ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. DREIZEHNTER BAND VON DEN JAHREN 1866 UND 1867. MIT EINER KARTE UND VIER TAFELN. GÖTTINGEN, IN DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG. 1868. Mo Bot. Garden, Së vorred® — Der vorliegende dreizehnte Band der Schriften der König- lichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen enthält die Abhandlungen, welche von ihren Mitgliedern und Assessoren in der zweiten Hälfte des J. 1866 und im J. 1867 in den Sitzungen der Societät theils vorgelesen, theils derselben vorgelegt worden sind. Auszüge daraus, sowie die kleineren der Societät mitge- theilten Abhandlungen, sind in den „Nachrichten von der K. Ge- sellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität“ ver- öffentlicht worden. Das jährlich unter den drei ältesten Mitgliedern der drei Classen wechselnde Directorium verwalteten wie bisher die Herren Marx, Weber und Ewald. Von ihren Ehrenmitgliedern verlor die Societät in die- sem Zeitraum durch den Tod: Prinz Maximilian zu Wied, gestorben am 3. Februar 1866 im 84. Lebensjahre zu Neuwied, seit 1826 Ehrenmitglied. Von den auswärtigen Mitgliedern und Correspon- denten: V. Cousin in Paris, gest. am 14. Januar d. J. im 74. Le- bensjahre, Mitglied der hist.-phil. Classe. ER IV VORREDE. L. Häusser in Heidelberg, gest. am 17. März d. J. 49 Jahre alt, Correspondent der hist.-phil. Classe. F. Tuch in Leipzig, gest. am 12. April d. J. 50 Jahre alt, Correspondent der hist.-phil. Classe. ` J. J. Champollion-Figeae in Fontainebleau, gest. am 9. Mai d. J. 89 Jahre alt, Correspondent der hist.-phil. Classe. E. Gerhard in Berlin, gest. am 12. Mai d. J. 71 Jahre alt, Mitglied der hist.-phil. Classe. Th. J. Pelouze in Paris, gest. am 31. Mai d. J. 61 Jahre alt, Correspondent der physik. - Classe. W. Lawrence in London, gest. am 1. Juli d. J. 84 Jahre alt, Correspondent der physik. Classe. Ch. A. Brandis in Bonn, gest. am 24. Juli d. J. 18 J GE alt, Mitglied der hist.- phil. Glasse. A. Boeckh in Berlin gest. am 3. August d. J. 82 Jahre alt, Mitglied der biet. phil. Classe. M. Faraday in London, gest. am 25. August d. J. 75 Jahre alt, Mitglied der physik. Classe. F. Bopp in Berlin, gest. am 23. October d. J. 76 Jahre alt, Mitglied der hist. -phil. Classe, A. von Vogel in München, gest. am 24. November d. J. 90 Jahre alt, Correspondent der physik. Classe. L. C. Bethmann in Wolfenbüttel, gest. am 5. December d. J. Correspondent der hist.-phil. Classe. Von den Assessoren schied Herr F. Beilstein aus, einem Rufe nach St. Petersburg folgend. Zum hiesigen ordentlichen Mitgliede für die physika- VORREDE. Yy lische Classe wurde erwählt und vom: K. Universitäts-Curatorium bestätigt der seitherige Assessor: Herr Wilhelm Aeferstein. Zu Ehrenmitgliedern wurden erwählt und vom K. Cu- ratorium bestätigt: ` die Herren Carl Stüve in Osnabrück. Adolph von Warnstedt in Hannover. Theodor Georg von Karajan in Wien. Johann Jacob Baeyer in Berlin. Zu auswärtigen Mitgliedern wurden erwählt und vom K. Curatorium bestätigt: | die Herren Theodor Ludw. Wilhelm Bischoff in München, phys. Cl. Christoph Fr. von Stälin in Stuttgart, hist.-phil. CL Leopold Kronecker in Berlin, mathem. Classe. Otto Jahn in Bonn, hist.-philol.. Classe. Richard Lepsius in Berlin, hist.-phil. Classe. Theodor Mommsen in Berlin, hist.-phil. Classe. sämmtlich seither Correspondenten. Zu Correspondenten wurden ernamnt: die Herren Ferdinand Müller in Melbourne, phys. Classe. Rud. Jul. Emmanuel. Clausius in Würzburg, math. CL Erik Edlund in Stockholm, math. Classe. Georg Quincke in Berlin, math. Classe. Leopold Victor Delisle in Paris, hist.-phil. Classe. Julius Ficker in Innsbruck, hist.-phil. Classe. - Anton Geuther in Jena, phys. Classe. Charles Briot in Paris, math. Classe, Benj. Apthorp Gould in Cambridge, V. St., math. Cl. Rudolph Lipschitz in Bonn, math. Classe. CC VORREDE. Benjamin Peirce in Cambridge, V. St., math. Classe. Friedr. Magnus Schwerd in Speyer, math. Classe. Jacob Bernays in Bonn, hist.-phil. Classe. Johannes Brandis in Berlin, hist.-phil. Classe. Eduard Dümmler in Halle, hist.- phil. Classe. B. Huillard-Breholles in Paris, hist-phil. Classe. Wilhelm Nitzsch in Königsberg, hist. - phil. Classe. Zu Assessoren wurden ernannt: die Herren Wilhelm Henneberg, phys. Classe. Friedrich Kohlrausch, math. Classe. Carl Hattendorff, math. Classe. An den Herrn F. G. Weleker in Bonn, der gegenwärtig der K. Societät seit 50 Jahren als Mitglied angehört, richtete die- selbe zur Feier dieses seltenen Jubiläums ein Glückwunsch- schreiben, das in Nr. 26 der Nachrichten d. J. abgedruckt ist. Die in dem Zeitraum von der Mitte 1866 bis Ende 1867 in den Sitzungen der K. Societät vorgetragenen oder vorgelegten Abhandlungen und kleineren Mittheilungen sind folgende: 1866. Am 7. Novemb. Kölle, (durch Ewald), Bemerkungen über Zahlen-Etymo- logie. (Nachrichten Seite 311.) Waitz, über die sogenannten Annales Ottenburani und die Annales Elwangenses. (Nachr. S. 299.) Enneper, iiber die developpabele Fläche, welche zwei ge- gebenen Flächen umschrieben ist. (Nachr. S. 321.) Am 5. Decemb. Feier des Stiftungstags und Jahresbericht. (Nachr. S. 339.) Ä Ewald, über eine phönikische Inschrift. (Nachr. S. 348.) Sauppe, über die Quellen Plutarchs für das Leben des Perikles. (Bd. XIII.) 1867. Am 5. Januar. Am2, Februar. Am 9. März. VORREDE. VII Schering, zum Gedächtniss an Riemann. (Auszug in Nachr. 1867. S. 305.) Wöhler, über das sogenannte graphitförmige Bor. (Nach- richten Seite 1.) Waitz, über das Speculum regum des Gotfried von Vi- terbo. (Nachr. S. 4.) Listing, meteorologische Ergebnisse aus zehnjährigen Be- obachtungen in Göttingen. (Nachr. S. 27.) Wöhler, über einen Meteorstein aus Mexico. (Nachr. S. 57.) Sartorius v. Waltershausen, die photographische Nachbil- dung seiner Karte des Aetna. (Nachr. S. 71.) Fütig, über die Cyanverbindungen des Mangans, über De- rivate des Methylens und über Zersetzung des Camphers. (Nachr. S. 59.) Enneper, allgemeine Gleichungen für Linien auf develop- pabeln Flächen. (Nachr. S. 73.) Marmé (durch Meissner), über- die Giftigkeit einiger Cad- mium-Verbindungen. (Nachr. S. 96.) Waitz, über' die Linköpinger Handschrift des Hermann Korner. (Nachr. S. 113.) Sauppe, der Tod des Pheidias. (Nachr. 8. 173.) Derselbe, zwei neue Inschriften aus Athen. (Nachr. S. 146.) Benfey, über die Pluralbildung des Indogermanischen Ver- bum. (Bd. XIII.) Hasse, (durch Henle), über den Bau der- Retina. (Nach- richten S. 130.) Marme, (durch Meissner), über Convallamarin. Aue ie ten Seite 160.) Fitlig, über die Oxydationsproducte des Aethyl- und Di- äthyl-Benzols. (Nachr. S. 125.) Enneper, Reduction eines vielfachen Integrals. (Nachr. S. 164). Wedekindsche Preisstiftung, Preisaufgaben für deutsche Ge- schichte. (Nachr. S. 137.) Am 4. Mai. Am 1. Juni. Am 13. Juli. Am 3. August. VORREDE. Ewald, über neuentdeckte Samarische Lesezeichen. (Nach- richten S. 221.) as | Hasse, (durch Henle), über die Endigungsweise. des N. acusticus im Labyrinth der Vögel. (Nachr. S. 197.) Stern, über die Bestimmung der Constanten in der Va- riationsrechnung. (Bd. XIII u. Nachr. S. 218.) Ehlers, über die Gattung Heteronereis und ihr Verhältniss zu Nereis und Nerei lepar. (Nachr. S. 209.) Enneper, analytisch geometrische es (Nach- ` richten Seite 252.) Benfey, über den een Theil aus der Reise der östr. Fregatte Novara. Curtius, zum Andenken an E. Gerhard. (Nachr. S. 265.) Wöhler, über Anatas in einem Oolitheisenstein. (Nach- richten Seite 274.) Enneper, analytisch geometrische Untersuchungen. (Nach- richten Seite 277.) Keferstein, über einige neue oder seltene Batrachier aus Australien und dem tropischen Amerika. (Nachr. S. 339.) Kupffer, (durch Keferstein) über die Bildung des Embryo im Ei der Knochenfische. (Nachr. S. 317.) Wöhler, Notiz über ein norwegisches Mineral. (Nachr. S. 362.) Stern, Notiz über. das Sternbild Nectar bei Eratosthenes. (Nachrichten Seite 363.) ` 'Fittig, über Derivate des Xylols und des synthetisch dar- gestellten Dimethylbenzols.. (Nachr. S. 365.) ‚Derselbe, über das Isoxylol. ` (Nacht S. 372.) v. Seebach, zur Kritik der Gattung Myophoria Bronn und ihrer triasinischen Arten. (Nachr. S: 375.) Waitz, über den falschen Text des Friedens von Venedig 1177. (Nachr. S. 389.) ` Marmé, (durch Meissner), über die Wirkung des Thalliums. (Nachrichten Seite 395. Lo Am 2. Novbr. Am 7. Decbr. TATEN Are BC: Kabel ENK N. VORREDE. IX Wöhler, zur Kenntniss des Ceriums. (Nachr. S. 425.) Derselbe, über eine Verbindung von Thalliumchlorür mit Eisenchlorid. Listing, über einige Anwendungen des Census-Theorems. ` - (Nachrichten Seite 430.) Husemann (durch Grisebach), zur Pharmakologie der Eu- phorbiaceen. (Nachr. S. 450.) ' Enneper, zur Theorie der windschiefen Flächen. (Nach- richten Seite 454.) Fittig, über die Existenz des normalen Propylalkohols und einige Derivate desselben. (Nachr. S. 505.) Feier des Stiftungstags und Jahresbericht. (Nachr. S. 529.) Ewald, zum Gedächtniss von Bopp u. Tuch. (Nachr. S. 550.) Curtius, zum Gedächtniss von Boeckh und Brandis. (Nach- richten Seite 552.) Schering, zum Gedächtniss von Gauss (erscheint in den Abhandlungen). Die für den November 1867 von der mathematischen Classe gestellte Preisfrage: „durch Versuche zu entscheiden, ob in einem polarisirten Lichtstrahl der Winkel zwischen der Vibrationsebene und der Polarisationsebene Null oder 90° sei“ hat keinen Bear- beiter gefunden. Für die nächsten Jahre werden von der K. Gesellschaft fol- gende Preisaufgaben gestellt: Für den November 1868 von der historisch -philolo- gischen Classe: Qui literas antiquas tractant, res Gecke et Romanorum duobus discipli- narum singularum ordinibus seorsum explicare solent. Quae separatio quanquam necessaria est, tamen quanta eadem incommoda habeat, facile est ad intelligen- dum; quae enim communia sint in utriusque cultura populi, quominus perspi- ciamus, impedit, quae ab altero instituta sunt, cum quibus alterius vel inventis vel institutis necessaria quadam et perpetua causarum efficientia cohaereant, ne b VORREDE. intelligamus, graviter obstat, denique quae in historia rerum coniuncta sunt, seiungit. Quare omnia ea, quibus res utriusque populi inter se cohaerent, accu- rate inquiri haud levis videtur momenti esse. Quod cum Graeciae et Italiae incolas primitus inter se cognatos fuisse linguarum historiae scrutatores lucu- lenter docuerint atque ex altera parte, quomodo cultura Graecorum et Roma- norum initio Scipionum temporibus facto Caesarum aetate prorsus denique in unum coaluerit, accuratissime homines docti explicaverint, Societas regia litera- rum et gratum et fructuosum futurum esse existimat, quaenam vestigia rerum graecarum prioribus populi romani aetatibus appareant, studiose indagari et, quibus potissimum temporibus inde a regum aetate singula huius efficientiae genera ostendantur, a quibus ea regionibus et urbibus (Cumis, Sicilia, Massalia, Athenis, Corintho) profecta sint, denique quae ita praesertim in sermone, arti- bus, literis, institutis publicis conformandis effecta sint, quantum quidem fieri potest, explicari. Quae quaestiones quanquam uno impetu absolvi non poterunt, tamen ad historiam veteris culturae rectius et plenius intelligendam multum vi- dentur conferre posse- Societas igitur regia postulat, ut explicetur: quam vim res graecae in sermone, artibus, literis, institutis publicis Roma- norum conformandis atque excolendis ante macedonicorum tempora bello- rum habuerint. „Die klassische Philologie ist gewohnt das griechische und das römische Alter- thum in zwei gesonderten Reihen von Disciplinen zu behandeln. Diese Trennung ist nothwendig, aber sie hat auch ihre unverkennbaren Nachtheile; denn sie er- schwert den Ueberblick über das Gemeinsame in der Kultur der Griechen und Römer, lässt die Kontinuität der Entwicklung nicht erkennen und zerreisst das geschichtlich Zusammengehörige. Es ist daher wichtig die Berührungspunkte und Wechselbeziehungen in der Entwicklung beider Völker ins Auge zu fassen. Nachdem nun sprachgeschichtliche Untersuchungen über die ursprüngliche Ver- wandtschaft derselben neues Licht verbreitet haben (die gräko-italische Epoche) und auf der andern Seite die Verschmelzung der griechischen und römischen Cultur, wie sie in der Zeit der Seipionen begonnen und unter den Cäsaren sich vollendet hat (hellenistische Epoche), mit Erfolg durchforscht und dargestellt worden ist, so scheint es der K. Ges. d. Wiss. eine anziehende und lohnende Aufgabe zu sein, den Spuren griechischer Einwirkung, welche sich in den frühe- ren Perioden der römischen Geschichte zeigen, sorgfältig nachzugehn und, so weit es möglich ist, die verschiedenen Epochen dieser Einwirkung, von der Kö- nigszeit an, ihre verschiedenen Ausgangspunkte (Kumä, Sicilien, Massalia, Athen, Korinth), und die Ergebnisse derselben, namentlich auf dem Gebiete der Sprache, der Kunst, der Literatur, und des öffentlichen Rechts zu ermitten. Wenn auch a he E e VORREDE. ` | er diese Untersuchung sich nicht sogleich zu einem Abschluss führen lässt, so ver- spricht sie doch sehr erhebliche Ausbeute für die Geschichte der alten Kultur. In diesem Sinne stellt die K. Ges. d. Wiss. die Aufgabe: Darstellung der hellenischen Einflüsse, welche sich in der Sprache, der Kunst, der Literatur und dem öffentlichen Rechte der Römer vor der Zeit der ma- kedonischen Kriege erkennen lassen.“ Für den November 1869 von der physikalischen lasse: R. S. postulat, ut viarum lacrymalium structura omnis, comparandis cum ho- mine animalibus, illustretur, praecipue vero de iis exponatur apparatibus, qui absorbendis et promovendis lacrymis inservire dicuntur, de epithelio, de valvulis, de musculis, et plexibus venosis ductui lacrymali vel innatis vel adjacentibus. „Die K. Societät verlangt eine vergleichend- anatomische Beschreibung des Thränen leitenden Apparats, mit besonderer Berücksichtigung der Einrichtungen, welche bei der Aufsaugung und Förderung der Thränenflüssigkeit in Betracht kommen, des Epithelium, der Klappen, der Muskeln und Gefässgeflechte in den Wänden der Thränenwege und deren Umgebung.“ Für den November 1870 von der mathematischen Classe: Fourier, vir illustrissimus, operis, quod de resolutione aequationum scripsit, libro ultimo, non evulgato, de theoria inaequalitatum (analyse des inégalités) tractaturus erat. Societas regia optat, ut libri summa restituatur, adhibitis eis, quae ill. Fourier et in expositione synoptica operi praemissa et in memoriis Acad. Scient. Paris. hac de re significavit. „Das letzte nicht erschienene Buch des Fourier’schen Werkes über Gleichungen sollte die Theorie der Ungleichheiten (analyse des inégalités) enthalten. Die K. Ges. d. W. wünscht die Wiederherstellung des wesentlichen Inhalts dieses Buches, nach den Andeutungen, welche Fourier in der dem Werke vorausgeschickten Inhaltsübersicht und in den Schriften der Pariser Akad. d. W. gegeben hat.“ Die Coneurrenzschriften müssen vor Ablauf des Septembers der bestimmten Jahre an die K. Gesellschaft der Wissenschaften portofrei eingesandt sein, begleitet von einem versiegelten Zettel, welcher den Namen und Wohnort des Verfassers enthält, und mit dem Motto auf dem Titel der Schrift versehen ist. Der für jede dieser Aufgaben ausgesetzte Preis beträgt f unf- zig Ducaten. Se x * b* XII VORREDE. Die von dem Verwaltungsrath der Wedekind’schen Preisstif- tung für deutsche Geschichte gestellten Aufgaben für den dritten Verwaltungszeitraum, d. h. für die Zeit vom 14. März 1866 bis zum 14. März 1876, sind in Nr. 9 Seite 138 der „Nachrichten“ von 1867 bekannt gemacht worden. Göttingen, im December 1867. F. Wöhler. S = u ‚Verzeichnis der Mitglieder ES 2 der | "ER Koigi. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. ‘ Januar 1868. Ehren-Mitglieder. Peter Merian in Basel, seit 1862. © Carl Stüve in Osnabrück, seit 1866. = Adolph von Warnstedt in Hannover, seit 1867. Theodor Georg von Karajan in Wien, seit 1867. Johann Jacob Baeyer in Berlin, seit 1867. Ordentliche Mitglieder. Physikalische Classe. .C. F. H. Marx, seit 1833. | | F. Wöhler, seit 1837. Beständiger Secretair seit 1860. F. Gottl. Bartling, seit 1843. rn A. Grisebach, seit 1851. F. G. J. Henle, seit 1853. W. Sartorius von Waltershausen, seit 1856. E Meissner, seit 1861. W. Keferstein, seit 1866. OEA Cake, W. E. Weber, seit 1831. ` nn G. €. J. Ulrich, seit 1845. E J. B. Listing, seit 1861. M. Stern, seit 1862. -E Schering, seit 1862. (Zuvor Assessor seit t 1800). - Historisch - er Classe. ni Ewald, seit 1853. H Ritter, seit 1840. XIV VERZEICHNISS DER MITGLIEDER C. Hoeck, seit 1841. G. Waitz, seit 1849. W. Havemann, seit 1850. any Assessor, seit 1841.) S E. Curtius, seit 1856. | H. F. Wüstenfeld, seit 1856. (Zuvor Assessor, seit 1841.) H. Sauppe, seit 1857. J. E. Wappäus, seit 1860. (Zuvor Assessor, seit 1851.) Th. Benfey, seit 1864. Assessoren. 2 Physikalische Classe. E. F. G. Herbst, seit 1835. C. Boedeker, seit 1857. W. Wicke, seit 1859. R. Fittig, seit 1864. ©. von Seebach, seit 1864. W. Krause, seit 1865. E. Ehlers, seit 1865. - W. Henneberg, seit 1867. Mathematische Ener E. F. W. Klinkerfues, set 1855. A. Enneper, seit 1865. F. Kohlrausch, seit 1867. C. Hattendorff, seit 1867. Auswärtige Mitglieder. Physikalische Classe. Sir James Clark in London, seit 1837. | Carl Ernst von Baer in St. Petersburg, seit 1851. Jean Baptiste Dumas in Paris, seit 1851. (Zuvor EE seit 1849.) Christian Gottfried Ehrenberg in Berlin, seit 1851. Carl Friedrich von Martius in München, seit 1851. Justus Freiherr von Liebig in München, seit 1851. ee Corresp., seit 1840.) Ernst Heinrich Weber in Leipzig, seit 1851. Carl Friedrich Theodor Krause in Hannover, seit 1852, Wilhelm von Haidinger in Wien, seit 1853. DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XV Carl Friedrich Naumann in Leipzig, seit 1853. Robert Bunsen in Heidelberg, seit 1855. Elie de Beaumont in Paris, seit 1855. ` Gustav Rose in Berlin, seit 1856. Gustav Magnus in Berlin, seit 1857. Louis Agassiz in Boston, seit 1859. Richard Owen in London, seit 1859. Adolph Brongniart in Paris, seit 1860. August Wilh. Hofmann in Berlin, seit 1860. H. Milne Edwards in Paris, seit 1861. Hermann Kopp in Heidelberg, seit 1863. (Zuvor Corresp., seit 1855.) Carl Theodor von Siebold in München, seit 1864. (Zuvor Corresp., seit 1850.) Michel Eugène Chevreul in Paris, seit 1865. Joseph Dalton Hooker zu Kew bei London, seit 1865. Theod. Ludw. Wilh. Bischoff in München, seit 1866. (Zuvor Corresp. seit 1853.) Mathematische Clässe. Sir David Brewster in Edinburgh, seit 1826. ; Sir John Herschel in Collingwood, seit 1840. (Zuvor Corresp., seit 1815.) U. J. Leverrier in Paris, seit 1846. P. A. Hansen in Gotha, seit 1849. . e George Biddel Airy in Greenwich, seit 1851. Charles Wheatstone in London, seit 1854. Joseph Liouville in Paris, seit 1856. E. Kummer in Berlin, seit 1856. (Zuvor en , seit 1851.) F. E. Neumann in Königsberg, seit 1856. Henri Vietor Regnault in Paris, seit 1859. William Hallows Miller in Cambridge, seit 1859. Edward Sabine in London, seit 1862. (Zuvor Corresp., seit 1823.) C. A. von Steinheil in München, seit 1862. (Zuvor Corresp., seit 1837.) Christoph Hansteen in Christiania, seit 1862. (Zuvor Corresp., seit 1840.) Richard Dedekind in Braunschweig, seit 1862. (Zuvor Corresp., seit 1859.) ` Aug, Robert Kirchhoff in Heidelberg, seit 1862. ee, Heinrich Wilhelm Dove in Berlin, seit 1864. (Zuvor Corresp., seit 1849.) _ Pe August Ferdinand Möbius in Leipzig, seit 1864. (Zuvor Corresp., seit 1846.) SE Johann Christian Poggendorff in Berlin, seit 1864. (Zuvor Corresp., seit 1854.) William Thomson in See, seit 1864. (Zuvor Corresp., seit 1859.) A AER VERZEICHNISS DER MITGLIEDER Ferdinand Reich in Freiberg, seit 1864. Heinrich Buff in Giessen, seit 1865. (Zuvor Corresp., seit 1842.) Carl Weierstrass.in Berlin, seit 1865. (Zuvor Corresp., seit 1856.) Enrico Betti in Pisa, seit 1865. Leopold Kronecker in Berlin, seit 1867. (Zuvor Corresp., seit 1861.) Historisch -philologische Classe. Fr. Gottl. Weleker in Bonn, seit 1819. (Zuvor hies. ord. Mitglied, seit 1817.) Im. Bekker in Berlin, seit 1835. G. H. Pertz in Berlin, seit 1837. Frangois Guizot in Paris, seit 1841. Leopold Ranke in Berlin, seit 1851. Justus Olshausen in Berlin, seit 1853. Christian Lassen in Bonn, seit 1860. (Zuvor Correspondent, seit 1850). Georg Friedr. Schömann in Greifswald, seit 1860. (Zuvor Corresp., seit 1850.) Gottfried Bernhardy in Halle, seit 1860. (Zuvor Correspondent, seit 1854.) Friedrich Ritschl in Leipzig, seit 1860. (Zuvor Correspondent, seit 1854.) Wilhelm Wackernagel in Basel, seit 1860. (Zuvor Correspondent, seit 1855.) August Meineke in Berlin, seit 1860. Georg Gottfried Gervinus in Heidelberg, seit 1862. Adolph Trendelenburg in Berlin, seit 1861. Georg Ludwig von Maurer in München, seit 1863. (Zuvor Corresp., seit 1835.) Samuel Birch in London, seit 1864. Friedrich Diez in Bonn, seit 1864. Christoph Friedrich von Stälin in Stuttgart, seit 1866. (Zuvor Corresp., seit 1857.) Otto Jahn in Bonn, seit 1867. (Zuvor Corresp., seit 1857.) Theodor Mommsen in Berlin, seit 1867. (Zuvor Corresp., seit 1857.) ' Richard Lepsius in Berlin, seit 1867. (Zuvor Corresp., seit 1860.) Correspondenten. | Physikalische Classe. E. Eichwald in St. Petersburg, seit 1841. Robert Willis in London, seit 1844. De Mediei Spada in Rom, seit 1847. Hermann Stannius in Rostock, seit 1850. Theodor Schwann in Lüttich, seit 1853. Theodor Seheerer in Freiberg, seit 1853. DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XVI Wilhelm Duncker in Marburg, seit 1853, G. A. Carl Städeler in Zürich, seit 1853. (Zuvor Assessor, seit 1851.) Anton Schrötter in Wien, seit 1856. ` Henri Sainte Claire Deville in Paris, seit 1856. Axel Erdmann in Stockholm, seit 1857. L. Zeuschner in Warschau, seit 1857. Heinrich Helmholtz in Heidelberg, seit 1859. Johannes Hyrtl in Wien, seit 1859. Nicolai von Kokscharow in St. Petersburg, seit 1859. Rudolph Leuckart in Giessen, seit 1859 Eduard Weber in Leipzig, seit 1860. Alfred Wilh. Volkmann in Halle, seit 1860. F. H. Bidder in Dorpat, seit 1860. Carl Schmidt in Dorpat, seit 1860. - F. C. Donders in Utrecht, seit 1860. ` J. van der Hoeven in Leyden, seit 1860. Joh. Jap. Sm. Steenstrup in Kopenhagen, seit 1860. Hermann von Meyer in Frankfurt a. M., seit 1860. Bernhard Studer in Bern, seit 1860. Heinrich Limpricht in Greifswald, seit 1860, (Zuvor Assessor, seit 1857.) Ernst Brücke in Wien, seit 1861. Emil du Bois Reymond in Berlin, seit 1861. Alexander Braun in Berlin, seit 1861. Franz von Kobell in München, seit 1861. Carl Ludwig in Leipzig, seit 1861. Hugo von Mohl in Tübingen, seit 1861. Christian Friedrich Schönbein in Basel, seit 1861. Archangelo Scacchi in Neapel, seit 1861. Quintino Sella in Turin, seit 1861. Thomas H. Huxley in London, seit 1862. Albert Kölliker in Würzburg, seit 1862. Ferdinand Römer in Breslau, seit 1862. Charles Upham Shepard in Amherst, V. St., seit 1862. Adolph Strecker in Tübingen, seit 1862. ) Heinrich Credner in Berlin, seit 1863. ee + Alexander Ecker in Freiburg, seit 1863. ee Joh. Friedr. August Breithaupt in Freiberg, seit 1864. Ee Bernhard von Cotta in Freiberg, seit 1864. i EN XVII | VERZEICHNISS DER MITGLIEDER Friedrich Adolph Römer in Claustbal, seit 1864. Alvaro Reynoso in Havanna, seit 1865. Ferdinand Müller in Melbourne, seit 1867. Anton Geuther in Jena, seit 1867 Mathematische Classe. A. Quetelet in Brüssel, seit 1837. Humphrey Lloyd in Dublin, seit 1843. F. G. A. Argelander in Bonn, seit 1846. C. A. F. Peters in Altona, seit 1851. John Couch Adams in Cambridge, seit 1851. Thomas Clausen in Dorpat, seit 1854. Ludwig Seidel in München, seit 1854. Georg Rosenhain in Königsberg, seit 1856. Otto Hesse in Heidelberg, seit 1856. Peter Riess in Berlin, seit 1856. John Tyndall in London, seit 1859. Charles Hermite in Paris, seit 1861. Julius Schmidt in Athen, seit 1862. Carl Wilhelm Borchardt in Berlin, seit 1864. Arthur Cayley in Cambridge, seit 1864. August Clebsch in Giessen, seit 1864. Andreas von Ettingshausen in Wien, seit 1864. Wilhelm Gottlieb Hankel in Leipzig, seit 1864. Moritz Hermann von Jacobi in Petersburg, seit 1864. Philipp Gustav Jolly in München, seit 1864. Carl Hermann Knoblauch in Halle, seit 1864. Carl Neumann in Tübingen, seit 1864. Julius Plücker in Bonn, seit 1864. Georg Gabriel Stokes in Cambridge, seit 1864. James Joseph Sylvester in Woolwich, seit 1864. Heinrich Eduard Heine in Halle, seit 1865. Rudolph Jul. Emanuel Clausius in Würzburg, seit 1866. Erik Edlund in Stockholm, seit 1866. Georg Quincke in Berlin, seit 1866. Charles Briot in Paris, seit 1867. Benj. Apthorp Gould in Cambridge V. St. seit 1867. Rudolph Lipschitz in Bonn, seit 1867. Re DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. Benjamin Peirce in Cambridge V. St. seit 1867. F. Magnus Schwerd in Speyer, seit 1867. Historisch-philologische Classe. Freiherr C. L. von Lützow in Schwerin, seit 1835. A. Huber in Wernigerode, seit 1837. F. E. G. Roulez in Gent, seit 1841. Rudolph Roth in Tübingen, seit 1853. Adolph Friedr. Heinr. Schaumann in Hannover, seit 1853. August Dillmann in Giessen, seit 1857. J. G. Droysen in Berlin, seit 1857. Moritz Haupt in Berlin, seit 1857. Wilh. Henzen in Rom, seit 1857. Carl Hegel in Erlangen, seit 1857. -@. C. F. Lisch in Schwerin, seit 1857. A. B. Rangab& in Athen, seit 1857. B. von Dorn in St. Petersburg, seit 1859. L. P. Gachard in Brüssel, seit 1859. Johann Gildemeister in Bonn, seit 1859. Franz Palacky in Prag, seit 1859. Theodor Bergk in Halle, seit 1860. Carl Bötticher in Berlin, seit 1860. Georg Curtius in Leipzig, seit 1860. K. Lehrs in Königsberg, seit 1860. Giovanni Battista de Rossi in Rom, seit 1860. Leonhard Spengel in München, seit 1860. _ Heinrich Ludolf Ahrens in Hannover, seit 1861. Carl Ludwig Grotefend in Hannover, seit 1861. Ernst Jul. Georg von dem Knesebeck in München, seit 1861. Max Müller in Oxford, seit 1861. Arnold Schäfer in Bonn, seit 1861. Friedr. Ferdin. Carlson in Stockholm, seit 1863. Wilhelm Giesebrecht in München, seit 1863. Martin Haug in Stuttgart, seit 1863. Ludwig Lange in Giessen, seit 1863. Heinrich von Sybel in Bonn, seit 1863. Theodor Nöldeke in Kiel, seit 1864. (Zuvor Assessor, seit 1860.) Hermann Bonitz in Berlin, seit 1865. XIX XX VERZEICHN. DER MITGLIEDER D KÖN. GESELLSCH. D WISSENSCH. Jacob Burckhardt in Basel, seit 1865. Adolph Kirchhoff in Berlin, seit 1865. Leo Meyer in Dorpat, seit 1865. (Zuvor Assessor, seit 1861.) Matthias de Vries in Leiden, seit 1865. Wilhelm Wattenbach in Heidelberg, seit 1865. Jean de Witte in Paris, seit 1865. Leopold Vietor Delisle in Paris, seit 1866. Julius Fieker in Innsbruck, seit 1866. - Jacob Bernays in Bonn, seit 1867. Johannes Brandis in Berlin, seit 1867. Ernst Dümmler in Halle, seit 1867. B. Huillard-Br£&holles in Paris, seit 1867. Wilhelm Nitzsch in Königsberg, seit 1867. Ian Ce ES Vorrede. Verzeichniss der Mitglieder der Königl. Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen Ende December 1867. Physikalische Classe. C. v. Seebach, über den Vulkan von Santorin und die Eruption von 1866. Mathematische Classe, . B. Riemann, über die Fläche vom kleinsten Inhalt bei gege- bener Begrenzung. (Bearbeitet von K. Hattendorff.) M. A. Stern, über die Bestimmung der Constanten in der Va- riationsrechnung. B. Riemann, über die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische Reihe. (Mitgetheilt durch R. De- dekind.) B. Riemann, über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. (Mitgetheilt durch R. Dedekind.) Historisch-philologische Classe. H. Sauppe, die Quellen Plutarchs für das Leben des Perikles. Th. Benfey, über einige Pluralbildungen des indogermanischen Verbum. Seite III A111 87 IER 39 oke ea ABHANDLUNGEN DER PHYSICALISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. DREIZEHNTER BAND. Phys. Classe. XIII. ` A ee Eer d Ueber den Vulkan von Santorin und die Eruption von 1866. Von Karl von Seebach. Vorgetragen in der Sitzung der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften vom 2. Juni 1866. Der nachstehende Aufsatz wurde veranlasst durch einen vierzehntägigen Aufenthalt auf Santorin während der gegenwärtigen Eruption im März und April 1866. Erst wenige Monate zuvor von einer grösseren Reise zur Er- forschung der Vulkane Central Amerkas zurückgekehrt, entschloss ich mich nur schwer noch vor der Ausarbeitung der gewonnenen Resultate einen neuen Ausflug anzutreten. Allein die Bedeutung der neuen Auf- gabe und dasZureden von Freunden und Collegen trug schliesslich doch den Sieg über alle anderen Bedenken davon. Auf mein unterthäniges Gesuch geruhte Se. Majestät König Georg V. mich nach Santorin zu schicken und wies seine Regierung an mir aus der für wissenschaft- liche Zwecke bereit gehaltenen Klosterkasse einen nicht unbeträchtlichen Zuschuss zu dieser Reise zu geben. War ich so auch nicht der erste auf dem Schauplatze des grossartigen Phaenomens, indem schon vom 11. bis zum 25. Februar und vom 1. bis zum 26. März eine griechische wissenschaftliche Commission unter der Führung des als Astronomen und Geologen gleich ausgezeichneten Herrn Dr. Julius Schmidt, derzeit Director der Sternwarte zu Athen, und vom 8. bis 23. März Herr de Verneuil und im Auftrage der Pariser Academie Herr Fouqu& da- selbst gearbeitet hatten, so blieb mir doch immer noch ein reiches Feld wissenschaftlicher Thätigkeit übrig. Da Herr Schmidt sich besonders der Beobachtung und Messung der eigentlichen Eruptionserscheinungen, Herr Fouqu& aber dem chemischen Studium der entweichenden Gase A2 4. KARL von SEEBACH, zugewandt hatten, so musste meine Aufgabe eine geognostische und pe- trographische Untersuchung des Vulkans sein. Die alte Caldera, die Kay- meni-Inseln und die noch im Entstehen begriffene Neubildung waren hier- bei, so weit es die Kürze der Zeit und meine damals sehr angegriffene Gesundheit erlaubten, in gleicher Weise zu berücksichtigen. Unmittelbar nach meiner Abreise von Santorin trafen die Herren K. v. Fritsch, W. Reiss und A. Stübel ein, die einen längeren Auf- enthalt daselbst machten und die Kenntniss des Vulkans in jeder Bezie- hung zur Vollendung und zum Abschluss gebracht haben dürften. Mit den von ihnen in ihrem Werke ‚die Kaymeni-Inseln“ schon publicirten allgemeinen Betrachtungen stimmen auch meine Schlussfolgerungen genau überein. Da durch mancherlei Ursachen der Abschluss dieses Aufsatzes bis heute (November 1867) verzögert worden ist, so habe ich nicht nur die nach mir angestellten Beobachtungen der genannten drei Herren sondern auch alle übrigen bis jetzt erschienenen Untersuchungen über die gegenwärtige Eruption thunlichst berücksichtigt. 1) Zur allgemeinen Topographie. Die unabweisbare Voraussetzung aller geologischen und besonders aller vulkanischen Untersuchungen ist das Vorhandensein genügender to- pographischer Karten. Da nun die bekannte Karte von Santorin in der Expédition scientifique de Morée und die, wie es scheint, wenigstens bis- her in Deutschland weniger bekannt gewordene Seekarte der englischen Admiralität, die 1848 durch Cptn. Th. Graves und M. Mansell aufgenommen wurde, in den Küstenlinien und der ganzen Form von Santorin so bedeutende Verschiedenheiten zeigen, so musste eine Revision derselben dringend geboten erscheinen. An eine förmliche Neuaufnahme konnte natürlich ein einzelner in so beschränkter Zeit und bei so vielen an- derweitigen Aufgaben nicht denken. Es musste daher am vortheilhafte- sten erscheinen eine möglichst grosse Zahl wichtiger Positionen von neuem zu bestimmen und festzulegen, um durch sie einen Maasstab für die Be- urtheilung des Werthes und der Genauigkeit der vorhandenen Karten zu ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 5 gewinnen. Zu diesem Zwecke wurde eine Reihe der wichtigsten Punkte in der Seefläche durch Winkelaufnahmen mit einem Bordaschen Spie- gelkreise bestimmt und in den Inseln viele andere Positionen mittelst einer Schmalkalderschen Diopterboussole controllirt. Die Resultate dieser Messungen beweisen bei nur wenigen kleinen Abweichungen die grosse Ge- nauigkeit und Sorgfalt der englischen Aufnahme, und da Herr J. Schmidt und die griechische Commission auch zu dieser Ueberzeugung gelangten, so dürfte durch die englische Admiralitäts-Aufnahme ein genügender Anhalt zur Beurtheilung späterer vulkanischer Umwandlungen in der horizonta- len Gestaltung des Vulkans von Santorin gewonnen worden sein. Es musste nun auch wünschenswerth erscheinen eine möglichst be- deutende Anzahl fester Punkte für die verticale Configuration des Vulkans zu bestimmen. Eine Reihe von mir zu diesem Ende mit einem vortreff- lich zur Reise eingerichteten Fortin’schen Barometer !) angestellter Hö- henmessungen bezweckten durch wiederholte Messungen einige wenige besonders interessante Höhen möglichst genau zu bestimmen. Dieselben verschwinden aber völlig gegen die grosse Anzahl der von H. J. Schmidt ausgeführten Höhenmessungen, die derselbe mit seltener Liberalität mir zur Verfügung stellte und die mit seiner Bewilligung hier veröffentlicht werden. Erst durch sie wird eine deutliche Vorstellung von den Relief- verhältnissen Santorins und die Möglichkeit für eine Erkennung ihrer säcularen Veränderungen gewonnen. Es bedeuten in dem nachstehenden Verzeichnisse die Zahlen in der Rubrik B die Zahl der mit einem Quecksilberbarometer ausgeführten Messungen, die unter A dagegen die Anzahl der Aneroid-Ablesungen, wo- bei noch zu bemerken ist, dass das von Herrn J. Schmidt benutzte Ane- roid besonders untersucht und corrigirt ist. Sämmtliche Messungen sind vellständig reducirt, und da auch meine Messungen der Kaymenis, für die Herr J. Schmidt sich besonders interessirte, von ihm selbst unter An- wendung genau construirter Curven der hypothetischen Lufttemperatur berechnet worden sind, so dürfte eine Angabe der Elemente der Messung 1) v. Lenoir in Wien. 6 KARL von SEEBACH, unnöthig sein. Alle Höhen sind wie in Schmidt s Originalmittheilung in Toisen angegeben. Zur Controle sind auch die in Toisen umgerechneten Höhenangaben der Graves’schen Karte, deren Bestimmungsart mir aber leider unbekannt geblieben, mit angeführt worden. Die während meines Aufenthaltes noch zunehmenden Höhen der vulkanischen Neubildungen von 1866, der Georgspitze und der Aphroessa, sind wie weiter unten auch die in ihrer Nähe abnehmenden Meerestiefen aus dem Verzeichniss aus- geschlossen. + L Auf der Insel Thera. No. Bezeichnung der gemessenen Höhen. Seehöhe in Toisen B A. Beobachter. 1 Apanomeria (Haus Nomiskos). 67,0 — a Sehmidt. 2 Eliaskirche. 114,6 — 1 = 3 Stavroskirche. 162,9 — 1 S 4 Megalo Vouno. 173,6 — — Graves. Ta ooo o e 177,8 1 — Seebach. 4b = z 165,3 — x Palaskal), 5 Kokino Vouno. 159,0 2 — Seebach. 6 Einsenkung (bei schwarzen Lapillen). 104,3 — 1 Schmidt. 7 Megalo Potamo (gr. Einschnitt am kl. Eliasberge). 120,2 — 1 SS 8 Ki. Eliasberg, N.-gipfel. 171,9 a l z 8a „, zy 180,9 9. Kl. Eliasberg, Kapelle. 165,1 1 — Seebach. 10 Gr. Senkung N. v. Merovigli. EE — 1 Schmidt. 11 Merovigli, Madonna di Malta. 195,7 2 2 5 ; ‚11a Meroyigli. Bse —- a 12 Kloster Hag. Nikolaos, N.-seite. 165,6 = -1 Schmidt 13 Senkung zw. Merovigli u. Phira. 140,0 — 1 SE 14 Windmühle in Ober-Phira. 148,7 l ł = Län » en = 14856 — — "Graves, 15 Phira, Haus Sirigou. 145,4 2 2 Schmidt. 1) Identität unsicher, Zahl der Beobachtungen unbekannt. e ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 7 An Bezeichnung der gemessenen Höhen. Seehöhe in Toisen B A. Beobachter. 16 Phira, Eparcheion. 121,5 2 2 Schmidt. 17 Phira, Haus Decigala. 116,0 — 1 a 18 Phira, Hôtel du Volcan. 120,8 9 — Seebach 19 Phira, Panagia Belonia. 108,0 = 1 Schmidt. 20 Phira, Haus Lanzadas (Epitropeion). ` 102,7 10 13 k 21 Scala (die Rotunde, ca. die halbe Höhe). 51.0 H Il 3 22 Windmühle S» v. Phira. 114,7 I S E 23 II. Windmühle S. v. Phira. 117,6 | A 24 Cap Alonaki. 121,9 1-4 pi 25 Senkung, Südl. am Leprokomeion. 114,6 — 2 S 26 Gr. Cap (Tuff) über Athinio. 155,3 23 K 27 Mühle über Athinio. 137,1 Kë S 28 Cap W. v. Hagia Marina. 135,2 — 1 E 29 Megalochori, Kirche Anargyria. 108,9 2 2 I 30 Megalochori, Metochion, unt. Zimmer. 121,1 ick S 31 Tiefste Einsenkung i. O. v. Akrotiri. 37,3 ]} F $ 32 I. Mühle i O. v. Akrotiri: : 40,9 1-4 = 33 Akrotiri, Nordost-Seite, Haus. 49,2 2- 2 2 34 Akrotiri, Mühle i. W. 84,4 — 1 E 35 Akrotiri, gr. Kuppe i. W. 107,2 1 a 35a 5 S ein 93,8 Wi Graves. 36 Cap Akrotiri. 42,5 ee SS 37 Echendra (Fuss d. Monumente). 1,8 1 — Schmidt. 38 Emporeion, obere Häuser (Marko). 47,8 r 1 e 39 Platanimos-Berg. 70 geschätzt o 40 Messa Vouno, Höhle i. S. 162,5 1 S 41 Messa Vound, Gipfel. 191,3 1 ; 42 Messa Vounò, Hag. Stephanos. Wio i l = 43 Messa Vound, O. obere Quelle. 66,7 = 1 44 Sellada. 137,5 l l = 45 Gr. Eliasberg (Zimmer des Abts). 290,6 2 2 n 45a — = 295,1 2o Graves. 8 KARL von SEEBACH, No. Bezeichnung der gemessenen Höhen. Seehöhe in Toisen B A. Beobachter 46 Gr. Eliasberg, Schule i. N., tiefer. 172,4 L-E Sekmid t. 47 Sattel gegen Pyrgos. 147,6 Le 7 48 Pyrgos Hag. Theodoria. 177,8 — 1 = 49 Pyrgos, Gipfel (höchste Terrasse d. Häuser). 191 gr ı > 50 Pyrgos, Fuss der Nördl. Häuser. 184,2 kl S 51 Mühlen W. v. Pyrgos. 162,5 Ed a 52 Goniä, Christuskirche bei d. Mühlen. 118,3 Ro S 53 Gonia, Hag. Charalampros. 99,9 1-1 5 54 Gonià, Hag. Panteleimon. 43,3 I l e 55 Messara, Haus Tzanos. 60,7 BGE S 56 Monolithos. 15,6 — — Graves. 57 Vorvouli. ` 86,1 — 1 Schmidt. 58 Cap Coloumbo. 28,1: 1 — Seebach 59. Cap Coloumbo, Ruinen oben. 25 — 1 Schmidt. IL. Auf Therasia. 60 Hag. Dimitrios. Bi. BE 61 Mühle Westlich in Manola. 88,8 SES i 62 Cap i ©. v. Vouli. 146,3 — — Graves. 63 Hag. Elias. 141,6 = RE 64 Panagia. 94,5 ee = Il. Auf der Aspro Nisi. 65 Gipfel. . 36,2 (mitd. Spiegelk. Palaska. 2 m.). IV. Auf Palaea Kaymeni. 66 Mitte des Plateau’s. 32,5 1 I Schmidt. 67 Gipfel (am Cap). 50,04 — — Graves. I nn | 47,54 1 1 Schmidt. ee >; 52,33 2 Seebach. | ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 9 V. Aufder Mikra Kaymeni. 68 Kratergipfel. 34,72 — — Graves. 68a x 38,04 1 1 "Schmidt. 68b a 37,36 2 — Seebach. 69 Kraterboden. 16,07 1 — Seebach. VI. Auf der Nea Kayme£ni. 70 Kraterkegelspitze. 54,89 _ — Graves. 70a í 53,93 4 7 Schmidt 70b S 54,41 — 5 Palaska. 70c e r 54,10 — — Nymphe}: 70d = 56,09 5 — Seebach; Diese Höhenmessungen, verbunden mit den zahlreichen Lothungen der Englischen Aufnahme, geben jetzt ein deutliches, bis in das Detail auf Messungen beruhendes Bild von den Reliefverhältnissen des Vul- kans von Santorin und erweitern die von Lieutenant Leycester 1849 und von Sir Charles Lyell 1853 gegebenen Darstellungen desselben. Ueber einer etwas elliptischen, von Nord nach Süd verlänger- ten, unterseeischen Basis von circa 12 Seemeilen (= 22 Kilom. oder 11000 Toisen abgerundet) Durchmesser erhebt sich mit einem mittleren Neigungswinkel von nur 40, das alte Vulkangerüst zu einer mittleren Höhe von 236 T. (= 460M.). In dieser Höhe bei einem grössten Durch- messer von 6 Seemeilen von Nord nach Süd und von 4 Seemeilen von Ost nach West ist der Kegel abgestutzt und umschliesst einen bis 244T. (= 476 M.) tiefen Kessel, dessen Ränder anfänglich steiler, dann aber nur wenig geneigtsind. Diese grossartige Caldera ist also noch etwas tie- fer in den Vulkan eingesenkt als seine mittlere Basis nach den vorhan- denen Lothungen angesetzt werden muss. Die höchste Höhe erreicht der Kraterrand bei der Madonna di Malta zu Merovigli mit 385 T. (= 750 M.) über dem Calderatiefsten, die niedrigste Stelle des Krater- randes scheint zwischen dem Mansel Riff und der Aspronisi zu liegen, 1) Durch die Officiere S. M. Corvette Nymphe gemessen, so viel mir. be- kannt mit Prismenkreis. Phys. Classe. XIII. B Ken ER HEN 10 KARL von SEEBACH, dort wo die Englische Karte 10 Faden Tiefe angiebt; hieraus berech- net sich eine Höhe von 190 T. (= 370,5 M.) über dem Calderatiefsten. In diesem Caldera-Rande ist nur nach Norden zwischen Apanomeria und Therasia eine tiefe Schlucht eingerissen, die schon Lyell mit dem Bar- ranco de las Angustias auf Palma vergleicht und deren analoge Wieder- holung an allen Calderen nach ihm ein characteristisches Merkmal der- selben ist. Allein unähnlich den verglichenen, grossen Barrancos der atlantischen Inseln senkt sich die Sohle des grossen Thals, zwischen Thera und Therasia nicht von Innen nach Aussen, sondern von Aussen nach Innen. Die englische Seekarte, die uns für die submarinen Relief- verhältnisse Santorins ein so unschäzbares Material liefert, zeigt zwischen Apanomeriä und Cap Riva auf Therasia 195 Faden Tiefe, weiter nörd- lich aber nur 136 und noch weiter nach Norden läuft der submarine Aussenabhang des Vulkans ununterbrochen von West nach Ost. Unge- fähr 100 Toisen hoch über seiner mittleren Basis und etwa ebenso tief unter der Seefläche ist der Vulkan nirgends unterbrochen. Das Becken der Caldera liegt also circa 100 Toisen tiefer als die tiefste Einsenkung in ihrer Umfassung. Dieses merkwürdige Verhältniss, auf das wir bei der Frage nach der Entstehungsweise der Caldera von Santorin noch einmal werden zurückkommen müssen , deutet an, dass hier die Caldera den Barranco, und nicht der Barranco die Caldera veranlassten, Ungefähr in der Mitte der von Nord nach Süd allmählich anstei- genden Caldera erheben sich die drei Kaymeni-Inseln und westlich von ihnen eine submarine Bank in ihrem unteren Theile als ein Kegel und erreichen in der Spitze der Nea Kaymeni eine Höhe von 219 Toisen (— 437 M.) über ihrer mittlere Basis (zu 175 Fathoms angenommen). Nur nach Osten, wo an die vier höheren Gipfel sich noch ein Flacher vierter Rücken anschliesst, der, 20 Fathoms unter der Seefläche, bis zu 74T. (— 146,2 M.) unter dem Gipfel der Nea ansteigt, erhebt sich die gemeinsame Basis bis zu etwa 85 Fathoms unter der Seefläche oder bis zu 135 T. (= 236,3 M.) unter demGipfel der Nea und bildet so einen Uebergang zu dem östlichen Calderarande. Diese inneren Erhebungen stiegen pig 1866 als ein gemeinsamer Kegel bis zu 10 T.(=136, 5 M.) ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 11 über die Basis auf und erst in dieser Höhe wurde die Palaea von den übrigen durch ein 149 T. (— 300,5 M.) tief unter dem Neagipfel gelege- nes Thal getrennt. Zwischen der Nea und der Mikra ist das Thal bloss 62 T. (= 121 M.) tief und zwischen der Mikra und der sogenannten Lalande-Bank 108 T. (= 210 M.), immer unter dem Neagipfel gerechnet; hier ist also der innere Kegel bis über seine halbe Höhe ungetheilt. Von besonderem Interesse ist noch der Böschungwinkel dieses inneren Kegels. Derselbe berechnet sich im Mittel zu etwa 120 und über- steigt nirgends 35°, denn die steilen Klippen der Palaea müssen, als erst se- eundärdurch Abwaschung erzeugt, bei einer Betrachtung der ursprünglichen Böschung ausgeschlossen werden. Eine Neigung von über 30° zeigen da- gegen nicht nur die beiden Kegelspitzen der Nea und Mikra, sondern auch der submarine Abfall, westliche Abhang von der Palaea. Von allen diesen Reliefverhältnissen und speciell den Kaymeni-Inseln giebt die Arbeit von Fritsch, Reiss und Stübel und besonders die von Letzteren angefertigten prachtvollen Reliefmodelle ein vortreffliches Bild. 2) Die Caldera. Die Caldera, der sogenannte Erhebungskrater von Santorin wird bekanntlich supramarin von den drei Inseln Santorin, Therasia und As- pronisi gebildet. Um Irrthümer und Weitläuftigkeiten zu vermeiden, ist es für geologische Zwecke passend, den Namen Santorin nur auf den Vulkan im Allgemeinen, auf die ganze Inselgruppe anzuwenden, die einzelne Insel Santorin aber mit dem althellenischen Namen Thera zu bezeichnen. Von diesen drei supramarinen Theilen der Caldera habe ich The- rasia und Aspronisi nicht besucht, Thera aber ist wenigstens in seinem mittleren Theile mehrfach von mir durchforscht worden. Vor Allem auffällig und für das geübte Auge schon aus der Fee von der vulkanischen Umgebung sich sondernd, ragt im Süd-Osten der Insel Thera der grosse Eliasberg auf. Er ist 290,6 T. (= 566,6 MI hoch und daher 104,9 T. (= 204,5 M.) höher als die höchste Höhe des Kraterrandes bei Merovigli. Derselbe besteht, wie schon Pitton de Tournefort im Jahre 1718 bemerkt, wesentlich aus ziemlich feinkör- | B2 12 KARL vox SEEBACH, nigem krystallinischen Kalk von vorherrschend graublauer Farbe. Herr Virlet hat darauf 1833 (Exped: sc. d. Morée, Bd. II, Abth. 2, S. 74 auch auf den mit dem Marmor vorkommenden Thonschiefer (Phylit) aufmerksam gemacht; und aus dieser Vergesellschaftung, sowie aus dem gemeinsamen Nordwest—Südöstlichen Streichen die enge Zusammengehörig- keit mit den übrigen nicht vulkanischen Cycladen dargethan. Im der That sind der graublaue körnige Kalk, und der bald mehr bald minder glim- merreiche Phyllit ununterscheidbar von manchen Gesteinen der übrigen Cycladen und finden ihre nahen Verwandten selbst noch im östlichen Attika. Der grosse Eliasberg auf a ist zweifellos, nur die südlichste Kuppe des grossen Kalkgli hiefergebirges, aus welchem fast das ganze östliche Eitieshenland bis RS zum Pentelikon sich aufbaut. L. v. Buch (Poggend. Ann. 1827, Bd. X, S. 173), glaubte dasselbe sei hier durch die vulkanischen Massen mit gehoben worden, allein das ist nicht der Fall. Der grosse Geognost, der nie selbst Santorin besucht hatte, ist hier offenbar irregeleitet worden durch eine Stelle bei Tourne- fort {Relation don voyage du Lévant lib. I, p. 104), wo er sagt: Le 7. Oct. nous allämes sur la montagne de St. Etienne.... Il est bien estra- ordinaire de voir un bloc de marbre, enté, pour ainsi dire, sur des 'pier- res ponces etc. Allein das Kalkglimmerschiefergebirge ist in Wahr- heit wie Herr Virlet und, wenn auch mit einigen phantastischen Zu- thaten, Fiedler (Reise durch Griechenland 1841, Bd. II, S. 486) ganz richtig erkannten, das älteste Stück von Thera auf dem die vulkanischen Producte überall auflagern. Das ist sehr schön und deutlich am Nord- abhange des Eliasberges und südlich von Goniä zu beobachten. Auch die Art und Weise, wie das Kalkglimmerschiefergebirge an anderen Punk- ten auftritt, beweisst dies. Schon Virlet wusste, dass der Kalk noch einmal weiter Nördlich in dem sogenannten Monolith des heiligen Jo- hannes bei Messaria aus der vulkanischen Decke hervortritt und L. Ross hat das Verdienst schon 1837 (publicirt erst 1841 in der In- selreise I. Bd., S. 185) die interessante, jetzt ausreichend bestätigte Entde- cekung gemacht zu haben, dass die krystallinischen Schiefer und Kalke auch inden steilen Abhängen des Calderarandes nicht fehlen. Dieselben treten ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 13 noch einmal in dem Abhange bei der kleinen Therme südlich des Athi- nioshafens auf, ohne jedoch die tuffbedeckte Höhe des Kraterrandes zu erreichen. Aus alle dem ergiebt sich, dass sich südwestlich von der vulkani- schen Esse das Schiefergebirge zu einem Bergzuge erhebt, dessen Abhänge von den ausgeworfenen vulkanischen Producten überschüttet und zwar natürlich zunächst der Esse am höchsten überkleidet und bedeckt wur- den. Ein weiterer Zusammenhang zwischen dem Kalkglimmerschiefer- gebirge und den vulkanischen Bildungen besteht nicht. Der übrige Theil von Thera, ganz Therasia und Aspronisi bestehen aus vulkanischen Schichten, die mantelförmig von Innen nach Aussen abfallen. Der allgemeine Eindruck derselben, das Vorherrschen der lo- sen Massen, die eingeschobenen sich manchfach auskeilenden jLavabänke und die oberste mächtige Schicht, weissen Andesittuffs, die in ganz glei- cher Weise alle drei Inseln überzieht und so deren ursprüngliche Zu- sammengehörigkeit beweist, ist mehrfach beschrieben worden. Besonders treffend von M. Virlet (Exped. sc. de Morée sciences phys. T. II par- tie II, S. 260). Hervorzuheben ist nur noch die Abwesenheit von Lava- gängen, die an der Somma und im yal del Bove so häufig sind. Von Herrn Fouqu& und den Herrn Reiss, Stübel und v. Fritsch sind zwar mehrere derselben nördlich vom Palaeo Skaro und unterhalb des kleinen Eliasbergs beobachtet worden. Allein sie sind eine Ausnahme und lassen ihr sonstiges Fehlen our om so mehr hervortreten. Das Vor- kommen von Gängen gerade an dieser Stelle, an der allein in grosser Zahl, wenn auch meist wenig mächtige Lavabänke bei einem Zurück- treten der Tuffe zu beobachten sind, nimmt ein specielles Interesse in Anspruch. In seiner Nähe am kleinen Eliasberge sind die nach Aussen abfallenden Lavabänke stärker geneigt als sonst, hier fehlt die Decke von weissem Andesittuff und in der Nähe liegt der einzige mir bekannt gewordene Hügel den man allenfalls als einen seitlichen Eruptionskegel deuten könnte, der Kokino-Vaund, der rothe Berg auf den wir später zurückkommen werden. Zieht man endlich eine Gerade von der Co- lumbobank über das Centrum der Caldera von Santorin nach den eben- ort OR E ae E dE FA Ae Set. wt, 14 KARL vox SEEBAH, falls vulkanischen Christiani- Inseln, so liegen jene Gänge in der unmit- telbaren Nähe derselben. Wie schon E v. Buch ganz richtig erkannte, bilden die vulkani- schen Bildungen Griechenlands eine Nordwest-Südöstliche Vulkanreihe, deren Südöstlichstes Glied eben Santorin ist. Allein in dieser Vulkanreihe wie- derholt sich eine Erscheinung, die in Java, Süd-Amerika und Central- Amerika wiederkehrt und in Wahrheit allen Vulkanreihen eigenthümlich zu seinscheint, nämlich eine Querreihung der nahe an einander gelegenen vulkanischen Centrem. Diese Querreihung war es auch, die Herrn Vir- let irrte (Bullet d.l. soc. geol.d. France 1832—33, f. III, p. 169) und ihn bestimmte dies Vorhandensein einer Nordwest-Südöstlichen Vulkanreihe in Griechenland zu läugnen. Mit Unrecht. Die Nordwestlichste Querreihe bil- den Methana und Aegina, dann folgt Poros; Milo, Kimolo, und Polino machen die mittlere Querreihe aus, und nach dem einzelnen Polikan- dro stellen Christiani Santorin und die Columbobank die letzte Quer- reihe dar. Die Vulkane Griechenlands sind daher nicht unregelmässig zerstreut wie M. Virlet will, sondern sie sind vielmehr fast zu regelvoll und gesetzmässig geordnet. Dieselben Ursachen, welche in der grossen Nordwest-Südöstlichen Hauptreihe diese Querreihung bewirkten, haben ausser der Richtung der Kaymeni-Inseln auch das Auftreten von Lava- gängen am kleinen Eliasberge bedingt. Es ist wahrscheinlich, dass auf dieser Linie und zeitweilig in der Nähe dieser der Hauptschornstein der vulkanischen Thätigkeit sich befunden hat. Die petrographische Beschaffenheit der den Calderarand bildenden Gesteine kann man am bequemsten an dem Dromo, der steilen Serpen- tine, die vom Hafen nach der Stadt Phira hinaufführt, studiren. Es ist derselbe Durchschnitt, den Herr Virlet beschreibt und abbildet (a. a. OS 260 u. Atlas Taf. IV, Fi ig. 4) und dessen Schichtenreihe auch Fiedler (Reise Bd. II, S. 490) angiebt. Die Abbildung von Herrn Virlet stimmt, wenigstens jetzt, nicht mehr recht mit der Natur und es ist mir unmöglich gewesen seine Darstellung mit einer Skizze, die ich selbst aufgenommen, in Uebereinstimmung zu bringen. Dagegen giebt dieselbe -= gut den allgemeinen Character des Kraterrandes wieder und zeigt treff- ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 15 lich, dass man es hier nirgends mit continuirlichen Schichten zu thun hat. Auch meine Aufzeichnungen über die einzelnen Schichten längs des Dromo weicht ein Wenig von den Angaben bei Virlet und Fiedler ab, indem diese, wie ich glauben möchte auf Kosten des wirklich characteri- stischen und wesentlichen, weit mehr Einzelnheiten unterscheiden. Doch ist eine Parallelisirung unserer drei Profil nicht schwer. Ich fand nämlich von Unten nach Oben: | A. Circa 150° Tuff. Zu unterst rosa-roth, ziemlich dicht und gleichartig, nach Oben grau werdend mit einzelnen grösseren Brocken und Blöcken einer schwarzen Lava. Es ist dies die Schicht Nr. 2 bei Fiedler und S. 261 erster und zweiter Absatz bei Virlet. Eine Untersuchung der einzelnen Blöcke in diesem Tuffe ist von Interesse und zeigt uns gleich in diesen ältesten unserer Beobachtung zugänglichen Producten den nämlichen Gesteinstypus, der in grosser Gleichartigkeit überall in Santorin wiederkehrt. Die Lava derselben besitzt eine dunkelbraune bis tiefschwarze oft an Pechstein erinnernde halbverglaste Grundmasse, in der bald mehr bald weniger zahlreiche glasige Feldspathkrystalle ausgeschieden sind. Sie lenkt den Magneten ziemlich stark ab. Besonders thun dies einige dichte und porphyrische Varietäten. Manche Stücke sind porös und zellig „mit Anlage zur Pa- rallelstructur“ andere dicht. Die Zellräume sind bald nur durch mikro- Kee Stalactiten der Grundmasse begrenzt, bald mit einzelnen Feld- pathkrystallen ee und erfüllt. Dieselben sind alsdann tafelförmig tert aus, die Flächen sind zugerundet = sehen ig thü ha und nicht mehr weie Dagegen kann man sich nicht selten an den porphyrisch eingesprengten Krystallen durch die deutlich hervortretende Zwillingsstreifung überzeugen, dass derselbe triklin ist. Die Spaltungs- flächen sind wasserhell, mit Neigung zu Newtonschen Farrbenringen und von der bekannten rissigen Beschaffenheit, die in allen Andesiten so häufig wiederkehrt. Neben dem triklinen Feldspath sieht man noch kleine dunkelere Ausscheidungen von grünlicher Färbung. Sie sind bald dunkellauchgrün von kurzsplittrigem Bruche und geringem Glanze, bald lichter gefärbt, olivengrün und fast diamantglänzend mit Neigung 16 KARL von SEEBACH, zum metallischen Perlmutterglanze. Jene, die zuweilen noch den cha- racteristischen Querschnitt zeigen, sind Augite, von der nämlichen Va- rietät, wie sie so häufig in den Vesuv-Laven vorkommen; diese, die nur als Körner vorzukommen scheinen, sind Olivin, der in halbverglasten Andesitgesteinen, soweit meine Erfahrung reicht, stets jenen hohen Glanz und die metallisch schimmernden Farben besitzt. Die Quantität, in der diese drei Mineralien ausgeschieden sind, ist sehr wechselnd und scheint in nahem Verhältnisse zur Structur der Gesteine zu stehen, indem die nicht porösen Varietäten desselben am reichsten sind. Auch die ver- hältnissmässige Menge derselben unter einander ist variabel, stets herrscht jedoch der trikline Feldspath stark über die andern zwei vor. Der Oli- vin ist oft eng verwachsen mit dem Augit, ähnlich wie in den bekann- ten Olivinbomben und nicht selten kann man ihn und auch den Augit, zum deutlichen Beweiss ihrer früheren Erstarrung, in den F eldspath- Kryställchen beobachten, die sich oft gerade um jene herum auskrystal- lisirt zu haben scheinen. Zahlreich finden sich noch kleine Magneteisenkrystalle und in ein- zelnen Drusen kann man feine schmutzig erbsgelbe Krystallnädelchen erkennen, die unter dem Mikroskope als vierseitige rectanguläre Prismen mit einem Doma zu erkennen sind. Von den beiden Domaflächen ist die eine in der Regel grösser als die andere, wodurch die Kristälichen dann monoklin und ganz ähnlich denen erscheinen, die Zirkel aus den neugebildeten Laven der letzten Eruption beschreibt und (Jahrb. 1866, Taf. 8, Fig. 3) abbildet. Da jedoch oft eine senkrecht auf der Haupt- axe stehende Spaltbarkeit zu beobachten war, so kann das Mineral nicht monoklin sein. Dasselbe erscheint unter dem Mikroscop olivengrün, stark durchscheinend mit zahlreichen Blasenräumen im Innern. In Salz- säure ist es schwer oder unlöslich. Eine genauere Bestimmung der Spe- cies war leider bei der ausserordentlichen Kleinheit der Krystallchen unmöglich. | Nach dem angegebenen Fundort und der petrographischen Beschrei- bung scheint die von K. v. Hauer analysirte Probe Nr. IH auf Seite 79 der Verhandlungen der K. K. geologischen Reichsanstalt, Jahrg. 1866 a ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 17 ebenfalls das Stück eines Lavablocks aus dem in Rede stehenden Tuff gewesen zu sein. Diese Vermuthung ist um so zulässiger und unbedenk- licher als fast alle vorliegenden Analysen von Santoringesteinen so gut übereinstimmen. Danach haben wir es mit einem sehr sauren Gestein zu thun und werden daher auch auf einen möglichst sauren Feldspath schliessen müssen. Stache (a. a. O. S. 67) hält die Santoringesteine (zunächst die neu gebildeten) für Sanidin-Oligoklas-Trachyt und dieser Ansicht schliesst sich auch K. v. Hauer (a. a. O. S. 190) in Folge von Zirkels Uuntersuchungen (Jahrb. f. Mineralogie 1866 S. 769 u. ff.) an, nach- dem er dieselben zuerst für quarzhaltige Augit-Andesite gehalten hatte (Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., Verhandl. S. 80). Bei dem auch nach Zirkel ‚„auffallenden Vorherrschen des Natron über das Kali“, bei den stets zahlreichen von mir beobachteten triklinen Feldspäthen, neben denen man keinen Grund findet, noch eine zweite Feldspathart anzu- nehmen, ferner bei einem Kieselsäuregehalt, der zum Theil selbst die Säu- rungsstufe des Orthoklas noch übersteigt, und endlich bei dem öfter wohl erkennbaren Augit muss ich indessen, wie später noch weiter begrün- det werden wird, bei dieser letzten Ansicht stehen bleiben und halte das herrschende Santoringestein für quarzführenden Augit-Andesit. B. 15’ mächtig, eine Felsbank eines schwarzen Asphalt-ähnlichen Gesteins mit vielen meist licht-ziegelrothen Einschlüssen. Es ist dies die Schicht Nr. 3 bei Fiedler. Bei Virlet scheint die „coulée d'une lave noire, cest un Porphyre trachytique smalloide et un peu scoriacde mélangé de fragmens d’autres Trachytes‘‘ das in Rede stehende Gestein bezeichnen zu sollen. Dasselbe ist sehr eigenthümlich, pechschwarz, bald matt und erdig, bald von kurzsplitterigem bis muscheligem Bruche und dann pech- bis glasglänzend. Stets opak und nur in mikroskopischen Splittern bräunlich durchscheinend bis durchsichtig. Beide, das matte und das glänzende, Vorkommen sind innig durcheinander gemischt und lassen nur im Grossen mehr matte oder mehr dichte Schichten und Strei- fen erkennen. Das Ganze erinnert ausserordentlich an gewisse Schla- cken, die auf der Grenze des Glasigen zum Steinigen stehen, an manche Asphalt-Vorkommen und an Palagonittuffe; die dichten Partien auch Phys. Classe. XII. C 18 KARL von SEEBACH, wohl an Tachylit und Pechstein, doch ist der Glanz weniger fettartig wie beim letzteren. Diese Grundmasse zeigt einen geringen Wassergehalt und gab 2,57%, Glühverlust. Härte 6—7. Grössere Gesteinsbrocken von meist lichtgrauer oder lichtröthlicher Färbung und zahlreiche kleinere krystallinische Individuen sind in diese Masse eingebettet. Ausser einem triklinen Feldspath, der vorherrscht, kann man wiederum lauchgrünen Augit, hellolivengrünen Olivin und kleine Magneteisenkryställchen er- kennen. Die grösseren Gesteinsbrocken sind bald mehr bimsteinartig, bald mehr tuffartig, bald offenbar gefrittete steinige Andesitstückchen. In einigen dieser letzteren konnte noch deutlich ein trikliner Feldspath erkannt werden. Im Grossen zeigt diese Felsbank eine in sich sehr regelmässig geschichtete Structur. | Diese eigenthümliche Gebirgsart kenne ich ausserdem nur noch in der Nähe des Vulkans Rincon de la Vieja, wo ich sie in ganz ähn- lichem Vorkommen an den Ufern der Südsee in der Bahia de las Cule- bras beobachtete, und als schwarze Flammenstreifen in dem Piperno-ar- tigen „Cascajo“ von las Pavas auf dem Plateau von Costa-rica. C. 300° mächtige röthlichgraue Tuffschichten. Sie entsprechen den Schichten Nr.4—12 bei Fiedler und 1—27 bei Virlet (S. 262 und 63). Diese Tuffschichten umschliessen nach Unten grosse, oftüber einen Fuss im Durchmesser haltende Andesitblöcke, deren Mehrzahl petrographisch durchaus mit denen in dem unteren Tuff übereinstimmt. Nach Oben wird derselbe von ziemlich gleich grossen, kleinen Lapillen gebildet. Virlet erwähnt eine einen Fuss mächtige Schicht mit Pisolithen. Ich glaube kleinere und wenig deutliche Pisolithe in mehreren Schichten gesehen zu haben, aber nie ist mir auf Santorin jene an Regelmässig- keit fast den Carlsbader Erbsenstein übertreffende Pisolith- Bildung des Tuffs vorgekommen, wie sie wohl an anderen Orten beobachtet worden ist und wie ich sie selbst in Nicaragua am Fusse des Vulkans von Ma- saya-Nindirf und in Guatemala am Nordufer des herrlichen Alpensees =- von Panajachel gegenüber dem Vulkane Atitlan gesehen habe. In aus- gezeichneter Weise zeigt der Tuff jedoch in seinen oberen Schichten transversale ee (Cross stratification). ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 19 D. In diesem Tuffe liegen zwei feste Bänke einer steinigen Lava, von denen die eine an der südlichsten Spitze der ganzen Serpentine zu beobachten ist und Nr. 27 bei Virlet (8.263) entspricht. Wahrschein- lich soll Fiedlers Nr. 12 dieselbe Schicht sein. Es ist dieser Lava- strom etwa 15° mächtig und man sieht von ihm an der Serpentine nur sein nördliches Ende, umgeben von einer Schlackenkruste, die nach Oben und Unten etwa 4 mächtig, seitlich jedoch bis 15’ breit ist. Das Ge- stein ist ein dunkelbrauner Andesit, den schon Virlet gut beschrie- ben hat. E. 4 dunkelgrauer Tuff mit Lapillen, gleich Nr. 28 bei Virlet, trennt den Lavastrom D von einem zweiten, der an der nächst höheren, nördlichen Wendung der Serpentine eintritt und von dem umgekehrt das südliche Ende sich bis hierhin fortgeschoben hat. F. Diese Andesitlava ist circa 20° mächtig und von Virlet unter Nr. 29 ebenfalls schon characterisirt worden. 20° dunkeler Tuff mit Lapillen folgen darüber und trennen jene Lava von der Hauptfelsbank im ganzen Abhang. H. Dieser circa 60° mächtige Lavastrom springt aus dem lockeren Tuff heraus und fällt schon von Weitem auf. Nr. 30 und 31 bei Virlet bezeichnen diese gewaltige Ablagerung, die auch auf seiner Profilzeich- nung Taf. XI, Fig. 4 unter Nr. 2 deutlich wiederzuerkennen ist. Es zeigt diese Schicht einen wechselnden petrographischen Habitus, der sich indess auf einen porösen und auf einen dichten Typus zurückfüh- ren lässt. | | Die poröse Abart hat eine dunkelaschgraue bis schwarze, steinige bis halbglasige Grundmasse mit zahlreichen pfirsichblüthroth ausgeklei- deten Poren und Zellen von wechselnder Gestalt, bald unregelmässig be- grenzt, wobei die steinige Grundmasse besonders hervortritt, bald recht- winkelig auf die Richtung des Lavastroms flachgedrückt, in welchem Falle, von Oben und Unten gesehen, die pfirsichblüthrothe Auskleidung der Drusenräume vorherrscht, während von der Seite das Gestein fein schwarz und rosa gestreift erscheint. Dabei kommen jedoch natürlich keine zusammenhängenden röthlichen Farbenbänder vor. Von ausgeschie- C2 ‘20 KARL vos SEEBACH, denen Mineralien, die bald in grösserer bald in geringerer Menge sich vorfinden, fällt vor allen ein glasiger Feldspath auf, der auch hier wieder deutlich als gestreift erkannt werden konnte. Dann entdeckt man bei einer genaueren Betrachtung einzelne lauchgrüne Krystallsäulen, die ich für Augit halte, und kleine stark glänzende Magneteisenkörner. Endlich scheinen einzelne kleine braungrüne oder, wohl nur in Folge des Hinter- grundes der schwarzen Grundmasse, schwarze Körner Olivin zu sein. Untersucht man die stalaktitische Auskleidung der einzelnen Zellräume mit der Loupe, so gewahrt man zahlreiche kleine Körnchen von rund- licher Gestalt und milchweisser Farbe, die man zunächst für Sodalith halten könnte. Bei einer vierzigfachen Vergrösserung überzeugt man sich aber leicht, dass man es nicht etwa mit einfachen Krystallen des regulären Systems zu thun hat, sondern mit zahlreichen Kıystallen, die sich mannigfach durchwachsen haben und deren genauere Form leider nicht zu ermitteln war. Nur einige Male glaubte ich Feldspathviellinge zu erkennen. Das würde auf zwei trikline Feldspathe deuten. Doch ist mir die Beobachtung selbst noch unsicher. Vielleicht waren es kleine Krystalle der Auskleidungsrinde, die aus Versehen mit losgelöst waren. Denn bei der gleichen Vergrösserung erkennt man, dass die ganze pfir- sichblüthrothe Auskleidung der Zellen ebenfalls von sehr feinen Kry- stallen gebildet wird, die auch ein trikliner F eldspath und wohl sicher identisch mit den grösseren ausgeschiedenen Krystallen sind. Die dichte Varietät dieser mächtigen Lavabank ist von aschgrauer Farbe mit einem Stich ins Violette. Sie ist steinig, dicht, von grauer Farbe und enthält ausgeschiedene Magneteisenkörner, Augitsäulen, so- wie am häufigsten und oftmals mit dem Augit verwachsen triklinen Feld- spath. Sie zeigt eine plattige, ja fast schiefrige Absonderung, deren Schichtflächen hell rothgrau sind, ähnlich der Auskleidungsrinde der po- rösen Varietä. Virlet und Fiedler vergleichen dies Gestein sehr mit Recht mit einer übereinstimmenden Varietät, die auf der Palaea Kaymeni sich findet. Eine etwas geringere, wenn auch immer noch auf- fällige, Aehnlichkeit zeigt das in Rede stehende Gestein mit den platten- förmig abgesonderten „thonsteinartigen‘' Lipariten im Krater von Vul- ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 21 cano, an denen man allerdings zuweilen eine dem Santoringestein feh- lende Neigung zur perlitischen Structur erkennen kann. Diese Aehnlich- keit wird noch dadurch erhöht, dass wie in dem Liparit schon Abich (Vulk. Erschein. ec? $ > erwähnte, so auch in diesem Santoringestein in feinen spalt ä , welche den Absonderungsflächen pa- rallel laufen, =op feine Quarzkryställchen sich finden. Der Quarz ist wasserhell in langen sechsseitigen Säulen mit der characteristischen Querstreifung der Flächen und der Pyramide am einen Ende. Einmal wurde bei 60 maliger Vergrösserung auch eine sogenannte Rhomben- fläche erkannt. Neben dem sehr vorherrschenden Quarz treten scharf ausgebildete, kurze, schwarze Krystalle auf, die durchaus an die kleinen Hornblendeprismen des Liparits erinnern. Leider sind dieselben zu klein, um gemessen werden zu können; bei einer mikroskopischen Prüfung er- kennt man jedoch in ausgezeichneter Weise die Krystallform der Horn- blende, das sogenannte zwei- und eingliedrige Dodekaid mit dem regulär sechseckig erscheinenden Querschnitt. Untergeordnet finden sich dann noch kleinere weingelbe bis nelkenbraune, wie es scheint, monokline Kry- ställchen, die ich für Titanit halte. Nur sehr sparsam kommt in diesen Drusen auch das schon oben erwähnte rhombische Mineral vor. Derlei kleine Drusenräume sind jedoch nur sehr seltene Ausnahmen ; in der Re- gel liegen die Absonderungsflächen zweier benachbarter Plättchen fest auf einander gewachsen und lösen sich erst durch gewaltsame Spaltung. Sie sind bald rauh, bald in eigenthümlicher Weise geglättet, als ob die Masse eine Gleitung in sich durchgemacht hätte. Die rauhen Theile offenbaren sich bei 100 maliger Vergrösserung deutlich als ein Haufwerk sehr kleiner trikliner Feldspathviellinge und auf den glätteren Flächen finden sich ebenfalls viele, etwas grössere glasige Feldspäthe, deren Zwil- lingsstreifung, obgleich immer noch sehr fein, bei starker Vergrösserung doch fast fiberall wahrzunehmen ist. Ausserdem sind noch vorhanden sehr zahlreiche, kleine, pechschwarze krystallinische Körner, die bei 60— 100 maliger Vergrösserung als scharf begränzte flächenreiche Kry- stalle sich ausweisen. Ihre Deutung ist schwierig, doch dürften es zwei- fellos Augite sein. Bei der äusseren Aehnlichkeit mit dem Kratergestein 232 KARL von SEEBACH, von Vulkano erwähne ich ausdrücklich, dass ein irgend beträchtlicher Glühverlust oder gar ein Gehalt von Schwefel oder Schwefelsäure hier kaum erwartet, jedenfalls aber nicht nachgewiesen werden konnten. I. Ueber dieser mächtigen Lavabank . folgt die bekannte über den grössten Theil der Calderaränder verbreitete Decke von weissem Andesit- tuff, die hier 120° mächtig ist. Sie wird bald von sehr fein zerriebenen Theilen gebildet und giebt dann die trassähnliche Santorinerde, bald ist es ein fürmliches Conglomerat von rundlichen Bimsteinbrocken bis zu Faustgrösse, wie bei Messariä und am Megalo-vound. Der Bimstein ist ziemlich dicht, weiss bis hell fleischfarben: viele glasige Feldspäthe, ‚sowie neben und oft mit ihnen verwachsen lauchgrüne Augitkryställchen sind bald in der Grundmasse, bald in den schaumigen Kohlräumen ausgeschieden. Der Feldspath zeigt unter dem Mikroskop eine sehr feine polyedrische Zerberstung, die bei durchfallendem Licht oft an pa- renchymatische Pflanzengewebe erinnert. Wenn man indessen die klei- nen Polyeder genau untersucht und hinreichend vergrössert, kann man immer noch die zarte Zwillingsstreifung erkennen. Nicht selten finden sich auch, meist auf den Augiten aufgewachsen, äusserst kleine Magnet- eisenkörner. Wie also für die chemische Gesammtbeschaffenheit schon Abichs Analyse (Vulk. Erschein. 1841, Tabelle III, Nr. 9 und S. 64, Zeile 2 v. Unten, cf. auch Roth Gesteinsanalysen S. 11, Nr. 17) zeigte, so erweisen jetzt auch die ausgeschiedenen Mineralien den Bimstein der „ EONOOXWUR“ Santorins und diese selbst als die schaumige und zu Mehl zermahlene Ausbildungsweise eines (freie Kieselsäure enthaltenden) Au- git-Andesits. Von dem schwarzen halbglasigen Andesit liegen ebenfalls einzelne, meist grössere Blöcke in dem weissen Tuff. . An den aus ihnen errichteten Mauern der Weinberge kann man überall in kürzester Frist eine Musterkarte aller seiner, nur wenig verschiedenen Varietäten sam- meln. Die weisse Andesittuffdecke fehlt in dem vulkanischen Theil der Caldera, wie schon Herr Virlet (a. a. O: Pag. 264) erwähnt, bloss auf dem kleinen St. Eliasberg und auf der von mir leider nicht besuchten Süd- spitze der Insel. Herr Virlet ist in Folge dessen geneigt (S. 265), den ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 23 kleinen St. Eliasberg für ein besonderes Eruptionscentrum zu halten. Schon weiter oben wurde aus dem, mir wenigstens, allein von hier be- kannt gewordenen Auftreten von Lavagängen und dem steileren Abfallen der Lavabänke, sowie der Lage des kleinen Eliasberges auf der vulka- nischen Querreihe geschlossen, dass in der Nähe desselben einst der Krater des Vulkans von Santorin gelegen haben möge. Für die Ansicht aber, dass hier eine besondere vulkanische Oeffnung, also doch wohl ein Sei- tenkrater gelegen, habe ich auch nicht einen Anhaltspunkt zu finden vermocht. Der Berg hat nicht die characteristische Kegelform, sondern ist ein gestreckter Rücken, dessen Grat von fast geradlinig streichenden, nur nach Ost-Nordost abfallenden Tuff- und Lavaschichten gebildet wird. Dagegen habe ich bei meinem Besuche dieses Theils der Insel an- fänglich in dem Kokino-vound, dem rothen Berge, einen solchen Neben- krater vermuthet. Besonders täuschend ist die Erscheinung desselben von Südost aus. Regelmässig konisch erhebt er sich ausserhalb des Cal- derarandes und ist auf seiner Anhöhe mit ausgezeichnet rothen Lapillen bedeckt, die ihm seinen Namen eingetragen haben. Allein bei einer Besteigung desselben und Untersuchung von der Westseite aus überzeugt man sich, dass auch er kein parasitischer Seitenkegel ist. Denn wenn auch von hier der Kokino-vound, durch einen Sattel vom Calderarande getrennt, flach kegelförmig sich erhebt und auf seiner Höhe eine kleine Ebene ist, die man wohl als den Ueberrest eines denudirten Kraters deuten könnte, so war es mir doch nicht möglich, wie eine solche An- | nahme verlangen würde, auch gegen Süden und Westen abfallende Schichten zu entdecken; alle fallen gleichartig nach Nordosten. Unter den verdächtig rothen Lapillen, die den Hügel selbst bilden, folgt erst ein weisser Andesit-Tuff mit Bimsteinen und darunter grauer wohlge- schichteter Tuff mit Lapillen, beide fallen nur vom Centrum der Caldera aus ab. Da man nun eine ähnliche rothe Lavabank in nahezu glei- chem Horizont, wenn auch bei sonst abweichender Schichtenfolge ganz in der Nähe am kleinen St. Elias und bis zum Paläoskaro beobachtet, so wird man wohl am einfachsten die rothen Lapillen des Kokino- vounò durch Verwitterung und Zerfall jener Schicht und den flachen 24 KARL von SEEBACH, Sattel zwischen ihm und dem Megalo-vouno durch Denudation er- klären. Ist der Kokino-vound aber kein parasitischer Seitenkegel, so könn- ten dergleichen nur noch südlich oder südwestlich von Acrotiri erwartet werden. Die ganze übrige Caldera ist frei von ihnen. Ueber jene Ge- gend habe ich aber leider kein Urtheil, da ich das einzige Mal, dass ich an ihr vorüber kam, von der Dunkelheit der Nacht überrascht wurde. Wenn daher seitliche Eruptionen auf Santorin — wie auch die Gänge unter dem kleinen Eliasberge andeuten — nicht gänzlich gefehlt haben mögen, so sind doch jedenfalls sie selbst viel zu selten gewesen und ihre Producte viel zu untergeordnet und unbedeutend , um eine wesent- liche Eigenthümlichkeit im Baue des Vulkans von Santorin ausmachen zu können. Eine Vergleichung mit zwei allerdings gerade an seitlichen Durchbrüchen besonders reichen Vulkanen, mit dem Aetna und — nach der eben erschienenen Karte von K. v. Fritsch, E. Hartung und W. Reiss — mit Tenerife lässt das deutlich erkennen. Die Columbobank wird durch ihre Lage auf der vulkanischen Quer- reihe und durch den abweichenden Eruptionstypus, trotz ihrer geringen Ent- fernung von Santorin, als selbständiger Vulkan genügend gekennzeichnet. Andem Megalo-vouno beobachtet man unter dem am Kokino-vound erwähnten grauen Tuff mit Lapillen eine circa 6° mächtige Gesteinsbank, die wohl der Erwähnung werth ist. Auf den ersten Blick glaubt man unzählige Feldspathfragmente, durch einen lichtrothbraunen Tuff cemen- tirt, vor sich zu haben. Aber bei einiger Aufmerksamkeit bemerkt man, dass der Feldspath in Krystallen sich vorfindet. Es sind trikline Viel- linge mit ein- und ausspringenden Winkeln und deutlicher Streifung auf dem Blätterbruche. Neben ihnen konnte ich nur noch kleine Magnet- eisen- und Augitkryställchen unterscheiden. Die Grundmasse ist ein lo- ckeres Aggregat (unvollständiger?) Feldspathkryställchen, welche dem gan- zen Gestein eine eigenthümlich aufgelockerte und sandig anzufühlende Beschaffenheit verleiht. Mürbe und doch spröde und klingend, saugt es mit leisem Brausen begierig Wasser auf. Es erinnert in der ganzen Structur an einige Domite. Dunkele meist schwarzbraune unter sich Ki ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 25 parallele Flammen und Streifen geben jedoch bei ebenfalls übereinstim- mender Structur eine noch weit grössere Aehnlichkeit mit dem Piperno der phlegräischen Felder. In der That dürfte das in Rede stehende Ge- stein, wenn man die Annahme gestattet, dass auch hier wieder der tri- kline Feldspath Oligoklas sei, in der Augit-Andesitreihe dem Piperno der Sanidin-Trachytreihe entsprechen. Ein von ihm ununterscheidbarer An- desit-Piperno findet sich auch am südlichen Abhange der Lagöa do Fogo auf Sâo Miguel !), und analoge, ebenfalls der Andesitreihe angehörige Piperno habe ich in Gemeinschaft mit meinem Freunde A. v. Franztius bei S. Jose de Costa-Rica gesammelt. Diese weitere Verbreitung dürfte die Ansicht unterstützen, dass der Piperno, wie Obsidian und Bim- stein, nur eine bestimmte physikalische Entwickelung sehr verschieden- artiger Massen darstellt. Er scheint nur eine Stufe, und zwar wohl den Anfangspunkt, jenes Aufschäumens auszumachen, welches auf seinem Höhepunkt den Bimstein erzeugt. Der Piperno bildet noch geflossene Laven, während der echte Bimstein selbständig nur als Auswürfling existirt. Die am kleinen St. Eliasberge auftretende rothe Lavaschicht liefert wohl auch den von Fiedler [Reisen Bd. II, S. 479) erwähnten rothen, leichten Baustein; doch versäumte ich leider mich an Ort und Stelle ` hiervon zu vergewissern. Derselbe ist natürlich kein „Bimstein“ (ie- poo netoa), wie er genannt wird, sondern nur eine äusserst fein cavernöse Andesitlava von ziegelrother Farbe. Zwei Gesteine möchte ich noch hervorheben, die beide am kleinen St. Eliasberge sich finden, das erste bildet eine mächtige Bank an sei- nem Gipfel, das andere beobachtet man als einen ausgedehnten Lava- strom, an seinem Abhange zwischen Voryouli und dem von grauen Tuf- fen gebildeten Cap Columbo. Das Gestein vom Gipfel des kleinen St. Eliasberges ist ein licht 1) Nach einer petrographischen Untersuchung der Sammlung vulkanischer Ge- steine von den Azoren, welche das hiesige Universitätsmuseum der Güte der Herren Sir Charles Lyell und W. Reiss verdankt, kann ich Zirkels Vermuthung (Pe- trographie Bd. II, 5.226), dass der grösste Theil der früher zu den Sanidin-Trachyten gestellten Gesteine der Azoren Augit-Andesite sind, nur Kee, E Phys. Classe. XIII. D 20: o. KARL von SEEBACH, aschgraues Gestein, das bei flüchtiger Betrachtung an Porphyrit erinnert; es ist sehr dicht und erst unter der Loupe treten die wenig zahlreichen, kleinen mit Feldspath ausgekleideten Hohlräume hervor. Die Grund- masse ist nicht mehr halbglasig, sondern feinkörnig, ähnlich wie in dem plattenförmig abgesonderten Andesit unterhalb Phira. Ihre aschgraue Farbe geht um die kleinen Poren und die ausgeschiedenen Krystalle herum, wohl durch eintretende höhere Oxydation, in ein röthliches Braun über. Vor Allem aber ist dies Gestein durch seine zahlreichen und sehr deutlichen Krystallausscheidungen ausgezeichnet. Mit grösster Klarheit treten die Zwillingsstreifen auf dem glasigen Feldspath hervor und zahlreiche Querschnitte durch die pechschwarzen, etwas zersetzt er- scheinenden Augitprismen lassen leicht den characteristischen Säulenwin- kel erkennen. Die Magneteisenkryställchen flimmern mit metalli- schem Glanze und nur die freie Kieselsäure sucht man vergebens. Wenn sie überhaupt vorhanden ist, müsste sie auch hier wieder in der Grund- masse stecken. Den geraden Gegensatz zu diesem dichten Gestein macht die Lava jenseits Vorvouli, die in ausgezeichneter Weise zellig und schlackig ist. ‚Ihre Hohlräume sind leer, aber in der deutlich feinkörnigen Grundmasse sind um so häufiger Mineralien ausgeschieden, und neben dem triklinen Feldspath fallen hier die sehr zahlreichen graugrünen Olivinkörner auf. Kleine lauchgrüne Säulen, die wohl mit Sicherheit als Augit gedeutet werden können, sind aber auch hier nicht häufiger als mm den anderen Santoringesteinen. Leider liegt keine Analyse dieses Gesteins vor, so dass die Säuerungsstufe desselben unbekannt bleibt, und daher leider auch kein sicherer Rückschluss auf die Natur des Feldspaths möglich ist. Die Annahme, dass auch er nur Oligoklas sei, dürfte aber, zumal bei der grossen Aehnlichkeit des ganzen Gesteins mit manchen echten Augit- Andesiten wohl kaum zu gewagt erscheinen. Es liegt nahe bei dieser Gelegenheit auch die von K. v. Hauer (Jahrb. d. geol. Reichsanst. 1866 Verh. S. 79) publicirte Analyse zu Rathe zu ziehen, die für ein leider ohne genaueren Fundort angeführtes Gestein der Insel Thera einen um circa N Baies e als in den übrigen Gesteinen nach- _ ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 27- weist. Berechnet man in dieser Analyse den Feldspath nach der vor- handenen Thonerdemenge —- ein Verfahren, das bei dem nur spärlich vertretenen Augit, keinen grossen Fehler, jedenfalls aber nur zuviel Feldspath giebt — als Oligoklas, so ist jedoch nicht nur immer noch ausreichend viel Kieselsäure für diese Sättigungstufe vorhanden, sondern es bleibt selbst ein Ueberschuss, der bei einer, in Folge der analytisch nicht getrennten zwei Oxydationsstufen des Eisens, allerdings willkürlich angenommenen Menge von Magneteisen, ohne jeden Zwang auf Augit und Olivin sich verrechnen lässt. Alle Erfahrungen weisen somit darauf hin, dass die Caldera von Santorin von Augit-Andesit-Gesteinen gebildet wird, die, wie die chemi- sche Analyse lehrt nur durch einen wechselnden und zuweilen wohl ganz fehlenden Gehalt von freier Kieselsäure untereinander abweichen. Aber erst eine grössere Anzahl von Analysen könnte erkennen lassen, ob auch hier, wie an anderen Orten (cf. Roth Gesteinsanalysen p. XLIX) der höhere Kieselsäuregehalt mit der glasigen und schaumigen Ausbildung der Gesteine Hand in Hand geht. Dass die Mehrzahl, ja vielleicht alle uns heute noch vorliegenden Santoringesteine, speciell aber die Tuffe submarin sich abgelagert haben, das ist wohl jedem Geologen wahrscheinlich gewesen, der Santorin be- sucht hat, aber erst K. v. Fritsch, W. Reiss und A. Stübel haben das Glück gehabt, den Beweis für diese Vermuthung durch die Entde- ckung fossiler Meeresthiere in den Tuffschichten bei Acrotiri erbracht zu haben. Leider wissen wir aber bis jetzt weder in welcher Seehöhe, noch in welcher bestimmten Schicht dieselben gefunden wurden. Beweisen diese Reste eine, wohl vorhistorische, grossartige Hebung des Terrains, so fehlt es auch nicht an Belegen für spätere, in histori- schen Zeiten erfolgte Senkungen. Nicht nur sind die antiken, von Ross (Inselreise Bd. I, S. 69) als das alte Eleusis gedeuteten Hafenbauten beim Cap Exomiti schon vor Jahrhunderten bis unter die Seefläche ge- sunken, sondern auch in die modernen, in dem kleinen Hafen unter Phira einst 5° über dem Meere angelegten Magazine spülen jetzt die Wellen des ägäischen Meeres. Ross (a. a. O. S. 99) scheint diese Sen- D2 28 KARL von SEEBACH, kung in die gleiche Zeit wie die Bildung der Nea Kaymeni setzen zu wollen; einige zuverlässige Einwohner versicherten mir dagegen wieder- holt, dass dieselbe erst in diesem Jahrhundert Statt gefunden habe. Vielleicht bei dem grossen Erdbeben von 1802 (cf. Pegues Santorin 1842 S. 234). , Für die wohl behauptete Entstehung der weissen Andesittuffdeck in historischen Zeiten liegen noch keine zureichenden Belege vor. Auch M. F. Lenormant hat noch ganz kürzlich (Comptes rend. acad. inscr. et belles lett. 1866 S. 270) dies hervorgehoben. Selbst die neuesten Aus- grabungen auf Therasia, haben mich, nach den bis jetzt vorliegenden Be- schreibungen wenigstens, hiervon noch nicht überzeugen können. Bei einem so lockeren und beweglichen Material wäre die sorgfältigste Un- tersuchung nothwendig, um eine so wichtige Thatsache zu erweisen, und da Herr Fouque selbst noch nicht ganz sicher über ihr Alter ist (s. Comptes rend. T. 64, S. 668), so möchte auch ich das historische Alter der Tuffdecke noch bezweifeln. 3) Die Kaymeni-Inseln. Wenn man bedenkt, welche grossartige Bedeutung diese erst in historischen Zeiten entstandenen Inseln für die Geologie haben, sollte man meinen, die Quellen, welche sie berichten, müssten längst so sorg- fältig geprüft und Art und Zeit ihrer Bildung kritisch so genau fest ge- stellt sein, dass über sie kein Zweifelmehr bestehen könne. Das ist aber leider in Folge der weit auseinander gehenden Berichte der Schriftsteller nicht der Fall. In geologischen Werken werden bis in die jüngste Zeit sieben Inselgeburten verzeichnet, die in den Jahren 197 !bei einigen 184) vor Chr. Geburt und 19, 726, 1457, 1573 und 1707 unserer Zeitrech- nung stattgefunden haben sollen. Gegen diese Angaben ist jedoch L. Ross in seiner reichhaltigen Inselreise Bd. I, neunter Brief (S. 86 u. ff.) aufgetreten. Der Umstand, dass man gegenwärtig nur noch die Resultate von vier Eruptionen unterscheiden kann, scheint ihn zuerst bedenklich > gemacht und veranlasst zu haben, alle vorhandenen Quellen noch einmal ' mit der scharfen Kritik und Gründlichkeit des Philologen zu prüfen. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 29 Er kam hierbei zu dem Resultate, dass bis zur Mitte unseres Jahrhun- derts nur fünf inselerzeugende Eruptionen in glaubwürdiger Weise über- liefert sind, die auf die Jahre 197 a. Chr. n., 46, 726, 1570 oder 73° und 1707—13 unserer Aera fallen. Nach einem sorgfältigen Studium seiner vortrefflichen Darlegung wird wohl Jedermann sich Ross nur un- bedingt anschliessen können. Wenn aber trotzdem seine Resultate bis heute noch nicht die allein in der geologischen Literatur gültigen sind, so ist der Grund hierzu wohl bloss in dem für einen Geologen ziem- lich entlegenen Ort ihrer Publication zu suchen 1).- Doch möchte ich darauf hinweisen, dass auch schon K. E. A. v. Hoff in seiner Ge- schichte der natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche, die den An- gaben in geologischen Werken wohl meist zu Grunde liegt, auf die un- verkennbaren Spuren ‚der Corruption oder Nachlässigkeit‘‘ in den hier in Frage kommenden und verwirrenden Stellen des Plinius hinweist. Da indess Ross immer noch eine Inselgeburt mehr übrig behält, als jetzt unterscheidbare Eruptionsproducte (supramarin wenigstens) vor- liegen: so entsteht die Frage, wie diese auf jene zu vertheilen sind. Ross ist geneigt, die Mikra Kaymeni als die Thia des Jahres 46 zu deu- ten, die Inselgeburt von 1573 aber herabzudrücken zu einer blossen Ver- grösserung. Er gedenkt jedoch ausdrücklich auch der Möglichkeit, dass die Thia wieder versunken und 1573, wie er sich ausdrückt, „zum zwei- ten Male emporgetaucht sei“. Die geognostische Beschaffenheit der Mi- kra, die auch Ross als allein competenten Richter anerkennt, lehrt aber wie unten gezeigt werden wird, dass die Mikra ein verhältnissmässig neues Erzeugniss des Vulkans und somit 1573 entstanden ist. Sir Char- 1) Ich- verdanke den Hinweis auf die Boss sche Kritrik der Güte von Prof. E. Curtius. In einem pupulären kleinen Vortrage von mir über Santorin (A. Cha- risius 1867) hat sich bei der Correctur, die, während ich mit entfernt liegenden geog- nostisch-paläontologischen Arbeiten beschäftigt war, in einem kleinen Landstädtchen gemacht werden musste, auf S. 26 auch noch die Zahl 19 p. Chr. n. eingeschlichen. Ich bedaure aufrichtig so auch meinerseits, wenn auch nur durch ein Versehen, zur Aufrechterhaltung und Verbreitung der unbrauchbaren en von Plinius beigetragen zu haben. 30 KARL von SEEBACH, les Lyell (Principles 1853, S. 441) will dagegen, gestützt auf eine ver- dorbene oder falsche Stelle des Plinius, Thia nur als einen blossen Zu- wachs und als ein Stück der heutigen Palaea deuten, wie früher auch schon Ordinaire gethan. K.v.Fritsch,W.Reiss und A.Stübel, haben auf der schönen Photographie (Taf. II) ihres Werkes über die Kaymeni zur Palaea Kaymeni ausser der Nikolaosspitze vom Jahre 723, wie Lyell die Thia des Jahres 46 und, wie Virlet (Hist. des Kaymenis 1867.S.57), auch die — von Ross (und nach ihm von mir) bloss für einen Einsturz von der Palaea Kaymeni gehaltene — zweifelhafte Neubildung von 1457 der Pa- laea zugerechnet. Dass das Product des Ausbruchs von 723 sich mit der Palaea-Kaymeni (Teod) verbunden, ist uns nicht allein ausdrücklich überliefert 1). sondern man kann auch heute noch deutlich jenes Stück unterscheiden. Wie Virlet dazu kommt, dasselbe für ein Resultat von 1457 zu halten, ist mir unverständlich. Es liegt keine Berechtigung hierzu vor, da nach allen Beobachtungen die Palaea nur zwei verschie- denen Eruptionen ihre Entstehung verdankt und die Annahme von noch mehreren, etwa nicht oder doch nur sehr schwer unterscheidbaren Thei- len, jedenfalls unnöthig ist. Ross hat nämlich in seine Discussion bloss die drei centralen Ke- gel hineingezogen, die über die Seefläche aufragen und die Bank östlich der Mikra unberücksichtigt gelassen. Indessen ist es offenbar sehr wahrscheinlich, dass auch dieser vierte Centralkegel mit jenen, die gleiche Entstehung habe, da er aus derselben Basis aufragt und von der nachbar- lichen Mikra sich in noch grösserer Höhe trennt, als wie früher die Nea von der Palaea. Auch Fritsch, Reiss und Stübel scheinen diese Meinung zu theilen. Wenigstens ist auf den schönen stereoskopischen Pho- tographien des grossen Santorin-Reliefs von Stübel nicht bloss die Bank neben der Mikra, sondern auch noch der zweite, noch weiter öst- liche und viel weniger hohe, submarine Hügel in der gleichen Manier dargestellt, wie der submarine Columbo-Vulkan und die Kaymeni selbst. Da die Bank aber jetzt nur vier Fathoms unter der Seefläche liegt, so 1) ef. Theophanes. Chronogr. p. 269 C ed. Venet., 338— 9 ed. Paris. in fol. së. oos Toye sioa GRO? Asyousyn vëge org Ae, Aë To rıgiv oŭoa. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 31 musste ihre Eruption jedenfalls auch supramarine Ausbruchserscheinun- ‚gen geben, die, wenn man nicht eine vorhistorische Eruption annehmen will, gewiss bemerkt und verzeichnet wurden. Ja bei den Zerstörungen, welche die Wellen des ägäischen Meeres an der Palaea-Kaymeni be- wirkt haben, wird man leicht annehmen können, dass auch hier im Jahre 46 eine supramarine und nur später, vielleicht in den dunkelen Zeiten des frühen Mittelalters, denudirte und wiederverschwundene Klippe bestand. ‚Dieser Annahme steht jedoch schroff die Ansicht von Yirker ge- genüber, nach welcher jene Bank erst in neuester Zeit sich so nahe un- ter die Seefläche emporgeschoben haben soll. Der eifrige Gegner der vulkanischen Erhebungen hat hier selbst eine solche angenommen und manche Geologen sind ihm nur zu gern nachgefolgt. Eine genaue Prü- fung der Angaben, auf welcher sie beruht, zeigt aber, dass auch sie nur eine ungenügend beglaubigte ist. Es liegen über die Höhe, bezüglich Tiefe, der Bank nämlich nur die folgenden Angaben vor. 1794. EndeJuli (Anfang Thermidor an II) fanden Olivier und Bru- guiere (Olivier Voy. dans lempire Othoman Bd. I, S. 365) „süd-süd- westlich der Mikra den Meeresboden ansteigend und nur 15—20 Brasses tief!). Die Fischer der Inseln versicherten, der Boden habe sich seit einiger Zeit beträchtlich gehoben. was die bevorstehende Bil- dung einer neuen Insel anzuzeigen scheint“. Die Identität des Ortes muss hier offenbar unsicher bleiben. Aber auch diese zugestanden, so ist doch nicht von einer ausgedehnteren Lothung die Rede, welche über- zeugen könnte, dass sich die französischen Gelehrten wirklich über dem Gipfel des Hügels befunden hätten. 1829. Im Juni hatte nach Virlet (Exped. scientif. S. 281) de Lalande die Bank mit der grössten Sorgfalt gemessen und fand bloss 41). Brasses. 1829. Am 15. Sept. fanden Bory de St. Vincent und Virlet nur i 3Y Brasses (ibid. S. 282). 1) et quelque distance sudsudouest de la petite Camène le fond de la mer s’eleve et la sonde ne donne que quinze et vingt brasses. 32 KARL von SEEBACH, 1343 fand Cptn. Graves, wie seine ausgezeichnete Karte ausweist, Zi Fathoms. i 1866 fand ich selbst 5—41%, Faden. Wie wenig die geringen mit Sicherheit hier beobachteten Differen- Zen zumal auf einem felsigen Terrain bedeuten wollen, wird Jeder, der selbst einige Erfahrungen im Lothen hat, wissen; er wird gewiss gern zu- geben, dass die Bank von 1829 bis 1866 die gleiche Höhe gehabt hat- und noch hat. Wie merkwürdig, dass der submarine Hügel gerade seit dem Zeitpunkte seiner ersten sorgfältigen Messung aufgehört hat .em- porzusteigen! | S Für eine allmählige Hebung des Meeresbodens bei der Mikra lie- gen, bei der Unsicherheit und Unbestimmtheit der zur Beweisführung herangezogenen Messung bei Olivier, daher nur die Versicherungen ei- niger Fischer vor, deren Nation gerade durch die Productivität ihrer Phan- tasie berühmt geworden ist. Das reicht für ein Ereigniss von so einzi- ger Bedeutung nicht aus. Die Annahme aber, dass die Bank erst su- pramarin war, allmählig von den Wogen abgespült und bis zu ihrer jetzigen Höhe oder Tiefe nivellirt wurde, ist eine durchaus einfache und natürliche, die allen geologischen Erfahrungen entspricht. Wird man dies zugeben, so ist es auch am einfachsten und wahrscheinlichsten an- zunehmen, dass sie das Product der Eruption vom Jahre 46, das heisst, dass sie die Thia ist. : Eine Untersuchung der uns erhaltenen Berichte über die Entstehung der Thia liefert leider erst bei einer leichten und nothwendigen Ver- besserung Material um diese Ansicht zu unterstützen. Seneca erwähnt einfach der Entstehung der Thia ohne weiteres Detail anzugeben. Die Stelle bei Plinius muss als falsch unberücksichtigt bleiben, sonst würde sie mit Ross’s Emendation duodecim statt duobus stadiis noch besser auf die Bank als auf die Mikra passen. Aurelius Victor (in Claud.) Bericht wird wichtig durch die Angabe einer gleichzeitigen Mondfinster- niss, die (cf. Hoff a a. O. S. 161) in der That in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar der Jahre 46 und 47 stattgefunden hat. Dass Citat des Ammian. Marc. Lib. XVII, Cap. 7, §. 13 bei Ross ist irrig, = ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 33 da daselbst die Entstehung der Hiera, aber nicht der Thia, ohne nä- heres Detail erwähnt wird. Die übrigen Stellen führen aber alle auf eine Quelle. Cedrenus hat den Syncellus und dieser bekanntlich den Eusebius ausgeschrieben, in gleicher Weise führt Orosius Lib. 7, Cap. 6 auf die lateinische Uebersetzung des Eusebius von Hieronymus, ebenso Cassiodor. Auch Dio Cassius scheint aus derselben Quelle, wie Eusebius geschöpft zu haben. Cassiodor setzt die Entstehung der Thia ein Jahr früher an als die übrigen, nämlich auf das Consulat des Vinicius und Cornelius, welcher letztere nach den Fasten in Corvinus verbessert werden muss. Dio Cassius aber giebt sie umgekehrt um ein Jahr später, 47 p. Chr. n. an. Alle ausser ihm sagen, dass um diese Zeit zwischen Thera und Therasia eine Insel von 30 Stadien Umfang auftauchte 1). Diese beträchtliche Grösse von 30 Stadien, also ungefähr so gross als jetzt die Nea Kaymeni, ist der hier vorge- schlagenen Deutung der Thia allerdings ungünstig. Sie verträgt sich aber noch weniger mit den übrigen geologisch möglichen Annahmen. Die Angabe von 30 Stadien Umfang muss daher eine irrige sein. Alle Schwierigkeiten fallen aber, wenn man annimmt, dass die gemeinsame Quelle aller dieser Mittheilungen, dass Eusebius fälschlich orediov £ statt orediwv» d geschrieben habe, was offenbar eine sehr leichte Emen- dation ist 2). Die geringe Grösse von 4 Stadien unterstützt wesentlich die hier vorgetragene Ansicht, denn dass eine Insel, ein Lavatrümmer- feld, von nur 2400 Fuss Umfang in kurzer Zeit wieder von den Wellen vernichtet wurde und sich wieder unter der Fläche des Meeres ver- barg, ist nichts Aussergewöhnliches. Wenn man diese Deutung der Thia annimmt, so fallen alle Schwie- rigkeiten und es sind heute supramarin noch eben so viele Inselgeburten 3 1) Nach Syncellus (Chronogr. 333 b. ed. Goar) würde die Stelle bei Eu- sebius gelautet haben Noa: Aert Ongas xæ Ongaoiag oradiav X ”’syary. 2) Diese Conjectur verdanke ich Prof. H. Sauppe, dessen Rath ich auch sonst bei dieser Gelegenheit in Anspruch genommen habe und der gegen die hier gege- bene Deutung der Thia von philologischer Seite nichts einzuwenden fand. Phys. Classe. XIH. E 34 KARL vox SEEBACH, erkennbar, als uns die Geschichte, ausser der Thia, überliefert hat. Für ihreEntstehung und ihr Wachsthum habe ich jedoch keine neueren ine- dirten Documente aufzufinden vermocht und kann daher unmittelbar zur geognostischen Beschreibung derselben übergehen. A. Die Palaea-Kaymeni entstand 197 vor Chr. Geb.. Ihre Form giebt die englische Seekarte und das schöne Relief der Kaymeni- Inseln von A. Stübel gut wieder. Die Palaea unterscheidet sich sehr von der Nea und Mikra Kaymeni, die einander sehr ähnlich sind. Während diese zwar wilde, von mächtigen Blöcken gebildete, aber meist sanft und nie über 350 ansteigende Ufer und einen wirklichen vulka- nischen Kegel mit Kraterbecken besitzen: ist die Palaea nur eine steil aus dem Meere aufragende Klippe, deren flacher, von den Abhängen scharf abgesetzter Rücken nach Süden allmählig bis zu 52, 33 T. (= 102 M.) nach eigenen Messungen !) ansteigt. Gerade unter dieser Höhe fällt der Abhang nach Osten sehr steil ab und bildet so ein ausgezeichnetes Cap. In ähnlicher Weise ist der Nordöstliche Abfall der Palaea unnatürlich - steil und die grossen vor demselben im Meere liegenden und z. Th. noch als Klippen über dasselbe aufragenden Felsmassen deuten auf eine gross- artige Abrutschung, die hier stattgefunden hat. Das machen auch die Structurverhältnisse der Palaea wahrscheinlich. Ueberall rings um die Palaea sieht man die Abspülungen und Zerstörungen, welche die Wellen des Meeres offenbar nur in einem längeren Zeitraum bewirken konnten. Das, Landen und Besteigen derselben ist daher an den meisten Punkten sehr mühsam und schwierig. Einzig bei der flachen Landspitze, welche im Jahre 725 auftauchte und die Palaea vergrösserte, ist eine zum Lan- den geeignete kleine Bucht und hier führt auch ein ziemlich bequemer Pfad auf den flachen Rücken der Insel. Dieser letztere ist schon mit einer ziemlich dichten und gegen die fast ganz kahle Nea angenehm hervortretenden Grasnarbe bedeckt. Ich fand sogar mehrere Pferde und Esel auf ihr vor, die man zur Weide daselbst zurückgelassen hatte. E 1) Nach Fritsch, Reiss und Stübel (Kaymeni-Inseln Taf. II) 99 m. = 324, 72° Engl. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 35. An den abgespülten Steilgehängen der Palaea und besonders an dem hohen Cap ist der innere Bau der Insel schön bloss gelegt. Schon von Weitem erkennt man die von dem Bau der Caldera und der ge- wöhnlichen Vulkane ganz abweichende Structur. Hier ist kein Wech- sel von ausgeflossenem und ausgeworfenem Material, keine durch ab- wechselnde Tuff- und Lava-Lager erzeugte Schichtung. Das homogene Gestein steigt massig aus dem Wasser auf bis zur Höhe. Man glaubt sich vor einer mächtigen Porphyr- oder Melaphyr-Klippe. Die Abson- derung ist eine plattenförmige und deutlich tritt hier die Anordnung der einzelnen Platten zu einer schaligen, sphaeroidischen Gestalt in grösstem Maassstabe hervor. Ueberall, -ringsum und auf dem Rücken der Insel, sieht man nur eine homogene Masse, die soweit ich zu erkennen ver- mochte auch nur aus einem glühenden Flusse erstarrte. Die Plattung des Gesteins tritt vielfach hervor. Auch grössere gangartige Spalten, die ziemlich genau parallel der Längsaxe der Palaea laufen, sind zu be- obachten. Besonders deutlich ist eine Kluft ausgeprägt, die westlich’ von dem Cap dicht neben dem Nordöstlichen Abhange der Insel bis zum Nikolaos-Hafen verläuft. Andere erkennt man in dem flachen Rücken der Insel und sehr schön auch auf der Höhe des Caps, wo man an einer Stelle eine breccienartige Bildung in einer derselben bemerkt. In der Regel zeigt aber das halbglasige Gestein, das ihre Ränder bildet, nur eine eigenthümlich abgeschliffene Fläche, eine Art Spiegel, der auf eine Gleitungin der Masse, wohl noch im halberstarrten Bestande, hindeutet. Eine solche Spalte mag auch die Abspülung am Nordwest- lichen Ufer und den unnatürlich steilen und geradlinigen Abhang an dieser Stelle veranlasst und erleichtert haben. Hervorheben möchte ich schliesslich noch die kleine Südlich von der Palaea gelegene und nur durch einen wenige Fuss tiefen Meeresarm ge- trennte Klippe. Sie war zu Beobachtungen und Messungen an der Aphroössa besonders geeignet. Der Kürze wegen werde ich sie als Sta- tions-Klippe‘‘ aufführen. EE Wenn dasGestein, aus welchem die Hiera der Alten sich aufbaut, eine homogene Masse bildet, so ist es doch nicht überall gleichartig aus- E2 | 36 KARL von SEEBACH, gebildet. Der (freie Kieselsäure enthaltende?) Andesit zeigt vielmehr auch hier sehr wechselnde physikalische Zustände. Von dem feinkörni- gen bis zum halbverglasten und obsidianartigen, vom ganz dichten bis zum porösen und zelligen, von der völlig richtungslosen Structur bis zur ausgeprägt plattigen sind alle Stufen zu beobachten. Stets aber deuten die bald in grösserer, bald in geringerer Menge porphyrisch ausgeschie- denen Krystalle auf die nämliche Gesteinsart. Es herrscht der glasige Feldspath, der auch hier wiederum in den meisten Fällen als triklin er- kannt werden konnte. Neben ihm sind besonders kleine glänzende Mag- neteisen-Oktaöderchen und dunkelgrüne Augitsäulchen häufig. Dagegen konnte über die Art der Vertheilung der einzelnen Varietäten keine Sicherheit gewonnen werden. Doch scheinen, übereinstimmend mit den Anforderungen der Theorie, die feinkörnigen Varietäten mehr unter dem hohen Cap und an dem steilen Abhang des Nordostufers vorzukommen, während an den flacheren Ufern und so auch an der Stationsklippe die halbverglasten und obsidianartigen vorherrschen. Das Gestein ist hier immer noch ziemlich dicht. Schwarze halbglasige Streifen wechseln ab mit helleren graulicheren, die, ein Haufwerk von feinen Feldspath-Kıy- stallchen, eine weniger dichte fein poröse Structur zeigen. Die Wellen des Meeres greifen diese letzteren ziemlich stark an und die ausge- waschenen, in Züge geordneten Hohlräume geben dann äusserlich den Felsen in der Nähe der Seefläche ein schlackiges Aussehen, das ihnen im Innern gänzlich fehlt. Ein lockereres, fein poröses Gefüge bei noch „steiniger‘‘ Beschaffenheit zeigen die Felsen unter dem hohen Cap. Ein ausgezeichnet poröses Gestein mit vorherrschender, dichter Masse beob- achtet man über dem kleinen Nikolaos-Hafen. Diese Grundmasse ist nicht mehr halbglasig und damit auch nicht mehr dunkelbraun bis schwarz, sondern aschgrau mit zahllosen, aber sehr kleinen ausgeschiedenen Feld- späthen. Die Poren sind weiss oder röthlich, auch sie sind mit äusserst feinen Feldspathviellingen ausgekleidet. Es erinnert diese Andesitvarie- tät stark an die porösen Partien in der obersten Lavafelsbank, unter Phira. Noch grösser ist aber die Aehnlichkeit der plattenförmig abge- sonderten Varietät des nämlichen Lavastroms mit einem an demselben ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 37 Punkte der Palaea vorkommenden Gesteine. Dasselbe zeigt die gleiche dichte, graue Grundmasse, die gleiche ausgezeichnet plattenförmige Structur, die pfirsichblüthrothen bis braunen Absonderungsflächen , die auch hier bald glätter, bald ebenfalls rauher und von sehr feinen tri- klinen Feldspäthen überzogen sind. Besonders deutlich sind diese klei- nen Feldspathtäfelchen in einzelnen grösseren Hohlräumen auskrystal- lisirt. In diesem plattenförmig abgesonderten Andesit beobachtete ich kleine Einschlüsse, die manchen der später zu erwähnenden, in den Laven von 1866 ähnlich sind und wesentlich ein veränderter Augit (?mit Anorthit) zu sein scheinen. Die lauchgrün und weiss gesprenkelte Masse ist bla- sig aufgetrieben und in den Poren, sowie auf dem Einschluss, in einem von der umschliessenden Masse gebildeten Hohlraume sind feine schnee- weisse Nadeln auskrystallisirt, die durch die ganze Art ihres Vorkom- mens und die Verhältnisse ihrer Spaltbarkeit so sehr an den Wollastonit der Sommablöcke erinnern, dass ich auch sie unbedenklich für Wolla- stonit halte. Da derselbe sich nun zweifellos erst nach der Einschliessung bildete, so wäre zu vermuthen, dass der Wollastonit hier durch die Um- schmelzung von Augit (?und Anorthit) entstanden sei. Die auf dem um- schliessenden Andesit, aber in demselben Hohlraume mit dem Wollastonit ausgeschiedenen Feldspath-Kryställchen konnten leider nicht genauer be- stimmt werden. B. Die Nikolaos-Spitze. Das Produkt der Eruption von 725 unserer Zeitrechnung bildet nur eine flache Landspitze an dem Nord- ostufer der Palaea, die sich durch den gänzlichen Mangel an Vegetation das frische, tief schwarze Aussehen der Lavablöcke und deren kaum von den Wellen abgerundeten Kanten auf den ersten Blick von der übrigen Palaea, der alten Hiera, ablöst. Dieselbe bildet nach Süden mit der Hiera eine kleine Bucht, in welcher man, wie erwähnt, allein bequem ` an der Palaea landen kann. Da nun an diesem kleinen Busen, wenn auch etwas weiter Südlich und auf der Hiera, eine kleine Kapelle des heiligen Nikolaos steht und die Santorinioten die ganze Gegend hier- nach ‚bei dem Nikolaki‘, dem kleinen Nikolaos, nennen, so ist es am 38 KARL von SEEBACH, einfachsten für die in Rede stehende Landspitze den Namen die Niko- laos-Spitze‘‘ anzunehmen. Die Nikolaos-Spitze ist ein wüstes Trümmerfeld von halbglasiger Lava, deren scharfkantige Blöcke regellos durcheinander liegen und auch ringsum als zahlreiche, kleine Klippen und Riffe aus dem Meere auf- ragen. Sie werden bald von einem schwarzen, halbglasigen und dann dichten, nicht rauh anzufühlenden Andesit gebildet, wie er auch auf Thera am häufigsten ist, oder es ist ein dunkelbraunes, fein poröses und dann in Wahrheit ‚trachytisches‘“‘ Gestein. Diese zweite Ausbil- dung ist den 1866 erzeugten Massen ausserordentlich ähnlich und in einzelnen Handstücken ununterscheidbar. In beiden Varietäten konnten in der Mehrzahl der Fälle die ausgeschiedenen Feldspäthe als trikline bestimmt werden. | C. Die Mikra Kaymeni. Entstand 1573. Dass sie nur ge- ringen Alters ist, beweist ihre ganze Erscheinung deutlich. Nirgends finden sich Unterwaschungen und continuirliche Steilgehänge, wie an der Palaea. Die Ufer werden vielmehr umsäumt von zahlreichen kleinen Riffen und Klippen, die durch die scharfkantigen, aus dem Trümmer- felde heraustretenden Blöcke gebildet werden. Allerdings ist die Mikra immer noch dichter bewachsen, als die Nea Kaymeni. Am Südabhange des Kegels finden sich zahlreiche kleine Grässer und Kräuter und bei einem kleinen Feigenbaum am Nordostufer pflegt man zu landen. H. J. Schmidt und H. Christomanos theilten mir aber mit, dass der Kegel der Nea früher ganz ähnlich bewachsen gewesen sei und erst durch die Verwüstungen der Explosion am 20. Februar 1866 sein heu- tiges ödes Ansehen erhalten habe. Auch die Ansicht, dass die Mikra aus zwei, in verschiedenen Perioden gebildeten Stücken bestehe, ist ; so wahrscheinlich sie auch bei der Betrachtung der Insel aus einiger Ent- fernung erscheinen mag, eine falsche. Die Mikra ist nur aus einem Gusse entstanden, gerade so gut wie (bis 1866) die ihr so ausserordentlich ähnliche Nea Kaymeni. Die Mikra Kaymeni wird gebildet durch einen abgestutzten Kegel, der mit circa 320, d. i. also mit dem gewöhnlichen Neigungswinkel der ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 39 Eruptionskegel aufragt, und nur nach Norden sehr allmählich an Höhe abnehmend sehr sanft abfällt. Nach Westen, Süden und Osten ist der Kegel, wie andere auch, mit Lapillen und Asche bekleidet, aus denen nur hie und da ein Lavablock hervorragt. Aber nach Nordwesten ist der sanfte Abhang, der sich in dieser Richtung weit fortschiebt, ein wü- stes, von mächtigen, scharfkantigen und halbglasigen Lavamassen gebil- detes Trümmerfeld. Die höchste Höhe der Insel liegt wie bei den übri- gen Kaymeni in ihrem südlichsten Theile; der Kegel erreicht hier 37,36 T. (= 72,8 M.) Seehöhe). Etwas weiter nach Südwest von dieser höch- sten Wölbung ist ein ziemlich tiefer Einschnitt in dem Kegelrande und hier kann man bequem in den Krater, der in den Kegel eingesenkt ist, hinabsteigen. Derselbe hat ungefähr 30 T. (60 M.) im Durchmesser und ist nach meiner Messung mit dem Quecksilber-Barometer am 1. April, die für den Kraterboden 16,07 T. (= 31,3 M.) Seehöhe ergab, 21,3 T. (= 41,5 M.) tief. In ihm kann man gut den Bau des Kegels studiren. Aber wie erstaunt man bei der ganz übereinstimmenden äussern Be- schaffenheit mit andern Eruptionskegeln, hier eine ganz abweichende Structur zu finden. Statt der abwechselnden Lava- und Aschenschichten, die man erwartet hatte, steht man auch hier wieder vor ungeschichteten massigen Lavafelsen, die nach allen Richtungen vielfach zerborsten und zerklüftet sind und ringsum steil aufsteigen. Einzelne Bruchstücke ha- ben sich schon aus ihnen losgelöst und liegen als grosse scharfkantige Blöcke den Kraterboden verengend und ausfüllend umher. Das Gestein ist dicht und halbverglast. Nur am Nordnordost-Gehänge, in der Rich- tung auf einen grossen Hauptspalt zu, findet sich eine ungefähr 6° mäch- tige seigere Gesteinsplatte, die porös und zellig ist, mit Spuren des frü- heren, glühenden Flusses. Die Hauptkluft in ihrer Nähe setzt nach Nord 120 Ost noch ziemlich weit fort, erweitert sich zuweilen, nimmt andere anschaarende Spalten auf und ist hie und da ausgefüllt oder durch Lava- blöcke überbrückt. So entsteht ein sehr unregelmässiges Terrain, dessen Ueberblick durch die vielen, oft grossen Blöcke noch mehr erschwert 1) Fritsch, Reiss und Stübel (Kaymeni-Inseln Taf. U) geben 68,6 m. = 224 Engl. > 40 KARL von SEEBACH, wird. Am besten lässt sich dasselbe noch als eine Reihe unregelmässi- ger, meist Nordsüdlicher Furchen und Rücken bezeichnen. Einige jener Mulden sind es wohl gewesen, die Choiseul de Gouffier verleitet haben, auf seiner für jene Zeit sonst recht guten Darstellung der Kaymeni der Mikra fälschlich 6 Krater zuzuschreiben. Endlich beobachtete ich von . der Spitze der Nea aus wiederholt eine breite spaltenartige Furche, die in Nordwestlicher Richtung die Nördliche Hälfte der Mikra vom West- lichen Ufer bis nahe an das Oestliche durchzieht. Nach einigen Mit- theilungen wäre dieselbe erst während der letzten Eruption, bei der gro- ssen Explosion am 20. Februar, entstanden. Das Gestein, aus dem die Mikra besteht, ist wiederum der näm- liche dunkele Andesit in seinen verschiedenen Ausbildungsweisen. Doch ist der Olivin hier häufiger und öfters in grösseren Körnern ausgeschie- den; die Structur ist weniger dicht und mehr fein porös, ja zuweilen in ausgezeichneter Weise schlackig. Die oben erwähnte Gesteinsplatte in dem Krater ist sogar stellenweise schaumig und bimsteinartig. Parallel- structur, abwechselnd dichtere und lockerere poröse Lagen, die letzteren mit sehr feinen Feldspath- und Magneteisenkrystallchen, sind häufig. Die Feldspathkrystalle lassen fast immer Zwillingsstreifen erkennen. Der Augit tritt sehr zurück. Ein Block auf der Höhe der Mikra, etwas Nördlich vom Krater und am Rande einer kleineren Kluft gelegen, erschien fast breccienartig durch seine zahlreichen Einschlüsse. Dieselben sind grau oder gebrannt-hell- roth, scharfkantig, dicht, erdig, bald mehr an gebrannten Thon, bald an Porcellan erinnernd. Einzelne ähnliche kleine Einschlüsse wurden eben- sowohl in den Gesteinen des Kraters als des Ufers beobachtet. Ueber ihre ursprüngliche Natur kann man leider bis jetzt nur Vermuthungen hegen. Wahrscheinlich ist es umgewandelter Thonschiefer. D. Die Nea Kaymeni. Sie entstand bekanntlich am 23. Mai 1707. Ihre allgemeine Gestalt stimmt durchaus mit der Mikra Kaymeni. Auch sie ist ein grosses Lavatrümmerfeld, das nach Süden allmählich aufsteigt zu einem aschenbedeckten Eruptionskegel von circa 350 Nei- gungswinkel. Doch ist sie nicht nur weit grösser undihre Ufer manch- ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 41 faltiger, sondern sie ist auch höher, denn ihre Seehöhe erreicht nach meinen Messungen 56,09 T. (= 109,3 mit, DasKraterbecken der Nea ist zwar grösser als das der Mikra, aber dafür weit flacher als dieses. Nach Nordwest ist gar kein Kraterrand mehr vorhanden, sondern der unregelmässige Grund desselben verläuft unmittelbar in die mächtigen Blockfelder ausserhalb. In der Anordnung dieser habe ich keine Regel finden können. Zwar vermuthete auch ich einmal eine radiale, so zu sagen stromartige Vertheilung, aber sie war mir nicht deutlich ge- nug ausgeprägt. Der Boden des flachen Kraterbeckens ist von Asche und Lapillen bedeckt, aus denen viele Lavafelsen von oft eigenthümlich breccien-artiger Beschaffenheit hervortreten. Die innere Structur ist nur wenig blossgelegt, aber sicher ist auch hier kein Schichtenwechsel vor- handen. Nur ein Paar oberflächliche Aschenlagen auf dem Südwest- lichen Kraterrande sind geschichtet und fallen sanft nach dem Centrum zu. Quer durch das Kraterbecken streicht Ostnordost ein grösserer Spalt, auf den viele kleinere zulaufen. Alle sind erst am 20.. Februar. 1866 entstanden. Auf der Aussenseite des Kraters finden sich in den Lapil- len und Aschen mehrere Erdfall-artige auf der steilen Böschung natürlich nur halbkesselförmige Einsenkungen, die wohl den unter ihnen befindlichen Spalten ihre Entstehung verdanken. Das Vorhandensein dieser letzte- ren erklärt dann auch leicht die schwachen Fumarolen, die 1866 aus einigen von ihnen hervordrangen. Dass auch schon früher, bei der Ent- stehung der Nea an der Höhe des Kegels eine ausgedehnte Fumarolen- Thätigkeit statt hatte, das lehren die gebleichten und buntgefärbten La- ven, denen man mehrenorts begegnet. Eine besondere Begehung wurde der grossen Spalte gewidmet, die unter dem Kegel der Nea, das grosse Trümmerfeld zwischen dem Georg und der Aphroössa durchzieht. Dieselbe war ungefähr 30° tief zu beiden Seiten von Lavaträmmern begrenzt und nicht von Lavabänken, wie Herr Fouqu&, mit dessen Beobachtungen über diese Spalten sonst die mei- nigen gut stimmen, behauptet (Comptes rend, ac. sciences 1866, S. 901). 1) 195,2.m. = 345° Engl, nach Fritsch, Reiss und Stübel. Phys. Classe. XII. | F 42 KARL vos SEEBACH, Die tieferen Theile und der Boden sind mit feinerem Schutt und Asche erfüllt; Fumarolen fanden sich an ihrem Rande und in ihr, doch konnte ich sie am 1. April ohne Gefahr in ihrer ganzen Länge durchschreiten. Mehrere nur wenig kleinere Parallelspalten fand ich Nördlich von ihr; auch mehrere Querspalten liefen auf sie zu. Sie sollen sich sämmtlich erst während des ersten Anfangs der Eruption von 1866 gebildet haben. Den kleinen Krater, den Fritsch, Reiss und Stübel (a. a. O. in Taf. II a (blau)) neben den von ihnen nur sehr klein beobachteten Spal- ten angeben, hatte ich nicht gefunden. Ich könnte ihn übersehen haben, doch ist mir das bei der wiederholten Aufmerksamkeit, die ich dieser Gegend schenkte, unwahrscheinlich. Sollte auch er sich erst während der Eruption von 1866 gebildet haben? Die Beschaffenheit des Beckens müsste dies darthun. Diese Lavatrümmerfelder, die ringsum in einzelnen Blöcken und Riffen in das Meer hinausreichen, gehören bekanntlich alle der ile noire des Jahres 1707 an. Von der ile blanche die als Aoyioxos noch bis 1866 bestand (cf. Schmidt i. Peterm. Mitth. 1866, S. 141) war während mei- nes Besuches nichts mehr zu sehen. Der Lavaerguss des ‚Georg‘ hatte sie völlig überdeckt. In der hiesigen geologischen Sammlung findet sich jedoch in einer von J. Hawkins gesammelten und schon von L. v. Buch und Virlet erwähnten Suite von Santoringesteinen ein grauer Bimstein vor, der nach der Etikette „Neue Kaymeni‘ von. der ile blanche herrührt. Derselbe ist schon in Farbe und Gefüge leicht zu unterschei- den von dem gelblichen, faserigen Bimstein in der weissen Tuffdecke der Caldera. Er ist aschgrau und schaumig; die bekannte Vergleichung mit einem Brode charakterisirt nicht übel seine dichteren Varietäten. Die in ihm ausgeschiedenen Mineralien erkennt man erst bei einer sorg- fältigen Betrachtung. Ein deutlich trikliner Feldspath und. zierliche Magneteisen-Octaeder sind bei stärkerer Vergrösserung leicht zu unter- scheiden. Seltener ist der augitische Bestandtheil, doch glaube ich auch ihn mit Bestimmtheit als Augit angeben zu können. De Gesteine der Île noire sind denen der früheren nen wieder ganz gleich. Es ist der nämliche dunkele, bald ausgezeichnet Be EN TH" TE ET ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 43 halbglasige und dichte, bald mehr poröse Augit-Andesit, dessen Varie- täten einst wohl nur nach den zahlreichen Klüften und Fugen geordnet, jetzt regellos neben einander und durch einander liegen. In allen sind zahlreiche deutlich gestreifte Feldspäthe ausgeschieden, neben denen fast noch häufiger das metallische Flimmern des Magneteisens auffällt. In den dichten, fast obsidianartigen Varietäten findet sich häufig Olivin, zu- weilen in ziemlich grossen Körnern ausgeschieden. Die lauchgrünen Augitsäulchen sind daneben nur selten. In der fein porösen und dadurch ausgezeichnet .‚trachytischen‘‘ Varietät, wie sie z. B. schön an einzelnen Felsen des Kraterbeckens zu beobachten ist, habe ich dagegen den Au- git zwar ebenfalls nur selten, Olivin aber gar nicht gefunden. In den feinen Poren sitzen oft sehr zierliche, mikroskopische Kryställchen. Ge- wöhnlich zeigen sie auf dem Objecttische des Mikroskops einen sechsseiti- gen Umriss. Es scheinen kleine, trikline Feldspäthe zu sein, die auf M = (b: 00 a: oC ei liegen. 4. Die Eruption von 1866. Indem ich mich diesem neusten vulkanischen Ausbruche zuwende, muss ich zuerst in gleicher Weise, wie dies schon früher mein verehr- ter Freund Herr Dr. J. Schmidt zu Athen gethan hat, in Bezug auf die über dieselbe vorliegenden Berichte, die grösste Vorsicht und die strengste Kritik dringend anempfehlen. Besonders bedaure ich, nach den von mir an Ort und Stelle gemachten Erfahrungen, gerade den aus- führlichsten Mittheilungen, die in einer Serie von Briefen von einem sonst gewiss sehr verdienten Santorinioten publicirt wurden, durchaus misstrauen zu müssen. Nach den von Augenzeugen eingezogenen und streng geprüften Mittheilungen konnten für die Zeit vom Beginne der Eruption bis zum 11. Februar, das ist bis zum Eintreffen der griechischen wissenschaft- lichen Commission, nur die see Thatsachen mit einiger Glaubwär- digkeit festgestellt werden. Den eigentlichen Eruptionserscheinungen ging eine Zë" ei wenig bemerkbare Senkung des Terrains Südlich von dem Nea-Kegel rn F2 44 KARL von SEEBACH, deren erster Anfang nicht genau bekannt ist, aber in die letzten Tage des Januars 1866 fällt; J. Schmidt nimmt den 27 an, Andere die Nacht vom 28. zum 29. Januar, während welcher diese Senkung schon so bedeutend war, dass die Familie von Nikolaos Fasciotis, die an dem kleinen Vulkano Hafen wohnte, durch ein lautes Getöse geweckt wurde und am Morgen Spalten in ihrem Hause fand. Bald darauf zeigten sich auch Spalten in dem Boden und um diese Zeit sollen auch schon die oben erwähnten grossen Spalten zwischen dem heutigen Georg und Aphröossa sich gebildet haben. Gleichzeitig sah man das Meer etwas Südlich vom Hafen sich in kurzen Wellen kräuseln (clapoter). Eine be- trächtlichere Temperaturerhöhung soll dabei nicht stattgefunden haben, wohl aber hätte das Meer daselbst eine eigenthümliche, bald mehr röth- liche, bald mehr grünliche Färbung gezeigt. Aus den folgenden Tagen wird bei andauernder, 'Tümpel bildender Senkung des Bodens berichtet, dass die Häuser über einen Finger breit in einer Stunde sanken. Unter- irdisches Getöse, aber ohne Erdbeben, wurde beobachtet. Die ersten Dampf- wirbel und Abends die ersten Lichterscheinungen (des flammes, påóyes cf. J. Schmidt i. Peterm. Mitth. 1866, S. 141) steigen auf. Am 1. Februar erheben sich die ersten schon erstarrten und schwarzen Trüm- mer des neuen Lavastroms über das Meer. Ringsum ist die See ziem- lich stark erhitzt und das Wasser fliesst von dem Wärmequell ab. Die neue Klippe, die den Namen Georg I erhält, nimmt an Umfang und Höhe zu, jedoch nur unregelmässig, bald hier, bald dort, bald auch wie- der sich stellenweise senkend. Immerhin war das Wachsthum ein so bedeutendes, dass sie schon nach wenigen Tagen (am 5. Februar?) die Nea Kaymeni berührte. Ueber die Einzelnheiten dieses interessanten Zeitpunktes, über die allmählige Ueberfluthung der alten flachen Nea- ufer durch die neue Lava, waren aber leider keine brauchbaren Nach- richten zu erhalten. Dagegen will man in dieser Zeit auch schon Wal- lungen und Gasentwickelung an der Stelle, Westnordwestlich der frühe- ren Phlevaspitze, bemerkt haben, wo bald darauf die Aphroössa auf- tauchte. Am 11. Februar Vormittags traf die griechische Commission in San- ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 45 torin ein und mit diesem Datum beginnen die zuverlässigen Beobach- tungen der Herren J. Schmidt, Palaska, Mitzopulos und Christo- manos. Ueber dieselben, die bis zum 26. Märzreichen, hatJ. Schmidt be- kanntlich schon eine Uebersicht in Petermanns Mittheilungen 1866 (S. 141 und 42) und in den Verhandlungeu der k. k. geologischen Reichsanstalt 1866 (S. 35 bis 38) gegeben. Den gleichen Zeitraum schildern auch die Briefe v. Dr. Christomanos, die in den Sitzungsberichten der Wiener Academie (Bd. 53) abgedruckt und auch separat in den Handel gekommen sind. Den Zustand der Eruption Anfang März stellen die vortrefflichen Bemerkungen des Linienschiffsfähnrichs Fehr von dem k. k. Kanonenboote „Reka“ in den Verhandlungen der k. k. geologi- schen Reichsanstalt 1866 (S. 39 bis 54), dar und aus denselben Perioden stammen auch die zwei Briefe Herrn Fouqu€s in den Comptes rendus 1866 (S. 796 und 896), die aber leider von dem Grundzuge der ganzen Eruption, wie von manchem Detail nur ein wenig correctes Bild geben. Durch die Güte der Herren, von der griechischen, wissenschaftlichen Com- mission und besonders J. Schmidt’s bin ich aber im Stande diesen Publicationen einige noch nicht veröffentlichte Data hinzufügen zu können. Der erste Fels, der Aphroössa, erschien am 15. Februar um 10 Uhr 15 Minuten Vormittags. Weder er noch seine ihm nachfolgenden Genossen waren mit Actinien und Seemuscheln bedeckt. Prof. Mitzo- pulos, der nach der übereinstimmenden Versicherung der Santorinioten solche gesammelt und nach Athen mitgenommen haben sollte, hat mir dies auf meine Anfrage ausdrücklich versichert. Offenbar war die Lava noch zu neu und erst seit zu kurzer Zeit erstarrt, als dass schon damals Meerthiere auf ihr sich angeheftet haben konnten. Auch der, Georg zeigte keine aufgewachsenen Seethiere. Grosse Block- und Aschenauswürfe hatte der Georg nach J. Schmidt in der zweiten Hälfte des Februar fünf, die statt fanden: 1866 Februar 20. —9 hor, 36 m. 2L 0 1 46 KARL von SEEBACH, 1866 Februar 22. --5 hor. — m. dE Bor wenn 33 27. me; 2 33 een Se Die Zeiten mit vorgesetztem — sind hierbei die Stunden von Mitternacht bis Mittag. Ueberhaupt wurden vom 11. Februar bis zum 26. März, mit Ausschluss jedoch der Zeit vom 23. Februar Mittags bis zum 1. März 5 h. (Aufenthalt in Milo) von J. Schmidt 53 Aschenausbrüche ` beobachtet. Unter ihnen wird nur eine als zweiten Ranges angegeben: am 21. Februar 2 h., 31 m. Alle anderen waren schwächer. ` Vier sind unsicher, einige zum Theil Dampferuptionen. Die Thätigkeit der Aphroössa steigerte sich während der grossen Ausbrüche des Georg nur unmerklich oder gar nicht. Dagegen beo- bachtete J. Schmidt am 11. März eine Ascheneruption mit Steinen, die er aber nur als vierten Ranges angiebt. 4 In die Zeit der grossen Stein- und Aschenausbrüche fällt auch die einzige, ziemlich glaubwürdige, überlieferte Erschütterung, nämlich in die Nacht vom 21. zum 22. Februar, ungefähr zwei Uhr. Eine Reihe von Lothungen, die vor meiner Ankunft, in der zweiten Hälfte des März von Herrn Lieutenant Sie ver th aufS. M. Corvette N ymphe angestellt wurden, werden mit seiner und des Herrn Capitain Henck Er- laubniss hier ebenfalls publicirt und sind auf der Karte eingetragen. Es sind die nämlichen, die auch schon Herr Christomanos mitgetheilt hat. Als ich am 29. März in Santorin eintraf ‚ fand ich den Vulkan zwar in einer Periode verhältnissmässiger Ruhe, aber immer noch so stark arbeitend, als die vorhergegangene Zeit. Ueber dem Georg stand eine im Mittel etwa 70 Meter hohe Säule, eines vollkommen weissen, zu kleihen Wölkchen zusammengeballten Dampfes, die in den höheren Regionen von dem sturmartigen Nordwinde gefasst, auseinander geweht und fern hin nach Kreta hingetrieben wurde. Ueber der Aphroössa schwebte eine etwas weniger hohe, durchscheinende, in sich nicht ge- gliederte Säule eines licht-rost bis zimmtbraunen Dampfes, die selbst in ihrem oberen Theile nur wenige Wasserdämpfe zeigte. Sie erinnerte | i f | l ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 47 sehr an wirkliche Rauchsäulen. In der zweiten Woche meines Aufent- ‘haltes nahm dann aber die Intensität wieder zu und bedeutende Aschen- eruptionen erfolgten. Die Eruptionsmassen selbst wuchsen fortwährend, aber es kamen wenigstens supramarin keine wesentlichen Umgestaltun- gen in ihnen vor. Alle Erscheinungen liessen übereinstimmend erkennen, dass dieselben nur durch das Aufsteigen einer langsam nachquellenden, sehr zähflüssigen Lava bedingt werden. Eine Ansicht der drei Kay- meni-Inseln und der Eruption, wie sie während meines Besuchs (2. April) in den Augenblicken verhältnissmässiger Ruhe erschien, habe ich ver- sucht auf Tafel I zu geben. Die bei Anfang des Phänomens eingetretene Bodensenkung hatte nur die Südlich von dem Kraterkegel der Nea Kaymeni gelegenen flache- ren Landzungen getroffen. Am Ostrande der Oestlichsten derselben bei einer kleinen Hafenanlage standen noch einige gewöhnlich als „Bade- häuser“ bezeichnete Gebäude. Hier hatte sich die Senkung auf eine Strecke von circa 150 Meter Breite von Nord nach Süd erstreckt. Der Nördliche Theil des Quai hatte sich entweder gar nicht oder doch nur unmerklich gesenkt; je weiter man aber von da nach Süden fortschreitet; um so bedeutender ist die Senkung und nach dem Südlichsten, eben noch über das Meer hervorragenden Hause zu urtheilen, beträgt sie hier wenigstens 2,5 Meter. Wie weit diese Senkung sich nach Westen zu erstreckt, konnte wegen des Mangels an entscheidenden Marken nicht ermittelt und ebensowenig festgestellt werden, ob die Senkung in gleichem Abstande von einer als unbewegt geblieben zu denkenden Axe eine gleichwerthige sei, oder nicht. Es ist offenbar, dass eine der- artige Senkung parallel einer unbewegten Axe Spalten erzeugen musste, und dass, da diese wirklich vorhanden sind, auch die Beschaffenheit und Richtung dieser Axe sich aus der Richtung der Spalten ermit- teln lassen muss. Da nun von den grossen Spalten nicht nur die schon erwähnte circa 20 Meter breite, zwischen Georg und Aphro&ssa, die mit der Senkung in einem nachgewiesenen Zusammenhange steht, sondern auch die zwei anderen die nach Jul. Schmidts Angaben erst während der Pe- riode gesteigerter Intensität in der zweiten Hälfte des Februar's entstan- 48 ; KARL von SEEBACH, den, nämlich die Spalte im Kraterkegel der Nea Kaymeni und die Kluft quer durch den Nördlichen Theil der Mikra Kaymeni, im Mittel hora 4 (N. 6000) streichen: so würde sich hieraus ergeben, dass die Senkung nicht sowohl um einen Punkt herum, als längs einer geraden Linie von der angegebenen Streichrichtung stattgefunden hat. Eine durch die Höhepunkte des Georg und der Aphroëssa gezogene Gerade streicht, in nächster Nähe Südlich gelegen, nur wenig mehr Nordsüdlich. Herr Fou- que, von dessen Briefen ich übrigens bei der ersten Abfassung dieser Stelle noch keine Kenntniss hatte, nimmt ‚daher bekanntlich hier nur eine grosse Spaltung des Bodens an, über welcher alle drei gemeinsam sich befinden sollen. Als ich jene grabenartige Kluft am 4. April be- suchte, waren nur noch an ihrem Westende einzelne Wassertümpel in dem Boden vorhanden, Wie erwähnt, fand ich dieselbe circa 10M. tief. Herr Fouqué glaubt ihre Ränder hätten sich bei unveränderter Boden- höhe gehoben. Man möchte fragen, ob dieser Behauptung wirkliche Mes- sungen, oder wie es scheint, auch nur eine annähernde Schätzung zu Grunde liegt. Die fast genau parallelen Spalten durch den Neakegel und die Mikra deuten wohl auf eine weitere, wenn auch in ihrer verti- kalen Wirkung unmessbare Senkung, Nördlich von der betrachteten Linie. In der letzten Zeit meiner Anwesenheit war das Niveau des Meeres bei den Badehäusern ganz unzweifelhaft wieder gefallen. Das Maximum dieser zweiten Niveaudifferenz betrug 0,2 Meter. Ich war ge- neigt, aus ‘derselben auf eine langsame Hebung des Bodens, in’ seine ursprüngliche Höhe zu schliessen; dem widersprachen aber meine Boots- leute, in dem sie bestimmt behaupteten eine derartige Depression des Seespiegels finde stets bei lange anhaltendem , starken Nordwinde Statt, Genauere Berichte über die spätere Zeit werden erkennen lassen, ob diese Erklärung richtig ist. Dies Senkungsfeld zeigte mehrere stark erhitzte Stellen. Eine der- artige ist hinter dem Nördlichsten Ende des Quai, wo an vielen Stellen hinter demselben, das in kleinen Tümpeln zusammengelaufene Wasser dampft und hinter der Nördlichsten Treppe des Quai. eine bis 720 C. heisse Quelle hervorbricht. Ob diese Quelle nur ein Dampfrespiradero ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 49 ist oder eine wirkliche Quelle und wenn dies der Fall, was für Wasser sie ausstosse, war leider nicht zu ermitteln, da dieselbe tief hinter dem Gemäuer und unter dem Seespiegel hervorbricht. Eine zweite, stärker er- wärmte Stelle ist ganz im Süden des Senkungsfeldes, neben der zer- trümmerten katholischen Kapelle. Auch hier sind mehrere Tümpel voll erhitzten, bis 630 warmen Wassers, aus denen einzelne Gasblasen auf- steigen. ‘Leider befinden auch sie sich schon in offener Communication mit dem Meere. Ausserdem sind noch unzählige kleine Spalten vorhan- den, in denen eine wärmere Luft circulirt und aus denen zuweilen wohl auch Wasserdampf hervorströmt. Die Thätigkeit des Kraterkegels der Nea Kaymeni . beschränkte sich Anfang April auf einige kleine Fumarolen im Süden des Kraters. Die eine von ihnen liegt genau im’ Kraterrande, in einem kleinen erd- fallartigen Loche. Ein paar andere liegen in analogen Vertiefungen, dem Kraterrande genähert aussen auf dem Kegelmantel. Aus ihnen allen steigt nur wenig und ganz geruchloser Wasserdampf auf. Mehrere Male hatte ich Gelegenheit zu beobachten, wie in den Momenten einer ge- steigerten Thätigkeit am Georg, auch die kleinen Fumarolen des Krater- kegels eine bedeutendere Dampfmenge ausströmten. Doch konnte diese Correspondenz nicht immer erkannt werden. Die Georgspitze bildete bei meiner Ankunft eine Ce Terrasse von etwas rhomboidalem Umriss, mit einer grösseren Nordwest-Südöst- lichen Diagonale von circa 500 Meter. Diese Terrasse steigt am Rande unter einem steileren Winkel, bis zw einer Höhe von etwa 20 Meter aus der Seefläche auf und wölbt sich dann sanft zu einer schwach auf- getriebenen schildartigen Fläche, deren Culminationspunkt circa 50 M. Höhe erreicht. Die ganze Neubildung zeigt nirgends eine glatte Fläche, sondern wird gebildet von einem Haufwerk rauher, oftschneidend schar- fer Felsblöcke von verschiedenster Grösse und bald dichter halbglasiger, seltener aber schlackiger ee Manche dieser Blöcke liegen so lose und bloss durch ihr zufälliges Glei icht gestützt, dass schon ein Druck mit- der Hand hinreicht, um Maar von E Cubikmeter Inhalt umzustossen. Eine regelmässige Anordnung war nirgends zu erkennen, Phys. Classe. XIU. Mn.Bot.Garden, 50 KARL von SEEBACH, wenn man davon absehen will, dass um den flachgewölbten Culminations- punkt herum sie sich gern zu kleinen concentrischen Rücken und Käm- men gruppiren. Die Erscheinung des Georg am 6. April von dem südwest- lichen Hafenpfeiler der Mikra aus habe ich auf Tafel II darzustellen ver- sucht. Man sieht auf ihr auch links die gesunkenen Häuser und die Dämpfe, welche aus den heissen Tümpeln ausbrechen. Dieses Trümmerfeld wurde drei Mal von mir erstiegen. Das erste Mal am 30. März, das zweite Mal am 4. April und das dritte Mal am 11. April in Begleitung des Kgl. Preussischen Gesandtschafts-Secretairs Dr. Busch und des Herrn Legationsrath von Staal von der Russi- schen Gesandtschaft in Constantinopel. Am glücklichsten war ich hier- bei am 4. April, indem es mir an diesem Tage gelang, mich dem cul- minirenden Centralpunkt der vulkanischen Thätigkeit bis auf etwa 100 Meter zu nähern. Ich fand hierbei die Lavablöcke in der Regel kalt, nur in der Nähe unregelmässiger, meist radialer Spalten und einzelner Respiraderos waren sie stark erhitzt. Solche Stellen waren auch bei nur geringer Breite in Folge des hohen Hitzgrades nicht zu überschreiten. Doch fand man bei einigem Suchen gewöhnlich einen Punkt, an wel- chem die Kluft durch grosse Lavablöcke überbrückt und in Folge hier- von passirbar war. Man musste dies möglichst schnell bewerkstelligen und auch sonst sich möglichst entfernt von den Spalten halten, da in den Momenten gesteigerter Thätigkeit alsdann in der Nähe des Centrums aus ihnen die glühenden Gase mit vernichtender Heftigkeit ausbrachen. Doch war die Beimengung von Chlorwasserstoff und schwefliger Säure keine beträchtliche. Ein Gesetz in der Vertheilung beider vermochte ich nicht zu erkennen. Sehr vorsichtig musste man auch in der Aus- wahl der zu betretenden Lavatrümmer sein, da diese, ohne es durch ihre Färbung zu verrathen, oft noch glühend heiss waren. Die Lava- trümmerblöcke in der Nähe der Hauptausbruchstelle zeigten nicht mehr ihre gewöhnliche dunkelbraune Färbung, sondern erschienen in den hel- len, röthlich weissen Farben, die sie, wie bekannt, in der Nähe heisser Fumarolen durch die Zersetzung und besonders durch die Oxydation des in ihnen enthaltenen Eisenoxyduls anzunehmen pflegen. Uebrigens ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 51 konnte ich mich bei dieser Gelegenheit, wie zu anderen Zeiten bei einer Betrachtung von der Höhe der Nea überzeugen, dass eine eigentliche Krateröffnung auf dem Georg nicht vorhanden sei. Die Hauptausbruchs- öffnung der Gase und Aschen ist vielmehr ein unregelmässiger, viel- fach zerrissener Schlund, der durch die Kreuzung mehrerer Hauptspal- ten gebildet wird. Ich glaube nicht, dass sein Durchmesser über 7 Me- ter betrug. Dagegen konnte ich hier, dem Mittelpunkte der Eruption genähert, ein Phaenomen nicht beobachten, das am Rande des Georg häufig und in ausserordentlicher Deutlichkeit wahrzunehmen war. Es ist dies das eigenthümliche Knacken, das man bei allen verhältnissmässig rasch erkaltenden und sich contrahirenden Körpern hören kann. Das- selbe war am Fusse des Georg, zum Beispiel bei der zerstörten Kapelle, ebenso deutlich vor dem Beobachter, als auf dem Rande desselben unter ihm zu hören. An beiden Positionen klang dies Knacken zwar sehr laut und vernehmlich, aber doch gleichzeitig etwas dumpf und nicht von der äusseren Oberfläche der Gesteinsmasse herrührend. Höchst charak- teristisch war dabei auch das Klirren der in die neugebildeten Spalten nachfallenden Scherben des halbverglasten Gesteins. Ich kann den Ton bloss mit dem Klirren vergleichen, das entsteht, wenn man Porcellanscherben ausschüttet. Es ist mir dies Phänomen während meines ganzen Auf- enthalts immer einer der klarsten Beweise für die noch flüssige und erst allmählich erstarrende Lava im Innern des Georgs gewesen. Die Veränderungen in der Masse des Georg waren während meiner vierzehntägigen Anwesenheit nur sehr unbedeutend. Für eine Höhen- messung desselben mittelst des Bordaschen Spiegelkreises konnte ich leider keinen recht geeigneten Punkt finden; ich musste daher zu einem anderen, allerdings etwas ursprünglichen Hülfsmittel meine Zuflucht neh- men, um wenigstens eine approximative Höhenbestimmung zu erhalten. Es wurde nämlich mittelst eines Fadens eine lange feine Glasröhre an das Gefäss des in Compassaufhängung befindlichen Reisebarometers ho- rizontal aufgehangen und nun, nachdem natürlich alle Vorsichtsmass- regeln gebraucht worden waren, um den Eintritt von Luft in das Baro: meter zu vermeiden, der südliche Kegelmantel des alten Kraters so weit G2 52 . ls . 002... KARL von SEEBACH, ` erstiegen, bis man sich in gleicher Höhe mit dem höchsten Punkte des Georg befand. ` Dann. wurde das Instrument aufgestellt und der culmi- nirende Felsblock des Georg in die Röhre eingestellt, die Horizontalität dieser mittelst eines Niveaus noch einmal geprüft und der Barometer- stand abgelesen. Dieses Nivellement wurde dreimal vorgenommen und ergab die folgenden Werthe für die Höhe des Georg: Am 30. März ca. — 11h. 52,3 Meter. 7. April UK I9 = 5588 We — 11h. 45 = 60,15 Mittel — 54,78 Meter. ‚So bedeutende Differenzen müssen wohl in erster Linie auf die unge- nügende Methode der Beobachtung geschoben werden und nicht auf das Wachsthum des Berges.: Indessen dürfte das Mittel. aus den Beobach- tungen doch immer einigen Werth haben. um die Höhe in jenem: Zeit- raume im Allgemeinen zu bestimmen. Das Wachsthum des Georg in horizontaler Richtung war während meiner Anwesenheit zwar an den Punkten, die im Niveau des Meeres durch Winkelmessungen festgelegt werden konnten, unmessbar klein, dass ein solches aber nicht gänzlich fehlte, war um so besser an seinem Oestlichen Rande bei der zerstörten Kapelle zu erkennen. Man konnte hier deutlich wahrnehmen, wie an der Kante der Terrasse fortwährend einzelne Blöcke herabstürzten, wäh- rend andere dann in der schildförmig gewölbten Fläche von Innen nach Aussen nachgeschoben wurden und bald ebenfalls ihren Vorgängern in die Tiefe nachfolgten. So war bei meiner Ankunft zwischen dem Rande des Georg und der Thüre der Kapelle noch eine ebene Fläche von etwa 8 Meter Breite, auf der nur 2 Blöcke lagen, während bei meiner Abreise man eben noch zur Thür hineingehen konnte. Man wird zwei- _ felhaft sein können, ob die geringe horizontale Vergrösserung, die durch dies Abrollen bewirkt wurde, in der That als ein Wachsthum bezeich- net werden darf, oder nicht. Ein eigentliches Fortschieben der Masse als ein Ganzes konnte ich während meiner Anwesenheit am Georg nicht beobachten. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 53 Von besonderem Interesse ist noch eine Erscheinung, die mit gröss- ter Bestimmtheit erkannt werden konnte und einen weiteren Beweis für die Beweglichkeit der ganzen Masse des Georg und somit für dessen Bestand aus glühend-flüssiger Lava liefert. Es ist dies die Wanderung des culminirenden Punktes auf demselben. Derselbe hat seine Lage wäh- rend meiner Anwesenheit wiederholt verschoben, leider war jedoch eine Messung der Veränderung unmöglich. Zuletzt war er wieder ganz hinaufan das Nordwestende gewandert und lag diesem wohl drei Mal so nahe, als der Südostspitze. Gleichzeitig fand die Hauptdampfentwickelung an dem Westabhange Statt und Südlich von der grossen Spalte, zwischen Georg und Aphroössa hatten sich eine Anzahl neuer Fumarolen entwi- ckelt. Diese neue Erhöhung im Westen des Georg war hierbei schon bei einer blossen Betrachtung auffällig und würde, wenn man der oben angeführten Höhenmessung des gleichen Datums (10. April) Vertrauen schenken wollte, auch durch diese bestätigt werden. Dass die ganze Masse des Georg und ebenso auch der Aphroössa aber nur ein zäher, im Innern noch flüssiger Lavaerguss war, konnte endlich auch unmittelbar erkannt werden in der Dunkelheit der Nacht. Mit eintretender Dämmerung sah man vom Kegelmantel der Nea aus einzelne der dunkelgrauen den Hauptspalten genäherten Felsblöcke all- mählich dunkelroth werden und mit zunehmender Dunkelheit in em deutliches Rothglühen übergehen. Dann erschienen einzelne flackernde Flammen von mattgelber Farbe hier und dort aus den Spalten und Re- spiraderos herausschlagend. Bei völliger Nacht sah man dann aber nicht nur deutlich die glühenden Ränder der grösseren Spalten, sondern aus allen Respiraderos, zwischen allen grossen Steinblöcken, schimmerte die noch glühende Masse hindurch. Die Flammen waren jetzt sehr deutlich und an den verschiedensten Stellen, oft ziemlich weit ab von dem Cen- trum, erkennbar und zeigten nun eine mehr bläulich weisse Färbung, den von der Sonne beschienenen Dampfwolken vergleichbar. Eine Täu- schung war hier unmöglich, man sah sie deutlich flackern und’ zucken, _ bei jeder Pulsation ihre Grösse und ihr Wallen zunehmen und dann all- mählich wieder nachlassen. Dabei war ihre Farbe durchaus abweichend . 54 KARL von SEEBACH, von der rothen Gluth, die von den Dampfwolken zurückfiel. Ueber ihre Grösse war keine Sicherheit zu gewinnen; ich schätzte sie bis 5 Me- ter hoch; einzelne konnte man übrigens stets schon von Phira aus, bei 16 maliger Vergrösserung, ganz deutlich unterscheiden. Die. Existenz dieses seltenen und früher so viel bestrittenen Phänomens ist bekannt- lich von allen wissenschaftlichen Beobachtern der letzten Eruption erkannt und festgestellt worden 1) Während der nächtlichen Beobachtungen waren _ die Hauptspalten und der centrale Schlund deutlich zu erkennen und frei von Dampf. Die mit den brennbaren Gasen ausbrechenden Wasser- dämpfe waren unmittelbar über der Lava noch nicht so weit condensirt, um die Ansicht zu hindern. Besonders interessant war aber das freilich nur selten erkennbare eigenthümliche Wallen schwarzer und rothglühender Massen in der Tiefe einiger auf den Beobachter zulaufenden und zum Theil dem Rande ziem- lich genäherten Spalten. Hier sah man offenbar den noch flüssigen La- vakern. Der Georg zeigte an seinem Südrande, wo er aus dem Meere auf- ragt, so gut wie keine Fumarolen. Um so gewaltiger war aber die Dampfentwickelung an seinem Nordwest- und Nordrande. Wie aus ei- nem Riesenmeiler brechen hier überall dıe Fumarolen hervor, ziehen die Wölbung hinauf und vereinigen sich zu einer gewaltigen Dampfmasse. Wo sie hervorbrechen sind die Blöcke wieder hellfarbig, auch finden bedeutende Schwefelsublimationen Statt. Besonders ist dies in einer ‘kleinen Einsenkung genau am Nordwestende des Georg und in der Kerbe nach dem alten Kraterkegel zu der Fall. Von hier habeich selbst meh- rere mit zierlichen kleinen Schwefelkrystallen überzuckerte Gesteins- stücke gesammelt. Aus dem Hauptschlunde des Georg entweichen eben- falls fortwährend Dämpfe, die unmittelbar über ihm durchsichtig sind und erst höher sich zu lichtweissen Wolken condensiren. In diesem Zu- stande verhältnissmässiger Ruhe hört man nur ein dumpfes Brausen, ähn- lich dem entfernten Tosen der Brandung. Von Zeit zu Zeit steigerte 1) Ueber die Natur der ausgestossenen Gase siehe Fouqu& Comptes rendus 1867 Bd. 64, S. 184 und Janssen ebenda S. 1303. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 55 sich dann aber die Intensität. Die Dämpfe brechen mit gewaltiger Ener- gie in bedeutenden Massen und dann gewöhnlich aus dem Hauptschlunde hervor. Doch bleibt ihre Farbe stets dieselbe blendend weisse, die sie auch sonst ist. Das Geräusch nimmt bis zu einer furchtbaren Stärke zu. ` Es ist dann, als ob viele grosse Dampfer gleichzeitig Dampf ausbliesen. Einen tief ergreifenden und wahrhaft erschütternden Eindruck macht es aber, wenn dies Sausen in ein heiseres Pfeifen von ganz un- glaublicher Stärke übergeht. Unwillkürlich fürchtet man dann eine Ka- tastrophe. Trotz dem darf man diese Momente gesteigerter Intensität offenbar nicht als Eruptionen dem gewöhnlichen Zustande entgegensetzen, von dem sie sich ja der Art nach durchaus nicht unterscheiden. Auch der Ausdruck Detonation scheint für dergleichen Erscheinungen wenig pas- send. Essind das blosse Pulsationen der vulkanischen Thätigkeit, die all- mählich anschwillt, ein Maximum erreicht und dann wieder ebenso allmählich abnimmt. Dass diese Pulsationen gelegentlich auch kleine Steine eine kurze Strecke mit in die Höhe reissen, ist wohl na- ‚türlich. Die Periode derselben war wenigstens während meiner Anwe- senheit eine sehr unregelmässige und ich war leider ausser Stande, durch genaue Notirung ihrer Zeiten das mittlere Intervall zwischen ihnen mit Genauigkeit zu ermitteln, doch dürften 15 m. demselben ziemlich nahe kommen. Aehnliche Pulsationen sind ja von den meisten Vulkanen be- kannt und ganz ähnlich auch von mir selbst vielfältig an den Feuerber- gen Central-Amerikas beobachtet worden. Ob bei diesen Pulsationen auch ein eigentliches unterirdisches Don- nern vorkommt, habe ich nicht feststellen können. Mehrmals hörte ich in Phira das Schallphänomen deutlich zuerst aus dem Boden heraufkom- men, aber das könnte offenbar auch bloss in dem schnelleren Leitungs- vermögen des Bodens seinen Grund haben. Von diesen Pulsationen ist ein anderes Phänomen, das freilich wohl auch nur als das Resultat besonders heftiger Steigerungen anzu- sehen ist, doch in seiner Erscheinung ganz verschieden. Es sind dies eigentliche Aschenausbrüche, die ich aber leider nur vom 6. April an zu beobachten Gelegenheit hatte. Sie sind ebenfalls begleitet und wer- Be: ONE ‚KARL von SEEBACH, ` den Schon 'vorausverkündet von einem gewaltigen Schallphänomen, das stets unterirdisch zu sein scheint. Es ist ungefähr dieselbe Schallem- pfindung, die man hat, wenn man einen Eisenbahnzug durch enen Tun- nel fahren hört. Der Ton steigert sich continuirlich. und fällt dann plözlich ab. Gleichzeitig steigt jäh aus den centralen Spalten eine un- geheuere Dampf- und Aschensäule auf, die aus dichten runden Wolken besteht und von dunkel rauchgrauer Farbe ist. ` Sie steht einen Augen- blick unbeweglich mit scharfen, festen Umrissen; dann löst sie sich all- mählich nach Oben in Dampfwolken auf. Das Niederfallen der Asche konnte ich während dieser Eruptionen nie direct beobachten, allein da ich auch’ sonst Zeuge von kleinen Aschen- und Steinfällen war, die man schon aus einiger Entfernung in der Atmosphäre nicht wahrzunehmen vermochte: so scheint mir schon die dunkele Farbe der Dampfsäule, die sich doch noch später in reinen weissen Wasserdampf auflöst, ein aus- reichender Beweis für ihr Vorhandensein. Die Form und die Dimen- sion dieser Aschenauswürfe sind sehr charakteristisch und hatten daher von den Santorinioten auch einen eigenen Namen, nämlich ‚zowovnidıor* 5 Blumenkohl, erhalten. Dieselben stellen einen umgekehrten langsam an Umfang zunehmenden Kegel dar, indem die einzelnen ihn bildenden Wolken unten klein und gedrungen sind, nach Oben aber an Dimen- sionen zu und an Dichtigkeit abnehmen. Auf Taf. IV habe ich ver- sucht, durch eine Zeichnung diese merkwürdigen Bildungen klarer zu veranschaulichen. Durch einen glücklichen Zufall fügte es sich, dass Sch gerade eins der grössten von mir beobachteten Kounoupidien, das am 8.April 5h. 30m. aufstieg, mit dem Spiegelkreise, von dem flachen Dache meiner Wohnung aus, messen konnte. Der Winkel, zwischen seiner Ba- sis und der Höhe, in welcher es sich ‚auflöste, wurde hierbei zu 130 30 bestimmt. Setzt man die Höhe des Beobachtungspunktes nach meinen Barometermessungen zu 235,56 Meter und die Basis des Dreiecks nach der englischen Seekarte und eigenen Peilungen zu 3390 M. an: so berech- net sich seine Höhe über den Georg zu 815,4 Meter (= 2670 Engl.). Von diesen Kounoupidien habe ich vom 6. bis 11. April leider über- haupt nur 7 und aus grosser Nähe nur 3 beobächten können. . Es ist . ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 57 daher möglich, dass meine Wahrnehmungen nur Zufälligkeiten und nicht die Regel treffen. Am Abend des 8. April um 6 Uhr 40 Min. wurde ich, auf dem Dache meiner Wohnung in Phira Siesta haltend, auch noch Zeuge einer anderen äusserst merkwürdigen Eruptionserscheinung. Plötzlich stieg nämlich, begleitet von dem gewöhnlichen Donnern , die Aschen- und Dampfsäule in Form einer gewaltigen Dampfschraube auf.‘ Ihre Farbe war noch dunkeler, als die der gewöhnlichen Kounoupidien. Deutlich konnte ich selbst aus dieser Entfernung mit einem Marineglas von viermaliger ‚Vergrösserung die einzelnen Rauchfäden erkennen, aus denen sich das gewaltige Tau zusammendrehte. Der Nordwind liess die Trombe nicht gerade aufsteigen, sondern neigte sie ein Wenig nach Süden. Das ganze Phänomen dauerte so lange, dass ich Zeit hatte meinen Bordaschen Kreis zur Hand zu nehmen und seine Höhe zu messen. Ich fand den Punkt, in welchem die Schraube sich in gewöhnliche Dampfwolken auf- löste, 9042’ über der Höhe des Georg, woraus sich bei der Annahme der gleichen Elemente, wie bei dem Kounoupidion, eine Eigenhöhe von 580,7 Meter (—= 1900’ Engl.) berechnet. Die ganze Zeit ihrer Dauer war der Fuss der Dampfschraube in den weissen Dampf der randständigen Fumarolen und Respiraderos eingehüllt, die mit kaum gesteigerter Heftigkeit weiter arbeiteten. Auch diese Dampfschraube habe ich versucht auf Taf. IV darzustellen. Bei einem Abstand von circa 50 Meter von dem Ufer des Georg fand ich das Meer bis 400 c. erhitzt. Doch war diese Temperaturerhö- hung keine regelmässige; kältere Stellen finden sich unmittelbar neben. wärmeren. Imndessen schienen doch einige Striche Wassers im Süd- westen des Georg constant sehr stark erwärmt zu sein. Ich musste bei ihnen unwillkührlich an unterseeische Spalten in der neuentstandenen Lava denken. Spätere Beobachtungen haben diese Ansicht in gewissem Sinne be- stätigt. Gerade an der Stelle des stärker erhitzten Wasserstreifens, den ich schon am 18. April 1866 (Nachr. v. d Kgl. Ges. d. Wissensch. zu Gött. S. 149), aber leider bloss nach dem Augenmass etwas unrichtig Phys. Classe. XIII. H 58: KARL vos SEEBACH, darstellte, erhob sich im Mai ein Theil des Lavastroms, der den Georg bildet, bis über die Seefläche. Derselbe floss daher entweder schon An- fang April noch ganz glühend am Boden des Meeres oder es war damals hier doch schon eine grössere Spalte vorhanden, welche der nachquillen- den Lava ihren Weg anwies und das Durchdringen der Erstarrungs- kruste erleichterte. Dergleichen stärker erhitzte Wasserstreifen sind leicht an ihrer ei- genthümlich trüben milchigen Farbe zu erkennen, so wie auch an den Wasserdämpfen, die über ihnen schweben. Diese steigen meist in un- regelmässigen Säulen auf, nicht selten drehen sie sich aber auch zusam- men wie Staub und Blätter in einem Wirbelwind, schnüren sich ein und bilden kleine Tromben oder Siphonen, in denen man dann oft noch die einzelnen Dampftheilchen ähnlich den einzelnen Fäden eines 'Taues her- auserkennen, hin und her wallen und spiralig aufsteigen sehen kann. Ich habe mich vergebens bemüht die mittlere Zeitdauer dieser zierlichen Bil- dungen zu ermitteln und glaube nur behaupten zu können, dass sie alle von kurzer Zeitdauer sind, indem ich keine über 30 Secunden beob- achten konnte. Dieselben bilden sich, ohne dass man bestimmte sie er- zeugende Ursachen zu erkennen vermöchte. Nie konnte ich während ihrer Dauer ein von ihnen ausgehendes Geräusch bemerken, obgleich wir an einigen in unserem Boot dicht vorüber fuhren. Uebrigens wur- den sie besonders häufig in der Nähe, Nördlich und Südlich, der soge- nannten Reka beobachtet. ~ Zu den Eruptionserscheinungen muss man wohl auch die von der Höhe von Phira und bei der Annäherung an die Inseln zunächst in die Augen fallende Färbung des Meeres rechnen. Diese Erscheinung war am einfachsten bei eintretendem Nordwinde; alsdann zog sich aus dem Nordende des kleinen Hafens und der Strasse zwischen der Nea und Mikra Kaymeni ein breiter, gelbrother, an einzelnen Stellen wenigstens sicher von Eisenoxydhydrat gefärbter Streifen in das Meer hinaus nach Süden bis gegen Acrotiri, ähnlich wie er auch auf Tafel I ange- deutet ist. Bei geringerem Winde wandte sich diese Farbenzone wohl in einem grossen Bogen wieder rückwärts und weiter gegen Osten und ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 59 ich habe sie zum Beispiel am 1. April bis in die Mitte zwischen die Mikra Kaymeni und Thera vordringen sehen. Dabei war stets ihre Grenze gegen Osten eine ausserordentlich scharfe. Am merkwürdigsten muss es aber erscheinen, dass das Meerwasser, dessen mittlere Tempe- ratur ich übereinstimmend mit den einen Monat zuvor angestellten Mes- sungen 170 c. fand, in dieser gelben Zone stets, und so selbst auch am 1. April, plötzlich um ein bis ein und einhalb Grad wärmer wurde und auf 180, ja 18,50 stieg, hinter derselben und näher an dem Georg aber wieder auf seine mittlere Temperatur zurückging. Eine analoge Erscheinung, deren Ursprung aber wohl in der Aphroössa zu suchen ist, beobachtete ich am 4. April in der Strasse zwischen der Palaea und der Nea Kaymeni. Es war nämlich die Palaea Kaymeni von einer sehr scharf abgegrenzten grünen Farbenzone umgeben, in welcher das Meerwasser 220, ja in der Nicolaosbucht 230 zeigte, während es ausserhalb nach der Aphroössa hin nur 17,60 warm war. Die Ursache dieses Phänomens muss man wohl in den bei andauerndem Nordwinde durch die Strasse zwischen den Kaymeni herabfliessenden Strömungen suchen. Wie weit schon damals der neue Lavaerguss auch unterseeisch den Boden erhöht hatte, ergiebt sich aus einer Vergleichung der älteren, im Auftrage der Englischen Admiralität ausgeführten Lothungen mit den Ende März von den Officieren der „Nymphe“ und am 10. April von mir angestellten Lothungen. Ich habe dieselben auf der beigefügten Karte eingetragen und nach ihnen das natürlich nur ideale Profil des Lavastroms im Anfang des April unter jener construirt. Das Profil, selbstverständlich in gleichem Massstabe der Länge und Höhe gezeichnet, ist gleichzeitig interessant für eine Veranschaulichung der Böschung, ebensowohl des Bodens, über welchen der Lavastrom floss, als auch der neu durch ihn gebildeten Oberfläche. Aphro&ssa, das jüngere Kind der neuen Eruption, bildete einen sanft glockenförmig gewölbten Hügel von etwas eirundem Umriss, der sich am anschaulichsten durch den Vergleich mit einem riesenhaften Maulwurfshügel machen lässt, im Südwesten wird sie von einem langgezo- genen. von Nordwesten nach Südosten streichenden Trümmerkamm ge- H2 60 KARL von SEEBACH, bildet. Das ist die damals nur noch in ihren äussersten Punkten ge- trennte, sogenannte Reka. Die Aphroössa besteht wie der Georg aus lauter einzelnen Blöcken, dieselben sind jedoch weniger dicht und glasartig, nicht selten etwas ca- vernös, jazuweilen an ihrer Oberfläche fast schaumig. Sie ragen nirgends in so scharfkantigen, massigen Biöcken auf wie am Georg. Dagegen war an der Aphroössa die ganze Masse viel deutlicher in Bewegung als dort. Fast ununterbrochen hörte man hier das helle, an fallende Glas- scherben erinnernde Klirren und Knirschen der fallenden und nachge- schobenen Gesteimsblöcke. Nicht selten sah man auch grosse Blöcke und ganze Blockzüge die sanft geneigte Böschung sich hinabschieben. Diese Verhältnisse nöthigten mich auch die zwei Versuche, die ich am 10. April zur Besteigung der Aphroössa machte, bald wieder aufzugeben. Ein ei- gentlicher Krater ist auf ihr eben so wenig vorhanden als an dem Georg. Auf der Aphroössa fehlt aber selbst jeder Hauptschlund und alle grossen Hauptspalten. Die Gase entweichen hier aus unzähligen kleinen Klüften und Respiraderos zwischen den einzelnen Lavablöcken. Das durch die stete Bewegung in der Oberfläche angedeutete con- 'tinuirliche Nachquellen der Aphroössa-Lava konnte auch durch wieder- holte Messungen bestätigt werden. Es wurden nämlich die Winkel zwischen dem Nordwestlichsten und Südöstlichsten, aus dem Meere auf- ragenden Lavablocke (= Länge) und ebenso die Winkel zwischen der höchsten Wölbung und der Seefläche (= Höhe) von dem Nordwestlichen Ufer der Stationsklippe aus fünfmal mit einem Bordaschen Spiegelkreise gemessen. Die mit einem vorgesetzten ! bezeichneten Messungen sind gut, die nicht angezeichneten aber in Folge der stärkeren Dampfentwick- lung und der daher weniger scharfen Einstellungen weniger genau. Diese Messungen ergaben: Datum. Stunde. Länge. Mittel aus Höhe. Mittel‘ aus März 30. R EE 10a 7. Bl April 1. 2322128 2 10 E 288528 M k E to Bi B M !2 49 40 II SE an Messungen. Messungen. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 6l- Datum. Stunde.. Länge. Mittel aus Höhe. Mittel aus April 7. 2 320 29° 40” I 20 47 30” II E10, 2 0 !2 54 30 Il Messungen. Messungen. Nimmt man nun, um für diese Messungen absolute Werthe zu er- halten, den Abstand der Aphroössa-Höhe von dem Nordende der Stations- klippe nach der englischen Seekarte, nach der Karte von Fritsch, Reiss und Stübel und nach eigenen Peilungen. zu 850 Meter an und für die Linie durch die beiden äussersten supramarinen Felsblöcke N. 550 W. als constantes er so findet man: Datum. Die Länge. Die Höhe. am März 30. 423,45 Meter. 38,39 Meter. = Apal E A9900 Ä, ILJI j SE 4. 302. J5 ,, BA SE EE $ NÉE 4144 „, AU, AS.18 Aus diesen Messungen und den berechneten Näherungswerthen er- kennt man, dass die Aphroössa vom 30. März bis zum 10. April so- wohl an Umfang als auch an Höhe beträchtlich zunahm. Es ergiebt sich ferner, dass dieses Wachsthum zu verschiedenen Zeitpunkten ein verschiedenes war, und endlich, dass der Lavaerguss nicht nach beiden Richtungen im gleichen Verhältniss zunahm. Die Beobachtung einer Zu- nahme in der horizontalen Richtung, bei einer Abnahme in der verti- calen ist wohl ein anderer unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die Aphro- össa, wie der Georg, nur durch den Erguss einer noch en Lava gebildet worden ist. Eine Wanderung .der höchsten Wölbung der Bëbee fand wäh- rend jener Zeit, wie wohl überhaupt, nicht statt. Ihre allgemeine Erscheinung giebt Taf. III wieder. Die im Innern noch glühenden Massen kann man in der Nacht an der Aphro&ssa ebenso gut erkennen als an dem Georg und zwar übertrifft die Aphroössa ka, E ML ae EE 62 KARL vox SEEBACH, an Grossartigkeit noch den Georg. Bis zur halben Tiefe sieht man über- all zwischen den erkalteten Blöcken den glühenden Kern durchschimmern. Die ganze zimmtbraune Dampfsäule erscheint dann als ein grossartiger gluthrother Feuerschein und überall zucken aus den Respiraderos Flammen hervor, die an Grösse die des Georg noch übertreffen. Dieselben sind jedoch etwas verschieden durch einen Stich in das Carminrothe und Bläuliche. Die Dampfentwickelung an der Aphroössa war im Ganzen viel un- bedeutender als am Georg. Sie fand besonders an der Südost- und Nord- west-Spitze der sogenannten Reka und in den Einschnitten zwischen ihr und der eigentlichen Aphroössa statt. Um so merkwürdiger ist die Rauch- säule, die sich von ihrer Höhe erhebt. Diese ist nicht weiss, wie die übrigen Fumarolen, sondern, durch Eisenchlorid gefärbt, licht-rost- bis zimmt- braun, sie steigt gerade und durchscheinend bis durchsichtig auf, ohne sich zu kräuseln oder Wolken zu bilden und mag etwa 50 Meter hoch sein. Pulsationen sind in ihr kaum wahrnehmbar, wenn gleich dieselben auch an der Aphroössa nicht fehlen und hier ebenfalls durch ihre Schall- phänomene sich kennzeichnen, welche jedoch etwas abweichend von de- nen des Georg sind. Ich habe wenigstens eben so wenig das pfeifende Sausen als das polternde Rasseln hören können, sondern stets nur ein dumpfes, aber eigenthümlich klirrendes, unterirdisches Donnern. Diese Pulsationen sind dabei weit seltener als am Georg. Nur einige Male beobachtete ich eine völlige oder fast völlige Gleichzeitigkeit in den Schallphänomenen beider. Da dieselben aber sonst ganz unabhängig von einander eintraten, so machten auch diese beobachteten Fälle einer Ueber- einstimmung auf mich nur den Eindruck des Zufälligen. Kounoupidien konnten an der Aphroössa nicht beobachtet werden und sind wohl überhaupt nicht an ihr vorgekommen. Ja auch während der Kounoupidien des Georg war an der Aphroössa keinerlei Steigerung der Intensität zu bemerken. Dagegen war ich, wie früher J. Schmidt, Zeuge einer Stein-Eruption. Dieselbe fand am Abend des 8. April um 10 Uhr Statt. Da die Nacht sehr dunkel war, so konnte man nur eine ungewöhnlich starke Dampfentwickelung und die ausgestossenen glü- henden Steine erkennen, die von Phira aus gesehen wie Funken durch ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 63 die Luft fuhren und dann in das Meer stürzten. Ihre Curven waren zwar nur kurz, aberihre Zahl eine so bedeutende, dass ich diesen Stein- ausbruch nicht mehr als vierten Ranges bezeichnen möchte. Die Schall- erscheinung war bei dieser Gelegenheit nicht bedeutender als gewöhnlich. Georg steigerte seine Thätigkeit unterdessen nicht, Der besonders häufig aber regellos an dem Nordwest- und Südost- ende der Aphroössa über das Meer hinziehenden zierlichen Dampfsi- phonen wurde schon oben gedacht. An beiden Punkten war das Meer stets stärker erhitzt. Der Wärmegrad war aber hier wie auch sonst rings um die Aphro&ssa sehr schwankend und bei etwa 50 Meter Ab- stand bald nur 220, bald 40%. Diese Temperaturveränderungen wurden zum grösseren Theile sicher nur durch die Richtung und Stärke des Windes und der durch ihn veranlassten Strömungen bewirkt. Einzelne hatten aber offenbar eine innere vulkanische Ursache, so zum Beispiel die mit zahllos aufsteigenden Gasblasen verbundene Temperatursteige- rung auf 40 bis 460, die am 10. April Nordwestlich von dem St. Ge- orgioshafen beobachtet wurde. Leider war gerade bei dieser einzigen Gelegenheit Gase zu sammeln, die sich während meines Aufenthaltes bot, mein Apparat durch eine Nachlässigkeit meines Dragoman nicht mit im Boote. Südlich von dem alten Lavafeld der Nea zwischen Georg und Aphroössa zeigte das Meer stets seine normale Temperatur von 170. Wie weit sich schon damals auch die Aphroössa unterseeisch er- gossen hatte, ergiebt sich aus den in die Karte eingetragenen Sondi- rungen und dem nach diesen Lothungen construirten Profile unter der Karte. Man erkennt, dass schon damals das steil abfallende Thal zwi- schen der Palaea und Nea bis über seine halbe Höhe von der Lava aus- gefüllt war und dass die vertikale Aufstauung der Lava im Verhältniss zu ihrer horizontalen Verbreitung in der That nur eine geringe ist. Um eine Uebersicht über das allmähliche Anwachsen des Lava- ergusses während der früheren Zeiten der Eruption zu geben, habe ich in die Karte nicht nur nach den vorhandenen Publicationen und an Ort und Stelle eingezogenen Mittheilungen eine ungefähre Darstellung des Standes der Eruption am 20. Februar eingetragen, sondern auch eine 64 KARL von SEEBACH, vergrösserte Copie der schönen Karte von Fritsch, Reiss und Stübel hinzugefügt, ihre Lothungen eingetragen und nach diesen und den bezüglichen Höhenmessungen für Ende Mai das ideale Profil des Lavastroms construirt. Die hinter der Durchschnittsebene gelegenen Maiinseln sind, parallel geschnit- ten, in dem Profil der Aphro&ssa mit punktirtem Umrisse dahinter gezeichnet. Die an ihnen beobachtete Wanderung von Nordwest nach Südost beweist deutlich, wie Fritsch, Reiss und Stübel mit Recht hervorheben, dass auch die Aphroössa nur ein Lavaerguss und jene Inseln nur die aus einem noch langsam fliessenden Theile dieses Ergusses hervorragen- den Erstarrungskrustenspitzen sind. Dass die auf ihnen angeheftet ge- fundenen Meeresthiere dem nicht widersprechen, hat W. Reiss schon am 2. Juni 1866 (Siehe Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Verh. S.106) her- vorgehoben. Auch die Verschiebung. des Rekakamms, die sich auss dem Profil gut erkennen lässt, zeigt, dass vom Anfang April bis Ende Mai die Aphroössa nicht in der Weise gewachsen war, wie es ein aus dem Meere aufsteigendes, starres Stück Boden hätte thun müssen, sondern dass sie in Folge des innern, zähflüssigen Zustandes aufquoll, das Ver- hältniss ihrer Theile gegen einander veränderte und sich nach dem Abhang des alten Neagrundes hin fortschob. An dem Profile des Georg sieht man gut, welche gewaltige Masse von Lava von Anfang April bis Ende Mai hier nachquoll, kann aber in ihm weder das in der Karte erkennbare, so ungleichartige Wachs- thum und den nach Süden durchgebrochenen Lava-Ausläufer, noch auch eine Verschiebung in dem culminirenden Punkte erkennen. Eine solche haben aber nicht nur Fritsch. Reiss und Stübel in ihrer Karte verzeichnet, sondern sie wird auch von Herrn Fouqu& (Comptes Ren- dus 1866, Tom. 63, pag. 1187) ausdrücklich constatirt. Die bei meiner Abreise im äussersten Nordwesten gelegene Spitze war im Anfang Mai weit nach Südosten gerückt, um dann bis Ende Mai wieder nach Nord- westen zu wandern. Dass damals schon ein wirkliches Kraterbecken auf dem Georg vorhanden war, wie Herr Fouqu& behauptet (a. a. ©.), ist mir unwahrscheinlich. Das schöne Relief von Stübel zeigt keins. Der Text zu den Kaymeni-Inseln giebt darüber keine Auskunft. ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 65 Ueber die Phasen der Eruption nach dem Mai 1866 liegt nur wenig Material vor. Im Juli und August 1866 sollen mehrere stärkere Ex- . plosionen und sogar Erderschütterungen stattgefunden haben. Ende Fe- bruar 1867 fand Herr Fouque& die Eruption noch in voller Thätigkeit. Der Georg hatte 108 Meter Höhe erreicht und die noch immer langsam nachquellende Lava hatte sich wieder weiter verbreitet. Leider ist Herrn Fouqué’s ganze Darstellung der Eruption nicht so vorurtheils- frei und präcis, dass man sich nach seinen Angaben ohne Autopsie ein völlig klares Bild von dem damaligen Zustande machen könnte. Auch im Spätsommer 1867 hatte nach Zeitungsnachrichten die Eruption noch nicht geendet: Das Material, welches in der Eruption von 1866 aus dem Inneren der Erde hervordrang, ist nicht nur in Georg und Aphroössa das nämliche, sondern es stimmt auch völlig überein mit dem herrschenden Gestein der älteren Laven Santorins. Das gilt nicht nur von der physikalischen Ausbildung, sondern auch von der chemischen Zusammensetzung, wie eine Vergleichung der vorhandenen Analysen!) deutlich ausweist. Die von den beiden Neubildungen und den älteren Laven vorhandenen, nicht auf die Analyse selbst zurückführbaren Verschiedenheiten und Schwan- kungen sind in der That sehr gering. Nur die eine schon oben ange- führte Analyse K. v. Hauer's zeigt ein beträchtlich (um circa 11%S i) basischeres, wenn auch sonst ganz analog zusammengesetztes Gestein. Das Anorthitgestein, wie es von den Maiinseln bekannt geworden, ist nur als Einschluss vorhanden. Auch mineralogisch besteht die innigste Ver- wandtschaft. Den Feldspath des neuen Gesteins vergleicht Terreil (Comptes rendus 1866 Tom. 62, S. 1401) nach seiner Analyse desselben 1) Von der Lava von 1866 sind mir 11 Analysen bekannt geworden: 2 von Habermann (Sitzber. Wien. Acad. 1866 S. 450), 3 von Christomanos (ebenda ` S. 452), 5 von K. von Hauer (Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Verh. S. 68 und 5. 191) und 1 von Terreil (Comptes rendus 1866 Tom. 62 S. 1399). Von den älteren Laven kenne ich nur 7 Analysen, 1 von Abich und 1 von Elsner (cf. Roth Gesteinsanalysen S. 11, Nr. 17 und S. 12, Nr. 18) und 5 von K. v. Hauer (Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 1866 Verh. S. 79 und 80). Phys. Classe. XIII. I 66 KARL von SEEBACH, zunächst mit Albit. Der Sauerstoffquotient stimmt dazu recht gut, er ist = 0,331, also nur 0,002 höher als der des Albit und Orthoklas. Aber der Sauerstoff der Monoxyde verhält sich zu dem der Thonerde und der Kieselsäure = 1: 2,55: 9,89 = 1, 3:3:13,0. Das ist wenig befriedigend. Die Alkalien, die nur aus dem Verlust bestimmt worden, sind nicht geschieden und es scheint fast, dass der vorwiegende Natron- gehalt nur aus der Bauschanalyse des Gesteins geschlossen wird. Zu Albit, ebenso wie zu Orthoklas stimmt auch nur wenig der Gehalt von 4,73%, Ca. Terreils Analyse giebt daher keine Sicherheit über die Natur des Feldspaths in der neuen Lava. Zirkel erklärt in Folge seiner mikroskopischen Studien bestimmt, dass Sanidin vorhafhden sei, er- wähnt jedoch daneben auch einzelner trikliner Feldspäthe. Danach wäre das Gestein, wie auch Stache will, Sanidin-Oligoklas-Trachyt. Ich habe an allen zahlreichen Feldspathkryställchen, die ich untersuchte, deut- liche Zwillingsstreifen gefunden, allerdings zum Theil erst bei ziemlich starker Vergrösserung und sehr scharfem Lichte. Das ist natürlich noch kein strenger Gegenbeweis, indessen wäre es doch sehr merkwürdig, wenn ich immer gerade nur Oligoklas getroffen hätte. Dünnschliffe wur- den übrigens nicht beobachtet. Auch das Verhältniss des Natrons zu dem Kali in den Bauschanalysen stimmt nur wenig mit den Verhältnis- sen in den vorliegenden Analysen von Sanidin-Oligoklas-Trachyten. Die 8 Analysen der neuen Lava, welche die beiden Alkalien geschieden haben, ergeben im Mittel 4,83% Na auf 1,70 K; das ist ein noch stär- keres Uebergewicht des Natrons, als es Zirkels Analyse des Kelberger Sanidin-Oligoklas-Trachyts (4,29: 2,01) nachgewiesen hat, und weit ab- stehend von dem sonst gefundenen Verhältnisse, das 5:4 sehr nahe kommt. Auch der Kalkgehalt (3,41%) ist eim auffällig hoher, wenn man bedenkt, dass der echte Sanidin-Oligoklas-Trachyt in der Regel ziemlich zahlreiche Hornblende und (oder) wohl ebenfalls kalkhaltigen Magnesiaglimmer enthält, während in der neuen Santorinlava der augi- tische Bestandtheil kaum erkannt werden kann. Der Hornblende- und Glimmer-freie Sanidin-Oligoklas-Trachyt vom Kühlsbrunnen enthält be- kanntlich auch nur sehr wenig (nach Bischof 0,49%, nach Bothe 1,29%) ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 67 Kalk, ja selbst der Trachyt der Hohenburg bei Berkum hat nur 0,22%, Ca gegeben (S. Dechen Siebengebirge S. 88). Wenn auch ferner aus dem schwankenden Verhältnisse der Alkalien zum Kalk in dem Oligoklase nichts mit Sicherheit geschlossen werden kann, so sollte man, bei dem völligen Zurücktreten des augitischen Gemengtheils, im Falle der gleich- zeitigen Anwesenheit von dem so kalkarmen Sanidin, doch ein Verhält- niss des Kalks zum Alkali in dem Gesteine wenigstens als wahrschein- lich erwarten, welches mehr Alkali als das von Rammelsberg als nor- mal angesetzte von 1 Kalk auf 2 Natron ergiebt. Das ist aber nicht der Fall, dasMittel der nämlichen 8 Analysen wie oben giebt 1 Kalk auf 1,6 Alkali (12,1: 19,1), also gerade umgekehrt weniger Alkali, als die normale Constitution des Oligoklases und die Kalkarmuth des Sanidins er- warten lässt. Hierbei ist übrigens die Magnesia noch ganz auf den nicht selten erkennbaren Olivin gerechnet worden. Aber auch das nachweis- bare, ziemlich häufige Auftreten von Olivin, der, wenn ich nicht irre. bisher noch nicht in Sanidin-Oligoklas-Trachyten gefunden worden ist, die gänzliche Abwesenheit von Glimmer und die nur ein Mal von Ze- pharovich beobachtete Hornblende, sowie endlich die ganze äussere Er- scheinungsweise passen weit besser zu einem (Augit-)Andesite, als zu einem Sanidin-Oligoklas-Trachyte. Auch die völlige Uebereinstimmung der chemischen Analyse mit den älteren wohl zweifellosen Augit-Ande- siten deuten darauf hin. Sanidin könnte wohl nur als unwesentlicher Gemengtheil vorhanden sein. Neben dem Oligoklase fallen zunächst die zahlreichen Magneteisen- kryställchen auf, deren scharf begrenzte Octaederflächen , besonders bei Lampenlicht, durch ihren starken metallischen Glanz hervorleuchten. Nicht so häufig, aber doch noch oft genug mit Sicherheit zu erkennen, ist Olivin in kleinen Körnern von der charakteristischen Färbung. Ausser- dem wurde noch in einigen seltenen Fällen ein dunkler-grünes, säulen- förmig krystallisirtes Mineral bemerkt, das nicht mit Sicherheit be- stimmt werden konnte, aber Augit zu sein schien. Das gänzliche Zu- rücktreten des Augits in manchen Varietäten der Augit-Andesite wurde schon oben in der Lava der Mikra erkannt und ist auch an manchen | 12 68 KARL von SEEBACH, Central-Amerikanischen Gesteinen bemerkt worden. Bei der innigen chemischen und geologischen Zusammengehörigkeit solcher Gesteine mit typischen Augit-Andesiten muss man dieselben mindestens unmittelbar neben die Augit-Andesite stellen. Eine Berechnung der vorhandenen Analysen nach dieser mineralo- gischen Zusammensetzung wäre, so gut sich dieselben ihr auch in man- cher Beziehung fügen würden, doch immer noch mit zu vielen will- kührlichen Annahmen behaftet, um ein auch nur einigermassen zu- verlässiges Resultat zu ergeben. Mit Sicherheit könnte nur erkannt werden, dass die neue Lava im Mittel wenigstens 16,3% überschüssige Kieselsäure enthält. Sie ist also ebenfalls ein quarzführender Augit-An- desit oder, wie man bei dem noch nicht im Gestein selbst ausgeschie- den beobachteten Quarz strenger sagen sollte, ein Augit-Andesit mit überschüssiger Kieselsäure (Andesit-Rhyolith). Die interessante mikroskopische Structur der neuen Lava hat Zir- kel ausführlich beschrieben. Dem unbewaffneten Auge erscheint die Grundmasse bald ausgezeichnet halbverglast und obsidianartig, bald mehr felsitisch. Nicht selten sind die Fragmente, in welche die Lava zerfal- len ist, äusserlich halbglasig, aber, zerschlagen, in ihrem Innern mehr felsitisch. Ihre Farbe ist pechschwarz, bis ziemlich hell chokoladenbraun. Die am meisten obsidianartigen Varietäten scheinen auch die dunkel- sten, in feinen Blättchen graulich durchscheinenden bis durchsichtigen zu sein. Diese Grundmasse ist in der Regel nur sehr feinporig und „trachytisch‘‘, zuweilen fast dicht. Doch finden sich in ihr nicht selten neben den feinen Poren auch einzelne etwas grössere schlackige Hohl- räume. Manche Blöcke, besonders an der Reka, sind äusserlich und zu- weilen auch im Innern stellenweise sehr ausgezeichnet schlackig. Die kleinen, 1—3 Millimeter grossen, triklinen Feldspäthe liegen in dieser Grundmasse ganz regellos verstreut. Durch ihre weisse Farbe heben sie sich von der Grundmasse ab und geben dem Gestein ein ausgezeich- net porphyrisches, sehr an manche Porphyrite und Melaphyre erinnern- des Aussehen. Die anderen Gemengtheile entdeckt man erst bei sorg- fältigerer Untersuchung mit der Loupe, Auch in der neuen Lava ist ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 69 | der Feldspath oftmals mit dem Olivin (und Augit?) verwachsen und um ihn herum auskrystallisirt. Besonders die obsidianartigen Laven sind äusserst spröde. Ein Schlag mit dem Hammer auf die Kante oder Ecke eines Blocks genügt nicht selten, um ihn in unregelmässige polyedrische Stücke zu zersprengen. Sie erinnerten mich an den bekannten Damourschen Obsidian. Nach ihrem Vorkommen an verschiedenen Punkten am Kegel der Nea und nach den Mittheilungen von Christomanos war ich anfänglich geneigt der Eruption von 1866 auch einzelne Blöcke einer grauen, plat- tigen, in abwechselnden Lagen dichten und dann dunkelgrauen, sowie durch deprimirte Hohlräume porösen und hier hellgrauen Lava zuzuschrei- ben. Ziemlich unglücklich war die Bezeichnung, die ich früher einmal für sie gebraucht habe, dass sie nämlich ein Phonolith-ähnliches Gestein sei. Wenn man von der plattigen Structur absieht, erinnert das Gestein in seiner äusseren Erscheinung noch am meisten an die dichteren Varie- täten der Volviclava; aber es ist nur ein Augit-Andesit. In ihm er- kennt man auch deutlich den lauchgrünen Augit. Dei der abweichen- den Entwickelung dieses Gesteins ist mir aber seine Zugehörigkeit zu den Eruptionsmassen von 1866 jetzt zweifelhaft geworden. Sehr eigenthümlich und interessant sind die Lavamassen, welche der Georg in der zweiten Hälfte des Februar ausgeworfen hat. Dieselben finden sich auf der Nea und auf der ganzen Mikra, fehlen aber auf der Palaea, wie der von Jul. Schmidt und Palaska gemessene Verbrei- tungsbezirk von 1 Kilometer Radius verlangt. Sie sind am grössten natür- lich in der unmittelbaren Nähe des Georg, wo ich einzelne Auswürflinge auf 6 Cubikmeter schätzte, aber auch auf der Ostseite der Mikra fand ich noch einen derselben, der nur wenig unter 0,6 Meter Durchmesser hatte. In unabsehbarer Menge, wenn auch meist nur von kleineren Di- mensionen, liegen sie aber auf und an dem Kegel der Nea. Trotz ihrer manchfachen, bald rundlichen, bald sehr unregelmässig polyedrischen Form und der wechselnden Grösse kann man sie doch alle leicht wie- dererkennen, besonders an den eigenthümlichen Rissen und Sprüngen, die sie zeigen. Auswürfling des à \ d tü = Georg vom 20. (?) \ js der natür lichen Grösse. Februar 1866. Der vorstehende Holzschnitt, die getreue Copie eines kleinen von mir mitgebrachten und im hiesigen geologischen Museum niedergelegten Auswürflings giebt die gewöhnliche Beschaffenheit und die eigen- thümliche Aufberstung derselben gut wieder. An durchgeschlagenen Exemplaren sieht man, dass sie einen lockeren porösen Kern bei einer dichten glänzenden Rinde haben. Es sind wahre Lavabrode. Die Krume ist ein feinschaumiger Bimstein, in dessen halbglasiger, nur mässig auf- gelockerter Grundmasse ziemlich zahlreiche trikline Feldspäthe ausge- schieden sind. Nach dem Rande hin ist die Masse weniger aufgelockert und daher dunkeler und auch dem blossen Auge als obsidianartig er- kennbar. Die äussere Rinde bildet eine scheinbar dichte, erst unter der Loupe feine Poren zeigende Obsidianmasse mit zahlreich ausgeschiedenen triklinen Feldspäthen. Sie besteht oft aus mehreren ziemlich dünnen und durch lichtere Streifen scharf abgeschnittenen, concentrischen Schalen. Die ganzen Auswürflinge sind äusserst spröde, man braucht sie nur auf den Boden fallen zu lassen, um sie in zahlreiche Stücke zerspringen zu sehen. Ja sie sind gegen Stösse so empfindlich, dass von den grösseren Bomben, die ich mitbrachte, nur eine einzige nicht zersprungen hier ankam. Die Entstehung dieser Lavabrode ist einfach. In dem Moment, in welchem die glühendflüssige Lava ausgeworfen wird, beginnt sie unter dem geringeren Druck aufzuschäumen und in Bimstein überzugehen. Gleichzeitig erstarrt aber ihre Rinde jäh zu einer dichten obsidianartigen ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 71 Masse, die sich nun zu contrahiren anfängt. während der innere, noch glühende Kern noch weiter aufschäumt und sein Volumen noch wirklich vergrössert oder doch zu vergrössern strebt. So müssen sich Risse und auf- geborstene Stellen in der Rinde bilden, während die einzelnen Theile des ganzen Lavabrods in ähnlicher Weise in einer Art labilen Gleichgewichts sich befinden, wie in den bekannten Glastropfen. Interessant scheint noch, dass die Rinde zuweilen aus einzelnen concentrischen Schalen besteht, deren hellere Zwischenlagen nur durch völlig flachgedrückte und in ein- ander verlaufende Zellräume gebildet zu werden scheinen. Jedenfalls ist diese Plattung aber nur durch die successive Erstarrung und die mit dieser verbundene Contraction der Lava entstanden. Einzelne Lavabrode zei- gen durch ihre ganze Masse Parallelstructur; hellere, lockere und dun- kelere, dichtere Lagen wechseln mit einander ab. Hier hat man es wohl „mit den Resultaten eines präexistirenden Structurverhältnisses zu thun. Manche Lavabrode sind bei ihrem Niederfallen zersprungen. Ihre Bruchstücke zeigen dann nur stellenweise oder auch gar nicht die dichte schwarze Aussenrinde, sind aber, wie zu erwarten war, immer noch in ganz gleicher Weise, wie die ganzen, aufgeborsten. Zu erwähnen sind schliesslich noch die ziemlich zahlreichen Ein- schlüsse, welche auch die Eruption von 1866 mit aus der Tiefe herauf- brachte. Ich kannte dieselben während meines Aufenthalts auf Santorin bloss von dem Georg, K. v. Fritsch, Reiss und Stübel fanden sie aber auch an der Aphroössa und selbst auf den Maiinseln (S. Reiss in Jahrb. der k. k. geol. Reichsanst. 1866 Verh. S. 106). Ein solcher Ein- schluss ist auch nur das von G. Stache und K. v. Hauer untersuchte Anorthitgestein der Maionisi. wie ersterer ganz richtig erkannte, und wie mir auf meine Vermuthung und Anfrage K. v. Fritsch ausdrück- lich bestätigte. Ich kenne diese Einschlüsse vom Georg in vier verschie- denen Ausbildungsweisen. Einmal ist er ein völlig dichter Brocken, der scharf von der umgebenden Lava, mit der er nirgends verwachsen, ab- gegrenzt ist. Der Einschluss ist rauchgrau und ganz ähnlich körnigem Kalke. Erst unter der Loupe erkennt man, dass man es mit einem Ge- menge verschiedener, noch unbestimmter Mineralien zu thun hat. Dieser Ein- > 72 | KARL von SEEBACH, schluss schwitzte angefeuchtet Chlornatrium aus, die umschliessende Lava aber nicht. Das andere Mal ist der Einschluss eine poröse Schlacke, die schon mit der umgebenden Lava verwachsen ist. Die Anorthite liegen mit zahlreichem, gelblichem Olivin zusammen nur in der Grundmasse ; die Hohlräume sind meist rundlich und ihre Wände wenig rauh; sie sind leer, nur selten finden sich in ihnen kleine rings auskrystallisirte Anorthite. Im dritten Falle ist der Einschluss eine durchweg aufge- lockerte grünlich-graue Masse, die unter der Loupe als ein Haufwerk von zierlichen Anorthitkrystallen mit dunkelgrünem Augit und kleinen gelben Titaniten sich ausweist. Diese Masse ist durch eine dichtere „grünlich braune Rinde“ von felsitischer Beschaffenheit mit der umge- benden halbglasigen Lavamasse verwachsen. Endlich ist viertens der Einschluss hohl; er ist eine Art Druse, deren Rinde ähnlich der Masse der letzten zwei Einschlussarten ist, die aber nur eine geringe Dicke- hat, und auf der viele dunkelgrüne Augite, Anorthit- und Titanitkrystalle aufsitzen. Es ist dies eine Art von Einschluss, die leicht Täuschungen veranlassen und für eine blosse Ausscheidung gehalten werden kann. Doch ist die Rinde stets leicht von der umgebenden Lava, mit der sie nicht einmal verwachsen zu sein pflegt, zu unterscheiden. In den La- vabroden habe ich nur ein Mal einen fremdartigen centralen Kern beob- achtet. Es ist diesein circa 20 Millimeter im Durchmesser haltender po- röser gelblich und grünlich weisser Kernbrocken, der unter der Loupe zahllose kleine Wollastonitnädelchen erkennen lässt. 5. Allgemeine Schlussfolgerungen. Die vulkanischen Neubildungen des Jahres 1866, Georg und Aphro- &ssa, sind nur das Resultat eines langsam nachquillenden, zähflüssigen Lavaergusses. Dieser Erguss begann ziemlich sicher ohne Erderschütte- rungen, sicher aber ohne jede Hebung des früher schon vorhandenen Bodens. Es fand im Gegentheil nach der Ausbruchstelle hin eine Sen- kung Statt, deren Ursache (Abschmelzung?) jedoch nicht bestimmt wer- den kann. Nach den durch den Anfang des Lavaergusses erzeugten Spalten zu schliessen, fand diese Senkung nicht um einen Punkt herum D ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 73 Statt, sondern, so weit man dies bei solchen Erscheinungen erwarten kann, parallel einer geraden Linie, welche durch die 3 Kaymeni-Inseln gezogen werden kann und die ihrerseits wieder kaum 200 abweicht von der Axe der Querreihung Columbo-Santorin-Christiani. Die neue Lava brach (fast genau) parallel den erzeugten Spalten und daher auch pa- rallel der Senkungsaxe nur wenig weiter nach Südosten und, wie wenigstens wahrscheinlich ist, in der Senkungsaxe selbst an zwei Punkten hervor. Dass der Lavaerguss an diesen beiden Punkten (Georg und Aphroössa) gleichzeitig erfolgte, ist zwar nicht streng zu beweisen, aber mindestens sehr wahrscheinlich. Das Material des neuen Ergusses ist an beiden Punkten absolut identisch und da die Erfahrungen im Anfange der Erup- tion von 1866, ebenso wie diejenigen, die aus dem Jahre 1707 vorliegen, erkennen lassen, dass ein derartiger Lavastrom bereits einige Zeit am Boden des Meeres sich fortschieben kann, ohne doch irgend eine supra- marine Eruptionserscheinung zu bedingen: so lässt sich der geringe Zeit- unterschied (15 Tage) in dem Auftauchen beider Eruptionsmassen leicht durch die steilere Böschung des Meeresbodens in der Gegend der Aphro- ëssa erklären. Der nur 80 geneigte Meeresboden bei Georg bewirkte sofort Stauungen, die supramarin wurden, während die Aphroössa auf einer schiefen Fläche von circa 250 Böschung erst den tiefen Meeres- arm zwischen Nea und Palaea beträchtlich aufhöhte, ehe ihre Massen sich über die Seefläche erhoben. Reka ist von Aphroössa nicht zu tren- nen und auch die Maionisi sind, wie schon erwähnt, nur später aufge- tauchte Schollen des nämlichen Lavastroms.. Aus dem unter der Karte angegebenen Profil der Aphroëssa erkennt man. dass die Lava wieder- holt auch ihrerseits wieder Böschungen von 280 Neigung bildete. Das Wachsthum der Aphroössa und des Georg fand in verschiedener Weise Statt. Wenn die nachquillende Lava innerhalb ihrer Erstarrungskruste in die Höhe steigt und diese dabei auch in horizontaler Richtung etwas auseinander treibt, wie das während meiner Anwesenheit an der Aphro- össa-Reka der Fall war, wird man auf einen mittleren normalen Zu- stand mit mässig nachquillender Lava schliessen müssen. Wenn eine horizontale Vergrösserung nur in sehr beschränktem Maasse und nur Phys. Classe. XII. 74 KARL von SEEBACH, dadurch bewirkt wird, dass die aufquellende Masse die erstarrten Blöcke über sich nach dem steileren Rande hinschiebt und über diesen hinab- stürzt, wie ich dies gleichzeitig am Georg beobachtete, kann natürlich nur wenig glühende Masse nachquellen. Durch die eben angedeutete Bewegung in der erstarrten Oberfläche wurden auch die concentrischen Rücken und Furchen gebildet, die oben erwähnt wurden und die auch das Stübel’sche Relief deutlich wiedergiebt. Wenn dagegen die Lava wieder reichlicher zu fliessen beginnt, wird dieselbe den „Schlackensack“ durchbrechen und aus einzelnen Spalten hervordringend neue Lavaaus- läufer bilden. Dergleichen Durchbrüche werden als ‚nicht selten‘ von K. v. Fritsch, W. Reiss und A. Stübel erwähnt. Die südliche Verlängerung des Georg und die Maionisi sind wahrscheinlich solche Ausläufer. Das Profil der Aphroössa und noch besser des Georg zeigen, wie gering die verticale Auftreibung im Verhältnisse zur Dicke und be- sonders den horizontalen Dimensionen des Lavaergusses damals war. Vor- trefflich lassen sie auch die durch die Form des älteren Bodens bedingte, im Gegensatz zu Aphroössa am Georg nur geringe Rückstauung von der Ausbruchstelle aufwärts im Vergleich zu dem abwärts fliessenden Haupt- strom erkennen. Im Laufe der Zeit musste natürlich die Erstarrungs- kruste immer dicker, die Reibung beim Fortschieben immer grösser und daher das Durchbrechen derselbeyg immer schwieriger werden. Das be- dingte eine beträchtlichere vertikale Auftreibung, wie sie von Herrn Fou- que Ende Februar 1867 wirklich festgestellt worden ist. Zu den Ke- geln der Nea und Mikra war ein dritter, ungefähr gleich hoher, ein Ge- org-Kegel hinzugekommen. Die Aphroössa scheint schon damals keinen Lavazufluss mehr gehabt zu haben. Der Lavaerguss erfolgte bis zum 20. Februar ohne heftigere Erup- tionsphänomene und ohne Kounoupidien. Die Pulsationen der beiden Eruptionsmassen sind völlig unabhängig von einander und selbst wäh- rend der grossen Explosionen des Georg im Februar, wie bei den späte- ren Kounoupidien zeigte die Aphroössa absolut keine oder doch nur eine unmerkliche Steigerung ihrer Intensität. Die Ursache der Pulsationen und selbst der grossen Explosionen muss daher in der einzelnen Erup- ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 75 tionsmasse selbst und nicht in ihrer gemeinsamen Quelle liegen. Da man nun aber bei einem Abstande der beiden Ausbruchsöffnungen von nur 6 bis 700 M. ziemlich sicher voraussetzen darf, dass der Lavaerguss erst in geringer Tiefe unter der Oberfläche sich in zwei Arme theilte: so wird die Ursache jener Eruptionsphänomene in noch geringerer Tiefe und am wahrscheinlichsten in dem durch die Hauptspalten zum glühen- den Kern eindringenden Meerwasser gesucht werden müssen. Der Con- fliet zwischen ihnen ist nicht bloss die Ursache der Pulsationen, sondern er erzeugt auch die grossen Explosionen. Die specielle Veranlassung der letzteren ist aber bis jetzt nicht sicher zu ermitteln. Schon die ganz zufällige Bildung neuer tieferer Spalten kann sie erzeugt haben. Aphroössa. die nur geringe Pulsationen, nur wenige und unbedeutende Explosionen hatte, liess auch keine Spalten erkennen und besass be- stimmt keinen Punkt, an welchem die Dämpfe so concentrirt ausbrachen, wie auf dem Georg. Interessant wäre es festzustellen, ob bei den Ver- schiebungen der höchsten Wölbung des. Georg diese Hauptausbruchstelle unbeweglich blieb, oder ob sie stets in der höchsten Wölbung sich be- fand. Schon die Analogie der Nea und Mikra lässt das letztere erwar- ten. Das Nachquillen glühender Lava unter dieser Stelle und das con- tinuirliche Aufsteigen der „im Einzelnen schussartig wirkenden‘ Dämpfe in der Höhe der nämlichen Gegend mögen in gleicher Weise dies Zu-. sammenfallen der höchsten Auftreibung mit der Hauptausbruchstelle be- wirken. Es braucht wohl kaum noch besonders hervorgehoben zu wer- den, dass, da die ausbrechenden und explodirenden Wasserdämpfe erst nach der Theilung der Lavamasse in zwei Arme sich bildeten, diese auch nicht die Lava aus der Tiefe heraus gehoben haben können. Georg und Aphroössa sind das Resultat eines sehr zähflüssigen La- vaergusses. Nur eine Lava, die unmittelbar nach ihrem Ausbruche auch schon eine dicke Erstarrungskruste gebildet hatte, konnte auf einer 80 bis 240 geneigten Fläche Formen und Böschungen annehmen, wie Georg und Aphro@ssa sie zeigen. Der Grund zu diesem raschen Erstarren liegt entweder in der Lava selbst oder in äusseren Ursachen. die erst bei dem Ausbruch auf die Lava einwirkten und eine äusserst jähe Erkaltung K2 76 KARL von SEEBACH, herbeiführten,, das ist also entweder wiederum in einem äusserst lang- samen Ausfliessen derselben oder in dem Meereswasser, welches die Lava anfänglich ausschliesslich umgab. Wenn aber das Meerwasser die schnelle Abkühlung herbeigeführt hätte, so ist nicht abzusehen, warum dann nicht wenigstens der Lavanachschub, welcher den hohen Kegel des Georg bildete, lieber in langen bandförmigen Strömen aus dem schützenden Lavasack hervorbrach. Und wenn dazu an Georg und Aphroössa etwa zufällig keine Gelegenheit war, warum haben auch die ganz gleichartig entstandenen Mikra und Nea keine Lavaströme von der Form der Aet- näischen und Vesuvianischen gegeben? Die von Stübel angegebene radiale Anordnung der Laven auf der Nea würde man, auch wenn sie wirklich so deutlich ausgeprägt wäre, nicht ohne Weiteres auf ebensoviel Lavasiröme, als Rücken vorhanden, deuten dürfen, denn es fehlt die cha- rakteristische Oberflächenbeschaffenheit solcher Ströme. Wenn nur das umgebende Medium an der schnellen Erstarrung schuld war, so müsste doch mindestens der supramarin gebildete Schlackensack von den unter- seeisch erstarrten und als schwimmende Scholle gehobenen Partien sich unterscheiden lassen. Aber das ist nicht der Fall. Das umgebende Wasser ist nicht die Ursache von Lavabildungen wie der Georg, die Aphroössa und die Kaymeni-Inseln. Die schnellere Abkühlung, welche durch das Wasser herbeigeführt werden kann, wird reichlich compensirt durch diejenige, welche die weite Ausdehnung und die geringe Mächtig- keit der supramarinen bandförmigen Lavaströme bewirken muss. Aber auch auf die Art der Eruption, auf ein allzulangsames Aus- fliessen der Lava kann man die mächtige Erstarrungsrinde nicht schie- ben. Der Nachschub war allerdings zeitweise nur ein sehr geringer und auch der Erguss als Ganzes kann nicht verglichen werden mit jenen grossen Eruptionen, die in kürzester Frist die gewaltigsten Lavamassen liefern, wie z. B. mit dem grossen Ausbruch des Vesuv im Jahre 1631, der nach Le Hon in 2 Stunden über 27 Millionen Kubikmeter Lava geliefert haben soll. Aber zu anderen Zeiten, im Anfange der Eruption und im Mai, ist die neue Lava, so weit der unterseeische Erguss zu be- stimmen ist. immer noch eben so schnell ausgeflossen, als wie die klei- ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 77 neren Ströme anderer Vulkane, die auf gleicher Böschung noch in aus- gezeichnet bandartigen Streifen sich fortwälzen. Die Ursache der schnellen Erkaltung liegt daher in der Lara selbst, die in der That ‚at its minimum of fluidity“ hervorbrach, wie dies M. Scrope, wenn auch mit einzelnen Abweichungen im Detail, schon vor langen Jahren ganz richtig für die analogen Bildungen der Auvergne angenommen hatte. Diese Zähflüssigkeit der Lava ist aber entweder in einem geringeren, ihrem Erstarrungspunkte nahe liegenden Wärmegrade begründet, oder in ihrer chemischen Zusammensetzung. Die älteren Kaymeni sind auf ganz die gleiche Weise entstanden. wie Georg und Aphroessa. Das beweist nicht nur ihre ganze äussere Beschaffenheit, sondern es lassen das auch die über ihre Entstehung und besonders über die Bildung der Nea vorliegenden Berichte klar erkennen. Die ile blanche der Eruption von 1707 mit ihren Seethieren, die nach Edw. Forbes (Reports of the Brit. Ass. f. adv. of sc. for 1843), min- destens aus 36 Fathoms Tiefe herrühren, schien ein glänzender Beweis Dr die ältere Erhebungstheorie, aber sie war in Wahrheit nur eine auf der neuen Lava schwimmende Scholle des alten Meeresbodens. Interes- sant ist das Vorhandensein von Kraterbecken auf der Nea und Mikra bei so wenig Auswürflingen. Sie bildeten sich erst gegen das Ende der Eruption durch die andauernde Dampfbildung, wie von der Nea aus- drücklich berichtet wird. Vielleicht, dass Georg jetzt auch einen solchen besitzt und in ähnlicher Weise wie jene mit einem dünnen Aschen- und Lapillenmantel sich umkleidet. Da dieser auf die Böschung des Nea- und Mikrakegels keinen wesentlichen Einfluss haben kann und nur die Rauhigkeiten des Abhangs einebnete, so scheinen die homogenen nur aus Lava gebildeten Kegel als Maximum den gleichen mittleren Nei- gungswinkel haben zu können, der auch das Maximum der Steilheit in den abwechselnd aus Lava und Auswürflingen gebildeten Kegeln aus- macht. Die Eruption von 729 wird merkwürdig durch den von ihr be- richteten grösseren Reichthum an Auswürflingen, die bis nach Klein- asien und selbst bis nach Abydos auf den Wellen des Meeres geschwom- men sein sollen. Danach sollte man auch auf der Nikolaosspitze einen 78 KARL von SEEBACH, Krater erwarten. Die Palaea endlich ist unschätzbar für die Kenntniss der inneren Structur von derlei Lavaergüssen und lehrt, dass schon un- ter einer -wenig mächtigen Hülle halb verglaster Gesteine ausgezeichnet felsitische und zum Theil völlig dichte Massen sich einstellen. Die Caldera von Santorin ist durch Explosion entstanden und durch Denudation nur wenig vergrössert worden. Dass die Calderen, die gro- ssen Kraterthäler !) im Centrum mancher Vulkangerüste mit regel- mässig radial abfallenden Schichten, nicht durch eine domförmige Er- hebung gebildet worden sein können, braucht wohl nicht nochmals be- wiesen zu werden. Selbst ein Wachsthum durch Injection von Lava- gängen (an inward growth) wird man in der fast gänzlich gangfreien Caldera von Santorin nicht annehmen dürfen. Es können daher nur Explosion und Denudation, sowie die durch beide erzeugten Einstürze dieselben gebildet haben und es ist die Aufgabe an jedem einzelnen Vulkan nachzuweisen, in wie weit diese beiden Ursachen thätig gewesen sind und welcher Art jene Denudation war. Dieselben durch eine ge- waltige Versenkung (engulfment, enfoncement) entstehen zu lassen, wie Manche geneigt zu sein scheinen, ist eine Hypothese, die nur Weniges vor der alten Theorie der Erhebungskratere voraus hat: denn, wenn sich auch wohl nicht die Unmöglichkeit derselben nachweisen lässt, so wi- . derstrebt sie den allgemeinen philosophischen Principien der Geologie doch offenbar ebenso sehr als jene. Wenn hier der Ausdruck Explosion ge- braucht wird, so denke ich selbstverständlich auch nicht an eine einzige Katastrophe, sondern an häufig wiederholte, unmittelbar auf einander folgende Explosionen, wie sie H. v. Dechen für die Maare der Eifel 1) Von diesen ächten Calderen müssen nicht nur die sogenannten ‚„intercollinen Thäler‘‘, wie der Curral, und das Thal von S. Vicente und der Serra d’Agoa, wie Hartung betont, als ganz verschiedene Bildungen getrennt werden, sondern auch jene flachen Tuffumwallungen, die an manchen Vulkanen Central-Amerikas vor- kommen und über deren nur durch Erosion bedingte Entstehungart ich eine kurze Mittheilung auf der Naturforscher-Versammlung zu Hannover 1865 machte (S. Amtl. Ber. S. 159), dürfen nicht zu ihnen gerechnet werden. Eine ausführlichere Darstel- lung derselben wird nächstens in meinen Beiträgen zur Geologie von Central-Ame- rika erscheinen. Ee Ei ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 79 (Laacher-See S. 99) und G. Hartung für dieCalderen der Azoren (Har- tung Azoren S. 312) angenommen haben. Der Ausdruck Explosion steht für Dampferuptionen, die kein oder doch nur wenig neues Mate- rial aus dem Inneren der Erde heraufbringen und statt dessen, ihren Schornstein ausbrennend, das fein zerriebene Material der Kraterwände in grossen Aschenregen weithin verbreiten. Welche Grösse schon diese ausschliesslich durch Explosion gebildeten Calderen erreichen können, zeigt nicht nur die von Hartung viel erwähnte Lagoa do fogo, die, im Jahre 1563 ausgeblasen, etwas über LG Seemeile breit und eine Seemeile lang ist, sondern in noch grossartigerer Weise der Coseguina, dessen — leider vorher nicht gemessener — Krater durch die berühmte Erup- tion vom 23. Januar 1835 in 43 Stunden, nach meinen eigenen, mit der Darstellung Sir Edw. Belchers auf der englischen Admiralitätskarte fast genau übereinstimmenden Winkelmessungen, bei nahezu kreisförmiger Ge- stalt 115 Seemeilen Durchmesser hat. Ja die Caldeira das sete Ci- dades, die allerdings vor den Zeiten historischer Aufzeichnungen entstand, aber nach Hartung’s vortrefflicher Beschreibung doch verhältnissmässig neueren Datums ist und nur wenig durch spätere Erosion erweitert ward, erreicht einen Durchmesser von fast 25/, Seemeilen, bei einer ungefäh- ren mittleren Tiefe von 250 Fathoms. Die mittlere Tiefe übersteigt also schon um ein Geringes die mittlere Caldera-Tiefe von Santorin, aber der Durchmesser ist auf Santorin allerdings noch einmal so gross. Den- noch ist auch sie auf die nämliche Weise gebildet worden. Auch wenn man eine Senkung um 200 oder mehr Fathoms annehmen will, so würde man doch die Bildung der Caldera von Santorin nicht der Erosion durch fliessendes Wasser zuschreiben dürfen: denn wenn eine Caldera von einem Krater von nur geringem Durchmesser ausgehend wesentlich durch supramarine Erosion gebildet worden ist, so ist ein Barranco vorhanden, durch welchen die abgespülten und eingestürzten Schuttmassen aus dem Kessel hinausgeführt werden können. Das ist aber auf Santorin nicht der Fall, da die Sohle des grossen Thals zwischen Apanomeria und The- rasia in die Caldera hinein abfällt. Die Erosion durch die Brandung des Meeres ist aber bloss eine nivellirende. Sie unterwäscht die steilen 80 | KARL von SEEBACH, Abhänge und bildet vor ihnen submarine, sanft ansteigende Böschungen, an denen ihre Kraft dann später sich machtlos bricht. Solche wenig steile Abfälle, verbunden mit der durch diese Erosion gleichzeitig be- wirkten Erweiterung der Calderaränder, finden wir in der That in der unterseeischen Umwallung zwischen Thera und Aspronisi und zwischen der letzteren und Therasia. Der auch submarin noch immer steil abfal- lende Innenrand von Thera und Therasia beweist aber, dass hier die ma- rine Erosion die ursprüngliche Gestalt des Kraterthals nur wenig ver- ändert haben kann. Der Grund zu einer so ungleichen Einwirkung. kann in schon ursprünglich vorhandenen Eigenthümlichkeiten des inneren Baues gelegen haben; sie ist aber jedenfalls auch wesentlich begünstigt worden durch die herrschenden Nordsüd-Winde. Eine so gewaltige Ex- plosion, wie die demnach anzunehmende, musste natürlich auch unge- heuere Massen von Asche, Lapillen und Blöcken auswerfen, die noch heute vorhanden sind und als die mächtige weisse Andesittuffdecke alle drei Inseln überziehen. Der Anfang der vulkanischen Thätigkeit von Santorin wird erst nach einem sorgfältigen Studium der bei Acrotiri aufgefundenen Petre- facten sich genauer bestimmen lassen. Der Umstand aber, dass die Caldera und die Kaymeni einen so ganz verschiedenen Bau zeigen, macht es mir persönlich wahrscheinlich. dass die Dauer derselben eine sehr lange ist. Das Material, welches der Vulkan aus der Tiefe heraufbrachte, war zu allen Zeiten chemisch und mineralogisch nur wenig verschieden. Der Vulkan von Santorin baute sich also anfänglich durch Auf- schüttung aus abwechselnden Schichten von vorherrschend ausgewor- fenen Massen und Laven auf und zwar wohl anfänglich, jedenfalls aber theilweise, submarin. Der Vulkan war damals, wie nicht nur die geringe Zahl der in ihm erkennbaren Lavagänge, sondern besonders auch deren nicht allseitige, radiale, sondern nur der Querreihe parallele Vertheilung erkennen lässt, ein gangloser (hier nur gangarmer) Strato-V ulkan. Eine grosse Dampferuption (Explosionen) bliess dann den Kraterschlund ÜBER DEN VULKAN VON SANTORIN UND DIE ERUPTION VON 1866. 81- aus, bedeckte die Abhänge des Vulkans mit einer dicken Schuttdecke und bildete die weite Caldera, die nur nach Südwest durch marine Ero- sion erweitert wurde und unter den Seespiegel versank. Auch das grosse Thal zwischen Apanomeria und Therasia wurde vermuthlich gleich durch diese Eruption gebildet und nur später durch marine Erosion erweitert. Der Vulkan nahm dann seine neubildende Thätigkeit wieder auf und ergoss in grossen Zwischenräumen zähflüssige Lavamassen, die um ihre Ausbruchstelle sich aufstauend zu einer centralen Inselgruppe empor- quollen. Die Dampfentwickelung war bei ihnen nur eine geringe, es bildete sich kein neuer Centralschlund und es gab keine Schichten von Auswürflingen Er ist jetzt ein homogenerCumulo-Vulkan. Heute jet der centrale Dom noch vielgipfelig und lässt noch immer die der Querreihung parallelen Ausbrüche unterscheiden; aber schon hat die neue Eruption das tiefste Thal zwischen ihnen beträchtlich aufgehöht, und wenn er in seiner ganzen Höhe auftauchte über die Seefläche und der langsamen Zerstörung durch die Atmosphärilien preisgegeben wäre, würde er in seinem Bau und seiner Structur ganz übereinstimmen mit dem benachbarten Trachytdom von Methana und schon nach wenigen Jahrtausenden sich nicht mehr unterscheiden lassen von den Kuppen und Domen der sogenannten neu-plutonischen (känozoischen) Periode, weil auch diese nichts sind als durch Erosion umgestaltete, massige La- vaergüsse, Koaua piche und Cumulovulkane. | Phys. Classe. X. Nachtrag. Erst nach Abschluss der vorstehenden Abhandlung sind mir A. Kenn gott: eber die Eruptionsgesteine der Santorin-Inseln, vorläufige Mittheilung (in Verh. der k. k. geol. Reichsanstalt 1867, 8. 278 Bericht vom 30. Sept.) und A. Daufalik: Neuere Mittheilungen über die vulk. Thätigkeit auf Santorin, ebenfalls nur eine vorläufige Anzeige (ebenda S. 319 Bericht vom 5. Nov.) zugekommen. ` Auch das ` neuste Stück der Arbeiten von K. v. Fritsch, W. Reiss und A. Stübel über > Pantorin, Des gt sen Text), ist mir erst während des Druckes des letzten Bo- S Bo weit man aus diesen Publikationen bis jetzt ersehen kann, en durch E Arbeiten der genannten Herren die hier. mitgetheilten Beobach- a tungen z zwar vielfach ergänzt und erweitert, im Allgemeinenen aber bestätigt. Ei | | KARTE ` Lars von 1866 3 E S "bis zum 20 Mai) SCH `; : 5 400 : 1900 moter E EEE E METE : E a. Ca Aeltere Joen ; | Kra Bai En much der Engl. Seckarte DEE Ungeführer Stand der Eruption am #5. Februar 27 Lothungen’Ende März’ nac sar Corvette, Xymphe” - IBE Stand der Eruption am A.April aoo ~ M Lothungewam9 April i | ER En Stand der Erupt. Anf Mai Kr: Fritsch’ Stand d.Erupt. am 30Ma\ nach! Seier 18) Lothungew Ende Mai A. Stübel - D Profil des Georgio S. Profil der Zog, | Araterkeget ` Rohe iroda. | Ta E i y Asp ronis Therasia Sudspit ze meni > a 3 Ankerplatz, Bank Mikra - Kavmeni Georsöspitze N e nF i E S S S I RE ae gesehen mn Af sed ZI AA 5 x Taf, H A Gut d Lan a e IEN EE A SCHILD SCHEN CHR LS BE ACH Ea 08 SÉ ee EE, OLGA SE Ce ée E een t Hia gr TER e Sg E A et ECJA Fat H. Nea Kaymeni ; Kegel der Nea haymeni Georgspitze Aphroessa und vor ihr) die sosenannte Reka Ener S- Ee x 7 Li e 4 N ; à Cph LOCLI TE E AS Ep A VIOO von u SHELL ERDE: A of Ei BR HÄLT OH PABA Ai EP Zë eg G CLCh e Ae E i Ca A bk Se rl "HEFT ch DEEDESTLILDE A: DIA HE 72 u Si e e A EI Sea ee ZEIL ehe Cid e ` date KL OTA G ABHANDLUNGEN DER MATHEMATISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. DREIZEHNTER BAND. Mathem. Classe. XIII. : S A Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt bei gegebener Begrenzung. Eine Abhandlung von Bernhard Riemann. Bearbeitet von K. Hattendorft. Den Gegenstand dieser Abhandlung bildet die Aufgabe, von allen Flächen, die sich durch eine im Raume gegebene Begrenzung legen las- sen, diejenige vom kleinsten Inhalt ausfindig zu machen. Diese Aufgabe ist nicht neu. Sie hat seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts die Auf- merksamkeit der Mathematiker auf sich gezogen. Der erste, der sich mit ihr beschäftigt hat, ist Lagrange. In der Abhandlung, welche die Grundlage der heutigen Variationsrechnung bildet (Miscellanea Tauri- nensia T. II. 1761), leitet er die Differentialgleichung der Minimalfläche ab, nemlich Ek gg kk tg E Dabei sind rechtwinklige Coordinaten vorausgesetzt und 3 wird als Function der unabhängigen Variabeln x und y angesehen. p und o sind die ersten, r, $s, £ die zweiten partiellen Derivirten von z, nach æ und y genommen. Die Integration der partiellen Differentialgleichung ist Lagrange nicht gelungen. Er beschränkt sich auf die Bemerkung, dass die Gleichung erfüllt werde, wenn p = q = 0, folglich auch r = s =— t = Q ist, d. h. wenn die Fläche eine Ebene ist. Nach Lagrange hat Meusnier die Aufgabe behandelt in dem Mémoire sur la courbure des surfaces, welches 1776 in der Pariser Akademie verlesen und 1785 publieirt worden ist. (Mémoires présentés par divers savans. T. 10.). A2 4 BERNHARD RIEMANN, Meusnier hat zuerst bemerkt, dass die Differentialgleichung dieselbe ist wie für eine Fläche, die in jedem Punkte gleiche und entgegengesetzt gerichtete Hauptradien der Krümmung hat. Er gelangt zu einer parti- culären Lösung, der Gleichung der Schraubenfläche, indem er die par- tielle Differentialgleichung in die beiden einfacheren zerlegt g?r — pqs + pt = 0, rn, Eine andere particuläre Lösung erhält er durch Aufsuchung der Rotationsfläche vom kleinsten Inhalt. Er findet, dass diese Fläche durch Rotation einer Kettenlinie um eine auf ihrer convexen Seite gelegene ho- rizontale Axe entsteht. Die erste vollständige Integration der partiellen Differentialgleichung verdanken wir Monge. Gegen seine Lösung der Aufgabe (Mémoires de l'Académie. 1784, p. 144) lässt sich aber einwenden, dass unter dem Integralzeichen Functionen von mehreren Variabeln vorkommen, die der Bedingung der Integrabilität nicht Genüge leisten. Daher versuchte Legendre (Mémoires de lAcademie 1787. p. 309) auf einem andern Wege, die allgemeine Lösung zu ermitteln. Er gibt sie in den drei Gleichungen x = Ap" — 3AaB + BBP — 3BbW, y = — Zoch + (2a— 1) AB — B5b W + (2b — 1) Bw, z = — At 4 2Aaë — b 4 BE — 2B -p F. ` Darin ist Y—a?—1i=4A, V—-b?—I—B gesetzt. ®$ ist eine willkürliche Function von o. %# eine willkürliche Function von b. Um die Gleichung der Fläche zu erlangen, hätte man a und b aus den drei Gleichungen zu eliminiren. Als Specialfälle werden die beiden schon von Meusnier gefundenen Flächen behandelt. Bei der Untersuchung der charakteristischen Linien fand Monge, dass jeder solchen Linie nicht zwei, sondern drei Gleichungen angehören, dass also die charakteristischen Linien sich auf Punkte reduciren (Appli- cations de l'analyse à la géométrie. Paris 1807. p. 187). Zu zwei an- dern wichtigen Eigenschaften der Fläche gelangte Dupin (Developpe- ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 5. ments de géométrie. Paris 1813. p. 187), dass nemlich die indicatorischen Linien gleichseitige Hyperbeln sind, und dass die asymptotischen Li- nien rechte Winkel mit einander bilden, die von den Krümmunsgslinien halbirt werden. Diese allgemeinen Eigenschaften aller Minimalflächen ergeben sich ‚aus der partiellen Differentialgleichung. Um sie zu erkennen, bedarf es nicht der schon von Legendre und Monge gegebenen allgemeinen Lösung. Auch war die Form dieser Lösung für die Anwendung wehig günstig. Daher verzichtete man darauf, aus ihr die Eigenschaften der Fläche abzuleiten oder durch Specialisirung der willkürlichen Functionen zu besondern Flächen überzugehen. Gleichwohl erschien es wünschenswerth, ausser den beiden von Meusnier gegebenen Beispielen andere Flächen aufzusuchen, die der partiellen Differentialgleichung Genüge leisten. Und es musste dann von Interesse sein, den Zusammenhang der einzelnen Flächen mit der all- gemeinen Lösung der partiellen Differentialgleichung klar zu legen. Beide Aufgaben stellt sich Scherk in der 1831 von der Jablonowski- schen Gesellschaft gekrönten Preisschrift. Er gibt die Differentialglei- chung des Minimum für rechtwinklige und für Polar-Coordinaten und sucht particuläre Lösungen auf dem von Meusnier eingeschlagenen Wege, nemlich durch Zerlegung in zwei einfachere Differentialgleichun- gen. Dann wird die Form der willkürlichen Functionen bestimmt, durch welche die allgemeine Lösung in die gewonnenen particulären Lösungen übergeht. | Derselbe Grundgedanke von der Zerlegung in mehrere Differential- gleichungen findet sich in einer Arbeit von Catalan aus dem Jahre 1853 (Journal de l’Ecole polyt. Cah. 37 p.130). Zunächst wird in man- nichfaltigerer Weise als beiScherk durch verschiedene Wahl der unab-- hängigen Variabeln die partielle Differentialgleichung transformirt. Für jede der entstehenden einzelnen Formen ermittelt Catalan partieuläre Lösungen, indem er die gesuchte Function als Summe von zwei Fun- ctionen voraussetzt, von denen die eine nur die eine, die andre nur die 6 BERNHARD RIEMANN, andre unabhängige Variable enthält. Endlich werden die Krümmungs- linien untersucht. Schon in zwei früheren Aufsätzen hat Catalan die Aufgabe der Minimalfläche behandelt (Journal de l'Ecole polyt. 1843. Cah. 29. p. 121. — Liouville, Journal T. 7. 1842). Aber er beschränkt sich darin auf den Nachweis, dass die Schraubenfläche (Thelicoide gauche à plan di- recteur) die einzige Regelfläche sei, die der Minimalbedingung Genüge leistet. | Auch Michael Roberts (Liouville, Journal T. 11) geht bei der Aufsuchung einzelner Minimalflächen nur darauf aus ‚ die willkürlichen Functionen so zu bestimmen, dass die Fläche durch ein Gerade erzeugt wird, die bei ihrer Bewegung einer gegebenen Ebene parallel bleibt, oder dass sie durch Rotation einer Curve entsteht. Dabei ergeben sich natürlich die beiden Beispiele von Meusnier. Auf alle bisher genannten Untersuchungen passt mehr oder weni- ger, was Catalan von seiner Arbeit aus dem Jahre 1858 sagt. Die Minimaleigenschaft der Fläche kömmt entweder gar nicht oder nur in zweiter Linie in Betracht. Auf der fertigen Fläche wird ein geschlos- sener Contour gezeichnet. Dieser umschliesst dann auf der Fläche einen kleineren Inhalt als auf irgend einer andern durch ihn gelegten Fläche. Wie die Minimalfläche gestaltet sei für einen von vorn herein gegebenen räumlichen Contour, davon ist gar nicht die Rede. Und doch wird diese Frage bereits von Gergonne (Annales de Mathématiques T. 7. 1816—17) besonders betont. Die von ihm ge- stellten Aufgaben beziehen sich zum Theil auf eine krummlinige, zum Theil auf eine geradlinige gegebene Begrenzung. Aber von allen diesen Aufgaben ist nur die einfachste, die auf die Schraubenfläche führt, von Tedenat gelöst worden (L. c. p. 148. 283). Erst im Jahre 1843 hat Björling die eigentliche Frage ins Auge gefasst (Grunert, Archiv Bd. 4. p. 290). Er findet, dass die in der allgemeinen Lösung der partiellen Differentialgleichung auftreten- den willkürlichen Functionen sich bestimmen lassen, wenn als Begren- zung eine geschlossene räumliche Curve gegeben ist und in jedem Punkte ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 7 der Begrenzung die Richtung der Normalen als bekannt vorausgesetzt wird. : Zu demselben Resultate gelangt Ossian Bonnet in seinem grossen Mémoire sur ľemploi d'un nouveau systeme de variables dans l'étude des propriétés des surfaces courbes (Liouville, Journal. Série 2. T. 5. 1860 ‘p. 153. Vgl. Comptes rendus 1853. T. 37. p. 531. — 1855. T. 40 p. 1107. — 1856. T. 42. p. 532). Durch eine geschickte Wahl der un- abhängigen Variabeln stelit er die partielle Differentialgleichung sowie ihre allgemeine Lösung in sehr einfacher Form her. Nachdem einige Specialfälle kurz erwähnt sind, werden die Krümmungslinien, die asym- ptotischen Linien, die Linien des stärksten Abfalls, die geodätischen Li- nien untersucht. Dann concentrirt sich die Aufmerksamkeit auf die Frage nach der Minimalfläche, welche gewissen geometrischen Bedingun- gen Genüge leistet. Als solche Bedingungen treten auf, dass die Fläche durch Rotation oder durch schraubenförmige Bewegung einer Curve ent- stehen solle, dass sie eine windschiefe Fläche sei, dass ihre Krüm- mungslinien ebene Curven seien, und endlich dass die Fläche durch gege- bene Linien gehe. Diese letzte Aufgabe bezeichnet Ossian Bonnet als besonders schwierig. Er behandelt sie nur für einige specielle Fälle, von denen hier nur zwei in Betracht kommen, nemlich die Aufgabe Björlings und die Frage nach der Minimalfläche, die durch zwei sich kreuzende gerade Linien geht. | Diese letzte Frage ist auf einem andern Wege noch von Serret untersucht worden (Comptes rendus 1855. T. 40. p- 1078). Serret schafft aus Legendre’s Lösung dasImaginäre heraus und führt die ge- gebenen Grenzbedingungen ein. Die beiden willkürlichen Functionen der allgemeinen Lösung werden dadurch auf eine willkürliche perio- dische Function redueirt. Darin spricht sich eine scheinbare Unbestimmt- heit des Resultates aus, die schon von T&d&nat bemerkt ist und Ger: gonne zu Bedenken Anlass gegeben hat. Jene willkürliche Function lässt sich aber leicht dahin interpretiren, dass die durch die beiden ge- raden Linien gelegte Fläche, die der partiellen Differentialgleichung Ge- nüge leistet, ausserdem noch an Nebenbedingungen geknüpft sein kann. 8 BERNHARD RIEMANN, Bemerkenswerth ist die Schlussäusserung von Serret, wonach er die willkürliche Function so bestimmen will, dass die Fläche ausser den beiden gegebenen noch andere Begrenzungslinien habe. Diese Andeu- tung ist von ihm nicht weiter ausgeführt, ja es ist nicht einmal die Frage nach der Minimalfläche erledigt, die durch die beiden Geraden geht und keinen weiteren Bedingungen unterworfen ist. Das sind im Wesentlichen die Resultate, zu denen man bis sth gelangt ist. Die Frage nach der Minimalfläche, deren gegebene Begren- zung aus geraden Linien besteht, ist danach kaum für den einfachsten Fall erschöpfend beantwortet. Die Untersuchung dieser Frage in ihrer völligen Allgemeinheit ist der Hauptgegenstand der vorliegenden Abhand- lung. Ausserdem wird dann noch die Minimalfläche ermittelt, für welche zwei beliebige Kreise in parallelen Ebenen als Begrenzung gegeben sind. Die Minimalflächen, deren Begrenzung aus getrennten Curven bestehen soll, sind bisher noch gar nicht untersucht. Die Resultate von Björ- ling und Bonnet beziehen sich auf eine einzige geschlossene Grenz- curve, in welcher überall die Richtung der Normalen gegeben ist. Björ- ling bemerkt ausdrücklich, dass er die Frage ganz unbeantwortet las- sen müsse, wenn die Begrenzung aus getrennten Curven bestehe. Die in Anwendung gebrachte Methode beruht auf der allgemeinen Theorie der Functionen von complexen Variabeln. Dass hier das eigent- liche Gebiet für die Behandlung der Aufgabe sei, kann man auch in den bisherigen Arbeiten deutlich erkennen. Schon Legendre’s all- gemeine Lösung der partiellen Differentialgleichung enthält die willkür- lichen Variabeln mit der imaginären Einheit als Factor behaftet. Frei- lich waren damals die complexen Grössen noch nicht eingebürgert, und man erblickte daher in ihrem Auftreten nur eine Schwierigkeit mehr, die der Anwendbarkeit jener allgemeinen Lösung sich entgegenstellte. Und dennoch, wie sehr man sich auch bemühen mochte, das Imaginäre fern zu halten, es tritt immer aufs neue wieder hervor. B Jörlings Ver- fahren beruht in seinem ersten Schritte darauf, dass zwei conjugirte come plexe Grössen als Variable eingeführt werden. ` Die Form endlich, in welche Bonnet die partielle Differentialgleichung bringt, wie seine Lö- ÜBER D FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 9 sung drücken nichts anderes aus, als dass die gesuchte reelle Grösse (die eine der rechtwinkligen Coordinaten) eine Function von complexen Va- riabeln sei. Und dennoch sucht Bonnet, wie vor ihm Serret, sein Hauptverdienst darin, dieLösung von allem Imaginären befreit zu haben. Da ist es erklärlich, dass er stehen bleibt, wo die eigentliche Aufgabe anfängt, nemlich die Untersuchung der Grenz- und Unstetigkeitsverhält- nisse. Diese Untersuchung gehört ihrem Wesen nach in die von Rie- mann geschaffene Theorie der Functionen von complexen Variabeln. Es ist dem Verfasser nicht vergönnt gewesen, seine Arbeit noch selbst zu redigiren. Ich habe es als ein schönes Zeichen seines Ver- trauens zu verehren, dass er die Ausarbeitung mir übertragen hat. Aber ich bin mir auch der Schwierigkeiten einer solchen Aufgabe wohl be- wusst. Und wenn auch ein grosser Theil der Arbeit noch vor Rie- manns Tode beendigt worden ist und seine Zustimmung erlangt hat, so kann ich doch nicht erwarten, die Vollendung der Darstellung erreicht zu haben, die Riemann selbst seiner Arbeit gegeben haben würde. Ich betrachte meine Mitwirkung nur als ein Zeichen des Dan- kes und der Verehrung für meinen leider so früh dahingeschiedenen Lehrer. o Göttingen, den 6. Januar 1867. | K. Hattendorff. Mathem. Classe. XII. 3 B 1. Eine Fläche lässt sich im Sinne der analytischen Geometrie dar- stellen, indem man die rechtwinkligen Coordinaten æ, y, Z, eines in ihr beweglichen Punktes als eindeutige Functionen von zwei unabhängigen veränderlichen Grössen p und g angibt. Nehmen dann p und g be- stimmte constante Werthe an, so entspricht dieser einen Combination im- mer nur ein einziger Punkt der Fläche. Die unabhängigen Variabeln p und g können in sehr mannichfacher Weise gewählt werden. Für eine einfach zusammenhangende Fläche geschieht dies zweckmässig wie folgt. Man lässt die Fläche längs der ganzen Begrenzung abnehmen um einen Flächenstreifen, dessen Breite überall unendlich klein in derselben Ord- nung ist. Durch Wiederholung dieses Verfahrens wird die Fläche fort- während verkleinert, bis sie in einen Punkt übergeht. Die hierbei der Reihe nach auftretenden Begrenzungscurven sind in sich zurücklau- fende, von einander getrennte Linien. Man kann sie dadurch unter- scheiden, dass man in jeder von ihnen der Grösse p einen besondern constanten Werth beilegt, der um ein Unendlichkleines zu- oder ab- nimmt, je nachdem man zu der benachbarten umschliessenden oder um- schlossenen Curve übergeht. Die Function p hat dann einen constanten Maximalwerth in der Begrenzung der Fläche und einen Minimalwerth in dem einen Punkte im Innern, in welchen die allmählich abnehmende Fläche zuletzt zusammenschrumpft. Den Uebergang von einer Begren- zung der abnehmenden Fläche zur nächsten kann man dadurch herge- ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEIGEGEBENER BEGRENZUNG. 11 stellt denken, dass man jeden Punkt der Curve (p) in einen bestimmten un- endlich nahen Punkt der Curve (p + dp) übergehen lässt. Die Wege der einzelnen Punkte bilden dann ein zweites System von Curven, die von dem Punkte des Minimalwerthes von psstrahlenförmig nach der Begren- zung der Fläche verlaufen. In jeder dieser Curven legt man g einen besondern constanten Werth bei, der in einer beliebig gewählten An- fangscurve am kleinsten ist und von da beim Uebergange von einer Curve des zweiten Systems zur andern stetig wächst, wenn man zum Zweck dieses Ueberganges irgend eine Curve (p) in bestimmter Richtung durch- läuft. Beim Uebergange von der letzten Curve (q) zur Anfangscurve än- dert sich q sprungweise um eine endliche Constante. Um eine mehrfach zusammenhangende Fläche ebenso zu behandeln, kann man sie zuvor durch Querschnitte in eine einfach zusammenhan- gende zerlegen. Irgend ein Punkt der Fläche lässt sich hiernach als Durchschnitt einer bestimmten Curve des Systems (p) mit einer bestimmten Curve des Systems (q) auffassen. Die in dem Punkte (p, q) errichtete Normale ver- läuft von der Fläche aus in zwei entgegengesetzten Richtungen, der po- sitiven und der negativen. Zu ihrer Unterscheidung ‚hat man über die gegenseitige Lage der wachsenden positiven Normale, der wachsenden p und der wachsenden g eine Bestimmung zu treffen. Ist nichts anderes festgesetzt, so möge, von der positiven z Axe aus gesehen, die positive y Axe auf dem kürzesten Wege in die positive z Axe übergeführt wer- den durch eine Drehung von rechts nach links. Und die Richtung der wachsenden positiven Normale liege zu den Richtungen der wachsenden p und der wachsenden q, wie die positive x Axe zur positiven y Axe und zur positiven z Axe. Die Seite der Fläche, auf welcher die positive Normale liegt, soll die positive Seite der Fläche genannt werden. 2. Ueber das Gebiet der Fläche sei ein Integral zu erstrecken, dessen Ele- ment gleich ist dem Flächenelement dp do multiplicirt in eine Functio- naldeterminante, also B2 12 BERNHARD RIEMANN, SG a ar“ p do do dp wofür zur Abkürzung geschrieben werden soll UI di dg). Denkt man sich f und g als unabhängige Variable eingeführt, so geht das Integral über in // df dg, und es lässt sich die Integration nach f oder nach g ausführen. Die wirkliche Einsetzung von f und g als unabhängigen Variabeln verursacht aber Schwierigkeiten oder wenig- stens weitläufige Unterscheidungen, wenn dieselbe Werthencombination von f und g in mehreren Punkten der Fläche oder in einer Linie vor- handen ist. Sie ist ganz unmöglich, wenn f und g complex sind. Es ist daher zweckmässig, zur Ausführung der Integration nach f oder g das Verfahren von Jacobi (Crelles Journal Bd. 27 p. 208) anzu- wenden, bei welchem p und o als unabhängige Variable beibehalten wer- den. Um in Beziehung auf f zu integriren, hat man die Functionalde- terminante in die Form zu bringen ua 09 5 ‚und erhält zunächst Se d ar a -dq = 0, weil die Integration durch eine in sich zurücklaufende Linie erstreckt wird. Dagegen ist d F U ET dp in der Richtung der wachsenden p zu nehmen, d. h. von dem Minimal- punkte im Innern durch eine Curve (g) bis zur Begrenzung. Man er- dg hält Wes d zwar den Werth, den GE Ausdruck in der Begrenzung annimmt, daan det untern Grenze des er Oist. Folglich wird Ed ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 13 [Jet do) = JEE und das einfache Integral rechts ist in der Richtung der wachsenden q durch die Begrenzung erstreckt. Andererseits hat man nach der einge- führten Bezeichnung (dfdg) = — (dg df), und daher JT df dg) = — Sf (dg df) = — Sg df, wobei das einfache Integral rechts ebenfalls in der Richtung der wach- senden q durch die Begrenzung der Fläche zu nehmen ist. 3. Die Fläche, deren Punkte durch die Curvensysteme (p), (q) festge- legt sind, soll in der folgenden Weise auf einer Kugel vom Radius 1 ab- gebildet werden. Im Punkte (p,q) der Fläche, dessen rechtwinklige Coor- dinaten z, y, z sind, ziehe man die positive Normale und lege zu ihr eine Parallele durch den Mittelpunkt der Kugel. Der Endpunkt? dieser Parallelen auf der Kugeloberfläche ist die Abbildung des Punktes (x, y, 2). Durchläuft der Punkt (x,y,z) auf der stetig gekrümmten Fläche eine zu- sammenhangende Linie, so wird auch die Abbildung derselben auf der Kugel eine zusammenhangende Linie sein. Auf dieselbe Weise erhält man als Abbildung eines Flächenstücks ein Flächenstück, als Abbildung der ganzen Fläche eine Fläche, welche die Kugel oder einen Se der- selben einfach oder mehrfach bedeckt. Der Punkt auf der Kugel, welcher die Richtung der positiven z Axe angibt, werde zum Pol gewählt und der Anfangsmeridian durch den Punkt gelegt, welcher der positiven y Axe entspricht. Die Abbildung des Punk- tes (z, y, 2) wird dann auf der Kugel festgelegt durch ihre Polardistanz r und den Winkel e. welchen ihr Meridian mit dem Anfangsmeridian ein- schliesst. Für das Vorzeichen von ø gilt die Bestimmung, dass der der m e positiven z Axe entsprechende Punkt die Coordinaten r — = ‚9—=+ S haben soll. 14 BERNHARD RIEMANN, 4. Hiernach erhält man als Differential-Gleichung der Fläche (1) cosr dr + sinr cosydy + sinr sing dz — 0. Sind y und z die unabhängigen Variabeln, so ergeben sich für r und e die Gleichungen kaa Ei a EE Hoa G GT = sinr coso = Ay = NE) ; ` dz sinr sing = e dan? din? ; FV i+ +) in welchen gleichzeitig entweder die oberen oder die unteren Vorzeichen gelten. Ein Parallelogramm auf der positiven Seite der Fläche, begrenzt von den Curven (p) und (p + dp), (4) und (g + dq), projieirt sich auf der yz Ebene in einem Flächenelemente, dessen Inhalt gleich dem ab- soluten Werthe von (dy dz) ist. Das Vorzeichen dieser Functionaldeter- minante ist verschieden, je nachdem die im Punkte (p, g) errichtete po- sitive Normale mit der positiven x Axe einen spitzen oder stumpfen Win- kel einschliesst. In dem ersten Falle liegen nemlich die Projectionen von dp und dg in der yz Ebene ebenso zu einander wie die positive y Axe zur positiven z Axe, im zweiten Falle umgekehrt. Daher ist die Functionaldeterminante im ersten Falle positiv, im zweiten negativ. Und der Ausdruck 1 cos r (dy dz) ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 15 ist immer positiv. Ergibt den Inhalt des unendlich kleinen Parallelo- gramms auf der Fläche. Um also den Inhalt der F läche selbst zu er- halten, hat man das oe Ss = I cos r (dy ds) über die ganze Fläche zu erstrecken. Soll dieser Inhalt ein Minimum sein, so ist die erste Variation des Doppelintegrals — 0 zu setzen. Man erhält dr dx dr Ze dy y Sa de ü Va O" und es gilt das obere oder das untere Zeichen vor der,Wurzel, je nach- dem (dy dz) positiv oder negativ ist. Die linke Seite lässt sich schreiben Ur (— sinr oos e. òx). (dy dz) +2 (— sinr sin o . dx) . (dy dz) — Die, Aaen cos gei. (dy dz) — His, $ ~ (— sinr sin el. (dy dz). Die beiden ersten Integrale reduciren sich auf einfache Integrale, die in der Richtung der wachsenden g durch die Begrenzung der Fläche zu neh- men sind, nemlich SIde.(— sinr cosg ds + sinr sin p dy). Der Werth ist — 0, da in der Begrenzung ðr — 0 ist. Die Bedingung des Minimum lautet also en d (siar sin g) T ffe (È + T) 4 d) = 0. Sie wird erfüllt, wenn (2) — sinr sing dy + sinr coso ds — dr ein vollständiges Differential ist. -. I ca | BERNHARD RIEMANN, 5. Die Coordinatenr und 9 auf der Kugel lassen sich ersetzen durch gi r ; | eine complexe Grösse y — tg Ca E deren geometrische Bedeutung leicht zu erkennen ist. Legt man nemlich an die Kugel im Pol eine Tangentialebene, deren positive Seite von der Kugel abgekehrt ist, und zieht vom Gegenpol eine Gerade durch den Punkt (r,g), so trifft diese die Tangentialebene in einem Punkte, der die complexe Grösse 27 reprä- sentirt. Dem Pol entspricht n — 0, dem Gegenpol 7 = ©. Für die Punkte, welche die Richtungen der positiven y und z Axe angeben, ist 1 = + 1 und;resp. =+ CG Führt man noch die complexen Grössen a = tg = ER ai s—y-+ Si d = y — zi ein, so gehen die Gleichungen (1) und (2) über in folgende: (1%) A—m) de -+ n ds + n d = 0, (2%) Dei di — n ds + nd = 0. Diese lassen sich durch Addition und Subtraction verbinden. Dabei werde ge + i= 2 X, 2 — yi = 2 X' gesetzt, so dass umgekehrt z — X + X ist. Das Problem findet dann seinen analytischen Ausdruck in den beiden Gleichungen | Ä (3) de — ndX + 4X = 0, © d + dX— VAR — 0. Betrachtet man X und X als unabhängige Variable und stellt die Bedingungen dafür auf, dass ds und ds’ vollständige Differentiale sind, so findet sich Eë E e A d. h. es isty nur von X, 4 nur von X’ abhängig, und deshalb umgekehrt X eine Function nur von n, X eine Function nur von ý. ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 17 Hiernach ist die Aufgabe darauf zurückgeführt, ņ als Function der complexen Variabeln X oder umgekehrt X als Function der complexen Variabeln 7 so zu bestimmen, dass zugleich den Grenzbedingungen Ge- nüge geleistet werde. Kennt man y als Function von X, so ergibt sich daraus d. indem man in dem Ausdrucke von n jede complexe: Zahl in die conjugirte verwandelt. Alsdann hat man nur noch die Gleichun- gen (3) und (4) zu integriren, um die Ausdrücke für e und € zu erlan- gen. Aus diesen erhält man endlich durch Elimination von x eine Glei- chung zwischen x, y, z, die Gleichung der Minimalfläche. 6. Sind die Gleichungen (3) und (4) integrirt, so lässt sich auch der Inhalt der Minimalfläche selbst leicht angeben, nemlich S= Mar O = I wa Die Functionaldeterminante (dy dz) formt sich in > Weise um x dy ds na dz 5 == 2 we de) Gë i > 15 dz ds 3 (mn SE e EE Danach erhält man nis D a En SEO E = ds = fie SS Ehi oo = (en di) a au dz dz E + 24 Dag . Mathem. Classe. XI. C 18 BERNHARD RIEMANN, Zur weiteren Umformung dieses Ausdruckes kann many aus Y und Y, z aus Z und Z ebenso zusammensetzen wie x aus X und, so dass die Gleichungen gelten dr ME Selen di, dy | dy ra HATE 3 Sa KS d , Y f 2 du, F n dz dz = | — Tse TI di. z=/[ fi du, Z J a n x = X — X., ri = A e a y Eee Y _ ` wi yë = y SE Y., s 24 2, = E Alsdann erhält man schliesslich (5) S=—i/f[dXdX) + (d4YdY) + (azaz) = 2 H ider dch + (dy dy) + (dz dai), i. Die Minimalfläche und ihre Abbildungen auf der Kugel wie in den Ebenen, deren Punkte resp. die complexen Grössen n, X, Y, Z repräsen- tiren, sind einander in den kleinsten Theilen ähnlich. Man erkennt dies sofort, wenn man das Quadrat des Linearelementes in diesen Flächen ausdrückt. Dasselbe ist auf der Kugel sin r? dlogn dlog w, in der Ebene der 7 dn di in der Ebene der X er | Ba in der Ebene der Y Se dn dn, in der Ebene der Z 2- dn dy, ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 19 in der Minimalfläche selbst de? + dy? + dei = (dX dE + (dY + dE ee = 2 (dXdX + dYdY' + dZ dZ’ dr Sc dy d dz teten Es ist nemlich nach den Gleichungen (3) und (4), wenn man darin n und vg als unabhängige Variable ansieht: dr m € S de Ze ‚us ds’ E 19 T dé du T dé und deshalb ar Zar 1 92 =0. 5 | dX? +- dY? 4 dZ2 = Das Verhältnis von irgend zwei der obigen quadrirten Linearelemente ist unabhängig von dy und d, d. h. von der Richtung des Elementes, und darin beruht die in den kleinsten Theilen ähnliche Abbildung. Da die Linearvergrösserung bei der Abbildung in irgend einem Punkte nach allen Richtungen dieselbe ist, so erhält man die Flächenvergrösserung gleich dem Quadrat der Linearvergrösserung. Das Quadrat des Linear- elementes in der Minimalfläche ist aber gleich der doppelten Summe der Quadrate der entsprechenden Linearelemente in den Ebenen der X, der Y und der Z. Daher ist auch das Flächenelement in der Minimal- fläche gleich der doppelten Summe der entsprechenden Flächenelemente in jenen Ebenen. Dasselbe gilt von der ganzen Fläche und ihren Ab- bildungen in den Ebenen der DA 8. Eine wichtige Folgerung lässt sich noch aus dem Satze von der Aehnlichkeit in den kleinsten Theilen ziehen, wenn man eine neue com- C2 l 20 BERNHARD RIEMANN, plexe Variable 7, dadurch einführt, dass man auf der Kugel den Pol in einen beliebigen Punkt Ip = ei verlegt und den Anfangsmeridian beliebig wählt. Hat dann om für das neue Coordinatensystem dieselbe Bedeu- tung wien für das alte, so kann man jetzt ein unendlich kleines Dreieck auf der Kugel sowohl in der Ebene der y als in der der ņı abbilden. Die beiden Bilder sind dann auch Abbildungen von einander und in den kleinsten "Thelen ähnlich. Für den Fall der direeten Aehnlichkeit ergibt sich ohne Weiteres, dass 3 unabhängig ist von der Richtung der Verschiebung von ņ, d. h. dass g eine Function der complexen Varia- beln ņ ist. Den Fall der inversen (symmetrischen) Aehnlichkeit kann man auf den vorigen zurückführen, indem man statt 7, die conjugirte complexe Grösse nimmt. Um nun mn als Function von n auszudrücken, hat man zu beachten, dass ņı = 0 ist in dem einen Punkte der Kugel, für welchen n = e, und yı = OO in dem diametral gegenüberliegenden, ` s Danach ergibt sich m = e rer — z Bestimmung der Constanten e dient die Bemerkung, dass, wenn n, = Ê Punkte, d.h. fürn = — Zur 1 5 ist fürn —= 0, darausm = — g gefunden wird fürņ = OC. Es ist also f = — ce und — S = = d. h. 8 = — Z Hieraus ergibt sich | & cc —= 1 und daher e = Aa für ein reelles d Die Grössen æ und kön- nen beliebige Werthe erhalten: œ hängt von der Lage des neuen Pols, d von der Lage des neuen Anfangsmeridians ab. Diesem neuen Coordi- ` natensystem auf der Kugel entsprechen die Richtungen der Axen eines neuen rechtwinkligen Systems. Es mögen in dem neuen System z1, sı, $1 dasselbe bezeichnen wie z, s, s in dem alten. Dann erlangt man die Transformationsformeln (1 + ee) mn — = (1 — g) r + œs + as‘, (1 + ee) > — 20er + s— es, i S (1 + e)sı.e = > ua a ei ÜBER D FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG 21 Diese Formeln und der Ausdruck für n vereinfachen sich für 0 — m. Man erhält e 8 N: Fun en’ | 16) (i E au) a = A ad) 2 + ert e, 1 + ææ’) s = ar s 4 oe, (1 + ææ’) si = 2er + ds — eg 9. Für die meisten Anwendungen, die von der Transformation der Coordinaten gemacht werden sollen, genügt es, den letzten specielleren Fall zu nehmen. Für diesen erhält man dnı ae d nı de dn? de od dr: dlog mt n (dlog wf. ar eg = (dlog n) rg Hiernach empfiehlt es sich, eine neue complexe Grösse # einzuführen, welche durch die Gleichung definirt wird (T) er BE und die von der Lage des Coordinatensystems (=, y, z) unabhängig ist. Gelingt es dann, # als Function von n zu bestimmen, so erhält man '8) zr = — SGE dogn + Sn) dlogn x ist der Abstand des zu n gehörigen Punktes der Minimalfläche von einer Ebene, die durch den Anfangspunkt der Coordinaten rechtwinklig zur Richtung n = 0 gelegt ist. Man erhält den Abstand desselben -d "dlog n log n 22 BERNHARD RIEMANN, Punktes der Minimalfläche von einer durch den Anfangspunkt der Co- ordinaten gelegten Ebene, die rar auf der Richtung 7 = steht, indem man in (8) ——-- mi n setzt. Speciell also für « = 1 es. und ee =, D a la) (n —„)dlogn + Sn) di — 7) ogri. 2 (10) fe) (n+ lien — Su) (+i) dogr. 10. Die Grösse u ist als Function von n zu bestimmen, d. h. als ein- werthige Function des Ortes in derjenigen Fläche, welche, über die n Ebene ausgebreitet, die Minimalfläche in den kleinsten Thelen ähnlich abbildet. Daher kommt es vor allen Dingen auf die Unstetigkeiten und Verzweigungen in dieser Abbildung an. Bei der Untersuchung derselben hat man Punkte im Innern der Fläche von Begrenzungspunkten zu un- terscheiden. Handelt es sich um einen Punkt im Innern der Minimalfläche, so legt man in ihn den Anfangspunkt des Coordinatensystems (x, y, z), die Axe der positiven x in die positive Normale, folglich die yz Ebene tan- gential. Dann fehlen in der Entwicklung von æ das freie Glied und die iny undz multiplicirten Glieder. Durch geeignet gewählte Richtung dery und der z Axe kann man auch das in yz multiplicirte Glied ver- schwinden lassen. Die Bedingung des Minimum führt bei diesem Coor- dinatensystem auf die partielle Differentialgleichung = — > SEE Das Krümmungsmass ist also negativ, die Haupt-Krümmungsradien sind einander entgegengesetzt gleich. Die Tangentialebene theilt die Fläche in vier Quadranten, wenn die Krümmungshalbmesser nicht 00 sind. Diese Quadranten liegen abwechselnd über und unter der Tangential- ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 23 ebene. Beginnt die Entwicklung von œ erst mit den Gliedern nter Ord- nung (n> 2), so sind die Krümmungsradien 00, und die Tangential- ebene theilt die Fläche in 2» Sectoren, die abwechselnd über und unter jener Ebene liegen und von den Krümmungslinien halbirt werden. Will man nun X als Function der complexen Variabeln Y ansehen, so ergibt sich in dem Falle der vier Sectoren log A = 2 log Y —+ funct. cont., in dem Falle der 2» Sectoren logX=nlgY-+f.c Und da nach (8) und (9) = = e = i ist, so beginnt die Entwicklung von n im ersten Falle mit der ersten, im zweiten mit der (n — Uten Potenz von ¥. Umgekehrt wird also, wenn Y als Function von y ange- sehen werden soll, die Entwicklung im ersten Falle nach ganzen Poten- 1 zen. von 7, im zweiten nach ganzen Potenzen von 7" ` fortschreiten. D. h. die Abbildung auf der nEbene hat an der betreffenden Stelle keinen oder einen (n — 2)fachen Verzweigungspunkt, je nachdem der erste oder der zweite Fall eintritt. du du dlogn dogY d logn ` dlog x Was u betrifft, so ergibt sich — also mit Hülfe der Gleichung (9) du ~? TE Y2 Gip ee dy 1 WE GI, "e Demnach ist in einem (a — 2)fachen Verzweigungspunkte der Abbildung auf der n Ebene du n m Y + f.c. od log i T e log f. c. oder log = =(-1) oe EP +f e 24 . BERNHARD RIEMANN, ek Die weitere Untersuchung soll zunächst auf den Fall beschränkt werden, dass die gegebene Begrenzung aus geraden Linien besteht. Dann lässt sich die Abbildung der Begrenzung auf der n Ebene wirklich herstellen. Die in irgend welchen Punkten einer geraden Begrenzungs- linie errichteten Normalen liegen in parallelen Ebenen, und daher ist die Abbildung auf der Kugel ein grösster Kreis. Um einen Punkt im Innern einer geraden Begrenzungslinie zu un- tersuchen, legt man wie vorher in ihn den Anfangspunkt der Coordi- naten, die positive z Axe in die positive Normale. Dann fällt die ganze Begrenzungslinie in die ys Ebene. Der reelle Theil von X ist demnach in der ganzen Begrenzungslinie — 0. Geht man also durch das Innere der Minimalfläche um den Anfangspunkt der Coordinaten herum von einem vorangehenden bis zu einem nachfolgenden Begrenzungspunkte, so muss dabei das Argument von X sich ändern um nz, ein ganzes Viel- faches von m. Das Argument von Y ändert sich gleichzeitig um 7. Man hat also, wie vorher log X = nlog Y + Ee log n = (n— 1) log Y + f. c. 1g © =(-—1) log Y + fre: Dem betrachteten Begrenzungspunkte entspricht ein (a — 2)facher Ver- zweigungspunkt in der Abbildung auf der n Ebene. In dieser Abbildung macht das auf den Punkt folgende Begrenzungsstück mit dem ihm vor- hergehenden den Winkel (n — 1) a. 12. Bei dem Uebergange von einer Begrenzungslinie zur folgenden hat man zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder treffen sie zusammen in einem im Endlichen liegenden Schnittpunkte, oder sie erstrecken sich ins Unendliche. | ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 25 Im ersten Falle sei er der im Innern der Minimalfläche liegende Winkel der beiden Begrenzungslinien. Legt man den Anfangspunkt der Coordinaten in den zu untersuchenden Eckpunkt, die positive v Axe in die positive Normale, so ist in beiden Begrenzungslinien der reelle Theil von X = 0. Beim Uebergange von der ersten Begrenzungslinie zur folgenden ändert sich also das Argument von X um mzn, ein ganzes Viel- faches von 7, das Argument von Y um ga. Man hat daher < log X = log Y + f. c. & ar logn + f. c. log = SEN lg Y + f. c. Erstreckt sich die Fläche zwischen zwei auf einander folgenden Begrenzungsgeraden ins Unendliche, so legt man die positive x Axe in ihre kürzeste Verbindungslinie, parallel der positiven Normalen im Un- endlichen. Die Länge der kürzesten Verbindungslinie sei A, und er der Winkel, welchen die Projection der Minimalfläche in der yz Ebene aus- - füllt. Dann bleiben die reellen Theile von X und ¿log n im Unendlichen endlich und stetig und nehmen in den begrenzenden Geraden constante \ Werthe an. Hieraus ergibt sich (für y = x, z = OI Ai A e ze an Ee a =V Zenit A 1 dee + Le Legt man die vı Axe eines Coordinatensystems in eine begrenzende Gerade, die zo Axe eines andern Systems in die zweite begrenzende Ge- rade u. s. f., so ist in der ersten Linie lognı, in der zweiten log ne u. s. f. rein imaginär, da die Normale zu der betreffenden Axe der zı, Mathem. Classe. XII. 26 BERNHARD RIEMANN, der z u. s. f. senkrecht steht. Es ist also ¿ in der ersten Be- 4 d log %1 grenzungslinie reell, ö in der zweiten u. s. f. Da aber auch für dra d log n2 ein beliebiges Coordinatensystem (x, y, z) immer Pe Ter dy Ce T ` dlogm = n R ist, so findet sich, dass in jeder geraden Begrenzungslinie eLp: ee dlog n en - d log no.. dlog n entweder reelle oder rein imaginäre Werthe besitzt. 13. Die Minimalfläche ist bestimmt, sobald man eine der Grössen u, n, X, Y, Z durch eine der übrigen ausgedrückt hat. Dies gelingt in vielen Fällen. Besondere Beachtung verdienen darunter diejenigen, in welchen d : ; l : : ds “_ eine algebraische Function von n ist. Dazu ist nöthig und a dass die Abbildung auf der Kugel und ihre symmetri- schen und congruenten Fortsetzungen eine geschlossene Fläche bilden, welche die ganze Kugel einfach oder mehrfach "bedeckt. Im Allgemeinen aber wird es schwierig sein, direct eine der Grö- ssen #, 1, X, Y, Z durch eine der übrigen auszudrücken. Statt dessen kann man aber auch jede von ihnen als Function einer neuen zweck- mässig gewählten unabhängigen Variablen bestimmen. Wir führen eine solche unabhängige Variable £ ein, dass die Abbildung der-Fläche auf der ¿Ebene die halbe unendliche Ebene einfach bedeckt, und zwar die- jenige Hälfte, für welche der imaginäre Theil von £ positiv ist. In der That ist es immer möglich, £ als Function von a (oder von irgend einer der übrigen Grössen y, X, Y, Z) in der Fläche so zu bestimmen, dass ni ÜBER D.FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG 27 der imaginäre Theil in der Begrenzung = U ist, und dass sie in einem beliebigen Begrenzungspunkte (u — b) unendlich von der ersten Ord- nung wird, d. h. ns consi. Tu p Ate (a= A 1 S R S S Das Argument des Factors von —— ist durch die Bedingung bestimmt, u — b ? dass der imaginäre Theil von in der Begrenzung = 0, im Innern der Fläche positiv sein soll. Es bleibt also in dem Ausdrucke von £ nur der Modul dieses Factors und eine additive Constante willkürlich. Es sei £ = aı, a2, ... für die Verzweigungspunkte im Innern der Abbildung auf der n Ebene, £ — bı, b2, ... für die Verzweigungspunkte in der Begrenzung, die nicht Eckpunkte sind, = &,&, ... für die Eckpunkte, £ = e}, €2, ... für die ins Unendliche sich erstreckenden Sectoren. Dann hat man für t =a wg & = (È — 1) log (t — a) + f. ©, SÉ Es gt —Ö) + f.c, SECH (1) log (t — e) + f. c, Vz cto e = a MU EE Eé Man kann die Untersuchung auf den Fall z — 3, m = 1 be- schränken, d. h. auf einfache Verzweigungspunkte, und den allgemeinen Fall aus diesem dadurch ableiten, dass man mehrere einfache Verzwei- gungspunkte zusammenfallen lässt. d | Um den Ausdruck für S zu bilden, hat man zu beachten, dass längs der Begrenzung di reell, du entweder reell oder rein imaginär ist. | D2 28 BERNHARD RIEMANN, dun? Ä ; i Demnach ist (F) reell, wenn # reell ist. Diese Function kann man über die Linie der reellen Werthe von £ hinüber stetig fortsetzen, in- dem man die Bestimmung trifft, dass für conjugirte Werthe € und € der Variabeln auch die Function conjugirte Werthe haben soll. Alsdann ist 2 Si für die ganze tEbene bestimmt und zeigt sich einwerthig. Es seien ai, ga, ... die conjugirten Werthe zu o, a, ..., und das Product (t — ol (t — az) ... werde mit IT (t — a) bezeichnet. Als- dann ist Se H(t — a) H(t — a) IH (t — b) const. dt (11) «u = consi. +/fV nr: mie Die Constanten a, b, c etc. müssen so bestimmt werden, dass für A : - te eg |- log (t —e) + f.c. wird. Damit für alle Werthe T von i ausser a, b, c, e endlich und stetig bleibe, muss für die Anzahl dieser Werthe eine Relation bestehen. Es muss die Differenz der An- zahl der Eckpunkte und der in der Begrenzung liegenden Verzweigungs-. punkte um 4 grösser sein als die doppelte Differenz der Anzahl der in- nern Verzweigungspunkte und der ins Unendliche verlaufenden Sectoren. Setzt man zur Abkürzung Dt — a) H (t — d) H (t — b) = ell, It — oue = SI, du d. b. — = consi. Goar y di xa so ist die ganze Function el vom Grade » — 4, wenn zU vom Grade » ist. ' 14. Es ist noch 7 als Function von £ auszudrücken. Direct gelangt man dazu nur in den einfachsten Fällen. Im Allgemeinen ist der fol- ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEIGEGEBENER BEGRENZUNG. 29 gende Weg einzuschlagen. Es sei v eine noch näher zu bestimmende Function von t, die als bekannt vorausgesetzt wird. ` In den Gleichun- i du gen (8), (9), (10) kommt es wesentlich an auf Te wofür man schrei- dv ben kann = .———- Der letzte Factor lässt sich ansehen als Product de dlogn e der beiden Factoren (12) upor D ko e H die der Differentialgleichung erster Ordnung genügen dkı = ko == el 2 de D = dko 13 ger ) e dv sowie der Differentialgleichung zweiter Ordnung L Pk, = 1 dhe (14) ra do? "bk dei. d’k d 1 A Gelingt es also, É - GE ls Function von £ auszudrücken, so er- 1 k setzt man = durch das ihm gleichbedeutende und erhält für k eine homogene lineäre Differentialgleichung zweiter Ordnung. Von dieser sind A, und A, particuläre Integrale, die durch die Differentialgleichung (13) verbunden sind. o : E Die Function J ist so zu wählen, dass die Unstetigkeiten von S m für endliche Werthe von £ nicht ausserhalb der Punkte 30 BERNHARD RIEMANN, a, d, b, c, e liegen. Setzt man Mi LAL dt V x (t) ~it Fk. ; SS H so wird —: — im Endlichen nur für die Punktei = e. &, ... un- k de? endlich und zwar für jeden unendlich in erster Ordnung. Man über- zeugt sich davon durch folgende Betrachtung. In dem zu 2 = € ge- hörigen Eckpunkte auf der Kugelfläche liege der Winkel yn, und es seien ve, Ne die Werthe von e und 7 für £—= c. Dann hat man für lim t — c = 0 SE v — v = Zeiel ie - t— o, 7 N — Ne = const. (t — e). Folglich kı = Vz- = const. (vo — ve) nr 1 dk F g = (r t) e o) Dr — H z lo =; (t "ee SCH Durch analoge Betrachtungen erkennt man, dass für die Punkte „t = a, t — b, t = e, sowie für alle gewöhnlichen Punkte der £ Ebene t dk kı und 7 — — Ae stetig bleiben. ee: de pa „, dm Für t = ee t a ee ri — Z i oe Ge ist = k J: ‚ folglich E, A EN dk 4 ; 1 CR S — consi. t bleibt also ky und - e stetig für y —= 4. Fürv> 4 ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 31 erhält man EE Ten Man hat also für v A EE firs = 5 ptr TIt Atth, o are ar. Für v> 6 müssten die Wurzeln von (i) = 0 und zit = 0 an» — 6 Bedingungs-Gleichungen geknüpft sein. Setzt man 1 2 pam oao Be EE Pk so wird die Function Es im Endlichen unstetig nur für die Punkte a, a, b, c, und zwar für jeden unendlich in erster Ordnung. Man erhält IR 1 Dor — A f el ae k de t — e) und entsprechende Ausdrücke für t = a, o, b, in denen nur 2 statt y und resp. a, æ, b statt e zu, setzen ist. Für £ = OO ergibt sich Ëk y v 27 > Demnach lautet der Ausdruck pe SE = wie folgt: —4) f(g) "Se 1 E (yy Eé + Fü. 32 R BERNHARD RIEMANN, Die Summe bezieht sich auf alle Punkte g —= a, d’, b, c, und es ist bei a, d, b 2 statt y zu setzen. F (f ist eine ganze Function vom Grade (2v — 6), in der die ersten beiden Coefficienten sich folgendermassen bestimmen. Man bringe de in die Form vr LA dë tE zb +4 EE t de Vro.: oder kürzer = «œ dv. , Dann ergibt sich durch Differentiation e a El folglich Er KEE œ r/d} e (e') GZ et O oder d geht, rt a lei, sl de =[(&) d == un DR oder ` SCH Si arte AP sl Gr e Sek Kan 1- aim vr DC 2. ER? "Ei Er Die Function auf der linken Seite ist endlich frt = %. Folglich —2», +8 de hat man rechts in der Entwicklung von £ Ft) und von e 2 = g die Coefficienten von E und resp. von t einander gleich zu setzen. Die n dë ei . | Entwicklung von e e gibt nach einfacher Rechnung en + (— 5 +2) Becher ro) ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG 33 Bei dieser Untersuchung ist stillschweigend vorausgesetzt, dass die Werthe a, b, c, e sämmtlich endlich seien. Trifft dies nicht zu, so be- darf die Betrachtung einer geringen Modification. Beispiele, 15. Die Begrenzung bestehe aus zwei unendlichen geraden Linien, die nicht in einer Ebene liegen. Ihre kürzeste Verbindungslinie habe die Länge A, und es sei ex der Winkel, welchen die Projection der Fläche auf der rechtwinklig gegen jene Verbindungslinie gelegten Ebene aus- füllt. A Nimmt man die kürzeste Verbindungslinie zur zAxe, so hat in jeder der beiden Begrenzungsgeraden x einen constanten Werth. Ebenso ist oe in jeder der beiden Begrenzungsgeraden constant. In unendlicher Ent- fernung ist die positive Normale für den einen Sector parallel der po- sitiven, für den andern Sector parallel der negativen x Axe, Die Be- grenzung bildet sich auf der Kugel in zwei grössten Kreisen ab, die durch die Polen — O und n = © gehen und den Winkel en ein- schliessen. Hiernach hat man x-— log n A „=e ; AA 3 t a N). Mathem. Classe. XII. E 34 BERNHARD RIEMANN, folglich a d log ((, ) ers E worin man die Gleichung der Schraubenfläche erkennt. |l Der Inhalt der Fläche ist unendlich gross. Soll also von einem Minimum die Rede sein, so ist dies so zu verstehen. Der Inhalt jeder andern Fläche von derselben Begrenzung ist ebenfalls unendlich gross. Aber wenn man den Inhalt der Schraubenfläche abzieht, so kann die Differenz endlich sein, und die Schraubenfläche hat die Eigenschaft, dass diese endliche Differenz positiv ausfällt. In demselben Sinn hat man die Minimal-Eigenschaft immer aufzu- fassen, wenn die Fläche unendliche Sectoren besitzt. ` 16. Die Begrenzung bestehe aus drei geraden Linien, von denen zwei sich schneiden und die dritte zur Ebene der beiden ersten parallel läuft. Legt man den Anfangspunkt der Coordinaten in den Schnittpunkt der beiden ersten Geraden, die positive x Axe in die negative Normale, so. bildet jener Schnittpunkt auf der Kugel sich ab im Punkten = ©. Die Abbildung der beiden ersten Geraden sind grösste Halbkreise, die von = OO bisn = 0 laufen. Ihr Winkel seien. Die Abbildung der dritten Linie ist der Bogen eines grössten Kreises, der von y — 0 aus- geht, an einer gewissen Stelle umkehrt undin sich selbst bis zum Punkte n = 0 zurückläuft. Dieser Bogen bilde mit den beiden ersten grössten Halbkreisen die Winkel Gr und yn, so dass 8 + y = « sich ergibt. Um die Abbildung auf der halben ¿Ebene zu erhalten, setzen wir fest, dass £ = OO sein soll fürn — X, dass dem unendlichen Sector zwi- schen der ersten und dritten Linie ¿ — b, dem unendlichen Sector zwi- ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 35 schen der zweiten und dritten Linie? — e. dem Umkehrpunkte der Nor- malen auf der dritten Linie £ — a entsprechen soll. Dabei sind a, b, e reellunde>a>b. Diesen Bestimmungen entspricht y — (t — bf eo), Der Werth a hängt von b und e ab. Man hat nemlich dog _BE—-)+rt—h | dt LE RIES und dieses muss für den Umkehrpunkt — 0 sein, also a — a Man hat weiter j SE a), dt Se (EH Li MAT du- eebe EE dogn Kë Late du \2 dt STR ale T Folglich dt i di Eurer) e EE Eer tig E O orars ze Ve E E Me GE "EE E EE Ze "AIS ei Lt LR Ku SR VIe E2 36 BERNHARD RIEMANN, Ist A der Abstand der dritten Geraden von der Ebene der ersten beiden, so findet sich Ben Pi pe a A ne Die Begrenzung bestehe aus drei einander kreuzenden geraden Li- nien, deren kürzeste Abstände A, B, C sein mögen. Zwischen je zwei begrenzenden Linien erstreckt sich die Fläche ins Unendliche. Es seien en, Bn, yn die Winkel der Richtungen, in welchen die Grenzlinien des ersten, des zweiten, des dritten Sectors ins Unendliche verlaufen. Setzt man fest, dass für die drei Sectoren der Minimalfläche die Grösse £ resp. = 0,%, 1 sein soll, so erhält man elt ist eine ganze Function zweiten Grades. Ihre Coefficienten be- stimmen sich daraus, dass | du ER ve e dlogt 2n dlogt E dlog(1 — t) E: sein muss. i Danach ergibt sich Aer Cy BB ie SE? Se see gef In A t) + In EZ y } Je nachdem die Wurzeln der Gleichung ei = 0 imaginär oder reell sind, hat die Abbildung auf der Kugel einen Verzweigungspunkt im Innern oder zwei Umkehrpunkte der Normalen auf der Begrenzung. ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 37 de de Die Functionen by = E und kz =n Vz werden nur für : - dv i die drei Sectoren unstetig, wenn man zu ọ (t) nimmt. Und zwar ist die Unstetigkeit von Ak, der Art, dass ra für t = 0 t 2 2, kı i Se d für t = o t 2 2, ki i 3 ; ee EM a BE t >? 2 kı einändrig und verschieden von 0 und wird. E und A, sind particu- läre Integrale einer homogenen lineären Differentialgleichung zweiter ; : ı dk ; EE Ordnung, die sich ergibt, wenn man y gp SS seinen Unstetigkeiten ` als Function von i darstellt und £ statt v als unabhängige Variable in = einführt. Hat man das particuläre Integral kı gefunden, so ergibt sich ko aus der Differentialgleichung erster Ordnung dk (c) : m hu geit. Das vollständige Integral der homogenen lineären Differentialglei- chung zweiter Ordnung werde mit Të EE si | d SE E 2 2 2 2 2 t a rs 444 342] bezeichnet. Diese Function genügt wesentlich denselben Bedingungen, die in der Abhandlung über die Gaussische Reihe Pie, ß, y; x) als 38 BERNHARD RIEMANN, Definition der P-Function ausgesprochen sind *%). Sie weicht von der P-Function darin ab, dass die Summe der Exponenten — 1 ist, nicht + 1 wie bei P. k, ist derjenige Zweig der Function Q, dem die obe- ren Exponenten entsprechen. Man kann die Function Q auch mit Hülfe einer Function P und ihrer ersten Derivirten ausdrücken. Zunächst ist nemlich Iho 1 k= (aa? aE 2 0 I CEE o] Q 5 t y j NE Eak a LET, 2 : Setzt man nun E a a 5 ti. _ —y +1 | e See y | so lassen sich die Constanten a, b, c so bestimmen, dass x ee — "SU + bho + ea 9 =) wird. In der That hat man nur diesen Ausdruck in die Differential- gleichung (c) einzusetzen und die Differentialgleichung zweiter Ordnung für 6 zu beachten, um zu der Gleichung zu gelangen Een Ler a. do; sü =t 1-4 (7-7): P EN = a (a + éa) (1 =g F et de Leit 10-36-3497 At ER 3 ai | *) Beiträge zur Theorie der durch die Gaussische Reihe Fe, $, y, z) dar- stellbaren Functionen. (Abhandlungen der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 7.) ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEIGEGEBENER BEGRENZUNG. 39 Vermöge der Eigenschaften der Function 6 kann man setzen ER rey do do t (1 — £) (a a Jen und folglich muss P — g(t) sein. Hieraus ergeben sich drei Bedin- gungsgleichungen für a, b, c, die eine sehr einfache Form annehmen, Erz wenn mana + Ž e = p, b — I Tezg a+b—t c= setzt. Die Bedingungsgleichungen lauten dann 2 Ae ` pp — «æ p +g +r) E n Pë og — PB Ip Lat Ee 2 Cy MPN, Mit Hülfe der Function eoon EE | iL 2 KR 2 j a ß T y D ee deren Zweige Ay und 4, der Differentialgleichung genügen då då, a Fa E dlogt dlog t kann man k noch einfacher ausdrücken , nemlich m ` k= Ë (pitau yS) 40 BERNHARD RIEMANN, Es würde nicht schwer sein, die einzelnen Zweige der Function k in der Form von bestimmten Integralen herzustellen. Der Weg dazu ist in art. VII der Abhandlung über die Function P vorgezeichnet. In dem besondern Falle, dass die drei begrenzenden geraden Linien den Coordinatenaxen parallel laufen, te=ß=y= = Dann er- hält man E E EE rk pk a u ele GES ek 2 GEN Se SE Der Zweig 4, dieser Function ist — C véi e CL 1)? ` const., und daraus ergibt sich at Va 4 CG e, = ky = V 2.t (t —1) E + (0—1. F ee T Een, EE "Ver oi- dE +7 -Vita Mit Hülfe dieser beiden Functionen lassen sich dX, dY, dZ folgender- massen ausdrücken dt i SE? SC e S dY = (EI ri dt Gi Eë ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 41 = a = Sea, NE E t +i +39 +nb—ı4+ rn g AF ORS o) Y= (p tt EE (ptg rye bha iner ooy ne i SE ZE pagr PU Ho rg nuog + 4 (p +4 +r) (pgr die ve d Wenn p, q, r reell sind, so geben die doppelten Coefficienten von i in den drei Grössen rechts die rechtwinkligen Coordinaten eines Punktes der Fläche. 18. Die Begrenzung bestehe aus vier sich schneidenden geraden Linien, die man erhält, wenn von den Kanten eines beliebigen Tetraeders zwei nicht zusammenstossende weggelassen werden. Die Abbildung auf der Kugeloberfläche ist ein sphärisches Viereck, dessen Winkel en, Pr, yn, dr sein mögen. Es ergibt sich d di Ve-at-5Ht—-ge—a FA wenn die reellen Werthei = a, b, e d die Punkte der t-Ebene be- zeichnen, in welchen sich die Eckpunkte des Vierecks abbilden. 7 Mathem. Classe. XII. F dë -=< 42 BERNHARD RIEMANN, Soll die in $. 14 entwickelte Methode zur Bestimmung vonn ange- wandt werden, so hat man hier speciell ọ (t) = 1, z(t = Alt), folglich et Be bh. == VE Ro =n o Die Functionen k, und ko genügen der a pde _ und sind particuläre Integrale der Differentialgleichung zweiter Ordnung 4 dk (e-pad, B-DAU, Wr HA, WA b LES Ze ER SEET t — Et —c td A. In dieser Gleichung hat man auf der linken Seite # als unabhängige Variable einzuführen und erhält D Eer HAN WR EE EEN St | —b a rn wer 13 t — a als die Differentialgleichung zweiter Ordnung, welcher k Genüge leisten muss. Das Integral dieser Differentialgleichung wird die Constante h mit enthalten. > Es wird also auch A in dem Ausdrucke vorkommen, welcher 7 als Function von # gibt. Nun ist das sphärische Viereck, und folglich auch der Werth von y in den Eckpunkten, ursprünglich festge- legt durch fünf unabhängige Grössen. Man hat also schliesslich mit Hülfe jener fünf unabhängigen Grössen der Constanten k einen solchen Werth beizulegen, dass in den Eckpunkten (£ = a, b, c, d) n die rich- tigen Werthe erhalte. In dem speciellen Falle eines regulären Tetraeders ist die Abbil- dung auf der Kugel ein regelmässiges Viereck, in welchem jeder Winkel = n. Die Diagonalen halbiren sich und stehen rechtwinklig auf ein- ander. Die den Ecekpunkten diametral gegenüberliegenden Punkte der ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 43 Kugeloberfläche sind die Ecken eines congruenten Vierecks. Zwischen beiden liegen vier dem ursprünglichen ebenfalls congruente Vierecke, die je zwei Eckpunkte mit dem ursprünglichen, zwei mit dem gegen- überliegenden gemein haben. Diese sechs Vierecke füllen die Kugel- oberfläche einfach aus. Es wird also ner eine algebraische Function von n sein. Man kann die gesuchte Minimalfläche über ihre ursprüngliche Be- grenzung dadurch stetig fortsetzen, dass man sie um jede ihrer Grenz- linien als Drehungsaxe um 1800 dreht. Längs einer solchen Grenzlinie haben dann die ursprüngliche Fläche und die Fortsetzung gemeinschaft- liche Normalen. Wiederholt man die Construction an den neuen Flächen- theilen, so lässt sich die ursprüngliche Fläche beliebig weit fortsetzen. Welche Fortsetzung man aber auch betrachte, immer bildet sie sich auf der Kugel in einem der sechs congruenten Vierecke ab. Und zwar ha- ben die Abbildungen von zwei Flächentheilen eine Seite gemein oder sie liegen einander gegenüber, je nachdem die Flächentheile selbst in einer Grenzlinie an einander stossen oder an gegenüberliegenden Grenz- linien eines mittleren Flächentheils gelegen sind. In dem letzteren Falle können die betreffenden Flächentheile durch parallele Verschiebung zur du \2 e z) unverändert bleiben, Deckung gebracht werden. Daher muss ( : l S wenn y mit — = vertauscht wird. Legt man den Pol (o = 0) in den Mittelpunkt eines Vierecks, den Anfangsmeridian durch die Mitte einer Seite, so ist für ‘die Eckpunkte dieses Vierecks und ig E Se a Punkte, denen entgegengesetzte Werthe von y F2 44 BERNHARD RIEMANN, du 2 angehören, haben dieselbe x Coordinate. Es muss also Esc bei der dlogn Vertauschung von y mit — n unverändert bleiben. Hiernach erhält man du ) un const. dlogn Zu demselben Resultate gelangt man auf dem folgenden Wege. Die Substitution ä e? GES on N = Vë Li Eh ale il liefert auf dert Ebene eine Abbildung, die von einer geschlossenen überall stetig gekrümmten Linie begrenzt wird. Den Eckpunkten ns — ni 4 H yatrß 5 e entspricht £ —= + 1, den Eckpunkten y = + tg S e entspricht 6 — + ¿. Geht man an irgend einer dieser vier Stellen durch das Innere der Minimalfläche von einer Grenzlinie zur folgenden, so ändert sich dabei das Argument von € um nr. Daher kann man, wie in $. 13., auch hier setzen du const. “« VeZyern 2 Dieser Ausdruck stimmt mit dem vorher aufgestellten für (= 3 ect Zur weitern Vereinfachung nehme man RE — 1 2 Ä a La 2 ne Ga) Ser gtt zi und beachte, dass ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. * 45 du? di Zb E El dlogn ug Dann ergibt eine sehr einfache Rechnung du 2 dw ET A E e KE E EE n iP Se Jr (1 — gw) (1 —ọ?w) y dloan— Co? BEE e E i) LS Së (n- 3 MITT N w (1 — w) (1 — gw) ` 1 dw Z JG (n+,,)d 097 dt w (1 —w) (1 — mi 1 SS wenn ọ = — — (1 — ¿i 3) eine dritte Wurzel der Einheit bezeichnet. 2 Die Constante C bestimmt sich aus der gegebenen Länge der Tetraeder- kanten. 19. gek. Endlich soll noch die Aufgabe der Minimalfläche für den Fall be- handelt werden, dass die Begrenzung aus zwei beliebigen Kreisen be- steht, die in parallelen Ebenen liegen. Dann kennt man die Richtung der Normalen in der Begrenzung nicht. Daher lässt sich diese auch nicht auf der Kugel abbilden. Man gelangt aber zur Lösung der Auf- gabe durch die Annahme, dass alle zu den Ebenen der Grenzkreise pa- rallel gelegten ebenen Schnitte Kreise seien. Und es wird sich zeigen, dass unter dieser Annahme der Minimalbedingung Genüge geleistet wer- den kann. Legt man die z Axe rechtwinklig gegen die Ebenen der Grenzkreise, so ist die Gleichung der Schnittcurve in einer parallelen Ebene (k) Fall Zei zs Les 0 und e, ß, y sind als Functionen von z zu bestimmen. Zur Abkürzung 46 ` | BERNHARD RIEMANN, werde pe a + SE sai e gesetzt, so dass cos r o r : : dF. : — n —, sinr coso = n —, sinr sing = n — ist. Dann lässt sich dx ; dy dz die Bedingung des Minimum in die Form bringen dp dp dF Ca) "bi d (aF) dy E oder nach Ausführung der Differentiation dF dF dF d 2 ee A 2 = SE SE +4.2F +2 LE ai ss D Schreibt man œ? + Bi — y = — q und "beachtet, dass F = O ist, so geht die letzte Gleichung über in db dF do Ai e +29 = und gibt nach einmaliger Be 1 = = 0, ng + consi. Die Integrationsconstante ist von x unabhängig. Nimmt man anderer- D dr e D We D + seits J 3 unabhängig vón y und z, so muss die Integrationsconstante sen S S Leg - eine lineäre Function von y und z sein, weil h eine solche ist. Man hat also dF 1 dx | ee Nm 2ay + 2bz eongf — H pius ek ay T ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG. 47 Vergleicht man damit das Resultat der directen Differentiation von F nemlich dF de dß dy — = 2y — 23 — — ra re so ergibt sich de dp dx “er. aN dr Se bq und, wenn man /qde —= m setzt: « = — am + d, B = — bm + e. Hiernach hat man dF dy — = — 2 — H DS = dE E Se in dP dq dqy _ dr BL re a A ai "H A SCH dr dz?’ und diese Ausdrücke sind in die Gleichung (l) einzuführen. Nach ge- höriger Hebung erhält man dy -dg d w eelam eine Gleichung, die sich weiter vereinfacht, wenn man beachtet, dass y =q + + e= A = Em). f(m) = (a + b?) m? e e A ; dy dy TR Nimmt man hieraus — und daz’ 5° geht die Differentialgleichung, welche die a des Minimum ausdrückt, über in folgende (m) — (D + 24 +2 + 6 g = 0. Zur Ausführung der Integration setze man n = p und betrachte q 48 BERNHARD RIEMANN, als unabhängige Variable. Dadurch erhält man für p? als Function von q eine lineäre Differentialgleichung erster Ordnung, nemlich 1 d(p? PH NH EE oder d dip?) FE d(q Së (+ 4 (a + ei dq. Das Integral lautet (n) D = Í Aa + P) g H 8e d Darin ist für p wieder pa zu setzen, wodurch man erhält dr = Neu en 2V q + 20g? — (a + P) g’ dm = 2 SE EE Vg F zee — e F O g 8 a a SE q 2V g F 20g? — (a? $ 6) g y= om — dt Vga, z = bm — e 4+ V >] sin y. Man hat demnach z, y, z als Functionen von zwei reellen Variabeln o und y ausgedrückt. Die Ausdrücke sind, abgesehen von algebraischen Gliedern, elliptische Integrale mit der obern Grenze g. Nach der oben REEL ÜBERD. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG 49 entwickelten allgemeinen Methode hätte man z, y, z erhalten als Summen von zwei conjugirten Functionen zweier conjugirten complexen Variabeln, Danach liegt die Vermuthung nahe, dass diese complexen Ausdrücke mit Hülfe der Additionstheoreme der elliptischen Functionen sich je in einen einzigen Integralausdruck mit der Variabeln o zusammenziehen lassen. Und dies ist leicht zu bestätigen. Man hat nemlich aus den For- meln für die Richtungscoordinaten r und e der Normalen $ dF dE el A B _ yģaţ}ath _ Jw: -i se o ET ER EE ei —— — — i dy dz Verbindet man damit die Definitionsgleichung von q, nemlich: W + zit e + Biy — si + a — pi = — gq, so ergibt sich ee + +e+=(- ali gid 3 „-3+e-M=(- din Ze Ferner hat man dF 3 dr E Lo, opt = JE Ip 209 (y+ a) —2bq (5+6)? d d oder í r2 Ss, ; 1 Ea 1 Ge Vm SE Ip —2aq (y+a)— 2bq (3+ .B}} m. a Mathem. Classe. XII. G 50 BERNHARD RIEMANN, Auf der rechten Seite sind für y + «œ undz + f die eben gefundenen Ausdrücke in y und einzuführen. Dadurch geht die Gleichung über in folgende: P = (q)? [e+ n (OF + (a—bi SÉ Co "sech > e Quadrirt man beide Seiten dieser Gleichung und setzt für a seinen q Werth aus (»), so ergibt sich nach gehöriger Reduction ETA E Gr (a — bi) EN Ja — mg aj A (p. = 8e — 2 (a + bi) (Y — |) — 2 (a — bi GER Die so gefundene Gleichung, welche den Zusammenhang von o, n, 7 an- gibt, kann man als Integral einer Differentialgleichung für n und / an- sehen und g als Integrationsconstante auffassen. Die Differential- gleichung ergibt sich durch unmittelbare Differentiation in folgender Form Be . ea) — V= q (a + bi OI — (a — bi Gr e 1 1 +2 Ya + 7) 1 1 rl) an] ÜBER D. FLÄCHE V. KLEINSTEN INHALT BEI GEGEBENER BEGRENZUNG 51 Mit Hülfe der primitiven Gleichung (p) lassen sich aber. die Factoren d d von 3 und 1, anders ausdrücken. Man braucht nur die linke Seite von (p) in zweifacher Weise zu einem vollständigen Quadrat zu ergänzen, indem man das fehlende doppelte Product das eine mal positiv, das andere mal negativ hinzufügt. Dadurch erhält man St + SS de (a + dai — (a — bi) Lu vu =-+:V [ze + (a + b $ — (œ — b) a), zarar S run} =+ 2 / [ze + (œ — m! — (a + w i] Nimmt man die Quadratwurzeln mit gleichen Vorzeichen, so geht die Differentialgleichung über in e du i dy nV 2c+(a+bi ab) w4 2+ (abi abi Ihr Integral in algebraischer Form ist in der Gleichung (p) ausgesprochen oder, was auf dasselbe hinauskommt, in den beiden Gleichungen (q) 0 ® 1 yag © t m) = yg (at bi) tra — a — bi (r) + yn la — + zeg — (a + aA, V= g (0 +b) t —(e bin) = V Teten- (e—bin] -— p n[(a -b + 2oy Let, G2 52 B. RIEMANN, ÜBERD. FLÄCHE V. KL.INHALT B.GEGEB. BEGRENZUNG. In transscendenter Form lautet das Integral en 2V n [a + bi) + 2en — (a — bi) n?) + [ 2 ——, 2V H (a — bi + Ze — (a + bi) m?) (s) consi. = F und die Integrationsconstante lässt sich ausdrücken const. — ES e. | 2V g [1 F 22eg — erg) was aus der Gleichung (r) leicht hervorgeht, wenn mann oder ý con- stant und zwar — 0 nimmt. Man erkennt darin das Additionstheorem der elliptischen Integrale erster Gattung. ‘Ueber die Bestimmung der Constanten in der Variationsrechnung. Von M. A. Stern. Der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften vorgelegt am 4. Mai 1867. 1. In der Behandlung der Probleme der Variationsrechnung, welche man Jacobi verdankt, zeigt sich eine Schwierigkeit, welche die Mathema- tiker mehrfach beschäftigt hat, aber bis jetzt noch nicht vollständig ge- löst worden ist. Es erscheinen nemlich in den Resultaten mehr will- kührliche Constanten als der Natur der Aufgabe nach vorkommen dür- fen und es folgt hieraus, dass unter diesen Constanten so viel Bedin- gungsgleichungen stattfinden müssen, als erforderlich sind, um die über- zähligen Constanten weg zu schaffen. Man hat sich bis jetzt darauf be- schränkt nachzuweisen, dass dies in den einfachsten Fällen wirklich eintrifft. Dagegen ist es noch nicht gelungen, allgemein zu zeigen dass wirklich jedesmal soviel solcher Bedingungsgleichungen vorhanden sind, als erfordert werden, und diese Gleichungen darzustellen. Herr Professor Hesse bezeichnet diese Untersuchung als eine würdige Auf- gabe der Determinantentheorie, die ihrer allgemeinen Lösung harrt *). Ich hoffe im Folgenden zu zeigen, dass diese Lösung nicht blos in einer einfachen Weise ausgeführt werden kann, sondern dass die hier vorlie- gende Frage nur ein besonderer Fall einer allgemeineren Untersuchung aus der Theorie der Determinanten ist, welche ebenfalls in sehr ein- facher Weise entwickelt werden kann. *) Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. 54, pag. 255. 54 M. A. STERN, 2. Ich muss zuerst, der Deutlichkeit wegen, in der Kürze den Gang schildern, welchen die Behandlung der hier zu betrachtenden Aufgabe SE \ dh der Variationsrechnung nimmt. Setzt man Ee yk so soll dırk V = f (£, Y. Jı, - - - yk) eine gegebene Funktion der unabhängigen Veränderlichen z und der von dieser abhängigen Grösse y und deren Differentialquotienten yı, ... Yk seyn und es wird gefragt, bei welcher Abhängigkeit desy von s, das Integral Sf. y, yı... . y) de = f Var zwischen bestimmten gegebenen Grenzen ein Maximum oder ein Mini- mum wird. Durch die Gleichung df Vdr = 0 . wird diese Abhängigkeit bestimmt und zwar erscheint dieselbe in der Form 1) ways, 0%, o Con) wo €, 69, . Cat willkührliche Constanten bedeuten. Um zu entschei- den, ob ein Maximum oder ob ein Minimum statt hat, ist das Zeichen von /d2Vdz zwischen den gegebenen Grenzen zu untersuchen. Nun hat man erot! yaan Fa aa ee dy? dy dyı dy? Auf der rechten Seite dieser Gleichung kommen in den einzelnen Glie- dern entweder die Quadrate von dy, d... do vor, was also k + 1 Glieder giebt, oder die Combinationen dieser Ausdrücke zu zweien, was Be Be a TER a ER a We Pre E el E iA EN ee ee ale Sr E S E e ARERR S Ee EL A RR EE E E EE Ee EE E Were ` 5 I UEBER D BESTIMMUNG D.CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 55 = I re giebt. Im Ganzen enthält also die rechte Seite dieser Gleichung irre Glieder. Das Integral /ô? dr formt man nun so um, dass ein Theil desselben welcher S(Möy? + 3 At: dn dn ... + H du) de heisen soll, wirklich integrirbar ist und daher — ce + e dy? + e dydyı ... + œs di zu setzen ist, wo ce eine willkührliche Constante bedeutet und e, &,...&% zu bestimmende Coefficienten sind. Es ergiebt sich leicht, dass M, — 0 seyn muss. Der übrige Theil des Integrals /ð?V dx ist daher (V eV Be 2 ee 2 Ye: M) du? + 2 ES M) du dn... + fl und diesen bringt man in die Form ‚d2V ; \2 Se du, + Bi dn: + B2 dm... + Pr y)? de so dass | dër dër ee 2 2 2) IE dy? Tora, hu in. + Ae MÉ de 2 x v | 2 c+ da æ dp dn. + a, dyk—ı+ ya Dt dyk—ı+ Bo dyk—o+...+ Br by) de. k Die Constante e fällt bei der Integration zwischen den gegebenen Gren- zen weg. Indem man nun die Gleichung 2) differentiirt und in den sich ergebenden Ausdrücken die Glieder einander gleich setzt, welche auf beiden Seiten dy?, ðy du, u. s. w. als Faktoren enthalten, erhält man : 2 > an: — — 1 Gleichungen, da das Glied, welches doud enthält, auf beiden Seiten identisch ist. Genau so gross ist aber auch die Anzahl 56 | M. A. STERN, . der zu bestimmenden Grössen e, e, u. s. W. fi, Pe, u. s. w. Man hat nemlich so viel Grössen oe oe. u. s. w. als man Quadrate der Grössen dy, du, , . - - Oyk—ı und Combinationen derselben zu zweien hat, d. h. k.k—1 k+ eh Hierzu kommen k Grössen fı, Pa .-. Pr, also im Ganzen k+1.k+2 ER To 1- Aus dem Ausdrucke (dyr + bı du: ... + Pr da? ergiebt sich aber, dass man eine Gleichung erhält, durch welche ßı be- stimmt wird, und eine zweite durch welche bi bestimmt wird, ferner eine Gleichung durch welche f bestimmt wird und eine zweite durch "welche B3 bestimmt wird u. s. w. Man kann also durch Elimination so viel Gleichungen wegschaffen, als man solche Grössen ßı, P2, - . - Pk Differential- 2 hat, d. h. im Ganzen k Gleichungen, so dass noch a gleichungen übrig bleiben, welche zu integriren sind. Durch diese In- Sk kyk S È tegration werden er willkührliche Constanten eingeführt, welche so zu bestimmen sind, dass in re dech (da + Pı ds ... + Pr df de dert unter dem Integralzeichen stehende Ausdruck nicht innerhalb der Integrationsgrenzen unendlich wird. Man sieht aber leicht, dass die Grössen e &, ... Ge ohne Integra- tion gefunden werden können, sobald die Grössen fı f2 -- . Ps bekannt sind und es ist das grosse Verdienst Jacobis zuerst die wahre Form dieser Grössen gegeben zu haben. Man kann nemlich die erste Varia- tion von / Vdr so entwickeln, dass man ôf Vdr = G + SWoy de hat, wo den Complex der Glieder bedeutet, die nicht unter dem Inte- gralzeichen stehen, während ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 57 ist. Daraus findet man 3) ð? / Vdr = H.+ Cé òy dr wo wieder H den Complex der Glieder bedeutet, die nicht unter dem Integralzeichen stehen. Aus dem Vergleich der Formeln 2) und 3) er- giebt sich H de Ar de = fe Re say Ist mithin W = 0 so ist auch 5) du, + Pı don. + Pr dy = 0. Die Werthe von dy, welche der Gleichung dW = 0 Genüge leisten, sind aber alle, wie Jacobi gezeigt hat, in der Form a dy dy dy == kr a T ag a se + hoki dis enthalten, woe, C2, ... Cor die in der Gleichung 1) vorkommenden Constanten sind und A: An... bat ebenfalls willkührliche Constan- ten bedeuten. Man bezeichne nun durch aa %2,1 .-. 41 k verschiedene Werthe von do, welche der GleichungdW = 0 Genüge leisten, ferner sey Met 13 der Werth von dy, welcher zu dy — üsı gehört. Man hat alsdann, in Folge der Gleichung 5), die Æ Gleichungen u, Pr s wt? Pr-ı +. . + Ui ,k Pı — EI = 0 6) gou k + gas Bk—ı +... + uo Bi + urpi = 0 Uk,ı 7 a Mk E A Uk,k Br + + ut = 0 aus welchen sich mithin die Werthe von fı, f2 . . , fr durch Elimina- tion bestimmen lassen. Man kann aber Ee Mathem. Classe. XI. pn 58 M. A. STERN, d d d u = Au + + hon Teln + Aan V dei des deok dy dy dy sehe — han .ı. ee u2,1 ua T 22 Te, F laie 2 dy dy dy u. = hr — Ak ee hoik — = kl Dk Je, + h,k i. + Aet, de dy setzen, oder wenn man — = Gei setzt, de, wu = ba Da + ba v21 - . zk hoki O21 Hau = hr 011 + Ae va . . . + homo O2k.1 ; uki — h,k tir + h,k zl <- . - +F hakık Dok, Da aber scheinbar in diesen Werthen von 1,1 Sen... uk die 242 willkührlichen Constanten 2, ,ı .... həkk vorkommen, so werden hier- durch scheinbar ebensoviel willkührliche Constanten in die Werthe von fı, P2 . .. Pr (und mithin auch in die Werthe von ee... ei eingeführt, während das System der Differentialgleichungen, aus welchen diese Grössen bestimmt werden, wie oben nachgewiesen worden ist, nur 2 auf SEN willkührliche Constanten führt. Dies ist die zu überwin- dende Schwierigkeit. 3. Die Grössen E 2... bas sind aber in der That nicht volldäudig von einander unabhängig. Es ist nemlich zunächst zu bemerken dass, insofern sie in Werthen von da vorkommen, welche sämmtlich der Glei- Geo d ee ? genügen, en unter ihnen stattfinden, welche zu ý ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 59 Se Bedingungsgleichungen zwischen denselben führen, wie dies Herr Prof. Hesse nachgewiesen hat er Es ist aber ferner zu bemerken, dass in den Werthen von ßı... Pr die Constanten A: - . . Aar nicht unmittelbar, sondern in bestimmten Verbindungen vorkommen. Aus den Gleichungen 6) findet man nemlich = GCAti Uıatı ert gatii, Lk ett wi Brai = — e wo für F eine der Zahlen 01... k—1 Sa nehmen ist und uii is. ML A (Nä %22. ~. un Uki Ma... Ukk ist, ferner &ı, eau u. s. w. bezüglich den Coefficienten von ız wa, u. s. W. in A bedeutet. Bezeichnet nun euni den Differentialquotienten der Ordnung £ von e so ist nach 7) Ust: = Ri, vu + has Or - — hak,s GIS Nach der bekannten Regel der Multiplikation von Determinanten folgt also hieraus, dass die Determinante A die Summe aller Produkte von der Form LI A. SE EN Te, 4 Or. ee A) Au ħr, 2 EE hrk | Vë Dr,,2 => ko Or A ka a e ban Pet, 1 Urg, 2 E EE Ori, k ist, wo für rı r2 .. . rą alle Combinationen der kten Klasse aus den Elementen 1,2, . .. 2% zu nehmen sind. Hieraus ergiebt sich ferner, das man auch den Zähler des Werthes von Bi 3 eege vom m als die Summe aller Produkte von der Form *) a. a. 0., p. 253. ‚60 M. A. STERN, A4 Mna o Ark A3 e A E P LI Aus a, AA darstellen kann, indem man unter P den Ausdruck versteht, in welchen Dr MB + e Ork) Ury, 1 Ur,,2 SE Ké A Kail Or? ER S Ory,k übergeht, wenn man die in dieser Determinante vorkommende Vertical- reihe vr 1+1 0,141... Orpl+1 durch die Verticalreihe Ge #41 OryA+1 +». Orgk+1 ersetzt. Da man nemlich A = ayısı hpi + erırı Wltı..- F GHIti Ukl+1 hat und wıJrı 2141 U. Ss. W. iN @ılyı Aaırı U. S. W. nicht vorkommen zugleich or,+1 ®r,i+ı U. S. W. nur in gi gett, - - Mi) vorkom- men, so kann die Verticalreihe go 4+1 Seit? ... in A) nur von den Grös- sen u: 141%2141U. S. W. herrühren. Nungeht A in eı+1%1, +1 @2 + 142,41... + @kırı Ukk+1ı Über, indem man uı +1 statt git: U2k+1 statt w2,7+1 u. s. w. setzt, d. h. indem man or k+ı Statt Or 3+1 U. 8. w. setzt, wo- durch die obige Behauptung bewiesen ist. Da also im Zähler und Nenner des Werthes von fr: die sämmt- SEC... + | E E Ee dem Schema S 1) ` lichen ) Determinanten vorkommen, welche in hr, 1 LI EE hr,,k ech rin hry - - - - Brik ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 61 enthalten sind, so liegt der Gedanke nahe, statt der ursprünglichen Con- stanten Än... har,k diese aus ihnen zusammengesetzten Determinanten als Constanten einzuführen. Da aber diese neuen Constanten im Zähler und Nenner des Werthes von fr: in lineärer Form vorkommen, so kann man mit einer derselben dividiren, so dass mithin nur noch 2k (2k — 1) ... (k+ 1) E EN stanten müssen nun jedenfalls — 1 übrig bleiben. Zwischen den neuen Con- .(k—1 i e EE Bedingungsgleichungen statt- e EE ee finden, herrührend von den oben erwähnten es Bedingungsglei- chungen zwischen den ursprünglichen Constanten Au: .. . həkk aus welchen sie zusammengesetzt sind, wodurch mithin eine eben so grosse Anzahl derselben bestimmt wird. Zieht man daher auch diese ab und ferner die Constanten, welche wirklich willkührlich seyn sollen, so bleibt 2k (k EEN ER H bt MN. REN e E a E EE wodurch die Zahl der Bedingungsgleichungen ausgedrückt wird, welche noch nothwendig zwischen den neuen Constanten stattfinden müssen, wenn u k2 nicht mehr als er. derselben willkührlich seyn sollen. Die Untersuchung kommt also darauf zurück, folgenden Satz zu beweisen: Wenn man aus den E Elementenreihen mit je 2% Gliedern Aa bau... haka Ans h22 . . - hok bur bart... hakk alle Determinanten von der Form 62 M. A. STERN, hr 1 h., . . hr i u chan vi E kia i: e... A bildet, indem man statt rı, ro ... rą alle Combinationen der ten Classe aus den Elementen 1,2... 2% nimmt, so kann man immer k? — 1 die- ser Determinanten auswählen, so dass, wenn deren Werth als bekannt voraus gesetzt wird, sich daraus der Werth der übrigen ergiebt: 4. Dieser Satz ist aber in folgendem allgemeineren enthalten, welcher nun bewiesen werden soll. Bezeichne» irgend eine ganze Zahl, die > k ist und man habe die k Elementenreihen hıı ha, en A c) Aus ha... An, hik bak - - Kr Bildet man nun aus denselben alle Determinanten von der Form B) in- dem man statt rı T2 ... rs alle Combinationen der Akten Klasse aus den Elementen 1,2... n setzt, so kann man immer aus den gegebenen Werthen von Ein — k) + 1 dieser Determinanten, die Werthe aller übrigen finden. Zur Abkürzung bezeichne ich die Determinante B) durch (rı r2 ... rk) und nenne dies eine Kterne aus den Elementen ry fo ... rk und insofern statt rı ro .. . rk alle Combinationen zur kten Klasse aus den Elementen 1,2, ... n gesetzt werden sollen, sage ich: es sollen alle Kternen aus den Elementen 1,2... n gebildet werden. Ist k = 2 so soll (rı r2) eine Ambe heissen, ebenso In ro rz) eine Terne, (rı ro r3 r4) eine Quaterne u. s» w. Ein Missverständniss kann hieraus nicht ent- stehen, insofern von Kternen, im gewöhnlichen combinatorischen Sinne des Wortes, nicht die Rede seyn wird. In dieser Weise ausgedrückt, ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG 63- heisst also der zu beweisende Satz: Wenn man aus den Elementen ~ 1,2 .. n alle Kternen bildet, so kann man aus den gegebenen Werthen E yon k(n—k) + 1 dieser Kternen die Werthe der übrigen finden. Man bemerke noch, dass wenn die Elemente ri zz. in der Kterne In r2..rr) ihre Plätze vertauschen, der Werth der Kterne entweder derselbe bleibt, oder in den entgegengesetzten übergeht, und dass die Kterne Null wird, wenn zwei Elemente einander gleich sind. 5. Die Grundlage des Beweises bildet der bekannte Satz: Wenn Be man aus den zwei Determinanten ii dı2... Min = ka dai 42,2 ... A2n An,ı An? .. . Ann und bi, ba... bin 5 Dia bas. -bia = Bir Us cha neue Determinanten bildet, nemlich die Determinante tı aus R dadurch, dass man die ste Verticalreihe von R durch die erste von S ersetzt, und. die Determinante «1; aus $ dadurch, dass man die erste Verticalreihe von § durch die ¿te von R ersetzt, so ist himi F aim: F bwi ia = SREL Le *) Man vergl. Baltzer Theor. u. Anwend. der Determinanten 2. Aufl., $. 3, 11. 64 M. A..STERN, Man habe nun die zwei Determinanten ħi bs ee ku ha,ı h22 . . . Bai Ai Ara, . - Ark Ara Aua, - Artık hk+2,1 Ass... ħk+2,k SS Aan: Mke ... Bai von welchen, nach der oben eingeführten Bezeichnung, die erste durch (1,2... k) die zweite durch k+1,4-+2,... 2k) ausgedrückt wird, so ist nach diesem Satze D) (k+12,3..k)(1,4+2,k+3...2%)+(1,4+1.3,4...k) (2,5+2,k+3,...2%)+.... +[1,2..k—1,k+1) (k,k+2,k+3,..2k) = (1,2 ... k) (k+1,k+2, .. 2%). Man setze in dieser Gleichung 2k = 1, 2k — 1 = 2 u. s. w. schliess- lich noch k + 3 = k — 2. Auf der linken Seite wird durch die An- nahme 2k — 1 das erste Glied — 0, durch die Annahme 2k — 1 = 2 wird das zweite Glied = 0 u. s. w. Es bleibt daher die Gleichung (1,2, ...k—2, k +1,k) (k—1, k+ 2, k+3,...2k) + (1,2, ...k—1, k +1) (k, k+2, k+ 3... 2k) ss ULB, IK LEES SR oder ERC E EE EE E EE E EI E H HR a = (1,2...K(k+1,k+2,k—2,...2,1). Insofern nun, wie schon oben bemerkt wurde, wenn in diesen Aus- drücken die Elemente ihre Stellen vertauschen, dies nur eine Aende- ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 65 fung des Zeichens. nicht aber des absoluten Werthes, bewirken kann, Pi so giebt mithin diese Gleichung einen Zusammenhang zwischen den sechs Kternen (1,2,..5—2,k—1,k, (1,2, ...k—2, k —1,k + 1), (1,2, ...k—2,k—1, k+ 2), (1,2,...k— 2, kk + 1), (1,2...k—2, k,k + 2), (1.2..k—2,k + 1,k + 2 so dass, wenn man die fünf ersten kennt, man daraus die sechste finden kann. Dies soll durch die symbolische Gleichung K [(1,2,...k—2,k—1,8),(1,2..%—2,k—-1,k+1), (1,2,..k-2,k_1,k42), (1,2... k — 2, k, k +1), (1, 2, ...k—2, k, k+2]=|(1l, 2, k — 2,k+1, k+ 2) ausgedrückt werden. Im Folgenden kommt es zunächst nur darauf an zu zeigen, dass man aus gewissen gegebenen Kternen gewisse andere finden kann, nicht aber die nöthigen Rechnungen wirklich auszuführen. Zu diesem Zwecke ist die Gleichung F), welche die Grundgleic hung heissen soll, besonders geeignet. Will man dagegen die Rechnungen wirklich ausführen, so muss man die Gleichung E) anwenden. Dass man in der Reduction der Gleichung D) nicht weiter als bis zur Glei- chung E) zurückgehen kann ist klar, denn würde man nchk +2 —=k— 1 setzen, so würde die letztere Gleichung identisch Null werden. 6. Sey zuerst n — k + 2; es soll nun gezeigt werden, dass man alle übrigen Kternen aus den Elementen 1,2... + 2 vermittelst 2k +4 1 dieser Kternen. deren Werthe gegeben sind, finden kann. In jeder Kterne aus den Elementen 1,2... k + 2 kommen ent- weder die Elemente EE + 1, k + 2 einzeln vor, oder ihre Verbin- dungen zu zweien oder alle drei zugleich. Man kann daher diese sämmt- lichen Kternen in drei Klassen theilen, nemlich 1) in solche, in welchen nur eines der Elemente k, k + 1, k + 2 oder zugleich k und k + 1 oder k undk + 2 vorkommt, 2) in solche, in welchen zugleich k + 1, k + 2 aber nicht k vorkommt, 3) in solche, in ‘welchen zugleich die Mathem. Classe. Xll. I 66 M. A. STERN, = drei Elemente k,k + 1, k + 2 vorkommen. Die erste Klasse ent- hält also die Kternen, in welchen entweder die Elemente 1,2,... k— 1 mit den einzelnen Elementen %,k + 1, k + 2 oder die Combinationen der k — 2ten Klasse aus den Elementen 1,2, ... k — 1 mit den Ele- . mentenpaaren KE + 1 oder Ek 2 verbunden sind. Man kann da- her auch sagen, dass die erste Klasse aller Kternen enthält, in welchen nicht zugleich die zwei Elemente k + 1, k + 2 vorkommen. | Die zweite Klasse enthält alle Kternen, in welchen die Combina- tionen der k — 2ten Klasse aus den Elementen 1,2,...k— 1 mit dem Elementenpaare k + 1, k + 2 verbunden sind, und mithin die zwei ersten Klassen zusammengenommen alle Kternen, in welchen ent weder die Elemente 1,2 ... k — 1 mit den einzelnen Elementen k, k+ 1, 2 k + 2 oder die Combinationen der k — 2ten Klasse aus 1, 2...k— 1 mit den Combinationen der zweiten Klasse aus $, k + 1, k + 2 ver- bunden sind. Die Kternen der ersten Klasse werden als gegeben angenommen, ihre Anzahl ist 3 + 2 (k — 1) = 2 k + 1. In der Grundgleichung F) sind mithin die fünf auf der linken Seite stehenden Kternen bekannt. Denn in drei derselben sind die Elemente 1,2...% — 1 mit den einzelnen Elementen k, k + 1, k + 2 ver- bunden, und in den zwei anderen die Elemente 1,2, .. . k — 2 mit den Elementenpaaren k, k -+ 1 und k, k + 2. Vertauscht man in dieser Gleichung allmälich das Element k — 1 mit einem der Elemente 1,2 ... k—2 so erhält man k— 2 neue Glei- chungen. Diese enthalten wieder die drei Glieder, in welchen die Ele- mente 1,2... k— 1 mit den einzelnen Elementen k, k +1, k +2 ver- bunden sind, unverändert. Dagegen erhält man nun statt der Elemente -1,2 ... k — 2, welche in den zwei anderen Gliedern vorkommen, alle übrigen Combinationen der k — 2ten Klasse, die sich aus 1,2, ...k— 1 bilden lassen und mithin statt der zwei Kternen der Grundgleichung, in welchen 4,k—+-1 und 4,k-+-2 vorkommen, die Kternen, in welchen diese Elementenpaare mit den übrigen Combinationen der k — 2ten Klasse aus 1,2... k — 1 verbunden sind. Die Grundgleichung und die aus ihr abgeleiteten k —2 Gleichungen zusammengenommen enthalten also ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 67 auf der linken Seite sämmtliche Kternen der ersten Klasse und nur diese. | Auf der rechten Seite der Grundgleichung steht die Kterne, in welcher die Elemente 1,2 ... k—2 mit +1, k + 2 verbunden sind, in den k — 2 abgeleiteten Gleichungen kommt daher auf der rechten Seite dieses Elementenpaar mit allen übrigen Combinationen der k—2ten Klasse aus 1,2... 4 — 1 verbunden vor. Die Grundgleichung und die aus ihr abgeleiteten Gleichungen enthalten also zusammengenommen auf der rechten Seite sämmtliche k—1 Kternen der zweiten Klasse und nur diese, so dass nemlich in jeder Gleichung eine vorkommt. Es ist mithin nachgewiesen, dass die 24 + 1 Kternen der ersten Klasse nothwendig und hinreichend sind um die Kternen der zwei- ten Klasse zu finden. Sie reichen aber auch hin, um die Kternen der dritten Klasse zu finden. In diesen letzteren sind nemlich die Combi- nationen der k — ten Klasse aus den Elementen 1,2...3—1 mit den drei Elementen k, k —+ 1, k + 2 verbunden. Nun erhält man die eine dieser Kternen, nemlich (1,2... — 3, k-+ 1% + 2) dadurch, dass man in dem auf der rechten Seite der Grundgleichung stehenden Gliede das Element k — 2 mit dem Elemente k vertauscht. Nimmt man aber auf der linken Seite der Grundgleichung dieselbe Vertauschung vor, so bleiben die dortigen Kternen entweder ungeändert, oder gehen in andere der ersten Klasse über, da die aus dieser Vertauschung ent- standenen Kternen, ebensowenig als diejenigen, aus welchen sie ent- standen sind, zugleich die Elemente k + 1 und k + 2 enthalten kön- nen. Man erhält mithin durch diese Vertauschung eine Gleichung (F') aus welcher der Werth der auf der rechten Seite stehenden Kterne 1,2... k — 3, k, k + 1, k + 2) bestimmt wird. Aus dieser Kterne werden nun aber die übrigen Kternen der dritten Klasse gefunden, in- dem man statt der Combination 1,2... k — 3 die verschiedenen an- deren Combinationen der k—3ten Klasse aus den Elementen 1,2...k—1 setzt, d. h. also indem man die Elemente 1,2... k — 1 auf gewisse Weise unter einander vertauscht. Hierdurch können aber die auf der ‚linken Seite der Gleichung (F‘) stehenden Kternen erster Klasse wieder ik o e SS SE EE ee EEE SE Wë 68 CC MERTEN nur in Kternen derselben Klasse übergehen, und es werden demnach die sämmtlichen Kternen dritter Klasse durch bekannte Grössen bestimmt. Im Vorhergehenden ist mithin nachgewiesen, dass die 2k -+ 1 Kter- nen erster Klasse nothwendig und hinreichend sind, ‘um sämmtliche übrigen Kternen aus den Elementen 1,2..% + 2 zu finden. Hierzu k = = 1 L5 EE — k+) = die an dieser Gleichungen soll das System A) heissen. Es sollen z. B. die Ternen aus den Elementen 1, 2, 3, 4, 5 gefun- den werden, d. h. also, es sind die drei Elementenreihen har... bau haha... hs, Aua bes, Ass k — Gleichungen erforderlich; gegeben und es sollen die Bedingungsgleichungen gefunden werden, welche zwischen den aus ihnen gebildeten Determinanten von der Form hr, An hr, hr,,i hr, 2 hr,,3 hr, Ära ars) stattfinden, indem man für rı rərz alle Combinationen der dritten Klasse nimmt, welche sich aus den Elementen 1, 2, 3, 4, 5 bilden lassen. Hier ist k = 3 und die 7 Ternen (123), (124), (125), (134), (135), (234), (235) bilden die erste Klasse und werden als bekannt angenommen. Die Grundgleichung ist (123), (124), (125),.(134), (135) — (145). Indem man in derselben 1 mit 2 vertauscht, erhält man (123), (124), (125), (234), (235) — (245) hierdurch sind die zwei Ternen (145), (245) bestimmt, welche die zweite ‚Klasse bilden. Vertauscht man ferner in der Grundgleichung das Ele- ment 1 mit dem Elemente 3 so erhält man (123), (234), (235), (134), (135) — (345) ` nn un ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG 69 wodurch die Terne (345), die hier allein die dritte Klasse ausmacht, bestimmt wird. Hier finden also zwischen den 10 Ternen drei Bedin- gungsgleichungen statt. T. Hat man noch ein Element k + 3 so können alle übrigen Kter- nen aus den Elementen 1,2...% + 3 vermittelst 3k -+ 1 dieser Kternen, welche man als gegeben annimmt, gefunden werden. Man setze nemlich diejenigen Kternen als bekannt voraus, in welchen nur eines der Elemente k, k+1, k + 2, k + 3 oder zugleich eines der Paare k, k + 1; k, k + 2; k, k + 3 vorkommt. Der Inbegriff die- ser Kternen bildet wieder die erste Klasse, welche also alle Kternen umfasst, in welchen nicht zugleich zwei der drei Elemente k+1, k+2, k + 3 vorkommen. Ihre Anzahl ist offenbar 4+3 (k— 1) = 3k+ 1. In die zweite Klasse gehören dagegen die Kternen, in welchen zwei der drei Elemente k + 1, k + EA? zugleich vorkommen, während sie das Element A nicht enthalten. Die erste und zweite Klasse zusam- mengenommen enthalten also alle Kternen, in welchen die Elemente k, k + 1, k + 2, k + 3 einzeln oder zu zweien verbunden vorkom- men. In die dritte Klasse gehören alle Kternen, in welchen die Ele- mente k, k + 1, k + 2, k + 3 zu dreien verbunden vorkommen; die Kternen dagegen, in welchen alle vier vorkommen, bilden die vierte Klasse. Die erste Klasse enthält offenbar alle die Kternen, welche wir im vorhergehenden Falle, wo das Element k —+ 3 fehlte, zu dieser Klasse gerechnet haben. Ebenso ist es bei der zweiten und dritten Klasse, Man kann also zunächst wieder genau so, wie es dort geschehen ist, das System A) bilden. Indem man aber dann in den $ — 1 Gleichungen dieses Systems, durch welche die Kternen zweiter Klasse gefunden worden sind, das Element k + 2 mit dem Elemente k + 3 vertauscht, erhält man ein 70 M. A. STERN, neues System von k — 1 Gleichungen, in welchem auf der linken Seite alle Kternen vorkommen, welche die einzelnen Elemente 4,k+1,k+3 oder die Paare k,k+ lundk, k—+- 3 enthalten Diese sind mithin, nach unse- rer Voraussetzung, sämmtlich bekannt. Auf der rechten Seite stehen in diesen Gleichungen die Kternen, welche das Elementenpaar k -+ 1, k + 3 aber nicht das Element E enthalten und nur diese Kternen. Dieses Sy- stem von k — 1 Gleichungen soll das System B) heissen. Vertauscht man nun in diesem System das Element k + 1 mit dem Elemente k + 2 so erhält man wieder ein neues System von k — 1 Gleichungen, in welchem auf der linken Seite alle Kternen vorkommen, welche die einzelnen Elemente k, k -+ 2, k + 3, oder die Paare k, k+2_ und A,k-+-3 enthalten. ` Auf der rechten Seite stehen die Kternen, welche das Paar k + 2, k + 3 aber nicht das Element k enthalten und nur diese. Dieses System heisse das System C). Die drei Systeme A), B), C) enthalten also zusammen genommen auf der linken Seite alle Kternen der ersten Klasse und keine anderen und auf der rechten Seite alle Kternen der zweiten Klasse und keine anderen. Es ist also hiermit nachgewiesen, dass auch in diesem Falle es nothwendig und hinreichend ist, die Werthe der Ak + 1 Kternen der ersten Klasse zu kennen, um daraus die Werthe der Kter- nen der zweiten Klasse zu finden. Es sind nun noch die Werthe der Kternen en dritten und vierten Klasse zu finden. Betrachten wir zunächst die Kternen der dritten Klasse. Von diesen sind bereits, durch das System A), diejenigen gefunden, welche die drei Elemente k, k + 1, k 4+ 2 enthalten. Vertauscht man in den Gleichungen, durch welche sie bestimmt werden, das Element k + 2 mit dem Elemente k + 3, so erhält man neue Gleichungen, in welchen nun auf der rechten Seite die Kternen, welche die Verbindung k, k + 1, k + 3 enthalten, stehen; auf der linken Seite werden durch diese Ver- tauschung keine unbekannten Kternen eingeführt. Während nemlich in dem Systeme A) auf der linken Seite entweder die einzelnen Ele- mente k, k + 1, +2 oder die Verbindungen k, k + 1 und k, k + 2 vorkommen, erscheinen hier die einzelnen Elemente k, k+ 1, k—+ 3 oder œ ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 71 die Verbindungen k, k + 1 und k, k -+ 3; die entsprechenden Kternen sind also alle, da sie zur ersten Klasse gehören, bekannt. Aus diesen neuen Gleichungen, welche das System D) heissen mögen, werden daher alle Kternen gefunden, welche die Verbindung k, -k + 1, k + 3 enthalten. Vertauscht man nun in diesem Systeme k + 1 mit k +2 so erhält man ein neues System E), welches wieder auf der linken Seite nur be- kannte Kternen enthält, so dass also hierdurch die Kternen bestimmt werden, welche die Verbindung E k + 2, k + 3 enthalten. In die- sem Systeme kommen auf der linken Seite entweder die einzelnen Ele- mente k, k + 2, k + 3 oder die Verbindungen k, k + 2 undk, k-+3 vor. Vertauscht man nun noch in diesem Systeme k mit k + 1, so kommen nun auf der linken Seite entweder Kternen mit den einzelnen Elementen k + 1, k + 2, k + 3 oder mit den Verbindungen k + 1, k+ 2 -und k + 1, k + 3 vor. Von diesen Kternen gehören die einen zur ersten, die anderen zur zweiten Klasse und sind daher nun alle ` bekannt. Auf der rechten Seite stehen aber alle Kternen, welche zugleich die drei Elemente k +1, k + 2, k + 3 enthalten, die also nun ebenfalls bestimmt sind. Bezeichnet man dieses System mit F) so ist demnach erwiesen, dass durch die Systeme A), D), Ei. F) alle Kternen bestimmt sind, in welchen die Elemente E k + 1, k + 2, k + 3 zu dreien verbunden vorkommen, d. h. alle Kternen der dritten Klasse. Es sind nun noch schliesslich die Kternen zu finden, in welchen zugleich die Elemente k, k + 1, k + 2, k 4+3. vorkommen. Man be- merke, dass in dem Systeme F) eine Gleichung enthalten ist, auf deren rechten Seite die Kterne (1,2 ... k —4, k — 1, k+ 1l, k + 2, k +3) steht. In dieser Gleichung vertausche man das Element k — 1 mit dem Elemente'k. Hierdurch entsteht eine neue Gleichung, welche auf der linken Seite nur bekannte Kternen enthält. Denn von diesen Kternen gehören alle übrigen zur ersten oder zweiten Klasse, nur wo in F) die Elemente k — 1, k -4+ 1, k + 2 oder k-— 1; k + 1k +3 vorkom- men, treten jetzt die Elemente k, k + 1, k + 2 oderk, k + 1, k +3 an deren Stelle; dies giebt aber Kternen dritter Klasse, welche nun be- + 72 M. A. STERN, kannt sind. Auf der rechten Seite dieser neuen Gleichung steht die Kterne (1,2 .. . k—4, k, k + 1, k + 2, k + 3), also eine der ge- suchten, die hiermit bestimmt ist. Indem man nun allmälich statt der Elemente 1,2 .. . — 4 alle übrigen Combinationen der 4 — Arten Klasse aus den Elementen 1,2...% — 1 setzt, was also durch eine Vertauschung dieser Elemente unter einander geschieht, und mithin auf der linken Seite der neuen Gleichungen keine unbekannte Kterne ein- führen kann, erhält man sämmtliche Kternen, welche zugleich die vier Elemente k, k -+ 1, k + 2, k + 3 enthalten. Es ist mithin nachge- wiesen, dass die 34 + 1 Kternen erster Klasse nothwendig und hinreichend sind, um alle übrigen Kternen aus den Elementen. L Soana k 3 zu finden. Sr Zur Erläuterung will ich die here entwickeln, welche zwischen den Ternen aus den 6 Elementen 1, 2, 3, 4, 5, 6 statt- ‘finden. Hier ist wieder k — 3 und die 10 Ternen erster Klasse, welche als bekannt angenommen werden, sind *) 123, 124, 125, 126, 134, 135, 136, 234, 235, 236. Das System A) ist schon im vorhergehenden $ entwickelt worden. Aus den dortigen Gleichungen 123, 124, 125, 134, 135 = 145 123, 124, 125, 234, 235 — 245 folgt durch Vertauschung von 5 mit 6 das System B) 123, 124, 126, 134, 136 —= 146 123, 124, 126, 234, 236 = 246. Vertauscht man hier 4 mit 5 so erhält man das System C) 123, 126, 126, 135, 156 = 156 123, 125, 126, 235, 236 — 256, hierdurch sind die sämmtlichen Ternen zweiter Klasse en: 145, 245, 146, 246, 156, 256 gefunden. *) Zur Erleicht =... m % ee Ae ER 1 D Aus der Gleichung 123, 134, 135, 234, 235 — 345 des Systems A) folgt durch Vertauschung von 5 mit 6 123, 134, 136, 234, 236 — 346. Diese Gleichung bildet das System D). Vertauscht man in ihr 4 mit 5 so erhält man | 123, 135, 136, 235, 236 — 356. Dies ist das System E) und hieraus folgt durch Vertauschung von 3 mit 4 124, 145, 146, 245, 246 — 456 welche Gleichung das System F) bildet; in derselben kommen auf der linken Seite, die zur zweiten Klasse gehörenden Ternen 145, 146, 245, 246 vor. Durch die letzten vier Gleichungen werden die Ternen der dritten Klasse, 345, 346, 356, 456 gefunden und es finden im Ganzen zwischen den 20 Ternen aus den Elementen 1, 2, 3, 4, 5, 6 zehn Be- dingungsgleichungen statt. Wollte man statt dieser symbolischen Glei- - chungen die wirklichen, wie sie sich aus der Formel E) ergeben, auf- stellen, so wären es folgende 143 . 251 + 124.351 = 123. 451 243 . 152 + 214.352 = 213 . 452 341.253 + 324.153 — 321.453 143 . 261 + 124.361 = 123 . 461 243 . 162 + 214 . 362 — 213 . 462 153 . 261 + 125.361 — 123 . 561 253.162 + 215.362 — 213 . 562 341.263 + 324.163 — 321. 463 351.263 + 325.163 — 321. 563 451.264 + 425.164 = 421. 564 *). *) Diesen Gleichungen entsprechen bei Hesse a. a. O. p. 272 die deer 1, 6, 11,2, 7, 3, 8, 12, 13, 19. - Mathem. Classe. XIII. k - ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 73 ` EN 74 | M. A. STERN, 8. Es hat nun keine Schwierigkeiten auf den allgemeinen Fall über zu gehen. Es sollen alle Kternen aus den Elementen 1, 2... k+ n gefunden werden. Hierzu muss man als bekannt voraus setzen: erstens, alle Kternen, in welchen nur eins der Elemente k, k+1L...k—+n vorkommt, die Anzahl dieser Kternen ist n + 1, und zweitens alle Kternen, welche zugleich das Element E und eines der Elemente k + 1, kä... k + n enthalten, deren Anzahl n (k — 1) ist. Die Anzahl der als bekannt angenommenen Kternen ist mithin nk + 1; diese zu- sammengenommen bilden ‚die erste Klasse, die mithin alle Kternen umfasst in welchen nicht zugleich zwei der Elemente k+ 1, k + 2,..k+ n vorkommen. Irgend eine Vertauschung der Elemente k+ 1, k + 2..k+n \ unter einander kann also in den Kternen erster Klasse nur die Aende- rung hervorbringen, dass einige dieser Kternen in andere derselben Klasse übergehen. In die zweite Klasse sollen die Kternen gehören, in welchen zu- gleich zwei der Elemente k + 1, . . . k + n vorkommen, während sie das Element E nicht enthalten. Die Kternen, welche zugleich drei oder vier u. s. w. der Elemente k, k+ 1...kķk-4+ n (und nicht mehr) enthalten, sollen die dritte, vierte u. s. w. Klasse bilden. In der Grundgleichung F) kommen auf der linken Seite nur Kter- nen der ersten Klasse, also nur bekannte Ausdrücke vor, nemlich drei Kternen, in welchen die Elemente 1,2... k — 1 mit einem der Ele- mente k, k + 1, k + 2 verbunden sind, und zwei, in welchen die Elemente 1, 2 ... k — 2 mit k, k + 1 und mit k, k + 2 verbunden sind. Auf der rechten Seite steht die Kterne (1,2..4—2,k+1, k+ 2), die also zur zweiten Klasse gehört, und durch die Grundgleichung gefunden wird. Indem man nun statt 1, 2... k — 2 alle übrigen Combinationen der k — 2 Klasse setzt, welche sich aus den Elementen 1,2, ...k - 1 bilden lassen, erhält man aus der Kterne (1,2... k —2, k+1,k+2) alle übrigen Kternen, welche als höchste Elemente die Elemente k + 1,- k + 2 und nicht zugleich das Element k enthalten. Diese Operation entspricht aber einer Vertauschung der Elemente 1, 2 ... k — 1 unter è X ` "Se ÜBER D. BESTIMMUNG D CONSTANTEN IN D VARIATIONSRECHNUNG. 75 einander. Indem man daher diese Vertauschung in der Grundgleichung vornimmt, erhält man ein System von k — 1 Gleichungen, welches auf der linken Seite, ausser den Kternen, in welchen die Elemente 12..k—1 mit einem der drei Elemente k, k + 1, k + 2 verbunden sind, noch sämmtliche Kternen enthält, in welchen die Combinationen der k — 2ten Klasse aus 1,2... — 1 mit den Paaren k, k + l1oderk, k + 2 verbunden sind, während auf der rechten Seite alle die Kternen zweiter Klasse erscheinen, in welchen zugleich die Elemente k + 1 und k +2 vorkommen, die also aus diesen Gleichungen gefunden werden. Der In- begriff dieser Gleichungen soll das System A) heissen. Vertauscht man in diesem Systeme k + 2 mit k + 3 so erhält man ein neues System As) in welchem nun auf der linken Seite alle Kternen vorkommen, die neben den Elementen 1, 2,.. . k — 1 das Element k + 3 und neben den Combinationen der k — 2ten Klasse aus l1, 2... k — 1 zugleich das Paar k, k + 3 enthalten, welche sämmtlich bekannt sind. Man bestimmt daher durch dieses System die nun auf der rechten Seite befindlichen Kternen, in welchen die Combi- nationen der k — 2ten Klasse aus 1,2...%— 1 mit dem Paare k+ 1, k + 3 verbunden sind. Vertauscht man in diesem Systeme k + 3 mit k + 4 so erhält man ein neues System Az) durch welches die Kternen bestimmt werden, in welchen die Combinationen der k — 2ten Klasse aus 1, 2... k — 1 mit k + 1, k + 4 verbunden sind. In- dem man so fortfährt, also schliesslich das Element k + n — 1 mit dem Elemente k -+ n vertauscht, erhält man n Systeme von je k — 1 Gleichungen, in welchen auf der linken Seite alle als bekannt ange- nommenen Kternen und nur diese vorkommen, während auf der rech- ten Seite alle Kternen stehen, welche zugleich k + 1 und eines der Elemente k + 2, k + 3; . ... k + n enthalten. Vertauscht man nun ferner in dem Systeme A,) die Elemente k+1 und k + 2 so erhält man ein neues System, in welchem auf der rechten Seite die Kternen vorkommen, welche die Combinationen der k — 2ten 2 Klasse aus 1, 2... k — 1 und das Paar k + 2, k + 3 enthalten, während auf der linken Seite nur Kternen der ersten Klasse vorkommen. K2 76 M. A.STERN, Dieselbe Vertauschung auf As) angewandt, führt zur Kenntniss der Kter- nen, in welchen die Combinationen der k—2ten Klasse aus 1,2..k—1 mit k + 2, k + 4 verbunden sind. Indem man so fortfährt, findet man aus allen den Systemen Au A2) u. s. w. zusammengenommen, sämmt- liche Kternen, in welchen die Combinationen der k — 2ten Klasse aus 1,2 ...k — 1 mit den Combinationen der zweiten Klasse aus k- 1,. k +n verbunden sind, d. h. also alle Kternen der zweiten Klasse. Die sämmtlichen Gleichungen der Systeme Aı), As) u. s. w. ent- halten auf der rechten und linken Seite zusammengenommen, sämmt- liche Kternen, in welchen die Elemente k, k 4+ 1... k + n entweder einzeln oder paarweise verbunden vorkommen. Der Inbegriff aller dieser Gleichungen soll das System 5 heissen. Um nun zunächst die Kternen zu finden, in welchen zugleich die Elemente k, k + 1, k -+ 2 und keine höheren vorkommen, nimmt man aus dem Systeme S die Gleichung, welche auf der rechten Seite die Kterne enthält, in der ‚die Elemente 1,2... — 3 mit den drei Ele- menten k — 1, k + 1, k + 2 verbunden sind und vertauscht in der- selben k—1 mitk, wodurch man die Kterne (1,2, ...k—3, k, k+1,k-+2) erhält. Die auf der linken Seite dieser neuen Gleichung erscheinenden Kternen sind alle unter den ursprünglich als bekannt angehommenen der ersten Klasse enthalten und mithin auch die Kterne (1,2,... Kë k, k + 1, k + 2) bekannt. Indem man nun statt L2: A 3 alle übrigen Combinationen der k — 3ten Klasse aus den AE 1l, 2, ... k — 1 setzt, was also auf eine Vertauschung dieser Elemente unter einander zurück kommt, und mithin auf der linken Seite der Glei- chungen nur bekannte Kternen der ersten Klasse einführt, findet man sämmtliche Kternen, in welchen k, k + 1, k 3 die höchsten Ele- mente sind. Setzt man nun statt k + 1, k + 2 alle übrigen Verbin- dungen zu zweien, die sich aus den Elementen k + 1, k+ 2, ...k +n bilden lassen, wodurch mithin wieder auf der linken Seite der cken gen nur bekannte Kternen der ersten Klasse eingeführt werden, so fin- det man alle Kternen, in welchen als höchste Elemente k und irgend / ein aus den Elementen k + 1,...k -+ n gebildetes Paar vorkommen. ÜBER D. BESTIMMUNG D CONSTANTEN,. IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 77 Man nehme jetzt die Gleichung, in welcher auf der rechten Seite die Kterne (l, 2.. k — 3, k, k + 2, k + 3) vorkommt und ver- tausche k mit %41, wodurch man die Kterne (1,2, ... k —3, k +1, k+2, k+ 3) erhält. Auf der linken Seite werden hierdurch Kternen eingeführt, welche neben Elementen aus der Reihe 1, 2, .. . k — 1; noch Paare k+ 1, k + 2 und k + 1, k + 3 enthalten, während das Element k nicht vorkommt. Diese Kternen gehören aber in die zweite Klasse und sind mithin schon bekannt, folglich auch die Kterne (1,2... k — 3, k+ 1, k +2, k -4+ 35). Indem man nun statt 1, 2... k —- 3 alle übrigen Combinationen der k — 3ten Klasse aus den Elementen 1,2 ...k —1 setzt, erscheinen auf der linken Seite wieder nur bereits bekannte Kter- nen, auf der rechten Seite aber alle Kternen, welche aus den Combina- tionen der k — 3ten Klasse aus den Elementen 1, 2... k — 1 und den Elementen k+ 1, k+2, k+3 gebildet sind. Diese letzteren Kternen sind demnach nun alle bekannt. Setzt man ferner statt der drei Ele- mente k + 1, k + 2, k + 3 alle übrigen Combinationen zu dreien, die sich aus den Elementen k + 1,... k +n bilden lassen, so kom- men auf der linken Seite der hierdurch entstehenden Gleichungen Kter- nen vor, welche zwar Verbindungen zu zweien aber keine höheren Ver- bindungen aus diesen Elementen und auch nicht das Element k enthal- ten, d. h. Kternen, welche zur zweiten Klasse gehören und daher be- kannt sind, und neben diesen nur Kternen der ersten Klasse. Mithin sind auch die auf der rechten Seite stehenden Kternen bekannt, d. h. alle, welche zur dritten Klasse gehören. Das System aller Gleichun- gen, durch welche diese Kternen bestimmt werden, heisse das System S. Um nun die Kternen der vierten Klasse zu finden, geht man von der im Systeme Ş enthaltenen Gleichung aus, in welcher auf der rechten Seite. die Ktene A, 2 ,.. — 4 3 l, k + 1, k+ 2, k + 3) steht. Auf der linken Seite dieser Gleichung kommen nur Kternen vor, die in die erste oder zweite Klasse gehören. Man vertausche nun in” dieser Gleichung k — 1 mit k; auf der linken Seite werden hierdurch Kternen eingeführt, welche neben dem Elemente k noch Paare von hö- heren Elementen enthalten, diese Kternen sind aber nun bekannt, da 78 MA STERN, sie zur dritten Klasse gehören, und man kennt daher auch die Kterne Be re kn k + 1, k + 2, k- 3) welche nun auf der rech- ten Seite steht. Nimmt man jetzt statt 1,2... — 4, die übrigen Combinationen der E — 4ten Klasse aus den Elementen 1,2, ... k— 1, so findet man alle Kternen, in welchen k, k + 1, k -+ 2, k + 3 als höchste Elemente vorkommen. Setzt man aber in den so gebildeten Gleichungen statt der drei Elemente k + 1, k + 2, k + 3 alle übri- gen Combinationen der dritten Klasse aus den Elementen k+ 1, k+ 2 ... k4 n, so erscheinen in den hierdurch entstehenden Gleichungen ` auf der linken Seite keine Kternen, welche zu einer höheren Klasse als zur dritten gehören und man findet demnach, vermittelst dieser Gleichun- gen, alle Kternen, in welchen als höchste Elemente k und irgend eine Verbindung zu dreien aus den Elementen k + 1... k + n vorkommt. Man nimmt nun die Gleichung, in welcher auf der rechten Seite die Kteme (1, 2, . . . k — 4, k, k+ 2, k + 3, k + 4) steht und vertauscht die Elemente k und k + 1 mit einander. Auf der linken Seite werden hierdurch wieder nur Kternen, welche zur dritten Klasse gehören, eingeführt, auf der rechten Seite erhält man die Kterne (E 2. E 4, k+ 1, k 4+2, k+ 3, k+ 4. Indem man nun statt 1, 2... k — 4 alle Combinationen der Klasse k — A ans den Elementen 1,2... k— 1 setzt und zugleich statt +1, k+2, k+ 3, k+4 alle Combinationen der vierten Klasse, welche sich aus k + 1... k+ n bilden lassen, findet man schliesslich alle Kternen, die sich aus den Combinationen der k — 4 Klasse aus den Elementen 1, 2... k — 1, und den Combinationen der 4ten Klasse aus den Elementen k, k+1,..k+n zusammen setzen lassen, d. h. also alle Kternen der vierten Klasse, da in allen hierzu erforderlichen Gleichungen auf der linken Seite nur bekannte Kternen vorkommen. | Man sieht wie sich nun, indem man immer dasselbe Verfahren ` beobachtet, aus den bekannten Kternen der vierten Klasse wieder die Kternen der fünften Klasse, d. h. also diejenigen in welchen die Com- binationen der Klasse k — 5 aus 1, 2..% — 1 mit den Combinationen der 5ten Klasse EE +1... k + n verbunden sind, finden lassen, und ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG 79 dass man überhaupt, immer so weiter gehend, alle Kternen aus den Ele- menten 1, 2... k + n, vermittelst der als bekannt vorausgesetzten kn + 1 Kternen der ersten Klasse finden kann. Setzt man nun z statt n + k also n — k statt n, so folgt, dass man alle übrigen Kternen aus den Elementen 1,2...» vermittelst der als bekannt vorausgesetzten k(a—k) +1 Kternen der ersten Klasse finden kann, welche jetzt alle Kternen umfasst, die entweder die Ele- mente k, k + 1,. .. n einzeln, oder das Element E und zugleich eines der Elemente k + 1, k + 2, ... n enthalten. Hiermit ist der in § A ausgesprochene Satz bewiesen. Setzt man aber n — 2k, so werden dem- nach alle übrigen Kternen aus den Elementen 1,2... 2% vermittelst der als bekannt vorausgesetzten 42 + 1 Kternen der ersten Klasse ge- funden, was mit dem am Ende des $ 3 ausgesprochenen Satze über- einstimmt. In $ 6 wurde zuerst n = k + 2 gesetzt, der allgemeine Satz des § 4 behält aber auch noch seine Geltung wenn n = k + 1 oder n = k. Ist n = k + 1l so istk (r — k) + 1 = k + 1; in diesem Falle sol- len alle Kternen aus den Elementen 1,2... k -+ 1 gebildet werden, ihre Anzahl ist k 4+ 1, sie gehören aber alle in die erste Klasse, da in einer jeden entweder die einzelnen Elemente E und k + 1 oder beide zugleich vorkommen müssen, d. h. also in diesem Falle lässt sich keine Kterne aus anderen als bekannt vorausgesetzten berechnen, sie müssen vielmehr alle gegeben seyn. Ita — k so ist k (a — k) + 1 = l; in diesem Falle hat man aber auch nur eine einzige Kterne. 9. Man hat bis jetzt die Bedingungsgleichungen, welche zwischen den Kternen aus 2% Elementen statt haben nur bis zu k = 3 entwickelt. Um die leichte Anwendung der im Vorhergehenden besprochenen Me- thode noch an einem Beispiele zu zeigen, will ich die Bedingungsglei- chungen für k = 4 entwickeln, wo es sich also um die Quaternen aus 23 Y3, Y4) Hier müssen die 17 Quaternen erster Klasse 1234, 1235, 1236, 1237, 1238, 1245, 1246, 1247, 1248, 1345, 1346, 1347, 1348, 2345, 2346, 2347, 2348 gegeben seyn und es müssen aus ihnen die 53 übrigen Quaternen durch ebensoviel Bedingungsgleichungen gefunden werden. Die Grundgleichung 1234, 1235, 1236, 1245, 1246 — 1234, 1235, 1236, 1345, 1346 = , 2346 2348 3 u. die u zweiter Klasse gefunden sind. Man hat ferner . Dies entspricht mithin dem Falle 1256 1356 ‚1246, 1345, 1346 — 1456 ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 81 20) 1234, 1245, 21) 1234, 1345, 22) 1234, 1245, 23) 1234, 1245, 24) 1234, 1345, 25) 1234, 1245, 26) 1234, 1245, 27) 1234, 1345, 28) 1234, 1246, .29) 1234, 1246, 30) 1234,.1346, 31) 1234,.1246, 32) 1234, 1246, 33) 1234, 1346, 34) 1234, 1247, 35) 1234, 1247, 36) 1234, 1347, 37) 1234, 1256, 38) 1234, 1256, 39) 1234, 1356, 40) 1234, 1256 41) 1234, 1256, 42) 1234; 1356, 43) 1234, 1257, 44) ‚1234, 1257, 45) 1234, 1357, 46) 1234, 1267, a7) 1234, 1267; 48) 1234, 1367, hierdurch sind die Quaternen : Klasse vor. = Mathem. Classe. XII. 1246, 2345, 1346, 2345, 1247, 1345, 1247, 2345, 1347 , 2345, 1248, 1345, 1248, 2345, 1348, 2345, 1268, 1367, 1268. 2367, 2346 2346 1347 2347 2347 1548 2348 2348 1347 2347 2347 1348 2348 2348 2368 1368, 2367, 2368 dritter Klasse bestimmt; in den Gleichun- gen 37 bis 48 kommen auf der linken Seite auch Quaternen zweiter 2456 82 M.A.STERN, Nun hat man noch um die Quaternen vierter Klasse zu bestimmen (aus Gleichung 39) die folgenden fünf Gleichungen, in welchen auf der linken Seite auch Quaternen dritter Klasse vorkommen, nemlich 49) 1234, 1456, 1457, 2456, 2457 — 4567 50) 1234, 1456, 1458, 2456, 2458 — 4568 51) 1234, 1457, 1458, 2457, 2458 — 4578 52) 1234, 1467, 1468, 2467, 2468 — 4678 53) 1235, 1567, 1568, 2567, 2568 — 5678. 10. In der Gleichung D) besteht jedes Glied aus zwei Faktoren; in. dem zweiten Faktor aller Glieder kommen gleichmässig die Elemente k + 2, k + 3,... 2% vor, welchen aber noch in den einzelnen Glie- dern die einzelnen Elemente 1, 2, ... k + 1 voran gehen. Setzt man daher jede der k + 1 Grössen LI) ha,ı ee ħk+1,1 der Einheit gleich und ferner hk+a1—0 ipes zl ht = O hrpa = O hass = 1 har,ı SCH har,2 SS hək k—1 = D hkk = so ist nun jede Kterne von der Form Je, k +2, k+3,... 2k) — 1 so bald œ eine der Zahlen 1, 2,...% +- 1 bedeutet. Unter diesen Voraussetzungen geht also D) in (k+1,2,3,..)+(1,%+1,3,4..)+(12,54+145..4...+(12,...—L&+1) | nr S | über, was durch die symbolische Gleichung o Dä AIS k- LEI. (134.661) = 8,3...6,%4+1) ausgedrückt werden soll. ÜBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D. VARIATIONSRECHNUNG. 83 Diese Gleichung gilt also immer, sobald die Elemente Au: Aen... hr+1,ı der Einheit gleich sind, während die übrigen darin erscheinenden Elemente jeden beliebigen Werth haben können. Setzt man noch ausser- ` dem Ar+2,ı — 1 so gilt diese Gleichung mithin auch dann noch, wenn man in derselben k + 1 statt Ak setzt, u. s. w. Zugleich behält die Gleichung F), da sie für jeden Werth der Elemente statt hat, auch unter den gegenwärtigen Voraussetzungen, ihre Gültigkeit. Hieraus ergiebt sich folgender Satz: Wenn man aus den k Elementenreihen C) alle Determinanten von der Form B) bildet, wie in $ 4, es ist aber zugleich allgemein Me wo m eine der Zahlen 1,2... n bedeutet, so findet man aus den Werthen von (k — 1) (n — A) + 1 dieser Determinanten, welche man als gegeben voraus setzt, die Werthe aller übrigen, so dass man also in diesem besonderen Falle (a — k) Determinanten weniger zu kennen braucht, als im allgemeinen Falle. Es folgt dies unmittelbar daraus, dass man jetzt, vermittelst der Gleichung G), wenn man die auf der linken Seite stehenden Determinanten kennt, daraus die n — k Deter- minanten (3, 3,..k— 1,4,k+1,8,3..k— LA + 1443) EE (2, 3... k — 1l, n — 1, n) findet, und daher ebensoviel De- terminanten weniger als bekannt voraus zu setzen braucht. In der That ist es hier nur nöthig, dass man ausser der Kterne (1, 2 .. E noch die Kternen kennt, in welchen das Element 1 mit den Combinationen . der k — 2 Klasse aus den Elementen 2, 3, ... k — 1 und einem der Elemente k + 1,... n verbunden ist, was im Ganzen (k — 1) (n—k) + 1 Kternen giebt. . Ist k = 3 so dass C) aus den drei Reihen Bis Ma o: Mi Aua bas... Ana Aus Res . . Ans besteht, so braucht man daher von den Determinanten der Form (rı ro rz) d. h. der Form CR E `» 84 M: A. STERN, l bka Ars 1 hr,,2 hr,,3 1 hea hrs | nur 2n — 5 zu kennen, um die übrigen zu finden. Hat man also n Punkte in einer Ebene, von welchen nicht 3 in einer geraden Linie liegen und die durch die Zahlen 1,2...n be- zeichnet werden mögen, und drückt Am, die Abscisse und #m, die Ordi- nate des Punktes m aus, auf ein rechtwinkliges Coordinatensystem bezo- gen, so bedeutet (rırarz) den doppelten Flächeninhalt des Dreiecks, wel- ches zwischen den Punkten e. e.r: liegt (abgesehen vom Zeichen). Setzt man fürrı rar: sämmtliche Combinationen der dritten Klasse, welche sich aus den Elementen 1,2...» bilden lassen, so drücken die entsprechenden Determinanten den doppelten Flächeninhalt der verschiedenen Dreiecke aus, die man erhält, indem man je drei der Punkte 1,2... n als die Spi- tzen eines Dreiecks betrachtet. Aus dem als bekannt vorausgesetzten Werthe der Flächeninhalte von 2n — 5 dieser Dreiecke kann man also den Inhalt jedes der übrigen finden. Ist ferner k — 4 so dass C) aus den vier Reihen Mi h . 0. Anı bs ha... Am Ms is. -h hia haa- .. hng besteht, so muss man von den Determinanten (Fi ra rs ra) = | Lia ha hal 1 Aa ba hra Lhe hra hryg l 1 h,,2 hrs hr,4 3n — 11 kennen, um die übrigen zu finden. Hat man nun die » Punkte 1, 2, . . . n im Raume, von welchen UBER D. BESTIMMUNG D. CONSTANTEN IN D VARIATIONSRECHNUNG. 85 nicht 4 in einer Ebene liegen und sind hm? Am Ama die drei recht- winkligen Coordinaten des Punktes m, so bedeutet Im f2 r3 r4) „den sechsfachen Inhalt des Tetraeders, dessen Ecken die Punkte T1, T2, f3, T4 sind (abgesehen vom Zeichen). Indem man also für rı f2 r3 r} sämmt- liche Combinationen der 4ten Klasse aus den Elementen I2 209 nimmt, drücken die entsprechenden Determinanten den sechsfachen In- halt der Tetraeder aus, deren Ecken je vier beliebige der » Punkte sind. Aus dem als gegeben vorausgesetzten Werthe der Inhalte von 3n — 11 dieser Tetraeder findet man also den Inhalt jedes der übrigen. Diese zwei geometrischen Sätze hat schon Moebius gefunden *). ER Wenn man aus einer Determinante Mias- o Mr H = ee | ħin ha,n IE. Ban | die sämmtlichen Unterdeterminanten vom Grade k bildet, welche mit- hin in der Form Är, Än SE KI | | rsp bot. > Bez | enthalten sind, wo man sowohl für W is... a Wie h alle Combinationen der kten Klasse aus 1,2... n zu setzen hat, so n.n—1...n—k-1 | ist deren Anzahl ek ' die bestimmte Combination 1,2..% so heisst dies, man bildet alle Determinanten vom Grade E aus den Elementenreihen hıı E De Ti 2 ) - Nimmt man nun für 81,82... sk Mik har... kak *) Der barycentrische Calcul $ 164 und § 167. 5 Non kann man aus k (n — k) + 1 dieser Determinanten alle übrigen finden. Da nun dasselbe gelten muss, wenn man irgend eine -andere Combination für sı 82 ... są setzt, so folgt hieraus dass man aus # rl a a : E s 13 -- SS + gl gegebenen Unterdetermi- nanten des Grades k der Determinante R T übrigen Unterdeterminan- w a= ahn] ten dieses Grades finden kann. Ueber die Darstellbarkeit einer Function durch eine : trigonometrische Reihe. Von B. Riemann. Aus dem Nachlass des Verfassers mitgetheilt durch R. Dedekind D Der folgende Aufsatz über die trigonometrischen Reihen besteht aus zwei wesentlich verschiedenen Theilen. Der erste Theil enthält eine Geschichte der Untersuchungen und Ansichten über die willkührlichen (graphisch gegebenen) Functionen und ihre Darstellbarkeit durch trigono- metrische Reihen. Bei ihrer Zusammenstellung war es mir vergönnt, einige Winke des berühmten Mathematikers zu benutzen, welchem man die erste gründliche Arbeit über diesen Gegenstand verdankt. Im zwei- ten Theile liefere ich über die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische Reihe eine Untersuchung, welche auch die bis jetzt noch unerledigten Fälle umfasst. Es war nöthig, ihr einen kurzen Aufsatz über den Begriff eines bestimmten Integrales und den ‚Umfang seiner Gültigkeit voraufzuschicken. *) Diese Abhandlung ist im Jahre 1854 von dem Verfasser behuf seiner Habilitation an der Universität zu Göttingen der philosophischen Facultät eingereicht. Wiewohl der Verfasser ihre Veröffentlichung, wie es scheint, nicht beabsichtigt hat, so wird doch die hiermit erfolgende Herausgabe derselben in gänzlich ungeänderter Form sowohl durch das hohe Interesse des Gegenstandes an sich als durch die in ihr niedergelegte Behandlungsweise der wichtigsten Prineipien der Infinitesimal- Ana- lysis wohl hinlänglich gerechtfertigt erscheinen. Braunschweig, im Juli 1867. R. Dedekind. 88 | BD RIEMANN, Geschichte der Frage über die Darstellbarkeit einer willkührlich gegebenen Function durch eine trigonometrische Reihe. FE Die von Fourier so genannten trigonometrischen Reihen, d. h. die Reihen von der Form a sin x + a sin Ze + az sin 3z +.. Ib + bı cos r + bz cos 2r + bz cos 3e +... spielen in demjenigen Theile der Mathematik, wo ganz willkührliche Func- tionen vorkommen, eine bedeutende Rolle; ja, es lässt sich mit Grund behaupten, dass die wesentlichsten Fortschritte in diesem für die Physik so wichtigen Theile der Mathematik von der klareren Einsicht in die Natur dieser Reihen abhängig gewesen sind. Schon gleich bei den ersten mathematischen Untersuchungen, die auf die Betrachtung will- kührlicher Functionen führten, kam die Frage zur Sprache, ob sich eine solche ganz willkührliche Function durch eine Reihe von obiger Form ausdrücken lasse. Es geschah dies in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bei Gele- genheit der Untersuchungen über die schwingenden Saiten, mit welchen sich damals die berühmtesten Mathematiker beschäftigten. Ihre Ansich- ten über unsern Gegenstand lassen sich nicht wohl darstellen, ohne ` auf dieses Problem einzugehen. Unter gewissen Voraussetzungen, die in der Wirklichkeit näherungs- weise zutreffen, wird bekanntlich die Form einer gespannten in einer Ebene schwingenden Saite, wenn = die Entfernung emes unbestimmten ihrer Punkte von ihrem Anfangspunkte, y seine Entfernung aus der Ruhelage zur Zeit € bedeutet, durch die partielle er. bestimmt, wo œ von f und bei einer überall gleich dicken Saite von = unabhängig ist. ÜB. D. DARSTELLBARR. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 89 Der erste, welcher eine allgemeine Lösung dieser Differentialglei- chung gab, war d'Alembert. Er zeigte !), dass jede Function von æ und ¢, welche für y gesetzt, die Gleichung zu einer identischen macht, in der Form Tee kete-—ef enthalten sein müsse, wie sich dies durch Einführung der unabhängig veränderlichen Grössen z + et, z — et anstatt x, t ergiebt, wodurch dy dy L fy. d (x + æt) dè m o ded übergeht. Ausser dieser partiellen Differentialgleichung, welche sich aus den allgemeinen Bewegungsgesetzen ergiebt, muss nun y noch die Bedin- gung erfüllen, in den Befestigungspunkten der Saite stets — 0 zu sein; man hat also, wenn in dem einen dieser Punkte z — 0, in dem andern RR Pe lz — g (+ el, (l+ a) — gie und folglich We — 9 (— a} = — o (l (l+ a ze f DÉI 5 y = f (t + z) — f (et — a) Nachdem d’Alembert dies für die allgemeine Lösung des Problems geleistet hatte, beschäftigt er sich in einer Fortsetzung ?) seiner Abhand- lung mit der Gleichung f (z) — f (2l + z); d. h. er sucht analytische Ausdrücke, welche unverändert bleiben, wenn z um 24 wächst. Es war ein wesentliches Verdienst Eulers , der im folgenden Jahr- gange der Berliner Abhandlungen 3) eine neue Darstellung dieser d'Alem- bert'schen Arbeiten gab, dass er das Wesen der Bedingungen, welchen . die Function f (z) genügen muss, richtiger erkannte. Er bemerkte, dass 1) Mémoires de l'académie de Berlin. 1747. pag. 214. 2) Ibid. pag. 220. 3) Mémoires de lacadémie de Berlin. 1748. pag. 69. | Mathematische Classe. XIII. ` M 90 B. RIEMANN, der Natur des Problems nach die Bewegung der Saite vollständig be- stimmt sei, wenn für irgend einen Zeitpunkt die Form der Saite und die Geschwindigkeit jedes Punktes (also y und = gegeben seien, und zeigte, dass sich, wenn man diese beiden Functionen sich durch willkühr- lich gezogene Curven bestimmt denkt, daraus stets durch eine einfach geometrische Construction die d’Alembert’'sche Function f (z) finden lässt. In der That, nimmt man an, dass für & — O, y — g (x) und zi e EI sei, so erhält man für die Werthe von æ zwischen Q und / 1 f (@) — f (— 2) = g la), f (e) + f (~ a) = Z S h (a) de und folglich die Function f (z) zwischen — I und l; hieraus aber ergiebt sich ihr Werth für jeden andern Werth von z vermittelst der Gleichung f (z) = f (2l + z). Dies ist in abstracten, aber jetzt allgemein geläufi- gen Begriffen dargestellt, die Eulersche Bestimmung der Function f (2). Gegen diese Ausdehnung seiner Methode durch Euler verwahrte sich indess d'Alembert sofort !), weil seine Methode nothwendig voraus- setze, dass y sich in £ und æ analytisch ausdrücken lasse. Ehe eine Antwort Eulers hierauf erfolgte, erschien eine dritte von diesen beiden ganz verschiedene Behandlung dieses Gegenstandes von Daniel Bernoulli 2). Schon vor d’Alembert hatte Taylor °) gesehen, dass ee SS er rn zugleich y für x = 0 und für x — l stets gleich 0 NIE nanat sei, wenn man y Sin —- cos ay und hierin für » eine ganze Zahl l 1) Mémoires de l'académie de Berlin. 1750. pag. 358. En effet on ne peut ce me semble exprimer y analytiquement dune manière plus générale, quw en la supposant une fonction de ¢ et de æ. Mais dans cette supposition on ne trouve la solution du problème que pour les cas où les différentes figures de la corde vibrante peuvent être renfermées dans une seule et même équation. 2) Mémoires de l'académie de Berlin. 1753. p. 147. S Taylor de methodo incrementorum. ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 91 setze. Er erklärte hieraus die physikalische Thatsache, dass eine Saite ausser ihrem Grundtone auch den Grundton einer 3, 4: t, ~ >. so lan- gen (übrigens ebenso beschaffenen) Saite geben könne, und hielt seine particuläre Lösung für allgemein, d. h. er glaubte, die Schwingung der Saite würde stets, wenn die ganze Zahl n der Höhe des Tons gemäss bestimmt würde, wenigstens sehr nahe durch die Gleichung ausgedrückt. Die Beobachtung, dass eine Saite ihre verschiedenen Töne gleichzeitig geben könne, führte nun Bernoulli zu der Bemerkung, dass die Saite (der Theorie nach) auch der Gleichung y = Z an sin CC mei (E — fa) gemäss schwingen könne, und weil sich aus dieser Gleichung alle beobach- teten Modificationen der Erscheinung erklären liessen, so hielt er sie für die allgemeinste 1). Um diese Ansicht zu stützen, untersuchte er die Schwingungen eines masselosen gespannten Fadens, der in einzelnen ‚ Punkten mit endlichen Massen beschwert ist, und zeigte, dass die Schwin- gungen desselben stets in eine der Zahl der Punkte gleiche Anzahl von solchen Schwingungen zerlegt werden kann, deren jede für alle Massen gleich lange dauert. Diese Arbeiten Bernoulli’s veranlassten einen neuen Aufsatz Euler's, welcher unmittelbar nach ihnen unter den Abhandlungen der Berliner Akademie abgedruckt ist?) Er hält darin d'Alembert gegenüber fest 3), dass die Function f(z) eine zwischen den Grenzen — /und] ganz will- kührliche sein könne, und bemerkt*), dass Bernoullis Lösung (welche er schon früher als eine besondere aufgestellt hatte) dann allgemein sei und zwar nur dann allgemein sei, wenn die Reihe 1) 1. c. p. 157. art. XII. 2) Mémoires de P’academie de Berlin. 1753. pag. 196. 3) Le pag. 214. 4) 1. c art. H- X. Ms per Far 92 B. RIEMANN, $ . Zen a, E SE 4 bo + b: oos TE 2 b, con EE y. für die Abscisse x die Ordinate einer zwischen den Abscissen o und ¿ganz willkührlichen Curve darstellen könne. Nun wurde es damals von Nie- mand bezweifelt, dass alle Umformungen, welche man mit einem ana- lytischen Ausdrucke — er sei endlich oder unendlich — vornehmen könne, für jedwede Werthe der unbestimmten Grössen gültig seien oder doch nur in ganz speciellen Fällen unanwendbar würden. Es schien daher unmöglich, eine algebraische Curve oder überhaupt eine analytisch gegebene nicht periodische Curve durch obigen Ausdruck darzustellen, und Eulerglaubte daher, die Frage gegen Bernoulli entscheiden zu müssen. Der Streit zwischen Euler und d’Alembert war indess noch immer unerledigt. Dies veranlasste einen jungen, damals noch wenig bekannten Mathematiker, Lagrange, die Lösung der Aufgabe auf einem ganz neuen Wege zu versuchen, auf welchem er zu Eulers Resultaten gelangte. Er unternahm es!), die Schwingungen eines masselosen Fadens zu bestimmen, welcher mit einer endlichen unbestimmten Anzahl gleich grosser Massen in gleich grossen Abständen beschwert ist, und untersuchte dann, wie sich diese Schwingungen ändern, wenn die Anzahl der Massen ins Un- endliche wächst. Mit welcher Gewandtheit, mit welchem Aufwande ana- "lytischer Kunstgriffe er aber auch den ersten Theil dieser Untersuchung durchführte, so liess der Uebergang vom Endlichen zum Unendlichen doch viel zu wünschen übrig, so dass d’Alembert in einer Schrift, welche er an die Spitze seiner opuscules mathématiques stellte, fortfahren konnte, seiner Lösung den Ruhm der grössten Allgemeinheit zu. vindieiren. Die Ansichten der damaligen berühmten Mathematiker waren und blieben daher in dieser Sache getheilt; denn auch in spätern Arbeiten behielt jeder im Wesentlichen seinen Standpunkt bei. Um also schliesslich ihre bei Gelegenheit dieses Problems entwickel- ten Ansichten über die willkührlichen Functionen und über die Darstell- 1) Miscellanea Taurinensia. Tom. I. Recherches sur la nature et la propagation du son. ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 93 barkeit derselben durch eine trigonometrische Reihe zusammenzustellen, so hatte Euler zuerst diese Functionen in die Analysis eingeführt und, ‚auf geometrische Anschauung gestützt, die Infinitesimalrechnung auf sie angewandt. Lagrange !) hielt Eulers Resultate (seine geometrische Con- struction des Schwingungsverlaufs) für richtig; aber ihm genügte die Eu- lersche geometrische Behandlung dieser Functionen nicht. D'Alembert ” dagegen ging auf die Eulersche Auffassungsweise der Differentialrech- nung ein und beschränkte sich, die Richtigkeit seiner Resultate anzu- fechten, weil man bei ganz willkührlichen Functionen nicht wissen könne, ob ihre Differentialquotienten stetig seien. Was die Bernoulli’sche Lö- sung betraf, so kamen alle drei darin überein, sie nicht für allgemein zu halten; aber während d’Alembert 5), um Bernoullis Lösung für min- der allgemein, als die seinige, erklären zu können, behaupten musste, dass auch eine analytisch gegebene periodische Function sich nicht immer durch eine trigonometrische Reihe darstellen lasse, glaubte Lagrange 4) diese Möglichkeit beweisen zu können. 2. Fast funfzig Jahre vergingen, ohne dass in der Frage über die analytische Darstellbarkeit willkührlicher Functionen ein wesentlicher Fortschritt gemacht wurde. Da warf eine Bemerkung Fourier’s ein neues Licht auf diesen Gegenstand; eine neue Epoche in der Entwicklung die- | ses Theils der Mathematik begann, die sich bald auch äusserlich in gross- artigen Erweiterungen der mathematischen Physik kund that. Fourier bemerkte, dass in der trigonometrischen Reihe a, sin z + a, sin Sr +. f (x) = ee cos 2e +. 1) Miscellanea Kee Tom. I. Pars math. pag. 18. 2) Opuscules mathématiques p. d'Alembert. Tome premier. 1761. pag. 16. art. VII —XX. 3) Opuscules ee Tome I. pag. 42. art. XXIV. 4) Misc. Taur. Tom. IH. Pars math. pag. 221. art. XXV. 94 B. RIEMANN, die Coeficienten sich durch die Formeln SEHR f (x) sin er AR en =; fi f (£) cos nede bestimmen e Er sah, dass diese Bestimmungsweise auch anwend- bar bleibe, wenn die Function f (x) ganz willkührlich gegeben sei; er setzte für f (x) eine so genannte discontinuirliche Function (die Ordinate einer gebrochenen Linie für die Abscisse x) und erhielt so eine Reihe, welche in der That stets den Werth der Function gab. Als Fourier in einer seiner ersten Arbeiten über die Wärme, welche er der französischen Akademie vorlegte!), (21. Dec. 1807) zuerst den Satz aussprach, dass eine ganz willkührlich (graphisch) gegebene Func- tion sich durch eine trigonometrische Reihe ausdrücken lasse, war diese Behauptung dem greisen Lagrange so unerwartet, dass er ihr auf das Entschiedenste entgegentrat. Es soll?) sich hierüber noch ein Schrift- stück im Archiv der Pariser Akademie befinden. Dessenungeachtet ver- weist 3) Poisson überall, wo er sich der trigonometrischen Reihen zur Darstellung willkührlicher Functionen bedient, auf eine Stelle in La- grange's Arbeiten über’ die schwingenden Saiten, wo sich diese Darstel- lungsweise finden soll. Um diese Behauptung, die sich nur aus der be- kannten Rivalität zwischen Fourier und Poisson erklären lässt 31. zu wider-- legen, sehen wir uns genöthigt, noch einmal auf die Abhandlung Lagran- ges zurückzukommen; denn über jenen Vorgang in der Akademie findet sich nichts veröffentlicht. Man findet in der That an der von Poisson citirten Stelle 5) die ass — 2/Y sin XndX x sin en + 2/Y sin 2AndX x sin Zen L 2/Y sin 8ÄndX x sin ĝen + etc. + 2/Y sin nXndX sin ner, 1) Bulletin des sciences p. la soc. Geen Tome I. p. 112. 2) Nach einer mündlichen Mittheilung des Herrn Professor Dirichlet. 3) Unter Andern in dem verbreiteten Traité de mécanique Nro. 323. p. 638. 4) Der Bericht im bulletin des sciences über die von Fourier der Akademie vorgelegte Abhandlung ist von Poisson. 5) Mise. Taur. Tom. IH. Pars math. pag. 261. ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 95 de sorte que, lorsque v —= X, on aura y = Y, Y étant Vordonnee qui répond à labscisse X. Diese Formel sieht nun allerdings ganz so aus wie die Fouriersche Reihe; so dass bei flüchtiger Ansicht eine Verwechselung leicht möglich ist; aber dieser Schein rührt bloss daher, weil Lagrange das Zeichen ZK anwandte, wo er heute das Zeichen XA X angewandt haben würde. Sie giebt die Lösung der Aufgabe, die endliche Sinusreihe a, sin en + az sin 2ean +... + a, sin nen y i i 1 2 n so zu bestimmen, dass sie für die Werthe IE Ser ars SECH von x, welche Lagrange unbestimmt durch X bezeichnet, gegebene Werthe erhält. Hätte Lagrange in dieser Formel » unendlich gross werden lassen, so wäre er allerdings zu dem Fourierschen Resultat ge- langt. Wenn man aber seine Abhandlung durchliest, so sieht man, dass er weit davon entfernt ist zu glauben, eine ganz willkührliche Function lasse sich wirklich durch eine unendliche Sinusreihe darstellen. Er hatte vielmehr die ganze Arbeit gerade unternommen, weil er glaubte, diese willkührlichen Functionen liessen sich nicht durch eine Formel aus- drücken, und von der trigonometrischen Reihe glaubte er, dass sie jede analytisch . gegebene periodische Function darstellen könne. Freilich er- scheint es uns jetzt kaum denkbar, dass Lagrange von seiner Summen- formel nicht zur Fourier'schen Reihe gelangt sein sollte; aber dies er- klärt sich daraus, dass durch den Streit zwischen Euler und d’Alembert sich bei ihm im Voraus eine bestimmte Ansicht über den einzuschla- genden Weg. gebildet hatte. Er glaubte das Schwingungsproblem für eine unbestimmte endliche Anzahl von Massen erst vollständig absolviren ` zu müssen, bevor er seine Grenzbetrachtungen anwandte. Diese erfor- dern eine ziemlich ausgedehnte Untersuchung 1) , welche unnöthig war, wenn er die Fouriersche Reihe kannte. | Durch Fourier war nun zwar die Natur der trigonometrischen Rei- 1) Misc. Taur. Tom. IH. Pars math. p. 251. 96 ; B. RIEMANN, hen vollkommen richtig erkannt !); sie wurden seitdem in der mathema- tischen Physik zur Darstellung willkührlicher Functionen vielfach ange- wandt, und in jedem einzelnen Falle überzeugte man sich leicht, dass die Fourier'sche Reihe wirklich gegen den Werth der Function convergire; aber es dauerte lange, ehe dieser wichtige Satz allgemein bewiesen wurde. Der Beweis, welchen Cauchy in einer der Pariser Akademie am 27. Febr. 1826 vorgelesenen Abhandlung gab?), ist unzureichend, wie Dirichlet gezeigt hat). Cauchy setzt voraus, dass, wenn man in der willkührlich gegebenen periodischen Function f (x) für e ein complexes Argument z + yi setzt, diese Function für jeden Werth von y endlich sei. Dies findet aber nur Statt, wenn die Function gleich einer con- stanten Grösse ist. Man sieht indess leicht, dass diese Voraussetzung für die ferneren Schlüsse nicht nothwendig ist. Es reicht hin, wenn eine Function 9 Je + yi) vorhanden ist, welche für alle positiven Werthe von y endlich ist und deren reeller Theil für y — 0 der gegebenen pe- riodischen Function f Lei gleich wird. Will man diesen Satz, der in der That richtig ist *), voraussetzen, so führt allerdings der von Cauchy eingeschlagene Weg zum Ziele, wie er dieser Satz sich aus der Fouriersschen Reihe ableiten lässt. 3. Erst im Januar 1829 erschien im Journal von Crelle 5) eine Ab- handlung von Dirichlet, worin für Functionen, die durchgehends eine Integration zulassen und nicht unendlich viele Maxima und Minima ha- ben, die Frage ihrer Darstellbarkeit durch trigonometrische Reihen in aller Strenge entschieden wurde. 1) Bulletin d. sc. Tom. I. p. 115. Les coefficients a, o, a”. . . étant ainsi ono &c. 2) Mémoires de Pac. d. sc. de Paris. Tom. VI. p. 603. 3) Crelle Journal für die Mathematik. Bd. IV. p. 157 & 158. 4) Der Beweis findet sich in der Inauguraldissertation des Verfassers, echt Bd: IV. pag. 157. ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 97 Die Erkenntniss des zur Lösung dieser Aufgabe einzuschlagenden Weges ergab sich ihm aus der Einsicht, dass die unendlichen Reihen in zwei wesentlich verschiedene Klassen zerfallen, je nachdem sie, wenn man sämmtliche Glieder positiv macht, convergent bleiben oder nicht. In den ersteren können die Glieder beliebig versetzt werden, der Werth der letzteren dagegen ist von der Ordnung der Glieder abhängig. In der That, bezeichnet man in einer Reihe zweiter Klasse die positiven Glieder der Reihe nach durch Ba, die negativen durch gt ee Ae, SS so ist klar, dass sowohl Ya, als Xb unendlich sein müssen; denn wären beide endlich, so würde die Reihe auch nach Gleichmachung der Zeichen convergiren; wäre aber eine unendlich, so würde die Reihe divergiren. Offenbar kann nun die Reihe durch geeignete Anordnung der Glieder einen beliebig gegebenen Werth C erhalten. Denn nimmt man abwech- selnd so lange positive Glieder der Reihe, bis ihr Werth grösser als C wird, und so lange negative, bis ihr Werth kleiner als C wird, so wird die Abweichung von C nie mehr betragen, als der Werth des dem letz- ten Zeichenwechsel voraufgehenden Gliedes. Da nun sowohl die Grössen a, als die Grössen 5 mit wachsendem Index zuletzt unendlich klein werden, so werden auch die Abweichungen von C, wenn man in der Reihe nur hinreichend weit fortgeht , beliebig klein werden, d. h. die Reihe wird gegen C convergiren. Nur auf die Reihen erster Klasse sind die Gesetze endlicher Sum- men anwendbar; nur sie können wirklich als Inbegriff ihrer Glieder be- trachtet werden, die Reihen der zweiten Klasse nicht; ein Umstand, welcher von den Mathematikern des vorigen Jahrhunderts übersehen wurde, hauptsächlich wohl aus dem Grunde, weil die Reihen, welche nach steigenden Potenzen einer veränderlichen Grösse fortschreiten, all- gemein zu reden (d. h. einzelne Werthe dieser Grösse ausgenommen), zur ersten Klasse gehören. Die Fouriersche Reihe gehört nun offenbar nicht nothwendig zur Mathem. Classe. XIII. N 98 B. RIEMANN, ersten Klasse; ihre Convergenz konnte also gar nicht, wie Cauchy ver- geblich !?) versucht hatte, aus dem Gesetze, nach welchem die Glieder abnehmen, abgeleitet werden. Es musste vielmehr gezeigt werden, dass die endliche Reihe ét Ze 1 Ste sin ada sin a + = J f (e) sin 2ade sin Ze + . Ke ges: e 4 n + ei E f (œ) sin nede sin nz 1 n Iy” Ey SH) f (œ) de + J flo) cosedecose += f f (œ) cos 2ædæ oos Ze + . . —n _n =n 1 Es [re cos Rode cos nz oder, was dasselbe ist, das Integral SC In f J ng S sich, wenn n ins Unendliche wächst, dem Werthe f (x) unendlich an- nähert. Dirichlet stützt diesen Beweis auf die beiden Sätze: 2n + 1 D Wenn 0 os. Man hat daher o Zo D, +9, D, +... +d D, Z A, folglich s Z B kann nun, wenn ø gegeben ist, immer durch geeignete Wahl von d o beliebig klein gemacht werden; dasselbe gilt daher von s, und es ergiebt sich also: | Damit. die Summe $, wenn sämmtliche d unendlich klein werden, m B. RIEMANN, convergirt, ist ausser der Endlichkeit der Function f (x) noch erforder- lich, dass die Gesammtgrösse der Intervalle, in welchen die Schwankun- ' gen > ø sind, was auch e sei, durch geeignete Wahl von d beliebig klein gemacht werden kann. Dieser Satz lässt sich auch umkehren: Wenn die Function f (æ) immer endlich ist, und bei unendlichem Abnehmen sämmtlicher Grössen ð die Gesammtgrösse s der Intervalle, in welchen die Schwankungen der Function f (x) grösser, als eine ge- gebene Grösse o, sind, stets zuletzt unendlich klein wird, so convergirt die Summe S, wenn sämmtliche d unendlich klein werden. Denn diejenigen Intervalle, in welchen die Schwankungen > ø sind, liefern zur Summe di Dh + ð, D, +... + D einen Beitrag, kleiner, als s, multiplieirt in die grösste Schwankung der Function zwi- schen a und b, welche (n. V.) endlich ist; die übrigen Intervalle einen ` Beitrag < o (b — a). Offenbar kann man nun erst ø beliebig klein an- nehmen und dann immer noch die Grösse der Intervalle (n. V.) so be- bestimmen, dass auch s beliebig klein wird, wodurch der Summe ð Dı +... d Dn jede beliebige Kleinheit gegeben, und folglich der Werth der Summe S in beliebig enge Grenzen eingeschlossen wer- den kann. Wir haben also Bedingungen gefunden, welche nothwendig und hinreichend sind, damit die Summe S bei unendlichem Abnehmen der Grössen d convergire und also im engern Sinne von einem Integrale der Function f (x) zwischen a und b die Rede sein könne. Wird nun der Integralbegriff wie oben erweitert, so ist offenbar, damit die Integration durchgehends möglich sei, die letzte der beiden gefundenen Bedingungen auch dann noch nothwendig; an die Stelle der Bedingung, dass die Function immer endlich sei, aber tritt die Bedin- gung, dass die Function nur bei Annäherung des Arguments an ein- zelne Werthe unendlich werde, und dass sich ein bestimmter Grenz- werth ergebe, wenn die Grenzen der Integration diesen Werthen unend- lich genähert werden. ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 105 6. Nachdem wir die Bedingungen für die Möglichkeit eines bestimm- ten Integrals im Allgemeinen, d. h. ohne besondere Voraussetzungen über die Natur der zu integrirenden Function, untersucht haben, soll nun diese Untersuchung in besonderen Fällen theils angewandt, theils weiter ausgeführt werden, und zwar zunächst für die Functionen, welche zwi- schen je zwei noch so engen Grenzen unendlich oft unstetig sind. Da diese Functionen noch nirgends betrachtet sind, wird es gut sein, von einem bestimmten Beispiele auszugehen. Man bezeichne der Kürze wegen durch (2) den Ueberschuss von æ über die nächste ganze Zahl, oder, wenn x zwischen zweien in der Mitte liegt und diese Be- stimmung zweideutig wird, den Mittelwerth aus den beiden Werthen 3 und — 3, also die Null, ferner durch n eine ganze, durch p eine ungerade Zahl und bilde alsdann die Reihe Ga, Ae fij D E E e Ee so convergirt, wie leicht zu sehen, diese Reihe für jeden Werth von x; ihr Werth nähert sich, sowohl, wenn der Argumentwerth stetig abneh- mend, als wenn er stetig zunehmend gleich x wird, stets einem festen Grenzwerth, und zwar ist, wenn x — e (wo p, n relative Primzahlen) n fe+)=f@— Se OLEtaet, Ass fl (e ND et TN E. sonst aber überall f (æ + 0) — ro KE (æ — 0): = fe): Diese Function ist also für jeden rationalen Werth von æ, der in den kleinsten Zahlen ausgedrückt ein Bruch mit geradem Nenner ist, unstetig, also zwischen je zwei noch so engen Grenzen unendlich oft, so jedoch, dass die Zahl der Sprünge, welche grösser als eine gegebene Grösse sind, immer endlich ist. Sie lässt durchgehends eine Integration Mathematische Classe. XIII. 106 B. RIEMANN, zu. In der That genügen hiezu neben ihrer Endlichkeit die beiden Eigenschaften, dass sie für jeden Werth von æ beiderseits einen Grenz- werth f («+ 0) und f(x — 0) hat, und dass die Zahl der Sprünge, welche grösser oder gleich einer gegebenen Grösse o sind, stets endlich ist. Denn wenden wir unsere obige Untersuchung an, so lässt sich offenbar in Folge dieser beiden Umstände d stets so klein annehmen, dass in sämmtlichen Intervallen, welche diese Sprünge nicht enthalten, die Schwan- kungen kleiner als o sind, und dass die Gesammtgrösse der Intervalle, welche diese Sprünge enthalten, beliebig klein wird. © Es verdient bemerkt zu werden, dass die Functionen, welche nicht unendlich viele Maxima und Minima haben (zu welchen übrigens die eben betrachtete nicht gehört), wo sie nicht unendlich werden, stets diese beiden Eigenschaften besitzen und daher allenthalben, wo sie nicht unendlich werden, eine Integration zulassen, wie sich auch leicht direct zeigen lässt. Um jetzt den Fall, wo die zu integrirende Function f (x) für einen einzelnen Werth unendlich gross wird, näher in Betracht zu ziehen, nehmen wir an, dass dies für æ —= 0 stattfinde, so dass bei abnehmen- dem positiven x ihr Werth zuletzt über jede gegebene Grenze wächst. Es lässt sich dann leicht zeigen, dass æf (x) bei abnehmendem x von einer endlichen Grenze a an, nicht fortwährend grösser als eine end- liche Grösse e bleiben könne. Denn dann wäre FR 7 (æ) de > c F = 1 1 also grösser als c (log ige log >) , welche Grösse mit abnehmendem æ zuletzt in's Unendliche wächst. Es muss also æf (æ), wenn diese Func- tion nicht in der Nähe von æ =0 unendlich viele Maxima und Minima hat, nothwendig mit æ unendlich klein werden, damit f (x) einer Inte- f (æ) de (el g d ae). bei einem Werth von œ < 1 mit x unendlich klein wird, so ist klar, dass das Integral bei unendlichem Abnehmen der unteren Grenze con- gration fähig sein könne Wenn andererseits fe) # = ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 107 Ebenso findet man, dass im Falle der Convergenz des Integrals die Functionen „I__f@) de 1 1 fla) de ee = dlogiogı (m zeg „loglog = =d loglog log S a N rl x) de (le log = log log =.. log < log = — (a n+1 — d log ! nicht bei abnehmendem x von einer endlichen Grenze an fortwährend grösser als eine endliche Grösse bleiben können, und also, wenn sie nicht unendlich viele Maxima und Minima haben, mit æ unendlich klein wer- den müssen ` dass dagegen das Integral /f Lei dr bei unendlichem Ab- nehmen der unteren Grenze convergire, sobald 1 vil s Lë fie) de (1—a) f (æ) æ . Joe, log = (log = -= Ke n 1 —d (log =) für « > 1 mit x unendlich klein wird. Hat aber die Function f (æ) unendlich viele Maxima und Minima, so lässt sich über die Ordnung ihres Unendlichwerdens nichts bestimmen. In der That, nehmen wir an, die Function sei ihrem absoluten Werthe nach, wovon die Ordnung des Unendlichwerdens allein abhängt, gegeben, so wird man immer durch geeignete Bestimmung des Zeichens bewirken können, dass das Integral / f (x) dr bei unendlichem Abnehmen der un- teren Grenze convergire. Als Beispiel einer solchen Function, welche unendlich wird und zwar so, dass ihre Ordnung (die Ordnung von > als Einheit genommen) unendlich gross ist, mag die Function | 1 d (æ cos (e zl 1 vo SS = cose? Le? æ dienen. Das möge über diesen im Grunde in ein anderes Gebiet gehörigen o* 108 B. RIEMANN, Gegenstand genügen; wir ‚gehen jetzt an unsere eigentliche Aufgabe, eine allgemeine Untersuchung über die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische Reihe. Untersuchung der Darstellbarkeit einer Function durch eine tri- gonometrische Reihe ohne besondere Voraussetzungen über die Natur der Function. T Die bisherigen Arbeiten über diesen Gegenstand hatten den Zweck, die Fouriersche Reihe für die in der Natur vorkommenden Fälle zu be- weisen; es konnte daher der. Beweis für eine ganz willkührlich ange- nommene Function begonnen, und später der Gang der Function behuf des Beweises willkührlichen Beschränkungen unterworfen werden, wenn sie nur jenen Zweck nicht beeinträchtigten. Für unsern Zweck darf derselbe nur den zur Darstellbarkeit der Function nothwendigen Bedin- gungen unterworfen werden; es müssen daher zunächst zur Darstellbar- keit nothwendige Bedingungen aufgesucht und aus diesen dann zur Dar- stellbarkeit hinreichende ausgewählt werden. Während also die bisheri- gen Arbeiten zeigten: wenn eine Function diese und jene Eigenschaften hat, so ist sie durch die Fouriersche Reihe darstellbar; müssen wir von der umgekehrten Frage ausgehen: Wenn eine Function durch eine trigonometrische Reihe darstellbar ist, was folgt daraus über ihren Gang, über die Aenderung ihres Werthes bei stetiger Aenderung des Arguments ? Demnach betrachten wir die Reihe a sin z + a, sin Ze +... 4 bo + dı cos z -+ b, cos 2r +... oder, wenn wir der Kürze wegen Zb = Aa, a sin z + b; cos z = A, a, sin Ze LA. cos Ze = A setzen, die Reihe AE Ai tA Ee CR D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 109 als gegeben. Wir bezeichnen diesen Ausdruck durch 2 und seinen Werth durch f(z), so dass diese Function nur für diejenigen Werthe von x vorhanden ist, wo die Reihe convergirt. Zur Convergenz einer Reihe ist nothwendig, dass ihre Glieder zu- letzt unendlich klein werden. Wenn die Coefficienten a,, bn mit wach- sendem » in's Unendliche abnehmen, so werden die Glieder der Reihe Q für jeden Werth von x zuletzt unendlich klein; andernfalls kann dies nur für besondere Werthe von < stattfinden. Es ist nöthig, beide Fälle getrennt zu behandeln. 8. Wir setzen also zunächst voraus, dass die Glieder der Reihe 2 für jeden Werth von = zuletzt unendlich klein werden. Unter dieser Voraussetzung convergirt die Reihe a E welche man aus 2 durch zweimalige Integration jedes Gliedes nach z erhält, für jeden Werth von æ. Ihr Werth F(x) ändert sich mit æ stetig, und diese Function F von x lässt folglich allenthalben eine Integration zu. Um Beides — die Convergenz der Reihe und die Stetigkeit der Function F (x) — einzusehen, bezeichne man die Summe der Glieder bis — e einschliesslich durch N, den Rest der Reihe, d. h. die Reihe n Be EEN SE GFI EFF durch R und den grössten Werth von Am für m `> n durch e Alsdann’ bleibt der Werth von R, wie weit man diese Reihe fortsetzen möge, offenbar abgesehen vom Zeichen 1 tee vs P: E und kann also in beliebig enge Grenzen eingeschlossen werden, wenn 110 B. RIEMANN, man » nur hinreichend gross annimmt; folglich convergirt die Reihe. Ferner ist die Function F Lei stetig; d. h. ihrer Aenderung kann jede Kleinheit gegeben werden, wenn man der entsprechenden Aenderung von z eine hinreichende Kleinheit vorschreibt. Denn die Aenderung von F Lei setzt sich zusammen aus der Aenderung von R und von N; offen- bar kann man nun erst » so gross annehmen, dass R, was auch x sei, und folglich auch die Aenderung von R für jede Aenderung von æ be- liebig klein wird, und dann die Aenderung von x so klein annehmen, dass auch die Aenderung von N beliebig klein wird. Es wird gut sein, einige Sätze über diese Function F (x), deren Beweise den Faden der Untersuchung unterbrechen würden , vorauf- zuschicken. Lehrsatz 1. Falls die Reihe 2 convergirt, convergirt Fete+NM—-Fete-)—- Fe-a+tß HFe@ ag) daß : wenn «œ und ß so unendlich klein werden, dass ihr Verhältniss endlich bleibt, gegen denselben Werth, wie die Reihe. In der That wird F(z +a + fp) — F(z + e—b)— F(z — e+ p) + F(e— e— p) 4aß sin œ sin ß sin Ze sin 2 sin Ze sin 20 E Ee EE A oder, um den einfacheren Fall, wo $ = «, zuerst zu erledigen, F 2 F(z — 2a) _ sing sin en BE Ist die unendliche Reihe A, + A, + 4, + . . . = f (æ), die Reihe 4, +4, + . -+ Anı = f (£) + ën, so muss sich für eine beliebig gegebene Grösse ð ein Werth m von n angeben lassen, so dass, wenn n > m, & < d wird. Nehmen wir nun e so klein an, dass ma RR setzen wir ferner mittelst der Substitution An = #11 — ên, ÜB. D.DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE, 111 E An in die Form f (x) + E En GE (ne a) en nn ` und theilen wir diese letztere SE Reihe in drei Theile, indem wir 1) die Glieder vom Index 1 bis m einschliesslich, Së Zl 2) vom Index m + 1 bis zur grössten unter = liegenden ganzen Zahl, welche s sei, 3) von s + 1 bis unendlich, zusammenfassen, so besteht der erste Theil aus einer endlichen Anzahl stetig sich ändernder Glieder und kann daher seinem Grenzwerth 0 be- liebig genähert werden, wenn man « hinreichend klein werden lässt; der zweite Theil ist, da der Factor von s, beständig positiv ist, offenbar abgesehen vom Zeichen <ð Vë m): Be sin oh um endlich den dritten Theil in Grenzen einzuschliessen , zerlege man das allgemeine Glied in ee mei (n — Le na sin (n—1) æ 2 sin næ ` E sin (2r — Desme tee (no)? so leuchtet ein, dass es J Co ell Sr = = Un — 1)? æa ee Fe mue und folglich die Summe von n = s + l bis n = œ aai <2 (0e teet D), woraus der z. b. Satz folgt. Lehrsatz 3. Bezeichnet man durch b und c zwei beliebige Con- stanten, die grössere durch c, und durch A Lei eine Function, welche nebst ihrem ersten Differentialquotienten zwischen 5 und e immer stetig ist und an den Grenzen gleich Null wird, und von welcher der zweite Differentialquotient nicht unendlich viele Maxima und Minima hat, so wird das Integral uu f Fei cos u 2 — 8) å (x) dr, b Mathem. Classe.XIIl. `; P EE a e SE E er E Ta yi n RER ER Ee MERKEN REN Ee 114 B. RIEMANN, wenn Au ins Unendliche wächst, zuletzt kleiner als jede gegebene Grösse. Setzt man für F Lei seinen Ausdruck durch die Reihe, so erhält man für uu (Sta cosu (x— a) 4 old die Reihe ($) uu f (C+ C et A sch cos u Le — a) å (a) de uu ER A Zn cos u (x—a) å (x) de Nun lässt sich An cos u (= — a) offenbar als ein Aggregat von cos (u + n) (@— a), sin (u+n) (x — a), cos (u—n) (© — a), sin (u—n) (x — a) ausdrücken, und bezeichnet man in demselben die Summe der beiden ersten Glieder durch BR, `. die Summe der beiden letzten Glieder durch Bu-n, so hat man cos u (æ — a) An = Burn ob E d? Bu-n d2 Ge? — (u kb n)? Butn, er P En (u Se: n)? Bu—n d'B. dx? und es werden Bu+n und Bu-n mit wachsendem z, was auch æ sei, zu- letzt unendlich klein. Das allgemeine Glied der Reihe & uu pfe : — 2 f An cos u (e—a) 4 (e) de wird daher u? TC PB,- er u? dP ` Se Si Ki ECH dr n? kaf: er a E E, oder durch zweimalige partielle Integration, indem man zuerst A (x), dann Z (x) als constant betrachtet, J Burn # (2) de + - s | Bun 4" (2) de, SES et el | ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUN CTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 115 da å (x) und # (x) und daher auch die aus dem Integralzeichen treten- den Glieder an den Grenzen — 0 werden. Man überzeugt sich nun leicht, dass Së Butn # (x) de, wenn u in’s Unendliche wächst, was auch » sei, unendlich klein wird; denn die- ser Ausdruck ist gleich einem Aggregat der Integräle J cos (u + n) (£x — a) 4 (x) da, [ sin (u + n) (x — a) 4 (x) de b b und wenn u + n unendlich gross wird, so werden diese Integrale, wenn aber nicht, weil dann » unendlich gross wird, ihre Coefficienten in diesem Ausdrucke unendlich klein. Zum Beweise unseres Satzes genügt es daher offenbar, wenn von der Summe ` u? + S (u — n)? n? über alle ganzen Werthe von a ausgedehnt, welche den Bedingungen Re E 1 sind, die Summe 1 2 1 — (u Bun (ii ec | FO in den obigen Grenzen, kleiner als 1 de sl De ausgedehnt von P KI 116 B. RIEMANN, T 1 ef 1 e 1 alt E 1 ES S TR I E e ER u u u denn zerlegt man das ganze Intervall von — oo bis + oo von Null 1 anfangend in Intervalle von der Grösse —, und ersetzt man überall die Zi Function unter dem Integralzeichen durch den kleinsten Werth in jedem Intervall, so erhält man, da diese Function zwischen den Integrations- grenzen nirgends ein Maximum hat, sämmtliche Glieder der Reihe. Führt man die Integration aus, so erhält man Ss d SE is st lege —2log (1a) oot und folglich zwischen den obigen Grenzen einen Werth, der mit u nicht unendlich gross wird. 9. Mit Hülfe dieser Sätze lässt sich über die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische Reihe, deren Glieder für jeden Argumentwerth zuletzt unendlich klein werden, Folgendes feststellen : I. Wenn eine nach dem Intervall 27 periodisch sich wiederholende Function f (Œ) durch eine trigonometrische Reihe, deren Glieder für jeden Werth von æ zuletzt unendlich klein werden, darstellbar sein soll, so muss es eine stetige Function F Lei geben, von welcher f (x) so ab- hangt, dass F (x + e +P) — Fete— p) — F(x — « + f) + F (z — e — P) 4aß Bez. wenn œ und ß unendlich klein werden und dabei ihr Verhältniss end- lich bleibt, gegen f(x) convergirt. i Es muss ferner uu T F (x) cos u (z — a) A (x) dx, wenn å Lei und X (x) an den Grenzen des Integrals — 0 und zwischen denselben immer \ ÜB.D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E TRIGONOMETR. REIHE. 117 stetig sind, und #” Lei nicht unendlich viele Maxima und Minima hat, mit wachsendem u zuletzt unendlich klein werden. II. Wenn umgekehrt diese beiden Bedingungen erfüllt sind, so giebt es eine trigonometrische Reihe, in welcher die Coefficienten zuletzt unendlich klein werden, und welche überall, wo sie convergirt, die Func- tion darstellt. Denn bestimmt man die Grössen C’, A, so, dass F (2) - Cz — 2 und entwickelt diese nach Fouriers Methode in die trigonometrische Reihe Ao > eine nach dem Intervall 27 periodisch wiederkehrende Function ist, indem man aI Tu-A- A Di 1 .u% it An aJ (FO Ct — Aog) cos n e i d= Z setzt, so muss (n. V.) T r it Aa = — zJ (eu — C't — Ao 3) cos n (x — t) dt mit wachsendem » zuletzt unendlich klein werden; woraus nach Satz 1 des vorigen Art. folgt, dass die Reihe Ap +4 +4 +... überall, wo sie convergirt, gegen f (x) convergirt. MI. Es sid < x< c, und et eine solche Function, dass ọ (f) und _ (t) für t = b und t — c den Werth O haben und zwischen die- sen Werthen stetig sich ändern, g” (£) nicht unendlich viele Maxima und ' Minima hat, und dass ferner für t= 0 und u 20 sein muss, so wird für ein unendliches r | ae , V2y E, l von gleicher Ordnung mit e 2 und daher nicht unendlich klein, wenn 42 2v. Ueberhaupt aber wird, wenn zy(&) oder, was damit identisch y (x) ist, wenn 7A für ein ah kleines æ unendlich gross ist, sich ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE 129 e (x) immer so annehmen lassen, dass für ein unendlich kleines » g (æ) unendlich klein, Ye) Sie ei ` ada Wer Ze Wlan Se. AE aber unendlich gross wird, und en m f(x)dx bis an æ = 0 erstreckt werden kann, während Si E æ) cosn (x —a) dx für ein unendliches » nicht unendlich klein wird. Wie man sieht, heben sich in dem Integrale F f(x)dx bei unendlichem Abnehmen von x die Zuwachse des Integrals, obwohl ihr Verhältniss zu den Aenderungen von æ sehr rasch wächst, wegen des raschen Zeichenwechsels der Function f (x) einander auf; durch das Hinzutreten des Factors cosn (x —a) aber wird hier bewirkt, dass diese Zuwachse sich summiren. Ebenso wohl aber, wie hienach für eine Function trotz der durch- gängigen Möglichkeit der Integration die Fouriersche Reihe nicht con- vergiren und selbst ihr Glied zuletzt unendlich gross werden kann, — ebenso wohl können trotz der durchgängigen Unmöglichkeit der Inte- gration von f (æ) zwischen je zwei noch so nahen Werthen unendlich viele Werthe von x liegen, für welche die Reihe 2 convergirt. Ein Beispiel liefert, (næ) in der Bedeutung, wie oben (Art. 6) ge- nommen, die durch die Reihe o (na) me gegebene Function, welche für jeden rationalen Werth von æ vorhanden ist und sich durch die rn Reihe zen = han wo für d alle Theiler von » zu setzen sind, darstellen lässt, welche aber in keinem noch so kleinen Grössenintervall zwischen endlichen Grenzen enthalten ist und folglich nirgends eine Integration zulässt. Mathem. Classe. XIII. R Ms ae rd ER la Ee ae Ne Ba a Tea TE Fe BE a E ei kee er re N Ve a EE ` dea 130 B. RIEMANN, Ein anderes Beispiel erhält man, wenn man in den Reihen S Cn COSNNT, È Cn SIN NNT 0,% Lo für ca, Ei Cz, . . . positive Grössen setzt, welche immer abnehmen und zuletzt unendlich klein werden, während x cs mit n unendlich gross wird. ‚n Denn wenn das Verhältniss von œ zu 27 rational und in den kleinsten Zahlen ausgedrückt, ein Bruch mit dem Nenner m ist, so werden offen- bar diese Reihen convergiren oder ins Unendliche wachsen, je nachdem Xcosmæ, X sinnn gleich Null oder nicht gleich Null sind. Beide 0,m~1 0,m-1 Fälle aber treten nach einem bekannten Theoreme der Kreistheilung !) zwischen je zwei noch so engen Grenzen für unendlich viele Werthe von & ein. In einem eben so grossen Umfange kann die Reihe 2 auch con- vergiren, ohne dass der Werth der Reihe dAn dr EE welche man durch Integration jedes Gliedes aus 2 erhält, durch ein noch so kleines Grössenintervall integrirt werden könnte. Wenn man z. B. den Ausdruck. Zu le) log (EN), S 1,0 wo die Logarithmen so zu nehmen sind, dass sie für q = 0 verschwin- den, nach steigenden Potenzen von g entwickelt und darin g= e% setzt, so bildet der imaginäre Theil eine trigonometrische Reihe, welche zwei- mal nach x differentirt in jedem Grössenintervall unendlich oft conver- girt, während ihr erster Differentialquotient unendlich oft Null wird. In demselben Umfange, d. h. zwischen je zwei noch so nahen Ar- 1) Disquis. ar. pag. 636 art. 356. ÜB. D. DARSTELLBARK. E. FUNCTION DURCH E. TRIGONOMETR. REIHE. 131 gumentwerthen unendlich oft, kann die trigonometrische Reihe auch selbst dann convergiren, wenn ihre Coefficienten nicht zuletzt unendlich klein werden. Ein einfaches Beispiel einer solchen Reihe bildet die unend- liche Reihe = sin (n!) en, wo nl, wie gebräuchlich, =1.2.3...n, welche nicht bloss für jeden rationalen Werth von æ convergirt, indem sie sich in eine endliche verwandelt, sondern auch für eine unendliche Anzahl von irrationalen, von denen die einfachsten sind sin 1, cos 1, e —— > : > und deren Vielfache, ungerade Vielfache von e, re u. 8. W. Inhalt. Geschichte der Frage über die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigono- metrische Reihe. Von Euler bis Fourier. Ursprung der Frage in dem Streite über die Tragweite der d’Alembert- schen und Bernoulli'schen Lösung des Problems der schwingenden Saiten Jahre 1753. Ansichten von Euler, d’Alembert, Lagrange . $. 2. Von Fourier bis Dirichlet. Richtige Ansicht Fourier’s, bekämpft von Lagrange. 1807. Cauchy. 1826. $. 3. Seit Dirichlet. Erledigung der Frage durch Dirichlet für die in der Natur vorkommen- den Functionen. 1829. Dirksen. Bessel. 1839. 2 Ueber den Begriff eines bestimmten Integrals und den Gator. seiner mg. $. 4. Definition eines bestimmten Integrals. $. 5. Bedingungen der can eines Faunia Integral. $. 6. Besondere Fälle. Untersuchung der ER einer Boateng dach, eine N E Reihe, ohne besondere Voraussetzungen über die Natur der Function. $. 7. Plan der Untersuchung. I. Ueber die Darstellbarkeit einer Gage ge eine Ee Reihe, deren Coefficienten zuletzt unendlich klein werden. $. 8. Beweise einiger für diese Untersuchung wichtigen Sätze.. . . $. 9. Bedingungen für die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigono- metrische Reihe mit in’s Unendliche abnehmenden Coefficienten. $.10. Die Coefficienten der Fourier’schen Reihe werden zuletzt unendlich klein, wenn die darzustellende Function E endlich bleibt und eine Integration zulässt. . I. Ueber die Darstellbarkeit einer Fein Sorak eine PESE Reihe mit nicht in’s Unendliche abnehmenden Coefficienten. gell Zurückführung dieses Falles auf den vorigen. E Betrachtung besonderer Fälle -12 Funetionen, RT nicht u viele Maxima ees Bes haben. en 13. Funetionen , welche unendlich viele Maxima und Minima haben. D D LA) 123 126 Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. Von B. Riemann. Aus dem Nachlass.des Verfassers mitgetheilt durch R. Dedekind!'). Plan der Untersuchung. Bekanntlich setzt die Geometrie sowohl den Begriff des Raumes, als die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Raume als etwas Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen, wäh- rend die wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen auftreten. Das Verhältniss dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man sieht weder ein, ob und in wie weit ihre Verbindung nothwendig, noch a priori, ob sie möglich ist. Diese Dunkelheit wurde auch von Euklid bis auf Legendre, um den berühmtesten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen, weder von den Mathematikern, noch von den Philosophen, welche sich damit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin, dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen, unter wel- chem die Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb. Ich habe mir daher zunächst die Aufgabe gestellt, den Begriff einer mehrfach ausgedehnten Grösse aus allgemeinen Grössenbegriffen zu construiren. Es wird daraus hervorgehen, dass eine mehrfach ausgedehnte Grösse ver- 1) Diese Abhandlung ist am 10. Juni 1854 von dem Verfasser bei dem zum Zweck seiner Habilitation veranstalteten Colloquium mit der philosophischen Facultät zu Göttingen vorgelesen worden. Hieraus erklärt sich die Form der Darstellung, in welcher die analytischen Untersuchungen nur angedeutet werden konnten; in einem besondere: Aufsatze gedenke ich demnächst auf dieselben zurückzukommen. Braunschweig, im Juli 1867. R. Dedekind. 134 B. RIEMANN, schiedener Massverhältnisse fähig ist und der Raum also nur einen be- sonderen Fall einer dreifach ausgedehnten Grösse bildet. Hiervon aber ist eine nothwendige Folge, dass die Sätze der Geometrie sich nicht aus allgemeinen Grössenbegriffen ableiten lassen, sondern dass diejenigen Ei- genschaften, durch welche sich der Raum von anderen denkbaren drei- fach ausgedehnten Grössen unterscheidet, nur aus der Erfahrung ent- nommen werden können. Hieraus entsteht die Aufgabe, die einfachsten Thatsachen aufzusuchen, aus denen sich die Massverhältnisse des Raumes bestimmen lassen — eine Aufgabe, die der Natur der Sache nach nicht völlig bestimmt ist; denn es lassen sich mehrere Systeme einfacher That- sachen angeben, welche zur Bestimmung der Massverhältnisse des Rau- mes hinreichen; am wichtigsten ist für den gegenwärtigen Zweck das von Euklid zu Grunde gelegte. Diese Thatsachen sind wie alle Thatsachen nicht nothwendig, sondern nur von empirischer Gewissheit, sie sind Hy- pothesen; man kann also ihre Wahrscheinlichkeit, welche innerhalb der Grenzen der Beobachtung allerdings sehr gross ist, untersuchen und hie- nach über die Zulässigkeit ihrer Ausdehnung jenseits der Grenzen der Beobachtung, sowohl nach der Seite des Unmessbargrossen, als nach der Seite des Unmessbarkleinen urtheilen. I. Begriff einer »fach ausgedehnten Grösse. Indem ich nun von diesen Aufgaben zunächst die erste, die Ent- wicklung des Begriffs mehrfach ausgedehnter Grössen zu lösen versuche, glaube ich um so mehr auf eine nachsichtige Beurtheilung Anspruch machen zu dürfen, da ich in dergleichen Arbeiten philosophischer Natur, wo die Schwierigkeiten mehr in den Begriffen, als in der Construction liegen, wenig geübt bin und ich ausser einigen ganz kurzen Andeutun- gen, welche Herr Geheimer Hofrath Gauss in der zweiten Abhandlung über die biquadratischen Reste, in den Göttingenschen gelehrten Anzeigen und in seiner Jubiläumsschrift darüber gegeben hat, und einigen philo- sophischen Untersuchungen Herbart s, durchaus keine Vorarbeiten be- nutzen konnte. UEB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 135 e Grössenbegriffe sind nur da möglich, wo sich ein allgemeiner Begriff SE vorfindet, der verschiedene Bestimmungsweisen zulässt. Je nachdem unter diesen Bestimmungsweisen von einer zu einer andern ein stetiger Uebergang stattfindet oder nicht, bilden sie eine stetige oder discrete Mannigfaltigkeit; die einzelnen Bestimmungsweisen heissen im erstern Falle Punkte, im letztern Elemente dieser Mannigfaltigkeit. Begriffe, deren Bestimmungsweisen eine discrete Mannigfaltigkeit bilden, sind so häufig, dass sich für beliebig gegebene Dinge wenigstens in den gebilde- teren Sprachen immer ein Begriff auffinden lässt, unter welchem sie ent- halten sind (und die Mathematiker konnten daher in der Lehre von den discreten Grössen unbedenklich von der Forderung ausgehen , gegebene Dinge als gleichartig zu betrachten), dagegen sind die Veranlassungen zur Bildung von Begriffen, deren Bestimmungsweisen eine stetige Man- nigfaltigkeit bilden, im gemeinen Leben so selten, dass die Orte der Sinnengegenstände und die Farben wohl die einzigen einfachen Begriffe sind, deren Bestimmungsweisen eine mehrfach ausgedehnte Mannigfaltig- keit bilden. Häufigere Veranlassung zur Ergeuzung und Ausbildung dieser Begriffe findet sich erst in der höhern Mathematik. Bestimmte, durch ein Merkmal oder eine Grenze unterschiedene Theile einer Mannigfaltigkeit heissen Quanta. Ihre Vergleichung der Quantität nach geschieht bei den disereten Grössen durch Zählung, bei den stetigen durch Messung. Das Messen besteht in einem Aufeinander- legen der zu vergleichenden Grössen; zum Messen wird also ein Mittel erfordert, die eine Grösse als Massstab für die andere fortzutragen. Fehlt dieses, so kann man zwei Grössen nur vergleichen, wenn die eine ein Theil der andern ist, und auch dann nur das Mehr oder Minder, nicht das Wieviel entscheiden. Die Untersuchungen, welche sich in diesem Falle über sie anstellen lassen, bilden einen allgemeinen von Massbe- stimmungen unabhängigen Theil der Grössenlehre, wo die Grössen nicht als unabhängig von der Lage existirend und nicht als durch eine Ein heit ausdrückbar, sondern als Gebiete in einer Mannigfaltigkeit betrachtet werden. Solche Untersuchungen sind für mehrere Theile der Mathematik, 136 Be B. RIEMANN, namentlich für die Behandlung der mehrwerthigen analytischen Functionen ein Bedürfniss geworden, und der Mangel derselben ist wohl eine Haupt- ursache, dass der berühmte A besche Satz und die Leistungen von La- grange, Pfaff, Jacobi für die allgemeine Theorie der Differentialglei- chungen so lange unfruchtbar geblieben sind. Für den gegenwärtigen Zweck genügt es, aus diesem allgemeinen Theile der Lehre von den aus- gedehnten Grössen, wo weiter nichts vorausgesetzt wird, als was in dem Begriffe derselben schon enthalten ist, zwei Punkte hervorzuheben, wovon der erste die Erzeugung des Begriffs einer mehrfach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit, der zweite die Zurückführung der Ortsbestimmungen in einer gegebenen Mannigfaltigkeit auf Quantitätsbestimmungen betrifft und das wesentliche Kennzeichen einer nfachen Ausdehnung deutlich machen wird. 8. 12. Geht man bei einem Begriffe, dessen Bestimmungsweisen eine ste- tige Mannigfaltigkeit bilden, von einer Bestimmungsweise auf eine be- stimmte Art zu einer andern über, so bilden die durchlaufenen Bestim- mungsweisen eine einfach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, deren wesent- liches Kennzeichen ist, dass in ihr von einem Punkte nur nach zwei Seiten, vorwärts oder rückwärts, ein stetiger Fortgang möglich ist. Denkt man sich nun, dass diese Mannigfaltigkeit wieder in eine andere, völlig verschiedene, übergeht, und zwar wieder auf bestimmte Art, d. h. so, dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der andern übergeht, so bil- den sämmtliche so erhaltene Bestimmungsweisen eine zweifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit. In ähnlicher Weise erhält man eine dreifach ausge- dehnte Mannigfaltigkeit, wenn man sich vorstellt, dass eine zweifach aus- gedehnte in eine völlig verschiedene auf bestimmte Art übergeht, und es ist leicht zu sehen, wie man diese Construction fortsetzen kann. Wenn man, anstatt den Begriff als bestimmbar, seinen Gegenstand als verän- derlich betrachtet, so kann diese Construction bezeichnet werden als eine Zusammensetzung einer Veränderlichkeit von n -+ 1 Dimensionen aus einer Veränderlichkeit von » Dimensionen und aus einer Veränderlichkeit von einer Dimension. ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 137 SER, Ich werde nun zeigen, wie man umgekehrt eine Veränderlichkeit, deren Gebiet gegeben ist, in eine Veränderlichkeit von einer Dimension und eine Veränderlichkeit von weniger Dimensionen zerlegen kann. Zu diesem Ende denke man sich ein veränderliches Stück einer Mannigfal- tigkeit von einer Dimension — von einem festen Anfangspunkte an ge- rechnet, so dass die Werthe desselben unter einander vergleichbar sind — welches für jeden Punkt der gegebenen Mannigfaltigkeit einen bestimm- ten mit ihm stetig sich ändernden Werth hat, oder mit andern Worten, man nehme innerhalb der gegebenen Mannigfaltigkeit eine stetige Fun- ction des Orts an, und zwar eine solche Function, welche nicht längs eines 'Theils dieser Mannigfaltigkeit constant ist. Jedes System von Punkten, wo die Function einen constanten Werth hat, bildet dann eine stetige Mannigfaltigkeit von weniger Dimensionen, als die gegebene. Diese Mannigfaltigkeiten gehen bei Aenderung der Function stetig in einander über; man wird daher annehmen können, dass aus einer von ihnen die übrigen hervorgehen, und es wird dies, allgemein zu reden, so geschehen können, dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der andern übergeht; die Ausnahmsfälle, deren Untersuchung wichtig ist, können hier unberücksichtigt bleiben. Hierdurch wird die Ortsbestim- mung in der gegebenen Mannigfaltigkeit zurückgeführt auf eine Grössen- bestimmung und auf eine Ortsbestimmung in einer minderfach ausge- dehnten Mannigfaltigkeit. Es ist nun leicht zu zeigen, dass diese Man- nigfaltigkeit n — 1 Dimensionen hat, wenn die gegebene Mannigfaltigkeit eine »fach ausgedehnte ist. Durch nmalige Wiederholung dieses Ver- fahrens wird daher die Ortsbestimmung in einer »fach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit auf n Grössenbestimmungen, und also die Ortsbestimmung in einer gegebenen Mannigfaltigkeit, wenn dieses möglich ist, auf eine endliche Anzahl von Quantitätsbestimmungen zurückgeführt. Es giebt indess auch Mannigfaltigkeiten, in welchen die Ortsbestimmung nicht eine endliche Zahl, sondern entweder eine unendliche Reihe oder eine stetige Mannigfaltigkeit von Grössenbestimmungen erfordert. Solche Man- nigfaltigkeiten bilden z. B. die möglichen Bestimmungen einer Function Mathem. Classe. XIII. S l 138 B. RIEMANN, für ein gegebenes Gebiet, die möglichen Gestalten einer räumlichen Figur u. s. w: LL Massverhältnisse, deren eine Mannigfaltigkeit von n Dimensionen fähig ist, unter der Voraussetzung, dass die Linien unabhängig von der Lage eine Länge besitzen, also jede Linie durch jede messbar ist. Es folgt nun, nachdem der Begriff einer »fach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit construirt und als wesentliches Kennzeichen derselben ge- funden worden ist, dass sich die Ortsbestimmung in derselben auf n Grö- ssenbestimmungen zurückführen lässt, als zweite der oben gestellten Auf- gaben eine Untersuchung über die Massverhältnisse, deren eine solche Mannigfaltigkeit fähig ist, und über die Bedingungen, welche zur Bestim- mung dieser Massverhältnisse hinreichen. Diese Massverhältnisse lassen sich nur in abstracten Grössenbegriffen untersuchen und im Zusammen- hange nur durch Formeln darstellen; unter gewissen Voraussetzungen kann man sie indess in Verhältnisse zerlegen, welche einzeln genommen einer geometrischen Darstellung fähig sind, und hiedurch wird es mög- lich, die Resultate der Rechnung geometrisch auszudrücken. Es wird daher, um festen Boden zu gewinnen, zwar eine abstracte Untersuchung in Formeln nicht zu vermeiden sein, die Resultate derselben aber werden sich dann im geometrischen Gewande darstellen lassen. Zu Beidem sind die Grundlagen enthalten in der berühmten Abhandlung des Herrn Ge- heimen Hofraths Gauss über die krummen Flächen. Si Massbestimmungen erfordern eine Unabhängigkeit der Grössen vom Ort, die in mehr als einer Weise stattfinden kann; die zuņächst sich darbietende Annahme, welche ich hier verfolgen will, ist wohl die, dass die Länge der Linien unabhängig von der Lage sei, also jede Linie durch jede messbar sei. Wird die Ortsbestimmung auf Grössenbestimmungen zurückgeführt, also die Lage eines Punktes in der gegebenen nfach aus- ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 139 gedehnten Mannigfaltigkeit durch » veränderliche Grössen 2. Ze dës, und so fort bis æ% ausgedrückt, so wird die Bestimmung einer Linie darauf hinauskommen, dass die Grössen x als Functionen einer Verän- derlichen gegeben werden. Die Aufgabe ist dann, für die Länge der Linien einen mathematischen Ausdruck aufzustellen, zu welchem Zwecke die Grössen v als in Einheiten ausdrückbar betrachtet werden müssen. Ich werde diese Aufgabe nur unter gewissen Beschränkungen behandeln und beschränke mich erstlich auf solche Linien, in welchen die Ver- ‚hältnisse zwischen den Grössen de — den zusammengehörigen Aende- rungen der Grössen v — sich stetig ändern; man kann dann die Li- nien in Elemente zerlegt denken, innerhalb deren die Verhältnisse der Grössen de als constant betrachtet werden dürfen, und die Aufgabe kommt dann darauf zurück, für jeden Punkt einen allgemeinen Aus- druck des von ihm ausgehenden Linienelements ds aufzustellen, welcher also die Grössen « und die Grössen dr enthalten wird. Ich nehme nun zweitens an, dass die Länge des Linienelements, von Grössen zweiter Ordnung abgesehen, ungeändert bleibt, wenn sämmtliche Punkte dessel- ben dieselbe unendlich kleine Ortsänderung erleiden, worin zugleich enthalten ist, dass, wenn sämmtliche Grössen dr in demselben Verhält- nisse wachsen, das Linienelement sich ebenfalls in diesem Verhältnisse ändert. Unter diesen Annahmen wird das Linienelement eine beliebige homogene Function ersten Grades der Grössen dx sein können, welche ungeändert bleibt, wenn sämmtliche Grössen dr ihr Zeichen ändern, und worin die willkührlichen Constanten stetige Functionen der Grössen æ sind. Um die einfachsten Fälle zu finden, suche ich zunächst einen Ausdruck für die n—Ifach ausgedehnten Mannigfaltigkeiten, welche vom Anfangspunkte des Linienelements überall gleich weit abstehen, d.h. ich suche eine stetige Function des Orts, welche sie von einander un- terscheidet. Diese wird vom Anfangspunkt aus nach allen Seiten ent- weder ab- oder zunehmen müssen; ich will annehmen, dass sie nach allen Seiten zunimmt und also in dem Punkte ein Minimum hat. Es muss dann, wenn ihre ersten und zweiten Differentialquotienten endlich sind, das Differential erster Ordnung verschwinden und das zweiter Ord- SEI u - B. RIEMANN, nung darf nie negativ werden; ich nehme an, dass es immer positiv bleibt. Dieser Differentialausdruck zweiter Ordnung bleibt alsdann con- stant, wenn ds constant bleibt und wächst im quadratischen Verhält- nisse, wenn die Grössen de und also auch ds sich sämmtlich in demsel- ben Verhältnisse ändern; er ist also — const. ds? und folglich ist ds = der Quadratwurzel aus einer immer positiven ganzen homogenen Function zweiten Grades der Grössen de, in welcher die Coefficienten stetige Functionen der Grössen x sind. Für den Raum wird, wenn man die Lage der Punkte durch rechtwinklige Coordinaten ausdrückt, ds = Y(de)?; der Raum ist also unter diesem einfachsten Falle enthalten. Der nächst einfache Fall würde wohl die Mannigfaltigkeiten umfassen, in welchen sich das Linienelement durch die vierte Wurzel aus einem Differential- ausdrucke vierten Grades ausdrücken lässt. Die Untersuchung dieser allgemeinern Gattung würde zwar keine wesentlich andere Principien er- fordern, aber ziemlich zeitraubend sein und verhältnissmässig auf die Lehre vom Raume wenig neues Licht werfen, zumal da sich die Resul- tate nicht geometrisch ausdrücken lassen; ich beschränke mich daher auf die Mannigfaltigkeiten, wo das Linienelement durch die Quadrat- wurzel aus einem Differentialausdruck zweiten Grades ausgedrückt wird. Man kann einen solchen Ausdruck in einen andern ähnlichen transfor- miren, indem man für die » unabhängigen Veränderlichen Functionen von n neuen unabhängigen Veränderlichen setzt. Auf diesem Wege wird man aber nicht jeden Ausdruck in jeden transformiren können; denn der Ausdruck enthält a ” 3 ` Coefficienten, welche willkührliche Functionen der unabhängigen Veränderlichen sind; durch Einführung neuer Veränderlicher wird man aber nur » Relationen genügen und also nur » der Üoefficienten gegebenen Grössen gleich machen können. Es sind dann die übrigen » S 3 durch die Natur der darzustellenden Man- nigfaltigkeit schon völlig bestimmt, und zur Bestimmung ihrer Mass- Functionen des Orts erforderlich. Die Mannig- verhältnisse also z D ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 141 faltigkeiten, in welchen sich, wie in der Ebene und im Raume, das Li- nienelement auf die Form YIdz? bringen lässt, bilden daher nur einen besondern Fall der hier zu untersuchenden Mannigfaltigkeiten; sie ver- dienen wohl einen besondern Namen, und ich will also diese Mannig- ` faltigkeiten, in welchen sich das Quadrat des Linienelements auf die Summe der Quadrate von vollständigen Differentialien bringen lässt, eben nennen. Um nun die wesentlichen Verschiedenheiten sämmtlicher in der vorausgesetzten Form darstellbarer Mannigfaltigkeiten übersehen zu können, ist es nöthig, die von der Darstellungsweise herrührenden zu beseitigen, was durch Wahl der veränderlichen Grössen nach einem be- stimmten Princip erreicht wird. Pe Zu diesem Ende denke man sich von einem beliebigen Punkte aus das System der von ihm ausgehenden kürzesten Linien construirt; die Lage eines unbestimmten Punktes wird dann bestimmt werden können durch die Anfangsrichtung der kürzesten Linie, in welcher er liegt, und durch seine Entfernung in derselben vom Anfangspunkte und kann daher durch die Verhältnisse det der Grössen dr in dieser kürzesten Linie und durch die Länge s dieser Linie ausgedrückt werden. Man führe nun statt dat! solche aus ihnen gebildete lineäre Ausdrücke de ein, dass der Anfangswerth des Quadrats des Linienelements gleich der Summe der Quadrate dieser Ausdrücke wird, so dass die unabhängigen Variabeln sind: die Grösse s und die Verhältnisse der Grössen de; und setze schliesslich statt dæ solche ihnen proportionale Grössen #1, Lo, - . -, Lm dass die Quadratsumme — s? wird. Führt man diese Grössen ein, so wird für unendlich kleine Werthe von x das Quadrat des Linienelements = dE, das Glied der nächsten Ordnung in demselben aber gleich einem homogenen Ausdruck zweiten Grades der a " = à Grössen Lë dzz —&æz day), (zı dr dzı), ..., also eine unendlich kleine Grösse von der vierten Dimension, so dass man eine endliche Grösse erhält, wenn man sie durch das Quadrat des unendlich kleinen Dreiecks dividirt, in 142 B. RIEMANN, dessen Eckpunkten die Werthe der Veränderlichen sind (0, 0, o, ...), (æi, Z2, 83, ...), (dar, dag, das, ... .). Diese Grösse behält denselben Werth, so lange die Grössen x und dr in denselben binären Linearfor- men enthalten sind oder so lange die beiden kürzesten Linien von den Werthen o bis zu den Werthen x und von den Werthen o bis zu den Werthen dr in demselben Flächenelement bleiben, und hängt also nur von Ort und Richtung desselben ab. Sie wird offenbar —= o, wenn die dargestellte Mannigfaltigkeit eben, d. h. das Quadrat des Linienelements auf X dx? reducirbar ist, und kann daher als das Mass der in diesem Punkte in dieser Flächenrichtung stattfindenden Abweichung der Man- nigfaltigkeit von der Ebenheit angesehen werden. Multiplieirt mit — & wird sie der Grösse gleich, welche Herr Geheimer Hofrath Gauss de Krümmungsmass einer Fläche genannt hat. Zur Bestimmung der Mass- verhältnisse einer nfach ausgedehnten in der vorausgesetzten Form dar- | ES ; n— i Ä stellbaren Mannigfaltigkeit wurden vorhin n = Functionen des Orts nöthig gefunden; wenn also das Krümmungsmass in jedem Punkte in n EEN n Flächenrichtungen gegeben wird, so werden daraus die -Mass- verhältnisse der Mannigfaltigkeit sich bestimmen lassen, wofern nur zwi- schen diesen Werthen keine identischen Relationen stattfinden, was in der That, allgemein zu reden, nicht der Fall ist. Die Massverhältnisse dieser Mannigfaltigkeiten, wo das Linienelement durch die Quadratwurzel aus einem Differentialausdruck zweiten Grades dargestellt wird, lassen sich so auf eine von der Wahl der veränderlichen Grössen völlig unab- hängige Weise ausdrücken. Ein ganz ähnlicher Weg lässt sich zu die- sem Ziele auch bei den Mannigfaltigkeiten einschlagen, in welchen das Linienelement durch einen weniger einfachen Ausdruck, z. B. durch die vierte Wurzel aus einem Differentialausdruck vierten Grades, ausgedrückt wird. Es würde sich dann das Linienelement, allgemein zu reden, nicht mehr auf die Form der Quadratwurzel aus einer Quadratsumme von Differentialausdrücken bringen lassen und also in dem Ausdrucke für das u des ‚Linienelements die | von der Ebenheit eine un- ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 143 endlich kleine Grösse von der zweiten Dimension sein, während sie bei jenen Mannigfaltigkeiten eine unendlich kleine Grösse von der vierten Dimension war. Diese Eigenthümlichkeit der letztern Mannigfaltigkeiten kann daher wohl Ebenheit in den kleinsten Theilen genannt werden. Die für den jetzi- gen Zweck wichtigste Eigenthümlichkeit dieser Mannigfaltigkeiten, derent- wegen sie hier allein untersucht worden sind, ist aber die, dass sich die - Verhältnisse der zweifach ausgedehnten geometrisch durch Flächen darstel- len und die der mehrfach ausgedehnten auf die der in ihnen enthaltenen Flächen zurückführen lassen, was jetzt noch einer kurzen Erörterung bedarf. S. A In die Auffassung der Flächen mischt sich neben den inneren Mass- verhältnissen, bei welchen nur die Länge der Wege in ihnen in Betracht kommt, immer auch ihre Lage zu ausser jhnen gelegenen Punkten. Man kann aber von den äussern Verhältnissen abstrahiren, indem man solche Veränderungen mit ihnen vornimmt, bei denen die Länge der Linien in ihnen ungeändert bleibt, d. h. sie sich beliebig — ohne Dehnung — ge- bogen denkt, und alle so auseinander entstehenden Flächen als gleich- artig betrachtet. Es gelten also z. B. beliebige cylindrische oder coni- sche Flächen einer Ebene gleich, weil sie sich durch blosse Biegung aus ihr bilden lassen, wobei die innern Massverhältnisse bleiben, und sämmt- liche Sätze über dieselben — also die ganze Planimetrie — ihre Gültig- keit behalten; dagegen gelten sie als wesentlich verschieden von der Ku- gel, welche sich nicht ohne Dehnung in eine Ebene verwandeln lässt. Nach der vorigen Untersuchung werden in jedem Punkte die innern Massverhältnisse einer zweifach ausgedehnten Grösse, wenn sich das Li- nienelement durch die Quadratwurzel aus einem Differentialausdruck zweiten Grades ausdrücken lässt, wie dies bei den Flächen der Fall ist, charakterisirt durch das Krümmungsmass. Dieser Grösse lässt sich nun bei den Flächen die anschauliche Bedeutung geben, dass sie das Product aus den beiden Krümmungen der Fläche in diesem Punkte ist, oder auch, dass das Product derselben in ein unendlich kleines aus kürzesten Linien gebildetes Dreieck gleich ist dem halben Ueberschusse seiner Winkel- 144 B. RIEMANN, summe über zwei Rechte in Theilen des Halbmessers. Die erste Defini- tion würde den Satz voraussetzen, dass das Product der beiden Krüm- mungshalbmesser bei der blossen Biegung einer Fläche ungeändert bleibt. die zweite, dass an demselben Orte der Ueberschuss der Winkelsumme ‚eines unendlich kleinen Dreiecks über zwei Rechte seinem Inhalte pro- portional ist. Um dem Krümmungsmass einer „fach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit in einem gegebenen Punkte und einer gegebenen durch ihn gelegten Flächenrichtung eine greifbare Bedeutung zu geben, muss man davon ausgehen; dass eine von einem Punkte ausgehende kürzeste Linie völlig bestimmt ist, wenn ihre Anfangsrichtung gegeben ist. Hienach wird man eine bestimmte Fläche erhalten, wenn man sämmtliche von dem gegebenen Punkte ausgehenden und in dem gegebenen Flächenelement liegenden Anfangsrichtungen zu kürzesten Linien verlängert, und diese Fläche hat in dem gegebenen Punkte ein bestimmtes Krümmungsmass, welches zugleich das Krümmungsmass der nfach ausgedehnten Mannig- faltigkeit in dem gegebenen Punkte und der gegebenen Flächenrich- tung ist. . 4. u Es sind nun noch, ehe die Anwendung auf den Raum gemacht wird, einige Betrachtungen über die ebenen Mannigfaltigkeiten im All- gemeinen nöthig, d. h. über diejenigen, in welchen das Quadrat des Li- nienelements durch eine Quadratsumme vollständiger Differentialien dar- stellbar ist. In einer ebenen nfach ausgedehnten Mannigfaltigkeit ist das Krüm- mungsmass in jedem Punkte in jeder Richtung Null; es reicht aber nach der frühern Untersuchung, um die Massverhältnisse zu bestimmen, hin n— 1 2 Krümmungsmasse von einander unabhängig sind, Null sei. Die Mannig- faltigkeiten, deren Krümmungsmass überall — o ist, lassen sich .betrach- ten als ein besonderer Fall derjenigen Mannigfaltigkeiten, deren Krüm- mungsmass allenthalben constant ist. Der gemeinsame Charakter dieser Mannigfaltigkeiten, deren Krüämmungsmass constant ist, kann auch so zu wissen, dass es in jedem Punkte in n Flächenrichtungen, deren ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 145 ausgedrückt werden, dass sich die Figuren in ihnen ohne Dehnung be- wegen lassen. Denn offenbar würden die Figuren in ihnen nicht belie- big verschiebbar und drehbar sein können, wenn nicht in jedem Punkte in allen Richtungen das Krümmungsmass dasselbe wäre. Andererseits aber sind durch das Krümmungsmass die Massverhältnisse der Mannig- faltigkeit vollständig bestimmt; es sind daher um einen Punkt nach allen Richtungen die Massverhältnisse genau dieselben, wie um einen andern, und also von ihm aus dieselben Constructionen ausführbar, und folglich kann in den Mannigfaltigkeiten mit constantem Krümmungsmass den Fi- guren jede beliebige Lage gegeben werden. Die Massverhältnisse dieser Mannigfaltigkeiten hängen nur von dem Werthe des Krümmungsmasses ab, und in Bezug auf die analytische Darstellung mag bemerkt werden, dass, wenn man diesen Werth durch e bezeichnet, dem Ausdruck für das Linienelement die Form ern ee gegeben werden kann. $. 5. Zur geometrischen Erläuterung kann die Betrachtung der Flächen mit constantem Krümmungsmass dienen. Es ist leicht zu sehen, dass sich die Flächen, deren Krümmungsmass positiv ist, immer auf eine Kugel, deren Radius gleich 1 dividirt durch die Wurzel aus dem Krümmungs- mass ist, wickeln lassen werden; um aber die ganze Mannigfaltigkeit dieser Flächen zu übersehen, gebe man einer derselben die Gestalt einer Kugel und den übrigen die Gestalt von Umdrehungsflächen, welche sie im Aequator berühren. Die Flächen mit grösserem Krümmungsmass, als diese Kugel, werden dann die Kugel von innen berühren und eine Gestalt annehmen, wie der äussere der Axe abgewandte Theil der Ober- fläche eines Ringes; sie würden sich auf Zonen von Kugeln mit kleine- rem Halbmesser wickeln lassen, aber mehr als einmal herumreichen. Die Flächen mit kleinerem positiven Krämmungsmass wird man erhalten, Mathem. Classe. XIII. 146 | B. RIEMANN, wenn man aus Kugelflächen mit grösserem Radius ein von zwei grössten Halbkreisen begrenztes Stück ausschneidet und die Schnittlinien zusam- menfügt. Die Fläche mit dem Krümmungsmass Null wird eine auf dem zanter stehende Cylinderfläche sein; die Flächen mit negativem Krüm- mungsmass aber werden diesen Cylinder von aussen berühren und wie der innere der Axe zugewandte Theil der Oberfläche eines Ringes ge- formt sein. Denkt man sich diese Flächen als Ort für in ihnen beweg- liche Flächenstücke, wie den Raum als Ort für Körper, so sind in allen diesen Flächen die Flächenstücke ohne Dehnung beweglich. Die Flächen mit positivem Krümmungsmass lassen sich stets so formen, dass die Flä- chenstücke auch ohne Biegung beliebig bewegt werden können, nämlich zu Kugelflächen, die mit negativem aber nicht. Ausser dieser Unabhän- gigkeit der Flächenstücke vom Ort findet bei der Fläche mit dem Krüm- mungsmass Null auch eine Unabhängigkeit der Richtung vom Ort statt, welche bei den übrigen Flächen nicht stattfindet. HI. Anwendung auf den Raum. KE Nach diesen Untersuchungen über die Bestimmung der Massverhält- nisse einer rfach ausgedehnten Grösse lassen sich nun die Bedingungen angeben, welche zur Bestimmung der Massverhältnisse des Raumes hin- reichend und nothwendig sind, wenn Unabhängigkeit der Linien von der Lage und Darstellbarkeit des Linienelements durch die Quadratwurzel aus einem Differentialausdrucke zweiten Grades, also Ebenheit in den kleinsten Theilen vorausgesetzt wird. Sie lassen sich erstens so ausdrücken, dass das Krümmungsmass in jedem Punkte in drei Flächenrichtungen = 0 ist, und es sind daher die Massverhältnisse des Raumes bestimmt, wenn die Winkelsumme im Dreieck allenthalben gleich zwei Rechten ist. Setzt man aber zweitens, wie Euklid, nicht bloss eine von der Lage unabhängige Existenz der Linien, sondern auch der Körper voraus, so ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 147 folgt, dass das Krümmungsmass allenthalben constant ist, und es ist dann in allen Dreiecken die Winkelsumme bestimmt, wenn sie in einem be- stimmt ist. | Endlich könnte man drittens, anstatt die Länge der Linien als un- abhängig von Ort und Richtung anzunehmen, auch eine Unabhängigkeit ihrer Länge und Richtung vom Ort voraussetzen. Nach dieser Auffas- sung sind die Ortsänderungen oder Ortsverschiedenheiten complexe in drei unabhängige Einheiten ausdrückbare Grössen. S. 2. Im Laufe der bisherigen Betrachtungen wurden zunächst die Aus- - dehnungs- oder Gebietsverhältnisse von den Massverhältnissen gesondert, und gefunden, dass bei denselben Ausdehnungsverhältnissen verschiedene ‚Massverhältnisse denkbar sind; es wurden dann die Systeme einfacher Massbestimmungen aufgesucht, durch welche die Massverhältnisse des Raumes völlig bestimmt sind und von welchen alle Sätze über dieselben eine nothwendige Folge sind; es bleibt nun die Frage zu erörtern, wie, in welchem Grade und in welchem Umfange diese Voraussetzungen durch die Erfahrung verbürgt werden. In dieser Beziehung findet zwischen den blossen Ausdehnungsverhältnissen und den Massverhältnissen eine we- sentliche Verschiedenheit statt, insofern bei erstern, wo die möglichen Fälle eine discrete Mannigfaltigkeit bilden, die Aussagen der Erfahrung zwar nie völlig gewiss, aber nicht ungenau sind, während bei letztern, wo die möglichen Fälle eine stetige Mannigfaltigkeit bilden, jede Bestim- mung aus der Erfahrung immer ungenau bleibt — es mag die Wahr- scheinlichkeit, dass sie nahe richtig ist, noch so gross sein. Dieser Um- stand wird wichtig bei der Ausdehnung dieser empirischen Bestimmun- ` gen über die Grenzen der Beobachtung in’s Unmessbargrosse und Un- messbarkleine; denn die letztern können offenbar jenseits der Grenzen der Beobachtung immer ungenauer werden, die ersteren aber nicht. Bei der Ausdehnung der Raumconstructionen in’s Unmessbargrosse ist Unbegrenztheit und Unendlichkeit zu scheiden; jene gehört zu den Ausdehnungsverhältnissen, diese zu den Massverhältnissen. Dass der me 148 B. RIEMANN, Raum eine unbegrenzte dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit sei, ist eine Voraussetzung, welche bei jeder Auffassung der Aussenwelt ange- wandt wird, nach welcher in jedem Augenblicke das Gebiet der wirk- lichen Wahrnehmungen ergänzt und die möglichen Orte eines gesuchten Gegenstandes construirt werden und welche sich bei diesen Anwendungen fortwährend bestätigt. Die Unbegrenztheit des Raumes besitzt daher eine grössere empirische Gewissheit, als irgend eine äussere Erfahrung. Hieraus folgt aber die Unendlichkeit keineswegs; vielmehr würde der Raum, wenn man Unabhängigkeit der Körper vom Ort voraussetzt, ihm also ein constantes Krümmungsmass zuschreibt, nothwendig endlich sein, so bald dieses Krümmungsmass einen noch so kleinen pösitiven Werth hätte. Man würde, wenn man die in einem Flächenelement liegenden Anfangsrichtungen zu kürzesten Linien verlängert, eine unbegrenzte Fläche mit constantem positiven Krümmungsmass, also eine Fläche er- halten, welche in einer ebenen dreifach ausgedehnten Mannigfaltigkeit die Gestalt einer Kugelfläche annehmen würde und welche folglich endlich ist. $. 3. Die Fragen über das Unmessbargrosse sind für die Naturerklärung müssige Fragen. ` Anders verhält es sich aber mit den Fragen über das Unmessbarkleine. Auf der Genauigkeit, mit welcher wir die Erschei- nungen in’s Unendlichkleine verfolgen, beruht wesentlich die Erkenntniss ihres Causalzusammenhangs. Die Fortschritte der letzten Jahrhunderte in der Erkenntniss der mechanischen Natur sind fast allein bedingt durch die Genauigkeit der Construction, welche durch die Erfindung der Ana- lysis des Unendlichen und die von Archimed, Galliläi und Newton auf- gefundenen einfachen Grundbegriffe, deren sich die heutige Physik be- dient, möglich geworden ist. In den Naturwissenschaften aber, wo die einfachen Grundbegriffe zu solchen Constructionen bis jetzt fehlen, ver- folgt man, um den Causalzusammenhang zu erkennen, die Erscheinungen in's räumlich Kleine, so weit es das Mikroskop nur gestattet. Die Fra- ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. 149 gen über die Massverhältnisse des Raumes im Unmessbarkleinen gehören also nicht zu den müssigen. - Setzt man voraus, dass die Körper unabhängig vom Ort existiren, so ist das Krümmungsmass überall constant, und es folgt dann aus den astronomischen Messungen, dass es nicht von Null verschieden sein kann; jedenfalls müsste sein reciprocer Werth eine Fläche sein, gegen welche das unsern Teleskopen zugängliche Gebiet verschwinden müsste. Wenn aber eine solche Unabhängigkeit der Körper vom Ort nicht stattfindet, so kann man aus den Massverhältnissen im Grossen nicht auf die im Unendlichkleinen schliessen; es kann dann in jedem Punkte das Krüm- mungsmass in drei Richtungen einen beliebigen Werth haben, wenn nur die ganze Krümmung jedes messbaren Raumtheils nicht merklich von Null verschieden ist; noch complicirtere Verhältnisse können eintreten, wenn die vorausgesetzte Darstellbarkeit eines Linienelements durch die Quadratwurzel aus einem Differentialausdruck zweiten Grades nicht statt- findet. Nun scheinen aber die empirischen Begriffe, in welchen die räumlichen Massbestimmungen gegründet sind, der Begriff des festen Körpers und des Lichtstrahls, im Unendlichkleinen ihre Gültigkeit zu verlieren; es ist also sehr wohl denkbar, dass die Massverhältnisse des Raumes im Unendlichkleinen den Voraussetzungen der Geometrie nicht gemäss sind, und dies würde man in der That annehmen müssen, sobald sich dadurch die Erscheinungen auf einfachere Weise erklären liessen. Die Frage über die Gültigkeit der Voraussetzungen der Geometrie im Unendlichkleinen hängt zusammen mit der Frage nach dem innern Grunde der Massverhältnisse des Raumes. Bei dieser Frage, welche wohl noch zur Lehre vom Raume gerechnet werden darf, kommt die obige Bemerkung zur Anwendung, dass bei einer discreten Mannigfal- tigkeit das Princip der Massverhältnisse schon in dem Begriffe dieser Mannigfaltigkeit enthalten ist, bei einer stetigen aber anders woher hin- zukommen muss. Es muss also entweder das dem Raume zu Grunde liegende Wirkliche eine discrete Mannigfaltigkeit bilden, oder der Grund der Massverhältnisse ausserhalb, in darauf wirkenden bindenden Kräften, gesucht werden. 150 B. RIEMANN, ÜB. DIE HYPOTHESEN a s. W Die Entscheidung dieser Fragen kann nur gefunden werden, indem man von der bisherigen durch die Erfahrung bewährten Auffassung der Erscheinungen, wozu Newton den Grund gelegt, ausgeht und diese durch Thatsachen. die sich aus ihr nicht erklären lassen, getrieben allmählich umarbeitet; solche Untersuchungen, welche, wie die hier geführte, von allgemeinen Begriffen ausgehen, können nur dazu dienen, dass diese Arbeit nicht durch die Beschränktheit der Begriffe gehindert und der Fortschritt im Erkennen des Zusammenhangs der Dinge nicht durch überlieferte Vorurtheile gehemmt wird. Es führt dies hinüber in das Gebiet einer andern Wissenschaft, in das Gebiet der Physik, welches wohl die Natur der heutigen Veranlas- sung nicht zu betreten erlaubt. Uebersicht. Plan der Untersuchung . . . rn eg E Begriff einer nfach ausgedehnten Grösse 5 SE EE 5. 1. Stetige und discrete Mannigfaltigkeiten. Bestimmte Theile einer A faltigkeit heissen Quanta. Eintheilung der Lehre von den stetigen Grössen in die Lehre 1) von den blossen Gebietsverhältnissen, bei welcher eine Unabhängigkeit der Grössen vom Ort nicht vorausgesetzt wird, 2) von den Massverhältnissen , bei welcher eine solche Unabhängigkeit vorausgesetzt werden muss a E $. 2. Erzeugung des Begriffs einer einfach, ei . ., nfach ausgedehnten Manmnigfaltigkeit . A 5 3. Zurückführung der SE in einer Gage Mannigfaltigkeit auf Quantitätsbestimmungen. Weieen Kennzeichen einer nfach ausge- dehnten Mannigfaltigkeit : II. Massverhältnisse, deren eine a von n Dimensionen fähig ist 2), unter der Voraussetzung, dass die Linien unabhängig von der Lage eine Länge besitzen, also jede Linie durch jede messbar ist . $. 1. Ausdruck des Linienelements. Als eben werden Gs Mannigfaltigkeiten betrachtet, in denen das Linienelement durch die Wurzel aus einer Quadrat- summe vollständiger Differentialien ausdrückbar ist . .1 . 2... $. 2. Untersuchung der nfach ausgedehnten Mannigfaltigkeiten, in welchen das Linienelement durch die Quadratwurzel aus einem Differentialalsdruck zwei- ten Grades dargestellt werden kann. Mass ihrer Abweichung von der Ebenheit (Krümmungsmass) in einem gegebenen Punkte und einer gegebenen Flächenrichtung. Zur Bestimmung ihrer Massverhältnisse ist es (unter ge- wissen Beschränkungen) zulässig und hinreichend, dass das Krümmungsmass in jedem Punkte in n ES ees beliebig gegeben wird 1) Art. I. bildet zugleich die Vorarbeit für Beiträge zur analysis situs. , H 198 „ 134 „ 135 „ 136 „188 „ 138 „ 138 ig il 2) Die Untersuchung über die möglichen Massbestimmungen einer nfach ausgedehnten eck wohl ausreichend, en ist sehr unvollständig, indess für den ee Zweck 152 | ÜBERSICHT. 8. 3. Geometrische Erläuterung . . S. 143 §. 4. Die ebenen Mannigfaltigkeiten Di EE das Se SE — 0 ist) lassen sich betrachten als einen besondern Fall der Mannigfaltig- keiten mit constantem Krümmungsmass. Diese können auch dadurch de- finirt werden, dass in ihnen Unabhängigkeit der nfach ausgedehnten Grössen vom Ort (Bewegbarkeit derselben ohne Dehnung) stattfindet . ee » 144 8. 5. Flächen mit constantem Krümmungsmase . ... .. een 145 IH. Anwendung auf den Raum . . ` „ 146 §. 1. Systeme von Thatsachen, ber zur insg der Net des Raumes, wie die Geometrie sie voraussetzt, hinreichen . . -~ „ 146 $. 2. In wie weit ist die Gültigkeit dieser empirischen Bestimmungen er scheinlich jenseits der Grenzen der Beobachtung im Unmessbargrossen? . „ 147 $. 3. In wie weit im Unendlichkleinen ? Zusammenhang dieser Frage mit der ei ee a ae eegene 1) Der §. 3 des Art. III. bedarf noch einer Umarbeitung und weitern Ausführung. © ABHANDLUNGEN | a HISTORISCH- PHILOLOGISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. SE = DREIZEHNTER BAND. Die Quellen Plutarchs für das Leben des Perikles. Von H. Sauppe. Vorgetragen in der Sitzung der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften vom 1. December 1866. Wer die Lebensbeschreibungen des Kimon, Perikles, Nikias, Alkibiades, welche wir von Plutarch haben, aufmerksam liest, kann sich der Einsicht nicht verschliessen, dass die des Perikles sich von den übrigen wesent- lich unterscheidet. Nicht allein ist die Fülle und Bedeutung der Mit- theilungen viel grösser, sondern auch die Art der Auffassung ist eine an- dere. Sie ist bei Kimon, Nikias und Alkibiades in sich klar und ein- heitlich, dagegen schwankt bei Perikles das Urtheil Plutarchs unsicher zwischen Gegensätzen hin und her. Er rühmt dessen Unbestechlichkeit und erkennt in seiner das ganze Leben hindurch bewährten Uneigen- nützigkeit den Grund der wunderbaren, so lange Zeit behaupteten Ge- walt über den Willen und die Macht der Athener, und doch lässt er ihn sowol den samischen, als den peloponnesischen Krieg aus den erbärm- lichsten Gründen beginnen. Nur Nachgiebigkeit gegen die Bitten Aspa- sias, persönliche Gereiztheit, Furcht bei der Rechenschaft über die Ver- wendung der Staatsgelder nicht bestehen zu können sollen ihn bestimmt haben. Ohne Zweifel suchen wir den Grund dieser Unklarheit mit Recht in den Quellen, welche Plutarch für das Leben des Perikles benutzte, und der Art und Weise der Stellung, die Plutarch zu seinen Gewährs- _ männern einnimmt. Dabei müssen wir, wie ich glaube, besonders zwei Punkte in Erwägung ziehen. Plutarch schrieb gegen Ausgang des 1. Jahrh. nach Christus. Er war also von dem letzten seiner griechischen Helden, Philopoimen, um drei Jahrhunderte, von den Athenern, welche A2 4 H. SAUPPE ich nannte, um mehr als ein halbes Jahrtausend entfernt. Und welche Wandlungen hatte das Leben Griechenlands erfahren? Wenn wir sehn, dass die römischen Geschichtschreiber schon der ersten Kaiserzeit nicht selten für Einrichtungen und Personen der grossen Zeiten der Republik kein Verständniss haben, so dürfen wir uns nicht wundern, dass Plutarch, obgleich er Grieche war, den Kräften und dem Geiste, welche die Ge- schichte Athens in seiner grossen Zeit gestalteten, fremd gegenüberstand und oft bei der grössten Hingebung und Liebe sie nicht richtig auffasste. So kommt es, dass Urtheil und Verständniss in den Lebensbeschreibun- gen aus der griechischen und römischen Geschichte ziemlich gleichstehn. Freilich steht er als Grieche den Griechen näher, als den Römern, seine Kenntniss der griechischen Literatur ist eine umfassendere, aber diese Vortheile werden durch die bedeutendere Entfernung und die viel grössere Verschiedenheit der Zeiten aufgewogen. Wie schwer ist es doch auf der Höhe, welche die Kunst der Geschichtschreibung in unserer Zeit erreicht hat, den Gang von Ereignissen, die sich vor fünf Jahrhunderten zutrugen, die Charaktere der Männer, die dabei wirksam waren, die Ver- hältnisse, aus denen sie erwuchsen und die sich aus ihnen gestalteten, klar zu erkennen und darzustellen. So sehr es sich daher von selbst versteht, dass die Thatsachen, für deren Kenntniss wir oft genug allein auf Plutarch angewiesen sind, sorgfältig von der Auffassung geschieden werden müssen, die sie bei ihm gefunden haben, so ist es dennoch nicht selten geschehn, dass man die Stellung, in welche Plutarch die 'Thatsa- chen gerückt, die Folgerungen, die er aus den Thatsachen gezogen hat, auch als thatsächliche Ueberlieferung gelten liess. Nur ein Gewinn für die Geschichte selbst ist es, dass Plutarch oft zu einer bestimmten Auffas- sung nicht gekommen ist, sondern die widersprechenden Ueberlieferun- gen, die er in verschiedenen Quellen fand, die Gründe seines Schwan- kens, offen darlegt oder doch, wenn wir seine Darstellung mit einiger Sorgfalt prüfen, in deutlichen Spuren erkennen lässt. Dies ist, wie wir sehn werden, im Perikles der Fall. Ferner sagt Plutarch mehr als einmal selbst, dass er nicht Ge- schichte schreiben, sondern Charakterbilder bedeutender Männer, um das ep DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 5 Streben nach Tugend zu wecken und zu mehren (Perikl. 2), geben wolle (Alex. 1. Nik. 1. Kim. 2). Daher erwähnt er von dem grossen Gang der Staatengeschichte nur, was durchaus nöthig ist, weil wir die Stellung und Einwirkung der einzelnen geschilderten Männer auf die Gestaltung der Ereignisse kennen müssen, um die geistige Eigenthümlichkeit dersel- ben, die Tiefe und Energie ihres Denkens, ihren sittlichen Werth beur- theilen zu können (Nik. 1). Daher der Mangel an genauer Zeitbestim- mung und Zeitfolge, daher das Anekdotenhafte seiner Darstellung. Wie er diese kleinen Züge braucht, um ein lebendiges Bild von dem Charak- ter des Einzelnen zu geben (Alex. 1. Cato min. 24. 37 z. E.), so ist er genöthigt, um sie zu finden, sich von den grossen Gesichtschreibern hin- weg an geringere Schriftsteller aller Art zu wenden (Nik. 1). Es liegt aber in dem Wesen der Sache, namentlich des antiken Lebens, dass alles, was nur die Personen als solche angeht, unsicher ist: nur Wenige, die aus irgend einem Grund in nähere, persönliche Berührung mit den be- deutenden Männern gekommen waren, konnten solche Vorfälle und Aeusse- rungen erfahren und wissen, unabsichtliche und absichtliche Gestaltung und Entstellung hat hier den freiesten Spielraum. Hierin liegt der hauptsächlichste Grund, dass Piutarchs Berichte nur mit Misstrauen auf- genommen werden und nur nach sorgfältiger Prüfung als zuverlässig gelten dürfen. Nicht der Wunsch eine Erzählung schön abzurunden oder eine schlagende Wirkung hervorzubringen lässt ihn irre gehn, sondern diese Richtung auf das Persönliche und Anekdotenhafte. Wenn P. L. Courier meint (oeuvr. t. 3 S. 257): „Cest un plaisant historien, qui wayant souci que de paraitre habile écrivain, ferait gagner à Pompée la bataille de Pharsale, si cela pouvait arronder tant soit peu sa phrase“, so konnte doch wol nur der Landsmann Rousseaus, der um den Reim zu meiden den römischen Senat nicht cette assemblée de trois cents rois, sondern de deux cents nannte, ihm dies zutrauen und so Unrecht thun. Plutarch will immer die Wahrheit berichten, aber zum Verständniss wahrhaft grosser Charaktere dringt er nicht durch, sondern verliert sich in Kleinmalerei und findet nicht selten in gewöhnlichen Klatschgeschichten besonders charakteristische Züge für das Bild, welches er geben will. 6 H. SAUPPE Dass es bei diesem Wesen Plutarchs nothwendig sei auf das sorg- fältigste seinen Quellen nachzuspüren, ist allgemein anerkannt. Und auch das ist ganz richtig längst bemerkt worden, dass eine zusammen- fassende Angabe der Schriftsteller, denen er folgte, nichts fruchte, son- dern dass bei jedem einzelnen Leben durch scharfe und eindringende Untersuchung die Darstellung Plutarchs in ihre Elemente zerlegt und je- des seinem Eigenthümer zugewiesen werden sollte. Dies lässt sich aber zum Theil gar nicht erreichen, oft nur mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuthen und in jedem Fall lassen selbst die Bearbeitungen einzelner Lebensbeschreibungen noch viel zu wünschen, so Treffliches auch in manchen derselben geleistet ist. Hoffentlich gelingt es mir bei dem Leben des Perikles das Verfah- ren Plutarchs anschaulich darzulegen und die Untersuchung einige Schritte weiter zu führen, als dies K. F. Hermann in dem marburger Programm vom Jahr 1836 und K. Sintenis in seinen Einleitungen bereits gethan haben. Plutarch selbst beruft sich auf Zeitgenossen des Perikles und auf Spätere. Zeitgenossen sind Thukydides, Ion, Stesimbrotos und die Ko- miker Kratinos, Telekleides, Hermippos, Eupolis, Platon, Aristophanes; von denen, welche nach Perikles und dem peloponnesischen Kriege ge- schrieben haben, sind Ephoros, Idomeneus, Duris Geschichtschreiber, Ae- schines, Platon, Aristoteles, Herakleides, Theophrastos, Kritolaos Philo- sophen. Zu den Geschichtschreibern aber kommt, obgleich er nicht ge- nannt ist, Theopompos hinzu, aus dem Plutarch, wie wir sehn werden, auch im Perikles Vieles entlehnt hat. Mit Ausnahme allein des Thu- kydides urtheilen diese Gewährsmänner alle über Perikles ungünstig und es würde, wenn wir Thukydides nicht hätten, kaum dem genialen Scharf- blick selbst des grössten Geschichtsforschers gelingen, die Wirksamkeit des Perikles in ihrer wunderbaren Grösse zu erfassen und überzeugend nachzuweisen. Bei den Zeitgenossen suchten Hass und Neid, ebenso der Aristokraten als der Ochlokraten, um ihn zu bekämpfen, ihn und was er that herabzuziehen und zu verläumden. Die Höhe, auf der Pe- 'rikles stand, war einsam; widerwillig oder voll scheuer Ehrfurcht und. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 7 Furcht sah das Volk zu ihm hinauf und fügte sich der Weisheit und Grösse seiner Gedanken. Als er aber gestorben war, wo sonst Hass und Neid verstummen, brach der peloponnesische Krieg die Lebenskraft des attischen Staates und die sokratische Lehre musste, indem sie ein neues Leben für den Menschen begründete, den griechischen Bürgerstaat un- tergraben. Der Ausgang des Krieges und Sokrates Lehre wirkten zu- sammen, um viele gerade der edelsten und bedeutendsten Geister gegen die Staatsform feindlich zu stimmen, welche das öffentliche Verderben herbeigeführt zu haben schien. Der Staat war nicht mehr der Mittel- punkt alles Lebens, sondern Genuss, Wissenschaft, Kunst, immer die Rücksicht auf die Individualität, waren die vorwiegend bewegenden Kräfte. So trat Perikles in eine Reihe mit den Demagogen des peloponnesischen Kriegs und die Kluft dieser Zeit rückte ihn in undeutliche Ferne. Pla- ton stellt ihn als Verführer und Verderber des attischen Volkes dar (Gorg. 515. C f.) und Isokrates, so günstig er auch über seine persön- lichen Eigenschaften urtheilt (8 §. 126. 15 S 111. 234. 307), nennt ihn doch auch nur einen guten Demagogen; Aristoteles (Plut. Nik. 2) führt als die drei besten Bürger, die von den Vätern ererbtes Wohlwollen und Neigung für das Volk hegten, Nikias, Thukydides, des Melesias Sohn, und Theramenes an, nicht Perikles, den Sohn des Siegers von Mykale. So würden wir also von Perikles eine wesentlich falsche Vorstellung ha- ben oder mit Mühe ein richtigeres Urtheil nur vermuthungsweise gewin- nen, wenn wir nicht Thukydides Darstellung hätten, der dadurch, dass er die Grösse des Perikles klar erkannte und freudig anerkannte, am schönsten die Grösse seines eigenen Geistes gezeigt hat. Um nun das Verhältniss Plutarchs zu diesen Quellen genauer zu bestimmen, müssen wir in wenigen Sätzen eine Disposition der Lebens- beschreibung geben. Nach kurzer Einleitung (K. 1. 2) spricht er über Herkunft und äussere Gestalt (K. 3), Erziehung und Bildung des Pe- rikles (K. 4) und die dadurch gewonnenen hervorstechenden Eigenschaf- ten, hohen Ernst und Seelenruhe, die weder Leidenschaften noch Aber- glaube zu stören vermögen: K. 5.6. Dann erörtert er die politische Richtung und sucht zu zeigen, warum sich Perikles trotz seines aristo- + 8 H SAUPPE kratischen Wesens der Demokratie zugewendet habe, später aber, nach- dem er alle Gegner überwunden, zu seiner strengen, mehr aristokratischen Haltung zurückgekehrt sei: K. 7—15 !). In seiner Uneigennützigkeit, der Grossartigkeit seiner Pläne, der Vorsicht bei der Kriegführung und dem weisen Zusammenhalten der Kräfte Athens erkennt er die Gründe, wel- che seinem Einfluss so lange Dauer sicherten: K. 16—23 2). Nachdem er hierbei flüchtig einige seiner früheren Kriegszüge erwähnt hat, han- delt er ausführlicher über den samischen Krieg und dabei gelegentlich über Aspasia: K. 24—28. Dann spricht er über den Beginn und die Ursachen des peloponnesischen Kriegs (K. 29—32) und die ersten Kriegs- jahre, soweit Perikles dabei betheiligt war: K. 32—37. Was dann noch K. 38 über seine Krankheit erzählt wird, dient nur als Uebergang zu einem kurzen Schlussurtheil über die sittliche Grösse des Mannes: K. 39. Aus dieser Uebersicht erhellt, dass Plutarch nicht der Zeitfolge nach- geht. Die Bauten alle und die Aussendung der Kolonien erwähnt er nur als Mittel die Volksgunst zu gewinnen und zu erhalten (K. 11. 12), ferner z. B. die Schlacht bei Koronea (447) K. 18, den Zug des Peri- kles um den Peloponnes (454) K. 19, den heiligen Krieg (448) K. 21. Von den geschichtlichen 'Thatsachen wird offenbar in knappen Umrissen 1) K.7 8.3 heisst es ó dè sei toð ðýuov tò ovveyècs ye’ywv xal tòv x000v olov Ze drakeıuucrav Errinoielev. Weder sieht man recht, was tò avvey&s zod dzuov sein solle, noch lassen sich zò ovvsy&s toù dyuov, wenn man es etwa stete Gegenwart des Volkes erklärt, und tòr x0g0» gut neben einander stellen, und bei Erri,oielev vermisst man das Objekt. Ich glaube daher, dass Pl. ve dene geschrieben habe, so dass zu zò ovvegèç dann mi rıAyoıaleıv zu verstehen ist. — Nach K. 10 $. 2 tò wrgıoue yoadwaes aüröc muss man Kimon K. 17 z. E. schreiben tò wrgıoue yodwevrog «toť Megıxl£ovs für ee, 2) K. 19 &. 1 ist wol nach Oọgxōv der Artikel zw» hinzuzufügen, da zwv Oog- sën mit se zeredgouds zusammengehört und nun durch zwv rregızeyuuivor ti Xeogovjon näher bestimmt wird. — K. 23 $. 2 hat Plutarch ohne Zweifel nicht sè Age on —, sondern aüyıg oy — geschrieben, gerade wie K. 25 8. 2. Vgl. Thukyd. 1, 114 sei däoeto nahiv de Eißorav diaßavıss — xæteotoépavto näcer. welche Worte Plutarch offenbar vor Augen hatte, so aber, dass er, wahrscheinlich aus Ephoros, nähere Angaben einfügte. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. g nur so viel erzählt, als durchaus nothwendig ist, um in der Art und Weise, wie sich Perikles daran betheiligte, den Charakter desselben er- kennen lassen zu können. Ueberall sind kleine Züge und Aeusserungen rein persönlichen Inhalts eingefügt. Auch in dem Leben des Perikles also befolgt er, was er Nikias K. 1 über sein Verfahren sagt: &s yoüv Oovzvðíðns Zënse nodssıs xæ Þikioros!), drei nagsAdeiv 00x Zon, ud- Are ye 0m tòv tónov zei tùy Anden Tod dvdoos Eé noAAdv zæ usyd- Zen nadov zahvnrousrnv negıeyovoas, Eridgaudr Bouyéws zei dré zë d. veyzeiwv, ive un nerıdneow dusite doe zei doyöds svei, tè dtepsvyovre mée nokkos, Öp éréowy Ò sigyusva onogddyv Ñ nods dvadyueow Ñ wn- yloueoıw Stot Ee nahlmois nensigauwi ovveyaysiv, od zën &49n010v goi- Io» iotogi«v, Ahk tùy noös zererönow Zone zer todnov naegedıdovg. Deutlich lässt sich dies an dem sehn, was er vom samischen Kriege erzählt. Die nothwendigen Grundzüge giebt er nach Thukydides 1, 115 —117. Es sind folgende: 1. ai yọ no4sıs EnoA&uov» zën zeg Houjvns nóásuov (K. 25). — 2. nheúoas on ô Hegixkis rä win oŭoav ökıyaoyiar e Zug zerivoe, töv dr noWrwv Aeßov uýgovs asvrýxovtæ zei neides ioovs sis Juan antorıle. — 3. yoņnońúusvos Wong Setzer tois Zeuiors zei xæraotrjoas Önuoxgeriev dnenisvosw sis tès Adnvas. oi Ò side dng. ornoav bis zu den Worten sis zën Zë novzov in K. 26. — 4. nisioer- 108 yọ aid — zei yevousvng udyns vızjoavıs o Edumı xæ noAdovc Aën air» Grdoez Ehövıss, noAlds dè we dieydsigerrss &oövoo ep Fæ- 44007 zei negeridevio mn čvæyzaíwv ngòðs Tov ndåsuov Dee uù noótsgo siyo. — 5. (K. 27): nvĝóuevos d' oës ô Heoizijs tùv di orgerongdov ovugogky doter zar& droe zei — xoætýo&ş xæ Tosw&usrog TOÙŞS NOAE- uiovs rte nepweteiyike. — 6. (K. 28): duër A5 um zën Zeuiwv ne- 1) Die Worte sei Pilotos sind wol irrthümlicher Zusatz aus dem Anfang des Kapitels, aber dort wird Philistos nur in Bezug auf Timäos erwähnt, wäh- rend Plutarch hier nur davor sich schützen will, dass man meinen könne, er habe durch seine Erzählung mit Thukydides in Wettkampf treten wol- len. Streicht man sei Pilsoros, so passt auch dann der Singular Z&7veyxs besser, obgleich er sich ja freilich auch wenn sie stehn bleiben entschuldigen lässt. Hist.- Philol. Classe. XI. B 10 H. SAUPPE oaorerrwvy 6 Meoızijs TÈ on zadeile zul ts veüs nageiaße zei Souen noAhois Eimulwosv- av tè uw sëälëe Nreyzav oi Zug, t Ò èv goövw ung teädusvor zeroiosıv Öujgovs &dwzxer. Und dass diese einfachen An- gaben nicht etwa nur, weil dieselben Sachen erzählt werden mussten, mit Thukydides dem Inhalt nach übereinstimmen, sondern wirklich un- mittelbar auf Thukydides zurückweisen, zeigt die Gleichheit keineswegs ganz gewöhnlicher Wendungen, wie Zeßo» Öungous nevtýzovtæ zei nei- das Zoe, oder wv Soe oroauwuðes Coen, und tesdusvor dnodoüveı. Plutarch hat Thukydides dennoch nirgends ausdrücklich genannt, aber die Worte K. 28 wuómre — Zu ovre Oovxvdidns koroonxzev oft "Eyogos our’ ‘Agıoror&ing geben hinreichende Andeutung, welches die Hauptquel- len seien, aus denen er die Geschichte des samischen Zuges genommen. Bei allem dem also, was zu den sechs aus Thukydides stammenden Sä- tzen hinzugefügt ist, werden wir, wenn nicht für Einzelnes der Gewährs- mann besonders genannt ist, an Ephoros oder Aristoteles zu denken ha- ben. Dafür spricht auch, dass Plutarch für die Nachricht über Arte- mons Maschinen, die er zwischen Satz 5 und 6 einschiebt, sich aus- drücklich auf Ephoros beruft. Auch Diodor 12, 28 erwähnt, dass Peri- kles sich dieser Maschinen bedient habe; da aber bekanntlich Diodor im allgemeinen Ephoros folgt und die Erzählung Diodors fast durchaus mit Thukydides stimmt!);, so dürfen wir annehmen, dass Ephoros in allem Wesentlichen den samischen Krieg wie Thukydides erzählte, wohl aber noch eine Anzahl näherer Umstände der Erzählung desselben hinzufügte. Also werden wir die Angabe, dass Aspasia Perikles beredet habe, gegen die Samier auf die Seite Milets zu treten (K. 25 vor Satz L aus Thu- kydides), dass die Samier sich einer gerichtlichen Entscheidung nicht un- terwerfen wollten (zwischen Satz 1 und 2), über die Bestechungsversuche, 1) Bei Diodor 12, 27 steht nea&dusvos dë nagok av Zauiov Oydonxovre mier xæ toùs ïcovs öungovs neidag Jo fein —. Das ist schwerlich richtig, sondern nach Thukydides 1, 115 und Plut. Perikl. 25 müssen wir nach rahevıe x ai etwa die Worte nevmjxovız čvðęaç soi ausgefallen denken. Auch K. 28 z. E. hat schon Orelli zu Isokr. Antid. p. 256 mit Recht den Ausfall der Zahl soi seg nach dıexociov vermuthet. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 11 welche die samischen Aristokraten und Pissuthnes machten (zwischen 2 und 3), dass der Philosoph Melissos die Athener in Perikles Abwesen- heit besiegt (in Satz 4 nach den Worten nAsvoerıog yọ era) und dann gegen Perikles unglücklich gekämpft habe (in Satz 5 nach ze D zei), dass Perikles durch Einschliessung, nicht durch Kampf die Sache beenden wollte (nach Satz 5), — alles dies werden wir mit einiger Wahr- scheinlichkeit Ephoros zuschreiben dürfen. ‚Allerdings sagt Harpokration u. d W. Honeoie: doxsi d2 rof nohéuwv elite yeyovévæt, Tod te Fawıe- xoü zei rop IleAonoyvnowwzoü, ws čou uedeiv næg te Aovoiðos 100 Xa- uiov zei Osoyodorov x od d' töv Hokırızov. und man könnte danach ver- muthen, dass Plutarch diese thörichte Ansicht aus Duris oder Theophrast entlehnt habe, aber diese pflegt er zu nennen, weil er ihnen misstraut, und dass wir dem Ephoros nicht Unrecht thun, wenn wir ihn Aspasia die Schuld am samischen Kriege beimessen lassen, beweist seine Ansicht über die Ursachen des peloponnesischen Kriegs. Für Einzelnes nennt Plutarch K. 26 Stesimbrotos, aber um dessen Meinung der der Aei- oroı, d. h. ohne Zweifel des Thukydides, Ephoros und Aristoteles, gegen- über zu verwerfen. Aus demselben Stesimbrotos, dessen Schrift roi Osuiotoxhéovs zei Oovxvðíðov zei Hegızıkovs (Sintenis zu Plut. Them. p- 14 fgg. C. F. Herm. ind. lect. 1836 p. VIII sq. Heuer de Stes. Thasii ' reliquiis. Münster 1863) ohne Zweifel über Perikles ziemlich ausführ- lich war, scheint auch, ohne dass er genannt ist, das entlehnt zu sein, was K. 28 über die Grabrede des Perikles und die Aeusserung Elpini- kes erzählt wird, denn K. 8 erscheint für eine Stelle dieser Grabrede Stesimbrotos ausdrücklich als Gewährsmann!!). — K. 28 weist Plutarch ent- schieden eine Angabe bei Duris ab. Aus demselben stammt, wie Hulle- man zu Duris p. 161 und Naber zu Photius Lex. 2 p. 144 mit Recht aus Photius u. Zeuiwv 6 juos — schliessen, die Erzählung über die Brand- markung der gegenseitigen Gefangenen der Athener und Samier?). Viel- 1) Für oð rd &xeivovg otegde Ögäusv steht richtig in der HS. F od? yàg —. So erst schliesst sich der Beweis richtig an die Behauptung des Perikles an. Wahrscheinlich ist dann zevze (teir) für reöre zu accentuiren. 2) Bei Photius u. t Sauiov Önomevsıs ist wohl am Schlusse nach &ousev noch B2 12 H. SAUPPE leicht darf man auch die verkehrte Erklärung des sprichwörtlichen Zevxf Autor bk 27 auf Duris zurückführen !). — So bleibt von der Darstellung der samischen Kriege K. 24—28 nur noch die Episode über Aspasia K. 24. und es ist zweifelhaft, ob Plutarch die wenig eingehenden Mitthei- lungen auch aus Stesimbrotos oder den zahlreichen Schriften über die attischen Hetären (A. Nauck Aristoph. Byz. p. 277 f. Leutsch in der Hall. Encyclop. 1, 70 S. 352) entnahm. Was er aus Aeschines, Pla- ton, vielleicht auch, was er aus den Komikern anführt, kannte er aus eigenem Lesen, obgleich die Uebereinstimmung mit dem Schol. zu Pla- ton p. 391 Bkk. auf eine gemeinschaftliche Quelle weist. Wie wenig aber selbst solchen Zeugen, die der Zeit nach sehr nahe waren, zu trauen ist, zeigt deutlich die Angabe über Lysikles aus Aeschines, ohne Zwei- fel dem Dialog desselben Aspasia (C. F. Hermann, de Aeschinis Socra- tici reliquiis p. 16 sqq.). Durch den Umgang mit Aspasia nach Perikles Tod soll Lysikles ZE &ysvvois zei tænswoð tùy gon der erste der Athe- ner oder, wie der Schol. zu Platon sagt, örjrwg deıwvorerog geworden sein. Wie rasch ist das gegangen. Perikles starb im Herbst 429 und Lysikles im Anfang des Winters 428 (Thuk. 3, 19). Wie kann er, wenn wir auch vielleicht glauben wollten, dass Aspasia gemein genug gedacht und em- pfunden habe, um unmittelbar nach Perikles Verlust sich im Umgang mit Lysikles zu trösten, im Laufe eines Jahres durch den Verkehr mit ihr zum grossen Staatsmann geworden sein? An einen Umgang des Ly- sikles mit Aspasia vor Perikles Tode zu denken ist an sich nicht rath- sam und widerspricht jedesfalls der Meinung des Aeschines, wie sie Plu- ykavzi hinzuzusetzen. Der Gegensatz oauaivn fordert das, wie in der ersten Glosse Iapiwv ó cuoc. 1) Hier widersprechen die Worte zwv dii uayouévæv dem, was vorher über Perikles: Absicht gesagt ist, und namentlich auch der Aeusserung pd geota 00 Fvuovusvovs Eoyov Zu zaraoysiv und eiwgstodeı xæ oyoldleıw. Wahrschein- lich schrieb Plutarch zgvgou&vov. Die Athener sollten ja nach Perikles nicht kämpfen, sondern nur durch die ungefährliche Arbeit der Ummauerung Samos ‚ bezwingen. Auch muss es wol nachher yıvou£vovs für yevouévovg heissen. — Für das Sprichwort vgl. man die Bemerkungen von Blomfield zu Aesch. Pers. 306 und Leutsch Paroemiogr. er 1 p. 428 sq. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 13 tarch wiedergiebt. Wir haben höchst wahrscheinlich in dieser ganzen Geschichte die Erfindung, kaum des Aeschines, wie Cobet prosopogr. Xenoph. p. 81 vermuthet, sondern eines Komikers zu erkennen, auf des- sen Rechnung auch der Sohn des Lysikles und der Aspasia, Poristes, zu setzen ist !). | Für ein zweites längeres Stück der plutarchischen Lebensbeschrei- - bung ist längst auf die Quelle hingewiesen worden. Diodor 12,41 sagt: aiticı Aën oŭv tod HsAonovrmowxod noAfuov mere tveg injoser, &s”Eypogog dv£ygaye und die Veranlassungen, die er vorher K. 38 ff. entwickelt hat, sind dieselben, welche Plutarch K. 31. 32 angiebt. Zwar schickt er K. 31 voraus, dass nach Einigen Perikles im richtigen Verständniss der politischen Lage, weil jedes Zugeständniss an die Lakedaemonier nur als ein Eingeständniss der Schwäche gelten werde, die Zurücknahme des megarischen Psephisma widerrathen habe, womit er auf Thukydides hinweist, ferner, dass Andere schroffen Stolz (edI«deıe) und Ehrgeiz als 1) Lysikles heisst bei Aristoph. Ritter 132 nooßerorröins und daher bei Plut. Per. K. 24 und im Schol. zu Platon neoßeroxenmhos. Ohne Zweifel auch bei Dio Chrysost. 55, 22. Dieser rühmt von Sokrates, dass er mit jedem in seiner Sprache redete, und sagt nach den HSS. D ärieen uèv dieksyousvos Pvooswv zufuvmo el geroden. sf dë Avoızler dırkyoıro, mooßdıwv zei xanjkov, Avzavı dë dızav zei oveogerınudıay erch dwdiov zæ zua0iav, ` Mevavı dé ı@ Gerro/ië negi Zoemnët zur Epmusvar. Da passen freilich die Worte "garden sei zanmýwv eben so wenig, als si dudiov zei zudior und sehr schön ist die Vermuthung K. F. Hermanns (bei Emperius z. d. St. Dions und in der angef. Abh. S. 17), dass duviev sei wmd zu Lysikles gehöre, aber Unrecht hat er, wenn er npoßdov sei zarınov als Glossem streichen will. Vielmehr schrieb Dio sè dè Avoxhet dieisyoo To nooße- oxannko, guten st zwdisy, Zeen dé, den sei Ovzopayınudıav, Mé- vam dë —. Freilich haben "Are und Asa keine Appositionen, aber doch Mevavı gerade so t® Osrrelö. Bei Photius Lex. p- 450, 5 heisst es ngoßaroxarmkog: mgoßeronwing" èhéyero dè Avaızlis. Das ist dieselbe Be- merkung, die bei Hesych. u. d. W. nooßeronwing steht und sich auf die Stelle des Aristophanes bezieht. Daher muss man auch bei Photius umstellen: ngoßeronwins‘ nooßeroxdrmios” Eikysro dè Auoslëe, 14 H. SAUPPE die Gründe angaben, welche Perikles bewogen, was vielleicht auf Theopompos zu beziehen ist. Aber dann erzählt er doch ausführlich nach Ephoros, dass nur ganz persönliche Besorgnisse, für Pheidias, Aspasia, Anaxagoras und sich selbst, ihn bestimmten, den Krieg gegen Lakedämon zum Ausbruch zu bringen D. Die Abweichungen von Diodor sind gering und betreffen nur Einzelnheiten. Ob da Diodor nachlässig wiedererzählt oder Plutarch anderwärtsher kleine Zusätze gemacht habe, lässt sich nicht entscheiden. Wenn auch Plutarch mit den Worten schliesst: ei uw ott erte, dé ër oùz Sien &vdonvan Auxsðeiuoviois TÒv djuov, «ùrar Akyorrei, zé Ò? AAs čðņov, so zeigen doch Aeusserungen, wie Nik. 9 6 uè yọ En’ eirtorg Auge eis ovugogès usydias Zu ffe Zei edoxeı toùs "EAAnves, dass die Ausführlichkeit, mit der er diese Veran- lassungen erzählt, gegenüber der Kürze, deren er sich bei Erwähnung der entgegenstehenden Ansichten bedient, nur -ein Beweis für seine ei- gene Zustimmung ist. Lehrreich und merkwürdig ist der Versuch, den Plutarch K. 9—15 _ 1) Plutarch sagt K. 31 Mevayd oe töv Dsidiov ovveoyav neioavres ixkımv èv eyog& zusilovow, Diodor 12, 39 zw» dè ovvspyaoausvav tõ Dadi uvès ders Aën Zoé tv driedn 00 Dsguslëoge As ugey èm rv töv Jsõv bw- óv. Aus der Vergleichung der beiden Stellen erkennt man, dass der Altar der zwölf Götter gemeint ist, der auf dem Markte stand (Thuk. 6, 54. Cur- tius att. Studien 2 S.34 f.). Zu ihm flüchteten die Platäer (Herodot. 6, 108) und in der Nähe desselben befand sich der Altar des "Eiege (Taylor zu Ly- sias p. 68 sq. Rsk.), zu dem die Herakliden geflüchtet sein sollten (Apollod. 2.8, 1. Pflugk zu Eurip. Herakl. p. 6). Also ist höchst wahrscheinlich auch bei Diodor zu lesen mì rò» sén Af Ae Bmuov. Denn was soll das heissen Zr zöv zën Aen Bmuor? Allerwenigstens müsste es êm zu» zën Aen Zonen (wenn das gienge) oder vote — Bwuovg heissen, wie bei [Lysias] 2 8. 11. — Bei Plutarch K. 31 $. 2 heisst es sodann mgooðsğæuévov de toč ðýuov edy Čvðgwnov zul yzvoutvns èv Exximoie diwSsæç. Was sollen die letzten Worte bedeuten? Es ist doch wohl von einer rrgoßoin die Rede: das Volk giebt dem umvvins die ddere und spricht sich für die gerichtliche Verfolgung des Pheidias aus. Die Untersuchung selbst konnte in der Volksversammlung nicht erfolgen, wie schon die angeführten Einzelnheiten zeigen. Plutarch schrieb wol: èv èx- > zei yevouévns drai Seate, DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. . 15 macht, zu erklären, wie Perikles erst bei einem von Natur aristokratisch angelegten Wesen (vgl. K. 7 §. 1) doch entschiedener Förderer und Be- gründer einer rein demokratischen Verfassung geworden sei, der dem Volke in allem zu Willen war und den Wünschen desselben entgegen kam, und wie dennoch später wieder Thukydides über seine Staatsver- waltung die berühmten Worte sagen konnte (2, 65): &yiyvero 10,0 uw Onuoxgeuie, čoyw di Aë roð nowWrov dvdgos dot, Er führt alles auf persönlichen Ehrgeiz zurück: Da Perikles, sagt er, im Reichthum Kimon nachstand und es ihm in Freigebigkeit nicht gleich thun konnte, so musste er durch Geldspenden aus dem öffentlichen Schatze, durch glänzende Bau- ten, an denen alle, auch die ärmsten Theile der Bevölkerung bedeutend verdienten, durch Beutezüge, durch Aussendungen von Kolonieen die Menge gewinnen. Da ihm deshalb die aristokratische Partei erst unter Kimons, dann noch straffer als Gesammtheit geordnet und gegliedert unter Thukydides, des Sohnes des Melesias, Leitung entgegentrat, so . musste er die aristokratischen Einrichtungen des Staates, namentlich den Areopag, beseitigen. Als er aber seine Gegner niedergeworfen und aller Einfluss unbestritten nur ihm gehörte, da habe er dann, seinem innersten Wesen gemäss, nicht mehr den Neigungen des Volkes sich willfährig zeigt, sondern mit fester Hand dasselbe nach seinem Willen geleitet. Nieht der grosse Gedanke, wie Athen zu einem Staate, der für alle Zeiten der Bewunderung sicher sei, emporgehoben werden könne, was zu diesem Zwecke fallen, was neu geschaffen werden müsse, wie äussere Macht des Staates, Gefühl des Wohlseins im Innern, veredelnde Wirkung der Poesie und Kunst auf alle Bürger sich erreichen lassen, bestimmen die Handlungsweise. des Perikles, sondern alles ist kluge Berechnung, wie er selbst der mächtigste Mann in der Stadt werden und bleiben könne. Wir sehn, es ist ganz die Art Plutarchs die Sachen anzusehn, aber so wenig wir uns Thukydides entgegen durch dies Urtheil bestim- men lassen, so wichtig und anziehend sind die Fragen, woher Plutarch die Thatsachen genommen habe, die er zur Begründung seiner Ansichten ' anführt, und ob er nur diese, oder auch die daraus GE Schlüsse, . die ganze Auffassung irgend woher entlehnt habe. 16 H. SAUPPE Gleich zu Anfang schildert er (K.9 $.2) die Freigebigkeit Kimons. Das Gesagte hier und Kimon K. 10 entspricht bis auf die Worte dem, was Athenäus 12 p. 533. A (= Fre 94 bei Müller) aus Theopompos anführt: &æ t dezdm wor Bılınnızöv 6 Osonounös gnoi’ „Kiuwv d "Adn- veios èv wis dyoois zei tois xýnois oVdtve, Tod zugnod ze.diore yülaxe, Zone oi BovAöusvor zé noArwv siorovtes Oonwelswrraı zei Auußdvwow, ef twos dowo ën dy tois ywoloıs. Enerre tv oixiev negeige zowiv Greg: zei (wol äneoıw, es) deinvov dei ere ie nægaozevéčeoðaær noAhois EvdgwWnog zei toùs Enögovs D më ’Adnvelwv siorövres dest, Edegdneve d zei toùs za? Eeër upar «čtoð e dsoutvovs, zul Akyovow, œs "gem dv dei vervioxovg dd" N Tosis &yovres xiguere, rovwıs te (vielmehr d) dıdöven nooosterrev, Adr tis 110008490: eërof deöuevog‘ zei guot uf airdv zei eis pg elogyigew, noriv d zei toŭto noAldzıs, Andre mër nokrröv tive ïo eem Nuyısouivor, xehsósw airw uereugılvrvodeı zën veaviozow TWÈ tv guvexoAovdovrıw» veëngr, Im zehnten Buche nemlich seiner philippi- schen Geschichte hatte Theopompos, wie bekannt, eine Geschichte der attischen Politik oder attischen Demagogen gegeben, so dass das Buch oder ein Theil-desselben auch mit dem besondern Titel negi dnueyoyar angeführt wird (Athen. 4 p. 166 E. Schol. Lucian. Tim. 29). Vergl. Brückner König Philipp S. 821. C. Müller hist. gr. 1 p. LXXI. Dass er aber auch die früheren ziemlich ausführlich behandelt hatte, zeigen die Bruchstücke, die sich auf Kimon beziehn {ausser dem angeführten noch 92. 93), und die Klecn angehn (99 — 101). Obgleich nun auch Theophrastos (Cic. de Off. 2 $. 64) und Aristoteles (Plut. Kimon K. 10), wol in den no4ızeies (vgl. Rose Aristoteles pseudepigr. p. 421), über die Freigebigkeit Kimons Aehnliches berichtet hatten, so lassen doch die 1) Nach @nogovs steht in den HSS. rrgooıovreg, dass aber dies und das folgende siosövzes nicht neben einander bestehen können, ist augenscheinlich. Dindorf findet deshalb sioıwvres, das im cod. B. fehlt, überflüssig und Meineke hat es _ ' eingeklammert. Aber gerade dies scheint durch den Sinn und die Wortstel- ` lung gesichert. Vielmehr war wol mọooróvrtæç eine Variante zu sordvtec, ‚die über der Zeile oder am Rande beigeschrieben war und dann an unrechter Stelle in den Text kam. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 17 gewählten Worte keinen Zweifel, dass Plutarch dem 'Theopompos folgte. Ebenso auch Cornelius Cim. K. 4 und Heraklides nsgi no4ızsıwr p. 5. vgl. Schneidewin p. 39 f. Nur der sowol im Leben des Kimon als des Perikles gebrauchte Ausdruck ën ywgíwv zue yoayuodg dyeıgeiv, wäh- rend Cornelius ganz nach Theopompos ul nunquam in eis custodem impo- suerit fructus servandi gratia sagt, scheint aus einer anderen Quelle ent- lehnt zu sein. : In der weiteren Auseinandersetzung Plutarchs lassen sich folgende Punkte unterscheiden: 1. Aufhebung des Areopags und Verbannung Kimons (K. 9), 2. Schlacht bei Tanagra. und Zurückberufung Kimons; Kimons Tod (K. 10), 3. Thukydides, des Melesias Sohn, und die im Kampf gegen ihn gesteigerten Bestrebungen des Perikles die Gunst des Volks zu gewinnen, und zwar a. durch Feste, Seezüge und Kleruchien (K. 11), b. durch die grossen Bauten (K. 12. 13. 14), 4. straffe Führung der öffentlichen Angelegenheiten, nachdem auch Thukydides durch das Scherbengericht beseitigt war (K. 15). Was er zunächst noch in K. 9 über die Vertreibung Kimons sagt, ist so kurz und flüchtig, dass von bestimmten Quellen nicht die Rede sein kann. Er deutet blos kurz an, worauf es ihm hier ankam, während er im Leben des Kimon die Dinge ausführlicher erzählt hatte (Ws èv moie nıegl Exelvov YEygenteı). Wenn aber, wie Plutarch anführt, Aristoteles die Spenden, welche Perikles dem Volke aus dem Staatsvermögen zu- kommen liess, auf den Rath des Damonides von Oa 1) zurückführte, so 1) Mit Recht hat Sintenis in der 3. Auflage der weidmannschen Ausgabe Jæpw- vidov of Ueäen nach Stephanos Byz. s.v. "Oe hergestellt, während er früher: deuavidov zoü Oindev schrieb und die HSS. Anuwvidov vo Oin3ev haben, Stephanos hat Adnag Aeuwvidov "OaIev, wahrscheinlich, wie Meineke bemerkt, aus einem Psephisma bei Krateros, das er beantragt hatte. Dass éin Damonides gemeint sei, zeigt das Demotikon, ja gar nicht unwahrscheinlich ist Onckens Vermuthung (Athen und Hellas 2 8. 12), dass Rathgeber des Perikles nicht Damonides, sondern Damon der Musiker war, nach dem, was Plutarch K. 4 über ihn sagt (vgl. Hemsterh. zu Ar. Plut. p. 352. Meineke com. gr. 2 p. 683. Volkmann zu Plut. de musica p. 103). Aber mag Aristoteles den Musiker Hist.- Philol. Classe. XIII. 3 C 18 S H. SAUPPE hatte er ohne Zweifel auch die zufolge dieses Rathes von Perikles ge- troffenen Einrichtungen angegeben und ebenso wenig wird 'Theopompos diese im Gegensatz zu Kimon hervorzuheben vergessen haben. Aber mit Rose Aristot. pseudepigr. p. 423 den ganzen Inhalt des Kapitels („quibus brevis inserta Aristotelis notitia“) auf 'Theopompos zurückzu- führen, liegt kein Grund vor. Auch die Worte &44 0: dë nofo bezieht Rose p. 422 auf 'Theopompos, aber dabei dachte Plutarch gewiss zu- nächst an Platons Gorgias p. 515. D fl. Die viel besprochenen Worte über die Wahl der Archonten und den Eintritt derselben in den Areopag, ` die ich in der Abhandlung de creatione archontum atticorum p. 28 f. erörtert habe, sind ohne Zweifel ein Zusatz Plutarchs selbst!): Theopom- pos und Aristoteles konnten unmögiich glauben, dass für ihre Leser ein solcher Zusatz nöthig oder zweckmässig sei. Die hierauf folgende Erzählung über die Schlacht von Tanagra (458) und die Rückberufung des Kimon durch Perikles (K. 10) weicht etwas von der im Kimon (K. 17) ab. Hier ist es der Rath der 500, der den -= Kimon in die Reihen der Kämpfenden aufzunehmen verbietet, im Pe- rikles sind es die Freunde des Perikles, die dies hindern. Da kaum Zeit war einen Beschluss des Rathes zu veranlassen und abzuwarten, so ist das Letztere ohne Zweifel die richtigere Ueberlieferung. Von der gewaltigen Anstrengung des Perikles selbst, wie er rücksichtslos sein Leben aufs Spiel setzte, ist im Kimon gar nicht die Rede, während dort gemeint und genannt haben, Plutarch dachte nicht an ihn, sonst hätte er ihn ohne Zweifel als den Musiker bezeichnet, auch nicht Aaumvos Aauwvidov tot "teen, sondern nur 4. Aau. "een gesagt. Dagegen mit Jauwvidov tov "Oeäen vergleiche man Oovxvdidnv sén Alanex79ev K.11. In dem Psephisma selbst hiess es nicht "een. sondern HOAOEN, "Oasev: vgl. Ross, Demen Attikas p. 34. _ Keil, Schedae epigr. p.9. Doppelte Demotika, wie Ooete und “Oasev, kommen bei mehreren Demen vor, so de Kolwvod und Kolwvjdev für den Demos der Aegeis, Ksgausds und èx Ksgauéwv, Oivege und Divnder, ‘“Almpıevs und "denen, 1) Sollten nicht die Worte uýte Baoıksdc uýte molfuegyos nach doran umzustel- len sein? Die Rangordnung der neun Archonten kannte Plutarch und ein Grund davon abzuweichen liegt nicht vor. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 19 die Angaben über die Gesinnungsgenossen des Kimon sehr ins Einzelne gehn. Dass endlich im Perikles das fòs fehlt, welches Kimon K. 18 gegen die Wahrheit verstösst, ist eine entschiedene Verbesserung. Da wir nun Theopompos mit Sicherheit vorher als Plutarchs Gewährsmann erkannten, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass er ihm auch in diesen noch auf Kimon bezüglichen Ereignissen folgte. Durch die Scholien zu Aristides (8 p. 528 Ddf. = Fre 92 Müll.) wissen wir wenigstens, dass Theopom- pos im 10. B. der Philippischen Geschichte der Rückberufung Kimons nach der Schlacht bei Tanagra gedacht und hinzugefügt hatte ó ðè? ng- ouyevóusvos ti noAsı tò» nóåsuov zaréivos ‚ was Cornelius doch wol auf eigene Gefahr in ähnlicher Weise, wie Plutarch durch die Zusetzung des Adverbiums scil, durch die Worte satius existimans contendere La- cedaemonem sua sponte est profectus verfälscht hat. Ob aber die Abwei- chungen in den beiden Berichten Plutarchs daher rühren, dass er zu der im Kimon benutzten Quelle noch eine andere Erzählung hinzunahm, oder ob ihm das eine, wie das anderemal dieselben oder derselbe Berich vorlagen und er nur theils das für jeden Ort gerade weniger Gehörige wegliess, theils genauer oder flüchtiger das Gefundene wiedergab, lässt sich nicht ermitteln. So viel ist sicher, dass er Thukydides hier gar nicht einsah. Sonst hätte er den Verdacht, der nach Thukydides (1; 107) die Athener zu ausserordentlichen Ánstrengungen auftrieb, dass die Spar- taner es auf den Umsturz der demokratischen Verfassung Athens abge- sehn hätten und dass sie von Aristokraten in Athen selbst herbeigezogen würden, nicht übergehn können. Mit den Zo sodann, welche über die Thätigkeit Elpinikes und ihre Vermittlung zwischen Perikles und Kimon berichtet hatten, ist Stesimbrotos gemeint. Das sehn wir aus dem Leben Kimons K. 14. Dort wird für die Verwendung Elpinikes bei Perikles, als dieser bei der Eisangelie gegen Kimon nach dem thasischen Feldzug 465 oder 462 (wie A. Schäfer de rerum post bellum persicum — temporibus p. 17 wol mit Recht annimmt) vom Volke mit zum Syne- goros gewählt worden war, ausdrücklich Stesimbrotos angeführt und Plutarch braucht hier wie dort dieselben Worte. Hieran knüpft Plutarch die Widerlegung einer Nachricht bei Edo- C2 EC A RER "ve né ER e, Eat an ÉIS Ka AN We See Pa D SE a = FR 20 H. SAUPPE meneus, dass Perikles von Neid und Eifersucht getrieben heimlich Ephial- tes habe tödten lassen. Ich habe früher (Rhein. Mus. 1843 S. 450 ff.) die Vermuthung ausgesprochen, dass diese und ähnliche Nachrichten über attische Staatsmänner, für die bei Plutarch und anderen Schriftstellern Idomeneus als Quelle angegeben wird, auf eine Schrift desselben nsei Önueyoyor zurückgeführt werden müssen. Und nicht nur ist Fritzsche zu Aristoph. Ranae p. 164 auf dieselbe Verbesserung der Stelle in Bek- kers anecdota p. 249 gekommen, sondern auch Sintenis und andere ha- ben sie gebilligt. Die Anschuldigung des Perikles ist so widersinnig, dass sie der Widerlegung kaum bedurfte, aber alle Angaben aus dem Buche des Idomeneus, welche Sintenis zu Plut. Pericles (1835) p. 313 ff. zusammengestellt hat, zeigen uns, was für thörichte Erfindungen und Lügen griechische Schriftsteller, namentlich aus der Schule Epikurs und der peripatetischen, aufzuraffen und ihren Lesern vorzutragen sich nicht entblödeten. Wie oft mögen wir durch Geschichten getäuscht werden, die aus denselben Sudelküchen stammen, aber den Stempel der Unge- reimtheit oder Lüge weniger deutlich an sich tragen. Erfunden mögen diese Schriftsteller auch bisweilen haben, indem sie für Thatsachen Gründe nach der kleinlichen oder hämischen Gesinnung, die ihnen eigen war, ausdachten. Aber meistens griffen sie wol nur hastig auf, was ihnen zusagie, und wir dürfen die Frage nach dem, was ihren Geschichtchen zum Grunde lag, nicht abweisen. Hier wie bei Pheidias Tod (K. 31) werden wir die Thätigkeit der Aristokraten erkennen dürfen, die, was sie selbst angestiftet, auf den politischen Gegner zu wälzen suchten. Plutarch wi- derlegt Idomeneus durch das Zeugniss des Aristoteles (Rose p. 423) und wir werden diesem doch wol nieht nur die Nennung des Mörders, Ari- stodikos von Tanagra, zuschreiben wollen, sondern er musste dabei zu- gleich erwähnen, wie Aristodikos dazu gekommen sei Ephialtes zu er- morden, von wem und warum er gedungen worden. Es knüpft sich daran die nicht unwichtige Frage, wem wir die günstigen Nachrichten über Ephialtes zu danken haben ‚ die sich bei Plutarch nicht nur hier, sondern auch an einigen anderen Stellen finden, obgleich er selbst die Beeinträchtigung des Areopags durchaus missbilligt. Ephialtes, der Sohn + DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 21 des Sophonides, ist von der Geschichte sehr ungünstig behandelt worden. Er wird äusserst selten und fast immer nur gelegentlich erwähnt. Wenn auch die Massregeln gegen den Areopag immer zunächst ihm zugeschrie- ben werden und Hass und Verfolgung, übler Nachruf deshalb ihm be- sonders zu Theil wurden (Pausan. 1. 29, 15 ’Eyıd)ıns, Zoe tè vöwue t Nr Ageiw ndyo udlore EAywivero), so gilt er doch meist ‘dabei nur als der, welcher Perikles Ansichten durchführte (die Stellen bei Sintenis zu Perikles 1835 p. 104 f.). Dass er auch als Feldherr thätig war, erfah- ren wir nur aus der Bemerkung des Kallisthenes über den kimonischen Frieden bei Plut. Kim. K. 13: Ketroı Kalkıc$£vns of eu Tür svv- ëmer tòv Bdoßegov, oyw dt noriv diè póßov tis Ņems èxetvys xæ uazgüv oŭtws dnooriver tis 'EAAddos, dure nevtýzovræ vevo Ilegızita zei torúxzovtæ uovers ’Eyıdaryv ènéxzewa nisvoeı Keidortwv zæ undtv evtois vavuxòv retten zeg TÖV Peoßeowrt). Gelegentlich heisst es Plut. Kim. K. 10: Anuudıov ðè Önuooiov toùs ĞAhovs Av "Agıoreidov zei ’Eyıdirov ndvres dveniunseutvovs 600» (Kimon) «vzöv ddtzeorov — dré Telovg KE womit die Aeusserungen des Ephialtes bei Aelian V. H. 11, 9 und 13, 39 übereinstimmen. Thukydides erwähnt seiner gar nicht, das Urtheil des Ephoros, das ohne Zweifel Diodor 11, 77 wiedergiebt, war äusserst ungünstig und herb: od u)» dIo0wg2) ye dıeyuys mArzovrors Grofe erupeiölıevos, EAAG tis vvztòg dvengsdeis &önAov čoye div Toü ßíov teisvryv. Dass hingegen Aristoteles wenigstens seine Energie und doch wol auch Unbestechlichkeit (Eregeirntor) anerkannte, sehn wir aus Plutarch und auf den Verfasser der “Faders zu Isokrates Areopagitikos, nach welchem Aristoteles beiden, Ephialtes und Perikles, Furcht vor eigener Verurthei- lung durch den Areopag als Beweggrund ihres Vorgehns gegen den Areopag zugeschrieben hatte (Frg. 22 Rose), werden wir nicht viel geben 1) Es ist ein Versehn von Oncken Athen und Hellas 2 S. 151. 153, dass hier nur von einem Zuge die Rede sei. Offenbar soll gerade die kleine Zahl der Schiffe, erst 50 mit Perikles, dann gar nur 30 mit Ephialtes, zeigen, welche Furcht die Perser erfüllte und wie sicher sich die Athener wussten. - 2) Was dies Wort bedeuten solle, weiss ich nicht. Wahrscheinlich schrieb Dio- dor @3ooc. | 22 H. SAUPPE wollen. Aber es wäre doch möglich, dass Theopompos bei seinem Wider- spruchsgeist Ephialtes, den Zurückgesetzten, günstiger beurtheilt und bei der Erzählung des auf Kimon Bezüglichen die Rechtschaffenheit des Ephialtes anerkannt hätte, so wenig auch die Schmälerung des Areopags seinen Beifall hat. In dem Urtheil hierüber war Ephoros und Theopompos ihr Lehrer Isokrates vorangegangen: 7 §. 50 f. Neuerdings hat Oncken Athen und Hellas 1 S. 147 ff. die selbständige Bedeutung des Ephialtes gewiss mit Recht hervorgehoben, aber wieder Perikles etwas zu sehr bei Seite gedrängt. Denn dass die Thätigkeit des Perikles und Ephialtes dabei eine gemeinsame gewesen war, lässt sich den übereinstimmenden Zeugnissen der Alten gegenüber nicht läugnen. Doch es ist hier nicht ` der Ort näher auf Onckens beredte Darstellung einzugehn. Nur über zwei Stellen, auf welche er ein besonderes Gewicht legt (S. 182 ff.), in aller Kürze eine Bemerkung. Die Worte Plutarchs Per. K. 10 z. E. aus - Aristoteles versteht er so, dass Ephialtes die Bedrückungen und Unge- rechtigkeiten, welche sich die Archonten als Einzelrichter gegen den De- mos, d. h. also doch wol nur: gegen Einzelne, die nicht zu den Ge- schlechtern gehörten, gegen Einzelne aus dem Demos, zu Schulden kom- men liessen, bei der Rechenschaftsablegung derselben auf das Nach- drücklichste verfolgt habe. Gegen die Herrschaft des Demos als Ge- sammtheit konnte doch die richterliche 'Thätigkeit der Archonten nur eine sehr mittelbare Wirkung haben. Aber wir dürfen auch weder Ari- stoteles noch Plutarch einen so dunklen und gesuchten Gedanken unter- schieben, wenn ein anderer nach dem gewöhnlichen attischen Sprachge- brauch nahe liegt. Zu Athen gab es eine yọæyù ddıziov, oder gy tis zën mër ’Adıveiwv due òmi (Meier de bonis damn. p. 13 ff. Schömann att. Proc. p. 345 f. Mätzner zu Deinarchos 3 $. 4), wenn Gelder unter- schlagen waren, wenn irgend etwas der öffentlichen Wohlfahrt Nachthei- liges geschehn war, und Plutarch kannte diese Klage sehr gut (vgl. K. 32: site honig xæ dream af" Adıziov Boúåorró tis Övoudlew in dën", So sind wir auch hier nicht berechtigt an andere Klagen, die Ephialtes an- gestellt habe, zu denken. Dabei gerade trat die Rechtlichkeit des Ephialtes hervor. Die zweite Stelle, in welcher Oncken zu viel zu fin- ‘“ DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 23 den scheint, ist die wunderliche Bemerkung der höchst unzuverlässigen . Aızov Övöuere in Bekk. anecd. p. 188, 12: ’Eyıeimg: oörog Zare gavrov tis Bovijs Aneortonos zerezgives «čtýv. Das soll heissen, Ephial- tes habe als Archon durch tadellose Haltung seine Amtsgenossen und Vorgänger beschämt, bei einem in Folge des Aufsichtsrechts des Areopags über die Archonten entstandenen Zusammenstoss mit dem Areopag sei er von diesem verletzt worden, habe dann den Areopag bei der Heliäa belangt und sonach Verurtheilung desselben in dem heliastischen Gerichte sich selbst den Eintritt in ihn verschlossen, indem der Areopag ihn nun nicht aufnahm. Eine solche gerichtliche Belangung und : Verurtheilung des Areopags als solchen ist etwas nach den attischen Staatseinrichtun_ gen, so weit sie uns bekannt sind, ganz Unmögliches, am allerwenigsten auf dies vereinzelte, ganz unzuverlässige Zeugniss hin Annehmbares. Die Worte sind wol verdorben und der Urheber wollte oder sollte nach dem, was ihm als Quelle vorlag, schreiben: Eyıdhms: ofge ößoıodels und (oder Gëorgdague eurer) rte BovAns ANEOTEONGE ndoes ré zolosıg (oder nur Eneoreonos tès xgfoeıs) eöriv. vgl. Plut. Per. 9: vers tiv uw pege Iira tès nAslores zoíoeis di ’Eyıdarov. Kim. 15: geíñovto zig & ”Aosiov ndyov PovAjs Tas xglosıs nAlv dite dee, Doch kehren wir zu Plutarchs Perikles zurück, wo wir nun zu einem höchst anziehenden, durch den Reichthum und die Eigenthümlich- keit der Mittheilungen bedeutenden Stück kommen, den Kapiteln 11— 14, in denen er die Massregeln bespricht, durch welche Perikles dem strafferen Widerstand der Aristokratenpartei unter der Führung des Thu- kydides gegenüber sich die Anhänglichkeit des Volkes erhalten habe. Es sind das die Veranstaltung von Festlichkeiten,, die jährliche Aussen- dung von 60 Trieren, die Einrichtung von Kleruchien, endlich der Bau grossartiger Kunstwerke, bei denen er am längsten verweilt (K. 12—14). Eine Andeutung, woher er dies Alles genommen habe, ist weder bei Plutarch selbst gegeben noch, so viel ich weiss, sonst irgend wo zu fin- den. Indessen gleich die Erörterung, dass eigentlich erst die Führung des Thukydides den Gegensatz zweier streng nach politischen Ansichten und Bestrebungen geschiedener Parteien zu Athen hervorgerufen habe, 24 H. SAUPPE ist der Art, dass wir darin nicht eine Betrachtung Plutarchs selbst finden können, sondern die unverkennbaren Spuren eines noch dem Leben Athens und jener Zeit näher stehenden Schriftstellers erkennen.. Wenn aber Theopompos in dem erwähnten 10. Buche näher auf die bedeutend- sten Staatsmänner Athens eingegangen war, und sich über Kimon in der besprochenen Weise ziemlich ausführlich ausgelassen hatte, so dürfen wir wol glauben, dass er auch über Thukydides und das, wodurch am Ende Perikles den Sieg über ihn davongetragen, eine eingehendere Dar- stellung gegeben habe. Denn dass er nach dem Schol. zu Arist. Vesp. 941 nicht den Sohn des Melesias, sondern einen sonst nirgend genannten Sohn des Pantänos als Gegner des Perikles genannt habe, ist bei einem so bekannten Manne, wie Thukydides, der Sohn des Melesias, es damals, nach etwa 100 Jahren, offenbar noch war, nicht glaublich. _ Die Scholien zu der Stelle des Aristophanes sind so voll von Verwirrung und Irrthü- mern, dass wir auch in diesem Punkte ein Versehn des Scholiasten an- nehmen dürfen. Natürlich aber musste auch Ephoros über denselben Kampf der Parteien sprechen und es kommt mir immer wieder, wenn ich das 11. Kapitel lese, so vor, als seien zwei Berichte von Plutarch verbunden, von denen der eine Perikles günstiger war, der andere ihn mehr in einer auf Volksgunst ausgehenden Thätigkeit, etwa nach Art des Eubulos, erscheinen liess. Denn was von den Worten Zëtzote d tor- osis xe? Exaorov Evıavıdv èznéunwv — an folgt, unterscheidet sich we- sentlich von dem Früheren. Vorher sagt er, dass Perikles immer auf Volksbelustigungen bedacht gewesen sei, und fügt, wahrscheinlich von sich aus, den Vers eines Komikers oder aus Euripides dıienendeywywWv oz duovoog Ndoveis tiv "éi hinzu: denn wenn auch denemdeywyeiv ein Lieblingsausdruck Plutarchs ist (vgl. Sintenis 1835 S. 123 f.), so braucht ihn doch auch Platon schon (Tim. 89. D) und in der ganzen Wendung scheint mir eine poetische Färbung unverkennbar zu sein; deænerðeywyðv steht in häufi- ger Uebertragung etwa für diednueywyov. Das aber, was folgt, enthält nur zweckmässige und für den Staat heilsame Massregeln, wenn er die Bürger erfahren im Seekampf machte, wenn er durch die Kleruchien, DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 25 wie in der vortrefflichen Schlussbemerkung des Kapitels gesagt ist, die müssige und deshalb neuerungssüchtige Menge aus der Stadt entfernte, der Armuth zu Hülfe kam und die auswärtigen Besitzungen des Staates sicherte (Curtius gr. Geschichte 22 S. 226 gi. Vielleicht rührt also die Aufzählung der Kleruchien, die chronologisch scheint, sammt der daran geknüpften Bemerkung aus Ephoros her. Ueber die Aufeinanderfolge habe ich in der Abhandlung ‘über die Inschrift von Brea (Berichte der K. sächs. Ges. d. Wiss. 1853 S. 46 f.) gesprochen. Da die früheste Sendung, welche erwähnt ist, nach der Chersonesos, in das J. 452 fällt, die letzte nach 'Thurioi in das Jahr 443!), so weist auch diese Aus- schliessung der später ausgesendeten Kleruchien, nach Amphipolis 437, ' in die Propontis (432: Diod. 12, 342)), nach Aegina 431 darauf hin. dass wir hier eine Stelle vor uns haben, die sich nur auf die Zeit des Kampfes zwichen Thukydides und Perikles bezog, nicht auf die letzten 15 Jahre, in denen Perikles allein an der Spitze des Staates stand (Pe- rikl. K. 16). Denn wir dürfen wol annehmen, dass nicht plötzlich erst nach Kimons Tode (449) Thukydides an den Staatsgeschäften sich zu betheiligen anfing, sondern dass er schon vorher, während der Abwesen- heit Kimons auf Seezügen, Ansehn gewonnen hatte. Und wenn auch Thukydides schon 444 dem Scherbengericht ‚verfiel, so hatte doch die 1) eis "Tosiieg olxılousvng Zußdgsws heisst es in den HSS. Plutarchs. Wahr- scheinlich aber schrieb er dvoxılousvns, denn er meint, das früher zerstörte, dann wieder aufgebaute, neu gegründete Sybaris sei Thurioi genannt worden. Ich sehe, dass auf diese Vermuthung auch Eberhard observatt. polyb. p. 40 gekommen ist. 2) due dë wis moærrouévois Exuoav ot ’AIyvaisı nóliv èv ef Ogonovaidı mv övouelouivnv Asıavov. Dieser Ort, so wie die ganze Nachricht, findet sich nur an dieser Stelle: ob aus Ephoros? Vielleicht ist T&vov für Adravov zu lesen: über diese Stadt vgl. die Herausg. zu Xen. Anab. 7. 5, 8. Aeschines 3 §. 82. und ausserdem Constant. Porphyrog. in themat. Oceid. t. 3 p. 47 Bkk. Hierokles Synecdem. 633, 1. Beide zuletzt erwähnten Schriftsteller nennen vor Ganos einen Ort "Ogvos. Deshalb ist wahrscheinlich die Vermuthung von Bo- sius richtig, dass bei Cornelius Alcib. 7 Ornos für Bornos, welcher Name sonst ' nirgends vorkommt, zu schreiben sei. | Hist.- Philol. Classe. XIII. D 26 H. SAUPPE Entsendung einer Kolonie nach Italien schon seit 446 Perikles beschäf- tigt und der Gewährsmann Plutarchs mag also die erste Sendung nach Sybaris gemeint haben, die in jenes Jahr fiel. Auch das spricht wol für eine bestimmte Vorlage, die Plutarch hier bei seinen genauen Angaben über die Zahlen der nach den einzelnen Orten entsendeten Siedler vor Augen hatte, dass er an andern Stellen, wahrscheinlich nach andern Ge- währsmännern, noch mehrere andere nennt, die in den Bereich der hier gemeinten Zeit gehören, so K. 20 nach Sinope, K. 23 nach Hestiäa. Ich komme zu den Angaben über die Prachtbauten, welche Perikles aufführte, und das gewaltige Leben, welches er dadurch in allen Theilen der Bevölkerung hervorrief. Es zerfällt diese Darstellung. die Perle der ganzen Biographie, in fünf Theile, die Verhandlungen der Parteien dar- über (K. 12), Zergliederung der Menge aller dabei Beschäftigten (K. 12), bewundernde Anerkennung ihrer Schönheit und ewigen Jugend (K. 13), über die dabei thätigen Künstler (K. 13), über den Stolz des Volkes sie zu besitzen (K. 14). Sehr merkwürdig ist nun die erste Hälfte des 12. Kapitels, aus der wir erfahren, wie heftige Kämpfe Perikles in der Volks- versammlung zu bestehn hatte, um die Beschlüsse über diese Bauten und Kunstwerke durchzusetzen. Es scheint, als seien hier Stücke aus den damals gehaltenen Reden erhalten. Die Einwürfe der Gegner werden so angegeben: zoüro (ris Wr dvadnudıwv zeraoxeviv) udkıoıe Tv noArevudıov toð Hegızitovs EBdoxaı- vov oi &49000 zei dıeßeikov dv reis dxxânoiæis Bowvres, ds ô Aën duge ddofei zei zeng dxoüsı tè zowe töv ii yonjuere ngòs avıöv èx Aý- Zon usteyeywv, À Ò čveouv ent ngòs toùs Eyxehoürres EÜNGENEGIETN Dën ngogpoewy, Ödeloavre Tote Beoßeoovs Exeider Evsiiodeı zi gvåétrew ën dru zé zowd, ravımy dvijonze Hegiwiig, zei doxei dewiv Zoo Å Efkes Zënse zei Tugavveiodeı negıyaros, Agoëue tois elogegoufvor vn’ auris dvayzaiws 005 Tov nóåsuov uds rm nów Zareygvooüvres zei zahhAwrikovres oneg diene yuvaiza negienroufvnv Aidovs noAvreieis zei dydiuare Zei vuoùç zılroreidvrovs. Sonderbarer Weise hat man hier nicht bemerkt, dass das Pronomen Au@s das Vorausgehende und Folgende alles als nicht nur dem Inhalte, sondern auch der Form nach einer Rede, die vor dem TREE Es DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 27 Volke gehalten wurde, entnommen bezeichnet. Gleich der Anfang œs ô udv Öjuos adofei setzt so ein, wie sonst direkte Rede mit einem @s oder ôu an das vorangehende Verbum des Sagens angeschlossen wird. Dass Plutarch aber selbst dasjenige, was er in seinen Quellen als Gegenstand der Vorwürfe gefunden, welche die politischen Gegner des Perikles, wie Thukydides, des Melesias Sohn, ihm machten, so in die Form einer damals gesprochenen Rede gebracht habe, ist ganz gegen die Gewohnheit desselben. Ebenso trägt das Folgende, das als Entgegnung des Perikles gege- ben ist, vollkommen den Charakter einer wirklichen Rede: &dideoxev or ó Ilsgixâñs tor dGuon, Dn yonudıwv Mën ovx Ögyeikovoı Tois Ovuudyoıs Aöyov noonoAsuodyres aiıwvy zer gofe Beoßdgovs Avsipyorıes, oi Dron, où veöv, of? Önktıyv, Čák Zptueng uovov "dorun, È "ën ðıðóvrwv oz onv, Ahè min Aaußarovıwv, čv negkywor, y? où Auußdvovon dei di Tis NöAswg, xæteoxzevæouévys Leen tois dvayzaloıs noös Tor nodsuor els taŭra tùy einoglev toénew «tis, de Wr dose uèv yevouévwv idee, sÙno- oie dë yiwouévwy Erolun nap£orer, nevrodenis Eoyaoies yavsions zei noi- fwv yosıuöv, ei nouv uèv rt Eysioovoeı, nouv dë reine Soot Oye- dän Ain moon Zuuodovr dv däin ZE «bris Zu xoouovuévýy zei Toe- goutvnv. Zu diesen Worten verhält sich, was sich daran anschliesst, über die Verwirklichung dieses Gedankens des Perikles, wie die Erklä- rung zum Texte. Es fragt sich nun, was sind das für Reden, welche Plutarch zur Hand waren. Nach K. 8 !yyoa@yor Aën on oëdin anoitioıne nA Wr wngpıoudtwv war Plutarch nichts von Perikles Aufgezeichnetes und Hin- terlassenes vor Augen gekommen. Und es gab auch in der That nie etwas der Art: die Schriften, d. h. die Reden, welche Cicero de Orat. 2 $. 93: antiquissimi fere sunt, quorum quidem scripta constant, Pericles atque Alci- biades und mit einigem Zweifel Brut. §. 27: tamen ante Periclem, cujus scripta quaedam feruntur, — liítera nulla est anführt, waren Machwerke der Rhetorenschulen, wie schon Quintil. 3. 1, 12 mit vollem Recht ur- theilte. Wollte man aber auch hier bei Plutarch an eine solche unterge- schobene Rede denken, so stände dem die angeführte Aeusserung aus K. 8 entgegen. Dann würde auch Plutarch, wenn ihm solche Reden vorgele- D2 28 H. SAUPPE gen hätten oder er solche vor sich zu haben geglaubt hätte, dies wol angegeben haben. So führt er z. B. Alkib. 3 Avugywvrog . Avıdogiaı an, so Alkib. 131): geoswı d zer Aöyog us zer’ ’Alzıßıddov zei balaxos ys- yocuusvos, 8 @ Aer mën ëiimn ytyoanıeı zei du —, aus welcher Rede wahrscheinlich auch dort K. 8. 12. 36 Einiges entlehnt ist. Wenn es also unwahrscheinlich ist, dass Plutarch die damals wirk- lich gehaltenen Reden selbst vor sich hatte, so bleiben, wie ich glaube, nur zwei Möglichkeiten, die erörterte Beschaffenheit dessen, was Plutarch giebt, zu erklären. Die eine ist, dass er bei einem Geschichtschreiber nach der Sitte der Griechen Reden fand, die damals Thukydides und. Perikles gehalten haben sollten. Und von Ephoros und 'Theopompos sagt Plutarch noAmz& negeyy&iuete p. 803. B: Ent di og ’Eyogov zei Oso- nöunov zei Avağıuévovs Aurogerën zei negióðwv, Es regeivovow Sot Afen Tes tà orgereiuere zei nugaætáčaævtes, Zong eineiv “Obdeis oðýgov Teure uwgeiveı zéie, Auch ist es nicht glaublich, dass diese Reden blos vor Beginn der Schlachten eingelegt gewesen seien. Indessen ist es doch durchaus unvereinbar mit der Beschaffenheit des 10. Buches des Theo- pompos, dass er in dieser doch immer episodisch gehaltenen Uebersicht nicht eigentlich zum Gegenstand seines Werkes gehöriger Zeiten habe Reden halten lassen. Für Ephoros fällt dieser Grund weg, aber die Wärme, mit der Perikles seine Pläne vertheidigt und empfielt, die Fülle und Lebendigkeit des Ausdrucks, die sich zu dichterischer Färbung stei- gernde Eigenthümlichkeit?) der Reden, um hier noch von dem Hauche be- 1) In diesem Kapitel heisst es nachher de ð’ voi paoi, où noüs Nixiey, alle opge Deiaxa de/Aeräeie zei tùy Exeivov ngochaßav Erengiav Zë /ogs tòv Yrég- oiov od" &v ngocðoxzýcavtæ. Das ist nicht grammatisch richtig: nicht Hy- perbolos hätte es nicht erwartet, sondern hatte es nicht erwartet, hatte gar nicht das als möglich gedacht muss es heissen, also: og d€ mmgoodoxnoavze. 2) Die Worte geg dialove yvvařzæ (denn dies ist mit dem Folgenden zusam- menzunehmen) negierrrousvnv Ai$ovc noAvreisis soi droite soi vaovs yido- takavrovs klingen fast, als wären sie in Erinnerung an einen Tetrameter iam- bicus eines Komikers geschrieben, etwa: ESENE Ò dyčiuaræ soi vaoùç veier DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 29 geisterter Theilnahme und Unmittelbarkeit, der uns in dem zweiten Theile des Kapitels warm entgegenweht, gar nicht zu sprechen, stim- men mit der sonst bekannten Weise des Ephoros nicht zusammen. Die andere Möglichkeit — denn für Stesimbrotos und Idomeneus sind die Sachen viel zu gut — ist nach meiner Ansicht die, dass wir hier Mittheilungen aus den ’Emidnuieı des Ion von Chios vor uns haben. Diese Reisen Ions waren Mittheilungen über das auf seinen Wanderun- gen Erlebte, über die Männer, welche er an den verschiedenen Orten kennen lernte, wie dies Köpke, der sie zuletzt am besten und ausführ- lichsten besprochen, de hypomnematis graecis 2 (Brandenburgi. 1863) p. 2 ff., gegen Schneidewin und Andere nachgewiesen hat. Vgl. E. Cur- tius Gr. G. 2 S. 243 ff. Nur ein anderer Name für dieselbe Schrift war "Taart ege (Schol. zu Aristoph. Fried. 835), wie schon vor Köpke Bern- hardy Gr. Lit. Gesch. 2, 2 S. 49 gesehn hatte. Wie reichhaltig seine Sammlungen waren, sehn wir sowol aus dem, was alles über Kimon daraus bei Köpke zusammengestellt ist, als aus den Angaben über Ae- schylos, die Schneidewin (Philol. 8 S. 732 ff.) mit grosser Wahrschein- lichkeit ihm zugewiesen hat. Ohne Zweifel gehört ihm von dem, was über jene Zeiten, die er selbst erlebte, auf uns gekommen ist, viel mehr an, als mit ausdrücklicher Nennung seines Namens überliefert wird. | Dass er auch des Perikles gedacht hatte, wäre bei der Bedeutung des Mannes für Athen selbstverständlich und durch die sicher bezeugten aus- führlichen Angaben über Kimon hinlänglich angezeigt, wenn auch nicht die ausdrücklichen Anführungen (Perikl. K. 5. 28) vorhanden wären. Man hat freilich gerade aus diesen Stellen schliessen wollen, dass Ion für Kimon gegen Perikles Partei genommen und über Perikles ungün- stig geurtheilt habe. Indessen ist in den Worten K. 28 Jeyueorov de Die Komiker, welche sich zum Theil sehr bitter über Perikles Thätigkeit er- gingen (vgl. die Zusammenstellung bei Cobet observatt. critt. in Platonis co- mici reliquias p. 5 ff.) werden die prahlerisch und übermässig erscheinenden Anträge des Perikles nicht zu erwähnen und zu verspotten unterlassen haben. Es ist sehr wol möglich, dass die Kosten für den Parthenon mit 1000 Talen- ten veranschlagt waren (Leake Topogr. Athens p. 461° fi.) 30 H. SAUPPE cx u xæ uy poovjovi xætanohsuýouvræ toùs Iauiovs gyo «üròyv ô lwy, og 100 ur Ayau£uvovos teci dee Peoßegov nów, erof dë umoiv evvea vue noWrovs zei Övverwrerovs ’Iovwv EAovros gar nichts Tadelndes enthal- ten. Und in der ersten Stelle (K. 5) vermisst zwar Ion in dem Wesen des Perikles jene liebenswürdige Freundlichkeit, jene Theilname an ge- sellschaftlichem Scherz und Frohsinn, die Kimon auszeichneten !), und findet in seinem unveränderlichen Ernst und der jede freundschaftliche Annäherung und gesellige Gemeinschaft abweisenden Feierlichkeit etwas Gemachtes und stolze Geringschätzung gegen Andere, das verträgt sich aber mit Bewunderung sehr wohl, wenn sie auch etwas widerwillig sein mag. Scheue Bewunderung mochte in der That überhaupt das Gefühl sein, welches Perikles seinen Zeitgenossen, so viel ihrer ihn nicht hass- ten, abzwang. Dass Ion, der Dichter, der für alles Schöne leicht em- pfängliche, nicht ohne die regste Theilnahme, nicht ohne Bewunderung die unvergleichlichen Kunstwerke emporblühn sehn konnte, welche Pe- rikles schuf. dürfen wir ohne Bedenken annehmen. Wenn er auch sich persönlich von Kimon viel mehr angezogen fühlte und als Aristokrat von Chios die ganze Richtung der perikleischen Politik bedenklich finden mochte, so konnte dies ihn doch nicht bestimmen alles Grosse und Merk- würdige, was er während seines Aufenthalts in Athen von dem Wirken des Perikles gesehn, gehört und erlebt hatte, seinem Reisewerk entgehn zu lassen. Aehnlich aber, wie wir annehmen, dass Ion hier Reden des Thukydides und Perikles, oder vielmehr die Hauptgedanken daraus auf- gemerkt gehabt habe, so berichtet Plutarch Kim. 16 aus der Volksver- sammlung, in welcher über das Gesuch der Spartaner um Hülfe gegen die Heiloten und Messenier verhandelt wurde, nach Ion, wodurch Kimon zumeist in semer Rede die Athener bestimmt habe die erbetene Hülfe zu gewähren: A d" "hun drournuovsicı zei tòv Aöyor, © udlıore Tods ’A9ıweiovg Zefrer negexeiöv wire vv Eihdde ywAly une div nów te- 1) Die Stelle Plut. Kim. 9 hat Köpke a. a. O. p. 5 nicht genau im Gedächtniss gehabt. Von Perikles ist dort gar nicht die Rede, sondern von Themistokles und eine Aeusserung von diesem über das, was ér verstehe (= Themist. K. 2), ‚nicht des Kimon über seine Leistungen wird angeführt, DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 31 oölvye nepudeiv yeysımusoyv. Dass endlich Plutarch nicht Ion als seinen Gewährsmann in diesem ganzen Kapitel genannt hat, entspricht der schon wiederholt berührten Gewohnheit desselben, gerade die Quelle, welcher er beistimmend folgt, nicht zu nennen, sondern meistens nur dann eine Schrift oder einen Schriftsteller ausdrücklich anzuführen, wenn er aus ihm eine einzelne in den allgemeinen Bericht eingeschobene Notiz entnommen hat oder die Angabe als vereinzelt, als unrichtig bezeichnen will. Wie wenig sicher meine Vermuthung sei, dass die Angaben des K. 12 aus Ion stammen, seh’ ich selbst am besten ein, indessen scheint mir doch so viel gewiss, dass wir in dem ersten Theile Mittheilungen aus den Reden haben, die damals in den Volksversammlungen zu Athen gehalten wurden, als Perikles seinen grossartigen Plan einbrachte, eine Reihe gewaltiger Bauten zur Ehre der Götter und zum Schmuck der Stadt zu errichten, mit Geldern, die dem Bundesschatz auf der Burg entnommen würden. Ich habe in dem kleinen Aufsatz: Sophokleische Inschriften (Nachr. der gött. Ges. d. Wiss. 1865 S. 247 ff.) die Vermu- thung zu begründen versucht, dass die Epoche der Inschrift Boeckhs Staatsh. d. Athener 2 S. 340 und 590 f. (= Rangabé antiqu. hellen. 114), 447/6 v. Chr., den Beginn der grossen Bauten bezeichne, indem der Plan für sie alle als ein Ganzes eingebracht worden sei und das Volk den Rath der 500 mit der Oberaufsicht über den Bau und die Geldverwendungen beauftragt habe. Viel später oder früher können die Bauten nicht begonnen haben. Denn das Odeion ist nach allem, was sich ermitteln lässt, zuerst gebaut worden und war, wie die Verse des Kratinos bei Plutarch K. 13 zeigen, fertig, als Thukydides dem Scher- bengericht verfiel, d. h. im J. 444. Also ein paar Jahre vor 444 muss der Beschluss jene Bauten zu errichten gefasst sein, obgleich die Versuche der Gegner das Begonnene zu verdächtigen und so zu hemmen fortge- gangen sein mögen (Curtius Gr. Gesch. 22 S. 752), worauf sich ' die Anekdote K. 14 beziehn mag. Dieselben Verse aber (K. 13) ô oywox£gyakos Zeig Öl no00feyerer d Hesoıziins twdsiov El mof xoæviov Ae Ern, EnEIdN rotgrgzon nægoiyetræer 32 H. SAUPPE würden ohne Spitze sein, wenn nicht ein vor kurzem vollendetes und durch seine sonderbare und neue Form Aufsehn erregendes Gebäude erwähnt würde. Man kann also auch nicht mit Oncken Athen und Hellas 1 S. 294 das in der von Ulrich Köhler entdeckten, von mir a.a. O. besprochenen, jetzt in den Berichten der K. preuss. Ak. d. Wiss. 1865 S. 209 ff. von Köhler herausgegebenen Inschrift als Beginn einer Rech- nungsperiode bezeichnete Jahr 454/3 als dasjenige ansehn, in welchem der perikleische Gedanke den Bundesschatz auf die Pflege der Kunst zu verwenden zur Ausführung gekommen sei. Denn dass man von 454/3 bis kurz vor 444 an dem Odeum gebaut habe, daran wird man nicht den- ken wollen. Dass freilich auch meine Vermuthung nichts als eine un- sichere Vermuthung sei, weiss ich sehr wohl; aber über grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit kommen wir, bis sich etwa ein glücklicher Inschriftenfand ins Mittel schlägt, in diesen Dingen nicht hinaus. Doch gehn wir weiter in der Geschichte des Kampfes zwischen Thukydides und Perikles. K. 13 enthält zuerst eine begeisterte Aner- kennung der perikleischen Werke, die obgleich in ausserordentlich kurzer Zeit vollendet doch alles Frühere und Spätere übertreffen und in ewiger Jugendfrische prangen. Wir haben keinen Grund zu zweifeln, dass dies die eigenen Gedanken Plutarchs sind. Dann folgen $. 3 Angaben über die Künstler, welche bei den einzelnen Werken thätig waren, namentlich über Pheidias. Man könnte meinen, dass sie aus Philochoros entlehnt seien, der im 4. Buche (vgl. Bruchst. 97. 98 Müller) über den Parthe- non und die Propyläen, also wahrscheinlich auch über die andern Bau- ten, gesprochen hatte. Allein Philochoros liess Pheidias in Elis sterben, eine Angabe, die sich neuerdings auch bei dem Verfasser der T&yvn toù noAruzoö Aöyov (Notice du MS. grec de la bibl. royale portant le Nro. 1874. Par M. Séguier. Paris, 1840. p. 57. vgl. p. 63 ff. = Spengels rhet: gr. 1 p. 455, 14) gefunden hat, während Plutarch K. 31 sagt, dass er zu Athen im Gefängniss geendet habe. Also werden wir an irgend eines der Werke über die Akropolis oder überhaupt über die Kunstwerke ' von Athen denken müssen, wie von Heliodoros, Menekles oder Kalli- _ krates, Diodoros und Anderen (vgl. Preller Polemon. fragm. p. 210 sqq.) DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 33 ‚Die Anekdote von der Rettung des verunglückten Arbeiters mag ebendaher sein, da sie mit der Bildsäule der Hygieia Athena unmittelbar zusammenhängt. Endlich mag die Aeusserung des Perikles, die K. 14 erwähnt ist, wieder aus Ion sein; eben so gut aber kann sie bei ihrer sehr bedenklichen Haltung auch Stesimbrotos gehören. So sind wir bis zum Schlusse dieser Erzählung über den Kampf der beiden Parteien unter Thukydides und Perikles gekommen und nur noch das eine bemerke ich, dass Plutarch dies ganze Stück von K. 11 bis K. 14 ausdrücklich durch die Schlussworte als ein in sich zusam- menhängendes Ganze bezeichnet: r£4og dt ngös dv Oovxvdidiw cis yöre zeg of Grp son zuraoras zei dıezıwdvvevoeg &xeivov uèv Zëtffe/ip, Series dë vin čvuterayuévyy Ereigeiev. Dadurch wird die Vermuthung von Bur- sian beseitigt, der im Rhein. Mus. 10 S. 477 meint, dass Thukydides die K. 12 erwähnten Vorwürfe dem Perikles auch nach der Rückkehr aus der, wie es allerdings scheint, kurzen Verbannung gemacht haben könne. Auch setzte nach der Rückkehr Thukydides schwerlich seinen Parteikampf gegen Perikles fort. Die Bauten alle aber, die ja freilich zum grössern Theil erst nach Thukydides Entfernung ausgeführt wurden, konnte Plutarch doch hier erwähnen, weil sie nach meiner Vermuthung einem zusammenhängenden, von Perikles im Ganzen vorgelegten Plane angehörten. Und für diese Ansicht führe ich noch das an, dass Plutarch eine grosse Menge von andern Bauten und Kunstwerken, welche der Zeit und alle ohne Zweifel der Anregung des Perikles ihre Entstehung verdankten, wie sie E. Curtius Gr. G. 2 S. 283 ff. in trefflicher Uebersicht aufzählt, weder hier noch an anderer Stelle erwähnt. Er führt eben nur die auf, welche zu dem von Thukydides bekämpften Gesetzesvorschlag des Pe- rikles gehörten, und über diesen lagen ihm treffliche und ausführliche Nachrichten in Ions Aufzeichnungen vor. Die ganze Auseinandersetzung über die politische Entwicklung des Perikles schliesst K. 15 mit einer erklärenden Ausführung der thukydi. deischen Worte: &yiyvero di óyw uw dnuozgeuie, čoyw ð Zë Ted now- tov dvdgös got (2, 65) und greift so in den Anfang von K. 9 zurück- Die Gedanken, die er in etwas breiter, aber eleganter Fassung für diese ` Hist.- Philol. Classe. XIII. E 34 Or H. SAUPPE Erklärung benutzt, sind, wie er für den letzten selbst sagt und für die andern schon von Sintenis bemerkt ist, aus demselben Kapitel des Thu- kydides (2, 65) genommen. Nur, was er am Schluss hinzufügt, rührt aus einer andern Quelle her, die sich nicht bestimmen lässt: yevöwevog!) zer dvvdusı 20 Auf Badıhéwv zei tvoévvwv Önégtegos, in Evıoı ze Zi moie vieoı dıederro, 2xewog më doeruf uellove zën oloiev oz Enoimoev Ñs o nerjo ent zertiten, Nach den wunderlichen Erklärungen Xylanders, Schäfers und Anderer halten Emperius opusc. p. 222 und Sintenis die Stelle mit Recht für verdorben. Plutarch hat wahrscheinlich geschrie- ben dën Zum zei mì tois riëm dıederro Tois èxeivov, wë — —, wodurch zugleich der nicht plutarchische Hiatus gehoben wird. Also diese Kö- nige und Fürsten waren zum Theil dem Perikles so zugethan, dass sie seine Söhne zu Erben einsetzten, dennoch benutzte er die Ergebenheit derselben nicht, um sich zu bereichern. Ob freilich an dieser Angabe etwas wahres ist, lässt sich nicht ermitteln. Nachdem ich so die Stücke K. 24—28 vom Ges Kriege, K. 31. 32 von den Ursachen des peloponnesischen Kriegs, K. 9—15 von der inneren politischen Entwicklung des Perikles, in denen sich das Ver- fahren Plutarchs deutlicher erkennen zu lassen schien, ausführlich be- sprochen habe, will ich über die übrigen Theile der Lebensbeschreibung nur noch wenige Bemerkungen hinzufügen. Die Grundzüge für die ein- fachen Nachrichten über Eltern, Gestalt, Lehrer, Charakter, politische Richtung und Beredsamkeit des Perikles fand Plutarch ohne Zweifel bei Theopompos; einzelne Züge, Anekdoten und Aeusserungen, wie über den Traum der Agariste (auch bei Herodot 6, 131), die sonderbare Form des Kopfes und die Darstellungen desselben mit-dem Helme?), das Heim- leuchtenlassen des Schmähsüchtigen, den einhörnigen Widder, das Hoch- zeitmal des Euryptolemos, die witzige Aeusserung des Thukydides über 1) In den unmittelbar vorausgehenden Worten sei ën di èx weydins meytorny soi mÄovowreınv noijoag ist wol vor nAovawr&rmv ausgefallen èx zrAovoiec. 2) Die richtige Erklärung, dass man ihn bildete, wie man ihn als Strategen immer zu sehn gewohnt war, hat der falschen bei Plutarch zuerst E. Curtius entgegengestellt: Archaeol. Z. 1860, 40. _ DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 35 Perikles Beredsamkeit, einzelne Wendungen aus seinen Reden mochten Stesimbrotos, Ion und Idomeneus liefern, wie er Stesimbrotos K. 8, Ion K. 4, Kritolaos K. 7 namentlich anführt. Eigene Sammlungen gaben ihm die Stellen der Komiker Kratinos, Telekleides E, Eupolis, Platon, Aristopha- nesan die Hand. Die Abhängigkeit von den verschiedenen Stellen, die er gerade vor sich hat, tritt zweimal in diesen Kapiteln hervor. K.5 z. E. vertheidigt er nach einer Aeusserung des Zenon, doch wol des Eleaten, mit dem Perikles nach K.4 verkehrte (gegen 450 war Zenon in Athen: Zeller Gesch. d. griech. Philos. 1 S. 420), den feierlichen Ernst (tò oeuvd») des Perikles gegen die ungünstige Beurtheilung Ions, K. 7 $. 3 dagegen setzt er das Gemachte und Absichtliche in Perikles Haltung dem unbe- fangenen Sichgehenlassen wahrer Tugend entgegen. Sodann legt er für seine Bemerkungen über den Einfluss des Anaxagoras auf die Beredsam- keit des PeriklesK. 8 ganz die Stelle Platons Phaedr. 270. A zu Grunde?), während er früher schon (K. 4. 5. 6) in etwas abweichender Weise über die Einwirkung des Umgangs mit Anaxagoras und seiner Lehre auf die ganze Entwicklung des Perikles offenbar nach anderen Quellen ge- sprochen hatte. Für die Ereignisse aus dem Leben des Perikles, die K. 16—23 er- zählt werden, sind, wie wir noch jetzt uns durch Vergleichung überzeu- gen können, Thukydides und Ephoros, als dessen Auszug Diodor gelten ` darf, die Führer gewesen. Die einzelnen Stellen giebt Sintenis. Für Ephoros liegt noch ein ausdrückliches Zeugniss in dem vor, was der Schol. zu Aristoph. Wolken 855 (Frg. 118 Müll.) über die Bestrafung des Kleandridas und Pleistoanax, verglichen mit Kap. 22, erzählt. Wahr- scheinlich dürfen wir auf Ephoros Rechnung auch die höchst wichtige, jetzt nur bei Plutarch vorhandene Nachricht (K. 17), dass Perikles den Amphiktionenbund unter Athens Führung neu zu gestalten versucht habe, und die 1 een über den pontischen kennen: (K. 20), de 1) Ueber die Verse des Telekleides ze 3 habe ich im Philologus 20 S. 174 ff. ausführlich gesprochen. 2) Auch die Worte soi tò 0009090» geed mì ry ou Aöyww tézvyv sind aus Platon. E2 36 5 ESSAUPPE ebenfalls nur bei Plutarch erhalten ist, setzen. Ob aber das, was K. 16 über die Verwaltung des Vermögens und Hauswesens durch den Haushofmeister Euangelos erzählt wird, auf Theopompos oder Stesim- brotos zurückgehe, lässt sich nicht bestimmen. Auch für die K. 29. 30, über die kerkyräischen Händel, die Klagen der Korinthier, Megareer und Aegineten in Sparta, den Abfall Potidäas, die Verhandlungen über das megarische Psephisma, hat Sintenis die ge- naue Uebereinstimmung mit Thukydides nachgewiesen, nur dass dieser Perikles dabei nicht nennt. Dessen persönliche Wirksamkeit wird von Ephoros erwähnt gewesen sein. Dass die thörichte Anschuldigung des Perikles, als ob er Lakedaemonios, Kimons Sohn, aus Hohn und um ihm zu schaden nur mit 10 Schiffen den Kerkyräern zu Hülfe geschickt habe, aus Stesimbrotos sei, zeigt Kimon K. 16!). Woher die Nachricht sei, dass die Megareer die Ermordung des Anthemokritos leugneten und den läppischen Grund für den Zorn Aspasias und des Perikles aus Aristopha- nes Acharn. 524 ff. anführten, ist unbekannt: würdig des Stesimbrotos oder Idomeneus ist sie. | Endlich ist auch für die Ereignisse des peloponnesischen Krieges, K. 33—37, Thukydides, selbst bis zur Beibehaltung einzelner Gedan- ken und Wendungen, besonders aus den Reden, der Führer Plutarchs gewesen. Nur hat die Stelle des Hermippos K. 33 den Zusatz über Kleon veranlasst. Ferner kommt die falsche Angabe, dass die Sonnen- finsterniss 430 gewesen sei (K. 35), während sie Thukydides richtig 431 ansetzt (2, 28. den 3. Aug. 431: vgl. Ullrich, Beiträge zur Erklärung des Thukyd. S. 182. Zech, astron. Untersuchungen über die wichtigeren Finsternisse, welche von den Schriftstellern d. klass. Alt. erwähnt werden S. 5. 30. 44, wo 430 auf S. 30 nur Druckfehler ist) wahrscheinlich nur auf Rechnung Plutarchs.. Woher aber die Anekdote stamme, wie Perikles dabei seinen Steuermann zu beruhigen gesucht habe, bleibt ungewiss, oder weisen die Worte zeüre ui goën èv 1wis oxodais Zë ër yılooöywv un a 1) Den richtigen Grund für Perikles Anordnungen giebt E. Curtius Gr. G. 2? S. 318. 753. DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. 37 auf Theophrast hin, aus dessen Ethischen Büchern K. 38 eine längere Stelle genommen ist? Die Höhe der Geldsumme, um welche Perikles 429 gestraft wurde, hat Thukydides 2, 65 nicht; Plutarch haben also ausser Thukydides noch mehrere andere Berichte zur Vergleichung vor- gelegen, da nach K. 35 z. E. die Angaben zwischen 15 und 50 Talenten schwankten. Für die verschiedenen Namen der Kläger gegen Perikles sind die Gewährsmänner Idomeneus, Theophrastos und Herakleides ge- nannt, aber auf keinen legt Plutarch besonderes Gewicht. Für das häus- liche Leid, das Perikles traf (K. 36), werden wir kaum nach einer an- deren Quelle zu suchen brauchen, als dem von Plutarch $. 3 selbst ge- nannten Stesimbrotos !). Ueber die Art, wie Perikles den Tod seines zweiten Sohnes Paralos ertragen habe, hatte Plutarch früher die ganz entgegengesetzte Erzählung des Protagoras für wahr gehalten (consol. ad Apollon. p. 118. E). Woher endlich K. 37 der Bericht von der Auf- hebung des Gesetzes über die »690 (Curtius Gr. G. 22 S. 364) stamme, lässt sich nicht ermitteln. Vielleicht hatte Ephoros eine Angabe darüber; dass die Erzählung über das früher auf Perikles Antrag gegebene Gesetz und die in Folge davon eingetretene Streichung und Verurtheilung vieler 1) Zu Anfang von K. 36 heisst op ei d? gen uoxsmoWs eren org sont TE tòv hoıuov odx dioge dnoßakovu zët dmumdsiov soi ordosı dıersregoyusvo agoën Aen, So Sintenis nach Reiske, während die HSS. dıezsragayusvor haben. Eines passt so wenig, als das andere. Nicht Perikles kann dierere- g@yuEvog genannt werden, sondern die oixei« sind es. Also dierssraegayusve. — Dann ist §. 2 der Fehler zes Aöyovs oç nois were töv ooyıoıwv zu verbessern und mit Ex 2nosstro zu schreiben. Vgl. K. 38. Dann haben die HSS. zeng ioun yo innov dxoviin nerdsevıos ’Ermupiov toč Dagoakiov dxov- goe xai zaraxıeivavroc, nur F? hat, was von Sintenis aufgenommen ist, zeng Dien zeg uvos dx. n. ’Eniuwuov tòv Dagoalıov dx. x. x. Das ist doch wol nur, wie es auch Sintenis nicht befriedigt, geschickte Vermuthung. Keils Vermu- thungen yọ Xaoinnov oder yao"Innwvog schliessen sich immer erst an diese, Lesart von F® an und die eine giebt einen Hiatus, die andre weicht in wenig wahrscheinlicher Weise von der Lesart der HSS. ab. Sollte nicht vielmehr ‚Ilevra$kov zg Aagırınov dxovriin nerakevros dxovoiws ’Enmeiuov toč Dapoa- iov soi xarexıeivavıos zu schreiben sein? 38 H.SAUPPE DIE QUELLEN PLUTARCHS FÜR DAS LEBEN DES PERIKLES. Bürger!) auf Philochoros hinweise (Frg. 90 Müller), hat schon Sintenis erinnert. Für die Erzählung in K. 38 endlich hat Plutarch seinen Ge- währsmann, Theophrastos, selbst genannt. So haben wir gesehn, dass Plutarch bei der Ausarbeitung dieser Biographie eine reiche Fülle von Quellen vor sich hatte, von der trefflichsten und wieder andere von äusserst verdächtiger Beschaffenheit. Er gab sich Mühe nicht blos die Ereignisse äusserlich an einander zu reihen, sondern der Grösse des Mannes durch sorgfältige Erörterung seiner Absichten und Gesinnungen gerecht zu werden. Aber theils die Kleinheit der Zeit, in welcher er selbst lebte, die Fremdheit jener grossen Tage Athens, theils die eigene Befangenheit, nur die sittliche Beschaffen- heit des Einzelnen, nicht. die staatsmännische Wirksamkeit und den grossen Gang der Geschichte ins Auge zu fassen, machten es ihm un- möglich sich zu einer gerechten Würdigung zu erheben. Sie liessen ihn vielmehr sehr kleinlichen und verkehrten Auffassungen Gehör schenken, obgleich ihm die richtigsten Ansichten im Werke des Thukydides vorla- gen, und liessen ihn oft zwischen verschiedenen Ueberlieferungen unent- schieden schwanken. Dennoch sind wir Plutarch und dem Geschick, das uns diese Lebensbeschreibung erhalten hat, zu ausserordentlichem Danke verpflichtet, denn eine grosse Menge der wichtigsten Nachrichten haben wir nur aus ihr. Und gerade die Unklarheit, die ihn sehr ab- weichende Berichte zum Theil unvermittelt neben einander zu stellen oder wenig passend vermitteln zu wollen veranlasste, macht es uns mög- lich seinen Quellen auf die Spur zu kommen und so den Werth der einzelnen Angaben zu bestimmen. 1) nollei Aën dveyvorıo diem etc vd Ae èx Tod yoduuarog design témç dialav- Şávovoæı za Tragogwuevas heisst es jetzt K. 37. Aber die Endungen sind wol auch hier verwechselt worden; es muss wol heissen delavdavovo, xæè negogwusvors. Nicht die Klagen gegen die mit Unrecht als Bürger Geltenden bleiben verborgen und werden übersehn, sondern diese in das Bürgerrecht Eingeschlichenen selbst. g Ueber einige Pluralbildungen des indogermanischen Verbum. Von Theodor Benfey. Vorgetragen in der Sitzung der Königl. Gesellschaft der ‘Wissenschaften am 8. März 1867. I. Die letzt erreichbaren F ormen des Duals und Plurals der indoger- manischen Sprachen sind, wie jetzt ziemlich allgemein anerkannt ist: Dualis 1 va-si 2 tva-si (im Sanskrit thas) 3 dta-si Plural 1 ma-si 2 twa-si (im Sanskrit tha) 3 anta. 3 | Die Ansetzung der fünf ersten Formen beruht zunächst auf der in den Veden und im Zend (natürlich mit dem lautlichen Reflex von s nämlich h und häufiger Dehnung des auslautenden d erhaltenen ersten Person des Plur. masi, welche auch noch im Lateinischen (mås) und Althoch- deutschen mês (vgl. Bopp, über das Albanesische, S. 64) wiedergespie- - gelt wird (vgl. Or. u. Occ. I, 305); ferner auf dem im Zend erhaltenen Reflex der ersten Dualis vasi (in uç-vahi). Da schon in den Veden vor- waltend, im gewöhnlichen Sanskrit durchweg, jenes masi sein auslauten- des # eingebüsst hat, von dem des Duals vasi ausser im Zend keine Spur erscheint, so lag die Vermuthung nah, dass es auch in der zweiten des Duzlis und Pluralis und in der dritten des Dualis einst den Aus- laut gebildet habe, aber noch früher als in der ersten des Plur. und Dualis eingebüsst sei. Diese, kaum bezweifelbare und wie gesagt, ziem- ei TH. BENFEY, lich allgemein angenommene Hypothese findet ihre Bestätigung in der Erklärung dieser Formen, welche im folgenden vorgetragen werden wird. Eben so allgemein angenommen als die Ansetzung dieser fünf Formen mit ursprünglich auslautendem ¿ ist die Ansicht. dass in den indogermanischen Sprachen ursprünglich kein Unterschied zwischen Dual und Plural in dem Verbum bestand, dass die Dualformen ursprünglich auch Pluralformen waren. Erst als sich das Bedürfniss einstellte, die paarweise Zusammengehörigkeit von Dingen, welche paarweis erscheinen, wie die beiden Augen, oder als paarweis zusammengehörig vorgestellt wurden, wie Mann und Weib, Tag und Nacht, einige Götterpaare, wie die Dioskuren, in den Veden Mitra und Varuna u. aa., auch an dem damit verbundenen Verbum auszudrücken, wurde der Dual vom Plural geschieden und erweiterte sich dann aus seiner ursprünglichen Bedeutung ‘Paarheit’ und ‘Mehrheit’ zur Bezeichnung der ‘Zweiheit’. Die Scheidung der ursprünglichen Pluralform in eine Dual- und Pluralform findet in der Weise Statt, die sich zu allen Zeiten der Sprach- geschichte, selbst noch unter unsern Augen geltend macht. Phonetisch entstandene Doppelformen werden entweder einige Zeit hindurch im Sprachbewusstsein als Exponenten eines und desselben Begriffs festge- halten; in diesem Fall wird dann — da die Sprache danach strebt, für einen Begriff auch nur einen Exponenten zu fixiren — die eine Form später aus der Sprache eliminirt; oder sie werden auch begrifflich ge- schieden und in dieser Scheidung in der Sprache dauernd erhalten. Aus jenem Verfahren erklärt sich der Verlust einer Menge von Formen und Wör- tern, welche, wenn gleich theilweis ursprünglich nicht ganz synonym, doch durch das generalisirende Vermögen des Menschen, welches in der Sprachgeschichte sich vorzugsweise wirksam zeigt, nach und nach identisch geworden waren; so reducirte sich z. B. die ursprüngliche Menge von Pronominibus, welche ohne Zweifel einst verschiedene Specialisirun- gen der Demonstration ausdrückten (‘der in der Nähe’, ‘der in der Ferne’, ‘der gegenwärtige’, ‘der abwesende’, ‘der auf dieser oder jeher Seite stehende’, ‘der vorn’, ‘der hinten’, ‘der ober’, ‘der unten’) nach und nach auf zwei und selbst ein Demonstrativ. Aus diesem dagegen die Schei- UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. SM dung von einst in derselben Bedeutung gebrauchten Wörtern und For- men in begrifflich verschiedene; so hat sich in unsrer Muttersprache seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts zwischen den eigentlich nur phonetisch differenziirten Formen ‘denn’ und ‘dann’, ‘wenn’ und ‘wann’ ein begrifflicher Unterschied entwickelt, den jetzt kein Gebildeter mehr bekämpft, und fast erst unter unsern Augen zwischen ‘ahnen’ und ‘“ahn- den’, ‘Ahnung’ ‘Ahndung u. s. w. trotz der eigentlich unschönen ` Ver- stümmelung der richtigen Form, eine so schöne Bedeutungsunterschei- dung, dass sich ihr trotz des Sträubens von Tieck u. aa. schon jetzt fast jeder fügt, und in der folgenden Generation das wahre Verhältniss ganz aus dem Sprachbewusstsein geschwunden sein wird. Durch den grade in der letzterreichbaren Periode der ARE nischen Sprachen und auch noch später eintretenden überaus häufigen Wechsel zwischen m und e (man vgl. nur z.B. die völlige Identität der Suffixe mant und vant, deren verschiedene Anwendung im späteren Sans- krit fast nur durch die vorhergehenden Laute bestimmt wird, in den Veden aber noch regellos eintritt, und die Nebenformen derselben) ar 1) Um zunächst auch wenigstens ein Beispiel aus der spätesten Entwicklung zu geben, tritt dem m des sanskritischen tama in seinem Gebrauch als Ordi- nalaffıx im Urdü (Hindustanisch) v gegenüber, während das sonst mit diesem so sehr Hand in Hand gehende Gujaräti das m durchweg bewahrt; man vergleiche Sskr. Guj. Urdü. panchama püänchami, uñ pänchväan der fünfte. saptama sätami, uñ säthvän der siebente. ashtama äthami, un äthvän der achte. navama navami, uñ navän (für navavdn) der neunte. ` dacama dasami, un dasvän der zehnte. Ä Daran können wir einige analoge Beispiele aus der älteren Zeit der indogermani- schen Sprachentwickelung schliessen. _ Es versteht sich nämlich für jeden, der die unzähligen Fälle des Wechsels von m und v kennt, von selbst, dass das Verhältniss des griechischen öydoog, wel- ches nach lateinischem oetävus für öydo;og steht, zu sskr. ashtama, zend. astema, slav. osmùi auf demselben Uebergang beruht; natürlich ist dasselbe auch für lat. octävus anzunehmen, trotzdem dass die Länge des a noch keine vollständig genü- Hist.- Philol. Classe. Xıl. F Mo: TH. BENFEY, hatten sich für die erste Person des Plur. zwei nur phonetisch ver- schiedene Formen masi und vasi gebildet, von denen die letztere, nach- dem die duale Categorie im Sprachbewusstsein sich von der pluralen geschieden hatte, zur Bezeichnung von dieser verwendet wurde, ähnlich wie im geregelten Sanskrit die durch Abstumpfung aus mani vant ent- standenen Nebenformen man van sich für Ableitungen aus Verben fixir- ten, jene dagegen nur für solche aus Nominibus, während zahlreiche Abweichungen von dieser Regel in den Veden und selbst im eigentlichen gende Erklärung gefunden hat. Die bekannte Regel, dass im Latein vor v alle Vokale ausser w lang sind (G. F. Grotefend, grössere lateinische Grammatik für Schulen II, 34 S. 35, 4. Aufl., Frankf. 1824), deutet jedoch auf eine Neigung, Vo- kale vor dieser Liquida — da Liquidae bekanntlich leicht länger tönen — auch unorganisch zu dehnen, vgl. z. B. auch die Dehnung von a vor dem v der ersten Dualis im Sskr., die häufigen Dehnungen von Vokalen vor dem Suff. vant ebds. und im Griechischen z. B. devdgn-evr von devdgo, die sskr. von i, u vor y des Passiv und Pre- cativs u. aa. Eben so ist auch das Verhältniss von lat. septuä in septua-ginta ge- ` genüber von griech. &ßdowj-xovre, irisch sechtmo-gat zu erklären; septumä ist erst in septuvä übergegangen, dann mit dem gewöhnlichen Ausfall von v zwischen Vo- kalen in septua. Es steht also septuva dem griech. &ßdouy, irischem secht-mo und dem sskr. Ordinale saptama bezüglich des v für m grade so gegenüber wie die Urdüform säthvän. Ich würde diese Vergleichung, die sich für jeden wirklichen Sprachforscher von selbst ergiebt, gar nicht erwähnt haben, wenn nicht Schleicher - in seiner übrigens trefflichen Zusammenstellung, ich meine sein ‘Compendium der verglei- chenden Grammatik der Indogermanischen Sprachen’ S. 503, ohne eine Erklärung zu geben, von einem Stamme septuo’ spräche, ‘der sonst nicht erscheint’. Es muss ihm also nicht möglich gewesen sein, diese einfache Vermittlung von &ßdoun u. s. w. mit septuä zu erkennen. Beiläufig bemerke ich, dass da das Latein auch in Bezug auf die Bildung des Zahlworts für neunzig vermittelst des voranstehenden Ordinale mit dem griechischen übereinstimmt (wahrscheinlich auch mit Celtisch, dessen Form hier jedoch zweifelhaft), nämlich ve-vý-xovræ (für *2vve-un- und dieses für &vze-un-, *y-s-un, *veze-uņ = Sekt, Thema navama) = latein. nonä-ginta (für novo-mä- vgl. nönus — sskr. navamas), sicher auch octô-ginta nicht aus dem Cardinale zu erklären ist, sondern mit dydor-zovze, irisch ochtmo-gat auf eine Stufe zu stellen, so dass hier octö für octov@ = 6ydeo;n steht, womit wir ein, zwar in Bezug auf den Vokallaut jüngeres, aber in Bezug auf die Quantität älteres, Nebenthema von octävo erhalten. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 43 Sanskrit (man vgl. z. B. ati-shthä-van und alti-shthä-vant vom Verbum sthä, magha-van vom Nomen magha), so wie Vergleiche mit den verwand- ten Sprachen (z. B. i-uevr — sskr. si-man von einem Verbum; jenes ist in genau entsprechender Form sö-mant im Atharva-Veda, IV, 1,1, VI, 134, 3 bewahrt, vgl. Whitney zum Atharva-Veda Präticäkhya III. 43), ihren ursprünglich ungeschiedenen Gebrauch erweisen. Aehnlich hatte sich aus der zweiten Person des Plur., ursprünglich tivasi, nach der sicherlich schon alten Einbusse des ö, durch Verlust des auslautenden s, der uns so überaus häufig entgegentritt und unzweifel- haft durch den eben so häufigen Uebergang von sin einen blossen Hauch- laut vermittelt ward (vgl. z. B. sskr. wgands, aber wenn s nicht durch besondere Anlaute eines nachfolgenden Wortes gehalten wird, uranäh und in den Veden nur wand, griech. usv mit v &yeix. für us statt des im Dorischen erhaltenen wuss, lateinisch amabare statt amabaris u. s. w.) eine abgestumpfte Nebenform gebildet, welche im Sskr. (mit th für tv durch den aspirirenden Einfluss des o!)) ia lautet, im Zend. ta und tha, Griech. re, eben so im Slavischen und Littauischen te, Gothisch und Irisch, zugleich mit Einbusse des Vokals, dort ih, hier d, th. Die so ent- standenen Doppelformen schieden sich in der Weise, dass die mit auslau- tendem s den Dual (sskr. thas, goth. fs, griech. tor, wie uev für ues), die abgestumpfte dem Plural zu Theil ward. Nur das Latein, welches den Dual ganz eingebüsst hat, macht eine Ausnahme, indem es die Form mit auslautendem s, nämlich As, im Plural zeigt. Ob wir daraus schliessen dürfen, dass bei der Sprachtrennung die Unterscheidung noch nicht ganz fest geworden war, wage ich nicht ohne eingehendere Discussion, die uns hier zu weit führen würde, zu entscheiden. In diesen fünf Formen tritt uns eine ganz bestimmte Analogie entgegen. 1) Durch diesen ist vielleicht auch das Suff. atha zu erklären, vgl. z. B. das Abstractum Zveshatha ‘das Toben’, ‘Ungestüm’ von dem Adj. tveshá ‘ungestüm’, welches als regelrechtes Abstract tveshatvá bilden würde; wegen der Verschiedenheit des Accents, die übrigens bei dem häufigen Accentwechsel kaum zu urgiren, ist viel- leicht zu vergl. ä-vasathä daier eg de ee. Vie? = 2. BER = Genen bharathä R AL vergleichen, wenn sich die Abst prüng F2 44 TH. BENFEY, Es ist nämlich, wie fast alle Voraussetzungen, welche bis jetzt von mir gemacht sind, ebenfalls allgemein zugestanden, dass die letzterreich- baren Formen der Personalendungen des Singular in der ersten Person ma, in der zweiten eo, in der dritten ta sind. Die besprochenen fünf Pluralformen unterscheiden sich von ihnen also nur durch Hinzutritt von si, darin haben wir das pluralisirende Element zu sehen und es ent- steht nun die Frage, ob dieses die Urform sei und was es bedeute. Beides wird durch die im Weitern zu gebende Erklärung beantwortet werden, aber ehe wir zu dieser übergehen, müssen wir erst einen Blick auf die sechste Form werfen. Diese Form weicht von der Analogie der fünf übrigen fast vollständig ab. Auch hier ist die Annahme, dass der Auslaut ursprünglich a gewesen sei (anta) und dieses a sich auf dieselbe Weise in ¿ verwandelt habe, wie das des Singulars, die allgemein herrschende; wie ursprüngliches ma, tva, ta schon früh zu mi, si (für organischeres tvi), ti ward, so auch anta zu anti. Die Gründe dieser Umwandlung sind für unsre Aufgabe von keiner Er- heblichkeit, daher wir sie ununtersucht lassen. Hervorheben muss ich nur, dass wie keine der indogermanischen Sprachen mehr einen Reflex des ursprünglichen o im Sing. zeigt, so auch nicht im Auslaut dieser Pluralform; die Formen auf ¿ müssen sich schon sehr früh festgesetzt haben. Verschieden sind die Ansichten über das anlautende a in anti; einige rechnen es zu dem Personalexponenten, andere betrachten als Urform von diesem nur *nta, als die in allen indogermanischen Sprachen refleetirte Form nti. Wenn ich nun gleich keine Erklärung dieser Pluralform zu geben vermag, so bin ich doch überzeugt, dass eine genauere Untersuchung unzweifelhaft feststellt, dass die Gestalt, welche sich in allen indogermanischen Sprachen wiederspiegelt, anti ist und wo - das anlautende a fehlt, es nur durch Contraction oder Elision eingebüsst ist. Im Sanskrit geschieht dies nur hinter Themen auf / z. B. yänti aus yü-anti, bodhanti aus bodha-anti; daher hinter d u volles anti erscheint z. B. yanii aus i-anti, viyanti aus vi-anti, stuvanti aus stu-anti, bruvanti aus brû- anti und vor anti selbst Einbusse*von auslautendem å, wie z. B. jahati aus jahö-ati (für anti). Wenn das gewöhnliche Griechisch deızvöcu(v) rı3eicı(%), UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 45 dıdovoı(v), das Dorische än, dıdövu, dsizvövu zeigen, so ergiebt sich durch die Nebenformen deiwvieoı(v) uFEror(v) dudéëeontz), so wie durch den Accent jenes als Contraction, dieses als Elision. Letztere ist auch für die auf dem Activ ruhenden Medialformen deizvuruw tidereı doter aus dialektischen wie &overeı zu erschliessen, erstere aus Formen wie ' BeßoAnjero u. aa. Tiefer in diese Frage einzugehen, ist für unsre Auf- gabe nicht nothwendig. Die Versuche zur Erklärung dieser Pluralform stimmen darin über- ein, dass sie sie in Verbindung mit der entsprechenden Singularform (io, später &) setzen Es ist hier nicht der Ort, sie allsammt in Be- tracht zu ziehen, sondern ich hebe nur diejenige hervor, welche noch am ehesten etwas ansprechendes hat. Es ist das die von Pott aufge- stellte 1!) (Etymologische Forschungen II, 710) und von Schleicher ohne Erwähnung seines Vorgängers adoptirte (Compendium der vergl. Gramm. S 276 S. 681). Danach ist vor das Pronomen der dritten Person ia (ti) noch eine, wie es bei Schleicher heisst, „demonstrative Pronominalwurzel‘“ an, n getreten, „von welcher der Pronominalstamm ana- gebildet ist (im slav., litt. in allen casus gebräuchlich .... altind. instrum. fem. and-jä; der comparat. zu ana- wird von der wurzelform an gebildet, lautet also an-taras....), so dass ‘sie’ also auß gedrückt ist durch ‘er und er’ (natürlich ohne Genusbestimmung)‘“, In Bezug auf diese Erklärung bemerke ich zunächst, dass wenn sie auch vielleicht im Allgemeinen billigenswerth gefunden werden sollte, sie doch in Betreff der den Pronominibus beigelegten Bedeutung einer Correktur zu bedürfen scheint. Es ist nämlich schon absolut nicht wahr- scheinlich, dass verschiedene Pronominalstämme ursprünglich gleiche Bedeutung gehabt haben sollten. In der That heisst aber der jenem sskr. ana entsprechende slavische sowohl als litt. Reflex (onu; ana; Nom, msc. äns, f. and) nicht er" sondern ‘jener’ und dies scheint auch diejenige Bedeutung zu sein, welche sich der ursprünglichen am meisten nähert, wie, trotz der Benutzung dieses Stammes zur Ergänzung der Deklination 1) von Kuhn, de Conjugatione in — MI p. 23 schon dunkel angedeutete. 46 TH. BENFEY, von sskr. idam, der Zusammenhang desselben mit an-ya (jener — welcher — ein anderer) im Gegensatz zu tya (aus fa-ya dieser — welcher — dieser) und den Negativpartikeln an, na (jenes, nicht dieses, vgl. antarä alter Instrumental von antara, ‘der andere’ eigentlich ‘durch anderes als = ohne‘, griech. čte) höchst wahrscheinlich macht. Es würde danach statt ‘der und der’ als Grundbedeutung ‘jener und der’ aufzustellen sein. Allein beiden Erklärungen gemäss würde die Verbindung gewisser- massen eine von denjenigen Zusammensetzungen sein, welche im Sanskrit Dvandva genannt werden und Wörter mit einander vereinigen die, wenn getrennt, durch ‘und’ zu verbinden wären. Diese Zusammensetzung hat ausser in dem treuen Gefährten des Sanskrit, dem Zend, in den übrigen in- - dogermanischen Sprachen so gut wie gar keine Analogie. Die einzigen Composita, welche man hierher rechnen kann, sind die von Zahlwörtern, aber auch diese geben sich durch Formen wie rgıszafdsxe für Tosis-zei- ĝéxæ u. s. w. als blosse Zusammenrückungen kund, und auch das sans- kritische Dvandva enthält noch so viele reine Zusammenrückungen (wie ved. pitard-mätar&, sogar mit beiden Accenten turváçá-yádů Rv. IV. 30. 17), oder unvollkommene Zusammensetzungen (wie pilä-putrau), dass man seine späte Entstehung daraus mit voller Entschiedenheit folgern kann. Wenn aber eine derartige Zusammensetzung erst so spät entstan- den ist, ist es dann wahrscheinlich, dass auf ihr schon eine so alte Bildung ruhen könne? Gegen diese Auffassung als Dvandva spricht aber noch ein andrer Umstand. Schon in den ältesten Sprachen unsres Stammes finden wir eine Menge zusammengesetzter Pronomina, im Sekt. eben a-na aus dem Pronominalstamm a, welcher unter andern ebenfalls zur Ergänzung von idam dient, und na, welches auch in e-na erscheint, einer Zusammen- setzung, die ebenfalls zur Ergänzung von idam gebraucht wird, ferner a-va, welches, im Sanskrit nur als Partikel bewahrt, im Zend als eigent- liches Pronomen demonstrativum waltet; a-mu, a-mi, a-ma a-sa-u (Nom. s. m. u. f. von adas); im Griechischen erscheint adrd aus a-va-ta oùto, toŭto aus sa-u (eigentlich va)-ta, oder ta-u(va)-ta, lateinisch iste aus id-ta u. s.. w. Allein keine dieser und ähnlicher Zusammensetzungen hat i UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D INDOGERMANISCHEN VERBUM. 47 eine Dvandva-Bedeutung; «dıd — a-va-ta heisst nicht etwa ‘der und der und der’, sondern es, sowie auch alle übrigen, sind nur verstärkte De- monstrative, gewissermassen an die Stelle unzusammengesetzter getreten, weil diese, durch häufigen Gebrauch abgerieben, keine volle Geltung mehr hatten. Wenn aber schon diese ältesten indogermanischen Sprachen Pronomina zwar zusammensetzen, nie aber in Dvandva-, sondern, der ältesten Composition gemäss, nur in determinativer!) Bedeutung, ist es da auch nur entfernt wahrscheinlich, dass in noch älterer Zeit eine der- artige Aikammensetaing Dvandva-Bed. hätte haben können? D. ı + Zwei I giebt es nur, in welchen auf den ersten Anblick die Zusammensetzung wenn auch nicht eine Dvandva- doch eine pluralisirende Bedeutung gegeben zu haben scheinen könnte. Es sind diess die durch sma gebildeten Pluralthemen der Pronomina der ersten und zweiten Person, sskr. a-sma und yu-shma (für yu-sma). Allein 1) ist sma nicht ein einfaches Pronomen, sondern eigentlich sa-ma, alter Superlativ von sa ‘einer’ (vgl. lat. se-mel, &-n«ë, sskr. sa-krit ‘einmal’) und daraus ‘dieser’ und ‘mehreres zu einem vereint’, 2) ist dieselbe Form schon vor der Sprachtrennung auch zur Weiterbildung mehrerer Pronomina im Singular verwandt (und zwar nur im Singular, nicht wie in Pron. 1,2 im Plural), z. B. sskr. fa-sma im Locativ tasmin (aus ta-sma-in), slav. tomi, litt. tamim, tami, tame; im Dativ sskr. tasmai (d. i. ta-sma-e), slav. tomu, litt. tamui tam, goth. thamma. Danach dürfen wir vermuthen, dass sie sowohl hier wie mm den Pronominibus der ersten und zweiten Person nur verstärkende Bedeutung hatte, und 3. wird diese Vermuthung in Bezug auf letztere bestätigt durch den sskr. Nom. pl. der zweiten Person yä-yam (vgl. den Nom. pl. der ersten Plur. va-yam und goth. ju-s, vei-s), aus welchem folgt, dass dem Sprachbewusstsein schon yu 1) so auch in Zusammensetzung von Partikeln, z. B. &vr«ad9« ‘hier’ aus væ- — sskr. ddha (vgl. z. B. dessen Comparativ und Superl. ddhara, adhamd mit lat. infero, infimo, gothisch undar, undarö u. s. w.) und *aŭĝĵĝa — zend. avadha ‘dort’ (mit der Endung dha, welche Lokativ-Bedeutung hat, vgl. z. B. ved. idha gewöhnlich iha (in diesem (Orte)’); &vzsödev ‘von da’ aus ävdev — sskr. adhás und audEy (durch das Ablativaffix sskr. dhas, zend. dha, mit Einbusse des s). ` E TH. BENFEY, allein als Exponent des Plurals galt, woraus wir entnehmen dürfen, dass dasselbe auch in Bezug auf das a in a-sma der ersten Person, wie es auch immer entstanden sein möge, schon zu der Zeit wo sma damit ver- bunden ward, der Fall war. Will man trotz alle dem an der Erklärung von anta als Dvandva- Compositum festhalten — sich etwa darauf berufend, dass der hervor- ragend häufigste Gebrauch der dritten Person Plur. des Verbi für ihre absolute Nothwendigkeit sprechel), und deshalb die Annahme erlaube, dass sie nach einem in so alter Zeit bestehenden dann für lange obsolet gewordenen und erst später im Sanskrit wieder erwachten Compositions- verfahren gebildet sei — dann würde ich — hervorhebend jedoch, wie sehr zweifelhaft eine Erklärung wird, die auf derartigen Voraussetzungen beruht — eher rathen anta in a-na-ia zu theilen, um so drei Pronomina zu erhalten. Will man andrerseits darauf beharren, dass anta eine Zusammen- setzung von Pronominibus sei, ohne jedoch ein Gewicht darauf zu legen, dass sie grade ein Dvandva sein müsse, dann würde ich vorziehen ana-ta ‘jener der’ im Sinne von ‘der oder jener’ d. h. im Sinne einer Verall- gemeinerung ‘alle’ zu nehmen, ähnlich wie im Sanskrit die Verbindung von yad, Relativum, und kim, Interrogativum, oder yad und tad, Demon- strativum, die Bedeutung ‘jeder, jede, jedes’, ‘alle’ hat. Allein aus dem für die Dvandva-Fassung anführbaren von der Noth- wendigkeit der dritten Pluralis entnommenen Grund liesse sich auch folgern, dass diese Pluralbildug anta schon eine so alte sei, dass die Art, wie sie aus dem Singular ia hervorgegangen, sich gar nicht mehr mit 1) Von dem überwiegend häufigen Gebrauch der dritten Person des Plur. des Verbum kann man sich leicht überzeugen, wenn man einige Seiten einer nicht etwa für bestimmte Zwecke abgefassten Darstellung — z. B. nicht etwa eine Volksrede, wo die erste und zweite Plur. eine hervorragende Rolle spielen — durchliest und sich anmerkt, wie viel mal jede Person vorkömmt. Auch Justis Zendgrammatik kann zu soleher Statistik dienen, da die erhaltenen Zendschriften die Möglichkeit boten, we- nigstens die Verba zusammenzustellen, von denen Formen einer Sprachcategorie vor- kommen; deren hat er im Plur. 2 Act. Präs. nur 5; in 1 nur 15; in 3 aber 37. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. ` 49 Sicherheit erkennen lasse, dass vielleicht ein Princip dabei befolgt sei, welches in der weiteren Sprachentwicklung keine Spur zurückgelassen habe. Bemerken will ich nur noch, dass es wohl auf keinen Fall durch Infigirung geschah — etwa aus vak-ti durch Infigirung von an *vak-an-ti (sskr. vacanti) ward. Denn von der Infigirung zeigen die indogermani- schen Sprachen — abgesehen von dem noch dunkeln speciell sanskriti- schen Nom. Acc. Voc. pl. ntr. einiger Themen, der den Nasal vielleicht nur nach Analogie der vielen Bildungen aufgenommen hat, in denen er organisch ist, wie z. B. yunánti, von organisch yunánt, wo aber das sskri- tische Sprachbewusstsein durch das Ueberwiegen der schwachen Form yunat dazu gelangen konnte, das n als Bildungsmittel zu betrachten und nun auch auf andre Fälle zu übertragen — nicht die geringste Spur; in Bezug auf die siebente Conj. Cl. z. B. yuj Präsensthema mëi und sich daran schliessenden Formen mit scheinbar eingeschobenem Nasal habe ich nachgewiesen, dass sie auf Verben der fünften (vgl. tevy-vvui mit yuj) und neunten Conj. Cl. beruhen und der Nasal vor dem letzten Verbalconsonanten durch den assimilirenden Einfluss des ihm nachfol- genden entstanden ist. Da diese Bildungen zu einer Zeit Statt fanden, in welcher die Verba noch allen Classen folgen konnten, so konnten sich natürlich auch alle Classenzeichen wieder von ihnen ablösen und indem solches bei Verben der fünften und neunten geschah, überlebte der durch Assimilation im Verbalthema entstandene Nasal diese Ablö- sung und es entstand aus *yug-nu, vermittelst yung-nu *yung, (sskr. mëi: aus math-nd, vermittelst manth-nd, manih. 3 Nach allem diesen kann ich die besprochene Erklärung von anta, so ansprechend sie auf den ersten Anblick scheint, keinesweges für sicher oder auch nur sehr wahrscheinlich halten. Eine sichere Erklärung dagegen glaube ich für die übrigen fünf Pluralformen geben zu können; doch ist sie keine vollständige, indem sie ` eben anta, oder vielmehr dessen geschwächte Gestalt anti als pluralisiren- des Element derselben nachweist, dieses selbst aber, wie gesagt, an der Erklärung bedarf. In Rücksicht darauf, dass die zu gebende Erklärung wohl kaum Hist.- Philol. Classe. XII. G 50 | TH. BENFEY, einen Zweifel zulässt, werde ich mich in Bezug auf die früheren Erklä- rungsversuche von Bopp (Vgl. Gr. $. 439), Kuhn (De Conjugatione in MI p. 23), Pott (Etym. Fschgen. II! 711) und Schleicher (Comp. d. vgl. Gr. $. 270; 273) nur auf wenige Worte beschränken. Die letzteren drei betrachten nämlich das si in ma-si tva-si (sskr. thas) als identisch mit dem si, welches als Zeichen der zweiten Sing. erscheint, so dass ma-si ‘ich du’ im Sinne von ‘ich und du’ ‘wir’ bedeute, tva-si ‘du und du’ ‘ihr’. Gegen diese Erklärung gilt natürlich zunächst alles, was ich gegen die Annahme von Dvandva-Compositionen in der Zeit vor der Sprach- trennung bemerkt habe; hier aber um so mehr, da diese Bildung durch die Form der zweiten Person in eine wenn auch der Sprachtrennung vorausgegangene, doch verhältnissmässig so junge Zeit versetzt wird, dass die Entschuldigung, die man bei dem hohen Alter der Endung anti vor- bringen konnte, hier keine Stelle hat. Denn si ist erst aus tva durch phonetische Umwandlung hervorgegangen, also sicherlich verhältnissmässig jung und daher kaum glaublich, dass wenn man zu der Zeit Dvandva- Zusammensetzungen gebildet hätte, sie in allen indogermanischen Spra- chen so spurlos verschwunden und nur im Sanskrit erhalten, oder viel- mehr auch da erst nach seiner Individualisirung neu geschaffen wären. Aber die Annahme dieser so stark umgewandelten Form der zweiten Singularis entscheidet überhaupt gegen die Richtigkeit dieser Erklärung. Die Pluralformen sind für die Sprache viel zu nothwendig, als dass sie nicht schon lange vor der Zeit hätten fixirt sein sollen, wo fe in der Prä- sensform in s übergegangen war. Dass aber vor diesen Pluralformen andre existirt hätten, welche durch diese neue erst wieder eliminirt seien, davon zeigen sich nirgends Spuren und durch die Erklärung dieser For- men, welche ich vorschlage, fällt jede Veranlassung zu einer ar Annahme weg. Meine Erklärung geht davon aus, dass im krit dieEnd ler dritten Person Plur. des reduplicirten Perfects us dem dorischen evt (ee; gewöhnlichem «ot gegenüber steht, z. B. bubhuj-üs neyevyaoı. Dieses «avu, «c: entspricht dem anti, welches die dritte Plur. Präs. bildet und > uch } UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. pr da das reduplicirte Perf. ursprünglich ein reduplicirtes Präsens ist, so folgt schon daraus, dass das Griechische die organischere Form der En- dung bewahrt, das Sanskrit aber sie höchst wahrscheinlich auf rein pho- netischem Wege umgewandelt hat. Dafür entscheiden auch die verwand- ten Sprachen; zunächst Lateinisch, welches grade wie im Präsens das auslautende ¿ eingebüsst hat, man vergleiche z. B. ag-unt (sskr. aj-anti) mit eg-er-unt, welchem, wenn das Sanskrit von aj ein periphrastisches ` Perfect und zwar mit Reduplication (vgl. z. B. bibharäm ása mit Redupl.) bilden dürfte, *áj-ám äs-us (für organischeres äs-anti) entsprechen würde. . Das Gothische hat auch das £ eingebüsst bug-un — sskr. bubhujus für bubhujanti. Auf dieser Verstümmelung ruht auch die Zendform, nur dass hier mit dem die ganze Geschichte der indogermanischen Sprachen durchziehenden Uebergang von n in r!) der Auslaut zu r ward (vgl. z. B. im Zend Thema karshvare neben karshvan, ‘Welttheil’, khshapara 1) Die Bemerkung dieses Uebergangs war und ist unzweifelhaft eine der folgen- reichsten für die Erklärung der Entwickelung der indogermanischen Sprachen. Er beruht auf der Neigung der Dentalen sich ein r anschiessen zu lassen (vgl. Justi in Or. u. Oce. II, 379 ff. und meine Note S. 383). Diese Neigung trat am frühesten und gewaltigsten im dentalen Nasal auf; denn während die übrigen Dentale € th, d, dh nur durch unmittelbar vorhergehende sk, A und schon entstandene Cerebrale im Sanskrit cerebralisirt werden, geschieht dasselbe bei n sobald nur im Worte ein sh, r oder ri ri vorhergeht, mag es auch noch so fern stehen, sobald nur nicht ein Laut zwischen ihm und jenen Lauten steht, der den Einfluss der letzteren paralysirt. Ferner: der cerebralisirende Einfluss von unmittelbar vorhergehendem oder folgendem r auf die übrigen Dentale zeigt sich erst in den indischen Volkssprachen; was sich der Art im Sanskrit findet, ist aus diesen aufgenommen. Endlich während viele Dentale im Prakrit auch ohne weiteres (ohne Einfluss von r, sh) cerebral geworden sind, haben sich doch eine Menge t, th, d, dh hier auch erhalten; n dagegen ist ausser vor Dentalen stets zu n cerebralisirt, und auch von letztrer Ausnahme finden sich Ausnahmen, z. B. nd für nd. Wir können daraus entnehmen, dass in n schon früh ein r Element theils durch sk, r, rž, ri hervorgerufen ward, theils auch von selbst hervortrat und in vielen Fällen so mächtig ward, dass es das nasale Element ganz absorbirte und die Form mit r sich entweder neben der mit n geltend machte (wie yajvari neben yagvani von Yajvan), oder diese SEH verdrängte (wie pivarî ` von pivan). 62 52 TH. BENFEY, neben khshapan, "Nacht, zafare neben zafan, ‘Rachen’, thanvara neben than- vana), und entweder da kein r im Zend auslauten darf ein e oder im Wechsel damit (Justi, Grammat. $. 37) é daran trat, oder wie wir in II sehen werden, wahrscheinlich auf eine andere Weise entstand, z. B: donh-are oder donhare (vermittelst *donh-anti, *donhant *donhan, *äonhar, donhare) — sskr. äs-us. Der Uebergang von anti in us oder wahrscheinlich ursprünglich asi hat gar nichts auffallendes; er erinnert ganz an den griechischen von ot (für anti) in ovo. Doch will ich sogleich darauf aufmerksam machen, dass wie hier im Sanskrit as für anti im reduplieirten Perfectum erscheint, so auch für an (statt organischeren ant aus anti) im Imperfect redupli- cirter Präsentia, z. B. dbibharus für *abibharan (wie von budh ábodhan), fer- ner im Potential, so dass hier im Sskr. statt lat. sent (in s-ient), zend. gen (z. B. im paca-yen) griech. zev (z. B. Y£00-ıev), yus erscheint (duh-yus, vedisch noch yan in duh-iyan). Ausserdem ist us, statt an, in wenigen Formen des ersten Aorist geltend geworden (z. B. von dä ‘geben’ adus gegenüber von zend dën — dä-an) und arbiträr in einigen Imperfecten. Ist sskr. us in dieser dritten Person Plur. entschieden Umwandlung von anti, so entsteht die Frage ob das auslautende us in der zweiten und dritten Person des Duals Act. in diesem Perfect, nämlich athus, atus, nicht auf dieselbe Weise entstanden sei; und die Vergleichung des Zend macht es höchst wahrscheinlich , ja so gut als gewiss, dass wir diese , Frage bejahen müssen. Die zwei Formen der dritten Person, welche hier bewahrt sind, vävarezätare vaocätare (Yen. XIV, 12 Sp., XIII, 4 W.)}) lauten beide auf are aus, grade wie die dem sskr. äs-us entsprechende Form donh-are. Das dem £ vorhergehende lange a, welches dem sskr. kurzen a in atus gegenübersteht, begründet keinen wesentlichen Unter- schied; die Differenz dürfen wir wohl unbedenklich aus dem Accent erklären. Denn, obgleich uns der Accent im Zend nicht überliefert ist, 1) Justis Angabe unter varez, dass diese Form 2 Dual. Pf. sei, ist Druckfehler; EH ‚daneben stehenden Formen vaocâtaré nimmt er unter vac, so wie mämanäite unter man, wie in der Grammatik, mit Recht als 3. Dual. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 53 so spricht doch schon die grosse Uebereinstimmung dieser ganzen Sprache, insbesondere mit dem vedischen Sanskrit, dafür, dass auch der Accent im Wesentlichen mit dem des Sanskrits übereinstimmt, und diese An- nahme lässt sich auch durch mehrere formative Erscheinungen fest stellen. Im Sskr. fällt aber der Accent auf eben dieses æ, so dass *oávrij-átus (vgl. der in vävrij-e Rigveda VII. 39, 2) *vavac-átus (vgl. ved. vavac in vaváca Rigv. I. 67, 4) den beiden Zendformen im Sanskrit entsprechen würden. Die Dehnung des a ist aber durch den darauf fallenden Ac- cent herbeigeführt, der ja fast in allen Sprachen nicht selten aus diese Weise wirkt. Beruhte das zendische aré in donh-are auf ursprünglichem anti, so ist dasselbe auch hier der Fall und wir erhalten als organischere Form von sskr. dtus und zendischem ätare die Form *atanti. | Was aber von der dritten Person des Duals gilt. dürfen wir unbe- denklich auch von der zweiten annehmen, und wenn uns hier der be- stätigende Reflex des Zend fehlt, so erklärt sich dies aus dem geringen Umfang der Zendschriften, in denen keine zweite Person des Dualis Pf. Act. bewahrt ist. Wir dürfen also auch für sskr. athus als organischere Form *athanti ansetzen. Das Pf. reduplicatum ist aber, wie schon bemerkt, weiter nichts als das reduplicirte Präsens und zwar von zwei oder vielleicht drei For- men, nämlich der die Personalendungen ohne weiteres an das Verbal- thema schliessenden (der sskr. II. Conj. Cl.) und der mit a zwischen dem Verbalstamm und der Personalendung, und zwar, wie mir scheint, entweder nur in der Gestalt, wo das a accentuirt ist (sskr. VI. Conj. Cl.), oder in beiden Gestalten, nämlich auch in der mit dem Accent auf der Stammsylbe (sskr. VI. und I. Conj. CL. Eine eingehendere Entwicklung und Discussion dieser Ansicht würde hier zu weit führen; ich hoffe sie bald in einer besondren Abhandlung zu erörtern. Für jetzt mache ich nur darauf aufmerksam, dass die Präsens-Bildungen durch hinzutretendes a nicht wesentlich von denen ohne dasselbe verschieden sind — wie das in Bezug auf die übrigen Präsensthemen der Fall ist, in denen das Präsenscharakteristikum ursprünglich ein begriffmodifieirendes Element 54 TH. BENFEY, war —, dass ferner kaum zu bezweifeln ist, dass a nur euphonisch ent- standen ist, hervorgerufen durch die Menge consonantisch auslautender Verbalthemen, und erst später, in Folge seiner vorherrschenden Erschei- nung im Präsensthema, auch bei vokalisch auslautenden sich eindrängte, wie es ja seine Herrschaft auch in der historisch bekannten Zeit immer weiter ausdehnte, z. B. die reduplicirte Form von han eigentlich *jihan schon in den Veden vermittelst einstigen *jihand (vgl. sídá für sisada) in *jighna dann jighna verwandelte (vgl. sda neben sida), die reduplicirte Form von ursprachlich gan sskr. jajan, im Griech. in yıyvo, lat. gigno und vieles andre der Art. Was die Perfectformen mit und ohne a be- trifft, so vergleiche man die analoge Erscheinung im sskr. VI. Aorist im Verhältniss zum dritten, indem jener auf einem reduplicirten Aorist ohne suffixales æ beruht, dessen Spuren sich auch noch in den Veden finden (kurze Sskr. Gr. $. 287). Ist diese Ansicht richtig, so dass also z. B. sskr. Dual. 2. bubhujá- thus, 3. bubhujatus, Pl. 3. bubhujüs im Wesentlichen nur eine Reduplica- tion der entsprechenden Präsensformen bhujáihas, bhujatas, bhujanti (biegen) sind, griech. Dual. 2. 3. negyeöyarov, Pl. 3. eyedyaoı (für neysiyerrı) von gsöystov gYsvyovo, (für gevyovu), goth. buguth, bugun von biugit biugand (aber auf dem Präsens mit accentuirtem a beruhend), so sind auch die Endungen von 2. 3. Dual. im Präsens sskr. thas, tas, so wie die sich daran schliessenden der verwandten Sprachen aus thanti und tanti her- vorgegangen. Auch hier werden wir, wie bei us auf usi auf die Mittel- formen thasi, tasi verwiesen, und diese waren ja grade diejenigen, welche wir in Anfang dieser Darstellung als zunächst letzterreichbare aufgestellt haben. Der Uebergang von thanti, tanti in thasi, tasi liegt aber augen- 'scheinlich bei weitem näher als der in thus‘, tusi und da wir die Bemer- kung gemacht haben, dass u statt a vorzugsweise in längeren Formen erscheint, so irren wir schwerlich wenn wir die Umwandlung von athanli, atanti in athus, atus im Pfect. der Länge des Wortes zuschreiben. Ist aber thasi, tasi aus thanti, tanti entstanden, so ist dieselbe Entstehung auch für die ganz analog gebildeten 1. Dual. vasi und Plur. masi anzu- nehmen. Auch diese stehen dann für ursprünglicheres vanti, manti. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D.INDOGERMANISCHEN VERBUM. 55 Sind aber die letzterreichbaren Formen der hier in Betracht gezo- genen Dual- und Pluralformen nicht mehr vasi u. s. w., sondern vanti, tvanti (sskr. thas) tanti, manti, tvanti (sskr. tha), so liegt die Sie der- selben auf der Hand. Wie auch immer die Personalendung der dritten Plur. anta, dann anti, entstanden sein mag, wir kennen sie nur als Exponenten der dritten Person der Mehrheit; es ist aber klar, dass, abgesehen von Nominibus, die ‘Vielheit’ bedeuten, es schwerlich und auf keinen Fall unter den Elementen der Verbalbildungen einen Ausdruck giebt, der so sehr geeig- net ist, Mehrheit überhaupt zu bezeichnen, als die Mehrheit der dritten Person. So unpassend es uns auf unserm Standpunkt, der den alten grammatischen Bildungen so fern liegt, auch vorkommen mag, dass eine Verbindung der Einheit der ersten Person mit der Mehrheit der dritten (ein ‘ich die’) die Mehrheit der ersten (‘wir’) bezeichnen soll, dass in = dieser wesentlich determinativen Zusammensetzung der Begriff ‘ Mehrheit der dritten Person’ näher bestimmt ward dadurch, dass diese Mehrheit die erste Person betreffen soll, so ist dies doch in vollständiger Analogie mit einer keinesweges geringen Anzahl von sprachlichen Erscheinungen, ja mit dem eigentlichen Princip der begrifflichen Entwickelung der in- dogermanischen Sprachen. Der specielle Begriff hat sich zu dem der - Mehrheit überhaupt erweitert, wesentlich in derselben Weise, wie im Sskr. z. B. goshtha ‘Kuhstall’ die Bedeutung ‘Stall’ überhaupt angenom- men hat und eine Zusammensetzung, welche etymologisch ‘ Löwenkuh- stall’ bedeuten würde, in Wirklichkeit nur ` Löwenstall’ bedeutet. Wie sehr die dritte Person Pluralis zur Pluralisirung überhaupt tauglich ist, zeigt auch z. B. die griechische Pluralisirung der dritten Singularis des Imperativ durch ‚Hinzutritt von gx, der dritten Person Plar. des Imper- fect von £s- ‘sein’, (rvntérw: tvntérw-oav u.s.w.). Denn die etymologi- sche Bed. ‘er sie sind’ steht der Bedeutung ‘sie’ völlig eben so fern, als die Verbindung von ‘ich sie’ dem ‘wir’. Ja noch ferner, denn wenn wir in Formen, wie z. B. w3ein-oev für uSei-ev, dieselbe dritte Person Plur. Impf. von de mit der blossen Personalendung im Wechsel sehen, grade wie im Prakrit die erste Ps. Plur. (nach den Grammatikern auch 56 TH. BENFEY, Sing. vgl. Lassen I. l. Präcr. p. 335. 336) bald nur durch die Personal- endung (mo und ma, statt sskr. mas, und mi) gebildet wird, bald aber durch Zutritt der ersten Person Plur. und Sing. desselben Verbum as ‘sein’ (mha und mho für sskr. smas lat. sumus, mhi für sskr. asmi 1), dann müssen wir erkennen, dass auch die Verwendung von gou zur Plurali- sirung des Sing. Imperativi weit entfernt durch die Verbalbedeutung von oe» gefördert zu sein, vielmehr nur dadurch möglich ward, dass die Verbalbedeutung von der persönlichen absorbirt, o@» mit der dritten Per- son Plur.’ identificirt ward. Dazwischen aber, ob eine dritte Person Singularis oder eine erste oder zweite durch die dritte Pluralis plurali- sirt wird, ist absolut kein Unterschied; konnte ‘er sie? — ‘sie’ wer. den, so konnte auch ‘ich sie’ den Sinn von ‘wir’, ‘du sie’ den Sinn von ‘ihr’ erhalten; in allen drei Fällen wirkt der Plural ‘sie’ nur pluralisi- rend, das pronominale Moment ist in der Verbindung zu einer neuen Begriffseinheit untergegangen. Wenn bei der Verbindung von ma, Zeg u. s. w. mit anta (weiter anti) die beiden zusammentreffenden o nicht contrahirt sind, sondern das eine derselben elidirt, so hat das seine Analogie in der Verbindung aller auf a auslautenden Themen mit demselben anti z. B. sskr. bodha-anti — bodhanti; überhaupt scheint in alten Formationen Elision häufiger gewesen zu sein, als Contraction; findet doch selbst Elision des auslautenden á im Perfectum vor suffixanlautendem a Statt z. B. dadä-dthus wird dada- thus, ebenso im 3. Dual. dadatus und 2. Plur. dada; auch 3. Plur. sskr. dadús (für dadi-us) beruht schon auf *dadanti (nicht dadänti), wie das kurze a im zendischen dädh-are zeigt. II. Wie es wohl nicht leicht eine Erklärung schwierigerer Bildungen der indogermanischen Sprachen giebt, gegen welche sich nicht der eine ‚oder andere Einwand erheben liesse, so wird auch die eben versuchte 1) auf letzterem beruht der auch für das Sanskrit angeführte Gebrauch von asmi ‘ich bin’ in der Bed. von aham ‘ich’, vgl. Böhtl.-Roth Wtb. I. S. 536. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 57 aus diesem oder jenem Grunde vielleicht einige Bedenken hervorrufen. Ich habe mir vieles, vielleicht alles zu vergegenwärtigen gesucht, was man dagegen vorzubringen im Stande sein möchte, finde aber nur zwei Punkte, welche mir erheblich genug scheinen, um einer genaueren Er- örterung, beziehungsweise Abweisung zu bedürfen. Den eigentlichen Angelpunkt meiner Auffassung bildeten die Zend- formen des dritten Plur. Pf. red. auf are oder are , in denen ich das r als Vertreter von n nahm und mich über die Entstehung des e noch nicht mit Sicherheit aussprach. Ausser der ziemlich beträchtlichen Anzahl von Formen auf are und are führt nun Justi noch zwei Formen auf, welche auf s enden, nämlich: adur-us und ciköil-ares. Was die erste Form betrifft, so schlägt er im Glossar unter ¿r die Identification derselben mit sskr. döyarus, der dritten Plur. Impf. von ri, vor, und ich bin überzeugt, dass er bei ihr allein hätte stehen bleiben sollen (vgl. Conj. Impf. us-yarät für uz-iarät), da beide Formen — abgesehen von dem a. welches sich entweder durch Assimila- tion an das der folgenden Sylbe erklärt, oder, jedoch für das Zend min- der wahrscheinlich, aus der im Sskr., besonders dem dem Zend so nahe stehenden vedischen, hervortretenden Neigung a vor r in u zu verwan- deln (vgl. ved. Intensiv von tar tartur, gewöhnliches Intensiv von car cancur) — wesentlich gleich sind; dass die im Sanskrit in der dritten Plur. des Imperfect der reduplicirenden Verba regelmässige Endung us statt ant im Zend nur einmal erscheint, hat um so weniger auffallendes, da ausserdem überhaupt nur zwei Formen dieser Bildung belegt sind. Dass beide Formen in älterer Zeit neben einander bestanden, versteht sich von selbst, da us wie an erst aus ant entstanden sind, und zu allem Ueberfluss wird es durch die Veden bestätigt, wo im Conjunctiv Imperf. noch die Endung an erscheint (vgl. auch ved. an neben dem gewöhnlichen us in duhiyan statt des gewöhnlichen duhyas Rigv. 1. 120. 9). Bei der so durchgrei- fenden Uebereinstimmung der vedischen und Zend-Sprache ist es kaum eine Hypothese zu nennen, wenn wir annehmen, dass beide Formen auch einst im Zend bestanden, die eine sich nur in einem, die andre in zwei Verben erhalten hat. Hist.- Philol. Classe. XII. H RE? TH. BENFEY, Es kömmt also für uns nur die Form auf ares in Betracht. Dass hier s kein müssiger Zusatz sei, versteht sich von selbst. Im Gegentheil lässt sich schon vornweg annehmen, dass es trotzdem, dass es nur ein- mal erhalten ist, ein wesentlicher Bestandtheil der Form sei und in denen, wo es fehlt, wie auslautendes s im Zend so oft (vgl. z. B. Nom. plur. mashy4 für sskr. manushyäs), eingebüsst. Als nächste Grundlage von ares ist uns ant oder noch anti entgegengetreten. Wir haben zwar oben angenommen, dass n zu r geworden, nach Einbusse des darauf folgenden ż; allein diese Annahme war keineswegs nothwendig; n ist nicht bloss im Auslaut (wie in dem angeführten zend. zafare, dem griech. zeg für (mav, vgl. nïov und sskr. pivan) zu r geworden, sondern vielfach auch bei nachfolgendem Vokal, z. B. in dem angeführten ihanvarı, dem sskr. pivara für pivan-a und, da das femininale å nicht unwahrscheinlich für ursprüngliches gd steht, auch vor y (z. B. in nieıge für mọja und dieses aus mFevja — sskr. pivar-i von pivan), entschieden in sskr. surya aus savar-ya für savan-ya (vgl. Or. u. Occ. I. 285 und II. 535). Es ist daher auch an und für sich gar nicht bedenklich, eine Umwandlung von n in r auch vor 2 anzunehmen und für die Richtigkeit dieser Annahme im Allgemeinen entscheidet zunächst das griechische Nomen deuegr ‘die Gattin’; denn es ist keinem Zweifel zu unterwerfen, dass es von deu (= sskr. dam goth. ga-timan ahd. zim-an ‘gefüge, unterwürfig, zahm sein.) stammend, den Sinn eines Ptep. Präs. ‘die sich unterwerfende’ hat; die alte Form dieses Ptep. würde dauerr sein, mit r für n dauegr. Ferner griech. Geng, im Genit. u. s. w. üderos; der Form mit auslautendem r entspricht ahd. wazar; im Sekt. und Goth. haben wir die Form auf n (sskr. udan, goth. vatan, Nom. Sing. vatô) statt auslautenden ọ und z; es treten also, da die letzterreichbare Form des Verbalthema vad ist, neben- einander zunächst vadat, cadan und vadar; es ist aber bekannt, dass als Grundlage aller drei Formen vadant anzusetzen ist, das Ptcp. Präs. von vad; vadat ist dessen schwache, vadan die abgestumpfte Form; in Bezug auf vadar kann man nun auf den ersten Anblick schwanken, ob es un- mittelbar aus vadant, durch Uebergang des » in r und nachfolgende Ein- busse des L oder erst aus vadan, entstanden sei; allein für das Griechi- UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. VERBUM. 59 sche wenigstens scheint mir das w vor ọ dafür zu entscheiden, dass es wie deuegr unmittelbar aus vadant entstanden ist, und das Thema vadart Gdegr lautete, da die Länge sich wohl nur dadurch erklärt, dass ihr einst Position folgte. Wie man sich phonetisch den Uebergang von n vor tin r zu verdeutlichen habe, wage ich nicht zu entscheiden. Bei der in allen Sprachen vorkommenden Spaltung von Consonantengruppen durch Einschiebung eines ursprünglich schwachtönenden Vokals, der aber im Laufe der Entwickelung sich auch sehr zu kräftigen vermochte, mochte zwischen at ein derartiger schwacher Vokal eingeschoben gewesen sein und dadurch die Umwandlung von nr in r erleichtert haben; — man vgl. z. B. die Entstehung der starken Formen der siebenten Conjug. Cl. im Sanskrit und Zend durch Einschiebung eines Vokals zwischen der mit dem Nasal beginnenden Gruppe, der im Sanskrit entschieden, wahr- scheinlich auch im Zend, den Accent zu tragen befähigt ward, z. B. yunaj-mi aus yunj, welches in yunjvas u. s. w. erscheint (vgl. oben S. 49). Das e welches in are, ares erscheint, liesse sich als eben dieser schwache Vokal auffassen, so dass are, ares auf anet für ani beruhte, und jene Form vielleicht die Entstehung des r unterstützt hätte. Doch giebt es dafür auch eine andre Erklärung; es ist nämlich, wie Or. u. Occ. III, 25 bemerkt ist, im alten Sanskrit und Zend zwischen r und einem unmittelbar folgenden Consonanten ein schwacher Vokal gesprochen; dieses e konnte demnach auch erst entstehn, nachdem » in r übergegangen war, also aus ri, zendisch rei werden, wie z. B. dadareça aus dadarça (Pf. red. von darç ‘sehen’). Ich will zwar nicht mit Sicher- heit entscheiden, welche Erklärung vorzuziehen sei, doch neige ich mich zu der letzteren Annahme und zwar aus dem Grunde, weil, wie ich im Or. und Occ. III. 33 nachgewiesen, der sskr. Vokal ri, welchem das zendische ere entspricht, vorzugsweise durch den zwischen r und einem nachfolgenden Consonanten eingeschobenen schwachen Vokal entsteht, im Zend z. B. aus dem ursprünglichen Reflex von ursprachlichem sarj nämlich *Aars zunächst durch Einschiebung dieses Vokals harez, dann wenigstens theilweise durch assimilirenden Einfluss desselben auf den dem r vorhergehenden herez (im Sekt. ebenso aus sarj zunächst *saraj H2 60 TH. BENFEY, dann saraj, geschrieben sröj); diese Umwandlung finden wir in der von Westergaard statt des besprochenen ciköst-ares aufgenommenen Leseart ciköit-eres. Welche von beiden Lesearten vorzuziehen, wage ich nicht zu entscheiden; die organischere ist natürlich die mit avorr; doch mag die Schwächung des æ schon überaus alt sein, so dass beide Formen gleichberechtigt wären. Was nun das auslautende s betrifft, so dürfen wir darin unbedenk- lich eine Umwandlung des £ in der ursprünglichen Endung anti (anta) sehen; sie trat wahrscheinlich ein, nachdem der Vokal hinter £ einge- büsst war. Es giebt zwar im Zend ausser dem erwähnten us für ant (in aeurus) kein sicheres Beispiel eines unmittelbaren Uebergangs von auslautendem / in s; allein auch im Sskr. giebt es nur den in us; denn die Verwandlung des auslautenden £ im Suff. des Ptcp. Pf. red. Parasm. vant in s in den Formen vas (vedisch) us und vdms ist wohl unzweifel- haft (vgl. Or. u. Occ. I. 253 ff.) durch den organischen Nominativ Sing. Masc. auf vants herbeigeführt; dennoch zweifelt niemand an der Entste- hung des sskr. us aus anti (anta) und ant, und zwar trotzdem, dass im Sskr. nicht nur — wie schon bemerkt — der Uebergang von fm s sonst gar nicht erscheint, sondern sogar umgekehrt nicht selten s in £, d übergeht; im Zend dagegen giebt es zwar im Auslaut keinen weiteren Beleg für diesen Uebergang; sonst aber ist der von T-Lauten in s ein ‚ überaus häufiger, so dass hier die Annahme auf jeden Fall noch mehr Berechtigung als im Sanskrit hat. Ausserdem kann im Zend selbst im Auslaut wenigstens nur eine Art T-Lautes erscheinen, nämlich der mit einem Punkte transcribirte, und da sonst Zischlaute!) und Nasale die einzigen Consonanten sind, auf welche im Zend ein Wort auslauten darf (Justi Gramm. $. 111), so ist es kaum zu bezweifeln, dass dieses punktirte T den Zischlauten sehr nahe stand, was auch vielleicht dadurch 1) Die häufige Endung der Wörter auf Zischlaute fiel bekanntlich auch Herodot im Persischen so sehr auf, dass er sie irrig, wie sich das bei einem, der die Sprache nicht erlernt hatte, aber häufig hörte, leicht erklären lässt, auf die ganze Sprache ausdehnte. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 61 eine Bestätigung erhält, dass ihm im Altpersischen der Keilschriften, wo es nicht abgefallen ist (wie z. B. in ava — zend. avat), sh entspricht (z. B. akhunaush — zend. (a)kerenaot.. Wenn Justis Ableitung von vish ‘offen- bar aus vid zu billigen ist, so hätten wir hier vielleicht noch einen un- mittelbaren Uebergang eines auslautenden T-Lautes in einen Zischlaut, allein sie wird etwas bedenklich durch das entsprechende sskr. deis, welches Weber jedoch ebenfalls auf vid zurückführt, und auf jeden Fall bleibt zweifelhaft, ob der Uebergang ein unmittelbarer oder durch ein- stigen Antritt eines andern Lautes an vid herbeigeführter wäre. Doch wie man auch darüber denken möge, die Entstehung des s in eiköit-eres -ares aus t darf als unbezweifelbar betrachtet werden. Wir haben also diese Endung ares als die vollere Form anzusehen von der are und are erst eine Abstumpfung ist. Mit dieser Form ares stehen aber augenscheinlich in innigster Ver- bindung die Formen buyáres oder *ris und jamyáres oder *ris, (dem so häufigen Wechsel zwischen e und / gemäss, vgl. Justi Gramm. $. 37), so wie aiwi-gac-yäres. In dieser Verbindung liegt eine Waffe gegen meine Auffassung, welche ich vor zwölf Jahren in meiner kurzen Sans- krit-Grammatik $. 160 S. 96 selbst geschmiedet habe. Ich glaubte näm- lich am angeführten Orte du-yäres unmittelbar mit der sskr. dritten Plur. des Precativ bhd-yäsus zusammenstellen zu dürfen und indem hier yäsus für ursprünglicheres yäsant steht, fasste ich das zendische r als Reflex des sanskritischen s. In diesem yäsus für yäsant liegt aber bekanntlich eine Zusammensetzung des Verbum yá ‘gehen’ mit der dritten Person Plur. Imperf. des Verbum as sein (sskr. ásan, ohne Augm. asan und mit der in diesem Verbum so häufigen und im Sskr. in den nicht zu verstärkenden Verbalformen regelrechten Einbusse des verbalen a, san). Wäre nun jene Auffassung richtig, so würde sich für die Perfectendung ares als Urform asanti (*asanta) ergeben und für donhare z. B. die, zu- mal für eine so alte Bildung ganz unglaubliche, ja unmögliche Urform oder vielmehr Unform äs-as-anti, die, sobald man das auslautende ¿ ab- löst, in der That der alte reduplicirte Aorist ist, aber nimmermehr ein Perfect sein könnte. Hätte ich damals diese Consequenz ahnen können, 62 TH. BENFEY, so würde sie mich sicher von der Aufstellung dieser Identification zu- rückgehalten haben. Allein die Formen auf are identificirte ich mit den sskr. medialen auf re und re, was vor zwölf Jahren, wo das zendische Sprachmaterial noch nicht so gesichtet und geordnet vorlag, wie jetzt (seit 1864) durch die fleissige und höchstverdienstliche Arbeit von Justi, um so mehr zu entschuldigen war, als diese Identification selbst in der neuen Ausgabe von Bopp’s vergleichender Grammatik (1859. II. §. 640 S. 527) noch festgehalten wird. Schleicher, welcher in seinem Compendium der vgl. Gr. $. 276, S. 682 dieselbe Erklärung von jamyäres giebt, wie ich 1855, vielleicht selbstständig, da er meiner dabei nicht erwähnt. schaudert vor einem äs-as-anli nicht zurück, worüber unter wirklichen Sprachforschern natürlich kein Wort zu verlieren ist. Justi hat von meiner Auffassung keine Notiz genommen und zwar mit Recht; auch ich habe sie aufgegeben, sobald ich einerseits erkannte, dass die Perfect- formen auf ares, are, aré dem Parasmaipada angehören, andrerseits, was vor zwölf Jahren noch nicht der Fall war, mich von dem ausserordent- lichen Umfang der Umwandlung von » in r überzeugt hatte. Allein wenn gleich ich es vollständig billige, dass Justi diese For- men auf yäres nicht den sanskritischen auf yásus parallel stellt, so kann ich mich doch nicht damit einverstanden erklären, das er sie als ätmane- padische betrachtet!). Davon hätte ihn schon seine eigne Auffassung von Řyáre, als Parasmaipada und Nebenform von kyãn, zurückhalten müssen; denn da er die Form eiköitares neben den auf are im Parasmai- pada des reduplicirten Perfects aufführt, so lag zunächst in der Form kein Grund die drei Formen auf yäres oder yäris von der auf yäre zu scheiden. Noch weniger aber im Gebrauch und in der Bedeutung, aiwi- gac-yäres zunächst gehört zu Verbum 1. cag ‘geben’, von welchem keine Ätmanepadaform vorkömmt; von jam ‘gehen’ kömmt zwar eine Ätma- nepadaform vor, aber 3 Dual. praes., kein Potential; vielmehr erscheint 1) Dies thut, wie ich aus der eben während des Drucks mir zugegangenen ‘Grammatik der altbactrischen Sprache von Spiegel’ sehe, auch dieser (S. 247), was ich nicht unerwähnt lassen darf, obgleich es mich nicht bestimmt, in meiner Auffas- sung etwas zu ändern. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D INDOGERMANISCHEN VERBUM. 63 der Potential oft, aber stets im Parasmaipada, z. B. 2. sing. jamyio, 3. jamyät, 1 plur. jamyimä, und 3 pl. jamyän, welches nach Analogie von hyäre, welches auch, wie ciköthares , *hyäres hätte lauten können, neben hyän, nur eine Nebenform oder vielmehr nach obigem (da es für *jamyánt steht) die organischere Form von jamyäres oder *ris ist; was buyires *ris betrifft, so erscheint von bú so wenig wie von çac eine Ätmanepadaform, wohl aber das Parasmaipada des Potential Aoristi der einfachsten Form (sskr. I. nach meiner Zählung), wie bei jam, z. B. 2 sing. buydo, 3. buyät 1 pl. buyama 2 buyata und 3 buyan als dessen Nebenform wir ebenfalls buyäres oder *ris zu betrachten haben. Was die Bedeutung anbetrifft, so würde es Papierverschwendung sein, wenn ich die Stellen, wo diese drei Formen vorkommen hier durchnehmen und zeigen wollte, dass sie nichts von einer Ätmanepada-Bed. an sich haben, sondern jamyäres in demselben Sinn wie jamyan, buyäres in demselben wie buyan und abge- sehen von der Personendifferenz, wie die entsprechenden Parasmaipada- formen gebraucht sind; wer mir darin keinen Glauben beimessen will, kann alle hiehergehörigen Stellen mit Leichtigkeit bei Justi unter cac, jam und bú finden und durch eigne Erwägung derselben sich von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugen. Wir erklären demnach ares, are in yäres yäre (in Andre genau wie ares are im Perfect und haben dabei noch den Vortheil, dass, während wir uns bei letzteren zum griechischen ævu, ve flüchten mussten, wir hier die Nebenform, wenn gleich mit verändertem oder eingebüsstem £ (welches sich aber in lat. sient, sint — zend. hyän; im Sskr., mit demsel- ben Uebergang in us, wie im Perfect, in syus erhalten hat) im Zend selbst vor uns haben. Beiläufig darf ich es nicht umgehen, zu bemerken, dass mit der Zurücknahme der Identification von zend. buyáres mit sskr. bhúyásus der wesentlichste der Gründe für die Erklärung der sskr. Ätmanepada- und Passiv-Endungen mit r vor den Personalendungen (wie in %e-r- ate, für organischeres ge-r-ante, ved. bhare-r-ata für organischeres bhare- r-anla, gewöhnlich bhare-r-an) aus dem Verbum as, welche ich am an- geführten Ort (Kze Sskr. Gr. $. 160 S. 95) aufgestellt habe, wegfällt 64 TH. BENFEY, und die Frage über die Entstehung dieses r, welche abgeschlossen zu sein schien, wieder eine offene wird. Man wird auf jeden Fall festhalten müssen, dass diese Formen mit r nur im Ätmanepada und insbesondere in passiver Bedeutung im Sskr. vorkommen; von den verwandten Spra- chen scheinen sie in keiner, selbst nicht in dem sonst so treuen Ge- fährten des Sanskrit, dem Zend, wiedergespiegelt zu werden. Von den drei Formen auf dire, welche Justi Gramm. 605, S. 401 als 3 Plur. pf. red. Ätmanepada anführt, die man also als Reflexe der sskr. auf re, Ge betrachten könnte, nämlich fra-mraväire, nighnäire, donhäire, hat die erste in der einzigen Stelle, in welcher sie vorkömmt (Yt. 13, 64), zwar als Variante fra-mravare (s. Justi, Gloss. mr&), was fast wie ein Conjunctiv Pf. Parasmaip. ohne Reduplication aussieht, die zweite nighnäire wird von ihm selbst mit einem Fragezeichen versehen und ist nur eine Con- jectur von Windischmann (Mithra, in den Abhandlungen zur Kunde des Orients S. 35 zu Yt. 10, 40); allein die dritte donhäire von dh = sskr. ás, griechisch uo in Guer u. s. w. ist unbezweifelbar, da dieses Verbum sowohl im Sskr. als Griechischen nur im Medium gebraucht wird; im Zend wird es zwar auch im Parasmaipada flectirt, allein ich bin weit entfernt, danach vermuthen zu wollen, dass diese Form eigent- lich parasmaipadisch und dire nur eine phonetisch entstandene Neben- form von are sei; dagegen entscheidet doch wohl das damit übereinstim- mend auslautende dire in den beiden andern Formen, zumal da mrů auch ätmanepadisch flectirt wird, die Conjectur nighnäire vieles für sich bat und jan mit Präfix ni ebenfalls im Ätmanepada gebraucht wird. Aber darum ist noch keine Identification dieses dir mit dem sskr. re oder ire erlaubt. Denn wie die in den Veden nicht seltene Einbusse des anlautenden £ in der dritten Person Sing. Präs. des Ätman. te, z. B. iç-e für ig-te, selbst cobh-e für gobh-a-te dafür entscheidet, dass auch die gewöhnliche Endung der 3 Sing. Pf. red. e (z. B. rurud-e) für ur- sprüfigliches te steht und die dort nur gewissermassen arbiträre Einbusse des £ hier zu einer steten, nothwendigen, geworden ist, so entscheiden auch die vedischen Formen der dritten Plur. Präs. Ätm. auf re verglichen mit denen auf rate (z. B. duh-r-ate und duh-re, vgl. in der gewöhnlichen UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 65 Sprache z. B. von gi ge-r-ate), dass auch das re der dritten Pers. Plur. Pf. Ätm. für ursprüngliches rate steht. Daraus folgt, dass das i, womit dieses re in der gewöhnlichen Sprache angeschlossen wird (ire z. B. rurud- i-re), wenn gleich der sskrit. Bindevokal ¿ im Allgemeinen aus ursprüng- lichem o hervorgegangen ist, doch nicht auf einem speciell vorhergegan- genen a beruht, wofür auch die in den Veden nicht seltnen Formen sprechen, in denen dieses ö fehlt; wir haben demnach in diesem ¿ den gewöhnlichen sskr. Bindevokal anzuerkennen, der sich von seiner ursprüng- lichen Entstehung aus a losgelöst und in der Gestalt è festgesetzt hat, kein ihm in diesem speciellen Fall vorhergegangenes o voraussetzt (denn ein vid-a-r-ate z. B. statt vid-r-ate, 3 Plur. von vid ‘wissen’, würde gegen alle Analogie sein). Bei einer Zusammenstellung von dëé mit sanskritisch re würde demnach das zendische 4 völlig unerklärbar bleiben. Ich bin desswegen, der Ueberzeugung, dass, wie im Zend die erste Per- son Sing. Imperativi des Atmanepada ganz abweichend vom Sanskrit (wo im Âtm. di dem parasmaipadischen dni gegenübersteht) , nur durch Umwandlung des im Parasmaipada auslautenden ö in ê gebildet ist (z. B. baräne aus baräni), augenscheinlich zunächst nach der entschiedenen Analogie, welche in 2, 3 Sing. und 3 Plur. Präs. z. B. hi: he; ti: te; ñti: nie entgegentriit, und weiter durch Einfluss des ê, welches auch in den übrigen belegbaren Personen des Ätm. den Auslaut bildet (Sing. 1 €, Dual 3 z. B. öithe, Plur. 1 maide), so auch das auslautende e der drit- ten Plur. Pf. red. are zum Zweck der Ätmanepada-Bildung in é umge- wandelt ist; das lange d in den drei bewahrten Formen scheint mir auf einen Conjunctiv zu deuten, wofür bei donhdird wenigstens die Ver- bindung mit dem Relativpronomen spricht, hinter welchem in den Veden sowohl als im Zend der Conjunctiv häufig erscheint (vgl. z. B. mit der Stelle, in welcher donhäire vorkömmt, Yt. 10, 45, Vd. 15, 68 (Sp.), wo der Conjunctiv ebenfalls mit dem Genitiv des Pronomen relativum in Ver- bindung steht, Ve 56, 10; vr 10, 120; 14, 48; Va. 2, 53; 3, 63; 7, 118; 8, 36; 13, 49; 19,78; Yt.5, 90; us w.). > Das i hinter dist durch den bekannten assimilirenden Einfluss des & in der folgenden Sylbe entstanden. ~ Hist.- Philol. Classe. XII. I * 66 TH. BENFEY, Einen zweiten Einwand gegen meine in I. gegebene Erklärung der Pluralformen könnte einer oder der andre daher entnehmen, dass er es auffallend vielleicht unerklärlich fände, dass das Zend während es im Dual des Präsens des Parasmaipada nur die aus auslautendem nti (nta) zu auslautendem s umgewandelten Formen wiederspiegelt, in der dritten Person des Plur. Pf. redupl., trotz dem, dass das Perfect. auf dem Prä- sens beruht, den Reflex der organischeren Form auf nt (nta) bewahrt hätte. Einen solchen könnte zwar eigentlich nur derjenige erheben, der nicht beachtet hätte, welche Fülle von Nebenformen in der indogerma- nischen Sprache und ihren besonderten Zweigen einst neben einander bestand und erst nach und nach verschwand, indem sich durch den häufigen Gebrauch ihre Identität, und dadurch die Ueberflüssigkeit aller bis auf eine dem Sprachbewusstsein eindringlich entgegendrängte und somit dahin wirkte, dass sich zuletzt eine allein geltend machte und die übrigen eliminirte; allein eben dieser Reichthum von einstigen gleich berechtigten Nebenformen verdiente wohl eine umfassendere Behandlung, die vielleicht auch dazu beitragen könnte, die im Sprachgeiste, bei der Ausscheidung der überflüssig gewordenen, wirkenden Gründe etwas ge- nauer zu erkennen. Denn diese sind noch ein so tiefes Ge- heimniss, dass wir die Bevorzugung der einen oder andern Form bis jetzt fast nur dem Zufall zuzuschreiben vermögen. Eine solche Zusam- menstellung und Untersuchung würde uns weit über die Gränzen unsrer Aufgabe führen. Ich beschränke mich daher darauf, — mit Ueberge- hung der bekannten Doppelformen, wie auch der in den älteren Stadien einer oder der andren Sprache noch bewahrten — wie z. B. derin den Veden er- scheinenden Instrumentale auf ebhis und ais von Themen auf a oft in einem und demselben Vers z. B. gleich Rigv. I. 1, 2), von denen die letztre im späteren Sanskrit die erstre in den Prakritsprachen sich allein fest- gesetzt hat, — zunächst einige entlegenere in’s Gedächtniss zurückzuru- fen und daran die Besprechung von zwei bisher nicht richtig erkannten zu knüpfen, welche zugleich zeigen, wie lange derartige en sich in einer Sprache erhalten können. e UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 67 Grade im Perfectum reduplicatum finden wir im Sanskrit und damit in Uebereinstimmung im Zend, Griechischen, Lateinischen und Gothi- schen, in der zweiten Singularis nicht wie im Präsens die Umwandlung des fo des Personalpronomens tva in s, sondern im Sskr. in th, im Zend £ und th, griechisch 2, latein. t, welche, wie man sie auch im Einzelnen er- klären möge, was ich an einem andern Ort genauer erörtern werde, der Urform auf jeden Fall näher stehen, als das s des Präsens. Die Er- scheinung würde sich dadurch erklären, dass sich das Perfect in Bezug auf diese Person schon zu einer Zeit aus seinem Zusammenhang mit dem Präsens herauslöste und unabhängig davon fixirte, als auch im Prä- Sens der Uebergang von tw in s noch nicht Statt gefunden hatte. Aehnlich könnte man in Bezug auf die in Betracht kommende Endung der dritten Person des Dual (zend. átare für sskr. atus und beide für ur- sprünglicheres atanti) annehmen, dass sie ein Ueberrest aus der Zeit sei, wo sich das Pf. im Sprachbewusstsein vom Präsens unabhängig zu machen begann, dass sie sich in dem arischen Dialekt, welchen das Zend weiter entwickelte, fixirte, während in der Grundlage des Sanskrit der Zusam- menhang zwischen Präsens und Perfect noch fortdauerte und bewirkte, dass sich hier auch diese Dualform der im Präsens geltend gewordenen Analogie einigermassen anschloss. So hätte uns das Zend, wie auch sonst so vielfach im Verhältniss zum Sanskrit (z. B. in dem Nom. sing. der Deklination der meisten consonantisch auslautenden Themen), eine ge- wissermassen ursprünglichere Form bewahrt. Das Auffallende, wasin der Be- wahrung einer solchen Form im Zend zu liegen scheint, wird noch mehr ver- ringert, ja ganz gehoben, wenn wir mit der höchsten Wahrscheinlichkeit anerkennen müssen, dass es, im Gegensatz zu allen übrigen verwandten Sprachen und grade wiederum im Pf. reduplicatum selbst, eine wirkliche Ur- form uns bewahrt hat. Ich meine die zweite Person Sing. Imperativi eieithwä in der Verbindung thwá cieithwä Yç. 42, 2 Sp. (43, 2 W.). Zweifelhaft würde diese Annahme werden, wenn Justi diese Form mit Recht unter cit gestellt hätte; denn nach der, mit wenigen Ausnahmen, durchgreifen- den Regel hätte, im Fall thwá (statt des gewöhnlichen hrá und dessen ` phonetischen Umwandlungen für sskr. sva, griech. go, lat. re) als Endung Se | 12 hn N EM RE e NER 68 TH. BENFEY, an cit getreten wäre, das auslautende £ des letzteren s werden müssen; allein noch weniger wahrscheinlich, ja vielmehr völlig unannehmbar, wäre die Annahme, dass eicithwä aus cicit-sva bestehe; denn der Verlust des s wäre im Zend, so viel mir bekannt, völlig ohne Analogie. Es ist vielmehr nicht mit Justi an das Verbum cit zu denken, sondern an ci, welches ja auch die Basis des letzteren ist. Dieses ist in der Be- deutung ‘erkennen’ mit dem Präfix eg im Zend belegt und kömmt in der Bedeutung ‘wahrnehmen’ in den Veden vor (a Böhtl.-Roth 2. ci und vgl. 4. ci). Die Dehnung in der Reduplication sowohl als im Stamm hat Analogien genug (vgl. Justi Gr. $. 11 und 605 z. B. von organisch viç zend. ege, Pf. red. víviç-é), um diese Auffassung in phonetischer Be- ziehung vollständig zu schützen, und für die Stelle, in welcher diese Form vorkömmt, passt die Verbindung mit cé entschieden eben so gut, wenn nicht besser, als die mit cit; denn aus jener ergiebt sich die über- lieferte Bedeutung ‘lasse dich gewahren’, ‘offenbare dich’ auf jeden Fall eben so leicht. Ist diese Auffassung richtig — und ich glaube kaum, dass man sie bezweifeln darf — so hätte sich — und zwar, wie bemerkt, wieder im Pf. red. — im Zend allein die Urform der Personal- endung der zweiten Person in der ursprünglichsten Gestalt erhalten, während in der entsprechenden Person des Präsens in Uebereinstimmung mit dem Sanskrit, Griech. und Latein — von denen die ersten beiden dieselbe Umwandlung auch im Pf. zeigen, z. B. sskr. vaorit-sva rëruug — die Umwandlung des £ in s reflectirt wird. Es träte also zwischen Zend und Sskr. hier fast dasselbe Verhältniss ein, wie in Bezug auf den Dual des Pfect. im Gegensatz zu dem des Präsens. Da wir grade eine Form des Imperativ erwähnt haben, die sich allein im Zend erhalten hat, so will ich eine andre desselben Modus da- neben stellen, von der sich nur ein einziges Beispiel im Sanskrit findet. Die dritte Singularis hat im Sekt. bekanntlich zwei Formen, eine auf ta die andre auf iäl; jene ist die herrschende geworden, die andre nur bei Segen gebraucht. Im Zend hat sich von der letzteren keine Spur er- halten; umgekehrt haben alle übrigen Verwandten von der erstren keine Spur, sondern die, welche eine dritte Sing. Imper. haben, reflectiren nur UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 69 die zweite Form: griech. zw (für rwt), lateinisch io, altirischd. An diese Form schliesst sich — nach Analogie der dritten Plur. im Verhältniss zu” der dritten Sing. im Präs. Act. (sskr. anti zu ti, dorisch ovu zu u u.s.w. lat. ant zu t), Medii (sskr. ante zu te, griech. omg zu zer, goth. (a)nda zu da), Imperfecti Act. (sskr. an für organischeres ant zu £ u.s. w.), Medii (sskr. anta zu ta, griech. org zu ro), der ersten sskr. Form des Imperat. Activi (antu zu tu, zend. entu zu iu) Medii (sskr. antám zu tâm, zend. anlam zu (om) — im Latein anto (amanto) ento, unto, dorisch ovtw und mit v £peix„welches in der gewöhnlichen Sprache stets antritt ovrwv, (vgl. Ahrens ‘de Dial. Dor $. 36 S. 296), altirisch at für einstiges arts. Im Sskrit müsste ouidi entsprechen; von dieser Bildung aber hat sich nur ein ein- ziges Beispiel erhalten kayanidt im Naighantuka II. 14 vgl. Roth Index dazu unter Aantät. Es sei mir erlaubt noch ein Beispiel anzuführen, wo sich eine Dop- pelform in einer ganzen Categorie erhalten hat, aber in andern, eigent- lich ebenfalls dazu gehörigen, fehlt. Es ist bekannt, dass die Personalendungen des Imperfect und der dessen Analogie folgenden Tempora und Modi ursprünglich durch Ab- stumpfung aus denen des Präsens entstanden sind. Ich habe diese Ab- stumpfung dadurch erklärt, dass die Partikel, welche vor das Präsens tretend ihm, wie noch im späteren Sanskrit purá ‘früher’ und sma (für sama) ‘all’, präteritale Bedeutung gab, dem allgemeinen indogermanischen Accentgesetz gemäss (wie noch im Sskrit stets und im Griech., wenn der Umfang des Wortes es zulässt} den Accent hatte; dadurch wurde der Accent so weit vom Ende des Wortes nach vorn gerückt, dass der Auslaut seine volle Aussprache nicht ohne Anstrengung zu bewahren vermochte. Im Sskr. findet in 3 Sing. und Pluralis diese Abstumpfung in der Weise statt, dass das im Präsens auslautende e, welches eigentlich ai war, seinen letzten Theil, das € einbüsste, also Ze zu la, ante zu anta wird; damit stimmen auch Zend und Griech., so dass dort dieselben Formen entstehen, hier zo für zes und ovro für oyreı. In beiden letzte- ren Sprachen findet dieselbe Abstumpfung auch in der zweiten Singu- = laris Statt, z. B. zend. Präs. Ae Impf. ha (in ug-zayanha, gadayanha, wo 70 TH. BENFEY, ñh der regelrechte zend. Reflex von s). Dieses s wird bekanntlich unter bestimmten lautlichen Verknüpfungen auch im Zend bewahrt; im Präsens ist zwar keine Form der Art in dem so geringen Umfang der Zend- schriften auf uns gekommen; sie würde aber s lauten und im Imper- fect Aorist und Potential ihr sa entsprechen. Dieses sa erscheint in der That in mehreren zweiten Personen des Potential z. B. yazal-sa, und in einer Form des Imperfects, wo jedoch a zu e weiter geschwächt und s mit eigentlich vorhergehendem d zu ç geworden ist /raoge von rud). Im Griech. entsteht so oo aus oa z.B. riseg ege ` bekanntlich wird aber g zwischen zwei Vokalen im Griech. gewöhnlich ausgestossen, wo- durch ®zi$ov und aus organischerem ?runtsoo Eröntov entsteht. In den ersten Personen hat das Sanskrit eine andre Verstümmelung ; das auslautende e (= ai) scheint nämlich seinen ersten Theil eingebüsst zu haben (vgl. weiterhin), so dass in 1 Sing. e zu ¿, in 1 Dual. vahe zu vahi, in 1 Pl. mahe zu mahi wird. Dieselbe Abstumpfung findet sich auch in der dritten Person Sing. Aor. Pass., wo zugleich, wie in den Veden nicht selten in 3 Sing. Präs. Ätm., und im Sanskrit überhaupt in 3Sing. Pf. red. Ätm., der Consonant t eingebüsst ist, z. B. ved. duh-e für duh-te, gewöhnlich rurud-e für rurud-te, und so a-jan-i für a-jan-ti, welchem im Präsens *jan-te entsprechen würde. An dieser Abstumpfung nimmt das Zend in 1 Sing. und 3 Sing. Aor. Pass. Antheil (z. B. Impf. d-mraci von mrü, Aor. menhi — sskr. a-mamsi von man; jaini — sskr. a-jani, väcd —= sskr. aváci von vac, wo der Wechsel des kurzen und langen € im Auslaut zeigt, dass die im 1. Sing. Aorist stets erscheinende Länge keine Differenz begründet). Eine erste Person Dualis ist nicht belegbar. In der ersten Plur. ist nur der Potential belegbar und dieser zeigt durchweg die volle Präsensform (vgl. z. B. ham-vaendi-maidt, büidhyöi-maidE gegenüber von sskr. budhye-mahi). An der Richtigkeit die- ser Form zu zweifeln, ist schon an und für sich kein Grund; sie erhält aber zunächst ihre Bestätigung dadurch, dass das Zend auch in 3 Dual. Impf. und Potent. die zweite ist wiederum nicht belegbar) die im Ssskr. geltend gewordene Umwandlung von e zu dm (äthe, die zu äthäm, äläm), d h. zunächst Abstumpfung von e zu a und Anknüpfung von wort- UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 71 schliessendem m (vgl. dhvam aus dhkve!) nicht wiederspiegelt, vgl. 3 Dual. Impf. wg-zayöithe — sskr. ud-jäyetim aber in der Präsensform ud-jäyete; 3 Dual. Potent. ög-öithe. Ferner wird sie auch dadurch bestätigt, dass auch im Griech. in 1 pl. Impf. dieselbe Form erscheint wie im Präsens, nämlich &zvmo-usde wie wató-us9æ. Wir haben also anzunehmen, dass selbst bei der Trennung des Zend vom Sanskrit diese Abstumpfung von e zu d sich noch nicht so sehr festgesetzt hatte, dass sie auch vom Zend als einzig gültige übernommen ward, dass vielmehr der Gebrauch der entsprechenden Präsensform im Imperfect, wie vor Alters, auch damals noch wenigstens als Nebenform sich geltend machte. Die zweite Sing. Imperfecti hat im Sskr. nicht den Reflex von griech. oo (aus ou, zend. nha, sa (aus he, nhé, sé), sondern eine dem Sskr. ganz eigenthümliche Personalendung (de, Es ist nun aber schon in meiner kurzen Sskr. Gr. $. 158 gezeigt, dass der Imperativ wesent- lich aus dem Conjunctiv des Präsens, und dem augmentlosen Imperfect (d. h. dem Imperfect in conjunctivischem Sinn) sich hervorgebildet hat, und da die Endung der zweiten Sing. des Imperativ im Åtmanepada sva durch ihr auslautendes a ganz in Harmonie mit der dritten Sing. und Plur. Impf. ta und anta tritt, so liegt die Vermuthung nahe, dass sie eine Nebenform von ihäs, wahrscheinlich die ursprüngliche. sei und wenigstens im Allgemeinen die zendische Endung sa und nha und die griech. go wiederspiegele.. Diese Vermuthung erhält nun ihre entschiedene Be- stätigung dadurch, dass im Zend ‚ welches so sehr viel alterthümliches bewahrt hat, der Reflex dieses sva nicht bloss als zweite Sing. des Im- perativ, sondern auch des Imperfects erscheint (in ava-mairya-ruha Yt. 22, 34, vgl. 24, 62), wie umgekehrt nha (für organisch sa — griech. 60) nicht bloss als Personalendung des Imperfects, sondern auch als die der zweiten Sing. Imperativi (in madhaya-nha Vsp. 9, 1 bei Justi s. v. madhi und viga-nha Vd. 2, 8, welches Justi wohl nur zufällig. als 2 Impf. bezeichnet aber richtig durch 2 Imperativi übersetzt). ses Die Dehnung des a ist wohl daraus zu erklären, dass das in den Mittelformen ätha, üta auslautende a, wie in den Veden und im Zend so oft, gedehnt wurde und sich in dieser Gestalt fixirt hatte, ehe m antrat. 72 TH. BENFEY, Wir erhalten demnach das Recht sva als ursprünglichere Endung der zweiten Sing. Impf. Ätm. zu betrachten und dadurch zugleich die Mittelform zwischen der nur im Zend bewahrten schon erwähnten thva und sa, 00; in der ursprünglichen tea ward demnach zuerst durch Ein- fluss des v das Z aspirirt, dann ging es in den der Aspirate nahe ver- wandten Zischlaut über und endlich büsste es das v ein (vielleicht in- dem es von dem verwandten Hauch der sibilans absorbirt ward.) Da aber die Medialformen des Imperfects auf entsprechenden des Präsens beruhen, welche einst existiren mussten, so folgt daraus, dass einst auch die 2 Sing. Präs. Åtm. Formen hatte, welche sich durch sskr. tve, thve, sve, se reflectiren würden; und diese Folgerung erhält ihre Bestätigung durch die von mir schon in meiner kurzen Sskr. Gr. a. a. O. S. 90 gegebene Erklärung der 2 Sing. Imper. des ersten griech. Aorist auf get für "oeger (vgl. forw für foreoo); in diesem o@-ocı ist ge das Element des Aorist, gor aber reflectirt die Bildung des Imperativs durch den Conjunctiv des Präsens; da dessen Auslaut sich auch in dé verwandeln kann (vgl. a. a. O. $. 157), also statt sve auch svái eintreten konnte, so könnte das er eben so gut sskr. di wie e (in ge — se 2 Sing. Präs. Medii) reflectiren, was ich nicht entscheiden will (ich verweise über das auslautende oe der Medialformen auf die scharfsinnige Untersuchung meines geehrten Freundes Ad. Kuhn, in seiner Gratulationsschrift zu Bopps Jubiläum: Ueber das Verhältniss einiger sekundärer Medialen- dungen zu den primären’, deren Resultaten ich jedoch mich nicht anzu- schliessen vermag). Ist durch das bisherige nachgewiesen, dass in 2, 3 Sing. und 3 Plur. die Abstumpfung der Präsensauslaute sskr. e u.s.w. zu a statt fand, so liegt es nahe zu vermuthen, dass auch in der ersten Sing. neben der zu ö einst ebenfalls eine zu a existirte und diese Vermuthung er- hält ihre Bestätigung durch die erste Person des Potential. Diese, nämlich iya, lautet auf a aus und besteht eigentlich nur aus und a wie die zweite und die folgenden Personen i-thäs, i-ta u.s.w. beweisen; das y ist nur zur Aufhebung des Hiatus aus dem verwandten 7 hervorgetreten, ähnlich ki - UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. ; VERBUM. 73 H wie v in 1 Sing. Aor. abhü-v-am aus abhü-am von bhú, vgl. die zweite .abhü-s u.s.w. Das a verhält sich aber zu der sskr. Endung des Präsens e genau wie swa zu *sve, ta zu te, ania zu ante. Wie im Sekt er- scheint diese Form auch in dessen treuem Gefährten, dem Zend, in pairi- tanu-y-a (— sskr. pari-tanv-i-y-a) für -tanu-i-a, wo also das í vor a wie so häufig sich liquidirt hat. Das sskr. e im Präsens ist bekanntlich eine Verstümmelung von me = griech. ue: demnach hätten wir eigentlich gegenüber von sskr. iya oder ursprünglicherem ía im Griechischen nach Analogie von oo, zo, ovro: Zug zu erwarten; statt dessen tritt uns zum» entgegen und dessen un» erscheint auch im Imperfect. Da nun sämmtliche Personalendungen des sskr. Potential Ätm. — ausser der dritten Pluralis (welche sich jedoch nur durch das vor dieselbe tretende r unterscheidet, nämlich ursprüng- lich i-ranta für i-anta, verstümmelt t-ran, vgl. vöd-ate neben vid-r-ate u. s. w. Pän. VII. 1. 7 und meine Vo. Sskr. Gr. $. 813, S. 366 mit Anm. 5), — so wie des griechischen Optativ Medii mit denen des Im- perfect übereinstimmen: so ist nicht dem geringsten Zweifel zu unterwer- fen, dass diese Form auf a auch der ersten Person Imperfecti an- gehörte; ja es scheint kaum zu bezweifeln, dass es einst die einzige Form war und die Formen auf; (nämlich noch vahi mahi, so wie € der dritten Person Sing. Aor. Pass.) erst durch die so häufige Schwächung von a zu d entstanden (also letztre aus vaka, maha, a für t-a, mit Einbusse des t wie in ved. duh-e für duh-te) und nachdem sie zuerst Nebenformen gewesen waren, die ursprünglicheren aus dem Gebrauch — ausser in 1 Sing. des Potential und Precativ — verdrängten. War aber einst a auch Endung der ersten Sing. Imperfecti, so ent- spricht ihm natürlich auch hier das griechische un» und für beide For- men ist eine gemeinschaftliche Grundlage zu suchen. Vergleichen wir nun das Verhältniss von sskr. dhvam (2 Plur. Impf.) zu dhve, so dürfen wir unbedenklich zu dessen Erklärung auf die Abstumpfungen zu a (für Eech ma) sva (zend: sa griech. go) ta, vahi (für *vaha) mahi (für *maha) d (für fa) zurückblicken und als dessen Grundlage ebenfalls dhva betrach- Hist- Philol. Classe. XIII. K 74 TH. BENFEY, ten und diese Annahme erhält ihre vollständige Bestätigung durch das noch neben dhvam vorkommende dhva (Rigv. VIII, 2,37 vgl. Dän. VII, 1,43); das m ist demnach ähnlich wie so oft (und z. B. wie oben gesehen in 3 Imperat. ovmw-r) das griech. v gesi, angetreten, was im Sanskrit um so weniger auffallend ist, da hier am Ende eines Satzes noch regelmässig jedes a, i, u nasalirt werden kann (Dän, VIII. 4, 57) und die aus dem Sskr. hervorgegangenen Sprachen, so wie vedische Eigenthümlichkeiten, eine entschiedene Neigung zur Nasalirung auslautender Vokale über- haupt zeigen; an einem andren Orte aber werde ich nachweisen, dass in älteren Zeiten der so dienende Nasal m war. Fast in demselben Ver- hältniss wie dhvam zu dhve, stehen aber augenscheinlich die Personalendun- gen der zweiten und dritten Dualis âthám ätdm zu den entsprechenden des Präsens äthe, äte; der Unterschied liegt nur in der Dehnung des a vor m, welches man nach Analogie von dhvam kurz erwartet hätte. Mag man nun diese Länge, welche sich auch in der dritten Sing. und Plur. des Imperativ Zäm, antäm gegenüber von Impf. ta, anta zeigt, auf die eine oder die andre Weise erklären — mir ist (vgl. S. 70) am wahrscheinlichsten, dass das auslautende a erst, wie im Zend und in den Veden so oft auslau- tende Vokale!), gedehnt ward und dann wie in 2 Plur. (dhva, dhvam) der Nasal antrat —, das Verhältniss dieses dm zu e ist augenscheinlich völlig dasselbe wie das des griech. nv in un» zu uer und ich wage dess- halb auch in #7» nichts weiter zu sehen als eine phonetische Umwand- lung des eigentlich nach Analogie von 00 zo ovro zu erwartenden uo — sskr. a für organisches ma. Danach ergiebt sich als die ursprüngliche Abstumpfung der Präsensendungen durchweg die Verwandlung des aus- lautenden e (ai) in a. Vielleicht wird es nicht undienlich sein, diess Resultat mit seinen Hauptgrundlagen zu leichterer Uebersicht in einer kleinen Tabelle zusammenzustellen. Vom Präsens gebe ich nur die letzterreichbaren Formen; Imperfect bedeutet auch die Personalendun- sa des Gens und Potential. D Vgl. Sie, Prätic. VI-IX, Regnier, T. IL 16 ff. und WR zum Atharvav. a m. 16. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGER Präsens Sing. 1. mai Imperfect mal, ad, o 2. tvai thwä*, svad, sa6 3. tai Zo", tämS : Dual. 1. vasdhai? vasdha9, vahi!? 2, dthai åthám™ A dal átám!2 Plur. 1. masdhai? ~- masdha?,mahi!® 13 i 2. sdhvai!* sdhva!*, dhva!5, dhvam!6 3. antai ania!?, antäm!3. 1. In un», vergl. 2 3 Dual. äthäm ätäm, 3 Sing. Plur. Imperat. tám, ; antám und 2 Plur. dhva, dhvam. 2. Im Sskr. Potentialis für ma, wie Präsens e für me. 3. Im Sskr. und Zend; gewöhnliche Schwächung von a. 4. Im Zend 2 Sing. Imperat. Perfecti. 5. Im Sskr. und Grech. Imperativ Sing. 2; der Reflex desselben im Zend auch 2 Sing. Impf. 6. Griechisch; dessen Reflex im Zend 2 Sing. Impf. und Imperativi. T. Im Sskr., Zend, Griech. | 8. Imperativ im Sskr. und Zend; vgl. N. 1. 9. Erschlossen aus griech. usoĝaæ, uso9ov und sskr. vahi mahi (für vadhi madhi) im Impf. und Imperat. nach dem Verhältniss in Note 3. .10. Vgl. vor. Note. 11. Sskr. Imperf. und Dopa ar: vgl. N. 1. 8. 12. Sskr. Imperf. und Imperativ. Im Zend dient der Reflex des Prä- sens im Imperf. (d.h. es zeigt sich in dieser Person keine E Form); vgl. im Zend insbesondere Potential igösthe. 13. Im Zend und wohl auch im Griech. dient der Reflex des Präs. (keine abgestumpfte Form); vgl. im Zend insbesondre den Potential, z. B. 14. Erschlossen aus griech. 098 u. aa. 15. Vedisch. 16. Im Sskr. und Zend, Imperf. und Imperat. 17. Sskr. Zend Griech. im Imperf. Sskr. und Zend im Imperativ. K2 76 TH. BENFEY, Wenden wir uns jetzt zu den Doppelformen, welche wir schliess- lich noch betrachten wollten. Sie betreffen ebenfalls den Optativ. Es ist bekannt, dass im Griechischen im Activ der zusammengezo- genen Verben zwei Optativformen nebeneinander bestehen, deren eine gewöhnlich die attische genannt wird. Die erste ist identisch mit der- jenigen, welche sich in der Conjugation der im Präsens auf o (oder gl auslautenden Themen geltend gemacht hat und auf out, oe u. s. w. aus- lautet; die zweite dagegen mit derjenigen, welche in der Conjugation p -~ auf ws herrscht und auf iy, ims u. s. w. endet. Bekanntlich scheidet sich auch im Sskr. der Potential auf ähnliche Weise, indem die Form, welche der zweiten entspricht ydm, yás, yät in allen Verben gebraucht wird, welche ihr Präsensthema nicht durch Antritt eines auf a (= griech. 0, €) auslautenden Elementes bilden, d. h. in der ganzen zweiten Con- jugation; so würde z. B. von gå ‘gehen’ Präsensthema jigä und jaga der Potential jigá-yám lauten (vgl. jagäyät im Naighantuka II. 14) wie von dem entsprechenden griechischen Ge, Präsensthema Gre, Pıße-Imv (vgl. Aorist II Bein). In der andern Conjugation dagegen, der ersten, er- scheint zwar in der ersten Singular kein Reflex des im Griechischen out auslautenden ;, in allen übrigen Formen dagegen stimmt der hier gebrauchte Potential mit dem griechischen im Wesentlichen überein, z. B. Sing. 2 sskr. es —= oe 3 et — o, Plur. 1 ema — ouen, 2 ela — os, 3 eyus für eyant — oıev. Mit dem Sskr. stimmt auch das Zend, Latein, Goth. und Slavische, z. B. sskr. von as ‘sein’ sydm, syás u. s. w. zend. qyem, qydo, lat. siem, siês; sskr. von dä geben Präsensth. dadä, in den schwachen Formen verstümmelt zu dad, im Potential Dual. 1 dad-yäva, slav. dad-ive; in der ersten Conjug. vom sskr. Präsensthema vah-a Potent. Sing. 2 vah-es, zend. vazöis, lat. vehes (Fut.), slav. vezi. Im Goth. hat sich die dem sskr. yám u.s.w. entsprechende Form nur im Conjunctiv Präteriti erhal- ten; im Präsens sind alle Verben in die «-Conjugation übergetreten. Erwägt man diese Uebereinstimmung aller verwandter Sprachen im Gegensatz zum Griechischen, so kömmt man auf den ersten Anblick auf den Gedanken, dass das Griechische in der Verknüpfung dieser un- zweifelhaft ursprünglicheren Form des Potentialexponenten o u. s. w. f Ge Böpenäber von sskr. UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. IND ISCHEN VERBUM. 77 mit den auf o mit vorhergehenden oe, £, o, ursprünglich auf aya, auslau- tenden Verben, auf eine kaum erklärliche Weise zu der Urform zurück- gekehrt sei, wie es denn auch bei Bopp heisst (Vgl. Gr. IIE, $. 689 S. 17) ‘ob aber die bei contrahirten Verben vorkommenden Formen omy, oms u. s. w. die Urform geschützt haben und somit die Echtheit der sanskritischen Formen wie Bär-e-s (für Sar-a-yäs) überbieten, oder, ob dieselben, was wahrscheinlicher ist, durch die Analogie der wı-Conjuga- tion zurückgeführt sind, mag hier unentschieden bleiben’. Ob die Con- jJugation auf w: einen solchen Einfluss auf die o-Conjugation hätte haben können — was um so unwahrscheinlicher ist, da wir in vielen Fällen im Grieehischen und überhaupt in allen indogermanischen Sprachen die a-Conjugation, d. h. die sanskritische erste, auf die Nicht-a-Conjugation wirken, sie bedrängen und verdrängen sehen, nie aber umgekehrt — dürfen wir um so mehr unentschieden lassen, da zwei bisher nicht in Betracht gezogene Momente uns sogleich überzeugen werden, dass die von Bopp vorangestellte Alternative das einzig richtige enthält. Ich kenne das eine und wichtigste dieser Momente schon fast seit dreissig Jahren (aus Lassen Institutiones L. Pr. S. 358) und war schon mehreremal darauf und daran es mit den sich daran knüpfenden Folge- rungen bekannt zu machen. Allein die Hoffnung, Clough’s Päli-Gram- matik zu erlangen, auf welche ich schon seit zwanzig Jahren vergeblich Jagd mache, hielt mich von der Veröffentlichung zurück. Wenn ich jetzt, auch ohne dass dieser Wunsch bisher erfüllt ist, diese Stelle benutze, um es zu er- örtern, so geschieht diess, theils weil in der Zwischenzeit mir dieselben Formen ausführlicher durch Muirs Sanskrit Texts II. 106 bekannt ge- worden sind, theils weil das zweite Moment hinzutrat. | Als Päliform des Potentials von pach ‘kochen’ führt nämlich Muir a. a. O. auf: Sing. 1. pacheyyami ` Plur. 1. pacheyyama 2. pacheyyäsi 2. pacheyyätha ` 3. pacheyya oder Leg 3. pacheyyum 78 | TH. BENFEY, Sing. 1. pacheyam Plur. 1. pachema 2. paches 2. pacheta 3. pachet 3. pacheyus Lassen a. a. O. hat schon richtig erkannt, dass in der Päliform eine Bildung nach der sogenannten zehnten Conj. Cl. zu Grunde liegt, welche schon im Sanskrit, Zend, am häufigsten aber in den Prakritsprachen sich an die Stelle der übrigen Präsensbildungen drängt. Es liegt also der Päliform eine organische zu Grunde, welche, wenn wir ihr die sanskri- tischen Personalendungen geben, lauten würde: pach-aya-ydm » pach-aya-yäma pach-aya-yäs pach-aya-yäta pach-aya-yät pach-aya-yus. Damit stimmen aber — abgesehen von der dritten Pluralis — die grie- chischen Formen aufs allergenauste; z. B. gA-gjo-my — gyılso-ıyy = gıloinv u. Ss. W. Diese Uebereinstimmung kann aber kein Zufall sein; ER beide so lange getrennte Sprachen durch eine fast zufällige Veranlassung selbst- ständig zu der Urform bei Themen auf aya zurückgekehrt sein, ist nicht denkbar. Die Doppelbildung muss aus der Zeit vor der Sprachtrennung herrühren. Dafür entscheidet auch das zweite Moment, nämlich das Vor- kommen von ätmanepadischen Formen, welche sich an diese parasmai- padische schliessen, schon in vedischen Schriften und weiter dann im Epos z. B. kalp-ay-iran väch-ay-ita in Äcvalay. Grihyasütr. IV. 6. 3 und 19 und viele in den epischen z. B. gam-ay-ita MBh. XII, 5289, vgl. meine Vollst. Sskr. Gr. S. 364 n. 3. Die Päliformen pacheyyämi u. s. w. unterscheiden sich nämlich von den erwähnten zu Grunde liegenden pach-aya-yäm u.s. w. (abgesehen von dem auslautenden 7 dadurch, dass nach der im Sskr. herrschenden Regel das auslautende a von aya vor dem folgenden y ausgefallen (vgl. z. B. adhi-gamaya mit Suffix ya, welches adhigamayya wird), nicht mit diesem und dem ihm folgenden Vokal con- trahirt ist, (so dass dem Päli sskr. pach-ay-yäm , -yäs u. s. w. statt pach-ay-eyam, pachayes gegenübersteht). Dieses ist aber grade der Un- terschied, durch welchen sich die erwähnten ätmanepadischen Formen SE UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D INDOGERMANISCHEN VERBUM. 79 von den gewöhnlichen sanskritischen unterscheiden, z. B. kalp-aya mit iran ist kalpay-iran statt kalpayatran — kalpayeran geworden. Es ist danach nicht dem mindesten Zweifel zu unterwerfen, dass sich die Zusammenziehung von a-yäs z. B. zu es vor der Sprachtrennung noch nicht durchweg geltend gemacht hatte, dass sich insbesondre in den Formen auf aya die organischeren Bildungen neben den zusammen- : gezogenen erhalten hatten und das Griechische in seinen Doppelformen, MN wie gılois und gråoiņs (für gıå-sj-ors und YıJ-sjo-ıns) diesen, so wie in der Nebenform des Opt. Aor. I, oe-ı@s u.s.w. für goen s. w. selbst den älteren Zustand, wo die Willkürlichkeit der Contraction noch weiter herrschte, noch lange nach seiner Besonderung widerspiegelt. Die Zusammenstellung des Griechischen Optativ mit dem Potential des Päli giebt uns aber noch eine zweite Belehrung und zwar ebenfalls in Bezug auf eine Doppelform. | Die hinter den Verben mit Präsensthemen auf o antretende Optativ- form, entstanden durch Contraction dieses Vokals mit dem anlautenden des Modus-Exponenten, zeigt im Griechischen im Sing. 1 die Endung wt. Auch hier stand bislang die ganze Reihe der verwandten Sprachen dem - Griechischen gegenüber. Anstatt nun die Frage, wie es sich damit ver- halte, genauer zu untersuchen, musste sich die griechische Form, mit dem Wörtchen ‘unorganisch’ gebrandmarkt (Bopp Vgl. Gr. II? 8. 430 S. 252. Is 689 S. 17, vgl. §. 705 S. 33), welches so häufig wie ein Narkotikum in der Sprachforschung gewirkt hat, gefallen lassen, gleich- sam zur Thür hinausgeworfen zu werden. ` Auch hier tritt das Päli für das Griechische in die Schranken und zeigt dadurch, dass es nicht bloss in 1 Sıng. m? hat, sondern auch in der zweiten Sing. si und in der zweiten Plur. das präsentive ttha (vgl. sskr. 2 Pl. Präs. tha), dass auch in dem griechischen w: der Rest einer Dop- pelform des Potentialis bewahrt ist. Ganz wie das Griechische hat auch das Sanskrit nur diese Endung mi im Potential bewahrt, allein, so viel mir bis jetzt bekannt, nur in einem einzigen Worte und einer einzigen Stelle, nämlich in grikni-yämi (im Mahäbhärata I. 3109), wo es zu allem 80 TH. BENFEY, Ueberfluss auch durch das nebenstehende bhavet msn jals Poten- tial geschützt ist. Wir dürfen demnach unbedenklich annehmen, dass der Potential ursprünglich nicht bloss durch ydm, yäs u. s. w. (d. h. das Imperfect von yâ ‘gehen’ in der Bed. ‘erreichen wollen = wünschen’ !), sondern auch durch ydmi, yäsi, yáti u. s. w. (d. h. das Präsens desselben Verbum) gebildet ward. Aehnlich aber, wie der ursprünglich eben so wohl vom Präsens als Imperfect gebildete Conjunctiv (vgl. z. B. ved. patäli für pat-a-a-ti Conj. Präs. und patät d.i. pata-a-t, Conj. Impf.) im Griechischen nur noch vom Präsens gebildet wird, ohne Zweifel weil die ursprüng- lich verschiedene Bedeutung sich im Laufe der Zeit immer näher trat und eine Form dadurch überflüssig wurde, so wurden auch die gewiss ursprünglich ebenfalls wenn auch nur leicht verschiedenen Bedeutungen (‘ich mag...’ und ‘ich möchte...) dieser beiden Potentiale nach und nach identisch. Die übrigen verwandten büssten in Folge davon die präsentive Form ganz ein — wie das Griechische den Conjunctiv Imper- fecti — das Päli dagegen mischte entweder beide Formen oder behielt nur die präsentive; dem Sanskrit und Griechischen verblieb nur ein Rest der letzteren in der ersten Person — ähnlich wie z. B. in der Sarskrit-Deklination der Pronomina, z. B. der von dom. Reste von Pro- nominibus geblieben sind, die einst ganz deklinirt wurden (vgl. ena mit lat. oönos, unus) —; im Sanskrit hat er sich nur in einem Beispiel er- halten; im Griechischen dagegen machte er sich so sehr zur herrschen- den Form, dass — im reinen Widerspiel und zugleich in sonderbarem Zusam- ' mentreffen mit dem Sekt. — von seiner Nebenform ow ebenfalls nur ein einziges Beispiel tọégow (aus Eurip. im Etym. M. s. v.) aufbewahrt ist (an eine Zusammenziehung aus om» für zgeyofmv, wie die Alten es erklärten, s. Gaisford, ist natürlich nicht zu denken, da diese noch anomaler wäre). 1) Vgl. z. B. vedisch yämi in tät två yâmi Rigv. I. 24. 11. VII. 3. 9. ‘um dieses gehe ich dich an’ d.h. ‘dieses bitte ich von dir’, wo die alten vedischen Erklärer wegen der unzweifelhaften Bedeutung so weit gingen, yâmi als eine u Bega. von yüchämi zu betrachten Nirukt. II. 1. | UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOGERMANISCHEN VERBUM. 81 Durch die Erkenntniss dieser präsentiven Nebenform des Potentials wird uns endlich die Bildung des indogermanischen Futurs mit der En- dung, welche im Sskr. syámi u. s. w. lautet, vollständig klar. Dass die Categorie des Futurum in den indogermanischen Sprachen in einem nahverwandtschaftlichen Verhältniss zu dem Potential stehe, ist längst anerkannt und wird durch den häufigen Gebrauch des letzteren in Futur- bedeutung (vgl. Pän. III, 3, 169 und 172 und unzählige Stellen in der Literatur, wo der Potential sich der Bedeutung des Futur mehr oder weniger nähert, oder mit ihr ganz zusammenfällt) im Sanskrit, so wie durch die Verwendung des Reflexes desselben als Futur in der lateini- schen dritten und vierten Conjugation in unbezweifelbarer Weise bestä- tigt. Bopp (Vgl. Gramm. $. 648, Bd. IP, S. 541) hebt daher die nahe Verwandtschaft des Potential von as ‘sein’, sydm, syäs u.s.w., mit den Fu- turalexponenten sydmi, syasi u.s. w. hervor und bemerkt S 649 a.2.0.: ‘Man sieht, dass der Hauptunterschied der hier verglichenen Formen der ist, dass (1.) der Potentialis ein durchgreifendes langes d hat, das Futur aber ein kurzes, welches nach dem Princip der Klassensylben der ersten Hauptconjugation vor m und v der ersten Person verlängert wird D. (2.) Dann hat das Futurum die vollen primären Endungen, der Potentia- lis aber die stumpferen sekundären.’ Nachdem wir als Nebenform des Potential die mit den vollen pri- mären Endungen erkannt haben, also sydmi, syäsi u. s. w., fällt dieser zweite Unterschied weg und es bleibt nur der erste. Diese Verkürzung hat aber ihre Analogie zunächst in der Formation des Präsens im Passiv und der daraus hervorgegangenen Präsensthemen derjenigen Conjugations- Classe, welche im Sanskrit als die vierte aufgeführt wird, über deren Entstehung vermittelst einer Zusammensetzung mit demselben Verbum gd, welches auch den Potential bildete, schon lange kein Zweifel herrscht; ferner in dem Uebertritt der sskrit. Verba sibd ‘stehen på ‘trinken’ GC 1) An dieser Verlängerung nehmen die verwandten Sprachen — ausser dem Zend und auch dieses mit vielen Ausnahmen — im Dual und Plural Activi und Medii und im Singular auch im Medium keinen Antheil, z. B. open, ousI«, opas gegen sskr. âvas, åâmas, ävahe, ämahe. ~ Hist.- Philol. Classe. XII. | L Be e TH. BENFEY, ghrä ‘riechen’ aus der dritten in die erste Conjugationsclasse, so wie in den alten Verbalzusammensetzungen mit hinten angeschlossenen Verben auf d wie z. B. dhá (griech. nin-Jo aus par-äfprä]-dhä ‘voll thun’ d h. ‘voll machen", bhá. Man vergleiche z. B. das Passiv von dvish ‘hassen’ Sing. 2. deish-ya-se für ursprüngliches deish-yä-se ; 3. deish-ya-te ,, i dvish-yá-te Plur. 2. dvish-yá-dhve „, a deish-yä-dhve 3. deish-y(a)-ante ,, deish-yä-ante das Verbum nrit der vierten Con). 1. Sing. 2. nrit-ya-si E u... nrül-yä-si 3. nrit-ya-ti er nrit-yä-li Dual. 2. n»rit-ya-thas ,, 5 n it-yä-thas 3. nriül-ya-las nril-yä-tas Plur. 2. nrit-ya-tha „, i nrit-yä-tha 3. nrit-y(a)-anti „, E nrit-yä-(a)anti H | Sec? Ce Präsens von sihä, wo das Griechische im Singular noch die ur- sprüngliche Länge, und somit die Vermittlung zwischen der Urform und der sanskritischen bewahrt hat. | Sing. 2. tishtha-si für ursprüngliches Zishthä-si (ørns) | >. shlat oo o a tishthá-ti (Goor) U. S: W: EE E i Wie diese Verkürzungen zu erklären sind, wird sich wohl nicht : mit voller Gewissheit herausbringen lassen. Mir ist am wahrscheinlich- ` sten, dass einerseits die Länge der Wörter, andrerseits - die Analogie der immer mächtiger in das Gebiet der ursprünglichen Conjugation Se SS fenden Flexion der Präsentia auf a dazu zusammenwirkten. 5 Nach allen diesen Ar ist nicht zu bezweifeln, dass ursprüng- lich ein Potential von as ‘sein’ in der Form (a)sydmi, (a)syäsi, (a)syati a und allen rm, en auch denen des das a Ferki u. s. w. bestand und in seiner Verwendung als Futurexponent in 2 Sing. : SE "Seege fehlen). wo die, Be in de Ursprache in 4 EC aa Gs o SE 3 -UEBER EINIGE PLURALBILDUNGEN D. INDOG: ERMANISCHEN VERBUM. 83 | geltend gewordene rein phonetische Dehnung von a vor m, auch auf den ee Plur. und das v des Dual und zwar auch im Ätmanepada augedehhtt = -n ward, ist die Dehnung in den ersten Personen Dual. und Plur. schein- 2 bar zurückgekehrt. Als eigentliche Bedeutung des Futurexponenten ist danach aufzustellen ‘ich mag sein’, oder ‘ich will sein’, wo ‘sein’ aber Ser eben so bedeutungslos ist, wie in den oben angeführten Fällen, wo es u die Funktion von Personalendungen übernimmt (S. 55), so dass diese Bildung fast ganz der periphrastischen englischen durch shall und will entspricht. Ehe ich diese Erörterung schliesse, muss ich, so ungern ich mich auch auf das Gebiet des homerischen Sprachgebrauchs einlasse, da ich wohl fühle, dass meine lange Entfremdung von der klassischen Philolo- SC gie mich leicht hier zu Irrthümern führen kann, doch bemerken, dass Formen wie daustw Od. o, 54 Aen N. I, 83 und, da wir die Verkür- zung des ursprünglichen 4 im Futur entschieden festgestellt haben, auch Jeusiste Il. H. 72. Istousr Od. y. 264 u. s. w. (vgl. alles hieher gehörige bei Imman. Becker in ‘Sitzungsberichte der Berl. Ak. d. W. 1861 S. 241 fl.‘) der Form nach bei weitem eher Optative mit Präsensendung < als Conjunctive zu sein scheinen; und selbst wenn der Sprachgebrauch nöthigt, sie vom begrifflichen Standpunkte aus der Categorie des Conjunctiv zuzuordnen, liesse sich annehmen, dass wie im Lateinischen durchweg, so auch im Griechischen vor Alters eine Mischung des Potential und Conjunctiv eingetreten seit), von der uns im Gebrauch derartiger Formen 1) Vgl. die Vereinigung des Potential und Conjunctiv zu einem Modus im Latein (legam Conj., sim Optativ), auch die Erklärung des armenischen Futur aus dem Potential bei Bopp Vgl. Gr.?. Vorrede XV und Ba. 2. p. 371 ff. und bei Fr. Müller Beiträge zur Conjugation des armenischen Verbum in Sitzungsber. der Wien. Ak. Se phil.-hist. Cl. XIMI, 337; ferner die Vertauschung beider Modi im Sskr. (Pänini, II. Es 4. 7) und gegenüber der Verwendung des erstren zum Ausdruck des Futur (leges ~ u. s. w.) die, wie bemerkt, ebenfalls ihre Analogie im Sskr. hat, auch die in den = Veden erscheinende Verwendung des Conjunctivs zu demselben Zweck (vgl. z. B. ' Anm. 1234 zu meiner Uebersetzung des Rigveda im Or. und Occ. II, S. 154), welche noch viel weiter im Zend ausgedehnt ist, so dass hier der Conjunctiv und Potential. das fast ausgestorbene Futurum ersetzen. ee we L2 ao Ip BENFEY, ein Rest erhalten ist. Es liegt diese Vermuthung um so näher, da sich vorzugs- weise durch diese Annahme der Verlust des Conjunctiv Imperfecti und des präsentiven Potentials im Griechischen und des letzteren auch im Sanskrit erklären würde. Ich habe im Bisherigen nur einige Doppel- und Neßehfonmen in Be- tracht gezogen, welche dem Gebiete der Grammatik, der Formation, ange- hören. Eben so belehrend und theilweise noch interessanter würde die Erwägung der vielfachen doppelten und mehrfachen Ausdrücke für den materiellen Theil der Sprache sein, welche ursprünglich in mehr oder weniger verschiedener Bedeutung neben einander existirten, dann sich in ihren Bedeutungen immer näher rückten und in Folge davon die einen die andern ganz verdrängten oder sich mit ihnen zu einem Flexionssysteme verbanden; so fing schon vor der Sprachtrennung das Verbum, welches im Sekt, spag lautete, an das Verbum darg zu verdrängen, so dass z. B. im Latein keine Spur desselben mehr existirt; im Sskr. vereinigen sich aj und ei zu einem Verbalsystem; im Lateinischen fer und tul (tla), Althochdeutschen hat schon tragan (eigentlich ‘befestigen’ sskr. dark in driddha ‘fest’ driñh ‘fest machen’, zend. darez mit der Präfix á ‘binder, slav. apskaru ‘halten’, russ. sepxame ‘halten’, goth. dragan ‘aufladen’ “tragen’) das noch im Gothischen in seiner eigentlichen Bedeutung beste- hende beran (goth. bairan) aus dieser verdrängt. Am interessantesten ist hier die Geschichte der Verba as ‘sein’ und Abu ursprünglich ‘ werden’, welche, wie man deutlich nachweisen kann, ursprünglich beide vollbe- rechtigt und zu jeder aus Verben entwickelbaren Bildung fähig waren, nach und nach aber sich einander immer mehr bedrängten und verdräng- ten, bis vom zweiten in unsrer Muttersprache nur noch zwei Formen | ‘bin, bist übrig geblieben sind. Doch für jetzt genug hiervon; es wird sich mir vielleicht bald eine andre Gelegenheit bieten, darauf zurück- zukommen.