebenselemente,, Wär- me und Feuchtigkeit , begünstigt, erhebt sich in vollster Majestät, und bedeckt vom Ufer der Gewässer an alles Land in dichtester Fülle mit immergrünem Laube. Viele Pflanzen , vielleicht gerade diejenigen, de- ren Vorkommen in die engsten Grenzen der Aequatorialgegenden ein- geschränkt ist, sind öfter als einmal im Jahre mit Blüthen bedeckt; manche vergegenwärtigen die Zeit des Frühlings, andere gleichzeitig die des Herbstes; doch möchten die Mehrzahl in den Monaten November bis März ihre Blüthen entfalten, und vom Juni bis September die Früchte reifen. Jener Stillstand aber, welcher während des nordischen Herb- stes und Winters den Wald seines Laubes entkleidet, wird hier nie- mals beobachtet; mag auch ein Baum auf einmal des alternden Blätter- schmuckes beraubt werden, so wird er doch dadurch nicht kahl; denn neue Knospen ersetzen augenblicklich den eingetretenen Verlust, Ei- nem so unendlichen Lebenstriebe entspricht auch die Fülle und Pracht der Früchte, und man kennt in dieser glücklichen Breite nur dem Na- men nach Misswachs und Mangel. Unter den Anschauungen einer sol- chen Natur mussten wir ja wohl zu neuer Frische des Gemüthes er- starken. Die grossartige Harmonie aller Weltkräfte, welche, uns hier überall entgegentretend, gleichsam die sittliche Aufgabe des Menschen zu symbolisiren schien, erfüllte uns mit neuem Lebensmuthe, mit den angenehmsten Hoffnungen und mit jener Heiterkeit der Seele, die wir im Kampfe mit so vielen Beschwerden und a fast ver- loren hatten. Zu solchen glücklichen Eindrücken kamen auch noch alle Vortheile behaglicher Häuslichkeit und geselliger Verbindungen, welche uns so- gleich mit der Ankunft auf das freundlichste dargeboten worden wa- ren. Unser achtungswürdi iger Gastfreund, Senhor Amsrosıo HEnRıEURZ ' beeiferte sich, den Bedürfnissen des kleinen Haushaltes wohlwollend abzuhelfen, und durch $. E. den Herrn Grafen von Vırıa Fror, so 114 * 890 wie durch einen Bruder unsers edlen Freundes zu Maranhäo, Jonn Heskeru, der sich hier in Handelsgeschäften niedergelassen hatte, wur- den wir bald in mehrere Familienkreise eingeführt. Zahlreiche Beweise von Wohlwollen haben uns diese gesellschaftlichen Verbindungen un- vergesslich gemacht, in welchen wir nicht bloss Erheiterung , sondern auch mannichfaltige Belehrung fanden. Herr RomvALpo DE SEIXAS, Ge- neralvicarius der Provinz, der sein Vaterland auf vielfachen Reisen “kennen gelernt, und seinen erhabenen Wirkungskreis auf das thätig- ste zur Veredlung der Sitten und zur Vermehrung der Kenntnisse un- ter seinen Landsleuten ausgedehnt hatte, ertheilte uns interessante Auf- schlüsse über die Indianer und die Brasilianer im Sertäo von Para und Rio Negro. Seit jener Zeit, durch das Vertrauen seines Monarchen, auf den erzbischöflichen Stuhl von Bahia erhoben, hat dieser würdige Prälat nicht aufgehört, den Herausgeber mit brieflichen Mittheilungen zu beehren, so dass dieser sich der Gelegenheit freut, ihm öffentlich die Huldigungen der Dankbarkeit und Verehrung darbringen zu können. ‘ Inder Person des Dr. Antowıo CorrEA DE Lacerp&k, Oberarztes (Fisi- co Mör) des Estado do Gram Parä, lernten wir einen trefflichen Schü- ler Brorero’s kennen. Eine entscheidende N eigung für Botanik hatte ihn veranlasst, sich hier nieder zu lassen, und diese Gleichheit der Studien ward zu einem Bande der Freundschaft. Da die Rossinha nur eine Viertelstunde nördlich von der Stadt liegt, so war es uns möglich, noch am späten Abend, wenn wir unsere wissenschaftlichen Untersu- chungen geschlossen hatten, jene Freunde zu besuchen ‚ oder sie bei uns zu empfangen, und wir konnten uns als Bewohner der Stadt selbst betrachten. | | Santa Maria de Belem (Bethlehem) do Gram Para, oder ge- wöhnlich nur Para genannt ‚ liegt ohngefähr sechszehn Meilen in ge- ge Linie vom Meere entfernt, auf einem ebenen und niedrigen Land- striche des Festlandes, längs dem östlichen Ufer. jenes grossen Stromes, welcher durch die Vereinigung der Mündung des Rio Tocantins mit Gewässern des Amazonenstromes (im Canale Tagipurü) und mit vielen Ba 2 u da an sr a au Ei. Au © 897 Nebenflüssen des Festlandes und der Insel von /Maraj6 gebildet und Rio do Para genannt wird. Derjenige Theil dieser mächtigen, mit einem Ar- chipel kleinerer Eilande versehenen Wasserfläche, welcher sich nördlich von der Mündung des Rio Moju zwischen der Insel Marajöo und dem Festlande bis zur Stadt und der Bahia de S. Antonio erstreckt, heisst Bahia do Goajard. (Andere bezeichnen mit diesem Worte die von einigen Inseln unterbrochene, niedrige und bewaldete Mündung des Rio Guama.) Die Breite des Stroms beträgt hier vom Festlande bis nach /Marajö anderthalbe deutsche Meilen; aber ein Theil des jensei- tigen Ufers wird dem Blicke, durch die Insel /Iha das Oncas von ähn- licher Ansicht, entzogen, welche gen Westen fast eine Stunde von jenem entfernt liegt. Südlich von der Stadt vereinigt sich mit jener grossen Wasserfläche der Rio Guama, ein ansehnlicher Fluss, der von Osten aus dem Continente herabkömmt. Wegen der Ebene des Landes stellt sich die Stadt dem Beschauer von der Seeseite ohne alle Tiefe, gleich- sam als aus zwei Häuserreihen bestehend, dar, und der nahe Hinter- ‚grund hoher Urwälder macht bemerklich, wie hier menschlicher Kunst- fleiss nur mit Mühe der tropischen Vegetation seinen Standpunkt abgewonnen habe. Von der Seeseite aus erblickt man (vergl. die An- sicht im Atlas) nahe am Ufer und fast in der Mitte der Häuserreihen das Rauf- und Zollhaus (Praga do Commercio e Alfandega), hinter welchem die Doppelthürme der Kirche das Merces hervorragen. Tiefer im Lande erhebt sich die Kuppel der $. Annenkirche, und auf ‚der Nordseite endet die Ansicht mit dem Kapuzinerkloster (de S. Antonio); an der äussersten Südseite ruht der Blick auf dem Castello und dem Militärspitale, an welches sich das bischöfliche Seminarium und _ die zweithürmige Kathedrale anschliessen. Noch weiter landeinwärts ragt auf jener Seite der Pallast des Gouverneurs, ein würdiges Gebäude hervor, welches unter der Regierung des Bruders von Marquis PompaL erbaut worden ist. Wenn nun aber der Ankömmling in die Stadt selbst tritt, findet er mehr, als jene Ansicht versprach: solide, meistens 'aus Bruchsteinen gebaute, Häuser reihen sich zu breiten Strassen, die sich unter rechten Winkeln durchschneiden, oder bilden mehrere ausgedehnte 898 Plätze. .Die Bauart ist ganz bürgerlich; die Häuser, selten aus mehr als zweien, oft aus einem Stockwerke bestehend, sind selbst in minder grossen Verhältnissen erbaut, und weniger verziert, als die von Ma- ranhäo, einfach geweisst, und oft ohne Glasfenster; aber das Ganze ist reinlich, bequem, und macht den Eindruck einer freundlichen Häuslich- keit. Die Kathedralkirche (Se de S. Maria da Graca) ist ein zwar nicht hohes aber würdiges, das Gemüth heiter und fromm stimmendes Ge- bäude. Die Wandcapellen desselben sind mit Oelgemälden von portu- giesischen Meistern geschmückt, die jedoch wenig künstlerischen Werth haben. Das ehemalige Collegium der Jesuiten (Collegio), jetzt Woh- nung des Bischofs und Priesterseminarium, macht dem Geschmack und . dem Unternehmungsgeist jener ehemals so mächtigen Körperschaft Ehre. Die daran stossende Kirche der Jesuiten ist jetzt Krankenhaus (Casa da Misericordia). Auf der östlichen, gegen das Festland hingerichteten Seite der Stadt, ist durch die Einsicht des neuerlich verstorbenen D. Marcos DE Noronua E Brito Conpe Dos Arcos, der seine wohlthätige Wirksamkeit in Brasilien mit dem Gouvernement von Pard begann, ein freies Stück Land gewonnen worden, welches, durch Gräben aus- getrocknet, und mit Alleen schöner Bäume geziert, den einzigen Spa- zierort um die Stadt bildet. Die Wollbäume (Bombax Munguba, Mart. und Ceiba, L.), australischen Brodfruchtbäume (Artocarpus incisa, Forst.) die Mangas (Mangifera indica, L.) und Monbimpflaumen (Spondias Myrobalanus, L.) haben sich in zwei Decennien zu schattenreichen Stämmen erhoben, und zieren die anmuthig frische Gegend, worin ein- zelne Landhäuser zerstreut liegen. Durch diese zweckmässige Anlage ‚hat P AR a ausserordentlich an Salubrität gewonnen, und es giebt hier Sol keine jener endemischen Krankheiten, welche man innerhalb der Tropen beobachtet. Das gelbe Fieber, das in dem benachbarten Cayenne schon NE B. im Jahre 1778, und, wenn anders den ärztlichen Be- richten volles Vertrauen zu schenken ist, im Jahre ı687 auch in Pernambuco gewüthet, hat sich hier niemals gezeigt. Wenn _ die Lage dieser Stadt in geringer Entfernung vom Aequator (in 1°, 28° s. B. und 51°, w. L. von Paris, nach Conpaming; in ı°, ı8° s. B. und 899 50°, 42', 45° w. L. v. P. nach Rıppre), auf einem sehr niedrigen Terrain, an grossen Wasserflächen, nach den allgemeinen Erfahrungen ein ungesundes Rlıma zu bedingen schiene, so darf man doch annehmen, dass Para unter den brasilianischen Seestädten eine der gesündesten sey, und ohne Zweifel würde es hier der Krankheiten noch viel weni- ger geben, wenn das Volk nicht durch schlechte Nahrungsmittel dazu disponirte. Leider aber ist die Kost nicht so gut und gesund, als man bei dem Reichthum des Landes erwarten könnte. Der gemeine Mann geniesst als Hauptnahrung Mandioccamehl, getrocknete Fische und ge- salzenes Fleisch, welche letztere von der benachbarten Insel Marajo hergebracht werden. Das aus der Mandioccawurzel gewonnene Mehl erleidet hier, wie überhaupt in den nördlichsten Theilen Brasiliens, eine nachträgliche Behandlung, die zum Zwecke hat, es der Verderbniss minder geneigt zu machen. Es wird nämlich mit einem Zusatze von Wasser dem Anfange einer Gährung ausgesetzt, und dadurch dichter, und für den Gaumen der Einwohner wohlschmeckender. ‘Das so zu- bereitete Mehl wird Farinha d’Agoa genannt, und soll die Entstehung von kalten Fiebern eher begünstigen, als das auf die einfachere Weise bereitete. Reis wird minder häufig genossen, als er vermöge seiner Salubrität verdiente. Die nahen Gewässer liefern viele und schmack- hafte Fische, aber selbst diese, welche sich die Einwohner durch ihre Indianer, denen das Fischergeschäfte obliegt, leicht verschaffen kön- nen, werden nicht so oft genossen, als die an der Luft. getrockne- ten aid leicht gesalzenen Fische, namentlich der Pirarucu (Sudis rucu, Spix. Pise, t. ı6. oder $. Gigas, Cuv.), welche aus den Fische. reien von Maraj6 nach der Stadt gebracht werden. ‘ Diese fruchtbare Insel, die Vorrathskammer der Hauptstadt, ernährt eine grosse Menge Hornvieh, welches entweder lebend herübergebracht, oder schon dort geschlachtet, eingesalzen und getrocknet wird. Da aber die Rinder auf dem äusserst niedrigen Eilande die Hälfte des Jahres hindurch im . Sumpfe umherwaden, den Anfällen äusserst zahlreicher Kaimans ausge- setzt, in beständiger Furcht, und von dichten Mosquitenhaufen. verfolgt leben müssen und ohne Obdach während des fast täglichen Regens 900 mancherlei Krankheiten unterliegen, so liefern sie ein weder kräftiges, noch gesundes und wohlschmeckendes Fleisch. Dazu kommt noch, dass die Zufuhr in grossen offenen Böten, zuweilen ohne hinreichende Provi- sionen bewerkstelligt wird, so dass die Heerden halb verhungert anlan- gen. Es würde daher von den wohlthätigsten Folgen für die Bewohner der Hauptstadt seyn, wenn das bisherige System, dem zu Folge die Pächter das Fleisch ohne andere Controlle als die auf den Preis zu lie- fern haben, einem andern Platz machte, das durch sorgfältigere Be- handlung der Thiere auf der Weide und während des Transportes eine geregelte Zufuhr gesünderen Fleisches bewirkte. Bananen, die in Verbindung mit innländischem Käse in mehreren der südlichen Pro- vinzen eine eben so angenehme als dem Klima entsprechende Speise lie- fern, werden hier weniger genossen. Das Getränke des gemeinen Man- nes ist Wasser oder Zuckerbranntwein; die Wohlhabenden trinken portu- giesische Weine, welche, nebst mancherlei Leckereien, einen bedeuten- den Einfuhrartikel ausmachen. Als Folge einer so wenig Nahrung darbietenden Kost und einer sehr grossen Hitze, deren Einfluss noch durch den Mangel körperlicher Bewegung vermehrt wird, bemerkt man bei den Paraänsern eine gros- se Neigung zum Fettwerden, Schwäche der Verdauungsorgane , und mancherlei Complicationen von Hämorrhoidalleiden. Hierdurch wird eine grosse Disposition zur allgemeinen Wassersucht entwickelt ,„ welche Krankheit unstreitig hier zu Lande die häufigste Ursache des Todes ist. Indigestionen werden besonders dann gefährlich, wenn sie zugleich mit Verkältung (Constipagäo) eintreten. Ruhren und blutige Diarrhöen be- er im October, und dauern von diesem trocknen Monate bis zum Eintritte der Regen im December u. s. £. Je weiter die Jahrszeit ge- gen ‚die nassen Monate fortschreitet, um so leichter gehen sie in den ' putriden und colliquativen Zustand über. Schwindsucht „ Brustentzün- dungen und Asthma erscheinen weniger häufig, als in den südlichen Provinzen des Reiches, Unter den Unterleibskrankheiten kommen Ent- zündungszustände der Leber am häufigsten vor. Wurmkrankheiten, 901 besonders als Folge schlechter Kost und unreinen Wassers , sind nicht selten. Unter den acuten Hautkrankheiten muss ich’ besonders der Blattern, der Masern und des Scharlachs erwähnen. Die erstern hat- ten sich gerade zur Zeit unserer Ankunft in einer bösartigen Seuche verbreitet, welche in der Höhe der Krankheit täglich dreissig bis vierzig, und in dem ganzen Verlaufe während eines halben Jahres über drei- tausend Menschen aus allen Ragen und Ständen wegraflte.. Im Früh- ling, d. h. nach der Regenzeit, wenn die Trockne beginnt, stellen sich oft. Hitzblatterausschläge ein. Tetanus und andere in tropischen Län- dern vorkommende Nervenübel sind verhältnissmässig selten; dagegen leiden ziemlich viele Personen am schwarzen und grünen Staar. Ueber Steinbeschwerden hört der Arzt in Para und der Umgegend wenig klagen, aber um so häufiger sind sie in Cametä und andern Ortschaf- ten längs dem Tocantins, dessen Wasser durch viele in ihm enthaltene Gypstheilchen jenes schreckliche Uebel verursachen soll. (r.) ‚Die Bevölkerung von Para ward zur Zeit unseres Aufenthaltes auf 24,500 Seelen geschätzt; sorgfältige Zählung war jedoch nicht veran- staltet worden. (2.) Da diese Stadt unter die neueren Ansiedlungen der . Portugiesen in Brasilien gehört, so ist die Zahl der Einwohner aus der höheren Bürgerclasse von unvermischt europäischem Geblüte verhält- nissmässig grösser, als in andern. Die Mulatten und Neger sind min- der zahlreich, weil man sich bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts lediglich der Indianer für die Zwecke des Feldbaues und der öffentlichen Werke bediente, und erst dann die Einfuhr der Negersclaven vermehrte, als jenen, durch die Befreiungsacte Königs Joseru im Jahre 1755, ge- stattet war, nach eigener Wahl selbstständig zu werden. Unter den Einwohnern der Stadt und den Pflanzern auf benachbarten Höfen, und in den Villas und Dörfern der Nachbarschaft befinden sich viele Colo- nisten aus den azorischen Inseln, hier Angieos genannt; auch einzelne von ‚jenen Familien, welche bei der freiwilligen Verlassung von Mas- sagäo in Marocco, im J. ı769, nach Brasilien übersiedelten, haben sich in der Stadt mit Gewerben, in der Umgegend als =). nie- Br Ti > 115 002 dergelassen; der grösste Theil dieser Einwanderer hat sich jedoch in die nördlichen Villas, /Massagäo und Macapd begeben. Die Landbauer, welche man von ihrem Aufenthalte Rosseiros nennt, unterscheiden sich in Sitten N Gewohnheiten von den Städtern weniger, als die Bewoh- ner gleichen Ranges in den südlichen Provinzen, die Matutos in Per- nambuco und die, spottweise so genannten, Tabareos ın Bahia, denn die Verschiedenheit zwischen der Civilisation grösserer Städte und der Einfalt des Landmannes ist hier bis jetzt in geringerem Grade einge- treten. Diesem Theile der Bevölkerung, welcher sich mit mehr oder weniger Recht den Namen der weissen (Aranco) giebt, und in die-. ser Bezeichnung seine europäische Abkunft noch geltend macht, wäh- rend er sich in dem schon länger bewohnten und mehr civilisirten Pernambuco geradezu den eingebornen (Füho da Terra) heisset, stehen die Familien gemischter Abkunft (Cafusos), meistens mit india- nischem Geblüte, am nächsten. Sie wohnen grösstentheils in der Nach- barschaft der Stadt zerstreut, und in den kleinen Ortschaften (Zillas) nördlich von der Hauptstadt, auf der Insel’ Maraj6 und am Ufer des Rio Parä. Den niedrigsten Theil der Bevölkerung bilden endlich die Neger und Indianer. Die letzteren sind frei, jedoch, wie die Sprache wohl unterscheidet, nicht civilisirt, sondern nur zahm (Indios mansos), Reste der ehemaligen indianischen Bevölkerung, unter den Eingewan- derten zurückgeblieben. Diese beiden letzten in der Provinz Parä zahl- reichen ‚Volksclassen leben in einer Halbeultur, ohne Renntnisse, Unter- richt und Ehrgeiz, auf Nichts, als auf den Erwerb ihrer wenigen Bedürfnisse gerichtet, in denen das Dolce far niente, Branntwein und Weiber die Hauptrolle spielen. Die fischreichen Gewässer, ein frucht- bares Stückchen Land um die Hütten liefern ihr, ohne dass sie sich viel zu bemühen hätte, das Nothwendige; so schleicht die Zeit ohne Sorgen hin, und der halbgebildete Mensch betrügt sich um ein Leben, ee höhere Reize ihm nie bekannt werden. Es ist einleuchtend ,„ dass ein solcher‘ Zustand, gleichsam die eine, sinnliche Hälfte des patriar- chalischen Lebens und erst an der Schwelle des Bürgerthumes, nur langsam zu höheren bürgerlichen Entwickelungen fortgehen könne. a PO di u a a a a Ze 2 ie, Dei F 003 In der Einfalt, Harmlosigkeit und Vereinzelung jener Familien, wird die grösste Wohlthat der Civilisation, der Schutz der Gesetze, wenig vermisst, und der Familienvater hat nur ein undeutliches Bild vom Staate und von seinen eigenen Verpflichtungen gegen denselben. Das Leben eines Hofes, die Kosten einer geregelten Verwaltung und Ge- richtspflege, die Verhältnisse eines Staates nach aussen nd ihm unbe- kannt, und Forderungen der Regierung für jene Zwecke erscheinen ihm ungegründet. Jede Steuer oder andere öffentliche Leistung ist ihm daher drückend, jede Gelegenheit, sich denselben zu entziehen, hält er für erwünscht und gerecht; den Dienst im Heere oder auf der Flotte flieht er als eine, mit Unrecht über ihn verhängte , Sclaverei. Unstrei- tig aber ist dieser tiefe Standpunct der Einsicht und Bildung, gemäss welchem jedes Opfer für das Gemeinwohl ausser den moralischen Be- griffen des isolirten Bewohners liegt, ein JR Hinderniss in der gesammten politischen Entwickelung der Provinz von Parä, eines jun- gen Staates, dessen Hülfsquellen vorzugsweise in indirecten, und eben desshalb nie vollkommen genau zu schätzenden, Abgaben beruhen müs- sen. Einen solchen Zustand, der sich mit Zunahme der Bevölkerung aller- dings von selbst aufhebt, auch durch Maassregeln der Verwaltung zu vermin- dern, ist eine eben so schwierige, als in ihrer Lösung erfolgreiche Aufgabe. Wir wagen es jedoch nicht, die Mittel, welche der Regie- rung zu Gebote stehen möchten, an diesem Orte einer Prüfung zu un- terwerfen; nur das erlauben wir uns beyzufügen, dass uns, so wie bei der ersten Colonisation America's, auch jetzt noch eine wohlgeleitete, von Selbstsucht freie Thätigkeit des Clerus die günstigsten Wirkungen für jene Zwecke zu versprechen scheine. Die Geschichte der europäi- schen Civilisation im Mittelalter und manche Leistungen der geistlichen Corporationen in America, vonlängerem Bestande als ähnliche Versuche der weltlichen Obrigkeiten, können für diese Meinung angeführt werden. Diese Betrachtungen beziehen sich vorzugsweise auf die Indianer von denen der Estado do Gram Para eine verhältnissmässig grös- sere Menge besitzt, als irgend ein anderes Gebiet Brasiliens. Nächst 115 * 904 | den einzeln ausser der Stadt wohnenden Indianerfamilien giebt es deren auch so viele in der Stadt, dass sie sich hier als Theil der bürgerlichen Gesellschaft bemerklich machen. In den Häusern ist die Bedienung durch schwarze Sclaven seltner, als in den andern grossen Städten Brasiliens; sie wird vorzüglich durch Indianer verrichtet. Fischer und Lastträger g@hören dieser Menschenrage an; Indianer endlich dienen als Matrosen auf den Küstenfahrzeugen und als Ruderer auf den Kähnen, welche die Schifffahrt der grossen Ströme betreiben. Ja, letzteres Ge- schäfte fällt ihnen ausschliesslich zu, und oft werden sie mit List oder Gewalt zum Ruderdienste gepresst, woraus die Unsicherheit einer wei- ten Schifffahrt erklärlich wird, indem sie sich, wo immer es möglich ist, Fahrzeug und Führer im Stiche lassend, zu ranzioniren suchen. ”) Unter der Leitung von Weissen und Mulatten werden viele Indianer auf der Schiffswerfte, im Arsenal und bei öffentlichen Bauwerken ge- braucht. Conde DE VırLarLor, überzeugt von der Wichtigkeit Para's und der Mündung des Amazonenstromes als militärischer Position, hat auch ein Bataillon Fussvolk aus Indianern errichtet, die wir mit eben so viel Präcision als Ausdauer militärische Evolutionen ausführen sahen. — Zu allen diesen Zwecken werden mehrmals im Jahre ganze Haufen junger Indianer aus den landeinwärts und auf Maraj6 gelegenen India- nervillas requirirt, und nach der Hauptstadt gesendet, wo sie einen Taglohn von drei Vintens (zwei g. Groschen),, neben Verköstigung und Schlafstelle erhalten. Dieses System führt jedoch grosse Nachtheile mit sich. Indem es die kräftige Jugend oft Jahre lang dem Landbau und der, Ehe in den Indianervillas entzieht und sie in der Hauptstadt unter ungewohnten Dienstverhältnissen zusammen brin Zunahme der Bevölkerung, sche Verderbniss jener Rage. gt, verhindert es die und begünstigt die moralische und physi- Sehr selten bringt der beweibte Indianer “ *) Man erzählt, dass als einst der Go ponga Furtano, Pomsars Bruder, eine Vj die zum Rudern gezwungenen Indianer i schwommen seyen, und den 6 zur Hand zu nehmen. uverneur von GramParä, Francisco Xavızr oe Men- Sitationsreise von Pard nach der Insel Maraj6 machte, nsgesammt über Bord gesprungen, und ans Land ge- genöthigt hätten, mit seinen Offizieren selbst die Ruder 2 z er a 5 dur BE ee ai Bei 1 ae Ba 2 f # 005 seine Familie mit zur Stadt, auch wählt man fast ausschliesslich nur Män- ner, und hat dadurch in der Stadt ein grosses Missverhältniss der Ge- schlechter veranlasst, wodurch Sittenlosigkeit und böse Krankheiten be- günstigt werden. So erblicken wir denn auch jetzt, in einer Zeit, die Menschenrecht und Menschenwürde kräftiger als jede frühere an-, erkennen soll, die Ureinwohner Brasiliens selbst in der Hauptstadt von Parä unter fast eben so traurigen Verhältnissen, als früher, da der eifrige Antonio Vıeıra, der Las Cazas Brasiliens, vergeblich seine Stimme zu Gunsten dieser verwahrlosten Naturkinder erhoben hat. In der That, uns von der Schwäche menschlicher Entwürfe und von den Schwierigkeiten zu überzeugen, die sich oft auch den gerechtesten Unter- nehmungen entgegenstellen, ist keine Betrachtung mehr geeignet, als die der mancherlei Missgeschicke, welche auf der Entwickelung der rothen Menschenrage in diesem Lande lasten. Weder die christlichen Gefühle der Könige, noch die wohlwollenden Gesinnungen der Staats- männer, noch der Schutz und die Kraft der Kirche haben vermocht, die Indianer des Estado von Gram Parä aus dem rohen Zustande, worin sie gefunden worden, zu den Segnungen der Civilisation und zu bürgerlichem Wohlbefinden zu erheben; wie früher ist diese Rage un- tergeordnet, leidend, bedeutungslos im Verbande mit den übrigen, ein Spiel des Eigennutzes und der Wohllust der Einzelnen, eine träge Last für die Gesammtheit, die sich gleichsam nur ungerne damit hinschleppt. Ja, aus ihrem Verharren auf dertiefsten Bildungsstufe und aus dem Umstan- de, dass man fast nirgends eine unvermischt indianische Familie zwischen den übrigen Menschenragen durch mehrere Generationen erhalten fin- det, dürfte der traurige Schluss zu ziehen seyn, dass die Indianer, anstatt von der Civilisation Europa’s geweckt und gebildet zu werden, dieselbe vielmehr wie ein allmälig wirkendes Gift empfinden, das damit enden werde, sie vollkommen aufzulösen und zu zerstören. Demjenigen Le- ser, welchem diese Betrachtungen Theilnahme zu verdienen scheinen , widmen wir in der Anmerkung (3.) eine historische Darstellung der Verhältnisse, welche vom Anfange an in Para zwischen Indianern und Eingewanderten Statt hatten, und der hierauf bezüglichen Gesetze. 900 Die übrigen Theile der Bevölkerung von Para bieten allerdings er- freulichere Verhältnisse und Hoffnungen dar. Der unruhige Geist der ersten Ansiedler musste sich allmälig verlieren, als Pomsar, der die Wichtigkeit dieser Provinz würdigte, die Auswanderung aus Portugal und den Inseln vorzüglich hierher leitete. Die Ilheos haben im Allge- meinen das Lob grosser Thätigkeit, Mässigkeit, Einfachheit, Biederkeit, und stechen durch den Mangel an Förmlichkeit sehr von den Portugie- sen ab. Neben diesem Verhältniss der Einwanderung hat wohl auch das Klima seinen Einfluss in hohem Grade geltend gemacht, um eine gewisse Ernsthaftigkeit und Ruhe in der Gemüthsart auszubilden. So ist denn gegenwärtig der Zustand ruhiger Sitte und harmloser Behag- lichkeit an dem Bürger von Para unverkennbar. Er ist von phlegma- tischem Temperamente, ohne die tiefgreifende Leidenschaftlichkeit seiner Nachbarn in Maranhäo und Pernambuco, verständig und wohlwollend. In keiner Stadt Brasiliens geniesst der europäische Ankömmling, der ohne Vermögen sich eine Existenz zu gründen sucht, sobald er sich nur zu Industrie hervorthut, gleiches Zutrauen , gleiche Unterstützung. Man rüstet ihm Schiffe nach demInnern aus, belädt sie mit anvertrau- ten Waaren, und freut sich, wenn er, nach einigen Fahrten, Mittel erworben hat, sich selbstständig niederzulassen. Die Unruhen, welche bald nach unserer Abreise, auf Veranlassung der politischen Katastro- phe in Portugal ausbrachen, waren nicht aus der Bürgerschaft, sondern aus einigen Haufen des missleiteten Pöbels hervorgegangen, und die erstere bewies durch die Wahl redlicher und wohlwollender Männer, welche sie an die Spitze der Regierung stellte, dass sie ihre wahren Interessen nicht verkenne. Bei dieser ruhigen Gemüthsart ‚ und der daraus hervorgehenden Beschränkung , wird man hier weder die geist- reiche Beweglichkeit des, im Verkehr freien und lebhaften Pernambu- caners, noch die rührige Handelsthätigkeit des practisch derben Bahia- ners, noch die ernste Feinheit des Maranhotten, die abgemessene rit- terliche Artigkeit des Mineiro ‚oder die gutmüthige Laune des offenen Paulista wiederfinden. Der Paraönser ist ein Mensch des Südens, dem der Strahl der Aequatorialsonne jene ‚eigenthümliche Schärfe der südlichen 007 Temperamente abgestumpft hat. Stimmung, gesellschaftliche Bildun und geistige Bedürfnisse der weissen Einwohner sind gleichsam lin cher, als in den volkreicheren und von einem grösseren Handel beweg- ten Städten im Süden Brasiliens. Die Mulatten gleichen sich auch hier: dasselbe leicht entzündliche, vielbewegliche, zu jeder Unternehmung be- reite, der Ruhe abholde, nach glänzender Anerkennung strebende Ge- schlecht. Ihm ist Spiel, Musik und Tanz befreundet, und es bewegt sich, unersättlich im Genuss, mit gleicher Leichtigkeit wie die Stamm- verwandten im Süden, zu den monotonen schwirrenden Rlängen der Guitarre, im wohllüstigem Landum oder in der zügellosen Baducca. In . der höheren Gesellschaft ist man jedoch eher dem Spiele als dem Tanze, einer hier erschöpfenden körperlichen Bewegung, geneigt; und ein junger Mann, der, wie in Minas und Bahia, den Nagel eines Fingers zu mon- ströser Länge anwachsen liesse, um ihn beim Schlagen seiner Viola zu gebrauchen, würde sich kaum des Spottes der Gesellschaft erwehren. Man hat bis jetzt kein Theater, noch ähnliche allgemeine Volksbelusti- gungen und Bildungsmittel. Nur in der Kirche hört man Gesang von schönen Männerstimmen, mit würdigem Ernste vortragen. Ueberhaupt aber möchte ich glauben, dass der Bewohner dieser Aequatorialgegend stummer und unmusicalischer sey, als der von höheren Breiten; wie denn eine feierliche Schweigsamkeit hier durch die ganze Natur herrscht, die vielleicht vor jeder andern stille und innerliche Genüsse der Beschau- lichkeit und eines sich tief versenkenden Studiums begünstigen möchte. Wir sprechen hier eine der allgemein herrschenden entgegengesetzte _ Meinung aus, da wir selbst in diesem unter der Gluth des Aequators gelegenen Landstriche nicht selten Zeuge einer ungewöhnlich schnellen Fassungskraft, eines äusserst fruchtbaren Gedächtnisses und einer ho- hen literärischen Bildung bei Individuen waren, welche sie sich fast ohne Zuthun und Hülfe von Aussen erworben hatten. Mathemali- sche und philologische Studien finden hier viele Freunde. Ein’ Beispiel von dem literärischen Fleisse, dessen man auch hier fähig ist, giebt unter Andern der ehemalige Bischof von Para, D. Cartano Branpäo, später Erzbischof von Braga, und Primaz von Portugal, einer der 908 würdigsten Prälaten, welchen je. die Seelsorge in Brasilien anvertraut Wär. Während seines Aufenthaltes in Para (1783 —8g.) ne er eine Menge, durch Gehalt und oratorische Form gleich ausgezeichnete, Hir- tenbriefe, Reden, Predigten u. s. w. verfasst, und alle von Amtsgeschäf- ten freie Zeit philologischen Studien und einer sehr ausgedehnten Cor- respondenz gewidmet. . Seiner Thätigkeit verdankt Para wesentliche "Verbesserungen in dem Schulwesen, besonders des Gymnasiums, und die Stiftung eines bischöfiichen Seminärs, worin, wie in den ähnlichen An- stalten zu $. Paulo, Rio de Janeiro, Mariana, Pernambuco u. s. f., Geistliche, für die Seelsorge in den Provinzen von Para und Rio Negro, gebildet werden. Dieses Institut nimmt zwanzig bis dreissig Schüler vom zwölften Jahre an auf, welche unter klösterlicher Regel genährt, gekleidet und unterrichtet werden, bis sie die Weihen empfangen. Die Mehrzahl der Zöglinge, von unvermögenden Aeltern, werden unentgelt- lich aufgenommen; wohlhabende (Porecionistas) zahlen einen Beitrag von dreissig Mil Reis. Das Institut wird übrigens theils durch eigenen Fond, theils durch das reichlich dotirte Domcapitel unterhalten. Auch die lateinische Schule steht unter der Aufsicht des Bischofs ‚ und be- schäftiget grösstentheils Geistliche als Lehrer. Para war damals noch die Hauptstadt des sogenannten Zistado do Gram Para, der früher auch die Provinzen Maranhäo und Piauhy mitbegriffen hatte, nun aber nur die Provinz Para und die untergeord- nete von Rio Negro enthielt. Auch diese beiden Provinzen sind gegen- wärlig ganz unabhängig von einander, Als Hauptstadt einer Provinz besass es alle Verwaltungsbehörden , gleich den übrigen. Der General- Gouverneur hat den Vorsitz in dem Finanz.- und dem Handelscollegium (Junta da Fazenda, do Commercio), und leitet die übrigen Verwal- tungsgegenstände durch seine militärischen Adjutanten (Adjutantes d’Or- dems). In der Junta da Justiea, dem Gerichtscollegium erster Instanz, sitzen_der Ouvidor und einige Juizes de Fora, Der. ganze Estado do Gram Parä appellirt in Rechtsangelegenheiten an. die Relacäo von Ma- ranhäo, unter welcher alle anfänglich mit Maranhäo und Parä vereinigte 909 Provinzen, also auch Searä und Piauhy, stehen. Das Arsenal und die Schifiswerften werden von einem Intendente da Marinha beaufsichtigt. Wegen des trefflichen Bauholzes, weiches die hiesigen Wälder in gros- ser Menge liefern, eignet sich Para vorzugsweise für die Construction grösserer Kriegsschiffe, und in der That wird die brasilianische Marine von hier aus jährlich vermehrt. Das Zimmerholz ist so dicht und schwer, dass es nicht nur viel längere Zeit dient, sondern selbst den Beschädi- gungen in einer Seeschlacht mehr widerstehen soll. Aus diesem Grunde hatte bereits PomsAr, überhaupt den Reichthum und die Wichtigkeit von Para würdigend, die hiesigen Werften möglichst beschäftigt; al- lein nach ihm wandte sich die Aufmerksamkeit der Regierung hievon ab. Neuerlich hat man wieder angefangen, die Schiflsbauten mit grös- serer Thätigkeit zu betreiben, wobei jedoch unter andern ein Brig nach Verhältnissen construirt wurde, die den Eigenschaften des Holzes so sehr widersprachen, dass das Fahrzeug ganz unbrauchbar blieb. Sowohl die Nützlichkeit des Arsenäls als die Lage der Stadt über- haupt, die wegen Mangels anderer guter Häfen an der Mündung des Amazonen- und des Parästromes der Schlüssel der ganzen Provinz zu seyn scheint, dürften um so mehr die Nothwendigkeit hinreichender Befestigungen darthun, als bis jetzt noch wenig, selbst für die Ver- theidigung der Stadt gethan worden ist. 2000 Rlafter im N. der Stadt, nicht weit von dem Oertchen Zal de Caens, liegt das kleine Forte da Barra ganz nahe am östlichen Ufer. Es bestreicht einen Theil des, wegen des hier auslaufenden Nordendes der /lha das Oncas etwa ı000 Rlafter breiten, Canals bis zur gegenüber liegenden //ha do For- tım. In der Nähe der Stadt, unmittelbar nördlich vom Convento de $. Antonio, ist eine Redoute am Ufer aufgeführt, und im südlichen Theile der Stadt beherrscht das Castello den Hafen. Alle diese Befestigungen sind jedoch schwach, und würden dem Feuer einer kühn vordringenden, des Fahrwassers kundigen Flotille nicht lange widerstehen. Zur voll- ständigen Vertheidigung des Canals hat man vorgeschlagen, zwei an- dere kleine, während starker Hochwasser überfluthete Inseln, Tatuoca Il. Theil. 116 910 und Jutuba, zu befestigen, welche weiter gegen Norden etwa 5800 Klafter von der Stadt, jenseits der Ponta de Livramento, zwischen dem Festlande und der Insel Cutezuba, liegen. Diese sehr kostspielige Un- ternehmung ist jedoch nicht begonnen worden. Allerdings darf man auch annehmen, dass jede feindliche Expedition gegen die Stadt von der Seeseite durch die Gefahren, welche das Fahrwasser darbietet, sehr erschwert werden würde, denn der Fluss ist voll Sandbänke und Untiefen, und die Fahrcanäle, welche meistens längs dem östlichen Ufer hin- laufen, verringern ihre gewöhnliche Tiefe von acht oder sechs biswei- len bis auf dritthalbe oder drei Rlaftern, wie z. B. der Ollaria, eine halbe Stunde von der Stadt, und dem Castello gegenüber, wo man nur nahe am Ufer in 4 bis 5 Faden ankern kann. Von der Landseite würde ein Angriff nur mit grosser Mühe und Aufopferung auszuführen seyn, denn das höchst ungleiche Terrain ist von tiefen Gräben und Sümpfen durchschnitten, oder von undurchdringlichem Gehäge und Urwäldern bedeckt, und könnte einem des Landes kundigen Vertheidiger grosse Hülfsmittel darbieten; dennoch steht Para von allen Küstenstädten Bra- siliens den Gefahren eines plötzlichen Ueberfalls am meisten offen. Die Garnison der ganzen Provinz war damals, als wir Pard besuchten, bis auf einige Detachements in Macapä, Cametä u. s. f., in der Hauptstadt vereinigt, wo sie durch die rastlosen Bemühungen des Gouverneurs in tortdauernden Waffenübungen diseiplinirt und gestärkt wurde. Sie be- stand in drei Regimentern Fussvolk, die zusammen auf dreitausend Mann gebracht werden sollten, aber erst die Hälfte zählten, einer Esca- dron Reiterei und einem dreihundert Mann. starken Bataillon Artillerie. D. Francısco DE SovzA Courınuo hatte die Indianer in ein eigenes Corps sen (Zigeiros) vereinigt; allein dieses ward bald wieder aufge- löst, -_ gegenwärtig machen sie einen grossen Theil der regulären ae aus. open auch diese Truppen an Rörpergrösse und mar- Bi = ne hinter dem europäischen Militär zurückstehen, £ Sn a ewiss an Beweglichkeit und Ausdauer. ' Ein REN REN ‚ welches der gemeine Mann bei sich führt; enz auf acht Tage, und bei seiner Uebung Tag 911 und Nacht in den dichten Urwäldern und verwachsenen sumpfigen Ge- hägen umherzuschweifen, würde er auch die stärksten Soldaten des Nordens ermüden und im kleinen Fıriege aufreiben. Pard rühmt sich, es an Zahl der Ausfuhrartikel allen andern Städ- ten Brasiliens zuvorzuthun, und in der That steigt sie auf nicht weni- ger als "vierzig. Es sind: Zucker, Zuckerbranntwein, Melasse, Caffe, Cacao, Vanille, Baumwolle, Copaivabalsam, Werg, Pech, Copal, Gelb- holz (Guriuba), feine Tischlerholzarten (wie Moira-pinima, Jacaran- da, Pao Violete oder de Rainha, Pao setim), Bauhölzer, Taback, Palmfaserstricke (Piacaba), Salsaparilha, Reis, gekörntes Mandiocca- stärkmehl (Tapiosa), feines Stärkmehl (Goma), sowohl aus der Man- dioccawurzel, als aus andern Knnollenwurzeln bereitet, Gummi elasticeum (hier Seringa genannt), Pechurimbohnen (Favas de Pucheris, Pechu- rim), Toncabohnen, Tamarindenmus, Nelkenzimmt (Cassia caryophyl- lata, hier Cravo do Maranhäo genannt,) Indigo, Rocou, Maranhäo- Nüsse (Castanhas do Maranhäo) und kleine Quantitäten von Zimmt, Ge- würznelken, Muscatnüssen, Guarana, Chicaroth und Ambra. Ferner müssen als Erzeugnisse der Viehzucht der Insel Marajo genannt werden: rohe und gegerbte Rindshäute, Ochsenhörner und Spitzen, welche nach Europa, und endlich Pferde, die seit einigen Jahren zu guten Preisen nach den englischen Besitzungen unter den Antillen, besonders nach Barbados, ausgeführt werden. Diese Pferde sind von mittlerer Statur, von feinem Kno- chenbaue, und zwar nicht sehr dauerhaft aber dennoch der schwächli- chen Rage auf jenen Inseln vorzuziehen. Um das Verhältniss der Aus- fuhrartikel genauer anzugeben, fügen wir am Ende des Kapitels einige Tabellen (4.) über die Ausführung in den Jahren ı816 und ı7 bei. Die Accisen, welche von den Ausführenden, nicht von den Producenten, an die Douane von Para von den Exportationsartikeln bezahlt werden, beliefen sich in den Jahren unseres Aufenthalts in Brasilien im Durch- schnitte auf 70 Contos de Reis, oder 194,600 Gulden. Nur der kleinste Theil dieser Producte, und namentlich Zucker, Zuckerbranntwein, Me- lasse, Taback, Baumwolle und elastisches Gummi, wird in der Nähe 118° 912 der Hauptstadt erzeugt; das Meiste kommt aus dem Innern des Landes, welches hier mit dem unbestimmten Namen des Sertäo bezeichnet wird, Der Handel von Para hängt daher vorzüglich von der Einfuhr aus den ihätigsten Orten im Innern der Provinz: Cametä, Gurupä, Santarem, und aus der Provinz von Rio Negro ab. Sobald Handelskähne aus je- nen Gegenden ankommen, beleben sich die Strassen der Stadt, man sieht halbnackte Indianer beschäftiget, jene köstlichen Artikel in das Zollhaus, und von da in die einzelnen, durch die Stadt zerstreuten, Woaarenhäuser zu bringen; ausserdem aber ist der Platz nicht weniger todt, als Maranhäo, wo die, fast nur auf Baumwolle und Reis beschränkte, Einfahr unmittelbar aus den, am Hafen gelegenen, Waarenhäusern ver- schift wird. Diese Abhängigkeit des Handels in Pard von der In- dustrie im Innern spricht allerdings nicht sonderlich für den Unterneh- mungsgeist der hiesigen Kaufleute, welche in der nächsten Nachbar- schaft vielfache Gelegenheit besässen, grosse Pflanzungen zu gründen, oder durch eigene Expeditionen nach den theilweise noch sehr wenig besuchten Gegenden, z. B. am nördlichen Ufer des Amazonenstromes oder nach den obern Stromgebieten der Rios Guamä, Capim u. s £, den Zufluss der Handelsartikel beträchtlich vermehren könnten. Die. Ursache dieser geringen Betriebsamkeit dürfte einerseits im Mangel gros- ‚ser Capitalien, andererseits in der gemässigten Gemüthsart der Paraön- ser zu suchen seyn, welche sich mit geringerem Gewinne begnügen und dem ehrgeizigen Speculationsgeiste ihrer Nachbarn, der Maranhotten, nicht hingegeben haben. Es ist uns übrigens oft von den Portugiesen gerühmt worden, dass der Handelsstand von Para mit grosser Theil- nahme und Uneigennützigkeit die Unternehmungen der Ankömmlinge aus Europa zu unterstützen pflege, indem er sie mit Geld und Credit versehe ‚ um auf eigene Rechnung Expeditionen nach dem Innern aus- zuführen. Wir haben bereits erwähnt, dass vorzüglich Zucker in der Nähe von Para gebauet werde. Dieses Product deckt nicht nur die inn- ländische Consumtion, sondern wird auch, jedoch nicht in beträchtlicher (Quantität ‚ besonders nach Maranh ), ausgeführt. Es zeichnet sich we- der dürch ‘Weisse, noch durch festes, keystallinisches Korn aus, and RR B, Be ER 0000 002 a a ein nn Re: ie eh u a nn: 013 ist vielleicht eine der schlechtesten Sorten, die in Brasilien bereitet wer- den. Aus dieser Ursache pflegt man eine verhältnissmässig 'sehr be- deutende Menge zu Branntweine und zu feinen Liqueurs, vorzüglich Anisette, zu brennen, welche letztere denen der französischen Inseln nicht nachstehen. Grosse Quantitäten des gemeinen Zuckerbranntweins gehen nach den Azoren und nach Portugal, von wo aus sie zum Theil rectifieirt wieder nach Brasilien zurückgesendet werden. Die Güte der Zuckersorten von Pard wird zunehmen, je mehr sich die Plantagen von den niedrigen Ufern, wo sie, wegen des leichtern Verkehrs zu Wasser, zuerst angelegt Würden waren, nach dem höheren und trock- nen Festlande ausdehnen werden; denn in jenem Striche ist der schlam- mige, feuchte Boden der Ausarbeitung des Zuckersaftes in dem Rohre nicht günstig. Nur eine eigenthümliche Ufervegetation gedeihet hier, und wenn auch das Zuckerrohr zu ungemeiner Höhe ERROR: so enthält es doch verhältnissmässig wenig Zuckerstoff, und eine Menge von Schleim und Satzmehl, die der Reinigung des Zudiirs grosse Schwierigkeiten in den Weg legen. Auch der Cacaobaum gehört diesem Gebiete an; von ihm sahen wir hier die ersten Pflanzungen. Baum- wolle wird in ähnlichen Lagen gebaut, gedeihet aber nicht sonderlich, indem sie zwar lange, aber schwache Fäden bildet, und gar leicht eine gelbliche Farbe, die Folge übermässiger Feuchtigkeit, annimmt. Dagegen scheint Rli- ma undBoden dem Caffebaume und der Tabackpflanze vorzüglich günstig, und bei sorgfältiger Behandlung der Früchte nach der Lese dürften diese Artikel fortwährend an Güte gewinnen. Reis, Mais, Bohnen und die Mandioccawurzel kommen in dem feuchten und schweren Boden der Urwälder so gut fort, und geben so reichliche Früchte, als in irgend einem Theile des tropischen Brasiliens. Pflege und Ertrag verhalten sich eben so, wie in dem benachbarten Maranhäo, wo wir das Nähere hierüber angeführt ‚haben. Eine besondere Erwähnung verdienet die Ananas, welche in mehreren Gärten der Umgegend ohne eine sorgsame Cultur zu einer Grösse, Vollsaftigkeit und einem Wohlgeschmack er- wächst, wodurch sie ihren Namen als Königin der tropischen Früchte rechtfertigt. Nur selten findet man die ächte Ananas in den Wäldern % 014 von Para, und die Aussagen alter Pflanzer stimmen darin überein, dass die Sorte, welche man jetzt hier in den Gärten anbaut, aus Pernam- buco und Maranhäo eingeführt worden sey. In diesen, mit wenig Sorg- falt unterhaltenen, Gärten findet man auch noch drei andere Arten von Früchten aus Pernambuco und den Antillen eingeführt, den Abacaie (Persea sapidissima, Gaertn.), den Abin (Achras Cainito, R. P.), einen schleimig süssen Breiapfel, und die sogenannte Abricot (Mammea americana, L.), ebenfalls eine Beere, oft von der Grösse eines Kinder- Kopfes, die an Geschmack und Farbe der europäischen Apricose ähn- lich ist. Die übrigen Früchte des heissen Brasiliens: Attas oder Frutas de Conde, Acajus, Goyaven, Mangas, Mangabas und Orangen gedei- hen vortrefflich; aber die besten Früchte Europa’s: Aepfel, Birnen, Steinobst, Wein, Feigen und Oliven ertragen das heisse Klima nicht. Die Bäume kommen selten zur Blüthe, und verlieren in diesem Falle gewöhnlich die Frucht vor vollkommner Reife; die Blätter werden oft von Ameisen, die den ausländischen Bäumen vorzugsweise nachstellen, ver- heert, und die Stämme von Gallwespen und andern Insecten angestochen. Mit Recht hat man Para, als Gegenfüssler der moluckischen Inseln, für den Pflanzgarten von Brasilien betrachtet, und versucht, die köstli- chen Gewächse, welche den Reichthum des asiatischen Aequatorialar- chipels ausmachen ‚„ hierher zu verpflanzen. Wären diese Anlagen mit Eifer fortgesetzt und ausgedehnt worden, so könnte Pard schon jetzt . Muscatnüsse, Gewürznelken und Zimmt in so grosser Menge ausführen, dass es hiedurch dem Markte der Holländer und Engländer Eintrag thäte. Die erste Anlage ward in der Nähe der Stadt, unter der Regie- NG: der. Donna Marıa zu Ende des vorigen Jahrhunderts, gemacht. Dieser Garter ö gegenwärtig unter der Aufsicht eines Militärs ; enthält Mei: sag die erwähnten ostindischen Gewürzbäume, deren Zahl be- ae ae vermehrt ward, als die Portugiesen im Jahre ı809 Cayenne 8x Besitz genommen hatten, und der, als Botaniker bekannte, MarrıN, Diresior der Pflanzungen zu Gabrielle, von dem Commandanten ManoeL Marguzz beauftragt wurde, Sendungen von jungen Bäumen nach Par i 2 » Bi 5 land ul El dann Aa u SZ ul ala 4 ME SS ne Le in ad En al en Hz die Ze et 015 zu machen. Wir sahen hier den Bas den ächten Pfeflerstrauch, den Gewürznelken-, den Bennuss-, den Muscatnussbaum ‚ und zwar die kleinere Art, die Nussbaum von Bancoul, den Bilimbi- und Caram- bolkirschenbaum,, die rothblättrige Banane aus der Südsee und den äch- ten Brodfruchtbuidhe, Der Zimmtbaum ist von hier in eine eigene Plan- tage zunächst der Ollaria in der Nähe des Stromes versetzt worden, wo wir mehrere tausend Stämmchen recht fröhlich gedeihend fanden. Ueber die Cultur der wichtigeren dieser Gewächse haben wir Einiges in der Anmerkung (5.) beigefügt. Eine ältere Anlage, ebenfalls in der Nähe der Stadt, unter dem Gouvernement von D. Franc. Xav. Furrtano DE MEnponga, Pomsar’s Bruder, gemacht, bezweckt vorzugsweise die Cultur mehrerer innländischen Gewächse, die von hier aus in die be- nachbarten Gegenden verbreitet grand, sollen. Der Vorsteher, Dr. LAcErDA, zeigte uns unter andern den Baum, der den Nelkenzimmt (Cravo do Maranhäo) liefert. Man war bisher der Meinung gewesen, dass diese aromatische Rinde, welche zwischen Zimmt und Gewürz- Nelken in der Mitte steht, von einer Myrtenart (Myrtus caryophyllata, Jaeg.) abstamme, allein sie gehört eben so wie der Zimmt einem, bis- her. noch nicht beschriebenen Baume aus der Familie der Lorbeeren ”) an. Wir werden später Gelegenheit haben, ausführlicher über Vater- land und Geschichte dieses Baumes zu reden. Bei unsern botanischen Ausflügen in der Nähe der Rossinhasbe: gegneten wir nicht ‚selten dem merkwürdigen Baume, der das elastische Gummi oder Gautschuck (Cauteeue) liefert. Er wird von den Brasi- lianern Seringeira genannt, weil man seinen Milchsaft ursprünglich nur zu Spritzen (Seringas), jenen birnförmigen Schläuchen, verarbeitete, die auch jetzo die häufigste Form sind, unter der jener eigenthümliche Körper in den Handel kommt. Die Seringeira treibt einen sehr hohen, schlanken Stamm, dessen Eegraue ‚„ am Grunde ne , weiter *) Persea caryophyllata, Mart.: glaberrima, foliis oblongis acuminatis , peduneulo axillari gquam folia breviori quingue-sexfloro purpurascente, calycis > laciniis incurvatis BA baccis elliptieis. 910 oben glatte Rinde bisweilen von selbst, häufiger aber, wenn sie ver- wundet wird, einen Milchsaft ergiesst, der sich an der Luft verhärtet, und dann als lange blassgraue Stränge von der Dicke eines Gänsekiels oft viele Ellen lang herabhängt. Diese Fäden bilden, wenn sie dünne Aeste überziehen, elastische Röhren, durch welche zuerst die Zweck- mässigkeit des Stoffes zu allerlei Instrumenten angedeutet worden seyn reinigen anwendete, die Indianer von jenen Röhren zu Rlystierspritzen, Tabackspfeifen und, am Anfange des vorigen Jahrhunderts, ein portu- giesischer Chirurg zum Kathederisiren Gebrauch machten. Gegenwär- tig widmen sich einsame Fazendeiros, und vorzüglich ärmere Leute der Baum in dem ganzen Estado do Gram Parä, so wie in der fran- zösichen Gujana, wild wächst. Folgendes ist die von diesen Sammlern befolgte Bereitungsart. Während eines grossen Theils des Jahres, vor- züglich aber in den Monaten Mai, Juni, Juli und August, verwunden sie den Baum an mehreren Stellen durch senkrechte Einschnitte und kleben unterhalb derselben kleine, gemeiniglich anderthalb Zoll im Dia- meter messende, Schüsselchen, von rohem, ungebranntem Thon an, die, wenn anders der Baum gesund ist, binnen vier und zwanzig Stunden vom Säfte angefüllt werden. Dieser wird nun über mannichfaltige For- men von Thon gestrichen ‚in deren Auswahl und Modellirung der Er- findungskraft der Seringeiros weiter Spielraum gegeben ist. Am häu- figsten formen sie jene birnförmigen Körper, durch welche die gewöhn- lichen Flaschen entstehen, ausserdem aber die verschiedenen Früchte des Landes, als Acajus, Attas, Ananas ‚„ Mangas, oder Thiere: Fische, \ 2 Affen, den Lamantin, ja sogar menschliche Figuren oder aller- & seltsame Gebilde ihrer, nicht immer sehr reinen, Phantasie. Damit der, in dünnen Schichten aufgetragene , Saft schneller trockne und nie- mals in Fäulnisa äh : Me in Fäulniss übergehe, werden die überstrichenen Formen in den 917 Rauch gehängt, welcher bei dem langsamen Verbrennen der rohen Früchte der Oauassipalme (Attalea speciosa , JM.) entsteht. Dieser Rauch giebt dem ursprünglich schmutzigweissen CGautschuck jene dun- kelbraune Farbe und grössere Dichtigkeit, die wir an der käuflichen Drogue wahrnehmen. Um ungebleichte Leinwand wasserdicht zu ma- chen, pflegt man eine dünne Schicht des frischen Milchsaftes auf die eine Seite derselben aufzutragen und an der Sonne trocknen zu lassen. Sie empfiehlt sich dann besonders zu Mänteln und Ueberwürfen für Solche, die sich dem durchdringenden Nachtthaue aussetzen müssen ; doch ist diese Bekleidung, weil sie die Ausdünstung zurückhält, unleid- lich warm. Wir sahen sie bei den Polizeisoldaten von Para, und wendeten sie selbst auf späteren Reisen an. Noch viele andere Erzeugnisse des Pflanzenreiches unterhalten den Naturforscher auf seinen Wanderungen durch die einsamen Urwälder, welche sich im Norden und Osten der Stadt ohne Unterbrechung aus- dehnen, und im Süden jenseits des Rio Guamd bis zu wngemessener Entfernung erstrecken. Vor Allem aber war uns die ungeheuere Grösse vieler Stämme auffallend, die selbst das Riesenhafteste übertraf, was wir früher gesehen hatten. Wir massen einige Bäume von Sapucaja (Leeythis),, Pao d’Alho (Crataeva Tapia, L.) und Bacori (Sympho- nia coccinea, Aubl.) und fanden, dass sie am untern Ende des Stam- mes fünfzig bis sechzig, und an dem sternförmig ausgebreiteten Wur- zelhalse über hundert Fuss im Umkreise hatten. In der Mitte zwischen unserem Landsitze und der Stadt erhebt sich ein prächtiger Baum ei- ner Lecythis zu so ungeheuerer Höhe, dass er uns schon aus weiter Ferne Maassstab für den zurückgelegten Weg seyn konnte. Dieses kräftige Wachsthum wird nicht blos durch die Wärme des hiesigen Klima, sondern vorzüglich durch das: viele Wasser im Erdboden begün- stigt. Der thonige Grund wird beständig feucht erhalten, sowohl durch häufigen Piegen als durch zahlreiche Gräben, welche mit jeder Fluth , mehr oder. weniger angefüllt werden. Fast scheint es, als übten in unberührten Urwäldern diese gewaltigen Kinder der Erde eine verderb- II. Theil. 117 918 liche Gewalt über ihre kleineren Brüder aus, denn man findet weite Stre- cken von höherem Gebüsch und Kräutern entblösst, und statt derselben nur Gräser, ein kleines Liliengewächs mit weissen Blüthen gleich dem Lauche (XAıiphidiam album L.) und vorzüglich vielerlei Arten von Bro- melien und Aroideen, unter welchen das Dracontium polyphyllum durch seine gefleckten, einer Klapperschlange nicht unähnlichen, Stengel sich auszeichnet. Von den Bäumen hängen riesige Aronstauden, und, unserm Baumbart ähnlich, lange Flocken der Tillandsia usneoides herab. Noch seltsamer ist der Anblick jener Stämme deren braunrothe, zähe Rinde, einem dicken Tuche gleich, in ellenlangen Lappen herabhängt. Die Indianer benützen sie zu Kleidern, um sich gegen die Mosquiten und andere Insecten zu schützen. Sie gehören den Topfbäumen (Sapucat- as) an, deren grosse, mit einem Deckel versehene Frucht viele mandel- artige Saamen enthält. Eine andere Art dieser Gattung ist wegen des Reichthums der Rinde an langen zähen Fasern merkwürdig, wo- durch sie sich, wennsie eingeweicht und dann geschlagen wird, in eine wergarüge Substanz auflösen lässt, welche statt des europäischen Wergs zum Halfatern gebraucht, und unter dem Namen Zstopa sogar ausge- führt wird. Ein ähnlicher Baum (Couratari gujanensis, Aubl.) dessen wir bereits (I. $. 877.) Erwähnung thaten, liefert einen äusserst dün- nen und feingewebten Bast (Tawxiri) von blassröthlicher Farbe, der in vielen Lagen den Splint umgiebt, und mit einiger Vorsicht in sehr grossen Stücken abgezogen werden kann. Die Indianer bedienen sich desselben, um Cigarren daraus zu verfertigen. Während sich das Pflanzenreich in diesen und vielen andern merk- würdigen Erzeugnissen gleichsam von selbst darbot, fanden wir die grössten Schwierigkeiten, uns über die geognostische Beschaffenheit des Landes zu unterrichten, weil das Gestein gemeiniglich von einer sehr mächtigen Schichte von Dammerde, oder, in der Nähe der Gewässer; von Letten bedeckt ist. Eine Legoa nördlich von der Stadt, in Pederneira, und am Castello beobachteten wir dasselbe eisenschüssige Sandsteinconglo- merat ohne regelmässige Schichtung zu Tage ausgehend, dessen wir, als auf 919 der Insel Maranhäo und längs dem Rio Itapicurüu herrschend, erwähnt haben (II. $S. 832.); und dieses Gestein ist es auch, welches man hie und da entweder zu ganzen Häusern oder vorzüglich zu Grundmauern oder Pfeilern benützt sieht. Es ist mir wahrscheinlich, dass die Nie- derungen des Festlandes längs der Küste von Maranhäo bis Para, und eben so auch die Insel [Marajd aus diesem breccienartigen Sandsteinge- bilde. bestehen. Im Innern des Districtes von Parä jedoch, d.h. südlich, zwischen den Rios Gurupy und Tury-assu, dürfte eine ältere Forma- tion, vielleicht Glimmerschiefer, herrschen, wenigstens theilte uns $. E. der Herr Gouverneur Goldstufen von dort mit, welche reiche Parthieen dieses Metalls in weissem Quarze darstellen und die grösste Aehnlich- keit mit Erzen aus den quarzreichen Gängen von Minas besitzen. An den Ufern des Parastromes und. seiner Confluenten befinden sich grosse Lager von färbigem Thon (Tabatinga) oder von grauem Letten; und auf diesen liegt sehr häufig eine Schicht von härterem oder weicherem Flussschlamm, in der Tiefe von ein bis sechs Fuss. Wenn wir am Abende von unseren Wanderungen in jenen merk- würdigen Urwäldern nach der Rossinha zurückkamen, erwartete uns die erheiternde Geselligkeit europäischer Freunde. Die Herren Dickın- son, grossbrittanischer Consul, Joun Heskeru, J. Camreeır, und L. Heın, ein deutscher Landsmann , mögen mir erlauben, dankbar die Erinnerung an jene Stunden zu erneuern, in denen sie uns eben so sehr die Freu- den eines gebildeten Umganges als die sorgsame Theilnahme rathender. und fürsorgender Freundschaft geniessen e. Später gesellte. sich zu ihnen Herr Francısco Fucarpo Zany, Capitän der Militzen, jetzt Oberst im Generalstabe, aus Livorno gebürtig und seit vierzehn Jahren in Rio Negro ansässig, der durch eine glückliche Verknüpfung von Umständen mein Begleiter auf dem grössten Theile der Reise im Innern ‚von Parä und Rio Negro ward. Gleichartige Gesinnung und gleicher Antheil an den Gefahren und Genüssen einer siebenmenatlichen Reise haben zwischen uns eine unvergängliche Freundschaft besiegelt. Diese heiteren Vereine wurden überdiess durch die kunstreichen Töne _ eines 17° 920 trefflichen Flötenspielers belebt, welcher aus Cayenne hierher gekom- men war. Gleich einem zweiten Orpheus versammelte dieser durch seine Musik allerlei Creaturen um sich her, so dass uns die seltene Ge- legenheit gegeben wurde, den Eindruck zu beobachten, welchen unge- wohnte Töne auf gewisse Thiere ausüben. Nicht blos mancherlei, im Gebälke der Varanda nistende Spinnen, deren musicalische Neigung be- kannt ist, näherten sich, sondern auch allerlei Vögel, wie die Bem te vi (Muscicapa Pitangua, L.) , mehrere unermüdlich heitere Arten von Krernbeisser (Loxta nasuta, leucoptery'gia, Spix Aves II. t. 58. 59.) und | die musicalische Fringila flaveola umflogen unsere Wohnung in engen Kreisen, ein Eichhörnchen (Sciuris aestuans, L.) kam öfter aus seinem Schlupfwinkel in einem benachbarten Cacaobaum auf den Grasplan vor unserer Wohnung herab, und. die Affen, welche wir im Hinterhause ‚angekettet hielten, lauschten den niegehörten Tönen, bis sie endlich in ‚einem schmetternden Gekreische Aehnliches hervorzubringen suchten. Wir erwähnen dieses unbedeutenden Umstandes, weil wir uns gerne dem Gedanken überlassen, dass der Mensch seinen bildenden ‚Einfluss selbst auf die freie Schöpfung um ihn her ausüben könne. -Ein ande- res Schauspiel bot sich uns dar, sobald, mit Einbruch der Nacht, die Varanda erleuchtet wurde. Dann stellte sich eine unglaubliche Menge von Nachtschmetterlingen: ein, und umschwärmte die lockenden Lich- ter, so dass wir oft nicht Hände genug hatten, diese willkommnen Gäste einzufangen. Die Noctua Strix, L., der grösste aller bekann- ten Eulenschmetterlinge, erschien besonders in feuchten, regnerischen Nächten. Ihr schwankes Flattern erschreckte uns fast, wenn die Br- scheinurg plötzlich um die Lichter gaukelte. Ein anderer Besucher in jenen ‚einsamen Abendstunden, war die (Phalaena Atlas, L.), deren grüne, mit prachtvoll feuerfarbigen Warzen besetzte Raupe auf den benachbarten Orangenbäumen lebte. Die Cocons dieses schönen Thier- chens liefern eine ungemein starke, glänzende Seide, welche vielleicht statt der europäischen verwendet werden könnte, wenn man ihrer An- zucht Sorgfalt widmen wollte, Auch ‚die europäische Seidenraupe ist ‚hier schon von “einigen Freunden der innländischen Cultur gezogen 921 worden, und soll, besonders im Innern der Provinz, wie in Caza forte, sehr gut fortkommen. Doch sind die desshalb unter der Königin Ma- rıa gemachten Anträge, die Seidenzucht zu u fruchtlos ge- blieben. ”) . Anmerkungen zum ersten Kapitel. C1.) Schon De La Coxvamise (Relation abregee d’un voyage fait dans)’interieur de ’Amerique me£ridionale etc. Maestricht. 1778. 8. p. 179.) fand bei seinem Aufenthalte zu Par@ (im Decem- ber 1743) eine bösartige Blatterepidemie. Seit jener Zeit hat sie sich vier bis fünfmal erneuert, aber niemals mit gleicher Wuth als im Jahre ı819. Da sie mehr als zwanzig Jahre lang nur sporadisch erschienen waren, so hatte sich die Furcht vor dieser in heissen Klimaten doppelt schrecklichen Krankheit sehr verringert; man pflegte weder das Blattergift selbst zu inoculiren, noch die Vaccination vorzunehmen, obgleich man sich durch frühere Erfolge von der Zweck- mässigkeit beider Methoden überzeugen konnte. Von der Regierung war niemals mit Ernst auf die Vaccination gedrungen worden, und es vergingen oft mehrere Jahre, ohne dass man Impfstoff aus Portugal oder England erhalten hätte. Als einige Monate vor unserer Ankunft ein Sclavenschiff aus Africa die Seuche mitgebracht hatte, fand diese fast die Hälfte der Bevöl- kerung bereit, sie aufzunehmen, und beinahe ein Viertheil ward wirklich von ihr befallen, Während die Seuche ihre grösste Höhe erreicht hatte, starben täglich sechsunddreissig bis acht- undvierzig Personen, und vorzüglich häufig wurden die Indianer oder die Mischlinge ‚mit in- dianischem Blute Opfer derselben; weniger gefährlich zeigte sich die Seuche den Negern und unter den Weissen amayenigsten den gebornen Europäern; diess wahrscheinlich, weil bei den Brasilianern die Furcht das Uebel mehr vergrössert. Es ist bekannt, dass der americanische Menschenstamm überhaupt grosse Receptivität für alle acute Hautausschläge : Masern, Scharlach u. s. w. hat, und dass namentlich dieBlattern, mit welchen er von Europa aus bekannt ‚gemacht wurde, von jeher fürchterliche Verheerungen unter ihm angerichtet haben. Diese Geissel der Menschheit wird aber dem Americaner meistens in der Art tödtlich, dass sich die Blatter auf der Haut gar nicht vollkommen entwickelt. Meistens stellt sich der Ausschlag nur an einzelnen Theilen des Körpers, und selbst hier nicht gehörig ausgebildet , klein und trocken, ein, oder er erscheint örtlich oder allgemein nur für einen Augenblick. Dabei verzehrt: den Kranken ein sehr rasches, hitziges Fieber, welches bald unter der Form eines entschiedenen Typhus tödtet. Seltner sind die = wo die Blatter über den en ee % aber in solcher Verderbniss |— - #) Fast scheint es, als böte die , Vebersiedlung des Seidenwurms nach America grössere Schwierigkeiten dar, als die mancher anderen Thiere, z. B. der Bienen. In Mexico ward die Seidenzucht schon im ersten Jahrhundert nach der Eroberung versucht, ohne dass, so viel wir wissen, sie daselbst günstige Fortschritte gemacht hätte. $. Gongalo de las Casas Arte para eriar Seda en Nueva Espanna. 1581. 8. 922 erscheint, dass sie sogleich putrid wird, die Haut in ganzen Stücken abfällt, und die Oberflä- che des Körpers zu scheusslichen Wunden übergeht , welche alsbald den Brand und Tod her- beiführen. Ich sah’ einige dieser letztern Fälle, welche durch Behandlung mit starkem Porto- wein und China geheilt wurden. Der unter den Brasilianern wohnende Indianer unterliegt häufig dieser Seuche nicht blos wegen der dichteren und strafferen Organisation seiner, durch die Nacktheit abgehärteten, Haut, sondern vorzüglich auch wegen tödtlicher Furcht vor. diesem Uebel. Sobald er sich davon ergriffen weiss, liegt er in stummer Verzweiflung, ohne sich zu rühren, Nahrung oder Arznei anzunehmen, bis er ein Opfer wird. In seinen Urwäldern von der Krankheit überfallen, sucht er nicht selten die innere Hitze durch ein Flussbad abzukühlen, und man weiss von Fällen, dass er dadurch geheilt, aber auch von anderen, dass er im Bade selbst den Tod fand. Bei der Epidemie vom Jahre ı819 machte man in Para die Bemerkung, dass die Impfung des Vaccinestoffs, welcher durch ein Schiff der Regierung von Barbados. ge- holt worden war, nachdem man ihn in Cayenne. vergebens gesucht hatte, oder desjenigen, welcher später aus England ankam, keineswegs sehr günstige Resultate zeigte, denn viele Individuen, welche noch .gar keine Spuren der Ansteckung zeigten, gewiss aber bereits die An- lage in sich trugen, entwickelten bald nach der Vaccination sehr bösartige Blattern, während der Verlauf der Krankheit bei Individuen, denen gutartiger Blatterstoff eingeimpft wurde, sich milder gestaltete. Ueberhaupt aber bemerkte man-damals eine so grosse Receptivität für die Blattern, dass viele Patienten, welche an andern Fiebern litten, Reconvalescenten und Kindbet- terinnen von der Seuche ergriffen wurden. —Ein hier zu Lande häufiger , leicht ansteckender, nach der Meinung mehrerer Aerzte durch die Neger eingeführter, Ausschlag, ist die sogenannte Curuba. Sie ist der Scabies ähnlich, aber durch grössere rothe Pusteln, welche stärkere Ge- schwüre und endlich braune Flecken zurücklassen, unterschieden. — Die Syphilis wird hier im Allgemeinen leicht ertragen; doch bemerkt man, dass Personen in einem Alter von mehr als vierzig Jahren während der Regenzeit oft von Kuochenschmerzen sehr gepeinigt werden. Man empfiehlt dann als Radicalcur den Gebrauch der Caldas da Rainha it Portugal. — Nicht un- wichtig scheint, dass in diesem Lande der Gebrauch von Eisen gegen Schwächezustände viel heilsamer ist, als der der Chinarinde, welche die so häufig entzündlich gespannte und wenig absondernde Leber in diesem Zustande unterhält, und Fieber, langwierige Verstopfungen, Ver- härtungen u. dgl. bewirkt. — Ueber die Krankheitsconstitution zu Pard darf man interessante Aufschlüsse von unserem Freunde Lacerpa erwarten, welcher viel hierher Gehöriges gesammelt und zur Bekanntmachung vorbereitet hat. Ueberdiess ist durch einen königlichen Befehl dd. 24 Jul. 1819. den Aerzten Brasiliens verordnet worden » Quartalberichte über die jemaligen Krankheiten ährer Gegenden, und bei wichtigen Veranlassungen auch ausserordentliche Nach- richAgER und Schilderungen einzusenden. 3 a ee | ‚des damaligen Estado do Gram Pard, d. h. der Provinzen Pard er im Jahre 1820 von einem Geistlichen in Pard, welcher die unvoll- angegeben. Dar. N an @ehete standen, mit grosser Sorgfalt benutzt -hatte, auf 83,510 N as © ara n68,190 an der unteren Provinz, d. h. in Pardä, und 15,320 in Rio « Folgende Liste der Bevölkerung der ersteren Provinz giebt, wenn auch keine doch eine richtige Ansicht von dem Verhältniss der u < ER Er ET ne Ei erh ie a nn De en Bevölkerung der Provinz Para im Jahre 1820. Ein- in- u wohner rr% wohner) Orte wohner Uebertrag | 3496e Uebertrag | 56720 Villa de Gurupy 650JEspiritu $S. de Mojuü 2000[Villa de Esposende 180 Cercedello 3205. Anna do Tarauagü 800] „ de Almeirim 350 Porto Grande 280 in ı20$ ,„ de Outeiro 370 Villa de Ourem 640|Bracare 240| ,„ de Monte-Alegre 1820 Villa de Braganza 20151Villa per Cokas 360] „ de Gurupa ı60. „ de Cintra 1185] „ de Beja 380JArapijö 70 „ Nova d’EI Rey 6209| „ de Abaite ı180|Carrazedo 50 w aa Vigi 1500) „ de Cametä 8050[Villarınho 70 8 Collares 400]Azevedo . 3001Villa do Porto de Möz 210 Porto Salvo #| 300fBajäo 2501 „, j 215 Ovidellos 150|Villa de Melgaro 1750| „ Souzel 375 Penha Longa 708 „de Portel 8144 „ Pombel 290 Bem Fica 2709 ,„ de Oeiras. 7604Barreiros 200 $S. Miguel do Guamä 3109 „ de Macapä I 224o0fVilla de Santarem 2360 Irituia 655 „ Nova vistoza dal „» do Alter do Chäo] - 400 S. Domingos do Guamäl 670 Madre de Deos 2253| „ Boim 370 S. Bento no R. Capim 100] „ de Massagäo 1730| ,„ Pinhel 210 $. Anna no Rio Capim 1S. Anna de Cajarı 213] ,„ Franca 1200 Cidade de Para | 24500 Fragoso ıı0] ,„ Alemquer 370 Die Insel Marajö | 10500JVilla de Arraiolos 240| „ Obydos 1850 56720] » Faro Be ne 68190 Im Jahre 1825 ward sie uns von $. E. Herrn Marques oe Bursacena folgendermaassen an- gegebeu: Freie 121,285, Sclaven 51,840; im Ganzen, 173,125; eine wahrscheinlich übertriebene Schätzung. Nicht selten hörten wir die Zahl der Indianer im Estado auf 160,000 angeben. ‚Diese Schätzungszahl der Indianer bezieht sich jedoch nicht blos auf die civilisirten, Badel auch auf jene wilden Stämme, welche die unermesslichen Wälder zwischen den Flüssen Tocantins und Javary (der westlichen Grenze von Rio Negro) so wie [iessllisuische Gujana bewohnen. Schwerlich dürfte die Zahl der civilisirten ‚Indianer gegen mehr als fünfzig- bis an ee betragen. Eine era Beurtheilung der Population in Rio y erlanbt die folgende Tabelle, welche mir von dem Ouridor jener Provinz mitg: heilt ‚wurde. Manche der hierauf benannten Ortschaften, wie Maripi und $. Jodo do Principe, welche ich sechs Jahre nach jener Zählung besuchte, hatten schon damals an Bevölkerung beträchtlich verloren. 2) P2 024 Bevölkerung der Provinz Rio Negro im Jahre 1814. EI®s - Eh f Seen Se ua 2 15 a en a Fe : SjiesI 9 19 3 - = i5#1 5 3 De SE ri Sen ar R f e, Villa de Serpa Villa de Bareel- ö> - los(sonstCapi- ” ei a: 3 RR 81] 213 459] 94 tal, Freguezia 2] ı 472 9 = Lugar ee % “ 140 8 218 eh rn 166] 445 6851 244 Poyares 451 57 2781| 13 3481Villa de Bor Villa de Thomar ‚(Freg.) _ 57] ı22]| 189) 17 (Freg. 39] 115 389 7 5 111]Valla de Silves Babe a Lama- ‚(Freg.) 151] 292] 779] 126 20l .24| ı75| — 1:99]jVila nova da | eben s. Isabell 23. 41: 407] | Yı2]| Rainha(Freg.)] 98, Mı 558) 57 Lugar deCastan- Poyoagäo dos heiro novo 451 52] 334] —| 386] Maues (Freg.)|] 66] 389 771) 54 Lugar de Castan-| Villa de Ega heiro velho 21: 4 5I — 5711 (Freg.) 571 163 415] -32 Lugar de N. S. Lugar de Alve- de Loreto 23 4 53] —I 57] los.(Freg.) 42] 199| 576) 22 Lugar de S. Pe- Lugar de Nogu- o ı8] 20 141 2 1631| eira (Freg.) 45] 107 322 6 Lugar de S. Jo- Lugar de Fonte z& 15] ı5 13541 —| 169] Boa 35] 70 139 1 ie deS. Ber- Lapar de Alva-t ardo 12) Lagar de.S, Ga- Kiger de S. Jo- briel 7 äo do Principe are, de $.Mi- Lugar de $. Ant. guel 281 28 ss 3264 de Maripi 23 1 irrt = Lugar de $. Bar- Villa de Olıv- ara gg 4 93 97 enza (Freg. 40) 74 219 2 Lugar de S. Joa- ' [Lugar Castro de quim 11 6 ga — 1031 Aveläs ı7l 25 66 2 Lugar deS.Annaf 51 ı 264 — 27\lLugar de S. Fr. Lugar das Caldas A — 5 — 59 avier 4 ıı 97 3 Lugar de $. Joze Lugar na Foz do de Marabita- .Je Be 4 94 pas .nas (Freg.) 101 25 ıııp —| 136jlLugar S. Jodo Villa de Moura 4 $: Nepomuceno 1 — 651 > 5) I 85] 95 691] 32 818 Ss r > Jer Lugar deCarvo-| gl 16 92 — eiro (Freg.) | 681 a2ı 5153| —]| 734 ig: Nouüh 141 .— 1. — ‚Lugar de Ayrao| 21] 48] 240] —| 288llLugar 8. Jodo ‚ugar de$.Ma- a Baptista 14] 1: 1411 — a 5 Jo2ı8 861 _ 7128| —I 154llLugar S.Marce- ar de Ns] | rue E lino 6 5 ya do Carmo 195 355 1265 —| _ ı6ı ; Summa 16194307 1[| 11435| 729 Von diesen 15,255 Einwohnern sind: Er Jahren] 447 1075 83 ı— 7 Jahren| 367] 1139f 50 N 35 B Ei) 15 9, 21 11845 82 ie 372] ı01ı7[ 55 a 5 15—60 5 688] 2920| 244 = Br ıd-50 „ 698] 3200| 216 5 6090 65] 268] 22 Dre 50—90 „ 79 612] 27 > 90 und mehr 3 a > mehr als go J]| — a en y u ————— 925 (3.) Nachdem die Portugiesen im Jahre 1615 die Franzosen von der Insel Maranhäo ver- trieben hatten (vergl. II. p. 873.), ward eine feste Position am Rio das Amazonas für nothwen- dig gehalten; denn seitdem Francısco Orzırana im Jahre ı54ı diesen Strom hinabgefahren war, hatten sich vielerlei Gerüchte von der grossen Bevölkerung und dem Goldreichthume der anliegenden Länder verbreitet, und die Holländer machten Miene sich des Landes zu bemäch- tigen. Desshalb ward Franxcısco CaLvevra imJahre 1615 von Maranhäo abgesendet, und unter der irrigen Voraussetzung, dass er sich in @er Bucht von Goajard am südlichen Ufer des Amazonenstromes befände , gründete er dort in demselben Jahre die Stadt Pard. Die Ansiedler fanden in den weitausgedehnten Urwäldern viele Indianerhorden, welche sich durch milde Sitten auszeichneten, und das Emporkommen der Colonie zu begünstigen schienen. Am zahlreichsten war auch hier die, aus den südlichen Gegenden von Pernambuco und Seard eingewanderte, Nation der Topinambazes; und vielleicht beziehen sich die Namen der Pacayazes, Mamaya- mazes, Guayanazes, Taramambazes und Ingahxbazes (Nhengahybazes) welche ausser jenen als hier wohnhaft genannt wurden, insgesammt auf einzelne Horden jenes weitverbreiteten und mächtigen Stammes. Die Taramambazes sollen an ‘der Meeresküste zwischen den Flüssen Tury-aga und Caite, die Ingahybazes auf der Insel Marajo, die übrigen im Innern des Landes gelebt haben. Alle diese Horden pflegten der Schifffahrt in schmalen, aus einem einzi- gen Stamm gezimmerten, an dem Vordertheile oft mit Kriegstrophäen und Klapperbüchsen (Maracäs) geschmückten, Kähnen (Igaras), wesshalb sie auch Igaruänas genannt wurden. Tiefer landeinwärts, namentlich in der Nähe und jenseits des Rio Tocantins, wohnten Horden vom Stamme der Büs und G&z (Canaguet-g@z, Norogua-gEz, Appina - g&z) welche, so wie die kleineren Horden der Pochetys und _Admmaniüs, auch jetzt noch die nördlichsten Gegenden der Provinz von Maranhäo und in Parä die Wälder zwischen den Flüssen Tury-agü und Tocantins inne haben. In jener Zeit mussten die Ureinwohner die Stelle der, noch sehr seltnen,, Neger- Sclaven beim Landbaue oder bei andern körperlichen Arbeiten vertreten; und somit suchten sich die neuen Ansiedler vermittelst der Indianer festzusetzen und anzubauen, indem sie durch List oder Gewalt sich ihrer Dienste versicherten. Das System, sich Indianer als Sclaven |zu verschaffen’, indem man sie bekriegte und. gefangen nahm, war in Brasilien eben so alt, als die ersten Niederlassungen der Portugiesen in der Provinz von $. Paulo. Zwar hatten die Könige von Portugal die Freiheit der Indianer anerkannt, und namentlich war vonD. Srsasrıdo im Jahre 1570 und von D. Feuire II. im Jahre 1605 gesetzlich bestimmt worden, dass nur die Menschenfresser und die von den Portugiesen in einem durch die erklärten Kr i sefangenen Indianer als Sclaven, alle übrigen aber als freie Leute zu bare seyen. ‚ und zu keiner Arbeit wider ihren Willen gezwungen wefden dürften; allein die Colonisten fuhren stets_in ihren Sclavenjagden fort, und wussten endlich die Sclaverei der Indianer als den Inte- ressen der Krone günstig ja nothwendig darzustellen, so dass D. Feuiez II., der vorher ein Gesetz zur Aufhebung der Sclaverei gegeben hatte, dieses im Jahre 1611 zurücknahm, und nicht blos diejenigen Indianer, welche unter den obenerwähnten Verhältnissen gefangen wor- den waren, der Freiheit verlustig erklärte, sondern auch gestattete, dass die Colonisten den Indianern ihre gegenseitigen Gefangenen abkauften, und die Bildung von Niederlassungen be- zwungener Indianer unter der Aufsicht der Weissen anrieth. Gemäss diesen gesetzlichen Be- stimmungen kam eine grosse Menge Indianer in die portugiesischen Ansiedlungen. Der Wunsch, _ sich mit Indianern zu bereichern , führte die unternehmendsten Colonisten weithin aufwärts_auf IT. Theil. 926 den Flüssen des Estado do Gram Parä, und trug auf diese Weise allerdings zur geographischen Kenntniss des Landes bei. So unternahm Manoeı Pıres in den Jahren 1656 und 1657 zwei ‚Reisen , eine bis zu der Mündung des Rio Negro, die andere in letzterem Strome weit aufwärts, und indem er davon mehr als tausend Indianer nach Parä zurückbrachte, ergriff er zugleich von jenen entlegenen Gegenden für die Krone von Portugal Besitz. Bald darauf ward 'ein Detachement von Soldaten an der Einmündung des Rio Negro fixirt, welches den Auftrag hatte, den Sclavenhandel in jenen Gegenden zu beschützen (Destacamento de Resgate), und später den Grund zur Villa da Barra do Rio Negro legte, deren Befestigung unter dem Gouvernement von Antonio DE ALBUQUERQUE Coeıno im Jahre 1671 angelegt wurde. Aus jenen Gegenden wurden die Juripixunas oder Juruwünas (Schwarzgesichter) herbeigeschleppt, mehrere unter sich verwandte Stämme, welche sich durch einen schwarztatowirten Fleck (Malha) im Gesicht aus- zeichnen, sehr gelehrig und von miklen Sitten, und auch noch gegenwärtig, wo sie an Zahl bedeutend abgenommen haben, als Ruderer und zuverlässige Arbeiter vor Andern beliebt, Wie beträchtlich die Anzahl der auf den Strömen aus dem Innern herabgebrachten Indiäner war, lässt sich aus dem Umstande schliessen, dass bisweilen auf einmal mehr als tausend jener Unglück- lichen in Parä zum Kauf ausgestellt wurden. Oft verhehlten die Menschenjäger ihre Feindse- ligkeiten nicht, oft aber beschönigten sie sie durch ein böshaftes Verfahren, das schon der Padre Acunxa rügte, indem sie Kreuze in der Nähe der indianischen Ortschaften aufrichteten, und wenn sie diese nach einiger Zeit nicht mehr vorfanden, eine Verletzung des Christenthums zum Vorwand eines feindlichen Einfalls gebrauchten. Nach und nach entstanden, als Anhalt- punkte für den Menschenhandel, hie und da an den Ufern der Flüsse im Sertäo mehrere Block- häuser oder einzelne Fazendas, und-der Traffik mit rothen Menschen ward auf ähnliche Weise wie der Negerhandel in Africa organisirt. ‘Wo aber die Indianer diesem feindseligen Beginnen sich mit List oder Gewalt widersetzten, da ward ein furchtbares Blutbad angerichtet, oder ein wah- rer Vertilgungskrieg gegen sie geführt. Der ehrwürdige Antonio Vıeına, jener charakterkräftige Jesuite, Fer eben so muthig als beredt die Menschenrechte der Indianer vertheidigte, giebt in seinen Berichten an den König die Gesammtzahl derselben im Estado do Gram Parä und Ma- ranhäo, (welcher damals auch Searä und Piauhy mitbegriff) auf zwei Millionen an, und be- ‚hauptet, dass die Portugiesen während der ersten vierzig Jahre ihrer Niederlassung in jenen Gegenden vierhundert indianische Wohnsitze zerstört hätten. Wenn auch die erstere. Behaup- tung sehr übertrieben scheint, da Anpre px Barros, ein anderer späterer jesuitischer Schrift- steller 3 die indianische Bevölkerung nur auf zweimalhunderttausend angiebt, so ist doch so ' viel mit Sicherheit anzunehmen, dass jenes grausame und weitausgedehnte System der India- nersclaverei dem Gedeihen des Estado von Parä tiefe, auch jetzt noch fühlbare, Wunden ge lagen habe. Je mehr die Interessen der portugiesischen Ansiedler sich mit diesem Handel verflochten, um so muthiger kämpften die Jesuiten ent : RER 80! Mae war jenes Interesse, dass, als nach der Restauration von Portugal, onız RER IV. im Jahre 1652 die Freiheit der Indianer wieder herstellen wollte, die Gon- Ki - br ‚Maranhäo und Pard durch Volksaufstände gezwungen wurden , jene milden Gese- 0 a r us Jesuiten, mit nasse au ihrer Spitze, wurden sogar aus dem Lande En Sie sich den. gesetzwidrigen Menschenjagden widersetzten, und nach ung wurden jene nur um so lebhafter fortgesetzt. Da die Mächtigtsen im Lande, Beil ; ® gegen , allein ihre grossmüthigen Anstren- gungen erlagen den ‚feindseligen Bestrebungen der Bürgerschaft und der übrigen geistlichen 927 also gerade auch die Mitglieder der Magistrate, daran Antheil nahmen, so würde die Einfüh- rung der als Kriegsgefangene eingehandelten Indianer (Indios de Resgate) sogar unter der Au- torität der Municipalitäten vorgenommen, bis im J. ı679 die Verbote des Indianerhandels er- neuert, die Jesuiten wieder eingesetzt, und ihnen die Administration und Sorge für die Indianer übergeben wurde, eine freilich stets von dem Volke und den übrigen geistlichen Orden höchlich gemissbilligte Maassregel. Von nun an begann eine den Indianern günstigere Periode, denn da die Jesuiten viele Niederlassungen (Aldeas) im Innern gründeten, wo sie zahlreiche Horden von Indianern vereinigten, durch milde Behandlung zu gewinnen, zu civilisiren und mit dem Anbau von Lebensmitteln und Handelsartikeln zweckmässig zu beschäftigen suchten, so fanden diese hier Zufluchtsorte vor der Barbarei ihrer Verfolger. Man fing dann an, sie besser zu behan- deln und ihren Werth höher zu schätzen. Die Indianer befanden sich bei den Jesuiten in ei- nem Zustande der Bevormundschaftung, zu welchem sich ihre Indolenz sehr eignete. In einer halben Freiheit, den Wäldern, woraus man sie herabgeführt hatte, noch nahe und nicht be- rührt von dem Zwang einer städtischen Civilisation, lebten sie hier in grossen Gesellschaften sehr behaglich , “u sie zogen diesen Aufenthalt dem unter den weissen Colonisten bei weitem nen erlaubt, einen Theil des Jahres entfernt von der ae eigen für vor. Es war ihn ihre Arbeiten, mit Ausnahme derjenigen, wodurch sie dieg ver-* mehren halfen, wurden sie durch nützliche oder nöthige. Stücke des Hausrathes oder durch Kleider bezahlt. Sie wurden in der christlichen Religion unterrichtet, und zu dem Gedanken einer gewissen Verpflichtung gegen den Staat angewiesen. Die Sprache, in welcher man mit ihnen verkehrte, war die Tupi-Sprache, die sogenannte Birgua geral brasilica, von welcher sich die Guarani-Sprache nur als Mundart unterscheidet. Diese Sprache, ursprünglich das Eigenthum der Topinambazes, ward von den Geistlichen ausgebildet, und die gesammte Bevölkerung des Estado do Gram Parä hatte sich dieselbe so sehr angeeignet, dass man sie bis zum Jahre 1757 auf der Kanzel gebrauchte, und auch gegenwärtig für den Verkehr im Innern noch nöthig hat. Jener Zustand der Indianer war unstreitig der günstigste, sowohl für sie selbst, als für die Interessen des Staats, welcher von Zeit zu Zeit die Vermittelung der geistlichen Väter in An- spruch nahm, um Indianer zur Arbeit in den öffentlichen Werken, zu dem Ruder- und Fischer- Dienste u. dgl. zu erhalten. Auch andere geistliche Orden, vorzüglich die Carmeliten, nahmen auf ähnliche Weise Theil an der Civilisation der Indianer, und alle bereicherten sich durch den Fleiss derselben, indem sie die kostbaren Naturproducte des Landes unter der Aufsicht der Missionäre im Innern sammeln , und in die Klöster an der Küste hinabschiffen liessen. Die Jesuiten hatten eine Menge solcher Missionen längs der Küste des Festlandes, auf der Insel Marajöo und im Innern am Amazonenstrome, sogar bis an der äussersten Grenze des portugie- sischen Gebietes, am Rio Javary. Der Zustand der Aldeas blieb blühend, bis zur Auflösung des Jesuitenordens, bei welcher Veranlassung im Jahre 1759 aus Parä und Maranhäo nicht weniger als ı12 Jesuiten nach Europa deportirt wurden. De La Conpanıse, welcher die Missionen dem Amazonas entlang im Jahre 1741 besuchte, schildert sie als wohlhabend und blühender, als die spanischen Missionen in Mainas, Die jesuitischen Etablissements wurden nun den übrigen geistlichen Körperschaften übertragen. Im Jahre ı7ı8 sollen nach Berreno (Annaes, $. 322.) neunzehn Aldeas- der Jesuiten, fünfzehn der Kapuziner, zwölf der Carmeliten und fünf der Mercenarios bestanden haben. Pomsaz, eben so sehr durch falsche Berichte als durch chimärische Furcht und eingewurzelten Hass gegen die Jesuiten irregeleitet, hat durch die 118 * « m. “ 028 unzeitige Vertreibung derselben wohl in mehr als einer Beziehung der wichtigsten Colonie Por- tugals einen empfindlichen Streich. versetzt, rücksichtlich der Indianer aber ohne Zweifel ihren politischen Verfall und jenen traurigen, hülflosen Zustand vorbereitet, in welchem wir die rethen Menschen jener Länder gegenwärtig zu beobachten Gelegenheit hatten. Er übergab nun, auf Anrathen seines in Para als Gouverneur residirenden Bruders, die Sorge für die Indianer eigenen Verwaltern (Directores), die durch eine ausführliche Instruction ) über ihre Pflichten unterrichtet wurden. Diese Vorschrift (Directorio, vom 3. Mai 1757.), wel- che zuerst von jenem Gouverneur für Pard und Maranhäo bekannt gemacht, sodann für ganz Brasilien administrative Kraft erhielt, und zum Theil noch gegenwärtig beobachtet wird, enthält in einem seltsamen Gemische Grundsätze der jesuitischen Verwaltung, liberale und hemmende Bestimmungen, und ist mit theilweiser Kenntniss dessen ‚ was der Indianer bedarf um Staats- bürger zu werden, zugleich aber auch mit manchen chimärischen und irrigen Ansichten über seine Fähigkeiten und seinen Character entworfen.- Im Wesentlichsten stimmt das Diretorium mit den Grundsätzen der geistlichen Orden überein, denn es betrachtet die Indianer ebenfalls nur als eine unmündige Menschenrage, die einer beständigen Vormunds bedürfte. Wie © vorher unter den Missionären, sollten sie jetzt unter einem weltlichen Vorstande in den Aldeas versammelt, und von diesem polizeilich und sittlich beaufsichtigt werden. Der Director sollte ebenfalls die gemeinschaftlichen Arbeiten seiner Untergebenen leiten, gemeinschaftliche Anpflan- zungen machen lassen, Expeditionen bewerkstelligen, um die wildwachsenden Producte des 3 Landes, wie Salsaparilha, Nelkenzimmf} Pechurimbohnen, Cacao, Vanilla u.s.w. einzusammeln; er sollte ferner dafür Sorge tragen, dass von seiner Aldea abwechselnde Contingente für den ‚öffentlichen Dienst, zum Rudern der königlichen Canoas, zu Arbeiten im Arsenale, an den Festungs- und anderen Bauwerken ‚ zu Unternehmungen gegen aufrührerische Neger (Negros amocambados) oder feindliche Indianer u. dgl.: gestellt würden. Nächstdem war er aber ver- pflichtet, für die Civilisation und den Unterricht seinor Pflegeindianer zu sorgen. Die männli- chen sollten Lesen und Schreiben, die weiblichen Nähen, Spinnen, Stricken und ähnliche Ar- beiten erlernen. Der Unterricht in der christlichen Religion ward, als diesem weltlichen Vor- stande fremd, der Sorge des Bischofs übertragen , welcher die Aldeas mit Geistlichen versehen sollte. Diese, an und für si | ‚Ordensgeistlichen mit mehr Ausführung ‚durch ‘die Besti ag i zur portugiesischen anzuhalten. Der wohlmeinende Reformator erblickte in dieser Sprache, s0 F t es gegenseitigen Verständnisses WAT; ihr Bestehen bis auf den heutigen Tag beurkundet. Man erwartete, dass | Unsitilichkeit ihrer Untergebenen entgegen ;. Indolenz, von dem Laster des Trunkes und $ n wü jene, mM «der Einsamkeit der. Aldeas ae WERE. p wärden, ohne zu bedenken , dass. jene, ‚weniger geeignet seyn würden, P “ © 5 ö 929 welche durch ihre Ordensverpflichtungen , durch gegenseitige Beaufsichtigung und gemeiniglich auch durch ein höheres Alter von solchen Ausschweifungen und- von der Duldung derselben abgehalten würden. Man gebot den Directoren den Vorurtheilen entgegen zu arbeiten, welche den ehelichen Verbindungen zwischen weissen und rothen Menschen entgegenstünden ; als wenn nicht die Lehren des Christenthums diess auf eine viel eindringlichere Weise thun müssten, und als wenn nicht gerade die Erhebung einzelner Weisser (welche schlechterdings keine Mi- schung jüdischen Blutes haben sollten ') über die Indianer von Neuem bestätigte, dass man diese für eine untergeordnete, der eigenen Bestimmung unfähige, Menschenrape hielte. Man setzte voraus, dass das gute Beispiel eines väterlichen Verhältnisses zwischen dem Director und seinen Untergebenen recht viele Indianer anlocken werde, sich aus der Wildniss in die Aldeas zu begeben, während man den behaglichen Zustand der Indianer in den Missionen und die bedeutende Menge der Neophyten in entstellten oder ganz unwahren Berichten an die Regierung zu Lissabon läugnete. So philanthropisch also die ganze Einrichtung der Directorien bei ober- flächlicher Betrachtung erschien , so lag ihr doch tiefgewurzelter Hass und Eifersucht gegen die Ordensverbindungen, und überdiess auch eine Finanzspeeulatioır zum Grunde, _ Die geistlichen Orden hatten keine andere Abgaben zu entrichten, als die Ausfuhrzölle von denjenigen Handels- artikeln, welche sie auf eigene Rechnung von ihren Negersclaven und Indianern gewinnen lies- sen. Nach dem Plane des Directoriums aber sollten nun die. Indianer stärker besteuert, es sollte mehr Arbeit von ihnen gefordert werden. Die Zehnten gehörten schon’ seit langer Zeit dem Aerar, welches dagegen die Geistlichen (im Allgemeinen mit einer Congrua von 80 Mil- reis) besoldete.. Nun sollte aber von dem Ertrage der Agricultur, Viehzucht, etc. der Indianer nicht nur ein Zehntheil für das Aerar, sondern ausserdem ein Sechstheil für den Director ab- gezogen werden. Eben solche Abzüge sollten bei der Gewinnung des Fettes von den Schild- kröteneiern und den Lamantinfischen , im Fischfange und dann eintreten, wenn die Indianer einer Aldea eine Expedition unternehmen würden, um die wildwachsenden Handelsartikel ein- zusammeln. Waren nach einer solchen Expedition die Auslagen für die Fahrzeuge, Munition und Provision u. dgl. gedeckt, welche von den Camaras der Ortschaften vorschussweise gelie- fert werden sollten, so musste der Rest des Ertrages unter die theilnehmenden Indianer ver- theilt werden. Da aber die Indianer zu unmündig wären, um einen andern als Tauschhandel eintreten zu lassen, so gehörte es zu den Geschäften des Directors, sie bei dem Abschluss ih- res Tauschhandels anzuleiten , oder diesen für sie zu betreiben. Eben so war es der Director, welcher über die Arbeiten der Indianer verfügte, und sie als "Taglöhner,, Ruderer, ‚Jäger, Fi- scher u. dgl. um einen sehr geringen Taglohn an Privatlente vermiethete. Ausserdem lag ihm ob, über den Stand der Bevölkerung in seiner Aldea, Tabellen, und über die Zehnten aller Art, welche er für den Staat einzunehmen hatte, Rechnung zu führen. Alles erscheint in die- sem, zu Lissabon bei unvollständiger Kenntniss der Verhältnisse entworfenen, ‘Plane besser be- rechnet, als die Hauptsache; es fehlt nämlich eineBürgschaft, dass der Director seine Verpflich- . tungen gegen die Indianer und den Staat getreulich erfülle. Man hatte es den geistlichen Or- den, und namentlich. den Jesuiten, zum Vorwurf gemacht, dass sie ihre Neophyten mit der Cultur oder Einsammlung von Handelsproducten beschäftigten, und war bemüht gewesen; das Verhältniss derselben so darzustellen, als seyen sie lediglich das Werkzeug des Eigennutzes und ‚der Herrschbegierde jener Corporationen, ohne zu bedenken, dass die Missionen , ‚von: aller ‘Hülfe der Regierung und frommtheilnehmender Anwohner, die hier noch gar nicht vorhanden 050 waren, entblösst, eines solchen Mittels zu ihrer Subsistenz bedürften. Durch das neue System gab man nun die rothen Menschen der Gewinnsucht Einzelner hin, welche nur für ihr eigenes Interesse zu sorgen Hatlen „ und sich nicht entblödeten,, diess auf das Gewissenioseste zu thun. Beson- ders ungünstig wirkte in dieser Beziehung der Umstand, dass die Gouverneure jene Director- Stellen nicht durch bewährte Landwirthe oder durch wohlhabende und angesehene Fazendeiros sondern durch Leute besetzten, welche noch keine Niederlassung besassen, und den neuen Po- sten als ein sicheres Mittel betrachteten, bald reich zu werden. Auch waren der Vortheile, die der Director benutzen konnte, so viele, dass sich unversorgte Glieder der besten Familien um Directorate bewarben, welche theils auf Lebenszeit, theils auf gewisse Jahre ertheilt wurden, Uebrigens begünstigte in den ersten Jahren nach der Einführung der Directorate noch Mancher- lei ihr Emporkommen. Die Indianer, an die patriarchalische Verwaltung der Missionen ge- wöhnt, in den Aldeas noch den heimischen Urwäldern nahe, unberührt von der Cultur, welche sich allmälig in der Hauptstadt und in den volkreichsten Orten entwickelte, verweilten in gros- ser Anzahl in den Directorien, ja manche Flüchtlinge stellten sich freiwillig, vielleicht aus Furcht vor dem nun engeren Verbande aller Aldeas unter einander, welche sich die Ueberläu- fer ausliefern mussten. Allein nach kurzer Zeit erwiess sich das System in seiner vollen Man- gelhaftigkeit; alle Zucht und Ordnung liess nach; an den Unterricht und die Civilisation der Indianer ward nicht gedacht; der Eigennutz der Directoren war das einzige Triebrad der Ver- waltung. Viele Indianer flohen in ihre Heimath zurück, Andere fielen als Opfer der Krankhei- ten, mit denen sie die Weissen und deren Ausschweifungen bekannt gemacht hatten. Die Vor- theile, welche der Staat von den Directorien zog, verringerten sich immer mehr, und standen ausser allem Verhältnisse zu den Opfern, welche dieser von Zeit zu Zeit gebracht hatte. Diess e beweisst unter Anderm die kleine Summe, welche ı791., einem der besten Jahre, von den in allen Indianeraldeas erzielten Producten gelösst wurde. Die Verkäufe derselben, entweder an Ort und Stelle durch die Directoren oder in Parä durch die Thesoureiria geral, erwarben mur 30 Contos de Reis. Diese Summe war durch 2249 männliche und 722 weibliche Indianer ge- wonnen worden, welche man in Holzschlägen, Fischereien , Spinnereien, Topf- und Ziegel- brennereien und bei Einsammlung der rothen Handelsartikel beschäftigt hatte. Wären diese Leute für Privatrechnung verwendet worden, so würde der Erwerb wenigstens das Vierfache abgeworfen haben. Unter diesen traurigen Verhältnissen fand D. Francısco pe Sovza CourinHo Coxde DE Linnares, am Ende des verflossenen Jahrhunderts Gouverneur von Parä, die Indianer und durch Gründe, sowohl der Menschlichkeit als des Patriotismus, suchte er die Regierung zu bestimmen , die Directorate abzuschaffen , und die Indianer in vollkommener Unabhängigkeit sich selbst zu überlassen. In einem ausführlichen Plane über die Verbesserungen im Zustande der Indianer, welcher nun dem Prinz Regenten vorgelegt wurde , wurde der schädliche Einfluss der Directoren ‚ins grellste Licht gestellt. „Der Director, sagt’ er, war ein Tyrann, ein abso- luter Herr der Ortschaft und der indianischen Bevölkerung in derselben von jedem Alter und Geschlecht. Weit entfernt sie belehren und unterrichten zu lassen, vermied er sorgfältig sie mit den Weissen in. Berührung zu bringen, indem er Letzteren denselben bösen Einfluss auf die Indianer zuschrieb, den früher die Jesuiten als Grund angegeben hatten, ihre Neophyten isoliren zu müssen. Anstatt sie aufzumuntern Pflanzungen zu machen oder die wildwachsenden Landesproducte zu sammeln , anstatt Indianer für den Dienst der Regierung oder der anwoh- nenden Colonisten zur Disposition zu stellen, verwendete er deren so viele als möglich einzig - 931 und allein für seine Privatzwecke. Selbst die gemässigsten Directoren sandten, um den Schein zu meiden, höchstens diejenigen Indianer, welche ihnen am wenigstens nützlich waren, in den Sertäo, um für Rechnung der Regierung zu arbeiten, oder erfüllten irgend einen Auftrag, der ihnen von Pard aus gegeben wurde ; ausserdem läugneten sie , disponible Indianer zu haben. Fast absichtlich suchten sie die Achtung der Indianer gegen Staatsdiener und gegen Weisse überhaupt zu schwächen, Siethaten nichts, um ihre Untergebenen von dem Laster des Trunkes ab- zubringen ; ja sie hielten Branntweinschenken auf eigene Rechnung, um den Unglücklichen das zu entreissen, was ihnen auf andere Weise noch hätte entgehen können, kurz: die ganze Ortschaft ward nur ein Mittel für die Monopolien des Directors. Sobald irgend ein Staatsdiener sich ihrem Beginnen widersetzte, liessen sie es nicht an Intriguen gegen diesen fehlen. Sie selbst verübten die grössten Grausamkeiten , die schändlichsten Laster, während sie die Indianer als aller Civilisation unzugänglich, als unvernünftige Wesen darstellten; bald warfen sie ihren Un- tergebenen vor, dass sie den Lohn für ihre Arbeiten nicht zu Rath zu halten verständen, wäh- rend sie ihn geradezu verweigerten, bald, dass sie nicht arbeiten und keinen Zehnten zahlen wollten, während sie sich dadurch nur einer Abrechnung mit der Staatscasse zu entziehen such- ten; bald logen sie sogar einen Aufstand, den die Indianer im Schilde führten, um in einer fortdauernden Unruhe einzige Herren der Aldea zu bleiben n. s. £“ Eine solche Auflösung aller Bande der Sittlichkeit i in den Directoraten und zwischen diesen und dem Staate foderte i nisation der Indianer. Der Vorschlag des D. Fraxsısco pe Souwza Cov- ımen zuri eben, und als freie und unbeaufsichtigte Bürger mit sehr geringen Steuern : zu beleben "hatte auch königliche Genehmigung gefunden, und stillschweigend wurden alle Indianer nochmals emancipirt, indem die Directorate entweder aufgehoben, oder ledig- lich als Polizeistelle, zur Aufrechthaltung der Ordnung belassen wurde, wobei auch Indianern die Befugniss ertheilt ward, durch die Wahl ihrer Mitbürger zu jener Stelle zu gelangen. Die Steuer der 6 pro C. von den Culturerzeugnissen, welche die Indianer den Directoren überall, wo diese noch bestanden forthin entrichten mussten, ward durch ein kaiserliches Decret vom Jahre ı825 ebenfalls noch vollständig abgeschafft. Die gemeinschaftliche Verwaltung der Pflanzungen, die Unternehmungen zur Einsammlung der Landesproducte auf gemeinschaftliche Rechnung u. =. £. hörten auf; jeder Indianer ward sich und seiner eigenen Bestimmung zurückgegeben. Nur in solchen Gegenden, wo Einfälle von feindlichen Horden zu befürchten schienen, oder wo das Handelsinteresse der Weissen eine regelmässige Verbindung mit den Indianern erheischte, wur- den auch fernerhin Juizes, Richter, aufgestellt, die die Streitigkeiten zwischen Indianern und Weissen zu schlichten autorisirt wurden. So besetzte man vorzüglich die Fazendas an den Mündungen und andern geeigneten Puncten der Flüsse im Sertäo, wohin die Weissen Expedi- tionen zu machen pflegen, z. B. am Rio Puruz, Jutahy, Japurd, Ipd u. s. f. mit Weissen Jui- zes, denen gleichsam Consulatsgeschäfte obliegen. “Von diesen friedlichen und scheinbar sehr wohhrenllerien Grundsätzen wich man mur in Beziehung auf die sogenannten Bugres ab, wie man die fortwährend mit den Colonisten im Kriege befindlichen Cannibalen zu nennen pflegte. Vorzüglich die Botocudos in Minas Geraös, Porto Seguro und Bahia, welche bei dem allmäli- gen Vorrücken der Colonisten und der mit diesen in Frieden lebenden Völkerstämme, der Pu- ris, Coroados u. s. w., beunruhigt worden waren, und nun als treulose, raschsüchtige Nach- barn jene von Zeit zu Zeit überfielen, wurden, während man den aldeirten Indianern vollkoin- mene Freiheit zusprach, als offene Feinde der Brasilianer und vogelfrei erklärt, Diese Stämme > oh durften daher auf jede Weise verfolgt, und in die Sclaverei geführt werden. In den südlichen Provinzen Brasiliens versuchten es nur ‘wenige Ansiedler, sich auf diese Weise Indianersclaven zu erwerben, aber im Innern von Maranhäo und Parä, namentlich im Flussgebiete des Tocan- tins, wurden zu Anfang dieses Jahrhunderts immer noch :Menschenjagden veranstaltet, indem man 'die verfolgten Indianerstäimme, um dem Buchstaben des Gesetzes, welches den Krieg ge- gen die Botocudos erlaubt hatte, nachzukommen, fälschlich mit letzterem Namen belegte, Uehri, gens trug die neue, von Menschlichkeit und Rechtsgefühl ausgegangene, Maassregel, dennoch die gehofften Früchte nicht. Man hatte erwartet, dass die Indianer, wenn sie mit allen Prärogati- ven freier Menschen unter den. übrigen Bürgern leben könnten, diesen Zustand ihrer früheren wilden Freiheit vorziehen würden, allein Gemüthsart wie Bildung dieser unglücklichen Race be- günstigen noch keine bürgerliche Selbstständigkeit, ‚und in dieser Ohnmacht blieb ihnen keine andere Wahl: entweder als Diener der Weissen unter diesen zu verharren, oder — in die Ur- wälder zurück zu kehren. Diejenigen Indianer, welche ganze Familien bildeten, sind zwar grösstentheils unter den Weissen geblieben, aber’ihre Existenz war nicht verbessert, als sie sich diesen gesetzlich gleich stellen konnten; fehlte es ihnen ja geradezu an Allem, wodurch sie der n bürgerlichen Freiheit Werth ertheilen konnten: Einsicht, Gewandtheit, Thätigkeit. Mancherli Bedürfnisse machten sie aber fortwährend abhängig von den gebildetern Ragen, denen sie we nigstens von Zeit zu Zeit dienen, so dass man sie, wenn auch nicht dem Namen nach, für die gemissbrauchten Sclaven der übrigen halten muss. Wo sie aber durch Dünkel und Indo- lenz abgehalten werden, zu arbeiten ‚sind sie als faule, diebische Nachbarn nur eine Plage der Uebrigen. Einen grösseren Verlust erlitten die Colonisten durch die allmälige Flucht der einzelnen, unverheuratheten Indianer, denn eben sie waren, jeder körperlichen Arbeit gewachr ‚sen, die industrielle Kraft der Aldeas unter.den Jesuiten wie unter den Directoraten gewesen. . Gerade diese aber verloren sich am schnellsten, und mit ihrem Abgange hat der Wohlstand “ und Handel der ehemaligen Hauptorte im Sertäo ohne Zweifel abgenommen, so dass gegenwär- | üg nur die Stadt Para und die dem Oceane näher gelegenen Villas an Population , Thätigkeit. und Reichthum zunehmen, das Innere aber ,„ vorzüglich alle Niederlassungen am Rio Negro, ein klägliches Bild des allgemeinsten Verfalles darbieten. ıDie traurigen Folgen dieser Maassregeln blieben auch nicht lange der Regierung verborgen, und man kam nun an mehreren Orte wie der auf die Nothwendigkeit zurück, den Clerus zur Anlegung von Missionen, unter Beistener der Kosten aus der Staatscasse, zu verwenden, So geschah diess z. B. in Goyaz durch könig- lichen Befehl vom ı2. Mai 1802. In dem Estado do Gram Parä wurden durch die Regierung mehrere Aldeas angelegt, wie z. B: Maripi und $. Jodo do.Prineipe am Japurd und die der Maues und Mundrucus an den Flüssen Maue und Canomd; allein theils fehlte es an Geistl- chen, theils verfolgten die einander ablösenden Gouverneure nicht einerlei System und liessen das Pag re Ber bereits Geschaffene wieder eingehen. So finden sich z. B. die erstern der genannten Aldeas, , ee zu Ende des vorigen Jahrhunderts geschaffen "wurden, fast ganz verfallen. Die Thäug es Carmelitanerordens und der Kapuziner in Pard verdient in Beziehung. auf diese An ee -y im Allgemeinen aber ist der Einfluss des Clerus theils wegen morali- 4 € ge ai hels wegen Mangels an gleichformigen und durchgreifenden Principien ol i seen, vieh geringen‘, als er unter den Jesuiten war. Das Gouvernement 2 i RR ERS allgemeinen Grundsatz in Beziehung auf die Indianer aufgestellt, ja vielmehr / ; alles in der Unentschiedenheit gelassen , welche Folge der letzten allgemeinen Maassregel gew®@ are 055 sen war. Besonders unerfreulich erscheint dieser Zustand der Dinge in dem Estado do Gram Parä, welcher vermöge seiner verhältnissmässig starken Bevölkerung an Indianern bei grossem Mangel an andern Arbeitern am Ersten eine günstige Veränderung zu erheischen scheinet. Die dortigen Einwohner, , deren Wohlstand fast lediglich von den Armien der Indianer abhängt, be- finden sich diesen gegenüber zwar ohne Vortheile, die das Recht, aber mit allen, welche einer- seits Klugheit und Thätigkeit geben, andererseits Indolenz und Geistesarmuth einräumen. Sich zu den geringsten Preisen die Indianer nützlich und zinsbar zu machen, das ist dort die all- gemeinste Rücksicht. Unter solchen Verhältnissen ist es leicht erklärlich, dass die Descimentos oder Expeditionen, um Indianer für häusliche Dienste zu erhalten, nie aufgehört haben. Zwar verbietet das Gesetz jeden feindlichen Angriff auf die in den Wäldern lebenden Indianer, aber die Kunst der Ueberredung it freigegeben, und dass sie manchmal Nachdruck durch die Waf- fen erhalte, wird nicht befremden, wenn man bedenkt, dass diese zur Nothwehr mitzunehmen erlaubt seyn müsse! Oft werden durch solche Unternehmungen, zu denen die Genehmigung der Regierung nothwendig ist, *) Indianer überfallen und als Gefangene im Tronco **) oder in Fussschellen hinweggeführt; oder in andern Fällen handelt man die Gefangenen ein, welche der Anführer eines Stammes (Tuxaua oder Principal) von diesem selbst oder von Feinden er- beutet hat. Alle Indianer, welche sich unter einem Principal befinden und somit in die Be- völkerungslisten des Richsöis aufgenommen werden, sollen eben wie jene, welche in den Ros- sas der Ortschaften Landbau treiben, als rechtmässige brasilianische Unterthanen betrachtet wer- den; gar häufig aber werden selbst solche von den Weissen überfallen und, unter dem Vor- wande, dass sie entflohen oder Aufrührersseyen, in die Sclaverei hinweggeführt. Bitterer Hass und unbesiegbares Misstrauen von Seite der rothen Menschen und eine gefühllose, das Recht vefspottende Sinnesart von Seiten der Brasilianer, diess sind die natürlichen Folgen eines so trau. rigen Verhältnisses. Die neue Verfassung Brasiliens hat nun zwar den Indianern alle Rechte der übrigen freien Bürger ertheilt; wir sind aber versucht zu glauben, dass jener liberalen In- stitution ungeachtet, bis auf den heutigen Tag die Lage derselben sich noch nicht verbessert habe, und immer noch eben so sehr als der Negerhandel die Hülfe und Fürsorge einer weisen und menschlichen Regierung in Anspruch nehme. Wo aber liegt diese Hülfe, und kann sie überhaupt im Allgemeinen geschafft werden? Welche Mittel stehen dem Staate jetzt noch zu Gebote,‘ um n die Lage jener unglücklichen Söhne eines Bodens zu Amen welcher bisher statt. de RE IE *) Um aut den Nebenflüssen des Teile Drscaieheh zu eksntalten , muss die Erlaubniss vom dem Militäircommandanten in der Willa de Esa eingeholt werden, *) Ein schweres Stick Hola, durch deen rundes, verschliessbares Loch man die Füsse der Gefangenen steck | en JUL, Theil. 10 ou a % 954 used spanischen Thalern verwendete‘, bis diese unter der Administration der Jesuiten sich aus eigenen Mitteln verwalten konnten ‚ so hat die portugiesische Regierung nicht Saringere Opfer gebracht. In allen Provinzen, besonders aber in lines, Bahia, Goyaz, Maranhäo und Parä, wurden beträchtliche Summen von den öffentlichen E ft um die Indianer in Aldeas zu vereinigen, sie dort mit allem Nöthigen zu versehen. au zu ED aber alle diese Ausgaben sind fast ganz fruchtlos für den Staat gewesen, ja gegenwärtig existiren nur die wenigsten jener Aldeas, welche mit so grossen Opfern gegründet worden waren. *) Der Nutzen aber, welchen die Indianer dem Aerar gebracht hätten, ist von jeher höchst unbe. deutend gewesen. Eigentliche Steuern bezahlten sie niemals; die Juizes mussten zufrieden seyn, wenn sie von Zeit zu Zeit irgend einen geringen Antheil von den Erzeugnissen des Land- Baues als Zehnten erhalten konnten, und die Erwerbungen für das Aerar durch die in Parä zur Einsammlung der Landesproducte veranstalteten Expeditionen wurden grossen Theils durch die Verwaltung verschlungen; auch die Leistungen in den Ziegelbrennereien wurd Spinn- Stuben, welche z. B. in Rio Negro auf öffentliche Kosten verwaltet wurden, müssen zls un- verhältnissmässig gering angeschlagen werden. Nützlicher ist die Verwendung der Indianer in den Fischereier, in der Küsten- und Flussschifffahrt und bei öffentlichen Bauwerken gewesen; am meisten aber haben sie den. Interessen des Aerars indirecte gedient, soferne 'die übrigen Einwohner von den befreundeten Indianern keine offenbaren Feindseligkeiten, sondern vielmehr Hülfe in ihren Industrieunternehmungen , gegen geringe Bezahlung, erfuhren. Diese Hülfe ist aber höchst ungewiss und precär, da’sie von der Laune und den momentanen Bedürfnissen einer Rage abhängt, welche nicht etwa aus Stolz, sondern aus Gleichgültigkeit und träume- rischer Indolenz jeden Zwang einer Civilisation verabscheuet, deren Vortheile zu berechnen, ausser den engen Grenzen ihrer Urtheilskraft liegt. Wir berühren kier ein Verhältniss, ge- gen dessen Annahme sich die Philanthropie unseres aufgisegien und vieigeprüften Jahrhunderts *) Ein sprechendes Zeugniss hievon leren unter andern die seit der Mitte des vorigen Jahrhun- derts in der Provinz Goyaz gegründeten, anfänglich von Jesuiten verwalteten, Aldeas ab. Bis ‚zum Jahre 1810 beliefen sich die Kosten derselben auf die BUREE Suhme ven 232,889,698 Reis, nach fol- gendem Verhältnisse : Aldes do Rio das Pedras, gegründet im Jahre 1741 für Indios Bororös, de Pisarräo, eine Colonie, die von der vorigen ausging, do Rio das Velhas, 1750. für Bororös gegr., und als diese 1728. nach der folgenden verlegt „ wurden, von Chacriabäs bewohnt. % Lanhoso, Die Kosten dieser vier Aldeas beliefen sich anf Reis 19,534224 do Duro und Formiga, gegr. 1751. für Acroäs und Chahriabäs 84,490,249 $. Joze de Mossamedes, gegr. 1755. für Acroäs, Javaes, Carajäs 67,546,066 Nova Beira, auf der Insel Banana], bereits ganz aufgegeben "4,582,196 Maria für Cajapös gegr. 1730. " 13,684,021 de Carretäo de Pedro Terceiro 1734 für Chavantes gegr. 24,652,131 Ausser dieser, von der Staatscasse bestrittenen, Summe wurden noch zur Reduction der Indianer von den Einwohnern und Magistraten beigeschossen 17,600,811 | rare 31,889,698 (S. Josö deSouza Azevedo Pizarro e Araujo, Memorias historicas do. Rio de Janeiro. der p: 203.) ” - mehr als die eines jeden früheren Zeitalters stränbet; aber, — wir bedauern es sagen zu müssen , — unsere, »auf mehrjährige Beobachtung der brasilianischen Ureinwohner gegründete, Ueberzeugung kann sich mit der allgemeinen Ansicht von der Perfectibilität der rothen Men- schenrage nicht vereinigen. Wenn alle die zahlreichen und verschiedenartigen Versuche, diese Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten unter die übrigen Bewohner America’s einzn-" führen, vergeblich gewesen sind; wenn dabei eine unverhältnissmässige Sterblichkeit darauf hindeutet, dass diese Kinder eines Welttheils voll überschwenglichen materiellen Lebens mit einer an geistiger Lebensintensität so armen Leibesbeschaffenheit begabt seyen, — so müssen wir uns zu dem Schlusse hinneigen , dass sie die höhere Entwickelung, welche Europa ihnen einimpfen will, nicht ertragen können, ja dass die steigende Civilisation, welche das Lebens- Element blühender Menschengeschlechter ist, sie gerade, wie ein zerstörendes Gift aufreibt,, und dass sie, wie manches Andere in der Reihe der Naturwesen, bestimmt scheinen, sich aufzulösen und aus der Zahl der Lebendigen zu treten, bevor sie die höhere Stufe, de- ren Keim in ihnen vorgebildet ist, erreicht haben. Somit denken wir uns die rothen Men- schen als einen verkümmerten Ast am Stamme des: menschlichen Geschlechtes, bestimmt, gleich- sam nur typisch, einen körperlichen Ausdruck gewisser Eigenschaften darzustellen, die zu dem Gesammtcyclus gehören, denen der Mensch als Naturfactum unterworfen ist, aber unvermögend, die höheren Blüthen und Früchte der Humanität aus sich hervorzutreiben. . Wer sich zu einer ähnlichen Ansicht von der Natur der americanischen Rage bekennen kann, wird mit Mitleiden auf die Mittel blicken, welche einer menschenfreundlichen Regierung zu Jener Gunsten übrig bleiben. Die erleuchtetsten Staatsmänner Brasiliens sind bereits zu der Ueberzeugung gelangt, dass das Land im Allgemeinen durch Gründung neuer Aldeas keine mit den Kosten im Verhältniss stehende Vortheile ‚ am wenigsten bedeutende Vermehrung der Population, erreichen werde, da man allgemein glaubt, die indianische Race sterbe allmälig aus. _ Was noch gegenwärtig auf Staatskosten zur Civilisation der Botocudos, in den Urwäldern zwischen Porto Seguro und Minas Gera&s, geschieht, bezweckt vorzüglich nur, sie den Anwoh- nern unschädlich zu machen; und ausserdem ist den andern Classen der brasilianischen Bevöl- kerung überlassen, nach’ Gutbefinden sich der Indianer zu ihren häuslichen Zwecken zu bedie- nen. Aber auch in dieser Rücksicht erwartet man mit jedem Jahre werfiger von den Urein- wohnern,, was unter andern besonders durch die ausserordentlich starke Einführung von Neger- Sclaven beurkundet wird, die in den Jahren ı822 bis 1827 blos nach Rio de Janeiro mehr als 40,000 Köpfe betragen hat. Wenn daher die Regierung aus Gründen, welche in der rich- tügen Beurtheilung ihrer Kräfte beruhen, eine fortwährende in’s Einzelne gehende Fürsorge für ee aufgeben muss, scheint uns nur von einer Seite her noch Hülfe möglich, um durch die Natur selbst vorbereiteten Untergang jenes beklagenswürdigen Geschlechtes auf- zuhalten und hinaus zu schieben. Die Klöster sind auch jetzt reich und mächtig genug, um Thätigkeit würden sie auch jene Popularität und jene Würdigung von Seiten der Regierung wieder gewinnen, welche, besonders in den volkreichen und von vielen Fremden besuchten Seestädten, in gleichem Verhältnisse mit den Fortschritten der Aufklärung und der Erhöhung der 119* ” 06 (4.) Zur genaueren Einsicht in den Einfuhr - und Ausfalrkandel von Pard dienen be- sonders noch folgende Bemerkungen, welche ich der Güte des damaligen» brittischen Consuls zu Para, H. Diexinsox Esy., verdanke. x England erhält von Para vorzüglich: Baumwolle, Cacao, Caffe, Salsaparilha, Maran- "häonüsse, Gelbholz, und Ochsenhäute; und sen det dagegen: Baumwollen - und Leinen- waaren, Schinken, Stockfisch, Salz, Butter, Porterbier, Käse, Glaswaaren, Irdenwaaren,, Eisen-, Messing-, Kupfer- und Zinnwaaren, Blei, Schiesspulver , Schrot, Maschinen, Destil- lirapparate , Seile und Stricke, Segeltuch, Farben, Malereien, Malerol, Arzneiwaaren, Papier, Anker, Kabeltaue, Hüte, Kleider, Tücher, Schuhe und etwas Mehl. Die englischen Inseln in Westindien erhalten: Reis, Cacao, Rindvieh, Pferde, Holz; auch Mandioccamehl und türkisches Korn, wenn diese micht eben von der Regierung verboten worden; senden dagegen Mehl und Geld. Gibraltar erhält die nach England gehenden Artikel, auch Nelkenzimmt, Gewürznelken , und Taue von Palmfasern; sendet dagegen: Weine, Branntwein, Oel, ge- trocknete Früchte, Anis, und in portugiesischen Schiffen ostindische Waaren. Frankreich erhält dieselben Gegenstände wie England, führt dagegen ein: Wein } Oel, Spitzen, Seidenwaaren, gebrannte Wasser, eingemachte Früchte, Bijouteriewaaren, Papier, Mehl, Wachslichter, Glaswaaren, Spielsachen, Malereien ‚ Hüte, Wollenzeuge,, Tauwerk. Nordamerica erhält aus Para: Häute und Cacao; sendet dagegen: Mehl, Sperma- eetilichter, Wacholderbranntwein, Biskuit, Cabliau,, Butter, Seile und Tauwerk, Theer, Pech, Colophonium , Meubles, Hausgeräthe, Schindeln. Die Niederlande, welche dieselben Artikel wie England aus Pard einführen, senden Wacholderbranntwein, Glaswaaren , Papier , Meubles, Waldmesser , Linnenwaaren. Portugal, Die wichtigsten Handelsgegenstände » welche es erhält, sind folgende: Reis, Baumwolle, Cacao, Caffe, Gelbholz, Gewürznelken, Nelkenzimmt, Salsaparilha, Maranhäo, Nüsse, Schiffzimmerholz. Es sendet nach Pard: Wein, Branntwein, Oel, ostindische Artikel- besonders die gröberen Sorten , Mehl] , Biskuit, Oel, Linnen- und Baumwollenfabrikate, Hüte ; Anissaamen, Liqueurs, Arzneien, Schinken , Stockfisch, getrocknete Früchte, Wacholderbrannt- wein, Tauwerk, Canvass, Kalkstein, Butter, musicalischelnstrumente » Bildhauerarbeit, Wägen, ‚Kupferwaaren, Schuhe, Waffen, Waldmesser , Montirungsstücke, Schiesspulver, Stahl, Theer, Pech. Der Handel zwischen Pard und Portugal hatte in den letzten Decennien des vorigen und dem ersten dieses Jahrhundert steigend zugenommen; nachdem aber der König von Portugal sich in Rio niedergelassen und die Freiheit der Häfe der Theil dieses Handels auf England über, was sj der englischen Schiffe erweisst,, welche den Hafen = bar nach Par& kam. Die Handelsco i Gram Parä ur i i . u age ra und Maranhäo wirkte für Para ungunsüger, als für Maranhäo, weil die Kaufleute g Fee ; Compagnie gesetzten Preisen zu verkaufen, eine «wegen der schwachen Bevölkerung 057 Ausfuhr aus Parä nach Portugal in den Jahren 1796, 1806 und ı8ı9 in Reis angegeben. Rieinus- . Oel, Chi- caroth, . Gold- Salsapa- [schiffbau eis, Cacao Jahr IStaub u.] Baum- | Ochsen- rilha, In-|,,, Tisch- Taback ICa Zucker, re geprägtes Wolle Häute digo Co- lerholz Zuckerbrant- Gold paivbal- wein sam, Bra- sil - und Gelbholz 1796| 8141739]71056260|22640600| 7775353] 992000 758950 186064225 297429127 1806 | 5600981]710304 6362960176265200| 1812800] 636680] 614219920] 785928941 1819 196833]82875520| 1750200|46937600| 749000 794800 319411580 452715633 Einfuhr aus Portugal nach Parä in den Jahren 1796, ı806 und ı8ı9. Me-|Wein, Oel] Edle talle, R. gebrannte | Ba wa Schaaf- | Metalle 5 Ostindi- | Uebrige prägtu Wasser, ] Seiden- jlen- u. wollen- fund Me- ng sche Ar-| portugies. | Diverse a veracbei Sudfrüchte,] waaren näunntien Waaren. tallw aa- ikel jNationalfa- | Artikel ERBEN Mehl ren. brikate |1706 6770000] 98sT1ozsl 2601118] 654539753] 5049063 27456171 2195434156505 14] 63786712 [17200052] 550464053] } ‚1806 sas20s| 225345410] 97704554 136091470515699620 sora5100| 945005|s0539170| 112420167|50005963| 65 2559502] } |1210110443750) 12ragzsso| 0094005 13897580) 1003200 56590060] s475050|332698301 36677640]26021995] 299103013] Ausfuhr und Einfuhr von und nach Parä, nach und von England und dessen Colonien, Jahr > "og er Ausfuhr JEinfuhr in Reis in Reis Bemerkung. | 118.4 *)f 6 1225 81149701] nicht erkundet, Kı8ı5 & 9 wre 79114040 "113861 175) *) Vom 25. Juni 1814’ bis zum 31. Dez. 11816 | 11 1597 90897380f 115781 190 1814. 1817 h 23 2617 126997590] 135548420 Diese Summen sind nicht die Schä 1818-1 27 3606 195060040] 164196180 des Zollhauses, sondern die! Iısı9 | 27 |] 3638 | 265486590 Ag [wahren NVerthe. mn nn nn nn 038 Ausfuhr aus Parä oe Is IE (gez Ks 5 w- ; > - = = er: og © SR 2 < = “ Reis [Cacao [2 1E „15 2]35 ES 8 Ele Elo&]E E]8 E15 E]E.. Bestimmungs- | E ‚Bordeaux 1644 2097| 6571 — I —f —. 13863] 74 — Dar. 2 1 — || Maranham _ — 1’ I! 283] 76 481 39] 8635 — 7 2UE- 924 S. Bartolome = Is Christoph 2007] Bi Ei ae a. ze nr Barbados 33518) 889) — ee eg ae Be 5 — + Inriest 1956| 1873] 1553 10] — — 2000| — er rad Ausfuhr aus Parä E = E a- 3 } . S ee: e: u [reis jCacm BE 2 j= 125 jeele JE El2ele [E8|= [5 . een = EISEINE]- EEISSIEEIS = E E|S 3]: Ef 5 mungsorte Arr. Arr. E < ö Se Fre 2 5° ar ='3 TR ice: es 2* ab 2 Ps Bil Beh "st E Lisboa und =» zer Be 173576]102395| 1009615450 1590] 3880169042990 81 90941 ı51 zı8] 113 8 Cayenne u. 6 Martinique a 42) BEL} Mall Iren 156) — | 122116786] 17] — | 1460| 6 — Liverpool PL ers u.| 357061 97352] 6610| 176] — 346] 654|1809| 1912 176] — I 166] 120 4 Marseille 3229| 5081] 135) 16) 50 — I— | 1 — II III Barbados utigua “- * . u. westliche 2805] 4601| 245) — | — > — [7600 106) 10 — | 1064| — th — seln A Maranh —_ = — I , , 7 oe [303] 8] 445] 202]1337] 3572] a1 = | 2 — 34 Salem 7681 82406 — I — | 6 ı 4 = 5 = 9 451 6009 zıl — | 108] 58 S. Bartolom 1059 48 BER | RS as ma — Angola _ I-- een: warez ya FRE fein Utanscs 7a u a i = ER uns Same, zz 2 ng u I ” imskahr 8 2 = E.1 4 Js 1, PERLE Kleinig- | Wieder | mau. 3 E12 S 13:18:12 5 3313 | 5;3 | keiten. | ausgef. Summe 2 5.1: salsıa <® Ar B Er Werth. | Artikel, r je: a = = 3 . mr in Rei - ö —I1I — 20 208 — 14 — Zı6oXroj 1164000 15577307 ı7l 72 250] 1201 33 928 600580] 1558700] 3147000] 404843100| . 3005 40| ı2 92 — 1190720] 3428920 35775540 — i— I — — u 690000] 845000 40902987 —!1—-1-— 198 — 790400$ 630000 141752350 1005 80] 20 252 _ 49206805 1606000 46571000 — 1 50 — —_ 496000] 407400 3750675 =ter- 5 _ 6250| — 5299975 —1-—-1-— - — — 1680000 6137500 Saure ıBıy: - u Ss 18 Holz er pe u, B. 5 1212512 Test kleinigk | Wieder pogal. ER} == Sala @l2 8] 22-155 2:2 Feng a E; = Sal .sis2l.@< [25 ».3 janWerth.f Artikel, | Summe. a: :3 & s=lsä 1 = = “ Ä ee ın Reis in’ Reis fe} 7 = Z RS) - = | in Reis. 6566 48] ı41 36 4035 376810] 1586160 -— 481198175 = er “ 2306 — 11200 0 2765 121965] 982560] 1765000 20745135 — I 2201 22 _ 80000] 1086000 86200| 107847170 u Bas ey 150 — 88000 — 17712000 NEIN: SERBGARE: = ZamEEn au E ri —_ = 1360920 1208 175I — 443 395906 311280 Eee 17912700 120] 248] 646 2384 49765] 7908850$ 1476000 55335523 — 1 290] 30 431 26555] 2009000 — 27425500 1609 24] 115 _ _ 660000 80000 1187450 1281 121 66 1921 — —_ 172640] 820000 — wi (5.) Ueber einige in dem Garten zu Pard cultivirte ausländische Gewächse, glauben wir unsern Lesern die folgende Bemerkungen mittheilen zu müssen. Der Pfefferstrauch, Pimen- teira da India (Piper nigrum, L.), ward bereits durch die Jesuiten aus Timor und Macao nach Brasilien eingeführt, und wir haben (IL. S. 655.) der ältesten Pflanzung erwähnt, welche sich im Garten des Leprosenhauses zu Bahia befindet. Er pflanzt sich durch Saamen,. und vorzüglich leicht durch Stecklinge fort, die man einen halben bis "ganzen Fuss lang, mit drei bis vier Knoten versehen, zu nehmen und senkrecht einzupflanzen pflegt. Ein kräftiger, eisen- . schüssiger, vom Unkraute fleissig gereinigter Thonboden ist ihm besonders günstig. Der Strauch rankt gleich dem Epheu, indem er sich mittelst kleiner Luftwurzeln und verschlingen- der Aeste an die Unterlage befestigt. Für letztere ward von Cayenne aus der Benbaum (Hype- *ranthera Moringa, Vahl.) empfohlen, welcher viele horizontale Aeste ausbreifet, und, wenn man ihn durch Aushauen der Krone nicht über zwölf,Fuss hoch wachsen lässt, den Ranken. des ° Pfefferstrauches eine für ihr Wachsthum, wie für das Einsammeln der reifen Früchte zweck- mäßsige, pyramidale Stütze darbietet. Solche Pyramiden werden acht bis zwölf Fuss weit aus- einander gepflanzt. Auch den Calabassen- (Crescentia Cujete, L.) und Gojaven - (Psidium pomi- ferum L.) Baum, oder die Poinciana pulcherrima , welche in Ostindien besonders häufig als Stütze benutzt wird, habe ich zu diesem Zwecke verwendet gesehen. Im‘ dritten Jahre liefern „die Ranken bereits eine Lese. Die reifen Beeren gleichen an Farbe und Grösse denen unseres Spargels; man wartet aber gewöhnlich nicht, bis alle vollkommen reif geworden, weil sie dan» sehr leicht abfallen; sondern begnügt sich, wenn die Mehrzahl der Beeren gelb geworden. Die fleischige Rinde wird durch sorgfältiges Trocknen in Sieben, die man der Sonne aussetzt, glän- zend schwarz. Weisser Pfeffer wird bereitet, wenn man das Fleisch. mittelst Wassers abreibt, und die Saamen im Schatten trocknen lässt. — Bei weitem grössere Schwierigkeiten bietet die Cultur des Muscatnussbaumes, Mus cadeira,dar. Diese Pflanze ward gleichzeitig durch Lvız DE Asrev,, welcher im Jahre 1809 mit zweihundert portugiesischen Kriegsgefangenen aus Isle de France zurückkehrte, nach Rio de Janeiro und durch Maxosr. Marques (in drei Individuen) nach Para eingeführt. Der Baum liess sich bisher nur wenig vermehren, und lieferte stets nur einige wenige Früchte, welche das ganze Jahr hindurch zur Reife gelangen. Alles diess scheint anzudeuten“, dass dieser edle Baum, det bekanntlich selbst sorgfältige Pflege erfährt, hier bis gefunden habe. In jedem Falle verlangt er ein kräftiges, lockeres, an Thon und Humus rei- hat sie durch Saamen und Absenker verviclfil: serordentliche Höhe, zu welcher sich % “ a Aka in Geis a 17T a EZ no 99 ebenfalls aus Cayenne eingeführt worden waren, binnen zehn Jahren erhoben hatten. Diese schönen und nützlichen Gewächse glichen an Stärke des Stammes und Ausdehnung der Krone einem hundertjährigen Castanienstamme. Sie tragen hier im Garten häufigere und bessere Früchte, als in den Anlagen rückwärts von der Stadt, wo der Boden wahrscheinlich zu feucht für sie ist. Man vervielfältigt sie mit Leichtigkeit durch Abreisser. — Der Carambol - und Bilimbi -Baum (Averrhoa. Carambola und A. Bilimbi, L.,) deren fünfeckige Beerenfrüchte sich durch eine angenehme Säure zu Beigemüss in Suppen oder zu Confituren und kühlenden Getränken empfehlen, werden ohne Mühe aus dem Saamen gezogen. — Der Bennussbaum (Aleurites mo- luccana, Juss.) liefert viele Saamen, aus denen ein fettes, leicht trocknendes Oel geschlagen werden kann. Doch werden sie bis jetzt weder dazu noch als Purganz, worin sie mit dem Saamen der Anda überein kommen, angewendet. — Neben allen diesen Bäumen zeigte man mir einen andern, dessen Name verloren gegangen war, und der noch nicht geblüht hatte, Ich erkannte in ihm die Euphoria Litchi, Commers. — Die Fortpflanzung des Campherbaumes (Laurus Camphora, L.), für den das hiesige Clima wahrscheinlich zu heiss ist, war durch Ab- leger vergeblich versucht worden. — Die Pflanzung des Zimmtbaums, Canelleira, (Laurus Cinnamomum , L.) ist nächst der Fazenda Ollaria, eine halbe Stunde nördlich von der Stadt , in einer niedrigen Gegend, unmittelbar am Strome angelegt worden. Der Boden ist schwer, thonreich, ziemlich feucht, und gerade so hoch gelegen, um bei dem Austritte der Hochwasser nicht überschwemmt zu werden. In einem Zeitraume von sechs bis sieben Jahren hatten die Zimmtbäumchen, etwa achthundert an der Zahl, eine Höhe von sechs bis acht Fuss erreicht, und waren theilweise bereits benutzt worden. Man hatte sie aus Saamen und aus Stecklingen gezogen, welche letzteren ein bis zwöi Fuss lang und von der Dicke eines Fingers in feuchtes Erdreich gest«ckt werden, wo sie ohne Schwierigkeit Wurzel treiben. Die Bäume stehen in Reihen, acht bis zehn Fuss weit von einander entfernt, und werden sorgfältig von Unkraut rein gehalten. Zum Schälen der Stämme und Aeste bedient man sich eines starken und schar- fern Messers, und eines glatten Holzstabes, womit die aufgeschnittene Rinde vom Stamme ge- trennt wird. Die abgeschälten Stücke werden durch Schaben mit einem Messer ihrer Ober- haut und der äussern grünen Rindenlage beraubt, welche kein Aroma, sondern einen adstrin- girend bitterlichen Geschmack besitzen. Die Procedur, sie einen halben Tag lang in Kalkwas- ser zu maceriren, um das flüchtige Oel und das Harz der innern Rinde mehr zu fixiren,, wird, so wie in Indien, auch hier bisweilen angewendet, doch hielt sie unser Freund Dr. Lacerna nicht für nöthig, sobald man nur die Trocknung in der Sonne schnell und sorgfältig vornehmen liess. Der Zimmt von Pard kommt in Farbe der ostindischen Mittelsorte gleich. Sein Arom ist schwächer und der Antheil an Schleim viel beträchtlicher, der Geschmack daher dem der Cassia lig- nea ähnlich. Immer aber ist dieser Zimmt noch besser als der, welcher von alten Zimmtbäumen in der Nähe von Rio de Janeiro gesammelt, neuerlich in den Handel gekommen ist. Das Klima der letztern Stadt scheint weniger als das von Par das Gedeihen jener edlen Drogue zu be- günstigen. Dort hat man übrigens schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts von Seiten des Magistrats der Cultur des Zimmtbaumes Aufmerksamkeit geschenkt, und es ist darüber folgende Schrift von Bernarnıno Antonio Gones erschienen: Memoria sobre a Canella do Rio de Janei- to, offerecida ao Principe do Brazil, pelo Senado Area da mesma Cidade, no Anno de 1798. Rio de Janeiro 1809. 8. III. Theil, 120 4 Zweites Rapitel. Ausflüge in die Umgegend von Pard, und Vorberei- tungen zur Reise auf dem Amazonenstrome in's | Innere. Schon die ersten Spaziergänge um.die Stadt hatten uns belehrt, dass wir uns hier auf einem, von jedem früher besuchten sehr verschiede- nen Boden befänden. Ueberall Bäche, Teiche und Wassergräben, sehr wenige Strassen und Fusssteige durch das Festland; die einzelnen Woh- nungen und Plantagen fast immer in der Nähe der Gewässer, und die Bewohner statt der Wagen und des Zugviehes fast lediglich die Com- munication unzähliger Wasserstrassen benutzend. Zwischen den volk- reicheren Ortschaften der Provinz gehen ohne Unterlass grössere und kleinere Canots hin und her; und das gemeine Volk ist so sehr an ein Schifferleben gewöhnt, dass es sogar in kleinen Einbäumen meilenweite Strecken in den Mündungen der Ströme übersetzt, und, wenn das schwache Fahrzeug vom Wellendrange während der, Nachmittags häu- figen, Gewitter umgeworfen worden, dieses wieder aufrichtet und vom Wasser entleert, oder, an die Küsten reitet. für uns nothwendig, oder zwei Indianern die verschiedenen Buchten des Stromes, die Bäche, welche sich in ihn Unter solchen Umgebungen ward es daher auch einen kleinen Nachen (Montaria), der von einem wo diess unthunlich ist, sich durch Schwimmen regiert werden konnte, stets bereit zu halten, um v Zi 22 BET NNEE NS ATGERES NL BDESENEBeED IOOE = EDS PL. BAUEN SER EBEN RAR SEE NE et ER EEE FI TE SE SIR u a Zn ne ie bil AR DU L anräunln ne tl e A taz nn chi une 3 043 ergiessen, und die mit beiden in Verbindung stehenden Gräben zu be- fahren, welche, zur Zeit der Fluth mit Wssser gefüllt, bequeme Ge- legenheit darbieten, sich in Gegenden des Continentes zu vertiefen, zu denen jeder Landweg fast unzugänglich bleibt. Für diejenigen Excur- sionen, die wir zu Lande unternehmen konnten, hatte Seine Excellenz der Herr Graf von Vırıa Fıor die Güte, Reitpferde zu unserer Ver- fügung stellen zu lassen. ” Aeusserst angenehm ist der Eindruck, welchen der Reisende bei den Wasserfahrten um Para durch die unvergleichliche Fülle und Fri- sche der Umgebung empfängt. Das Vorrecht der tropischen Seeufer , sich mit dem ewiggrünen Saume der Mangrovewaldung zu bedecken, kommt nicht blos den vom Ocean bespülten Küsten dieser Gegend zu, sondern jene seltsame Vegetation erstreckt sich von der Mündung des eigentlichen Amazonas und des Parastromes aufwärts bis zur Zilla de Cameta am Tocantins und gegen Westen bis Gurupa, überzieht also auch. die niedrigen Küsten jener unzähligen Eilande, das grosse /Marajö in der Mitte, welche man füglieh den Archipel von Para nennen könnte. Je weiter man sich aber von dem ÖOceane entfernt, um so seltener werden die eigentlichen Meerstrandbäume, (Avieennia nitida und to- mentosa, L., Rhizophora Mangle, L., Laguneularia racemosa, Gaertn., Conocarpus erectus, L. und Bucida Buceras, L.) und um so häufiger bemerkt man diejenigen Formen, welche, bezeiehnend für dieses un- geheure Stromgebiete des Amazonas, sich bis tief landeinwärts an den Ufern behaupten. (ı.) Das einförmige saftige Grün jener Bäume wech- selt dann mehr und mehr mit manchfaltigem Laube, das in allerlei Farbenschattirungen, durch grosse Prachtblumen oder die krausen Wip- fel der Jubatipalme (Sagus taedigera M.) verschönert, einen unglaub- lich malerischen Reichthum zur Schau trägt. Zahllose Heerden .des americanischen Ibis (Guara, Tantalus ruber, L.) nisten in den Wip- feln dieser Uferbäume, und beleben das Grün durch das schönste Pur- purroth ihres Gefieders. Diesen Anblick genossen wir eines Morgens, da wir, in einem mit vier Ruderern bemannten Boote, über den Strom 18° 944 >», setzten, um die gegenüberliegende Ilha das Ongas zu besuchen. Wir wurden vom Landwinde begünstigt, und erreichten nach einer Stunde das jenseitige Ufer bei einer reichen, der Familie Farısı gehörigen, Fazenda. Der Strom hat hier eine Breite von etwa 800 Rlaftern,, und ist ia der Nähe beider Ufer vier bis fünf, in der Mitte nur drei oder drittehalb Rlafter tiefe. Die Bewegung und Grösse der Wellen war jetzt, während der Strom ebbte, nicht sehr beträchtlich; es ist aber nicht selten, dass hier kleine Fahrzeuge zur Zeit der Fluth, besonders wenn der Wind von Süden oder Osten blässt, in Gefahr gerathen, umgeworfen zu werden. Das Wasser zeigte um g Uhr a. m. eine Temperatur von 29° R., während die Luft 33° R. hatte; es ist von trüber Farbe und führt viele Thon - und Sandtheilchen bei sich. Desshalb, und weil es zahlreiche gute Quellen am Ufer giebt, nehmen die Schiffe es nur im Nothfall ein. Das Engenho do Faria, fast in der Mitte des östlichen Ufers der Insel gelegen, konnte uns, statt aller andern, eine Vorstellung von der hier üblichen Landwirthschaft geben. Es baut Zuckerrohr in etwas erhöhten Gegenden der Insel, und verwendet den grössten Theil des Rohres zu Melasse und Branntwein. Die zweck mässig construirten Destillirapparate sind in England verfertigt worden, und liefern zum Theil ein treffliches Fabrikat, von feineren gebrannten Wassern, besonders Anisette, zu dessen Bereitung man Anissaamen aus Portugal und Gibraltar einführt. Reis wächst ungemein schnell ‚und giebt kleine aber zahlreiche Körner. Man hat den Bergreis mit Vortheil vor dem gewöhnlichen ausgesäet, Zur Enthülsung ist eine vom Wasser getriebene Mühle vorgerichtet. Auch der Mais gedeihet trefflich, und zeichnet sich besonders menreiche Kolben aus. die Mandioccawurzel; Mittel der Sclaven und Hauses sind fast immer durch ungeheuer grosse und saa- Minder geeignet für den Boden der Insel ist doch macht Mandioccamehl ein Hauptnahrung®- Indianer des Engenho aus. Mehrere Leute des mit dem Fischfange beschäftigt; man lobt un omes vorzüglich die Rochen. Das Rindvieh ist ‚ wird aber am getrieben. Wenn, was bisweilen während der in den Wiesengründen Abend nach dem Stalle 045 feuchtesten Jahreszeit eintritt, die Weideplätze überschwemmt werden, bleibt es im Stalle, und wird mit Reis- und Bohnenstroh, Mais, Bagas- so und Gras gefüttert. Es ist vorzüglich für den Bedarf des Hauses be- stimmt, zu welchem Zwecke das Fleisch eingesalzen und getrocknet wird. Oft ist der Fazendeiro genöthigt, noch Vorräthe von Salzfleisch oder getrockneten Fischen (Pirarucu) von der Insel Marajö anzukaufen. Wegen der grossen Hitze ist das Fleisch selten schmackhaft; es lässt sich nicht lange aufbewahren und diejenigen Theile, welche mit der Luft in Berührung waren, müssen alsbald ausgeschnitten und verwor- fen werden. Milch liefern die Kühe nicht reichlich aber gut genug; an Bereitung von Butter wird jedoch nicht gedacht. Man erhält diesen Artikel besonders aus England. Das Unschlitt wird, da man zur Be- leuchtung Rieinus-, Andiroba- und $esamöl im Ueberfluss hat, nur zur Seife verwendet. Der Ueberschuss wird, so wie die andern Erzeugnisse der Viehzucht, Häute, Hörnerspitzen und ganze Hörner, ausgeführt. Die Schweinezucht wird zwar von allen einsichtsvollen Landwirthen empfoh- len, ist aber noch sehr geringe. Schaafe findet man fast nirgends; und es scheint auch, als wäre ihnen die hiesige feuchte Gegend bei weitem minder günstig, als die trocknen, dürren Hügel von Seara. Alles trägt hier- den Character des Ueberflusses und einer Sorglosigkeit im Betrieb der Geschäfte, die nur durch den Reichthum des Bodens entschuldigt werden kann. Wenn in andern, minder ' gesegneten Ländern die Auf- gabe des Landwirthes ist, den Ertrag seiner Ländereien zu vermehren, so geht sie hier lediglich dahin, dass die in Fülle sich darbietenden Pro- ducte zeitgemäss geerndtet, aufbewahrt und verwendet werden. Die Ziha das Oncas zeigt in ihrer gesammten Ausdehnung, von 3600 Klafter Länge und ı200 Klafter Breite, keine beträchtliche sondern nur in flachen Wellenlinien- ansteigende Erhöhungen, zwischen denen sich sumpfige Gründe hinziehen. Zwei, bis tief landeinwärts den Wech- sel der Ebbe und Fluth erfahrende, Bäche, fallen auf der Ostseite in den Strom. Nirgends sieht man ein Gestein zu Tage gehen, und die dichte kräftige Vegetation überdeckt, vom Strome an ununterbrochen 046 | bald in hohen Urwäldern, bald in Gehägen stacheliger Palmen, gewal- tiger Aronschafte oder breitblättriger Schilfstauden, einen feinen schwar- zen Humus oder einen fetten rothbraunen Letten. Keine Art der Erde ist mehr geeignet, das Bild der ursprünglichen Schöpfung aus dem Al- les erzeugenden Wasser vor den Blicken des Wanderers zu erneuen. Wir verglichen in der Erinnerung dieses üppige Eiland mit denen in der Bai von Rio de Janeiro, von Camamu und Bahia; und wenn wir jenen eine grössere Abwechselung der Gestalten und einen schöneren und erfreulicheren landschaftlichen Character zuschreiben mussten, so ergriff uns hier ein, aus Grausen und Bewunderung gemischtes Gefühl, bei Anblick der ungeheuern Macht, womit sich das Pflanzenleben ins Daseyn hervordrängt. Der Gedanke an die Nähe des Erdgleichers giebt dieser Fülle des Pflanzenwuchses noch eine andere Bedeutung: man glaubt das Maass aller vegetativen Bildungskraft, deren der Erdball fähig ist, in den gigantischen Formen der Urwaldbäume, der Mirit- Palme (Mauritia flecuosa, L.), der Pacova Sororoca (Urania amazo- nica, M.), in den grotesken Bildungen der Aroideen und Scitamineen, in dem ungemessenen Wucher des Laubes zu erkennen „ das sich nicht mehr mit dem Erdboden begnügt, und selbst die Oberfläche der Gewässer überziehet, bald in den zarten Blättchen der WVasserlinsen und der Azolla vervielfacht, bald in den Blattrosetten der Pistia stra- tiotes einen schwimmenden Teppich bildend. Ja, gleichsam als wenn die Zeugungskraft der Erde sich in diesen Geschöpfen noch nicht genug thue, erweckt sie pflanzliche Formen, die dem gewöhnlichen Typus ent- _ fremdet, an das Thierische erinnern; so steigt aus dem Sumpfe der Ufer die Helosis gujanensis, Rich. hervor, ein phallusähnlicher Parasit, ein blattloser , purpurbrauner Fleischzapfen , ein seltsamer Pilz mit Blüthen. Von dem Ufer mich nach dem Innern wendend, musste ich zuerst eine dichte Waldung durchdringen, die keinen freundlichen Anblick, sondern die Spuren einer wilden Ueberschwemmüung darbot: die Bäume unten mit dem zurückbleibenden Schlamme überzogen, verbreiten sich weiter oben in unregelmässige Sparrige Aeste, Wasser trieft ohne 947 Unterlass von den dicken, mit Jungermannien und Moosen’ überzogenen, Blättern, und eine moderartig riechende Luftschicht liegt auf dem feuch- ten, schlüpfrigen, von Kräutern und Stauden fast ‚entblössten, Boden. Diese Waldung heisst bei den Brasilianern Alagadisso oder in der Lin- "gua Geral Gabö. Sie ist vor allen dem Cacaobaum befreundet, von dem ich einige Stämme wild, andere in einem Cacoal reihenweise ne- beneinander gepflanzt fand. Dieser Baum erreicht keine bedeutende Höhe und breitet, da er seine grosse schwere Frucht nur am Stamme und :den Hauptästen trägt, die Krone wenig aus. Seine Pflanzungen gleichen daher von Ferne gesehen dichten, unter der Scheere gehalte- nen, Lindengängen. Von dem Alagadisso trat ich in einige etwas er- höhte, trockne, von Bäumen freie Gegenden heraus, die mit einem lachenden Grasteppich bekleidet sind. Nichts gleicht der Ruhe, die auf diesen anmuthigen Waldwiesen liegt. Von keinem Lüftchen bewegt, und lautlos steht rings um sie her der melancholisch düstre Wald, wäh- rend der warme Sonnenstrahl allen Glanz der Wiesenblumen entfaltet, und unzählige Schmetterlinge, Libellen und Colibris herbeilockt, die hier ein harmloses Spiel treiben. *) Lange verweilte ich im Anschauen dieses mir neuen Schauspiels, als plötzlich die langen Schatten, welche einzeln stehende Inajäpalmen (Maximiliana regia, M. Palm. t. 91.) über die Wiesen warfen, mich an den herannahenden Abend und zur Rück- kehr mahnten. Doch wollte ich vorher noch eine benachbarte Niede- rung sehen, zu der ich von Zeit zu Zeit Schwärme von Wasserhüh- nern und Enten hatte fliegen sehen. Ich folgte einem seichten Wasser- graben, und stand bald vor einem kleinen. Teiche krystallhellen Was- sers, umsäumt von breitblättrigen Schilfen und gewaltigen Aronschaften. Wie erstaunt war ich, hier das Bild jener merkwürdigen Vögelteiche am Rio de $. Francisco wieder zu sehen. Wie dort, war auch hier alles Leben, nur minder ausgedehnt das Reich des Gefieders, und min- der lärmend sein Verkehr. Von hier aus wollte ich zum Ufer zurück- *) Eine von diesen Waldwiesen, welche sich hie und da, sowohl in den Inseln als auf ° dem Festlande von Parä finden, ist abgebildet in Mart. Palm. t, 23. 048 kehren, allein in den Windungen der "Gewässer, unter den dichten Gebüschen, die sie umsäumen, und den düstern Zungen des Urwaldes, welche sich in verschiedenen Richtungen zwischen durchziehen, hatte ich bald den Weg verloren, und je eifriger ich suchte, um so ver- worrener und wilder ward Alles um mich her. Nur zu bald musste, ich die Freuden jener anmuthigen Naturanschauungen mit ihren Schre- cken vertauschen, denn in den Sümpfen worein ich gerathen war, umstarrten mich undurchdringliche Büsche von Stachelpalmen (Bactris Maraja, IM.), die zähenGehäge der Maranten verstrickten sich immer dichter um mich her, die breitblättrigen Heliconien, auf denen ich zu fussen versuchte, verbargen mir ein tiefes Gewässer, und als ich still- stand und lauschte, glaubte ich das Gerassel der Kaimans zu verneh-. men, die, ihrer Beute gewiss, den Verirrten zu verschlingen kämen. Jetzt musste ich mir zu meinem Grausen gestehen, dass ich in einen jener verrufenen Tümpfel (IMondogos) gerathen sey, die selbst der Indianer als den Aufenthalt gefährlicher Thiere und als verderbliche Irrgänge zu fliehen pflegt. Es fing an zu dunkeln, und da ich unbe- waflnet war, blieb mir nichts übrig, als stille zu stehen, und durch unaufhörliches Schreien und Trommeln auf meiner blechernen Botanisir- Büchse Jemanden zu Hülte herbeizurufen. Nachdem ich mich eine Zeit lang vergeblich bemüht hatte, bestieg ich einen Stamm der Jubatipalme, dessen zum Theil stehen gebliebene Blattstiele eine Art von Treppe bildeten. In der dichten Krone dieses Baumes war ich von den An- griffen wilder Thiere gesichert, aber nur mit grosser Vorsicht konnte ich mich an die aufstrebenden Blattstiele anlehnen ‚ um nicht von ihren Stacheln verwundet zu werden. Allmälig ward es Nacht, und zahllose Sterne erglänzten über mir; heute aber vermochte ich nicht, mich . durch ihren Anblick zu erheben und zu beruhigen; viel lieber gab ich mich dem Gedanken hin, dass mein Ausbleiben bis zu ungewöhnlicher Stunde, den Reisegefährten veranlassen werde ‚ mich suchen zu lassen. In Er ‚Fiat hatte Dr. Spix die Indianer nach mir ausgesendet, € Be ien einige Flintenschüsse » denen ich durch meinen Ruf zu antworten . suchte, und endlich entdeckte ich zwei wandernde Lichter, die mit Jr re a ee EEE EEE ee Me OT ERREGT TEE „99 Umschweifen auf mich zukamen. Es waren zwei Leute des Engenho, welche mich endlich aus meiner furchtbaren Lage befreieten, und mit vieler Ortskenntniss zu dem besorgten Gefährten zurückgeleiteten. Selbst dieser Weg hatte noch seine Gefahren, denn die Fackeln, vom Holze der Jubatipalme (Sagus taedigera, M. Palm. t. 145.), welche meine Führer trugen, erleuchteten uns nur wenig .den dichtverwachsenen Pfad - durch Röhricht, Schilf und Gebüsche der Sumpfpalmen, deren Stacheln mich so übel zugerichtet hatten, dass ich am ganzen Körper blutete. Als wir am andern Morgen nach der Rossinha zurückkamen ‚er wartete uns die Freude zahlreiche Briefe aus dem Vaterlande vorzufin- den. Sie waren von unserm trefflichen Freunde R. Heskeru von Ma- ranhäo aus mit dem Landboten nachgesendet worden, der die langwie- rige und gefährliche Reise in vierzehn Tagen vollendet hatte, Neuere Bestimmungen, welche sie unter Anderm enthielten, mussten den be- reits gefassten Plan befestigen, im Sommer des Jahres ı820 wieder nach Europa zurückzukehren. Zugleich aber nöthigte die Kürze der Frist, welche uns zur Beschiffung des Amazonas übrig war, unseren Aufenthalt in Para nur bis zur Beendigung der Vorbereitungen für jene Reise zu verlängern. In dieser Zwischenzeit durchstreiften wir in allen Richtungen die um die Stadt gelegenen Wälder, welche uns eine bedeutende Menge vorher unbekannter Thiere und Pflanzen darboten. Wenn sich die Ve- getation dieses Landes schon auf den ersten Blick von der der südlicher gelegenen Länder unterscheidet, so findet eine genauere Betrachtung auch das Thierreich durch ganz andere Formen repräsentirt. Die gros- sen Säugethiere, welche dem‘ tropischen America überhaupt angehören, erscheinen auch hier auf ähnliche Weise vertheilt; aber Arten’ und so- gar Gattungen der niederen Thierclassen sind grösstentheils verschieden. Namentlich schien es uns, als wenn jene seltsamen spinnenartigen Pha- langien und die Hesperiden, jene zarten Abendschmetterlinge, die von einer fast unglaublichen Mannichfaltigkeit der Zeichnung und Färbung in den Provinzen Rio de Janeiro und $. Paulo vorkommen, hier viel IT. Theil. - 121 950 , seltener seyen, und einer grösseren Zahl von Tag- und Nachtschmetter. lingen Platz machten. Die Räfer aus den Familien der Buprestiden und Coprideen, welche sich vor allen andern durch die Farbenpracht ihrer Flügeldecken auszeichnen, werden durch ein Heer von Cerambyciden und Rüsselkäfern ersetzt, die mit seltsamem Geschnarre und Gekrei- sche an der Zerstörung der Urwaldbäume arbeiten. Unglaublich gross ist die Zahl der Cassideen, auf den, Bäumen und Gesträuchen der (a- poeirawaldung , und, den Schreck abgerechnet, welchen uns bisweilen eine Baumschlange einflösste, die zugleich mit ihnen aus den geschüt- telten Zweigen herab fiel, war die Jagd nach diesen Thierchen minder gefährlich, als in den südlichen Provinzen, wo wir viel häufiger gros- sen Scorpionen und Tausendfüssen begegneten. Auch die Plage der Carabatos (Acarus Ricinus, L.) ist in diesen stets feuchten Wäldern min- der häufig, dagegen quälte uns hier zuerst ein anderes Thierchen , das wir früher nur bisweilen an unsern Pferden und Maulthieren beobach- tet hatten. Der Mucuim, ein microscopisches ungeflügeltes Insect aus der Gattung Trombidium, lebt im frischen Grase und setzt sich mit Be- gierde auf die Haut, wo er als ein’ fast unsichtbares scharlachrothes Pünctchen erscheint. Hier gräbt er sich alsbald mittelst seines langen Püssels ein, bleibt todt als ein gifiiger Reiz zurück, und veranlasst ein höchst unangenehmes Jucken, das zwei bis drei Tage anhält, und erst mit dem Ausschwüren der kleinen Wunde und der Entfernung des Thierchens aufhört. Diese Plage, die besonders bei erhöhter Hauitem- peratur zunimmt, beunruhigte uns anfangs in manchen. schlaflosen Näch- ten aufs äusserste, bis wir endlich den kleinen Feind entdeckten, und uns von ihm durch täglich einigemal wiederholte Waschungen mit Branntwein befreiten, welche Flüssigkeit dem Thierchen augenblicklich seine rothe Farbe nimmt, und es tödtet. ; Hier in Se sollten wir auch die Bösartigkeit der weissen Amel- Rena (Cupim, T: ermes Jatale, L.) näher kennen lernen. In Aue = wır durch das Gefühl einer unangenehmen Kälte 5 » @e sich quer über den Körper verbreitete. Wir tasteten * EN: 951 im Finstern umher, und fanden eine kühle, fettig anzufühlende Masse, die über das Bett .hinwimmelte. Wie gross war unser Erstaunen, in diesen eckelhaften Gästen, nachdem Licht gebracht worden, einen Zug von Termiten zu erkennen. In einer obern Ecke des Zimmers, wel- ches lange nicht bewohnt und gelüftet worden war, hatte sich, von uns unbemerkt, ein Haufen dieser Thiere sein Nest aus Lehm er- baut, welches mit mehreren ähnlichen auf der Aussenseite des Hauses unter dem Dache in Verbindung stand; und alle Bewohner dieser, aus vielen krummen Gängen zusammengesetzten, Bauwerke hatten in jener Nacht, vielleicht weil wir sie während der Jagd, nach einen, in das Zimmer verirrten Vampyr aufgestört hatten, ihren Weg, die Wand herab, bis in die Mitte des Zimmers genommen. Die Strasse, welche sie, dicht an und auf einander hinlaufend, einnahmen, war anderthalb Fuss breit, und die Thiere verfolgten eifrig ihren Weg in gerader Li- nie fort, ohne sich durch das Schicksal ihrer Vorgänger irre machen zu lassen, die wir mit heissem Wasser tödteten. Nur wenige in die- sem unzählbaren Schwarme waren beflügelt, und entkamen zum Theile durch einen langsamen und schweren Flug; manche verloren auch die ‚Flügel nach kurzer Anstrengung, worauf sie sich unter die ungeflügel- ten mischten. Erst mit Tagesanbruch hörte der Marsch der Thiere auf, deren Leichname einige grosse Körbe füllten. Glücklicherweise hatten sie in dem Zimmer nichts gefunden, was ihrer Gefrässigkeit hätte zum Raube dienen können, denn alle Leinwand und Holzwerke waren weggeräumt worden. Nur von einigen Oelgemälden hatten sie theils die Farbe, theils die Leinwand weggefressen. Die von einer ei- genen Art hen Mörtels, aus Lehm und einem durch die Thiere bereiteten Schleim, erbauten halbeylindrischen Gänge, wodurch die Ne- ster unter sich und mit dem Boden an der Aussenseite des Hauses in Verbindung standen, waren acht und vierzig Fuss lang, und wir konn- ten aus den Wanderungen einzelner Flüchtlinge beurtheilen, dass man- che derselben zur Strasse nach Oben, andere nach Unten bestimmt waren. ‘Das mineralisch thierische Cäment der Cupimhaufen, dessen Nutzen gegen Kröpfe wir bereits erwähnt haben, soll auch die Hüh- 121.7 952 | | ner fett machen, denen es mit Maismehl vermengt vorgeworfen wird. — Bewohner eines grossen Gartens, hatten wir auch Gelegenheit die Sitten der Ameisen genauer als früher zu beobachten. Die durch das ganze tropi- sche-America häufig anzutreffende kleine schwarze Ameise (Formica de- structor, Fabr.), von den Indianern Guajugoaju genannt, bildet in dem Boden Höhlen und Gänge von ausserordentlicher Ausdehnung. Eine ein- zige Colonie derselben, die wir wegen ihrer Verheerung .in den Ana- nasbeeten aufgraben liessen, nahm einen Flächenraum von hundert und neunzig Quadratschuhen ein. An sonnigen Tagen, welche auf Regen und Gewittern folgten, sahen wir sie in ganz unglaublicher Anzahl her- vorkriechen. Die geschlechtslosen fielen alle Bäume, besonders die Oran- gen - und Abiustämme, mit grosser Gefrässigkeit an, die geflügelten Männchen und Weibchen, (Jeans der Indianer), welche nach jenen aus den Höhlen hervorkriechen, erhoben sich in dichten Schaaren in die Luft und hingen sich an entferntere Bäume, deren Laub sie in weni gen Stunden abweideten. Gegen die ersten liessen wir kochendes Was- ser, gegen letztere einen narcotischen Rauch anwenden, indem wir das Feuer mit Gesträuch von baumartigen Solanen bedeckten. So eckel- haft auch diese geflügelten Ameisen sind, werden sie dennoch von den Indianern gesammelt, und, in einer Pfanne geröstet, als köstliche Speise genossen. Oft überraschten wir auch einen jungen Indianer, den wir für die Nebendienste in der Küche angenommen hatten, wie er im Garten vor einem Ameisenhaufen kauerte ‚„ und sich die Thierchen an einem Stocke in den Mund laufen liess. Der Biss aller-der zahlreichen Arten von Ameisen dieses Landes ist schmerzhaft, besonders bösartig aber ist der einer schwarzen, zweigehörnten Art, von den Indianern Tasi- bura genannt, (Atta cephalotes, F.), und der grössten von allen, welche die Indianer Tapiahi und Quibuquibura, die Portugiesen Tocanteira nennen (Cryptocerus atratus, F. .). Als mein Gefährte auf einer Excursion von ei- nigen dieser Thiere gebissen wurde, schwoll ihm alsbald die Hand und der Arm bis zum Ellenbogengelenke an, und ein heftiger, den ganzen Tag über dauernder, Fieberanfall, gab der Meinung Raum, dass hier eine Art Vergiftung Statt habe. Wie eigenthümlich übrigens die von 053 diesen Thieren bereiteten und abgesonderten Säfte seyen, beweisst vor Allem der verschiedene, bald Citronen, bald faulem Käse, bald der Amei- sensäure ähnliche Geruch, den sie, besonders wenn sie verwundet sind, verbreiten. Diese differenten, von den Ameisen zubereiteten Stoffe haben wahrscheinlich auch Theil an der sonderbaren Umbildung des Holzes, worin sie nisten, zu einer, aus sehr feinen dicht verworrenen Fäden be- stehenden, Filzmasse, deren sich die Indianer statt des Zunders bedienen, indem sie solche in verschlossenen Rohrstücken der Bambusen bei sich führen. Unter der grossen Mannichfaltigkeit von Ameisen giebt es so- gar einige, die sich in der Nähe des Meeres auf den Manguebäumen aufhalten. Wir beobachteten ihre schwarzbraunen, aus dädalischen Windungen zusammengesetzten, sehr harten Nester von der Grösse ei- nes RKinderkopfes immer an dem oberen Theile jener Bäume, wo sie gewissermaassen ein Wahrzeichen für den höchsten Wasserstand sind, über welchen sie sich stetsemporbauen. Werden sie durch eine ungewöhn- liche Wasserhöhe in die Spitzen der Bäume hinaufgetrieben, so erhal- ten sie sich als wimmelnde Ballen, in steter Unruhe, und bei leichter Bewegung der Aeste fielen sie zu unserm Schrecken in den Kahn her- ab. Diese Art beisst jedoch eben so wenig, als die sogenannte Tapipitanga, eine schwarze, und eine rostbraune Art (F. omnivora, F.), die kleinste von allen, velche zum Aerger der Hausfrauen dem Zucker und den süsseinge- machten Früchten nachgehen. Manche Pflanzen scheinen von der Natur selbst für Wohnorte der Ameisen eingerichtet zu seyn, so namentlich die Gattung Tococa. Diese Gesträuche tragen an dem oberen Theile ihrer Blattstiele eine blasige Erweiterung, worin zahlreiche Gesellschaften klei- ner rother Ameisen nisten, und die hohlen Aeste der Triplaris ameri- cana L., eines schlanken Uferbaumes, sind oft von unzähligen Nieder- lassungen ähnlicher Thierchen bewohnt. Wehe dem, der zufällig ei- nen solchen Ast abbricht: ein wimmelnder Strom der heftig beissenden Feinde giesst sich dann auf ihn herab, und lässt zahlreiche Brennblasen auf der Haut zurück. Die Oeconomie aller dieser Thiere ‚unter denen sich manche, wie Alta sexdens und F. attelaboides, F., auch durch Stacheln am Brustschilde auszeichnen, scheint eben so viele merkwürdige Ver- 054 | hältnisse als die der Bienen darzubieten, und dürfte der würdige Gegenstand der Untersuchungen eines bleibend im Lande wohnenden Na- turforschers werden. Wenn wir, unsern freilich noch mangelhaften Beobachtungen zu Folge, annehmen zu müssen glaubten, dass im Durchschnitt das Thierreich, namentlich die Insecten, hier minder zierlich gestaltet und minder. prächtig sey, als in den südlichen Pro- vinzen, so war dagegen die verhältnissmässig grössere Zahl der Indivi- duen nicht zu verkennen. Diess gilt ausser den Insecten auch von den übrigen niedrigen Thierclassen. Die Menge der Frösche und Kröten in der Nähe des Flusses und den mit demselben in Verbindung stehen- den Gewässern übersteigt allen Glauben. Viele Arten derselben sollen nach der Aussage :der Paraönser alle Monate laichen, und die Brut er- scheint in stillen Buchten der fliessenden Gewässer und in den Teichen so ausserordentlich häufig, dass wenn sie sich ungestört entwickeln könnte, bald das ganze Land von diesen eckelhaften Thieren bevölkert seyn würde. Oft aber bleiben grosse Haufen derselben bei plötzlich ein- tretender Ebbe am Ufer zurück, andere fallen den Kaimans, den Raub- fischen und grossen Wasservögeln als Beute anheim. Auch die India- . ner geniessen diese Brut, welche sie, wenn halb ausgewachsen, Juins nennen, als eine Leckerspeise. Bei einer Fahrt an den Ufern des Gua- ma stürzten sich unsere Ruderer einmal plötzlich ins Wasser,» zogen den Kahn an das Ufer und füllten den Vordertheil desselben mit solchen Froschlarven, die sie zu Hause, indem sie sie durch die Finger zogen ausweideten, und dann mit der Butter der Schildkröteneier zurichteten. Alle Arten dieser Amphibien scheinen mit einer gewissen Regelmässig- keit zu wandern, je nachdem sie die Jahrszeit mit Regen begünstigt. Bei jeder eintretenden Trocknung der seichten Gewässer ziehen sie oft heerdenweise in feuchtere Gegenden oder in die Wälder. Ihre wider- Meng Musik schweigt fast keinen Tag in diesen Gegenden; und das ge waltige Paucken des Ochsenfrosches (Juiponga der Indianer, Fhyla pen 2 oder der klägliche Ton der Cutagoa oder der Inigod m er er EREEN von Bufo und Hyla) welche dem Geschrei eines klei nen Rindes gleichen, weckten uns oft aus dem Schlafe. — Die gewalti- 055 gen Ströme, welche Para umgeben, ernähren in grosser Menge alle jene köstlichen Fische, die man im übrigen Brasilien kennt; aber man fischt hier nahe an der Stadt nicht so fleissig, als z. B. in Rio de Janeiro. Selbst viele Meerfische gehen, besonders während der Re- genmonate, in den Strömen weit aufwärts, und einige Indianervillas an der Küste des Festlandes wie der Insel Marajo, z. B. Ovidellos, Colla- res, Bem Fica, beschäftigen sich in jener Zeit ausschliesslich mit dem “ Fischfange. Der wichtigste von allen Fischen ist auch hier der Pirarucu, welcher sechzig bis achtzig Pfunde schwer wird. In den zum Fange desselben eingerichteten Fischereien wird er ausgeweidet, der Kopf wird weggeworfen, die Seiten werden von der Wirbelsäule getrennt, in lange Stücke geschnitten, gesalzen und getrocknet. Die Schwimm- blase und die Därme des Fisches können, wenn getrocknet, wie die Hausenblase verwendet werden. Man hat sie aber bis jetzt noch nicht ausgeführt, und verwendet sie blos gepulvert zur Rlärung des Caffes. Schwerdtfische ‚(Xiphias, von den Indianern Aragoagoay-, von den Por- .tugiesen Peixe Serra genannt) werden, jedoch selten, in den Mündun- gen des Para- und des Amazonenstromes gefangen. Dort treibt auch Ambra an die Küsten; und man fängt, jedoch nur sehr selten ‚ auch einen Pottfisch (Catodon nern Lac.), der hier strandet. Haifische kommen oft den Fluss herauf, und sie machen, zugleich mit den ziem- lich häufigen Rochen, das Baden gefährlich. Die letzteren Fische pflegen den grössten Theil ihres platten Körpers in den Schlamm zu verstecken, und den mit einem starken Stachel bewaffneten Schwanz mit grosser Gewalt gegen ihre. Feinde zu schleudern. Die dadurch ver- anlassten Wunden sind äusserst schmerzhaft, und veranlassen oft ge- fährliche Krämpfe. Die Indianer empfehlen dagegen Umschläge von ge- rösteter Finde des Manguebaumes, und dem aus den Früchten mehre- rer Palmen gepressten Oele. Nicht selten hörten wir in Para auch von den Gefahren reden, welchen die im Flusse Badenden durch den’ kleinen Fisch Candiri ausgesetzt seyen, und das, was von demselben erzählt wird, klingt so abentheuerlich, dass ich mich fast scheue, es hier zu wiederholen. Cetopsis ist eine zu den Salmen gehörige Gat- 056 tung, die sich sowohl durch die einfache Reihe von Zähnen, als durch die abgestutzte Form des Kopfes und die kleinen, unter der Haut liegenden und kaum durchscheinenden, Augen auszeichnet. Eine Art dieser Gattung, die Candiru der Einwohner, ein Fischchen von der Länge und Dicke eines Fingers, — ob die jüngeren Individuen einer der beiden von uns abgebildeten Arten (Cetopsis Candiru Pise. t. 10. f. ı., und ©. coecutiens t. 10. f. 2.) oder ob eme dritte, noch unbeschriebene, kann ich leider nicht angeben, weil die von uns gesammelten Stücke ' verloren gegangen sind, — hat die Gewohnheit, mit grosser Heftigkeit und sehr schnell in die äusseren Höhlungen des menschlichen Körpers _ hineinzuschlüpfen. Sie erregt hier die schmerzhaftesten und gefähr- lichsten Zufälle, und kann, weil 'sie die Flossen ausspreitzt, nur mit grosser Mühe wieder herausgebracht werden. Der Geruch menschli- cher Excretionen scheint das Fischchen anzulocken, und die Indianer rathen desshalb sich im Bade der Befriedigung eines gewissen Bedürf- nisses zu enthalten,. oder einen gewissen Theil sorgfältig zu bedecken. Die Indianer, deren wir uns als Ruderer bedienten ,„ bekräftigten ihre Erzählung von dieser seltsamen Eigenschaft durch mehrere Beispiele, “da wir aber überhaupt die Bemerkung gemacht hatten, dass der Glaube an Unwahrscheinliches und Ausserordentliches, zugleich mit einer lächer- lichen Gespensterfurcht, einen eigenthümlichen Zug im Character jener . Menschen ausmache, so fanden ihre Berichte nicht eher Eingang, als bis wir durch unsern Freund Dr. Lacerpa, als Augenzeugeh, von der Wahrheit der Sache unterrichtet wurden. Gleichsam als wenn nur das Ungeheuere einen Eindruck auf die stumpfen Gemüther der. Ureinwohner machen könnte , hatten auch ihre Erzählungen nur das Seltsamste und Unbegreifliche zum Gegenstande, und während sie jedes kleine Ungemach auf unsern Schiffahrten, mit _ unbeschreiblichem Gleichmuth erduldeten ‚„ nahmen sie Veranlassung von der Pororoca zu sprechen, jener furchtbaren ‚ mauerartig einherrollen- den und in kurzer Zeit Hochwasser bildenden, Fluth in mehreren Flüs- sen der Provinz Par, 4, die allerdings eben so sehr durch die wilde 957 Grösse als durch das Unerklärliche ihrer Erscheinung selbst den Blick der Indolenz auf sich ziehen muss. Die Indianer pflegen dieses Phänomen als die Wirkung böser Geister zu betrachten. Das Wort bedeutet in ihrer Sprache krachendes oder donnerndes Meer. Die nächste Pororoca wird am Rio Guamä bei dem kleinen Kirchdorfe S. Domingos, am östlichen Ufer des Flusses, (50° 5° w.L. von Par. und ı° 27° s.B.) be- merkt. Um an diesem Puncte die Erscheinung zu beobachten, machten wir uns am 6. August Nachmittags in einer mit vier Indianern bemannten Canoa auf den Weg. -Wir waren aber kaum eine Stunde weit in dem, mit dichtem Gebüsche und niedrigen Bäumen umhegten, Rio Guama aufwärts geschifft, als ein furchtbares Donnerwetter hereinbrach, wel- ches uns zwang, das Fahrzeug ans Ufer zu ziehen, und in einer unauf- hörlichen Regenfluth bis nach Sonnenuntergang zu warten. Als nun der Fluss zu ebben begann, und wir, gänzlich durchnässt, während einer trüben Nacht nur eine mühsame und langsame Reise vor uns sahen, entschlossen wir uns nach Para zurückzukehren, und die Beobachtung ‚der Pororoca auf die Zeit nach unserer Rückkehr aus dem Innern zu verschieben. Fast ein volles Jahr später, am 25. Mai ı820 unternahm ich allein diese Reise noch einmal. Am 27. war Neumond, und ich hatte . daher eine vollständige Ansicht von jenem merkwürdigen Phänomene zu erwarten. Ich verliess Para Abends 9 Uhr, und benützte, die ganze Nacht hindurch stromaufwärts rudernd, die günstige Bewegung der Fluth. Die Ufer des Guama simd niedrig, überall dicht bewaldet. Der Fluss befolgt im Allgemeinen eine Richtung von Südost nach Nordwest. In der Mitte der Entfernung zwischen $. Domingos und Parä, wo sich von Norden her der kleinere Rio Inhaby mit ihm vereinigt, macht er einen beträchtlichen Bogen nach Norden. Seine Breite, zwölf bis fünf- zehn Rlafter, bleibt sich im Allgemeinen ziemlich gleich; die Tiefe wechselte bei unsern Sondirungen an den Ufern zwischen acht und zwölf, in der Mitte des Canals zwischen zwölf und zwanzig Fuss. Die Fluth war beträchtlich, und schien uns in ihrer stärksten Höhe das Niveau des Flusses um mehr als anderthalb Fuss zu erhöhen. Ihre Geschwindigkeit war, mit einem gemeinen Log gemessen, 35 Fuss in If. Theil. ae 058 | der Minute; die der Ebbe betrug 25. Diese Strömung ist im Verhältniss zu anderen Flüssen dieses Gebietes beträchtlich ; sie soll aber im weiteren Ver- laufe des Guama noch mehr zu nehmen, obgleich dieser Fluss so lange er gegen Westen fliesst nur niedrige Ufer hat, und erst jenseits der Zilla de Ourem, aus Süden nach Norden strömend, sich aus niedrigem Wald- gebirge einen Weg machen soll. Während der Ebbe hielten wir, nach dem in allen Küstenflüssen dieser Gegenden üblichen Gebrauche an, weil sie für die Kraft unserer Puderer zu mächtig gewesen wäre, und ohnehin die Reise nach bestimmten Pausen vollendet werden musste. Mocajuba, eine wohlhabende Fazenda am Ufer des Flusses, beher- bergte uns während der ersten Hälfte der Nacht vom 26. auf den 27. Mai. Die Ufer des Guama sind fruchtbar, und namentlich gedeihet das Zuckerrohr treflich. Auch fanden wir eine ausgedehnte Brannt- weinbrennerei. Die Carmeliten von Para besitzen mehrere Fazendas längs diesem Flusse, durch die ihr Kloster mit allen Erzeugnissen des Ackerbaues versehen wird, während sie Fleisch und andere Producte der Viehzucht von ihren reichen Höfen auf der Insel Maraj6 beziehen. Mit der gegen ı Uhr nach Mitternacht wiederkehrenden Fluth, setzten- wir die Reise fort, und um 9 Uhr Vormittags erreichten wir S$. Do- mingos, ein ärmliches Kirchdorf am östlichen Ufer des Rio Guama, oberhalb der Verbindung dieses Flusses mit dem Capim gelegen, des- sen Entfernung von Para zu sechzehn Legoas gerechnet wird. Der Barometer stand bei unserer Ankunft auf 27,944 während der Ther- mometer um 9 Uhr a. m. in der Luft 25° R. ‚„ im Wasser des Flusses 21,50 R. zeigte. Die Quecksilbersäule erhielt sich den ganzen Tag über in gleicher Höhe, und ging nur nach Mittag von ı bis 2 Uhr um 0,4 Linien in die Höhe. Abends 6 Uhr zeigte der Thermometer in der Luft 22° und im Wasser 20,5° Reaumur. Die Pororoca musste, der gesetzmässigen Periodizität in Ebbe und Fluth zu Folge, da der Mond an diesem Tage eine Minute vor Mitternacht durch den Meridian zu gehn hatte, nach Mittag eintreten, und ich verliess daher keinen, Augenblick eine niedrige Erhöhung . wo aus ich Sie übersehen konnte. dem Flusse gegenüber, von Dreissig Minuten nach ı Uhr hörte \ ” 4 ne mail u ee u I u Luz) ZZ au 10 u 959 ich ein gewaltiges Brausen, gleich dem Tosen eines grossen Wasser- falles; ich richtete meine Augen den Fluss abwärts, und nach einer Viertelstunde erschien eine etwa fünfzehn Fuss hohe Wasserwoge, mauerähnlich die ganze Breite des Flusses einnehmend, die unter furcht- barem Gebrause- in grosser -Schnelligkeit aufwärts rückte, indem ihre von der Spitze wirbelnd herabstürzenden Fluthen stets wieder von der hinteren Anschwellung ersetzt wurden. An einigen Orten gegen das Ufer hin tauchte das Wasser bisweilen in der Breite von einer oder zwei Hlaftern unter, erhob sich aber bald wieder weiter oben im Flusse, worin die Gesammtwelle ohne Stillstand vorwärts trieb. Indem ich starr vor Erstaunen dieser gesetzmässigen Empörung der Gewäs- ser zusah;, versank plötzlich zweimal die ganze Wassermasse unterhalb der Vereinigung des Capim mit dem Guama in die Tiefe, indem breite und seichte Wellen und kleine Wirbel auf einmal die ganze Oberfläche des Flusses überflutheten und anschwellten. Kaum aber war das Ge- töse des ersten Anlaufes verschollen, so bäumte sich das Gewässer wie- der auf, stieg unter gewaltigem Brausen und strömte, eine lebendige Wassermauer, die bebenden Ufer in ihren Grundfesten erschütternd , stets vom schäumenden Gipfel überschlagend, fast eben so hoch als es gekommen war, in zwei Aeste getheilt in beide Flüsse hinauf, wo es alsbald meinen Blicken entschwand. Die ganze Erscheinung war das Werk ‚von kaum einer halben Stunde gewesen; die beunruhigten Gewäs- ser, welche jedoch, eben so wie die Wellen der Pororoca selbst, keines- wegs von aufgeregtem Schlamme auffallend getrübt erschienen, befan- den sich jetzt im Zustande der höchsten Fülle, kehrten allmälig zur Ruhe zurück, und fingen nach einer eben so kurzen Frist, mit Eintritt der Ebbe, sich sichtbar zu entleeren an. Die Einwohner von $. Do- mingos bemerkten mir, dass die Ebben während der Mondwechsel län- ger, bis gegen g Stunden, dauerten, in den übrigen Tagen aber um eine bis zwei Stunden kürzer seyen. Die Periode der Ebbe, welche im Parästrome sechs bis sieben Stunden dauert, und von einer verhält- nissmässig langen Fluthzeit abgelösst wird, verlängert sich also hier, indem die Sturmfluth eine Stunde oder achtzig, Minuten braucht, um 122” 900 die gesammte, ihr zu Gebot stehende, Wassermasse im Flusse aufwärts zutreiben. : Das Wasser, welches. wir bald nach der Pororoca schöpf- ten, schmeckte nicht salzig, war auch nicht viel trüber, als es ausser- dem zu seyn pflegt. Die Pororoca erscheint aber nur etwa eine Le- goa flussabwärts von S. Domingos und zwölf Legoas weiter aufwärts in beiden Flüssen, während die unteren Gegenden des Rio Guamä stets eine geregelte Ebbe und Fluth haben sollen, die in allen ihren Erschei- nungen den benachbarten Küsten des Oceans folget. Auch werden nicht alle Orte im obern Verlaufe jener Flüsse von der Pororoea beunru- higt, sondern an mehreren Stellen, die immer von beträchtlicher Tiefe seyn sollen, versinkt sie, eben so wie unter dem Zusammenflusse des Capim mit dem Guama, und erhebt sich erst weiter oben wieder, in angeblich seichteren Theilen des Flussbettes, um mit gleicher Gewalt stromaufwärts zu ziehen. Diese ruhigen Orte werden von den Anwoh- nern Zsperas, Wartstellen, genannt. In ihnen steigt das Gewässer allerdings auch an, wenn es fluthet; es erreicht aber den höchsten ' Stand ohne irgend eine stürmische Bewegung in anderthalb bis zwei Stunden nach dem niedrigsten Wasserstand. Sie liegen in ungleichen Entfernungen und keineswegs so weit auseinander, dass sie mit den Puncten zusammenfielen, welche zu gleicher Zeit die grösste Entleerung erfahren. Es folgt hieraus, dass die Pororoca keinen Einfluss auf die regelmässigen Ebben des Flusses habe, welche ihren Gang nehmen, wann immer auch jene einkehren, und wo immer sie sich in einer Zspera ausgleichen möge. Die stärksten Pororocas des Rio Guamä treten stets zugleich mit den Hochfluthen an der Meeresküste ‚„ zur Zeit des Voll- und Neumondes, besonders aber in den Monaten März, April und September, also in den Aequinoctien, ein. Noch sah ich an der Kirche in $. Domingos die Spuren der Verheerung, welche durch die Erschütterung der Pororoca im zunächst verflossenen April angerichtet worden war. Diese Kirche ist in Gefahr von der Pororoca, welche das benachbarte Land untergräbt, noch gänzlich weggerissen zu Wel- den, so wie sie auch bereits früher so sehr. beschädigt worden war, dass man sie fast vom Grund aus neu aufrichten musste. Ein einfacher 'nannt, 961 Calcul von der ungeheueren Wassermasse, die hier in die Höhe geho- ben, und wieder herabgestürzt wird, giebt den Maassstab von der Gewalt, womit die Pororoca ihre Ufer erschüttern, und Alles, was ihr in den Weg kommt, vernichten muss. Eine achtzig Fuss breite und fünfzehn Fuss hohe Wassermauer würde, ihre Dicke zu zwei Fuss angenommen, aus 2,400 Gubikfuss bestehen , oder, einen Cubikfuss zu 70 Pfunden gerechnet, ı680 Centner wiegen. Angenommen, die Geschwin- digkeit betrüge, wie bei einem Sturm 60 Fuss auf die Secunde, so würde die Quantitas motus dieser Wassermasse — 100,800 Centnern seyn. Bäume, Felsen oder andere Gegenstände, denen die Pororoca begegnet, werden mit Sturmgeschwindigkeit erhoben, und darauf, eben so schnell niedergeschmettert, in dem vor ihr hergehenden Abgrund begraben. Wo sie sich zwischen hochbewaldeten Ufern hinwälzt, entwurzelt sie bisweilen die stärksten Bäume, und schmettert sie dann so gewaltig in das Bette des Flusses, dass dieser, ohne die mindeste Störung zu erleiden, ruhig darüber hinebbet, Die sandigen Ufer wer- den von ihr so heftig abgespült, dass sie gleichsam mit Vorsicht abge- fegt erscheinen. Manche Canoa wurde schon von der Pororoca ver- schlungen, und ging mit Ladung und Mannschaft verloren; seitdem man aber die Perioden kennt, in welchen sie sich einstellt, sichert man sich in den Zsperas, wo die Fahrzeuge von der vorüberziehenden Fluth nicht beunruhigt werden. Die einzige Vorsicht welche man dort anzu- wenden pflegt, ist, das Fahrzeug, statt mit einem Ankertaue im Flusse, mit einem Seile an einem Baume zu befestigen, damit es nicht bei plötzlich erhöhter Wasserfläche unter dieser zurückgehalten werde. Im Rio Guamä ist die Pororoca stärker als im Capim, ausserdem findet sie Sich, wie wir bereits erwähnt haben (ll. S. 829.) auch in dem Rio Mearim, ferner in Marapani, im Mojü, und an der Nordküste der Provinz in den Rios Jary, Anauirapucu, Aruary , Maracary, und Ari- cary, wo sie sich bisweilen bis auf zwanzig Fuss Höhe erheben soll. (2.) Der Ostwind, von den ins Innere Schiffenden Zento Geral ge- ‚weil er einen grossen Theil des Jahres hindurch weht, hatte 962 sich schon in den letzten Tagen des Julius eingestellt, und wehte fast ‘ ununterbrochen vom Morgen bis zehn Uhr, und von drei Uhr p. m. bis spät in die Nacht. Es musste uns daher sehr daran gelegen seyn, die Gunst dieses Windes, der bis zum Monate September oder October anzuhalten pflegt, zu benutzen, und Dank der wohlwollenden Fürsorge S. E. des Herrn Grafen von Vırra Fror, welcher ein königliches Fahr- zeug zu unserer Disposition stellte, und es im Arsenal unter unmittel- barer Aufsicht des Intendanten, Senhor Joäo Antonio Roprısvez MaAr- TIns, für unsere speciellen Zwecke einrichten liess, — wir konnten am 19. August anfangen, es mit unsern Provisionen und übrigen Effecten zu beladen. Das für uns bestimmte Fahrzeug führte neunhundert Arro- bas, und war bedeutend kleiner, als die gewöhnlichen Handelscanoas » welche Waaren aus dem Innern bringen und drei bis fünftausend Ar- robas laden können. Es hatte ein, fast in der Höhe des Bordes be- findliches Verdeck, welches längs den beiden vorderen Dritttheilen in der Mitte mit starken Planken überwölbt, an der Seite aber wagrecht erhöht war. Der Schiffsschnabel war mit eisernen Platten und einem Castrol versehen, um als Küche zu dienen. Im Hintertheile der Canoa war eine Cajüte, gross genug, um unseren beiden Hangmatten Raum zu geben. Vor dieser kann in den Fahrzeugen gleicher Bauart ein nie- derer Mast mit einem viereckigen Segel nach Belieben eingesteckt oder niedergelegt werden. Das Steuerruder läuft in einem Verschlag durch die Rückwand der Cajüte herab, auf deren Dach sich der Steuermann (Jacü- maüva) befindet. Die acht rudernden Indianer haben, vier auf jeder Seite, ihren Platz auf dem wagerechten Rande der Ueberwölbung des Vorder- theils; ihre langen Ruder sind in Schlingen von zähen Rankengewäch- sen (Sıpos) an senkrecht längs dem Verdeck herablaufenden Pfeilern befestigt. Das Fahrzeug war mit einem Haupt - und einem Nothanker versehen, wovon man jedoch nur in dem unteren Theile des Stromes Gebrauch zu machen pflegt, indem die Befestigung an Bäumen des kiss sicherer ist. Die Mundvorräthe für die Equipage, welche in kei ES Körben mit Farinha dagoa, dreissig Arrobas gesalzenem Pi- rarucu, einigen Fässern mit Zwieback, einem Fasse mit Zuckerbrannt- 963 wein, und sechs Körben mit Salz bestanden, wurden unter dem Decke des Vordertheils untergebracht. Für uns selbst hatten wir Zwieback , Mehl, Reis, Schinken, Würste, Salzfleisch, Butter, Zucker, Cafle, Thee, Wein, Branntwein, Arzneimittel, Munition eingeschiflt, was Al- les in dem Raume unter der Cajüte verpackt werden konnte. Endlich _versorgten wir uns mit einem grossen Fischernetze, und mit einer be- trächtlichen Quantität solcher Gegenstände, die uns für den Tausch mit den Indianern empfohlen worden waren, nämlich: Beile, Waldmesser, Taschenmesser, Angeleisen, Nürnberger Spiegel, grobes, weisses und blau und weissgestreiftes Baumwollenzeug, Cattune, Glasperlen. Alle diese Dinge wurden in einige starke, tragbare Kofler verschlossen, die ‚ebenfalls im Vordertheile des Schiffes Platz fanden. Da es in unserm Plane liegen musste, nicht blos auf der gewöhnlichen Handelsstrasse des Amazonas zu bleiben, sondern auch abgelegene, vielleicht unfreundlich gesinnte Indianerhorden zu besuchen, so trug uns der Herr General- Gouverneur selbst eine militärische Begleitung an. Dieses wohlwollende Anerbieten benützten wir mit grossem Vergnügen, da $. E. uns auf die Nothwendigkeit aufmerksam machte, durch diese Escorte sowohl die dienenden Indianer in strenger Zucht zu halten, als auch den von ihm ertheilten Befehlen Nachdruck zu ertheilen, in deren Folge die Orts- Vorstände wo es nöthig wäre, uns mit neuer Rudermannschaft ver- schen sollten. Seit De 1a Conpamne, dessen Reisebericht wir glücklicher Weise erhalten hatten, war von Niemanden eine Nachricht über den König der Ströme bekannt gemacht worden, die zu unsere Kenntniss gekom- men wäre; und wenn wir selbst hier, nächst der Mündung desselben, fast jede Aufklärung vergeblich suchten, so mussten wir uns dem Ge- danken hingeben, als walte noch dasselbe feindselige Schicksal, welches die erste ausführliche Nachricht über ihn fast ein halbes Jahrhundert der Wissbegierde Europa’s entzogen hatte. Bekanntlich war nämlich schon im Jahre ı64ı Acunna’s Descubrimiento del gran Rio de las Amazonas zu Madrid erschienen, aber durch die eifersüchtige Politik 964 : PuurırsIV. bis auf zwei Exemplare vertilgt worden, so dass erst Gom- gerviLLe’s Uebersetzung im Jahre ı682 die wissenschaftlichen Resultate jener denkwürdigen Reise bekannt gemacht hatte. Die erste grosse Expedition der Portugiesen auf dem Amazonas, worin Peopro Texeıra eine Flotille von fünfundvierzig Canoas mit neunhundert Mann, im Jahre 1637 —39, bis in den Rio Napo geführt hatte, wird von den Paraen- sern als ein Gegenstück zu den Heldenthaten eines GamAa nnd ALsuovEer- ouE gepriesen; aber der Bericht dieser Reise (in BErrEpo’s Annaäs do Maranhäo, 5. 288—322.), den wir in Para selbst zu vergleichen Ge- legenheit hatten, gab uns keine geographischen Aufschlüsse. Er ist viel- mehr, nebst der Reisebeschreibung des P. Acunna, der Teıxeıra von Quito aus zurückbegleitete, ein Gegenstand einer Art von anliquarischer Untersuchung: denn obgleich diese Unternehmungen noch nicht drei Jahrhunderte hinter uns liegen, finden wir doch die Benennungen zahl- reicher Orte und Völkerschaften weder auf neueren Carten, noch im Munde des Volkes; sie haben fast alle einer neueren Nomenclatur Platz gemacht. Ja, das ganze Bild von den durchreissten Ländern, welches jene Reisenden, in der Absicht, ihren Entdeckungen höheren Werth zu geben, in glänzenden Farben darstellten, und durch die zahlreichen Fabeln aufschmückten, welche besonders in jener Periode die Einbil- dungskraft Europa’s beschäftigten, schien sich uns jetzt, da wir in der Nähe standen, anders zu gestalten. Um so willkommner hätten uns spätere Nachrichten seyn müssen; aber wir hörten nur Allgemeines über die Reisen der Portugiesen erzählen, Wir erfuhren, dass im Jahre ı749 eine militärische Expedition von Para ausgelaufen, und nach einer neunmonatlichen Reise auf dem Amazonas, Madeira und Guapored in dem Arrayal $. Francisco Xavier do Matto Grosso angekommen Sey» Bekannt war uns, dass der Gouverneur Menvonca Furtano 1754. eine Reise mit zahlreichem Gefolge bis Mariuä im Rio Negro gemacht, ‘und auf derselben alle Missionen, besonders der Jesuiten ‚ besucht habe. Von den vier Visitationsreisen, welche Bischof D. Caztawo Branpäo in den Jahren 1784, 87 und 88 angestellt hatte, konnten wir nur unbe- stimmte Erzählungen vernehmen, die in Nichts, als in den Mühselig- EEE TEE ET NE EEE En ee ee ME u rue un rn len lieh Mar Le a mliln in la el nn HL a a ne ed nun ae u na nein m x wärts zu folgen. 905 keiten übereinstimmten, welche der ehrwürdige Prälat zu bestehen ge habt hätte. Nicht vollständiger waren die Nachrichten über die Reisen der letzten Grenzcommission :unter Joäo Pereıra Canvas, welcher von mehreren Astronomen, Geometern, Zeichnern und dem Naturforscher Dr. Arexanpee Roprisurz (Roız) Ferreirä begleitet, sich im Jahre ı78ı nach dem Innern der Provinz begeben, und zugleich mit dem spanischen Grenzcommissäre D. Francısco .Reouena mehrere Jahre (bis 1786) in Ega und am Rio Negro zugebracht hatte, (3.) Erst nachdem wir im April des folgenden Jahres wieder nach Para zurück- gekehrt waren, erhielten wir die Abschrift eines hydrographisch - ethno- graphischen Berichtes, welcher um das Jahr ı786, von einem Capitula- ren von Para, Joze MontEıro DE NoronnA verfasst worden war, und uns während der Reise selbst vom grössten Nutzen gewesen seyn würde. Wir besassen daher, ausser der von dem tranzösischen Akade- miker entworfenen Carte, nur Arrowsmıtna’s Generalcarte von Südame- rica, und waren, weder über die überhaupt einzuschlagende Route, noch über das Fahrwasser und andere, bei einer so weitläufigen und gefähr- lichen Reise wissenswürdigen, Verhältnisse unterrichtet, ganz der Will- kühr unseres Piloten, eines Indianers, überlassen. Um so aufrichtiger durften wir uns daher Glück wünschen, dass unser Freund Cap. Zany, welcher schon sieben Reisen auf dem Amazonas gemacht hatte, ver- sprach, seine Geschäfte in der Hauptstadt zeitig genug zu vollenden, um uns, ein Monat nach unserer Abreise, in Santarem einzuholen, von wo aus wir bis Rio Negro in seiner Gesellschaft reisen sollten. Die merkwürdige Verbindung der Gewässer des Amazonenstromes und des Tocantins, welche sich an ihren beiderseitigen Mündungen zwi- schen ein Labyrinth unzähliger Inseln ergiessen , gestattet drei verschie- dene Wege, um von Pard aus in den ersteren zu gelangen. Für grössten Schiffe ist es gerathen, den Parästrom hinabzufahren Magoary zu dupliren, den Weg gegen Macapa hin, zu nehmen, von da aber dem Strome auf- Dieser Weg ist jedoch für Schiffe jeder Art gefähr- 123 II. Theil. 069 lich, weil die Sandbänke in der Nähe jener Inseln und der Mündung oft ihre Lage wechseln, und die Gewässer sehr unruhig sind. Eine zweite Wasserstrasse führt in dem Rio Para zwischen der Insel Ma- rajo und dem Festlande in südwestlicher Richtung hin, dann in dem Tagipurü gegen Norden, und bringt die Reisenden unterhalb Gurupä in den Strom. Auch dieser Weg, der kürzeste von allen, ist wegen zahlreicher Sandbänke, Klippen, Ungleichheiten der Strömung gefähr- lich, und nur solche Fahrzeuge schlagen ihn ein, deren Grösse die Durchfahrt durch den sogenannten /garape - mirim nicht er- Jaubt. Diess ist, wie der Name selbst bedeutet, ein nur für kleinere Schifte (/garas) fahrbarer Canal, innerhalb des Festlandes, welcher in nordwestlicher Richtung die Gewässer des /Moju mit der Mündung des Tocantins verbindet. Die Reisenden, welche auf ihm zu schiffen vor- ziehen, verfolgen von Parä aus den Rio Moju, und umgehen somit die Gefahren im Parästrome zwischen der südlichen Küste von Maraj6 und den niedrigen Ufern des Continentes. Die ersten beiden Wasserstrassen nennen die Paraönser die äusseren (por fora), die letztere, die innere (por dentro); und diese wählten auch wir, wegen grösserer Sicherheit. Unsere Canoa ward vom Arsenal in den Hafen gebracht, wo wir sie noch mit den letzten kleinen Bedürfnissen für eine langwierige Unter- nehmung versahen, die, so viele Genüsse wir uns auch von ihr ver sprechen durfien, uns dennoch im Voraus manches bängliche Gefühl einflösste. Anmerkungen zum zweiten Rapitel. (1.) So wie das Meer haben auch die grössten Ströme Brasiliens anihrem Ufer eine cha- racteristische Vegetation ‚ die sich oft eben so sehr durch die Eigenthümlichkeit ihrer einzel- nen Pflanzen, als durch den landschaftlichen Gesammteindruck, den diese hervorbringen, aus- SEN: Wenn am Rio de S. Francisco die Hermesia castananeaefolia mit blaugrünem Laube Sn Sp Verzweigung, dichte ruthenförmige Stöcke der Rhabdia Iycioides, die luftige Pe x En Sams Fruchttrauben ‚ der Sapindus Saponaria mit dunkelbelaubter blüthigen ci = IE Sure hie und da lichte Wälder feinblättriger Acacien und der gold- Rio Doss Er sden N AehFroblum grande) —vorherrschen; dagegen die felsigen Er Ds ern = S Gesträuche manchfaltiger Arten von Cnemidostachys oder mit — | Ye: z 2 1 hi En un Su Dil li in ER EN EN, ) go glänzenden Myrten und dem nickenden Ubärohre (Gynerium parvifiorum) Lesetzt sind, dessen Rispe wie ein Federbusch im Winde flattert; so finden sich hier, in dem unteren Flussgebiete des Parästromes, d. h. in dem Archipel um die Insel Marajdö und in den Mündungen der sich hereinergiessenden Flüsse, ganz andere Gestalten. Schon die Niedrigkeit und Fläche der Ufer, welche sich kaum einige Fuss hoch über das Strombette erheben, verändern die Scene, und verleihen ihr zugleich mit der Gegenwart einzelner Bäume der Mangrovewaldung einen andern Character. Der Umstand, dass niedrige Bäume und Gesträuche vom Ufer weit in die Wasser- fläche hereinhängen , und bis auf eine Höhe von fünfzehn und mehr Fuss den Jandeinwärts stehenden Urwald so dicht umsäumen, dass die kahlen und theilweise mit Flussschlamm über- zogenen Stämme dadurch versteckt werden, trägt wesentlich dazu bei, die landschaftliche An- sicht dieser Ufer zu bestimmen. Ausserdem ist es ganz vorzüglich der Reichthum an Palmen der dieser Gegend einen besondern Character verleiht. Manche dieser edlen Gewächse erheben sich einzeln und schlank auf mehr als hundert Fuss in die Lüfte, andere, besonders die stacheligen Stab- palmen (Bactris) erreichen eine- geringere Höhe, und stehen in gedrängten Büschen beisammen; einige wenige, ebenfalls minder hoch, aber reich belaubt, machen sich durch den grossen Um- fang der Stämme bemmerklich, an denen die Reste der Blattstiele einer Unzahl von Farnkräutern und andern Schmarotzerpflanzen Aufenthalt darbieten. Unmittelbar am Ufer, und oft weit über die Wasserfläche ausgebreitet, wächsen mancherlei Arten von Inga hervor, sowohl durch die Fiederung ihres dichten Laubes, als durch die F ederbuschartigen Trauben der zarten Blumen und durch grosse Hülsenfrüchte ausgezeichnet. Zwischen ihnen stehen Dalbergien, breitblättri- ge Sloanen, die Schousboea und Poivrea mit ihren prächtigrothen‘, oft ellenlangen Blumentrau- ben. Weiter landeinwaärts treten zahlreiche Pfeffersträuche , grossblüthige Justicien, die Gusta- via, allerlei Arten von Solanum und Tabernaemontana auf, durch dichte Gehänge von Feuillea, Bignonia und Kürbissgewächsen zu einem undurchdringlichen Laubwerk verschlungen. Die Reste ehemaliger Ueberschwemmung sind an Stämmen und Gesträuche sichtbar ; sie geben, zugleich - mit den dichten Gebüschen der Glieder der Mangrovewaldung , in denen zalıllose Ameisen und Schnacken hausen, diesem Gebiete einen unwirthlichen, unheimlichen Characier, welcher, wenn- gleich eine allmälige Verschiedenheit eintritt, je weiter man den Amazonas hinaufschifit, den- mehr oder weniger überall der Ufervegetation dieses Königs der Siröme zugehött. (2.) Der Strom von Para erreicht in den Springfluthen eine Höhe von zehn bis eilf Fuss. ar ebbet”sieben, und Authet fünf Stunden lang; die Fluth rinnt vier Knoten in der ‚Stunde. Diese seine Bewegung theilt er auch den in ihm fallenden Flüssen mit; aber die Periodizität der Ebbe und Fluth scheint , gemäss den verschiedenen Oertlichkeiten, verschieden. In Para, und am Ufer des Hauptstromes überhaupt, tritt die Springfluth kurze Zeit wach dem Durchgange des Mondes durch den Meridian ein. Am 27. Mai ging der Mond eine Minute vor Mitternacht durch den Meridian, und die Pororoca erschien bald nach Ein Uhr. Die Bewegungen im Hauptstrome äusserten daher ihre Wirkungen auf einen sechszehn Legoas entfernten Punct in der kurzen Zeit von einer Stunde. Die Einwirkung der Flutlı des Para auf die Gewässer des Mojü verhält sich anders; dort treten die Erscheinungen später ein, alsim Guama, wahrschein- lich in Folge des schwächeren Falls des Moju, und der grösseren Breite seiner Mündung, welche mit der des Acard zusammentritt. In Voll- und Neumond der Aequinoctien beobachtet man das Hochwasser der Springfluth im Moju bei Jacuarary, vier Legoas von der Hauptstadt, * 908 um Acht Uhr Vormittags, etwa anderthalb Stunden später, als bei Para. Diese Springfluth ist eben so hoch, als die bei letzterem Orte, Weiter aufwärts im Moju verzögern sich Ebbe und' Fluth noch bedeutend mehr. Die Fluth dauert im Moju sechs, die Ebbe fünf Stunden. Auch in diesem Flusse soll sich die Pororoca zeigen, und zwar zwei Fluthen (Mares) in ihm auf- “ wärts, bei dem Hofe Malacabado, nicht weit vom Eintritte des Canals Igarape-mirim in den Mojü. Sie tritt hier fast drei Stunden später ein, als das Hochwasser in Par« erscheint, und von ihr bis zu dem Puncte, wo sich die Fluthen bemerklich machen, welche vom Tocantins aus bis in den Igarape-mirim heraufkommen, sind keine zwei volle Mares mehr zu rechnen, Diese we- nigen Thatsachen reichen leider nicht hin, um die Erscheinungen der Pororoca unter einen allgemei- nen erklärenden Gesichtspunct zu bringen, und wir müssen es den Physikern überlassen, nach einer mehrjährigen, an Ort und Stelle fortgesetzten, Untersuchung aller Oertlichkeiten und der Periodizität in Ebbe und Fluth, eine vollständige Erklärung derselben aufzustellen. — Von allen Phänomenen der periodischen Meerbewegung, die man mit der, zuerst von Dr 14 Cor- pamıne, (Relation etc. $. 188.) beschriebenen, Pororoca zusammenstellt, scheint mir eigentlich nur die sogenannte Wasserratte (Rat d’eau, Mascaret, Mascara) identisch zu seyn, welche in der Dordogne, oberhalb der Verbindung derselben mit der Garonne, (Lagrave Sorbie, im Journ. de Phys. ı805. t. 2.), and in der Saverne (Phil. Trans. 1668. S. 812.) Statt findet. We- sentlich ist bei allen diesen Phänomenen, dass die Fluth einer grossen Wasserfläche auf die Gewässer eines verhältnissmässig engen Flussbettes einwirkt, und diese besonders da zu einer furchtbaren Höhe aufthürmt, wo der Grund niedrig ist. Doch dürfte wohl dieses Verhältniss ohne andere in der Oertlichkeit begründete Bedingungen schwerlich jene auffallende Geschwin- digkeit der Wasserratte begründen. ; | Verwandt mit diesem Phänomene ist die Sturmfluth in den ostindischen Meeren, deren zuerst schon Arrrımvs (Peripl. mar. Erythr. edit. Huds. p- 24 ssq.) als bei der Stadt Barygaza, jetzt Broach herrschend, Erwähnung thut. Ganz ähnlich beschreibt sie Dioco or Covro (Asia, Decad- VI. L, IV. c. 3 * Vergl. v. Escaweer; Brasilien, die neue Welt, I. S. 156. ff.) unter dem Nargen Macareo, indem er das alte Barygaza für Camdajete hält, und Joäo px Bannos’ (ibid., Dee. IV. L. V. ce. 1.) sagt davon, dass eine Wache auf der Anhöhe die Ankunft der Sturmfluth durch ihr Horn ankündigen müsse. Doch scheint diese Bewegung der Gewässer gegenwärtig nur als eine sehr hohe und stürmische Fluth, ohne besondere physicalische Erscheinungen, betrachtet zu werden. Am Broachflusse erreicht die Fluth eine senkrechte Höhe von fast dreissig Fuss, und hat eine Geschwindigkeit von 6 ‚Knoten in der Stunde, (Horsburgh, Ind. Directory I. 8, 232.), und auch die nördlichen Gegenden des Golfs von Cambaya sind einer heftigen Fluth unterworfen, die vielen Schiffen gefährlich ward. (ibid. $. 285.) Man hat die Gefahren, welchen sich die Flotte Alexanders im Indus plötzlich ausgesetzt sah, (Arrian. Exp. Al. L. VI. c. 19. Curtius L. IX, c. 9.) durch eine ähnliche Sturmfluth erklären wollen; doch wird vom Indus neuerlich nur berichtet, dass die Ebbe in seiner Mündung sehr ungestümm sey (Hors- burgh, ]. ce. S. 247.), und die gewöhnliche, den Griechen unbekannte, Ebbe und Fluth dürften hin- gereicht haben, ihre kleinen Fahrzeuge zu beschädigen. — Dass auch die meisten Ströme von Pegu , ‚starke Macareos hätten, sagt Barnos (a. a. 0. Dec. IH. L. III. c. 4.).— Die Bore oder Hyger, welche in MERRSONE. Mündungen des Ganges, namentlich im Hooghly-River erscheint, dürfte der Pororoca an nächsten kommen: sie ist die Wirkung einer mächtigen Sturmfluth auf seichte Flusscanäle. Hons#UuR6" (a. 2.0.8. 16.) leitet sie „von der, durch die Regen im Innern des Landes vermehrten, Schnelligkeit und Verlängerung der Ebbe her, welche zu überwinden der erste Andrang der Fluth so gewaltig 807 Während .des N. O. Monsoones erscheint sie nur dann, wenn die Ebben ungewöhnlich hoch sind, aber zur Zeit der Aequinoctialfluthen im März ist sie sehr gefährlich. Von Mai bis’ October, wenn der Strom viel Wasser führt, erscheint die Bore nicht selten mehrere Tage in den Springfluthen. Ihre gewöhnliche Geschwindigkeit ist zwanzig. Seemeilen in der Stunde«. (3.) Um dem Leser eine Uebersicht unserer Vorgänger auf dem Amazonenstrome zu ge- ben, führe ich hier kürzlich diejenigen Reisenden auf, über welche sich in den uns zugängli- chen literärischen Materialien Nachrichten finden. Die Geographie dieses Stromes und seiner Confluenten verdankt die “meisten Aufklärungen den zahlreichen Expeditionen, die früher ohne Unterlass von Par@ aus in das Innere gemacht wurden, um Indianer zu holen, oder die Na- turproducte der Ufer einzusammeln. Auf diese Art gemachte Erfahrungen bildeten die traditio- nelle Kunde, welche von wissenschaftlichen Reisenden aus dem Munde des Volkes aufgezeichnet worden ist. Auch die Niederlassungen im Innern des Sertäo, bald von einzelnen Colonisten, bald von Missionarien bewerkstelligt, mussten wesentlich beitragen, die Geographie zu hir: Die hierin gemachten Fortschritte würden sich am sichersten aus der Zusammenstellung der chronologischen Data von der Gründung und dem, hier so häufigen, Wechsel der Ortschaften erkennen lassen. Da mir aber die Materialien zu dieser letzten fehlen, kann ich nur, ausser den durch Schriften bekannt gewordenen Reisen, einige wenige jener Expeditionen anführen. Im Jahre 1541 und 1542. Faancısco Orzrrana verlässt Ende Decembers 154+ den Goxcaro Pı- z4Bn0, schifft den Coca hinab, in den Napo, und von diesem in den Amazonas, von dessen Mün- dung er am 11. Sept. 1542 die Insel Cubagua erreichte. S. Herrera, Historia general, Dec. VI. L. VOL «©. 7. L.IX. ce. 2. fll., wo die Begebenheiten dieser merkwürdigen Reise einem Begleiter Onrırana’s, Fr. Gaspar DE Carvasaı, nacherzählt werden. Ferner: Cristoval d’Acunna , Relation de la grande Riviere des Amazones, irad. par Gomberville, C. 5. fl. Zarate, Conquista del Peru L.4. c. 4. Lopez de Gomara c. 143. Garcillasso de la Vega II. 3. ce. 2—35. 1560. Pırpno pr Onsva unternimmt die Entdeckung des Amazonenstromes von Cuzco aus, wird aber während der Unternehmung von Lorrz »’Acvırar, dem Tyrannen , ermordet, welcher die Reise bis zur Mündung fortsetzt, von wo er sich nach der Insel Margarita begiebt. Der Weg, welchen AGVIRRE genommen, ist nicht mit Sicherheit ausgemittelt, Acussa spricht (Cap. 65.) von einer Ver. RR des Amazonas durch den Rio Negro mit einem der nördlicher gelegenen Ströme, worauf Acvıaar in den Ocean gekommen sey, Er sagt aber dabei ausdrücklich, dass dieser Strom nicht der Orenoco gewesen. Acvınaz selbst erzählt seine Reise in dem berüchtigten Brief an König Pair, von welchem ich in Madrid eine Copie nehmen konnte, und der von Hrn. v. Hwmnoıor auszugsweise mitgetheilt worden ist, (Voy. II. p. 129.) folgendermaassen: „Wir machten Flösse, und liessen Pferd’ und Habe zurück, und fuhren den Fluss hinab mit harter Gefahr, so dass wir uns in einem Golf sahen von süssem Wasser. Von dem Orte, wo wir uns zum erstenmale einschifften, fuhren wir“ dreihundert Legoas. — In diesem Flusse Marannon blieben wir bis zu seiner Mündung, da er in's Meer fällt, mehr als zehn und ein halbes Monat, wir machten gerade hundert Tagreisen, und gingen 1500 Legoas. Es ist ein grosser und furehtbarer Strom, hat in der Mündung achtzig Legoas Süss- wasser, hat grosse Ufltiefen und ächthundert Legoas Wüste ohne eine Art von Bevölkerung, wie Deine Majestät es sehen wird aus einer recht wahren Relation ven unserem Weg, die wir gemacht haben. Hat mehr denn 6000 Inseln. Gott weiss, wie wir kerauskamen aus diesem furchtbaren See.“ u. 5. w. Dieser Bericht weicht darin von Acunsa ab, dass er die Gegenden unbewohnt schildert, 970 während letzterer von einer unglaublichen Bevölkerung am Ufer spricht. — Diese Reise ist, beson- ders rücksichtlich der Unthaten des Tyrannen,, ausführlich beschrieben in einem Ms. der Bibliothek. des Depösito Hidrografico zu Madrid, wo es uns von D. Frxıer Bavza zur Einsicht mitgetheilt wor- den war: Libro I — III! del Marannon del Capitan Diego de Aquilar y de Cordova. 1573. 4. 162 S. 1635. Die beiden Laienbrüder Domissos pr Brırto und Axprrs DE Toırvo kommen, nach dem Tode des Juaw or Pazacıos, der von Quito aus eine Unternehmung zur Entdeckung des Stromes ge- macht hatte, mit sechs Soldaten nach Pard. Ueber diese Reise existirt eine Schrift in der Bibliothek des Depos, hidrog, de Madrid: Relacion del primero descubrimiento del Rio de las Amazonas, heche por la Religion de nuestro Padre S, Francisco, por medio de los Religiosos de la Provincia de $, Fran- eisco de Quito. 16 Seiten ohne Druckort. 1657— 1659. Cap. Mör Prvno Trixrıra führt eine portugiesische Flotille den Amazonas und den Napo aufwärts nach Perü, kommt nach Quito, und kehrt von da, in Begleitung von Crısrovaı p’Acunsa und Anonr oe Anrıroa nach Pard zurück. $. Nuevo descubrimiento del gran Rio de las Amazonas por el Padre Christoval de dcunna. Madrid 1641. 4. 47 Seiten. - Uebersetzt von Gomber- ville, Relation de la Riviere des Amazones. Par. 1682. 4. und später in 8., auch wiederholt abgedruckt in Woodes Rogers, Voyage autour du monde, irad, de Tanglois, Vol. 3, Amsterd. 1725., nebst einer Carte, — Manoel Rodriguez, Marannon y Amazonas, Historiade los descubri mientos, Entradas y Reduciones de Naciones, Madr, 1684. fol. —Berredo, Annaös do Maranhäo, Lisb, 1749. fol, $. 667 — 743. Nach der Vermuthung DE LA Coxpamıse’s rührt auch von dieser Reise ein Ms. ber, welches vom Grafen Pasay herausgegeben wurde: Le Comte de Pagan, Relktion de la Riviere des Amazones. Par. 1655- Es enthält’ die früheste Carte, die von dem Amazonenstrome bekannt gemacht worden ist, \ ‚(Durch diese Reisen waren die Portugiesen mit den Mündungen aller grossen Flüsse bekannt ge- worden, die sich in den Amazonas ergiessen. Genauere Kunde über den Verlauf derselben und über die Verbindung der so zahlreichen Canäle ward von nun an vorzüglich durch die Expeditionen ge- wonnen, welche Indianer bekriegten oder als Sclaven in die portugiesischen Niederlassungen herab- fübrten. Einer solchen Expedition gegen die Indianer am See Urubi, nicht weit von der Mündung des Madeira, im Jahre 1663 erwähnt Branepo, Annaös $. 111. 2. M. Einige Jahre später, wahr- scheinlich 1668, und 1669. ward der Rio Negro von Prvro na Costa Faveızra weitaufwärts beschiftt, welcher den Portugiesen als Descubridor des Rio Negro gilt. Dreissig Jahre später (1699.) machte” der Generalgouverneur Axtonıo pr ALRUQUERQUE Corıno eine Reise auf dem Amazonas (Berredo 4 a. O. $. 1576,) und liess das Forte an der Barra do Rio Negro aufwerfen. (Sampajo , Diario da Via’ gem $, 33.) 1689. 1691.. Samurı Farz, ein böhmischer Jesuit, welcher vierzig Jahre lang dem Missionsgeschäfte in Maynas obgelegen, und zahlreiche spanische Missionen am Marannon, östlich von Maynes, bis zur Mündung des Japırd angelegt hatte, reisste jenen Strom hinab. In Pard wurde er ein Jahr lang von dem Gouverneur zurückgehalten, endlich aber, auf königlichen Befehl, ihm die Rück- w ° nach Quito erlaubt. Dort wurde die von ihm entworfene Carte des Stromes 1707. gestochen. Dieses ” re, Document findet sich, zugleich mit einem Auszuge aus seinen Nachrichten, in den A wo et curieuses. Par. 1717. S. 2ı2. Vergl. ferner Andre de Barros, Vida do Padre An- tonio Vieira, Lisb, 1746. 4. 8.36. Dela Condamine, Journal du Vo yage etc, Sigi. Ueber Farırz, Rır- Ta& und andere Jesuiten, welche dem Bekehrungsgeschäfte am Amazonas oblagen, siehe: SUOREEEERE W eltbote, Th, U. 8. 66. V. S, 59. AXIX. S. 61. (Die Jesuiten von Quito hatten vier Mis- Sionen unter den Cambebas am oberen Solimoes. Zur Vertreibung aus denselben ward im Jahre og 1708 — 1710, eine portugiesische Expedition von Para abgeordnet. S. Berredo Aan. $. 1454 — 1461. Im letzteren Jahre wurden, auch die Jesuiten von Pard veranlasst, eine Mission am Javary anzulegen, Hier begrenzten die Portügiesen factisch ihr Gebiet gegen Westen, und man kann daher annehmen, dass das Jahr 1710 der Zeitpunct sey, in welchem sie eine allgemeine geographische Ansicht von dem Laufe des Amazonenstromes in ihrem Lande gewonnen hatten.) 1745. am 4. Juli schiffte sich pr ıa Cospamıse in Jaen de Bracamoros ein, und erreichte am 19. Sept. die Stadt Par«. Von allen Reisen, welche auf dem Amazonas ausgeführt wurden, die kür- este, hat sie. der Wissenschaft die meisten Resultate geliefert, S. Journal du Voyage fait par Ordre du Roi a P’Equateur, par De la Condamine. Par, 1751. 4, S. 197 fl. Relation abregee d’un voyage fait dans P’Interieur de P’Amerique meridionale etc., par De La Condamine, Mit einer Carte des Ama- zonas. In den IHem. de ’ Acad. de Paris 1745. 4. und besonders Maestr. 1778, 8.; deutsch Erfurt 1763. 8. 1749, Govım pres Oponxass, ebenfalls ein Mitglied der Expedition zur Gradmessung unter dem Aequator, reisst von Quito aus dem Amazonenstrom hinab nach Pard und Cayenne. S. hierüber, und über die unglücklichen Schicksale seiner Gemahlin, welche zwanzig Jahre später ihm nachfolgte: Lettre de Mr. Godin.des Odonais a Mr, de la Condamine, in Cond. Relation etc. Maesir. p. 320. 1740. Eine militärische Expedition geht von Pard, den Amazonas und Madeira aufwärts, nach dem Dorfe $, Francisco Xavier do Matto Grosso, Diese Reise war von einem der Theilnehmer, welchem die wissenschaftlichen Beobachtungen oblagen , beschrieben worden. Erst neuerlich ist sie dem Jite- rärischen Publicum mitgetheilt worden: Navegaräo feita da Cidade do Gram Pard ate ü Bocca do Rio da Madeira, pela escolta Que por esie Rio subio ds Minas do Matto Grosso, por Ordem muy re- commendada de $. M. F. no Anno de 1749, escripta por Joze& Gonsalves da Fonseca, no mesmo Anno, Abgedruckt in Collecgdo de Noticias para a Historia e Geografia das Nago&s ultramarinas, que vivern nos Dominios portuguezes, publicada pela Academia Real das Sciencias de Lisboa. Tom. IV. num. ı. 1826. 4. Der eigentlich wissenschaftlichef Bemerkungen findet man hier wenige. Interessant ist vor Allem die Angabe der Compassstriche, unter denen man fuhr. 1755 — 55. In diesen Jahren machte der Gouverneur des Estado, Munvoncy Funtando, welcher zugleich mit der Grenzbestimmung beauftragt war, jene in der Geschichte des Jesuitenordens so merk- würdige Untersuchungsreise auf dem Amazonas, deren Acten zur Beschuldigung desselben in Lissa- bon benützt wurden. — Gleichzeitig befand sich am Amazonas und in ‚der Pilla de Borba am Ma- deira ein deutscher Jesuit, Anskım Eckart, der manche Nachrichten über jene Gegenden, als Zusätze zu Pedro Cuprwa’s Beschreibung der Länder von Brasilien (in Lessings Beiträgen, Band 6.) mittheilte, (in v. Murr, Reisen einiger Missionarien der Gesellschaft Jesu in America. Nürnb, 1785. 8. 8. 451—614.) Eckanr nennt. zwei andere Jesuiten, welche sich mit der Geographie des Amazonas beschäftigten : Jon, Nrr. Szıuma und Ier. Szrstmartonyı. Ihre Carten sind mir eben so wenig bekannt geworden, als die des Pater Jon. Mancın von Borja, deren in Thompson’s Alcedo IL. S. 455. Erwähnung ge- schieht. — Bis zum Jahre 1768 gehen auch die Nachrichten des Missionärs Vrisı, der den oberen Marannon und mehrere seiner Confluenten ‚ z. B. den Pastaza, bereisst bat. S. Nachrichten über die Landschaft Maynas bis zum Jahre 1768 von Fr. Xav. Veigl, vormaligem Missionär der Gesellschaft- Jesu in dieser Provinz, in v. Murrs oben angeführtem Werke. (Denselben ist eine sehr unvollkommene Carte des Marannon, so -weit er durch das spanische Gebiet läuft, durch Prrer Parcar 1780., bei- gegeben.) Aehnlich ist die Carte des Fr. Anucn von Arequipa 1760. MS. 1774—75. Der Ouvidor von Rio Negro Franeısso Xavırr Rırzıno de Sımraro machte im diesen Jahren eine Visitationsreise durch seine Provinz. Seine Beschreibung derselben ward erst spät dureb - 972 \ ; die Akademie von Lissabon herausgegeben: Diario da Piagem, que em Visita e Correigdo das Povoa- go@s da Capitania do Rio Negro fez o Ouvidor e Intendente Geral da mesma, no Anne de 1774 e 1775 etc. Lisb. 1825. 4. Manche geographische und ethnographische Bemerkung macht diese Nach. richten schätzbar, 1784. 87.88. In diesen Jahren machte der Bischof von Para, D, Carraxo Brasväo, vier Yi- sitationsreisen durch einen grossen Theil seiner Diöcese, welche nicht blos die beiden Provinzen von Pard und Rio Negro in ihrer ganzen Ausdehnung, sondern auch noch das Generalvicariat von S. Felix in Goyaz, gegenwärtig einen Theil der Prelasia von Goyaz, begriff. Das von ihm auf die- sen Reisen geschriebene Tagebuch ist abgedruckt im Jornal de Coimdra, 1815. Auf der ersten Reise besuchte Braspäo einige Orte des Continentes im S. von Marajö, einen Theil dieser Insel, Macapa und die Ortschaften am nördlichen Ufer des Amazonenstr. bis Monte Alegre, dann die Pillas do Porto de Möz, Gurupd und Cametd; auf der zweiten die Orte am rechten Ufer des Para bis Cintra, und die wichtigsten Puncte der Insel Marajö, auch Cametd. Die dritte Reise berührte die Orte am Guami, an der Meeresküste, im Osten von Pard und am Rio Capim. Die letzte Expedition ging den Ama- zonas und Solimods hinauf bis Alvaraes, und im Rio Negro bis Lamalonga. Das Tagebuch des wür- digen Prälaten giebt, obgleich vorzüglich mit Bemerkungen über seine Berufsgeschäfte angefüllt, auch mehrere interessante Thatsachen in Beziehung auf die Statistik dieser Gegenden, — Wahrschein- lich ist, wenigstens zum Theil, auch als Resulsat dieser geistlichen Visitationsreisen ein anonymes Mannuscript zu betrachten, welches in das Jornal de Coimbra vom Jahre 1820 aufgenommen worden ist, und den Capitularen und (in Baranpäo’s Abwesenheit) Previsor do Bispado Joze Montrımo Dr Norosua zum Verfasser hat: Roteiro da VPiagem da Cidade do Pard ale as ultimas Colonias das Do- minios portuguezes em os Rios Amazonas e Negro, Unstreitig ist dieses Werkehen .das Gehaltreichste, was in portugiesischer Sprache über die Ethnographie und Geographie dieser Länder geschrieben worden , dem ich manche, im Verlaufe unseres Reiseberichtes gegebene, Nachricht verdanke. 1781— 1791. Obgleich die Demarcation zwischen Brasilien und den angrenzenden spanischen Gebieten in diesen Breiten, schon im Jahre 1755 portugiesischer Seits durch den Gouverneur von Parä Mersvonga Furrano und spanischer Seits durch D. Jos. Yruanıaca mit einem gros- sen Gefolge von Militärpersonen und Astronomen so weit geführt worden war, dass es dar- über im Tractat von S$. Ildefonso im Jahre t776 zu einem allgemeinen "Beschlusse kommen konnte, so ward doch eine genauere Bestimmung, durch sichere astronomische Beobachtungen und eine richtigere Kenntniss der betreffenden Flussgebiete, noch für nöthig gehalten, Unter dem Gouvernement von Manrınwo or Sovsa kam daher eine grosse Expedition aus Portugal an, um, in Verbindung mit den spanischen Commissären, an deren Spitze der damalige Gouverneur von Maynas, D. Francisco Rroursa stand, definitive Bestimmung der Grenzen zwischen den Provinzen von Rio Negro, Matto Grosso und dem spanischen Gebiete herzustellen. Sie wurde von dem, mit grosser Machtvollkom- menheit ausgerüsteten Plenipotenciario da Demarcacäo Joä6 Praxına Canvas geleitet, unter welchem die Grenzcommissäre, Cueumwon, Oberstlieutn. Joäo Bart. Manorı, der im Verlaufe der Unternehmung starb, und der Major J. Wırurss, standen.- Die astronomischen Arbeiten führten: Dr, Asrosıo Pr urs Da Sırva Posıes Lemr und Dr. Frascısco Joze pr Lacrens, denen als Ingenieurs beigegeben waren: die Majors Rıcanno Franco Dr Armerına Srana, Eusevıo Anroxıo pr RıpEınos, und ferner — Joze Fenarıra. Diese zablreiche Gesellschaft verliess unter Anführung des Generalbevoll- BETRE Pard im Jahre 1731, arbeitete einige Jahre lang in den Rios Negro, Branco, Solimoes und Japurd, und ging den Madeirastrom hinauf in die Provinz Matto Grosso und Cujabä. Dr. ArkxanpeE Ropricvez FERREIRA begleitete, nebst zwei Malern ‚ diese Expedition als Naturforscher, und sammelte “ - 973 mehrere noologische und ethnographische Merkwürdigkeiten, die sich jetzt im Naturalie ncabinete zu Lissabon befinden. — Im Rio Negro und Branco wurden die Arbeiten bis zum Jahre 1791 durch Dr. joz$ Sımods or Carvarno und den Ingenieur Joze Vıicerorıo va Costa fortgesetzt. Dem Letztern, welchen wir in Parä kennen zu lernen das Vergnügen hatten, nachdem er die viele Jahre rühmlich geführte Verwaltung der Provinz Rio Negro niedergelegt hatte, verdanken wir die Mittheilung von Carten des Rio Negro und Solimods, die in der Generalcarte von Südamerica für diese Gebiete zum Grund gelegt worden sind. — Es ist sehr zu beklagen, dass keine Berichte von den Arbeiten dieser königl. Expedition bekannt gemacht worden sind, welche, unterstützt von einer grossen Menge von Soldaten und Indianern, mehr als jede andere im Stande gewesen wäre, die Geographie und Naturge- schichte jener Länder aufzuhellen. Noch jetzt lebt die Erinnerung an diese Expedition unter den Einwohnern der Provinz von Rio Negro. Der Aufenthalt einer so grossen Anzahl gebildeter Fremdlinge, welche zum Theil, wie D. Fr. Rroursa, mit ihren Familien mehrere Jahre in Ega zubrachten, wirkte günstig auf die Belebung des Handels und der Industrie in diesem einsamen Landstriche; aber den Indianern ward die Verzögerung dieser Geschäfte zur Geissel, indem sie, um den Expeditionen zu dienen, in sehr grosser Anzahl aufgeboten und auf unbestimmte Zeit ihren Familien und dem, Feld- baue entzogen wurden. Durch die Grenzeommission bestimmte astronomische Puncte am Amazonas » nnd Solimo6s. südl. Breite |w.L.v.Par südl. Breite w.L. v.Par.| Cidade de Para 10 27° 2 1500 59° Villa de Obydos 19 55'- 00 Villa de Macapa (nördl. “ „ de Portel 2:0 B)1--: 8:0 :183::22 Mündung des Rio da Ma- e Massagäo 0 22. 0 153. 45 eira 5 23 45 1619 ® ündung des Tocantins Villa da Barra do Rio (Furo de Limoeiro) t 32 #1 N u: Villa de Cameta 22.55 „ de Eg 3:90 67 15 15H Mündung des Rio das Lugar de Nogueira 3 18350 |67 ı9 45 reas 1.-9.39 „ de Coa 49 Villa de Gurupä en IGrenzmarkstein an der » do Porto de Möz 1 41 45 Mündung des Auati-pa- »„ do Alter do Chäo 2,29 0 rana (Mehlfluss 2 31 41 30 „ de & em 2 24 50 !56 45 |JMündung des Rio Javary]| 4+ 17 50 |zı 55 50 Barra da Paricatuba 2 6 5% ——————— 1791 — 1794. In diesen Jahren machte P, Nareısso Gırvar mehrere Reisen auf dem VÜcayale Die Resultate derselben sind zum Theile auf einer Carte des Marannon bemerkt, welche wir der Güte von D. Frıspr Bavuza verdanken. S, Rees Cyclopedia, Artikel Marannon und Ucayale. 1799—1804. Die Reise des Herrn Baron v. Huuporpr, so reich an den grossartigsten Früchten für die Wissenschaft, berührt auch den Marannon, dessen Höhe über dem Meere bei dem Pongo de Rentama er gemessen, und = 194 Toisen gefunden hat, II. Theil. 124 974 Drittes Kapitel. Reise von Para durch den Archipel in den Amazo- nenstrom, und auf diesem bis zur Enge von Obydos. Am 21. August verliessen wir mit Tagesanbruch unsern schönen Land- sitz, und Vormittags g Uhr schifften wir uns ein. Der Intendant des Arsenals, Senhor Ant. Roprıcurz Marrıns, der uns in den Vorberei- tungen zur Reise mit literärischer Theilnahme beigestanden war, und alle unsere europäischen Freunde begleiteten uns bis auf das Schifl. Die zehnte Stunde war für die Abfahrt gewählt worden, um sowohl den Seewind als die Fluth zu benutzen. Nach einer Stunde hatten wir, an der Mündung des Guamäd vorübersegelnd, den südlichen Grund der Bahia de Goajara erreicht, und liefen in den Rio Mojü ein, der sich mit einer über 700 Blafter breiten Mündung in ein Meer von süssem Wasser ergiesst. Die Ufer dieses majestätisch dahinwallenden Flusses, überall mit dichtem Waldgrün bekleidet, sind eine deutsche Meile wet, ns zur Mündung des Acara, in grosse Buchten ausgedehnt, dann aber schen sie sich auf fünfzig und sechzig Klafter Breite zusammen. ‚Eine sieben Stunden lange Reise brachte uns zu dem Engenho de Jacue- rary, dem schönen Besitzthume unseres Wirthes, Senhor AmproS! N Ss Sn en ertheilt hatte, uns hier einige Tage lang - a ganz Parä hat diese Fazenda, welche die 'n 23% . 075 Umgegend gepflanzten Zuckerrohre auf Zucker, und besonders auf Branntwein benutzt, den Ruf grösster Zweckmässigkeit und Eleganz, und allerdings hatten wir kein Engenho gesehen, das sich diesem hätte vergleichen lassen, Das sehr geräumige, hohe Werkhaus enthält eine ausgedehnte Zuckermühle nebst Zubehör, eine Reisstampfe und die, nach englischen Mustern gebauten, Destillirapparate. Ein beträchtlicher Bach, der zugleich das Trinkwasser für die Einwohner liefert , setzt die Maschinen in Bewegung. Der Branntwein (Rum), dessen jährliche Pro- duction sich auf fünfzehnhundert Pipas beläuft, wird in dem untern Stocke eines grossen Hauses, in ungeheuren "hohlen Stämmen vom An- gelimbaume aufbewahrt. Die Wohnung des Verwalters stösst einer- seits mit dem Werkhause zusammen, und verbindet es mit dem äus- serst geschmackvollen Wohnhause des Besitzers, welches von seiner schattenreichen Varanda einen heiteren Anblick des stillwallenden Stro- mes und seiner bebauten Ufer darbietet. Hinter dem Werkhause liegen zwei Reihen kleiner Wohnungen für die Sclaven, deren Reinlichkeit und körperliches Wohlbefinden das beste Zeugniss von der menschen- freundlichen Behandlung giebt, die sie hier erfahren. Jacuarary war ehemals ein Landgut und Belustigungsort: (Casa de recreio) der Jesui- ten gewesen. Sie hatten hier eine Cacaopflanzung angelegt, die jedoch, weil der Boden, ein weisslicher Letten, nicht kräftig genug für diesen Baum ist, nicht gut gediehen, und desshalb wieder eingegangen war. Noch sah’ ich einen einzelnen Zimmtbaum, der von einem der Väter vor siebzig Jahren war gepflanzt worden und, jetzt ganz vernachlässigt, sich dennoch erhalten hatte. Die nächste Umgebung des Engenho ist in eine Wiese verwandelt worden, durch welche einzelne Stämme der maje- stätischen Tnajapalme (Maximiliana regia, M. Palm. t. gı.) zerstreut stehen. Eine kleine Viertelstunde stromabwärts hat der baufreudige Besitzer eine kleine Capelle errichtet, und dadurch die von seinem Fleisse der Natur abgewonnene Wildniss veredel. Wer niemals beobachtet hat, wie schwer die düstern Urwälder auf dem Gemüthe ihrer Bewoh- ner lasten, kann auch das Gefühl der heiteren Ruhe nicht erfahren, womit solche freie Ansichten den Colonisten belohnen. Die Ufer des 124 * 076 Moju sind für jede Art der tropischen Landwirthschaft geeignet; man baut neben dem Zuckerrohr auch Cafle, Mandiocca, Mais und Reis. Als einen grossen Vortheil rühmte uns den Verwalter, dass er sich dazu lediglich der zahlreichen Negersclaven seiner Fazenda bedienen könne, indem die benachbarten Indianer, fast ausschliesslich mit dem Fischfange und mit ihren eigenen kleinen. Pflanzungen beschäftigt, und von einer unüberwindlichen Abneigung gegen den Dienst der Weissen beherrscht, sich nicht mit Zuversicht gebrauchen liessen.. Diese India- ner wohnen, in ziemlich bedeutender Anzahl, auf dem niedrigen Ei- lande, welches durch den "Ausfluss des Tocantins, den Moju und den Igarape-mirim gebildet wird, in zwei sogenannten Zillas: do Conde und- Begjpa. Die Ortschaften verdanken. ihre Entstehung den Jesuiten, durch welche Indianer von den einheimischen Stämmen der 7: upinam- bazes, Nhengahybazes, Mamay-amazes, und später Familien der 70o- chiguarazes, die vom Tocantins herabgekommen waren, hier versam- melt wurden. Anfänglich hiessen sie Murtigura und Sumauma’‘) Alle die- se Stämme haben sich vermischt, und ihre Eigenthümlichkeiten, die vorzüg- lich in ihren verschiedenen Dialecten beruhten, aufgegeben. Sie sprechen *) Die Jesuiten hatten ihre Missionen mit den bescheidenen Namen der Aldeas oder Missoes belegt; aber nach ihrer Vertreibung wurden die meisten jener Ortschaften zu Flecken (Villas) erhoben , obgleich ein grosser Theil der Einwohner sich verlor. Auch die alten , grösstentheils indianischen ‚ Namen wurden mit anderen vertauscht, so dass es jetzt in manchen Fällen um so schwieriger seyn dürfte, eine Spur der ersten Gründer zu finden, als die portugiesischen Schriftsteller fast gefliessentlich jede Erinnerung an dieselben vermeiden. Die Ordensprovinz Brasilien war so ausgedehnt, dass Maranhäo und Parä als eine Viceprovinz von dem südlicher gelegenen Theile abgetrennt worden war. In Pard und Rio Negro waren folgende die Haupt- niederlassungen: Collegium zu Belem; die Missionen am untern Parästrome und an der Mee- resküste (Missods do Mar, d’Agoa salgada): Maracand (später Cintra), Caete (Braganza), Sa- linas (hier besassen die Jesuiten einen Anthejl an den königlichen Salzlagunen , so wie in ; Pedro d’Alcantara der Prov. Maranhäo), Vigia (wo auch eine lateinische Schule bestand), Mur- kgura (P. do Conde), Sumauma (Beja). Die übrigen Missionen hiessen Misso@s do Rio oder d’Agoa doce, als: Araticum (Oeiras), obern Pard oder Guanapü; Marajo ee : in waren); zwei Missionen am Tocantins, " Cruza (Peiros), Piraguiri (bei Pombal), Aricara (Souzel); 977 alle portugiesisch, und haben, gleich den RKüstenindianern von Maran- häo und Bahia, einen geringen Grad von Civilisation angenommen. Es verdient bemerkt zu werden, dass die Küstenindianer, welche unter den Europäern zurückgeblieben sind, ursprünglich in ihren kleinen Käh- nen (/garas, Ubäs) Schifffahrt und Fischerei getrieben haben, während die Jägerhorden im Innern des Continentes in ihrem rohen Zustande . verharrt sind, und sich immer weiter zurückziehen. Seit längerer Zeit ha- ben Letztere auch keine Einfälle mehr in die Colonien dieser Gegenden. gemacht. In den Buchten des Moju giebt es elektrische Aale, und man erzählte uns, dass erst vor wenigen Jahren ein Mulatte beim Baden durch den Schlag dieses merkwürdigen Fisches getödtet worden sey. Wir gaben uns daher viele Mühe, einen derselben in dem grossen ‘Netze zu fangen, welches wir zu solchen Zwecken in der Villa de Vigia aus sehr starken Palmenfasern hatten machen lassen; jedoch ver- geblich. Die einzige Ausbeute war eine Schildkröte, die Matamata der Indianer (Chelys fimbriata, Spix Test. t. ı1.). Die Phantasie eines HöLLEengREuUGHELS kann kein hässlicheres Thier erschaffen, als diese, am Halse und Kopfe mit Fleischlappen versehene, dunkelbraune Schildkröte, welche in den Flüssen und stehenden Gewässern des Estado nicht sel- ten vorkömmt, aber, wegen ihrer gräulichen Gestalt, nur von den we- niger ecklen Indianern gegessen wird. Der Rio Moju theilt alle Perioden und Bewegungen der Fluth, der Ebbe und des Hochwassers mit dem Parästrome, und zwar treten diese Erscheinungen hier ohngefähr achtzig Minuten später ein, als in der Stadt. Der Fluss fluthet sechs Stunden lang, und ebbet fünf. Im Neu - und Vollmond des Augusts tritt das Hochwasser Morgens 7 Uhr 45 Minu- ten bis 8 Uhr ein. Die_ höchsten Wasserstände, von zehn bis zwölf sechs am Topajoz: Santarem, Ibirajuba (Alter do Chäo), $, Ignacio (Boim), Camarü (V. Franca), S. Joz6 (Pinhel), Aveiro; am nördlichen Ufer des Amazonas waren besonders zahlreich ‚die Missionen von Villa vistoza da Madre de Deos und von Monte Alegre; Tupinamba (V. N, da Rainha) am obern Amazonas; $. Cruz am Abacaxis; Trocano (Borba) am Madeira; Taba- tinga nnd Javary am Solimo£s. 078 Fuss, fallen in den Monat März. Die ähnlichen Vorgänge an den Mündungen des Tocantins haben keinen Einfluss auf die Wasserbewe- gungen im /Moji, woraus wir folgern können, dass kein Wasser von dem ersteren dieser Ströme durch den /garape-mirim in den letztern fliesse. (1.) Am 26. August, gegen 10 Uhr Nachts, verliessen wir das freund- liche Jacuarary (Hundefluss), und fuhren unter der Begünstigung der Fluth den Moji aufwärts. Der Fluss strömt im Allgemeinen von Süd- west nach Nordost. Am Morgen des folgenden Tages fanden wir uns bei Jacary (Krocodillfluss), einer Fazenda mit einem klemen Engenho um Zucker zu sieden und Branntwein zu brennen. Auch etwas Cacao wird hier gebaut; und wir sahen die Schaalen der Beeren trocknen und in’ Asche verwandeln, um aus der Pottasche mit Pindstalg oder Andirobaöl Seife zu bereiten. Die niedrige feuchte Gegend ist mit ei- nem so dichten Walde bedeckt, dass wir unsere Excursion nicht weit ausdehnen konnten. Der Eigenthümer hatte einen Tapir gezähmt, der wie ein Schwein im Hofe der Fazenda umherlief, und uns ohne Spuren von Furcht mit seinem beweglichen Rüssel beschnuferte. _Er war von der gemeineren, dunkelgrauen Farbe, ein Männchen. Man hatte wäh- vend der drei Jahre, die er sich hier befand, beobachtet, dass er immer mit Anfang der Regenzeit unbändig und wild geworden war, vielleicht wegen Regungen der Brunst. Einmal hatte er sich sogar in dieser Periode befreiet, war aber nach einigen Tagen ganz nahe an der Fa- zenda wieder gesehen worden, wo er sich geduldig fangen liess. Die Schweine, zu denen er sich gerne gesellte, schienen ihn zu fürchten. Auch von hier aus benützten wir zur Fortsetzung unserer Fahrt die Fluth. Wir gingen noch vor Eintritt derselben, Abends 8 Uhr, zu Schiffe, ruderten zwei Stunden lang mit ziemlicher Anstrengung , und dann durch sie erleichtert stromaufwärts. Am 28. August, vor Tages- FRE wurden wir durch ein lautes Krachen zerbrechender und her- N Baumäste geweckt. Wir befanden uns hier oberhalb der’ Spa Catimbao am Anfange jenes Canals , des /garape- mirim, wel- 979 cher den Mojü mit den Gewässern des Tocantins vereiniget. Dieser Eingang ist so schmal, dass unser Fahrzeug nur langsam zwischen den dichtbewaldeten Ufern vorwärtsdringen konnte, und wir die hereinra- genden Aeste, die dem Drucke nicht nachgaben, mit Aexten durchhauen mussten. Grosse, hochmastige Canoas passiren oft nur mit Gefahr die erste halbe Legoa, welche die Enge dauert, und vor der künstlichen Erweiterung des Canals, unter dem Gouvernement von D. Franc. DE Souza Courınno, ‘mussten sie bisweilen mehrere Tage zu einer Reise von wenigen Stunden verwenden. Das Gewässer ist am Eingange, etwa eine Viertelstunde lang, so seicht, dass man, besonders mit grösseren Fahrzeugen, immer nur mit dem Hochwasser durchkommt, und in trocknen Jahren während der Ebbe äusserst wenig Wasser findet; weiter westwärts aber wird der Canal plötzlich tiefer, und eine Menge Seitencanäle stehen mit ihm in allerlei Richtungen in Verbindung. Als die Sonne aufging, beleuchtete sie ein vorher noch nie gesehenes Schau- spiel. ‘Der Canal, im Allgemeinen die Richtung von W. N. W. ein- haltend, erweitert sich hie und da in tiefe Buchten, theilt sich zwischen kleinen niedrigen Inseln, oder zieht sich in die Breite eines mässigen Flusses zusammen. Ausser den ziemlich dunklen Gewässern findet das Auge nichts, als ein üppiges Grün, das bald in Lauben über das Fahr- zeug zusammengewölbt, bald in schwankenden Guirlanden zwischen hohen Uferbäumen aufgehängt, oder in undurchdringliche Heoken zu- sammengewuchert, keinen Fussbreit Landes unbedeckt lässt. Unver- gesslich wird mir der Eindruck dieser Wassergärten seyn, in denen die Vegetation das vollste Maass ihrer Grösse zur Schau stellt. Zwi- schen dem glänzenden Laube der Hippocrateen, der Avicennien, der Myristica sebifera erscheinen die grossen scharlachrothen Trauben der Schousboea, prachtvolle Ranken von goldgelben und rosenfarbnen Big- nonien, die grossen Blüthenrispen der violetten Erisma (E. floribundum, M. N. Gen. t. 82.), reiche Sträusse der Dalbergien, Andiren, des Ma- erolobium bifolium, gelbe Sterne der Sloanen und die Riesenblumen der Carolinea princeps, deren ausgebreitete Aeste kaum vermögen, die fünfeckige, kopfgrosse Frucht voll mandelartiger Saamen über die Fluth 080 zu erheben. Durch dichte Baumgruppen zwischen denen schlanke Pal- menstämme der Baxiuba, Bacaba, Jussära, Jubati und der Miriti (Iriar- tea exorhiza, Oenocarpus Bacaba, Euterpe oleracea, Sagus taedi- gera, M., Mauritia flexuosa, L.} aufsteigen, wird diese unvergleichli- che Landschaft ringsum geschlossen. Mit derselben Fluth in dem /ga- rape-mirim vorwärtssteuernd, bekamen wir längs dem Ufer mehrere einzelne Fazendas und die Freguezia de S. Anna do Tarauagü, einige wenige Häuser um eine kleine Pfarrkirche, zwischen dichten Gebüschen halbversteckt, zu Gesichte. Nachdem wir den schmalen und seichten Theil des Jgarape-mirim passirt hatten, an der Mündung des Juruty und von da an, bis wir zu der, einige Stunden nordwestlich von Catimbao, liegenden Fazenda de N. S. do Nazareth gelangten, be- merkten wir einen auffallend hohen Barometerstand — 338, bei 19,19 R. Thermometerstand in der Luft und 20° im Wasser. Diese Erschei- nung erhielt eine besondere Bedeutung, als wir am Abend unsere Reise nicht mehr mit der Fluth, sondern mit der Ebbe fortsetzten. Offenbar hatten wir also hier in einer Gegend, wo unter gewissen Mondständen sich auch die Pororoca zeigt, die Gewässer verlassen , welchen der Parastrom seinen Pulsschlag mittheilt, und befanden uns nun in dem Stromgebiete des eigentlichen Tocantins. Diese untere Strecke des /ga- rape-mirim aber steht unter der gemeinschaftlichen Herrschaft dieser beiden grossen Wassergebiete, und je nachdem das eine derselben lee- rer oder voller ist, begegnet der Reisende auf jenem Verbindungsca- nale früher oder später der Grenze des andern. Dürfen wir jenem, mehrere Stunden lang andauernden, Barometerstande trauen, so ist die ganze Gegend am Igarape-mirim, da wo der aus Nordosten her- kommende Canal Juruty sich mit ihm vereinigt, und nordwestlich von der Freguezia de S. Anna, ein Landstrich, der eben so tief oder noch Bes: als die Gegend von Para liegt, wesshalb ihn die Gewässer von ver- schiedenen Seiten her überfluthen können. Der Igarape-mirim erweitert sich hier immer mehr und indem er sich mit dem Rio Anapu ver- bindBes une sg 5. W. ihm entgegenkömmt, giebt er an diesen seinen Na- men auf, Wir verfolgten also nun den Weg im Anapıi abwärts, begün- 981 stigt von der Ebbe und vielleicht auch von dem Fall des letztern Flusses selbst, der durch eine niedrige Bergreihe vom Rio Tocantins getrennt seyn soll. Das Gewässer theilt sich jetzt in mehrere Arme, welche " zwischen niedrigen, dichtbewaldeten, während der Hochwasser über- flutheten Inseln ihre Verbindung mit dem Ausflusse des Zocantins su- chen. Diese verschiedenen Canäle werden wohl auch der Rio Abayte genannt, Andere aber heissen so das vielfach zerstückelte Delta am östlichen Ufer des Tocantins, und behalten den Namen Anapu für den südlichsten der Canäle bei, welchem wir nun folgten. In diesem Labyrinthe von Inseln, denen der Strom bald neue Umrisse, bald neue Canäle giebt, oder die wohl auch nach starken Hochwässern gänzlich verschwinden mögen, hat noch Nichts eine stehende Bezeichnung er- halten, und die Nachrichten der Anwohner über sie sind eben so schwankend, als unbestimmt die Regeln, nach denen die Schiffer ihren Lauf nehmen. Sie richten sich vorzüglich nur nach den Mares, indem sie, bei unausgesetzter Verfolgung der Reise, zwei Fluthen dazu brau- chen, um an den, neunzehn Legoas von Parä entfernten , Igarape - mi- rim zu kommen, und vor diesem das Hochwasser der dritten Fluth abwarten, mit welchem sie so weit hindurchgehen, um mit zwei Eb- ben das Ende der Schifffahrt auf dem Anapu zu erreichen, dessen Entfernung vom /garape- mirim auf zehn Legoas angegeben wird. Einige Stunden, in der Richtung nach W. und 5. W. zurückgelegt, brachten uns an die Mündung des Anapü in jenes grosse Wasserbe- cken, welches man als die Mündung des 7ocantins in den Archipel von Para betrachten muss. Die Gewässer wurden durch einen heftigen Wind zu hohen Wellen empört, und wir suchten daher eine gesicherte Bucht, um ohne Bewegung vor Anker liegen zu können; jedoch, zu schnell von einer dunklen, sternelosen Nacht überrascht, mussten wir uns begnügen, eine Stelle gefunden zu haben, wo wir in vier Rlafter Tiefe guten Ankergrund fanden. Die ganze Nacht hindurch ward das Fahrzeug auf eine beunruhigende Weise hin und hergeworfen, und wir erfuhren zum _erstenmale auf süssem Wasser die Qualen der Seekrankheit. II. Theil. 125 082 Der Morgen des 29. Augusts hatte noch nicht gedämmert, als wir. die Anker lichteten, um das entgegengesetzte Continent zu erreichen, dessen Ansicht uns durch die, drei Legoas lange, Insel Uararahy ent- zogen war. Dieses niedrige, gleich den benachbarten dichtbewaldete, Eiland liegt fast in der Mitte der Mündung des Tocantins, und: theilt sie in zwei ausgedehnte Buchten, deren östliche Bahia de Marapata, die westliche Bahia do Limoeiro genannt wird. Wir sahen ein Meer von süssem Wasser vor uns, das sich selbst durch seine etwas mehr in’s Gelbliche ziehende Farbe von den Gewässern unterschied, die wir bisher befahren hatten. Ehedem machte man die Ueberfahrt zu dem, fünf Legoas entfernten, Continente, indem man einen Canal (Furo) in der Insel Uararahy aufsuchte, und nach Durchschiffung desselben am westlichen Ufer der Insel hinabfuhr, um die Sandbänke zu vermeiden, welche ihrem Südtheile gegenüber nach W. sich ausdehnen. Seitdem sich aber jenes Furo geschlossen hat, pflegt man Uararahy und zwei andere kleinere westliche Eilande ‚ Saracd und Paulinga, von der Südseite zu umschiffen, um das Festland zu erreichen. Diese Ueber- fahrt ist für kleine oder tief beladene und schwer zu lenkende Canoas mit Gefahren verbunden, und man sucht sie in einer Ebbe zu bewerk- stelligen, indem man vor Eintritt des Hochwassers abstösst, um mit diesem über die Sandbänke jenseits der Insel wegzukommen. Ist aber das Wasser unruhig, oder der Pilot mit dem Fahrwasser nicht sehr ver- traut, so braucht man wohl mehrere Tage. Während der trocknen Monate ist weniger Vorsicht nöthig, als in der Regenzeit, wo es Stel gerathen ist, vor dem Hochwasser am Morgen abzustossen, weil Abends heftige Donnerwetter einfallen, die die Fahrzeuge auf die häufigen Sand- bänke treiben können. Der Mönd war vor 7 Uhr Abends durch den Meridian gegangen, und das Hochwasser trat gegen Mitternacht ein, Sr hätten daher früher, als es geschehen w er : Br, hear Ans Segenüberliegende Ufer zu kommen. Up a er 5 n_ er nicht mit gleicher Schnelligkeit segeln, un = - August Vormittags nur die Hälfte des Weges nach de Insel Vararahy. zurückgelegt, als der Wind, mit Rögenschauern; immer ar, aufbrechen müssen, 083 heftiger zu werden, und dieses Meer zu so hohen Wellen zu empören anfıng, dass unser Fahrzeug aus allen Fugen zu gehen drohte. Wir nahmen daher gerne den Vorschlag des Piloten an, am südlichen Ufer der //ha Pautinga anzulegen, und daselbst günstigere Witterung ab- zuwarten. Einem ganz neuen höchst frappanten Anblicke begegneten wir auf diesem kleinen, sich kaum einige Spannen hoch über das Ge- wässer erhebenden, Eilande. Unzählige Miritipalmen (Mauritia fle- xuosa, L.) deren graue, glatte Stämme, im Durchmesser von anderthalb bis zwei Fuss, eine gewaltige Krone ungeheuerer Fächerblätter hundert und mehr Fuss hoch in die Luft tragen, schienen die einzigen - Bewohner desselben, und sie waren so dicht gesäet, dass sie an man- chen Orten gleich Pallisaden einer Gigantenfestung aneinander standen. Wo sie der Strom umgerissen hatte, bildeten sie, wild. durch einander liegend, mehrere Rlafter hohe Bollwerke, die wir nur mit Mühe erklet- terten, um eine Aussicht auf die ganze Umgebung zu gewinnen. Diese Fürsten der Wälder, zu Tausenden über einander hingestürzt, und der Wuth der Gewässer oder dem Frasse der Fäulniss überlassen, gleichsam beklagt von den überlebenden, deren wallende Wipfel ohne Unterlass im Sturmwind rauschen, sind ein ungeheures Bild von der unerbittlichen Kraft der Elemente. „Welch schrecklicher Aufenthalt müsste diese ver- lassene, in der Fülle der Naturkraft öde, Insel dem einsamen europäi- schen Schiflbrüchigen seyn‘ sagte ich zu mir selbst, der Schicksale Robinson Cruso&s, wie sie sich der jugendlichen Phantasie eingedrückt hatten, gedenkend. Und dennoch ist der Baum, welcher sich aus- schliesslich zum Herrn dieser Insel gemacht hat, für viele Stämme der Ureinwohner America’s ein Baum des Lebens; an ihm hängt der am- phibische Guarauno während der Regenzeit, bei allgemeiner Ueber- schwemmung, sein Netz auf, von ihm erhält er Obdach, Nahrung, Kleidung; — so verschieden sind die Bedürfnisse der Menschen. (2.) Unsere, am Abend fortgesetzte Fahrt war nicht glücklich, denn wir konnten, wegen widrigen Windes, die Bai von Limoeiro nicht errei- chen. Gross war die Gefahr, auf Sandbänke zu gerathen, oder, wenn . wir in tiefem Grunde geankert hätten, durch die gewaltigen Wogen 125 * 954 . losgerissen zu werden und an den Küsten zu scheitern. Unter diesen Umständen suchten wir in einem Canale im Süden vom Limoeiro Schutz, wo wir eine ziemlich ruhige Nacht hinbringen konnten. Die- ser Canal steht zwar durch mehrere Nebenwege innerhalb des Fest- landes mit der Bahia do Limoeiro in Verbindung; da jedoch diese für eine Canoa von der Grösse der unsrigen nicht fahrbar sind, so waren wir gezwungen, am 3ı. August abermals das hohe Wasser zu suchen. Wir fuhren mit der Mare am Morgen aus, hatten aber so widrigen Wind, dass es ganz unmöglich war, unser Ziel zu erreichen, und wir nochmals an denselben Ort zurückkehren mussten. Nur am Abend, da sich der Wind gelegt hatte, glückte es, in die Bahia do Limoeiro zu gelangen, an deren Ufer wir in dem Engenho do Padre Prestana Unterkunft fanden. Diese Ueberfahrt über die Mündung des Tocantıns wird nur von denjenigen Schiffen unternommen, welche die Reise nach dem Amazonas beabsichtigen, Wer den ersteren Strom befahren, oder die Yılla Vicoza de Cameta (Camuta) besuchen will, *) schifft entweder in dem engen , während der trocknen Jahreszeit oft zu seichten,, Canal Pindo- vol, oder in breiteren Fahrwassern zwischen zahlreichen Inseln längs dem östlichen Ufer sieben Legoas gen $., und setzt dann auf die an* dere Seite über. Die Ueberfahrt von einem Ufer zum andern wird in drei Stunden gemacht, da der Strom in seiner ganzen Breite mit vie- len niedrigen Inseln durchsäet ist. Gerne hätten wir die höheren Ufer des Tocantins oder doch wenigstens jenen Flecken, die wichtigste Ort- schaft am ganzen Strome, besucht; allein die zeitgemässe Benützung des ,—mm—n Sandbänke und Unele: Eh ‚Ostwind begünstigt, ist aber wegen heftiger Strömungen, se RER am J eic 1 E Ä = . . 5 . 4 ‘ T* zeuge sürhlich we : ‚heiten des Fahrwassers nur in einem starken und sichergeführten Fa a cere Schiffe, die eben machen können, segeln falls die Fahrt durch den Igarape -mirim nicht leicht Filla_ do Conde, Bejü en er von Marajö in die Canäle zwischen den Inseln, worauf un Abayte liegen, und von hier aus in die Bai von Marapata. u 085 Ostwindes machte es zur Pflicht, von jedem Abwege abzustehen: und ich bin desshalb leider nicht im Stande, den von den Einwohnern ge- gebenen Nachrichten über den 7ocantins, welche ich in der Anmer- kung (3.) mittheile, eigene Bemerkungen hinzuzufügen. Als wir am frühen Morgen des ı. Septembers die Bucht von Zimo- eiro verliessen und am westlichen Ufer des Tocantins hinabfuhren , kam uns die Ebbe zu Statten, und bald hatten wir uns von neuem in ein Labyrinth von Canälen vertieft, welche sich, hauptsächlich in der Pichtung von N. W., zwischen dem niedrigen Festlande hinziehen. Die Uter, dichtbewaldet, hatten die grösste Aehnlichkeit mit denen des Iga- rape-mirim, und waren von schönem Gefieder, besonders Guaräs und Wasserhühnern, bevölkert. Wir ruderten den ganzen Tag; nur gegen Mittag ward auf einer Insel gelandet, um das Mahl zu bereiten. Unsere Indianer, denen ein angestrengter Dienst nicht anstand, behaupteten, dass man in diesen Gegenden niemals gegen die Fluth zu rudern pfle- ge, doch liessen sie sich durch eine doppelte Ration Branntwein leicht zu forlgesetzter Arbeit ermuntern. Sie waren grossentheils aus den Yillas von Oeiras (ehemals Araticum), von Portel (sonst Aricury oder Guaricury), und Melgaco (sonst Arucard) gebürtig, und unzufrieden, dass wir nicht gesonnen schienen, alle diese Orte der Reihe nach zu besuchen. Man hatte uns aber diess schon in Parä ernstlich abgerathen, denn der Unbestand dieser Menschen besteht selten die Probe, wenn man ihnen Gelegenheit giebt, in bekannten Orten an’s Land zu gehen. Die Neigung für ihr Geburtsland, das Zureden der Verwandten, die es keineswegs. für pflichtwidrig halten, dem Weissen die Treue zu brechen, veranlasst dann gewöhnlich, dass die erste Gelegenheit zur Flucht be- nützt, und der Führer hülflos zurückgelassen wird. Unsere Indianer schienen zwar mit den weissen Hemden und rothen Mützen, die wir “ihnen gleichmässig zum- Geschenk gemacht hatten, wie mit der vollen Küche wohl zufrieden, und wollten, unter dem, ihnen eigenen, schmun- zelnden Lachen, die Absicht nicht zugestehen, deren wir sie bezüchtig- ten; dennoch schien es räthlicher, von unserem Reiseplane nicht mehr 080 abzustehen, und einige Stunden reichten hin, ihren Wunsch in Ver- gessenheit zu bringen. So heftig der Indianer im Begehren ist, so leicht weiss er sich auch, wenn es vergeblich war, zu trösten. Erst am Abend des folgenden Tages verliessen wir den äussersten jener Canäle, den Furo do Japim oder do Cruza, und befanden uns nun abermals in einem Meere süssen Wassers, welches nicht blos durch die Mündung des Tocantins, die kleinen Küstenflüsse der Insel Maraj6, und die beträchtlichen Flüsse westlich im Festlande, den Ja- cundaz, Pacajaz und Uanapuü, sondern ohne Zweifel auch durch Gewäs- ser des Amazonenstromes gebildet wird. Wir fanden das Wasser kla- rer (4.) als im Tocantins, aber nicht von der in's Grünliche spielenden Farbe wie im Mojü und Igarape - mirim, sondern etwas ockergelb. Mehr als diese Farbe musste uns der Umstand die Beimischung der Gewässer des Amazonas anzeigen, dass wir in engen Canälen eine ent- schiedene Strömung von N. W., und, mit Eintritt der Fluth, wäh- rend wir vor Anker lagen, eine noch viel stärkere Anschwellung aus jener Weltgegend her wahrnahmen. Dieser Theil des Süsswassermee- res von Parä, wie man es füglich nennen könnte, da es nicht sowohl die Mündung des Tocantins als die Vereinigung vieler und äusserst wasserreicher Ströme und Flüsse ist, wird von den Anwohnern mit dem Namen der Bahia oder des Rio dos Bocas bezeichnet, weil die Nation der Cambocas in der Jesuitenmission von Araticum oder Oeiras, am Ufer des Continentes, aldeirt worden war. Die Grenzen dieses Gewässers sind, nach dem Sprachgebrauche der Schiffer, im N., das heisst ‚an der Insel Marajö, die Mündung des Flusses Canatieü gegen O., und Sie des Flusses Parauahi gen W.; im $., das heisst am Fest- rapie ze des Jagarajo, welche jenen fast gegenüber ä hat Welche or 5 nennt ER das Bear die Bahia de P z | echten er. in a an ingang ın den 2 agıpuru betrachtet wird, Bi nen he BEN Ss n FEERR 5; desto weiter traten die unzähligen 07 rohen a u ne Senen wir uns befanden. Selten er er die Insel Marajö, vor welche sich Ei- 087 lande‘ von mancherlei Grösse und Form lagern, und erst am Abend des 2. Sept. erschien uns bisweilen die ganze Breite des Gewässers in einer Ausdehnung von vier bis fünf Legoas. Da pE La ConpamınE denselben ‚Weg geführt worden ist, als er von der Mündung des Amazonas nach Parä übersetzte, so wird es nur durch die Schnelligkeit seiner Reise erklärlich, dass er sich nicht von dem wahren Wesen der Wasserbe- wegung in diesem Gebiete überzeugte. Jener Riesenstrom bildet hier keinen engen Canal, sondern einen breiten Meerarm, und sendet seine Fluthen auf diesem Wege wirklich nach der Hauptstadt. Denn auf- wärts schiffend hat man beständig mit einer Strömung zu kämpfen, welche wenigstens drei Seemeilen in der Stunde rinnt, und selbst wäh- rend der Ebbe deutlich bemerkt wird. Hier bleibt übrigens noch die interessante Aufgabe, die Art der Verbindung in diesen Gewässern, die Perioden, in welchen sie bald den Puls des Amazonas bald den des Tocantins erfahren, die Erhöhung und Gestalt der Eilande u. s. f. ge- nau zu bestimmen, eine Aufgabe, die selbst mehrere Jahre der Beob- achtung und Messung erfordern würde. Einstweilen wage ich die bereits (8.980) geäusserte Vermuthung zu wiederholen, dass sowohl der grössere Theil der am südwestlichen Ende des Eilandes von /Marajö gelegenen Inseln, und derjenigen, die als Deltabildungen des Tocantins betrachtet werden können, als auch selbst benachbarte Strecken des Festlandes tiefer liegen als manche dem Ocean in O. nähere Gegenden. Ich werde bei der Schilde- rung der Insel nn andere Gründe für diese Ansicht EN „Mittag y war OR ‚ als feiner Regen und Nebel uns die Aussicht auf diesen seltsamen Archipel zu entziehen anfing, und zugleich unser Pilot sich über ein Uebelbefinden beklagte, das uns alsobald in gehei- men Schrecken versetzte. weil wir es für die Vorboten der Blatter- Krankheit erkannten. Wir hiessen ihn, sich unter das Verdeck niederle- gen, und übernahmen selbst die Führung des Steuerruders. Zwar be- sassen wir ausser Arrowsmırn's Generalearte von Südamerica- keinen Wegweiser auf diesem Archipelagus; doch schien es nicht schwierig, die Ufer der Insel Marajo aufzufinden. und dann längs denselben ge- Er 988 gen N. W. vorwärts zu steuern. Unglücklicherweise ward das Wetter immer trüber, wir verirrten uns einigemale zwischen den \Vindungen der stillen Gewässer, welche wir der Sicherheit wegen aufgesucht hat- ten, und schifften, bald mit kleinem Winde segelnd bald rudernd, den ganzen Tag hin, ohne einen bewohnten Ort zu finden, wo wir den Kranken sicherer Pflege hätten übergeben können. Dieser Umstand ver- setzte uns in die peinlichste Unruhe, denn wir brachten bei längerer Anwesenheit des Kranken auf dem kleinen Schiffe die ganze Mannschaft in Gefahr, und hätten die Indianer eine Ahnung von derselben gehabt, so wären sie wahrscheinlich an das Ufer geschwommen, und hätten uns unserm Schicksale überlassen. Nach Sonnenuntergang waren wir, wie sich am andern Tage auswiess, nur eine Legoa von dem kleinen Orte Dreves auf der Insel Maraj6 entfernt; allein da sich der Wind stärker und stärker erhob, und uns auf irgend eine der vielen Sand- bänke in dieser Gegend zu treiben drohte, so wagten wir, bei tiefer Dunkelheit einer sternlosen Nacht und vollkommener Unkenntniss der Oertlichkeit, nicht die Reise noch weiter fortzusetzen. Mit Mühe brach- | ten wir das Fahrzeug am Ufer der Insel in Sicherheit und erwarteten voll bänglicher Gefühle den Morgen. An Schlaf durften wir um so we- niger denken, als das Fahrzeug von den gewaltig bewegten Wellen ohne Unterlass hin und her und einigemale so heftig an einen vorher unbemerkten Baumstamm im Wasser geschleudert wurde, dass es aus den Fugen zu gehen drohte. Mit Mühe lichteten wir den Anker und liessen ihn weiter seewärts wieder fallen; doch vergeblich: da er in dem tiefen Schlamme nicht fassen konnte ‚ ward das Schiff wiederholt Er die Küste getrieben, und es blieb nichts anders übrig, als mit den Indianern abwechselnd in’s Wasser zu gehen, um durch die quer- x ig Ruder und Rae ein weiteres Aufschlagen- zu verhindern. Bios dieser Arbeitei begann es zu regnen, wild brausste der Wind 0, “ehbarten Waldung, und so vereinigte sich Alles, diese Nacht a s chr n Nissen n zu erfüllen Inzwischen nahmen die Symptome der “ a en e n Piloten zu; doch waren am nächsten Morgen die ee noch nicht ausgebrochen. Wir fuhren fort, die Indianer über 4 989 die Natur der Krankheit in Ungewissheit zu lassen, und sleuerten gen W.N. W. längs der Küste; da wir aber die Mar& versäumt hatten, brauchten wir sechs Stunden um den Weg zurückzulegen, der sonst in weniger als einer einzigen gemacht wird. Erst nach Mittag gelang- ten wir nach Zreves, wo wir glücklich genug waren, den Kranken der Sorgfalt des Richters, eines gutmüthigen Mulatten, zu übergeben, der in unserer Gegenwart eine Hütte für ihn zurichten liess, ihn seiner alten Negerin zur Pflege überantwortete, und uns einen neuen Piloten ver- schaflte. Der unglückliche Indianer hatte sich, von einer schwarzen Ahnung verfolgt, umsonst bemüht Para zu fliehen; sein .Verhängniss ereilte ihn hier. Als wir nach acht Monaten zurückkamen, fanden wir sein Grab; bereits blühte darauf die Cosmea, mit deren rosenrothen Blumen die Indianerinen sich die Haare und die Todtenhügel ihrer Gelieb- ten zu schmücken pflegen. | Breves ist die südrestlichste Ortschaft auf der Insel Maraj6. Raum möchte ich es ein Dorf nennen, denn von den dreissig bis vierzig Hüt- ten, die ohne Regel in dichtem Schatten von Cacao-, Jambos-, Abiu- und Orangenbäumen umherliegen, hatte nur die des Juiz, aus Flecht- werk und Lehm bestehende, Nebenwände, die andern waren nichts weiter als grosse Dächer aus Blättern der Ubussupalme, auf niedrigen Pfeilern ruhend, und etwa noch auf der Windseite durch ein tragbares Gitter oder Flechtwerk vor Regen gesichert. Jene Palme (Manicaria saccifera, Gaertn. Mart. Palm. t. 98. 99.) ist die einzige in Brasilien, welche unzertheilte Blätter, von zwanzig Fuss Länge und sechs Fuss Breite, hervorbringt. Das Gefüge derselben ist so fest, dass ein damit gedecktes Dach bei guter Aufsicht viele Jahre dauern kann; und viele ‚ Bewohner ziehen sie, wegen der Leichtigkeit und Kühle, den Ziegeln vor. Alles trug hier den Character idyllischer Armuth und Genügsam- keit. Ein Blick in diese offenen Wohnungen zeigte die üppigen Gestal- ten der Weiber und Mädchen fast. vollkommen nackt, aber in jener naiven Schamhaftigkeit des Naturzustandes, welche, der Prüderie unserer Civilisation gegenüber , doppelt sittlich erscheinet. Man würde diesen Ill. Theil. 126 990 einfachen Menschen sehr unrecht thun, schriebe man die Rücksichtslo- sigkeit, womit sie ihre Rleider fast überall, nur nicht in der Kirche, ablegen, einer Sittenverderbniss zu. Die Hitze des Klima, Seltenheit und Kostbarkeit der Bekleidung und die Gewohnheit machen sie jenes Bedürfnisses fast vergessen. Wir fanden mehrere Weiber beschäftiget, irdene Geschirre zu bereiten. Sie verfertigen Rrüge und Schüsseln, meistens ohne die Drehscheibe zu gebrauchen, aus freier Hand mit grosser Geschicklichkeit. Im Winkel der Hütte erblickten wir den ärm- lichen Heerd, mancherlei Fischergeräthe, Hangmatten, und Bogen und Pfeile, Waffen, deren sich nicht blos die Indianer, sondern auch die übrigen farbigen Einwohner bedienen. Ein cylindrisches, zwei Rlafter langes Rohrgeflechte (Tipiti), mit geriebener Mandioccawurzel angefüll und am Untertheile durch einen Stein beschwert, hängt an einem Quer- pfosten der Hütte. Auf diese einfache Weise wird der giftige Saft der frischen Wurzel ausgepresst, welchen eine unterstehende Schüssel auf- fängt. Dieser Saft, über dem Feuer eingedickt und mit kleinen getrock- neten Beissbeeren (Capsicum) vermengt, liefert dann das Tucupi, die gewöhnliche Würze aller Fleischspeisen, von welcher die Bewohner des Estado do Gram Parä eben so häufig Gebrauch machen, als. die Östindier von ihrer Soya. Für die Röstung der Mandioccawurzel ste- hen einige runde irdene Darröfen unter einem Schilfdache zwischen den Häusern zerstreut, wahrscheinlich Gemeingut der Ortschaft, wie bei Uns auf dem Lande die Backöfen. Was die Bewohner an Kleidern und Wäsche. nicht eben benutzen, hängt zum Trocknen ausgebreitet über die Ge sträuche um die Hütten her, oder ist in einem rohgearbeiten Kasten aufbewahrt, der auch alle übrigen Reichthümer des Hauses einschliesst. ‚Wenn der Normann im höchsten Norden Europa’s seine Hütte nicht verschliesst, weil er der Treue der Nachbarn mehr als Schloss und Riegel vertrauet, so lässt der Ansiedler indianischer Abstammung auf Marajo die seine oflen, weil er kein Besitzthum von Werth hat, und, selbst ohne Neugierde, auch bei dem Nachbarn keine Heimlichkeiten erw&f ’ Br Wis ein ist in dieser Beziehung der Character des Neger?* Sorgfältig verschliesst er seine Behausung; zugleich zit dem Gefühle heim" — 991 scher Behaglichkeit erkennt er den Werth eines Besitzthums , und wird da- durch zu Thätigkeit und Erwerb aufgemuntert. Bei solcher Gemüths- art der Bewohner von Breves würde man hier vergeblich ausgedehnte Pflanzungen oder andere Beweise von Industrie suchen, Zwar gedeiht Cafle hier ganz trefflich, aber wir fanden die ehemals durch die Jesuiten von Melgaco, dem Pfäsrorte von BDreves, angelegten Plantagen vollkommen verwildert; überhaupt schienen uns die Bewohner in entschiedener Sorglosigkeit von einem Tag auf den andern zu leben. Ein kleiner Fisch, den der Mann, einige Waldfrüchte oder Wurzeln, die die Frau nach Hause bringt, sind neben der trocknen, oder mit Wasser einge- rührten (Ticuara) Mandiocca und einigen Bananen, die man in einem vernachlässigten Hausgarten hegt, die gewöhnlichen Lebensmittel ; höch- stens sorgt man durch ein Paar, in einer Umzäunung am Wasser auf- bewahrte, Schildkröten für Tage des Mangels. Und doch, was für Genüsse würde diese Gegend, wie die ganze Insel von Ma»ajöo, Bewohnern darbieten, welche verständen eine fast überschwenglich reiche Natur zu benutzen! In einer so gesegneten Breite, fast gerade unter dem Erdgleicher gelegen, vermag Marajo fast alle Colonialproducte der heissesten Zone zu erzeugen; aber die unglaubliche Leichtigkeit, womit sich das hierher eingeführte Rindvieh und die Pferde, fast ohne Zuthun der Ansiedler, vermehrt haben, war Veranlassung, dass die Fruchtbarkeit des Landes vernachlässigt, und Viehzucht bisher der einzige Culturbetrieb dieser Insel geworden ist. Das ganze Eiland ist niedrig, und enthält keinen einzigen Berg, wie- wohl es durch die grossen Ströme, welche es bilden, nicht überschwemmt wird, indem sich seine Ufer über den Wasserstand an allen Seiten, besonders aber auf der Nordküste, erheben. Doch befruchtet es sich alljährlich während der Regenzeit selbst durch partielle aber ausgedehnte Ueberfluthungen aus zahlreichen Flüssen, Bächen und Secen. Die Ge- birgsformation des Eilandes ist jenes oft erwähnte eisenschüssige Sand- steinconglomerat. Mit ‚Ausnahme der Nordseite, wo die Küsten vieler- orten mit weissem Sand bedeckt sind, liegt überall auf diesem Gesteine eine 126 * 992° mehr oder minder tiefe Schicht guter vegetabilischer Erde. Sümpfe sind häufig, und besonders verrufen ist ein meilenbreiter sumpfiger Landstrich voll Tümpfel (/Mondongos) im nördlichen Theile der Insel, zwischen den Quellen des Flusses Anaja und dem grossen fischreichen See Arary, der mit dem Flusse gleiches Namens in Verbindung steht. Dicht mit Würzschilfen (Scitamineae),, Stachelpalmen und Röhricht bedeckt, ein Aufenthalt der Onzen und grosser Raimans, wird er von den Reisenden nur mit grosser Gefahr und Anstrengung durchsetzt. Die Vegetation ist auf eine merkwürdige ‚Weise über die Insel vertheilt: die nordöst- liche Hälfte, im Allgemeinen etwas höher und trockner, wird. von Wiesen (Campos agrestes) bedeckt; die südwestliche aber, an Wasser reichere, von Wäldern, welche während der Fegenmonate - weithin überfluthet, an Verworrenheit, Dichtheit und Unreinlichkeit den Wäl- dern im untern Stromgebiete des Amazonas ähnlich sind. Die Grenze zwischen diesen verschiedenen Vegetationsformen ist an der Nordküste der Insel östlich von den Mündungen des Rio Jurara-parana; läuft nun durch die Gegenden, in welchen die Flüsse Cururu, dos Mucuins und Anaja entspringen, bis in die Mitte des Eilandes „. wo mehrere grosse Teiche sich zu einem kleinen Systeme von Binnenseeen vereini- gen, und von da, nach $. O. über die Anfänge der Rios Atuha und Anabiu bis an die Bahia de Marajö nächst Porto Sal»o. Der. See von Arary nebst seinen zahlreichen Zuflüssen und die meisten Mon- dongos liegen in dem nordöstlichen Antheile. Hier sind Waldungen ‚selten, und nur inselartig zwischen Buschwerk oder Grasfluren grup- pirt, In dem anderen oflenbar niedrigerem Gebiete, welches weit. land- einwärts von Canälen durchzogen und mit Gabowaldung bedeckt ist; werden an mehreren Orten, wie z. B. längs dem Ufer des Rio Cana- ticu Bänke von Muscheln, .die die Indianer Cernamby nennen, gefun- IR eavam sich an den nördlichen und östlichen Küsten keine Spur zeigt. Man eng sie zum Ralkbrennen, da man ausserdem Kalkstein als un von Lissabon kommen lassen muss. MoxtEıRo (Roteiro NG 17.) erwähnt, dass solche fossile Muscheln, die wir leider nicht zu Gesicht beka- men, auch auf dem westlichen Festlande am 7. ocanlins, zwischen Camela 003 und dem Furo do Limoeiro, so wie längs den Flüssen /Maracanan und Marapany an der Küste des Oceans, vorkommen. Aus diesen Verhältnissen dürfte sich ableiten lassen, dass keineswegs die ganze Insel ein Anschwemmungsgebilde der Ströme sey, sondern dass viel- mehr nur der nordöstliche Theil durch diese von dem Festlande abgerissen, der südwestliche, niedrigere dagegen, ehemals vom Meere bedeckt, entwe-. der durch Erhebung, oder durch allmälige Anhäufung von Land mittelst der Ströme trocken gelegt worden sey. Der nordöstliche, mit Campos- Vegetation bedeckte, Theil gehört, seiner physicalischen Beschaffenheit nach, zu dem Gebiete von /Macapa, von wo aus sich unabsehliche Fluren bis gen Cabo Orange ausdehnen; der waldige Theil dagegen zu dem südlichen Festlande von Para. Vorzüglich in jenen Fluren ist es, wo eine ungemein grosse Menge von Rindvieh und Pferden gezo- gen wird. Die beiden, der Regierung gehörigen, Fazendas Arary und Chaves besitzen erstere vierzig, letztere dreissigtausend Stück Rindvieh, Arary überdiess zehntausend Pferde. Auch die Carmeliten von Parä und die Mercenarü, deren Rloster später mit dem desselben Ordens in Ma- ranhäo vereinigt wurde, besitzen mehrere dieser, ehemals den Jesuiten zugehörigen Höfe, und man kann aus dem Umstande auf den Reich- thum an Fündvieh daselbst schliessen , dass Bischof Branpäo sich dar- über zu beklagen hatte, dass jedem Mercenario (vom Orden de la Pie- ta, wie er in Rom genannt wird) täglich sechs, dem Obern aber zwölf Pfunde Rindfleisch gereicht wurden. Ein Ochs gilt dort 4000 bis 5000 Röis, ein Pferd 6 bis 10,000 Röis, eine Stute, die man bis jetzt zu gar keinem Dienste verwendet, nur ı bis 2,000 Räis. Die Provisionen an Rindfleisch für das Heer und für die Marine werden von den beiden Fazendas und eben so die eingesalzten Fische von einigen auf Kosten der Regierung unterhaltenen Fischereien. (Pesqueiros) geliefert. Dass auch die Hauptstadt von der Insel verproviantirt werde, habe ich be- reits erwähnt. Der Fischfang in den Seeen der Insel und an ihren Hü- sten ist sehr ergiebig, und ward früherhin durch eine Gesellschaft in Para betrieben. Die jährliche Einnahme der Regierung von den Päch- tern soll sich auf zwei bis dreimalhunderitausend Crusados belaufen. 994 Unglaublich gross ist der Reichthum an Wasservögeln, unter denen beson- - ders viele wohlschmeckende Arten von Enten (Mareccas) gefangen werden. Der eigenthümlichen Landesbeschaffenheit zu Folge ist hier Jedermann beritten, und nicht selten sieht man die Hirten, wenn sie sich der klei- nen leichten Montaria in den ausgetrockneten Sümpfen nicht mehr be- dienen können, diese am Schwanze ihres Pferdes befestigen, um weiter zu reisen. Die zahlreichen kleinen Bäche, welche von allen Seiten in die umgebenden Ströme fallen, setzen der Bereisung der Küsten grosse Schwierigkeiten entgegen, weil sie ausserordentlich tiefen Schlamm: mit sich führen. Man zieht daher vor, sich mit dem Pferde in den Strom zu werfen und jene ‚gefährlichen Orte schwimmend zu übersetzen. Die Fluthen des Para und des Amazonas umgeben Mearojoö von allen Seiten, so dass selbst grosse Kriegsschiffe in süssem Wasser vor Anker gehen _ können. Nur während der hohen Wasser im Frühlingsaequinoetium sollen die Gewässer auf der Nord- und Ostseite etwas gesalzen schme- cken. Ja, dieses Meer süssen Wassers soll selbst die beiden Inseln Caviana und Machiand umfluthen, ehe es sich mit dem Ocean vermischt. Diese Inseln kommen in ihrer physicalischen Beschaffenheit ganz mit dem nordöstlichen Theile von Marajo überein. Sie sind reich an Vieh- zucht, und unser Wirth, Senhor Amsrosıo Henrıguez, besass daselbst zwei grosse Fazendas, die acht - bis zehntausend Stück Vieh erhalten. Die kleinen Inseln das Camaleses unter dem Aequator, u. s. w. hin gegen, die sich ausser den genannten in dem Süsswassermeere befinden, werden so sehr überfluthet, dass sie keine Niederlassung und Cultur zulassen. Marajo, das grösste Eiland, welches der Krone von Brasilien gchört, auch Jiha de Joannes genannt, war früher eine selbstständige BANG; die vom Könige zu Lehen vergeben wurde. Jetzt ist sie von Para abhängig, und der erste Beamte, ein Juiz de Fora, residirt in Ren ae was, mit Chaves , der wichtigste Ort (Yilla) auf der Insel Ku Die ganze Bevölkerung ward i. J. 1820 auf 10,500 Seelen angegeben Sie ist keinen endemischen Krankheiten unterworfen. Die waffenfähig® ae .& ‚eigenthümliches Militzcorps „ Legido do Mar „= Oberst ist ES er eben so viel Fussyolk. Der befehligen“ rster Commandant der Insel. (35.) 995 Am 3. September vor Mitternacht kündigte der neue Pilot an, dass die Mare zur Abreise günstig sey, und wir verliessen Breves, ohne dass unsere Indianer weiter nach dem Zurückgelassenen gefragt, oder wegen seiner Krankheit Furcht geäussert hätten. Der Mond stand hell am Firmamente, mit mildem Lichte die schweigsam düstre Landschaft beleuchtend. Die Ebbe brachte uns um 7 Uhr vor Mittag in die Nähe des kleinen Flusses /Maruauhy, wo wir mit der Montaria landeten, um nochmals einen Streifzug in die Insel zu unternehmen. Auch hier ist ringsum Alles dichter Wald von himmelhohen Bäumen, mit jungem Gesträuche und vielen Palmen untermengt, und oft so geschlossen, dass man bei hellem Tageslicht tiefe Dämmerung findet. Der Boden, gros- sentheils aus verfaulten Stoffen, besonders aus aufgelöstem Wurzel- Werke gebildet, ist sehr geneigt, nachbildliche Gewächse hervorzubrin- gen, und wir bemerkten mancherlei riesenhafte Blätter-, Röhren- und Stachelpilze, die nebst dem auffallenden, phallusähnlichen, rothen Gewächse der Helosis zur Physiognomie dieser feuchten, qualmigen Urwälder zu gehören schienen, Die Indianer versäumten nicht, von den UÜbussupal- men möglichstviele Blüthenscheiden. zu sammeln, aus denen sie sich dann Mützen, Säcke und Beutel machten. Diese Palme hat nämlich ihre Blüthen in eine ellenlange, aus braunen starken Fasern gewebte, Scheide eingeschlossen, und kommt dem einfachen Bedürfnisse Jener auf das befriedigendste entgegen. Mit der Nachmittags eintretenden Ebbe setzten wir die Reise stets in der Nähe von Maraj6, auf Canälen fort, die sich meistens in der Richtung von N. und N. W. halten; wir kamen an Portento, einigen Indianerwohnungen, vorbei, und legten uns am Abend zunächst dem Rio dos Macacos, einem klemen, aus Marajö kommenden Flusse, vor Anker. Auf gleiche Weise ward die Schifffahrt am 5. früh bis zur Mündung des Rio Mapua fortgesetzt. Auf diesem Wege, meistens nach N. steuernd, erblickten wir viele dichtbewaldete Inseln zu unserer Linken, indem wir uns nicht aus dem Canal zwischen ihnen und Maraj6, der,sim Allgemeinen nur drei bis vierhundert Fuss Breite hat, entfernten. When hier hatten die Indianer zu thun, ausser der Ebbezeit mit dem Ruder vorwärts zu kommen, 996 und wir konnten uns von dem Drucke überzeugen, welchen die Ge- wässer von Norden, d. h. vom Amazonas , her nach Süden nicht blos während der Fluth, sondern selbst in der Ebbe ausüben, so dass wir uns auch hier überzeugten, dass dieser König der Ströme einen Theil seiner Gewässer erst nach dem gewaltigen Umweg um die Insel Ma- rajö mit dem Weltmeer vereinige.e. Am deutlichsten beobachteten wir diese Fluth eine Stunde nach der stärksten Entleerung, wenn unser Fahrzeug an dem südlichen Ende einer kleinen Insel vor Anker lag. Dann sahen wir die Gewässer beiden Seiten der Insel entlang mit einer Schnelligkeit von wenigstens 2%, bis 3 Seemeilen in der Stunde anschwel- len, auf uns zukommen und von da nach S. ihren Weg fortsetzen: ein Schauspiel’ ganz eigener Art, das wir mit so viel grösserem Vergnügen betrachteten, als auch die Vegetation der Ufer eine Rolle darin über- nahm, denn ihre schwanken Aeste und Blumen wurden davon hin und herbewegt, während der übrige Wald unbeweglich stand. Wir be- fanden uns hier bereits in dem Tagipuru (Tagypuru, Tajapuru) , jenem von vielen Inseln unterbrochenen Canale zwischen dem Amazonas und dem Rie dos Bocas; wiewohl manche Paraönser mit diesem Namen nur den nördlichsten Hauptcanal bezeichnen,-in den man unter nordwesti- cher Rüchtung einschiflt, und der sich nördlich von den Jihas de Gu- rupa in den Amazonenstrom verliert. Allmälig fanden wir, dass sich die Gewässer mehr ausbreiteten, und eine mehr in’s Gelbliche ziehende Farbe annahmen. Am Morgen des 6. Septembers befanden wir uns in dem Canale Jaburü, wo wir mehrere Pottfische bemerkten (Catodon macrocepha- u; Lacep.), die um uns her spielend, bald nahe bald ferne, den unförm- lichen Kopf aus dem Gewässer emporhoben. Diese Fische bewoh- Bi eigentlich nur das Weltmeer, steigen aber bisweilen noch viel u Strome aufwärts. Man hat schon in der Nähe vom ee gefangen > ie auf eine Sandinsel gerathen , nicht ' werden konnte. "Die kleinen Fische fliehen vor ihnen; aufgeschreckt durch die ons r Bewegung, welche sie dem WVasser 097 mittheilen, so dass sie oft in grosser Anzahl stranden, Dass jene es seyen, von denen die Amber herkomme, wissen die Indianer, und sie glauben, dass sie das Sperma sey,, welches das Männchen im Verfolge des Weibchens verliere. Sie nennen ihn Pirapien. Während des 6. Sep- tembers verfolgten wir auf dem Canale Jaburü unsern Weg in nord- westlicher Richtung. Gegen Abend landeten wir am Festlande, um daselbst die Nacht zuzubringen. Weil der Anker nur schwierig von den Wurzeln der Uferbäume sich losmachen lässt, zogen wir vor, wie schon öfter geschehen war, das Fahrzeug an einen starken Baum zu befestigen, Die Gegend war einige Fuss höher, als die bisher gesehenen Inseln, und in der Vegetation schien sie Verschiedenheit zu zeigen, namentlich waren die Palmen viel seltener, als auf den sumpfigen Eilanden, wie- wohl auch die Ufer des Festlandes täglich überschwemmt werden. Am 7. September mit frühstem Morgen erhob sich ein gelinder Ostwind, mit dessen Hülfe wir eine Insel umschiflten, welche nördlich vom äussersten Ende des Festlandes liegt: und nun befanden wir uns in der Mündung des Tagıpuru in den Amazonas, einem grossen Busen, der in meilenweiter Ausdehnung und in gewaltiger Bewegung der Ge- wässer ein Bild des Meeres vergegenwärtigte. Von hier bis zur Yilla de Gurupa hatten wir ı3 Legoas, eines, nach der Aussage unsers Piloten, wegen stürmischer Küsten gefährlichen Weges zurückzulegen. Als am Abend der Wind frischer wurde, flog unser Fahrzeug in süd- westlicher Richtung über eine Wasserfläche hin, die sich zwischen dem Festlande im Süden und mehreren Inseln im Norden auf vier und fünf Seemeilen Breite ausdehnt. Die meerähnliche Bewegung der breiten, einen Fuss hohen Wellen, und die ockergelbliche Farbe des trüben Gewässers zeigte uns an, dass wir uns nun in dem eigentlichen Amazonen- Strome befanden. Wir blieben jedoch den ganzen Tag hindurch in der Nähe jener nördlichen Inseln, die denen des Tagıpuru an Baum- wuchs und Ebne des Terrains ähnlich sind. Alle diese Inseln, welche sich von N. O. nach $. W. etwa 6 Meilen weit im Strome hinziehen und eine Breite von Y, bis ı Meile einnehmen, werden unter dem ge- IT. Theil. 127 998 meinschaftlichen Namen der //has de Gurupa begriffen. Sie sind während der Hochwasser überschwemmt, desshalb unbewohnt, und nur wenig von Fischern oder Jägern besucht. - Fische sollen übrigens in diesem Theile des Stromes selten seyn, wahrscheinlich, weil sie das reinere Gewässer in Westen vorziehen. Dagegen sind die Wälder der llhas de Gurupa reich an Wild, besonders an Schweinen, Capivara’s und Tapiren. Wir hatten uns, dem Rathe des Piloten zu Folge, von den Inseln entfernt, um die gegenüberliegende Küste des- Festlandes zu erreichen, als die Sonne sich zum Untergang neigte. Weithin röthete sie den bewegten Wellenspiegel ; die hervorstehenden Waldungen glänz- ten in einem sanft rosenrothen Lichte aus dem duftigen Helldunkel des Hintergrundes voll weicher Schatten hervor. Der Gedanke, dass wir uns auf dem ersten Strome der Welt, so nahe dem Aequator be- fänden, gab dieser unvergleichlichen Anschauung noch höheren Werth und wir hingen mit begierigen Blicken an dem erhabenen Bilde, bis die Sonne unterging, und Strom und Ufer in unbestimmter Därainakund zusam- mentraten. Noch waren wir im Nachgenusse dieses Naturschauspiels versunken, als sich plötzlich ein schwerer Ostwind hinter uns erhob, in kürzester Zeit die Wellen empörte, und unser ächzendes Fahrzeug so gewaltig hin und herschleuderte, dass wir von allen Schrecknissen eines Seesturmes uns umgeben Man wechselte die Segel, und zog sie endlich ganz ein, weil man für den Mast fürchtete. Die Be- mühungen der Indianer, uns durch Rudern dem Festlande zu nähern, waren eitel, und wir mussten uns entschliessen, mit dem Winde nach Westen zu ee. Es war ein Glück, dass sich die Wuth des Stur- mes in einer Viertelstunde erschöpft hatte; nun konnten wir die Segel Br ‚ausspannen, und im Dunkel deiNacht erreichten wir das Ufer, H r ın zwölf Rlafter Anker warfen. Solche Windstösse, die ge meiniglich den Gewittern vorhergehen, müssen auf der Schifffahrt im Amazonas oft überstanden werden, und sind bei gehöriger Entfernung der Küsten und guter Beschäflinhäit des Fahrzeuges den stromaufwäris Reisenden erwünscht, wenn der Ostwind (Hento Geral) ausbleibt; W* Neulingen war es eine. harte Probe. indem Nun erfreufen wir uns, 999 das Fahrzeug unter hohen Bäumen in Sicherheit stand, der muntern Feuer im Walde, und der Heiterkeit unserer Indianer , die bei doppelter Gabe Branntwein in ein Lied ausbrach; da schwärzte sieh plötzlich noch tiefer der nächtliche Himmel, und von Nordosten kam auf Win- desflügeln ein schweres Donnerwetter einher, das bald den ganzen Him- mel überzog. Wild ergoss' sich der Regen aus der rabenschwarzen Nacht; er weckte ein dumpfes, stets wachsendes Getön in den Blättern der erseufzenden Waldung. Unaufhörlich von allen Seiten schimmernde Blitze, schwer rollender Donner, hohles Brausen der empörten Fluth: diess waren die Grüsse, unter denen uns der König der Ströme em- pfing. Nach Mitternacht wurde das Meer ruhiger, während das Wet- terleuchten und die Sternschnuppen vorzüglich in Süden fortdauerten ; und endlich konnten wir uns nach einem gefahrvollen, an den verschie- densten Eindrücken so reichen, Tage der Stärkung des Schlafes über- lassen. | 8. September. Der Ostwind stellte sich schon mit Anbruch des Tages ein, so dass wir, ohne die Ruder zu gebrauchen, in W. 5. W., längs dem Festlande hinsteuern konnten. .Es schien, als erhüben sich die Ufer; und die Inseln, wie das Festland, vorher fast unscheinbar über dem Niveau des Gewässers, traten nun mehrere Fuss darüber in die Höhe. Gegen Abend machten wir Halt, dem Rathe der Indianer fol- gend, die ein Gewitter prophezeihten. Da sich aber dieses nicht so sehr näherte, als wir vermuthet hatten, so lichteten wir mit Sonnen- Untergang abermals die Anker, und benutzten den sich verstärkenden Ostwind. Um ı0 Uhr Nachts zwang uns jedoch ein anderes Gewitter, ‘den Schutz des Ufers zu suchen. Es kündigte sich mit ‚ausserordentli- cher Heftigkeit an, und dauerte über eine Stunde lang. Die Tempera- tur der Luft ward dabei auffallend herabgesetzt. Sie war Mittags im Schat- ten— 24,°8R., und sank nun auf 21,°3R. Im Wasser, welches am Mor- gen 22,°7 R. und gegen Mittag 22,°6 R. ‚gezeigt hatte, ging das Therm. auf 22,°6 R. zurück. Wir waren während der Nacht vom 8. auf den g- Sept. nur einige Stunden von Gurupa vor Anker gelegen, und hatten am 324” 1000 letztern Tage noch eine Landspitze umschiflt, als wir diesen Ort auf einer geringen Höhe am südlichen Ufer des Stromes erblickten. $, An- tonio de Gurupa (Corupa) wird in den offiziellen Berichten Fortaleza ge- nannt, hat aber ausser einer Escarpe von Letten gegen den Strom zu keine Befestigung, kein Geschütz und als Besatzung nur wenige Solda- ten, die den grössten Theil des Jahres als Begleiter der Expeditionen auf dem Rio Xingu u. s. f. abwesend sind. Die Rähne, welche mit Handelswaaren den Amazonas herabkommen, werden hier einregistrirt, ohne jedoch die Ausfuhrzölle zu entrichten, welche in Parä vor der Einschiffung oder, von im Lande gebrauchten Gegenständen, bei der Declaration im Zollhause bezahlt werden. Eine am Ende dieses Kapi- tel" beigefügte Tabelle (6.) über die Ausfuhr in den Jahren ı8ı2 bis ı8ı8 zeigt den Reichthum eines Landes, welches nicht weniger als dreissig Ausfuhrartikel zählt; beurkundet aber auch durch die Ungleich- heit der Ausfuhr in den verschiedenen Jahren und die verhältnissmässig geringen Zahlen in manchen Artikeln den tiefen Stand der Bevölkerung und Cultur. Der Commandant des Oertchens, zugleich Richter des Soldatendetachements, Controlleur und Schreiber des Zollhauses, schil- derte uns die Ortschaft als Zilla de Brancos, einen Marktflecken, des- sen Bewohner lauter Weisse, keine Indianer, seyen. Allerdings datirt der Ort ursprünglich von einer Befestigung der Holländer (um d. J. 1615) her, und DE za Conpamine berichtet ausdrücklich, dass die von ihm hier getroffenen Indianer lauter Sclaven der Weissen gewesen seyen. Unser ruhmwärdiger Vorgänger war ebenfalls am 9. September des Jahres 1745, also gerade vor sieben und siebenzig Jahren, hier einge- troffen; ‚und fast scheint es, als wäre der Ort damals in einem: blühen deren Zustande gewesen, als zur Zeit unseres Besuches. In der Nähe des Oertchens hatte früher eine Mission der Kapuziner von Para be standen, deren Bewohner sich wahrscheinlich in die Villa selbst über- siedelt hatten, wo wir keine Weissen, sondern nur farbige Leute, dar- | V yaleı. mit indianischer Mischung, oder reine Indianer fanden, und ws die Reihe kleiner, kaum geweisster, mit Palmblättern gedeckter Häuser keinen gegenwärtigen Wohlstand verrieth. Nur ein geringer Theil des 1001 fruchtbaren Bodens ist der Cultur, besonders des Cafle’s, gewidmet, in- dem die Bewohner vorziehen, die natürlichen Pflanzungen von Cacao und Salsaparilha auf den benachbarten Inseln und längs dem Rio Xingü zu benutzen. Einer der gelben Bewohner beklagte den Verfall des Ortes, indem er bemerkte, wie eszu Zeiten der Päi-tucura viel besser‘ gewesen. Mit Laachen erklärte unser Dolmetscher, dass unter Päl-tu- cöra oder Vater-Heuschrecke ein Kapuziner zu verstehen sey, und die Indianer solch’ seltsamen Namen von der spitzigen Kapuze je- ner Geistlichen hergenommen hätten. Wir fanden in der Nachbarschaft der Villa dieselbe Gesteinart, wie bei Breves und bei Parä. Der Sandstein erscheint hier bisweilen aus fussgrossen und kleineren Stü- cken von rother und gelbrother Farbe, mittelst eines mergeligen oder eisenschüssigen Bindemittels, breccienartig zusammengesetzt, Auf dem Gesteine und in den Rlüften desselben findet sich hie und da eine, aus Decomposition desselben gebildete, sehr feine Thonerde, welche sich nicht blos zu Ziegeln, sondern selbst zu schönen Töpferarbeiten eignet, und von den Indianern besonders zu grossen Töpfen verarbeitet wird, die man von hier nach Cametä, Para und sogar nach dem Innern aus- führt, um das Fett der Schildkröteneier darin aufzubewahren. Bisher hatten wir noch kein Terrain am Amazonas gesehen, das, wie das hiesige, sich fünfundzwanzig Fuss hoch über den Strom erhebt. Unser Blick konnte nicht ermüden, sich über die weite Wasserfläche in N. ©. zu ergehen, die nur von der J/ha de Jauariuba , einer der ‚grössten unter denen von Gurupa, begränzt wird. Man rechnet siebenundzwanzig Legoas nach Macapa am gegenüberliegenden Ufer, welches jedoch, wegen der zahlreichen Eilande, nicht sichtbar ist. Von hier aus, oder viel- mehr von dem Eingange in: den Canal zwischen dem Continente und den Inseln von Gurupa aus, pflegen übrigens die meisten Schiffe, wel- che von Parä die nördliche Küste des Amazonas (Contracosta) suchen, ihre Ueberfahrt zu machen, weil der Weg um die östlichen Küsten von Maraj6 viel gefährlicher ist. Die Reise von Gurupa nach Macapä wird bei günsligem Wetter in sechsunddreissig Stunden zurückgelegt, indem man auf die Ueberschiflung der eigentlichen, von Inseln freien, 1002 Mündung des Amazonas acht Legoas Weg rechnet. Dieser Theil der Fahrt, zwischen der Bahia da Yieirinha und dem Hafen von Macapä wegen der heftigen Bewegung des Stromes, der hier ellenhohe ‚Wellen führt, nur in starken Fahrzeugen räthlich, wird unter Begünstigung der Ebbe und des, die Nacht hindurch wehenden, Landwindes ausge- führt. Den übrigen Weg legen die meisten Fahrzeuge zwischen den ‚Canälen im N. O. von Gurupa zurück. Von allen Reisen in den Ge- wässern des Amazonas werden diese Fahrt, die von Para um das Cabo de Magoary nach Macapa, und die Beschiffung der Küsten im N. von dieser Villa für die gefährlichsten gehalten. Dennoch hat eine Indiane- rin, von treuer Gattenliebe getrieben, den furchtbaren Golf zwischen Macapa und der Insel Marajo auf einem Balken durchrudert. Gerne erzähle ich die rührende Geschichte von Venancıa wieder, wie ich sie in manchen Orten am Strome vernommen. Als MennoncA FURTADo aus allen Orten der Küste Indianer zusammentreiben liess, um sie zum Ru- derdienste bei seiner Expedition nach Rio Negro zu verwenden, ward auch ein Indianer vom Stamme der Armabutös zum Matrosen gepresst, der erst vor wenig Tagen mit seinem Weibe Venancıa und einem Säug- ling nach Macapa gekommen war, um sich und die Seinen taufen zu lassen. Umsonst stellte der Geistliche dem Commandanten die Barbarei dieser Täuschung vor, umsonst warf sich Venancı verzweifelnd vor ihm nieder; selbst der Trost ward ihr versagt, den Geliebten begleiten zu dürfen, und thränenlos sah sie ihn, den plötzliches Unglück in rathlos stumme Verzweiflung gestürzt hatte, mit den Uebrigen sich einschiflen. Drei Tage und drei Nächte sitzt sie, den Säugling im Arme, am Ufer, und ihr tiefer Harm rührt auch den Befehlshaber einer Kaufmannsbarke nicht, den sie um einen Platz bis Chaves anfleht. Da verbirgt sie sich in dem absegelnden Fahrzeuge; aber das Wimmern des Kindes verräth sie, und der Unmensch zwingt sie, schwimmend an das Ufer zurück- SUHRNN EN Diess gelingt, und neuer Muth erwacht aus der Probe. Sie findet ein Ruder, sieht einen leichten Balken am Strande treiben, und dieser unsicheren Hülfe vertraut sie nun mehr als den Menschen. In | | 1005 dem einen Arm das Kind, mit dem andern rudernd, erreicht sie. fast einen Tag lang den Fluthen Preiss gegeben, glücklich das jenseitige Ufer und findet den Geliebten. So viel Heroismus erweicht die harten Gemüther der Soldaten; sie gewinnt den Gatten wieder, glücklicher als jene Guahiba am Atabapo, deren Mutterliebe die Feder eines grossen Reisenden (v. Humsorpr, Relat. II. $. 409.) ein Denkmal gesetzt hat. Solche Beweise von heldenmüthiger Liebe und unerschütterlicher Treue fallen wie Sonnenblicke in die Nacht jener Rohheit und Fühllosigkeit, worein wir fast immer den Ureinwohner America’s versenkt sehen. Wie gerne vernehmen wir von ihm auch Züge höherer Humanität! Sobald wir hier einen neuen Piloten aufgenommen hatten, hielt uns Nichts in dem traurigen Oertchen zurück, und wir lichteten noch Nachts 10 Uhr den Anker, um bei klarem Mondscheine die Reise in westsüdwesfli- cher Richtung längs dem Festlande fortzusetzen. Unsere Indianer erheiter- ten sich zu dem Ruderdienste durch einen einfachen Gesang, den sie ohne zu ermüden, Stunden lang wiederholten. Die Melodie, welche wir in dem Atlas bereits mitgetheilt haben, wahrscheinlich ein veränderter Theil aus ei- nem Rürchengesange, ward von Einem der Gesellschaft vorgesungen, und dann fielen die Uebrigen pünctlich ein, wobei sich ihre Thätigkeit am Ruder verdoppelte. Es konnte uns hiebei nicht entgehen, was sich durch längere Beobachtung vollkommen bestätigte, dass der Indianer mit einem sehr richtigen Gefühle für Harmonie ausgestattet sey; denn stets sangen sie in reinen Terzen und Quinten und vermieden jede Dissonanz in be- wusstloser Sorgfalt. Auch hierin unterscheidet sich der rothe Mensch auf das Schärfste vom schwarzen, der allen Gefühls für Harmonie be- raubt, und nur mit einer instinctarligen Vorliebe für Melodie begabt scheint. Wer jemals Gelegenheit hatte, das furchtbare Unisono zu hö- ren, worin die Neger Stunden lang ihre einfachen, abgesetzt hervor- gestossenen Sangweisen, ohne eine Spur von. Gefühl für Harmonie, wiederholen, wird unserer Bemerkung beipflichten müssen. Freilich hatten aber unsere Indianer, ausser ihrer angebornen musicalischen Neigung, noch eine andere, leidige Veranlassung sich die Stunden der 1004 Arbeit durch Gesang zu verkürzen; diess waren die Mosquiten, welche sich heute zum Erstenmale in dichten Schsusrpien über das Schiff Ia- gerten, und uns Alle bis zur Verzweiflung peiniglen. SahsB ‚öfter wa- ren wir äuf dieser Schifffahrt von den summenden langbeinigen Ver. folgern angefallen worden, wenn wir am Abend in der Nähe von dich- tem Gebüsche landeten, oder durch enge Canäle fuhren; doch waren die Besuche vorübergehend und minder zahlreich. Heute aber, wo wir uns auf den Gewässern des Amazonas selbst befanden, fielen diese Har- pyen in so dichten Schwärmen auf uns nieder, dass ihre beständige Berührung ein Gefühl gleich dem eines leichten Regens auf der blossen Haut erregte, das alsbald in den Schmerz unzählicher Stiche überging. Der Schutz der Mosquiteira, eines weiten Zeltes von dünnem Baum- wollenzeuge, womit der Reisende sich und seine Hangmatte umgiebt, ist in der erstickend heissen Luft um so unleidlicher, als er manche je- ner singenden Peiniger dennoch nicht ausschliesst; und so bleibt keine Schutzwafle , als dichte Bekleidung von Leder oder Seidenzeug, für das Antlitz aber eine Maske vder — Geduld. Dieses bösartige Insect, wel- shes die Indianer Carapana nennen, erhebt sich mit Sonnenuntergang von dem Schlamme der Ufer und den Gesträuchen in der Nähe der Gewässer, und fliegt, bald höher bald niedriger, je nach dem Zug der Winde, in zahllosen Schwärmen einher. Vor Gewiltern oder Regen und bei stiller trüber Luft sind sie unruhiger, thätiger und lästiger, Nur dichter Rauch, besonders von angebrannten Tabackblättern, den man in den Fahrzeugen unterhält, vermag,sie zu verscheuchen. Von Sonnenuntergang an bis nach Mitternacht schwärmen sie am dichtesten, dann ziehen sie sich theilweise in die Uferwaldungen zurück, wo sie bis zum nächsten Abend verweilen, denn sie fliehen den hellen Sonnen- schein, und kehren aus dem Schatten bei Tage nur dann zurück, wenn sich die Sonne hinter Wolken verbirgt. Es ist bereits von Herrn von HumsoLpr bemerkt worden, dass diese Schnacken sich nur in der Nähe solcher Flüsse aufhalten, die, im Ganzen angesehen, braunes oder schwärzliches Wasser führen. Auch wir machten diese Bemerkung; un ter den Flüssen mit dunklem Wasser ist namentlich der Rio Negro 1005 ganz frei von jener Plage; dagegen bieten Flüsse von trübem, weiss- lichem Gewässer vorzugsweise die Wohnorte für jene Unholde dar. Wahrscheinlich sınd dıe in dem schwarzen Wasser aufgelösten Extrac- tivstoffe den Eiern und Larven verderblich, während der Flussschlamm der übrigen Gewässer ihre Entwickelung und Vermehrung begünstigt. Besonders auflallend ist übrigens. dass alle Reisenden, welche den Ama- zonas beschiffen, gerade in den Gegenden, wo wir uns befanden, am grausamsten von den Carapanaschwärmen verfolgt werden. Man behaup- tet sogar, dass sie sechs Monate lang herrschen, und vom vierten Oc- tober an verschwinden sollen. Vielleicht haben die Ostwinde und die Ueberschwemmungen des Herbstäquinoctiums Antheil an dieser Erschei- nung. Mit der Zunahme der Cultur, der Verminderung jener grossen, Schlammflächen an den Ufern, die durch die Hitze in Gährung gesetzt, den Insecten willkommne Brutorte darbieten, und wahrscheinlich auch mit der Abnahme gewisser Uferpflanzen darf man wohl auf allmälige Verminderung dieser peinlichen Landplage hoffen. Manche der am Ufer wachsenden Bäume vermehren die Bösartigkeit dieser blutgierigen Insecten. Die leichte, schmerzhafte Geschwulst, welche durch den Stich zahlreicher Carapanas verursacht wird, nimmt an Höhe und Spannung zu und veranlasst bisweilen einen fieberhaften Zustand, wenn Gebüsche von Sapium aucuparium oder Bäume des Oassacü (Hura) in der Nähe stehen. Wahrscheinlich tragen dann die Insecten einen An- theil der Milchsäfte jener giftigen Euphorbiaceen auf die Haut über, von wo aus sie, gemäss dem in diesen heissen Gegenden doppelt lebhaften Ein- saugungsprocesse, schnell in die Blutmasse aufgenommen werden. Wenn andere Gegenden durch die Menge von Schlangen oder Fledermäusen fast unbewohnbar werden, so treten hier überhaupt gerade die unschein- baren Geschlechter der Insecten als die ärgsten Feinde der Ansiedler auf. Den Ortschaften am nördlichen Ufer des Amazonas wird neben den Schnacken auch noch der fast unsichtbare, im Grase der Fluren wohnende, Mucuim und eine grosse Ärt von Wespe, Morucoca, äusserst lästig. In der Zilla Nova vistoza da Madre de Deos heftet diese ihre Nester furchtlos überall in den Häusern an, und hat nicht wenig dazu ‚I. Theil. 128 » 1000 beigetragen, viele Ansiedier aus der, übrigens angenehmen, Gegend zu vertreiben. Am ı0. September schifften wir längs dem Festlande gegen We- sten. Bereits lagen die grösseren Z!has do Gurupa hinter uns; doch konnten wir das nördliche Ufer des Amazonas nicht erblicken, weil einige kleinere Inseln, gleichsam die Fortsetzungen der /!ha Jarauiuba, dazwischen liegen. Diese Eilande bilden gemeinschaftlich zwei grosse Canäle, deren nördlicher als die Hauptmündung des Amazonas, der südliche als eine Nebenmündung und zugleich als die des Xingustromes zu betrachten ist. Die letztere heisst bei den Anwohnern gewöhnlich Rio de Gurupa, und ihre, aus denen des Amazonas und des Xingu gemischten, Gewässer sind etwas weniger gelb gefärbt, als die des ei- gentlichen Amazonas; ein Beweis von der Grösse der klaren Wasser- masse, welche der Xingu führt. Am Festlande sahen wir gegen Mit- tag die kleine Ortschaft Carrazedo (ehemals Arapejo genannt) ,- und einige Stunden später die Zilla Villarinho do Monte (sonst Caviana) liegen. Beide Orte sind ausschliesslich von Indianern bewohnt, deren Versammlung und Civilisation das Verdienst der Kapuziner von Parä war. Züllarinho ist auch gegenwärtig nicht unbeträchtlich, wegen des Handels mit den Naturerzeugnissen des benachbarten Rio Xingu, die seine Einwohner von dort herholen. In diesem Strome befanden wir uns nach Sonnenuntergang; und auffallend war die Veränderung des Gewässers, welches immer klarer ward, je weiter wir, von $. W. nach S$. umlenkend, in ihm aufwärts steuerten. Gegen Mitternacht warfen wir bei Porto de Möz, am süd- lichen Ufer des Stromes, Anker. Diese Villa, eine unregelmässige® Strasse niedriger, mit Palmblättern gedeckter Häuschen, (vergleiche die Ansicht im Atlas), wird. grösstentheils von Indianern und Mischlingen bewohnt, deren erste Missionarien die Kapuziner von Para waren. Es sind Abkömmlinge der Tacunhapez und Jurünas, von denen noch ge genwärtig wandernde Horden zwischen dem Tocantins und "Tapa)02 | | | | 1007 übrig sind. Zu dem Kirchspiele von Porto de Mez, wozu auch noch die Ortschaft Boa Yista gehört, werden jetzt ungefähr fünfzig Häuser und zweihundertundzehn Einwohner gerechnet. ”) Die waffen- fähige Mannschaft bildet eine Compagnie Militzen. Der Xingu wälzt seine grünlichen, krystallhellen Wogen in der Breite einer Legoa vor- über. Solche Fülle eines Bergwassers in dem tiefen Stromthale des Amazonas wird nur dadurch erklärlich, dass der Strom aus den höher liegenden Gegenden in 'S. herabkömmt, ohne in seinem unteren Gebiete beträchtliche Beiflüsse aufzunehmen. Seine nächsten Ufer bestehen aus reinlichem, weissem Sande; weiter landeinwärts erhebt sich hohe Urwal- dung, deren düsteres Grün bedeutsam gegen die blüthenreichen, aro- matischen Bäume absticht, welche am Ufer zerstreut stehen. Im gan- zen Stromgebiete des Amazonas hatten wir bis jetzt keinen Ort gese- hen, welcher einen gleich heiteren Anblick dargeboten hätte. Die rein- ‘lichen Sandufer, auf denen der Reisende überall trocknen Fusses landen kann, und die gleich künstlichen Gärten gruppirten Wäldchen sind dem Auge eben so erfreulich, als der wilde und wüste, von Ueberschwem- mung zerstörte, Wald des Gab6 (Igab6) traurig und furchtbar erscheint. In dem Hause des Geistlichen sahen wir eine ganze Ladung von Nelkenzimmt (der Cassia caryophyllata der Droguisten), bereit, nach Parä abgeschickt zu werden, welche der fromme Vater durch seine Indianer in dem obern Stromgebiete hatte. sammeln lassen. Dieses an- genehme Gewürz, welches im Geschmacke zwischen Zimmt und Ge- würznelken in der Mitte steht, wird von den Portugiesen Pao eravo (Nelkenholz), in der Lingua geral /byra oder Moıra quiynha ge- nannt. Es ist die Rinde eines Baumes, (Persea caryophyliata, M.) der sich auf dreissig und mehr Fuss Höhe erhebt, und durch das dichte Laub seiner glänzenden Blätter schon von ferne sich als der Familie *) Diese Zahlen, wie alle der Bevölkerungslisten, sind hier zu Lande Resultate der Kir- ehenbücher. Sie begreifen desshalb nur Diejenigen, welche nicht blos zur Kirche kommen, sondern auch an den Sacramenten Theil nehmen, also nur den geringsten Theil der Indianer, die gewöhnlich nur die Taufe vom Geistlichen verrichten lassen, weil sie davon den Nutzes der Gevatterschaft haben. Die Gesammtzahl aller Anwohner dürfte tausend seyn. 128 *® 1008 der Lorbeeren angehörig darstellt. Gewöhnlich sind die Stücke zwei Fuss lang, und gleich der China, jedoch in mehreren Schichten, con- centrisch, bis auf die Dicke eines Zolles, zusammengerollt. Zwanzig oder mehr solcher Stäbe, im Gewichte von fünfzig bis sechzig Pfunden, werden mit der schwarzen glänzenden Rinde einer Schlingpflanze (wahrscheinlich eines Cissus) zusammengebunden; solche Bündel (Feixes) kommen sodann entweder nochmals zwischen Palmblättern, in Körben, oder in Säcken, in den Handel. Der Cravobaum erscheint zwar hie und da im ganzen Stromgebiete des Amazonas und seiner Confluenten; allein er ist minder gesellig, als viele andere Lorbeerarten. Die Ein- sammlung der Rinde ist daher ein mühseliges, und bisweilen gefährli- ches Geschäft, indem die Indianer, durch die Wälder einsam umher- suchend, dem Ueberfalle feindlicher Wilden oder Thiere ausgesetzt sind. Selten trifft die Expedition die Bäume so zahlreich beisammen an, dass sie sich ungetrennt der Arbeit hingeben kann. Dann pflegt man einen Platz im Walde zu reinigen, und für das Nachtquartier einzurichten (Fazer Arrayal), und beginnt die Arbeit ohne alle Rücksicht, indem man die Bäume nur theilweise der Rinde beraubt, oder gänzlich fällt, je nachdem es gelegener erscheinen mag. Die Rinde wird entweder ohne weitere Zubereitung über gelindem Feuer zur Röhrenform einge- rollt (Cravo grosso), oder mit einem Messer der borkigen Oberhaut beraubt (Cravo fino). - Man unternimmt. die Einsammlung zu jeder Jahreszeit, doch vorzugsweise nach Verlauf der Regenmonate. Die rücksichtslose Behandlung, welche dieser edle Baum erfährt, würde ihn schon sehr selten gemacht haben, wenn nicht die Vorliebe für den Nelkenzimmt in Europa, besonders dem nördlichen, bedeutend abge- nommen hätte, wesshalb sich die Thätigkeit der Sammler jetzt vor- zugsweise dem Cacao und der Salsaparilha zuwendet. Der Cravobaum scheint unter diejenigen Gewächse zu gehören, welche ganz vorzugs- weise charakteristisch in dem Stromgebiete des Amazonas sind. Man findet ihn, wiewohl noch ziemlich einzeln, am Rio Capim; von da gen Westen wird er immer häufiger, bis zum Madeira, und zwar scheint er zwischen dem Tapajöz und dem letztern Strome verhältnissmässig 1009 am häufigsten vorzukommen. Berühmt durch ihren Reichthum an Nel- kenzimmt sind mehrere Inseln in den Seeen von Canomä und Uautaäs, und die Wälder an dem Rio Mauhe. Westlich vom Madeira erscheint der Baum ebenfalls, jedoch minder häufig. Er ist auch in der Provinz Maynas bekannt, wo er Espingo heisst. Die Flüsse, welche dem Amazonas vom Norden her zuströmen, werden von den Indianern häu- fig besucht, um die aromatische Rinde des Baumes einzusammeln ; aber im Westen des Pio Negro scheint er ebenfalls minder häufig vorzukom- men. Er wächst gewöhnlich ausserhalb der Uferwaldung an etwas trockneren, reinlicheren Orten. Ueber das untere Gebiet der aus Süden herkommenden Ströme scheint er sich nicht in die höher liegenden Ge- genden zu verbreiten. Ich habe es versucht, in allgemeinen Zügen den Verbreitungsbezirk dieses merkwürdigen Baumes anzugeben, weil er ohne Zweifel eine besondere Beziehung zu dem Landstriche hat, in welchem er beobachtet worden ist, und unter den dem ungeheuren Strombecken eigenthümlichen Gewächsen sowohl durch das Interesse , welches er den Einwohnern einflösst, als durch die specifische Natur seines Aroma eine wichtige Stelle einnimmt. Je mehr das Pflanzen- Reich in gewissen Gewächsen die Stoffe individualisirt, und mit einem eigenthümlichen chemischen Charakter ausrüstet, um so füglicher kön- nen diese gleichsam als Herolde einer besondern physicalischen Beschaf- fenheit des Bodens und einer bestimmten ’Modification des Klima betrach- tet-werden. Auf. gleiche Weise bezeichnen in Ostindien der Pfeffer- Strauch, der Muscatnuss-, der Campher - und Zimmtbaum , in dem australischen Archipel der Brodfruchtbaum, auf der Pfefferküste von Guinea die dort cultivirte Art der Cardamome u. s. f. eine gewisse Ge- meinschaft klimatischer und örtlicher Verhältnisse. Eben so sehen wir auch vorzugsweise in dem Gebiete des Rio Negro den Pechurimbaum auftreten. Der Cacaobaum hingegen und die Salsaparilha dehnen sich in einem weit grösseren Verbreitungsbezirke aus, zu dessen geographi- scher und physicalischer Bezeichnung sie übrigens überall eine bedeut- same Rolle übernehmen. Von ihnen soll später die Rede seyn. 1010 Die östlichen Ufer des Xingu, auf welchen wir uns befanden, sind. etwas höher, als die westlichen, wo zwei Flüsse, der Jaraucu und der klei- nere Guajard, mit mehreren Mündungen dem Amazonas zuschleichen, und durch eine in diesen Gewässern so häufige Bifurcation auch mit dem Xingu oberhalb dessen Mündung, Porto de Moöz fast gegenüber, in Verbin- dung treten. Dieser Canal, welcher den Xingu mit eig TORE vos einigt, und, parallel mit dem Amazonas fortlaufend, eine niedrige, mit Buschwerk und Gab6 bedeckte, Gegend vom Continente abtrennt, wird Furo de Aquigui genannt. Gleichen Namen trägt seine erste Mündung in den Strom (oder die Hauptmündung des Jaraueu) ; die zweite (oder die des Guajara) wird auch Magoary genannt. Manche nach W. steuernde Schiffer ziehen besonders in denjenigen Monaten, wo der Ostwind- sel- ten ist, vor, in diesem Canale Aguiqui aufwärts zu fahren, um der Strömung im Amazonas auszuweichen; da uns aber die Einwohner von Porto de Möz ein schreckliches Bild von der Plage der Mosquiten auf demselben entwarfen, wo eine zehn Legoas lange Schiflfahrt, we- gen zahlreicher Windungen, nur selten mit dem Winde, gewöhnlich aber blos durch das Ruder, möglich wird, so zogen wir vor, die Reise im Strome selbst fortzusetzen. Man sucht zu der Umschiffung des äusser- sten Landes am westlichen Ufer stets den Landwind zu benutzen, welcher sehr früh Morgens und am Spätabend eintritt. Nachdem wir daher von der Villa aus über den Strom geschifft waren, fand der Pilot es räthlich, in der Nähe der Ausmündung des Aguiqui (Akeky) zu lan- den, und die Nacht zu erwarten. Wir hingen unsere Hangmatten zwischen den niedrigen Bäumen des Ufers auf , und durchstreiften die durch den Aguigui und Xingu gebildete Insel, welche ebenfalls Aguigui ‚ heisst. Die Indianer versuchten inzwischen ihr Fischerglück mit dem Netze, Andere bereiteten einige grosse Schildkröten zum Mahle zu. Bei 'genauerer Betrachtung der Bäume auf diesen freundlichen Sandufern fanden wir eine auffallende Aehnlichkeit mit der Vegetation mancher südlichen Gegenden, namentlich des Väo do Paranan in Goyaz und der Taboleiros an den Rios Fermozo und Carynhanha. "Wir glaubten uns in der That wie durch einen Zauberschlag um mehr als zehn Breiten- ® | 1011 ‚ grade nach Süden versetzt. Die Bäume niedriger, stärker verzweigt, die Blätter kleiner, trockner, häufiger behaart oder filzig; nicht selten allerlei Laubflechten an den Stämmen, daneben Strecken reinlichen . Grases unter den Blumenhecken. Alles diess wies auf eine Pflanzen- formation zurück, deren erfreulichen Anblick wir in den nördlichen Provinzen Brasiliens seit längerer Zeit vermisst hatten. So erschienen mancherlei Myrten, Malpighien, Apocyneen, und als vorzüglich bezeich- nend, der Acaju- und der Mangababaum, welche trockne sandige Ge- genden des Innern lieben, und ein Balsambaum, den ich an den Mee- resküsten von Rio de Janeiro und Bahia gefunden hatte. °) Mit einbrechender Nacht verliessen wir die Insel von Aguigui und suchten die nördliche Spitze derselben zu gewinnen; allein der Wind war nicht stark genug, und mit dem Ruder kamen wir nur langsam vorwärts, indem die Strömung des Xingu hier nicht stark ist. Erst mit dem Morgenwinde des ı2. Septembers konnten wir daher den gelb- lichen Amazonenstrom erreichen, dessen gegenüberliegendes Ufer unse- ren Blicken durch mehrere schmale Inseln auf der Südseite entzogen wurde. WVährend der Nacht waren wir an der östlichen Mündung des Urueuricaya vorübergefahren; so nennt man den: breitesten von den drei Canälen, durch welche die vereinigten Gewässer des Guajara und des Jarauceu mit dem Xingu in Verbindung stehen. Sogleich mit dem Eintritte in den Amazonas, dessen südlichem Ufer entlang wir jetzt fuhren, stiessen wir auf eine der eigenthümlichen Gefahren, welche die Reisenden in diesem Strome zu bestehen haben. Eine grosse Menge ”) Humirium floribundum, M. Nov. Gen. t. ı99., hier Umiri genannt. Andere Pflanzen des mittleren Hochlandes, denen ich hier begegnete, waren: Wallenia laxiflora, M.ibid. t. 237., Terminalia fagifolia, M. ibid. t. 27., Simaruba versieolor, $. Hil., der Goajaräbaum, Chryso- balanus Icaco, L., Triplaris Pachau , M., Hedwigia balsamifera, Sw., Dipterix odorata, W., endlich auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Orchideen, welche die Bäume mit ihren Blüthen zierten. Die Palmen, eine in dem Stromgebiete des Amazonas so charakteristische Pflanzenform,, waren verschwunden, und nur in den Strichen von Gaböwaldung sichtbar , welche gegen N. auf dem tiefverflachten Lande an der äussersten Mündung des Aıngu auftreten. 1012 ® Trreibholz kam uns nämlich mit der vollen Schnelligkeit der Strömung entgegen, und setzte die Mannschaft ohne Unterlass in Thätigkeit, in- dem sie dasselbe mit Stangen von dem Schiffe ablenken musste, eine bisweilen sehr mühsame Arbeit, weil die treibenden Baumstämme unser Fahrzeug an Länge zwei oder dreimal übertrafen. Die grosse Zahl derselben erklärte sich, als wir an der seichten Bucht einer Insel vor- über kamen; diese lag nämlich in solcher Richtung quer durch den Strom, dass ‚sie ungeheuere Massen des Treibholzes aufgefangen hatte, welches nun entweder am Ufer aufgeschichtet war, oder sich so lange vor demselben im Wirbel herumbewegte, bis es durch irgend einen Zufall befreit wurde. Die Bäume gehörten vorzugsweise dem Faul- thierbaume (Ceeropia peltata, L.), und der Munguba (Bombax Mun- guba, Mart. Nov. Gen. t. 99.) an, und waren fast alle mit der Wur- zel ausgerissen. Indem sie bald einen Theil der Stämme, bald die Reste der Krone aus dem Wasser hervorstreckten, stellten sie, von Ferne gesehen, oft die seltsamsten Bildungen dar; andere führten einen gros- sen Theil des Landes mit sich, auf dem sie gestanden waren, und bildeten kleine schwimmende Inseln; aber am seltsamsten erschienen diejenigen, auf welchen sich allerlei Thiere niedergelassen hatten, wel- ‘ che, in grösster Rnhe und Friedsamkeit, neben einander die ungewisse Peise machten. Da sah man gravitätische Störche auf demselben Fahr- zeuge mit neckischen Affen, welche beim Anblick unserer Canoa in ein lautes Geschrei ausbrachen, dort eine dichte Kette von Enten und Tauchern neben Eichhörnchen, und auf einem modernden Ce- derstamme ein ungeheueres Krokodil, dem ein wahrscheinlich seltner Zufall eine Tigerkatze zum Nachbar gegeben hatte. Beide Thiere schie- nen sich in anhaltendem feindlichen Misstrauen zu beobachten; aber die fleischfressende Eidechse war ohne Zweifel im Gefühle ihrer Ueberlegen- heit sicherer, und liess sich die Reise stromabwärts in hämischer Hofl- nung einer gewissen Beute gefallen. Diese Anschauung konnte uns im Allgemeinen ein Bild seyn von der Herrschaft des Stromes, auf dem wir uns befanden. Bäume entwurzelnd und Thiere wider Sitte und Neigung zur\Geselligkeit zwingend, bewältigt er gleichsam die ganze Pr 1013 Natur um sich her. Wenn die im Strome treibenden Stämme endlich untersinken, vermehren sie bisweilen die Gefahren der Schifffahrt, be- sonders für Solche, welche den Strom herabkommen; und den auf- wärts Schiffenden legen sie ein grosses Hinderniss in den Weg, weil sie durch aufgeschwemmtes Röhricht und Reissig alsbald zu einem mäch- tigen Wehre werden, an dessen Enden der Strom mit weit erhöhter Geschwindigkeit strömt. Wie selbst der kleinste Balken oder em Baum- Ast, welcher vom Ufer in den Strom hereinhängt, eine mächtige Strom- schnelle hervorbringt wird Niemand glauben, der es nicht selbst ge- sehen. Nur die ausserordentliche Menge des Gewässers in dem tiefen Strome, welche jede Hemmung weithin verbreitet, macht die Erschei- ‘nung erklärlich. Die Indianer mussten nicht selten alle Kraft anwenden, eine solche Stromschnelle mit dem Ruder zu überwinden, da der ÖOst- Wind Nachmittags nur sehr schwach wehte. Die kühle Bewegung der Atmosphäre in den Morgenstunden halte uns von den lästigen Schnacken befreiet, welche wir während der Nacht aufgelesen hatten. Sie mach- ten sich allmälig aus den Falten der Kleider und den dunklen Orten des Fahrzeuges los, und verschwanden; allein gegen Abend sanken an- dere Schwärme auf das Schiff nieder, und ihre blutgierige Verfolgung nahm immer mehr zu, als ein finsteres Gewitter heraufzog, das eine halbe Stunde lang unzählige Blitze über das Firmament und einen Strom von Regen über die Erde ausgoss.. Wenn diese Gewitter am Amazo- nas das Gemüth des europäischen Reisenden durch die furchtbaren Don- nerschläge, das wilde Brausen des Windes in der benachbarten Wal- dung und das stürmische Rauschen der Gewässer erschüttern, so sind sie doch rücksichtlich der Blitze wenig gefährlich; denn diese gehen stets so hoch, dass Einschlagen auf niedrige Gegenstände fast ohne Beispiel ist. So gewöhnten wir uns bald an die majestätische Grösse dieser Erscheinung, welche sich von nun an wöchentlich wenigstens drei oder viermal wiederholte. Wir waren während jenes Sturms am Ufer vor Anker gelegen; allein gegen Mitternacht trieben die Mosquiten unsere Mannschaft auf, - IM. Theil. 129 | 1014 und wir ruderten, begünstigt vom wiederkehrenden Ostwinde, am süd- lichen Stromufer aufwärts. Als die Sonne des ı3. Septembers aufging, erfreute uns ein ungewohnter Anblick. Am nördlichen Ufer des Stro- mes erschien uns eine Reihe tafelförmiger, langgestreckter Berge, de- ven erster Eindruck uns unwillkührlich die Bildung der Tafelberge in Piauhy zurückrief. Vor den Bergen schwammen einzelne ganz niedrige Inseln, deren saftiges Grün um so glänzender aus der in Sonnenschein spiegelnden Fluth hervortrat, als der Hintergrund sich in ein dufliges Blaugrün kleidete. Nur der östlichste Berg, welcher sich niedriger als die übrigen darstellte, zeigte an einzelnen Abhängen die röthliche Farbe des Gesteins, alle übrigen erschienen überall von dichter WValdvegeta- tion bedeckt. Diese Berge, die Serra de Parü, deren einzelne, von Osten anfangend, die Serra de Almeirim, Yaimi-buraco, Tucumain- tuba, Uaramü, Jutahi und Paraua-coara genannt werden, erstrecken sich von der Züla de Almeirim bis Monte Alegre; bilden jedoch keine ununterbrochene Reihe, sondern treten um so deutlicher auseinander, je weiter man nach Westen schiflt. Ich habe sie im Atlas so abgebildet, wie sie sich uns gleich anfänglich, etwa eine Legoa westlich von der Mündung des Canals Aguigui in den Amazonas darstellten. Im Allge- meinen nehmen die Schiffer nicht mehr auf die Ebbe und Fluth Rück- sicht, sobald sie Gurupa in Osten hinter sich gelassen haben; doch übt diese periodische Wasserbewegung noch, einigen Einfluss auf die Reise in den Canälen von JIquigui. Von hier aus gen Westen erschien uns der Strom öfter in seiner vollen Breite, von etwa drei Legoas, ohne von Eilanden unterbrochen zu seyn. Die Bewegung seiner ungeheuren Wassermasse, durch keine Zwischenufer gebrochen, war um so ra scher und gewaltiger. Wir glaubten uns, dem Schaukeln des Fahr- weu5s gemäss, auf hohem Meere zu befinden. Die Schiflfahrt ist auch gerade an diesen Küsten gefährlich, wo Schiffe, welche ‘auf Untiefen Serathen, durch die heftige Strömung zerschellt werden können. Frü- herhin 208 man aus diesen Gründen vor, entweder von der Mündung des Agua ER: die nördliche Küste zu suchen, oder innerhalb der Canäle zu bleiben, welche jene Woasserstrasse des Aguigui mit der Bi- 1015 furcation des Rio Guajara verbinden. Dieser Fluss kommt nämlich ‚parallel mit dem Jaraueu zu den Amazonas herab, und ehe er sich mit diesem verbindet, treten seine Bifurcationen, deren man vier oder sechs zählt, mit denen des Jaraueiu zu einem Netze von Canälen zu- sammen, auf welchen also von Porto de Möz aus eine sichere, aber wegen vieler Windungen und der unaufhörlichen Verfolgung durch Mosquiten langweilige und lästige Schifffahrt möglich wird. Desshalb zieht man jetzt vor, im Strome selbst längs der Küste zu reisen, wo man drei Tagereisen braucht, um eben so viel Weg zurückzulegen, als binnen fünf Tagen auf den Canälen. Fast hätten wir bereuen müs- sen, nicht diesen sicheren Weg eingeschlagen zu haben, denn zwei Tage ununterbrochene Anstrengung von Seite der Mannschaft hatten uns doch nur etwa acht Legoas westwärts gebracht, weil der Ostwind sehr schwach wehte; und als dieser in der Nacht vom ı4. auf den ı5. September, nach einem in Nordost aufsteigenden Donnerwetter, welches uns nicht erreichte, zunahm, gingen wir mit vermehrter Geschwindig- keit stromaufwvärts, bis uns das Geschrei der vordersten Ruderer er- ‚schreckte, dass wir nur in anderthalb Klafter Wasser gingen. Wir be- fanden uns nun in einer dunklen, sternelosen Nacht, bei heftigem Winde und hochgehendem Strome, auf den verrufenen Sandbänken von Mauary (Magoary). Das Segel ward eiligst eingezogen, die /gatiübas (d. i. Schifischnabelmänner, Proeiros, die vordersten Ruderer) mussten son- diren und durch anhaltendes Rufen vom Befunde Nachricht geben, wäh- rend die ganze übrige Mannschaft mit Stangen arbeitete, das Canoa in ein-tieferes.Fahrwasser zu bringen. Mit Sonnenaufgang hatten wir eine andere Mündung jener unter einander verbundenen Canäle erreicht, die Furos de Mauary oder Mauary-- ajura-para genannt werden, und in sie einlenkend fuhren wir den ganzen Tag zwischen dem Festlande und einer niedrigen Insel hin. Die Physiognomie dieser niedrigen Land- schaft erhält sinen ganz eigenthümlichen Gharäcter durch die zahllosen Ambaubabäume (Ceeropia peltata, L.), deren weissrindige, sanfige- schwungene Stämme in bedeutender Höhe über dem übrigen Buschwerk - der Ufer das Laub ihrer ellenlangen lappigen Blätter ausbreiten. Rudel ... | 129 * u von Capivaras brechen bisweilen schüchtern garsh das Diclicht der Ufer , oder. das krächzende Geschrei der Araras x weit Bin durch die Waldung; ausserdem begegnet dem Reisenden nichts in dieser wil- den Einsamkeit, und der Mangel eines freien Luftzuges oder der heite- ren Aussicht auf eine bewegte Stromfläche erregt den Wunsch in das Meer des Amazonas zurückzukehren. Hier fanden wir Inseln von mancherlei Ausdehnung und Form durch ihn zerstreut; bisweilen aber trat er in einen ungetheilten Strom zusammen, und dann erblickten wir von Neuem die Gebirge der Nordküste , doch unter veränderter Gestalt, indem sie einzeln von einander traten. Am Morgen des ı6. Septembers hatten wir die sogenannten /lhas de Uruara hinter uns, und traten nun in einen andern Canal ein, der durch die Bifurcation des kleinen Flusses Uruara gebildet, einen niedrigen Theil des südlichen Festlandes zur Insel macht. Der Eingang ist so enge und seicht, dass unser Fahr- zeug einigemal nur mit gröster Anstrengung durch den Teppich von Schlingpflanzen fortgeschoben werden konnte, die sich von einem Ufer zum andern ausgesponnen, und ausserdem in dem benachbarten Walde zu undurchdringlichen Hecken auf zwanzig Fuss Höhe aufgerankt hat- ten. Es war besonders eine Kürbisspflanze (Elaterium carthaginense, Jacg.) deren unglaublicher Wucher alle übrigen Gewächse gleichsam un- terdrückt hatte. Am Ufer stand ein Wald der Munguba , deren graulich- grüne Stämme, schlanke Aeste und grosse gefiederte Blätter der Land- schaft einen eigenthümlichen Character verleihen. Es giebt wenige Pflanzenfamilien in den Tropenländern, deren Glieder sich durch das Colossale und Groteske ihrer Formen dem Auge des Reisenden so sehr bemerklich machen, wie die Bombaceen (eine Abtheilung der Malven- Gewächse), wozu auch dieser Baum gehört. In Africa ist es die un- geheuere Adansonia; in den Urwäldern der südlichen Provinzen von Brasilien hatten wir die dickleibigen, mit mächtigen Stacheln bewaffne- ten Chorisien und Bombaxarten, in den dürren Ebenen und Catingas- Wäldern des Innern von Bahia die tonnenartig angeschwollenen, mit Warzen auf der Rinde versehenen Barrigudas (Pourretia tuberculata M.; vergl. II. $. 582.) beobachtet. Jetzt traten uns zwei andere aus * \ 1017. diesem Rüesengeschlechte entgegen. Die /Munguba lebt gesellig in den Niederungen des Stromgebietes, wo sie oft in weiten Strecken mit der Ambauva abwechselt; einzeln und mehr auf hochliegenden Landstrichen begegneten wir hier auch der Samauma (Eriodendron Samauima, M. Nov. Gen. t. 98.), einem verwandten Baume. Er erhebt sich noch höher, als jener, und breitet seine Aeste in grosser Entfernung vom Boden fast horizontal aus. Statt der leichtgedrehten Verzweigung und der luftigen Krone der Munguba, fesselt er das Auge durch die kühne Masse seiner ungeheueren Stämme und Aeste und die-üppige Frondosi- tät seines Laubes. Gewöhnlich sieht man diesen gewaltigen Baum wie einen vegetabilischen Thurm über seine Nachbarn hervorragen, und die Indianer, besonders die raubsüchtigen /Muras, besteigen ihn als Warte, um die Reisenden auf dem Strome zu erspähen, denen sie Hin- terhalt legen. Die Frucht dieser beiden Bäume, eine eiförmige, oft spannenlange Capsel, enthält eine bedeutende Menge feiner, gekräusel- ter Fäden, grösstentheils dem Mittelsäulchen befestigt, das nach dem. Abfalle der Fruchtklappen stehen bleibt, und dem Baume, wenn er deren viele trägt, ein höchst seltsames Ansehen giebt. Die Wolle der Munguba ist graulichgelb, die der Samauma aber von der Weisse der schönsten Baumwolle. Man hat versucht, diese vegetabilische Faser gleich der eigentlichen Baumwolle zu spinnen; da aber die Fäden sprö- der und nur mit wenigen jener kleinen Widerhacken versehen sind, wodurch die Baumwolle sich für mancherlei Gewebe vorzugsweise eig- net, so hat man dabei wenig Vortiheil gefunden. Um so geeigneter ist diese Art von Baumwolle zu Filzarbeit, namentlich zu leichten Sommer- Hüten und zur Bereitung weicher und sehr elastischer Polster. Für letztere Arbeit pflegt man von Parä aus schon seit längerer Zeit Sen- dungen nach Portugal zu machen. In kalten Ländern empfiehlt sich besonders die Wolle der Samauma, ”) weil sie ein schwächerer Wär- meleiter ist, als die Wolle der Munguba, welche weniger erhitzt. An -*) Die Wolle beider Bäume wird ‘ohne Unterschied Samauma genannt; die Namen der Bäume selbst aber erhalten von den Brasilianern nicht selten portugiesische Endungen: Mungu- beira und Samaumeira (Sumaümeira). # 1018 der Elastieität der Fasern scheint ein gewisser hygroskopischer Zustand Antheil zu haben, denn sie erneuert sich, wenn die Wolle nach lan- gem Gebrauche einige Zeit hindurch wieder der Luft ausgesetzt wird, Während unseres Aufenthaltes machten einige englische Kaufleute Sen- dungen dieses schätzbaren Artikels nach Liverpool. Bei dem Einsam- meln und Trocknen ist grosse Vorsicht nöthig, denn da die Flocken ‘sehr zart und leicht sind, so vermag selbst der schwächste 'WVindstoss die in der Sonne ausgebreiteten Vorräthe aufzuheben und davon zu ja- gen. Die innere Rinde der Munguba theilt mit der vieler anderen Bombaceen eine ausserordentliche Zähigkeit und Festigkeit. Oft ersetz- ten daher unsere Indianer den Mangel anderer Stricke, die bei dem Ziehen des Fahrzeuges gegen starke Strömungen nöthig wurden, durch lange Bastbänder , welche sie mit grosser Geschicklichkeit dem Baume auszuschneiden verstehen. In dem Canale von Uruara war es, wo wir die ersten jener Schildkröten (Emys amazonica, Spix Test, t. ı. 2.) im Zustande der Freiheit erblickten, welche für die Anwohner des gan- zen Amazonas in so ferne die Stelle des Rindviehes vertreten, als ihr Fleisch die gewöhnlichste animalische Speise ist. Sie waren, im feuch- ten Sande des Ufers gelagert, beschäftigt, das hohe Gras desselben (Panicum elephantipes, Nees) abzuweiden. Nächst der Meerschildkröte ist diese Art, die Tartaruga grande der Ansiedler, die grösste von allen; ein ausgewachsenes Thier mag wohl neun bis zehn Pfunde Fleisch liefern. Sie werden von den Indianern eingefangen, und in dichten Ver- zäunungen (Curraes) aufbewahrt, die man in der Nähe der Gewässer so aufrichtet, dass diese Zutritt zu denselben haben. Blätter und Früchte der Inga und anderer Bäume, welche man von Zeit zu Zeit hinein- wirft, sind hier ihr eigenes Futter. In reichen Fazendas enthält der Curral nicht selten hundert und mehr Schildkröten, von denen man täglich, oder wenigstens an den Feiertagen, zum Behufe frischer Fleisch- Nahrung zu schlachten pflegt, Die Bewohner der Provinz von Rio Negro machen vielerlei, zum Theil sehr schmackhafte, Gerichte aus der Sehild- kröte; aber am häufigsten sind die Zubereitungen von Suppen aus den Extremitäten und eines Gerichtes aus den dem Bauchschilde anhängenden 1019 Theilen, welche aut diesem selbst klein gehackt, und mit spanischem Pfeffer und andern Gewürzen stark versetzt über Kohlen gebraten wer- den. Das Schildkrot kann nicht verwendet werden, da es ohne Glanz, schöne Farbe und überdiess geneigt ist, in dünnen Lamellen abzublät- tern. Man sieht daher die Schale nur im Ganzen, statt anderer gros- sen Gefässe, von den Indianern in ihrem dürfügen Hausrathe gebraucht. Die Thiere sind dumm und ziemlich träge, so dass es unsern Indianern leicht ward, einige zu fangen, indem sie ihnen den Weg zum Flusse abschnitten, und sie. von der Seite mit einem Stock auf .den Rücken legten. Die einzige Vorsicht ist, dem kräftigen Gebisse derselben nicht zu nahe zu kommen. Noch war die Zeit nicht da, in welcher die Schildkröten schaarenweise den Strom zu verlassen, und ihre Eier in den Sand der Ufer zu legen pflegen. Ich behalte es daher einem spä- tern Abschnitte dieses Berichtes vor, von jenem Naturtriebe und von dem Nutzen zu handeln, der aus ihm für die Anwohner entspringt. Das Jahr ı819 war übrigens, gemäss der Versicherung unserer Indianer, der Jagd nach Schildkröten sehr ungünstig, weil sich der Fluss auf ei- ner, in den Monaten August und September, der Zeit des tiefsten Was- serstandes, seltenen Höhe erhielt. Manche der sandigen Ufer, welche sonst in dieser Periode frei von Wasser und mit Schildkröten angefüllt sind, waren dieses Jahr noch vier bis sechs Fuss tief überschwemmt. Die vorhergehenden Hochwasser des Frühlings hatten auch jetzt noch bemerkbare Verwüstungen angerichtet. Die steilen Ufer erschienen an gewissen Orten gleichsam frisch abgerissen ; ungeheure Massen von ent- wurzelten Stämmen lagen aufeinander gehäuft, oder trieben den Strom hinab, und manche der Cacaowälder längs den Ufern trugen Fluss- Schlamm, Reissig und Röhricht bis auf zwölf Fuss Höhe in den Aesten. In ihnen war die Erndte des Cacao verdorben, oder wegen der Ge- fahren der Einsammlung unbenutzt geblieben. Weiter oben am Strome hörten wir viel von dem mannichfaltigen Schaden erzählen, den dieses gewaltige Hochwasser überdiess in den Gacao „Reis, Zucker, und Caffe- Pflanzungen und auf dem nördlichen Ufer, zwischen Monte Alegre und Macapä, in den Heerden angerichtet hatte. Er ward von der Villa de # 1020 Faro bis Santarem auf 60,000 Crusados geschätzt. Das Vieh ward auf enge, sich täglich verkleinernde Inseln im Strome eingeschlossen, wo es, sich selbst überlassen und den Anfällen hungriger Kaimans und On. zen Preis gegeben, haufenweise zu Grunde ging. Besonders auffallend war übrigens die grosse Sterblichkeit, welche diese ausserordentliche - Ueberschwemmung unter den Schlangen, Raimans und den Fischen ver- anlasste, die in den Seeen und stehenden Gewässern längs dem Strome wohnten. Zum Theil ward sie durch die Fäulniss der anderen unter- gegangenen Thiere, ausserdem aber wohl auch durch die Verunreini- gung jener stillen Gewässer mit den Fluthen des Amazonas bewirkt. Die Ansiedler längs diesem Strome sind ohne Unterschied der Meinung, dass das Wasser desselben, weil es wohl gemischt und bewegt. sey (por ser bem battida), vor den meisten andern Trinkwassern den Vorzug verdiene, sobald man ihm nur gestattet habe, die erdigen Theil- chen, welche es in ziemlicher Menge enthält, niederfallen zu lassen. Man pflegt es daher in grossen, schwachgebrannten Töpfen, welche durch eine unmerkliche Verdünstung die Temperatur verringern, VIer- undzwanzig Stunden lang ruhig zu lassen, wo es dann allerdings von reinem Geschmacke ist. Die Gewässer der Seeen und Canäle dagegen sind im Allgemeinen, wenn gleich krystallhell, und durch erdige Theil- chen minder verunreinigt, von schlechterem Geschmacke und wärmer. Die zahllose Menge zum Theil fleischfressender Amphibien, welche sie | bewohnen, die Extractivstoffe mancher darein aufgenommenen faulenden Pflanzentheile, und vielleicht auch der Mangel jener erquickenden Luft- Bewegung, welche täglich wenigstens einige Stunden lang über die Wasserfläche des Amazonas hinzieht, dürften die Gründe einer ‚gerin- geren Salubrität der benachbarten stehenden Gewässer seyn. Gleich- mässig möchte ich aber die vermehrte Sterblichkeit ihrer Bewohner bei langanhaltendem Hochwasser‘ des Stromes von der Vermischung mit dem Wasser desselben ableiten. Obgleich man Kaimans und grosse Schlangen auch im Strome selbst findet, so lebt doch die Mehrzahl derselben in den seitlichen Wasseransammlungen ‚ und kommt nur in das fliessende Wasser, wenn sie auf Raub ausgeht, oder von dem | | 1021 Geruche der in der Nähe von Anstedlungen, besonders von Fischereien, dem Strome übergebenen animalischen Reste angelockt wird. Wir scheuten uns nirgends im schnell bewegten Strome zu baden, und ich erinnere mich nicht, nur ein einziges Krokodil in einem der Hauptca- näle gesehen zu haben, während sie in tiefen Buchten, im Röhricht sumpfiger-Ufer an den Ausmündungen der Canäle, und in der Nähe von Wohnungen oft zu hunderten beisammen vorkamen. Wenn ich übrigens den zahlreichen Aussagen. vorurtheilsfreier Männer Glauben schenke, möchte die Tiefe des Amazonas, ausser den eben erwähnten grossen Amphibien, noch einige Arten von Wasserschlangen beherber- gen, die ihm und seinen grössten Confluenten angehören, aber die stil- len Gewässer der benachbarten Seeen und Teiche verschmähen, Man hat ungeheuere grünlich oder braungefärbte Schlangen gleich treiben- den Stämmen daher schwimmen gesehen, und Rinder und sogar Er- wachsene sollen von ihnen hinweggeraubt worden seyn, ‚wenn sie, was jedoch selten geschieht, auf das Land hervorsteigen. Die Indianer nen- nen diess Ungethüm die Flussmutter (Parand-maia), und scheuen sich, ihm zu begegnen. noch mehr es zu tödten, weil dann ihr und des ganzen Stammes Untergang gewiss wäre, Ein alter Ruderer auf unsc- rer Canoa behauptete, diese furchtbare Wasserschlange bei Gurupä ge- sehen zu haben, und zwei Tage später habe sie seinen Bruder verschlun- "gen. Dieser sey nämlich mit seiner Braut am Ufer des Stroms spazie- _ ren gegangen, und, an eine Stelle gelangt, wo sich in der Tiefe ein » Lager des feinen schwarzen Letten bemerklich ‚machte, womit die In- dianerinen ihre. Baumwollenzeuge färben, von ihr gebeten worden, ei- nige Hände voll herauszuholen. Der Jüngling taucht in’ die Tiefe nieder; allein die Braut wartet lange umsonst auf, seine Wiederkehr. Als sie endlich genauer und ängstlicher nach der Stelle blickt, von wo er wie- derkommen sollte, findet sie den schwarzen Fleck in der Tiefe ver- schwunden, und in der Mitte des-Stroms peitscht die Flussmutter die Wellen mit dem furchtbaren Schwanze, und der unglückliche Bräuti- garı ist für immer hinweggerafft. Seit Jahrtausenden schon beschäftigt sich die Phantasie der Völker mit dem Bilde solcher riesenhaften Schlan- I. Theil. 130... 1022 gen, die in verborgener Tiefe des flüssigen Elementes wohnen, und nur selten zum Schrecken und Unheil der Menschen daraus aufsteigen, In Europa bewundern wir die Kunstschöpfung eines Liaocoon, aus dieser Sage hervorgegangen; in America wird die Phantasie von den colos- salen Dimensionen ergriffen, unter denen sich das Ungeheuere darstel- len soll. Die neuerlich so vielfach bestätigte Erscheinung der Meerrie- senschlange an den Küsten von Nordamerica erhöht die Wahrscheinlich- keit eines ähnlichen Factums in den lebensreichen Fluthen des Amazonas; freilich aber ziehen die Indianer den einfachen wahren Thatbestand durch allerlei seltsame Ausschmückungen in das Reich der Fabel hin- über. So soll die Flussmutter von Zeit zu Zeit mit einem glänzenden Diademe erscheinen, oder ihren Kopf leuchtend aus dem Wasser em- porheben, wenn eine ungewöhnliche Verminderung des Wasserstandes und davon abhängige Krankheiten eintreten werde. Die Zuversicht, ‚womit der Indianer solche Mährchen vorträgt, gehört zu den eigen- thümlichsten Zügen seines Charakters, und der Reisende in diesen Län- dern mag durch sie aufmerksam gemacht werden, von allem, was er aus dem Munde der rothen Menschen erfährt, einen Antheil des Wun- derbaren dieser phantastischen Neigung zuzuschreiben. Das Aufschmü- cken einfacher Naturerscheinungen mit dem Glanze des Wunderbaren ist die einzige Poösie, deren der Indianer, nach seiner trüben und ver. düsterten Gemüthsart, fähig ist. Auf gleiche Weise hat denn auch fast jedes Naturfactum,, das sich durch eine hervorstechende Eigenthüm- lichkeit auszeichnet, eine Fabel erhalten. Von vielen Thieren und Pflan- zen weiss der Indianer die abentheuerlichsten Dinge zu erzählen.‘ Die Fabel von den Amazonen, von Menschen ohne Kopf und dem Gesichte auf der Brust, von andern, die einen dritten Fuss auf der Brust oder einen Schweif besässen, von der Verbindung der Indianerinen mit den Coatäaffen u. dgl. sind ähnliche Ausgeburten der träumerischen Phanta- sie dieser Menschenrage. wi Die Fahrt durch den engen Canal von Uruard, welche man zu sieben Legoas anzuschlagen pflegt, ward bis zum Abend des 16. Sept- 1023 glücklich beendigt, da wir wieder in den Amazonas selbst kamen. An seinen Ufern oder auf den Sandbänken (Prayas) in ihm, wo sie schon entblösst sind, die Nacht zuzubringen, ist immer dem Aufenthalte in den Canälen vorzuziehen. Die freiere Aussicht über einen Theil des gewaltigen Stromes und der sanfte Luftzug, wodurch wenigstens manche Mosquiten hinweggescheucht werden, sind Annehmlichkeiten, zu denen sich noch die ergiebigere Fischerei gesellt; denn sehr selten warfen die Indianer ihre Angeln aus oder trugen das grosse Netz durch einen Theil des Stromes, ohne einen reichlichen Fang an grossen und kleinen Fi- schen zu thun. Unsere Indianer freuten sich immer schon im Voraus auf den Augenblick, wo sie das Ruder verlassen, und sich diesem Lieb- lingsgeschäfte hingeben konnten. Kaum stand das Fahrzeug still, so warfen Diese schon vom Vordertheile ihre Angeln aus, Jene spran- gen unter@ubel über Bord, um einen günstigen Ort für die Ausbreitung des Netzes zu suchen, und Andere sorgten alsbald Feuer anzumachen, und die unter lebhaftem Geschrei herbeigeschleppte Beute zuzurichten. Eine mässige Portion Branntwein, die wir bei solcher Gelegenheit aus- zutheilen nie versäumten, hatte die gute Wirkung, sie heiter, gesellig und thätig zu machen. Der Indianer ist eben so geschickt im Fisch- fange als auf der Jagd. Weithin im Wasser erblickt, und unterscheidet er die verschiedenen Fische; er wählt mit Umsicht diejenige Art des Röders, dem die eben gegenwärtigen Fische vorzugsweise nachgehen, und handhabt die Werkzeuge mit unglaublicher Behendigkeit. Selten ist seine Angelschnur an einem Stocke befestigt; er rollt sie künstlich zusammen, wirft sie weit ab vom Ufer in den Strom und fühlt, ohne zu sehen, die schwächste Bewegung, welche der angelockte Fisch mit der Angel vornimmt. Oft hörte ich die Indianer behaupten, dass die Fische nicht sowohl durch den Geruch als durch die Gestalt des Köders angezogen würden; und zu meinem nicht geringen Erstaunen fingen ‚sie gerade nur denjenigen Fisch, dessen eigenthümlichen Röder sie aus einem wollenen Lappen, aus Papier, Rinde, einem Insecte, Salzfisch oder Fleisch eben so fertig als täuschend gebildet hatten. Wenn man bedenkt ‚ dass unzählige Stämme der brasilianischen Ureinwohner, die 130 * 3 1024 in der Nähe grosser Gewässer wohnen, eben. so sehr auf die Fischnah- rung als auf die Thiere des Landes und auf verhältnissmässig wenige ess- bare Vegetabilien hingewiesen werden, so kann es nicht befremden, wenn sie, bei aller übrigen Rohheit, dennoch in der Kunst des Fisch- fangs eine grosse Fertigkeit und sogar Kenntnisse besitzen. die bei uns gänzlich unbekannt sind. Der ‚Fischfang des Indianers ist entweder eine Jagd, mit denselben Waffen, die er auch gegen andere Thiere und im Kriege anwendet, oder ein Fangen, indem er den Fisch bald semem Elemente entzieht, bald durch allerlei mit dem Wasser vermischte Stoffe in Betäubung versetzt. Die Jagd auf Fische geschieht mit Lanzen, Wurfspiessen, Pfeilen, oder mit der Zstolica. Die Pfeile haben ge- wöhnlich Widerhacken an den Spitzen, und sind aus zwei von einan- der trennbaren Stücken zusammengesetzt. Sobald die Spitze in dem getroffenen Fische haftet, und dieser in die Tiefe geht, wiekelt sich eine feine Schnur vom Vordertheile des Pfeiles ab, der Hintertheil bleibt auf der Oberfläche des Wassers zurück, und zeigt dem Jäger, wo der Fisch zu holen sey. Unglaublich ist die Geschicklichkeit, die der India- ner im Schusse auf pfeilschnell und unter der Wasserfläche dahineilende Fische bewährt. Er weiss die, durch die Brechung des Bildes im Was- ser bewirkte, Täuschung zu berechnen, und verfehlt selten sein flüch- tiges Ziel. Vorzüglich geschickt in dieser Waffengattung sind die Pas- ses, denen ich desshalb oft ein reichliches Mahl a.n Rio Fupura verdankte, als uns die Lebensmittel ausgegangen waren. Einige Stämme, wie die eben genannten und die Juris, rühmen sich so guter Bogenschützen, dass sie sogar Schildkröten erlegen könnten, indem sie den Pfeil so gut berech- net in die Luft schiessen, dass er, senkrecht herabfallend den hervorge- streckten Hals des Thieres, die einzige verwundbare Stelle, durchboh- ren muss. Die Zstolica ist ein Brett vom leichten Holze des Cedro- oder Ambauvabaumes, dessen sie sich statt einer Schleuder für lange und schwere Pfeile bedienen, indem sie das parallel in eine Rinne oder auf einen niedrigen Quersteg gelegte Wurfgeschoss mit einer unschein- baren Bewegung der Hand abwerfen. Wir fanden diese Waffe nur bei einigen alten Indianern vom Stamme der Cambevas und Sorimoes 1025 in Ega; sie scheint in den östlicheren Gegenden unbekannt zu seyn. (Ein ähnliches Wurfwerkzeug der Tecunas haben wir bei den andern Waffen, Nro. 25., abgebildet.) — Eine ganz verschiedene Art des Fischfangs, die man in Europa wohl schwerlich anders als bei Schleus- sen der Fischteiche anwendet, sollten wir noch am Spätabend des ı6. Septembers sehen. Sie besteht in nichts Geringerem, als die Fische in kleinen Bächen durch plötzliches Ausschöpfen des Wassers auf das Trock- ne zu setzen. Unser Fahrzeug lag an einer Landspitze vor Anker, durch die ein seichter Wassergraben in den Amazonas herabkommt. Einer unserer Vormänner im Fahrzeug, den seine Cameraden wegen ungewöhnlicher Corpulenz (in Vergleichung mit dem dickbauchigen Af- fen Barrigudo oder Panzo) den /garatiyba Barrigudo nannten, hatte, wahrscheinlich dem Fischerglücke der Uebrigen zu Gunsten seines un- ersättlichen Appetites nicht genug vertrauend, sich in der Gegend um- gesehen, und kam von dorther mit wohlgefälligem Schmunzeln unter dem Ausruf zurück: Jassoana! Aique Igapuja! Aique Piraete! Coru- tim! (Lasst uns gehn! Da giebt’s Fische auszuschöpfen, viele Fische! Eilig!) Fast Alle liessen die angefangene Arbeit zurück, und liefen, ei- nige Cujas und Schildkrötenschaalen in den Händen, zu dem Bache; durch zwei niedrige Sandbänke dämmten sie das stillfliessende Wasser in einer Ausdehnung von sechs Klaftern ein, und warfen nun mit sol- cher Schnelligkeit das Wasser zwischen den ausgespreitzten Füssen rück- wärts, dass in weniger als zehn Minuten eine Menge von Fischen auf. trocknem Grunde zappelten. Die Uebereinkunft, was von dieser Beute mitzunehmen, was zurückzulassen sey, schien ihnen grössere Mühe zu machen, als die Arbeit; denn darüber stritten sie lange, indem ein Jeder “die Eigenschaften seines Lieblingsfisches anpriess, und am Ende kam ihnen unser Ausspruch sehr gelegen, dass alle mitgenommen, und die- jenigen,, welche nicht zur Speise dienten, für die Sammlung in das Fass mit Branntwein geworfen werden sollten. *) Unser dickbäuchiger Te *) Wir fingen hier: eine Art Sorubim, Platystoma Lima, (Pisces bras. t. ı5.), der nebst dem köstlichen Pirinambü (Pimelodus Pirinambu, ibid. t. 8.) zum Hauptgerichte ausgewählt ward; ferner: Pimelodus Spixii (t. 7. f. ı.), Engraulis tricolor (t. 23. f. ı.), Anodus Iatior (tk. 41.), 1020 Vormann schien durch den glücklichen Fang zu erhöhter Thätigkeit er- muntert; denn da es Nacht geworden war, schlich er sich, während die übrige Rotte, um das Feuer kauernd, mit hungrigen Blicken an dem noch unvollendeten Mahle hing, mit einem Feuerbrand an den Strom hinunter. Es dauerte keine Viertelstunde, so kam er mit einem ungeheueren Pirarara (Phraetocephalus bicolor, Agassiz Pise. t. 6.) zurück, den er,triumphirend vor uns in den Sand warf. Diesen zwölf Pfund schweren Fisch hatte er durch den Feuerbrand an’s Uter gelockt, und mit den Händen gefangen. - An Orten, wo von Krokodilen nichts zu fürchten ist, stellen die Indianer solche einfache Jagd nicht selten an, die mit der Lachsjagd am Rhein und in Schottland verglichen werden kann. Auch das sogenannte Forellenkitzeln (to tickle a trout), wodurch geschickte Fischer in England die Forellen zwingen, aus ihren Höhlen unter den Steinen hervorzukommen, ist ein den Indianern bekannter Handgriff. Hat man einmal gesehen, mit welcher Geschicklichkeit der rothe Mensch auch den schlausten Vogel 'anzulocken und so lange mit der Schlinge zu umgaukeln versteht, bis er auf eigenen Antrieb hinein- schlüpft, so wird es nicht befremden, dass er auch die dummen und minder scheuen Fische durch ähnliche Runstgriffe fangen kann. Die von uns durch das /gapuja (Ausschöpfen) erhaltenen Fischar- ten waren den Indianern unter Namen bekannt, die fast alle mit dem Worte Pira (Fisch) zusammengesetzt, Vergleichungen mit andern Thie- ren ausdrücken: wie Pira-Inambu, Pira -Andira, Pira-Arara, d. b. Feldhuhn -, Fledermaus -, Ararafisch, Ich führe diese Thatsache an, um daran die allgemeine Bemerkung zu knüpfen, dass solche, von ir- gend einer Aehnlichkeit hergenommene, Bezeichnungen der Sinnesart der Indianer überhaupt sehr befreundet seyen. Namen von Pflanzen tragen sie auf Thiere über, und umgekehrt; ja sogar viele Völkerstämme haben solche Namen erhalten, die, wenn gleich nicht ihre ursprüngli- chen Bezeichnungen ‚ der Mehrzahl vorzugsweise bekannt geworden sind, T i r er Ian en (t. 33. £. 1.), Chalceus amazonicus (t. 35.) und den Pira-andird, Ju 1027 und nun als Unterscheidungsname dienen. So giebt es Maraua- oder Parauad- und Coata-Tapuüja, deren Name von zwei, eben nicht zier- lichen Affenarten, dem Paraua (Pithecia hirsuta und inusta, Spix Sim. t. 9. 10.) und dem Coatä (Ateles Paniscus) hergenommen ist. Einen glänzendern Gegenstand haben sich die Araras gewählt, indem sie ihren Namen von den schönen Vögeln gleichen Namens ableiten ; denen Sie sich überdiess durch eine eigenthümliche Tatowirung im Ge- sichte ähnlich zu machen suchen. Besonders häufig ist die Sitte solcher Bezeichnungen bei zahlreichen Stämmen, die dadurch ihre einzelnen Horden zu unterscheiden suchen; so z. B. Miranhas Oera-agu-Tapuüja und Carapana - Tapuija, Brose, Vogel- und Schnacken - Miranhas. Am ı7. und 18. Akne verfolgten wir unsern Weg im Ama- zonas, und zwar längs dem südlichen Ufer, stromaufwärts. Begünsti- gend a der Wind, besonders vom frühen Morgen, bis gegen Mit- tag. Sobald er aufhörte, ward am Festlande oder an einer Insel Halt gemacht, um das Mahl zu bereiten, zu welchem der Strom fast immer seinen Beitrag trefflicher Fische lieferte. Die Nächte wurden in der Nähe des Landes hingebracht, wobei wir von den Mosquitos auf das Empfindlichste gequält wurden. Wenn wir während der Landreise, aus Besorgniss eines Ueberfalles, Nachtwachen anstellen mussten, so schien uns dort die Entbehrung des Schlafes bei weitem minder schmerz- lich als hier, wo sie nicht die Folge freien Entschlusses, sondern einer qualvollen Verfolgung war. Wir erblickten übrigens während dieser Tage eben so wenig als früher ausser unsern Begleitern ein menschli- ches Wesen. Diese tiefe Einsamkeit, welche nicht ungünstig auf die Heiterkeit unseres Gemüthes wirkte, kündigte uns an, wie weit wir uns schon von den belebten Küsten entfernt hätten. Allerdings befanden wir uns gegenwärtig schon in dem ungeheueren Gebiete, welches vor- zugsweise noch als Eigenthum der Ureinwohner Brasiliens betrachtet werden kann; denn nur die wenigen Ortschaften an dem Strome und dessen Beiflüssen sind mit Einwohnern europäischer Abkunft besetzt, alles übrige Land bis in unermessene Ferne wird lediglich von zerstreuten 1028 Indianerstämmen bewohnt, zwischen denen keine europäische Familie Fuss gefasst hat. Die Paraönser selbst pflegen aus diesem Grunde die westlichen Gegenden die Wüste, o Sertäo do Amazonas, zu nennen. Da wir von nun an häufig Veranlassung haben werden, von Indianern zu reden, so dürfte es am rechten Orte seyn, die Verhältnisse über- haupt kürzlich anzuführen, unter denen diese Autochthonen dem Rei- senden begegnen können. Sie sind entweder in den von Weissen ge- gründeten Ortschaften angesiedelt, oder sie leben noch abgesondert in ihren Wäldern, haben aber so viel Sitte angenommen, dass sie einen schwachen ‚Verkehr mit ihnen unterhalten, oder endlich sie sind erklärte Feinde der Einwanderer, bald geneigt sie zu überfallen und zu verfol- gen, bald in dem Gefühle ihrer. Schwäche veranlasst, sie zu fliehen und jedem Verkehre zu entsagen. Durch die Ueberredung der Missio- näre oder angesehener Colonisten wurden einzelne Familien oder ganze Horden, bisweilen aus den verschiedensten Gegenden, bewogen, sich in Ortschaften (Povoagoes) niederzulassen , und diess ist die Ursache der unglaublichen Mischung, aus sechs bis zehn und mehr Stämmen, wel- che man hier nicht selten antrifit. Die angesiedelten Indianer (Indios aldeados) haben im Verhältnisse der Zeit, welche sie in den Ortschaf- ten zubrachten, ihre eigenthümlichen Sitten und Sprachen bereits auf- gegeben, und sprechen die Zupi- oder, bei längerer Bekanntschaft mit den Colonisten, die portugiesische Sprache. Diese Bevölkerung , gewöhn- lich nur durch vorübergehende Verhältnisse, wie z.B. durch Krieg mit den Nachbarn, verheerende Krankheiten, Mangel an Nahrung, sel- ten durch ein lebhaftes Bedürfniss eines bessern bürgerlichen Zustandes geschaffen, ist oft sehr un: tändig. Sie kehrt in ihre Wälder zurück, oder- verändert den Platz der Ortschaft, bei dessen erster Wahl sie sorglos" genug zu Werk gegangen war. Manche Villas stehen jetzt schon auf dem vierten oder fünften Platze, und haben bei. jeder Dislo- cation gewisse Einwohner verloren oder andere dagegen gewonnen. Auch die ‚Beispiele sind nicht selten, dass die Indianer den Missionär ermordeten und sich wieder in ihre ursprünglichen Wohnsitze zurück- zogen. Getäuschte Erwartungen rücksichtlich der Behaglichkeit. ihres 1029 neuen Zustandes, Bedrückung durch eingewanderte Colonisten, die Ver- heerungen der Blattern oder Masern, sehr selten unkluges Benehmen ihres Bekehrers waren die Gründe eines solchen Aufruhrs, der dann gewöhnlich von dem Gouverneur in Para oder in Rio Negro durch ei- nen Ausrottungskrieg oder Hinwegführung zur Gefangenschaft in ent- ferntere Orten bestraft wurde. iese Verhältnisse erklären hinreichend die Entvölkerung, welche wir fast überall antrafen, wohin wir im In- nern der Provinzen von Parä und Rio Negro kommen mochten; sie erläutern zugleich, von welcher Art die Beobachtungen über die Völ- kerstämme seyn konnten, die uns in den Ortschaften begegneten. Hier stellte sich uns keineswegs ein Bild ihres ursprünglichen Naturlekäns , ihrer freien Bewegung, selbstständigen Sitte und Sprache dar; son- dern wir fanden gleichsam nur kranke und veränderte Ueberreste. Ja, noch. mehr, da gerade die weniger zahlreichen Stämme am leichtesten vermocht worden waren, sich in diesen Ortschaften niederzulassen, da sie überdiess durch minder heroische Gemüthsart, minder eigenthüml- che Sitten und schwächere Leibesbeschaffenheit um so eher geneigt waren,.in der Vereinigung mit den Weissen unterzugehen, so war oft nur eine einzige Familie eines ganzen Stammes, von andern sogar nur noch der Name übrig, und unsere ethnographischen Untersuchungen gingen bisweilen in eine Art archäologischer Erörterungen über, da das Interesse der Gegenwart verschwunden war. Von vielen Stämmen, die im Berichte Acunna’s als mächtige Anwohner des Stromes beschrie- ben werden und von noch mehreren, die auf den Karten verzeichnet sind, fanden wir keine Spur, oder nur entfernte Anklänge ähnlicher Namen. Um so wichtiger musste uns aus dem Grunde die Bekanntschaft mit mächtigen Stämmen seyn, die noch in ihrem ursprünglichen Zustande verharren, aber in einigen Verkehr mit den Weissen getreten sind. Eine zahlreiche Nation, die Muras, lebt frei in einzelnen Familien längs den Ufern des Amazonas, des Solimoes und des Madeira. Diese, gleich- sam die Zigeuner unter den Indianern, haben keine fixen Wohnsitze (Indios de Corso), und ihnen konnten wir, als Freund oder Feind, je nach Gelegenheit, begegnen. Die übrigen grösseren freien Stämme, IT. Theil. 131 1050 die Mundrucüs, Mauhes, Miranhas u. s. f. mussten wir, wenn es um ihre Bekanntschaft zu thun war, in ihren, vom Hauptstrome mehr oder weniger entfernten, Wohnorten aufsuchen. Nach den hier angeführten verschiedenen Verhältnissen gelten drei verschiedene Gesichtspuncte für die Schilderungen von Autochthonen, welche wir dem Leser im Ver- laufe dieses Berichtes noch ee | haben. Am Morgen des ı8. Septembers hatten wir die Ufer von Cuzary, etwa sechs Fuss hohe Lettenabhänge, am südlichen Ufer des Amazonas zu unserer Seite. Den ganzen Tag hindurch fuhren wir längs diesem Ufer hin; und die Indianer brachen mit dem Frühesten des folgenden Tages auf, so dass uns ihr Rudergesang erweckte. Als wir aus der Cajüte hervortraten, bemerkten wir eine bedeutende Veränderung des Wassers; es war nicht mehr schmutzig gelb, wie das des Amazonas, sondern dunkelgrün und sogar heller , als das des Xingu; wir befanden uns also in der Mündung des Tapajöz. Bald fuhren wir in diesem Flusse selbst aufwärts, dessen Breite uns nicht viel geringer erschien, als die des Xingu bei Porto de Möz. Gegen Mittag erreichten wir die, zwei Legoas oberhalb der Mündung am östlichen Ufer gelegene, Villa de Santarem, wo wir uns beeilten an’s Land zu gehen, um von den vielen Mühseligkeiten der bisherigen Reise auszuruhen. Santarem, in der Lingua geral 7‘ apajöz genannt, ist. die wichtigste Villa am ganzen Amazonas, und ihre Lage verbürgt schnelles Aufblühen und Reichthum, bei zunehmender Bevölkerung dieser Gegenden. Sie liegt auf einem ungleichen Grunde, der sich zwölf bis dreissig Fuss über den Strom erhebt. Mehrere Reihen einstöckiger Häuser bilden eine Haupt- und mehrere Nebenstrassen, und tragen das Gepräge von Reinlichkeit und häuslicher Bequemlichkeit. Die neue Rirche, deren Bau noch’ nicht vol- lendet war, zeugt von Geschmack und guter Anordnung. Sie ist mit zwei niedrigen , viereckigen Thürmen versehen: eine in den nördlichen Pro- vinzen Brasiliens häufige Bauart. Hier, wie in den übrigen Ortschaf- ten des Innern von Parä ‚ bestehen die Wände der Häuser gewöhnlich aus hölzernen Pfosten. welche mit. Flechtwerk verbunden, dick mit 1051 Letten beworfen und weiss bemahlt werden. Das Dach ist entweder von Hohlziegeln, oder von Palmblättern. Nur wenige Häuser haben ‚einen gemauerten Grund und Untermauern von Bruch- oder Backstei- nen. Die Zimmer sind geräumig, und bisweilen statt der Fenster ge- gen die Strasse hin mit Thüren versehen, weil sie im vorkommenden Falle auch als Waarenlager benutzt werden sollen. Oft ist die Zahl der Gemächer in einer Reihe nicht unbeträchtlich, und wird, nach dem Bedürfnisse, in Wohnungen für mehrere Familien abgetheilt. Die Höfe hinter den Häusern sind durch niedrige Lehmwände von einander ge- trennt, und enthalten gemeiniglich einen oftenen Hangard, unter dem ae wird, und Hütten für die Dienstboten des Hauses, die grössten- theils EEE selten Neger oder Mulatten, sind. Statt der Glasfenster sieht man fast überall nur Läden von Holz oder von feinem Flechtwerk. Die Fussböden sind selten getäfelt, gewöhnlich mit Backsteinen ausge- mauert, oder, besonders in ärmeren Wohnungen, nur mit gestampftem Letten essen Die Thüren bestehen fast überall aus zwei Flü- geln, deren jeder aus einem einzigen Brette gearbeitet ist. Die Wände werden mit weissem oder gelblichem Thone (Tabatinga) bemalt, von dem mächtige Lager in den Flüssen vorkommen; um dieses Material inniger zu binden, wird es nicht blos mit Wasser, sondern theilweise auch mit der zähen Milch der Sorveira, eines Baumes aus der Familie der Apocyneen (Collophora utilis, Mart.) angemengt. Dieser einfachen und anspruchslosen Bauart entspricht auch die Einrichtung der Zimmer. Feine Meubles sind selten, obgleich manche der edelsten Holzarten, wie ZB. die Moira- -pinima (bei uns wildes Rosenholz genannt), einheiiisch und leicht zu erhalten sind. Gewöhnlich findet man Stühle mit Rohr- Geflecht oder mit Leder überzogen, statt der Sopha’s einige von weis- ser Baumwolle in zierlichen Mustern gewebte, nicht durchbrochenge- strickte, Hangmatten und einen kleinen Spiegel. Statt der Leuchter er- scheinen grosse messingene Lampen, in denen aus mehreren Dochten das Oel des Wunderbaums brennt. Die Anzahl der Einwohner von Santarem, welche in den Kirchenlisten eingetragen sind, erhebt sich nicht viel über zweitausend; rechnet man aber alle zerstreuten, zum 431° 1032 Theil weit entfernt wohnenden Fazendeiros und die zahlreichen Indianer. Familien hinzu, welche bei diesen arbeiten, so darf man wohl viertau- send als die Zahl aller Einwohner in einem Districte annehmen, dessen bewohnbare Grundfläche etwa fünfzehn Quadratmeilen einnehmen möchte. Unter den Einwohnern zählt man eine verhältnissmässig grosse Anzahl von Weissen, die sich hier niedergelassen und mit Frauen gefärbter Abkunft verbunden haben. : Seit PomsaL ist in Portugal die Meinung von dem Reichthume und den günstigen Naturanlagen der Provinz Parä herrschend geblieben, und dadurch sind Leute aus den niedern Volks- Classen veranlasst worden, hierher einzuwandern, wo ihnen der Ver- kehr mit den Indianern und die Leichtigkeit, diese statt der Sclaven zur Anlegung von Pflanzungen zu verwenden, zu Statten kommt. Eben diess Verhältniss zu den Indianern, die nicht mit Geld für ihre Dienste oder für die von ihnen zu Markt gebrachten Artikel bezahlt werden, hat veranlasst, dass sehr viele der Ansiedler allerlei europäische Waa- ren in ofinen oder geschlossenen Läden verkaufen; wodurch die Villa den Schein eines lebhafteren Handels erhält, als hier wirklich statt fin- den kann. Man darf übrigens Santarem als den Stapelplatz des Han- dels zwischen dem westlichen Theile der Provinz Parä und der Haupt- stadt betrachten. Aus den benachbarten Villas: Obydos, Faro, Alem- quer, Villa Nova da Rainha im Westen ‚ und Alter do Chäo, Villa Franca, Boim, Pinhel und Aveiro im Süden am T. apajöz, werden Cacao, Salsaparilha, Nelkenzimmt, etwas Caffe, Baumwolle und elasti- sches Gummi hierher gebracht, um sodann nach Parä verschiflt zu werden. Die Fazendeiros, welche Pflanzungen in der Nähe besitzen, und nur selten, besonders während der grössten Feste, in die Villa kommen, hatten sich früher fast ausschliesslich dem Anbaue des Cacao gewidmet, der überdiess auch hier nicht selten wild wächst; in neuerer Zeit fangen sie an, dem Cafle, der Baumwolle und dem Indigo mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Manche dieser wohlhabenden Grundei- genthümer versenden ihre Erzeugnisse in eigenen Böten nach Para, # dass den zahlreichen Unterhändlern vorzugsweise der‘ Verkehr mit den Indianern am Tapajöz übrig bleibt, welche ihre Handelsartikel immer 1033 nur in geringen Quantitäten einzuliefern pflegen. Ganz vorzüglich gün- stig für den Handel von Santarem ist die Beschiflung des Tapajöz bis in die Provinz von Matto Grosso, welche seit etwa fünfzehn Jahren viel häufiger als die des Madeira unternommen wird. Die Handelsleute von Santarem benutzen diese Reise nicht blos, um mit, den Bewohnern von Matto Grosso in Handelsverkehr zu treten, sondern auch um von den beiden mächtigen Indianerstämmen, den Mundrueus und Mauhes, die längs dem 7apajöz wohnen, Nelkenzimmt, Salsaparilha, Cacao, Federschmuck und das Guaranä einzuhandeln, dessen Bereitung ganz vorzüglich Geschäft der Mauhes ist. Von Santarem aus stromaufwärts wird die Reise bis Cujaba in einem kleinen, leichten Fahrzeuge binnen sechs Wochen, in einer grossen Canoa, die etwa zwölfhundert Arro- bas führt, binnen vier Monaten oder etwas längerer Zeit zurückgelegt. Ausführlichere Nachrichten über den Tapajöz und den Handel auf die- sem Strome verweise ich in die Anmerkung. (&) | Wir fanden freundliche Aufnahme bei einigen angesehenen Ein- wohnern der Villa, unter denen seit mehreren Jahren ein Geistlicher wohnte, der früher dem Missionsgeschäfte in Ostindien obgelegen hatte, Seine Erzählungen von dem Naturzustande der Hindus in dem Lande eines uralten. Cultus und einer gleichsam erstarrten Geschichte gewähr- ten interessante Vergleichungen mit dem Zustande der Indianer, unter denen wir uns befanden. Diese Race irägt in Allem den Charakter ei- nes gänzlichen Mangels innerer Einheit und Wesenheit, und ist darum in einer fortwährenden Volubilität der Gesinnungen, Meinungen, natio- nalen Sitte und Sprache begriffen. Sie bleibt sich in Nichts gleich, als in ihrem Unbestande. Die Indianer um uns her, Arbeiter bei den Co- lonisten oder Eigner kleiner Anpflanzungen, waren eine Mischung aus zahlreichen Stämmen: den Jacypuyas, Jurunas, Cariberis, Curiares (Curiveres), Cuzaris, Guaruaräas, welche alle zwischen den Rios Xingü und Zapajöz wohnen, und den Passes, Juris, Uainumas, Marauhas und Miranhas, die aus den westlichen Gegenden, besonders vom Rio Yupurä hergebracht worden waren. Alle diese verschiedenen Stamm- 1034 Verwandten waren hier durch den Umgang mit Weissen, oft binnen wenig Jahren, zu einer an Sitte und Sprache fast gleichartigen Beyöl- kerung umgeschmolzen worden. Die wenigsten hatten volle Erinnerung an ihre ursprüngliche Sprache erhalten, aber eben so wenig die por- tugiesische oder die Lingua geral vollkommen eingelernt; vielmehr hatte jeder Einzelne besonders die letztere Sprache nach seinen eigenen Fä- higkeiten umgemodelt. Die Lingua geral fängt schon hier an, das all- gemeine Vehikel zu seyn, wodurch die Ansiedler mit den Indianern ° verkehren; aber ihre vocalreichen wohlklingenden Worte werden von den verschiedenen Stämmen auf manchfaltige Weise umgebildet, ver- stümmelt und verdorben, so dass man bisweilen nur ein unklares Ge- murmel oder Schnalzen vernimmt. Diese durch Zufall vereinigten In- dianer kommen übrigens unter einander ganz vorzüglich in dem Hasse überein, den sie, jeder Einzelne gemäss der angeerbten Eindrücke und Gefühle seines Stammes, gegen irgend einen andern Stamm tragen. Nichts kann niederschlagender für den Menschenfreund seyn, als die Bemerkung, wie tief gerade diess Gefühl der nationellen Feindschaft und Verfolgungswuth in der Seele des Indianers wurzelt. Es ist so mit seiner Natur verwebt, dass man selten Erkundigungen über irgend einen Stamm einzieht, ohne dass der befragte Indianer aus eigenem Antriebe die erklärten Feinde desselben angäbe. Auf einem ähnlichen, wenn gleich gemilderten, Gefühle beruht auch der Unterscheidungsname, welchen die unter den Weissen wohnenden und ihrer Stammeigenthüm- lichkeiten verlustigen Indianer sich selbst geben. Sie nennen sich näm- lich mit Selbstzufriedenheit die Canicarüz, was etwa so viel als die Be- kleideten, Gebildeten, bezeichnen soll; die weiter westlich, besonders längs dem Amazonas, wohnenden Stämme dagegen nennen sie Fapyr- uara d. h. Leute des oberen Flusses, der Wildniss. Unter diesen zah- men Indianern fiel uns ein Schlag äusserst wohlgebildeter Leute von heller Hautfarbe und einen ovalen tatowirten Fleck im Gesicht auf. Sie sind Individuen vom Stamme der Juri, Passe und Uainumaä und wer- am mit dem ‚gemeinschaftlichen Namen der Juri- piscuna d. h. Schwarz Gesichter bezeichnet. Alle Ansiedler stimmten im Lobe dieser Stämme, 1035 als fleissiger, treuer Arbeiter von grosser Intelligenz, überein. Wir beobachteten sie in ihren Wäldern später, wo ausführlich von ihnen gehandelt werden wird. Santarem war von den Portugiesen als Anhaltepunct für Diejenigen angelegt worden, welche Indios de Resgate aus den benachbarten Ge- genden zusammentrieben. Später erbaute man ein kleines viereckiges Fort oberhalb der Villa an dem abhängigen Ufer und legte eine kleine Gar- nison hinein, um sowohl die Indianer im Zaume zu halten, als die Fahrt auf dem Amazonas zu beaufsichtigen. Vielleicht weil dieser Zweck verfehlt war, indem die Entfernung. von dem Hauptstrome keine genaue Controlle der vorüberfahrenden Schiffe erlaubt, vielleicht nur als Folge der allgemeinen Mittellosigkeit und Erschlaffung in der Administration der Provinz von Parä, welche nach Pomsans Ministerium eintrat, ist jene Befestigung jetzt so gänzlich verfallen, dass man kaum noch die Grundmauern erkennen kann. Nichtsdestoweniger sind die Schiffe, wel- che den Amazonas hinauf und hinabgehen, gehalten, sich in Santarem bei dem Commandanten zu melden und Ladung und Passagiere verzeich- nen zu lassen; eine Maassregel, der man sich um so weniger zu ent- ziehen pflegt, als man nach einer langweiligen, mühvollen Reise gerne einige Tage in einer Ortschaft ausruht, und neue Mundvorräthe ein- nimmt, die hier frisch und wohlfeil zu erhalten sind. Die hochliegen- den Gegenden am Tapajöz liefern nämlich sehr gutes Mandioceamehl, und diess wird, so wie getrocknete Fische, sogar von Indianern, je- doch immer nur in kleinen Quantitäten, zu Markt gebracht. Ueberdiess kann man, hier auch Rindvieh kaufen, ””) wovon Heerden in den ofinen Gegenden (Campos) weiden, die einige Legoas im Süden der Villa zwischen den Wäldern anfangen, und weiter aufwärts am Strome im- mer häufiger werden. Die Viehzucht wird westlich von Santarem in demjenigen Theile des Amazonasthales, welcher ausschliesslich mit Ur- *) Die Preise der Dtesmuöstel waren hier folgende: ein Korb (Paneiro oder in der Lin- Sua geral Panacı) Farinha d’Agoa (Oi-cata), etwa 40 Pf., ı200 Reis, ein grosses Schwein 4000, ein Widder 2000, ein Ochs i2000, eine Arroba gesalzener Fische (Pirarucu) 2100 Räis. 1030 wald bedeckt ist, wegen Mangels an Nahrung und vieler wilden Thiere, fast unmöglich; es sey denn, dass man sich bequeme, das Rindvieh im- mer im Pferche zu halten, und mit geschrottenem Mais und angepflanz- tem Grase zu füttern, eine Landwirthschaft die gegenwärtig mit den Ansichten und dem Temperamente der Ansiedler unverträglich scheint. Wir durften daher diesen Ort nicht verlassen , ohne Provisionen frischen Fleisches eingesalzt zu haben. Das Rindvieh ıst von Monte Alegre und Oitero hierher gebracht worden. Es ist von einem kräftigen Schlage, vermehrt sich aber nicht sehr schnell, wovon der Mangel guter Weide während der trocknen Monate und die Verfolgungen der Fledermäuse die Schuld tragen. Diese Thiere sind auch hier eine der grössten Land- Plagen. Die geselligen Arten ) leben nicht blos in den Dächern der Häuser und unter dem Gesteine der Hochufer, sondern auch auf den Bäumen in der Nähe des Stroms, von denen wir sie bisweilen zu fuss- langen Ballen versammelt herabhängen sahen. Die Villa geniesst übri- gens ein sehr angenehmes und gesundes Klima. Der Horizont soll nicht so häufig und dicht umwölkt seyn, als diess in Parä der Fall ist, und die Hitze des Tages wird durch Gewitter abgekühlt, welche sich mei- stens in Ost und Nordost zusammenziehen und ausser vielen elektrischen Entladungen auch gewöhnlich von starkem Winde’ aus jenen Weltgegen- den begleitet sind. Während der trocknen Monate, besonders von Juli bis September, weht der Ostwind fast jeden Vormittag längs dem Strome herauf, Das Wasser des Tapajöz ist gesund, kann aber’ auch durch das einiger Quellen ersetzt werden, die aus dem thonigen Hoch- ufer desselben hervorbrechen. Man kennt hier keine endemische Krank- heit; allein die Blattern und Masern richten von Zeit zu Zeit grosse Verheerungen unter den Bewohnern, namentlich den Indianern, an. Von dem Kirchthurme der Villa aus hatten wir eine weite Aus- sicht über das Land um uns. Der Tapajöz zieht durch eine Gegend hin, deren Niedrigkeit und Fläche zu beurtheilen einzelne ungeheure nn = ) sind: Thyroptera tricolor, Spix Si Y Re a 3 m. et Vesp, 1.36. f. a. . Spix. Die grossen Vampyre sind nicht h auf, S esp. 1.36. f. 9. und Proboseidea rivalis, Sp 1037 Bäume dienen können, welche sich hie und da aus dem Urwalde er- heben. Einige Stunden landeinwärts in $. und $. O. bemerkt man ei- nen Zug niedriger, dicht bewaldeter Berge. Die Ufer des Zapajoz selbst fangen im Süden der Villa an, steiler und höher zu werden. Grösstentheils aus rothem Letten bestehend, werden sie vom Regen und Hochwasser in der Art zerklüftet und abgespült, dass sie hie und da als steile Regel oder unter der Form natürlicher Wälle hervortre- ten. So sind sie eine halbe Legoa oberhalb der Villa, deren Ansicht im Atlas mitgetheilt worden, Die Gebirgsformation ist auch hier, wie in Gurupä und Parä, ein rother oder leberbrauner Sandstein, der sich hie und da als Sandeisensteinbreccie darstellt. Die Meinung, dass schon wenige Tagereisen am Strome aufwärts Goldformation herrsche, ist un- ter den Einwohnern von Santarem allgemein. Man zeigte uns auch dichte Schwefelkiese, die man unterhalb der Katarakten, an einem Orte, den die Indianer Taguba-coara nennen, gefunden und für silber- haltig angesehen hatte. DE LA ConpaminE bemerkt, dass man hier am leichtesten jene grünen, unter dem Namen der Amazonensteine oder Pierres divines bekannten, Steine erhalten könne. In dieser Absicht be- suchten wir die meisten Hütten der Indianer, welche tiefer am Strome als die Häuser der weissen Indianer die Anlage eines besonderen Quar- tiers darbieten; allein unsere Nachfragen waren fruchtlos. - Die Vege- tation stellt hier, eben so wie am Ufer des Xingü, kein reines Bild der Flora des Amazonas dar, sondern enthält mancherlei, den südliche- ren Gegenden vorzugsweise angehörige Formen. In der Nähe der Villa bemerkt man niedrige, dichtbelaubte Bäume und eine Flur von steifen, langbehaarten Gräsern des Campo agreste, gleich denen in Piauhy. Tie- fer landeinwärts ist Alles mit hoher Urwaldung bedeckt. Der allgemeine Charakter, wodurch sich die Vegetation in der Nähe von Santarem von der des Amazonas unterscheidet, ist eben der Inbegriff aller derje- nigen Eigenschaften, die wir früher in der Flora des Hochlandes von Mittelbrasilien bemerkt hatten: niedrigere, stärker verästelte Bäume, kleinere, härtere, öfter behaarte Blätter, zahlreichere und häufiger wohlriechende Blumen, endlich ein Uebergewicht an Gräsern, Kräutern II. Theil. : 132 1058 und niedrigem Buschwerk. Der Gesammtausdruck, wodurch sich die Flora bemerklich macht, fällt selbst den reisenden Sertanitas auf, Ei ner derselben, den wir über die Reise im Tapajöz nach Cujabä befrag- ten, glaubte uns die Art der Vegetation längs diesem Flusse am besten so zu bezeichnen: man findet längs den Ufern die Bäume und die Cam- pos agrestes von Minas. Unter dem Namen der Minas begreift man überhaupt am ganzen Amazonas die hochliegenden Gegenden im Süden, von deren Goldreichthume die überspanntesten Meinungen verbreitet sind, In diesen südlichen Gegenden scheint der grösste Raubvogel Brasiliens, die Aquila destructor, Daud., nicht selten zu seyn. Wir sahen einen dieser Adler lebendig, welcher von einem Reisenden aus dem oberen Gebiete des Tapajyöz herabgebracht worden war. Er mass von der Spitze des Schnabels bis zum Schwanzende volle vier Fuss. Die unge- heueren Krallen, fast von der Länge eines Fingers, der kräftige, mehr als drei Zoll lange Schnabel und die kühnen durchdringenden Augen vereinigen sich zu einem furchtbaren Bilde von Wildheit und Raubsucht. Am 21. September hatten wir das Vergnügen, den Capitän Zanr ankommen zu sehen, der von Parä aus eine schnelle Reise von siebzehn Tagen gemacht hatte, um uns einzuholen. Da sein Fahrzeug, grösser als das unsere, mehr Bequemlichkeiten darbot, so liessen wir unsere nöthigsten Effecten dahin bringen, um ohne Unterbrechung in seiner Ge- sellschaft zu bleiben, und sendeten die eigene Canoa voraus. Von San- larem können verschiedene Wege eingeschlagen werden, um die Reise auf dem Amazonas zu verfolgen. Das’ westlich vom 7. apajöz liegende: Festland ist nämlich durch den grossen See Lag o das Campinas oder de Villa Franca und durch die Canäle, w elche aus diesem in den 7a- P@öz und Amazonas münden, zu einer Insel von beträchtlicher Aus- dehnung abgeschnitten, und man kann im Süden oder Norden derset- ben segeln. Im ersteren Falle sind zwei- Wege möglich: der eine vom Tapajoz aus, indem man ‘etwa drei Legoas bis nach der Zilla do Al- ter do Chäo südlich steuert, dann den Strom übersetzt, und durch ei nen östlichen Canal in den Lago das Conteinas gelangt; den nude 1039 vom Amazonas aus, durch den östlichsten der Furos, die von jenem See in den Hauptstrom münden.‘ Diese Fahrt empfiehlt sich für solche Reisende, welche in dem See Provision an Fischen machen wollen, woran er überaus reich ist; allein sie ist beschwerlich wegen zahlrei- cher Mosquitenschwärme, und erheischt einen erfahrnen Piloten, denn die Stürme auf dem See sind furchtbar heftig. Wir zogen aus diesen Gründen vor, die Reise im Amazonas selbst fortzusetzen. Der 7‘ apajöz war jetzt in einem Zustande der Entleerung begriffen, und strömte lang- sam (seine höchste Fülle fällt in die Monate December und Januar); das Fahrzeug trieb daher nur langsam abwärts. Wir setzten über den Strom (23. September), und befanden uns näch einigen Stunden wieder in dem gelblichen, trüben Amazonas, dessen hier mehr als anderthalbe geographische Meilen breite Gewässer zahlreiche und grosse Inseln um- finthen. Die erste von diesen, Torapixum, bildet mit dem südlichen Continente einen ziemlich schmalen Canal, in welchen wir, nach We- sten steuernd, einlenkten. Am Ufer und auf einigen Sandbänken be- merkten wir in Abständen von vierzig bis fünfzig Fuss Pfähle, nach unten convergirend, eingerammelt, die uns als Beweis einer Industrie auffallen mussten. Man belehrte uns, dass sie den Indianern als Stand- Punct auf der Schildkrötenjagd dienten. Der Jäger wadet auf jene Stellen hin, befestigt ein Brettchen zum Sitze zwischen den Pfählen, und kauert auf demselben nieder, schussfertig, das Erscheinen der Schildkröten an der Oberfläche des Wassers gewärtigend. Es ist schon vorgekommen, dass der Indianer, wenn er selbstvergessen die Füsse ins Wasser hinabhängen liess, den Krokodilen zur Beute wurde. Die Strömung des Amazonas war an diesen Küsten so heftig, dass wir sehr oft dem Ruder durch ein Seil (Zspia) zu Hülfe kommen mussten, wel- ches in der Montaria stromaufwärts vorausgetragen, um einen Baum geschlungen und zurückgebracht wurde, um das Fahrzeug aufwärts zu ziehen. An hohen Ufern und in der Nähe von Sandbänken musste ein zweites Seil angebunden werden, damit die Canoa bei dem Zerreissen des ersteren nicht gefährdet, würde. Die Arbeit wird überdiess noch mühseliger durch dichte Schlingpflanzen und Dornhecken, oder durch 132.* 1040 das plötzliche Einstürzen der unterhöhlten Thonufer, welche der Mann- schaft das Landen erschweren. Mit dieser anstrengenden Schifffahrt brachten wir drei volle Tage längs dem nördlichen Ufer der Insel Pa- ricatiba zu. Dieses Eiland ist fast überall mit künstlichen Anpflanzun- gen von Cacao bedeckt, und gewährt durch den Anblick der in regel- mässigen Reihen stehenden, anmuthig ‚schattenreichen Bäume einigen Ersatz für den Mangel anderer Beweise einer industriösen Bevölkerung. Nur wenige Hütten und Landhäuser erscheinen an den Buchten und Bächen der Insel, welche wir an mehreren Puncten durchstreiften, um ihre Vegetation kennen zu lernen. Hier war es, wo uns zuerst zwi- schen dichten Uferpflanzen die Palme Bubunha (Guilielma speciosa , M. Palm. Tab. 66. 67.) begegnete. Von allen Palmen Brasiliens diejenige, welche am meisten Nahrung darbietet, und desshalb für die Oekonomie der Ureinwohner vorzugsweise wichtig, sogar von ihnen angebaut, verdient sie in der Anmerkung (g.) ausführlich erörtert zu werden. Am dritten Tage erreichten wir die ansehnliche Fazenda des Cap. Cavar- CANTE, die fast am westlichen Ende der Insel, noch eine Legoa von der Yilla de Oby-dos entfernt lieg. Von dem ‚ wegen der jährlichen Ueberschwemmungen, etwas erhöht gewählten Orte des Landhauses er- blickten wir vor uns in N. W. die Villa, an einem bebuschten Hügel angelehnt, und den Strom, welcher hier in einem einzigen Körper zu- sammengedrängt, sich mit höherem Wellenschlage und in der-Mitte von unergründeter Tiefe vorüberbewegt. Hier ist die Ansicht aufgenommen, die ich im Atlas („der Amazonenstrom in seiner Enge bei Obydos“) mitgetheilt habe. Das ganze nördliche Ufer ist hügelig, und zeigt zwi- schen dichtem Buschwerke weisse abschüssige Wände, welche, wie wir später bei unserem Aufenthalte in Obydos wahrzunehmen Gelegen- heit hatten, aus einem jungen thonichten Sandsteine bestehen, worauf = eisenschüssiges Conglomerat und färbige Lettenschichten ruhen. Die insellose Stromenge, vor welcher wir uns befanden, in der Längua geral Pauxis: genannt, bildet als der zweite Pongo in dem ungeheu- ven: Amazonenstrome einen geographisch ' merkwürdigen Punct. Ihre Breite ist von der portugiesischen Grenzeommission trigonometrisch auf 1041 869 Hlafter (Bragas; DE LA CowDamınE giebt sie zu 905 Toisen an) be- stimmt worden. Da ich ein allgemeines Bild des Stromes der Schilde- ' rung unserer Rückreise vorbehalte, so scheint es geeignet, dorthin die weiteren Nachrichten über diese Stelle zu verweisen. Mit Eintritt des abendlichen Ostwindes fuhren wir, uns längs dem südlichen Ufer hin- haltend, durch diese Meerenge von süssem Wasser. Das südliche Ufer tritt nirgends aus seiner allgemeinen Verflächung in die Höhe, und bil- ' det hiedurch einen auffallenden Gegensatz mit dem nördlichen, dessen abgerundete oder terrassenförmig ansteigende bebuschte Hügel, im Osten der Villa oberhalb der Enge gesehen, sich unter ganz verschiedenarti- gen Gestalten darstellen. (Siehe im Atlas die Ansicht „Obydos“). Wir brachten die erste Nacht oberhalb der Enge von Obydos auf einer niedrigen Sandinsel zu, die der Strom eben erst entblösst hatte. Der Mond war aus. düsteren Wolken hervorgetreten, und beleuchtete ‚ in tausendfach gebrochenen Reflexen auf dem Riesenstrome spiegelnd, mit mildem Lichte die schweigsame Landschaft. Ein fernes Gemurmel der bewegten Fluth tönte in unser Ohr. Doch bald veränderte sich diess ruhig heitere Bild; scheu verbarg sich der Mond, die tiefste Nacht Ia- gerte sich auf Insel, Wald und Strom, und von ferne brüllten, gleich- sam zürnend, von allen Seiten schwere Donnerwetter. Während wir hier mit frohem Gemüthe so zu sagen einen glücklichen Abschnitt in unserem Reisedrama feiern konnten, fühlten wir mit erhöhter Empfäng- _ lichkeit alle Schauer dieser furchtbar schwarzen Nacht, die ohne Stern und Leuchte uns nur auf uns selbst, „unter Larven die einzige fühlende Brust“, zurückwies. Unter ähnlichen Verhältnissen sollten wir von nun an manche Nacht durchwachen, und der freundliche Leser mag wenig- stens einmal Zeuge der tiefen, - niederdrückenden Schwermuth seyn, welcher der Reisende auf dem Amazonas sich bisweilen wider Willen Preis gegeben fühlen muss. 1042 s : Anmerkungen zum dritten Kapitel. (1.) Nach der i. J. ı808 veranstalteten trigonometrischen Messung hat derjenige Theil der Bahia de Goajard, worin sich der Moju, zwischen der äussersten Spitze des Festlandes inN.O. und dem in $.W. gegenüberliegenden Lande am Canal von Carnapijo über 1200 Klafter Breite. Die Messung De a4 Conpamines =749 Tois. bezieht sich auf einen oberen Theil des Flusses, wo man bereits die Ausbreitung der ganzen Bai aus dem Gesichte verloren hat. Dieser Dimen- sionen ungeachtet, gehört der Moju doch nur zu den Beiflüssen des”vierten Ranges. Seine Quellen liegen jenseits des vierten Parallelkreises in steinigen Waldungen, aus welchen er, parallel mit dem Tocantins, herabkömmt. So weit er vermöge seines Wasservorrathes mit ; kleinen Canoas befahren werden kann, ist er auch frei von Fällen. In dem unteren Theile des von ihm durchströmten Gebietes hat er weniger Fall als der Guamä, was sich. unter 'Anderm aus seiner Deltaverbindung mit dem Igarape-mirim und dadurch mit dem Anapü ergiebt, wel- cher nebst seinem Beiflusse Meroe als eine Bifurcation. des Supiuba zu betrachten ist. Aus die- sem Grunde dürfte auch die in ihm bemerkbare Pororoca viel schwächer, als die im Guama seyn. Die Ufer des Moju, bis weit gegen Süden mit dichten, hohen, an, feinen Tischlerholz- Arten, dem Nelkenzimmtbaume und der Castanie von Maranh4o reichen, Urwäldern besetzt, sind, so wie die seines beträchtlichen Nebenflusses, des Acara, schon acht Meilen oberhalb Jacuarary fast ganz ungebaut. Die anwohnenden Indianer sind ‚ nach Cazar, Corogr. U. S. 293., vom Stamme der Ammanids, Pochetys und Ge. Wir konnten aber in Jacuarary nichts Bestimm- tes über diese Horden erfahren , welche schon in sehr geringer Anzahl vorhanden zu seyn scheinen. SER. = ee Minen Ä SEEN j k ä = (2.) Unter allen Palmen Südamerica’s ist keine so vielfach von den Schriftstellern ‚gefeiert worden, als die Mauritia flexuosa, L. (Mart. Palm. S. 45. £. 40.). Besonders Guntuia (Oren. Ä c. 9.) erörtert in frommer Beredsamkeit den mannichfaltigen Nutzen, welchen sie den, unter ihr wohnenden,, Guaraünos darbietet. Zu Kähnen, Planken , Dachsparren und anderem Holz- Geräthe verwenden auch die brasilischen Indianer die colossalen Stämme derselben; aber die Gewinnung eines feinen Amylums aus dem Marke , gleich dem Sago Östindiens, ist ihnen fremd, wahrscheinlich desshalb, weil sie nicht, gleich Jenen, in den feuchten Gründen , worin die Palme wächst, feste Wohnsitze haben, und in den trockneren Wäldern de Mandieren hauen, Blätter und Blattstiele verwenden sie ebenfalls zu Flechtarbeit; auch trinken sie den süssen Saft, welcher aus den abgehauenen Fruchtästen hervorquillt oder sich in Gruben sanmelt die sie in den gefällten Stamm gehauen haben. Seltener bereiten sie ein Getränke aus dem Absude der Früchte, indem sie dazu den Beeren der Palmen Bataud un eben so wenig eckel als ihre nördlich wohnenden Brüder, kennen und schätzen sie das Gericht aus den Larven von Curculio palmarum , welche sich zahlreich in dem gefällten Stamme ent- wickeln. Die Bemerkung Gıur's, dass man unter der Mauritia nirs ser grabe, welches sich in dem nur wenige Fuss tief eröffneten Boden alsbald ansammiele sentheils , unbekannt ist. Ich habe (a En ö) ee = es a ee in einer Höhe von mehr als ach den = $ “"°aesprochen, dass die Mauritia = ne c uss über dem Meere erscheine. Bis zu dieser Höhe “ 1043 dürfte, im Allgemeinen, das grosse Becken von Piauhy ansteigen, dessen Hauptstrom, der Par-. nahyba, in seinem, mit feuchten Wiesen und zerstreuten Wäldern bedeckten, Flussgebiete vor- züglich mit vielen Mauritien geschmückt ist. Auch in den nördlich‘ davon liegenden Flussge- ‚bieten, des Itapieurü, Mearim und Tury-aeu, erscheint sie häufig. Auf der Insel Marajo wächst sie Lısonders in der nordöstlichen, mit Camposvegetatiom bedeckten,, Hälfte, denn sie liebt ei- nen freien Stand. Längs dem Amazonenstrome landeinwärts erschien sie uns seltener, als an den Küsten, und nur auf den Inseln oder an den Seen des Festlandes, aber, was von einiger Wichtigkeit seyn dürfte, im Yupura stellte sie sich nicht selten zu ganzen Wäldern vereinigt dar, und wiederholte gleichsam das Bild der Mündungen des Hauptstromes. Herr von HumsoLor hat sie am Fusse des Berges Duida bemerkt; nach der Versicherung meiner Indianer im Yu- purd findet sie sich an den westlichen Beiflüssen des Rio Negro, und dürfte man annehmen, dass sie sich von diesen niedrigen Binnenländern bis zum Flussgebiete des Orenoco , seinem Delta, der Insel Trinidad und den Llanos von Cumana verbreite. In Essequebo, Surinam und Cayenne erscheint sie «nicht tief landeinwärts. Wahrscheinlich erstreckt sie.sich also in einem weiten Kreise ringsum das Hochland von Parime, und hilft einen niedrigen Landstrich be- zeichnen, dessen wesentlichster Charakter sein Quellenreichthum ist. Viele andere Palmen er- heben sich zu gleicher Höhe mit der Mauritia, aber ihr Boden ist nicht auf gleiche Art’ was- serreich, und wir schliessen hieraus, dass sie nicht sowohl ERBE: aus der Luft anziehe, als vielmehr nur in feuchtem FR MEERE (3); en nähe schon a (II. S. 572.) Einiges über den Rio Tocantins beigebracht, glauben aber diese Nachrichten hier, als am geeignetsten Orte, noch etwas weiter ausführen zu müssen, da ein Seitenblick auf die grossen Ströme, welche sich in den Amazonas ergiessen, die Geographie des letzteren und seines Stromgebietes erläutern möchte. Tocantins. Gescmicatuicnrs uno Lrreräriscnrs. Die erste Nachricht über die Entdeckung dieses grossen Stromes giebt Beaneno (Annaös $$. 1191 und 1200 — 1204). Im Jahre 1673 sendete Prono Cuzan or Mesezes,. Gouverneur des Estado von Gram Parä, einen der Conquistadores des oberen Amazonas und Rio Negro, den Fr. va Mors Farcäo ab, um den Strom kennen zu lernen. Die erste Motanlaretug zu der Unternehmung hatten flüchtige Indianer vom Stamme der Guaraj jüz iz gegeben, e den Tocantins herabgekommen waren , um einem Paulisten,, Pascoar. Pars px Arıv3o, zu entgehen, welchen seine Sclavenjagden bis hierher geführt hatten. Farcäo traf diesen Abentheurer, zog sich aber vor ihm zurück. Am Ende des folgenden Jahres und Anfangs 1675. übernahm der Padre Ant. Raroso Tavanzs, der in Lissabon persönlich glänzende Erwartungen von der Entdeckung der Gold, Minen in diesem Stromgebiete erregt hatte, eine bereits ausgerüstete zweite Expedition, die jedoch ebenfalls fruchtlos ablief. Die Entdeckung des ganzen Veglaufes \ des Stroms fallt in das zweite De- eennium des vorigen Jahrhunderts, indem Cap. Biss Pısto va GasA, auf Befehl Berreno’s, des Annalisten, welcher 1718. das Gouvernement üb&fhommen hatte, stromaufwärts fuhr, die Vereinigung des Tocantins und'Araguaya erkannte, und den letzteren Strom bis zum zwölften Grad s. B. verfolgte, ‚ Der andere östliche Hauptast des Tocantins, der Rio Maranhio, ‘ward vom Jahre 1728 an bekannt, ‚als in seinem Flussgebiete Goldminen entdeckt und eifrig betrieben wurden (vergl. Il. S. 587.). Ein Decenniüm später bestimmten die Jesuiten Dıoco Soarzs und Dontssos Cnarıcı mehrere Breiten am oberen Theile des Stromes. Dass die erste Reise stromabwärts von Goyaz nach Para im Jahre 1775, kemerkstelligt worden sey, haben wir bereits erwähnt (IH. S. 572.) Um die Schifffahrt auf dem 1044 Araguaya machten sich vorzüglich die Gouverneurs Trısrao pa Cunua Mrnezrs im Jabre 1791, und Coso» va Parma im Jahre 1805 verdient. Obgleich seitdem alle Gouverneurs von Goyaz und Para diese Wasserstrasse empfohlen haben, ist sie doch wegen der schwachen Bevölkerung und wegen Mängels an Industrie noch sehr wenig frequent. Es vergehen Jahre, ohne dass ein grosses Fahrzeug, vielweniger eine ganze Parada, (so nennt man eine Flotille aus mehreren Canoas, die sich wegen der zu fürchtenden Ueberfälle der Indianer vereinigen), die Reise machte. Um Colonisten zu be- stimmen, sich am Tocantins niederzulassen, sind diesen von der Regierung im Jahre 1810 folgende Begünstigungen zugesagt worden: zehnjährige Steuerfreiheit, sechsjähriger Nachlass in der Bezahlung von Schulden an das Aerar, zollfreie Einfuhr auf ihren Fahrzeugen auf zehn Jahre, und für dieselbe Zeit die Unterwerfung der im gerechten Kriege gefangen genommenen Indianer zu Leibeigenen. Zur Beschützung der Reisenden ward, ausser dem Wachtposten am Rio IHanoel Alvez, ein anderer, Pre- zidio de S. Maria, zwischen Porto da Piedade und $. Jodo das duas Barras, in den Jahren 1813- ı8 errichtet. Die von dem Gouverneur von Goyaz' vorgeschlagene Handelsgesellschaft zwischen Goyaz und Parä erhielt im Jahre 1811 königliche Sanction. Nach neuerlich uns zugekommenen Nachrichten hat sie bis zum Jahre 1828 keinen glücklichen Fortgang genommen. Der Fond für dieselbe war nur auf 100,000 Crus. bestimmt; es war ihr das Privilegium verliehen, ihre Schulden wie die des Aerars einzutreiben, und den Personen, welche mit einer Actie von einem Conto de Reis beitreten würden, war vorzugsweise die Anwartschaft bei Besetzung von Officierschargen bis zum Obersten in den Mi- litzen oder von Stellen als Capitads Möres zugesichert worden. Da alle diese Begünstigungen ohne Wirkung blieben, so mag man daraus schliessen, wie geringfügig noch immer der Handel auf einem der schönsten Ströme Brasiliens sey. Vergl. Pizarro e Araujo, Memorias historieas do Rio de Ja- neiro.. Vol. IX, S. 176 fl. Viel später als man von Pard aus den Tocantins beschiffte, ward die Verbindung zwischen diesem Strome mit dem Innern der Provinz von Maranhäo bekannt. Nachdem das Arrayal de $. Bento dos Pastos Bons im Innern von Maranhäo im Jahre 1744 gegründet worden war, rückten die, mit Vieh- zucht beschäftigten, Fazendeiros dieses Sertäo ihre Fazendas in den Fluren immer weiter gen Westen. Erıas Fenreına pe Barnnos kam an den Rio Manoel Alvez Grande, wo er im Jahre 1798 die Fazenda _ Mirador gründete. Durch einen entflohenen Neger von der Nähe eines grossen Stromes belehrt, auf welchem dieser in einer Parada von Parä aus nach Goyaz reisen sollte, schiffte Bannos den Manoel . Alvez hinab, kam, zuerst aufwärts rudernd, in den Aragusya, dann aber umkehrend auf dem Te- cantins nach Pard, und veranlasste das Gouvernement von Maranhäo einen Weg von Mirador längs dem Tocantins bis Porto Real durch vierzig Soldaten eröffnen zu lassen. Im Jahre 1809 ward die erste Reise auf diesem Wege durch Goyaz und Minas Gera&s bis Rio de Janeiro unternommen und beschrieben: Roteiro e Mappa da Viagem da Cidade de S. Luiz do Maranhäo at a Corte do Rio de Janeiro, feita por Ordem do Governador daquella Capilania pelo Coronel Sebastito Gomes da Silva Berford. Rio de Jan. 1810:, mit einer Karte, 6. Ein Jahr später ward eine andere Reise von Pard aus den Tocantins aufwärts bis Porto Real'von Goyaz, und von da zu Lande nach Rio gemacht: Ro- teiro da Cidade de Santa Maria de Belem do Gramapara pelo Rio Tocantins acima, ate o Porto Real e er a nes“ d’Oliveira al Rio de Jan. 1311. 8. Ueber die Reise, welche mein Ben an = r re auf 's Tocantins gemacht var ‘schen wir seinem eigenen Berichte nom ur ; tr (die 3 orto Real aus, vom Res 23. Aug. Sen, auf 2 Rn tara hinaus bis nach Cocal “Earth des Stromes mitgerechnet) weit, über $. Pedro #Alcan wo die Expedition, wegen Fer use, von Purecrame-crans- Indianern fortgesetzt, von gels an Lebensmitteln, umzukehren gezwungen wurde. 1045 Zur Geoorarnıe des Tocantins noch folgende Beiträge. Alle grösseren Ströme, welche ihre Gewässer aus dem Hochlande Brasiliens herabführen, um sie dem Amazonas einzuverleiben,, durchschneiden zwei Landstriche von Ssshielslngiiger Natur, deren Grenze im Allgemeinen durch ihre Wasserfälle bezeichnet wird. Oberhalb derselben : Camposvegetation, Goldformation, ein Minenland, dem von. Minas Geraes, Goyaz und Cujabä vergleichbar; unterhalb Wälder von demselben Character, wie die in der Nachbarschaft des Amazonas, und in grosser Äusdeh- nung dieselbe Flachheit und Erniedrigung des Landes. Diese Region können wir füglich das untere, jene das obere Stromgebiet nennen. Je weiter man von Osten nach Westen kommt, desto breiter wird die untere Region, indem sie sich tiefer nach $. erstreckt, und erst in grös- serer Entfernung vom Amazonas durch das Minenland begrenzt wird. Diese allgemeine Be- merkung scheint sich ganz vorzüglich an dem Tocantins, dem östlichsten jener Ströme, zu be- stätigen, welcher, nach den Aussagen der Reisenden, die ich hierüber zu vernehmen Gelegenheit hatte, etwa in einer Breite von 4° 30°, da wo er aus dem Canal de Tauiri hervortritt, die letzten Erhöhungen des Tafellandes zu verlassen scheint. In diesem Canale nämlich, dessen Länge von den 'Schiffern auf ı2 (in gerader Linie etwa 5) Legoas angegeben ist, werden die hellgelben Gewäs- ser des Tocantins zwischen steinigen Ufern zusammengedrängt, und strömen, sich zwischen Klippen und Bänken von Rollsteinen Bahn machend, ‚und hie und da kleine Fälle bildend, mit grosser Geschwindigkeit abwärts. Unterhalb des Canals von Tauir’, an dem Orte Ita- boca (Steinloch) macht der Tocantins noch vier stufenartige Fälle, und von nun an nimmt er an Breite bedeutend zu, wodurch die Steinbänke der Praya Grande veranlasst werden. Nördlich von der, verlassenen Befestigung Alcobaga wallt der Strom ungetheilt zwischen niedrigen Ufern, aber nichts destoweniger eine Stunde breit, ruhig dahin. Unterhalb der Villa de Bajdo fangen niedrige, dichtbewachsene Inseln an, die Gewässer in vielfache Canäle zu vertheilen. Je weiter man abwärts kommt, desto mehr nehmen sie an Zahl und Ausdehnung zu, so dass man in der Breite von Cameta drei volle Stunden braucht, um von dem einen Ufer zum andern über- zusetzen. Der Tocantins wiederholt von hier an abwärts bis zu den Bahias do Limoeiro und de Marapata die Eigenthümlichkeiten des Pard und des Amazonas. Seine Ufer sind gleich de- nen dieser grossen Wasserbecken mit unreinlicher, an Cacao reicher Igabswaldung bedeckt, und, weit landeinwärts niedrig und eben, dem Spiele der Gewässer unterworfen, welche eine Ebbe und Fluth wie der Ocean einhalten. Die östlichen Ufer in dieser Gegend sind höher als die westlichen; sie steigen zu einer Hügelreihe an, welche den Moji und den südlichsten Bei- fluss des Anapü, den Supiuba, vom Tocantins scheiden. Die niedrige Lage des westlichen Ufers wird vor Allem durch die Bifurcation des Paranamucü angedeutet, der seinen östlichen Ast in den Haäuptstrom ergiesst, durch den westlichen hingegen mit einem klaren Binnensee in Ver- bindung steht, dessen Entleerungscanal in den Rio dos Bocas der Jacundaz ist. Südlich vom Tauiri ergiesst sich auf der Westseite der Bach Arary oder Agoa de Saude in den Tocantins, ‚wegen seiner Heilkraft in manchen Krankheiten schon zu Berreno’s Zeiten berühmt (Annaes $. 1204.) Auch uns erzählte ein Indianer von dem, durch ihre helle Hautfarbe ausgezeichne- ten, Stamme der Tacindezs, den wir in Breves als Ruderer aufgenommen hatten, Mancherlei von der medieinischen Eigenschaft dieses Wunderwassers. Es soll vorzüglich gegen Leber-, Nieren - und Hautkrankheiten von Nutzen seyn, und sogar von kranken Thieren aufgesucht werden. Wahrscheinlich beruht seine Wirksamkeit in der Reinheit und Kühle, und diess sind allerdings doppelt schätzbare Eigenschaften am Tocantins, dessen unreines Wasser, wie ich be- Il. Theil. 133 1040 veits erwähnt habe, zum Stein disponiren soll. Von hier an begegnen dem stromaufwärts Rei. senden noch einige Stromschnellen und Steinbänke (Intaipavas) im Tocantins, bevor er die Vereinigung desselben mit dem Araguaya erreicht, welcher nur halb so viel Wasser führen soll. Weiter südlich bildet eine zweite Abstufung des Landes die Fälle von S. Antonio und von $. Bartolomeu (oder das tres Barras). Hierher scheint auch die südlichste Grenze des unteren Stromgebietes zu fallen, denn Basros bemerkt ausdrücklich (Roteiro, S. ı2.), dass sich der Anblick des’ Landes ändere, die (niedrigeren, krummästigen und minder saftig grünbelaubten) Bäume des Minenlandes auftreten , und die Goldformation sich an dem Gesteine und den Flu- ren kenntlich mache. Weiter nach $. werden Wälder immer seltener, der Fluss strömt zwi- schen Campos, welche, hie und da von zerstreuten Bäumen (Taboleiro) beschattet, rechts und links zu Bergen ansteigen, und sich auf der Ostseite weiter von ihm zurückziehen. Zwischen der Fazenda Mirador, sechs Legoas landeinwärts am Rio Manoel Alvez Grande, und dem Rio do Somno fand Gomss va Sıuva BerrorD i. J. 1809 noch keine einzige Fazenda, eben so von da bis in die Nähe von Pontal, auf einem Wege, zu welchem er vierzehn Tage brauchte. Nach dem (mir erst im Jahre ı850 zugänglichen) Berichte desselben Reisenden wird es wahr“ scheinlich, dass die Gegenden östlich vom Tocantins, aus welchem die Beiflüsse desselben , der Rio da Primavera und der Manoel Alvez Grande herabkommen, sich nirgends zu Bergen, son- dern nur zu Hochebenen erheben, welche mit Fluren bedeckt sind. Nur-zwischen den Quellen des Itapicurü und des Balsas scheint sich, in N. W. von Pastos Bons, ein niedriger Gebirgs- zug zu erstrecken, Am Tocantins selbst fand Berrorn die bergigste Gegend nördlich vom Rio do $omno; hier im Allgemeinen, keine Wälder, mit Ausnahme einzelner Striche an den Flüssen und den äusserst zahlreichen Bächen, wo statt der Vegetation der Campos häufig auch dichte Schilfgehäge (Taboca&s) auftreten, an höher liegenden trocknen Orten Catingaswaldung. In die- sem Theile des Stromes finden sich die südlichsten Steinbänke und "kleine Fälle, Cachoeiras do Lageado, dos Mares und dos Pilloes; sie werden durch einen von S. O. herziehenden, nie- drigen Gebirgszug gebildet. Südlich davon erweitert sich das Stromthal des Tocanlıns , dessen Schifffahrt weiter keinen bedeutenden Schwierigkeiten unterliegt. Bei dem Porto Real de Pon- tal , soll der Fluss, nach Cazar, noch 374 Bragas Breite haben. (4.) Die Berichte der Einwohner stimmen darin überein, dass fast alle Flüsse , welche sich aus dem Continente in die Bahia dos Bocas ergiessen, bei einem verhältnissmässig kurzen Laufe eine sehr bedeutende Menge klaren und kühlen Wassers führen, Daraus, und aus dem schnellen Laufe, aus felsigen Ufern, Stromschnellen und kleinen Fällen lässt sich schliessen , dass sie aus einem hochliegenden , m niedrigen Terrassen abgestuften Lande herabkommen. Dis Grösse dieser Flüsse nimmt in demselben Verhältnisse zu, als sie weiter gegen Westen, d. h. dem grossen Becken des Madeira, näher liegen. Nur der westlichste von allen , der Rio Uana- pi (Guanaps, Annapu, nicht mit dem Anapi am Igarape - mirim zu verwechseln) ent ‚springt jenseits des fünften Parallelkreises, und wird desshalb in seinem Laufe durch jene; wahrscheinlich aus Glimmerschiefer und anderm Urgebirgsgesteine bestehende, Bergreihe un terbraghnng welche ‚sich zwischen 4° 30° und 8% 30° s. Breite von den Fällen des Tocam _ “ua: zu denen ‚des Xingü und Tapajoz erstreckt: Diese oberen Gegenden des Uanapb Be nicht, gleich den untern, mit Waldung, sondern mit Flurvegetation, bekleidet. In einer Entfernung von acht bis zehn Legoas von der’ Küste des Continentes scheint das Land sich Ir 1047 gleichmässig zu verflächen, denn in diesem Gebiete communiciren mehrere der Flüsse unterein- ander oder , wie der Cupijo, mit den Canälen Japim des Tocantins durch Furos von grosser Länge. An der Mündung dieses Flusses bemerkt man auch noch die Mangrovewaldung von Avicennia, Conocarpus u. s. w.; aber die westlicheren Flüsse, der draticum, an dem Oeiras liegt, der Puruand, Mucaja, Panaiva, Jacundaz, Jagarijo und Pacajaz haben höhere, den Ueber- schwemmungen weniger ausgesetzte Ufer. Der Uanapi breitet sich südwestlich von Portel in einen schönen fischreichen See, von drei Stunden im Durchmesser aus, welcher gegen ©. mit dem Pacajaz, gegen N. durch den Canal Camoy mit dem Tagipurü, gegen N. W. durch ei- nen, im Sommer zum Theil vertrocknenden Abzugsgraben, Riacho do Loguna, mit dem Ba- che Pueuruhy, und durch diesen mit dem dmazonas bei Gurupa in Verbindung steht. Indem daher diese Flüsse, bevor sie sich dem allgemeinen und tiefsten Wasserbecken einverleiben , vielfache Verbindungen untereinander eingehen, weisen sie ebenfalls auf die fast söhlige Aus- breitung der dem Amazonas unmittelbar benachbarten Flächen, eine an diesem Riesenstrome vor allen andern häufige Erscheinung, hin. — Man hatte uns viel von den schönen, reinlichen Wäldern am Rio Uanapü erzählt, so dass wir eine Expedition auf demselben bhestäne nit; wenn wir vom Rio Negro ‚zurückgekehrt seyn würden. Allein von dieser Reise schreckten uns die Berichte von den Feindseligkeiten ab, welche inzwischen Indianer vom Iryuand, dem westlichen Hauptaste des Pacajaz, in einigen nördlich gelegenen Höfen ausgeübt hatten. Da der. Fluss nicht sehr breit ist, erreichen die Pfeile versteckter Indianer überall die darauf. 'Schiffenden, | und es ist daher nicht räthlich, ohne sehr zahlreiche Mannschaft hier einzudringen, wenn solche Auf- tritte vorhergegangen sind. Die Stämme, welche hier hausen, werden Pacajaz, Uanapüs und Taconhapes genannt. Theilweise wurden sie in Portel und Melgapo aldeirt. Sie gehören wahr- scheinlich dem Hauptstamme der Tupinambazes an, mit welchen sie in ‚der Sprache, die Tacon- hapes auch in der, Sitte übereinkommen, ein gewisses Glied (Taconha, L. ger.) mit der Tacon- hoba, einem eingerollten Blatte, oder mit einem Lappen gestrickten Baumwollenzeuges,, zu ver- hüllen. (5.) Bevölkerung der Insel Marajö oder de Joannes im Jahre 1820. HE Villa de Salvaterra . Einwohner Lugar da Fonte de Pedra 400 Villa de Porto Salvo 400 |Villa de Soure Lugar de Villar 550 ILugar de Mondin Pesqueiro Villa de Chaves. 1050 Vılla de Mongaraz | Lugar de Condeixa Villa de Monforte 1060 I|Breves Freguezia de IN; 5 da Conceigäo da Fazendas no Rio de Marauahu Cachoeira 2140 7 ji Summe 10500 | ehe: Eine grosse Menge der Bewohner hausen nicht in den Ortschaften, sondern: in zerstreuten Höfen. So besteht das Kirchspiel de N. S. da Conceiräo aus lauter einzelnen Fa- zendas am R. Arary. Es enthält den wohlhabendsten Theil der Bevölkerung. Hier sind die mei- 193° 1048 sten Zuckerplantagen und die grössten Heerden. Die Villas Mongaraz, Monforte, Soure, Salva- terra sind vorzugsweise Indianerbevölkerungen , mit verhältnissmässig weniger weissen Einwoh- nern, Diese Indianer sprechen die Lingua geral oder portugiesisch, und sind wahrscheinlich lauter Tribus des grossen Tupinambastammes. Man unterscheidet folgende: Nengahybazes, Mamayanazes, Anajazes, Mapuhäs, Goajaras, Acroans, Pixipixes. Breves, welches keine Ca- pelle hat, gehört zum Kirchsprengel von Melgago, und die zahlreichen Fazendas an demjenigen Theile der südwestlichen Küste, welche man den Rio Marauahü nennt, gehören nach Oeiras und Portel. Die einzelnen Höfe am Tagipurü gehören zu Chaves. (6.) Ausfuhr auf dem Amazonas, die in Gurupa einregistrirt worden. = . a R-| © _ © = & © a ch ä & 2 = ? Eye £3 “lo 217 238 ejEs & = = „Is „[2©12 r u . lm 2 nn . ® as . + * . n =. = |s2l:3]23]:&]E 2a 8]22] 3 [s2]281@8lesle8]eel: ja: Bi > BE - DE. © Es a = [2) „ia 21 « E FIR sea ooıoH eh REIS EI2 Eis Elz 3 1e & E E » 15* E< ii ee 25 sal=<| 5< |258 o 3” 5 = B-- = a £lo fe] = = © r Fr 2 = 3 ER, = 1815 a For — 4| 151 1751 0017913291la041Jzı155| — | — | 704] — | 327 1814 7 — 1 — 1 | ı27] 25] 62j10905051929|412852980| g6fı344] 198] — | 519 dr EEE a ie 5] 93J133616] 846J4072J1395| 39] 177] 40) — 1 231 a 5] 1055 — | — | 26) #5 69513050812059|417642385| 3051 797 3 1] 268 1517 | 20) 525] — | 16) 69) a7) 6] 98550|510116648|2405| 76| 650| 5346| 5] 82 rc ie Saas em 31] 25] 12]125881]19461342112808] 85] 472] 680) — 212 ri = © Br > kun en = ) = e IE -st3. BB; 2I6001% = = = “ . » Bi ‘© en = = = 4 M s.1®a ante Sr: a a Se ee en (2. meistens = — - 15 elselz 315. 213 8128128128122 siselselel in Staub. om. is BIS@.E a Re: Fin Bu or ıBEL£ = 7 s „«]°<]25 B.g B21r2 nn 2] s# IE= mE BiI> a u a Ei a a a = Ba Er EB El Fir En Fe @) =} 7 ei R Ss I} | #—] u ... = R) . Fa 7) zsieg=| Res. = Oo In _ 181 FR ht See 115065 10] 985| 41 206] 22156] 33J2008Jf2238154lı512| 12534953} ‚sa [2845| Sal 50) 807985 — | 250] 23| 124[,13916| sulezzalsssolsalısıs]| 1878967 ss15 j13591 — | — I 9802] — I 250| 55| 136| 22844] aelssaolsaas|7sfıs1a] 6138693 1816 !ı7z60f 4081 — | 103591} — f 2391 16J 167] 51426 142l16194]2511la6lısı5! 1465935 1817 J2125] 10] 4830| 10446] — | 191 38$ 150] 30812 59j7019]4590555|1816| 47954895 1818 |277 Near & ni Ale rn 546] 185 115] 17356| 14J2118]2232]33[| Bemerkungen. Die Töpfe (Potes) worin Oel vom Wunderbaum Copaivaöl und Schildkrö- ta nERUEE versendet ‘werden, enthalten ohngefähr -30— 40 Maas. Die Hangmatten (Maqueiras) sind Fabrikat der Indianer, besonders vom R. Yupurd. Estopa ist die zähe Rinde mehrerer Arten von Sapucayabäumen, deren man sich zum Kalfatern bedienet. Die Würste (Mizxires) 2 1049 werden vom Fleische des Lamantin (Peixe Boy, Manahy) gemacht. Man versendet sie als Geschenk auch nach Portugal. Planken und Bretter (Taboado) sind von feinem Holze zu Tischlerarbeiten, besonders von Päo setim und Moira pinima, welches letztere auch Mahagony- oder Rosenholz genannt wird. Ueber die Piapaba (Palmenfasern), das Guarana (vergl. I. S. 311.) und das Carajurü oder Chica-Roth, wird im Verlaufe des Reiseberichtes gesprochen werden. (7.) Von allen grossen Strömen, welche sich auf der Südseite dem Amazonas einverleiben, ist der Xingu am wenigsten beschifft worden, seine Quellen und südlichen Beiflüsse , jetzt noch gänzlich unbekannt, sind nur nach unbestimmten Aussagen der Sertanistas in die Karten ein- ‚getragen worden. Folgende Nachrichten über ihn hatte ich Gelegenheit, in Porto de Möz von farbigen Leuten einzuziehen, die sein unteres Gcbiet besucht hatten. Von dieser Villa bis Sou- zel, der südlichsten Niederlassung, welche in gerader Linie etwa ı6 Legoas von Porto de Möz entfernt liegt, hat der Fluss im Allgemeinen die Breite einer Legoa. Inseln erheben sich hie und da aus der grünen Fluth, und gewähren zugleich mit den reinlichen, oft weit ausgedehn- ten Sandufern , auf welchen buschigte, freie Gegenden mit Strichen von Urwaldung wechseln eben so mannichfaltige, als freundliche Ansichten. Der Himmel ist stets rein und klar; häufige Donnerwetter kühlen die Luft ab, und ausser der Plage der Mosquiten , welche. in unzähligen Schwärmen manche Gegenden des Flusses belästigen, und einem verhältnissmässig sehr armen Wildstefide in den Waldungen , wodurch die Anwohner auf die ergiebigere Fischerei hingewie- sen werden, ist Alles schr einladend zu Niederlassungen. Die vom Flusse entfernteren Gegen- den sind ungemein fruchtbar. Masern und Blattern sind die einzigen acuten endemischen Krankheiten, aber allerdings haben diese in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo sich eine Masernseuche durch den ganzen Estado verbreitete, grosse Verheerungen in der indianischen Bevölkerung angerichtet. Schon in der Nähe von Souzel erhebt sich das Terrain, doch ohne den Fluss in seinem Laufe zu hemmen. Von dieser ersten Erhebung am Strome ziehen sich Hügel und Berge gen Westen; und sie sind es wahrscheinlich, welche die Wasserfälle in dem fischreichen, dem Xingü parallelen, Rio Jarauei bilden, und in ihren südlichen Abhängen die Quellen des Turicury enthalten, eines mässigen Flusses, welcher gen Osten gewendet, zwi- schen engen Thälern seine Vereinigung mit dem Hauptstrome suchet. Auch dieser läuft mit verringerter Breite in einem hügeligen Gebiete, wo Fluren mit Wäldern wechseln , und um s0 häufiger werden, je weiter man nach $. vordringt. Oberhalb des Turicury unterbricht jene allgemeine Absenkung des Landes, wodurch auch in den beiden Nachbarströmen , dem Tocan- tirns und dem Tapajdz, Katarakten gebildet werden, den Strom vollständig und zwingt ihn, weiter südlich, zu zwei grossen Windungen. Nur bis hieher sind die Anwohner bei Gelegenheit der Reisen, um Nelkenzimmt zu sammeln, gekommen; aber einige Expeditionen , die mit der Absicht ausgeführt wurden, Indianer in die untern Ansiedlungen herabzuführen, sind nach Ueberwindung mehrerer Stromschnellen und Wasserfälle, über die Mündung des R. Guiriry nach Süden vorgedrungen. Oberhalb der Fälle soll der Strom meistens durch Fluren fliessen, und man vermuthet daselbst Goldformation. Die Indianer im Stromgebiete sind Curiares (Cu- riveres, Cariberis), Juruunas, und Taquanhapez (Taconhapez): wenig zahlreiche Stämme, welche verschiedene Sprachen sprechen, aber durch Vermittlung der Lingua geral aldeirt worden sind. In dieses Geschäft hatten sich die Kapuziner und Jesuiten getheilt. Ersteren verdankt man die Gründung von Carazedo, Villarinho do Monte und Porto de Möz (ehemals Matura). Letztere 1050 hatten ausser den drei noch jetzt bestehenden Ortschaften: Feiros (ursprünglich in einem andern Orte unter dem Namen Ita- Corussa, d. i. Steinkreuz), Pombal (Piraguiri) und Souzel (Aricara) nech eine Mission von Taconhapez und Juruunas oberhalb des Turicury - Flusses durch einen deutschen Missionär errichten lassen. Dieser Ort, Tacuana, ward aber von diesen unterneh- menden Ordensgeistlichen alsbald wieder verlassen, und ist nunmehr nur von Zimmtsammlern be- sucht. Ueber die südlicheren Gegenden am Strome und die Gelegenheiten, welche er darbietet, um aus den Minen von Cujabä herabzureisen, konnte ich nichts Zuverlässiges erfahren. Im Jahr ı819 soll ein Lieutenant der Militzen von Cujabä auf dem Xingü herabgereist seyn. $o viel ist auch anzunehmen, dass seine Schifffahrt nicht schwieriger, ja kürzer seyn dürfte, als die auf dem benachbarten Tapajöz; und wahrscheinlich wird sie unternommen werden, sobald. die einsamen Länder im Norden von Cujabä genauer gekannt sind. (8.) Ueber eg Bio Tapajöz. GescnicntLienrs. Schon vor der Expedition des Prvro TexEıRA wa- ren die Portugiesen mit dem untersten Gebiete des Tapajöz bekannt, und ein wenig zuverlässiger Schriftsteller (Man. Rodriguez, Marannon p. 138.) erzählt, dass schon vor dem die Engländer zwei Expeditionen in diesem Strome, wahrscheinlich in der Absicht Gold zu finden, gemacht, aber gröss- tentheils das Leben darin gelassen hätten. Nach Acunna’s Bericht bewohnten damals seine Mündun- gen die tapferen, mit vergifteten Pfeilen bewaffneten, Tapajocös, von denen der Strom seinen Namen erhalten habe. Eine ihrer Ortschaften soll aus mehr denn fünfhundert Familien bestanden haben. Es verdient bemerkt zu werden, dass der Name dieser Nation unter denjenigen nicht mehr vorkommt, die gegenwärtig den Tapajöz und seine Confluenten bewohnen, und dass auch der Gebrauch vergifte- ter Pfeile jetzt daselbst nicht mehr gefunden wird. Entweder. mag daher die grausame Behandlung, welche die Tapajocös von den Portugiesen ‚erfuhren (Acussa, Cap. 74.) sie vollständig aufgerieben haben, oder sie wurden dadurch veranlasst, gegen Westen in Gegenden zu flüchten, wo sie den Ein- wanderern nicht wieder begegnet sind. Der Tapajöz ist zuerst fast, gleichzeitig von Süden und Norden her beschifft ‘worden. Die Ent- deckung, dass er aus der Vereinigung des Juruena und Arinos entstebe, ward durch Bewohner. von Matto Grosso und Cujaba gemacht, welche diese seine Quellen abwärts verfolgten. Im J. 1745 fuhr Joäo pr Souza Azrvevo von dem Rio Sumidor aus abwärts, und gelangte bis zu den Fällen. Zwei Jahre später machte Pascoaı Annupa eine ähnliche Reise von den Minas de S. Isabel aus, welche 1745. von Ant. Armzına Farcäo an den Quellen des Rio Arinos entdeckt worden waren. “Pizarro, Memo- _ rias, Vol. IX. S. 125. Monteiro, Roteiro, $. 54, Cazal, Corograf. I, S. 309. Fonseca, Navegacao $. 13.) Das. nördliche Stromgebiet bis zu den Katarakten ward zuerst durch die Jesuiten bekannt, welche ihre sechs Missionen bereits um das Jahr 1735 angelegt hatten. Eine neuere Reise stromabwärts machte im J. 1805 Joäo Vıesas = und 1812. ward die erste Unternehmung bis Para von Ant. Tsome DR Franc ausgeführt, welcher im folgenden Jahre auf demselben Wege seine beladene Handelskähne nach Cujaba zurückführte. Seit jener Zeit werden die Reisen auf dem Tapajöz immer häufiger, und der langwierigeren und gefährlicheren Schifffahrt auf dem Madeira um so mehr vorgezogen, als ihre Ausführung durch den Gouverneur von Matto Grosso, Joäo Canr. Avc. D’Orysuausen in den Jahren 1813 — 1u17. begünstigt wurde. | ea se _—u Tapajöz hereist hatten. Der Strom fliesst bis zu den ersten Kata- rakten, welche man von Santarem aus am achten bis zehnten Tage erreicht, zwischen waldigen Grocnkmunsches und} | und Erunosnarnisches. F olgendes konnten wir von den Einwohnern vor v 1051 Ufern; nur selten treten dazwischen freie Wiesen hervor. Dieses untere Stromgebiet wird aus- schliesslich durch Indianer von dem mächtigen und zahlreichen Stamme der Mundrucüs bewohnt, deren Aldeas an beiden Seiten des Stromes liegen. Pilla Nova de 8. Cruz, das südlichste Kirchspiel am Strome, hat grösstentheils Mundrueis zu Pfarrkindern, und eine von ihnen be- suchte Capelle, in Guri, noch weiter stromaufwärts. Diese Indianer treiben Handel mit Cacao, Nelkenzimmt und Salsaparilha, die sie am Strome sammeln, und werden desshalb von den Einwohnern von Santarem besucht, welche ihnen Baumwollenzeuge, Branntwein, falsche Per- len, Mützen und Eisengeräthe zum Tausch anbieten. Ehemals erklärte Feinde der Portugiesen sind diese Mundrucis gegenwärtig um so zuversichtlichere Bundsgenossen, als ihr Muth und ihre grosse Anzahl die Einwanderer von feindlicher Behandlung abhält. Südlich von den Mun- drucüs wohnen die Mauhes, ebenfalls eine sehr ansehnliche und gewerbsame Nation, Von ih- nen wird vorzüglich auch das Gwaranä eingehandelt, in dessen Bereitung sie Meister sind, Oberhalb ihrer Ortschaft, (Malloca) Itaituba wird die Schifffahrt durch den Fall, Maranhäo genannt, unterbrochen, wo die Last zu Lande weiter gebracht, das Fahrzeug aber in dem Sumpfe eines Grabens bis oberhalb des Falles geschoben werden muss. Etwa in der Mitte der ganzen Reise stösst man auf andere Katarakten, deren grösste, der Salto Grande, den Strom in seinem Laufe vollkommen abschneidet, und einen Fall von dreissig Fuss Höhe zu machen zwingt. Hier muss Last und Canoa zweihundert Klafter weit zu Lande weiter transporlirt wer- den. . Weniger- gefährlich sind die letzten Fälle, Cachoeiras de 8. Carlos und de $. Jodo da Barra, oberhalb welcher sich die beiden Hauptarme des Tapajöz, der Juruena und Arinos ver- einigen, Vorzüglich am ersteren wohnen die Apiacas, welche zwar noch keine Aldeas bilden , vielmehr einzeln zerstreut wohnen, jedoch Freunde der Brasilianer sind, und ihnen beträchtlich viel Salsaparilha im Tausche zuführen. Nächst ihnen sind die Cabahybas durch Zahl und bes- sere Gesittung ausgezeichnet. Eine höchst auffallende Erscheinung ist, dass diese beiden Stamme, rings umgeben von anderen, welche die verschiedenartigsten Sprachen sprechen, sich der Tupi- Sprache bedienen. Diess, so wie die Endung ihres Namens in az oder ds ‚scheint darauf hin- zudeuten, dass sie Theile jener Tupinambazes seyen, von deren Wanderung aus dem Süden Brasiliens bis zu der Insel Tupinambarana uns schon Acvnxa berichtet. Andere Stämme, die uns als näher oder weiter vom Tapajöz und seinen Wurzelfüssen wohnend genannt wurden, sind die Yavaims, die Uarapds, Ubayhas, Mambriards, Guajajaz, Bacuris, und die Cha- euruhinas. Monxtziro ($. 55.) nennt (i. J. 1782.) überdiess die Tapacoras, Cararys, Jacare- tapuyja und Sacopes, beide Anthropophagen, die Suariranas, Piriquitäs und Uara-piranga. Es ist mir unbekannt, welche von diesen Stämmen noch jetzt, und wo sie existiren, welche bereits in der fortwährenden Bewegung und Auflösung untergegangen sind, oder welche nur als Horden grösserer Stämme, und.nicht als selbstständige Stämme, aufzuführen wären. Der Eihnograph, dem es um eine vollständige Kunde der brasilianischen Urvölkerstämme zu thun - ist, muss vorzüglich behutsam bei Aufzeichnung der Namen aus der Lingua geral (wie Jacare- lapuüja, Uara- -piranga (Kaiman -Indianer, rothe Männer) seyn, weil diese nicht von den un. gebildeten Stämmen selbst ausgegangen sind. —Mit den meisten dieser Indianer treten die Rei- senden auf dem Tapajöz in Verkehr; wenn aber Misstrauen oder der Argwohn betrogen zu seyn, bei den Indianern herrschend wird, so überfallen sie bisweilen die Mannschaft der Ca- noas bei Nacht, und die Reisenden bezahlen ihre Speculation mit dem Leben. Es ist daher ie Vorsicht nöthig, am Abend die besuchenden Indianer wegzuschicken, und während dar 1052 Nacht Wachen auszustellen. Wenn die Expedition ihren Weg im Arinos stromaufwärts fort- setzt, so gelangt sic in dessen westliche Hauptquelle den Rio Preto, der aus der Hochebene bei dem Arrayal Diamantino entspringt. Dahin soll von dem südlichsten Hafen im Rio Preto ein Landweg von fünf Legoas führen, und zwölf Legoas weiter an den Rio Cujaba. Ist diese Strecke auf Saumthieren zurückgelegt, so schifft man den Rio Cujaba bis zur Cidade de Cujabä dreis- sig Legoas abwärts.-. Die Reise von letzterer Stadt bis Santarem kann in einem Monat gemacht werden, stromaufwärts erfordert sie in grossen Fahrzeugen drei bis vier, in einem Nachen an- derthalb Monate. Die Cujabanos unternehmen die Reise während der Strom voll ist, im Dec., und kehren in den Monaten Jan. bis Mai wieder zurück. Später ist zwar der Strom noch mehr entleert, und bietet, wegen geringerer Strömung minderen Widerstand dar; allein in den Mo- naten August, September und October, wenn die Ufer am weitesten entblösst werden, sind Wechselfieber, Diarrhöen und Ruhren sehr häufig, und es sind bereits Fälle vorgekommen ; dass die Mannschaft bis auf wenige Personen eine Beute dieser verderblichen Krankheiten wurde. Nicht alle Handelsartikel, welche Cujabä nnd Matto Grosso von der Küste beziehen, werden auf dem Tapajöz mit Vortheil aufwärts geschiflt; es gilt diess vorzüglich nur von schwe- ren Gegenständen, deren Transport durch die Karavanen zu Lande kostspieliger und gefährli- cher ist, also von Eisen-, Stahl- und Messingwaaren, Schiesspulver und Schrot, Wein, ge- brannten Wässern, Arzneiwaaren und dergleichen, ‚Feine Baumwollen - und Seidenzeuge jeder Art, Tücher, Hüte, u. s. f. kaufen die Cujabanos in Bahia oder in Rio de Janeiro um zwan- zig Procente wohlfeiler ein, als in Santarem, dessen Handel zu unbedeutend ist, um mit jenen reichen Seestädten concurriren zu können, wo der Verlag auf kürzere Zeit berechnet, die Aus- wahl freier und die Geldmittel flüssiger sind. Dessenungeachtet haben mehrere Häuser von Parä selbst den Handel auf dem Tapajöz mit Vortheil betrieben. Die Cujabanos bringen aus ihrem Minenlande vorzüglich grobe Baumwollenzeuge, rohe Baumwolle, Goldstaub und als Contrebande Diamanten. Der Goldstaub, welchen wir in Santarem zu Gesicht bekamen, bestand grösstentheils aus abgerundeten Blättchen und nicht selten aus Krystallen. Die Octave Gold wird daselbst zu ı700 Reis; der Vintem Diamanten, welche meistens von geringer Grösse, von grünlicher oder gelblicher Farbe sind, zu 1000 Röis verkauft. (9.) Bei Völkern, die, noch auf der untersten Stufe der Bildung, kein historisches Denk- mal hervorzubringen vermocht haben, verweilt der Blick des Beobachters nicht ungerne auf Ge- genständen der Natur um sie her, welche mit der Dauer ihres gegenwärtigen Zustandes in Be- ziehung stehen, und in so ferne als Zeitmesser gelten können. Am nächsten liegen uns unter diesen die von den Ureinwohnern Brasiliens seit undenklicher Zeit cultivirten Gewächse: der Mais (Zea Mais), die Banane (im Norden Pacoba, Musa paradisiaca), die Aipimpflanze (Manihot Aipl, Pohl.), die Mandioccapflanze (M. utilissima, Pohl.), der apa: PÜEEr (Cena ar) = Eh me Guilielma speciosa, welche uns zu gegenwärtiger Betrachtung veranlasst. Alle diese Pflan- en den Stempel einer längeren Cultur an sich, indem sie entweder in mancherlei Va- rietäten ausgeartet sind, oder allmälig die Saamen in den Früchten verlosen haben Des’ Li ’ - Verhältnige erscheint am häufigsten bei der Banane, deren Beeren nur sehr selten einzelne Pe "ine Reese Bene aber auch die Steinbeere ‚der Bubunha er er a men. Diese Palme wird bei sehr vielen Stämmen in der | en der Wohnungen angebaut. Ihr Wachsthum ist schneller als das vieler anderen Palmen, [4 ae ne: D # 1053 denn sie soll manchmal schon im fünfzehnten Jahre Früchte ausbilden; immerhin aber setzt ihr Anbau eine Art von Stabilität der Wohnsitze voraus; auch ist ihre- Cultur den Muras, Tu- ras und anderen flüchtigen Horden (Indios de Corso), welche häufig die Wohnorte wechseln, fremd geblieben, Wir fanden sie am häufigsten bei den Passes, Juris, Coerunas, inumds am Yupura, auf der, einst von den Topinambas bewohnten, Insel Tapisnbebärnise und auf den übrigen Inseln westlich davon im Strome zwischen den Flüssen Madeira und Jurua, die, nach den Berichten Acunna’s, sonst von den zahlreichen uud betriebsamen Stämmen der Curu- zicaris, Yorimaüs (Solimo&s?) und Cochiu-uaras bewohnt waren. Diese Palme hat aueh mit den übrigen ursprünglich angebauten Gewächsen einen verhältnissmässig sehr grossen Verbreiturgs- Bezirk gemein. Sie kommt in der französischen Gujane vor (Paripou, Aublet flor. Gujan. Suppl. p- 101.), und ist von den Hrn. y. Humsoupr und BonrLanp am Örenoco , Atabapo, in der Pro- vinz Checo nnd im Stromgebiste des Rio de la S. Magdalena bemerkt worden. Obgleich‘ vor- zugsweise den niedrigen Gegenden an den Flüssen hold, steigt sie doch auch in höhere Gebiete hinauf, so dass man als ihre untere Yalgstupiiinze wenige Toisen über dem Ocean, als obere in Brasilien eine Höhe von 200 Toisen annehmen kann. Ibagıe, wo sie Hr. v. Humsounr ebenfalls gesehen hat, liegt 700 Tois. hoch, wahrscheinlich der höchste Ort, in welchem sie vorkommt. Die Frucht der Bubunha (Pupunha) ist eine eiförmige Steinbeere von der Grösse einer mittleren Birne. Unter der gelben oder rothgefärbten Oberhaut liegt ein weissliches, mehlreiches, süssliches Fleisch, von Fasern durchzogen , im Geschmacke manchen Arten süsser Bataten ver- gleichbar. Die Indianer ‚ziehen diese Frucht, gekocht oder gebraten, ‚den meisten übrigen vor. Ein gekochter Brei aus den zerdrickten Bubunhas und Bananen gemengt ist ihre Lieblingsspeise. Da ein Baum mehrere hundert Früchte trägt, die nach und nach reifen, so ist er ihnen eine reichliche Nahrungsquelle, und sie scheuen sich, ihn zu fällen, obgleich das äusserst harte, schwarze Holz des, mit Sticheln bewaffneten ar sich zu Waffen nnd anderm Geräthe besonders tauglich erweisct. Es ist diese die einzige Palmenart, von deren Anbau durch die Indianer ich mich selbst überzeugt habe. Die Zahl derjenigen , welche sie überdiess unterscheiden und mit besonderen Namen belegen , ist schr gross, und mannichfaltig der Gebrauch zur Herstellung ihrer Hütten, Verfer tigung mancherlei Geräthschaften und Waffen, weniger als Nahrüngsmittel. Es verdient angeführt zu ‚werden, dass alle. Arten, deren sich die Indianer im Innern von Pard und ‚Rio Negro bedienen, vorzugsweise den Gattungen der Stachelpalmen (Astrocaryum und Bactris) an- gehören, Wehe in der Eigenthümlichkeit übereinkommen , mehrere Stämme zu einem unge- heuren Busche vereinigt aus einer gemeinschaftlichen Wurzel hervorzutreiben. Dieses kräftige Wachsthum. ersetzt die Verwüstängen, welche die Indianer durch Abhauen der Stämme anzu- ; richten ‚pflegen. Die Steinbeeren mancher hieher gehörigen Arten liefern in ihrem faserigen, bei Astrocaryum mehlig süsslichem , bei Bactris zum Theil schleimigem und säuerlichem Flei- sche, so wie in dem ölzeichen Kerne. einige Nahrung. Grösseren Nutzen jedoch bieten sie durch die Zähigkeit ihrer Blattfasern dar, welehe fast alle ohne Unterschied zu Flechtwerk verwendet werden können. Besonders geschickt i in dieser Arbeit habe ich die Juris am Yupura gefunden, Die frischen Blätter werden vom Blattstiele abgeschnitten, und ihre faserige Mittelrippe und die Nebennerven durch einen eigenthümlichen Handgriff von dem übrigen —.- getrennt, in- dem der Indianer die angezogenen Kniee zur Stütze gebraucht. j 247% II. Theil. | 134 Viertes Kapitel. Reise von der Enge von Obydos nach der Fortaleza - da Barra, dem Hauptorte der Provinz von Rio Negro. Von dem südlichen Ufer des Amazonas oberhalb der Enge wird die Ueberfahrt bis nach der Villa ohne Mühe in zwanzig bis fünfundzwan- zig Minuten gemacht, indem man, alle Kraft der Ruder lediglich für die Durchschneidung des Stromes in nordöstlicher Richtung verwendend, sich nun blos den abwärts treibenden Wellen überlässt. Diejenigen Fahrzeuge, welche nach Obydos bestimmt sind, pflegen desshalb bis hierher stromaufwärts zu gehen. Da wir uns vorgenommen hatten, den Ort erst auf der Rückreise zu besuchen, so fuhren wir am südli- chen Ufer fort, und setzten erst da, wo er sich von Neuem zwischen mehreren Inseln ausbreitet, auf das nördliche Ufer über. Die Hügelreihe, welche sich von Obydos bis an den Rio das Trombetas etwa eine deutsche Meile weit hinerstreckt, senkte sich allmälig immer tiefer vor uns nieder, und wir.erblickten jenen Fluss, der seine klaren Gewässer in eine weite Bucht des Amazonas ergiesset. Hier war es, nach dem Berichte des Acunna, wo Orerrana’s landende Mannschaft von Indianern angegriffen wurde, in deren Reihen Weiber kämpften, und diess ist dOuRE ein elassischer Ort für die Ethnographie und Geographie des grössten der Ströme, der seinen Namen von jener so vielfach geschmück- 1055 ten und bezweifelten Thatsache herleitet. Der Leser erwartet daher mit Recht, dass ich mich selbst über die Amazonen ausspreche; um jedoch den Gang der Erzählung weniger zu unterbrechen, mag hier die Aeusserung genügen, dass ich an die Existenz derselben weder in früherer Zeit, noch gegenwärtig, glaube. Bei dem allgemeinen Inter- esse, welches der Gegenstand erweckt, wird man der Versicherung trauen, dass wir, Dr. Srıx und ich, ai Mühe scheuten, hierüber Licht oder Gewissheit zu erhalten. ui haben wir dien irgendwo eine Amazone gesehen, noch von irgend einem zuversichtlichen Einwoh- ner europäischer Abkunft eine. Thatsache vernommen, welche auch nur von Ferne mit den fabelhaften Traditionen zusammengehangen wäre. Freilich, Indianer äusserten sich hierüber so, dass eine thätige Einbil- dungskraft ohne Mühe aus ihrem Berichte ableiten könnte, was nur immer zur Begründung der Fabel nothwendig erscheinen möchte. Auf die Frage: giebt es Amazonen? ist die gewöhnliche Antwort: „dpi, es scheint so“. Aber jene Frage selbst schliesst, da es kein einzelnes Wort in der Lingua geral giebt, welches eine Amazone bedeute, alle Merk- male ein, die den Amazonen zugeschrieben werden, und der Indianer darf sie nur nach seiner Weise bejahend wiedergeben, so ist eine Fa- bel fertig. Die ausführliche Erörterung des Gegenstandes dürfte übri- gens eine Stelle unter den Anmerkungen verdienen. (ı.) Der Rio das Trombetas, der bei Acunsa Cunuriz hiess, und in der Lingua geral Orixi-mind genannt wird, ist noch nicht bis zu seinen Quellen ver- folgt worden, weil zahlreiche und hohe Fälle den Reisenden entgegen- stehen, die seine Umgebungen nach Salsaparilha und Nelkenzimmt durch- Pane Oberhalb der HKatarakten soll er durch Fluren laufen. Sein unterstes Gebiet dagegen ist so flach, wie das der übrigen Beiflüsse des Amazonas, und steht durch einen ‘westlichen Canal mit dem benach- barten: Rio MNeamunda (Nhamunda, Jamundaz) in Verbindung. Bis zu der östlichen Mündung des letztern werden von den Schiffern sechs Legoas gerechnet, die wir in einem Tage zurücklegten. Dieser Fluss breitet sich landeinwärts in einen schönen, fischreichen See aus, an dessen östlichem Ufer, 8 Leg. vom Amazonas, die Zilla de Faro, die äusserste Ortschaft in 134 * 1056 - der Provinz von Para liegt. Sie war ursprünglich, so wie das benachbarte Obydos, Mission der Rapuziner, welche hier die Indianer vom Stamme der /Nhamundas aldeirt hatten. Faro ist eine nicht unbeträchtliche Yilla deren Einwohner die Producte der Umgegend sammeln, und namentlich Taback bauen, welcher nebst dem von dem benachbarten Sylves für den besten im ganzen Estado gehalten wird. ‘Der Fluss selbst bildet die Grenze zwischen Para und der westlichen Provinz S. Joze do Rio Negro, in deren Gebiete wir uns jetzt befanden. Auf der südlichen Seite des Amazonas wird diese Grenze durch den Hügel Parentim, den Rio Mauhe und westlich von diesem durch den Madeira gebildet. Wir hatten bisher ausser den Schnacken keine geflügelten Verfol- ger gehabt; aber heute fiel uns plötzlich ein Schwarm von Pium an, und mehrere andere Fliegenarten, wie die /Mutuca und die Morucoca, schienen sich mit jenem zu vereinigen, um uns einen lästigen Krieg zu machen. Der Pium ist eine kleine Mücke (aus der Gattung Simulium, Latr.), mit grossem Kopfe und starkem kurzem Saugrüssel. Er kommt in engen Kreisen mit ausserordentlicher Schnelligkeit angeflogen, setzt sich auf die Haut, indem er gleichzeitig alle sechs Füsse und den Rüs- sel aufstemmt, und im Augenblicke, da er seinen Blutdurst zu befrie- digen anfängt, fühlt man einen durchdringenden stechenden Schmerz, der immer hefliger wird. In einer halben Minute hat sich das Thier gewöhnlich vollgesogen, und nun fliegt es schnell davon. Die Saug- Kraft seines Rüssels ist so gross, dass es die ihm ausgesetzte Oberhaut in eine halbkuglige, etwa das Drittheil einer Linie hohe Blase erhebt, die anfänglich halbdurchsichtig und wahrscheinlich mit Serum gefüllt ist, Später aber von einer Blutergiessung eingenommen und roth gefärbt wird. Sie sinkt dann ein, und endlich bildet das Coagulum einen dun- kelröthen ‚runden Punct in der Oberhaut, der nach einigen Tagen ab- trocknet und ausfällt. Keine Worte reichen hin, die Qual zu beschrei- BER welche dieses furchtbare Insect über den Reisenden verhängt, wo Fr dichten Schwärmen auf ihn niederfällt. Wenn eine grosse An- zahl Stiche irgend einen Theil getroffen haben, so verbreitet sich über 1057 ihn ein brennender Schmerz, der einigermaassen durch ein kühles Bad gelindert wird. Sind die Stiche sehr dicht gefallen, so verursachen sie oberflächliche Geschwüre, die, bei dem fortwährenden Jucken und Haut- Reiz gefährlich werden können; ja man erzählte uns von Fällen, dass Indianer an der Piera, so nennt man den Ausschlag, gestorben seyen. Kein Reisender auf dem obern Theile des Amazonas kann dieser Plage entgehen, und man findet desshalb nicht selten in den Häusern der An- siedler einen Dienstboten bereit, am Abend beim Fusswaschen die Re- ste jener Stiche, welche besonders den Händen das Ansehen geben, als seyen sie mit unzähligen Blutpuncten besetzt, mittelst einer feinen Na- del auszugraben, eben so wie in den südlichen Provinzen die Dienst- barkeit eines Sclaven sich auf das Ausziehen der Sandflöhe aus den Zehen bezieht. Der Pium fliegt übrigens nur bei Tage, und ist gerade am lästigsten im hellen Sonnenscheine, bei Nacht zieht er sich zurück. Ein anderes Insect, welches besonders um Sonnenuntergang erscheint, ist der Maruim (oder /Mariuim, Moruim), eine Schnackenart, die, obgleich fast dreimal kleiner als die Carapana, dennoch durch den ein- dringenden Schmerz ihrer Stche nicht weniger, als diese, läsiig wird. Nur darin zeichnet sie sich vortheilhaft vor der Carapana aus, dass sie ihre Verfolgung in der Stille, ohne das widerliche Gesumse an- stellt, und dass sie nur kurze Zeit bei den Reisenden verweilt, denn mit Eintritt der dunklen Nacht zieht sie sich in die Wälder zurück, um jener, dem Feinde nächtlicher Ruhe, Platz zu machen. Maruim und Carapana werden nur durch dichte Seidenzeuge abgehalten, während der Pium immer nur die unbedeckte Haut angreift. Diese drei blut- dürstigen Insecten folgen sich in sicherer Succession; und auch am Amazonenstrome fanden wir den Ausdruck verbreitet, dessen Herr von Humsoror als in den Missionen am obern Orenoco gewöhnlich erwähnt: sie ziehen nach einander die Wache auf (montäo a Guarda). Wir bemerkten übrigens die entschiedene Periodicität in der Erscheinung der verschiedenen Thiere nicht, welche jener grosse Reisende in den von ihm besuchten Gegenden wahrgenommen hat. Ueberhaupt möchten wir annehmen, dass die Geissel dieser bösartigen Insecten auf dem 1058 ganzen Amazonas in geringerem Maasse alt in oberen Orenoco und am Magdalenenstrome thälig sey. Leider bin ich nicht im Stande, eine 'systematische Bestimmung der Arten aufzuführen, welche uns im Ver- laufe der Reise peinigten; eine Vergleichung jedoch zwischen den von uns und vom Herrn von HumsoLpr beobachteten Thieren lässt mich schliessen, dass der Pium dasselbe mit dem Mosquito am Orenoeco._sey, und dass die beiden Schnackenarten Maruim (eigentlich Meru-i d. i, kleine Mücke) und Carapana den Tempraneros und Zancudos ent- sprechen. Die letzteren Arten von Culex scheinen mir jedoch mit den von Herrn von HumeorLpr angegebenen Arten nicht übereinzustimmen, und sind sehr wahrscheinlich noch nicht systematisch beschrieben. Die Carapana vom Amazonas (Culex amazonieus) hat einen graulich grü- nen Thorax und die Füsse, deren letztes Paar sie während des Saugens ho- rizontal wegstreckt,, sind mit einigen weiss und schwarz wechselnden Bin- den gezeichnet, Die Indianer, grösstentheils "unbekleidet, bieten ihren fleischigen Rücken diesen furchtbaren Feinden. mit einem Gleichmuthe dar, dessen keine andere Rage fähig wäre. Im Dienste des Schiffes be- schäftigt, schlagen sie sich oft die ganze. Fläche des Ruders maschinen- mässig auf den Rücken; aber nur höchst selten suchen sie sich gegen- seitig ihre Peiniger zu verscheuchen. Solche Dienste freundlicher Auf. merksamkeit sind ihrem Charakter fremd. Selten hört man sie über die Unzahl der Mosquiten (Praga de Bichos, Carapana- oder Pium- Reyya) klagen, wo dann die Plage eine selbst dem bekleideten Europäer fast unerträgliche Marter geworden ist. Ein Stück Baumwollenzeuges; oder des in grossen Lappen abziehbaren Bastes (Tawiri oder 7; uriri), bis- weilen eine Lage schwarzen Morastes, oder ein Pulver aus, Sand und Pech, womit sie die schutzloseren Theile des Körpers überziehen, sind die Mittel, wodurch sie der Verfolgung wenigstens einigermaassen zu entgehen trachten. Nur in den obersten Gegenden am Yupurä fand ich jene kleinen, backofenartigen Hütten (Hornitos der span. Indianer); in denen die Indianer am Orenoco sich den Stichen ihrer Peiniger zu entziehen suchen. Die ‚stärkere Bewegung der Almosphäre auf dem Amazonenstrome, über dessen Mitte diese Insecten stets seltner sind; 1059 als an den Ufern, lässt mich glauben, dass nichts so sehr zu der Ver: minderung dieser furchtbaren Landplage mitwirken werde, als die Aus- rottung einzelner Waldstriche, wodurch dem Zuge der Winde Bahn gemacht ‚würde. . Vor der westlichen Mündung des Neamundä bewegen sich die Gewässer in einem gewaltigen Wirbel, (Caldeiräo), der so gefährlich seyn soll, dass ihn alle Fahrzeuge gefliessentlich vermeiden, indem sie wieder auf das südliche Ufer des Amazonas übersetzen. Auch wir such- ten daher. an der östlichen Mündung des Neamunda angelangt, das südliche Ufer des Stromes. Fast eine Viertelstunde lang ‘mussten wir die gewaltige Strömung des Hauptcanales durchschneiden, dessen Wel- len, so hoch als die in der Bai von Bahia, unser Fahrzeug auf eine beunruhigende Weise erschütterten. Es ist schwer, in diesem Haupt- Canale die Tiefe des Stromes zu messen, weil selbst ein bedeutend schweres Senkbley von der Gewalt der Wellen ergriffen wird; doch schien uns nach einigen Versuchen die Tiefe zwischen 70 und 80 Rlaf- ter zu betragen. Auf der Südseite angelangt, fanden wir die zerstreu- ten Cacaoplantagen von Maraeau-agu Tapera (Ort der grossen Rlapper- büchsen). Diese Pflanzungen entschädigen durch ihren fruchtbaren Boden keineswegs für die traurige Einsamkeit des Waldes. Hier war es, wo uns zum erstenmale eine grosse Onze erschreckte, der wir, Dr. Spıx und ich, bei einem Spaziergange begegneten, welchen wir, während die Mannschaft kochte, in den dunklen Wald unternahmen. Das Thier war von ungewöhnlicher Grösse, und kam, wie es schien, vom Sau- fen am Ufer des Flusses zurück, indem es einigemale stehen blieb, um die benässte Schnauze mit der Vordertatze abzutrocknen. Wir waren kaum dreissig Schritte von ihm entfernt, und der seltne Anblick hemmte plötzlich unsere Schritte. Da nur Dr. Spıx mit einer Vogelflinte bewaffnet war, so wussten wir dem Zufalle Dank, welcher das gefährliche Thier an uns vorbei in den Wald zurückführte, ohne dass wir von ihm be- merkt worden wären. Die Indianer erzählen viel von der Stärke des Jaguars (Jauar&te), welcher sogar einen Lamantin von mehreren Zent- 1060 nern Gewicht. bei der Schnauze ergreifen und schwimmend an das Ufer ziehen, ja selbst im Kampfe mit dem Kaiman gewöhnlich Sieger bleiben soll. Auch hier, wie in den meisten Gegenden Brasiliens, ist die gefleckte Abart häufiger, als die einfärbige schwarze (Tigre, Tasks arete pixuna). Bisweilen kommen diese Thiere, von Hunger getrie- ben, sogar in die Ansiedlungen, wo sie jedoch den Menschen nur gereitzt, und dann den schwarzen oder färbigen furchtloser, als den weissen h angreifen. Die Schifffahrt an der südlichen Küste des Continentes war langsam, weil der Wind gänzlich fehlte. Wir erreichten daher erst am ı. Oct, den Grenzposten (Registo) von Parentim, einige Hütten am Fusse ei- nes etwa 200 Schuh hohen, mit dichter Urwaldung bedeckten Hügels, der gewissermaassen als ein natürlicher Grenzpunct zwischen den Pro- vinzen von Para und Rio Negra betrachtet werden kann. Der Gou- verneur der letztern Provinz, erschreckt von dem Gerüchte einer bös- artigen Blatterseuche, welche in der untern Provinz wüthe, hatte ein Detachement Militzsoldaten mit der Absicht hieher beordert, den Eintritt aller Reisenden in die obere Provinz. einer strengen Controlle zu unter- ' werfen. Zwar waren wir, seit mehreren Wochen ohne Berührung mit den Bewohnern der Ufer, bei dem vollkommensten Gesundheitszu- stande der Equipage, überzeugt, dass wir keine Ansteckung mit uns führen könnten; jedoch durften die heilsamen Maassregeln der Gesund- heitspolizei durch uns auf keine Weise verletzt werden. Auf der an- dern Seite konnten wir uns nicht zu einer vierzehntägigen Quarantaine ‚in dieser einsamen Wildniss entschliessen, welche uns durch die Qual unzähliger Mosquiten, schon nach wenigen Stunden eine Hölle schien. Wir nahmen daher den Vorschlag des commandirenden Unterofhiziers an, auf einer, mit zehn hier anwesenden Indianern equipirten Canoa nach Dilla nova da Rainha vorauszugehen, und unsere Mannschaft mit den beiden Fahrzeugen unter dem Befehle des uns begleitenden Sergean- ten zurückzulassen, bis eine Erlaubniss der Weiterreise von dem Herm Gouverneur in der Fortaleza da Barra eingeholt sey@®& Eine Schifffahrt 1001 vonsechs Stunden brachte uns in jene Villa, welche sich auf dem südlichen, zwanzig Fuss über das Gewässer erhabenen Ufer , eine halbe Legoa unter- halb der Mündung des Furo de Abacaxis oder Rio Mauhe im Amazonas befindet. Die Ortschaft besteht aus mehreren Reihen niedriger, zum Theil fensterloser, mit Palmblättern bedeckter Häuschen. K besitzt bei einer Bevölkerung von .etwa 600 Seelen, des Namen geachtet, nur die Vorrechte eines Dorfes (Lugar). Ursprünglich ist durch die Mission der Jesuiten der Grund ihrer Bevölkerung mit dem Ueberreste der Indianer vom Stamme der Topinambazes gebildet worden, welche sich nach mancherlei Schicksalen und zuletzt von der Mission am See Yaycurapa, theils hierher, theils nach der Villa de Boim am Tapajöz gezogen hatten. (Pübeiro (. ı7. fl.) Sie heisst desshalb in der Lingua geral Topinambarana (oder Tupinambarana). (2.) Jene ersten Bewohner sind mit der übrigen indianischen oder halbeuropäischen Bevölkerung so sehr ° verschmolzen, dass nur eine grössere Leichtigkeit in der Behandlung der allgemeinen oder Zupisprache als Merkmal der ehemaligen Abstam- mung zurückgeblieben ist, Ueberdiess sind jedoch während der letzten vier Jahrzehende neben jenen /ndios ladinos, natieos oder Kenicarüs noch Familien von den Stämmen der Paravelhanos > Mundrucüs und Mauhes hier aldeirt worden. Die Ortschaft stand damals in Blüthe, als sie der Stapelplatz der Reisenden war, welche vom Amazonas aus auf dem Madeiraflusse nach Matto Grosso oder von dort zurückführen ; doch hat sich ihr WVohlstand und ihre Bevölkerung auch gegenwärlig we- nig vermindert, indem besonders von ihr aus Handel mit den Indianern am Rio Mauhe getrieben, und die Nachbarschaft des an Producten so reichen Madeira fleissig benutzt wird. Von den Mauhes holen sowohl die Brasilianer, als die civilisirten Indianer desselben Stammes Nelken- Zimmt, Salsaparilha, Cacao und vorzüglich das Guarand, eine Drogue, deren Bereitung unter den Mauhes ganz vorzüglich verbreitet ist. Das Guarana ist eine Paste von chocoladebrauner Farbe, wenig Geruch und beträchtlicher Härte. Es dient, fein gepulvert, mit Zucker und Wasser angemengt, als kühlendes magenstärkendes Getränke, und wird häufig gleich der Limonade blos des Wohlgeschmackes wegen, ausser- IN. Theil. 135 1002 dem aber vorzüglich gegen Diarrhöen, getrunken. Sein Gebrauch ist so weit verbreitet, dass es von Topinambarana aus durch das ganze Reich und sogar ausserhalb Brasilien, besonders in die Provinzen Mo- chos und Chiquitos, versendet wird. Ein gutmüthiger Indianer vom Stamme der Mauhes beschenkte mich mit mehreren Stücken des Gua- rand, r selbst bereitet hatte, und liess mich selbst Zeuge der Bereitung desselben seyn, welche ich, mit andern Nachrichten über diess merkwürdige Mittel, in die Anmerkung (3.) verweise. Der Aufenthalt in der Zilla Nova da Rainha ward uns in jeder Beziehung angenehm, vorzüglich durch die freundschaftliche Aufnahme des Commandanten, Sr. Erıas DE Seıxas, an den wir von seinem Bru- der, dem Hrn. Generalvicar von Para, empfohlen worden waren. Die Villa hat, als östlichste Ortschaft der Provinz von Rio Negro eine Be- satzung von einigen und zwanzig Soldaten, mit der Bestimmung, die benachbarten Indianer in Furcht zu halten, und die vorbeifahrenden Handelscanoas zu controlliren, deren Fracht angegeben werden muss. Vor dem Wachthause (Ouartel) fanden wir zwei Canonen aufgepflanzt, die vorzüglich zu Salutationen bei Kirchenfesten gebraucht werden, Hleine Detachements der Soldaten begleiten bisweilen die Reisenden auf den Madeirafluss, oder zu den beiden grossen Indianerbevölkerungen von Canoma und Mauhe, deren Einwohner, Mundrucis und Mauhes, von zwei Missionären regiert werden, und zwar friedliche Gesinnungen gegen die sie besuchenden Handelsleute hegen, aber ihrer grossen Zahl wegen Vorsicht nöthig machen. Die Lage der Ortschaft ist äusserst angenehm. Von dem Hochufer überblickt man einen grossen‘ Theil des Amazonas, der bis zur ersten Insel eine Legoa Breite hat, und sich von da nach N. in mehreren Canälen bis zu der Yilla de Faro erstreckt, deren Entfernung zu sieben Legoas angegeben wird. Die Luft ist rein, der in diesen Gegenden verhältnissmässig weite Horizont klar und heiter; die Wärme wird fast täglich durch die erfrischende Viracao, welche den Strom heraufkommt, abgekühlt, und die Plage der Mosquiten ist nicht besonders fühlbar. Die nächsten Umgebungen sind mit Waldung 1003 bedeckt, die, hie und da durch Waldschläge und Anbau gelichtet, in ein dichtes Buschwerk oder in freie Grasplätze ‚übergegangen sind, worauf einiges Rindvieh weidet. Tiefer landeinwärts sollen ausgedehnte Wiesen, namentlich rings um die fischreichen Seen, vorkommen, wel- che von den Einwohnern während der trocknen Monate häufig besucht werden. Oestlich von der Villa liegt eine ansehnliche, der Regierung gehörige Pflanzung, mit einem Wohnhause, deren Benützung dem je- maligen Commandanten zusteht. ‘Wir fanden daselbst lange Reihen von Goajavabäumen und am Abhange des Ufers, nahe am Strome, eine un- glaublich reiche Pisangpflanzung (Pacoval). Hier, wie am ganzen Ama- zonas, pflanzt man vorzüglich die lange, eckige Pisang (Pacoba, Musa paradisiaca, Zr}; welche in Brasilien einheimisch ist, und von der kleineren runden (Banana de 5. Thome, Musa sapientum, L.) durch den Namen der Banana da Terra unterschieden wird. Die Frucht ist zwar minder süss, aber auch minder fade, indem sich in ihr ein eigen- thümliches Aroma, besonders dann entwickelt, wenn sie an einem luf- tigen warmen Orte aufgehängt wird. Von den Indianern, welche al- - lerlei Gerichte aus ihr zu bereiten verstehen, wird sie der anderen Art vorgezogen. Die Menge von Früchten, die selbst ein kleines, dicht- gepflanztes Pacoval liefert, ist fast unglaublich. Es giebt Trauben mit zehn . Früchten in einer Reihe (Penca), die achtzig Pfunde wiegen. Neben den Goajaven fanden wir einen grossen Oassacu, jenen verrufenen Giftbaum, - mit dessen Milch die Indianer die Fische betäuben. Es ward beschlossen, selbst einen Versuch in diesem Fischfange zu machen, und sogleich fanden sich einige Indianer, die den Saft auffingen. Eine, in den un- tern Theil des Stammes gehauene, anderthalb Zoll tiefe Spalte, an wel- che,ein dünnes Rohrstück befestigt wurde, lieferte in drei Stunden et- wa zwei Flaschen eines fast geruchlosen Milchsaftes, der auf der Spitze der Zunge einen scharfen brennenden Geschmack und eine längere Zeit andauernde Röthe hervorbrachte. Er war von der Consistenz einer sehr fetten Milch, und hatte, als er etwa eine Stunde lang getragen worden war, auf dem Boden des Gefässes eine zähe käsartige Substanz abgesetzt. Wir begaben uns in den Wald, wohin mehrere Indianer 135 * 10064 vorausgegangen waren, um einen fischreichen Graben einzudämmen, wel- cher dort in einen grösseren Igarape einmündet. In dem letzteren fanden wir jene, aus einer Reihe, in. dem Umriss einer Geige eingesteckten, Stä- be gebildete, eigenthümliche Art von Fischreussen (Camboas) angebracht, welche die Indianer in allen Theilen Brasiliens anlegen, um die, den den Fluss herabkommenden, Fische in den Windungen aufzuhalten. *) Der kleinere Bach war an seiner Mündung in den grösseren durch ein Wehr von Faschinen und Sand abgedämmt worden, und wir bemerk- ten bereits viele Fische in dem unteren Theile, welche mit Lebhaftigkeit umherschwammen. Nachdem das aufgestaute Gewässer überzutreten anfıng, hieben die Indianer einen buschichten Uferbaum um, warfen ihn etwa hundert Schritte oberhalb der Mündung in den Bach, um den Fischen die Rückkehr zu erschweren, und gossen nun die Töpfe des Milchsaftes an mehreren Stellen über das Wasser aus. Die Vermischung ward durch Umrühren mit langen Stöcken befördert. Etwa zehn Mi- nuten mochten verflossen seyn, als die zahlreichen Fische in eine allge- meine und immer lebhafter werdende Bewegung geriethen. Sie kamen häufig an die Oberfläche des Wassers, aus dem sie den Kopf hervor- streckten, schnalzten hin und her, und mehrere der grössten und stärk- ‚sten sprangen so hoch aus dem Bache auf, dass sie zum Theil auf das Ufer ‚herabfielen, andere befreiten sich, indem sie glücklich über das Wehr in den grösseren Bach entkamen. Diese Anstrengungen waren jedoch nur von kurzer Dauer; es trat eine allgemeine Stille ein, und die kleineren Fische kamen ohne Bewegung, die grösseren mit fort- dauerndem aber schwächerem Schnalzen an die Oberfläche. Die Rie- mendeckel waren weit geöffnet und die Thiere schienen ohne Bewusst- seyn und Bewegungsfähigkeit zu seyn, indem sie sich von den, in«den Bach wadenden Indianern mit den Händen fangen liessen. Bevor sie ganz regungslos, mit dem Bauche nach oben gekehrt, im Bache flot- tirten,, kehrten sie sich gleichsam trunken von der einen auf die andere a we 2. ee se 2 me ie . S. 90. “> habe diese, wie die übrigen Arten des } >) und beschrieben in Spix et Agassiz Pisces brasilienses. - 1005 Seite. Auffallend war uns, dass alle, hier an’s Ufer gebrachten Fische eine ausserordentliche Erweiterung der Pupille zeigten, ein Umstand, der, zugleich mit der chemischen Constitution des Milchsaftes, darauf schliessen lässt, dass die Vergiftung, wenn gleich vielleicht mit Störun- gen des Athmungsprocesses beginnend, sich doch durch eine Aflection des Nervensystemes vollende. Die Fische wurden übrigens ohne Nach- - theil gegessen. Die Indianer neigen sehr dahin, diese Art von Fisch- Fang allen‘ andern vorzuziehen, wodurch sie oft grossen Schaden in Teichen und Bächen veranl . Die Regierung hat desshalb das Ver- ‚giften der Flüsse durch Verbote untersagt, welche jedoch wenig gehal- ten werden. Im Füupura hatte ich Gelegenheit, noch anderen Arten des Fischfanges beizuwohnen, deren Princip dasselbe ist. Statt der 'gifüigen Milch bediente man sich dort, wie es in vielen andern Gegen- den Brasiliens üblich ist, der Ranken des 7imbo (Paullinia pinnata, Cu- ruru, L. ete.). Grosse Büschel derselben werden zwischen Holz oder Steinen zerquetscht, und dann von mehreren RKähnen, welche den See in mancherlei Richtungen durchkreuzen, an der Oberfläche des WVas- sers herumgeführt, worauf die Fische, von Schwindel ergriffen, aus ‚dem Wasser hervorspringen, oder bewegungslos darauf hintreiben, bis sie von den Schützen, welche jenen Kähnen in anderen entgegenkom- men, geschossen oder mit den Händen gefangen werden. Die einfach- 'ste aller Arten beobachtete ich an dem Bache Jui, einem. Confluenten des Yupurä. Als dort meine Indianer bei gänzlichem Mangel der Pro- visionen auf den Fischfang hingewiesen waren, dämmten sie einen Theil des Baches ein, und peitschten das Wasser mit langen Stöcken, bis mehrere Fische betäubt und halb todt in ihre Hände fielen. Sie bedien- ten sich dazu mehrerer mir unbekannter blattloser Lianenstengel, und darunter auch der seltsam breit gedrückten, bandartig gewundenen Stämme der Bauhinia gujanensis, Aubl. Der Aufenthalt in Topinambarana bereicherte uns mit mancherlei Anschauungen von dem Leben der Indianer, die wir unter der Leitung eines wohlwollenden Commandanten zutraulicher und friedlicher fanden, 10060 als irgendwo sonst. und Mauhes bringt Leben und Betriebsamkeit in das Oertchen, und verleiht den angesiedelten Indianern noch etwas von jener Lebensfrische ihres ursprünglichen Naturzustandes, welche in den meisten längere Zeit bestehenden Aldeas von Schläfrigkeit, Unlust und grösster Sittenlosigkeit verdrängt wird. Doch mussten wir auch hier mit Bedauern das Haupt- Laster der Indianer, ihre Trunkenheit, bemerken, wodurch der schön- ste Keim der Civilisation in diesen Ländern unterdrückt, und vielleicht auch die Entvölkerung befördert wird. Man würde Unrecht thun, wollte. man die Trunksucht als lediglich durch die Europäer eingeführt betrachten. Die rothen Menschen kannten schon vor der Entdeckung America’s berauschende Getränke, das Payauaru aus sauer gewordenen Mandioecawurzeln, und das Cajiri aus den grossen Broden des Mandioc- camehles (Beijü). In dem Zustande der Trunkenheit geht ihre ruhige und schweigsame Natur zu wildem Lärm und Geschrei über, und es fehlt dann nicht an Zank und Streit, der Blut fliessen macht. Wir hat- ten desshalb unseren, auf Erlaubniss des Commandanten zur Villa ge- kommenen, Leuten strenge verboten, nach Sonnenuntergang die Hütten der Indianer zu besuchen; aber es war schwer, sie von der lärmen- den Lustbarkeit zurückzuhalten, welche sie aus den gastfreundlich geöfl- neten Hütten der Indianer beim Scheine des Mondes anlockte. Einer der Soldaten, ein Portugiese, mit dem wir bald aus gegründeteren Ur- sachen unzufrieden seyn sollten, konnte des Lobes der wild durchschwärm- - ten Nächte kein Ende finden, und der wackere Sergeant äusserte mit Bedauern, dass man hier im Sertäo die Lustigkeit, wenn auch nicht des Himmels, doch der Hölle, fände, Die Nähe der grossen Völkerstämme /Mundrucus An den abgerissenen Ufern des Stromes konnten wir die früher gemachten Beobachtungen über die geognostischen Verhältnisse bestäti- gen. Wo wir derbes Gestein sahen, waren es Felsen eines violeitbrau- nen, stark eisenschüssigen Sandsteines, der hier häufig in Tafeln ge schichtet erschien. Hierauf findet sich röthlicher ‚ weisser oder violett gebänderter feiner Thon (Tabatinga), welcher auch hier zum Anstreichen 1067 der Häuser benützt wird, dann eine rothe schwere Thonerde, oder ein grauschwarzer Sand, und endlich schwarze Dammerde in einer Mäch- tigkeit von drei bis fünf Fuss. Als wir am 5. Oct. die Villa verliessen, fanden wir die Ufer schon weiter, bis auf eine Höhe von zwölf Fuss, entblösst, da der Strom seit einigen Tagen sich stärker zu entleeren begann. An solchen Stellen war der Sandstein hie und da vom Spiel des Gewässers corallen- oder schwammartig zerfressen, und nach dem verschiedenen Stande des Stromes wechselten Streifen des durchlöcher- ten Gesteines mit anderen, noch dichteren, ab. Die Sandinseln im Stro- me tauchten in grösserer Ausdehnung aus der Fluth auf; von nun an boten sie uns für jede Nacht Herberge, und überdiess ein erfreuliches Schauspiel, weil sie mit unzählichen Wasservögeln bedeckt waren, wel- che eben jetzt ihre Eier legten. Unsere Leute brachten ganze Körbe voll Eier, die sie unter lautem Geschreie.der ängstlich umherfliegenden Möven (Larus brasiliensis) vom Sande aufgelesen hatten. Dieser Vo- gel legt zwei, denen unserer Kibitzen ähnliche, Eier. Auch Enten (Anas uiduata), Taucher (Colymbus ludovicianus), Reiher (Ardea Egret- ta) und bisweilen die gravitätischen IMagoaris (Cieonia americana) be- lebten diese Inseln, welche sich nicht selten auf eine halbe Stunde und mehr in die Länge bei verhältnissmässiger Breite ausdehnen. Von’ zahl- reicher Beute angelockt, steigen auch die Kaimans in grosser Anzahl auf die Ufer herauf. Wir sahen deren manchmal ganze Haufen mit halbgeöffnetem Rachen und ‚blinzenden Augen liegen, der Annäherung des harmlosen Gefieders gewärtig. Der sandige Boden, worin wir ab- gerundete Iydische Steine und Sanderz neben den gewöhnlichen Bestand- theilen des Flussandes bemerkten, ernährt nur wenige Pflanzen, vorzüg- lich die hellgrünen Gebüsche der Salix Humboldtiana, der Hermesia castaneaefolia und hie und da Gruppen der Jauaripalme (Astrocaryum Jauori, Mart. Palm. tab. 52.). Sobald wir landeten, war das erste Geschäft, unsere Hangmatten zwischen jenen südlichen Weidenbäumen, welche durch ihren Namen uns noch theurer geworden waren, aufzu- hängen. Wo sie zu tief im Lande standen, wurden Stämme derselben abgehauen, nächst dem Strande in die Erde gerammelt und die Hang- x 1068 matten der drei Freunde in einem Dreiecke daran befestigt. Die India- ner brachten alsbald zahlreiche Beute von Fischen herbei. Feuer ver- schafften sie sich entweder durch Reiben zweier Stäbe trocknen Cacao- Holzes, deren einer senkrecht auf dem andern in quirlender Bewegung herumgeführt wird, oder durch Stahl und Stein, indem sie die Funken auf ein trocknes, von Ameisen durchfressenes Holz fallen liessen, des- sen zunderartige Lappen sie in einem Bambusrohre aufbewahren. Fri- sche Fische wurden gekocht, oder auf einem Roste, der getrocknete Pirarucu aber auf die einfachste Weise gebraten, indem sie die Stücke auf Holz oder selbst im Sande um das Feuer herlegten. Das Mandioc- camehl pflegten sie meistens, Jeder in einer eigenen Cuja, mit heissem Wasser anzubrühen. ‘War das Mahl gehalten,: wobei gewöhnlich we- nig gesprochen wurde, und verhinderte die einbrechende Nacht, weite res Umherstreifen auf der Insel, so suchte sich Jeder eine Schlafstätte auf, die er nach seinem Bedürfnisse einrichtete. Die wenigsten blieben auf dem Fahrzeuge zurück; meistens lagerten sie sich rings um das Feuer, gruben einen Theil des Körpers in den Sand ein, und spannten über den übrigen ihre’ wenigen, Kleidungsstücke aus, um die Mosquiten und den Nachtthau abzuhalten, den sie Alle fürchteten. Wenn sie in der Nähe unseres Bivouac Palmen fanden. so hieben sie wohl einige nieder, um aus den kreisförmig in den Sand gesteckten Wedeln ein Blätterdach zu bilden. Zu diesem Zwvecke ziehen sie die breiten Blät- ter der Baximva (Jriartea exorhiza, 7.) allen andern vor. War das Lager unbequem, so hörten wir oft die ganze Nacht hindurch reden, bis- weilen sogar scherzen und lachen, und fanden dessenungeachtet bei An- bruch des: Tages die Mannschaft frisch und zum Ruderdienste aufgelegt. Um so länger schliefen sie dagegen an bequemen Orten, wo wir sie oft erst spät am Morgen aufireiben konnten. Bei aller Rohheit dieser Na- turmenschen muss dennoch der europäische Reisende ihrer gutmüthigen Unverdrossenheit Gerechtigkeit widerfahren lassen. Oft rührte mich die Betrachtung der harmlosen Einfalt dieser armen Menschen, welche, unwissend wohin, auf hunderte von Meilen einem ihnen ganz fremden Interesse folgten, und dabei von jedem Gedanken eines Erwerbes oder 1009 dabei von jedem Gedanken eines Erwerbes oder Gewinnes so weit ent- fernt waren, dass es schien, sie begleiteten uns blos aus — Langeweile. Wir hatten anderthalb Tage von Villa Nova aus zurückgelegt, ohne das nördliche Ufer des Stromes zu erblicken, indem *wir stets in Ne- bencanälen zwischen niedrigen Inseln aufwärts ruderten. Die Sandin- 'seln (Prayas) nahmen von nun an Ausdehnung immer mehr zu, und auf ihnen. wurden die Spuren besuchender Schildkröten häufiger. Wo immer wir an irgend einer von Wasser unbedeckten Sandbank still hielten, um Wind zu erwarten, oder kochen zu lassen, mussten wir die LeiChtigkeit bewundern, womit unsere Indianer die Spuren der Schildkröten und ihrer tief im Sande vergrabenen Eier auflanden. In diesen Gegenden brachten sie uns häufiger die Eier der Tracaxa (Emys Dumeriliana, Schweig., E. Tracaxa Spix , T est. #5. Js: als der gros- sen Schildkröte (E. expansa, Schweig., E. amazonica , Sp.). Die er- steren, von elliptischer Gestalt und eines Zolles Länge, enthalten eine keumelige Dotter, welche besonders im Cafle, wo sie uns: die Stelle der Milch ersetzen musste, oder in Fett ocheigein. sehr wohlschmeckend ist. Aus diesem Grunde werden sie von den Ansiedlern zu diesem und ähnlichem Gebrauche den Eiern der sogenannten grossen Schildkröte vorgezogen, deren Fett besonders für die Bereitung der Butter aus Schildkröteneiern (/Mantega de Tartaruga) verwendet wird. Von der Villa nova aus war uns ein, seit längerer Zeit daselbst angesiedelter Indianer vom Stamme der Mundrucus in der Absicht ge- folgt, seinen kleinen Kahn mit Eiern gefüllt zurückzuführen. Dieser stiess, den. Strand der Sandinseln durchstreifend, auf mehrere Familien Maras-Indianer, und lud uns ein, sie in ihren wandernden Hütten zu besuchen. Vielleicht geschah es in der eitlen Absicht, sich uns jenen herumsähweifenden Wilden gegenüber als gefürchteter Besieger zu zei- gen. Die kriegerische Nation der Mundrucus nämlich, welche 1770 wnd in den darauffolgenden Jahren mehrere verheerende Anfälle gegen die Pen Niederlassungen am Tapajöz gemacht hatte, ist seit Il. Theil,. 13 1070 zwanzig Jahren durch Geschenke und wohlwollendes Betragen den por- tugiesischen Ansiedlern befreundet worden, und hat sich, wenigstens theilweise,. durch ein Friedensbündniss so enge angeschlossen, dass man ihre Waffenstärke gegen die Muras richten konnte, die in einzelnen Trupps einherziehend, als Räuber und Wegelagerer die Fahrt auf den Strömen und die Niederlassungen an denselben gefährlich machten. Die- ser kleine Krieg war von den Mundrucüs unter Beihülfe portugiesischer Waffen Jahre lang mit beispielloser Grausamkeit fortgesetzt worden, und hatte die Folge, dass die Macht der Muras gebrochen und ein Theil derselben veranlasst wurde, sich nach Süden gegen die Hatarak- ten des Madeiraflusses zu wenden; ein anderer aber in kleineren Hau- ten an dem Hauptstrome zurückblieb, wo er sich nur in kleinen Räu- bereien eher lästig, als gefährlich zeigt. Das Uebergewicht, welches sich die Mundrucus hiedurch erwarben, ist so gross, dass die Muras ihren Todtfeinden überall aus dem Wege gehen, ja es nicht einmal wa- gen sollen, sich gegen sie zur Wehre zu setzen, wenn sie einzeln zu ihren Hütten kämen, und ihnen sogar ihre Weiber wegzuführen ver- suchten, Die Hoflnung einer reichen Beute hatte gegenwärtig mehrere Familien der Muras auf die Inseln und Stromufer herbeigelockt, an welchen wir vorüberfuhren. In einer kleinen Bucht sahen wir eine Horde von etwa dreissig Personen gelagert. Männer, W eiber und Rinder standen nackt um ein grosses Feuer, worauf sie einige Schildkröten brateten. Auf Sr. Zany’s Zuruf in ihrer Sprache „Gamara! abutia hey! Göbe schurery: dohe pae-tisse“* (Kamerad, komm schnell! Bring Schild- 2 kröten! Hier ist Branntwein) warfen sich Mehrere derselben in ihre Rähne, um uns zu folgen. Jedoch, entweder weil wir zu kräfig ru- derten, um bald erreicht zu werden, oder ‘vielleicht, weil sie des be- gleitenden Mundrucü ansichtig geworden waren ,— sie kehrten nach eini- ger ‚Zeit wieder um, ohne uns besucht zu haben. Am folgenden Tage erblickten wir eine andere Horde, die sich auf einem waldigen Vor- sprunge des Ufers Hütten erbaut hatte, Als sie vier Bewaflnete und einen gravitätischen, mit Bogen und Pfeil gerüsteten, Mundrucuü in einer Montaria auf sich zukommen sahen, wollte die Mehrzahl die Flucht ergreifen. Doch s = 1071 gelang es unserem Zurufe, sie festzuhalten. Am Lande angekommen, liessen wir den Mundrucüu seine Waffen im Kahne niederlegen, und wir selbst suchten sie durch einige Geschenke von Glasperlen und An- geleisen zutraulich zu machen, was jedoch wenig gelang. Man deute- te auf eine entfernter im Walde stehende Hütte, als dem Wohnorte des Anführers, welcher eben dort sey. Als wir in die Hütte traten, und der Mundrucu uns folgte, mahlte sich Zorn, Verwirrung und Furcht . in den Zügen des Tuxaua (Anführers), und er schien froh, dass wir uns bald aus der niedrigen, rauchigen Hütte ins Freie zurückzogen, Auch reichten wenige Minuten hin, um den ärmlichen und unreinlichen Hausrath zu überschauen. Noch nirgends war uns das rohe Elend des americanischen Wilden so unheimlich und traurig erschienen. Alles deutete daraut hin, dass selbst die einfachsten Bedürfnisse auf eine fast thierische Weise befriedigt würden. Die aus kurzen Baumstämmen er- richtete, mit Reissig und Palmblättern gedeckte Hütte, deren niedrige Thüre auch als Fenster und Rauchfang dienet, war kaum länger, als eine Hangmatte, zu der hier kein künstliches Flechtwerk, sondern nur eine kahnförmig abgezogene Baumrinde benützt war.. Ausser einigen Waffen fehlte jeglicher Hausrath.,. Das Weib, welches bei unserem Eintritte erschrocken aus der Liegerstatt aufluhr, war eben so wenig bekleidet, als der Mann, und die der Horde zugehörigen Kinder. Der Ausdruck der Physiognomien war wild, unstät und niedrig. Selbst das Freiheitsgefühl konnte die+*breiten, verwirrten, von lang herabhängen- den Haupthaaren verdüsterten Züge nicht erheitern, und die Weiber trugen insgesämmt im Antlitze und am übrigen Körper Spufen erlittener Gewaltihat, was mit dem verworfenen, sclayischen Verhältnisse überein- zustimmen schien, das sie zu den Männern hatten. Ihre Körper waren breit, sehr eischig und unter mittlerer Grösse; die Hautfarbe war we- gen fortwährender Nacktheit ein um so dunkleres RKupferbraun , die Be- haarung fast nur am Kopfe, und bei einem Manne auf der Oberlippe bemerkbar, welcher seine finstere Gesichtsbildung durch drei grosse Schweinszähne in der Ober- und Unterlippe noch furchtbarer gestaltet hatte. ($. die Abbildung desselben und „‚den Besuch beim Mura“ im 136 * 1072 Atlas). Andere Männer trugen ein zolldickes Stück Holz in der Unter- lippe; und ein Weib hatte in dem .durchbohrten Nasenknorpel einen dünnen Cylinder von Bambusrohr, den sie bei unserer Annäherung selbst- gefällig mit einem Stücke gelben Harzes vertauschen wollte. Um den Halstrugen die Meisten eine Schnur dichtgereihter Affen - und Coatizähne, oder zwei halbmondförmig vereinigte Rlauen eines grossen Ameisenfres- sers, mittelst eines Baumwollenfadens befestigt, und am ganzen Körper waren sie mit rother und schwarzer Farbe bemalt. Einige Männer mit grossen, unregelmässigen schwarzen Flecken auf Brust und Unterleib, hat- ten davon ein eckelhaftes Aussehen, das durch Schmutz und Unreinlichkeit vermehrt wurde. Zwei jünge Weiber hatten sich am ganzen Körper mit Flusschlamm überstrichen, um die Plage der Mosquiten weniger zu empfinden. Die Horde hatte sich seit mehreren Wochen hier nieder- gelassen, und war von einer ambulanten Wache verfolgt worden, wel- che auf Befehl des Gouvernements die von Schildkröten besuchten Prayas begeht, um Unfug durch zu frühes Ausgraben der Eier und Verscheu- chung der Thiere zu verhindern... Um diese zu täuschen, halten sie ihre kleinen Kähne, an Lianen festgebunden, in den Strom ‚versenkt, und sich auf einen Tag lang in die benachbarten Wälder vertieft. Diese Nachrichten erzählten sie mit grinsendem Lachen dem Cap. Zanv, der die Murasprache gelernt hat, weil seit mehreren Jahren eine Nieder- lassung des Stammes nächst seiner Fazenda besteht, die er daselbst duldet, und, wenn ihre launenhafte Trägheitveinwilligt, zum Fischfang benützt. | rn Die Mur 5 sind einer der zahlreichsten Stämme, und um so wei ter verbreitet, als sie keine festen Wohnsitze haben, sondern nach Laune und Bedürfniss an den grösseren Strömen umherwandern. Man nimmt an, dass die Gesammtzahl aller einzelnen Horden sich auf sechs bis sie- bentausend Bögen, d. h. bewaffnete Männer, belaufe, und demgemäss dürfte die ganze Nation aus dreissig bis 'vierziglausend Individuen beste- hen. Sie scheinen ursprünglich an dem unteren Madeira gewohnt zu haben, von wo aus sie sich zum Theile vielleicht wegen der Verfolgung 1073 der Mundrueus, in kleinere Horden zerstreut und an den Solimo6s, Rio Ne- gro und den Amazonas gezogen haben. $o wie die Payagoäs die Geissel des Paraguaystromes sind, haben die /Muras, seit man sie kennt, entweder allein, oder mit den befreundeten Toras (Turazes), die nördlichen Strö- me unsicher gemacht. Diese beiden Stämme wurden desshalb von den europäischen Ansiedlern als freie Wegelagerer (Indios de Corso) rück- sichtsloser, denn alle übrigen, verfolgt. Sie pflegten an Stellen der Flüsse, welche durch stärkere Strömung die aufwärts Schiffenden be- schäftigen, Ueberfälle zu wagen, zu welchem Ende sie Wachtposten auf hohen Bäumen ausstellen. Der nahende Feind wird durch das Ture, ein schnarrendes, zinkenartiges Instrument signalisirt, das sie aus einem dicken Bambusrohre bereiten, in dessen durchbohrte Knotenwand ein dünneres, der Länge nach in eine Zunge eröffnetes Rohrstückchen be- festigt wird, so dass das Ganze die einfachste Nachahmung einer Dros- sel darstellt. Unter der Begleitung dieses Instrumentes führen sie auch ihre wilden Tänze auf$ welche wir später in der Fazenda des Senhor Zany zu sehen Gelegenheit hatten. Obgleich gegenwärtig, wenigstens theilweise, schon aus dem feindseligen Verhältnisse getreten, verachteten sie dennoch den Dienst des Weissen, mehr als irgend ein anderer Stamm, und nur ihre Neigung zum Branntweine macht sie bisweilen auf kurze Zeit dienstbar. Ohne diesen «Talisman würde die Erscheinung eines Mara unter den Weissen die grösste Seltenheit seyn. Alle übrigen Lockungen bleiben ohne Kraft bei Menschen, deren niedrige Cultur selbst die einfachsten Bedürfnisse verschmäht. Als geschickte Fischer und Jä- ger, und nur mit der Gegenwart beschäftigt, haben sie gewöhnlich hinreichende Mittel zur Subsistenz, und sie prassen im Genusse des Ueberflusses, während sie in Tagen des Mangels mit Resignation Hun- ger leiden. Man behauptet, dass dieser Stamm mit mehr Lebhaftigkeit, als andere, dem schönen Geschlechte huldige, dasselbe mit sichtlicher Bifersucht bewache. und von Untreue oder Misstrauen nicht selten zum, Meuchelmorde und Kriege zwischen einzelnen Horden Veranlassung nehme. Gewöhnlich hat jeder Mann zwei oder drei Weiber, von denen die schönste oder jüngste am meisten gilt, während die übrigen als 1074 Dienerinen der Familie zurücktreten. Diese Weiber sind meistens das Erwerbniss eines Faustgefechtes, zu welchem sich alle Liebhaber des mannbar gewordenen Mädchens unter der Voraussetzung stellen, dass- dieses dem Sieger zu Theil werde. Ihre ungebändigte VWVildheit äussert sich auch in ihrem Jähzorne und in einer Raufsucht, welche durch den Genuss des Branntweins oft zum Nachtheile der Ansiedler ausschlägt. So sehr sie übrigens die Dienstbarkeit der Weissen scheuen, und so hartnäckig sie sich bisher von jeder Art von Frohne im Dienste der Regierung frei gehalten haben, hat man dennoch Beispiele, dass Weisse sich bei kluger Aufführung lange Zeit unangetastet unter ihnen erhalten konnten. Ihre Sprache, ganz guttural, und stets mit Gesticulation der Hände und mit lebhaftem Mienenspiele hervorgestossen , lautet höchst un- angenehm, und ist schwer nachzusprechen. In gleichem Verhältnisse ist auch die Lingua geral nur wenigen Muras bekannt. Die wilde und unstäte Gemüthsart dieses Stammes hat ihn den meisten Nachbarn be- feindet, und der Krieg mit den /Mundrucus, Gatauixis und Mauhes, als erklärten Feinden, wird ohne Unterlass, mit andern Stämmen aber nach vorhergängiger Kriegserklärung geführt, die darin besteht, einige mit der Spitze nach oben gerichtete Pfeile auf feindlichen Grund und Boden zu stecken. Eine höchst seltsame Sitte, welche unter die Ei- genthümlichkeiten des Stammes gehört, ist der Gebrauch eines Schnupf- Tabackes (Parica).. Das Pulver wird aus den gedörrten Saamen der Parica-üva, einer Art Inga, bereitet, und wirkt zuerst erregend, dann narkotisch, Jährlich einmal gebraucht jede Horde das Parica acht Tage lang unter anhaltendem Trinken berauschender Getränke, Tanzen und Singen. Das Fest soll (nach Ribeiro (. 58.) den Eintritt der Jünglinge ‚in die Mannbarkeit feiern; wir hörten jedoch, dass es ohne Beziehung hierauf nach der Reife der Samen gehalten würde. In einem geräumi- gen oflenen Hause versammelt sich die ganze Horde, und wird von den Weibern mit reichlich gespendelen Cujas des Cajıri und anderen veg® tabilischen Getränken erhitzt. Die Männer reihen sich sodann nach ge Wahl paarweise zusammen, und peitschen sich mit langen Riemen vom Leder des Tapirs oder Lamantins bis auf das Blut. - Diese 1075 seltsame Geisselung wird von ihnen nicht als ein feindseliger, sondern viel- mehr als ein Act der Liebe angesehen, und nach allen uns gewordenen ‘Nachrichten dürfte der ganze Excess als Ausdruck eines irregeleiteten Geschlechtsverhältnisses betrachtet werden. Nachdem die blutige Ope- ration mehrere Tage lang fortgesetzt worden, blasen sich die paarweise verbundenen Gefährten das Pariea mittelst einer fusslangen Röhre , — ge- wöhnlich ist es der ausgehöhlte Schenkelknochen des Tapirs, — in die Nasenlöcher; und diess geschieht mit solcher Gewalt, und so unausge- setzt, dass bisweilen Einzelne, entweder erstickt von dem feinen, bis in die Stirnhöhlen hinaufgetriebenen Staube, oder überreizt von sziner narkotischen Wirkung todt auf dem Platze bleiben. Nichts soll der Wuth gleichen, womit die Paare das Paricd aus den grossen Bambus- Röhren (Tabocas), worin es aufbewahrt wird, vermittelst eines hohlen Krokodilzahnes, der das Maass einer jedesmaligen Einblasung enthält, “ in den dazu bestimmten hohlen Rinochen füllen, und es sich, auf den Knieen genähert, einblasen und einstopfen. Eine plötzliche Exaltation, unsinni- ges Reden, Schreien, Singen, wildes Springen und Tanzen ist die Folge der Operation, nach der sie, zugleich von Getränken und jeder Art von Ausschweifungen betäubt, in eine viehische Trunkenheit verfallen. Ein anderer Gebrauch des Parica ist, einen Absud davon sich selbst als ‚Rlystier zu geben, dessen Wirkung ähnlich, jedoch schwächer seyn sol. Man kann nicht umhin, durch diese viehische Lustbarkeit an die eckelhafte Sitte der Ostiaken und Kamtschadalen erinnert zu werden, welche sich bekanntlich durch den Genuss des Fliegenschwammes und des Urins Derjenigen, die den giftigen Absud getrunken, zu einer ähn- lichen Wuth erhitzen. Für den Ethnographen America's bleibt es räth- selhaft, wie feindlich gesinnte Völker sich gerade in solchen excentri- schen Gewohnheiten gleichen können. $o ist der Gebrauch des Paricd auch den Mauhes eigen und dort von uns selbst beobachtet worden, wo er jedoch, bei höherer Bildung des ganzen Stammes, ebenfalls unter einer feineren Form erscheinet. Eine ganz ähnliche Verirrung ist endlich der Gebrauch des Fpadupulvers von den Blättern des Erythroxylon Coca, L., den wir bei den Miranhas, und andere Reisende bei pe- 1076 ® ruvianischen Völkerschaften getroffen haben. — Nachdem wir uns un- ter den Muras und in ihren Hütten umgesehen hatten, wendeten wir uns an die Untersuchung ihrer Fahrzeuge. Nur ein einziges war von leichtem Holze gezimmert, und hatte eine Länge von zwanzig Fuss; die übrigen bestanden blos aus einigen Lagen von Baumrinde, die durch Sipö verbunden, und an beiden Enden in die Höhe gebunden, einen halbeylindrischen Schlauch von zwölf bis fünfzehn Fuss Länge bildeten. ‚In. solch elendem Fahrzeuge setzen sich drei oder vier Mouras dem ‘grössten der Ströme aus, und wenn es zufällig umschlägt, oder sich all- mälig mit Wasser anfüllt, so schwimmen sie so lange neben demselben her, bis es wieder ausgeschöpft und in Stand gerichtet ist, die Mamn- ‚schaft einzunehmen. Bei unserer Abreise von den Muras liessen wir ihnen einige Flaschen Branntwein zurück, deren sie sich mit wahrer Leidenschaft bemächtigten, indem sie sie mit verschränkten Armen an sich drückten. Wie es schien, berathschlagten sie lange, auf welche Art ihre Dankbarkeit zu beweisen sey; und als wir bereits vom Lande gestossen hatten, brachten sie eine grosse Schildkröte als Gegenge- schenk nach. Da Am Mittag des zweiten Tages nach unserer Abreise von Topinam- barana erschienen die hohen röthlichen Lettenwände von Cararau-agü (grosser Geier) am nördlichen Ufer des Stromes. Wir setzten zu denselben in der. Montaria über, eine, wegen der heftigen Strö- ‚mung im Hauptcanale, gefahrvolle ‚Unternehmung, die uns übrigehs nicht einmal eine neue Anschauung verschaffte, indem das nördli- che Ufer, von einem dichten, unwirthlichen Walde bedeckt, durch nichts von der allgemeinen Physiognomie abweicht. Wir nahmen uns vor, von nun ar ähnliche Traversen zu vermeiden ‚ wie es die Schif- fenden überhaupt thun, um nicht unnöthig Zeit zu opfern. Auf dem - Rückwege zu der grossen Canoa begegneten uns zwei Kähne von Mu- ras, deren einen sie hoch auf mit abgebälgten und getrockneten Affen angefüllt hatten. Sie waren freundlich genug; uns mit grinsenden Gebärden einige Stücke des eckelhaften Haufens zum Geschenke anzu- en 1077 bieten. Seit einigen Wochen waren sie am nördlichen Ufer beschäf- tigt gewesen, diese Provisionen für ihre Horde zu machen. Die Thiere waren reinlich abgebälgt, ausgeweidet und auf einem Roste über dem Feuer (im Moquem) gedörrt worden. Ich erinnere mich nicht, einen unan- genehmeren Anblick, als den dieser Masse menschenähnlicher Leichen ge- habt zu haben, auf der die Augen der Jäger mit camibalischer Freude ruh- ten. Als wir uns eben entfernen wollten, ruderte ein alter /Mura, der einen gewaltigen Schweinszahn in der Unterlippe stecken hatte, zutrau- lich neben uns, und zog aus dem Rahne ein sorgfältig zusammengewi- ckeltes Pisangblalt hervor. WVie erstaunten wir, als sich nach dessen Entfaltung einige Dutzend -Penes von Affen, besonders vom sogenannten Prego (Cebus macrocephalus), zeigten, die uns der Alte mit Schmun- zeln als ein bewährtes Fiebermittel anbot. Die Meinung, dass. dieser Theil der Affen eine ‚Herzensstärkung und Panace gegen allerlei Krank- | heiten sey, fanden wir fast überall unter den Indianern, und venn uns die erlegten Thiere brachten, war derselbe oft bereits al: Eigen- thum des Jägers abgeschnitten. ii Wir brachten auf der Reise von Topinambarana bis zu der Yilla de Serpa sechs volle Tage zu. indem wir uns zwischen den zahlreichen pP te) 3 ; Inseln, meistens auf der Nordseite des Stromes, hielten. Die Reise, we- gen Mangels an Wind blos auf das Ruder und die Zugseile angewie- sen, war langsam und im höchsten Grade beschwerlich.. Wo es die Niedrigkeit des Ufers erlaubte, ward das Fahrzeug von den vorgespann- ten Indianern gezogen; gewöhnlich aber waren die Ufer sechs bis zwölf Fuss hoch steil abgerissen und bis an den äussersten Rand so dicht be- wachsen, dass Niemand auf ihnen Fuss fassen konnte. Mächtige Bäu- me, von hier aus in den Strom gefallen, lagen nicht selten in unserem ° Wege, und mussten mit grosser Anstrengung und Zeitverlust umschiflt werden. - An andern Orten drohten sie den Einsturz, so dass wir mit verdoppelten Kräften an ihnen vorüber zu eilen trachten mussten. Wo. wir an’s Ufer steigen konnten,. war unser Spaziergang auf wenige ” Schritte landeinwärts beschränkt. Mit fusslangen Stacheln besetzte Pal- "UI. Theil. 137 1078 menstämme und ein dichtes Unterholz von Inga und anderen Hülsen: früchtern, von zahlreichen Schlingpflanzen durchzogen, bildeten eine - undurchdringliche Hecke, und überdiess war der Wald, den häufigen Spuren im Sande nach zu schliessen, von zahlreichen Onzen bevölkert, Zu diesen Unannehmlichkeiten gesellte sich eine furchtbare Hitze von » bis '% Uhr Nachmittags, wo wir einigemale in der Sonne 43,5° R. im Schatten 33,7° R. beobachteten. Diese hohe Temperatur war um so empfindlicher, als sie mit feuchten Nächten wechselte, während de- nen wir, um den Stichen unzähliger Schnacken zu entgehen, auf dem offenen Verdecke bleiben mussten. Zu den geflügelten Verfolgern ka- men, damit keine Stunde frei von ihnen sey, nun noch Schwärme kleiner Bohrkäfer (Bostrichus) am Morgen nach Sonnenaufgang, wenn sich die Carapanäs verloren hatten. Diese Thiere belästigten zwar nicht durch Stiche, flogen aber haufenweise in Augen, Mund und Nase, und liessen uns Alles für unsere Branntweinfässer fürchten, denen wir dess- halb einen schützenden Ueberzug von Theer geben mussten. Im Norden des Stromes liegt der grosse See von Silves (in der Lingua geral Sa- racd), durch sechs, fast parallel gen Süden herablaufende Canäle in den Hauptstrom mündend. An dem ersten von diesen, wohin wir zwi- schen zahlreichen Inseln gelangten, fanden wir eine indianische Familie, die sich einen kleinen Rancho aus Blättern erbaut hatte. Drei Weiber waren damit beschäftigt, ihre Röcke und kurzen Camisole, welche kaum die Brust zu bedecken pflegen, schwarz zu färben. Sie bedienten sich dazu eines sehr feinen, schwarzen, eisenhaltigen Morastes, der nicht selten in den Buchten des Stromes vorkommt, und der Früchte von Ilex Macueu, Aubl, Diese Früchte, von der Grösse einer Rosskasta- nie, scheinen eine bedeutende Menge von Gerbestoff und Gallussäure zu enthalten, denn sobald sie mit Wasser fein gerieben unter den Mo- vast gemengt werden, ergiebt sich eine dauerhafte Tinte. Die gewönn- lichste. Weise, diesen chemischen Process auszuführen, ist folgende. Die zu färbenden Stoffe werden einige Tage lang mit Morast bedeckt, s0- dann mit Wasser ausgespült, und auf einige Zeit in einen Kübel ge worien, worin das Pulver der Macucufrucht mit Wasser angerührt ist: 1079 oder umgekehrt, man beizt die Zeuge mit dem Wasser, worin die Frucht zerrieben worden, und bringt sie darauf mit dem Letten in Be- rührung. Gelingt die Färbung das erstemal nicht vollständig, so wird sie wiederholt. Die Indianerinen schätzen auf‘solche Weise gefärhte grobe Baumwollenzeuge höher, als die ungefärbten, vielleicht auch, weil sie weniger des Waschens bedürfen. Der schwarze, knappe An- zug lässt recht gut, da er zu der dunklen Haut- und Haarfarbe besser passt, als die feinen und weiten weissen Hemde, worin der Hauptputz .der Negerinen und anderer farbigen Leute in den südlichen Provinzen besteht, *) Auf einer Insel zwischen der zweiten und dritten Mündung des Saraca stiegen wir am ıı1. October an’s Land, um eine Fazenda zu besuchen, deren Eigner das Lob hatte, Meister in der Zubereitung des Tabackes zu seyn. Diese und die benachbarten Inseln, so wie die Ge- gend um Silves,; sollen den besten Taback im ganzen Estado hervorbrin- gen. Ohne Zweifel hängt die Güte des Productes mehr von dem gün- stigen Rlima, als von Sorgfalt in Anbau und Zubereitung her. Der Tabacksaame wird in lockerem, schattenreichem Erdreiche ausgesäet; die aufgehenden Pflänzchen werden entweder versetzt, oder durch Aus- jäten gelichtet, und wachsen nun in wenigen Monaten zu Mannshöhe auf. Die Blätter werden gebrochen, abgeschwelkt, in Cylinder von drei bis sechs Fuss Länge und einen Zoll Dicke zusammengedreht, und dar- auf mit einem zollbreiten Bande vom Baste des Castanheiro (Bertholle- tia excelsa, Humb.) stark pressend umwickelt. Nach einigen Tagen nimmt man das erste Band hinweg, zieht ein anderes noch strenger herum, und fährt damit fort, bis der Taback zu einer fast gleicharti- gen wohlriechenden Masse zusammengeschnürt ist. Man umwickelt end- *) Es ist-diess nicht die einzige schwarze Farbe, welche diese Indianer zu bereiten verste- hen. Eine andere wird aus dem in Wasser eingeweichten Rraute der Eelipta ereeta, L. und anderer Korbblüthenpflanzen,, eine dritte aus den Früchten der Genipa americana, L. gemacht.; Blau färben sie mit den Beeren eines Cissus, roth mit Brasilienholz und Uruceü (Rocou, Orlean) gelb mit den Blättern mehrerer Ananas. — Achnlicdı der hier beschriebenen Art zu färben, ist die nit dem Letten Rovo in Chile, welchem Jie dortigen Indianer die Abkochung der Blätter von Coriaria myrtifolia , Iı., oder der Wurzel von Gunnera scabra, R. P. zusetzen. ’ 438° - 1080 lich diese Würste mit der zähen Rinde junger Marantastengel, welche viel Aehnlichkeit mit dem ostindischen Rotang (Stuhlrohr) zeigen. Die- ser Taback erhält sich so versendet Jahre lang mit trefflichem Geruche. Er ward bisher vorzugsweise in die Schnupftabacksfabriken von Portu- gal geschickt. Die Einwohner des Estado pflegen auch ihre Cigarren daraus, mittelst dünner Papierstreifen, zu ‚bereiten. Am ı2. Mitternachts kamen wir bei der Yilla de Serpa an, die auf einer der grösseren In- seln zwischen dem Amazonas und den Bifurcationen des Sees von Sa- racd liegt. Der eisenschüssige , rothbraune Sandstein, welcher sich hier mit Lagern eines gelben Thones etwa auf fünfundzwanzig Fuss, eine in diesem Stromgebiete schon beträchtliche Höhe, erhebt, gab Ver- anlassung zu dem Namen Ita coatiara, d. i. gemalter Stein, welchen die Gegend in der Lingua geral führt. Wir fanden einen elenden, an Menschen und Industrie gleich armen Ort von etwa einigen und zwan- zig Hütten. Alles zeigte hier den grössten Verfall an, eine Bemerkung, welche dadurch mehr Bedeutung erhält, dass Serpa einer der ältesten Orte der ganzen Provinz am Rio Negro ist *), und sogar zur Zeit unserer - Anwesenheit noch Municipalort für den westlich gelegenen Lugar da Fortaleza da Barra do Rio Negro war, der noch keine eigene Mu- *) Nach Monteiro ($. er die ersten Bewohner dieser Villa an dem Flusse Mataura, einem Confluenten des Madeira, angesiedelt, und von den Stämmen Ururiz und Apacazxiz, Wir hörten übrigens noch die Aroaquis, Irijus und Tiaris nennen, welche beiden letztern von ‘ dem Rio Purü hierher versetzt worden waren. Die Aroaquis, eine sehr zahlreiche Nation, durch lang herabhängende durchbohrte Ohrlappen ausgezeichnet, und desshalb von den Portu- giesen Orelhudos genannt, waren früherhin weit verbreitet zwischen den Flüssen Nhamunda und Negro. An dem letzteren ist ein Theil derselben aldeirt worden, und in der Vermischung mit den Uebrigen untergegangen. Die Mission da Conceigäo, welche die Mercenarios mit ihnen errichtet hatten, ist nach Ermordung des Missionärs ohne Spur verschwunden. (Mönteiro $- 74) Die wenigen noch rohen Aroaquis, welche mir zu Gesichte kamen, hatten sich in der Barra do Rio Negro eingefunden , um Wachs und Federn zu vertauschen. Ribeiro ($. 9.) nennt, als in'Serpa angesiedelt , noch folgende, während der fünf Jahrzehnte, seit er schrieb, wahrschein- lich fast ausgestorbene Horden: Sara, Bare, Anicore, Aponarid, Urupd, Jüma, Jugui, Cu- ruazia ii Paraqguis. Die Letzten, anfänglich am Yatuma ansässig, schildert er als schöne: Leute, mit dem nationalen Abzeichen einer drei Finger breiten Ligutar an den Füssen, wodurch sie z Farbe ihrer Haut in eine hellere umzuwandeln versuchten. Wir sahen keine Spur mehr von ihnen, 1081 nicipalität (Senado da Camara) besass. Die wenigen hier wohnenden Indianer hatten alle Spuren ihrer verschiedenartigen Abkunft: verloren, und sprachen die allgemeine Sprache. Sie schienen ein träges, unem- pfindliches Völkchen. Um so mehr musste uns eine junge Indianerin vom Stamme der Passe interessiren, welche vom Yupura, wie es schien, als Selavin, hierher ‘gebracht worden war. Sie war das vollkommenste Schwarzgesicht, welches wir bis jetzt gesehen hatten. Die Tatowirung bildete eine halbe Ellipse, welche unter den Augen mit einem seichten Bogen anfıng, und sich, den grössten Theil der Wangen einnehmend, bis in die Kinngrube verschmälerte, Die Nase war nicht tatowirt, die langen, pechschwarzen Haare waren über die Stirne abgestutzt, und auf dem Hinterkopfe mit einem breiten Bastbande zusammengezogen und mit einem portugiesischen Kamme geziert (S. im Atlas die Figur „‚Passe‘“). Die gutmüthige Naivität verlieh dem seltsam verunstalteten Gesichte ei- nen Ausdruck, der neben den hässlichen Zügen eines jungen, ebenfalls gefangenen Miranha mit durchbohrten Nasenflügeln, doppelt interessant erschien. Es lag etwas unendlich Rührendes in dem stummen Gebähr- denspiele des so gänzlich verwaisten Naturmädchens. Auf der westli- chen Seite von Serpa erschienen die Ufer des Stromes meistentheils in einer Höhe von zwölf Fuss, und die mächtige Wasserfluth des Jahr- ganges hatte grosse Strecken verwüstet und frisch abgerissen. In einer Mächtigkeit von sechs bis acht Fuss bestehen sie aus Sand, mit etwas Dammerde und Schlamm gemengt, darüber aus Thon von grauer, gelb- licher oder grünlicher Farbe. Unsere Indianer liessen sich den letzte- ren zu der Mandiocca und dem Pirarucufisch schmecken, und wir hat-- ten von nun an oft die Gelegenheit, uns zu überzeugen, dass der selt- same Gebrauch des Erdeessens allen indianischen Anwohnern bekannt, wenn schon nicht von allen geübt sey. Ich zweifle nicht, dass das Erdeessen aus einer dem Hunger zwar verwandten, jedoch nicht mit ihm identischen Sensation hervorgehe, Unsere Indianer konnten uns auf die Frage, warum sie ohne Mangel zweckmässiger und beliebter Speise diesen feinen Thon gleichsam als Zuspeise verzehrten, keine andere Antwort geben, als dass ein unbestimmtes Wohlbehagen erfolge, wenn 1082 sie sich den Magen mit einer mehrere Unzen schweren Portion beladen hätten. Die Gefrässigkeit dieser Völker, und vor allem der Mangel ei- nes sorgfältigen Maasses der Nahrung, welche unentwickelten Kindern zugetheilt wird, dürfte eine Erweiterung. und Erschlaffung des Magens zur Folge haben, wodurch die Sensation eines unbefriedigten Hungers geweckt wird. Andererseits aber ist es mir wahrscheinlich, dass das heisse Rlıma und der dadurch veranlasste stärkere Andrang des Blutes in die peripherischen Gebilde ein Gefühl von Leerheit (/nanitas) her- vorbringen könne, welches abzuwenden der Naturmensch bewusstlos nach solchen unverdaulichen Speisen greift. Eine dritte Ursache liegt vielleicht auch in der bei Jen Indianern so häufigen Erzeugung von Würmern (Lumbrici), denen die Reisenden auf dem Amazonas, wahr- scheinlich wegen des unreinlichen Trinkwassers, in einem furehtbaren Grade ausgesetzt sind. Uebrigens fehlt es nicht an Beispielen von ähn- lichen unnatürlichen Appetiten auch unter uns; und lange Weile, oder grillenhafte Neigung, es Andern gleichzuthun, mag auch dazu beige- tragen haben, das Lettenfressen am Amazonas eben so häufig zu ma- chen, als Hr. v. HumsoLor es am Orenoco beobachtet hat. Am ı/4. October kamen wir, von einem schwachen Ostwinde be günsliget, an dem Furo de Arauato ‚ der westlichsten oder sechsten Mündung des Lago de Saracd, vorüber. Die durch diese Abflüsse ge- bildeten Inseln sind von ebener Oberfläche, erschienen aber, da der Strom seit acht Tagen wenigstens um zehn Fuss gefallen war, mit höheren Thonufern,, als unser, an niedrige Flächen gewöhntes, Auge | bisher gesehen hatte. In ihrer dichten Waldung erlegten wir einige jener grossen und schönen Hühnerarten, welche bei uns Hocco, in der Lingua geral Mutum (Mautüi) genannt werden. Die Anwohner des Amazonas hegen diese Vögel, welche für America die Stelle unseres Haushuhns zu vertreten scheinen, in ihren Höfen; aber es gelingt nur selten, sie. daselbst zur Paarung zu bringen. Die von uns nach Europa gebrachten, Exemplare leben zum Theil noch, und es ist zu erwarten, dass die Hoccos bei sorgfältiger Behandlung eben so einheimisch ge 1083 macht werden, als diess mit unserem übrigen zahmen Geflügel der Fall ist.“) Auch die Agamis (Psophia erepitans, L. und Ps. leucoptera Sp.), die wir heerdenweise in dem Hühnerhofe der Indianer zu Topinambarana gesehen hatten, erschienen bisweilen auf dem Gebüsche des Ufers, kamen uns aber nur selten zu Schusse, indem sie, aufgeschreckt, sich nicht ihrem schweren Fluge überliessen, sondern in das Dickicht ‚herabflatter- ”) Die Notizen meines Tagebuches über die Hoccos weichen zum Theil von dem ab, was ich darüber in den ornithologischen Schriften finde, und mögen daher hier eine Stelle -haben. Ausser dem Mutu- poranga (schönem Mutum) des Pıso (Crax rubrirostris, Spix Av, ILt. 67.), und wahrscheinlich auch Cr. Alector, Temm., soferne die Farbe des Schnabels zwischen Gelb und Safranfarbe varürt), den wir auch in den Urwäldern von Bahia erlegten, sind uns folgende Arten am Amazonas vorgekommen: ı) Mutum de Java (Cr. globulosa, Sp. t. 65. 6C.), 2) Mu- tum de vargem, (Cr. Pauxi, Tem. C, tuberosa, Sp. t. 67. A.), 5) Urumutum, (Cr. Urumutum, Sp. &. 62.) und 4) Crax tomentosa, Sp. t. 63.. Die Mutum de fava, d. i. M. mit der Bohne, und der Mutum de vargem, d. i. Ufer-Mutum, sind die häufigsten am Amazonas, In Maynas und den spanischen Gebieten östlich von den Andes heisst der erstere Piur!, aus welchem Worte. Peurö entstanden, was in der portugiesischen Sprache unsern sogenannten wälschen Hahn (Meleagris Gallopavo, L.) bezeichnet, der andere Pauschi (Pauxi). Alle Hoccos leben in kleinen Heerden, die, nach Weise vieler hühnerartigen , im: Vielweiberei lebenden Vögel, von einem einzigen Männchen angeführt werden. Sie bauen ihre flachen Nester aus Reissig in die Winkel der Aeste, nicht sehr hoch über dem Boden, und sind wenig scheu, so dass der Jäger oft ganz nahe kommen kann. Nach Tagesanbruch kommen sie in Banden aus dem In- nern der Wälder an die Jichteren Stromufer hervor, und besetzen , die Flügel ausbreitend, die höheren Bäume. Die Männchen kämpfen ie unsere Hähne mit einander; dieses streitbare Na- turell scheint allen polygamischen Vögeln eigen. Ihr Ruf: Ragua Ragua Ragua Raqua dringt weit durch den Forst. Das Weibchen lest, nach unserem eigenen Befunde und der Versiche- rung der Indianer, stets nur zwei weisse Eier, die grösser und stärker als unsere Hühnereier sind. Die zahmen Thiere, welche wir hie und da, und zwar selbst bei den rohen Indianern , z. B. am Yupurd, antrafen, waren meisiens aus den im Walde ausgenommenen, von Hühnern bebrüteten, Eiern erzogen; denn die Befruchtung in der Gefangenschaft soll nur unter .beson- ders günstigen Verhältnissen gelingen. Die gezähmten Thiere sind stiller, und lassen nur den sonderbaren murrenden Ton hören, welcher durch die eigenthümliche Organisation ihrer aus- serordentlich langen, in Windungen zur Lunge hinabsteigenden, Luftröhre mö lich wird. "Sie sind mit jeder Art von Futter zufrieden, fressen auch Insecten und Würmer, bisweilen Thon; und vertragen sich im Hühnerhofe mit dem übrigen Gefieder. Das Fleisch der Hoccos ist weiss, und kommt’ an Wohlgeschmack dem des wälschen Hahnes gleich. Die Indianer sammeln die Federn derselben, und bewahren sie in dem eylindrischen getrockneten Scheiden- Theile eines Assaipalmenblattes auf. Die kleineren Federn werden zu allerlei Federschmuck, die Schwung- und Schwanzfedern zu Fächern verwendet. 1084 ten, wo sie nur das Luchsauge eines Indianers aufzufinden vermöchte, Diese Vögel sollen sich in der Gefangenschaft fortpflanzen. Es scheint ein für die Ethnographie Brasiliens nicht ganz unwichtiges Factum zu seyn, dass die Ureinwohner mehrere Vogelarten gezähmt haben; denn diess setzt eine gewisse Stabilität der Wohnsitze und eine lange Frist voraus, während welcher die, hier ohne Sorgfalt domicilirten, Vögel ihre Sitte bis zur Gewöhnung an die Fortpflanzung in der Gefangenschaft aufgeben konnten. Papageien werden eben so. wenig, als Affen, in die- sem Zustande zur Paarung gebracht, aber mit Bestimmtheit versicher- ten uns Indianer, dass diess am leichtesten mit dem Agami, etwas schwie- riger mit den Hoccos, geschehe. Es sind also vorzugsweise die Bauch- redner unter den Vögeln, welche sich leicht domiciliren lassen. Uebri- gens ward uns dasselbe auch von dem rothen Ibis versichert; und al- lerdings fanden wir auf der Insel Marajö zwei zahme Individuen, wel- che wir auch nach München gebracht haben. Auch sah ich bei den Juris am oberen Yupurä einen ‚verwandten Vogel (vielleicht /bis mexi canus, Cuv.), der ebenfalls domicilirt seyn sollte, und den die Indianer wegen seiner Schönheit nicht vertauschen wollten. Woher die entfern- testen Stämme, z.B. am Rio Apapuriz und am AR. dos Enganos, zwei nördlichen Beiflüsse des Fupura, die zahlreiche Zucht unseres Huhnes er- halten haben, ist mir ein unerklärtes Räthsel. Im Haushalte der India- ner spielen die eben erwähnten Arten von Vögeln eine grosse Rolle; für ihre Zauberer und Aerzte sind besonders folgende von Wichtigkeit, über die ich hier noch Einiges beizubringen Gelegenheit nehme. Der Caracard, ein durch ganz Brasilien vorkommender Habicht (Polybo- rus vulgaris, Sp. Av. I. t. 1. &.), der ein klägliches Geschrei von sich giebt, wird von den Indianern als ein Unglücksvogel angesehen. Seine Begegnung soll Unglück andeuten und nach sich ziehen; und die Zau- berer (Pajes) geben vor, dass sie aus dem Rufe desselben vernehmen, wer von der Horde sterben werde. Seine Dreistigkeit, sich in ihrer Nähe niederzulassen, und gleichsam zuzusehen, was vorgehe, wird 50 gedeutet, als wenn er von dem. bösen Dämon (Jurupari) abgeschickt „> e zu belauschen. Andere glauben, dass er die Seelen der 1085 Abgeschiedenen gleichsam anderen Thieren einimpfe. *“) Nicht minder bedeutsam ist in den Augen der Indianer der Cäoa (Acauang, Oacäaoam, Astur cachinnans, Sp. Av. I. t.3. a.), ebenfalls ein kleiner Geier, des- sen Hauptnahrung Schlangen sind. Sie halten ihn für einen Beschützer gegen diese, behaupten, dass er seinen Namen rufe, um die Giftschlan- gen zu verscheuchen, und ahmen ihn nach, wenn sie durch Gegenden wandern, wo sie sich den Anfällen derselben ausgesetzt halten, in der Meinung, sie dadurch zu verscheuchen. Der Schnabel, und, wie An- dere wollen, alle Knochen, sollen, in Pulverform eingenommen, ein treffliches Gegengift gegen Schlangenbiss seyn. Diese antidotalen Eigen- schaften gelten übrigens in einem viel höheren Grade von dem Vogel Inhuma (Palamedea cornuta, L.), und vorzugsweise von dem Horne, welches er auf der Stirne trägt. Einige Scrupel des Pulvers, mit Wein oder Wasser eingenommen, sollen, selbst bei gänzlicher Bewusstlosig- keit des von einer Giftschlange Gebissenen, Genesung herbeigeführt haben. Die animalischen Mittel, denen man ähnliche, als die hier erwähnten, Wirkungen zuschreiben darf, erscheinen dem americanischen Wilden in demselben Verhältnisse wichtig, als sie gegenwärtig in Europa ver- nachlässiget werden. Gebranntes Horn, in welchem Ammonium entwi- ckelt worden, dienet ihm, und, wie versichert wird, nicht selten mit *) Der letztere Glaube rührt vielleicht von der häufig zu machenden Bemerkung her, dass der Caracard grössere Säugthiere verfolge, was er thut, um sich die ‚ in diesen nistenden, In- sectenlarven zu verschaffen. Einige Verse in der Lingua geral, auch überdiess als Probe indiani- scher Poesie merkwürdig, sprechen von dem (kleineren) Caracara-i (Polyborus Chimango, Vieill.?) ün folgender Weise: : Scha manı rama£ curi ‚ Wenn ich einst gestorben, Scha manı rama& curi Wenn ich einst gestorben, Tejerru iaschi6 Wolle du nicht weinen; Se momböre cad puterpi, Wirf du mich in den Wald; 4ique Caracara-i Da ist ja Caracara-i, Aiqu& Tatu memböca Da ist ja das Armadill, Serapirö aramıı curi. Der wird mich beweinen. Se jutüma aramü curi. Das wirdmich begraben.) t) Es ist bekannt, dass die Armadille (Tatü) die Gräber besuchen, und die Leichen verzehren. Die Guayeurüs am Paraguay haben die seltsame Sage, dass sie, nachdem bereits die übri- gen Völker der Erde vorhanden gewesen, durch den Caracarä geschaffen worden seyen. Dieser Befiederte Schöpfer habe ihnen Waffen gegeben, und ihnen gesagt, dass sie damit anderen Na- tionen den Kri machen, und Gefangene abnehmen könnten. Uebrigens verehren ihn diese Wilden nicht, und tödten ihn so gut als jeden andern Vogel. (Historia dos Indios Cavallei- 708, im Patriota, 1814. IV. S. 26.) II. Theil 138 1086 grossem Erfolge, ebenso, wie uns, das Eau de Luce, oder der Salmiac- geist. ‘So werden an der Rüste bisweilen die hörnenen Spitzen, wo- mit der Schwanz der Rochen bewaflnet ist, als Gegengift gegen die Wunden dieses Fisches oder der Giftschlangen angewendet. Aus dem Geweihe der Rehe bereitet der Indianer ein anderes Mittel für den letz- teren Gebrauch, indem er Stücke desselben auf Kohlen röstet- und mit dem Moschus beträufelt, welchen die Raimans unten am Halse in zwei drüsigen Säcken absondern. Das Pulver davon wird eingenommen und der ganze Knochen auf die Wunde gebunden, aus der er das Gift aussau- gen soll. Dieser letztere Stoff von einem höchst durchdringenden Mo- schusgeruche soll, in die Ohren gebracht, bei Taubheit von ausseror- dentlicher Wirksamkeit seyn. *) Wir hatten den Furo von Arauato passirt, der von der ersten Mündung des Saraca zwölf Legoas entfernt ist, als uns ein furcht- bares, aus 5. vom Madeira herziehendes, Donnerwetter überfiel. Es dauerte zwei Stunden lang, und wir mussten uns glücklich schätzen, an dem hohen Ufer einer Insel Schutz gefunden zu haben. Solche Gewitter sınd hier besonders in der Regenzeit häufig; wahrscheinlich steht ihr Aus- bruch in Verbindung mit der anhaltenden Bewegung der Luft ‚oberhalb *) Von dem Gebrauche der Rlapperschlange in der Syphilis habe ich oben (II. 5. 558.) g®- sprochen, Aehnlich werden auch mehrere Arten von Eidechsen, vor denen die Indianer übrigens eine abergläubische Furcht hegen, gegen diese Krankheit, die Gelbsucht und Hautausschläge ange-_ wendet. Sie kochen das ganze Thier und trinken die Brühe, oder sieäschern es ein, und nehmen das Pulver ein. Um die Reihe dieser animalischen Heilmittel, deren sich der Urbewohner America’s be- dienet, zu vervollständigen, erlaube ich mir noch an die Gewohnheit nordamericanischer Stämme zu erinnern, welche einen Baumwollenfaden , quod glandi virili circumvolutum peculiare alla- rum partium smegma gravi eogue ammoniacali odore pollens imbiberat, den Schlangenwunden auflegen. Indi denique secundum flumen Yupurä habitantes contra dolores formicarum , 0010 pendrarum aut scorpionum morsu concitatos, siquidem ictus in manus ceciderant, illarum ” vaginam muliebrem immissionem optimum remedium mihi praedicaverunt. An alle diese Mit- tel, welche vielleicht vorzugsweise durch ihren Gehalt an Ammonium wirksam sind, schliessen sich die Bezoare an, von welchen wir mehrere Arten bei den weissen Ansiedlern in Anwendung sahen. Der Bezoar occidentale, von der Vicunne, kommt bisweilen aus Peru hierher, PR) von J. Davy untersuchten Schlangensteine in Ceilon ergaben sich als calcinirte Knochen, an dere als mit einer vegetabilischen Substanz gefärbter kohlensaurer Kalk, oder endlich als De- »oare. (Tilloch. Phil. Mag. Vol. LI. S, 122.) 1087 der beiden sich hier begegnenden Ströme. Während wir vor Anker lagen, ruderte ein Kahn voll Indianer auf uns zu, die in unserer Nähe das Gewitter abwarten wollten. Es waren Bewohner von Sy-lIves, und auf der Reise nach der Praya de Tamandua im Madeira begriffen, wo sie Schildkröteneier sammeln wollten. Lauter wohlgebaute Männer, mit angenehmen Gesichtszügen, gesprächig, und der Lingua geral voll- kommen, zum Theil auch der portugiesischen Sprache, mächtig, waren sie uns ein erfreulicher Beweis eines gebildeteren und behaglichen Zu- standes. Reiner von ihnen hatte ein nationales Abzeichen, und sie wuss- ten nicht, von welchem Stamme sie sich herschrieben. *) Einer der- selben trug einen Amazonenstein, ein Paralleloegramm von anderthalb Zoll Länge und zwei Linien Dicke, mit zwei Löchern durchbohrt, an einer Schnur von Baumwolle am Halse, und legte so grossen Werth auf diess Amulet, dass er es um keinen Preiss verhandeln wollte. Ausser die- sem Exemplare haben wir auf der ganzen Reise nur noch einen einzi- gen dieser Steine gesehen, den wir zu Obydos für das ethnographische Cabinet zu München eintauschten. Er hat die Form eines Säbels oder einer Schlachtkeule mit einseitigem Griffe, ist aber vielleicht unterhalb der Mitte abgebrochen. » (5. im Atlas „indianische Geräthschaften ‚“ Fig: 23.) Der Stein ist so sauber und scharf geschnitten und polirt, dass es räthselhaft bleibt, wie ihn Indianer, denen der Gebrauch irgend eines Metalles fremd war, in dieser Art bearbeiten konnten. Ich halte desshalb, nach Vergleichung der hierüber gesammelten Notizen, für wahrscheinlich, dass diese Amazonensteine Kunsterzeugnisse der Indianer *) Die Villa de Sylves liegt auf der Ostseite einer der zahlreichen Inseln, welche durch den See von Saracä zerstreut sind. Die erste Ansiedlung daselbst geschah ‘durch die Mercenarios , und ward von Indianern gebildet, die von der ehemaligen Aldea Aniba am Flusse gleiches Na- mens hierher geführt wurden (Monteiro $. 71.). Man versammelte hier Individuen von den Stämmen der Aroaqui, Bare, Caraias, Baeüna, Pacuri und Comani (Ribeiro $. 7.). Die In- scl der Villa, und alle übrigen in dem schönen fischreichen See, sind so hoch gelegen, dass sie von den jährlichen Ueberschwemmungen nicht erreicht werden. Sie enthalten eine überaus üp- Pige Vegetation und sind dem Anbaue des Tabacks , der Baumwolle und des Cacao günstig. Der See van Saraciä nimmt unter andern den Rio Urubü auf, dessen Abführungscanal der Arauato ist. Als Anwohner dieses Flusses werden die Aroaquis genannt, eine langöhrige, an Zahl ziemlich bedeutende Horde, die theils noch wild in den Wäldern östlich vom Rio Negro hauset. = 138 * = 1088 von Hochperu seyen. (4.) Diese Steine sind übrigens nicht das einzige Amu- let, welches sie gegen Krankheiten, Schlangenbiss und: andere Uebel am Halse tragen. Gleiche Kräfte schreiben sie dem /Muraque-itä, ei- nem aus dem Rücken der grossen Flussmuschel geschnittenen, unförm- lichen Halschmucke, der Perlmutter oder irgend einem grossen, abge- rundeten Fischknochen zu. Am ı5. October erblickten wir zwischen einer grossen Sandbank in O. und einer niedrig bewaldeten Landspitze in W. die Mündung des grossen Madeirastromes. Obgleich sie durch eine bedeutende Insel ge- theilt erschien, hatten wir dennoch vom nördlichen Ufer bis in ‚jenen Strom ein wahres Meer ‚von süssem Wasser vor uns, Nach Mittag gelangten wir an die hohen und steilen Ufer (Costas) von Mattary, welche durch die.Doppelmündung des verhältnissmässig kleinen Rio Mat- tary zu Inseln werden. Obgleich auf diesen Inseln früherhin eine Al- dea der Mercenarios gestanden hatte, von der noch einige niedrige Waldschläge (Capoeiras) zu zeugen schienen, war doch Alles wieder in die ursprüngliche Wildheit versunken, und an dem Orte jener from- men Väter hatten sich einige herumziehende Mura-Familien niederge- lassen. Wenige Jahrzehende reichen in diesem Lande hin, der Vege- tation unumschränkte Macht über das Werk der Menschen zu geben. Auf der Südseite sahen wir kleine Sandinseln aus dem Gewässer her- vortreten, welche mit einer unzähligen Schaar von Wasservögeln aller Art bedeckt waren. Ihr Geschrei tönte verworren zu uns herüber, und sie schienen durch keinen Lärm oder Annäherung der Menschen verscheuchbar. Zwischen den grossen Störchen und den Enten herrscht beständiger Streit, welchem der weissfiedrige Reiher (Ardea Egretta) gewöhnlich von einem Baume neutral zusieht. Auf einer andern Insel lag ein grosses todtes Rrokodil, um das eine Menge von Geiern beschäf- tigt war. Unsere Indianer machten uns darauf aufmerksam, dass ein Hönigsgeier eben erst von jenem Leichname aufgeflogen sey, und den übrigen freies Spiel gelassen habe. Je höher die Ufer des Stromes an- stiegen, um so schwieriger ward unsere Schifffahrt wegen Zunahme der Strömung. Diese war vorzüglich stark oberhalb der Ponta de 1089 Mattary, so dass wir nur mit Hülfe von am Ufer angebundenen Stri- cken das Fahrzeug aufwärts ziehen konnten. An einer Stelle, wo sich die Fluth im Halbkreise um eine mehr als zwanzig Fuss hohe Sand- steinwand herumbewegte, wurden zwei starke Seile an den Uferbäu- men und am Vordermaste befestigt, und des kräftigen Zuges unserer Indianer ungeachtet, brauchten wir mehrere Stunden, die Strömung zu überwinden. Nach Mittag ward die Arbeit auf ähnliche Weise fortge- setzt, und während die Montaria die Seile ans Ufer voraustrug, glaub- ten wir uns plötzlich eines frischen Windes erfreuen zu können, der von O. her die Fluth zu kräuseln begann. Allein in einem Nu :bedeckte sich der ganze Himmel mit schwarzen Wolken; die Wellen des Stro- mes bäumten sich vor uns auf, und unter fürchterlichem Donner fiel eine schwere Windsbraut auf das Schiff nieder. Binnen drei Minuten war der helle Tag zu so tiefer Nacht verdunkelt, dass ‚wir die Ufer nicht mehr oder nur beim Scheine der Blitze erkannten, und obgleich wir so glücklich waren, die eben entfalteten Segel wieder einzurollen, jagte uns dennoch der Sturmwind zugleich mit dem Regen pfeilschnell stromaufwärts, so dass wir in wenig Minuten fast eine halbe Meile zu- rücklegten. Doch gelang es endlich, das Schifl am Ufer unterzubringen, auch hatten wir die Freude, die Montaria nach dem Sturm unversehrt herbeikommen zu sehen, und ausser einer zerbrochenen Segelstange nur den Verlust einiger Papageien zu beklagen, welche in der Verwir- rung von dem Verdecke ins Wasser hinabgestreift worden waren. Dieser plötzliche Sturm, der heftigste, den wir auf unserer ganzen Schifffahrt zu bestehen hatten, bewährt die Nothwendigkeit schärfster Beobachtung der Wetterveränderungen über dem Strome. Diessmal war es nur ein gutes Glück, was das Fahrzeug stromaufwärts, und nicht gegen die steile Küste führte, wo es ohne Zweifel gescheitert und mit uns untergegangen wäre. Diess heftige Gewitter hatte einen höchst merklichen Einfluss auf die Temperatur. Das Thermometer fiel auf 18° R. herab, und erhielt sich so die ganze Nacht hindurch. Sovwvohl wir, als die Indianer fühlten Kälte, und selbst die Insecten schienen davon ergriffen, da sie mit verdoppelter Wuth emsig zwischen unseren 1090 Kleidern einzudringen sich bemühten. Während der Nacht nahm der, am Tag mit düsteren und tiefen Wolken behängte, Himmel eine wahr- haft grausige Schwärze an, und dann herrschte eine Melancholie in dieser einsamen Natur, die ich nicht zu schildern versuche. Auf ähn- liche Weise hatten wir vier Tage lang mit dem Wechsel einer schwü- len Hitze, furchtbar heftigen Gewittern und kühlen, schwermüthigen Nächten zu kämpfen, und bei gänzlichem Mangel des Windes ging die Schifffahrt nur äusserst langsam von Statten. Es schien uns, als nähme die Gewalt der Strömung täglich mehr zu, je mehr sich die thonigen Ufer erhoben. Dabei bot weder die Vegetation, noch das Thierreich einen erheiternden Wechsel. Einige arme Ansiedler, Indianer und Ma- melucos, kamen in kleinen Nachen herbei, um gegen eine Schildkröte etwas Branntwein einzutauschen. Sie schienen sorglos und ohne Bedürf- nisse; auch trugen die einzelnen Häuschen, welche hie und da am Hoch- ufer erschienen, und die kleinen Anpflanzungen von Taback und Baum- wolle den grössten Mangel an Industrie zur Schau. Am Abend des 20. Octobers setzten wir zwischen den Inseln auf das südliche Ufer über, um die heftige Strömung von Jatauarana, westlich von der Einseada do Tabocal, zu vermeiden, welche durch verhältnissmässig hohe Let- tenufer an der Nordseite veranlasst wird. Der Strom war gerade an dieser Stelle ohne Inseln, und vielleicht eine Seemeile breit. Die erhöh- ten, mit dichter Waldung bedeckten Ufer, auf denen einige kleine Hüt- ten zerstreut stehen ($. im Atlas „Strömung von Jatauarana“) waren für uns eine angenehme Augenweide. Das Gouvernement hatte an die- ser Stelle einen zweiten Weachtposten gegen die Blatterseuche errichtet. - Wir fanden hier einen Brief des Hrn. Gouverneurs, Major ManoEL JoA- pumm Do Paco, als Antwort auf das von Villa Nova an ihn. erlassene Schreiben, wodurch wir in seiner Provinz auf das freundlichste bewill- kommt wurden. Es stand demnach nichts mehr im Wege, die Reise bis zur Barra do Rio Negro fortzusetzen. Wir schifften an der Mün- dung des Lago del Rey vorüber, und erblickten auf der Nordseite ein anderes erhöhtes Uferland, die Costa de Puraque-Coara (Zitteraalloch). Die Zitteraale sind hier in den Gruben des Ufergesteines sehr häufig; 1091 und wir verschaflten uns noch an demselben Tage zwei grosse Fische, welche von den Indianern in der Montaria harpunirt wurden. Später erhielten wir in der Barra do Rio Negro auch ein lebendes Exemplar, mit welchem wir zahlreiche Versuche anzustellen Gelegenheit hatten. *) Die Gewässer sind in diesen Gegenden des Flusses ungemein reich an den verschiedensten Fischgattungen. Am 22. October vor Tagesanbruch setzten wir von der Südseite‘ des Stromes in nordwestlicher Richtung über, und als die Sonne aufging, befanden wir uns in einer seltsam ge- mengten Wasserfluth. Zwischen den trüben weisslichen Wellen des Amazonas erschienen einzeln und von ihnen getrennt, gleich $rossen Flocken, Massen eines dunkelbraunen Wassers, welche, darin auf und untertauchend, endlich von der herrschenden Fluth aufgenommen wur- den, indem sie ihr eine dunklere Farbe mittheilten. Allmälig ward die Zahl und Grösse solcher braunen Wellen immer stärker, endlich verlor sich dazwischen das weissliche Gewässer, und wir befanden uns auf den Fluthen des io Negro, die um so ruhiger und stiller einherwog- ten, je weiter wir uns von dem WVellendrange des Amazonas entfern- ten. Die Indianer brachen in hellen Jubel aus, da wir auf der ruhigen braunen Wasserfläche hinruderten, und gegen Mittag warfen wir im Hafen der Barra do Rio Negro Anker. Beim Austritt aus dem Fahr- zeuge empfingen uns der Ouvidor der Provinz, und mehrere Offiziere der Garnison, von denen wir sogleich in das Haus des Hrn. Gouver- neurs geleitet wurden. Diesen trafen wir krank im Bette; bereits aber war von ihm wohlwollende Sorge für ein Haus getroffen worden, wel- ches wir bezogen, um von den Mühseligkeiten der Reise auszuruhen. *) Da dieselben nichts Nenes zu dem schon Bekannten hinzufügen, begnüfge ich mich, auf die ausführliche Darstellung dieser merkwürdigen Erscheinung in Hrn. v. Hussouor’s Werken hinzuweisen. Die Puraques (Poraques) am Amazonas und Rio Negro erwachsen bis zu einer Länge von sechs Fuss und der Dicke eines Mannsschenkels. Sie wiegen dann vierzig und mehr Pfunde. Die Aalform und die dunkelgrüne Farbe des Fisches vereinigen sich zu einem unangenehmen Bilde. Selten wird er gegessen. Sein Fleisch ist schwer verdaulich. Er lebt in grossen Banden vereinigt. Monteiro versichert ($. 82.), dass er Eier lege, aber die ausge- krochenen Jungen, wieder Pirarucü und andere Knorpelfische, zwischen den Kiemen eine Zeit lang beschütze, : 1092 Wir hatten zu der Fahrt von Para bis Rio Negro, die in kleinen Fahr- zeugen und bei grösster Eile in einem Monate gemacht worden ist, . drittehalb Monate gebraucht. Anmerkungen zum vierten Kapitel. 1.). Ueser pıe Amazonen. Wenn irgend ein Umstand dafür zu sprechen scheint, dass es in Südamerica Amazonen gleich denen von Asien gegeben habe oder noch gebe, so ist es die ausserordentlich grosse Verbreitung, welche die Sage von ihnen in diesem Continente erlangt hat. ı) Oreızana wird von einem Caziken vor dem streitbaren Weibervolke gewarnt, das die- ser (vielleicht vom Stamme der, die Lingua geral sprechenden, Omaguas) Cunha puyara, die Weiberleute, nennt, und findet, i. J. 1542, am Rio Cunuriz, jetzt das Trombetas, Weiber un- ter den Männern streitend. (Herrera, Dec. VI. L. IX. 2.) Acunna’s Bericht (Cap. 71.) stattet den einfachen Thatbestand mit all den Sagen aus, welche seitdem so vielfach ventilirt worden sind. 2) Fernanoo DE Rıseıra, der Conquistador von Paraguay, legt i. J. 1545 das eidliche Zeugniss ab, auf seiner Expedition im Westen des Paraguay von einem ganzen Reiche von Amazonen, unter dem 12° s. B., gehört zu haben. In dieselbe Gegend versetzt die von dem Missionär Baraza um d. J. 1700 aufgezeichnete Sage ein Amazonenvolk. (Lettr. edifiant, Vol, 8. S. 101.), 3) Warrer Ratesn bezeichnet (1595.) als das Land der Amazonen die Gegenden am Flusse Tapajöz. 4) Dr 1A Convanıse hat gehört, dass Amazonen, von dem Flusse Caya- me herkommend, am Cuchiuara, einer Mündung des Purü in den Amazonas, gesehen wor- den seyen. Von hier hätten sie sich an den Rio Negro gewendet. Nach anderen diesem Rei- senden gegebenen Nachrichten sollen sie 5) am Rio Irijo, einem Beiflusse des Amazonas, süd- lich vom Cabo do Norte, und 6) westlich von den Fällen des Ojapoco hausen. 7) GıLı setzt sie an den Cuchiuero, einen Beifluss des Orenoco. Es verdient bemerkt zu werden, dass ın mehrere dieser, den Amazonen angewiesenen und sehr wenig bekannten, Gegenden noch andere Fabeln versetzt wurden. So galt Moxos als das Reich des sogenannten grössen Moxo, wohin später (1615.) Franc. De Ponergues das erdichtete Reich Erim *) verlegte; und die Länder des El dorado in der Gujana fallen mit eineın der angeblichen Wohnorte der Amazonen zusammen. Der blinde, träumerische Glaube der Indianer konnte eine solche Sage durch weite Landstriche eben so leicht verbreiten, als es mit notorisch unmöglichen Dingen der Fall war. Ich erinnere hier an die Fabel von dem Upupiara oder Waldteufel, einem Unholde, den die Phantasie der brasilianischen Indianer, wie (nach Gıurs Zeugniss) die ganz entfernter Stämme am Orenoco, mit rückwärts stehenden ' Füssen begabt hat. Zu dieser Eigenthümlichkeit der Indianer, das Wunderbare aufzunehmen ‚ kommt noch die Neigung der europäischen Entdecker, welche be- Mn . *%) Ueber die mancherlei Ausgeburten der abentheuerlichen Phantasie jener Zeit: das Reich Ma- nao oder EI Dorado, das bald nach Maynas, bald ins Innere von Gujana verlegt wurde, über Jdas BR oder Erim in Paraguay, das Paititi am Ucayale, das Guivira- in Neumexico, die erdichteten Städte de los Cesares und Aucahuicas in Chile, vergl, Psız. Bavza in den Denkschr, der Münchner Akademie v. 1821. und 1892, $, 89- Si. - : 1095 bemüht waren, ihre Thaten der erstaunten alten Welt im Abglanze solcher phantastischen Bil- der zu zeigen. Vielleicht hatte man dem Orrızana die Streitbarkeit eines gewissen Stammes dadurch schildern wollen, dass man sagte, selbst die Weiber ergriffen die Waffen, und der Anblick einiger solchen Weiber, die ihren Männern im Gefechte am Flusse Cunuriz beistanden, reichte hin, die Fabel zu vollenden. Auf diese, wie mir scheint, einfachste Weise erklärt Rı- BEIRo ($. 84.) die Erscheinung, indem er, was uns ebenfalls versichert wurde, anführt, dass unter andern die Mundrucus ihre Weiber in die Schlacht mitzuführen pflegten, wo sie den Männern die Pfeile darböten.. Aus dem sclavischen Zustande der Weiber, werin pe 24 Cox- DAmınE die mögliche Veranlassung einer Weiberrepublik erblickt, möchte ich eine solche Er- scheinung um so weniger herleiten, als die Abhängigkeit der Weiber von den Männern noto- risch gerade in der vorherrschenden Sinnlichkeit der erstern begründet ist. Dieses Verhältniss veranlasst manche Indianerin, ihre Horde, wo sie vielleicht von ihrem Manne verstossen wurde, zu verlassen, und als freie Hetäre von einem Haufen zum andern zu ziehen, wo sie um so eher angenommen wird, als man in ihr eine Art von Sclavin erblickt, welche sich jedem Dien- ste des Hauses unterziehen muss. *) (2.) User Die Tours un sure Srrache. Das Auftreten der ED (oder Fupin.; der Wechsel des Vocals ist hier, wie in allen Zusammensetzungen mit Tupi ganz gleichgültig), entfernt von dem gleichnamigen Stamme längs der Küste, und durch viele dazwischen wohnende Stämme getrennt, ist ein für den Ethnographen Brasiliens schr merkwürdiges Phänomen. Zwar scheint Berreno selbst daran zu zweifeln (Anna&s $. 731.), dass die von Acunna auf der Insel Topinambarana gefundenen Indianer dem Stamme der Topinambazes angehört hätten; allein sein Grund, dass dieser Stamm damals vorzugsweise die Ufer des Tocantins und die Gegenden um Parä inne gehabt hätten, schliesst Nichts aus. Acunsa berichtet, (Cap. 68.), dass die To- pinambazes, bedrängt von den siegerischen Waffen der Einwanderer, und in zu grosser Anzahl um’sich ernähren zu können, sich aus der Capitanie von Pernambuco, wo sie vierundachtzig grosse Ortschaften bildeten, nach dem Innern, bis an die Grenze von Perü zurückgezogen hät- ten, und darauf, die Gegenden am oberen Madeira verlassend, auf oder längs diesem Strome nach Topinambarana gekommen seyen. Rıszıro ($. 17.) giebt zu verstehen, dass diese India- ner. es auch gewesen seyen, welche die Serra Ibiapaba in Searä inne gehabt hätten, von wo *) Solche Weibspersonen werden in der Lingua geral Cunha mendagira eyma (wörtlich: Mulier in matrimonium ducta absque) genannt. Der Ausdruck, welchen uns or ra Cosvamısz als für die Amazonen üblich aufbewahrt hat (Eougnanta inseconima) ist verstümmelt; es sol} (nach portugiesischer Schreibart, worin h nach n—j) heissen: Cunhdetd - im&na-eyma (mulieres marito absque). Um die verschiedenen Verhältnisse zu übersehen, unter welchen die Lingua geral das Wort Eunhä (Weib; — man wird an das griechische Yuvrn, das altgermanische Kona oder Quen erinnert,) zusammensetzt , diene Folgendes: Cunhd mena: mulier affinisz Cunhä codra eyma: m. foramine absque, i.e. virgoz Cunhd mendardra: m, in matrimonium ducta, s. vidua (mendära: matrimonium); Cunhd mendagära eyma: m. caelebs, meretrix; Cunha membyra : m. filia matris (so wurden namentlich die Töchter genannt, welehe aus der Verbindung eines Gefangenen und später Geschlachteten mit einer ihm als. Beischläferin gegebenen Fupt entsprungen waren;) Cunhd tajyra: m. filia patris; Cunha uaimim oder geaimim: anus; Cunhd cacudo, mulier nondum vetula; Cunha agoagd: concubina. Temiricö: uxor- IH. Theil. 139 1094 sie nur nach grossen Anstrengungen der Portugiesen hätten vertrieben werden können, Bei der nomadischen Lebensweise der Urbrasilianer sind alle diese Annahmen an und für sich nicht un- wahrscheinlich; und die Thatsache gewinnt, einmal angenommen, an Bedeutung, wenn wir sie mit einigen andern in Verbindung bringen. Es ist nämlich keinem Zweifel unterworfen, dass die Indianer vom Stamme der Campevas (Plattköpfe, von Canga, Kopf, apeva, plait, in der Lingua geral), welche von den Spaniern in Maynas, und auch von Acunna (Cap. 5ı. 52.) Oma- guas older Aguas (Grosskopf, von Uma, Kopf, in der Quichuasprache oder Lingua del Inca 2) genannt werden, die Tupisprache gesprochen haben, und, wo sie sich vom fremden Einfluss frei erhalten haben, noch sprechen, Auch die Jumanas in den Niederlassungen am Solimods ) Rio Negro und Yupura, und die, von ihnen nur als Horde verschiedenen, Tecunas, an den Grenzen von Maynas, sprechen eine Sprache, in der man ohne Schwierigkeit die Tupisprache wiedererkennt, wenn sie schon durch mancherlei Vermischungen und Verdrehungen gelitten hat, Endlich sollen auch die Solimods, oder Yorimaus (deren letzterer Name einen Anklang an die Omaguas hat, und sich in den Yurimaguas der spanischen Niederlassungen zu Loreto, Pevas und $. Joaguim wiederfindet), die allgemeine Sprache gesprochen haben. Nach Rısrıro ($- 57) existirte i. J. 1709 zu Tayagutiba, der Mündung des Yurud gegenüber, eine Aldea dieser Yuri- ' maüas, welche von den spanischen Jesuiten nach Loreto gezogen wurde, und Einzelne des Stammes lebten zu seiner Zeit (1775.) noch zu Alvellos. (Man kennt auch gegenwärtig unter dem Namen Umauas einen andern, menschenfressenden Stamm an den Quellen des Yupurä, den Berreno ($. 714.) meint, wenn er sagt, dass den Campevas der, einer andern Nation zugehö- rige, Name Omaguaz oder Maguaz mit Unrecht zugeschrieben werde.) In den Sitten kommen diese Stämme unter einander mehr als die Nachbarn überein. Sie werden schon von Acunna als gebildeter, denn manche der Uebrigen, und als Verabscheuer der Anthropophagie geschildert. In der Kunst Thongeschirre zu bereiten, in Flechtarbeit, in dem Gebrauche der Hangmatten und in der Sitte, Maskenzüge zu veranstalten, wobei sie einen ausgehöhlien Baumstamm der Ambauya ($S. im Atlas „Geräthschaften“ Fig. 30. 32.),als Trommel herumtragen, sind sich alle diese Stämme ähnlich. Lassen wir uns nun durch Acunna’s Bericht vom Amazonas gen $. weisen, so finden wir noch mehrere Stämme, welche ringsum isolirt, und von fremdartigen Horden um- geben, ebenfalls die Lingua geral rein oder gemengt sprechen: so die Apiacazes und Cabahybazes an der Vereinigung des Jurnena mit dem Arinos (vergl. S. 1051.); und die Pacaleques am Rio Embotateu. Die Pacaleques werden von den Portugiesen ebenfalls Campevas genannt, weil sie wie jene am Amazonas die Köpfe platt zu drücken pflegen. Auch im oberen Yurua soll, nach den Indianern, eine zahlreiche Horde der Campevas hausen. (Monteiro $. 124.) Westlich vom Paraguay sprechen die zahlreichen Horden der Chiriguanos, Guarayos, Chirivones und Cirionös Dialekte derselben Sprache. Endlich erscheinen östlich vom’ Paraguay die Guaranis, ein ehemals sehr mächtiger und zahlreicher Stamm, von ähnlichen Sitten wie die nördlicher wohnenden Topinam- bazes und mit einer Sprache, die nur als Dialekt von der Tupisprache in N. und N. W, Brasibens verschieden ist. An den nördlichen und. westlichen Küsten Brasiliens hatten die ersten portugie- sischen Ansiedler grösstentheils Stimme getroffen, welche dieselbe Sprache redeten: die Tara- mdazes an den Küsten von Pard und Maranhäo, die Pitagoares zwischen dem Rio Grande = ne So Per ss Norte, die Caites (Caötes) zwischen dem Paraiba und dem BR eo, die Tupinaes und Tupinambazes zwischen dem Rio de 8. Francisco und Bahia, die Tamoyos zwischen dem Cabo de $. Thom& und Angra dos Reys, und die Tupiniquins zwi- 1095 schen Camamü und dem Rio de S. Matheus. Obgleich oft im Kriege gegen einander, wurden sie doch schon damals als Horden eines einzigen grossen Stammes, der Tupis oder Tupinamba- zes, betrachtet. *) Aber zwischen diesen hatten sich die dimores, die Goyatacazes, und weiter südlich die Papanazes und Carijos, alle unter sich und mit jenen im Kampfe, den Ansiedlern als Stämme von anderem Ursprunge kund gemacht. Fassen wir die ersten Schilderungen von den Tupistämmen zusammen, so kommen sie besonders in folgenden Zügen überein: ı) Sie waren streitbar, kriegerisch gesinnt, und muthig, nicht feige uud schläfrig wie die Goaianazes, welche niemals Menschenfleisch verzehrten; machten Gefangene, welche sie eine Zeit lang füt- terten, dann schlachteten, und als Opfer und zum Zeichen ihrer feindlichen Wuth verzehrten ; aber nur in diesem Falle waren sie Cannilalen, gegen den Hunger assen sie nicht Menschen- Fleisch, wie die Adimores (Botocudos). 2) Sie wohnten in, zu Aldeas vereinigten, grossen, of- fenen Hütten, deren jede mehrere Familien aufnahm, und schliefen in Hangmatten, während die dimores, Goaianazes, Carijos und Goyalacazes in einzelnen Paaren umherstreiften, und die Nächte auf der Erde oder in niedrigen Erdhütten ohne Hangmatten zubrachten. 3) Sie cultivir- ten in der Nähe ihrer Aldeas wenigstens einige Pflanzen ,z. B. von der Pacoba, von der Mandiocca und dem Mais, während die letztgenannten Stämme alle Cultur verachteten, und blos von Jagd, Fischerei und Krieg lebten.*) 4) Mit dem Elemente des Wassers waren sie als Schwimmer und Fischer vertraut. Sie bekriegten schwimmend die Haifische an der Küste, bauten grosse Kälhne machten darin Reisen von bedeutender Ansdehnung, und hielten Seetreffen. Die Aimores da- ‘gegen werden als von Körper zwar stärkere, aber des Schwimmens so unkundige Wilde geschil- dert, dass ein tiefer Fluss vor ihrem Anfall vertheidige. Auch sollten sie niemals in zahlreichen *) Ich folge in dieser Angabe dem anonymen Verfasser der Noticias do Brazil (in der Colleccäo de Noticias para a historia e geografia das nagoes ultramarinas, que vivem nos dominios portuguezes. Vol. 3. pars. 1. Lisb. 1825. 4.), die, nach dem Zueignungsschreiben an D. Curıst, or Moura, im J. 1589 geschrieben und eine sowohl durch ihr Alter, als durch ihren herodotischen Geist höchst merk. würdige Urkunde sind. **) Gemäss dieses Anfanges_eines Feldbaues waren sie auch mit mancherlei Zubereitungen aus. der giftigen Mandiocca-, und aus der Aypiwurzel vertrauet, Der Reichthum der darauf bezüglichen Bezeichnungen in ihrer Sprache ist bedeutsam. Die geschälten Wurzeln wurden auf Steinen oder mittelst besonderer Vorrichtungen gerieben ; der giftige Saft (Mand-ipuera) ward durch den Cylinder aus Flechtwerk (Tipeti, Tapeti) ausgepresst, der Rückstand (Uy- moyi-paba) auf grossen Thonplatten (Nhaem) oder Oefen (Japüna) zu Mehl (Uy) ausgetrochnet , oder zu Kuchen (Beiji) oder ungesäuer- tem Brode (Meape) gebacken. Schwach geröstetes Mehl hiess Uy egd coalinga; hartgeröstetes Uy- atd, Die rohgeriebene, an der Sonne getrocknete, gestossene Wurzel lieferte eine Grütze (T'ypyrati). Wurden die Wurzeln vorerst in Wasser ausgelaugt und dann gerieben (Uy puba, Farinha fresca), so entstand durch Röstung das Uy catu (Far. d’agoa). Die ausgelaugte Wurzel getrocknet, gerieben, im Mörser (Indoä) gestossen, und durch ein Sieb (Urupema) geschlagen, lieferte das feine Mehl Carimd und den Rückstand Uy tinga. Carimd mit frisch gepresster Wurzel zusammengebacken, stellte ein -sehr haltbares Mehl dar, das, in Blätter eingewickelt, auf die Kriegszüge mitgenommen wurde. Aus dem ausgepressten Safte (Tycupy) sammelten sie das niederfallende Amylon, und granulirten es zu einer Art Sago (Tipioca, Tapioca). Der mit spanischem Pfeffer über dem Feuer eingedickte Saft lie- ferte ihre gewöhnliche Bratensauge (Tucupy). : 139 * 1096 Haufen Krieg führen, und nicht wie die Tupistämme ihre ee durch Verhaue und Palli. sadirungen gegen jeden Angriff zu schützen pflegen. Ays re Diesen geht hervor, dass die Tupis auf einer höheren Stufe der Bildung standen, als viele ihrer Nachbarn. Der obenangeführte älteste und zuverlässige Ethnograph Brasiliens (II. Cap. 147.) giebt an, dass die Tupina&s die früherhin ven andern Tapuüjas (den Guinimuras) bewohnten Gegenden von Bahia diesen im Kriege abgewonnen hätten , bis sie später von dem verwandten Stamme der Tupinambazes selbst verdrängt worden seyen; es bleibt also kein Zweifel übrig, dass das Stammland der Tupis nicht in dem ausgedehnten, hie und da von andern Horden besetzten Landstriche längs der Küste, sondern wo anders zu suchen sey. Die Guaranisprache, welche sich in mancher Be. ziehung als der reinere Mutterstamm aller Tupidialekte darzustellen scheint, weiset uns nun diess ursprüngliche Vaterland der Tupis an dem Paraguay, zwischen diesem Strome und dem Parannä an. Dort wird sie auch gegenwärtig nech gesprochen, wenn schon der grösste Theil des Volkes, so wie der, dieselbe Sprache gebrauchenden, Tappes in der Provinz Rio Grande do Sul und in Monte Video, verschwunden ist. Diese Vertheilung und Bewegung der Tupis nach N. ©. hat wahrscheinlich schon mehrere Jahrhunderte vor der Einwanderung der Portu- giesen Statt gefunden. Dass auch späterhin weitaussehende Züge von den Guaranis unternom- men wurden , beweisst der Zug derselben gegen W., der den Adelantado Caueza De Vaca ver- anlasste, i. J. 1545 eine ähnliche Expedition zu wagen (Seuthey, Hist. of Brazil I. $, 140.). So wird uns auch die Reise der Tupis den Madeirastrom abwärts nach der Insel Topinamba- rana minder unwahrscheinlich, und wir sind geneigt, dem Berichte Acunsa’s vollen Glauben‘ zu schenken. Dass sie selbst ihren neuen Wohnsitz Topinamba- ranra nannten, scheint anzu- deuten, dass sie mit dieser Bezeichnung den Sinn einer Colonie verbinden wollten, denn Rana heisst das Unächte. Die Apiacas und Cahahybas sind vielleicht Reste ähnlicher Expeditionen, gleichwie wir in den SeteCommune im Vicentinischen die Spuren eines daselbst isolirt zurück- gebliebenen deutschen Stammes erkennen. Schwerlich haben aber die Tupinambazes von den Küsten von Searä und Pernambuco, nach der Vertreibung aus jenen Gegenden, ihren Weg bis in Jiese entfernte Insel gefunden. Vielmehr ist es mir wahrscheinlich, dass sie zerstreut und entkräftet sich den dazwischen liegenden Völkern angeschlossen, und diesen einzelne Worte ih-. rer Sprache gleichsam angelernt haben, deren Erscheinung zwischen ganz fremdartigen Wur- zeln ausserdem noch viel schwieriger zu erklären seyn dürfte, Mögen wir aber auch annehmen, dass diese thätigen Tupiindianer auf die eben angegebene Weise aus ihren ursprüngliche Wohnsitzen ‚ in zahlreiche Horden vertheilt, hervorgebrochen seyen, und sich vom 35 ° s.B. bis an den Aequator zwischen zahllosen anderen Stämmen durch- gefochten hätten, — eine Erscheinung, welche sich von denen asiatischer und europäischer Völkerwanderungen vorzüglich durch die geringe Mannschaft der einzelnen Horden, und durch i tungen unterscheidet —; immer bleibt die gegenwärtige Art der Verbreitung und Erhaltung ihrer Sprache unter so vielerlei Einflüssen höchst merkwür ‚ gleichsam ein geistiges Band, fast an den 1097 reichen Stämmen als gemeinschaftliches Vehikel ergriffen; von da erscheint: sie hie und da am Ufer des Tapajöz und des Madeira, und reicht hinab bis zu den Niederungen des Paraguay. Während die von alten Tupis abstammenden Küstenindianer zwischen Porto Seguro und Ma- ranhäo ihre Sprache fast schon vollkommen aufgegeben haben, und dort nur einzelne Reste der Lingua geral in die portugiesische Sprache der gegenwärtigen Bevölkerung übergegangen sind, wird jene noch gegenwärtig in Parä, vorzüglich aber in Rio Negro überall gehört, wo ein Ver- kehr unter Indianern oder zwischen ihnen und den Ankömmlingen Statt hat. Es scheint also, als hätten sich die unbesiegten, an ihrer Sprache festhaltenden Horden immer mehr gen N. ge- zogen, wo ihnen die geringere europäische Bevölkerung und die unbegrenzten Urwälder eher Ruhe und Schutz verhiessen. Hier aber begegneten sie einer grösseren Anzahl anderer Stämme, welche ganz andere Sprachen redeten. Doch hat dieser Conflict die Tupisprache nicht beschränkt, obschon sie sich hier von ihrem Urtypus, der Lingua guaranitica, mehr entfernt haben mag. Die letztere ist der vollere, reinere Dialekt, undeutlicher dagegen, mehr zusammenziehend und bequemer ist der Dialekt, welcher in Rio Negro gesprochen wird. Zwischen diesen beiden lie- gen mehrere Nüangen, die sich nicht sowohl in dem gänzlichen Unterschiede oder Mangel ein- zelner Worte, als in Verschiedenheiten der Aussprache mancher Sylben und durch die Verwech- selung gewisser Buchstaben darstellen. Gerade aber durch diesen Mangel an Bestimmtheit, durch _ eine Volubilität, welche auch dem individuellsten Ausdrucke Eingang gestattet, scheint sich die Tupisprache zum allgemeinen Vehikel am meisten zu eignen. In wieferne sie in die Sprachen anderer Stämme eingegangen sey, ist eine Untersuchung, welche ich den Sprachforschern über- lassen muss. Vielleicht bieten die Vocabularien, welche wir zu sammeln Gelegenheit hatten , einige Materialien für solche Studien dar. Als allgemeinstes Resultat unserer Beobachtungen , möchte ich nur die Bemerkung anführen, dass die Anklänge an die Tupisprache immer seltener zu werden schienen, je mehr wir uns von dem Amazonas am Yupurä nach Norden wendeten, Bei einzelnen Stämmen, die zwischen den Ostküsten und dem Amazonas im Innern Brasiliens hausen, wie z. B. den Acroa-mirim und den Masacaras fanden wir einzelne Worte der Tu- pis mehr oder minder verstümmelt. Von den sechszehn Horden, welche Hervas (Idea del Univ. XVII. S. 5.)'als Glieder der Tupination aufführt: den Tamoios, Carijos, Tupiniquins, Timiminos, Tupindes „„ Tobayares, Amoipiras, Ibirayares, Cahetes, Pitagoares, Apantos, Tupigodes, Aro-* boyares, Rarigoaräes, Tocantines und Tupinambazes, fanden wir nirgends eine Spur als noch bestehender selbstständiger Stämme. Sie schienen bereits alle in der gemeinschaftlichen Meta- morphose untergegangen zu seyn. (Vielleicht sind mehrere der angeführten Namen unter ein- ander gleichbedeutend, wenigstens heisst Udra, womit sie zum Theil endigen Herr, oder freier Mann.) Zum Theil scheint daher die Lingua geral einerlei Schicksale ‚mit der Inca- sprache: zu haben, die, ehemals Eigenthum eines kriegerischen und vor andern ausge- zeichneten Stammes, jetzt nur unter denjenigen Indianern Perü’s zurückgeblieben ist, welche aus der Reihe der rohen Urstämme herausgetreten. Auf beide Sprachen haben die Bemühun- gen der Missionarien grossen Einfluss gehabt, durch welche sie theilweise umgebildet und mit fremden Worten bereichert wurden, Beide liegen als Reste einer Urbildung der süd- americanıschen Autochthonen vor uns, welche über jede historische Zeit hinausreicht, und ihre seltsame Zerstreuung über ein ungeheueres Continent ist das auffallendste Gegenstück zu dem Räthsel, das uns die- Verwirrung einer einst in kleinen Horden nach den verschiedensten Rich- tungen stattgefundenen Völkerwanderung darbietet, 1098 (3.) Das Guarana (wohl zu unterscheiden von dem Gummi Caranna) ward ursprünglich nur von den Mauhes bereitet. Seitdem aber der Gebrauch desselben sich so weit verbreitet hat, dass es einen nicht unbeträchtlichen Handelsartikel ausmacht, wird es auch von andern Ansied.- lern, besonders in Yilla Boim und noch hie und da am Tapajöz verfertiget. Das ächte unter. scheidet sich von dem unächten durch grösseres Gewicht, grössere Härte und Dichtigkeit,-und dass sein Pulver keine weisse, sondern eine graulich rothe Farbe annimmt. Die Bereitung, welche mir der Indianer in Topinambarana zeigte, war folgende. Der Guaranästrauch, (Paullinia sor- bilis, Mart.: glabra, caule erecto angulato, foliis pinnatis bijugis, foliolis oblongis remote sj- nuato-obtuse dentatis, lateralibus basi rotundatis, extimo basi cuneato, petiolo nudo angulato, racemis pubescentibus erectis, capsulis pyriformibus apteris rostratis valvulis intus villosis) reift seine Saamen im Monat October und November. Diese werden aus der Capsel gelöst und an die Sonne gestellt. Wenn sie so weit ausgetrocknet worden, dass der weisse, sie zur Hälfte schüsselformig einschliessende Saamenhalter mit den Fingern abgerieben werden kann, schüttet man sie in einen steinernen Mörser oder auf eine vertiefte Platte von hartem Sandstein, welche von unten mit Kohlen erwärmt worden. Hierin werden sie zu einem feinen Pulver gerieben, welches, mit etwas wenigem Wasser angemengt, oder über Nacht dem Thaue ausgesetzt, sich zu einem Teige kneten lässt. ‚Unter diesen mengt man noch einzelne ganze oder in wenige Stücke zertheilte Saamen, und ballt nun das Ganze in beliebige Formen, gewöhnlich in cylindrische oder spitzweckförmige, ı2 bis 16 Unzen schwere Pasten, von fünf bis acht Zoll Länge bei verhältnissmäs- siger Dicke, seltner in Kugeln, zusammen. An der Sonne oder im Rauch der Hütte, in der Nähe des Feuers trocknet die Masse zu einer bedeutenden Härte ein, und wird so schwer zersprengbar, dass man eine Axt zur Zertheilung nöthig hat. Sie wird nun zwischen breiten Blättern von Würzschilfen (Scitamineae) in Körben oder Säcken verpackt, und kann sich, wenn sie nicht grosser Feuchtigkeit ausgesetzt wird, viele Jahre Jang unversehrt erhalten. Im Estado von Parä pflegt man die Guaranäpaste auf dem, mit zahlreichen Knochenfortsätzen versehenen, Zungen- Beine des Pirarucüfisches zu reiben, welches in einem von Uarumästengeln (Maranta Tonckat, A4ubl.) geflochtenen Körbchen, aufbewahrt, ein gewöhnliches Stück des Hausrathes ausmacht. (S. auf der Tafel: „Indianische Geräthschaften“ Fig. 40. und 42.) Eine minder gute Bereitungs- ‘weise mengt etwas Cacaopulver oder Mandioccamehl in das Guarandäpulver. Die Paste erhält dadurch eine weissliche Farbe im Bruche, und geringere Festigkeit und Haltbarkeit. Der wesentlichste Bestandtheil in dem Guarand ist, nach den darüber von meinem Bruder ge- machten Versuchen (vergl. Kastners Archiv f. d, Naturlehre B. VII. 1826. S, 266.), ein eigenthümli- cher, dem Anemonin verwandter, Stoff, den er Guaranin genannt hat; ausserdem finden sich darin . eisengrünender, eisenbläuender und orydirter Gerbestofl, Saponin, grünes, fettes Oel, Extractivstoff, Amylum mit Farbestoff und etwas Faserstoff, Das Guaranin ist in kaltem und warmem Wasser, in Alkohol, Schwefel- und Essigäther, fetten und ätherischen Oelen, in Schwefelalkohol u. =: f. löslich. Zwanzig Theile Alkohol und ein Theil Guaranin geben in der Wärme eine helle Auflösung, die beim Erkalten allen Weingeist fixirt. In einer Glasröhre sublimirt es bei geringer Hitze. Salzsaures Gold und Gallustinetur wirken auf seine Auflösung am stärksten unter allen Reagentien, Mit Säuren geht es keine Verbindungen ein. Als eine besondere Eigenthümlichkeit desselben führe ich die Kraft an; die Fische zu betäuben , welche, gemäss der Analogie mehrerer Pflanzen aus der Familie der Sapin- daceen, TROSEHRE RER der Paullinia Cururü und pinnata, L., darin aufgesucht, sich in einem hohen Grade bewährt hat. Auch Tauben und Hasen wurden dadurch unter besonderen Erscheinungen, vor züglich Lähmung der Extremitäten und Trismus, getödtet. Bei dar Section fand sich der Magen und Zwölffngerdarm geröthet, das Herz, die Venen des Halses und Kopfes von Blut strotzend. P7 “ 1099 Ueber die medicinischen Wirkungen des Guarand habe ich bereits Einiges (in Buchners Re- pertorium für die Pharmazie v. J. 1829.) bekannt gemacht. Es scheint hauptsächlich die Nerven des Unterleibs zu afficiren, und wirkt sehr kräftig als deprimirendes Mittel bei Diarrhöen und Ruh- ren, die von Verkältung oder Gemüthsaffecten herrühren , oder überhaupt bei Zuständen, wo eine krankhaft gesteigerte Sensibilität des Plexus coeliacus vorhanden ist. Es wird dagegen bei Congestio- nen oder Saburra nicht angezeigt. In grösseren Quantitäten erregt es das ganze Nervenleben, bringt Doppelsehen, Funken vor den Augen, Schlaflosigkeit, eine ungewöhnliche Aufregung und andere ähnliche Zustände hervor. Bei Mutterblutflüssen und andern passiven Blutungen hat es vortreffliche Dienste geleistet. Auffallend ist die, durch ganz Brasilien verbreitete Meinung, dass es zwar als Aphrodisiacum wirke, zugleich aber die vis foecundans seminis virilis nehme, Ich glaube, dass die Materia medica, bei genauer Prüfung der Eigenthümlichkeiten dieses seltsamen Mittels, einen sicheren Gewinn von seiner Anwendung ziehen werde. (4.) Amazonensteıs. PıraRe vıvıse. Larıs serermıcvs, Die sogenannten Amazonensteine stellen diejenige Varietät des Nephrits dar, welche von Wensrr Beilstein genannt wird, (Die französischen Mineralogen nennen ihn Jade, und rechnen dazu dasjenige Mineral, welches die Hauptmasse des Gabro ausmacht (Saussurit) und sonst dem Feldspathe beigezählt wurde.) Dıxco ne Onvas fand (ji. J. 1550) auf seiner Expedition im Amazonas bei den Indianern zwei Steine, welche die Spanier für Smaragde hielten (Herrera, IV. 10. c. 9.). Wenn diese Steine zu den hier in Rede stehenden ge- hörten, was wegen ihrer Grösse, und der Aussage der Indianer, dass es ganze Felsen davon gäbe, wahrscheinlich wird, so ist diess die älteste Nachricht von diesem Fossile,. Offenbar konnten die ge- genwärtigen Bewohner diesem harten Steine seine Gestalt nicht geben; auch hörten wir, eben so wie vor uns DE LA Coxvamıye und vos Humnoror, die Indianer” sich dahin erklären, dass der Stein unter Wasser aus Thon geformt worden, und an der Luft erhärtet sey. Man versicherte uns, dass man ausser der Form, die unser Stein hat, noch die von mancherlei Thieren, und Cylinder oder einfachen vier- eckige Täfelchen fände. Von der letztern Art sind die ehemals von den Jesuiten nach Euro en- deten Platten, auf welchen diese Zeichen des christlichen Cultus hatten eingraben lassen. / ater- land dieser Steine waren den obenerwähnten Reisenden bald das Land der Amazonen, bald die Quel- len des Orenoco oder des Rio Branco angegeben worden. Uns versicherte man, dass sie am häufig- sten von Indianern am Tapajöz, am Madeira und Puruz getragen würden, und wir möchten daher der Meinung Raum geben, dass sie von den Peruvianern, welchen der Gebrauch des Erzes bekannt war, zubereitet worden seyen. Manches in der Geschichte und den Sitten der am Amazonas woh- nenden Indianer weisst auf einen Zusammenhang derselben mit südlicheren Stämmen hin; Wanderun- gen vonS. nach N, sind schon durch den Verlauf der grossen Beiflüsse des Amazonas erklärlich, und “ die Zeugnisse der Indianer selbst erhalten höhere Gültigkeit durch den Umstand, dass die an den südlichen Abhängen der Gebirge von Parime hausenden Indianer mit denen am Amazonas selbst von jeher sehr wenig Verkehr gehabt, dagegen mit denen am oberen Rio Negro gehandelt haben. Uebri- gens widerstreitet nichts der Annahme, dass die bearbeiteten Steine von verschiedenen Seiten her zu den Wilden am Amazonas gekommen seyen, Müssen wir ja in Südamerica selbst wenigstens zwei Centralpuncte einer früheren Cultur, bei den Muyscas in Neugranada, und bei den Peruanern, an- nehmen. Den alten Mexicanern waren ähnliche grüne Steine unter dem Namen Xourouque .tecpatl bekannt, und es verdient vielleicht bemerkt zu werden, dass unser Amazonenstein in seiner Form mit dem Zeichen des Tecpatil (Silex, schneidendes Instrument) in den astronomischen Denkmälern der Mexicaner einige Aehnlichkeit hat. — Einen medicinischen Gebrauch kannten die von uns befragten Indianer nicht. In Deutschland waren die Steine vor etwa hundert Jahren gegen Nierenbeschwerden, Gicht, Rheumatismen, Ischiatik (daher Jade) berühmt, und das Einheilen kleiner, glattgeschliffener Linsen davon in den Oberarm, unter dem Musculus deltoideus, ist auch noch neuerlich von grossen Aerzten empfohlen worden. Newntes: Buch Erstes Rapitel. Aufenthalt in der Fortaleza da Barra do Rio Negro, und Ausflüge in der Umgegend. Der Reisende athmet freier, sobald er sich aus den Niederungen am Amazonas auf die höhern Ufer des Rio Negro versetzt sieht. Diese reinlichen Sandufer, an welchen hie und da Sandsteinfelsen , oder Bänke eines verhärteten Thones hervortreten, werden niemals von den Flu- then des Hochwassers gänzlich überschwemmt; sie sind deshalb frei von dem verworrenen, unreinlichen Igabswalde, der sich längs dem Amazonas hin erstreckt. Aus gleicher Ursache nehmen sie auch jene Schwärme von Mosquiten nicht auf, die den Reisenden bis hierher ver- folgt haben. Der Wald längs den Ufern erscheint, selbst von weitem gesehen, regelmässiger geschlossen, und in der Nähe mit der herrlich- sten Auswahl grosser, schönfarbiger Blüthen geschmückt. Einfach und monoton zieht er sich längs den Ufern hin, die sich nirgends zu Ber- gen erheben, oder zu steilen Schluchten vertiefen; doch ist das Terrain 1101 ungleich, hie und da mit Hügeln wechselnd, und zahlreiche kühle Bä- che, welche aus dem nördlichen Festlande in den Strom herabeilen , bringen Leben und Mannichfaltigkeit in die waldbedeckten Niederungen, während die Höhen, bisweilen durch Menschenhände in Wiesen umge- wandelt, jene heitere Aussicht auf grüne Flächen darbieten, denen der Reisende hier so selten begegnet. Zu allen diesen Reizen gesellt sich die majestätische Ruhe eines Aequatorialklima , welches frische Morgen, einen glühenden Mittag, labend kühle Abende und heitere Sternennächte in gleichmässigem Wechsel heraufführt. Mit den seligsten Empfindun- gen erfüllt sich das Herz des Menschen, der, den düstern Wäldern des Amazonas entrückt, die milde Gluth dieses Tages, die ernste Stille die- ser Nächte geniessen kann. Diess war der erste Eindruck, womit uns ein mehrtägiger Aufenthalt am Rio Negro bezauberte, und je länger wir hier verweilten, desto mehr bildete sich das Urtheil bei uns aus, diese Gegend sey für süsse herzzerschmelzende Wehmuth geschaflen,, das Land philosophischer Beschaulichkeit, heiliger Ruhe, tiefen Ernstes. Solche Betrachtungen knüpften sich sehr natürlich an die Erinnerung von so mannichfaltiger Noth und Gefahr, mit der wir dieses Ziel er- reicht hatten; ausserdem aber musste uns auch der Gedanke, dass wir uns fast in der Mitte des südamericanischen Continentes, nicht mehr ferne von Brasiliens Grenze, befänden, bedeutsam erscheinen. Dieselbe An- muth der Natur um uns her, welche uns mit den heitersten Empfin- dungen erfüllte, mag wohl an der schnellern Aufnahme und Bevölke- rung des Ortes Ursache seyn, der erst seit, dem Jahre ı80g Hauptort der Provinz von S. Joze do Rio Negro geworden ist (1.), und mit der Uebersiedlung der Residenz des Gouverneurs von Barcellos her nicht nur die höchsten Civil-und Militairbehörden, sondern noch meh- rere Familien aufgenommen hat, die früher in jener Villa, oder noch weiter oben im Rio Negro ansässig gewesen waren. Die Zahl der Einwohner ward uns auf mehr als dreitausend angegeben; jedoch fin- det sie sich nie vollständig in dem Orte, da ein Theil der Familien in entlegenen Fazendas oder Fischereien hauset, und nur bei den grössten Kirchenfesten hierher kommt. Zur Zeit unserer Anwesenheit war die II. Theil. 140 1102 Barra do Rio Negro, welche im Canzleistyle Fortaleza genannt wird, noch keine Villa, sondern blos Lugar (Dorf). Sie liegt am nördlichen. Ufer des Rio Negro, etwa eine deutsche Meile entfernt von der Ver- einigung desselben mit dem Amazonas, auf einem ungleichen, durch mehrere kleine Bäche zerschnittenen Terrain, und besteht, wie alle übrigen Villas des Estado, fast lediglich aus einstöckigen Häusern, de- ren Wände aus Balken, Flechtwerk und Lehm, die Dächer meistens aus Palmblättern erbaut sind. Die Häuser liegen weit aus einander, und bilden einige unregelmässige Strassen. Das unseres Freundes Zuanr schien das stattlichste von allen, und hatte selbst vor der Residenz des Gouverneurs voraus, aus zwei Stockwerken erbaut zu seyn. Es fehlt übrigens in diesen Wohnungen nicht an den Bequemlichkeiten, welche in heissen Ländern Bedürfniss sind; und obgleich so weit vom Ocean entfernt, findet man dennoch zahlreiche Spuren des Handels in Meubeln, vorzüglich aber in kleineren Geräthschaften des Hausrathes. Nebst der, dem Gouverneur von Parä untergeordneten, höchsten Autorität, gewöhn- lich einer Militärperson, residiren hier der Ouvidor und der General- vicarıus der Provinz. Die Geschäfte eines Juiz de Fora versieht ein Juiz ordinario. Die Provinz hat überdiess ein Schatzamt und die übri- gen untergeordneten administrativen Stellen ebenso, wie die anderen. Es fehlte noch an einem Arzte, Apotheker, und Schullehrer. Der grösste Theil der Bevölkerung, neue Einwanderer aus Portugal, oder Abkömm- linge von diesen, meistens mit indianischer Blutsmischung, betreibt Han- del mit den Producten seiner Fazendas und den, im Tausche von In- dianern erhaltenen, Naturerzeugnissen. Doch ist dieser Handel verhält- nissmässig sehr geringfügig, und der bereits in Santarem bemerkliche Mangel an baarem Gelde wird hier immer fühlbarer. Es ist kaum an- zunehmen, dass in der ganzen Provinz Rio Negro eine Summe von mehr als 30,000 harten Thalern Münze vorhanden sey. Aus diesem Grunde sieht die Regierung sich veranlasst, die Rente der Provinz nur durch den Zehent der Naturerzeugnisse zu erheben. Schwerlich dürfte dieser in der ganzen Provinz mehr als zwölf Contos de Reis betragen, obgleich hier von dem Mandioccamehl nicht wie in andern Provinzen 1103 fünf, sondern zehn Procent entrichtet werden. Einen sehr beträchtli- chen Theil des Zehents macht die Abgabe vom Schildkröteneierfett aus. Sie dürfte etwa tausend Töpfe (Potes) betragen, welche, in Parä ver- kauft, drei Contos rentiren. Der Zehent ist übrigens auch auf Hühner, Schweine u. s. w. ausgedehnt, und Generalpächtern überlassen. Die Staatsdiener übernehmen gewöhnlich einen Theil dieses Zehents statt der Besoldung. *) Bei dem geringen Einkommen der Provinz erschei- nen die Bemühungen des ArLmeıwa pa Gama Loso, der die Provinz um das Jahr ı78ı bis 88 verwaltete, um so verdienstlicher, die Finanzen durch Anlegung von Fabriken zu verbessern, in welchen er Indianer gegen geringen Taglohn für Rechnung der Regierung beschäftigte. Seine bei- den Schöpfungen, eine Baumwollenspinnstube mit Weberei und eine Töpferei, bestehen noch. Erstere rentirt täglich ohngefähr ı6,000, letztere 4,000 Reis. In dem Spinnhause, einem ziemlich grossen, nie- drigen Gebäude, waren zwanzig bis dreissig Indianerinen beschäftigt. Die hier bearbeitete Baumwolle, grösstentheils Zehent, ist sehr fein und gut; allein der Faden, welchen die Weiber auf schlecht construir- ten Rädern spinnen, ist grob, und eben so unvollkommen sind die, ge- genwärtig nicht alle beschäftigt@®h, Webstühle. Früher soll bisweilen täglich eine Rolle (Rollo de Panno) im Werthe von 32,000 R. fabri- cirt worden seyn. Die Weiber verdienen wöchentlich im Durchschnitte 800, die webenden Männer 1,200 R. Man rechnet, dass jede Spinne- rin täglich wenigstens ein halbes Pfund Baumwollengarn liefert, wofür 100 R. bezahlt werden. Die Töpferei benützt einen weisslichen und einen röthlichen Thon, die auf dem südlichen Ufer des Stromes bedeu- tende Lager bilden. Man bearbeitet ihn grösstentheils nur zu unglasir- tem Geschirre, besonders den Töpfen für das Schildkröteneierfett, und zu Ziegeln. Auch hier arbeiten mehr Weiber als Männer, um gleichen *) Ein Topf Sehildkröteneierfett wird von ihnen zu 1,280 Reis, der Korb Mehl von Man- diocca zu 500 R., die Arroba Taback zu 3,200 R., daS Pfund Guaranä zu 640 R., der Metzen (Alqueire) Castanien um 320 R. übernommen. — Der Sold des Gouverneurs berät 5000 Cru- sados, und der des Ouvidors , welcher zugleich Provedor da Fazenda (Fiscal der Finanzen) ist, 800,000 R. 140 * 1104 Taglohn wie in der Spinnerei. Diese beiden Anstalten entsprechen frei- lich den wohlwollenden Absichten des Stifters besonders in soferne we- nig, als die Weiber ihren Familien und den Mutterpflichten entzogen werden. In einem an Menschen so armen Lande scheint kein Bedürf- niss grösser, als das, die Bevölkerung durch Beförderung der Ehen zu vermehren. In dem oberen Flussgebiete des Rio Negro und am Rio Branco hat die Regierung noch einige andere Anstalten, wobei blos Männer, ebenfalls lauter Indianer, beschäftiget werden. Die einträglich- sten derselben sind Fabriken von Tauen und dicken Stricken aus den Fasern der Piagabapalme (Cordoarias de Piagaba), welche den besten russischen Hanftauen vorgezogen werden, und grösstentheils im Arse- nale von Parä verwendet, wohl auch von dort nach den westindischen Inseln ausgeführt werden. Die Fasern sind von grosser Festigkeit, Zähe und Härte, und widerstehen dem Einflusse des Wassers ungemein lange. Leider bin ich nicht im Stande, mit Gewissheit anzugeben, ob die Pia- caba vom Rio Negro eine und dieselbe, oder eine von der in der Pro- vinz Bahia beobachtete verschiedene Palmenart sey, da ich sie nicht: gesehen habe. Hr. v. HumsoLpr erwähnt ihrer ohne weitere Nachrich- ten, unter dem Namen Chiquichiqui # den sie am obern Rio Negro führt (in Bahia nennt man so die baumartigen stacheligen Cactus). Die Spanier in $. Carlos do Rio Negro verkaufen viele dieser Piagabastri- cke an die Brasilianer. Die Nachfrage darnach ist so gross, dass die Regierung jährlich davon um zehn Contos verkaufen könnte; allein da sie nur wenige Mannschaft auf die Fabrication verwenden kann, 50 steigt der jährliche Ertrag höchstens auf zwei bis drei Contos. Man hat diesen Artikel bis jetzt den Pächtern nicht überlassen, sondern ihn als Krongut behandelt, und von dem Arsenale in der Barra immer unmittelbar nach Para abgeliefert. Gama errichtete auch mehrere Indige- fabriken, sie sind aber fast ganz ın Verfall. Der hiesige Indigo ist einer der schlechtesten. — Die Barra do Rio Negro wird mit zunehmender Bevöl- kerung ein sehr wichtiger Platz für den ganzen Verkehr im Innern Brasiliens werden. Die Lage auf einer gesunden, anmuthigen Höhe, den ganzen Rio Negro beherrschend, in der Nähe des Amazonas, und nicht weit 1105. von der Mündung des Madeira in diesen, könnte nicht glücklicher ge- wählt seyn. Der Rio Negro und seine beiden Hauptbeiflüsse, der Uau- pes und Branco, sind freilich gegenwärtig sehr wenig cultivirt und be- völkert; wenn sich aber einmal diese fruchtbaren Länder zu Bildung | und Industrie erheben, wird ihr natürlicher Handelsweg die Barra be- rühren, und dieser Ort, dann zu einer reichen und mächtigen Handels- stadt aufgeblühet, wird der Schlüssel für die westlichen Lande 3&eyn. Selbst das obere Stromgebiet des Orenoco, durch die Fälle von dem nördlichen Ocean getrennt, wird auf dieser Seite mit Europa commu- niciren, dessen Schifffahrt von den Küsten des atlantischen Oceans auf dem, einem Meerarme ähnlichen, Amazonas, bis hierher fortgeführt werden kann. So weit entfernt übrigens diese glänzende Epoche noch seyn dürfte, wird doch die Wichtigkeit der Barra do Rio Negro von der Regierung vollständig gewürdigt. Eine kleine Befestigung wird er- halten, und soll allmälig mehr ausgedehnt werden; auch befindet sich hier das Hauptquartier des Militärdetachements der Provinz Rio Negro, etwa aus hundertfünfzig Mann bestehend, wovon die eine Hälfte der Linie, die andere den Militzen angehört. Diese letzteren sind bereits organisirt, und sollten zZ» Zeit acht Compagnien, jede zu achtzig Mann, ‚ausmachen; es waren jedoch erst vier vollständig ausgerüstet und exer- eirt. Nach brieflichen Nachrichten unseres Freundes Zany ist derselbe seitdem von dem RKaiser beauftragt worden, die Organisation von zwei Pegimentern in der ganzen Provinz vorzunehmen. Die hier garnisoni- venden Truppen haben einen sehr ausgedehnten und manchfaltigen Wir- kungskreis. In der Villa werden sie zur Handhabung der Polizei und zur Bewachung öffentlicher Gebäude verwendet; ausserhalb dienen sie in den drei Grenzposten von Tabatinga am Solimoes, von S$. Joze dos Marabitanas am Rio Negro und von $. Joaguim am Rio Branco. Sie patrouilliren gegen feindliche Indianer oder auf den Schildkrötenin- seln, begleiten die Reisenden, welche in die entfernteren Flüsse gehen, um die dortigen Naturerzeugnisse zu sammeln, und die Descimentos, d.h, Expeditionen, die in der Absicht angestellt werden, freie Indianer | in die Ortschaften herabzubringen. Zu den Privatunternehmungen werden 1106 sie requirirt und besonders besoldet. Da die Regierung auf den Fluren am Rio Branco eine bedeutende Menge von Hornvieh besitzt, deren Transporte von Zeit zu Zeit herabgeführt werden, um sie in den Ort- schaften am Rio Negro zu schlachten, so ist ein Theil der Garnison auch im Dienste jener Höfe beschättigt. Die Ordenanzas sind bis Jetzt in der Provinz noch nicht organisirt, obgleich es viele Officiere von die- sem Corps giebt. Die Annehmlichkeit des Aufenthaltes in der Barra do Rio Negro wurde durch die geselligen Tugenden unseres Reisegefährten Zany und seiner Freunde erhöht; doch drohte uns in den ersten Tagen ein selt- samer Vorfall Verdruss zu machen. Wir hatten nämlich mit denjeni- gen Indianern, welche uns noch fernerhin zu begleiten entschlossen wa- ren, das uns angewiesene Haus bezogen, und angefangen, den gewohn- ten Geschäften nachzuhängen, als unser nächster Nachbar, ein wacke- rer Bürger, erschien, und sich über mancherlei Diebstähle beklagte, die seit unserer Ankunft in seinem Hause, mit eben so viel Keckheit als Muthwille ausgeführt, sich fast täglich wiederholten, und keinen Zwei- fel liessen, dass sie einem unserer Begleiter zugeschrieben werden müss ten. Bald fehle die im Hofe zum Trocknen aufgehängte Wäsche, bald Küchengeräthe, ja sogar das bereits zum Feuer gestellte Gerichte. Die zusammengerufene Mannschaft wusste ihre Unschuld gründlich zu er- weisen, so dass uns nichts übrig blieb, als den Nachbar zu strengerer Aufsicht zu ermahnen. Einige Tage später war er auch so glücklich, den Thäter zu ertappen, und brachte ihn, da er allerdings Uns zuge hörte ‚ herbei: es war ein grosser Coatäaffe (Ateles Paniscus, Geoff); den wir frei umherlaufen zu lassen pflegten. Das Thier hatte dem an- gebornen Triebe zum Stehlen mit grosser Schlauheit gehorcht, und al les gestohlene Gut neben seinem Neste verborgen ; es war erwischt worden, als es den gewohnten Weg über das Dach herabkam, um den Fleischtopf am Heerde auszuleeren. Diese drollige Geschichte gab Veranlassung zu manchfaltigen Erzählungen von den Eigenthümlichker ten des Coatd. Man könnte ihn den Orang-Utan Brasiliens nennen, 1107 da er der grösste, thätigste und schlauste aller hier einheimischen Affenar- ten (3.) ist. Er wohnt einzeln in dichten Urwäldern, über deren höch- ste Aeste er sich mit einer fast unbegreiflichen Schnelligkeit mittelst der langen Arme und des langen Wickelschwanzes hinschwinget. In der Gefangenschaft nimmt er den Charakter eines harmlosen Schwankma- chers an, und wird daher von den Einwohnern häufig gezähmt gehal- ten. Diese Affenart ist es, von welcher die Indianer allgemein behaup- ten, dass sie durch ihre Verbindung mit den Indianerinen_ die Uginas oder Coata-Tapuüjas, einen geschwänzten Menschenstamm , hervorge- bracht hätte, welcher zwischen den Quellen der Rios Puruz und Furua hausen soll. Diese Sage ist mir eben so oft wiederholt worden, als die von den Amazonen, und MoxrEıro führt ($. 125.) sogar das eidliche Zeugniss eines Missionärs auf, welcher im Jahre ı752 einen Indianer aus den Wäldern am Yupurä gesehen, der einen fünf Zoll langen, haarlosen Schwanz gehabt hätte. Der fromme Vater setzt hin- zu, man habe ihm versichert, dass dieser Schwanz schnell wüchse, und desshalb von Zeit zu Zeit abgestutzt werden müsse. Die Täuschung mag in diesem Falle durch den Gürtel von Baumrinde veranlasst wor- den seyn, den mehrere Nationen am oberen Yupurä, wie z. B. die Miranhas, zu tragen pflegen. Uebrigens verlegt ein seltsames Gerücht ausser den geschwänzten Indianern gerade in jene Gegenden zwischen dem oberen Puruz und Furua auch noch andere Naturwunder. Dort sollen auch die Cauanas, eine Nation von Zwergen und, nach anderen Nachrichten (Rıseıro, (. 49.), sechszehn Spannen hohe Riesen wohnen. So wie die Tamanacos die Amazonen und das einzige, nach der allge- meinen Fluth zurückgebliebene Paar ihrer Vorältern an den Fluss Cu- chiuero versetzen; so die brasilianischen Indianer die meisten ihrer Fa- beln an die Quellen des Puruz und Furua und von da nach 5. in die unbekannten Flussgebiete des Beni und Madeira. Eben so allgemein, als die erwähnten und andere ähnliche Sagen, gehen fast durch alle Indianerstämme Brasiliens die dunklen Ideen von Geistern und spucken- den Unholden hindurch, Sie sind einer jener gewichtigen Beweise von einem frühern Zustande dieser Völker, worin sie zwar auf keiner hö- 1108 hern Bildungsstufe gestanden haben, aber, einander näher wohnend, gewisse Ideen auf so gleichförmige Weise ausbilden konnten, wie wir sie gegenwärtig auf eine höchst überraschende WVeise durch ganz Bra- silien ausgestreut sehen. Der Indianer kennt fast überall drei Arten von bösen Geistern: Jurupari, Gurupira (Corupira) und Uaiuara. Die Bezeichnung Jurupari findet sich am allgemeinsten durch ganz Brasi- lien bei allen Indianern, welche die allgemeine Sprache sprechen; wo der Gebrauch derselben aufgegeben worden ist, tritt. dagegen der por- tugiesische Name Demonio, böser Geist, Teufel, ein. Fast alle noch wilden Stämme besitzen dafür in ihren eigenen Sprachen gleichbedeu- tende Ausdrücke. Es verdient bemerkt zu werden, dass dieser Juru- pari, so wie das griechische Daemon, in vielen Sprachen zugleich die einzige Bezeichnung für Geist oder Seele des Menschen ist. _ Die Natur desselben ist böse, und er thut sich den Menschen in allen ungünstigen Schicksalen kund, denen sie ausgesetzt sind. Seuchen, reissende Thie- re, schädliche, elementarische Einflüsse werden von dem Indianer nicht etwa als durch den bösen Geist gesendet, sondern als dieser selbst m concreter Erscheinung gedacht. Dem Paze wird nicht selten ein wn- mittelbarer Verkehr mit dem Jurupari und die Fähigkeit zugeschrieben ihn herbeizuschwören. Jedoch erscheint der Dämon niemals in mensch- licher Gestalt; er verschwindet eilig wieder, und berührt somit nur flüchtig, gespensterhaft, die Schicksale der Menschen. 5) Diese Ver ‚hältnisse und der Umstand, dass viele indianische Stämme, wenn sie, nach priesterlicher Belehrung, einen Ausdruck für die Gottheit suchen, nicht selten das Wort Jurupari oder das gleichbedeutende ihrer Sprache gebrauchen, berechtigt zu dem Schlusse, dass dieses Wort der Inbegriff *) Wo der Indianer von langsam wirkenden feindlichen Kräften ergriffen und überwältigt wird, wo das Uebel nicht plötzlich, gleichsam elementarisch oder geisterhaft wirkend, herein- bricht, da hat cher die schwarze Kunst eines erzürnten Pajd gewirkt. Wir haben schon früher von dem Einflusse des indianischen Zauberers gesprochen (I. 379.). Sein Wirken kann füglich dem des ostasiatischen Schamanen verglichen werden. Am Amazonas hörten wir auch von He- Br (PIREBER imbära, Klapperhüchsen -Schwingerinen), deren böse Künste, von gleicher Natur, ee Benützung der kindischen Gespensterfurcht des Indianers gründen. 1109 aller Ahnungen von einem höheren geistigen Wesen sey, zu welcher ‚sich die düstere Stumpfheit indianischer Betrachtung erheben könne. Schmerzlich bleibt dann vor Allem die Bemerkung, dass Liebe und Ver- trauen auf ein höheres, ihre Schicksale leitendes, Wesen sich viel we- niger im Gemüthe dieser Menschen ankündige, als starre Furcht vor einer bösen, feindlichen Gewalt. Minder schrecklich als Jurupari ist. der Gurupira, ein neckischer Waldgeist, welcher den Indianern unter al- lerlei Formen begegnet, sich mit ihnen wohl auch in Gespräch einlässt, feindliche Gefühle zwischen einzelnen Personen erweckt oder unterhält, und mit Schadenfreude dem Ungemache oder Unglücke der Menschen zusieht. Als ich in der Barra do Rio Negro einst einen gewandten Indianer, der von den Fluren am Rio Branco hierher gekommen war (Indio camponez), auf eine Excursion in den Wald mit mir nahm, ver- lor er, von Jugend auf an die offenen Fluren gewöhnt, in der Nacht des Waldes den Weg, und wir irrten einige Stunden lang umher, wo- bei seine Aengstlichkeit immer mehr zunahm: Tief einherziehende Ge- witterwolken erkälteten die Luft, und machten eine Eidechse vor Er- starrung auf meinen Nacken herabfallen. Von diesem Augenblicke an war es um die ruhige Ueberlegung des Indianers vollends gethan. Aiyue tima catu, aique Gurupira, (Hier ist es nicht geheuer, das ist der Gurupira!) murmelte er zwischen den Zähnen, und mit Entsetzen sah er, wie ich den vermeinten Dämon in meiner Botanisircapsel aufbe- wahrte. Wir verloren uns immer tiefer in den Wald, und da endlich mein erschrockener Führer bis zur Hälfte des Leibes in einen mit Gras bewachsenen Sumpf versank, blickte er mit der sprechenden Gebärde auf mich zurück, als sey er schon in der Macht des Unholdes. Er zitterte am ganzen Leibe, und ich konnte ihn nur langsam, nach mehrmaligem Ausruhen, vorwärts bringen, bis ich so glücklich war, das Ufer des Stromes wieder zu gewinnen. Noch scheuer war ein Indianer vom Stamme der Catauaxis, mit welchem ich in Coarz botanisiren ging. Jeder krumme Ast oder abgestorbene Baumstrunk, jede seltsame Ver- schlingung von Sipös erschreckte ihn, und seine Furchtsamkeit schien in dem Grade zuzunehmen, als sich, mit Verzögerung der Rückkehr, Me. 5 u. 1110 die Sensationen des Hungers bei ihm einstellten. Er fand sich nicht eher zurecht, als bis er auf einen mit essbaren Früchten beladenen . Baum (Pama) stiess, über dessen rothe Beeren er mit Heisshunger her- fiel. Sobald er sich hier genug gethan hatte, nahm sein Muth wieder zu, und es schien, als wären die phantastischen Gebilde seiner Furcht nur aus dem leeren Magen aufgestiegen. So wie der Gurupira die dichten Wälder unsicher machen soll, halten die Anwohner der gros- sen Flüsse die Gewässer von anderen Unholden bevölkert, welche sie Ypupiara nennen. Dieses Wort, eigentlich Herr des Gewässers, ist wohl dasselbe, welches von den tief im Innern des Landes wohnenden Indianern für ein mit rückwärts stehenden Füssen oder mit einem drit- ten aus der Brust hervorgewachsenen Schenkel versehenes Uhnthier (Wald- teufel, vergl. $. 1092.) gebraucht wird, dem man um so näher kom- me, je weiter man sich von ihm zu entfernen glaube, und das seine Wuth an dem einsamen WVanderer auslasse, indem es ihn mit ver- schränkten Armen erdrossele. WVenn ein schlafender Indianer, von ei- nem Krokodil aus dem Kahn ins Wasser gezogen, verschwindet, so ist diess das Werk des bösen Fpupiara gewesen. Ein Dämon von einer ganz untergeordneten Natur ist der Uaiuära (etwa Waldherr?) der den Indianern gewöhnlich unter der Gestalt eines kleinen Männchens oder eines gewaltigen Hundes mit langen, klappernden Ohren zu erscheinen pflegt. Er lässt sich, wie das wilde Heer in der deutschen Sage, am furcht- barsten um Mitternacht vernehmen. Vielleicht ist dieses Gespenst der Luvishomens der Einwanderer. Auch die Irrlichter, welche die Por- tugiesen unter der Form eines kopflosen Pferdes darstellen, sind ihnen feurige Gespenster (Baetata). So hat die verdüsterte Phantasie des rohen Urmenschen America’s ihn von allen Seiten mit Larven und furcht- baren Gestalten umgeben, von deren Einflusse sich seine eingeschüch- terte Gemüthsart nie befreien kann; und in allen Handlungen hat er Furcht und Schrecken zu steten Begletern:: Auch kennt seine Sprache das Wort Schreckniss (Mocakyjacaba). Vielleicht durch diese Ge- spensterfurcht veranlasst, hängt er hie und da Gegenstände aus seinem täglichen Leben, z.B. Waffen, Büschel von Kräutern oder Vogelfedern, 1111 in der Einsamkeit des Waldes auf, ‚entweder als stilles Opfer, den schwarzen Mächten - zur Sühne dargebracht, oder als ermuthigende Zeugen, dass diese, an düsteren Eindrücken so reiche, Einsamkeit, be- reits schon von menschlichen Wesen durchwandert , dadurch dem Ein- flusse böser Dämonen entzogen sey. | Unsere Ausflüge in die Nachbarschaft der Villa machten uns mit einer von der bisher beobachteten deutlich verschiedenen Natur bekannt. Vorzüglich die numerischen Verhältnisse in der Vertheilung der Pflan- zen nach gewissen Gruppen oder Familien sind es, wodurch der Na- turforscher darauf hingewiesen wird, dass er an der Schwelle eines Stromgebietes wandere, welches von dem des Amazonas verschieden sey. Erfreulich konnte uns besonders seyn, statt „der verwirrten und gleichsam unreinlichen Vegetation an jenem S$trome eine grössere Menge heiterer, glänzender Formen und ein Vorherrschen aromatischer Bestand- theile wahrzunehmen. Myrten, Bignoniaceen, Swartzieen, Rubiaceen und Lorbeerarten werden hier bemerkbar häufiger. Unter den merkwürdi- gen Gewächsen dieser Gegenden fanden wir die Carajurü (Bignonia chica, Humb.), woraus eine der Indigobereitung ähnliche Procedur eine treffliche rothe Farbe gewinnt; welche von den Indianern in Kuchen von vier bis sechs Zoll Durchmesser zusammengeballt und in Beutel von Baumbast eingewickelt in den Handel kommt. (2.) In der Nähe des Stromes waren einige Cacaoplantagen angelegt worden, welche wir bei unseren Streifereien besuchten. Die Zahl der wilden Gacao- stämme ist am Rio Negro, und vorzüglich im oberen Gebiete dessel- ben, bei weitem geringer, als am Amazonas, vorzüglich zwischen Oby- dos, Santarem und von da abwärts bis zu den Inseln des Tocantins, auch wird behauptet, dass er minder reiche Erndten gäbe, und leicht wieder aussterbe. Aus diesem Grunde wird er auch hier mit weniger. Vorliebe angebaut, und man hält das Land mehr geeignet für Cafle, Taback und Zuckerrohr. Die Pflanzungen waren in regelmässigen Rei- hen, etwa fünfzehn Fuss von einander, angelegt, und die Bäume in einer Höhe von zwanzig Fuss abgestutzt worden. Reinlichkeit des Grun- des und das frische, saftige Grün des Laubes machen den Anblick einer 141 * 1112 wohlgehaltenen Cacaopflanzung überaus freundlich. Die Bäume fingen gerade jetzt an, abzublühen. Die darauffolgenden Früchte reifen im Februar und März. Bei cultivirten Bäumen tritt später eine zweite Blüthe ein, deren Früchte im August reifen; aber von wildwachsenden wird nur eine Lese, in den ersten Monaten des Jahres, gemacht. Es ist nicht selten, dass ein guter Baum auf einmal zehn bis zwölf Früchte trägt; jedoch ist es schwer ein Normalmaass für einen einzigen Baum anzugeben; in ganz gleichen Lagen liefert der eine jährlich sechs bis acht, und ein anderer nur ein bis zwei Pf. In den Jahren grosser Ueber- schwemmung ist die Erndte reicher. Dreijährige Bäume bringen schon Früchte. Auf tausend Bäume rechnet man im Durchschnitte jährlich 50 Arrobas trockner Bohnen. Die reifen Cacaofrüchte, welche kleinen Kür- bissen ähnlich sind, werden in der Mitte aufgeschnitten, und die herausge- nommenen Saamen auf einem groben Sieb gerieben, um den zuckersüs- sen Saft abzusondern, der in ihrem schleimigen Ueberzuge enthalten ist und von den Indianern als ein angenehmes Getränke geschätzt wird. Bei diesem Geschäfte nehmen die Indianer ohne Unterlass einige Saamen in den Mund, um sie auszusaugen. Nach dieser Operation wird der Ca- cao auf Flechtwerk von Marantastengeln (Tupe) getrocknet. Der wilde Cacao (C. bravo) ist stets schwerer und bitterer, als der in künst- lichen Anpflanzungen erzeugte (€. manso), nicht selten sind seine Bohnen auch kleiner. In den Pflanzungen selbst verkauft man die Arroba zu 1,000 Reis. Wir fanden daselbst auch mehrere Tama- rindenbäume, welche sehr hoch und kräftig gewachsen waren, und eine reiche Lese geben sollen. Man pflegt hier zu Lande Tamarinden- mark mit Zucker einzumachen, um es statt der Limonade zu gebrau- chen. Auch Orlean, Copaivabalsam, elastisches Gummi, Tonca- und ‚„Pechurimbohnen werden von hier nach Parä gesendet, aber bei weitem bedeutender ist der Handel mit Salsaparilha und, seit einiger Zeit, auch mit Baumwolle und Caffe. Weder der Toncabaum, hier. Cumaru $8% nannt (Cumaruna odorata, Aubl.), noch der Pechurimbaum sind. bis jetzt angebaut; ihre Saamen werden von den Indianern, besonders am oberen Rio Negro, sSesammelt, und in kleinen Quantitäten nach der se 1113 Barra gebracht. Ich war so glücklich, die Pflanzen selbst beobachten zu können, und erlangte dadurch die Gewissheit, dass die sogenannten grossen und kleinen Pechurimbohnen von zwei verschiedenen Bäumen herstammen. (Vergl. Anmerk. 2.) Auch die Vanille, wovon nur ganz kleine Bündel, mit Schlingpflanzen in Blätter eingebunden, durch die Indianer zu Markt gebracht werden, ist die Frucht mehrerer verschie- denartigen Gewächse, die die Untersuchung "eines späteren Botanikers erwarten. Unsere Spaziergänge führten nicht selten auf einem verwach- senen Waldwege, westlich von der Villa, zu dem Riacho da Cachoeira, einem Waldbache, der über ein Riff von röthlichem Quadersandstein her- abstürzend, eine anmuthige Cascade bildet. Das Wasser hatte hier ge- wöhnlich ı9,5° bis 20° R., eine Temperatur, die gegen den mittleren. Wärmestand der Gewässer des Amazonas (= 26° R.) bedeutend ab- stach , und uns die Genüsse eines nordischen Bades gestattete. Eine prachtvolle Mannichfaltigkeit von Blumen und Bäumen umhegt das Was- serbecken, so dass für uns Naturforscher die gepriesensten Bäder Ita- liens von geringerem Reize gewesen wären. Ich habe versucht (Palm, it. 52.) ein Bild jener zauberhaften Einsamkeit zu entwerfen. Wenn wir uns in den Wäldern weiter von der Barra entfernten, ward eine Begleitung bewaffneter Indianer nothwendig geachtet, weil die Gegend nicht selten von Onzen durchstreift wird. Zur Barra zurückgekehrt, belohnten wir die Begleiter durch einige Flaschen Branntwein, und er- munterten sie, ihre Gesellschaftsspiele zu spielen. Unter diesen ist der Fischtanz (Pira Poracey.a), dessen Musik wir in der Musikbeilage ge- geben haben, das beliebteste. Die Gesellschaft schliesst einen Rıreis um Einen, der den Fisch vorstellt, und vom Chor gefragt wird, "welche Art von Fisch er sey, worauf er antwortet: ich bin eben ein Fisch. Während der Kreis alle Namen von Fischen im monotonen Gesang ab- singt, und dem Gefangenen mit dem Betäubungsmittel des Timbo oder mit Fischreussen droht, sucht dieser den Reihen zu entschlüpfen,, und wo es gelingt, muss Derjenige in den Kreis eintreten, dessen Nachläs- sigkeit die Flucht gestattete. So einfach dieses Spiel ist, so fesselt es dennoch die Indianer ganze Tage lang, besonders wenn irgend ein 1114 ‚geistiges Getränke vorhanden ist, ihre Fröhlichkeit zu steigern. Ein an- deres Spiel, dem die Indianer mit noch grösserer Leidenschaft nach- hängen, kommt dem Würfelspiel nahe. Sie haben eine Anzahl kleiner, auf den verschiedenen Flächen mit mehr oder weniger Kerben verse- hener Stäbe (Fmyra jemossaraitaba); diese werfen sie, auf den ebenen Boden gelagert, in die Höhe und Derjenige gewinnt, dessen Hölzchen beim Herabfallen die meisten Kerben aufweiset. Obgleich von den Geist- lichen strenge verboten, wird es dennoch überall gespielt, wo sich die Indianer allein und unbelauscht ‚glauben. Diese Menschen sind, obgleich einsylbig und stille in ihren häuslichen Verhältnissen, einer oflenherzi- gen Cameradschaft zugänglich, und so fanden auch unsere Begleiter gar bald Bekannte, die sich mit ihnen an den Abenden durch jene Spiele unterhielten. Auch fremde Indianer, welche Tauschartikel in die Ortschaft brachten, schlossen sich nicht ungerne an. Unter diesen fand ich einen Aroagui mit sehr verlängerten Ohren, der erlaubte eine Skizze von seiner ächtindianischen Gesichtsbildung zu nehmen. (S. im Atlas die Figur „‚Aroaqui“). Mit andern Indianern von Taruma, einer benach- barten, von dem vorigen Gouverneur angelegten Plantage, kam einst- mal auch ein fünfzehnjähriges Mädchen, die Tochter eines dort aldeir- ten Paares, die durch vollkommen weisse, Haupt - und Augenbraunen- Haare und durch eine rothe Pupille das vollständigste Bild eines Kaker- laken darstellte. Sie schien kränklich und verkrüppelt, vielleicht von früher erlittenen Gewaltthätigkeiten und von Vernachlässigung, da die In- dianer solche, unter ihnen seltene Missgeburten verabscheuen, und bis- weilen bald nach der Geburt umbringen. z Obgleich das Terrain in dieser Gegend des Rio Negro bedeutend höher, als das des Amazonas ist, sind dennoch die Igarapes, jene schma- len, tief landeinwärts unter einander communicirenden, Canäle auch hier so häufig, das wir uns durch sie in unseren Wanderungen nicht ‚selten beschränkt sahen. Desshalb zogen wir vor, wie bei Para, un sere Excursionen in leichten Kähnen längs dem Ufer hin zu machen, und beschlossen einen weiteren Ausflug nach Manacarü, der Plantage 1115 unseres Freundes Zanv, eine starke Tagreise von der Barra am süd- lichen Ufer des Amazonas, der oberhalb seiner Vereinigung mit dem schwarzen Flusse, von den Portugiesen Solimoes genannt wird. Wir verliessen die Barra eines Abends, in Begleitung unseres Gastfreundes und des Herrn Gouverneurs, welcher überdiess einen Besuch in den Fischereien der Regierung vorhatte. Die Fahrt von einigen Stunden brachte uns aus den dunkelbraunen Gewässern des Rio Negro in den Amazonas, auf eine ausgedehnte Sandbank, die Praya do Cataläo, wo die Hangmatten an eingerammelten Pfählen aufgehängt, und die mei- sten Indianer mit Fischfang beschäftigt wurden. Während wir ihnen bei dieser heiteren Arbeit zusahen, kamen Einige unter ängstlichem Geschrei, dass eine Jacarenamboy.a umbherfliege. vom Innern der Sand- insel hergerannt, stürzten sich in den Strom, und tauchten so lange, als es ihnen möglich war, darin unter. Zu unserem Erstaunen ver- nahmen wir, dass die Indianer den Laternenträger für ein höchst gif- tiges Insect hielten, und sich vor den Stichen desselben auf diese Weise zu sichern suchten. Die seltsame Gestalt des Thierchens hat bei so abergläubigen Menschen diese ungegründete Furcht, und wahrscheinlich auch den Namen, der so viel als Krokodilschlange bedeutet, veranlasst. Wir fingen noch an jenem Abende einige derselben, zum grössten Graus der Indianer. Der Laternenträger (Fulgora laternaria, L.) fliegt schnell, in grossen Kreisen, und erscheint besonders am Abend über den Sandinseln. Wir haben niemals bemerkt, dass er leuchte; auch wissen davon die Indianer nichts. Phosphorescirende Käfer (Caca In- me) sind auch am Amazonas und seinen Beiflüssen häufig; jedoch er- innere ich mich nicht, die Erscheinung hier so häufig und wunderschön, als namentlich in den Wäldern der Serra do Mar, beobachtet zu ha- ben, wo die Zahl der Leuchtkäfer gross genug war, um die Umrisse der Gebüsche deutlich zu machen, durch welche sie hin und her kreis- ten. (4.) Am folgenden Morgen setzten wir die Reise am nördlichen Ufer des Solimoes stromaufwärts fort, und passirten die der Regierung zu- gehörige Caffeplantage von Caldeiräo. Obgleich die Anlage erst wenige Jahre bestand, lieferte sie doch jährlich schon dreihundert Arrobas 1116 eines ganz vortreflichen Caffe’s. Die Bohnen sind gross, schwer und sehr aromatisch, so dass der Caffe von Rio Negro bei zweckmässiger . Zubereitung eine beliebte Sorte werden dürfte. /Manacaru liegt auf der südlichen Seite des Solimoes, wohin wir nun zwischen ausgedehn- ten Inseln übersetzten. Am Spätabend traten wir in einen Canal (Pa- rand-mirim (d. i. kleiner Fluss; so heissen in Rio Negro die Neben- äste und Verbindungscanäle der Flüsse, welche gemäss einer grösseren Wassermenge nicht mehr /garapes, d. i. Rahnwege, genannt werden können,) auf welchem wir, ohngefähr eine halbe Meile landeinwärts, bis zur Fazenda unseres Freundes gelangten. Das Terrain, etwa zwanzig Fuss über den Wasserspiegel erhaben, ist nur in den, mit vielen na- türlichen Ak gräben durchzogenen, Niederungen den jährlichen Ueber- schwemmungen ausgesetzt, und daher jeder Art von Cultur fähig. Der Eigenthümer hat bereits 20,000 Cafle - und eben so viele Cacaobäume in Reihen gepflanzt, welche einen grossen Paum hinter dem Wohn- hause einnehmen. ' Vor diesem stehen, in ein Viereck vereinigt, die Hütten zur Aufbewahrung der Erndten, die Spinnstube und Schmiede, und zur Seite die Wohnungen der Sclaven und der Indianer. Sr. Zany hatte vorzüglich Passes , Juris und Macunds in seinem Dienste, die er veranlasst hatte, aus den Wäldern am Rio Yupura zu ihm herab- zukommen. Die beiden ersten Stämme, gewöhnlich Furu-pixuna (Schwarzmäuler) genannt, zeichnen sich durch Fleiss, Geschicklichkeit und Anhänglichkeit an ihre Pflegherrn aus. Alle diese gezähmten India- ner zeigten einen frohen und heiteren Ausdruck, die Folge ihres jetzi- gen, so günstig gegen die Sorgen und Unruhe in den Wäldern abste- chenden, Zustandes. Die in der Nähe von Manacarı angesiedelten Mu- ras hatten kaum unsere Ankunft vernommen, als sie bei dunkelnder Nacht in grosser Anzahl mit der Absicht herbeikamen, gegen die Freu- denbezeugung wegen Rückkehr ihres Schutzherrn einige Flaschen Brannt- wein zu erhalten. Es waren etwa sechzig Personen, Männer, Weiber und Kinder, Die Erwachsenen erschienen zwar insgesammt bekleidet; aber ihr unreinlicher Aufzug, besonders die wildverwirrten Haare, wel- che über die schwarz - und rothbemalten Gesichter hinabhingen, liess 1117 errathen, dass diess wider ihre Natur und nur auf Befehl unseres Wir- thes geschehe. Sobald der Mond aufgegangen war, ordneten sie sich im Hofe zum Tanz an. Sie bildeten, einander bei den Händen fassend, einen grossen Kreis, der auf der einen Seite die Weiber und Kinder, auf der andern die Männer enthielt. Wenn der Anführer (Principal, Tuxaua), ein stämmiger Mann, dessen Auszeichnung in einem Büschel schwarzer und gelber Federn bestand, die er am Vorderkopfe ange- bunden hatte, das Zeichen gab, so bewegte sich der Kreis, im Drei- schlag stampfend, bald rechts bald links herum, dabei ertönte das Ture und ein furchtbares Unisono, das Männer und Weiber bald abwechselnd bald gemeinschaftlich hervorschrieen. ($. Tänze der Muras in der Mu- sikbeilage n. 5. und 6.) Der Wechselgesang ward uns folgendermaas- sen übersetzt: die Männer: „‚Hier ist dein Teufel; wer will mich heu- rathen?“ Die Weiber: „Du bist ein hübscher Teufel; alle Weiber wollen dich heurathen. *) Dieser fast Stunden lang fortgesetzte Tanz und das wilde Geschrei der ausgelassenen Menge begann endlich auch unsere zahmen Indianer zu erhitzen. Sie erbaten sich einen eigenen Tanzplatz und fingen an, fast mit gleicher Ausgelassenheit umherzusprin- ‚gen, wobei sie folgenden einfachen Gesang wiederholten: Xe kyryre- ta poranga-ele vera tagud maiabe. (Meine Brüder sind schöner als ein gelber Vogel). Je länger die Festlichkeit dauerte, um so mehr nahm die bacchantische Wuth der Tanzenden zu. Reine Abmahnung vermochte sie zurückzuhalten, so dass wir uns lange schon zur Ruhe zurückgezogen hatten, während ihr wilder Lärm fortdauerte. Am an- ‚dern Morgen fanden wir ziemlich spät unsere Leute in ihren Hangmat- ten, und bei einem Besuche in dem Bivouac, den die [Muras südlich von der Fazenda an der Lagoa de Manacaru aufgeschlagen hatten, i } *) In der Lingua brasilica heissen diese Worte so: Ike cecöi nde jurupari; matä momen- där polär xe-irupams? — Nd& jurupari poränga, cunhaeta pabe momendär potär nde-iruna- md. Nach dem verdorbenen Dialekte, der von den Indianern am Rio Negro gesprochen wird, lauten dieselben Worte so: Pussucu En& jurupari; mat4 umenar putar sairüm? — In& jurupari Poränga , coinänget4 pau& umenär putär neirüm. Dieses Beispiel mag beweisen, wie sehr die Lingua geral im Munde des Volkes von dem ursprünglichen Typus abgewandelt wird. ’ II. Theil. 1118 erfuhren wir, dass sie Alle am Frühen Morgen ein Bad genommen, und sich dann in ihre Hütten begeben hätten, wo wir die Männer schla- fend, die Weiber mit Kochen beschäftigt, antrafen. Mehrere dieser herumziehenden Muras werden als gewandte Fischer von den benach- barten iedlern benützt; denn überhaupt sind alle Höfe in diesen Ge- genden auf Fischfang eingerichtet und berechnet; so auch hier in Ma- nacaru. Ein Ableitungscanal der Lagoa de Manacaru, welcher sich in den Stromast mündet, auf welchem wir angekommen waren, ist in der Nähe der Wohnungen mit einem Dache für die Canoas und einem Ge- rüste versehen, worauf die gefangenen Fische ausgeweidet und einge- salzen werden. Solche Fischereien sind vorzugsweise auf den Fang des Pirarucu berechnet, weil dieser grosse, oft fünfzig bis sechzig Pfunde schwere, Fisch sich am meisten zum Einsalzen und Trocknen eignet. Man erlegt ihn mit dem Harpun, oder mit Pfeilen; seltener wird er in Netzen gefangen. Die Zubereitung in der Fischerei (Pesqueiro) ist einfach und schnell. Kopf, Eingeweide, Pückenwirbelsäule und Schup- pen werden im das Wasser geworfen; das Fleisch wird in grossen Stü- cken von den Knochen abgeschnitten, gesalzen und an der Sonne, oder auch über einem Feuer getrocknet. Unglaublich gross ist die Men- ge dieses Fisches, welche alljährlich in den, theils der Regierung ge hörigen, theils von Privaten unterhaltenen, Fischereien eingesalzen wird. Er vertritt hier vollkommen die Stelle des Stockfisches, und macht die wichtigste Speise der arbeitenden Classe aus. Hier, in dem men- schenarmen Rio Negro, kostet die Arroba des getrockneten Fisches nur 500 Reis; aber seine Fischerei wird um so einträglicher, je mehr da- von in die untere Provinz versendet werden kann. Die übrigen, klei neren Fische werden in geringerem Verhältnisse gesalzen und getrock- net, aber um so häufiger frisch verzehrt. Mehrere Arten der hiesigen Fische, namentlich aus der Abtheilung der Salmen, sind von trefflichem Geschmacke. Die Fischerei des Pirarucu wird am vortheilhaftesten in denjenigen Monaten getrieben, wenn der Strom entleert ist, und Glei- ches gilt von dem Delphin (Delphinus amazonicus, nobis, 5.), der uns in den Gewässern des Amazonas um so häufiger erschienen war, je weiter A 1119 wir uns nach Westen begeben hatten. Es ward beschlossen, hier auf diese beiden Thiere für unsere Sammlung Jagd zu machen, und schon am ersten Tage ward ein grosser Delphin herbeigebracht, den die Mu- ras harpunirt hatten. Dieser Delphin bewohnt die tiefen klaren Buchten des Stromes und seiner Confluenten, vorzüglich da, wo die Ufer stei- ' nig sind oder aus festem Letten bestehen, Nicht selten erschienen uns an solchen Orten ganze Rudel derselben, pfeilschnell an der Oberfläche des Gewässers herumschwimmend, untertauchend und im Heraufkom- men plätschernd Wasser um sich herspritzend. Sie erheben biswei- len nicht blos die spitzige Schnautze, sondern auch einen Theil des ganz haarlosen, sieben bis acht Fuss langen Leibes aus dem Wasser. Ihre Nahrung besteht nicht blos aus kleinen Fischen, sondern auch aus allerlei, in den Strom fallenden, Früchten, z. B. der Inga-, der Sapu- cayabäume und der Labatia macrocarpa. Man hat den Delphin vom Amazonas wohl nicht selten für identisch mit dem Delphinus Phocae- na, L. gehalten, von dem er sich am deutlichsten durch den schmale- ren Rüssel unterscheidet. Schon das verschiedene Vaterland hätte da- ran erinnern können, dass hier zwei verschiedene Thierarten zusam- mengestellt worden. Während die mittlere Temperatur des Weltmee- res in den nördlichsten Breiten, dem Vaterlande des D. Phocaena, nur wenige Grade über dem Eispunct ist, lebt dieses Wassersäugthier hier in den Gewässern des Amazonas, deren Temperatur kaum jemals un- ter 20° R. betragen möchte. Der Delphin (hier 2oto) ist übrigens für die Anwohner des Stromes minder wichtig, als die andern grossen Was- serthiere, denn sein Fleisch ist hart und von einem etwas thranigen Geschmacke. Auch ist die Lage weissen Speckes unter der Haut nicht so ergiebig, als die des Lamantin. Aus dem dicken Felle machen die wilden Indianer Schilde, und in der Höhle eines reinlich skeletirten Del- phinschädels heben sie bisweilen ihr Paricä- oder Ypadupulver auf. — Die thierischen Abfälle an der Fischerei hatten eine grosse Menge von Rai- mans herbeigelockt, welche bald ruhig hin und herschwimmend, bald den Fluss mit dem Schwanze schlagend oder abwechselnd auf- und untertauchend, sich um die Nähe arbeitender Menschen nicht zu küm- 142 * 1120 mern schienen. Schon öfters hatten wir diese Unthiere vorzüglich an solchen Orten in Menge bemerkt, wo sie durch Fleisch oder Blut an- gelockt worden waren; noch nie aber bot sich uns ein gleich furcht- bares Schauspiel dar. Man hat im Allgemeinen eine zu milde Vorstel- lung von dem americanischen Krokodil; weder an Grösse noch an Ge- frässigkeit und Bösartigkeit steht es dem africanischen nach. Die Thie- re, welche hier in einer Gesellschaft von sechzig und mehr Individuen heimisch geworden zu seyn schienen, massen fünfzehn bis vierundzwanzig F. Zwei Skelete, die wir von dort nach München brachten, haben zwölf F. Länge. Die Indianer versicherten uns, dass das stärkere unter ihnen von einem fünfzehn bis zwanzig Jahre alten Thiere seyn dürfte. Es war nicht der am Rio de $. Francisco und in andern südlicheren Gegenden beobachtete Brillenkaiman (Croc. sclerops, Schneid.), sondern eine viel stärkere Art, (C. niger, Spix Lac. t. 4.), die wir schon an ‚vielen Orten im Amazonas gesehen hatten, und in dem westlicheren Flussgebiete immer häufiger fanden. Die kürzere, stumpferere Schnauze, der schwarze, hie und da mit gelblichen Flecken gezeichnete Panzer und die Grösse lassen dieses Thier auf den ersten Blick von jener kleineren, grünlich- braunen Art unterscheiden. Die Einwohner nennen es auch vorzugs- weise Jacare-agü, grossen Kaiman. ”) Es kostete wenig Mühe, einige *) Der schwarze Kaiman vom Amazonenstrome unterscheidet sich von dem Brillenkaiman auch in der Physiognomie, wenn man diesen Ausdruck von seinem furchtbaren Kopfe gebrau- chen kann, der gleichsam nichts als Rachen ist, Seine Augenhöhlen sind weiter und die zwi- schen ihnen liegenden Knochen treten in einen minder hohen Kamm heryor. Die kurzen Füsse und der breite Schwanz sind kräftiger. Am Ufer liegend oder gehend hat das Thier weniger von dem furchtharen Ausdrucke, den es schwimmend, gleichsam mit erhöhter Beweglichkeit , erhält. Gewöhnlich gelıt es langsam, und dann werden Wanst und Schwanz wenig über die ehe erhaben getragen; nur wenn es einen heftigen Anlauf nimmt, erhebt es den letzteren schräg aufwärts. Im Wasser dagegen scheint das Missverhältniss zwischen der Masse des un- geschlachten Leibes und den, dann ausgestreckten, Füssen verringert, und die Bewegungen We er. san Sntanllgarı der Serrınn une EEE und vom wildesten Adsaniehe, "Wenn ar En en FRE kaum die Augen und die Spitze des Schwanzes aus dem W. 2 s = 2 ne chi t dann 8% wöhnlich in gerader Richtung hin und her ohne d Brie ERDE & = = Auf Beute lauernd bleibt es oft lJanse Zeit unbeweeli h Rs Re; Br x: er . Baum- 5 ewezlich, und gleicht dann einem schwimmenden Bau strunke. Auffallend i ; 7 » z ; “t.]ich ist, dass es gerade im Wasser bei verstärkter Beweglichkeit weniger gefährlic 1121 dieser gefrässigen Ungeheuer zu fangen. Der aufgeblasene Magen einer Schildkröte, im Innern mit einem grossen Hacken bewaffnet, ward an einer eisernen Kette von dem Gerüste der Fischerei aus zwischen die Krokodile hinabgelassen, unter denen alsbald ein Streit wegen der Beute entstand. ‘Von allen Seiten schwammen sie herbei und schnappten nach dem Köder, den endlich dasjenige festhielt, welches den furchtbaren Rachen am weitesten aufgesperrt hatte, um ihn zu verschlingen. Als sich das Ungethüm festgebissen hatte, war grosse Kraft nöthig, es von der Flucht in die Tiefe abzuhalten, und es unter gräulichem Schnar- chen und Schlagen mit dem Schweife an das Land zu ziehen, wo seine Fesseln an einen Baum befestigt wurden, und wir es einen Tag lang sich selbst überliessen, bis ein kühner Mura ihm den Unterleib auf- schlitzte und es durch Verletzung der edlen Eingeweide tödtete. Gewöhn- ist, als am Lande. Die Indianer versichern, dass man den Verfolgungen des Jacar6 entgehe, sobald man untertauche, weil nur die’aus dem Wasser hervorragenden Theile von ihm ergrif- fen würden. In der Verfolgung oder im Kampfe mit einem Feinde verdoppelt es die Schläge des Schwanzes; ja es soll diesen benutzen, seine Beute zum Rachen zu führen. Was in sein mächtiges Gebiss gefallen, wird nicht mehr losgelassen; der Kaiman wendet den Kopf hin und her, bis er den gefassten Theil abgerissen hat. Ausserordentlich gefrässig und vorzüglich dem faulenden Fleische geneigt, verschmäht er keine Art von Beute. Man sagt, doch ist diess vielleicht eines der vielen Indianermährchen, dass er, wenn er einmal Menschenfleisch gefres- sen habe, immer lüsterner darnach und immer kühner werde. Er ist übrigens am wildesten und thätigsten zur Zeit der Begattung und des Eierlegens, worin er am Amazonenstrome fast dieselben Perioden mit den Schildkröten einhält. Die Begattung geschieht am Lande oder in seichten Lachen des ausgetretenen Stromes. Sie leben in Polygamie. Das Weibchen legt dreissig, etwa vier Zoll lange, elliptische harte Eier in eine seichte Grube des Erdreiches ober- halb des Ufers, bedeckt sie mit Blättern und Sand und bewacht sie von Ferne. Wenn die ausgekrochenen Jungen zum Strome herabkommen, sind sie nicht selten eine Beute der gros- sen Störche und Geier oder der heisshungrigen Männchen selbst. Ohne diesen Umstand wür- den sich die Thiere hier auf eine furchtbare Weise vermehren. Die Indianer essen nicht blos diese Eier, sondern auch das Fleisch des ganzen Körpers, obgleich es einen widerlichen Mo- schusgeruch hat, der ihm zum Theile von den Moschusdrüsen am Halse und von den Ge. schlechtstheilen mitgetheilt wird. Sie dörren das Fleisch im Moquem und braten das grünliche Fett heraus; womit sie Salben und Farben zur Bemalung des Körpers anreiben. Aus einem Theile des Panzers bereiten sich mehrere kriegerische Stämme zwischen dem Rio Negro und dem Yupurd ihre Schilde. — Ohne Zweifel ist es dieselbe Art des Kaimans, welche, nebst C. fissipes, Spix., auch die westlieheren Gegenden am Solimo&s in der Provinz Maynas hewohnt wo beide Lagarto heissen. 1122 \ lich werden die Thiere mit Keulen erschlagen, was wir zur Erhaltung des Skeletes vermeiden wollten. Es ist bekannt, dass die WVilden aus- ser der eben beschriebenen Weise, den Raiman zu tödten, noch die einfachere üben, ihn seines Gebisses zu berauben, indem sie ihm ein weiches Stück Holz vorhalten. Hat er sich darin verbissen, so kann man ihm ohne Gefahr den Kopf zerschmettern. So mährchenhaft es auch klingen mag, ist es doch wahr, dass die Indianer dem Thiere bisweilen auf den Rücken springen, und ihm das weiche Holz der Am- bauva wie einen Zaum in den Rachen geben. Uebrigens zielen sie im- mer nach den Augen, wenn sie sich, was nicht selten geschieht, von dem Thiere überfallen sehen; und die kleinste Wunde veranlasst es dann, von seiner Verfolgung abzustehen. — Nach dem Fange eines Krokodils blieb uns noch ein dritter Bewohner des Gewässers übrig, den wir ebenfalls in /Manacaruü erhielten, nämlich der Lamantin oder Manatı (MManatus americanus, Cuv., in der Lingua geral Goarava, Goaragod). Dieser Wall scheint früherhin in Brasilien häufiger gewesen zu seyn, als jetzt. Er bewohnte die Küstenflüsse zwischen Rio de Janeiro und Maranhäo, und wurde von den Ansiedlern wegen seines Thrans so stark verfolgt, dass er gegenwärtig fast ausgerottet ist. Nur im Rio de 5. Francisco kommt er bisweilen vor. Um so gemeiner ist er aber im- mer noch im Amazonenstrom und in seinen grösseren Confluenten. Wegen der Aehnlichkeit mit einem Ochsen nennen ihn die Portugiesen Ochsenfisch (Peixe Boy), die Spanier Seekuh (Faca marina). Man sieht oft mehrere im ruhigen Wasser beisammen , vorzüglich in den stillen, tiefen Buchten des Stromes. Seine Jagd wird, nicht wie die des Del- phins in der Stromleere, sondern während der Hochwasser angestellt. Man harpunirt ihn wie den Wallfisch, vorzüglich um des Thranes wil- ‚len, wovon von einem sogenannten Thranfische (Peixe Boy de Azeile, vielleicht: dem ausgewachsenen Männchen?) 480 bis 500 Gallonen aus 5esotten werden können. Das sehr weisse, dem Schweinfleisch ähnli- che, mit Feillagen wechselnde Fleisch, besonders des Unterleibes, ist er treffliches Gericht. Ich erinnere mich nicht ‚ in Brasilien eine köst- lichere Fleischspeise genossen zu haben. Man macht daraus, mit den 1123 Därmen des Ochsenfisches selbst, sehr wohlschmeckende Würste (in der Lingua geral Mixiras, von Mixire, braten), welche als Seltenheit nach Portugal versendet werden. Die Indianer gebrauchen das Fett des Lamantin wie das des Kaimans. ”*) Unter den erheiternden Beschäfti- gungen, denen wir uns in /Manacarü hingeben konnten, muss ich auch noch des Vogelfanges erwähnen. Die Wälder, besonders des inneren Festlandes, sind mit schönen Taubenarten zahlreich bevölkert, und ob- gleich es diesen Thieren nicht an Futter fehlt, suchen sie doch mit grosser Begierde die ihnen vorgestreuten Gerstenkörner auf. Dieser Köder ward über Nacht in frisch ausgepressten Mandioccasaft einge- weicht, ein.sehr gefährliches Gift für sie. Wenn sie genug der Kör- ner gefressen hatten, vermochten sie nicht, wieder aufzusteigen und fielen zuckend in unsere Hände. Es ist bekannt, dass manche Pflanzer *) Der Lamantin erreicht in don Gewässern des Amazonas, Rio Negro und Solimo&s eine Grösse von fünfzehn, ja bisweilen sogar von zwanzig Fuss, und wiegt dann siebzig bis achtzig Centner. Der dickste Theil des Leibes misst in diesem Falle im Umkreise zwölf bis fünfzehn Fuss. So hässlich im Allgemeinen die Form des ungeschlachten Thieres ist, liegt doch in. den Zügen des dicken, stumpfen, nicht mit Unrecht dem eines Kalbes verglichenen Antlitzes jener Aus- druck stiller Friedfertigkef, womit das Thier, wenn auch nicht in grösseren Hatfen zusammen, doch paarweise nebeneinander zu wohnen pflegt. Da die Weibchen nur ein oder zwei Junge werfen, und, wie die Indianer versicherten, eilf Monate trächtig gehen, ist es nicht: zu wun- dern, wenn die Verfolgungen des Krokodils und der Menschen die Zahl der Lamantine schnell einigen, Auch will man bemerken , dass diess in einem sehr bedeutenden Verhältnisse statt finde, je mehr sich die Bevölkerung ausbreite. Der Lamantin lebt lediglich vom Gras der Ufer, darunter vorzugsweise von Echinochloa elephantipes, Nees, und von mancherlei Arten von Panicum, und Paspalus, deren Wachsthum während der trocknen Monate längs den. Ufern überaus üppig ist. Zur Zeit der Hochwasser, wo jene Gräser grossentheils unter Wasser gesetzt und verfault sind, wird er gezwungen, weiter landaufwärts -zu steigen, um Nahrung zu suchen. Er ver- lässt jedoch niemals das Wasser gänzlich, weil er zu Lande sich kaum bewegen kann. Wird bisweilen ein Thier beim Zurücktritt der Gewässer auf dem Trocknen gelassen, so ist es meistens eine Beute des Todes. Man kann sich ihnen ohne Furcht nähern, da sie zu scheu sind, irgend einen Angriff zu machen, und selbst nur dann beissen könnten, wenn der Zufall ihnen etwas in den Rachen geführt hätte, der bei ausgewachsenen Thieren nur mit Stockzähnen versehen ist, Die Weibchen säugen das Junge an ihrer flachen Brust wenigstens ein halbes Jahr lang. Die Menschenähnlichkeit ihrer Organisation hat die wüste Lüsternheit der Indianer . zu einem schändlichen Laster gereizt, das sie bei dem Fange eines Weibchens um so häufiger begehen, als sie glauben, dadurch ihr Jägerglück zu befestigen. — Auch an den Küsten von Africa kennen die Portugiesen einen Manatus, unter dem Namen Peixe Mulher, 1116 sich des frischen, in der Sonne etwas verdickten Mandioccasaftes auf gleiche Weise bedienen, um die Papageien und andere Vögel von den Verheerungen in der Saat von Mais, Reis und Bohnen abzuhalten. Die Körner nehmen, darin eingeweicht, bald hinreichenden Giftstoff auf, um jene Vögel zu betäuben, wenn sie die aus der Erde hervor- gescharrte Saat verschlucken. Aehnliche Ausflüge, als der nach /Manacaru, wobei wir Gelegen- heit hatten, die Einförmigkeit zu beobachten, worin das Thier - und Pflanzenreich sich in den Niederungen am Amazonas überall gleich bleibt, bestimmten uns, die Reise in Westen von der Barra do Rio Negro so weit als möglich aüuszudehnen, um, vielleicht, die Grenze kennen zu lernen, welche die Natur in ihren Producten zwischen dem des un- teren und oberen Stromgebietes des Amazonenflusses bezeichnet haben dürfte. Den Solimoes zogen wir in dieser Beziehung dem Rio Negro desshalb vor, weil, den neuesten Nachrichten zufolge, an mehreren Orten in dem Stromgebiete des letzteren gerade damals bösartige Fie- ber herrschten, deren Einfluss wir unsere bereits geschwächte Gesund- heit nicht auszusetzen wagten. Ueberdiess hatte sich Sr. Zany erboten, uns bis zu der Villa de Ega zu begleiten. Um eine schnellere und an- genehmere Reise zu machen, schifften wir uns mit unserem Begleiter auf zwei Rähnen ein, die, ohne Verdeck, nur im Hintertheile mit ei- nem Blätterdache versehen, bei einer Länge von sechs und dreissig und einer Breite von vier bis sechs Fuss, für sechs Ruderer und drei bis vier andere Personen Raum gewährten. Der Sergeant ward beordert, in unserem grösseren, die Vorräthe führenden Fahrzeuge, bis Ega vor- auszueilen. Von den drei Soldaten, die uns überdiess beigegeben wa- ren, wurden zwei als für unsern Dienst ungeeignet in der Darra ZU- rückgelassen, und mit Ausnahme einiger weniger Indianer aus der un- tern Provinz sahen wir uns von einer ganz fremden Equipage umge es Nur die Aussicht, eine muthige und mit den Gefahren ähnlicher Reisen vertraute Mannschaft in unserer Nähe zu haben, welche von Sr. Zany in Handelsgeschäften ebenfalls nach Ega abgeordnet worden w 1125 war, verminderte die Besorgnisse über die Gefahren einer Reise, auf der wir, uns von den sparsamen europäischen Ansiedlungen längs dem Solimoes entfernend, zahlreiche wilde Stämme in ihren ursprünglichen Wohnsitzen zu besuchen, uns vorgesetzt hatten. “ Anmerkungen zum ersten Rapitel. (1.) GescnicutLiche Momente der Provinz Rio Negro. Als ersten Congquistador des Rio Negro nennt Rısrıro ($. 298.) den Peoro na Costa Faveıza, früheren Begleiter des P. Teıxeıra auf der Reise nach Quito. Dieser habe, nach Indianern jagend, den Strom um das Jahr ı668 und ı66g beschifft; und wenige Jahre später (1671.) sey die Festung an der Mündung des Stromes erbaut worden. Die erste, der portugiesischen Regierung unterworfene, Ortschaft lag eine Meile weiter westlich. Es war eine Mission der Carmeliten , welche die In- dianer Tarumäs, anfänglich in grosser Zahl , daselbst aldeirten, so dass man achthundert waf- fenfähige Männer zählte ($. 318.). Gegenwärtig ist davon keine Spur mehr zu finden, und heben sind die mächtigsten Stämme, welche anfänglich am Strome wohnten, die Bares, Manäaos und die diesen feindlichen Carayais jetzt, wenn auch nicht gänzlich ausgestorben, doch ohne Nationalität und eigene Sprache unter den Ansiedlern zerstreut. In der Fortaleza da Barra wurden Indianer von den Stämmen der Banibäs, Bares und Passes, letztere vom Rio Yupurä , aldeirt. Die Mandos, ursprünglich Anthropophagen und sehr kriegerisch, waren im zweiten Decennium des vorigen Jahrhunderts, besonders unter ihrem Caciken Asvrıcasa, gefürch- tete Sclavenjäger. Sie bekriegten die Nachbarn, und verkauften ihre Gefangenen an die Hol- länder von Essequebo, mit denen sie dureh den Rio Branco in Verkehr standen. Die Portu- giesen machten ihrerseits ebenfalls Expeditionen, um Sclaven zu gewinnen, wobei sie schon um jene Zeit über die Katarakten des Stromes hinauskamen. Solche Tropas de Resgate, d. i. Expeditionen zur Auslösung von Gefangenen, pflegten sich für eine gewisse Zeit lang hie und da festzusetzen ( fazer Arrayal), und aus diesem ersten Anbaue entstanden nachmals formliche Nieder- lassungen und Ortschaften. In den Jahren ı725 und ı726 hatten die Portugiesen den Strom, der sonst Quiary, (schlechthin Fluss), im oberen Theile Ueneya oder Guainid hiess, bis Yavita, nördlich von der Mündung des Cagiquiary, beschifft, und bezogen von da aus Indianer für ihre Ort- schaften. Eine solche Expedition war es, auf welcher 1744. Franc. Xav. pe Moraes dem spa- nischen Jesuiten Manoeı Romano begegnete, wodurch die Verbindung des Rio Negro mit dem Orenoco mittelst des Cagiquiary den Spaniern bekannt wurde. Diese Thatsache benützte i. J. 1763 der Gouverneur von Parä, Man. Bern. pe MerLo De Castro, um dem spanischen Grenz- commissär D. J. pe Yrurrıaca, welcher verlangte, dass die Portugiesen ihre Besatzungen bis zu dem Falle von Corocobi zurückzögen, das ursprüngliche Eigenthumsrecht der Krone von Portugal darzuthun. Die ersten Niederlassungen der Spanier am obern Rio Negro, S. Carlos und $, Felipe wurden ı759, wie die portugiesischen Autoritäten behaupteten (Rıszıro $. 309.), auf portugiesischem Grund und Boden, in den indianischen Ortschaften von spanischen Solda- ten, unter dem Vorwande gegründet, Waarenhäuser und Depots für die daselbst erwartete spa- II. Theil. 143 % 1120 nische Grenzcommission zu errichten. Uıin jene Zeit (1756.) hatte Franc. Xav. pe Menvonga Furrapo bei seinem ersten Besuche die Provinz $. Jozd do Rio Negro von Parä abgetrennt, die Aldea Marius, wo er einen Zusammentritt mit dem spanischen Grenzcommissär vorberei- tete, unter dem Namen Barcellos zur Villa und Hauptstadt der Provinz ernannt und die Ein- wanderung von Portugiesen und -die Aldeirung der Indianer thätig betrieben. Der erste Goun- verneur der neuen Provinz traf im Jahre 1758 ein; ihm folgten der Ouvidor und Generalvicar. Die Indianer, welche in Barcellos aldeirt wurden , gehörten zu den Stämmen der Mandos, Bares, Baydnas, Uariquenas und Passes. Inzwischen wurden am Rio Negro von Carmeliten mehrere Missionen gegründet, Die portugiesischen Niederlassungen wurden zweimal, um das Jahr 1725 und ı756., von empörten Indianern beunruhigt; nachdem aber ihre Waffen immer siegreicher waren, finden sich die noch freien Stämme in den entfernteren Gegenden des Strom- | gebietes gegenwärtig in einem Zustand von Schwäche, dass sie wohl schwerlich den Niederlas- sungen noch je gefährlich werden möchten. (2.) ÜzBer eınıce Drocven unD Arzueistorre von Rıo Nesro. ı. Die Cnıca, in Para, Rio Negro und Surinam Carajuri genannt, ist neuerlich zum Gelb - und Rothfärben der Baum- wolle angewendet worden, und empfiehlt sich unter Anderm durch die ausserordentliche Theil- barkeit ihres Farbestoffes. In Holland, wohin sie seit längerer Zeit schon aus Surinam gebracht wird, soll man sie auch zur Verfälschung der Cochenille brauchen. Man findet dieses schöne Roth gemeiniglich in die Form von flachen Kuchen zusammengeballt, bisweilen aber auch als ein sehr feines Pulver. Der Farbestoff desselben ist eigener Art, und besitzt viele Achnlichkeit mit dem Alkanin, dem Orlean und dem Krapproth. Von dem Drachenblute und anderen har- zigen Substanzen unterscheidet es sich vorzüglich durch seine Zersetzbarkeit beim Erhitzen , ohne zu schmelzen, seine Leichtlöslichkeit in fixem und flüchtigem Alkali, und dadurch dass es aus alkoholischen’ Auflösungen durch Wasserzusatz nicht wie ein Harz präcipitirt wird. Seine Bereitung aus den Blättern der Bignonia Chica, Bonp. geschieht folgendermaassen. Die India- ner, und sie sind es bis jetzt ausschliesslich, welche sich damit beschäftigen, riehmen die Blät- ter von dem Strauche ab , vorzüglich, wenn sie anfangen, röthlich zu werden, lassen sie im Schatten welk werden, und werfen sie dann in einen ausgehöhlten Baumstamm oder in einen grossen, aus dem weichen Holze eines Feigenbaumes geschnittenen Bottich. Mit Wasser über- g0ssen, gehen die Blätter in Gährung über, und lassen den rothen Farbestoff unter der Form eines schr feinen, leichten Pulyers niederfallen. Das unreine Wasser wird abgeschöpft, reines aufgeschüttet, und wenn der Bodensatz ohne weitere Unreinigkeit durchschimmert , wird er durch gänzliches Abgiessen der darüber stehenden Flüssigkeit und Abtrocknen in der Sonne zur staubartigen ‚Consistenz gebracht, oder mit den Händen zu Kuchen geballt. DieIndianer färben sich die Haut mit dem Carajuru, das sie mit Wasser oder mit Schildkröteneierfett abreiben; auch ‚halten sie einen klaren, wässerigen Aufguss davon, täglich in grosser Quantität getrunken , n Blut und Nieren reinigendes Mittel. Als Handelsartikel kommt das Carajurü bis jetzt t wen; ‚In Betracht. Meistens wird es nur zufällig von den Indianern eingetauscht. Mon zahlt an den a do Rio Negro einen Kuchen, von etwa 10 Unzen Gewicht, mit 360 Röt (Vergl. über « ie Chiea: Humb. Belat. IL, . 258. GiliSaggio I. $. 218. Annales de Chimie. 1824- Nov. $. 315) er z En | | | 1127 2. Cacao. Bekanntlich gehört der Cacao von Parä und Rio Negro zu den mittleren, ja sogar schlechten Sorten, weil er einen etwas scharfen oder bitterlichen Geschmackhat, und weniger des milden Oeles enthält. Diess rührt zum Theile davon her, dass der Cacao hier mehr von wilden Bäumen, als von gepflanzten gesammelt wird. Im Zustande der Freiheit entwickeln die Gewächse mehr von den ihnen specifisch zukommenden Stoffen, welchen, was den Cacao betrifft, das dem Coffein vergleichbare , bittere Princip zuzugesellen ist. Dagegen findet sich in der Frucht von gebauten Pflanzen mehr des Cacaoöles; denn fette Oele werden in den Früch- ten durch Cultur vermehrt. Die Maranham-Bohnen sind desshalb auch meistens flach, nicht so reich an Masse, wie die besseren Sorten. Ausserdem mag zur Verschlechterung dieser Ca- caosorte der Umstand beitragen, dass man bei der Zubereitung der Saamen nicht genug Sorg- falt anwendet, Die Procedur, die Bohnen einzugraben, welche zum Zwecke hat, die, ohne starken Luftzutritt bewirkte Art von Gährung hervorzubringen, welche die Keimkraft nimmt und das bittere Aroma fixirt, ist hier ganz unbekannt. Man begnügt sich, did Bohnen in der Sonne trocknen zu lassen, und versäumt sogar, sie durch mehrmaliges Umrühren abwechselnd mit der Luft in Berührung zu bringen. Bei dem Einsammeln des wilden Cacao würde diess Geschäft oft selbst durch die Oertlichkeit erschwert werden, weil es, in den feuchten Niederun- gen des Ygaps-Waldes an trocknen, freien Ränmen fehlt, und die Sammler bisweilen auf den Kahn beschränkt sind. — Zu erwähnen ist übrigens, dass, wenn gleich bei weitem der grösste Theil des Cacao jener Gegenden von Theobroma Cacao, L. herrührt, doch, ohne Zweifel, auch die Saamen anderer Arten, welche den Sammlern in die Hände fallen, darunter gemengt mit in den Handel kommen. — Das von Humsorpr und Bonrıano in der Provinz Choco entdeckte Theobroma bicolor habe ich auch bei der Barra do Rio Negro, in Manacurü und am Yupurä wild wachsend gefunden; und ausserdem sind mir in diesen Gegenden noch mehrere Arten von Cacao: Theobroma speciosum, Willd., subincanum, Mart., sylvestre. Aubl., und miero- carpum, Mart. vorgekommen. (Vergl. Martius über den Cacao, in Brihapi Repertor. f. Pharm. Bd. XXXV. S. 1. u.s.£.) 3. Pecnurımsonnen. In Rio Negro wird die Bohne vorzugsweise Puchury, Puchurim ge- nannt (das Wort kommt in mehreren indianischen Sprachen vor; so bezeichnet es z.B, bei den Catoquinas die Giftpflanze, woraus das Pfeilgift Urari bereitet wird). Die grössere Sorte dieser aromatischen Saamen kommt von Ocötea Puchury major, Mart.: glabra,, ramulis erecto - patu- lis, foliis ovato- oblongis acuminatis basi acutis coriaceis nitidis; pedunculis axillaribus solitarüis aut nonnullis aggregatis quam folia duplo brevioribus,, calyce fructiferomaximo spongioso; drupa elliptica subbipollicari. Die kleinere Sorte kommt von Ocotea Puchäry minor, Mart.: glabra , ramulis patulis, folüs _ oblongis acuminatis basi acutis; racemis axillaribus paueifloris, calyce Jructifero subsolitario breviter pedunculato axillari aut terminali margine extenuato basin versus sulcato gibbosoque; drupa elliptica, ultrapollicari. Beide Arten von Bäumen lassen die reifen Früchte aus den Kelchen auf den Boden fallen, wo sie von den Indianern aufgelesen , ihres Fleisches beraubt, und sodann über einem gelinden Feuer getrocknet werden. Hiebei geht ein Theil des flüchtigen Oeles verloren, doch ist diese Behandlungsweise nöthig, damit die Saamen nicht faulen. Bis Parä werden sie gewöhnlich in Körben, von dort aus in Kisten oder Säcken versendet. Die- Pechurimbohnen kommen, eben so wie die Toncabohnen, vorzüglich in dem oberen Theile des Rio Negro vor; am Amazonas sind sie viel seltner. Ze 1123 4. Diese Aequatorialgegenden sind ungemein reich an Pflanzen aus der Familie der Lor- beeren, und viele derselben werden von den Einwohnern angewendet. Einer der wichtigsten Bäume dieser Art heisst in Rio Negro Casca pretiosa, oder Pereiorä, bei den Bares Hinidäo (Cry- ptocarya pretiosa, Mart. in BuchnersRep. Bd.XXXI S.356.) Die Rinde riecht fast wie der Sassa- fras, ist aber viel reicher an einem eigenthümlichen ätherischen Oele. Man gebraucht das Decoct oder Jnfusum derselben gegen Nervenschwäche, Oedem der Füsse, in Folge von Erkäl- tungen, chronische Katarrhe, Wassersucht, Gicht, Syphilis. Die Saamen enthalten das bele- bende Oel in noch stärkerem Verhältnisse, und werden geschabt, mit Wein, besonders auch gegen Magenschwäche, Dyspepsie, Flatulenz u. s. f. angewendet. — Hierher gehört auch der Cujumarybaum. Ocotes Cujumary, Mart.: glabra, ramulis patulis, Joliis eoriaceis supra nili- dis angusto -oblongis cuspidatis Junioribus basi acutis, racemis composilis terminalibus , calycibus Frucliferis verruculosis margine integerrimo; drupa elliptica semipollicari. Seine aromatischen Saamen werden vorzüglich mit Wein gegen dieselben Leiden der Verdauungsorgane angewen- det. Ueberdiess gebrauchen die Einwohner diese gepulverten Saamen zugleich mit dem Pulver des halbverkohlten Holzes der Piracuuva, täglich zu drei bis vier Drachmen, in Wasser so- wohl gegen diese Krankheiten , als gegen rheumatische Schmerzen nach Erkältungen. — Gegen Steifheit, Contracturen der Gliedmassen und rheumatische Schmerzen wird ein Balsam aus den Saamen einer andern Laurine äusserlich angewendet, Es ist: Ocotea opifera, Mart: Folüs ob- longis acuminalis basi acutis subtus reticulato -venulosis panieulisque dimidio brevioribus, floribus- que bibracteatis sericeo-canis; drupis ovatis obtusis scmipollicaribus, in cupulis hemisphaericis. Das ätherische Oel, welches die Saamen enthalten, kann die Stelle des Rosmarin - oder Citro- nenöles vertreten. — Zwar nicht in der Nähe des Amazonas, aber doch in der Provinz Rio Negro, am Yupurä, fand ich auch noch eine andere Lorbeerart, deren sehr aromatische, bittere Rinde als ein treffliches magenstärkendes Mittel hie und da von den Indianern angewendet wird. Es ist: Ocotea amara, Mart.: glaberrima, ” Ffolüs lanceolato - oblongis acuminatis, basi aculis coriaceis supra nitidis; racemis axillaribus paucifloris, calyce fructifero subsolitario termi- nali, margine passim gibbo; drupa elliptica ultrapollicari. 5. Zahllos sind in den Wäldern von Bio Negro die Pflanzen, welche einen Milchsaft ab- sondern. Man könnte daher, ohne Zweifel, hier noch viel mehr elastisches Gummi gewinnen, wenn man sich hierin nicht auf die Serin geira (Siphonia elastica, Rich. vergl. oben $. 915.) beschränkte. Unter den nutzbaren Gewächsen, welche solche Säfte absondern, erwähne ich hier noch der Sebuü-üva (S ucuüba) Plumeria phagedaenica, Mart.: Joliis cuneato -obova- tis breviter acuminatis vel rotundatis, utringue glabris supra nitidis subtus costato -venosis, flo- ribus racemoso-corymbosis, bracteis carinatis involucratis, tubo corollae gracili, laciniis obligus lanceolatis. In der Dosis von einer halben bis ganzen Drachme innerlich genommen, bedient man sich des Milchsaftes zur Abtreibnng der Würmer ; äusserlich wird er zur Reinigung bös- artiger Geschwüre, gegen Flechten und Warzen angewendet. Auch der bereits erwähnte Milch- saft der Sorveira ($.1031.) wird gegen Würmer, in gleichem Verhältniss, verordnet. Ein drittes starkes Wurmmittel liefert die Coajingüva, Ficus anthelmintica: trunco elato; folüs oblongis acutis basi © tusiusculis, subtus tenuissime. papilloso - mollibus , nervo basi biglanduloso wenisque eyes ectangulis parallelis albis; receptaculis nonnullis aggregatis globosis bracteatis. Die Dosis ist täglich ein bis zwei Scrupel, Da Wurmkrankheiten hier sehr häufig, und in mancherlei Com- % we 1129 plicationen, vorkommen, so findet man den Gebrauch dieser drastischen Milchsäfte sehr verbrei- tet. Auch der Milchsaft der unreifen Früchte der Mammäo (Carica Papaya, L.) wird, mit Wasser und Zucker angeriehen,, zur Vertreibung der Würmer gebraucht, Er soll übrigens Grimmen, und in stärkeren Dosen gebraucht, gefährliche Zufälle veranlassen können. — Sehr giftig soll der Milchsaft des Murure& seyn, eines Baumes, den ich nicht kennen gelernt habe, 6. Manacän, Geratacaca, Mercurio vegetal, (Franciscea uniflora, Por. vergl. I. S. 792.) Die ganze Pflanze, namentlich aber die Wurzel, ist ein heftiges Drasticum und Incidens. Die Indianer gebrauchten es von jeher innerlich und äusserlich gegen Schlangenbiss. Gegenwärtig wird es hauptsächlich gegen Syphilis angewendet. Es erregt heftige Ausleerungen jeder Art, und muss mit Vorsicht angewendet werden. Vergl. Martius in Buchners Repert, Bd. XXXL S. 379. Gegen Schlangengift wird der ausgepresste Saft der Begonien (Po €) 0) getrunken. 7. Die klimatischen Verhältnisse und die Lebensart der Einwohner erheischen nichi selten starke Reize für das gastrische System als Ableitungsmittel gegen Fieberzustände, oder gegen Verstopfung, Magenschmerzen, Apetitlosigkeit, gastrisches Kopfweh u. dgl. Unter den Mitteln, welche solche Indicationen befriedigen, sind zwei Apocyneen zu nennen, deren frisches Holz geschabt und mit Wasser infundirt wird. Das Wasser, mit den wirksamen Theilen geschwän- gert, wird in grossen Quantitäten getrunken, und wirkt zunächst diaphoretisch und purgativ. Es sind diese Pflanzen zwei baumartige Lianen: Echites grandiflora, Meyer und Echites Cu- rurü, Mart.: caule arborescente subvolubili, ramulis verruculosis, tota glabra; folüs oblongis breviter acuminatis basi acutiusculis subtus reticulato -venulosis; racemis corymbosis multifloris axillaribus et terminalibus, lacinis calycis imbricatis ovatis obtusis,. corollae fauce pubente, la- ciniis obovato -rotundatis. Beide heissen Sıipö Cururü. — Als mildes Purgans gebraucht man das Muss aus den Früchten des Mari-mari-Baumes;(Cathartocarpus grandis, P.) 8. Gegen Syphilis werden vorzüglichauch dieBlätterder Caroba (Jacaranda procera, Sp.) angewendet. Man braucht äusserlich Kataplasmen, innerlich einen Absud, der Vomiren und Diarrhöe hervorbringt, wenn die Dosis zu stark war. 9. Die besten bitteren Mittel in jenen Gegenden sind: Das Holz und die Rinde der Mar- ubä oder Simarubä (Simaruba excelsa, D. C.), die Wurzel der Tachia gujanensis, Aubl, (Mart. Nov. Gen. et Spec. t. ı89.), dort Raiz de Jacar&-arü oder Cofferana genannt, und das Kraut der Mata Canna (Vandellia diffusa, L.). Die letztere Pflanze vertritt etwa die Stelle unseres Bitterklees. Gegen Schwäche der Verdauungsorgane, gastrische, namentlich viertägige Fieber. hat sie sich als wirksam erprobt. Sie wirkt, in starken Gaben, wo sie Cru- didäten findet, emetisch und purgativ. ı0. Balsame kennt man hier in grosser Menge. Der Copaivabalsam wird von Copaifera gujanensis, Jacquini und andern Arten gewonnen. Der Umiri-Baum (Humirium floribundum, Nov. Gen. et Spec. t. 199.) liefert einen klaren, gelben, ungemein wohlriechenden Balsam, der in seinen Wirkungen zwischen dem Copaiva. und dem peruvianischen Balsam in der Mitte stehen dürfte. Als treffliches Wundmittel ward mir der Balsamo de Tamacoare genannt, den ich jedoch nicht kennen gelernt habe, Gegen Zahnweh: das Oel der Toncabohne. 1130 ı1. Oelpflanzen sind hier dieselben, wie in-Maranhäo (vergl. D. S. 875.). Ich erwähne hier nur noch der Saamenkerne der Castanie von Maranhäo, in der indianischen Sprache Nhä oder Niä genannt, Diese enthalten so ungemein viel eines klaren, dem Mandelöl gleichen fetten Oeles, dass sie auch in dieser Beziehung die Aufmerksamkeit der dortigen Einwohner verdienten, ı00 Theile der zerstampften Saamen geben 56 Theile eines flüssigen Oeles, das aus 74 Theilen Eläine und 26 Theilen Stearine besteht. Auch die Saamen der Gattung Caryo- car, hier Piquiä genannt, könnten zu gleichem Zwecke verwendet werden. Bis jetzt werden sie nur als Repräsentanten der Wallnüsse geschätzt und verspeiset. — Eine andere, dem Cäcao- butter ähnliche Fettigkeit wird aus den Saamenkernen eines Baumes, der hier Ucuüya genannt wird, Myristica (Virola) sebifera Aubl., gewonnen. Ein Alqueire dieser Saamen, über einem schwachen Feuer erhitzt, dann ausgepresst, liefert eine Arroba dieses vegetabilischen Fettes, das zu Salben und Lichtern verwendet wird, £ ı2. Statt der Adstrigentien aus der Familie der Hülsenfrüchter, welche in den südlichen Provinzen häufig angewendet werden, pflegen die Ansiedler die frischgestossene oder abgekochte Wurzel des Goyavebaumes (Psidium pomiferum, L.) zu gebrauchen, Sie dient vorzüglich bei serösen Diarrhöen, und in der Ruhr, sobald die entzündlichen Zustände bereits gehoben wor- den sind. 13. Ambaüuva mansa oder do Vinho (Puruma cecropiaefolia, M.), heisst in Pard und Rio Negro ein Baum, welcher im Aeussern die grösste Aehnlichkeit mit der ächten Am- baüva (Ceeropia) hat, sich aber durch seine Frucht unterscheidet. Diese, eine saftige, etwas schleimige Steinbeere, hat einen sehr angenehmen, süsslich sauren Geschmack, und kommt darin mehr als irgend eine andere brasilianische Frucht der unseres Weinstockes nahe. ‚Sie wird daher von Indianern, wie von andern Ansiedlern, mit Begierde aufgesucht, und sogar auch hie und da angepflanzt. Man hat auch Versuche mit dem Weinstocke gemacht, welche in schatligen, gemässigteren Lagen kein ungünstiges. Resultat lieferten. Die Reben trugen nicht selten zweimal im Jahre, im May und im November, Früchte. Uebrigens gedeihen alle Früchte des tropischen Brasiliens auch in diesen gesegneten Breiten vortrefflich, Besonders wohlschme- ckend und kühlend sind mehrere Arten von Maracujä (Passiflora). — Die europäischen Ge- müsearten kommen, mit Ausnahme der Laucharten , minder gut Tort; Regenwürmer und Amei- sen stellen ihnen sehr nach. Ein häufiges Gemüse, welches die Stelle des Spinats vertritt, lie- fert das Kraut der Portulaca pilosa , welche, sowie die ächte P, oleracea, angebaut wird, (3.) ÜUzser Dır Arsen am Amazoxas, Sorimons vxo Yoruma. Es gehört vielleicht zu den cha. rakteristischen Eigenthümlichkeiten dieser Gegenden, ‚dass sie die Heimath einer ausserordentlich f grossen Anzahl von Affen (port. Bugio, Mono, in der Lingua geral Macdca, woraus das, in ‚die portugiesische Sprache aufgenommene, Macaco entstanden) sind. Keine Ordnung der Säugthiere, welche dem neuen Continente eigenthümlich ist, wird durch eine gleich grosse Anzahl von Arten und Individuen repräsentirt, Es dürfte daher nicht ungeeignet seyn, die hier vorkommenden an ‚ulühren, wobei ich auf meines verstorbenen Collegen Monographie (Spix, Simiae et Vespertilion. Fol. Mon. 1223.) hinweise. Unter dem Namen Prego (Nagel, ob figuram membri yir.) kennen die Anwebuse: ‚des Stromes mehrere Arten der Gattung Cebus: ı. robustus, 2. zanthosternus, ig: 3. fatuellus, 4. capucin us, Geoffroy und 5. gracilis, Spix, Letzterer heisst in der Lingua geral, ? | 1131 Caiarara. Man sieht diese Affen in irn. ‚Haufen beisammen, mit ausserordentlicher ‚Geschwin- digkeit durch das Dickicht der Wälder ziehen. Obgleich leicht zähmbar, werden sie minder häufig, als andere Arten, in den Häusern gehalten, weil sie, ungemein beweglich, lasciv, unreinlich und lär- mend, sehr geneigt sind, die Ruhe’ des Hauses zu stören. Die Indianer ziehen ihr Fleisch dem vie- ler anderen vor, was zugleich mit der seltsamen Meinung von der Heilkraft eines gewissen Körper- theiles (vergl. S, 1077.) vielleicht eine Ursache mehr ist, sie seltener zu zähmen. 6. Der Oacarı (Ouacari) Simia melanocephalus, Humb. (am Orenoco Cacı :jao oder Mono Feo, Brachyteles Ouacary, Sp.) und 7. der verwandte Simia Satanas, Humb, (Brachyurus Israelita, Sp.) empfehlen sich eben so wenig durch ihre Sitten zu Hausbewohnern, DieLieblingsaffen der Indianer sind der Coatä (Ateles Paniscus, Geoffr., am Orenoco Marimonda genannt), wegen seiner Grösse und drolligen Gravität, und die Barrigudos, 8. Lagothrix canus und 9. Humboldti, Geoffr. oder Gastrimargus oli- ‚vaceus und infumatus, Sp. Diese Affen, von einer, ihrem Stamme selten eigenen Ruhe und Gutmü- thigkeit des Temperaments, und durch grosse Gefrässigkeit leicht an den Umgang des Menschen zu fesseln, haben eine wahre Negerphysiögnomie, weshalb sie auch oft mit dem, für kleine Schwarze gebräuchlichen, Namen Muleque belegt werden. Ihr dicker Hängebauch, ihre lächerlichen Grimassen und Bewegungen, bei denen der Wickelschwanz. eine unglaubliche Stärke bewährt, ihre schmunzelnde Anhänglichkeit, welche sich gleichsam täglich beim Anblick einer jeden Schüssel erneuert, endlich ein hoher Grad von Intelligenz ‚ den sie in künstlichverhehlten Diebereien beurkunden, machen sie allerdings zu einem erheiternden Hausthiere. Doch scheint es schwierig, sie in kälteren Klimaten zu erhalten; ‘denn sie sind, sowie die kleinen Tamarin (Midas) und Sagoin - Affen (Jacchus) sehr em- pfindlich gegen die Kälte, und erkranken an Gicht, Rheumatismen und Verstopfungen der Eingeweide. 10. Der Parauä (Marauä, Paragoä)-agu (Pithecia hirsuta, Sp.) und der (vielleicht nicht speci- fisch verschiedene ?) kleinere Paraua (Pithecia inusta, Sp.) sind ebenfalls empfindliche, weichliche Thierchen, und überdiess wegen ihres grämlichen Charakters keine heitere Umgebung. Doch habe ich sie schr häufig bei den Juris und Miranhas am Yupura gezähmt und gegen ihre Herrn äusserst zutraulich gefunden, und war dort sogar Zeuge, dass eine Indianerin einem dieser hässlichen, pe- dantisch umhersehenden Thiere die Brust gab, Ihr undeutlich artieulirtes, halblautes Geplauder stei- gern sie in der Freiheit vorzüglich am Morgen und.Abend zu. helleren Tönen, wenn sie, zu zahlrei- chen Schaaren versammelt, durch die Wipfel der Bäume hinziehen. Ihre Lieblingsnahrung sind süsse, weiche Früchte. Die Arten der Gattung Callithrix, welche in jenem Gebiete vorkommen: 11. C. amicia, Geoffr ‚12. C. cinerascens, Sp., 13, C. cuprea, Sp. (Oyapuza) sind weniger zur Zähmung geeignet; sie sind unruhige Thiere, ohne etwas Einnehmendes in ihren Sitten, - Auch erinnere ich mich nicht, sie irgendwo frei als Hausthiere gesehen zu haben, Dasselbe gilt von den Heulaffen, deren die Einwohner mehrere Arten 14. den Arauato (Mycetesstramineus, Sp, Stentor, Geoffr.) und die Guaribas (15. M. discolor, Sp., 16. M. ursinus Humbd, (fuscus, Sp.), 17. barbatus, Sp. oder Stentor niger, Geoffr. und 18. rufimanus, Kuhl., unterscheiden. Diese gelten den Indianern als eine der besten: Arten von Wild. Die kleinsten Affenarten dieser Gegenden: 19. der Mico (Mi: das bicolor, Sp., ferner die Sadih 20. Oedipus, Geoffr., 21. IM. fuscicollis, nigricollis und Mystar, Sp.) und Jacchus 22. penicillatus, Geoffr. und 25. pygmaeus, Sp. lassen sich ohne Unterschied zähmen, und werden wegen ihrer niedlichen Gestalt nicht selten im Zimmer gehalten. Es sind ruhige, harm- lose Thierchen, ohne heftige Leidenschaften. Sie gewöhnen sich so sehr an die Person ihres Herrn, dass sie bei anscheinender Gefahr, oder während der Kühle der Nacht Schutz ind Wärme in den Kleidern desselben suchen. Im ruhigen Zustande geben sie oft einen, dem Schnurren der Katzen ähnlichen, Ton von sich; gereizt erheben sie ein kreischendes Geschrei. Sie leben minder gesell- schaftlich, als die meisten der erwähnten Arten, 24. 25. Die Nachtaffen (Dourouculis, am Orenoco Cusicusi), Aotus, Humb. oder Nyctipithecus felinus (Yüa) und vociferans, Sp. (C arai) weichen in = 1132 ihren Sitten von den andern Affen ab. Sie leben still und scheu in kleineren Gesellschaften ; schla- fen bei Tage zwischen dichten Gebüschen zusammengekrümmt, und gehen bei Nacht auf den Raub aus. Der katzenartige Blick des Auges, der Gang und alle Bewegungen erinnern an Thiere aus dem Gesehlechte der Katzen oder der Marder. Die Thiere, welche wir in unserer Menagerie beobachte- ten, waren bei Tage, selbst zwischen dem erregenden Geschrei ihrer Nachbarn, stets blöde und zu- rückgezogen, liessen nur selten ein dunkles Gekreische vernehmen, und frassen wenig. Nach Son- 'nenuntergang verdoppelte sich ihre Lebhaftigkeit. Sie wurden wie die übrigen mit Früchten und gekochtem Reise gefüttert, und schienen dem Zucker sehr zugethan. — Alle diese Affen werfen in den Gegenden am Amazonas ihre Jungen in den letzten Monaten des Jahres, und es ist sehr auffal- lend, dass sie, obgleich so häufig bei Indianern und Weissen gezähmt, dennoch unter keinem Ver- hältnisse zur Paarung gebracht worden sind. Man pflegt die jungen Thiere aus dem Neste zu neh- men, wenn man sie zähmen will, Abrichten kann man diese Affen nur mit grosser Mühe; selbst der starre Wille des Indianers scheitert an der selbstständigen Beweglichkeit dieses menschenähnlichen Geschlechtes, (4) Das Leveuren Dar Issecter ist in tropischen Ländern viel stärker, als bei uns. Der phos- phorichte Schimmer, den Elater noctilucus, ignitus und phosphoreus, Fabr. von sich strahlen, über- trifft den unseres Johanniswürmehens wohl sechsmal’an Intensität; ganz vorzüglich aber ergreift das Phänomen dadurch den Sinn des Betrachters, dass es so häufig und so lebendig ihn von allen Sei- ten umgiebt. Die Zahl der feurigen Kreise, die in unaufhörlichem Wechsel, bald näher, bald fer- ner um den Reisenden das Dickicht der Wälder erhellen , ist oft so gross, dass es einem künstlichen Feuerwerke gleicht, und die tiefe Stille der dunklen Nacht erhöht den Eindruck der wundervollen ‘Erscheinung. Ich habe bemerkt, dass grosse Feuchtigkeit in der Luft, besonders vor oder nach ei« nem Regen, Einfluss auf die Thätigkeit der Thierehen habe; sie kreisen dann mit grösserer Geschwin- digkeit umher, und ihr Schein, bald glänzend helle, bald bläulicht oder rötblicht, erhält sich gleich- förmiger stark. An trocknen Abenden, besonders bei starkem Winde, ist die Phosphorescenz viel schwächer, und die Thierchen scheinen dann träger. Man bemerkt sie in allen Jahreszeiten, doch häufiger vom November bis zum April, als in den spätern Monaten. Das Ebengesagte gilt auch von den Lampyren (port. Luz em Cu, tupi: Odm), deren Schein im Allgemeinen schwächer, aber mehr phosphoricht ist, und deren Flug langsamer in kleineren Kreisen ausgeführt wird. Die Zahl dieser niedlichen Insecten ist nicht minder ansehnlich, und vielleicht sind die einzelnen Arten nicht so weit- hin durch ganz Brasilien verbreitet, sondern mehr auf einzelne Gegenden beschränkt, Wir haben 24 Arten von Lampyrideen, nämlich fünf Pkengodes und neunzehn Lampyres aus Brasilien mitgebracht, deren Mehrzahl in den Campos der Provinzen Minas und Bahia gesammelt worden war Die bereits beschriebenen Arten sind: Phengodes plumicollis, Latr., praeusta, Dej.; Lampyris maculata , Fabr. , corusca, F., glauca, Ol., thoracica, Fabr., hespera, F,, pyralis, F., marginata, F., pallida , 0l., Iucida , F., occidentalis, Ol., und compressicornis, F. — Die grossen Laternenträger, tupi: Jacyr@ nam-boya,d. i. Cicaden-Schlange, (Fulgora Diadema und laternaria, L.) kamen uns nur unter dem Aequator vor; die meisten übrigen Arten ebenfalls in den südlicheren Gegenden, besonders in den raten Minas und Bahia. Wir zählten eilf Arten: F, laternaria, L., serrata, phosphorea ; adseen- a ge Pelioe Diadems, F., flammea, Holl,, und ausserdem drei noch anheschrigbene zyE22 übrigens e re Eier zuerst von Frau Mxrıanw beschriebene, Phosphorescenz , z Yiagnen BEE Peyailinissen, namentlich nach dem Tode des Thieres, um = wage, = i ‚ als wir an einem, im Absterben begriffenen,, Herculeskäfer ein entschieden® Leuchten wahrgenommenen haben. 1155 (5.) Wir haben den Boto vom Amazonenstrome mit dem Namen Delphinus amazonicus bezeich- net, weil die geographische Verbreitung dieser Art einen ihrer eigenthümlichsten Charaktere darzu- stellen scheint, Es ist wenigstens bis jetzt kein anderer Delphin bekannt, welcher sich in solcher Menge, und so vorzugsweise in süssen Gewässern aufhielte, - Er kommt nicht blos in dem Amazonas und Solimoes, sondern auch weiter westlich in den Strömen von Maynas, und, wie mir von einigen spanischen Flüchtlingen in Ega versichert wurde, auch an den Küsten von Choco und Peru vor. Diese setzten hinzu, dass er dort in den kühleren Flüssen unverfolgt von den Kaimans lebe, wel- chen, wie bereits Acosra und Urroa bemerkt haben, die kalten Gewässer der aus den Andes herab- kommenden Küstenflüsse nicht zuträglich sind. Unser Thier stimmt sehr nahe mit der Beschreibung überein, die Drsmarest von seinem Delphinus Geoffroyi (D. frontatus, Cuv.) giebt, und ist vielleicht dasselbe, denn wahrscheinlich stammt der letztere im Pariser Museum von des D. Atrx. Rrız FEBRFIRA Reise auf dem Amazonas her; jedoch passt die Beschreibung rücksichtlich der Zahl der Zähne und der Gestalt der Flossen nicht. Wir charakterisiren die Art folgendermaassen : Delphinus amazonicus: rostro longissimo angustissimo,, mandibula utraque aequali longitudine; dentibus subrugosis: maxil- lae 23, anterioribus conieis simplicibus, posterioribus brevioribus basi dilatatis ibique intus gradu auctis: mandibulae 29, superiorum forma; corpore toto colore alutaceo-rufidulo subtus pallidiore; pinna dorsali distincta, elata; pedibus praesertim medio latis, apice subfalcatis. — Zur Vervollstän- digung der oben ($, 1086.) angegebenen animalischen Heilmittel der Indianer muss ich hier noch er- wähnen , dass diese den obersten Wirbelknochen des Boto, so wie des Peize Boy, in Pulverform als sehr wirksam gegen Blutflüsse gebrauchen. = IM. Theil. a 144 11354 N Zweites Rapitel. Reise von der Barra do Rio Negro auf dem Solimoes nach der Villa de Ega. Für den Reisenden, welcher aus der untern Provinz (Para) vom ’'Ama- zonas in den Solimoes aufwärtsschiffet, ist die Barra do Rio Negro ein erwünschter Ruhepunct, und dieser Ort wird daher nur selten um- gangen. Man kann aber ausserdem oberhalb der Mündung des Madeira- Flusses den Amazonas verlassen, und dem Uaguiri, einem Canale, fol- gen, der oberhalb der Vereinigung des Amazonas mit dem Rio Negro von dem ersteren auf der Südseite abgeht, und zwei Tagereisen fort- läuft, bis er sich wieder mit dem Hauptstrome vereinigt. Wer dage- gen von der Barra do Rio Negro aus in den Solimoes einlaufen will, kann, besonders während des Hochwassers, die Reise ebenfalls abkür- zen, wenn er in dem Canale (Furo) von Guariba nach Süden schifft , der die äusserste Landspitze zwischen beiden Strömen zur Insel macht. Während der trocknen Jahreszeit fehlt es bisweilen einzelnen Stellen dieses Canales an Fahrwasser. Uebrigens ist das gesammte dreieckichte Terrain, welches westlich von der Vereinigung der Ströme liegt, nie- drig, und hie und da von seichten, bald vom Rio Negro her bald vom Solimoes angeschwellten, Gräben durchschnitten. Wir zogen vor, die bereits früher ($, 1119.) beschriebene Reise um jenes Delta herum zu machen, und befanden uns nach einer dreitägigen Reise der Mündung des 1135 Guariba (Guariboca, Varia) i in die N.-Seite des Solimoes gegenüber. Die Ansicht des Landes weicht hier, wie überhaupt im Solmoes, so weit wir ihn beschifftt haben, von der des Amazonas gar nicht ab: dieselben Ufer und Strömungen, dieselbe unreinlich verworrene Ufer- Waldung auf dem Festlande, derselbe niedrigere Pflanzenwuchs auf den zahllosen, zerstreuten Inseln. Die Strömung war gegenwärlig an der Küste minder heftig als bei Hochwasser, so dass wir die Fischerei (Pesqueiro) von Manacapurü ohne Mühe erreichten. Hier hält die Regie- rung ein Detachement Soldaten, um durch den sehr ergiebigen Fisch- fang, namentlich ‘von Pirarucu, die Villa da Barra und die Grenzpo- sten von Marabitanas und Tabatinga zu verproviantiren. Eine verhält- nissmässige Anzahl von Indianern muss die Besatzung hiebei in ein- bis zweimonatlichen Frohndiensten unterstützen. Der grösste Theil der Fische wird in dem landeinwärtsliegenden See, von schwarzem Gewässer, gefangen, und an Ort und Stelle gesalzen und getrocknet. Die von hier alle vierzehn Tage nach der Barra gesendeten Lieferungen sollen sich im ganzen Jahre auf 800 Arrobas belaufen, Der Strom, in welchem wir uns jetzt befanden, hatte im Durchschnitte eine Seemeile und mehr Breite. Seine schmutzig weisslichten Gewässer erschienen durch meh- rvere Sandinseln zertheilt, die sich oft in grosse Länge ausdehnten. Wir passirten zuerst die Praya de Cabanaoca, dann, dem Pesqueiro ge- genüber, die von Camaliana und endlich die von Pratary, auf wel- cher wir die Nacht zubrachten. Diese Inseln erheben sich nur wenige Fusse über den Wasserspiegel, zeigen nirgends festes Gestein und nur selten Dammerde, vielmehr fast nichts als Sand, der, keiner kräftigen Vegetation fähig, von Bäumen fast lediglich die Oirana (Hermesia oder Alchornea castaneaefolia) und eine Weidenart (Salix Humboldtiana) beherbergt. Diese Bäume scheinen innerhalb der Wendekreise grosse Verbreitungsbezirke zu haben; den erstern hatten wir schon am Rio de S. Francisco, Hr. v. HumsoLor am Orenoco, den andern eben die- ser Reisende in Peru bemerkt. Der Windzug über die Sandinseln ver- scheucht die Mosquiten, wesshalb wir von nun an stets auf jenen die Nächte zuzubringen pflegten. Die Indianer waren bald daran gewöhnt, 144 * 1130 einige Stämme der Oirana abzuhauen, und an einer erhöhten Stelle in den Sand einzurammeln, um unsere Hangmatten daran aufzuhängen. Sie selbst wollten auf der Gewohnheit beharren, zunächst dem Ufer, in den Sand hingestreckt und mit ihren wenigen Rleidungsstücken be- deckt, die Nacht hinzubringen, obgleich wir nicht ermangelten, ihnen die Gefahren eines Ueberfalls von RKrokodilen vorzustellen. Mehr als unsere Ermahnungen fruchtete die Erfahrung dieser Nacht. Nachdem sich nehmlich die ganze Equipage dem Schlaf überlassen hatte, wurden wir durch ein lautes Geschrei aufgeschreckt, das uns halbbekleidet, mit den Waffen in der Hand, an’s Ufer rief. Hier trafen wir alle Indianer im grössten Entsetzen, denn ein grosses Krokodil war zwischen den Schlafenden ans Land gestiegen, um unsern wohlgefüllten Hühnerkorb zu erreichen, hatte diesen aufgerissen, und war mit der Beute einiger Hühner so eilig zum Wasser zurückgekehrt, dass wir nur noch das Schlagen seines Schweifes bemerken konnten, eh’ es in die Tiefe unter- tauchte. Von nun an gewannen wir es über unsere Indianer, dass sie ihre Lagerstätte weiter landeinwärts in unserer Nähe zubereiteten. Der Zufall hatte übrigens die Ruhe verscheucht, und da inzwischen der Mond hellscheinend hinter Wolken hervorgetreten war, kehrten wir in die Rähne zurück und setzten die Reise fort, indem sich die India- ner zum Ruderdienste durch ihren einfachen Gesang ermunterten. Ein- : zig und unauslöschlich sind die Eindrücke, welche der Reisende bei solcher nächtlichen Fahrt empfängt. In der Ruhe und Schweigsamkeit dieser Gegend vernimmt man nichts als das Rauschen der Wellen oder das ferne Geschrei wandernder Affenheerden. Der dichte Urwald tritt bald hellbeleuchtet an die Küste vor, bald in düstere Buchten zurück; geisterhaft schwanken die Bilder einzelner Bäume oder. heller Uferstre- cken über das Wasser, und Alles in diesem wunderbaren Gemälde scheint zu unbeweglicher Ruhe entschlafen, bis auf das nächtliche Fir- mament, das, erhellte oder schwarze Wolken langsam aus - und über- einanderschiebend , den Strom bald in dunkle Schatten hüllt, bald zum Wechselspiele schimmernder Reflexe beleuchtet. Wir waren nächst der Praya de Pr atary (P a an den Mündungen des gleichna- 1137 _ migen Flusses vorbeigefahren, der ‘aus dem See von Uautäs (am west- lichen Ufer des Madeira) entspringt und durch die Seen von Paratary und Zirury mit dem Rio Puruz in Verbindung steht, für dessen öst- lichste Mündung er ehemals galt. Diese Verbreitung der Gewässer thut dar, dass der Landstrich zwischen dem untersten Theile des Madeira und des Puruz eben so niedrig, und söhlig verflächt sey, wie wir diess schon häufig am Amazonas beobachtet hatten. Diese dichtbewaldeten Niederungen waren zur Zeit Acunna’s von den Zurinas und Caripu- nas(Cariben?), dielnseln an den Mündungen des Puruz von den mächti- ° gen Cuchinaras bewohnt. ' Alle diese Horden sind jetzt spurlos ver- schwunden; wild und unwirthlich hängt der Wald über den Strom herein, und deckt die Stätte untergegangener Geschlechter. Der ein- zige Umstand, woraus ein aufmerksamer Beobachter schliessen kann, dass sonst hier eine indianische Bevölkerung fixirt war, sind dichte Hecken von baumartigen Gräsern (Tacoara-acu), die von Jenen als Vertheidigungsmittel angelegt zu werden pflegten. Dagegen fand ich weder hier, noch an irgend einem Orte längs dem Amazonas oder So- limo&s, ein Ueberbleibsel der von Indianern gebauten Nutzpflanzen, es sey Mandiocca, Mais oder Banane; nur der Orleanstrauch kommt bis- weilen vor. An den Abhängen des Ufers selbst stehen hie und. da dichte Gehäge von Pfeilrohr (Cannaveaes, von Gynerium saccharoides), welche die Wilden für ihre Waffen benützen. Obgleich der Strom noch in ziemlich starker Entleerung begriffen war, so machten doch mehrere Strömungen an den Rüsten unseren Ruderern viele Arbeit, und wir waren froh, mit Anbruch des Tages durch einen Ostwind begün- stigt zu werden, welcher, den ganzen Tag anhaltend, uns, an der langen Sandinsel Praya do Periquito vorüber, gegen Abend auf die Praya de Goajaratuva brachte. Hier bot sich uns zum ersten Male das Schauspiel einer Lese von Schildkröteneiern und der Zubereitung derselben zu dem Schildkröteneierfette dar. Auf einer Spitze der Sand- insel hatten die Sammler mehrere Hütten aus Palmblättern errichtet; grosse Haufen von so eben ausgegrabenen Eiern, ganze RKähne voll solcher, die bereits zerschlagen ihren Inhalt aussonderten, dampfende 1138 Kessel mit dem Fette angefüllt, und etwa hundert und fünfzig Men- schen, Indianer, Mulatten, Neger und einige Weisse, mit diesen manch- faligen Arbeiten beschäftigt: alles dieses gestaltete sich zu einem uns neuen und, nach der gewöhnten Einsamkeit unserer Reise, erfreulichen Gemälde. In den Monaten October und November, wenn die Gewässer des Stromes einen tiefen Stand erreicht haben, steigen die grossen Fluss- Schildkröten. ’*) auf gewisse, weithin entblösste Sandinseln, und legen ihre Eier. Von der Regierung abgeordnete Wachen beobachten, wann *) Es «st die von den Einwohnern vorzugsweise Tartaruga grande genannte Art, Jurard. ar in der Lingua geral (Emys amazonica, Spix Test. t. ı., E.expansa, Schweig.). Das Eier- legen , gleichsam der wichtigste Act in dem Leben der unbehülflichen Thiere, vereinigt sie in den Monaten October und November, etwa zwanzig Tage lang, zu unzähligen Haufen, die aus den benachbarten Seen, wo sie hinreichende Weide haben, in den Strom, und dann in die Nähe der Sandbänke oder sandigen Uferspitzen ziehen. Durch einige Wenige wird der Lege- platz ausgewählt, indem sie die Praya umgehen und durchspähen, an mehreren Orten graben, um zu sehen, ob sich die nöthige Tiefe trocknen Sandes findet, und dann wieder zurückkehren. Die geringste Spur von. Menschen, oder irgend eine Gewaltthätigkeit gegen diese Späher ver-+ scheucht die ganze Schaar, welche dann eine andre Praya aufsucht. Wenn sie Alles sicher glauben, beginnt das Eierlegen. Bei Nacht, vorzüglich im Mondenscheine, kommt dann ein Zug nach dem andern aus der Fluth hervor, Die Weibchen gehen in der Mitte , die bei wei- tem weniger zahlreichen und kleineren Männchen, gleichsam zum Schutze, an den Seiten, Ein dunkles Gewimmel bedeckt nun weithin den weissen Sand, und mit solcher Eile kommen und gehen die Thiere, dass sie dicht neben, ja aufeinander sich den Vorsprung abzugewinnen suchen, und das Wetzen der Schilder, dem Gerassel schwerer Wagen ähnlich , in grosser Ent- fernung durch die stille Nacht gehört wird. Diess Schauspiel, welches ich auf einer Sandinsel im Yupurä gehabt habe, wo wenigstens noch einige Tausend versammelt waren, hat in seiner nächtlichen Unruhe etwas Schauerliches. Auf der Insel angelangt, geht die Schaar unverzüglich an das Geschäft; in unglaublicher Schnelligkeit ist die Sandfläche aufgewühlt, und der Staub verfinstert den Horizont. Das Thier hebt mit den abwechselnd thätigen Hinterfüssen unter sich den Sand heraus und bildet eine Grube, die bisweilen drei Fuss Tiefe hat; es setzt sich senk- recht hinein, legt seine Eier, (als deren geringste Zahl 64, als höchste ı40, im Durchschnitt 100 anzunehmen ist), indem es sich mit den Vorderfüssen stützt, bedeckt sie wieder mit trock- nem Sand und schlägt diesen fest, indem es sich mit dem Brustschilde darauf fallen lässt- Jedes Weibchen braucht zu seinem Geschäfte drei bis vier Stunden. Die Gruben werden auf den flacheren, nicht auf den steilen Rändern der Prayas, bis auf hundert Schritte landeinwärts gebildet, und zwar liegen sie meistens einige Fuss höher, als der tiefste Wasserstand, welcher bald nach dem Eierlegen eintritt. Es gilt somit die, über die Nilschildkröten (Tryonix aegyP” tiaca) schon durch Azıras (Var. Hist. V. c. 42.) gemachte Bemerkung, dass sie ihre Eier ‚ausser 1139 diess Geschäft auf den Inseln, die gemäss mehrjähriger Erfahrung als die gewohnten Orte erkannt erg sind, vollendet ist, und schützen die Prayas vor den Störungen nomadischer ne, becker der Mu- ras,. Hierauf finden sich (vorzüglich um den ERE Octobers, als der besten Zeit) zahlreiche Sammler, oft aus sehr entf@rnten Össieaen; ein, und ein eigens dazu bestimmter Aufseher (Capitad da Praya) hält Ordnung unter den Ankömmlingen, vertheilt die Lese, und sorgt für die Ablieferungen des Zehntens für das Aerar. Die Wahl für dieses, gewöhnlich sehr einträgliche, Geschäft geht von dem Gouverneur der den Bereich der Fluth legen, auch von diesen Amphibien am Amazonas. Im Drange der Ge- burtsarbeit, während welcher man ein leises, abgebrochenes Schnarchen vernimmt, werden nicht selten Einzelne von den Nachbarinnen verschüttet, oder die Nachfolgende wühlt die bereits ge- legten Eier hervor, um ihre eigenen in dieselbe Stelle zu bringen. Auch lassen sie sich in dem, einmal begonnenen, Geschäfte nicht mehr irre machen, und man kann unter ihnen her- umgehen , ohne Gefahr gebissen zn werden, so lange man nicht einem Männchen begegnet. 3 Die Indianer versichern, dass weissbekleidete Menschen am sichersten seyen, weil die Thiere ‚sie dann mit den grossen Störchen verwechselten, welche sich bei diesem Anlasse, wie über- haupt oft, auf den Prayas einfänden. DasGeschäft des Eierlegens dauert won Sonnenuntergang bis zur Morgendämmerung , mit stets gleicher, gewissermaassen bewusstloser Eile der Thiere. Ist die Zahl der versammelten Schildkröten sehr gross, so beginnt das Eierlegen schon Abends gegen 5 Uhr und endet des Morgens ı0 Uhr; gemeiniglich aber hat sich die Schaar schon in den Fluss zurückbegeben, sobald die Sonne aufgeht, und nur einzelne Weibchen , die verhin- dert waren, sich früher ihrer Bürde zu entledigen, laufen ängstlich umher. Diese werden nicht selten eine Beute der Onzen, welche sich jetzt häufig auf den Prayas einfinden, die auf den Rücken gelegten Thiere mit grosser Geschicklichkeit zwischen Rücken - und Bauchschild eröff- nen, und mit der Vorderpfote alles Essbare herausholen. Die Weibchen halten sich einige- ‘ Tage am Ufer des Flusses auf, wo sie sich von Canna brava und andern Gräsern nähren; dann ziehen sie wieder in die benachbarten Seen und Tümpfel zurück, wo sie von den Männ- chen erwartet werden. Die Orte, wohin vorzüglich viele Eier gelegt worden, erkennt man an den Schaalen, welche zertrümmert umher liegen, und an dem mit dem Eigelb in Massen zu- sammengeballten Sand. Wenn die Thiere wieder in den Strom zurückgekehrt sind, so unter- terscheidet nur ein geübtes Auge die Orte, wo sich Eier befinden, durch leichte, bisweilen wellenförmige Erhebungen der Sandoberfläche.—Die eben gegebene Schilderung stimmt vollkom- men mit den Nachrichten überein , welche Hr. v. Humsouor über die Schildkröten am Orenoco gegeben hat (Relat. II. S. 245 ff.), und ich zweifle nicht, dass seine Testudo Arrud synonym mit unserer Emys amazonica, so wie seine Testudo Terekay unsere E. Tracaja sey. rt fällt das Eierlegen in den Monat März. 1140 Provinz aus, und trifft gewöhnlich Mitglieder der Garnison oder andere angesehene Bürger. Eine ‚genaue Ausmessung der Eierschichten, wel- che gemeiniglich auf jeder Insel in einer zusammenhängenden Strecke, selten an mehreren Orten, vorkommen, wird, unter Berathung erfahre- ner Indianer, vorgenömmen, indem man die Grenzen derselben durch lange Stäbe ausmittelt, die beim Einstossen in den Sand mehr Wider stand finden, als in die Nester. Das gesammte Areal wird sodann un- ter die Anwesenden nach Verhältniss der Arbeiterzahl vertheilt, wel- che jeder Bürger mitgebracht hat. Ein Zehntheil des Ganzen wird als Eigenthum der Fiırone mit einer Flagge bezeichnet. Sobald die Vertheilung geschehen ist, fallen die Anwesenden, Jeder über seinen Antheil, her, und wühlen ihn auf mehrere Fuss, so tief als Spuren von Eiern vorhanden sind, um. Die Eier liegen bald in einer bald in mehreren Schichten (Camadas) über einander, dem gemäss die Aus- beute an verschiedenen Orten : der Praya verschieden ausfällt. Man beeilt sich, die Ausgrabung in kürzester Zeit zu vollenden, weil die Eier nach sieben bis acht Tagen in Fäulniss übergehen. So entstehen denn in wenigen Stunden ungeheuere Eierhaufen von fünfzehn bis zwan- zig Fuss Durchmesser bei verhältnissmässiger Höhe, ein seltsamer An- blick; und die vorher flache Sandebene wird, in Gräben und Hügel aufgewühlt, der Ausgleichung durch die Hochwasser überlassen. Am frühen Morgen werden dann wohl calafaterte Böte bis zur Hälfte mit Eiern angefüllt, diese mit hölzernen Dreizacken, unseren Heugabeln ähnlich, zerbrochen, und endlich mit den Füssen zerstampft. Da die Eier nur sehr wenig Eiweiss bei viel Dotter enthalten, so stellt diese ganze Masse einen gelben Brei dar, in welchem Stücke der Schaalen schwimmen. Man giesst nun Wasser darauf, und überlässt das 6Ge- menge der Einwirkung der tropischen Sonne, welche bereits nach drei bis vier Stunden anfängt, das fette Oel, als den leichtesten Bestandtheil, auf die Oberfläche zu ziehen. Von hier wird es nun mittelst Cujas oder Löffeln aus grossen Flussmuscheln abgeschöpft, und in irdene Töpfe ge- en _ Man wiederholt in jedem Kahne das Zerstampfen, Aufrüh- ren und Abschöpfen zwei bis drei Mal, worauf das Oel grösstentheils er am abgenommen. ist. Diese Substanz hat jetzt vollkommen die Farbe und Consistenz zerrührter Eierdotter. Man bringt sie in einen grossen ku- ‚ pfernen oder eisernen Kessel über ein gelindes Feuer, wo sie mehrere Stunden lang, unter Umrühren, abgeschäumt und geklärt wird, wobei sich die gerinnenden Theile, vorzüglich der Faserstoff, niederschlagen. Der von hier sorgfältig abgeschöpfte flüssige Antheil wird zum zweiten Male über noch schwächerem Feuer gekocht, bis keine Blasen mehr aufgeworfen werden, wo er dann Farbe und Consistenz unseres zer- lassenen Schmalzes hat. Das abgekühlte Schildkröteneierfett (IManteiga de Tartaruga) wird in grosse, oben weit offene, etwa sechzig Pfunde enthaltende irdene Töpfe (Potes) geschüttet, welche, mit Palmblättern oder Baumbast verbunden, versendet werden. Es ist um so_schmack- 'hafter und reinlicher, je schneller nach dem Ausgraben der Eier es gemacht wird, und je frischer diese waren. Bei zweckmässiger Berei- tung verliert es den Geruch der Schildkröten vollkommen, doch be- ‚hält’es etwas Thraniges im Geschmacke, woran sich nur der Gaumen der Inländer gewöhnen kann. Wenn die jungen Schildkröten bereits zu weit entwickelt und an der Sonne in Fäulniss übergegangen sind, so werden Geruch und Geschmack höchst widrig, und nur den stum- pfen Sinnen der Indianer kann es dann noch als Leckerei gelten. Die schlechtere Qualität wird statt des Brennöles in den Lampen verbraucht. Die Zahl der Potes de Manteiga, welche jährlich auf den Inseln des Solimoes bereitet wird, beläuft sich auf mehr als acht- (die in. ‚der ganzen Provinz gesammelten auf fünfzehn-) tausend. Folgende "Anga- ben erhielten wir über den gegenwärtigen Ertrag. Zwischen der Barra ‘do Rio Negro und Coari liegen die Prayas de Goajaratuva, welche 500, das Oncas, die 3000, de Jurupari, die ı200 Potes liefert. Zwi- schen Coari und Ega geben die Praya de Camara-Coari 560 und die von Catual, 300 Potes; Uanapiti bei Caigara 360, Aracari und Juri- mantuba, nächst Fonteboa, 1100, Maraua, an der Mündung des /ca, 700, Capiay und Caldeiräo , nächst Sanct Paulo, 250; Guararid, nächst Tabatinga, 50. {Auch im Madeirastrome wird eine sehr grosse Menge dieses Fettes bereitet, Die reichste Praya ist die von Tamandua ; IN. Theil., 145 1142 sie liefert jährlich mehrere tausend Potes.) Diese Verhältnisse wechseln jedoch vorzüglich je nachdem die Nachstellungen betrieben worden wa- ren;:denn die Schildkröten meiden diejenigen Prayas, wo -die Lese ei- nige Jahre hintereinander mit Strenge vorgenommen worden war, kehren jedoch später wieder in grösserer Anzahl dahin zurück. Da schon fast ein Jahrhundert lang eine so ungeheure Menge von Eiern durch Menschenhände der Entwicklung entzogen wird, da ausserdem die Geier, die grossen Störche (Jaburu und Tujuyu), die Iguane (Ja- care-arü), die Cameleone (Cenembi) und die Krokodile den Eiern nach- stellen, viele bei dem Leggeschäfte zerbrochen werden, auch viele der ausgekrochenen Jungen durch dieselben Feinde zu Grunde gehen, und doch immer noch so reichliche Erndten gemacht werden, so muss man billig über die Zahl der Individuen erstaunen, die jetzt noch vor- handen sind, und den Traditionen alter Indianer Glauben beimessen, dass der Solimo&s sonst von Schildkröten gewimmelt habe, wie ein Ameisenhaufen von Ameisen. Hr. v. Humsorpr hat (a. a. 0.8 247) eine ohngefähre Berechnung aufgestellt, dass zu der Summe von 5000 Töpfen zu 25 Flaschen (dort Botijas genannt), welche auf den drei Eier- inseln im ÖOrenoco jährlich bereitet werden, 33 Millionen Eier, von 330,000 Weibchen geliefert, nöthig wären. Ich hörte von mehreren erfahrnen Sammlern, welche die Prayas am Solimoe&s besuchten, fol- gende geringere Verhältnisszahlen angeben. Auf einen Pote (der eben- falls etwa 25 Maasflaschen enthält) werden die Eier von ı6 Gruben (im Durchschnitte 100. angenommen, ı600 Eier) gerechnet; die Zahl der Weibchen, deren Eier jährlich im Solimoes zu Manteiga verwen- det werden, beliefe sich „daher, streng angeschlagen, auf 240,000. Aus- gewachsene Schildkröten sollen jährlich im Solimoes 20.000 getödtet werden, und die Zahl aller in diesem Strome und in seinen Binnenge- wässern lebenden Individuen soll sich auf wenigstens zwei Millionen be- laufen. Diese ‚grossen Zahlenverhältnisse werden von der Sorglosigkeit der Einwohner angeführt ‚ wenn man an die Möglichkeit erinnert, dass einst jene reichliche Nahrungsquelle versieche. Es unterliegt übrigens keinem Zweifel, dass das gegenwärtige System, aller Productivität der 1143 nützlichen Thiere ungeachtet, sie ausrotten werde; und die Regierung sucht daher wenigstens den unregelmässigen Nachstellungen Einhalt zu thun, welche die Eier und die ausgekrochenen Thierchen von den no- madisch umherziehenden Indianern erleiden. Diese pflegen vorzüglich auch eine grosse Anzahl der Eier zu trocknen, um sie als Vorrath aufzu- heben. Es geschieht diess entweder über dem Feuer (Moquem’“), oder an der Sonne (Urubu Moquem, gleichsam Dörrung, wie sie auch der Geier hat). Das Ei wird auf ein Drittheil seines Gewichtes eingetrock- net, und nimmt einen widerlich thranigen Geschmack an. Da die Legezeit einen ganzen Monat *”°*) dauert, so halten sich Indianer so- wohl, als andere Ansiedler, während .dieser Zeit in der Nähe des Stro- mes auf, und sammeln, soviel es ihnen vor den. dagegen herumziehen- den Patrouillen möglich: ist, von den eben ausgekrochenen Jungen ‚korb- weise auf, um sie entweder auf Stöcke gespiesst: am Eeieiiiih u braten, oder Kraftsuppen ‚deraus zu bereiten. Diese Gerichte sind allerdings das Schmackhafteste, was der Reichthum der Gewässer darbietet. Zu dieser Verringerung des nützlichen Thieres helfen auch die bereits oben *) Das Wort Boucaniren, Boucanier, d. i. Abentheurer, der boucanirtes Fleisch isst, kommt vom Worte Moguem, Moca&m her. Die Indianer setzen ihre Vorräthe von getrocknetem Fleische von Zeit zu Zeit wiederholt dem Feuer aus, um sie vor Verderbniss zu bewahren. **) Zur Naturgeschichte der Schildkröte noch Folgendes: Die Begattung geschieht auf gleiche Weise wie bei den Fröschen, und nicht im Strome, sondern in den benachbarten Gewässern. Nach Versicherung der Indianer sollen die Weibchen fast ein Jahr lang trächtig gehen. Nicht alle Eier, welche sie legen, sind befruchtet; diese enthalten dann viel weniger Dotter bei ver- hältnissmässig mehr Eiweiss. Man findet nicht blos einzelne unbefruchtete unter den befruch- teten, sondern bisweilen ganze Gruben voll der letzteren. Nur die befruchteten (Ovos de Man- teiga) werden von den Indianern getrocknet. Die meisten Eier sind kugelrund (Spix Testud. t. 2. f. 3.); die von etwas länglichter Gestalt (Tiedemann , über Ei und Fötus der Schildkröte, an Sömmerring. 1828. 4. Fig. ı.) sollen die männlichen Thiere enthalten. Vierzig Tage (nach Andern ein Monat), nachdem das Ei t worden, zerbricht das Junge, ‚ohne Zweifel in sei- ner Entwickelung durch den Zutritt Fi in den Sand, und durch die Sonnenhitze begün- stigt, seine Schaale, arbeitet sich aus dem Sande hervor, und eilt sodann dem Wasser zu (wohin es, nach v. Humsorpr’s Ansicht, ‚durch das scharfe Gefühl, von woher die feuchtere Luft streiche, geleitet wird). Es ist anzunehmen, dass die mittlere Wärme des Sandes, worin die Eier ausgebrütet werden, mit der Brutwärme, welche die Entwickelung des Hühnereies ver- wirklicht (330 bis 34° R.), übereinkomme. 145 * 1144 erwähnten Thiere, die Schlangen und die Onzen, welche insgesammt sehr lecker darnach sind, mit, wenn die hülflose Brut dem Wasser zueilt. Nicht selten sah’ ich die Sandufer von den kleinen Schildkrö- ten wimmeln, und einige alte Kaimans quer im Sande liegend, um diejenigen zu verschlingen, welche sich in ihrer Unerfahrenheit in den . weit aufgesperrten Rachen wagten. Die ausgewachsenen Schildkröten werden grösstentheils in dieser Periode, wenn sie von den Prayas zu- rückkommen, gefangen, und in Umzäunungen am Ufer aufbewahrt. Man nennt sie, als die gewöhnlichste Fleischspeise am Verlaufe des ganzen Amazonas, das Rindvieh des Landes (Gado do Rio), und ein oder mehrere Gerichte davon fehlen auf keiner wohlbesetzten Tafel. Das ausgelassene Gekröse liefert ebenfalls ein wohlschmeckendes Fett, das zur Bereitung gewisser Speisen verwendet wird. — Auch die an- dere Schildkröte, Zracaya (Emys Tracaja, Spix Test. t. 5.), wird auf ganz gleiche Weise ‘benützt. Sie ist übrigens, um mehr als die Hälfte kleiner als jene, ein minder häufiges Gericht. Auch kommt sie niemals in grossen Schaaren auf die Sandinseln, um ihre Eier zu legen, son- dern thut diess einzeln, und legt nur fünfundzwanzig bis dreissig Eier. Sie soll in Monogamie leben. Schildkrot kann von keinem dieser Thiere gewonnen werden. Während der Nacht auf der Praya de Goajaratwa *) wurden wir durch den ununterbrochenen Lärm gestört, den die hier vereinigte Menschenmenge in wilden Zechgelagen erregte. Nur selten sehen sich die Bewohner dieser Gegenden so zahlreich vereinigt; und dann thut sich der Trieb der Geselligkeit in zügellosen Ausschweifungen aller Art kund, denen die Regierung umsonst zu steuern versucht hat. Mit frü- hestem Morgen segelten wir unter Begünstigung des Ostwindes längs *) Goajaratuba, oder Goajard-tyba heisst der Ort, wo der Baum Goajarä, die Icacokir- sche‘ (Chrysobalanus Icaco, L.) wächst. Der dickbuschige Strauch oder Baum kommt hie und da ker Strome im Sande vor; und die Indianer essen seine länglichten , süssen, etwas herben Steinbeeren,. (Die Zusammensetzungen mit tyba sind in der Tupisprache schr gemein; 2. ze CUREEIERR Ort der brasil, Tanne, Curupa-tyba, des Paricabaums, Commanda-tyba, der Bohnen.) — Die Ortschaft von Alvellos stand ehemals in dieser, an Cacao reichen, Gegend. 1145 des südlichen Ufers aufwärts, und wichen so den Strömungen von Juru- pari- Pinda (Teufels - Angel) an der entgegengesetzten Küste aus. Etwa zwei Legoas oberhalb jener Praya erblickten wir die Mündung des Rio Puru (Purüz), welcher seine weisslichten Gewässer in einer Breite von vier bis fünfhundert Klafter dem Solimo&s. einverleibt. Gegenwär- tig war der Lauf desselben nur schwach. (1.) Nach den Berichten AcunnAa’s waren die Ufer dieses Stromes sonst stark bevölkert; er nennt insbesondere die Cuchi iras, denen er ausdrücklich die Cultur von Mais und Mandiocca zuschreibt. Die Wälder längs den niedrigen Ufern sind dicht und verworren, und wir fanden hier eben so wenig als ir- gend wo anders eine Spur solcher, von früherer Cultur übrig geblie- benen Gewächse; nur die grosse Zahl von Bubunha-Palmen im Walde des Festlandes und der zahlreichen Inseln hätte man vielleicht als Ueber- rest aus jener Zeit betrachten können. Der Solimoes bildet westlich von der Mündung des Puruz eine grosse Bucht, deren Strömungen wir auswichen, indem wir zwischen niedrigen, mit Buschwerke, Ambauvas und Schilf bewachsenen, Inseln an das nördliche Ufer EEE; An der Mündung des Lago Anury brachten wir, in den Hangmatten von Mosquiten auf das Grausamste gequält, eine feuchte Nacht zu. Der See Anury ist sehr reich an Schildkröten, wesshalb die Regierung hier einen Pesqueiro errichtet hat, der monatlich zweimal 150 Stücke nach der Barra do Rio Negro liefert. Der Strand 'wimmelte von Wasser- vögeln jeder Art, die eben ihre Eier in den Sand gelegt hatten, und uns in niedrigen Kreisen, unter ängstlichem Geschrei, umflogen. Von Onzen und Kaimans, die, durch solch zahlreiche Beute angelockt, die Prayas unausgesetzt besuchen, fanden wir häufige Spuren; und es war nöthig, nächtliche Ueberfälle durch grosse Wachtfeuer abzuhalten, die wir, bei der Sorglosigkeit der Indianer, selbst unterhalten mussten. Dessenungeachtet wurde def Bivouac vor Sonnenaufgang durch den Ueberfall eines grossen Krokodils erschreckt, welches den Hühnern nachstellte, und nur durch vereintes Geschrei der Indianer zurückge- ‚scheucht werden konnte. Von nun an nahm überhaupt die Zahl dieser Ungethüme im Strome immer mehr zu; in grossen Schaaren lagerten 1146 sie am Strande, oder schwammen in den ruhigen Buchten umher, Wir wagten daher nur im seichten Wasser zu baden, wo wir einen Kreis von Indianern um uns schliessen liessen. Unter diesen gab es Einige, denen der Kampf mit einem Jacare nur ein Spiel schien. Sie stürzten sich mit einem Prügel in der einen, mit einem langen Messer in der andern Hand in die ruhigen Buchten des Stromes, schwammen dem Ungeheuer entgegen, tauchten vor ihm unter, und schlitzten ihm mit dem Messer den Bauch auf. Da wir diese, das erste Mal ohne unser Wissen verrichtete, Heldenthat mit einer Flasche Branntwein belohnt hatten, bedurfte es unseres ausdrücklichen Verbotes, sie nicht zu wie- derholen. Die Insel, worauf wir die Nacht zugebracht hatten, erhält, wie alle benachbarten, ihren Namen von dem Canale (Furo) Cuchuuara, der ‚acht Legoas westlich vom Puruz diesen Strom mit dem Solimoes verbindet, und noch weiter westlich mit zwei ähnlichen Wasserarmen, Cojuuand und Aru oder Aru-parand, zusammenhängt. Die westlichste dieser Verbindungen mit dem Solimoes ist von der östlichsten der von Paratary, wenigstens zwanzig Legoas entfernt. Man darf ihre Ent- stehung nicht blos dem Puruz zuschreiben; sie sind im strengeren Sinne keine Deltas des Beistromes (Deltas d’affluent), sondern zu ihrer Bil- dung tragen selbstständige Flüsse, wie der Paratary und der Arü oder auch der Hauptstrom selbst bei, welcher während hoher Wasser- stände durch diese Canäle gegen den Puruz hinströmt. Wenn auch aus dieser seltsamen Vertheilung und Verbindung der Gewässer folgt, dass die Flächen, auf welchen sie sich bewegen, fast in einer Ebene liegen müssen, ‘erscheint doch auch andererseits die Erhebung zu wel- lenförmigem Terrain zwischen diesen Rinnsalen nothwendig (denn sonst würden sich die Wasser an solchen Orte der Einmündung vielmehr in seichte Seen verbreiten müssen), und hiedurch ist "eine Ursache zu dem heftigen Strömungen gegeben, denen man bald am Ufer des Fest- landes (F°by rete), bald zwischen den Inseln in den Canälen (Parand- mirım) begegnet. Eine solche Strömung herrscht westlich von Anury x 1147 an der Nordseite, in der Bucht von Arauna-Coara, wesshalb wir längs des gegenüberliegenden Ufers aufwärts fuhren, bis wir am Abende des folgenden Tages auf der zweiten Schildkröteninsel, der Praya das Ongas, landeten. Hier trafen wir gegen drittehalbhundert Menschen mit der Fettbereitung beschäftigt, und in einigen Buden mancherlei . Bedürfnisse zum Kaufe ausgelegt. Die Prayas de Manteiga (tupi: Caiba- Fby-cui)) bieten den zerstreut lebenden Ansiedlern alle Vortheile eines Jahrmarktes. Auch kamen in früherer Zeit, besonders auf die, ehemals ungemein reiche, Praya do Jurupari, Handelsleute aus Para, deren Stelle nun die Krämer aus der Barra do Rio Negro einnehmen. Das Gemische von Menschen aller Farben war hier noch grösser, als auf der Praya de Goajaratuva; die Betriebsamkeit wurde durch Gegen- wart eines Stabsofhiziers aus der Barra, der vom Gouverneur zum Capitäao da Praya ernannt worden war, erhöht, und das Ganze stellte ein so interessantes Schauspiel dar, dass ich versuchte, es durch. eine Skizze zu fixiren. (S. die Abbildung im Atlas.) Unter den Indianern waren mehrere von der Horde der Puru- Purüs, welche ihre Dienste als Handlanger während der Zeit der Eierlese gegen eine Axt oder einige Ellen Baumwollenzeuges anboten. Zwei derselben waren mit einer eigenthümlichen Hautkrankheit behaftet, die bei ihnen erblich seyn soll, und von den übrigen Indianern als das Stammabzeichen derselben betrachtet wird. Der. ganze RKörper erschien ‘mit unregelmässigen, meist rundlichen, isolirten oder zusammengeflossenen schwärzlichen Fle- cken von verschiedener Grösse übersät ($. die Abbildung des Purü- Purüu im Atlas); ein eckelhafter Anblick. Diese Flecken gaben sich . dem Gefühle als leichte Verhärtungen der Haut zu erkennen, und zeig- ten keine flechtenartige Absonderung, wenn schon die Fläche derselben ungleich und trockner war, als die übrige Haut. Der Umkreis dersel- ben war nicht selten blasser, als die gesunde Haut, sogar fast weiss; aber durch Erhitzung nahm er eine dunklere Farbe an, so dass es ‚schien, als sey die weisse Färbung der erste Grad des Erkrankens. Beide Individuen erschienen, bei starker Constitution und einer Neigung - zum Fettwerden, ohne weitere Anomalie; aber eine genauere Untersu- 1148 ‘ chung zeigte, dass ihre Leber angelaufen, und sogar an einer Stelle bei der Betastung schmerzhaft war. Da wir viel Interesse an diesem Zustande nahmen, so kam von freien Stücken noch ein dritter India- ner, vom Stamme der Catauuixis, herbei, der eine ähnliche Anomalie zur Schau trug. Er hatte vorzüglich im Antlitz und an den Oberar- men eine grosse Menge weisslicher Flecken und Puncte. Der Mann | schien kachektisch; er war abgemagert und hatte einen auffallend star- ken Wuchs des Haupthaares. ($. das Porträt des Catauuixis im Atlas.) Auch diese Hautkrankheit soll erblich vorkommen, aber bei Neugebor- nen noch nicht, vielmehr erst bei Eintritt der Mannbarkeit, erscheinen. Nach Rıseıro (|. 64.) wäre sie sogar ansteckend. Ueber die Ursachen dieser hässlichen Umgestaltung der Haut kann ich nur Hypothesen auf- stellen. Die Indianer. selbst glauben, dass sie in dem Blute dieser Stämme, der Puru-Purüs, Catamixis und der Amamatis, liege, und nennen sie wohl davon die Gefleckten , Pinipinima - Tapuüja. W ahr- “ scheinlich ist der Grund in dem gleichsam amphibischen Leben dieser Wilden, in ihrer schlechten Rost und in dem Gebrauche zu suchen, sich häufig mit Rrokodil- oder Lamantinfett zu salben. (2.) Mehrere der gegenwärtigen Ansiedler wollten bemerkt haben, dass das Wasser des Stromes bereits wieder zunehme; allein es ergab sich, dass diess nur eine vorübergehende Anschwellung war, dergleichen von Zeit zu Zeit während der niedrigen Wasserstände und vor dem Hoch- wasser eintreten, und im Lande Repiquette heissen. Die Ursachen ei- ner solchen transitorischen Erhöhung des Wasserspiegels möchte ich darin suchen, dass einzelne der grossen Nebenflüsse ihre Hochwasser „gerade zu der Zeit in den Solimoes führen, wenn dieser arm an Was- ser ist. Bei der ungeheueren Ausdehnung des Strombettes macht sich der verstärkte Zufluss nur für kurze Zeit bemerkbar, und die Ufer, welche von Neuem um einige Schuhe tiefer unter Wasser gesetzt wa ren, treten alsbald wieder frisch benetzt hervor. Diese - Bemerkung - konnten wir in den letztverflossenen Tagen machen, wo die steil abge- rissenen Ufer, (Barrancos, oder, wie sie bei der gegenwärtigen Höhe 1149 des Wassers heissen, /Meios- Barranecos) in den schönsten Farben ver- schiedener, bandartig übereinander gelagerten Thonschichten prangten. “) # + Der Aufenthalt in der Praya das Ongas ward uns unangenehm durch die widerliche Ausdünstung, welche die faulenden Schildkröten- Eier weithin verbreiteten; überdiess litten wir Alle von der furchtbar- sten Hitze. Selbst die Indianer schienen von ihr angegriffen; sie liefen so schnell als möglich über den heissen Sand der Insel, und gruben sich, wenn sie geschäftslos waren, in die kühleren Schichten der Tiefe ein. Nachdem wir die Insel verlassen hatten, war ein schweres Ge- witter zu überstehen, dem jedoch ein frisches Lüftchen aus Osten folgte, so dass wir das Segel aufspannen konnten, mit dessen Hülfe wir Tags darauf die dritte Schildkröteninsel, Praya do Jurupari (Jurupari- F’by- ceui) erreichten. Der Name des bösen Dämon, Jurupari, spielt häufig eine Rolle in den Ortsbezeichnungen der Indianer. Hier soll dieser | Feind des rothen Menschengeschlechtes einen Kahn mit Fischern in die Tiefe gezogen haben, was dem Orte seinen Namen verliehen. Vor einigen Jahren lieferte die Praya do Jurupari mehrere tausend Potes *) Diese Thon- oder Lettenwände (Barreiros) werden gemeiniglich von einer zehn bis zwan- zig Fuss hohen Schichte lockeren Sandes bedeckt, und erstrecken sich wahrscheinlich wenigstens eben so tief über den niedrigsten Wasserstand nach unten. Man sieht sie hie und da auf oder zwischen dem feinkörnigen röthlichen, oder zwischen Grau, Weiss und Roth nüancirten, Sand- Steine lagern, welcher uns von Obydos her so häufig als herrschende Formation, begegnet war. ie Farbe der Thone ist ungemein mannichfaltig: violett, gelb, roth, grau, weiss, oder grün- lichgrau. Lange der Sonne ausgesetzt erhärten sie so sehr, dass man sie als Bausteine gebrau- chen könnte, Die Indianer wenden vorzugsweise die feineren, von keinen Sandtheilchen ver- unreinigten, Sorten zum Färben ihrer Baumwollenzeuge und zum Anstrich von Wänden und hölzernen Geräthen an; als Zuspeise zu ihren Fischen und Mandioccamehl sahen wir sie nie- mals etwas Anderes, als den grünlichgrauen plastischen Thon verschlingen, welcher , wie es schien, sehr neue Lager und Nester auf und zwischen den schönfarbigen Schichten bildet. (2.)_ Noch interessanter war uns die Erscheinung grosser Stücke von Bimsstein (tupi: Ita-bubui) , ‘welche unsere Indianer bald einzeln, bald gleichsam nesterweise in den Sand gebettet, auffan- den. Man sieht sie von hier aus gegen Westen zerstreut fast überall im Strome treibend, oder ans Ufer geschwemmt. Sie sollen vorzugsweise auf dem Napo, Ieä und Yupurä in den Solimoe&s herabkommen, und sind also ohne Zweifel Auswürflinge der Vulcane von Quito und Popayan, III. Theil. 1150 Eierfett; gegenwärtig ist das Erträgniss viel geringer. Unsere Indianer behaupteten, dass die Schildkröten sich, nach den hier erlittenen Ver- folgungen, in den benachbarten grossen See von Cudaias und durch dessen Nachbarflüsse, z. B. den Unini und Guiyuni, in den Rio Negro gezogen hätten. Von der ersten (östlichen), fast drei Viertelstunden breiten, Mündung des eben erwähnten Sees an, bis zu der des Lago de Coari, welche wir am ı6. November erreichten, haben wir kaum einmal den Strom in einen einzigen Körper vereinigt gesehen. Nach allen Seiten ergiesst er sich, anderthalb bis zwei Stunden breit, in Canäle (Parana-mirim) zwischen zahlreichen, niedrigen, bebuschten Inseln. Majestätisch ist der Anblick dieser gewaltigen, sich in allen Rich- tungen zwischen der üppigsten Vegetation hin verbreitenden Wasser- Fläche. Wir hatten bald mit Strömungen, bald mit Untiefen zu käm- pfen, so dass, da überdiess alle Arten von Mosquiten stets in dichten Wolken über uns schwebten, diese langsame Fahrt auch die männlich- ste Geduld zu erschöpfen drohte. Besonders waren die Nächte, wel- che wir auf den Prayas von Jucara und Urutari zubrachten, eine Zeit der Qual und des Schreckens; denn wenn wir, vom Schlafe über- wältigt, gegen die Stiche jener Harpyen unempfindlich geworden wa- ren, schreckte uns das Geschrei der Wachen auf, die von grossen, überaus kühnen, Kaimans oder von Onzen angegriffen wurden. Wir befanden uns jetzt zwischen den Inseln der Sorimoes oder Yorimaus”), wie sie Padre Acunna nennt, der von diesem Stamme, als dem mäch- tigsten auf dem ganzen Strome, eine sehr günstige Schilderung macht. Gegenwärtig war nicht eine Spur indianischer Bevölkerung weder auf *) Wir haben schon oben S. 1094. auf die Synonymie der Worte Sorimdo (port. Plur. Sorimoes) und Yurimaus hingewiesen. Wahrscheinlich ist das letztere Wort aus Yurd Mund, und Aba oder Ava, Mann, zusammengesetzt, indem, wie diess auch in dem Worte Omaua oder Omagua erscheint, Aba in Aua oder Agua abgewandelt worden ist. (Die Veränderungen dieser Art kommen in der Lingua guaranitica oft vor: z.B. Jauarete oder Jaguarete, die Onze; Taud oder Tagui, Gelb.) Yurü-m-aua hiesse dann eigentlich: Mund-Mann, weil sie um den Mund schwarz tatowirt waren. Gleich gebildet ist das Wort Yuru-piruna, Schwarzmaul. Es ist übrigens auffallend, dass weder Acunsa, noch dessen Umschreiber,, Pıcan, von den nationel- len Abzeichen der verschiedenen Stämme am Amazonas nur ein Wort reden. wi 1151 den Inseln, noch auf dem Festlande anzutreffen. An vielen Stellen fan- den wir dichte Cacaowäldchen; und auf höheren Puncten standen zahl- reiche Bubunhapalmen, eine zweifelhafte Andeutung ehemaligen An- baues in dieser, nun der Zeugungskraft des Pflanzenreichs wieder an- heimgefallenen, Einsamkeit. Wie erfreulich musste uns daher seyn, endlich die höheren, mit Wald bekränzten Ufer von Letten oder von röthlichem Sandstein an der Mündung des Lago de Coari aus der gleich- förmigen Landschaft hervortreten zu sehen. Die Mündung dieses Sees erweitert sich, im Süden von zwei kleinen Inseln, zu einem grossen Becken von fast zwei Legoas Breite und sechs Legoas Länge. Seine Ufer erheben - sich nur wenig, und sind am Gestade mit Buschwerk, weiter landeinwärts mit hoher Urwaldung bekleidet. Wir fanden seine Gewässer ziemlich klar, und von grünlicher Farbe (daher Lae vert auf pe ı/Ise’s Karte zu Acunna), und die Strömung gegenwärtig sehr unbeträchtlich. Im Ganzen ist er seicht, namentlich gegen die Ufer hin, ‘so dass in der stärksten ‚Trockne nur ein fahrbarer Canal zum Lugar de Alvellos übrig bleibt, welcher drei Legoas innerhalb des Sees, auf der Ostseite, gelegen ist. Wir hatten nur die Hälfte des Weges zu dieser Ortschaft zurückgelegt, als eine finstere Nacht um uns dunkelte, und da der geringste Windstoss die stillen Wasser hoch aufwühlte, so sahen wir uns lange gefährdet, bis uns angestrengtes Rudern, über die Untiefen hinweg, gegen Mitternacht in den Hafen brachte. : Alvellos, von den Indianern Coari genannt, eine von den Carme- liten angelegte Mission *) enthielt ursprünglich Indianer von den Stämmen '*) Monrteiso berichtet ($. 97), dass die Ortschaft zuerst in Paratary gegründet, von da auf die Insel Goajaratuva, dann nach der Küste von Guanama, und endlich hierher ver- legt worden sey. Solcher Wechsel der Localitäten ist mit vielen Ansiedelungen am Amazonas vorgenommen worden, indem die späteren Erfahrungen über das Klima, über Beschaffenheit des Bodens, Handelsverkehr, über die Nachbarschaft feindlicher Indianer, oder häufiger Mos- quiten, ja wohl auch die individuelle Neigung des Missionärs zur Veränderung des Wohnsitzes Veranlassung gab. In einem Lande, das überall gleichsam unbekannte Reichthümer zu ent- halten schien, und wo so wenig Aufwand nothwendig ist, um sich häusliche Unterkunft zu verschaffen, wird solche Neigung zum Wechsel doppelt leicht erklärlich. 1152 der Sorimäo, Jüma, Juri, Passe, Uayup!, Irju, Purü und Cataunixi, Die gegenwärtigen Bewohner haben in gegenseitiger Vermischung und im Umgange mit den Weissen ihre Sprachen und übrigen Stammver- schiedenheiten aufgegeben. Wir fanden gerade jetzt nur wenige der Einwohner anwesend, indem die Männer grösstentheils auf der Jagd oder zur Bereitung von Schildkröteneierfett abwesend waren. Ueber- haupt hat die Bevölkerung des Oertchens seit längerer Zeit stets abge- nommen. Die Blattern, und ganz neuerlich, durch Ueberschwremmung des Sees veranlasste, bösartige Wechselfieber riehten von Zeit zu Zeit arge Verheerungen an, denen man ohne ärztliche Hülfe um so eher unterliegt. (Leider ist in der ganzen Provinz Rio Negro-kein graduir- ter Arzt angestellt.) Unter den anwesenden Indianern machte uns der Geistliche mit zweien bekannt, die beide über hundert Jahre alt und dabei noch von unglaublicher Körperkraft und Munterkeit waren. Mit dem Mangel an Reizbarkeit und mit der eigenthümlichen Indolenz die- ser Menschenrage hängt die Eigenschaft zusammen, nur spät zu er- grauen und die Zähne zu verlieren. Selbst im Gange verräth der In- dianer sein Alter nicht, da auch jüngere Stammgenossen vorgebückt und mit kleinen Schritten zu gehen pflegen. Die Häuser, oder viel- mehr die kleinen, mit Palmblättern gedeckten Lehmhütten, liegen in einer unregelmässigen Reihe längs dem niedrigen Ufer, das nicht mit der hohen, unreinlich verworrenen Vegetation des Amazonas und $Soli- "mo6s, sondern mit freundlichem Buschwerke, und hie und da mit lich- ten Grasplätzen bedeckt ist. Nur wer den verdüsternden Eindruck ei- ner solchen endlosen Waldung erfahren hat, kann die Empfindungen von Freiheit und Behaglichkeit theilen, welche sich des Reisenden in die- ser neuen Umgebung bemächtigen. Diese lichteren Plätze entstunden nicht durch Abtrieb der Urwaldung, sondern ursprünglich. Der Gesammtiaus- druck ihrer Vegetation gleicht vollkommen dem der sogenannten Capo&s (Inseln, von dem Tupiworte Caäpoam, eigentlich runder Wald) in Minas. Auch kamen uns unter mehreren eigenthümlichen Gewächsen, (dar- unter die Blakea trinervis, mit ihren prächtigen, rosenartigen Blu- men) andere, bereits aus den südlicheren Landen bekannte Pflanzen 1155 entgegen. Das Firmament schien sich wolkenloser, heiterer als bis- her über dem bunten Teppich von Wiesenpflanzen und Gebüschen zu verklären. Doch sagt man, die Gegend sey sehr heftigen Donnerwet- tern unterworfen. Da fast alle Ansiedlungen längs des Amazonas und des Solimo@s, die in der Nähe südlicher- Beiflüsse liegen, auf ähnliche Weise von Stürmen heimgesucht werden, so dürfte man wohl füglich einen allgemeinen Grund dieser Erscheinung in dem Zusammenkommen von Luftströmen aus verschiedenen Weltgegenden annehmen. Ausflüge von Coari aus waren übrigens beschränkt, weil wir un- sere eigene Mannschaft nach den bisherigen Strapatzen ausruhen lassen mussten, und der Geistliche des Ortes die wenigen, gerade anwesenden Indianer nur ungerne zur Begleitung mitgab. Zwei Tage vorher hatte ein sehr grosser Kaiman, der, in der Nähe des Ortes hausend, seit langer Zeit Jedermann bekannt geworden war, denRahn eines einzeln heimkehrenden Indianers umgeworfen, und diesen gefressen. Wir sa- hen noch, wie das furchtbare Thier und seine Brut mit dem abgebis- senen Kopfe des Unglücklichen spielten, und der ganze Ort war durch dieses schreckliche Schauspiel so sehr in Furcht gesetzt worden, dass wir den Entschluss aufgeben mussten, die Ufer des Bess ringsum im Kahne zu besuchen. *) *) Im Hintergrunde ergiessen sich, ausser dem Rio Coari selbst, noch zwei andere, klei- nere Flüsse, der Urucu-Parand (Rocou- nach Andern Oeraaguı-Par. Grossvogel-Fluss) und der Urand, beide auf der westlichen Seite, hinein. Die Geographie der Gegenden, durch welche sie strömen, ist so viel wie gänzlich unbekannt. Nur Indianer, oder etwa Mulatten, die, nach Salsaparilha und Cacao ausgesendet, kein anderes Interesse kennen, haben diese Flüsse ‚befahren. Der Coari, welcher schwarzes Wasser führt, soll dreissig Tage lang aufwärts be- schifft werden können, und schon einige Tagereisen südlich vom Solimo&s durch Fluren laufen. Indianer, die im Uruei-Parand lange aufwärts schiften, sollen endlich in einen grösseren Strom gekommen seyn, dessen Ufer dieselbe Vegetation wie der Solimoes dargeboten haben. Man vermuthet, diess sey der Yuruad gewesen, Eine solche Verbindung, dergleichen auch vom Puruz und Yavary bekannt ist, wird wegen der Niedrigkeit des benachbarten Terrains wahr- scheinlich. Uebrigens werden die Ufer des Sees von Coari selbst bei Hochwasser, des Solimoe&s nicht weit landeinwärts überschwemmt, da sein Becken, ringsum geschlossen, ausser der Haupt- mündung nur durch einen seichten Canal, weiter wöstlich, mit dem Strome in Verbindung steht. 1154 Wir verliessen Alvellos, um nach der Zilla de Ega zu gelangen, eine Reise, welche stromaufwärts in vier bis fünf Tagtahrten, strom- abwärts oft in einer halben, gemacht wird. Der See von Coari lag kaum hinter uns, so stellten sich auch schon wieder Schaaren von Mosquiten ein. Wir mussten uns glücklich schätzen, die Nacht frei von ihnen auf der Praya dos Sorubims zubringen zu können. In dieser Gegend erheben sich am Strome die Costas de Taudna und Taua-Coara, steile Wände von farbigem und weissem Letten. Seit wir uns im Solimo®s befanden, begegneten uns nicht selten mit Erd- farbe aus solchem Letten ausgeführte Malereien der Indianer auf den Thüren der Hütten, auf ihren Kähnen, Rudern und ähnlichen Werk- zeugen. Sie sind oft ohne Pinsel, mit dem Finger oder mit. einem Stückchen Holz, höchst plump aufgetragen. Allerlei Schnörkel, rohe Figuren von Menschen und Thieren sind die Gegenstände dieser ersten Kunstversuche. Was uns darunter am meisten auffallen musste, war das stete Wiederkehren einer Figur, die unter aller, der Phantasie dieser Naturmenschen erreichbaren, Mannichfaltigkeit ständig blieb. | Es ist eine aus mehr oder weniger Bögen bestehende Schneckenlinie innerhalb eines Quadrates, und mit einer Seite desselben in Verbindung. ‚Späterhin bemerkte ich dieselbe Figur auf den Steinplatten am Ufer des Yupurä eingegraben. (Vergl. im Atlas die Tafel: Sculpturen auf Felsen.) Die Bedeutung dieser so allgemein verbreiteten Zeichnung konnte mir von keinem Indianer erklärt werden, und ich möchte darin nur einen Schnörkel erkennen, dessen sie sich, mit dem ihrer Rage eigenthümlichen Festhalten am Gewohnten, bedienen. Vielleicht ist das Bild von der Figur entlehnt, welche die, durch den Ruderschlag ver- anlassten, Wirbel längs des Kahnes beschreiben; wenigstens finde ich hier die grösste Aehnlichkeit, und der abwärts gesenkte Blick dieser amphibischen Völker mag wohl von dem überraschenden Spiele des stetsbewegten Elementes gefesselt, und zur Nachahmung bestimmt worden seyn. Die Indianer, welche wir von nun an in den christli- chen Niederlassungen oder zerstreut am Ufer des Stromes fanden, be- wiesen nicht nur durch solche Versuche in der Malerei auf ihrem 1155 Hausrathe und an den Wänden der Kirchen, sondern auch durch an- dere Kunstfertigkeiten einen Grad von Bildung und Industrie, der be- deutend gegen die fast thierische Rohheit der Stämme im Süden Bra- siliens abstach. Ihre hölzernen Geräthe und Waffen, fein polirt oder bemalt und mit Vogelfedern zierlich geschmückt, ihre Flechtarbeiten und Geschirre — Alles zeigte eine Art von Vollendung, die nur durch ruhigen, gleichsam behaglichen, Fleiss gewonnen werden kann. Auch schien es, als hingen sie an ihrem Besitze nicht blos mit dem Gedan- ken der Nutzbarkeit, sondern auch mit einer Art von Liebhaberei. Es ward uns oft schwer, sie zu einem Tausche dieser Waffen und Geräthe gegen europäische Artikel zu vermögen. Ganz vorzüglich galt diess von dem Pfeilgifte und von den Bla: rohren, woraus sie die durch jenes vergifteten Pfeilchen blasen; \ n, die wir zuerst in Coari, von hier an aber überall am Solimists® ‘und an seinen Beiströmen an- trafen. Freilich sind diese Gegenstände theilweise nicht ihr eigenes Fabricat, denn das Gift selbst erhalten sie von einigen, mit der Be- reitung vertrauten, Völkerschaften am Yupurä und oberen Solimo&s, vorzüglich von den Juris, Passes, Miranhas und Tecunas; und die Blasrohre werden ebenfalls, wenigstens zum Theile, von westlichen Nachbarn eingehandelt, so dass ihnen selbst nur die Bereitung der Pfeilchen und der Köcher für dieselben übrig bleibt. Die Geschicklich- keit, womit diese gefährlichen Waffen gehandhabt werden, ist ausser- ordentlich. *) Ein geübter Schütze fehlt auf fünfzig bis sechzig Gänge *) Das Pfeilgift Urari (so hörten wir es im ganzen Verlaufe unserer Reise nennen, wie einst Rııesn am ÖOrenoco, und weder Curare, wie in spanisch Gujana, noch Woorara, Wurara, Wurali, wie in Surinam) ist der wichtigste Handelsartikel der Indianer. Es wird in kleinen , halbkugeligen , irdenen, schwachgebrannten Geschirren (selten in Calabassen), weit verbreitet, die nur einige Unzen des schwarzen, anfänglich dickflüssigen, dann gänzlich erhärtenden Ex- tractes enthalten, und mit Palmblättern oder einem Stücke des tuchartigen Bastes Turiri' über- bunden sind. Im Tausche geht dieser tödtliche Stoff aus Brasilien und Maynas, von Hand zu Hand, bis zu den entlegenen Stämmen der Quixos und Macas an den Quellen des Napo und Pastaza und jenseits der’ Cordilleren der Andes in die Provinzen von Esmeraldas und Barbacoas, gegen Osten aber zu den Yölkern am untern Rio Negro, Eben so wird er am Orenoco, von 1150 seines Zieles nicht; und die Kraft, womit er das Pfeilchen von sich bläst, ist eben -so bewundernswerth, als die Gewandtheit, die er in der Führung des langen, unbehülflichen Blasrohres mitten im Dickicht eines Urwaldes bethätigt. Hleinere Säugthiere und Vögel werden am der Mission Esmeraldas aus verbreitet, wo Hr. v. Humsorpr der Bereitung desselben beigewohnt hat. Diejenigen Pflanzen, welche das Hauptingredienz des tödtlichen Extractes liefern, schei- nen, wenn auch in einem grossen Verbreitungsbezirke doch nicht gleichmässig vertheilt, son- dern sporadisch, vorzukommen; wesshalb die Bereitung des Urari nur einzelnen Stämmen oder Horden eigen ist. Ohne schon hier in eine genauere Untersuchung dieser Pflanzen - und Giftarten einzugehen, will ich nur auf die grosse Ausdehnung aufmerksam machen, in welcher die Au- _ tochthonen Südamerica’s sich einer gleichartigen Jagd - und Kriegswaffe bedienen, Die Wilden der Gujana, eines grossen Theils von Nordbrasilien, Neu-Granada und Peru gebrauchen die- ses merkwürdige Pflanzengift; und auch i La Plata ist es bekannt. Gancızasso DE La Veoa (Hist. de las Ind. II. c. 37.) erwähnt eine in rt bereiteten Pfeilgiftes, das jedoch viel schwächer seyn, nur nach dreiTagen sich wirksam zeigen und erst nach achtundzwanzig tödten soll. Die Grenzen, innerhalb welcher diese gefährlichen Waffen geführt werden, weisen, ‚wenn auch nicht auf eine höhere Cultur, doch auf einen eigenthümlichen Gemüthszug und eine von der- jenigen verschiedene Gesittung hin, welche man bei den davon ausgeschlossenen Stämmen findet. Ohne Zweifel ging der einst so mächtige und weitverbreitete Stamm der Tupis an Bildung den Wilden vor, welche das Urari bereiten oder sich dessen bedienen ; die verschiede- nen Methoden, die Mandioccawurzel zu Mehl und andern Speisen gut zu machen, verrathen eben so viel, oder vielleicht noch mehr Kenntnisse in der rohsten Chemie; demungeachtet ver- abscheuten die Tupis, wie viele Andere, Waffen, deren sich auch der Ohnmächtige bedienen kann: sie ziehen solche vor, welche einer rohen und muthigen Kraft zur Handhabung bedür- fen, Die Blasrohre (Esgravatanas, Sarbacanas, in Peru Zarbatanas, Pucunas in Maynas), de ren wir eine grosse Menge von’ verschiedenen Stämmen eingehandelt, und in der ethnographi- schen Sammlung zu München niedergelegt haben, unterscheiden sich nur in der Länge, ‚die zwischen acht und zehn Fuss, und in der Dicke, die zwischen drittehalb und anderthalb Zol- len am untern Ende wechselt. Wir haben keine andern als solche Blasrohre gefunden, welche: aus einem sehr dünnen Palmenschafte verfertigt waren , der wahrscheinlich einer Art der Gat- tung Geonoma, oder vielleicht der Kunthia, angehört. Die-Palme wächst am obern Rio Negro, , am Uaupes und am ‚Yupurä jenseits der Katarakten, und wird bisweilen unverarbeitet zu der andern Stämmen herabgeführt. Wir erhandelten solche Palmenschafte in der Barra do Rio Negro. ‘Der innere Theil, mit einem weichen, von Längsfasern durchzogenen Zellgewebe = füllt, wird ausgebrannt und die Höhlung geglättet, zu welchem Ende die Indianer gewöhnlich den Schaft der Länge nach in zwei gleiche Hälften spalten. Bei dem Mangel geeigneter Werkzeuge, denn Alles wird mit einem aus Schilfrohr geschnitzten Messer oder mit ee Flussmuschel ausgeführt, ist.die Politur der Höhlung eben so bewundernswürdig, als die arg ea: der Waffe, die oft für mehr als ein Menschenalter, brauchbar. bleibt. Sind die beiden Stücke genau zusammengefügt, so werden sie durch Harz verkittet, und die Oberfläche wird 1157 häufigsten mit dieser Waffe erlegt; doch gebraucht der Indianer seine Esgravatana wohl auch gegen den Tapir oder die Onze. Diejenigen Stämme, welche sich mit vergifteten Pfeilen bekriegen, ziehen dazu die Wurfspiese vor. Die tödtliche Wirksamkeit des Pfeilchens hängt von der Tiefe, in die es eindringt, von dem Alter und dem Feuchtig- keitsgrade des Giftes, und von dem Orte der Verwundung ab. Je ent- schiedener das Urari mit dem Blute des Wildes in Berührung gekom- men, desto sicherer und schneller tritt die tödtliche Wirkung ein, Ich habe Ochsen vier Minuten nach dem Schusse erzittern, umfallen, und mit dem Tode ringen sehen, während in andern Fällen ein Afle oder ein Pecari, minder tödtlich getroffen, der Wirkung des Giftes dreimal so lange widerstanden. Allgemein verbreitet unter denIndianern ist der Glaube, dass das durch Urari getödtete Wildpret gesünder sey, als jedes andere; dass es einen eigenthümlichen Wohlgeschmack habe, da- von konnten wir uns täglich überzeugen, da es niemals an Hoccos, mit der schwarzen, bandartiggetheilten Rinde eines Schlingstrauches eng und zierlich umwickelt. Endlich fügt der indianische Künstler am Untertheile ein dickeresMundstück von glattem rothen Holze an. Die Pfeilchen, welche aus diesem Rohre abgeblasen werden, sind kaum einen Fuss lang, von einem weissen, leichten, selten von schwerem, schwarzen Palmen -Holze, und mehr oder minder genau zugerundet. An die Spitze ist das tödtliche Gift auf eines Zolls Länge auf- getragen, und zwar um so dü ıner und sorgfältiger, je höher es den Einzelnen zu stehen kommt, Bei den Stämmen, welche ins Whart selbst bereiten, werden ganze Bündel der Pfeilchen auf einmal in das eben fertige, noch flüssige Extract getaucht, und an der Sonne getrocknet; dieje- nigen Indianer dagegen, welche es aus der Ferne erhalten, weichen es mit Wasser und dem Saft der kleinen, sauren Limonie auf, und tragen es, mittelst einer Feder, in dünner Schichte auf die Spitze der Pfeilchen. Die Köcher sind bald aus Flechtwerk gemacht und mit Pech oder Firniss überzogen , -bald aus einem sehr schönen rothen Holze mit grossem Fleisse so zierlich ausgearbeitet, als wären sie das Werk eines Kunstdrechslers. Solche Köcher sind eines der Abzeichen, wodurch sich die verschiedenen Stämme unterscheiden, Selten trägt der Indianer einen grossen Vorrath fertiger Pfeilchen mit sich herum , sondern er bereitet erst, ehe er auf die Jagd geht, die muthmasslich nothwendige Zahl vor, indem er den unteren Theil mit etwas Wolle von der Samauma oder vom ‚Baumwollenstrauche umwickelt. Diess dient, die Röhre auszufüllen, damit das Pfeilchen mit der vollen Kraft des blasenden Jägers fortgetrieben werde. Das Gewicht des Pfeilchens wird, nach jedesmaligem Ermessen, durch etwas feuchten Thon vermehrt, den der Indianer in dem Stirnbeine eines kleinen Säugthieres bei sich führt, und vor dem Schusse am Untertheile befestiget. Dieser Theil des Jagdgeräthes hängt, sowie der Beutel aus Turiri-Bast für die Wolle, am Köcher, der um den Hals befestigt getragen wird. II. Theil. 147 1158 Papageien und Schweinen fehlte, die unsere Jäger in die Küche lieferten, Der schnelle Tod und die specifische Wirkung auf die gesammte Blut- masse bringt vielleicht eine ähnliche Veränderung im Geschmacke ha vor, als unsere Köche dem Fleische noch lebender Thiere durch das Eingiessen von siedendem Essig ertheilen. Der Strom ist in diesen Gegenden mit kleineren und grösseren Inseln durchsäet, auf denen die eigenthümliche Vegetation der Gebüsche von Oirana, Saliıx Humboldtiana, Myrten, Cecropia, von mancherlei Schlingpflanzen durchflochten, wiederkehrt. Haufen der Stachelpalme Jauari wechseln mit den einzeln stehenden Schaften der schlanken Assai- palme, und verleihen der Landschaft den Charakter einer üppigen Tro- pennatur. Wir fuhren am südlichen Ufer aufwärts, gewöhnlich in seichteren Canälen, während der Hauptstrom (/Mai do Rio) sich in der Mitte zwischen Inseln hält. Die ganze Breite des Stromes mag im Durchschnitte eine bis anderthalb Stunden betragen. Auf der Nordseite mündet hier der Copeyd in den Strom, vormals für die dritte Mün- dung des Yupurä gehalten, eigentlich aber ein Entleerungscanal des Lago de Amana welcher zwar mit jenem Flusse in Verbindung steht, aber ein selbstständiges Wasserbecken is. Während wir durch den Canal von Arauana-hy (Wasser des Fisches rauana), am südlıchen Ufer, weiter schifften,. ward ein Boot an jene Mündung abgesendet, um Fische zu fangen, die jetzt, mit allmäliger Zunahme der Gewässer, im Solimo&s seltener zu werden anfıngen. Es kam uns äm folgenden Tage mit einer Ladung der mannichfaltigsten Fische nach. WVährend der Hochwasser wird die Fischerei im ganzen Gebiete des Amazonen- stromes nicht in ihm selbst, sondern nur in den Beiflüssen und Seen getrieben, wohin sich dann die meisten Fische in regelmässigen Zügen begeben. Gegenwärtig lieferte der Strom hie und da noch Schildkrö- teneier, besonders auf der Praya de Camara-Coari, am nördlichen Ufer, wo wir die königliche Fahne wehen, und viele Menschen be- schäftigt sahen. Wo einzelne Haufen der kleinen Schildkröten aus dem Sande hervorkrochen, hatten sich ganze Schaaren von Störchen und # | 1159 Geiern versammelt. Weiter aufwärts an dem südlichen Gestade fanden wir ausgedehnte wilde Cacaowäldchen, die sich durch dunkles Grün, gleichmässige Höhe und Astverbreitung schon aus der Ferne ankündigen. Hier sollen ehemals die Curuzicaris oder Corosirares gehaust haben, ein Stamm, von dessen Anzahl und Geschicklichkeit, besonders in der Verfertigung irdener Geschirre, Acunsa und sein Umschreiber Pacan ausführlich reden. Wir fanden kaum eine oder zwei Hütten im Walde, von zahmen aber nomadischen Indianern bewohnt, und nur der Name Uara-tapera (verlassener Herren Ort), so wie die Gegenwart der Cacaobäume, die sich gerne in der Nähe ehemaliger Wohnsitze ansäen, schien daran zu erinnern, dass es hier ehemals eine grössere Bevölke- rung gegeben habe. *) Wenn aber auch alle diese Indianer spurlos *) Die Namen der Völkerschaften, welche Acunna uns hinterlassen hat, scheinen grossen- theils unrichtig aufgezeichnet zu seyn, und sind oft eben so wenig zu enträthseln, als seine Anga- ben von der Grösse der Bevölkerung mit der Wahrheit übereinstimmen möchten. Die Hütten die- ser Curuzicaris sollen i. J. 1639, dem Jahre von P. Texeıra’s Expedition, meilenweit in un- unterbrochener Reihe am Strome gestanden haben , und dennoch war die Zahl der Indianer längs dem Strome ı709. so geringe, dass Pater Frırz seine geistlichen Werbungen von Maynas aus bis hierher ausdehnen musste, um einige hundert Katechumenen zu erhalten! Die übertrie- benen Angaben Acunnxa’s rücksichtlich der Bevölkerung sind nicht geeignet, eine günstige Mei- nung von seiner Glaubwürdigkeit zu erwecken. Ueberdiess war er, wenn auch vielleicht mit der (peruvianischen) Quichuasprache, doch schwerlich mit der (brasilianischen) Tupisprache ver- traut. Seine Curuzicaris waren vielleicht nur eine Horde der Tupinambazes, denn offenbar ist das Wort aus Coaracy (Sonne) und Jara oder Uara (Herr, Mann, also Sonnen-Männer) zu- sammengesetzt. Ich habe bereits $. 1097. darauf aufmerksam gemacht , dass die Endungen der Völkernamen in Uara oder Ares (Herren, freie Männer) auf Hordenunterschiede der Tupis hin- weisen. Dass die von Acunsa gebrauchte Endung Aris dasselbe bedeute, geht aus seinen eige- nen Worten hervor, da er (Cap. 58.) die Gold grabenden Indiane; Yuma- Guaris (eigentlich - It, Stein, juba, glänzend, uara, d. i. Metall- Männer) nennt, Sehr viele Namen auf den ältern, nach Acunna’s Bericht gefertigten, Karten, wie z. B. pe v’Isıes vom J. ı717: Cachig- uaras, Curigu-eres, Cumay-aris, Guacui-aris, Guac-aras, Yacuma-aras, Cuchiu-uaras, Agua-yras, Canisi-uras, Paca-jares,, sind ohne Zweifel ähnlicher Abkunft, und entweder die Distinctiva einzelner Tupihorden, oder die Namen , womit die Dollmetscher in der Tupisprach “von ihnen unterschiedene Völker oder Horden bezeichneten. Ganz ähnlich sind die Zusamme n- setzungen mit Aba oder Ava, Nation. (Vergl. S. 1150. Note.) Dass die Indianer ihre Horden und Familien nach allerlei Thieren, Pflanzen u. s. f. unterscheiden, ist bekannt; so also: Paca- jares, Paca -Indianer, Yacuma- ares Buder-Indianer, Nhenga-iba (statt aba) Sprach- Männer, d. h. solche, die dieselbe Sprache (Nhenge) sprechen. Die Endung Alba oder Jua wurde von einem spanischen Schriftsteller leicht in Aguas verändert. 147 * 1100 verschwünden sind, trifft doch noch zu, was Acunna von der Land- schaft selbst sagt: südlich vom Strome erhebt sie sich, und zeigt einen röthlichen Sandstein, oder die steilen Lettenufer, welche wir bereits auf- geführt haben, und weiter westlich die von Tabatinga (weisser Thon) und Mutum-Coara (Ort der Hoccos). Die Nordküste, Carapanatüva, ist niedriger. Die steil abgerissenen Ufer von Mutum-Coara erheben sich auf vierzig bis fünfzig Fuss, und sollen landeinvvärts in eine hüge- lichte hohe Gegend ansteigen, die nicht mit Wald, sondern mit Flur- vegetation bedeckt ist. Auf diesen Campos soll die Expedition des OreLLana grosse Säugthiere weidend gefunden haben, die den eingebor- nen Indianern unbekannt, und ohne Zweifel von Perü hierher einge- wandert waren. (Herrera, Decad. VI. p. ı95. Condam. Relat. P- 92.): Neuerlich hat Niemand diese Thiere gesehen; aber bei dem Mangel anderer bedeutsamer Traditionen unter den Indianern ist die Kunde da- von noch nicht verschollen. Das europäische Rindvieh hat sich mit einer fast unglaublichen Leichtigkeit in den grasreichen Ebenen Süd- america’s, sowohl im Süden als im Norden des Aequators, ausgebreitet. Wenn wir Indianer, welche weite Züge unternommen hatten, ausfrag- ten, so erwähnten sie der natürlichen Weiden fast niemals, ohne auch von wildem Rindvieh zu sprechen, das darauf weidete. So hat es sich von den Missionen von Paraguay und aus den Provinzen Moxos und Chiquitos in die Fluren verlaufen, welche hie und da zwischen den Quellen des Yavary, des Coari und des Juruena vorkommen; aus den Campos am Rio Branco verliert es sich zuweilen über das Gebiet der Gebirge von Parime, und in den Sawannen nördlich von Macapä hat man Stiere erlegt, welche Brandmarken trugen, und vielleicht vom Essequebo oder aus den Missionen der catalonischen Mönche am obern Carony dahin gerathen waren. — Zwei Tagereisen, in denen wir etwa zwölf Legoas zurückgelegt hatten, brachten uns an die Mündung des _ kleinen Flusses Catua oder Catual ‚ mit welchem Namen mehrere alte Karten ‚den Coari bezeichnet haben. Das Terrain erschien hier niedri- ger, ungleich, und mit dichter Waldung bedeckt, aus der sich hie und da ein ungeheuerer Samaumabaum erhebt. Weniger die natürlichen 1161 Pflanzungen von Cacao und Salsaparilha, als der Reichthum von Fischen in diesem Flüsschen, in den westlicher gelegenen Camucud und Cajame und in dem Jitiea-parana (Batatenfluss; eigentlich ist es ein See) ver- anlasst die nomadischen /Muras, in diesen Gegenden Standquartier zu machen. Wir waren vor ihren Ueberfällen und Räubereien gewarnt worden, und stellten daher während der Nacht Wachen aus, wurden jedoch nur von den Schnacken beunruhigt. An dem Jitica-parana war eine Feitoria für den Fang des Lamantins errichtet worden, die eben jetzt, mit Zunahme des Gewässers, von Ega aus bezogen werden sollte. Der Solimoes vertheilt sich in dieser Gegend zwischen zahllose Inseln , und nimmt mehr als eine Legoa in der Breite ein. Wahrhaft grossar- tig ist die Ansicht des ungeheueren Flusses: ein Labyrinth gewaltiger Wasserströme, die sich, bald sanft bald stärker fliessend, zwischen das safiiggrüne Dickicht ergiessen, über welches die wallenden Wipfel der Assaipalmen oder schlanke Ambauvastämme mit ihrem weissschimmern- den Laube oder riesenhafte Wollbäume hervorragen. Wir steuerten in dem südlichsten Stromarme aufwärts. Am 25. November hatten wir endlich die Mündung des Aio Teffe erreicht. Sie eröffnet sich, gegen ‚Ost von einem steilen Lettenufer, gegen West von einer niedrigen Insel begrenzt, um dem Blick eine grossartige Aussicht auf ein breites Was- serbecken zu gewähren, in welches sich der Fluss Zefe hier ausbrei- tet. Der majestätisch stille See, mit seinen reinlich weissen Sandufern, und weiter landeinwärts von einem üppigen Urwald umgeben, dessen domartig gewölbte Bäume ruhig in den blauen Aether aufragten, machte einen höchsterfreulichen Eindruck. Kaum aber hatten wir unsern Lauf hinein gerichtet, so zog uns ein Schauspiel ganz anderer Art an. Das ruhige, schwarze Gewässer des Sees war von zahllosen Krokodilen bewohnt, welche wie eine Familie friedsam neben einander zu wohnen schienen. Es waren darunter die grössten Thiere, welche wir bis jetzt gesehen hatten: von zwanzig und mehr Fuss Länge. Viele lagen be- wegungslos im Wasser, andere schwammen im Rreise herum oder auf uns zu, und schienen durch unser Fahrzeug nicht erschreckt, vielmehr ge- reizt. Eines der grössten näherte sich uns in gerader Linie und so # 1102 entschieden, dass ein Indianer im Vordertheile befürchtete, es wolle versuchen, heraufzusteigen. Er schlug daher mit einem Stocke darnach, "allein das Unthier liess sich nicht irre machen, schnappte nach der ausgestreckten Hand und erwischte sie, doch glücklicher Weise nur mit einem Zahne, so dass es Nagel und Fleisch von einem Finger- gliede abreissen konnte. Erst nach einigen Flintenschüssen auf den dicken, einer Baumborke ähnlichen, Panzer stand es von seiner Ver- folgung ab, ohne jedoch verwundet worden zu seyn. WVir setzten in- zwischen den Weg nach der, etwa zwei Legoas von der Mündung entfernten, Zilla de Ega fort. Seit wir Coari verlassen hatten, war jeder Abend durch ein heftiges Gewitter bezeichnet gewesen, und auch jetzt überzog sich plötzlich der Himmel, ein gewaltiger Westwind wühlte den See auf, und zwang uns, mit eingezogenem Segel dem Wellendrange zu folgen, der alsbald so heftig ward, dass wir in gröss- ter Gefahr schwebten, umgeworfen zu werden. Wir liessen daher das Fahrzeug an eine dichtbewaldete Landspitze treiben, wo es auf so hohen Wogen anlangte, dass wir nicht im Sande des Ufers, sondern auf den ausgebreiteten Aesten eines niedrigen Baumes Grund fanden, die der Sturm in demselben Augenblicke über das Wasser hingebeugt hatte. So waren wir denn in der Luft aufgehangen; und nur der ver- einten Anstrengung der Mannschaft, welche über Bord sprang, gelang es, den Kahn mit Stricken gegen den wüthenden Andrang der Wellen an dem Baume so lange zu ‚befestigen, bis der Sturm vorüber war, und wir ihn, durch Abhauen der stärksten Aeste, seinem. Elemente wiedergeben konnten. Wir übernachteten an dieser Stelle, und erreich- ten am nächsten Morgen das Ziel unserer Reise, wo wir auch schon den Sergeanten mit unserm grossen Fahrzeuge antrafen. Die Yıla de Ega, von den Indianern Teffe ana liegt am östlichen Ufer der secartigen Ausdehnung des Rio Teffe gerade da; wo diese ihre. grösste Breite, von einer deutschen Meile, erreicht hat. Ein. kleiner, aus dem Festlande von Osten herkommender, Bach be- wässert die Niederung, wodurch das ‚amphitheatralisch ansteigende 1103 Terrain in zwei ungleiche Theile getheilt wird. Die Häuser des Fle- ckens Teffe’'), in einer Strasse längs dem Ufer, sind sämmtlich einstöckig, aus Balken und Lehmwänden erbaut, statt der Glasfenster mit hölzer- nen Läden versehen, und mit Palmblättern gedeckt. Nur ihre Grösse «und die Schlösser an den Thüren unterscheiden sie von den Hütten, welche wir in vielen Indianerdörfern gesehen hatten. Sie bilden eine unregelmässige Strasse längs dem Seeufer, einige andere von da land- einwärts gerichtet und freie Plätze um die Kirche und das Haus des Militärcommandanten, das einzige, an welches ein Vordach (Yaranda), gleichwie an den Landhäusern von Parä, angebaut ist. Die Zahl der Einwohner mag sich etwa auf sechshundert belaufen. Dieser Verhält- nisse ungeachtet hört man Zga den Hof (Corte) des Solimo&s nennen, ein Name, den es nur zur Zeit verdient haben mag, als die letzte vereinigt spanisch - portugiesische Grenzcommission hier (vom Jahre ı782—-88.) ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Damals bewirkte die Anwesenheit vieler Fremden aus Para und Maynas eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit und einen verhältnissmässig beträchtlichen Handel. Da aber mehrere hundert Indianer, zum Dienste der Commission in die Villa entboten, oft Jahre lang ihrer Heimath entzogen wurden, so trug die Commission zur Entvölkerung der christlichen Niederlassungen bei, und ward sehr unpopulär bei allen Patrioten. Zga hatte in jener Zeit eine doppelt so starke Bevölkerung, als jetzt, wo die Zahl der Hand- werker und Handelsleute äusserst gering geworden, und von dem da- maligen Luxus keine Spur mehr vorhanden ist, ausser etwa, wie Man- che behaupten, in der trägen und nur den Lustbarkeiten zugewandten Sinnesart, vorzüglich aber in der Trunksucht, seiner Bewohner. Der Mangel an Industrie und Unternehmungsgeist ist allerdings auffallend, *) Auch Tefe, Taife, Taipe, Tapt, (in der Tupisprache‘ tief.) Der Fluss, von dunkel- braunem , im Glase angesehen hellgelblichem, Wasser, ist, der Sage nach, vierzig Tage lang aufwärts beschifft worden, Er engt sich bald sehr ein; seine Ufer sind mit dichter, aber niedriger Waldung bedeckt, arm an Salsaparilha und Cacao, desshalb wenig besucht. Im obern Flussgebiete wohnen, den Brasilianern vorzüglich bekannt, die Catuguinas, Feinde der Catau- ulzis, und vor diesen geflüchtet. Sie sind noch wenig mit den Weissen in Verkehr getreten. 1104 wenn 'man die belohnende Fruchtbarkeit des für Mandiocca, Caffe, Zu. ckerrohr, Baumwolle, Bananen u. s. f. sehr geeigneten Bodens und den Reichthum der benachbarten Wälder erwägt. Nur einige wenige Einwohner, und zwar unter den Indianern nur ein Einziger, beschäfti- gen sich mit dem Anbaue von Colonialerzeugnissen Behufs der Ausfuhr ;* -Andere senden Expeditionen in die Flüsse Yupurä, Ica, Yuruä, Jutahy und Yavary ab, um die dort wildwachsenden Artikel: Salsaparilha, Ca- cao, Copaivaöl und Maranhäonüsse sammeln zu lassen. Zu diesen Un- ternehmungen bedürfen sie einer Erlaubniss der Regierung, welche für alle obenerwähnten Flüsse von dem hiesigen Platzeommandanten einge- löst wird. Diese Licenzias, lediglich nach Ermessen des Offiziers er- theilt, geben Anlass zu mancherlei Begünstigungen,, Klagen und Intriguen. Um die Streitigkeiten zwischen den dort wohnenden Indianern und den Equipagen der Handelskähne zu schlichten, und überhaupt eine, wenn auch noch so schwache, Autorität über die ersteren auszuüben, hat man in die Niederlassungen am Yupurä, an der Mündung des Icä und wo sonst noch an jenen Flüssen eine stationäre Bevölkerung von eivili- sirten Indianern lebt, einen Ortsrichter (Juiz ordinario) bestellt, der aus der Zahl der Bürger von Ega, Fonte- Boa oder Olivenza genom- men wird, und jährlich einmal nach Zga kommen soll, um dem Mili- tärcommandanten Bericht über seine Verwaltung abzustatten. Diese Ortsrichter erlauben sich oft die gewaltsamsten Bedrückungen der In- dianer, die sie, unter dem Vorwande des öffentlichen Dienstes nur für ihre Privatzwecke verwenden. In Zga. steht übrigens die indianische Bevölkerung °*) unter einem eigenen Richter, den sie aus ihrer Mitte *) Ega, war ursprünglich eine Mission der Carmeliten. Von der Ilha dos Veados (wel. che durch den Canal Gi-parana im Solimo&s,, östlich von der Mündung des Yurud, gebildet wird), wurde sie hierher verlegt, und ı759. zur Villa erhoben, De ıı Coxvimıse, welcher hier im Aug. 1745. durchpassirte, lobt den blühenden Zustand der damaligen Missionen, Die hier aldeirten Indianer waren von den Stämmen der Uainumd (Janumd), Tamuand, Sorimaö, Jauana, Yupiud (Yupua), Achouari, Jüma, Mando, Coretü, Xama, Passe, Juri, Uayupl und Coeruna. (Ribeirö $. 92. Monteiro $, 101. 126.) Dieses Gemische, grösstentheils ur sprünglich Bewohner der Ufer des Solihoda ‚ zwischen dem Coari nnd Jutahy, aber auch vom Yupurd und Rio Negro, ist gegenwärtig zu einer an Sitten und Sprache gleichartigen Bevölkerung 1105 wählt, und der vom Gouverneur bestätigt werden muss. Der Comman- dant handhabt die Polizei, und beaufsichtigt den Hafen (Ribeira) und die daselbst für die Schiffswerfte zu Parä vorzunehmenden Arbeiten. Man schlägt hier viele trefflliche Schiffsbauhölzer, die von Zeit zu Zeit nach der Hauptstadt gesandt werden. (5.) Unter dem Gouvernement des Snr. VıcTorıo DA Costa war gegen den Eingang des Sees hin eine grosse Baumwollenpflanzung angelegt worden, deren Bearbeitung ebenfalls von Indianern in der Frohne oder gegen geringen Taglohn geleistet wird. Eine ungünstige Folge dieser und ähnlicher auf Staatsrechnung gemach- ten Arbeiten ist der Mangel an Solchen, die bei den Ansiedlern Dienste nehmen können. Die Klage über Geschäftslosigkeit, über die Unmög- lichkeit, selbst nur die rohen Naturproducte einsammeln zu lassen, die man hier, wie überall in Rio Negro, hört, erscheint allerdings zum Theil als ein gerechter Vorwurf gegen das System der öffentlichen Arbeiten. Diess Land hat eine für seinen Reichthum zu schwache Be- völkerung, um Monopolien irgend einer Art ohne Nachtheil der Indu- strie des Einzelnen ertragen zu können. Wenn immer aber die Arme der Indianer für die Industrie der Uebrigen gegen Taglohn frei gegeben werden sollten, ist es nöthig, dass die Regierung über die Benützung jener wache; denn obgleich der indianische Richter die Rechte seiner Stammgenossen ahren soll, ist er doch zu schwach und zu kurzsich- tg, um nicht in jedem Conflicte mit den Weissen den Kürzern zu : verschmolzen, aber bei weitem nicht so zahlreich, als man nach Aufzählung so vieler Namen erwarten möchte. Von manchem Stamme befand sich auch ursprünglich nur eine Familie hier. Früher haben die Blattern, und seit 1803. fast jährlich wiederkehrende Wechselfieber den Ort entvölkert. Der Flecken selbst wird zwar durch Hochwasser nicht überschwemmt, ist aber den Ausdünstungen eines grossen Sees nahe, dessen Gewässer einen grossen Theil des Jahres hin- durch fast stille stehen. Wir fanden den See weit und breit mit einer Haut von grüner (prie- stleyscher) Materie überzogen, dem Producte der Zersetzung jener Grashalme, welche wäh- rend des niedrigen Wasserstandes schnell hervorwachsen, und später gänzlich untergetaucht werden, Auch das Trinkwasser, das man lediglich aus dem See schöpft, mag dazu beitragen, Wir fanden seine Temperatur bei mehrmaligen Beobachtungen zwischen 21° und 24° R. wech- selnd. Nur die gedankenlose Indolenz der Einwohner erklärt den Gebrauch des Seewassers, da sonst alle Anwohner des Stromes das Wasser desselben zum Trinken um so mehr vorziehen, ‚je mehr es bewegt wird. i II. Theil. 148 € 1106 ziehen. Zga ist der Stapelplatz für den Handel im obern Theile des Solimoes und in. allen seinen Beiflüssen. Englische und brasilianische Kaufleute von Para haben hier Commanditen errichtet, um europäische Waaren abzusetzen, und ‘die Artikel des Landes aus erster Hand ein- zukaufen. Man findet die hier am meisten begehrten Waaren: gedruckte und gestreifte Baumwollenzeuge, etwas Seidenzeuge, Hüte, Linnen, Tücher, Eisen-, Stahl-, Messing- und Kupferwaaren, Steingut, Glas, Porzellan, Wein, gebrannte Wasser, u. s. f. in hinreichender Quantität und Auswahl. Die Preise, obgleich beträchtlich höher als in Para, sind doch doppelt so niedrig, als in den benachbarten peruvianischen Provin- zen Maynas, Quichos und Macas, wohin die Waaren aus den Häfen der Südsee über die Cordillere eingeführt werden müssen. (4.) Die einheimi- schen Artikel, welche von Zga stromabwärts verführt werden, sind: Ca- cao, Salsaparilha, Manteiga de Tartaruga, getrockneter Pirarucu, eiwas Cafle, Baumwolle, Copaivaöl, Pechurimbohnen, Maranhäonüsse,, Ca- rajurü, Orlean und Bauholz. Der grösste Theil davon wird am Soli- mo&s und Yupura geholt, nur wenig am Teffe, dessen Ufer verhält- nissmässig arm an jenen Erzeugnissen sind. Die hiesigen Pflanzungen sind fruchtbar, aber den Verheerungen der Ameisen sehr ausgesetzt. *) Die Ausflüge in der Nachbarschaft von Ega magpten uns mit einer von der in Coari beobachteten sehr verschiedenen egetation bekannt. Statt der dortigen Wiesen und niedrigen Gebüsche sieht man hier dichte Urwälder, denen an der Barra do Rio Negro und am Solimoes ähnlich. Doch hat auch diese Gegend ihre Eigenthümlichkeiten, unter denen ich eine Myrte (Eugenia egensis, von den Indianern Araca-rana, d.h. wilde Gojave, genannt) auszeichne. Ihre fröhliehen Gebüsche umgrenzen 2 Ein alter Indianer beklagte sich bitter bei mir, dass, was ihm die, früher in der Nach- barschaft umherstreifenden , Muras übrig gelassen hätten, jetzt von der tollen Ameise (Formiga douda, Taeyba eainane oad) genommen werde; „diess sey ihm um so verdrüsslicher, als er seine Pflanzung doch lieber Menschen von seinem Blute, als jenen Thierchen gönne, die nicht einmal wieder gefressen werden könnten,“ Die sogenannte tolle Ameise ist eine der kleineren Arten, und heisst so, weil sie mit unglaublicher Schnelligkeit in allen Richtungen umherläuft. 1107 weithin die reinlichen Sandgestade des Sees, und erinnerten, ge- rade jetzt mit weissen, wohlriechenden Blumen überschüttet, an die Blüthezeit unserer europäischen Obstarten, In dem Hochlande von Bra- silien, von Peru und Jamaica erscheinen viele kleinblättrige Myrtenarten, und an den Aequatorialflüssen des neuen Continentes bilden andere, grossblättrige Formen einen herrschenden Theil der Ufervegetation. Man könnte in dieser Beziehung die Myrtaceen in America mit den Weiden in Europa vergleichen. Die Urwälder im Hintergrunde der Villa werden um so trockner, reinlicher und höher, je weiter sie vom Ufer entfernt sind. Da der Boden aus mächtigen Lagen von rothem Lehm oder Dammerde besteht, so sieht man nur selten neben dem farbigen Thon auch den rothen, feinkörnigen Sandstein zu Tage aus- gehn. In diesen trockneren Wäldern (Ca&-ete) der sogenannten Terra firme habe ich ungeheuere Stämme, besonders von Feigen- Lecythis- Bertholletia-, Caryocar- und Lorbeer-Bäumen, dagegen wenig und nur niedriges Unterholz angetroffen. Man kann hier die colossalen Stämme, und ihre aus der Erde hervorgetretenen, sternförmig ausgebreiteten Wurzeln leicht messen, und die zu weiten Laubgewölben aufstreben- den Kronen von einander unterscheiden. Stämme von ı20 Fuss Höhe, und ı5 Fuss im Durchmesser oberhalb der Wurzel sind nicht selten. Gewaltige Blätterpilze schiessen aus dem Moder des abgefallenen Lau- bes auf, und die Stämme sind, wie in den Urwäldern von Bahia und Fio, mit celossalen Schmarotzerpflanzen überzogen. Vielerlei Thiere beleben diese Hochwaldung: die Aflen treiben ihr lautes Spiel in den Wipfeln, wilde Schweine und Coatis durchstreifen schnobernd den Grund, und die Hoccos flattern von Ast zu Ast. Die Uferwaldung Caä - F gapo) längs der flachen Uferstrecken und der von hier aus landeinwärts führenden Canäle (/garapes) ist niedriger, dichter, ver- worrener. Die Stämme, am Untertheile astlos, mit dünnerer, glatter Rinde versehen, und je nach der Höhe des vorigen Wasserstandes mit : Schlamm: überzogen, stehen dichter, mit verschränkten Aesten. Hier ist es, wo mehr oder minder gesellig, der Cacaobaum und die stache- ligen Ranken der Salsaparilha erscheinen. Blatt- und astlose Lianen 148 * 1168 (Buschtaue) schlingen sich in grotesken Gestalten um die Bäume, zwi. schen welchen ein buntes Gewirre von Unterholz aufschiesst, das oft während des nächsten Hochwassers wieder ertränkt wird. Statt der grossen Parasiten haben sich hier nur Moose und Jungermannien über die triefenden Blätter ausgesponnen. Nur wenige Thiere bewohnen die feuchte Waldung. Wasservögel ruhen auf dem Buschwerke der Ufer, und Raimans lauern im Wasser oder im Schlamme. Die labyrinthischen Windungen der Wasserstrassen, welche durch dieses F’gapo hinführen, so dicht von dunklem Gebüsche überhangen, dass der Kahn oft nur mit Mühe weiter geschoben werden kann, die lautlose Stille, nur vom Plätschern der Fische oder dem Schnarchen der Krökodile unterbrochen, die qualmige Luft auf dem Laube, das in dieser warmfeuchten Atmo- sphäre mattglänzend hervorwuchert, der düstere, wolkenschwere Him- mel, nur selten zwischen den Wipfeln sichtbar, — Alles vereint sich zu einer melancholischen Umgebung, geeignet mit banger Furcht zu erfüllen. In diesen, fast jährlich mehrere Fuss tief überschwremmten, Ygapowaldungen findet man keine Pflanzungen. Für sie wählen die Ansiedler die nächsten Zungen und Spitzen des Festlandes, von welchen aus die Erzeugnisse leicht im Kahne transportirt werden können, denn andere Verbindungswege giebt es weder hier noch überhaupt irgendwo anders im Innern der Provinzen Parä und Rio Negro. Die Pfade in den Wäldern werden nur von den jagenden Indianern begangen, und blei- ben, obschon sehr enge und- gewunden, desshalb dennoch sichtbar. Bei diesem Mangel aller Landstrassen und Haupiwege, würde Zug- oder Lastvieh unbrauchbar seyn, und wir haben desshalb von der Barra do Rio Negro bis an die Grenzen Brasiliens nur zwei Pferde und ein Maulthier gesehen. : Rindvieh dagegen findet man, wenn ‚schon in geringer Zahl, in allen Ortschaften. Es wird in den abgetriebenen Waldstrichen auf die Weide gebracht, oder im Stalle mit Mais und Gras ‚gefüttert. Milch bleibt übrigens eine Seltenheit auf dem Tische der Einwohner, eben so wie Rindfleisch. Statt jener müssen die. Eier, statt diesem muss das Fleisch der Schildkröten dienen. | 4 - L 1109 Auf einem von Wald entblössten Hügel, im Süden der Villa, war es, wo ich die erste Anpflanzung der Fpadupflanze (Erythrosylum Coca, Lam.) fand, die man den Theestrauch von Peru und vom obern Marannon nennen könnte, da ihre Blätter ähnlich reizende Wirkungen äussern. Die drei Fuss hohen’ Stämmchen waren am Ende einer Rossa die auch viele Lianen von Maracujä (Passiflora maliformis, L.) voll trefflicher Früchte enthielt, reihenweise, drei Fuss weit von einander, gepflanzt, und, wie es schien, neuerlich schon öfter ihrer Blätter be- raubt worden. Diese, von der Grösse der Kirschbaumblätter, blassgrün , von zarter Textur und von einem krautartigen, bei längerem Verweilen im Munde bitterlich-süssen, etwas zusammenziehenden Geschmacke, und von angenehmem Geruch, werden von den Indianern im Schatten oder auf dem Darrofen, worauf sie ihr Mehl rösten, getrocknet, in einem hölzernen Mörser, entweder allein oder mit der Asche von den Blättern der Cecropia palmata feingepülvert, und dann in einem hohlen Grasschafte (Taboca) aufbewahrt. Die Indianer gebrauchen diess feine grünlichgraue Pulver, womit sie sich von Zeit zu Zeit den Mund an- füllen, eben so wie die Türken das Opium oder die Tabackkauer den Taback, als Erregungsmittel, und zwar vorzüglich, um das Bedürfniss der Speise oder des Schlafs für eine Zeit lang zu beschwichtigen. Es vermehrt die Absonderung des Speichels, bringt ein Gefühl von Wärme und von Fülle in Mund und Magen, spannt die Sensation des Hungers ab, erhöht in geringerer Quantität die Lebensgeister zur Lustigkeit und Thatkraft, und wirkt somit als ein Sorgenbrecher, hat aber, in zu grossem Maasse oder von Nervenschwachen genossen, Abspannung und Schläfrigkeit zur Folge. Ich habe am Yupurä gesehen, wie der An- führer einer Horde Miranhas, welche einen langwierigen Streifzug vor- hatte, seinen Begleitern dieses Pulver in regelmässiger Dosis, mittelst . eines, aus dem Knochen des Lamantin gemachten Löflels, herumreichte, um sie gegen Ermüdung zu sichern. Liegt der Indianer in seiner Hang- matte, so nimmt er von Zeit zu Zeit eine kleine Quantität und behält sie lange zwischen den aufgeblähten Backen, um den träumerischen Zustand zu begünstigen, für den seine Indolenz so empfänglich ist. 1170 Bekanntlich ist die Sitte, das Fpadu zu nehmen, bei den Indianern in Peru, wo es Coca heisst, sehr allgemein; und ich glaube, dass sie von dort nach Brasilien eingewandert sey. Auch diese rohen Völker nehmen, . so wie die höher civilisirten, Moden und Gebräuche -von ihren Nach- barn an. (6.) Während Dr. Sprrx den hiesigen Aufenthalt benutzte, um noch einige Lamantine, Delphine und Krokodile für die Sammlungen zu er- werben (alle diese Thiere werden in dem See und den benachbarten Igarapes nicht selten gefangen); dehnte ich meine Ausflüge auch jenseits des Teffe nach Nogueira, sonst Parauari, aus. Dieses Dorf liegt, zwei Legoas westnordwestlich von Ega, in einer etwas höheren, aus- serordentlich fruchtbaren und angenehmen Gegend, am westlichen Ufer.) Im Herbeirudern bemerkten wir vor der, am Abhange des Seeufers liegenden Rirche, eine Reihe ganz nackter Indianer neben dem Geistli- chen und einer verschleierten Frauensperson. Als ich mich der offenen Kirche näherte, hörte ich zu meinem Erstaunen, dass man eben im _ Begriffe sey, die Taufhandlung mit diesen Wilden vorzunehmen. Es waren sechs Männer vom Stamme der Fi upuas u. Cauixanas am Yu- pura. Gestern aus dem Walde angelangt, hörten sie eine ihnen unver- ständliche dogmatische Erklärung, die der Geistliche gab, ohne ein Zeichen innerer Theilnahme, und folgten ihm dann bewusstlos in die Rirche, wo die Geremonie vollzogen wurde, indem der Pfarrer einer derben Mulattin, die das Amt der Pathe (Maya Angaba d. i. Seelen- mutter) übernommen hatte, und mir eine brennende Kerze in die Hand gab, um die Festlichkeit der Handlung zu erhöhen. Ich erinnere mich « _*) Diese anmuthige und gesunde Lage rechtfertigt die Verlegung hierher, nachdem das Dorf vorher schon an zwei andern benachbarten Orten gestanden hatte, 1753. ward es hierher von ‚einem Carmelitenmissionär versetzt, und mit Familien yon den Stämmen der Y: auand, Juma Ambud, Cyrü, Uayupi, Juri, Mariardna und Catahuizis bevölkert. (Monteiro $- 192 Ribeiro |. 98—100.) Wegen der gesunden Lage haben sich auch mehrere Weisse hier nie dergelassen. Die Indianer sind alle in ein gleichförmiges Völkchen, das die Tupisprache spricht, verschmolzen, 12 1171 nicht leicht einer schmerzlicheren Gemüthsbewegung, als die war, welche mich beim Anblick dieser fruchtlosen Ceremonie ergrifl. Nur die Taufzeuge mochte vielleicht ein andächtiges Gefühl bei einer Hand- lung der Barmherzigkeit, die sie eben ausübte, gewinnen. Die India- ner gingen, nachdem sie ungeschickt genug ein Knie gebeugt und von. der Pathe einige kleine Geschenke erhalten hatten, ohne Weiteres davon; ich sah sie am Abende in ihrem kleinen Kahne wieder den heimathlichen Wäldern entgegenrudern. Es schien mir, als läge die bitterste Ironie in dem ganzen Vorgange, und mit Bedauern muss ich sagen, dass er hier nicht selten vorkommt. Der rohe Wilde betrachtet die Taufe entweder abergläubisch als eine Wabgung gegen die schwar- zen Künste seiner Feinde, oder selbstsüchtig a als ‚ein Mittel, sich einige Bedürfnisse von den betrogenen Weissen zu verschaffen. Nicht selten melden sich dieselben Individuen mehrere Male bei verschiedenen Pfar- rern. — Die Indianerinnen von Nogueira sind wegen ihrer Geschick- lichkeit i in der Verfertigung irdener Geschirre berühmt. ”) Wir gingen von Hütte zu Hütte, um die etwaigen Vorräthe, und die Manipulation kennen zu lernen, und fanden dieselbe gutmüthige Zuvorkommenheit bei diesen Schülerinnen des Daedalus, wodurch sich die aldeirten India- * *) Für den eigenen Hausbedarf verferligen sie jene grossen, oft drei Fuss im Durchmesser haltenden , Platten (Japüna) , welche, auf einen Heerd von Thon eingemauert, zum Trocknen der Mandiocca dienen, ferner halbkuglige Schüsseln (Nhaempepo) von verschiedener Grösse, gemeiniglich ohne Deckel (Cokendapaba), worin sie ihre Speisen kochen, seltner Krüge ‚(Rerü) und flache Pfannen (Peryryssaba) , und endlich die grossen Töpfe (Camotim) , zur Aufbewah- rung ihrer Getränke, Alle"diese Geschirre sind nicht glasirt, oft sehr massiv und plump gear- beitet, und je nach den Verschiedenheiten des Thons von grauer, weisslicher oder röthlicher, selten von fast schwarzer Farbe. Für-den Handel machen sie mit grösserer Sorgfalt vorzugs- weise eine Art flacher Schüsselu von verschiedener Grösse, die, auf def einen Seite ausge- schnitten, unsern Barbierbecken ähnlich sind. Wahrscheinlich hat ein solches ursprünglich zum Muster gedient, und diese fremde Form ist jetzt am ganzen Strome herrschend. Solches Ge- schirre ist auf der innern Seite glasirt, oder vielmehr gefirnisst. Das Material dazu, ein grün- lich- oder graulichweisser Thon, wird lange Zeit mit Anstrengung zwischen den Händen ge- knetet, bis er die gehörige Feinheit und Bildbarkeit erhalten hat. Das Formen geschieht aus freier Hand, und zwar, wie überhaupt von allen wilden Stämmen America’s, durch Aneinan- derfügung dünner Thoncylinder, um ein gemeinschaftliches Centrum, die dann zusammenge- strichen und innig mit einander verbunden werden, Das weiche Geschirre wird in die Sonne 1172 nerinnen überall vor den Männern auszeichnen. — In Noguweira hatte ich auch Gelegenheit, den Fischfang mit der betäubenden Schling- Pflanze Paullinia Cururu im Grossen treiben zu sehen. Mehrere Kähne führten die zerquetschten Stengel eine Zeit lang in einer Bucht des See’s hin und her, und die Wirkung trat nach einer Viertelstunde so günstig ein, dass ein Nachen mit dem Fange gefüllt werden konnte. *)— Bei einer Herborisation in die, besonders an WVürzschilfen (Seitamineae) ungemein reichen Urwälder, dergleichen ich meistens nur in eines ein- zigen Indianers Begleitung zu unternehmen pflegte, begegnete ich einer grossen Onze, ohne jedoch von ihr bemerkt zu werden. Man will beobachtet haben, dass dieses gefährliche Raubthier in der Nähe der Niederlassungen häufiger sey, als in den tief landeinwärts liegenden Urwäldern. Sie sind hier weniger verfolgt von den Indianern, und eher sicher, Beute an Rindvieh, Schaafen u. dgl. zu finden. Bisweilen wagen Sie sich, von Hunger getrieben, in die Ortschaften. Es kostete mich ein eifriges Winken, um den Indianer, welcher mich begleitete, abzuhalten, seinen Pfeil auf das Thier abzuschiessen, da ich, nur mit einem Hirschfänger bewaffnet, es nicht auf das Glück seiner Hand an- kommen lassen wollte. Er folgte mir nun verdrüsslich weiter durch gestellt, und dann in Löchern in der Erde gebrannt, wozu man sich weicher, wenig erhitzen- der Holzarten, des Cacaobaumes, einiger Celtis- Arten oder der Rinde vom Mattd - Malta (Lecythis Idatimon, A.) bedient. Dasjenige Geschäft, wobei die Indianer die meiste Industrie bethätigen, ist das Bemalen, Eine Brühe aus feingepülvertem Ocher, Tabatinga oder wohl auch des Carajuru -Rothes, mit Wasser u. bisweilen mit der bindenden Harzmilch des Sorveirabaumes aufgetragen , bildet den Untergrund. Auf ihn werden nun mancherlei Muster von krumm- und geradlinigen , dazwischen mit Blumen - und Thieren oder mit Arabesken verzierten, Figuren in allerlei Farben aufgetragen. Die Farben sind meistens vegetabilisch, und halten daher keinen neuen Brand aus. Man begnügt sich desshalb, ein schr feines Pulver von Copal (Jitaisica) über die Gesammtoberfläche auszubreiten, und es in der.Mittagssonne oder auf dem Heerde in Fluss zu bringen, wodurch ein glänzender ‚ durchsichtiger Firniss gebildet wird, der nur durch er zugrosse Wärme oder durch weingeistige Flüssigkeiten Glanz und Haltbarkeit verliert, Diese Geschirre erinnern durch das Uubehülfliche, Barocke und Buntfärbige ihrer Malereien theils an den chinesischen, heils an den altmexicanischen Geschmack: Indianer, die durch den Umgang mit VVeissen kunstfertiger werden, namentlich in der Yilla de Cametd , wissen nun auch ihren ‚Geschirren Besen Formen , mancherlei mineralische Farben und sogar Vergoldung zu geben. (Vergl. ind. Gerächschi u Ei 1 — 2.) 9) Spiz er Apassiz Pisc. Tab, B- 1173 den Wald, und plötzlich war er verschwunden, Nach vielfältigem Rufen sah ich ihn aus einem mächtigen hohlen Baume hervorschlüpfen, und auf meine Frage, warum er sich dorthin versteckt hatte, zeigte er mir eine Hand voll grosser Käferlarven, die er aus dem faulen Holze ausgelesen und nun behaglich verzehrte, indem er ihnen den Kopf abbiss, und das Uebrige aussaugte. Diese eckelhafte Speise ist . den Indianern eben so angenehm, als die der grossen Ameisen. Sie essen sie roh oder in ihrem eigenen Fette gebraten, und versichern, dass sie die Milch der säugenden Frauen vermehre. Der Aufenthalt in Ega und Nog geira überzeugte uns Läglich leb- hafter, dass hier, gleichsam im Mittelpuncte Brasiliens, eine Menge für Ethnographie und Naturgeschichte wichtiger Thatsachen zu sammeln seyen, und somit ward der Wunsch rege, diese seltene Gelegenheit durch Vertheilung nach zwei Richtungen hin zweckmässiger zu nützen. Es ward eine Trennung beschlossen, und Dr. Srıx nahm sich die Be- schiffung des obern Solimoes bis an die Grenze von Brasilien zum Ge- genstande, während ich mich entschied, den Fupura, dessen Mündung vor uns lag, aufwärts zu beschiflen. Einen Beweggrund mehr fanden wir in der Abnahme unserer Gesundheit, die wir vorzüglich durch schnellen Wechsel des Aufenthaltes noch einigermaassen aufrecht zu erhalten hofiten. Besonders war mein Gefährte seit längerer Zeit schon von intermittirenden Fieberanfällen heimgesucht worden, die er nur durch China und andere bittere Mittel, vorzüglich die Wurzel der 7a- chia gujanensis, zu lindern vermochte. Mancherlei Gerüchte hätten mich von der Reise im Yupurä, als von einer sehr gefährlichen Unter- nehmung , abschrecken können. Alle stimmten darin überein, dass die dort herrschenden Fieber, vorzüglich häufig in der Zeit, da der Strom sich zu entleeren beginnt, wenn sie auch nicht im Frostanfall apoplek- tisch tödteten oder in ein Faulfieber übergingen, doch sehr gefährliche Leber- und Milzverhärtungen oder Zehrfieber zur Folge hätten. Gerade diess Jahr aber ‘war der Fluss jetzt voller, als er sonst im Dec. zu seyn pflegt, und die Gefahr desshalb geringer. Ueberdiess entschloss II, Theil, 149 1174 sich Cap. Zanv, von dem Herrn General-Gouverneur beauftragt, uns ; so weit es möglich sey, zu begleiten, diese Reise mit zu machen, und ich selbst fühlte mich besonders durch die Hoffnung ermuntert, vielleicht eine von der am ganzen Solimoes gleichmässig rede verschie- dene Vegetationsform und mehrere der zahlreichen Indiänerstämme, die noch keine portugiesischen Ansiedler unter sich dulden, in ihrem ur- sprünglichen Naturzustande,, zu beobachten. Für diese Reisen nahmen _; wir noch kleinere Fahrzeuge; dadurch‘ zwar manchen Entbehrungen ausgesetzt, aber einer schnelleren Fahrt versichert. Dr. SPıx wählte den Sergeanten, einen Militzsoldaten, unsern französischen Diener, der bisher unverdrossen gefolgt war, ai mehrere der besten Indianer zu seinen Begleitern aus. Ehe wir uns trennten, legten wir ein schriftli- ches Testament gegenseitig in unsere Hände. — Die Ordnung fordert nun, dass ich über die beiden Expeditionen getrennten Bericht erstatte. — Dr. Spıx reiste am 7. December ı8ı9 von Ega ab, gelangte am 9. Januar ı820 an die Grenze von Brasilien bei 7; Übdingi „und traf am 3. Febr. wieder ın der Barra do Rio Negro ein. Dr. Manrrıus ging am ı2. December von Zga ab, erreichte am 27. Januar den un- übersteiglichen Wasserfall des F: upurd, und kam am 2. März nach Ega, am ıı. März nach der Barra zurück. Da seinem Gefährten inzwischen noch Zeit zu einem andern Ausflug übrig gewesen war, s0 hatte er am.ıı. Februar einen Ausflug nach den portugiesischen Nieder- lassungen am /tio Negro bis Barcellos unternommen, von dem er aber bereits am 28. Februar zurückgekehrt war, so dass sich beide Reisende, nach der Ankunft des Einen vom Fupura, in der Barra wieder ver- augen konnten. : % Anmerkungen zum zweiten Kapitel. “(1.3 Ueber den Rio Puruz (Purus) schweigen alle neuerenBerichte. (Es ist bekannt, dass ER ehemais den Purus in Verbindung mit dem Madeira glaubte, und den Beni für eine Wurzel: ‚desselben hielt. Vergl. Madeira), Wir kennen nur die, auf Aussagen der Indianer gebauten, Notizen » welche schon Acunwa (Cap. 63.) und Pacan. (Cap. 25.) bekannt gemacht haben, und denen gemäss“ er zwei Monate lang stromaufwärts beschifft werden kann, Dis Zr an die Fälle kommt, Beide Schriftsteller n nennen ihn und die zunächst seiner Mündung wohnen wobei beide Theile mit den Waffen in der Hand zu erscheinen pflegen. Früher kannte 1175 den Indianer Cuchiuyara (ein Wort, das offenbar mit Uara, Herr, zusammengesetzt ist), Acunna ferner, als weiter südlich wohnend, die Cumayaris und darauf die Curiguires, Pacan die Curianes, die, nach der Sage mit Goldblättchen geschmückten, Motuanes, und nördlich von diesen die Caföses, welcher Name wohl die Verstimmelung von Catauuixis ist. Diese letztere Völkerschaft (auch Catauaxis) bewohnt noch gegenwärtig eine weite Strecke längs der, fast überall mit‘ dichter Waldung bedeckten, Ufer. Von allen übrigen vernahmen wir nichts mehr; wahrscheinlich sind sie bereits ausgestorben, oder häben sich mit andern verschmolzen, Die übrigen Stämme, welche gegenwärtig als Herren des Stromgebietes des Puruz genannt werden, sind die Purä-Purüs, die Amamatis und die Ita-Tapuüjas, insgesammt noch im "Zustande ihrer rohen Freiheit und wegen ihrer Treulosigkeit berüchtigt. Sie sammeln die hier häufigen Dro- guen, Cacao und Salsaparilha, und vertauschen sie an die den Fluss besuchenden Expeditionen, 3 an noch die Horden der Irijus und Tiaris, beide sind aber, nachdem ein Theil derselben nach Serpa und Alvellos war übersiedelt er an Bea Missionen hät man am Puruz noch nicht zu che. gewagt, (2.) Gabi: Inpranen, Die Indianer vom RER der EEE Catauuizis a Amamatis sind nicht die einzigen Indianer in Südamerica, an welchen eine solch seltsame. Ano- malie der Haut ı erscheint. In dem Sitio Uarivau am Yupurd sah ich mehrere Indianer vo n zusammenfliessende runde Flecken von bläulich ‚schwarzer Farbe im Gesichte, an nn Händen und auf der Brust trugen, und deren Körper überdiess mit har- ten Warzen besäet war. Die minder e Veränderung zu weissen Flecken auf der Haut {des Catauuixis bemerkte ich auch bei Indianern am Yupurd und an mehreren farbigen Leuten in * Minas und Bahia. Ein erblicher Aussatz, gleichsam als wenn der Leib mit Fischschuppen überzogen wäre (Ichthyösis), kommt bei den Manacicas, einer Horde der Chiquitos in Paraguay , vor (Geschichte der Chiquitos, Wien ı729. $. 288.); und Harcovrr (Relat, of trav. to Gu- jana. 1613. $. 201.) erwähnt eines Caraiben, mit einer ge 7 ähnlich verdickten Haut, dergleichen dort viele vorkämen, 2. In Beziehung auf das seltsame Phänomen gefleckter Menschen bieten sich folgender Betrachtungen an. Die Umgegenden des Purüz sind niedrig, zum Theil sumpfig und mit hoher Urwaldung bedeckt, die beim Austritte der Gewässer weithin überschwemmt wird. Die Puru- Purüs haben dann die Ge- wohnheit, aus dem qualmigen, feuchten Dickicht nach dem Flusse selbst zu ziehen, und sich auf dem. Treibholze niederzulassen, welches, in den Buchten zu ungeheueren Haufen aufgeschichtet, einen schwankenden Grund für ihre elenden Hütten darbietet. Hier leiden sie oft von der Kälte der Nacht, wogegen sie wiederum ein längerer Aufenthalt im Wasser erwärmen muss. Ihre Nahrung besteht grösstentheils aus den Amphibien und Fischen, unter welchen sie leben, denn Pflanzencultur ist ihnen fast gänzlich unbekannt, und die Wälder sind arm an Wild. Zu diesen ungünstigen Einflüssen gesellen sich n zwei eigenthümliche Sitten des Stammes, die nur schädlich auf die Organisation wirken. Die Be in einem regelmässigen Fasten , dem sie sich, wenigstens einmal jährlich, im letzten Vi und im Neumonde des Augusts, mit solcher Strenge hingeben, dass sie ausser, eini- gen. kleinen abgesottenen Fischen nichts über die Zunge bringen, und sich oft bis zu tödtlicher ‚Schwäche aushungern. Der Anführer (Maranuchaue) der Purüs, die auf der Praya daß Ongas zuge gen , versicherte, dass er schon drei Wochen lang von einer kleinen Eidechse gelebt habe. a Er peigte einen Schmachtgürtel aus Bast, mit dem er sich gegen den Hunger verwahre, Ein anderes 149 er « 1170 Moment mag die bereits erwähnte Gewohnheit seyn, sich mit dem Fette des Krokodils einzuschmie. ren, das, gewöhnlich schon alt und ranzig, einen noch widrigeren- Moschusgeruch annimmt, so dass . sich diese Wilden der Nase schon von ferne ankündigen, Sollten nicht diese seltsamen Gewohnhei- ten nebst dem häufigen Genusse des Krokodilfleisches, das sie überdiess nicht blos frisch, sondern sogar im Moquem gedörrt zu essen pflegen, eine krankhafte Mischung der Säfte veranlassen können? Die meisten Indianerstämme verabscheuen das Erokodilfleisch als ungesund, und erwägt man die medicinischen Wirkungen, die gewissen Thieren aus verwandten Ordnungen doch wohl nicht ohne allen Grund zugeschrieben worden (z. B. die des Meerstinz als Aphrodisiacum, und der eben erst getödteten Eidechsen oder der getrockneten und pulverisirten Vipern gegen Hautausschläge), so er- scheint eine Beziehung jener grossen, fleischfressenden Saurier zu dem ständig gewordenen Hautlei- den der Puru-Purus und Catauuixis nicht unwahrscheinlich. Bei dem heissen Klima ist die Einsau- gung des in Menge und ohne Unterlass auf den naekten Körper geschmierten Krokodilfettes bis zu einem Verhältniss, wo es pathogenetisch wirkt, allerdings möglich. Auch üben diese Indianer die,- ‘durch ganz Südamerica verbreitete, Einreibung mit Urucu -Roth nur wenig, von der ich, obschon sie keinen Schutz gegen Insectenstiche darbietet (wie man wohl bisweilen vermuthet hat), doch an- nehmen möchte, dass sie nicht ohne Einfluss auf den Organismus sey, da das Urucü, innerlich ge- nommen, bekanntlich der Rhabarbar analoge Wirkungen hervorbringt. Auch durch das anhaltende und oft wiederholte Baden kann eine Disposition zu mancherlei Hautleiden gegeben werden; denn in jenem Lande hat das Bad keine zusammenziehende, stärkende Wirkung, weil das Wasser oft wär- mer als die Atmosphäre ist. Die geöffneten Poren derHaut nehmen, wenn die aus demBade zurück- kehrenden Indianer sich im Sande oder im feuchten Walde niedersetzen, Alles auf, was sich zur Aufsaugung darbietet. Ueberhaupt aber scheint es, als räche sich die Natur gerade durch Krankhei- ten. desjenigen Organes, an welchem der Indianer am meisten künstelt, der Haut, die er, ‚durch die sehmerzhafte Operation des Tatowirens, und durch von der frühesten Jugend an ohne Uekerlas fort- gesetzte Bemalungen mit allerlei Farben: Gelb mit Urucü , Roth mit Carajurü, Blau mit Cissus und Genipapo , Schwarz mit den Macueu-Früchten (Iler Macucu) u. s. w. in ihrerEntwiekelung stört und in ihren Functionen verändert. (3.) Folgende sind die physischen Eigenschaften des essbaren Thones vomSolimods. Er zeigt eine lichtgelblichgraue Farbe mit ockergelben Flecken, ist sehr weich und saugt begierig Wasser ein. Vor dem Löthrohre im Kolben giebt er einen brenzlichen Geruch und viel Wasser, welches auf Ammonium reagirt, Er behält ziemlich seine Farbe oder brennt sich lichter. In gutem Feuer schmilat er auf der Oberfläche zu einem grünlichen oder graulichen Glase. Von Borax wird er sehwer und langsam zu einem sehr schwach vom Eisen gefärbten Glase aufgelöst. Mit Kobaltauflösung befeuchtet und erhitzt erhält er eine lichte blaue Farbe. Mit Säuren braust er nicht oder nur sehr. wenig. . Unter den färbigen Thonen, die wir vom Amazonas mitgebracht haben, zeichnet sich einelila- farbigeSorte aus, welche durch ihren geringen Gehalt an Kieselerde, und durch die Eigenschaft, mit Säuren sehr leicht zersetzt zu werden, von allen in Deutschland zu Töpfergeschirren ve eD Varietäten unterschieden ist. Sie ‚kommt an mehreren Orten, z. B. nächst der Praya das Onzös, bei Coari und bei Ega, in massigen Schichten vor, ist nur wenig abfärbend aber schreibe: un vollkommen muschlichtem Bruche, hängt stark an der Zunge, und zerfällt im Wa: Ha aufwerke , welches durch Zerreiben einen bildsamen Teig giebt. In concentrirter Sa 5 wird sie vo) ollständig zersetzt, so dass die Kieselerde rein zurückbleibt. Dieser Thon ‚wird von den Indianern zu ihren Geschirren, vorzüglich zu solchen Schüsseln, die sie auf der inneren Seite be- mahlen , häufig benützt, und nimmt bei dem geringen Feuergrade, welchem sie ihn auszusetzen pfle- gen, eine röthlichviolette oder blassvioletie Farbe an. Auch bedarf er nur eines schwachen Feuers ii & & & ” um ein haltbares, an Festigkeit und Dichtheit manchem altrömischen gleiches, Geschirre zu liefern. Während des Trocknens und Brennens zieht er sich stark zusammen; — eine Eigenschaft, die er mit unserm fetten Töpferthone gemein hat, und welche durch Zusatz von gebranntem Thon oder von Quarzsand verbessert werden kann. Sehr feuerfest ist er übrigens nicht, was auch mit dem leichten Garwerden en wie denn überhaupt diejenigen Thone, welche bei wenig Feuer fest werden, leichter als andere schmelzen, welche starkes Feuer nöthig haben um fest zu werden, u. dabei fast unschmelzbar sind. — Wir wollen mit diesem Thone denjenigen vergleichen, der in der Töpferei der Regierung zu Barra do Rio Negro verarbeitet wird, und besonders durch seiner. Kaligehalt merk. würdig ist. Er bricht in flachschieferigen Stücken von schwach gelblichweisser oder grauweisser Farbe, ist durch Flecken von Eisenoxyd roth gesprenkelt, färbt stark ab, hat einen erdigen musch- lichten Bruch, hängt stark an der Zunge und zerfällt im Wasser nicht vollkommen , ‚giebt aber damit einen sehr bildsamen Teig. Dureh Säuren wird er nur.zum kleineren Theile zersetzt; durch Glühen wird er sehr hart, und verändert die Farbe nur wenig. Diese beiden Thonarten haben, von Hrn. Fickentschen chemisch untersucht, folgende Resultate geliefert: Thon von Kieselerde 2. 44,55 40,50 Thonerde 30,50 ; 30,05 Eisenoxydul 8,35 der 3,40 Coari: \ Kali mit Spur von Natron 0,33 Barra do Bio Negro: % ee Ti, Wasser 15,45 12,99 z Spuren von Kalk, Mangan und | m : Bittererde _—— 0,50 An mehreren Stellen, z. B. bei Odydos und zwischen Coari und Ega, fanden wir zwischen den eben beschriebenen farbigen Thonarten auch eine sehr vorzügliche Porzellanerde in mächtigen, pa- rallel mit jenen gelagerten Schichten. Nach den damit im Kleinen ängestellten Versuchen lässt sie sich mit den besten deutschen Sorten, der Passauer, Schneeberger, Karlsbader und der Hallischen, vergleichen. Sie ist schneeweiss, bricht unvollkommen muschlicht und uneben, verändert sich im Wasser nicht, und giebt, damit zerrieben, einen bildsamen Teig. Im Feuer brennt sie. sich weiss und hart, und bricht dann vollkommen muschlicht. Säuren ziehen nur einen kleinen Theil Thonerde aus. Hrn. Fıckestsc#er’s Untersuchung gab in 100 Tbeilen: Kieselerde 45,60; Thonerde 30,00; Talk- erde 1,00; Kalkerdg 0,605 Wasser 14,70. Summe 98,90. Alle diese Thonschichten sind als Glieder eines bunten = ergpde in der sogenannten Keupersandstein - Formation ee Eaetebehten. (4.) Haspzz zwıscurs Rıo Neero usp Maxsas, Vor der neuen re Katastrophe standen die damals span. Lande in sehr schwachem Verkehre mit Brasilien, oder, wie es damals hiess und wohl noch heisst, mit Portugal. Es war Grundsatz der Regierung, dieVortheile, welche der Handel auf dem grössten aller Ströme darbieten würde, durch hohe Zollsätze aufzulieben,, und beide Länder in stren- ger Sonderung zu erhalten. Gegenwärtig nimmt der Handel zwischen den brasilianischen Provinzen mit IHaynas jährlich zu, und besonders europäische Waaren werden auf dem Solimods, zum Theil wohl durch Schleichhandel , eingebracht, Moyobamba, die Hauptstadt von Maynas, und Lamas lie- gen fast am westlichen Ende des Landes, an der Grenze des ungeheuren Amazonasthales, mit dem sie Klima, Producte und Handelsbedürfnisse gemein haben. Für die Bewohner von Maynas, wie für die von Quichos y Macas (Avila, Baeza, Archidona und Macas), die von den peruvianischen Seehä-- fen durch die steile, eisige, nur in wenig Pässen gangbare Cordillere der Andes getrennt sind, ist es viel schwieriger, ihre Landesproducte dorthin, als aut den schiffbaren, durch keine Fälle unter- ne % oberen Theile von Maynas selbst wird die Arroba (zu 32 port. Pf.) mit 4 bis 1178 brochenen Flüssen gen Osten an die brasilianischen Grenzen herabzuführen. Maynas ist übrigens eine ungemein fruchtbare, aber an Menschen und Geld sehr arme Provinz, und in ihrer Entwicke- lung weit hinter den westlich gelegenen Ländern zurückgeblieben. Baares Geld ist hier noch seltner, als in Rio Negro, und: selbst die Einsammlung der wildwachsenden Producte ist insofern minder leicht, als mit Auflösung der früheren, durch die geistlichen Corporationen geführten, Verwaltung, viele Indianer, die einzig arbeitende Classe, in die Wälder zurückgeflohen sind. Gemäss diesen ‚Verhältnissen stehen in Maynas die Preise der Landesproducte im Allgemeinen niedriger, als selbst in den dreimal weiter vom Ocean entlegenen Gegenden am oberen Solimoes. Alles wird sich hier ver- ändern, wenn der Handel seinen naturgemässen Lauf genommen und Loreto u. Tabatinga zu blühendan Grenzstädten angewachsen seyn werden, Der Marannon (so wollen wir‘ mit den Anwohnern den Amazonas oberhalb der Grenze von Brasilien nennen) erstreckt sich wie ein ungeheuerer Hafen durch dieses niedrige Land hin , und eröffnet sich, zugleich mit allen von W. her in ihn fallenden Flüssen, gegen Brasilien. Auf diesen Handelsweg scheinen die Bewohner von Maynas um so mehr angewie- sen, als sie auf den westlich gelegenen Märkten, in Quito, Chachapoyas und Caxamarca_ eine Indu- strie finden, deren Producte, für ein kälteres Land berechnet, ihnen nicht nothwendig sind. Die Schaafzucht und die Fabrication der verschiedenen, in Peru üblichen, Wollenzeuge (Bayetones, Pan- netes, Jergas u. s. f.) ist ohne Interesse für die Bewohner eines so heissen Jaandes, und die ‚groben Baumwollenzcuge (Tocujos), worein sich die gemeine Volksclasse zu kleiden pflegt, werden von den Indianerinnen auf beiden Seiten der Cordilleren verfertigt. Von peruvianischen Landesfabricaten wer- den nach Maynas vorzüglich nur die Eisenwaaren von Caxamarca eingeführt. Brasilien vertauscht gegen diese Landschaften seine eigenen Landesproducte nicht, sondern blos die aus Europa eingeführ- ten Artikel. Aber Maynas führt die Erzeugnisse ‚seines reichen Bodens , namentlich Cacao, Salsa- parilha, Vanilla, Copaivabalsam , Chinarinde,. etwas Taback und Baumwolle aus. Cacao, Salsapa- rilha und Copaiyabalsam werden. hauptsächlich aus den Missionen am Ucayale hergeschifft , wo sie, wie in Rio Negro und Parä, von den wildwachsenden “Pflanzen durch Indianer gesammelt werden. Chinarinde (Cascarilla) kommt nicht: blos aus den Gegenden um Moyobamba, sondern auch von . Lamas, Chachapoyas, den östlichen Abhängen der Cordilleren von Caxamargquilla und aus dem obe- ren Flussgebiete des Guallaga; alle diese Sorten sollen übrigens nur unter die von zweiter und dritter en gehören. Ich habe grosse Mengen davon gesehen, die von einem brasilianischen Speculanten in Moyobamba aufgekauft worden waren, und in Para nur mit Verlust wieder angebracht werden konnten, da sie einer schlechten Sorte (von der sogenannten ze angeliörten. Im mT abalinga mit ı2 bis 15 Gulden bezahlt. Später lernte ich mehrere Handelsleute in Par kenne die den Commerz mit Chinarinden in Maynas als trügerisch und unsicher verwünschten, Häufiger "all China kommen Cacao und Salsaparilha aus Maynas herab. Die besten Sorten werden in den Missionen am. Ucayale Pe: “ gesammelt. Sie finden in Tabatinga Absatz zu 6 u. zu 15 Gulden um die (port.) Arroba. Mit der sehr feinen Baumwolle vom Heayale haben spanische Speculanten Versuche gemacht, die jedoch un- günstig ausfielen, weil der an den Grenzen Brasiliens dafür geforderte Preis von 5—6 = 16%, Guld.) nach Zurechnung der Frächtauslagen mit den in Parä geltenden Preisen nacht 9 Y Biss steht. Zucker und Caffe gedeihen zwar in ganz Maynas trefflich, werden aber, eben so ae Abrigen Erzeugnisse des Landes: Marannon - -Nüsse, Copal (Jitaicico), Werg und. Pech \ = gi da ‚sie insgesammt auch am Solimo6s vorkommen, yur d leichter abwärts von Maynas als, von der Meeresküste her dem i Wir sahen grosse Blöcke Steinsalz (Jukyra kytan) in Körben ein- zebracht worden war, ob aus Tomabela in der ProvB ‚Chimbo Ben, "weisses und schwarzes Bienenwachs , Indigo und die verschiedenen Erwerbnisse | der Re nz Ä | | . wo sonst her ist uns nicht bekannt geworden. Es war von bläulichgrauer Farbe und musste in sehr mächtigen Gebilden vorkommen, ‚Das Seesalz von Setuval macht gegenwärtig noch einen der bedeu- tendsten und geschätztesten Einfuhrartikel aus der 'untern Provinz aus, und dient in kleineren Quantitäten statt der Münze. Es wird nicht in Säcken, sondern in rohen, mit Palmblättern ausge- legten Körben versendet. Ohne Zweifel läge es im Vortheil der brasilianischen Regierung, die Ein. fuhr des Salzes zu den möglich geringsten Preisen zu befördern, und damit der Rindviehzucht auf. zuhelfen, die im Solimods sehr schwach ist. Selbst die grössten Niederlassungen haben kaum mehr als fünfzig bis sechzig Stück Rindvieh, und man hegt das Vorurtheil, dass man die Kühe nicht melken dürfe, — Die Kaufleute aus Maynas nehmen, als Rückfracht gegen ihre obenerwähnten Lan- desproducte, Eisen-, Stahl-, Zinn-, Kupferwaaren, Munition, Waffen, wollene Tücher zu feineren Kleidungsstücken, Seidenzeuge, Hüte, Spiegel, Glasperlen und andere Gegenstände für die Indianer. Die Armuth beider Länder an Baarschaft gestattet wenig Käufe gegen Münze (spanische Thaler und portugiesisches Gold). Gewöhnlich wird der Handel durch Tausch abgeschlossen, und es ist dann üblich, die Preise um ein Fünftheil oder Sechstheil gegen den Baarverkauf erhöht anzuschlagen, Zwischen Loreto und Tabatinga, als den benachbarten Grenzorten, deren Bewohner sich wechselsei- tig oft besuchen, findet ein häufigerer Detailhandel statt, wobei die Brasilianer im Vortheil stehen dürften. — Die brasilianischen Supsguffges: nee. ich über diese Handelsverhältnisse zu vernehmen Gelegenheit hatte; waren alle nur im Mara ‚selbst, und im Guallaga aufgeschifft, da diese ‚ Ströme.mit den meisten. Ortschaften ERRE- mit N. $. do Boretö, Cochiquimas, $; Ignacio de ’ los Pevas, er 3 S Maria de Iquitos, S Joaquim de Omagoas, $. Regis, Urarinas, Barranca, $. Borja, $. Thi - letztere. mit Laguna, dem ehemaligen Hauptorte der Maynas - Missionen, S. Cruz, Oharlkcuris, Yürimaguas, und an dem Beiflusse Cachi-yaco mit Munichis, und weiter süd- lich mit Pachiza, Buenaventura delValle, Syon, Tocachi, Uchiza, Chico-Playa, Chacla, und Munna) besetzt sind. Den Ucayale, an welchem sich vier bis fünf Niederlassungen befinden sollen, den Igd, Napo, Tigre und’Pastaza hatten diese Handelsleute noch nicht befahren, und auch der Verkehr stromabwärts ist auf diesen Flüssen ungemein schwach. Die ehemaligen Franziscaner-Missionen am Rio Igd sind gegenwärtig so verödet, dass nur selten ein Reisender auf diesem Strome in den er rannon herabkommt. Im obern Gebiete des Napa zählten jene Ordensmänner und die Jesuiten ein- stens zwei und ‘zwanzig Missionen, welche sich dermalen. ebenfalls in einem preeären Zustande be- finden, oder gänzlich eingegangen seyn sollen. Uebrigens ist die Verbindung mit dem Napo, in „dessen oberem Gebiete es reiche Goldformation geben soll, frei, und man kann diesen mächtigen Fluss, die natürliche Wasserstrasse von Quito an eg Marannon, ohne Furcht vor eiserne In- dianern befahren. une (5) Easie Te dass die Hölzer in den Aequatorialländern eine ie häslliche Dichtheit, Schwere und Festigkeit haben. Vorzüglich von den Holzarten am Amazonas und Rio Negro gilt, dass sie, in Folge des ohne Unterlass begünstigten Wachsthumsprocesses, zu einem fast gleichartigen Gefüge erwachsen. Ein Unterschied zwischen. jungem und altem Holze wird bei den meisten dadurch _ angezeigt, dass der Kern des Stammes härter, schwerer und dunkler gefärbt ist; aber die Jahrringe verschwinden im alten Holze vieler Arten vollkommen. Die Schiffsbauhölzer aus jenen Landschaften sind daher sehr zu HKriegsschiffen geeignet, welche däraus zwar schwer, aber so mauerfest gezimmert werden können, dass sie selbst den Kanonenkugeln mehr als andere widerstehen, Die Arten dieser Hölzer sind grösstentheils dieselben, deren ich, als in der Provinz Bahia üblich, hereits (II. S. 710.) erwähnt habe; überdiess gehören hierher: Matta- Mattd (Lecythis Idatimon, A.), Castanheiro (Bertho- letia excelsa, H.), Jutai und Jutai-mirim (Arten von Hymenaea). Durch feines, schöngefärbtes 4 Ge füge eignen sich zu Tischlerarbeiten vorzüglich das Pdo violette oder Pdo da Ruinha, Moira piranga, dr 8 1180 Rothholz (vielleicht Sickingia Erythroxylon, W.), Moira pinima, und Jacarandd (Bignonia). Zu Ge. räthen und Bauten werden das Päo mulato (Exostema leptophloeum, M.), das schwere röthlichbraune Holz der Godovia gemmiflora, das dem Nussbaumholz ähnliche eines Myrtenbaumes (Eugenia inocar- pus, DC.), und vier Arten von Lorbeeren (Loiro branco, vermelho, preto, amarello) besonders oft angewendet. Zu Dachsparren und dergleichen nimmt man oft den schwarzen , peripherischen Antheil eines Palmenstammes, von der Baxiuba barriguda (Iriartea ventricosa, IHM.) Das specifische Gewicht vieler dortigen Hölzer ist beträchtlich grösser, als das der unsrigen. (6.) Dır Coca. Die peruvianischen Bergleute und Fussboten, welche an Erdäpfel, Quinoa, Mais und andere vegetabilische Speisen gewöhnt sind, nehmen oft mehrere Tage und Nächte hindurch keine andere Nahrung als ihre Coca zu sich, und werden dadurch so kräftig erregt, dass sie unaus- gesetzt arbeiten oder laufen können. Man pflegt dort der Coca, um ihre Wirkung zu verstärken, das Pulver von Kalk, der Erde Toccera oder Llipta, oder von der Asche der abgekörnten Maisähren und des Molle (Schinus Molle, L.) beizumengen, und Alles kugelförmig gebildet so lange imMunde zu behalten (Acullicar), bis es den herben Geschmack wieder verloren hat. Der durch ihren Genuss erregte Speichel wird nur von den Tabackskauern hinabgeschluckt, Die Coca enthält Gummi, aber keine bedeutende Menge von Harz. Ihre Wirkungen sind tonisch ‚ calmirend und nährend. Die In- dianer pflegen beim Erkranken: einen Thee davon zu trinken; aber das Mittel verdiente überhaupt in den Arzneischatz aufgenommen zu werden, da es gegen Magenschwäche, davon herrührende Obstructionen und Coliken, Apetitlosigkeit und Hypochondrie gut wirkt, Es erhält auch die Zähne gut. Vorzüglich Seeleuten und Soldaten in tropischen Klimaten wäre sein Gebrauch anzuempfehlen, In Peru wird der Cocastrauch an Bergen gebaut; man sät ihn und verselzt die Pflänzchen in der Regenzeit (December und Januar), wenn sie anderthalb Fuss hoch. sind. Manchmal 'können drei Lesen in einem Jahre gemacht werden, Der Rauch der Blätter ward ehemals im Sonnendienst gebraucht. Vergl. Unanue, in Silliman Amer. Journal. Vol. 3. S. 397. Obgleich sich die Sitte, Ypadü zu kauen, über viele Stämme, z, B, die Tecunas , Uainumäs , Coretüs, Miranhas, Cauixanas , Juris, Passes „so wie in den Ortschaften am Solimods verbreitet findet, so halte ich doch diesen Luxusartiii für ur- sprünglich peruvianisch, weil ich das Erythroxylum Coca nur in künstlichen Pflanzungen , nirgends wild, getroffen habe. — Der Taback ist bei den Indianern allgemeiner als das Ypadı im Gebrauche, und zwar pflegen sie ihn eben so wohl zu kauen als zu rauchen. Wir fanden dieses Reizmittel bei allen Stämmen bekannt und benützt, und ohne Zweifel war es bereits über ganz Südamerica verbreitet, als diess Land von den Europäern entdeckt wurde. Am häufigsten brauchen den Taback die Zauberer und Aerzte (Pajes), die die Kranken mit dicken Cigarren einräuchern, um sie in Schweiss zu bringen, den Rauch in Nase und Ohren blasen, Klystiere davon setzen u. s. f, Die Tupisprache hat alle Aus- drücke für den Taback; Pytyma-cui: T. Pulver; Pytyma-iyba: T. Pflanzung; Pytyma -pila: T. Pfeife {von Piter, schlürfen, auch küssen), Nicotiana Tabacum und rustica , L.. a vielleicht im nördlich- sten Theile von Südamerica einheimisch. Ich habe sie nirgends entschieden wildwachsend gesehen , dagegen wohl Nic. Langsdorffii Nees., und Petunia nyctaginiflora, Juss,, welche im südlichern Bra- silien die Stelle von jenen vertreten. 4 Sun A u nn 1 EEE ll nn en nn 0 11 181 Drittes Rapitel. Des Dr. Spıx*) Reise von Ega den Solimoes aufwärts bis nach dem Grenzpresidio de Tabatinga, und zu- rück nach der Barra do Rio Negro. Am 7. December verliess ich Ega. Wir hatten die grosse Canoa zurückgelassen, und schiflten uns in Montarias (kleinen Nachen) ein, um nicht so sehr von der Strömung zu leiden. Ein mittelmässiges, jedoch zur Aufbewahrung der Sammlungen geeignetes Boot, mit Munition und Lebensmitteln versehen, ward unter der Anführung des Sergeanten mit einigen Militzsoldaten vorausgeschickt. Ich reise in einem kleinen, mit acht rudernden Indianern bemannten Kahne, begleitet von einem noch kleineren, worin sich der zum Jäger bestimmte Soldat, der Bediente und drei Indianer befinden, Der Fluss, welcher schon früher etwas angelaufen war, fing wie- der an zu vasiren, und vasirte fortwährend bis zu meiner Ankunft in $S. Paulo am Vorabend des neuen Jahres, wo er mit Macht wieder zu schwellen begann. Es sind übrigens die Strö- mungen auch während des Entleerens äusserst stark, und jeder ins Wasser stürzende Baum verursacht eine, öfters nur durch Ziehen an Stricken zu überwindende, Correnteza, Beinahe immer schifft man längs des südlichen Ufers des Stromes, um der am gegenseitigen herrschen- den, heftigeren Strömung auszuweichen. Die Reise war schon von der Barra an mit Schwie- | rigkeiten verbunden, allein diese vermehrten sich nun von Ega bis Fonte-Boa durch das häufige Einstürzen des Ufers, das auf halbe Stunden weit, mit oder ohne den daraufstehenden Wald, einbrach. Hiezu kommen noch die Legionen von Carapand und Pium! — Nach einer halben Stunde schifften wir, die Landspitze , worauf Nogueira liegt, hinter uns, in den Soli- mo&s hinaus. Durch das Furo, welches vor Nogueira in den See ein - und bei Caygara *) Die Erzählung von der Reise meines verstorbenen Collegen ist hier theils nach den von ihm hinterlassenen Aufzeichnungen, theils nach einem Berichte zusammengestellt worden, welchen beide Reisende gemeinschaftlich von Lissabon aus an die K, B. Regierung erstattet haben. Um sie als Manuseript zu bezeichnen, ist sie mit kleinerer Schrift gedruckt worden. II. Theil, ß 150 1182 wieder ausmüfdet, war die Fahrt noch nicht zu machen. Es ist nur für kleine Nachen zur Zeit, wenn der Strom ganz voll ist, zu passiren. Wir waren um ı0 Uhr Morgens abgereist, und nachdem wir an zwei Mündungen von Furos vorüber waren , kamen wir am Abend 7 Uhr in Caygara oder Alvara&s (1.) an. Links ein Lago von ganz schwarzem Wasser. In dem rings von Wasser und Wald umgebenen Orte hatten wir während der Nacht die erste Probe der Mosquiten zu bestehen; so dass ich mich nur geschwinde in ein vorher ausgeräuchertes und wohl verschlossenes Zimmer einsperrte, um die Nacht ruhig hinbringen zu können. Ich hatte Gelegenheit, Erkundigungen über die Sprache der Uainumas, einer Nation vom Yupurd mit durchlöcherten Nasen und Ohren, und über die Jumanas einzuziehen, Die letzteren haben um den Mund herum ein tatowirtes Oval, das bei den Männern. breiter ist, als bei den "Weibern , und vom Mundwinkel gegen die Ohren hin eineLinie. Sie nehmen ein gutes und ein böses We- sen an, die sie Uauüloa und Locozy nennen. Beide wohnen oberhalb der Erde, gegen die Sonne zu. Das böse Wesen fürchten sie; vom guten glauben sie, dass es nach dem Tode erscheine, um Früchte mit dem Todten zu essen, und seine Seele mit sich in seine Wohnung zu nehmen, Der Leichnam wird mit zusammengekrümmten Extremitäten, das Antlitz gegen Sonnenaufgang gerichtet, zugleich mit den dazu zerbrochenen Waffen, und einigen in den Schooss gelegten Früchten, in einem grossen irdenen Topfe begraben. Auf das Grab legen sie, unter Heulen und Tanzen, Früchte und die Kleider des Verstorbenen, welche nach einigen Tagen wieder weggenommen, und den Kindern gegeben oder verbrannt werden. Ein Trink- fest schliesst num die ganze Ceremonie. Das Grab machen sie von aussen unkenntlich , damit es nicht von Feinden bestohlen werden möge, Die Frau wird durch Geschenke von den Adl- tern erlangt, besonders von Nahrungsmitteln. Der Häuptling hat das jus primae noctis, Die Heurath wird mit Tanz und Gesang gefeiert, Sobald das Kind zu sitzen vermag, wird es mit der Abkochung gewisser Blätter bespritzt, und erhält einen Namen von seinen Vorvätern, Diese- Namen sind verschieden für die beiden Geschlechter, z. B. Maicayı für ein Mädchen, Apailacard, Euxapuya, Payan für Knaben, — Den 8, Decbr, kehrten wir zur Barra des Lago zurück, und segelten darauf an der Ponta de Parauar!, nach pe ua Conpanıne der ehemaligen Aldea do Ouro des Teızeıra (2.), jetzt ohne. Poyoation, vorbei. Bald darauf hatten wir zu unserer Rechten hinter einigen Inseln dieMündung des berühmten Yupura, auf welchem mein treuer Leidensgefährte seine Reise bis zum spanischen Gebiete fortsetzen sollte. Der Yupurd gehört zwar zu den Flüssen zweiter Classe, erstreckt sich aber weit jenseits der Serra das Araras hinaus, und ist noch zum Theil von menschenfressenden Gentios bewohnt. Dahin ge hören vorzüglich die Miranhas. In der Körperbildung kommen auch diese mit dem übrigen Indianern Brasiliens überein. Die Hauptkennzeichen der americ. Rage sind: die röthliche Farbe von verschiedenen Graden der Dunkelheit, die verhältnissmässig stärkere Breite als Länge aller Theile. Statur klein (Indianer von fünf und einem halben bis sechs Fuss sind selten) ; kurzer ‚Hals; breites Becken, aber noch breitere Brust und Schulterblätter; starke Brüste, kurze Füsse; die Planta pedis gegen vorn breit; die grosse Zehe bei den Meisten abstehend, bei Allen aber der Fuss ‚gegen die Zehen hin ausserordentlich breit; kurze Hände; .Nägel an Händen und Füssen kurz und breit; der Nabel nicht so wulstig hervorstehend, wie bei denNegern ‚sondern mehr Bee a Die Haare schwarz, steif, wie bei Pferden, mehr oder wenig lang: ur Kopf rundlich, bzeit; Mittelhaupt breit; Hinterhaupt nicht so länglich hervorstehend, bei dem Neger, sondern zugerundet. Stirne breit, niedrig, etwas rückwärts geneigt ; ng + da = Pr 1183 Höhlen hervorstehend. Gesicht breit, randlich, seltner schmal oval; Jochbeine hervorstehend; "Nase meist flachgedrückt; Nasenlöcher weit, etwas seitwärts und nach oben gerichtet; Augen klein, braun, schwarz; Augenhöhlen seitwärts abstehend; Augenbraunen breit, schwachbehaart, gewöhnlich gegen die Nase herab, und eben so nach Aussen verlaufend; Mund breit; Unter- lippe nicht so stark als die Oberlippe,, beide minder wulstig, als beim Neger. Zähne schön weiss; Vorderzähne wie bei Wieseln und andern Fleischfressern. Kinn nicht wie bei den ‚Negern, sondern zugerundet, — Monstrositäten sind unter den Indianern auch desshalb selten, weil sie die unregelmässig gebildeten Kinder gleich nach der Geburt umbringen und begraben. Doch hat man erwachsene Indianer mit vier Fingern oder Zehen gesehen. — Der Körperbau des Negers ist dagegen sehr verschieden. Alle äussern Theile sind mehr lang gestreckt: lange Arme, Hände und Füsse, schmale Brust. Das Becken ist ebenfalls schmal, jedoch breiter in Vergleichung mit dem Kopfe und der Brust.» Die Jochbeine sind schmal; das Kinn länglich u. s. f£ Bei den Mischlingen der Ragen macht sich überall ein Verwalten der körperlichen Eigenschaften des Vaters bemerklich. Die Kinder von einem Vater caucasischer Abkunft und einer indianischen Mutter nennt man auch hier, wie im übrigen Brasilien, Mamelucos. Misch- linge aus Negern und Indianern werden bald Cafusos, bald Cabres, die aus Negern und Weis- . sen werden vorzugsweise Mestigos (Carybocas) oder Pardos, Mulatos genannt, Ich habe eben ein recht charakteristisches Exemplar eines Cafuso vor mir, dessen Vater ein Neger. und des- sen Mutter eine rohe Tapuüja war: die Eigenthümlichkeit der Negerbildung herrscht über die des Indianers vor, wie z.B.: das Gesicht ist nicht so länglich, wie bei dem Neger, die Lippen sind zwar wulstig, dennoch ragt die untere nicht über die obere vor. Der Oberkopf ist runder, als beim Neger. Die Nasenwurzel mehr eingedrückt, als gewöhnlich beim Indianer der Fall ist; die Augen mehr gewölbt. Die Extremitäten länger, schlanker, als bei dem Indianer, eben so die Fusssohle. Die Hinterbadken mehr als bei dem Indianer, weniger als bei dem Neger, hervorragend. Die Brust viel schmaler als bei dem Indianer. Die Stellung desKopfes auf dem Rumpfe in einem schieferen Winkel, als bei dem Europäer, eben so wie bei dem Neger. Die Haare nur wenig, gegen das Ende hin, gekräuselt, nach unten zu fast schraff.. Ein anderer Mestize, dessen Vater ein Indianer, dessen Maler eine Mulattin waren, hat alle Dimensionen male als der eben beschriebene, — 5 = 4 Unter abwechselndem Wetter bin ich vor den Mündungen des schwarzen Pa P” nad und der kleinen: Flüsse Yauato. und Bars vorbei, und innerhalb der, durch Inseln &ebildeten, ale "und _Maicoapant an den Rio Yurua gekommen, Dieser Fluss, von etwas hellerem Wasser, als der Solimots, ist bis jetzt noch sehr wenig bekannt, und tief im Innern ‚gar nicht befahren. (3.) Bei seiner Mündung hat er beinahe eiıfe Viertelseemeile Breite. Er wird von den Indianern Catauuixis, Caluquinas, Caripüunas, Canamares u. 5. W. bewohnt, und hat einen unglaublichen Reichthum von Cacao und Salsaparilha. Der zuckerige Saft im - Saamenüberzug des Cacao giebt eine Art Wein, welcher ein sehr erfrischendes Getränk ist. eschwi Eine sonderbare Sage spricht von kurzge änzten Menschen, Coatd-Tupuüja, die am Yurud wohnen sollen. Obgleich sie am Solimods. allgemein verbreitet ist, konnte ich doch keine siche- ren Nachrichten darüber einziehen. Richtiger mag eine ‚andere Sage seyn, dass es einen zwergartigen Indianerstamm , die Cauanas, gäbe, dessen Individuen nur drei bis vier Spannen boch. seyen; zum wenigsten sahen wir in der Barra einen am Yurud gebornen Indianer, der, 150* 1184 obwohl schon vierundzwanzig Jahre alt und ganz wohl gebildet, doch nur drei Schuh vier Zoll hoch war., Ob diese kleine Statur in dem Stamme erblich, oder, wie die Eigenschaft des Ka. kerlaken, den wir in der Barra beobachteten, und des zweiten, den ich in Tarumä sah, nur Zufälligkeiten zuzuschreiben sey, lass’ ich unentschied#n. — Ich setzte über die Mündung des Yurug, und gelangte noch an demselben Abend vor die furchtbare Barreira castelhana, Wie gross war mein Schrecken, hier einem fünfzig bis sechzig Fuss hohen Ufer entlang hinfahren zu müssen, das, durch die Strömung ausgehöhlt und durch Regen locker gemacht, theilweise mit dem daraufwachsenden hohen Wald in den Strom herabgestürzt war‘, oder durch neuen Einsturz den Schiffen gleichen Untergang drohte mit jenen spanischen Booten, welche, hier zer- schmettert und untergetaucht ‚dem Orte seinen Namen gegeben haben. Zur Vermehrung der Gefahr konnte man nicht so schnell, als ich wünschte, an diesem Orte vorüberrudern, ja es war sogar, da die Indianer nichts mehr gegen die Strömung vermochten , nöthig, sich an die herabgestürzten Bäume festzuhalten, und so die Kähne langsam vorwärts zu ziehen, Diese mächtigen Strömungen, das herüberhängende, zum Einsturz bereite, Erdreich und die ‚gegen den Fluss herabrollenden himmelhohen Bäume haben schon vielen Canoas im Solimo&s den Untergang gebracht, und sind die grösste aller Gefahren. Zu ihnen gesellten sich noch die körperlichen Leiden, welche die Piüm, Carapand, Maruim, Mutücas, diese - verschiedenen Arten von Stechfliegen und Schnacken, ferner der Mucuim, ein fast unsichtbares, dem Acarus verwandtes Thierchen, das sich in die Haut einfrisst, und Beulen verursacht, endlich die gros- sen Heere von Ameisen mit sich brachten. Beinahe täglich habe ich bei der Fortsetzung der Reise ähnliche Gefahren und Beschwerden zu bestehen. Mit vieler Mühe ‚ jedoch glücklich, kam ich bei der Barreira castelhana vorbei, und lenkte südlich in die Bucht von Fonte- Boa (4.), einer kleinen Ortschaft, deren Einwohner durch die Wechselfieber schon fast aufgerieben worden sind, ein. Die ausserordentliche Entvölkerung längs#des ganzen Solimo@s hat ihren Grund hauptsächlich darin, dass die Indianer, aus ihren Wäldern und ihrem rohen Naturleben gezogen, der ungewohnten Lebensweise und den ‚ihnen von den europäischen Ansiedlern mit- getheilten, Krankheiten sehr leicht unterliegen. — Von Ega an wurde das Land immer wilder, waldiger ; die Ufer, allmälig höher, sind von zahlreicheren Heerden von Affen, Papageien, Peri- quiten, Hoccos u. s. w. belebt; der Strom zeigt einen Ueberfluss an Fischen. Die Völkerstämme, welche die Wälder längs dieses Theils des Solimods bewohnen, sind zahlreich, und sehr ver- schieden an Sprache, Gebräuchen und nationalen Abzeichen. Man sieht hier Marauhas, Juris, Passes, Jumänas, Catuquinas, Tecunas ‚ Araycüs (Uaraycüs) u. s. f. Alle diese Indianer gehen mehr oder weniger nackt, leben von Schlangen, Kröten, Fischen, Affen u.,s. £, und gebrauchen zu ihrer Jagd, nebst Bogen und Pfeil, wie alle übrigen Stämme des Solimo&s, das Blasrohr und vergiftete Pfeilchen. — Nach drei Tagen verliess ich Fonte-Boa, und noch an demselben Abend und die folgende Nacht hatte ich gleichsam unter einer Armee von Vögeln, Schildkröten und Krokodilen zu leben. Einige, auf den Spitzen der höchsten Bäume sitzende, Königsadler (Pultur Papa), unzählige Fischreiher und anderes Gefieder Juden -mich ein, in die ehwarzen Gewässer des Lago da Campina einzulaufen, an dessen Mündung ich mich befand, Ich gelangte vor eine einzelne, im Walde befindliche Hütte, wo eine Factorei Be Trocknung und Zubereitung des hier häufigen Fisches Pirarucı: angelegt war. Der Inhaber » ein Mulatte, begleitet von einigen Indianern und noch mehr Indianerinnen , lud mich ein, aus“ -usteigen; und einige Berge von Tausenden von Schildkröten, die ich am Ufer fand, waren 1185 in der That ein interessantes Schauspiel. Diese Thiere werden, sobald sie ihre Eier gelegt haben, und die Regenzeit (der Winter) vor der Thüre ist, überall aufgefangen. Auf diese Jagd sendet man Indianer, welche die Thiere entweder auf den Sandbänken umkehren, oder sie, auf längs des Ufers eingesenkten Pflöcken sitzend, im Vorbeischwimmen mit einem an einer Schnur befestigten Pfeile in den Nacken schiessen, und dann herbeiziehen, Da das Rind- vieh hier noch äusserst selten ist, so vertreten diese Thiere seine Stelle, und jeder Einwohner hat am Hause eine Lache, worin er sie als Vorrath für den Winter aufbewahrt. Ich ging nur wenige Schritte am Ufer vorwärts, als ich durch ein Heer von Krokodilen in Schrecken gesetzt wurde, die dicht an einander gedrängt, wie bei uns die Frösche in derLaichzeit, nur mit den boshaften Augen, dem Rücken und Schwanze aus dem Wasser hervorragten, und voll Begier, die Abfälle der Factorei zu erhaschen, ihren langen Rachen bald öffneten, bald schlossen, — Ich setzte meine Reise dem, an Seen und kleinen Flüssen reichen, Ufer entlang stromauf- wärts fort. Nach drei Tagen schiffte ich über die Mündung des Rio Jutahy, welche eine Viertel- stunde breit ist. Dieser grosse Fluss, von schwarzem Wasser, wird in der Nähe seiner Mün- dung von Indianern der Nationen Mura, Marauhaä, Massarari u. A, (Tapaxana, Araycü ' nach Moxteıro, Conamanas nach Rıseıro) bewohnt; tiefer landeinwärts ist er noch gänzlich unbekannt. Die Marauhäs tragen in den Ohrenlappen und in beiden Lippen Hölzchen, sind aber nicht tatowirt. Die Männer verhüllen sich mit einem Stücke Bast, und legen gefranzte Baumwollenbänder um die Waden und Knöchel, die niemals abgenommen werden; die Weiber gehen ganz nackt, Die Heurathen werden, nach Bewilligung von Seite der Aeltern der Braut, mit oder ohne Festtänze gefeiert. Wenn ein Marauha Brüder hat, so darf er nur Eine Frau nehmen, Nach der Geburt badet die Mutter das Kind in warmem Wasser, legt sich drei Wochen lang in die Hangmatte, und geniesst, eben so wie der Mann, nichts als Brei von Mandioccamehl, gewisse Vögel und Fische. Wenn die Mutter aufsteht, giebt der älteste Ver- wandte dem Kinde in einem dunklen Zimmer einen, in der Familie gebräuchlichen ‚ Namen. Die darauf folgende Durchbohrung der Lippen des Kindes wird durch Feste gefeiert. Sind die Knaben zehn bis zwölf Jahre alt geworden, so gräbt ihnen der Vater zunächst dem Munde vier Striche ein; hiebei müssen sie fün’ Tage lang fasten. Die älteren Bursche geisseln sich mit einer kurzen Gerte, eine Operation, die als Prüfung des Charakters angesehen wird. Ihre Feste fallen in den Neumond. Nach dem Tode, glauben sie, kommen die Guten in Gemein- schaft mit einem guten Wesen, die Bösen mit dem Teufel. Die Leichen werden in einer gemeinschaftlichen Hütte begraben. — Einen 'Fag später traversirte ich den Solimo@s zum nörd- lichen Ufer, und kam, nach einigen glücklich überstandenen Stürmen, in sieben Tagen von Fonte-Boa an gerechnet, in der Ortschaft am Tonantin (5.) an. Dieser Fluss entspringt nur einige Tagereisen weit nördlich gegen den Yupurd hin. Es giebt hier viele Mandioccapflanzun- gen, Der Tonantin ist vom Stamme der Cauixanas bewohnt, welche als Krokodilfresser bekannt sind, und vor einigen Jahren ihren Missionär ermordet haben, Bei meiner ersten Erscheinung an ihren Wohnungen am Walde zeigten sie Furcht; aber bald kamen die Männer ganz nackt, und hinter ihnen mehrere ihrer Weiber und Kinder, im Gesichte schwarz und roth betupft, und mit Arm- und Kniebändern von Bast und Federn geziert, aus den Hütten hervor. Diese sind von Palmblättern erbaut, laufen oben conisch zu, und haben eine niedrige Thüre zum Ein» nnd Auskriechen, Männer, Weiber, Kinder und Hunde liegen alle zusammen in dieser finstern, von Rauch erfüllten, Herberge. Man braslhıte viele Heulaffen, den schwarzen Teufels- 1186 Affen Coatä, den zottigen Bärenaffen, blaue Frösche, verschiedene Colibri, viele Insecten, die grünen Eier des Inambü u. s. f., und es schien, als lebten diese Indianer in einer an Nahrung viel reicheren Gegend als ihre Nachbarn am Yupurä, die sich, wegen fast beständig herrschen. den Mangels an Wildpret, an das Hungern gewöhnen müssen. Auch mehrere Ingas, deren lange süsse Hülsenfrüchte gegessen werden, bieten den Cauixanas eine angenehme Nahrung — Am 24. December gelangte ich in das Militärquarlier am Rio Ie4, welcher in N. W, an der Cordillere entspringt, wo er Pultumayo genannt wird, und seine schwärzlichen Gewässer auf der Nordseite in den Solimo£s ergiesst. Meine’ Ankunft ward durch eine nächtliche Ilumination gefeiert, wobei man Schildkrötenbutter in Pomeranzenschaalen brannte. Zweihundert der schönsten Indianer vom Stamme der Passes, mit schwarztatowirten Gesichtern, ganz nackt, Einige mit langen Stangen in der Hand, Andere mit Rohrpfeifen , marschierten in Reih’ und Glied auf, mit den Frauen und Kindern hinter sich, bald einfache, bald doppelte Kreise bil- dend. Einen ähnlichen, ebenfalls nationalen, Militärmarsch führten, abwechselnd mit Jenen , die minder zahlreichen Juris aus. Beide Nationen sind die vorzüglichsten Bewohner des unteren Rio Ica. Bei den Passes steht der Zauberer (Paje) in grossem Ansehen. Er erscheint bald nach der Niederkunft, und giebt dem Kinde einen Namen. Die Mutter durchlöchert dem Rinde die Ohrläppchen. Die Kraft und, Unempfindlichkeit des Knaben wird durch Ertheilung von Hieben geprüft. Angehende Jungfrauen müssen, in der Hütte aufgehängt, ein monatlanges Fasten überstehen, Die Wöchnerin bleibt nach der Geburt einen.Monat lang im Dunkeln, und darf nur Mandiocca essen; d@ssgleichen der Mann, welcher sich während dieser Zeit schwarz färbt, und auch im Netze bleibt, Das Einblasen des Paricapulvers und Ciystiere vom ‚Absnd desselben sind hier üblich, Die Häuptlinge haben gewöhnlich mehrere, die Uebrigen nur eine Frau. Jus primae noctis findet nicht Statt. Maskenfeste sind häufig. Die Todten werden in eine runde Grube begraben. Nur die Leiche des Principals wird begleitet; seine Waflen wer- den über dem Grabe verbrannt. Neben ihnen findet man noch Indianer vom Stamme der Jumanas, Miranhas, mit durchlöcherten Nasenflügeln, Ujaquas und driquenas, mit lang herab- hängenden Ohren, auch Mluriates, deren Weiber sich sogleich nach der Geburt in dem dicksten . Wald verbergen, damit der Mondschein ihnen und dem Säuglinge keine Krankheit verursache. Von den Juris ist die, hie und da in Südamerica übliche, Sitte bekannt, dass sich der Mann, sobald die Frau geboren hat, in das Netz legt, und von dieser belienen lässt. Der Ica (6.) war ehemals von den Spaniern bis an seine Einmündung besetzt. Gegenwärtig aber hat sich das Militärcommando desselben, beim Vorrücken der Portugiesen, auf dreissig Legoas zurück- gezogen. — Der Regen setzt von nun an keinen Tag aus, und vermehrt die Ungesundheit des Klima. Während eines zweitägigen Aufenthaltes erkrankten mehrere Indianer der Begleitung » "unter Andern auch der Pilot, an kalten Fiebern; jedoch wurden sie durch Brechmittel wieder "hergestellt. Da ich selbst einen Anfall verspürte, so machte ich von demselben Mittel Gebrauch and reiste ohne Verzug ab. Vom Ig4 kehrte ich in den Solimo&s zurück, setzte hier , wo m schon eine geringere Breite hat, an das südliche Ufer über, und übermachtete in einer Fazenda, Maturd, wo mir am nächsten Morgen sieben Passes in einer Stunde gegen fünfzig Affen, und eben. so wiele;grasse w aldvögel mit dem Blasrohre erlegten. Von hier kam ich über Castro d’Avellags , einer. ema s gutbevölkerten, jezt aber nur von drei Familien bewohnten, Ortschaft am 30. December in Olivenza, (7.) oder, wie es sonst genannt wurde, S. Paulo an. Eat Villa ($, die Ansicht im Atlas). liegt am südlichen des Solimade‘ Sa hier gegen hundert - 1187 Fuss hoch ist, und durch seine Grasfluren, welche die nächste Umgebung bilden, eine hier seltene Annehmlichkeit gewährte. Auch hier bemerkt man dieselben bösartigen Fieber, woran auch die Indianer der Equipage, Einer nach dem Andern, alsbald zu erkranken anfingen, Die Einwohner behelfen sich mit allerlei Pflanzen, die hier wild wachsen. So gebrauchen sie den Caquetd gegen Ruhr, Parica-rana gegen den chronischen Ausschlag Curuba, Cad- Catinga gegen das Fieber, ‚$. Maria gegen Zahnweh und Krämpfe, Marupä gegen Diarrhöe, Cataure gegen rheumatische Schmerzen, Pao Cruz, gegen Blutflüsse. *) Auch meine Gesundheit verschlimmert sich täglich. Ein Katarrh, der mich schon drei Wochen lang verfolgt, wird immer asthmati- scher; der Körper zehrt zusehends ab, und nur der Gebrauch warmer Bäder vermag mich einigermaassen zu erhalten. Die hiesigen Einwohner sind Campevas, Tecunas, Culinos, dray- cüs, Völker, die alle nackt gehen, und den Körper auf verschiedene Weise bemalen. Die Mädchen der, als gute Läufer bekannten , Culinos werden, wenn sie in die Periode der Mann- barkeit kommen, in einem Netze in den Giebel der Hütte aufgehängt, wo sie, dem beständigen Rauche ausgesetzt, so lange fasten müssen, als sie es nur immer aushalten können, Bei den Araycıs muss der Jüngling für die, ihm schon als Kind bestimmte, Braut lange Zeit vorher jagen, und alle Sorgen des Hausvaters tragen, che er mit ihr verhenrathet wird. Eine noch seltsamere Sitte, die aber gegenwärtig zum Theil schon ihre Ausübung verloren hat, herrschte bei den Campevas. Sie pflegten die Kinder in einer kahnähnlichen Wiege festzuschnüren, und dem Schädel durch ‚ aufgebundene dünme Bretter eine mitraähnliche Gestalt zn geben. Ihnen ist ae die Sitte eigen, ihre Pfeile mittelst eines ausgehöhlten Holzes (Palhetta, Estolica) ab- . Uebr ; wird diese Nation als sehr gutmüthig und redlich geschildert. — Ihre "Sprache hat seh viele Worte mit der Tupi gemein, Auch hier gilt der Gebrauch, die Jüng- linge durch Geisselung zu prüfen, und die Jungfrauen einzuräuchern, Die Wöchnerin darf nur die Schildkröte Tracaja und Fische, nicht aber Säugthiere, essen; gleiche Diät hält auch der Mann so lange, bis der Säugling sitzen kann. Nach einem Todesfall verschliesst sich die Fa- milie des Verstorbenen einen Monat lang, unter beständigem Heulen; die Nachbarn müssen sie während dieser Zeit durch ihre Jagd ernähren. Das Begräbniss findet in der Hütte statt, und zwar wird der Principal in einem grossen Topfe begraben. — Die Ausbeute auf der Jagd war hier so gross, dass ich fast jeden Tag eine Kiste mit ausgebalgten Thieren anfüllen konnte. . Nach fünf Tagen verliess ich die Villa, nachdem zuvor kleine Kähne in die Wälder abgeschickt worden waren, um zu jagen und ethnographische Merkwürdigkeiten einzusammeln. Ich reiste yon hier. über die Pi illa de $. Joze ($.), welche gegenwärtig wieder in einen Wald verwandelt ist, nach Tabatinga (9.), wo ich am 9. Januar 1820. ankam. Dieser Ort ($. die Ansicht im Atlas) ist das Grenzquartel der Portugiesen gegen Peru am Solimo®s, der westlichste Punct an diesem Strome, und fast fünfhundert französische Meilen von Parä entfernt. Es befindet sich hier ein Commandant der Militz mit zwölf Soldaten. Der Handel mit den spanischen Prorvin- die Ruinen eines schöneh Behäides, welches die, unter. Pomzar. errichtete, Handelscompagnie von Gross-Parä und Maranhäo zur Niederlage erbaut hatte. Die en mit einigen verro- 5 Parica-rana eine Acacia, Erva de S. Maria da Chenopodium ambrosioides, Marupä die Simaruba, Pio Cruz wahrscheinlich eine Caesalpinia. Zu den Arzneipflanzen dieser m r noch das Paäo de S. Joze und das Pdo doce (eine Vochysia?) Marrıus, * 1183 steten Canonen, ist in einem sehr schlechten Zustande. Die Wälder von Tabatinga werden grösstentheils von Tecunas , die längs des, auf dem südlichen Ufer, amündendeg Flusses Ya. vary von den Mazurunas (10.) bewohnt, Einzelne der letzteren sah ich hier. Sie sind ganz wild, haben Ohren, Nasen und Lippen durchlöchert, überdiess das ganze Gesicht mit Stacheln und Federn besetzt, und die Stirn roth und schwarz bemalt. Nicht selten sind sie ziemlich hell gefärbt. Zur Prüfung und Beurkundung der Stärke machen sie sich tiefe Einschnitte in die Arme. Die Wöchnerin darf kein Affenfleisch, sondern vorzüglich nur das Fleisch yon Hoc- cos essen, Namen werden den Kindern ohne weitere Festlichkeit ertheilt; dagegen bezeichnet ein grosses Fest die Operation der Durchbohrung der Ohren, Lippen und Wangen, Die er- steren Theile werden schon den Knaben, die Wangen erst nach erreichter Mannbarkeit durch- bohrt. Damit die Wunden nicht zuheilen können, lassen sie dünne Pfeile darin stecken, und - bewegen sie alle Morgen hin und her. (Vergl. das Porträt des Maxuruna im Atlas.) Der Yavary (ı1.) ist zwar sehr reich an Cacao, Salsaparilha und Schildkröten, allein wegen der bösartiger Krankheiten, die an ihm herrschen, und wegen der Grausamkeit seiner Bewohner wird er von den Portugiesen gemieden. Zieht ein Canot vorüber, so durchbohren jene feindli- chen Indianer, hinter einem Baume versteckt, den Piloten mit einem grossen Wurfspiesse oder mit der Lanze, und fallen dann über die andere Mannschaft mit grossen, viereckig- ie Keulen (Tamaranas) her, so dass ihnen selten ein Einziger entwischt. Zahmer und den Weissen mehr befreundet sind die Tecunas. (12.) Als ich in Tabatinga'ankam, sah ich mehrere Nachen nach dem Lande zu fahren, welche voll von nackten, mit Arm - und Kniebändern, Epauleits und Stirnbinden von Federn gezierten, und um die Lenden mit einem zierlichen Gürtel von Bast bekleideten Indianern waren. Kaum an das Land gestiegen, vernahm ich eine fürchterliche Musik, und war Zeuge des Festes, zu welchem jene Indianer aus den Wäldern herbeikamen. (Vergl. im Atlas „den festlichen Zug der Tecunas.*) Die Feierlichkeit bestand darin, dass man einem zwei Monate alten Kinde, unter Tanz und Musik, die Kopfhaare aus- riss, Die Indianer hatten ihre Nachbarn hierzu durch den Stoss in einHorn von dickem Rohre eingeladen, und feierten die grausame Ceremonie unter bacchantischem Tanze, indem sie sich durch das gegohrne Getränke von der süssen Wurzel der Aipim (Macajera) immer mehr er- hitzten. Sie hielten einen förmlichen Aufzug. Derjenige, welcher als Teufel (Jurupari) in eine grosse Affenmaske verkleidet war, eröffnete den Zug; der Saum seines, von Bast gemachten, Rleides ward von zwei kleinen Indianerinnen getragen. Hierauf folgten die andern Masken, deren eine ein Reh, andere einen Fisch, einen alten Baumstrunk u. s. w. vorstellte. Den Be- schluss machte ein altes, hässliches, ganz schwarz bemaltes Weib, welches auf einer getrock- neten Schildkrötenschale einen gleichformigen Tact schlug, In diesem Aufzuge tanzten und sprangen sie wie Böcke umher, so dass man Gespenster oder Wahnsinnige zu schen glaubte, Einer aus diesem scheusslichen Trosse kam sogleich auf mich zu, und wollte mir die glänzen- den Knöpfe, die ein passender Ohrenschmuck schienen, vom Rocke reissen. Das fürchter- u Schauspiel dieses grausamen Festes, welches den Kindern oft das Leben kostet, dauerte diessmal ununterbrochen drei Tage und drei Nächte fort, Die andern Feste feiern die Tecunas, wenn sie den Kindern die Ohren durchbohren ‚ und wenn Mädchen Jungfrauen werden. Ihre 5 Todten begraben sie in -Töpfen, und zünden dann die Hütte, mit allem Eigenthume des Ver- storbenen, an, wenn die Kinder nicht die Waflen in Anspruch nehmen. Diese Nation der Te cunas übt in ihren Wäldern die Circumcision an beiden Geschlechtern aus. Ihre Waffen, ihr x 1189 Schmuck und Geräthe wurde gegen Glasperlen, Spiegel, Messer u. dgl. eingehandelt. Das Wetter war. auch hier sehr ungünstig, indem es unausgesetzt regnete. Am zweiten Tage stun- den mir. dreissig Tecunas zu Gebote, welche mir unvergleichlich schöne Vögel, von dem bun- testen Gefieder, brachten. Da hier und in Olivenza diese prächtigen Vögel vorzüglich häufig sind, so sind die Tecunas nicht blos in der Jagd, sondern auch im Abziehen derselben sehr geschickt, und zwar bedienen sie sich bei dem Abstreifen nur eines kleinen Hölzchens. In vier Tagen war die Ausbeute so gross, dass sie mehrere Kisten anfüllte. Man kömmt von Tabatinga in vier und zwanzig Stunden nach Loreto, ‘wo die Indianer Pevas wohnen. Es ist der erste spanische Ort, mit einem Commandanten, und einigen Truppen. Westlich von da nimmt der Fluss den Namen Marannon (port. Maranhäo) an, und statt der brasilianischen oder Tupisprache wird von den Indianern und dem niedrigsten Volke die allgemeine peruvia- nische oder Quichuasprache (Lingua del Inca) geredet, Gerne wäre ich gegen die Cordillere nach Westen vorwärts gereiset, um so mehr, als mich der spanische Commandant, nach Kunde von meiner Ankunft in Tabatinga, zu sich einlud; jedoch die Nachricht, dass die Independen- ten gegen Lima vordrängen, und der dortige Vicekönig die wichtigsten Officiere aus dem In- nern ab-, dagegen Andere an ihre Stelle berufen habe, so wie der Umstand, dass unsere Pässe sich nur auf Brasilien erstreckten, geboten, von hier aus umzukehren. Ich beschloss_ daher hier an der Grenze Brasiliens meine Reise, und kehrte mich aus der westlichen Richtung wieder nach Osten um. Den Weg. nach BER: wozu ich aufwärts vier Tage gebraucht hatte, machte ich abwärts in vier und zwanzig Stunden. Man bleibt bei dieser Reise immer im Zuge des | Gewässers, in der Mitte des Stroms. Hier geschah es mir, dass das Boot auf einen unter ‚dem Wasser verborgenen Baum aufstiess, sich in einem Nu zur Hälfte mit Wasser füllte, und ‘ dem Untergange nahe war; da aber glücklicher Weise der Baum brach, ward es wieder flott, und die Gefahr ging vorüber. Als ich in Olivenza ankam, waren.die Kähne, welche zu den benachbarten Indianern abgeschickt waren, noch nicht zurückgekehrt, und, ich wartete acht Tage auf sie. Die Culinos, welche hier wohnen, sind nicht tatowirt, haben “aber die Ohren, Ober- und Unterlippe und den Naseuknorpel durchlöchert, Die Heurath wird schon in der frühesten Jugend des Mädchens ausgemacht, und durch Dienste gegen die. Aeltern. desselben gestattet. Der Principal hat Jus primae noctis, Während. die Wöchnerin Diät hält, essen die Männer die ersten fün? Tage gar nichts. Sie meiden in dieser Zeit das Fleisch der Paca und des Tapirs und essen nur Schweinfleisch. Ist das Kind eine Woche alt, so wird es vom Paje einen vollen Tag lang mit einer Cigarre beräuchert, und dann benannt, _ Dass die Seele des Verstorbenen in ein Thier übergehe, glauben sie nicht; vielmehr käme sie in den Himmel, wo sich alle Völker versammeln. Ihre Todten begraben sie in einer, eigens dazu bestimmten, runden Hutte in die Erde; während die Verwandten das Begräbniss halten, legen sich die Uebrigen in ihre ae: nur die Leiche das Häuptlings wird von Allen begleitet. — Nach Verlauf dieser Zeit verliess ich die Villa, setzte über den Strom, und lief'am nördlichen Ufer desselben in einen kleinen Fluss ein, der in den Rio’ Ie& führen sollte. Ein Indianernachen ward vorausgeschickt, um die in dem engen Flusse wachsenden Bäume und dichten Gesträuche zu fällen; aber selbst nach dieser Vorsichtsmaassregel blieb noch die Arbeit übrig, das grössere Canot auf den Schultern über die gefällten Bäume zu heben. Schon nach der ersten Tagereise befand ich mich in einem so dichten Walde, dass kein Sonnenstrahl hineindringen konnte, . und die wnausgesetzt abträufelnden Bäume durchnässten mich, als wenn ich dem heftigsten II. Theil, 151 1190 Platzregen auf freiem Felde ausgesetzt wäre. Am zweiten Tage gelangte ich durch einen See und den Jucurapa einen reissenden Nebenfluss, in den Igd, dessen Mündung, woran die Ort- schaft steht, ich am fünften erreichte. Der Solimo&s war jetzt schon so angeschwollen, dass keine Sandbank mehr hervorragte, und der anliegende Wald fünfzehn bis zwanzig Fuss unter Wasser gesetzt war, Am Solimo£s fand ich Indianer vom Stamme Uaraiei. Sie sind nicht tatowirt, haben aber die Ohren, die Unterlippe und den Nasenknorpel durchbohrt, Mit den meisten Nachbarn haben sie die Gebräuche bei dem Heurathen , beim Wochenbette, (nach wel- chem sich die Frau sechs Monate lang vom Manne entfernt, und bei ihren Verwandten in einer andern Hütte wohnt), das Räuchern der Jungfrauen, und die Probe männlicher Standhaftigkeit durch Peitschenhiebe gemein. Ihre Feste werden ohne Maskenzüge gefeiert. Sie glauben an einen Gott und an einen Teufel; beide wohnen oberhalb der Erde. Der letztere erscheint nur ‘dem Paje unter menschlicher Gestalt. Ihre Leichen verbrennen sie mit nach Osten gekehrtem Antlitz und ausgestreckt. Die Asche des Verstorbenen wird in der Hütte aufbewahrt. — Auf dem Solimo£s reiste ich nun Tag und Nacht abwärts; in zwei Tagen kam ich von Ica nach Fonte- Boa, in einem von da nach Ega, und in vieren von da endlich wieder in die Barra do Rio Negro, wo ich.am 5 Februar eintraf, Anmerkungen zum dritten Kapitel. (1.) Die Ortschaft (Zugar) von Alvarads, ehemals $. Christoväo, liegt auf der Ostseite des Flüss- chens Uraud, dessen schwarze Gewässer sie theilweise auch von der Hinterseite einschliessen. Sie heisst in der Lingua geral Caysara, was so viel als Hürde, Stall (Curral) bedeutet, ein Name, der davon herrühren soll, dass man die Indianer, welche ehemals, vorzüglich aus den Wäldern am Fı- purd, eingefangen wurden, hier zu verwahren pflegte. Das Dorf ward im Jahre 1758. gegründet, da man Indianer hierher übersiedelte, die vorher am Tijuaca, ‘einem Verbindungscanale zwischen dem Yupurdä und dem See Amand, vereinigt lebten, Seine ersten Bewohner waren vom Stamme der Uärü, die man Coca nennt, weil sie sehr oft diess Wort, das in ihrer Sprache Nein heisst, wieder- holen, ferner von denen der Ambud, Uaymd, Yucuna, Alarua, Passe, Cauiari, Miranha, die fast alle aus den Wäldern am Yupurd, und Marauhas, die vom Yurud hierher geführt worden waren. Die letzteren sind Anthropophagen. Die Gegend von Alvara&s ist angenehm, und sehr fruchtbar, beson- ders gedeiht die Mandiocca vortrefllich; doch haben die Einwohner viel von den Carapanas und Pium zu leiden, (Ribeiro, $ 103 — 106. Monteiro $. 103.) (2.) Dr 11 Convamıme giebt (Relat. S, 97.) die Landspitze von Parauar: als denjenigen Ort an, wo P. Terzeıra, auf seiner Rückreise aus Quito, den Grenzstein zwischen den spanischen und er 3 tugiesischen Besitzungen gelegt habe, eine Annahme, gemäss welcher jener Grenzstein mehr als we! Grade östlich won den Niederlassungen gestanden haben würde, welche die Portugiesen seit mehr als hundert Jahren am oberen Solimoes gegründet haben. Die portugiesischen Schriftsteller sa teiro, |. 104. 105. und Ribeiro, $. 108 147.) bemühen sich daher weitläuftig, die Grundlosigkeit 2 Behauptung des französischen Akademikers darzuthun; und es unterliegt wohl keinem Zweifel , dass JONDANINE irfig die Mündung des Aguarico, eines nördlichen Beiflusses des Napo, an welchem Ter reına den Marco aufgestellt hatte, mit dem Parauari verwechselt habe. Dieser Grenzstein ward (nach Ribeiro, $. 122.) unter dem Gouvernement von AtkxAsDak de Sovza Farınr durch die Portugiesen » 1191 recögnoseirt und erneuert, fällt aber nach der jetzigen Bestimmung schon weit westlich von der factischen Grenze Brasiliens. Terxema’s Expedition hatte bei der Reise stromaufwärts an dem Orte Parauari eine Aldea der Curucicaris getroffen, deren Bewohner Goldblättchen als Ohrenschmuck (Nam- by pora) trugen, und jene erhielt davon die Namen der Aldea do Ouro. Diese Goldblättchen kamen vielleicht von dem Rio Apaporis. (Vergt. Cap. 4. Note 5.) , (3:) Der Yurud (Jurud), welchen Pıscam Amarumayo nennt, ist bis jetzt den Brasilianern nur wenig bekannt geworden, denn die zahlreichen Stämme an seinen Ufern (Mosrrıno führt deren $. 124. zweiunddreissig an, mir nannte man als die wichtigsten die Marauhds, Catuquinas, Catauuizis, Canamares und 4räo) sind kriegerisch und den Fremden abhold. Sie bedienen sich fast alle 'vergif- teter Waffen, und sind nur in geringer Zahl in die Ansiedlungen herabgeführt worden. Die Expe- ditionen, welche, um Salsaparilha und Cacao zu sammeln, im Yurud etwa zwanzig Tagereisen strom- aufwärts machen , erreiehen auf diesem Wege die Fälle noch nicht, bis zu denen wenigstens dreissig Tage gerechnet werden sollen. Die Strömung des Yurud ist stärker, als die seines westlichen Nach- bars , des Jutahy. Die Breite seiner Mündung ist nach px za Cosvamıne’s Messung 362 Toisen. Das Land durch welches er strömt, ist, nach den Berichten derAnwohner, niedrig und’ grösstentheils mit dich- ter Waldung bedeckt. — Nach Acuswa wäre der unglückliche Proro pr Onsva, dessen Ermordung durch Lorzz p’Acvıraz um seiner schönen Gemahlin willen, eine der tragischsten Episoden in der Geschichte von der Eroberung America’s bildet, von Euzco'aus den Yurud hinabgeschiflt, @.) Der Lugar de Fonte-Boa hatte vier andere Orte am Solimoes eingenommen „ bevor er hier- her versetzt ward. Die Indianer, welche seine Bevölkerung ausmachten, waren theils vom Yurud, theils vom Yupurd hergeführt worden, und gehörten den Nationen der Umauas oder Campevas, Xa- mas, Xomanas, Passes, Juris, Tecunas, Conamards , Tumbiras, Cururamds, Araycus, Catuquinas und Paydnas an. Gegenwärtig sind nur schwache Spuren von ihrer ehemaligen Selbstständigkeit vorhan- den. Die Einwohner spreehen die Tupisprache, und Einzelne selbst portugiesisch. Man rühmt ihre Fertigkeit in der Verfertigung von mancherlei Geschirren. Rıseıno berichtet ($, 171.), dass hier eine alte Ortschaft gestanden habe, von welcher noch eingegrabene, grosse, mit den Gebeinen der Verstorbenen angefüllte Töpfe (Ygayaba ogü) übrig geblieben seyen, deren Ränder fäst an der Ober- fläche der Erde gefunden würden. Wie bei der Gründung der meisten Orte am Solimoes, scheint auch hier vor Allem die Fruchtbarkeit des Bodens berücksichtigt worden zu seyn. So gross aber auch diese ist, wird doch der Aufenthalt durch die Lage, an dem Bache Caiarahy, eine Viertellegoa ober- halb seiner Mündung, und zwischen Niederungen, zu denen sich das Terrain gegen Osten: vertieft, ungesund, und durch zahllose Schnacken und Stechlliegen unbequem, (5.) Der Bach Tonantin oder Tonanti vereinigt sich durch zwei Mündungen mit dem Solimoes. Seine Quellen sind von denen des Joami nur durch einen Traject von zwei Meilen Breite getrennt. Er heisst bisweilen nach dem, längs seiner Ufer in dichter Urwaldung wohnenden, Indianerstamme, Cauixina oder Cayuvicena, Die letztere Aussprache hörten wir von Indianern, die am Rio Negro wohnen, so wie wir überhaupt zu bemerken glaubten, dass an diesem Strome die Namen durch ein- geschobene Sylben noch länger werden, als am Amazonas. (Dort giebt es auch die ähnlich gebilde- ten Namen der Stämme: Uarandcoacena, Cauuciricena, Ariquenas, Cabuquena n. s. f.) Sollten diese Namen einer einzigen Sprache, vielleicht der de Sollten sie auf die Maypurersprache zurückzufübren seyn, womit jene viele Verwandtschaft zeigen? In der letzteren heisst nuani der Sohn. Die Cauiranas sind eine nicht unbedeutende Horde, und nehmen, zugleich mit den ihnen durch die Sprache verwandten Parianas, das er zwischen dem Yupurd, a : 151 r Mandos oder der fast identischen der Bars angehören? —— 11092 dem Auatiparana, dem Ica und Joami ein. Ich besuchte eine Gesellschaft derselben am See Acunaui Sie sind zwar nicht feindlich gegen die Brasilianer gesinnt, jedoch auch nicht geneigt, sich, wie schon früher geschehen war, unter Missionären vereinigen zu lassen, (6.) So wichtig auch der Ied den Bewohnern dieser Gegenden als ein mächtiger, an Cacao ad Salsaparilha reicher, Strom seyn sollte, war ich doch nicht im Stande, irgend Jemand aufzufinden , durch den genaue Kunde über ihn zu erhalten gewesen wäre. Alle Nachrichten, die man von den Anführern (Ca5os) der jährlich dahin abgeorineten Expeditionen einziehen kann, beschränken sich auf das; „Es ist ein reicher Fluss, man findet viel Gold in ihm.“ Dieser Refrain ist aber uur ‚das Echo der alten Nachrichten von Acussa; und die Goldformation dürfte erst in dem oberen Theile beginnen , wenigstens versicherte mich ein Reisender, dass zwölf Tagereisen stromaufwärts die An- sicht der, während des Hochwassers überschwemmten, Uferwaldung in Nichts von der des Solimoes verschieden sey, und das Land sich nur wenig erhöbe. Mit dieser Aussage stimmt überein, dass der Peritö, ein kleiner Fluss, welcher sich dem Igd auf der Nordseite oberhalb der Hälfte seines Verlaufs einverleibt, mit dem Metä, einem südwestlichen Beiflusse des Yupura, in Verbindung steht und dass bis zu dem Pepitari keine Fälle in dem Ic« vorkommen. Selten dehnen die Brasilianer ihre Reisen weiter stromaufwärts aus, denn die wenigen, höchst ärmlichen, Missionen der Franeiscaner, die unter der gegenwärtigen politischen Katastrophe noch mehr als früher von den bevölkerten Ort- schaften in Westen, namentlich von Baeza, der Hauptstadt der Provinz Quichos y Macas , geschieden sind, bieten keine Handelsinteressen dar. Die ehemaligen spanischen Niederlassungen im untern Igd finden sich zwar auch noch in allen neuern Karten, sind aber seit mehreren Decennien verlassen worden, Man rechnete, dass die Reise von ihnen stromaufwärts bis Quito oder Popayan nur in vier bis fünf Monaten zurückgelegt werden könne. — Die am Ird wohnenden indianischen Stämme sind ‚minder häufig in die portugiesischen Ansiedlungen herabgeführt worden, als die der benachbarten Flüsse. Die Igäs, von denen der Strom seinen Namen hat, sind bereits ausgestorben, Auch von den Caca -tapuüja, die von Mostzıno als Menschenfresser, durch einen tatowirten Strich quer von der Nase bis zu den Ohren ausgezeichnet, beschrieben werden, konnte ich nichts Genaues vernehmen. (7.) Die im Jahre 1759 errichtete Villa de Olivenza ward früher für den wohlhabendsten Ort” am ganzen Solimoes gehalten , jetzt aber scheint sie der Grenzstation Tabatinga, die zu ihrem Kirch- sprengel gehört, nachzustehen. Das Terrain um die Villa erhebt sich an einigen Stellen auf achtzig bis hundert Fuss, eine im’ Vergleich mit der allgemeinen Flachheit und Niederung der Ufer beträcht- liche Höhe. Eben so wenig als in den andern Niederlassungen findet man grosse zweistöckige Häu- ser zwischen den Hütten der Indianer. Die Campevas machten sonst den grössten Theil ihrer Ein- wohner aus, gegenwärtig sind sie nicht mehr als selbstständiger Stamm kenntlich, sondern zu s0ge- nannten Indios mansos umgewandelt. Nur wenige Familien dieser Campevas leben jetzt noch ganz frei in den Wäldern zwischen Olivenza und Tabatinga; und die Meisten bewohnen diese Ortschaften wenigstens einen Theil des Jahres hindurch, wenn sie von ihren Pflanzungen hereinkommen. Schon früher ($. 1094.) habe ich bemerkt, dass diese Indianer die Tupisprache ursprünglich, wenn auch "Mit gewissen Abänderungen, gesprochen haben, und sie noch sprechen; und da sie dem Namen (Campevas, Plattköpfe) von der seltsamen Sitte erhalten hätten, ihren Kindern den Schädel dureh Druck mitraförmig zu bilden. Dr. Srıx hat die Wiege, deren sie sich zu diesem Endzwecke bedien- sein Kopf, auf einem kleinen Kissen ruhend, durch eine Schiene aus, der Länge nach vereinigten, Leisten von Rohr zusammengepresst. Die Mutter gab dem Hide die Brust, ohne es aus dieser Bhs 1193 qualvollen Wiege zu nehmen, und die Reinigung desselben musste, aus gleichem Grunde, höchst unvollkommen seyn. Die Mütter unterliessen zwar, auf Zureden der Portugiesen, diese grausame Sitte; doch versuchten sie wenigstens mit den Händen den Schädel ihrer Neugebohrnen in die be liebte Form umzubilden. Es kann daher auch nicht befremden, dass der Stamm der Campevas (oder Omaguas) immer schwächer ward, und jetzt seinem Aussterben nahe ist, Es ist übrigens höchst seltsam, dass diese Sitte sich nicht blos auf die Omaguas beschränkt, sondern bei sehr weit entfernten Stämmen wiederfindet. Auch die Chactäs in Florida wiederholen, nach Vonxry, das Bild der alten Maerocephalen (Hippocr. de Aere, loc. edit Francof. 1595. Seet. 3. p. 72.); und eben so die Movimos, ein Stamm in der Provinz de los Moxos, welche glauben, dass Bulan, Vater und Herr aller Dinge, ihre Ahnen mit der Angel aus dem See Movim hervorgezogen habe. (Röhr, im Weltboten). Rıszıno macht ($. 232. fl.) folgende, grösstentheils mit Acunsa’s Bericht (Cap. 51.) übereinstimmende Schilderung von diesem merkwürdigen Stamme, ‚Die Campevas sind die gebildetsten und gescheutesten Indianer. Selbst ihre weissere Hautfarbe und günstige Körperbildung zeichnen sie aus, Beide Geschlechter gingen von jeher bekleidet: eine unter den Indianern äusserst seltene Sache, Kleider werden von den Wei- bern sehr kunstfertig gemacht, Sie weben Decken (Tapeciranas genannt) von verschiedenen Schattirungen, sehr feines Baumwollenzeug zur Kleidung, und andere Geräthe. Sie handeln auch mit diesen Erzeug- nissen: in der That, ein fabricirender und handelnder Indianerstamm ist eine seltene Erscheinung. Ihre Kleider sind übrigens sehr einfach: ein Stück Tuch mit einem Loche für den Kopf und zweien seitlich für die Arme, das vorn und hinten herabhängt, Von den Campevas erlernten die meisten Indianer, und auch die von Parä, die Zubereitung des elastischen Gummi, woraus sie Spritzen, ; Schaier Stiefel und Hüte zu machen verstehen. Sie sind kriegerisch; ihre alten Feinde waren die und die Mayurunas. Im Krieg waren sie grausam. Sie schnitten den Feinden die Köpfe ab, und hingen sie als Trophäen in ihren Häusern auf. Aus den ausgebrochenen Zähnen machten sie sich Halsschmauck. Ihre Waffe ist der Pfeil; doch schiessen sie ihn nicht mit dem Bogen, son- dern mit einem drittehalb Spannen langen Brettehen (Palheta) ab, an dessen einem Ende ein mit der Krümmung nach innen gerichteter Zahn, oder ein eiserner Nagel befestigt ist. An diesen legen sie den Pfeil an, den sie von da aus mit grosser Sicherheit auf beträchtliche Entfernung zu schleu- « dern verstehen. Diese Waffe ist die Estolica der Krieger der peruvianischeu Incas. Es ist. zweifel- haft, ob die Campevas "Menschenfresser waren. Manche behaupien diess, und dass die im Walde Wohnenden es noch seyen. Doch wollte es mir kein Campeva eingestehen, indem vielmehr alle ver- sicherten, durch die Umformung der Schädel ihrer Kinder eine Unterscheidung. von den Anthropo- ‚phagen zu bezwecken, Unter die Gebräuche der Campevas gehört auch der betrügerischer Gauke- 4eien und Hexenkünste bei den Curen ihrer Krankheiten. Ihre Pajes (Zauberer, Schamanen) sind hierin sehr verrufen. Den Gebrauch eines, vermittelst Röbrenknochen einzublasenden, Schnupftabacks ‚(Paried), den sie wie die Otomacos ‚am Orenoco, Curupä nennen, haben sie mit. den Huras (vergl. S. 1074.), den Mauhes, den Tecunas u. A, gemein. Wenn sie sich matt fühlen, wenden sie diese ‚adstringirende Saamen auch in Klystieren an“. (Monteiro $. 145.) — Nach diesen ethnographischen‘ Notizen bleibt mir noch übrig, meine Ansicht über die Verschiedenheit der Orte anzugeben, die man | als das Vaterland der Omaguas zu bezeichnen pflegt. Die gelehrten Forschungen des Hrn. v, Hum- .»orLot haben nachgewiesen, dass die deutschen Abentheurer Georg v. SprieR und Paır. v. Hurızs e (1535. und 1542.) ein Goldland zwischen den Quellen des Rio Negro, des Uaupes und Yupurä auf- Ws gesucht hatten, dessen Bewohner, eine zahlreiche, gut civilisirte, kleine goldne Bildchen besitzende Nation, sie Omaguas nannten. Dagegen traf die Expedition des ?. Teıxeıma (1637.) einen Stamm, den sie Bmaguas Magnas oder Aguas nannte, in einer ganz andern Öegend, am Solimoes, zwischen dem Yavary und Yurua (Acunna Cap. 51. fll.), da wo später die Reste der Campevas angegeben wer- En ein Name der in Acussa nicht vorkommt, aber in der Tupisprache ee: mit Omaguas ı 1194 in der Quichua seyn und „Plattköpfe‘* anzeigeu soll, (Acussa sagt, Aguas bedeute in ihrer Sprache Jenseits.) Auch in den südlicheren Gegenden am Paraguay erscheint der Name der. Omaguas bei den Spa- niern, die Entdeckungsreisen nach ihrem angeblich reichen Lande anstellten. Deuten diese verschie. denen Oertlichkeiten auf einen vormaligen Zusammenhang dieser Stämme, haben sie wandernd sich getrennt, oder überhaupt ihre Wohnsitze verändert, und wie ist diese Wanderung geschehen? Acusya schreibt die höhere Cultur der Omaguas , denen die Anthropophagie von den Portugiesen nur ange. dichtet worden sey, der Einwanderung der alten Bewohner von Quixos zu. Dr ra Conxpamise hält es nicht für unwahrscheinlich, dass die Omaguas auf den aus N. W. her in den Solimoes fallenden Flüssen herabgekommen seyen, um sich der Herrschaft der Spanier zu entziehen, Rırırno sagt: es gehe die Sage, dass sie auf dem Yupura herabgekommen seyen. Hr. v. Humsoror theilt diese Mei- nung nicht ausschliesslieh, indem er die von Varer (Mithridat. III, S. 598.) angeführten Gründe würdigt, nach welchen die Omaguas vielleicht auch aus Süden gekommen seyn dürften. Wir selbst haben uns be- reits oben ($. 1094.) für die von Hxnvas (Idea. Vol. XVII. S. 63.) ausgesprochene Annahme er- klärt, dass die Omagnas am Amazonas aus $. gekommen seyen, und wir halten sie für einen Theil des grossen Tupistammes, dessen Wanderungen sich über ganz Brasilien erstreckt zu haben seheinen. Der Name Omaguas kommt bei den portugiesischen Schriftstellern (Brerroo, Montrımo, Rızeımo, Cazsı) nur in so weit vor, als sie den Angaben des Spanischschreibenden Acunna folgen. Sie selbst kennen nur die, dem Acussa fremden Namen, Campevas oder Umauas, und ausserdem die Yurimaus, welche, wahrscheinlich identisch mit den Yoriman des Aeussa und den Sorimo&s oder Solimo&s der Portugiesen, in der Mission des Sam. Frırz am Cachi-Yaco, einem Beiflusse des Guallaga als Juri- maguas wieder erscheinen. — Es ist mir höchst wahrscheinlich, dass diese, den Tupis verwandten, Omaguas nur durch eines jener, bei den ersten Entdeckungsreisen in America so häufigen, Missver- ständnisse für die Insassen des reichen Goldlandes gehalten wurden, das manche Abentheurer von Coro, andere von Hochperu her aufsuchten, und dass vielmehr die Mandos, eine ehemals mächtige Na- tion, die zwischen dem Apapuris, Uaupes und Rio Negro hauste, unter jenem Namen gemeint waren. Diese hatten Goldblättchen, womit sie sich noch zur Zeit der Eroberung des Rio Negro zierten. Ihr Name ward mannichfach entstellt: so hat Acussa Mavagus, Frırz Manaves, und noch jetzt werden ihre Ueberbleibsel verschiedentlich: Umandos, Umanaus, Omanaguos geheissen, (Die Präposition U er- scheint häufig bei den Namen der Stämme; z. B. Uariquena und Ariquena , Uaraycu und Araycu, Uarioqui und Arioqui, Yucuna und Ycuna u. s. f) Das Wort IHando war den golddurstigen Erobe- rern so angenehm zu hören, dass sie wohl jedem Anklange desselben folgten, und so mögen denn auch die erwähnten deutschen Abentheurer auf ein Land zwischen dem obern Yupurä und "dem Vau- pes hingewiesen worden sey, das ein Stamm mit verwandtem Namen bewohnte. Diess nun ist das wilde menschenfressende Volk, welches auch jetzt noch auf den Fluren westlieh von der grossen Katarakte des Yupura herumzieht; die Portugiesen nennen es Umauas oder Umauhas, die Spanier wahrscheinlich Omaguas. Diese Indios camponeses stehen auf einer sehr tiefen Culturstufe , sie be- sitzen nichts weniger als metallische Reichthümer, und sind ein Schrecken aller Nachbarn in Osten auf brasilianischem Boden. Ob sie mit den Omaguas oder Campevas am Solimoes ursprünglich ver- wandt seyen, könnte vielleicht nur durch eine Vergleichung ihrer Sprache ausgemittelt werden, Au DE ı/lsır’s Karte zu Acunsa 1717. findet sich gerade da, wo diese Umauas! hausen : Omaguasietd, oder wahre O.; allein Acussa’s Autorität hat so manche Vorurtheile in die Ethnograpbie und Geogra phie des Amazonas eingeführt, dass ich auf diess Zeugniss hin mich nicht zu der Annahme entschei den möchte, dass diess das ursprüngliche Vaterland der Campevas gewesen sey. Die Gleichtönigkeit des Namens könnte täuschen. a re 5 -. > Yavary war i. J. 1759. mit Indianern vom Stamme der er = ; ie niedrige, ungesunde Lage, die furchtbare Plage der Stechfliegen » % 1195 Abgelegenheit des Ortes und die Unbeständigkeit der Bewohner, welche lieber im Walde hausen, haben den gänzlichen Verfall des Fleckens zur Folge gehabt. (9) Die Lage des westlichsten Prezidio, de $, Francisco Xavier de Tabatinga, scheint sehr geeig- net für einen Grenzposten. Man überblickt von dem Orte aus den, hier bedeutend verengten und insellosen, Strom auf zwei Legoas gen Osten bis zur Mündung des Flusses Yavary und auf andert- halbe gen Westen bis zu den Inseln Xanarid; und die Passage auf demselben wäre durch Anlegung einiger Batterien leicht zu beherrschen. Jedoch wird das von Holz erbaute, mit einigen Sechspfün- dern montirte Fort, westlich von dem Orte auf der höchsten Stelle des Ufers gelegen, nicht sorg- fältig genug unterhalten. Zur Zeit der Anwesenheit von Dr. Sptx stand zwar in Maynas und Perü die Autorität Fernısaso VIL noch fest; allein das ehemalige Vicekönigreich Neugranada hatte seine Unabhängigkeit bereits ausgesprochen, und wir erhielten vor unserer Abreise von der Barra do Rio Negro, am 14. März, eine in Angostura am 20. Februar 1820. publizirte Proclamation Borıvans, die also den Weg über die Katarakten des Orenoco bis zur Mündung des Rio Negro in weniger als ei- nem Monate gemacht hatte. Man betrachtete damals hier die politischen Katastrophen in den benach- barten spanischen Ländern ohne die Furcht, dass sie sich diesseits der Grenzen Brasiliens forterstre- cken könnten. Bei dem Mangel an Bevölkerung ist auch ohne Zweifel gerade in diesem Theile Bra- siliens eine mächtige Reaction gegen die bestehenden Autoritäten am wenigsten zu fürchten. Gleich- wie die thätigen Vulcane in der Nähe des Meeres, liegen in der neuen Welt auch die Heerde politi- scher Umgestaltungen an den Küsten, wo die Bevölkerung grösser, der Verkehr lebhafter und alle Leidenschaften, aus denen sich politische Stürme entzünden können, mächtiger sind. | ‘Verkehr zwischen Tabatinga und der benachbarten spanischen Landschaft Maynas war, und ist wahrscheinlich auch gegenwärtig, nicht sehr bedeutend. Ich verweise rücksichtlich des Handels zwischen beiden Ländern auf die vierte Anmerkung zum vorigen Kapitel. Die Indianer von Loreto, ursprünglich vom Stamme der Pevas, sprechen die Incasprache, jedoch nicht rein, sondern gar oft mit Worten der Tupi vermengt. Sie werden als ein sehr gutartiges, fieissiges, und den Spaniern ergebenes Völkchen geschildert. Auf die Nachricht von Dr. Srıy’s Anwesenheit in Tabatinga kamen sie in mehreren Kähnen den Strom herab, und boten ihm abgezogene Vogelbälge und aus Holz geschnitzte Becher zum Tausche an. Die letzteren (Fig. 7. der „indianischen Gerätb- schaften“) sind mit mehreren Farben lakirt und mit Goldblättchen belegt. Majorunas, Maxironas) sind einer der mächtigsten, am wei- Stämme am obern Solimo@s. Sie erkennen weder die spani- ssigkeit an, und sind den Brasilianern im Yavary, wie den Sie sprechen eine eigenthümliche, sehr voll und (10.) Die Mazurunas (Majurunas , testen ausgebreiteten und furchtbarsten sche, noch die portugiesische Oberbotmä spanischen Reisenden auf dem Ucayale gefährlich. hart tönende Sprache, „Sie tragen das Haupthaar lang, mit einer Tonsur rings um den Scheitel. Nase und Lippen sind mit vielen Löchern durchbohrt, worein sie lange Stacheln und nächst den Mundwinkeln zwei Ararafedern stecken. In der Unterlippe, den Nasenflügeln und Ohrläppchen tragen sie runde, aus Muscheln geschnittene Scheiben. Diesem fürchterlichen Aeussern entspricht die Grau- samkeit ikrer Sitten; denn, nicht zufrieden, das Fleisch ihrer erschlagenen Feinde zu essen, tödten und verzehren sie sogar die Alten und Kranken des eigenen Stammes, ohne des Vaters oder Kindes zu schonen, vielmehr gegenseitig bei schwerem Erkranken, bever der Patient abmagern kann.“ (Monteiro |. 148.) Grenzcommission gesetzte Grenzstein an diesem Strome steht am südlichen Von der Mündung des Rio Yavary (Javary) hat Dr. ‘(11.) Der von der Ufer 1315 Klafter von der Mündung entfernt. 1196 Spix einen dunkelgrauen feinsplittrigen äusserst harten Sandstein mitgebracht, der den ersten und einzigen Wechsel in der, längs dem Solimoes von uns bemerkten, einförmigen Formation des K£uper. Sandsteins darstellt. Derselbe scheint nämlich dem eigentlichen Quadersandstein anzugehören, Vielleicht ist es dieses Gebilde, worin weiter westlich am Strome, in der Nähe von S$. Ignacio de los Pevas, ein Asphalt vorkommt, dessen Muster uns auf dem Rückwege zu Verlust gegangen sind. Man ist die- sen Fluss drei Wochen lang aufgefahren , ohne Katarakten anzutreffen, (12.) „Die Tecunas sind ein äusserst fauler Stamm. Sie glauben, dass die Seele nach dem Tode in andere Leiber, auch unvernünftiger Thiere, übergehe. An den Neugebohrnen nehmen sie, und zwar gewöhnlich die Mütter, die Operation der Beschneidung vor, und zwar an beiden Geschlechtern, Diese wird mit grossen Festen gefeiert, und dem Kinde wird bei diesem Anlasse ein Name gegeben, Sie halten sehr fest an einem crassen Götzendienste, so dass selbst die in Missionen Unterrichteten sich nicht von ihrem Idol trennen können, das man in ihren Hütten fortwährend findet. Es ist diess Idol, das sie Itoho, gleichsam den Teufel, nennen , eine furchtbare Figur aus Kürbissen zusammen- gesetzt, die sie mit dem Bast eines Baumes, in ihrer Sprache Aichama, überziehen. Das Unterschei- dungszeichen dieses Stammes ist eine, quer über das Gesicht laufende, schmale, tatowirte Linie, Die Weiber gehen ganz nackt, die Männer hingegen bedecken sich mit einer aus dem obenerwähnten Baumbast verfertigten Schürze,“ (Monteiro $. 140. Ribeiro $. 212.) Wahrscheinlich ist es kein reli- giöses Gefühl, das die Tecunas bestimmt, sich nicht von ihrem Itoho zu trennen, denn nach den Beobachtungen meines Gefährten dient es ihnen als Maske bei ihren Tänzen und festlichen Aufzügen. Ich habe ganz dieselben Maskeraden bei den Juris im Yupurä gesehen, wo ich sie im Verlaufe des Berichts beschreiben werde, Der Teufelstanz ist auch den Indianern am Orenoco bekannt, Merk- würdig scheint, dass Dr. Spıx neben der Circumeision auch noch des Ausraufens der Kopfhaare bei dem neugebohrnen Kinde der Tecunas erwähnt. Diese Tecunas werden als ein sehr schlanker India-. nerstamm geschildert. So erscheinen sie in der von Dr. Spıx gegebenen Skizze ihres Fesizuges, und so fand ich auch Einen des Stammes, den ich in Maripi unter meine Ruderer aufnahm, _ Sollte die Gewohnheit, sich um die Knöchel und unter den Knieen mit, einen Zoll breiten, Ligaturen zu zieren. an der auffallenden Mägerkeit der- unteren Extremitäten Schuld seyn? Dr. Srix hat mehrere Paare dieser Fussbänder mitgebracht, die ein fleissiges Geflechte von Baumwollenfaden , am Rande mit kleinen Papageifedern verziert, darstellen. Die Culinos, Nachbarn, (vielleicht Stammverwandte ?) der Tecunas haben dieselbe Sitte, und sind als Schnelläufer berühmt. Wie bei den Caraiben wird es bier für eine grosse Schönheit gehalten ‚ wenn die Muskeln des Oberschenkels und die Waden durch straffangezogene Binden unter und über den Hnieen und Knöcheln aufgeschwellt werden. Die Mütter quü- len ihre Kinder schon in der frühsten Jugend mit diesem Putze. Neben diesen Stämmen werden hier auch Tumdiras genannt, deren Name (Timbiras) uns bereits früher in Maranhäo und Piauhy be- gegnet ist, und von denen eine Horde mit schlanken Schenkeln (T. de Canella fina) ebenfalls solche Ligaturen zu tragen pflegt. Sollten diese Verhältnisse auf Verwandtschaft der Stämme deuten? Bei 5 der grossen Dunkelheit, in welche die frühere Geschichte der südamericanischen Wilden gehüllt ist, . mag es erlaubt seyn, selbst solche, anscheinend unbedeutende, Thatsachen zusammen zu stellen. = Seit längerer Zeit schon haben die Tecunas durch die Bereitung ihres Pfeilgiftes- eine gewisse Be- rühmtheit erlangt. Dr. Srıx hat die Pflanze, welche die Basis dieses Giftes liefert, und die, AAN: ab; esi table, in Palmblätter eingewickelte Rinde des Giftbaumes mitgebracht, und ich werde ‚bei : Gelegenheit des Pfeilgiftes der Juris im Yupurä nochmals darauf zurückkommen. z en 1197 Viertes Rapitel. Des Dr. Marrıvs Reise von Ega den Yupurd auf- wärts bis an den Fall von Arara- Coara und zu- rück nach der Barra do Rio Negro. \ Die Vorbereitungen zur Reise in dem Yupura *) waren nicht so leicht gemacht, als die für den, von meinem Gefährten eingeschlagenen, Weg auf dem Solimo&s, der die Hauptstrasse in diesem vasten Conti- nente darstellt. Obgleich seit achtzig Jahren Indianer aus dem Fupura herabgeführt werden, und die Zahl derjenigen, welche auf diese Weise ihren Wäldern entzogen worden sind, vielleicht schon zwanzig tausend betragen mag, werden dennoch die an ihm wohnenden Stämme von den Reisenden mit Furcht und Misstrauen betrachtet, und man wagt 3 Yupura oder Y apurd ist die wahre Ausprache im Munde derIndianer, und wir werden sie von nun an beibehalten, obgleich die, von uns ebenfalls schon angewendeten, Namen Japura und Jupurd von den Brasilianern häufiger gebraucht werden. Die Indianer sprechen im Allge- meinen das portugiesische J (sprich Sch,) wie Y aus. Ich zweifle, dass die vom Abbe Cazar eingeführte Schreibart Hyupurd (eben so wie Hyurubaxi, Hyurud, Hyutahi) richtig sey. Wenn sie mit dem Wort Hy (tupi: Wasser) zusammengesetzt seyn sollen, so widerspricht diese Bil- dung dem Genius der Tupisprache, denn diese hängt das Hauptsubstantir immer hinten an, z. B. Jutai-hy, Copalfluss. Noch weniger geeignet erschiene diese Schreibart, wenn sie vorn das Hü (schwarz) des Guaranidialektes führen, sollte. — Nach Monteiro ($. 114.) hat der Fluss seinen Namen von dem, bereits ausgestorbenen, Stamme Yupura, und von einer, eben so ge- ‚nannten, "übelriechenden , weichen, schwarzen Masse erhalten, die dieses Volk aus einer ge rotteten Frucht zu bereiten, und statt des Brodes zu essen pflegte. II. Theil. 152 1108 sich nur mit zahlreicher Mannschaft in die Gegenden jenseits der bei- den‘, von den Portugiesen gegründeten, Indianerdörfer Maripi und $. Joäo do Principe, die noch unterhalb der ersten Ratarakten liegen. Es musste daher erst das grosse, für den Handel mit Salsaparilha und Cacao ausgerüstete, und mit Proviant und Munition für uns Alle ver- sehene, Fahrzeug des Cap. Zany erwartet werden, das unter der Lei- tung des Joäo BERNARDO, eines muthigen und starken Mulatten, mit zwanzig Indianern bemannt, und von zwei kleineren Montarias. beglei- tet, vor uns in den Fluss abgehn sollte. Wir selbst hatten, ausser unserm mit zwölf Indianern bemannten, mit einer leichten Laube von Palmblättern (Zolda, tupi: Tamarica) versehenen Rahn, noch drei Mon- tarias bei uns, deren eine, von dem Soldaten von Parä befehligt, als Avantgarde gebraucht werden sollte, während die andern die Jäger und Fischer enthielten. Ein grauköpfiger, stets wohlgelaunter Indianer ward uns als Steuermann (Yacumaüva) gegeben. Da sich gerade der alte Grecorıo, ein Häuptling (Tubixaba, Tuxaua) der Coörunas von Maripi, in Ega befand, so veranlassten wir ihn, sich anzuschliessen. Unsere ganze Flotille bestand nun aus acht Fahrzeugen, die 56 Mann führten; und nachdem wir dem schweren Fahrzeuge des Joäo BErnarDo einen Vorsprung von drei Tagereisen gegönnt hatten, verliessen wir am ı2. December Zga, und wendeten uns, nicht durch die Mündung des Teffe steuernd, sondern dem, westlich davon nach Alvaraes (Cay- gara) laufenden Canale folgend, nach diesem kleinen Dorfe, wo wir die Nacht zubrachten. | en Nachdem wir am folgenden Morgen eine Legoa westlich von Cay- gara über den Solimoes gesetzt hatten, erblickten wir vor uns zur Rechten die, wenigstens eine Seemeile breite, Mündung des FYupura, welcher sich hier zwischen niedrigen, mit Urwald und zahlreichen Pal men bedeckten Ufern , ruhigen Laufes, dem grössten aller Ströme ein verleibt. Ueber die Reisen, welche vor mir im Fupura ausgeführt worden (1.), wusste ich fast Nichts ; aber dieser Mangel an genaueren Nachrichten erhöhte mein Interesse, Der Mensch ist geneigt; eins 1199 Unternehmung, die seinen Muth in Anspruch nimmt, mit den Farben — einer poetischen Zukunft auszuschmücken. Noch erinnere ich mich, mit welchem Hochgefühle ich die Mündung des majestätischen Flusses betrachtete und von der Entdeckung mannichfacher Wunder träumte, Sind auch diese Träume nicht in Erfüllung gegangen, so darf ich doch besonders den Erfahrungen, welche sich in diesem abgelegenen Gebiete darboten, die naturgemässe und allein richtige Ansicht von dem Urzu- stande des südamericanischen Festlandes und seiner Bewohner verdan- ken! Wir fuhren nicht durch die Hauptmündung in den Strom ein, sondern folgten einem verhältnissmässig unbeträchtlichen Nebenaste (Furo oder Parand-mirim d. i. kleiner Fuss), [Majana genannt, der durch eine lange bebuschte Insel gebildet, sich in mancherlei Krümmungen längs des Flusses hinzieht, Das Wasser, in schwachem Laufe uns entgegenkommend, hatte die trübe, etwas in das Gelbliche ziehende Farbe des Solimoes, und schien uns um so trüber zu werden, je wei- ter wir uns von diesem Hauptstrome entfernten. Die Ursache davon war ohne Zweifel die gegenwärtige Fülle des Flusses, denn in anderer Jahreszeit sind die Gewässer des Fupura klarer, als die des Solimo&s, und sie werden nur durch den, von Fonte-Boa aus das Land durchschnei- | denden, Canal Uaranapu getrübt, der die Fluthen des letzteren in den ersteren überführt und desshalb als ein wahrer Nebenarm des Solimo&s betrachtet werden muss. Wir ruderten den ganzen Tag hindurch, ohne den Hauptstrom des Flusses zu Gesicht zu bekommen. Die Nacht ward, weil sich keine freie Sandinsel mehr zeigte, an einem Vorsprunge ' des Festlandes zugebracht, wo wir uns, wie von nun an immer, durch zahlreiche Wachtfeuer und abwechselnde Posten vor Ueberfällen der Thiere oder feindlicher Indianer sicherten. Am Morgem des ı4. Dec. gelangten wir an das westliche Ufer des Hauptstromes, der, zu meınem nicht geringen Erstaunen, hier in der Mitte des Continentes gleichsam ein Bild des Amazonas bei seiner Ausmündung wiederholte. Die Breite beträgt im Durchschnitte eine Seemeile, je nachdem sich grössere oder kleinere Inseln im Strome befinden. Alles hat hier die Physiognomie des Solimoes: die Bildung der Inseln und der steilabgerissenen Ufer, und 152 * 1200 die Vegetation, aus dichten, mit Schlamm verunreinigten, Bäumen, weit überhängendem Buschwerke und zahlreichen Palmen bestehend, unter welchen die Baxiwa (Iriartea exorhiza, MM.) mit weit aus dem Boden hervorragenden Wurzeln, ganz vorzüglich häufig ist. Der $o- limoes hatte während unseres Aufenthaltes zu Ega gewaltig zugenom- men, und dem gemäss. fanden wir den untersten Theil des Yupura, welcher durch den Uaranapu Gewässer des ersteren empfängt, auf acht bis zehn Fuss hoch angeschwellt. Die Sandinseln waren jetzt hier tiefer unter Wasser, als wir sie drei Wochen vorher im Solimoes ge- sehen hatten, ja grossentheils gänzlich verschwunden. Die erste Ver- ‘änderung in der Physiognomie des Stromes bemerkten wir erst einige Tagereisen weiter aufwärts, oberhalb Maripi, wo er sich aus der süd- südöstlichen in die östliche Richtung wendet, und durch keinen Canal mehr mit dem Solimoes in Verbindung steht. Das Wasser hatte, in ein Glas geschöpft, etwas mehr Klarheit als das des Nachbarstromes, einen. etwas weicheren Geschmack, und zeigte gewöhnlich eine Tem- peratur von 24° bis 251,°R. Die Parana-mirim, welche eine Reite von ausgedehnten Inseln längs des Hauptstromes bilden, dauern mehrere Tagereisen aufwärts an, und wir benützten diese stilleren, aber jetzt hinreichend mit Wasser gefüllten, Canäle, indem wir meistens in ihnen fuh- ren, und bald an ihnen, bald aber an dem Ufer: des Hauptstromes, zu wel- chem sie uns von Abstand zu Abstand zurückführten, übernachteten. Von dem Canale /Majana waren wir, an der Mündung des Sees Pirarara vor- bei, in den Canal Pirarara, von da in die von Pirapucu, Manacaby und Putiry gelangt, oberhalb welchen der Fluss durch die grosse Insel Cururü in zwei Arme getheilt wird. Am Morgen des ı7. Decembers setzten wir auf das östliche Ufer über, wo wir an den Mündungen des T: uaca , eines Canals, der‘den See Amana mit dem Yupura verbindet, vorbei- schifften. Oberhalb dieses Canals fanden wir mitten im Flusse, und im Angesicht der Mündung des beträchtlichen Uaranapu, eine Feitoria (Tyba) für den Fang des Lamantin und des Pirarucu errichtet. Solche Anstalten sind ganz vorübergehend. Wo Jemand eine hinreichende Ausbeute an Fischen erwartet, baut er eine Hütte von Palmblättern 1201 und ein grosses Gerüste (Girao) von Latten, um die Fische über Feuer zu trocknen; er richtet einige Kessel zum Einsieden des Thrans ein. und erwartet nun die Jagd, welche die mit-Harpun und Netz ausge- sendeten Indianer herbeibringen. Oft ist der Ertrag so gross, dass eine achttägige Arbeit Mundvorrath für ein halbes Jahr liefert. Der _Girdo, welchen wir hier antrafen, mass fünf Geviertklafter, und war dicht mit Pirärucus, Pirararas, Sorubims und Acaras bedeckt, die, in ihrem eigenen Fette gebraten, einen unsern Indianern höchst angeneh- men Geruch (Pix) verbreiteten. Um einen Korb voll Salz tauschten wir so viele Fische ein, dass eine der kleinen Montarias hoch auf da- mit beladen werden konnte. Ein Flechtwerk von Palmblättern darüber befestigt, ward dieser Vorrath vierzehn Tage lang sicher mitgeführt, bis die im Kahne Schlafenden sich beklagten, dass sie, wegen der durch den Geruch herbeigelockten Rrokodile, keine Nachtruhe hätten, worauf “ wir ihn unter die Fahrzeuge vertheilen mussten. Die Indianer mein- ten, dass wir uns erst dann im eigentlichen Yupurd befanden, als wir die Mündung des Uaranapu hinter uns hatten. Doch ist diese Ansicht falsch. —-Erst am siebenten Tage nach unserer Abreise von Ega erreichten wir S. Antonio de Maripi (Imaribi),, die erste Ortschaft ‚am Fupura, wel- che fünfzig Jahre vorher errichtet worden war, aber seitdem allmälig eine Bevölkerung von ganz verschiedenen Stämmen erhalten halte. *) Wir fanden nur sechs Häuser und. eine kleine Rirche, der schon seit langer Zeit der Geistliche fehlt. Auch der Ortsrichter, der einzige hier wohnende Weisse, ein Bürger von Fonte-Boa, war eben jetzt nicht . anwesend. Wir sahen uns daher lediglich von Indianern, und zwar vom Stamme der Passes, Juris, Coerunas und Jumanas, umgeben. Der grössere Theil derselben wohnt nicht in dem Oertchen selbst, sondern einzeln zerstreut in der Nachbarschaft. In jedem Hause fanden wir *) Der Ort liegt etwa 24 Fuss hoch über dem, hier viele Inseln bildenden, Flusse, an ei- nem steilen Ufer. Imari heisst in der Sprache der Manaos abgerissenes Land. Seine ersten Bewohner, vom Stamme Mariarana, Juri und Coeruna, wohnten vier Tagereisen weiter west- lich am Bache Mauapari ; ihnen wurden später Individuen vom Stamme der Mepuri, Jumana, Maeu, Bare und Passe zugeführt. (Monteiro $. 114. Ribeiro $, 254.) 1202 mehr als eine Familie. Die Coerunas, Passes und Jumanas haben hier eigene Obere (Principaes). Denen der beiden ersteren Stämme sind zusammen nur ı07 Individuen untergeben. Diese, aus dem Zeiten des Directoriums herrührenden, Ortsvorsteher bilden eine Art von Ma- gistratur. Sie werden von den Indianern ihres Stammes gewählt, von der Regierung bestätigt, und sind das°Organ, durch welches der Orts- richter (Juiz) die ganze Bevölkerung zu leiten hat. GresGorıo hatte nichta so angelegentlich zu thun, als uns alle gerade anwesende Stamm- verwandte vorzuführen, und sie kamen auch am Abend herbei, indem sie kleine Geschenke (Potaba) von Früchten, Federzierrathen und Waf- fen darboten, gegen welche sie Eisenwaaren und Glasperlen mit gröss- tem Danke annahmen. Die Coerunas machen gegenwärtig einen un- beträchtlichen Stamm am Miriti-Parand aus; den Nebenfluss, an dem sie grösstentheils wohnen, heissen sie Caritaja. Ehemals pflegten sie als Abzeichen des Stammes (2.) ein Loch in der Unterlippe mit einer runden Scheibe von Muschelschaale .oder mit einem Cylinder von Copal zu zieren; aber die hier anwesenden Individuen waren ohne diese Ver- unstaltungen. Im Ganzen waren es lauter kleine und starke, dunkel- gefärbte Figuren, ohne angenehmen Ausdruck im Gesicht. Sie sprachen äusserst schnell und ihre, an Nasentönen reiche, Sprache klang mir widrig. Die Betonung, verstärkt oder geschwächt, schien auch bei ih- nen, wie bei vielen andern Stämmen, verschiedene Zeiten und Personen zu bezeichnen. Ich konnte sie nicht vermögen, einen ihrer National- tänze aufzuführen; dazu, sagten sie, fehlten gegenwärtig die Früchte des Waldes. GRrEsoRIO, ein gutmüthiger, den Weissen befreundeter » Indianer, ward bald gewonnen, uns stromaufwärts in seinem eigenen Nachen zu begleiten. Er hat mir mancherlei gute Dienste geleistet, und ich hatte Gelegenheit, durch ihn Einiges über den Glauben seiner Stammgenossen zu erfahren, da er sich ziemlich‘ verständlich in der Lingua geral ausdrückte, worin mir mein Gefährte Capitain ZAnY als Dolmetscher stets zur Seite stand. Er behauptete, dass die Coerunas von dem Daseyn der Welt auf einen Gott schlössen, der Alles gemacht habe: Fluss, Wald, Luft, Sonne und Sterne; dass sie ihn aber noch 1203 nie gesehen hätten. Da er Alles für sie gemacht habe, beten sie ihn an, und beriefen sich auf ihn. An Unsterblichkeit glaubten sie nicht, eher fürchteten sie den Tod. Seine Ausdrücke hierüber in der eigenen Sprache waren sehr einfach; er wiederholte sich oft, und schien ohne Wechsel der Zeiten und Personen zu reden. °”) Arsano, Principal der Passes, stellte mir einige und dreissig sei- ner Stammgenossen vor, welche allerdings durch die Anmuth ihrer Gesichtszüge und durch ihren schlanken Wuchs die allgemeine Stimme rechtfertigten, der gemäss sie die schönsten Indianer in Rio Negro seyn *) Als er sich einmal lange über solche Gegenstände mit mir unterhalten hatte, und müde schien, nahm, er plötzlich eine gravitätische Miene an, und wiederholte n.*i erhöhter Stimme sein Hauptthema: Toiba, Gott, cauückie, für uns, remenehü, macht, raase, Fluss, aeaitto, Wald, üni nüho, alles Wasser, üni, Alles! ünu cauückie memereä agatigocki, Alles für uns ist gemacht, um gut zu leben; Agaticocki, gut seyn, neiwanicoira, müssen, ocki, auch wir; agaltigocki gahünotütze, gut uns vertragen, cubatoame , mit Cameraden. Mit dem Schlussatze wollte er ausdrücken, dass, da er gegen mich wohlgesinnt sey, ich es auch gegen ihn seyn möchte, und da ich ihn durch ein grosses Glas Branntwein von meinen freundschaftlichen Ge- sinnungen thätlich überzeugt hatte, ging er vergnügt davon, —Bei einer andern Gelegenheit über die Sterne befragt, gab Grecorıo mehrere Antworten, die mich schliessen liessen, dass sein Stamm gewisse kosmogonische Ideen mit den benachbarten Passes theile. Er wusste recht gut, dass der Abend - und Morgenstern identisch seyen, und gab deutliche Spuren von der Ansicht, dass die Erde sich bewege, die Sonne aber feststche. Gaesorıo verschaffte mir mehrere Kästchen mit dem Hauptschmucke seiner Landsleute, worin ich einen derselben skizzirte. ($. das Porträt „Coeruna“ im Atlas.) Diese Zierrathen ge- hören unter .die schönste Federarbeit, welche ich bei Indianern ‚getroffen habe. Sie bestehen: ı) aus einigen aus Affenhaaren Eanöapefileten Schweifen, die quer über einen, im Nacken befestigten, Knochen auf dem Rücken hinabhängen; 2) aus einem, entweder dem europäischen Haarbeutel oder einem Vogel nachgebildeten, rhombischen Stücke Baumbast, das auf Querstäb. chen von Holz befestigt, und, auf der äussern Seite mit schönfarbigen Federn beklebt, zwischen jenen Schweifen hinabhängt; 3) aus einem Busche von Flaumfedern, der am Hinterhaupte, 4) einem andern aus Schwungfedern des weissen Reihers, der am Vorderkopfe befestigt ist, und 5) aus einer prächtigen, auf Flechtwerk aufgebundenen Federbinde, die um die Stirne befe- stigt wird, Auch die Kästchen, worin dieser Schmuck aufbewahrt wird, sind ein interessantes Document indianischer Industrie. Sie bestehen aus schmalen Leisten der Marantastengel, die künstlich neben einander gebunden sind. — Ganz gleich sind die nationalen Zierrathen der Coretüs, und die Kästchen, worin solche aufbewahrt werden. (Fig. 43. der abgebildeten Geräth- schaften.) Sehr geschmackvoll sind auch die Gehänge von Baumwollenfaden und Flügelde cken der Buprestis Gigas, F. (ebendaselbst Fig. 23.), womit die Cogrunas bei ihren Tänzen klappern. w 1204 sollen. Schon die weissere Gesichtsfarbe zeichnet sie vor ihren Nach- barn aus; noch mehr aber der feinere Gliederbau und eine der ameri- canischen Rage. gemeiniglich fehlende Grösse und Ebenmässigkeit. Die gegen andere Indianer dünneren Extremitäten, der längere Hals, die stärker hervortretenden Schlüsselbeine, die zwar mit fleischiger Muscu- -Jatur versehene aber schmalere Brust, der schlankere, minder gewölbt hervortretende Unterleib, die schmaleren Hüften — Alles erinnert viel- mehr an eine caucasische Bildung. Auch die Gesichtszüge sind ausge- zeichnet, meistens angenehm, bisweilen sogar schön zu nennen. Diess gilt jedoch mehr von den Weibern als den Männern; wahre männliche Schönheit erheischt die Zierde des Bartes, der diesen ebenfalls mangelt. Die Augen der Passes ‘erschienen mir freier, feiner geschnitten, weiter auseinander liegend und nicht schräg nach aussen gezogen, die Backen- knochen minder hervorragend, die Nase nicht so platt, sondern fein- gebildet, gerade absteigend, oft sogar etwas gewölbt, mit abwärts ge- krümmter scharfer Spitze, was vorzüglich ihnen den Ausdruck von Beweglichkeit, Kunsfertigkeit und einer Art von Verschmitztheit giebt, die aber durch das Gutmüthige des feinen, kaum wulstigen Mundes gemildert wird. Und gerade diese angenehmen Gesichtszüge werden durch ein abscheuliches Abzeichen des Stammes verunstaltet. Der Passe hat einen tatowirten Fleck (Malha) im Gesichte, ”*) der unter den Augen, wo er quer und.rechtlinig abgeschnitten ist, beginnt, und ab- wärts die Wangen, die Nase, und die Lippen bis zur Kinngrube ein- nimmt. Die Männer schneiden sich die Haare ab, und lassen blos am Rande der Stirne einen dünnen Kranz, so wie am Hinterhaupte *) Da die Tatowirung nach und nach vorgenommen wird, so sieht man die Flecke nach verschiedenem Alter in verschiedener Ausdehnung. Die Nase wird am spätesten, die Mand- gegend am frühesten tatowirt. Bei älteren Individuen erblickt man als letzte Zuthat dieser seltsamen Verschönerung noch zwei gerade Linien von der Nasenwurzel parallel aufwärts nach dem Scheitel gezogen, oder ein Netz von gekreuzten Linien „das von den Schläfen an ‚die ober- ste Ecke des Fleckes im Gesichte hinzieht. - Früher soll es allgemeine Sitte der Passes gewe“ sen el auch die Unterlippe zu durchbohren,, und mit einer Taboca (einem Holzzäpfchen) zu zieren, was ich jedoch an keinem mehr sah. Die Ohrenlappea hingegen sind durchlöchert, und sie tragen darin ein anderthalb Zoll langes Stäbchen von dem glatten Stengel der Maranla- 1205 einen dünnen Büschel stehen. *) Die Weiber tragen das Haar lang, was ihnen, besonders wenn sie sie frei herabhängen lassen, zugleich mit der Malha, einen wahrhaft kriegerischen Ausdruck giebt; und Oreı- zana’s Soldaten hatten, wenn ihnen solche Heroinen begegneten, volle “Ursache, sie mit dem classischen Namen der Amazonen zu bezeichnen. Die Frau des Principals ArLsano hatte eine so regelmässige Bildung, so glänzendschwarze Augen, und ein so vortheilhaftes Ebenmaass, dass sie mit ihrem blauschwarzen Mäulchen in Europa Epoche gemacht haben würde. Auch in ihrer Tracht, die sie jedoch nur beim Erscheinen von Fremden anziehen, sind die Passes reinlich. Die Weiber waren grösstentheils in Röcke von gestreiftem Zeug, und in enge Camisole, mit kurzen Aermeln, von schwarzgefärbtem Baumwollentuche, die Män- ner wenigstens in ein 'Oberhemd gekleidet. Einer von u trug ei- nen Muraquetan gegen Verhexung am Halse. (Fig. 50. der indianischen Geräthschaften.) Es ist diess der dickste Theil, aus einer grossen Flussmu- schel oder aus einem Wirbelknochen des Lamantin geschnitten. Die Gemüthsart dieses Stammes entspricht ihrem vortheilhaften Aeusseren: sie sind gelehrig, sanftmüthig, offen, friedfertig, fleissig, und aus dieser Ursache von jeher von den Ansiedlern zur Bearbeitung ihrer Pflanzun- gen gesucht gewesen; eine traurige Zuneigung, da sie die Auflösung des Stammes grossentheils schon zur Folge gehabt hat. Sie bewohnten anfänglich einen bedeutenden Landstrich zwischen dem Icä und dem '*) Diese Art das Haar zu schneiden und die ganze Körperbildung der Passes erinnert an die Caraiben von Cari, von denen Hr. v. Humsorpr eine so günstige Schilderung gemracht hat (Relat. III, Chap-. 25.). Bei dem ersten Anblick jener wohlgebildeten Passes hatte ich es mir möglich gedacht, dass sie der Rest eines zwischen den übrigen Indianerstämmen eingedrunge- nen Volkes seyen. Wenn der Name Caraiba, wie ‚der eben erwähnte grosse Reisende bemerkt, von Calina, Caripuna, hergeleitet werden muss, so ist es wohl auch sehr auffallend, dass Srıx in Olivenza nicht weit von den Passes und zugleich mit Tecunas eine Horde Culino gefunden hat, und dass alle diese Indianer in ihrer schöneren Körper- und Gesichtsbildung, im Schnitte der Haare und in dem Gabrauche enger Fussbinden mit den Caraiben übereinkommen. In der Tupi heisst Caryba ein mächtiger Fremdling; (die Portugiesen nannten sich selbst so im Gegen- satz der Franzosen und übrigen Europäer, die sie Tapuy-linga, d. i. weisse Feinde, hiessen.) VzicL (a. a, O. S. 572.) leitet Caraiba vom Tupiworte Carayp, weihen, her, gleichsam die Ge- weihten, Auserwählten, Eh III. Theil. ; 153 - 1200 Yupurä, sind aber dermalen so sehr zusammengeschmolzen,, dass viel. leicht nur fünfzehnhundert Köpfe derselben’ in unbeschränkter Freiheit leben. Diese haben sich auf das westliche Ufer des Ica gezogen; eine ziemlich starke Horde derselben wohnt, halbaldeirt, an der Mündung des Flusses. (Vergl. 5. 1186.) Die Passes, welche ich in Maripi antraf, waren der Tupisprache nicht mächtig genug, um mir Auskunft über die Eigenthümlichkeiten ihres Stammes zu geben; ich willdaher die Schilde- rung beifügen, welche ein portugiesischer Ethnograph von ihnen macht. ”) Von der Nation der Jumänas (Xomanas) die am /ed und zwischen. ihm, dem Pureos und Juami wohnen, und von den Spaniern in May- nas Tecunas genannt werden sollen, finden sich nur noch einige Reste in /Maripi, und selbst diese tragen, so wie mehrere Abkömmlinge des- selben Stammes in Ega, das eigenthümliche Zeichen, ein tatowirtes langgezogenes Oval, welches den Mund umgiebt, oft auch die Lippen bedeckt und auf den Wangen in eine horizontale Linie ausläuft, nicht mehr alle an sich. Der Principal musste sich als Muster der Gesichts- bildung zu einer Sitzung bequemen (vergl. im Atlas das Porträt des | *) „Die Passes nehmen einen Schöpfer aller Dinge an; sie glauben , dass die Seelen Derjenigen, welche gut gelebt haben, als Belohnung mit dem Schöpfer leben, die der Bösen dagegen als Strafe böse Geister bleiben. Ihrer Meinung nach steht die Sonne fest und die Erde bewegt sich um die- selbe; sie hängen also an dem, 300 Jahre vor Christus von den Pythagoräern, dann von Philolaos , Aristarchus und Cleanthes von Samos gelehrten, von dem Cardinal von Cusa erneuerten, und end- lich von Copernicus entwickelten, Systeme. Sie sagen, dass von der Bewegung der Erde die Sirömung der Flüsse und Bäche herrühre, die sie Arterien und Venen der Erde nennen. Die Erde soll sich bewegen, damit jeder ihrer Theile von‘ der Sonnenwärme befruchtet werde. Der Sonne und dem Monde geben sie dieselben Geschäfte, die ihnen die heil. Schrift zuschreibt. Wie die alten Astre- nomen die Sphäre in verschiedene Himmel abtheilten, so trennt sie die Ansicht der Passes in eine obere und untere, die durch ein durchsichtiges Gewölbe geschieden wären; die obere, ganz Licht, ‚als der Aufenthalt des Schöpfers, erleuchtet durch ihre Strahlen, die Sterne, die untere, Sie begra- ‚ben ihre Todten in grossen irdenen Gefässen, von denen sie die Gebeine in kleinere unter gewissen festlichen Gebräuchen übertragen. Bei ihren Verheurathungen huldigen sie einem Gebrauche, dem der alten Samniten ähnlich, deren Kriegshelden die Auswahl der Jungfrauen hatten. Die Passes er- werben ihre Braut durch den Sieg in einem Kampf der Bewerber unter winander. „Bibeiro $ 256. fl. — Inwieferne die den Passes hier zugeschriebenen kosmogonischen Ideen selbstständige Lehre der- selben seyen, wage ich nicht zu entscheiden; gewiss ist, dass ich bei keinem Stamme ein s0 ent- wickeltes System gefunden habe; aber es verdient gerade desshalb um so mehr Beachtung » als Man- ches in der Körperbildung dieses Volks auf eine höhere Stufe desselben hindeutet. : 1207 „Jumana“), und überdiess ein Verhör zum Behuf des Vocabulariums über- stehen. Besonders diess letztere schien ihm eine grosse Anstrengung. *) Der Jumana, welchen ich vor mir hatte, stand in Offenheit und Regel- mässigkeit der Gesichtsbildung hinter allen zurück, die ich später am Yupura antraf, wo ich mich überzeugte, dass dieser Stamm zunächst den Passes und Juris am besten gebildet ist. Sie sind zwar minder fein gebaut, als diese, jedoch schlanker, als die Mehrzahl der übrigen Stämme. Ihr Antlitz ist rund, die Nase spitziger als gewöhnlich, und der Gesammtausdruck ist sanft und gutmüthig. Die Weiber haben ei- nen schönen Wuchs, und die Ansiedler von Rio Negro suchen vorzüg- lich diese und die der /’Marauhas vom Jutahy zu Sclavinnen zu erhalten. Die Gemüthsart der Jumanas soll noch offener und redlicher als die lg *) In Europa dürfte es kaum glaublich seyn, welche grosse Mühe es kostet, einen Indianer zu einer, seinem Geiste so fremdartigen, Uebung zu bewegen, als das, Ansagen gewisser Worte ist, um die ihn der Dolmetscher befragt. Das Wunder der Schreibekunst, dem er mit blödem Auge zusieht, hat bald allen Reiz für ihn verloren, und er sitzt ängstlich und verdrüsslich , wie ein schuldbewusster Inquisit, vor dem Fragenden. Da wir uns bemühten, von vielerlei Stämmen Wortproben zu sammeln, konnten wir die Erfahrung machen, dass sie aus ihrer Schlafsucht in der Beantwortung nur durch zwei Dinge erweckt werden konnten: durch Branntwein und durch das Fragen nach gewissen Theilen des Leibes, deren Benennungen ausserdem in unsern Vocabularien fehlen würden. Bei der Angabe der Zahlen macht der Indianer gemeiniglich von seinen Fingern Gebrauch; und die Zahlen über 3 enthalten oft Zusammensetzungen mit „Hand“ oder „Finger“, Der Befragte streckt dabei die entsprechende Zahl von Fingern oder wohl auch Zehen in die Höhe, als wolle er sich dadurch des übereinstimmenden Ausdruckes noch mehr versichern, Monrteiro ($. 123.) und Rıseıro ($. 264.) führen mehrere Worte der Jumanasprache als den Gegenstand scharf bezeichnend an, die ich auch nach meiner Aufzeichnung beifügen will, um die Verschiedenheit der Auffassung bemerklich zu machen. Sonne ist bei den Jumanas nach jenen Ethnographen Sima (Sömanli, Martius), das wäre: warmes Gestirn; Mond Uaniü (Uaniü) kaltes Gestirn; Sterne Uüete (Oitte): leuchtendes Gestirn, Blitz Yuui (Juhy): was Lärm macht, Donner Quiriud (Seckeköüra) Anzeiger des Regens etc. — Die Sprache der Jumanas hat viel ‚ Aehnliches mit der der Uainumas und der Cauixanas, welche ich am $ee dcunaui kennen lernte. — Der Stamm selbst zerfällt wieder in mehrere Horden; man nannte mir als deren wichtigste die Caruand, Yarauamd, Jöcacurama, Lamärama, Urizsamma, Jajünama (Uai- numa?) Picdama, Jamolapa und Malinuma, — Monteino hat ($. ı22.) eine seltsame Sitte der Jumanas aufgezeichnet. Sie sollen die Gebeine ihrer Todten verbrennen, und die Asche in ihren Getränken zu sich nehmen, indem sie wähnen, dass die Seele in den Knochen wohne, und dass auf diese Art die Verstorbenen in denen wieder aufleben, welche die Knochen geirun- ken hätten. 1 } 153 * 1208 der Passes seyn, und sie sind desshalb in so zahlreichen Descimentos in die Ortschaften am Solimoes und Rio Negro herabgeführt worden, dass nur noch wenige Familien in der ‘ursprünglichen Freiheit leben, 50 wird auch dieser gutartige Stamm in wenigen Jahrzehnten untergegan- gen seyn. Es ist ein trauriges Vorrecht der edleren unter den India- nerstämmen Brasiliens, dass sie, um so leichter unter der übrigen Be- völkerung angesiedelt, auch um so früher aussterben. Dieser Fall: ist mit den Uainumas, ehemals einem der mächtigsten Stämme am Yupura, fast schon eingetreten. Von ihnen sollen nur etwa noch sechshundert frei in den Wäldern zwischen dem Upi, einem Confluenten des Ika, ‚und dem Cauinari, der oberhalb der Fatarakten in den Yupura fällt, hausen. ”) Ich habe den Stamm nirgends mehr in grösseren Gemein- schaften versammelt, wohl aber einige Familien unter dem Schutze ei- m *) Die Uainumas wohnen in grossen kegelföormigen Hütten , die mit zwei kleinen gegen- überstehenden Thüren versehen sind. Sie bauen Mandiocca, verwenden jedoch die Wurzel “ kaum zu Mehl, -sondern lediglich zu Beiju (Kuchen). Beim Tanze sind sie mit reichem Feder- schmuck geziert. Diese festlichen Tänze werden zu bestimmten Zeiten gehalten: zwei wenn die Früchte der Palme „Pupunha (vergl. S. 1053.) reifen, und acht wenn sich der Reiher Acard ‚auf seinen Wechselzügen zwischen dem Solimods und Orenoco in ihren Gewässern zeigt. Die- ser Vogel wird dann zu Tausenden erlegt, im Moquem gedörrt, und als Provision aufbewahrt. Auch den Gebrauch des Ypadü kennt dieser Stamm. Er macht gute Hangmatten und ist über- haupt industriös, fleissig , gutmüthig und den Weissen hold. In der eigenen Sprache nennen sich die Uainumas: Inabissana, Die Haare haben sie bisweilen eben so geschnitten, wie &$ von den alten Peruvianern angegeben wird. Ihre verschiedenen Familien ‘oder Horden unter- scheiden sich durch die Ausdehnung der Tatowirung im Gesichte. So haben die Miriti- Tapu- üja (nach der Mauritia- Palme benannt) gar keine, die Jacami- Tapuüja (nach dem Vogel Ja- cami) die Oberlippe, die Pupunha-T. das halbe Gesicht ohne die Nase, die Assai-T. (mach der Palme dieses Namens) das halbe Gesicht mit der Nase, die Moira-T. (Holz- Indianer) das ganze Gesicht, die Jauarete - T. (Onzen-Indianer) den Mund tatowirt. Bisweilen tragen sie auch Muschelschälchen in den durchbohrten Nasenflügeln, oder eine Taboca in der Unterlippe- (Vergl. das Porträs „Uainumd“ im Atlas.) Ihre erklärten Feinde sind die. Umauas im obern Yupurä, aber auch mit den einzelnen Horden der Miranhas führen sie bisweilen Krieg, und die Jetztern suchen sie für sich zu Gefangenen zu gewinnen, weil ihre Dienstfertigkeit und milde Sinnesart t sie ganz vorzüglich zu Dienstboten empfiehlt. Von dieser lobenswürdigen Gemüths- art scheint der ganze Stamm durchdrungen zu seyn. Auch derjenige von ihnen, welchem 2 diese Nachrichten verdanke, schloss seinen Bericht damit, dass er ausrief: Inabissana gamissai bagali riseni rigeuhne: üab; der Uainumd (ist) gut, er dient gerne dem Weissen; er flieht nicht. _ 1209 nes Anführers der Juris in Zarivau, und Einzelne als Arbeiter, oder, wie man sagen dürfte, Sclaven, am ganzen Solimoes zerstreut gefun- den. Eine Frau des Stammes, die sich von Ega aus hierher geflüch- tet hatte, war bei Grecorıo aufgenommen worden, und bat mich, sie mit unserer Expedition in den obern Yupurä abreisen zu lassen, wo sie ihre Verwandten zu finden hoffte. Ich musste ihr die Bitte abschla- gen, da ich, um Unordnung zu verhüten, alle Weiber von dem Zuge ausgeschlossen hatte. — Die Indianer, die ich in /Maripi antraf, gebrau- chen vergiftete Waffen. Diese Sitte ist allen Stämmen im Gebiete des Yupura gemein; doch wächst der Giftbaum nur in dem westlichen Theile dieser Landschaft, und von dorther wird das Urarigift versendet. Geht der Indianer auf die Jagd aus, so hat er nichts als sein Blasrohr in der Hand; um den Hals hängt sein Köcher (Vergl. $. 1157.) und, wenn er so reich ist, eine Messerklinge. Zur vollständigen Rüstung Ads In- dianers am Yupurä gehört der Pfeil (Curabı), den er von einem Bogen aus rothem Holze schiesst, der Wurfspiess (Murucu), beide ebenfalls vergiftet, und wohl auch die Keule (Cuidaruz), welcher die verschiede- nen Stämme mancherlei Form und Verzierung geben. Grosse Schilde aus dem gegerbten Felle eines Tapirs oder aus dem Rückenpanzer eines HKaimans gehören unter die seltenern Trutzwaflen. Ich erhielt in Maripi +1. L5 2 AA 1 . ae 4 eine grosse Menge aller dieser ‚ wel- w che ich der Obhut des Principals Araasn übergab, und Ken der Rück- kehr noch um mehrere Stücke vermehrt fand. Gresorıo hatte -mich das leichteste Mittel gelehrt, die Indianer zum Tausche zu vermögen: ich eröffnete in Gegenwart der Weiber einen Rasten, worin ich Glas- perlen, Rattune und Halstücher mit mir führte, und diese einfache List gewann mir mit dem Fürworte des schwächeren Geschlechts Alles, was ich von dem stärkern wünschte. Diese Indianerinnen hatten eine sehr ansehnliche Hühnerzucht, woraus sie uns reichliche Provision ge- statteten. Weder Ochsen, noch Schafe oder Schweine findet man in dem ganzen Gebiete des Yupura, und die gemeinsten Hausthiere sind Hühner und Hunde, zwei Thierarten, deren Gegenwart bei den rohen Indianern in den tiefen und heissen Niederungen Südamericas vor der 1210 Ankunft der Europäer sehr problematisch ist. Als wir später oberhalb der Katarakten Mangel an Nahrungsmitteln littem, sendete GrEsorI seinen Nachen den Miriti-Paranä hinauf, der uns eine Menge Hühner aus den Mallocas der Coerunas in grossen geflochtenen Hürden zuführte, | Woher haben diese entlegenen Stämme das_ nützliche Hausthier erhalten, welches, obgleich in dem heissen Indien einheimisch, sich ın allen Kli- maten gleich fruchtbar und dem Menschen gleich befreundet erweist? Ich traf mehrere Indianer , denen das Verschneiden der Hähne bekannt war. Kein südamericanischer Vogel ist bis jetzt von den Indianern eben so erfolgreich gezähmt worden, und die Trompetervögel (Psophia}, die Hoccos (Crax) und Cujubis (Penelope) müssen von Zeit zu Zeit aus dem wilden Zustande erneuert werden, da sie nicht ‚oft fruchtbare Nachkommenschaft erzeugen. Die hierländischen Hunde waren gröss- tentheils’behaart und bellten, zwar nicht so lebhaft, als unsere thätigen Ragen, aber hinreichend, um zu erweisen, dass sie nicht zu jenen stum- men Hunden gehörten, welche die spanischen Eroberer bei den Bewoh- nern von Cundinamarca und Perü getroflen haben. Meistens war e& eine kleine, spitzköpfige, lang- und dunkelbehaarte Rage (Canis familia- ris, var. domestic. L.), und sie schien mir zu beweisen, dass diese Indianer einst nicht von den stammverwandten, höher gebildeten Berg- völkern in Westen, sondern von den Fremden jenseits des Oceans jenes nützliche Hawsthier erhalten hätten, durch dessen verschiedene Benü- .tzung und Gemeinschaft mit dem Menschen gewissermaassen verschie- dene Culturzustände angedeutet werden. Als ich am Abend die Hütte betrat, in der sich Grecorio, umgeben von nackten Weibern und Rin- dern, auf die Weiterreise vorbereitete, erschrack ich über eine vier Ellen lange Schlange von den ‚schönsten grünen und gelben Farben, die mir, zur Hälfte aufgerichtet, entgegen tanzte, dem Rufe eines alten Indianers gehorsam, sich in Kreisen hin und her und endlich zu dem warmen Neste von Heu in der Ecke zurückzog, ohne die Kinder und zahlreichen Hausaffen zu beunruhigen. Ich erfuhr, dass es hier Schlan- genbeschwörer giebt, die sogar die Giftschlangen , nach Ausbrechung der Giftzähne, zu zähmen wissen ‚ und sie bei ihren Zauberkünsten und a ur Dit. Se Me a ME tn ET ET 1211 bei Curen des Schlangenbisses verwenden. Sie imponiren damit dem dummen und trägen Indianer, dessen ganze Gemüthsart den Glauben an übernatürliche Kräfte begünstigt. Der anwesende, gegen Schlangen gefeite (Curado de Cobra) Paje ”) war von dem Stamme Juri, Er führte ohn’ Unterlass das Wort Päa, Teufel, im Munde, und schien damit besonders Eindruck auf den weiblichen Theil der Gesellschaft zu machen, der ihm mit scheuer Ehrfurcht begegnete. Wir verliessen /Maripi, nachdem das grosse Fahrzeug vorbeige- schifft war. Ausser dem Grecorıo hatten wir auch noch den Principal der hiesigen Jumanas zum Begleiter. Grecorıo selbst hatte als eine Sicherheitsmaassregel angerathen, die Principale mehrerer Stämme ein- zuladen, mit uns zu reisen, und insbesondere darauf gedrungen, dem Pacnıcu (so verdrehen die Indianer das Wort Francisco), einen mäch- tigen und wegen seiner Schlauheit berüchtigten Anführer der Coretüs, welcher oberhalb S, Jodo do Principe wohnte, desshalb Botschaft zu senden. Das nördliche Ufer, längs dessen wir hinfuhren, zeigte hie und da eine Höhe: von dreissig Fuss. Es besteht aus rothem Lehm, oder, wiewohl seltener, aus derselben braunen oder violettrothen Sand- eisensteinbreccie, die wir in so grossen Strecken am Niederamazonas beobachtet haben. Grosse Büsche eines schönen Grases mit goldfahlen 2 *) Das Wort Paje (Piaje, Piacce) ist, wie manches andere, der Caraiben -, Tamanaco- und der Tupisprache gemein; und ich habe um so weniger Anstand genommen, es von den Schamanen der brasilianischen Stämme überhaupt zu gebrauchen, als die Zauberwerke und Betrügereien derselben denen ganz gleich sind, die von den Völkern der Gujanas und der Tierra firme aus- geübt werden, Exorcismen mit Anspucken, Streicheln, Kneten, Beräuchern u. s. f. sind Acte, ‚die man bei längerem Aufenthalte unter den Indianern täglich wahrnimmt, da es der Paje in _ seinem Interesse findet, sich so oft als möglich werkthätig zu zeigen, Ich habe jedoch bei allen diesen Geschäften der zudringlichen Gaukler niemals eine Spur höherer Kenntnisse oder beson- derer medicinischer Erfahrungen gefunden. Sie treiben ihr Handwerk mit einer so dumpfen Hingebung in die Wirksamkeit ihrer Mittel und so ganz olıne freiere Beurtheilung der Um- stände, dass man auf die Meinung gerathen muss, sie betrögen nur, indem sie selbst von ih- rem Vorurtheile betrogen seyen. Uchbrigens haben die Juris wie die Uainumas, die Cauixa- nas und viele Andere, keinen besonderen Ausdruck für „Gott“ und gebrauchen dafür entweder das Tupana der Tupisprache, oder Worte, die in ihrer u den bösen Dämon bezeichnen. 1212 Rispen (Paspalas pulcher , Nees.) sind eine der häufigsten Pflanzen. Eine halbe Legoa oberhalb Maripi passirten wir an dem schwarzen und kühlen Janaraci, einem Paranamirim, der nach den Indianern der Ausfluss des grossen Sees Ayama ist, und sich weit gen N. hinziehen soll. Hier hatten sich i. J. 1773. zwei Horden der Anianas und Pu- .cunas niedergelassen, und die Ortschaft war unter dem Namen $. Ma- thias dem benachbarten Rirchsprengel beigegeben worden, allein gegen- wärtig findet sich nicht eine Spur mehr davon; ja die Anianas sollen gänzlich ausgestorben seyn. Auch in Maripi-Tapera, einer hohen Stelle am Ufer, eine Legoa weiter westlich, wo die Bevvohner des heutigen /Maripi angesiedelt waren, ehe sie ein Ueberfall der feindlichen Uaupes veranlasste, stromabwärts zu ziehen, findet man jetzt nichts als Wald. Warum verharren die cultivirten Pflanzen, die Mandiocca, der Mais und die Banane, nur so geringe Zeit in der Nähe ehemaliger Niederlassungen? Diese Frage musste ich auch hier an mich thun, ohne sie beantworten zu können. Fast dürfte man sich der Meinung hingeben, diese Gewächse hätten, so lange schon in Sr SapeDung der Menschen an- gesiedelt, etwas von ihrer ursprü glich lbstständiekeit verloren, so dass oO sie untüchtig wären, sich gegen die Uebermacht der freien Naturkinder zu vertheidigen. Es war dunkle Nacht geworden, als wir an der Mündung des Sees /Maraha landeten, wo wir in der Hütte des Prinei- pals Argano von Maripi übernachteten. Als ein Beweis von der höhe- ren Civilisation dieser Indianer muss die Sitte anerkannt werden, sich, eben so wie die europäischen Bewohner, an zwei Orten Wohnungen in Stand zu erhalten. Ausano wohnt hier zu der Zeit, wann er seine benachbarten Rossas bebaut oder erndtet, ausserdem in Maripi. Der Körper des Flusses, dessen Gewässer etwas dunkler, trüber, reissender und kälter es ist aufwärts von diesem Orte noch mehr zertheilt; als vorher, und etwa eine Viertelstunde breit. Die Inseln, niedrig und dichtbewaldet, erschienen gegenwärtig ohne den sandigen Rand, den sie in andern Perioden eben so wie die des Amazonas zeigen. Wir durften daher nicht mehr darauf rechnen, noch viele der auch hier RIES Schildkröten- -Prayas zu treffen, die sonst gewöhnlich um diese 1213 Zeit von den Einwohnern von Ega und Fonte-Boa besucht werden. Der gegenwärtige hohe Wasserstand ward mir übrigens als eine mehr partielle, von der Einströmung des Uaranapuü herrührende, und vorüber- gehende Erscheinung geschildert, denn gewöhnlich erreiche der Strom seine stärkste Höhe (wie der Orenoco) im Juli, und laufe von dieser Zeit an bis Weihnachten ab; überhaupt wäre jährlich ein mehrfacher Wechsel zwischen Anschwellen und Ablaufen nicht selten in kurzer Zeit bemerkbar, je nachdem Landregen in dem Flussgebiete jenseits der Katarakten niedergegangen seyen. So lange der Yupurä die Rich- tung aus N. nach S. behalten hatte, war fast kein Unterschied zwischen aber, wo wir ihn nach W. aufwärts beschifften, erschienen einzelne Pflanzen, die wir früher gar nicht oder minder häufig gesehen hatten. (Vergl. Anmerkung 8.) An gewissen Stellen, besonders in feuchten dumpfigen Niederungen, waren der Cacaobaum und der Salsaparilha- strauch ungemein häufig. Beide gehören unter die wenigen holzigen Gewächse dieses Aequatoriallandes, welche man im wahren Sinne ge- sellschaftlich nennen kann. Wenn man in den schattigen Wäldchen des erstern überall, wo der Boden nicht etwa zu sumpfig ist, kühle - und angenehme Spaziergänge findet, so stellen andrerseits die Hecken und Gehäge der Salsaparilha fast jedem Schritte ein Hinderniss entgegen. Ich hatte hier, wie an andern Orten von Rio Negro, Gelegenheit die- sen berühmten Strauch zu beobachten, und verbreite mich über ihn in der Anmerkung (3.) um so lieber, als die Mutterpflanzen der verschie- denen Arten von Salsaparilha noch nicht genügend bekannt sind. Wir fanden es räthlich, in Marahd unser Fahrzeug gegen ein anderes zu vertauschen, das uns Auzano anbot, denn die Länge dessel- ben erschwerte das Fortkommen, und überdiess nahm es so viel Was- ser, dass nur die Wachsamkeit meines Gefährten uns die Nacht vorher davon errettet hatte, mit ihm auf den Grund zu gehen. Es war diess nicht das letzte Mal, da ich mir zu der Begleitung des Sr. Zany Glück wünschen durfte; auf der ganzen Reise erprobte er sich als ein erfahrner III. Theil. _ 154 1214 und muthvoller Freund. Wie sehr es überdiess Noth that, dem Zufalle und dem bösen Willen der Indianer in diesem einsamen Gebiete ver- einigte Kraft entgegen zu stellen, erfuhr ich am 23. December, einem Tage, der ohne die Treue des Indianers, den wir zur Besorgung der Küche aus Para mitgenommen hatten, wahrscheinlich mein Todestag geworden wäre. Wir hatten schon bei Maripi mehrere schöne Schlan- gen erlegt, die sich am Ufer sonnten, und ich war dadurch zu dem Wunsche veranlasst, Jagd auf eine der ganz grossen Schlangen zu machen, die die benachbarten Seen in Menge bewohnen sollten. Als wir daher nach unseres Piloten Versicherung uns in der Nähe des Lago de Cunmapi befanden, besueg ich einen der kleinen, mit vier Indianern bemannten, Nachen, und suchte die Mündung des Sees zu gewinnen, Ein Indianer vom Stamme /Macuna, den wir schon von Ega aus bei uns hatten, erbot sich zum Führer, und ich glaubte keine Ursache von Misstrauen in dieser, sonst eben nicht häufigen, Bereitwilligkeit finden zu dürfen. Die Gegend ist sehr niedrig; manchfache Canäle laufen zwi- schen den Inseln und dem Festlande hin, und überdiess stand der Yga- powald weithin unter Wasser. Das muntere Leben der Fische, die sich dahin zurückgezogen hatten, die Zahl der schönsten Blüthen , wo- mit diese Waldung übergossen war, und das Gewimmel zahlreicher Ameisenhaufen,, die sich auf die Bäume gerettet hatten, und beim lei- sesten Anstoss zu Tausenden auf uns herabfielen,, beschäftigten mich so sehr, dass ich lange Zeit nicht bemerkte, wie der Führer die ange- gebene Richtung nicht einhielt, sondern vielmehr durch Seitenwege strom- abwärts zu gelangen suchte. Schon wurden die Schatten länger, als mein treuer Indianer von Para sich. ängstlich an mich drängte, und mir durch Zeichen und einzelne portugiesische Worte zu verstehen gab, | dass der /Macuna, mit den Uebrigen im Einverständnisse, beabsichtige, mich entweder irgendwo auszusetzen, oder umzubringen, um mit dem Fahne, der zufällig eine Kiste meiner Tauschartikel führte, zu entflie- hen. Sobald ich mich von dem unstäten Umherfahren überzeugt hatte, liess ich den Macund im Hintertheile des Kahns niedersetzen und die linke Hand am Bord anbinden, während er mit der Rechten das Steuer ER 1215 führte; ich stellte mich mit geladenen Pistolen vor ihn, und schwur, ihn niederzuschiessen, wenn er mich nicht bis Sonnenuntergang in den Strom selbst zurückgeführt hätte. Diese rasche That entschied über mein Schicksal; der eingeschüchterte Indianer brachte mich in den Strom zurück, und noch bevor der Mond aufgegangen war, hatte ich das Schiff des Joao Bernarpo erreicht, das ich meinen Feind besteigen liess, um den Geist der Empörung nicht unter meine eigene Equipage zu verbreiten. Es war diess einer von den wenigen Fällen, wo ich kaltblütige Bosheit an einem Indianer wahrnahm. Die Lehre machte mich vorsichtiger, aber auch zuversichtlicher gegenüber den rothen Menschen, die von einer zu unentschlossenen und schwachen Gemüths- art sind, um sich dem imponirenden Einflusse eines festen Muthes ent- ziehen zu können. Ein anderes Abentheuer, das fröhlicher endete, als der erste Anschein glauben liess, bestand ich mit der gesammten Ex- pedition am folgenden Tage. Man hatte uns von einem Dorfe (Malloca) der Indier Cauixana gesagt, welches sich auf der Südseite des Yupurä bei demSee von Acunaui befände; wir setzten daher über den Strom, der hier voll kleiner Inseln ist, und gelangten gegen Abend in jenen kleinen See von dunklem Gewässer. Bald entdeckten wir. im Hinter- grunde einer Bucht hohe, kegelförmige Hütten, und zwischen ihnen einige, bis auf den Schurz oder das Suspensorium nackte, Indianer. Wir stiegen ohne Waffen an’s Land, wo uns ein junger, sehr wohlge- bildeter Bursche, der Sohn des Häuptlings, der die Lingua geral fertig genug sprach, empfing und in eine jener grossen Hütten führte. Ihm und seinen Begleitern konnte ich zwar einige Schüchternheit, jedoch keineswegs die Furcht vor einem feindlichen Ueberfalle von unserer Seite anmerken. Nachdem ich daher mit Sr. Zany und einigen Rude- rern durch die niedrige Thüre in die Hütte geschlüpft war, mussten wir nicht wenig erstaunen, uns gleichsam in einer indianischen Festung und in den Händen der Feinde zu schen. Der Jüngling schloss alsbald die Thüre hinter uns zur Hälfte, und wir erblickten mehr denn dreissig Indianer, alle mit Bogen und Pfeil bewaflnet, auf den längs der Wand oder dazwischen an den Pfeilern stehen. befestigten Hangmatten sitzen, 154 * 1210 Ohne Bewegung, sprachlos und schussfertig, hatten sie die Augen auf die Eingetretenen gerichtet, und ein Augenblick des Missverständnisses oder des Zurückweichens wäre uns wahrscheinlich verderblich gewor- den. Das Erscheinen mehrerer Fahrzeuge in ihrem See hatte sie einen Ueberfall befürchten lassen, und ihr Empfang zeigte, dass sie den sichersten Operationsplan dagegen wohl ausgedacht hatten. Ohne Raum und Licht ihre Waffen zu gebrauchen, wären die Weissen, im ersten Momente des Angriffes von giftigen Pfeilen durchbohrt, ein Opfer ihrer Kühnheit geworden. Es gelang uns aber bald, dem ungünstigen Vorurtheile zu begegnen. WVir nahmen unsere Halsbinden ab, und schwangen sie als Friedenszeichen dem Anführer entgegen, der ebenfalls, sobald er bemerkt hatte, dass wir unbewaffnet waren, allen Argwohn verbannte, und aus unserer Branntweinflasche fröhlich Bescheid that. Er war ein Indianer von fünf Fuss acht Zoll Länge, von breiter Brust, athletischem Muskelbaue, und erschien in seiner Nacktheit noch grösser und stär- ker. Ich habe niemals bemerkt, dass Indianer sich geküsst hätten, diese Bezeigung freundlicher Gefühle scheint über ihrer Bildungsstufe zu ste hen; aber der Cauixana bewährte seine Freundschaft gegen mich, in- dem er das, dick mit Rocou bemalte, Antlitz in dem meinigen herumrieb. Nach den ersten Begrüssungen fragte er mich durch den Dolmetscher über das Aussehen des Königs von Portugal und Brasilien, und seine Verehrung vor dieser erlauchten Person wuchs sichtbar, nachdem ich ihr die Dimensionen eines Giganten zugeschrieben hatte, Zum Zeichen der Freundschaft überreichte er mir einen Bogen von rothem Holze und einen Bündel vergifteter Pfeile, deren jeder in einem besonderen Rohre steckte; und seine Leute, dem Beispiele folgend, wetteiferten, uns mit Waffen und Früchten zu beschenken, wogegen sie jede Kleinigkeit, besonders aber Angeleisen, dankbar empfingen. Es waren nur Männer, die wir zu Gesichte bekamen; Weiber und Rinder waren, wahrschein- lich aus Furcht, in einer der abgelegenen Hütten versammelt, und er- füllten, so lange wir zugegen waren, die Luft mit einem durchdringen den kläglichen Geschreie. Die Männer waren lauter stattliche , ziemlich dunkelgefärbte Menschen, ohne irgend eine Verunstaltung durch Tato- i 1217 wirung; zum Theile aber trugen sie die Ohren abscheulich erweitert. Sie hatten noch niemals Weisse erblickt, und jede Kleinigkeit, die sie an uns sahen, schien ihnen interessant: vorzüglich verwundert waren sie über das Schreiben, als ich dem Anführer ein Vocabularium seiner Spra- che abfragen hess und aufzeichnete. Dieser wusste sich mit Würde zu betragen, und blieb, da wir uns zurückzogen, in der Hütte zurück, während er uns durch seinen Sohn an den Hafen zurückgeleiten liess. Die Hütten dieser Cauixanas waren die kunstvollsten indianischen Ge- bäude, die ich noch gesehen hatte. Bei sechs Klafter Durchmesser und vier Rlafter Höhe waren sie auf das Regelmässigste ausgeführt. Zwei gegenüberstehende viereckichte Thüren von vier Fuss Höhe und eine runde Oeflnung in der Kuppel, zum Eintritt des Lichtes und Abzug des Rauches, konnten von innen verschlossen werden. Das Zimmer- werk bestand aus schlanken, über Feuer gebogenen Stämmen der Matta-Moatta und aus gekreuzten Stützen, welche mit jenen, ohne Beschläge oder Nagel, blos durch Bänder von Schlingpflanzen verbun- den waren. Die Bedeckung von Palmblättern war so dicht, dass kein Tropfen Regen eindringen konnte. Später fand ich eine ähnliche Con- struction der Hütten bei mehreren Stämmen am Yupurä und bei den Mundrucus. Die Cauixanas (vergl. Kap. 3. Note 5.) von welchen sich diese Horde getrennt hatte, wohnen, etwa sechshundert Köpfe stark, weiter westlich am Flusse Mauapari. Die neuen Ansiedler waren zu- frieden mit dem Orte, und beabsichtigten, ihre Verwandten herzuholen. Es ist dieses die gewöhnliche Weise, in welcher die wilden Indianer Brasiliens ihre Wohnsitze verändern; und man kann sie daher, unter einer gewissen Beschränkung, allerdings Nomaden nennen. Die Caui- xanas haben mit den Muras und Marauhas gemein, sich von Zeit zu Zeit zu geisseln, und die Ertragung von Schlägen als Heroismus zu betrachten. Wie viele andere Stämme, pflegen sie zur Zeit der Nie- derkunft ihrer Frauen zu fasten. Ihre Todten werden in grossen irdenen Töpfen begraben. 1218 Aus dem See von Aeunaui zurückgekehrt, landeten wir, um die Nacht zuzubringen, auf einer Insel am südlichen Ufer des Stromes, Am Tage vorher hatten die Indianer die erste noch übrige Praya mit Schild- kröteneiern entdeckt, und sie rechneten auch hier auf gleichen Fund; statt dessen brachten sie nur Eier vom sogenannten Camäleon (Gattung Iguana oder Lophyrus), welche, leicht mit Erde und Blättern bedeckt, am Ufer vorkommen. Sie waren durch eine Bande von Störchen dar- auf geleitet worden, die diesen Eiern mit grosser Begierde nachstellen. Obgleich die jungen Thiere in den Eiern schon stark ausgebildet waren, verzehrten sie sie doch als einen Leckerbissen. Jene Störche (Ciconia americana) und einige grosse Reiher (Garga branca, Ardea Egretta) waren gegenwärtig die einzigen Wasservögel, die wir fanden. Die In- dianer behaupteten, auch sie seyen nur Nachzügler der übrigen, welche sich, wegen des hohen Wasserstandes des Amazonas, jenseits der Ra- tarakten des Yupurä und nach Norden gewendet hätten. Diese Bemer- kung reiht sich an die Beobachtungen des Herrn v. HumsoLor an, ge- mäss welchen die Wasservögel vom Orenoco nach dem Frühlings- aequinoctium, d. h. zur Zeit der ersten Hochwasser, nach Süden ziehen, weil ihnen dann der hohe Wasserstand an jenem Strome zu wenig Nahrung gestattet. Ueberhaupt aber habe ich den Yupurä während der Monate December bis Februar arm an Vögeln jeder Art getroffen.” Die Nacht vor dem Weihnachtstage dunkelte plötzlich über uns ohne einen Stern am Firmament; doch bald ward sie, gleichsam zur Feier, . von tausend Leuchtkäfern erhellt, welche, wie durch Zauber erweckt, aus allen Gebüschen "hervorflogen. | "Die Reise ward entweder zwischen Inseln oder am nördlichen Ufer fortgesetzt. Der Yupurä mag hier in seiner grössten Ausdehnung IM *) Die Indianer machen ihre Provisionen an Wasservögeln : Störchen (Jaburü , Tujujü) > Enten (Ipeei) , Tauchern (Oird -megodn), Kibitzen (Aty Aty), Reihern (Acard), und klemen und grossen Enten (Potery und Goanand) in den folgenden Monaten. Die dann zu Tausen _ den getödteten Vögel werden im Moquem getrocknet, und, dicht aufeinandergepresst; zwischen den Blattscheiden der Pacova Sororoca , einer baumartigen Musacee (Urania amazonica, M-)» oder gewisser Palmen im Giebel der Hütte aufbewahrt, / 1219 ‚ Hauptcanale höchstens das Viertheil einer Seemeile, und von einem Ufer .des Festlandes zum andern noch einmal so viel Breite haben; an vielen Stellen ist die Tiefe nur geringe, die mittlere Tiefe im Hauptcanale etwa fünf bis sechs Rlafter. Die Beschwerlichkeiten wuchsen durch die zu- nehmende Strömung, viele untergetauchte Stämme, zahllose Mosquiten, eine schwüle Hitze bei trübem Himmel und häufigen Regen. Aller Anstrengung der Indianer ungeachtet, erreichten wir daher das Dörf- chen $. Joao do Prineipe erst nach fünf langen Tagereisen. Es liegt auf dem nördlichen, hier ziemlich erhöhten, Ufer, eine Viertelstunde unterhalb der Mündung des Pureos, eines der beträchtlicheren Beiflüsse auf der Südseite. Dieser Lugar, die äusserste Niederlassung de» Por- tugiesen im Yupura, war i. J. 1808 durch den damaligen Gouverneur, J. J. Virrorio pa Costa, den Schwiegervater meines Begleiters Zanv, errichtet und mit Familien vom Stamme Jur/, Coretüu und Jama, die in den benachbarten Wäldern haussten, besetzt worden. Die wohl- meinenden Absichten des einsichtsvollen Gründers, der durch. die Ort- schaft, in deren Nähe mehrere Anführer jener Stämme Pflanzungen besassen, einen lebhafteren Verkehr beabsichtigte, sind grossentheils durch die Einrichtung vereitelt worden, den Indianern einen Weissen zum Richter zu geben. Wie fast überall wo ein Solcher, ohne Con- trolle der Geistlichkeit oder anderer Behörden, über die einsamen In- dianer zu walten hat, kamen mit ihm Bedrückung, Intriguen und Noth, und die meisten Ansiedler haben sich wieder in ihre Wälder zurück- gezogen. Jene drei Stämme hatten drei Reihen von Hütten, die aus hölzernen Pfosten, mit Wänden von Flechtwerk und Lehm und Dächern von Palmblättern, auf öffentliche Kosten errichtet worden waren. Ge- genwärtig waren nur noch einige Familien von Juris und Coretüs vor- handen, und auch diese hatten sich bei der Nachricht von unserer An- kunft versteckt, oder zu ihren Nachbarn geflüchtet, die auf den Rossas, entfernt vom Dörfchen, wohnen. Die Frohnen, welchen diese armen „ Indianer, unter dem Vorwande des öffentlichen Dienstes, lediglich für den Eigennutz des Richters unterworfen werden, machen ihnen vor der Ankunft eines jeden Weissen bange; und nur mein, mit dem Charakter 1220 der Wilden vertrauter, Gefährte Zany konnte sie von dem Ungrund ihrer Furcht belehren, worauf sie herbeikamen und mich beschworen, dem Gouvernement ihre hülflose Lage und die Bedrückungen ihres Feindes vorzustellen. Dieser war ohnehin schon wegen Veruntreuung der Zehnten und grausamer wohllüstigen Begegnung seiner Untergebe- nen angeklagt worden, und vor acht Tagen nach Ega zurückgekehrt, um sich vor dem Commandanten zu verantworten. Wir fanden daher, ausser einem hier ansässigen Mulatten von $. Paulo, Niemand, der portugiesisch gesprochen hätte. (Von allen Brasilianern findet man die Paulisten am weitesten durch das ganze Reich zerstreut.) Auch die Wechselfieber haben zur Verödung des Ortes beigetragen. Er ist übri- gens trefflich gewählt, um die reichen Wälder des Yupurä und seine zahlreichen Indianerhaufen mit den Brasilianern in Verbindung zu brin- gen und gegenseitigen Nutzen zu verbreiten. Die Fruchtbarkeit ist fast unglaublich. Ich sah Mandioccawurzeln von dreissig, und Bananentrau- ben von hundert Pfund Gewicht. Die Juris, welche ich hier antraf, wie es schien unterrichtete und gutmüthige Leute, brachten grosse Tö- pfe von allerlei Getränken herbei, ein Fabricat der Weiber, denen, wie alle übrigen Geschäfte der Wirthschaft, auch dieses obliegt. Die Getränke waren aus Mandiocca- und Aypimwurzeln und aus mehreren Früchten bereitet, und zum Theile recht wohlschmeckend. *) *) Wir haben schon früher (I. 371.) von der Bereitung des Maistrankes geredet, der nicht blos in ganz Brasilien, sondern auch in dem spanischem America, wo er fast überall Chicha heisst, üblich ist. Die übrigen, den brasilianischen Urbewohnern bekannten Getränke sind vorzüglich von dreierlei Art, tupi: Caxirl, Cäohy oder Cauim und Pajuarü, Die Brühe irgend einer der zahlreichen Früchte des Waldes nennen sie Caxiri (Cajır). Sie wird vor üglieh häufig’von den Früchten der Palmen Assai, Pataud, Bubunha, dann auch von Bananen , Aca- jus u. s. w. zubereitet. Besonders beliebt bei den Indianern des Yupurd ist der Absud der ber- den ersteren Palmenfrüchte, der einer dünnen Chocolade an Farbe und Geschmack nicht gan? unähnlich und so nahrhaft ist, dass die Indianer nach längerem Genusse desselben fett werden. Er wird bei Festgelagen noch lau vom Sude her getrunken. Cauim ist der ausgepresste Saft, Aufguss oder Absud von Früchten, von Bataten oder süssen Mandioccawurzeln (Macajer@) » R welche in die weinige Gährung übergegangen. Solchen Wein verstehen sie aus allen #° Zuckerstoff und Schleim reichen Früchten zu bereiten, und manche Arten desselben ea sich, an kühlen Orten aufbewahrt, mehrere Tage lang. Manche härtere F rüchte, wie 2 e 1221 Am letzten December kam der Principal der Coretus Pacmicv an, den wir entboten hatten, uns zu begleiten. Er erschien vor mir baar- fuss, in den bei den Indianern üblichen baumwöllenen Beinkleidern , aber dabei in einem blauen Fracke, und die Pococaba, ein spanisches Rohr mit silberner Quaste, in der Hand. Dieses Zeichen der Autorität war den Principalen zur Zeit des MenpongA Furtano und der zweiten Grenz- commission verliehen worden, da man die rohen Wilden durch den Anschein von Würden und Ehrenstellen zu gewinnen hoffte; aber jetzt sieht man es eben so selten als jenen europäischen Anzug des Pacnıcv, . der wohl noch von damals herrühren mochte. Dieser Mann, ($. im Atlas die Figur „Coretu‘) war. bei weitem der schlauste und unterneh- mendste Indianer, je ich bis jetzt begegnet war. Er hielt es für an- gemessen, sich als einen getreuen Vasallen des Königs von Portugal und einen für seine Stammgenossen besorgten Beamten darzustellen; allein bald ergab es sich, dass er den Weissen nicht weniger abhold war, als die Uebrigen, und dass er, mehr als jeder Andere, die Kunst verstand, die Untergebenen für seine Habsucht zu benützen. Er suchte seinen Stamm fern von den Weissen im Walde zu erhalten, und führte auf eigene Hand Krieg gegen die Nachbarn, um seine Gefangene an die ankommenden Europäer zu verhandeln; ja sogar seine: Stammge- nossen soll er auf gleiche Weise um eine Rleinigkeit verkauft haben. So ward uns zum Erstenmale im Innern America’s das vollkommene Bild eines africanischen Häuptlings vorgeführt, der Menschenhandel zu sei- das türkische Korn zur Chicha , oder die Wurzeln der süssen Mandiocca und die Bataten wer- den zweimal gekocht, und durch Speichel zur Gährung gebracht. Nachdem der Wein in Essig über- gegangen, nennen sie ihn Caui sar d. i. sauern Wein. (Der portugiesische Wein heisst in der Tupisprache C. piranga oder C. sobaigoara d. i. rother oder aus dem Reiche.) Künstlicher ist endlich die Bereitung des Pajuaru aus den grossen Kuchen (Beiju) von Mandioccamehl , oder aus diesem selbst, nachdem es zu einem Breie gekocht worden. Man übergiesst diese Stoffe mit Wasser und überlässt sie der weinigen Gährung. Der Fruchtsaft überhaupt heisst Y, Tyeoara damit mischen, und dieses Wort wird namentlich von einem Gemenge- von Man-. “dioccamehl, Wasser und Rapadurazucker gebraucht. Der Indianer liebt überhaupt substantiöse Getränke, und nimmt desshalb auch häufig die gekochten und zerquetschten Bananen unter der Form eines warmen ‚Breies zu sich, ein sehr nahrhaftes und wohlschmeckendes Gericht. UI. Theil, = 155 122 . nem Geschäfte macht. Ohne Zweifel gefährdet der Staat das Schicksal der Indianer durch die Aufstellung solcher Principale eben so sehr, als durch die der Richter mit weissem Blute; zum Glückke sind jedoch un- ter den ersteren nur wenige mit der Verschmitztheit und dem Unter- nehmungsgeiste dieses Coretü. Wir suchten ihn, der gut portugiesisch \ verstand, zu überzeugen, dass er und der Staat durch Einführung ei- ner regelmässigen Landescultur und durch Handel mit den Naturerzeug- nissen am meisten gewinnen müssten; allein er wiederholte hierauf kurz: ‚Alles dieses sey mühseliger, als Sclaven zu verkaufen, und solcher Han- del brächte ihm, was er immer brauche. Als ich ihn endlich auffor- derte, mir auch über den mineralischen Reichthum in diesem Gebiete Aufschlüsse zu geben, läugnete er irgend Etwas zu, wissen; da es aber Nacht geworden war, erschien er mit seiner Tochter, einem achtzehn- jährigen Mädchen, vor unserer Hütte, und begehrte Einlass, indem er ‘Wichtiges zu berichten habe. Nun, sagte er, bei verschlossenen Thü- ren, dürfe er nicht verschweigen, was er vor der Menge micht gestehen wollen, dass ihm nämlich durch seinen Vater reichliche Goldschätze in den Quellen des Apaporis bekannt seyen, er wolle solche auch, gegen sichere Belohnung, zeigen und uns auf der ganzen Reise begleiten, müsse aber dann seine Tochter mitnehmen dürfen. Als diese Vorschläge abgelehnt, und der Eigennutz des Vaters durch ein reichliches Geschenk an Eisengeräthe, die Eitelkeit der Tochter durch Glasperlen und Rattune befriedigt worden war, sagte er endlich seine Begleitung bis zu den Katarakten zu, und ich war sehr froh, einen in dieser Einöde so gefährli- chen Mann gewonnen zu haben. Ich bin ausführlich in der Erzählung dieser Anecdote gewesen, da sie eine, freilich nicht vortheilhafte, Ein- sicht in die Gemüthsart und die Sitten der Indianer giebt. Es ist traurig auch einen im Vergleich höheren Verstand mit derselben ‚Niedrigkeit der Gesinnung vereinbart zu sehen, wodurch sich die brasilianischen “Wilden den schnöden Begierden der Ankömmlinge gleichsam von selbst überliefert haben. Mit Pacnıcv waren einige Kähne seiner Coretü u gekommen. Am Abende tanzten sie in ihrem Federschmucke, den ich Sp& ter von ihrem Principale erhandelte. Ihre Bewegungen wraren plump» 1223 von monotonem Gesange und Tönen der Rohrpfeifen begleitet. Der Vor- tänzer trug einen stattlich mit Federn gezierten Wurfspiess in der Hand; die Uebrigen hatten ähnliche Waffen, und um den linken Vorderarm zierliche Castagnetten von Häferflügeln mit einem Büschel schwarzer Federn. Alle waren von kleiner, aber sehr kräftiger Statur. Sie gin- gen, mit Ausnahme des Tuxaua, nackt, blos mit einem, aus Baumwol- lenfäden genestelten, Suspensorium angethan. Ihre Sprache schien mir ungemein guttural, und um so schwerer zu verstehen, als sie dabei die Zähne sehr verschränkten. Sie. sind ungebildeter, als die Coerunas, Passes und Juris, was unter Anderm auch die grosse Hingebung an ihren Principal zu beweisen schien. Ihre erklärten Todfeinde sind die Nach- barn Fucunas. Auch dieser Stamm ist durch Descimentos nach den Ansiedlungen am Solimoes und Rio Negro sehr geschwächt worden. Der Stock desselben soll, zwischen den befreundeten Fupuas und Coe- runas, am obern Apaporis und zwischen diesem und dem Miriti- Pa- rand wohnen. Diejenigen, welche sich in $. Joado do Principe nieder- gelassen haben, sind meistens mit Weibern von dem Stamme Uainu- mä verheurathet. Man findet solche gemischte Ehen besonders häufig bei Indianern, die ausser dem Verbande mit ihrem Stamme leben und sich durch die Vereinigung mit den zahlreichen Familien ihrer Frauen verstärken wollen. Alle weiblichen Glieder der- angeheuratheten Fa- milie werden gewissermaassen Schutzverwandte und Dienerinnen des Eheherrn, und so erleichtert diese Verbindung auch die Sorgen für den Unterhalt, deien sich der träge Mann gerne so viel als möglich entzieht. Am ı. Januar ı820. gegen Abend verliessen wir $. Joao do Prin- cipe, und fuhren noch drei Legoas weit bis zur Praya de Utarü, wo wir, zwischen hohen Wachtfeuern, übernachteten. Der folgende Mor- gen brachte uns nach dem Sitio Uarivai, wo der Tubixava MıcveL, ein im ganzen Yupur& wohl bekannter Prineipal vom Stamme Juri, hauset. Dieser Indianer, dessen breite gedrungene Gestalt und funkelnde Augen den Kriegsmann ankündigen, hat schon seit mehreren Jahren 155 * 1224 einen Haufen von etwa hundert Röpfen aus den Wäldern am Pureos hierhergeführt, und in geräumigen, denen der Weissen ähnlichen, Hüt- ten zusammengehalten; doch wohnen die meisten Familien nicht in den Häusern, sondern in einem grossen, oflenen Schoppen, wo Jeder nach Belieben sein Netz aufhängt, und sich, wie sie sagen, mit dem Feuer von unten her zudeckt. Obgleich in Verbindung mit den vss sen getreten, sind diese Juris doch als Wilde des Waldes (/ndios do Mato) zu betrachten. Sie gehen, etwa mit Ausnahme einer Bastbinde um die Lenden und eines Suspensoriums, ganz nackt, namentlich die Weiber, welche bekanntlich bei allen americanischen Stämmen weniger bekleidet erscheinen. Ihr Ackerbau ist geringe; nur die Bananen, wel- che hier treffllich gedeihen, sieht man in dichten Gebüschen um die Wohnungen; die Pflanzungen (Capixaba) in der Nähe der Hütten, sent- halten Mandiocca-, Urucu - und Baumwollenstauden, jedoch Alles nur zur Nothdurft, und die Mandiocca mehr zur Bereitung der grossen Ru- chen, woraus sie ihr Pajuaruü brauen, als zum Mehle. Der fischreiche Fluss, den sie ohne Unterlass .in zweirudrigen Nachen befahren, und die Waldung voll Wild und Früchten, liefern ihre hauptsächliche Nah- rung. Der Tubixava Misveı erscheint als Schutzherr und hat ein gros- ses Uebergewicht über die Einzelnen, die zwar ihre eigenen Pflanzun- gen bearbeiten, aber ıhm gehorsam folgen, wenn er sie beim Feldbaue oder bei Expeditionen verwendet, wodurch er Indianer aus dem Innern in die Ansiedlungen herabbringen will. Er verleiht sie auch gegen Lohn an die Weissen, und sendet vierteljährig vier Personen hach Ega um auf der Werfte zu arbeiten. Alles schien hier herkömmlich geordnet, und die Indianer im Genusse ihres Naturlebens glücklich und ‚zufrieden, so fern sie nicht etwa bisweilen durch ihres gefürchteten Tubixava Wil- len litten, der auf ihre Unkosten den Verkehr mit Weissen unterhält Da ich die grossen Oefen, worauf das Brod gebacken wird, benützte, um meine, von der andauernden Nässe angegriflenen, Pflanzen zu trock- nen, so brachte ich den grössten Theil des Tages unter dem indian! schen Weibervolke zu, welches diesen Theil des Rancho mit den Fin dern inne hatte. Es waren sieben Familien, und ich war fortwährend n 1225 Zeuge des engen Rreises, in dem sich das Leben des Wilden herum- bewegt. Bevor noch der Tag grauet, verlassen gewöhnlich alle Er- wachsene ihre Hangmatten, und gehen in den Fluss hinal-, wo sie etwa eine Viertelstunde im Bade zubringen; zurückgekehrt legen sie sich wieder nieder, wnd man vernimmt nun oft Stunden lang ein leises monotones Sprechen, wenn sie nicht von Neuem einschlafen. Bald nach Sonnenaufgang erwachen die Kinder. Ihr verworrenes Geschrei ver- langt die Brust der Mütter, oder ein Frühstück, was jedoch nicht so- gleich gereicht wird. Das erste Geschäft der Weiber ist nun, die Kin- der zu bemalen. Mehrere kleine Töpfe voll Rocou, mit dem Thran des Lamantin zu einer Salbe abgerieben, liefern das Material zu dieser Verzierung, die die Mütter oft Stunden lang anbringen, bis endlich die ungestümmen Forderungen der Männer sie zu einem andern Geschäfte rufen. “) Nach der Toilette der Jungen, wird die der Mütter und Al- ten von den erwachsenen Töchtern besorgt, und dann erst an das Frühstück gedacht. Die Indianerinnen geben sehr lange Zeit die Brust; ich sah hier vierjährige Knaben säugend vor der Mutter stehen. Der übrige Theil der Familie versammelt sich um den Topf, der, noch vom Vorabend mit Fleisch gefüllt, am Feuer geblieben, und: verzehrt still- schweigend mit behaglicher Ruhe. Ist Nichts vorhanden, so sucht sich jeder Einzelne bei dem Nachbar, im Walde,.oder an den Beius zu entschädigen, die nun von den Weibern, aus der eben frisch geriebenen und durchgepressten Mandioccawurzel, gebacken werden. Die Kuchen, oft zwei Fuss im Durchmesser und einen Zoll dick, sind, wenn sie warm *) Die Säuglinge und kleinen Kinder werden um die Augenlieder, im Gesicht, auf der Brust und den Extremitäten , reichlich mit allerlei Lineamenten und Schnörkeln bemalt, und die Zärtlichkeit der Mütter kann. dessen kein Ende finden. Aeltere finder, Knaben und Mädchen, bemalen sich selbst, wenn nicht ein anderes Glied der Familie dieser Toilette beisteht, Als ich einst ein altes Mütterchen beschäftigt fand, ihre Enkelin mit Rocou zu schminken und aus Scherz einige groteske Schnörkel auf Stirn und Wange des Mädchens hinzufügte, war Jene entzückt, und bat für sich um gleiche Gunst; noch mehr: am nächsten Morgen aus meiner Hütte tretend, fand ich eine Reihe von Weibern und Mädchen vor ihr aufgestellt, und die Alte kam mir, ein Rocouschälchen in der Hand, schmunzelnd mit der Bitte entgegen, die gestrigen a ES Milireien allen diesen Schönen angedeihen zu lassen. 1226 \ von der Ofenplatte kommen, wohlschmeckend, später werden sie zähe, und sind sehr schwer verdaulich. Eine kleine Art solcher scheibenförmigen Kuchen (Brju-xica) denen sie eine runde oder elliptische Form geben, indem das Material zwischen Ringen von Marantastengeln zusammen- gebacken wird, lassen sich wie Zwieback lange aufbewahren, und sind gesund. Trocknes Mandioccamehl wird nur wenig, meist zum Handel, bereitet. WVährend sich nun die Männer zerstreuen, um zu jagen oder zu fischen, bleiben die Rinder unter den Augen der Mütter, und diess ist die Zeit der Erziehung, wenn man so_die äffische Beschäftigung mit den kleinen selbstischen Wesen nennen darf. Erziehung zur Sittlichkeit, ' ja nur zur Sitte, findet man hier nicht; höchstens ein Abrichten zum Fortkommen unter .den Uebrigen. Die Mütter unterweisen im Nesteln der Hangmatten, im Spinnen der Baumwolle an der freien Spindel, im Bereiten von Thongeschirren; die Geschäfte des Ackerbaues und der Küche werden von den Kleinen nach und nach ohne weitere Anweisung erlernt. Ehrfurcht, Bescheidenheit, Gehorsam kennen die Kinder eben. so wenig als die Aeltern. Ich habe niemals gesehen, dass jene mit Ueberlegung gestraft worden wären; wohl aber mussten sie manchmal Schläge erdulden, weil sie in des Vaters Abwesenheit seine Pfeilchen verschossen, sein Blasrohr ‘verstopft, oder das für ihn bewahrte Gericht verzehrt hatten, und solche Executionen waren nur Ausdruck heftigen Zornes. In den heissen Tagesstunden kamen die Männer zur Hütte zu- rück, und legten sich so lange in ihre Hangmatten, bis das Mahl be- reitet war. Wenn hungerig, erschienen sie alle Augenblicke, voll ärger- licher Begierde am Feuer. Sonst vertrieben sie sich die Zeit mit der Maultrommel, worauf Tubixava Mıisuern grosse Virtuosität erlangt hatte, spielten mit den zahmen Affen und Vögeln des Hauses, oder gingen wiederholt in das Bad, welches sie täglich mehrere Male "besuchen. Für die Abende veranlassten wir einen Tanz dieser Juris. Allmähg sammelten sich einige. und vierzig Männer von zwanzig bis sechzig Jahren, die mit vieler Gravität vor uns die Vorkehrungen zum TaNIR machten. Diese bestanden darin, dass sie sich gegenseitig das Ge sicht mit der Schminke aus Rocou und Lamantin- oder Schildkröten “ H a + 1227 ihran bemalten, allerlei Schnüre von Glasperlen und Thierzähnen um Hals, Waden und Vorderarme, Schellengehänge zum Rlappern, (von den Früchten der Cerbera Thevetia, S. Fig. 27. der ind. Geräthsch.) unter die Kniee befestigten, und die Köpfe mit Federn ausstaffirten , die entweder kronenartig um die Schläfe gebunden’ wurden, oder, als ein langer Schweif über den Rücken hinabhingen. Der Vortänzer hatte einen hohlen Cylinder von Ambauva-Holz mit Federbüschen geziert, auf dem Haupte, und trug in der linken Hand einen ähnlich bemalten aber drei bis vier Fuss langen Cylinder (Fig. 50. und 32. der indian. Geräthsch.) von demselben leichten Holze, womit er auf die Erde stiess, um den Tact zu schlagen. Als es dunkel gewordeu war, und viele Feuer und Lampen den grossen Schoppen erleuchteten, erschienen die Tänzer vor uns. Nach einem Begrüssungstanze gegen uns, der mit der Ueberreichung von Bananen endigte, zogen sie sich unter den Schoppen zurück, wo sie unter grossem Lärm und Freudengeschrei verschiedene Tänze ausführten. “) Ich war schon müde, diesem bacchantischen, ja tollhäuslerischen Wesen zuzusehen, als plötzlich meine Aufmerksamkeit durch einige Masken erregt wurde, die zwischen den Reihen der Tän- zer hin- und herschwärmten. Es waren nackte Indianer, die statt der *) Ich wage nicht zu entscheiden, ob 2 Beschreibung der Tänze der Juris etwa durch Vergleichung mit denen anderer Wilden dem Ethnographen ein allgemeines Interesse gewähren dürfte. Da sie jedoch in meinem Tagebuche aufgezeichnet ist, so möge sie hier immerhin ' einen Platz finden. Die Tänzer kamen in zwei Reihen, Einer hinter dem Andern, angezogen, klapperten mit den Schellengehängen, indem sie mit den Füssen stampflen, und Einige , damit abwechselnd, aus ihren Rohrpfeifen (Fig. 33. 34. der ind. Geräthsch.) einige unharmonische Töne hervorstiessen, Jeder Tänzer trug eine Bananentraube auf der linken Achsel. So belastet tanz- ten sie einige Mal vor uns im Kreise, nnd legten dann die Früchte auf einem grossen Haufen nieder. Diese Ceremonie, die erste, wädurch mir von Indianern feierlich ein Geschenk gemacht worden wäre, endigte mit Bücklingen, die sie, in einer Reihe aufziehend, nach allen Seiten eigene hi ME in den Rancho PICHEN führten sie nun are eh Tänze auf, Man konnte es eine er Polonaise nennen. Nur Männer tanzten in einer Reihe. Mader die eine Hälfte die rechte, die andere aber die linke Hand auf die Schulter des Nachbars legte, blieb der Mittelste von Allen frei. Er hatte zweierlei Rohrpfeifen in den Händen und gab damit den Rhythmus in zwei Noten an, Die Uebrigen fielen nun mit sehr unharmonischen Pfiffen ein, und das Ganze gestaltete sich zu .der in der Musikbeilage (Nro, 7.) gegebenen - 2 1228 eigenen scheussliche monströse Köpfe zeigten. Diese Masken waren von ‚Mehlkörben gemacht, über die ein Stück 7uriri (tuchähnlichen Baumbastes) gezogen war. Rachen und Zähne waren an diesen Gesich- tern nicht gespart, und die Grundfarbe war weiss. Ein Anderer er- schien gänzlich in einen Sack von Turiri eingehüllt, der auf das Aben- theuerlichste bemalt war. Er trug eine Maske, die den Tapirkopf vor- stellte, kroch auf allen Vieren, und ahmte mit dem Rüssel die Gebärden der Anta nach, wenn sie weide. Um den wüthenden Lärm noch zu vergrössern, klopften einige auf kleinen Trommeln (Oapycaba) aus dem Holze von Panax Morototoni hin und her, und endlich griff man nach dem grossen Sponton des Tubixava, (Fig. 20. der ind. Waffen), durch dessen Vibration ein schrillender Ton hervorgebracht wird. Diese wil- den Töne erregten zu einem Rriegstanze, der nun von dem Tubixava selbst mit seinen muntersten Rriegern ausgeführt wurde. Sie versteck- ten sich hinter die grossen, aus Tapirleder geschnittenen, runden Schilde, die sie von den Mirarhas einhandeln, und warfen, unter drohenden Gebärden- hin und herschleichend, die Wurfspiesse darauf. (S. „‚Waffen- tanz der Juri“ im Atlas.) Dieser Tanz vereinigte die gesammte wilde und furchtbare Plastik, welche der rohe Naturmensch America’s an seinem Strophe aus. Die Reihe der Tänzer, den ganzen Rancho einnchmend, schwenkte von einem Ende zum andern in zwei langen abgemessenen und einem dritten kurzen Schritte, Die Flügel- männer hatten dabei viel zu laufen, und stolperten nicht selten zum grossen Gelächter der Uebrigen und der Zuschauer. Von Zeit zu Zeit theilten sie sich-in zwei Reihen, die She einander mit den Gesichtern zugewendet, gegenseitig tiefe Bücklinge machten, darauf ergriffen sich die Mittelsten bei der Hand, und so. bildeten beide Reihen ein Kreuz; endlich dehnten sıe sich wieder in eine Reihe aus, $tiessen von Zeit zu Zeit die Kniee vor, machten. tiefe Bück- linge, und beschlossen, nachdem sie ermüdet waren, unter unregelmässigem Geschreie. Als es ganz dunkle Nacht geworden war, gesellten sich auch die Weiber zu den Tänzern, die nun den eigentlichen Nationaltanz der Jurts aufführten, Die Männer standen in zwei Reihen.hin- tereinander ; die hinteren legten ihre Hände auf die Schultern der Vormänner; eine dritte Reihe en den Männern bildeten die Weiber. Der Zug bewegte sich in schnellem Schritte bald - Kreise ‚ bald in verschiedenen Richtungen, Statt der Pfeifen ertönte jetzt der Gesang der Tanzen den in Unisono, durch das Kreischen der Weiber zu wahrhaft gräulichen Tönen erhoben. (Musik- beilage Nro, 8.) Eine bessere Musik, als die, welche sie auf ihren Gaitas und ihrem Memby (Papagenopfeifen aus Rohr oder aus Menschenknochen und einer Art Rohrschalmei), heryenr brachten, schien keinen Eindruck auf sie zu machen ; was ich bei allen Indianern bemerkt : 1229 gedrungenen Körper darstellt. Die schnellen drohenden Wendungen dieser nackten Krieger, deren, mit Thran bestrichene, Musculatur wie Erz glänzt, die abscheulichen Grimassen der tatowirten, von Urucü gerötheten Gesichter, das plötzliche Aufschreien beim WVurf oder Stoss, und das hämische Grinsen, wenn sich der Gegner hinter sein Schild verbergen muss, welch grässliches Bild der Rohheit! — Während des Tanzes hatten einige Indianer ein abgetriebenes Gebüsche angezündet, in dessen Nähe ein Gehäge von Bambusrohren stand. Diese zerspran- gen, wenn die Luft in ihnen bis zu einem gewissen Grade erhitzt war, und es entstand ein so fürchterliches Geknalle, dass ich im ersten Au- genblicke ein nahes Hleingewehrfeuer zu vernehmen meinte. Diese baumartigen Rohre (Taeoaragü), stehen so dicht, dass man eine künst- liche Anlage in ihnen kaum verkennen kann; und die Wilden behaup- ten, sie seyen Reste ehemaliger Befestigungen. Die jungen Triebe ent- halten bisweilen eine Pinte Wassers, das sich allmälig in eine Gal- lerte und in Stein (Tabaschir) verdichten soll. Es war mir nicht mög- lich, einige von diesen Steinen zu erhalten. Die Indianer scheuen sich, das Wasser zu trinken, da es Blasenstein verursache. Es hatte fünf bis sechs Grad R. weniger Wärme, als die Atmosphäre, und schmeckte wie Thau. Es war fast Mitternacht, als ich mich in meine Hangmatte zurückzog, aber der Lärm der Tänze, welche bis an den Morgen dauerten, gönnte mir kaum eine Stunde Schlafs. Ich fühlte mich ange- griffen von den gräulichen Anschauungen dieser Tage, den Strapatzen der, stets unter Regen fortgesetzten, Reise und von angestrengtem Ar- beiten. Als ich daher beim Erwachen mich unmuthig und schwach fühlte, musste ich ein Fieber fürchten, wogegen ich sogleich ein Brech- mittel gebrauchte, das mich erleichterte. Wir verliessen Uarivaui, nachdem die bisher entflohenen oder zu- zuehgölsssenen Indianer wieder ersetzt worden waren, und ruderten in sieben Fahrzeugen, über sechzig Mann stark, stromaufwärts. Un- ter allen diesen Leuten zeigten fast nur diejenigen, welche wir von Ega mitgebracht hatten, eine gesunde Gesichtsfarbe ; alle Uebrigen wa- UI. Theil. 156 - 1250 ren blass oder gelbsüchtig, wodurch der tatowirte Fleck im Antlitz noch scheusslicher hervortrat. Die Meisten hatten einen monströs ausgedehnten Unterleib, und die Aeltern unter ihnen deutliche Leber - und Milzyer- härtungen, Folgen der häufigen Fieber, gegen welche die Bewohner des Yupurä kein Mittel kennen, und eben so wenig, aus Indolenz, von den Weissen einhandeln.. Es widerspricht diese Thatsache der allge- meinen, aber falschen, Annahme, dass die Indianer im Besitze vieler und wirksamer Heilmittel seyen. Nach allen meinen Erfahrungen sind ihnen nur wenige Pflanzen, am ersten noch gewisse purgirende Früchte, als heilkräftig, und manche Schlingpflanzen und saftreiche Gewächse als gifüg bekannt. (4.) Der Kränklichkeit ungeachtet, die sich an so vie- len unserer Indianer kund that, ruderten sie unverdrossen den grössten Theil des Tages hindurch, so dass wir nach vier Tagereisen an die er- sten Ratarakten, Cupati genannt, gelangten. Der Fluss, dessen Rich- tung bis zur Hälfte dieses Weges w.\/, südlich, dann nordwestlich ist, hat weniger Inseln als unterhalb $. Joäo, und nur eine Breite von Y bis %, einer Seemeile. Seine Strömung ist in der Mitte beträchtlich; sie mochte damals fünf bis sechs Seemeilen in der Stunde betragen. Die Tiefe ergab sich in dem tiefsten Canale (doch vielleicht wegen un- vermeidlicher Diagonale des Senkbleies zu gross) zu zwanzig bis dreis- sig Rlaftern; an den Ufern dagegen war der Fluss sehr seicht, und weitausgedehnte Sandbänke nöthigten uns oft zu grossen Umwegen. Offenbar war der Fluss gegenwärtig hier im Fallen begriffen, und an den Ufern und der Waldung waren Spuren eines früheren, etwa zwei Rlafter höheren, Wasserstandes sichtbar. Je mehr wir uns den ersten Ratarakten näherten, desto höher zeigten sich die Ufer, die Waldung ward lichter, mit mehr abgesonderten Baumkuppen, und Abends erschien uns in Westen die Serra de Cupati, dicht in Regenwolken gehüllt. Der immer stärker fallende Regen entzog sie bald darauf wieder unse ren Blicken. Nachts g Uhr passirten wir die Mündung des Flusses -4paporis (5.), oberhalb welcher wir einen Bivouac auf einer Sandinsel bildeten. Am folgenden Morgen erblickten wir endlich die Serra de E 1251 Cupati in der Nähe. Die Regenwolken hatten sich zertheilt, und gönnten die Ansicht eines uns schon seit fanger Zeit entwöhnten Gegenstandes. In dem ungeheuern Urwalde, worein wir seit Monaten vertieft waren, hatte das Auge keinen Anhalts- und Vergleichungspunct für Höhen ge- funden. Der Mensch, dessen Organismus von der Natur zum Maassstab al- les Irdischen bestimmt scheint, verschwindet, ohnehin selten, zwischen Bäu- men, deren unter einander fast gleiche Höhe an sich selbst kaum gemes- sen werden kann. Hier aber war ein freier Blick in die Ferne ge- geben, und das Auge überliess sich gerne solcher Uebung. Die Serra de Cupati mag etwa 600 Fuss über den Yupurä erhoben seyn. Sie erstreckt sich vielleicht eine Legoa lang von Süd nach Nord, und zwingt den von W. N. W. kommenden Fluss, der sich an ihr bricht, eine grosse Biegung zu machen, eben so wie an ihrem nördlichen Ende den Apa- poris. Ihre Figur ist ablang, und, dicht mit Vegetation bedeckt, unter- scheidet sie sich, aus der Ferne angesehen, wenig von den höhern Strecken (terrenos levantados) am Amazonas. Nur auf der Ostseite tritt gegen den Scheitel hin eine weisse Felsenmasse aus dem Grün des Waldes hervor, die, wenn von der Sonne grell beleuchtet, wie ich sie auf dem Rückweg sah, ein schimmerndes Licht zurückwirft. Als wir näher kamen, belehrte uns die schnellere Bewegung der Gewässer, und ein gewaltiges Brausen von der Nähe des ersten Falles, der, als der kleinere, Cachoeirinha de Cupati genannt wird, und endlich erblickten wir ihn selbst. Das Strombette wird hier auf die Breite von etwa hundert und zwanzig Hlaftern beschränkt, und die Gewässer stürzen it Ungestümm über ein, die ganze Breite durchsetzendes, Felsenrifl. Jetzt, wo der Strom arm an Wasser war, ragten die Felsen an beiden Ufern des Flusses acht bis zehn Fuss über den Wasserspiegel hervor, und andere standen entblösst zwischen den kleinen Fällen, Wirbeln und Strömungen, in denen die Fluth sich nach unten Bahn machte. Sie sind durch die Gewalt des Flusses abgerundet, zertrümmert, hie und da in Haufen zusammengeführt, oder stehen noch unversehrt aus dem Grunde des Strombettes hervor. Das Gestein ist ein sehr feinkörniger, geschichteter, harter Sandstein. Die Oberfläche der vom Wasser 156 * 12352 bespülten, innerlich weissen, Felsen, war durch Sonne, Luft und Was- ser auf eine seltsame Art gebräunt und glänzend, so dass Sie, unter gewissen Beleuchtungen , spiegelte. Die Oxydation erschien mehrere Linien tief in das Gestein eingedrungen; doch zeigte der veränderte Theil nicht jene eigenthümliche Absetzung (einer kohlenstoffigen Verbindung mit Eisen?), die ich später an den Granitfelsen im obern Flussgebiete bemerken konnte. Oberhalb dieses Falles krümmt sich der Strom gen Nordwest um den Berg, und erscheint, von dem waldigen Ufer um- zäunt, ohne sichtbare Oefinung, wodurch er käme, wie ein See, 2) Die dunkle Färbung des Berges, an welchem schwere Regenwolken hinzogen, die geheimnissvolle Stille‘ des Waldes, die colossal aufeinander gehäuften Felsenmassen und das Rauschen des Stromes gaben dieser Landschaft einen unaussprechlich düstern und schwermüthigen Charakter, dessen Eindruck noch immer lebendig in meiner Seele ist, Selbst die Indianer, von denen Viele nie einen Berg oder Wasserfall gesehen hatten, schienen von der furchtbaren Scene ergriffen. Sie hefleten ver- 'wunderte Blicke bald auf den Berg, der durch den dichtfallenden Regen in drohende Nähe versetzt schien, bald auf die brausenden Wasserwir- bel. — Die Fahrzeuge wurden an lange Stricke und Lianen der Timbo. titica befestigt, und nun versuchten die Indianer sie im Fahrwasser (va- radouro) zwischen den Rlippen über Wirbel und Stromschnellen auf- wärts zu ziehen, während Andere sie mittelst langer Stangen in der Richtung erhielten. Am nördlichen Ufer waren die Strömungen zu hei- tig; wir gelangten daher erst spät, am südlichen, zum Ziele. Während dieser mühevollen Arbeit regnete es in Strömen, so dass wir zufriedep seyn mussten, an diesem Tage die Fahrzeuge auf eine Sandinsel ober- ° halb des Falls zu bringen, wo wir übernachteten. Oberhalb dieses em sten Falles treten mehrere Bäche in den Fluss, längs welcher der Sand- stein in so dünnen Schichten zu Tage ausgeht, dass er als Wetzstein (tupi: Ita-Fy) gebraucht werden kann, und die Indianer haben von hier- aus welche bis nach Parä gebracht. Die grössere Katarakte, Cachoeıra ö Eine Ansicht des Berges von hier aus siehe in Mart. Palm. t. 35. 3 12355 (tupi Hytü) de Cupati liegt etwa eine Stunde westlich von der erstern, - oberhalb welcher der Fluss zwischen höheren Ufern noch mehr einge- schränkt wird. Sie wird so wie jene durch Querriffe gebildet, welche bei Hochwasser den Strom vollkommen abschneiden und einen allgemei- nen Sturz desselben veranlassen. In jenem Falle soll die Fluth die Fel- senriffe auf mehr als dreissig Toisen weit und über drei Toisen hoch bedecken; gegenwärtig aber fanden wir zwar viele Wirbel und Strö- mungen zwischen den gigantischen Felsenmassen, jedoch keine allge- meine Unterbrechung der Wasserfläche. Die Fahrzeuge konnten daher auf dieselbe Weise, wie über die Cachoeirinha, aufwärts bugsirt wer- den; nur war es nöthig, sie vollständig auszupacken und Alles auf dem Rücken der Indianer über die, weithin am Ufer aufgethürmten, Steine nach einer jenseits des Falls gelegenen Sandspitze tragen zu lassen, ein Geschäft, das wegen der Glätte und Ungleichheit dieser Felsenmassen und des fortwährenden Regens schwierig und gefährlich war. Nachdem das Nothwendigste geschehen, überliess ich die Vollendung der müh- vollen Arbeit meinem gefälligen Begleiter Snr. Zanv, und machte mit Joäo Bernarno, der diese Gegend schon öfter besucht hatte, einen Aus- flug nach dem Berge Cupati, in dessen Bächen er selbst allerlei schöne Steine, nach seiner Beschreibung etwa Bergkrystalle oder Topase, ge- funden hatte. Es musste mir daran gelegen seyn, mein Urtheil über die Formation dieses Berges zu vervollständigen, dessen Schichten eines weissen, sehr harten, quarzreichen Gesteins, zugleich mit der Sage von benachbartem Goldreichthume an ähnliche Gebirgsbildungen in Minas erinnerten. Wir fuhren auf dem, unter der Katarakte gebliebenen, Na- chen stromabwärts, und gelangten schon mit einbrechendem Abend an eine Stelle am Fusse des Berges, wo ein mächtiger Waldbach über hohe Felsenblöcke herabbrausst. Der feuchte Wald ruhte still, und das Schauspiel einer wilden, kräftig erregten Natur erinnerte mich an die vaterländischen Gebirge. Wir suchten lange in den Löchern des Sand- steins, jedoch vergeblich; nur unreine Bergkrystalle, und keine andere geognostische Merkwürdigkeit, kam zum Vorschein. Darüber war es finstre Nacht geworden; wir setzten wieder auf die Südseite des Stromes, 1234 dessen Fall hörbarer uns entgegenbrausste, und gelangten an die Stelle, wo wir unsere arbeitenden Leute verlassen hatten, ganz durchnässt vom Regen, zitternd von Frost und hungerig. Zu unserm Erstaunen fanden wir Alles stille, ohne Zeichen ihrer Gegenwart. Sie hatten eine Sandbank oberhalb der Katarakten zum Bivouac bezogen. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es, ein kleines Feuer anzuzünden, und wir liessen die begleitenden Indianer mit den glühenden Spänen voraus- gehen, um uns den gefährlichen Weg über die Rlippen zu erleuchten, Diese mussten überstiegen oder umgangen werden,. um oberhalb des Falles wieder an den Strom zu kommen. Je weiter wir uns von ihm entfernten, und in die Nacht eines verwachsenen Waldes vordrangen, um so gefährlicher ward der Weg. Bald fielen wir in ein Loch der Rlippen, bald stiessen wir den verwirrten Schädel an einer scharfen Kante an, stolperten über eine Baumwurzel oder verwickelten uns in die stachelichten Windungen der Salsaparilha. Diese nächtliche Wan- derung, bei fortdauerndem Regen, in der Gefahr auf Schlangen oder ein anderes Unthier zu stossen, gehörte unter das Bedenklichste, was mir je begegnet war. Plötzlich standen die Führer stille, und wir sa- hen uns am Rande eines tiefen Felsenabhanges , wohin wir uns, zu weit vom Strome ab, verirrt hatten. Endlich gelangten wir an diesen, und erblickten ein fernes Feuer, von wo aus die Wache unsern Ruf vernahm und Nachen herbeischickte. Spät nach Mitternacht kamen wir in dem Bivouac an, dessen Feuer schon spärlich brannten. — Wir w& ren nun durch eine natürliche Grenze von dem unteren Stromgebiete des Fupura, und somit von dem des Amazonas, getrennt. Ich durfte annehmen, mich jetzt in einem vom Hauche europäischer Civilisation noch unberührten, den Ureinwohnern America's unbestrittenen, Lande zu befinden. Es lag etwas Reizendes in diesem Gedanken; und die Umgebungen einer wilden Natur und roher Naturmenschen, ja ‚selbst die Gefahren, die wir vor und hinter uns sahen, verliehen meiner Lage ein eigenthümliches Colorit. Die Menschen, mit denen wir hier lebten, verdienten diesen Namen nur vermöge dessen, was wie ein Krystallisa- tionspunct im Gemüthe liegt; sie waren gänzlich frei von jener Civilisation, 1235 welche sich im Verlaufe der Gesittung mit tausend Facetten und Far- benschiller über jenen unveränderlichen Kern der Humanität gelagert hat. Die Veränderung unserer Umgebung spiegelte sich unter Anderm auch in der Vegetation’ am Flusse, welche mehr und mehr andere For- men aufnahm, je weiter wir uns gen W. wandten. (Vergl. Anm. 8.) Zugleich damit war der landschaftliche Charakter verändert: die Bäume schienen niedriger, mit minder langgedehnten Aesten, daher zu engeren kuppichten Kronen gewölbt; Schlingpflanzen seltener; besonders häufig eine Palme, die Baxiuva barriguda, deren vierzig und mehr Fuss hoher Schaft in der Mitte tonnenartig angeschwollen ist, so dass dieser Theil häufig von den IAdianern zu Kähnen ausgehöhlt zu werden pflegt. Im Walde selbst treten viele kleine Rohrpalmen auf, und hie und da an den zu Tage gehenden Felsen saftiggrüne Büsche von schlingenden Aronstauden, namentlich von Carludovica, einer zuerst von Peru her bekannt gewordenen Pflanzengattung. Dieser Wald schien übrigens jetzt ziemlich leer an Thieren; nur Affen von mancherlei Arten liessen sich vernehmen, Hocco’s flatterten durch die Gebüsche, und einige grosse blaue Araras krächzten auf den Firsten der Palmen, worin sie nisten. Unsere Indianer ruderten zwar fleissig, wie sie diess besonders wäh- rend Regenwetters zu thun pflegen; allein wir kamen nur langsam vor- wärts, da der Strom im Hauptcanale sehr reissend, ausserhalb aber von vielen Untiefen durchsetzt war, die oft zu Umwegen nöthigten. In der Nacht des ı0. Januars passirten wir an der Mündung des Miriti- Parand (Moritzpalmen-Fluss). Sie hatte etwa dreissig Rlafter Breite. Am ı2. Januar Mittags erreichten wir /Manacurü, eine Ortschaft der Indianer Juri, welche unter ähnlichen Verhältnissen wie die von Yari- vau mit den Weissen in Verbindung steht. Auch hier hauset nur ein geringerer Theil der Einwohner in acht oder zehn Hütten; die Meisten wohnen zerstreut im Walde. Die Hütten bestehen aus einem Kreise von Pfählen, der mit Schlingpflanzen überflochten, mit einem kegelför- migen Dache von Palmblättern gedeckt, und mit einer niedrigen Thüre versehen ist, wie die der Cauixanas oder der Chiquitos in Paraguay, welche bekanntlich davon den Namen (der HRleinen) erhalten haben. 1236 Weder Schlot noch Fenster sind vorhanden; aber auf der einen Seite, der Thüre gegenüber, stösst ein von Lehm aufgemauertes, ganz ver- schlossenes Zimmer an, in das man von der Hütte aus einkriecht. Hier- her ziehen sich die Indianer zur Zeit des Hochwassers zurück, um den Verfolgungen des Pium, jener feindlichen Mückenart, zu entgehen, die dann in dichten Haufen über der Gegend schwärmet. Unter dem Haus- rathe bemerkte ich eine früher nie. gesehene Vorrichtung zum Abreiben der Mandioccawurzel: ein pyramidales aufrechtes Gerüste von drei Lat- ten, zwischen welchen kleine, spitzige Steine befestigt sind. Der Saft fliesst von dem Gerüste in eine untergestellte Schüssel von Baumrinde. Meine Gesundheit war hier wieder leidend; und" wir beschlossen, einige Tage zu verweilen. Der Anführer des Ortes war mit einem Mame- luco von Ega ausgezogen, um ein Descimento zu bewirken, und wir trafen desshalb nur den geringern Theil der Einwohner anwesend. Die Juris, welche wir hier, wie früher in dem Sitio de Uarivau, gefunden hatten, rechneten sich alle zu einem gemeinschaftlichen, auch durch die ' Sprache verbundenen, Stamme, aber zu verschiedenen Familien oder Unterhorden,, die, ähnlich wie die Abtheilungen der Uainumäs, verschie- dene Namen führen. °*) Man betrachtet die Juris als einen den Passes *) So die Juri: Cacao- Tapuüja, die am Purdos wohnen, die Moira-T. am ] u, und die übrigen längs des Yupura selbst hausenden: Coma-, Assaı -, Tucano -, Bubunha, Curasse (Sonnen-) Oira-agü (Grossvogel-), Ubi- (Rohrpalmen-), Ybytu- (Wind-) und Taboca - Tapuüja Indianer. Die Wind-Juris haben, wie die Caraiben, die Passes, Teeünas u. s. f. unter den Knieen und am Ober- arme einen Zoll breite Bänder von blauer Baumwolle, die sie so straff als möglich anziehen; die _ Malha nimmt bei ihnen das ganze Gesicht ein. Die Horde der Tabocas (Zapfen - Juri), von der ich hier Mehrere sah, trägt einen Zapfen von Palmenholz in der durchbohrten Unterlippe. Bei einem Alten war diess Stück Holz, dessen Ausfallen durch eine breitere Querleiste im Innern des Man des verhindert wird , so fest verwachsen, dass es nicht mehr abgenommen werden konnte. 2” Tatowirung fand ich bei verschiedenen Individuen verschieden: die Meisten haben die halbellip sche Malha in mehr oder minder grosser Ausdehnung, je nach Alter und Familienunterschied, ! Manehe auch zwei schräge Striche oder vier runde Punete auf der Oberlippe oder blos > ganze Oberlippe tatowirt. Eine Horde, die sie Jauarete (Onzen-) Tapuüja neunen , soll eine 23% Sprache sprechen und gegen die Uebrigen feindlich gesiunt seyn; vielleicht sind diess die Uai- a = i 14 Re “ .. . ee : . 1, numd Jauaretö Tapuüja, Die Männer trugen grösstentheils Suspensorien von Turiri; (fg a der indian. Geräthsch.); die Weiber waren ganz nackt. Häufig war als Armzierde en Büs e der Schuäbelspitzen von Tucanen (Pteroglossus inseriptus und Aracari, fig, 54 der 4. Tafel). 1257 verbrüderten Stamm, und ohne Zweifel gehörten sie früher zusammen. Ihre Sprache hat die grösste Verwandtschaft, die Nationalabzeichen sind dieselben, und die Körperbildung zeigt eine auflallende Aehnlichkeit; doch schien es mir im Allgemeinen, als wären die Juris von breiteren Gesichtszügen, breiterer Brust und minder schlank. Sitten, Gewohn- heiten, Waffen, Feinde, religiöse und kosmogonische Ideen sind bei beiden dieselben. Ehemals waren sie nächst den Miranhas und Uainu- mäs der mächtigste Stamm zwischen dem Iga und Yupurä ; aber gegen- wärtig möchte ihre Gesammtzahl kaum zweitausend betragen, da sie vor Andern in die Ansiedlungen der Weissen herabgeführt worden und daselbst in der Vermischung untergegangen sind. Da die Uraripflanze im Gebiete dieses Stammes wächst, so sind sie mit der Bereitung des Pfeilgiftes vertraut, welcher beizuwohnen ich hier Gelegenheit hatte. *) war ein reinlicher Menschenschlag, Nur mit Mühe konnten wir einige ihrer Kämme (Fig. 18.) einhandeln, die aus zierlich verbundenen dünnen Spänen von schwarzem P almenholze bestehen. Hier erhandelte ich auch eine Tabacksdose (Fig. 48.), aus der seltenen Muschel Bulimus Gallina sultana, und einen, aus einem einzigen Stücke Holz geschnittenen, Fussschemmel. (Fig. 44.) *) Die Basis des Pfeilgiftes der Indianer vom Yupurd liefert ein dünner Baum, der Rouha- mon gujanensis, Aubl., (ein Strychnos, L.), der in der Tupi Urari-üva heisst. Die einge- weichte Rinde ward von dem Juri- Taboca mit den Händen ausgepresst, und der gelblichte Saft in einer flachen Schüssel über gelindem Feuer eingedickt, indem ähnliche wässerige Auszüge von der Wurzel eines Pfefferstrauches (Piper geniculatum), von der eines mir unbekannten Baumes Taraira- Moira, d..i. Baum des Fisches Taraira, von der Rinde eines Cocculusstrauches (Coc- culus. Jneme, M.) und eines schlingenden Feigenbaumes, zusammen etwa in gleich grosser Menge, dazu gegossen wurden. Dieses gemischte Extract, von der Consistenz eines dicken Syrups hatte über dem Feuer eine dunkelbraune Farbe erhalten, als es in kleine Schälchen, deren jedes etwa zwei Unzen fasst, gegossen, und im Schatten der Hütte der Abkühlung überlassen wurde, Vorher steckte der Indianer noch in jedes Schälchen eine kleine Frucht von der Beisbeere (Kiynha-avi), und nun war das Urari fertig. Die Indianer frischen es, wenn es schwach ge- worden, durch Zusätze, besoırders des spanischen Pfeffers und der Wurzel von Piper genicula- tum, wieder auf. Ohne Zweifel sind die vier, als Zusätze genannten, Pflanzen minder wesent- lich und könnten wohl durch andere ersetzt werden. Nach der Aussage mehrerer Brasilianer werden auch andere Stoffe, z. B.. die Milch von der Euphorbia eotinifolia, von Hura crepi- tans, oder die adstrigirenden Früchte der Guatteria venefieiorum, M., und von abergläubischen In- dianern der erste Frosch, den man an jenem Tage rufen hören, die grosse schwarze Ameise, oder Zähne von Giftschlangen beigesetzt. Die Erfahrung in Manacaru bewies mir, dass das €Eurare von Esmeraldas am Orenoco, das Wurali von Surinam und das Urari: vom Yupurä - 11. Theil. 157 1238 N | | | ; Während wir diesem Geschäfte zusahen, ertönte ein unmässig lautes Geheule und Geschrei, das uns erschrocken nach der andern Seite des Dorfes zog: Wir fanden eine der Hütten offen, und drei Indianer be- schäftigt, den Leichnam eines der Bewohner darin zu begraben. Schon am Abend vorher war ich hingerufen worden, um eine „Arznei der Weissen, Caryba pocanga‘ anzuwenden, hatte aber den Kranken, der an Wassersucht von Verhärtung‘ der Unterleibsorgane litt, schon im Sterben gefunden. Der Leichnam war jetzt, das Haupt zwischen den weit heraufgezogenen Knieen (also vollkommen in derjenigen Stel- lung, worin man die mit Ponchos umwickelten Leichen in den Huacas von Peru zu finden pflegt) , zwischen Stücken von Baumbast zu einem runden Knäuel zusammengebunden, und in ein vier Fuss tiefes Loch in der Mitte. der Hütte gebracht worden, (wie diess unter Andern auch bei den Wilden in Canada der Brauch ist). Eine dünne Schicht von Erde ward über ihn ausgebreitet, dann sprangen die Schwester des Todten und zwei Männer, welche in derselben Hütte wohnten, hinein, und traten die Erde unter furchtbarem Geheule fest. Es dauerte wohl eine halbe Stunde, bis diese gräuliche Ceremonie vollendet war; mein Herz wandte sich zerrissen davon ab, denn das Geschäft selbst und die Rlage der Todtengräber, besonders der Schwester, die.unter hefligem Schluch- ein und dasselbe Hauptprincip, aus der Rinde derselben Strychnee, enthalten. Diese Pflanzengruppe bietet in d@r Ignatiusbohne und in den Krähenaugen ebenfalls sehr giftige Stoffe dar, Wahr- scheinlich ist:das wirksame Prineip Strychnin, oder ein diesem verwandter Stoff. — Es ist übrigens bekannt, dass dieses merkwürdige Gift nur durch unmittelbare Berührung mit dem Blüte tödtlich wird. Indianer, die sich umbringen wollten, haben es in grösseren Gaben ir “schluckt, ohne üble Wirkung zu verspüren; ja sie halten es für magenstärkend, Grosse Gaben ‚von Zucker, Salz oder Adstringentien sind die Gegengifte ; allein nach vollkommuer Aufsaugung des Stoffs richten sie nichts mehr aus, und der Verwundete stirbt, mit Abnahme der thierischen Wärme und des Athmungsprocesses, an den Zufällen ‘einer Apoplexia nervosa , oft schon binnen wenigen Minuten, Das Pfeilgift der Tecunas wird, nach dem Muster der Pflanze, die Sr1X er Tabatinga mitgebracht hat, von einem Schlingstrauch (tupi : Urari'- $Sipö), einer Menisperm®a, vi leicht vom Coceulus Amazonum, M. bereitet, und ist wahrscheinlich Pierotoxin. . Der wesentlich wirksame Bestandtheil sowohl dieses Giftes als des der Juris, der Miranhas und anderer India- ner am Yupurd und am Rio Negro ist in Wasser, wie in Weingeist auflöslich. Vergl. Aus führlicheres hierüber in: Marrzus über das Pfeilgift etc. in Buchners Repert. d. Pharm. B4.56.H.5 LU 1239 zen stets die Frage hervorschrie: „wer wird mir nun Affen jagen, wer wird mir Schildkröten bringen?“ u. s. f., hatte einen an Thierheit gren- zenden Ausdruck, und schien zuzunehmen, je mehr sie sich bei dem Einstampfen erhitzten. Eine andere schwer Erkrankte in derselben Hütte schien von der Aussicht auf ein ähnliches Schicksal nicht ergriflen; sie lag bewegungslos in der Hangmatte, und sah dem Begräbnisse ruhig zu. Dieses Trauergeheul (tupi: Jaceon) dauerte bis gegen Abend, da die Rla- genden vor Erschöpfung nicht mehr konnten; aber in der Nacht ward ich von Neuem durch die Schwester aus dem Schlafe geheult. Besonders .auf- gefallen war mir, dass ich diese Trauernden keine Thränen hatte ver- giessen sehen. Der Tubixava Grecorro, darüber befragt, gab mir die schreckliche Antwort: „Tapuüya uü ucga tykyr, der Indianer frisst seine Thränen!“ Die Hütte des Todten sollte von den übrigen Einwoh- nern nicht jetzt, sondern nur gelegentlich, verlassen werden. Die be- schriebene Art die Todten zu begraben, ist übrigens nicht allgemein bei diesen Indianern. Viele stecken die Leichname in grosse irdene Ge- schirre, welche sie innerhalb oder vor den Hütten begraben. Nach ‚den über diesen Gebrauch eingezogenen Nachrichten haben die ver- schiedenen Stämme, welche sich ihm hingeben, nicht gleiche Absicht dabei. Die Meisten bezwecken damit ein ruhiges und sicheres Begräb- niss, Manche aber eine spätere Versetzung der Gebeine in andere Orte, nachdem sie sie gereinigt und in Bastkörben zusammengeschichtet haben, Dieser Gebrauch weist auf die niedrigste Stufe der Neigung gewisser Völker hin, sich mit den Leichen ihrer Vorfahren zu beschäftigen; wir fanden etwas Aehnliches bei den Camacans (vergl. I. $. 692.); weiter entwickelt ist die Sitte jener Indianer am Orenoco, die die Skelete ihrer Vorfahren in der Höhle von Ataruipe aufbewahren, und das vollendetste Monument von derselben finden wir in den Mumien der Guanchen und Aegyptier. Sie mag dem Ethnographen um so bedeutsamer erscheinen , als sie mit der geringeren oder höheren Ausbildung der Ideen von der Seele und der Seelenwanderung in Verbindung steht. Diese Juris, unter welchen wir hier einige Tage ausruhten, waren übrigens ein gutmüthi-. ger, tneilnehräiender Menschenschlag, und überaus gesprächig gegen 157 _* * 1240 die Stammverwandten, welche wir mit uns führten. Bei langen Reden wiederholten sie gewisse Worte als Betheuerung, etwa so wie das Atea der Cherokesen, das gleichbedeutend mit dem hebräischen Amen syen soll, Meine Gesundheit schien sich durch einige Rasttage, während wel- chen wir besonders minder von den Insecten beunruhigt wurden, ge- bessert zu haben, und wir schifften uns daher am ı5. Januar ein, um nach drei Tagereisen das Land der Miranhas zu erreichen, von deren Verkehr ich die meiste ethnographische Ausbeute zu erhalten hoffe. Der Strom war aber gegenwärtig so sehr entleert, und so voll Sand- » bänke und Stromschnellen zwischen diesen, dass wir jenes Ziel erst am fünften Tage erreichten. Ich hatte auf diesem Wege zwei heftige Anfälle ‚eines Quartanfiebers zu bestehen, das ich durch starke Brech- mittel und China abzuschneiden suchte. Der Frost erschien gleichsam ‚nur versteckt als schwere Mattigkeit, ihm folgte jedoch heftige Hitze und Ropfweh. Auch mein Reisegefährte und viele Indianer begannen an ähnlichen Beschwerden zu leiden. Wir gaben vorzüglich dem war- men und trüben Wasser, dessen Temperatur kaum unter 25° R, stand, die Schuld des gemeinschaftlichen Erkrankens. Alte Indianer schlugen vor, es zu klären, indem sie aufgeschnittene Stücke von Fackeldisteln hineinlegten, allein von diesen Gewächsen fehlen die grossen, fleischi- gen Formen, die in Pernambuco und Bahia einen wesentlichen Zug der Pflanzenphysiognomie bilden, hier fast gänzlich, und nur kleine stachelge Parasiten erscheinen. Ich suchte daher das Wasser durch die schle- migen Beeren der Ambauva (vergl. oben $. 1130.) zu reinigen, die ihm überdiess einen angenehmen Geschmack ertheilten. An Speisen fehlt es nur Cap. Zany und mir, da der Vorrath an Hühnern zu Ende g% gangen war. Wir hatten auf dem Wege hierher den Tubixava GRE- sorıo mit einem Nachen in den Miriti-parand abgesendet, um UN Hühner und Federschmuck von den dortigen Mallocas der Coretus , Le runas und Yupuas zu verschaffen; allein diese Zufuhr sollten wir ei viel später erhalten. Oberhalb Manacarü passirten wir an der Mün- dung eines nicht unbeträchtlichen Flusses an der Südseite, der von den \ 1241 Indianern Met4 genannt wurde. ”*) Die übrigen Confluenten, denen wir begegneten, schienen verhältnissmässig kleiner und von geringer “ Ausdehnung. Der Strom selbst ist immer noch von niedrigen Ufern. beschränkt, die wie bisher, mit Ausnahme des Sandsteinberges von Cupati, aus dem braunen, rothen oder violetten Sandeisenstein oder aus rothem Thone bestehn. Die Hütten der Miranhas, welche von den Portugiesen ihr Hafen, Porto dos Miranhas, genannt werden, liegen nur wenig über dem Spiegel des Flusses. Wir sahen uns beim Aus- steigen von mehr als fünfzig Männern des Stammes umringt, die uns ohne Scheu begrüssten und unter lebhaftem Gespräch und Geschrei zu dem Anführer geleiteten. Obgleich kein Einziger portugiesisch oder tupi sprach, wollten sie sich doch Alle ungesäumt in Verkehr einlassen, Als wir in die Hütte des Anführers, ein grosses Gebäude mit mehreren Gemächern, gekommen waren, nahmen sie ihre an den Wänden um- herstehenden vergifteten Wurfspiesse, und stellten sich erwartungsvoll um die Thüre, durch welche endlich der Herr des Hauses eintrat. Die- ser Häuptling hatte, wie alle Uebrigen, die wir bis jetzt gesehen, einen christlichen Namen angenommen, obgleich er wohl schwerlich je ge- tauft worden war. Joäo Manor. war nicht blos unter seinen Miran- has, sondern im ganzen obern Yupurä bekannt und gefürchtet. Wahr- scheinlich hatte er Muth und Unternehmungsgeist genug gehabt, sich Sclaven von seinem oder von den benachbarten Stämmen zu erwerben, und sie an die Weissen zu verhandeln. Im Verkehre mit diesen hatte er denn einige europäische Sitten angenommen: er ist stolz darauf, stets (in Hemd und Beinkleid) gekleidet zu gehen, von einem Porcellanteller zu essen und sich täglich den spärlichen Bart zu machen. Portugiesisch versteht er nicht, aber in der Lingua geral drückt er sich energisch aus. Seltsam sticht die Halbbildung dieses Häuptlings gegen die Horde % *) Er soll in seinem oberen, nach fünf Tagereisen zu erreichenden, Gebiete eigenthümliche Verbindungen mit einem andern, weiter westlich gelegenen, machen, den die Indianer uns Ipü nannten, oder, wenn die undeutlichen Berichte der Indianer anders zu verstehen gewesen wären, findet Verbindung zwischen dem Meta und dem Nebenflusse des Ica, dem Upi Statt, Die Indianer verlegten in diese Gegend reiche Cacaowälder und zahlreiche Wohnsitze,, besonders der Uainumas, 1242 ab, der er befiehlt: Menschenfresser , die kaum die angeborne Sprache sprechen, keinen Begriff von Oberherrschaft kennen noch dulden, in dumpfem Uebermuthe nur sich‘ selbst befehlen wollen, sind sie unbe- wusst, aus Trägheit, Stolz und Eigennutz , seine Diener und Untertha- nen geworden. Denn lediglich der Verkehr mit den Weissen, den er für Alle zu leiten weiss, scheint ihm das Uebergewicht gegeben zu ha- ben, das er bei seinen Stammgenossen geltend macht; aus einem Han- delscommissionär ist er Befehlshaber der Horde geworden. Ueberhaupt aber möchte ich annehmen, dass es, etwa mit Ausnahme des Kriegs, immer ähnliche Verhältnisse seyen, durch welche die rohen Indianer vermocht werden, Einem aus ihrer Mitte ein Uebergewicht einzuräu- men. Diese Leute empfingen uns übrigens mit einer Lebhaftigkeit, ei- ner heiteren lärmenden Beweglichkeit, die gar sehr von der traurigen Gravität abstach, womit wir gewöhnlich von Indianern aufgenommen wurden. Wir schrieben wohl nicht mit Unrecht diese Naivetät, diesen sanguinischen Antheil an Allem, was uns betraf, dem freieren Natur- stande zu, worin sie sich, ER von Weissen, ohne Kunde von Froh- nen, die für alle FR ein Schrecken sind, ale ein mächtiger Stamm den Uebrigen selbstständig gegenüber, Enden. Roh bis zur Thierheit fand ich bei genauerer Bekanntschaft diese Miranhas, aber jene Hin- terlist, Furchtsamkeit und Kleinheit der Gesinnung, wodurch sich der an Indianer oft zum Gegenstand der Verachtung seiner Nachbarn macht, ist ihnen fremd. Sie sind ein kräftiger, wohlgebauter, dunkel- gefärbter Indianerstamm. Ihre breite Brust entspricht dem breiten Ant litze, welches noch mehr in die Quere gezogen erscheint durch den abscheulichen Gebrauch, die Nasenflügel zu durchbohren, und darin Holzeylinder oder Muschelschälchen zu tragen. *) Von dieser aleichin t 3 Dieses Abzeichen entstellt mehr als irgend ein anderes, das ich gesehen , das Antlitz, vo ich, wenn die Ausdehnung der Nasenflügel so weit getrieben worden, dass sie den Na- Aa. blosslegt. In solch grässlicher Vollkommenheit des Schmuckes müssen die ausge dehnten Nasenflügel gestützt werden, wesshalb man sie im Innern mit einem Bändchen aus Palmblättern ausfüttert. Die Weiber, welche immer Zeit und Lust haben sich zu putzen , Ber ben es hierin am weitesten; ich sah welche, die die Ringe der Nasenflügel über die Ohren Fr 1243 erblich gewordenen Verunstaltung mag die Breite der Nase herrühren, die ich an allen Miranhas als physiognomischen Charakter wahrzuneh- men glaubte. Uebrigens tragen sie in ihren Gesichtern zwar den Aus- druck der ungebundensten Rohheit, zugleich aber jene Gutmüthigkeit , ohne welche wir den Menschen im Naturzustande nicht denken können. Ihr Stamm ist der zahlreichste und mächtigste im ganzen Stromgebiete des Yupurä, östlich von der grossen Katarakte; man nimmt an, dass er sechstausend Köpfe zähle, die von dem Flusse Cauinari nach Westen, zwischen dem Ica und Yupura und dem Rio dos Enganos und also vor- züglich auf der Südseite des Yupurä hausen. Nach dem Tubixava Ma- noeL nehmen sie die Wälder fünfzehn Tagereisen landeinwärts vom Strome, d. h. wenigstens auf fünfzig Legoas weit, ein. Es giebt meh- rere Horden, die verschiedene Dialekte spreghen, und unter einander selbst Krieg führen. Der Tubixava gehört mit dem grössten Theile seiner Leute zu der Horde der Schnackenindianer: Miranha Carapand- Tapuiya, und lebt in erklärter Feindschaft mit den Miranhas im Innern und mit den Menschenfressern Umauas, die oberhalb der Katarakte von Arara-Coara am Yupurä wohnen. Nach unserer Ankunft beorderte pen mussten, damit sie nicht schlaff herabhingen, Das Zuspitzen der Eckzähne trägt dazu bei, das Gesicht dieser Wilden vollkommen zu entmenschen, (Vergl. das Porträt des „Miranha“, von der Horde Carapana Tapuüja, im Atlas.) Selten trägt der Miranha ein Pflöckchen (Taboca) quer im Nasenknorpel, aber häufig ist dieser Schmuck oder ein Büschel Ararasfedern in den Ohren. Die Tabocas sind gemeiniglich anderthalb Zoll lang, von der Dicke eines Schwanenkieles, und an beiden Enden mit rother Farbe bemalt. Die Wenigsten haben Tatowirungen im Gesicht , aber der Häuptling selbst war wie ein Juri tatowirt, Bisweilen schwärzen sie alle Zähne. Ein ganz eigenthümliches Abzeichen dieses Stammes bildet endlich ein Leibgurt von weissem Turiribast, der fast die Gestalt eines Bruchbandes hat. Ich habe ihn nur bei diesem Stamme gesehen ; hier aber fehlte er keinem erwachsenen Manne, Dieser zwei Zoll breite Zn wird straff um die 'Lenden, und ein anderes strickförmig zusammengedrehtes Stück Bast wird zwischen den Schen- keln durchgezogen. Das letztere ist vorne angeknüpft, und ragt hinten in der Kreuzbeingegend, wo es mit dem Quergurte verschlungen ist, frei hervor, so dass es wahrscheinlich zu der Sage von geschwänzten Indianern am Yupurä Veranlassung gegeben hat. (Vergl. oben S, 1107.) Subligatur hoc singulari suspensorio solummodo membrum virile, testiculo in utroque latere libere descendente. Innerhalb des Lendengurtes befestigen sie bisweilen einen Büschel von ho -belspänartigen Stücken des wohlriechenden Holzes eines Lorbeers, das ihnen vielleicht als ‚eine Auszeichnung, wie in Europa die Epaulets, gilt. 1244 der Häuptling Boten in die Wälder, mit der Nachricht, dass Weisse ange. kommen seyen, die Handel treiben , und besonders indianischen Schmuck, Waffen und Geräthe eintauschen wollten. Diese Boten kamen jedoch mit der Kunde zurück, dass sich ein Streit unter den Carapand- Tapuiya erhoben hätte, in dessen Folge Mehrere mit gespitzten Prügeln umge- bracht worden seyen. Der Tubixava vernahm diess mit der gröss- ten Ruhe; aber nach einiger Zeit erhob er sich gravitätisch von seiner Hangmatte und sagte: „Ich muss gehn und sehen, was. geschieht; sie sollen den Joao Manwoen kennen lernen, er ist stark und ein wahrer Teufel.“ Im Hofe ward nun lange, in halblautem Gespräche, wobei eine grosse Cigarre von Mund zu Mund ging, Rath gehalten, und end- lich ein Zug in die Waldungen des Innern beschlossen. Der ‚schlaue Häuptling hatte aber hiebei noch einen andern Plan entworfen, den er geheim hielt, und mit seinen Leuten wahrscheinlich nur am Abend im Walde berieth, wohin er sich plötzlich entfernte. Es war zu erwarten, dass wir während seiner Abwesenheit hier weniger für unsere Zwecke thun konnten; und da ich überdiess von Sehnsucht brannte, bis an den Fall von Arara-Coara, gleichsam der natürlichen Grenze meiner Reise, zu gelangen, so ward beschlossen, dass ich während der Abwesenheit des Tubixava dorthin reisen, Cap. Zany aber hier zurückbleiben, das sich Darbietende einsammeln, und ein neues Canot erbauen sollte, in welchem wir die bis jetzt gemachten ansehnlichen Sammlungen und die Menagerie von Affen und Vögeln verschiffen könnten. Vor unserer Trennung wurden noch alle: Indianer aufgeboten, einen grossen Sup der Jacare-üva (Kaimanholz, Calophyllum Inophyllum) zu fällen, und ın den Hafen herabzuschaffen, um aus ihm den Nachen zu zimmer. ug Zany liess ein Gerüste aus Balken errichten, auf denen der Stamm, nachdem er der ganzen Länge nach in eine Spalte aufgehauen ‚war, ‚ wagerecht ruhte, damit er durch allmälige Feuerung von unten mulden- förmig ausgedehnt werden könnte. Während (dieser Voranstalten W auch für die Zubereitung von Mandioccamehl und Beijus durch die In dianerinnen gesorgt, denn unsere Vorräthe fingen an zu Ende zu gehen. In der grossen offenen Hütte hinter der des Tubixava arbeiteten diese e 1245 armen gutmüthigen Geschöpfe mit grösster Emsigkeit, und es schien, als habe unser Besuch, der freilich Glasperlen und bunte Zeuge über Verhoffen brachte, ihnen ein seltenes Glück bereite. Schon vor Sonnenaufgang kamen die alten Mütterchen mit Mandioccawurzeln aus den Pflanzungen zurück, und Alt und Jung beeiferte sich, sie zu schä- len, zu reiben, auszupressen und auf den grossen Darröfen zu backen. Unter den verschiedenen Instrumenten zum Reiben der Mandiocca fand sich eines (Fig. 1. Br „ind. Geräthschaften‘), dessen Gebrauch ich mir verbat: ein Stück Holz, worin -die Zähne erschlagener Feinde befestigt waren, die also gleichsam noch dem Genusse ihrer Sieger dienten. Das Leben in einer solchen indianischen Garküche bietet die seltsamsten An- schauungen dar. Der grösste Haufe kauert nackt umher, und arbeitet schweigend mit vollstem Ernste. Einzelne geben sich anderen Beschäf- tigungen hin: dort malt eine Mutter die Augenlider ihres Säuglings, hier kämmt eine Andere einen wilden Knaben, der sich von Zeit zu Zeit warme Beijus aus der Schüssel zu stehlen versucht, hier nimmt eine Dritte statt des Kindes, das sie eben vermisst, einen kleinen Bar- rigudoaffen an die Brust, eine Vierte spielt mit dem Coatäaflen, der schlau, mit offenen Nüstern und mit erhobenem Schlingschweife, zwischen dem Backheerd und den Feuerstellen einherschreitet, oder sie lehrt dem Papagei sein heischeres Paraud, Paraud. Von Zeit zu Zeit erscheint ein Mann in der Küche; er tritt sachte zu dem Fleischgerichte im To- . pfe und prüft mit dem Finger, ob es bald gar sey, oder er umschleicht lüstern den Haufen der fertigen Beijüs und zerrt langsam, bis ein Theil auf die Erde fällt; da kreischet das Weibervolk durch einander; aber er geht ; als höre er nichts, gravitätisch umher, bis die wohlwollendste unter den Weibern Ruhe schafft, und dem Näscher einen Topf mit ein- gedicktem Mandioccasafte und spanischem Pfeffer (Tueupy pixuna) vor- setzt, worein er nun ungeheuere Lappen der zähen Beijus tunkt, und sprachlos sein Vormahl hält. — Die Hütten dieser Miranhas liegen weit ab von einander durch den Wald, sind aber gross und geräumig, so dass sie gewöhnlich"mehrere Familien beherbergen können. Sie sind viereckicht, mit einem Giebeldache, aus Balken und Latten »leicht ge- II. Theil. 158 ; 1246 zimmert, und an den Wänden mit Letten, oder, wie oben, mit Palm- . wedeln bekleidet. Das kleine dunkle Zimmer, wohin sich die Juris vor den bei Tage verfolgenden Pium flüchten, die Hornitos am Orenoco, sah’ ich hier nicht, wahrscheinlich weil sich die /Miranhas während der Regenzeit, da jene Fliegen am häufigsten sind, mit einem Hemde von dem, bei ihnen vorzugsweise häufigen, Turiribaste bekleiden. Die Hangmatten jeder Familie hängen vom Umkreise FR Hütten gegen die einzelnen Feuerstellen hin. Sie werden in so gr gar nach Parä ausgeführt werden können. *) Obgleich aber die Weiber der Miranhas anhaltend mit diesem zierlichsten Theile ihres Haushaltes beschäftigt sind, und auch andere künstliche Flechtarbeit verfertigen können, so haben sie doch nie daran gedacht, sich selbst Kleidungs- stücke zu machen. Sie erscheinen immer im Gewande der Unschuld, jedoch, was ihnen statt der Rleidung gilt, sorgfältig bemalt. Diese *) Ich tauschte Dutzende derselben gegen einiges wenige Eisengeräthe ein. In der Barra do Rio Negro wird eine Hangmatie der Miranhas um 500 Räis (12 Guld.), in Parä noch‘ theue- rer, verkauft. Es sollen deren jährlich mehrere tausend in den Handel kommen, die zumgnel nach Westindien ausgeführt werden. Die Flechtarbeit der Miranhas wird nicht aus Bantswäße, sondern aus den Fasern ae von ‘ Palmblättchen, besonders des Astrocaryum Tucumd und vulgare (Mart, Palm. t. 62. 63. 65.) gemacht. Auch die feineren Fäden der Ananasblätter verwenden die Miranhas, besonders zum Einschlage der Hangmatten; vorzüglich geschickt sind aber in der Behandlung dieses feinsten Materials die Passes. Die Männer bereiten das Material, indem sie die gewelkten Blättchen auf dem Knie brechen, und ne die Oberhaut abziehen. Diese, dem rohen Flachse ähnliche, Fasern werden in Knäuel (Fig. 12. der ind. Geräthsch.) zusammengedreht aufbewahrt, und nach Gelegenheit mit oder ohne die, aus Palmen- holz geschnitzte, Spindel (ebenda Fig. 13.) zu Schnüren, Stricken und Strängen (ebenda Fig. 17.19: 20,)* verarbeitet. Die Hangmatten werden folgendermaassen verfertigt: Ueber zwei runde Hölzer von fünf bis sechs Fuss Länge wird die den Zettel bildende Schnur gespannt, so dass die einzelnen Umläufe ‚derselben wie die Saiten einer Harfe parallel neben einander zu liegen kommen. Diese Hölzer werden an einem senkrecht stehenden Pfahle oder an der Wand der Hütte über einander befestigt, und die Indianerin knüpft nun mittelst eines glatten Stäbchens, statt des Weberschiffchens, zwei andere Schnüre als Einschlag i in parallelen, gewöhnlich einen Fuss breit von einander stehenden, Binden durch den rch. Ganz ähnlich ist die Verfahrungsart der Tecunas, doch haben die Netze dieses Stam- 5- 10, ebenda)” den Einschlag von Baumwolle. Andere Völkerschaften verfertigen die Netze (tupi: Kygaba) aus gekreuztem Zettel. — Gemalte und mit. Vogelfed verzierte Netze habe Yupurä nicht angetroffen ; wohl aber verstehen die Indianer die Fasern mit dauerhaften vegetad schen Farben zu tränken. er Menge verfertigt, | dass sie von hier aus durch die ganze Provinz von Rio Negro, ja so- 1247 Nacktheit fiel mir hier um so mehr auf, als ich doch bei diesem Ge- schlechte manche bessere Regung zu bemerken glaubte, Während die Männer dem lüderlichsten Nichtsthun ergeben sind, sieht man die Wei- ber ohn’ Unterlass und unermüdet thätig; und selbst eine reinere Gut- müthigkeit that sich in der unverdrossenen Bemühung, uns mit besse- rer Kost zu versehen, und durch Theilnahme an unserer Krankheit kund. - Fast möchte ich glauben, dass das schwächere Geschlecht Ge- müthsanlagen und Temperament des Uramericaners in minderer Stärke entwickelt habe, und dass daher an ihm ein Aufschwung zu höherer Bil- dung noch leichter möglich erscheine. Durch seine Eitelkeit ist es veranlasst, diejenigen, welche ihnen Spiegel, farbige Tücher und Glas- perlen verschaffen, als Menschen vollkommner Art zu betrachten, und ein Gefühl aus Scheu und Bewunderung gemischt bahnt besserer Ein- sicht und der Neigung, den gegenwärtigen Zustand zu verändern, den Weg. So darf man sagen, dass nur die Weiber dieser Miranhas eine Spur von Industrie zeigen. Ausser der Beschäftigung mit Flechtarbeit, dem Anbaue der Mandiocca und der Mehl- und Kuchenbereitung hatten sie auch kleine Pflanzungen von Baumwolle, deren Fäden sie an der Spindel drehten und. mit mancherlei Pflanzensäften färbten. Der Baum- wollenstrauch (tupi: Manym oder Amanym-üva) ist ohne Zweifel dem Indianer von.jeher bekannt. Die Miranhas bereiten auch aus den mehlreichen Saamen, die sie zerstossen und mit Wasser aufkochen, ein dickes Mus, dem sie spanischen Pfeffer zusetzen, zur Nahrung. Die übrigen Pflanzen, welche ich hier in Cultur sah, waren Aypim, Bananen und Urucu. Aus den mandelartigen, dicken Saamenlappen des Ayu-üva (Laurus chloroxylon, Sw.), die fast die Grösse eines Apfels errei- chen, bereiten sie, wie manche Stämme in Surinam, ein feines Satz- mehl, indem sie die Kerne trocknen, pulvern, und den Niederschlag aus dem wässerigen Aufgusse sammeln. Sie schreiben diesem Amylon allerlei medivinische Kräfte, besonders gegen Magenschwäche, zu. Auch die Bereitung einer salzigen Substanz, die statt des Kochsalzes dient, sah ich bei diesen industriösen Weibern. Sie gewinnen sie aus dem jungen Holze des Salzbaumes (tupi: Jukyra-üva), einer „Lecythis , 158* 1248 oder aus den, drei bis vier Fuss langen, Blüthenkolben mehrerer gros- sen Palmen, z.B. der /riartea ventricosa und des Oenocarpus Bataua, welche vor dem Ausbrechen der in die Scheiden eingeschlossenen Blü- then eingeäschert werden. Das so gewonnene Product wird ausgelaugt und die Lauge in einer flachen Schüssel abgeraucht, wo es dann grau- braune Krusten von einem eckelhaft bitterlich saurem Geschmacke dar- stell. Diese Substanz scheint eine unreine Verbindung von Pottasche und Natron mit Essig- und Apfelsäure zu seyn. (Später hörte ich, dass auch andere Bäume: Gurupe und Tanimbuca, Aschenbaum, auf gleiche Art von den Indianern am Solimoes benutzt werden.) Die Kinder, welche an den Beschäftigungen in dem Rancho, wo die Küchenarbeiten vorgenommen werden (tupi: Japuna-oca d. i. Ofenhütte) nicht Theil nahmen, strichen im benachbarten Walde umher, um essbare Früchte und Wurzeln, Amei- sen, Insectenlarven, kleine Fische und Frosehlaich zu suchen. Ich fand sie einstens auch beschäftigt, den Ameisenzunder einzusammeln, einen fei- nen Filz, den die zahmen Indianer wegen der Leichtigkeit, womit er Funken aufnimmt, sehr bezeichnend Tata potaba, d.i. Feuerlust, desi- derium ignis, nennen. (6.) Die Hühnerzucht war diesen Indianern be- kannt; aber sie beklagten sich, dass die Hühner vom häufigen Genusse der Schwaben (Barata; tupi: Arebe), die sich sehr vermehrt hatten, mit dem Sesso (Darmbrand?) behaftet wären, wogegen sie, wie gegen Wunden, Umschläge von zerquetschten Blättern der Cassia alata und anderer Cassien (Tararagu) anwandten. Sie vertauschten an unsere‘ Indianer, gegen die durch Grecorıo vom Mhiriti-parana erhaltenen Hüh- ner, viele Hemden von braunem und weissem Turiribast, den sie in grossen Stücken und mit einer solchen Geschicklichkeit vom Baume ab- zuziehen wissen, dass keine Naht an dem Rleidungsstücke nöthig wird, und den sie dann mit Stöcken schlagen, bis er schmiegsam geworden. Aus dem braunen Turiri machen sie auch Kästchen zur Aufbewahrung: ihres Federschmuckes; aus dem weissen vorzüglich ihre, bisweilen mit Erdfar- ben bemalten, Lendengurte. — Schon am Tage nach unserer Ankunft erschienen mehrere Miranhas aus den Wäldern, hergerufen durch die Holzpauken (Trocano), welche sogleich geschlägen worden waren, Es 1249 sind diess nämlich grosse, ausgehöhlte, oben mit einer gekerbten Längs- öflnung versehene, auf einigen Balken liegende Holzblöcke, welche, wenn mit hölzernen, bisweilen an einem Ende mit einem Knopfe von elastischem Gummi versehenen, Knüppeln geschlagen, einen dumpfen, weithin schallenden Ton von sich geben. Wir fanden dieses Instrument zwar nicht so ausgebildet, als es Gummra (Il. Cap. 56. (. 2.) bei den Cavres beschreibt; doch waren unsere Miranhas übereingekommen , ihren Nachbarn durch verschiedene Schläge darauf Signale von Allem zu geben, was sie interessiren konnte. Kaum war im Hafen unsere Ankunft gemeldet, so erklang aus der Ferne, von jenseits des Flusses derselbe Ton, und der Tubixava versicherte mich, dass in einer Stunde alle Mallocas der befreundeten Miranhas von unserer Gegenwart unter- richtet seyn würden. In den ersten Tagen, da das Interesse für uns noch ganz neu war, konnten wir Nichts unternehmen, ohne dass es durch den seltsamen Tontelegraphen weiter verkündet worden wäre. Bald ertönte es: „der Weisse isst‘‘, bald: „wir tanzen mit den Weis- sen“ und in der Nacht ward angekündigt, dass wir uns schlafen legten. Nur mit Unruhe konnten wir eine Einrichtung beobachten, die, im Falle eines Missverständnisses mit unseren menschenfressenden Wirthen, uns binnen wenig Stunden einer Uebermacht von Feinden überantwor- tet haben würde. Wir warnten daher unsere Leute vor jedem Anlasse zu Streit, und befahlen ihnen, sich nur im Geleite der Männer zu den in der grossen Küche und den benachbarten Schoppen arbeitenden Wei- bern zu verfügen, deren Schritte von ihren Eheherrn mit eifersüchtiger Strenge bewacht wurden. Allerdings befanden wir uns hier unter wah- ren Menschenfressern *): selbst der Häuptling und seine Frau, eine schöne *) Ich liess den Tubixava über die Ursachen der Anthropophagie unter seinem Stamme fragen, und seine Antworten zeigten, dass er und die Seinen dem Gefühle ganz fremd geblie- ben waren, das gesitteteren Völkern den Genuss des Menschenfleisches verabscheuungswürdig macht. „Ihr Weissen“, sagte er, „wollt weder Crocodile noch Affen essen, obgleich sie wohl- PR hättet Ihr weniger Schildkröten und Schweine, so wärtIhr gewiss hierauf verfallen, denn der Me thut weh. Diess alles ist nur Gewohnheit. Wenn ich den Feind erschlagen habe, ist es wohl besser, ihn zu essen, als verderben zu lassen. Grosses Wild ist selten, weil 1250 grosse Indianerin, erst neulich statt der verstossenen aufgenommen, leugneten nicht, öfter als einmal Menschenfleisch gegessen zu haben, Dessen ungeachtet fanden wir, seit langer Zeit an die rohsten und wil- desten Menschen gewöhnt, in dieser gräulichen Umgebung keine stär- kere Veranlassung zu Furcht oder Misstrauen als unter irgend einer andern, freien Indianerhorde. Nicht blos das Handelsinteresse des Tu- bixava, dem daran gelegen seyn musste, auch fernerhin mit Weissen in Verkehr zu bleiben, sondern auch die angeborne Guthmüthigkeit der Leute selbst erschienen bald als Gewähr unserer Sicherheit. In der ersten Nacht hatten Cap. Zany und ich mehrere geladene Flinten in der uns eingeräumten Abtheilung der Hütte aufgestellt, und wir wach- ten wechselsweise; allein Joao MAnoEL verwiess unsere Kleingläubigkeit auf seine Treue, und wir schliefen von nun an sorglos die ganze Nacht hindurch, ein Theil unserer Mannschaft um uns her, ein anderer im Hafen, um die Fahrzeuge zu bewachen. "Es fehlte überhaupt nicht an Beweisen von gutmüthiger Theilnahme von Seite dieses Menschenfres- sers und seiner Horde, besonders da wir vom Fieber gepeinigt wurden, ‚Sie selbst assen dagegen, wie jene Muras (5. oben 5. 1077.) gewisse _ es keine Eier legt, wie die Schildkröten. Das Schlimmste ist nicht das Gefressen werden , soll- dern der Tod; und bin ich erschlagen, so ist's dasselbe, ob der Umaua (er nannte hie; den anerkannten Feind des Stammes) mich frisst oder nicht, Ich wüsste aber kein Wild, das bes ser schmeckte, als Jener; freilich Ihr Weisse seyd zu sauer,“ Offenbar lag in dieser Antwort der Gedanke, dass der Indianer von einem fremden, besonders dem entschieden feindlichen, Stamme ganz wie ein Wild behandelt werden könne. Als ich den Tubixava fragen liess, ob sein Stamm auch die Gefangenen frässe, und auszöge, zu diesem Zwecke Gefangene zu machen, antwortete er: „Einen Gefangenen zu fressen, den ich verkaufen kann , wäre ja unklug wein schmeckt besser denn Blut; aber den Umdua, der sich eher selbst aushungert, die Weissen verhandeln lässt, und der uns so Viele gefressen hat, bringen wir lieber um.“ Von Menschenopfern, als Sühne dem bösen Geist@ dargebracht (einen guten k Miranha nicht), fand ich keine Spur. Denkbar ist es, dass der Wilde den der Blutrache se N enen persönlichen Feind in diesem Gefühle auffrisst; aber davon hörte ich nichts unter die- sen Wilden. Die zahmen Indianer hegen von den Anthropophagen die fürchterlichsten Vorstel- lungen, Sie behaupten, dass sie ihnen vorzugsweise nachstellen; und unter ihnen ist der Tr bixava Cuewi, der vor hundert Jahren am obern Rio Negro lebte, und seine eigenen auffrass, noch gegenwärtig ein Schreckensname, als unter 5 Brannt- glich ennt der. Er Weber Do nn Eure ea 1251 Theile von Affen. *) — Obgleich von kleinen Fieberanfällen heimgesucht, fühlte ich ‚mich doch kräftig genug, am 22. Januar die Malloca der Miranhas zu verlassen, um den letzten Theil der Reise bis zu dem Falle von Arara-Coara anzutreten. . Ich fuhr in einem mit zwölf In- dianern bemannten Rahne, begleitet von zwei Montarias, in deren einer sich der Soldat von Para mit dem Coretü-Häuptlinge Pacncv, in der andern ein Militzsoldat von Ega befand. Snr. Zany blieb mit der übri- gen Mannschaft zurück. Da die Entleerung # Flusses gegenwärtig sehr gross war, so gaben uns die häufigen Stromschnellen viel zu thun, und es kostete um so mehr Mühe, die Indianer durch Branntwein und Zureden munter zu erhalten, als die Plage der Stechfliege Pium im- mer mehr zunahm. Ihre nackten Leiber waren blutrünstig, und mir selbst waren Gesicht und Hände so schmerzhaft zerstochen und aufge- laufen, dass ich mich nur durch öfteres Benetzen mit Branntwein vor offnen sale hien (Piera) schützte. Di» stärkste Breite des Flussbet- tes mochte hier etwa zweihundert und dreissig Rlafter betragen. Es schliesst wenige Inseln ein, die meistens ein junges breccienartiges Ge- bilde aus Geschieben von gelblichtem oder rothem Jaspis, Quarz und violettem oder braunem Sandeisenstein darstellen. Die Ufer bestehen aus demselben Sandeisensteine; die farbigen Lettenbänke werden seltner. Die Vegetation am Ufer behielt denselben monotonen Charakter bei. In das Innere des Waldes einzudringen, war jedoch bei der schwachen Beglei- tung nicht räthlich, theils wegen der Indianer, aus deren Wohnungen ” Sie behaupteten ‚ dass sie dadurch erhitzt und gestärkt würden. (Schon die Alten, Phi- lostr. Vita Apoll. II. c. 4., erzählen, dass der Löwe Affenfleisch fresse, wenn er sich krank fühle.) Von einem anderen Mittel, das mir der Tubixava gegen das Fieber anrieth, will ich lateinisch berichten: Foeminam tibi, inquit, adducam, quacum per hanc noctem jaceas: nihil enim contra febrem praestantins, Sunt foeminae nobis pejores et virulentae (cunhaetä sassi oat), ibique omne, quod nobis inest, malum derivemus, minime ipsis exeo malum inferentes; accedit tunc veneno venenum. — Infer horum Indorum mores et alium latino sermone commemorare lubet , alvi scilicet dejectiones, ee quo posuerant loco, terra obruendi. Me ipsum, quoties, ut hoc Til negotio fungerer, sylyam intrarem, continuo puellula insequebatur, matris jussu, quae baculo curaret, ne immunditiae quid superesset. — Pediculos pro yeris hostibus habent, -quos pectine captos non digito opprimunt, sed, ut graviore supplicio eos afficiant, non sine A dentibus mordent, 1252 im Walde wir Rauch aufsteigen sahen, theils wegen der Onzen, die wir Vormittags am Ufer saufen sahen, oder deren Fährten uns beim Anlanden zur Bereitung des Mittagsmahles begegneten. Die itrökodile waren schon seit den Fällen von Cupati sehr selten geworden, weil stärker fliessende und kühlere Gewässer (hier im Hauptstrome gewöhn- lich von 23°R.) ihnen und den Schildkröten minder behaglich sind. Am zweiten Tage passirte ich die Mündung des Rio Fra (Honigfluss), am dritten die des Rio Uvania, der vielleicht nach dem Rio dos Enganos (Cunhary oder Tauaxamini) der wasserreichste Beifluss in diesem Ge- biete ist, wenigstens nımmt die Breite des Beites von nun an noch mehr ab, und mag im Durchschnitte gegen hundert und fünfzig Rlafter be- tragen. Am Abende des dritten Tages fand ich an dem kleinen nörd- lichen Beiflusse Jul den ersten Granit zu Tage anstehend. Es ist ein klein- körniges, sehr dichtes, fast porphyrartiges Gestein von röthlichter Far- be, und hie und da.noch von_der Formation des Sandeisensteins in acht bis zehn Fuss mächtigen Schichten bedeckt. Im Strome und an seinen Ufern erschienen wiederholt ausgedehnte Lager der bereits erwähnten Breccie aus Quarz, Jaspis und jenem Sandsteine. Bänke davon, die hie und da das Wasser durchsetzen, drohten die Fahrzeuge zu beschä- digen, und zwangen zu grossen Umwegen. Diese Formation verschwand aber gänzlich, als wir am Morgen der vierten Tagereise einige Win- dungen erreichten, die die Indianer Pussu (Pouco) agu, d. i. g7088 Löcher, nannten. Der Fluss arbeitet sich hier zwischen grotesken Gra- nitblöcken durch, und bildet mehrere Wirbel, die während des Hoch- wassers gefährlich zu passiren seyn sollen. Hier war es, wo mir ZU- erst die seltsame bleigraue Farbe der Felsen überall an ihrer Oberfläche, wo sie von Wasser berührt werden konnte, auffiel. Die Gegend er- hält durch diese monoton und düster gefärbten Felsenmassen, welche, von der Sonne beschienen, einen matten Glanz verbreiten , einen schwer-. müthigen ‚Charakter. Ich habe diese dunkelgefärbte Schichte nu ” Granit, und zwar an sehr harten Arten desselben, gefunden; vielleicht, weil weichere Gebirgsarten eher neue Oberflächen bilden, als die alten auf diese eigenthümliche Weise verändern. Auch der harte, ganz weisse 1253 Sandstein von Cupati ist da, wo er vom Wasser berührt ward, mit ei- ner kastanienbraunen Schicht an der Oberfläche versehen, welche sich nur als eine gradweise, von Aussen nach Innen geschehene, Oxydation des Eisens darstellt. Unstreitig spielt dieses Metall auch bei der Färbung der Granitflächen eine wichtige Rolle (vergl. II. S. 70g9.); aber eine che- mische Analyse hat noch nachzuweisen, in wie ferne hier Zersetzung mittelst der tropischen Sonne und des Wassers und Absetzung aus dem letzteren untereinander greifen. Als wir Pougo-assü passirt hatten, schien sich Alles zu verbünden, die Schifffahrt noch mühseliger und trauri- ger zu machen. Die Strömung, nach meinen Messungen Y, bis 34 Fuss in der Secunde, machte bisweilen die äusserste Kraftanstrengung nö- thig, wenn wir eine Ecke zu doubliren hatten, Die Indianer, sonst von un- verwüstlicher Ausdauer, fingen an, schwerer am Fieber zu erkranken und sich über die Plage der Pium lebhaft zu beklagen; und ich konnte ihr Mur- ren wohl rechtfertigen, wenn ich ihre blutigen Rücken betrachtete. We- gen der häufigen Rifle und Klippen durften wir auch nicht mehr wagen, bei kühlem Mondenschein zu fahren, wo jene plagenden Harpyen sich zurückziehen. In gleichem Maasse als die Gewässer reissender, die Ufer steiniger, wurde der Wald um uns her zwar niedriger aber auch dichter; finster hängt er über den Fluss herein, kein Vogel lässt sich in ihm hören, kein Wild kommt an’s Ufer herab, und schwer und grausenhaft lastet die Einsamkeit auf dem Gemüthe des Reisenden. Zu all dieser Noth gesellte sich die Bösartigkeit jenes Soldaten, den wir von Parä als Sauvegarde mitgenommen, der sich aber, seiner früheren Auffüh- rung gemäss (wir erfuhren später, dass er ein Degradado aus Portugal war) immer deutlicher als ein widerspenstiger, ja aufrührerischer “Ge- selle zeigte, und seine Hülfe im Nothfalle'zu entziehen suchte. So war er eines Abends mit seiner Montaria zurückgeblieben, und da auch der andere Nachen, den ich zum Fischen auf das jenseitige Ufer geschickt hatte, ausblieb, musste ich allein auf einer Sandinsel anlanden, um die Nacht zuzubringen. „Die Indianer erblickten hier Fusstritte von Menschen im Sande, die sie ken Umäuas zuschrieben, und sie erschracken hierüber so sehr, dass sie in den Kahn springen, und entfliehen wollten. ‚Il. Theil. 159 1254 Mit Mühe hielt ich sie zurück, indem ich die grössere Gefahr vorstellte, wenn Jene uns am Ruderschlag bemerkt hätten, und zwang sie, auf der Spitze der Sandinsel niedergekauert, ohne warme Speise zu berei- ten, die Nacht zuzubringen, während ich wohl bewafinet, aber fieber- schwach, eine feuchte Nacht hindurch Wache hielt. Allein, unter ei- nem Schwarme halbwilder oder treuloser Menschen, gingen die trau- rigsten Bilder durch meine Seele, und schmerzliche Gefühle bemeister- ten sich meiner um so mehr, als ich schon seit zwei Tagen wieder beständige Febrieitation und gegen Abend zunehmenden Frost bemerkte, eine Krankheit, deren Ausbruch wahrscheinlich durch die Anstrengung jener Nacht beschleunigt wurde. An den Barrancos (Wänden) de Oacari, eine Tagereise weiter gen N. W., erheben sich die Ufer, be- sonders das linke, “über hundert Fuss, und landeinwärts steigt das Terrain noch höher an. *) Die Nacht vom 26. auf den 27. Januar brachte ich, mit den andern beiden Montarias wieder vereinigt, auf einer kleinen Insel in der Mitte des Stromes zu, die gegen Osten eine freie Sandbank und ein Riff von Sandeisenstein zeigte. Hier fanden wir viele Spuren von einem kürzlichen Besuche der wilden Umauas: Feuerstätten, zerbrochene Schüsseln und Pfannen, Reste einer rohen Art von Zwieback, die sie aus den Beijükuchen machen, und ihr La- ger selbst. Diess waren noch halbfrische Blätter der grossen Baxiuva- ee ” *) Diese steilen Wände von Lehm sind es unter andern, wildhe dem Yupurd den Ruf di nes metallreichen Flusses gegehenshaben , denn hier kommen, in den Letten selbst eingebettet, schwere glänzende Steine vor, die von den Indianern als schätzbares Metall schon bis Ega 5% bracht worden waren, wo ich in ihnen nichts weiter als Schwefelkies erkannt hatte. Ausser ih- nen fand ich aber nur Lager von schöngefärbtem bunten Thon, mit dem herrschenden röthlichen Letten wechselnd, und darunter die allgemein herrschende Formation des Sandeisensteines, ” oder durch den Fluss manchfaltig verändert, so wie endlich grosse Bäume, die eingeschwemm und in Braunkohle umgebildet worden waren, Das Wasser der Quellen, welche aus isn Lettenwänden hie und da ausbrechen,, war beträchtlich kühler als das des Flusses, schmer aber nicht En rein, und ward Bürch die adstringirende Rinde einer Acacia, die ich M warf, getrüht. - Ich glaube, dass es eisenhaltig ist, und da die, dem Wasser diesen Bestar mike Formation so weit verbreitet ist, so wäre denkbar, dass jener Eisengehält dem Wasser des oberen Yupurd überhaupt zukäme, und dadurch zur u der hier ‚endemi- schen, fast allgemeinen, Leber - und Si Sage mitwirkte. 1255 Palme, nebeneinander aufrecht in den Sand gesteckt, so dass sie eine Reihe halbmondförmiger Lauben bildeten, die wenigstens den Oberleib jener Indianer vor dem Nachtthaue schützen konnten. Ich wünschte sehnlich, Einige dieser gefürchteten Nation zu Gesicht zu bekommen, glaubte auch am nächsten Morgen meinen Wunsch schon befriedigt, als ich in einer Bucht ein sehr langes, schmales, an beiden Seiten auf- steigendes Fahrzeug erblickte, welches meine Leute für ein Ubä der Umaäuas erklärten. Bei unserer Annäherung fanden wir jedoch einen Mamelucken aus Ega darin, der mit seinem Gefolge Salsaparilha aus- zog. Er erzählte, dass er bei seiner Ankunft, vor einigen Tagen, eine Flotille von mehr denn zwölf Ubäs, jede mit acht bis zehn Mann, ge- troffen habe, die sich bei seinem Anblicke sogleich stromaufwärts in Flucht gesetzt hätte. Das Ub& hatte er ohne Equipage am Ufer ge- funden. Es enthielt mehrere Zwiebacke, ein kleines viereckichtes Schild, (S. „ind. Geräthsch.““ Fig. 26.) Pfeile, Bögen, Ruder, und war wahr- scheinlich im ersten Schrecken verlassen worden. Ich musste mich nun rücksichtlich dieses Stammes auf die Aussagen seiner und meiner Leute verlassen. *) — Am 28. Januar, acht Tage nach der Abreise von den *) Die Umauas, Umauhas (auch Mauas, Berredo Annaes p. 313. vergl. oben Kap. 3. Note 7.) bewohnen einen ausgedehnten Landstrich westlich und nördlich vom Rio dos Enganos und dem Rio Messal, der seinen Lauf durch trockne steinige Fluren nimmt. Sie sind also ei- gentlich Indios Camponeses, und kommen in die Wälder am Yupurä nur dann herab, wenn sie Urari-üva, der bei ihnen nicht wächst, holen, oder wenn sie auf die Miranhas, oder auf die wil-- den Huagues, (Huates, Guates) von welchen Hr. von Humsoror berichtet, dass sie Murcialegos, Fle- dermäuse, genannt würden, weil sie ihren Gefangenen das Blnt auszusaugen pflegten, unversöhn- liche Feinde, die sich gegenseitig fressen, Jagd machen. Sie sind zahlreicher und unterneh- mender als diese, und erkennen die spanische Oberbotmässigkeit an. Man beschreibt sie als schlanke aber breitbrüstige Leute, vor Jugend auf um die Lenden mit Turiribast gegürtet, Sie rudern stehend, und geben dadurch ihren Ubds solche Geschwindigkeit, dass es fast unmöglich ist, sie einzuholen. Mit den Portugiesen zu verkehren scheuen sie sich; aber den Spaniern verkaufen sie gegen Eisengeräthe, Glasperlen u, dgl. vorzüglich gelbes Wachs, das in ihrem Lande in Menge vorkommt. Ich sah die Schürze (tupi: Oca, caraib,: Guay-uca) eines Umaua, die viel künstlicher als irgend eine der brasilianischen Wilden aus farbigen Baumwdi- len-und Palmenschnüren geflochten und schwer von bunten Glasperlen war. Sind vielleicht diese * Umauas die Omaguajes oder Amaguajes (oder Coreguajes) der spanischen Mission $. Antonio? — Weiter nordwestlich von ihnen wurden mir die Xeberos und nördlich die Uruminis genannt, beide wilde Stämme. Von den Tamas Indianern habe ich in Pe a nichts vernommen, 1250 Miranhas, sollte ich endlich das Ziel meiner Reise erreichen. Zwischen gefährlichen Klippen, im steten Kampfe mit der zunehmenden Strömung, gelangten wir an eine kleine Felseninsel, neben welcher der Rio dos Enganos von Norden her in den Yupura fällt. Der Hauptfluss wird an der Südseite der Insel auf die Breite eines Büchsenschusses eingeengt, und brausst schnell an einer Granitwand hin, die, mit dichtem Gebüsche von Ubi (Rohrpalmen, Geonoma paniculigera, Mart. t. 10.), gross- blättrigen Farnkräutern, Aronstauden und Carludovica überwachsen, einen grotesken, überaus frischen Anblick darbietet, dergleichen ich schon lange, wohl seitdem ich die felsigen Urwälder von Ilheos durch- wandert, nicht mehr gehabt hatte. Hitze, Mosquiten und Krankheit hielten mich in der verdunkelten Cajüte zurück, als endlich Nachmit- tags das jubelnde Geschrei der Indianer: Arara-Coara icke cekoi, hier ist Arara-Coara (Araraloch), mich hervorrief. Der Strom hat hier einen Berg durchbrochen, windet sich von N. W. her durch die auf der Ostseite steil abgeschnittenen Granitwände, und stürzt, beim Aus tritt aus der Schlucht, donnernd und in Schaum aufgelöst, über aufge- thürmte colossale Felsenmassen. Der Fall, dessen Höhe vom Eintritt des Stromes in die Schlucht bis zum ruhigen Wasser unterhalb dersel- ben sechzig Fuss betragen mag, bot bei der dermaligen Entleerung ein minder gewaltiges Bild des siegreichen Elementes dar, vielleicht aber war es um desto wilder und düsterer. Gigantische, abgerundete Fel- sentrümmer von glänzend dunkelbrauner Oberfläche liegen, wie ein steinernes Meer, an beiden Ufern bis zur senkrechten Felswand und ausserhalb der Schlucht tief landeinwärts im Walde, so dass das Hoch- wasser wohl dreimal so weit ausgebreitet hier durchstürzen möchte. Die Vegetation am tiefsten Ufer bilden zahlreiche dichte weidenartige Gebüsche von Myrten und Psidium; weiter aufwärts ein düstrer Urwald, aus dem schlanke Assaipalmen aufragen, hie und da dichte Gehäge Son Baumgräsern, mit Schaften von der Dicke eines Schenkels. Da wo die Granitfelsen ‚einer Vegetation Raum gönnen, sind sie mit dem Laube der Mertensia dichotoma, eines wuchernden mannshohen Farnkrautes, so dicht bewachsen, dass sie, von Ferne gesehen, mit einem hellgrünen 1257 Moospolster überzogen scheinen. Oben am Rande der Felsenwand, die sich hie und da wohl hundert und fünfzig Fuss hoch erhebt, sah ich kleine Bäume, gleich‘ denen der Taboleiros in Minas, ihre Aeste aus- breiten. Tief ergriffen vom Schauder dieser wilden Einsamkeit setzte ich mich nieder, um eine Zeichnung davon zu entwerfen (Vergl. ‚Ara- ra-Coara“ im Atlas); aber ich versuche nicht, dem Leser die Gefühle zu beschreiben, welche sich während dieser Arbeit in meiner Seele drängten. Es war diess der westlichste Ort, wohin ich meine Reise ausdehnen konnte. Während er mich mit allen Schrecknissen einer der Menschheit fremden, starren Wildniss einengte, fühlte ich mich von einer unaussprechlichen Sehnsucht nach Menschen, nach dem ge- sitteten, theuren Europa ergriffen. Ich dachte, wie alle Bildung, wie das Heil der Menschheit aus Osten gekommen sey. Schmerzlich ver- glich ich jene glücklichen Länder mit dieser furchtbaren Oede; aber doch sah ich dankbar freudig mich hier; noch einen Blick nach Oben, und muthig kehrte ich Sinn und Herz wieder nach dem befreundeten _ Osten um. Von den Klippen oberhalb des Eintritts des Yupura zu den Fahr- zeugen zurückkehrend, ward ich durch die begleitenden Indianer auf einen hervorragenden Felsen aufmerksam gemacht, an dem sich einige nur wenig sichtbare Sculpturen befanden. Jene näherten sich ihm ehr- furchtsvoll, und fuhren den leicht eingegrabenen und durch Verwitte- rung halb unkenntlichen Figuren mit dem Zeigefinger nach, indem sie ausriefen: Tupana, Tupana (Gott) Nach längerem Betrachten unter- schied ich fünf Köpfe ($. die Tafel: „Sculpturen auf Felsen“) deren vier mit einer Strahlenbinde (Calantica?), der fünfte mit zwei Hörnern ver- "sehen war. Diese Sculptur war so sehr verwittert, dass sie auf ein hohes Alter zurückzudeuten schien. Näher am Strome entdeckte ich auf einem platten horizontalen Felsen, der etwa neun Fuss lang war, einige andere Figuren, die das Wasser bei hohem Stande erreichen . konnte, und fast schon unkenntlich gemacht hatte. Es waren sechszehn ; Zeichnungen, eben so roh als jene ausgeführt, die Schlangen, Onzen- 1258 köpfe, Kröten und jenen ähnliche Menschengesichter darstellten. Der alte Steuermann versicherte, dass an den Fällen der Rios Messai und dos Enganos viele solche Sculpturen auf Felsen zu finden wären. Später bemerkte ich sie in grosser Menge bei Cupaii, wo ich ‘nochmals von ihnen zu reden Gelegenheit haben werde. (7.) Im Kahne angelangt, bannte ich mich mit meinen Gefühlen und meinem wieder ausgebrochenen Fie- ber in die verschlossene Cajüte ein, vor Allem von dem Gedanken ge- peinigt, dass ich gerade in dieser merkwürdigen Gegend den Anstren- gungen einer Forschungsreise nicht mehr gewachsen sey. Die gesunden Indianer hatte ich unter Anführung des Militzsoldaten und des Tubixava Pacmicu nach dem nördlichen Theile des Berges abgeordnet, um mir Kunde von dem Wege dahin zu bringen; so dass der europäische Sol- dat mit den Kranken meine £inzige Umgebung ausmachte, _ Während dieser Elende mich schlafend wähnte, spiegelte er den Indianern vor, dass ich noch über die Ratarakte hinaus zu den Spaniern zu reisen gesonnen sey, und foderte sie auf, mir nicht weiter Folge zu leisten, sondern mich zur Rückkehr zu zwingen, oder auf einer Insel im Strome auszusetzen. Die Indianer hörten ihm schweigend zu; ich selbst aber entwafinete den Verrath, indem ich bei anderer Veranlassung erklärte, dass die Rückreise von hier aus beschlossen sey. Schon am nächsten Mor- gen würde ich umgekehrt seyn, hätten nicht die zurückkommenden India- ner Kunde von der Leichtigkeit, den Berg zu besteigen, und von der Anmuth des Weges gebracht. Mit Tagesanbruch verliess ich daher die Fahrzeuge unter sicherer Bedeckung, und drang in Begleitung der übrigen Leute in den Wald, den wir zu unserer grossen Freude frey von Pium fanden. Der Weg erhob sich alsbald steil durch ein schönes Gehölz, dessen Gewächse mir zum Theile von den bisher beobachteten verschieden zu seyn schienen. Felsen standen nirgends zu Tage; ‚eine: dichte Schicht schwarzer Dammerde bedeckt den Grund. Nach einer Viertelstunde Wegs befanden wir uns auf der Höhe, wo wir, nach einem doppelt so langen Marsche durch einen untebenen Wald, in eine lichtere Ebene heraustraten, die mit niedrigen Bäumen und Gesträuche bedeckt ist. Auf dieser Wanderung sahen wir den Fall von oben, denn der 1250 Weg führte nahe an dem furchtbaren Abgrund hin, den der Strom durch- schäumet. Die gegenüber liegende (südliche) Granitwand ist in einer Höhe von mehreren hundert Fuss so scharf abgerissen, als wäre der Berg nicht nach und nach, sondern durch eine plötzliche Katastrophe zerrissen worden, um dem Gewässer Abzug zu gestatten. Dunkel umschatten die, mit Ge- - büsch und Farnkraut bekleideten, Granitfelsen, den Schlund, worein sich der Strom in wirbelnder Geschwindigkeit ergiesst; sie entziehen, schein- bar sich hereinneigend, dem Auge den Blick in die unterste Tiefe, aus welcher das Brausen des Falles von einem heftigen Winde noch hör- barer zu uns heraufgetragen wurde. Unvertilgbar ist das Bild dieser grossen Naturscene in meiner Erinnerung zurückgeblieben. Ihr folgte ein freundlicher Eindruck, als ich in die lichte Ebene trat. Hier wallte der eigenthümliche Duft der Camposblüthen; die niedrigen, blumenrei- chen Bäume streckten ihre vielfach vertheilten Aeste gleich denen in Minas aus, und über mir wölbte sich, eine seit Monaten vermisste Er- scheinung, lichtblau und wolkenleer der heitre Himmel. Ich vermuthe, dass ich mich auf diesem Plateau von Arara-Coara (Serra das Ara- ras) wohl nur fünfhundert Fuss (oder wenig darüber) höher als an der Mündung des Yupurä in den Solimoes befunden haben mag, den- noch war die Vegetation sowohl in ihrem landschaftlichen Gesammtaus- drucke als in den einzelnen Vorkommenheiten sehr wesentlich von der am Solimoes verschieden. Vor Allem schien mir die Gegenwart dreier Arten von Chinarindenbäumen bezeichnend, und anzudeuten, dass ich mich an der Grenze zweier grossen botanischen Reviere, Brasiliens und Perus, befände. Ich sammelte von diesen Chinasorten so viel als meine Leute auffinden konnten, und indem ich sie bei meiner Rückkehr nach Parä dem Herrn Gouverneur Coxpe pe Vırra Fror vorlegte, hatte ich das Vergnügen, diesen trefflichen „Mann zu überzeugen, dass Brasilien seinen westlichen Nachbar um ein®s der köstlichsten Heilmittel nicht beneiden darf. Wir konnten von dieser Höhe aus den Strom sehen, wie er auf der nordwestlichen Seite in die Schlucht eintritt; er bietet hier dasselbe grossartige Schauspiel dar, wie bei seinem Austritte. $o weit ihn das Auge oberhalb des Falles verfolgen konnte, kam er aus - 1260 N. N. W. her. Der glänzende Spiegel des Flusses und eine Fortsetzung des Berges worauf ich stand, jenseits, am südlichen Ufer, waren die | “einzigen Gegenstände, welche sich in dem dunklen Grün der Waldung bemerklich machten; diese erstreckte sich wie ein unabsehbares Blätter- meer gegen N., N.O. und $.O., und einige, daraus aufsteigende, blaue Pauchsäulen. reichten nicht hin, ein Maass ihrer Ausdehnung zu geben. So stand ich denn am Ende meiner Wanderschaft, und an der Grenze eines Reiches, mit dem Hinblicke auf ein anderes. Doch nicht durch ein Werk von Menschenhänden, nicht durch Zeichen der -Ciyilisation, ja nicht einmal durch eine deutlich ausgesprochene Convention begränzen sich hier die Eroberungen des portugiesischen und des spanischen Vol- kes; nur die Natur selbst hat den Weg nachbarlicher Verbindung auf dem, sonst geselligen, Strome abgebrochen; noch mehr: nur wilde, den europäischen Ankömmlingen abholde, Stämme lagern in diesen entfern- ten Grenzprovinzen, durch welche erst die Civilisation kommender Ge- schlechter die Segnungen gegenseitigen Verkehres verbreiten wird. Ge- wissermaassen hatte ich mich, seitdem ich die Fälle von Cupati passirt war, in einem herrenlosen Lande befunden, das zwar nach dem facli- schen Besuche der Brasilianer, die ungehindert bis zum Fall von Arara Coara heraufschifien und nach den, portugiesischen Originalien entnom- menen, Karten zu Brasilien gerechnet wird, über dessen Besitz jedoch die letzte Grenzcommission (v. J. 1783) nicht entschieden hat, *) Die *) Vergl. hierüber unsern Anhang $. 22. Als ein Beweis, dass der spanische Grenzcom- missär D. Franc. Reguena selbst den Fall von Arara - Coara, welcher in seinem Berichte Uvia heisst, wenigstens provisorisch, für die Grenze beider Reiche angenommen habe, ward mir er- zählt, dass er den Indianern vom Stamme der Umauas, deren Einige bei der Commission Er- schienen, mit Zustimmung der Portugiesen, habe sagen lassen, sie- möchten sich , als ntextha- nen der Krone Spaniens, westlich von diesem Falle und von dem Rio dos Enganos (oder x ia ‚von dessen Hauptstamme, dem Cunhary, Cunard wler Comiary) in die Fluren zurückziehen, was im Allgemeinen ausgeführt haben, Die vereinigte Grenzcommission hatte hier einige Mo- nate mit Versuchen zugebracht, die Fahrzeuge im Flusse oder zu Lande auf hölzernen Fahr- bahnen (Puxadouros , Arrastadouros) oberhalb des Falls zubringen, und man zeigte noch: Spuren dieser Bahn im Walde; allein sie musste endlich, ohne Resultat, nach Ega zurückkehren. ' ‚ der Erinnerung der älteren Indianer lebte noch jene grosse Expedition, die wahrscheinlich frucht- reicher, und mit geringerem Aufwand an Geld und Mannschaft ausgeführt worden wäre FE a 1201 Gegenwart mineralischer Reichthümer wird übrigens wohl schwerlich jemals den Werth dieser Landschaft erhöhen, denn, was auch die über- triebenen Berichte der Indianer hierüber gesagt halte mögen, scheinen doch die in grosser Einförmigkeit längs des Yupurä herrschenden Ge- birgsbildungen kein edles Metall in werklohnender Menge zu enthalten. (9-) * Hätten mich auch die aufrührerischen Bewegungen unter meinen Begleitern noch nicht vermögen können, von hieraus die Rückreise an- ‚zutreten, so musste diess die Fieberkrankheit thun, von der ich mich zwar, nach hefliigem Erbrechen und bei grossen Dosen von China, etwas er- leichtert fühlte, die aber doch die Gefahr meiner Lage in einer Wü- stenei, ein Monat Reise von menschlicher Hülfe entfernt, vermehrte. Am 3ı. Januar brach ich daher unter lautem Jubel der Indianer auf, und wir ruderten schnell stromabwärts. Der Strom hat unter dem Falle, wo sich das Bette wieder auf zweihundert Fuss Breite erwei- tert, in der Mitte zehn Rlafter Tiefe, weiter gegen die Ufer hin sieben, fünf und so abnehmend. Immer hatte ich noch den Plan, einen Theil des Rio dos Enganos zu befahren; als wir aber an seine Mündung gelangt waren, und ich, dem Pufe des Steuermannes folgend, mich vom Lager zu erheben aus Mattigkeit vergebens bemüht war, offenbarte sich mir sie nicht so langsam zu Werke gegangen wäre. Die Kunde, welche ich über den Yupurd oberhalb dieses Falles erhalten konnte, war sehr unbestimmt, ward mir aber später in Pard von S$, Vırr. pa Costa bestättigt. Vier Tagereisen oberhalb des Falls von Arara-Coara sey ein.anderer, viel höherer, der das Fortbringen der Canoas weder zu Land noch zu Wasser weiter nach W. gestatte. Der Weg, auf welchem mehrere Portugiesen von hier aus nach Peru gekommen , sey (der Rio Messai oder dos Umäuaus,, ein nördlicher Beifluss des Rio dos Enganos, der zwei Tagereisen aufwärts von seiner Mündung bis zur Katarakte fahrbar sey. Von hier aus soll sich, statt des dichten Waldes, Camposvegetation einstellen, und nach Ersteigung der Serra dos Umauas, die eine Fortsetzung der Serra das Araras ist, soll sich ausser der Trockenheit und dem Was- sermangel der steinigen Fluren kein physisches Hinderniss zeigen, um zu den spanischen Ort- schaften zu kommen. Ein Soldat, der hier China suchte, soll in fünf Tagen nach einem spa- nischen Oertchen Paiaud, und ein portugiesischer Deserteur auf einem kenntlichen Wege nach der, gegenwärtig verlassenen, Mission von $. Maria gekommen seyn: Die Umauas machen übrigens diese Einöde unsicher, und sie sollen oft auch den Spaniern treulos seyn. Erst ein Jahr vor meiner Ankunft sollen sie einen spanischen Deserteur ermordet haben, dessen Fleisch sie jedoch nicht essen konnten, da es ihnen gesalzen schien.. III. Theil. 160: 1202 die Nothwendigkeit, eine so interessante Reise zu unterlassen, und wir schifften vorüber. Die Indianer von /Manacaru erzählten mir später viel von Sculpturen, die dort in ungeheuerer Ausdehnung die Felsen be. deckten, von Bildern (Köpfen) und von grossen Gefässen, die, (wenn ich sie recht verstanden habe) aus Stein gehauen, hie und da auf den Campos der 'Serra dos Umauas hervorragen sollten. Wie schmerzlich musste ich meine damalige Schwäche beklagen! Die Rückfahrt bis zu dem Hafen der Miranhas ward in drei langen Tagereisen bewerkstel- ligt. ‘Wir folgten stets der mittelsten Strömung, ao fio da correnteza, tupi: tipaquena piterpe. (Ich kenne die Ableitung von tıpaquena, Strö- mung, nicht, aber seine Endung erschemt oft in den Flussnamen der Gujana.) Ich langte gegen Mitternacht an, und trat in die dunkle Hütte des Tubixava, wo ich, zum grössten Schrecken, nichts vernahm, als ein Geächze und Röcheln, als lägen hier lauter Sterbende. Beim Schein einer Lampe erbliekte ich die ganze Mannschaft vom heftigsten Fieber ergriffen, und Cap. Zany dem Tode nahe. Er hatte, von Fie- bergluth verzehrt, einen grossen Vorrath von Essig als Limonade ver- braucht, und dadurch seinen Zustand verschlimmert. Alle Indianer, ein Mulatte und ein junger Schotte, die er als Diener bei sich hatte, wa- ‘ren erkrankt, und die Endemie, ein anhaltendes Fieber mit heftigem Wurmreize, hatte also keiner Farbe geschont. Ich will den Leser nicht mit der Schilderung der gemeinschaftlichen Noth und der dagegen g®- brauchten Mittel ermüden. Es gelang, die Patienten wieder in einen Zustand zu bringen, um stromabwärts schiffen zu können; nur Snr. ZANY erholte sich äusserst langsam. Inzwischen war auch das Fahrzeug, das wir zu zimmern angefangen hatten, noch unvollendet, und der Häupt- ling Joäo Manoeı musste aus dem Walde zurück erwartet werden, Meine Geschäfte theilten sich nun in die eines Krankenwärters und Schiff- bauers. Die Ausdehnung des wagerecht aufgestellten Baumstammes durch das Feuer muss langsam geschehen, damit er nicht reisse. Wir wen- deten dazu die ersten Morgenstunden an, welche gemeiniglich windstill _ waren. Einige Indianer hatten Sorge zu tragen, dass die Erhitzung nicht zu stark werde; sie waren mit Besen versehen, um an die über- 4 1 le a neh a ee er ne 1203 mässig erhitzten Stellen Wasser oder verdünnten Letten zu spritzen, der in’ Schildkrötenschaalen vor ihnen stand. Der Nachen, welchen wir auf diese Art aushöhlten, hatte in der Mitte sechs Fuss Durchmes- ser. Die offenen Enden waren mit Brettern verschlossen, über deren Fugen heisses Pech ausgegossen wurde. Mit der Herstellung des Fahr- zeugs hatte ich noch zehn Tage in diesem traurigen Aufenthalte zu thun, dessen Ansicht und Beschäftigungen die Tafel ‚Porto dos Miranhas‘‘ im Atlas vergegenwärtigt. Eines Tages ertönten die Holzpauken von der südlichen Seite des Stromes herüber, und bald darauf sahen wir eine Menge kleiner Nachen über den Strom kommen. Es war der Häupt- ling, der mit seinem Kriegerhaufen und den erbeuteten Gefangenen zu- rückkehrte. War auch mein Gefühl durch die grässlichen Anschauun- gen der letzten Zeit und das eigene Elend abgestumpft, so musste ich mir doch sagen, ein Schauspiel so gräulicher Erniedrigung und Ent- menschung , dergleichen sich jetzt darbot, hatten meine Augen vorher nicht gesehen. Die Männer, einige dreissig an der Zahl, waren gros- sentheils auf dem Wege zu dem Tubixava gestossen, nachdem er die Streitenden seines Stammes versöhnt oder gestraft hatte, um den Streif- zug mit ihm zu machen. Jetzt zurückkehrend, trugen sie noch alle Spuren roher Siegeslust und höher entflammter Wildheit in ihren ver- unstalteten Gesichtern. Von Schweiss glänzend, rothe und schwarze Flecke über Brust und Bauch ausgegossen, schwarze Binden und Schnör- kel auf die Schenkel und Füsse gemalt, in den Nasenflügeln runde Schälchen oder ganze Muscheln in dem Nasenknorpel und in den Ohren ein Rohrstück, um den Kopf einen Ring bunter Federn tragend, — so schwangen sie ihre schweren Keulen (Barasanga, FRE ana) von schwarzem Palmenholze, oder einen Bündel von Wurfspiessen , RE vergiftete Spitzen in einem Rohrfutterale stecken, und stiessen ‚die “> fangenen, besonders Weiber und Kinder, unmenschlich vor sich hin. Diese wankten unter der Last von Tapioca, Beijüs und FG mallagı der Beute, welche ihnen die Sieger in grossen Bündeln a einem Gurt um die Stirne übergehängt hatten, und schritten ohne ein Zeichen von Trauer, aber in dumpfer Versunkenheit, einher. Sie wurden in einer 160* 1264 benachbarten Hütte untergebracht, und durften alsbald frei umhergehen, mit Ausnahme eines rüstigen Mannes, dessen Füsse in den Tronco (Monde), einen durchlöcherten Baumstamm, gesteckt wurden, weil er zu fliehen versucht hatte. Die Sieger traten in die grosse Hütte, wo sie einige Stunden lang vor dem Häuptling gleichsam in Parade ausruh- - ten, und in eifrigem halblauten Gespräche wahrscheinlich das Schicksal der Gefangenen verhandelten. Man’überliess diese Unglücklichen wäh- rend der ersten Tage dem Hunger und jedem Elende, bis sie unter die Theilhaber des Streifzuges vertheilt, und von diesen an den Tubixava verkauft wurden. Gegen Abend entliess dieser die Horde, um sich Schlafstellen zu suchen; und mit einbrechender Nacht kamen sie wieder herbei, um vor der Hütte mit ungeheuren Quantitäten von Kuchen, schwarzer Mandioccabrühe und Näpfen voll Cajıri aus Palmfrüchten be- wirthet zu werden. Die Frau des Tubixaya und einige andere Weiber machten mit vieler Emsigkeit die Wirthe, indem sie die Getränke von Mann zu Mann trugen. Die Speisen standen frei umher, und Jeder kauerte nach Begehr bei ihnen nieder. Auffallend war das Betragen des Häuptlings gegen seine Frau. Sie war bis zur Versammlung der Gäste mit Vorbereitungen für deren Empfang beschäftigt gewesen; nun aber kam sie dem Gemahle mit einer vollen Schaale Cajiri entgegen, ohne ein Wort zu sprechen; aber auch 'er hat nach so langer Tren- nung nichts zu sagen, er nimmt die Schaale, trinkt sie aus, ohne die Frau anzusehen, und giebt sie schweigend zurück. Mir liess er. ver- dolmetschen, indem er mich grässlich angrinzte und auf die Hütte der Gefangenen deutete: seine Sache habe er wohl gemacht. Ohne Zwer ‚fel hatte er meinem Hierherkommen keinen andern Grund geliehen, als den, Gefangene von ihm einzuhandeln; er konnte daher kaum fassen, als ich ihm für den Federschmuck, die Waffen und ein schönes, fächer- förmiges Farnkraut (Schizaea), welche er mir überreichte, eben s0 viele Beile und Messer gab, als er für die Gefangenen erwartet halte. Er fügte nun seinem Geschenke noch fünf junge Indianer, zwei Mäd- chen und drei Knaben, bei. Von diesen unglücklichen Geschöpfen, die ich um so lieber aus den Händen des Unmensehen annahm, als sie hier. 1205 ohne Fürsorge einem gewissen Tode entgegen gingen — sie waren bereits alle fieberkrank — ist das älteste, ein Mädchen ($. im Atlas das Porträt der „Miranha‘) von uns nach München gebracht worden; zwei andere übergab ich dem Snr. Vıpzıra Dvarre, Militäircomman- danten von Ega und dem Snr. Pomso, Ouvidor von Parä; die andern beiden, welche bereits den Reim Todes in sich trugen, starben an Le- berverhärtung und Wassersucht während der Reise. Joäo Manoeı fand sich mit Verdruss in dem Nutzen des Descimento (tupi: Goöjyb), wie er beschönigend seine Menschenjagd nannte, getäuscht; er hatte gehoflt, alle Gefangenen an uns zu verkaufen. Da ihm diess nicht gelang, so. liess er seinen Unmuth den Unglücklichen entgelten, die mit grausamer Gleichgültigkeit behandelt wurden, und wahrscheinlich in kurzer Zeit ein Opfer der Vernachlässigung und des ungesunden Aufenthaltes ge- worden sind. Diese Leute waren, wie ich später erfuhr, vom Stamme der Miranhas, der sich Muriates nennt. Der Tubixava war, um sie zu überfallen, zwei Tagereisen landeinwärts, und dann parallel mit dem Yupura gen W. gezogen. Sehr befremdend, musste seyn, dass er beim Eintritt in seine Wohnung von meiner Rückkehr und von Snr. Zany's Krankheit bereits unterrichtet war. Der unmässige Genuss des Gajırı hatte die Krieger erhitzt, und das allmälige Eintreffen der benachbar- ten Familienväter, die, von den Holzpauken gerufen, mit Weibern und Kindern erschienen, erhöhte den Freudenrausch der wilden Menge. Als es Nacht geworden war, sahen wir uns von mehreren hundert dieser Leute umgeben. Eine wilde, tobende Freude bemächtigte sich ihrer, und beim Scheine zahlreicher Feuer, die rings um die Hütten aufloder- ten, bereitete sich vor meinen entsetzten Blicken ein Bild— nicht mensch- licher, höllischer Art: ein Tanz wüster, von Siegeslust und Sinnenrausch erhitzter Menschenfresser. Wir Ankömmlinge alle zagten, denn der geringste Streit mit dieser entarteten Rotte hätte. uns das Leben geko- stet, Ich suchte sie zu entwaflnen, indem ich so viel als möglich von ihren vergifteten Wurfspiessen einhandelte; auch schien mir diese List zu glücken, denn bald hatte ich eine Montaria damit angefüllt, die ich inmitten des Stromes vor Anker legen liess; allein am andern Morgen 1206 foderten die Meisten ihre Waffen wieder zurück, indem sie durch den Tubixava sagen liessen, ich hätte ihnen mit den Waffen den Unterhalt genommen. Umsonst hatte ich dem Häuptlinge vorgestellt, dass der Lärm des nächtlichen Tanzes meinem kranken Gefährten schädlich wer- den könne; — alsbald ertönte eine höllische Musik von vier kleinen Pfeifen (Gaitas) und einer Art Schalmeie (Memby) aus einem grossen Rohrstücke, und verworrenes Geschrei erklärte den Anfang des Tanzes. Die Fremden insbesondere schienen, obgleich sie einen starken Tagmarsch gemacht hatten, auf nichts erpicht als auf Tanzen und Singen. Alle Ankömmlinge so wie die hier wohnenden /Miranhas, denen sich einige von unsern Indianern beigesellten, erschienen frischbemalt mit den Zier- rathen in Nase und Ohren und dem Wurfspiesse in der Hand. Ein Häuptling, durch reichen Halsschmuck von Onzenzähnen ausgezeichnet, lief mit aufgehobenem Wurfspiesse nach allen Seiten des Tanzplatzes und schrie mit drohendwilder Gebärde eine fürchterliche Melodie in die Nacht hinaus, gleichsam als. fodere er die Feinde seines Stammes auf, hierher zu kommen, um diess fröhliche Spiel in ein blutiges zu ver- wandeln. Nun begannen die Tänze, an denen zuerst abwechselnd etwa achtzig männliche Indianer, alt und jung, Theil nahmen. *) Diese Festtänze dauerten alle Nächte re fort, so lange wir uns noch im *) Es macht einen unglaublich traurigen Eindruck, ergraute Greise neben Knaben und Jünglingen sich dem tollen Tanze mit gleicher Emsigkeit hingeben zu sehen. Sie bildeten zwei lange Reihen hintereinander, indem Jeder den Bündel Wurfspiesse in der Rechten tru3 , die Linke aber auf die Achsel des Nachbars legte. So marschirten sie, bald schneller bald langes mer, nach allen Seiten schwenkend, auf dem Platze umher. Der dritte Schritt war immer kleiner, und brachte den schreitenden Fuss in die Nähe des vorgesetzten, indem er heftig nie- derfiel. Der rauhe Gesang, den die Männer hiebei abbrüllten (Musikbeil. Nro. 9.) machte durch die langgehaltenen Fermate einen furchtbaren Effect, Der Text dieser Musik ward mir 50 ver- dolmetscht: der Geier hat kein Feuer: er mag nichts Gekochtes; und die Onze. hat kein Feuer, und das Krokodil keine Pfanne. Im Verlaufe des Gesanges wechseln die Sänger den “Namen der Thiere, so dass alle Vögel, Säugthiere und Fische an die Reihe kommen, wie sie eben den. Einzelnen Sialallen. Als sie sich keines Thiers mehr erinnerten, schloss der Tanz mit einem n Geschreie. Die übrigen Gesänge, an denen die Weiber Antheil nahmen sikbeil. Nro. 10.5 11., 12.) konnten mir nicht verdolmetscht werden. Nachdem der erste Tas etwa eine Stunde lang ununterbrochen gedauert hatte, verlief sich ein Theil der Männer, UMG nun traten auch die nackten Weiber, viele mit den Säuglingen auf dem Arme oder im Nacken, 1207 Porto dos Miranhas befanden. Einzelne der Fremden gingen; aber täglich kamen wieder andere an, durch die Pauken von dem Stand des Festes unterrichtet. Wir brachten unter diesen Söhnen viehisch wilder Lust die Nächte sorgenvoll und schlaflos zu; erst am Morgen, wenn.» sie sich in ihre Hangmatten oder in das Bad zurückgezogen hatten, konnten auch wir uns der Ruhe überlassen. Während des Tages er- blickten wir nur wenige der Unholde, sie hatten sich durch die Wälder und in die entlegenen Hütten zerstreuet; aber mit Einbruch des Abends kamen sie von allen Seiten herbei, und erfüllten den Platz zwischen dem Flusse und den Hütten mit ihrem monotonen Gemurmel, bis sie getrunken hatten, dann mit wildem Geschrei, und endlich mit den un- melodischen Pfifien ihrer Instrumente und dem Lärm ihres Tanzgesan- ges. Noch trübt sich mein Gemüth, wenn ich an die grässliche Ent- artung dieser Halbmenschen zurückdenke. ”)— Ich darf annehmen, dass während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes unter diesen Wilden alle Erscheinungen ihres verwahrlosten Lebens an mir vorübergegangen seyen; aber ich empfand den Eindruck ihrer Umgebung so schmerzlich, dass die Erneuerung aller einzelnen Züge, in denen sich die Eigenthümlich- keit des rohsten brasilianischen Urmenschen hervorthut, auch meinen Lesern nur peinlich seyn würde. Die Ueberzeugung stellte sich vor Auen fest in mir, dass’ dieser "Wilde von Gott, als dem ae. ber, hinzu, Ihre Hessen Sprünge, ihr heiseres Gekrächze, das Fener, mit dem FE von der Grössten bis zur Kleinsten, in einer Reihe hinter den kalten gravitätischen Männern hertrappten, die selbst bei dem lustigsten Gesange keine Miene zum Lachen ziehen, als wäre es um eine sehr wichtige Sache zu thun, zeigte hinreichend, dass sie die Stunde gekommen glaubten, sich von den angestrengten sclavischen Arbeiten des Tages zu erholen. Der Gesang erschallte nun nicht mehr blos in dem rauhen Unisono der brüllenden Männer, sondern kreischende Soprane, die abscheulich nach der Melodie umhersuchten, vermehrten die ae Musik. . *) Ein sehnndelääktien Beispiel von Rohheit sah’ ich einst an einem halbjährigen Kinde aus- üben, Die Mutter war gestorben, und die Stiefmutter hasste es so schr, dass sie es verhun- gern lassen wollte. Als eimmal das unglüickliche Geschöpf durch sein wimmerndes Geschrei Nahrung foderte, warf die unmenschliche Pflegerin es vol Wuth auf einige glimmende Scheiter des "Heerdes, von wo ich’ es, gerade eintretend, errettete und dem alten Steuermann zur Pflege übergab. Es starb aber „ schon völlig ausgehungert, unter WVegs, und ward von uns unterhalb der Katarakte von Cupatı' begraben. 1208 “und Erzeuger aller Dinge, keine Vorstellung hat; dass nur ein böses, sich ‘in jedem Verhängniss anders gestaltendes, Wesen launenhaft und unversöhnlich sein Geschick beherrschet, dem er sich in blinder, be- . wusstloser Furcht unterwirft. Die Seele dieses gefallenen Urmenschen ist nicht unsterblich; sie thut sich nur in dem Bewusstseyn des Seyns, nicht in dem des Denkens kund; und nur Hunger und Durst mahnen an die Existenz. Eben desshalb wird das Leben nicht als hohe Gabe geachtet, und der Tod ist gleichgültig. Dieser endiget Alles; höchstens leben Hass und Rache fort, als quälende Gespenster. Das Band der Liebe schlaff, statt Zärtlichkeit Brunst, statt Neigung Bedürfniss; die Mysterien des Geschlechtes entweiht und offen, der Mann aus Bequem- lichkeit halb bekleidet, das nackte Weib Sclavin; statt der Schaam Ei- telkeit; die Ehe ein nach Laune wechselndes Concubinat; des Hausva- ters Sorge sein Magen, nach dessen Füllung rohe Begierde; sein Zeit- vertreib Völlerei und dumpfes Nichtsthun; seine Beschäftigung Regel- losigkeit; der Weiber Schaffen blind und ohne Ziel; ihre Freuden sehnöde Lust; die Kinder der Aeltern Bürde, darum vermieden; väterliche Nei- gung aus Berechnung, mütterliche aus Instinet; Familienvater ohne Sorge und Ansehn; Erziehung äffische Spielerei der Mutter, blinde Sorglosig- keit des Vaters; statt kindlichen Gehorsams Furcht; Emancipation ge- genseitig nach Gutdünken; dem Alter statt Ehrerbietung Trotz; der Kranke verwahrlost zur Entledigung der Gesunden; statt Freundschaft Kameradschaft; Treue, so lange keine Versuchung; Verkehr im Schwan- ken des Eigennutzes; statt Precht die Stimme des Egoismus; statt Patri a tismus unbewusstes Vertrauen zu den Sprachverwandten, angeerbter Hass gegen fremde Stämme; Schweigsamkeit aus Gedankenarmuth; Unentschlossenheit aus blödem Urtheil; des Häuptlings Herrschaft aus Hülflosigkeit der Uebrigen, aber Alle weder fähig des wahren sittlichen Gehorsams, noch des Befehlens: —so ist und lebt der Urmensch dieser Wildniss! Auf der rohesten Stufe der Menschheit, ist er ein beklagens- werthes Räthsel sich selbst und dem Bruder aus Osten, an dessen Brust er nicht erwarmet, in dessen Arm er, von höherer Humanität wie vol einem bösen Hauche getroffen, hinschwindet und stirbt! 1209 Am ı2. Februar verliessen wir den Porto dos Miranhas, einen Ort, von dessen schwermüthiger Einwirkung auf meine Seele ich mich erst nach der Rückkehr, in Europa, beim Anblick menschlicher Würde und Grösse, geheilt fühlte. Unser Gesundheitszustand hatte sich zwar gebessert; doch fürchtete ich immer noch den Eintritt eines schleichen- den Nervenfiebers bei meinem Gefährten, und ich theilte die enge Ca jüte nur in der Art mit ihm, däss ich, während der Nacht mich von ihm wegbettete, und lieber dem Nachtthau aussetzte, da sich die eige- nen Fieberanfälle als eine geregelte Qwartana darstellten. Das neue Fahrzeug,‘ mit meinen Sammlungen beladen, nahm am ersten Tage viel Wasser und verursachte Sorge, bis ich so glücklich war, die ver- steckten Ritzen zu finden, und es kalfatern lassen konnte. Wir ruder- ten schnell; allein die Entleerung des Flusses hatte seit acht Tagen so - sehr zugenommen, dass wir Manacarü erst am Abend des zweiten Tages erreichten. Bei Nacht zu schiffen ist wegen der Sandbänke und Felsenriffe nicht räthlich. Gegen «ie Miranhas gehalten, fanden wir jetzt die Juri- Tabocas von Manacarü, deren Tubixava mit seinen Män- nern aus dem Walde zurückgekehrt war, ein gebildetes Völkchen. Die meisten von ihnen sprechen die Lingua geral, und bemühten sich, uns Kranke zu laben, wozu vor Allem die sauren Limonien erwünscht wa- ren, welche zur Zeit der Grenzberichtigung hier gepflanzt worden waren. Manche Juris erinnerten sich noch an jene Expedition, und baten uns, ihren Weibern unsere Arme zu zeigen, da sie noch keine ächten Weis- sen (Caryba sobaigoara) gesehen hätten; sie verwunderten sich aber sehr, an uns keine Haarbeutel mehr zu finden. An der Mündung des Miriti- Parana, welche den nächsten Abend erreicht ward, versicherte mich em Signal von Körben, an Uferbäumen aufgesteckt, dass der Principal Grecorıo bereits aus jenem Flusse zurückgekehrt sey und uns an dem grossen Falle von Cupati erwarte. Die Indianer pflegen sich durch ähnliche Signale (Sangaba) in mancherlei Fällen des Lebens Nachricht zu ertheilen; bleiben aber die aufgestellten Gegenstände in ‘den Orten zurück, so werden sie nicht selten von später Ankommen- den mit abergläubischer Furcht, als eine Art Hexenwerk, betrachtet. IT. Theil. 161 1270 Als wir oberhalb der Ratarakte ankamen, :bot sich ein Intern Anblick dar. Mit Grecorıo waren mehrere Kähne befreundeter Indianer aus dem Miriti-Fluss herabgekommen, welche sich auf einer Sandbank unter aufgesteckten Palmblättern gelagert hatten. Alle drängten sich herbei, uns ihre verschiedenen Waffen, Federzierrathen und lebendige Thiere zum Kaufe anzubieten. Ich erhielt hier unter Andern ein mit Fpadu-Taback gefülltes Rohr, und einen aus dem Schenkelknochen ei- ner Onze sehr zierlich gearbeiteten Löffel, womit der Anführer seinen Kriegern das Fpadu austheilt, wenn sie zu Felde ziehen. (Ind. Ge- räthsch. Fig. 45. 46.) Unter den Thieren waren einige jener kleinsten Aflenarten (Jacchus), die sich leicht zähmen lassen, und frei im Kahne herumliefen. Eine ganz kleine Art von Ameisenfressern (MMyrmecopha- ga), die man mir lebend gebracht hatte, versuchte ich umsonst am Leben zu erhalten. Der niedrige Wasserstand des Flusses erlaubte uns am nächsten Morgen, den oberen Fall von Cifpati zu passiren, ohne auszuladen. Die Kähne wurden durch einen Felsencanal am südlichen Ufer glücklich herabgebracht. Auf der Nordseite des Stromes ragte jetzt eine kleine felsichte Insel hervor, an der sich die Fluth gewaltig brach; sie war bei unserer Auffahrt nicht sichtbar gewesen, und der Wasserstand demgemäss wenigstens um zwölf Fuss erniedrigt, . Cap. Zany, dessen Zustand sich besserte, übernahm es, für die Passage der Fahrzeuge durch die untere Katarakte zu sorgen, und ich eilte inzwischen, geführt von dem Tubixava Dominso von Manacaru, mit einigen Leuten voraus, an das nördliche Ufer, um die Serra de Cupati zu besteigen, an deren Fusse wir die Nacht zubrachten. Obgleich es regnete, hin- gen die Leute dennoch ihre Hangmatten im Walde zwischen Wacht- feuern auf, zogen ein Stück Turiribast über Haupt und Brust, und schlie- fen bald eben so ruhig, als im trocknen Rancho der heimischen Malloca. Es liegt etwas Rührendes in dem stillen Vertrauen, womit der Urein- wöhner dieser Aequinoctialländer überall, unter klarem Sternenglanz oder trübem Regenhimmel, sein Lager aufhängt, und ich fühlte es dop- pelt tief, als ich, meine Begleiter um mich entschlafen, das Tosen ee Wasserfalls wechselnd stark und schwächer herüberbrausen. hörte, und 1271 die wenigen Sterne sich hinter dunkle Wolken verstecken sah. Ich schämte mich des Erschreckens vor den flatternden Schatten einiger grossen Fledermäuse, und war ebenfalls bald in Schlaf versunken. Mit Tagesanbruch drangen wir auf der Westseite des Berges in den Wald, und befanden uns bald an einer jähen Höhe, „Bis zum Vierttheile des Wegs war der Wald von grossen Felsblöcken und den, mehrere Fuss tiefen, Resten vermoderter Vegetation fast unwegsam; dann ward er etwas lichter und niedriger. Ich bemerkte viele grossblättrige Aroideen , Sauerkleegesträuche mit gefiederten Blättern, die wie Mimosen zusam- mengelegt schliefen, viele kleine Rohrpalmen, baumartige Farnkräuter und jene sonderbaren Melastomaceen, welche in den blasig aufgetriebe- nen Blattstielen Nester kleiner Ameisen beherbergen. Weiter ‘aufwärts, wo sich der Scheitel des Berges aus minder steilem Abhange zu erhe- ben beginnt, ward die Vegetation so dicht, als ich sie niemals. zuvor gesehen hatte. Die Bäume waren mit den unteren Aesten unter einan- der so verschränkt, dass sich diese gänzlich verdämmt, und in einen ellenhohen Moder verwandelt hatten, worein wir bis zur Mitte des Lei- bes versanken. Das Steigen war äusserst beschwerlich; wir konnten nur auf den untersten Aesten der Bäume festen Fuss fassen, und jeder Schritt musste mit dem WValdmesser errungen werden. Nach einer guten Stunde gelangten wir auf den Gipfel, der von derselben Vegeta- tion so dicht eingenommen wird, dass wir froh seyn mussten, auf der Höhe einen nackten Fels.von sechs Quadratschuhen frei zu finden, auf dem wir ausruhen konnten. Wir mochten hier etwa sechshundert Fuss über dem Flusse stehen, Je höher die Sonne heraufkam, und je schnel- ler die, über der Waldung schwimmenden, Dünste sich senkten, um so erfreulicher ward die Aussicht über den hellbeleuchteten reinen Ho- rizont um mich her. Schon so lange, wie ein Gefangener, von dem nächtlichen Düster der Urwaldung umgeben, konnte ich nicht aufhören, hier in die Weite zu sehen; und welch’ eigenthümlicher Anblick zeigte sich hier. In W.,$. und O., so weit das Auge trägt, eine unabsehbare Ebene, mit grüner Waldung bedeckt, aus der nur hie und da die Sil- berbänder der Flüsse hervorschimmern. Der Yupura ist auf viele Mei- 161 * 1272 len durch die dunkelgrüne Landschaft sichtbar. Nachdem er sich in S.-5.-W. um das südliche Ende des Berges von Cupati geschlungen, verfolgt ihn das Auge aufwärts in einem grossen Bogen nach N:z ae terhalb der Katarakte glänzt er in verschiedenen Abständen aus $.-0, durch die Waldung hervor. Auf der andern Seite des Capati' schlän- | gelt sich der Apaporis, scheinbar ganz nahe, um das Gebirg. Deutlich erkannte ich seine beiden ersten Wasserfälle. Gegen N. vermochte ich, in drei Reihen hintereinander, die niedrigen , langgestreckten; bewalde- ten Berge am oberen Apaporis, am Tiguie und Uaupes, weiter gen N.-O. die isolirten Berge von S. Joaguim zu unterscheiden. Wenige Rauchsäulen, die aus der ungeheuren, ja fast unübersehbaren, grünen Waldfläche aufstiegen, waren die einzigen Spuren von Menschen in dieser schauerlich stillen Einsamkeit. Da sich der Morgenwind legte, stellte sich eine ausserordentliche Zahl kleiner Bienen ein, welche, ob- gleich stachellos, durch die Keckheit, womit sie in Augen und Ohren flogen, zur Plage wurden. : Ueberdiess war ein weiteres Gehen in die- sem, gleichsam lebendigen, Modergrunde nicht möglich; wir wendeten _ uns daher zum Strome zurück, schiflten glücklich die kleinere Katarakte hinab, welche inzwischen auch von den übrigen Fahrzeugen passirt worden war, und vereinigten uns mit der Mannschaft, die sich eben mit ergiebigem Fischfange beschäftigte. Der niedrige Wasserstand er laubte hier, die Sandsteinfelsen am südlichen Ufer des Stromes zu un- tersuchen, und ich fand ähnliche Figuren, wie die von Arara-Coaray, jedoch in viel grösserer Menge eingegraben.“ Fast alle ebenen Felsta- feln sind mit. solchen Seulpturen bedeckt; und wenn mich auch. die - künstlerische Ausführung derselben nicht in Verwunderung setzte, $0 war es doch die ausserordentliche Ausdehnung, in der sie an ‚einer Stelle mehrere hundert Geviertfusse einnehmen, an einer andern in. ge ringerer Anzahl, und dann wieder eben so dicht und weitausgebreitet vorkommen. Die ‘meisten Figuren, die ich zu Gesicht bekam, waren die ers ı. Versuche, eine menschliche Gestalt darzustellen (vergl. „Seulp- z turen auf-Felsen“ im Atlas). . Von Thieren,, Sonne, Mond und.Jden zur Bereitung des Mandioccamehls . üblichen Instrumenten, dergleichen ‚auf 1273. den Granitfelsen vang Caycara am Orenoco und von Culimacare am-Cas- siquiare durch Hrn. v. Humsonpr wahrgenommen worden, fand ich nichts. Es war interessant, zu beobachten, welch’ verschiedene Wege die Einfalt der rohen Künstler iigendkängen hatte, um den Effect einer menschlichen Aehnlichkeit hervorzubringen. Der Kopf beschäftigte sie am meisten: die Augen, Ohren, Nase und der Mund sind auf verschie- dene Weise durch Puncte, Striche oder freigelassene Flecke angedeu- tet. Die’Extremitäten sind schneller abgefertigt; Finger und Zehen ge- wöhnlich nur in der Dreizahl. Am Rumpfe sind gewisse Theile selten vergessen. Manche dieser Figuren sind in ein Quadrat eingeschlossen. Ausser ihnen findet sich hier nur noch jene, bereits (5. 1154.) erwähnte Figur: ein oder mehrere einander genäherte Quadrate, in welchen eine Spirallinie läuft. Die Sculpturen sind drei bis sechs Linien tief einge- graben; jede von anderen Grössenverhältnissen, in einer Ausdehnung von einem halben bis zu zwölf Fuss, und alle ohne Ordnung und Sym- metrie unter einander. Meine Indianer staunten sie mit blöden Augen an; wussten mir aber nichts über ihre Bedeutung oder Abstammung zu sagen. Bedenkt man die Härte dieses Sandsteins, der sich durch die etwas schiefe Lage seiner Tafeln in der Püchtung des Gewässers der Einwirkung der Fluth theilweise entzieht, und findet man dennoch manche Sculpturen fast ganz verwischt, so wird man. geneigt, ih ihnen ein Alter von vielen Jahrhunderten zuzuschreiben. Auf eine höhere Bildungs stufe derjenigen, von welchen diese Monumente herrühren , als die: (des ge- genwärtigen Bewohners, lassen sie indess nicht schliessen. Die Male- reien der jetzigen Indianer auf ihren Trinkschaalen, an den Thüren ih- rer Hütten, ihren Rudern u. s. w. stellen dieselben monströsen Köpfe , dieselbe Spirallinie innerhalb. eines Quadrates dar, "und scheinen zu dem ‚Schlusse zu berechtigen, dass die Urväter, auf gleicher künstlerischer Bildungsstufe mit den Lebenden, desshalb in jenen rohen Zeichnungen schwerlich die Spuren eines Cultus hinterlassen haben. (7) Die Gegend um die Fälle von Cupati würde dem Botaniker bei längerem Aufent- halte eine Menge schöner und interessanter Pflanzen darbieten. (8.) Lei- der war ich nicht im Stande, die Indianer. so wie früher, zur Einsamm- I SE 1274 lung zu benutzen, denn alle, ohne Ausnahme, empfanden jetzt den krank. haften Einfluss des Klima und der bisher ertragenen Mühseligkeiten, ‘ Wir, Cap. Zany und ich, waren dadurch genöthigt, jede Art von Dienstleistung auf uns selbst zu nehmen. Der Indianer sey seinem Herrn auch noch so sehr zugethan, sobald er erkrankt, hört alle Verbindlich- keit auf, und er beschäftigt sich lediglich mit sich selbst, oder vielmehr, er versinkt in ein dumpfes Hinbrüten, unbekümmert für ein Heilmittel und sich den Wirkungen der Krankheit überlassend, deren Fortschritte er höchstens noch durch strenges Fasten aufhält. Zu diesem traurigen Verhältnisse kam auch noch, dass uns allmälig alle Indianer verliessen, welche am obern Yupurä, oder dessen Beiflüssen zu Hause waren, und uns von den verschiedenen Tubixavas als Ruderer oder Jäger geliehen worden waren. So verringerte sich unsere Mannschaft an jeder Nie- derlassung, und manche Nacht mussten wir zusehen, wie dieser oder Jener, ohne seinen Lohn abzuwarten. ‚ seine wenige Habe ergriff und sachte aus dem Bivouac in den Wald schlich, um nicht wiederzukeh- ren. Branntwein, jene mächtige Panacee für alle Gemüthszustände des Indianers, war nicht mehr hinreichend vorhanden, um sie an uns zu fesseln. Nach zwei Tagereisen gelangten wir in die Ortschaft Uarivan der Juris, wo wir von dem Tubixava MısveL mit ungeheuchelter Freude empfangen wurden. Statt des gemeinsten Eigennutzes, der lüderlichsten Zeitverschwendung und schaamlosesten Erniedrigung der Miranhas, glaub- ten wir hier doch eine edlere Art von Offenheit und Freigebigkeit, eine gutartigere Dienstfertigkeit und einen verständigeren Fleiss zu bemerken. Es musste uns jetzt so vorkommen, als erkenne der Juri sich als Bür- ger an. Ich fand hier einige /Maeunds und Fupuas, die im Apaporis herabgekommen waren, und dem Principal braunen und weissen Turiri- bast gegen Eisengeräthe verkauften. Es waren sehr schöne gr08s® Leute, ‚und besonders die Fupuds von regelmässiger und angenehmer Gesichts- bildung. Sie hatten keine Tatowirung, trugen aber alle Ohrengehäng®; und Einer (S. dessen Porträt im Atlas) in der durchbohrten Unterlipp® einen Cylinder von Holz. Dieser Indianer hatte auch den caribischen Haar- schnitt, dem sich nieht mehr Alle des Stammes unterziehen, da er Rn = 1275 und schmerzhaft ist; auf die Stirne hatte er eine rothe Binde gemalt. Die Sprache der Yupuds hat viele Gh-Laute, wie sie im Englischen vorl n. Die Reise von Uarivau abwärts war leichter und schnel- ler. Wir kamen in einem Tage nach $. Jodo do Principe, wo wir den aus Ega zurückgekehrten Ortsrichter antrafen. Er begann schon wieder seine schaamlosen Bedrückungen gegen die armen Indianer, de- nen ich versprechen musste, ihre Lage bei den höheren Behörden zu schildern, die auch, dem Uebel abzuhelfen, veranlasst wurden. Viel- leicht bringt die neue Epoche, welche über Brasilien wie ein wohlthä- tiges Gestirn heraufzieht, auch diesen armen Halbwilden Hülfe, durch eine glückliche Vereinigung der beiden, bis‘ jetzt in der Verwaltung der Indianer befolgten, dem hierarchischen und dem bürgerlichen, Sy- steme. Von der westlichsten Niederlassung der Brasilianer bis nach IMaripi brauchten wir fünf Tagereisen. Der Fluss erschien uns jetzt allmälig wieder mehr und mehr von der trüben Erdfarbe, welche wir an seinem Eintritt in den Solimoes bemerkt hatten. Von Arara-Coara bis zu den Fällen von Cupati hat er eine schmutzig grüne Farbe; bei S. Joüo selbst wird diese fast in das Caflebraun des Rio Negro verän- dert, indem eine Menge brauner Bäche und Canäle sich mit ihm ver- mischen. Bis zur Mündung des Auati- Parand hatten wir oft mit Seicht- heit des Flusses zu kämpfen; von da an aber fanden wir auf ‚einmal grosse Wasserfülle als Folge der Einströmung der Gewässer ‚des Soli- mods. Wir hielten uns meistens in .der Mitte des Hauptcanales, und übernachteten auf den Inseln, einmal auch in der Tapera (dem verlas- senen Orte) der ehemaligen Niederlassung S. Joaquim dos Coerunas , auf dem südlichen Ufer des Stromes, dem Rio Poapoa gegenüber. Alles war hier wieder zu einer Wildniss verwachsen. Als wir bier wieder einschiflten , vernahmen wir ein seltsames Röcheln und Schnar- chen, das, gerade aus der Tiefe des Fahrzeugs kommend, uns fürchten liess, dass sich ein Kaiman hineingeschlichen habe. Wir fanden aber, dass es mehrere Grunzer (Roncadores, Rhinelepis aspera, Spix Pisc. t. 2.) waren: grosse, bepanzerte Fische, die, wenn sie sich an Fahr- zeugen festsetzen, diesen Ton von sich geben. In Maripi verweilten wir » 1276 nur so lange, um unsere Sammlungen in das eigene Fahrzeug überzu- packen, und wir beeilten die Reise nach Zga so sehr, dass wir dort am 2. Merz ankamen. Snr. Zany hatte während dieser Rückkehr so heftige Fieberanfälle erlitten, und fühlte sich noch so sehr entkräftet, dass ich: schon hier von dem wackern Gefährten scheiden musste, 7) Ein Brief meines Freundes Srıx benachrichtigte mich, dass er schon vor . einigen Wochen auf dem Rückwege von der Grenze Eba verlassen habe, und foderte mich zu grösserer Eile auf. Der Solimoes befand sich jetzt in starker Anschwellung;; alle Sandbänke waren von den gelb- "lichen Fluthen bedeckt, und trieben uns, meistens am rechten Ufer , so schnell abwärts, dass wir am zweiten Abend uns am Coari ' (Bocca do Coari) hefanden. Ehe wir an’s Ufer kommen konnten, überfiel uns hier ein furchtbarer Orcan, der die Wellen des Stromes wie ein Meer aufwühlte. Wir fuhren, unter gewaltigem Schaukeln , mit Blitzes- schnelle stromabwärts, als plötzlieh das Steuerruder brach, und der Steuermann mit ihm von der Höhe der Cajüte ins Wasser stürzte. Der alte Mann war mir sehr werth geworden, und ich freute mich unaus-. sprechlich, ihn gerettet zu sehen, indem er behende das nachgeworfene Tau ergriff, welches zum Befestigen des Fahrzeugs gewöhnlich neben dem Steuermann liegt, und mit diesem vom Drang der Wellen selbst an's Ufer getragen wurde. Auch das Fahrzeug ward glücklich in einer Bucht untergebracht, wo wir das Ende des Sturms erwarteten. Es blieb nun kein Mittel, die Reise fortzusetzen, als in Alvellos ein neues “Steuerruder zu suchen. Im See von Coari überfiel uns ein zweites Gewitter, welches uns mit solchem Ungestüme zwischen die tief im Wasser stehenden Bäume des Ufers jagte, dass das Boot fast durch *) Ich freue mich der Cigiahan- diesciti verdienstrollen run öffentlich "die Geh der Hochachtung und Dankbarkeit SEE zu können. Als, bald nach unserer R nnchkelr En Vaterland und der Abreise des Generalgouverneurs Conde pe Vırua FroR nach Rio, die ‚Pro- r Fark und Rio Negro von politischer Stürmen erschüttert wurden, nahm Zuny an meh- F des Amazonas bewaffnete Stellung an, nz trug durch. Muth ‚und Standhaftig- keit wesentlich zur Beruhigung jener Landschaften bei, Verdienste, die ihm eine Commende des Christordens. und das Vertrauen des Kaisers Dow Peoro erwarben, welcher ihn gegenwärtig als Obersten mit der Bildung der Militzrezimenter beauftragt hat. 1277 die Aeste zerrissen worden wäre. Am Abend kamen wir glücklich nach Alvellos, ersetzten den Verlust, und kehrten über den spiegelglatten See, bei klarem Mondenscheine, an die Mündung zurück, wo wir unsere ‚Netze zwischen duftenden Myrtenbäumen aufhingen. Ich hatte mich, sehr ermüdet, kaum dem ersten Schlaf überlassen, als ein banges Gefühl mich erweckte und zu dem Bivouac der Indianer trieb. Da sah’ ich, dass alle Ruderer vom Yupurä und von Ega mich in der Stille verlas- sen hatten, und nur.drei Indianer von Parä zurückgeblieben waren, Diess war das letzte Abentheuer meiner beschwerlichen Reise. Obgleich die wenige Mannschaft das Fahrzeug nur mit Mühe leiten konnte, kam ich doch glücklich nach [Manacapuru, um die Familie des Snr. Zany über sein Schicksal zu beruhigen. Hier stiess ein junger Juri, von der Fa- milie Coma - Tapuüja , zu der Mannschaft, welcher uns nach München begleitet, leider aber, wie seine Gefährtin, die junge Miranha, den Wechsel des Rlima und der übrigen Aussenverhältnisse mit dem Leben bezahlt hat. ($. im Atlas das Porträt des „Juri“.) Am ıı1. Merz traf. ich in der Barra do Rio Negro ein, wo ich das Glück genoss, meinen Freund wieder zu umarmen, Ä Anmerkungen zum vierten Kapitel. (1.) Rio Yupura. Reıses 1x srınEm GEBIETE. Als ich den Yupurd bereiste , war mir vollkommen unbekannt, was erst durch die Forschungen des Hrn. v. Humnoror (Relat. 1. S. 697. ff.) ermittelt worden ist, dass dieser Strom bereits im sechszehnten Jahrhunderte von einem Deutschen war gesehen worden. Die Expedition des Par. v. Hurtrs (Unnr), der i. J. 15341, um das Land des Dorado zu suchen, von Venezuela über den Guaviare in die Gegenden am Uaup® und Yupurd vordrang, und den Ama- guas ein siegreiches Treffen lieferte, scheint keine historische Spur if dem Lande selbst zurückge- lassen zu haben. — So viel ist gewiss, däss auch in neueren Zeiten die Spanier den oberen Theil des Yupurd, welchen, sie Caquetd nennen, noch wenig oder gar nicht bereiset haben. Die wenigen Ordensmänner der von S, Juan de los Llanos abhängigen Franeiscaner- Missionen der Andaquies haben wohl schwerlich den Fall gesehen, welcher sich vier Tagereisen westlich von dem Fall von Arara- Coara befinden soll. Ihre östlichste Mission, $. Maria, welche vielleicht in der Breite der Mündung des Rio Amori (0° 36° n.) liegen möchte, ist schon vor dreissig Jahren durch die Einfälle der Umduas zerstört worden, Die Reise des Guardians Fr. Fraxc, Pucsrr von den Ufern des oberen Yupurd zu dem Guaviare, deren Hr. v. Humsoıor (Relat. II. S. 459.) erwähnt, berührt ebenfalls das von mir besuchte Gebiet des Flusses nicht. Nur die vereinigte spanisch - portugiesische Grenzeommis- sion hatte vor mir diese Gegenden besucht. (Vergl. Anhang $. 20.) Die astronomischen Arbeiten an diesem Strome wurden von Joze Sımods px Carnvarno und Joz& Vicrorio va Costa ausgeführt ,. wel- Il. Theil. 162 1278 chem letztern selbst ich die Mittheilung der folgenden astronomische Puncte verdanke. Diese Puncte sind dem spanischen Commissär D. Franc. Rrquena, wie es nach einer, mir von Hrn. y. Humsorpr gütigst mitgetheilten Copie aus der, dem spanischen Grenzberichte Bee Karte ana > mit gewissen Varianten übergeben worden. Durch die Grenzeommission bestimmte astronomische Puncte am Yupurä, südl. Breite. er u südl. Breite. ae S. Antonio de Maripi Unterer grosser Fall im (Imaribi) er " Rio dos Enganos er 0 15’ Verlassene Mission S. span.| 0 17° 5“ oaqui os Co@runas| Oberer desgl, portug. 0 12’ er 235 on an der Mü gung des| span.| 012’ 25 18° Flusses Mauapari (Ma- Grosser Fall des Yapurk eupiri) :" 69° 20 portug.| 0 38! 75 24 Mündung des Apaporis Die vansehen 2 a (aufdemport. ‚Manuse.)| ı 22 720 2 Fälle a b.a ie (in dem en. N 1 14 zı0 58° swahtacheräligh nur im s Fall von Cupat Hochwasser sich als ge- (aufdem port. nid 1 18 trennt darstellen. 2 Be (in dem span. Manuse.)| ı ıı a. span. 33! 0 et Malloca der bh. = 36' 5" ri-Tabocas, portug. £.:92 Fall des Messay span 1 18 ort. u. span.| 0 6’ nördl.| 759 20’ Erster unübersetzbarer „ des Cunhary (Cunare, Fall im Apaporis Comiary) port. u. span.| 0 28’ nördl. 54 Mündung des R. Yapiua pan 0 55 port.| 0 25’ nördl. Mündung ‚des Rio ds Dieser Fluss wird auf man portug, 0 36 75° 0' o’'fden portugies. Karten als Bi ggeinese des durch fein Beifluss des Apaporis Vereinigung des angegeben. Auf den spa- edle ‚ Messay und [nischen steht statt dessen R. dos Enganos ent- Yabilla als Beifluss des standenen Flusses in 3 Cunhary, Ä den Rio Yupurä) je Aura, Quelle 0 u a ne m — 32 Dass die seit 1655. in vielen Karten erscheinende Gabeltheilung des Yupura zum Orenoco und Amazonas auf falschen Nachrichten beruhe, und nicht Statt habe, ist durch die Deus jener Commission ausser Zweifel gesetzt worden. r Die astronomischen und zeographischen Arbeiten in Para und Rio Negro waren unter die einzel nen Glieder der Expedition auf folgende Weise vertheilw ,‚Der Amazonas von Santarem bis zur Barra do Rio Negro, und der Solimoes bis Ega wurden bereist uud mappirt durch J.$. oe Canyazno und J. V. va Costa; von Ega bis Tabatinga von dem Letztern; von da aufwärts nach Reiseberichten- Der Rio das Trombetas bis zur ersten Katarakte, R. Guatumä bis zur dritten und seinen Quellen, undR- a Urubü sind nach mündlichen Darstellungen der Reisenden aufgetragen. Vom Trombetas weiss m. dass er im Gebirge von Parime und nahe an den Quellen des Rupumuni entspringe. Der ‚Madeira _ ward bereist und aufgenommen von Axt. Pınes Postes und Fa. J. or Lacrsna; der Rio Branco und Alle ER von demselben von Carvaıno; der Rio Negro und seine Confluenten bis Barcellos 2 Ds Cosa. und. Carvaıno, von da aufwärts, bis zum Serro de Cocui, so wie die Communieationen zwischen den Rios Urubaxi , Uaiuanä, Uneuixi, Chiuard und Mari& zu denen von Maraubd, Gumapi und Poapoa von Lacannı ; der EEE seine Confluenten und Verbindungen mit dem Basiment? - 1279 von May. a Gama Loso; der Uaupe bis ua; die Passage von da nach dem Cawanari, die Bei- flüsse des Uaupe und seine übrigen Communicationen mit dem Apaporis, Issana und Xi, die zwi- schen dem Pama und diesen Fluss abwärts in den Rio Negro, so wie der letzte bis Serro de Cocui von Carvarno, Der Yupurä und seine Confluenten wurden von »a Costa und Canvaıno‘ aufgenom- men. Der Apaporis von der Mündung bis zum Cauanari und von da durch den Jucari in den Uaupt ward von CAnvaruo, dieser Fluss und seine Confluenten wurden auch von Gama bereist und aufge- nommen. Den Javary besuchte va Costa. Der Ic ward nur nach mündlichen Berichten der Reisen- den eingetragen.“ J. Vıcronıo va Costa. Apzrıcurew pen Isprıanrearnınus. Im Gebiete des Yupurä haust eine grosse Anzahl unter ein- ander verschiedener Horden oder Stämme (es ist unmöglich, eine entscheidende Bezeichnung für diese Gemeinschaften zu geben, deren genetisches Verhältniss so viel wie unbekannt ist) ,* und gerade hier trifft man auch besonders häufig die seltsame Sitte, sich durch eigenthümliche Abzeichen unter ein- ander zu charakterisiren. Oft erkundigte ich mich bei den Indianern selbst nach der Ursache dieser nationalen Merkmale, die unter Schmerzen, mit Mühe und nur langsam hergestellt werden können, und die gewöhnliche Antwort war: es geschähe, um die Einzelnen einer jeden Tribus leicht unter- scheiden zu können. Eine auf die Sitte bezügliche Tradition oder Mythe konnte ich nirgends entde- cken. Bedenkt man die Menge verschiedener Horden, Familien oder Stämme, die neben einander wohnen und sich auf ihren Jagden einzeln oder in Banden begegnen müssen, die Häufigkeit der von Geschlecht zu Geschlecht forterbenden Fehden und die Verschlingungen von mancherlei Bündnissen und Freundschaften, die gerade aus diesem beständigen Kriegsstande Mancher hervorgehen müssen, end- lich die Schwierigkeit des Verständnisses bei so grosser Verschiedenheit der Sprachen, — so wird alles Dieses die Meinung rechtfertigen , dass jene Abzeichen in der Nothwendigkeit erfunden worden seyen, sich gegenseitig schnell und in der Ferne schon zu erkennen. Der Indianer befindet sich nie- mals auf einem Gebiete, das ausschliesslich und anerkannt Eigenthum seines Stammes wäre, er kann daher von den Begegnenden als Feind, als Wilddieb betrachtet werden, und desshalb trägt er jene seltsamen Verunstaltungen, wie eine perennirende und mit ihm verwachsene Cocarde umber, die Friede, Krieg oder Neutralität beurkunden mag. Diese Ansicht gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch die Thatsache, dass gleichartig gezeichnete Stämme gewöhnlich in Frieden mit einander leben, und dass jeder Stamm irgend einen offenen Feind hat, Es ist eine der gewöhnlichsten Erfahrungen, dass ein Indianer, um die Eigenthümlichkeiten seines Stammes befragt, auch von selbst den Namen von dessen Erbfeinde beifügt. Der Typus dieser Abzeieben findet sich immer in dem Thierreiche; (sie sollen Aehnlichkeiten mit den Araras, den verschiedenen Affenarten, der Onze u. s. w. bezwecken),, und am häufigsten werden sie durch die Operation des Tatowirens , besonders im Antlitze, dargestellt, welche die Acltern bereits an kleinen Kindern beginnen, indem sie mit einer Reibe zusammengebundener oder mit einzelnen Palmenstacheln die Haut verwunden, und durch Einreiben des braunen Saftes der Genipapofrucht (oder des Caruto, Genipa Caruto, Humb.) eine bläulichbraune Tinte im malpi- ghischen Netze hervorbringen, die durch die Oberhaut durchschimmert , und nimmermehr verschwin- det. So entsteht der Fleck im Gesichte (Malha, tupi: sobd kytäm). Die Durchbohrung der Lippen, der Nasenflügel und der Ohren, und die Ausfüllung dieser Löcher mit manchfach geformten Körpern von Holz (Taboca), Stein (Tametära), Harz , Muscheln, Glas, Porzellanscherben u. dgl. ist eine gleich- sam untergeordnete Art des Abzeichens, denn ihrer kann sich der Indianer begeben, wenn er zu Hause ist, und er pflegt sie bisweilen bei Nacht abzulegen, während sie in andern Fällen gleichsam mit dem Antlitz verwachsen, Ich habe auf der Reise im Yupurä Individuen von zwölf Stämmen ken- nen gelernt, nämlich Passes, Juris, Coerunas, Coretüs, Jumdnas, Cauixzdnas, Miranhas, von der Schnackenhorde, Carapand - Tapuüja, welche ich in ihren Wohnsitzen beobachtete, und Kup 162 * 1280 Tecunas, Muriates, Jäunas, Macunds, Miranhas von der Grossvogel - Horde, Oira -agi- Tapuöja, die als Gast unter jenen lebten oder mich als Ruderer begleiteten. Die Abzeichen der Stämme am Yu. purä sind folgende: 1) Eine halbelliptische, das Gesicht grösstentheils bedeckende, Tatowirung mit mancherlei einfachen oder gekreuzten Linien auf der Stirne und den Schläfen: bei den Passes; eine ähnliche, schildformige , bisweilen noch weiter gegen den Hals ausgedehnte Malha, viereckichte ‚Git- ter anf den Schläfen und der Stirne, und diese drei bisweilen durch Querlinien verbunden ; bei den Juris, (überdiess trägt die Horde der Juri- Tabocas einen hölzerneu Zapfen in der Unterlippe); die ein- fache Malha in verschiedenen Abstufungen bei den verschiedenen Familien der Uaiuumds, statt der. selben bisweilen die Nasen und Ohren durchbohrt und darin Muschelschaalen. Ganz gleich ist (nach Monteiro $. 120.) das Abzeichen der Xdmas und der Tumbiras: ein schildformiger Fleck und bei den Letzteren überdiess ein schwarzer Zapfen in der Unterlippe. — Alle diese Stämme sind es,. welche von den Brasilianern vorzugsweise die Schwarzgesichter, Yuru-pixunas, genannt werden. — 2 Ein langgezogenes Oval um den Mund, auf beiden Seiten in eine horizontale Linie auslaufend (selten auch eine schildförmige Malha): bei den Jumünas. Aehnlich sind (nach Monteiro a. a.0.) die Lippen der Tamyand, Poydna und Purenumd tatowirt. 3) Die Nasenflügel durchbohrt und darin Muschelschäl- chen, die Ohrläppchen oft scheusslich erweitert: bei den Miranhas. 4) Die Stämme Yupud, Coretü, Coöruna tragen keine Tatowirungen, aber bisweilen eine Muschelschaale oder Copalstangen in der durchbohrten Unterlippe. 5) Die Jäunas, IHacunäs, Tecünas, Muriates haben weit durchbohrte Oh- renlappen, worin sie Federn, Copal, Marantastengel u. dgl. tragen. Gleichen Zierrath haben (nach Monteiro) die Jucunds, Yupiuds, Mauauds, Araruds und Periatis. 6) Die Pariands haben (nach dem- selben) einen horizontalen tatowirten Strich auf jeder Lippe und die Ohren durchbohrt, (5.) Die Sansaranınır , (port. Salsaparilha , Salsa, span. Zarzaparilla, Zarza). Die Sarsaparille alb vom Marannon ($. de Marannon, de Pard, lisbonensis) sind die zahlreichen Luftwurzeln und oberb; der Erde austreibenden Wurzelschösslinge der Smilax syphilitica, Humb.: caule sarmentoso angulato fasciatove, aculeis retrorsis curvatis horridissimo; ramulis tetragonis angulis aculeolatis; foliis e cordata basi oblongis cuspidatis quinquenervüs, nervis marginalibus tenuioribus. Der Stamm dieses Strauches (in der Tupi Sipö &m) und seine Hauptäste sind eckicht, mit hervorspringenden Kanten, 0 oder” ‚oft bandartig ausgedehnt und zusammengedrückt, und dicht mit grossen abwärts gerichteten Stacheln besetzt. Die rankigen Aeste verschlingen sich bald unfern der Erde, bald verstricken sie das be barte Laubwerk zu einem undurchdringlichen Dickicht. Oft hängt ein ganzer Waldstrich mit einem einzigen dieser grotesken Schlingsträuche zusammen, und schüttelt, wenn dieser bewegt oder ausge rissen wird, bald einen Regen von Wasser, das in dem verwirrten Laubwerke zurückgeblieben , bald Schwärme beissender Ameisen oder stechender Bienen auf den erschrockenen Wanderer herab. We . gen der grossen Ausdehnung der Wurzeln reisst man die ganze Pflanze nur selten aus, sondern schneidet die Wurzeltriebe und Luftwurzeln vom Stocke ab. Es mag diess ein Grund seyn » warum man in der sogenannten Lissaboner Sarsaparille seltener jene starken holzigen Stengel findet, die in die Mitte der Büschel .der sogenannten langen Sarsaparille von Caracas und Vera Gruz eingebunden vorkommen, Diese letztere, im Handel häufigere, über Jamaica und Spanien versendete, Sea ohne Zweifel von einer andern Pflanze (vielleicht von Smilax officinalis, Humb.) her. Die \ der } brasilianischen Salsa sind dünner, mit einer dünneren und minder runzlichten, vielmehr als ‚gelbbraun. gefärbten, weniger glänzenden Rinde und einem an mehligem = er _ Kerne versch hen,; Die Indianer sammeln sie das ganze Jahr hindurch, je nachdem Witterung und husses sie veranlassen , eine an Sarsaparille reiche Gegend zu besuchen. Dieser Umstand a die Fortpflanzung des nützlichen Strauches noch begünstigen, denn würden sie ihre Sammlung gerade Sur. in. ı. den Sommiermggaten, wo er seine Beeren reift, veranstalten, SO müsste ea Se ® ——— 1281 er noch um so früher abeleigen Orten selten, oder gar ausgerottet werden. Die Ranken und Wurzeltriebe werden über gelindem Feuer getrocknet, mittelst der schmiegsamen Ranken von Timbo. titica in Bündel von vier bis fünf Fuss Länge auf einen Fuss Dicke zusammengebunden , und so auf die brasilianischen Märkte gebracht. Im Innern verkauft man die Arroba guter Salsaparilha zu fünf, sechs bis sieben Mil Reis. Die Indianer wissen recht gut, dass diese mehlreichen Wurzeln dem Wurmfrasse ausgesetzt sind; sie bewahren sie daher im Giebel des Hauses auf, wo sie die starke Räucherung en. welche man bisweilen an den Bündeln wabrnimmt, (4) Mevscıwiscnr Kenntnisse pen Inpıauen, Zwar kennen die Indianer viele Kräuter und Bäume und unterscheiden sie mit eigenen Namen; doch gilt diess vorzüglich nur von essbaren, zu Farben dienlichen oder ausserdem in ihrem Haushalte verwendbaren Gewächsen. Von Heilpflanzen und über- haupt. ‚von Heilmitteln (Poganga) haben sie die dunkelsten, oft abergläubischen, und durch die Pajes genäbrten Begriffe. Bei weitem die meisten derjenigen Gewächse, welche jetzt in Brasilien in der Medicin angewendet werden, sind von den ersten Ansiedlern, namentlich den Paulisten und von Solchen aufgefunden worden, die Reminiscenzen von den in Ostindien«gebräuchlichen Pflanzen mitbrachten, Wissen auch die Indianer von manchen, dass sie gegen | gewisse Uebel wirksam sind, so haben sie doch weder von Dosis,.noch von der Periode und Länge der Anwendung eine richtige Vorstellung. Das kräftigste Mittel, wodurch sie vielen Krankheiten begegnen, ist die Hungercur, die sie bei acuten Krankheiten meistens mit Vortheil, bei chronischen hingegen oft zum Verderben des ‚Patienten bis auf das Acusserste treiben. Manche Nationen am Yu Br ziehen den Kranken Hemden aus Turiribast an, und sichern sterdädurch | gegen Verkältung, air es heissen Klima ungeachtet, eintreten kann, da Indianer nackt in seiner Hangmatte zu liegen gewohnt ist. Das Aderlassen aus den Schläfen-, Arm- oder bei Kindern aus der Fussvene, ist eine ziemlich allgemeine Operation, nach Schlägen, bei Sug- gilationen, Kopfweh,, heftigem Fieber, und namentlich während der Schwangerschaft, da nicht blos den Weibern, sondern auch den Männern (eben so wie diess die Botocudos zu thun pflegen) Blut ge- lassen wird. Sie bedienen sich dazu mancherlei Instrumente, Bei den Coroados hatten wir einen kleinen Bogen und Pfeil dafür gefunden (Fig. 57. „der ind. Geräthsch.“), bei den Mauhös (Fig. 58.) geschieht es mittelst eines scharfen Tucanschnabels, bei den Mundrucäs mit einem Zahne vom Coati und bei den Juris durch ein Scalpel aus einem Bambusrohre. Bei Beinbrüchen binden sie das kranke Glied zwischen Schienen ein, schnüren es aber oft so fest, dass die Entstehung des Callus verhin- dert wird, und sich künstliche Gelenkflächen bilden. ‚Verwundete werd rdı | auf ei in: ‚Gerüste von Stan- en über ein schwaches Feuer gelegt, und die Wunden reinigen und schliessen sich auf di iese Weise agbr vehnen Diess heisst Cadm. (ein Wort, das an Mocaem, braten ‚ erinnert). — KnassurıTEn AM Yuruna. Die herrschenden Krankheiten in Aesden Gebiete sind- kalte Fieber, chronische Leberentzündungen und Wurmleiden. Was die ersteren (Malettas, tupi Tazuba ayba) be- trifft, so ist der Yupurä desshälb so verrufen, weil an seinen Ufern alle Krankheiten den Typus von Fiebern, besonders von Tertiana und Quartana, annehmen, Eine kleine Wunde, einige oberflächliche Hautgeschwüre vom Stiche des Pium erzeugt (Piera), eine Erkältung , Durchnässung, Indigestion, langes’ Hungern , Geschlechtsgenuss, schnelles Trinken in der Hitze — alle diese Krankheitstmomente oder Dispositionen, welche in gesunderen Gegenden leicht überwunden werden, bilden sich hier zu Wechselfiebern aus. Die Reise in so unwirthlichen Gegenden brihgt den Organismns gar oft in Lagen, wo die Aufnahme jener Krankheitsursachen unvermeidlich ist, überdiess aber stellt sich das Fieber auch ohne solche äussere Einflüsse, blos als Wirkung der ungesunden Oertlichkeit ein. Die niedrige, feuchte Lage, der fast gänzliche Mangel des, durch die dichte Vegetation abgehaltenen, Windes, die miasmatischen Ausdünstungen der, von Zeit zu Zeit in grossen Strecken von Wasser & 2, 75 Schlamm - oder Felsenufer , vielleicht auch die in dem, zum Trinkwasser benutzten, Flusse aufgelös- L 1282 ten vegetabilischen und mineralischen Substanzen, mögen sich vereinigen, die Entwickelung von Endemien zu begünstigen. Die schleichenden Entzündungen der Leber, welche anfänglich mit fast unmerklichen Anomalien der Verdauung gepaart, und fast nur dadurch oder durch ein ausseizendes langwieriges Fieber sich beurkunden, überantworten den Kranken unvermerkt einem Zustande, worin alle medieinische Hülfe zu spät kommt. Dieser Fall tritt vorzüglich bei den indianischen Anwohnern. des Flusses selbst ein; nur wenige erhalten sich frei von ungeheueren Anschwellungen oder Verhär. tungen der Leber und der Milz (Per&), welche endlich den Tod durch Wassersucht, Vereiterung,, Faulfieber oder Abzehrung herbeiführen. Ein wahrhaft jammervoller Anblick war es mir, oft unter fünfzig und mehr Indianern keinen Einzigen zu bemerken, dessen Unterleib nicht durch die monströs vergrösserte Leber hervorgetrieben gewesen wäre. Manche erschienen von Weitem wie schwangere Weiber. Auch Kinder leiden bisweilen schon an solchen gewaltigen Anschwellungen der Unterleibs- organe, besonders auch der mesaraischen Drüsen; ihre Extremitäten magern dabei ab, es stellt sich Heisshunger nach Erde, Holz, Leder, Wachs und andern Körpern ein, und sie sterben auszehrend dahin. Bei Mädchen haben solche Leiden bisweilen Einfluss auf das Uterinsystem, und sie werden dann chlorotisch. Die Wurmkrankheit entwickelt sich hier besonders bei Jüngeren Individuen zu einer furchtbaren Stärke. Vorzüglich häufig sind die Lumbriei (tupi Cebus). Durch solche verminöse Complication nehmen die Fieber oft einen sehr gefährlichen fauligen Charakter an. Die Ursachen dieser Wurmkrankheit sind vorzüglich in dem Genusse des Flusswassers, im Mangel an Abwechse- lung der Nahrung, der Gewürze, des Salzes, und im Ueberwiegen der rohen Kost von Bananen und Früchten des Waldes, Insecten und kleinen Fischen zu suchen. Man bemerkt übrigens, dass die Indianer. von diesem Uebel vorzüglich während der nassen Jahreszeit, und nach anhaltend kalten Nächten be- fallen werden. Leider findet man auch im Yupura schon Spuren von syphilitischen Krankheiten; doch sind sie ohne Zweifel von den Indianern, welche mit den weissen Ansiedlern verkehrt hatten, oder von diesen selbst hierhergebracht worden, Sorgfältige Erkundigungen über diesen Gegenstand, welche ich bei allen Gelegenheiten eingezogen, haben in mir die Gewissheit festgestellt, dass jene Krankbeit bei den brasilianischen Ureinwohnern nicht ursprünglich einheimisch war, Die Formen, welche hier vorkommen, sind leichterer Art, und beziehen sich vorzüglich auf Hautleiden. Ich habe auch an den hiesigen Indianern mehrere Hautkrankheiten beobachtet, die aber nicht gewiss einer syphi- litischen Ursache zugeschrieben werden konnten: Warzen auf dem ganzen Körper, gelbe Flecke auf der, mehr gerötheten Haut, rothe Pusteln, die sich entzünden und in eine Art Anithrax (tupi Pynhä, so heissen auch die Boubas) übergehen, Beulen (Nascidas, tupi Munga), weit verbreitete, dünne, endlich rissige, blutige oder trockne Ausschläge, vorzüglich an den Extremitäten, Die pathologische: Terminologie der Indianer ist übrigens sehr beschränkt. Ich habe bei meinem Krankenexamen m folgende Ausdrücke gebraucht: krank, acycaba; schwach, memböca, pytuba; Schmerz, RR Kopfschmerz, Acanga asy; Seitenstich, Cutücutüuc nongara; Fieber, Tagüba ; Blattern , /Mereba ayba; Masern (Sarampo), Mexia rang ; Diarhoe (Puxos de camera) Jami Jami marica; Puls, Jaby rajyca; Wunde, Meredba; Geschwulst, pungä; Katarrh, Uü; Ausschlag (Empingem) Uauräna; die “> (cbronischer Ausschlag) Curüda; Jucken, Jugdra; Schlafen, ker; schläfrig, cepycei; Fasten, Je© Binlsjsen , Cugui jöca; Leber, Pyd; Lunge, Pyd bubui enge Leber). Ein Mehreres a er ker hier kaum zu seinen Fragen, Er gie Apaporis (dpapuri, Apoaperi, Apuapuri, Apuaperi, Auaperi, _ Auaburis). Dieser Fluss, & -Beifluss des Yupurd, der an seiner Mündung etwa 200 Klafter Breite hatte, als wir an ihr voräberfahren., hat Gewässer von derselben weisslichen, zur Zeit des niederen Standes ae ' in das Grüne ziehenden Farbe, wie sein Hauptstrom, mit dem er sich, da er stark strömet, vermischt, Er soll 60 Legoas nordnordwestlich von seiner Mündung in Fluren entspringen und ist mir u 2 4 1283 wegen seiner 16 Katarakten sehr selten befahren worden, Der Gouverneur Armnıa va Gama Lono war der Erste, welcher seinen Zusammenhang mit dem Uaup£, Confluenten des Rio Negro, nach der Passage eines schmalen Landweges, ausmittelte., Er fuhr aus den Rio Negro nach S. Joaquim in den Uaupe, verfolgte diesen fünf Tagereisen, kam dann in dessen wichtigstem Nebenfluss dem Tiquie auf. wärts, und dann, nach Uebersetzung eines niedrigen Landstriches, in den Apaporis, von wo aus er einen ähnlichen Weg durch den Ueyd (Uaya) in den Capuri und von da in den Uaupds surücknahm: eine Expedition, die ihm die Gesundheit und vielen Indianern das Leben kostete. Im Jahre 1791 be- schiffte Joze Sımo&s px Carvarno den Uaupes noch weiter aufwärts bis zu dem kleinen Beifluss Po. . rore- Parand oder Jacury. Von diesem aus gelangte er in den Cauanary, der sich in den Apaporis ergiesst; er überstand die beiden gefährlichen Fälle von Paricua und Furna und schiffte den Apapo- ris bis an seine Mündung hinab. Die Landfahrten zwischen dem Uaupds und dem Apaporis führen durch ein ‚niedriges ‚ während der Hochwasser überschwemmtes Land, so dass man nur während der trock- nen Jahrszeit Fusswege einzuschlagen braucht, und in den Regenmonaten mit einem kleinen Nachen durch die Sümpfe kommen kann. (Monteiro $. 185.) Obgleich sich zahlreiche Stämme an seinen Ufern aufhalten, wie namentlich Cauiari 4 4ethonig, Sirod, Macund, Yucuna, Yaüna, Tajassu-tapuüja (Schweinetapujas), Coretü, Yupud, hat man doch aus Furcht vor den Mühseligkeiten der Reise nur wenige Descimentos von dorther nach dem Rio Negro unternommen. Die Weissen, welche von die- sem Strome aus in den Yupura gehen (was gegenwärtig ebenfalls nur selten geschieht), schlagen den Weg über das Flüsschen Poapod oder den See Maraha. ein, welche nur durch schmale Landfahrten (Porsegei von « den Flüssen Ueninizi und Urubazi (Yurubesch) getrennt sind. (Von den letzteren die. sc er Wege ‚sprich it DE LA Cosvamınk, a.a. 0, S, 124. als einer schon damals bekannten Communication.) F Iigemein. verbreitet ist unter den hier anwohnenden Indianern die Sage von Goldreichthum in dem Apaporis und seinem Beiflusse,, dem Taraira, (Vergl. hierüber Anmerkung 9.) (6.)* Der Anmrısenzusper, welchen ich einer mikroskopischen Untersuchung unterworfen habe, zeigte eine deutliche Textur aus feinen, sehr innig durcheinander gefilzten, Pflanzenhaaren. Dahin muss daher berichtigt werden, was ich hierüber (oben 8, 955.) angegeben habe. Man bemerkt zweierlei Arten von Haaren: sehr zarte, hellbraune, stark gekräuselte, obne eine Spur ‚von Gliede- rung, und stärkere, durchsichtige, mehr einfach gebogen und steif, hie und n mit Freien versehen; die ersteren machen den vorherrschenden Bestandtheil aus. Man findet eines thierischen Cämentes , wohl aber kleine Körnchen, die wie, hwitzte Pf p scheinen. Die Pflanze, welche diese Haare liefert, ist u. a. eine baumartige Melastomacee, Miconia holose- ricea, von den Brasilianern Tinta-rana genannt, weil man mit den Früchten und Blättern eine, wiewohl nicht gute, blauschwarze Farbe bereiten kann. Hr. v. Humsoror hat in der Yesca de hormigas vom eos: Eu VRR MESECE: aasahe ge Die ee welche den Ameisenzunder von En B 77 schieden , und kommt der Formica Nlzans;, Pabki nahe, welche in Surinam ihr Nest aus den, Mies: mal dickeren, Haaren der Bombaxwolle bereitet. Sehr merkwürdig ist die Oekonomie mehrerer Arten von Ameisen, welche andere Pflanzen aus der Familie der Melastomaceen bewohnen. Die Blätter der Gattung Maieta sind an ihrem Untertheile 2 einer ablangen, zweifächrigen Blase ver- sehen, und die Blattstiele der Gattung Tococa sind i in ähnliche Höhlung aufgetrieben; hierin woh- nen zahlreiche Gesellschaften von kleinen, rothen, heftig beissenden Ameisen (Formica molestans,, Latr. u. nana, De Geer.) welche sich ihre kleinen, kugeligen oder elliptischen Nester aus den ungemein zarten Fasern und Haaren zusammenfilzen, womit manche Theile der Pflanze (bei Tococa formicgria, Mart. N. @, t. 278.)die Knoten des Blüthenstandes, bei Maieta hypophysca, ebendaselbst t. 280., die Blattstiele) besetzt sind. — Am Rio Negro wird der Ameisenzunder, so wie am Orenoco, zum Stillen von eu a 1284 verwendet. Zu gleichem Zwecke bedienen sich übrigens erfahrne Pflanzer des getrockneten und ge- pressten rothen Löcherpilzes Urup& (Boletus sanguineus, Sw.) : (7.) InvianıscHe Scvrprunns. Nur ungerne verzichtet man bei Forschungen über einen früher gebildeteren Zustand des südamericanischen Festlandes auf die Berücksichtigung von Documenten , deren hohes Alter sich kaum abläugnen lässt; und es würde unendlich reizender seyn, in den Sculp- turen von Cupati und Arara- Coara Zeugen eines Götterdienstes und einer entwickelten Mythologie, als lediglich die Ueberbleibsel aus einer der Gegenwart in Rohheit und kindischer Einfalt gleichen Zeitperiode erblicken zu dürfen. Allein, schon der erste Anblick dieser grotesken Figuren weist jede höhere symbolische Bedeutung von ihnen ab; und ich bin vollkommen überzeugt, dass sie von Indianern herrühren , die an Sinnesart und Bildung mit ihren gegenwärtigen, vielleicht späten , Nach- kommen gänzlich übereinstimmten. Sie sind ein trauriger Beweis von der starren Versunkenheit dieses Geschlechts in die, seit Jahrtausenden bei ihnen waltende, Anschauungs- und Vorstellungsweise. Unter den Indianern am Yupura ist die Sage allgemein, dass dieser Strom vor Zeiten viel mehr sey bevölkert gewesen, als jetzt, und dass die grössten Niederlassungen sich gerade in der Nähe der Katarakten befunden haben. Die zahlreichen Gehäge von baumartigen Gräsern, aus denen, wie er- wähnt, lebendige Hecken zur Vertheidigung der Orischaften angelegt wurden, gei de i genden scheinen jene Sage zu bestätigen. Wer die Gewohnheit der Indianer bis auf diese Tage kennt, je nach den verschiedenen Jahrszeiten bald in den früchtereichen Wald, bald an die Ströme zu ziehen, wird die Annahme natürlich finden, dass zur Zeit der niedrigen Wasserstände, wo die Fische sich am zahlreichsten in der Nähe der Fälle.aufhalten, diese am meisten besucht. waren. In dieser Periode mögen sich Die, welche nicht eben dem Fischfange nachhingen, auf den weithin ent- % blössten Steinbänken des Ufers mit solchen Sculpturen spielend ergötzt haben. Die Bilder an dem Felsen von Arara- Coara, welchen meine Indianer scheue Ehrfurcht erwiesen, wären vermöge ihrer | Stelle, an einem hervorragenden senkrechten Felsen, so wie durch die Reihe von Strahlen “um das Haupt, 'eher geeignet, eine Hinweisung auf einen Gultus zu geben; allein eher als Sonnenbilder mögen sie nur Köpfe von Indianern mit der Federkrone darstellen. Bei einer weiblichen Figur auf den Steinplatten fand ich eine schlangenförmige Linie quer über den Leib. Sollte diess, weiterfüh- rend, an die Frau mit der Schlange erinnern, oder blos Zufall seyn? — Ich darf nicht unterlassen, hier zu erwähnen, dass man mir nicht selten in Rio Negro von einer Sage gesprochen , gemäss wel- cher die Unterthanen der Incas nach Zerstörung ihres Reiches sich vor den Spaniern gen 0. geflüch- tet, und in den unbewohnten Wäldern zwischen dem Yupura und Icä niedergelassen hätten, Der Zug des Maswco-Inca, Arınvarra’s Nachfolgers, in die Gebirge und Waldungen ostwärts mag zu die- ser Sage Anlass gegeben haben. Es waren jedoch niemals Indianer, welche mit mir von dieser an- geblichen Wanderung sprachen, sondern solehe Personen, die ein literarisches Interesse an die Schriften Acunxna’s und Berneno’s geführt hatte, in welchen einer solchen Wanderung ohne ‚meiten® historische Nachweisung erwähnt wird. (Vergl. Acunna Cap. 51, den Berredo benützte.) Bei ‚dem Mangel gegenseitigen literärischen Verkehrs und daraus hervorgehender Kritik in Brasilien ist es nicht befi ii : M Br wenn die Wenigen, welche sich historischen Studien hingegeben haben, ganz gleiche und namentl® a von Acussa verbreiteten Ansichten und Vorurtheile wieder aufnehmen. — Auffallend bleibt endlich die grosse Ausdehnung, in welchen diese rohen Sculpturen in verschiedenen Orten Südamerica’s gefun-, den werden. Die östlichsten derselben | | ) an dem, ıcor, Horzsmans aus Hildesheim (i. J. 1750 ien (von Humboldt Reise 4, 516.) Sie sind von denen, welche ich am Yupura be- urn Längengrade entfernt ; und innerhalb dieses weitläuftigen Raumes hat aie ‚Here.Y9# Humsoror an. 'hreren Orten der Gujanas wahrgenommen. — Welche Deutung man auch een Resten eines unbekannten Alterthumes geben mag; immer werden sie als Zeugniss eines gleichartigen 1285 Bildungszustandes von Völkern, welche hier ehemals in so grosser Ausdehnung wohnten, von Inter- esse seyn. (8.) Rio Yupurd. Dır Veortarıon im Gebiete dieses Stromes, so weit ich sie beobachtet habe, behält im Allgemeinen denselben physiognomischen Charakter bei, welcher der Waldung längs der Ufer des Amazonas zukömmt. Diess gilt ganz vorzüglich von dem untersten Theile der Landschaft, in welcher der Fluss von N. nach S. strömt; denn hier besteht die Waldung aus denselben Formen, - 1 welche längs des Hauptstromes selbst wachsen. Weiter gen W. mischen sich allmälig andere Gewächse darunter, ohne jedoch die Physiognomie im Ganzen zu verändern. Nur auf der Höhe des Felsens von Arara-Coara zeigt sich eine Umbildung aus dem hohen, verworrenen, gleichsam unfreundlichen und unordentlichen Urwalde, der die Ufer des grössten der Ströme beschattet, in die heiteren, zar- teren und\minder gewaltigen Formen der Flurvegetation. Der Wald selbst wird, bei Hochwasser, in der Nähe der Ufer ebenso wie der des Amazonas und Solimocs, überschwemmt, und die Arten der Bäume, sowie ihre Astvertheilung und Rindenbildung, unterscheiden den Uferwald (Cad ygap6) yon dem des höher liegenden Festlondes (Cad-ete),. Während des niedrigen Wasserstandes sieht man zahlreiche Halme von Gräsern (Panicum - uud Paspalus- Arten) hervortreiben, welche durch das _ Hochwasser wieder bedeckt werden, Palmen, und namentlich die stacheligen Arten von Astrocaryum und Bactris, deren Blätter vorzugsweise den Flachs der Indianer liefern, grosse Musaceen (die Helico- niae, Urania amazonica), Hecken von Baumgräsern, von Maranten, und andere in den schönsten Blumen prangende Würzschilfe (Seitamineae) , dazwischen die Ambaüva, mit weissen Stimmen und grosslappigen Blättern, sind die Formen, welche dem Schiffenden am häufigsten zwischen der aus- serordentlichen Mannichfaltigkeit des Baumschlags begegnen, der sich dicht und hoch über den Fluss hereinwölbt. Die Pflanzenfamilien, die hier am meisten repräsentirt werden, sind Rubiaceen (Gattun- gen: Tetramerium, Coffea, Isertia, Cephaelis, Psychotria, Genipa, und das Pdo mulato, Exostema leptophloeum M., ein oft 100 Fuss hoher Baum, dessen Holz, von grosser Festigkeit und schö- nem Gefüge, häufig zu Geräthe und Zimmerung verwendet wird, Sapoteen (Labatia, Achras) Apocy- neen (Echites, Forsteronia, Tabernaemontana), Malpighiaceen (Banisteria, Triopteris), Urticaceen (Ficus, Boehmeria), Euphorbiaceen (Phyllanthus, Hura, Croton), Pflanzen mit dicken, gummösen Sä (Vismia, Clusia, Calophyllum) und die verwandten Ruyshia, Ascium, Marcgravia, Laurineen (Lau- rus, Ocotea, Persea, Cryptocarya) und Myrtaceen (Myrtus, Gustavia, Calyptranthes). Unter den Hül- senfrüchtern erscheinen colossale Angelimbäume (Andira), Biederlaubige Acacien und noch häufiger Ingae. Fast gänzlich fehlen die Malvenblumen, statt deren dickstäm tämmige Bombarbäume auftreten. Ein- zelne Formen, die hier vorkommen, sind Licania , Hirtella,, Prockia, Bira, Anthodus, Heisteria, 'Hippocratea, Menispermum, Guatteria, Anona u. $. f. Die Glieder dieser Waldung verschwinden allmälig, nachdem der Strom oberhalb Maripi von Westen nach Süden umlenkt, und noch mehr oberhalb der Mündung des Purdos und bis zu den Fällen von Cupati. Nun verlieren sich mehr und mehr die Formen des Ygapöwaldes, und die des Waldes des Festlandes treten unmittelbar an das, nur wenig über den Fluss erhobene, Ufer heraus, welches übrigens häufig mit den graugrünen Gebü- schen der Lorbeerbäume und dem weidenartigen Laube einiger Myrten eingefasst ist. Der Wald wird niedriger, im Baumschlag gleichförmiger, glänzender, und besonders reich an Schmarotzergewächsen. Prachtvolle Orchideenblumen, stachelige Ananasstanden, groteske Arongewächse (Caladium, Arum, Dracontium , Cyclanthus, Carludovica) bald an Bäumen oder Felsen klimmend, bald ihre grossen \ Blätter über Brüche ausbreitend, sehr viele kleine Rohrpalmen, baumartige Gräser; schönblumige an (wie Drymonia calcarata, Mart. N, G. t, 224, Episcia decumbens und reptans, t. 216. 7., Hypocyrta aggregata, t. 221., Alloplectus cireinatus t. 223.), die Brownea mit ihren grossen a Arten von Swartzia, Schnella, Corynostylis Hybantbus (N, G. t, 1%); Tachia guja- II. Theil. 163 1280 nensis, u. Voyrae kommen vor. Unter den Palmen dieses Gebietes zeichne ich die Iriartea mit vielen Wurzeln über dem Boden (J. exorhiza M, Palm. t. 33.) und die beiden Fächerpalmen Lepidocaryum tenue und gracile (t. 45. und 46.) aus. Vorzüglich schön erscheint die Vegetation in der Nähe der Katarakten von Cupati. -Der Felsgrund des Flusses ist bier häufig mit Lacis fuviatilis be. deckt; und im Walde wechseln mancherlei groteske Arongewächse , Orchideen und andere "Schma. rotzerpflanzen, unter denen viele Riemenblumen (Loranthus) von der Gruppe mit grossen mehr- farbigen Blüthen (Psittacanthus),, mit Hecken von Maranta, mit Gesträuche von Myrten und Securidaken A und mit kleineren Bäumen von Coffea, Hamelia, Swartzia, Hirtella, mancherlei Melastomaceen, dar- unter die Blakea ‚ deren prächtige blassrothe Blumen gleiehsam die Rosen dieser Wildniss repräsen- tiren. Dazwischen ragen colossale Bäume aus der Familie der Lorbeeren,, Lecythisarten, die Hülsen- früchter, deren schönfarbiges Holz unter dem Namen des Veilchenholzes (Pao violette), des falschen Rosenholzes (Moira -pinima) und des Rothholzes (Pdo roxo, Moira piranga) bekannt ist, und einige kühne Palmen hervor. Die trübgefleckten Blattstiele der Dracontien erscheinen, von ferne gesehen, wie Giftschlangen, welche ähnliche Gründe bewohnen, und heissen desshalb auch Schiraracakraut; aber,ihre grossen, silbergrauen Knollen werden, zerquetscht auf Giftwunden gelegt, für ein kühlen- des Antidotum gehalten, gleichsam als hätte die Natur im Kraute die Kraft der Wurzel angedeutet. Die Physiognomie dieser Waldung verändert sich merklich, sobald man die Höhen von Cupati be- steigt, oder noch mehr, wenn man auf die flurähnliche Ebene gelangt, welche den Scheitel von Arara-Coara einnimmt. Hier erscheinen mehrere Arten von Sauerklee mit gefiederten Blättern (Oxa- lis casta, somnians, dormiens), ein zehn Schuh hoher Baumfarn (Alsophila nigra, M.), Euceraea nitida (N. G. t. 238.), eine Palme (Oenocarpus eircumtextus), ein Harz ausschwitzendes Retiniphyllum, Tococa gujanensis, Burmania dasyantha (t. 5.), Xyris- und Carexarten, Humirium crassifolium (t, 198.) Trattinickia burseraefolia (t. 239.), Architaea triflora (t. 73.), mehrere Hamelien, an den Felsen eine niedliche Bromeliengattung (Nauia), in den dürren Plätzen der W aldung Schizaea digitata_ und pal- mata, und als diess Gebiet vorzüglich bezeichnend: drei wahre Chinaarten Cinchona Bergeniana, Lam- bertiana, macroenemia. (Cinchona Bergeniana: ramis reliquisque partibus juvenilibus ferrugineo- -villosis; foliis oblongo -lanceolatis, in petiolum brevem attenuatis planis; thyrso axillari interrupto, basi brachiato; capsula oblongo-cylindrica) — C. Lambertiana: foliis petiolatis, ovalibus, subcordatis obtusiusculis, superne glabris nitidis, subtus opacis, mollibus, ad nervos pilosiusculis; cyma decomposita terminali; fructibus cylindricis, costalis, glabris, unilateraliter dehiscentibus; seminibus margine lineari lacero einclis — C, macrocnemia: ramis nudis; Joliis spathulato - -oblongis, acuminalis, in petiolum brevem altenuatis, ulrinque laevigatis nitidis, stipulis basi in ocream connalis et circa petiolos margine_ calloso hippocrepidiformi cinctos decurrentibus; thyrso axillari paniculato, laxo; floribus minutis tetramerüs; fructus cylindrici carpellis falcato - dehiscentibus, seminibus ultringue membrana rotundata integerrima adauctis. Alex. Braun. MS, Die Rinde der €. Bergeniana ist die dünnste und am wenigsten bittere unter diesen dreien. Ihre Farbe'ist bräunlichgelb, nach Innen in’s Rostbraune, gegen die bräunlich- graue, dünne Epidermis hin ins Röthliche übergehend. Der Geschmack ist bitterlich, wenig rn girend. — Die Rinde von C. Lambertiana zeichnet sich durch den eigenen bitteren und adstringire Mer 'Geschmack der ächten Chinarinde vor den beiden andern aus. Ich konnte sie gleich den perü nischen Sorten in grossen Stücken Misch und zusammenrollen lassen. — Die Rinde der 5 em me- € oenemia unterscheidet sich von den andern beiden und überhaupt ron den meisten Chinasorten durch die "braunrothe dunkle Farbe, die bisweilen, besonders im frischen Bruch, in das ‚Rothviolette übergeht. Der Geschmack ist nicht sehr bitter, aber etwas schleimig), Oberhalb der Falle _voR Cupati bleibt, sich die Vegetation des Flusses in ihrem monotonen Charakter bis zu der Serra de Arara- Coara getreu: der Wald ist etwas niedriger, gleichmässiger, mit runder gewöl: En ten Kronen, als‘ in dem unteren Flussgebiete. Von Palmen bemerkt man hier fortwährend die 1287 Juftige Assai und Bataud, deren gefiederte Blätter über die schweigsame Waldung Statt der in tieferen Gegenden häufigen grossen Stachelpalmen (Astrocaryum Tucumä und Jauari) tre- ten nun besonders häufig die Inajd (Maximiliana insignis, M. t. 94.), die Baziuba barriguda (Iriartea ventricosa, M. t, 35.), von kleineren Formen die Iriartea setigera (M. t. 37.), die Rohrpalme Tajassu- ubi (Hyospathe elegans , M. t. 1.) und mehrere Arten Stabpalmen (Bactris) auf, Ein | mit graugrünem Laube, eine zartgefiederte Inga und die Bignonia Chica, woraus das Carajurüroth bereitet wird, gehören unter die häufigsten Formen. Auf dem gelben Lehmgrunde der abhängigen Ufer wiegen die goldfarbigen Rispen des Paspalus pulcher hin und her, — Spuren ehemaliger Cultu- ren sind in den Waldungen am Yupurä nur höchst selten wahrnehmbar, Dass die dichten Gehäge der Baumgräser aus früheren Zeiten, da sie als lebendige Verhaue zur Beschützung der indianischen Dörfer gedient haben sollen, herstammen mögen, habe ich bereits (S. 1229.) erwähnt, In den ehemaligen Waldschlägen siedeln sich besonders gerne folgende Pflanzen an: Commelyna rubens, Momordica Balsamina, Chenopodium ambrosioides, Petiveria alliacea, Aneistrocarpus maypuren- sis, Physalis angulata, Phytolacca decandra, Lisianthus purpurascens , Spennera mehrere Arten, Ipo- moea Quamoclit, u. a. Reizend ist allerdings für den reisenden Naturforscher die Mannichfaltigkeit dieser schönen Flora, aber für den Bewohner erscheint hier das Pflanzehreich in einer übermächti- gen, drohenden Gestalt. Zwischen der siegreichen Waldung verschwindet die leichtgezimmerte Hütte des Ureinwohners,; und die sich stets erneuernden Kinder einer überschwänglichen Vegetation „‚has- sen, wie die Elemente, das Gebild der Mensehenhand.“ \ (9.) Rio Yupura. Geo6RArHISCHES UND Geosnostiscnhes. Der Yupura entspringt an dem östlichen Abhange des Paramo d’Iscance , eines der eisigen Gipfel jenes Astes der Andescordillere, der die Wasserscheide zwischen dem Magdalenenstrome und dem Amazonas bildet, Sein Stromgebiet mag beiläufig 9800 Geviertlieues (20 auf einen Grad) enthalten, Dieser grosse Landstrich, nicht sehr viel kleiner als Spanien, in seiner Abdachung von W. nach ©. ein gemässigtes und ein heisses Klima darbietend , wird schwerlich von hundert Familien bewohnt, in deren Adern eine Mischung europäischen Blutes flösse, Darf ich meiner Schätzung ver- trauen, die freilich durch keine barometrische Messung unterstützt wird ‚ (der einzige uns übrige Barometer war von Dr. Spıx auf die Reise den Solimoes aufwärts mitgenommen worden) so beträgt das Gefälle des Yupurd vom Ende der Katarakte von Arara- Coara bis zu den Fällen von Cupati (in gerader Linie 60, mit den Krümmungen 69 Lieues) 130 Fuss, von da bis zur Mündung in den Solimots oberhalb Ega, das 571 F. über dem Ocean liegt, (in gerader Linie 100, mit den Krümmun- gen 116 Lieues, 70F., im Ganzen also, in einer Länge von 160 Lieues), 200 F., In dieser grossen Ausdehnung: erhebt sich das Terrain nur an zwei Orten, in Arara - Coara auf beiläufig 500, im Berge Cupati' auf 600 F, über das Niveau des Flusses , also bis zu einer absoluten Höhe in Arara- Coara von 1071, in Cupati' von ı24ı F. Diese beiden Berge erscheinen jedoch nicht als Theile einer weitläuftigen Gebirgskette, sondern nur als die höchsten Kuppen des hie und da hervortretenden Terrains,, welehes im Allgemeinen in einem schr geringen Winkel aus W. von den äussersten Gehängen der Andes von Popayan abfällt, in N. durch eine fast unmerkliche Erhöhung von dem Flussgebiete des Guaviare getrennt ist, und gegen N.-O. die Gräte bildet, aus welcher die Quellen des Uaupes hervorkommen, In diesem unbekannten Gebiete, dessen leichte Gegenhänge gegen zwei so grosse Ströme, als der Orenoco und Amazonas sind, schon an sich als eine geographische Seltenheit erscheinen, finden sich in den grossen, wenig geneigten Ebenen einzelne niedrige Stückgebirge, welche, zugleich mit der anomalen Bildung des 163 * 1233 Vereinigungscanales Cassiquiare und des canalartigen Rio Negro selbst und mit zahlreichen Seen, Teichen und Flüssen, die bald durch Canäle zusammenhängen, bald an ihren Quellen sehr genäherte Landfahrten’ haben, sich zu einem seltsamen geographischen Bilde vereinigen, Arara-Coara und Cupati sind die südlichsten Theile der Erhebungen im Stromgebiete des Yupura, und beide heben fast nur nördlich von demselben an, während das Land zwischen dem Yu- purd und dem Ica, flach und eben, und somit den Ueberschwemmungen beider Flüsse ausgesetzt ist. Es ergiebt sich diese eigenthümliche Beschaffenheit vor Allem bei der Betrachtung der Verbindungen von Nebenflüssen in diesem Gebiete; denn der Meta, welcher oberhalb der Ra- - . tarakte von Cupati in den Yupura tritt, verbindet durch den Perite seinen Haupifluss mit dem Iced, so dass der Landstrich zwischen diesen Flüssen, dem Solimo&s und dem Auatiparana ein wahres Mesopotamien, mehr als dreimal so gross als die Schweiz, von 2800 Geviertlieues, darstellt, ein niedriges Waldland, in welchem die Ueberreste der Parianas, Uainumäs, Passes, Jumanas, Coretüs u, s. f. hausen. Der Berg von Arara-Coara setzt nach N, in die Serra dos Umduas fort, welche den Abhang der in W. gelegenen steinigen Fluren bildet, An diesem, wahrschein- lich: granitischen Bergrücken,, läuft der Rio dos Enganos,, oder richtiger der Tauaxımani und:der Cunary, (Cunhary, Weiberfluss, verdorben Comiary), dessen südlichster Beifluss der Rio dos Enganos ist, nach $., dem Yupura zu, eine Flussbildung, die im Kleinen Aehnlichkeit mit der des Orenoco hat, wo derselbe im tiefsten Rinnsale eines Thales läuft, das sich gegen W, ın flache Llanos verliert, gegen O. aber sogleich in die Berge von Parim& aufsteigt. Auch der Sandsteinberg von Cupati erhebt sich besonders am nördlichen Ufer des Yupura zu einer den Strom weithin beherrschenden Höhe, und zwingt den Apaporis eine lange Krümmung nach N. zu machen. Weiter nach N. aber verflächt sich das Land wieder, und erst in einer Entfernung / von acht bis zehn Legoas steigen andere Berge auf, die, von Cupati aus gesehen , drei Reihen darstellten. Ihre Umrisse gleichen denen der Serra de Cupati selbst: ablange, gestreckte, dicht- bewaldete Bergrücken. Sie bilden die sechszehn Wasserfälle im Apaporis, welche jedoch nicht alle so hoch sind, dass sie den Transport der Kähne im Wasser oder auf Fahrbahnen unmög- lich machten; sie scheinen ferner den Tiguie von seinem Hauptflusse, dem Uaupes, zu trennen und diesen bei der Katarakte von Ipanore zu durchsetzen. Nordwestlich von ihnen, ebenfalls von Cupati aus sichtbar, treten isolirt die Granitberge von S. Joaquim de Cuane, am Rio va pes, westlich von der Vereinigung desselben mit dem Rio Negro, auf. Diese, mit runden Kup- pen versehenen, oft oben von aller Vegetation entblössten und desshalb unzugänglichen Granit- berge erscheinen, nach den Berichten der Reisenden, hie und da am obern Rio Negro und durch ihr isolirtes Auftreten werden eigenthümliche Gestaltungen des Terrains erklärlich, 2. B. der Fall von Cojubi in diesem Flusse, der südwestlich davon durch seinen Beifluss Cunicuria mit dem fahrbaren Canal Inebö und durch diesen mit dem Uaupes oberhalb $. Joaguim in Verbindung stehet. — Das grosse Gebiet, dessen Gestaltung ich hier in allgemeinen Zügen zu schildern versucht habe, stellt sehr einfache geognostische Verhältnisse dar. Nur zwei Forma- tionen, erscheinen in der weiten Landschaft: von Sandstein und von Granit. Die erstere scheint identisch mit derjenigen, welche von der Insel Maranhäo und von Parä an grösstentheils nr dem Flussgebiete des Amazonas herrscht, und in Deutschland nach den neueren Bestimmungen mit dem Namen der Keupersandsteinformation bezeichnet worden ist, Ihre Gebilde kommen unter drei Haug men vor: als ein ziemlich feinkörniger röthlicher, als ein weisser sehr bar: ter, geschichteter, endlich als ein sehr eisenschüssiger brauner, röthlicher ‚ gelber oder. vi®- 1289 letter Sandstein, der in Sandeisenstein übergeht. Die erstere Bildung, ganz gleich der, welche wir an der Barra do Rio Negro und bei Coari beobachtet haben, scheint den Strom vorzüglich bis gegen Maripi hin zu begleiten. Von hier aus sieht man fast nur den braunen stark eisen- schüssigen Sandstein, in verschiedenen Verhältnissen Bolus einschliessend, oder in Lager von manchfach gefärbten , gelben, rosenrothen, rothen Letten und Mergel übergehend und mit ihnen wechselnd. Ein deutliches Streichen ist an dieser Bildung kaum zu bemerken, Sie wiederholt sich unter manchfachem Wechsel auch auf dem Granit, den ich auf der Serra. de Arara - Coara von ihr sechs bis acht Fuss mächtig bedeckt fand, Die Letten- (Mergel-) Lager dieses Gesteines enthalten an mehreren Orten des oberen Stromgebietes (z. B. oberhalb der Mündung des Rio dos Enganos und an den Barrancos de Oacari) besonders da, wo sie auf dem lebendigen Ge- steine aufliegen, Nester eines sehr weissen, leicht verwitternden Schwefeleisens, bald in Kugeln, bald traubenförmig, bald in zusammengehäuften kubischen Krystallen. Bisweilen umgiebt eine sehr feste, braune Schaale aus Sandeisenerz einen Kern von Schwefeleisen, Die in diese Mer- gellager vergrabenen Baumstämme sind oft von der Masse des Schwefeleisens durchdrungen; und mehrere Erscheinungen deuten darauf hin, dass die aus den Hochufern in den Fluss her- abkommenden Bäche und Quellen das Schwefeleisen, welches sie aufgelöst führen, an den Sand- eisenstein und an diese Stämme in dem Flussbette absetzen. Durch den Fluss selbst wird dieser Sandeisenstein aufgelöst und wiederum mit Quarztrümmern und gelbem oder rothem Jaspis , den ich nirgends in seiner ersten Lagerstätte antraf, zu einer Breccie zusammengebacken, welche hie und da Bänke und Schwellen in ihm bildet. Ganz ähnlich mag die Formation am Miriti- Pa- rand seyn, von wo aus mir ebenfalls Schwefeleisen und schönfarbige Mergel gebracht wurden. — Eine andere Bildung des Keupersandsteins ist wahrscheinlieh der weisse feinkörnige sehr harte Sandstein, welcher den Berg von Cupati, und vielleicht auch die nördlich davon gelege- nen Berge am Tiquie bildet. Die Schichten dieses harten Sandsteins, von der Mächtigkeit eini- ger Zolle bis zu der einer Klafter wechselnd, streichen in der zweiten und dritten Stunde des Freiberger Compass von N. W. nach $. O, und fallen in Winkeln von 20° bis 50° nach 0, — Die Formation des Sandsteins ist von bei weitem grösserer Ausdehnung an Stromgebiete des Yupura als die primitive, des Granits. Diese letztere habe ich erst westlich vom Bache Ju getroffen, und sie ist sowohl am Flusse selbst, als auf dem Berge. Arara- Coara hie und da von jener überlagert. Der Granit, durch welche sich der Strom bei -agu windet, ‚und en da westwärts bis zu der Mündung des Rio dos Enganos ist ungemein hart, feinkörnig, von ei- nem fast porphyrartigem Gefüge. Er wird daher von den anwohnenden Indianern zu Beilen und Aexten zugeschliffen, Derjenige aber, welcher die Felsenwände von Arara-Coara bildet, ein wahrer Urgranit, ist weicher und sehr grobkörnig, Er besteht aus fleischrothem Feldspathe, weisslichem Quarze und grossen Blättern eines silberweissen Glimmers. Schichtung ist an die- sem Gesteine nicht zu bemerken, wohl aber sieht man Gänge von feinerem rotherem Granit, welche die Hauptmasse in einer Mächtigkeit von einem bis zwei Fuss, vorzüglich in der Rich- tung von N. nach $, und von W. X. W. nach $, S. O. durchsetzen. Weiter gen W. dürfte . auf die Formation des Granits die von Glimmerschiefer folgen, wenigstens fand ich Geschiebe dieses Gesteins im Flussbette des Yupura bei Arara-Coara; und eben so an der Mündung des Apaporis, an welchem, nach den Versicherumgen der Indianer, auch ein Gestein, wie das von Pussu-agü, d. h, Granit, vorkommen soll, — Hier ist der Ort, über den etwaigen Metallreichthum dieser Gegend zu sprechen. Dass Gold in dem “4paporis und namentlich in seinem Beiflusse Ta- 1290 raira, und in einer seiner Quellen, dem Oumiari, vorkäme, ward mir von dem Coretühäupt- ling Pacnıcvu und später von mehreren Indianern auf das Bestimmteste ‚versichert, und zwar könne das Metall aus dem Sande des Flusses gewaschen werden. Es widerspricht gar Nichts der Annahme, dass in diesen Gegenden die Formation des eisenschüssigen Sanästeins veredelt sey, eben so wie sie in. so grosser Ausdehnung in Minas Geraes und $. Paulo Gold enthält, Diese Gebirgsbildung erscheint auch in jenen Ländern bisweilen fast ganz entblösst von dem edlen Metalle, während benachbarte Orte ungeheure Ausbeute geliefert haben. Sollte nicht überdiess das Auftreten einer so krystallinischen Formation des Sandsteins, wie wir sie in den Schichten des Berges Cupati‘ bemerken, eine Andeutung von der Veredlung des benachbarten Gebirges geben, sollte nicht dieser Sandstein selbst goldhaltig seyn? Das Vorkommen von weis, sem Sande wird in Minas nicht selten als Merkmal einer grossen Reichhaltigkeit des Bodens be- trachtet. Ueberdiess könnte das Gold auch in Quarzgängen, entweder dieser späteren Gebirgs- bildung oder selbst des Granits, vorkommen, Ein Vorkommen der erstern Art scheint das ın den Quarzgängen am Rio Tury (Prov» Parä) zu seyn, wovon wir schöne ‘Musterstücke erhal- ten haben. — Das Gebiet des Apaporis und nördlich von diesem Flusse bis zum Uaupe (Ucayäri) ist übrigens auch eines der Länder Manca (Manao), welche als eben so viele Irrlichter in der Geschichte der Eroberung und Entdeckung America’s vorl — Am Tiquie sollen (Monteiro $. 185.) i. J. 1749 Steine gefunden worden seyn, welche sich bei der Schmel- zung als Silber ergaben. (Ich lege kein hohes Gewicht auf diese Notiz, weil das Vorkommen von Silber minder wahrscheinlich, und mir bekannt ist, wie oft man in Brasilien Schwefelkiese für Silberstufen eingeschmolzen hat.) Acunna’s Bericht (Cap. 47. 49.) setzt den Ursprung der Goldblättchen, die auf Teıxeına’s Zug bei den Indianern in Parauari (vergl. S. 1190.) gefunden worden, in das Land der Paguavos oder Mauagus (bei Pacan, dem Umschreiber Acunna’s, dem übrigens einige andere Materialien von jener Expedition zur Hand gewesen seyn müssen, heis- sen sie Managues, bei Frırz Manaves) womit ohne Zweifel die Manaos gemeint sind. Pasan nennt den Goldberg Suane, und auf seinem Kärtchen liegt dieser Mons Suanus an dem. einzi- gen nördlichen Beiflusse des Yupurad, den er angiebt. Hierunter dürfte um so mehr die Serra de Cupati verstanden seyn, als Suäne an Joami, den Beifluss des Yupurä erinnert, jenseits des- sen der Goldberg denen lag, die sich in Parauari nach ihm erkundigten. Ueberdiess nennt Pa- can als Nachbarn der diess Gold sammelnden Völker (tupi: Yuma-Uara: d.ıi. Goldmänner) . die fruaynes und die Mocunis. Unter den erstern sind vielleicht die Anianis, unter den am dern wohl ohne Zweifel die Macunds zu verstehen. Die Anianas wohnten am untern Yupurd; die Macunds wohnen noch am Apaporis, und dass sich die Mandos ehemals am Rio Negro weit ausgedehnt hatten, ist bekannt, erscheint auch in der Verbreitung mancher, aus ihrer Sprache herrührenden Ortsnahmen (z. B. Guigri Fluss, Uca - quiari, weisser Fluss, und vielen ähnlichen Worten mit Uau, Guau, Qua.) Coxvanıse erzählt, dass Pat, Fritz i. J. 1687. von der Manaos Gold erhalten habe, das ihnen vom Ucayari (Uaupe oder Guaviare?) zugekommen Sey r Capuri Moxzeıno meldet ($. 187.) ausdrücklich, „Einige Indianer vom Stamme Tariana, die am VAR‘ wohnen , hat man sonst mit Goldblättchen ın den Öhren gesehen, die sie gegen Federn pi andern unbekannten Indianern 'eingehandelt hatten. Jetzt weiss man, dass die Indianer Pu- nenud, die am obern Ucayari (Uaupe) hausen, dieselben Folhetas tragen, und dass sie von diesen zu den Tarianas übergingen, Doch ist noch unbekannt, woher sie selbst sie erhalten: „1291 Fünftes Rapitel. Des Dr. Spıx Reise auf dem Rio Negro von der Barra bis Barcellos, und zurück. „Am ı1. Februar 1820, reiste ich von der Barra do Rio Negro ab. Bald liess ich zu meiner Rechten die Mündurig des kleinen Riacho de Ayurim, welcher eine Legoa landeinwärts einen kleinen Fall macht, und sich hier, oberhalb der Ortschaft, in den Strom ergiesst,. Am südli- chen Ufer des Rio Negro mündet etwas unterhalb der Barra ein schmaler Furo, Xiporena ein, der, wenn der Fluss voll ist, eine Communication zwischen dem Negro und dem Solimots für kleine Montarias bildet, und von Arrowsmitu viel zu gross vorgestellt worden ist. Von eilte ich einem der Verengungspuncte zu, die dieser Strom , gleich den Lymphgefässen , biswei- len bildet. Ich erreichte ihn gegen Mittag. Es befindet sich hier, wo der Strom sich auf eine Viertellegoa Breite zusammenzieht, auf der Südseite ein Sitio (Landhaus und Pflanzung) des Ouvidors, Paricatuba. Etwas tiefer am nördlichen Ufer liegt Taruma, eine ıda der Re- gierung, vom Gouverneur Vırr. Da Costa angelegt. Von hier aus erweitert sich der Strom, der bei der Barra nur eine halbe Legoa breit ist. Die Ufer erheben sich "oberhalb der Barra auf zwanzig bis dreissig Fuss Höhe, und bestehen aus einem eisenschüssigen Sandsteine. Der Rio Negro beginnt später anzuschwellen, als der Solimo@s. Dieser pflegt mit der Mitte Novem- bers sein erstes Repiquette zu me*hen, und von Ende Novembers an ohne Unterbrechung zu steigen, während alle von Suden in den Amazonas mündende Ströme, wie der Madeira, der Purü u. s. £., schon mit Ende Octobers anschwellen. Der Rio Branco schwillt am spätesten, nämlich im Februar, an: Daher sammeln die Einwohner das Fett aus den Schildkröteneiern zuerst im Madeira, dann. gehen sie in den Solimos, und zuletzt in den Rio Branco. Bei der Barra hatte der Strom eine Anschwellung von etwa zwölf Fuss Höhe gemacht; nach einer fünf. tägigen Reise fand ich weiter oben im Strome die meisten Inseln und weit auslaufenden mit Gesträuch besetzten Ufer unter Wasser gesetzt. Man behauptet, dass der Rio Negro bis auf dreissig Fuss Höhe anschwelle, Dieser Strom hat ganz schwarzes Wasser, dem ähnlich in Farbe, was aus den Stallungen abläuft. Seine Tiefe beträgt bei der Barra und gegen Barcellos hin achtzehn bis neunzehn, weiter aufwärts acht bis neun Klafter, Sein Abfall ist sehr gering, 1292 dass er mehr einem See als einem fliessenden Strome gleicht ; aber der schwächste Wind setzt ihn schon in Bewegung, welche viel länger als im Solimo&s fortdauert; ist nun der Wind stär- ker oder gar ein Gewittersturm, so gleicht seine Fluctuation einem Meere und erregt den Schiffern Furcht und Schrecken. Diess ist auch die einzige Gefahr bis $. Isabel, wo die Schwellen im Strome und die heftigen Strömungen, weiter aufwärts aber die Fälle, anfangen, Auf diesem Flusse hat man nichts vom Einsturze des Terrains, von Baumstämmen, die längs des Ufers liegen oder einher. treiben, zu fürchten. Auch ist er frei von jeder Insectenplage (den Carapana, Pium, Meru-i, Mutuca, Broca und Formiga), welche auf dem Solimoes so lästig sind; diess jadac nur bis 5. Isabel;. denn von dort bis zu den Quellen soll der Pium in rigeliänrer Menge erscheinen; auch fehlen jene beinahe unsichtbare, scharlachrothe und x weisse Arten von Acarus, der Mucuim, nicht, welche an dem Grase hängen, den Vorübergehen- den ankleben, und ein unausstehliches Jucken, endlich kleine Beulen verursachen. Im Wider- spiel mit dem Solimo@s, dessen Ufer grösstentheils der Ueberschwemmung ausgesetzt und nur zu oft morastig sind, hat der Rio Negro reinliche, sandige, trockne Ufer, und erhöhteres Ter- rain, besonders auf der südlichen Seite, wo das hohe, steinige Land öfters auf zwei bis drei- hundert Schritte in ein klares Sandufer ausläuft, das, mit zerstreuten Zwergbäumen und lich- tem Gesträuche bewachsen, eine Art von Campo darstellt, woran sich der höhere und dichtere Wald anschliesst. Dieser Wald selbst ist nicht'wie der am Solimo&s unregelmässig aus kleinen und aus himmelhohen Bäumen, Gesträuch, Ambaübas, Palmen u. s. f., von dem verschieden- sten Baumschlag und der vielfachsten Färbung zusammengesetzt, sondern vielmehr regelmässig: die Bäume sind von mittlerer Höhe, mit enigen: Schmelz und Glanz der dicklichen lorbeerartigen Blätter, so dass dieser Wald mehr eine fortlaufende Laube, unter der man ge ‚ mächlich spatzieren gehen kann, vorstellt. Nur Schade, dass diese herrlichen camposartigen Prayas und dieser anmuthige Wald beinahe von gar keinem Vogel und von sehr wenigen Af fen belebt sind. Da der Solimods seine Ufer vielmehr dünget, und diese viel strotzender und fruchibarer sind, so scheint es, dass sich alle lebendigen Wesen dorthin flüchten. Während wir auf dem Amazonas und Solimo&s schifften,, fehlte es niemals an Jagd, und mit jedem Wurfe des Netzes zog man fünfzig bis hundert Fische von verschiedener Grösse heraus. Das Gegentheil findet auf dem schwärzlichen Gewässer des Rio Negro Statt. Weder der Wald noch _ das Wasser bieten etwas dar; und man kann Tage lang fischen, ohne einen Fisch zu erbeuten. Hiezu kommt noch die Stille und Einförmigkeit des Waldes , die schwarze Farbe des Gewässers, was insgesammt die Reise melancholisch macht, und nur dem Tiefsinne Stoff zur Beschäftigung darbietet. Auch ist der Solimo&s viel kühler, und die Krankheiten an ihm sind weniger bösar- tig. Das Klima des Rio Negro dagegen ist von dirdo an auffallend heisser, und. die Fieber sind so bösartig, dass sie in drei bis vier Tagen den Tod bringen, und seit einigen Jahren fast Alles entvölkert haben. In Carvoeiro, Moura, Barcellos starben und sterben ‚neuerlich noch immer. eine Menge Menschen an der Febris’ perniciosa. Wohl macht auch die ausseror‘ er Fruchtbarkeit des Solimo&s, dass an ihm, trotz aller Carapand und sonstiger Plage » die On akten viel mehr, als die des Rio Nagro, bevölkert sind. Auf dem steinigen, 3 Ufer les letztern wächst nichts als Mandiocca, Cafe, Indigo, und von S. Isabel aufwärts kom- A u einteinen und die Piassabapalmen vor. Diese Artikel gedeihen hier, in | das sie geschaffen scheinen, trefflich, werden aber bis jetzt wenig har und benützt. Koh Mais, Bohnen , Bataten, ANTER Ananas ee; gut, und 1205 Castanhas do Maranhäo findet man. häufig; dagegen findet man die Salsa nur im Innern des Landes, wie am Rio Padauiry und gegen den Yupura hin, etwas Cacao und Vanille, die im August gesammelt wird, auch Butter aus den Schildkröteneiern im Rio Branco., Wie viele andere Artikel bietet dagegen der Solimo&s dar! Nehmen wir Pechurim und Piassaba aus, so findet sich alles Andere auch an diesem , ausserdem aber Cacao, Salsaparilha und Schildkröten- eierfett in Menge, so.wie der Lamantin und der Fisch Pirarucu, der gesalzen bis Parä ausge- führt wird, und.längs des Solimo&s und Rio Negro nebst Farinha die Hauptnahrung der Ein- wohner ist. Beide Flüsse haben ihre Untiefen mehr auf der nördlichen Seite, und der Rio Negro auch ‚hier. die grössere Zahl von Igarapes und Seen, auf der südlichen finden sich an beiden die, meisten Niederlassungen. Besonders ist diess der Fall bei dem Rio Negro: Airdo, Moura, ‚Carvoeiro, Poyares, Barcellos liegen alle auf dem südlichen Ufer , während sich auf dem nördlichen in dieser ganzen Ausdehnung kaum einige Sivios finden, unter ‚welchen das von Tarumä, zwei Legoas von der Barra, durch seine schöne Aussicht auf das Flussbette ausgezeich- net ist. Der Ort ist_mit Pechurim, Zimmt, 'Gojaven, Caffe bepflanzt; leider ist das Terrain steinig und lässt jene edlen Bäume nicht gut gedeihen, Man zeigte mir hier eine angebliche China; es war aber die Quassia amara. Obgleich diese Plantation nicht auf .der besten Stelle liegt, mag sie doch, wie einige andere in der Nähe der Barra, .die jährlich fünfhundert Arro- bas Caffe und Beiinwolle ag zum aufmunternden Beispiele ‚dienen. Ä em . wel „Ich gelaı ersten Zeghz ‚ am nindlichen Ufer aufwärts fahrend, bis zu ‚der Mündung des grossen rn P auarı, nachdem ich an den östlichsten Canälen vön 4 ana passirt hatte. Auf dem südlichen Ufer mündet das Furo Uarivau, (Guariahy, Guariboca) ein, _wel- ches gegenwärtig die gelblichen Gewässer des Solimo&s in die schwarzen des Rio Negro über- führt, und eine Breite von dreissig bis vierzig Fuss hat, *) Von hier gelangte ich in drei Ta- gen nach dem. Lugar de Airdo, der fast auf halbem Wege von der Barra bis Barcellos liegt. h; Bis in die Nähe dieses Ortes erschien an den Ufern, die sich, besonders auf der Südseite, bis- weilen auf fünfzig Fuss Höhe erheben, derselbe eisenschüssige breccienartige er und unter demselben derselbe dichtere, röthliche, "welchen wir bisher ü bemerkten. Hie und da tritt dieser Sandstein in abgerissenen Kuppen und Bänken an Canilen oder im Strome selbst hervor. Oberhalb Airdo herrscht ein Weissstein, dessen. sich die Einwohner als Schleif- stein bedienen, Ausser diesem Gestein soll auch noch ein anderes schwarzes, schr schweres und hartes Gestein vorkommen, das ich jedoch, da es vom Strom bedeckt war, nicht erblickte. Auf dem nördlichen Ufer scheint der Sandstein nur bis unterhalb der Mündungen des Anavil- hana anzustehen, wo er sich in die Hügel Serra das Araras genannt erhebt; weiter hin herrscht dort das RB des Wassers vor, mer day Land ist an een ae. ; des Anavilhana von *) Ausser dieser Verbind:ng dreh den beiden Strömen giebt es noch die, bereits tie; des Xiborena, und endlich noch drei andere, nämlich die vermittelst des Igarape Xauanary, welcher Delta durchschneidet , und gegen die Küste Caldeirdo ge- wenig unterhalb der Ortschaft Barra das ‚durch den, oberhalb Airäo sein schwarzes Wasser zufüh- nannt in den Solimoes ausmündet, ferner renden Rio Jahu, Cudayd communicirt. (Eine fünfte ähnliche Verbindung stellt der Unini (Anani) mittelst der u" Atiniuend zu dem Cudaya her. Monteiro, $. 95, 157.) M. | Pe II. Theil. 164 dessen östlicher Arm von den Einwohnern Carapühuany genannt, mit dem See & AR 1294 so vielen Bächen,.Canälen , Seen durchschnitten, dass man auf der’ Nordseite zwei Tagereisen zwischen Inseln RE: schiffen kann. In diesem Theile ,„ So wie weiter nordwestlich bei Airdo, hat der Fluss bei zahlreichen Inseln bisweilen eine Breite von drei bis vier Legoas. Airdo, dessen Einwohner vorzüglich von der Nation Jroagqui waren, die zum Theil noch frei auf dem nördlichen Ufer des Flusses wohnen, zählt kaum dreissig schlechte Hütten. Wie 'im verflossenen Jahre ist der Ort schon früher von den noch wilden Indianern des Stamms über- fallen und verheert worden. Ich fand die Häuser des Ortes grösstentheils verschlossen, und setzte die Reise noch an demselben Tage bis an die Mündung des Jahü fort. Der Contrast der Umgebung mit denen des Amazonas ist frappant. Die Gewächse auf dem trocknen sandigen Ufer scheinen ganz verschieden von denen des letzteren Flusses. Eine Mimosa mit weissen "Blüthenbüscheln und eine Melastoma mit rothen Blumen and die Piquiarana (Caryocar ‚gla- brum) , womit die Fische betäubt werden "können, herrschen am Ufer vor. Gegenwärtig stehen die meisten Bäume entweder i in Blüthen oder in Früchten. Auch der Ypadustrauch (Erythro- — Coca) wächst hier, so wie ein Strauch, der eine rothe Farbe giebt (der Caa-piranga, d. i. Rothblatt, Bignonia Chica), der Macucu (Ilex Macucu), dessen zerstampfte Früchte zum Bihaelieben der Cujas gebraucht werden, und der Genipapo (Genipa americana). Diess ist der Baum, mit dessen Fruchtsaft die Passes, Juris und Andere die Tatowirung machen; die Mauhes dagegen schwärzen die Punctirung mit dem Absatze vom Rauche: jener Frucht. Am sechsten Tage gelangte ich zu der Yilla de Moura, gegenwärtig dem volkreichsten Orte am Rio Negro, unter deren Einwohner sich besonders viele Abkömmlinge vom Stamme der Cariais, Bares und Mandos befinden. Wegen der grossen Sterblichkeit, welche EM Jahr am ganzen Strome herrscht, riethen mir die hiesigen Einwohner ab, die Reise noch weiter fort zu setzen, Etwas unterhalb der Filla de Moura erscheint eine andere Formation, nämlich ein massiger ‘Granit (Gueisgranit). Conyexe Inseln und Blöcke davon treten hie und da auf. Die Inseln werden aber hier im, Strome viel weniger. Das Gestein ist häufig mit Ananas und a ‚ÄT- ten von Bromelia, so wie mit Clusien und andern dickblättrig sem Gesträuche bewachsen. n Maus liegt beinahe eben, in einem Halbzirkel erbaut. Wie jede Villa hat sie zwei Richter (einen für die Weissen und einen für die Indianer), einen Vigario und einen Commandanten. Eine kleine Tagereise stromaufwärts liegt der Lugar de Carvoeiro, ebenfalls am südlichen Ufer des hier auf eine halbe Legoa verengten Flusses, auf dessen entgegengesetzter Seite, dem Orte fast gegenüber, die drei unteren Mündungen des Rio Branco eintreten. Carvoeiro wird von einigen I Familien von den Stämmen der Manäos, Cariais und Coretüs bewohnt, Oberhalb Carvoeiro verliert sich der Granit; man sieht die Ufer nur von feinem Thone (Tabatinga) gebildet; und die In- seln werden wieder häufiger. Von hier hatte ich noch drei Tagreisen bis Barcellos, wo ich, nachdem ich den Tag vorher den kleinen Lugar de Poyares passirt hatte, am 2% Februar an- kam. Diese Villa, sonst der blühende Hauptort der Provinz Rio Negro, hat jetzt nur die Rui- nen der dem Staat gehörenden Gebäude, und im Ganzen nicht mehr als eini hundert es dass er ‚das Unglück haben werde, noch heute seine Frau an der Endemie zu verlieren ‚ich natürlich ‚die abschreckende Einladung nicht annehmen konnte. Ich. selbst fühlte hen ar zweiten Tage des Aufenthaltes eine" solche Schwere des Kopfes ünd der Glieder und eine ” grosse > a. —_ dass ich es räthlich fand, noch in derselben I . 1295 die Rückreise anzutreten. Kaum hatte ich in der frischeren Luft des Stromes eine Tagreise zurückgelegt, so fühlte ich mich freier und besser, und konnte mehrere Fazendas am südlichen Ufer besuchen. Am nördlichen finden sich viele Büche und kleine Seen. Bei Carvoeiro setzte ich über den Fluss, und lenkte durch eine. der eren Mündungen in den Rio Branco ein, welcher" eben jetzt wieder anzuschwellen begann. er den Fluss *) eine Strecke weit aufwärts, und kam durch seine uftterste Mündung wieder in den Rio Negro zurück. Die Strömung des Rio Branco ist hier wenigstens viermal so stark, als die des Negro, Sie trug unsere Montaria von neun "Personen in drei Min, 3$ Kl. Die Temperatur des Wassers vom Rio Branco, wel- ches etwas heller als das des Solimo@s ist, fand ich damals = 214° R., die des Rio Negro — 217° R., die der Luft = 224° R. Die Einwohner waren noch gegenwärtig mit Bereitung der Manteiga de Tartaruga beschäftigt. — Während meiner Reise blühte die Mandiocca; tür- kisches Korn dagegen, Reis, Caffe,‘Cacao, Salsa standen in Früchten. Der Reis giebt zweimal im Jahre; der Mais wird nur einmal angebaut. Die Mandiocca bleibt ein Jahr lang in der Erde. Nach Ausgrabung der Wurzeln werden die Stoppeln verbrannt und die Rossa nur drei Jahre lang mit Bananen und Wunderbaum u, s. w. bestellt. Das Zuckerrohr wächst aus den un- terirdischen Knoten alle Jahre wieder auf, und man kann daher viele Jahre hintereinander fort schneiden, wenn man die Lücken des ausgestorbenen sogleich wieder belegt, Allmälig werden aber die Halme zu hart und holzig; dann rottet man die Pflanzung aus. Caffe dauert vier, fünf Jahre lang, und giebt schon im ersten Jahre viele Früchte. Man kann jähflich zwei Le- sen halten. Mais wird vor der Regenzeit, z. B. im November, gelegt, Man wirft in jedes Loch drei Körner, und darf von jedem Saamen eine Pflanze mit drei oder vier Kolben erwar- ten, die nach zwei Monaten reifen. Ueber Moura kam ich wieder nach Airdo zurück, wo der Jäger QuistiLrano zu mir stiess, den ich unterdessen nach dem nördlichen Ufer des Stro- mes gesendet hatte. Er brachte unter andern Seltenheiten auch den kurzgeschwänzten Affen (Simia Satanas). Man findet, wenn auch selten, am Rio Negro die Affenarten des Solimo&s und ebenso die schönen Hoccos und andere hühnerartige Vögel. Die mächtigsten Nationen am Rio Negro waren sonst die Aroaguis im unteren Gebiete, ‚die Mandos, weiter aufwärts, und die Bares von $. Isabel bis an die Grenzen. Diese letzteren Stämme -sind jetzt fast‘ gänzlich unterjocht, und in der Vermischung mit den Ansiedlern untergegangen. Man findet kaum noch Individuen, welche ihre Sprache sprechen, Am 26. Februar kam ich wieder im ‘der Barra do Rio Negro an.“ | m \ = Anmerkungen zum fünften Kapitel. "Was ich dem Reiseberichte meines Gefährten über den Rio Negro hinzuzufügen habe, ist vor: zugsweise das Ergebniss von Schilderungen, die mir von zwei einsichtsvollen Bewohnern der Barra, Snr. Kürsen Terıes, damals Adjutanten des Gouverneurs, und Snr. Anvengs pr Conre Rear, gemacht wurden, und denen ich um so mehr Vertrauen zu schenken berechtigt bin, als sie mit den schriftli- chen Nachriehten von Moxtrıno und Rıszıno , und mit den Karten von Sımods und Da Costa über- einstimmen. Ich vereinige diese Bemerkungen unter zwei allgemeine Gesiehtspuncte. y * die es im weissen Flusse geben sollte; habe aber keine ° #) Ich hörte in der Barra von Corallen, | m tiefen Festlande, als Reste ehemaliger Meerbe* geschen, Das Vorkommen von Corallenbänken i deckung, ‘wäre eine merkwürdige Erscheinung. M. 164 * „ 1 296 * (1.) Zur Grocrarmıe oes Rıo Nxero. Alle Nachrichten über die . die Richtung, Strömung und Tiefe des Rio Negro machen es mir wahrscheinlich, dass derselbe in seinem unteren Theile ein System ehemaliger Binnenseen darstelle, welches erst durch die Beiflüsse die Natur eines selbstständigen Stromes angenommen habe. Von der Mündung in den Solimoes bis nach $, Isabel darf man wenigstens ‚grosse Becken annehmen, in welche sich der Fluss hie und da erweitert. Bei der Fortaleza da Barra hat er kaum eine halbe Legoa Breite, bei Pa- ricatuba wird er noch mehr, auf eine Viertellegoa, eingeschränkt; nun erweitert er sich bei Tarumd und noch weiter auf mehrere Legoas, bis 4yräo, wo dieses erste Becken schliesst. Zahllo ose. Inseln treten vorzüglich an den Ufern hervor, zwischen welchen man eine sichere Schifffahrt verfolgt. Das südliche Gestade ist hier höher, als das nördliche, und seine Inseln sind freier vor den Ueber. schwemmungen, als die in dem weitläuftigen Archipel von Anavilhana (richtiger Anauenß) an der nördlichen Küste. Oberhalb Ayräo, wo, statt der Bänke von Sandstein, convexe Granitinseln er- scheinen, stellt der Strom gleichsam einen, an Inseln ärmeren, Canal, dar, welcher das untere Becken mit dem zweiten verbindet. Dieses beginnt bei Moura, wo sich das Ufer senkt, nimmt die Mündun- gen des Rio Branco auf, und verengert sich wieder bei Carvoeiro, wo sich Kahle Granitbänke und Hügel weit in den Strom erstrecken. Oberhalb dieser Enge treten die Ufer zurück, erhöhen sich bei Poyares, und hier bilden die dunklen Gewässer in ausserordentlicher Breite, von fünf bis sechs Legoas, ein grosses Becken, dessen Ausdehnung durch die geringere Zahl von Inseln noch um so grösser erscheint. Barcellos liegt ebenfalls an diesem Bassin, dessen Verschmälerung zwischen Poyares und Barcellos durch das Hervortreten von Felsengruppen und Inseln eingeleitet wird, die zwischen beiden Orten Canäle bilden. Oberhalb Barcellos.erheben sich die Granitufer bis gegen Moreira; sie senken | sich wieder bei Thomar, und zugleich treten wieder häufigere Inseln im Strome hervor. Von Lama- Longa bis $. Isabel dehnt sich der Strom zum letzten Male zwischen sandigen, nicht sehr erhabenen Ufern aus. (Eine analoge Verkeitung von Seen stellen in demselben Gebiete die Flüsse Uerird und Ataui dar.) In seinem untersten Theile hat der Rio Negro fast gar keine Strömung; er gleicht viel- mehr einem. todten See. Erst wo er den Druck mächtiger Beiflüsse, des Branco u. s. w., erfährt, nimmt er eine schwache Strömung an, welche aufwärts bis gen Magarubi, wo sieh die ersten Strom- schnellen befinden, deutlicher wird, in dem Gebiete der Stromschnellen und Fälle selbst, von Ma- garubi bis zur Einmündung des Uaup&s, sich noch mehr verstärkt, aber von da bis zur Vereinigung mit dem, schnell nach S. strömenden,, Canale Cassiquidri wieder abnimmt. Leider mangeln. mir ge- nauere Angaben über die Geschwindigkeit des Rio Negro an verschiedenen Puncten, aber die. baro- metrisch ermittelten Höhen von $. Carlos del Rio Negro und Barcellos weisen auf ein ausserordentlich schwaches Gefälle, von 213 Fuss, zwischen diesen beiden Orten hin. Hr. v. Humsoror hat am erstern Orte eine Höhe von z62F. gefunden; die von Barcellos berechnet sich nach den von Srız angestellten Barometerbeobachtungen auf 549 F., die von Barra auf 522 F. Auf einer Länge von wenigstens 200: Lieues beträgt somit das Gefälle für eine nur 17% F.. Mit der hier ausgesprochenen Ansicht von der ‚Nayap.der ‚schwarzen Flusses stimmt auch die Tiefe in jenen beckenartigen Ausdehnungen überein, die an mane7 Stellen und namentlich in der Mitte, 50 bis 60 Kl.-betragen soll, während sie in dem Gebiete der 8 Ta schnellen und Fälle höchstens 8 bis 9, und gegen die Mündung des Stromes bin 19 bis 2 trägt. — Wir haben schon oft im Verlaufe dieser Reise von der schwarzen Farbe der abgest nen, ruhigen Wasseranhäufungen gesprochen, welche in den Provinzen Para und Rio Negro 55 vorkommen; sollte nicht auch dieser Umstand für unsere Hypothese sprechen? Herr v. Hommorot hat den Rio Negro (Quainid) in seinem obersten Gebiete und unterhalb der Verbindung mit dem Canale Cassiquiari gesehen; er giebt die mittlere Breite des Stromes bei Marod zu 200 bis 250 Kl. und bei dem Fortim de S$, Agostinho zu 290 Kl. an, und vergleicht sie mit der von »# LA GM wısz angegebenen Breite zu \ 1200 Kl, an der schmalsten Stelle bei der Barra, in einem Abstande von ®s 1207 zehn Graden der Flusslänge, Da die Breite des Stroms von der Barra” Vs tyede is Dina: vo mehr, oft mehrere tausend Toisen, beträgt, da ferner nach den Untersuchungen jenes grossen Rei- senden die Quelle des Guainid wohl schwerlich weit über 72° w, von Paris, und die des Uaupe höchstens gegen 75° hin liegen möchten, — so dürfte es nicht gewagt seyn, anrunehmen, dass der oberste Theil des Rio Negro, welcher „wie ein künstlicher Canal in gerader Linie zwischen hohen, ebenen und dicht felsigen Ufern hinläuft“ nicht die ursprüngliche Quelle jener südlichen mäch- tigen Wasseranhäufung gewesen sey, die wir jetzt mit demselben Namen bezeichnen, Ich möchte hiedurch andeuten, dass es mir wahrscheinlich ist, dass das grosse Stromgebiet des Rio Negro ur- sprünglich in seiner tiefsten Thallinie keinen einzelnen Hauptstrom geführt habe, sondern, dass der gegenwärtige Stand der Gewässer und die correlative Configuration der Erdoberfläche das Resul- tat von allmälig eingetretenen Verbindungen mehrerer benachbarter‘ Flüsse sey: des Guainid mit dem sg Ablauf des Paraud (Orenoco), den man Cassiguiari nennt, des Uaupt und des Rio Branco mit ihren zahlreichen Nebenflüssen, und endlich der verketteten Binnenseen am unteren Rio Negro, Herr v. Humsoror hat durch die scharfsinnigsten Combinationen (Reise 4. $. 272 — 298.), nachge- wiesen, dass von den westlich vom Orenoco und obern Rio Negro ‚entspringenden Flüssen nur der Guaviare und der Yupurä an den östlichen Gehängen der Andes ‚ die andern weiter östlich in den Savanen oder aus einzelnen kleinen Bergsystemen entspringen, die sich isolirt aus den Ebenen erhe- ben, und dass die schon so lange behauptete Gabeltheilung des Yupurd (Caqnetd) zum Orenoco und zum Amazonas (die älteste Darstellung dieser problematischen Flussverbindung, welche mir bekannt ist, befindet sich bei Pacav. ’ "Relation de 1a riviere des Amazones, 1655.; ihr sind. bekanntlich Sax- so8, Conronrzır, DE ı’Isır und pe ıa Cosvamısr gefolgt) sieh schlechterdings nicht bewähre. Wenn sich übrigens unter den Indianern eine Sage von der Verbindung zwischen dem Caquetd und Orenoco immer noch erhalten hat, so mag diess von der dunklen Kenntniss einer Thatsache herrühren, deren umständliche Angabe ich in dem oft erwähnten trefflichen Werkchen Moxtrıno’s finde, und durch welche eine Verbindung, nicht zwischen Yupurd und Orenoco, sondern zwischen Uaupds und Guaviare nachgewiesen wird. Jener Schriftsteller sagt $. 184. Folgendes: ‚Der wahre Name des Uaup& ist Ucayari, was in der Sprache der Mandos und Bares Fluss von weissem Wasser bedeutet; da jedoch die Indianer, welche den Hauptstamm dieses Flusses bewohnen, von dem Stamme Uaupt sind , so haben ihn die übrigen Indianer mit diesem Namen bezeichnet, was die Weissen in Guanpe "rerwan- delt haben. Es ist diess derselbe Fluss, welchen nr za Combanıne in seiner | ig Pi uiari nennt. Er läuft von W. nach O,, parallel mit dem Rios Negro, fr ci Uexie. De 11 Coxbamise verlegt seinen Ursprung in die Gebirge von Neugranada. Man hat jedoch durch Indianer mitgetheilte Nachrichten, dass der Ucayari oder Uaupd Ast eines mächtigen Flusses von weissem Wasser sey, der in’ das nördliche Meer falle, und man vermuthet, diess sey der Auiyari oder Dauyiari (Guaviare), und war nicht blos mit Rücksicht auf seinen Lauf, sondern weil eben vom Auiyari ein Canal, ebenfalls von weissem Wasser, ausgeht , der sich dem Uaupd auf der Nord. seite einverleibt, Durch diesen Canal fuhr einstens der Indianerprineipal Joze ox Manxzus Canugunsa aufwärts und kam in den Auiyari. Dieser Fluss ist der Hauptstamm des Orenoco, denn, ihn abwärts fahrend gelangt man zur Vereinigung mit dem ‚andern Arme, welchen die Indianer Paraud nennen, und in welchem man aufwärts fährt, um in d Canal Cassiquiari zu gelangen, der sich mit dem Rio Negro verbindet. Somit communiecirt der Rio Negro mit dem Cassiquiari, und durch diesen mit rau ER a dem Paraud, und oberhalb dem Cassiquiari findet Verbindung des Rio Negro mit dem Auiyari (Gua- viare) Statt. Dahin gingen die Portugiesen zur Zeit, als ihnen der Auslösungshandel der Indianer erlaubt war, auf den Flüssen Tinivini und Yavitd, welche auf der Nordseite, oberhalb des Cassigwiari, in den schwarzen Fluss fallen, Sie kamen dabei vom Tinivini (Tiniuni) zu Lande nach dem Rio Si- mite, welcher auf der Ostseite in den Alacau mündet; und von Yavits unmittelbar in den 4iacan, “ e- * 1208 — der auf der Ostseite des Yatauapıı (Atabapo) einmündet, dieser aber fällt in den Iniridd, der sich auf der Südseite dem Auiyari einverleibt.“ Diese Stelle verdient in mehr als einer Rücksicht Auf. merksamkeit. Sie beweist, dass die Portugiesen schon ziemlich frühe (theilweise ward die Schrift wohl schon vor 1774. geschrieben) eine richtige Ansicht von der Verbindung des Rio Negro mit dem Orenoco hatten (welche sie, nach Ribeiro $. 304., schon i. J. 1725 und 1726 kannten und i. J, 1744 dem spanischen Jesuiten Mawort Romano zeigten). Dass unter diesem Auiyari der Guaviare und nicht der Iguari oder Cayari, ein Beifluss des Iganna und eben so wenig der Inirida zu verstehen sey, ergiebt sich aus dem Zusammenhange. Uebrigens bedeuten alle die manchfach veränderten Na- men Guaviare, Auiyari, Cayairi, Iguari, Coyari Fluss mit weissem Wasser; so wie Quiari, der # älteste Name des Rio Negro in seinem untern Gebiete, Fluss überhaupt, Auch der Madeira hiess ursprünglich Cayari, und das Wort Ucayale, der Name eines Hauptastes des Marannon, hat dieselbe Abstammung, (In der Moxosprache heisst Cajacure der See.) — Der Uaupe (Ucayari), und der Rio Branco (Gueceuene), die als die Hauptbeiflüsse des Rio Negro zu betrachten, scheinen durch ihreh Verlauf verschiedene Bildung des Terrains anzudeuten, welches sie durchströmen. Der erstere hat kurze Zuflüsse, steht in seinem obern Theile, nach der Reise Caugurna’s, mit einem, dem Orenoco zufallenden Strome in Verbindung, und wird unterhalb der Mitte seines Verlaufes durch Fälle un- terbrochen , wo er durch ein gebirgiges Widerlager (von $. Joaqguim do Coane) von dem Flussgebiet des Yupura getrennt ist. Der Rio Branco hingegen sammelt seine Gewässer aus von O. und W. her zusammenfliessenden Armen, ist nur durch die unbedeutenden Stromschnellen da Conceigdo (19 51° zu n. B.) oberhalb S. Maria, und durch einige andere Fälle im obersten Gebiete unterbrochen, steht in seinen Quellen durch kleine Landfahrten mit dem Essequebo in Verbindung, und bringt dem Rio Negro seinen Tribut herab, olıne in seinem unteren Gebiete durch Gebirge von den Gebieten seiner Nachbarflüsse abgetrennt zu seyn. Wenn der Uaupe durch dichte, finstre Wälder fliesst, so ist da- gegen die Landschaft am obern Rio Branco überall offen, und, nach der mündlichen Beschreibung von Snr. Vırrorsa va Costa, der mit an der Mappirung desselben gearbeitet hat, überaus reizend and anmutbig. Die Viehheerden, welche unter der Aufsicht von Soldaten bei S. Joaguim und $, Rosa weiden , vermehren sich ausserordentlich leicht ; und seitdem ein Einfall der Cariben, welche sie wegtreiben wollten, von der Grenzbesatzung mit gewaffneter Hand abgeschlagen wurde, sind sie nicht mehr beunruhigt worden, Englische Ansiedler sind im Jahre 1914 und 1819 den Essequebo beraufgekommen, und haben sich in den Fluren am Rupumini (Rupunuri, Rupunuvini) niedergelassen, Der Glaube an die Gegenwart des Goldsees Parima (Parime) ist bei den portugiesischen Bewohnern von Rio Negro schon längst erloschen; wahrscheinlich als Folge ausgedehnter Expeditionen in diesem Gebiete. Nach Rırzıro ($. 328.) schiffte die Bandeira des Fa, Xav. pe Anpnaoe i. J. 1740 im Urari- Coera, dem Hauptstamme des Branco, fast zwei Monate lang hinauf. Die Configuration des Erdrei- ches mag übrigens plötzliche seeartige Wasseranhäufungen sehr begünstigen. Der Bivpuac der asiro- nomischen Expedition, welche Snr. Vırr. va Costa begleitete, ward einmal bei Nacht plötzlich unter Wasser gesetzt, und das Zusammenströmen der durch Regen sangeschwellten Bäche war so mächtig» dass man sich eilig auf die Höhen retten musste. Mehrere astronomische Instrumente gingen dabe} verloren, welche vielleicht erst nach Jahrhunderten wieder aufgefunden werden dürften. Aus der Betrachtung der hier geschilderten und der benachbarten Flussgebiete, in $., namentlich des Igd au Yupurd, scheint sich eine interessante Folgerung ableiten zu lassen ‚ dass nämlich das grosse ’ Be 38000. Geviertlieues einnehmende Gebiet zwischen dem Napo, dem Pastaza, dem Solimoes , dem wenig- Rio Negro, dem untern Branco, dem Cassiquiare, Orenoco und Guaviare kein einziges Bergsysie® von beträchtlicher Ausdehnung enthalte, dass nur schwach geneigte Flächen diese, sich 8 8. = das Strombecken des Amazonas öffnende Flussgebiete ahsondern, und die Berge nicht an den Quel- len der Flüsse liegen, sondern sich hie und da inselartig zwischen ihuen erheben. Zur Erleichterung ” u. za 1299 der Ansicht dieser Törainbildung stelle ich hier die mir bekannt gewordenen Trajecte, Landfahrten (Portages) und Verbindungscanäle zusammen. 1) Gebiet des Iga: oberhalb der Fälle von Cupati mit dem Yupurd verbunden durch den Perit&, der in den Metd übergehen soll; durch Landfahrten vom obern Purdos zu dem Mamur& und Yapacud; durch den Jucurapd mit dem Solimods. 2) Gebiet des Yupurä a. mit dem Solimo&s verbunden oberhalb seiner Mündung: durch die Landfahrt zwischen den. ‚ Quellen des Tonantins und des Joami, durch das Wassernetz von Auatiparand, unterhalb durch die Canäle von Uanand, Copeyd, Jugiras und Codayd; b. mit dem Rio Negro durch die Landfahrten vom Amanyuparana zum Chiuard und dem Ueniuixi, vom Poapod zum Cabrabi (Ueniniri), von Meuaha und Maraha zum Urubazi, vom Uaranaci zum ird, (Der Unini, welcher als mit dem en angegeben wird, hat, nach Sprx, keine unmittelbare Communication mit diesem See.) 3) G ebietdes Uaupe verbunden: a. mit dem Rio Negro durch den Canal von Inebii; b, mit dem Apaporis durch die Trajecte vum Ziquie, au den »4puporis, vom Capuri zum Ueyä oder Japü, vom Jacur! zum Cauanary; c.mit dem Guaviare durch den Canal des Cabuquena. 4) Gebiet des Icanna, mit dem Rio Negro durch den R, de $. Caetano und einen Trajecet von einer Tagreise zum Pama. 5) Gebietdes Ixie verbunden: mit dem Rio Negro durch den Teuapori und einen Trajeet von einer hal- ben Tagreise zum Pama. 6) Gebiet des Cauaboris zum Cassiquiari communicirend: a. durch den Baria und Baximony auf einem in der Sumpfgrunde (eine halbe tu b. durch dest Umarinauy. Ueber die Verbindungscanäle zwischen dem Solimoes und dem Ri Negro RE EEE WED Li = " Zum Beschlüsse: dieser geographischen Bemerkungen will ich noch einen Bericht über die foren verbindung im Auszuge beifügen, wie solche im J, 1817 zwischen Brasilien und den spanischen Pro- winzen am Rio Negro und Orenoco und der englischen Colonie Essequebo Statt gefunden haben, Er ist von dem damaligen Gouverneur der Provinz Rio Negro, Snr, Joz& Joagvım Vırr. pa Costa, erslat- tet, dessen Güte ich seine Mittheilung verdanke, „Gegenwärtig (i. J. 1817.) ist der einzige Weg für unsere spanischen Nachbarn von,Gujana an unsere Grenzen der auf dem Orenoco und Rio Negro. Sie”fahren den ersteren aufwärts bis zu dem Dorfe $. Fernando @Atabapo an der Mündung des Rio de Is Montanna, und auf diesem bis zu der Aldea Yav abita), machen dann ‚eine halbe Tagreise zu Lande durch das Gebiet zwischen. Yavita und Rio Megro, welches sie /a Montarna nennen, auf einem durch den Wald gebauenen engen Wege, fahren nun den Rio Negro hinab, und den Canal Cassigniari aufwärts, wobei sie ihre Aldeas _ an beiden Ufern besuchen können, Der zuerst bekannte, und früherhin mehr besuchte, gegenwärtig aber vernachlässigte Weg folgte der entgegengesetzten Richtung ; er ging von 8, Fernando d’Atabapo den Orenoco aufwärts bis zur oberen Mündung des Cassiquiari, dann diesen abwärts in den Rio Negro. ‚Sie brauchten dazu 30 Tagereisen den Orenoco aufwärts und 15 den Cassiquiari abwärts, und hatten mehr Gefahren auf dem Orenoco, mehr von wilden Indianern zu befürchten, und weni- ger Hülfe wegen Mangels der Aldeas, Auf diesem Wege auf dem Orenoco ist Alles minder schlimm unterhalb der Katarakten von- Atures und Maypures: oberhalb ist der Canal für die Fahrzeuge un- gleich und steinig (escabrozo), der Niederlassungen giebt es wenige und sie sind schwach, auf den Fluren kein Rindvieh, der Fischfang im Strome ärmlich und viele feindliche Indianer in der Nähe, Die Fälle von Atures und Maypures setzen der Schifffahrt grosse Hindernisse entgegen, da Alles ausgeladen und zu Lande weitergebracht werden muss. Als die Spanier ihr Fort S. Agostinho mit Artillerie versehen wollten, brachte die Expedition sechs Monate mit der Passage der Fälle zu, ad nur die Hälfte der Mannschaft erreichte die Grenzfestung, welche sodann zur Errichtung unseres Forte de S. Joz& dos Marabitanas EEE gab. Ehemals kamen die Spanier von 3er de £ ä i 1300 la Nueva Gujana bis nach’ Cunucunuma oder Esmeraldas. am obern Orenoco, auf einem durch Wälder und Fluren geführten Fusspfade, der mehrere Indianermissionen berührte. Diese Reise, von 15 Ta- gen, über den Rio Caura und mehrere Bäche, Berg auf und ab durch ein hohes und rauhes Terrain ist sehr beschwerlich. Die Missionen befinden sich gegenwärtig blos zwischen der Hauptstadt und dem Flusse Caura, und blos in dieser Strecke ist der Weg offen und frequentirt; die Indianer der Missionen zwischen dem Caura und Esmeraldas haben ihre Missionäre und die übrigen Spanier ver- tilgt, und der alte Weg ist nicht mehr kenntlich. — Im Jahre ı775 kam ein Trupp Spanier von Nueva Gujana den Rio Carony aufwärts, passirte die Fälle desselben, ging über seinen Zufluss, den Anacaprd, und das dazwischen liegende Gebirg in den Uraricapra, einen Zufluss des Rio Branco, den letztern ahwärts und befestigte sich % der Mündung des Astes Cayacaya mit einigen tragbaren ieben- Feldstücken. Aus diesem Orte, der den Namen 4ldea de $. Juan Batista erhalten hatte, vertr. wir Portugiesen die Spanier wieder, und errioebteten oofort das Furte de $. Joaquim an der Vereini- gung des Tacuti mit dem weissen Flusse gegen die Spanier und gegen die Holländer, als damalige Besitzer von Essequebo. Wir Portugiesen gehen im Rio Negro nach Ueberwindung der Fälle zunächst dem Forte de $. Gabriel bis zu unserm Grenzposten (Forte fronteiro) von S. Joze dos IMarabitanas. Durch den Beifluss des Negro den Xie (Ixzie, Uexi£) und dessen Ast, den Teuapori gehen wir, wenn - während der Hochwasser die Fälle des Xie& bedeckt sind, bis nahe an den Rio Pama, Zwischen die- sen beiden Flüssen kennen wir eine halbtägige Landfahrt durch den Wald; und wir unterhalten hier während der Hochwasser eine fliegende Wacht gegen die Grenze. Durch den Iganna und seinen Beifluss, den Rio de $. Caetano, gehen wir in jeder Jahrszeit ganz nahe an den Pama, der sich in den Rio Negro ergiesst, und da wir durch die spanischen Deserteure erfahren haben, dass zwischen dem Pama und dem S. Caetano ein Traject von einer Tagereise liege, haben wir eben jetzt an der Mündung des letzteren, da wo oberhalb im Iganna wilde und gefährliche Fälle anfangen, den Ort S. Francisco gegründet, um eine fliegende Wacht zur Beobachtung der Grenzen zu haben. Ir u Rio Cauaboris (Cabopury) und dessen Aste, dem Baria, gehen wir ohne Schwierigkeit in jeder Jahreszeit bis zu den Quellen des letzteren, nahe am Bachimony (Bachimonari), der in den Cassiquiari mündet, hinauf. Von diesen Quellen des Baria machen wir zur Regenzeit, wenn das Terrain überschwemmt ist, in leichten Kähnen eine Tagreise nach dem obersten Bachimony; aber der Cauaboris ist weiter aufwärts, wo er in die Gebirge der Gujana tritt, von Stunde zu Stunde schwieriger zu befahren. — Im Rio Branco gehen wir, nach Uebersetzung der Caxoeira da Conceicäo, biz zu dem Forte «8. 7 Joaquim hinauf, Von hierans senden wir unsere Wachten den Branco (Uraricoera) aufwärts gegen den Carony hin bis dahin, wo das Gebirg und die Fälle den Weg beschwerlich machen, Im Tacutu und dessen Arme, dem Pirarara, gehen wir während des Hochwassers bis zu den er, beider, deren erstere zwei Stunden, und letztere zwei Tagereisen vom Rupunuri entfernt sind; ein Trajeet der leicht zu machen, da sich das Gebirg hier in Campos eröffnet, Unsere Nachbarn, die Engländer, ' können bis hierher im Essequebo, und dessen Beifluss dem Rupunuri (Rupumuni, Repunuri) herauf- kommen,‘ Joze Joaqvım Vırrorıo Da Costa. (Vergl. hiemit unter Andern von Humb, Reise 4 8. Eu a; B 1301 [2 Durch die Grenzcommission bestimmte astronomische Puncte am Rio Negro am Rio Branco . westl, L. , t Besite, von Paris. Breite, von Park, — ee te 4 9! erg | Mündung des Rio ” nco 1924 südl, ei a 3 2 - 253 u Mündung des Furo x „ Amayau ar 5 Heer en 0 58 0 „| 659% 45:00 | Serra de Carmo oı7 nördl. ee ee > Hefıng der Gnche Villa de Tho 0 24 6 a ig i yelpeihe ugar de Lamalonga |o ı8 0 e Fan en Mündung des Urubaxi 6.0 5 | en nen a a Münduns des Ueuuixi 2 5 0 5 Fr ar A L Per 5 ” ündun us- L . Joäo Ne- ae ee a > 2) Disk de Gi ica0 gen ci) ce 3 Forte de S. Gabrieljo 44 3145") Mündung des Kur en A = = | Mündung des Uau- rumaä 3 2156 » Pe x o 44 1045” Mündung desMahüu |3 33 50 „ 8 5\ Forte de Ss. Joze . Fall de Piraza 5 39 20 ’e E1 dos Marabitanas|o 59 22 20° See Amucu 3390» 62 715 =. Mündung des Rio nördl. Penedo da Boa Vi- u” Cassiquiari 0 59 2729 323 „ ya nördl. Majari ‚schmaler Falll3 46 0 y etzter Fall |3 55 0 „ 25 Lugar de $. Roza_ |3 44 530 „- | 65 15 22 (2) Ernwocrarmiscars. Man zählt wenigstens fünfzig verschiedene Indianerstämme, welche noch gegenwärtig die einsamen Waldungen an beiden Seiten des Rio Negro und die schönen Fluren des Bio Branco bewohnen. Diese Stämme waren, bevor sie noch durch die Portugiesen theilweise in die Ortschaften herabgeführt , oder bekriegt und zurückgetrieben wurden, durch gegenseitige Kriege unter sich und mit den von Osten über die Gebirge von Parim& her eingedrungenen kriegerischen Caraiben so sehr geschwächt, dass sie den, obgleich an Zahl sehr schwachen, Einwanderern nicht widerstehen konnten, und gerade die mächtigsten Stämme haben sich, das Bedürfniss höberer Cultur fühlend, am frühsten mit den Weissen vereinigt, und somit ihre Selbstständigkeit verloren. Die Anthropophagie war allgemeine Sitte unter allen Indianern dieses grossen Gebietes, und hatte nebst dem ungesunden Klima ohne Zweifel mächtig zu der Entvölkerung beigetragen. Die kleinen Horden und Stämme, welche noch gegenwärtig ihre Freiheit bewahrt haben, wohnen vorzugsweise zwischen dem Uaupe und den Quellen des Rio Negro, Alle diese sind Waldindianer (Indior do Mato, span, I. del Monte). Sie sind noch düsterer von Gemüthsart, als die Indier der Fluren (J. Camponeses, span. T. andantes), und verhältnissmässig zahlreicher. Sie wechseln ihre Wohnorte bald aus Rücksicht für ibren Unterhalt, bald wegen Krieges mit den Nachbarn, und manchmal erscheinen Horden am Flusse, die vorher nicht einmal dem Namen nach bekannt waren. Sie bleiben angesiedelt, oder ziehen wie- der davon, je nach eigenem Gutdünken, Die verheerenden Krankheiten , denen die brasilianischen Ortschaften ausgesetzt sind, und deren Zunahme seit zwanzig Jahren die Verödung vieler sonst blü- henden Lugares und Villas zur Folge hatte, greifen auch unter diesen wilden Stämmen immer mehr II. Theil. 165 - 1502 * um sich; und namentlich gilt diess von den Blattern. So sind z. B. die Tarumäs, die Uaranacuace. nas und die Dariras bereits ausgestorben, und selbst von den einst am Strome so mächtigen Mandos und Bares sollen gegenwärtig nur noch wenige in abgelegenen Aldeas auf dem westlichen Ufer des Flusses wohnen. Als die Portugiesen sich hier im vierten und fünften Decennium des vorigen Jahr. hunderts ausbreiteten, herrschten folgende Stämme in dem Flussgebiete vor. ı) Die Aroaquis längs des nördlichen Ufers an der Einmündung des Negro in den Amazonas, bis zur Mündung des Rio Branco, und von da östlich bis gegen Sylves. 2) Die IMandos an beiden Seiten des Stroms von der Mündung des Rio Branco bis zu der Insel Timoni. 3) Die Bares von da aufwärts bis zur Mündung des Rio Icanna; 4) die Uaupes und Uerequenas am Flusse Uaupes; 5) die Banidas (HManibas) zwischen dem Uaupe, Icanna und den Quellen des Negro; und 6) die Parauana im untern Flussgebiet des Rio’ 'Branco. Die Aroaquis (Aruaguü, vergl. S. 1114.) werden im Allgemeinen als einer der schönsten und mächtigsten Indianerstämme geschildert. Sie wohnen nicht blos in Wäldern, sondern ziehen auch in die Fluren hinaus, und sollen den Viehheerden der Regierung am Rio Branco oft grossen Schaden zufügen, Obgleich einzelne Familien derselben in Sylves und in den Ortschaften am Rio Negro an- gesiedelt den, findet dennoch eine feindliche Stimmung gegen die Weissen bei ihnen Statt, deren letzter EB sich in dem Ueberfall von Ayräo zeigte. — Die Mandos (fälschlich Manoas) waren die mächtigste Nation, als die Portugiesen die Eroberung des Rio Negro unternahmen, und iellliche hätten sie sich nicht so willig unterworfen, wären sie nicht von zweien ihrer Feinde, den Bares und Caripünas, hart bedrängt worden. Sie scheinen auf gleicher Bildungsstufe mit den Campevas und Sorimoes gestanden zu haben, und ihre Sprache (nicht die der Chapuenas, wie DE za Convanisa angab) ward am Rio Negro eben so stark gesprochen, als am Solimods und Amazonas die Tupi, von der sie übrigens allmälig unterdrückt worden ist. (Monteiro $. 170.) Asurrıcarı, ein mächtiger ; Häuptling der Mandos, war auf dem Rio Branco mit den Holländern von Essequebo in Verbin - dung getreten, Er beschiffte mit seinen Leuten unter holländischer Flagge den ganzen 'Rio Negro, überfiel die Niederlassungen, und verkaufte die dabei gemachten Gefangenen an seine Verbündeten, Als ‚er endlich (unter Joäo na Mara Da Gama) mit 2000 Indianern gefangen, und in Fesseln nach Para abgefähtt wurde, sprang er, nachdem eine auf dem Fahrzeuge angezettelte Verschwörung vereitelt worden war, in den Strom, um sich einen freiwilligen Tod zu geben. (Ribeiro $. 371 — 375.) Seit jener Zeit scheint der Stamm der Mandos immer mehr geschwächt und seiner Auflösung entgegenge- gangen zu seyn. Sie glaubten an zwei höchste Wesen: Mauari, den Urquell alles Guten, Sarduay alles Bösen, (Monteiro a. a. O.). — Die Bares waren zwar, eben so wie ihre Feinde, die a 2 Menschenfresser, doch von milderer Gemüthsart, Auch ihre Sprache, nur ein Dialekt der Mando ” ward bie und da in den Ansiedlungen am obern Rio Negro gesprochen; ist aber jetzt verschollen, , Beide Nationen hatten keine Abzeichen, die überhaupt bei den Wilden dieses Stromes seltner, als bei den Nachbarn am Yupura und Solimoes vorkommen. — Als ein vorzüglich wilder und mächtigen mehrere tausend Köpfe zählender Stamm von Menschenfressern, der auch gegenwärtig noch bisweilen aus seinen Wäldern am Uaupes hervorbricht, die Ansiedlungen plündert und zerstört, werden die, Uaupes genannt. Moxtzıno (f. 186.) und Rınrıro ($. 381.) berichten, dass sich die Spuren eines "Kastenunterschiedes bei ihnen fänden, der durch die Länge eines, mittelst einer Schnur am Hals en, glatten weissen Steines angedeutet werde. Die Anführer trügen diese Steine von der i Länge einer halben Spanne, die Edien kürzer, und noch kleiner die Gemeinen. VUeb rigens durch- bohren. die Uaupes Ohren und Unterlippe, — Von den Uerequenas (Arequenas, Uariquenas, Ariguanes » Ar eguenas), die auch die Ohren durchbohren und mit Strohbüscheln zieren, geben dieselben Schrift steller ($. 109, und |. 382.) an, dass sie an einen früheren Verkehr mit Europäern durch die Namen Joab, Jacobe, Yacobi, Thom, Thomequi, Davidi, Joanau und Mariana: erinnerten. Obgleich Men- schenfresser, sollen sie, — den alten Peruvianern, Quippos, geknüpfte Schnüre, im Gebrauche 1503 haben, wodurch sie nicht blos numerische Verhältnisse, sondern auch andere Gedänken mitzutheilen wüssten, — Die Indier vom Stamme der Decdnas, Tarianas und Uaupös, welche mit den Indianern am Guaviare verkehren, hat man mit Goldschmuck in den Ohren bemerkt, welchen sie aus den Ge- birgen von Neugranada erhalten haben sollen. (Ribeiro $. 380.) — Die Caraiben erschienen sonst in Streifzügen am Rio Negro, zu dem sie längs des Branco herabkamen, Einige Horden derselben scheinen aus früheren Zeiten zwischen den übrigen Bewohnern zurückgeblieben zu seyn. Dahin ge- hören namentlich die Guaribas (wohl richtiger in der Tupi: Uaraüva d, h. Herrenmänner, auf gleiche Art, wie Jacuma-üva Steuermann, gebildet), welche unter andern am Rio Uaraca wohnen sollen. Die Cariben werden am Rio Negro unter mehreren Namen: Caripond, Caripund , Caribud aufgeführt. Rıerıno (f. 329.) berichtet, dass die am Rio Branco wohnenden mit dem Gebrauch des Schiessge- wehrs vertraut seyen, welche sie’von den Holländern einhandeln, Snr. Kuxrsen Trırzs hat einige Male Besuche von Cariben in dem Forte de S. Joaquim do Rio Branco erhalten, welche bis auf das Suspensorium nackt gingen, am Haupt nur einen dünnen Haarkranz wie die Franeiscaner trugen, und mit Bogen und Pfeilen bewaffnet waren. Die Paraudnas, am untern Rio Branco, waren ehemals ein ziemlich verbreiteter Stamm. Sie gehörten mit unter die ersten, welche von den Ansiedlern zu _ Descimentos veranlasst wurden, und sind wegen ihrer Treue und Geschicklichkeit unter den Kenica- rüs oder zahmen Indianern vorzüglich beliebt, Man nennt sie gewöhnlich Paravilhanos, Im freien Zustande tragen sie an der Stirne ein tatowirles Kreuz oder hackenförmige Striche auf den Wangen und bisweilen einen Strich von den Augen zu den Ohren. Aelınliche Tatowirungen, namentlich - gewundene Linien, die von den Mundwinkeln auf die Wangen hinziehen, haben, von den an Rio Branco wohnenden Stämmen, die Uabixanas, Pauxziänas und Tapicares; die Macunis und Ananais, ebenfalls am weissen Flusse, sind nicht tatowirt, Es unterliegt übrigens wohl keinem Zweifel, dass die am Rio Negro wohnenden Völkerhau- fen in Perioden, die nicht bestimmt werden können, mancherlei Wanderungen nach Norden und Süden angestellt, und durch Verkehr und Krieg mit den Nachbarn am Amazonas und Solimods die ausserordentliche Zerstückelung, Vereinzelnung, Zerstreuung und Vermischung herbeigeführt haben, welche gegenwärtig alle Forschungen über ihren frühern Zustand so ungemein erschweren, In diesen "gegenseitigen Reibungen mögen die einzelnen Horden von ihren individuellen Sitten und | ‚ebräuche: immer mehr verloren, und sich zu einer, im Wesentlichen gleichen, aber nur in den, als Familien- institut zu betrachtenden, Sprachen verschiedenen Volksmasse entwickelt haben. In den von der Mündung des Rio Negro bis zu dem Orenoco scheinen mancherlei Sprachen gemischt, und zwar vorzüglich die Tupi und ihre Schwester die Omagua, die Mando, die Tamanaca und die May- pure durch einander zu spielen. Da sich übrigens in dem grossen Gebiete des Rio Negro keine al- ten Bauwerke finden, da ferner unter allen zahlreichen Stämmen, die es bewohnen, weder von einem entwickelten Sonnen - oder andern Götzendienste noch von einer herrschenden Priesterkaste, von erblichen Fürstenfamilien,, und ähnlichen Verhältnissen Spuren auftreten, so darf man billig zweifeln, dass ein regelmässiger Verkehr zwischen jenen rohen Wilden und den Muyscas von Bogota oder den Peruanern obgewaltet habe. Nur selten mögen diese Völker, deren höhere isolirte Bildung ein dop- peltes Räthsel ist, aus ihren Alpenthälern und Hochebenen in die heissen Urwälder herabgestiegen seyn zu Menschen, die sie sich vielleicht unter ähnlieben Verhältnissen dachten, als einstens die Griechen ihre nördlichen Nachbarn, die Hyperboräer. . 1304 = iliebärsiche der in den Ortschaften am Rio Negro angesiedelten Indianer. Bette Indianervom Stamme Fortaleza da Barra do Rio Negro (sonst bei Taruma angelegt) Lugar de Ayräo Villa de Moura Lugar de Carvoeiro (sonst Aracari) Lugar Pojares (sonst Cumaru) Villa deBarcellos sonst Mariuä (1758. Capital der Provinz) ugar Moreira (sonst Cabuquena) Lugar de Lama longa (sonst Dari) Villa de Thomar (sonst Bararoa) Lugar de S. Isabel Lugar de N. S, das Caldas | Lugar de S. Antonio do Castanheiro Lugar de S. Joäo Nep, do Camunde Lugar de S. Bernardo N. S. de Nazareth do Cariana Lugar de $, Gabriel Lugar de $. Miguel do Iparana Lugar de N. S. da Guia Lugar de S. Joäo Bapt. do Mabe. Lugar de S, Marcellina Presidio S, Joze dos Marabitanas Aroaqui, Bar@, Baniba, Passe, Juri, Coretü, Maeuna, Yupus, Coeruna, Uainumä, Cauari, Maraus, Jumana, Catauuixi, Amamati, Miranha, Tarumaä (}). Aroaqui, Tacu, Manäo, Coretu, Juri, Passe, Uainumä, Jumana, Miranha ‚Uaranacoacena (}) (Maranacuacena). Carayas (Carayai) Manäo, Coeuana, Juma, Juri, Passe, Uainuma, [Manao, Parauana (Paravilhana), Maranacuacena, Manäo, Bare, Passe, Juri. [Manäo, Bare, Bayanai (Bayana), Uariquena, Passe, Juri, Uainu- ma, Jumana. Manäo, Bare, Uaipiana, Passe. Manäo, Bare, Baniba (Maniba). Manäo, Bare, Uaupe, (Goaupe, Oape) Manao, i Uaupe, Manäo, Macu, Mepuri. Mepuri, Macu, Barc, Bare, Bare, Mepuri, ‚Ayrini, Bare, Macu. Bare, Baniba. Baniba. Baniba, Marabitana. Baniba, Bare, Marabitana. |Marabitana (Marabutena). Die mit einem + bezeichneten Stämme scheinen gegenwärtig gänzlieh ausgestorben. 1305 Sechstes Rapitel. Reise von der Barra do Rio Negro in den Madeira- Strom, zu den Indianern Mundrucüs und Mauhes, und zurück nach Pard. Vor dem Tage unserer Wiedervereinigung in der Barra do Rio Ne- gro waren Briefe aus Parä eingetroffen, welche baldige Abfahrt einer brasilianischen Escadre nach Lissabon meldeten, und uns bestimmten, unsern Aufenthalt abzukürzen, um mit diesen Schiffen die Rückkehr nach Europa bewerkstelligen, und vor Eintritt des Winters das Vater- land erreichen zu können. Die Einschifftung unserer zahlreichen Samm- lungen ward daher mit grösster Eile betrieben, und nach wenig Tagen waren wir reiseferig,. Am meisten Schwierigkeiten fand der Trans- port einer bedeutenden Menagerie, besonders von Affen, Papageien und Hoccos — wir brachten davon einige und achtzig Thiere nach Parä und sieben und fünfzig nach München, — und mehrerer hundert der merkvvürdigsten lebenden Pflanzen, welche in Körben von Schlingpflan- zen rings um die Canoa befestigt wurden, wo sie freilich von den Wechselfällen einer langen und stürmischen Reise viel zu leiden hatten. Der Herr Gouverneur der Provinz und mehrere Einwohner bewährten die freundschaftliche Theilnahme, womit sie uns den Aufenthalt ın Rio Negro angenehm gemacht hatten, auch im Augenblicke der Trennung. Mehrere Fahrzeuge begleiteten uns stromabwärts, bis zu der Fazenda 1306 des Snr. Corre Rear, zu einem gemeinschaftlichen Frühstücke, und wir | schieden, den Bewohnern dieser entlegenen Gegend recht bald alle Segnungen einer vermehrten Bevölkerung und eines lebendigen Ver- kehrs wünschend, welche hier durch die schönste und freigebigste Na- tur verbürgt wird. Unsere Indianer mussten jetzt, da der Rio Negro noch ziemlich niedrig stand, eifrig die Ruder gebrauchen, um uns schnell stromabwärts zu bringen; aber kaum hatten wir das seltsame Schau- spiel des Kampfes zwischen den schwarzen Gewässern des Negro und den gelblich- weisslichen des Solimo&s hinter uns, und waren in dem Hauptcanale des gewaltigen Amazonas eingelaufen, so schien ihre An- strengung unnöthig, und der Mittelstrom (fo da Correnteza) führte uns rasch abwärts. Man erhält einen ungeheueren Eindruck von der Wassermasse dieses riesenhaften Stromes, wenn man bemerkt, wie schnell die Gewässer eines oft Meilen breiten Nebenflusses von seiner Fluth verschlungen werden. Eine halbe Stunde unterhalb der Vereini- gung ist, keine Spur von den braunen Wellen des Rio Negro mehr zu sehen, welche bei dem Zusammentreffen selbst vom Lauf des mächü- geren Stroms plötzlich nach der nördlichen Küste hin gedrängt werden. Der Amazonas hatte vor Kurzem seine stärkste Höhe erreicht, und die Leettenbänke und Wände an seinen Ufern erschienen nur zur Hälfte oder noch weniger entblösst. Die Einwohner nennen dieses Verhältniss der Wasserbedeckung Meios Barrancos, halbe Wände. Die Wellen des Stromes waren in der Mitte fusshoch, und verursachten ein Schau- keln unseres Fahrzeuges, als wenn es sich auf hohem Meere befände. Schon am zweiten Tage passirten wir an dem sechsten Furo de Saraca, dem sogenannten Rio Arauato, und am Morgen des folgenden Tages erblickten wir uns der Mündung des Rio Madeira gegenüber, welchen aufwärts zu schiffen, nun im Plane lag. Wir hatten die Insel, welche sich vor seiner Mündung ausbreitet, noch nicht ganz gen W. umschiflt, als wir an einer Veränderung in der Farbe des Gewässers bemerken konnten, dass wir uns schon in diesem Strome, dem längsten und wasserreichsten ‚aller Confluenten des Amazonas, und gewissermassen dem Hauptstamme desselben, befänden. Das Wasser war etwas weiss \ i | EN Eee 1307 licher und trüber als das des Amazonas; zur Zeit der Stromleere zieht es etwas in das Grünliche. Gegenwärtig war der Strom, dessen höchste Wasser in den Monat April fallen, schon bedeutend angelaufen; er be- deckte alle Sandbänke am Ufer, so dass sich der Wald unmittelbar aus den Fluthen zu erheben schien. Ohne Wellen zu schlagen, war dennoch seine Strömung bedeutend: sie betrug während der ersten zwei Tagereisen zwischen 20 und 26 Fuss in der Minute, und es war bald nöthig, uns mittelst eines an einem Uferbaume befestigten Taues strom- aufwärts zu ziehen, da die Ruder, bei gänzlicher Windstille, nichts aus” ‚zurichten vermochten. Wir waren kaum zwischen die niedrigen Ufer eingelaufen, an deren westlichem die Reise stromaufwärts zu machen war, so selzte uns die Menge von Treibholz in Erstaunen, welche, von Weitem einer ungeheueren Flotte indianischer Ubas (Einbäume) ähnlich, besonders in der Mitte des Stromes herabkam. Es waren hauptsächlich Stämme von Zuckerkistenholz (Cedrela odorata, L.) und von der Munguba (Bombax Munguba, Mart. N. G. t. 99)- Die kleinen Fahrzeuge können oft dem Wellendrange des Hochwassers in diesem und andern Strömen nicht widerstehen, und werden in den Buchten herumgetrieben; desshalb pflegen die Indianer, wenn sie stromabwärts reisen, ihr Fahrzeug an einen solchen treibenden Stamm zu befestigen. Bekanntlich hat dieser Reichthum an Treibholz dem Flusse den Namen Madeira, Holzfluss, erschafit. Was ich über die Entdeckung und erste Beschiflung dieses Stromes beizubringen habe, möge eine Stelle in den Anmerkungen erhalten. (1.) Während wir mit möglichster Anstrengung reisten, umgaben uns ohne Unterlass Regen und Wolken von Schna- cken. Die Carapana des Madeira sind besonders übel berüchtigt; da Sonnenschein in diesem feuchten Gebiete minder anhaltend ist, als Re- gen, und sie bei trübem Weiter ihre Verfolgungen Tag und Nacht fortsetzen, so sind sie die Geissel dieses Stromes, wie der Pium die des Yupur& und oberen Rio Negro. Es war vorherzusehen, dass unser’ schweres Fahrzeug sich nur langsam bis Canoma, der ersten Mission der Mundrucüs, durchkämpfen werde; desshalb eilte ich in einer, mit vier Indianern und einem Jäger bemannten, Montaria dahin voraus, um 1 1308 längere Zeit unter diesen Indianern verweilen zu können, die man als einen der mächtigsten und eigenthümlichsten Stämme der ganzen Provinz Rio Negro nennt. Obgleich die Fahrt in einem leichten Nachen ohne Anstrengung der Puderer gelang, hatte sie dennoch ihre Gefahren, denn heftige Gewitter empörten jeden Nachmittag den Strom, wo wir unter den Bäumen des Ufers Schutz suchen mussten; bei Nacht aber gefähr- deten uns die Onzen, deren ich noch nirgends so viele als hier gesehen hatte. Der Jäger versicherte mich, dass sie Witterung von zwei durch ihn erlegten Thieren hätten, deren Fell und Schädel ich mitführte, und dass wir um so mehr vor ihnen auf unserer Hut seyn müssten. Da die Wachtfeuer während der regnerischen Nächte nicht brannten, so brachten wir diese Zeit in steter Unruhe zu. Wenige Naturumgebungen mögen an schwermüthigem Düster diesen Wäldern des Madeira wäh- rend der Regenzeit gleichen. Eine feuchte Schwüle umgiebt den Rei- senden; dicke Nebel hängen tief in den qualmenden Wäldern umher, und vor ihnen sieht man lebendige Wolken von Schnacken und Mücken sich in raschen Kreisen durcheinander bewegen; die Bäume triefen von unendlicher Feuchtigkeit; nur für die wenigen regenfreien Stunden öff- nen sich zahlreiche Blumen; die Thiere verbergen sich lautlos in das Dickicht, Kein Vogel, kein Schmetterling wird sichtbar ; nur das Schnar- chen der Wasserschweine (Capivaras) und das monotone Geschrei der Frösche und Kröten wird vernommen. Noch freudloser und schwer- müthiger dunkelt die Nacht über die Einsamkeit herein; kein Stern er- glimmt am regengrauen Himmel, der Mond versteckt sich hinter schwe- ren Wolken, und wie bange Rlagelaute ertönt das Geschrei der hung- rigen Raubthiere aus der unheimlichen Waldung hervor. So wurden vier Tage, in dem /Madeira stromaufwärts, wie vier lange Wochen zupebracht , und ich freute mich daher, den Hauptstrom verlassen, und in den Ast des Stromes einlenken zu könnh. der unter dem Namen Iraria nach Osten ‚abgeht, und die grosse Insel Topinambarana bildet, indem er mehrere bedeutende Zuflüsse aus $. aufnimmt. Während der trocknen Jahrszeit steht er fast still, so dass die dunkelbraunen Gewässer des Sees und Flusses Canomd durch ihn sowohl aufwärts | | 1309 in den Madeira als abwärts in den Canal (Furo) do Ramos gelangen können, der die Insel Topinambarana in zwei Theile theilt. Jetzt, da der Madeira schon stark angeschwollen war, führte er die getrübten Gewässer desselben mit gleicher Heftigkeit gegen O. abwärts, als der Madeira selbst strömte. Seine Ufer sind nicht höher als die des Haupt- flusses, aber es schien mir, als bestände die Vegetation, welche bis unmittelbar an das Wasser reicht, nicht blos aus der Ygapöwaldung, sondern auch aus Gewächsen des Festlandes. ”“) Vorzüglich zahlreich erscheinen am Jraria einige Palmen, die den Einwohnern manchfach nützlich sind. Vier Stunden in dem Furo de Iraria abwärts gefahren, brachten uns an die Vereinigung dieses Canals mit dem Canoma, des- sen caffebraune Gewässer, von den weisslichen Fluthen des Madeira gleich Wolken zertheilt, fortgerissen und bald.mit ihnen gänzlich verei- nigt werden. Die Mission Novo Monte Carmel do Canomaä liegt eine halbe Stunde oberhalb dieser Vereinigung, am westlichen Ufer des Flusses. Sie war i. J. ı81ı durch den Carmelitanermönch Frey Joze ALVAREZ Das Cuacas errichtet worden, und ward jetzt von einem Welt- priester, Anton. JEsumno GonsaLvEz, geleitet, der mich mit liebenswür- diger Gutmüthigkeit empfing und bewirthete. Er befindet sich mit seiner Familie ganz allein unter einer Gemeinde von etwa tausend Mun- drucüs, welche jedoch nicht alle in der Mission selbst, sondern hie und da im Walde, und besonders auf der östlichen Seite des Flusses in ofl- nen Hütten hausen. Ich musste die Standhaftigkeit und den Muth be- wundern, womit dieser Mann, von der sanftesten Gemüthsart, sieh hier unter Wilden behauptete, die erst vor wenig Jahren ihre unbedingte Freiheit verlassen hatten. Viel ward er hierin von seinen beiden Schwe- stern unterstützt, welche es unternommen hatten, mehrere junge India- nerinnen in ihrem Hause aufzuziehen, bis sie an die benachbarten /Mun- *) Hie und da war das'Gestade mit wildem Reise so dicht überwachsen, als wenm er künstlich ausgesät worden wäre. Die Anwohner machen. auch reichliche Errdten davon , indem sie kleine Kähne zwischen die reifen Halme führen, und die Saamen mit Stangen in dieselbem hinabschlagen. ea bei Sylves sind solche natürliche Arrozaes (tupi: Auati -tyba) häufig, Vergl. Flora brasil. Vol. 2. pars. ı. $. 518. 560 segq. II. Theil. 166: 1510 drucüs verheurathet werden konnten, eine eben so einfache als wirksame Weise, die Wilden der Civilisation zugänglich zu machen.‘ Die Nach- richt von meiner Ankunft hatte alsbald Schrecken unter den Neophyten des guten Padre verbreitet, weil sie meinten, ich wollte sie für den öffentlichen Dienst aufgreifen. Man hatte seit Kurzem angefangen, der Protestation des Pfarrers ungeachtet, alle Vierteljahre eine gewisse Zahl von Mundrucüs zu Frohndiensten zu verlangen, wodurch die Indianer schon schwierig geworden waren, indem sie drohten, wieder in die Wälder zurückzuziehen. Mein Wirth beeilte sich daher, dem üblen Eindrucke zu begegnen, und sendete eine Montaria in die oberen Mal- locas am Canoma ab, um die Wilden vom Wahren zu unterrichten, und zugleich ethnographische Merkwürdigkeiten für mich einsammeln zu lassen. Wir besuchten die Hütten, welche reihenweise auf einer gelichteten Niederung liegen, eben so, wie die sehr geselligen Mun- drucüs ihre Dörfer in den Wäldern anzulegen pflegen. Männer waren wenige zu Hause; aber die Weiber boten uns überall mit Freundlich- ‚keit Castanien, oder dünne Scheiben sehr feiner und weisser Beiju an, und schienen dem würdigen Geistlichen mit Ehrfurcht und Neigung zu- “gethan. Die Kinder, deren Ratechetisirung das tägliche Geschäfte des Geistlichen ist, wussten ihr Credo geläufig herzusagen. Ausserdem aber schien es, als wäre die Horde über manche Begriffe, wie Staat, Recht, Rönig, Schaam u. s. w., noch nicht weiter aufgeklärt, als im Zustande der Freiheit, und Snr. Gonsauvez beklagte die Abneigung gegen Alles, was eine solche Fortbildung zum Bürgerthume bezwecken sollte. Of fenbar standen sie hierin den Juris am Yupurä nach. Unter den an- wesenden Männern zeichnete sich einer durch seine offenen , derben Manieren aus. Ich erfuhr, er sey der Scharfrichter dieses Haufens $e- wesen, habe viele feindlichen Jumas und Parentintins geköpft, und das fürchterliche Amt bekleidet, Mundrucüs, deren Krankheit für unheilbar gehalten worden, mit einer schweren Keule vom Leben zum Tode zu bringen. Dieser scheusslichen Sitte liegt, nach der Versicherung des Padre GonsaLvez, (wahrscheinlich wie einst bei den Wenden, die dayon durch eine deutsche fromme Gräfin abgebracht worden seyn sollen), Mitler- “ 1511 den zum Grunde; die Kinder glauben den greisen Aeltern einen Dienst zu erweisen, wenn sie ein Daseyn enden, das, ohne Jagd, Festtanz und Cajiri, kein Glück mehr darbiete. Eine grössere Anzahl von Männern fand ich in Caiaue und einigen andern Mallocas auf dem gegenseitigen Ufer des Flusses, der hier über vierhundert Hlafter Breite hat. Als uns die Indianer herbeirudern sahen, kamen sie aus ihren grossen ke- gelförmigen Hütten hervor, und tanzten uns in wilden Sprüngen entge- gen, mit einer Federhaube auf dem Kopfe, langen Schleifen von Fe- dern über den Nacken hinabhängend, und einen cylindrischen Scepter aus Federn in den Händen schwingend. (S. „Besuch bei den Mundru- cüs‘‘ im Atlas.) Noch ehe wir aber ans Land gestiegen waren , hatten sie sich in die Hütten zurückgezogen, wo sie uns nach ihrer Weise empfingen, auf den Zehen (em cocras) um einige Schüsseln niederge- kauert, woraus sie die Speisen langsam und sprachlos mit den Fingern langten. Es war ein Gericht aus zerstampften Castanien und aus dem spinatähnlichen Kraute des Cararu - acu (Phytolacca decandra, L.); daneben stand eine Schaale mit dem süssen Safte aus frischen Cacao- bohnen, die über einem Siebe gerieben worden waren. Sie boten uns von diesen Gerichten an, kümmerten sich aber wenig, dass wir nichts nahmen. Nach dem Mahle legten sie sich in die Hangmatten, von wo aus sie ruhig auf uns hinblickten. Diese seltsame Sitte, den Gast spei- send oder ruhend zu empfangen, habe ich bei den meisten Indianern bemerkt. Auffallend war .die grosse Unreinlichkeit dieser /Mundrucüs ; besonders die Kinder starrten von Schmutz. Hieran mag .der Mangel an Badeplätzen in ihren ursprünglichen Wohnorten, und die Ungewoh- nung, in das Wasser zu gehen, Schuld seyn. Die Weiber, deren Män- ner abwesend waren, schienen ängstlich, uns mehr Aufmerksamkeit zu erweisen, als ihren Eheherrn lieb seyn möchte. Aus einer Hütte, de- ren männliche Bewohner fehlten, nahm ich einen Bogen und Pfeil mit, indem ich reichlichen Ersatz an Messern und- Angeleisen zurückliess. Allein wir hatten uns kaum eingeschifft, so kam ein Alter aus dem na- hen Gebüsche mit so drohender Gebärde an’s Ufer, dass der Geistliche dringend bat, die Waffen eiligst zurück zu geben. Die hier Anwesenden 166 * - » 1512 hatten nur für kurze Zeit Hütten errichtet, um den benachbarten Ca- caowald abzulesen. Hier war nämlich früher die Ortschaft gestanden, welche später nach Serpa verlegt ward, und eine künstliche Pflanzung war nun zu einem um so fruchtbareren Walde verwildert. An jedem Baume hingen sechs bis acht Früchte. Sowohl diese Mundrucüs, als alle übrigen, die ich noch zu Gesicht bekam, waren grosse (mehrere massen sechsthalb Fuss), breitbrüstige, äusserst musculöse Leute, oft von sehr heller Hautfarbe, mit breiten, stark ausgeprägten, zwar gut- müthigen aber rohen Gesichtszügen, das glänzend schwarze Haar über der Stirne kurz ‚geschnitten, und den ganzen Körper mit schmalen Li- nien tatowirt. (S. im Atlas die Figuren „Mundrucü‘.) Die Genauig- keit, womit jene schmerzhafte Verschönerung vom Haupte bis zu den Füssen ausgeführt ist, musste Erstaunen erregen. *) WVahrscheinlich *) Die Mundrucüs haben entweder das ganze Gesicht, oder in dessen Mitte einen halbel- liptischen Fleck tatowirt; von diesem erstrecken sich zahlreiche, ganz parallele Linien über Kinn, Unterkiefer und Hals zur Brust hinab, Von der Mitte der einen Schulter bis zur andern laufen über die Brust zwei oder drei Linien einen halben Zoll weit von einander, und unter diesen bis an das Ende der Brust befinden sich Zeichnungen von stehenden , bald ausgefüllten, bald leeren Rauten. Der übrige Rumpf ist entweder mit parallelen, oder mit gegitterten Linien durchzogen. Der Rücken ist auf ähnliche Weise, dech minder vollständig, gezeichnet, und die Extremitäten wiederholen denselben Verlauf der Linien mit oder ohne Rauten, Je nach dem individuellen Geschmacke finden Verschiedenheiten Statt. Bei den Weibern ist selten das ganze Gesicht geschwärzt; sie haben nur eine halbmondförmige Malha, deren Hörner nach oben spitz zulaufen. Die Ohren durchbohren sie nicht unten, sondern oben, in der ersten Furche, und tragen darin Rohrpflöckchen. Im wilden Zustande sind sie anbekleidet, nur die Männer tragen ein Suspensorium von Baumwolle, oder die Taconha-oba (vergl. $S. 1047.); die Weiber sah ich selbst in der Mission ganz nackt, und es kostet Mühe, dass sie für die Kirche eine Schürze anziehen. Dagegen sind diese Indianer nebst den Mauhes die grössten Künstler in F ederarbei- ten. Ihre Scepter, Hüte, Mützen, ellenlange Guirlanden und Quasten, die sie bei den Tänzen wie eine Mantille über die Schultern ‚ und Schürzen von Straussen - und andern Federn, die sie um die Lenden tragen, wetteifern mit den zierlichsten Arbeiten dieser Art in den Nonnen- klöstern von Portugal, Bahia und Madeira, Das ethnegraphische Kabinet zu München besitzt eine grosse Menge dieser Gegenstände , welche wir hier einhandeln konnten. Die Federn wer- den von den Mundrucüs mit grosser Sorgfalt sortirt, zusammengebunden oder mit Wachs an- einander geklebt, und viele Papageien und Hoccos werden besonders desshalb tebend gehalten. Man versicherte mich auch hier, dass sie die Gewohnheit hätten, den Papageien die Federn auszurupfen, und die wunden Stellen so lange mit Froschblut zu betupfen, bis die nachgewach- senen Federn die Farben wechselten ‚„ namentlich von Grün in Gelb. * 1315 will sich der Mundrue& durch diese Verunstaltung ein kriegerisches und furchtbares Ansehen geben, denn mehr als den meisten Stämmen ist ihm Krieg ein angenehmes Handwerk; Alles scheint ursprünglich dar- auf berechnet, sich im Kriege geltend zu machen. Auch die Umge- bungen der Hütten konnten als kriegerisch gelten: auf Pfählen waren einige mumisirte Schädel erschlagener Feinde, und um die landeinwärts liegenden Hütten eine Menge Skelete von Onzen, Coati, Schweinen u. s. f. aufgestellt. Die Mundrucus sind gegenwärtig die Spartaner unter den wilden Indianern des nördlichen Brasiliens, wie die Guaycurüus unter denen des südlichen, und sie erhalten sich eifersüchtig die Hegemonie unter ihren Verbündeten, deren mächtigste die Mauhes sind. Sie woh- nen in grosser Anzahl — ich hörte die Stärke des Stammes zu acht- zehn, ja sogar zu vierzigtausend Röpfen angeben — am Rio T: apajöz , östlich und westlich von ihm, zum Theil auf Fluren, und verfolgen mehrere Stämme, wie die Jumas, Parentintins und Araras: (diese wohnen an den Quellen der Rios Mauhes, Canomä und gegen den Ma- deira hin) mit solch unerbittlicher Wuth, dass die ersten beiden, schwä- cheren Stämme in kurzer Zeit gänzlich durch sie aufgerieben seyn wer- den. Bei ihren Angriffen vertheilen sich die Mundrucüs in weite Linien, warten die Pfeile der Feinde ab, welche von den daneben stehenden Weibern im Fluge mit grosser Geschicklichkeit abgefangen werden sollen, oder suchen ihnen durch flüchtige Sprünge auszuweichen, und schiessen erst dann die eigenen, von den Weibern dargereichten, Pfeile mit grösster Eile ab, wenn der in dichten Haufen kämpfende Feind nicht mehr viele Waffen übrig hat. Sie machen ihre Angriffe lediglich bei Tage, und werden desshalb von den, ebenfalls kriegerischen, Ara- ras bei Nacht überfallen. In ihren ständigen Wohnsitzen sind sie da- gegen durch einen vollkommen militärischen Gebrauch geschützt. Alle waffenfähigen Männer schlafen nämlich während des Krieges in einem grossen gemeinschaftlichen Rancho, entfernt von den Weibern, und werden durch Patrouillen bewacht, die mit dem 7ure, einer schnarren- den Rohrtrompete, Signale geben. Durch diess Instrument ertheilt auch der Anführer während der Schlacht seine Befehle, indem er es seinen 1314 Adjutanten blasen lässt. Im Sieg schont der Mundrucü keines männli- chen Feindes *). Sobald er diesen durch ‚Pfeil oder Wurfspiess, die niemals vergiftet sind, zu Boden gestreckt sieht, ergreift er ihn bei den Haaren, und schneidet ihm mit einem kurzen Messer aus Rohr Halsmuskeln und Wirbelknorpel mit solcher Geschicklichkeit durch, dass der Kopf in einem Nu vom Rumpfe getrennt wird. Nach Cazar hat diese barbarische Sitte den Mundrucüs von Seiten der übrigen Stämme den Namen Pai-quice, d. i. Kopfabschneider, erworben. Der so er- rungene Kopf wird nun Gegenstand der grössten Sorgfalt des Siegers. Sobald dieser sich mit seinen Kameraden vereinigt hat, werden viele Feuer angezündet, und der von Gehirn, den Muskeln, Augen und der Zunge gereinigte Schädel wird auf Pflöcken gedörrt; täglich wiederholt mit Wasser abgewaschen, mit Urucuöl getränkt und in die Sonne ge- stellt; wird er ganz hart, worauf man ihn mit künstlichem Gehirn von gefärbter Baumwolle, mit Augen von Harz und Zähnen versieht, und mit einer Haube von Federn ausschmückt. So ausgestattet wird das scheussliche Monument unausgesetzt Begleiter des Siegers, der es auf Jagd und Krieg an einem Stricke mit sich trägt, und, wenn erin dem gemeinschaftlichen Rancho schläft, bei Tag in der Sonne oder im Rau- che, bei Nacht, wie eine Wache, neben seiner Hangmatte aufstellt. **) Wir erhielten hier einige solcher Schädel, dergleichen auch S. D. der Prinz von WıEp nach einem dem Hrn. Brumensach gehörigen Exem- plare abgebildet hat. ($. T. ı7. F. 5. von dessen Atlas.) Man sagt, dass die WMundrucüs, um ihre grosse Muskelstärke zu erhalten, den Genuss der abgekochten Brühe von Mandiocca, welchen wir bei allen übrigen Indianern gefunden haben, vermieden. Eben so haben sie den Gebrauch *) Es befand sich in Canoma ein Indianer vom Stamme der draras, der als Kind gefangen worden war und seine Sprache bereits verlernt hatte. Es kostete Mühe ihn zu skizziren, da er fürchtete ‚seinen Herrn zu beleidigen, indem er das Abzeichen seines Stammes, ein mit Federflaum geziertes Rohrstück, in den Nasenknorpel stecke; doch hatte er jenes sorgfältig auf- bewahrt, 8 das Porträt des „‚Arara‘ im Atlas.) 5 a; gräuliche Sitte findet sich auch bei den Xeberos, die die Köpfe der erschlagenen Carios mit sich nehmen, : South. Hist, Bras. L $. 162. = - 1315 des Parica, der bei ihren Nachbarn, den Muras und Mauhes gilt, nicht, wohl aber kommen sie mit den letzteren in der seltsamen Sitte überein, ihre Mädchen, wenn sie eben Jungfrauen werden, einem an- haltenden Fasten und dem Rauche im Giebel der Hütte auszusetzen. Vieles, was ich hier während eines fünftägigen Aufenthaltes beobachtete, oder durch den wohlunterrichteten Pfarrer erfuhr, hat in mir die Ver- muthung erregt, dass die /Mundrucus zu dem grossen Stamme der Tu- pis gehören; um aber die Erzählung nich zu lange zu unterbrechen, verweise ich noch Einiges über diese Verhältnisse in die Anmerkung (2.). Die Formation in der Umgegend von Canoma unterscheidet sich nicht von der, welche wir längs des Amazonas und Solimoes gesehen hatten. Ein. weisser, feinkörniger, oft sehr harter und krystallinischer Sandstein, dem von Cupati ähnlich, bildet die Unterlage für jenen so ' weit verbreiteten braunen Sandeisenstein, der, mit gröberem oder fei- nerem Gefüge wechselnd, häufig braunen Jaspis eingeknetet. enthält. Man spricht hier viel von dem Goldreichthume des Landes, der den Jesuiten durch die Indianer bekannt geworden sey, und namentlich nennt man die Quellen des Canoma und der nächsten Nebenflüsse des Madeira goldhaltüig, eine Angabe, der die Analogie keineswegs wider- spricht. Gegenwärtig aber dürfte der wahre Reichthum dieser Land- schaft lediglich in der Fruchtbarkeit und dem Ueberflusse edler Ge- wächse, namentlich des Nelkenzimmtbaumes und der Salsaparilha, zu suchen seyn. Beide sind häufig in den Niederungen zwischen dem Ca- noma und dem Madeira, in einer Waäldung, die an Dichtheit, Mannich- faliigkeit der Gewächse, und an Häufigkeit der Palmen ganz der Wal- dung, vom Amazonas ähnlich, jedoch niedriger ist. Die Ufer des see- artig ausgebreiteten Canoma sind mit reinlichem weissen Sande bedeckt, und ihre zahlreichen Gebüsche von Myrten, Gojaven und Icaco gewäh- ren den freundlichsten Anblick. Erst in der Nacht des 24. Merz kam mein Gefährte auf dem gros- sen Fahrzeuge in Canoma an. Er hatte fortwährend mit der Strömung zu kämpfen gehabt, und befand sich in einem so beunruhigenden Ge- 1310 sundheitszustande, dass wir beschlossen, die Reise stromabwärts mög- lichst zu beschleunigen. Wir verliessen daher Canoma früh Morgens, und ich reiste abermals in einer Montaria nach der Mission der Mau- hes voraus, die ich am Abend erreichte. Die Reise gewährte, obgleich ohne Abwechselung zwischen den dichtbewaldeten Ufern fortgesetzt, einen seltenen Genuss durch den Anblick des heiteren, ja glücklichen Zustandes, worin sich die zerstreuten indianischen Niederlassungen am Irari« und besonders die Marche dos Mauhes befinden. Der Stifter und früherhin Director dieser zahlreichen Aldea, Cap. Joz£ Roprısurz Pre£ro, ein unternehmender, jovialer Pauliste hat durch Standhaftigkeit und Zuverlässigkeit im Benehmen den Indianern Sicherheit, Ruhe und Vertraulichkeit eingeflösst, so dass wir im erfreulichsten Beispiele er- kennen mochten, was die Befolgung eines zweckmässigen Systems über die Indianer vermöge. Wo immer wir an den einzelnen Hütten vor- beischifften, kamen die Bewohner zutraulich und vergnügt herab, und boten uns Mehl, ‚Guaranä, Salsa, Cacao, Nelkenzimmt, Wachs und Palmschnüre zum Kauf an. Hier war also der Weg zu einem oflenen Verkehre glücklich gebahnt. Der muntere Pauliste, in dessen Fazenda ich ein Frühstück aus Guaranä, Wein und gebratenen Würsten von Lamantinfleisch einnehmen musste, hatte sich die Tupisprache mit Fer- tigkeit zu eigen gemacht, und schien auch dadurch den Indianern zu imponiren, deren Naturpoösien er mit seltsamen Modulationen absang.”) Ä Fe: * . . . . . i *) Einige dieser Verse, mit denen auf $. 1085. zu vergleichen, mögen noch hier stehen: Nitio za potar cunhang * Jch mag nicht Weib Setuma sacai wad; Mit gar zu schlanken Beinen; Curumü ce mama-mamane - Sonst würde ich umwickelt Boia sacai majau£. Wie von einer dünnen Schlange. Nitio za potar cunhang Ich mag nicht Weib Sakiva-aru wad; Mit gar zu langem Haar; _ Curumü ce monto-montogue Sonst möchte es mich schneiden = ca -tyva majaue. Wie ein Gehäg von Geisselgras. Besonders merkwürdig erscheint in diesem rohen poetischen Stammeln die Wiederholung des Endwortes in der dritten Zeile, welches den Hauptwitz vorträgt. 1517 In der Mission der Mauhes selbst (von den Indianern Uasituba genannt) ward ich von dem Missionär mit offenen Armen empfangen. Fr. Joz& ALvEZ Das Cua6as war seit vierzig Jahren in verschiedenen Missionen beschäftigt gewesen; schon deckte der Schnee des Alters sein Haupt, aber das Herz schlug noch heiss bei dem Gedanken, das Heil unter den Heiden auszubreiten. Alles, was der Greis that, verlieh seiner Ge- genwart Würde und Vertrauen. Die Nähe eines jeden Menschen, der sich von einer höheren Idee ergriffen bekennt, wirkt erhebend; ich schämte mich fast der düstern Farbe, welche die eigenen Erfahrungen meiner Ansicht. von dem Wesen der Indianer verliehen "hatten. Die Ordensmänner in Missionen geniessen vor den WVeltpriestern mancher- ei Vortheile. Das Kloster versieht sie mit Geld, mancherlei Bequem- lichkeiten und mit Lectüre. Ich war nicht wenig erstaunt, in der Palmhütte des Padre Lissaboner Zeitungen zu finden; aber ein schmerz- liches Gefühl traf mich, als ich darin den Tod des ehemaligen Präsi- denten unserer Akademie der Wissenschaften, des ehrwürdigen FrıiEp, Heınr. Jacosı, gemeldet fand. In der Povoacao dos Mauhes wohnen Mundrucus und Mauhes (Maues) untereinander. Diese beiden Stämme, vielleicht von gleichem Ursprunge, sind sich ehemals feindlich gewesen, nun aber bereits seit längerer Zeit befreundet. Leider traf ich ‚gegenwärtig nur wenige, Mauhes im Orte; die Uebrigen hatten vor Kurzem erst einige grosse Expeditionen zum Einsammeln von Salsa auf dem Rio Mauhe unter- nommen, von‘wo aus sie noch nicht zurückgekehrt waren; und Missionär wünschte, dass ich die benachbarten Mallocas nicht besuchen möchte, um nicht beunruhigende Gerüchte zu verbreiten, welche durch den, in der letzten Zeit ausgeübten, Frohnzwang Wahrscheinlichkeit erhalten könnten. Ich besah die zahlreichen Hütten, in welchen viele -Weiber und Mädchen mit Mehlbereitung und Baumwollespinnen be- schäftigt waren. Alles trug hier den Stempel behaglicher Ordnung und _Wohlhabenheit. Die Indianerinnen waren alle bekleidet; den Malereien, _ welche sie an sich und den Kindern nicht gespart hatten, sah der III. Theil. 167 1318 Missionär gerne nach. Zwei alte Mauhes fanden wir gerade in einer Ecke beschäftigt, sich durch das Einblasen des Paricapulvers in die Nase zu beglücken. Sie nehmen dazu viel weniger, aber ein viel fei- neres Pulver, als die Muras, und tragen grosse Sorgfalt, dieses in einer geschmackvoll geschnitzten Reibschaale aus Rothholz fein zu pülvern (Fig. 6ı. der „ind. Geräthsch.‘‘), und auf einer Platte von Holz oder Porcellan wiederholt zu trocknen, ehe sie es, entweder aus zwei langen Röhrenknochen, gleich denen der Tecunas, oder aus einem zusammen- gerollten Bananenblatte einblasen. Die Mauhes, welche ich zu Gesicht bekam, waren sehr starke, wohlgebildete Indianer, von ziemlich dunkler Färbung, und ohne Verunstaltungen. *) (Vergl. im Atlas „Mauhe“.) Ihre Gemüthsart soll minder aufrichtig und edel, als die der Mundrucüs seyn. Diejenigen, welche entfernt von den Missionen wohnen, sind zwar nicht feindlich gegen die Weissen (Ouereruas) gesinnt, kommen aber doch voll Misstrauen, oft mit gespanntem Bogen, an die Canoas derselben, um zu handeln. Man hat bei ihnen manche sehr seltsame Gebräuche beobachtet. Davon, dass sie die angehenden Jungfrauen einem langen Fasten unterwerfen, indem sie ihre Hangmatten am Gie- bel der Hütte aufhängen, habe ich bereits gesprochen. Fr. Joz#£ hatte vergeblich gegen diese Grausamkeit geeifert, welche die Mädchen oft dem Tode nahe bringt. Es scheint, als wäre ihnen Entziehung von Nahrung bei mancherlei Lebensereignissen zur andern Natur geworden. Sobald sich eine Schwangerschaft erklärt, setzen sich beide. Eheleute » *) Manche Mauhes sollen zwar in der durchbohrten Unterlippe ein Rohrstück tragen; doch ist diess kein Nationalabzeichen bei ihnen. Dieser Stamm ist in viele Horden getheilt, die dieselbe Sprache sprechen, und ihre Kriege gemeinschaftlich führen. Man nannte mir die Horden derTatis, Tasiuas, Jurupari -pereiras, Mucuims , Xubards, Uü -tapuüjas d.i. filhos da terra, die Einheimischen, Guaribas, Inambiüs, Jauaretes, Saucanes, Pir a-pereiras, a ug : ‚Die Guaribas und Pira-pereiras sollen sich durch Bärte auszeichnen, und die Caribunas, wel- 3 che am Madeira wohnen, sollen Monorchi seyn. (Wird vielleicht bei ihnen die Semicastration ausgeübt, welche, wie das Ablösen von Finger- und Zehengliedern, unter andern bei den Hot- tentotten -Horden Geissiquas und Coraquas üblich war? Le Varır. prem. Voy. 2. $. 81.) bee schätzt die Zahl des ganzen Stammes, der, gen liegen weit zerstreut zwischen dem: Tapajöz und dem Madeira. II nicht wie die Mundrucäs in grossen Ranchos, som dern familienweise abgesondert, in runden Hütten, wohnt, auf ı6000 Köpfe. Die Niederlassun- 1319 in ein strenges- Fasten. Sie nähren sich dann nur von Ameisen, Pilzen und Guarand. Die erstern werden entweder gedörrt oder frisch ge- nossen, indem der Mauhe einen Stab in einen Ameisenhaufen steckt, und die daran aufwärts fliehenden Thierchen unmittelbar in den Mund streicht. Während der Schwangerschaft pflegen auch Viele sich mit einem Tucanschnabel oder mit dem Zahn eines Nagethiers einen be- trächtlichen Blutverlust an Armen und Beinen zu veranlassen, und die so gemachte Wunde durch Einstreichen vom Russe der verbrannten Geni- -papofrucht zu schwärzen. Stirbt der Häuptling oder ein anderes Glied der Familie, so verhängen sie ebenfalls ein monatliches Fasten über sich; sie geniessen dann nur Guaranä, Wasser und Ameisen. Der Leichnam wird mit ausgestreckten Extremitäten an Latten gebunden, und durch ringsum angebrachte Feuer binnen den ersten vierzehn Ta- gen der Fasten so ausgedörrt, dass er einer Mumie gleicht. Darauf tzt man ihn mit eingebogenen Schenkeln in eine runde Grube, und erhält ihn in dieser Richtung durch Stein und Holz aufrecht, ohne ihn mit Erde zu bedecken. Nach Verlauf der Fasten wird die Mumie wieder herausgenommen, aufgestellt, und die ganze Horde tanzt unter grässlichem Heulen und Weinen einen vollen Tag um ihn herum. Den Substanzverlust durch das Weinen suchen sie dadurch zu vermindern, dass sie das Thränenwasser aus der Nase v wieder in den Mund aufn und verschlucken. Am Abend begraben sie, ‚ganz ‚erschöpft von diesem Excesse, den Leichnam in der beschriebenen Stellung, und die | N. Nacht wird unter Tanzen and ken von Cajiri hingebracht, re das, wie Le- the’s Wasser, auf einm: I alle Erinnerung an den Todten hinwegnimmt, Als- einst ein Häuptling, ‚aus der untern Provinz nach seiner Malloca . zurückkehrend, unter ‚Wegs starb , theilten seine Begleiter den Leich- nam unterhalb der Rippen in zwei Hälften, und brachten den Rumpf _gedörrt mıt in die Heimath zurück. Diese Gebräuche‘ erinnern an Aehn- li ‚hes, was von den alten Tupis berichtet worden. Seltsam ist auch die Sitte, keine grossen Flussfische , ‚sondern nur die kleinen Fische der Bäche und Teiche in den Wäldern zu essen, und sich allen Wild- preis zu emaslen: das mit Hunden gehetzt, oder. mit Flinten erlegt 167 * 2 1320 worden. ”*) Bei diesem Mangel an animalischer Kost wird ihre Körper- stärke nur dadurch erklärt, dass sie sehr viele ölige Früchte, wie z.B, der Palmen, des Castanheiro, der Piquia u. s. w. essen, um die sie, je nach dem Eintritt der Fruchtreife, in den Wäldern umherziehen. Sie sind auf diesen Streifzügen mit dem Blasrohre und vergifteten Pfeilchen versehen, die sie von den westlichen Nachbarn. eingehandelt haben, und ‚blos zur Jagd gebrauchen, ausserdem mit Bogen und Pfeil. "Ihre Bö- gen, von rothem Holze, sind sehr gross, elastisch und gehen von ih- nen als Handelsartikel zu vielen andern Stämmen über. Um ihre Kna-' ben zur Männlichkeit zu erziehen, und zur Heurath vorzubereiten, ha- ben sie eine äusserst sonderbare Gewohnheit. Die Nachbarn vereinigen sich bei reichlichen Töpfen voll Cajiri, ziehen den Finaben von acht bis neun Jahren baumwollene Aermel an, welche oben und unten verbun- den werden können, und sperren darin einige der grossen, hefüg beis- senden Ameisen (Tocanteira, vielleicht -richtiger Tucanguibura, Tucan- Ameise, wegen der Achnlichkeit, Cryptocerus atratus, F.) ein. So- bald der Knabe, von. ‚heftigem Schmerz gepeinigt, zu schreien und zu jammern anfängt, s« und tanzt so ange ja uchz« end end aufmunternd um ihn her, bis er er- schöpft zu Boden sinkt. "Er wird nun, da die Extremitäten furcht- bar aufgeschwollen sind, den alten Weibern zur Behandlung mit dem frischen Safte des Menäioccala sie: übergeben. Hat. der Zögling. seine Kräfte wieder erlangt, so wird der Versugliögemacht, wie er den Bo- gen spannen kann. Diese gräuliche Ceremonie wird gewöhnlich bis ns das vierzehnte Jahr. fortgesetzt, wo der J in; ling. den Schmerz ohne ein ‚ Zeichen des we! zu een pflegt, x a er Be Fe "Jübir jepe, — - Jübir mocoim, jübiruana, er ist einmal, zweimal, gänz- nr erhöht en % Es ist bemerkenswerth, dass auf gleichg Art 7 5 3 ae NE Site „eind religiöse Ansicht ; zu Grunde liegen ? Die ne verehrten die Fische im Flasse Chalos, und. Be nicht , ig; zu. essen, Rengph. Ana 1:45 chliesst ihn die tobende Rotte in einen Kreis ein, _ Fe Sr, aus. "Man drückte Sich. mir darüber in Br Bupiebrächers so aus: m, Pr 1521 die Tamanacos am Orenoco die Standhaftigkeit der Jünglinge. versuchen. (Gili II. p. 347.) Im Zustande der. Freiheit leben sie, gleich den übri- e gen Wilden, nach Gefallen in Mono- oder Polygamie; aber ein Grund- gesetz des Stammes verbietet den Weibern Umgang mit allen, die nicht desselben Stammes sind. Ihre Sprache ist sehr volltönig und schwer zu verstehen. Es war mir unmöglich, Einen zu gewinnen, der die j abgefragten Worte angesagt hätte. Der Missionär bemerkte, dass sie | sich dessen aus Furcht vor irgend einer Verhexung weigerten, denn | sie seyen, obgleich nicht. ohne Spuren von einem Glauben an Gott, doch’ dem Wahne von der Macht böser Dämone sehr ergeben, denen "u ie. E3 | er ® F © davon, Andiräs , ist gefährlich; wir verfolgten daher den /raria noch zwei | ‘= Tagereisen weit abwärts, und kamen endlich durch den Furo de Limäo, \ : eine "halbe Legoa oberhalb der Yilla Nova da Rainha, wieder in den F ze © Amazonas zurück. Wir fanden in Villa Nova mehrere Naturalien, B .. „welehe Snr. Seıxas für uns ‘hatte sammeln lassen, darunter die grossen Ä Flussmuscheln (tupi: Za-Fryry), welche auf den Sandbänken des | Stromes und der Seen vorkommen. Die Indianer essen sie besonders ‚als Fastenspeise; aber bisweilen, wahrscheinlich wenn Giftpflanzen am R. -. * Ufer stehen, bringt ihr Genuss Leibschmerzen und andere Krankheits- | . zufälle hervor. „An den Bäumen der Uferwaldung erschienen jetzt auch 10.0 02 seltsame Bildungen von Süsswasserpolypen. Die, Villa war gerade jetzt 05 voll von Indianern, welche Mehl - und Guaranäpasten zum Kaufe ge- Su bracht hatten. Ihre Fahrzeuge waren klein, jedes nur mit vier Pude- rern versehen, und bis zur Gefahr übervoll gepackt. Wir kauften 1522 mehrere Pfunde Guarana zu dem Handelspreise von tausend Reis. Der Amazonas befand sich gegenwärlig noch in beträchtlicher Anschwellung,, und die Fahrt stromabwärts erheischte grosse Vorsicht. Wir liessen rings um den Schiffbord in einer Breite von zwei Schuhen grosse Bü- schel von Palmblättern befestigen, um das Schwanken zu verringern , und dem Steuerruder einen halben Fuss in der Breite zusetzen. Nach diesen Vorbereitungen übergaben wir uns mit frohem Muthe dem ge- waltigen Strome, der uns so schnell abwärts führte, dass wir nach einer Stunde (den Hügel von Parentin hinter uns hatten, der die Grenze zwischen der Provinz Rio Negro und Parä bildet, und an Morgen des zweiten Tages uns am nördlichen Ufer im Hafen von Oby.dos befanden. Diese Villa, an einem bedeutend hohen Ufer gelegen, geniesst einer herrlichen Aussicht auf den Strom, dessen ganze Wasserfülle hier in Einen Rörper vereinigt, mit erhöhter Geschwindigkeit vorübergeführt wird. Die Breite dieser Stelle, des einzigen Engpasses im Verlaufe des Stromes von der westlichen Grenze Brasiliens bis an den Ocean, und der westlichste Punct, an welchem Ebbe und Fluth noch verspürt werden , wird von den Portugiesen nach einer, durch die Grenzcommission an- gestellten, trigonometrischen Messung auf 869 Klafter angegeben. Die Strömung erlaubt keine Sondirung in der Mitte des Stromes; aber un- mittelbar am Ufer bemerkte ich eine Tiefe von zwanzig Rlaftern; und ... man pflegt desshalb nicht gerade an der Villa, wo das Ufer auf hun- dert Fuss steil und ohne Vegetation ansteigt, sondern etwas unterhalb derselben anzulegen, wo die Fahrzeuge an Bäumen befestigt werden können. Obydos (bei den Indianern Pauxis) ist in Bauart, Betriebsam- keit und Handel dem benachbarten Santarem vergleichbar, doch etwas weniger bevölkert. Der wiehtigste Handel ist der mit Cacao, der, grösstentheils auf den benachbarten Inseln angebaut wird. Taback, Salsa, Nelkenzimmt, Reis, Baumwolle, Indigo, Farinha und Pirarucu bilden. ‚ie übrigen Ausfuhrartikel. Man hat von hier aus schon öfter En = in das nördliche Continent versucht, wohl auch um jenen lügen Parima-See zu finden, von chen eine Sage in dem Mund® aller Leichtgläubigen ist. a Tagereisen nördlich vom Strome = Er 2 2 A Rn a « 1523 hört der Wald auf, und die Reisenden fanden steinige Fluren, Spuren von weidendem Rindvieh und von herumziehenden Indianerbanden, wagten aber nicht, die beschwerlichen Märsche weiter auszudehnen. Die Indianer, welche sich in diesem Gebiete furchtbar machen, sollen Aroaquis seyn. Eine Tagefahrt brachte uns von Obydos nach Santarem; eine kurze Reise, die aber von vielen Schrecken und Noth begleitet war, indem der unkundige Pilot uns in der Stromenge einem Sturme aus- setzte. Bei der Höhe des Wellendrangs und den dichten Nebeln, wor- ein der seit mehreren Tagen anhaltende Regen die Ufer gehüllt hatte, war es mühsam und gefährlich eine, von Untiefen umgebene Insel, am Südgestade zu erreichen. - Von hier aus aber gelangten wir durch den Canal /garape-agui, der vom Amazonas in den 7: apajöz abgeht, glück- lich nach jener Villa. Hier trafen wir Alles in unruhiger Bewegung. Oberstlieutenant Fr. J. Roprıcuez Barara war eben beschäftigt, die im obern Theile der Provinz ausgehobenen Recruten zusammen, und nach Parä zu bringen; und die Verminderung der arbeitenden Hände regte den betriebsamen Theil der Bevölkerung ungünstig auf. Die meisten der zum Kriegsdienst bestimmten Jünglinge waren Indianer, und ihr Abscheu dagegen war so gross, dass die Hälfte deserlirt waren, ehe die Expedition Para erreichte. „ BarATA hatte als Sergeant i. J. 1794 eine Reise von Rio Negro durch den Rie Branco nach der Colonie Essequebo gemacht, um einige Flüchtlinge einzuholen. Seine mündli- chen Berichte gaben uns leider keine sichere Ausbeute für die Geogra- phie jener so wenig bekannten Gegenden. Auf der Reise von Santarem stromabwärts erschienen uns zuerst die Hügel, in welche sich das Land östlich vom 7apajöz erhebt, und weiter abwärts die Berge der Serra de Parü. Wir konnten jetzt die Umrisse der einzelnen Berge unterscheiden, welche sich, von O. her gesehen, als eine ununterbro- chene Kette bildend dargestellt hatten. Der unausgesetzte Regen drohte einen verderblichen Einfluss auf die Sammlungen zu äussern, und wir wurden dadurch bestimmt, die projectirte Reise nach Macapa und in 1324 die nördlich davon sich ausbreitenden Fluren zu unterlassen; überdiess begünstigte 'ein starker Westwind unsere Reise stromabwärts. Eine Tagreise unterhalb Santarem landeten wir am südlichen Ufer bei eini- gen Hütten, As Barreiras genannt. Das Gestade war höher als ge- wöhnlich, und bestand, wie bisher, aus braunem, eisenschüssigem Sandsteine. Gegenüber sahen wir nun wieder, mit nicht geringer Befriedigung, die Villa von Almeirim, am Fusse eines jener Tafelberge herschimmern. Um doch wenigstens noch an einer Stelle das Gebiet am nördlichen Ufer des Amazonas zu besehen, ward ein Besuch in dieser Villa beschlossen, und unter Begünstigung des Westwindes er- reichten wir sie, nach einer Ueberfahrt von zwei vollen Stunden. Der Amazonas führt hier sein gelbliches Gewässer um so reissender, je näher man dem’ nördlichen Ufer kommt. Die Wellen ın dem stärksten Rinnsale des Stromes sind wohl anderthalb bis zwei Fuss hoch, und das Fahrzeug muss sorgfältig gepackt und starkgebaut seyn, um dem Wogendrange zu widerstehen. Die Yilla de Almeirim (tupi Paru) ist eine der ältesten Ortschaften am Amazonas. Sie ward mit den Resten einer aus europäischen Ver- wiesenen gebildeten Povoagäo, dem Forte do Desterro, gebildet, das weiter westlich lag, und ursprünglich von den Holländern war errichtet worden. Ihre gegenwärtigen Bewohner sind vorzugsweise Abkömmlinge der Apamas und Aracajus., Ausser der ärmlich eingerichteten und unreinlich gehaltenen Kirche fanden wir kein steinernes Gebäude hier, und eben so wenig eine Spur von der ehemaligen Fortaleza de Parü, die nichts weiter als ein Blockhaus zur Deckung des Sclavenhandels gewesen war. Die Lehmhütten, mit Palmblättern gedeckt, liegen nahe und etwa zwanzig Fuss oberhalb des Stromes. Die Indianer waren alle gerade abwesend, um in den Wäldern an den Rios Paruü und Jary Nelkenzimmt, Salsa und Copaivabalsam zu sammeln. Was von den Apamas und Aracajis noch im Zustande der Freiheit übrig ist; lebt an jenen Flüssen .in vereinzelten kleinen Mallocas. Obgleich in Friede mit den Brasilianern ;‚ werden sie nur selten bewogen ,‚ ihre x . 1325 ihre Wohnungen unter diese zu verlegen. Sie sind sehr dunkelgefärbte Indianer, ohne nationale Abzeichen. Ihre Waffen sind nicht vergiftet, Sie leben beständig in Streit mit den Oaiapis, welche am obern Rio Jary und am Goarataburu, und mit den Cossaris, welche am Ara- guary wohnen. Fr. Isınoro JozE, ein Carmelitaner von Para, Pfarrer von Alemquer und Almeirim, berichtete uns, in dem breccienartigen Sand- eisenstein, der die hiesige Formation bildet, ganz nahe an der Sacristei der Kirche, eine beträchtliche Menge Quecksilbers gefunden zu haben. Schon AcunsA spricht von dem mineralischen Reichthume nördlich von den Flüssen Curupatuba *) und Genipapo, und die Art der hiesigen Gebirgsbildung macht allerdings die Gegenwart von Gold nicht unwahr- scheinlich; doch sollen die, im Jahre 1ı76ı durch den Generalgouverneur ArııpE Teıve zur Entdeckung dieser Schätze abgeordneten Expeditionen fruchtlos abgelaufen seyn. Uns musste vorzüglich wichtig seyn, das benachbarte Gebirge kennen zu lernen, das, gemäss der gle ch Richtung und Form, einen allgemeinen Schluss über die gesamm mation der ge zu gestatten scheint, die sich von Monte Alegre bis hierher erstrecken. Der Berg von Almeirim liegt etwa eine Stunde nördlich vom Ufer des Stroms entfernt, und sein Gipfel mag kaum achthundert Fuss über diesen erhöht seyn. Wir hatten bald einen dichten, aber nicht hohen Wald durchschnitten, und traten nun in eine lichte. Grasflur heraus, welche in ihrer Physiognomie die grösste Aehn- lichkeit mit den Campos agrestes von Piauhy darstellte. Grosse, grau- grüne, haarige Grasbüschel, mit mancherlei blüthenreichen Kräutern wechselnd, stehen ziemlich weit aus einander auf dem ungleichen Boden In den Niederungen der Flur - aus aufgelöstem braunen Sandeisenstein. sind hier Brüche von ‚geringer Ausdehnung, ebenfalls mit Gras bedeckt, dort inselartige Gruppen von Gebüsche und eine eigenthümliche Palme (Syagrus cocoides , Mar: Palm, t. 89. 90.). za Augen gingen mit *) Der Name Coupe ef übrigens nicht als Andeutung von der Gegenwart edler Metalle betrachtet werden (Humb. Reise 5. $. 494.), da er nicht mit dem peruvianischen Cors (Curi), Gold, sondern au& curupa, Inga, Mimosenbaum, und tüva oder fuba, Ort, zusammen- gesetzt ist, wie curulüva, goajaratüva, aualilüva, Ort der (brasil.) Tanne, des Icaco, des Reis, II. Theil, 168 1326 Wohlbehagen von einer Erhöhung, von einem Gebüsche zum andern, Der Berg selbst, welcher diese anmuthige Landschaft schliesst, indem er parallel mit dem Strome von O. nach W. läuft, ist an seinem un- tern Abhange mit gleicher WViesenvegetation, oben aber mit einem lichten Walde grosser Bäume, besonders vieler Castanheiros, bewachsen. Auf dem steilen Wege findet man nirgends ein anderes als das ange- gebene Sandeisensteingebilde. Kleine Quellen kommen aus den Flanken des Berges auf die Wiesen herab, und die Waldung der Höhe hegt behagliche Kühle. Nördlich ven dem Berge von Almeirim läuft eine ähnliche Erhöhung des Terrains in n.-n.- westlicher Richtung mehrere Stunden weit fort. Sie ist ebenfalls mit Waldung bedeckt, in welcher die Castanheiros vorherrschen. In den Monaten Mai bis Juli reifen die grossen Früchte ihre Nüsse, die dann von den Einwohnern eingesam- melt, und zu 640 Räöis für den Alqueire verkauft werden. Die Figur dieses Berges hatte die grösste Aehnlichkeit mit den Tafelbergen von Piauhy, und es ward mir deutlich, wie zwischen den einzelnen isolirten, einander ähnlichen Bergen, die von hier aus bis Monte Alegre dem Strome parallel laufen, die Flüsse der Gujana mit langsamem Laufe und ungehindert dem Hauptbecken zuströmen können. Diese Reihe bildet nur die Vorberge der Grenzcordillere, zwischen Brasilien und Cayenne, welche von den aufwärts fahrenden Böten erst nach acht T agen erreicht wird, wo sie Fälle in den Flüssen bilde. Es war dieser /Morro do Aimeirim der letzte Berg, den ich in America besteigen sollte. Mit einem wehmüthigen Gefühle überschaute ich von ihm aus nochmals die grosse Landschaft des Amazonas. Vor mir in Süden die üppige, glän- zend grüne Waldung, deren Saum mit dem duftigen Horizonte zusam- menfloss, näher der Strom, der, einem Meerarme gleich, sein gewal- tiges Gewässer nach Osten in die unübersehbare Wasserebene hinaus führte , über mir, durch schwere Regenwolken hervorblickend, der dunkelblaue Tropenhimmel; und das ganze, grossartige Bild von einer glühenden ‚Sonne beherrscht, die eben nach Westen hinabsank. Ich segneie sten Strom .der Erde von gebildeten , freien und frohen Menschen bewohnt | "am Geiste jene zukünftigen Jahrhunderte, welche den herrlich- 1327 sehen werden, und unter heissem Danke, der waltenden Liebe darge- bracht, welche mich durch so viele Gefahren auf und an ihm schützend geleitet hatte, stieg ich wieder zu seinen gelblichen Fluthen hinab. Der Leser, welcher bis hierher wohlwollend die Wechselfälle der Reise mit mir getragen, mag hier ebenfalls von den grossartigen, gleichsam elementarischen, Anschauungen der südamericanischen -Erde Abschied nehmen, denn wenig nur habe ich von’jetzt bis zur Rückkehr auf den Ocean zu erzählen. Wir fuhren bis Arrayolos (3.) am nördlichen Ufer des Amazonas hin- unter. Hier, wo er seine Fluth mit verdoppelter Macht durch-den nördli- chen Canal de Braganza nach N.-O. gegen das Cabo de Norte hinausführt, durchschnitten wir die Hauptströmung, und setzten nach Gurupa auf das südliche Festland über. So verliessen wir denn den grössten der Ströme (4.), und gelangten in das Gebiet, welches durch regelmässige Ebbe und Fluth die Herrschaft des Oceans anerkennt. Zum zweiten Male vertieften wir uns, mit den Ebben abwärts schiffend, in ‚die laby- rinthischen Canäle zwischen der Insel Marajö; wir irrten noch einmal in den qualmenden Wäldern dieser feuchten Gründe umher; glücklich schifften wir über die stürmische Mündung des Rio Tocantins; wir begrüssten wiederum die Niederlassungen in den düstern Waldungen am /garape-mirim, an den reinlichen Gestaden des schwarzen /Moju, und liessen endlich zum letzten Male in einer trüben Nacht, am 16. April, den wohlgeprüften Anker im Hafen von Para fallen. Anmerkungen, zum sechsten Kapitel. (1.) Rio Madeira, (Rio da Madeira.) Hısrorıscnes, Dieser Strom, von den Anwohnern ge- wöhnlich 4 Madeira, von den Indianern Cayary, d. i. weisser Fluss, genannt, ohne Zweifel der bedeutendste Nebenfluss des Amazonas, ist,‘ ebenso wie sein gesammtes Flussgebiet, in vielen Beziehungen der Gegenstand von Zweifeln und falschen Berichten gewesen; und in der von uus, Dr. Spıx und mir, hekannt gemachten Generalkarte von Südamerica hat Haupt:nann Weıss eine Darstellung von ihm geliefert, welche, obgleich in manchen Puncten mit den von uns während der Reise in Brasilien gesammelten Materialien und namentlich auch mit der 168 * 1528 schätzbaren Corografia brazilica übereinstimmend, dennoch im Allgemeinen ein irriges Bild yon ihm giebt. Ich halte es daher für meine Pflicht, eine, an allen mir bekannt gewordenen That. sachen geprüfte und verbesserte Darstellung desselben beizufügen , welcher eine kurze Geschichte der Reisen auf und der Niederlassungen an ihm als Einleitung dienen mag. Seit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts ward der nördliche Theil des Madeira, namentlich bis zu den Ratarak- ten (in 8°.48' s. B.) von Einwohnern der Provinzen Parä und Rio Negro besucht, welche die schätzbaren Naturerzeugnisse seiner Ufer: Salsaparilha, Cacao, Nelkenzimmt, Schildkröten und Schildkröteneier, einsammelten, Immer betrachtete man jedoch diese Reisen als Wagniss, so- wohl wegen der bösartigen Fieber, als wegen häufiger Angriffe feindlicher Indianerhorden, unter denen die Muras und Torazes die gefürchtetsten waren, Ohne den Reisenden offenen Wider- stand entgegenzusetzen , überfielen sie sie bei Nacht an Stellen, wo heftige Strömung ihre Auf. merksamkeit und die am Ufer beschäftigte Mannschaft theilen musste, und ermordeten kalt- blütig, was in ihre Hände oder in den Bereich ihrer Pfeile kam. Die Expeditionen. auf dem Madeira mussten desshalb stets von Bewaffneten unterstützt seyn, und wenn irgend eine Noth- ‚wendigkeit eintrat, sich an einem Orte längere Zeit aufzuhalten und einen Platz zum Bivouac zu reinigen (fazer Arrayal), so pflegte man diesen mit Pallisaden zu umgeben. Um diese Feinde zu schrecken und zurückzutreiben, ward i. J. 1716 ein Streifzug unter Befehl des Cap. Mör von Parä, Joäo pe BArros Da GuErRA angeordnet, welcher, so wie alle frühere Reisende nur bis zu den Fällen, gemeiniglich eine Reise von fünfund zwanzig Tagen, vordrang. Durch diese und einige fast gleichzeitige Expeditionen erhielt der Generalgouverneur von Parä, Jodo Da Gama Da Mara, die Kunde, dass sich oberhalb der Katarakten Niederlassungen von Euro- päern befänden, und hiedurch veranlasst sendete er den Cap. Franc. pe Meıro Paruera i. ), ° 1725 ab, genauere Nachrichten einzuziehen. Paruera, der als Entdecker dieses Flusses ange- sehen werden muss, besiegte die Katarakten, kam an die Vereinigung des Guapore mit dem Mamore, folgte, von einem dort gefundenen spanischen Indianerboote geleitet, dem letzteren Strome bis zu der spanischen Mission von Exaltacion de la S, Cruz de los Cajubabas und ‚kehrte auf demselben Wege nach Para zurück, ohne dass jedoch die von ihm gemachten geo- graphischen Entdeckungen bekannt gemacht worden wären. Bei Gelegenheit dieser Expedition des Parnera gründeten die portugiesischen Jesuiten eine Aldea solcher Indianer, welche sie zu Niederlassungen am Madeira bewegen konnten, an der Mündung des Gi-Parand oder Rio do Machado. Diese Colonie ward aber durch die feindlichen Indianer gezwungen, weiter strom- abwärts zu ziehen, bis sie endlich i. J. 1756 den Grund zur Yille de Borba (ursprünglich Aldea de Trocano) legte. Eine andere jesuitische Aldea, anfänglich am Furo Topinambarana oder Irariä gegründet, und später an die Einmündung desselben in den Madeira verlegt, Aldea de Abacaxis, ward durch die Wuth mehrerer Blattern - und Maserepidemien zerstört. Während der untere Theil des Madeira die Portugiesen beschäftigte, begannen die spanischen Jesuiten \ ‚mehrere Aldeas am Mamore und Baures, so wie ein Decennium später (1742.) auf der Ostseite Sies, Guapore $. Roza anzulegen, wo sie eine bedeutende Anzahl von Neophyten vereinigten. 1329 Mamore, Madeira und Amazonas nach Parä, wo sie als Landstreicher gefangen genommen und nach Lissabon gesendet wurden. Einer von ihnen, Joagvım Ferreina Cuavss, befreite sich, kamı über Maranhäo, Goyaz und Cujabä nach Mato Grosso zurück, und gab dort die erste Fonde von der Ausführbarkeit einer directen Handelsverbindung zwischen diesem westlichsten Binnenlande Brasiliens und Para. Nach diesen Vorgängen ward auf besonderen Befehl des Königs eine zahlreiche Expedition ausgerüstet, um die ganze Reise von Parä bis Mato Grosso auszuführen, und besonders Aufschlüsse über die Verbindungen zwischen beiden Gegenden zu erlangen, welche die spanischen Missionen nicht berührten. Joz& GonsaLyEs DA Fonseca , einer der Reisenden , ward mit der Führung des Tagebuchs beauftragt. (Vergl. oben $, 971.) Die Expedition verliess Parä am ı4. Juli 1749. und gelangte am ı5. April 1750. nach $. Fr. Xarv. de Mato Grosso. Obgleich ohne viele sichere Resultate für die Geographie, war diese Reise dennoch von grossen Folgen rücksichtlich der Handelsverbindungen zwischen beiden Ländern, welche von nun an während dreissig Jahren immer häufiger wurden. Vielleicht war sie auch die indirecte Ursache, dass die spanischen Jesuiten i. J. 1753 ihre Niederlassungen am Guapore wieder aufgaben, und sich nach Westen in die Provinz Mochos zurückzogen, Während dieser Zeit wurden die feindlichen Indianer am Madeira theils verscheucht, theils zum Frieden be- wogen, so dass die Expeditionen gegenwärtig wenig mehr von ihnen zu fürchten haben. Für die Geographie des Madeira geschah Alles, was bisher bekannt ist, durch die Astronomen Poxtes und Lacerva, ünd den Naturforscher Dr. Auzx Roız Ferreira, welche i. J. 1782 von Parä aus den Madeira hinauf nach Mato Grosso schifften, und mehrere Puncte astronomisch bestimmten, ehe sie sich vier Jahre später nach Cujabä begaben. Einem Mitgliede der Grenz- commission, Rıcarpo Franco oe Aımeiva Serra, der lange Zeit in Mato Grosso blieb, und daselbst interimistisch gouvernirte, verdanken wir zur Zeit die genauesten Nachrichten über den Madeira und die Provinz Mato Grosso überhaupt. (S. Patriota, Jornal do Rio de Janeiro 1814. IU. ı. p. ı4, fl.) Bisher konnte aber weder die Fruchtbarkeit und der natürliche Reichthum - dieses Flussgebietes, noch die Wichtigkeit desselben als Handelsstrasse eine Zunahme von Niederlassungen veranlassen. Die Brasilianer haben neuerlich oberhalb der Katarakten das De- stacamento de $. Jozd do Ribeirdo, an dem Falle dieses Namens angelegt, um die feindlichen Indianer in Furcht zu erhalten, und die Reisenden auf dem Madeira mit Provisionen zu unter- stützen. Dieser Posten ist aber sehr schwach, und ganz von den Zufuhren aus dem Rio Gua- por& abhängig. Unterhalb der Fälle besteht gegenwärtig nur die Yilla de Borba, wegen der Ungesundheit ihrer Lage verrufen, ein Deportationsort, wozu es nebst mehreren Plätzen in Rio Negro und Solimo£s i, J. ı79ı bestimmt worden war, nachdem man, wegen Zunahme der Bevölkernng den östlicheren Theil des Estado do Parä nicht mehr, wie früher, zu gleichem Zweck verwenden konnte. Eine andere am Strome angelegte Colonie, die Villa do Crato, soll neuerlich wieder verlassen worden seyn. Was mir über Es Geographie des Madeirastromes zu sagen übrig. bleibt, mag ebenfalls ‘ hier, zugleich mit den Bestimmungen der portugiesischen Astronomen, Platz finden. 1350 Von der Grenzcommission bestimmte astronomische Puncte am Madeira und in Mato Grosso. südliche Breite, | Westliche Länge von Paris. Mündung des Madeira in den Amazonas (Var. 6° 45‘) a 6109. Degen Villa de Borba 4:83.00 61 52 5 Nordspitze der IIha dos Muras 0: 94. 36 64 415 Cachoeira (Fall) de $. Antonio s- 28. 56 | Grosse Katarakte do Theotonio B.53 5 66 20 30 Cachoeira do Girdo 6. 0..0 da Pederneira a TE Ende des Falls do Ribeiräo I6..30 9 Anfang ,„ a FR Vereinigung des mit dem Madeira der Por- tugiesen (Beni oder Inim) ı6 22 30 Anfang des Falls da. Bananeira ee Ende » 9 ” 8. 789.:.0 Ilha das Capivaras ii _ 14:26 Vereinigung des Guapore mit dem Mamore 11: 54 40 67 31 36 Mündung des Rio dos Cautarios 8.78 38 Destacamento das Pedras (Ende der Vegetation des Amazonas) 12. Bo. 35 65 22 50 Forte do Principe da Beira ee Re 67 2. 50 S. Antonio dos Guarajuz na Serra a 90 5 64 4 30 Porto dos Guarajuz 15 29 40 64 4 390 Mündnng des Rio Paraguau I8 >20. 098 & nm „ERCORTY 19: 38 a), = » » Cochim 18 . 33 58 7 2 Salto da Coroa 20 8° 09 - Quelle des Guapor& auf der Serra dos Pareeis, 6 Legoas westlich vom Jaurü 14 42 0 6 a0 8 Fazenda Camapudo ig 36.12 56 .2ı ı5 Torres 18207 o Mündung des Rio Verde 14 : D Quelle des Rio Verde E35. 5 R en Cubatäo 5° 3:30 : = E: 1 51 o Cidade de Mato Grosso (Villa Bella) > rs 62 ı7 50 re | ı5 : 719.46 . 5 4565 oe Baliza de a | | 15 48 südliche Breite, Me ee westliche Länge von Paris. 1551 Passagem de Paraguauü Engenho des Padre Fernando Vieira Rand der Serra de Aguapehy 4 Legoas südlich von S. Barbara Registo do Jaurü Fazenda d’El Rey Villa Maria Salinas, Tapera do Almeida Päo a pique Ostrand des Mato, Estiva Grenzstein an der Mündung des Jauru (Var. ıı° 44'.) Morro Escalvado’ Nordende der Serra de Insuä Letreiro da Gaiba (Var. 10° 30°.) Pedras de Amolar ( „ ıo 30.) Dorf Albuquerque ( „ ı0 15.) Presidio de Coimbra Vereinigung des Rio Cujabä mit dem Rio de S. Lou- renzo (Var. 10°.) Mündung des Pirahim Cidade de Cujabä (Var. 9° 55"), Villa de S. Pedro d’El Rey S. Anna S. Vicente Chapada de S. Franc. Xav. de Mato Grosso Fazenda Caigara _ Mündung des Capivary in den Guapore S. Cruz de la Sierra (nach den portug. Karten) 2:7 Magdalena am Itonomas (nach dern portug. Karten) _ Arrayal Diamantino (seit ı820. Villa de N. $S. da Conceicäo do Alto Paraguay Diamantino) Pouzo Alegre am Tacoary Cachoeira da Barra (an der Mündung des Cochim in den Tacoary) Mündung des Ribeirdo do Barreiro in den Cochim Rio Pardo in den Rio Grande oder „ ” Parana Forte de Borbon ı5° 45' ı6 0’ 59 65 58 23 1352 Rio Madeira. Geosrarnisches, Der Madeira, dessen südlichste Gewässer, die des Rio Guapaix , Guapehy oder Rio Grande de la Plata oder Misque, den neunzehnten Breitengrad berühren, wächst während eines Laufes von 312 Lienes in gerader Linie von $.-S.-W, nach N.-N.-0. zu einem Strome erster Grösse an. Seine Hauptmündung in den Amazonas hatte, als wir sie zuerst, im October, bei geringem Wasserstande erblickten, eine Breite von 930, später, im März eine Breite von mehr als ı000 Rlaftern. In der Mitte fand die Sonde Grund in 25 und 27, an den Ufern in 5, 9 und ıo Rlaftern Tiefe. Seine Gewässer sind trübe, im Strome angesehen grünlich gelb, und niemals so erdfarbig gelb, als die des Amazonas. Die Temperatur seines Wassers fanden wir damals = 207$°R., während die der Luft, bei trübem regnerischen Wetter, = 20,8° R. war. Seine Geschwindigkeit betrug damals 20 — 26 Fuss in der Minute, Die stärkste Entleerung des Stromes fällt in die Monate ‚September und Octo- ber; von Ende October bis in den April: schwillt er an, und bildet seine Ueberschwem- mungen. Die Mündung eröffnet sich zwischen zwei niedrigen Landspitzen, welche, so wie die Ufer aufwärts, gleich denen des Amazonas, mit der eigenthümlichem Vegetation des Alagadisso oder Cad-Ygapo bedeckt sind: ein ungleicher, dichter, verworrener Wald, dessen Bäume von zahlreichen Lianen (darunter viele Cissussträuche) durchschlungen,, weit hinauf den Schlamm der Ueberschwemmung an sich tragen. Cacaobäume und die stachligen Schlingstauden der : Salsaparilha sind häufig, und in etwas höheren Gegenden des Ufers der Castanheiro, welcher die Nüsse von Maranhäo liefert. Innerhalb der Mündung breitet sich der Strom an mehreren Stellen noch mehr, bis zu 1200 und ı300 Rlaftern aus; im Allgemeinen aber beträgt seine Breite bis an die Katarakten und über diese hinaus 700 bis 800 Klafter. Selten ist jedoch diese Fläche ganz frei von Inseln, deren es unzählige, bald in der Mitte bald an den Seiten des Stromes, giebt, wo sie durch Bildung von Canälen die Schifffahrt erleichtern. Diese Inseln . von denen einige, wie die Ilha dos Muras, mehrere Legoas in der Länge messen, sind flach und niedrig, an den Rändern meistens in Sandufer (Prayas) ausgebreitet, und in der Mitte mit einer dichten immergrünen Vegetation, gleich denen des Amazonas, bedeckt. Während der Hochwasser werden sie mehr oder weniger überschwemmt, und durch die Macht der ' Strömung in Gestalt und Vertheilung verändert, Im untern Stromgebiete entstehen sie fort- während, wenn bei niedrigem Wasserstande entblösste Prayas sich mit einem Anfluge von Gras und Waldung überziehen, Im. Gebiete der Katarakten sind sie häufig unveränderliche Felsinseln. Die Ufer, zwischen denen der majestätische Strom hinfluthet, bestehen bis zu den Katarakten aus lockerem Erdreiche, Letten und Thon, selten nur aus festem Gestein, welches, nach den darüber eingezogenen Erkundigungen, ein Sandstein, von weisser oder bräunlichro- ther Farbe, ähnlich dem von Canomä, seyn soll. In den ersten Tagereisen nach Süden sind . die Ufer von unbedeutender Höhe, und werden bei Hochwasser in ihrer ganzen Ausdehnung überfluthet. Sie bestehen hier aus lockerer schwärzlicher Erde oder aus graulichem feinen Let- ten, Die ersten höheren Ufer von rothem Thone, Ribanceiras de Guara piranga, erscheinen südlich vom Flusse Mataurd und von da an weiter bis zu den Fällen hin, In diesen Breiten tritt der, durch höhere Ufer eingeschlossene, Strom nur durch die Niederungen an den Mün- dungen: se und der Seen, die sich in ihn ergiessen,, in das benachbarte Flachland, worüber Ueberschwemmnng oft bis zu einer Breite von zwei oder drei Legoas aus- er sel an festem Gesteine, und die Gewalt der Fluthen sind die Veranlassung, iss sich die Ufer oft in grossen Stücken ablösen, und mit den auf ihnen wurzelnden Bäumen Ei % ns 2 a Ba BEEN Ba nl na a ll u a a Eee u 1333 in den Strom stürzen, grosse Gefahr für die längs der Ufer steuernden Canoas, In gleicher Art, wie an der Mündung, sind die Ufer bis zu den Katarakten und jenseits derselben von der Vegetation des Ygaps bedeckt. Ihr Ansehen ist gleich verheert und traurig; nur da, wo sich das Terrain höher erhebt, erscheint ein freundlicher reinlicher, von der Ueberschwemmung - freier Urwald, oder hie und da, an den Mündungen der Seitengewässer , breiten sich Wiesen, mit Buschwerk geziert, aus. Unglaublich gross ist die Zahl der Seen und Flüsse, welche sich auf beiden Seiten in den Madeira ergiessen, und diese Fülle von Zuströmungen ist oberhalb der Fälle nicht geringer, als unterhalb derselben. Bis zu den südlichsten Katarakten zählt man auf der Ostseite wenigstens fünfzehn Flussmündungen, welche, obgleich bis auf zwei, den Rio Jamary und den Gi-parand, von geringer Länge, dennoch eine beträchtliche Tiefe haben. Der erstere dieser Seitenflüsse bringt seine Gewässer dem Madeira in einer Mündung, die 240 “ Varas (Ellen), der letztere in zweien, deren eine 257, die andere ı77 Varas breit ist. Auf der Westseite fallen weniger Flüsse in den Madeira, und die meisten aus Westen kommenden haben, wegen der Nähe des Rio Purüz, eine geringe Ausdehnung; um so beträchtlicher ist der aus S,-\V. herströmende Rio Beni der Portugiesen. Er bringt dem Mittelstamme des Madeira- Stromes nicht nur eine diesem gleiche Wassermasse, sondern auch den Namen zu, denn dieser Beni (Uene, Ueni ist in der Maypure -, Fluss, Uni oder Une in der Omagua- und der Mo- xos-Sprache Wasser) heisst jetzt bei den Brasilianern Madeira. Die Geographie dieses Beni liegt noch vollkommen im Dunkeln. Nicht blos in den früheren Karten, z. B. der Jesuiten von Moxos, sondern selbst noch in vielen neuen, wird er mit dem östlichen Hauptaste des Ucayale dem Paro-Beni (d. i. reiner Fluss, dessen Vereinigung mit dem Tambo, nach einem peruvia- nischen Manuscripte, in 109° 31’ s. B. und 75° 24’ w. L. v. P. fallen soll: Lister Maw, Pas- sage from the Pacific to the Atlantic p. 472.) verwechselt. Bei der Vereinigung der ebenfalls - trüben Gewässer des Beni (in ı0° 22’ 50°” s. B.) mit denen des östlichen Hauptastes, der von hier aus gen $. zu Mamore (ursprünglich Inim), ‚oder wohl auch schon Guapore, genannt wird, misst die Mündung des ersteren 494, die des letzteren 440, beide vereinigt messen hier 900 Klft, Nebst diesen zahlreichen, mächtigen Flüssen verstärken den Strom auf beiden Seiten bis weit über die Katarakten hinauf unzählige Seen, oft von der Ausdehnung vieler Quadrat- meilen, welche sich ihm durch kurze oder lange, flussähnliche Canäle verbinden. Sie ‚sind keineswegs Reste der jührlichen Ueberscl gen, sondern meistens selbstständige Wasser- anhäufungen, gebildet durch mächtige, aus d«m flachen Boden ausbrechende, Quellen „die sich bei zunelımendem Wachsthum secartig ausgedelint haben. Wunderbar ist die Wasserfülle die- ses Bodens, indem jeder Brunnen, jede Quelle alsbald zu einem unübersehbaren Wasserspiegel anschwillt. Die Regenzeit hat einen verhältnissmässig geringen Einfluss auf das Steigen und Fallen dieser Seen, aber bei den Ueberschwemmungen des Stromes sind sie es, welche zuerst das ansteigende Gewässer aufnehmen. Dann wird auch ihr ursprünglich klares Gewässer ge- rückbleibenden Fluthen gebildet; ihre Ufer sind unbegrenzt, und sie verlieren sich in unab- sehbare Sümpfe, welche nie aufhören, bei erneuerten Ueberschwemmungen ihre Unreinigkeiten „mit den trüben Gewässern der Nachbarschaft zu vermengen. Die meisten dieser Seen aber haben ein krystallhelles, reines, wohlschmeckendes Wasser , das kälter und leichter als das des Stromes ist, und desshalb von wohlschmeckenderen Fischen bewohnt wird, Wir wissen nicht, ‚ von welcher Beschaffenheit das Wasser des verrufenen Sees Jurupari-pira (Teufelsfisch) auf = E 5 | = trübt. Doch sind nicht alle Seen von dieser Natur; manche scheinen allerdings aus den zu- > 13354 der Westseite des Stromes ist, dessen Fische gar keinen Geschmack besitzen sollen. Manche dieser Seen müssen als seeartig ausgedehnte Flüsse betrachtet werden, da sie mit nicht unbe. trächtlichem Falle in den Hauptstrom einmünden. Vor den Mündungen dieser fliessenden Seen befinden sich meistentheils Inseln, eben so wie vor denen der wahren Flüsse ; sie schei- nen aus den Sandanhäufungen gebildet, welche in Folge zweier Strömungen in verschiedenen Richtungen entstehen. Höchst mannichfach sind die Communicationen dieser Flüsse und Seen un. ter einander; sie erstrecken sich wegen der Flachheit des Landes weit einwärts und verbinden sogar verschiedene Flussgebiete, wie z. B. der Furo von Iraria den Fluss und See Canomä und die übrigen parallel mit dem letzteren aus $. kommenden Flüsse aufnimmt und dem Amazonas zuführt. So geht ferner der Rio und Lago Capand in Nebenflüsse des Rio Purüz über; der Uautas steht durch ein System von Seen mit den Canälen Paratary in Verbindung, und die Quellen des Mataur& sind von denen des Canoma nur durch einen schmalen Traject getrennt. Neunzig Meilen in gerader Linie von der Mündung des Madeira in den Amazonas nach .$., welche für die Schiffenden ein Weg von ı86 Legoas seyn sollen, befindet sich der erste Fall (Cachoeira de S. Antonio, Aroaya der Indianer), und drei Legoas sehr beschwerli- cher Schifffahrt ‚weiter aufwärts ist der Salto do Theotonio, wo der auf 250 Klafter eingeengte Strom durch eine ihn quer. durchsetzende Felseninsel unterbrochen, in vier Canäle zertheilt, einen 30 Schuh hohen Sturz macht. In den andern Fällen, deren man überhaupt unterhalb der Vereinigung des Rio Beni dreizehn, oberhalb derselben fünf zählt, wird der Strom nicht vollkommen in seinem Laufe unterbrochen. Diese, in gerader Linie achtundzwanzig deutsche Meilen auseinander liegenden, Fälle werden durch eine niedrige Bergkette gebildet, die in der Richtung von O, nach W. dem Strome entgegentritt. Leider besitzen wir keine Höhenmessun- gen, aber nach den Berichten einsichtsvoller Reisenden, die ich hierüber vernahm, dürften die Wässer ober den. Katarakten kaum mehr als ı50 Fuss über dem untern Strome stehen, Die ; Gebirgsformation derselben ist mir nicht: mit Bestimmtheit beschrieben worden, doch wahr- scheinlich Sandstein oder Quarzschiefer. Franco DE ALmeıda Serrä berichtet, dass zwei Tage- reisen von der Mündung des Ribeirdo in den Madeira (in der Breite der südlichsten Fälle) an diesem Flüsschen Goldformation entdeckt worden sey, und dass die Jesuiten Gold aus dem Sande an einem Falle des Rio Jamary, ebenfalls zwei Tagereisen von dessen Mündung, hätten waschen lassen. Diese Berge zwingen auch den Beni eine Tagereise, und den Abona emige ‚Stunden oberhalb ihrer Vereinigung mit dem Madeira Fälle zu machen, Alle Reisenden kom men übrigens darin mit einander überein, dass weiter gegen Westen kein Gebirgszug mehr erscheine, wofür auch der Umstand spricht, dass alle westlich vom Madeira in den Solimo&s herabkommenden Flüsse, der Purüz, Yurua, Jutahy und Javary sehr wenig Strömung, und mehrere Wochen lang aufwärts beschifft keine Fälle zeigten. Auch oberhalb der Katarakten wird der Strom in einer Breite von 600— 800 Klaftern von ähnlichen, niedrigen Ufern einge“ . n - = . or ‚schlossen. Seine Strömung ist schwächer als unterhalb der Fälle. Gelangt man (in ıı a 46“ s. B.) zu der Vereinigung des oberen (eigentlichen) Mamord mit dem Guapore, welcher die trüben Wasser des ersteren durch seine klare Fluthen etwas erhellet, so wird es zweifelhaft, welcher von beiden Strömen ‚ die mit gleichbreiter Mündung (von 500 Klafter) zusammenkom men. ‚als Hauptstrom anzusehen. GonsaLvez, der den Guapore an seiner Mündung 63» a ae Klafter tief fand, entscheidet sich für den erstern. Beide haben zahlreiche Neben Nüsse, Seen und Verbindungscanäle dieser untereinander. Eine Veränderung in der Be 1535 erklich, während die des Mamore noch eine Strecke weit den bisherigen Charakter beibehält. Statt der Waldung des Ygapo erscheinen nun Fare- das, Campinas, Pantanaes: während der Hochwasser auf mehrere Legoas landeinwärts über- fluthete Wiesen. Gegen Westen ist das ganze Gebiet flach und eben; nur auf der Ostseite begrenzt die sogenannte Serra Geral, oder Chapada do Mato Grosso , ein niedriger, von den Cam- pos dos Parecis nach N.-N.-W, ziehender Gebirgsrücken, welcher alsbald nach Ueberwindung der Katarakten gesehen wird, das Gebiet des Guapore, der sich durch die Durchsichtigkeit sei- ner Gewässer als ein Sohn gebirgiger Gegenden beurkundet, Das unmittelbare Strombette des Guapore theilt übrigens auf beiden Seiten mit den westlicheren Gegenden eine grosse Flachheit und geringe Erhebung über das Niveau des Flusses. Selbst bis in der Breite der Hauptstadt * von Mato Grosso überfluthet der Guapore jährlich Alles, so dass nur die steilen Abhänge jener Gebirgsreihe, die im Ganzen zwölf Legoas vom Strome entfernt läuft, die weitere Verbreitung jener unerschöpflichen Wassermasse verhindert, deren stärkste Ueberfluthung eine Höhe von 45 Palmos (Spannen) erreichen soll. Nur in ı2° 52’ 35” s, B. erhebt sich hartam östlichen Ufer des Guapore ein Hügel , worauf das Destacamento das Pedras, der nicht überschwemmt wird, und da in seiner Nähe manche vegetabilische Productionen des untern Flussgebietes aufhören, von Au- meıDa Serra als südöstlicher Grenzpunct des Amazonenstromgebietes betrachtet wird. Die Pantanaös sind bald blos mit Gras und niedrigen Kräutern, bald auf den inselartig hervortre- tenden Erhöhungen auch mit Buschwerk, bald mit undurchdringlichen Hecken von Röhricht (Tocoea&s) oder mit Gruppen einer Palme bekleidet, und eine Waldvegetation umsäumt hie und da auch die Stromufer, während sich der Blick landeinwärts ohne Anhaltspuncte in den unabsehlichen Niederungen verliert. Westlich von diesen Gegenden durchströmen die trüben Fluthen des Mamore und des Beni unermessene Sumpfwiesen, in denen dieselbe Natur waltet, welche den eigenthümlichen Chärakter des Madeirastromgebietes ausmacht. Die Flüsse Baures und Ytonamdäs communiciren durch Seen und Canäle mit dem Guapore in O., wie mit dem Mamore in W., und auch dieser steht auf ähnliche Weise mit dem westlich gelegenen Beni in Verbindung. Dieses grosse Land’ zwischen dem Guapore und den westlichen Zuströmungen des Beni bildet die spanische Landschaft, von einer sie bewohnenden Indianertribus de los Mo- chos (Moxos). genannt, Viehzucht und Ackerbau stehen unter der Herrschaft der Ueberfluthungen, „denen fast das ganze Gebiet jährlich ausgesetzt ist. Bösartige Fieber sind nicht selten die Folge der schädlichen Ausdünstungen, die aus den Pantanaes aufsteigen, und ausserdem wird das Land tation des Guapore macht sich bald bem bisweilen von kalten Süd - nnd Westwinden getroffen. Arseıa Serra giebt zu Ende des vo- rigen Jahrhunderts die Zahl der Einwohner auf 23,000 (darunter viele Indianer) an; und diese dürfte seitdem sich nicht bedeutend vermehrt haben, : Fast alle Naturproducte des Amazonenstromes finden sich auch an und in dem Madeira. ‚Nebst den bereits erwähnten Waldungen von Cacao und Salsaparilha in dem untersten Theile des Flussgebietes ist er in den höheren Strecken besonders reich an den majestätischen Castan- heiros, an Nelkenzimmt-, Pechurim-, Copaiva-Bäumen, an Vanille, manchen Harz- und Tisch- lerholzbäumen u, dgl. Der Strom und die mit ihm in Verbindung stehenden Seen sind reich an köstlichen Fischen, doch nur bis zu den Fällen, oberhalb welcher die Reisenden sich nicht mehr auf die Ergebnisse der Fischerei verlassen dürfen. Während der Ueberschwemmungen gehen die Fische in die benachbarten Seen, Flüsse und überflutheten Gegenden, wo sie ihr Laichgeschäfte vollziehen. Eben so reich ist der Strom an Schildkröten. Die Praya de Ta- | 169 * | 1330 manduad, unterhalb der Fälle, wird, als eine der ergiebigsten Quellen für die Lese der Schild. kröteneier und die Bereitung der Butter aus denselben, alljährlich von vielen Kähnen von Rio Negro, ja sogar von Pard besucht. Man schlägt den Werth der daselbst gewonnenen Butter auf fünf bis sechstausend Cruzados jährlich an. | Betrachtet man die ungeheure Ausdehnung dieses Stromes, welcher eine directe Wasser- strasse von der Stadt La Paz im Innern von Hochperu - bis nach Parä am atlantischen Ocean vermittelt, den Reichthum der Länder die er durchströmt, und den Mangel anderer Wasser- verbindungen von gleicher Ausdehnung, so muss man bedauern, dass die Schifffahrt durch ein so grosses Hinderniss, wie die zahlreichen Fälle, zwischen denen man 74 Legoas Schifffahrt rechnet,. unterbrochen wird. Nichtsdestoweniger ward er in den Jahren ı755 bis 1787 der hauptsächlichste Handelsweg, und Mato Grosso gewann dabei, indem es alle schweren Han- delsartikel um die Hälfte wohlfeiler, als von Rio und Bahia her erhielt. Die Böte, in wel- chen man diese Reisen zu machen pflegt, von ähnlicher Construction, wie die im Amazonas üblichen, haben gewöhnlich sieben bis acht Ruderer auf jeder Seite, und, ausser dem Piloten, einige Fischer und Jäger, so dass sich die Mannschaft auf zwanzig Mann beläuft. Die Ladung, gewöhnlich in einem Werthe von ı5 — 16,000 Cruzados und von 2— 3,000 Arrobas Gewicht, besteht namentlich aus den schwereren Artikeln, die zu Lande von Bahia und Rio de Janeiro minder zweckmässig bezogen werden , also in Metallen und Metallwaaren, Glas, Irden- und Porcellanwaaren, Arzneien, Wein, Essig, gebrannten Wassern, Papier, Schiesspulver, Salz, doch auch in Quinqualleriewaaren und kleinern Artikeln. Schnittwaaren, Hüte, andere leichte Gegenstände, so wie die Negersclaven, zog man vor, von Bahia und Rio de Janeiro zu holen, Aus Mato Grosso pflegte man vorzüglich Gold in Staub und Barren nach Parä zu bringen, und man darf annehmen, dass der Werth der Einfuhr von dorther sich im Durchschnitte jährlich auf 200,000 Cruzados belief, Schon im Jahre ı769 ward (nach Pizarro, Memor, do Rio de Jan. IX. p. 117.) nach Parä die Summe von 85,9634 Octaven Gold, oder, die Oct. zu 1350 Reis gerechnet, 116,050,725 Reis, im Jahre ı770 wurden 41,270,000 Reis dahin ausge- führt, (In denselben Jahren belief sich die Ausfuhr nach Rio de Janeiro auf 142,411,811 Reis, und nach Bahia auf 101,351,250 Reis.) Nebst dem Golde, als dem Häupterzeugnisse der Pro- vinz Mato Grosso, werden von daher noch ausgeführt: etwas Zucker , von guter Qualität, grobe Baumwollenzeuge, Fahbricat der Indianer, Tamarindenmuss, Nelkenzimmt, Pechurimbohnen, und als Contrebande auch Diamanten. Bei der schwachen Bevölkerung der Provinz, die die Erzeugung von Industrieartikeln hindert, ist das Gold fortwährend der wichtigste Gegenstand der Ausfuhr. Man rechnet, dass die Schiffe von Pard bis zur Mündung des Madeira in den Amazonas 270, von da bis zu den ersten Fällen ı86, von diesen bis zur Vereinigung des Guapore und Mamore ı03, von hier bis Villa Bella 205, im Ganzen 764 Legoas zu durch- schiffen haben.: Zu diesem ungeheueren Wege braucht ein beladenes Handelscanot gewöhnlich neun bis zehn Monate. Mehr als ein Dritttheil dieser Zeit muss auf die Passage der Katarak- ‚ten verwendet werden, deren mehrere selbst für kleine leere Kähne, geschweige denn für er grösseren Böte unfahrbar sind. An den Fällen Salto do Theotonio, do Giräo, Pederneira, Ri- beirdo, do Madeira, da Bananeira müssen die Ladungen, und, wenn nicht gerade der Stand der Gewässer vorzüglich günstig ist, auch die Kähne auf einem Schienenwege (Estiva) = Balken weiter geschafft werden. Der Weg, welchen sie in dieser Art zurücklegen, Be nigstens sechszehnhundert Klafter. Die günstigste Zeit um diese Fälle zu überwinden, a a 2 ze En en ee 5 diihe 2. Eee, n 13557 die Monate Julius bis September, in denen der Strom wasserarm ist; doch bieten manche Passagen gerade dann grössere Schwierigkeiten dar, wenn der Strom leer ist, und die Fahr- zeuge über wenig bedeckte Klippen am Seile (a Sirga) aufwärts gezogen werden müssen. In der grössten Höhe der Gewässer ist die Schifffahrt am schwierigsten, nicht sowohl wegen der. eigentlichen Fälle, sondern wegen der mächtigen Strömungen zwischen ihnen. In den späteren Monaten werden die Reisenden nicht selten von kalten Fiebern, Ruhren und Diarrhöen, der Folge langwieriger Anstrengungen, ergriffen. Da nun überdiess die Plage der Mosquiten in meh- reren Gegenden ganz unleidlich, von Borba aufwärts, wo auch die begünstigenden Ostwinde auf- hören die Hülfe der Ansiedler sehr precär und ein Anfall von Indianern , selbst bei scheinbar friedli- chen Gesinnungen derselben, zu fürchten ist, so haben allerdings die Kaufleute Gründe genug, die in vier bis fünf Monaten mit Sicherheit auszuführenden Reisen zu Lande nach Bahia und Rio de Janeiro dieser ausgedehnten, so manchen Widerwärtigkeiten unterworfenen Wasserex- pedition vorzuziehen. Die Regierung hat es zwar nicht an Aufmunterung fehlen lassen, und von Mato Grosso aus ward ein Detachement Truppen an den Salto do Theotonio beordert, um die Schifffahrt zu beschützen und den Reisenden mit Lebensmitteln, welche ausserdem von Borba mitgenommen werden (man rechnet für jeden Maıun fünf Arrobas Mandioccamehl ausser einer täglichen Portion Fische) beizustehen; allein bei der geringen Frequenz der Rei- senden und dem Andrange feindlicher Indianer ward es wieder aufgegeben. Dass neuerlich ein ähnlicher Posten im Ribeirdo angelegt worden sey, habe ich bereits erwähnt. In diesem Jahrhunderte hat sich der Handel zwischen Mato Grosso und Parä nicht blos desshalb vermin- dert, weil die Bedeutung von Rio und Bahia als Handelsstädten so entschieden zunahm, und die Kaufleute dort Verbindungen anknüpften, von woher sie in der Hälfte der Zeit Sendungen erhalten konnten, sondern besonders auch darum, weil die grossen Capitalien, welche zu einer Unternehmung nach Parä nöthig sind, mit der Abnahme der Minenproduction in Mato Grosso immer seltener wurden. Sobald eine beträchtliche Bevölkerung die fruchtbaren Gegenden am Madeira einnehmen wird, dürfte es wohl schwerlich an Mitteln fehlen, die Fälle durch zweck- mässig angebrachte Canäle zu umgehen, und dann eröffnet sich dem Handel dieser Landschaf- ten eine glänzende Aussicht. Im vorigen Jahrhunderte hätte man eine Beschleunigung der Bevölkerung dieses öden Gebiets erwarten können, wenn reiche Goldminen am Rio Jamary oder einem andern Confluenten entdeckt worden wären. Gegenwärtig aber haben in dieser Beziehung gesündere Ansichten Platz gegriffen; die Ilusionen von dem reichen Erträgnisse des Geschäfts eines Mineiro sind verschwunden (man rechnet, dass ein Goldwäscher im Durchschnitt wöchentlich nur 600 Räis, oder im Jahre 31,200 Reis erarbeiten könne, während die Rente eines im Ackerbau, namentlich in der Zuckerplantage, Verwendeten auf 50, ja 70,000 Reis ge- lange) und nur eine beträchtliche Uebervölkerung der östlichen Landschaften wird vielleicht erst spät die fruchtbaren, aber einsamen Gefilde am Madeira mit Anbauerm versorgen, — Diess sind die Nachrichten, welche ich über den mächtigsten Tributär des Amazonas beizubringen habe; sie sind theils aus den schriftlichen Urkunden von GonsaLvez pa Fonseca und Franco pa Arseıva Serra geschöpft, theils die Ergebnisse aus den mündlichen Berichten von Reisenden, welche ieh zu vernehmen Gelegenheit hatte, (2.) Die Mundrucüs (Mundurueüs, Muturicüs) waren in Brasilien vor dem Jahre 1770 kaum dem Namen nach bekannt; damals aber brachen sie in zahlreichen Horden längs des 1338 ‚Rio Tapajöz hervor, zerstörten die Niederlassungen, und machten sich so furchtbar, dass man Truppen gegen sie absenden musste, denen sie mit grosser Unerschrockenheit widerstanden, Im achten Decennium des vorigen Jahrhunderts kam eine mehr als zweitausend Köpfe starke Horde derselben aus ihren Mallocas hervor, setzte über die Flüsse Aingu und Tocantins, und zog, Krieg und Verheerung verbreitend, an die westlichen Grenzen der Provinz Maranhäo; hier aber erlitten sie eine schwere Niederlage durch die kriegerischen Apinagez, so dass sich nur Ueberbleibsel des mörderischen Kampfes nordwärts an die Flüsse Moju und Capim ziehn konnten, wo sie die portugiesischen Fazendas verheerten, Von den vereinigten Pflanzern gedrängt zogen sie sich endlich wieder zu dem übrigen Stamme am Tapajöz zurück. Das Gouvernement sendete ein Detachement von 300 Mann gegen sie aus, welches zehn Tagereisen vom Ufer jenes Stromes auf eine stark bevölkerte Malloca stiess, und sich ringsum von zahlreichen ge- rüsteten Feinden umgeben sah. Nur mit Noth konnte es sich durchschlagen, und den Fluss wieder erreichen; doch soll es den Mundrucüs einen Verlust von beinahe ı000 Mann beige- bracht haben, wie ein Häuptling derselben, der zuerst ein Freundschaftsbündniss einging, ge- mäss seinem Kerbholze, erklärte. Im Jahre 1803 wärd die erste Aldea der Mundrucüs, 8. Cruz sieben Tagereisen oberhalb Santarem, am Tapajoz gegründet, und seit jener Zeit hat der ganze Stamm mit den Brasilianern Friede gemacht; mehrere ihrer grossen Dorfschaften haben sich zu Missionen umgestaltet und treiben Handel mit den Weissen. In S. Cruz, Bohim, Pinhel und den übrigen Villas am Tapajoz zählt man ı000 Bögen (streitbare Männer), in der Mission von Mauhe ı600, in der von Juruty 1000 Köpfe. Dieser Stamm ist fleissiger, als irgend ein ande- rer. Man rechnet, dass die in Villas am Tapajoz ansässigen Mundrucüs jährlich 6000, die von Mauhe ı500, und die von Canomä 800 Alqueires Farinha bereiten, welche grösstentheils nach Santarem und den benachbarten Ortschaften ausgeführt werden. Ihren Geistlichen machen sie gerne grosse Mengen davon zum Geschenke. Als wir von der Malloca Caiau& nach Canoma zurückkehrten, war der Kahn mit vollen Körben angefüllt. Im Jahre ı819 hatten die Mundru- cüs von Canomd 900 Arrobas Nelkenzimmt, und eben so viel Salsa gesammelt , und:.in den Handel gebracht. Bei solcher Anlage zu bürgerlichem Fleisse wäre die baldige Niederlassung aller Mundrucüs unter den Weissen zu erwarten, wenn keine Missgriffe der Regierung dazwi- schen träten. Dahin aber gehört die Forderung, dass die Aldeas Contingente für die öffentlichen Arbeiten in der Barra do Rio Negro und in Parä stellen sollen. Diese unpopuläre, den wahren Interessen widerstrebende Maassregel hindert das Gedeihen von 8. Cruz, Canoma u. sb, und wir hörten oft desshalb Klagen einsichtsvoller Patrioten. Schon früher (S. 1069.) habe ich er- wähnt, welch’ wesentliche Dienste die Mundrucüs dadurch geleistet, dass sie den Räubereien der Muras Einhalt gethan, und dieselben im Zaume gehalten haben. — Die Mundrucis von Canomd sind aus ihren Fluren am östlichen Ufer des Tapaj6z durch den Rio Sucundury her abgekommen, und stehen mit den dortigen Mallocas in Verbindung. Der Ort an letzteröf Flusse, wo sie sich nach Canomd einschiffen,, ist zehn Tagereisen davon entfernt, und die Canoas der Kaufleute , welche Salsa und Nelkenzimmt kaufen, gehn bis zu jenem Porto dos Mundrucüs ungescheut hin und her. (Der Rio Canoma ist oberhalb der Verbindung mit dem Sueundury noch nicht befahren worden.) Von da kommt man in drei Tagereisen zu Lande an den Tapajöz, welcher Strom bei 8. Cruz und Uxituba passirt wird, um zu den östlichen gros- sen Mallocas zu gelangen. — Was ich oben über die Züge der Mundrucüs berichtet habe, erinnert an die ähnlichen Wanderungen derjenigen Tupis, die einst die Quinimuräs von ei eo on Ze 1339 Kisten von Bahia und Pernambuco vertrieben haben; doch sind solche Völkerwanderungen nicht die einzige Aechnlichkeit zwischen den Mundrucds und jenen mächtigsten der brasilianischen Ureinwohner. Sowohl viele Tupiworte in ihrer Sprache, als namentlich manche Züge in ihren Sitten machen es wahrscheinlich, dass auch sie zu dem grossen Volke gehört haben, das schon, vor vielen Jahrhunderten zersplittert, in Familien, Horden und Stämme aufgelöst, sich aus Süden über ganz Brasilien verbreitet haben mag, (S. oben $. 1093. fl.) Sprachproben: Tupi Mundrucu Tupi Mundrucü Feuer tata tasch@ Banane pacoba bacoba Wasser hy (ygb) hü Arm jua (jübd) woi pd Mond "dassı aschiat Haus oca öcka Frucht id id Blut tuy (tuguy) tuü Väter paya paipai Kröte cururü goragord Mutter maya maihi Milch camü (camy) icamutü (Busenwasser.) (Manche Worte haben Aehnlichkeit mit gleichbedeutenden in der Sprache der Chiquitos in Paraguay z, B. Fluss und Himmel heissen in der Chiquitosprache ogirus und apez, in der der Mundrucüs iguri und capi.) ‘Wie die Tupisprache soll die der Mundrucüs nicht schwierig, und kräftig seyn; auch wird sie mit viel Modulation gesprochen. Die drei Consonanten F, LundR, die der Tupi fehlen, und somit zu der Bemerkung der Jesuiten Anlass gegeben, es seyen die Topinambas Leute ohne Fe, Le und Rey (ohne Glauben, Gesetz und König), kommen auch bei den Mundrueüs selten oder gar nicht vor. — Um die Aehnlichkeit in den Sitten der Mun- drueis mit denen der Tupis, gleichwie sie von den Geschichtschreibern berichtet worden, be- merklich zu machen, mögen noch folgende Nachrichten dienen. Die noch nicht aldeirten Mun- drucis bewohnen grosse, offne Hütten in Gemeinschaft mehrerer Familien, Nach Macht und Ansehen nimmt jeder Mann mehrere Weiber; er hängt in der ihm zustehenden Abtheilung des Rancho seine Hangmatte neben der der ältesten Frau auf, die im Hause zwar nicht gleich der Favoritin, aber als oberste Haushälterin waltet, und oft selbst ihm jüngere Weiber zuführt. Eifersucht und Hader sind die Folgen dieser, hier stärker als bei andern Stämmen entwickelten Polygamie, gegen welche Padre GoxsaLvez auch bei seinen Neophyten beständig zu kämpfen hat. Wie die Caraiben und die alten Tupis haben die männlichen Mundrueüs die Sitte, sich bei der Geburt eines Kindes mehrere Wochen lang in die Hangmatte zu legen, und die Pflege der Wöchnerin, so wie die Besuche der Nachbarn anzunehmen; denn nur dem Vater wird das Kind zugeschrieben; die Thätigkeit der Mutter dabei wird der des Bodens, der die Saat empfängt, verglichen. Bald nach der Geburt erhält der Säugling einen Namen , nach einem Thiere oder einer Pflanze; diefen wechselt er aber während seines Lebens mehreremale, sobald er eine Hel- denthat im Krieg oder auf der Jagd verrichtet hat. So geschieht es, dass eine Person nachein- der fünf oder sechs Namen annimmt. Der Sohn bildet, sobald er mannbar geworden, eine eigene Familie, indem er ein Weib nimnit, das ihm entweder in der Jugend bestimmt worden, oder das er sich durch mehrjährige Dienste im Hause des Schwiegervaters erworben. Nach dem Tode eines Mannes muss dessen Bruder die Wittwe, und der Bruder der Wittwe muss deren mannbare Tochter heurathen, wenn sich kein anderer Bräutigam findet. Gewisse Verwandtschafts- "grade, z. B. zwischen väterlichem Oheim und Nichte, gestatten keine eheliche Verbindung. 15i0 Sobald ein Todesfall eintritt, trauern die weiblichen Verwandten des Mundruci, indem sie sich die, ausserdem langen, Haare abschneiden, das Gesicht schwarz färben, und ein Klaggeheul ‘ längere Zeit fortsetzen. Der Leichnam wird innerhalb der Hütte in einer Hangmatte begraben, Zur Ehre des Verstorbenen werden nun Trinkgelage gehalten, die um so länger dauern, je mächtiger er gewesen. An Unsterblichkeit glaubt der Mundrucä nicht; die einzige Spur eines höheren Glaubens finde ich in der Sprache, welche ein Wort (Getüut) für Gott, und ein ande- res (Cäuschr) für Teufel hat. Auch bei ihnen ist der Paje eine mächtige und gefürchtete Per- son; er wird als Verwandter des Teufels, oder als- Inspirirter gedacht. 7 @.) Arrayolos ist gegenwärtig nach Macapa und Massagdo die blühendste Ortschaft in dem brasilianischen Küstenlande nördlich vom Aequator, im Allgemeinen aber befindet sich dieser ganze Theil der Provinz in einem Zustande bürgerlicher Ohnmacht und Unthätigkeit, der Folge verheerender Fieber, welche in den meisten Gegenden endemisch sind. Die Cultur der Baumwolle scheint dem heissen, niedrigen Lande vorzugsweise zu entsprechen ; auch webt man ın Macapa viele grobe Baumwollentücher, die nach Parä versendet werden. An wilden Naturproducten, namentlich Cravo, Copaivabalsam und Salsa, sind unter den Flüssen dieses Landstriches der Jary und der Araguary vorzüglich reich, dagegen der Rio Parü arm, und desshalb, so wie wegen seiner Fälle und der häufigen Pium wenig besucht. Der Yary hat acht Tagereisen aufwärts angenehme Ufer, wird aber dann durch einen grossen Fall in ‚seinem Lauf vollständig abgeschnitten, so dass man die Reise nur in kleineren Fahrzeugen fortsetzen kann. Böse Fieber herrschen in ihm endemisch. Der Goarataburi, ein Seitenarm des Yary vermittelt, nach einer schmalen Landfahrt, einen Uebergang in den Araguary. Die Viehzucht, wozu sich die ausgedehnten Fluren eignen, ist. verhältnissmässig gering, und man klagt die Fledermäuse als grösstes Hinderniss an. Der Verkehr mit Pard geschieht mittelst grosser Böte und Sumacas, welche im Osten der Insel Maraj6, und kleinerer Fahrzeuge, welche über Gu- rupä und durch den Igarape-merim segeln, Jene Fahrt, die in drei, vier bis acht Tagen be- endigt wird, ist wegen der Untiefen und Strömungen immer gefährlich. Die Citadelle von Macapa ist die brasilianische Grenzfestung (Praga fronteira) gegen das französische Gujana. Sie ward in den Jahren ı760 bis 1773 unter dem Generalgouverneur Fern. pa Costa Araıde Teıve (dem Erbauer des Regierungspalastes in Parä) aufgeführt, und kostete 3 Mill. Cruzados. - — Die ehemaligen Bewohner dieses ganzen Küstenstriches waren die Indianer Armalutös, Arianas, Aroaguis, Tucuxüs und Oaiapis. Die ersteren beiden sind jetzt in diesem Gebiete verschollen, die andern theils im Innern des Landes theils mit den. übrigen Bewohnern ver mischt in Arrayolos, Esposende und um Macapd ansässig. — Dieser schöne Landstrich erwar- _ tet Cultur und Bevölkerung von künftigen Geschlechtern. (4) Der Amazosenstrom. Wir haben geflissentlich diejenigen Thatsachen, welche sich anf die Natur des grössten aller Ströme, auf sein Gebiet und seine Ufer beziehen, in dem Verlaufe unseres Reiseberichtes nur berührt, um sie später in ein einziges Bild zusammenzufassen. er dem wir uns nun hier zu diesem schwierigen Unternehmen anschicken, müssen wir ‚noch ins- besondere die Nachsicht der Geographen in Anspruch nehmen; hoffen auch solche. um SO eher für uns zu gewinnen, als der hauptsächliche Beruf unserer Reise eine ganz andere Richtung, nämlich die Erweiterung der speciellen Fächer der Zoologie und Botanik, ‚hatte, ME du nn, u 3 Dec Ze Er ee ne 1541 Manches in der Bildung des Amazonenstroms und seines Gebietes , von den Verhält- nissen ab, welche man gewöhnlich bei grossen Strömen beobachtet. Dahin gehört vorzüglich der Umstand, dass die Hauptrichtung des Stromes, im längsten Theile des Verlaufes, von der desjenigen Flusses abweicht, den man immer als seine erste Quelle oder als seinen Hauptarm annehmen mag, Jene geht nämlich im Allgemeinen von W. nach O., während der Marannon, welchen man gewöhnlich seine Quelle nennt, in der Richtung von S-$,.-W, nach N.-N.-O,, alle übrigen Arme aber, welche rücksichtlich ihrer Länge als Hauptquelle betrachtet werden könnten, wie namentlich der Ucayale und der Madeira, in der Richtung von $, nach N, flies- ‚sen, Eben so liegt wahrscheinlich der Marannon, als dessen Quelle der See von Hiauricocha angenommen wird, in seinem obersten Flussthale minder hoch, als die südlichsten Quellen des Rio Madeira, welche aus den Gebirgen von La Paz hervorkommen, oder als die beiden Quellen des Ucayale: der Paucartambo (Yambari), welcher auf den nördlichen Gegengehängen des merkwürdigen, 11,970 F. hoch liegenden Alpensees von Titicaca entspringet, und des Apurimaco, der westlich von dem majestätischen Trachytberge von Chuquibamba liegt, dessen Höhe von PentLano auf 20,640 (par.) Fuss angegeben wird. (Dieser Reisende hat nicht blos gefunden, dass die Gipfel des östlichen Astes der Andescordilleren zwischen dem 2 17, Grad s. B. fast ununterbrochen über die untere Schneegrenze (dort 2,717. Toisen) "hinansragen , sondern auch dass die grösseren Ortschaften und Städte von Hochperü und Bolivia (z. B. Potosi, Oruro, La Paz u. s. £.), sich im Allgemeinen höher über dem Ocean befinden, als die damit verkleiehkagte Orte im nördlichen Peru, was zu dem Schlusse berechtigt, dass die bewohnbaren Hochebenen der ersteren Gegenden weiter als die der letzteren vom Ocean an aufsteigen.) End- lich ist auch der Lauf des sogenannten eigentlichen Marannon bis dahin, wo der Amazonas die Richtung von W. nach OÖ. annimmt, kürzer als der des Ucayale oder des Madeira bis zu ihrer Mündung in den allgemeinen Recipienten, Es erscheint sohin schwierig, zu bestimmen, wo die wahren Quellen des Amazonas liegen, und man wird geneigt, diesen ungeheuren Strom nicht als einen einfachen, sondern als zusammengesetzten, als ein ganzes Stromsystem, zu betrachten. Demgemäss hat auch dieser eg in seiner Aunptenping von W. nach O. dieselben und sich vollkommen Bsschbjeibenden zusammensetzenden Ströme, wie in Länge und Richtun ‚allen . manchfache Eigenthümlichkeiten darstellen. Es mag Br um so 5 zweckinäätiger erscheinen, den ganzen grossartigen Stromcomplex an gewissen Orten mit verschiedenen Namen zu bezeichnen, was. auch bereits der Sprachgebrauch der Anwohner bereits gethan hat, indem die Spanier seinen. westlichsten Theil Marannon, die Brasilianer den mittleren Solimo&s und den östlichen Rio das Amazonas (Amazona) nennen. Hiebei wird einerseits eine politische Beziehnng geltend gemacht, indem man den Namen Marannon bis an die Grenze Brasiliens ausdehnt, und andererseits das Herkommen berücksichtigt, wenn man den Namen Solimoes von da an bis an die Vereini- gung mit dem Rio Negro gelten lässt. Eine genauere, auf die Natur der Beiströme gegründete Bestimmung dürfte vielleicht füglich den Namen Solimoes von der Mündung des Madeira bis zu der des Ucayale ausdehnen, denn diese beiden Beiströme führen auf der Südseite auf dem längsten Wege die grösste Wassermasse Habe, und. bezeichnen die Thallinie in den beiden grössten Strompebieten; welche sich von S. ‚her in das des Amazonas öffnen. ; Wollen wir in der Betrachtung dieses Stromes von dem Allgemeinsten zum Besonder & fortschreiten, so müssen wir für’s Erste einen Blick auf die Länge der einzelnen Zuströme s I. Theil. | 170 13542 werfen, welche in ihrem Gesammtcomplexe das Maass für jenes ungeheure Stromgebiet dar- stellen, dessen Ausdehnung Hr. v. Humsouor (Reise V. p. 336.) zu 260,000 Gerv, Meilen (20 per Gr.), also um weniger als ein Sechstheil kleiner als die Area von ganz Europa annimmt. Mit grosser Genauigkeit lassen sich freilich die Längen dieser Ströme nicht bezeichnen, denn nur auf der N, Seite, wo die Beobachtungen des Hrn. v. HumsoLpr Grenzen zwischen dem Gebiete des Amazonas und des Orenoco fixirt haben, und am Guapore, dem östlichen Beiflusse des Ma- deira, haben die Bestimmungen der portugiesischen Grenzcommissarien eine gewisse Zuverläs- sigkeit. Die Quellen des Ucayale, des Guallaga, des Marannon bedürfen alle noch der astro- nomischen Berichtigung, und wenn aueh die Gegengehänge sicherer astronomisch bestimmt seyn mögen, aus welchen der Marona, der Pastaza , Tigre und Napo von der Provinz Quixos y Macas und von Quito her zu dem Hauptrecipienten herabkommen, so dürftea unter andern doch auch die Längen und Breitenpuncte der Orte, an welchen der Marannon aus den Vor- bergen der Andes hervor und in die flache Ebene des Amazonasbeckens tritt, so wie die der Mündungen des Guallaga und Ucayale noch grosser Berichtigung bedürfen ; denn ich glaube nicht, dass, ausser der von Hrn. v. HumsoLor zu Tomependä (in 50 31° 28 s.B,, und 809 564 374 w. v. P.) angestellten, eine einzige Angabe in diesem Gebiete unbedingtes Vertrauen verdient, Die grossen, mehr als einen Grad in Breite und Länge betragenden Differenzen zwischen den früheren Karten und den Beobachtungen des Lieutenants Lister Maw über die Lage von Moyobamba und Chachapoyas und denen des Hrn. Pentuanp über viele Orte in Hochperu und . Bolivia bringen zur Evidenz, dass eine genaue Bestimmung der Länge der einzelnen Beiströme und des gesammten Amazonas vorerst unmöglich sey. Unter diesen Verhältnissen glaube ich für die Messung des Stromgebietes, die von Weıss entworfene Generalkarte von Südamerica, unter Beziehung auf die Verbesserungen in den beiden von Hrn. Schwarzmann und mir dazu entworfenen Cartons zum Grunde legen zu dürfen. Ich habe diese Messung mit einer Zirkel- Oeffuung von ı5 Minuten (—=% Grad oder 5 Lieues) angestellt, glaubte jedoch für die Krüm- mungen des Stromes ein Dritttheil der gefundenen Lieueszahl nur bis zu der Einmündung des Ucayale, von dort aber bis zu den Mündungen in das Meer nur ein Achttheil hinzufügen zu dürfen, indem die Krümmurigen des Stromes von hier an, wo er eine sehr beträchtliche Breite gewonnen hat, schon in jene Zirkelöffwing fallen dürften, sobald man, namentlich im untern Theile von einem Ufer an das entgegengesetzte misst, Es ergeben sich sonach folgende Längen : Von der Quelle des Marannon aus dem See Hiauricocha (10° 30° s.B, 78° 30‘ w.L. P.) bis Tomependä 115 mit dem Dritttheile 1534 Lieues (20 = a von da 574 L. nach Borja im Ganzen ı724 „ „ „ 230 » » 424 L, zur Mündung des Guallaga 215 „ y, “ 286% : » » 50% L. zur Mündung des Ucayale 2654 „ ” 354 ; Pe zur Mündung des Napo 2903 mit dem Achttheile 3874 en “ nach Tabatinga 331% „ ,„ 433% : nn 80% + 2 nach Fonte Boa 4ı2 „ 524 ”»» 363. zur Mündung des Tefle 4484 „ 9» „ 564% »„»mo L zur Mündung des RioNegro 5584 „ 9» ” 6885 u 1023 L: & ‚ nach Obydos 6608 „ ” 804 » » 20 LE. zur Mündung des Tapajöz 6805 4». 3265 N Sn > nach Almeirim 730& 5 „ 882 » was UiD)ECHAllllh parand, der Uaranapu und Manhana sind Canäle, die vom Amazonas abgehen und der Manhana geht wieder in ihn zurück, nachdem er sich in einer kleinen Strecke mit dem Auatiparand vereinigt hatte.‘ Von dieser doppelten Mündung des Manhana habe ich nichts gehört, auch findet sie sich nicht auf der, von uns benützten, Harte des Snr, oa Costa, Was ich über die Bewegung der Gewässer in diesem Canalsysteme gehört habe ‚ist folgendes: Der Uaranapı hat das ganze Jahr hindurch eine sehr ruhige Strömung vom Solimo&s her und führt dessen weisslich trübes Gewässer in den Yupurd. Gleiches gilt auch vom Manhana; aber der breite, flussähnliche, vielgekrümmte, Auati -parana soll, nach dem mir von den Indianern gegebenen Berichte, während der höchsten Wasser des Yupurd (im Juli und August) die mit dem niedrigsten Wasserstande des Solimo&s zusammenfallen,, die Wasser des Yupurd, aus-, in der übrigen Zeit aber die Wasser Solimo@s einführen. (Vergl. Anhang $, 21.) Die sogenannten östlichen Mündungen des Yupurd: Uanand, Copeyd, Jugaras und Cudayd, sind Mündungen von Seen, welche innerhalb des Festlandes durch einen, dem Strome parallelen, Canal mit einander communieiren, Sie führen zum Theil schwarzes Wasser und nehmen nur wenig an den Anschwellungen des Yupurd Theil, mit dem sie ebenfalls durch lange Canäle in Verbindung ste “hen. Der Sprachgebrauch der Anwohner pflegt die Natur solcher Canäle, die stilleres Wasser. füh- ren, und ohne eigenen Quellen ganz von den Zuflüssen abhängen, mit dem Worte: Furo oder Pa- rana-mirim d. i. kleiner Fluss , zu bezeichnen, # er # 1354 1829; die erste Reise, welche nach der unsrigen auf dem Amazonas ausgeführt wurde) giebt die Breite an der Vereinigung des Guallaga mit dem Marannon zu einer (engl.) Seemeile, die des Hauptcanals zwischen Ourarinas und Puypange von einer halben bis zu einer Sache wechselnd, die von der Mündung des Napo zu 4 Seemeile und die des Marannon unterhalb is Urea im Hauptcanale im Durchschnitt zu einer Seemeile an. Zwischen Tabatinga und Fonteboa breitet sich der Strom, nach Da. Srıx’s Angaben, im Allgemeinen auf eine Stunde aus, und besonders an letzterem Orte erreicht er eine sehr beträchtliche, selbst auf den portu- giesischen Karten dargestellte, Ausdehnung. Zwischen Ega und der Vereinigung mit dem Rio Negro rechnet man gewöhnlich eine Legoa Wegs vom einen Ufer zum andern, und der Haupt- canal (Mai do Rio) mag selten weniger als 800, gemeiniglich 900 bis 1000 Klafter Breite haben, . Schon hier ist die Ansicht des Stroms wahrhaft majestätisch; obgleich die Landschaft niedrig und einförmig ist, bringt doch das Bild einer so mächtigen, ringsum bewegten Wassermasse einen grossartigen Eindruck hervor. Diese -Verhältnisse wachsen weiter stromabwärts nach der Vereinigung des Negro und des Madeira. In der Strömung von Jatauarana, wo die Gewässer mit höherem Wellenschlage- an dem steileren Ufer vorüberziehen , dürfte die Breite eine volle Lieue betragen; und in gleichem Verhältnisse nimmt die Ausdehnung’ gegen O. hin zu. Die Brasilianer schreiben dem Strome die grösste Breite bei Sylves und Faro zu, und allerdings liegen beide Villas, die erste fünf, die andre neun Lieues vom südlichen Ufer des Stroms ent- fernt; man darf aber die Canäle, welche, vom Körper des Amazonas nach N. laufend, die Seen von Saracd und Neamunda mit ihm, verbinden, nicht als seine nördlichen Ufergrenzen betrachten, denn sie hängen ganz vorzüglich von jenen grossen stillen Wasserbecken ab, und zeigen nur während der Hochwasser eine entschiedene Bewegung stromabwärts. Unzählig aa die. Inseln, welche zwischen dem Süsswassermeere des Amazonas zerstreut Ben Schon Lorzz Acusmee, der Tyrann, sagt in seinem abentheuerlichen Briefe an König Prise», dass der Strom mehr als tausend Inseln habe. Diese Zahl begreift aber schwerlich alle kleineren und unbeständigen Sandinseln. Wir müssen überhaupt, eben so. wie es der Sprachgebrauch der Indianer thut, Inseln im Hauptkörper des Stromes von solchen unterschei- den, welche durch die von jenem abgeleiteten Nebenäste oder durch die Bifurcationen der Bei- flüsse gebildet werden : die ersteren sind wahres Erzeugniss des Stromes, die letzteren Theile des Festlandes, durch die Gewässer bearbeitet, und verändert. Sandinseln (Prayas, Coroas) nennt der Indianer in der Tupisprache sehr bezeichnend Yby- cur (d. i. zerriebenes Land, von Mocui, ich reibe; das Wort kommt als Flussname auch im südlichsten Brasilien vor); höher liegende Inseln, mit festem Ufer nennt er, weilsie fastimmer bewachsen sind, wie die inselartigen Waldungen in denFluren Südbrasiliens, Cad- apoam (d.i. runder, convexer Wald; auf gleiche - "Weise ist das, als Ortsname häufige Wort Cama-apoam, Camapuam, eigentlich : runde Brust, ‚auf einen Hügel angewendet, gebildet). Die Inseln längs dem Continente (tupi: Yby- 3 db ‚Sea, ächtes Land), und von diesem durch Furos getrennt, heissen dem Indianer £ an einen: gewundenes Wasser), ein Ausdruck der eben so für das niedrige und umb pe: Festland am Ufer selbst gebraucht wird, Sind diese überschwemmbaren z hlammig, so nennt sie der Indianer Tijuca-paua, wörtlich : Alles faul. Die An- sicht der TR im Körper des Stromes bleibt sich im ganzen Verlaufe desselben , bis an = Grenzen Brasiliens, gleich. Sie sind niedrig, eben, ohne Felsen und de, während des = » | 41355 niedrigen Wasserstandes in Sandbänke auslaufend, welche durch das Hochwasser überfluthet werden, in der Mitte von einer eigenthümlichen , buschigen Vegetation und den weissstämmigen Ambauvas bedeckt, und nur selten sumpfig. Mehrere von ihnen haben eine deutsche Meile Länge, bei verhältnissmässiger Breite. Die vom Festlande abgetrennten Inseln, von viel grös- serer Ausdehnung, sind überall mit dichtem Urwalde bewachsen, und kommen in ihrem land- schaftlichen Charakter mit den benachbarten Gegenden überein. Man erhält ein Bild von der ungeheuren Ausdehnung des Amazonenstromes, wenn man den Flächeninhalt dieser Inseln betrachtet. Die grössten von ihnen sind die Ilha de Paricatuba mit 72, die Ilha de Topinam- baranas mit 442, und das, zwar am Meere gelegene, dennoch aber ringsum von süssem Was- ser umgebene Eiland Marajo mit 960 Quadratlienes Flächeninhalt, Marajoö allein also, wor- auf 10,500 Menschen wohnen, übertrifft die Schweiz mit 1,900,000 Einwohner, an Flächenin- halt. Die Tiefe des Stromes nur annähernd angegeben werden. Es ist schon von pe ra Conpanıne bemerkt a | er oft mehrere tiefe Rinnsale parallel neben einander ver- einige. Dieser Umstand, ferner die, Breite der Canäle zwischen den Inseln und die Strömung wachen das Geschäft der Sondirung nicht nur sehr mühsam, sondern auch gefährlich für den Experimentator , der ein schweres Senkblei an einer langen Leine nur mit beiden Armen regie- ren kann. Wir pflegten Behufs des Sondirens (tupi: Saang-typü) das Fahrzeug mit aller Kraft der Ruder gegen den Strom halten zu lassen; aber das Experiment missglückte oft durch Anschlagen des Bleies an das Fahrzeug, oder durch Bewältigung vom Strome, der das Gewicht hinausriss. Im Allgemeinen glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Tiefe des Hauptcanals unterhalb der Vereinigung des Yupurd mit dem Solimods ı5, unterhalb der Vereinigung mit dem Madeira bis Obydos unter gleichen, Verhältnissen 24 Klafter betragen möchte, Oestlich von Obydos, oder vielmehr von der Mündung des Tapajoz, nimmt der Hauptcanal ausseror- dentlich an Breite und Tiefe zu, indem die Inseln mehr Jängs der Ufer als in der Mitte des Strombettes vorkommen. Die Tiefe dürfte hier wohl 50 bis 60 Klafter betragen. In der Strom- enge von Obydos hat noch kein Senkblei den Grund erreicht, aber hier allein wäre es, wo man, mittelst besonderer Vorrichtungen , die Quantität des Wassers mit einiger Genauigkeit messen könnte, welche der Strom in einer gewissen Zeit vorüberführt. Angenommen , ee das Flussbette bei Obydos 869 Klafter Breite, in der Mitte 60 und am Ufer 20 Klafter T habe , so ergäbe sich für einen Querdurchschnitt des Bettes von einem. Fuss Länge ein Wasser- gehalt von 208,160 Cubikfussen. Die mittlere Geschwindigkeit des Stroms per Secunde zu 2,4 Fuss angenommen führte,er demnach durch die Enge von Pauxis in jeder Secunde 499,584 C, F. F Die Ei chwinlinkeit des Stromes ist, eben sowie die Tiefe, ein Verhältniss; über welches einzelne Beobachtungen keinen Schluss rechtfertigen. Die Bewegung der Gewässer ist nämlich nicht blos an verschiedenen Orten sehr verschieden, sondern auch während der hohen und höchsten Wasserstände wohl noch einmal so stark als bei niedrigem Stande, endlich ist sie- in der Mitte der Strombahn, wenigstens noch einmal so stark, als an den Ufern, - überdiess ei Gewä e ärts nothwendig eintreten muss. Nur in wo überdiess eine Bewegung der Gewässer stromaufw. & der Mitte des Hauptcanales verursacht sie einen Wellenschlag ron Prsrächtlicher Höhe CroR ein bis zweiFuss), undeben so wird die Bewegung stürmisch, wo sich ilir örtliche Hemmpsg Vorsprünge- des Ufers,, hineingestürzte Bäume u. dgl. entgegenstellen ; anpperdin erscheint 20 namentlich längs der Ufer sehr ruhig und gleichmässig, und es giebt sogar viele Seitencanäle 5 rd 1356 des Stroms, wie z. B. der von Aguiqui', welche durch viele und enge Windungen die Bewe- . gungen auf einen Grad hemmen, dass sie vielmehr todten Gewässern, als dem gewaltigsten der Ströme anzugehören scheinen. Mächtige Strömungen nennt der Indianer in der Tupi: Tipaguend, dagegen die stillschleichenden Canäle: Ygarape- jaküma-tyman, d.i. Canal, da kein Steuerruder Noth thut. Folgende sind die Beobachtungen , welche wir über die Geschwin- digkeit der Strömung und zwar immer in geringer Entfernung vom Ufer (denn in der mittelsten Strombahn ist kein Experiment möglich) angestellt haben: =E- Er © 2 5 Monat und Ort. cr Monat und Ort. FE i=5 Sg 5 | Ei As ar Fuss R Fuss August, im Canale Igarap& -mirim (aus- Novbr. \.; . “ m eigentlichen Stromge- Decb S ee . biete des Amazonas) ı8 | März bei Ega (Hochwasser) 73 Septbr. beiGurupd, am Ufer des Amaz.| 46 April bei Almeirim 40 „ unterhalb Santarem 7 „ bei Santarem 4 n bei Obydos, oberhalb der Enge} 49 „ bei Obydos (in der Enge) 76 Octbr. bei Parentim 32 3. bei Gurupä 52 = ei Topinambarana 29 > im Canale Tagipuru 48 „ an der Küste Jatauarana 45 ; Die Geschwindigkeit des Amazonas würde ‚sich im Mittel aus allen diesen Beobachtungen = 0,775 Fuss für die Secunde ergeben, aber diese Annahme wäre zu geringe, weil die Mehr- zahl der Beobachtungen in niedrigen Wasserstand fällt, und weil sie sich alle nicht auf die Geschwindigkeit in der Strombahn , sondern nur auf die längs der Ufer beziehen. Am meisten bleibt sich die Geschwindigkeit in der Stromenge von Pauxis gleich, wo wir sie = ı,2 in der Secunde gefunden haben. Diese Geschwindigkeit dürfte vielleicht für die mittlere längs der Ufer, und das Doppelte, also 2,4 in der Secunde, für die mittlere in der Strombahn ange- nommen werden. (Nach ve 4 Coxpamine führt der Marannon, wo er schiffbar wird, ein Ca- not in der Secunde 7,5 Fuss weit, eine sehr bedeutende Geschwindigkeit, stärker , als die vie- ler Alpbäche, welche nur 5 Fuss in der Secunde beträgt. Diese Beobachtung Conxvamne's hat veranlasst, dass die mittlere Geschwindigkeit des Amazonas — 7 Fuss in der Secunde ange- nommen worden, allein ohne Zweifel ist sie, im Allgemeinen, zu hoch. Lister Maw schätzt die Schnelligkeit der Strömung im Solimoes an ruhigen Stellen zu 3—4, an stark bewegten zu vier bis fünf engl. Seemeilen in der Stunde, oder 7,94 Par. Fuss in der Secunde, Als ich den ' Madeira im Monat März stromaufwärts schiffte, fand ich während der ersten zwei Tagereisen die Bewegung des sehr stark angeschwollenen Stroms — 20 bis 26 Fuss in der Minute, also mittlere Geschwindigkeit in der Secunde — 0,358 F. Srıx bemerkte im Rio Branco eine schr ring e Strömung; sie trug das mit 9 Personen bemannte Canot in drei Minuten nur 23 Rlafter weit, was auf die Secunde 0,27 Fuss Geschwindigkeit ausmachen würde. Die Schnelligkeit der Strömun ; des Rio Negro hängt übrigens nicht blos von seiner Fülle, sondern auch von der des Amazonas ab, denn wenn dieser voll ist, erscheint die Strömung von jenem sehr schwach, weil seine Gewässer durch den mächtigeren Strom aufgestauet werden. Im obern Theile er; Sr ERREGT %E Cospauise da beobachtete, wo der Strom sc 1557 Yupura betrug ‚die Geschwindigkeit, nach meiner Schätzung 5, 6 bis 7 Fuss in der Secunde; im untern möchte sie im Durchschnitte nur halb so gross seyn. Der Amazonenstrom hat also niemals die ausserordentliche - Geschwindigkeit des Canals Cassiquiari, der in einer Secunde 8— ıı Fuss durchläuft; aber er übertrifft darin die Donau in ihrem obersten Gebiete, von Sigmaringen bis Ulm, wo das Gefälle 4 Fuss auf die Secunde beträgt. (Die Strömung des Orenoco hat Hr. von HwmsoLor in der Mission Uruanä — 2 Fuss, bei Alta Gracia = 2, „3 F. und zwischen Munitaco und Borbon —= ı,7 F. in der Secunde gefunden.) & & Unter den örtlichen Verhältnissen, en: eigenthümliche Wasserbewegungen veranlassen , erwähne ich besonders desjenigen, wenn die vor die Mündung eines Canals geführte Wasser- masse in demselben nicht Raum findet, und nun, theilweise zurückkehrend, Wirbel (tupi: Hy- jebyra, d. i. umkehrendes Wasser) macht. Von dieser Art sind die verrufenen Caldeirdes (tupi: Hy-Coarana) an der obern Mündung des Rio Neamunda. Wo sich die Gewässer durch grosse Buchten (Enseadas, tupi: Sabad) hinbewegen, ist ‚die Strömung oft doppelt, ja dreifach; indem unmittelbar am Ufer die Wasser a aufwärts, weiter innerhalb des Stroms (tupi: parand-pyterpe) um so gewaltiger abwärts fliessen, und am Ende dieser gegenseitigen Bewe- gungen Sandinseln gebildet werden, um welche der Strom langsam herumwirbelt, Dr ı1 Conpamıng erwähnt (Voy. p. 153.) gewisser Wasserbewegungen an der Oberfläche und in der Tiefe, an der Küste stromaufwärts und in der Mitte des Bettes abwärts u. s, w., welche nur unter "Berücksichtigung „ des Einflusses der Ebbe und Fluth, und nach lang fortgesetzten Beob- achtungen erklärt und in ‚ihrer physikalischen Nothwendigkeit dargestellt werden können. Wie wäre zu wünschen, dass alle diese und ähnliche grossartigen. ‚Phänomene, welche hier con men, recht bald von Physikern untersucht würden! Gewiss, kein hydraulisches Verhält- nit möchte gedacht werden können, wofür sich nicht ın diesem ungeheueren Reiche des flüssi- gen Elementes ein Beispiel auffinden liesse, Ä Fr Die 290 von Obydos erhielt Jedasch eine gewisse Berühmtheit, dass ag Ebbe und Fluth Bis zu ihr verspürt werden, Obydos ; liegt am nö dlich eri Winkel einer ‚knieähnlichen welche der aus $.-W. herkommende Strom nach N. « O. und von da wieder nach S. 04 macht es empfängt daher die Einwirkung occanischer Wasserstände r ohne sie leicht weiter nach w. fortpflanzen zu können, Gewiss aber würden sich Ebbe und Fluth auch ‚hier nicht mehr ver- spüren lassen, wäre der Strom nicht in einen einzigen , sehr u Körper zusammengedrängt, *) Wollte man Sie . Geschwindigkeit d es Stromes Br seinem Gefälle Kesseheeii, ie ver- schiedenen mente mit zu betrachten, melche die Bew egung Alpen modifieiren, — wie den Widerstand der Ufer, die Reibung, die Aufstaüung und den Gegenden 5 Nebenflüsse u. s, w.,— so würde man eine Geschwindigkeit Een, die wenig enige ist, welche »z ı4 r wird, d. h, wo er-den Charakter eines Bergstro- mes aufgiebt; z. B. das G Gefälle Ne te )is zum Meere — 1,26 par. Fuss in derLieue ergiebt, (die Entfernung vom Meere zu 500 ‚ die Höhe 634. ‚par. Fuss Bee: c=2.WYhg,= 86 Fuss Geschwindigkeit per Secunde. “ Ebenso giebt das Gefälle von Ega (571 p- 43 hoch und 300 Lienes entfernt vom Meere) : | c=?2 v hg ı0 0,56 p» Fuss Geschwindigkeit in der Secunde. ß Fe e II. Theil. 172 1558 und dadurch geeignet, jede periodische Aufstauung und Absenkung der Gewässer darzustellen, Es ist auch die Veränderung hier schon sehr unbedeutend; sie ergiebt sich nicht etwa durch Hemmung oder Ausgleichung der Stromwellen in den Stunden der höchsten Wasser und durch plötzliches schnelleres Abfluthen in der Ebbe, sondern nur dadurch, dass der Wasserspiegel nach der bei Ebbe und Fluth gewöhnlichen: Gesetzmässigkeit au der steilen Küste steigt und fällt. Von Obydos abwärts erscheinen Ebbe und Fluth immer deutlicher, mit ihren täglichen, monatlichen und jährlichen Veränderungen; man braucht sie jedoch nur bei der Schifffahrt in den Canälen zu berücksichtigen. In Almeirim steigt die Springfluth drei Fuss hoch an. Die Indianer kennen die verschiedenen ISCHENRRBER dieser periodischen Bewegungen recht gut, und bezeichnen sie mit besondern Namen: Y. gapo- ac ist Springfluth (Agoas vivas) , Parana evike oder Oikd-agu, d.i. hereinkommender Fluss , das Fluthen , Parand caryca , d.ı. rinnender Fluss, das Ebben, und Ygapo pdo oder Tipdo d.i. aufgezehrtes Wasser , niedriges Meer (dgoas mortas.) Es scheint nicht uninteressant, auf solche Worte hinzuweisen, in denen gleichsam die Anfänge einer indianischen Physik verborgen liegen. Desshalb will ich hier auch der Hypothese der Indianer von der Entstehung der Flüsse erwähnen, Sie glauben nämlich, dass, wenn der Donner die Erde erschüttere, die Quellen im Sumpfe entständen. Der Sumpf und Schlamm der Flüsse und Seen heisst ihnen desshalb Hü-ava (Yglhaba) d. i. Wasservater, Wassermann, oder auch Jacarud- merim, ein Wort, das wahrscheinlich aus dem Jaca, im Guaranidialekte Fluss, und Arya, Grossvater, zusammengesetzt ist, und also kleiner Flussgrossvater bedeutet. Ich habe nun von einem der wichtigsten Verhältnisse, nämlich von dem periodischen Stei- gen und Fallen der Gewässer zu reden. Auch der Amazonas hat, wie der Nil, jährlich sein Steigen, seine befruchtende Ueberschwemmung und sein Fallen; und es ist natürlich, dass der wasserreichste Strom der Erde auch eine gewaltige Periodicität darstellen müsse. Uehrigens ist gerade die ungeheuere Ansdehnung seines Stromgebietes, vermöge welcher er fast m jedem Monate des Jahres, bald südlich bald nördlich vom Aequätor her, Hochwasser eines Confluenten ‘empfangen muss, die Ursache, dass die Maxima und Minima seines Wasserstandes nicht so weit von einander unterschieden sind, als es der Fall seyn würde , wenn er blos von der einen Erdhälfte Zuflüsse erhielte. Die Maxima und Minima fallen auch im Hauptrecipienten, wegen seiner grossen Länge, in derZeit beträchtlich aus einander. Der Marannon in Maynas schwüllt stark schon im Januar, der Solimo&s im Februar, der Amazonas unterhalb der Vereinigung des Rio Rap am höchsten Ende Merz und Anfang April an, Die Zuflüsse nördlich vom Aequator haben keinen so entschiedenen Einfluss auf das Steigen des Amazonas, als die aus Süden herkommenden,. Von allen diesen letzteren sei bedingt der Madeira am entschie- densten -das Steigen und Fallen des Hauptrecipienten, ja seine Periodicität fällt eigentlich mit _ der des letztern zusammen. Die andern südl. Zuflüsse, welche , eben so wie der Rio deS. u im November zu Br füllen sich schneller als der Madeira, weil ihre Uf grossentheils von Berge geschlossen sind. Die Anwohner des Amazonas zwischen der Barı do Rio Negro und Gurupä behaupten, dass das Steigen ı20 Tage daure; und dass gewöhnlich das. ‚dritte Jahr eine starke Ueberfluthung und damit erhöhte Fruchtbarkeit der Cacaobäume bringe. Sieypennen 'es das Anno de Safra (Erndtejahr.) Die Höhe, zu welcher ‘sich das Hochwa sser erhebt, ist nach Oertlichkeiten verschieden, Im Rio Negro steigt es ‚selten über dreissig Füss> m Branco auf 25, im. Tapajöz und Xingü auf 35, im Madeira bis jenseits der . Katarakten auf 38, im Solimoes und von da gegen. Osten auf 40; doch habe ich an manchen ” ‘ ö - r 1359 Stellen die Bäume 'selbst bis zu 50 F. Höhe über R7 niedrigen Stromstand mit Schlamm über- zogen gesehen, der von den Ueberschwemmungen zurückgeblieben war. Eine graphische Darstellung, welche ich hier beifüge, mag das wahrste Bild von der Periodicität des Hauptstro- % . y .. “ * * mes und seiner grössten Tributarien geben; zur Vergleichung ist auch der Orenoco darauf ver- zeichnet worden. e n Januar Februar März April Mai Juni Juli August Septbr. Octbr, Novbr. Dec. Januar Februar age u. Xingii |. ' 15 + ’ 2 he 4 Tapajda, Ni ; A Enns .. Ä « Madeira Orenoco ("".., Die durch diese Ueberschwemmungen an den Ufern des Stromes hervorgebrachten Verän- derungen sind so augenfällig, dass selbst die Indianer mit der Beschreibung der Ufer die Höhe des Wasserstandes zu bezeichnen gewohnt sind. Hochwasser nennen sie (wie die Springfluth) Ygapo-ocu oder Oje pypye oae, d.i. Alles ertrunken; niedrigsten Stand: Cemeyba pirera , d. h. gefallene Ufer (Barrancos eahidos) , weil dann die entblössten Ufer einzustürzen pflegen; den Zustand halber Stromfülle heissen sie Cemeyba pyterpe oder Tyriüme icud rupi), halbe Ufer (Meios Barrancos). Das Steigen und Fallen der Gewässer ist ein grosses Naturdrama; worin auch das Pflanzen- und Thierreich handelnd ‚auftreten. Sobald der Strom ‚in gewisser Höhe über die sandigen Inseln EEE u nd Schilf und Gräser bedeckt, welche so dicht, als wären sie gesät, einen hellgrünen Saum um dieselben bilden, so verlassen die Wasservög diese Orte, sammeln sich in grossen Schwärmen, und ziehen Jandeinwärts, oder dem Orenoco zu. Oede und schweigsam wird die Gegend, die vorher vom Geschreie der Kibitzen und Mö- ven ertönte, und Fische, sich der erweiterten Grenzen erfreuend, spielen da, wo früher die Krokodile ruhten, Capivaras (W asserschweine) und Tapire ihre Nahrung suchten. Schneller und stürmisch tritt endlich das Hochwasser über die unteren Ufergrenzen in die, Ueber- schwemmungen unterworfenen, Theile des Festlandes (des: Ygapo); die Bäume erzittern unter dem Drange der Fluth; Verwügtung und Untergang schreiten mit dem Gewässer. landeinwärts ; scheu flüchten die Thiere auf das höhere Coiineriä nur einzelne Vögel, wie der fasanartige Zigeuner (Opisthocomus eristatus , 11.), der die niedrigen Gebüsche bewohnt, und die krächzen- den Araras, auf den höc sten Bäumen horstend, verlassen ihre Wohnorte nicht. Inzwischen belebt das Gewässer die 1 ahrungssäfte der Pflanzen, und aus dem strotzenden Laube brechen - tausend Kelche hervor; während das schlammige Wasser um die Stämme spielt, überziehen sich die Kronen mit einem Schmelze der buntesten Blumen, und der ganze Ygapowald wird zu -_ 172% 7 # " R % 1300 einem geschmückten Wassergarten. Fische durchschwärmen jetzt diese beschatteten Gewässer, und viele entledigen sich hier in den tiefsten Gräben der Last ihrer Eier, aus denen die Brut vor Beendigung der Ueberschwemmung in den Hauptstrom zurückkehrt. Auch die Krokodile und die Flussschildkröten haben sich in dieser Zeit aus den Tiefen in die trüberen und beleb- ten Gewässer des Ygapo gezogen, wo sie die Begattung vornehmen; die ersteren häufen ihre Eier zwischen Moder und Uferschlamm an der Grenze der Ueberschwemmung auf; die Schild- kröten ziehen sich aus dem fliessenden Wasser in die Teiche und Seen, von wo aussie in den Strom zurückkehren, sobald die Sandinseln wieder entblösst worden. Auf der äussersten Höhe bleibt die Ueberschwemmung im Ygap6 nur wenige Tage stehen; die Wasser beginnen dann durch die Vertiefungen des Terrains wieder abzulaufen, und vier bis sechs Wochen nach dem höchsten Wasserstande treten die nun mit Schlamm überzogenen Waldflächen wieder aus der Fluth hervor; Gras und Unterholz sprosst üppig nach, und die Thiere, aus höheren Gegenden wiederkehrend , nehmen ihre alten Wohnsitze wieder ein. Die physischen Eigenschaften des Wassers, welches der Amazonas führt, unterlie- gen zwar einigen Veränderungen je nach seinen Perioden, jedoch nur im oberen Theile sind diese Veränderungen merklich. Dort ist das Wasser namentlich reiner, klarer und heller von Farbe während des niedrigen Wasserstandes, als während des Hochwassers. Im untern Strom- gebiete, vorzüglich von Obydos abwärts, ist die Farbe des Stromes, im Ganzen angesehen, schmutzig gelblich , wie das der Donau im Hochwasser ; der Solimoes dagegen führt. helleres, etwas in das Grünliche ziehendes, in den trocknen Monaten klareres Wasser, Die Bewegung des Amazonas ist so mächtig, und die Masse der Gewässer so gross, dass selbst die grössten Tributarien, wie z. B. der Madeira, dessen Wasser heller als die des Amazonas sind, oder . der dunkelbraune Rio Negro, eine Meile unterhalb ihrer Vereinigung gar keine sichtbare Ver- änderung hervorbringen. Im Glase angesehen ist das Wasser des Amazonas helle, und sobald die feinen, darin schwebenden Thontheilchen sich niedergeschlagen haben, vollkommen klar. Die Indianer nennen den Amazonas wegen seiner weissen Farbe, wahrscheinlich vorzüglich im Gegensatze ‘mit dem Rio Negro, Parand pytynga d. i. weisser Strom. Die Temperatur dieses Wassers haben wir auf dem ganzen Verlaufe unserer Reise nur wenigen Veränderungen ausgesetzt gefunden ; aus dem Strome geschöpft, da wo wir schifften, zeigte sie sich gewöhnlich gleich 21° R. Wir fanden sie fast gleichmässig bei höheren wie bei niedrigeren Ständen der Lufttemperatur , so dass der Einfluss dieser auf jene nur sehr geringe erscheint, wie denn über- haupt keine sehr beträchtliche Differenz zwischen den Temperaturgraden des Wassers und der Luft, deren mittlerer Stand = 22° bis 22,5° R. ist, bemerkt wird. (Die niedrigsten Stände ın der Luft, welche wir beobachteten, waren — ı3°, die höchsten, im Schatten, = 38° R) Eine Quelle bei der Barra do Rio Negro, welche zwischen dem Sandsteine aus dem Walde herabgeleitet wird, zeigte uns in zwölf, am Morgen um 7 Uhr angestellten, Beobachtungen fast gleichmässig die Temperatur von 19° R., so dass ich geneigt bin, diese Wärme als. die mittlere der Quellen in dem dichtbewaldeten Aequatorialgebiete des Amazonas anzune men. Wo seichte Wasserflächen den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, erhalten sie nicht selten eine ungewöhnlich hohe Temperatur, welche, wie die Indianer bemerken, jedes Thier daraus ver- scheuchet. Wenn wir manchmal nach seichten Buchten des Stromes gingen, um zu baden, hielten uns Er Indianer zurück, weil, wie sie sagten, das Wasser nicht schnalzte, (keine Fische % 1501 sich darin bewegten), also eine zum Baden zu hohe Temperatur habe. Wir fanden, dass Reau- mur’s Thermometer in solchen Wasserflächen auf 37° bis 40° stieg, Die Gleichförmigkeit der Temperatur des Wassers veranlasst die Indianer, das Bad als Schutzmittel gegen den Frost zu gebrauchen, welchen sie bei plötzlich erniedrigter Lufttemperatur sehr lebhaft empfinden ; desshalb besuchen sie es gerade bei Nacht, oder bei Sonnenaufgang, wo die Temperatur des Wassers relative am höchsten ist, Auch die grossen Tributäre des Amazonas zeigten uns in der Nähe ihrer Mändungen keine beträchtliche Verschiedenheit in der Temperatur ihrer Gewäs- ser, etwa mit Ausnahme des Rio Negro, der wegen seeartiger Tiefe vielleicht um einen GradR, kälter ist, als der Amazonas, Was die Reinheit der Gewässer betrifft, so hängt diese vorzüg- lich von dem Zustande der periodischen Fülle oder Leere ab; in der höchsten Anschwellung führen sie insgesammt schmutziges, von feinen Thontheilchen getrübtes, Wasser. Im Zustande ‘ der Leere ist der Xingu am reinsten, nach ihm der Tapajöz, beider Wasser ist im Glase kry- stallhelle,; dann folgen der Rio Negro, der Yupura, der Madeira, endlich der Amazonenstrom, Wir haben versucht, die Schwere dieser Gewässer mittelst eines Baum&schen Areometers zu messen, Folgende Verhältnisse sind das Ergebniss dieser Untersuchung. ; e u FE 3 o% 5 35,1 “ Orte der Beobachtung, » IE: DK . 2 & u. Fr & Akl oa Er <|.E 3° Xingü, bei Porto de Möz, ı0. Septbr. (Stromleere) 7 ai Tapajöz, bei Santarem, 31. Merz z 122,22 | Rio Negro, bei der Barra, 25. Octbr. 2. 17 Yupura, oberhalb der Mündung, 2. Merz (Strom vom Solimo£s her angefül lt) 84 |2ı, 7 | 1,0607 Madeira, eine Tagreise oberhalb: der Mündung, ı6. Merz (höchste r Stromfülle 9% | 21,35 | 1,0045 Amazonas, bei Obydos,, 30. Merz (Stromfülle) 8 j21,35 | 1,0588 mei bewegten Bei allen diesen Versuchen ward das Wasser aus der mittleren, am meisten gten, und desshalb auch unreinsten Strombahn geschöpft. Das Wasser des Amazonas ia rn 4 — Stunden in den schwachgebrannten Filtrirtöpfen (Jaros) BE = u. d 2 grössten Theil seiner feinen Erdtheilchen fallen. So gereinigtes Wasser > “ z 24 Baume’schen Areometers, oder ein specifisches Gewicht = 1,0360 , welches dem des Ma — „weines gleichkommt. Seine Temperatur geht dabei auf 15° bis ı8g° R. zurück; es m. 2 Be trinken, und wird, wenn. aus starkbewegten Stellen geschöpft, von den Anwohnern z . sünder als die weicheren Gewässer der übrigen e, namentlich des r 1b @ benachbarten Seen, gehalten. Die Indianer pflegen auf ihren Reisen das ce er m a wie es aus dem Strom geschöpft worden, zu trinken, was vielleicht ein nee ug rs + so häufigen und auf einen hohen Grad entwickelten , Wurmkrankheit seyn dü ee ich glauben, dass nur diese Krankheit endemisch am Strome sey, denn weder a. u” Rei- Fieber , noch Leberentzündungen und andere Krankheiten tropischer Länder be zZ senden, sobald einige Vorsichtsmaassregeln beobachtet werden; und auch die Anwohner beza FRE 1502 mit Krankheit viel öfter die Schuld ihrer eigenen Nachlässigkeit und Ausschweifungen, als des Klima. Während der trocknen Jahreszeit, d. h. vom Juni bis October, weht ein kühlender Ostwind ww ento geral) dem Strome entlang täglich wenigstens in den frühsten Morgenstunden , und am Abende reinigen heftige Donnerwetter und Platzregen die Luft. Die Nächte sind nie-. mals so kalt, dass die Temperaturveränderung die erhöhte Empfänglichkeit der Haut unange-' nehm afficiren könnte, wohl aber schadet der nächtliche Thau und der Nebel, denen sich zu entziehen, allgemeine Hegel für jeden Reisenden seyn muss. Die nächtlichen Nebel sind vor- züglich an den Seeküsten, wo sie schon manchen Schiffbruch veranlasst haben, und landeinwärts bis gegen die Stromenge von Obydos hin häufig; je weiter man aber von da im Innern des Landes nach Westen reiset, um so entschiedener gestaltet sich das Klima zu einem Continen- talklima.. Die, von dem milden Scheine des tropischen Mondes zauberhaft erhellten, Nächte werden heiterer und klarer, und die Atmosphäre verliert von ihrer qualmenden Feuchtigkeit. Die schlimmste Plage für die Reisenden bleiben daher jene dichten Schwärme von Stechfliegen, von deren furchtbarer Pein man in Europa wohl schwerlich eine richtige Vorstellung haben mag. Zwar scheinen die Winde einen Einfluss auf denZug dieser kleinen Harpyen zu haben, jedoch dürfte das Land von ihnen nur durch vermehrte Bevölkerung und Abnahme der Sumpfufer befreit werden können. Bei dieser regelmässigen Salubrität des Klima, bei den Naturverhält- nissen, welche die Schifffahrt auf dem grössten der Ströme begünstigen, bei dem reichen Wechsel von Anschauungen und Erfahrungen, die sich hier gewinnen a, ist es zu ver- wundern, dass nur so wenige Reisen auf dem Amazonas ausgeführt worden sind. Der ausser- landiihe Fischreichthum des Stromes gewährt: der Mannschaft überall frische und gesunde Nahrung (die Fische dieses Stromes sollen vor allen benachbarten wohlschmeckend und gesund seyn), und da bevölkerte Ansiedlungen nicht fehlen, so kann der Reisende in einem zweck- mässigen, d, i. sicher gebauten, nicht zu N chherss und gehörig verproviantirten Fahrzeuge eine Reise durch wenig bekannte, noch gleichsam im Urzustande befindliche, Gegenden mit. der Sicherheit und Annehmlichkeit einer europäischen Wasserfahrt machen, Die Fahrt strom- aufwärts wird am zweckmässigsten in der Nähe des Ufers gemacht, weil man, etwa einen hal- ben Büchsenschuss davon entfernt, weder von den Strömungen, welche durch herabgestürzte Bäume verursacht werden, noch durch untergetauchte Stämme , oder durch Einsturz drohende Ufer gefährdet wird. Geht man den Sirom abwärts, so ist der Weg in der mittleren Strom- bahn nur dann zu rathen, wenn man der Stärke seines Fahrzeuges vertrauen darf. Hier be- gegnet man. zwar keinen untergetauchten , wohl aber einhertreibenden Stämmen, und überdiess ist die Bewegung heftig. Sie kann wegen des kleinen und hohen Wellenstosses bei längerer Dauer das Schiff leck machen, was z. B. auf der Reise von Macapä nach Parä nicht selten zum Verderben der Schilleraschaf geschehen ist. Die grösste Gefahr bringen heftig und schnell eintretende Donnerwetter, wodurch, wenn man mit zu vielen Segeln fuhr , Uimschlagen des Schiffes oder , bei Bügeschtckfer Steuerung, Scheitern am Ufer eintreten kann, Diese Ge- „wilter kündigen sich selten im Voraus durch stärkeren Wind, wohl aber durch düstere Wol- kenbödeckung des Firmamentes oder durch die Erscheinung Kalon fahler Wölkchen amt Hori- zonte an, ‚Unglaublich ist die Wuth, womit sie den Strom empören, und ein solcher Sturm (Marezia, tupi: Jopumong-agü) hat seine Schrecken gleich dem auf hohem Meere, Die in- dianischen F ı verstehen sich so gut auf das Wetter, dass man, ihrem Rathe folgsam , nur selten Gefahr läuft. Am sichersten ist es, sobald ein Gewitter droht, in einer geschlossenen # z » u 1363 Bucht von niedrigem Ufer anzulanden, und das Schiff an starken, aber niedrigen Bäumen zu befestigen. Ein Strom, der, von keinen Fällen unterbrochen, mässige ‚Geschwindigkeit und grosse Tiefe verbindet, dessen waldige Ufer überall Holz und Kohlen liefern, und der durch zahlreiche Beiflüsse , so gross als die mächtigsten Ströme Europa’s, sich fast durch zwei Dritt- theile des südamericanischen Festlandes ausbreitet, scheint der Dampfschiflfahrt ein weites und glänzendes Feld zu eröffnen. Die mittlere Geschwindigkeit des Stromes = 2,4 F. per Secunde angenommen, würde ein Dampfboot die Kraft weniger Pferde nothwendig haben, um viele Centner stromaufwärts zu führen. Fahrwasser findet auch das grösste Dampfschiff nicht blos bis zur Barra do Rio Negro, wohin Schooner und Brigs häufig beordert werden, um Bau- holz zu holen, sondern bis weit jenseits der Grenzen von Brasilien. (Nach Lister Maw, a. a. ©. S. 445., wäre nur oberhalb der Mündung des Ucayale die Tiefe, mit welcher die Fahrzeuge im Wasser gingen, auf fünf bis sechs Fuss beschränkt.) Privatbriefe aus Parä haben mir gemeldet, dass eine Unternehmung mit Dampfschiffen durch nordameri- canische Capitalisten gemacht worden sey, aber sich nicht habe erhalten können, Aller- dings hat sie gegenwärtig mit vielen feindlichen Elementen zu kämpfen, unter denen der Mangel an Bevölkerung und an Handelserzeugnissen im Innern und der Mangel an Capitalien in der Hauptstadt des Landes obenan stehen. Ich habe im Verlaufe dieses Reiseberichts gezeigt, wie abhängig der Handel in Pard von den Zufuhren aus dem Innern ist, und wie sich die Kaufleute mehr durch eigene Commissionäre als durch Spedition vom Cametä, Santarem und den übrigen Villas des Innern die Landesproducte verschaffen müssen. Daher würde eine Schifffahrt, welche die langsamen Böte zwischen Barra do Rio.Negro und Pard zwei - ja drei- mal in der Zeit überflügelte, bei dem grössten Theile der Kaufleute höchst unpopulär seyn, und sich nur dann zum Vortheile der Unternehmer fortführen lassen, wenn diese auf eigene Rechnung hinreichende Aus- und Einfuhrartikel zur Befrachtung fänden. Welche glänzenden Aussichten eröffnen sich aber, wenn einmal die Ufer des majestätischen Stromes mit volkrei- chen Städten besetzt sind, wenn die westlichen Länder die Naturgrenze der Andes bezwungen haben, und Heerstrassen, von der Hauptstadt Peru’s an den Marannon geführt, das stille Meer mit dem atlantischen Ocean verknüpfeu ;, wenn die jetzt einsam- melancholischen der am Cassiquiari vom Rufe der Schiffer wiederhallen, welche aus dem Orenoco in den Amazonas hinabfahren, wenn die Katarakten des Madeira fahrbar gemacht, die Wasserscheiden von Agua- pehy und Camapudo durchstochen sind, und wenn dieselben Segel auf den Fluthen des ‚stillen Rio Negro, des majestätischen Amazonas, und weit nach Süden auf dem lebensreichen La Plata sich friedlich entfalten! Gerne verweilt der Blick des Menschenfreundes auf diesem Bilde einer schönen Zukunft, wenn Civilisation und Natur aus dem reichsten Lande der Welt geschaffen haben, wozu es alle Bedingungen in sich trägt: ein Vaterland glücklicher Menschengeschlechter, " bei denen Thätigkeit und Genuss sich gegenseitig belohnen. 1304 Reiserouten auf den Gewässern von Par& und Rio Negro, nach der Angabe der Praticos (Piloten), in portug. Legoas, deren 20, auf einen Grad gehen, ı) Von Parä.nach der Barra do Rio Negro: Parä bis Eintritt in den Igarape- - mirim 19 bis zur Bahia de Marapata 11 un „ do Limoeiro 5 — Marauarüu auf Marajö 14 Nebenrouten dahin: a. durch den Canal Carnapijo zur Espera der Bahia de Marajö 7 bis Villa de Conde EWA — 9» „ Beja 2'% — Bahia de Marapatä 9 b. Durch den Hauptcanal (por fora) bis Marauarü (bei gutem Winde in 24 Stunden) 32 — Eingang in den RE e (am Rio Parauarü) 10 — zum Amazonas wi den Fe 19 — Gurupa 13 — Carrazedo 8 — Villarinho do Monte .:& — Porto de Möz am Rio Zug) 7 "110 . — zum 'Amazonas durch den Canal Aquiqui 101%, — zum Eingang in den Canal Magoary 81% — »„» Ausgang des Canals Magoary 3 — u Eingang in den Canal Uruanä 3 — gegenüber von Monte Alegre 15 — Barreiras de Cuzari 3 — Santarem am Tapajöz 9 52 — Paricatuba 10 — Obydos : 13 23 * . Latus 185 Transport 1835 bis Mündung des Rio das Trombetas R.% — untere Mündung des Neamunda (Grenze der Prov. Para) b) — Parentim (Grenze d, Prov. Para) 6 — Topinambarana 4 1 Obere.Mündung des Neamunda 1 „ „ »„» Topinambarana 4 Untere » „ Canals Carara-acua 5 Obere & u Pen 6 Mündung des Rio Vatums g'% Erste Mündung des Saraca 10% Zweite " >> 5 6 Dritte » ” ” YA Serpa » Ne 4 Furo Aybu 5% Arauatö 2 Mündung des Madeira 10 67 67 Mündung des Uautäs vr Eingang in den Canal Matary Wir Ausgang aus d, „ = TA Ponta de Puraque - Coara 9 Mündung des Rio Negro 10 1 Villa da Barra do Rio Negro ; 35 35 Summa 305 Will man die Reise vom Amazonas in den So- limoes fortsetzen, ohne die Villa da Barra do Rio Negro zu berühren, so kann man auf der Südseite des Stromes durch den Canal Uaquiri fahren , ein Weg, der zu 23 Legoas gerechnet wird, 2) Is der Villa da Barra do Rio Negro auf dem Solimo&s nach Tabatinga ander are e Brasiliens, Villa_ da Barra bis in den Solimo&s . Furo de Guariba (bei Hochwasser ” kann ; man durch diesen Canal oder dürch ‚den Canal von are in den Solimods komme 2)‘ eg, Latus 81, Ten %% 8 Feitoria Imp. de Manacapurü Praya Goajaratyba , 12 Mündung des Rio Puruz ; Fr) des Cudaya wo Latus us 58 * . 1305 Transport 38 U: Transport 104'% Mündung des Canals Cochiuara ı Bis Ponta Paauary 11% | . = + ine 6 9 Mündung des Rio Yurua 20'% » Mamia 14 » Fonte Boa 6 Bis Bocca do Coari 5 » Mündung des R. Jutahy 14 (Von da nach Alvellos 4 L.) . 25"% . Ar R. Ica 28 Bocca do Coari bis Rio Catuä 23 „». Castro de Avelaes 7 Bis Rio Cayame 8 » $. Paulo de Olivenza 15 „ do Teffe ug ; 5 „ 5. Joze do Yavary 22 (Von da nach Ega ı L.) 36 » Mündung des R. Yauary 9 Bocca do Teffe bis Alvaraes 5 _». Forte Fronteiro de Tabatinga 2 123 Latus 1a Summa 22774 3. Von der Villa da Barra do Rio Negro, anfdem Rio Negro, nach S. Joze& dos Marabitanas, an der Nordwestgrenze Brasiliens. 7, Villa da Barra bis zum Eingang des Furo ’ Transport 98 Anavilhana, auf derSüdseite des Rio r — Thomar 10 Negro 21° — Lama Longa 3 Bis Igrejinhas E- 10 — 5. Isabel 17 —:: Airdo iS — Porto de Macarubi 18 — Moura 12 47 — S. Antonio do Castanheiro 14 — Mündung des Rio Branco 6 — 5. Joäo Nepom. do Camunde 3 — dCarvoeiro 2; — 5. Bernardo de Camanao 12 — Mündung des Caburi 4 — N, S. de Nazareth de Curiana 5% — Poyares 13 — Fortaleza de $. Gabriel 11% — — . Mündung des R, Uatanary 5 — 5. Joaquim de Coane 6 — Barcellos 2 32 -- Mündung des R. Icana 7 — Moreira 15 — 5, Joäo Bapt. do Mabe 10 — Mündung des R. Uariua 4| — Mündung des Rio Ixie 3 : Latus 98] — S. Joze de Marabitanas > 12: - aüs* 5223 1. Aufdem Madeira, von dessen Mündung bis.nach Villa Bella, Hauptstad “ von Mato Grosso. | Von der Mündung des Madeira bis Borba 24 . Transport 399 Bis zur Mündung des Rio Abuna 205 | Von Guarajüz bis Torres 33 — Vereinigung des Mamore mit d. Madeira ı6 Bis Pitas 17 — Vereinigung desMamor&mitdemGuapore 44 — Mündung des Rio Verde 8. — Forte do Principe da Beira 215: — Villa Bella de Mato Grosso 37 — Guarajüz 89 494 Latus 399 | Daher die Schiffahrt von Parä bis Villa Bella 764 Die Dauer der Reisen auf diesen Strömen hängt von der Grösse der Fahrzeuge und vom Winde ab, Den Weg von Para nach der Barra do Rio Negro hat man in kleinen Fahrzeugen schon in = Tagen gemacht, die gewöhnlichen Handelscanots brauchen 36 oder wohl gar 48 Tage; von Para bis Tabatinga 50 bis 60 ja 80 Tage; bis Villa Bella fünf, sechs bis sieben Monate. Für die Reise vom II. Theil. 2 173 * we 13066 Barra do Rio Negro bis $. Joze das Marabitanas rechnet man ein Monat, Stromabwärts ist, im Durch- schnitte, die Reise fast in der Hälfte der Zeit zu machen; wird aber durch das Anlegen der Fahrzeuge in allen Ortschaften verzögert, Der Wind ist für die Fahrt nach dem Sertäo am günstigsten in -den Monaten August bis November, \ . Rio das Amazonas. GEoGNOSTISCHER Ursersuick. Der Amazonenstrom wird in dem von uns bereisten Gebiete, nach seiner ganzen Ausdehnung, nur von einer einzigen Hauptgebirgs- formation, der des Sandsteins begleitet. Sie theilt sich in zwei Gebilde, jenes, welches wir in Minas Geraes und in Piauhy (in den früheren Theilen dieses Reiseberichtes $. 350. Aıı, 777. 780. 784. 803. 808.) beschrieben, und unter der Benennung Quadersandstein aufge. 3 führt haben, und in dasjenige , wälihen von ‚den neuern Geognosten mit dem Namen des Keu- persandsteins belegt wird *). R *) Bei der Benennung der ersien Formation folgten wir dem von Wersen begründeten, von H. v, Humnoror (Geognost. Versuch über die Lagerung der Gebirgsarten $. 201. u. 277., Cuviers Ansichten der Urwelt, II. S. 4.) gebahnten, und von vielen Geognosten, z. B. Lroswarn (Charakteristik der Felsenarten S. 648.) betretenen Weg, nicht ahnend, ‘dass bis zum Jahre 1831 diese Formation in den geognostischen Schriften aus der Reihe der Gebirge entweder ganz verschwinden würde, oder unter viel jüngere Glieder, wenn sie ihren Namen nicht verlieren will, sich versetzen lassen müsse, Wir haben den in Brasilien beobachteten Sandstein $. 350. und 411. unseres Reiseberichtes iden- tisch mit der Quadersandsteinformation in dem Obermain- und Regenkreise. des Königreiches Baiern, namentlich mit jener der Umgegend von Amberg gefunden, folglich denselben auch mit dieser Be- "nennung bezeichnet. Nun wird aber dieser Sandstein bei Amberg etc, (in Hrn, Kefersteins Tabellen der vergleichenden Geognosie $. 27.) mit dem Namen Liassandstein belegt; dagegen $. 31 bei dem . Grünsand wieder (abermals bei Amberg) und somit als ein jüngeres Gebilde dargestellt. Dieser Be nennung (Liassandstein) und Einreihung tritt Hr. Bove in seinem geognostischen Gemälde Deutschlands vollkommen bei, er beschreibt $. 250. u. ff. das Vorkommen des Sandsteines in der Umgegend von Amberg und bei Bodenwöhr, und begründet die Ansicht, dass das mit dem Namen Liassand- stein bezeichnete Gebilde dasjenige sey, was wir die Quadersandsteinformation benannten, Inzwischen entging Hrn, Bove& die Bemerkung nicht, dass sich der Lias durch abwechselnde Lager mit den Keu- per-Mergeln verbinde, und dass in manchen Gegenden zwischen beiden Gebilden weisse Sandstein- - massen vorkommen, die mineralogisch nicht vom Lias- (soll wohl Keuper-heissen) Sandstein zu trennen sind, so dass man gerne mit Conpırr und Havsmans den Lias nur als den obersten Theil des Heupers _ ansehen möchte. Der Uebersetzer des Systems der Geologie von Ure drückt S, 214. seine Meinung dahin aus: Hr, v. Humsoror bezeichne den Reupersandstein mit dem Namen Quadersandstein. Auf eine hnliche Weise spricht sich der Uebersetzer von Bakewells Grundriss der Geognosie, Hr, Hartmann S. 202. u. 203. aus, indem er bemerkt: dass Hrn. v,. Humboldts Quadersandstein waßgfecheinlieh zur : Keuperformation gehöre. Nachdem nun dasjenige Gebilde des Sandsteines, das wir Quadersandstein benannt haben, bezeichnet ist, so überlassen wir es den Geognosten, ob sie den von uns in Bra- silien gefundenen und für identisch bestimmten Sandstein, dem jetzigen Liassandstein, oder dem Reu- Er sandstein (nur nicht dem jüngern Grünsand) zurechnen, ‘und somit in jedem Falle, die Quader- 5 sandsteinbildung,, wie sie WERSER im Begriffe und Worte aufgestellt, und v, Humroror angenommen hat, aus der Reihe der Gebirgsformationen fallen lassen wollen oder nicht. Der sogenannte Qua- dersandstein herrscht vorzüglich in -dem östlichen Theile des Strombeekens; weiter gen W. bin, be- “ “ # An u A 1367 Die Erforschung geognostischer Verhältnisse unterliegt in diesem Gebiete besonderen Schwierigkeiten. Ein mit dichter Urwaldung bedecktes Land, das sich in unermesslichen Stre- cken zu keinem Hügel, geschweige zu einem Berge, erhebt, zeigt sein Gestein nur selten Zu Tage ausgehend; nur selten kommt es unter einer mächtigen Schicht von Sand, Dammerde oder rothem Thone, an den von, Flüssen und Bächen gebildeten Einschnitten, zum Vorschein. Bergbau wird in’dem ganzen Estado do Gram Parä nicht getrieben; Brunnen braucht man, we- gen des grossen Ueberflusses an Quellen und andern Gewässern, nirgends abzuteufen, und der Steinbruch von Mosqueiro bei Parä ist der einzige, der jetzt im Lande betrieben wird, weil die Gebäude im Innern nur aus Lehm, Zimmerung und Flechtwerk bestehen. Da man endlich alle Reisen in diesem Lande nur zu Wasser machen, folglich das feste Land wenig besuchen kann, so ergiebt sich, dass die geologische Constitution hier nur unter sehr beschränkenden r Verhältnissen erforscht werden könne, Das Sandsteingebilde kommt auch in diesem nördlichsten Gebiete Brasiliens unter drei Haupt- formen vor, nämlich als em ei hüssiger oft} j tig - vereinigter Sandstein, oder als ein ziem- lich kleinkörniger, meistens mürber, röthlicher, oder drittens als ein harter und weisser Sandstein, Die erstere Form, welche wir eben so in der Provinz Maranhäo, längs den Ufern des Itapicurü bis zum Meere und auf dem Eilande von Maranhäo selbst gefunden hatten, tritt längs dem Parä- und Amazonenstrome in grosser Ausdehnung auf. Wir fanden sie in der Umgegend von Pard, auf dem südwestlichen Theile der Insel Marajo, bei Gurupa_ und Almeirim zu Tage ge- hend; sie bildet auch die tafelförmigen Berge von Parü (vergl. deren Ansicht im Atlas und in Mart, Palm. t. 89.), welche, vollkommen isolirt von der Gruppe des Parim&-Gebirges, dem Nordufer des Amazonas, entlang hinlaufen, sich gegen Westen in die grasreichen Hügel von Monte Alegre endigend, gegen O. aber in die ebenen Steppen von Macapa herabsenkend. Die- selbe Bildung erscheint fast gar nicht unterbrochen auch an den Barreiros de Cuzari, an den ziemlich hohen Ufern des Tapajoz bei Santarem, auf der. von dichten Cacaowäldern besetzten und an den Palmenreichen Ufern des Canals Irarid; weiter gegen W. aber Insel Paricatiba, wird sie von andern Gebilden Be & unterbrochen: sie wechselt mitLagern von buntfarbigem, Mergel, von Thon, von einem sslichen kalkigen Sandstein oder mit der- zweiten Hauptform dem röthlichen Sandsteine, der vorzugsweise westlich von der Strömung von Jatauarana an, an den Wänden von Matary und Puraqus - Coara bis zum Rio Negro erscheint, von da sich längs den Ufern des letztern bis gegen Airdo fortsetzt und am Solimoes, so weit wir ihn be- schifft haben, bald in steilen Uferwänden , bald im Festlande selbst hervortritt.» Einen weissen, feinkörnigen, sehr krystallinischen und harten Sandstein, der übrigens sich durch kein Verhält- z ; * + sonders von der Einmündung des Rio Negro an, ändert er zum Theil seinen Charakter, und nähert sich in Farbe und Structur dem itzt sogenannten Keupersandstein , wie dessen Merkmale v, Kerra- stein (Tabellen 5.24. F.), v.Boue (Geognostisches Gemälde $.239.) und Harrmars (S. 195. in Bakewells Geognosie) u. a, m. angegeben worden, und wie wir ihn bereits $. 1288. bei dem Gebiete des Yupura im Allgemeinen bezeichnet haben. sondern nur als das oberste Glied der bunten Sandsteinformalion ansehen, Sandsteinformation dem letstern Gebilde beizuzählen seyn, 173 * so wird unsre brasiliani- “ sche, einstweilen Keuper genannte, — Will man aber den Keuper als keine selbstständige Formation, 1368 niss als einer andern Formation angehörend darstellt, haben wir bei Canomd zu Tage oh gefunden. Somit schliessen sich diese verschiedenen Abänderungen des Sandstkinai: im Ge- biete des Amazonas selbst unmittelbar an diejenigen an, welche ich oben (S. 1288 ffl.) als die Gebirgsbildung im untern Flussgebiete des Yupura geschildert habe. & ned FE I Q En PER (Quaders.) sind sehr mannichfach. Das eisenschüssige, thonige Bindemittel wechselt in violetter, brauner, röthlicher und gelber Farbe; die dadurch verkitteten Quarzkörner oder Trümmer erscheinen bald sehr fein und krystallinisch, bald abgerundet und von beträchtlicherm Umfange bis zu der Grösse einer Wallnuss. DasGe- ' stein ist bald sehr dieht und durch seine Härte zum Bauen geeignet, bald enthält es in Bla- senräumen Bolus, bald Thongallen oder grössere Trümmer eines ganz ähnlichen Gesteines, wel- Die oryktognostischen V che der Vermuthung Raum geben, dass das Gebirge selbst wieder einer theilweisen Regenera- tion unterworfen gewesen sey. Die zweite und dritte Form dieser Gebirgsbildung, der röthliche (Keuper-) und der weisse (Quader-) Sandstein, erscheinen in geringerer Manchfaltigkeit, blos ver- schieden, je nach dem gröberen oderfeineren Korne und derFarbe, dieam häufigsten ein blasses Fleischroth (ähnlich dem Sandstein von Heidelberg, von demersich übrigens sowohl geognostisch durch die Lagerungsverhältnisse,, als oryktognostisch durch den Mangel an Fellspath, unterschei- det), bisweilen aber auch Hellviolett, Graubraun, Grau und Weiss in mancherlei Schattirungen. ist*). Schichtung beobachtet man bei diesen Gebilden nur undeutlich, am ersten noch bei dem röthlichen ı und weissenSandsteine, wie ich diess z.B. von dem Sandsteine von Cupati (S. 1289.) angegeben habe. Das amcbänige Sandsteinconglomerat dagegen erscheint oft in grosser Mäch- tigkeit so flach und eben wie eine Tenne über grosse Strecken ausgegossen. Es liegt bald un- mittelbar auf dem Granite (drara - Coara am Y upura), bald deckt es den röthlichen Sandstein, bald wechselt es, diess jedoch i in geringerem Maasse, mit demselben ab. Auf Paricatuba und. nächst Obydos findet sich ein sehr feinkörniger, etwas kalkiger, sehr harter, rötblicher (Mer- gel-) Sandstein bald unter- bald oberhalb des braunen eisenschüssigen Sandsteins und mit . dem röthlichen quarzreicheren Sandstein wechselnd. Von untergeordneten Lagern giebt es in dieser so ungeheuer weit verbreiteten Gebir zehildung nur die von Mergel, farbigem Thon, Porzellanerde (vergl. $. 1176.) undbei Taguba - Coara am Tapajöz Schwefeleisen und Gyps. Die Lager von farbigem Then, oft in grosser Ausdehnung längs dem Strome erscheinend, sind das einzige Verhältniss, was der Monotonie dieser Gebirgs- bildung bisweilen einen angenehmen Wechsel verleiht. Ist das Wasser des Stromes im Fallen und treten die bunten Bänke zu Tage, so ziehen sie schon aus der Entfernung das Auge des Reisenden durch den Wechsel von Weiss, Gelb, Roth und Violett an, mit welchem’ sie über die Wasserflächen hervortreten. Die Ortschaft Serpa hat von den Indianern wegen der dorti- = Thonbänke den Namen Ita- -coalidra, d. i. gemalte Steine, erhalten. Rothe Ulerbänke: nen- ; j a we my Sothe Nüancen, Thonsch iefer bestimmten mich früher zu dem Ausspruche, dass der Sandstein, welchen $rıx von dem Ufer des Rio Branco mitgebracht bat, zur bunten Sandsteinformation vn Bhysiogn. des Pillanzenr. in Bra: un Si. ein mehr thoniges erdehiiier. und die Nähe von Onärsschiofeff Granit und E37 ie v; Su 1509 nen sie in der Tupisprache: Coara - piranga , rother Ort, gelbe: Taus, weisse: Taua- (Taba-) linga, eigentlich Gelb-Weiss. Diess sind oft sehr feine und theilbare Erdfarben, deren sie sich vielbeiihren Malereien bedienen. Der fasrige und dichte Gyps, welcher uns aus Taguba-Coara gebracht wurde, ist dem im Keupersandsteine ganz ähnlich, macht aber das Darüberlagern.-einex Kalksteinformation wahrscheinlich, welche ich selbst nirgends im Amazonenstromgebiete gese- hen habe. Auch die jüngern Lager von Schwefelkiesen und Baumstämme, die. mit Schwefel- eisen durchdrungen in Braunkohle übergegangen wären, dergleichen sich in dem Mergel am obern Yupura finden (S. 1289.) sind uns hier nicht vorgekommen. Als neuere Gebilde erschei- nen auch bisweilen, wie z. B. bei Obydos, Lager eines lila- und rosenfarbigen oder weissen Sandsteins, von schwachem Zusammenhange, dessen Bindemittel kalkig ist; an andern Orten eine ganz junge Breccie von Quarz, Sandeisenstein und Jaspis , in groben eckigen Stücken zu- sammengeb acken. re . Diess sind die äusserst einfachen geognostischen Verhältnisse, welche wir im Becken des Amazonenstroms zu beobachten Gelegenheit gehabt haben, Sie gewinnen nur dann an Interesse, wenn wir sie mit den benachbarten Gebirgsbildungen in Harmonie setzen können. Werfen wir aber einen Blick auf die angränzenden Landschaften im Süden, so mag es kaum zweifelhaft blei- ben,..dass die in der Provinz Piauhy herrschende Formation, ebenfalls ein röthlicher, sich zu Tafelbergen erhebender Sandstein, bald mit graugrünen Grasbüscheln, bald mit Palmreichen Sumpfwiesen und niedrigem Gehölze‘ bekleidet, gegen O. von der eisenschüssigen Sandsteinbreccie des Itapicurü und der Provinz Maranhäo bedeckt, sich gegen N. in dem (röthlichen) Keupersandstein ‚am Amazonas wiederhole. Die granitische , dichtbewaldete Gebirgskette der Ibiapaba, von Osten hergezählt, die dritte Cordillere , welche, theilweise der Küste entlang, durch das brasilische Fest- land hinziehen, scheidet, indem sie die südöstlichen Grenzen der Provinz Piauhy bildet, auch zwei in Klima, Naturproducten und landschaftlichem Charakter ganz verschiedene Länder. Was nörd- lich von ihr liegt, gehört eigentlich schon dem grossen Bassin des Amazonenstroms an, Wir waren durch den Pass dos dois Irmaös nur wenige Meilen nördlich über sie hinausgekommen, so trafen wir ausser einem Uebergangskalkstein, der bei Popoes de Cima, auf Gneiss gelagert, zu Tage ausgeht, nichts mehr als, dieselbe Formation des Keupersandsteins, und auf demsel- ben Gesteine wanderten wir, durch Palmenhaine und Sumpfwiesen , bis an den Fluss Itapi- curü. Am Flusse Tury sind i. J. 1818 Goldminen entdeckt worden, wir nichts Sicheres erfahren konnten; aber die vorliezenden Handstücke, welche das Metall a diegen in einem milchweissen oder grauen Quarz darstellen , schliessen die Möglichkeit nie aus, dass auch hier dieselbe Formation aufträte, In Minas Geraes erscheint ein Eisensteinflötz von grosser Ausdehnung, bald die Thäler ausfüllend, bald wie ein Mantel die höchsten Gebirgs- kuppen überziehend und fast überall goldhaltig. Dieser Formation, die dort Tapanhoacanga, d. i, in der Tupisprache Negerkopf heisst (vergl.I. 8.45 1.fl.), ist das eisenschüssige Sandsteincon-. glomerat des Amazonenbeckens häufig vollkommen - tor wie das Gold, auch der Magneteisenstein und der Eisenglanz, deren Bruchstücke dort ia ang cherlei Verhältnissen eingeknetet erscheinen. Diese Gleichartigkeit einer BOT. so gros- ser Erstreckung verdient um So mehr Beachtung, als damit immer mehr die, deu einigen Mes: guosten geäusserte, Ansicht abgewiesen wird, dass der Diamant und das Gold in einem ‚geneti- en schen Verhältnisse zu dieser Flötzbildung ständen, = E % e a ® E- R: * ar ; = über deren Formation ' ähnlich; es fehlen aber dem letzteren, so FEne 1370 Nördlich vom Amazonenstrome wird dieselbe Formation des Sandsteinflötzes von der,, vor- N züglich aus Granit und Gneiss bestehenden, Gruppe des Parime-Gebirges begränzt. Unter den Rollsteinen, welche wir aus dem Bette des Rio Branco aufgesammelt haben, befanden sich viele-sehr schöne braunrothe Jaspise und Thonschiefer; die ersteren möchten wohl ebenfalls dem Sandsteingebilde des Amazonengebietes angehören. Am untern Rio Negro lagert es hie und da über einem dem Weisssteine ähnlichen Quarzschiefer*), über Gneiss und Granit, deren runde Kuppen auch häufig unbedeckt zu Tage gehen. Im obern Gebiete dieses Stromes geht dieselbe Formation wahrscheinlich bis zu dem Isthmus von Javit@ fort, der die Wasserscheide zwischen dem oberen Orenoco und dem schwarzen Flusse bildet, und eben so möchte sie sich in dem Becken des Apure und des untern Orenoco wiederfinden**), wo sie übrigens nach des Hrn. v. HumsoLor Beobachtungen (Reise V. S. 549.) von einem dichten, dem Jurakalk verwandten Kalkstein und alternirenden Schichten von Mergel und blättrigem Gyps überlagert wird, Im obern Gebiete des Yupura tritt unter dem Sandstein ein Granit hervor, der hie und da, wie z.B. am Rio dosEnganos einen schönrothen Labrador in Zwillingskrystallen und statt des Glim- mers Hornblende enthält und somit zum Syenite übergeht (jedoch auch Quarz enthält). Der grobe Granit von Arara-Coara ist besonders schön und ausgezeichnet; er besteht aus silber- grauem Glimmer (Margarit) in grossen rhombischen Krystallen, weissem Quarz und fleisch- rothem Orthoclas.. Wie weit die Sandsteinformation dem Solimo@s entlang gegen Westen von Dr. Srıx beobachtet worden, finde ich in dessen Papieren nicht verzeichnet. Bedeutend mag der dunkelgraue, feinsplittrige sehr harte Sandstein von d»r Mündung des Rio Yavary, von der Westgrenze Brasiliens seyn; er gehört wahrscheinlich, wie ich bereits (S. 1196.) erwähnt habe, mehr dem eigentlichen Quadersandstein als dem Keuper zu. Aus dieser Gegend findet sich auch ein schwärzlichgrauer dichter Kalkstein in der Sammlung, ‘der ehemals zur Jurafor- mation, jetzt aber zum Liaskalkstein, würde gerechnet worden seyn. Die Südgrenze der Sandstein- formation im Gebiete des Amazonenstromes zu bestimmen, bleibt den Untersuchungen künf- tiger Reisenden vorbehalten. Nur soviel möchte ich aus den Berichten der Reisenden schlies- sen, dass jenseits der Katarakten, welche den Tocantins, den Xingü, den Tapajöz und den Madeira in ihrem Laufe unterbrechen, eine andere Formation auftrete, im Allgemeinen wahr- scheinlich die goldhaltigen Urgebirgsbildungen, welche den geologischen Hauptcharakter von Minas Geraes, Goyaz und Mato Grosso ausmachen. 2 Ein vergleichender Blick auf: diese südlichen Gegenden, aus denen der Amazonenstrom einen rossen Theil seiner Zuflüsse enthält, führt uns einige Thatsachen vor, die im schärfsten Wi- 1 A derspiele mit den geognostischen Verhältnissen imtiefsten Theile des N nas Geraes und S.Paulo ungeheure Lager, ja ganze Berge von dichtem Brauneisenstein und Magnetei- = *) Ich habe kleine Proben von diesem Quarzschiefer (vergl. S. 352.) und den übrigen Gesteinar- e ten des Amazonenstromgebietes dem Hrn. Lror, v. Buch mitgetheilt. Dieser grosse Geognost bemerkt über den erstern von Airäo, dass er schr grosse Aehnlichkeit mit dem Granit der neuen Gotthardt- strasse, zwischen Val Tremola und Hospiz, habe. - ee... n ® ; ae En **) „Ein Sandstein oder Conglomerat aus Geröllen von Quarz, Iydischem Stein und Kieselsehie- fer, die durch ein äusserst zähes, braun olivenfarbiges, zuweilen sehr hellrothes , thonig eisenhalti-- "ges Cäment vereinbart sind.“ Humb. a. a 0. ö : = = R 1 stehen. mMi- & = 1571 senstein; in diesen Provinzen, in Goyaz und Mato Grosso grosse Strecken mit eisenhaltigen(an Ei- . senglanz und Eisenglimmer reichen) Gebilden überdeckt, und sowohl in dieser Formation als in dem Quarzschiefer und in dem, aus seiner Zerstörung hervorgegangenen, Sande sehr bedeutende Mengen von Gold, überdiess auch den Diamant enthaltend, dagegen in dem tiefen Thale des Amazonas keine Spur von allen ältern Formationen und kein Metall in einer beträchtlichen Menge; — Steinkoblenformation in jenem Gebiete nur von geririger Ausdehnung, in diesem gar nicht, wohl aber die Kohle gleichsam organisch in einer ungeheuern Fülle von Waldungen hervorgetrieben, während auf dem grössten Theile jener, besonders der diamantreichen, Länder nur Grasmatten grünen; — endlich in dem Gebiete des Paraguay (Papageiflusses), nicht weit von da, wo sich die Wasserscheide zwischen ihm und dem Amazonas erhebt, ein unermessli- cher Reichthum an Kochsalz, das, mit jeder Ueberfluthung: der Ströme von neuem geweckt, aus dem Boden heryorwittert, (eben so wie diess längs dem Rio de $. Franeisco in seinem nördli- chen Gebiete und in einigen kaum perennirenden Flüssen von Ciarä und Parahyba do Norte der Fall ist), dagegen'am Amazonas keine Spur von Kochsalz, nur der identische Sandstein von S. Gongalo d’dmarante in Piauhy und von andern Gegenden dieser Provinz Alaun und andere Salze auswitternd: — diese Gegensätze geben Veranlassung zu vielerlei geologischen Hypothesen. — Jene vorgeschichtliche Geschichte, d, h. die Geschichte unseres Planeten und seiner Entwi- ckelungen und Umgestaltungen, fällt dem Naturforscher anheim, der aus den grossartigen Do- cumenten, die die Erde selbst aufweisst, wenigstens Vermuthungen wagen darf, dergleichen sich auch uns mancherlei bei’'m ‘Anblicke dieser verschiedenen Thatsachen aufdringen. Es ist eine allgemein verbreitete Ansicht, dass die neue Welt später als unser Continent aus dem Wasser hervorgeireten sey. Wenn gleich wir nun Grund zu dieser Annahme weder in den geognostischen Verhältnissen noch in den frühesten Spuren einer americanischen Urbevölkerung aufzufinden vermögen, so ist wohl schwerlich die Vorstellung abzuweisen, dass das Element des Wassers hier sehr gewaltig und in grosser Ausdehnung gewirkt habe, und zwar gilt diess ganz vorzugsweise eben von demjenigen Gebiete, das Gegenstand unserer Betrachtung ist, Die "Wasserbedeckung,, als deren Erzeugniss die gegenwärtige Formation anzunehmen ist, war of- fenbar nicht nur von ungeheuerer Ausdehnung, (sie erfüllte nämlich von dem östlichen Abhan- ge der Andes an das grosse untere Hauptbecken und die partiellen Becken bis zur Grenze des oberen Stromgebietes der Confluenten,) sondern ihr muss eine äusserst tiefe und gewaltsame Bewegung der Gewässer in ‚der Richtung des Amazonenstromes vorhergegangen er: durch welche eben alle übrigen Gebirgsbildungen vollständig zertrümmert, in den Ocean RUE führt und die tiefen Mulden gebildet worden sind, welche jetzt mit der Quader - und EU persandsteinformation ausgefüllt sind. Dafür sprechen: die ausserordentliche Mächtigkeit de Flötzgebildes, zwischen dem nirgends ein älteres Gestein hervortritt, ferner die seltsame Ver- tiefung vieler Gegenden, namentlich in der Nähe des Canals von Tagipurü und auf der Tal westseite der Insel Maraj6, wo genaue Messungen wahrscheinlich Puncte enflinden dürften, „die im oder unter dem Niveau des gegenwärtigen Meerstandes liegen, sowie endlich der grszliche Mangel von Trümmern und Rollfelsen als Theilen der benachbarten ältern BeRBaBen en, w e- der trachytische noch Urgebirgsarten der Andescordilleren oder der Parimegebirge erscheinen zerstreut an der Oberfläche der gegenwärtigen Gebirgsbildung im niedrigen Strombecken, > Amazonas... Sind sie vielleicht bei jener Flötzbedeckung in die Tiefe versenkt, oder sind sie in den Ocean hinausgeführt worden? Oder,‘ noch mehr, ist etwa das ganze Becken Er} " 1372 selbst vor der Flötzzeit nicht trocknes Land, sondern eine ungeheure Meerbucht gewesen ? Jene grossen , abgerundeten Granitmassen, ‘deren problematische Erscheinung in Oberbaiern und im nördlichsten Deutschlande man unter andern dadurch zu erklären versucht hat, dass sie auf Eisschollen herbeigeführt worden seyen, sind auch an dem benachbarten ein beobachtet worden (wir haben sie in einer weitentfernten Gegend, im Flussthale des Paraiba, gesehen); aber in dem Amazonasbecken ist nichts Aehnliches bekannt. — Auf derandern Seite dürfte auch: anzu- nehmen seyn, dass jene Flötzbildung, einmal aus der Wasserbedeckung niedergeschlagen, keine weiteren Katastrophen durch spätere Ueberfluthungen erfahren.habe; wäre diess der Fall gewe- sen, so würden spätere untergeordnete Formationen und eingeschwemmte Bildungen, organische Reste u. s. w. erscheinen, wovon bis jetzt keine Spuren gefunden worden sind. Offenbar sind nur die Bänke des plastischen Thones, Jie Lager eines lockeren, farbigen Sandsteins mit kalkigem Bindemittel oder eines aus Trümmern von allen diesen Gesteinen und aus Jaspis zusammengebackenen Agglomerates, ein Erzeugniss der letzten Zeit und also jünge- ren Ursprungs (Alluvionen); die Lager gefärbter Thone, der Porzellanerde, des Gyps, des fe- sten kalkigen Mergelsandsteins, welche mit dem Sandsteinconglomerate und dem röthlichen Sandsteine wechseln, gehören unmittelbar ‘der Flötzzeit selbst an, da das Gewässer oberhalb der niedergeschlagenen Formation bereits Abzüge nach dem Meere hin gefunden hatte. Diese Fluth hat nirgends Spuren von Kochsalz zurückgelassen, ja die Abwesenheit jener, an Höhlen. reichen Kalkformation, welche am-Paraguay zugleich mit dem unerschöpflichen Salzvorrathe in der Erdoberfläche erscheint, macht es wahrscheinlich, dass sie selbst nicht mehr gesalzen gewesen sey*). Auch von Schaalthieren des süssen Wassers findet man keine Spuren in diesem grossen Gebiete; vielleicht weil die Bewegung der abströmenden Fluth zu gewaltsam war, um Nieder- lassungen jener Thiere zu gestatten; wenigstens findet man sie auch in Europa an salcagh ‚Or- ten nicht die, einer stürmischen Wasserbewegung unterworfen, das Leben jener trä geschlechter nicht begünstigt haben mögen, während sie in tiefen ringsum geschützten T f den und Becken erscheinen. Spätere Bedeckungen durch den jetzigen Ocean mögen örtlich hie “und da statt gefunden haben. Als Zeugniss davon dürfen wir die Bänke von Seemuscheln und Corallensteinen ansehen, (Brebigods, tupi Senemby), welche im tiefsten: Thalgrunde, namentlich an der Mündung des Tocantins, erscheinen. Ja vielleicht ist auch der südliche Abhang des Parimegebirges einstmal von einem Binnenmeere bespült worden, wenn es anders wahr ist, dass sich am_Rio Branco Corallen finden sollen. — Alle Thatsachen zusammengefasst, erscheint uns denn dieses untere Gebiet des grossen ERITTR als ein solcher Theil unserer Erd- oberfläche, der nur wenige Katastrophen erlebt hat, und vielleicht gerade dadurch, hingegeben einer ungesiörten Ruhe, um so tüchtiger geworden ist, jene Fülle von organischen Gestalten aus seinem lebensschwangern Boden zu entfalten, die ihn als ein uralter, hoher und undurch-. dringlicher Urwald überschattet und im erinnal der manchfachsten Thiere belebt. Alle Or- is, Sala sich das Flötzgebilde in grösserer Tiefe nach unten eingesenkt hat, sind eben so ‚viele "Wassersammler geworden, die als Quellen oder Seen, genährt von den Fälle.der die weitverbreiteten Salinen am Jaurü und x gegenwärtig noch vom Ocean ' selbst ernährt. werden? Sie scheinen, obgleich tief im Festande, dech nicht sehr hoch über dem Ni- veau des Meeres zu a liegen. pr Pr 1573 Aequatorialregen, wiederum dem üppigen, von einer lothrechten Sonne begünstigten Pflanzen- reiche unmittelbar zur Nahrung gereichen, und mittelbar an der Auflösung des Gesteins zur Dammerde, mitarbeiten, die überdiess durch die Succession so grosser Pflanzengeschlechter ent- stehen musste. In dem, terrassenförmig abgedachten, Granit- oder Kalkboden der Provinzen von Bahia, Pernambuco u. s. w. bis gegen Ciard nach N. hin scheinen sehr gewaltsame Meer- fluthen die ‘Oberfläche in mehreren Richtungen ihrer Dammerde beraubt zu haben: nur eine dünne Schichte von Granitsand und Staub lagert hier in weiten Strecken auf den tafelförmigen „ Schichten des Urgebirges; und demgemäss vermag das wasserarmeLand auch nur auf den erha- y benen Gegenden, z. ‚B. der Serra Ybyapaba .h. im Tupi Alles-Land, zum Beweise, urn mehr kahl als bewaldet gev wesen ist), Urwälder hervorzubringen; der übrige, gleichsam gesc wä Bode ist mit darcn Weiden, oder mit Jdichtem Gestrüpp (Carrasco) und Niederwald (Ca ei ga deckt. Vielleicht haben ähnliche Katastrophen auch auf dieErzeugung desjenigen ne gewirkt, der gegenwärtig die Oberfläche des Minenländes von Brasilien in grossen Strecken überkleidet. Dort finden wir bald klaren weissen ‚Quarzsand über ausgedehnte Landstriche (Charnecas) ausgegossen, bald ähnliche Trümmer. einer ehemaligen kieselreichen Formation mit Moder und Dammerde zu einer quellenreichen Oberfläche vermengt, ‚die Palmenhaine, Gr matten oder niedrige, isolirte (Caa-apoam) Wälder hervorgebracht hat, „Wir fragen nun, a che grossartige und wir erbreitste Katastrophe solche Veränderungen eingeleitet, wie sie auf die Zertrüämmerung ursprünglicher Lagerstätten des Goldes a auf die Befreiung des Diamants ‚aus seinem Muttergesteine gewirkt haben mag; allein in der Gestaltungsgeschichte unseres Planeten, Das Steinreich, einfach und ohne Wechsel vor uns liegend ‚ erlaubt nur wenige Blicke indie Vergangenheit. — Diese Monotonie der. geognostischen nisse Brasiliens sticht seltsam gegen den Reichthum in den Gebirgsbildungen von Chile und Peru ab *). Wir sehen in Brasilien weder brennende Vulcane, noch einen Wechsel von plutonischen oder vulcanischen und neptunischen Bildungen, noeh durch besondere Thierüber- özeichnete Gebirgsformationen oder reiche Kohlenflötze. Aus der Periode des gewaltig- sten Bil. dungsdranges, der Uebergangszeit, sind keine Zeugen. vorhanden; die neueren Katastro- phen in der Flötzzeit haben ebenfalls nur wenige nderungen, aber diese in so grösserer Verbreitung zurückgelassen. Das vorweltliche Thierleben tritt uns fast ausschliesslich in den Deren jener Colgesen, des IMeBe ln TuDe von Paraguay , und der Mammuthe und Megalonyxe sm Schlammgrunde des granitischen Terrassenlandes von Bahia, Pernambuco und Ciarä entg ge N, ‚gleichsam als wären niedrigere Thierbildungen ‚hier.chemals entweder nicht zu Stande gekommeu, oder, durch wieder vernichtet, spurlos verschwunden. spätere Umwälzunge: Dir Nuskration IM GEBIETE DES AMAZONESSTROMES. Wir haben so eben von verschiedenen FEe> des Pflanzenreiches gleichsam im Beneeostnghen Sinne gesprochen, Dass die Yegeta- g Die höchsten Die von Peru, am See Titicaca, bestehen, nach Prstranp’s sagen; aus Grauwacken, Uebergangsthonschiefer , worin sich sogenannte Producte und Leptaenen finden, un Quarzfels. Im Allgemeinen ist die Constitution des westlichen Andesastes vulcanisch, die südöstlichen dagegen bestehen aus Uebergangs- und Flötzgebirgen : Grauwackenschiefer , Syenit, Porphyr , rothem Sandstein , steinsalzführendem Mergel und Gyps, Zechsteim. und Oolithen - Kalk. (Hertha, XII 8. 14.) II. Theil. 174 1374 tion am Amazonas als eine solche eigenthümliche FRE als ein selbstständiges, durch Naturgren- zen bestimmtes, Gebiet, eine Flora, zu betrachten sey, wird vorzüglich durch die Gegenwart vieler diesem Gebiete ausschliesslich eigenthümlicher Pflanzen bestätigt. Am meisten kommt die Flora des Amazonas mit der, durch ausıeEr bekannt gewordenen, des französischen Gujana überein, Eine aus- führliche Schilderung dieser Flora, besonders nach den einzelnen Pflanzenfamilien, welche hier Fe herrschen , welche wenig oder gar nicht auftreten, scheint jedoch ausser den Grenzen unseres Berich- tes zu liegen, und wir glauben bei den im Verlaufe der Reise gegebenen Nachrichten, mit Hinwei- sung auf die Vegetation am Yupura (S. 1285. ff), stehen bleiben zu können, Nur noch ein all. gemeinster Ueberblick mag hier seine Stelle finden. Im ganzen Verlaufe des Amazonas von W, ” nach O. wird er von Waldvegetation begleitet; nur im nordöstlichsten Gebiete, von Monte Alegre bis gegen Macapd, tritt statt dieser Waldung eine Wiesenvegetation, ähnlich der des Campo agreste in Piauhy, auf. Der Urwald ist überall von demselben Charakter: Bäume und Gesträuche, von ver- schiedenster Höhe, oft von Schlingpflanzen durchrankt, dicht, unregelmässig und’unfreundlich grup- pirt, von saftiggrünem Laube und dem manchfaltigsten Baumschlage. Als Regionen lassen sich unter- scheiden: die Hochwaldung des Festlandes, Ybü (Aegwü)-rete, auch Ybü-töra -, Cad; die des über- schwemmbaren Uferlandes , Cad-ygapo, oder Yby-hü-puüpe- Cad (Wald des Landes am Wasser); und die Flora der Sandinseln im Strome, Sie sind sowohl landschaftlich verschieden, als durch besonde- re Pflanzenarten charakterisirt. Im Hochwalde des Festlandes bildet sich die Vegetation bisweilen zu ringsum eingeschlossenen Waldwiesen um, welche von eigenthümlichem Buschwerke umgrenzt wer- den, und durch manche Gewächse wie durch den landschaftlichen Gesammtausdruck an den Pflan- zenwuchs in den südlichen Hochlanden erinnern. Diese Verschiedenheiten der Ländschaft mögen aus unsern Darstellungen in Mart. Palmae beurtheilt werden: die Uferwaldung Tab, 98.; der Urwald Tab, 33- 35. 44 45. 52. 60.; die Inseln im Strome Tab. 24.5 die isolirten Waldwiesen Tab. 22.58. Diesen letzten sehen die durch Menschenhand gelichteten und wieder überwach:.nen Stellen des Urwaldes, die sogenannte Capoeira srerdorben statt Cad -pirera, gefallner Wald) ähnlich, ® Die natürlichen Pflanzenfanilien lassen sich nach ihrem Vorkommen in diesem Gebiete Ges Ama- zonenstromes in drei Abtheilungen bringen: 1. in solche, welche dort durch Zahl der Arten und In- diyiduen vorherrschen, 2. andere, die daselbst nur schwach durch einzelne Gattungen und 3. in die- jenigen, welche gar nicht, oder durch verhältnissmässig sehr wenige Arten repräsentirt werden. 1) Herr- schende Familien: Hülsenfrüchter, besonders Mimoseen und Cassieen, Terebinthaceen, Mela- stomen, Myrtaceen, Chrysobalanen, Combretaceen, Rutaceen, Samydeen, B ombaccen, Ti liaceen, Bixinen, Jonidien, Vochysiaceen, Oxaliden, Ternströmiaceen, Guttibäume, Hypericinen, Meliaceen, Sapindaceen, Erythoxyleen, Ampelideen, Malpi ghiaceem Sapindaceen, Hippo erateen, Menispermeen, Dilleniäaceen, Amonaceen, Lo rantheen, Ru biaceen, Styracinen, Sapoten, Myrsineen, Apocyneen, Asclepiadeen ‚ Big noniaceen, Convolvulaceen, Sebestenen, Solaneen, Gesnereen, Acanthaeeen,Lorbeer- undMuscatnus® Bäume, Passilloren, Cucurbitaceen, Euphorbiaceen, Urticaceen, Piperaceen, Orchideen, Bromeliaceen, Aroideen, Smilacinen, Palmen, Gräser, Cyperaceen, Farn, Lye opodia- eeen, Lebermoose ‚Pilze. — 2) Minder häufig, jedoch durch mehrere Gattungen dder Arten repräsenlirt, finden sich: Rhamneen, Celastrinen, Salicarien, Turneraceen, Cacteen, Zygophylleen, Polygalen, ewächse, Araliaceen, Korbblüthen (Compositae, vorzüglich die Gruppe der Heliantheen), Ebenaceen, Gentianeen, Hydroleaceen, Heliotropiceen, Amarantaceen, Begoniaceen, Ari- » Nymphäaceen , Liliaceen , Amarylliden, Pontederien, Moose, Flechten. — 3) Sehr selten besonders“ unter der Rücksicht. des Reichthums der Familien an Arten überhaupt, erscheinen Ona Ss "+ 1575 gren, eigentliche Malvenblumen, Portulacaceen, Paronychien, Geranien, Valerianen, Jasminen, Po- lemoniaceen, Labiaten, Chenopodeen, Nyctagineen, Proteaceen, Salicinen (nur Salix Humboldtiana), Myricinen (Thoa), 'Thymelaeen, Restiaceen (Hyphydra), Irideen, Junceen, Von folgenden Familien habe ich gar keine Glieder angetroffen: Steinbrechpflanzeny; Escallonien, Ribesien, Crassulaceen, Leine, Nelkenartige, Ranunkeln, Kreuzblumen, Magnoliaceen , Caprifoliaceen, Glockenblumen, Dol- denpflanzen, Boragineen, Didymocarpeen, Lentibularien, Globularien, Plantaginen, Zapfenbäume, Birkenartige, Eichelträger, Cycadeen und Dipterocarpeen. Aus dieser Uebersicht geht hervor, dass es dort gesellige Pflanzen, die ausschliesslich ganze Landstriche überziehen, wie die Arten unserer Nadelhölzer oder die Salzpflanzen der asiatischen Steppen, nicht giebt. Repräsentanten der verschie- densten Familien stehen bunt neben einander; nur an den Ufern, wo Gräser, und auf den Sandin- seln, wo die Weide (Salix Humboldtiana), die Ambauva (Cecropia peltata) und die Mungüba (Bom- bax Munguba) in grosser Menge neben einander wachsen, ist ein Anklang an die nordische Monoto- nie bemerkbar. Ein Uebergewicht von Bäumen mit fiederblättrigem und mit sehr glänzendem, saf- tiggrünem Laube (Leguminosen, Rubiaceen, Laurinen) giebt dem Baumschlage bald einen zarten, wei- chen, bald einen glänzenden und üppigen Ausdruck. Der Landschaft fehlt übrigens aller Wechsel gross, artiger Ansichten in einem so ebenen Lande, das fast keinen Felsen, geschweige einen Berg aufwei- sen kann. Auch jene grottesken Formen, die Cactusgewächse und die Baumfarn, welche in den süd- lichen Gegenden so häufig vorkommen, treten hier zurück. Auffallend ist endlich vorzüglich der Mangel an Malvenblumen, Asperifolien, Cruciferen, Doldengewächsen,, Lippenblumen und Korb- blüthen. DieseGewächse, deren Organisation nicht sowohl baumartigen als kraut- und straucharti- gen Wuchs bedingt, scheinen in den heissen Aequatorialländern nicht begünstigt, wo eine lothrecthe Sonne ‚den Wuchs zu Bon Bäumen befördert. “ . r = % * = “ . * z “ 3 P 174 * 1376 Siebentes Rapitel. Torsten Aufenthalt zu Para, und Rückreise über Lissabon nach /München. x Von den Mühseligkeiten einer neunmonatlichen Reise in die Stille der einsamen Aossinha zurückgekehrt, konnten wir dennoch diejenige Ruhe nicht finden, welche unser schwacher Gesundheitszustand wünschens- werth nich hätte, Die Sammlungen, welche wir von dieser weiten Expedition zurückbrachten, dehnten sich, für die Verladung vorbereitet, zu einer uns selbst überraschenden Masse aus, und waren der Gegenstand der Bewunderung der Städter, welche vllhrenwieiss zu uns wallfahr- teten, um den Reichthum des ihnen selbst so wenig bekannten Vater- er zu betrachten. Auf der andern Seite fesselte uns immer noch die üppige Majestät dieses Aequatoriallandes, welches bei jeder Ex- eursion in die Wälder von Pard oder auf die niedrigen Inseln des umgebenden Archipels uns neue Merkwürdigkeiten darbot. Es ist ‚ Jedoch eine Eigenthümlichkeit dieser Gegend, dass sie, sich überall gleich in ihrem landschaftlichen Charakter, mehr durch die Stetigkeit Haltung und Harmonie der gesammten Natur beruhigt und beseliget, als durch Wechsel unterhält. Ich darf mich daher auf die bereits gegebene Beschreibung von Para und seiner Umgebung zurückbeziehen. Die stillen .Genüsse der Beschaulichkeit, welchen wir uns hingeben konnten, wurden Sure en Verbindungen, und am ı3. Mai, als. a ER 1377 am Geburtstage Sr. Allergetreuesten Majestät, durch eine allgemeine Festlichkeit unterbrochen, bei der die Bürgerschaft unzweideutige Zei- chen von Patriotism und Anhänglichkeit bethätigte. Bei dieser Veranlassung ward das neue Börsenhaus durch eine feierliche Rede des Handelsprä- sidenten eröffnet; die Truppen paradirten, die Kirchen füllten sich unter dem Schalle frommer Gesänge, und Alles stellte sich auf erfreuliche Weise in europäischer Form und Sitte dar, wie denn überhaupt die Bevölkerung von Para sich durch Annäherung an den europäischen Charakter auszeichnet, Der Convoi, womit wir nach Europa zurückkehren konnten, be- stand zus fünf Fahrzeugen, zwei Dreimastern (Galeras), zwei Brigs und einem bewaffneten Schooner, von der Regierung ausgerüstet, jene Kauffahrteischiffe zu escorliren. Wir mietheten uns zur Ueberfahrt in der Nova Amazona, einem neuen, wohlgebauten Dreimaster, ein, und liessen unsere nicht ohne Schwierigkeiten verpackten Sammlungen nach und nach an Bord bringen. Am 13. Junius sagten wär unseren zahl- reichen Freunden Lebewohl, und des folgenden Tages übergaben wir uns dem flüssigen Elemente, das uns aus der neuen Welt ins Vaterland zurücktragen sollte. Ich versuche nicht, die Gefühle zu schildern, da die. Anker gelichtet wurden, und wir mit schwachem Winde zwischen den hochbewaldeten grünen Ufern abwärts trieben. Der Weg durch den Canal von Para ist im obern Theile des Stromes für grössere Schiffe schwer zu finden, ‚denn der Fahrcanal ist enge, wechselt zwi- schen drei und fünf Klafter Tiefe, und das Ufer, mit gleichförmigem Walde bedeckt, bietet nur selten Merkmale für den Piloten. Unser Lootse, ein alter Indianer, richtete sich nach einzelnen colossalen Stäm- men von Wollbäumen, und führte uns ohne Unfall stromabwärts. Min- der glücklich war der Brig Vulcan, der schon am ersten Abend aufsass. "Zwar hat dieser Zufall wenig Gefahr, weil die Fluthen nicht heftig auf das Fahrzeug wirken, und der Grund nur schlammig ist; doch geschieht. es nicht selten, dass ein Theil der Last ausgepackt vverden muss, und die Weiterreise erst nach vierzehn Tagen mit einem andern # 1575 Hochwasser möglich wird. Man verlässt nämlich Para nur in hohen Woasserständen des Voll- und Neumondes, und geht mit jeder Ebbe, die, wie in den übrigen westlichern Gewässern, eine Stunde länger als die Fluth dauert, stromabwärts. Während der Fluth pflegen vorsichtige Schiffer sich jedesmal vor Anker zu legen. Bei dem Forte da Barra, das auf einer kleinen Insel im Strome liegt, werden die Pässe untersucht, und die ganze Schiflsequipage wird einem visitirenden Officiere vorge- führt. Nur langsam gingen wir auch am folgenden Tage den Strom weiter hinab, und als sich die Galera in der Nähe von JMosqueiro wiederum vor Anker legte, um die übrigen Fahrzeuge zu erwarten, hatten wir Gelegenheit, das americanische Continent noch einmal zu betreten. Der breccienartige braunrothe oder violette Sandeisenstein, welcher die Formation längs der ganzen Küste bildet, wird hier in dem königlichen Steinbruche (Pedreira real) auf öffentliche Kosten ge- ° brochen, und zum Verbauen in die Stadt geführt. Urwald hat früher die ganze Gegend bedeckt, aber gegenwärtig ist er in grossen Strecken gelichtet, und Pflanzungen von Mais, Bohnen, Cacao und Zuckerrohr liegen durch die "niedrigere Capoeirawaldung zerstreut. Diese üppige Gegend wird von indianischen und Mulattenfamilien bewohnt, deren Hütten, zwischen Bananen, Gojaven - und wilden Orangenbäumen, das einfachste Bild heiterer Armuth und Genügsamkeit darstellen. Hier, in der neuen Welt, ruhte mein Auge mit doppelter Freude auf diesem idyllischen Schauspiele. Es liegt etwas Versöhnendes in dem Gedanken, dass, allen Elendes ungeachtet, was der Europäer über den weiten Ocean hergebracht, dennoch hier eine, dem Urzustande des Menschen- geschlechtes verwandte Behaglichkeit, ein Naturleben möglich ist, wovon wir in dem. alten, geschichtlichen und verkünstelten Europa keine Spur und Ahnung mehr haben. Diese Indianer und Mestizen erinnern an den altindischen Spruch, dass das Leben unter Menschen .ein Feuer sey, nähme man viel von ihm, so verbrenne man; aber wenig erleuchte uns. Auf dieserBahn desLebens, durch die patriarchalischen Verhältnisse, hat der Genius der Menschheit die Völker nicht geführt: sie sollen durch die Civilisation zur Humanität hindurchdringen; darum finden wir nicht . 1379 stille Hütten, nicht harmlose Einfalt und Genügsamkeit auf dem Lebens- wege der Völker, sondern Brand und Blut, schreckliche Sühnopfer, die unser Geschlecht seiner Doppelnatur, dem Fluche und dem Segen seines Ursprungs, darbringen muss. Im Begriffe ein Land zu verlassen, worin wir fast vier Jahre der Thätigkeit und des Genusses verlebt hatten, das fortan der Gegenstand unserer literarischen Wirksamkeit seyn sollte, mussten wohl vor Allem gute Wünsche für sein Heil uns er- füllen. Von der Umgebung der einfachsten, gleichsam patriarchalischen, Lebensverhältnisse gingen wir im Geiste zu allen Stufen der Entwicke- lung fort, die sich durch das junge Reich in Bürgerthum, in Staat und Kirche erhoben haben, und ein heisser Wunsch beseelte uns, dass das herrliche, so reich ausgestattete Land nicht in gewaltsamen Zuckun- gen und Kämpfen, sondern in versöhnender Ausgleichung jener feindli- chen Elemente, die in jedem Staate liegen, langsam und sicher, dem Ziele seiner Vollendung entgegenreifen möchte. Zehn Jahre sind ver- flossen, seitdem wir Bräsilien verlassen haben, und während die furcht- barsten Erschütterungen durch alle Theile Europa’s bebten, während das Mutterland im Drange verhängnissvoller Ereignisse zu einer Ohn- der früheren Grösse Portugals in macht herabgesunken, welche von während die americanischen um so dunklere Schatten gestellt wird, Nachbarlande noch immer in den Wehen politischer Wiedergeburt kreissen, hat Brasilien sichere Schritte zur innern Gestaltung und Befe- stigung vorangelthan. Gross sind die Anlagen des herrlichen Landes, e enen selbst die bunte Mi- ‚der geistig beweglichen rüstigen Bewohner, d schung der Ragen zu Gute kommt. Allmälig fallen die Ketten, die, eine Folge des früheren CGolonialsystemes; den geistigen Aufschwung gehindert, die sittliche Kraft gebunden hatten; der Gesichtskreis erwei- tert sich im grossen Weltverkehre; ein edler Wetteifer begeistert die Jugend, die, zahlreich in Europa Kenntnisse und Bildung sucht; Patrio- tismus und Selbstliebe überwinden, gleichmächtige Triebfedern , “iR Abspannung ,‚ worein das Rlima Geist und Rörper gefesselt A; ein willenskräftiger und das Gute wollender Monarch steuert mutbig voran! | dieser Bewegung dich hingiebst; Glückliches Land, wenn du fortan 1330 dann führt dich dein guter Genius auf schönem und heilsamem Pfade zu einem sicheren Ziele! : Möchte Einer, der dir den bessern Theil seines Lebens geweiht hat, sich in seinen Hofinungen und Wünschen für dich nie betrogen haben! — — Unser Begleiter, der Brig Vulcano, war glücklich wieder flott ge- worden, und so ging der ganze Convoi, bei frischem Nordostwinde bor- degirend, in dem sich allmälig erweiternden Canale abwärts. Wir befanden uns am ı6,. Juni Mittags den Inseln das Guaribas gegenüber, welche, wie die ganze Küste, mit niedrigen Bäumen, vorzüglich mit Mangrovewaldung, bedeckt sind... Am Morgen. des 17. Junius hatten wir die Ponta do Carmo im Gesichte. Der Canal erweitert sich hier’ immer mehr. Das Wasser, von grünlicher Farbe, schmeckt in dieser Breite noch gar nicht gesalzen (etwa die grossen Solstitialfluthen aus- genommen); wir hatten übrigens schon in zwei Nächten eine Phospho- rescenz wahrgenommen. Das Licht zeigte sich gleichsam innerlicher, tiefer im Wasser, feiner und gleichmässiger zertheilt, als dasjenige, welches wir auf dem hohen Oceane wahrnehmen konnten. Grosse Feuermassen, die von Medusen und ähnlichen Thieren herrühren, er- schienen hier noch nicht. Das Wetter war feucht und trübe, so dass wir am ı8.Mittags die weissen Sandbänke nördlich von Salinas, ein ge-- wöhnliches Wahrzeichen der Schiffer, nur mit Mühe erkennen konnten. Gegen 2 Uhr hatten wir noch die Ponta de Taibu im Auge, und es war von nun an die Sorge unseres wackeren indianischen Piloten, diese Spitze in $.-W. zu lassen, um westlich von der Untiefe Baixo de 5. Joäo über den Strom zu setzen, und die Ponta de Magoary, den äussersten Punct der Insel Marajo, zu gewinnen. Diese Sandbank, von einer Seemceile Länge, ist äusserst gefährlich, denn in ihrer Nähe erhebt sich das Meer bei frischem Winde so furchtbar, dass ein auf- sitzendes Schiff in wenig Minuten -zertrümmert wird. Ein. kalter ‚Wind wär uns entgegen, so dass wir die Pontä de Meagoary erst-am fol- genden Abende erreichen konnten. Auf diesem Wege fanden wir das Wasser bereits etwas gesalzen. Hier verliess uns der Pilot; er bestieg 1581 sein kleines Boot, das ihn schon seit: mehreren Tagen erwartete, und entschwand, nach Salinas zurückkehrend, im Nebel alsbald vor unseren Blicken. Ehe noch die Nacht eintrat, verloren wir auch die Spitze von Magoary, das letzte Land, aus den Augen, und am nächsten Morgen sahen wir uns ringsum von Wasser umgeben. Seine hellgrüne Farbe und der verhältnissmässig geringere Salzgehalt bezeugten uns die ungeheure Wasserfülle, welche der Amazonas hier mit dem Ocean mischt. Erst am folgenden Tage fanden wir uns auf den dunkelblauen Fluthen des hohen Meeres. Unsere Wünsche, Neigungen und Hofinungen getheilt zwischen dem alten und dem neuen Continente, überliessen wir uns der Führung des sicheren, gut gebauten Fahrzeuges, und gaben uns allen jenen herrlichen Eindrücken hin, womit eine Schiffahrt auf dem tropischen Ocean Sinn und Gemüth bereichern kann. Leider wurden diese Genüsse bald durch unsere nächste Umgebung verkümmert. Wir be- fanden uns unter der Tyrannei eines Schiffcapitains, dessen Benehmen nur durch Geiz, Eigennutz und geflissentliche Nichtachtung aller sittlichen Verhältnisse geleitet schien. Man entzog uns unter dem Vorwande, dass die Reise anscheinend sehr lange dauern werde, den Gebrauch des Wassers und gewisser Mundvorräthe, welche wir auf eigne Kosten eingeschifft hatten, suchte unsere Sammlungen, besonders die von le- benden Gegenständen, zu beschädigen, und erlaubte sich überhaupt jede Art von Willkühr. Wir hatten den Kummer, zwei unserer indianischen Begleiter in Folge dieser Behandlung dahinsterben zu sehen, und wur- den beide selbst von Leberkrankheiten ergriffen. So glücklich daher in anderer Rücksicht unsere Seereise war, brachte sie uns doch viele schmerzliche Eindrücke. Nach zwanzig Tagen waren wir, ohne noch einmal Land gesehen zu haben, bis in die Parallelen von FWIOR nach Norden gesteuert; nach fünf und fünfzig passirten wir die BR der azorischen Inseln ‚ und am sieben und sechzigsten Tage hatten wir die Freude, das erste Gebirg Europa’s zu erblicken. Unsere Reise hätte viel schneller seyn können, wären nicht ee den übrigen Schiffen zwei schlechte Segler gewesen, die wir oft erwarten I. Theil. yig 1582 mussten. Uebrigens war die Reise von gutem Wetter begünstigt; in- nerhalb der Wendekreise hatten wir häufige Windstillen, und als wir aus jener Region des ewigen Friedens nach Norden steuerten, einige heftige Windstösse zu bestehen. In 24° nördlicher Breite und 32° w. L. v. P. berührten wir jene durch das Vorkommen des schwimmenden Tanges ausgezeichnete Gegend, das Mar de Sargasso. Grosse Haufen des braunen, vielverästelten Krautes trieben während mehrerer Tage dem Schiffbord entlang. Bekanntlich schreibt man die ausserordentliche Menge des Sargasso, welche in diesen Breiten den Schiffern begegnet, bald gewissen Rlippen im mexicanischen Meerbusen, bald Untiefen im hohen Meere zu. Mehrere portugiesische Seeleute haben mich versichert, dass der Meertang (Sargassum bacciferum und nalans, Agardh.) vor- züglich auf einer Untiefe in 24° nördlicher Breite und 28° w. L.v. P. wüchse, von wo er nicht blos durch Stürme und durch die Bewegung des Golfstromes, sondern auch durch Wallfische losgerissen wür de, welche sich auf den Klippen hin und herwälzten, um sich so Nahrung zu ver- schaffen. — Es war uns bekannt, dass das Meer von verkappten nord- americanischen Kapern wimmle, und der Capitain that sich viel auf den Kriegszustand seines Fahrzeuges zu Gute. Dennoch war Schrecken und Verwirrung auf dem Schiffe, als sich uns auf der Höhe der Azoren ein verdächtiges Schiff näherte. Es war ein grosser, sehr stark bemannter Schooner, der eine Kanone auf ringsum beweglicher Lavette und ein grosses A auf dem Topsegel führte, als wäre er'von Arrı6A. _ Er begleitete uns beobachtend zwei Tage lang, mochte jedoch sich dem ganzen Conyoi gegenüber nicht stark genug zum Angriffe glauben. Es war am 2ı. August, als wir mit einem unbeschreiblichen Ge- fühle die Küsten Europa’s vor uns sahen. Nach der Aussage eines SpA nischen Fahrzeuges, welches durch einen Kanonenschuss gezwungen wurde, sich zu nähern, befanden wir uns sechs Legoas vom. Cabo de Rocca, Bald darauf machte uns ein Kriegsschiff Signal; es war eine portugiesische Fregatte, die uns registrirte, eine Zeit lang beglei- tete und darauf, nach Angabe der zu nehmenden Richtung, verliess. 1583 Gegen Mittag trat uns die Rocca de Lisboa in N.-O. deutlich sichtbar aus dem duftigen Horizonte hervor: eine steile, kahle Gebirgskette, auf der wir Kirchen, Klöster und Leuchtthürme bemerkten. Auch von der grossen Basilika in Mafra, dem kostbaren Werke Jonann V., hatten wir durch’s Fernrohr eine flüchtige Anschauung. Wir befanden uns nun bald unter einem Schwarme von Schifferböten, die hier, am Eingange der Bucht von Lissabon, fischten. Sie bedienen sich sonderbar . gestalteter trapezoidischer und dreieckiger Segel, um sich bei ihrem Geschäfte in die Kappe zu stellen. Das Fahrzeug hat einen einzigen schrägen Mastbaum; das Netz wird an zwei grossen Seilen ins Meer gelassen, und die Mannschaft ist gewöhnlich in grosser Anzahl, fünfzehn bis zwanzig Personen, in einem Boote (Muleta)., um diese Arbeit vor- zunehmen. Diese Fischer sind zugleich verpflichtete Lootsen, die Schiffe um 6400 Röis hereinzuführen, und die Zahl dieser Praticos wechselt . nach einer gewissen Vorschrift. Fast betäubt von dem lärmenden Ge- schreie und den groben Scherzreden dieser Kinder Neptuns, — Stiefel- männer, Homens das botas, nennen sie die Seeleute — näherten wir . uns der schönen Küste Portugals. Mit Recht rühmt der Portugiese die herrliche Lage seiner Hauptstadt. Längs der Bucht des majestätischen Tagus reihen sich Wohnungen und Befestigungen ununterbrochen aneinander; darüber grünende Weinberge, Erndtefelder , trockne, un- bebaute Höhen, aus denen hie und da fröhliche Pappeln oder düstere Am 23. August gegen Abend begrüssten wir Cypressen emporragen. von Belem, hinter welehem sich den colossalen, altgothischen Thurm der Palast da Ayuda und amphitheatralisch die Terrassen der Stadt, reich geziert mit Palästen und Tempelkuppen, erheben. So sahen wir uns aus einem Lande, dem die Geschichte fehlt, unter historische Denk- male eines thätigen Volkes zurückversetzt; wir fühlten uns PEORREAR Europa. Noch an diesem Abende wurde das Schiff von der Gesundheitscommis- sion besucht, und am andern Morgen standen wir, tief bewegt, au einem,’ im weiteren Sinne uns vaterländischen Boden. — Durch die Fürsorge des Hrn. Baron von PrerreL, k. bair. Ministers zu London, fanden wir die freundlichste Theilnahme von Seiten des Hrn. von BErKS, 175" 1384 kais. österreichischen Geschäftsträgers, vorbereitet. Wir bezogen ein deutsches Gasthaus, und brachten von Hrn. Lınpengers, dem hansea- tischen Consul, und mehreren theilnehmenden Laandsleuten unterstützt, unsere Sammlungen in das Zollhaus (Casa da India). Schon wollten wir uns der Betrachtung des schönen Lissabons und dem Umgange mit seinen Gelehrten hingeben, als plötzlich eine politische Katastrophe eintrat, welche unsern Plänen eine andere Richtung ertheilte. Am 24. August erklärte sich eine Junta zu Porto unabhängig von der Regent- “ schaft zu Lissabon. Wir gaben eben bei zweien der Mitglieder der Regencia, dem Grafen PALMELLA und D. Mıcueı Forsaz Pereira Cov- TINHO, unsere Empfehlungsbriefe ab, als diese Nachricht, in der Haupt- stadt angelangt, Alles in Gährung und Schrecken versetzte. Viele Staatsdiener, darunter fast alle Gelehrte, mit welchen wir Verbindun- gen anzuknüpfen wünschten, verliessen Lissabon, alle öffentlichen An- stalten wurden geschlossen , und: als am ı5. September auch die Haupt stadt sich für die neue Ordnung der Dinge erklärt hatte, und eine neue provisorische Regierung eingesetzt worden war, mussten wir uns über- zeugen, dass in dieser Krise nichts für unsere literärischen Zwvecke zu thun, und rathsam sey, Portugal so schnell als möglich zu verlassen, Nur nach vielen Unannehmlichkeiten und Beschwerden gelang es, die Sammlungen aus dem Zollhause zurück zu erhalten, von wo aus wir sie auf einem österreichischen Fahrzeuge nach Triest absendeten. Am ı0. October verliessen wir Lissabon, und schifften über den . Tagus nach Aldea Galega, am Eingange der Provinz Estremadura, wo wir zwei ofline Galeschen, das hier gewöhnliche Fuhrwerk, miethe- ten, die uns über Elivas an die spanische Grenze bringen mussten. Die kahlen Sandfelder und Heiden von Portugal waren ein unerfreulicher Anblick für uns, an die Fülle einer tropischen Natur Gewöhnte; aber noch unangenehmer empfanden wir den Mangel an Bequemlichkeiten in den ärmlichen Orten, durch die uns der Weg führte. Brasilien, die jugendliche von der Natur so reichlich ausgestattete Colonie, gewann im Vergleiche mit der Verödung,, Entvölkerung und Armuth des 1385 Mutterlandes, das noch überdiess eben jetzt vom Hauche eines für uns doppelt rauhen Herbstklima getroffen wurde. Wir begegneten hier derselben Sprache, denselben Grundzügen des Nationalcharakters, aber dennoch erschien uns. Alles, im Reflexe europäischer Naturverhältnisse, europäischer Völkerverbindung und Bedürfnisse ganz anders, Diese Vergleichung würde uns Stoff zu weitläufligen Erörterungen darbieten; allein wir beeilen uns, den Faden unserer Erzählung ablaufen zu lassen. In Badajöz, der ersten spanischen Stadt, trat uns ein anderes, dem ‚Deutschen verwandteres Volk entgegen: minder feine Gesichtszüge, der-" berer Körperbau, statt: des feinen Lippenspiels, eine tief aus der Brust hervorgeholte, voller tönende Sprache , manche Anklänge an deut- sche Sitten. Ueber Merida und Truxillo, der Vaterstadt der Conqui- stadores Pızarro, fuhren wir, oft bedroht von Wegelagerern und: bei rauher Herbstwitterung jede Unwirthlichkeit Spaniens empfindend, nach Madrid, wo wir am 25. October ankamen. Durch D. Feuıre Bavza, den wackern Begleiter des unglücklichen Marasrına, der uns als Mit- glied der baierischen Akademie verbunden war, mit Luzurıaca, Ro- Drıcurz, La GascA, Pavon, Roxas CLEMENTE und andern würdigen Ge- lehrten bekannt gemacht, genossen wir hier einen literärischen Ver- kehr und erfreuten uns vielfacher, besonders geographischer, Mitthei- lungen, deren ich hier dankbar Erwähnung thun muss. Das Madrider Naturaliencabinet enthält, ausser vielenandern Merkwürdigkeiten, unter de- nen das Skelet des Megatheriums von Buenos Ayres, des grössten, jetzt untergegangenen Säugthieres, an Umfang wie an Seltenheit hervorragt, auch viele Documente von der Volksbildung des alten Mexico und Peru: Urnen, Lampen, metallene Waffen, Hausgötzen, Schürzen von Zähnen und von Silberblättchen, Figuren von Gold und in Goldblech gedrückt, Diademe (Machapaichos) u. dgl. Diese Gegenstände, alle von Beinper Arbeit, entsprechen der hohen Vorstellung nicht, welche man, gemäss den ältesten Berichten, von der Civilisation jener Völker hegen müsste, Allerdings beurkunden sie eine höhere Bildung, als die, welche wir bei den Urbewohnern Brasiliens gefunden hatten; aber eine gewisse innere Verwandtschaft in der Cultur und dem Kunstfleisse zwischen ‚1380 jenen geschichtlichen Völkern und diesen, ohne Geschichte lebenden, Horden leuchtet deutlich daraus hervor. Um die Geschichte der Erobe- rungen, welche die spanische Nation in der neuen Welt gemacht hat, von dem eigenthümlichen Schmucke zu entkleiden, wodurch die ersten Geschichtsschreiber im Sinne des Jahrhunderts sie entstellt haben, möchte wohl nöthig seyn, vergleichende Blicke auf den Urzustand des ‚übrigen America’s zu werfen. — | Der Eintritt einer strengen Jahrszeit nöthigte, den Aufenthalt zu Moadrid abzukürzen; wir verliessen das hohe Plateau von: Altcastilien, und stiegen in die schönen, kaum vom Herbste berührten, Fluren Va- lencia’s hinab. Von hier ging die Reise über Tarragona nach dem handelsthätigen Darcellona. Wir überstiegen die südlichsten Gehänge der Pyrenäen, und traten bei Perpignan in Frankreich ein. Ueber Lyon gelangten wir in’s Elsass, wo uns die vaterländische Sprache empfieng; bei Strassburg fuhren wir über den Rhein, und mit tiefge- fühlter Freude konnten wir wieder deutsche Luft athmen. Am ıo. December 1820 trafen wir, nach einer Abwesenheit von fast vier Jah- ren Bi in Baierns Papletadi, ein. 1587 Indem wir hier den Bericht über die Schicksale unserer Reise in Brasilien und über die allgemeinen literärischen Ergebnisse derselben schliessen, dürfte es geeignet seyn, noch anzuführen, in welcher Wei- %e wir versucht haben, dem speciellen Auftrage in Betreff der Zoolo- gie und Botanik zu entsprechen. Brasilien, das Jahrhunderte hindurch den Forschungen der Europäer verschlossen gewesen war, bot genug Gelegenheit, jene Wissenschaften mit Thatsachen zu bereichern, und über die Mittel, diesen Zweck zu erreichen, konnten wir keine Wahl haben. Es schien am zweckmässigsten, während der Reise, sowie die verschiedenen Gebirgsformationen und eihnographischen Merkwürdigkei- ten, insbesondere Thiere und Pflanzen zu sammeln, Beschreibungen und möglichst genaue Notizen über sie in unsere Tagebücher nieder- zulegen, und dadurch eine im Vaterlande auszuführende wissenschaftli- che Darstellung von denselben vorzubereiten, e Die von uns in Brasilien gesammelten naturhistorischen und ethno- graphischen Gegenstände wurden in den Cabineten der K. Akademie d. W. zu München aufgestellt. Die zoologische Ausbeute enthält 85 Arten Säugthiere, 350 Arten Vögel, ı30 von Amphibien, 116 von Fi- schen, und 2700 Arten von Insecten. Aus der letzten Classe sind Gol- eoptera 1800, Örthoptera 120, Neuroptera 30, Hymenoptera ı20, Le- pidoptera ı20, Hemiptera 250, Diptera ı00 Arten; von Arachniden sind 80, und eben so viele Arten sind von Crustaceen vorhanden, Die botanische Ausbeute begreift 6500 Pflanzenarten. Auf diese Sammlun- gen und unsere Tagebücher und Zeichnungen wurden folgende Schrif- ten gegründet: Simiarum et Vespertilionum brasiliensium species novae, ou histoire naturelle des especes nouvelles de Singes et de Chauves-souris observees et recueillies pendant le voyage dans Yin- terieur du Bresil, ex&cnte par ordre de $. M. le Roi de Baviere dans les Annees 1817, ee 1819, 1820, publiee par Jean de Spix. Monachüi. 1825. £r- Fol. VII. 72 S. u. 34 Taf. ou histoire naturelle etc.,‘ publiee par Jean de Serpentum brasiliensium species novae, Be oJ. min. 7 Spix, £crite d’apres les notes du voyageur par Jean Wagler. “Monachii. - 1824. S. und 26 Taf. 1538 Species novae Testudinum et Ranarum, quas in itinere per Brasiliam annis 1817 — 1890 jussu et auspiciis Maximiliani Josephi I. Bavariae Regis suscepto collegit et descripsitDr. J, B. de Spix. Monachii. 1824. Fol. min. 53 S. u. 22 Taf. Species novae Lacertarum, quas etc. descripsit Dr, J. B. de Spix. 1825. gr. 4. 268. 28 Taf. r Avium species noyae, quas etc. descripsit Dr. J. B. de Spix. Monachii. Tom. I. 1824. Fol, min. 90 S. und 104 Taf. Tom. II. 1825. 85 S. u. ıı8 Taf. Testacea, quae etc. collegit et pingenda curavit Dr. J. B. de Spix , digessit, descripsit et observationibus illustravit Dr. J. A. Wagner, eameant Schrank et Martius. Monachii 1827, Fol, min. 36 S. u. 29 Tat, Pisces, quos etc. collegit et pingendos curavit Spix, descripsit et illustravit Dr. L. Agassiz, praefatus est et edidit Martius. Monachii. 1829 u. 1831. Fol, min, XVI. 8. u. 138 S. u. 96 Taf. Delectus animalium articulatorum,, quae etc. collegerunt Spix et Martius, descripsit Dr. M. Perty, praefatus est et edidit Martius. Monachii. Fol. min. ı830. (Das Ganze wird in 3 Heften ercheinen.) Nova genera et species plantarum, quas etc. descripsit Dr. C. F. Ph. deMartius, Fol. min. Monachü. Vol. I. pingendas curavit et secundum auctoris schedulas digessit Dr. J. G. Zuccarini. 1824. 158 S. Taf. ı — 100. Vol. II. 1826. 148 S. u. Taf. 101 —200. Vol. II. (et ultimum) Taf. 201 —300 wird i. J. 1851 vollendet. Genera et species palmarum, quas etc. Martius. Monachii. gr. Fol. 1824 — 1827... 144 ga Taf. (Der Schluss wird vorbereitet.) | lantarum eryptogamicarum, quas etc, Martius, Monachii 1828. Es min. ‚Specimen saMETad medicae brasiliensis, exhibens plantas raadtäännlen etc..ed. Martius. 10. (Unter diesem Titel hat der Verfasser eine Reihe von Abhandlungen in den Denkschriften der K. Akademie zu München vom Jahre > begonnen, wo auch die Fortsetzungen erscheinen werden Eine allgemeine Uebersicht > Pr Brasiliens wird in folgendem Werke gegeben werde 4 zu dessen Herausgabe sich der Reisende mit mehreren literärischen Freunden: den Herrn Esch- weiler, Hornschuch, Fk, Nees von Esenbeck, von Schlechtendal, Schrader, Zuccarini u, 4, ag er hat: Flora brasiliensis, seu RENT plantarım in Brasilia tam sua spante quam accedente ae provenientium , quas in itinere etc, — collegit, partim descripsit; alias a 'Maximiliano Er Ser. Princ. Widensi, Sellovio ‚aliisque advectas addidit, communibus amicorum propriisque stu- dis secundum ‚methodum naturalem dispositas et Dinstchtas edidit Martius. 8. Stutt. et Tüb. Sumptibus J.G. Cottae. (Von diesem Werke ist 1829. Vol. II Pars J.: Agrostologia Brasilionsis, ‚auctore Nees ab Sale ee)? % MÜNCHEN, GEDRUCKT IN DER OFFICIN VON DR. C. Worr. * len \ - EN EEE N Fr RP PART N al