ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ا ا ZU GÖTTINGEN. EINUNDZWANZIGSTER BAND VOM JAHRE 1876. MIT 5 TAFELN. GÖTTINGEN, IN DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG, 1876. Mo. Bot. Garden, 101. Göttingen Druck der Dieterichschen Univ. - Buchdruckerei. W.Fr. estner. Vorrede Der vorliegende Bd. XXI. der Schriften der Königlichen Ge- sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen enthält die in dem J. 1876 in den Sitzungen derselben vorgetragenen oder vorge- legten Abhandlungen. Die der Societät mitgetheilten kleineren Arbeiten sind in dem Jahrgange 1876 der „Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität“ veröffentlicht worden. Es wurden folgende Abhandlungen und kleinere Mittheilungen vorgetragen oder vorgelegt: Am 8. Jan. Am 5. Febr. Wüstenfeld, die Dynastie der Ichschiden in Aegypten und Syrien. Bd. XXI Wieseler, einige Bemerkungen über die Darstellung der Berggottheiten in der classischen Kunst. Nn. 53%. Nöldeke, Karkemisch, Circesium und andere Euphrat-Ueber- gänge. Nn. 1. Holle, über die Vegetationsorgane der Marattiaceen und über einen mikroskopischen Zeichenapparat. Nn. 16. Dillner, Entwicklung von Formeln zum Abelschen Theo- rem. Nn. 29. Anzeige die Gauss’schen Werke betreffend. Nn. 87. Schwarz, über Minimalflächen, mit Vorzeigung von Modellen. Schubert, über die fünfpunktigen Tangenten einer Fläche nter Ordnung. Nn. 89, *( Nn. bedeutet „Nachrichten 1876“ mit der Seitenzahl. az Am 4. März, Am 14. März. Am 8. April. Am 6. Mai. VORREDE. Falkenberg, über das secundäre Dickenwachsthum von Mesembryanthemum. Nn. 99. Ludwig, Beiträge zur Anatomie der Crinoideen. Nn. 105. Benfey, die Quantität hiedenheiten in den Samhitä- und Pada-Texten der Veden. Bd. XXI. Holtz, einige wesentliche Verbesserungen an einfachen und zusammengesetzten Influenzmaschinen. Nn. 133. Fromme, über die Constitution des Stahls und deren Zu- sammenhang mit seiner Magnetisirbarkeit. Nn. 157. Waitz, Bericht über dendritten Verwaltungszeitraum der We- dekindschen Preisstiftung für deutsche Geschichte. Nn. 177. Kuhnt, Beitrag zur Anatomie der markhaltigen peripheren Nervenfaser. Nn. 189. Hübner, Mittheilungen aus dem Universitäts-Laboratorium. (1. Metanitrobenzanilid aus Benzanilid. 2. Orthonitrace- tanilid aus Acetanilid. 3. Nitrirung des Nitrobenzanilids. 4. Natur der Bibrombenzoösäuren. 5. Parabrom - meta- brom-nitro-benzoesäure und Abkömmlinge. 6. Paranitro- monobrombenzanilid etc. 7. Verhalten der Bernsteinsäure zum Anilin und Toluidin. 8. Von Mesitylen aus Toluol abgeleitete Verbindungen. 9. Dinitrosuccinanilid. 10. Suc- cinnaphtylamine. 11. Metaamidobenzanilid. 12. Anhy- drobenzoyldiamidobenzole). Nn. 193. Kohlrausch, über das Leitungsvermögen der in Wasser gelösten Elektrolyte im Zusammenhang mit der Wande- rung ihrer Bestandtheile. Nn. 213. Riecke, Ueber die Bewegung der Electrieität in körper- lichen Leitern, insbesondere in einer leitenden Kugel. Nn. 224 und Bd. XXI. | Bjerknes, über die Druckkräfte, die durch verschiedene, mit Contractionen und Dilatationen verbundene Bewegun- gen von kugelförmigen, innerhalb einer incompressiblen Flüssigkeit befindlichen Körper entstehen. Nn. 245. Am 17. Juni. Am 1. Juli. ba Fe en E Ar ETT Am 5. Aug. Am 4. Novemb. VORREDE. V Zoeller, Schwefelkoklenstoff als Conservirungs- und Des- infectionsmittel. Nn. 237. Hübner u. Frerichs, über die Einwirkung von Jodeyan auf Amide. Nn. 292. Schwarz, Worzeigung zweier Cartonmodelle von zwei spe- ciellen Minimalflächen. Benfey, die zwei tönenden Zischlaute der arischen Periode und des ältesten Sanskrits. Nn. 297. Derselbe, amata, jäjhjhatis, Rigveda V. 52, 6. Nn. 324. Riecke, zur Theorie der unipolaren Induction und der Plückerschen Versuche. Nn. 332. Ludwig, Beiträge zur Anatomie der Crinoideen. 11. Nn. 353. v. Ihering, zur Physiologie und Histologie des Centralner- vensystems von Helix pomatia. Nn. 361. Ehlers, zur Kenntniss der minirenden Bryozoen. Bd. XXI. Schwarz, über die von H. Weber und R. Dedekind heraus- gegebenen Werke Riemann’s. Zoeller, Mittheilung II über Schwefelkohlenstoff als Con- servirungsmittel.e Nn. 370. Die Gauss’schen Werke betreffend. Nn. 369. Benfey, ri bezeichnet in den Veden sowohl den kurzen als den langen Vokal. Nn. 405. Derselbe, nediyans, nédishtha. Nn. 445. Derselbe, das indogermanische Thema des Zahlworts ‘zwei’ ist DU. Bd. XXI. Brugsch, über die Libyschen Völker im 14. Jahrhundert vor Christus. Bd. XXII. : Derselbe, die Siegesinschrift Königs Pi-anchi von Aethio- pien. Nn. 457. Unger, zur Geschichte der Schlangensäule zu Constanti- nopel. Nn. 397. Wöhler, über das Verhalten des Palladiums in der Al- koholflamme. Nn. 489. VI VORREDE. Holtz, Corresp., Ideen zur Umgestaltung der Reibzeug- Electrisirmaschine. Nn. 494. Schubert u. Hurwitz, über einen Chasles’schen Satz. Nn. 103. (Vorgel. von Stern). Spangenberg, über Bau und Entwickelung der Daphniden. Nn. 517. Benfey, ist Rigveda VII. 44, 3 mawcatör oder mäsccatör in der Samhitä zu lesen? Nn. 537. Am2.Decemb. Feier des Stiftungstages der K. Gesellschaft und Jahres- bericht. Nn. 541. Listing, Erinnerung an Sartorius von Waltershausen. Nn. 547. Pauli, das Buch von der englischen Staatskunst aus dem XV. Jahrhundert. Nn. 559. Benfey, ist Rigveda III. 53, 19 spandane oder syandane, Rigv. IV. 3, 10. aspandamäno oder dsyandamäno zu lesen? Nn. 581. Derselbe, wie kam der Verfasser des 1sten Värttika zu Pûnini VII. 3, 87 dazu eine Wurzel späe mit langem © anzu- nehmen? Nn. 621. Derselbe, gvanin oder erof 7 N. 644. Enneper, über einige Flächen von constantem Krümmungs- maass. Nn. 597. Ä Ludwig , zur Anatomie des Rhizocrinus lofotensis. (Vor- gelegt von Ehlers). Nn. 675. 5 Die für den November d. J. von der mathematischen Classe gestellte Preisfrage hat einen Bearbeiter nicht gefunden. Für die nächsten drei Jahre werden von der K. Societät folgende Preisaufgaben gestellt: Für den November 1877 von der historisch -philologi- schen Classe: Die K. Societät verlangt, daß gezeigt werde, was die bildenden und zeichnenden Künste bei den Griechen und Italern den Künsten der Nichtgriechen und Nicht- e, e RE SÉ "E STEE ا 7 ال‎ E E RRC VORREDE. VH italer verdanken, und hin wiederum, wo sie außerhalb der Griechischen und Itali- schen Länder Wurzel getrieben und wiefern sie einen Einfluß auf die Entwickelung der Künste bei Nichtgriechen und Nichtitalern gehabt haben. Für den November 1878 von der physikalischen Classe: Die Fragen, ob und welche besondere Wirkungen auf den thierischen Orga- nismus das Athmen in reinem Sauerstoffgase von der dem gewöhnlichen Luftdruck entsprechenden Dichtigkeit hat, sind durch die bisher hierüber angestellten Unter- suchungen nicht mit befriedigender Uebereinstimmung beantwortet; es werden daher neue Untersuchungen, sowohl an homoiothermen, als auch, so weit thunlich, an poikilothermen Thieren gewünscht, bei denen neben etwa äußerlich am Thier wahr- nehmbaren Erscheinungen ganz besonders die Beschaffenheit des Blutes und des Stoffwechsels (Kohlensäure- Ausscheidung, Beschaffenheit des Harns) iws Auge zu fassen sind; mit Rücksicht auf gewisse Angaben wird die Reinheit des anzuwen- denden Sauerstoffgases von allen bei dessen Bereitung etwa zugleich auftretenden fremdartigen Stoffen sorgfältig zu beachten sein, während eine vielleicht kaum zu vermeidende, in engen Grenzen zu haltende Beimengung von atmosphärischem Stickstoff dem Sinn der Aufgabe nicht entgegentreten würde. Für den November 1879 von der mathematischen Classe: H Während in der heutigen Undulationstheorie des Lichtes neben der Voraus- setzung transversaler Oscillationen der Aethertheilchen das mechanische Princip der Üoöxistenz kleiner Bewegungen zur Erklärung der Polarisations- und der Interferenz-Erscheinungen genügt, reichen diese Unterlagen nicht mehr aus, wenn es sich um die Natur des unpolarisirten oder natürlichen Lichtes, oder aber um den Conflict zwischen Wellenzügen handelt, welche nicht aus derselben Lichtquelle stammen. Man hat den Mangel durch die Voraussetzung einer sogenannten großen Periode von innerhalb gewisser Grenzen regelloser Dauer abzuhelfen gesucht, ohne. nähere erfahrungsmäßige Begründung dieser Hülfsvorstellung. Die Königliche Docietät wünscht die Anstellung neuer auf die Natur des unpolarisirten Lichtstrahls gerichteter Untersuchungen, welche geeignet seien, die auf natür- liches Licht von beliebiger Abkunft bezüglichen Vorstellungen hinsichtlich ihrer Bestimmtheit denen nahe zu bringen, welche die Theorie mit den verschiedenen Arten polarisirten Lichtes verbindet. Die Concurrenzschriften müssen vor Ablauf des Septembers VI VORREDE. der bestimmten Jahre an die K. Gesellschaft der Wissenschaften portofrei eingesandt sein, begleitet von einem versiegelten Um- schlag, welcher den Namen und Wohnort des Verfassers enthält und auswendig mit dem Motto zu versehen ist, welches auf dem Titel der Schrift steht. 27 3 E In einer besonderen Sitzung erstattete Herr @. Waits Be- richt über den dritten Verwaltungszeitraum der Wedekind’schen Preisstiftung für deutsche Geschichte Er findet sich in den Nachrichten von diesem Jahre veröffentlicht. Bezüglich der Gauss’schen Werke hat die K. Societät in den Nachrichten bekannt gemacht, dass sie sich veranlasst gese- hen hat, den im December 1875 veröffentlichten, bis jetzt noch nicht zur Ausführung gekommenen Beschluss über die Vertriebs- weise und den Preis dieser Werke abzuändern und die bisherigen Subscriptionspreise bis auf Weiteres bestehen zu lassen. Eine zweite Anzeige betrifft die Nachträge zur zweiten Auflage des H. Bandes. Das Directorium der K. Societät ist zu Michaelis d. J. von Herrn Weber in der mathematischen auf Herrn Wüstenfeld in der historisch -philologischen Classe übergegangen. Einem Rufe nach Berlin folgend ist Herr Geheimeregierungs- rath Georg Waitz, seit 1849 hiesiges ordentliches Mitglied, zum lebhaftesten Bedauern der Societät aus deren Mitte geschieden. Die Societät betrauert den Tod ihres ordentlichen Mitgliedes Wolfgang Sartorius von Waltershausen, Professors der Mineralogie und Geologie. Er starb am 16. October 0. .ل‎ im fast vollendeten 67. Lebensjahre. Von ihren auswärtigen Mitgliedern und Correspondenten verlor sie in diesem Jahre durch den Tod: VORREDE. IX Den Schöpfer der Infusorienkunde Geheimerath Christian Gottfried Ehrenberg in Berlin. Gestorben am 27. Juni im 82. Jahre. Den Director des botanischen Gartens und Professor der Botanik Adolph Brongniart i in Paris. Gest. am 18. Februar im 75. Jahre. Den Geheimerath und Professor der altindischen Sprache und Literatur Christian Lassen in Bonn. Gest. 8. Mai im 76. J. Den Geheimerath und Professor der romanischen Philologie Friedrich Diez in Bonn. Gest. 29. Mai im 82. J. Den OÖberregierungsrath und Oberbibliothekar ©. H. Pertz in Berlin. Gest. 7. October im 82. J. Den Geheimerath und Professor der classischen Philologie Friedrich Ritschl in Leipzig, gest. am 8. November im 71. J. Den Geheime Bergrath Heinrich Credner in Halle. Gest. 28. September. Den böhmischen Geschichtsforscher Franz Palacky in Prag Gest. 26. Mai im 78. J. Den Professor der indischen Sprachen Martin Haug in Mün- chen. Gest. 3. Juni im 50 J. Von der K. Societät neu erwählt wurden Zu hiesigen ordentlichen Mitgliedern: = “ee (phys. Classe. Seither Assessoren. Hr. Paul de Lagarde, histor. philol. CL Zu auswärtigen Mitgliedern: Hr. Joh. Jap. Sm. Steenstrup in Kopenhagen, seither Corr., Hr. Gabriel August Daubree in Paris, b VORREDE. ı Hr. Carl Wilhelm Borchardt in Berlin, seither Corr., Hr. Theodor Bergk in Bonn, seither Corr., Hr. August Friedrich Pott in Halle, Zu Correspondenten: . Hr. Eugen F. von Gorup-Desanez in Erlangen, Hr. Ignacio Domeyko in Santjago de Chile, Hr. William Huggins in London, Hr. Joseph Norman Lockyer in London, Hr. Joseph Anton Ferdin. Plateau in Gent, Hr. Heinrich Brunn in München, Hr. Stephanos Oumanudes in Athen, Hr. Reginald Stuart Poole in London, Hr. Julius Oppert in Paris Göttingen im December 1876. F. Wöhler. Verzeichniss der Mitglieder der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Januar 1877. Ehren-Mitglieder. Peter Merian in Basel, seit 1862. Adolph von Warnstedt in Göttingen, seit 1867. Johann Jacob Baeyer in Berlin, seit 1867. Freiherr F. H. A. von Wangenheim auf Waake, seit 1868, Graf Sergei Stroganoff in St. Petersburg, seit 1870. Ignatz von Döllinger in München, seit 1872, , Michele Amari in Rom, seit 1872. Joachim Barrande in Prag, seit 1873. Giuseppe Fiorelli in Neapel, seit 1873. Ordentliche Mitglieder. Physikalische Classe. C. F. H. Marx, seit 1833. F. Wöhler, seit 1837. Beständiger Secretär seit 1860. A. Grisebach, seit 1851. F. G. J. Henle, seit 1853. G. Meissner, seit 1861. E. Ehlers, seit 1874. C. von Seebach, seit 1876. (Assessor seit 1864.) | H. Hübner, seit 1876. (Assessor seit 1871.) 0 Mathematische Classe. | W. E. Weber, seit 1831. G. C. J. Ulrich, seit 1845. J. B. Listing, seit 1861. M. Stern, seit 1862. E. Schering, seit 1862. (Assessor seit gege C. H. A. Schwarz, seit 1875. XII . VERZEICHNISS DER MITGLIEDER ` Historisch-philologische Classe. C. Hoeck, seit 1841. H. F. Wüstenfeld, seit 1856. (Assessor seit 1841.) H. Sauppe, seit 1857. J. E. Wappäus, seit 1860. (Assessor seit 1851.) Th. Benfey, seit 1864. F. Wieseler, seit 1868. H. Brugsch, seit 1869. G. Hanssen, seit 1869. G. R. Pauli, seit 1875. P. de Lagarde, seit 1876. Assessoren. Physikalische Classe. E. F. 6. Herbst, seit 1835. C. Boedeker, seit 1857. W. Krause, seit 1865. W. Henneberg, seit 1867. W. Marme&, seit 1871. Mathematische Classe. E. F. W. Klinkerfues, seit 1855. A. Enneper, seit 1865. E. Riecke, seit 1872. Historisch -philologische Classe. A. Fick, seit 1869. Auswärtige Mitglieder. Physikalische Classe. Jean Baptiste Dumas in Paris, seit 1851. (Correspondent seit 1849.) Ernst Heinrich Weber in Leipzig, seit 1851. Robert Bunsen in Heidelberg, seit 1855. Richard Owen in London, seit 1859. August Wilh. Hofmann in Berlin, seit 1860, H. Milne Edwards in Paris, seit 1861. Hermann Kopp in Heidelberg, seit 1863. (Corresp. seit 1855.) DER KÖNIGL. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XIM Carl Theodor von Siebold in München, seit 1864. (Corresp. seit Gr Michel Eugene Chevreul in Paris, seit 1865. Joseph Dalton Hooker zu Kew bei London, seit 1865. Theod. Ludw. Wilh. Bischoff in München, seit 1866. (Corresp. seit 1853.) Hermann Helmholtz in Berlin, seit 1868. (Corresp. seit 1856.) Henri Sainte Claire Deville in Paris, seit 1869. (Corresp. seit 1856.) Franz von Kobell in München, seit 1870. (Corresp. seit 1861.) Ernst Heinrich Carl von Dechen in Bonn, seit 1871. Carl Claus in Wien, seit 1873. (Zuvor hies. ordentl. Mitgl. seit 1871.) Eduard Frankland in London, seit 1873. . William Sharpey in London, seit 1874. (Corresp. seit 1868.) Max von Pettenkofer in München, seit 1874 Alex. William Williamson in London, seit 1874. James Dwigt Dana in Newhaven, seit 1874. Alexander Braun in Berlin, seit 1875. (Corr. seit 1861.) Joh. Jap. Sm. Steenstrup in Kopenhagen, seit 1876. (Corr. seit 1860.) Gabriel August Daubr&e in Paris, seit 1876. Mathematische Classe. U. J. Leverrier in Paris, seit 1846. George Biddel Airy in Greenwich, seit 1851. Joseph Liouville in Paris, seit 1856. E. Kummer in Berlin, seit 1856. (Corresp. seit 1851.) F. E. Neumann in Königsberg, seit 1856. Henri Vietor Regnault in Paris, seit 1859. William Hallows Miller in Cambridge, seit 1859. Edward Sabine in London, seit 1862. (Corresp. seit 1823.) Richard Dedekind in Braunschweig, seit 1862. (Corresp. seit 1859.) Aug. Robert Kirchhoff in Berlin, seit 1862. Heinrich Wilhelm Dove in Berlin, seit 1864. (Corresp. seit 1849.) Johann Christian Poggendorff in Berlin, seit 1864. (Corresp. seit 1854.) William Thomson in Glasgow, seit 1864. (Corresp. seit 1859.) - Ferdinand Reich in Freiberg, seit 1864. Heinrich Buff in Giessen, seit 1865. (Corresp. seit 1842.) Carl Weierstrass in Berlin, seit 1865. (Corresp. seit 1856.) Enrico Betti in Pisa, seit 1865. Leopold Kronecker in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1861.) Carl Neumann in Leipzig, seit 1868. (Corresp. seit 1864.) XIV VERZEICHNISS DER MITGLIEDER Francesco Brioschi in Mailand, seit 1870. (Corresp. seit 1869.) Arthur Cayley in Cambridge, seit 1871. (Corresp. seit 1864.) Carl Aug. Friedr. Peters in Kiel, seit 1874. (Corresp. seit 1851.) Charles Hermite in Paris, seit 1874. (Corresp. seit 1861.) Ludwig Fuchs in Heidelberg, seit 1875. (Zuvor hies. ord. Mitgl. seit 1374.) Carl Wilhelm Borchardt in Berlin, seit 1876. (Corresp. seit 1864.) Historisch - philologische Classe. Leopold von Ranke in Berlin, seit 1851. Justus Olshausen in Berlin, seit 1853. Georg Friedr. Schömann in Greifswald, seit 1860. (Corresp. seit 1850.) Samuel Birch in London, seit 1864. Theodor Mommsen in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1857.) Richard Lepsius in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1860.) Ernst Curtius in Berlin, seit 1868. (Zuvor hies. ordentl. Mitglied seit 1856.) George Bancroft in Washington, seit 1868. Franz Miklosich in Wien, seit 1868. Ludolph Stephani in St. Petersburg, seit 1869. Wilhelm von Giesebrecht in München, seit 1871. (Corresp. seit 1863.) Carl Hegel in Erlangen, seit 1871. (Corresp. seit 1857.) Heinrich von Sybel in Bonn, seit 1871. (Corresp. seit 1863.) Johann Nicolaus Madvig in Kopenhagen, seit 1871. Rudolph Roth in Tübingen, seit 1872. (Corresp. seit 1853.) August Dillmann in Berlin, seit 1872. (Corresp. seit 1857.) Sir Henry Rawlinson in London, seit 1872. Alfred Ritter von Arneth in Wien, seit 1874. (Corresp. seit 1870.) Max Duncker in Berlin, seit 1874. Heinrich Lebrecht Fleischer in Leipzig, seit 1875. Georg Waitz in Berlin, seit 1876. (Zuvor hies. ord. Mitgl. seit 1849.) Theodor Bergk in Bonn, seit 1876. (Corr. seit 1860.) August Friedrich Pott in Halle, seit 1876. Correspondenten. Physikalische Classe. E. Eichwald in St. Petersburg, seit 1841. Robert Willis in London, seit 1844. Hermann Stannius in Rostock, seit 1850. Theodor Schwamm in Lüttich, seit 1853. K DER KÖNIGL. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. Wilhelm Duncker in Marburg, seit 1853. L. Zeusehner in Warschau, seit 1857. Johannes Hyrtl in Wien, seit 1859. Nicolai von Kokscharow in St. Petersburg, seit 1859. Rudolph Leuckart in Leipzig, seit 1859. Alfred Wilh. Volkmann in Halle, seit 1860. F. H. Bidder in Dorpat, seit 1860. Carl Schmidt in Dorpat, seit 1860. F. C. Donders in Utrecht, seit 1860. Bernhard Studer in Bern, seit 1860. Heinrich Limpricht in Greifswald, seit 1860. (Assessor seit 1857.) Frost Brücke in Wien, seit 1861. Emil du Bois Reymond in Berlin, seit 1861. Carl Ludwig in Leipzig, seit 1861. Archangelo Scacchi in Neapel, seit 1861. Quintino Sella in Rom, seit 1861. Thomas H. Huxley in London, seit 1862. Albert Kölliker in Würzburg, seit 1862. Ferdinand Römer in Breslau, seit 1862. Charles Upham Shepard in Amherst, V. St., seit 1862. Alexander Ecker in Freiburg, seit 1863. Bernhard von Cotta in Freiberg, seit 1864. Alvaro Reynoso in Havanna, seit 1865. Ferdinand Müller in Melbourne, seit 1867. Anton Geuther in Jena, seit 1867. A. L. Descloizeaux in Paris, seit 1868. Asa Gray in Cambridge, V. St., seit 1868. Jean Charles Marignac in Genf, seit 1868. Alex Theodor von Middendorff auf Hellenorm bei Dorpat, seit 1868. Adolph Wurtz in Paris, seit 1868. August Kekul& in Bonn, seit 1869. Robert Mallet in London, seit 1869. Wilhelm Hofmeister in Tübingen, seit 1870. Carl Friedrich Rammelsberg in Berlin, seit 1870. Adolf Erik Nordenskjöld in Stockholm, seit 1871. Anton de Bary in Strassburg, seit 1872. Eduard Pflüger in Bonn, seit 1372. Wilh. Philipp Schimper in Strassburg, seit 1872. AN XVI VERZEICHNISS DER MITGLIEDER J. S. Stas in Brüssel, seit 1873. Henry Enfield Roscoe in Manchester, seit 1874. Johann Strüver in Rom, seit 1874. Ferdinand von Hochstetter in Wien, seit 1875. Ferdinand von Richthofen in Berlin, seit 1875. Wyville Thomson in Edinburgh, seit 1875. Eugen F. von Gorup-Besanez in Erlangen, seit 1876. Ignacio Domeyko in Santjago de Chile, seit 1876. Mathematische Classe. Humphrey Lloyd in Dublin, seit 1843. John Couch Adams in Cambridge, seit 1851. Thomas Clausen in Dorpat, seit 1854. Ludwig Seidel in München, seit 1854. Georg Rosenhain in Königsberg, seit 1856. Peter Riess in Berlin, seit 1856. John Tyndall in London, seit 1859. Julius Schmidt in Athen, seit 1862. Andreas von Ettingshausen in Wien, seit 1864. Wilhelm Gottlieb Hankel in Leipzig, seit 1864. Philipp Gustav Jolly in München, seit 1864. Carl Hermann Knoblauch in Halle, seit 1864. Georg Gabriel Stokes in Cambridge, seit 1864. James Joseph Sylvester in Woolwich, seit 1864. Heinrich Eduard Heine in Halle, seit 1865. Rudolph Jul. Emmanuel Clausius in Bonn, seit 1866. Erik Edlund in Stockholm, seit 1866. Georg Quincke in Heidelberg, seit 1866. Charles Briot in Paris, seit 1867. Benj. Apthorp Gould in Cambridge, V. St., seit 1867. Rudolph Lipschitz in Bonn, seit 1867. Benjamin Peirce in Cambridge, V. St., seit 1867. . Siegfried Aronhold in Berlin, seit 1869. E. B. Christoffel in Strassburg, seit 1369. Luigi Cremona in Mailand, seit 1869. Wilh. Theod. Bernhard Holtz in Greifswald, seit 1869. George Salmon in Dublin, seit 1869. H. A. Schwartz in Zürich, seit 1869. DER KÖNIGL. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. Friedrich Kohlrausch in Darmstadt, seit 1870. (Assessor seit 1867.) Paul Gordan in Erlangen, seit 1870. Hermann Grassmann in Stettin, seit 1871. Ludwig Schlaefli in Bern, seit 1871. ‚Arthur Auwers in Berlin, seit 1871. Felix Klein in Erlangen, seit 1872. Sophus Lie in Christiania, seit 1872. August Mayer in Leipzig, seit 1872. C. A. Bjerknes in Christiania, seit 1873. J. Thomae in Freiburg B., seit 1873. Leo Königsberger in Dresden, seit 1874. Wilhelm Förster in Berlin, seit 1874. Bernhard Minnigerode in Greifswald, seit 1874. Eugenio Beltrami in Bologna, seit 1875. August Kundt in Strassburg, seit 1875. Johann Malmsten in Mariestad, seit 1875. James Clerk Maxwell in Cambridge, seit 1875. Heinrich Weber in Königsberg, seit 1875. William Huggins in London, seit 1876. Joseph Norman Lockyer in London, seit 1876. Joseph Anton Plateau in Gent, seit 1876. Historisch philologische Classe. F. E. G. Roulez in Gent, seit 1841. Adolph Fried. Heinr. Schaumann in Hannover, seit 1853. Joh. Gust. Droysen in Berlin, seit 1857. Wilh. Henzen in Rom, seit 1857. G. C. F. Lisch in Schwerin, seit 1857. A. B. Rangab& in Athen, seit 1857. B. von Dorn in St. Petersburg, seit 1859. L. P. Gachard in Brüssel, seit 1859. Johann Gildemeister in Bonn, seit 1859, Carl Bötticher in Berlin, seit 1860. Georg Curtius in Leipzig, seit 1860. K. Lehrs in Königsberg, seit 1860. Giovanni Battista de Rossi in Rom, seit 1860. Leonhard Spengel in München, seit 1860. Heinrich Ludolph Ahrens in Hannover, seit 1861. XVII XVII VERZEICHN. D. MITGLIEDER D. K. GESELLSCH. D. WISSENSCHAFTEN, ` Max Müller in Oxford, seit 1861. Arnold Schäfer in Bonn, seit 1861. Friedr. Ferdin. Carlson in Stockholm, seit 1863. Ludwig Lange in Leipzig, seit 1863. Theodor Nöldeke in Strassburg, seit 1864. (Assessor seit 1860.) Hermann Bonitz in Berlin, seit 1865. Jacob Burckhardt in Basel, seit 1865. Adolph Kirchhoff in Berlin, seit 1865. Leo Meyer in Dorpat, seit 1865. (Assessor seit 1861.) Matthias de Vries in Leiden, seit 1865. Wilhelm Wattenbach in Berlin, seit 1865. Jean de Witte in Paris, seit 1865. Leopold Victor Delisle in Paris, seit 1866, Julius Fieker in Innsbruck, seit 1866. Jacob Bernays in Bonn, seit 1867. Ernst Dümmler in Halle, seit 1867. Wilhelm Nitzsch in Berlin, seit 1867. William Nassau Lees in Calcutta, seit 1868. Theodor Sickel in Wien, seit 1868. William Wright in London, seit 1868. Theodor Aufrecht in Bonn, seit 1869. Ulrich Köhler in Athen, seit 1871.- Ludwig Müller in Kopenhagen, seit 1871. Carl Müllenhoff in Berlin, seit 1871. E. A. Freemann zu Sommerleaze, Engl., seit 1872. M. J. de Goeje in Leiden, seit 1872. Giulio Minervini in Neapel, seit 1872. William Stubbs in Oxford, seit 1872. Xavier Heuschling in Brüssel, seit 1874. Friedrich Stumpf in Innsbruck, seit 1874. Alexander Conze in Wien, seit 1875. Ferdinand Justi in Marburg, seit 1875. Heinrich Brunn in München, seit 1876. Stephanos Cumanudes in Athen, seit 1876. Reginald Stuart Poole in London, seit 1876. Julius Oppert in Paris, seit 1876. k E d E LH HH BT A Vorrede. Verzeichniss der Mitglieder der K. Gesellschaft der Wiss. zu Göttingen Januar 1877. Physikalische Classe. F. Ehlers, Hypophorella expansa. Ein Beitrag zur Kenntniss der mini- renden Bryozoen. Mathematische Classe. E. Riecke, über die Bewegungen der Elektricität in körperlichen Leitern, insbesondere über elektrische Schwingungen in einer leitenden Kugel. Historisch-philologische Classe, F. Wüstenfeld, die Statthalter von Aegypten zur Zeit der Chalifen. 3. Abtheilung. F. Wüstenfeld, die Statthalter von Aegypten zur Zeit der Chalifen. 4. Abtheilung. Th. Benfey, die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitä- und Pada- Texten der Veden. Th. Benfey, das Indogermanische Thema des Zahlworts ‘Zwei’ ist DU. inhalt pag. Einleitendes . . dG N | Der Bryozoenstock fü ausgehfldeten Zustande اده‎ rb Die Glieder des Stockes . . í ee 9 ee el A , .. ...v. n E 9 الك‎ EE KE EE EE, E Cp Se E SS `. . . ,. . ee el كب ادا كم او‎ NEE e ge EE EE e EE E Darmiractas `. NS ee A Die Tentakelschede , . . RE a Re EE Der Darm. iS CT ee d Schlundkopf und Tentakelkrone . . . 2... a ei ee Miitel- und Enddarm ee nn 47 leg ودر ل ند ,ل ايه‎ a Ber eu.) ee DEE Die Bewegung des Darmitractus , . . . area Sd Dan ONUR 2.5. sun. 1 TS Des Heer E 000 u Die Fortpflanzung . . - . een 67 Die geschlechtliche Fortpflansunk Cl Ca. iR Die Knospung . een. 77 Die Knospung der Stengelglieder ge. DB Die Knospung der Nährthiree . . . .... -n S Y DE هل امسر‎ aT ere 115 een EE وود‎ ABHANDLUNGEN DER PHYSIKALISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. EINUNDZWANZIGSTER BAND. Physikalische Classe. XXI. 1. A ba rain ا كو‎ a eg Hypophorella expansa. Ein Beitrag zur Kenntniss der minirenden Bryozoen. Von E. Ehlers. Vorgelegt in der Königl. Ges. 0. Wiss. am 1. Juli 1876. Bei einer Untersuchung über die Beschaffenheit der Röhren, welche Terebella conchylega sich als Wohnsitz erbaut, zogen eigenthümlich ge- ringelt erscheinende fadenförmige Gebilde, welche in der Dicke der Röhrenwand in unregelmässiger Weise eingebettet über grosse Strecken sich erstreckten, meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie fesselten mich mehr noch, als ich bald erkannte, dass es sich hier um Bryozoen handle, welche mit ihren ausgedehnten Colonien in der Wand der Wurmröhre sich angesiedelt hatten, denn ich wusste, dass unsere Kenntnisse von derartig minirenden Bryozoen eine nur geringe sei. So ging ich an die Untersuchungen, welche ich an den lebenden Thieren im August und September 1874 auf Spiekeroog begonnen, im Mai und September 1875 an der gleichen Küste fortgesetzt, und in einzelnen Punkten von unter- geordneter Bedeutung hier in Göttingen an einem in schwacher Chrom- säure conservirten Materiale vervollständigt habe. Ich nenne das Thier, welches meines Wissens unbeschrieben ist, Hypophorella!) expansa. Die Terebella conchylega, in deren Röhren diese Bryozoen minirend ihre Wohnung aufschlagen, findet sich auf den sandigen Küsten der 1) önogogd, € ein fistulöses Geschwür. A2 4 E. EHLERS, Nordsee, häufiger im Bereich der Watten als der eigentlichen Meer küste; am meisten in der Region, welche zur Ebbezeit regelmässig fre läuft, doch auch da, wo nur bei selten eintretender Tiefebbe, wie das in einem eclatanten Beispiele bestätigen konnte, der Meeresboden zu Tage tritt. Die Röhren ragen, sobald sie normal ausgebaut sind, mit einem kurzen Endstücke, welches die von fransenartigen Anhängen um- gebene Oeffnung trägt, über den Boden hinaus, in dessen Tiefe sie meist | gerade abwärts gerichtet mit dem bei weitem grössten Theile eindringen, schlammige Schichten oder festen thonigen Grund in gleicher Weise wie den Sandboden durchsetzend. Die Bryozoen fand ich vorwiegend in dem innerhalb des Bodens steckenden Theile der Röhre, niemals in. den Anhängen an der Röhrenmündung, sowohl in Röhren, welche von ihrem Erbauer noch bewohnt, wie in solchen, welche leer waren; auch i in leeren Röhren, welche oft in grosser Menge am Strande angespült werden, fand ich gelegentlich die Bryozoen noch lebend. = Die Untersuchung hatte in sofern mit einer gewissen äusseren Schwie- rigkeit zu kämpfen, als es zunächst darauf ankam, die Röhrenwand von ّْ den mannigfach fest auf- und angekitteten Sandkörnern und Fragmenten der verschiedenartigsten Hartgebilde zu befreien, ohne sie zu sehr zu “zerren, weil dadurch die etwa angesiedelten Thiere zerstört wurden. Ich habe kein anderes Mittel dafür ausfindig gemacht, als das von An- fang an verwendete: von einem flach ausgebreiteten Stücke der gespal- tenen Wurmröhre zunächst alle locker anhaftenden Stücke durch sorg- fältiges Schaben mit einer kleinen Messerklinge zu entfernen und schliess- lich durch Abheben der einzelnen fester haftenden Theilchen mit feinen von allen anheftenden Theilen gereinigt sind, um so leichter ist nun in ausgeführt, so trifft man die Bryozoen nicht nur lebend an, sondern hat ein Präparat, in welchem sich bei genügendem Wasserwechsel die Thiere HYPOPHORELLA EXPANSA. 5 einige Tage lang am Leben erhalten lassen. — Sucht man die Röhren- wände ihrem geschichteten. Bau entsprechend in Lamellen zu spalten, so gelingt es wohl, die lang ausgedehnten Colonien frei zu erhalten‘; ich habe aber von dieser Methode wenig Vortheil gehabt, da bei einem völ- ligen Freilegen der Thiere diese meistentheils entweder durch Druck oder Zerrung beschädigt wurden, oder aus anderen nicht genau erkannten Ursachen rasch abstarben. Nach solchen Vorbereitungen wurde das von den Thieren bewohnte Röhrenstück derartig unter dem Microscope untersucht, dass zunächst das Hauptaugenmerk auf die Verhältnisse der lebenden durchsichtigen Thiere gerichtet wurde; daneben wurden die in der microscopischen Technik üblichen Methoden der Behandlung mit den gebräuchlichsten Reagentien angewendet. Leider aber konnte die sonst die besten Resultate bringende Schnittmethode nicht verwendet werden; wenigstens gaben die Versuche, die frei präparirten Thiere zu härten und eingebettet zu schneiden, so wenig günstige Resultate, dass ich weiterhin davon abstand, diese Methode zu verfolgen. Der Bryozoenstock im ausgebildeten Zustande. Der ausgebildete Bryozoenstock der Hypophorella setzt sich aus zweierlei ungleichen Gliedern zusammen, Individuen oder Personen, welche in regelmässiger Anordnung mit einander verbunden sind. Von diesen sind die einen darmlos und besitzen nur eine ungeschlechtliche Fortpflanzung, durch welche das Wachsthum des Stockes herbeigeführt wird, während die anderen Eingeweide, besonders einen ausgebildeten Darmtractus und Geschlechtsorgane besitzen, mit welchen aus befruch- teten Eiern Larven erzeugt werden; ungeschlechtliche Fortpflanzung kommt bei ihnen nur ausnahmsweise vor. Die darmlosen Glieder haben die Gestalt dünner und verhältnismässig langer Fäden, ich bezeichne sie als „‚Stengelglieder‘‘; die darmführenden Glieder sind urnen- oder flaschen- förmig gestaltet; ich nenne sie „Nährthiere“, Nach der Art ihres Zusam- menhanges untereinander bilden die Stengelglieder Stolonen, mit denen der Stock sich ausbreitet, sind die Nährthiere die vollentwickelten Per- 6 E. EHLERS, sonen des Stockes, welche von den Stolonen getragen werden. Der Ausgangspunkt des ganzen Stockes, oder, wenn man will, das Basalglied, von dem der Stock sich kriechend minirend zwischen den Schichten der Wurmröhrenwand ausbreitet, ist ein fadenförmiges Stengelglied; dieses erwuchs an demjenigen Ende, welches wir als das proximale bezeich- nen, aus einer Larve, in einer später zu betrachtenden Weise; an sein distales Ende schliesst sich in linearer Anordnung eine je nach der Ausdehnung des ganzen Stockes wechselnde Zahl gleichgestal- teter Stengelglieder an, die zusammen einen nur wenig gekrümmten oder geschlängelt verlaufenden, meist geradlinig vorwärtsziehenden Faden bilden, dessen distales Ende die jüngsten unausgebildeten Stengel- glieder darstellen. Von den einzelnen Gliedern dieses aus dem Wurzel- gliede hervorgehenden lang gestreckten fadenförmigen Stockes entsprin- gen, wenn wir die basalen und jüngsten terminalen Glieder ausnehmen, in regelmässiger Anordnung laterale Glieder, mit denen der Stock einer- seits weithin sich erstreckende, fadenförmig wie die Basalreihe gestaltete Reihen von Stengelgliedern aussendet, andererseits aber die flaschenför- mig gestalteten Nähr- und Geschlechtsthiere bildenden Glieder ‚erzeugt. Ein jedes Stengelglied kann an seinem, dann von der übrigen Strecke abweichend gestalteten distalen Ende zwei einander opponirte Glieder tragen, von denen das eine stets ein Nährthier, das gegenüberstehende | ein Stengelglied ist. In den Reihen der Stengelglieder sind nun aber | diese je seitlich abtretenden Glieder regelmässig so angeordnet, dass | an einem von Stengelgliedern gebildeten Stolo die und Nährthiere alternirend an den distalen Endst folgenden Träger stehen; so dass, Nährthier auf seiner rechten Seite ein solches auf seiner linken Seite distalen Enden neben einem later terminales Glied zu tragen, oder, lung sagen können, durch Knos des Stockes zukommt, Stockes das Bild eines lateralen Stengelglieder ücken ihrer aufeinander wenn ein proximales Stengelglied ein trägt, das nächstfolgende Stengelglied hat. Da nun die Fähigkeit, an den `: alen Nährthiere ein laterales so wie ۰ wie wir mit Rücksicht auf die Entwick- pung zu erzeugen, allen Stengelgliedern so würde daraus für die Form des gesammten . vielfach und dicht verästelten Fadenwerks mit in HYPOPHORELLA EXPANSA. 7 regelmässigen Abständen vertheilten flaschenförmigen Nährthieren ent- stehen. Bei der mikroskopischen Untersuchung erhält man aber keines- wegs sofort ein derartiges Bild, und zwar zunächst schon deshalb, weil man bei der Benutzung von Vergrösserungen, die man zur Erkennung der fadenförmigen Stöcke gebraucht, eine im Verhältniss zur Längen- ausdehnung der einzelnen Stengelglieder stets nur wenig ausgedehnte Fläche der bewohnten Röhrenwand zu übersehen vermag; wohl können bei gleichzeitiger Anwesenheit mehrerer Bryozoen-Stöcke im Gesichts- felde zahlreiche Stolonen neben und übereinander verlaufen, doch gewinnt man auch dadurch noch nicht die Vorstellung von dem regelmässigen Ge- füge des Stockes. Dass man verhältnissmässig grosse Räume mit dem be- waffneten Auge zu durchlaufen hat, wenn man den Ausbreitungen eines solchen Stockes nachgeht, ergiebt sich daraus, dass die einzelnen Stengel- glieder bis zu 5mm. lang werden können, mithin auf ein und derselben Seite einer Gliedreihe der Abstand zweier seitlich entspringender Stolonen dann 10 mm. beträgt. — Dazu kommt nun aber, um die völlig regelmässige Ausbildung eines Stockes zu verdecken, die ungleiche Entwicklung der fadenförmigen Glieder: ich habe in sehr vielen Fällen das einem Nähr- thiere entsprechende opponirte Stengelglied, während das erstere voll entwickelt war, kurz und wenig ausgebildet angetroffen; dadurch kommt eine gewisse Unregelmässigkeit in den Aufbau des ganzen Stockes hinein, und da sich das an einer Reihe hintereinander gelegener Glieder wie- derholt, ja vielleicht für eine gewisse Zeit der Stockentwicklung die Regel ist, so fällt für derartige Abschnitte die ausgedehnte Seitenver- zweigung fort, und so entstehen sehr lang fortlaufende Fäden, an deren Gliedern vielleicht nur ausgebildete Nährthiere und kurze einzelne darm- lose Glieder stehen, oder man sieht, wenn die Seitenglieder abgestorben sind, nur Stolonen des Stockes. Ein dementsprechendes Bild bietet die Figur 8 auf Tafel II, in welcher Abschnitte mehrerer Stöcke neben ein- ander verlaufen. Nach der Art des Zusammenhanges der einzelnen Glieder können wir uns also wohl das Bild des in seiner Gesammtheit schwer zu überse- henden Stockes construiren, wissen, aber dass durch Unregelmässigkeit in 8 E. EHLERS, der von den einzelnen Gliedern ausgehenden Entwicklung dabei die grösste 1 Mannigfaltigkeit der Entfaltung des Stockes auftreten kann, und dass an den weithinziehenden Fäden der regelmässige Zusammenhang nicht ohne weiteres zu erkennen ist. — Andererseits kommen aber auch, allerdings wohl nur selten, da ich nur zwei Mal derartige Beobachtungen gemacht habe, ١ Abweichungen von dem ursprünglich vorhandenen regelmässigen Gefüge vor, dadurch nämlich, dass von Nährthieren unter gewissen Verhältnissen Stengelglieder entspringen. In diesem Falle aber geht von einem Stengel- gliede jederseits, wenn auch nicht unmittelbar, ein Stengelglied ab, und da- durch können zwei an ihrem Ursprunge opponirte Stolonen erzeugt werden. Wie gross die Gesammtausdehnung eines Stockes werden kann, habe ich nicht bestimmen können, da es mir nicht gelang, bei einem entwickelten Stocke die Endpunkte desselben zu bestimmen. Mir ist es wahrscheinlich, dass das Wachsthum des Stockes an und für sich ein unbegrenztes ist, so lange zu seiner Ausbreitung die Wand der Wurmröhre die erforderliche Unterlage bietet. In der Verbreitung im Inneren der Röhrenwand besitzen die phy- siologisch ungleichwerthigen Glieder des Stockes ein leicht verständliches ungleiches Lagerungsverhältniss: die fadenförmigen Stengelglieder schie- ben sich zwischen den geschichteten Massen der Röhrenwand hin, die Nährthiere dagegen wenden sich gegen die innere Oberfläche der Röhren- wand und durchbrechen dieselben mit einer kreisförmigen Oeffnung, aus welcher das Thier seinen flimmernden Tentakelkranz in das Lumen der Wurmröhre hineinschiebt. Solche Oeffnungen findet man nicht selten auf der Innenfläche der Röhrenwand, nachdem die Bryozoenstöcke abgestorben, die Nährthiere zerfallen und nur die derben Wände der fadenförmigen Sto- lonen, welche sehr resistent sind, das frühere Leben der Colonie anzeigen. — Der ganze Stock liegt in einem gewissen Grade locker zwischen den Schichten der Wurmröhrenwand eingebettet, Dass er mit ihnen in keiner Weise fest verbunden ist, erkennt man, wenn man die Röhren- wand der Fläche nach spaltet: die Bryozoen lassen sich dann, im schroffen Gegensatz zu den auf- und eingekitteten Stückchen an der Röhre, mit Leichtigkeit abheben, so weit sie freigelegt sind. Zerrt man an vorra- Ye K 3 e AT E 3 ee E SE SE NEE TE ET ke e Me HYPOPHORELLA EXPANSA. 9 genden Stücken eines Stockes, so überzeugt man sich auch davon, dass er an allen seinen Theilen so viel Spielraum besitzt, dass geringe Ver- schiebungen möglich sind. Für die Bewegungen der Nährthiere erscheint das ein nothwendiges Erforderniss. Die Beschreibung, welche ich hier von der Gesammtheit des Bryozoenstockes gegeben habe, beruht auf der Auffassung, dass wie das einzelne Nährtbier so auch das einzelne Stengelglied je ein Individuum, eine Person darstelle. Ich kann mich nach meiner ganzen Anschauung über die Organisation und die Verwandtschaft der Bryo- zoen nicht jenen Autoren anschliessen, welche die Auffassung des Polymorphismus, mit dem wir es hier ja zweifellos zu thun haben, so weit treiben, dass sie in jenen Individuen, die ich als Nährthiere bezeichne, noch ein zu selbständiger Individualität erhobenes Polypid und Cystid oder Zoöcium unterscheiden, die Vereinigung beider als Polypocystid bezeichnen. So habe ich denn auch hier wie in der folgenden Be- schreibung statt von einem Zooecium von der Körperwand, statt von einem Polypid von einem Darmtractus geredet, die meiner Ansicht nach einfacheren Bezeichnungen verwendet, welche die Vergleichung dieser Thiere mit den nächsten Verwandten, die mit Schneider ich im Kreise der Würmer finde, viel eher gestatten, als wie z. B, die Bezeichnung ,,Polypid“, welche an eine früher angenommene Beziehung der Bryozoen zu den Coelenteraten erinnert. — Darmlose Individuen anderer Form als die Stengelglieder, wie Avicularien u. a., kommen in diesen Stöcken nicht vor. Die Glieder des Stockes. Die Stengelglieder. Die Stolonen bildenden Stengelglieder der Hypophorella besitzen im reifen Zustande je nach dem Grade, welchen sie in ihrem Wachsthum erreichten, eine Reihe von allerdings auffälligen Unterschieden, die je- doch nur quantitativer Art sind. Es sind langgestreckte bei schwacher Vergrösserung undeutlich geringelt erscheinende Fäden von sehr wechseln- der Länge; ich finde, von unentwickelten Gliedern abgesehen, solche, welche 0,3”® neben solchen, welche fast 5™™ lang sind. In geringerem Grade schwankt die Dicke der Fäden, meine Messungen geben mir da Unterschiede von 0,018™™—0,063™™; und man kann im Allgemeinen sa- Physikalische Classe. XXI. 1. B 10 E. EHLERS, gen, u die Länge dieser Glieder das Zwanzig bis Zweihundert und Zweil tundfunfzigfache der Dicke ihrer mittleren Strecke erreicht. Das einzelne Glied ist eine allseitig geschlossene Röhre, welche in der bei weitem grössten mittleren Strecke cylindrisch ist, an den bei- den Enden, mit denen sie mit planen Endflächen an die Nachbarglieder stösst, aber eine ungleiche Abweichung von dieser Form erhält. Das proximale Ende ist nur wenig von der übrigen Strecke verschieden: es hat eine meist kleine Auftreibung da, wo es mit grad abgestutzter End- fläche seinem Nachbargliede angefügt ist. Das distale Ende des Gliedes ist viel auffallender abweichend gestaltet. Es erweitert sich nämlich das cylindrische Rohr auf dieser Endstrecke bald mehr bald minder rasch, und zwar sowohl in der Dicke wie in der Breite; vorwiegend erfolgt allerdings diese Vergrösserung der Breite nach in der Ebene, welche die Wurmröhrenwand bildet; in geringerem Grade tritt eine Vergrösserung des Dickendurchmessers auf, und es bildet sich dadurch ein aus dem Röh- rentheil meistens allmälig bisweilen aber auch plötzlich hervorgehender breiter, platter Abschnitt, welcher in seinem Anschluss an das nächst- folgende Glied sich rasch wieder verjüngt bis zu den Dimensionen, wel- che zu einer völlig schliessenden Vereinigung beider Glieder nöthig sind. Diese Strecke, deren hervorragende Bedeutung darin liegt, dass von ih- ren Seitenflächen je ein Stengelglied und ein Nährthier entspringen kann, ist als eine mit der Röhrenstrecke unmittelbar zusammenhängende breite abgeplattete Kapsel anzusehen, welche zwei sehr wechselnd gestaltete, das Ansehen des ganzen Gebildes bedingende zur Fläche der Wurmröhrenwand parallel liegende Wände besitzt, die mit mehr oder minder zugeschärften Kanten längs der Kapsel in einander übergehen oder durch schmale Sei- tenwände verbunden sind. An Gliedern, die ihre Entwicklung so weit erreicht haben, dass sie alle ihnen zukommenden End- und Seitenglie- der getrieben und zur Vollendung gebracht haben, zeigt sich, während die Breite der Kapsel die der Röhre wohl um das Fünffache, die Dicke diese bis etwa um das Vierfache übertrifft, ein sehr ungleiches Verhältniss zwischen der Länge der Kapsel und der Gesammtlänge des Gliedes. Das aber hängt wahrscheinlich von dem Alter des Gliedes, oder anders د ا BREET‏ E EE HYPOPHORELLA EXPANSA. 11 ausgedrückt, von dessen Wachsthumsdauer ab, so dass im Allgemeinen unter den entwickelten Gliedern eines Stockes die jedesmal jüngsten die im Verhältniss zur Gesammtlänge des Gliedes grösste Kapsel besitzen, während in den älteren 'Gliedern der einfach röhrige Theil der bei wei- tem grösste ist. So finde ich bei offenbar jungen, ungeringelten, übri- gens entwickelten Gliedern, dass die Länge der Kapsel ein Drittel oder ein Viertel der Gesammtlänge des Gliedes ausmacht; bei einem längeren schwach geringelten Gliede etwa ein Sechszehntel der Gesammtlänge, und bei einem alten stark geringelten etwa ein Neunzehntel beträgt. In allen diesen Fällen differirt die Breite der Kapseln sehr wenig unter einander, etwas bedeutender ihre Längsausdehnung; und es erlaubt das wohl den Schluss, dass die einzelnen Glieder, sobald das kapselförmig erweiterte distale Endstück ausgebildet ist, durch interstitielles Wachsthum vorzüglich in der Längsausdehnung zunehmen, und zwar besonders stark in dem cylindrisch röhrenförmigen Theile. Doch stösst eine derartige Auffassung auf eine Schwierigkeit, welche darin liegt, dass mit einer derartigen Längsausdehnung einzelner Glieder, und somit des ganzen Stockes die Lage auch der Nährthiere verschoben werden müsse; und es ist das ein Vorgang der bei der festen Lagerung der Nährthiere an ihren Mündungen nicht wohl gedacht werden kann. Möglicher Weise aber findet ein solches Wachsthum des Stockes und seiner Glieder zu einer Zeit statt, in welcher Nährthiere abgestorben sind und nicht entwickelt werden. Oder wir haben uns vorzustellen, dass unter gewissen Verhält- nissen die Stolonen eines Stockes allein, ohne Nährthiere zu erzeugen, wuchern können, und dass unter diesen Verhältnissen die Stolonenbilden- den Stengelglieder ein ungewöhnlich grosses Längenwachsthum erreichen. An den längsten und offenbar ältesten Stengelgliedern habe ich von der Kapsel nie ein Nährthier, wohl aber einen von Stengelgliedern gebilde- ten Ausläufer abgehen gefunden, und kann nach meinen Erfahrungen allerdings nur annehmen, dass das erstere vorhanden gewesen aber lange abgestorben ist. Diese Unterschiede in den Grössenverhältnissen der einzelnen Glie- der treten zum Theil in der Fig. 8 hervor; allein es kommen viel erheb- B* 12 E. EHLERS, lichere Differenzen vor, als hier abgebildet sind; solche ergeben sich un- mittelbar aus den folgenden Zahlen, welche die Dimensionen einiger un- gleicher Stengelglieder zeigen, welche mit Ausnahme des ersten, alle Nähr- thiere trugen. Ganze Länge Breite des Aach ES Breite der des Gliedes Bebe Kap Kap nitts 1. Glied mit starker Ringelung 4,338" d 018m 0,225 ge 2. Glied mit schwacher Ringelung 2,72 0,018 0,18 0,072 3. ohne Ringelung 0,63 0,018 0,18 0,072 È n 2 0,48 0,018 0,108 0,072. S ” 0,32 0,018 0,09 ` 0,063 Die einzelnen Stengelglieder sind farblos glänzend; die jüngeren haben eine völlig glatte Oberfläche, ältere Glieder werden wohl etwas uneben und höckerig. In ihrem cylindrischen Mittelstücke werden sie, einfach röhrenförmig wie sie sind, nur aus der gleich näher zu betrach- tenden Röhrenwand gebildet, welche dann an beiden Enden und zumal in der kapselförmigen Erweiterung eine nicht unerhebliche Abänderung er- leidet. Der Inhalt der Röhre ist eine farblose Flüssigkeit ohne frei darin schwimmende Körperchen, vielleicht eiweisshaltig, denn bei unmittelbarer Berührung mit Seewasser, wie solche an den Bruchenden der Röhren wohl erfolgen konnte, schien mir hier eine leichte Trübung einzutreten, mehr noch nach Zusatz von Essigsäure. Doch lege ich auf diese Beob- achtungen bei der geringen Menge der Substanz und bei der Möglichkeit, dass hier aus der Rissstelle austretende Gewebssäfte mit im Spiel gewe- sen seien, um so weniger Gewicht, als sie nur nebenher gemacht wurden. In der ganzen Ausdehnung des röhrenförmigen Gliedes wird die Wand von einer durchsichtigen, leicht biegsamen, aber festen und zähen, gegen die in der microscopischen Technik gewöhnlich verwandten Säuren und Alkalien resistenten Masse gebildet, die man danach um so lieber ` in die Reihe der zur Zeit jedenfalls schlecht nur erkannten und unter- schiedenen chitinähnlichen Stoffe stellen wird, als sie auch deutlich einen geschichteten Bau erkennen lässt., In dieser Beziehung zeigt sie eine grosse Uebereinstimmung mit der Substanz der Wurmröhrenwand, in HYPOPHORELLA EXPANSA. 13 welcher sie eingebettet ist, und unterscheidet sich optisch von ihr wohl nur durch eine etwas stärkere Lichtbrechung. — Einlagerungen von Kalk- salzen, wie sie in den entsprechenden Theilen anderer Bryozoen vorkom- men, fehlen vollständig. Das oben mehrfach erwähnte geringelte Ansehen der reifen Glieder wird durch eine besondere Entwicklung dieser Substanz herbeigeführt. Es sind halbringförmige Spangen, welcheaufderi Oberfläche dieser Wand so gelagert sind, dass sie leistenförmig gegen das Lumen der Röhre vorspringen, und dadurch das Bild der ege ven (Fig. 7 und Fig. 8. 14.15.16. 18. 19). Im allgemeinen sind es dreh oder bgeplattete Fäden, deren Dicke offenbar mit dem Alter des Gliedes und seinem Wachsthume zu- nimmt, deren Form aber auch jedenfalls davon abhängig ist: denn in den jungen Gliedern, in denen diese Spangen zuerst auftreten , liegen sie in grösseren Abständen von einander, und erscheinen als äusserst feine, auf dem Querschnitt glänzende Pünktchen darstellende, an beiden Enden zu- gespitzte Fädchen. Mit dem Alter des Gliedes nimmt die Zahl und die Dicke der Fäden erheblich zu; ihr optischer Querschnitt erscheint dann als eine ringsum, auch gegen die Wand auf welcher sie ruhen, scharf begrenzte kreisförmige oder ovale, stark glänzende Fläche; ihre Enden laufen spitz aus, sind aber in den ältesten Gliedern nicht selten gabelig gespalten, auch wohl dreispitzig auslaufend (Fig. 7). Ueberall aber bleibt die Anordnung gewahrt, dass diese Spangen an den beiden Hälften des Umfanges der Röhrenwand bald mehr bald minder regel- mässig alternirend einander gegenüberstehen, so dass sie, wenn sie bei voller Entwicklung mit ihren Enden über den halben Umfang der Röh- renwand hinausgreifen, sich an einander vorbeischieben. Diese alterni- rende Anordnung ist besonders deutlich, so lange die Spangen nicht sehr gedrängt stehen; in dem Falle wird das characteristische Bild, wenn es auch für den Gesammtausdruck am schärfsten ausgeführt ist, in dieser Besonderheit verwischt. Während diese Spangen bis fast unmittelbar an das proximale Ende des Gliedes hinanreichen, fehlen sie stets an der Wand der Kap- - sel; da wo die Röhrenwand zur Kapsel sich erweitert, endet die Reihe 14 E. EHLERS, der Spangen plötzlich, oder es schliesst sich an sie eine Anzahl bald undeutlich verstreichender unregelmässiger Querfalten der inneren Wand- fläche an. Diese Spangen gehören jedenfalls ja in den Kreis der partiellen Wandverdi- ckungen, welche bei Bryozoen häufig, zumal mit Verkalkungen verbunden vorkom- men. In dieser Form sind sie mir jedoch von keinem der nächst verwandten Thiere bekannt; die am nächsten kommende Bildung ist wohl die Chitinspange aus der Wand der Nährthiere der Triticella Boeckii (G. O. Sars). Nach Innen von diesen Spangen, gegen die Lichtung der Röhre hin, liegt, auf dem optischen Längschnitt als eine scharf begrenzte Linie er- scheinend, eine feine gleichfalls röhrenförmige Membran (Fig. 18. 19). Allem Anscheine nach besteht sie aus der gleichen chitinäbnlichen Sub- stanz, wie die äussere Wand und die Spangen, und tritt als letztgebil- dete innerste Schicht nur da kenntlich hervor, wo sie durch die leisten- artig vorspringenden Spangen von der äusseren Wand gleichsam abge- : | hoben erscheint. > Da wo das Glied mit irgend einem Nachbargliede, sei es am pro- ximalen oder distalen Ende, zusammenhängt, ist in der Mitte der ge- meinsamen Berührungsfläche eine kleine kreisförmige, von einer ringföt- ` migen Verdickung umgebene Stelle, in welcher die beiderseitige Wand aufs äusserste verdünnt ist. Ich habe diese den Rosenttenplatten Rei- cherts entsprechende Bildung mit voller Sicherheit nur an abgestorbe- nen, aller Weichtheile baaren Glieder erkennen können (Fig. 17); mich aber nicht überzeugt, dass hier die chitinige Wand eine völlige Durch- brechung besitze, vermittelst welcher der Inhalt zweier Nachbarglieder ` unmittelbar mit einander zusammenhänge. An diesen von fester Masse gebildeten Theil der Röhrenwand schliesst sich als ein innerer Beleg eine weiche, die mannigfaltigsten Bil- der darbietende Masse an, welche an den Enden der Röhre und in der Kapsel eine besondere Entwicklung zu besitzen pflegt. Diese Substanz ist offenbar identisch mit jener, für welche Reichert den Namen der protozootischen Substanz verwendet hat; ich sehe darin eine Schicht le- bendigen Protoplasmas, in welcher Körnchen, Vacuolen und Kerne ein- STEHE TE FEST IN TE HYPOPHORELLA EXPANSA. 15 gebettet liegen, ohne dass die letzteren, als Centren räumlich begrenzter Territorien, stets eine Sonderung des Protoplasma in Zellen herbeiführ- ten. Zu dem äusseren festen Theile der Wandung steht sie in innigster Beziehung dadurch, dass dieser von ihr aus gebildet wurde; und insofern ist sie als die Matrix desselben zu bezeichnen. Mannigfach wechselnd sind die Bilder, unter denen diese Substanz erscheint. Am häufigsten bildet sie eine hautartige Schicht, welche der inneren Lamelle der Aussenwand unmittelbar anliegt; in der mittleren Strecke des Gliedes ist sie dann sehr dünn und umschliesst in bald mehr bald minder grossen Abständen von einander spindelförmige über das Niveau der Substanz in die Lichtung der Röhre hinein vorspringende Kerne; an den Enden und in der kapselförmigen Erweiterung ist sie dagegen häufig stärker angehäuft und zeigt dann, ausser den hier ge- wöhnlich erscheinenden besonderen Bildungen, oft unregelmässig klum- pige oder strangförmige Anhäufungen, und in diesen, ausser einzelnen spindelförmigen Kernen, ganz unregelmässig vertheilte glänzende Körnchen oder kugelige Gebilde, welche letzteren ich nach ihrem Aussehen für Flüs- sigkeit haltende Vacuolen ansehe (Fig. 19). — Ein hiervon abweichendes bemerkenswerthes Verhalten ist mir in mehreren Fällen zu Gesicht ge- kommen, in denen ich mich nicht davon überzeugen konnte, dass hier pathologische Zustände irgend welcher Art vorlägen. Es hatte sich dann nämlich diese ganze Substanz, statt der chitinähnlichen Aussenwand un- mittelbar anzuliegen, im Zusammenhange von dieser entfernt und gegen die Axe des Gliedes gleichmässig genähert (Fig. 18); so bildete sie nun entweder einen soliden in der Axe des Gliedes liegenden Strang oder, was häufiger der Fall war, eine von der äusseren Wand durch einen mehr oder minder grossen Abstand getrennte innere Röhre mit deutli- cher Lichtung. Eine gleiche Abhebung der inneren Wandschicht erfolgt auch im Innern der Kapsel, allein hier kommt es nicht zu einer cen- tralen Vereinigung der Masse, denn in allen Fällen erfolgt die Ablösung nicht dort, wo an das Glied ein anderes Glied anschliesst. Das bringt im Innern der kapselförmigen Erweiterung die Modification herbei dass bei dieser Ablösung die innere Wand lamellenartig zwischen den 16 E. EHLERS, verschiedenen, eine Ablösung nicht zulassenden Punkten ausgespannt er- | scheint. Solche Punkte bilden stets jene Stellen, an welchen die oben | erwähnten verdünntesten Stellen der chitinigen Wand sich befinden. Diese ungleichen Zustände sind offenbar Entwicklungsstadien ein‘ und desselben Vorganges; und ich vermuthe, dass es active Bewegungsvor- gänge der protoplasmatischen Wandung sind, welche diese Zustände her- E beiführen, deren Bedeutung für die Lebensvorgänge mir allerdings völlig dunkel geblieben sind. Meine Beobachtungen haben hier Lücken, da ich nie das Zustandekommen dieses Verhaltens gesehen, noch dar- über eine Sicherheit habe erhalten können, ob die einmal abgelöste in- nere Wandmasse sich der äusseren wieder anlegen könne; oder ob es etwa ein Vorgang sei, welcher zur Histolyse führe. Beachtenswerth erscheinen mir die Bilder mit Rücksicht auf die später zu erwähnenden Mittheilungen anderer Untersucher über den Bau von darmlosen Bryo- zoengliedern. | Eine häufig, aber nicht immer auftretende besondere Gewebsbil- dung, die in sehr viel grösserer Bedeutung bei den Entwicklungs- und Wachsthumsvorgängen als in den vollentwickelten Gliedern erscheint, findet sich da, wo das Glied an die benachbarten Glieder, seien es Sten- gelglieder oder Nährthiere, anstösst. In oder auf die geschilderte proto- plasmaähnliche Substanz sind hier oft dicht gedrängt, das Licht stark brechende Kugeln von etwa 0,005”” Durchmesser gelagert; nach Einwir- kung von Essigsäure erscheinen diese Kugeln als dickwandige Bläschen mit einer wenige Körnchen haltenden vielleicht flüssigen Innenmass®, und danach möchte ich sie als Kerne bezeichnen, welche hier dicht ge- häuft in gemeinsamer Protoplasmamasse liegen. Dann aber unterscheiden sie sich von den vereinzelten spindelförmigen Kernen der inneren Wand- schicht durch ihre Kugelform ebensosehr wie durch ihren stärkeren Glanz. Ihre Menge ist sehr wechselnd und steht offenbar mit Entwick- lungs- oder Ernährungszuständen in Verbindung; sind sie zahlreich vor- handen, so bilden sie eine mehr oder minder grosse Anhäufung, welche als ein stumpf gerundetes Höckerchen in die Lichtung des Gliedes hinein vorspringt. Wenn an den beiden sich berührenden Flächen benachbarter HYPOPHORELLA EXPANSA. 17 Glieder die gleiche Bildung auftritt, so entsteht dadurch ein sehr cha- racteristisches Bild (vgl. Fig. 12. 13. 14). Dazu gesellt sich im Bereich der kapselförmigen Erweiterung die- ser Glieder ein meines Wissens bis jetzt in den Stolonen der Bryozoen- stöcke nicht beobachtetes Gebilde. Bei der Flächenansicht, in welcher dieser Theil des röhrenförmigen Gliedes ja meistentheils entsprechend der Lage in der Wurmröhrenwand zur Ansicht gelangt, sieht man glän- zende meist etwas eckige Gebilde, welche, wie man durch Heben und Senken des Mikroskoptubus oder durch eine gelegentliche Verschiebung und Quetschung dieses Gliedstückes erfährt, strang- oder bandartig ge- formt sind (Fig. 3.13. 14. 19.). Aber erst die Kantenansicht einer Kapsel zeigt, dass hier glänzende schmale geradläufige Bänder von einer Fläche der Kapsel zur andern gespannt sind, und hier an ihren Anheftungs- punkten in die protoplasmatische Schicht der inneren Wandfläche über- gehen (Fig. 6). In der 0,162””® langen Kapsel eines lebenden Giliedes betrug die Länge dieser Bänder 0,0305”, ihre in der ganzen Ausdehnung fast gleichmässige Breite 0,0027”®, Ihre matt glänzende Substanz zeigte keinerlei innere Differenz, wohl aber jeder Strang in dieser Lage sehr deutlich erkennbar einen Kern, der bei den meisten etwa in der halben Länge, bei anderen nahe der Ansatzstelle, bei allen aber so gelagert war, dass er auf der Fläche des Bandes gelegen über die- selbe mit dem grössten Theil seiner Dicke vorsprang. — Das regel- mässige Auftreten dieser kernhaltigen Stränge, ihre scharfen Con- touren, ihr homogenes und glänzendes Aussehen unterschieden diese Gebilde so weit von der Masse der inneren Wandung, dass man sie trotz des Zusammenhanges nicht als gleichwerthige Theile, etwa Ausläufer derselben, sondern als einen besonderen Gewebstheil ansehen musste. Die characteristische Lage des Kernes aber liess diese Stränge als den Muskelfasern, welche in den Nährthieren vorhanden sind, sehr ähnlich erscheinen. Dafür möchte ich dieselben auch am liebsten erklären, und würde es ohne Bedenken thun, wenn ich die volle Ueberzeugung von einer Bewegungsfähigkeit oder Contractilität der Stränge erhalten hätte. Wohl habe ich bei andauernder Beobachtung einige Male den Eindruck Physikalische Classe. XXI. 1. C 18 E. EHLERS, bekommen, als ob geringe Veränderung in der Lage und Form dieser Stränge aufträten, aber nicht mit der nöthigen Schärfe, um behaupten zu können, dass diese Aenderungen durch Eigenbewegung der Fasern erzeugt seien. So bestimmt mich zur Zeit nur die Aehnlichkeit mit den wirklich contractilen Fasern in den Nährthieren zu der Annahme, dass diese von Wand zu Wand gespannten Fasern der Kapsel einen Apparat bil- den, der auf den Spannungszustand der Kapsel und weiterhin des ganzen röhrenförmigen Gliedes einen bestimmten, vielleicht veränderlichen Einfluss ausüben könne; einen Apparat, für den eine analoge Einrich- tung in den Parietalmuskeln des Nährthieres vorhanden wäre. In der Allman’schen Terminologie würde die derbe geschichtete Aussen- ` wand mit den spangenförmigen Verdickungen als Ectocyste, die weiche Substanz als Endocyste zu bezeichnen sein; ich vermeide diese Namen, da die damit von einander gesonderten Theile eine Zusammengehörigkeit besitzen, wie eine Cuticula und deren Matrix; und andererseits das, was in diesem Falle als Endocyste bezeichnet würde, auch wenn wir von den Fasern in der Kapsel absehen, vielleicht nicht ohne weiteres zu vereinigen ist und Bildungen annehmen kann, unter welchen man es nicht mehr als Endocyste bezeichnen würde. Ich habe oben dieses der Innenfläche der Stengelglieder aufliegende Gewebe, die Endocyste Allman’s, als identisch mit der „protozootischen Substanz“ Reichert’s bezeichnet; bin jedoch weit davon entfernt, damit den Anschauungen Reichert’s’) über dies so von ihm benannte Gewebe beitreten zu wollen. Diese Anschauungen haben bis jetzt ausser ihrem Urheber wohl keinen Vertheidiger gefunden. Lassen wir ausser Betracht, daß Reichert Gewebe wie quergestreifte Muskelfasern, wie wir sie unten noch kennen lernen werden, ohne weiteres zu der protozootischen Sub- stanz rechnet, so führt uns jene zusammenhängende Gewebsmasse, welche die Wand der Stengelglieder bildet und welche Reichert wohl zumeist zur Aufstellung der protozootischen Substanz gebracht hat, eine bei den marinen Bryozoen weit verbrei- tete Eigenthümlichkeit vor, dass Gewebe, welche bei den Süsswasserbewohnenden phylactolaemen Bryozoen, wie das Nitsche ?) bereits hervorgehoben hat, in der Form 1) Reichert Vergleichend anatomische Untersuchungen über ZoobotryoR pellucidus (Ehrbg) Abhandl. d. k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1869. II. Berlin 1870. pag. 233 ff. 2) Nitsche, Beiträge zur Kenntniss der Bryozoen II, Ztschrft. f. wiss. Zoolog- Bd. 21. pag. 495. Be E EE HYPOPHORELLA EXPANSA. 19 von differenzirten Zellen auftreten, hier die Form eines Syncytium im Sinne der Haeckel’schen Terminologie annehmen; und, wie hier an der Wand der Stengelglieder, überhaupt nur in dieser Gestalt erscheinen, so zwar, dass bei Hypophorella selbst die bandartigen Fasern, welche den Raum der Kapselerweiterung durchsetzen und durch je einen Kern als selbständige Zellen erscheinen könnten, da wo sie mit der Wandfläche des Stengelgliedes in Zusammenhang stehen, nicht von dem Syncytium gesondert erschei- nen. Dass die gleiche Substanz an anderen Orten in discrete Zellen aufgelöst er- scheinen kann, geht aus deren Verhalten an der Körperwand der Nährthiere hervor. Hinweisen möchte ich hier noch einmal auf die ungleich geformten Kerne, welche in der in Rede stehenden Substanz erscheinen. In der That ist es in manchen Fällen schwierig, über Einschlüsse dieser Schicht, welche neben den Vacuolen als verdichtete Massen erscheinen, eine Entscheidung abzugeben, und gewiss sind nicht alle derartigen Gebilde sofort als Kerne zu bezeichnen. Mit Reichert aber dieser Masse alle Kerne abzusprechen, vermag ich nicht; allerdings sind unsere Untersuchungen ja an verschie- denen Objecten gemacht, und es wäre denkbar, dass jene Bildungen, welche auf mich durchaus den Eindruck von spindelförmigen Kernen gemacht haben, in der Körperwand des Zoobotryon nicht vorkämen; dagegen kommen hier jedenfalls jene Gebilde vor, welche ich als kugelförmige Kerne bezeichnet habe, die fast regelmässig in den An- häufungen dieses Gewebes auf den Scheidewänden zweier Glieder liegen. Von den gleichen Orten beschreibt Reichert diese Körner und bildet sie ab (z. B. auf Taf, III. Fig. 8. cg), allein er sieht darin nicht Kerne, sondern alveolenartige Auftreibungen in dem communalen Bewegungsorgan, welches in der Achse der Stengelglieder aus der protozootischen Substanz gebildet wird. Dass wir die gleichen Bildungen vor uns gehabt haben, ist mir zweifellos, aber ebenso zweifellos auch, dass diese Bildungen nicht hohl- kugelartige Auftreibungen sondern compacte Kugeln sind von einer offenbar grösseren Dichte als die umgebende Substanz; und dass diese Körper als Kerne zu bezeichnen sind, schliesse ich nicht nur nach ihrem Aussehen, sondern besonders auch daraus, dass die gleichen Körper überall da in grosser Anhäufung auftreten, wo lebhafte Wachsthumsvorgänge stattfinden, wie in den knospenförmigen Anlagen der Stengel- glieder und Nährthiere. Solche Kerne sind auch eg die vielbesprochenen „Fett- körperchen“, welche S mitt ) als einen bedeut tandtheil in den Geweben der Bryozoen beschrieben hat; Smitt hat diese auch frei treibend in der Leibes- 1) Smitt Bidrag till kännedomen om Hafs-Bryozoernas utveckling. Upsala Universitets Ärsskrift 1863. pg.13. Om Hafs-Bryozoernas utveckling och fettkroppar Öfvers. af K. Vetensk. Akadem. Forhandlingar. Arg. 23. 1865. Stockholm 1866. pag. 5 cfr. auch Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. 22. 1872. pg. 281. C2 20 E. EHLERS, flüssigkeit angetroffen; in den entwickelten Thieren habe ich das nicht gesehen. Nicht ohne weiteres kann ich entscheiden, in welchem Verhältniss die spindelför- migen und kugeligen Kerne zu einander stehen; denn aus dem Umstande, dass man auf der inneren Wandfläche der jüngsten Stengelglieder oft in dichter Anhäufung die kugeligen Kerne findet, möchte ich, wenn es mir auch wahrscheinlich erscheint, doch nicht als sicher festgestellt ableiten, dass die kugeligen Kerne Jugendformen oder Vorläufer der spindelförmigen seien, und selbst wieder Abkömmlinge der in einem gewissen Alter spindelförmig gewordenen Kerne. Es ist die Möglichkeit nicht von : der Hand zu weisen, dass die beiden ungleich geformten Kerne zwei verschiedene Gewebsschichten kennzeichnen. 4 Abgesehen von dieser histologischen Beschaffenheit ist die innere Wandschicht, wie sie oben beschrieben ist, mit den Bildungen zu vergleichen, welche von Fr. Müller‘) — E als Colonialnervensysten, von Reichert?) als communales Bewegungsorgan beschrie- ben sind. Ich habe oben erwähnt, dass unter gewissen Verhältnissen diese ganze Schicht sich von der starren Wandschicht trennt mit Ausnahme jener durch die Rosettenplätt- chen ausgezeichneten Verbindungstücke der verschiedenen Nachbarindividuen, Stellen, welche meistens durch die Anhäufung der kugeligen Kerne ausgezeichnet sind. In diesem Zustande bildet die ganze Wandschicht ein in der Axe des Stengelgliedes gelegenes Rohr, welches ein ganzes gleiches Verhalten zu den Kernhaufen zeigt, wie 1 der Hauptstamm des Reichert’schen communalen Bewegungsorganes zu den von ` — Reichert als alveolare Aussackungen bezeichneten, offenbar mit meinen Kernanhäu- {ungen identischen Gebilden; oder aber es stellt den Strang vor, welcher in den Stengelgliedern den Hauptstamm des colonialen N ervensystems von F. Müller bildet, dessen zugehörige Ganglien durch die nach Lage und Aussehen völlig übereinstim- menden Kernanhäufungen vertreten würden. Es fehlt in den von mir untersuchten Thieren jenes Netz von Fasern, welches den centralen Stamm, sei es dass er als Hauptstamm eines Bewegungsorganes oder eines Nervensystemes aufgefasst wird, mit der Wand des Stengelgliedes verbindet. Diese Difterenz scheint mir nicht von einer solchen Bedeutung zu sein, dass dadurch der von mir herangezogene Vergleich ab- geschwächt würde. Ich fasse das Verhalten dieser ungleichen Zustände ein und des- selben Gebildes in der Weise auf , dass ich annehme, jene Lösung des Syneytiums von der äusseren erhärteten Wandschicht erfolge in den Stengelgliedern unseres Thieres unter gewissen, noch nicht bekannten Verhältnissen vollständig, so dass der SE A قا‎ 1) Fr. Müller Das Colonialnervensystem der Moosthiere. Archiv für Naturge- schichte Bd. 26. 1860. pag. 311. 2) a. a. O. pg. 268 © HYPOPHORELLA EXPANSA. 21 innere abgelöste Theil ein centrales nur an den Rosettenplättchen mit der Aussen- wand verbundenes Rohr darstellt, während in den Stengelgliedern des Zoobotryon diese Ablösung weniger vollständig ist, der abgelöste centrale Theil vielmehr mit der äusseren Wand durch fadenförmige Gewebsbrücken in mannigfacher Verbindung bleibt. Ein derartiges Verhalten kann, wie ich weiter unten erwähnt habe, an den jüngsten Zuständen der Stengelglieder unseres Thieres künstlich hervorgebracht werden, wenn durch Einfluss von Reagentien eine Abhebung der protoplasmatischen Schicht von dem noch unvollständig ausgebildeten festen Aussentheile der Wandung herbei- geführt wird; die als Matrix der letzteren sich dann ablösende Substanz bleibt durch dünne Fäden mit der Aussenwand in Verbindung; das was hier als ein Kunstproduct erscheint, liegt in den Stengelgliedern des Zoobotryon wohl als normale Bildung vor. Für die Vergleichung der Stengelglieder untereinander ergiebt sich aber daraus, dass der Hohlraum eines Stengelgliedes von Hypophorella, bei dem die Ablösung der pro- toplasmatischen Schicht nicht erfolgt ist, nicht dem von Faserzügen durchsetzten Binnenraume eines Stengelgliedes von Zoobotryon entspricht; er würde im Inneren des centralen Stranges dieses Gliedes zu suchen sein. Darüber lässt sich mit Sicherheit ein Urtheil erst abgeben, wenn die Entwicklung dieses centralen Stranges bekannt ist. Jedenfalls halte ich vorläufig an der Meinung fest, dass der centrale Strang in den Stengelgliedern des Zoobotryon und der verwandten Formen aus dem gleichen Gewebe hervorgeht, welches die Matrix der äusseren festen Decke bildet, zur Endocyste im Sinne der Autoren gehört. Als ein besonderes Bewegungsorgan vermag ich es nicht anzuerkennen; eine Aenderung in den Druckverhältnissen, unter welchen sich die Leibesflüssigkeit der Stengelglieder befindet, soll nach der von Nitsche!) vorge- tragenen Anschauung von Glied zu Glied im Stock fortgepflanzt werden; das würde meines Erachtens in dem von mir untersuchten Thiere durch die Thätigkeit jener in den Erweiterungen der Stengelglieder Kee muskelähnlichen Fasern jedenfalls unterstützt werden können. Aber auch Theile eines Colonialnervensystems vermag ich in dieser Bildung nicht zu sehen; zugegeben es sei meine Auffassung, wonach der Hauptstamm und das periphere Netz dieses Systemes nur ein besonders gelagerter Theil der weichen Körperwandung ist, annehmbar, so würde das nicht zu Gunsten der Auffassung sprechen, nach welcher hier ein Abschnitt des Nervensystems vorliegt; wird aber diese Auffassung nicht getheilt, so bleibt jedenfalls die Identität der von Fr. Müller als Ganglien bezeichneten Anschwellungen mit den Kernanhäufungen, welche auf den Scheidewänden der einzelnen Glieder liegen, bestehen, und diese besitzen nach ihrem 1) Nitsche a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 21. pg. 436. 22 E. EHLERS, Bau keinerlei Aehnlichkeit mit Nervenknoten; ebensowenig wie jemals in den Stäm- men des Colonialnervensystems Nervenfasern nachgewiesen sind, besitzen diese Kern- anhäufungen irgend ein histologisches Element, welches als Ganglienzelle gelten könnte. Ich wenigstens habe vergebens danach gesucht. — Vom morphologischen Standpunkte aus wird man diese Theile nicht als Theile eines Nervensystemes be- zeichnen können. Diesen Standpunkt aber werden wir vorläufig wohl für unser Ur- theil festhalten müssen; und selbst für den Fall, dass der Nachweis sicher geführt würde, es sei die Fortleitung eines Reizes im thierischen Körper durch Gewebe, welche nicht unter der Form der Nervenfaser oder der Ganglienzelle erscheinen, möglich, würden wir derartige Gewebe wohl nicht ohne weiteres in den Kreis des specifisch differenzirten Nervensystems einfügen. Und sollte sich nachweisen lassen, dass, wie nach den Angaben Engelmann’s'!) im Froschherzen die Fortleitung eines Reizes von Zelle zu Zelle erfolgen kann ohne die Betheiligung einer Nervenfaser, so hier die in Rede stehende Substanz durch die Scheidewände der einzelnen Glieder des Stockes hindurch die Fortleitung eines Reizes von Glied zu Glied führe, so wäre darum dieses leitungsfähige Gewebe noch nicht als Nervensystem zu bezeichnen. Im übrigen dürfte ein solcher Nachweis vor der Hand schwer zu liefern sein; für das Zustandekommen der offenbar bestehenden Mittheilung von Empfindungszustän- den von Glied zu Glied reicht die von Nitsche gegebene Erklärung völlig hin. Ich möchte hier schliesslich noch erwähnen, dass in der sicherlich eine wahre Bryozoe darstellenden Rhabdopleura Normanni ein Gebilde vorkommt, welches mit dem hier besprochenen zusammenfällt; das ist der „chitinöse Stab, chitinous rod“ ?), welcher die Stengelglieder durchzieht; er entspricht meines Erachtens dem Haupt- stamme des „communalen Bewegungsorgans‘ Reicherts; die peripheren Verbindungen zur Wand des Gliedes fehlen hier, wie sie in den Stengelgliedern der Hypophorella fehlen, wenn die röhrenförmige Ablösung der Körperwand erfolgt ist. Dass in der Rhabdopleura dieser Strang dann eine feste Rindenschicht und damit eine chitinöse Beschaffenheit erhält, ist nun wohl auf die Fähigkeit dieses Gewebes, derartige fest- werdende Ausscheidungen zu bilden, zurückzuführen. Leider fehlen uns auch hier noch bestimmte Angaben über die Entwicklung dieses Thieres und besonders dieses Gebildes. 1) Th. W. Engelmann, Ueber die Leitung der Erregung im Herzmuskel. 2 Pflüger, Archiv f. Physiologie Bd. XI. pg. 465 ff. 2) cfr. Allman, On Rhabdopleura. Quarterly Journal of microscopical Science. Vol. IX. New Series. 1869. pg. 57. GO Sars, On some remarkable -Forms of animal Life. I. Christiania 1872. 4. pg. 1. TS a A سم‎ ee ne a. 5 u EN RE 1 اعم اميه‎ E EE EEE AE EIERN EEE HYPOPHORELLA EXPANSA. 23 Die Nährthiere. Die Nährthiere, deren alternirende Stellung an den einzelnen Glie- dern der Stolonen schon erwähnt ist, bestehen nach derjenigen Auffas- sung von der Organisation der Bryozoen, welche ich für die richtige halte, aus der Körperwand mit einer Muskulatur; aus der die Eingeweide umspülenden Leibesflüssigkeit; aus dem mit einer Tentakelkrone begin- nenden Darmrohr, welches durch eine Tentakelscheide mit der äusseren Körperwand zusammenhängt, und durch Muskelfaden und den sogenann- ten Funiculus an die Innenfläche der Körperwand befestigt wird; aus den gleichzeitig zur Entwicklung kommenden männlichen und weiblichen Geschlechtsapparaten, und schliesslich aus dem ungenügend bekannten Nervensysteme. Die ganze Form des einzelnen Nährthieres ist im allgemeinen die einer mehr oder minder bauchigen, bis zu etwa 1,6mm. hohen Urne oder Vase welche mit ungleich gestalteter Basis dem Stengelgliede auf- sitzt (Fig. 1. 3. 4. 8.). Abgesehen von wenig bedeutenden Altersver- schiedenheiten und einer ungleichen Länge des basalen Stückes ändert sich diese Form nach dem jeweiligen Verhalten des Thieres: ist kurz und bauchig aufgetrieben bei eingezogener Tentakelkrone (Fig. 4), stark verschmächtigt und schlank, sobald dieselbe ausgestreckt ist (Fig. 1). — Unterscheiden wir nach der Befestigung des Thieres ein proximales und ein distales Ende, so können wir nach der Lagerung des Darmes, und dann nach der Einlagerung in der Wurmröhrenwand zwei Flächen an dem Nährthiere unterscheiden, welche ungleich gestaltet sind: eine Bauch- fläche, auf welcher die den Mund umgebende Tentakelkrone hervorge- schoben wird und welche der inneren Fläche der Wurmröhre zugewendet liegt, und eine dieser gegenüberstehende, der äusseren Wurmröhrenfläche zugewandte, als Rückenfläche zu bezeichnende Fläche, An dem so orien- tirten Körper ist, wenn wir die Gesammtform näher ins Auge fas- sen, zunächst das proximale Basalstück zu erwähnen. Scharf aus- geprägt als ein fast cylindrisches Röhrenstück, aus welchem der erweiterte 94 Ä E. EHLERS, vordere Körpertheil hervorgeht, erscheint dieses Basalstück bei ausge streckter Tentakelkrone; aber auch im Zustande grösster Contraction zeigten manche Thiere diese Stücke stielartig verschmälert, während anderen Thieren in diesem Falle der Körper mit schmaler Anheftungs- fläche aber ohne stielförmige Verlängerung der Kapsel des Stengelglie 21115355. Tritt nun in der Regel die gestielte Form deutlich bei der mit dem Ausstrecken der Tentakeln verbundenen allgemeinen Verschmächtigung des Körpers hervor, die bei der Ausdehnung des den Kranz der Tentakeln in sich bergenden Körpers verwischt wird; so bleibt daneben doch eine grosse Mannigfaltigkeit in der ungleichen Entwicklung dieses proximalen Körper- abschnittes bestehen, so dass wir von langgestielter Form zu kurz gestielten und stiellosen Formen Uebergänge finden, welche nicht durch ungleiche Alterszustände bedingt werden, sondern individuelle Varietäten darstellen Darin aber herrscht völlige Uebereinstimmung, dass die Anheftungs- stelle des urnenförmigen Körpers, mag sie mit oder ohne Stiel geschehen, am proximalen Theile von der Mitte nach rechts verschoben ist, so dass der Körper mit einer grösseren linken Hälfte über die Anheftung hinausragt. An dieser stärker vorspringenden Hälfte des proximalen Körper- — endes steht eine gleichfalls sehr variabele Bildung: ein kleiner Hohl- S ١ zapfen tritt oft sehr ausgeprägt als kurzer Cylinder über die Fläche her- — | vor, anderemale nur als schwacher warzenförmiger Vorsprung, und in | wieder anderen Fällen ist nur eine geringe allgemeine Ausbauchung der Körperwand nach dieser Richtung bin zu erkennen. Auch hier spielt individuelle Variabilität offenbar eine Rolle. (Vergl. Fig. 12. 13. 45). | Die bauchige Erweiterung, welche die Urnenform des Körpers mit sih bringt, ist nicht eine im ganzen Umfange des Körpers gleichmässige, sondern während die Dorsalfläche wenig gewölbt erscheint, tritt die Ventralfläche ` zumal in der proximalen Hälfte, und besonders bei eingezogener Tentakel- ` krone stark bauchig’ ausgeladen hervor. Gegen das distale Ende hin erfolgt | von der proximalen fast gleich breiten Hälfte aus eine geringe Ver | schmälerung, dann durch einen wenigstens bei eingezogenen Tentakeln . ziemlich jähen Abfall der Ventralfläche eine Verjüngung des distalen oder vorderen Körperendes, welches hier auf dem abfallenden Vorder- HYPOPHORELLA EXPANSA. 25 theile der Ventralfläche die Invaginationsöffnung trägt. In deren Umge- bung stehen Gebilde, von denen die einen durch das wechselnde Spiel der Tentakelbewegungen wenig berührt werden, während die anderen, welche, wie sie mit der Tentakelscheide in Verbindung stehen, an deren Bewegungen betheiligt sind, dadurch einen vielfaltigen Wechsel in der Gestalt dieses Körperabschnittes herbeiführen. Die ersteren sind zwei hohle dünnwandige hornähnliche Fortsätze, welche etwas hinter der Höhe der Invaginationsöffnung jederseits am seitlichen Umfange des Körpers entspringen, bei mannigfaltigem Wechsel der Gestaltung darin im allgemeinen übereinstimmen, dass sie am Ur- sprungstheile cylindrisch sind, der Körperoberfläche anfänglich ange- schmiegt sich mit der Richtung nach vorn und ventralwärts frei über die Fläche erheben, dabei an Dicke abnehmen, und dann in kegelförmig stumpf abgerundete oder mehr zugespitzte Endstücke auslaufen, welche gegen die Medianlinie des Körpers meist etwas nach hinten und stärker ventralwärts, oft selbst hakenförmig umgebogen sind. Ihr Hohlraum steht, so viel ich gesehen habe, in keiner Verbindung mit der Leibeshöhle; nie habe ich die in der Leibesflüssigkeit treibenden Eier oder Sperma- tozoen in sie hineintreten sehen. Sie geben, wie sie zur Seite und über die Ventralfläche des Körpers vorspringen, diesem ein sehr characteri- stisches Ansehen. (Fig. 1. 3. 4. 12. 13. 14.) Die bei der Nachgiebigkeit der Körperwand in ihrer Gestalt sehr wechselnde Invaginationsöffnung liegt auf einem Felde, welches, wenn der Körper ausgedehnt ist, nach hinten hin durch einen scharfen, oft schwach lippenartig vorspringenden Rand, der dann etwas vor den beiden Hör- nern fast die ganze Breite des Vordertheiles einnimmt, begrenzt wird, aber vollständig verstreicht, sobald die Tentakeln hervortreten. Der vor der Invaginationsöffnung gelegene, bei den Bewegungen der Tentakeln mitbetheiligte Abschnitt des Körpers ist im Allgemeinen zungenförmig gestaltet, sein ventrodorsaler Durchmesser ist gering und nimmt rasch gegen den bogenförmig convexen Vorderrand, in welchem dorsale und ventrale Fläche zusammenstossen, ab. So etwa erscheint diese Strecke bei einer Mittelstellung der Tentakeln; sind diese ganz zurückgezogen, Physikalische Classe. XXI. 1. D 96 E. EHLERS, so klappt dieses Vorderende mit seiner zusammenfallenden Ventralfläche deckelartig auf die Invaginationsöffnung; tritt aber die Tentakelkrone hervor, so verschiebt sie damit diesen zungenförmigen Abschnitt dorsal- wärts und zieht dabei Ventral- und Dorsalwand desselben durch den Zusammenhang der ersteren mit der Tentakelscheide so weit auseinander, dass das ganze Gebilde nur als ein niedriger, scharfrandiger Querwulst am dorsalen Umfange der Basis der ausgestülpten Tentakelscheide erscheint. Für diesen Abschnitt ist die besondere Gestaltung der ventralen Fläche characteristisch. Sie zeigt bei einer mittleren Stellung der Ten- takelkrone eine in der Medianlinie von vorn nach hinten in die Invagi- nationsöffnung verlaufende Furche, welche je mehr dieser Theil gegen die genannte Oeffnung deckelförmig gezogen wird, um so mehr sich vertieft; die aber verstreicht, sobald die Ausstülpung der Tentakel vorschreitet. Gegen diese mediane Furche verlaufen in regelmässigen Abständen von einander und schwach nach hinten zu convergirend vom Rande her feine scharf geschnittene Furchen. Diese begrenzen lang ovale, gegen die Dor- salfläche hin rings umrandete Felder, innerhalb welcher, nach dem Bilde, welches die von Weichtheilen freien Reste der Körperwand abgestor- bener Thiere gewähren, die chitinähnliche Wand plattenartig verdickt ` und glänzend erscheint. Auf diesen Feldern erhebt sich je eine Reihe von drei bis fünf kleinen kegelförmigen Zähnchen, welche die kleine schwach gekrümmte Endspitze je nach der Lage des ganzen Theiles nach hinten oder vorn, stets aber medianwärts richten. kleinere anche stehen in entsprechender reihenförmiger Anordnung auch noch Jederseits neben der gefelderten Strecke , ohne dass die sie tragende Wandstrecke gleiche Bildung zeigt. (Fig. 3). Schliesst der ganze Apparat deckelartig die Invaginationsöffnung, so ist trotz der Durch- sichtigkeit der Theile dieser Besatz von kleinen in Reihen stehenden Spitzchen oft nur schwer wahrzunehmen; denn dann sind diese dadurch geborgen, dass der Deckel nicht nur in der medianen Furche auch in den radiären Furchen dern, sich in Falten schlägt , verdeckt werden. (Fig. 4.) Gleich gestaltete nur sondern ‚ zwischen den Zähnchen tragenden Fel- durch welche die Reihen dieser Zähnchen HYPOPHORELLA EXPANSA, 27 Bei der Orientirung des Körpers habe ich mich, abgesehen von der Bezeichnung proximal und distal, welche sich auf die Anheftung des Thieres am Stengelgliede be- zieht, von der Vergleichung leiten lassen, welche zwischen dem Körper einer Bryozoe und eines Gephyreen gemacht werden kann. Es wird dann allerdings die terminal stehende Mundöffnung nicht für die Bestimmung der Ventralfläche, wohl aber die Lage der Afteröffnung für die Dorsalfläche zu verwenden sein; und diese für Anne- liden wie Gephyreen characteristische dorsale Lage der Afteröffnung, welcher bei der Mehrzahl der Anneliden die ventrale Stellung der Mundöffnung entgegensteht, wird sich meines Erachtens für alle Bryozoen zu einer gleichförmigen räumlichen Orien- tirung dieser Thiere verwenden lassen; bei eingezogener Tentakelkrone wird man, wenn die Invaginationsöffnung nicht endständig ist, diese dann auf der Ventralfläche gelagert finden. — Die Lage des Hirnknoten und Afters bestimmt ferner eine Ebene, welche Nitsche als Symmetrieebene bezeichnet hat. Die Körperwand. Die 0,0002”" dicke Körperwand des Nährthieres besteht aus den glei- chen Schichten, welche die Wand des Stengelgliedes bilden, nur ist die Masse derselben hier eine sehr viel geringere. Die Oberflächenschicht wird von einer äusserst dünnen, durchsichtigen leicht biegsamen Membran von chitinähnlicher Substanz gebildet, welche an der Anheftungsstelle etwas ver- dickt ist, und mit stärkerer Verdickung die reihenförmig gestellten Zähnchen des Deckels und deren basalen Felder bildet. Ihre nach Innen gewandte Fläche trägt die gleiche Substanz wie die der Stengelglieder, allein hier sehr viel deutlicher zu Zellterritorien gesondert. In unmessbar feiner Schicht macht sie sich auf dem optischen Querschnitt durch die in bald grösseren bald kleineren Abständen gelegenen, schwach höckerförmig vorspringenden ovalen Kerne bemerkbar, die in ihrer Substanz eingeschlossen sind. Auf dem Flächenbilde sieht man diese Kerne von einem kleinen Hofe pro- toplasmatischer Substanz umgeben, und von diesem feine fadenförmige Ausläufer abgehen, welche mit den benachbarten gleichen Gebilden zusammentreten. So erhält man das Bild eines durch zarte Fäden viel- fach verknüpften Netzes sternförmiger Zellen, welche allem Anscheine nach einen langsamen Formwechsel ausführen können. Ich bin meiner Sache nicht ganz sicher, ob in den Maschenräumen dieser Zellnetze die D2 28 E. EHLERS, Innenfläche der chitinähnlichen Körperwand frei zu Tage liegt, oder ob sie von einer dann jedenfalls nur sehr geringen Schicht protoplasmati- scher Substanz gedeckt ist. In letzterem Falle wäre das Bild der Zell- netze vielleicht nur durch locale Anhäufung dieser Substanz um die Centren bildenden Kerne und in den fadenförmigen Ausläufern erzeugt. Solche sternförmig verästelte und mit ihren Ausläufern communicirende Zellen aus der Wand der marinen Bryozoen hat Claparède!) bereits beschrieben, und offenbar mit Recht darauf auch das von Smitt?) bei einer etwa 700fachen Ver- grösserung beobachtete Canalsystem aus der Körperwand der Membranipora pilosa zurückgeführt. Nitsche°) beschreibt die gleichen Zellen als eingebettet in einer feinen Membran. Eine besondere Anhäufung von kugeligen Kernen findet sich ganz entsprechend wie in den darmlosen Gliedern da, wo das Nährthier mit seiner Basis der Kapsel des Stengelgliedes aufsitzt. Die Beziehungen der inneren Wandfläche zur Muskulatur, zum Fu- niculus und Darm und zu den Geschlechtsproducten sind nachher zu erwähnen. Die Leibesflüssigkeit. Die Leibesflüssigkeit, welche im Inneren der Nährthiere die Einge- weide umspült, ist völlig klar und farblos, ganz frei von besonderen ihr eigenthümlichen Körperchen ; Essigsäure bringt geringe Trübungen in ihr hervor; bei den minimalen Quantitäten habe ich über die Beschaffenheit dieser Flüssigkeit nichts genaueres erfahren. Zur Zeit der Geschlechts- reife treiben in dieser Flüssigkeit Eier und Samen, und eigenthümliche grosse später zu erwähnende Körper, die mit den Eiern wohl in Zusam- menhang stehen. — Auch die an den Flanken des vorderen Körper- theiles stehenden Hörner sind offenbar von der gleichen Flüssigkeit er- füllt und prall durch sie gespannt. 1) Claparède Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Seebryo- zoen. Ztschrft. f. wiss. Zoologie Bd. 21. 1871. pg. 142. 2) Smitt, Om Hafs-Bryozoerner utveckling. Öfversigt. 1865. a. a. O. pg: 16 3) Nitsche, Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. 21. pg. 424. HYPOPHORELLA EXPANSA. 29 Die Muskulatur. Muskeln, welche im wahren Sinne des Wortes eine zusammenhän- gende subcutane Muskulatur der Körperwand bildeten, fehlen wohl allen marinen Bryozoen. Sieht man unter den verschiedenen Muskelgruppen ihres Körpers von dem grossen Retractor der Tentakel und des Dar- mes ab, so lässt sich die übrige Muskulatur, sobald man die Tentakel- scheide, wie sie im ausgestülpten Zustande erscheint, als einen Abschnitt der äusseren Körperwand auffasst, in Muskeln zerlegen, welche nach ihrer Lage zur Körperwand als längs- und quer- oder ringförmig laufende Muskeln zu unterscheiden sind. Längslaufende Muskeln finden sich nur im vorderen Körpertheile, und werden bei der Schilderung der Tentakelscheide beschrieben werden; als quere Muskeln sind ein ringförmiger Sphincter am vorderen Ende der Tentakeischeide, und an der Innenfläche der Körper- wand zweiausgedehnte Muskelgruppen zu bezeichnen, die Parietalmuskeln. Sie bestehen aus einer grösseren oder geringeren Zahl von feinen in der ganzen Länge gleichbreiten homogenen Fasern, welche im erwachsenen Thiere keinen Kern besitzen und mir auch keine weitere Structur gezeigt haben, die aber ihrer ausgesprochenen Contractilität wegen zweifellos Mus- kelfäden sind. Sie liegen in einem zusammenhängenden Stratum, und nicht wie bei vielen verwandten Bryozoen in reifenähnliche Gruppen vereinigt auf einer äusserst feinen continuirlichen Lamelle, welche in den Seiten- theilen des Körpers in dorsoventraler Richtung ausgespannt, vorn etwa bis auf die Höhe der beiden Hörner, hinten etwa bis dahin sich er- streckt, wo der Körper sich verschmälert. (Fig. 1. 3. 9, 44.). Bei der grossen Feinheit der Lamelle ist es schwer zu entscheiden, welche Lage die Muskelfasern zu ihr einnehmen; doch glaube ich mich sicher davon überzeugt zu haben, dass die Fasern auf der lateralwärts ge- wandten Fläche der Lamelle liegen. — Zwischen der inneren Oberfläche der Körperwand und der lateralwärts stehenden Fläche dieser Membran sind dünne kernhaltige Fäden gespannt, welche mit schwacher Erweite- rung an der Körperwand wie an der Lamelle sich so ansetzen, dass sie in deren Gewebe übergehen. Diese Fäden stehen ganz vereinzelt, doch 30 E. EHLERS, . scheint ihre Zahl und Vertheilung wechselnd zu sein. — In welcher Weise sich die Lamelle mit der Innenfläche der Körperwand an ihrer Insertion ` verbindet, habe ich nicht entscheiden können; und nur so viel sicher er- kannt, dass sie keinerlei unmittelbaren Zusammenhang mit der cuticularen Schicht der Körperwand besitzt. Im hinteren Körpertheile tritt bei jungen Thieren deutlich eine Verbindung mit der Masse des Funiculus hervor; bei älteren kommt ein Zusammenhang mit dem Ovarium in Betracht. Bei eingezogener Tentakelkrone sind die Muskelfasern erschlafft; es liegt dann die sie tragende Membran meist der inneren Fläche der Kör- perwand nahe und schlägt oft weite bauschige Falten. Beobachtet man ein Vorrücken der Tentakeln, so sieht man gleichzeitig Bewegungen dieser Muskelplatte, und treten die Tentakeln aus der Invaginationsöft- nung hervor; so sieht man die beiderseitigen Lamellen meist ruckweise gegen den zwischen ihnen liegenden Darmtractus vorrücken, und, wie die auf ihnen liegenden Fasern, straff gespannt. Es ist die Contraction dieser Fasern, welche, wie Allman!) und Nitsche?) angegeben haben, die Körperwände einander nähert, damit die Leibesflüssigkeit gegen den beweglichen Darmtractus anpresst, und diesen dadurch, während gleich- zeitiger Vorgänge an der Tentakelscheide, so gegen die Invaginations- öffnung drückt, dass hier die Tentakeln austreten. Der Vorgang ent- spricht also völlig demjenigen, mit welchem eine Annelide oder Gephyree unter dem Druck ihrer Körpermuskulatur durch Vermittlung der Leibes- flüssigkeit den Rüssel ausstülpt. Ausser der Veränderung der Lage, welche die Muskelfasern hierbei und beim Uebergang in die Streckung erleiden, habe ich andere Veränderungen der Structur der Fasern nicht wahrgenommen; doch möchte ich glauben, dass Veränderungen, wie ich sie von den Fasern des Rückziehers des Darmes zu erwähnen habe, auch hier eintreten, nur. weniger leicht zu beobachten sind. Bei den pbylactolaemen Bryozoen ist wie die ganze Körperwand so die Museu- latur, wie wir sie besonders aus den Arbeiten von Allman und Nitsche kennen, 1) Allman A Monograph of the Fresh-Water-Polyzoa. (Ray Society) London 1856. pg. 29. 2) Nitsche a. a. O. Ztschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 21. pg. 436. HYPOPHORELLA EXPANSA. 31 ungleich stärker entwickelt als bei den meisten der Gymnolaemen. Bei diesen fallen zunächst jene Muskelfasern fort, welche mit der Bewegung des Lophophors und des Epistoms betraut sind. Für die übrigen Muskeln, welche allgemein als längs- und ringförmiglaufende zu unterscheiden sind, ist dann aber die Homologie in beiden Kreisen des Bryozoenstammes leicht nachzuweisen; nur tritt im Leibe der meisten marinen Bryozoen eine grössere Verkümmerung ein, so dass von jener Wandmuskel- schicht, welche Nitsche als aus längs- und querlaufenden Fasern zusammengesetzt beschrieben hat, die ringförmigen nur als ein wandständiger Sphincter an der Inva- ginationsöffnung, und als die meist von der Körperwand zum grossen Theil abge- lösten auf Membranen ruhenden Parietalmuskeln übrig bleiben. Die längslaufenden Fasern sind völlig geschwunden bis auf die beiden Gruppen der Parietovaginalmus- keln, welche meines Erachtens als besonders entwickelte und functionirende Theile einer longitudinalen Körperwandmuskulatur aufzufassen sind. Ueber die Bedeutung der Membran, welche die Parietalmuskeln trägt, ist weiter unten zu handeln. Der Darmtractus, Bei der Beschreibung des Darmtractus, des Polypids anderer Au- toren, fasse ich die Tentakelscheide mit ihrem Muskelapparat, welche nach der morphologischen Bedeutung als Theil der äusseren Körperwand zu behandeln wäre, zugleich mit dem Darm im engeren Sinne des Wortes sammt seinen Anhangsgebilden zusammen. Der Gesammtapparat bietet keine erhebliche Abweichungen von dem Verhalten, welches er in den nächst verwandten Formen zeigt. Die Tentakelscheide ist eine röhrenförmige Verlängerung der äusseren Kör- perwand, welche die Invaginationsöffnung mit dem oralen Theile des Darmes verbindet. Eigenthümliche Faltungen, deren jeweilige Gestalt von dem Verhalten der bei der Aus- und Einstülpung thätigen Muskel- gruppen abhängen, compliciren die Gestalt dieses Gebilde. Am Darm trenne ich von einander den Schlundkopf mit der Tentakelkrone einer- seits, andererseits den Mitteldarm mit der Magenerweiterung und dem Blindsack, und den Enddarm mit dem After. Daran schliesst sich der Musculus retractor und der Funiculus. Form und Lagerung dieser Theile wechselt sehr erheblich je nach den Contractionszuständen der Muskel- 32 e E. EHLERS, gruppen, welche die Ausstülpung und Einstülpung der Tentakeln voll- führen. (Fig. 1. 3. 4.) Die Tentakelscheide. Die Tentakelscheide ist, auf eine einfachste Form zurückgeführt, ein ` cylindrisches Rohr, welches an der Invaginationsöffnung als eine Fort- setzung der Körperwand erscheint, zum Mundabschnitt des Darmes ver- läuft und hier in der Weise rings an der Basis der Tentakelkrone an- eeheftet ist, dass es dadurch abgeschlossen wird. Das Rohr hat eine stets von der Leibesflüssigkeit bespülte Fläche, die als eine inwendige zu bezeichnen ist, im Gegensatz zu der in allen Lagen nach aussen gewandten Fläche. Die Wand dieses Rohres ist allgemein ausgedrückt eine Fortsetzung der Körperwandung; wie in dieser wird ihre äussere Fläche von der chitinartigen äusseren Körperdecke hergestellt, auf wel- cher, besonders deutlich bei jüngeren Thieren, Kerne gelagert sind. Dies allgemeine Verhalten wird durch die Ausbildung von Falten in der Wand und durch die hinzutretenden Muskeln und Bänder zu besonderen Eigenthümlichkeiten entwickelt. Untersucht man ein Nährthier der Hypophorella in dem Verhalten, wie man es bei weitem am häufigsten zu Gesicht bekommt, im ganz eingezogenen Zustande, so sieht man vor dem vorderen Ende der Ten- takelkrone etwas hinter der Invaginationsöffnung ein durch seine Zeich- nung und stärkeren Glanz meist auffallendes, übrigens sehr wechselnd gelagertes Gebilde, welches als eine helle, radiär gestreifte, im Centrum durchbohrte, und dadurch wie ein Diaphragma gestaltete Scheibe er- scheint. (Fig. 4.) Genauere Beobachtungen zeigen dann, dass dieses Diaphragma einer Faltenbildung in der Wand der Tentakelscheide seinen wandelnden Be- stand verdankt; und man findet die gleiche Strecke der Tentakelscheide, nun allerdings in sehr veränderter Gestalt wieder, sobald das Thier sei- nen Tentakelkranz völlig entfaltet; dann erhebt sich dieser aus der trich- terföormigen Einsenkung eines glashellen mit längslaufenden Kanten HYPOPHORELLA EXPANSA. 33 besetzten kragenförmigen kurzen Cylinders, mit welchem nun das Vor- derende des verschmächtigten Thieres abschliesst. (Fig. 1. 10.) Diese in den beiden extremen Lagerungen als Diaphragma oder als Kragen erscheinende Strecke der Tentakelscheide mag an dieser eine Grenze bilden zwischen einem aboralen und einem oralen Abschnitt, wo- bei dann der diaphragmatische Theil von mir zum aboralen Abschnitt gerechnet wird. Die beiden Abschnitte nehmen ungleich lange Strecken der ganzen Scheide ein, und zwar ist der orale länger als der aborale, aller- dings nicht so erheblich, als bei eingezogenem Tentakelkranze erscheint, da dann die Länge der aboralen Strecke durch Faltenbildung verkürzt ist. Am aboralen Abschnitte, welcher an der Invaginationsöffnung be- ginnt, liegt ein den Eingang schliessender Ringmuskel, und inseriren sich zwei ungleiche Gruppen von Muskeln, welche die innere Fläche der Körperwand mit der gleichen Fläche der Tentakelscheide verbinden: Parietovaginalmuskeln, welche sich als ventrale und als radiäre Diaphragma- Muskeln unterscheiden lassen. — Der orale Abschnitt umfasst im ein- gezogenen Zustande die Tentakelkrone; auf der dorsalen Fläche heftet sich an ihn, hart hinter dem Diaphragma der Enddarm mit der After- öffnung. An seine inwendige Fläche treten Parietovaginalbänder, die als Haltebänder functioniren. Die aborale Strecke der Tentakelscheide geht an der Invaginations- öffnung derartig aus der Körperwandung hervor, dass eine scharfe Abgrenzung beider gegen einander nicht zu erkennen ist; bei star- ker Einziehung der Tentakelscheide werden Theile des äusseren In- tegumentes rings um die Invaginationsöffnung nach innen gezogen; an der Oberfläche des den Tentakelkranz ausstreckenden Thieres ist äusserlich eine Grenze an der nun hervorgekehrten Tentakelscheide gegen die Aussenfläche der Körperwand nicht zu erkennen. Anatomisch aber lässt sich eine Grenze zwischen beiden continuirlich in einander über- gehenden Strecken feststellen und zwar durch den Muskelapparat, welcher auf der inwendigen Fläche der Tentakelscheide deren Grenze gegen die Körperwand bestimmt. Dieser Apparat wird durch den Ringmuskel und die ventralen Parietovaginalmuskeln gebildet. Physikalische Classe. XXI. 1. E 34 E. EHLERS, Die letzteren sind zwei neben der Medianlinie paarig geordnete Gruppen von je 8—10 Muskelfasern, welche etwas vor der Ursprungsstelle der seitlichen Hörner jederseits neben der ventralen Medianlinie in einer Querreihe neben einander entspringen, nach vorn convergirend verlaufen und vereinigt jederseits am seitlichen Umfange des vordersten Abschnittes der Tentakelscheide sich anheften. Sie treffen hier auf die Muskelfasern, welche ringförmig in einer einfachen Schicht neben einander gelagert, als ein Sphincter den bei eingezogenen Tentakeln hinter der Invagina- tionsöffnung liegenden Theil der Tentakelscheide völlig verschliessen kön- nen. Der bei dieser Lage vordere Rand dieses Ringmuskels bezeichnet “am besten die aborale Grenze der Tentakelscheide gegen die äussere Körperdecke, die allerdings bei starken Einziehungen der Tentakeln noch eine Strecke weit eingezogen werden kann. Ob nun die aboralen Insertionspunkte der ventralen Parietovaginalmuskeln mit dieser Grenze, ` mit dem Vorderrande des Sphincter zusammenfallen, dann also in der oft lippenförmig erscheinenden Umschlagsfalte der Körperwand an die Tentakelscheide sich anheften, habe ich mit voller Sicherheit nicht ent- scheiden können; doch ist mir dies das wahrscheinlichste. Die hintere Strecke des aboralen Theiles der Tentakelscheide bildet jene eigenthümliche Falte, welche je nach der Lagerung als Diaphragma oder Kragen erscheint. Im Bereiche dieser Bildung ist offenbar die äussere chitinähnliche Wandung der Tentakelscheide etwas verdickt, und erscheint dadurch stärker glänzend. Bei der Bildung des Diaphragma schlägt diese Strecke der Röhre eine gegen die Röhrenaxe von allen Seiten gleichmässig vorspringende ringförmige Falte; und diese ist es, welche bei den Flächenansichten, unter denen man sie meist zu Ge- sicht bekommt, als die diaphragmatische Scheibe erscheint. (Fig- 21 ۰ Die von den Rändern dieser Scheibe gegen die centrale Oeffnung radiär laufenden Linien sind Furchen oder Falten, welche wenn wir uns die Falte, die das Diaphragma bildet, ganz verstrichen denken, in der Längs- richtung der Röhre laufen würden. Wird aber das Diaphragma bei dem später in den Einzelheiten zu betrachtenden Ausstülpungsvorgang so um- gelagert, dass es den Kragen bildet, so sind dessen längslaufenden scharfen HYPOPHORELLA EXPANSA. 35 Kanten durch die Faltenbrüche erzeugt, welche das Diaphragma radiär gestreift erscheinen liessen. Als ein längsstreifiger an der Spitze abge- stutzter Kegel erscheint diese Bildung vorübergehend während des Aus- stülpungsvorganges; sobald nämlich die Tentakeln im oralen Theile der Scheide nach vorn geschoben werden, stossen sie zunächst auf die dia- phragmatische Ringfalte und indem sie diese mit dem mittleren Theile nach vorn drängen, wandeln sie dieselbe in einen Hohlkegel um, dessen Fläche nun längsgestreift erscheint. Tritt die Spitze des Tentakelkranzes an der Spitze des abgestumpften Kegel durch die vorher diaphrag- matische Oeffnung, so erweitert diese sich mehr und mehr je weiter die Tentakeln vorrücken, und in diesem Zustande geht das characteristische Bild vorübergehend verloren. Untersucht man mit starken Vergrösserungen diese Strecke, so be- kommt man häufig das Bild, als ob unter der verdickten chitinösen Wand eine stärkere Anhäufung einer weichen Gewebsmasse läge; in Präparaten, welche in Glycerin und Seewasser conservirt waren, erscheint sie körnig, und macht an einzelnen den Eindruck, als ob kleine Zell- kerne in den Furchen des Diaphragma lägen. Dagegen habe ich ver- gebens nach ringförmigen Muskeln gesucht, welche hier die Rolle eines Sphincter übernehmen könnten. Wohl aber treten nun an diese Strecke hinan die radiär gestellten Parietovaginalmuskeln. Es sind das Muskelfasern, welche meist gruppen- weise vereinigt je in einer Reihe neben einander von der Innenfläche der Körperwand entspringen, und zwar vor dem Ursprunge der beiden ventralen Muskelgruppen, von der Rücken- wie von der Seitenwand, ventralwärts aber nur so weit reichend, dass hier die mediane Fläche frei bleibt. Die Insertionen dieser Fasern liegen an der hinteren Strecke des aboralen Theiles, welche das Diaphragma trägt. Ihre Richtung geht je nach der Lagerung desselben nach hinten oder radiär gegen die Axe, bei ausgestülpten Tentakeln nach vorn. Leicht erhält man das Bild, dass sie an den diaphragmatischen Abschnitt sich ansetzen; aber genau die Insertionspunkte zu bestimmen ist mir nicht gelungen; es scheint, als ob die Fasern in die Falte des Diaphragma hineintre- E2 36 E. EHLERS, ten, und sich an die inwendige Fläche des gefurchten Abschnittes anheften. Was nun schliesslich diesen ganzen aboralen Theil der Tentakel- scheide betrifft, so ist über dessen Lagerung zu bemerken, dass er im eingezogenen Zustande in ungleicher Weise geknickt und dann bei den Flächenansichten der ganzen Thiere in seinen einzelnen Thelen so über und neben einander verschoben liegt, dass nur schwer zumal in dem Gewirr der Muskelfäden das wahre Verhalten der einzelnen Theile zu einander erkannt wird. Meistentheils liegt dabei das Diaphragma nach vorn und dorsalwärts verschoben, und somit über dem vordersten Theile. Es kommt dadurch dann wohl eine Sförmige Krickung dieses Theiles der Scheide zu Stande. Diese verstreicht vollständig bei der Ausstülpung, und bildet dann bis zum Vorderrande des Kragens eine grade gestreckte Verlängerung der äusseren Körperwand. Der orale Abschnitt der Tentakelscheide ist einfacher gestaltet als der aborale; er stellt ein cylindrisches Rohr dar, welches im einge- zogenen Zustande von den Tentakeln in der Weise gefüllt ist, dass es diese enganliegend umfasst. Seine Anheftung findet er an der Basis der Tentakelkrone. An seinen Wandungen habe ich bei Benutzung starker Vergrösserung wohl feine längslaufende Linien gesehen, konnte diese aber nur für den Ausdruck feiner Faltungen halten. Muskelfasern Wa- ren es nicht, und ich muss das Vorkommen von Längsfasern wie von Ringfasern für diesen Abschnitt in Abrede stellen. Dagegen inseriren an der inwendigen Fläche des Rohres, im eingezogenen Zustande etwa auf der Grenze des vorderen und mittleren Drittheils der Länge jeder- seits Fasern, welche von der Innenfläche der Körperwand da, wo die Basis der äusseren Hörner steht, entspringen. Nur in seltenen Fällen habe ich jederseits mehr als eine derartige Faser gesehen. Die einzelne Faser ist häufig kernhaltig, unterscheidet sich aber von den Muskelfasern durch einen geringeren Glanz, inserirt-sich mit einer fast plattenartigen Ausbreitung an der Tientakelscheide, und hat im Ganzen die meiste Aehn- lichkeit mit den kernhaltigen Fäden, welche zwischen Parietalmuskeln und Körperwaı nd ausgespannt sind. Sie verdienen den Namen der Pa- HYPOPHORELLA EXPANSA. 37 rietovaginalbänder, da sie als Haltebänder in der Weise functioniren, dass sie bei der Ausstülpung der Tentakeln die völlige Umstülpung des oralen Abschnittes der Scheide verhindern, und in diesem bei der vollen Ausstülpung eine Falte entstehen lassen, welche mit dem Scheitel nach hinten gerichtet zwischen dem Kragen und der Basis der Tentakelkrone gelegen ist. Meine Auffassung der Tentakelscheide weicht in einigen Punkten von derjeni- gen anderer Autoren ab; und es ist für eine Klärung der Ansichten geboten darauf hinzuweisen. Ich sehe in Uebereinstimmung mit meiner Auffassung von dem ganzen Körper der Bryozoen in der Tentakelscheide den invaginationsfähigen Abschnitt der Körperwandung, wie ein solcher im Bau des Rüssels der Anneliden als Rüsselröhre, oder noch ähnlicher als der einziehbare Abschnitt am Körper der Sipunculiden er- scheint, dessen Homologon bei den Priapulaceen nicht einstülpbar ist. Danach setzt sich die Tentakelscheide auch aus den gleichen Theilen wie das Integument zusam- men, aus Ecto- und Endocyste; dass bei vielen Bryozoen die Ecetocyste der Tenta- kelscheide weniger fest ist als die des Integumentes, oder der in dieser vorkommenden Kalkeinlagerungen entbehrt, ist als eine leicht erklärliche Differenz, welche in Ueber- einstimmung mit den ungleichen Functionen steht, zu bezeichnen. Ich muss das den Angaben Nitsche’s!) gegenüber betonen, nach welchen bei Flustra die Tenta- kelscheide im Umkreise ihrer Mündung in die Endocyste des Zoöcium übergeht, als eine schlauchförmige Einstülpung der Endocyste erscheint, die sich durch einen Spalt der Ectocyste nach aussen öffnet. Nach dieser Auffassung, welche wie Nitsche gleich hinzufügt genetisch nicht zu begründen ist, wäre die Tentakelscheide nur ein Theil der Endocyste; und es müsste dann an der Basis der ausgestülpten Scheide die Decke der äusseren Körperwand mehr oder minder scharfrandig enden. Ein sol- ches Scheinbild könnte wohl da entstehen, wo das starre Integument und die weiche Tentakelscheide durch die ungleiche Entwicklung ihrer äusseren Schicht sehr von ein- ander abweichen. Ich habe eine wirkliche dem entsprechende Abgrenzung bei kei- ner beobachteten marinen Bryozoe gesehen. Dass diese Verhältnisse auch früher nicht scharf auseinandergehalten sind, geht sehr deutlich aus Allman’s ?) Darstellung des Baues der Bryozoen hervor; man vergleiche, um sich davon zu überzeugen, die schematischen Figuren, mit welchen Allman diesen Bau erläutert, und man wird finden, dass in den einen (Fig. 1 u. 2) Körperwand und Tentakelscheide im aus- und eingestülpten Zustande continuirlich zusammenhängen, während in der anderen Zeich- 1) Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. XXI, p. 431. 2) Allman A. Monograph a. a. 0. .م‎ 7 Fig. 1 und 2 — .م‎ 45 Fig. 8 38 E. EHLERS, nung (Fig. 8) die Eetocyste an der Invaginationsöffnung endet und nur die Endoey- ste sich in die Tentakelscheide fortsetzt. Allein Allman versteht unter Ecetoeyste wohl immer nur die Aussenschicht der Körperwand in dem Falle, wenn dieselbe bis zu einem gewissen Grade verdickt und fest erscheint; so würde es sich wenigstens er- klären, wenn er der Cristatella eine Ectocyste überhaupt abspricht; und in diesem Sinne allein könnte man von dem Fehlen einer Ectocyste an der Tentakelscheide re- den, und die in Fig. 8 dargestellten Verhältnisse als nicht ganz unzutreffend bezeichnen, Hyatt!) aber nennt die Ectocyste der Cristatella eine „transitorische“, und dies Beispiel einer extremen Bildung kennzeichnet am besten den Unterschied der Integumentbildung bei phylactolaemen und gymnolaemen Bryozoen. Wenn in der Auffassung der Tentakelscheide eine Differenz zwischen Nitsche und mir besteht, so beruht das wohl nicht zum wenigstens auch darauf, dass wir über den Bau dieses Gebildes ungleiche Ansichten haben; Nitsche?) nennt die Tentakelscheide von Flustra eine homogene aus der Verschmelzung einer Zelllage hervorgegangene Lamelle mit eingestreuten Kernen; meines Erachtens liegen diese Kerne nicht in dieser Lamelle, sondern auf derselben und gehören der Matrix an, auf welcher die äussere Wandschicht ruht, | Längs- und Quermuskelfasern, welche Nitsche von der Tentakelscheide der Flustra beschreibt, babe ich nicht gesehen, so wenig wie einen Sphincter in der Nähe der Tentakelbasis. Das aber könnte vielleicht auf der Ungleichheit der untersuchten Thiere beruhen; wie möglicher Weise darauf auch zurückzuführen ist, dass ich im Umkreis der Invaginationsöffnung einen Sphincter sehe, den Nitsche nicht erwähnt, der aber jedenfalls kein vereinzeltes Vorkommen bildet, da ich ihn von Halodactylus und Le- pralia kenne, v. Nordmann’) offenbar denselben Muskelring von Tendra zostericola beschreibt. Bei Phylactolaemen kommt nach Allman +) und Hy att) der gleiche Muskel vor. Zur Tentakelscheide gehört das Diaphragma; dass dieses im ausgestülpten Zu stande als das sogenannte collare erscheint, geht zuerst aus Reichert's Abbildungen des Zoobotryon hervor; allerdings ist hier dieser Theil der Tentakelscheide durch. seine Kegelgestalt von dem platten Diaphragma, wie es sonst und nicht nur bei cte- 1) Hyatt Observations on Polyzoa. Proceedings of the Essex Institut. Vol.1 1864—1865. Vol. V. 1866—1867. Vol. IV. pg. 226. dE 2) Nitsche a a. O. Zeitschr. f. wiss, Zoolog. XXI, p. 432. 3) A. Demidoff Voyage dans la Russie méridionale T. IH. Paris 1840 P- Atlas Polypi Tab. II Fig. 3. #4) Allman a. a. O. pg. 26. 5) Hyatt Observations a. a. O, Vol. V, pg. 157. Synoptical table. PE: HYPOPHORELLA EXPANSA. 39 nostomen Bryozoen vorkommt, erheblich verschieden. Ueber den Bau dieses Dia- phragma hat sich nur Nitsche geäussert; seiner Ansicht kann ich übrigens nicht beipflichten. Er bezeichnet in seinen Untersuchungen über die Anatomie von Flu- stra?) das Diaphragma als eine Lamelle, welche mit der Substanz der Tentakel- scheide zusammenhängt. Für eine einfache Lamelle kann ich dasselbe aber nicht an- sehen, und meine, es müssten sich bereits Schwierigkeiten für die Vorstellung erheben, in welcher Weise ein derartiges von einer mit der Tentakelscheide zusammenhängen- den Lamelle gebildetes Diaphragma sich während des Ausstülpungsvorganges verhalte, und wo es an der ausgestülpten Tentakelscheide zu suchen sei; Schwierigkeiten, welche aus dem Wege geräumt sind, sobald das Diaphragma, wie es nach meinen Beobachtungen erscheint, eine Faltenbildung an der Wand der Tentakelscheide ist. Flustra trägt ferner nach Nitsche's Angaben auf der dem Deckel zugewandten Fläche des Diaphragma eine Schicht von Cylinderepithelzellen; bei den von mir un- tersuchten marinen Bryozoen habe ich solche nicht gefunden. Im Diaphragma von Flustra sollen nach Nitsche’s Angaben deutliche Ring- fasern eingebettet sein, welche einen kräftigen Sphincter bilden; ich habe bei Hypo- phorella vergebens danach gesucht. — Die Muskeliasern, welche bei Hypophorella radiär an das Diaphragma treten, scheinen bei Flustra nach Nitsche’s Darstellung zu fehlen; während die paarigen ventralen Parietovaginalmuskeln ihre Homologa of- fenbar in den von Nitsche als Deckelmuskel bezeichneten Gruppen finden ; möglicher- weise entsprechen die von Nitsche als Parietovaginalmuskeln bezeichneten Gruppen den von mir als radiär bezeichneten Muskeln. Muskeln, welche Nordmann?) aus der Tendra zostericola beschrieben hat, und welche an dem Mittel- und Enddarm inseriren sollen, kommen bei Hypophorella nicht vor. Der Darm. Lage und Form des Darmrohres ist im Allgemeinen von dem von den normal gebauten Bryozoen bekannten Verhalten nicht unterschieden. Um eine Vorstellung von dessen Dimensionen zu geben, sei erwähnt, dass in einem im eingezogenen Zustande 1,32™ langen Nährthiere folgende Längen gemessen wurden: Tentakeln = 0,78, Schlundkopf —= 0,24, Mit- teldarm — 0,54, Blinddarm = 0,36, Enddarm == 0,43. Ich wende mich 1) Nitsche a. a. O. Zeitschr. f. w. Zoologie XXI, p. 432. 1) A. Demidoff Voyage T. II. a. a. O. p. 661. 40 E EHLERS, danach gleich zur Besprechung der an den einzelnen Abschnitten des Darmrohres auftretenden Verhältnisse. Schlundkopf und Tentakelkrone. Der eiförmige, dehnbare Schlundkopf trägt auf seiner vorderen Flä- che die meist aus 10 oder 11 Tentakeln gebildete Krone, welche die central liegende Mundöffnung umgiebt. Ihre Länge ist im Verhältnis zu der Körperlänge nicht immer gleich; im Allgemeinen erreicht sie nicht ganz Zweidrittel der Länge des eingezogenen Thiers; die hier vorkom- menden Grössenunterschiede sind vielleicht nur auf Altersdifferenzen zu- rückzuführen. Die einzelnen schlanken drehrunden Tentakeln erheben sich vom Umfange eines niedrigen hautartigen Saumes am Rande der Vorderfläche des Schlundkopfes in gleich grossen Abständen von einan- der, und, wie mir eine Ansicht von oben auf die entfaltete Krone zeigt, in symmetrischer Vertheilung. Denken wir uns nach der Lage des spä- ter zu erwähnenden Nervenknoten am Schlundkopfe eine diesen der Länge nach halbirende Ebene gelegt, so fällt bei einer aus 11 Fäden gebildeten Krone in diese Ebene am dorsalen Umfange die Stellung ei- nes unpaaren Tentakels, an den sich jederseits fünf Tentakeln in glei- chen Abständen derartig anschliessen, dass die gleiche Ebene am ventra- len Umfange auf eine Lücke zwischen zwei Tentakeln fällt (Fig. 2); in der zehnfadigen Krone sind die Fäden zu dieser Ebene symmetrisch vertheilt. Ausgestreckt erscheinen die einzelnen Tentakeln als steife Fäden (Fig. 1); dass sie aber in ihren Endtheilen leicht biegsam sind, zeigt die Lagerung im Inneren der Tentakelscheide, denn hier sieht man sehr häufig diese Endstücke nach hinten umgeknickt oder auch wellen- förmig geschlängelt (Fig. 4). Die Spitze des einzelnen Tentakels ist mei- ` stens nicht gleichmässig abgerundet, sondern plötzlich kegelförmig zuge spitzt; und während über die ganze Länge der Tentakeln Flimmerhaare stehen, welche an Länge der Dicke des Tentakels fast gleichkommen . und wie bei anderen Bryozoen in gleicher Richtung über die ganze Reihe der Tentakeln hinflimmern; erheben sich an der Spitze und auf der End- strecke des Tentakels einzelne längere Härchen, welche durch ihre Be- HYPOPHORELLA EXPANSA. 41 wegungslosigkeit leicht auffallen. Ihre Zahl scheint zu wechseln, ebenso ihre Stellung, da ich sie bald in weiten Zwischenräumen von einander, bald erheblich genähert gesehen habe. Ich bezeichne sie nach dem gan- zen Eindruck, welchen ihr Aussehen hervorruft, als Sinneshärchen. Der Schlundkopf hat an der Mundöffnung ein weites Lumen, wel- ches sich nach abwärts trichterförmig verjüngt und in einen Kanal mit drei- kantiger Lichtung übergeht. Seine Wand ist durchscheinend hell, farblos und erheblich dick; ich fand an einem erwachsenen Thiere dafür 0,04”, In seinem Eingange findet eine lebhafte Flimmerung statt, welche unmit- telbar mit der Flimmerung an den Tentakeln in Verbindung steht, Der Bau der Tentakeln und des Schlundkopfes sind im Zusammen- hange zu betrachten. Der einzelne Tentakel ist eine Röhre, deren Lu- men nach hinten zu eine Strecke weit durch den Saum, von dessen Rande die Tentakeln sich erheben, zu verfolgen ist, bis er auf einen den vorderen Theil des Schlundkopfes ringförmig umgebenden kanalförmigen Raum trifft und in diesen einmündet. In dem frei vorstreckbaren Theile des Tentakels wird dessen Wandung aus einer feinen durchsichtigen Membran, einer Stützlamelle, gebildet, welche auf ihrer äusseren Fläche ein cubisches kernhaltiges Epithel trägt. Dieses Epithel ist am lebenden Thiere als solches nicht zu erkennen, sondern erscheint als eine conti- nuirliche, homogene stark glänzende Schicht. Dass diese von Epithel- zellen gebildet wird, erkennt man an Thieren, welche nach der bekann- ten Behandlung in Canadabalsam eingeschlossen sind; deutlicher noch nach der Behandlung mit Essigsäure. Dann zerfällt die vorher homogene Schicht in die einzelnen nun deutlich kernhaltigen Zellen, und von jeder dieser Zellen hebt sich auf der freien Fläche ein äusserst feines cuticu- lar erscheinendes Häutchen ab. Auf diesem Häutchen stehen die Flim- merhaare; nicht aber an allen Zellen, sondern nur an denen, welche auf der dem Innenraume der Tentakelkrone zugewandten Fläche stehen, und wahrscheinlich auch hier nur auf zwei am Rande dieser Fläche entlang laufenden Reihen. Ueber den Ursprung der Sinneshärchen habe ich nichts genaueres ermitteln können. — Auf der gegen den Hohlraum der Röhre gewandten Fläche der Stützlamelle liegen in Abständen von ein- Physikalische Classe, XXI. 1 F 42 E. EHLERS, ander kleine spindelförmige, schwach vorspringende, als Kerne erschei- nende Gebilde. — Muskelfasern habe ich vergebens gesucht; und weder am lebenden Thiere noch an den zerzupften und mit Essigsäure behandelten Tentakeln, noch an conservirten Präparaten, in denen sonst die Muskel- fasern völlig deutlich erhalten waren, derartige Fasern in den Tentakeln gefunden. — An einem 0,0195™™ dicken Tentakel betrug der quere Durch- messer des Hohlraumes 0,0058"", die Höhe des Epithels 0,0039"®; die Sinneshärchen waren bis zu 0,042" lang. | Mit dem Epithel der Tentakeln steht im unmittelbaren Zusammen- hange als eine Fortsetzung desselben die Zellschicht, welche die innere Oberfläche des Schlundkopfes bildet. Die einzelnen Zellen sind fast glashelle mehrkantige Säulen, welche pallisadenartig eng aneinander stehen, und besonders hoch im hinteren Theile des Schlundkopfes sind, welcher das enge dreikantige Lumen hat; bei der Flächenansicht geben ihre basalen Endflächen das Bild einer ziemlich regelmässigen polygonalen Felderung, wobei jedes etwa 0,005"® im Durchmesser haltende Feld bei bestimmter Focaleinstellung eine glänzende Umgrenzung und eine dunk- lere Mitte zeigt; ob diese Contouren von den Zellwänden oder von einer intercellularen Masse gebildet werden, liess sich nicht entscheiden. Die im vorderen Theile stehenden Zellen tragen noch Flimmerhaare; an den hinteren Zellen habe ich diese nicht gesehen. Die grosse Entwicklung dieser Zellen legte mir die Vermuthung nahe, dass diese ganze Zell- schicht eine drüsig functionirende sei. — Nach aussen von dieser mäch- tigen Zellschicht trägt der Schlundkopf zunächst wahrscheinlich eine homogene äusserst feine Membran, und auf dieser eine einfache Lage dünner, bandförmiger, heller, 0,003%% breiter Muskelfasern, welche einen kräftigen Sphincter bilden, mit dem das Thier starke Schluckbewegungen ausführt. Nach Zusatz von Essigsäure, sowie an gefärbten in Dammar- lack eingeschlossenen Präparaten erschien die einzelne Faser quergestreift. Bei jungen Thieren erkennt man leicht, dass die in die Leibeshöhle sehende Fläche des Schlundkopfes von einer dünnen kernhaltigen Memi 7 bran bekleidet wird; an älteren Thieren ist sie nicht ohne weiteres ZU erkennen; bisweilen spricht nur der scharfe Randcontour, welcher nach HYPOPHORELLA EXPANSA. 43 aussen den optischen Längschnitt begrenzt, dafür, dass diese Membran, deren Kerne jedenfalls geschwunden sind, noch vorhanden sei. Die Art und Weise, in welcher die Tentakelscheide einerseits, die Tentakelkrone und der Schlundkopf andererseits mit einander in Verbin- dung stehen, ist nicht leicht zu erkennen. Die Auffassung, welche ich hierüber gewonnen habe, stützt sich zum grossen Theile auf die gleich- zeitigen Untersuchungen dieser Verhältnisse bei Vesicularia cuscuta (L. ?) und Membranipora theils an lebenden, theils an in Chromsäure getödte- ten, mit Carmin gefärbten und in Canadabalsam eingeschlossenen Thie- ren; und ich glaube, dass die einzelnen Beobachtungen sich gegenseitig zu einem ziemlich abgerundeten Bilde vereinigen lassen (vgl. Fig. 11). Die Tentakelscheide setzt sich, so sagte ich oben, so an den Schlund- kopf, dass dieser ihr orales Ende verschliesst. Nun erfolgt das aber in der Weise, dass die Scheide, bevor sie mit dem Schlundkopfe selbst sich verbindet, eine mit ihrer Firste gegen das aborale Ende hin gerichtete Ringfalte bildet, und unterhalb der Firste von dem äusseren Blatte dieser Falte schlauchförmige Verlängerungen aussendet, in welche der Zugang, wie zu dem Binnenraume der ganzen Falte von der Leibeshöhle her freisteht. Diese Falte mit ihren Ausläufern ist die Grundlage der Tentakelkrone, und zwar ist die Membran, welche in den Tentakeln den Hohlraum umgiebt, die unmittelbare Fortsetzung der chitinösen Wand der Scheide, die Kerne auf der Innenfläche entsprechen denen der proto- plasmatischen Masse auf der inwendigen Fläche der Scheide; der canalför- mige Raum, in welchen die Lumina der Tentakeln münden, ist der ge- meinsame von der Leibeshöhle her zugängliche Raum der Ringfalte; er wird am dorsalen Umfange in besonderer Weise durch den hier einge- betteten Nervenknoten ausgeweitet. Eine Fortsetzung dieser Falte geht nun offenbar auf den Schlundkopf über; hier aber und über diesen hin- aus vermag ich sie nicht zu verfolgen. Auf derjenigen Fläche dieser Haut, welche der äusseren Fläche der Körperwand entsprechen würde, lagert die Epithelschicht, welche die Tentakeln und den Binnenraum des Schlundkopfes bekleidet. — Da wo die Umschlagfalte der Tentakel- scheide und die Aussenfläche des Schlundkopfes sich so nahe rücken, F2 58 E. EHLERS, dass nur ein enger Spalt als Eingang zu dem Ringkanal und den von diesen ausgehenden Tentakelhohlräumen übrig bleibt, geht brückenartig ein Gewebe von der Tentakelscheide zum Schlundkopf; ob nur an einzel- nen Stellen oder in weiterer Ausdehnung, konnte ich nicht entscheiden. Jedenfalls kann die Leibesflüssigkeit in die schlauchförmigen Tentakeln eindringen, und steift dieselben vermuthlich während des Ausstülpungs- vorganges, lässt sie erschlaffen, wenn sie bei dem Einziehungsvorgange in die Leibeshöhle zurückfliesst. — Macht der Schlundkopf Schluckbe- wegungen, so streckt er sich und verschmächtigt sich dabei; dann wird das Lumen des Ringcanales erheblich vergrössert; und es ist augen- scheinlich, dass diese Bewegungen des Schlundkopfes von Einfluss auf die Bewegungen der Flüssigkeit im Ringkanale sein müssen. Tentakelkrone und Schlundkopf, welche ich hier mit Rücksicht auf die physio- logische Bedeutung zusammen und in Verbindung mit dem Darm bespreche, stehen also meines Erachtens im engsten Zusammenhange mit der Tentakelscheide und durch diese mit dem allgemeinen Integument. Dieser Zusammenhang ist jedoch bis jetzt keineswegs allgemeiner anerkannt, und ich weiche in meiner obigen Darstellung in erheblichen Punkten von den Angaben meiner Vorgänger besonders über den Bau der Tentakeln selbst ab. In Betracht kommen hier besonders die Untersuchungen Nitsche’s und Salensky’s; mit beiden, welche in ihren Darstellungen dieser Ver- hältnisse unter einander nicht übereinstimmen, befinde ich mich im Widerspruche, und ich glaube nicht, dass die Differenzen, um welche es sich hier handelt, auf die Verschiedenheiten der untersuchten Thiere zurückzuführen sind. Die Controverse knüpft sich an die Deutung, welche die stützende Membran in der Wand der Ten- takeln erfährt. Nitsche') sieht bei seinen Untersuchungen über Alcyonella diese - Membran als eine Fortsetzung jener Lamelle an, welche im Körper dieses Thieres die Muskulatur trägt, und findet eine Uebereinstimmung zwischen beiden in ihrem glei- chen Verhalten gegen Carminfärbung; diese Membran müsste bei Hypophorella auf der inneren Fläche der Matrix der tegumentalen Cuticula liegen, während nach meiner Auf- . fassung die Stützlamelle der Tentakeln Fortsetzung dieser Cuticula ist und wie diese nach aussen auf der Matrix lagert. In der Untersuchung über Flustra?) wird die gleiche 1) Nitsche Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der phylacto- laemen Süsswasserbryozoen. Reichert und Du Bois-Reymond Archiv für Ana- tomie, Physiologie und wiss. Medicin. Jhrg. 1863. pg. 488. 2) Nitsche a. a. O. Ztschr. f. w. Zoolog. XXI. pg. 463. HYPOPHORELLA EXPANSA. 45 Membran als ein Ausscheidungsproduct der beiden Zellschichten bezeichnet, welche auf ihrer äusseren und inneren Fläche, sitzen. — Sehr bemerkenswerth sind Nitsche's') Angaben über das Vorkommen von Muskelfasern in der Wand der Tentakeln von Alcyo- nella, während ihm, meines Erachtens mit Recht, dasselbe bei Flustra zweifelhaft er- scheint; bei Hypophorella, und ich vermutbe bei der Mehrzahl der marinen Bryozoen fehlen diese Fasern, und die Differenz, welche hier zwischen den Süsswasserbewohnenden Phylactolaemen und den marinen Bryozoen besteht, ist offenbar nichts anderes als eine Fortsetzung der Unterschiede, welche die Körperwand der Thiere beider Gruppen hat, auf die Wandung der Tentakeln. Jene Muskelfasern, welche als Bestandtheile der Körperwand bei den Phylactolaemen nachgewiesen sind, und die in dieser Form den marinen Bryozoen fehlen, treten in den Tentakeln wieder auf, oder fehlen entspre- ehend der Bildung der Körperwand — In gleicher Weise erklärt sich die Anwesen- heit eines von Allman vermutheten von Nitsche?) bestätigten Flimmerepithels auf der inneren Wandfläche des Tentakelapparates der Phylactolaemen, welches marinen Bryozoen zu fehlen scheint; auch dieses Flimmerepithel geht als ein die Phylacto- laemen auszeichnender Bestandtheil der Körperwand in deren Tentakeln mit hinüber. Salensky's®) Angaben über den Bau der Tentakeln weichen nicht unerheblich von dem, was Nitsche und ich beobachtet haben, ab; Salensky beschreibt eine auf der Innenfläche der homogenen Cuticula gelegene, den Tentakelhohlraum zunächst auskleidende Zelllage als eine selbständige Röhre; offenbar hat er dann nur solche Bilder vor sich gehabt, wie sie entstehen mögen, wenn diese Zellschicht, an deren Stelle ich nur Kerne gesehen habe, von der genannten Membran sich ablöst. Dass der Hohlraum der Tentakeln mit der Leibeshöhle in Verbindung steht, war für die Phylaetolaemen genauer seit den Untersuchungen Allman’s*) und Nitsche's°), bekannt geworden. Ein ganz ähnliches Verhalten wie für die Süss- wasserbewohnenden wies Nitsc he °) dann bei den marinen Bryozoen nach, indem er die Anwesenheit eines bereits von Farre”) an Halodactylus, von v. Nord- 1) Nitsche Beiträge Archiv für Anatomie a. a. O. pg. 492. 2) Nitsche Beiträge. Arch. t. Anat. Physiol. 1868. pg. 493, 3) Salensky Untersuchungen an Seebryozoen. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd, 24. pg. 343. 4) Allman Monograph a. a. 0. pg. 20. 5) Nitsche Beiträge. Archiv f. Anatomie a. a. O. pg. 487. 6) Nitsche a. a. O. Zeitschr. f. e Zoolog. pg. 430. 7) Farre On the structure of some of the higher forms of Polypi. Philoso- phical Transactions of the r. Society of London. For the year 1837. Pt.I. pg. 406. Pl. XXVI. Ge 8. 46 | E. EHLERS, mann ’) an der Cellularia avicularia (Pall) erkannten den Schlundkopf umgebend Ringkanales zeigte, in welchen die Hohlräume der Canäle münden, und so die Ueber- einstimmung im Bau dieser Theile bei den Süss- und Meerwasserbewohnenden Thieren darlegte, eine Uebereinstimmung, welche angezweifelt werden konnte wegen der wunder- lichen Angabe Reichert’s?): es ständen die Lichtungen der Tentakeln mit dem Hohlraume des Schlundkopfes in Verbindung. Wenn Nitsche eine derartige Verbin- E dung für Flustra mit Entschiedenheit in Abrede stellt, so kann ich das gleiche thun für alle von mir darauf geprüften Bryozoen: Hypophorella, Vesicularia, Halodactylus, Lepralia Nitsche giebt als Begrenzung dieses Ringkanales völlig zutreffend nach aussen die Tentakelscheide, nach innen die Wand des Schlundkopfes an; erörtert aber den a Zusammenhang dieser Theile nicht weiter, und wird der von mir oben vorgetragenen Auffassung nicht zustimmen können, da nach seiner Ansicht die Stützlamelle in den Tenta- keln nicht mit der Cuticula der Tentakelscheide in Verbindung steht. — Salensky’s Darstellung von der Bildung des Ringkanals und dessen Zusammenhang mit den Ten- takeln und der Tentakelscheide weicht von der meinigen erheblich ab. Salensky giebt mit Wort und Bild an, dass im Ringkanale ein völlig geschlossenes Ringrohr liege, in welches die Hohlräume der Tentakeln mündeten; die Wand dieses Rohres sei von denselben Zellen gebildet, welche die Hohlräume der Tentakeln auskleideten. Meiner Ansicht nach, und daran stimme ich Salens ky bei, ist die Auskleidung der Tentakelröhren und des Ringcanales von der gleichen zusammenhängenden Schicht, der Matrix der homogenen Haut gebildet; nur kann ich nicht sehen, dass diese im Ringcanal ein geschlossenes Rohr bildet. Dabei bleibt so lange nicht besondere Oeffnungen in der Wand dieses Rohres nachgewiesen werden, unverständlich, auf welchem Wege die Leibesflüssigkeit in die Tentakeln eindringt. — Die Stützlamelle der Tentakeln, die nach meiner Ansicht eine unmittelbare Fortsetzung der chitinösen Wand der Tentakelscheide ist, soll nach Salensky einerseits wahrscheinlich an der Tentakelbasis aufhören, also nicht in die Tentakelscheide übergehen, andererseits, und hier kann ich wieder zustimmen, in die homogene Lamelle des Schlundkopfes übergehen. Die Tentakelscheide endlich, welche ein Dach über die Ringrinne bildet, soll mit dem hinteren Rande der Ringrinne verwachsen; doch erfahren wir dabei nicht, in welchen Theilen diese Verwachsung stattfindet; ausserdem in die äussere Epithelschicht des Darmcanals übergehen, sowie durch eine von ihr sich loslösende zellige Lamelle an der Tentakelbasis sich mit dem Epithel der Tentakeln verbinden. Von einer derartigen Spaltung in der Tentakelscheide habe ich nie etwas gesehen; eine Verbindung zwischen Tentakelscheide und Aussenfläche des Schlundkopfes über 7) A. Demidoff. Voyage. T. II a. a. O. pg. 693. 8) Reichert a. a. O. pg. 248. Wer HE d'welt HYPOPHORELLA EXPANSA. 47 dem Eingang in den Ringcanal besteht, wenn auch nicht als eine zusammenhängende Lamelle; und diese Verbindung hat Salensky offenbar für eine unmittelbare Fort- setzung der Tentakelscheide in die äussere Epithelschicht des Darmes angesehen. Salensky’s Anschauung ist meiner Ansicht nach aus nicht klarem Verständnisse des optischen Längsschnittes durch den basalen Theil einer Tentakelkrone entstanden. Sollte ich irren, und sollte im Ringkanale in der That ein geschlossenes Gefässrohr mit Ausläufern, welche sich in die Tentakeln fortsetzen, gelegen sein, so würde das in sofern von grosser Bedeutung sein, als dann eine Bildung vorläge, wie sie von den Tentakelgefüssen der Phoronis beschrieben ist. Vorläufig zweifle ich aber durch- aus an der Richtigkeit der Salensky’schen Angaben, und glaube, dass bei den Meer- wie Süsswasserbewohnenden Bryozoen eine völlige Uebereinstimmung dieser Bildung besteht, und dass die Tentakeln, wie sie als Fortsetzungen der Körperwand erscheinen, einen zur Leibeshöhle gehörigen Hohlraum besitzen. Das Verhältniss wird bei der Besprechung der Entwicklungsgeschichte uns wieder beschäftigen. Mittel- und Enddarm. Aus dem Schlundkopfe geht ein dünneres kurzes cylindrisches Rohr ab, und hat eine Wand, die wie der Schlundkopf gebaut erscheint. Diese Strecke ist meines Erachtens daher auch noch zum Schlundkopf zu rechnen, wenn man sie auch nach der Röhrenform ohne genauere Untersuchung zum Mitteldarm stellen möchte. Dann erweitert sich der eigentliche Darm sackartig, giebt den nach hinten gerichteten Blind- sack ab, an dessen Grunde der Funiculus befestigt ist, und läuft nun stets nach vorn gerichtet gegen den Enddarm, von dem er durch eine scharfe ringförmige Einschnürung abgesetzt ist. Die Form der einzelnen Strecken dieses im allgemeinen eine einfache, mit beiden Enden nach vorn gerichtete, mit einer nach hinten sehenden blindsackartigen Aus- stülpung versehene Schlinge bildenden Rohres ist je nach dem Füllungs- zustande und der Lagerung wechselnd; im eingezogenen Zustande sind seine mittleren Theile meist sackförmig aufgetrieben, werden aber durch eine Streckung, welche sie bei der Ausstülpung der Tentakel erleiden, schlank und fast in der ganzen Länge gleichmässig dick. Die Strecke, welche vor der die Grenze zum Enddarm bildende Einschnürung liegt, ist häufig in besonderer Weise noch einmal etwas aufgetrieben und da- durch von dem vorhergehenden Theile abgesetzt. Bei völlig erwachse- 48 E. EHLERS, nen Thieren ist der Mitteldarm, besonders aber dessen Blindsack, grün- lich oder gelblich gefärbt. Die Wandung dieses Darmtheils ist im Gegensatz zu der des Schlund- kopfes dünn, und wird durch eine einfache Schicht niedriger cubischer Zellen gebildet, welche als ein Epithel die innere Oberfläche einnehmen, an den einzelnen Strecken aber geringe Unterschiede aufweisen, Dahin ge- hört, dass die Zellen im Blindsack bei erwachsenen Thieren gefärbte, feste concrementartige Körnchen enthalten; meistentheils liegt dann in einer Zelle je ein grösseres gelb oder grünlich gefärbtes Korn, offenbar ein Secret der Zelle selbst. In einzelnen Fällen waren im lebenden Thiere die Zellgrenzen nicht zu erkennen und so erschien die Wand des Blindsackes dann gelb mit zerstreut liegenden grösseren Pünktchen, den vor den übrigen durch bedeutendere Grösse ausgezeichneten Kör- nern. — Diese Fähigkeit, Körnchen in sich zu erzeugen, ist übrigens nicht ausschiessliche Eigenthümlichkeit der Zellen des Blindsackes, son- dern findet sich auch weiterhin an den Zellen des Mitteldarmes, aller- dings meist in weit geringerem Grade. Sie ist aber auch offenbar nicht immer in Thätigkeit, da man auch an erwachsenen Thieren gelegentlich die Zellen völlig farblos und ohne grössere Einlagerungen findet. — Im Endstücke des Mitteldarmes ändert sich der Character der Zellen dadurch, dass diese hier Flimmerhaare tragen, die eine lebhafte Wirbel- = bewegung erzeugen, durch welche die hierher gelangten Theilchen des Darminhaltes wie in einem Strudel bewegt werden. Die Zellen selbst sind etwas höher als die vor ihnen gelegenen secretorischen Zellen, und ähneln in der Farblosigkeit und dem stärkeren Glanze den Zellen des 'Schlundkopfes, sowie auch darin, dass sie bei der Flächenansicht das Bild eines polygonalen Netzes darbieten; während die Flächenansicht der secretorischen Zellen das Bild eines Pflasterepithels gewährt, dessen Zellgrenzen nur als feine Linien erscheinen, Eine Muskelschicht habe ich am Darme nicht gesehen, wiewohl ich besonders danach suchte, da ich an einem noch nicht voll entwickelten Thiere den Blindsack des Darms schwache Contractionen ausführen sab, die mir von der Darmwand auszugehen schienen. HYPOPHORELLA EXPANSA. 49 Die Epithelschicht wird nach aussen von einer im vorderen Theile sehr feinen, beim Uebergang zum Enddarm etwas stärkeren glashellen Membran gedeckt, an welcher ich ganz vereinzelte sehr kleine Kerne gesehen habe. Vielleicht gehört diese Membran bereits dem Gewebe des Funiculus an, der sich an den Blindsack anheftet. Der Enddarm ist cylindrisch von der Einschnürung an, welche ihn vom Mitteldarm trennt, bis zur Afteröffnung, die sich am dorsalen Um- fange des oralen Theiles der Tentakelscheide unmittelbar am Diaphragma findet. Er hat eine innere Epithelauskleidung, deren Zellen, wie ich einige Male sicher erkannte, im vordersten Theile mit den flimmernden Zellen des Endabschnittes des Mitteldarmes übereinstimmen, gegen den After hin aber rasch eine niedrige polygonale Gestalt annehmen. In anderen Fällen sah ich dieses flache Epithel bis an die Grenze des Mitteldarms reichen. — Wodurch die Einschnürung zu Stande kommt, kann ich nicht angeben; vergebens habe ich nach einer etwa als Sphincter wirkenden Muskelschicht gesucht. Die am Mitteldarm befindliche äussere feine Membran liegt auch am Enddarme; an der eingeschnürten Grenze sieht man sie von einem Darmtheil zum anderen brückenförmig hinübergespannt. Als Darminhalt, welcher einen Schluss anf die NS des Thieres gestattete, habe ich ausschliesslich pflanzliche Reste, in einigen Fällen verhältnissmässig grosse Diatomeen gefunden. Ueber die Aufnahme an- derer Stoffe kann ich nichts angeben. Die Bryozoe wird auf die Auf- nahme dessen hingewiesen sein, was von der Terebella abgesondert oder bei ihren Bewegungen in das Lumen der Röhre mit hineingeführt wird. Jene eigenthümlichen Concretionen, welche sich im Enddarme mancher Bryozoen, z. B. sehr häufig bei Halodactylus finden, habe ich bei Hypo- phorella nicht gefunden. Dagegen findet sich fast immer eine grosse Anzahl der braunen Kügelchen, welche von den Zellen des Darmepithels erzeugt werden, frei im Lumen des Darmes, wo sie besonders in den fliimmernden Theiles desselben im Wirbel umher getrieben werden. Wie diese Körper aus den Zellen befreit werden, habe ich nicht gesehen, vermuthe aber, dass sie durch die Auflösung derselben frei werden. Da Physikalische Classe. XXI. 1. G Mo. Bot. Garden. i50I. 50 E. EHLERS, ich an den Körnchen selbst keinerlei weitere Veränderungen wahrnehme, so halte ich sie für einen mit dem Koth zu entleerenden Auswurfstoff. Funieulus. Der Funiculus (Fig. 1. 3. 4. 9.) ist eine strangförmige Gewebsmasse, ` welche vom Blindsack des Mitteldarmes durch die Leibeshöhle zur Kör- perwand läuft und an deren inneren Fläche dort in das Gewebe der Körperwand übergeht, wo diese dem Stengelgliede aufsitzt. Die durch- scheinende helle Substanz trägt keinen ausgesprochenen Gewebscharacter: Körnchen, oder kleine fast kernartige erscheinende Gebilde und kurze Strichelchen, welche bisweilen als feine Faltungen erscheinen, liegen ganz unregelmässig in der sonst homogenen Masse vertheilt; nur wenn der Funiculus bei der Tentakelausstülpung durch den vorwärts getrie- benen Darm angespannt wird, erscheint seine Substanz längsstreifig, wie aus Bändern zusammengesetzt; jedoch war diese Zeichnung zu unbe- stimmt, als dass man darin das Bild differenzirter Fasern hätte sehen können. An beiden Anheftungspunkten breitet sich das Gewebe flächen- haft aus, umhüllt so das freie Ende des Darmblindsackes und verliert sich allmälig und unmerklich auf dessen Aussenfläche, wie es in gleicher Weise mit der Innenfläche der Körperwand verschmilzt; aber an beiden Stellen findet man ziemlich regelmässig an den Anheftungspunkten im Gewebe einen grösseren oder kleineren Haufen kugeliger glänzender Körperchen eingelagert, welche völlig den Kernen entsprechen, die in den Stengelgliedern über den Rosettenplatten zu lagern pflegen. War bei einer Präparation am lebenden Thier der Funiculus durchrissen, 09 habe ich sein Gewebe wohl wie zusammengeschrumpft das Ende des Darmblindsackes umgeben sehen, und dann lagen, abgesehen von den Kernen, in ihm Gebilde, von denen ich nicht entscheiden konnte, ob es knotenartige Verdickungen oder Vacuolen seien; in einzelnen Fällen wurde das Bild einer Zellanhäufung, meines Erachtens, vorgetäuscht. Der Funiculus, welcher hier wie bei vielen anderen Bryozoen ein einfacher ER HYPOPHORELLA EXPANSA. 51 Strang ist, weicht dadurch erheblich von der Bildung ab, unter welcher Nitsche 1) das gleiche Organ aus dem Körper der Flustra seiner abweichenden Gestalt wegen als Funicularplatte beschrieben hat. In der einen wie in der anderen Form stellt das Organ jedenfalls eine an die Körperwand sich anschliessende Bildung dar, und wenn es auf dieser wie auf der inwendigen Oberfläche des Darmes als ein membra- nöser Ueberzug sich fortsetzt, so kann es danach als ein Peritonäum bezeichnet werden, ganz ähnlich jenem, welches wir aus dem Körper einer Anzahl von Anneliden kennen, und welches, wie es hier innere Oberfläche der Körperwand und des Darmes bekleidet, zugleich in der Form von Dissepimenten beide verbinden kann. Ungleich gebildet wie der Funiculus das eine mal bei Flustra, das andere mal bei Hypopho- rella u. a. erscheint, stimmt er bei beiden darin überein, dass die Hauptanheftungs- stellen an der Körperwand über den Rosettenplättchen liegen; und wenn nun diese in den Thieren der Hypophorella nur je einmal, bei den Thieren der Flustra, dem anderen Gefüge der Colonie entsprechend, in mehrfacher Zahl vorkommen, so ist wohl darauf die bei beiden Thieren ungleiche Form des ganzen Funicular-Appa- rates als Strang oder zerschlitzte Platte zurückzuführen. Darauf hin wären andere Bryozoenstöcke zu prüfen. — Vielleicht hängt mit dieser Gestaltung dann auch das Auftreten der von Nitsche als Seitenstränge bezeichneten Gebilde zusammen, welche bei Hypophorella, und den verwandten Formen, so weit ich sie aus eigner Anschauung kenne, nicht vorkommen. Das Peritonäum aber, welches in der Fortsetzung des Funiculus auf Körper- und Darmwand sich ausbreitet, hat offenbar bei den phylactolämen an der bei diesen stärker entwickelten Körperwand nicht nur eine grössere Ausdehnung sondern auch eine histologisch reichere Ausbildung, als bei den marinen Bryozoen. Die letztere tritt darin hervor, dass auf der inneren Oberfläche der Körperwand, wie besonders van Beneden?), Allman ®) und Nitsche) nachgewiesen haben, Zellen, welche diesem Peritonäum angehören, Flimmerhaare tragen, und wir wissen durch eine An- gabe Leydig’s°), dass bei Plumatella der peritonäale Ueberzug des Darmes, die Serosa, wie sie Leydig nennt, gleichfalls flimmert, eine Bestätigung, welche früher Allman einer gleichen Angabe van Beneden’s nicht geben konnte. 1) Nitsche a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 21. pg. 434. 2) van Beneden Quelques observations sur les Polypes d’eau douce. Bulletin de l’Academie roy de Bruxelles. 1839 pg. 276. — Annales des sciences naturelles. Ser. IL T. 14. Zoolog. 1839. pg. 222. 3) Allman A. Monograph a. a. 0. pg. 24. 4) Nitsche Beiträge. Archiv f. Anatomie a. a. O. pg. 470. 5) Leydig Lehrbuch de Histologie pg. 341. G2 . 52 E. EHLERS, ist meines Wissens von den marinen Bryozoen nicht bekannt geworden. Hier ist arı der Körperwand das Peritonäum gekümmert; während es, zumal an jungen Thieren, deutlich, den Darm überkleidet, erhält es sich an der Körperwand besonders nur in Verbindung mit den Muskeln, und ich bin der Ansicht, dass jene membranösen ` — Platten, auf denen die Fasern der Parietalmuskeln liegen, von der Körperwand ab- gelöste Theile des Peritonäum sind, deren Verbindung mit dem Funiculus leicht er-. kannt wird. Die Bildung von Statoblasten, welche bei Phylactolämen am Funiculus statt- findet, fehlt Hypophorella, und vielleicht allen verwandten Formen. Wie aber die peritonäalen Flächen bei den Anneliden eine Beziehung zur Erzeugung der Geschlechts- producte haben, so ist diese, wie wir später sehen werden, auch bei unseren Thieren vorhanden. Dabei will ich denn schliesslich erwähnen, dass ich in einem einzigen Falle, den ich als einen jedenfalls selten vorkommenden bezeichnen muss, in dieser perito- naealen Platte, über die Fläche derselben vorspringend, ganz vereinzelt liegende glän- zende Kügelchen von 0,0084=m gefunden habe, die den Eindruck von Kernen einer besonderen Art machten; und zwar sowohl an der Wand des Mittel- und Enddarmes, wie an den Membranen der Parietalmuskeln. Bess aber erscheint mir diese Ausnahmebildung deshalb, weil sie offenbar auf eine 7 hörigkeit dieser Membran hinweist, und für meine Ansicht spricht, dass auch die Membran der ge- nannten Muskeln eine von der Leibeswand abgelöste Peritonaealplatte sei. Ob man hier es mit einer rudimentären oder noch unentwickelt gebliebenen, dann jedenfalls an einem ungewöhnlichen Orte stattfindenden Anlage von ee zu thun hat, ist mir zu entscheiden nicht möglich gewesen. Musculus retractor. Der Rückziehmuskel des ausgestülpten Tentakelkranzes und vorge- schobenen Darmes wird aus einer grösseren Anzahl unverbunden neben einander verlaufender Fasern gebildet, welche ihren Ursprung im hin- teren Körpertheile auf der inneren Wandoberfläche haben und zwar in der rechten Körperhälfte da etwas dorsalwärts gerückt, wo die Ver- schmächtigung des Körpers zum Stiel liegt, oder wenn dieser nicht. vorhanden ist, vor und über der Befestigungsstelle des Thiers am Sten- gelgliede. Die Fasern inseriren rechts und links von der Symmetrieebene gesondert am vordersten Rande des Schlundkopfes, und zwar an der ` ١ E yii ee Te a) E S 5 5 RES SE E E E e EA ا‎ een Er AN E TE AE اد‎ Sas SAL N I EN ا‎ ee SE LSE ee HYPOPHORELLA EXPANSA. 53 Tentakelscheide da, wo diese die Falte bildet, welche die Grundlage der Tentakelkrone ausmacht, Vielleicht erfolgt die Insertion der einzelnen Fasern wie bei Vesicularia: hier inseriren die Fasern zu je drei in Längs- reihen hintereinander, welche den Ursprüngen der einzelnen Tentakel- fäden entsprechen. Die Muskelfasern liegen im eingezogenen Zustande mannigfaltig gekrümmt und gebogen, scheinbar wirr durcheinander; bilden gespannt dagegen einen fast solide erscheinenden Strang. Die einzelne Muskelfaser ist in ihrer ganzen Länge gleichförmig breit; schwach bandförmig, homogen und glänzend; an jüngeren Thieren trägt jede einzelne Faser etwa auf der halben Länge einen aussen an- gelagerten, etwas vorspringenden, spindelförmigen Kern, welcher bei älte- ren Thieren völlig fehlt. Die einzelne Faser besteht aus der contractilen Substanz und dem Sarcolemm. Beide Substanzen sind nur bei hochgra- digen Contractionen von einander zu unterscheiden, ganz besonders aber, sobald eine Muskelfaser zerreist; dann zieht sie sich auf das äusserste zusammen und nun tritt das Sarcolemm als eine feine glänzende Hülle zu Tage, welche zerknittert und wie in scharfbrüchigen Falten, die nach aussen als quere scharfe Leisten oder Ringe vorspringen, unregelmässig zusammengezogen erscheint. Der entgegengesetzte Zustand, der höchste Grad der Ausdehnung lässt die contractile Substanz in besonderem Zustande, dem der deutlich quergestreiften Muskelfaser erscheinen. Ich habe diese Erscheinung zu wiederholten Malen an einem sehr lebensfrischen Thiere gemacht: das Thier hatte die Tentakelkrone völlig entfaltet, der Retractor war scharf gespannt, aber alle seine Fasern völlig glatt; nun folgte eine ruckförmige Bewegung, die Tentakelkrone spreizte sich stärker, und wie mit einem Schlage zeigten die einzelnen Muskelfasern sehr deutlich das ` Bild der Querstreifung in der Weise, dass über die ganze Breite der Fasern gleich grosse dunkle und helle Bänder alternirend verliefen. Es gelang mir nicht so starke Vergrösserungen in Anwendung zu bringen, um über die etwaige Existenz von Mittelscheiben in der contractilen . Substanz eine Ansicht zu erhalten, — Das Bild der Querstreifung ver- schwand dann, doch nicht so schnell, als es erschienen war; offenbar liess die höchste Anspannung der Fasern nach, und das reichte hin, um 54 E. EHLERS, das Aussehen der Muskelfasern, welche noch immer durch die entfaltete Tentakelkrone gespannt gehalten wurden, wieder zu ändern, die Fasern wieder völlig glatt und homogen erscheinen zu lassen. Ich habe den Vorgang zu wiederholten Malen an demselben Thiere und stets in glei- cher Weise sich vollziehen sehen, und dabei feststellen können, dass die einzelne Faser, wenn sie aus dem contrahirten Zustande bei ganz eingezogener Tentakelkrone in den erschlafften, gedehnten bei der Ent- faltung der Krone übergeht, um die Hälfte verschmälert wird, von 0,0078"® Breite auf 0,0039" Breite sinkt. Ueber die Structur der Muskelfasern der Bryozoen sind bis in die jüngste Zeit hinein die Angaben der verschiedenen Autoren auseinandergegangen. Lassen wir die Ansicht Reichert’s, nach welcher auch die unverkennbaren Muskelfasern des Retractor nur Faserbildungen der protozootischen Substanz sein sollen, hier ganz ausser Acht, da sie wohl kaum einen Vertheidiger finden dürfte, so läuft die Diver- genz der Meinungen darauf hinaus, dass die Muskelfasern als glatt (v. Nordmann’), v. Siebold?), Hartmann?)) oder quergestreift (Milne Edwards‘), Leydig), Nitsche®)) beschrieben werden. Eine völlig zutreffende Angabe finde ich bei All- man‘): die Querstreifung an den Muskelfasern der Paludicella kann nur an den völlig gestreckten Fasern erkannt werden. Diese Angabe, die scheinbar ganz un- beachtet geblieben ist, kann ich durchaus bestätigen. Daraus erklärt sich, dass Reichert °) und Hartmann arf den contrahirten Muskelfasern oder an denen ab- gestorbener Thiere vergebens nach dem Bilde einer echten Querstreifung gesucht und höchstens nur Runzelungen, welche auf die oben erwähnten Faltungen des Sar- 1) A. Demidoff Voyage T. IIL. a. a. O. pg. 698. 2) v. Siebold und Stannius Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. I. Theil Berlin. 1848. pg. 31. 3) R. Hartmann Einiges über Halodactylus diaphanus Farre. Du Bois u. Reichert Archiv für Anatomie u. Physiologie. Jhrg. 1871. pg. 497. 4) Milne Edwards Recherches sur les Eschares. Annales d. scienc. natur. Ser II. T.. VI. Zoologie. Paris 1836. pe 23. 5) Leydig Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1857. pg. 141. 6) Nitsche Beiträge zur Anatomie a. a. O. pg. 480. Taf. XII. Fig. 15. Beiträge III. Ztschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 21. pg. 434. Taf. XXXVII. Fig. 11 = T) Allman Monograph pg. 30. 8) Reichert Vergleichend anatomische Untersuchung a. a. O. pg. 298. Z SE RS e EE Der Ae E E DE HYPOPHORELLA EXPANSA. 55 colemms zurückzuführen sind, gefunden haben. Die von Nitsche gemachten An- gaben in Betreft der Querstreifung der Muskelfasern stimmen nicht ganz mit meinen Beobachtungen überein: ein derartiges Bild der Querstreifung, wie er es von den Muskelfasern der Alcyonella giebt, habe ich nie gefunden, und ebensowenig kann ich aus eigner Erfahrung die von ihm an dem Retractor von Flustra gesehene Erschei- nung bestätigen, dass deutliche Querstreifung an den Fasern zu beobachten sei, un- abhängig davon, ob sie gerade contrahirt oder erschlafit sind. Die Abbildung, welche hier das Bild der Querstreifung zeigt, passt ausserdem wenig zu der von mir gese- henen Querstreifung: ist in der Zeichnung, welche Nitsche giebt, die dunkel erschei- nende Substanz der Muskelfaser längsstreifig und wenig regelmässig, so habe ich sie an den lebenden Fasern stets völlig homogen, gleichmässig breit und scharf gegen die helle Substanz abgesetzt gesehen. — Ich lege auf die Erscheinung, welche All- man zuerst gesehen hat und die ich durchaus zu bestätigen habe, dass das Bild der Querstreifung nur in den völlig angespannten Fasern erscheint, mit dem Beginn der Contraction der Faser aber sofort wieder verschwindet, um einem gleichför- migen Glanze Platz zu machen, deshalb Gewicht, weil es durchaus mit neueren Erfahrungen über das Aussehen quergestreifter Muskelfasern im contrahirten und nichtcontrahirten Zustande übereinstimmt. Ich habe hier auf Angaben zu verweisen, welche von Merkel!) und G. R. Wagener?) gemacht sind. Merkel unterscheidet das optische Verhalten der Arthropoden-Muskelfaser im Zustande der Ruhe, der Contraction und in einem Zwischenstadium; im ersteren ist das Bild der Querstrei- fung deutlich ausgeprägt und schwindet völlig im Uebergangsstadium um dann einem anderen Platz zu machen; Wagener beschreibt einen bestimmten Contractionszu- stand der Faser, der sich in einer Knotenbildung äussert; in ihm geht das Bild der Querstreifung völlig verloren. Diese Beobachtungen passen völlig zu dem von Allman erwähnten, von mir zu wiederholten Malen unter den gleichen Verhältnissen beobach- teten Verhalten. Der Zustand der Ruhe, wie es Merkel bezeichnet, ist an den Fasern der Bryozoen nur im Zustande der grössten Streckung vorhanden, und nur dann ist das characteristische Bild der Querstreifung vorhanden; die geringste Con- traction lässt dieses sofort und in gleichmässiger Ausdehnung in der ganzen Faser verschwinden, und mit der meines Erachtens sehr energischen Contraction, welche bei den Rückbewegungen der Tentakelkrone erfolgt, tritt sofort jener Zustand ein, 1) Merkel Der quergestreifte Muskel. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. VII. 1872. pg. 244, Taf. XII. 2) G. R. Wagener Ueber einige Erscheinungen an den Muskeln lebendiger Corethra plumicornis-Larven. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd.X. 1874. pg. 293. Taf. XVI. XVII. 56 E. EHLERS, ‚welcher durch das Verschwinden der Querstreifung und das Auftreten des star ‘Glanzes an das Verhalten der Knotenbildungen erinnert, welches Wagener ben hat. Kommt aber dieser Zustand an den Muskelfasern der Mückenlarve geringer Ausdehnung vor, so erstreckt er sich hier über die ganze Länge der Muskel- faser. — Neue Untersuchungen mögen darthun, wie sich zu diesem Verhalten das von Nitsche beschriebene stellt, nach welchem Querstreifung im contrahirten und nicht contrahirten Zustande vorhanden ist; es wäre möglich, dass eine Differenz nach den Thieren aufträte, oder dass, wie in den Merkel’schen Figuren, eine ungleiche -Querstreifung der Muskelsubstanz, nicht des Sarcolemms, im Zustande der grössten ‘Dehnung wie der grössten Zusammenziehung vorkäme; ich habe bei verschiedenen Thieren niemals etwas derartiges gesehen, — Ob das Bild der Querstreifung, welches man an den mit Essigsäure behandelten oder in Dammarlack eingeschlossenen Mus- kelfasern des Schlundkopfes erhält, mit dem identisch ist, welches die gr Fasern des Retractor zeigen, ist mir zweifelhaft, Die Bewegung des Darmtractus. Die Lage des ganzen Darmtractus im Inneren der Leibeshöhle ist wie bei anderen Bryozoen einem Wechsel unterworfen je nach Contractionszustande der Parietalmuskeln und des Retractor. Die wegungen erfolgen im Allgemeinen in der Weise, wie sie von Allm und Nitsche beschrieben sind; ich gebe eine Darstellung dersel nach meinen Beobachtungen, weil sie das bekannte Bild in Einzelheiten noch zu ergänzen vermögen. Im lebenden Thiere sieht man häufig meist ruckweise auftretende, geringfügige Lageveränderungen des einge- zogenen Darms, Schwankungen und Axendrehungen, welche natürlich am hinteren, nur lose vom Funiculus gehaltenen Theile am grössten sind. Das sind Bewegungen, welche durch geringfügige Contractionen der Pa- rietalmuskeln herbeigeführt werden. Sie leiten bisweilen, aber keines- wegs immer den Ausstülpungsvorgang ein. Tritt dieser ein, so sieht We meistens die ganze Masse des Darmtractus langsam nach vorne 1 ع‎ werden; die Tentakeln strecken sich gerade, rücken gegen das nach vol verschobene Diaphragma, heben dieses, dass es sich kegelförmig nach vorn wölbt, und treten oft mit ihren Spitzen durch dessen Oefinung hin durch; am aboralen Theile dehnt sich der Sphincter und von der Kee HYPOPHORELLA EXPANSA. 57 ginationsöffnung hebt sich der deckelförmige Körpertheil, breitet sich aus und richtet sich dorsalwärts. Bisweilen tritt aus der Invaginationsöffnung geschoben von den dahinter liegenden Tentakeln und kegelförmig erhoben das Diaphragma hervor. Das sind, von der Oeffnung des Sphincter ab- gesehen, alles Vorgänge, welche durch die von den Parietalmuskeln nach vorn getriebene Leibesflüssigkeit hervorgerufen werden, die wie sie den Darmtractus im ganzen vorwärts drängt, die Tentakeln so wie den Deckel füllt und strotzen lässt, dass erstere sich steifen und strecken, letzterer sich aufrichtet und entfaltet. Häufig bricht der eingeleitete Vorgang hier ab, die Contraction der Parietalmuskeln lässt nach und der Zustand voller Einziehung tritt wieder ein. Kommt aber die Entfaltung voll zu Stande, so schreitet in vielen Fällen der eingeleitete Vorgang langsam weiter vor, und nur der letzte Act der Tentakelausbreitung pflegt ruck- weise zu erfolgen. In den von mir beobachteten Fällen war der weitere Verlauf der Ausstülpung meistens folgender: Die zusammenliegenden gestreckten Tentakeln schieben sich durch das Diaphragma, dessen Oeff- nung weit gedehnt ist, und treten durch den aboralen Theil der Scheide aus der Invaginationsöffnung hervor; wie ihnen der Schlundkopf folgt, zieht er den an ihm befestigten Theil des oralen Scheidenabschnittes nach vorn und stülpt bei weiterem Vorwärtsgehen diesen um und in den vorderen Theil hinein, wobei der orale Abschnitt nun eine Zeitlang so lagert, dass die ihn haltenden Parietovaginalbänder völlig schlaff sind. Sobald Tentakelkrone und Schlundkopf nach vorn rückend durch das ‚Diaphragma völlig hindurchtreten, stülpen sie den oralen Abschnitt der Scheide weiter um und ziehen ihn nach vorn; hier aber setzen sich dieser Bewegung die Parietovaginalbänder entgegen, und erzeugen in dem oralen Abschnitt eine Ringfalte, deren First nach hinten in den Körperhohlraum gerichtet ist. Bevor aber das eintreten kann, hat die andrängende Leibesflüssigkeit, nachdem der Schlundkopf das Diaphragma durchschritten, auch den aboralen Theil der Scheide nach aussen vorgestülpt; die Faltung des Diaphragma verstreicht dabei völlig, und es erscheint dieses -nun als der Kragen, aus dessen Umfassung der Tentakel- kranz hervorragt; dass hier wiederum eine Falte gebildet wird, deren Firste Physikalische Classe. XXI. 1. H 58 E. EHLERS, als der äussere Kragenrand erscheint, wird durch die Anspannung des 3 Parietovaginalbandes herbeigeführt;. diese Falte liegt auf dem Uebergange _ des oralen Theiles der Tentakelscheide zum aboralen, wird nach aussen _ getrieben durch die sie füllende Leibesflüssigkeit und ist die nothwendige Ergänzung jener Falte, an welcher die Parietovaginalbänder haften. Diese Vollausstülpung beeinflusst die Körperwand in der Weise, dass der Deckel anfänglich aufgerichtet und entfaltet, nun ganz dorsalwärts ver- schoben und dadurch, dass seine Wände auseinander gezogen werden, als eine niedrige Faltenbildung erscheint. Sobald der Tentakelkranz aus der umhüllenden Scheide frei geworden ist und die Invaginations- öffnung passirt hat, entfaltet er sich gleichmässig nach aussen ; der Strom der Flimmerung läuft über seine Innenfläche; die einzelnen Tentakeln machen nur selten einzeln für sich Bewegungen; dagegen sieht man die Gesammtheit der Tentakelkrone sich etwas drehen oder Beugungen nach der einen oder anderen Richtung hin ausführen oder auch alle Fä- — den gleichzeitig gegen einander sich neigen. Derartige Bewegungen aber könnten durch ein ungleich starkes Andrängen der Leibesflüssigkeit, durch einen ungleichen Zug einzelner Gruppen der Retractorfasern ver- anlasst werden. Zu ihrem Zustandekommen bedürfte es keiner, von mir vermissten, eigenen Muskulatur der Tentakelwände. Allein sobald die Tentakelkrone, etwa durch Druck verletzt ist, oder durch chemische Reize getroffen wird, bewegen sich die einzelnen Fäden sehr ungleich- | mässig, und, wie das auch abgelöste Tentakeln thun können, krümmen sich, rollen sich ein und strecken sich wieder in mannigfachster Weise. Immer bin ich durch diese Bilder veranlasst wieder auf die Annahme einer besonderen Muskelfaserschicht gekommen; aber vergebens habe ich versucht eine solche nachzuweisen, Bei dem Ausstülpungsvorgang verhalten sich die längslaufenden Mus- - keln, das sind alle parietovaginalen Muskeln, zu denen man auch den Retractor zu zählen hat, völlig passiv, und werden gedehnt; ihre Con- traction führt, während ihr Antagonist, das sind die queren Parietal- muskeln, erschlafft, die Einstülpung herbei, bei welcher die Hauptauf- gabe dem Retractor zufällt, die dieser meistentheils mit einer Energie HYPOPHORELLA EXPANSA. 59 und Raschheit ausführt, wie solche von quergestreifter Muskulatur be- kannt ist. Rasch legt sich während die Leibesflüssigkeit in den erwei- terten Körper zurückfliesst, die Tentakelkrone zusammen, und wird zu- rückgezogen, die Tentakelscheide mit sich führend und einwärts stül- pend, wobei die Contractionen der am aboralen Abschnitte anheftenden Muskeln deren Lagerung völlig einrichten. Das Umklappen, Zusammen- fallen und Niederlegen des Deckels endigt den Vorgang mit dem Schluss der Invaginationsöffnung. Das Nervensystem. Auf dem dorsalen Umfange des Vorderrandes des Schlundkopfes liegt von der Medianebene halbirt der für gewöhnlich als Centralorgan des Nervensystemes bezeichnete Körper im Innern der oben beschriebenen Tentakel tragenden Falte, welche dadurch an dieser Stelle eine erhebliche Ausweitung erfahren hat. Bei einer Flächenansicht (Fig.9) erschien das Hirn als eine rechtwinklige nicht ganz quadratische Platte mit etwas ausgezogenen Ecken und einer schwach gewölbten Oberfläche; die Sei- tenansicht liess das Gebilde nach abwärts keilförmig verjüngt erscheinen, so dass es mit dieser ventralen Zuschärfung in die Tiefe des Falten- raumes eindrang. Gleiche Form und Lagerung zeigte mir das Hirn von Vesicularia; hier aber hatte es durchaus den Anschein, als ob in seinem Innern ein vielleicht von Flüssigkeit, jedenfalls von einer von der Rindensubstanz unterschiedenen Masse erfüllter Hohlraum sei. In beiden Thieren war die Hirnsubstanz eine fast homogene, nur wenige ein- gebettete Körnchen zeigende glänzende Masse, an welcher ich an den lebenden Thieren so wenig, wie an den aufbewahrten Präparaten, Zellen erkennen konnte. Wenn ich das seit Allman als Hirn bezeichnete Gebilde trotzdem in gleicher Weise auffasse, so thue ich das besonders im Anschluss an die Mittheilungen, welche zuletzt Nitsche!) über den Bau dieses Körpers bei Alcyonella und Pedicellina gemacht hat. 1) Nitsche a. a. 0. Archiv f. Anatomie 1868 pg. 495 und Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. 20. pg. 29. H2 60 E. EHLERS, In einzelnen Thieren habe ich über diesem Hirn eine lebhafte [ merung äusserst feiner und kurzer Cilien gesehen ; sie war auf den Raur beschränkt, welcher vor dem vorderen Rande des Hirns gelegen ist, ı es machte dann den Eindruck, als läge hier eine kleine von der Aussen- fläche der Tentakelbasis gegen das Hirn vordringende Grube, in welche vielleicht im Anschluss an das Flimmerepithel der Tentakeln eine Cili auskleidung stände. Sollte hier ein besonderer Sinnesapparat gelegen s Es hat mir nicht mit Sicherheit gelingen wollen, periphere vom Him entspringende Nerven zu erkennen. An den vier Ecken fand sich je eine kleine zipfelförmige Verlängerung; vielleicht ist das eine Nerven- wurzel, deren weiterer Verlauf nicht zu verfolgen war. Doch liegt wahr- scheinlich deren Fortsetzung in dem Epithel der Tentakeln; wenigstens machten die einzelnen hier stehenden Sinneshärchen das wahrscheinlich. Von einem sogenannten „Colonial-Nervensystem‘‘, wie es zuerst Fr. Müller beschrieben hat, habe ich keine Andeutung wahrgenommen; und die Masse des Funiculus so wie die Kernanhäufungen an der An- satzstelle des Thieres an seinem Stengelglied ganz vergebens danach durch- sucht. Fasern, welche man im anatomischen Sinne als Nervenfasern bezeichnen könnte, habe ich hier so wenig, wie an den einzelnen SCH fasern wahrgenommen. Der Geschlechtsapparat. Die Thiere der Hypophorella sind Zwitter und zwar in der Weise, dass Eier und Samen zu gleicher Zeit zur Reife kommen; und dann ` frei in der Leibesflüssigkeit umhertreiben. — Die Bildung der Ge- schlechtsproducte erfolgt im erwachsenen Thiere auf der in der Leibes- höhle gewandten Fläche der Körperwand, nicht, wie von anderen Bryo- zoen angegeben wird, an unbeständigen oder wechselnden , sondern, weit ich gesehen habe, an ganz bestimmten Orten (Fig. 4. 9.), an denen man danach Hoden und Eierstock auch in jenem Stadium unterscheidet , kann, auf welchem ihre Entwicklung noch unyollendet ist. Die Hoden sind stets paarig vorhandene Anhäufungen kleiner ku HYPOPHORELLA EXPANSA. 61 geliger Kerne, welche in der rechten und linken Hälfte des hinteren Körpertheiles der protoplasmatischen Substanz auf der inneren Fläche der Körperwand eingelagert sind. Ihre Masse ist offenbar individuell sehr ungleich; bald langgestreckt an der Körperwand entlang ziehend bald eine kurze Strecke einnehmend, meistens auf den beiden Hälften ungleich gross, und wie aus mehreren unregelmässigen Anhäufungen zusammengesetzt. Auf ihren frühen Entwicklungstufen sind diese Massen gering und dann gegen die Leibeshöhle durch eine hautähnliche Ober- flächenbildung abgegrenzt; mit der vorschreitenden Entwicklung wächst die Masse und gewinnt dabei durch ungleiche Massenentfaltung die höckerartigen Erhebungen, welche zuletzt die Gesammtheit wie aus ein- zelnen Haufen zusammengesetzt erscheinen lassen (Fig. 9.) Diese Ver- mehrung erfolgt wahrscheinlich durch Theilung; dafür spricht mir eine Beobachtung, in welcher diese Kernmasse auf der einen Körperhälfte zwischen den kleinen Kernen sehr viel grössere matt glänzende Kugeln enthielt, die wahrscheinlich die jüngeren durch Theilung zu vermehren- den Formen darstellten; die Spermamasse in der gegenüberliegenden Kör- perhälfte war in diesem Falle fast zur Reife entwickelt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung bedeckt sich die Oberfläche der Kernhaufen mit lang auswachsenden feinen Fäden, welche dicht gedrängt in einheit- licher Masse oder in grosse Büschel zusammengefasst unbeweglich in. die Leibeshöhle hineinragen (Fig.4). Das sind die auswachsenden Sper- matozoiden. Nun lösen sich weiter klumpige grössere oder keinere Ballen der Kernmassen von der Körperwand ab, fallen in die Leibeshöhle hinein und treiben in deren Flüssigkeit als Ballen, welche dicht von den Fäden der Spermatozoiden besetzt sind. Diese meistens kugeligen Ballen er- scheinen dann als maulbeerförmige Haufen glänzender 0,005™™ grosser Kügelchen, von deren Oberfläche die langen Fäden der Spermatozoiden abgehen; ob aber einem Kügelchen nur je ein, oder mehrere solcher Fäden anhängen, konnte ich mit Sicherheit nicht entscheide In einem beobachteten Falle war ein solcher Ballen, dessen Fäden eine geringe Beweglichkeit zeigten, nach Verlauf von 16 Stunden verschwunden, und an seiner Stelle trieben die lebhaft sich bewegenden Spermatozoiden 62 E. EHLERS, in der Leibesflüssigkeit. Ich habe den Entwicklungsvorgang nicht im Einzelnen verfolgt, zweifle aber nicht, dass, wie bei den Anneliden, die ` auf Kosten der Kerne auswachsenden Spermatozoiden die Substanz der Kerne gleichsam verbrauchen, und wenn ausgewachsen und reif von dem Kernhaufen sich loslösen und in die Flüssigkeit der Leibeshöhle frei hineinfallen. Hier findet man die gereiften Spermatozoiden als äusserst lange und dünne Fäden die ich auf 0,08"" Länge schätzte, an deren einem Ende der Kopf sitzt, dessen Form, allerdings nur bei starker Ver- grösserung, deutlich birnförmig und abgeplattet erscheint; seine grösste Breite bestimmte ich auf 0,001”®, seine Länge auf 0,0023002 Lebhafte Bewegungen der Spermatozoiden, mit denen sie sich durch die ganze Körperhöhle bewegen, zeigen die Vollreife an. Im Gegensatz zu den stets paarig vorhandenen Hoden ist stets nur ein, gleichfalls immer an demselben Orte liegender Eierstock vorhanden (Fig. 4. 9.) Ist dieser durch die reifenden Eier ausgedehnt, so ist seine ursprüngliche Lagerung schwer festzustellen; leicht dagegen gelingt das bei dem unausgebildeten Zustande (Fig. 9.). Danach liegt das Ovarium in der linken Körperhälfte im hinteren Theile des Parietalmuskelblattes nahe vor dessen Anheftung an die Körperwand, und springt bei fort- schreitender Entwicklung über dessen medianwärts gewandte Fläche vor. Die Membran, auf deren vorderer Strecke die Muskelfasern liegen, weicht hier in zwei Blätter, von denen jedes spindelförmige Kerne enthält, aus- einander und umfasst mit diesen einen Haufen dicht gedrängter ziemlich gleich grosser mattglänzender kugeliger Zellen. In dem Falle, von wel- chem ich eine Abbildung gebe, hatte die spindelförmige Anhäufung eine Länge von 0,0432”®; in einem anderen Falle war das Ovarium 0,056”” lang und 0,042™™ an der dicksten Stelle breit; ich zählte darin dreissig junge Eier. Das ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung, welche dahin führt, dass ein langgezogener Wulst von ungleich entwickelten Eiern zwischp dem Darmtractus und der Körperwand in die Leibeshöble vorspringt (Fig. 4). Von ihm lösen sich weiterhin die reifen Eier, fallen in die Leibesflüssigkeit und erreichen hier ihre volle Ausbildung. In einem Ovarium, welches noch keine Eier in die Leibeshöhle entleert HYPOPHORELLA EXPANSA. 63 hatte und eine Länge von 0,313™™ besass, zählte ich gegen dreissig in der Reifung begriffene Eier und am vorderen Ende dieser zusammengruppirten Eimasse lag eine Anhäufung viel kleiner kugeliger glänzender Zellen. Die einzelnen Eier lagen in der Weise neben einander, dass ich keinerlei Follikelbildung erkennen, oder Ei- und Nährzellen der Eier hätte unter- scheiden können. Die eben erwähnte Anhäufung kleiner Zellen an dem vorderen Ende der Eitraube bestand aus so gleichförmigen Zellen, dass auch unter diesen eine derartige Unterscheidung nicht zu machen war; in Ovarien, welche die Grösse des letzt erwähnten noch nicht erreicht hatten, beispielsweise in einem Eierstock von 0,108™™ Länge, waren alle jungen Eier gleichmässig gross. Danach möchte ich vermuthen, dass in dem erwähnten Falle die Zellanhäufung am vorderen Theile des Ova- rium eine Neuanlage junger Eier bilde, welche ihre Reife nach Ab- stossung der alten Eier in die Leibeshöhle finden sollen. In dem einzelnen Ei sehe ich in den jüngsten mir deutlich vorge- legenen Stadien nur ein helles mattglänzendes Protoplasma ohne erkenn- bare äussere Umhüllung und mit einem einfachen Kern; solche Eier waren 0,0084393 gross, Eier von 0,0168™™ Durchmesser hatten ein ho- mogenes 0,0112952 messendes Keimbläschen ohne Keimfleck. Erst in grösseren Eiern tritt der stets einfache Keimfleck auf; Eier von 0,050" Durchmesser hatten ein Keimbläschen vonO ,019™™ Durchmesser mit einem 0,008”"® grossen Keimfleck. Keimfleck und Keimbläschen nehmen dann mit dem Ei an Grösse zu. In Eiern, welche einen Durchmesser von 0,054”® erreicht haben, ist das helle Keimbläschen 0,027”® und der glänzende einfache Keimfleck 0,0108752 gross; in dem Protoplasma liegt nun in unmittelbarer Umgebung des Keimbläschens eine Zone von dun- kelen stark lichtbrechenden Körnchen, den ersten, die bis dahin helle Dottermasse trübenden Dotterkörperchen, welche offenbar nicht aus einer ausserhalb des Eies gelegenen Quelle stammen, sondern in der Substanz des Eies und zwar in dessen centralen Theilen sich entwickelt haben. — In Eiern mit einem Durchmesser von 0,064”® war bereits die ganze Dottersubstanz von derartigen Dotterkörnen durchsetzt; es leitet sich dann der Schwund des Keimfleckes ein; in dem eben bezeichneten Eie, 64 E. EHLERS, in welchem das Keimbläschen 0,032™™ im Durchmesser hatte und e klar war, fehlte der Keimfleck bereits. — In den aufbewahrten Präpar zeigt der Keimfleck fast immer sehr deutlich einen oder zwei vacuolen artige Binnenräume, welche von der derben glänzenden Substanz der Wand des Keimflecks begrenzt werden; es ist das möglicher Weise eine durch den Einfluss der Aufbewahrungsflüssigkeit erzeugte Bildung. 32 Mit der Entwicklung der Dottermasse macht sich auf der Oberfläche de Eies die Bildung einer stets fein und einfach bleibenden Dotterhaut be- merklich, die wohl nichts anderes als die umgewandelte Oberflächenschicht der Eizelle sein kann. 1 Die reifenden Eier fallen in die Leibeshöhle hinein. Dies kann nur, wie bei zahlreichen Würmern, dadurch erfolgen, dass die Hülle, welche die Eier anfänglich umgab, durch die Massenentwicklung derselben mehr und mehr gedehnt wird und schliesslich zerreisst. Dabei werden dann Eier von ungleichem Entwicklungsstande frei werden, und so trifft man in der That sehr ungleich ausgebildete Eier in der Leibeshöhle. ٠ Hier findet noch ein bedeutendes Wachsthum der einzelnen Eier statt, und diese nehmen, wie ich vermuthe, mit der vollen Reife eine eigen- thümliche Form an (Fig. 26). Es sind grosse, dunkel und undurchsichtig erscheinende, meist dick scheibenförmige Gebilde, deren Gestalt aber dadurch sehr mannigfaltig erscheint, dass sie ganz unregelmässige Fal- tungen und Verbiegungen ihrer Flächen haben; die Dottermasse ist durch die dicht gelagerten, farblosen Dotterkörperchen vollständig undurchsich- tig, nach aussen von einer leicht kenntlichen Dotterhaut umgeben, und umschliesst in diesem Stadium noch ein grosses, durchsichtiges homogenes Keimbläschen, das ich allerdings nur dadurch zu Gesicht bekam, dass ich diese grossen Eier durch allmäligen Druck abplattete. Es ist mir nicht bekannt geworden, dass von einem anderen Autor die Ur sprungsstellen der Eier und Spermatozoen als different in der Weise, wie hier Hypophorella, beschrieben sind. Wenn die Entstehung der Eier bei Alcyonella vot euro) auf Zellen zurückgeführt wird, welche der inneren Oberfläche der a D Metschnikoff Bulletin de Academie impériale des Sciences de St. Pes sbourg. T. XV. 1871. pg. 597. HYPOPHORELLA EXPANSA. 65 Körperwand angehören, so stimmt diese Angabe völlig mit dem von mir beobachteten Verhalten: denn die innere Oberfläche der Körperwand einer Alcyonella trägt das Peritonäum, als dessen Homologon, wie weiter unten ausgeführt ist, ich die Lamelle des Parietalmuskels ansehe. — Meiner Beobachtung aber in soweit eine grössere Tragweite geben zu wollen, als man für die Bryozoen allgemein eine histologisch differente Ursprungsstelle für die Geschlechtsproducte daraus herleiten wollte, wie etwa für die Eier und Samen aus den beiden Körperblättern der Hydractinia, dage- gen sprechen bis auf weiteres noch die von Claparède!) bestätigten Angaben Huxley’s, dass bei Bugula Eier und Samen an verschiedenen Stellen desselben Funiculus reifen; doch lassen Claparöde's Mittheilungen selbst die Möglichkeit offen, dass die Lagerung beider Geschlechtsorgane am Funiculus erst durch eine nach der ersten Bildung erfolgte Verschiebung eingetreten sei. — Eine bedeutsame Uebereinstimmung meiner Beobachtung und Cla par ède’s Angaben liegt darin, dass keinerlei als Nährzellen der Eier functionirende Zellen beobachtet werden. — Auf- fallend ist Clap arède's Angaben gegenüber die grosse Anzahl der Eier, welche sich im Ovarium der Hypophorella entwickelt; doch zeigt nach Smitt auch Flustra ein gleich strotzendes Ovarium. — Die eigenthümliche gefaltete Form der reifen Eier erin- nert an die von Repiachoff?) abgebildeten Körper, in denen er Zerfallproducte vor sich zu haben meint; dass die von mir gesehenen Gebilde Eier waren, behaupte ich auf die erkannte Anwesenheit eines Keimbläschen hin; ob aus ihnen etwa durch Zerfall Repiachoff's Körper hervorgehen, muss dahin gestellt bleiben. Was die Entwicklung der Spermatozoen betrifft, so möchte ich hier nur her- vorheben, dass das von mir Beobachtete offenbar mit den Smitt’schen Angaben übereinstimmt; nur ist die Bezeichnung „fettkroppar“ für die Kernmassen, aus denen die Spermatozoiden sich entwickeln, wohl nicht glücklich gewählt. — Das was Köl- liker°) als Zellen abgebildet hat, aus denen sich bei Flustra die Samenfäden ent- wickeln sollen, sind offenbar die gleichen Kugeln, welche ich als Kerne bezeichnet habe; solche Entwicklungstadien, wie sie Kölliker von den Spermatozoiden hier abbildet, sind mir nicht vorgekommen. Dass die Form der reifen Spermatozoen mit sebr langem Faden und äusserst 1) Claparède Beiträge a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 21. pg. 166. 2) Repiachoff Zur Naturgeschichte der chilostomen Bryozoen. Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. 26 pg. 144. Taf. VIII Fig. 14. 3) Smitt a. a. 0. Öfversigt. 1865 pg. 35. 38 f. Taf. VII. Fig. 3. 4) Kölliker Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse und der Sa- menflüssigkeit wirbelloser Thiere. Berlin 1841. 4. pg. 46. Taf. II. Fig. 17. Physikalische Classe. XXI. 1. I 66 E. EHLERS, feinem Köpfchen von vielen der zumal aus phylactolaemen Bryozoen beschrieben: erheblich abweicht, mag nebenbei bemerkt sein. Doch will ich hier erwähnen, mir gelegentlich, allerdings nur selten, freie und bewegliche Spermatozoiden d Hypophorella vorgekommen sind, deren Köpfchen etwas grösser und weniger scharf vom Schwanzfaden abgesetzt erschienen als gewöhnlich. So erinnerten sie an die Keulenform, mit welcher Spermatozoiden von verschiedenen Bryozoen abgebildet sind; ich war der Meinung, in diesen Fällen vielleicht eine der Vollreife vorangehende Form vor mir zu haben. Ein besonderer Ausführungsapparat der Geschlechtsproducte ist zur Zeit keineswegs mit Sicherheit bekannt geworden, wenn man nicht die Ovicellen, wie sie bei manchen Bryozoen, sicher nicht bei Hypophorella und deren Verwandten vorkommen, dahin zählen will. Dass Eier und Samen nach aussen entleert werden, hat von einer der Hypophorella verwandten Form van Beneden ’) angegeben und E als Ausführungsort dafür eine neben dem After befindliche Stelle bezeichnet. — Eine ähnliche Beobachtung habe ich gemacht. Von den gereiften Eiern eines Thieres fand ich einige bei wiederholter Untersuchung nach aussen entleert; im Thiere selbst zeigte sich nun an der Stelle, an welcher der Enddarm sich an die Tentakelscheide setzte, eine Oeffnung, durch welche die Spitze eines Tentakels in die Leibeshöhle geschoben war. Offenbar waren durch diese Oeffnung, die der Lage nach völlig der von v. Beneden angegebenen entspricht, die Eier entleert. — Eine andere Beobach- tung an dieser minirenden Bryozoe könnte dafür sprechen, dass an dieser Stelle unter gewissen Verhältnissen und vielleicht nur vorübergehend ein Ausführungsapparat . sich ausbilde. An einem lebenden Thiere sah ich bei günstiger Lagerung und einge“ zogenem Darmtractus an der Anlıeftungsstelle des Enddarmes an die Tentakelscheide einen mit langen feinen lebhaft wimpernden Haaren besetzten rosettenartigen Va: per, welcher mir als die in die Leibeshöhle gerichtete flimmernde Mündung eines kurzen, sehr hellen Canales erschien, der vielleicht mit einer anderen Mündung in dis Tentakelscheide hineinführte. Ich habe eine zweite derartige Beobachtung nicht wieder gemacht, und habe auch mit dieser einzigen kein vollgültiges Resultat erhalten; denn © gelang mir auf keine Weise eine günstigere Umlagerung des Thieres herbeizuführen, welche eine völlig aufklärende Anschauung gestattet hätte. — Ich theile er Beobachtungen mit, um auf eine genauere Untersuchung deser Körpergegend e Aufmerksamkeit zu lenken; denn weder aus v. Beneden’s noch aus meinen TT achtungen ist etwas Sicheres über die Anwesenheit eines Ausführungsapparates 5 Ce 2 1) Yan Beneden Böcharches sur l'Organisation de Laguncula. Bet g Mémoires de l'Académie roy... de Bruxelles. T. XVII. Bruxelles 1845. pg: HYPOPHORELLA EXPANSA. 67 dieser Stelle zu entnehmen. — Bekanntlich hat Farre*) von Halodactylus ein neben den Tentakeln stehendes flaschenförmiges flimmerndes Gebilde beschrieben und ab- gebildet, und Hincks % hat darin einen Ausführungsapparat für den Samen ver- muthet. Ich habe das gleiche Gebilde in Lage und Form völlig übereinstimmend bei fast allen Thieren eines Lepralia-Stockes angetroffen, und mich völlig sicher davon überzeugt, dass dasselbe nichts anderes als ein hier als Parasit angesiedeltes peritriches Infusorium ist, welches zur Gattung Scyphidia (Lchm) oder in den Kreis derselben gehört. Was bedeuten die eigenthümlichen Schläuche, welche v. Nordmann °) als in die Leibeshöhle hineinhängende, am Schlundkopf befestigte Fäden beschreibt und 4b- bildet? Ich habe nie etwas ähnliches gesehen; v. Nordmann bringt sie mit dem Geschlechtsapparat zusammen. Sollten nicht abgerissene Fäden des Musculus retractor das Bild erzeugt haben? Die Fortpflanzung. Die geschlechtliche Fortpflanzung. Volle Geschlechtsreife der Thiere habe ich im Anfang Mai, und im August bis Ende September, angetroffen; ausgesprochen darin, dass bewegliche Spermatozoiden und grosse Eier in der Leibeshöhle lagen. Die Entwicklung der Eier zu Larven habe ich im Herbst beobachtet; sie erfolgt aber zweifellos auch im Frühjahr, da die zu dieser Zeit reifen Eier doch auch wohl in die Entwicklung eintreten werden. Ich glaube, dass die Erzeugung entwicklungsfähiger Geschlechtsproducte überhaupt wohl während der ganzen wärmeren Jahreszeit stattfindet. Ueber das Verhalten der Thiere während der Wintermonate bin ich bis jetzt zu keinem Resultat gekommen. 1) Farre On the structure of ciliobranchiate Polypi. Philosophical Transac- tions of the r. Society of London 1837. Pt. I. pg. 408. 2) Th. Hincks Notes on british Zoophytes. Annals and Magazine of natural history. 2 Ser. Vol. VIL 1851. pg. 355. 3) A. Demidoff Voyage a. a. O. pg. 66. Atlas Polypi. Tab. II. Fig. 3. 12 68 E. EHLERS, In dem von mir beobachteten Falle der Larvenentwicklung er- folgte diese, wie das auch von anderen Bryozoen bekannt, bei Halodac E tylus leicht zu beobachten ist, innerhalb der Leibshöhle des in Histolyse begriffenen Thieres. Mir haben weder die ersten noch die letzten Sta- dien dieser Entwicklung vorgelegen. Ich will zunächst nur hervorheben, dass meines Erachtens es im hohen Grade wahrscheinlich ist, dass bei diesen Thieren die Befruchtung der Eier durch den gleichzeitig mit der Eierreife in demselben Thiere zur Reife gebrachten Samen stattfindet, wenn auch meine Beobachtungen mir nur das Nebeneinander der bei- derlei gereiften Geschlechtsproducte und nicht das Eindringen der Sper- matozoiden in das Ei gezeigt haben. Bei den jedenfalls nicht unbe- rechtigten Zweifeln an dem Vorkommen einer derartigen „Selbstbefruch- tung“ hermaphroditischer Thiere möchte ich diesen Fall besonders her- vorheben. In dem Falle, in welchem ich die Entwicklung zu Larven verfolgte, lag mir ein durch die später zu betrachtende Histolyse umgewandeltes Nährthier vor, in dessen Leibeshöhle, umgeben von den zerfallenden Gewebstheilen der Organe, fünf Eier auf ungleichen Stadien der Ent- wicklung lagen. Alle stimmten darin überein, dass der eigentliche sich entwickelnde Eikörper innerhalb einer weit von ihm abstehenden, durch- sichtigen, structurlosen Hülle umgeben von einer klaren Flüssigkeit lag. Ich halte diese dünne nachgiebige Hülle für die beim Beginn der BD entwicklung von der Oberfläche des Eies abgehobene Dotterhaut. Der ` grösste Durchmesser dieser Dotterhautblasen betrug 0,117””; die Dure messer der darin enthaltenen Eier 0,066—0,074”®, wenig mehr als der- jenige des reifen Eies vor der Entwicklung. SC Von diesen Eiern war eines völlig kugelig, dunkel, undurchsich ` und auf dem Stadium der Morula; ein zweites gleichfalls kugelig W undurchsichtig, wahrscheinlich über das Morula-Stadium hinaus; ` drei übrigen Eier waren alle schwach kegelförmig, alle offenbar zellig, eins von ihnen aus fast gleichförmiger Substanz, die beiden anderen aber aus einer hell durchscheinenden zelligen Rindensubstanz und einer dunk- ; len centralen Masse bestehend, in welcher offenbar die Dotterkörperchen HYPOPHORELLA EXPANSA. 69 vereinigt waren; bei ihnen war die Sonderung des in der Ausbildung des Eies zur Differenzirung gekommenen Haupt- und Nebendotters er- folgt. Die nun an diesen Eiern ablaufenden Entwicklungsvorgänge halte ich in so weit auseinander, als ich die einen für die normalen zur Lar- venentwicklung führenden ansehe, die anderen aber als Vorgänge be- trachte, deren Bedeutung zweifelhaft sein kann. Ich will diese letzteren Vorgänge zuerst beschreiben. Dahin rechne ich, dass von dem auf dem Morula-Stadium befindlichen Ei zwei kleine Körperchen in den von der Eihülle umschlossenen Raum getrieben wurden; als Richtungsbläschen konnte ich sie nicht wohl ansehen, da diese beim Beginn der Entwicklung, während der ersten Theilungsvor- gänge des Eies aufzutreten pflegen, und dann meist homogene, durch- sichtige, tropfenartige Gebilde sind, während diese Körperchen als öl- artig glänzende Tropfen mit körniger Masse erschienen. Es zeigte sich ausserdem, dass neben dem einen in der Entwicklung weiter vorgeschrit- tenem Ei innerhalb der Eihülle ein Brocken dunkler körniger Masse lag, der offenbar eine gleiche Bedeutung wie diese ausgestossenen Körperchen hatte. Dieser Brocken hatte, als ich ihn zuerst sah, eine ganz unregel- mässig höckrige Oberfläche, veränderte aber sehr bald im allmäligen Wechsel seine Form und schied dabei einen ölartigen Tropfen aus, so dass nun in dieser Sonderung von körniger Substanz und ölartiger Flüs- sigkeit zwischen diesem Gebilde und den ausgestossenen Körperchen die grösste Aehnlichkeit bestand; zwei Stunden später war der ölartige Tro- pfen völlig verschwunden und der anfänglich unregelmässige Brocken hatte sich zu einer gut begrenzten Kugel abgerundet. Ich bin der Mei- nung, dass in beiden Fällen ein von der Masse des Eies abgesprengtes Bruchstück vorgelegen hat, an dem Vorgänge auftraten, wie.ich sie fast gleichzeitig an den ganzen Eiern erscheinen sah. An den auf unglei- chen Entwicklungsstadien stehenden Eiern, die ich in der Figur 14 mit 2, 3, und 4 bezeichnet habe, vollzog sich unter meinen Augen eine derartige Sonderung, dass aus der Oberfläche des Eies eine farblose, durchsichtige, mattglänzende Substanz austrat, durch Eigenbewegung den 70 E. EHLERS, mannigfaltigsten Gestaltenwechsel durchlief, schliesslich aber in die kör- nige Eimasse wieder zurückkehrte. Ich habe eine Reihe der Bilder, welche diese Vorgänge gewährten, von dem mit 2 bezeichneten Ei ab- gebildet Fig. 27—32. Der nicht abgebildete Beginn dieses Vorganges zeigte sich darin, dass sehr rasch auf der ganzen Oberfläche des kugeli- gen Eies äusserst kleine, farblose, glänzende Tröpfchen erschienen; Zahl und Grösse derselben mehrte sich rasch, die anfänglich vereinigten Tröpf- chen flossen zusammen, und zeigten nun schnell wechselnde, amöboide Bewegungen. Eine halbe Stunde nach dem Auftreten der kleinen Tröpf- chen umgab diese bewegliche Masse in Form von zusammenhängenden grossen Tropfen die dunkle körnige Substanz des Eies, den Nebendotter, der nun aber nicht mehr wie anfänglich kugelig geballt, sondern unre- gelmässig lang gestreckt erschien; dies Stadium habe ich in Fig. 27 ab- gebildet und daneben die Gestaltveränderung, welche wenige Minuten nachher sich vollzogen hatte (Fig. 28). Dreissig Minuten später bot die Masse mir das in Fig. 29, und nach weiteren funfzehn Minuten das in Fig. 30 dargestellte Bild. In diesem Falle blieb die dunkle, ihre Form wohl passiv wechselnde Nebendottermasse compact; in dem mit Nr. 4 bezeichnetem Eie, in welchem der Austritt und das Zusammenfliessen der Tropfen in ähnlicher Weise stattfand, wurde die Nebendottermasse getheilt dadurch, dass die bewegliche Substanz gleichsame Bruchstücke derselben ablöste und als selbständige Ballen umhüllte. — Ich brach die Beobachtung dieser Erscheinungen am Abend ab, und legte das Prä- parat in ein kleines Aquarium zurück. Am nächsten Morgen, 16 Stun- den nach der letzten Beobachtung, fand ich die Eier in der Weise, wie die Fig. 31 sie zeigt: die dunkle Masse wieder erheblich ausgedehnt und von der amöboid beweglichen Masse nur einen kleinen Theil au- sserhalb derselben: Fig. 32 giebt dann das Bild desselben Eies nach weiteren sechs Stunden: die bewegliche Masse vereinigt sich offenbar wieder mit dem Nebendotter und bildet nun eine Kugel mit glatter Oberfläche. Dasselbe trat auch an demjenigen Ei ein, in welchem die dunkle Nebendottermasse zerspalten war: es erfolgte eine Vereinigung beider Substanzen, die Kugelform annahmen. — Eine befriedigende Deu- ee innen EE NAE HYPOPHORELLA EXPANSA. 7i tung dieser Vorgänge kann ich nicht geben. Ich habe die Vorstellung gewonnen, dass es sich hierbei zunächst um eine Scheidung der beiden anfänglich im Ei vereinigten Substanzen, des Bildung- und Nahrungs- dotter, des Proto- und Deutoplasma handle, und dass es das Protoplasma des Eies oder richtiger der aus seiner Entwicklung hervorgegangenen Zellsubstanzen sei, welches wie in den kleinen abgesprengten Brocken, so an den ganzen Eiern sich mit den amöboiden Bewegungen zum Theil von der Nebendottermasse sondert, um später sich wieder mit ihr zu vereinigen, Als ich den Beginn der Tropfenausscheidung beobachtete, glaubte ich darin ein Zeichen des Absterbens der Eier sehen zu müssen; der weitere Verlauf schien mir aber nicht dafür zu sprechen. Dass etwa ein Druck von dem auf dem Präparate liegenden Deckglase oder die durch Wasserverdunstung hervorgerufene Steigerung des Salz- gehaltes diese Erscheinungen veranlasst hätte, ist nicht anzunehmen, da gegen den Druck die Wand der Wurmröhre, in welcher die Thiere eingeschlossen waren, und kleine ihr anheftende Sandkörnchen schützten, die Verdunstung jedenfalls nur eine geringe war, und andererseits die Larvenentwicklung eines anderen Eies scheinbar normal daneben er- folgte. — Diese Vorgänge führen offenbar zu der Umwandlung der Eier zu Gebilden, welche ich in einzelnen Fällen in der Leibeshöhle treibend gefunden habe, einmal gleichzeitig neben völlig reifem Samen: es waren das unregelmässig geformte, von einer weit abstehenden faltigen Hülle um- gebene Körper, welche aus einer gelben dunklen körnigen Masse und einer ölartigen schwach gelben, scheinbar zähflüssigen Substanz bestanden, ne- ben welcher wohl einzelne Kügelchen und Brocken einer dunklen kör- nigen Masse vorkamen. Das sind meines Erachtens Eier, welche diesen eigenthümlichen Entwicklungsgang durchlaufen haben. Was ihr weite- res Schicksal sein wird, ist mir unbekannt; darauf aber möchte ich hin- weisen, dass dieser ganze Vorgang vielleicht dem einer schon in dem sich entwickelnden Ei eintretenden Histolyse entspricht, und dass hier- durch Material geliefert wird, welches bei der Neubildung einer gelegent- lich von dem histolysirten Nährthiere ausgehenden Knospe als Nahrung verwendet wird. 72 E. EHLERS, Die Entwicklung zur Larve zeigte das mit 1 bezeichnete Ei. Aus der Kugelform, in welcher es eine durchsichtige, vielleicht aus geson- derten Zellen gebildete Rindenschicht und ein von Nebendottermasse dunkles Centrum besass, ging es in die Form eines stumpfen abgerun- deten Kegels über, und zeigte, zwei Stunden nachdem ich es zuerst gesehen hatte, auf der Oberfläche die ersten Spuren einer Flimmerbewegung, die nach Ablauf einer weiteren Stunde so stark wurden, dass der Embryo langsame Drehbewegungen im Innern der Eihülle ausführte. (Fig. 36, 37.) Ich hatte anfänglich den Sitz und die Ausdehnung des Flimmerkleides nicht erkennen können; allmälig trat dies deutlicher hervor und nun er- schien die Larve, als ein aus zwei ungleich grossen Kegel zusammen- gesetzter Doppelkegel, von dessen kleinerem Kegel die Spitze derartig ab- gestutzt war, dass hier eine schwach ausgehölte Fläche gebildet wurde, welche einen Besatz niedriger Flimmerhaare trug. Den grössten Üm- fang des Doppelkegels umgürtete ein Ring längerer Cilien und unmittel- bar an diesem Wimperinge auf der Fläche des grösseren Kegels stand eine bei Profillage deutlich erkennbare kreisförmige, lichtere Stelle; wahr- scheinlich war das die Anlage eines Larvenmundes. Die Masse des Larven- pek SE compact zu sein; aus dem Innern schimmerte eine dunkle, 1 lich Dotterkörnchen einschliessende Substanz heraus, als ein rund- licher, scheinbar grob zerklüfteter Ballen; die diesen umgebende Rinden- schicht des Körpers war hell, mit einer undeutlich zelligen Zeichnung. Sechszehn Stunden später hatte die Larve sich weiter entwickelt; die Figur 33 und 39 zeigen dieselbe in etwas ungleicher Lagerung; die letzte Figur ist nach Ablauf weiterer 6 Stunden entworfen, und inner- halb dieser Zeit war keine äusserlich wahrnehmbare Formveränderung erfolgt. Vielleicht aber darf man darin ein Zeichen der Fortentwick- lung sehen, dass die Larve ausser den Bewegungen, welche die Flim- merhare mit Unterbrechungen ausführten, zuckende Bewegungen des ganzen Körpers, machte die wie Contractionen erschienen. Die Larve hatte während dieser Zeit etwas an Grösse zugenommen; die Form eines Doppelkegels war durch die Reduction des kleinen Kegels fast ganz geschwunden; die Gesammtform hatte im Allgemeinen jetzt ee ` 5 os KEE HYPOPHORELLA EXPANSA. 73 die eines Kegels, dessen Basis, deren Rand dem früheren grössten Kör- perumfange entsprach, einen Durchmesser von 0,0817998 hatte, dessen Höhe 0,054™™ betrug. Die als Basis bezeichnete Fläche war in der Mitte etwas tiefer eingesunken und hier stand der von früher erhaltene Be- satz kleiner Flimmerhaare. An die Stelle des einfachen Gürtels von Cilien, den das frühere Stadium zeigte, war jetzt ein breiter Wulst getreten, auf dessen mittlerem Theile im Umfange ein Ring langer Flimmerhaare stand. Fast gedeckt von dem gegen die Spitze gerichteten Rande des Wulstes stand da, wo vorher die als Mundanlage gedeutete Bildung zu erkennen war, eine schwach klaffende von geringer Lippenbildung um- gebene Spaltöffnung, welche nach innen auf die dunkle centrale Masse führte. Die Kegelspitze war abgestumpft, und vom übrigen Körper in der Weise abgesetzt, dass sie als eine kleine, die Körperspitze krönende Scheibe erschien, welche im Centrum der freien Fläche etwas einge- drückt, am Umfang vom oberen Rande her durch kurze Längsfurchen schwach cannelirt war. Dieser Körpertheil entspricht offenbar der von an- deren Bryozoen-Larven beschriebenen Saugscheibe. — Im Centrum lag der etwas verkleinerte, gleichmässig dichte, kugelige Ballen von Nahrungs- dotter; die helle Rindenschicht hatte offenbar an Masse zugenommen, liess aber keinerlei Zellabgrenzungen erkennen, wear. nach aussen aber von einer äusserst feinen Cuticula bedeckt. Ueber dieses Stadium hinaus habe ich die Entwicklung nicht ver- folgen können; will aber einige Vermuthungen, zu denen mich andere Beobachtungen und die Erwägung von Analogien leiten, nicht zurückhalten. Den Larven steht, wenn, wie hier, ihre Entwicklung im histolysirten mütterlichen Körper erfolgt, der Weg nach aussen vielleicht durch die Invaginationsöffnung des mütterlichen Körpers frei, und es ist möglich, dass auf diesem Wege die Larven den Brutraum, in welchem sie sich entwickelt haben, verlassen um durch die über der Invaginationsöffnung liegende kreisrunde Oeffnung in der Wand der Wurmröhre auszu- schwärmen. Wir wissen von anderen Bryozoen, dass ihre flimmernden Larven nach einem kurzen Schwärmstadium sich festsetzen, die Larvenform än- Physikalische Class. XXL 1. K 74 E. EHLERS, dern und auf einem noch nicht hinlänglich erkannten Wege das erste — Glied einer Colonie bilden, als einen Ueberrest des Larvenlebens festere Hüllen oder Schalenbildungen zurücklassend. Junge Colonien von Vesi- cularia zeigen, dass der Ausgang des Stockes aus einer der Unterlage _ mit breiter Basis aufgeklebten, flachen, kreisförmigen Scheibe, dem Ueber- r rest der Larvenhaut, hervorgeht, und dass die ersten Glieder des Stockes — darmlose Stengelglieder sind. EK: Mir sind nun bei meiner Untersuchung sehr häufig da, wo die Bryozoenstöcke sich in der Wurmröhre verbreiteten, eigenthümliche schalenartige Gebilde vorgekommen, von denen das erste proximale Glied eines Stockes ausging. Sie machten in der Flächenansicht den Eindruck, | als wären die beiden Hälften der zweiklappigen Schale eines Lamelli- 2 branchiaten auseinandergebogen und platt ausgebreitet oder boten das eingekerbte Bild einer Pfirsich, wenn man von deren Kugelgestalt ab- | sehen will; an dem einen Ende der Kerbe schien eine in das Innere 7 e der Schale führende Oeffnung zu stehen. Die in solcher Weise zwe theilig erscheinende platte Schale bestand aus einer chitinös aussehenden Substanz, welche mit kleinen scharfkantigen Fragmenten, dem Anscheine | nach von aussen aufgeklebten Fremdkörpern bedeckt war; das ganze Ge- d | bilde hatte einen »Längen- und Breitendurchmesser von etwa Q2 (Fig. 5). — Das sogestaltete Gebilde ist zweiffellos der erhaltene Rest von der Körperwand der Hypophorella-Larve, welche sich festgesetzt hat, und dann durch Knospung das erste Glied eines Stockes erzeugt. — Die scharfkantigen Bruchstücke, mit denen diese Larvenhaut incrustirt ١ ist, lassen schliessen, dass die Larven aus dem mütterlichen Körper ins Freie schwärmen, wenn nicht früher ‚so hier den Formwechsel 1 durchlaufen, in welchem sie die Gestalt einer Pfirsich annehmen, und 3 dabei, vielleicht durch eigne Thätigkeit, eine Bedeckung ihrer Körperfläche ` mit den scharfkantigen Körperchen, vielleicht Sandkörnchen oder Schalen- fragmenten, erhalten. Aus dieser Form hervor erwächst dann der Hype — Phorella-Stock. Dass ein derartige Schalen tragendes Thier durch eigne a. en e die Wand der Wurmröhre einbohren sollte, ist WS scheinlich; ich habe auch nie in der Röhrenwand Canäle 8656116 ` HYPOPHORELLA EXPANSA. 75 welche etwa als Spuren einer solchen Wanderung zu deuten wären. Mir ist es daher wahrscheinlicher, dass die Larven auf der inneren Wand- oberfläche der Wurmröhre sich festsetzen, vielleicht vom Wurme selbst ein- geschleppt, und nun durch die fortdauernde Secretion der Terebella, welche die Wand ihrer Röhre durch schichtweise Auflagerung verdickt, ganz in die Dicke der Röhrenwand eingeschlossen werden. Bei dieser Annahme er- klärt sich dann auch die Erscheinung, dass man auf der inneren Ober- fläche der Wurmröhrenwand die Oeffnungen für die Nährthiere, welche von diesen wohl stets unverschlossen gehalten werden, nie aber andere Theile des Stockes angelagert findet. Aus dieser beschalten Larve geht, wie bei Vesicularia, zuerst ein darmloses Stengelglied, die Basis des Stockes hervor, der nun in der angegebenen Weise wuchert. Das zuerst gebildete Glied scheint aber rasch wieder abzusterben, und dann als ein kurzes faltiges Stück zwi- schen Larvenschale und Stock zu liegen, oder auch ganz zu fehlen. Die Fig. 5 zeigt neben der Schale eine einmal beobachtete Bildung, von der ich nicht die volle Ueberzeugung habe, dass es sich auch hier um die erste Anlage eines Stockes handle: drei aneinander gereihte an Grösse ungleiche, etwas blasenartig aufgetriebene Hohlkörper, welche GI. 0,06”® und 0,048™ im Durchmesser hatten, halte ich für die jüngsten Stengelglieder einer Colonie, die sich aus dem Larvenkörper entwickelt, aber früh die Verbindung mit diesem verloren haben. Was mich zu der Ansicht bestimmt, ist die Uebereinstimmung, welche der Bau der Wandung dieser Gebilde mit demjenigen entwickelter Stengelglieder zeigt; eine äussere chitinös erscheinende Cuticula wird auf der inneren Ober- fläche von einer Substanz bekleidet, welche völlig der protoplasmatischen Wandung in den vollentwickelten Stengelgliedern entspricht. Das grösste dieser Glieder wäre das älteste, aus welchem die beiden kleineren durch Knospung hervorgegangen sind; alle hätten durch Längenwachsthum noch eine Streckung zu erfahren, und in weiterer Knospenbildung den Stock, vor Allem die für die Gesammterhaltung nothwendigen Nährthiere zu erzeugen. Ich habe während des Druckes dieser Blätter einen mit dem Larven- K2 76 E. EHLERS, körper. noch in Verbindung stehenden jungen Stock gefunden, in welchem die Glieder abweichend von dem oben als Regel hingestellten Verhalten vertheilt waren. Das erste aus der Larvenschale hervorgehende Stengel- glied trug an seiner distalen Kapsel je ein voll entwickeltes Nährthier, das zweite Glied des Stolo trug an der normalen Stelle ein Nährthier, diesem opponirt aber zwei Knospen von Stengelgliedern; das dritte Sto- lonenglied warlang ausgewachsen, aber noch ohne Seitenknospen. Aus- nahmsweise ist also wohl hier durch reichliche Entwicklung überall ein Abweichen von der regelmässigen Vertheilung erfolgt. Diese Formen des Larvenkörpers weichen nicht erheblich von den Larven der chilostomen Bryozoen ab, welche genauer bekannt geworden sind. Die ersten von mir dargestellten Formen geben das Bild, welches Barrois‘) als das typische für die Bryozoen-Larven hingestellt hat: der Körper wird durch einen Gürtel von Wim- perhaaren in zwei ungleiche Theile zerlegt, von denen der vordere leicht convex, der hintere stark aufgetrieben ist: eine Form, welche übrigens als eine Ausgangsform für die Entwicklung zahlreicher Würmer, Anneliden, Gephyreen und Brachiopoden angesehen werden kann. Sie stimmen darin auch mit den Larven der Lepralia über- ein, welche Smitt?) und Repiachoff®) abgebildet haben, weichen nur insofern ab, als sie keine allgemeine Wimperbekleidung und keine besonders ausgezeichneten Ci- lienbüschel am Mundeingang besitzen. — Das darauf folgende Stadium, welches mir nur aus der nach der Knospung zurückbleibenden Larvenhaut bekannt ist, stimmt offenbar mit den freischwärmenden Larven von Bugula und Bicellaria überein, von denen besonders Nitsche‘), später auch Claparède ) gute Darstellungen gegeben haben; characterisirt werden diese Larven durch die tiefe Furche, welche die Pfirsich- form herbeiführt. Auch an die zweiklappige derbe Larvenschale des Cyphonautes®), 1) Barrois Des formes larvaires des Bryozoaires, Comptes rendus hébdoma- daires des séances de l'Academie des sciences. T. 81. Juillet-Decembre 1875. (pg. 288. 443. 904. 1134) pg. 1134. 2) Smitt Om Hafs-Bryozoernas utveckling a. a. O. Tav, II fig. 17. 3) Repiachoff a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXVI pg. 146 Taf. VI REZE 4) Nitsche Beiträge a. a. O. Ztschr. f. e Zoolog. Bd. XX T. 1 fig. 1. 8. 9. 5) Claparède Beiträge a. a. O. Ztschr. f. w. Zoolog. Bd. XXI T. X fig. 3. 6) Cfr. Schneider Zur Entwicklungsgeschichte und systematischen Stellung der Bryozoen und Gephyreen. M.Schultze Archiv für mikroskop. Anatomie, Bd. V pg. 260 d'G XVI fg. 3; 4. HYPOPHORELLA EXPANSA. 77 nachdem diese Membranipora-Larve sich festgesetzt und für die Knospung des ersten Nährthieres abgeplattet hat, kann die Hypophorella-Larvenhaut erinnern. Ob nun die sogestalteten Larven der Hypophorella wie die der Bugula einen mit Tentakel- kranz versehenen Darmkanal erhalten und so ein erstes Nährthier erzeugen, oder ob der Knospungsprocess, der bei den genannten Chilostomen dahin führt, bei Hy- pophorella zur Bildung eines ersten Stengelgliedes führt, muss ich unentschieden lassen; ich habe in den zurückbleibenden Larvenhäuten der Vesicularia so wenig wie der Hypophorella Reste einer derartigen Bildung finden können; immerhin wäre es denkbar, dass die scheinbare Oefinung an dem Ende der Kerbe der Hypophorella- Larve eine Invaginations-Oeffnung darstelle. — Zu bemerken ist noch dass die Larven der Vesiculariden, welche Barrois!) beschreibt, von den von mir beobachteten Stadien der Hypophorella-Larven erheblich abweichen. Die Knospung. Das Wachsthum des Stockes erfolgt durch Knospenbildung, die in den meisten Fällen von den Stengelgliedern ausgeht, und in der oben angegebenen regelmässigen Vertheilung darmlose Stengelglieder und Nährthiere erzeugt, in den selteneren Fällen auch von den histolysirten Nährthieren aus zur Bildung von Stengelgliedern führt. Ich habe die bei anderen Bryozoen vielfach beobachtete, auf dem Wege der Knospung vor sich gehende Regeneration histolysirter Organe, besonders des Darm- tractus, an diesen Thieren in keinem Falle beobachtet. Meine Beobach- tungen beziehen sich daher immer nur auf die Knospung, welche zur Erzeugung neuer Glieder des Stockes führt. Die Bildung eines Gliedes erfolgt durch die Entwicklung einer Scheidewand, welche von einem bestehenden Gliede einen mit Wachs- thumsvermögen versehenen Theil desselben sondert und dadurch zu einer Selbständigkeit erhebt, welche im Verlauf der weiteren Entwicklung schärfer hervortritt; und es vollzieht sich diese Sonderung in der Längs- axe der Stengelglieder bei der Bildung der terminalen Glieder, unter einer Winkelstellung zum Stengelgliede bei der Abschnürung der late- 1) Barrois a. a. O. Comptes rendus. 1875 pg. 444. 78 E. EHLERS, ralen Glieder, der Nährthiere sowohl wie der opponirten Stengelglieder. Es ist offenbar der gleiche Vorgang, der bei der Knospung von Stengel- gliedern aus Nährthieren eine Rolle spielt. Die Knospung der Stengelglieder. Bei der Bildung der terminalen Stengelglieder besteht eine grosse Mannigfaltigkeit, welche auf eine ungleiche Schnelligkeit der Entwick- lung zurückzuführen ist. Sie tritt in der Weise hervor, dass das distale Ende einer Reihe von Stengelgliedern, an welchem die Knospung er- folgt, entweder von einem einzelnen lang ausgewachsenen Gliede gebildet wird, welches eine Kapselerweiterung nicht besitzt, oder dass das Ende einer solchen Reihe aus mehreren kurzen, oft bereits kapselförmig er- weiterten und mit dem eigenthümlichen Muskelapparat versehenen Glie- dern sich zusammensetzt. (Fig. 20. 24). Für das Verständniss des Knospungsvorganges ist die Darlegung der Beschaffenheit des Gliedes, an welchem die Knospe sich bildet, erforder- lich. Ein solches terminales Glied ist ja immer das jüngste seiner Reihe, und ich wähle zunächst den am häufigst vorkommenden Fall, dass es ein einzelnes junges Glied ist, welches die Reihe der Stengelglieder be- schliesst. Ein solches Glied unterscheidet sich von den vollentwickelten durch den Mangel der spangenförmigen Verdickungen und auffallender noch durch das Fehlen der Kapsel am distalen Ende; statt dessen ist dieses distale Ende kolbenförmig verdickt. Ist das Glied zu einiger Länge entwickelt, so ist meistentheils der mittlere Abschnitt, bisweilen auch das proximale Ende wie an den ausgewachsenen Gliedern gestaltet; in anderen Fällen aber ist nicht nur das distale Ende, sondern das Glied in seiner ganzen Länge auffallend vom reifen Gliede verschieden. An der Stelle der protoplasmatischen kernhaltigen Hautschicht und der von ihr getragenen, geschichteten Cuticula, welche in den reifen Gliedern einen Hohlraum umschliesst, tritt hier ein sehr ungleich gestaltetes, den Hohlraum des Gliedes bisweilen völlig füllendes Gewebe auf, dessen HYPOPHORELLA EXPANSA. 79 Aussenfläche von einer äusserst feinen Cuticula, einem völlig structur- losen Häutchen gedeckt wird. Das Gewebe dieser jungen Glieder oder ihrer distalen Endstrecken, an denen dieser Entwicklungszustand noch in voller Eigenthümlichkeit erhalten ist, besteht aus einer durch eigenthümlich matten Glanz ausge- zeichneten Substanz, welche durch die ganze Länge des Gliedes als die unter der Cuticula gelegene äussere Schicht zu verfolgen ist, ihre grösste Mächtigkeit aber am distalen Ende erreicht: hier nimmt sie so erheblich an Masse zu, dass dadurch dieses Ende kolbenförmig verdickt erscheint, bisweilen als ein solider glänzender Zapfen, welcher völlig von ihr ge- bildet wird (Fig. 20. 21. 22. 23). So trug ein 0,92™™ langes Terminal- glied einen compacten glänzenden Endzapfen, welcher 0,042” lang und 0,0276" dick war; er war völlig aus dieser Schicht gebildet, welche weiter zurück 0,0127”® und im proximalen Theile, wo sie bereits eine ansehnliche, deutlich geschichtete Cuticula trug, nur 0,0042"® dick war. Sehr wechselnd, wahrscheinlich im Zusammenhange mit noch unerkannten Vorgängen inihr, ist das Aussehen dieser Masse: am häufigsten erschien sie völlig homogen und klar, bisweilen mit einer kaum kenntlich aus- geprägten, radiären Streifung, welche aber nicht sowohl in feinen Linien, als in abwechselnden, leichten dunkleren und helleren Tönen der glän- zenden Masse bestand; in anderen Fällen waren in der hellen Substanz dunkle Pünktchen eingebettet, unmessbar, klein und staubartig auch unter starken Vergrösserungen erscheinend, aber auch bis zu der Grösse deutlich als solcher erkennbarer Kügelchen anwachsend; sie lagen bald einzeln zerstreut, bald aber auch in so dichter Menge, dass die Grund- substanz durch sie wie getrübt erschien; ihre Beschaffenheit habe ich nicht erklären können, im Allgemeinen erschienen sie eher als kleinste tropfenartige Ausscheidungen in der Masse, denn als eingebettete feste Körperchen; schliesslich zeigten sich in der Masse, doch nur selten und immer nur vereinzelt, grössere, unregelmässig geformte, durch etwas an- dere Lichtbrechung von der Grundsubstanz unterschiedene Körperchen, vielleicht Verdichtungen derselben. Die Masse ist weich, leicht zer- drückbar und damit zerstörbar, im Absterben trüb werdend; offenbar sehr 80 E. EHLERS, wasserreich, und daher bei Berührung mit wasserentziehenden Mitteln stark schrumpfend. Wie sie in den wachsenden Gliedern die Aussenfläche derselben bildet hat sie eine doppelte Aufgabe: Matrix der an den gereiften Glie- dern stark entwickelten Cuticula zu sein, und gleichzeitig in der Wand der Wurmröhre dem sich ausdehnenden Gliede Raum zu schaffen. — Ueberall, wo ich diese Masse in dem geschilderten Entwicklungstadium am terminalen Ende junger Stengelglieder gefunden habe, liess sich auf der äusseren Fläche ohne Anwendung von Reagentien irgend eine ver- dichtete Schicht nicht erkennen; verfolgt man aber im optischen Läng- schicht die Wand des etwas weiter entwickelten Stengelgliedes in proxi- maler Richtung, so findet man früher oder später ein deutlich unter- scheidbares, feines Häutchen auf der Masse gelegen, und kann sich an geeigneten Alterstufen der Glieder leicht davon überzeugen, wie dieses in eine geschichtete Cuticula sich fortsetzt. Doch ist der Mangel einer durch Verdichtung fester gewordenen Aussenschicht dieser Substanz am distalen Ende eines solchen terminalen Gliedes nur ein scheinbarer; Zu- satz von Reagentien lässt auch hier als ein unmessbar feines, structurloses Häutchen die Aussenschicht sichtbar werden, zumal wenn durch Schrum- pfung der hellen Substanz diese sich streckenweise von ihm abhebt. Ein characteristisches Bild erhielt ich, als ich die fast reife Knospe eines Nährthieres, an welcher die gleiche Substanz in später zu erwähnender Weise in der Körperwand auftritt, mit einer verdünnten, schwach ammo- niakalischen Carminlösung zusammenbrachte: der bei weitem grösste Theil der Substanz trübte sich und zog sich derartig zusammen, dass von ihrer Oberfläche ein äusserst feines, aber derbes, vorher nicht erkennbares, Häutchen abgehoben wurde, dabei aber doch durch einzelne feine Ver- bindungsfäden mit der zurückweichenden Hauptmasse in Verbindung blieb. Zweifellos ist diese Substanz der Jungen Glieder die Grundlage der später chitinös erscheinenden, dann geschichteten und dicken Aussen- wand; und ich bin der Meinung, dass diese nicht durch eine Ausschei- dung von dieser Masse, sondern durch eine Verdichtung und Verhärtung der äussersten Schichten derselben erfolgt, so zwar, dass lange Zeit hin- HYPOPHORELLA EXPANSA. 81 durch zwischen der Matrix und der chitinös erscheinenden festen Wan- dung ein Zusammenhang besteht, welcher für das Wachsthum der ganzen Aussenwand von Bedeutung ist. Diese Substanz hat aber offenbar hier sowohl als an den Knospen der Nãhrthiere die andere Aufgabe, in der Wand der Wurmröhre für den wachsenden Stock die Bahn zu brechen. Im Umfange des durch die Anhäufung dieser Substanz kolbig erscheinenden Endes eines termi- ` nalen Stengelgliedes findet man die Masse der Wurmröhrenwand in einem überall gleich grossen Abstande von der Oberfläche des Stengelgliedes entfernt, und keineswegs in der Weise, als sei durch das mit dem Aus- wachsen des Gliedes verbundene Andrängen desselben gegen die Substanz der Röhrenwand diese etwa in einer ihrer Schichtung entsprechenden Weise spaltförmig auseinandergetrieben; sondern es ist diese Masse so völlig parallel mit der Oberfläche des kolbigen Gliedendes geschwunden, dass es durchaus scheint, es habe eine Lösung, eine Fortnahme der Masse der Röhrenwand stattgefunden, wie eine solche jedenfalls da er- folgt, wo die auswachsenden Nährthiere die innere Oberfläche der Röhren- wand mit kreisrunder Oeffnung durchbrechen. — Eine solche Einwirkung auf die Substanz der Wurmröhre kann nun wohl von nichts anderem, als von der noch weichen Aussenschicht der wachsenden Glieder aus- geben, und wir haben uns diese Wirkung wohl ganz allgemein als eine auflösende vorzustellen. Wie das kolbige Ende der Glieder in dieser Weise lösend in der Wurmröhrenwand weiter wächst, schafft es einen hinlänglich grossen Raum für den Dickenzuwachs, den die hinter ihm gelegenen Strecken der Glieder mit der weiteren Entwicklung erhalten. Diese so beschaffene und functionirende Substanz erhält ihre noth- wendige Ergänzung durch ein Gewebe, welches auf ihrer in den Hohl- raum desGliedes hineinsehenden Fläche liegt; beide Substanzen gehören zusammen, wie sie der Vorläufer der einheitlichen kernhaltigen Schicht sind, welche in der Wand der erwachsenen Glieder unter der geschich- teten Cuticula liegt. Dieser Gewebstheil erscheint aber in den jungen und wachsenden Stengelgliedern in sehr verschiedener Weise sowohl nach Masse wie nach Gestaltung. Denn während die jungen Glieder Physikalische Classe. XXI. 1. 82 | E. EHLERS, von der verschiedensten Längenausdehnung das eine Mal einen nur von Flüssigkeit erfüllten Hohlraum besitzen (Fig. 22) sind sie das andere Mal in ihrer ganzen Länge oder in mehr oder minder ausgedehnten Strecken von dem zu schildernden Gewebe erfüllt (Fig. 20. 21. 23). In jenen Gliedern oder Abschnitten von Gliedern, in denen ein nur von Flüssigkeit erfüllter Hohlraum sich befindet, liegt auf der Innenfläche . der homogenen Aussenschicht in ungleicher Weise entwickelt und daher bald mehr bald minder deutlich erkennbar dieses Gewebe in der Weise, dass man Bild erhält, als bekleide hier eine zusammenhängende Schicht von völlig von einander gesonderten, bisweilen rautenförmigen Zellen die Innen- fläche ; hier und da springen wohl einzelne dieser scheinbaren Zellen stärker als die übrigen hervor, dann zeigt der optische Längsschnitt das Bild einer dadurch höckrig unebenen, inneren Wandschicht; oft auch erhält man völlig den Eindruck, als sei die ganze unter der Cuticula liegende Wanddicke aus zwei völlig von einander getrennten Schichten, der äusseren homo- genen und der inneren zelligen zusammengesetzt. Eine derartige Tren- nung zweier differenter Schichten besteht aber in Wirklichkeit nicht, sondern überall lässt sich nachweisen, dass die innere scheinbare Zell- schicht mit der äusseren derartig zusammenhängt, dass die homogene Aussenschicht sich in die Masse der inneren fortsetzt. Das tritt sehr viel deutlicher hervor bei einer Modification dieses inneren Gewebes, die gleichsam auf eine Auflockerung der inneren Zellschicht zurückzuführen ist. Diese Form. des Gewebes ist entweder nur auf die Endabschnitte der Glieder beschränkt, oder erstreckt sich durch deren ganzen Länge. In beiden Fällen ist der Hohlraum des Gliedes von einem Maschen bil- denden Gewebe erfüllt, das man als spongiös bezeichnen kann, wenn man damit ausdrücken will, dass die Hohlräume des Gewebes, in um- Fi hiulssiger Weise gestaltet, immer sehr viel grösser sind, als die faden- förmig dünnen Gewebsbalken, welche die Maschen begrenzen (Fig. 21. In ausgebildeten Fällen gehen diese mannigfaltig unter einander ver- knüpften Fäden des Maschenwerkes alle zuletzt von der Innenfläche See omoget nen Aussenschicht des Gliedes ab; hier fehlt jene vorher ge- schilderte s cheinbare Zellschicht, dagegen erhebt sich in mannigfaltigster WEN, ER a a DE a I ع‎ SS Fa EI e Ee e Ar Mn a AR HYPOPHORELLA EXPANSA. 83 Weise die Innenfläiche der Aussenschichtt zu mehr oder minder grossen, kegelförmigen Höckern, und deren Zuspitzungen sind zu dem Balkenwerk des spongiösen Gewebes, welches nun den ganzen Hohl- raum durchsetzt und die gegenüberliegenden Wände des Gliedes mit einander verbindet, ausgezogen. Die Dicke der Fäden dieses Maschen- werkes ist sehr ungleich; da wo mehrere Fäden bei der Maschenbildung zusammenstossen, finden sich häufig spindelförmige Anschwellungen von der gleichen Substanz gebildet, aus welcher die Fäden bestehen; ob in ihnen Zellkerne enthalten sind, habe ich nicht sicher zu entscheiden vermocht, doch ist es mir sehr wahrscheinlich. Ausserdem umschliessen diese Fäden in ungleichster Vertheilung kleine glänzende Kügelchen, meistens vereinzelt, bisweilen auch in Reihen geordnet. Dies ist das Gewebe, wie es weitester Ausdehnung den Hohlraum eines Gliedes durchsetzen kann, bisweilen auch wohl hie und da einen grösseren Ab- schnitt dieses Raumes ganz frei lassend. Als seine einfachste Gestaltung lässt sich wohl jene bezeichnen, welche man am häufigsten in den End- abschnitten der Glieder findet, wenn hier eine kernhaltige Gewebsmasse zu einzelnen groben Balken oder Platten ausgezogen ist, welche wenige grössere und kleinere Hohlräume zwischen sich haben. Nach einer anderen Richtung hin aber entwickelt sich dieses Ge- webe, wenn glänzende kugelige Körper in ihm auftreten, bei ihrer grössten Massenentfaltung so dicht, dass dann der ganze Hohlraum des Gliedes von ihnen erfüllt zu sein scheint. Dieser Bestandtheil des Ge- webes ist mir in einigen Fällen neben der spongiösen Gewebsbildung entgegengetreten; dann waren es wenige, zu einem Haufen zusammen- geballte und durch eine mit der Masse der Aussenschicht dem Ansehen nach übereinstimmende Substanz zusammengehaltene Kugeln, welche von der Aussenschicht in die spongiöse Substanz hineinragten; in an- deren Fällen bildeten diese Kugeln grössere Massen, welche ausgedehnte Strecken der Glieder füllten, an den verschiedensten Orten ballenweise auftreten konnten, und nicht selten von einem Ende her zapfenförmig weit in den Hohlraum des Gliedes hineinragten (Fig. 20. 23). Ob in diesen Zusammenballungen das spongiöse Gewebe stets vorhanden, und L2 84 E. EHLERS, nur auf ein Minimum reducirt und durch die Kugeln verdeckt sei, habe ich nicht erkennen können. Allem Anscheine nach ist diese Modification des Gewebes keine andere, als jene Anhäufung von Kernen, welche in den erwachsenen Gliedern so häufig über den Rosettenplatten liegen; und ich glaube, dass diese Anhäufung von kugeligen Kernen mit einem näher zu erforschenden Ernährungs- und Entwicklungszustand zusam- menfällt. Stengelglieder mit dieser Gewebsbildung haben noch keinerlei Kapsel- erweiterung, wie sie am distalen Ende der reifen Glieder vorhanden ist; wohl aber tritt frühzeitig in ihnen der eigenthümliche Muskelapparat auf. Dessen Lage ist zunächst von Interesse: denn wenn wir die Mus- kelgruppe im erwachsenen Gliede in der distalen Strecke finden, so tritt sie uns im jungen Gliede niemals hier, sondern in der Mitte des Gliedes, oder auch ganz am proximalen Ende entgegen. Diese ungleiche Lage- rung hängt offenbar mit der früher oder später erfolgenden Entwicklung der Muskelfäden zusammen. Sehr häufig findet man lang ausgewachsene Glieder, welche keinerlei Muskelfasern besitzen, und daneben ganz junge, kurze, in welchen der Apparat schon deutlich vorhanden ist (vergl. Fig. 20. 22. 24). Damit wechselt aber auch die Lage. So fand ich in einem jungen Stengelgliede von 0,078”” Länge am proximalen Ende einen Muskelapparat, welcher eine Strecke von 0,028””® Länge einnahm; in einem anderen Gliede von 0,92™™ Länge lag der 0,084"™ lange Apparat in einem Abstande von 0,448™™ vom distalen Ende entfernt, also etwa in der halben Länge des Gliedes Gleich langen Gliedern fehlte er völlig. Daneben war ganz wechselnd auch das Verhalten des inneren Gewebes des Gliedes: der Muskelapparat durchsetzte den nur Flüssig- keit enthaltenden Hohlraum, war von spongiösem Gewebe umgeben, oder lag in der dichten Anhäufung kugeliger Körper (Fig. 23). Ueberall fehlte jedoch die kapselförmige Erweiterung, welche im reifen Gliede den Apparat umschliesst; nur in sofern trat auf diesem Entwicklungs- stadium eine Differenz auf, als das einemal die umgebenden Gewebs- massen unmittelbar an und zwischen den Muskelfasern lagen, und das führt uns den jüngeren Zustand vor; während das andere Mal die Fa- HYPOPHORELLA EXPANSA. 85 sern in einem offenbar allseitig gegen das umgebende Gewebe abge- grenzten Raume lagen. — Ueber die Bildung der Muskelfasern selbst fehlen mir ausreichende Beobachtungen, das aber, was ich an den jüngsten Fasern sah, welche rings von spongiösem Gewebe umschlossen waren, lässt mich behaupten, dass die einzelne auf diesem Stadium kern- haltige, platte Faser aus dem gemeinsamen Gewebe heraus sich in der Weise bildet, dass eine kernhaltige Strecke desselben, einer Zelle gleich- werthig, in besonderer Weise zu dieser Faser sich entwickelt, die nun, wie die Balken des spongiösen Gewebes, von Anfang an die gegenüber- liegenden Wände des Gliedes verbindet, und diese Verbindung auch be- wahrt, wenn der Raum des Gliedes an Ausdehnung zunimmt, indem sie dann in gleicher Weise in die Länge wächst. — Wodurch aber der Ein- tritt dieser Gewebsentwicklung zur Muskelfaser an der ein oder anderen Stelle herbeigeführt wird, ist mir ganz unklar geblieben. An den terminalen jungen Gliedern, deren Bau ich hier geschildert habe, erfolgt die Neubildung eines Gliedes durch Trennung einer distalen Endstrecke des Gliedes vermittelst einer Scheidewand. Dadurch kann ein sehr ungleich langes Stück abgetrennt werden; das ergiebt sich sofort, wenn man die ungleiche Länge der jungen terminalen Glieder und die ungleiche Lagerung des Muskelapparates in ihnen erwägt; denn es giebt uns die Lage dieses Apparates die Stelle an, an welcher die Abschnürung erfolgt, und je nachdem der Abstand des Apparates vom distalen Ende des Gliedes ein grösserer oder kleinerer ist, wird die Bil- dung der Scheidewand ein grösseres oder kleineres Endstück zum selb- ständigen Gliede erheben. Ob übrigens die Bildung einer Scheidewand immer erst nach dem Auftreten der Muskelfaser erfolge, kann ich nicht behaupten. Sehr wahrscheinlich wird bei grosser Energie des Wachsthums rasch hintereinander die Bildung von mehreren kurzen, jungen Stengelglie- dern erfolgen, wie solche bisweilen das Ende eines Stolo bilden (Fig. 24), so dass hier an dem noch wenig ausgewachsenen Gliede die Bildung eines neuen Gliedes anhebt, welches, wie seine Vorgänger, seine Längsausdehnung durch späteres Eigenwachsthum erhalten muss. Andere terminale Glieder wachsen fortgesetzt in die Länge, ohne diese Bildungsvorgänge zu erleiden. 86 E. EHLERS, Die Bildung einer Scheidewand, durch welche die Endstrecke eines Gliedes zu einem selbständigen Gliede erhoben wird, habe ich in einem Falle mit genügender Deutlichkeit erkannt. Ich fand an einem Stocke einen aus drei Gliedern gebildeten Ausläufer, welcher keinerlei laterale Knospen trug, und dessen zwei distale Glieder auffallend kurz waren (Fig. 24). Das proximale Glied dieser Reihe war 0,54”” lang und hatte eine 0,12"® lange Kapselerweiterung, und als Zeichen einer längeren Entwicklungsdauer im cylindrischen Theile die bekannten spangenförmi- gen Verdickungen. Die beiden distalen Glieder waren je 0,096” lang, im übrigen ungleich entwickelt; das proximale von ihnen könnte man als eine mit Muskelfasern versehene Kapsel bezeichnen , deren drehrun- der Stiel noch nicht ausgewachsen ist. An ihm sitzt nun das terminale Glied, und in diesem liegt, etwas über die halbe Länge hinaus, die Am- lage einer Scheidewand, durch welche das Endstück des Gliedes abge- trennt wird (Fig. 25). Diese Bildung war soweit vorgeschritten, dass das nach der Beschaffenheit seiner Aussenfläche scheinbar noch einheit- liche Glied im Inneren bereits zwei von einander gesonderte Hohlräume besass, Die Wand des ganzen Gliedes war in der Weise gebildet, wie ich es von den jungen Gliedern geschildert habe: an die unter der Cu- ticula liegende, homogene Aussenschicht schloss sich nach innen eine einzelne Vacuolen und Kerne führende, körnchenfreie Substanz an; sie war am stärksten im proximalen Abschnitte angehäuft und bildete die er- wähnte Scheidewand, indem sie brückenförmig von einer Fläche des Gliedes zur anderen hinüberzog; unter starker Vergrösserung zeigte sich in ihrer Dicke auf dem optischen Querschnitt unter dem Bilde einer scharf glänzenden Linie die erste Anlage jener Wand, welche im ausge- bildeten Gliede aus der chitinähnlichen Substanz gebildet und bis auf das Centrum der sogenannten Rosettenplatte erheblich verdickt ist. of- fenbar geht die Bildung dieser Platte von der protoplasmatischen Schicht aus, und wächst durch Anlagerung von neuer Zuwachsmasse auf ihren beiden Flächen, die jedoch im Bereich der Rosettenplatte entweder ganz ausbleibt oder ganz geringfügig ist. Daraus erklärt sich das Bild des optischen Querschnittes, welches die Scheidwand zweier Glieder zeigt: HYPOPHORELLA EXPANSA. 87 von den drei Contouren gehört die unpaare mittlere auf die zuerst ge- bildete gemeinsame dünne Scheidewand; die beiden in den Hohlraum je eines Gliedes gewandten Contouren bezeichnen die innere Oberfläche der späteren, die Dicke der Wand bildenden jederseitigen Auflagerung. — Die durch diese Scheidewand von einander getrennten Hohlräume hatten in sofern ein ungleiches Verhalten, als in dem proximalen Raume ein Haufen der die innere Schicht bildenden kugeligen Körner lag, welche im distalen, nur von Flüssigkeit erfüllten Raume fehlten. Dieses Ver- halten scheint auf eine Differenz in der Entwicklung der Glieder hinzu- weisen, über deren etwaige Bedeutung ich kein Urtheil habe, die ich aber doch erwähnt haben möchte. In dem vorhin erwähnten in Fig. 23 abgebildeten, lang ausgewachsenen terminalen Gliede war der Hohlraum desselben in seiner ganzen Länge von Körnern erfüllt; falls hier, wie ich annehmen muss, die Bildung einer Scheidewand unmittelbar vor den bereits gebildeten Muskelfasern erfolgt, vollzieht sich dieselbe durch diesen Körnerhaufen hindurch, und das durch die Scheidewand abge- schnürte Glied ist von vorn herein mit diesen Körnern gefüllt; es sei denn, dass vor der Scheidung der terminale Theil seine Körner wieder verliere, und damit in den Zustand versetzt werde, in welchem wir in dem ersten Falle (Fig. 25) das durch die gebildete Scheidewand abge- schnürte Glied antrafen, in welchem nun die Bildung der ja selten ganz fehlenden Körner offenbar aus der protoplasmatischen Schicht heraus vor sich geht. Die Bildung des terminalen Gliedes eines Stolo erfolgt danach stets durch die Abschnürung einer unentwickelten Endstrecke eines endstän- digen Gliedes an einem Stolo. Etwas anders verhält sich die Sache bei der ersten Anlage eines lateralen Stengelgliedes, und sehr wahrschein- lich auch jener Stengelglieder, welche in seltenen Fällen einem Nähr- thiere entspriessen. Als erstes Anzeichen der Bildung eines lateralen Gliedes findet man unter der Wand der kapselförmigen Erweiterung des Stengelgliedes, welches die Knospe zu erzeugen hat, eine stärkere Anhäufung der subeuticularen Gewebsmasse, meist ausgezeichnet durch eingelagerte Kerne; damit verbindet sich dann anfänglich eine geringe 88 E. EHLERS, Ausbauchung der Wand, und bald nachher entsteht an dieser Stelle ein kleiner zapfenförmiger Vorsprung. Sobald die Knospe, denn das ist dieser Zapfen, sich herausgebildet hat, wird sie auch sofort vom Muttergliede durch eine Scheidewand getrennt und damit zu einem selbständigen Gliede erhoben. Dieser Entwicklungsvorgang scheint aber sehr rasch zu verlaufen; das vermuthe ich, weil ich unter den vielen beobachteten Fällen häufig das Stadium der Aussackung der Wandung, ` und die nur wenig grösseren, aber bereits abgeschnürten Gliedknospen, nie aber die noch in der Anlage begriffene Scheidewand gesehen habe, — Ist die Knospe einmal in dieser Weise angelegt, so erfolgt ihre weitere Entwicklung unter der Bildung der Wandschicht, welche ich oben ge- schildert habe; dabei ist aber eins eigenthümlich und mir unverständlich geblieben: bildet sich nämlich an der Kapselerweiterung eines Stengel- — gliedes jene Hervortreibung, welche zur Knospe eines jungen Gliedes S wird, so wird ein Theil der derben, cuticularen Oberhaut in den Aufbau dieser Knospe mit hineingezogen, dann aber so erheblich verdünnt, wie wir das an den jungen Knospen finden; in welcher Weise aber dies vor sich geht, konnte ich nicht entscheiden; mir schien hierbei nicht so- wohl eine Dehnung der Wand des alten Gliedes, als eine Resorption an derselben stattzufinden. In der weiteren Entwicklung der Stengelglieder macht sich zu- nächst das Längenwachsthum geltend, welches wie aus der ungleichen Grösse der erwachsenen Glieder erhellt, von sehr ungleicher Stärke ist; andererseits kommt es zu der characteristischen Ausweitung am di- stalen Ende, welche dann den Muskelapparat birgt, und den Ort bietet für die Knospung der lateralen Glieder. Da in vielen Fällen die Kap: selbildung junger Glieder vollendet, während die proximale stielförmige Strecke noch sehr kurz ist, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass diese für sich allein noch lange nach der Ausbildung der Kapsel in die Länge wächst. Ich zweifle nicht, dass daneben auch ein Dickenwachsthum stattfindet; wie sich dabei die bereits feste und cuticular geschichtete Aussenwand verhält, kann ich nicht angeben. Mit der Vergrösserung der Glieder ändert sich die histologische Beschaffenheit; ganz allgemein ET ce EE E HYPOPHORELLA EXPANSA. 89 entwickelt sich während das spongiöse oder von Körnern gefüllte Ge- webe schwindet der Hohlraum des Gliedes; und von dem zweischich- tig scheinendem Gewebe, auf welchem in der jungen Knospe die feine Cuticula ruht, bleibt an der Wand der Glieder, mit Ausnahme der End- theile, nur die hautartige vereinzelte Kerne einschliessende Schicht, auf welcher nun die dicke Cuticula ruht. Es ist mir wahrscheinlich, dass diese aus einer Verdichtung und Verfestigung der homogenen Aussen- schicht in der Wand der jungen Knospen hervorgeht; allein zu einem sicherem Schlusse bin ich darüber so wenig gekommen, wie über die Art und Weise, in welcher schliesslich die spangenförmigen Verdickun- gen entstehen mögen. An dieser Stelle habe ich schliesslich ein zweimal von mir beob- achtetes Vorkommen zu erwähnen, in welchem scheinbar von der nicht erweiterten Strecke eines Stengelgliedes eine Knospenbildung ausging. Beide Fälle habe ich in Fig. 15 und 16 abgebildet. Ein altes und ein junges Stengelglied, als solches durch Besitz oder Nichtbesitz der span- genförmigen Verdickungen gekennzeichnet, trug einen kolbig ange- schwollenen, seitlich abstehenden Auswuchs. In ihn erstreckte sich der Hohlraum des Gliedes nur eine kleine Strecke weit; die bei weitem grösste Masse desselben war solide und bestand aus protoplasmatischer Grundsubstanz, in welcher, ausser Vacuolen, zahlreiche kugelige Kerne dicht neben einander eingelagert waren. Nur die äusserste Oberflächen- schicht war frei davon, und erschien als homogene, in dem einen Falle deutlich membranös verdichtete Schicht, welche gegen das Stengelglied hin in dessen Aussenwand überging. In dieser Beschaffenheit zeigten diese Auswüchse die Bildung, mit welcher die ersten Anlagen der Sten- gelglieder auftreten, characterisirt durch die dichte Anhäufung von Ker- pen und das Fehlen einer äusseren geschichteten Haut. Dennoch glaube ich, dass es sich in diesen Fällen nicht um die Anlage von Knospen an einer ungewöhnlichen Stelle handelt, sondern um den Heilungsvor- gang an einer verletzten Stelle. Dazu veranlasst mich das einemal die Ueberlegung, dass ich nie ein entwickeltes Stengelglied an einem ähn- lichen Orte habe entspringen sehen; mehr aber noch das Bild, welches Physikalische Class, XXI. 1, M 90 | E. EHLERS, das ältere Stengelglied zeigte: hier war augenscheinlich ein Riss in die 0 Wand des Stengelgliedes gedrungen und hatte den Zusammenhang der Wandstrecke auf dem einem Umfange des Gliedes mit Spaltbildung auf- gehoben; darauf deutete, mehr als das plötzliche Abbrechen der viel- schichtigen dicken Wand unterhalb des neugebildeten Auswuchses, ein an dieser Stelle anhängender lappenartiger Fetzen, der offenbar der äusseren Wandung angehörte und ihr als ein absterbender Lappen an- hing. Ist meine Deutung richtig, so haben wir es mit einem Regene- rationsvorgange zu thun, in dem allerdings die Vernarbung herbeifüh- rende Wucherung mit der eine Knospe erzeugenden Gewebsbildung die grösste Aehnlichkeit hat. Dass übrigens derartige Neubildungen gele- gentlich zu verlängerten Ausläufern, vielleicht zu Stengelgliedern aus- wachsen können, soll nicht ganz in Abrede gestellt werden. ` Die Entwicklung eines terminalen Stengelgliedes erfolgt demnach in der Weise wie die Bildung von den randständigen Knospen am Umfange einer flächenhaft aus- ` gebreiteten Kolonie von Flustra oder Lepralia nach Smitt 1) und Nitsche 2); und das Stengelglied, an dessen terminalem Ende die Neubildung eines Gliedes sich voll- zieht, wäre eine Grossknospe im Sinne Nitsche’s. Nichts anderes aber ist der Bildungsvorgang der lateralen Stengelglieder und der Knospen, welche zu Nährthieren auswachsen; die wohl von Smitt zuerst hervorgehobene Entwicklung einer von au- ssen nach innen wachsenden Scheidewand, durch welche die Anlage der Knospe vom mütterlichen Boden gesondert wird, ist das überall Gemeinsame. Diese Scheide- wand gehört zu der protoplasmatischen Wandschicht, welche die Matrix der chitini- gen Wand bildet, ist danach die Endocyste der Autoren, und erzeugt hier denjenigen Theil der Eetocyste, mit welchem zwei Nachbarglieder aneinanderstossen. Es ist leicht einzusehen, wie bei einem beschränkten Wachsthum dieser Scheidewand Com- municationsöffnungen zwischen zwei Gliedern eines Stockes bestehen bleiben; aM grössten sind solche natürlich da vorhanden, wo wie bei phylactolaemen Bryozoen die Bildung der Scheidewand ausbleibt. Welche Verhältnisse zur Bildung der Rosetten- plättchen führen, die durch locale Verdickung des Ectocystentheiles entstanden sind ist mir unbekannt, und auch von keinem Autor klar dargelegt; leicht zu verstehen KE 3 Smitt, Om Hafs-Bryozoernas utvecklin Vet- | SÉ g och fettkroppar. Övers. af K. E Akad, Forhandlingar. 1865. Nr. 1, pg. 5 Ae 0 2) Nitsche a. a, O. Ztschrift f. wiss. E عو‎ Bd. XXI, pg. 445 fi. Ba EEA ERE N RE E FONE WE TET HYPOPHORELLA EXPANSA. 91 wäre es in dem Falle, dass ein längerer Zusammenhang der Matrix von einem Gliede zum andern nachgewiesen werden könnte. Die Knospenbildung von Pedicellina verläuft nach den Angaben Uljanin’s t) etwas anders als die unserer Hypophorella, insofern als die Bildung des Septum, welches die jungen Knospen von dem alten Gliede trennt, durch eine auf der Oberfläche auftretende Furche, welche tiefer und tiefer einschneidet, erzeugt wird. Das erste Auftreten einer solchen Knospe verhält sich offenbar ganz wie bei Hypo- phorella, insofern als sich unter einer Stelle der Cuticula eine Zellanhäufung bildet; dagegen tritt im weiteren Verlaufe ein histologischer Unterschied auf dadurch, dass bei Pedicellina eine Schicht cylindrischer Zellen das subeuticulare Syncytium unserer Bryozoe, runde Zellen die kugeligen Kerne vertreten. — Uljanin *) giebt auch das Bild einer seitlichen Knospe, welches sehr dem Verhalten ähnelt, welches ich als Heilungs- und Regenerationszustände bezeichnet habe. Die Knospung der Nährthiere. Die Form, welche die offenbar auf dem gleichen Wege wie ein laterales Stengelglied angelegte, aber für die Entwicklung zum Nährthier bestimmte Knospe erhält, unterscheidet sich frühzeitig von jener der op- ponirten Stengelgliedknospe. Denn während die Stengelgliedknospe dreh- rund ist, hat die Knospe eines Nährthieres neben grösseren Dimensionen eine kolbig oder halbkugelig erweiterte Gestalt. Dagegen herrscht im Allgemeinen eine Uebereinstimmung des Baues beider Knospen, und die Wandung der Knospe des Nährthieres, das Gewebe, welches ihren Hohlraum füllt, ist wie in der Knospe des Stengelgliedes beschaffen. Stelle ich die verschiedenen von mir beobachteten Knospen der Nähr- thiere nach dem Grade ihrer Ausbildung zusammen, so erhalte ich das folgende Bild des Entwicklungganges. Die zum Nährthier auswachsende Knospe dehnt sich rasch, fast blasenförmig, und erscheint dann als ein mit kurzem Stiel aufsitzendes, fast kugeliges Hohlgebilde. Das vorher den ganzen Hohlraum einnehmende 1) B. Uljanin, Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Pedicellina. Bulletin de la société impériale des Naturalistes de Moscou. T. XLII, 1869, p. 434. 2) a. a. 0. Tab. VI, Fig, 4. M2 92 E. EHLERS, Gewebe, gefüllt von den kugeligen Kernen, ist in dieser Anordnung nicht mehr vorhanden; die Knospe besitzt nun einen ansehnlichen, von Flüssigkeit erfüllten Hohlraum und erreicht in der Regel diese Bildung a viel früher als das Stengelglied; ihre Wand hat die Zusammensetzung wie die eines wachsenden Stengelgliedes: trägt nach aussen die homo- gene, glänzende, übrigens mannigfaltig, wie in der Stengelgliedknospe wechselnde, von einer feinen Cuticula gedeckte Schicht, und unter ihr und mit ihr verbunden, jene zellähnliche Gewebschicht, die meistens nicht gleichmässig ausgebreitet, sondern in unregelmässiger Weise hier und da angehäuft ist. In ihr liegen, gleichfalls unregelmässig vertheilt, die früher beschriebenen kugeligen Kerne. Bald aber erscheint dieser Gewebstheil an einer bestimmten Stelle angehäuft, und damit tritt die erste Anlage des Darmtractus hervor. Die Wand der Knospe wächst im weiteren Verlauf zur Körper- wand des Nährthieres aus, und umschliesst von vornherein den Hohl- raum, der die Leibeshöhle des Thieres darstellt; in diesen hinein wächst von der genannten Anhäufung der inneren Gewebschicht ausgehend, in genauer darzustellender Weise der Darmtractus. — Beiderlei Entwick- lungsvorgänge gehen gleichzeitig neben einander her, jedoch, wie es scheint, insofern mit einer gewissen Unabhängigkeit von einander, dass die Entwicklung der Körperwand bald früher bald später, ohne an be- stimmte Entwicklungsstufen des Darmes gebunden zu sein, die einzelnen Stufen zur Vollendung der Form durchläuft. — In der Ausbildung der Körperwand haben wir es zunächst mit einem Wachsthum zu thun, welches jedenfalls völlig dem Wachsthum der Wandung eines jungen Stengelgliedes entspricht, wiewohl hier das einemal der Unterschied be- steht, dass die homogene und kernhaltige oder spongiöse Gewebsschicht weniger scharf, als häufig in der Stengelgliedknospe, von einander 867 trennt sind, und dass die spongiöse Gewebsform hier, wo der Hohlraum der Knospe früh seine grosse Bedeutung gewinnt, gering entwickelt auftritt. Die homogene Aussenschicht wächst wie die gesammte Wand durch ‚Intussusception und nicht durch Apposition; die an ihr bert" gehende Cutieula schien mir auch hier nicht eine Ausscheidungsproduct ZS | Ze | = “ HYPOPHORELLA EXPANSA. 93 dieser Schicht, sondern eine Verhärtung derselben zu sein. — Bald macht sich an dieser Knospe ein Unterschied in den Wandstrecken bemerklich, insofern als das freie Ende der Knospe, ganz ähnlich dem entsprechenden Endstück des wachsenden Stengelgliedes, eine Wandver- dickung besitzt, welche besonders durch die Verdickung der homogenen Aussenschicht bedingt wird. Dieses freie Ende ist dann keulenförmig erweitert, und es tritt damit an der Knospe schärfer der Gegensatz zwi- schen der engen Basis, mit welcher die Knospe, wie später das Nähr- thier, dem Stolo aufsitzt, und dem erweiterten Endstlicke hervor. Die Anhäufung der homogenen Aussenschicht an dem verdickten Vorder- ende hat hier offenbar die gleiche Bedeutung wie am Stengelgliede; mit ihr wird die Substanz der Wurmröhrenwand gelöst, um der Knospe Platz zu machen, — Entwickelt sich so an der Knospe eine bestimmte Form, so zeigen sich hier doch auch bei den Knospen ungleicher Grösse und Ausbildung Unterschiede, die mir dafür zu sprechen scheinen, dass die Vollendung der äusseren Körpergestalt in sehr wechselnder Weise erreicht wird. Denn eine Knospe von 0,453 Länge, in welcher der Darmtractus in seinen wesentlichen Theilen angelegt war, hatte eine von der engen Basis aus gleichmässig erfolgende Auftreibung (Fig. 43); in einer anderen von 0,216™ Länge, in welcher der Darm weniger weit sich entwickelt hatte, war der basale Abschnitt schmal und wie mit einer tiefen Einschnürung von dem erheblich breiteren, freiem Endtheil abge- setzt (Fig. 42); und schliesslich zeigte eine durch die kleinere Länge (0,162™™) wie durch geringere Entwicklung der Darmanlage als noch jünger sich kennzeichnende Knospe den basalen Theil erweitert, und von ihm einen vorderen Theil in der Weise abgeschnürt, als sei dadurch jener Theil der Körperwand bereits abgetrennt, welcher zur Bildung des Deckels bestimmt ist (Fig. 40). Das Vorderende bewahrt dabei stets die Auszeichnung, welche es in der Dicke seiner Wand besitzt, und es ist mir hier besonders einmal (Fig. 42) auffällig gewesen, dass die homogene Aussenschicht im optischen Querschnitt einen unregelmässig welligen Contour zeigte, wonach die dem entsprechende Fläche regellose Uneben- heiten besass, wie sie an einer weichen Masse leicht auftreten, oder 94 E. EHLERS, durch Verschiebungen erzeugt werden können. Hier waren ausserdem an einer Stelle, wie aus der Abbildung hervorgeht, dunklere, offenbar differente Massen in ihr eingelagert, so dass dadurch das Bild einer von der Beschaffenheit einer Cuticula weit entfernten Substanz vermehrt wurde. — In keinem dieser Fälle war irgend eine Anlage der characteri- stischen Hörner zu sehen; auch habe ich deren Entwicklung nicht ver- folgen können; jedenfalls erscheinen sie spät, wenn die inneren Organe schon erheblich ausgebildet sind, immer aber noch früher als die Ten- takelscheide durch das Diaphragma vollendet wird, und ehe der Deckel seinen characteristischen Zahnbesatz erhält. Das zeigte eine fast vollen- ` dete Knospe, welche in Fig. 44 abgebildet ist. Sie zeigt aber ferner, dass zu dieser Entwicklungszeit der weitaus grösste Theil der Körper- wand vollendet ist, deren Zusammensetzung von jener der vollent- wickelten Thiere sich nur durch grösseren Reichthum an spindelförmigen Kernen unterscheidet. Unfertig ist jedoch auch in diesem Thiere noch die den vordersten Körpertheil abschliessende Wandstrecke; und hier, wo die Ausbildung des Zähnchen tragenden Deckels, offenbar im Zu- sammenhang mit der Bildung der aboralen Strecke der Tentakelscheide, noch bevorsteht, hat die Körperwand, wie auf den jüngeren Entwick- lungsstufen eine erheblich verdickte Aussenschicht von der oben bereits erwähnten Beschaffenheit. Diese ` wird wohl bei der Vollendung des Deckels gleichsam verbraucht; Beobachtungen darüber fehlen mir, denn Knospen auf diesen letzten Stufen der Ausbildung habe ich nur sehr selten gesehen, und möchte danach vermuthen, dass dieser Abschluss der Entwicklung sich sehr rasch vollzieht. An die Entwicklung der Körperwand schliesst sich unmittelbar die der Muskulatur und der peritonäalen Theile an. Hier aber habe ich nur die Ausbildung der Parietalmuskeln zu erwähnen, da die Entwick- lung der übrigen Theile ihre Besprechung erst nach der Beschreibung der Darmentwicklung finden kann. — Die Anlage der Parietal- muskeln und ihrer peritonaealen Platte erfolgt zu jener Zeit, in welcher die hohl gewordene Knospe sich zu weiten beginnt; ihre ersten Spuren fand ich in einer -Knospe von 0,173" Länge, deutlicher ausgebildet HYPOPHORELLA EXPANSA. 95 tritt die Anlage in einer 0,204”” grossen Knospe hervor, welche in Fig. 41 abgebildet ist; auch hier machen sich jedoch Unterschiede in einer früher oder später auftretenden Entwicklung geltend, so habe ich in einer Knospe von 0,174"® Länge mit beginnender Tentakelentwicklung beide Muskelplatten bereits ausgespannt im Hohlraum der Knospe ge- troffen. — Meiner Meinung nach erfolgt die Bildung der Parietalmuskel- platten durch eine theilweise Ablösung des die innere Fläche der Knospe bedeckenden Gewebes, welches dann mit steigender Ausdehnung der Knospe mehr und mehr gespannt und dabei wachsend zu den Muskel- platten entwickelt wird. In der in Fig. 41 abgebildeten Knospe war von der Innenfläche der Körperwand eine hautartige Platte brückenartig abgehoben und gab zwei schmale bandartige Ausläufer ab, welche frei gespannt durch einen Theil der Knospenhöhle verliefen und an anderen Punkten der inneren Körperwandfläche sich ansetzten; eine dritte gleich- gestaltete Faser hatte denselben Verlauf, entsprang aber selbständig mit einem hautartigen dreieckig erweiterten Ursprungstücke; dass diese Fasern oder ein Theil des an ihnen gelegenen Gewebes sich zu Muskel- fasern entwickeln werden, dafür spricht, abgesehen davon, dass diese Platten und Fasern den Ort der späteren Parietalmuskeln einnehmen, der an der einen Faser deutlich erkennbare, und wie an der jungen Muskelfaser gelagerte Kern. Diese von der inneren Körperfläche' abge- löste Gewebsschicht erfährt meines Erachtens eine derartige Differenzi- rung, dass bestimmte kernhaltige und dadurch zellwerthige Theile zu Muskelfasern sich entwickeln, während der Rest des gleichfalls abge- lösten Gewebes, eine oberflächliche Schicht bildend, zur peritonaealen Platte der Parietalmuskeln auswächst. — Ganz ähnliche Vorgänge finden offenbar bei der Entwicklung der übrigen, durch die Ausbildung des Darms und der Tentakelscheide beeinflussten Muskeln statt. ` Von der inneren Fläche der hohl gewordenen Knospe geht die Bildung der Tentakelscheide und des Darmtractus, so wie gleichzeitig die des Funiculus und Musculus retractor und der Parietovaginal-Muskeln und Bänder aus. — In Knospen, welche sich so weit entwickelt haben, dass sie keulenförmig aufgetrieben sind und einen geräumigen von Flüssigkeit 96 E. EHLERS, erfüllten Hohlraum besitzen, erhält man leicht ein Bild, von dem ich ausgehen möchte, um die Entwicklung des Darmtractus darzustellen. Es ist dies das Bild einer homogenen, glänzenden, längsovalen, in der Mitte stark furchenartig vertieften Scheibe mit wulstig verdickten Rändern (Fig. 22). | Dieses scheibenförmig erscheinende Gebilde, welches ich als die Tentakelscheibe bezeichnen will, ist der auffallendste Theil in der Anlage des Darmtractus (Fig. 20.22.42). Sobald die Scheibe in dieser Weise auf- | tritt, lässt die Untersuchung mit starken Vergrösserungen erkennen, dass sie bereits aus zweierlei differenten Theilen zusammengesetzt ist: einer den Spalt der Scheibe zunächst begrenzenden, hell glänzenden, homo- genen Masse, und einer nach aussen davon gelagerten, körnerhaltigen, dunkleren Schicht. Durch Aenderung der Focaleinstellung überzeugt man sich, dass dieser letztgenannte Bestandtheil der Scheibe mit der kernhaltigen Gewebschicht auf der Innenfläche der Körperwand so zu- sammenhängt, dass er als ein Bestandtheil derselben zu betrachten ist, während die helle glänzende Substanz sich in eine der Scheibe anhän- gende in den Binnenraum der Knospe hineinragende Masse verfolgen lässt. Diese Scheidung führt die jetzt zuerst als deutlich gesondert auf- tretenden Anlagen der Tentakelscheide und der Stützmembran des Tentakelapparates einerseits, des Tentakel- und Schlundkopfepithels, 0 wie des Mittel- und Enddarms andererseits vor. ; Ehe ich dazu übergehe darzustellen, wie diese Theile sich heraus- bilden, ist die Bildung der Tentakelscheibe selbst zu betrachten. Knospen, bei denen die Tentakelscheibe bereits vorhanden oder erst angelegt wird, zeigen in der Nähe ihres distalen Endes auf der einen Fläche eine allerdings nicht immer leicht wahrnehmbare Einsenkung der Oberfläche. Die jüngste Knospe, an welcher ich eine solche Einsenkung gesehen habe, war 0,08"m lang und hatte eine noch überall gleichmässig dicke Wand. In einer 0,135mm langen Knospe, an welcher deutlich die schmälere Basis und die durch die verdickte Aussenschicht gekennzeich- nete vordere Körperstrecke hervortrat, bekam ich bei der Benutzung der Hartnack’schen Immersionslinse X das Bild, welches ich in Figur HYPOPHORELLA EXPANSA. j 97 33 wiederzugeben versucht habe: die ganze Einstülpung ist hier trich- terförmig, ihre Eingangsöffnung hat einen Durchmesser von 0,054", unterhalb des Grundes der Einstülpung schimmert die bereits angelegte Tentakelscheibe hervor. Danach ist auch allgemein an der Stelle, an welcher die Einstülpung auftritt, wie das aus dem eben erwähnten Bilde hervorgeht, die erste Anlage der Tentakelscheibe und damit des Darmtractus zu suchen: ich glaube dieselbe an einer spindelförmigen Knospe von 0,018”® Länge und 0,054" ” grösster Breite, an welcher die äussere Wandschicht des distalen Theiles etwas dicker als am übrigen Theile war, zuerst gefunden zu haben (Fig. 34). Die eine Fläche dieser Knospe liess eine seichte Einstül- pung erkennen, deren Oeffnung ich auf 0,0027”® Durchmesser schätzte. Die innere Schicht der Körperwandung des vorderen Theiles der Knospe hatte gedrängter als an den übrigen Theilen liegende Kerne; auf dem Scheitel der Einstülpung traten die Kerne viel schärfer heraus, und lagerten sich eine einzige Schicht bildend derartig, dass auf einer kreisförmigen Fläche von 0,0252™™ Durchmesser ein Ring von gleichge- stalteten und gleichgrossen Kernen zwei wohl doppelt so grosse, viel stärker glänzende Stücke umschloss, welche ich nicht als Kerne be- zeichnen möchte. Dieser hier heraustretende Unterschied scheint mir bedeutungsvoll zu sein; denn das Aussehen der centralen Theile stimmt so sehr mit dem glänzenden Aussehen des centralen Gewebes der spä- teren Tentakelscheibe überein, dass ich darin die erste Anlage derselben, in dem peripheren Ringe aber den Ausgangspunkt für die später am Umfange der Scheibe gelagerte kernhaltige Masse der Tentakelscheide sehe. In ein und demselben flächenhaft ausgebreiteten Gewebe, welches ein Theil der Körperwand ist, erscheinen also neben einander die unter- schiedenen Anlagen der Tentakelscheibe. Während nun diese beiden Theile sich neben einander weiter ent- wickeln, tritt die ganze an Masse zunehmende Gewebsschicht zapfenartig stärker in die Körperhöhle hinein. In einer schwach keulenförmig er- weiterten Knospe von 0,140””® Länge und 0,1197972 grösster Breite, steht an der Stelle der kreisförmigen Platte ein ovales, napfförmig vertieftes Physikalische Classe. XXI. 1. N 98 E. EHLERS, Gebilde von 0,056"® Länge- und 0,033™™ Breitendurchmesser; eine Fi caleinstellung, welche die Wand dieses Napfes im optischen Quersc erscheinen lässt, zeigt, dass diese im oberen, der Körperwand näher lies : genden Theile aus zwei neben einander gelagerten ungleichen Schichten gebildet ist, einer im lebenden Thiere homogen glänzend erscheinend inneren von 0,0036”®, und einer äusseren kernhaltigen von 0,0027% Dicke (Fig. 35); diese äussere Schicht steht im unmittelbaren Zusam- menhange mit der kernhaltigen Schicht der Körperwand, an der inneren konnte ich einen gleichen unmittelbaren Zusammenhang nicht auffinden, dagegen war sie abwärts zu verfolgen und bildete den Grund des napi förmigen Gebildes. Die hier vorliegende Bildung ist meines Erachtens aus der flächen: haft ausgebreiteten Scheibe der vorhergehenden Entwicklungsstufe in der Weise hervorgegangen, dass die homogen glänzenden centralen Theile derselben sich vergrössert und zum Napf ausgedehnt haben, dabei zu der peripheren kernhaltigen Schicht nun in der Weise gelagert sind, dass die Ränder des Napfes auf ihrer Aussenfläche eine Strecke weit von dem vorher ringförmig erscheinenden Gewebe umfasst werden. Zu dem Stadium, von dessen. Beschreibung ich oben ausgegangen bin, erfolgt nun der weitere Uebergang durch Wachsthum beider als different bezeichneten Gewebsschichten. Das Bild der von einer Längs furche durchzogenen Scheibe entsteht dadurch, dass die Ränder des Napfes wuchern, dabei stark wulstig aufgetrieben, und dadurch in der Eingangsöffnung des Napfes derartig genähert werden, dass bei einer Ansicht auf dieselbe das erwähnte Bild der Scheibe entsteht. — Ist das erfolgt, so hat sich gleichzeitig eine andere Bildung eingeleitet und zum caleinstellung von den Rändern der Scheibe her die auf ihrer hintere» = Fläche gelegene Substanz untersuchte. Nicht mehr ein einfacher Hohl ` raum trat mir hier entgegen, sondern zwei durch eine Gewebsbrücke ‚von einander geschiedene Lücken; es sind das die Hohlräume, aus dene in der weiteren Entwicklung die Räume des Mittel- und Enddarme® ` 0 werden en — ergänzt wird dann die e des Darmtractus: HYPOPHORELLA EXPANSA. 99 den aus den Rändern der Tentakelscheibe hervorgehenden Schlundkopf mit der Tentakelkrone. Völlige Sicherheit habe ich über den Vorgang bei dieser Bildung nicht erhalten; am wahrscheinlichsten ist mir aber geworden, dass die Wände des Napfes zunächst unter der wulstig um- randeten Eingangsöffnung in der Mitte mit einander in Berührung kom- men, dann verschmelzen und so den oberen Theil des Napfes in zwei nebeneinander bestehende Räume trennen, während der Grund des Napfes ungetrennt bleibt, und sein Hohlraum dann den des späteren Blindsackes vorstellt. Es ist nicht schwer, das Bild zu bekommen, in welchem unter dem Spalt der Tentakelscheibe zwei von einander ge- trennte, längsovale Oeffnungen in einen einzigen grösseren Hohlraum führen; so sah ich es mit völliger Deutlichkeit in einer Knospe von 0,173™™ Länge an einer 0,055 langen Tentakelscheibe. Auf diesem Stadium ist übrigens weder eine Trennung des End- und Mitteldarmes von einander, noch weniger die Verschiebung der Afteröffnung erfolgt, durch welche diese vom Mundeingange weit entfernt wird. Das erfolgt erst zu einer Zeit, in welcher die Tentakeln deutlich ausgebildet auf- treten, und die entwickelte Tentakelscheide ihre bestimmte Lagerung zu den Tentakeln erhalten hat. Die Tentakelscheibe entfernt sich, bevor die Entwicklung der Tentakeln erfolgt, weiter von der Innenfläche der Knospenwand und tritt tiefer in den Hohlraum der Knospe hinein. Sie wird dabei gleichsam durch die Entwicklung eines kernhaltigen, platt bandförmigen Stranges, der von dem Gewebe auf der Innenfläche der Knospe ausgeht, in den Hohlraum der Knospe hineingeschoben; es ist das ein Vorgang, mit welchem offenbar die Bildung des Musculus retractor und des Funiculus in Verbindung steht. Bildet sich dieser bandförmige Strang, so fand ich sehr häufig in dem Gewebe auf der Innenfläche der Knospenwand einen gürtelförmigen, über die Insertion des Stranges hinwegziehenden Streifen, in welchem das Gewebe durch grössere Anhäufung und reichere Kernentwicklung ausgezeichnet war; offenbar stand dieses Gewebe mit dem Strange in Verbindung, und diese Verbindung rief den Eindruck hervor, als ob auf dieser Strecke der Körperwand eine Gewebswucherung N2 100 E. EHLERS, stattfinde, aus welcher zur Bildung und Vergrösserung des Stranges ein ’ Nachschub erfolge. Dieser Strang ist die wachsende Anlage der Ten- | takelscheide; sie ist in diesem Stadium noch compact, und erhält ihren Kr Hohlraum zuerst am oralen Abschnitte; sobald nämlich aus der Tenta- kelscheibe, an deren äusseren Umfang dieser Strang sich ansetzt, die Tentakeln hervorsprossen, dringen diese gleichsam in den Strang ein, treiben ihn auseinander, und indem sie sich ihren Weg bahnen, لله‎ 0 steht der Hohlraum der Scheide. Während dieses Bildungsvorganges ist die Scheide in der an De Knospenwand befestigten Strecke ein solider Strang von kernhaltigem 0 ظ‎ Gewebe; da aber, wo sie an die hervorgewachsenen Tentakeln sich an- 1 | schliesst, ist sie gleichsam blasenförmig erweitert, umfasst eng die kleine S | Tentakelkrone, ist dünnwandig und besteht nun aus einer in das Lumen 7 hineinsehenden deutlichen cuticularen Haut und deren kernhaltiger | Matrix. Das von der Körperwand ausgehende Gewebe entwickelt sich 2 also offenbar wie diese selbst. — Als soliden kernhaltigen Gewebsstrang A habe ich die Tentakelscheide in einer 0,173™™ langen Knospe gefunden, K die durch den vorsprossenden Tentakelkranz bewirkte blasenförmige E Auftreibung ihres oralen Abschnittes fand ich in einer Knospe von 2 0,35”® Länge, während die in ganzer Länge hohle, allerdings bei weitem 0 noch nicht ausgewachsene Scheide, in einer Knospe von 0,45”” Länge — vorhanden war (Fig. 43). In einer 0,62" langen Knospe (Fig. 44), in 2 welcher die Ausbildung des jungen Thieres so weit vollendet war, dass — im wesentlichen nur noch die Entwicklung des Diaphragma und des — aboralen Theiles der Tentakelscheide fehlte, ging die schon ansehnlich a lange Scheide im Vorderende des Thieres in eine der Körperwand an- 7 liegende Gewebsmasse über, welche als ein noch bestehender, für. die Sr weitere Entwicklung zur Verwendung kommender Theil der strangför- = migen Anlage zu bezeichnen ist. In der Lichtung der Tentakelscheide aber lagen lose und ragten durch die Tentakelkrone in den Schlundkopf S hinein, glänzende wie die Kerne der Wandschicht aussehende Kügelche | Be durch die Flimmerung an den Tentakeln hin und herbewegt = ırden Sind de Ge tee welche etwa bei der vorrückenden Bi HYPOPHORELLA EXPANSA. 101 dung der hohl werdenden Tentakelscheide abgestossen, und nun als Nah- rung noch verwendet werden ? ! Ich habe hier in der Schilderung der Entwicklung der Tentakel- scheide sehr weit vorgegriffen, und muss auf das Bild der Tentakel- scheibe zurückgehen, um die Darstellung von der Entwicklung der Ten- takeln kurz zu geben. Diese nimmt ihren Ausgang von dem wulstigen Rand der Tentakelscheibe. An den Längsseiten derselben und zwar etwa in der Mitte erscheint dieser Rand bei der Flächenansicht unregel- mässig wellig gekräuselt; in der That bilden sich an ihm Erhebungen und Einsenkungen und zwar durch Wucherungen, an denen beide Schichten, die diesen Randtheil der Tentakelscheibe bilden, Theil nehmen; dann aber ist die innere homogene glänzende Schicht bedeutend stärker als die äussere kernhaltige. Die einzelnen Erhebungen am Scheibenrande springen bald etwas stärker zapfenartig mit der Richtung gegen den Spalt in der Tentakelscheibe hervor, und nun entsteht die Anlage des einzelnen Tentakels als ein kurzer vom Rande der Scheibe entspringender solider Zapfen, der in gleicher Weise wie der Scheibenrand zweischichtig ist, so dass die homogene Schicht die Aussenfläche des Zapfens bildet, die kern- haltige eine solide Binnenaxe des Tentakels. — Nicht gleichzeitig erscheinen alle Tentakelanlagen, sondern nach einander wachsen sie am Scheiben- rande aus anfangs niedrigen welligen Erhebungen hervor. In einer Knospe von 0,173”® Länge sah ich am Rande der 0,055™™ langen Ten- takelscheibe die erste deutlich ausgesprochene Erhebung eines einzelnen Tentakels; in einer nur wenig grösseren, 0,174™™ langen Knospe standen an der 0,099 langen Tentakelscheibe bereits acht warzenförmige doppel- schichtige Tentakel, von denen diejenigen, welche über der kenntlich gewordenen Afterdarmanlage standen, doppelt so breit als die übrigen waren, aber niedrig in den hier an dem einem Pol der Scheibe noch flachen Rand derselben ausliefen, so dass vermuthlich an dieser Stelle die Bildung der zuletzt auftretenden Tentakeln erfolgt. In einer 0,35"” grossen, weit entwickelten Knospe war die Zahl der Tentakeln vollzählig;; der einzelne Tentakel 0,056™ lang, noch solide mit einer 0,007" dicken homogenen Aussenschicht, und der 0,0056" mächtigen Axen- = tend des Wachsthumes vom Mitteldarme sich entfernt und, wie er mit 102 E. EHLERS, masse, deren Zusammenhang mit dem Gewebe der Tentakelscheide nun ohne weiteres nicht zu erkennen ist. Einen Hohlraum besitzen die Tentakeln in der in Fig. 43 abgebildeten Knospe von 0,45m Tänge, und es unterliegt für mich keinen Zweifel, dass dieser Hohlraum m nerhalb des Axenstranges durch Spaltbildung entsteht; dann ent- steht aus der Axenmasse jene homogene Lamelle, welche den Stütz ` apparat des Tentakels bildet, und von der kernhaltigen Substanz bleibt ein geringer Theil als Matrix dieser Haut zurück. Die homogene Aussen- schicht erhält auf dem inneren Umfange der schlank auswachsenden Tentakelfäden ihren flimmernden Ueberzug, den ich zuerst in einer Knospe von 0,621™ Länge gesehen habe, und nun wird die Zusammen- setzung dieser Schicht aus Zellen mit Hülfe von Reagentien nach- weisbar. e | Neben der Entwicklung der Tentakelkrone verläuft die Bildung des Schlundkopfes und die Umgestaltung des übrigen Darmtractus. Von dem Stadium ausgehend, auf welchem hinter der Tentakelscheibe die Sonderung in Mittel- und Enddarm einerseits von einander, andererseits vom Blindsack erfolgt ist, finde ich in einer Knospe, deren warzen förmig niedrige Tentakelanlagen noch nicht vollzählig, sondern erst zu acht vorhanden sind, eine Verschiebung der beiden vorher nur durch eine geringe Gewebsbrücke von einander getrennten Hohlräume in der Weise, dass aus der Mitte der Tentakelscheibe, an deren Umfange die Tentakeln stehen, eine enge Oeffnung in das Lumen des Mitteldarmes führt, während ein anderes im optischen Querschnitte kreisförmiges Lumen völlig am Umfange der Tentakelscheibe, am Ende der grössten Axe desselben, und ausserhalb des Tentakelkranzes erscheint: dieses Lumen gehört dem Enddarme an, der auf diesem Stadium durch einen mir nicht völlig klar gewordenen Verschiebungsvorgang wäh- en Afterende an den Umfang der Tentakelscheide rückt, hier mit er Anlage der Tentakelscheide in Verbindung kommt und damit, S deren Hohlraum entsteht, auch in diesen hineinmündet; das E d 3 E E ? S EE E SE HYPOPHORELLA EXPANSA. 103 statt; die Afteröffnung liegt nun völlig ausserhalb des Tentakelkreises, aber noch wenig höher an dieser, als die Basis dieses Kranzes. Die spätere, vom Schlundkopf weit entfernte Lage des Afters wird wohl we- niger durch das Wachsthum des Darmes, als durch das Auswachsen der Tentakelscheide herbeigeführt, deren Streckung den an ihr befe- stigten After zu seiner endlichen Stellung bringt. Der Vorderdarm und insbesondere der Schlundkopf entsteht, so weit ich es habe verfolgen können, erst nach der Trennung des Mittel- und Enddarmes, und zwar durch Wucherungen der ringförmig geschlos- senen Masse, aus deren Rande das Tentakelepithel hervorgewachsen ist. Ich finde den Schlundkopf als einen weiten becherförmigen, von heller Wandung gebildeten Abschnitt in einer Knospe von 0,35"® Länge; un- terhalb seines, die Tentakel tragenden Randes liegt ringförmig das mit der Tentakelscheide verbundene Gewebe, welches in jeden Tentakel zu dieser Zeit einen soliden Axenstrang sendet. In wie weit sich das Gewebe etwa am Aufbau der Schlundkopfwand betheiligt, habe ich nicht ent- scheiden können. Wird der Axenstrang der Tentakeln hohl, so tritt auch im Bereich dieses Ringes ein Lumen auf; und damit erfolgt die Bildung des Ringkanales, in welchen die Tentakelhohlräume einmünden; in dem fast völlig entwickelten Thiere von 0,631 Länge (Fig. 44) war der Ringcanal vorhanden. Vor der Ausbildung des Schlundkopfes scheint die Entwicklung des Hirnes bereits zu erfolgen; ich finde, allerdings nicht am lebenden, sondern an dem in Glycerin aufbewahrten, in Fig. 43 abgebildeten Thiere, dass unterhalb der Anheftung des Afters am unteren Rande der Tentakeln, da wo der Lage nach das Hirn zu suchen wäre, eine schein- bare Durchbrechung der Wand liegt, die den Eindruck hervorruft, als sei hier eine Ausstülpung nach aussen erfolgt, durch welche dann das zur Tentakelscheide gehörige Gewebe ausgesackt sei. Festzustellen, ob dadurch die Anlage des Hirns veranlasst wird, muss ich weiteren Unter- suchungen überlassen. Ich habe hier einer abweichenden, einmal beobachteten Bildung zu gedenken, von der ich in Figur 45 eine Darstellung gebe. Während 104 | E. EHLERS, ich in einer Knospe von 0,35™™ Länge bereits Schlundkopf und Tentakel- krone neben Mittel- und Enddarm entwickelt gefunden hatte, war in dieser 0,42™™ langen Knospe der Darmtractus viel weniger entwickelt: die Tentakelscheide ist ein kernhaltiger Strang; Tentakel sind nicht ent- wickelt, die Tentakelscheibe bietet in dieser Lagerung ein eigenthüm- liches Bild, dessen Deutung mir nicht gelungen ist; an sie schliesst sich als kegelförmiger Zapfen der Mittel- und Enddarm an, wahrscheinlich von einander geschieden, wie eine dunklere Strecke anzudeuten scheint; ein Hohlraum war im Darm nicht zu erkennen; die Masse erschien wie eine dichte Anhäufung kugeliger Kerne. Vielleicht ist das ein beson- derer Zustand der Darmwandung; denn ich habe etwas ähnliches zu wiederholten Malen am Darm junger, aber völlig ausgebildeter Thiere beobachtet, in denen dann die Darmwand völlig körnig aussah, scheinbar nur aus dicht gedrängten Zellkernen bestand, und so zusammengefallen war, dass kein Abschnitt des Darms eine Lichtung hatte. Dann aber ist dieses ganze Bild des Darmtractus vielleicht nicht das einer Stufe der vorschreitenden, sondern der zurückgehenden Entwicklung, und handelt es sich dabei um den Eintritt der Histolyse in einem jungen Thiere, durch welche der Darmtractus zuerst verändert wird. Die Ausbildung des Funiculus wie des Musculus retractor erfolgt von ungleichen Orten aus durch den gleichen Vorgang, dadurch nämlich, dass Gewebstheile zu der Zeit, in welcher mit der Bildung der Tentakel- scheibe die Darmanlage in den Hohlraum der Knospe hineinwächst, sich von der Innenfläche der Knospenwand so weit ablösen, dass sie mit dem einen Ende am Umfang der Darmanlage, mit dem anderen an der Innen- fläche der Körperwand haften bleiben, beide Theile also brückenartig mit einander verbinden. Das Auswachsen der Tentakelscheide und des Darmes, mehr noch die Ausdehnung der Knospenwand, streckt diese ursprünglich indifferent erscheinenden Anlagen, bis sie zu der Zeit, in welcher in der Knospe die Tentakeln hervorsprossen, deutlich als Funi- culus und Retractor nach ihrem Gewebe, wie nach ihren Anheftungs- orten gekennzeichnet hervortreten. — Frühzeitig aber schon ist zu er- kennen, dass der Retractor seine Entwicklung von einem anderen Ger HYPOPHORELLA EXPANSA. 105 webe als der Funiculus nimmt. In einer 0,173™ langen Knospe, in deren Tentakelscheibe die ersten Tentakelanlagen als faltige Erhebungen erscheinen, gehen von der äusseren kernhaltigen Gewebsschicht , welche der Tentakelscheide angehört, von der einen schmalen Seite der Scheibe kegelförmig zugespitzte Fäden aus, welche mit der Basis unmittelbar an einander dem Gewebe der Tentakelscheide aufsitzen und hier einen ku- geligen Kern umschliessen, mit dem spitz ausgezogenen Ende in die Innenfläche der Körperwand übergehen. In einer wenig grösseren Knospe, in welcher jedoch bereits 8 warzenförmige Tentakeln stehen, sind diese Fäden erheblich verlängert, ihre Kerne etwas gestreckt und aus der Basis in das freie Endstück der einzelnen Fäden vorgerückt. So stellen sie deutlich die jüngsten Zustände der einzelnen Muskelfasern vor, welche in einer Knospe von 0,45™™ Länge, deren Tentakelkranz von niedrigen Fäden gebildet wird, den dann allerdings noch kurzen, aber völlig ent- wickelten Muskel bilden, dessen einzelne platte Fasern noch längere Zeit während ihres Wachsthums den etwa auf der Mitte gelegenen Zell- kern bewahren. Es sind danach die einzelnen Fasern des Retractor lang ausgewachsene Zellen, welche aus dem Syncytium der äusseren Körperwand hervorgehoben wurden. Anders erscheint die Anlage des Funiculus, welcher zu der Zeit, in der der Retractor ausgebildet ist, gleichfalls seine characteristische Anordnung gewonnen hat. Aber nicht aus einzelnen, discret bleibenden Zellen geht sein Gewebe hervor, sondern es erscheint, sobald die Ten- takelscheibe in den Knospenhohlraum vorspringt, sehr viel deutlicher, sobald die Anlagen des Mittel- und Enddarmes zu erkennen sind, als eine äussere Schicht auf dieser gemeinsamen Anlage; und ich kann nur sagen, dass eine Gewebsschicht auf der Oberfläche der Darmanlage durch den jungen Funiculus zu einer ähnlichen Bildung auf der Innenfläche der Knospenwand hinüber führt; dabei aber ist das Gewebe des Funi- culus, da wo es an den Darm hinantritt, oft so stark entwickelt, dass es den Anschein erzeugt, als schöbe sich der auswachsende Darm in die Masse des Funiculus hinein. Die hier stattfindenden histogenetischen Vorgänge müssen noch weiter aufgeklärt werden; ich kann nach meinen Physikalische Classe. XXI. 1. 0 . 106 E. EHLERS, Erfahrungen nur die Vermuthung aussprechen, dass die Bildung d Funiculus zusammenfällt mit einer besonderen Gewebsbildung, welche über den weitaus grössten Theil der in die Leibeshöhle hineinsehenden Flächen verbreitet ist; dass sie identisch ist mit der Entwicklung der peritonaealen Platten der Parietalmuskeln. Zweifelhaft bin ich, ob das an den Fasern des Musculus retractor auftretende stark entwickelte Sar- colemm etwa auch in diese Bildung hineingehört; jedenfalls erfolgt dessen Bildung erst spät an den lang ausgewachsenen Muskelfasern. Die Entwicklung der Parietovaginal- Muskel und Bänder habe ich nicht beobachtet; sie wird mit der Entwicklung der aboralen Strecke der Tentakelscheide erfolgen. 1 Weniges nur bleibt mir über die Entwicklung des Geschlechtsap- parates zu sagen. Deutlich erkennbar finde ich seine Anlagen erst in einer 0,4™ langen Knospe, in welcher sämmtliche übrigen Organe ihre characteristische Gestaltung bereits annehmen. Auf diesem Stadium macht sich aber bereits ein Unterschied der beiden Keimstoffe bemerk- lich: die Hodensubstanz ist eine an den früher angegebenen Orten der Körperwand gelegene Anhäufung kleiner stark glänzender Kugeln, die man wohl als Kerne bezeichnen darf ; während das in der Anheftung der einen Parietalmuskel-Platte an die Körperwand liegende Ovarium aus grösseren mattglänzenden Körpern besteht. Ob diese Körper Zellen sind, habe ich in diesem Falle nicht entscheiden können; zweifle jedoch nicht daran, da in dem jungen Ovarium einer wenig älteren Entwicklungs- stufe Eier mit allen Characteren einer Zelle vorhanden sind. — Eine Dif- ferenzirung zu deutlich von einander getrennten Zellen sehe ich in den weiteren Entwicklungszuständen des Hodens nicht eintreten; seine Sub- stanz erscheint stets als ein kernhaltiges Blastem, dessen Theilstücke der oben erwähnten Entwicklung zu Spermatozoen unterliegen. Bei der Betrachtung der entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge erhebt sich die Frage, welche auch Nitsche beschäftigt hat, in wie weit die Vorgänge bei einer Knospenbildung der vom Ei ausgehenden Entwicklung gleich zu stellen, oder wie weit man das Gewebe, welches bei der Knospung die Anlage bestimmter Organe dar- 0 stellt, mit den aus der Eientwicklung hervorgehenden Blättern vergleichen, dere! ` — Bezeichnung auf jenes übertragen, und also von Ecto-, Meso- und Entoderm reden HYPOPHORELLA EXPANSA. 107 darf. — Eine Entscheidung würde in dem Falle leicht zu geben sein, dass es ge- lungen wäre, die Zellen oder Zellgruppen, welche eine Knospe zusammensetzen, als Abkömmlinge bestimmter Embryonalzellen zu bezeichnen, oder in unserem Falle den Aufbau der Larve aus einer blättrigen Grundlage zu erkennen, und im An- schluss daran zu constatiren, dass die histologisch unterscheidbaren Schichten in der Knospe Descendenten ungleicher Blätter des Larvenkörpers sein. Allein das ist bei dem zeitweiligen Stande unserer Kenntnisse nicht durchzuführen. Wir wissen im Gegentheil, dass der Körper der Bryozoenlarve zum grössten Theil zerfällt, und nach Metschnikoff nur die Hautschicht bestehen bleibt, aus welcher die Kno- spung anhebt, eine Knospung, welche bei den Stolonen bildenden Thieren vielleicht immer zunächst nur zur Bildung eines Stengelgliedes führt. Die gleichen Verhält- nisse aber treten ja ein, wenn ein Nährthier von Hypophorella histolysirt und aus seiner Körperwand ein Stengelglied knospet. Damit erscheint dann der etwaige Zu- sammenhang specifischer Embryonalzellen mit bestimmten Zellen und Organen spä- terer Descendenten völlig aufgehoben zu sein, und die Neubildung erfolgt jedesmal von einem gleichförmigen, morphologisch wenigstens zunächst nicht differenzirten Gewebe aus, in unserem Falle aus dem Syneytium, welches die Wand der jüngsten Knospen bildet. — Ueber deren erste Entstehung liegt eine eigenthümliche Angabe Reinhard’s vor, welche ich aus einem Hoyer’schen') Referat kenne; danach soll die Knospe aus Zellen entstehen, welche durch Poren in der Körperwand des Mut- terthieres nach aussen treten, sich vereinigen und mit einer Cuticula bedecken. Ich habe nie etwas Aehnliches gesehen. Setzen wir die Bildungsvorgänge in einer Knospe der Entwicklung in einer aus gleichförmigen Zellen bestehenden Embryonalanlage gleich, so kann man weiter wie von Embryonal- so von Knospenblättern reden, und diese mit Rücksicht auf die aus ihnen hervorgehenden Gebilde in gleicher Weise bezeichnen, in diesem Sinne auch von Ecto, Meso- und Entoderm einer Knospe reden. Wenn ich in dieser Weise das Ergebniss meiner Beobachtungen über die Entwicklungsvorgänge der Nährthiere von Hypophorella zusammenfasse, so bekomme ich Vorstellungen, welche in mehreren Punkten von den Angaben der vor mir das gleiche Gebiet bearbeitenden Schrift- steller abweichen. Dabei habe ich mich nicht mit den verdienstlichen Unter- suchungen Allman’s, Smitt’s und Claparede’s zu beschäftigen, da sie auf die Fragen über den Aufbau der Knospe a aus ern engt nicht eingegangen sind. Es sind vielmehr eine kurz mitgetheil hnikoff’s?) und 1) HofmannundSchwalbe, bein. Bd. IV, Literatur 1875, pg. 403. 2) Metschnikoff Bulletin de Academie imp. de St. Petersbourg, T. XV, 1871, pg. 508. O2 108 E. EHLERS, die umfassenden Untersuchungen Nits c he’s 1), welche zu berücksichtigen sind; beide behandeln vorwiegend die Entwicklungsgeschichte der Phylactolaemen, die offenbar in etwas anderer Weise als die der Infundibulaten sich gestaltet; Nitsche hat aber in den Kreis seiner Untersuchungen auch Flustra hineingezogen, welche als marine Bryozoe wohl eine grössere Uebereinstimmung in der Entwicklung mit Hypophorella er- warten lässt, ist jedoch auch hier im Wesentlichen zu den gleichen Anschauungen, wie bei Aleyonella gekommen. Es ist das um so beachtenswerther, da Flustra insofern vielleicht ein weit günstigeres Object als Hypophorella für die Untersuchung bildet, als bei ihr im Vorgange der Knospung Schichten von deutlich gesonderten Zellen da auftreten, wo ich in Hypophorella nur kernhaltiges Blastem sehe. — Schliesslich hat Nitsche auch den Knospungsvorgang von Loxosoma dargestellt, und da ich nicht zweifle, dass dieses Thier zu den Bryozoen zu rechnen sei, so ist auch diese Unter- suchung in Betracht gezogen. Neben Nitsche’s Arbeiten sind die weniger ausgedehnten von Salensky, Repiachoff, Reinhard und Korotnieff zu nennen, von mir hier aber nur da zu berücksichtigen, wo sie in den controversen Punkten von Metschnikoffs und Nitsche’s Anschauungen in erheblicher Weise abweichen. Lassen wir den Knospungsvorgang der Phylactolaemen zunächst ausser Acht und ziehen Nitsche’s Angaben über den Bau der Knospe von Flustra heran, 0 ergiebt sich da eine Differenz mit dem Bau einer Knospe von Hypophorella, welche von weitgehendster Bedeutung wird. Die Knospe von Flustra trägt in ihrer Wan- dung zwei Schichten ungleicher Zellen, während ich in den jungen Knospen von Hy- pophorella nur eine Schicht kernhaltigen Blastemes finde, auf diesen Stadien nichts von einer zweiblättrigen Knospenwand gesehen habe. — Ich habe längere Zeit die Vermuthung gehegt, es möchte die homogene Aussenschicht der Hypophorella-Knospe, aus welcher die Cuticula hervorgeht, einer Zellschicht gleichzusetzen sein; es ist mir aber nie gelungen, darin wenigstens Kerne nachzuweisen, welche darauf hinwiesen, des gesammten Darmes handelt. Nach Nitsche’s Untersuchungen, deren Ergebnisse die Mehrzahl der späteren Beobachter zustimmt, ist bei Flustra wie bei den phylactolaemen Bryozoen, nicht aber, und darauf komme ich als etwas Bedeutungsvolles später zurück, bei Loxo- soma, die Anlage des Darmes, die »Polypidknospe«, zweiblättrig, das heisst aus zwei .._D Nitsche, Beiträge III a. a. O. Zeitschr. £ wiss. Zoolog. XXI, pg. 437. — Beiträge V a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. XXV, Supplem. pg 343. HYPOPHORELLA EXPANSA, 109 von Anfang an gesonderten und ungleiche Theile erzeugenden Gewebsschichten zu- sammengesetzt: Schichten, welche wie die Darmanlage und den ausgebildeten Darm so auch die Körperwand zusammensetzen. Dem kann ich für Hypophorella nicht beistimmen: die erste Anlage des Darmes ist ein gleichförmiges, kernhaltiges Ge- webe, wie die Körperwand der Knospe selbst; ich stimme hier der von N itsche verworfenen Angabe Clapar&de's') bei, dass »das erste Rudiment des Polypids als eine Wucherung der Endocyste nach innen« auftritt; und für den Fall, dass man in der homogenen Aussenschicht der Hypophorella-Knospe das Homologon einer Zell- schicht sehen wollte, muss ich bemerken, dass ich von dieser niemals eine Fort- setzung in die erste Anlage des Darmes habe treten sehen. In diesem Verhalten beruht aber die wesentlichste Differenz für die Entwick- lung des Darmes von Flustra und Hypophorella.. In der Nitsche’schen Dar- stellung bildet die ganze Darmanlage einen zweiblättrigen Sack, dessen beide Blät- ter, wenn man die Tentakelscheide und den Darm nicht als ein »Polypid« auffas- sen will, als das durch Einstülpung entstandene Ento- und Mesoderm zu bezeichnen wären. Bei Hypophorella bildet sich in der Gewebswucherung, welche von der Knospen- wand ausgeht, eine Differenzirung, und die von Anfang an durch grösseren Glanz ausgezeichneten, im Centrum der Tentakelscheibe gelegenen Substanzen, welche das Epithel der Tentakel und des Schlundkopfes, so wie Mittel- und Enddarm erzeugen, stellen das Entoderm vor, welches also aus einem Theil der äusseren Knospenwand durch eine Sonderung von derselben hervorgeht. Damit tritt ein Gegensatz von Ecto- und Entoderm heraus; das Entoderm aber erscheint als eine besondere Ent- wicklung des Gewebes der indifferenten Knospenwand an einer durch den erwähnten Einstülpungsvorgang ausgezeichneten Stelle. Diese Art der Entwicklung entspricht völlig dem Vorgange, welchen Nitsche von der Knospenentwicklung des Loxosoma beschrieben hat, und in welchem die das Entoderm bildenden Zellen aus einer der Oberflächenschicht angehörigen Zelllage heraus sich entwickeln. Es wird einer spä- teren Untersuchung vorbehalten bleiben, die hier bestehenden Differenzen auszu- gleichen oder zu erklären; vielleicht aber lassen Nitsc he’s Angaben und Abbil- dungen über die Entwicklung des Darmes von Flustra selbst schon eine vermittelnde Erklärung zu. Nitsche lässt die erste Anlage der »Polypidknospe« von Flustra aus einer Wucherung der Zellschicht der Endocyste hervorgehen, und in diesem an- fangs regellosen Haufen durch eine Sonderung zwei deutliche Schichten auftreten. So entsteht ein Gebilde, welches nach der Abbildung auf Taf. XXXVII Fig. 23 völlig einer jungen Tentakelscheibe von Hypophorella entspricht mit der Ausnahme, dass 1) Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. 21, pg. 144. 110 E. EHLERS, bei dieser nicht eine so deutliche Sonderung in Zellen besteht. Die so gestaltete Knospe hängt mit der Körperwand zusammen und zwar nach Nitsche’s Darstellung, wenn ich dieselbe recht verstehe, durch beide Zellschichten der Knospe, nach meiner Ansicht 2 ist es allein die äussere Schicht der Tentakelscheibe, welche unmittelbar in die Kör- perwand überführt, während der innere Theil der Scheibe nicht so weit hinaufreicht und nur aus dem durch eine histologische Differenzirung entstandenen Scheiteltheil der anfänglichen Erhebung von der Wand der Knospe besteht; nenne ich diesen Theil Entoderm, so wird durch eine Wucherung desselben der wulstige Rand der Tentakel- scheibe gebildet, der nun eine Strecke weit von dem mit der Körperwand zusammen- hängenden Theile umfasst wird; nur diese Strecke ist nach meiner Auffassung zu die- ` ser Zeit zweischichtig, indem hier Ectoderm und Entoderm über einander gelagert sind; einschichtig ist anfänglich der vom Entoderm gebildete Grund der Tentakel- scheibe und die vom Ectoderm stammende Anlage der Tentakelscheide. — Nach Nitsche bildet der äussere Sack der Knospe die Tentakelscheide und das äussere Epithel des Darmtractus. Abgesehen davon, dass ich die Anlage der Tentakel- scheide nicht als Sack bezeichnen kann, da sie nach meinen Beobachtungen anfäng- lich ein solider Strang ist, glaube ich, dass wir hier übereinstimmend das gleiche von der Körperwand ausgehende Gewebe im Auge haben; eine Fortsetzung desselben umschliesst nach Nitsche den Darmtractus als äusseres Epithel desselben. Dem möchte ich eine andere Deutung geben und in diesem „äusseren Epithel“, welches ich als peritonäale Bekleidung des Darmes ansehe, nicht eine der ganzen Anlage der Tentakelscheide gleich zu setzende Bildung sehen; sondern eine wohl als Meso- — dermplatte zu bezeichnende Schicht, welche sich auf dem zum Darmtractus ent- wickelten Entoderm in gleicher Weise ausbilden kann wie eine der Körperwand an- gehörende ectodermale Mesodermschicht. — In Nitsche's Knospe bildet „der in- nere Sack die Anlagen der Tentakeln resp. ihrer Zellbekleidung und des inneren drüsigen Epithels des Darmtractus“. Uebereinstimmung herrscht in diesem Punkte so weit zwischen unseren Ansichten, als wir die gleiche continuirliche Zellschicht aus der gleichen Anlage, welche ich als Entoderm bezeichne, hervorgehen lassen; zu entscheiden bleibt nur, ob dieses Entoderm einen völlig vom äusseren Sack um- schlossenen gleichfalls mit der Körperwand zusammenhängenden inneren Sack in der Anlage des Darmes bildet, wie es zumal in Nitsche’s schematischer Darstellungen vom Bau der Alcyonella heraustritt, oder ob diese Entodermschicht sich in der Art ` entwickelt, wie es nach Nitsche bei Loxosoma der Fall ist und wie ich es allein bei Hypophorella habe erkennen können. Was die Einzelheiten der Entwicklung dieser Anlage betrifft, so habe ich zu- nächst zu bemerken, dass meine Beobachtungen über die Entwicklung der Tentakeln die von Claparède und Smitt gemachte Angabe, wonach dieselben nicht alle HYPOPHORELLA EXPANSA. 111 zu gleicher Zeit, sondern nach einander hervorwachsen, durchaus bestätigen; ich habe das hervorzuheben, weil Nitsche bei Flustra stets nur die gleichzeitige An- lage sämmtlicher Tentakel gesehen hat, und die gegentheiligen Angaben seiner Vor- gänger damit in Zweifel zieht, dass er meint, es sei in dem Stadium der Tentakel- anlage bei der Betrachtung der Knospe von oben eine Anzahl der Tentakel ver- deckt. Ich habe wie oben erwähnt das Stadium gesehen, in welchem auf jeder Hälfte der Tentakelscheibe nur erst ein warzenförmiger Tentakel gebildet war. Ueber die Entwicklung der Tentakeln bat nach Nitsche besonders Repia- choff ') gearbeitet; seine Anschauungen kann ich nicht völlig theilen. Nitsche hatte in durchaus zutrefiender Weise den Bau des unentwickelten Tentakels ge- schildert: eine innere Füllungszellmasse und eine äussere Epithelschicht unterschie- den. Ueber die Abstammung der Füllungszellmasse sprach er sich nicht weiter aus; allein seine Fig. 22 auf Taf. 37 zeigt deutlich den Zusammenhang dieser Masse mit der Anlage der Tentakelscheide; es ist das für mich eine Bestätigung meiner Auffassung, dass diese Masse, und damit die aus ihr hervorgehende Stützlamelle auf das Ectoderm zurückzuführen ist. Repiachoff bestätigt die ihm von Metschnikoff gemachten Mittheilungen, nach welchen die innere Zellmasse der Tentakeln ‚vom äusseren Blatt des blasenförmigen Knospenzustandes“ abstammen soll, das Tentakelepithel soll sich dagegen in die innere Schicht der Tentakelscheide fortsetzen, und wird als zum Ectoderm gehörig angesehen; dem kann ich nicht bei- stimmen, da ich in der Tentakelscheide zu der Zeit, in welcher die Anlage des Epi- thels der Tentakel auftritt, keinerlei derartige differenzirte Schichten wahrnehmen kann. — Repiachoff lässt den Tentakelhohlraum durch Spaltbildung in der Axen- masse der Tentakeln entstehen, und dabei gleichzeitig eine wandständige Muskulatur der Tentakeln sich entwickeln; die dazu gegebenen Abbildungen zeigen meines Er- achtens keine Elemente, welche als Muskelfasern zu bezeichnen wären, doch bin ich nicht in der Lage hierüber ein Urtheil abgeben zu können, und es verhält sich der Tentakel einer Tendra vielleicht anders als der einer Hypophorella, an welcher ich vergebens nach Muskelfasern gesucht habe. — Die Arbeiten Salensky’s und Reinhardt’s, welche letztere ich nur aus dem Hoyer’schen Referate kenne, brin- gen für diese Punkte nichts erheblich abweichendes. Die Doppelschichtigkeit der Darmanlage, welche ich bei den untersuchte Thieren nicht finden konnte; ist bei den phylactolaemen Bryozoen ?) ausser Zweifel 1) Repiachoff, Zur Entwicklungsgeschichte der Tendra zostericola. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 25, pg. 138. 2) Korotnieff hat, wie ich aus einem von Hoyer gegebenen Referat (H of- mann und Schwalbe, Jahresberichte. Bd. III (Literatur 1874) pg. 369) sehe, 112 E. EHLERS, gestellt durch die Angaben von Metschnikoff und Nitsche, und sie hat viel- leicht ihren Einfluss geltend gemacht auf die Untersuchungen über den Koospungs- vorgang bei den marinen Bryozoen. Der hier augenscheinlich bestehende Unter- schied in der Entwicklung zweier nah verwandter Thierformen lässt sich vielleicht = ausgleichen, wenn man annimmt, dass die Doppelschichtigkeit bei den Phylactolaemen ein Zustand ist, welcher hier in der Knospenanlage früher auftritt als bei den In- fundibuläten, in der Weise nämlich, dass das innere in die Leibeshöhle sehende Blatt der Phylactolaemen-Knospe dem spät auftretenden Mesoderm der Infundibulaten entspricht, dass also die von mir behauptete Einschichtigkeit in der Knospe der Hypophorella nur ein längere Zeit bestehender indifferenzirter Zustand sei. Die Deutung dieser beiden Blätter als-Ectoderm und Mesoderm, unter der Voraussetzung, dass das Nährthier als eine Person und nicht als die Verbindung zweier Individuen aufzufassen sei, hat Nitsche !) anerkannt, nachdem vorher Repiachoff?) die Peri- tonealbekleidung des Darmes von Tendra als solche bezeichnet, und damit meines Erachtens mit Recht den triftigsten Einwurf gegen die Auffassung des Darmes als eines aus Eetoderm und Entoderm gebildeten Polypids erhoben. — Ueber alle be- stehenden Controversen hebt uns diese Auffassung allerdings nicht weg; doch glei- chen sich manche scheinbare Widersprüche aus. Es wäre dann die Anlage der von mir Entoderm genannten und frühzeitig histologisch gekennzeichneten Schicht als der geschlossene Endtheil des inneren Sackes, wie ihn Metschnikoff und Nit- sche beschrieben, aufzufassen; so würde man sagen können, die Epithelschicht der — Tentakeln und des Darmes stamme vom innern Sacke. Nach Nitsche’s früherer Angabe für Flustra soll der äussere Sack die Anlage der Tentakelscheide und des äusseren Epithels des Darmtractus liefern; dem kann ich nicht beistimmen, sondern es müsste der obere Theil desjenigen Sackes, dessen Grund die Entodermschicht bildet, den Hauptbestandtheil der Tentakelscheide liefern; der Peritonaealüberzug des Dar- mes ist nicht eine einfache Fortsetzung der ganzen Schicht, welche die Tentakel- scheide bildet. Hier stimme ich Metschnikoff zu, wenn er sagt, das obere Blatt bilde die Epidermis, das Tentakel- und Darmepithel, denn dieses obere Blatt ist in S der noch nicht differenzirten einzigen Schicht der Anlage des gesammten Darmtractus von Hypophorella entbalten; die Epidermis, welche aus ihm hervorgeht, bildet, went ich Metschnikoff’s Auffassung richtig verstehe, wie einen Theil der Körperwand, IS die Knospenbildung von Paludicella untersucht, und danach scheint hier die erste An- des Darmes nicht doppeltschichtig zu sein, sondern erst später durch Zellwucher- ung mehrschichtig zu werden. 1) Nitsche a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. XXV, Suppl., pg. 397. 2) Repiachoff a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. XXV, pg. 140. :HYPOPHORELLA EXPANSA. 113 so einen Theil der Tentakelscheide; das Tentakel- und Darmepithel geht wohl aus dem oberen Blatte Metschnikoff’s hervor, nach meiner Auffassung aber aus ei- ner früh sich als Entoderm kennzeichnenden Strecke desselben. Nitsche hat Tür die, Phylactolaemen später dieser Metschnikoff’schen Auffassung beigestimmt. Lässt sich so weit eine übereinstimmende Auffassung herstellen, so bleibt eine Differenz in der Auffassung über die Entwicklung der Tentakeln, und diese wird zu beseiti- gen sein, sobald eine Entscheidung über die Zusammensetzung der Tentakelscheibe, oder über die Abstammung der Axensubstanz in den Tentakeln gegeben ist: nach Nitsche’s, Metschnikoff’s und Repiachoff’s Ansicht gehört die an der Ten- takelscheibe nach aussen gelegene Substanz, die spätere Axensubstanz der Tentakeln dem äusseren Blatte der Darmknospe, einer Mesodermschicht, an; nach meiner Auf- fassung ist es ein Theil der undifferenzirten Schicht, weiche die Tentakelscheide bil- det, die hier vom wuchernden Entoderm überlagert wird; es geht mithin nicht nur Mesoderm , sondern auch Ectoderm in den Aufbau der Tentakeln mit hinein; und meines Erachtens stammt die Stützlamelle der Tentakeln, welche das vom Entoderm gebildete Epithel trägt, von einer Ectodermschicht. Der äussere Sack in der Polypidknospe der Phylactolaemen, von Metschni- koff in seiner Gesammtheit als unteres Blatt bezeichnet, bietet keine Schwierigkeit; nach Metschnikoff geht daraus die gesammte Muskelschicht, das innere Epithel und die Genitalien hervor; er hätte den Funiculus hinzufügen können: alle diese Theile entwickeln sich bei Hypophorella durch Differenzirungsvorgänge auf der inneren Fläche der anfänglich gleichförmigen Knospenwand, ohne dass es zur Bildung eines besonderen Blattes kommt. Es sind Bildungen im Bereich einer Mesodermschicht, welche nach der Differenzirung Mes Entoderms aus der anfänglich gemeinsamen Substanz dessen Abkömmlinge wie die des nun gesonderten Ectodermes überkleidet. Dass die Muskulatur durch eine theilweise Ablösung ihrer Zellen von den Flä- chen, an denen sie angeheftet ist, zur Ausbildung gelangt, ist zuerst als Vermuthung von Nitsche !) ausgesprochen; er bildet auf Taf. XXX VII, Fig.21 eine Tentakelscheibe ab, von deren äusserer Schicht, am oberen Umfange der Zeichnung, kegelförmig zu- gespitzte Zellen dargestellt sind, die ich für Anlagen der Retractorfasern halten möchte; Repiachoff hat die Entwicklung des Retractors weiter verfolgt, ohne je- doch besonders hervorzuheben, dass beide Insertionspunkte dieses Muskels von An- fang an gegeben sind. — Wenn sich die Muskulatur der Körperwand aus dem an- fänglichen Ectoderm entwickelt, so erfolgt das zugleich mit der Ausbildung eines Peritonäum, und beide Theile bleiben meistens in einer gewissen Verbindung; nur 1) Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. 21, pg. 461 und Bd. 25, Supplement, pg. 354. Physikalische Classe. XXI. 1. P 114 E. EHLERS, der Retractor, den ich nach seiner Anheftung an die Tentakelscheide zu den Mus- keln der Körperwand rechne, besitzt meistens eine derartige Verbindung nicht; nach dem Verhalten aber, welches bei Rhabdopleura zwischen dem Funiculus und die- sem Muskel besteht, möchte ich annehmen, dass der Funiculus anfänglich als eine zum Retractor gehörige Peritonaealbildung aufzufassen ist. Dass der Funiculus seine erste Entstehung einer Verwachsung zwischen den zur Berührung kommenden Flächen des Darmes und der Körperwand verdanke, wie das Nitsche 1) für Flustra angegeben hat, habe ich nie erkennen können, — Zweifelhaft ist es mir, ob der 7 Sphincter des Schlundkopfes zur Ectoderm- oder Entodermbildung gehört; mir ist das ‘erstere wahrscheinlich, die Bildung von Muskeln am entodermatischen Peritonaeum habe ich nicht beobachtet; bezweifle aber ihr Vorkommen nicht. Das Hirn scheint mir, wie es sich in dem Ringcanal des Schlundkopfes ent- ‚wickelt, vom ursprünglichen Eetoderm der Tentakelscheide gebildet und nicht aus der ‚Schicht, welche das Epithel der Tentakeln und des Darmes liefert; eine Ectoderm- und nicht eine Entodermbildung zu sein. Ich möchte das der von Nitsche aus- gesprochenen Anschauung gegenüber hier für eine Nachuntersuchung hervorgehoben haben, da ich den Vorgang der Hirnbildung nicht in den Einzelheiten erkennen konnte und daher nicht angeben kann, wie weit hier eine Uebereinstimmung mit der von Nitsche ?) ausführlich gegebenen Darstellung von der Hirnentwicklung bei den Phylactolaemen besteht. Ueber den Ursprung der Geschlechtsproducte aus einem bestimmten Blatte 2 der Knospe hat sich keiner der Autoren ausgesprochen; nach meiner Darstellung wären die Keime dafür im anfänglichen Ectoderm zu suchen; der in die Körperwand übergehende Theil desselben liefert dann die Anlage des Hodens, während in der abgespaltenen Mesodermschicht die Anlage des Ovarium sich ausbildet. Salensky °) lässt den Eierstock „an der inneren Wand des Zoöciums‘“ entstehen; er soll dann aus inneren kugelförmigen und äusseren spindelförmigen Zellen bestehen ; die ersteren halte ich, ohne das Gleiche gesehen zu haben, für die Eier, die letzteren für peri- tonaeale Zellen. Wie Salensky auf diese Zusammensetzung hin den Eierstock für ein Homologon des Polypids erklären kann, ist mir unverständlich. 1) Nitsche a. a. O. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXI, pg. 2) Nitsche a. a. O. Zeitschrift f. wiss, Zoolog. Bd. 25, een pg. 359 und pg. 398. 3) Salensky a. a. 0. Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. 24, pg. 347. 0 AN A EEN E EE EE WE EE AR ل‎ ra oa EAE Ag AE HYPOPHORELLA EXPANSA. 115 Die Histolsye. Jene eigenthümliche Erscheinung, dass im Körper der Bryozoen die Eingeweide schwinden, und die Körperwand dann eine Leibeshöhle umschliesst, welche statt der specifisch gestalteten und functionirenden Eingeweide eine formlose, keineswegs abgestorbene Masse enthält, findet sich auch in den Nährthieren der Hypophorella. Der ganze Vor- gang, um welchen es sich dabei handelt, ist in ‚vieler Beziehung für uns räthselhaft, und ich bin auch keineswegs in der Lage für das We- sen desselben ein Verständniss bringen zu können, glaube aber doch meine Beobachtungen auch über diesen Punkt mittheilen zu sollen. Ich habe da zuerst zu erwähnen, dass sehr viele Nährthiere an einem Stocke der Hypophorella absterben, und ihre Leiber zerfallen, ohne dass irgendwie der Vorgang der Histolyse eintritt. Mir sind wie- derholt die Fälle vorgekommen, dass ich verletzte Thiere, welche noch eine Zeitlang am Leben blieben und dann abstarben, beobachten konnte, Thiere, bei denen im ausgedehnten Zustande der Musculus retractor durchrissen war, und die nun mit ausgestreckter, nicht mehr einziehba- rer Tentakelkrone einige Tage am Leben blieben; andere, welche eine Verletzung der Tentakelscheide erfahren hatten, so dass die Tentakel- krone zum Theil in der Leibeshöhle frei lag. Trat hier der Tod ein, der sich durch ein Aufhören der Muskel- und Flimmerbewegung kund gab, so zerfielen die einzelnen Organe an den Orten, an welchen sie lagen, und bildeten einen Detritus; fast immer erschienen sofort zahl- reiche Infusorien, welche im Innern der Leibeshöhle die zerfallenden Körpertheile auffrassen, und dadurch, dass sie die dem Zerfall am läng- sten widerstehenden braunen Secretkörner aus den Zellen der Darm- wand in sich aufnahmen, ein sehr characteristisches Aussehen erhielten, Binnen kurzem waren dann alle Reste der Eingeweide verschwunden und es blieb allein die cuticulare Schicht der Körperwand längere Zeit an dem Wohnsitze des Thieres liegen. P2 116 E. EHLERS, Ganz anders gestaltet sich offenbar der Vorgang, durch welch ohne dass das Thier abstirbt, der hauptsächlichste Theil der Einge jene Veränderung erfährt, die wir als Histolyse bezeichnen kö Wollen wir zunächst feststellen, welche Theile des 'Thierkörpers in sen Vorgang hineingezogen werden, so ist das nicht allein, wie w angegeben wird, der Darmtractus, sondern alle mit ihm verbunde Theile, die Tentakelscheide sowohl mit den Parietovaginal-Muskeln u "Bändern, wie der Musculus retractor und der Funiculus, desgleichen û e auch die Parietalmuskeln und die unentwickelten Geschlechtsprodu Das was in seiner Form nicht oder nur wenig verändert zurückble ist die Körperwand, und zwar die Cuticula und deren Matrix. Stelle der Eingeweide erscheint eine Masse, die man nicht als a storben oder zerfallend bezeichnen kann; die Bilder, welche man ihr erhält sind, wohl nach dem Grade der Histolyse, sehr ungleich In allen im Stadium der Histolyse von mir angetroffenen Thi fand ich die Körperwand nicht collabirt, sondern viel eher aufgetrie zumal die Hörner oft stark blasenartig erweitert (Fig. 12. 13. 14). mer war der mit Zähnen besetzte Theil des Klappdeckels nicht in @ Invaginationsöffnung hineingezogen, sondern lag ohne ausgedehnt zu frei nach aussen; nie habe ich einen Theil der Tentakelscheide 8 ausge streckt gefunden. Die Gegend der Invaginationsöffnung war zu holten Malen unregelmässig gefältelt oder mehr oder weniger stark knittert; ob diese Oeffnung bei dem histolytischen Vorgange verschlosst ١ wird, etwa durch Wucherungen, die von der Matrix ausgehen, oder sie geöffnet bleibt, wie das der Fall sein müsste, wenn die Ten scheide zerfällt und sich von ihr ablöst, habe ich hier so wenig als b der Untersuchung anderer Bryozoen entscheiden können. Bei zahlreichen Bryozoen findet sich nach Ablauf der Sec Innern der Leibeshöhle der sogenannte „braune Körper‘, der ja ZU nigfaltigen Misdeutungen Veranlassung gegeben hat. Einen „braunen! \ gege 3 den histolysirten Hypophorellen nicht gefunden me nn cher damit homologes Gebilde in ungleicher S% nn: 3, und mit Rücksicht auf dieses Endproduct verhält HYPOPHORELLA EXPANSA. 117 der Vorgang der Histolyse bei Hypophorella nicht abweichend von dem bei anderen Bryozoen. Aus den ungleichen Bildern der die Gewebsum- wandlung erleidenden Thiere, welche ich vor mir gehabt habe, möchte ich drei, die ich in Fig. 12. 13. 14 wiedergegeben habe, hervorheben. Fig. 14 zeigt ein Thier, welches neben dem in Umwandlung begriffenen Eingeweiden, die sich zu Embryonen entwickelnden Eier enthält. Nur der Umstand, dass ich dieses Thier mehrere Tage hindurch beobachtete, ohne dass der Inhalt der Leibeshöhle weiter wie eine abgestorbene Masse zerfiel, lässt mich annehmen, dass auch hier ein Zustand der Histolyse vorliege. Flüssigkeit erfüllte offenbar den Hohlraum des Lei- bes und umspülte die im allgemeinen körnig erscheinende Substanz ; Theilstücke besonderer Gewebe waren darin nicht zu erkennen; eine weiche, unregelmässig klumpig zusammengeballte, farblose Masse war sie an ihrer Oberfläche scheinbar von einer etwas dichteren Oberflächen- schicht begrenzt, und umschloss grössere anscheinend festere Stücke, einzelne wie Vacuolen erscheinende Gebilde, hauptsächlich aber grössere wie Kerne aussehende Körper, und unverkennbar in zwei Haufen zu- sammengeballt, dichtgedrängt die characteristischen concrementartigen Körner aus den Zellen des Darmes. Vereinzelt, wie abgesprengt von der Hauptmasse, lagen daneben kleinere Massen, und an der Körperwand hafteten einzelne Brocken und Ballen, die wie ein helles körnchenfreies Pro- toplasma aussahen. Mir ist ein solches Verhalten nur einmal zu Gesicht gekommen, und ich kann nicht angeben, in welcher Beziehung dieser Zustand zu jenem steht, welcher häufiger beobachtet wird, und von dem ich in Fig. 12 und 13 ungleiche Entwicklungsstufen abgebildet habe. Das in Fig. 13 dargestellte Thier zeigt einen Zustand der Histolyse, in welchem noch einzelne histologische Elemente zu erkennen sind. An der fast blasenförmig aufgetriebenen Leibeswand liegt unter der, wie ge- wöhnlich gestalteten, Cuticula die eine äusserst dünne Schicht bildende Matrix, deren Kerne in leicht kenntlicher Weise hervorspringen. An einzelnen Stellen liegt auf dieser Matrix in etwas grösserer Anhäufung protoplasmaartige Substanz und, wie im normalen Verhalten häufig, findet sich an der Anheftungsstelle über der Rosettenplatte eine Anhäufung 118 E. EHLERS, kugeliger Kerne. Von der Innenfläche der so beschaffenen Körperwand geht ein unregelmässiges Gerüst von Balken und Platten aus, welche alle an einen. grossen kugelförmigen Körper hinantreten, der fast frei im Binnenraume des Körpers schwebend durch dieses Gerüst getragen wird. Dieser 0,1"™ im Durchmesser haltende kugelige Körper, dessen Wand aus farblosen, zellähnlichen, cubischen Körpern, welche über einander geschichtet liegen, gebildet wird, ist das sonst als „brauner Körper“ be- zeichnete Gebilde; als solches kennzeichnet ihn die dunkler als die Wand gefärbte, körnig krümlig erscheinende Binnenmasse, die als Reste von Darminhalt leicht zu erkennen war. Jedenfalls liegt also hier ein Ab- schnitt des in der Histolyse umgewandelten Darmes vor; doch wage ich nicht zu sagen, welcher der Darmabschnitte es sein möge, oder ob e der gesammte durch Zusammenschrumpfung und Umwandlung seiner Gewebe veränderte Darm ist. Uebrigens ist das Aussehen dieses Darm- restes keineswegs überall gleich, und mit dem hier geschilderten über- einstimmend; ich habe ihn auch in Form eines kugeligen Ballens an- getroffen, der in feinkörniger Substanz eingelagerte, gelbe Kügelchen ent- hielt, offenbar die noch nicht veränderten Secretkörner der Darm- zellen. — Die an den Darmrest hinantretenden Massen sind balken-, strang- und plattenförmige Substanzen, welche mit der inneren Fläche der Körperwand zusammenhängen, und hier an der einen und anderen - Stelle auf eine kernhaltige Anhäufung der Matrix stossen. Sie haben das Aussehen protoplasmatischer Massen, in welchen unregelmässig ge- staltete, offenbar dichtere Stücke neben unverkennbaren , kugeligen oder eiförmigen Kernen liegen; streckenweise erscheinen sie daneben völlig homogen und durchsichtig, während andere Theile durch eingelagerte Körnchen dunkel aussehen. Wie das die Abbildung zeigen soll, macht die Gesammtheit der Masse wohl den Eindruck einer in ungeregelter Bewegung formlosen Protoplasmaanhäufung, vergleichbar einem Plasmo- dium. Ich habe aber derartige active Bewegungen, wie man sie an amöboid beweglichen Protoplasmahaufen wahrnimmt, nicht mit Sicher- heit feststellen können. Mit dieser Substanz verbunden sind zwei Be- standtheile, welche bestimmtere Formen besitzen: einmal langgestreckte HYPOPHORELLA EXPANSA. 119 Spindeln, welche von der Oberfläche des Darmrestes zur Körperwand des basalen Theiles gehen, farblos glänzend aussehen und einzelne kleine, das Licht stark brechende Kügelchen eingebettet besitzen; das andere Mal gleichbreite bandförmige Fasern mit je einem vorspringenden Kern, offenbar noch wenig veränderte Muskelfasern, welche zwischen der Kör- perwand und einem der vorher geschilderten Balken ausgespannt sind. Das lässt wohl einen Schluss auf die Herkunft der umgewandelten Ge- websmassen zu. In den spindelförmigen Körpern vermuthe ich ein Um- wandlungsproduct des Funiculus; die Protoplasma - ähnlich scheinende Substanz ist, wie mir scheint, ein Theil der umgewandelten peritonäalen Schichten, mit denen Muskelfasern, welche den Parietalmuskeln ange- hörten, noch in Verbindung stehen; diese Massen lösen sich in weiter Ausdehnung von der Körperwand ab, und umfassen den umgewandelten Darmrest, indem sie offenbar selbst durch eigenthümliche Bildungsvor- gänge in ihrer Beschaffenheit erheblich verändert werden, vielleicht durch Wucherung zu einer Art von Syncytium sich umwandeln. Dabei ver- lieren sie wohl nie den Zusammenhang mit der Körperwand; in den meisten Fällen jedoch, welche ich von ähnlichen Zuständen gesehen habe, liegt mit dem Darmrest die Hauptmasse dieser Substanz im basa- len Theile des Thierkörpers, vermuthlich durch eine Einwirkung des Funiculus, vielleicht auch des Retractor, auf den seine Form und Ver- bindung verlierenden Darm. In der Fig. 12 habe ich den histolysirten Thierkörper auf einem anderen Stadium dargestellt und in dem, allerdings nur zweimal beob- achteten Verhalten, dass von seiner Wand die Knospung eines Stengel- gliedes erfolgt. Der kugelige Ballen, welcher in der Mitte des 0,36" langen Körpers liegt, ist offenbar der Darmrest, der aber in diesem Falle keinerlei Darminhalt besass, und als ein zweitheiliger, ziemlich glänzen- der Ballen erschien, der von einer protoplasmatischen, kernhaltigen Sub- stanz umhüllt war. Von dieser gingen theils ‘dünne, vereinzelte Kerne besitzende Fäden zu der Matrix der Körperwand, isolirt für sich verlau- fend, oder mit anderen von einer Wandfläche zur anderen gehenden gleichbeschaffenen Strängen zusammenfliessend, theils setzte sich die 120 E. EHLERS, Masse zu einer breiten Platte ausgedehnt, mit feinen Ausläufern dersel- ben an die Innenfläche der Körperwand an: im Ganzen auch hier das Bild einer formwechselnden Masse darbietend, von dem des vorhergehen- ` i den Stadium aber durch völlige Gleichförmigkeit in allen Theilen unter- schieden. Auf der Innenfläche der Körperwand war die Matrix der Cuticula, mit welcher die vielgestaltigen Fäden und Stränge verschmol- ‘zen, an einzelnen Stellen zu kernhaltigen Anhäufungen erhoben, als hätte hier ein Zusammenfluss der weichen Masse stattgefunden; am stärksten aber war eine solche Anhäufung da auf der Innenfläche der Körperwand gelegen, wo an der Basis des einen Hornes die Knospe getrieben war; von dieser Anhäufung gieng mit einem kegelförmigen, eine grosse Vacuole einschliessenden Fortsatz ein feiner Strang zu einem an der gegenüberliegenden Wandfläche befindlichen Körnerhaufen. Die Anhäufung der Matrix unter der Basis der Knospe ist wohl wie für die Erzeugung, so auch für die Ernährung derselben von Bedeutung, und es bleibt weiter zu beachten, ob nicht in derartigen Fällen die ge- sammte, hier die Körperhöhle noch strangförmig durchziehende Gewebs- masse sich unter der Knospe schliesslich ansammelt und für die Ernäh- rung derselben in irgend einer Weise verwendet wird. Dafür scheint mir der zweite von mir beobachtete Fall einer derartigen Knospenbil- dung zu. sprechen: die Knospe entwickelte sich hier am basalen Theile des histolysirten Körpers, und die gesammte in der Histolyse erzeugte protoplasmaartige Substanz lag zu einem Ballen vereinigt und den Darm- rest umschliessend unter deren Ursprungstelle. Nach diesen meinen Beobachtungen halte ich den ganzen hier statt- findenden Vorgang im Wesentlichen für eine Gewebsentwicklung, welche den Zerfall und die Resorption der Eingeweide veranlasst; damit e — nen Zustand herbeiführt, welcher dem einer noch indifferenten Knospe — entspricht, von welcher neue Entwicklungsvorgänge ausgehen können. Leider fehlen mir sichere Beobachtungen über die Anfangstadien der Histolyse; nach Korotnieff 1), welcher zuletzt über diesen Gegenstand Mittheilungen gemacht „, 1) Referat von Hoyer in Hofmann und Schwalbe Jahresberichte. Bd. 4 Literatur 1875, pg. 369 f. SS E EE EE Ee EE e e e ES HYPOPHORELLA EXPANSA. 121 hat, schrumpfen die Tentakeln zu kleinen Höckern zusammen !) und werden in den „braunen Körper“ mit hineingezogen. — Der ausgedehnte Zustand der histolysirten Thiere lässt vermuthen, dass der Vorgang sich einleitet, während die Tentakelscheide eingezogen ist, dass mithin auch sie der Umwandlung unterliegt. Zweifelhaft ist mir nur nach Untersuchungen an Halodactylus, ob die Tentakelscheide und die Ten- takelkrone immer in Verbindung mit dem sich umwandelnden Darm bleiben, oder ob nicht vielmehr bei diesem Vorgange ein derartiger Zerfall des Darmes eintritt, dass der End- und Mitteldarm sich vom Schlundkopf und der Tentakelkrone ablö- sen; ich würde eine solche Vermuthung nicht aussprechen, wenn ich nicht wieder- holt in den histolysirten Thieren der Halodactylus-Stöcke freiliegende Gebilde ge- funden hätte, welche wie zerfallende Tentakelkronen aussahen ; dass auch sie einer vollständigen Resorption unterliegen, kann nicht bezweifelt werden. Welche Vorgänge es sind, durch welche die Histolyse herbeigeführt wird, ist noch aufzuklären. In Stöcken, wie sie Halodactylus diaphanus bildet, wird man leicht zu der Meinung veranlasst, dass es die Knospenbildung sei, welche die knos- penzeugenden Einzelthiere von der Oberfläche des Stockes abdrängt und in die Tiefe desselben verschiebt; dabei wird.der ganze Ernährungs- und Bewegungsapparat au- sser Thätigkeit gesetzt; es wird aber auch zugleich von den nach aussen wachsen- den Knospen offenbar ein Druck auf das Muttertbier ausgeübt, der wohl im Stande sein kann, den Umwandlungsvorgang der Eingeweide herbeizuführen; andererseits damit Veranlassung zu der auffallenden Wandverdickung in den centralwärts ver- schobenen Thieren dieses Stockes zu geben. Bei den stets auf der Oberfläche lie- genden Thieren anderer Stöcke, welche die Histolyse erleiden, kann ein solcher Vorgang so wenig, wie bei den ja fast isolirt liegenden Thieren der Hypophorella die Veranlas- sung bilden. Dass eine ungenügende Ernährung den Vorgang der Histolyse herbei- führt, ist nach den Angaben Korotnieffs wahrscheinlich; sollte etwa auch die Entwicklung der Eier im Innern des mütterlichen Körpers das Gleiche veranlassen 2 Ob die Histolyse bei allen Bryozoen in gleicher Ausdehnung auftritt, bleibt gleichfalls noch zu untersuchen; so sollen nach Clapar&de:)bei Bugula, Scrupocella- ria und Vesicularia die Parietalmuskeln nicht davon ergriffen werden, was bei Hypo- 1) Claparède (Beiträge a.a. O. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. XXI, pg. 151) lässt gleichfalls den Vorgang der Histolyse mit einem allmäligen Kleinerwerden der Theile des Darmtractus beginnen; die dadurch herbeigeführten Zustände sollen Knospen durchaus ähnlich sehen. Die Abbildungen, welche Claparède dafür bringt, schei- nen mir nicht histolysirende, sondern eben nur knospende Zustände darzustellen. 2) Claparède a. a. O. Ztschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXI, pg. 152. Physikalische Classe. XXI. 1. Q 122 E. EHLERS, phorella jedenfalls erfolgt. — Bei Hypophorella habe ich in dem histolysirten Thiere die Neubildung eines Darmkanales, welche ja bei anderen Bryozoen zweifellos fest- 1 steht, nie auftreten sehen; möchte aber deshalb noch nicht das gelegentliche Vor ! kommen derselben in Abrede stellen. In Stöcken, die wie Halodactylus so gestaltet sind, dass die älteren Thiere von der Aussenfläche des Stockes in die Tiefe dessel- ben verschoben werden, wird schon dadurch eine Regeneration der Eingeweide aus- geschlossen sein. Bei Hypophorella ist das ja aber nicht der Fall; und wenn am histolysirten Thiere die Knospung eines Stengelgliedes eintreten kann, so ist auch die Neubildung der Eingeweide von der durch das Umwandlungsproduct der frühe- ren Eingeweide gleichsam verstärkten Leibeswand nicht unwahrscheinlich; jedenfalls S aber kein häufiges Vorkommen. Schliesslich möchte ich noch hervorheben, dass ich das Colonialnervensystem, — welches von Smitt!) und Claparède?) aus histolysirten Nährthieren beschrieben — ist, für nichts anderes halte, als für das im Vorgange der Histolysirung entstandene Gewebe, welches für die Colonie des Bryozoenstockes wohl nur insofern als ein Leie tungsgewebe functionirt, als es gemeinsame Ernährungsvorgänge von einem Gliede des Stockes zum andern unterhalten kann. Systematisches. Handelt es sich darum, die Verwandtschaftsverhältnisse der Hype ` phorella zu den verschiedenen Gruppen der Bryozoen festzustellen, 0 mag zunächst das Verhältniss zu jenen Bryozoen erwogen werden, welche als minirende Bewohner von Conchylien-Schalen ihrer Lebens- weise nach der Hypophorella nahe stehen. d’Orbigny?°) hatte zuerst von der peruanischen Küste und den Malouinen her solche Bryozoe2 als Terebripora ramosa und irregularis beschrieben; später hat P. Fi- 1) Smitt Om Hafs-Bryozoernas utveckling a. a. O. Oefversigt af k. Vetens- kaps Akademiens Förhandlingar 1865. Taf. VI, Fig. 1. 2. 5. 6. 7. 2) Claparède, Beiträge. Ztschr. f. wiss. Zoolog. XXI, pg. 156, Taf. IX, Ti L B. €. | 3) d'Orbigny, Voyage dans Amérique méridionale. T. V. 4ème partie. Zoophytes. Paris 1839. Polypiers. pg. 23, pl. 10, Fig. 16. 17. 18. 19. — Annales des sciences naturelles. Sér. 3. Zoolog. T. 17. Paris 1852. pg. 801. HYPOPHORELLA EXPANSA. 123 scher!) in einer den minirenden Bryozoen gewidmeten Untersuchung eine Anzahl neuer Arten von Terebripora, sowie eine neue Gattung Spa- thipora beschrieben, und aus beiden Gattungen jetzt lebende wie fossile Arten kennen gelehrt. Terebripora und Spathipora werden von ihm in einer Familie der Terebriporiden vereinigt. | Alles aber, was wir in diesen verdienstlichen Arbeiten über die mi- nirenden Bryozoen selbst erfahren haben, beschränkt sich auf Angaben über das äussere Ansehen der Nährthiere und deren Verbindung zu Stö- cken; beides offenbar in Folge der Schwierigkeiten, diese Bryozoen aus ihren Wohnsitzen in geeigneter Weise für eine genauere Untersuchung hervorzuholen, in so wenig ausreichender Weise, dass sich über die Fest- stellung ihrer Verwandtschaft zu einander und mit anderen Bryozoen Controversen erheben mussten. So hatte denn Busk?) bereits vor dem Erscheinen der Fischerschen Arbeit die dOrbigny’sche Gattung Tere- bripora als Synonym unter Hippothoa aufgeführt, eine Auffassung, welcher Fischer, indem er Terebripora und Spathipora in der Familie der Terebripo- riden vereinigte und von den Scrupariaden trennte, sich nicht anschloss. Soweit nun ein Urtheil über diese beiden minirenden Formen nach den vorliegenden Beschreibungen und Abbildungen möglich ist, kann ich mich dieser Meinung nicht anschliessen; denn nach dem Gefüge ihres Stockes ist die Gattung Terebripora mit Recht an die Scrupariaden an- zuschliessen; Spathipora dagegen macht mit den gradlinigen, unter rech- ten Winkeln verbundenen Stolonen und den alternirend an diesen ge- stellten Nährthieren in der Gesammtheit so sehr das Bild eines Hypo- phorella-Stockes, dass ich es zu dieser Gattung stellen würde, wenn nicht das, was von der Form der Invaginationsöffnung der Nährthiere zu er- kennen ist, dagegen spräche. Jedenfalls ist meines Erachtens der Stock einer Terebripora und Spathipora so verschieden, dass sie nicht in einer 1) P. Fischer Etudes sur les bryozoaires perforants de la famille des Tere- briporides, Nouvelles Archives du Muséum d'histoire naturelle de Paris T. II. 1866 pg. 293. 2) Catalogue of marine Polyzoa in the collection of the british Museum. P. I. London 1852 pg. 29. Q2 124 E. EHLERS, engeren systematischen Verbindung zu lassen sind; dass vielmehr, wenn Terebripora zu den Scrupariaden gestellt wird, Spathipora, so lange nicht eine genauere Erkenntniss der Organisation andere Anschauungen recht- fertigt, in den Verwandtschaftskreis der Hypophorella einzutreten hat, Ehe ich auf die Besprechung dieses Verhältniss eingehe, habe ich eine Frage zu erwähnen, welche mich mehrfach beschäftigt hat, ob nämlich Hypophorella, und das gleiche liesse sich von Terebripora und Spathipora sagen, nicht etwa nur der parasitirende, und durch diesen Parasitismus in eigenthümlicher Weise entwickelte Zustand eines sonst freilebenden und als solcher bereits bekannten Bryozoenstockes sei. Um darüber Auskunft > zu erhalten, habe ich die Endstücke der Terebella-Röhren wiederholt unter- 2 sucht, in der Voraussetzung, es könnten hier Theile des Stockes aus der Wandung hervor ins Freie wuchern, und dann in einer anderen, vielleicht bekannten Gestalt auftreten; ich habe nie eine dahin deutende Beobach- tung machen können. Und ebensowenig ist es mir geglückt, an gerei- ` nigten Stückchen der Wurmröhre, in welchen ich Theile der Stöcke längere Zeit am Leben erhielt, ein Auswachsen der jungen Stolonen über d die Grenzen des Wurmröhrenstückes zu erhalten. Diese Versuche sehe ich jedoch noch nicht als abgeschlossen an, glaube auch, dass das Auf- ‚suchen der freischwimmenden Larven und die Verfolgung von deren Entwick- lung hier noch durchzuführen ist; zur Zeit muss ich aber nach meinen er E LC TE E S DES, E SE e Ee ee Sé DS bisherigen Erfahrungen annehmen, dass die Hypophorella jetzt nur in 2 dieser parasitirenden Form besteht und sich fortpflanzt; dass sie nicht eine nur durch die eigenthümliche Lebensweise umgewandelte Form einer daneben frei lebenden Bryozoe ist. Darüber kann nun kein Zweifel bestehen, dass mit Rücksicht auf E die Form der Stöcke die nächsten Verwandten der Hypophorella jene Thiere sind, welche jetzt meistens als Vesiculariadae vereinigt werden. 2 Die Familie der Vesiculariadae hat aber jetzt in den meisten Systemen eine Stellung erhalten, durch welche, wie mir scheint, ihre verwandtschaft- lichen Beziehungen nicht richtig dargethan werden. In den meisten Fäl- len ist sie jetzt nach dem von Busk gegebenen Systeme mit den Hal- cyonelliden Ens, und bildet mit diesen die Ordnung der , HYPOPHORELLA EXPANSA. 125 Ctenostomata (Busk). Diese Zusammenstellung halte ich so wenig, wie die Aufstellung einer Ordnung der Ctenostomata für berechtigt. Es hat schon Smitt darauf hingewiesen, dass die Kennzeichen, durch welche die Ctenostomata von den Chilostomata und Cyclostomata getrennt wur- den, nicht durchgreifende seien, und dass die Gattung Aeta Eigenthüm- lichkeiten besitze, welche eine Verwandtschaft zu allen genannten Ord- nungen darlege 1). Will man die Ordnung der Ctenostomata durch eine terminale Stellung der Invaginationsöffnung characterisiren, so müsste man gerade eine Reihe von Vesiculariaden ausschliessen, bei denen diese Mün- dung, wie bei Hypophorella, nicht terminal ist; oder legt man auf jene Bildung Gewicht, nach welcher die Ordnung benannt ist, dass die Ten- takelscheide um den ausgestülpten Tentakelkranz einen mit Zähnen oder Leisten besetzten Kragen bildet, so ist das eine Bildung, welche doch als eine ganz untergeordnete zu betrachten ist, da dieser Besatz des Kra- gens fast schwinden kann, und andererseits Thiere, die zu den Chilosto- mata gerechnet werden, wie die Aeteiden, einen gleichen Borstenkranz wie die Ctenostomata, oder wie Flustra ein Diaphragma der 'Tentakelscheide besitzen, welches von dem der Ctenostomata kaum abweicht. Ist also die Abgrenzung der Ordnung der Ctenostomata gegen die übrigen Ordnun- gen der gymnolaemen Bryozoen keine scharfe, so wird die Auflösung der ersteren um so weniger beanstandet werden, wenn die in ihr vereinigten Formen wenig Uebereinstimmung besitzen. Das ist aber zweifellos der Fall zwischen den Halcyonellen und den Vesiculariaden; denn was den Bau der Nährthiere betrifft, so ist deren Uebereinstimmung mit einan- der allerdings unverkennbar, aber nicht grösser als mit den Chilostomen überhaupt, von denen sie sich durch die geringere, in beiden Gruppen aber ungleiche Festigkeit der Körperwand unterscheiden; dagegen ist der durch ungleiche Entwicklungsvorgänge bedingte Aufbau der ganzen Stöcke ein sehr bedeutend verschiedener; und auf diesen Unterschied hin trenne ich die Halcyonellen und Vesiculariden. Solche Eigenthüm- 1) Smitt Bryozoa marina. Üefversigt af kongl. Vetensk. Akadem. Förhand- lingar 24 Arg. Stockholm 1867. pg. 470. 126 E. EHLERS, lichkeit des Aufbaus der Stöcke, durch welche die Vesiculariden von den Halceyonellen sich scheiden und mit einigen anderen Formen vereinigen lassen, liegt in einer derartigen Zusammensetzung des Stockes aus stets ` darmlosen Gliedern, Stengelgliedern, gleichwerthig ob sie Stolonen bilden oder nicht, und aus den vollentwickelten Nährthieren, dass die Nähr- 'thiere durch Knospung immer nur aus den Stengelgliedern hervorgehen. Hält man diese Art des Zusammenhanges der einzelnen Glieder eines Stockes als das Wesentliche fest, so scheidet damit, allerdings nur nach S der Art der Stockbildung, eine wohlbegrenzte Gruppe von Bryozoen aus S dem Kreise der übrigen Formen heraus. Diese Gruppe schlage ich vor Bryozoa stolonifera zu nennen. | Mit dem Gesammtaussehen dieser Stöcke der Stolonifera stimmen einzelne andere Bryozoen überein, deren Stöcke sich gleichfalls mit welt hin erstreckender Verästelung ausbreiten; so die Hippothoiden (Busk), zu denen die oben erwähnte Terebripora gehört, und Catenicellidae, bei denen ْ die Nährthiere durch lange fadenförmige Ausläufer, oder kurze Interno- dien, welche jedoch nicht selbständige, Knospen erzeugende Glieder sind, unter einander in Verbindung stehen; so die Aeteiden (Smitt), welche Carus!) als Stolonata zu einer besonderen Unterordnung erhebt, deren Sto- lonen aber nicht durch selbständige Glieder, sondern durch die langgedehnten kriechenden Strecken der Nährthiere gebildet werden, deren distaler Thal mit der Invaginationsöffnung dann mit winkliger Umbiegung von der Stolo- — ähnlichen Strecke sich erhebt, nnd die darin wohl äusserlich langgestielten Nährthieren der Vesiculariden ähneln, ohne dass dadurch ein Uebergang. von den einen zu den andern, wie Smitt?) meint, angebahnt würde; 50 endlich auch jene Formen, bei denen histolysirte Glieder darmlos und in dieser Weise den Stolonenbildenden Stengelgliedern der Stolonife- 0 ren wohl ähnlich werden können, nach ihrer Geschichte von diesen jedoch ` völlig abweichen; ein Beispiel dafür ist die Gattung Rhabdopleura und 1 matt EES Chlidonia. Am nächsten tritt der Gruppe der Stoloni- ` ۰ feren die Abtheilung der cyclostomen Crisiaden, in sofern in ihr darm- SE REEL Ze ar Hure, 1) Carus und Gerstäcker Handbuch der Zoologie Bd. I. pg. 799. 2) Smitt Bryozoa marina Oefversigt a. a. O. 1867 p. 460. HYPOPHORELLA EXPANSA. e 127 lose Wurzelfaden Nährthiere erzeugen können, während in dem Stocke selbst nur Nührthier aus Nährthier hervorgeht. Diese Abtheilung der Stolonifera fällt danach zusammen mit der Familie der Vesiculariden (Johnst) im Sinne von Busk und Smitt; umfasst aber auch die in einer wesentlichen Hinsicht abweichend ent- wickelten Formen der Pedicellineen oder der Entoprocta in Nitsche's Auffassung. Lassen wir diese abweichend gestalteten Thiere zunächst ausser Acht, und ziehen jene Formen in Betracht, welche die nächste Verwandtschaft zu der Hypophorella besitzen, so sind das folgende Gat- tungen, welche ich, ohne auf deren Synonymik oder etwaige Untergat- tungen einzugehen, hier aufzähle: Amathia (Lmx) und Zoobotryon (Ehbg), Mimosella (Hincks), Kinetoskias (Dan), Hippuraria (Busk), Vesicularia (Thoms) mit den von Smitt als Untergattungen angenommen Valkeria (Bowerbankea) Farrella und Avenella, dann Triticella (Dal. ©. ©. Sars), Hypophorella und Spathipora (P. Fisch). Die augenfälligsten Unterschiede zwischen diesen Gattungen liegen, soweit dieselben bekannt sind, in dem Aufbau des ganzen Stockes. In der folgenden Tabelle sollen dieselben in übersichtlicher Weise hervor- treten, doch bemerke ich ausdrücklich, dass ich einen Theil der aufge- zählten Arten nur nach Abbildungen, zum Theil älteren, kenne, und hier mit aufführe, um die Mannigfaltigkeit der Gestaltung auszudrücken, und dass ich keineswegs der Meinung bin, die hier hervortretende grössere und geringere Aehnlichkeit sei an und für sich schon Ausdruck einer näheren oder entfernteren Verwandtschaft. I. Mehrere Nährthiere an den einzelnen Stengelgliedern. 1. An der ganzen Länge der Glieder. Zweireihig gestellt. Kinetoskias arborescens und Smithi (Daniels). Mi- mosella gracilis (Hincks) 2(.' 1) Forhandlingar i Vetenskabs Selskabet i Christiania. Aar 1867 pg. 23, 2) Cfr. Gosse A Manual of marine Zoology Pt II. London 1856 pg. 20. 128 E. EHLERS, Spiralig gestellt, 205 Lafoea cornuta (Lmx)!). Amathia spiralis (Lmx)}). Einreihig gestellt. Alternirend an den Gliedern. Amathia alternata (Lmx)?). Am gleichen Umfange der Glieder. Vesicularia spinosa (Thoms.) 5). 2. An den Endstrecken der Glieder. In Reihen. : Zoobotryon pellucidum (Ehbg.)*). Amathia lendigera (Lmx) 5). Amathia unilateralis (Lmx.)®). In Haufen. Vesicularia cuscuta (L.) 7). D Nur je ein Nährthier an einem Stengelgliede. 1. Nährthiere lateral, neben ihnen ein oder mehrere Stengelglieder. Farrelia dilatata (Hincks) 8). Hypophorella expansa. Spa- 7 thipora sertum (Fischer) 9). Avenella Dalyellii (Gosse) ®). 1) Lamouroux Exposition méthodique des genres de Pordre des Polypiers. Paris 1821. pg. 8. Tab. 65 fig. 13. 14 und pg. 10. Tab. 65 fig 16. 17. — Beider Arten Stellung an diesen Orten kann angezweifelt werden. 2) Lamouroux a. a. O. pg. 10. Tab. 65 fig. 13, 19. 3) Cfr. Gosse Manual. a. a. O. pg. 20. Fig. 34. 4) Cfr. Reichert a. a. O. 5) Cfr. Gosse Manual a. a. O. pg. 19 Fig. 33. 6) Lamouroux a. a.-0. pg. 10. Tab, 66, 6.1. 2; 7) Cfr. Smitt Kritisk Förteckn. Oefvers. 1866 a. a. O. Tab. XIII fig. 34- 8) Hincks Description of new Polyzoa from Ireland. Quarterly Journal of microscop. Science Vol. VIII 1860 pg. 279 21 XXX fig. 70. 9) P. Fischer a. a. O. Nouvelles Archives. T. IL 1868. 10) Gosse A Manual a. a. 0. .وم‎ 21 fig. 37 gehört nach dieser Abbildung HYPOPHORELLA EXPANSA, 129 2. Nährthiere terminal. Triticella Boeckii und boren (G. O. Sars) }). Hippuraria Egertoni (Busk)?). Die grössere oder geringere Uebereinstimmung im Aufbau der Stöcke giebt uns aber wohl kaum ein sicheres Erkennungszeichen für die nä- here oder entferntere Verwandtschaft der Thiere unter einander, um so weniger als wir zur Zeit nicht entscheiden können, in welcher Weise die Gruppe der Stoloniferen aus anderen Gruppen heraus sich entwickelt haben kann. Für Hypophorella bilden die gleichfalls parasitische Gat- tung Spathipora und die Farrella dilatata (Hincks) die nächsten Anknü- pfungspuncte; Spathipora zumal steht, soweit man aus den Fischer'schen Angaben hier einen zuverlässigen Schluss ziehen darf, durch die alter- nirende Anheftung der Nährthiere an den Stolonen der Hypophorella sehr nahe. Eine ähnliche alternirende Anfügung der Nährthiere an den Stengelgliedern besitzt Amathia alternata (Lmx). Gehen wir auf die Form der Stengelglieder ein, so ist eine Ver- stärkung der Wandung durch spangenförmige Verdickungen mir von keiner anderen Form bekannt; aber die Erscheinung selbst dürfte für die Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse keinen grossen Werth haben. — Die kapselförmigen Erweiterungen an den distalen Glieden- den finden sich, so weit sich das aus den vorliegenden Beschreibungen feststellen lässt, nur bei der Farrella dilatata, welche auch darin also eine grosse Aehnlichkeit mit Hypophorella besitzt, dadurch jedoch wieder ab- weicht, dass von der kapselförmigen Erweiterung des Stengelgliedes au- sser dem Nährthiere nicht zwei, sondern drei Stengelglieder hervorgehen. Leider wissen wir zur Zeit nicht, ob in den erweiterten Gliedenden dieses Thieres ein dem wahrscheinlich muskulösen Apparate der Hypo- phorella entsprechendes Gebilde vorhanden ist. Es ist darauf aber Ge- wicht zu legen, weil bei einer Anzahl der Stoloniferen die Nährthiere 1) G. O. Sars Om en hidtil lidet kjendt maerkeligt Slaegtstype af Bryozoer Forhandlinger i Videnskabs Selskabet i Christiania. Aar 1873. pg. 387. T. VIII. IX. 2) Busk Notice of a new Polyzoon. Proceedings of the zoological society of London 1874. p. 29. Pl V. Physikalische Classe. XXI. 1. R 130 RS EHLERS, oder die Stengelglieder in einer Weise bewegt werden, dass man auf die | Anwesenheit eines kräftigen Muskelapparates schliessen möchte; so wer- den bei Mimosella und Triticella die Nährthiere, bei Kinetoskias die Stengelglieder in ausgiebiger Weise bewegt. Der Bewegungsapparat ist aber in keinem Falle genauer untersucht; und wenn er auch wohl an- ders als die vermuthlichen Muskelfasern in den Stengelgliedern der Hy pophorella angebracht sein muss, um Bewegungen so ausgiebig, wie sie beschrieben sind, hervorzubringen, so ist schon das Dasein eines derarti ْ gen Apparates insofern von Interesse, als es die Frage nahe legt, ob die bei Hypophorella befindliche Bildung nicht vielleicht als eine durch Nicht- gebrauch im parasitären Leben rückgebildete zu bezeichnen sei; und je denfalls zu erkennen giebt, dass Hypophorella in dieser Hinsicht nicht S isolirt dasteht. ` Die Nährthiere der Hypophorella besitzen in ihrer Gesammtform keinerlei Eigenthümlichkeit, durch welche sie sich erheblich von den ver- wandten Thieren unterschieden; auch die Variabilität dieser Form findet sich in durchaus ähnlicher Weise wieder, so sind die Nährthiere der Vesicularia familiaris flaschenförmig bald sehr lang gestielt, bald völlig stiellos und sessil. Eine etwas grössere Differenz könnte die Lage der Invaginationsöf- nung im Vergleich mit jener der verwandten Stoloniferen bieten. Diese steht bei der Hypophorella nicht terminal, sondern auf einer Strecke der Ventralfläche, welche der Mündungsarea der Chilostomen entspricht; die ausgestülpte Tentakelkrone nimmt dagegen durch die Verschiebung der nachgiebigen Körperwand eine völlig terminale Stellung ein. Eine dieser Mündungsarea ähnliche Fläche besitzt Triticella (G. O.Sars), hier aber steht die Invaginationsöffnung selbst am oberen Ende dieser Fläche und damit fast ganz terminal. Eine derartige terminale Lage der Mündung ohne die besondere Ausbildung der abgestutzten Mündungsarea ist das häu- figste Vorkommen bei den Stoloniferen. — Durch die Form der Mün- dung weicht auch Spathipora von Hypophorella ab; nach der Fischer schen Beschreibung und Abbildung hat Spathipora eine terminale In- ` vaginationsöffnung, deren Umfang an dem einen vermuthlich ventralen HYPOPHORELLA EXPANSA. 131 Rande durch einen langen oblongen Ausschnitt der Mündungsarea ver- grössert ist, eine Bildung, welche an die der Aetideen erinnert. Als eine dem Kreise der Stolonifera scheinbar fremde Bildung könn- ten die Hörner erscheinen, welche jederseits neben der Invaginationsöff- nung stehen, und in der hier entwickelten Form sind mir dieselben auch von keinem der nächstverwandten Thiere bekannt. Ich sehe in diesen Hörnern Anhänge der Körperwand, welche den mannigfaltig ge- stalteten Stacheln und Zacken homolog sind, die auf der Körperwand, zumal auch in der Umgebung der Invaginationsöffnung, bei vielen Chi- lostomen stehen; diese Bildung wiederholt sich aber auch bei einzelnen Stoloniferen, denn als solche möchte ich die Stacheln deuten, welche Gosse!) von den Nährthieren der Avenella Dalyellii abbildet, und wel- che sich an den Stengelgliedern der Farrella dilatata finden. Eigenthüm- lich wie also die Bildung in dieser Entwicklung bei Hypophorella ist, steht sie doch durchaus nicht völlig vereinzelt da. Die Form des Diaphragma der Tentakelscheide bietet eine Reihe von Unterschieden, welche in ihren allmäligen Abstufungen doch wohl nur für die Erkennung der einzelnen Arten Werth haben mögen. In solcher Grösse, wie dieses collare setosum nach den Abbildungen Smitt's bei Vesicularia cuscuta und familiaris, nach den von Reichert gegebe- nen Figuren bei Zoobotryon pellucidus auftritt, ist es bei Hypophorella nicht entwickelt; wohl aber hat es hier eine Bildung, wie sie nach Smitt sich bei Vesicularia uva findet. Dass auf die Zahl der Tentakelfäden kein Werth zu legen ist, be- darf keiner weiteren Erörterung; von der Bildung der Eingeweide wäre zu erwähnen, dass Hypophorella zu jenen Thieren gehört, welche einen einfachen Schlundkopf, und nicht einen doppelten wie Vesicularia uva, Zoobotryon pellucidus, vielleicht auch Mimosella besitzen. — Die folgende Diagnose würde nach dem allen das Thier kennzeichnen. Hypophorella n. g. Bryozoarium stolonibus rectangula- tim conjunctis repens, in extremitate articulorum an- 1( Gosse A Manual a. a. 0. .عم‎ 21 fig. 37. 132 E. EHLERS, tica dilatata praeter articulum Jateralem terminalem- que singulaanimalia alternatim in stolonibus collocat urceolata, juxta aperturam transversam ventralem utroque corniculo armata gignens. H. expansa n. sp. stolonum articulis valde elongatis an- nulatis; animalium oblique affixorum area frontali denticulata, collari nudo, tentaculis 10. v. 11, gutture simplici; tubos Terebellae conchylegae perforans. Hab. litus maris germanici. | In den Verwandtschaftskreis der Stolonifera stelle ich nun ferner die Ordnung der Pedicellinea (Allm.) mit den Gattungen Pedicellina, Urnatella und Loxosoma. Es ist das eine Verbindung, welche früher mehrfach angenommen, die aber in neuerer Zeit gelockert wurde, als Nitsche diese Gattungen als Entoprocta vereinigte und den Ectoprocta gegenüberstellte. Diese Auffassung hat vielfach Beifall gefunden, und ist in den neueren Handbüchern von Cla us, sowie von Carus und Gerstäcker aufgenommen. Ich kann sie nicht theilen , da ich die ganze Organisation dieser Thiere gerade mit Rücksicht auf die hier maas- gebenden Theile anders als Nitsche und seine Vorgänger wie Nach- folger auffasse, Allgemein wird diesen Thieren ein Tentakelkranz zuge- schrieben, von dem dabei vorausgesetzt wird, dass er dem Tentakelkranze der übrigen Bryozoen homolog sei; nun aber umfasst dieser Tentakel- kranz nicht nur die Mund-, sondern auch die Afteröffnung, und in die- ser Lagerung liegt dann das characteristische für die Gruppe der Ento- procta. Der Tentakelkranz der Bryozoen und zwar der Gymnolaemen wie der Phylactolaemen hat aber seine bestimmte, durch die Entwicklung gegebene Beziehung zum Schlundkopf. Diese Beziehung vermisse ich an den sogenannten Tentakeln der Pedicellinen: bin daher auch der Meinung, dass diese Gebilde überhaupt nicht den Tentakeln der übrigen Bryozoen homolog sind. Diese Thiere sind vielmehr gemeinsam dadurch characterisirt, dass ihnen wahre Tentakeln fehlen , dass in Ver- = bindung damit ihre Tentakelscheide zum bei weitem grössten Theil ver kümmert ist. Entwickelt ist dagegen an dieser gekümmerten, zur AUS HYPOPHORELLA EXPANSA. 133 und Einstülpung nicht mehr befähigten Scheide das Diaphragma, und tief in einzelne Lappen zerschlitzt, bildet es den Kranz der gewöhnlich als Tentakeln bezeichneten Fäden. Dass diese ein flimmerndes Epithel tragen, wird der Deutung wohl kaum Abbruch thun, wenn sonst auf dem Diaphragma ein Zellbeleg nachgewiesen ist; ein solcher soll aber nach Nitsc he's Angabe auf dem Diaphragma von Flustra stehen. Wird diese Deutung zugelassen, so folgt für die weitere Auffassung, dass von der Tentakelscheide der aborale Theil am stärksten verkümmert ist; der Sphincter, welcher bei Pedicellina die Basis des zerschlitzten Diaphragma umgiebt, ist dann dem Sphincter homolog, welcher an der Invaginations- öffnung der Hypophorella und anderer Bryozoen liegt. Der orale Theil der Tentakelscheide ist weniger verkümmert, an ihm liegt hinter dem Diaphragma die Afteröffnung wie bei Hypophorella; es ist jene Strecke vorhanden, welche zwischen After- und Mundöffnung sich befindet, wel- che an ihrer Wand den Nervenknoten trägt, und welche, wie man sagen könnte, durch ihre Verbindung mit dem Darm vor dem völligen Schwunde erhalten ist. Dass im Innern des Thierkörpers die Muskulatur, welche bei der Bewegung der Tentakelscheide thätig ist, die Parietalmuskeln und der Retractor, fehlt, erscheint verständlich; der Funiculus ist wenig- stens bei Pedicellina vorhanden, denn dafür halte ich die Stränge, welche nach Nitsche bei Pedicellina aus dem Grunde des kelchförmigen Kör- pers an den Darm gehen. Eine wesentliche, uns hier nicht weiter in- teressirende Abänderung haben die Geschlechtswerkzeuge erlitten. Lässt man eine solche Auffassung zu, so wird man damit, dass Pe- dicellina und Urnatella zu den Stoloniferen zu stellen sind, wie das frü- her geschah, wohl übereinstimmen; die Nährthiere der Pedicellina zumal sind mit den Stengelgliedern, an denen sie knospen, in einer Weise ver- bunden, welche durchaus an die Verbindung der mit Rosettenplättchen versehenen Scheidewände der übrigen Bryozoen erinnert. — Nicht ganz so klar liegt die Sache bei Loxosoma. Es wird das Thier in der Regel als ein einziges Individuum aufgefasst, während ich der Meinung bin, dass wir es hier mit einem zweigliedrigen Stock zu thun haben, dass der Stiel des Loxosoma das Stengelglied, der Kelch desselben das Nährthier 134 E. EHLERS, darstellt. Dafür spricht die Entwicklung des Thieres, in welcher bei der ` Knospung Nährthier und Stengelglied aus getrennten Anlagen hervorge- hen. Dass beide Glieder einen gemeinsamen Hohlraum besitzen, thut der Deutung wohl keinen Abbruch, da eine weite Verbindung der ver- schiedenen Glieder eines Stockes von den Phylactolaemen her bekannt ist. Auch die Bewegungsfähigkeit des Loxosoma ist nicht ohne Analo- gon, sondern wohl den Bewegungen eines Cristatella-Stockes zu vergle- chen. Pedicellina und Loxosoma stimmen darin überein, dass die Leibes- höhlen ihrer Glieder von einem lockeren, kernhaltigen Fasergewebe er- fällt sind. Das ist offenbar ein Gewebe, welches bei Hypophorella, und wohl auch bei anderen Stoloniferen,, sein Homologon in jenem, von mir als spongiös bezeichnetem Gewebe findet, das in gewissen Entwicklungs- zuständen der Stengelglieder den ganzen Hohlraum derselben füllt. Bei Pedicellina und Loxosoma erhält es sich, und wie es die Leibeshöhle hier füllt, entspricht es nach meiner-Meinung als ein im unvollendeten Zustande persistirendes Gewebe jenem, welches bei anderen Bryozoen die inneren Flächen der Leibeshöhle bekleidet, und als Mesoderm werden kann. Das ist die Auffassung, unter welche ich diese Thiere, trotz der gro- ssen Abweichung ihrer Bildung, zu den Stoloniferen zu stellen mich be- rechtigt halte. Die ganze Abtheilung der Stoloniferen könnte man dann zunächst an die Chilostomen anschliessen. Dafür scheint mir die Form der Nähr- thiere insofern zu sprechen, als bei ihnen die Invaginationsöffnung häu- fig nicht terminal, sondern auf der ventralen Fläche des Körpers steht; eine bewegliche, die Invaginationsöffnung schliessende Lippe, wie sie bei KE vielen der derbwandigen Chilostomen auftritt, ist allerdings bei den Sto- ` loniferen nicht vorhanden, doch deutet der hintere Umfang der Invagina- ` tionsöffnung bei Hypophorella dadurch, dass in seinem Umschlagsrand 1 sich zwei Muskelgruppen anheften, deren Homologa sich an der bewegli- chen Lippe von Flustra finden, darauf hin, dass hier eine die Chilosto- men characterisirende Bildung allerdings in unvollkommener Ausbildung HYPOPHORELLA EXPANSA. 135 vorliegt. Jedenfalls ist im allgemeinen die Form der Nãhrthiere der Stoloniferen viel ãhnlicher jener der Chilostomen als der Cyclostomen. Characterisirt sind ja nun die Stoloniferen durch das lockere Ge- füge des Stockes, mehr noch durch die knospenerzeugenden darmlosen Stengelglieder. Das lockere Stammgefüge kommt aber auch einer An- zahl von Chilostomen zu; in einzeiliger Verbindung hängen die Einzel- thiere in den Stöcken der Hippothoiden, einzelner Selenariiden, wie bei Lunulites (Busk) und bei den Aeteiden zusammen; ja was bedeutungs- voller ist, die Lösung der einzelnen Glieder eines Stockes von einander, das lockere Gefüge desselben erscheint an sonst dicht geschlossenen Stö- cken als der Ausdruck einer Variabilität in der Form des Stockes, für deren Zustandekommen wir die Ursachen zur Zeit nicht kennen. Dafür hat Smitt sehr lehrreiche Belege geliefert, und ich verweise auf seine Abbildungen einer Bugula Murrayana mit Eucratea-Form!) und einer Membranipora pilosa mit Hippothoa-Form?). In dieser Hinsicht schlie- ssen sich die Stoloniferen enger an die Chilostomen als an die Cyclosto- men, unter denen nur die Crisieen ein ähnliches Stockgefüge besitzen. Immer fehlt aber die characteristische Stellung der darmlosen Stengelglieder. Darmlose Glieder, welche im Aufbau des Stoloniferen-Stockes die grosse Rolle spielen, kommen ja mannigfaltig polymorph auch in den Stöcken der Chilostomen und Cyclostomen vor. Hier ist aber bei einer Vergleichung zu unterscheiden, und so sind zunächst die durch Histo- lyse darmlos gewordenen Glieder eines Stockes nicht den Stengelgliedern der Stoloniferen gleich zu setzen. Die Stockbildung von Rhabdopleura mit histolysirten Nährthieren bietet für eine derartige Bildung ein Bei- spiel, vermuthlich auch die Gattung Chlidonia (Say) 5), deren Stolonen nach d’Orbigny*) aus abortirten Nährthieren gebildet zu sein scheinen. 1) Smitt Kritisk Förteckning. Oefversigt af K. Vetensk. Akad. Förhandl. 1867 a. a. O: T. XVIII fig. 27. 2) a. a. O. T XX Fig. 49. 3) Expedition de l’Egypte. Histoire naturelle. Planches. Polypiers Pl. 13. 4) d'Orbigny Recherches zoologiques sur la Classe des Mollusques Bryozoai- res. Annales des sciences naturelles. Ser. IH. Zoolog. T. 16. 1851 pg. 325. 136 E. EHLERS, Hier schliessen sich jene Glieder an, welche als Internodien bezeich- net werden, und die bei Chilostomen (z. B. Catenicella, Alysidium, nipea u. a.) wie bei Cyclostomen (z. B. Crisia, Pasithea) vorkommen wohl durch die Bildung einer Scheidewand vom proximalen Theile ein entwickelten Thieres abgeschnürt werden, aber nicht die Fähigkeit er- halten, Knospen zu treiben. Es treten ferner, wie wir durch Nitsche!) wissen, in den Stöcken der chilostomen Flustren unter gewissen Wachsthumsvorgängen „steril Zoöcien‘ auf, Thiere, in welchen die Entwicklung des Dames, die no mal erfolgen sollte, ausbleibt; derartige darmlose Glieder treiben, das ist beachtenswerth, eigenthümliche Fortsätze ihrer Körperwand und bilden die von Nitsche als Thurmzooecien bezeichneten Glieder, _ Am nächsten kommen jedoch den darmlosen Stengelgliedern . Stoloniferen die in den polymorphen Chilostomen- wie Cyclostomen-Stö- cken auftretenden „‚Wurzelfäden“. Wie sie aus einer einfachen Kn penanlage hervorgehen, sind sie, mögen sie eingliedrig sein oder aus ei- ner Reihe von Gliedern bestehen, den Stolonen der Stoloniferen gleich- werthig, und um so mehr als wir durch Smitt’s 2) Untersuchungen erfah- ren haben, dass bei den cyelostomen Crisieen diese Glieder der Wurzel- fäden Nährthiere erzeugen können, dass aus einem Wurzelgliede ein ‚Stock erwachsen kann. Solche Stöcke unterscheiden sich dann von de- nen der Stoloniferen nur dadurch, dass in ihnen die knospenerzeugen- den Stengelglieder nur in den Wurzelfäden auftreten, dass im Stocke selbst Nährthier aus Nährthier hervorgeht, Wie weit dieser Vorgang unter den Cyclostomen verbreitet ist, bleibt noch zu untersuchen ; ich möchte auf die von Lamouroux 3) abgebildeten Pasithea aufmerksam machen, da mir die cyclostomen aus Wurzelfäden erwachsenden Stöcke vom Habi- tus der Stoloniferen zu sein scheinen. Ob die Wurzelfäden, welche bei chilostomen Bryozoen, z. B. bei Flustrinen, vorkommen, das gleiche Kno- ‚spungsvermögen besitzen, weiss ich nicht. 1) Nitsche, Beiträge III. Ztschrft f. wiss. Zoolog. Bd. 21. a. a. O. pg 4% 2) Smitt, Kritisk Förteckning. Oefversigt a. a. O. 1865 pg. 121 f. | 3) Lamouroux, Exposition méthodique a. a. 0. pg. 9 Tab. 5. Fig. A und D HYPOPHORELLA EXPANSA. 137 Diese Verhältnisse geben uns einen Hinweis auf die Verwandtschaft der Stoloniferen zu den übrigen Infundibulaten. Mit Rücksicht auf die Form der Nährthiere kann die Annahme eines engeren Anschlusses der Stoloniferen an die Chilostomen, eines genetischen nahen Zusammenhan- ges beider Gruppen unter einander zulässig erscheinen. Aber es erhebt sich die weitere Frage, in welcher Weise dieser Zusammenhang gedacht werden muss; eine Frage, deren Beantwortung für die Aufstellung eines natürlichen Systemes von grösster Wichtigkeit ist. Zweierlei Auffassun- gen sind möglich: entweder bilden die Stoloniferen eine für sich abge- schlossene Gruppe, deren Angehörige im phylogenetischen Sinne als un- gleich entwickelte Descendenten einer gemeinsamen Grundform anzusehen sind, welche sich aus oder neben einer Chilostomen-Form gebildet hat; oder es sind die Thiere, welche ich nach der Aehnlichkeit ihrer Stockbildung als Stoloniferen vereinige, nicht von einem gemeinsamen Ausgangspunkte entwickelt, sondern es hat ein gleicher Entwicklungsvorgang an den Ab- kömmlingen ungleicher Chilostomen- vielleicht auch Cyclostomen-Formen zur Bildung der verschiedenen Stoloniferen-Gattungen geführt, welche dann trotz der Aehnlichkeit ihrer Stockbildung nicht in einer näheren Verwandtschaft zu einander stehen, sondern nur soweit als verwandt zu bezeichnen sind, als die Chilostomen- oder Cyclostomen-Formen, aus welchen sie sich entwickelt, unter einander verwandt sind. Für die Be- urtheilung der Verwandtschaftsverhältnisse wäre dann nicht die Stock- bildung, sondern die Form der Einzelthiere in erster Linie maasgebend. Je nach der Entscheidung dieser Frage wird unser Urtheil, wenn wir dasselbe in der Aufstellung eines Systems formulieren wollen, sehr un- gleich ausfallen. Während wir nach der Stockbildung die Gattungen Hypophorella und Spathipora, vielleicht auch Hippuraria und Kineto- skias als nah verwandt im Kreise der Stoloniferen bezeichnen könnten, würden wir mit Rücksicht auf die Form der Invaginationsöffnung der Nährthiere Spathipora von einer Aetideen-Form, Hypophorella wegen der Form der Invaginationsöffnung, besonders aber wegen des Besitzes der neben diesen stehenden Hörner von einer nicht näher zu bezeichnenden, jedenfalls von den Aetideen abweichenden, eher zu den Flustrinen gehörigen Physikalische Classe. XXI. 1. 8 138 E. EHLERS, Form ableiten; Kinetoskias wegen des Besitzes von Avicularien und Wurzelfäden vielleicht auf eine den Bicellarieen verwandte Form zurück- führen, zu welcher Hippuraria jedenfalls keine Beziehung haben würde. Die Aufstellung einer Gruppe der Stoloniferen würde dann in einem natürlichen Systeme keinen Platz finden. Er So geneigt ich nun auch bin, auf die Form der Nährthiere eines Stockes das entscheidende Gewicht zu legen, um danach die Verwandt- schaft der Bryozoen untereinander zu bestimmen, wie das ja für die phy- lactolaemen Bryozoen anerkannt ist; im gegebenen Falle also Spathipora den Aetideen zu nähern und von Hypophorella zu trennen, so dass wir mit Einschluss von Terebripora minirende Bryozoen aus drei getrennten Gruppen kennen würden: so muss ich doch gestehen, dass ich die Ue- berzeugung habe, es reichen unsere Kenntnisse von den einzelnen For- men der Bryozoen nicht weit genug, um eine derartige Entscheidung, welche die nur nach Aehnlichkeiten des Stockes zusammen gefassten Stoloniferen zum Theil weit von einander trennen würde, ganz durch- zuführen. Vielleicht bringt eine ausgedehntere Kenntniss der Bryozoen- Larven in dieser Frage eine Entscheidung; nach Barrois Angaben - stimmen die Larven der Vesiculariaden unter einander überein, und wei- chen von den übrigen Bryozoen-Larven ab; allein die hier bekannt ge- wordenen Thatsachen sind zu wenig zahlreich, als dass man einen sicheren Schluss daraus auf die Berechtigung zur Aufstellung einer einheitlichen Stoloniferen-Gruppe ziehen könnte, um so weniger, da uns das Beispiel des Cyphonautes zeigt, welch ungleiche Larvenformen von Bryozoen vor- kommen, welche wir als nah verwandt ansehen müssen, sobald wir über- haupt die Aehnlichkeit der entwickelten Körperformen gelten lassen wol- len. Der Umstand, dass bei Vesicularia und Hypophorella das erste aus der festgesetzten Larve hervorgehende Glied ein Stengelglied ist, könnte dafür sprechen, dass diese Entwicklung des Stockes mit Nähr- thieren erzeugenden Stengelgliedern eine tief in der Organisation der Thiere begründete ist. 0 Bei der Unsicherheit in der Beantwortung der hier angeregten | Frage wird man zunächst die Gruppe der Stoloniferen wohl aus practi- HYPOPHORELLA EXPANSA. 139 schen Rücksichten als eine solche festhalten können, welche in der Stock- bildung ähnlichste Formen vereinigt, und die vermuthlich näher den Chilostomen als den Cyclostomen steht; die Abtheilung der Ütenosto- mata müsste jedenfalls aufgegeben werden. Zu erörtern, in welches Verhältniss die phylactolaemen Bryozoen zu diesen Gruppen gesetzt wer- den können, liegt ausser dem Bereiche meiner Untersuchung; dass hier die Gestaltung des einzelnen Thieres mehr Beachtung als die grosse Mannigfaltigkeit der Stockbildung gefunden hat, ist erklärlich und sicher berechtigt. Die Gesammtgruppe der Bryozoen gehört nach meiner Auffassung in den Verwandtschaftskreis der Würmer. Das hat zuerst Leuckart!) hervorgehoben und stets festgehalten, gegenüber der älteren Anschauung, nach welcher die Bryozoen zu den Polypen, oder der jüngeren, von Milne Edwards wohl zuerst ausgesprochenen, nach welcher sie zu den Tunicaten zu rechnen und mit diesen den Mollusken anzureihen seien. Diese Auffassung ist bis in die neueste Zeit hinein von einzelnen Zoologen festgehalten, und ist für die morphologische Auffassung des Bryozoenleibes maasgebend gewesen, in welch eigenthümlicher Weise, das geht aus der Darstellung hervor, welche Morse?) und Hyatt) von der Beziehung der Bryozoen zu den Mollusken gegeben haben. So hat auch Semper*) noch jüngst die Bryozoen in der Nähe der eigent- lichen Mollusken als eine allerdings eigenthümlich abweichende und daher selbständige Classe stehen lassen; und bezieht sich dabei auf Lar- venformen, wie Cyphonautes, die eine, jedenfalls nur äusserliche, Aehn- 1) Leuckart Ueber die Morphologie und die Verwandtschaftsverhältnisse der wirbellosen Thiere. Braunschweig 1848. pg. 51. 74 auch in Frey und Leu- ckart Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere. Braunschweig 1847 4. pg. 147. 2) Morse A Classification of Mollusca. Proceedings of the Essex Institute, Vol. IV 1864—65 pg. 162. 3) Hyatt Observations on Polyzoa. Proceed. of the Essex Institute Vol. IV. pg. 199. : 4 Semper Die Stammesverwandtschaft der Wirbelthiere und Wirbellosen. Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut zu Würzburg Bd. II. pg. 65. S2 140 E. EHLERS, lichkeit mit denen mancher Mollusken besitzen, und im Anschluss an Allman’s Darstellung auf Rhabdopleura, an dessen jungen Thieren und Knospen „zwei ursprünglich ziemlich grosse, links und rechts den Kör- per umhüllende Schalen“ für den Vergleich mit den Mollusken verwer- thet werden. Allein diese Gebilde, welche aus den von G. O. Sars!) gegebenen Abbildungen sich zu Genüge beurtheilen lassen, umhüllen kei- neswegs den Körper des jungen Thieres, sondern nur den Vordertheil des Darmes oder „das Polypid“, und sind offenbar ein zum Tentakelap- parat gehöriger, allerdings eigenthümlich gestalteter Anhang. Neigt sich jetzt -vielleicht die Mehrzahl der Zoologen der Leu- ck art'schen Auffassung zu, die Bryozoen zu den Würmern zu stellen, so gehen die Meinungen über die Gruppe, zu welcher die nächsten Ver- wandtschaften bestehen, vielfach auseinander. Leuckart?) hatte die Bryozoen zuerst an die Borstenwürmer, und zwar an die Kopfkiemer, ange- schlossen, dann nachdem auch Fa rr e3) auf die Aehnlichkeit mit den Rotife- ren hingewiesen, siemit diesen in eine Classe, die Ciliati, vereinigt. Schnei- der?) hat später, wie mir scheint, mit vollem Recht auf eine nähere Verwandtschaft der Bryozoen zu den Gephyreen hingewiesen; nun kann ich allerdings mich den Vorstellungen, mit welchen Schneider diese Verbindung durchführt, nicht anschliessen, stimme aber dem bei, das eine Vergleichung der Organisation der Gephyreen und Bryozoen, wie sie bereits Schneider kurz gegeben hat, allein schon für deren Ver- wandtschaft spricht. Bryozoen und Brachiopoden waren mit den Tunicaten in der Hux- ley'schen Ordnung der Molluscoideen vereinigt und die beiden ersten 1) G. O. Sars On some remarkable Forms of animal Life. I. Christiania 1872. Tab. II. 2) Leuckart in Frey und POS EATI Beiträge a. a O. pg. 147 — Ueber die Morphologie a. a. O. pg. 51. 3) Farre, Observations a. a. O. Philosophical Transactions 1837. I, p. 398. 4) Schneider, Zur Entwicklungsgeschichte und systematischen Stellung der ‚Bryozoen und Gephyreen. M. Schultze, Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. V. 1869. p. 260, 274. HYPOPHORELLA EXPANSA. 141 Gruppen sind häufig mit einander in Verbindung gebracht. Beides sind palaeontologisch so alte Formen, dass wir kaum erwarten dürfen, über ihre phylogenetische Abstammung von Seiten der Palaeontologie Auf- schluss zu erhalten; nur die Vergleichung der sich entwickelnden und ausgebildeten Thiere giebt uns Anhalt zu Annahmen ihrer genetischen Verwandtschaften. Nach den Arbeiten Morse’s!) scheint es mir da zweifellos zu sein, dass die Brachiopoden Würmer sind, welche wie Steenstrup?) lange ausgesprochen hatte, zu den Borstenwürmern Be- ziehung haben. Ich fasse sie als eine Wurmform auf, welche die näch- sten Verwandtschaften unter den jetzt bekannten Borstenwürmern bei den Serpulaceen findet, die aber in weit höherem Grade als diese in Uebereinstimmung mit dem sessilen Leben eine Gliederung des Körpers nicht entwickelt oder nicht behalten hat; man könnte denken, es sei eine Verkümmerung der Segmentirung etwa in der Weise erfolgt, wie sie am unsegmentirten Körperanhange der Hermellaceen be- steht; Beweise für solche Ansicht sind allerdings zur Zeit nicht zu brin- gen. Auf eine ursprüngliche Segmentirung des Körpers deutet die Lar- venform. Die Bryozoen sind Angehörige des grossen Kreises, welcher die jetzigen Gephyreen und Anneliden umfasst, in diesem stehen sie aber den Gephyreen näher als den Anneliden, und ich meine, dass sie sich eben- soweit von den Brachiopoden entfernen als sie sich den Gephyreen nä- hern. Zweierlei Verhältnisse der Lebensweise stehen offenbar mit ihrer eigenthümlichen Körpergestaltung im Zusammenhang: das ist der gänz- liche Mangel oder wenigstens die Beschränkung der Locomotion und die Stockbildung. Für das erstere findet sich kein Analogon bei den ge- nannten Würmern, denn die Verhältnisse der tubicolen Gephyreen (Phas- colosoma Strombi (Mont) — Phoronis) und Anneliden lassen sich nicht da- mit vergleichen; die Stockbildung dagegen, sofern sie auf das Vermögen, 1) Morse, On the systematic position of the Brachiopoda. Proceedings of the Boston Society of natural history Vol. XV. 1873. p. 315. 2) Steenstrup, Oversigt over det kong. Videnskabern. Selskabs Forhandlin- gar — i Aaret 1848. Nr. 7. 8. p. 86. 142 E. EHLERS, durch Knospung zu generiren zurückzuführen ist, kommt wen bei Anneliden vor. Wollte man sich als Ausgangspunkt für die Entwicklung der B zoen eine 'Thierform construiren, so würde das ein gephyreen-ähn 1 knospungsfähiger Wurm sein, dessen Descendenten durch Stockbild und Verlust der Locomotion zu der die Bryozoen characterisirenden genthümlichkeit entwickelt sind. Innerhalb der polymorphen Stöcke stellt nun das Nährthier j Individuum vor, welches den Vergleich mit den Gephyreen, und : einer anangen Form derselben, zulässt. Die Schlauchform des lich ungegliederten Körpers eines Sipunculus oder Phascolosoma mit einstülpbaren Vordertheile scheint auf dem ersten Blick den Verglei einem Nährthiere, wie sie zumal bei Stoloniferen vorkommen, zuzulas nun ist aber dieser Gephyreenkörper nach der Bildung des Nerve mes, von dessen Längsstamme in regelmässigen Abständen periphere | ven abtreten, ein polymerer, und es liegt keinerlei Anzeichen vor, i als ein solcher der Bryozoenkörper aufzufassen sei. Allein ist der : druck der Gliederung bei dem Phascolosoma und Sipunculus nur durch d e Nervensystem gegeben, so wird, wenn dieses vielleicht mit den Re tionen, welche die Körperwand erfahren hat, bei den Bryozoen £ schwindet, dass allein der Hirnknoten erhalten bleibt, damit die einstimmung des Körpers einer Bryozoe und eines Sipunculiden ohne weiteres beseitigt; es wird der Bryozoenleib noch nicht als monomerer aufzufassen sein, wenn auch der Ausdruck der PolJ' geschwunden ist. Von dieser Seite her wäre wohl kein Einwurf die auf die Aehnlichkeit der Gesammtform begründete Verwandts der Bryozoen und Gephyreen zu erheben. Der auffälligste Unterschied in dem Aussehen einer Gephyt eines Bryozoen-Nährthieres wird durch die Verschiedenheiten des 4 "gumentes herbeigeführt. Diese aber sind wohl in der Form, wie sie m. ao als Anpassungen an die sesshafte ge des Stocken steht die a Bel der Locomotion und mit dem CN | 16 Gestaltung des Integumentes und dessen M HYPOPRORELLA EXPANSA. 143 tur in genaustem Zusammenhange; mit der Annahme der besonderen Lebensverhältnisse können wir uns den Erwerb der eigenthümlichen Bil- dung der Körperwand verbunden denken. Der Sipunculid mit dem einstülpbaren Vordertheile des Körpers entspricht dem Bryozoenleibe mit der Tentakelscheide; die apicale Lage der Invaginationsöffnung, wie sie den Sipunculiden zukommt, wird in den Stöcken der Bryozoen da eine Verschiebung erleiden, wo wie bei vielen Chilostomen die Einzelthiere mit der Dorsalfläche angewachsen sind, und wie am ganzen Rande so auch an dem Vordertheile Knospen erzeugen. Solche Formen scheinen paläontologisch jüngere zu sein Diese Stellung der Invaginationsöffnung kann erhalten bleiben, wenn auch die feste Anheftung und das enge Gefüge des Stockes verloren geht, wie bei einer Anzahl der Stoloniferen. — Sind aber die Nährthiere eines Stockes so gelagert, dass ihre Vorderen- den eine gewisse Freiheit behalten, wie bei den Üyclostomen, so ist die Lage der Invaginationsöffnung terminal wie bei einer anangen Gephyree. Diese Form ist offenbar nach den palaeontologischen Befunden die ältere; nur cyclostome Bryozoen gehören den palaeozoischen Schichten an. — Der einstülpbare Theil eines Sipunculiden-Körpers hat meist nicht nur eine dün- nere Wandung, sondern auch eine noch in anderer Beziehung vor dem übrigen Körperabschnitte besonders ausgezeichnete Oberfläche. Diese bei manchen Gephyreen, 2. B. bei Aspidosiphon, keineswegs geringfügige Diffe- renz zweier Körperstrecken ist bei den typischen Bryozoen auf den höchsten Grad gesteigert, und das hängt offenbar damit zusammen, dass während der Sipunculid den vorderen Körperabschnitt bei seinen Bewegungen oder bei der Herstellung seiner Wohnungen verwendet, die Bryozoe den glei- chen Theil, die Tentakelscheide, nur dann aus dem Schutze des derbwan- digen hinteren Körperabschnittes hervorstreckt, wenn es sich um die Be- schaffung der Nahrung handelt; leicht wird dieser dünnwandige Körpertheil invaginirt und dadurch vor etwaigen Schäden geschützt. Dagegen erreicht das Integument nun in den allen äusseren Einflüssen ausgesetzten Körper- theilen eine grosse Festigkeit, es bildet das sogenannte „Zoöcium‘‘. Es ist das in der Regel eine Cuticularbildung, wie sie, wenn auch viel schwächer in der Cuticula der Gephyreen vorhanden ist; sie erreicht den höchsten 144 ` E. EHLERS, Grad der Festigkeit durch Aufnahme von Kalksalzen; dass solches de Organisation der Gephyreen nicht fremd ist, wie in der Regel angege wird, dafür kenne ich, wenn man von Chaetoderma, das ich nicht u den Gephyren stellen möchte, absehen will, ein ausgezeichnetes Beispiel an einem von den Samoa-Inseln stammenden Phascolosoma, dessen Vor- derende an der Invaginationsöffnung des Rüssels einen Gürtel von rau- tenförmigen, im Quincunz stehenden, je von einem Porus durchbohrten weissen harten Plättchen trägt, welche ihre Festigkeit und Farbe einer Kalkeinlagerung in der chitinösen Cuticula verdanken. ; Ob die mannigfaltig gestalteten Zacken, Stacheln und Hörner, welche auf der Körperfläche der Bryozoen erscheinen, den kleinen festeren Haut- bildungen in der Körperwand mancher Gephyreen entsprechen, ist zwei- felhaft. Dagegen ist vielleicht eine nicht zufällig entstandene Aehnlich- keit zu sehen zwischen den reihenweis gestellten Zähnchen vor der In vaginationsöffnung der Hypophorella und den Zähnchen, welche am Rüs- sel von Sipunculiden und Priapulideen vorhanden sind. | Mit der Ausbildung einer festen Hautschicht, welche die Unbeweg- lichkeit des Körpers steigert, ist dem Integument der Gephyreen gegen- über das der Bryozoen als ein in Anpassungsverhältnissen unentwickel- tes oder rückgebildetes zu bezeichnen. Dabei besitzen die Süsswasserbe- يها‎ Bryozoen eine weit reicher entwickelte Körperwand als die marinen. Hautdrüsen, wie sie bei den Gephyreen vorkommen, fehlen — den marinen Bryozoen völlig, es wiederholt sich hier die auch sonst be kannte Thatsache, dass bei einer festen Panzerung des Körpers die Geen verdrängt sind; auch bei den Süsswasserbewohnenden For- ١ Sen ex Ref nicht nachgewiesen, wenn nicht die m solche zu bezeichnen SR eg Aleyonella SEN ge Se sammte zellige Oberfläche F x 2-75 GE ارس‎ e je er es Körpers sich secretorisch verhalten e S a bekannt ist, deren „Ectocyste‘ als eın ent HYPOPHORELLA EXPANSA. 145 Bryozoen, wenn nicht die von Nitsche beschriebene homogene Mem- bran, auf welcher die Hautmuskulatur der Alcyonella liegt, eine solche vertritt. — Die stark entwickelte, ein continuirliches durch keine Seiten- felder unterbrochenes Stratum bildende Muskulatur der Gephyreen ist in der Wandmuskulatur der Süsswasser- Bryozoen leicht wieder zu erken- nen, gebildet aus einer äusseren Ring- und aus einer inneren Längsfa- serschicht; bei den marinen Bryozoen ist sie viel schwächer ausgebildet; wie aber auch hier eine Ring- und Längsfaserschicht zu unterscheiden sind, habe ich oben gezeigt. Ich halte den Zustand der Muskulatur bei den Süsswasser-Bryozoen für den ursprünglicheren, den der marinen Bryo- zoen für den durch weiter gehende Rückbildung erzeugten, dessen Be- ziehung zu der Körpermuskulatur der Gephyreen ohne das Vorhanden- sein des ersteren wohl schwer zu erkennen wäre. — Zur longitudinalen Körpermuskulatur gehören die Retractoren, deren Uebereinstimmung bei Gephyreen und Bryozoen leicht zu erkennen ist: in beiden Fällen sind es Muskelfasern, welche zu paarigen Gruppen geordnet, jederseits neben der Medianebene am Schlundkopf da entspringen, wo sich mit ihm das Integument, sei es Rüssel oder Tentakelscheide genannt, verbindet, und sich auf auf der Innenfläche der Körperwand anheften. Ein Peritonäum bekleidet die in die Leibeshöhle sehenden Flächen bei den Gephyreen und Anneliden, wie bei den Bryozoen. In beiden Gruppen — (Sipunculus, Glycera — phylactolaeme Bryozoen) kann es fimmernde Zellen tragen; in beiden Gruppen liegen auf ihm die Stätten für die keimbereitenden Organe. Die bei den gegliederten Anneliden stark ausgeprägte, vom Peritonäum ausgehende Dissepimentbildung findet ihr Homologon im Funiculus der Bryozoen. Uebergangsbildungen von der Dissepimentbildung der scharfgegliederten Anneliden zu dem einfach strangförmigen Funiculus der Bryozoen bieten die langen, an den Darm sich ansetzenden peritonäalen Haltebänder der Kopfkiemer; die muskel- faserhaltigen Bänder, welche die Darmwindungen des Sipunculus mit der Körperwand verbinden; und ferner jene Fasern, welche bei Pluma- tella, Cristatella u. a. sich aus dem Retractor ablösen und auf dem Darm inseriren, wenn man dabei die bei Rhabdopleura bestehende Verbindung Physikalische Classe. XXI. 1. E 146 E. EHLERS, von Retractor und Funiculus im Auge behält; so wie schliesslich das einfache Dissepiment, wie es bei Priapulus vorkommt. VUebereinstimmend gestaltet bei Gephyreen und Bryozoen ist die Leibes- höhle und deren Flüssigkeit, sobald man von den eigenthümlichen Verhält- nissen absieht, welche in einem Bryozoenstock entstehen, dessen Knospen sich nicht oder nur in geringem Grade von dem gemeinsamen Boden sondern, wobei dann für den ganzen Stock eine Gemeinsamkeit der ` Leibeshöhle gegeben wird, in gewissem Sinne jener Gemeinsamkeit ver- 1 gleichbar, welche die in der Länge eines Annelidenkörpers erwachsenden Knospen eine Zeit lang mit einander besitzen. — Wie die Füllung der Leibeshöhle mit Fasergewebe bei den aberranten Formen der Stolonife- ren eine Embryonalbildung darstellt, und so betrachtet gegen diesen Ver- | gleich nicht herangezogen werden kann, ist oben ausgeführt. Am Darmtractus ist zunächst die Tentakelkrone ins Auge zu fassen. Sie ist, wie sie in ihrer einfachsten Form bei den Infundibulaten er- scheint, nach ihrer Entwicklung bilateral; darin aber stimmt sie mit je- ner der Gephyreen überein, bei denen in den einfachsten Formen, bei Petalostoma (Kef.), der bilaterale Bau unverkennbar ist. Diese einfach- sten Formen aber sind zu vergleichen und nicht jene höher entwickelte 3 d Lophophorbildung der Phylactolaemen, mit welchen unter den Gephyreen 0 nur die vielleicht hierher zu stellende Phoronis einen gleich gebauten Tentakelapparat besitzt. Die Schwellbarkeit der Tentakeln durch ein- strömende Leibesflüssigkeit ist Gephyreen und Bryozoen gemeinsam; s0- bald in die Tentakeln Abschnitte eines eine höhere Entwicklungsstufe vor; zu Blutgefässsystems eintreten, liegt das scheint der Fall bei Phoronis sein; aus diesem Grunde sind auch die ihrer Stellung nach entspre- chenden paarigen Kiemen der Serpulaceen nicht den Tentakeln der Bryo- zoen völlig gleichzusetzen. Die durch Leibesflüssigkeit schwellbaren Ten- takeln der Terebellaceen sind auch bei den der Blutgefässe ganz entbeh- renden Polycirren den Bryozoententakeln nicht ah zu setzen, wie das früher wohl geschehen ist, da sie nur Ausstülpungen der Körperwand sind und keine Beziehungen zum Schlunde haben. Die Gesammtform des Darmes, einer Schlinge mit terminaler Mund- NT O E a se EEE E TS e ER 5 k 3 5 ممد ووه عدار يهو ا دار جد‎ € N TEE 1 7 HYPOPHORELLA EXPANSA. 147 öffnung und weit nach vorn verschobener dorsaler Afteröffnung, ist Bryo- zoen und Sipunculiden gemein; und wenn bei Anneliden und Gephy- reen die dorsale Lagerung des Afters, oft nur durch die Stellung der Aftereirren bei den Borstenwürmern oder des hinteren Saugnapfes bei den Egeln angedeutet, das weit verbreitete ist, so bleibt für die gefäss- losen Gephyreen und Bryozoen dessen Verschiebung nach vorn ein Kenn- zeichen näherer Verwandtschaft; ein quantitativer Unterschied zwischen beiden Gruppen erhält sich insofern, als bei den Bryozoen die Afteröff- nung auf den invaginationsfähigen Körpertheil verschoben ist, während bei den Gephyreen dessen Homologon, der Rüssel, die Afteröffnung nicht trägt; sondern deren Lage meistens die Basis des Rüssels kennzeichnet. — Die Abschnitte des Darmes stimmen bei Sipunculiden und Gephyreen ‚sehr nahe überein; ich will nur hervorheben, dass die Chitinbewaffnung, wie sie im Schlundkopf einiger Gephyreen vorkommt, durch ähnliche Bildungen im Schlundkopfe der Vesicularia vertreten wird. Das Nervensystem der Bryozoen ist noch immer zu wenig bekannt, zumal in seiner peripheren Ausbreitung, um entscheiden zu können, ob dessen Eigenthümlichkeit gegen den von mir hier ausgeführten Vergleich einen Einwurf zulässt. Die Lage des einfachen Nervenknoten der Bryo- zoen entspricht völlig jener des Hirns der Sipunculiden. Auch periphere, den Schlund umfassende Nerven sind von Bryozoen bekannt; doch nicht, dass solche einen Schlundring bildeten, der zu einem sogenannten Bauch- strang führe. Dieser letztere fehlt wohl jedenfalls den Bryozoen; ob nun hier eine Reduction des Nervensystems im Zusammenhang mit der Ver- einfachung des Integumentes anzunehmen ist, mögen weitere Untersu- chungen über das periphere Nervensystem der Bryozoen lehren. Der Geschlechtsapparat entspricht in seinen keimbereitenden, die ge- reiften Producte in die Leibeshöhle entleerenden Theilen bei Sipunculiden und Bryozoen sich völlig; ob auch eine Uebereinstimmung der ausführenden Apparate nachzuweisen sein wird, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehal- ten. Wenn zu wiederholten Malen ein Ausstossen von Eiern und Samen aus der Leibeshöhle der Bryozoen in der Nähe der Afteröffnung beob- achtet ist, so erinnert das an die Lage der Schläuche im Körper der Si- Ta 18 E. EHLERS, punculiden, in denen man morphologisch wie physiologisch den Segmen- talorganen der Anneliden gleichwerthige Apparate sieht. | Die Formen der jüngsten Larvenstadien bieten wohl kaum einen sicheren Anhaltspunkt zur Erkennung der Ver ltschaftsverhältni denn der Besitz einer ringförmigen Wimperschnur, unterhalb welcher dr Mundöffnung gelegen ist, kommt bekanntlich wie den Bryozoen, so den Anneliden und Gephyreen, aber auch zahlreichen anderen wirbellosen Thieren im frühsten Larvenleben zu. Dadurch verliert diese monotroche Larvenform sehr an Bedeutung für die Feststellung näherer Verwandt- schaftsgrade.. Die Gestaltungen aber, welche ältere Bryozoen-Larven annehmen, sind so abweichend von einander, dass sie allein die Beziehungen der aus ihnen hervorgehenden, im erwachsenen Zustande einander höchst ähnlichen Thierformen durchaus nicht ne lassen, viel weniger aber einen Schluss auf andere Ver dt ft hältnisse gestatten. Diese Larvenformen zeigen eben, dass die eigenthümlichen Organisationsverhältnisse der Bryozoen, durch welche die Uebereinstim- mung mit den Gephyreen maskirt wird, frühzeitig in der Entwicklung sich geltend machen. Dass auch hier die Knospenbildung eine bedeu- tende Rolle spielt, ist ja von den Phylactolaemen her am bekanntesten. Im übrigen sind wir von dem Verständniss vieler dieser Larvenformen trotz der Zwischenglieder, welche besonders Barrois erwähnt, noch weit entfernt. Ich möchte zum Schluss hervorheben, dass ich die Rotatorien nicht als den Bryozoen nahe verwandt auffassen kann. Eine Gruppe der Ci- liaten aus beiden zu bilden, halte ich nicht für geboten, da ich mich nicht von der Homologie des Tentakelkranzes der Bryozoen und des Räder- apparates der Rotatorien überzeugen kann. Der letztere scheint mir viel- mehr dem von einer Wimperschnur umsäumten Felde der Körperober- fläche mancher Würmer-Larven zu entsprechen. Die an vielen Rotato- rien deutlich hervortretende Gliederung des Körpers weist auf einen Zusammenhang mit Würmern, welche eine schärfere Gliederung der Köperwand besitzen, als das bei den Gephyreen, an welche ich die Bry0- zoen anschliessen möchte, der Fall ist. — Rechnet man aber die Gruppe HYPOPHORELLA EXPANSA. 149 der Gastrotricha, wie es Metschnikoff gethan hat, zu den Rotatorien, so bekommen wir in diesen Formen, welche in der Gestaltung des Darm- tractus an die Nematoden erinnern; wir kennen weiter besonders durch die Untersuchungen Greeffs!) in den Desmoscoleciden und Echinoderen Thiere, welche in manchen Verhältnissen der Organisation, so im Bau des Darmes und der Geschlechtsapparate an die Nematoden erinnern, bei denen aber eine ausgesprochene Gliederung des Integumentes, welche viel stärker ist, als sie bei einzelnen Nematoden, wie Rictularia plagio- stoma (Wedl), in Anhängen des Körpers zum Ausdruck kommt, einen Uebergang zu gegliederten Formen bildet. So könnte man für die Ro- tatorien nach verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Kreise nema- toden-ähnlicher Würmer suchen. Die Entwicklung von Fasern der lon- gitudinalen Körpermuskulatur zu einem Rückzieher des Räderorganes, welches durch Einschnürung der Körperwand vermittelst der Ringfasern in ähnlicher Weise wie der Rüssel bei Gephyreen und Anneliden, die Tentakelscheide der Bryozoen ausgestülpt wird, die Sonderung der Kör- permuskulatur auch da, wo sie in sehr geringer Entwicklung vorhanden ist, in Längs- und Ringfasern entfernt aber die Rotatorien von jener Nematoden-Form, welche wir heute als die am meisten verbreitete anse- hen. Und hier fällt schliesslich schwer der Besitz von flimmernden Ka- nälen ins Gewicht, welche wohl den Segmentalorganen der Bortenwür- mer entsprechen. Sie weisen zunächst eine nähere Verwandtschaft der Räderthiere mit den Arthropoden ab. Die Mehrzahl der flimmernden Trichter aber, mit welchen diese Canäle in die Leibeshöhle münden, ist meines Erachtens der Ausdruck einer Metamerenbildung an diesem Ap- parat, der in seinen nach aussen führenden Abschnitten wohl in ähnlicher Weise als durch Verschmelzung vereinigt aufgefasst werden darf, wie die Samenleiter der Lumbricinen. Nur in dem Falle, dass der Nachweis ge- führt würde, dass einem einzigen Segment angehörige Segmentalorgane zwei oder mehr innere Mündungen besitzen, würde man aus ihrer Ge- 1) R. Greeff, Untersuchungen über einige merkwürdige Formen des Ar- thropoden- und Wurm-Typus. Archiv für Naturgeschichte. Jhrg. 35. I. 1869 p.71. See | E. EHLERS, staltung bei den Rotatorien keinen Schluss auf die Metamerenbildung des Körpers dieser Thiere schliessen können. Solche Fälle sind aber meines Wissens von Würmern nicht bekannt, denn auch die scheinbar so beschaffenen, von Vejdovsky!) beschriebenen Segmentalorgane des Rhynchelmis, oder die besonders aus der Dorner’schen 2 Beschreibung bekannten doppelmündigen Segmentalorgane der Branchiobdella lassen sich als durch Verschmelzung entstanden erklären. Ob die von Spen- gel?) beobachtete Bildung, dass die als den Segmentalorganen homolog gedeuteten Nierentrichter der Coecilien anfänglich in einer den Metame- ren des Körpers entsprechenden Zahl vorhanden sind, in weiterer Ent- wicklung aber in mehrfacher Zahl innerhalb eines Segmentes auftreten, für diesen Fall in der Weise heranzuziehen ist, dass daraus die Ansicht zu begründen wäre, es läge in den Segmentalorganen der Rotatorien nicht der Ausdruck einer Metamerenbildung vor, es könne trotz dersel- ben der Körper dieser Thiere als ein monomerer bezeichnet werden, ist mir zweifelhaft; und erscheint mit Rücksicht auf die bei manchen Rota- torien so deutlich hervortretende Segmentirung bedeutungslos. — Einem anderen Einwurf, dass diese Wimperkanäle der Räderthiere nicht Segmental- organen, sondern jenen morphologisch noch klar zu stellenden Wimpertrich- tern an der Cloake der Bonellia entsprächen, glaube ich damit begegnen zu können, dass die Wimperkanäle auch bei jenen Rotatorien vorkom- men, welche keinen After und Afterdarm besitzen. — So führt uns die Berücksichtigung der Wimperkanäle der Rotatorien zu der Auffassung, dass wenigstens die cephalotrichen Formen derselben als Verwandte von ge- gliederten Würmern aufzufassen seien, während die gastrotrichen Formen eher an Nematoden-ähnliche Thiere erinnern. Beides zusammen aber deutet vielleicht darauf hin, dass die ganze Gruppe der Rotatorien an 1) Vejdovsky, Anatomische Studien an Rbynchelmis Limosella (Hoffm) Zeitschr. f. wiss, Zoolog. Bd. 27. S 2) Dorner, Ueber die Gattung Branchiobdella. Ztschr. f. wiss. Zoolog. Bd. . p. 464. 3) Spengel, Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arbeiten aus dem zoo- log.-zootom. Institut in Würzburg. Bd. II, p. 41; 1 bd ege S ف‎ E EE RE TESS ENTEN NE Ee S f Le HYPOPHORELLA EXPANSA. 151 gegliederte Würmer anzuschliessen ist, wie wir sie in der jetzt lebenden Thierwelt theils in den gegliederten Nematoden, theils in den Anneliden kennen, dass aber die phylogenetische Entwicklung ihren Ausgang von einer Thierform genommen haben mag, welche Nematoden und Anneliden aus sich hervorgehen liess. Dann sind die verwandtschaftlichen Beziehun- gen zu den Bryozoen jedenfalls nicht so enge, dass man Rotatorien und Bryozoen in eine Gruppe der Ciliati zusammenfassen darf; ihre Verwandt- schaft würde nur darin ausgesprochen sein, dass die Gephyreen zweifellos nahe Verwandte der Anneliden sind. SEKR Fi D ee Tafelerklärung. Diaphragma. . Invaginationsöffnung. Funiculus. Geschlechtsorgane. . Hörner des Nährthieres. Darm. 1 1. Vorderdarm, Schlundkopf und Tentakelkrone. I 2. Mittel- darm. I 3. Blindsack. I 4. Enddarm. Knospe. . Haltebänder; Parietovaginalbänder. . Nervenknoten. Parietalmuskel. Parietovaginalmuskel. Retractor. . Stengelglied. . Tentakelscheibe in den Knospen, Tentakelscheide. Tentakeln. Zähnchen auf der deckelförmigen Strecke vor der Invaginationsöffnung- e. äussere, cuticulare Wandschicht. i. innere Schicht, Matrix der Cuticula. k. Kerne. Tafel I. Fig. 1. Hypophorella expansa; Nährthier mit ausgestreckter Tentakelkrone, von der Ventralfläche gesehen. Vergr. 192. Fig. 2. Ausgebreitete Tentakelkrone eines Nährtbieres in der Ansicht von oben, so dass man in das dreikantige Lumen des Schlundkopfes sieht: der unpaare in der Symmetrieebene stehende Tentakel ist in der Zeichnung aufwärts gerichtet; p. 40. Vergr. 150. Fig. 3. Das in Fig. 1 abgebildete Thier bei einer Mittelstellung des Darmtractus ; die Ventralfläche aufwärts gewandt; das Diaphragma ist durch die vorgeschobene Tentakelkrone geöffnet. Vergr. 192, Fig. 4. Ein anderes Thier in der Ansicht von der Rückenfläche, mit völlig zurück- gezogenem Darmtractus, dessen After an dem aus der Tiefe durchscheinenden Diaphragma heftet; Eierstock und Hoden fast zur Entleerung reif. Vergr. 137. Fig. 5. Larvenschale; das daneben liegende dreigliedrige Gebilde ist vielleicht die jüngste Anlage eines Stockes. p. 75. Vergr. 120. Fig. 6. Kapselende eines Stengelgliedes von der Kante gesehen, um die zwischen den Wandflächen gespannten Muskelbänder zu zeigen. p. 17. Vergr. 550. Fig. 7. Strecke eines alten Stengelgliedes mit sehr stark entwickelten spangenför- migen Verdickungen auf der inneren Wandfläche; nach einem in Glycerin aufbe- wahrten Präparate. Vergr. 600. ` Tafel II. Fig. 8. Ein von den Incrustationen gereinigtes Stück der Röhrenwand, in welchem ungewöhnlich dicht neben einander die Nährthiere verschiedener Stöcke gelagert sind; die alternirende Stellung der Nährthiere an den Stengelgliedern ist leicht zu erkennen; die den Nährthieren bei ganz regelmässiger Bildung opponirten Sten- gelgiieder fehlen bier fast alle; einzelne Stengelglieder haben kein Nährthier, son- dern bilden nur Stolonen. Nach einem in Glycerin aufbewahrten Präparate ge- zeichnet; Einzelheiten der Nährthiere nach Skizzen von lebenden Thieren ausge- führt. Vergr. 35. Physikalische Classe. XXI. 1. U 154 E. EHLERS, Fig. 9. Hinterer Abschnitt eines Nährtbieres mit eingezogenem Darmtractus, die Lagerung des unreifen Hoden und Eierstockes zu zeigen; die Rückenfläche des Thieres ist aufwärts gewandt. Vergr. 170. ; Fig. 10. Die Basis einer ausgestülpten Tentakelkrone, um das Verhalten des bier kragenförmig erscheinenden Diaphragma und die Faltungen in der Tentakelscheide zu zeigen; die Muskeln und Haltebänder sind nicht mitgezeichnet. Vergr. 400, Fig. 11. Schematisch gehaltene Darstellung vom optischen Längsschnitt der Tenta- kelscheide, Krone und des Schlundkopfes einer Vesicularia; links ist der Längs- schnitt eines Tentakels, rechts der Durchschnitt der Falte abgebildet, von welcher die Tentakeln entspringen, daneben ein Tentakel; am Schlundkopf ist die Musku- : latur nicht angegeben; nach einem mit Karmin gefärbten, in Canada-Balsam ein- S ‚geschlossenen Präparat. Tafel II. Fig. 12. Ein histolysirtes Nährthier mit einem an der Basis des einen Hornes her- vorknospendem Stengelgliede. Im Innern der Leibeshöhle umgiebt eine feinkörnige protoplasmatische Substanz einen derberen Körper (»braunen Körper« der Auto- ren) und strahlt von ihm aus an die Innenfläche der aus einer Cuticula und deren Matrix bestehenden Körperwand, mit welcher andere Protoplasma-ähnliche Stränge in Verbindung stehen, kugelige und spindelförmige Kerne, so wie eine Vacuole ein- schliessend, in welcher nach Einwirkung von Essigsäure nur einige feine in Mole- cularbewegung schwingende Körnchen erschienen. Siehe p. 119. Vergr. 240. 3 Fig. 13. Histolysirtes Nährthier. Die in der Histolyse befindliche Substanz der Or- — gane umfasst einen kugeligen matt glänzenden Körper, der einen mannigfaltigen Inhalt und eine aus zellähnlichen Körpern bestehende Hülle besitzt; dieser Körper ist der Ueberrest des zerfallenden Darmes; die langgestreckten spindelföormign Gebilde, welche ihn mit der Innenfläche der Körperwand verbinden, sind die zer- | fallenden Massen des Funieulus; die mit m bezeichneten kernhaltigen Fäden sind = | Fasern aus dem Parietalmuskel. Siehe p. 117. Vergr. 250. a a 14. Ein histolysirtes Nährthier, An dessen Leibeshöhle neben den zerfallenen 0 ١ ۰ Eingeweiden 5 in Entwicklung begriffene Eier liegen. Siehe .م‎ 117 und P. 68 e Vergr. 225. = Fig. 15. Ein Stengelglied mit einem wahrsc ‚knospenartigen Auswuchs. Siehe .م‎ 89. Vergr. 200. Fig. 16. Ein gleiches. Siehe p- 89. Vergr. 200. | Fig. 17. Das Hautskelett der Kapselerweiterung eines Stengelgliedes, an welchem ` nach Entfernung aller Weichtheile di ä Siehe P ` 2 a eeno ile die Rosettenplättchen durchscheinen. Si E heinlich durch Verletzung entstandenen, HYPOPHORELLA EXPANSA. 155 Tafel IV. Fig. 18. Theil eines Stengelgliedes mit der Erweiterung, und das daran stossende Anfangsstück des nächsten Gliedes; die protoplasmatische Schicht hat sich röh- renförmig abgehoben, und hängt nur über den Rosettenplättchen an der Wand. Siehe p. 15. Vergr. 550 Fig. 19. Ein ähnliches Stück mit anliegender Innenschicht. Siehe p. 15. Vergr. 550, Fig. 20. Endstück eines Stolo mit der Knospe eines Nährthieres, in welcher die Tentakelscheibe gebildet ist, mit einer gegenüberstehenden Auftreibung, aus wel- cher eine Stengelgliedknospe hervorgeht, und mit einem terminalen Stengelgliede. Vergr. 159. Fig. 21. Endstück eines jungen Stengelgliedes mit spongiösem Gewebe. Siehe p. 82. Vergr. 430. Fig. 22. Endstück eines Stolo, welches jünger als das in Fig. 20 abgebildete ist; die zur Knospe eines Stengelgliedes werdende Auftreibung fehlt noch; die Knospe des Nährthiers zeigt die Tentakelscheibe und die Anlage der Tentakelscheide. Vergr. 159. Fig. 23. Endstück eines terminalen Stengelgliedes nach Zusatz von Essigsäure; der Hohlraum des Gliedes von Kernen erfüllt, welche eine Gruppe grösserer zellähn- licher Körper umschliessen; diese sind die später in der Kapselerweiterung des Stengelgliedes liegenden Muskelfasern. Siehe p. 83. 84. Vergr. 500. Fig. 24. Ein Stolo aus einem alten und 2 jungen Stengelgliedern gebildet. Siehe p. 86. Vergr. 150. Fig. 25.* Das Endglied dieses Stolo, in welchem durch” die Bildung einer queren Scheidewand der Gipfel abgeschnürt und damit zum jüngsten terminalen Glied er- hoben wird. Siehe p. 86. Vergr. 600. Fig. 26. Zwei in der Leibeshöhle frei herumtreibende Eier; undurchsichtig, mit ei- genthümlich gefalteter Oberfläche. Siehe p. 64. Vergr. 300. Fig. 27—32. Die aufeinanderfolgenden Stadien der eigenthümlichen p. 70 beschrie- benen Umwandlungen, welche das mit 2 bezeichnete Ei aus dem in Fig. 14 abge- bildeten Thiere durchlief. Vergr. 300. Fig. 33. Junge Knospe eines Nährthieres mit der weiten Einstülpungsöffnung, aus dessen Grunde die Anlage der Tentakelscheibe herrorschimmert. Siehe p. 96. Vergr. 415. Fig. 34. Junge Knospe eines Nährthieres mit erster Anlage der Tentakelscheibe. Die punktirte Linie bezeichnet Lage und Grösse der Einstülpungsöffnung auf der - hier nicht mitgezeichneten Oberfläche der Knospe. Siehe .م‎ 97. Vergr. 390. Fig. 35. Knospe eines Nährthieres in der Entwicklung weiter vorgeschritten; opti- scher Querschnitt durch die Anlage der Tentakelscheibe, welche hier zweischich- tig erscheint. Siehe p. 97. Verger. 330. 156 E. EHLERS, HYPOPHORELLA EXPANSA. Tafel V. Fig. 36. Larve aus dem mit 1 bezeichneten Ei der Fig. 14 hervorgegangen. Siehe p. 72. Vergr. 430. Fig. 37. Dieselbe in anderer Lagerung. Fig. 38. Dieselbe Larve, 16 Stunden später. Siehe p. 72 und 73. Vergr. 430. Fig. 39. Dieselbe 6 Stunden später, etwas anders gelagert, als in der vorhergehen- den Figur. Vergr. 430. E Fig. 40. Erweitertes Endstück eines Stengelgliedes mit einer Stengelglied- und — Nährthier-Knospe, nur die letztere ist ausgezeichnet und zeigt neben der Tenta- — `` kelscheibe die Anlage der Tentakelscheide und des Funiculus. Vergr. 280. S Fig. 41. Knospe eines Nährthieres mit Anlage des Parietalmuskels. Die Anlage der ` Tentakelscheibe und deren Verbindung mit der Knospenwand tritt bei dieser La- gerung nicht deutlich hervor. Siehe p. 95. Vergr. 170. S ‚Fig. 42. Knospe eines Nährthieres mit der Anlage der Tentakelscheide, der Scheibe, — | den von einander getrennten Funiculus und Retractor, und den Parietalmusken. Vergr. 300. = Fig. 43. Aeltere Knospe, in welcher unter dem hervorsprossenden Tentakelkrane der Darm mit dem grossen Blindsack des Mitteldarmes, und dem mit der After- 0 öffnung an der Tentakelscheide liegenden Enddarm gebildet ist; Funiculus und Musculus retractor sind völlig entwickelt; desgleichen die Parietalmuskeln; die an die Tentakelscheide tretönden Fasern ern zum Parietovaginslapparä Nach einem in Glycerin aufbewahrten Präparat. Vergr. 160. Fig. 44. Fast völlig entwickelte Knospe; es fehlt noch die Bildung der 7 Strecke der Tentakelscheide, denn es war eine Invaginationsöffnung mit der d den Zähnchenbesatz characterisirten Strecke der Körperwand nicht an Am Vorderende war die Aussenschicht der Körperwand noch erheblich verdickt, und unter ihr lag kernhaltiges Gewebe, von welchem eine strangförmige Masse lockerer Körner durch die Tentakelscheide bis in den Schlundkopf sich erstreckt ` bin und her bewegt durch die Flimmerbewegung auf den Tentakeln. Siehe p- w 4 Vergr. 156. Fig. 45. Knospe eines Nährthieres mit abnormer Entwicklung oder im Beginn der m Siehe p. 103. Vergr. 190. e ii a ee "i sec KS Abhdl | 7 ngen. 7 sen srh Jë ; d Ws GAHAT FYT E ag د‎ a ` wy T Gi SE TF ARETE GE s del. Abbi AE Ges d Wissenseh Gottingen FEI ر J 7 Hess Nrög. so. Ehlers dol Abhdlg.d. k.Ges. d.Wissensch. Göttingen. AX. Jar. IV. in, at eg E X et Ee A j ec" A ta KH TER E, > u er "Een R 3 N قر‎ en O d aan ee z NA e EE ee a ممح‎ i ABHANDLUNGEN DER MATHEMATISCHEN CLASSE KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. EINUNDZWANZIGSTER BAND. Mathem. Classe. XXL 1. A BE" Ueber die Bewegungen der Elektrieität in körperlichen un insbesondere über elektrische Schwingungen in einer leitenden Kugel von Eduard Riecke. Vorgelegt in der Sitzung der Königl. Ges. d. Wiss. am 6. Mai 1876. Beni Versuche in den Zusammenhang der Naturerscheinungen ein- zudringen bieten sich zwei verschiedene Wege dar; der eine derselben besteht in der Erforschung der inneren Constitution der Körper und Körperarten und der Grundkräfte, mit welchen die Körper auf einander wirken. In dieser Weise werden alle elektrodynamischen Erscheinungen, welche ihren Grund in der Existenz konstanter und ruhender Ströme haben, erklärt durch das von Ampère für die Wechselwirkung zweier Stromelemente aufgestellte Grundgesetz. Es kann aber dieses Grund- gesetz kein wahres Grundgesetz der elektrischen Erscheinungen sein, da es dann auf alle möglichen Arten elektrischer Wirkungen Anwen- dung finden müsste, während doch die elektrostatischen und elektromo- torischen Erscheinungen in demselben nicht enthalten sind. Um also zu einem alle elektrischen Erscheinungen umfassenden Grundgesetze zu gelangen, war es nothwendig, einmal über die Constitution der in einem Leiterelement in galvanischer Strömung befindlichen Elektricität eine bestimmte Vorstellung sich zu bilden, und dann die komplicirte Wir- kung, deren Ausdruck das Ampère’sche Gesetz ist, zu zerlegen in ihre Componenten, d. h. in die zwischen den einzelnen elektrischen Theil- A2 4 EDUARD RIECKE, chen wirkenden Grundkräfte. Es ist dies der Weg, auf welchem Wilhelm Weber zu seinem Grundgesetze der elektrischen Wechsel- wirkung gelangt ist, welches als ein wahres Grundgesetz auf alle elek- trischen Erscheinungen, durch welche Bewegungen der Elektricität sie auch hervorgerufen sein mögen, Anwendung findet. Ebenso werden die Bewegungserscheinungen der Weltkörper erklärt durch das Newton’sche Gesetz der Fernwirkung ponderabeler Körper; die Erscheinungen des Lichts durch die von Fresnel gemachte Annahme einer molekularen Constitution des Lichtäthers, des stabilen Gleichge- wichts der Moleküle in ihrer isolirten Stellung und einer molekularen nur von der Entfernung abhängenden Wechselwirkung. Dieser auf die wahre Constitution der Körper und die zwischen denselben ‘wirkenden Grundkräfte gerichteten Forschung stellen wir gegenüber diejenige Methode, welche den Zusammenhang der Erschei- nungen lediglich durch gewisse allgemeine Principien, in erster Linie das Princip der Erhaltung der Energie begründet, und eben durch die Anwendung jener allgemeinen Principien die Entwicklung bestimmter Vorstellungen über die innere Natur der Körper zu umgehen sucht. Als eine solche Theorie, welche von bestimmten Vorstellungen über die Constitution der Körper unabhängig auf Grund allgemeiner Prineipien sich entwickeln lässt, ist in erster Linie zu nennen die mechanische Theorie der Wärme; dieselbe Methode der Forschung ist indessen auch, insbesondere von Carl Neumann, auf die elektrischen Erscheinungen angewandt worden, und es hat sich in der That ergeben, dass durch das Princip der Erhaltung der Energie ein solcher Zusammenhang zwi- schen den einzelnen Gebieten der Elektricitätslehre hergestellt wird, dass die für das eine dieser Gebiete geltenden Elementargesetze aus demselben entwickelt werden können, sobald die für die anderen Gebiete geltenden Gesetze als bekannt angenommen werden. Es findet aber zwischen den Gesetzen, welche auf diesem Wege eruirt werden können, und zwischen den aus dem Weber’schen Grundgesetz sich ergebenden Gesetzen eine gewisse Differenz statt, es unterscheidet sich nemlich das von Neumann abgeleitete Induktionsgesetz von dem Weber’schen durch ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHENLEITERN. 5 eine gewisse Zusatzkraft, welche ausgeht von solchen Stellen der lei- tenden Körper, in welchen Ansammlungen freier Elektriecität stattfinden, und in einer im 20sten Bande der Abhandlungen der Kgl. Ges. d. Wiss. enthaltenen Arbeit habe ich den Nachweis geliefert, dass alle möglichen Gesetze welche auf Grund des durch das Princip: der Erhaltung der Energie gegebenen Zusammenhangs für die elektrischen Elementarwir- kungen aufgestellt werden können, sich von dem Ampere’schen und We- ber'schen Gesetz immer nur durch solche von Sammelstellen freier Elek- tricität ausgehende Kräfte unterscheiden können. Mit Bezug auf dieses Resultat schien eine genauere Erforschung solcher elektrischer Bewegungen von besonderem Interesse zu sein, bei welchen Ansammlungen freier Elektricität in Wirklichkeit eintreten, und diess ist der Fall bei der Bewegung der Elektricität in körperlichen Leitern. Die von Kirchhoff uud Weber aufgestellten, von Helmholtz später verallgemeinerten Gleichungen für die Bewegung der Elektrieität in ruhenden körperlichen Leitern sind in der eingehendsten Weise unter- sucht in der ausgezeichneten Abhandlung von Lorberg: „Zur Theorie der Bewegung der Elektricität in nicht linearen Leitern“ im 71. Bande des Crelleschen Journals. Lorberg bat nicht nur jene allgemeinen Be- wegungsgleichungen reducirt auf ein System verhältnissmässig einfacher Differentialgleichungen, sondern auch für den Fall der ruhenden Kugel die vollständige Lösung des Problems bei beliebig wirkenden äusseren Kräften elektrostatischen oder elektrodynamischen Ursprungs gegeben; in der speciellen Anwendung der allgemeinen Resultate beschränkt er sich auf den Fall von Kräften, welche gegen den Radius der Kugel senkrecht gerichtet sind, einen Fall, in welchem also Ansammlungen freier Elektrieität von vornherein ausgeschlossen sind. Die, folgende Ab- handlung enthält in ihrem ersten Theile eine Wiederholung der Rech- nungen, durch welche Lorberg zu der Lösung des Problems in seiner allgemeinsten Form gelangt ist; nur ist an Stelle des Weber schen In- duktionsgesetzes, welches den Untersuchungen von Lorberg zu Grunde liegt, das allgemeinere Helmholtz’sche Induktionsgesetz getreten und sind in den Reihenentwicklungen, welche bei der Integration der Differential- ê on | EDUARD RIECKE, gleichungen Anwendung finden, gewisse Aenderungen vorgenommen, durch welche sich die Darstellung der resultirenden Integrale verein- facht; gleichzeitig sind die zur Auflösung der Gleichungen nothwendigen Rechnungsoperationen, von welchen Lorberg kaum mehr als die Resul- tate mittheilt, in etwas ausführlicherer Form dargelegt, soweit diess zum Verständniss der Entwicklung wünschenswerth erschien. Der zweite Theil der Arbeit behandelt dann insbesondere diejenigen Bewegungen der Elektricität, welche in einer leitenden Kugel durch einen schwin- genden Magnet hervorgerufen werden. Obwohl nun diese Bewegungen in Wirklichkeit mit Anhäufungen freier Elektrieität verbunden sind, so war doch eine Entscheidung der zwischen den verschiedenen elektrischen Elementargesetzen bestehenden Alternative durch eine Untersuchung dieser Bewegungen von vornherein nicht zu erwarten, da einer von Helm- holtz gemachten Bemerkung zu Folge die zwischen den verschiedenen Gesetzen vorhandenen Differenzen bei ruhenden Leitern der Beobachtung sich unter allen Umständen entziehen werden. Wenn trotzdem im Fol- genden eine Untersuchung der in einer ruhenden leitenden Kugel auf- tretenden elektrischen Bewegungen ausgeführt ist, so geschah das aus doppeltem Grunde: einmal erschien es wünschenswerth, zunächst den von theoretischer und experimenteller Seite einfacheren Fall des ruhenden Leiters einer eingehenden Behandlung zu unterwerfen, gewissermassen als Vorarbeit für die komplicirteren Verhältnisse bei bewegtem Leiter. Dann aber scheint der Fall eines ruhenden Leiters auch an und für sich nicht ohne Interesse zu sein, so fern er Gelegenheit giebt zu einer ein- fachen quantitativen Prüfung der für die Elektricitätsbewegung in kör- perlichen Leitern aufgestellten Gesetze, an welcher es zur Zeit noch fehlen dürfte, ~. ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 7 I. Die allgemeinen Gleichungen für die Bewegung der Elektrieität in körperlichen Leitern. Bei Zugrundelegung der von Helmholtz gebrauchten Bezeichnungen sind diese Gleichungen au A SE + 7 Z—-X=0 ô dv 40 حل كج عل‎ 4852 YI (1. aw +E +2 #_z=0, Hier sind u, v, w die an irgend einer Stelle x, y, z des Leiters vor- handenen Strömungskomponeñńten, ø ist das Potential der freien Elek- tricität; X, Y, Z sind die Componenten der gegebenen äusseren elektro- motorischen Kräfte; die Grössen U, V, W sind gegeben durch folgende Ausdrücke : U = Lais LU de dy عل‎ 7 LU de dy de de". ver D frage WO WB = Wu {u = ‚+ v ` wild dy dz 8 pi EDUARD RIECKE,, In diesen Integralen bezeichnet dr, dy', 02 das Volumen eines an der Stelle «', y’, # befindlichen Raumelements, w, v, wi, die in demselben vorhandenen Strömungskomponenten und ist: r2 = (e س‎ w + (y — e H (e 2)? Endlich bezeichnet in den für die Bewegung der Elektricität gege- benen Gleichungen 4 den Leitungswiderstand und ist FERN VF 2-8 wo c die Constante. des Weberschen Gesetzes. Zu den vorhergehenden Gleichungen treten noch hinzu diejenigen Gleichungen, durch welche die Dichtigkeit der freien Elektricität gebun- den ist an die Strömungskomponenten. u, v, w; nemlich in irgend einem Punkte im Inneren des gegebenen leitenden Körpers die Gleichung 1 dp --- As di" 3 SE? êy +: EIS be ` und in irgend einem Punkt der Oberfläche die Gleichung 1 { dp dp E ch کر ی وز‎ (3° Hier bezeichnet n die innere Normale der Oberfläche in dem be- trachteten Punkte رو رت‎ Z; w,v, w sind die in demselben vorhandenen Strömungskomponenten, e der dem Inneren des Körpers entsprechende Werth des Potentiales der freien Elektricität, während die im umgeben- den äusseren Raume geltenden Potentialwerthe durch 9, bezeichnet sind. Aus den vorhergehenden Gleichungen, durch welche das vorliegende Problem vollständig bestimmt ist, ergiebt sich zunächst in sehr einfacher Weise eine Differentialgleichung, welcher das Potential der freien Elek- trieität im Innern des leitenden Körpers genügen muss; differentiren wir die Gleichungen 1 nach z, y und z, so ergiebt sich durch Addition der- selben mit Rücksicht auf die Beziehung ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 9 | En, AE E A de ETa GRT t Die Differentialgleichung ود کت‎ — dai Ei ع‎ 0. (1 Es ergiebt sich ferner durch Anwendung der Operation 4 auf die erste der Gleichungen 1 aduti + 227 0 oder wenn wir für 4U seinen Werth aus der Gleichung ar einsetzen und gleichzeitig mit — multiplieiren: £ du le 82 — Zt 167 " Bene 0. an du + ع‎ sx Cé + (1— Dia? -= Ziehen wir von dieser Gleichung ab die nach æ differenzirte Glei- chung I, so ergiebt sich: one zem Setzen wir endlich Anu = Zi = Er S so geht die letztere Gleichung über in: عط عل‎ a er ج41‎ a ,ل سبد‎ In ganz derselben Weise lassen sich die zweite und dritte der Gleichungen 1 behandeln, und wir gelangen dann zu dem Resultat: Zerlegt man die Stromkomponenten u, v, w in je zwei Theile durch die Formeln: Mathem. Classe. XXL 1. B 10 EDUARD RIECKE, 02 Anu = بر‎ + u 0? an» = وبر‎ + Séi (II 02 O TR Ta so sind die Funktionen %,, Xə» X, partielle Lösungen einer und der- selben Differentialgleichung Atay e H (TIL Substituiren wir ferner die für 4, v, w gegebenen Ausdrücke in der Gleichung 3, so ergiebt sich folgende Bedingung, welcher die Funktionen Zu, X, und z, im Inneren des gegebenen leitenden Körpers zu ge- nügen haben: Or, ôy SA Bi “tu hu) (IV Es stellen somit die Ausdrücke 1 1 1 Inž Zeit: Ks Antheile der Strömungen dar, welche nicht von einer Abscheidung freier Elektricität begleitet sind. Die Bedeutung der im Vorhergehenden gegebenen Differentialglei- chungen I und III ist natürlich darauf beschränkt, dass durch diese Diffe- rentialgleichungen die Möglichkeit gewisser Reihenentwicklungen für die Grössen y und x eröffnet wird; überdiess wird durch die Gleichung IV eine Beziehung zwischen den Coöfficienten der für die Grössen رز‎ Xz Ze geltenden Entwicklungen gegeben, und dadurch eine Reduktion der Anzahl der unbekannten Coöfficienten bedingt; immer aber wird die. wirkliche Bestimmung jener Coöfficienten nur möglich sein durch Zurück- ÜBER DIE BE DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 11 gehen auf die ursprünglichen Bedingungsgleichungen 1, in welchen allein diejenigen Grössen vollständig enthalten sind, durch welche das specielle Problem charakterisirt wird. Weingarten hat indess zuerst darauf hin- gewiesen, dass jene Gleichungen 1, welche im ganzen Inneren des be- trachteten Körpers erfüllt sein müssen, sich ersetzen lassen durch andere nur für die Oberfläche des Körpers geltende Bedingungen; diese die Lösung des Problems wesentlich vereinfachenden Bedingungen sollen zunächst abgeleitet werden. Wir gehen aus von der im Vorhergehenden entwickelten Gleichung MI FE) - 7 SE Andu — يكح‎ p يزه‎ — 167 = U. Setzen wir hier aoa Ga 4ndu = Ay, + pr so ergiebt sich wenn wir gleichzeitig durch 4r dividiren: 1 Ad St خم‎ 47.4 wë, EE A dt e 0 A dûz Wir denken uns diese Gleichung aufgestellt für einen beliebig im Inneren des Körpers gelegenen Punkt x’, y, رع‎ ausser diesem im Inne- ren des Körpers als veränderlich betrachteten Punkt nehmen wir einen zweiten Punkt &,y,z, ebenfalls im Inneren des Körpers, dessen Lage aber im Folgenden als unveränderlich festgehalten werden soll; wir dividiren die für den Punkt عون‎ aufgestellte Gleichung durch die Entfernung r dieses Punktes von dem Punkt xyz, multipliciren mit dem Inhalte des an der Stelle a y7 vorhandenen Volumelementes und integriren die so transformirte Gleichung über das ganze Innere des gegebenen Körpers. Wir erhalten die Gleichung ah: dd dydi — جه‎ ghe وف نمه‎ de + 5 T Selz da dy de = 0. Es handelt sich nun darum, die in dieser Gleichung enthaltenen B2 ER EDUARD RIECKE, Raumintegrale in Integrale zu transformiren, welche sich nur über die Oberfläche des gegebenen Körpers hinerstrecken. Diese Transformation ergiebt sich in sehr einfacher Weise für den ersten Term der vorhergehenden Gleichung; es ist nemlich: 1 f Am E SE E do den"? ليك يي يي ر س = ت و م ر‎ wo n die innere Normale der gegebenen Oberfläche in dem Element do. Mit Bezug auf das zweite Integral da Z SE da’ dy’ dê bemerken wir dass nach dem Vorhergehenden, Gl. 2., dU LE 9° dE dæ dy dz, = e zi Es ist ferner nach Gl. 2*. ¥ ع‎ WARS + va + wir) da dy dz oder = ru f +o ru! Sé — elt + 55 + ar) da’ e EE E Mit Beziehung auf die Gleichungen 3 und 3° nimmt der Werth von ¥ die Form an: = TARN, r = do + fray de dy dy } Auf der anderen Seite ist nach dem Green’schen Satze: Nr ول‎ — g 4d dy d? = — Sr — ai lä ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 13 Ziehen wir diese Gleichung ab von der vorhergehenden, so erhal- H د‎ — ten wir: ‚und op dtöx KE 1 — 2° de Z de dy de’ SE Kl — es do al E 9 dı dy Ge e NE de 600 Für das zweite der in der ursprünglichen Gleichung enthaltenen Integrale ergiebt sich somit der Werth: Ani ahe “ da’ dy' dz Kg € ZS A 4: = Enz, tu à dU r dn ð e Am RÉI E ray d + TF: 2 sl 3 SET 12°) don). 1) An die vorhergehenden Rechnungen schliesst sich eine Bemerkung, welche sich auf eine besonders einfache von Helmholtz gegebene Darstellung von % bezieht; beachtet man dass in dem ganzen von dem Leiter nicht eingenommenen Raum zs 0, so ist‏ لاد S ke? — . Sc Gg 2|? ar, dy de, wo n die innere Normale der Oberfläche des leitenden Körpers in dem Element do, dz, dy dz, ein Element des den Körper umgebenden Raumes bezeichnet. Substituiren wir diesen Werth in der oben entwickelten Gleichung: P = — d 4 (۶ dody عه‎ — 2.58 | dg rdr a 27 dt le 14 EDUARD RIECKE, Substituiren wir nun die gefundenen Ausdrücke in der ursprüng- lichen Gleichung: ph da dy dt — 4n |“ au dy de Ge 1‏ و ml dë dy de. = 0‏ :0 ergiebt sich DE a SEN £ do ا‎ r eray o + SF 2 do) Diese Gleichung wird weiter vereinfacht durch die Umformung ihres letzten Termes. Es ist: Ze BI Za E Ser somit da ot al LEE r we dd d = 1 Ge g 0. Damit ist dann das System der Gleichungen 1; 2.2,2,9, E RE dE QEY KS Y Va von welchen ursprünglich das Problem abhing nms ersetzt durch die Gleichungen 1, DH IH, IV, v ndy: Mathem. Classe. XXI. 1. Een EDUARD RIECKE, II. Integration der für die Strömungskomponenten und für das S Potential der freien Elektricität aufgestellten partiellen Differen- tialgleichungen für den Fall, dass der leitende Körper die Gestalt einer Kugel besitzt. Zum Zweck der Auflösung der im Vorhergehenden gegebenen Glei- chungen führen wir ein System von Kugelkoordinaten ein dessen Zu- sammenhang mit dem System der rechtwinkligen Coordinaten @ | © durch die folgenden Gleichungen bestimmt ist: æ = ọ 608 8 y = ọsin os 2 o sin 9 sin y. Wir führen ferner die Bezeichnungen ein: n nm n—-m.n—m—1 n Ţ or E äi > a 0-2 سح حي‎ 0089 age n—m.n—m—1l.n—m—2.n—m—3 + 2.4.2n—1.2n —3 er E Ch = sm" IP) (cos 9) cos my Sf, = sin” 9 P? (cos 9) sin my. m ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 19 Die Funktionen ¢" Cf, und 0*5, welche homogene Funktionen nter Ordnung von xyz sind, sollen bezeichnet werden als Kugelfunk- tionen nter Ordnung. Für die Grössen X,, X„ und روز‎ sowie für das Potential e der freien Elektricität sollen nun folgende Entwicklungen angenommen werden: X =" Zen, SAS ACC وبر‎ = Č SSES + BC, VD وير‎ = e'209, ECO, FE, e = d' Zeg, SES + PC, Wir haben dann die allein von م‎ abhängenden Grössen py und qn so zu bestimmen dass die Differentialgleichungen E برك‎ dark H — 0 04 4 Ei —+749 — TR سے‎ 0 durch die oben gemachten Annahmen befriedigt werden, und haben über- diess die Coefficienten der für X,. X2» X, gegebenen Reihenentwick- lungen so zu bestimmen, dass die Gleichung erfüllt wird: oz + ge +% Mit Rücksicht auf die bekannte Gleichung : Axy = ا + و + د‎ + 3 2 +; Dga) C2 20 EDUARD RIECKE, ergiebt sich zur Bestimmung von Pn die Differentialgleichung 578 n 2n +2 ER n elro anx p, == 0. Um den auf der linken Seite der Gleichung stehenden Ausdruck zu vereinfachen und um gleichzeitig das Integral derselben in einer zweckmãssigen Form zu erhalten, setzen wir: A? g? 4 77 E en Ri wo durch a der Halbmesser der leitenden Kugel bezeichnet wird; die Gleichung kommt dann auf die Form: Er es 0 Ebenso ergiebt sich zur Bestimmung der Funktion qn die Gleichung = 2n La de; ei E e wo Diese Gleichungen werden befriedi gt durch die folgenden Reihen- entwicklungen für p, und g, wen — _ am) ( P e e e ES FI 1 tamya at 2.4.2n + 3.2n ل‎ 5 ai To e Puw 1 eg o? L een Fag Tg + ei ei ) Zinio nat ae Reihenentwicklungen, ‘welche sich nach Lorberg mit Hülfe Bessel- scher Funktionen darstellen lassen. DER ELEKTRICIT Ä TIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 21 ÜBER DIE BEW Insbesondere ergeben sich für n = — 1 und » = 0 die folgenden Werthe: e e م‎ g* e p-1 = l+ at werten EE 5 SE عن‎ oi oi 4 Beer ere und ganz analoge Darstellungen natürlich auch für g_, und RR Zwischen Funktionen p von verschiedener Ordnung bestehen die folgenden bemerkenswerthen Beziehungen: dP, 0% t (2n + Dp, = Znn, - dP, I yp 320 Mr Tahi Woraus er 1 ag EE E ge Ee FI Part Ganz dieselben Gleichungen gelten natürlich auch für die Funktionen q; nur haben wir in diesen g? zu ersetzen durch 62. Insbesondere sind noch die folgenden speciellen Fälle der vorher- gehenden allgemeinen Formeln zu bemerken: dpo 0 +P, g= p Nachdem durch die vorhergehenden Sätze die allgemeine Form der für y und 9 geltenden Entwicklungen vollständig festgelegt ist, gehen 22 EDUARD RIECKE, wir über zu der Aufstellung derjenigen Bedingungen, welche zwischen den Coëfficienten von %,, %, und z, erfüllt sein müssen, wenn der Gleichung 2 H Co = = ža Genüge geleistet werden soll. Wir machen dabei Gebrauch von folgenden Formeln, durch welche die Differentialquotienten der Funktionen e pS, und "م‎ p, 07 nach 7, y, z, dargestellt werden mit Hülfe ebensolcher Funktionen von anderer Ordnung; diese Formeln sind: 6 n gon 2n.n-+m. es ER | 1 n+l on+1 AA = TESA Ee el TT S سيم‎ Ce مم‎ 5 n 2n.n--m.n— م 1- هو‎ n+1 rn+1 Ep = (Pn e Ch) = TTT Hu 6 + عع‎ bn, 2. 0 n qn Ge SI = EE الصو‎ n-i —1 n—1 n4 1. n=] Pn—1? fn Hmn . n+m—1 Ss, — nm .n—m— 1.8" SS: n+lfan+l 1 er 4 SPa 0 {s T m—1 m+1 a (24e" 0%) = SE, a r n+m—1. er nn —m.n—m—1. CE يو ب‎ a Papl eier - 0 ÜBER DIE N DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 23 3 2 Sln, SI = + n—=m.n—m—l. ع6‎ WIENER .1و‎ 0 er m—1 n n E رب لاقي ل سد جو‎ Zah n+1 +1 +1 CR es EL Ge t dk) z (re c) = BC por WIES? n+m—1l. ST ham. n—m—l. er‏ کو Ke n+l fent) n+1 + اليا اس ا‎ 0 IS", an Se Insbesondere ist für m = 0 SF gleich Null und ebenso auch die Differentialquotienten von Pa 0" So Dagegen ergeben sich für Pn 2” Co die Formeln: ô ]آم‎ - ER م(‎ n 3 6 SE In.n.n —1 n+l 41م‎ سر كك‎ 3 GC F 5 3 A Pa+1 e CG (re) = n+1 ger 1 n—l mn—l 1 we mu h Paat Ci T ابوج يدوو‎ 6 24 EDUARD RIECKE, 6 n mn )ع‎ C SC an. n.n—1 n—1l an—1 tT p n+l anpi ernten. 9; Ta ei Pre BF Mit Hülfe der vorhergehenden Formeln lässt sich nun der Ausdruck 17 oy jis ey TF in welchem x,, ,وز‎ X, durch die Gleichungen VI gegeben sind, wiederum darstellen durch eine nach den Funktionen Pn 0” Sm und p, 0" Ch, fortschreitende Reihe, Soll nun jener Ausdruck verschwinden für jeden beliebigen im In- neren des leitenden Körpers gelegenen Punkt, d. h. für alle Werthe der Veränderlichen ¢, 2 und w, welche im Inneren jenes Körpers mög- lich sind, so müssen in der für GFA ôy Gr, ée eet sich ergebenden Reihenentwicklung die Coefficienten aller Pë Sa und p, ¢” OF für sich verschwinden. Um die Reihenentwicklung selbst in möglichst einfacher Form dar- stellen zu können, mögen folgende Bezeichnungen eingeführt werden Ke =2.n mtl. n—m-+-1.4},, +n+m+2.n+m-+1. Be — ae n+1 n+l —n—m+2?.n—m-41 SEN س‎ o VII) n— | | > Hi = 2 An — Be am ht == {Bm + o ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHENLEITERN 25 Mit Hülfe dieser Bezeichnungen ergiebt sich: سح کے ل فلع + عن‎ e د "ب وص‎ (arms Knp (4B, 0) + gg a Hpi (4 B, Cl, + (amp Kry ABT) + عر‎ G Be (4B, D) CF, Damit also die Gleichung 2 + % en > ên 2 erfüllt werde, sind folgende Bedingungen durch die Coöfficienten A, B, O, beziehungsweise A, B, T zu befriedigen; | e SÉ, 1 ns ريك‎ (4B O) Lamb" (ABO) (VIE. n+1 e SE rar RK, (ABD + و‎ ; Hy (ABD =. Was die Ausdrücke K und H anbetrifft, so sind noch die folgenden speciellen Werthe derselben zu bemerken : Kpy (4BC) = 0. K TE 2.n+1.n+1.4 tr: .n+2. يق‎ eeh K,,,(4B0) = 2n.n42.4,,,4+n+2.n43.(B,,, — GA — 2n.n+1. 0 K,,, (ABT) = 2n.n+2.4 tr t2.n+3. (B, — Fr) — 2n.n+ 1. 2: Milton. Olüsse XXI £ D 26 EDUARD RIECKE, H? (ABC) = 0. H (ABT) = 24 5 — (z! ma E n— n—1 1 1 2 2 0 H 480-314 (B See e re n n—1 n=l 1 1 2 2 RE Hoo خا قف‎ -Ww — JA علد‎ 88 Hi (ABC) = Dt er! Hf (ABC) = 24,7, + (Bi + CH n— n—]1 111. Entwicklung der Oberflächenbedingungen. Während die in den vorhergehenden Abschnitten ausgeführten Rech- nungen sich noch auf leitende Körper von beliebiger Form beziehen können, bildet natürlich für die weitere Ausführung der im I. Abschnitt aufgestellten Oberflächenbedingungen die Annahme der kugelförmigen Begrenzung die nothwendige Grundlage. 1. Wir berechnen zunächst die Integrale des durch die erste der Gleichungen V definirten Ausdruckes: — 1 Q do dry‘) A? d? g dei 4n U, = ŞO E + KEE Es ist, wenn wir an Stelle der Differentiation nach der inneren Normale n der Kugeloberfläche die Differentiation nach dem Radius © treten lassen: DER ELEKTRICITÄTINKÖRPERLICHENLEITERN. 27 ÜBER DIE BE do GN) __ do d 1 S = ` er Ce ا‎ En d SÉ Ban D Setzen wir hier für y, und E ihre e nach Kugelfunk- tionen, so ergiebt sich: 1 مدت‎ deen a ET EE E + ATC Hier bezeichnet _وّم‎ den Werth, welchen diese Funktion an der Oberfläche der Kugel d. h. für ¢ = a annimmt Das Anfangsglied der gefundenen Reihenentwicklung hat den Werth — 914% Die Berechnung des zweiten Integrals d و‎ de mn er ge 0 gestaltet sich in folgender Weise. Wir setzen die Coordinaten des Ober- flächenelementes do o cos F, y A = " — ọ' sin F cosy’, # = ọsin? siny und haben dann: سن عه‎ A dn Substituiren wir ferner für den Werth e welchen das Potential der freien Elektricität an der Oberfläche der Kugel besitzt, seine Reihen- entwicklung, so ergiebt sich e E م‎ e WT E +p” GC cos F. Um dieses Produkt nach den Kugelfunktionen S und C zu ent- D2 28 EDUARD RIECKE, wickeln, haben wir die Produkte S’ cos ¥ und C cos F durch Kugelfunktionen auszudrücken. Es kann dazu die bekannte For- mel benutzt werden: (C7 + isr) —‏ "1.2.0 حل م9 le", rech re (+ el aus welcher durch Ausführung der Differentiationen die ganz allgemein geltende Formel hervorgeht: n re EA .on+1 —m.n+m ([nn—1 n—1 cos (0, + 281 = OH Ament A mente (rt oeh Durch Einführung der hieraus sich ergebenden Werthe von 5 SE und C’cos9, sowie der Entwicklung von + ergiebt sich für das vorlie- gende Integral die Entwicklung: Ara g xt a لشن‎ Fe ہے سے‎ Zs p2 E FEI. de = 4ni e e ni er 0" 2 a m n— —m+l.ntm+1l و‎ m n ©. I T CSR RRC EC S BEE e a r—m+1l.n+m+1 +i n— eh ETI MEST a? dt De Hiermit sind die beiden Integrale, welche in dem Werthe von U, enthalten sind nach Kugelfunktionen des im Inneren der leitenden Kugel willkürlich angenommenen Punktes æ, y, z entwickelt, und es wird sich somit die Entwicklung von U, selbst sofort angeben lassen, wenn der Werth der XComponente der äusseren elektromotorischen Kraft in eine nach Kugelfunktionen fortschreitende Reihe entwickelt ist. ÜBER DIE DERELEKTRICITÄTINKÖRPERLICHENLEITERN. 29 2. Die Integrale des Ausdrucks U,. Ebenso wie bei U, ergiebt ar 1 z a PEGO e y” An b ار‎ 6 : AB S> H B'O? Die Berechnung des zweiten Integrales gid ge dy D PN do r dn erfordert die Entwicklung des Produkts ‚dy' P An nach Kugelfunktionen des Oberflächenpunktes «y z; da a حت‎ — sin Y cosy so ist: Ia gz Les 5” 4 p" C 5 sin F cosy’ Die in dieser Entwicklung auftretenden Produkte S” sin F cosy’ und C” sin 9 cosy’ werden reducirt auf Kugelfunktionen durch die Formeln: . __n+m.ntm—lon—l _ n—m.n—m—1on—1 S, Sin omg = aini DA TEI Iu n41 n+1 + HS; ® ) m—1 : n+m. am In EA n—m.n—m—1l n—1 Cp in doo = TLR TT Zäit EE T SG, 26 Sech m—1 20 EDUARD RIECKE, bei denen der folgende specielle Fall zu bemerken ist H n.n—1 n—1 n+1 Ci Sin decoy = — 0 ek c Mit Hülfe dieser Formeln ergiebt sich: A d? g dy SE E x 1 4 a Ch KC = — 4r SE e 2 zy 0 2 a2 q? cns .n+m+1 Fr+1 __n—m+2.n—m+1 EE n+1\ 2.2n+1.2n+3 n+1 2.9nt1l.In+3 2n +1.2n-+3 Leed g” —1 m--1 | e Hi Deg SE a2 af (et Ach el n—m-+2. 5-5-1 Dain US Ser n+l 2 2.9531 25 LE c” Se 7-1 = CEE - 3. Die Integrale des Ausdruckes Ze Für das erste Integral ergiebt sich: do T zi Ze n n n we BS TT e (ECO, — re Bei der Entwicklung des zweiten Integrales GE ge de dê SE. a d0 benutzen wir die Formeln # o i a i. ntm.ntm—1 „n—1 C sin 9 sin y EES s” n—m.n—=m—l an—i1 m-l EE 2.2n—1.2n+1 23-1 +4 + st!) ÜBER DIEBE DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 31 n s 5 __ n+4m.n+m—l —1 n—m.n—m—lrn—1 S„sindsiny = oT rei E. em Sen Gau KG, - a gr+! m—1 n ٠ . n+1 C, sin sing = — z SÉ BR RR S und erhalten: 4? 0 es A? xt 12 a ا‎ do = — sie Zap .Z 29 (n+m+2.n+m+1 Fort) n—m+?2.n—m+1 1 5 dapi 9 . 21-1 . 20-8 ët + gain Fiyi > SH mm +1 o e In-+m+2. ET at) RE ml vm | dit 2.2n+1.2n+3 Br +- 2.2n+1.2n+3 a g” in) m+1 5 sg A ZE 0 1 T GC Mit Bezug auf die in U, und U, enthaltenen Integrale mag noch hinzugefügt werden, dass die für die ersteren dieser Integrale gegebenen Reihenentwicklungen beginnen mit den Termen: — p? Bo Co und — pl] OC dass in den für die zweiten jener Integrale geltenden Ent- wicklungen die Coefficienten F? ور‎ und We gleich Null zu setzen, die numerischen Faktoren von A „1 und ®, |, dagegen zu verdoppeln sind. 4. Die in dem Ausdrucke V auftretenden Integrale und deren Differentialquotienten. Wir betrachten zuerst das Integral Wd 23 ١ EDUARD RIECKE, dp 1—% A? dë e dr a SC) Se D le A ru) do. Die Ausführung des Integrales erfordert einige vorbereitende Rech- nungen; es ist zunächst nothwendig die Entfernung r des betrachteten Oberflächenelementes von dem im Innern der Kugel angenommenen Punkt zu entwickeln nach Kugelfunktionen, und es ist ausserdem der Werth zu ermitteln, welcher das Potential م‎ der freien Elektricität in einem ausserhalb der Kugel gelegenen Punkte besitzt. Was den ersten Punkt anbetrifft, so ist: r? = a? — 2a0E + oi wo a der Halbmesser der Kugel und 6 = cos? cos? + sir? sin 9’ cos (y — y) Wir erhalten dann: ` Wo Ordnen wir nach Potenzen von «, so ergiebt sich mit Hülfe der bekannten Relation: (Ga) EP (= اس راون‎ i a Pg ze Kä E z5) P” (8) oder wenn wir für œ und é ihre Werthe setzen: rel rer ker oto?) ÜBER DIE DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 33° Hier ist: a (1-3... 2m—1) ° H(n+m) I (n—m) 3 sl e sa Fy || ` Sl: ©: Foi IS Ge a 0 Jo | jnd Was die zweite Aufgabe anbelangt, die Ermittlung des Potentiales Pa für einen ausserhalb der Kugel gelegenen Punkt, so kann man dabei ausgehen von der bekannten Gleichung Be d ga "ei N fr do wo e den Werth des Potentiales in dem Oberflächenelement do, pa den Radius Vector des betrachteten äusseren Punktes, ra seine Entfernung von do bezeichnet. Setzen wir: E — cos? cos? + sin ẹsin F cos (y — il T — (1— 205 + a) t so wird 1 1 a SEN ferner 1 ôT ôT aT (1— g?) T? eeng wor NEE +0; Mit Hülfe dieser Formeln ergiebt sich u 1 a” n (an om من عن‎ A = روطي‎ 5 90+1( La (SF + 0,07) und Mathem. Classe. XXI. 1. E 34 nn RIECKE, Ya mr ang Ar g- ké OG app Substituiren wir die gefundenen Werthe von r und g% in dem zu berechnenden Integral, so ergiebt sich 1# لم‎ 2 , 0 3 S E- a E “| do SC SE < 2 Sra كن‎ 1—k 4? xt In n M on m e 3 ee re 2... م‎ SE8 + Ferner erhalten wir für die Differentialquotienten des Integrals die Werthe: ð ]1-: Ad „dr SEA Seen n1 5 كه‎ See SE RES n—m+1.n+m+1 n n—m+1.n+m+1 < z 2n+1 Fr Sn H 2n+1 d De El = = zs H le $ ر‎ SÉ a a Me "mtl a کر م 2یگ‎ x2 e” Amys mnp? ذ.‎ = 8% n+m+2.n+m+1 m41 Ee ST 1 { 2.2n+1 rn E AH 8, n+m+2.n+m+1 „m+1 n—m+2.n—m+1 „m—1 n a BT Tî l 2.2n+1 GEET AE Ok EENE dd ÜBER DIE BEWEGUNGEN DERELEKTRICITÄTINKÖRPERLICHENLEITERN. 35 1-۸ A و‎ S aga on e ve = 2 = Bn re AT TI . pinti et 2.2n+ en BT Eee ذا مضا‎ m—1| an تر‎ 2.2n+1 Lg Ae = RI n+m+1 al a nt er g” SE | EIS 2.2n+1 2} > Mit Bezug auf diese Formeln ist nur zu bemerken, dass die Coeffi- cienten F°? رربي‎ gleich Null, dass die numerischen Coefficienten von ff zu verdoppeln sind, so dass die betreffenden Terme lauten: n+1.n 0 2n+1 D 5 Für das zweite in V enthaltene Integral und dessen Differential- quotienten ergeben sich die Werthe: a d +) S4 do DE = 711 KE t M on a + Ze 274.1! +, ô do un dx IK E +5) r? An 2114-2 a n` ا‎ n+m+1 m n ا‎ aY 1 d ل ع‎ E E? Za LI Kb tr +2,00} Le ge - - م‎ + Yere. fn+m+2.n+m+lpm+1 ___ et n -m+1 ee: n l 2.2n+1 ee 2.2n+1 n+ TE fn+m+2.n+m+1 ur > n—m Ti SU 6 zb t 2.2n+1 "sti A LER ap EDUARD RIECKE, do en An\ xt „2n +2 a n sl e S + )83 E — (+ Ze Zar: „0.2 n+m-+2.n+m+1 .m+1 et n—m+1 „m —1ı nn N 2.2n-+1 P, F .2n4+1 F TP SE nteti DE ee: n—m+1_ gg — d D, -+ SE Le ' S, > Hiebei ist ebenso wie in den früheren Formeln RK چم‎ 0 und sind die numerischen Faktoren von & n41 gleich — Lei - oder +? SS = Hiemit sind nun sämmtliche in den EE Vr enthaltenen Grössen entwickelt nach Kugelfunktionen des im Inneren willkürlich ange- nommenen Punktes zz mit Ausnahme der Componenten der äusseren elektro- motorischen Kräfte, d. h. mit Ausnahme der Grössen AN. und - 5-a, Für diese letzteren sollen nun die folgenden Entwicklungen als 8°- geben betrachtet werden X ح‎ "aS ب‎ Ch, Y sé Ze ringe + BPO, Z | Er. IB Hd Seel 4 een EE د‎ n eil. att) e 6 EE n+1 Sm E Pati Caj 0Q _ iyn n+m+2.n+m+1 „m+1 ann m—1 oft =. = .2{ a Ian > 2.2011 Saat Sn n+m+2.n+m+1 m+1 n—m+2.n—m+1 ee +i 2.2 7 م‎ IO ar C,, Ces) n+1 2:21 OQ ` وريج‎ n+m+2.n+m+1 „m+1 n—m+2.n—m+1 „m—1 pw e Te er ee faji] n E mit en n—m+2.n—m+1 يه‎ 2-1 IF 2.2n+1 n+1 "ÜBER DIE BEWEGU DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHENLEITERN 37 Substituiren wir die im Vorhergehenden aufgestellten Werthe in den Gleichungen 0 = ج + ,0 = + و0 ,0 = َي + U,‏ so ergeben sich die folgenden 3 Bedingungsgleichungen zwischen den gesuchten Coefficienten der für y und e angenommenen Reihenentwick- lungen und den gegebenen Coefficienten von X, Y, Z und Q. A” ån m ån n—m-+1.n-+m+1 mn a siit A RE 1-8 A 2n+1 Es? m en Ze SE Bn EE == et 2n.2n +2 n—m+i.n+m+1 a F” 2n+1.2n+3° 2-1-1 1سيهو4‎ n+1 An ze ER fn+m+2.n+m+1 „m+1 n—m+2.n—m+1 „m—1 up, AË = = e e 2.2n+1 Int 2.2n-+1 1 A? 1 a = er aE ERT (Me SE - (VIU. E an) 2n.2n +2 a fjntm+2.n+m+1 rtl n—m-2. Ka —1 Sch 1J 2n41.2n4}3tn—1} 2.2041 Far T 2.2n+ A an a 47+ fn+m+?2.n+m+1 m+1 n—m+2.n—m+1 „m—1 2n+1 E و‎ rt 2.2n+1 Jiri r 2.2n+1 Fari 4? +1 +4n7 #5 er fa a eg E An\ 2n.2n+?2 a n+m+2.n+m+1 i KS n—m+1 —1 Ser z) Impi. 2-8 Gai u y FREE Ear 017 Lage Drei weitere Gleichungen für die Coefficienten 4f, By’, IT” ergeben sich aus diesen durch Vertauschung des lateinischen Buchstaben mit den entsprechenden griechischen. Als specielle Fälle der vorhergehenden Gleichungen sind zu bemerken 56 EDUARD RIECKE, 0 0 شك‎ Aw O ån 0 2 0 Bun ën Ze — bet أت‎ E 1 Ži a ån 0م‎ An 9 1 تر‎ RNA EL — («+3 ZZ _1 1 aD An 0 سه‎ 1 9, E 1 let dP Ferner ist zu beachten, dass in den Gleichungen für BE oi D und r die Coefficienten F? LL. e „1 gleich Null zu setzen, die numerischen Faktoren von d, und p? „1 dagegen zu verdoppeln sind IV. Berechnung der Coëfficienten, mit welchen die für das Potential der freien Elektricität und für die Strömungscomponenten gege- benen Reihen behaftet sind. In den beiden vorhergehenden Abschnitten haben wir zwei Systeme von Gleichungen aufgestellt, VIP und VIII, welchen die Coefficienten F und $, A, B, C und A, B, T genügen müssen, aus welchen dieselben zu berechnen sind als Funktionen der als gegeben zu betrachtenden Coefficienten f und 9, a, b, c und «,ß,y. Zu diesem Zwecke können wir zunächst mit Hülfe der Gleichungen VIII die Coefficienten A, B, C eliminiren aus den durch die Gleichungen VII definirten Ausdrücken K (4, B,C) und H (A,B,C). Wir erhalten: 2 8 K1 (4, B,C) = Ana besse E n H AP O= Sg . £ {HF , (abe) — äu) a A n— Za 3 a An) 4n In—2 z er 7) 2n-+1 E e n Pa—2 DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 9 ÜBER DIE BEW und zwei ebensolche Gleichungen mit A RT ef, $ und e Insbesondere ist: Ho (ABD) = H "In, (eB y)— Zeil FRE el de? vg, H, LABO = Era (a, b e) — al a det, 82-1 هد‎ — (+ ورت‎ 2F 2-1 TE, teg - 29} Substituiren wir diese Werthe in den Gleichungen VII”, so ergeben sich zunächst die Werthe der Coefficienten F und #; dann aber auch mit Hülfe der Gleichungen VIII die Werthe von A, B, C und A, RI Wir erhalten: 7 n—1. GER 1 aA I, Te Te et a ga SH. —2 EERTE r ‚(abe) — Zut) n dE Treno 40 EDUARD RIECKE, 3m —1.2n+1 2 1 n 2n.n—1 n—2 a p’ (+2 ++ {Hf eg) — äng, Insbesondere wird : e g 9 © 1 0 éi ح‎ 3. N 5 4n\ 1—1 e ا‎ P1 det 4 EO 1 1 1 "ل‎ = 5 a a Ti (abe) — 20 zë ki r (+ SCH : جد‎ Dy E % | oOo 1 1 1 36 . {H (e67) — 29 d a 1 a VER e CD = E 2-3 Durch die Gleichungen IX sind die in dem Potential der freien Elektrieität auftretenden Coöfficienten unmittelbar gegeben; substituiren wir die gefundenen Werthe von r und p” in den Gleichungen VIL, so sind auch die Coefficienten von X), 4, und z, bestimmt, und wir können damit die Aufgabe das Potential der freien Elektrieität und die Componenten der inducirten Strömungen zu ermitteln, principiell als ge- lösst betrachten. = Es mögen zunächst einige Vereinfachungen der gefundenen Aus- drücke gegeben werden, und zwar durch Entwicklung nach Petenzen von x. Gi 75 D . . ehen wir nur bis zu den ersten Potenzen von x so ist: ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN 41 > ER st 1 A? de ع ركه‎ EE) E Wl Ja ek A Bis zu welchem Grade der Annäherung die höheren Potenzen von x vernachlässig werden können, hängt wesentlich ab von den numeri- ‘schen Werthen der Constanten A und 4 einerseits, der Grösse des Halb- messers a der leitenden Kugel andererseits; es ist aber 1 A o 310740.10° 1 = ee en A 5 247 Ferner ist für das best leitende Kupfer: 1 des 513144.10:? und somit Ee 1 -: 188172 Mit Rücksicht auf diese Werthe ergiebt sich: ER. fı le, PER n GES ån m J e = Ak rt ea eena Insbesondere wird : F Mathem, Classe. XXI. 1. 42 EDUARD RIECKE, 0 6 ب اي 0 1 3 1 0 0 a = tl VW eby) 291) Für den Fall, dass die vorhergehenden einfacheren Formeln an- wendbar sind, möge nun schliesslich das Problem vollständig, bis zu der Aufstellung der Strömungskomponenten u, v, w durchgeführt werden. Wir werden dabei zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden haben, welche eine gesonderte Behandlung erfordern. 1. Die äusseren elektromotorischen Kräfte sind theils elektrodynamischen theils elektrostatischen Ursprungs. 2. Die gegebenen äusseren Kräfte sind rein elektro- statischen Ursprungs. Im ersten Falle ergiebt sich wenn wir 4 vernachlässigen gegen A? = go à 47 1 ån A? E LEE 2 m n— m +1l.n +m +1 rym di TT AE BCT EE m ar 1 4 2 > zë 2 B = Tall- rapi Eaa he 2n + 1.2024 5 3 22 KEE EE (ab 3 nm + 2.n—m +1 rym—1 be 2.2n+1.2n-+2 H, (a — n+m+2.n+m+1 gt) (abe) l An 4 2.2n+1.2n42 °" ee > Tale a?) Së a +1 n—m +2.n-m-+1,7m-—1 be P Taipa EE, ) =| ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 48 Drei ganz analoge Gleichungen ergeben sich natürlich für die Co&ffi- cienten A”, 27 und L sf es ist ferner noch zu beachten, dass in den Formeln für Pi, OC. und B1, und 11 die Ausdrücke Bi (abc) = 0 zu setzen, die numerischen Faktoren von H (ef y) zu verdoppeln sind Die Strömungskomponenten ergeben sich durch die Gleichungen: en | 1:9 حب ب«‎ TI ME ph SE ; L 0'9 o= ptei ا‎ 1 و‎ WET k A? Vernachlässigen wir wiederum 4 gegenüber von ^~ . a?, so reduciren sich die rechten Seiten der vorhergehenden Gleichungen auf ihre ersten Terme, d. h. wir können dann die von dem Potential der freien Elektri- cität abhängenden Antheile der Strömungen vernachlässigen und erhalten „1.2 !1 بي 4ه‎ =) = (x. n—m + 1.n + m +1 سس‎ n m n—m-+l. sini el Ic: lan = 2n+1.2n +2 H, (abc) 3 F e ( By) TEST YT E exe ai SCH ا‎ × w" n+m-+2. n+m+1 H” +! (abe)— n—m+2. SE لل د‎ n +2 8 2.2n +1.2n art 1.2n +2 1 n—-m+2.n—m+1 sd | n + e Fe: عنم‎ y (CBI) وي الي‎ In (fy) 8 F2 44 EDUARD RIECKE, En eo 7 قد‎ p o? fr +m+2.n+m+1 n—m + 2.n—m-+ 11rm—1 n fer — amrimni H, CFT. m Fima H, ahoi, m n+m+2.n+m-+1-7m+1 ١ n—m + 2.n—m +117m—1 n Es 2 —(*,. ge Te Hd If CE RSC ef) fS, In dem zweiten Falle in welchem alle äusseren elektromotori- schen Kräfte herrühren von wechselnder Vertheilung elektri- scher Ladungen, sind die Coöfficienten a, b, c, œ, B, y sämmtlich gleich Null zu setzen und es ergiebt sich daher: wi 1 pm 2n+1 1 4 E عر‎ EEN 1 m ZEI 14 m ea قي‎ e Ef n ES: Für das Potential der freien Elektricität ergiebt sich somit Ferner wird: ae... +2 EE n+m+1 x m n n+1 2n+1 Ee SS CEA B” — — gH 1 jrtm+2ntm+1 ati n—m+2.n—m+1 Ger , Sen n+1'q, 2.2n+1 “A: 221i A £ SS EE n+2 1 لم عدم‎ EE Sr Ss "eil 22 E 2901-1 7+1 ÜBER DIE BEW DER ELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 45 und ganz analoge Formeln ergeben sich für die Coöfficienten A”, RI und d . Für die Strömungskomponenten ergeben sich schliesslich die Werthe: In+2 n ER 2‏ سد بو Dé a iu peniki ا‎ m Bir . Un+i +9,10) nr oder ta 1 ` Zntë a t= — SÉ = a; n—m+1.n+m+1[,m gd 2 2n +1 Vs4+1 B Let m x 1 2n+3 n v = — xe Ee e SE n+m+1_,m+1 un n—m+1 ار‎ EH .2n +1 datt 2.2n +1 اول‎ S, 2 n+m+2. n+m+1 ME n—m ل‎ 2 .n—m +1 941110 TEETE EF n+l EWEN Papi = 2n +3 D سے جه‎ gd E SS 1 +2.n-m+1 ,m—1 ا‎ tm HEH eG — : 1 #41 nm +2. nm +1 KE لت‎ Pahi T 2.241 Iny Sm 46 EDUARD RIECKE, V. Entwickelung der. von einem schwingenden Magnet ausge- übten elektromotorischen Kräfte. Mit Rücksicht auf die folgenden Entwickelungen erscheint es zweck- mässig dem Coordinatensystem, über dessen Lage bisher keine speciellen Annahmen gemacht worden sind, eine bestimmte Stellung zu ertheilen. Wir werden die X Axe desselben mit der Richtung der horizon- talen Componente des Erdmagnetismus zusammenfallen lassen; die y Axe nehmen wir vertikal nach oben, die z Axe nach Osten gerichtet. Der Magnet, durch dessen Schwingungen die äusseren elektromotori- schen Kräfte hervorgerufen werden, sei an einem vertikalen Drathe auf- gehängt, so dass die Schwingungen desselben in einer der عن‎ Ebene parallelen Ebene erfolgen, für sämmtliche Punkte desselben die der 3 Axe parallelen Geschwindigkeitskomy ten gleich Null sind; die mag- netische Axe des Sheet Stabes sei horizontal, so dass wir den- selben in seiner Wirkung ersetzen können durch zwei von einer Hori- zontalen Linie getragene Pole + u und — u in gleicher Entfernung von der vertikalen Drehungsaxe. Die Entwicklung der elektromotorischen Kräfte werden wir weiter vereinfachen durch die Annahme, dass die Weite der von dem Magnet ausgeführten Schwingungen so klein sei, dass wir die während der Schwingung eintretende Aenderung der Coordinaten der beiden Pole vernachlässigen können; die elektromotorischen Kräfte werden dann le- diglich abhängen von den Geschwindigkeiten, welche die beiden Pole den verschiedenen Phasen der Schwingung entsprechend besitzen, wäh- rend ihre Lage als unveränderlich betrachtet wird. Gleichzeitig ergiebt sich dann, dass wir die in Wirklichkeit kreisförmige Bahn der beiden Pole ersetzen können durch eine geradlinige; da aber die magnetische Axe in der Ruhelage der X Axe des Coordinatensystems parallel ist, ÜBER DIE DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 47 so sind die beiden geraden Linien,in welcher die Pole des Magnets ihre schwingende Bewegung ausführen, parallel der # Axe, und es sind somit Ta e ` d Se) A ER A die der x und y Axe parallelen g p gleich Null zu setzen. Betrachten wir nun zunächst die von dem Nordpol ausgeübten elek- tromotorischen Kräfte; die Coordinaten desselben seien © b,, Cc, seine Geschwindigkeit in der Richtung der z Axe sei w,. Die Coordinaten des Punktes für welchen die elektromotorische Kraft bestimmt werden soll, seien v, y, z; für die Entfernung der beiden Punkte ergiebt sich dann; 2 A gen Bar we Fr)” Unter diesen Voraussetzungen erhalten wir für die Componenten der in dem Punkt g, y, z inducirten elektromotorischen Kraft die Werthe: x, = «مه-‎ EU سام‎ Ae Z= 0 Bezeichnen wir den Abstand der beiden Pole von der Drehungsaxe durch ð, den Drehungswinkel gerechnet von der der x Axe parallelen Ruhelage an durch ري‎ so ist dp w E d 3 EZ Für = machen wir den Ansatz dp xt u > Dxze 48 EDUARD RIECKE, und erhalten dann: X es zo "AusDx;.|,) ro e“ A u0 Dx h) Bezeichnen wir die Coordinaten des Südpols durch a,, b,, Co, seine Entfernung von dem Punkt ,نه‎ y, z durch r,, so erhalten wir die von demselben ausgeübten elektromotorischen Kräfte, wenn wir in den vor- hergehenden Ausdrücken an Stelle von u und w, stubstituiren — 8 und — w,, an Stelle wie r, die neue Entfernung r,; es ergiebt sich somit: on — č Aud Daz (>)‏ ر Ba and De SL‏ Für die früher durch X, Y, Z bezeichneten Gesammtkomponenten der äusseren elektromotorischen Kraft baben wir dann: sex T A Y = r+ Y, عد بر‎ o Um nun mit Hülfe der in den früheren Abschnitten entwickelten Formeln die durch die Schwingung des Magnets im Inneren einer Jei- tenden Kugel hervorgerufenen Strömungen der Elektrieität zu bestimmen, haben wir die obigen Ausdrücke zu entwickeln nach Kugelfunktionet der im Innern der Kugel gelegenen Punkte x, y, z. Führen wir, ZU diesem Zweck Kugelkoordinaten ein mittelst der Formeln: a, = d cose, 6, = d, و6080‎ b, = d, sing, cosß, b, = d,sine, cosß, c, = d sine, sin 8 6, = d, rina, sin و‎ ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN 49 نت ۾‎ 008 y = ọsin و0‎ y z = pesin 9 sin so ergeben sich die gesuchten Entwicklungen mit Hülfe der Gleichungen : >= z î Zo, (Zim Sn F Tin 0) SE SES Fa (Zan Sh + Ton cl wo Zim = sin” æ, P” (cose,)sinmß, ye — sin" a, Ph (cos ¢, ) cosm Û, Lan = sin” æ, Pr (cos eg mB, ka = sin” e, P” (cos @,)cosmß,. Um die Rechnung nicht unnöthig zu verwickeln, möge dieselbe für eine ganz beliebige Lage des schwingenden Magnets nicht weiter ver- folgt werden; wir gehen vielmehr sofort über zu der Betrachtung ge- wisser einfacherer Fälle, wie sie den besonders ausgezeichneten Stellungen des schwingenden Magnets entsprechen. Mit Rücksicht auf die beson- dere Wahl des Coordinatensystems ergeben sich leicht zwei solche Stel- lungen: I. Der Mittelpunkt des schwingenden Magnets liegt in der yz Ebene. | U. Der Mittelpunkt des schwingenden Magnets liegt in der x Axe. Im ersten Falle, welchen wir zuerst weiter verfolgen wollen ist Mathem. Classe. XXI. 1. G 50 EDUARD RIECKE, Wir setzen — sin” e Kg (cos œ) + ph (— cos 9 sinmß m 1m = sin” e Ke (cos e) + $” (— cos ۵) cosmp. und erhalten dann: X — ع‎ Auer tmt n+m+1 a” +1 Seren n—m+2.n—m+1 ar+! Se g” an+2 2.2n +1 ett ett o. ك‎ 1 ni m $ AudDx jn tm +2. n+m+1 er pet! El ët ا‎ m+ 2.m+1 RR obl ERC a د کک Y=‏ AudDx n—m+1i.n+m+1,n+l1 srg ES n+1 m “m m e Aud Dx n—m +1.n+m+1 ët n+1 Bi T g++ 2n +1 e Ca Vergleichen wir. diese Ansdräcke mit den, fräher far die Conia nenten der äusseren elektromotorischen Kraft gegebenen Entwicklung?” ÜBER DIE BEWEGUNGEN DERELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 51 XK اعد‎ di Ze Ea TS + wë Po d Ee ER A EC, so erhalten wir für den betrachteten Fall, in welchem diese Componenten von den Schwingungen eines an einem vertikalen Drathe aufgehängten Magnets herrühren, die folgenden Werthe für die Coöfficienten a, æ, und b, 8 : GR eh a" +! et: ce een m+1 +1 n ar+?2 | unit. SE art yn+1 Ze m—1' n+m+2.n+m+1 n+1 "+1 E au] 2.2n +1 An+1 m+1 n ar+2 n—m+?2.n—m+1 n+1 pr+1 2. än +1 "e CC m عب "ل‎ AudDx n—m+1.n-+m+1 n+l ent) لض .م‎ GES "Te “m ST _ AudDx n—m+1.n+m+1 n+lpm+l1 5 Ae g+2 2n +1 “m m Ebenso wie bei früheren in ähnlicher Weise gebildeten Ausdrücken sind die in a, und b? auftretenden Grössen Cé ess D zu setzen, die numerischen Faktoren von n+1 d in den Ausdrücken für e zu verdoppeln. 52 EDUARD RIECKE, Wir werden nun den Fall, dass der Mittelpunkt des schwingenden Magnets in der yz Ebene gelegen, ist, wiederum nicht in seiner ganzen Allgemeinheit behandeln, sondern werden die vollständige Lösung des Problems wieder nur in zwei besonders einfachen Unterfällen durch- führen, nemlich I. Für den Fall, dass der Mittelpunkt des schwingen- den Magnets in der y Axe liegt. I’ für den Fall, dass dieser Mittelpunkt auf der z Axe gelegen ist. - In dem Falle P ist f = 0, somit auch 2 D dagegen I. اهم د‎ KN (cos el + P” (— cos eil Somit auch I” — 0 wenn n—m ungerade. Es ergiebt sich hieraus, dass in dem Falle 1° alle Coöfficienten a verschwinden, und dass ebenso alle Coöfficienten e. gleich Null sind für welche n — m ungerad ist. Aus demselben Grunde sind auch alle Coöfficienten b gleich Null, während von den Coöfficienten B” diejenigen verschwinden, für welehe n— m eine gerade Zahl ist. In dem Fall I’, in welchen der Mittelpunkt des schwingenden Magnets in der z Axe liegt ist. = || ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN 53 somit : Ce — sin”« Ka cose + pr (— cos a) sin E ea 8 Ka cose LB ) cosa)) cos Es ist somit Zz” gleich Null für m = 0, 2, 4 und fürn = 0, 2, 4 la gleich Null für m = 1. 3,5 und für n = 1, 5 Es ergiebt sich hieraus mit Rücksicht auf die allgemeinen Formeln dass die Coöfficienten a, gleich Null sind fürn = 1, 3, 5 . . .; die Coëfficienten @” gleich Null für n = 0, 2, 4 . . . Ausserdem sind aber die Coöfficienten a” auch gleich Null für m = 1, 3, 5 die Coëfficienten e für m = 0, 2,4 . . Die Coöfficienten b” sind eich Noll -far ne LO p a -und fürm = 0, 2,4 die Coëfficienten p” Aras 094.4 und farm = عل‎ 5. Wir gehen über zudem Hauptfall II, in welchem der Mittelpunkt des schwingender Magnets auf der X Axe ge- legen ist. Betrachien wir wieder zuerst die von dem Nordpol des schwingen- der Magnets ausgeübte elektromotorische Wirkung so haben wir in den früher gegebenen Ausdrücken den Winkel a, gleich Null zu setzen; es reduciren sich dann die von der Bewegung des Nordpols herrührenden Componenten auf die einfachen Werthe: 54 EDUARD RIECKE, CG E n 1. 5 . . . 2n—1 Aud Dx X =e 20790 تسوس‎ .n SE 1 E E . 2n—l And Dx e Lë Lech Zen 15 SE eck 00 Was die von dem Südpol ausgeübten Componenten anbelangt, so werden dieselben sich verschieden gestalten, je nachdem der Südpol auf derselben oder auf der entgegengesetzten Seite der æ Axe liegt wie der Nordpol. Wir werden dem entsprechend auch den II. Hauptfall wieder zerlegen in zwei besonders zu behandelnde Unterfälle. IF, der Südpol des Magnets liegt auf derselben Seite der æ Axe wie der Nordpol. II. Der Südpol des Magnets liegt auf der entgegen- gesetzten Seite der & Axe wie der Nordpol, aber in glei- chem Abstand vom Mittelpunkt des Coordinatensystems. In dem Falle II° erhalten wir die von dem Südpol ausgeübten Componenten einfach durch Vertauschung von d , mit dem Abstand d,, welchen der Südpol von dem Mittelpunkt des Coordinatensystems besitzt, für die Componenten der von beiden Polen zusammengenommen ausge- übten Wirkung ergeben sich demnach die Werthe: X = EE ا‎ DS alt n Koa n 1.3..2n—1 1 )% e Ze npl E Stiet KS. ب‎ ar 0 1 ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN 55 Die für X und Y früher angenommenen Reihenentwicklungen re- duciren sich demnach auf: n wu, | > م5 2 حك‎ ec, è Y ا مد‎ n 0 und es ist: 1 1-28 تسوه ج‎ 1 1 e Ze RER hl les tel 1 2 äs 1 ES حب‎ a SE: dE Ee E, D e Ari Del, + z) 1 2 In dem Falle II‘, in welchem die beiden Pole auf entgegenge- setzten Seiten der X Axe in gleichem Abstande vom Mittelpunkt lie- gen, ist: d, == d, وه‎ = 180°. Für die Componenten der vom Südpol ausgeübten elektromotorischen Kraft ergiebt sich somit: 56 ; EDUARD RIECKE, 1.3..9n—1AyudDx JITE 0 Tas n n+1 „ a, EE 20 )-1( ٠ Be er SE 6 n+1 1.3.. 2n—1AudDx mn Y = © 20 py EE RE Die Componenten der Gesammtwirkung werden: a M nfin+1 prr . 8 . . 2n—1 Aud Dz mn x = "o| m: In. m e ess EE SE n{,n+1 ur . 90-1 Aud Dx E di Se +( \n+1.- ا‎ deeg O, Setzen wir wieder xt 1 SS A 20°0,C, xt n 0م‎ mn 2 كد‎ wë 8. Ci so haben die Coefficienten œ und Û die Werthe 1 n+i1 IE n— x 3 E | ( 1 ) g س‎ er . ne 0 + "+ —1 Auð Dz wf pt? es verschwinden also alle Coefficienten mit geradem n. ; ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 57 VI. Allgemeiner Ausdruck für das Drehungsmoment welches von irgend welchen in der Kugel vorhandenen Strömungen auf den schwingenden Magnet ausgeübt wird. Wenn, wie wir diess auch im Vorhergehenden angenommen haben die Bewegung des Magnets nur in einer äusserst kleinen Schwingung um die der X Axe parallele Ruhelage besteht, so werden wir von den Kräften, mit welchen die in der leitenden Kugel erregten Schwingungen der Elektricität auf den Magnet zurückwirken, nur die der Z Axe pa- rallelen Componenten zu berücksichtigten haben. Bezeichnen wir die Z Componenten der auf den Nord und Südpol des Magnets ausgeübten Wirkung durch Z, und Z,, so ist dann das auf den Magnet ausgeübte Drehungsmoment 4 gegeben durch: 4= 4 Lë, + 2,). Wir betrachten zuerst die Componente der auf den Nordpol ausgeübten Wirkung. Bezeichnen wir wie früher die rechtwinkligen Coor- dinaten des Nordpols durch .ره‎ bi, €,, die Coordinaten eines beliebig im Inneren der Kugel angenommenen Punktes durch ,نه‎ y, z, die Com- ponenten der in demselben vorhandenen Strömung durch v, v, w, so ist die Z Componente der auf den betrachteten Pol ausgeübten Kraft ge- geben durch: 1 al BCEE u A ee da dy dz oder, wenn wir für u und v die früheren Werthe substituiren : Mathem, Classe. XXI. 1. H 58 EDUARD RIECKE, 1 al ol, 9 M > و‎ luya die von allen in der Kugel vorhandenen Strömungen zusammengenommen ausgeübte Z Componente erhalten wir, wenn wir den vorhergehenden Ausdruck über das ganze Volumen der Kugel hin integriren; wir er- halten somit: A د‎ dee ed u ks وج‎ W dy dz Um die Integrationen auszuführen, setzen wir an Stelle der in den Integralen enthaltenen Ausdrücke ihre Entwicklungen nach Kugelfunk- tionen: a IM n 4 mn Zu =e Z0 p >s S FAC, u - 2 2 Ban (71 Im-+1 2.20 +1 1 N Sm et 81011041 gnti ` n—m+2.n-m+1 at) ent Fm+2.n+m+1 o1 n+1 n—m+2.n—m+1 n+1 pn+1 ee = 2.0041 KR Lee S. änt 1 اي‎ dp et xt n Man 1 = Zep EES + BIC, Zei JL gnm+1l.n+m+1 n+lfontian +‏ ال u : 2n+1 Ba (7. Sn + F ch‏ = = ÜBER DIE BEWEGUNGENDER ELEKTRICITÄTINKÖRPERLICHENLEITERN. 59 Hier sind die Ausdrücke 27 und IL. ganz ebenso wie früher zur Abkürzung gesetzt für sin” a, P” (cos ¢, ) sinm f, und sin” e, P” (cose, )cosmf,. Endlich haben wir in den Integralen auch noch für das Volum- element seinen Ausdruck in Kugelkoordinaten zu substituiren : 02 sin H 089 dw dọ. Wir erhalten: al \z. a, de dydz - xt ån 1 fe 2n42 ' i e Fanga 0 p, de. E ! 0 n+l n+1 a Intm+2.ntm+1 mti g41 کا ا سے‎ ent? n | 2.2n +1 14-1 2.2n +1 a اوا‎ EA j n+1 m |ntm+2.n+ m+1 mti at Steet een > S \ 2:mfI n 1m41 ati min m m Die Werthe der Grössen a”, sind schon früher angegeben. Die Werthe von a sind Null, die numerischen Faktoren von es sind zu verdoppeln. Für das zweite Integral ergiebt sich: H2 60 EDUARD RIECKE, 1 5 r E ån 1 (° 2n+2 |z: = dadydz = e Z rî el 0 Pn do 1 n+l E mt. et m 2 Mr: en m m 1 BE 0 Im n Mit Bezug auf die weitere Ausführung der Integration können wir bemerken, dass nach einer früher entwickelten Formel m42 a dP, 2ه 1 دير‎ e P. d = | tetar a] a u 2n+2 Pn — Pel? de f’ Somit +2 7 u ED Er Ur fe د‎ Ta ze de. —- mp2? Pott, Es ist ferner + all E EE mt وو‎ TFT an n+m+1l.m+m+2’ ,n = n-m-+1.n—m+ 2 m Š a” +1 m SE 2n +1.2 +1 a” ~ n4m+I.n—=m+l1 m n-+1 n+l 2 و‎ Bir % n >a 1 MELEE "n+ln+2’ n م‎ Sg TT ET 0 Di ÜBER DIE BEW DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 61 Mit Hülfe dieser Formeln ergiebt sich: WK 1 at A Lé ES xt 1 WI ah = dæ dydz == Ae are Lef n+1 n+1 m n+1 +1 m z E e | يك‎ SÉ ln ee jar 1 u A "i ا‎ 1 BE 5 m<çn+1 mywn+l 2n+2 ° art? Papi ZB, Em ap B, 5 1 AS 0 Zu bemerken ist bei diesen Gleichungen, dass der Faktor von A, zu verdoppeln ist; im Uebrigen besitzen die obigen Formeln unbe- schränkte Gültigkeit, insbesondere findet also keine Verdopplung des numerischen Faktors von rl statt. Die Z Componente der auf den Nordpol des schwingenden Mag- nets ausgeübten Wirkung ist gleich der Differenz der beiden im Vor- hergehenden berechneten Integrale multiplicirt mit dem Magnetismus desselben; multipliciren wir noch mit dem Abstand des Nordpols von der Drehungsaxe, so erhalten wir das auf denselben ausgeübte Drehungs- moment: Int xt I 8 a a= Aude FFE Bn: 1 n+1 wo n+1l pm la, re 14, im B, 1 +1 m _yntl p" sch E es 14, Din n 62 EDUARD RIECKE, Durch eine mit dieser vollständig analoge Formel wird natürlich auch das auf den Südpol der Magnetnadel ausgeübte Drehungsmoment gegeben sein, und wir werden dann durch Addition den einer ganz be- liebigen Lage des Magnets entsprechenden Ausdruck des gesammten Drehungsmoments erhalten. Wir werden indess ebensowenig wie im vorhergehenden Abschnitt auf die Berechnung der diesem allgemeinen Fall entsprechenden Formel eingehen, sondern werden die weitere Durch- ~ führung der Rechnung beschränken auf dieselben speciellen Fälle, welche im vorhergehenden Abschnitt näher betrachtet worden sind, lm ersten Falle, in welchem der Mittelpunkt des schwingenden Magnets in der yz Ebene gelegen ist, ergiebt sich für das gesammte Drehungsmoment der Ausdruck: 2n+3 des dni y | E = 2n-+2 ar Pati 2 n+l n+l} ym n+1 pm +1 n+l} m n+l pm Hier ist ebenso wie im vorhergehenden Abschnitt : 2 = Sne Ia cos ¢ + $” (— cos el sin am m m m re IB}, cos ¢ + $” (— cos a) l cos m f Der erste Hauptfall, auf welchen sich diese Formeln beziehen, wird dann wieder als besondere Fälle diejenigen in sich schliessen, bei welchen 8 — 0 oder 3 d. h. bei welchen der Mittelpunkt des schwin- genden Magnets auf der y oder z Axe gelegen ist. Die diesen beiden Fällen I und D entsprechenden besonderen Werthe von X und D sind schon im vorhergehenden Abschnitt angegeben worden. ÜBER DIE BEW DERELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 63 Als zweiten Hauptfall bezeichnen wir wieder denjenigen, in welchem die beiden Pole des schwingenden Magnets auf der x Axe ge- legen sind. Betrachten wir auch in diesem Fall zunächst die auf den Nordpol ausgeübte Wirkung, so haben wir für die Coordinaten desselben zu Setzen: d= Gëss Gleichzeitig ergiebt sich, dass die Werthe von Z alle verschwinden und ebenso die Werthe von i mit einziger Ausnahme von E für diesen Ausdruck ergiebt sich: n n 13.5.8 و‎ eg 8, (1) me ER e e Für das Drehungsmoment, welches von den inducirten Strömungen auf den Nordpol des Magnets ausgeübt wird, erhalten wir den Werth: xt n+l ۾‎ 1 A, = — Aude Fur Pati Ze T + ART EN Bei der Berechnung des gesammten Drehungsmomentes unterschei- den wir wieder die beiden Fälle, in welchen die Pole des Magnets auf derselben Seite der v Axe, oder auf entgegengesetzten Seiten symme- Lisch zum Mittelpunkt gelegen sind. DÄ EDUARD RIECKE, u In dem ersteren Falle ergiebt sich für das gesammte Drehungs- moment der Ausdruck: 1 1 1 2n+3 a 2n+2 (sr SC m+2 1 2 9 Panti A = — Aude > n+l p0 n+l 1م‎ A B, + zT 4, }- Il’. Wenn der Südpol in derselben Entfernung vom Mittelpunkt auf der anderen Seite der æ Axe gelegen ist, wie der Nordpol so ist: ea, = 180°, Also Ba = Bt D Lo H Da Für das Drehungsmoment ergiebt sich der Werth: Së xt 1 a?n+3 a حت له‎ — Apte Eaa gra Pnp | (1 a BH e kt Ay. ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN 65 VII. Berechnung der Componenten der inducirten Strömungen für den Fall, dass die elektromotorischen Kräfte durch die Schwin- gungen eines Magnets hervorgerufen werden. Die Componenten der in unserer leitenden Kugel inducirten Strö- mungen werden vollständig gegeben sein, sobald wir die Coöfficienten A, B, C und A, B, T der für jene Componenten angenommen Ent- wicklungen ausdrücken durch die Coöfficienten a, b, c und ©, 8, y deren Werthe in dem Abschnitte V gegeben worden sind. Ebenso wie wir dort die Werthe der Coöfficienten a, b, c und ©, ß, y nur für gewisse specielle Fälle berechnet haben, so werden wir natürlich auch jetzt die ihnen entsprechenden Werthe der Coöfficienten A, B, C und A, B, T nur für dieselben Fälle anzugeben im Stande sein. Wir betrachten zu- nächst den Fall I, in welchem der Mittelpunkt des schwingenden Magnetsin der yz Ebene gelegen ist. Die Werthe der Coefficienten A, B, C, A, B, T welche diesem Falle entsprechen ergeben sich, wenn wir die im Abschnitt V gegebenen Werthe von a, b, c, œ, f, y substituiren in den Gleichungen, welche im Abschnitt IV für jene ersteren Grössen entwickelt wurden. Zunächst erhalten wir: q1 $ F H” (a,b, o) Aud Dz (n +m ويه )2 سل‎ (d Ee ال‎ n+1 „(abe dt? | _m —m+2) eg ar a1 n+1 Hg” AudDx m+m+2)9,41 = ul zer: ا‎ vi) Heer I Mathem, Classe. XXI. 1. 66 ` EDUARD RIECKE, In dem Ausdrucke für H (e By) ist der numerische Faktor von p zu verdoppeln. Mit Hülfe der vorhergehenden Gleichungen ergiebt sich: m An) 4r 4 „ \AudDx A, Sach ( 2.2n +1 1 x) EES 2n+ 1 a n (E + Lé 7 EEL e a und ebenso 1 An 4? A uO Dx = $ rp n A ee er rn 2n-+1 a 1 n+1 desch m E F Je Gleichungen, welche für alle möglichen Werthe von m und n gelten. m An 1 dan 4? AudDx en هسه 4 بدا‎ nn nn ug? B | TE E EE x) +3 Kai g” n-+1 n n+1 2. ET y m (n Eer Se Sai" 35 (n T m) Ce =t N eh‏ كر n Loe isn pn‏ Zi a nl, Län H Hm ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHENLEITERN 67 Insbesondere wird ; ån E, E ER AE malda Sa E FF x) EES “ti s “+ SE? Bees +I ) B! E An 1 1 in 4° ais SCH e Ä Ge 2.2 +14 e art Za LI n n+l n+1 eiert 0—13 +@+12, } SE 1 An A a =. س‎ IETT T FA A , \AudDx ER e Zn El 1I + + a7} in E in 4 2% Zr sc Ces 2.201 1 e 2n — 1 ap 1 (a—2) sent) ck In SEN : WER 2 4 a? x) Aud Dis A =*. E SST an+2 n +1 HL Ha + دع‎ 2101 12 ee ` EDUARD RIECKE, Für die Componenten der Strömungen in der Richtung der Z Axe ergeben sich folgende Werthe der Coefficienten: m ån 1 ån 2 | فرك‎ Dx Ca 3 SE 2. Fire ee an+2 n+] n n+l +1 E m Eig — EE nd ganz analoge Ausdrücke für die Coefficienten LS ` Wir gehen über zu der Berechnung der Strömungskomponenten für die beiden andern Fälle, in welcher die Pole des schwingenden Magnets auf der X Axe gelegen sind. Fall Il. Beide Pole des schwingenden Magnets liegen auf derselben Seite der X Axe. | In diesem Falle wird: 1.3 . . 2% — 1 1 («ßy) O i Dsl gat 27) 1 He) = Gs F T Sak Für alle übrigen Werthe von m und n sind die Funktionen H gleich Null. Es ergiebt sich hieraus: nr In m 1 4 — Sekt egen dän 2) وس‎ zA) ÜBER DIE BEW DER ELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHENLEITERN 69 B? = -y en 1 £ "a? x) م2‎ ER: + z7) WEN CC ee 1 ui Beleg T a7) n. nl TIO. e ER. mm pa E fe | | EJ D E je za و‎ + a) n+2 1.3. WEN Ge ee SF Eegen „n ån 1 SEH Ta: däs Del: + zl .n—1 1.3. ut ee u a nr E 3. s5 Fall IP. Die beiden Pole auf entgegengesetzten Seiten der XAxe in gleichem Abstand von Mittelpunkt. Es wird Hebr = WI + + (1)2 .2n 4+1. E . 2n — 1AudDx lL. SÉ , 8 SECH Je et vs. 4n 1 1)1‏ ا WE?‏ چو SH‏ .2 WE Ll- 2. Ee "+1 1.2: 3. EDUARD RIECKE, 70 0 n+1 n+1\ 4” (1 d AudDr = ل‎ He) Dien 1 ل‎ n 1.3... 2n—l SC e Ser? U. S. W. 5111. Das von den inducirten Strömungen rückwärts auf den Magnet ausgeübte Drehungsmoment. Fall I: Der Mittelpunkt des schwingenden Magnets liegt in der y z Ebene. Substituiren wir die in dem vorhergehenden Abschnitt ge- gebenen Werthe der Co£fficienten A, B und A, B in den Formeln des Abschnittes VII, so ergiebt sich für das Drehungsmoment der Ausdruck: d = o Dx”. 5 2n+1 8a tegt سي‎ E Get zl 21-1 .2-+ 5 S ger). > n +1? n+ n+1 çn+1 7 per 41 ا عه‎ SE (n—m) È n42 m m FEIN. CaF bi mir" +!’ __ pm En dë m) Int, pr 9F A TR = ÜBER DIE BEW DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN, 71 Entsprechend den einzelnen Werthpaaren von n und m können wir das ganze Drehungsmoment entwickeln in eine Reihe von der Form: 1 1 0 ...+ د أله ل إل + رلك a=‏ und erhalten dann für die einzelnen Terme die folgenden speciellen Werthe: 0 ER == 9, 1 4 (5# Sa A Ay = 4° Dsg Cell ج‎ eis 1: E 2 2 -Qo To ra +r) A? tS g 8n 4? A = nd Dad sn enee 1 48 كن‎ 92 NÉE ee A fa; (22 23 + 42, 2;) + o (Fa Ts ا‎ A? st Bb a 8n A و‎ dy = شرح 40س‎ Dad le 0 f. AE a۰2 rr 2 قير‎ Zb a? 8n Æ a 4 = Anz u d Dad a )1-- وج‎ gg 2 (03 <3 3 <3 3 ` e (23 و2 + وله‎ 2, t12 >) 21.8.8 3.8 Ss a 3_8 +a; (FF; — vir 2 ers Sr A a 4 = —4n مر‎ Deg ees )1-- 291 6 a? [2 (28 23 — 2 2i) +423 23] S E (rs Rr Re 72 EDUARD RIECKE, Gë 2 ¢2 Ea Sr A? 2 EN — 44 م‎ E (Img 2878 . 00.8 (r DE k 4 = —4n uo Das کے1 اا چ‎ £ 4 <4 4 AL <4 ae z] -a I0 SE Io A a aa A = Aa 02 Dxe ar 1-57, 2 4.04 4 <4 A wei 3 2 (2; 25-3 1 2ı) + & ‚+63)3 2 ER SE? 4 +2 (r; و‎ Tiri) + (E; 4 + 6T4 + 5T); E 4 u YF Sa A? 4, = —4nZ— E Dre Bun Jo 17%) | 44 4 wei ei 5 3 (2; 2; — 23 23) + 6 (25 + 2i) 25 3 Hl) يع) 6 د‎ ri) ie Allgemein wird: A = STEE vd 2n+1 an+ 2 8a E ax 9 Dxe“ In+ 2.903 mF l —+1.2n+5 4 ) n n+1 n+1\ „n+1 dë Fo IT, EE e éi ESET 2 Kies on +5 4 n Antti EAR 1 -1 1 Hm nit + (Bn +1) TT) sit 1 +r ege SH SR vn wë pet! + (n—1) (rj tt ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 73 Die übrigen 4, werden durch das allgemeine Glied des zu Anfang für 4A aufgestellten Ausdruckes gegeben. Die den specielleren Fällen Ia und Ib entsprechenden Werthe der A” ergeben sich durch Substitution der im Abschnitt V gegebenen Werthe von 2” und I”. m m Fall ILa. Beide Pole des Magnets liegen auf derselben Seite der X Axe. Wir erhalten: d= — dm I wD n.n an+3 | 1 2 ( ET A ) Zimy my’ n zl I zap ak ds 1 2 Fall IIb. Beide Pole auf der X Axe symmetrisch in gleichem Abstande vom Anfangspunkt. Es ergiebt sich: أ ير (1[ 02 غير A = —4n%‏ a2” +3 Sa A = 1) EE SC zi In +1.20+5 4 a? x) Mathem. Classe. XXI. 1. K TE EDUARD RIECKE, IX. Die Bewegungsgleichung des schwingenden Magnets. Die Schwingung der Magnets wird bestimmt einmal durch die auf denselben wirkende Directionskraft, welche theils von der horizontalen Componente des Erdmagnetismus, theils von der Torsion des Aufhän- gungsdrahtes herrührt, und welche bezeichnet werden möge durch T; andererseits wird die Bewegung gedämpft durch die Rückwirkung der in der leitenden Kugel inducirten Strömungen; das von diesen letzteren herrührende Dehungsmoment können wir uns entwickelt denken in eine Reihe, welche nach den aufeinander folgenden Differentialquotienten des Drehungswinkels nach der Zeit fortschreite. Wenn wir von dieser Ent- wickelung nur die beiden ersten Glieder berücksichtigen, so können wir dieses Drehungsmoment darstellen durch den Ausdruck PBS dp Pit 0 und wir erhalten dann für die Bewegung des Magnets die Gleichung d? 0 (K— Q) TF a Pa + T.y e=-9 wenn K das Trägheitsmoment des schwingenden Magnets bezeichnet. Es ist die Gleichung der Form nach vollkommen identisch mit der be- kannten Gleichung der gedämpften Schwingung; und es übertragen sich somit auf die Bewegung unseres Magnets die bekannten Beziehungen: "a u EE Fp sr Ban: T? un 2 das logarithmische Dekrement, r die Schwingungsdauer des 5 dämpften Magnets. ÜBER DIE BEWEGUNGEN DER ELEKTRICITÄT IN KÖRPERLICHEN LEITERN. 75 Es bleibt schliesslich noch übrig die Bestimmung der Grossen P und © entsprechend den Bedingungen des von uns behandelten Problemes. Mit Bezug auf diese letzte Aufgabe müssen wir zunächst eine gewisse Inkongruenz hervorheben, welche zwischen den von uns früher über die Bewegung des schwingenden Magnets gemachten Voraussetzungen und der in Wirklichkeit stattfindenden Bewegung desselben besteht. Es er- giebt sich nemlich durch Integration der Bewegungsgleichung e =D Wi Së cl A: at x,t u = Dz,e — Dx,e es ist also e und ebenso > gleich der Differenz zweier Exponentialaus- drücke. Dagegen haben wir bei der ganzen von uns durchgeführten Untersuchung uns mit der einfacheren Annahme begnügt: dp xt u = Dze Wenn nun die Winkelgeschwindigkeit anstatt durch einen einzigen durch ein Aggregat zweier Exponentialausdrücke dargestellt wird, so ist zunächst einleuchtend, dass die elektromotorischen Kräfte sich ganz ent- sprechend in zwei Glieder zerlegen werden, welche sich dadurch unter- scheiden, dass in dem einen die Werthe D und x, in dem anderen — D und x, auftreten. Die ganze Lösung des Problems wird sich dann aber in vollkommen entsprechender Weise so gestalten, dass wir auch die Componenten der inducirten Strömungen zerlegen in zwei Terme welche lediglich durch die Werthe von D und x sich unterscheiden werden; mit anderen Worten, wir werden die inducirten Strömungen zu bestimmen haben , welche den beiden Termen der elektromotorischen Kräfte einzeln genommen entsprechen und werden diese Strömungen dann superponiren. Wir erhalten somit die Componenten der inducirten K2 76 EDUARD RIECKE, Strömungen und die denselben entsprechenden rückwirkenden Drehungs- momente, wenn wir in den im Vorhergehenden entwickelten Ausdrücken an Stelle von D und x des einemal setzen D und #, , das anderemal — D und x, und die so entstehenden Ausdrücke addiren. Für die Be- stimmung der Grössen P und Q, welche hier allein von Interesse ist, wird sich die Ausführung jener Operation folgendermassen gestalten, Wir können setzen: Dann wird: ee) A de, Ph ü d EA يد د‎ di? de. xt dë: dee af e = DS, e Be = Dey e d 2 a — Déi Ze = Ded Substituiren wir in den früher für das Drehungsmoment gegebenen Ausdrücken an Stelle von # den Werth #, so erhalten wir den Theil i des Drehungsmomentes, welcher dem ersten Exponentialausdruck Dei entspricht, wir können diesen Theil des Drehungsmomentes zerlegen 2 zwei Terme, welche beziehungsweise multeplicirt sind mit H Dæ o und fe d h. mit dp dp a und 2 d. h. wir können jenen Theil des Drehungsmomentes darstellen in der Form ÜBER DIE BEW DER ELEKTRICITÄTIN KÖRPERLICHEN LEITERN. 77 d, dig, a O Ebenso können wir den der zweiten Exponentialgrösse Dei ent- sprechenden Theil des Drehungsmomentes darstellen durch RA rp% ل‎ aTe wo P und Q genau durch dieselben Ausdrücke dargestellt sind wie zuvor; das ganze Drehungsmoment wird demnach gegeben durch — P W — Ta) ب‎ 0 - = — PZ LO und die Werthe von P und © in diesem Ausdruck ergeben sich un- mittelbar aus den im vorhergehenden Abschnitt gegebenen Werthen des Drehungsmoments. Es werden demnach die Grössen P und Q in den einzelnen von uns betrachteten Fällen gegeben durch folgende Gleichungen. I. Fall. ES ui P=+ An nt dt RT ` SSC n Ign+l | enee | +1 çr" "+ [0m SE EE n 1 n+1 „n+1 | + o = er N SC EE | a n+11]„r+1 "+ [amr + nr + (سس م‎ | rn 78 EDUARD RIECKE, 9 Ne Q = DEER CR = 1 d 5 | en 2 . 20 ل‎ 2 . 20 +3.2n +5 ° gantt n+l wt) ntl ent) O 2.1 Kee d n 0 "|+ [em + ën STT +] n+1 ‚N REM n+1 e zk, Ke E a) +a x | | (سسم)‎ Bn F or + (n+ mr el Mit Bezug auf die speciellen Werthe der Anfangsglieder dieser Entwicklungen können wir auf die Formeln des vorhergehenden Ab- schnitts verweisen. Fall Ila. — Z P? Ko “al Er P= Anz uw EKE LL e 1 2 Q = 32" 4“ PF 2 er n 2n-+5 1 —;) 2 9n FI. L1. L-8. F5 ° ا‎ 1 2 Fall H b. azn +3 ) "E e aan+4 P= an 2# ZO a2n+5 1") 2n +1. 22 Si n LB „int Q — 324 FEO SE 5 IX. Inhaltsangabe. Die allgemeinen Gleichungen für die Bewegung der Elektrieität in kör- perlichen Leitern . Integration der für die DEE ge für jä Potential der freien Elektricität aufgestellten partiellen Differentialgleichungen für den Fall, dass der leitende Körper die Gestalt einer =- besitzt . : Entwicklung der EE : Berechnung der Coöfficienten, mit welchen die für dns Potential i freien Elektricität und für die Strömungscomponenten gegebenen Reihen behaftet sind Entwickelung der von einem Kees Mag ausgeben det motorischen Kräfte . Allgemeiner Ausdruck für Se EE E dis von See welchen in der Kugel vorhandenen Strömungen auf den schwin- genden Magnet ausgeübt wird . Berechnung der Componenten der en gege "für den Fall, dass die elektromotorischen Kräfte durch die en eines Magnets hervorgerufen werden . Das von den inducirten Strömungen rückwärts wit E Magnet a aus- geübte Drehungsmoment . . Die Bewegungsgleichung des ee Due SE — 17 — 26 — 70 — 74 ABHANDLUNGEN DER HISTORISCH - PHILOLOGISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. EINUNDZWANZIGSTER BAND. Histor. - philolog. Classe. XXI. 1. A E Die Statthalter von Agypten zur Zeit der Chalifen. Von . F. Wüstenfeld. 3. Abtheilung. Von el-Mu’tazz bis el-Muktafi. Vorgetragen in der Sitzung der Königl. Gesellsch. d. Wissensch. am 6. November 1875. IN chdem der Chalif el-Mämün zuerst angefangen hatte Türkische Sklaven und Türkische Truppen in seine Dienste zu nehmen und sein Nachfolger el-Mu’tacim sich mit einer Leibwache umgab, welche nur aus Türken, bestand , wurden die Araber und Perser immmer mehr von den obersten Stellen am Hofe, in der Verwaltung und in der Armee zurück- gedrängt und Türken nahmen ihre Plätze ein. Die Macht der Chalifen hatte ihren höchsten Punct, ihr Reich seine grösste Ausdehnung erreicht; schon die Wahl derselben kam bald ganz in die Hände der Türkischen Emire, die in die entfernteren Provinzen gesandten Statthalter erkannten kaum noch die Oberheit der Chalifen an, indem sie den jährlichen Tri- but sandten, mehrere derselben lehnten sich gegen sie auf und einige machten sich soweit unabhängig, dass die Herrschaft in ihren Familien eine Zeit lang erblich blieb. Die erste dieser kleinen Dynastien waren Die Tülüniden. Tûlûr, ein geborner Türke aus Tagazgaz, welchen Nüh ben Asad el-Sämänf, Statthalter von Bochärä, mit mehreren anderen jugendlichen Sklaven im J. 200 nach Bagdad geschickt und dem Chalifen el-Mämün A2 4 F. WÜSTENFELD, neben dem Jahrestribut zum Geschenke gemacht hatte, blieb am Hofe und stieg mit der Würde eines Emir zu einer hohen Stelle empor, und dort wurde ihm im J. 214 oder 220 sein Sohn Ahmed geboren, dessen Mutter Cäsim hiess. Ibn Challikän Nr. 70 giebt genau den Tag an, 23. Ramadhän 220 (20. Sept. 835) und sagt, was auch andere als die am meisten verbreitete Nachricht annehmen, dass er zu Sämarrä geboren sei, dies ist aber desshalb weniger wahrscheinlich, weil der Bau der dortigen Residenz erst im J. 221 von el-Mu’tacim begonnen wurde. Nach anderen soll Ahmed ein Sohn des Malih gewesen und von Tülün an Kindes statt angenommen sein, weil er an ihm vorzüglich gute Anlagen wahrnahm. Hierzu würde folgender Vorfall stimmen, wenn man der Erzählung Glauben schenken will. Der junge Ahmed trat eines Tages zu Tülün ins Zimmer und sagte ihm: »an der Thür stehen arme Leute, willst du ihnen nicht eine Anweisung auf eine Un- terstützung ausstellen ?« Tülün erwiederte: »hole mir aus dem Frauenge- mach ein Tintenfass.« Ahmed ging schnell hinein und traf in dem Vorzimmer eine von Tülün’s Frauen allein mit einem Diener; er nahm das Tintenfass und entfernte sich rasch wieder ohne ein Wort zu sagen. Die Frau dachte, er würde davon Anzeige machen, und um ihm zuvor- zukommen, ging sie sogleich selbst zu Tülün und beklagte sich, dass Ahmed ihr soeben im Vorzimmer habe Gewalt anthun wollen. Tülün glaubte ihrer Angabe und schrieb ein Billet an einen seiner Untergebe- nen, worin er ihm befahl, den Überbringer sofort zu tödten, und über- gab es Ahmed zur Besorgung. Beim Fortgehen rief ihn die Frau an: wohin? — In einem wichtigen Auftrage des Emir, den dies Billet ent- hält. — Ich werde es besorgen, für dich habe ich eine andere Beschäf- tigung. — Er überreichte es ihr, sie schickte den Diener damit fort und hiess Ahmed etwas anderes thun. Beim Empfang des Billets schlug der Beauftragte dem Diener den Kopf ab und schickte ihn zu Tülün; dieser liess ganz verwundert Ahmed rufen und forderte ihn auf, die Wahrheit zu sagen, was in dem Vorzimmer vorgefallen sei. Nichts: antwortete er. Sage mir die Wahrheit, wiederholte Tülün, oder ich tödte dich; und nun bekannte er und auch die Frau, welche unterdess Lo DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 5 den Tod des Dieners erfahren hatte, musste seine Aussage bestätigen. Tülin tödtete sie und Ahmed stieg in seiner Achtung. Ahmed hatte einen Bruder Müsä und zwei Schwestern Habasia und Samäna. Er genoss eine sorgfältigere Erziehung als die anderen Türken- kinder, lernte den Korän vollständig auswendig und hatte beim Vortrage desselben eine sehr angenehme Stimme; auch in anderen Fächern wurde er unterrichtet, in den Religions- und Rechtswissenschaften nach den Gründsätzen des Imam Abu Hanifa, selbst in den Traditionen war er be- wandert, hatte Tarsüs in Cilicien mehrmals besucht, um darüber die dortigen Lehrer zu hören, und galt später darin selbst als Autorität; mit besonderer Vorliebe hatte er aber für seine militärische Ausbildung Sorge getragen. Als Tülün im J. 240 starb, übertrug der Chalif Mutawakkil dessen Amt am Hofe zu Sämarrä dem Sohne und bald darauf verheirathete ihn der Emir Bärgüg!), der nachherige Statthalter des Chalifen Muhtadi, mit seiner Tochter, welche ihm im J. 242 einen Sohn el-’Abbäs und später eine Tochter Fätima schenkte. Seinem Verlangen nach einer grös- seren wissenschaftlichen Ausbildung wurde dadurch entsprochen, dass auf sein Gesuch der Wezir Obeidallah ben Jahjä ben Chäkän ihm ein Stipendium bewilligte, um seine Studien in Tarsüs fortsetzen zu können und seine Kenntnisse und sein Eifer erregten dort die allgemeine Be- wunderung der Gelehrten. Ein Freund, der ihn dahin begleitet hatte und nach einiger Zeit wieder nach Sämarrä kam, traf Ahmeds Mutter in grosser Betrübniss wegen der Trennung von ihrem Sohne, und als Ahmed hiervon Nachricht erhielt, beschloss er zu seiner Mutter zurück- zukehren. In jener Zeit hatte der Chalif el-Mustain einen Abgeordne- ten an den Griechischen Kaiser nach Constantinopel geschickt, dessen 1) Bei Ibn el-Athir T. VII. an verschiedenen Stellen und in dem Leidener Codex des Macrizi kommen statt -b als Varianten vor ,بأرجوح , ,نارجوچ ,لجوج‎ ,بارخوخ ,ناركوح ,بازکوے ,بارکوج ,يارجوع‎ E möchte Hamaker mit برقوى‎ für den- selben Namen halten; in dem Bulakar Macrizi I. Pag. 313 Z. 6 v. u. > Z. 2 und Z. 2 v. u. steht dafür ماجور‎ Mägür, welcher aber erst später als Statt- halter v von Syrien vorkommt. 6 F. WÜSTENFELD, Hauptzweck aber war, heimlich allerlei Kostbarkeiten anzukaufen, deren Ausfuhr aus Griechenland nach den Muhammedanischen Ländern verbo- ten war. Der Abgeordnete war auf dem Rückwege nach Tarsüs gekom- men und reiste von hier mit einer Gesellschaft von fünfhundert Personen weiter, die sich vereinigt hatten, um gegen Raubanfälle geschützt zu sein, und Ahmed schloss sich ihnen an. Als sie schon über el Ruhê (Edessa in Mesopotamia) hinaus waren und in sichere Gegenden. gekom- men zu sein glaubten, so dass sie sich in mehrere Abtheilungen aufge- löst hatten, wurde eine derselben von Beduinen-Arabern überfallen und ganz ausgeplündert; Ahmed eilte mit einigen aus seiner Abtheilung zu- rück, schlug die Araber in die Flucht und nahm ihnen ihren Raub wieder ab, darunter befanden sich die für den Chalifen bestimmten Kost- barkeiten. Der Abgeordnete wusste dann bei seiner Ankunft dem Chalifen die Verdienste Ahmeds um die Rettung und seine Tapferkeit gebührend zu schildern, und der Chalif sandte ihm Tausend Dinare und liess ihm sagen, dass er augenblicklich nicht mehr für ihn thun könne, um nicht den Neid der anderen Türken rege zu machen; so oft er aber mit die- sen zu seinem Dienste erschien, gab er ihm durch verstohlene Blicke sein Wohlwollen zu erkennen und schenkte ihm nach einiger Zeit eine Sklavin Namens Majjäs, welche ihm am 15. Muharram 250!) (27. Febr. 864) einen Sohn Chumåraweih gebar. Als die Türken den Chalifen el-Mustafn absetzten und nach Wäsit verbannten, liessen sie ihm noch die Wahl, wen er in seiner Begleitung mit sich nehmen wollte, und er wählte den Ahmed ben Tûlûn, welcher sich als wohlwollenden Wächter und Begleiter erwies, indem er ihm ge- stattete, der Jagd und anderen Vergnügungen nachzugehen , wobei er ihm, um sich gegen alle Fälle zu sichern, nur seinen Secretär Ahmed ben Muhammed el-Wäsiti, einen jungen, munteren Mann, zur Aufsicht mitgab, an dessen freundschaftlichen Umgang sich der Chalif ganz ge wöhnte. `. 2 Juynboll zu Abul-Mahási ظ‎ il dafür di 51 vorkommende on ahäsin Il. pag, 5 will dafür die pag. Bi Nesen 255 vorziehen, allein el «Mustain wurde schon im J. 252 abgeset umäraweih wäre dann, alser zur Regierung kam, erst funfzehn Jahre alt gewesen. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 7 Nach einiger Zeit stellte auf Antrieb der Türken Cabiha!), die Mutter des neuen Chalifen el-Mu’tazz, an Ibn Tülün das Ansinnen, el-Musta’in aus dem Wege zu schaffen , unter dem Versprechen, dass er dafür die Statthalterschaft von Wäsit bekommen solle; er wies dies entrüstet zu- rück mit den Worten : »behüte mich Gott, dass ich einen Chalifen tödten sollte, dem ich gehuldigt habe.« Sie sandten desshalb den Kammerherrn Said ben Cälih nach Wäsit mit dem Befehle an Ahmed, ihm die Auf- sicht über den Chalifen zu überlassen, und dieser ermordete ihn am 3. Schawwäl 253 und Ahmed bestattete seinen Leichnam, und als er dann nach Sämarrä zurück kam, stieg er grade wegen seiner Weigerung sehr in der Achtung der Türken, denen er an Verstand und Bildung weit überlegen war. Etwa ein Jahr nachher wurde der Türkische Emir Bäkbäk?), welcher die Mutter Ahmed’s geheirathet hatte, mit der Statthalterschaft von Ägypten belohnt und dieser schickte seinen Stiefsohn Ahmed ben Tülün als seinen Stellvertreter dahin, welcher Mittwoch den 23. Ramadhän 254 (15, Sept. 868) in Begleitung seines oben genannten Secretärs mit einer Armee in Fustät seinen Einzug hielt. Von seiner Verwaltung war Alexandria und einige andere Gegenden ausgeschlossen und da er das sonst überall so beliebte Erpressungssystem sich noch nicht angeeignet hatte und ziemlich mittellos war, nahm er das Geschenk eines angesehenen, reichen Mannes, "AU ben Said el-Bagdadi, von 10000 Dinaren gern an und behielt ihn in seiner Umgebung und: that nichts, ohne sich vorher mit ihm berathen zu haben. ا‎ Auch der Steuerdirector Ahmed ben Muhammed ben Mudabbir und der Postdirector Schaktr, vorher Eunuch im Dienste der Chalifin-Mutter Cabiha, waren Ahmed zum Empfange entgegen gekommen; ersterer war stets von einem Gefolge von hundert Gurischen Pagen umgeben, wozu 1) oder Fatîha bei Macrizi I. pag. 314. 2) verchiedene Lesarten: Bäkiäl oder Mäkiäl. 8 F. WÜSTENFELD, er die schönsten, grössten und kräftigsten jungen Leute auswählte; sie trugen einen Persischen Überwurf mit breitem Gürtel und dicke Peit- schen mit silbernen Knöpfen, in seinen Sitzungen waren sie zu beiden Seiten aufgestellt, wenn er ausritt, ritten sie vor ihm her, und dadurch hatten die Leute vor ihm eine gewaltige Achtung. Um sich bei dem neuen Statthalter beliebt zu machen, sandte er ihm 10000 Dinare als Geschenk, die Ahmed indess zurückgab, und Ibn Mudabbir dachte: der hat einen grossen Dünkel und besondere Ansichten; er fürchtete sich vor ihm, wünschte ihn wieder aus Ägypten zu entfernen und kam dess- halb mit Schakir überein, an den Chalifen eine Vorstellung zu richten und seine Abberufung zu beantragen. Wenige Tage nachher schickte Ahmed zu Ibn Mudabbir und liess ihn wissen: »Du wolltest mir ein Ge- schenk machen, welches ich ausgeschlagen habe, da ich es entbehren konnte und dich deines Vermögens nicht berauben wollte, dem ich jede Vermehrung wünsche; dafür möchte ich aber wohl die Pagen haben, welche ich in deiner Begleitung gesehen habe, die kann ich besser ge- brauchen als du.« Ibn Mudabbir sagte bei dieser Nachricht: »das ist der zweite Schlag, schlimmer als der erste; das Geld hat er ausgeschlagen und bittet sich dafür bestimmt die Leute aus.« Indess fand er keinen , Vorwand, sie ihm vorzuenthalten, und sofort nahm das Ansehen, in welchem er bisher gestanden hatte, ab und wandte sich Ahmed zu. Jetzt schrieb er wiederholt an den Chalifen und verlangte noch dringender Ahmeds Entfernung; Ahmed erfuhr dies, liess sich aber nichts gegen ihn merken. Ägypten war damals keineswegs zur Ruhe gekommen, besonders die Partei der ’Aliden war sehr zahlreich geworden und hielt das Volk in beständiger Aufregung, und der erste, welcher sich gegen Ibn Tülün im offenen Kampfe auflehnte, war Ahmed ben Muhammed ben Abdallah ben Ibrahim Tabätabä, gen. Bugä der rothe!); er hatte im Gumädä LI. 255: in der Gegend zwischen Barca und Alexandria einen Aufstand er- D Andere Lesart: der jüngere; seine wirkliche Abstammúng von Ibn Tabô- ASA H m in Zweifel zu ziehen. Der Türkische Emir Bugä der jüngere wär m Anstifter bei der Ermordung des Chalifen Mutawakkil, DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 9 regt und war mit den zusammengebrachten Truppen nach el-CGaid ge- zogen; Ibn Tülün schickte ihm eine Armee unter Tamim ben Husein entgegen, Bugä wurde geschlagen und getödtet und sein Kopf am 18. Scha’bän nach Fustät gebracht. Unterdess war der Chalif Mu’tazz am Ende des Ragab 255 von den Türkischen Emiren, unter denen Bäkbäk eine hervorragende Rolle spielte, zur Abdankung gezwungen und starb nach drei Tagen im Verliess und el-Muhtadi wurde auf den Thron gesetzt. Im Dsul-Ca’da 255 erhob sich ein anderer Nachkomme "Als, Ibrahim ben Müsä ben Jahjä gen. Ibn el-Cüfi, zu Isná in Oberägypten und plün- derte und mordete, was jhm vorkam. Die erste Armee, welche Ahmed gegen ihn sandte, wurde im Rabî I, 256 geschlagen, ihr Anführer ge- fangen genommen und, nachdem er an Händen und Füssen verstümmelt war, ans Kreuz geheftet; eine zweite Armee schlug die Rebellen bei Ichmim und trieb sie in die Wüste, wo sie in einer der drei Oasen Wäh eine Zuflucht fanden. Jetzt ereilte das Schicksal auch Bäkbäk, da Muhtadi selbst, dem er zur Erlangung der Herrschaft behülflich gewesen war, ihn um die Mitte des J. 256 enthaupten liess, und die Statthalterschaft von Syrien und Ägypten, die er besessen hatte, wurde dem Emir Bärgüg, dem Schwie- gervater des Ahmed ben Tülün, übertragen, welcher ihn nicht nur auf seinem Posten liess, sondern ihm auch die bis dahin ausgenommenen Districte zutheilte und ihm schrieb: »gehe deinen Weg von selbst für dich selbst.« Zugleich schrieb er an Ishäk ben Dinär, den bisherigen Verwalter von Alex- andria, seinen Bezirk an Ahmed abzugeben. Ahmed begab sich selbst am 8. Ramadhän dahin, indem er den Obersten seiner Leibwache Taflag!) zu seinem Stellvertreter in Fustät ernannte, liess aber Ishäk sein Amt fort- führen und kam am 15. Schawwäl nach Fustät zurück, und ebenso wie das Ansehen Ahmed’s sich durch diesen Zuwachs seiner Macht vermehrte, so nahm das des Ibn Mudabbir ab. — Bei seiner Rückkehr sah sich 1) Bei Abul- Mahäsin I. pag. 7 طغلے‎ Taglag, im Register gab; Macrizi Bulae. I. pag. 319. v. u. م‎ Histor. -philolog. Classe. XXI. 1. B 10 F. WÜSTENFELD, Ibn Tülün genöthigt, seinen Bruder Müsä wegen eines Vergehens zu be- strafen und er befahl ihm desshalb weisse Kleidung anzuziehen. Schon am 18. Ragab 256 (21. Juni 370) wurde auch el-Muhtadi von den treulosen Türkischen Emiren ermordet und Ahmed, ein Sohn des Mutawakkil, aus dem Kerker geholt und unter dem Namen el-Mu'tamid zum Chalifen ausgerufen. In dieser allgemeinen Verwirrung war Ahmed ben 'Isä ben Scheich el-Scheibäni, der Statthalter von Palästina, gestorben und sein Sohn Abu Müsä ’Isä Ibn Scheich glaubte es wagen zu können, sich der Regierung in Damascus zu bemächtigen und sich für unab- hängig zu erklären, und machte sogar Miene seine Herrschaft auch über Ägypten auszudehnen. Um dieselbe Zeit schickte Ibn Mudabbir 750,000 Dinare als Tribut von Ägypten nach Bagdad, Ibn Scheich liess die Es- corte aufheben, nahm ihr das Geld ab und vertheilte es unter seine An- hänger. Nun sandte el-Mu’tamid den Eunuchen Husein zu ihm, um das Geraubte zurückzufordern, und da er sich weigerte unter dem Vor- wande, dass er das Geld für die Truppen verwandt habe, machte ihm Husein das Anerbieten, dass er mit der Statthalterschaft von Armenien belehnt werden solle, wenn er die Oberhoheit des Chalifen durch Nen- nung seines Namens beim Vorbeten anerkennen würde. Ibn Scheich ging hierauf ein in der Meinung, dass er Armenien noch zu Syrien hinzu bekommen solle, während der Chalif nur ihn aus Syrien zu entfernen dachte, und da Ibn Scheich keine Anstalt machte Syrien zu räumen, befahl der Chalif dem Ibn Tülün, ihn zu vertreiben, sobald ihm Ibn Mudabbir die zur Ausrüstung einer Armee nöthigen Summen geliefert haben würde. Ibn Tûlûn brach dann auch am 6. Gumädä II. 258 (19. April 872) mit einer grossen Heeresmacht nach Syrien auf, nachdem er Doch auf eine wiederholte Aufforderung sich zu unterwerfen von Ibn Scheich eine schnöde Antwort bekommen hatte, allein noch auf dem Marsche erhielt er Gegenbefehl und kehrte schon im Scha’bän zurück, da ‚der Chalif inzwischen den Türken Mägür!) zum Statthalter von Syrien ermannt und mit einer Armee dahin geschickt hatte, welcher a 1) Von einigen wird der Name immer Amägür geschrieben. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 11 den ihm entgegen kommenden Abul-Cahbä Mancür, Sohn des Ibn Scheich, in die Flucht schlug und tödtete, worauf Ibn Scheich selbst sich nach Armenien zurückzog. Für diesen Feldzug hatte sich Ibn Tülün mit einem grossen Ge- folge umgeben, welches jetzt neben dem ebenfalls sehr vermehrten Hof- staate in den bisherigen Wohnungen in el-’ Askar nicht mehr unterge- bracht werden konnte; er ritt desshalb in demselben Monate seiner Rückkunft hinaus in die Gegend am Fusse des Mukattam und befahl die dortigen Gräber der Christen und Juden dem Erdboden gleich zu machen und einen ganz neuen Stadttheil an Fustät anzubauen. Ein jedes der neuen durch Strassen abgetheilten Quartiere wurde einer bestimmten Classe von Bewohnern angewiesen, den Nubischen und den Griechischen Sklaven, den Kammerdienern u. s. w. die höheren Officiere erhielten ihre besonderen Wohnungen, dazu wurden Moscheen, Mühlen, Bäckereien und Bäder errichtet und Marktplätze jeder für be- stimmte Bedürfnisse und Gewerbe angelegt, und davon erhielt das Ganze den Namen el-Catäfs, d. i. die Abtheilungen, Quartiere. Als Bärgüg im Ramadhän 258 starb, belehnte zwar el-Mu’tamid seinen eigenen Bruder Abu Ahmed Talha el-Muwaffik ausser mit Kin- nasrin und dem Kleinasiatischen Gränzdistricte auch mit der Statthal- terschaft von Ägypten, indess Ibn Tülün hatte seine Macht schon so weit befestigt, dass er sich als Selbstherrscher betrachtete und es kaum einer Bestätigung in seinem Amte bedurfte. Nur der ihm bisher be- freundete Mägür hätte ihm noch gefährlich werden können, da er ihn bei dem Chalifen anklagte, dass er sehr grosse Schätze aufgehäuft habe und weit gefährlicher sei als Ibn Scheich. Auch Ibn Mudabbir und Schakir halfen durch ihre Berichte noch nach und es kam soweit, dass Ibn Tülün den Befehl erhielt, nach Sämarrä zu kommen. Da er durch seine Kundschafter erfuhr, um was es sich handle, schickte er seinen Sekre- tär Ahmed el-Wäsiti mit bedeutenden Summen Geldes und anderen Geschenken nach Bagdad, wodurch der Wezir bestochen wurde und den Chalifen leicht dahin brachte, dass er Ibn Tülün als Statthalter von Ägypten bestätigte und erlaubte, dass seine Familie, welche noch in B2 12 F. WÜSTENFELD, Sämarrä& zurückgeblieben war und von der er bis jetzt nur seine beiden ältesten Söhne el--Abbäs und Chumärawaih bei sich hatte, nach Ägyp- ten kommen durfte, und sie reiste erst mit der Pilgercaravane nach Mekka und von hier nach Fustät. Der Wezir sandte ihm seinerseits wieder Geschenke und bei diesem guten Einvernehmen hielt es nicht schwer, von ihm auch die Berichte, welche seine Ankläger nach Bagdad geschickt hatten, zu erhalten. Es fand sich darunter ein Brief Schakir's, worin er es geradezu aussprach, dass Ibn 'Tülün sich unabhängig zu ma- chen suche. Er liess ihn nun zur Beschimpfung zu Fuss zu sich kom- men, hielt ihm seinen Brief vor und drohte ihm mit einer fürchterlichen Strafe, die sogleich vollzogen werden sollte; aber schon vor Schreck war Schakir nahe daran zu sterben, er wurde eiligst noch nach seiner Wohnung geführt, wo er alsbald seinen Geist aufgab, und Ibn Tûlûn konnte nun durch Zeugen bestätigen lassen, dass er nicht umgebracht, sondern eines natürlichen Todes gestorben sei. Auch des Ibn Mudabbir wusste sich Ibn Tülün bald nachher zu entledigen, indem er seine Absetzung erwirkte und ihm Hausarrest gab; als er jedoch erfuhr, dass dessen Bruder in Bagdad eine hohe Stelle be- kleide und ihm schaden könne, liess er ihn wieder frei und setzte ihn sogar in sein Amt wieder ein. Nun wollte indess Ibn Mudabbir nicht länger in Ägypten bleiben und wusste es durch seinen Bruder zu errei- | chen, dass er seine dortige Stellung mit der Verwaltung von Syrien und Palästina vertauschen konnte und er schied von Ibn Tülün im besten Verhältnisse, indem er seine eigene Tochter dessen Sohne Chumäraweih zur Frau gab und ihm seine Besitzungen in Ägypten als Geschenk überwies. Nach einem wiederholten Besuche in Alexandria im Scha’bän 259 erhielt Ibn Tülün bei seiner Rückkehr im Schawwäl ein Schreiben des Chalifen, welches die Beitreibung und Einsendung des Tributes von ihm dringend forderte; er hatte jetzt die Ausrede, dass er mit der Verwal- tung nichts zu thun habe, da diese in den Händen eines anderen liege, und el- Mu’tamid schickte den Eunuchen Nafis als Steuerverwalter nach Ägypten. un erhielt Ibn Tûlûn die Statthalterschaft der Syrischen DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 13 Gränzdistricte, wo er Tachschi ben Balbard!) zu seinem Stellvertreter ernannte und den bisherigen Steuerverwalter Abu Ajjüb Ahmed ben Muhammed ben Schagä’ in seinem Amte bestätigte. In das Jahr 259 fällt noch die Ausführung grosser Bauten in dem neuen Stadttheile, worauf bedeutende Summen verwandt wurden: das Krankenhaus kostete 60,000 Dinare, die Reitbahn 50,000, daran schloss sich der Marstall und eine Menagerie; neben der Reitbahn erhob sich sein neues Schloss, welches mit einem Aufwande von 65,000 Dinaren erbaut wurde. Rechnet man zu diesen einmaligen Ausgaben die stän- digen, wie den Sold für die Truppen, die Unterhaltung des ganzen Hofstaates besonders des Heeres der Mamluken, die regelmässigen Un- terstützungen für Gelehrte in Fustät nicht nur, sondern sogar in Damas- cus und Bagdad, die jährlichen Schenkungen an die Moscheen zu Mekka und Medina, monatlich 2000 Dinare für Bedürftige, die tägliche Bekö- stigung von vielen Armen, und dass doch noch in dem Zeitraume von vier Jahren 2,200,000 Dinare in den Schatz des Chalifen abgeliefert wurden, so wird man den jährlichen Ertrag der Steuern mit 4,300,000 Dinaren eher zu niedrig als zu hoch angegeben finden. Die Ruhe in Ägypten dauerte nicht lange. Ein Anhänger des hin- gerichteten Ibn el-Cüfi Namens Abu Rüh Sakan hatte im J. 260 in Oberägypten wieder eine grosse Bande zusammengebracht, welche die Wege unsicher machte, so dass Ibn Tülün genöthigt wurde, Truppen gegen sie zu senden. Die Rebellen hatten sich zum Vereinigungspunkte eine Gegend ausgewählt, in welcher der Boden durch viele Risse gespal- ten war, zwischen denen sie sich mit Leichtigkeit zu bewegen gewöhnt hatten; als sie dann angegriffen wurden, zogen sie sich etwas zurück, indem sie durch ihre Nachzügler die Risse leicht überdecken liessen, sodass, als ihre Verfolger heranstürmten, deren Pferde mit den Füssen hineintraten und stürzten. Diesen Augenblick benutzten die Räuber, fielen über sie her, tödteten eine Menge derselben und trieben die übri- 1) بليرد‎ 31012 Bulac. I. 319 Z. 5 v. u. bei Roorda pag. 65 بلترد‎ , Abul- Mahäsin L? Sal oder Sal, 14 F. WÜSTENFELD. gen in die Flucht. Ein zweites Corps, welches gegen zie geschickt wurde, war vorsichtiger, indem zunächst eine Abtheilung auf einem Umwege die Oase im Rücken der Aufständigen, ihre letzte Zuflucht, zu erreichen suchte, dann ging die andere Abtheilung behutsam vorwärts und als Abu Ruh sah, dass die früher gebrauchte List nicht zum zweiten Male gelang und sich weiter zurückziehen wollte, fand er den Weg nach der Oase besetzt und er sah sich genöthigt um Frieden zu bitten, der ihm gewährt wurde. Im folgenden Jahre empörten sich die Einwohner von Barca und vertrieben von dort den Emir Muhammed ben el-Farag el- Fargäni; Ibn Tülün sandte ein Heer gegen sie unter Anführung eines Officiers aus seiner Leibwache, Namens Lülü, welchem er den Befehl gab, mit Milde zu verfahren, wenn sie sich gutwillig wieder unterwerfen würden. Lûlû zog hin und lagerte sich vor der Stadt; die Einwohner gaben den Wunsch zu erkennen, dass sie Frieden machen wollten, und kamen aus der Stadt heraus, überfielen dann aber eine Abtheilung und tödteten mehrere derselben, Lûlû meldete dies an Ahmed, welcher nun befahl, den Kampf mit aller Strenge zu beginnen. Als nun die Belagerungs- maschinen aufgestellt und Ernst gemacht wurde, baten die Einwohner um Frieden und öffneten die Thore; Lûlû zog ein, liess eine Anzahl der Rädelsführer festnehmen, einige von ihnen auspeitschen, anderen die Hände abhauen und mehrere nahm er mit sich, nachdem er einen neuen Verwalter eingesetzt hatte. Bei seiner Rückkehr nach Fustät beschenkte ihn Ahmed ben Tülün mit einem Ehrenmantel und zwei Halsketten und liess die Gefangenen im Zuge durch die Stadt führen. Da die Bewohner von Fustät sich beschwerten, dass für die Menge von Soldaten und das Heer der schwarzen Mamluken die Moschee des "Amr beim Freitagsgottesdienste zu eng sei, so machte den Beschluss der Bauten in dem neuen Stadttheile die grosse Moschee des Ibn Téin welche in den Jahren 263 bis 265 1) auf der Anhöhe der Banu Jaschkur errichtet wurde und 120,000 Dinare kostete. Um es begreiflich zu fin- تت 1) Macrizi I. pag. 267, oder in den J. 264 bis 266 nach Macrizil. pag 320, DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 15 den, woher Ibn Tülün so bedeutende Summen nehmen konnte, ohne das Volk mit Steuern zu drücken, wozu ihn einer von seinen Secretären Namens Ibn Daschweih (oder Dasuma), ein ebenso schlauer als geiziger Mensch, verleiten wollte, ist die Fabel erfunden, dass eines Tages bei einem Ritt durch die Wüste das Pferd eines seiner Begleiter mit dem Fusse eingesunken und bei näherer Untersuchung in einer Vertiefung eine Million Dinare gefunden sei, die er dann zu den Bauten verwandt habe. Wahrscheinlich ist, dass der immer zunehmende Luxus und die immer mehr gesteigerten Bedürfnisse die Verweigerung des Tributes an den Chalifen zur Folge hatten, welche schon im J. 262 zu dem gänzli- chen Zerwürfniss mit dem Hofe führte. el-Muwaffak, der Bruder des Mu’tamid und der eigentliche Leiter der Regierung, sah sich nach einer geeigneten Persönlichkeit um, die er an Ibn Tulun’s Stelle als Statthalter nach Ägypten schicken könnte, er fand aber Niemand, da die Türki- schen Emire in ’Iräk durch Geschenke bestochen die Annahme ablehn- ten, und er musste sich begnügen, ihm nur mit seiner Absetzung zu drohen. Da er aber hierauf eine ziemlich derbe Antwort erhielt, schickte er Müs& ben Bugä mit einer grossen Armee gegen ihn ab. Diese rückte bis Racca vor, blieb hier indess zehn Monat liegen, weil es an den nö- thigen Kriegsbedürfnissen, vor allem an Geld fehlte, um den Truppen den Sold zu bezahlen, den sie hartnäckig forderten. Die Soldaten lehn- ten sich auf und wollten dem Emir Abdallah ben Suleimän zu Leibe, er hielt sich aber versteckt und Ibn Bugä sah sich gezwungen nach 'Iräk zurückzukehren. So blieb Ibn Tülün, der sich in Ägypten zur Vertheidigung vorbereitet hatte, von einem Ängriffe verschont und liess zum Danke viele Geschenke austheilen. Im Çafar 264 (Oct. 877) starb sein gefährlichster Gegner, der Statt- halter Mägür in Damascus und die ihm schon zugesagte Statthalterschaft wurde dessen Sohne AN übertragen; dies veranlasste Ibn Tülün, dem Chalifen gänzlich den Gehorsam zu kündigen und jetzt seinerseits zum Angriffe zu schreiten und einen Zug nach Syrien zu unternehmen, und nachdem er seinen Sohn el-’Abbäs zu seinem Stellvertreter in Ägypten eingesetzt und ihm den Ahmed ben Muhammed el-Wäsiti als Verwalter 16 F. WÜSTENFELD, und Wezir beigeordnet, auch an Ali ben Mägür geschrieben hatte, ihm entgegen zu kommen und an bestimmten Stationen für die nöthigen Vorräthe für die Truppen zu sorgen, was dieser bereitwillig zusagte, brach er am 21. Scha’bän 264 (28. April 878) mit der Armee auf und marschirte zunächst nach Ramla. Hier kam ihm der Präfect Muham- med ben Räfi entgegen und bewies seine Unterwürfigkeit alsbald da- durch, dass er seinen Namen in dem Kanzelgebete nannte, wonach er auf seinem Posten bestätigt wurde. In Damascus, wohin er sich dann wandte, erfolgte die Huldigung in gleicher Weise ohne Schwierigkeit, da er die oberen Öfficiere in ihren Stellen liess, und nachdem er hier seine Regierung etwas befestigt und dann ebenso von Hime, Hamät und Haleb Besitz genommen hatte, sandte er ein Schreiben nach Antio- chia, wo Simä, mit dem Beinamen der Lange, Statthalter war, und ver- langte von ihm sich zu unterwerfen. Da er sich weigerte, wiewohl ihm zugesagt war, dass er seine Stelle behalten solle, zog Ibn Tülün mit ei- ner grossen Armee dahin, belagerte die Stadt mit Wurfmaschinen, wo- bei ihm eine schwache Stelle der Mäuer verrathen war, bis er sie nach Eroberung der Burg im Sturm nahm und im Muharram 265 (Sept. 878) seinen Einzug hielt. Simä war gefallen, was unbemerkt blieb, bis einer seiner Officiere ihn todt liegen sah, ihm den Kopf abschnitt und zu Ahmed brachte, der darüber sehr betrübt war, indess wurde sein Ver- mögen eingezogen. Hierauf ging Ibn Tülün nach Tarsus, wo er im Rabî’ I. einrückte; er hatte die Absicht hier zu bleiben und von hier aus den Krieg gegen die Griechen fortzusetzen, allein der Ort konnte ein so grosses Heer nicht fassen und die Lebensmittel wurden bald sehr theuer; es wurde desshalb nach Verabredung mit den Einwohnern ein Scheingefecht aufgeführt, in welchem sich die Truppen aus, der Stadt zurückziehen mussten, um den Griechischen Kaiser, wenn er da- von Kunde bekäme, glauben zu machen, dass selbst eine so bedeutende Heeresmacht unter einem so bewährten Feldherrn sich gegen die tapfern Bewohner von Tarsus nicht habe halten können. Uebrigens stand er damals mit dem Kaiser in so guten Beziehungen, dass dieser den früher in Gefangenschaft gerathenen Statthalter der Gränzdistricte, Abdallah ben DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 17 Raschid ben Käwus, mit mehreren anderen Gefangenen und einer An- zahl erbeuteter Korane ihm zuschickte. Ibn Tülün zog sich also nach Syrien zurück, indem er den Emir Tachschi als seinen Stellvertreter zurückliess; in Damascus liess er sei- nen alten Feind Ahmed Ibn el-Mudabbir, den Steuerdirector von Syrien und Palästina, verhaften und er musste seine Freiheit mit der Bezahlung von 600,000 Dinaren erkaufen. Hier wurde er durch die Nachricht überrascht, dass sein Sohn el-’Abbäs sich gegen ihn aufgelehnt habe, was ihn sehr besorgt machte!), und indem er ein Corps unter Ahmed ben Gabgaweih?) in Harrän und ein anderes unter Lülü in Racca zu- rückliess, eilte er um nach Ägypten zu kommen. Aber auch el-Abbäs überkam die Furcht wegen seines Unternehmens, und indem er alle Vorräthe der Schatzkammer, 800 Last oder eine Million Dinare, sowie das Kriegsmaterial des Zeughauses mitnahm und den Ahmed el-Wäsitt, welcher abgerathen hatte und sich ihm nicht anschliessen wollte, als Ge- fangenen mit sich führte und seinem Bruder Rabi’a ben Ahmed die Regie- rungsgeschäfte übertrug, brach er am 8. Scha’bän 265 (5. April 879) mit 800 Reitern und 10,000 Fussgängern, welche das Negercorps seines Vaters gebildet hatten, nach Giza auf und unter dem Scheine in Alexandria seinen Aufenthalt nehmen zu wollen, zog er sich weiter ‚nach Barca zurück. Ahmed ben Tülün traf aus Syrien am 4. Ramadhän in Fustät ein und schickte den Cädhi Bakkär ben Cuteiba in Begleitung 1) Ibn el-Athir VII, 220 sagt im Gegentheil: was ihn nicht sehr besorgt zu machen schien, da er in Ruhe seine Anordnungen traf, um seine Gränzen zu schützen. — Vielleicht war es damals, dass Ibn Tülün die Küstenstädte am Mittel- ländischen Meere berührte und in ’Akka (St. Jean d’Acre) durch den aus Jerusalem herbeigerufenen Baumeister Abu Bekr el-Baschschäri einen Hafen anlegen liess, wie er ihn in Tyrus gesehen hatte. Das Verfahren dabei ist nach der Angabe eines Enkels dieses Baumeister, Muhammed ben Ahmed ben Abu Bekr el-Mucaddasi, ausführlich beschrieben bei Jächt III. 707. — Auch die Burg von Jäfä (Joppe) ist von Ibn Tülün erbaut worden. - = 2) verschiedene Lesarten Ibn el-Athir VII. 220 جيعويد‎ , si>, Nuweiri جيغونة 10 ,318 Ibn Chaldün, Chron. II.‏ جيغونه , جيغوية Histor.- philolog. Classe. XXI. 1. 0‏ 18 F. WUSTENFELD, einiger Personen mit einem Schreiben an el-’Abbäs nach Barca, um ihn in Güte zur Rückkehr zu bewegen , er weigerte sich aber mit ihnen zu gehen, und Bakkär kam am 1. Dsul-Higga wieder nach Fustät. Indess die Begleiter des ’Abbäs, welche ihn zum Abfall veranlasst hatten, hiel- ten sich jetzt auch in Barca nicht mehr für sicher genug und überre- deten ihn, sich mit seinem Raube noch weiter nach Africa zurückzuziehen; er selbst meinte, sein Vater würde nicht sobald dazu kommen können ihn verfolgen zu lassen, da er aller Mittel beraubt sei, er wolle Labda und Tripolis überrumpeln und die Häuptlinge der Berbern durch Ge- schenke zu gewinnen suchen, und er verliess Barca im Gumädä I. 266 (Dec. 879). Jedoch die Berbern folgten seiner Aufforderung, sich ihm anzuschliessen, nur zum Theil, und der Aglabit Ibrahim ben Ahmed, als er Kunde von dem Anmarsche bekam, suchte ihm zuvorzukommen und schickte einen seiner jüngeren Officiere Namens Balläg mit 1600 Reitern ab, welcher sich durch die Besatzung von Tripolis unter Ahmed ben Carhab verstärkte und die Berbern an sich zog, mit denen er Labda eher erreichte als ’Abbäs und ihm noch funfzehn Meilen darüber hinaus entgegen ging. 'Abbäs hatte ausser seiner Reiterei nur die Hälfte seiner Fussgänger bei sich, da die andere Hälfte in Barca zurückgeblieben war, um durch Lanzen mit Fähnchen und auf Camelen beritten zu ei- nem Ulanencorps formirt zu werden. Indess beim Zusammentreffen ergriff Ahmed ben Carhab nach einem kurzen Gefechte die Flucht, weil er glaubte, dass er nur erst die Avantgarde des Feindes vor sich habe, 'Abbäs verfolgte ihn unablässig bis Tripolis und belagerte ihn dort 43 Tage. Da zog aber Abu Ga’far el-Jäs ben Mancür, Beherrscher von Nafüsa und Oberhaupt der Ibädhier 1), mit 12,000 Mann zur Hülfe von 1) eine Hauptsecte der Charigiten in Africa, die von Abdallah ben Ibädh den Namen hatte, (Scharastäni, übers. v. Haarbrücker. Th. I. S. 151) und sich wieder in mehrere Zweige theilte, die sich gegenseitig verkezerten, wie die Häritier, nach el-Härith el-Ibädhi benannt. Lobab: z ضی هذه النسبة إلى جماعة من اکور‎ Si Ee. والاباصية‎ Le Soll الاباضى ويقال لهذه الفرقة‎ Gel يقال لهم الاباضية وهم اكاب‎ بعضا‎ par قاب( يكفر‎ ii Salz a DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 19 Tripolis heran und Abbäs hielt es für gerathen, sich schleunigst nach Labda zurückzuziehen. Er plünderte diese Stadt, tödtete viele ihrer Einwohner, so dass die Frauen laute Klagen erhoben, bis Ibrahim Ibn el-Aglab, dem sich die Ibädhier angeschlossen hatten, ihn ereilte und ihm nach einem verzweifelten Kampfe, (an dem er persönlich Theil . nahm, wobei er, schon gefangen genommen, nur durch einen seiner Sklaven wieder befreit wurde), eine grosse Niederlage beibrachte, welche den Verlust seiner tapfersten Soldaten und besten Anführer und aller geraubten Schätze zur Folge hatte. Mit genauer Noth entkam er nach Barca, dahin schickte aber nun sein Vater im Ramadhän 267 (April 881) ein Corps, welchem er selbst mit einer grossen Armee, wie man sagt von 100,000 Mann, am 12. Rabi’ I. 268 (20. Oct. 881) folgte, die er bis Alexandria begleitete. Dort traf ihn der aus dem Gefängniss des ’Abbäs entkommene Ahmed el-Wäsiti, welcher ihm die Macht seines Sohnes als nur noch sehr unbedeutend darstellte; Ibn Tülün liess desshalb seine Truppen nach Barca vorrücken, ’Abbäs wurde in die Flucht geschlagen, verlor einen grossen Theil seiner Anhänger und gerieth am 4. Ragab (29. Jan. 882) in Gefangenschaft. Ibn Tülün kehrte am 13. d. M. nach Fustät zurück, sein Sohn wurde in einer Kammer des Palastes einge- sperrt, bis die übrigen Gefangenen im Schawwäl nachkamen; sie wur- den dann am 1. Dsul-Ca’da aus dem Gefängniss geholt, auf ein zu die- sem Zweck erbautes hohes Gerüste geführt und nachdem sie ausgepeitscht waren, von oben hinabgestürzt). 1) Nach Ibn el-Athir VII. 225 musste auf Befehl des Vaters der Sohn selbst seinen angesehensten Anhängern Hände und Füsse abhauen und nachdem er dies kaltblütig gethan hatte, hielt ihm der Vater in einer strengen Strafrede vor, dass er als das Haupt der Bethörten sich für sie hätte verwenden und seine und ihre Verzeihung und Begnadigung hätte erbitten sollen, da sie sich für ihn aufge- opfert hätten; er liess ihn hierauf mit hundert Geisselhieben auspeitschen, wobei dem Vater aus Mitleid die Thränen über die Backen liefen, dann wurde er gefesselt in die Kammer zurückgeführt. Nach dem unten folgenden Arabischen Texte EES Ahmed selbst Hände und Füsse abgehauen und ebenso zweien seiner Gefährten el-Mantüf und Abu Mäschar. 5 20 F. WÜSTENFELD, Nachdem die Ruhe in Ägypten hergestellt war, richtete Ahmed ben Tülün sein Augenmerk wieder auf seine Asiatischen Besitzungen, welche el-Muwaffak zu bedrohen schien. Von Tarsus aus hatte sein Präfeet Chalaf ben Hischäm el-Fargänf in diesem Jahre 268 einen Einfall in das Griechische Gebiet unternommen, gegen 12,000 Griechen getödtet und eine so grosse Beute gemacht, dass der Antheil eines Soldaten 40 Dinare betrug. Dahingegen in Racca hatte der zur Deckung dieser Pro- vinzen zurückgelassene Feldherr Lülü sich mit Muwaffak in Unterhand- lungen eingelassen und trat jetzt ganz auf dessen Seite; er marschirte von Racca nach Kirkisia, wo Ibn Cafwän el-’Okeili noch Ibn Tülün’s Rechte vertheidigte, belagerte die Stadt und übergab sie nach erfolgter Einnahme an Ahmed ben Mälik ben Tauk und vereinigte sich dann mit el-Muwaffak, welcher noch in den Krieg gegen den Aliden el-Cha- bith verwickelt war. Zu gleicher Zeit hatte indess der Chalif el-Mu'tamid sich heimlich an Ibn Tülün gewandt, sich über seinen Bruder beklagt und gebeten, ihn gegen denselben in Schutz zu nehmen; er fühlte, dass er von diesem gänzlich bei Seite geschoben und ihm von der ganzen Macht des Chalifen nichts als der Name geblieben sei, da ihm weder von geringfügigen, noch von wichtigen Angelegenheiten Meldung gemacht oder dazu seine Einwilligung und Unterschrift eingeholt wurde und, was ihm am empfindlichsten war, der Tribut aus den Provinzen nicht mehr in seine Hände kam D. Ibn Tülün sagte seine Hülfe zu, lud ihn ein nach Ägypten zu kommen und sandte ein Corps nach Racca, welches dort den Chalifen erwarten sollte. Dieser verlies im Gumäda I. 269 (Nov. 882) Bagdad mit Nizak, Ahmed ben Chäcän, Chatärmisch und ei- nigen anderen höheren Officieren, ohne dass Muwaffak darum musste, unter dem Scheine, als wollten sie auf die Jagd gehen; sie begaben sich zunächst nach el-Kuheil, einer Stadt am Tigris oberhalb Takrit zwischen den beiden Flüssen Zäb. Als sie von hier das Gebiet von Mosul betra- 1) Nach anderen hätte Ibn Tülün, um die Brüder zu entzweien und el-Muwaflak zu verdrängen, zuerst an den Chalifen geschrieben, ihm seine Stellung klar gemacht und seine Hülfe angeboten. DIE STATTHALTER VDN ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 21 ten, welches damals unter Ishäk ben Kundägik stand, war dieser auf Befehl des Muwaffak von dessen Wezir Caid ben Muchallad bereits von der Flucht des Chalifen in Kenntniss gesetzt, er kam ihm mit ei- nem Gefolge entgegen, liess aber von seiner eigentlichen Absicht nichts . merken und begleitete die Flüchtlinge mehrere Tage. Eines Morgens, als der grösste Theil der Zelte schon abgebrochen und voraufgeschickt und Ishäk mit den Officieren bei Mu’'tamid allein war, stellte er ihnen vor, dass sie sich jetzt dem Gebiete näherten, wo Ibn Tülün die Herr- schaft führe, sie würden doch wohl nicht wünschen sich unter dessen Schutz zu begeben, da er doch nur einer ihres Gleichen sei. Nach langem Hin- und Herreden, da der Tag schon weit vorgeschritten und el-Mu’tamid immer noch nicht aufgebrochen war, sagte Ishäk zu ihnen, sie könnten in Gegenwart des Chalifen das Gespräch nicht länger fort- setzen, sie möchten mit ihm in sein Zelt kommen, da ihre eigenen schon vorangeschickt seien; er nahm sie bei der Hand und wie sie in sein Zelt eintraten,, wurden sie ergriffen und gefesselt, dann ging er zu Mu’tamid und machte ihm Vorwürfe, dass er den Sitz seiner Regierung verlassen und sich von seinem Bruder Muwaffak getrennt habe in dem Augenblicke, wo er von Feinden bedrängt sei, die ihn und das ganze ’Abbäsiden Haus vernichten wollten. Darauf kehrte er mit ihm um und führte ihn und seine Begleiter nach Sämarrä zurück. Ebenso unangenehm als das Misslingen dieses Planes war für Ibn Tûlûn das Scheitern seiner Absichten auf Mekka. Er hatte dahin ein Corps von 2000 Fussgängern und 470 Reitern unter zwei Anführern ge- schickt, welche am 28. Dsul-Ca’da 269 (8. Juni 883) dort einrückten und unter die Kornhändler und Fleischer Geld vertheilten und sie da- durch für sich gewannen. Aus Furcht vor ihnen hatte der Präfect von Mekka, Härin ben Muhammed die Stadt verlassen und sich nach Bustän Ibn "Amir zurückgezogen. Da erschien noch zu rechter Zeit am 3. Dsul- Hiega Ga’far el-Bägmardi!) mit 200 Reitern aus Iräk, welcher Härün 1) bei Ibn el-Athir VI. 277: el-Nä’amüdi; vergl. m. Geschichte der Stadt Mekka, S. 205. 22 F. WÜSTENFELD. zu Hülfe kam, ihm schlossen sich die Pilger aus Choräsän an und beim Zusammenstoss mit dem Corps der Ägypter verloren 200 Mann dessel- ben das Leben, die übrigen ergriffen die Flucht und büssten alle ihre Habe ein. Gafar nahm den beiden Anführern gegen 200,000 Dinare ab und verfluchte Ibn Tülün in der Moschee zu Mekka. Der Abfall Lülüs war die Veranlassung gewesen, dass Ibn Tülün den letzten Schein der Abhängigkeit von Muwaffak ablegte, er unterliess es ihn in dem Kanzelgebet zu erwähnen und eilte nach Syrien, indem er seinen Sohn Chumäraweih die Regentschaft in Ägypten übertrug und seinen Sohn el-’ Abbas als Gefangenen mit sich nahm, denn Muwaffak . hatte ihn seiner Statthalterschaft für verlustig erklärt und Ishäk ben Kundägik zur Belohnung der geleisteten Dienste mit allen Ländern von el-Schammäsia, einem Vororte von Damascus!), bis el- Magrib belehnt, ` Von Damascus aus erliess Ibn Tülün ein Schreiben nach Fustät, welches öffentlich vorgelesen wurde, dass Muwaffak seinen Huldigungseid gebro- chen habe und den Chalifen in der Wohnung des Wezir Ahmed ben el-Chacib ?2) gefangen halte. Er liess die Cädhis und Rechtsgelehrten aus den Provinzen, unter anderen auch den Cädhi von Fustät, Bakkär ben Cuteiba, nach Damascus kommen und legte ihnen in einer Ver- sammlung am 11. Dsul-Ca’da 269 (22. Mai 883) eine Urkunde vor, wo- rin die Absetzung Muwaffak’s und seine Ausschliessung von der Thron- folge ausgesprochen war, weil er sich gegen den rechtmässigen Chalifen . aufgelehnt habe. Alle Anwesende unterzeichneten diese Urkunde, nur der Cädhi Bakkär weigerte sich, seinen Namen darunter zu setzen, weil er sich noch nicht von der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben überzeugt habe. Er wurde desshalb gefesselt und nach Fustät abgeführt, wo er bis an sein Ende im Kerker schmachtete, nachdem er sein Amt an Muhammed ben Schädsän el-Gauhari hatte abtreten müssen, den er 1) Ibn el-Athir VII. 278 und andere haben hier den ihnen wahrscheinlich be- kannteren Namen „Bäb el-Schammäsia“ so hiess ein Quartier innerhalb Bagdad, was hier nicht zu passen scheint. 2) vielleicht das aus den Trümmern wieder erstandene Schloss el-Cheir in Så- marrä ; vergl. Jäcüt II. 375. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 23 indess nur als seinen Stellvertreter betrachtete 1). — Sobald Muwaffak von diesen Act Kenntniss erhielt, drang er in den Chalifen einen Be- schluss zu unterzeichnen, nach welchem über Ibn Tülün die Verfluchung ausgesprochen wurde; el-Mu'tamid musste sich wieder Willen dazu ver- stehen, das Ausschreiben wurde in alle Provinzen geschickt und in den Moscheen von den Kanzeln verlesen. Im Anfange des J. 270 machten die Griechen mit 100,000 Mann einen Einfall in das Muslimische Gebiet und belagerten die Stadt Ca- lamja, sechs Meilen von Tarsus; der Eunuch Jäzmän, ein Freigelassener des Muflih ben Chäcän ?2) welcher in 'Tarsus commandirte, ging ihnen entgegen, überfiel sie bei Nacht und brachte ihnen am 7. Rabi’ I. 270 (14. Sept. 883) eine furchtbare Niederlage bei; es sollen 60,000, nach anderen sogar 70,000 Griechen geblieben sein, darunter der Oberfeldherr Andreas und die Feldherrn el-Fanädin und el-Nätalik; der Feldherr Carra, obgleich schwer verwundet, rettete sich. Erbeutet wurden dabei sieben goldene und silberne Crucifixe und ein grösseres goldenes mit Edelsteinen besetzt, 15,000 Pferde mit dem Sattelzeug, schön verzierte Säbel, vier goldene und 200 silberne Sessel, viele Gefässe, zwanzig ge- stickte Fahnen und gegen 10,000 seidene Mäntel. Es scheint, als wenn der Präfect Chalaf wegen dieses Erfolges auf Jäzmän eifersüchtig wurde und vielleicht von der Aneignung eines zu grossen Theiles dieser Beute einen Vorwand hernahm, gegen ihn einzuschreiten, kurz er liess ihn festnehmen; allein die Soldaten machten ihn wieder frei und drohten 1) Ibn Challikän Nr. 115, welcher von der Versammlung in Damascus nichts erwähnt, irrt darin, dass Bakkär mehrere Jahre im Gefängniss gewesen sei, denn er starb schon ein Jahr nachher am 6. Dsul-Higga 270. Die Angabe, dass Ibn Tülün von ihm die jährliche Gratification. welche er ihm ausser seinen festen Gehalte hatte zukommen lassen, zurückgefordert und Bakkär sie unangerührt in achtzehn versiegelten Beuteln wieder abgeliefert habe, würde dafür stimmen, dass dies in Fustät statt gefunden habe, und man muss dann damit zusammen halten, dass nach einer Nachricht Ibn Tûlûn ihn als Gefangenen bei sich in Syrien behielt, bei seiner Rückkehr ihn mitbrachte und in Fustät ins Gefängniss setzen liess. 2) bei Abul-Mahäsin II. 46: el-Fath ben Chäcän. 24 F. WÜSTENFELD, Chalaf umzubringen, und als er sich nach Damascus flüchtete, beschlos- sen sie gegen Ibn Tülün auf den Kanzeln die Verfluchung aussprechen zu lassen. Auf die Nachricht hiervon wollte Ibn Tülün nach Tarsus eilen, als er aber nach Adsana kam, hatte sich Jäzmän darin verschanzt; Ibn Tülün schrieb noch an ihn, um ihn zur Nachgiebigkeit zu bewegen, erhielt aber keine Antwort und sah sich genöthigt zu einer Belagerung zu schreiten. Es war ein strenger Winter eingetreten und hierzu kam, dass Jäzmän den Fluss abdämmen liess, so dass er sich über den La- gerplatz der Feinde ergoss und diese fast darin umgekommen wären. Ganz erbosst musste Ibn Tülün die Belagerung aufheben und er zog sich über Maccica nach Antiochia zurück. Hier erkrankte er durch den Genuss von zuviel Büffel-Milch an Brechdurchfall und die von seinem christlichen Reisearzte Said ben Naufal (oder Sad ben Theophil) ver- ordneten Mittel wollten und konnten nicht helfen, weil er fortfuhr heim- lich Milch zu essen. Da die Krankheit zunahm, wollte er nach Ägypten zurückkehren, anfangs konnte er noch reiten, dann liess er sich in einer Sänfte tragen und von el-Faramä fuhr er den Nil stromaufwärts nach Fustät, wo er am 19. Gumädä II. 270 (25. Dec. 883) ankam. Hier trat er in die Behandlung seines hochbetagten Leibarztes el-Husein ben Zirak , welcher ebenfalls, da der Emir sich nicht diät hielt, die Krank- heit nicht heilen konnte und durch dessen Drohungen so in Furcht ge- setzt wurde, dass er bald starb!). Den anderen Ärzten drohte er die Köpfe abschlagen zu lassen, wenn ihre Berathungen keinen Erfolg für ihn hätten; Ge d ben Theophil, welcher wieder herbeigezogen war, hatte ihm Quittenäpfel verordnet, wovon der Emir zwei auf einmal ass, und als Sad wiederkam und dies erfuhr, sagte er: Du hast sie zum Sattwerden gegessen, nicht als Arznei. Darüber erbosste der Emir so sehr, dass er ihm zweihundert Peitschenhiebe aufzählen liess , wovon Sad nach zwei Tagen starb. Die Muslimen, Juden und Christen hielten aus dem Ko- ran, der Thora und dem Evangelium öffentliche Gebete für seine Gene- ‚sung, aber sein Zustand verschlimmerte sich immer mehr und er starb 1) vergl. m. Geschichte der Arabischen Ärzte, Nr. 74. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 25 Sonntags den 10. Dsul-Ca’da 270 (10. Mai 884) oder in der Nacht vom Montag auf den Dienstag den 18. d. M. (18. Mai) und wurde vor dem Caräfa Thore begraben 1). Ibn Tülün hinterliess 33 Kinder, darunter 17 Söhne: Abul-Fadhl el-Abbäs, Abul-Geisch Chumäraweih, Abul-Aschäir Mudhar?), Abul- Karim Rabîa, Abul-Manäkib (oder Abul-Mawäkit) Scheibän, Abu Nähidh ’Ijädh, Abu 2125040 Adnän gest. im J. 325, Abul-Anä Idris, Abu Geischün ’Adi, Abu Schag& Kinda, Abu Mangür Aglab, Abu Bahga Meisara, Abul-Ticä Hudä, Abul-Mufawwadh Gassän, Abul-Farag Mubärik, Abu Abdallah Muhammed und Abul-Fath Mudhaffar. Die einfache Lebensweise, die er in seiner Jugend geführt, die rechtlichen Gesinnungen, die er bewiesen hatte, waren, seitdem er nach Unabhängigkeit strebte, einem gränzenlosen Luxus gewichen, der eine rücksichtslose Bedrückung und grausame Härte im Gefolge hatte; denn sein Nachlass bestand in zehn Millionen Dinaren, da jährlich eine Mil- lion in seinen Privatschatz zurückgelegt werden musste 5), 7000 oder 10,000 Mamluken mit ebensoviel Pferden, dazu 300 Pferde in seinem eigenen Marstall, 24,000 Sklaven als Leibwache, 6000 Eseln und Maul- eseln, 10,000 Camelen, 100 Seeschiffen*); man rechne dabei die An- schaffung und tägliche Unterhaltung und man wird nicht glauben, dass dies alles mit den bisher gewöhnlichen Steuerauflagen bestritten werden konnte. Neben politischen Umtrieben waren desshalb auch Steuerver- weigerungen die Ursache der beständigen Unruhen, gegen welche ein- geschritten werden musste, so dass zur Zeit seines Todes 18,000 Per- sonen in den Kerkern schmachten. 1) Der Schreibfehler eines älteren Historikers, dass Ahmed 26 (statt 16) Jahre regiert habe, ist von Ibn el-Athir VII. 287. Abul-Fida II. 260. Ibn Chaldün II. 331 gedankenlos nachgeschrieben. 2) oder Nacr; bei Abul-Mahäsin II. 21 wird Mudhar neben Abul-’Aschäir genannt. 3) Dies stimmt nicht genau zu der Angabe, dass sein Sohn nur eine Million darin fand, als er ihn ausplünderte; man wird indess alle die Zahlen nicht zu streng zu nehmen haben. 4) Säll المراكب‎ oder nach anderer Lesart u, المراكب‎ Kriegsschiffe. D Histor. - philolog. Classe. XXI. 1. 26 F. WÜSTENFELD, el-Muwaffak, welcher die Zing am unteren Euphrat immer noch nicht hatte unterwerfen können, wünschte, um im Rücken gesichert zu sein, mit Ibn Tülün Frieden zu schliessen und dieser war auf seinem Krankenlager gern bereit, die Hand dazu zu bieten; der Chalif el- Mu’tamid war hierüber so froh, dass er bei der Nachricht davon einen eigenhändigen Brief an Ibn Tülün schrieb, um ihm seine aufrichtige Freude zu bezeugen, allein der Überbringer erfuhr schon als er nach Racca kam, dass Ibn Tülün gestorben sei und sein Sohn und Nachfolger Chumäraweih Abul-Geisch ben Ahmed hatte nicht Lust durch einen voreiligen Friedensschluss nachzugeben, sondern wollte seine Rechte auf Ägypten, Syrien und die Asiatischen Gränzprovinzen in ihrem ganzen Umfange geltend zu machen suchen. Die Truppen huldigten ihm sofort nach dem Tode seines Vaters und es geschah gewiss nicht ohne seine Einwilligung, dass unmittelbar dar- auf sein älterer Bruder el-Abbäs, der noch immer gefangen gehalten war, von ihnen ermordet wurde, um allen Streitigkeiten über die Thron- folge vorzubeugen, und von einer Bestätigung durch den Chalifen war nicht die Rede; man sagt sogar, dass die Ermordung auf Anrathen des Ahmed el-Wäsiti von Chumäraweih befohlen sei, weil el-Abbäs ihm nicht habe huldigen wollen. Gegen einen so Jugendlichen Herrscher von zwanzig Jahren glaubten die alten Türkischen Emire etwas unternehmen zu können. Mosul und Mesopotamien standen damals unter Ishäk ben Kundägik, dem ja schon durch ein Decret des Chalifen die Statthalterschaft von Damascus zu- gesprochen war; Muhammed ben Abul-Säg war Statthalter von Anbär, Rahba und den Orten längs des Ufers des Euphrat. Diese beiden Emire wandten sich an Muwaffak und erbaten sich von ihm Unterstützung, um Syrien ihm wieder zu unterwerfen: er versprach ihnen ein Hülfs- corps zu schicken und befahl ihnen einstweilen vorzugehen; sie ver- einigten sich also und nahmen von den angränzenden Ländern Besitz. Auch der Präfect von Damascus sagte seine Mitwirkung zu und ernannte Ishäk zum Commandanten von Antiochia, Haleb und Himg, nachdem dieser DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 27 den dortigen Befehlshaber Ibn Da’bäsch oder Ibn De Ac 1), der in Racca residirte und mit ihnen nicht gemeinschaftliche Sache machen wollte, geschlagen und vertrieben hatte. Auf die Nachricht hiervon schickte Chumäraweih eiligst ein Corps aus Ägypten ab, welches die Empörung in Damascus leicht unterdrückte, da der Präfect sich entfernt hatte, und es zog dann weiter den beiden Emiren entgegen bis nach Scheizar. Ishäk wusste ihm längere Zeit auszuweichen und eine Schlacht zu vermeiden, um erst das versprochene Hülfscorps aus ’Iräk zu erwarten. Der Winter stellte sich ungewöhnlich früh ein, beide Parteien hatten darunter zu leiden, besonders aber die Ägyptier, welche sich desshalb theilten und in und bei Scheizar Quar- tiere bezogen. Schon am 6. Dsul-Higga 270 (5. Juni 884; war eine grössere Armee unter Ähmed el Wäsiti von Ägypten nach Syrien aufgebrochen und eine andere unter Sa’d el-A’sar (oder Said el-Eisar) ging zu Schiff an die Syrische Küste. el-Wäsiti blieb aber in Palästina und bezog hier ein Lager, weil er fürchtete, dass Chumäraweih wegen der ihm angerathenen und vielleicht bereuten Ermordung seines Bruders etwas gegen ihn unter- nehmen würde. Auch er war dann mit Muwaffak in Unterhandlungen getreten, hatte ihm vorgestellt, dass die Macht Chumäraweih’s nur ge- ring sei, und hatte ihn zu überreden gesucht, mit einem Corps zu ihm zu stossen. Endlich hatten sich die Truppen aus 'Iräk in Bewegung gesetzt, geführt von Muwaffak’s Sohne, Abul-Abbäs Ahmed, (welcher in der Folge als el-Mu’tadhid den Chalifenthron bestieg); er vereinigte sich mit Ibn Kundägik und nachdem er vorsichtig die Ägyptier in ihren Winterquartieren umzingelt hatte, griff er sie an und brachte ihnen eine grosse Niederlage bei; die sich retteten, kamen in dem kläglichsten Zustande nach Damascus. Abul-Abbäs folgte ihnen, vertrieb sie auch von dort bis Ramla und setzte sich in den Besitz der Stadt Damascus, wo er im Scha’bän 271 (Febr. 885) seinen Einzug hielt; zu gleicher el u u an 1) Ibn Chaldün IN. p. 332. Ibn el-Athir VIL p. 288; im Register Ibn Da’äbisch, D* 28 F. WÜSTENFELD, Zeit unterwarf Ibn Kundägik Kinnasrin mit den Gränzdistricten, von wo Ibn Da’bäsch, der Statthalter des Chumäraweih, vertrieben wurde. Inzwischen war Chumäraweih selbst mit einer neuen Armee von 70,000 Mann aus Ägypten herangezogen D. Abul-’Abbäs hatte sich mit Ibn Kundägik und Ibn Abul-Säg überworfen, indem er sie der Feigheit be- schuldigte, weil sie nicht allein die Ägyptier hätten angreifen wollen, sondern auf seine Ankunft gewartet hätten, und da sie sich desshalb mit ihren Truppen von ihm trennten, konnte er den Ägyptiern, die bis Ramla vorgerückt waren, nur 4000 Mann entgegen stellen, und als er ihre Uebermacht sah, wollte er sich zurückziehen, wurde aber durch die Emire, die von Chumäraweih abgefallen waren, davon abgehalten und musste den Kampf wagen. An dem Flüsschen Abu Putrus, welcher aus dem Gebirge bei Näplus entspringend sich zwischen Arsüf und Joppe ins Meer ergiesst, bei den sogen. Mühlen zwölf Arabische Meilen von Ramla kam es zur Schlacht; Abul-’Abbäs griff mit seinem linken Flügel den rechten Flügel der Ägyptier an, Chumäraweih, welcher bis dahin noch nie ein Heer in Schlachtordnung gesehen hatte, wich zurück und zog seine ganze Armee in wilder Flucht mit sich fort und lies sich nicht aufhalten, bis er nach Ägypten kam2). Nur eine Abtheilung unter Sa'd el-A’sar, die in einem Hinterhalt lag, hielt Stand, weil er von der Flucht nichts erfahren hatte, und als die ’Irakaner das Ägyptische Lager plünderten, brach er hervor, überfiel sie und schlug sie zurück; er sam- melte dann die Ägyptier wieder und Abul-Abbäs, welcher glaubte, dass Chumäraweih umgekehrt sei, ergriff nun die Flucht und kam in unauf- haltsamer Eile bis Damascus, und da ihm die Einwohner die Thore 1) Dass er schon am 10. Çafar 271 von dort aufgebrochen sei, wie Macrizi I. 321 und Abul-Mahäsin II. 52 sagen, ist kaum glaublich, da man sonst annehmen müsste, er habe mehrere Monate unthätig in Palästina verweilt, während er seinen bedrängten Truppen bei Scheizar noch lange vor dem Eintreffen des Winters hätte zu Hülfe kommen können. S 2) Macrizi und Abul-Mahäsin setzen seine Ankunft in Fustät, der Venue Angabe entsprechend, auf den 3. Rabî’ I, wogegen dieselbe Einwendung wie vorhin zu machen ist. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 29 nicht öffnen wollten, wandte er sich nach Tarsus. Beide Heere waren also ohne ihre obersten Anführer; Sa’d el-A’sar hatte den Chumäraweih suchen lassen, aber nicht aufgefunden, und stellte desshalb dessen Bruder Abul-’Aschäir an die Spitze des Heeres, welcher dann die 'Irakaner vollends in die Flucht schlug, viele zu Gefangenen machte und durch Vertheilung von Geschenken die Truppen abhielt, dass sie von ihm ab- fielen. Sad und Ahmed el-Wäsiti zogen hierauf in Damascus ein und benachrichtigten Chumäraweih von dem glänzenden Siege; er schämte sich nun seiner voreiligen Flucht, liess viele Almosen austheilen und verfuhr gegen die Gefangenen, die nach Ägypten transportirt waren, so rücksichtsvoll, wie man es bisher nicht kannte, indem er ihnen die Wahl liess, bei ihm zu bleiben und in eine ehrenvolle Stellung zu kommen, oder zu den Ihrigen zurückzukehren, in welchem Falle sie mit dem nöthigen Reisebedarf versehen wurden. Am 23. Ramadhän!) verliess er dann Fustät wieder, kam aber nur nach Palästina und kehrte am 18. Schawwäl um, weil eingetretene Umstände seine Anwesenheit in Ägypten nöthig machten. Abul-’Abbäs hatte sich nach Tarsus gewandt in der Hoffnung, dass der dortige Prãfect Jäzmän, weil er sich gegen Ibn Tülün aufgelehnt hatte, sich auf die Seite des Chalifen schlagen und dessen Oberhoheit anerkennen würde; allein Jäzmän war nicht Willens, sich ihm zu unter- werfen, und bei dem darüber entstandenen Streite wurde Abul-’Abbäs mit Hülfe der Einwohner aus der Stadt vertrieben und begab sich in der Mitte des Muharram 272 nach Bagdad. Im Gumädä II, 272 war in Ägypten ein sehr heftiges Erdbeben, wodurch Häuser zerstört, die grosse Moschee stark beschädigt und viele Menschen getödtet wurden; man zählte in Fustät an einem Tage Tausend Leichenzüge. Chumäraweih, der die Beschwerden des Krieges haus: blieb ein volles Jahr unthätig in Ägypten, bis der Emir Sad el-A’sar in Syrien, 1) »als noch 7 vom Ramadhän übrig waren«, nach Macrizi a. a. O., scheint . besser als »am 7. Ramadhän« nach Abul-Mahäsin. 30 F. WÜSTENFELD, welcher seit jener Schlacht nach Unabhängigkeit strebte, ihm den Ge- horsam versagte; er verliess Fustät im Dsul-Ca’da 272, Sa'd stellte sich ihm entgegen, wurde aber besiegt und auf der Flucht getödtet, und Chumäraweih zog am 7. Muharram 273 in Damascus ein. Nach einem Aufenthalte von wenigen Tagen brach er wieder auf, um gegen Ibn Kundägik zu marschiren. Als sie auf einander stiessen, wich Chumå- -raweih anfangs zurück und seine Armee wandte sich schon zur Flucht, er selbst hielt aber mit einer geringen Anzahl Stand, bis er Ibn Kun- dägik zum weichen brachte; er verfolgte ihn bis Sämarr&ä und durch diesen Beweis von Tapferkeit stieg er sehr in der Achtung der Leute. Nach diesen Erfolgen glaubte Chumäraweih, welcher doch mehr Sinn für Vergnügungen als für den Krieg hatte, einen vortheilhaften Frieden schliessen zu können; er schrieb desshalb an den Reichsver- weser Muwaffak und erhielt auch in Ragab 273 eine zusagende Antwort, wonach ihm die Statthalterschaft von Ägypten, Syrien und den Gränz- distrieten auf dreissig Jahre zugestanden wurde. Der Überbringer des Schreibens, Fälik, ein Eunuch des Muwaffak, machte noch besonders darauf aufmerksam, dass dasselbe aus Hochachtung gegen Chumäraweih von dem Chalifen Mu’tamid, von dessen Bruder Muwaffak und dessen Sohn Abul-Abbäs (Mu’tadhid) eigenhändig unterschrieben sei, was ihm besondere Freude machte, und er kehrte am Ende des Monats nach Ägypten zurück und befahl in dem Kanzelgebete nach dem Chalifen den Namen des Muwaffak hinzuzusetzen und seinen eigenen Namen auszulassen. Durch diesen Friedensschluss wurde den beständigen Un- ruhen ein Ende gemacht und zugleich die Regierung in Ägypten be- festigt, wo durch die fortwährende Entziehung so grosser Armeen die Zustände etwas unsicher zu werden anfingen. — Muhammed ben 0 Obda ben Harb wurde als Untersuchungsrichter angestellt. In Asien indess währte die Ruhe nicht lange. Der Emir Muham- med ben Abul-Säg war neidisch auf den Emir Ishäk ben Kundägik, weil dieser die besseren Provinzen hatte, und versuchte ihm den Rang streitig zu machen, darüber kam es zu Feindseligkeiten zwischen beiden und Muhammed wandte sich an Chumäraweih, um sich unter seinen DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 31 Schutz zu stellen; er schickte zu ihm seinen Sohn Diwdäd als Unter- pfand seiner aufrichtigen Ergebenheit und Chumäraweih erwiederte dieses Vertrauen durch grosse Geschenke. Dann kam er selbst nach Syrien und vereinigte sich mit ihm bei Bälis am Euphrat; Ibn Abul- Säg setzte nun auf das andere Ufer über und marschirte nach Racca, und da Ishäk die Flucht ergriff, nahm er dessen Verwaltungsbezirk in Besitz, und Chumäraweih folgte ihm und besetzte Racca. Ishäk hatte sich nach Märidin begeben und in die dortige Burg eingeschlossen, Ibn Abul-Säg rückte ihm nach und belagerte ihn eine Zeit lang, dann zog er ab nach Singär, um einen Arabischen Häuptling zu bekriegen. Un- terdess verliess auch Ishäk Märidin und wandte sich nach Mosul, hier wurde er aber von Ibn Abul-Säg überfallen und in die Flucht geschlagen und er zog sich wieder nach Märidin zurück. Nun machte sich Ibn Abul-Säg zum Herrn von Mesopotamien und Mosul, liess in dem Kan- zelgebet erst Chumäraweih als Regenten und dann sich als Statthalter nennen und schickte einen seiner untergebenen Namens Fath in die Bezirke von Mosul, um die Abgaben zu erheben. Ishäk erklärte sich jetzt bereit sich zu unterwerfen und sein ganzes Gebiet abzutreten und bat um Frieden, welchen Chumäraweih um so lieber bewilligte, als er ein grosses Verlangen hatte wieder nach Ägypten zu kommen. In der Nähe von Mosul lebte eine schismatische Sekte, die sich Jacobiten nannte; mit ihnen hatte Fath ein friedliches Übereinkommen geschlossen, indess er hielt sein Versprechen nicht und hatte eine Ab- theilung derselben schon umzingelt, da kamen ihnen ihre Glaubensge- nossen zur Hülfe und vertrieben ihn. Aber auch Ibn Abul-Säg sagte sich von Chumäraweih wieder los und fiel wieder in Syrien ein, so dass Chumäraweih aufs Neue zum Schutz seiner Provinzen am Ende des J. 274 mit einer Armee von Ägypten aufbrach; Ibn Abul-Säg war schon bis ganz in die Nähe von Damascus vorgedrungen und nicht weit von der Stadt am Hügel el-Ocäb auf dem Wege nach Himg stiessen im Muharram 275 die beiden feindlichen Heere auf einander. Chumä- raweih’s linker Flügel wich zurück, aber der übrige Theil seiner Armee schloss Ibn Abul-Säg ein, so dass er sich durch die Flucht zu retten 39 F. WÜSTENFELD, suchen musste, worauf sein Lager geplündert und alles Gepäck und die Lastthiere zur Beute gemacht wurden. Er hatte noch einen grossen Theil seines Gepäckes in Himg zurückgelassen und Chumäraweih schickte ein Reitercorps dahin ab, welches ihm zuvorkam und ihn hinderte die Stadt zu betreten und sich darin festzusetzen, so dass auch alle dortigen Vorräthe für ihn verloren gingen. Er wandte sich desshalb nach Haleb und von hier nach Racca. Chumäraweih folgte ihm immer auf dem Fusse nach, setzte über den Euphrat und gelangte bis Balad am Tigris, sieben Parasangen oberhalb Mosul, während Ibn Abul-Säg vor ihm Mosul erreicht hatte, sich aber nach dem nahe gelegenen Haditha zu- rückzog, als er die Nachricht erhielt, dass Chumäraweih in Balad ange- kommen sei. Dieser verweilte hier und liess am Ufer des Tigris einen Thron mit hohen Füssen errichten, auf den er sich setzte. Ishäk ben Kundägik hatte den mit Chumäraweih geschlossenen Frieden nicht nur gehalten, sondern war in dessen Armee eingetreten; er wurde jetzt von Balad aus mit einer Armee von 20,000 Mann, in welcher viele hohe Officiere standen, nachgesandt um Ibn Abul-Säg, der nur noch 2000 Mann hatte, zu verfolgen und er trieb ihn immer vor sich her bis nach Takrit, wo Ibn Abul-Säg über den Tigris setzte. Um ihm nachfolgen zu können, musste Ishäk Schiffe zu einer Schiffbrücke herbeischaffen lassen, und während der Zeit wurden von beiden Seiten nur Versuche gemacht, aus der Entfernung über den Fluss hinüber durch Wurfgeschosse sich zu erreichen. Als dann Ibn Abul-Säg bemerkte, dass Schiffe in hinreichender Anzahl vorhanden seien um die Brücke zu bauen, brach er bei Nacht von Takrit auf und kam am vierten Tage nach Mosul, wo er bei dem so genannten oberen Kloster el-deir el-a lá, welches oben auf einem über den Tigris emporragenden Berge liegt, ein Lager bezog. Ishäk rückte ihm nach bis in die Ebene und da jetzt ein Treffen unvermeidlich war, begann Ibn Abul-Säg bei einer ver fallenen Burg den Angriff und errang durch äusserste Tapferkeit und Ausdauer über den an Zahl zehnfach überlegenen Feind einen glänzen- den Sieg. Dieser Erfolg wird noch besonders dem Umstande 2086 schrieben, dass Ishäk, als ihm der Anmarsch des Ibn Abul-Säg von DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 33 Mosul gemeldet wurde, gesagt habe: »lasst den Hund nur herankommen !« und diese übermüthige Verachtung sei von seinen Truppen so übel aufgenommen, dass sie sich nicht hätten schlagen wollen. Ishäk flüchtete, von Muhammed verfolgt, nach Racca und schrieb von hier aus an Muwaffak, meldete ihm das Vorgefallene und bat um Erlaubniss den Euphrat überschreiten und nach Syrien in die Länder Chumäraweih’s einrücken zu dürfen. Muwaffak gab hierzu gern seine Einwilligung, befahl ihm aber noch zu warten, bis er ihm würde ein Hülfscorps geschickt haben. Unterdess hatte auch Muhammed Unter- stützung von Chumäraweih erhalten und kam nach Racca, wo Ishäk über den Euphrat gegangen war, und so standen beide einige Zeit ein- ander gegenüber, jeder auf dem Gebiete des anderen den Übergang über den Fluss verhindernd. Endlich liess Muhammed an einer anderen Stelle eine Abtheilung seiner Truppen übersetzen, welche die feindlichen Vorposten unvermerkt überfiel, so dass sie nach Racca flüchteten, und Ishäk verliess eilig den Ort und zog sich nach Mosul zurück, wo er von den Einwohnern eine Contribution erhob, indem er sagte: van Tapferkeit fehlt es nicht,« (aber an Geld). Er hielt sich hier etwa einen Monat auf und ging dann stromabwärts nach Bagdad, wo er sich im Rabi’a I. 276 mit Muwaffak vereinigte, den er darauf nach Gabal be- gleitete. — Muhammed ben Abul-Säg blieb in Dijär Rabfa und Dijär Mudhar und Chumäraweih kehrte nach Ägypten zurück und traf am 23. Gumädä in Fustät ein!). Nach einem kurzen Aufenthalte begab er sich nach Alexandria und kam von dort am 4. Schawwäl zurück, musste aber in einer dringenden Angelegenheit, die indess nicht näher angegeben wird, im Anfange des Jahres 277 eine Reise nach Syrien unternehmen, von wo er nach einem Aufenthalte von wenigen Tagen zurückkehrte. Jäzmän, welcher in dem alleinigen Besitze von Tarsus geblieben war, liess sich im J. 277 durch ein Geschenk von 30,000 Dinaren, 500 KSE ee 1) Makrizi und Abul-Mahäsin erwähnen aus den Jahren 274 und 275, wo Chumäraweih nicht in Ägypten war, nichts von ihm. Histor.- philolog. Classe. XXI. 1. E 34 F. WÜSTENFELD, Kleidern, 500 seidenen Mänteln und einer Menge Waffen bewegen, die Oberheit Chumäraweih’s anzuerkennen dadurch dass er dessen Namen im Kanzelgebet nannte und nachdem dies geschehen war, folgte noch ein Geschenk von 50,000 Dinaren nach. Nachdem Bakkär ben Cuteiba im Dsul-Higga 270 gestorben war, blieb die Stelle eines Obercädhi von Ägypten unbesetzt, bis im J. 277 Abu Abdallah Muhammed ben ’Abda ben Harb dazu ernannt wurde. Während Chumäraweih die nächsten Jahre theils in Ägypten, theils in Syrien ruhig verlebte, wenigstens ohne selbst an Kriegsunternehmungen betheiligt zu sein, gingen in Bagdad grosse Veränderungen vor sich. Muwaffak’s Krankheit, das Podagra, hatte sich in dem kalten Gabal rasch verschlimmert und er musste zurückkehren; die Geschwulst der Beine nahm so zu, dass er nicht mehr reiten konnte und sich auf einem Thron- Sessel mit einem Baldachin von vierzig Mann, die sich ablösten, tragen liess; ein Sklav sass neben ihm und legte fortwährend kalte Umschläge und Schnee auf die Beine; zuletzt entstand eine Elephanten - Krankheit d. h. die Beine schwollen übermässig an und es floss beständig Wasser heraus. So gelangte er nach Bagdad, wo seine letzten Tage unter gro- ssen Unruhen verflossen wegen des Streites der Parteien, wer nach sei- nem Ableben die Oberhand gewinnen würde, und er starb Mittwoch den 12. Cafar 278 (26. Mai 8911). Um diese Zeit hatte Jäzmän in Verbindung mit Ahmed el-Ogeifi?) von Tarsus aus einen Zug gegen die Griechen unternommen; bei der Belagerung von Selinus, als er nahe daran war die Festung zu erobern, wurde er von dem Steine eines Wurfgeschosses getroffen, er liess die Belagerung aufheben und den Rückzug antreten, starb aber auf dem Wege in der Mitte des Ragab, wurde nach Tarsus getragen und dort begraben. Er hatte den Ibn ’Ogeif zu seinem Nachfolger bestimmt, und dieser wurde nach geschener Meldung von Chumäraweih bestätigt und 1) Nach dieser Lesart bei Abul-Mahäsin II. 86 stimmt der Wochentag ZU dem . Datum, was bei anderen, welche Mittwoch d. 21. Gafar angeben, nicht der Fall ist- h 2) Da er auch Ibn ’Ogeif genannt wird und Ibn Chaldün III. 337, 1 selbst ihn so nennt, so ist die Lesart el-Gu’fi in der Zeile vorher unrichtig. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 35 mit einer Sendung von Pferden, Waffen und Geld unterstützt. Bald darauf setzte ihn indessen Chumäraweih wieder aber und übertrug die Statthalterschaft von Tarsus seinem Vetter Muhammed ben Müsä ben Tülin. — Im J. 278 starb auch Ishäk ben Kundägik und ihm folgte sein Sohn Muhammed als Statthalter von Mosul und Dijär Rabîa. Rägib, ein Eunuch aus der Umgebung des Muwaffak, wusste nach dessen Tode nicht recht, was er beginnen sollte, und entschloss sich end- lich mit Erlaubniss des Abul-’Abbäs Mu’tadhid nach Tarsus zu gehen und dort in Kriegsdienste zu treten; er brachte Pferde, Waffen, Zelte u. d. gl. mit dahin und richtete sich dort ein, wollte sich dann aber erst Chumäraweih vorstellen und ihm seinen Entschluss mittheilen, und begab sich zu ihm nach Damascus, wo er sich damals befand, Er wurde sehr ehrenvoll empfangen, Chumäraweih gewann ihn lieb und gewöhnte sich so an seinen Umgang, dass Rägib sich scheute, ihn um die Erlaub- niss zu bitten, nach Tarsus zurückkehren zu dürfen. Sein langes Aus- bleiben machte seine Freunde besorgt, dass Chumäraweih ihn mit Ge- walt festhalte, sie verbreiteten diese Meinung in Tarsus und die Ein- wohner standen gegen den Emir Muhammed ben Müsä auf, nahmen ihn fest und erklärten, er werde so lange im Gefängniss bleiben, bis sein Vetter den Rägib frei lasse; zugleich demolirten sie sein Haus und vergriffen sich an seinen Frauen. Sobald Chumäraweih hiervon Nach- richt erhielt, veranlasste er Rägib sogleich nach Tarsus zurückzukehren; bei seiner Ankunft daselbst wurde der Emir Muhammed in Freiheit ge- setzt, erklärte aber, dass er unter solchen Leuten nicht bleiben wolle; er begab sich nach Jerusalem, wo er sich niederliess, und nach seiner Abreise übernahm el-Ogeifi wieder die Regierung. Nach dem Tode Muwaffak’s hatte dessen Sohn Abul-’Abbäs Ahmed dieselben Würden und denselben Einfluss erhalten wie sein Vater und wusste den Chalifen in derselben Abhängigkeit von sich zu erhalten wie dieser und ihn endlich dahin zu bringen, dass er seinen Sohn Ga’far von der Thronfolge ausschloss und Abul-’Abbäs unter dem Beinamen el-Mu’tadhid zu seinem Nachfolger ernannte, und als dann Mu tamid am 19. Ragab 279 (15. Oct. 892) starb, wurde el-Mu’tadhid 0 anderen 36 F. WÜSTENFELD, Morgen zum Chalifen ausgerufen. Chumäraweih, welcher gern in Ruhe leben wollte, suchte sogleich mit dem neuen Chalifen auf einen guten Fuss zu kommen; er sandte ihm durch Abu Abdallah el-Hasan ben Abdallah Ibn Gaccäe kostbare Geschenke, erkannte seine Oberhoheit an und erhielt dafür die Bestätigung als Statthalter von Syrien und Ägypten für sich und seine Familie auf dreissig Jahre. Um das Freund- schaftsverhältniss noch inniger zu knüpfen, liess ihm Chumäraweih eine Verbindung seiner Tochter Asmä gen. Catr el- Nadä (Thautropfen) mit el-Muktafi, dem Sohne des Chalifen, antragen, el-Mu’tadhid wollte sie aber lieber selbst heirathen, da sie indess noch zu sehr Kind war"), wurde die Hochzeit noch aufgeschoben; seinen Sohn stellte der Chalif durch ein Geschenk von kostbaren Anzügen im Werthe von 100,000 Dirhem zufrieden. Nachdem Chumäraweih schon früher das Schloss seines Vaters auf das eleganteste hatte herstellen lassen, benutzte er die jetzige Musse zu weiteren Verschönerungen,; die Rennbahn wurde in einen prächtigen Park verwandelt mit den herrlichsten Bäumen, Gesträuchen und Blumen, die zum Theil aus fernen Gegenden herbei geschafft wurden; ein schön verzierter Thurm war ein Vogelkäfig und das so gen. „goldene Haus“ war ein prachtvoll decorirter Ruhesitz; ein anderer hoher Thurm, el- dakka „die Tribüne“ genannt, gewährte die reizendste Aussicht auf 1) In wie jugendlichem Alter in den damaligen Herrscherfamilien die Ver- heiratbungen stattfanden, ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung : Der Chalif Mu’tamid war geboren im J. 228; in demselben Jahre sechs Monate später von einer anderen Mutter sein Bruder Muwaffak, welcher sich vierzehn Jahre alt im J. 242 verheirathete, denn sein Sohn Mu’tadhid wurde im J. 243 geboren; dieser ver- heirathete sich achtzehn Jahre alt im J. 261 und sein Sohn Muktafi wurde 262 ge- boren, war also im J. 279, als er die Catr el-Nadä heirathen sollte, siebzehn Jahr alt und sein Vater, der sieim J. 281 heirathete, damals 38 Jahre alt. — Chumärs- weih geb. im J. 250 heirathete sicher schon vor seinem Regierungsantritt im J.210, . denn in diesem Jahre wurde ihm schon sein zweiter Sohn Hûrûn geboren; wenn nun vielleicht Catr el-Nadä auch schon etwas früher geboren wurde, so war sie doch kaum zehn Jahre alt, als sie verlobt, und kaum zwölf Jahre, als sie verheirathet wurde. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 37 diese Anlagen. Das Merkwürdigste in denselben war aber ein mit Quecksilber gefüllter Teich, der, besonders wenn der Vollmond sich darin spiegelte, einen unvergleichlichen Anblick darbot; die Anlegung desselben hatte aber einen anderen Grund. Chumäraweih litt nämlich an Schlaflosigkeit und sollte sich dagegen im Bade recht reiben und kneten lassen, erklärte indess, dass er es durchaus nicht ertragen könne, wenn ein anderer ihn anrühre. Desshalb wurde auf Anrathen der Ärzte ein anderes Mittel versucht und ein Teich funfzig Ellen ins Gevierte ausge- mauert und mit Quecksilber gefüllt; an den Ecken standen Säulen von massivem Silber, an denen seidene Schnüre mit silbernen Ringen herab- hingen; an diese wurde ein mit Luft gefülltes Lederkissen befestigt und auf das Quecksilber gesetzt, darauf legte sich Chumäraweih und die gleichmässige schaukelnde Bewegung verursachte einen sanften Schlaf. Noch lange nach der Zerstörung dieser Anlagen wurde beim Nachgraben an dieser Stelle Quecksilber gefunden. — In einer Menagerie wilder Thiere befand sich auch ein gezähmter Löwe, welcher von Chumäraweih bei Tische gefüttert wurde und ihn bewachte, wenn er auf seinen Pol- stern einschlief. Für die hinterlassenen Frauen seines Vaters wurde ein eigenes Haus erbaut, in welchem jede von ihnen ihr eigenes geräumiges Zimmer und ihre besondere Bedienung hatte; für die Beköstigung derselben sorgten eigene Köche in reichhaltigstem Masse, denen dort alsbald von auswärts immer die besten Lebensmittel angeboten wurden, so dass sich daraus ein grossartiger Marktverkehr entwickelte, und wenn in Fustät Jemand von einem Gaste überrascht wurde, konnte er nur dahin schicken, um die ausgesuchtesten Speisen einkaufen zu lassen. Aus der unruhigen Bevölkerung von el-Hauf, welche Chumäraweih zu sich heranzuziehen wünschte, hatte er die schönsten und kräftigsten jungen Leute für seine nächste Umgebung und Bedienung ausgewählt, wesshalb sie das Eliten-Corps hiessen ; sie trugen einen seidenen Ueber- wurf, der durch einen gestickten Gürtel zusammen gehalten wurde, und ein Gehenk über die Schulter mit einem Säbel. Inmitten dieser Freuden und Genüsse traf Chumâraweih der harte 38 F. WÜSTENFELD, Schlag, seine Favoritin Bürän, für welche er das goldene Haus hatte bauen lassen, zu verlieren, ihr Tod versetzte ihn in solche Trauer, dass er Zerstreuung suchen musste; er begab sich im Scha’bän 281 (Oct. 894) auf Reisen, besuchte Tarnüt!), Sujüt in el-Calid, und kehrte am 1, Dsul-Ca’da nach Fustät zurück. Unterdess waren im Ramadhän die Gegengeschenke des Chalifen für Chumäraweih eingetroffen: zwölf Ehrenmäntel, ein Schwerdt an einem mit Edelsteinen besetzten Gehenke und eine Krone; und jetzt waren auch die Vorbereitungen zur Hochzeitsreise seiner Tochter nach Bagdad beendigt und sie brach dahin auf in Begleitung ihres Oheims Chazrag?) mit einem grossen Gefolge unter Führung des Abu Abdallah Ibn el- Gaççûç; sie wurde wie ein Kind in einem Bette getragen, auf jeder Station von Fustät bis Bagdad, wo übernachtet wurde, war ein Schloss zu ihrer Aufnahme erbaut und mit allen nöthigen Bequemlichkeiten versehen, so dass sie immer wie in dem Schlosse ihres Vaters zu sein glaubte. Ihre Tante ’Abbäsa gab ihr das Geleit bis an die Ägyptische Gränze, wo ebenfalls ein prächtiges Schloss errichtet war, welches in der Folge durch Anbauten zu einem Städtchen erweitert wurde, das nach ihr den Namen ’Abbäsa3) erhielt. — Bei ihrer Ankunft in Bagdad am 2. Muharram 282 (3. März 895) stieg sie in der Wohnung des Emir Cäid ben Muchallad ab, und sobald der Chalif, der sich in Mosul be- fand, benachrichtigt wurde, kam er zurück und die Hochzeit wurde am 5. Rabi’a I.4) mit einer unbeschreiblichen Pracht gefeiert. Die Kosten der Aussteuer und Mitgift hatten schon eine Million Dinare betragen, vor der Abreise fragte indess Chumäraweih den Ibn el-Gaccäc, ob alles bezahlt sei und er antwortete, es sei noch ein kleiner 1) s. Abtheil. 1. S. 8; bei Macrizi I. 321, 3 v. u. ببوبوط‎ ist بترنوط‎ zu lesen; vergl. auch Bekri, description de l’Afrique, pag. 2. 2) so Abul-Mahäsin II. 69; dieser Name kommt unter den Brüdern des Chumäraweih sonst nicht vor; vergl. oben S. 25. 3) Das Städtchen wurde ein vielbesuchter Vergnügungsort besonders für Jagd- liebhaber, weil sich in den benachbarten Teichen viele Wasservögel aufbielten. 4) so Abul-Mahäsin I. 93; dagegen Ibn el-Athir VI. 327: im Rabî H DIE STATTHALTER VON ÄGYPTTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 39 Rest geblieben, den er vorläufig ausgelegt habe, und überreichte ihm ein Quartblatt, auf welchem noch 400,000 Dinare verzeichnet standen, die nun sogleich noch bezahlt wurden 1). In Bagdad wurde der Vertrag erneuert, dass die Statthalterschaft Chumäraweih’s von Hit am Euphrat bis nach Barca sich erstrecken, wo- gegen er an Tribut für das laufende Jahr 200,000 Dinare, für die Folge jährlich 300,000 abliefern solle; dabei musste er den Truppen in Ägypten den Sold auszahlen, welcher jährlich 900,000 Dinare betrug. Zur Be- urtheilung der enormen Ausgaben für seine Hofhaltung wird hervorge- hoben, dass zur Bestreitung der Kosten für die Küche, ausser der Un- terhaltung der Frauen seines Vaters, monatlich 23,000 Dinare erforder- lich waren. Man glaubt, dass der Chalif einen solchen Aufwand nicht ungern gesehen, vielleicht begünstigt habe, damit das Vermögen der Tuluniden auf diese Weise verschwendet würde und sie nicht an krie- gerischen Unternehmungen denken und ihm gefährlich werden könnten, und dies wurde vollständig erreicht. — In Syrien und Ägypten hatte in den letzten Jahren allgemeine’ Ruhe geherrscht und nur im Norden waren von Tarsus aus zwei Feldzüge gegen die Griechen unternommen, der eine im J. 280 von Abu Ga’far Ahmed ben Abäli und Abul-Nagm Badr el-Hamämi?), welche sich mit dem Emir el-’Ogeifi vereinigt hatten 1) el-Cudhä’i bemerkt, dass er dies nur desshalb anführe, um daraus zu sehen, wie reich schon die Hofbeamten gewesen seien müssten, dass sie eine solche Summe vorstrecken konnten, und um daraus einen Schluss auf den Reichthum des Statthalters zu machen. الخمامى هذه النسبة الى شييين إاحدها الحمام وق الطيور ويقال لمن يُطيرها Lobäb:‏ )2 ويرسلها من البلاد جامى من أبو النجم AM‏ الحمامى وهو بدر اللبير مول المعتضد كان Led‏ على فارس روى عن عبد الله بن رماحس العسقلانى روى عنه ابن ابو بكر توف فى ششهر ربيع الاول سنة ۳ وابنه أبوبكر حبد روى عن sl‏ وبکر بن سهل الدمياطى Ab‏ عبد الرجن النسادی روى Ais‏ الدارقطنى وابو نعيم الحافظ Rad‏ وول بلاد فارس بعد ابی وكان xl.‏ حصي السماع ومات Eer ef‏ ل ee‏ والثانى نسبة ألى بنى چام بطن من آبت ele‏ الخ Dienste der Tülüniden ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen und gleich-‏ zeitigen Emir von Hofe des Chatten el-Mu’tadhid.‏ 40 F. WÜSTENFELD, und bis البلقسون‎ vorgedrungen waren; der andere im J. 281 von dem Emir Tugg ben Guff, welcher bis Trapezunt kam und im Gumädä II, die befestigte Stadt Amäzia!) eroberte. Nach längerer Ruhe verliess Chumäraweih Fustät am 8. Scha’bän 282, um sich mit seiner Armee nach Syrien zu begehen, wofür ein be- sonderer Grund nicht angeführt wird; er hielt sich noch einige Zeit in Munjat el-Acbag und in Munjat Matar auf und reiste dann nach Da- mascus, wo er kurz darauf am 3. oder 15. Dsul-Higga?) (23. Jan. oder 4. Febr. 896) von seinen eigenen Sklaven ermordet wurde. Die Veran- lassung dazu wird verschieden erzählt: Es hatte ihm Jemand gesagt, dass seine in Ägypten zurückgebliebenen Frauen mit seinen Dienern ein Verhältniss hätten, um sich davon zu überzeugen, möge er einige derselben nach Damascus kommen lassen und eine von den Frauen durch Auspeitschen zum Geständniss zu bringen suchen. Dies sollte auch aus- geführt werden, als aber die Frauen und Diener nach Damascus kamen, schöpften sie Verdacht, dass sie verrathen wären und dass ihnen die Bestrafung bevorstehe; um dieser zuvorzukommen, fielen sie nach Ver- abredung über ihn her und ermordeten ihn auf seinem Lager in seinem Schlosse am Fusse des Berges Cäsiün unterhalb des Klosters Murrän. Nach anderen wäre es nur eine Frau gewesen, welche, als er ihr ge- droht hatte, mit ihrem Liebhaber die That vollbrachte. Noch andere geben an, er habe im Bade einem unnatürlichen Laster mit seinen Sklaven gefröhnt und da einer aus Scham vor den übrigen sich weigerte sich ihm hinzugeben, habe er ihn zu Tode peitschen lassen ; darüber seien die anderen so empört, dass sie am folgenden Abend, als er wieder ins Bad ging, ihn umbrachten, und die Flucht ergriffen. Der Emir Tugg ben Guff, welcher mit im Schlosse war, schwang sich, als er die Nach- 1) Dieser Name Sall würde wenigstens den verschiedenen Lesarten am nächsten liegen: Abul-Mahäsin II. 92 ماورية‎ (wo auch طوأايليرن‎ statt طرابزون‎ steht); Ibn el Athir VII. 324 بلودية ,ماديويه ,مادويه‎ . 2) Die angegebene Regierungszeit von 12 Jahren und 18 Tagen beträgt vom 18. Dsul-Ca’da 270 bis zum 3. Dsul- Higga 282 drei Tage weniger. DIE STATTHALTER VON AGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 41 richt erhielt, sogleich aufs Pferd, verfolgte die Mörder, holte sie ein und liess einige zwanzig derselben umbringen und an’s Kreuz heften. — Chumäraweih’s Leiche wurde in einem Sarge nach Ägypten gebracht. Sein ältester Sohn Abul-’AsäkirGeisch benChumäraweih, welcher mit in Da- mascus anwesend war, wurde noch nicht vierzehn Jahre alt am zweiten Tage nach der Ermordung seines Vaters von den Anführern der Truppen zu seinem Nachfolger ausgerufen und liest sogleich Geschenke unter sie aus- theilen und ernannte Tugg ben Guff zum Befehlshaber von Damascus; einige Täge nachher brach er nach Ägypten auf, um dort förmlich die Regierung anzutreten. Der erste Act derselben war der, dass er bei der Bestattung seines Vaters die Leichenrede hielt; die Trauer um den- selben gab sich besonders durch das Wehklagen der Frauen an jenem Tage allgemein kund. Mehrere der angesehensten Corpsführer hatten ihm nicht huldigen wollen, weil sie bei der durch die Aussteuer seiner Schwester gänzlich erschöpften Staatskasse nicht hoffen konnten ihre Rechnung zu finden und mit hohem Sold oder besonderen Belohnungen und Geschenken be- dacht zu werden; sie wurden nur durch äusserste Milde dahin gebracht, dass sie sich unterwarfen. Es fand sich aber unter ihnen keine be- sonders hervorragende Persönlichkeit, welche bei der gegenseitigen Eifer- sucht es gewagt hätte, die Leitung des jungen Herrschers und die Zügel der Regierung in die Hand zu nehmen, um entweder durch kluge Um- sicht und Unparteilichkeit Alle zufrieden zu stellen, oder durch Strenge die Unzufriedenen niederzuhalten; denn der Haushofmeister Abu Ga’far Muhammed Ibn Abäli, welcher den grössten Einfluss hatte, war ein ränkesüchtiger Mensch, der nur auf seinen eigenen Vortheil bedacht war. Geisch hatte noch zu sehr Gefallen an jugendlichen Thorheiten, trieb sich am liebsten mit Gassenbuben umher und hatte besonders einen Griechischen jungen Sklaven Namens Bandaküsch und zwei Handarbeiter, Chidhr und Ibn el-Bawwäsch, zu seinen Gespielen gewählt, mit denen er sich im Ringen übte. Diese sollen ihn dann auch zuerst auf den Gedanken gebracht haben, dass sein Oheim Abul-’Aschäir ihm gefährlich F Histor.- philolog. Classe. XXI. 1. 42 F. WÜSTENFELD, werden könnte; er war schon einmal nach der Flucht seines Bruders bei den Mühlen an die Spitze der Armee berufen, hatte sich die Zu- neigung der Truppen erworben, auch mit den Einwohnern von Batea ein Einverständniss gehabt und, wie sie sagten, einen Vorschmack von der Herrschaft bekommen. Geisch liess ihn desshalb festnehmen und heimlich umbringen und dann aussprengen, dass er plötzlich gestorben ‚sei; indess blieb die Wahrheit nicht verborgen und die Herzen der Un- terthanen wurden ihm dadurch entfremdet. Aber auch die Emire fühlten sich zurückgesetzt und sogar bedroht: Chäkän el-Muflihi, Muhammed ben Ishäk ben Kundägik, Waeif ben Suwärtakin, Bunducab ben Lamgür, dessen Bruder Muhammed ben Lamgur, Badr ben Guff, Ibn Carätugän und andere, welche von Chumå- ` zaweih sehr hoch geachtet waren, mussten jetzt selbst für ihr Leben besorgt sein, da Geisch, wenn er mit seiner Gesellschaft zechte , diesem und jenem sagte: „morgen werde ich dir die Stelle des und des über- tragen und dir sein Haus schenken, du verdienst das eher, als diese Hunde.“ Ein Theil der Emire hielt solche Reden für gänzlich unge- fährlich und suchte nur seine Gesellschaft zu meiden, andere, wie die eben genannten, beschlossen sich ganz von ihm zu trennen; eine Truppe von dreihundert Mann erfernte sich heimlich aus Fustät mit Zurück- lassung ihrer Habe und ihrer Familien und begab sich über Bila und auf dem beschwerlichen Wege durch die Arabische Wüste, in welcher mehrere von ihnen wegen Wassermangel umkamen, nach Kufa und wurden von dem Chalifen , nachdem er sie reichlich mit Reisevorräthen und Transportmitteln hatte versehen lassen, nach Bagdad eingeladen, dort sehr ehrenvoll empfangen und mit doppeltem Solde in seine Dienste genommen. ‘Geisch kümmerte sich nieht darum, sondern setzte seine bisherige Lebensweise fort und selbst als er die N achricht erhielt, dass -Tugg ben Guff, der Emir von Damascus, und Ahmed ben Tugän, der Commandant des Gränzgebietes, ihm den Gehorsam gekündigt hätten, liess er sich in seinen Vergnügungen nicht stören ‘und machte sich keine Sorgen darüber. Jetzt traten aber doch mehrere Emire, welche ihm bis dahin noch DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 43 treu geblieben waren, zusammen und beriethen sich ‘mit den angesehen- sten Einwohnern von Fustät über ihre und seine ‚Lage; sie massen dem. Geheim-Secretär "AN ben Ahmed el-Märidini und dem Haushofmeister Ibn Abäli alle Schuld bei, weil sie ihren jungen Herrn nicht besser berathen, ermahnt und gewarnt hätten, und beschlossen ihn abzusetzen; ja Barmasch der Chazare, ein Officier von der Leibwache des 'Chumära- weih, war schon bereit ihn zu ermorden, stand aber noch davon ab, und der Secretär ADR konnte mit Mühe und unter dem Versprechen, seinen Herrn auf andere Wege zu bringen, nur das erreichen, dass sie sich bis zum anderen Morgen geduldigen wollten, ehe sie etwas unter- nähmen. Geisch hatte sich nach einem Vergnügungsorte bei Munjat el-Acbag begeben und bekam hier die Nachricht, dass die Truppen sich gegen ihn empört hätten; er machte sich sogleich auf nach dem Schlosse in Fustät, wo er drei seiner Oheime, Mudhar, einen anderen und Rabi’a gefangen hielt, und als die Truppen am anderen Morgen gegen das Schloss anrückten, liess er Mudhar und dem anderen!) die Köpfe ab- schlagen und warf sie hinaus unter die Soldaten mit den Worten: „da habt ihr eure Emire! Nun stürmten die Soldaten herein und ermordeten ihn oder schleppten ihn ins Gefängniss, wo er nach wenigen Tagen auf Befehl seines Bruders Härin umgebracht wurde. Auch seine Mutter, sowie sein Secretär ’Ali el-Märidini und seine beiden Gesellschafter Bandaküsch und Ibn el-Bawwäsch wurden getödtet, seine Wohnung ausgeraubt und die Stadt in Brand gesteckt und geplündert, wobei einige Soldaten sich so bereicherten, dass sie den Kriegsdienst verliessen und an der Seeküste Grundbesitz ankauften, wo: sie Landwirthschaft und Handel trieben. — Als Tag der Absetzung und Ermordung des Geisch wird der 10. Gumädä II. 283 angegeben, doch stimmt dies nicht genau zu.der anderen Angabe, dass er sechs Monate und zwölf Tage regiert habe; sieben oder gar neun Monate sind jedenfalls zu viel. — Die Truppen riefen seinen vierzehnjährigen Bruder 1) Rabi’a ist selbst der Erzähler dieses Vorganges, aber der andere kann nicht Scheibän gewesen sein, wie Abul-Mahäsin II, 101 vorkommt, da er später zur Regierung kam; Macrigt I, 322 nennt nur Mudhar als den damals geköpften. F* 44 F. WÜSTENFELD, Abu Müsä Härün ben Chumäraweih | zum Nachfolger aus und der Haushofmeister Ibn Abäli behielt die Regentschaft, liess aber sofort noch mehrere Corpsführer, die ihm ent- gegen waren, umbringen. Der Cädhi Abu Äbdallah Muhammed ben ’Abda entging diesem Schicksale dadurch, dass er sich acht Jahre lang während der ganzen Regierungszeit des Härün verborgen hielt; an seine Stelle trat Abu Zara Muhammed ben Othmän aus Damascus. Einige Tage nach dem Regierungsantritt Härün’s musste sein Oheim Rabi’a auf Ibn Abâlfs Befehl mit seiner ganzen Familie und seinem Harem die Residenz verlassen und er begab sich nach Alexandria, wo er in Zurückgezogenheit ein angenehmes Leben führte. — Die meisten Emire handelten ganz willkürlich und eigenmächtig; drei der älteren unter ihnen, Badr, Fäik und Cäfi, eigneten sich ein ungeheures Ver- mögen an, von dem sie einen Theil nach Syrien in Sicherheit brachten, und durch Geschenke, welche sie davon austheilten, wurde es ihnen leicht, sich einen grossen Anhang zu verschaffen. Badr begab sich mit dem Emir el-Hasan ben Ahmed el-Märidini selbst nach Damascus, um dem Tugg ben Guff die Bestätigung als Präfect von Syrien zu über- bringen, wodurch er anscheinend zur Unterwürfigkeit zurückkehrte, während er in Wirklichkeit sich als unabhängig betrachtete. Nach ihrer Rückkehr trat Badr die Wallfahrt nach Mekka an, auf welcher er einen besonderen Pomp entwickelte und grosse Summen verwandte, und im folgenden Jahre suchte Fäik es ihm darin noch zuvor zu thun. Das Volk war mit dieser Wendung der Dinge sehr unzufrieden und einige wandten sich an Rabf’a ben Ahmed ben '[ülün, welcher in Alexandria ganz ruhig lebte, und forderten ihn auf, an ihre Spitze zu treten, dann werde auch der grösste Theil der Armee ihm folgen. Darauf hin brachte er eine Anzahl Leute aus dem Districte von Buheira bei Alexandria, von Berbern und anderen zusammen, zog damit gegen Fustät und lagerte hinter der Stadt am Berge Mukattam; allein jetzt liess ihn die Bevöl- kerung im Stich, und als die Truppen aus Fustät gegen ihn ausrückten, war er tollkühn genug, einen Kampf wagen zu wollen und sprengte , seinem Häuflein voran, nur mit einer kurzen Lanze bewaffnet, bis ihm DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 45 ein schwarzer Eunuch Namens Gandal el-Muzähimi, ein Freigelassener des Emir Muzähim ben Chäcän, entgegenkam, welcher sich aber, als ihn Rabi’a angriff, auf die Erde warf, worauf Rabi’a mit den Worten: geh zum Teufel! sich von ihm abwandte und ihn im Staube liegen liess. Jetzt trat ihm ein anderer junger Officier Namens Ahmed, aus dem Gefolge des Emir el-Kifti, zum Zweikampfe entgegen, den streckte Rabi’a todt nieder; dann stürzte er sich auf die Leute bald links, bald rechts, musste sich aber vor ihrem vereinten Angriffe zurückziehen, und dies wiederholte sich einige Male, bis sie ihn ganz umstellt hatten und gefangen nahmen. Am anderen Morgen, den 11. Scha’bän 284, erhielt der genannte Emir el-Kifti, unter dessen Befehl grade die Leute standen, welche bei Executionen das Auspeitschen zu verrichten hatten, den Auf- trag, dem Rabi’a hundert Hiebe aufzählen zu lassen, und um den Tod seines Officiers noch besonders zu rächen, gab er seinen Leuten einen Wink, die Hiebe recht wuchtig auszutheilen, so dass Rabi’a seinen Geist aufgab, worauf el-Kifti hinzutrat und mit den Worten: „Ochsenfleisch wird nicht schnell weich“, dem Leichnam noch einige Schläge versetzte. Sobald indess diese Äusserung den Negersklaven zu Ohren kam, welche für Rabi’a noch einige Anhänglichkeit hatten, da sie schon unter dessen Vater am Hofe gewesen waren, wurden sie dadurch so empört, dass sie vor die Wohnung el-Kiftis rückten, der sich eiligst entfernte, dieselbe gänzlich ausplünderten und die Frauen von allem entblösst darin zurück- liessen. el-Kifti nahm sich bei seiner Rückkehr dies Unglück so zu Herzen, dass er einige Tage nachher vor Kummer starb. Es blieben aber noch zwei Männer übrig, welche Ibn Abäli für sich für gefährlich hielt und deren er sich desshalb mit Schlauheit und Hin- terlist zu entledigen suchte. Simgür, der Kammerherr des Härün, hatte seiner Zunge freien Lauf gelassen und sich bei einigen Emiren offen gegen Ibn Abälı ausgesprochen, und als dieser hiervon Kenntniss erhielt, that er weiter nichts, als dass er seinem jungen Gebieter sagte: „hüte dich vor diesem Simgür!“ Als nun am Ende des Ramadhän zum Feste des Aufhörens der Fastenzeit die Emire erschienen waren und nach beendigter Vorstellung sich wieder entfernten, befahl Hûrûn dem Simgür 46 F. WÜSTENFELD, dazubleiben und sagte dann zu ihm: es ist mir im Geheimen mitgetheilt dass du etwas im Schilde führtest, du denkst irgend etwas zu unter- nehmen; und damit gab er seinen Sklaven einen Wink, welche ihn ergriffen. und in Verwahrsam brachten, und man hat nie wieder etwas von ihm gehört. Dem anderen, Barmasch, hatte es Ibn Abäli nicht vergessen, dass er bei der Entthronung des Geisch und der Ermordung seines Secretairs ADR el-Märidini sich besonders hervorgethan hatte; erst brachte er in einer geheimen Unterredung den ungebildeten Chazaren dahin, dass er auf den Emir Badr recht weidlich schimpfte, was diesem natürlich hin- terbracht wurde; dann wusste er ihn in einen Streit zu verwickeln, so dass ein Auflauf entstand, und Barmasch war thöricht genug, seine Mamluken zu sammeln und der über sein Benehmen empörten Menge sich entgegen zu stellen. Jetzt hatte Ibn Abäli Grund zu Härin zu eilen. und ihn aufzufordern, Barmasch festnehmen zu lassen, oder lieber gleich selbst. sich an Ort und Stelle zu begeben. Härün stieg rasch zu Pferde, seine ganze Umgebung folgte ihm und als Barmasch sie kommen sah, bereitete er sich zum Kampfe vor, ergriff seinen Bogen und wollte eben schiessen; da rief man ihm zu: dein Gebieter! wehe dir! dein Gebieter der Fürst! Er antwortete: lasst mich zusehen, wenn es mein Gebieter ist, so werde ich nicht angreifen; wenn es aber die kleinasiati- schen Emire sind, so werde ich gegen sie alle kämpfen, bis wir zusam- men sterben. Härün sprang jetzt vom Pferde, aber Ibn Abäli gab der Mannschaft einen Wink und sie fielen mit ihren Schwertern über Bar- masch her, bis er getödtet war; seine Wohnung wurde geplündert und Härün kehrte in seine Residenz zurück. Während nun für Härün in Ägypten noch ein Schatten der Macht erhalten wurde, ging die nördliche Gränzprovinz in Kleinasien ganz für ihn verloren. Ahmed ben Tugän, der Präfect von Tarsus, hatte im J. 283 zur Auswechselung der Gefangenen eine Reise in das Griechische Gebiet unternommen und der oben genannte Rägib hatte seine Abwesen- heit dazu benutzt, sich alle Gewalt anzueigen, so dass Ibn Tugän bei seiner Rückkehr nicht wagte dort länger zu verweilen, sondern ZU DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 47 Schiffe weiter ging, nachdem er dem Emir Damjäna die Regierung über- tragen hatte. Rägib war so weit gegangen, dass er nach dem Tode seines Gönners Chumäraweih sich der Oberheit seines Sohnes und Nach- folgers Hârůn ganz entzogen hatte, indem er dessen Namen aus dem Kanzelgebet ausliess und dafür zum Schein den Chalifen Mu’tadhid und dessen Statthalter Badr nannte, denn in Wirklichkeit herrschte er ganz unabhängig. Damjäna missbilligte dies eigenmächtige Vorgehen des Rägib und erkannte dessen Regierungshandlungen nicht an, darüber kam es zu einem offenen Parteikampfe, in’ welchem Rägib die Oberhand be- hielt, worauf er Damjäna nach Bagdad abführen liess, sich von der Ab- hängigkeit von den Tülüniden ganz frei machte und sich auf die Seite des Chalifen stellte. Er unternahm noch im J.285 gegen die Griechen eine Expedition zur See, tödtete 3000 derselben, verbrannte ihre Flotte und eroberte mehrere feste Burgen, fiel aber gleich darauf in Ungnade, weil er sich von der Beute einen zu grossen Theil angemasst hatte; er wurde nach Racca befohlen und ins Gefängniss geworfen, in welchem er nach wenigen Tagen im Scha’bän 285 starb. Um nun wenigstens in dem Besitze von Ägypten und Syrien sich sicher zu stellen, entschloss sich Harûn im J. 285 mit dem Chalifen in Unterhandlung zu treten, und es wurde vereinbart, dass er die Statt- halterschaft dieser beiden Provinzen behalten, aber jährlich 450,000 Dinare bezahlen solle; hiernach wurden im Anfange des J. 286 alle Grenzörte über Syrien hinaus, wo Härün noch‘ Präfecte gehabt hatte, dem Chalifen übergeben. Inzwischen hatte Härün einen der jüngeren Emire Namens Lahga sehr bevorzagt und zu dem Range der älteren erhoben, wodurch diese, namentlich Badr, Cäfi und Fäik sich zurückgesetzt und beleidigt fühlten, und dadurch, das Cäfi gewissermassen eine Strafversetzung nach Ramla erhielt, wurde das gespannte Verhältniss zwischen ihnen und Hârûn nur noch vermehrt. ` Die Carmaten hatten um diese Zeit ihre Macht schon weit über die Gränzen von Bahrein ausgedehnt und waren sehon über Kufa hin- aus vorgedrungen. Hier hätte sich einer derselben Namens Dsikraweih ben Mihraweih wieder als Häuptling erhoben und nach mehreren ver- 48 F. WÜSTENFELD, geblichen Versuchen, die benachbarten Arabischen Stämme für sich zu gewinnen, sandte er seine Söhne zu den Kalb ben Wabara, von denen aber nur ein kleiner Zweig, die Banu ’Olleig ben Dhamdham ben "Adi ben Ganäb !) mit ihren Schutzgenossen sich bereit finden liessen zu folgen, und in der Wüste von Samäwa zwischen Kufa und Syrien huldigten sie im Anfange des J. 289 einem Sohne des Dsikraweih Namens Abul- Cäsim Jahjä ben Dsikraweih und gaben ihm den Ehrentitel Scheich, er selbst nannte sich aber Muhammed ben Abdallah ben Muhammed ben Ismäil und behauptete durch diese Verwandtenkette von dem Chalifen ’Alí ben Abu Talib abzustammen, während es bekannt ist, dass jener Muhammed ben Ismä’il keinen Sohn mit Namen Abdallah hatte; daneben spiegelte er ihnen vor, dass die Zahl seiner Anhänger in verschiedenen Gegenden sich auf Hundertausend belaufe und dass das Camel, welches er ritt, ebenso wie das Muhammed's, in seinem Gange einer höheren Führung folge. Jetzt schlos- sen sich ihm auch die Banu el-Acbag, die nächsten Verwandten der ’Olleic, an und wenn nun auch die Armee, welche ihnen el-Mu’tadhid unter Anführung des Schibl entgegenschickte, anfangs in der Gegend von Rucäfa?) einen Erfolg gehabt zu haben scheint, indem einer der Häupt- linge, Abul-Fawäris, gefangen genommen, nach Bagdad geschleppt und nach einer Unterredung mit dem Chalifen hingerichtet wurde, so er- fochten die Carmaten doch bald nachher bei einem Ueberfalle, wobei Schibl das Leben verlor, einen vollständigen Sieg, sie verbrannten die Moschee von Rucäfa und zogen dann weiter der Syrischen Grenze Zu. el-Mu’tadhid starb Montag den 22. Rabi’ II. 289 (5. April 902) -und ihm folgte sein Sohn ’Ali el-Muktafi. Nachdem die Carmaten im Muharram 290 in der Gegend von Racca die Armee des Chalifen geschlagen hatten, sandte auch der Präfect Tugg 1) So sind andere Lesarten Ibn el-Athir VII, 353 zu berichtigen nach = genenlog. Tabellen 2, 27—29, wo unter Dhamdham noch el-'Olleig nachzutragen ist i vgl. Cämüs II, pag. 337. 2) Der Zusammenhang der Erzählung lässt nur an den Ort dieses Namens - Kufa denken, nicht bei Bagdad oder bei Racca. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 49 ben Guff im Rabi’ II. ein Corps von Damascus gegen sie, welches aber ebenfalls die Flucht ergriff, nachdem der Anführer Baschir getödtet war. Tugg, der ihnen noch immer keine grosse Bedeutung beimass und sie für eine kleine Schaar von Arabern hielt, die kein Kriegsmaterial hätten, zog ihnen mit einem geringen Gefolge entgegen mit Falken und Ha- bichten, als wenn er auf die Jagd wollte, als er aber auf sie stiess, wurde er zurückgetrieben und kam in schimpflicher Flucht nach Da- mascus zurück. Die Einwohner überkam jetzt eine grosse Furcht, Tugg verlangte von Härün schnelle Hülfe und dieser sandte ein grosses Heer unter Badr el-Hamämi nach Syrien. Darin diente ein gewisser Zuheir, welcher den Schwur that, sich auf den Carmaten Führer stürzen zu wollen, sobald er desselben ansichtig würde. Als nun die beiden Heere auf einander trafen und in Schlachtordnung aufgestellt waren, fragte Zuheir, welcher der Carmat sei, und man zeigte ihm einen Mann auf einem Camele mit zwei langen Ärmeln, mit denen er Zeichen gab, wenn die Truppen angreifen sollten. Ich sehe zwei auf dem Gamele, sagte Zuheir, ist es der vordere oder der hinten aufsitzt? Der hinten aufsitzt, war die Antwort, und nun drängte er sich durch die Reihen, bis er zu ihm kam, und versetzte ihm mit der Lanze einen Stoss, der ihn im Bogen von dem Camele todt zu Boden stürzte. Zuheir eilte zu seinem Anführer Badr el-Hamämi und verkündete ihm, dass er den Carmaten getödtet habe; wo ist sein Kopf? fragte dieser, und Zuheir kehrte zu- rück, um ihn zu holen, fand aber dabei seinen Tod. Denn die Car- maten hatten, als sie ihren Anführer fallen sahen, sogleich seinen Bruder el-Husein ben Dsikraweih an seine Stelle gesetzt und machten einen hef- tigen Angriff auf die Ägypter und Syrer und trieben sie in die Flucht. Mehrere folgende Schlachten hatten denselben Ausgang und brachten der Armee des Tugg schwere Verluste, sodass er sich zuletzt nach Da- Mascus zurückzog und dann von den Carmaten darin belagert wurde. Der Chalif el-Muktafi, welcher den Gang der Ereignisse aufmerksam verfolgt hatte, fing jetzt an, die Lage für sich selbst für bedenklich zu hatten und يسو‎ sich rasch ein Hülfscorps unter dem Befehle des Emir Muhammed ben Suleimän nach Damascus zu schicken, und als Hist.-philolog. Classe. XXI. 1. G 50 F. WÜSTENFELD. dies ruchbar wurde und zugleich die Einwohner von Damascus gegen Bezahlung eines Tributs Frieden schliessen wollten, ging Husein darauf ein, hob die Belagerung auf und nahm seinen Weg nach Hime; überall wurde viel Blut vergossen, die Frauen gefangen genommen und alle Gräuel des Kriegs verübt, wobei Husein wegen der Aussicht auf Raub und Plünderung einen grossen Zuzug von Beduinen-Arabern hatte, Er forderte jetzt, dass man ihm huldige und liess sich auf den Kanzeln el- Mahdi nennen, ein Mal in seinem Gesichte galt seinen Anhängern als Zeichen seiner göttlichen Sendung und er selbst gab sich unter dem Namen Ahmed ben Abdallah ben Muhammed ben Ismäil für einen Ab- kömmling des Chalifen ’Ali aus. Die Bewohner von Himç unterwarfen sich aus Furcht gutwillig und öffneten ihm die Thore, dann marschirte er nach Hamat, Ma’arrat el-Nu’män und Baalbek, überall in gleicher Weise mordend und plündernd. Die Stadt Salamia wollte anfangs Wi- derstand leisten, indess schlossen die Einwohner Frieden und öffneten die Thore; nun aber begann die Mezelei mit der Familie Banu Häschim, welche die zahlreichste war, sämmtliche Glieder derselben wurden hin- geschlachtet, dann ebenso alle übrigen, die Kinder in den Schulen, alles Vieh, und nachdem kein lebendes Wesen mehr in der Stadt war, kamen die umliegenden Dörfer an die Reihe, denen es ebenso erging. Auf die wiederholten Vorstellungen und Klagen der Syrischen Be- völkerung über die Drangsale, welche sie von den Carmaten zu erdulden hätten, befahl der Chalif el- Muktafi endlich ein Heer auszurüsten, er zog damit selbst im Ramadhän 290 von Bagdad aus und nahm seinen Weg über Mosul. Er sandte den Emir Abul- Agarr mit 10,000 Mann vorauf, welcher in der Nähe von Haleb ein Lager bezog; hier wurde er von dem Carmaten ‚mit dem Gesichtsmal‘“ überfallen, verlor im Kampfe einen grossen Theil seiner Mannschaft und rettete sich mit Tau- send Mann nach Haleb; der Carmat verfolgte ihn bis an die Thore der Stadt, fand aber hier einen solchen Widerstand, da die Einwohner sich mit dem Rest der geflüchteten Truppen verbanden, dass er wieder ab20$- Der Chalif war unterdess bis Racca vorgerückt und schickte von hier den Emir Muhammed ben Suleimän ab, bevor er indess die Carmaten DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 51 erreichte, waren sie im Schawwäl von den Ägyptischen Truppen unter dem Emir Badr geschlagen; sie erlitten grosse Verluste und der Rest rettete sich in die Syrische Wüste, wohin sie der Chalif durch el-Husein ben Hamdän und andere Corpsführer verfolgen liess. Vielleicht war dies nur eine Abtheilung der Carmaten gewesen, oder sie sammelten sich wieder nach einiger Zeit, denn der Hauptschlag gegen sie erfolgte erst am 6. Muharram 291 zwölf Meilen von Hamät, wo sie Muhammed ben Suleimän nach einem heftigen Kampfe in die Flucht schlug. Als ihr Anführer merkte, dass die Schlacht verloren gehen werde, übergab er seine Schätze einem seiner Brüder, um sie an einem gewissen Orte in der Wüste in Sicherheit zu bringen, bis er die weiter nöthigen An- ordnungen würde getroffen haben; er selbstschlug mit seinem Vetter el-Mu- datthir, seinem Diener el-Mutawwak und einem Griechischen Sklaven Dalil den Weg nach Kufa ein. In der Nähe von el-Dälia auf der Westseite des Euphrat zwischen "Ana und el-Rahba gingen ihre Reise- vorräthe zu Ende und einer von ihnen ging in das Dorf, um Lebens- mittel zu kaufen; er wurde hier erkannt, oder er verrieth sich durch seine Verlegenheit als verdächtig, und vor den Ortsvorsteher geführt bekannte er, dass „der mit dem Gesichtsmale‘‘ mit zwei anderen Ge- fährten auf der anderen Seite des Hügels lagere. Dort wurden sie er- griffen und zu Ahmed ben Muhammed ben Kaschmard gebracht, welcher sie nach Racca zum Chalifen abführen liess. Die Verfolgung der Car- maten wurde jetzt eingestellt und el-Husein ben Hamdän, welcher sich dabei vorzüglich ausgezeichnet hatte, zurückgerufen und in einem Schreiben von Muhammed ben Suleimän besonders belobt, ebenso die Banu Scheibän. Montag den 26. Muharram 291 (19. Dec. 903) wurde der Carmat Husein mit seinen beiden ‘Gefährten el-Mudatthir und el- Mutawwak in einem öffentlichen Aufzuge auf einem zweihöckerigen Camele in Racca hereingeführt; bald darauf brach der Chalif mit ihnen nach Bagdad auf, wo in der festlich geschmückten Stadt das Schauspiel 'eines öffentlichen Einzuges ‘wiederholt wurde, der Carmatenführer auf einem Elephanten, die anderen auf einem Camele. Nachdem dann die Armee unter Muhammed ben Suleimän nachgefolgt war, die noch eine G* 52 F. WÜSTENFELD, Anzahl gefangener Häuptlinge mitbrachte, fand Montag den 23. Rabi’ 1. (13. Febr. 904) unter dem Vorsitze des Chalifen eine öffentliche Hin- richtung statt: den Gefangenen, für welche ein hohes Gerüst errichtet war, wurden Hände und Füsse abgehauen, dann der Kopf abgeschlagen und die Leichen von oben hinabgeworfen; el-Husein als der letzte er- hielt zuvor noch zweihundert Geisselhiebe, dann wurden ihm Hände und Füsse abgehauen, die Haut mit glühenden Eisen gebrandt, an die Seiten Holz gelegt und angezündet, und als er dem Verscheiden nahe war, wurde ihm der Kopf abgeschlagen, auf eine Stange gesteckt, wozu das Volk Allah akbar! rief und auf der Brücke aufgestellt. — Hierauf nahte sich Muhammed ben Suleimän dem Chalifen und erhielt von ihm einen Ehrenmantel, ebenso die unter ihm dienenden Corpsführer Muham- med ben Ishäk ben Kundägik, Husein ben Hamdän, Ahmed ben Ibrahim ben Keigalag, Abul-Agarr und Wacif, welchen zugleich die Weisung gegeben wurde, sich dem Oberbefehl des Muhammed ben Suleimän zu unterwerfen. ES / Ismaîl ben el-Nu’män, der einzige Häuptling der ’Olleie welcher sich gerettet hatte, wandte sich schriftlich an den Chalifen el-Muktafi und bat um Frieden, und nachdem ihm Sicherheit zugesagt war, kam er mit etwa 160 Mann seines Stammes nach Bagdad; sie wurden hier gut auf- genommen und unterstützt und ihnen der Ort Rahba-Mälik, der zu dem Verwaltungsbezirke des Cäsim ben Simä gehörte, als Aufenthalt angewiesen. Hier wohnten sie einige Zeit, bis sie eine grössere Zahl auf ihre Seite gezogen und einen Plan zur Rache ersonnen hatten: sie wollten die Einwohner, wenn sie am Feste der beendigten Fasten (letzten Ramadhän) zum Gebet versammelt wären, überfallen und sich des Ortes bemächtigen; indess wurde der Plan dem Cäsim verrathen, er kam ihnen zuvor, liess sie umbringen und den weiteren Zuzug der ’Olleig ver- hindern. Diese blieben dann auch in ihren Wohnsitzen bei el-Samäwa, zumal da der alte Dsikraweih ihnen meldete, dass seine beiden Söhne umgekommen seien, aber der (angebliche) Imäm noch lebe, der sie zum Siege führen werde. Nach den grossen Verlusten, welche die Ägyptische Armee in die- DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 58 sen Kriegen erfahren hatte, bei dem gänzlich erschöpften Staatsschatze in Ägypten und der offenbaren Unfähigkeit des jungen Herrschers, der noch immer für kindliche Vergnügungen mehr Sinn hatte, als für ernste Regierungsgeschäfte, und bei dem Mangel eines aufrichtigen und er- fahrenen Rathgebers für denselben hielt der Chalif die Zeit für geeignet, die Tülüniden ganz zu verdrängen, um seine Macht über Syrien und Ägypten wieder in unumschränkter Weise zu erlangen. An Vorwänden dazu mochte es nicht fehlen, ein gewisses gespanntes Verhältniss hatte immer bestanden, und so erhielt Muhammed ben Suleimän den Auftrag mit den Truppen des Chalifen Syrien und Ägypten zu besetzen. Mu- hammed gab seiner Seits dem wieder begnadigten Emir Damjäna, welcher wegen seiner Tüchtigkeit zum Admiral befördert war, den Befehl mit der Flotte von Tarsus nach Ägypten zu segeln, er selbst setzte sich noch im Ragab 291 mit seiner Armee in Bewegung und zog in Damascus ein, ohne Widerstand zu finden, weil die Ägyptischen Emire Badr und Fäik ‚mit ihren Truppen zu ihm übergingen. Auf die Nachricht von ihrem Anmarsche gegen Ägypten liess Hârůn am Tage Tarwia d. i. am 8., Dsul-Higga 291 sein grosses Zelt vor der Stadt Fustät aufschlagen, be- fahl die Ausrüstung seiner Armee zu beschleunigen und rückte dann dem Feinde bis an die Gränze bei el Abbasa entgegen, als die Syrische Flotte schon vor Tinnis und Dimjät erschien und nach kurzem Kampfe mit der Ägyptischen ihre Truppen ans Land setzte. In el-’Abbäsa, wo schon viele von ihm abgefallen waren, entstand zwischen den Ägyptiern ein Streit, und als Härün dazwischen trat, um sie zu beruhigen, wurde er von einem Soldaten aus Magrib mit der Lanze getroffen und auf der Stelle getödtet. Nach anderen soll er von einem seiner Sklaven auf seinem Ruhebett auf Anstiften seines Oheims Scheibän ermordet sein; noch andere sagen, da Härün sich fortwährend nur den Vergnügungen hingab, hätten Scheibän und sein Bruder Abu Geischün "Adi, weil auch für sie Alles auf dem Spiele stand, selbst ihn, als er betrunken war, umgebracht. Dies geschah in der Nacht von Sonntag auf den Montag den 19, Cafar 292 (31. Dec. 904) und am Tage darauf trat Scheibän ben Ahmed ben Tülün die Regierung an, zog sich 54 F. WÜSTENFELD. aber sofort mit den Truppen nach Fustät zurück. Er war ein kühner, unternehmender Mann, gross und breit gewachsen und in seiner besten Manneskraft; er suchte zunächt durch Versprechungen und Geschenke die Bevölkerung für sich zu gewinnen, und am nächsten Freitag wurde in allen Moscheen sein Name in dem Kanzelgebet genannt und damit die Huldigung vollzogen. Zum Obersten seiner Leibwache hatte er Müsä ben Tarnik ernannt und den früheren Cädhi Muhammed Ibn Abda wieder eingesetzt; um aber die Armee dauernd an sich zu fesseln, fehlten die Mittel, der Schatz war leer und dies war gewiss für viele die Veranlassung ihn zu verlassen. Als bei dem ersten Umzuge durch die Stadt der Zug an die so genannte Lanzen-Moschee kam, stiess die Lanze, an welcher die Fahne befestigt war, an einen Ueberbau der Strasse und zerbrach; dies wurde für eine schlechte Vorbedeutung ge- halten. Der Haushofmeister Ibn Abäli und der Corpsführer Nagih el- Rümi waren gleich von el-Abbäsa sofort nach der Ermordung Härün’s mit einem Theil der Truppen aufgebrochen und Tugg ben Guf, der . sich von Damascus zurückgezogen hatte, entgegen gegangen, während el-Husein ben Hamdän, welcher den Vortrab der Armee aus 'Iräk com- mandirte und schon in el-Faramä stand, auf die Nachricht von dem Vorgefallenen nach Gargir vorrückte und sich beim weiteren Vormarsche mit den Ägyptischen Truppen unter Ibn Abäli und den anderen Führen vereinigte, so dass daraus ein grosses Heer wurde. Nun kam auch Muhammed ben Suleimän mit der Hauptarmee in Eilmärschen herbei, gleichzeitig traf Damjäna mit den Landungstruppen ein und schon Diens- tag den 27. Gafar erschien die ganze Armee vor Fustät. Die östliche Brücke über den Nil wurde gänzlich, die westliche zum Theil abgebrannt und am Mittwoch den 28. Cafar schlug Muhammed ben Suleimän sein Zelt vor dem Thore der Stadt auf. Scheibän führte seine Truppen hin- aus, beide Parteien stellten sich in Schlachtordnung und der Angriff be- gann. Nachdem der Kampf eine Stunde gedauert hatte, sandte Muham- med, um weiteres Blutvergiessen zu vermeiden, ein Schreiben an Schei- bän, worin er ihm, seiner Familie und den Einwohnern völlige Sicherheit versprach, wenn er die Stadt übergeben wolle, und Scheibän, welcher DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 55 eingesehen hatte, dass er sich gegen die Übermacht nicht würde halten können, erklärte sich dazu bereit; er ging in der folgenden Nacht mit seinen Brüdern und Vettern hinaus und sie begaben sich in die Gewalt Muhammeds. Nur die Reiterei erfuhr hiervon etwas und stand vom Kampfe ab, die Fussgänger blieben in ihrer Schlachtordnung stehen und sahen sich am anderen Morgen ohne Führer; sie versuchten noch einen Angriff, wurden aber geworfen und durch Muhammeds Reiter von ihren Stützpunkten vertrieben. Diese Reiter wandten sich dann nach dem Quartier der Tulunischen Neger, welches ausserhalb der Ringmauer lag, brachten deren so viele, als sie erreichen konnten, zusammen und führten sie zu Muhammed, welcher zu Pferde vor seinen aufgestellten Truppen hielt, wo sie wie Schafe abgeschlachtet wurden. Muhammed hielt dann Donnerstag den letzten (29.) Cafar!) seinen Einzug in die Stadt ohne Widerstand zu finden, in Begleitung von Muhammed ben Abäli und einer grossen Anzahl von den Ägyptischen Truppen zu Fuss und zu Pferde; wer sich noch zur Wehre setzte oder auf der Flucht ergriffen wurde, dem wurde der Kopf abgeschlagen; die Quartiere, welche um die Rennbahn lagen und den Negern zur Wohnung dienten, wurden, nachdem ein grosser Theil von diesen getödtet war, niedergebrannt. Als dann die Hauptarmee, die aus Choräsänern bestand, einrückte, mussten die Ägyptischen Truppen ` die Stadt räumen, und die Fremden setzten nun erst recht das Zerstörungswerk fort: sie demolirten und plünderten die Häuser, nahmen Alles, was sie fanden, mit sich, schän- deten Frauen und Jungfrauen, erbrachen die Kerker und liessen die Insassen frei, machten Sklaven und Freie, Männer und Weiber zu Ge- fangenen und verfuhren gegen die gläubigen Ägyptier in einer Weise, wie sie gegen Ungläubige nicht schlimmer hätten verfahren können. 1) Diese Angabe bei Abul-Mahäsin II. pag. 144 ist richtig, nicht „Donnerstag d 1. Rab? I.“ wie pag. 151, und danach sind auch pag. 143 die Monatstage Diens- tag d. 28. und Mittwoch d. 29, Cafar in den 27. und 28. zu verbessern, wie oben geschehen ist; noch unrichtiger ist unten in dem Arabischen Texte „Donnerstag den 28. Gafar.“ 56 F. WÜSTENFELD, Dies dauerte mehrere Tage, während. Muhammed ben Suleimän, nach- dem er für den Chalifen el-Muktafi allein das Kanzelgebet gehalten hatte, seine Zelte am Ufer des Nil bei el-Maks aufschlagen liess, wo dann auch die Soldaten ein Lager bezogen. Hierher liess er nun die Ge- fangenen bringen, welche die Landungstruppen von Dimjät her aufge- griffen hatten, sie wurden erst zur Schau ausgestellt und darauf von einem Ende des Lagers zum anderen durch die Zelte geführt. Danach vertheilte Muhammed die Ämter: Oberst seiner Leibwache im Lager wurde ein gewisser Galjus, Oberst der Stadtwache Wacif el-Baktimuri, Cadhi von Fustät Abu Abdallah Muhammed ben 'Abda; diese Ernen- nungen fanden Donnerstag den 7. Rabi’ I. statt. Alsdann liess Muham- med die öffentlichen Notare und andere Beamte und Einwohner von Fustät festnehmen, und nachdem er sie durch Drohungen in die höchste Angst und Furcht gesetzt hatte, legte er ihnen eine bedeutende Con- tribution auf. Der Haushofmeister Muhammed ben Abäli, welcher sich wieder nach el-Abbäsa begeben hatte, wurde von dort zurückgeholt und ihm ohne Weiteres 500,000 Dinare abgenommen. Das Hinrichten, Ver- stümmeln, Geisseln, Spiessen und andere Strafen hörten nicht auf, bis Muhammed ben Suleimän Donnerstag den 1. Ragab 292 (9. Mai 905) von Fustät wieder abzog, nachdem der Chalif el-Muktafi den Emir Îs ben Muhammed el-Nüschari zum Statthalter ernannt hatte, so dass Muhammed ben Suleimän nicht eigentlich unter die Statthalter zu rech- nen ist. Dieser nahm Scheibän!) und dessen sämmtliche Brüder und Vettern, etwa zwanzig an der Zahl, als Gefangene mit sich nach Bagdad, so dass keiner aus der Familie der Tülüniden in Ägypten zurückblieb, und so endigte nach einer Regierung von 37 Jahren und 5 Monaten eine Dynastie, welche zur Zeit ihres höchsten Glanzes an Pracht und Luxus von keiner anderen übertroffen wurde. 1) So nach Abul-Mahäsin II. 146; auch nach Macrizi I. 322 wurde Scheibän begnadigt und es ist deshalb ein Irrthum, wenn Abul-Mahäsin pag. 151 sich selbst widersprechend sagt, dass Scheibän umgebracht sei. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 57 Der Codex Goth. Nr. 245, von Abul-Hasan ’Ali ben Dhäfir Gamäl ed-Din el-Halabi, aus welchem Freytag die Geschichte der Sägiden herausgegeben hat!), enthält auch den folgenden Abriss einer Geschichte der Tülüniden, worin noch einige Anektoden erzählt werden, welche ich hier nur im Original zu geben für genügend hielt; der Text bedarf noch an ein Paar Stellen der Nachhülfe. 1) Locmani fabulae et plura loca ex codicibus maximam partem historicis selecta ed. G. W. Freytag. Bonnae 1823. Vgl. Weil, Geschichte der Chalifen. Bd. 2. S. IX. Histor.-philolog. Classe. XXI. 1. H 58 F. WÜSTENFELD. > ù% eo: Je Al أخبار‎ us ey? تاليف j d PER.‏ u‏ الامام العالم جمال الحين 3 خسن على بى الفغيد الامام A‏ المنصور ظافر بی سین بن غازى الدولة الطولونية pas‏ والشام کان طولون nz Ss TTO be az de‏ اسد: بن سامان ve A pii.‏ فى اسنة SC‏ وتقدم ولده se ah de all SC Sie agi‏ بقنله ووعدهد Ga 5 ó ‚de‏ دخل Aë)‏ بن طولون مصر Salt‏ الامام المعتز بالله عليه السلام له عليها نيابة عن ماكيال التوكى DI 3‏ 0 ووه + .. e A‏ وتغلب على دمشق 0 أجبعد 8 = فى مدة اشتغال الموفق ترب صاحب الوذ بن az‏ بن الاغلب احد Bi RES‏ ق کرم فى Aacht Aë‏ وان ع الامام المعتمد AB‏ أفريقية فلم يقبل ابواعيم ذلك بل بعت اليه جيشا مع غلام له يقال له بلغ al,‏ صاحب طرابلس معونته فسارا AN‏ العباس ولقياه فهزماه Jin‏ اكثر عسكره ورجع الى برقة ف سنة سبع وستين ومايتين فاجهر اليه والده امد A‏ ماي الف وسار الى الاسكندرية وبعث اليه جيشا فقاتله العباس فانهزم Aë) A‏ اسيرا diy‏ به الى اج فلخل به الفسطاط سنة تمان وستين وقطع يديه ورجليه دكذلك فعل بالنقوف وباق معشر فاتوا جميعا وان المعتمد على الله قد جعل ولاية عهده لاخيه الامير الموفق AFI A ak‏ بى أمير المومنين المتوكل على الله ولولده الامير جعفر المفوض الى الله E‏ الملكئ: ذ قسمين بينهما BA‏ خروج علوى البصرة الدى فقام الموفف جرب الى أن استاصله S‏ هذ ست عشرة سنا وان بين الف EE‏ من حرمت ما 3 جوز وخلعه ولعنه على المنابر وكذلك فعل الامير الموفق ودام الامر على ذلك حتى نوق Ae)‏ Jah Er 7‏ وخلع الامام المعتيد ولده جعفر المفوض وجعل ولاية عهده لابن at sa}‏ دو ألامام المعتضد بالله ابو العباس اجن © i‏ سيرة AS)‏ بن طولون رحد الله y’‏ عادلا bliss‏ جوادا منتوضعا حسن awd)‏ رة بباشر الامور بنفسه بير البلاد de‏ رعایاه DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 59 ويفخص عى اخبار# وجب امل العلم ويدف Bella‏ وكانت له مايدة فى كل يوم sam‏ لخاص والعام واكابو العلماء وكان كثير الافضال Ak‏ الانعام وكان. له الف دينار فى كل شهر للصدقة dëi‏ وكيله فى تفرقنها يوما فقال له ارجا الامير انه تاتينى SA‏ وعليها الازار وف يدها خاتم الذهب فتطلب منى افاعطيها فقال له من مد يده اليك فاعطه» وكان رجه الله مع ذلك كله طايش السيف قال القضاى فقيل انه احصى من قثلة ابن طولون صبرا أو مات ف حبسه فكان عددم ثبانية عشر ei‏ قال على بن مهاجر خلف Art‏ بن طولون عشرة الاف الف دينار واطبقت جريدته من الموالى على سبعة الاف رجل ومن الغامان على اربعة وعشرين الف ME‏ ومن ليل الميدانية على سبع E‏ راس وترک من لجال الف سيم جمل ومن بغال ET‏ والومول سبعاية ومن Lust, A‏ خربية ماية مرحب ون weila All‏ لركابه مايتين وتلاتين وانفق على جامعه مايخ وعشرين الف دينار وعلى المارستان MESSER‏ ستنين RI‏ دينار وعلى حصن asf‏ تمانية الاف دينار وعلى الميدان وقصوره A.‏ اخربها حمد بى سليمان الكاتب ماية وخيسين الف دينار وعلى مرمات التغور مايتى الف دينار وكان رسم مطبخه وعلوفات دوابه فى كل يوم الف دينار ورسم الصدقة Kc‏ الى التغور A‏ كل شهو الفى دينار وتسلم مصر من Al‏ بن المدبر وخراجها ثاماية الف دينا ر ديوانية فهرها حتى بلغت عبرتها بغير مكس ولا ضريبة اربعة الاف الف وتلتماية الف دينار سوى ضياع بأيُدى الامراء وابيع القمح على zl‏ عشرة ارادب بدينار Se‏ ستون رطل Lä ومن صدق فراسته ما ذكره أبو العباس الطرسوبى أنه رای ذات يوم وعو راکب‎ e Schi بهذ! الشِين فلما جلس ادخل اليه فقال السياط‎ ER LEN وأقفا مع النظارة فقال لبعض‎ مختوية فال لذ‎ ES لا تتجل على ايها الامير فانا اأصدقك ا أضبارة صغيرة $ فيها‎ zu فقال‎ Kab قوی القلب‎ Sall خراسالى شحين‎ ze Al فقال حاضر فارسل معد من‎ EM cy الى قواد‎ LED Aë رسوا من الموفف قن‎ All بصاحبه الى المطيف وان‎ Agen عنده‎ dli i رایت هنا الرجل وقد‎ Ss, ران فقال‎ REN) الكتجب منى‎ az قال الطرسوبى فتبين‎ Ar اقدم على سننه فكانت‎ A د فكاننن حركته قوی‎ ee Ten جع‎ جلس یوما فى مستشيف ف بعض‎ a AFT plil e Be Ah un Ai ضعيفة فعلمت‎ Ai > فتناول رغيف‎ San وحال‎ GE فواى من بعيد سايلا فى ثوب‎ sl البساتنين ياكل مع خاصة‎ ففعل‎ sl ووضع فيه دجاجة وفرخا وقطع لحم وذالودجا وامر بعص الغلمان بالنزول ب‎ ar" لغلام ذلك ورجع وا جد على السایل بالنظر فا مت ساعة حتى قل جینی بذلك السايدل‎ معك واصدقى‎ AL فاستنطقد فاجسن جوابة ول يضطرب من هيبقه فقال احضر الكتب‎ ec? من بعثك فقد صح عندى انك صاحب خبر فر احضر السياط فاعترف السايل بذلك فقال له‎ ايها الامير الشكر فضحى وقال ما هو بسكم‎ all, Më وكان دالة علية وموضع منه‎ Mët بعض‎ Ss اليه بطعام‎ eat HÄ الرجل على ما هو علیہ من سوه‎ Më ولكند قياس کج رايت‎ Hr 60 F, WÜSTENFELD, اليه الشبعان من طيبه فرجع عنه موصله وما عش له ولا مذ يده اليه واحضرته فتلقانى من lege‏ عا لا يستقلّ به الفقير فلما تاملت رايت sabo‏ ظاهرة وقوة نفس واجتماع ROO‏ فعلين يركب Leo‏ مع نفو من خواصه وججتاز giosa‏ من الفسطاط يعرف حمام شعبة يطالع aia‏ حناية ی اليل کل فكذت .معد ححتى رای papa‏ ينكين هال لصنل لخادم انول اليم GES‏ ففعل gret‏ من بينهن رجلين متسر ع كان يطلبهما فيعرف من النساء الدار لله خيرجى منها oe‏ ملوجلين الى المطبى: A‏ محف قال لد Eh ee‏ هذا وقد Lal‏ عدة صوأيح ولم دفنش غير مولاء فقال Karl‏ من رأيته فى عذه Sall‏ من الصواييج كن يصاكن خرقة وعلى غير تصنع وأما هولاء فكان صياحهن بتشاج وتصنع فعلمت gl‏ معهن رجلا لان من شان النساء التصنع بالطبع للرجال فكان الامم على ما ظننت» dës‏ سعيد بن صا كنت مع اجد A‏ السكر وهو راكب حتى رای JE‏ كيل طن حطب كتير وهو تحته منبهر مضطرب فقال لو كان اضطراب هذا dal,‏ من تقل لحمل لغاصت راسد فى عنقه وك باردة ولاجتمع حلقه وما هو جتيع وما الذى هو فيه الا خف وروع تم استوقفه وحط الطن Ib‏ فيه جارية قد قتلت وقطعت فقال للكمال ارق الدار الك جلت هذه منها وكم Sel‏ الذين فعلوا عذ! الفعل تال أربعة قال حضرت قتلها قال لا ولكنهم donacol‏ بعد قتلها واعطونى هذ! الدينار فقبص AFi‏ على الدار zmis‏ الاربعة فقتل وامر بصرب لمال ماية سوط وخلاه» وحالث ابو العباس OR‏ ع اد رای فى جملة الداخلين له يوم wu‏ رجلا من الاولياء فتامله تاملا شديد! ااا eb me‏ وخی Bun ende glei‏ ا ei El Be 3 > Peer‏ واستنؤل وأعدل Aalen‏ شیا بشىة ء فقليل قل ech‏ البارحة Vë‏ الرجل vient‏ فى صورته وعينته وقد دخل A‏ قصرى فكانه بروم الدخول أل فنع وكانه تسلف من طاق ف الجلس ol‏ ما ايل فكانت عبارة هذا المنام تخبر أن هذا dE‏ ما قدرته Aë) S: Er‏ بن طولون » ولد A AT‏ اليوم الثالث والعشرين من شهر رمضان سنة عشرين ومايتبين وول مصر وله اربع lie‏ سنة ويوم واحد فى يوم الاربعاء لسبع بقين من شهر رمضان سنة أربع وخمسين ومايتين وتوف ليلة الاحد لعشر خلون من ذى القعدة سنة سبعين ومايتسين برلق الامعاء واخف المسلمون والنصارى واليهود بالصعود الى جبل المقطم والدماء له ففعلوا ذلك ونوا يطلعون Haal‏ فكانت ملة ولايته ست عشرة سنة وشهرا واحد! وسبعة وعشرين Led‏ وعيره DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 61 خمسين Bien‏ وشهرا وثمانية وعشرين elo‏ اولاده ابو الفضل العباس ابو لش خمارويه ابو العشاير مضر ابو الكرم ربيعة ابو المناقب شيبان ابوناعض عياض Ana d‏ عدنان dE ad‏ ادريس ابو جيشون عدى أبوشجاع كندة أبو منصور اغلب أبوبهاجة ميسرة ابو التقاء فدى ابو المفوض غسان ابو الغرج مبارك ابوعبد الله حمد ابو الفخ lb‏ روى عن حمد بن على الماذراعى قال کنت اجتاز بقبر اتد بن طولون فارى شخا عند قبره يقرا ملازما للقبر ثر A‏ فقدته فلم ار مدة ثر رایته بعد ذلك فقلت له ما السبب فى il‏ كنت اراک عند قبر ابن طولون ققال كان قن ول Më Ku,‏ البلن وكان له علينا بض العدل تأحببت أن del‏ بالقران فقلت له فليم انقطعى ae‏ بعد ذلك فقال al)‏ ق AN‏ وهو يقول A‏ احب أن لا تقرا حل ققدت فر قال El‏ NT A‏ فرعت بها ويقال لی اما سمعت هذه چ ابو Ger‏ خمارويه بن A‏ le‏ وقصد مصر فلقيه خمارويه بالتنية من عل دمشف فانهزم أبن zc) Al‏ فاستامن اكتثر عسكوه وسار خمارويه حتى بلغ الغرات ودخل AS vd‏ عاد وقد ملك من الفرات ال باد النوبة» ولا توف المعتيد Ze‏ المعتصد بادر اليه بالهدايا على یں لسن بن عبد الله بن منصور بن së la‏ المعتضد على عله وسال خمارويه أن بزو ابنته ail Bé‏ للمكتفى Ae all‏ العيد فقال المعتضد بل H‏ اتروجها فتروجها A‏ سنة احدى وثمانين ومايتين ودخل بها فى اخرها وكان صداقها الف الف درم وقيل أن المعتضد اراد بزواجها افقار الطولونية وكذلكى گن فان خمارويه جهزها lee‏ م يعلم alle‏ حتى قيل انه كان لها الف هاون من ذهب وشوط Jaiei‏ على خمارويه أن كمل له كل سن بعد القيام جميع وضايف مصر وارزاق اجنادها مايتى الف دينار» فقام خمارويه على ذلك الى أن قتل بدمشف قنله غلمانه على فراشه A‏ ليلة الاحد خمارويه فى تابوت الى مصر ودنن بسفع ا مقطم A‏ بويع ولده أبو العساكر جيش بن خمارویه فرجع الى مصر وآقام بها تمانية اشهر فوقب عليه spui uf‏ وبايعوا sli‏ ابا موبى هارون بن خمارويه وعو أبن عشر سنين وان الغالب على zl‏ ایو جعفر اين A‏ التركى A‏ یرل عارون غ المبلكة A‏ أن وجه المكتفى اله جمد بن سطيحان CR el wël‏ شرف ایال pas‏ خے قارو وخیم بالعباسة ووصلن هراكب المكتفى dk,‏ مع Sum‏ الرومى الى تنيس ودخلت حر النيل opl Pal rei‏ جماعة من قواده تالتقوا ën Seng Reg‏ شيبان ہے اجد عقيب 10 62 F. WÜSTENFELD. فبایع الاجناد بعده AS ai ellen? wël At اللملكة اثنى عشر يوما ودخلها تحمد بن سليمان الكاتب فى جيوش الامام المكتفى بالله‎ A pèls ee فى يوم أخبيس لليلتين بقيتا من صفر سنة اثنتين‎ vu بغداد ووليها من قبل المكتفى‎ Al Sech وأنقاض‎ et وساير اخبار#‎ gd انسان‎ © قنسرین وأنقرضت دولخ الطولونيةخ‎ Je ats الفوغانى‎ Vë م بن‎ PER D Übersicht der Chalifen und Statthalter. Weien Abu Abdallah Muhammed 252—255. Ahmed ben Tülün 254—270. uhtadi Abu Abdallah Muhammed 255—256. Ben Abul-Abbäs Ahmed 256—279. ` Chumäraweih Abul-Geisch ben Ahmed 270—282. u ’tadhid Abul-’Abbûs Ahmed 279—289. Abul-’Asäkir Geisch ben Chumäraweih 282—283. Abu Müsä Hûrûn ben Chumäraweih 283—292. uktafi Abu Muhammed "AN 289—295. Abul-Manäkib Scheibän ben Ahmed 292. Die Statthalter von Ägypten zur Zeit der Chalifen. Von F. Wüstenfeld. 4. Abtheilung. Von el-Muktafi bis el-Mutf. Vorgetragen in der Sitzung der Königl. Gesellsch. d. Wissensch. am 8. Januar 1876. A spare nach der Einnahme von Fustät hatte Muhammed ben Suleimän den "Ted el-Nüschari, einen der ältesten Emire, welche mit ihm nach Agypten gekommen waren, als Gesandten nach 'Iräk abgeschickt, um dem Chalifen el-Muktafi die frohe Botschaft zu überbringen; die Nach- richt war ihm aber schon voraufgeeilt und als 154 nach Damascus kam, erhielt er schon ein Schreiben des Chalifen, worin er selbst zum Statt- halter von Ägypten ernannt wurde. Er kehrte desshalb sogleich um, sandte aber noch einen Stellvertreter für sich vorauf, welcher am 14. Gumädä I. 292 in Fustät eintraf und sogleich von Muhammed ben Su- leimän den Oberbefehl über die beiden Leibwachen und die übrigen Regierungsämter überliefert bekam. Dann folgte {sä ben Muhammed Abu Müsä el-Nüschari am 7. Gu- mädä II. (16. April 905) nach, Muhammed überreichte ihm einen Ehren- mantel, mit welchem er im festlichen Aufzuge durch die Stadt geführt wurde, worauf er die Regierung antrat, während Muhammed das Ober- commando über die Truppen behielt. Bald darauf kam ein anderes Schreiben des Chalifen, worin einer Anzahl von Emiren zur Belohnung Stellen übertragen wurden: AH ben Hassän erhielt die Verwaltung von Histor.- philolog. Classe. XXI. 4. 9 F. WÜSTENFELD, Alexandria, Muhägir ben Talik den Gränzdistriet von Tinnis und Dimjät, ein gewisser el-Kindi das Gebiet von el-Hauf, Mûsá ben Ahmed Barca und die Umgegend, Muhammed ben Rabi’a el-Gaid und Uswän; Dam- jâna erhielt Befehl mit der Flotte zurückzukehren und lichtete am 21. Gumädä 11. die Anker und Abu Zunbür el-Husein ben Ahmed el- Mädaränil) wurde an die Stelle (seines Vaters?) Ahmed ben "AH el- Mädaräni zum Steuerverwalter in Fustät ernannt und trat sein Amt am 24. des Monats an. ’Isä el-Nüschart bezog das Haus am Vogelmarkt, worin Badr el-Hamämi gewohnt hatte und worin auch Muhammed ben Suleimän bei der Einnahme von Fustät abgestiegen war. Abu Mälik Ibn Abul-Hasan der jüngere wurde im Ragab zum Cädhi ernannt. Als Muhammed ben Suleimän am 1. Ragab mit den Truppen von Fustät abzog, führte er ausser der ganzen Familie der Tülüniden auch die angesehensten Männer, die unter ihnen gedient hatten, unter Auf- sicht mit sich; es gehörte dazu der Haushofmeister Muhammed ben Abäli mit seinem Sohne el-Hasan, der gewesene Präfect von Damascus Tugg ben Guff mit seinem Sohne und seinem Bruder, der Emir Badr el-Hamämi, der Schatzmeister Fäik el-Rümf, Cäfi el-Rümi, ferner mehrere, welche zuletzt nicht so hohe Posten bekleidet hatten, wie Muhammed ben ’Alí ben Ahmed el-Mädaränf, ehedem Wezir des Härün ben Chumä- raweih, die beiden Cädhi Abu Zara und Abu Abdallah Muhammed ben Zar’a und viele andere, welche auf dem Marsche dem Heere zugetheilt wurden. Einige von diesen erhielten in Damascus und an anderen Orten ihre Entlassung; andere nahm er in Ketten mit sich nach Haleb, wie die beiden Obersten der Leibwache Müsä ben Tarnik und Ahmed 1) In allen verschiedenen Lesarten dieses Namens ao, Aal), Aa, Ey kommt ein Nün in der Endung vor und es ist nicht nöthig dieses ZU streichen und المادراكى‎ wie bei Sujuti zu lesen, oder المادراى‎ d. 1. oseh oU wie unten in dem Texte des Gamäl ed-Din el-Halebi, wenn man den Namen von مادرايا‎ einem Orte bei Bagra ableitet, da ein solches Nün sich in der Ableitungssilbe vieler Namen findet, z. B. von elo ,داریا ,حرةا جديا‎ hwo, wird gebildet والبهوانى‎ AA), dëch, AA, Aut, DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 3 ben Agar, Ibn Bäjachschi el-Fargäni, Präfecten von Unterägypten, Wacif el-Cätirmiz und Chagif el-Berberi, einen Freigelassenen des Ahmed ben Tûlûn. Während dann Muhammed ben Suleimän in Haleb verweilte, erhielt er durch einen Abgesandten des Chalifen den Befehl, die aus Ägypten mitgebrachte Beute an Pferden, kostbaren Kleiderstoffen, Goldsachen und anderen Gegenständen an die ihm bezeichneten Personen zu vertheilen, der Werth wurde auf zwei Millionen Dinare geschätzt. Hier trennten sich auch von ihm viele der Ägyptischen Officiere, von denen einige nach ’Iräk gingen, andere nach Ägypten zu den ihrigen zurückkehrten; zu den letzteren gehörte der Eunuch Schaf? el-Lülui und ein junger, tapferer, aber verwegener und vergnügungssüchtiger Mann Namens Muhammed ben ’Ali el-Chalangf, welchen Cäfi el-Rümi adoptirt und erzogen hatte. Diesem Chalangi war das Schicksal der Tülüniden sehr zu Herzen gegangen und er sann darüber nach, wie er ihre Macht wieder herstellen könnte; er sprach sich darüber öffentlich aus, seine Absicht fand Beifall unter den Ägyptiern, die mit ihm nach Syrien ge- schleppt und jetzt entlassen waren, und eine Handvoll derselben schloss sich ihm an, begab sich sofort im Scha’bän 292 nach Ramla und lagerte hier am Oliven-Thore. Der Commandant der Stadt, der jüngere Ibn Wacif ben Cuwärtakin, rüstete sich zur Gegenwehr, mit ihm vereinigte sich eine Abtheilung unter Muhammed ben Jazdäd und sie zogen dem Reiterhäuflein des Chalangi entgegen; dieser griff sie an, schlug sie in die Flucht, wobei viele ihren Tod fanden, und bemächtigte sich der Stadt, wo er alsbald die Kanzel bestieg und das Huldigungsgebet sprach, indem er zuerst den Chalifen, dann Ibrahim ben Chumäraweih und zu- letzt sich selbst nannte; die Leute hörten ihn ruhig an, kamen von allen Seiten herbei und schienen fast Mitleid zu haben, als sie erfuhren, wie diese Abentheurer von Haus und Hof und von ihren Familien fort- getrieben seien. Übrigens besass die ganze um Chalangi sich schaarende Rotte nicht die geringsten Mittel zu ihrem Unterhalte. Sobald ’Is& el-Nüschari von diesen Vorgängen Kenntniss erhielt, sammelte er bei el-’Arisch ein Corps, welches von hier zu Schiff nach A? 4 F. WÜSTENFELD, Gazza segelte, aber bei der Annäherung der Empörer wieder nach el- ’Arisch zurückkehrte und von jenen verfolgt sich immer weiter nach el-Faramä, dann nach el-Abbäsa zurückzog, während el-Chalangi bis el-Faramä vorging. Nun rückte "Ted selbst am 1. Ramadhän mit einer grösseren Armee aus Fustät aus, um sich nach el-Abbäsa zu begeben: in seiner Begleitung waren der Steuerverwalter Abu Zunbür el-Husein el-Mädaräni und der zum Öberhofmeister beförderte Schaf? el-Lüluf: als ihm aber el-Chalangi bis Gargir entgegen kam, zog sich ’Isä unter die Mauern von Fustät, dann in die Stadt selbst zurück, verliess auch diese am folgenden Tage Dienstag den 14. Dsul-Ca’da 292, liess hinter sich die beiden Nilbrücken verbrennen, so dass davon kein einziges Schiff übrig blieb, und lagerte sich auf dem Ufer von Giza, indem er die Stadt ohne Aufsicht und Regierung dem Pöbel preisgab, welcher sich ungehindert alle Excesse erlaubte, und anfing die Häuser zu plün- dern. Dadurch wurde es Chalangi um so leichter, die Stadt in Besitz zu nehmen; er kam von Gargir, hielt am 26. Dsul-Ca’da (29. Sept. 906) seinen Ein- und Umzug und betrat die Moschee, wo dann der Imäm am nächsten Freitag das Kanzelgebet wie in Ramla für den Chalifen, für Ibrahim ben Chumäraweih und für ihn selbst sprach, wobei der Jubel der Bevölkerung aufs höchste stieg, der sich, nachdem die Ordnung hergestellt und die Ausschreitungen des Pöbels unterdrückt waren, noch besonders dadurch bemerklich machte, dass die Leute sich selbst und auch die Köpfe der Pferde mit Safran gelb bemalten. Abu Abdallah Muhammed ben ’Ali el-Chalangi, welcher auf diese Weise sich der Regierung von Ägypten bemächtigt hatte, sich aber den Anschein gab, als wenn er nur Unterstatthalter des Chalifen und ‚bereit sei, dessen Oberhoheit anzuerkennen, versäumte indess nicht, an قن‎ Verfolgung zu denken, er rüstete ein Corps aus, stellte einen seiner Begleiter Namens Chafif el-Nübi an die Spitze und befahl ihm zu Lande und zur See "Isä nachzusetzen, welcher sich dann vor ihm immer weiter nach Alexandria zurückzog. Zunächst folgten jetzt die Ernennungen zu den obersten Stellen: . - Sc? D Der Hauptname fehlt in den Handschriften des Abul-Mahäsin. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 5 ben Müsä el-Nacräni wurde Wezir und dessen Bruder Ibrahim ben Müsä Steuerdirector; zum Obersten der Leibwache in der Stadt wurde Ibrahim ben Feirüz, zum Obersten im Lager Abd el-Gabbär ben Ahmed ben A gä ernannt. Von allen Seiten kam Zuzug, zumal da viele: Sol: daten aus Iss Heere desertirten und zu Chalangi übertraten, welcher ihnen einen bestimmten jährlichen Sold zusicherte, während die Kassen leer waren. Es mochten in der Stadt noch etwa 900,000 Dinare vor- handen gewesen sein, welche schon in Kisten verpackt dem Chalifen als Tribut zugesandt werden sollten, die hatten aber ”154 und Abu Zunbür bei ihrem Abzuge mit sich genommen und vertheilt, so dass keine Spur davon aufgefunden werden konnte, und letzterer hatte ausserdem alle Rechnungsbücher aus seinem Bureau fortschaffen lassen, damit es an jedem Nachweis fehle, wer Grundbesitzer sei und wie viel Steuer Jemand zu bezahlen habe. Auch die meisten Einnehmer und Rechnungs- führer hatte er mit sich genommen, damit sie nicht für die Kassenvor- räthe verantwortlich gemacht oder zu den Steuerl eibungen heran- gezogen werden könnten; zu ihnen gehörten Wahb ben "Ajjäsch gen. Ibn Hênî, Ibn Bischr gen. Ibn el-Mäschita, Ishäk ben Nacir el-Nacräni, Abul-Hasan gen. der Secretär. Indses Chalangi kümmerte sich wenig darum, er ernannte einige zu Einnehmern und Buchführern, welche diese Stellen übernehmen mussten, und Ahmed Ibn el-Cügi erhielt die Leitung des Bureau zur Zahlung des Soldes an die Truppen. Chalangi verliess darauf sein Zelt am Ufer des Nil und bezog das Haus des Emir Badr el-Hamämi im Innern der Stadt, wo auch ’Isä el-Nüschari residirt hatte. Er hielt die Verwalter zu allerlei Ungerechtigkeiten und Be- drückungen an, belegte die Wohlhabenden mit Contributionen, so dass die Einwohner schwere Lasten zu tragen hatten, jedoch erhielt jeder über die geleisteten Zahlungen eine Bescheinigung mit dem Versprechen der Rückzahlung, sobald die regelmässigen Abgaben eingegangen sein 1 würden. 'Îs4 und Abu Zunbür, welche unterdess bis in die Nähe von n. schickten einige der Einnehmer und Buch- Alexandria gekommen ware Cha- führer dahin ab, um die Stadt in Vertheidigungszustand zu setzen; 6 F. WÜSTENFELD, langí aber liess zur Unterstützung für Chafif zu Wasser und zu Lande weitere Hülfe nachfolgen, unter anderen den Muhammed ben Lamgir, welcher mit sechs Schiffen voll Waffen und Mannschaft Donnerstag den 14. Dsul-Higga unerwartet vor Alexandria erschien und nach kurzem Kampfe in die Stadt eindrang. Er liess mehrere jener Einnehmer und Buchführer festnehmen und nach Fustät bringen, bemächtigte sich alles dessen, was "Led und Abu Zunbür dort gehörte und vertheilte es unter seine Soldaten, und nachdem er ihnen noch eine Zeit lang ausserhalb der Stadt gegenüber gestanden hatte, kehrte er nach Fustät zurück und Îsá wandte sich nach der Gegend von Tarüga. Hier stellte sich Chafif ihm entgegen, wurde aber nach einem mörderischen Kampfe geschlagen und kam in unaufhaltsamer Flucht mit dem Rest seiner Truppen nach Fustät. Chalangi hatte unterdess bessere Erfolge gehabt und die Armee, welche ihm der Ohalif unter Abul-Agarr und Ahmed ben Keigalag nach- schickte, am 3. Muharram 293 (4. Nov. 905) bei el-Arisch so vollständig geschlagen und soviele Gefangene gemacht, dass Abul-Agarr eine zweite Schlacht nicht unternehmen konnte und am 8. Muharram den Rück- marsch nach ’Iräk antrat. Der Chalif befahl sofort eine neue Armee auszurüsten, stellte Fätik el-Mu’tadhidi und Badr el-Hamämi an ihre Spitze und liess sie noch im Rabî I. von Bagdad abmarschiren, zugleich sollte Damjäna mit der Flotte nach Ägypten segeln. Chalangi war durch die inzwischen erfolgte Niederlage seines Feldherrn Chafif keineswegs entmuthigt, sondern fuhr fort seine Regierung zu ordnen, bis er die Nachricht erhielt, dass neue Truppen aus 'Irâk unter Fätik, Ibrahim ben Keigalag und anderen Anführern im Anzuge seien. Nun rüstete auch er sich wieder, um zuerst noch rasch mit ’Isä el-Nüschari fertig zu werden, welcher sich nach el-Cald gewandt hatte; er ging. bis el-Arisch vor, konnte es aber nicht hindern, dass sich ’fs4 mit den Truppen aus Iräk vereinigte, und sah sich genöthigt den Kampf gegen die so ver- bündeten Heere aufzunehmen. Er lieferte ihnen mehrere Schlachten und widerstand ihnen lange Zeit, so dass der Chalif schon selbst noch mit einem Corps von Bagdad aufbrechen wollte, als allgemeiner Misswachs und dadurch 'herbeigeführte Theurung und Mangel an Lebensmitteln DIE STATTHALTER VON AGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 7 Chalangi zum Rückzuge zwangen; noch bei Munjat el-Acbag lieferte er seinen Gegnern mehrere Treffen und wollte zuletzt noch mit 4000 Mann einen nächtlichen Überfall bei Nuweira ausführen, verfehlte aber den Weg und es wurde Morgen, ehe er dahin kam, so dass Fätik schon benachrichtigt und ihm entgegen gegangen war. Nach einem erbitterten Kampfe kamen Chalangfs Truppen ins Weichen, er selbst hielt noch eine Stunde lang Stand, dann musste er sich ebenfalls nach Fustät zu- rückziehen. Jetzt verzweifelte er an seiner Sache und gab seinem Vertrauten Muhammed ben Lamgür heimlich den Auftrag, eins der Kriegsschiffe in Bereitschaft zu setzen, seinen Sohn und seine Habselig- keiten darin aufzunehmen und ihn dann zu erwarten, um zur See zu flüchten. Nachdem Muhammed am 3. Ragab alles vorbereitet hatte, begab sich Chalangi nach dem Flusse, aber sowie ihn Muhammed von weitem kommen sah, lichtete er die Anker, und als jener ihn anrief, verhöhnte er ihn noch uud sagte: „stirb für dein heftiges Aufbrausen !“ weil er wegen einer harten Äusserung einen Groll auf ihn hatte; er liess die Ruder einsetzen und fuhr den Nil hinab. Als Chalangi sah, dass er von Muhammed ben Lamgür hinter- gangen war, und die Flucht nicht zur Ausführung bringen konnte, kehrte er nach Fustät zurück; aber seine Truppen hatten sich bereits zerstreut und er begab sich in die Wohnung eines Mannes, der ihm einen sicheren Versteck versprochen hatte. Fätik und Badr el-Hamämi liessen ihre Truppen am Nilufer ein Lager aufschlagen und bezogen ihre früheren Wohnungen in der Stadt und als nun am 5. Ragab auch ’Is& el-Nüschari aus Fajjüm einrückte, nahm er sein Quartier bei Fätik. Nachdem dann das Kanzelgebet wieder für den rechtmässigen Chalifen und für is4 gesprochen war, übernahm dieser wieder die Regierung und ernannte zum Obersten im Lager den Muhammed ben Tähir el-Magribi, in der Stadt den Jüsuf ben 1451 und Abu Zunbür el-Mädaränf nahm seine frühere Stelle als Steuerdirector wieder ein. Der Beschützer Chalangi’s wurde nun doch für sich selbst besorgt, er ging am 7. Ragab hin und verrieth seinen Schützling an den Commandanten, welcher am anderen Morgen früh mit einigen Oberofficieren herbeikam und ihn 8 F. WÜSTENFELD, festnahm. Chalangi wurde hierauf am 6. Scha’bän mit dreissig seiner Anhänger zu Schiffe nach Antiochia und von hier nach Bagdad gebracht, wo sie, nachdem ihnen der Chalif eine Strafrede gehalten hatte, zum abschreckenden Beispiele erst auf Kamelen durch die Stadt geführt und dann hingerichtet wurden; es war ein allgemeiner Festtag. Am 10. Ragab war Fätik mit seinen Truppen als Besatzung in Fustät eingezogen. 155 entliess im Scha’bän den Cädhi Abu Mälik und setzte Abu ’Obeid "AN ben el-Husein ben Harb gen. Ibn Harbaweih an seine Stelle; dieser war ein wunderbarer Mann, der letzte Cädhi, zu dem sich die Emire von Ägypten mit Gefolge begaben und er erhob sich nicht von seinem Sitze, wenn. ein Emir zu ihm kam. — ’Isä fing nun an, die aufs äusserste zerrütteten Verhältnisse des Landes zu ordnen, nachdem er im Ramadhän ausdrücklich von dem Chalifen als Statthalter bestätigt war. Um aber das Andenken an die Tülüniden sobald als möglich ganz zu verwischen, begann er schon am 1. Ramadhän damit, die Prachtbauten und herrlichen Anlagen derselben an der Rennbahn zu zerstören und für ein Spottgeld zu verkaufen. — Mitte Gumädä I. 294 verliess Fätik mit seinem Corps Fustät und kehrte nach ’Iräk zurück. — Isa vertrieb die Tänzer aus der Stadt, verbot das öffentliche Weh- klagen bei Begräbnissen und liess sogar die grosse Moschee in der Zeit zwischen den beiden Hauptgebeten schliessen; diese letzte Verordnung wurde indess nach einigen Tagen wieder aufgehoben. Am 12. Dsul-Ca’da 295 (13. Aug. 908) starb der Chalif el-Muktafi, ihm folgte sein 13jähriger Bruder el-Muctadir Abu Abdallah Ga’far. Als diese Nachricht nach Fustät kam, empörten sich die Ägyptischen Truppen und verlangten für die Huldigung des neuen Chalifen besondere Be- zahlung; es gelang indess 1535 den Aufstand zu unterdrücken und er erhielt dafür auch seine Bestätigung als Statthalter. Die übrige Zeit seiner Regierung verlief ruhig, nur dass der letzte Aglabit Zijädatal- lah ben Ibrahîm von Abu Abdallah el-Schfi aus Africa vertrieben im Ramadhän 296 nach Ägypten kam, mit einem Corps bei Giza lagerte und verlangte in Fustät eingelassen zu werden. Da dies verweigert wurde, weil "Tei Verdacht schöpfte, dass Zijädatallah sich der Regierung DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 9 in Ägypten bemächtigen wolle, kam es zwischen ihnen zu einem Gefecht, worin einige getödtet wurden, bis ’Isä einwilligte, dass Zijädatallah für sich allein die Stadt betreten durftel), und er begab sich dann von hier mit Erlaubniss des Chalifen nach Racca?). Nicht lange nachher erkrankte 'Îs4, so dass er sein Lager nicht wieder verliess, und er starb am 26. Scha’bän 297; die Leiche wurde nach Jerusalem gebracht und dort be- graben. Sein Sohn Abul-Fath Muhammed ben 'Îsá führte die Regierung weiter, bis dem von dem Chalifen zum Statthalter ernannten Emir Abu Mancür Takin ben Abdallah el-Chazari (oder el- Gazeri), gen. el-Chäcea d. i. der Freund des Fürsten, Freitags d. 11. 1) Nach Ibn el-Athir VII. pag. 16 erzwang er den Übergang über die Brücke von Giza mit Gewalt. 2) Die weiteren Schicksale des Zijädatallah kommen hier insoweit noch in Be- tracht, als er noch einmal nach Ägypten gekommen sein soll. Nach Ibn el-Athir VII. pag. 17 wandte er sich an den Wezir Ibn el-Furät und bat um die Erlaubniss nach Bagdad kommen zu dürfen, erhielt aber den Bescheid da zu bleiben, wo er sei, er blieb also in Racca ein Jahr (xiw, wofür Weil مدة‎ „einige Zeit“ lesen möchte, weil ’Isa kein volles Jahr mehr lebte); seine Anhänger trennten sich von ihm und er überliess sich den Vergnügungen des Weintrinkens und der Musik. Dies wurde dem Chalifen hinterbracht und ihm gerathen, ihn wieder nach Magrib zu schicken, damit er versuche sein Reich wieder zu erobern. Zijädatallah wurde hier- von benachrichtigt und zugleich erhielt ’Isä el-Nüschari den Auftrag, ihn mit Mann- schaft und Geld zu unterstützen. Als er nach Fustät kam, schickte ihn 'Isá über Alexandria hinaus nach Dsät el-Hammäm, wo er die Hülfe erwarten sollte; er wurde aber damit hingehalten, verfiel in eine Krankheit nach der anderen, wahrscheinlich von Gift, welches ihm einer seiner Diener beibrachte, wonach ihm das Barthaar ganz ausfiel; er kehrte nach Fustät zurück, wollte dann noch (vermuthlich zu Schiffe über Jûfê) Jerusalem zu erreichen suchen, starb aber in Ramla und wurde hier begraben. Abul-Mahäsin II. pag. 200 setzt seinen Tod erst in das Jahr 304, erwähnt aber von einer Rückkehr nach Ägypten nichts, ausser dass er sagt, er soll „in Barka“ oder in Ramla gestorben sein, wo aber anstatt برقة‎ A „in Barka“ ver- muthlich xs J4 „in Racca“ zu lesen ist, wenigstens ist schon im Jahre 302, als die Truppen des Chalifen nach Barka kamen und die Magribiner schlugen, von Zijädat- allah keine Rede mehr. Nach Ibn ’Adsäri par Dozy I. pag. 174 starb er im Jahre 303 in Ramla. Histor. - philolog. Classe. XXI. 2. B 10 F. WÜSTENFELD, Schawwäl 297 (23. Juni 910) gehuldigt wurde; der von ihm voraus- gesandte Stellvertreter kam Mittwochs d. 23. Schawwäl!) nach Fustät und Takin selbst traf am 2. Dsul-Higga ein. Er hatte zu der Diener- schaft des Chalifen Mu’tadhid gehört, war zu dem Range eines Corps- führers emporgestiegen und von el-Muktadir zum Statthalter von Da- mascus ernannt. Er wusste sich die Gunst des Chalifen dadurch zu erhalten, dass er ausser dem jährlichen Tribute im J. 299 noch ein be- sonderes Geschenk von 500,000 Dinaren darbrachte, welche als ein ver- borgener Schatz aufgefunden sein sollen; ausserdem waren als Merk- würdigkeiten noch hinzugefügt eine vierzehn Spann lange und einen Spann breite Rippe, die man für die eines Menschen, eines Riesen vom Urvolke der ’Äditen hielt, und ein Ziegenbock mit einem Euter, welcher Milch gab. Nach der Vertreibung der Aglabiten war Abu Abdallah el-Schti mit seinem Plane offen hervorgetreten und hatte den Obeidallah ben Muhammed, den er für einen Nachkommen des Chalifen "A ben Abu Tälib ausgab, unter dem Titel el-Mahdi zum Beherrscher von Magrib ausgerufen; dieser hatte sich alsbald Tunis und Tripolis unterworfen und suchte dann seine Macht weiter nach Osten auszudehnen, indem er im J. 301 ein Corps unter Chubäsa 3) ben Jüsuf aussandte, welcher über Surt und Agdäbia überall mordend und plündernd bis Barca vor- drang. Er hatte an ausgesuchten Grausamkeiten sein besonderes Wohl- gefallen; so liess er eine Anzahl Leute, die mit Tauben spielten, ergreifen, 1) Beide Male stimmt das Datum um einen Tag nicht zu dem Wochentage; es müsste am 10. und 22. Schawwäl heissen, wenn die Wochentage richtig ang®- geben sind. 2) us ist die im Kämüs Tom. II. pag. 230 festgestellte Aussprache des Namens; bei Ibn el-Athir VIII. pag. 66 Kulm Hubäsa; Ibn ’Adsäri I. më 170 حباسة‎ Habäsa, wie in Dsahabi’s Moschtabih pag. 139, der ihn aber als Feld- herrn der ’Obeiditen noch von einem Tuluniden in die Flucht geschlagen sein lässt; bei Abul-Mahäsin IH. pag. 181 und Abul-Fidä Tom. II. pag. 326 حباشة‎ Hu- bäscha; bei Ibn Chaldün Tom. II. pag. 368 züla> Chafäscha. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 11 ein Feuer anzünden, um das sie sich setzen mussten, dann wurden ihnen Stücke Fleisch ausgeschnitten, gebraten und zum Essen vorgesetzt, und hiernach sie selbst ins Feuer gestossen. Dies geschah unter dem Vor- wande, dass es Brieftauben gewesen wären, durch die sie von den ’Ab- basiden Nachrichten erhalten hätten. — In Barca liess er auch Härith und Nizär, die Söhne des Hammäl el-Manäzi, mit mehreren ihrer Söhne und Vettern umbringen, ihre Frauen verkaufen, ihr Vermögen einziehen, alles wie Obeidallah ihm befahl, weil dieser vorgab, dass sie ihn auf seiner Reise von Ägypten her ausgeplündert hätten, und als sich die Einwohner von Barca hierüber bei Obeidallah beklagten, entschuldigte er sich bei ihnen und schwor, dass sein Befehl sich nur auf drei Per- sonen erstreckt habe, zugleich schrieb er an Chubäsa, von dort abzu- ziehen, und dieser rückte desshalb weiter gegen Ägypten vor. Eine Armee, welche unter Abul-Jumn von Fustät aus gegen ihn geschickt wurde, brachte ihm anfangs mehrere schwere Niederlagen bei, wurde aber zuletzt von ihm in die Flucht geschlagen und verfolgt. Obeidallah’s Sohn Abul-Cäsim kam nun auch von Raccäda mit 100,000 Mann im Dsul- Higga nach Barca und zog im Muharram 302 mit Chubäsa ohne Wider- stand in Alexandria ein, weil die Stadt leer war, indem die Einwohner sich auf die Schiffe: gerettet und alle ihre leicht fortzuschaffende Habe mit sich genommen hatten; was zurückgelassen war, eigneten sich die Sieger an und sie marschirten dann weiter nach Fajjüm, Unterdess hatte sich Takin an den Chalifen gewandt und ihn um Hülfe gebeten, und er sandte eine wohlausgerüstete Armee unter Husein el-Mädaräni, Ahmed ben Keigalag und anderen Emiren, welche im Cafar in Ägypten einrückte und bei Fustät ein Lager bezog. Takin empfing sie mit allen Ehrenbezeugungen, rüstete sich dann ebenfalls, im Gumädä I. vereinigten sich die beiden Armeen bei Giza und zogen dem Feinde entgegen. In Fajjüm hatte Abul-Cäsim für den ferneren Vormarsch den Ober- befehl dem Abu Faridun übertragen und Chubäsa befohlen, dort bei ihm zu bleiben. Das empörte diesen aber so sehr, dass er im Äerger ausrief: Nun, da ich nahe dabei bin das Land in Besitz zu nehmen, B* 12 F. WÜSTENFELD, soll Abu Faridun den Vortheil und Ruhm davon haben! Er verliess die Armee heimlich mit etwa dreissig Reitern, seinen nächsten Verwandten, und begab sich auf den Rückweg nach Magrib. Abul-Cäsim schrieb an die Distriets-Beamten und befahl ihnen auf die Flüchtlinge zu fahn- den und sie im Betretungsfalle fest zu nehmen, zugleich setzte er seinen Vater Obeidallah von dem Vorfalle in Kenntniss 1). Als nun die feindlichen Armeen auf einander stiessen, kam es zu einer furchtbaren Schlacht, in welcher auf beiden Seiten viele Tausende blieben, bis die verbündeten Ägyptier und ’Iräkaner den Sieg errangen, wonach sie die Magribiner aus Alexandria vertrieben und bis Barca ver- folgten; diese hatten 7000 Mann an Todten und Gefangenen verloren und der Rest des Heeres kam in dem kläglichsten Zustande wieder nach Magrib. Dies war die erste Armee, welche von Seiten Obeidallah's gegen Alexandria geschickt wurde. Nachdem Takin die Ordnung im Lande wieder hergestellt hatte, kehrte er mit seiner Armee nach Fustät zurück, wo um die Mitte des Monats Ramadhän auch der Eunuch Münis mit neuen Truppen aus ’Iräk unter mehreren Corpsführern eintraf und ausserhalb der Stadt bei el-Hamrä ein Lager aufschlug. Eine so grosse Truppenmasse war aber eine schwere Last für die Einwohner und Ahmed ben Keigalag zog desshalb noch in demselben Monate mit seinem Corps wieder nach Syrien ab. 1) Dieser Zwischenfall wird nur von Ibn ’Adsäri I. pag. 183 berichtet, kann aber nicht bezweifelt werden, weil damit das Ende des Chubäsa in Verbindung steht, welches auch von anderen erzählt wird; desshalb sind Abul-Mahäsin Il. pag. 182. Ibn el-Athir VIII. pag. 66. Abul-Fidä II. pag. 326. Macrizi I. pag. 327 ungenau, wenn sie sagen, dass Chubäsa in Ägypten geschlagen sei, während es die von ihm bisher befehligte Armee war. Ebenso ungenau ist die Angabe, dass Münis diesmal schon die Magribiner geschlagen habe; er war freilich Oberbefehlshaber der ’Iräkaner, kam aber erst nach der Vertreibung der Magribiner nach Ägypten. Ibn el-Athir und Abul-Fidä machen sogar aus dem einen Feldzuge zwei ver- schiedene und lassen schon in dem ersten im J. 301 Münis nach Ägypten kommen und im zweiten im J. 302 Chubäsa mit einer Flotte von Africa (Tripolis) nach Alexandria segeln. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 13 Chubäsa hatte sich durch das Gebiet von Barca nach Nafzäwa be- geben und brieflich seinen Bruder Garraweih (oder 'Arüba) ben Jüsuf, der sich gegen Obeidallah aufgelehnt hatte, benachrichtigt, dass er zu ihm nach Tähart kommen wolle, um mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen. Da er verfolgt wurde, trennten sich seine Begleiter von ihm, er wurde gefangen genommen, zu ’Obeidallah geführt und einge- kerkert; Garraweih ergriff die Flucht, wurde am Berge Auräs eingeholt und getödtet und sein Kopf zu ’Obeidallah gebracht. Da dieser jetzt erfuhr, dass Chubäsa mit ihm im Einverständniss gewesen sei, liess er ihn und alle seine Verwandten aus dem Gefängniss holen und ihnen die Köpfe abschlagen, denen Papierstreifen mit ihren Namen an die Ohren gehängt wurden, und als sie so Obeidallah zu Füssen gelegt wurden und er die Köpfe der beiden Brüder betrachtete, sagte er: Wie wunderbar ist doch der Lauf der Welt! der Orient und der Occident waren zu eng für diese Köpfe, nun kann sie dieser Kasten fassen. Er befahl, sie heimlich in die Moschee von Alexandria zu bringen. Bald nach dem Abmarsche des Ahmed ben Keigalag wurde Takin Donnerstag (richtiger Mittwoch) d. 14. Dsul-Cada 302 (31. Mai 915) durch Münis seines Postens enthoben und er verliess Fustät am 7. Dsul- Higga; Münis leitete selbst die Regierung, sein Name wurde in dem Kanzelgebet genannt und er selbst als Ustäd „Gebieter“ angeredet, bis der Chalif den Emir Abul-Hasan Dsukä el-Rümi zum Statthalter von Ägypten ernannte, welcher von Bagdad Sonnabend (Sonntag) den 12. Cafar 303 (27. Aug. 915) in Fustät eintraf. Er machte Muhammed ben Tähir für einige Zeit zum Obersten der Leibwache, setzte dann den Secretär Jüsuf an die Stelle, und nachdem el-Husein ben Ahmed el-Mädaräni wieder Steuerverwalter geworden war, trat Muhammed ben Tahir wieder als Oberst ein. Als Husein ben Hamdän in Dijär Rabi’a sich auflehnte, erhielt Münis von de Chalifen den Befehl zurückzukehren und er brach am 8. Rab? II. mit seiner Armee von Fustät auf und musste einige der angesehensten Emire mit sich nehmen, wie Ahmed ben Keigalag, der ‚aus Syrien zurückgekehrt war, nachdem er sein Corps dahin geführt 14 F. WÜSTENFELD. hatte, Ali ben Ahmed ben Bistäm, el-Abbäs ben’Amr und andere, deren hervorragende Eigenschaften der Chalif kannte, denen er aber nicht recht traute, wesshalb er sie nicht dort lassen wollte. Der übrige Theil des Jahres verfloss in Ägypten ruhig; am 1. Muharram 304 begab sich Dsukå nach Alexandria, kehrte aber schon am 8. Rabî I. von dort zu- rück und erfuhr jetzt, dass mehrere Personen einen schriftlichen Ver- kehr mit el-Mahdi in Africa unterhielten. Er liess nun alle, die in diesen Verdacht kamen, verfolgen, einige, welche ergriffen wurden, liess er ins Gefängniss werfen, anderen Hände und Füsse abhauen, so dass er von allen gefürchtet wurde. Die Fremden aus Maräkia und Lübia, den nächsten Stationen von Alexandria nach Barca zu, wurden aus Fustät ausgewiesen aus Besorgniss, dass sie mit dem Beherrscher von Barca im Einverständniss ständen. Hierzu kamen noch Zerwürfnisse mit den Einwohnern und sogar mit den Soldaten der Besatzung von Fustät wegen ungebührlicher Äusserungen über die Gefährten des Pro- pheten und über den Koran, den er Geschwätz der Muta’ziliten nannte. Mittlerweile hatte ’Obeidallah seine Armee aus Africa wieder bis Lübia und Makäria vorrücken lassen und sein Sohn Abul-Cäsim Muham- med el-Cäim, welcher wieder an der Spitze stand, schickte den vorzugs- weise aus Berberischen Reitern vom Stamme Kutäma bestehenden Vor- trab unter Suleimän ben Kâfi nach Alexandria voraus. Die Einwohner wurden in völliger Sorglosigkeit überrascht und flüchteten zu Wasser und zu Lande nach Syrien, ein grosser Theil derselben kam aber unter- wegs um. Abul-Cäsim rückte mit der Hauptarmee nach und hielt am 8. Cafar 307 (10. Juli 919) seinen Einzug in die Stadt, welche der Plün- derung preisgegeben wurde, und setzte seinen Vater von der erfolgten Einnahme in Kenntniss. Hierauf ging Suleimän ben Kâfi bis Fajjüm vor, welches mit dem Schwert erobert und ebenfalls geplündert wurde; die Kinder wurden zu Gefangenen gemacht und die Zehntabgaben ein- gefordert. Von der Afrikanischen Armee folgte ein Theil dem anderen nach, Abul-Cäsim erhielt unzähligen Zuzug und verlegte sein Haupt” quartier von Alexandria nach Fajjûm. Im Ragab wurde auch el- Uschmunein besetzt. Hier lagen die Früchte auf den Tennen, ohne DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 15 schon aufgespeichert zu sein; die Soldaten nahmen davon, was sie ge- brauchten, aber die Vergeudung hatte bald einen allgemeinen Mangel und Theuerung zur Folge, wozu sich noch sowohl unter den Einwohnern, als auch in der Armee verschiedene Krankheiten gesellten, namentlich ` die Pest, welche diese wahrscheinlich von Africa einschleppten , wo sie in diesem Jahre sehr heftig auftrat. Unterdess hatte sich Dsukä gerüstet, um sich dem Feinde entgegen zu stellen, aber es kostete grosse Mühe die widerstrebenden Truppen zum Ausmarsch zu bewegen; sie bezogen erst bei Giza ein Lager, der Steuerverwalter Husein vertheilte Geschenke unter sie, um sie zufrieden zu stellen, dann wurden die Vorbereitungen zu einem Kampfe mit allem Eifer betrieben, auch eine Verschanzung um das Lager aufgeworfen, um gegen einen Ueberfall sicher zu sein. Da erkrankte Dsukä und starb in Giza Mittwoch Morgens d. 11. Rab? I. 307 (11. Aug. 919); nachdem er gewaschen und das Gebet über ihn gesprochen war, wurde die Leiche nach dem Begräbnissplatze am Caräfa Berge getragen und dort beerdigt, Während der Zeit hatte der Chalif in Bagdad ein neues Heer aus- rüsten lassen, welches er unter der Anführung der Emire Ibrahim ben Keigalag und Mahmûd ben Hamal (oder Gamal) zur Hülfe nach Ägypten schickte und es traf noch im Rabî I. dort ein, als Dsukä eben gestorben war. An seine Stelle aber sandte der Chalif den früheren Statthalter Takin wieder dahin, welcher am 21. Scha’bän ankam, die Aus- rüstung eifrig fortsetzte und eine zweite Verschanzung um das Lager aufwerfen liess. In Alexandria hatte die Auswanderung immer mehr zugenommen, viele hatten sich besonders nach Dsukä’s Tode nach Culzum und Higäz begeben, indes kehrten nach Takin’s Ankunft manche wieder zurück. — Aus Afrika war eine Flotte von achzig Schiffen Abul- Cäsim zur Hülfe gesandt und hatte bei Alexandria die Anker geworfen; sie wurde von dem Eunuchen Suleimän und Ja'cûb el-Kutämf befehligt, welche sich bereits durch Tapferkeit und regen Eifer ausgezeichnet hatten. Der Chalif el-Muktadir liess desshalb auch eine Flotte von Tarsus aus den Syrischen Häfen unter Abul-Jumn und Thamil nach Ägypten segeln; sie bestand freilich nur aus fünfundzwanzig Schiffen, 16 F. WÜSTENFELD, war aber mit Naphtha und anderem Kriegsmaterial wohl versehen. Bei Raschid (Rosette) wurde Sonntag d. 18. Schawwäl eine grosse See- schlacht geliefert, in welcher die Schiffe des Chalifen den Sieg erfochten ; der grösste Theil der feindlichen Flotte wurde verbrannt, die Mannschaft getödtet oder zu Gefangenen gemacht; die letzteren, grösstentheils vom Stamme Kutäma, wurden nach Fustät gebracht und im Triumph durch die Stadt geführt, darunter befanden sich die beiden Anführer: Suleiman starb in dem Gefängnisse zu Fustät, Ja’cüb wurde nach Bagdad ge- schleppt, entkam aber von dort und kehrte nach Africa zurück. Die Magribiner hatten wegen der erschlaffenden und verheerenden Krankheiten längere Zeit fast ganz unthätig in Fajjüm zugebracht, selbst Abul-Cäsim war schwer erkrankt und mehrere der ersten Corpsführer, unter ihnen Däwüd ben Chubäsa, waren gestorben. Endlich in dem- selben Monate Schawwäl setzten sie sich in Bewegung gegen Fustät; Takin erwartete sie in seinem verschanzten Lager und es kam hier zu einem heftigen Kampfe, aus welchem Takin als Sieger hervorging. In- dess brachte ihm dieser Sieg weiter keinen erheblichen Vortheil, die Magribiner wandten sich nach el-Caid und er kehrte nach Fustät zurück und blieb hier, bis im Muharram 308 Münis mit 3000 Mann frischer Truppen aus Irak eintraf. Es währte indess noch längere Zeit, ehe Takin zum Angriff überging und Ibrahim ben Keigalag mit einem Corps nach el-Uschmunein schickte; da dieser aber am 1. Dsul-Ca’da in el- Bahnesä starb, so hatte auch dieser Zug weiter keine Folgen. Takin fühlte sich in seiner eigenen Umgebung nicht sicher, da er in Erfahrung brachte, dass der Cädhi Ibn el-Madini und andere ange- sehene Personen mit el-Mahdi eine Verbindung angeknüpft hatten und eine Partei für ihn zu gewinnen suchten; er entledigte sich ihrer indess dadurch, dass er sie festnehmen und ihnen die Köpfe abschlagen und ihre Anhänger ins Gefängniss werfen liess. Heimlicher und desto ge- fährlicher betrieben die Sache der Steuerdirector Abu Zunbür el-Husein ben Ahmed el-Mädaräni und sein Bruder (? Neffe) Muhammed ben "Ali ben Ahmed el-Mädaräni, indem sie el-Mahdi benachrichtigten, dass das Land von Truppen entblösst und auch sonst ganz hülflos sei; wenn et DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 17 zu ihnen kommen und sie unterstützen wolle, glaubten sie ihm die Unterwerfung des Volkes versprechen zu können. Die Magribiner hatten sich in Fajjüm, Uschmunein und mehreren anderen Städten festgesetzt und Takin war ihnen nicht gewachsen, um sie angreifen zu können, bis im Dsul-Higga ein zweites Hülfscorps aus 'Iräk unter Anführung des Eunuchen Ginni eintraf, welches gleich nach Giza weiter marschirte, und nun ging die ganze Armee zum Angriff vor, lieferte den Magribinern bei Fajjüm und Alexandria mehrere Schlachten und Gefechte, bis Abul-Cäsim sich wieder ganz nach Barca zurückzog und im Ragab in el-Mahdia, der neu erbauten Residenz seines Vaters, eintraf 1). Nach einiger Zeit, Sonntags den 13. Rabî I. 309 (22. Juli 921), wurde Takin, ohne dass er sich etwas hatte zu Schulden kommen lassen, zum zweiten Male von Münis seiner Stelle enthoben und Abu Cäbüs Mahmüd ben Hamal zum Statthalter ernannt; indess waren die Truppen hierüber sehr ungehalten, weil sie ihn für zu jung hielten, und es wäre zu einer Revolte gekommen, wenn sich nicht die angesehensten Männer von Fustät ins Mittel gelegt und durch dringende Vorstellungen Münis dahin gebracht hätten, dass er ihn nach drei Tagen Dienstag (Mittwoch) d 16. Rab? I. wieder entfernte und Takin wieder einsetzte. Allein das Zerwürfniss war vorhanden, Münis wusste die Corpsführer zu bearbeiten und für sich zu gewinnen, und schon am vierten Tage d. 19. Rab? LÉI wurde Takin wieder von i) Ibn el-Athir VII. pag. 84 lässt das Jahr zweifelhaft; Ibn "Adsäri I. pag. 187—190 giebt genau den 1. Ragab 309 als den Tag seiner Ankunft an; "Obeidallah war mit seiner Familie am 8. Schawwäl 308 dort eingezogen, nachdem sein eigenes Schloss und das seines Sohnes Abul-Cäsim, sowie die Stadtmauer und ein Theil der Wohnungen für seine Beamten und die Bedienung fertig war. 2) Ich nehme an, dass in den obigen Angaben nach Abul-Mahäsin I. pag. 207, 5 und 210, 3 „Sonntag 0. 13. Rabî’ I.“ das richtige ist, da das Datum mit dem Wochentage zusammenstimmt; dann ist aber pag. 209 letzte Zeile, 210, 3 e, u; 213, 1 und 211, 7 die Zahl 20 in 10 zu ändern, und die Wochentage mit den an- gegebenen Zahlen der zwischen den Ereignissen verflossenen Tage in Einklang zu Histor.-philolog. Classe. XXI. 2. C 18 F. WÜSTENFELD, diesem Posten entlassen und um ihn ganz zu beseitigen, erhielt er den Befehl mit einem Corps von 400 Mann nach Syrien abzumarschiren. Münis setzte den Chalifen von dem Vorgefallenen in Kenntniss und dieser schickte aus Bagdad den Emir Abul-Hasan Hiläl ben Badr als Statthalter nach Ägypten, welcher Montag (auf Dienstag) d. 6. Rabî II. 309 in Fustät eintraf; er bestätigte Muhammed ben Tähir als Obersten der Leibwache, setzte aber nach einiger Zeit ’Ali ben Färis an seine Stelle. Er hatte ein Schreiben des Chalifen mitgebracht, wodurch Münis aus Ägypten abberufen wurde, weil sein Rath und seine Gegenwart in den Asiatischen Provinzen nöthig war; er brach am 18. Rabî II. mit den Truppen aus ’Iräk auf, unter denen sich auch das Corps des Mahmüd ben Hamal befand, um nach Bagdad zurückzukehren, wurde hier von dem Chalifen mit grossen Ehrenbezeugungen empfangen und ihm der Beinamen el-Mudhaflar „der siegreiche‘‘ beigelegt. In Ägypten brachen bald nachher die bedenklichsten Unruhen aus, die Einwohner erhoben sich gegen den neuen Statthalter und auch die fremden Soldaten lehnten sich gegen ihn auf; sie beschlossen gemein- schaftlich Krieg gegen ihn zu führen, vereinigten sich bei Munjat el-Acbag und der frühere Oberst Emir Muhammed ben Tähir stellte sich an ihre Spitze. Hilâl sammelte die Truppen, die ihm noch treu geblieben waren, vertheilte Geschenke unter sie, um sie noch mehr für sich zu gewinnen, und zog dann den Abtrünnigen entgegen und lieferte ihnen mehrere Gefechte, die aber keine Entscheidung herbeiführten. Der Krieg zog sich in die Länge, Morden und Plündern, am Wege auflauern und alle Gräuel, worunter besonders die Landbevölkerung zu dulden hatte, machten diese Zeiten zu den schlimmsten, die je über Ägypten gekommen bringen; in der letzten Stelle ist dann der doppelte Fehler, dass der 29. Rabî I. der letzte des Monats sei, da dieser Monat immer 30 Tage hat, und dass es „d. 19. Rabî’ I.“ heissen muss, geht hier auch daraus deutlich hervor, weil die Beförderung der Nachricht von Fustät nach Bagdad und die Reise des neuen Statth alters YOR Bagdad nach Fustät nicht in sieben Tagen bewerkstelligt werden konnte. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 19 waren; Hiläl war zu schwach, um der Sache Herr zu werden und eine Besserung herbeizuführen, was er auf der einen Seite gewann, ging auf der anderen wieder verloren. Wegen dieser Unfähigkeit setzte ihn der Chalif ab und ernannte den Emir Abul-"Abbäs Ahmed ben Keigalag im Rab? II. 311 zum Statthalter von Agypten, welcher seinen Sohn el-’Abbäs als Stellvertreter vorausschickte. Dieser kam am 1. Gumädä I. nach Fustät und bestätigte Kangwar (vielleicht mit Ibn Mangür einerlei) als Obersten der Leib- wache. Im Ragab folgte Ahmed nach und brachte Muhammed ben el-Husein ben Abd el-Wahhäb el-Mädaräni als Steuerdirector mit. — Der allgemein beliebte Cädhi Ibn Harbaweih sandte im J. 311 den Imäm Abu Bekr Ibn el-Haddäd!) nach Bagdad, um für ihn die Ent- lassung aus seinem Amte nach zu suchen; sie wurde zum grossen Be- dauern der Bevölkerung bewilligt und Abu Jahjä Abdallah ben Ibrahim ben Mukram?) zum Cädhi von Ägypten und Abul-Dsikr Muhammed ben Jahjä el-Uswäni zu dessen Stellvertreter ernannt). Nach einiger Zeit begab sich Ahmed mit dem Steuerdirector zu den Truppen, welche bei Munjat el-Acbag lagerten, um den Sold auszuzahlen, da aber hierbei eine Menge von dem Fussyolk entlassen werden sollte, 1) Ibn Harbaweih starb im J. 319. — Abu Bekr Muhammed ben Ahmed el- Kinäni gen. Ibn el-Haddäd, ein Schafi’itischer Traditionsgelehrter und Imäm von Ägypten, starb 80 Jahre alt im J. 344. Tabacät el-Huff. XI, 18. 2) oder Maktüm nach Sujuti Tom. 11. pag. 91. 3) Sujuti a. a. 0. setzt diesen Wechsel in das Jahr 301, was mir nicht wahrscheinlich ist, und sagt dann, dass Abdallah ben Ibrahim bis 302 im Amte ge- wesen sei, was nach unsrer Ansicht 312 heissen muss, oder 313 nach Abul- Mahäsin II. pag. 226, welcher auf ihn Härün ben Hammäd folgen lässt, während Sujuti fortfäbrt: auf Abdallah ben Ibrahim folgte Abu Alî Abd el-Rahman ben Ishäk ben Muhammed ben Mu’tamir el-Sadüsi bis zum Rabi’ II. 314, dann Abu 'Othmän Ahmed ben Ibrahim Ibn Hammäd bis zum Dsul-Higga 316, dann Abu Muhammed Abdallah ben Ahmed ben Rabi’a ben Suleimän el-Rabe’i aus Damascus bis zum Gumädä II. 317, dann wieder Abu Othmän Ibn Hammäd bis zum Rabi’ I. 320, dann wieder el-Rabe’i bis zum Gafar 321, dann Abu Häschim Ismä’il ben Abd el-Wähid el-Rabe’i el-Mucaddasi. - C 90 F. WÜSTENFELD, entstand eine Revolte, Ahmed flüchtete sich nach Fäküs und el-Mädarini entkam am 8. Schawwäl nach Fustät. Sobald als der Chalif hiervon Nachricht erhielt, wurde Ahmed abgesetzt und Takin am 3. Dsul-Ca’da 311 (12. Febr. 924) zum vierten Male zum Statthalter ernannt. Der Chalif hatte sich hierzu ungern entschlossen, aber Takin war der einzige, der auf die Soldaten einwirken und sie im Zaume halten konnte, was doch jetzt um so nöthiger war, als von el- Mahdi jeden Augenblick ein neuer Einfall in Ägypten zu befürchten stand. Takin liess sich durch Ibn Mangür besonders beim Vorbeten vertreten, bis er selbst am 10. Muharram 312 nach Fustät kam; anfangs behielt er auch Ibn Mangür als Obersten der Leibwache, wechselte dann aber rasch, indem er hinter einander Carätakin, dann den Secretär Wacit, dann Bagkam el-a'war an die Stelle setzte. Dieser häufige Wechsel war eine Folge der Widerspenstigkeit der Ägyptier und dauerte so lange, bis die Ordnung im Lande etwas mehr hergestellt und seine Macht befestigt war. Zur Beruhigung trug auch die im J. 313 von dem Chalifen ver- fügte Entlassung des Cädhi Abdallah ben Ibrahim ben Mukram bei, an dessen Stelle Härün ben Hammäd kam. Hiernach gab Takin vielen aus der Armee den Abschied, die als schlechte Subjecte es nur auf Plündern und Erpressen abgesehen hatten, als er dann aber für die zurückgeblie- benen Anhänger derselben im J. 317 eine allgemeine Amnestie erliess, standen sie plötzlich wieder sämmtlich gegen ihn auf und rotteten sich zusammen um ihn anzugreifen. Takin rüstete sich zur Gegenwehr und sammelte seine Truppen, indess fühlte er sich so schwach, dass er aus Besorgniss vor einem allgemeinen Aufstande nicht wagte, das Freitags- gebet in der alten Hauptmoschee und in der Garnisonmoschee abzuhalten, er liess vielmehr zu diesem Zweck seine Soldaten in dem Emirats-Palast zusammenkommen, was vorher noch niemals geschehen war. Ein 86- wisser Abul-Hasan ’Ali ben Muhammed el-Dinawarf, welcher unter den Aufständigen eine hervorragende Rolle gespielt zu haben scheint, hatte sich über diese und andere Massregeln Takin’s missfällig ausgesprochen, und als Takin dies erfuhr, verwiess er ihn des Landes und schickte ihn nach Jerusalem; nach seiner Entfernung standen die Truppen von DIE STATTHALTER VON AGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 21 dem beabsichtigten offenen Kampfe ab, und da auch Muhammed ben Tugg, der commandirende Emir in el-Hauf, mit welchem Takin in Strei- tigkeiten verwickelt war, es für gerathen erachtete, sich aus Ägypten zu entfernen und nach Syrien zu gehen, so konnte Takin sich der Sorge für das Wohl des Landes wieder hingeben und darin festen Fuss fassen. — Am 27. Schawwäl 320 verlor der Chalif el-Muktadir in dem Kampfe gegen Münis das Leben, sein Nachfolger el-Cähir bestätigte Takin als Statthalter von Agypten und sandte ihm ein Ehrenkleid, aber schon im Anfange des nächsten Jahres erkrankte er und starb Sonnabend d. 16.1) Rab? I. 321 (16. März 933); seine Leiche wurde in einem Sarge nach Jerusalem gebracht und dort beigesetzt. Seiner Bestimmung zufolge übernahm sein Sohn Muhammed ben Takin die Regierung und als die erste Nach- richt hiervon nach Bagdad kam, bestätigte ihn auch der Chalif und sandte ihm einen Ehrenmantel; unterdess hatte aber der Steuerdirector Abu Bekr Muhammed ben A el-Mädaräni die Verwaltung und Regie- rung von ganz Ägypten an sich genommen, und als die Truppen ihren Sold verlangten und nicht erhielten, lehnten sie sich gegen Ibn Takin auf, verbrannten alle Wohnungen seiner Familie und er zog sich nach Munjat el-Acbag zurück. el-Mädaräni schickte zu ihm und befahl ihm Agypten zu verlassen und liess zugleich seine Truppen ausrücken und vor den Thoren von Fustät ein Lager beziehen, wo sie auch nach Ibn Takin’s Abzuge noch bis zum Ende des Monats Rabî I. blieben. Die- ser wandte sich nach Damascus und suchte von hier aus wieder in Ägypten einzudringen, wurde aber durch el-Mädaräni daran verhindert. Um diesem Zustande ein Ende zu machen, beschloss der Chalif el- Cähir endlich, den Statthalter von Syrien Muhammed ben Tug%g auch zum Statthalter von Ägypten zu machen; das darüber ausgefertigte Decret traf ihn in Damascus, er be- gab sich indess nicht nach Ägypten, da er seine Gründe haben mochte, D nicht 26. (als noch vier fehlten) wie unten in dem Arabischen Texte, da dies kein Sonnabend war. g N 99 F. WÜSTENFELD. in dieser kritischen Zeit Damascus nicht zu verlassen, er wurde Jedoch 32 Tage lang von den letzten Tagen des Monats Scha’bän bis Ende Ramadhän!) in dem Kanzelgebete in Ägypten als Statthalter genannt, bis durch ein neues Decret des Chalifen wieder der frühere Statthalter Ahmed ben Keigalag an seine Stelle kam; die Nachricht hier- von gelangte am 9. Schawwäl nach Fustät, indem er den Abul-Fath ben 'Isä el-Nüschari, einen Sohn des ehemaligen Statthalters, als seinen Stellvertreter voraufschickte, Gegen diesen lehnten sich aber die Truppen sofort wieder auf, als sie ihren Sold von dem Steuerdirector Mädaräni verlangten, dessen Häuser sie niederbrannten, da er sich versteckt hielt, und es brach ein grosser Aufstand aus, in welchem es zu offenen Kämpfen kam, in denen viele Ägyptier getödtet wurden. Die Wirren und anarchischen Zustände wurden noch vermehrt, als am 6. Gumädä I. 3222) el-Cähir abgesetzt und geblendet wurde und sein Neffe Muham- med el-Rädhi den Chalifenthron bestieg, denn nun erschien plötzlich Muhammed ben Takin aus Palästina am 13. Gumädä I. wieder in Fustät und behauptete, dasser von el-Rädhi zum Statthalter ernannt sei. Jetzt trat el-Mädaräni aus seinem Versteck hervor und wollte dessen Ansprüche auf die Statthalterschaft nicht anerkennen, indess ein grosser Theil der Ägyptier trat auf Ibn Takin’s Seite, dessen Name sogar auf den Kanzeln genannt wurde, und es bildeten sich zwei Parteien, von denen sich die eine für ihn, die andere für Ahmed ben Keigalag erklärte, dessen Stell- vertreter el-Nüscharf sich mit seinen Anhängern nach el-Ca’id zurückzog. 1) Ibn Challikän vita Nr. 700 und Maerizill. pag. 328 rechnen die 32 Tage vom 7. Ramadhän bis 9. Schawwäl. — Unten in dem Arabischen Teste ist von einer zweimaligen kurzen Regierung Muhammeds die Rede, aber mit einiger Verwirrung, so dass die angegebenen Wochentage zu den Monatstagen nicht stimmen, nämlich zuerst von wenigen Tagen (eigentlich nur ein Tag) vom Dienstag zum Mitt- wochen d. 28.—29. Ramadhän, dann von zehn Tagen bis zum 9. Schawwäl, so dass zwischen dem ersten und zweiten Male kaum ein Tag liegen könnte. 2) Nach Abul-Mahäsin II. pag. 262 Sonnabend den 3. Gumädä I., 8 nicht stimmt, da der erste dieses Monats auf einen Sonnabend fiel. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 23 Wegen dieser Spaltung kam es mehrmals zu blutigen Gefechten, bis Ahmed sich selbst nach Ägypten begab und am 3. Ragab 322 in dem Lager der Seinen bei Munjat el-Acbag erschien. Sofort trat eine grosse Menge, die es bis dahin mit Ibn Takin gehalten hatte, auf seine Seite, er lieferte ihm am folgenden Tage zwischen Bilbeis und Fäküs eine Schlacht, welche Ibn Takin verlor, und als dieser sah, dass sein Stern sich zum Untergange neigte, floh er bei Nacht aus Fustät, wurde aber eingeholt und gefangen genommen, und am andern Morgen d. 6. Ragab hielt Ahmed ben Keigalag seinen Einzug in die Stadt und übernahm die Regierung, welche Ibn Takin 112 Tage als Usurpator geführt hatte. Ahmed bestätigte Bagkam el-a'war als Obersten der Leibwache, setzte nach einigen Tagen el-Husein ben "AH ben Makil an seine Stelle, nahm aber kurz darauf Bagkam wieder. Zu all diesen Umtrieben und Unruhen kam in diesem Jahre noch ein heftiges Erdbeben, durch welches viele Häuser und ganze Ortschaften in Ägypten zerstört wurden, auch war das Jahr durch einen zahlreichen Sternenfall ausgezeichnet. — Nachdem der Cädhi el-Rabei im Gafar 391 entlassen war, hatte Abu Ga’far Ahmed ben Abdallah ben Musallam Ibn Cuteiba el-Dinawari, ein Sohn des bekannten Geschichtschreibers, dies Amt erhalten und am 18. Gumädä II. d. J. angetreten und als er im Rab? I. 322 starb, kam im Ramadhän d. J. Abu Abdallah Muham- med ben Müsä ben Ishäk el-Sarachsi an seine Stelle. Kaum hatte Ahmed ben Keigalag die Ruhe einigermassen hergestellt, als er ein Schreiben des Chalifen erhielt, welches ihn benachrichtigte, dass er seiner Stelle enthoben und Muhammed ben Tugg zum Statthalter ernannt sei und in nächster Zeit eintreffen werde. Ahmed hätte sich in diese Bestimmung wohl gefügt, aber Muhammed el-Mädaräni, welcher ihn ganz beherrschte, widersetzte sich auf das entschiedenste, sie rüsteten sich zum Wider- stande und zogen mit ihren Truppen nach Faramä, um Ibn Tugg den Eintritt in Ägypten zu wehren. Dieser sandte seine Hauptarmee aus Syrien unter Çã'id ben Kalamlam zur See nach Tinnis, während er mit dem Vortrab den Landweg nahm, und lieferte schon mit diesem am 24 F. WÜSTENFELD, 17. Scha’bän 323 eine furchtbare Schlacht, worin Ibn Kaigalag’s Truppen in die Flucht geschlagen wurden. Am 25. d. M. traf auch die Flotte vor Giza ein, lag hier fünf Tage und verbrannte die Brücke, bis Muham- med ben Tugg herbei kam. Muhammed el-Mädaräni und Ibn Keigalag zogen ihm in der Mitte des Ramadhän noch einmal entgegen, liessen es aber nicht mehr zu einer Schlacht kommen, sondern knüpften Unter- handlungen an, so dass el-Mädaräni Zeit gewann nach Fustät zu ent- kommen und sich dort zu verstecken, und am 23. Ramadhän trat Ibu Keigalag die Regierung an Ibn Tugg ab, indem er sich entschuldigte, dass gegen seinen Willen die Ägyptischen Soldaten den Krieg verlangt hätten. Am folgenden Tage den 24. Ramadhän (27. Aug. 935) hielt Muhammed ben Tugg seinen Einzug in Fustät und gründete hier die Dynastie der Ichschiden. Ichschid war der allgemeine Name für die Beherrscher des Ge- bietes von Fargäna in Mäwaralnahr (Transoxania), wie Icpahbad, Såmån. Kisrä für die von Tabaristän, Samarcand, Persien und ähnliche, Zu dem Chalifen el-Mu’tacim war eine bedeutende Anzahl von Männern aus Fargäna gekommen, die er in seine Dienste nahm; sie hatten ihm Guff ben Jaltikin aus der dortigen Herrscherfamilie und mehrere andere als durch ihre Tapferkeit und Kriegserfahrung besonders ausgezeichnet gerühmt, er schickte desshalb einen Abgeordneten nach Fargäna um sie zu sich einladen zu lassen, und als sie ankamen, nahm er sie sehr ehren- voll auf und wies ihnen Grundstücke in seiner Residenz Sämarrä an, wo sie sich anbauten. Das Grundstück des Guff war noch 400 Jahre nachher zu Ibn Challikän’s Zeit unter seinem Namen bekannt, hier wohnte er mit seiner Familie, er selbst starb aber in Bagdad in der Nacht, in welcher der Chalif el-Mutawakkil ermordet wurde, von Mitt- woch auf Donnerstag den 3.—4. Schawwäl 247 (10.—11. Dee. 861), und nach seinem Tode zerstreuten sich seine Söhne und nahmen in ver- schiedenen Ländern Dienste, um ihren Unterhalt zu haben. Tugg ben Guff wandte sich nach Ägypten, diente anfangs unter Lûlû in dem Gefolge des Ahmed ben Tûlûn , stieg dann zu dem Range eines Emir ee ESS EO Me E E, Ek, Ee At E DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 25 empor, ging aber zu Ishäk ben Kundägik über, bis er nach dem Frie- densschlusse mit Chumäraweih !) auf dessen Wunsch wieder in seine Dienste trat und Befehlshaber von Tarsus wurde und als solcher einen Feldzug gegen die Griechen unternahm?). Unter Chumäraweih's Söhnen Geisch und Hârůn war er Statthalter von Damascus, ergriff jedoch, als die Herrschaft der 'Tülüniden zu Ende ging, wieder die Partei des Chalifen el-Muktafi, welcher ihm seinen Übertritt sehr hoch anrechnete. Indess war Tugg zu ehrgeizig, als dass er sich wie andere unter den Willen des damaligen Wezirs el-Abbäs ben el-Hasan hätte beugen können, es entstand zwischen ihnen ein Zerwürfniss, der Wezir wusste ihn bei dem Chalifen verdächtig zu machen und brachte es durch seinen Einfluss dahin, dass Tugg sammt seinem ältesten Sohne Muhammed ins Gefängniss geworfen wurde, worin er starb. Er hinterliess fünf Söhne: Abu Bekr Muhammed, Abul-Cäsim ’Ali, Abul-Mudhaffar el-Hasan, Abu Nacr el-Husein 5) und Abul-Hasan 'Obeidallah. Muhammed ben Tugg, geb. Montag*) in der Mitte des Ragab 268 in der Strasse am Kufa-Thor in Bagdad, erhielt nach einiger Zeit seine Freiheit wieder und einen hohen Posten, und hörte dann nicht auf, dem Wezir el-'Abbäs nachzustellen, bis er und sein Bruder 'Obeidallah den Tod ihres Vaters rächten, indem sie unter den Verschworenen waren, an deren Spitze el-Husein ben Hamdän stand, von welchen der Wezir am 20. Rabi’ I. 296 (17. Dec. 908) ermordet wurde. Die beiden Brüder verliessen noch in demselben Jahre Bagdad und gingen zuerst zu Jüsuf ben Abul-Säg, dann zog sich Muhammed in die Syrische Wüste zuräck und hielt sich hier ein Jahr lang verborgen, bis er sich im J. 297 nach Ägypten begab und bei Takin Dienste nahm, als dieser Statt- 1) Vergl. die 3. Abth. S. 22. — 2) 3. daselbst S. 40, 3) In dem Arabischen Texte am Schlusse dieser Abtheilung werden nur vier genannt und zwar Abul-Mudhaffar el-Husein mit Auslassung von el-Hasan und des Vornamens Abu Nacr; nachdem aber el-Husein getödtet war, ist noch fortwährend von Abul-Mudhaffar el-Hasan die Rede. 4) Dies wäre genau genommen d. 12. Ragab. Hist.-philolog. Classe. XXL 2 D 26 F. WÜSTENFELD, halter geworden war; er erhielt das Commando in dem District el-Hauf, blieb dann auch in Takin’s Gefolge, als dieser im J. 302 wieder nach Bagdad zurückkehrte, und war einer seiner angesehensten Officiere, Im J. 306 war ihm von Takin die Oberaufsicht über den District von "Ammän und die Sarät Gebirge an der Syrischen Gränze übertragen und er liess es sich angelegen sein die Karawanenstrasse bei el-Nukeib zwischen Tabük und Ma’än von einer Bande zu säubern, welche hier den Weg unsicher machte. Eine Frau vom Hofe, Namens ’Agûz, welche in diesem Jahre an der Pilgerfahrt Theil genommen hatte, erzählte bei ihrer Rückkehr dem Chalifen el-Muctadir ihre Erlebnisse und lobte die Verdienste Muhammeds um die Sicherheit der Pilger, wofür ihm der Chalif Ehrenkleider zusandte und seinen Sold vermehrte. — Im J. 316 trennte er sich aus gewissen Gründen von Takin und begab sich nach Ramla, wohin ihm bald ein Schreiben desselben Chalifen folgte, welches ihn zum Präfecten dieser Stadt ernannte; im J. 318 wurde er von hier zum Präfecten von Damascus befördert, dann ihm im J. 321, wie oben erwähnt, von el-Cähir zum ersten Male die Statthalterschaft von Ägypten übertragen, die er aber damals nicht wirklich antrat, bis er nach der zweiten Ernennung durch el-Rädhi und der Unterwerfung des Ahmed ben Keigalag Donnerstag den 24. Ramadhän 323 (27. Aug. 935) seinen Einzug in Fustät hielt. Er bestätigte Said ben Othmän als Obersten der Leibwache. — Der Chalif sandte den Abul-Fath el-Fadhl ben Ga’far ben Muhammed nach Ägypten, um an Muhammed ben Tugg mit der erneuten Ernennung zum Statt- halter die übliche Ehrenkleidung zu überbringen; bei der Überreichung und Anlegung derselben küsste el-Fadhl den Fussboden. — Die Armee, welche Abul-Cäsim ben el-Mahdi um diese Zeit aus Magrib unter An- führung seines Eunuchen Zeirän nach Ägypten schickte, wurde, nachdem sie schon Alexandria eingenommen hatte, durch die Ägyptischen Truppen bald wieder hinausgedrängt. — Um Muhammed noch mehr auszuzeichnen, legte ihm der Chalif im Ramadhän 327 1) den Titel seiner Vorfahren, 1) Nach einer Handschrift des Abul-Mahäsin im J. 326; nach Ibn Chal- DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 27 der Beherrscher von Fargäna, „el-Ichschid“ bei und befahl, dass er diesen Titel führen solle und er wurde von nun an in dem Kanzelgebet so genannt. Er war ein unternehmender, aber im Kriege umsichtiger Feldherr, suchte Frieden und Ordnung in seinem Lande herzustellen, stand bei der Armee in hoher Achtung und besass eine solche Körper- stärke, dass ein anderer seinen Bogen nicht spannen konnte. Nicht lange nachher entstanden zwischen Ichschid und den alten An- hängern des Ahmed ben Keigalag Streitigkeiten, vom Wortwechsel ging es zu Thätlichkeiten und endlich zu blutigen Kämpfen über, bis zuletzt die Aufständigen geschlagen und auf die schimpflichste Weise aus Fustät hinausgejagt wurden und sich nach Barca wandten. Von hier begaben sie sich nach Magrib zu el-Cäim Abul-Cäsim el-"Obeidi und stachelten ihn auf sich Ägyptens zu bemächtigen, indem sie ihm dies als etwas Leichtes vorstellten, und da er selbst schon einen solchen Plan gehabt hatte, rüstete er ein Heer aus, um ihn zur Ausführung zu bringen. Sobald el-Ichschid dies erfuhr, bereitete er sich zur Gegenwehr vor und schickte Truppen nach Alexandria und el-Gaid. Seine Macht belief sich damals auf 400,000 Mann; 8000 Mamluken bildeten seine Leib- wache, die sich ablösten, so dass jede Nacht 2000 Mann Wache hielten; auf dem Marsche war sein Zelt noch von den Eunuchen umstellt, aber auch so hielt er sich nicht für ganz sicher und war so besorgt für sich und so vorsichtig, dass er dann in eins der Zelte seiner Kammerdiener schlüpfte und darin schlief. Während er noch mit den Rüstungen beschäftigt war, erhielt er ein Schreiben des Chalifen, dass der Emir Muhammed ben Räik sich aufgelehnt habe und in seine Syrischen Besitzungen eingefallen sei. Er hatte sich der Stadt Himc bemächtigt und dann Ichschid’s Neffen Badr (Mond) ben Obeidallah gen. Budeir (kleiner Mond), der von ihm zum Statthalter von Damascus eingesetzt war, von hier vertrieben, und setzte nach einem Aufenthalte von einem Monate den Marsch gegen Ägypten likän, vita Nr. 700 und Hamäl ed-din el- Halebi im J. 328; letzterer setzt hinzu, dass es auf Muhammeds Verlangen geschehen sei. D* 5 28 F. WÜSTENFELD, fort. el-Ichschid liess nun gleich einen Theil seiner Truppen zu Schiffe nach Syrien abgehen und nachdem er seinen Bruder el-Hasant) als seinen Stellvertreter eingesetzt hatte, nahm er selbst im Muharram 328 mit dem anderen Theile den Landweg und bezog bei el-Faramä ein Lager. Ibn Räik war bis Ramla herangekommen und el-Hasan ben Tâhir ben Jahja el-Alawi übernahm es, ein friedliches Abkommen zwi- schen den beiden Anführern zu Stande zu bringen, nach dessen Abschluss el-Ichschid am 1. Gumädä I. nach Fustät zurückkehrte. Kaum war er hier angekommen, als ihm gemeldet wurde, dass Ibn Räik den Vertrag nicht halte, und in der That war dieser im Scha’bän wieder von Da- mascus aufgebrochen, und marschirte der Ägyptischen Gränze zu. el- Ichschid sammelte desshalb seine Truppen wieder und rückte mit ihnen am 26. Scha’bän?) von Fustät aus. In der Mitte des Ramadhän stiessen die beiden Heere bei el-Laggûn 5) auf einander und es kam zu einer grossen Schlacht; der rechte Flügel el-Ichschid’s wurde geworfen, er selbst indess hielt mit dem Centrum Stand und durch einen heftigen Angriff drängte er den Feind zurück, machte viele Gefangene und richtete ein grosses Blutbad an; aber auch sein Bruder Abu Nacr el-Husein war in dem Kampfe gefallen 4). Eine Entscheidung hatte jedoch die 1) Abul-Mahäsin II. pag. 271: el-Husein. 2) Macrizi Il. pag. 329: am 16. Scha’bän. 3) Der Ort el-Laggün lag 20 Meilen von Tiberias und 40 Meilen von Ramla an einem sechs Arabische Meilen langen Wiesengrund mit lehmigtem Boden. Mitten in der Stadt war ein runder Fels mit einer Kuppel überwölbt, nach der Arabischen Sage ein Betplatz Abrahams bei seinem Zuge nach Ägypten. Die Einwohner baten ihn weiter zu ziehen, da das wenige Wasser im Orte schon für sie kaum genügte, geschweige denn für seine Viehheerde, die er mit sich führte; er aber schlug an den Felsen und es sprang soviel Wasser daraus hervor, dass es zur Bewässerung ihrer Gärten und der umliegenden Ortschaften hinreichte. Vergl. Genesis Ĉap. XI. 4) Ibn el-Athir VIII. pag. 272 hat einen ziemlich abweichenden Bericht, wonach zwei grosse Schlachten geliefert wurden, die erste bei el-’Arisch, bis wohin Ibn Räik vorgedrungen war, und hier wurde el-Ichschid geschlagen, aber als die Feinde sein Lager zu plündern begannen, brach ein Hinterhalt hervor und trieb sie in unaufhaltsame Flucht, so dass Ibn Räik mit siebenzig Mann in dem kläglichsten DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 29 Schlacht nicht zur Folge gehabt, die beiden Armeen trennten sich, jede nahm die vorher innegehabte Stellung wieder ein, Ibn Räik ging dann weiter nach Syrien zu und el-Ichschid kehrte mit 500 Gefangenen nach Ramla zurück. Als Ibn Räik erfuhr, das el-Ichschid’s Bruder el-Husein auf dem Schlachtfelde geblieben sei, drückte er sein tiefes Bedauern aus, er liess ihn herbeiholen und einbalsamiren, hüllte ihn in ein Lei- chentuch und schickte ihn durch seinen Sohn Muzähim an el-Ichschid 2), schrieb ihm zugleich einen Brief, worin er ihn zu trösten suchte und sich entschuldigte und schwor, dass es nicht seine Absicht gewesen sei ihn zu tödten, er sende ihm aber seinen Sohn Muzähim, den er, wenn er wolle, als Sühne für el-Husein annehmen könne. el-Ichschid empfing Muzähim sehr ehrenvoll, wies das Anerbieten der Sühne entschieden zurück, beschenkte ihn vielmehr mit einem Ehrenkleide und behandelte ihn mit aller Achtung und liess ihn zu seinem Vater zurückbegleiten. Diese Annäherung hatte weitere Unterhandlungen zur Folge und es wurde Frieden geschlossen unter den Bedingungen, dass Ibn Räik auf das Land bis Ramla verzichten, dagegen den übrigen Theil von Syrien behalten, el-Ichschid ihm jährlich 140,000 Dinare bezahlen und die gegenseitigen Gefangenen in Freiheit gesetzt werden sollten. el-Ichschid kehrte hierauf nach Ägypten zurück und traf am 3. Muharram 329 in Fustät ein; Ibn Räik begab sich nach Damascus ). Zustande nach Damascus kam. el-Ichschid kehrte nach Fustät zurück, sandte aber seinen Bruder Abu Nacr el-Husein zur Verfolgung des Feindes weiter, worauf Ibn Räik aus Damascus zurückkam und am 4. Dsul-Higga bei el-Laggün die zweite Schlacht geschlagen wurde, in welcher el-Husein fiel u. s. w. í 1) Ibn el-Athir a. a. O. sagt, seiner Darstellung gemäss: „der in Agypten (Fustät) war. 2) Auch der Verf. der Selecta ex historia Halebi ed. Freytag pag. 30 (34) spricht von zwei Schlachten, in der ersten, deren Ort er nicht angiebt, sei Ichschid geschlagen und habe dann auf den Besitz von Damascus verzichtet; in der zweiten bei el-Ga’für auf der Gränze von Ägypten sei Muzähim gefangen genommen, aber von seinem Vater wieder befreit. Nach der Erzählung von Husein’s Tode fährt der Verf. fort: Danach sandte el-Ichschid von Ägypten aus den Prinzenerzieher 30 F. WÜSTENFELD, Die Nachricht von dem am 15. Rabî I. 329 (18. Dec. 940) erfolgten Tode des Chalifen el-Rädhi und der 'Thronbesteigung seines Bruders el- Muttaki Abu Ishäk Ibrahim kam nach Fustät im Scha’bän zugleich mit der Bestätigung Ichschid’s als Statthalter von Ägypten 1); genau ein Jahr nachher bot sich für ihn die Gelegenheit auch Syrien wieder ganz zu gewinnen. Schon im Dsul-Higga 329 wurde Ibn Raik von Damascus, wo er Muhammed ben Jazdäd als Präfecten einsetzte, durch den Chalifen nach Bagdad berufen und zum Emir el-Umarä ernannt, um ihn gegen die verschiedenen Parteien in Schutz zu nehmen. Dies gelang indess nur für kurze Zeit, denn im Gumädä II. 330 drang el-Baridi in Bagdad ein und Ibn Räik konnte sich kaum noch mit dem Chalifen retten, um sich zu den Hamdaniden zu begeben, deren Hülfe sie schon in Anspruch Käfür mit einer Armee, deren Vortrab von Abul-Mudhaffar Musäwir ben Muhammed el-Rümi commandirt wurde, nach Haleb, wo Muhammed ben Jazdäd von Ibn Bak zum Statthalter ernannt war. Käfür schlug diesen, nahm ihn gefangen, bemächtigte sich der Stadt Haleb und nachdem er Musäwir zum Präfecten eingesetzt hatte, kehrte er nach Ägypten zurück. Hierauf bezieht sich eine Cagide Mutanabbi’s zum Lobe Musäwir’s, worin er die Niederlage des Ibn Jazdäd erwähnt. Vgl. Mutanabbii carmina ed. Dieterici, pag. 113. Jetzt erst soll der Friedensvertrag geschlossen sein und el-Ichschid seine Tochter mit Muzähim verheirathet haben. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass nach solchen Erfolgen el-Ichschid den Besitz von Haleb und Himç wieder aufgegeben habe. 1) Abul-Mahäsin II. pag. 273 setzt den Tod des Rädhi unrichtig in den Rabî’ II. Übrigens konnte eine solche Nachricht unmöglich erst mehrere Monate nach- her in Ägypten bekannt werden und der Termin im Scha’bän wird auf die ver- spätete Bestätigung zu beziehen sein, an welcher el-Ichschid wenig gelegen sein mochte, da er sich längst als unabhängig betrachtete, eben so wie die Statthalter in den übrigen Provinzen: die Banu Hamdän in Mosul, Dijär Bekr, Dijär Rabî'a und Mudhar; ’Ali Ibn Buweih in Persien; el-Hasan Ibn Buweih in el-Reij, Icpahän und Gabal; Nacr ben Ahmed el-Sämäni in Choräsän; Abu Abdallah el-Baridi in Wäsit, Bagra und el-Ahwäz; el-Deilam in Tabaristän und Gurgän; Abu Tâhir el- Carmäti in Bahrein, Jemäma und Hagar; Abu ’Amr el-Gassäni in Africa; Muham- med ben el-Jäs in Karmän; während Baskam, Tüzün, el-Baridi und Ibn Bak sich Des stritten, wer als Besitzer von Bagdad den Chalifen in seiner Abhängig- DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 31 genommen hatten. el-Husein ben Abdallah Ibn Hamdän schickte ihnen seinen Bruder ’Alí mit einer grossen Armee entgegen, dieser traf sie als Flüchtlinge in Takrit, begegnete aber dem Chalifen mit grosser Ehr- erbietung und führte sie nach Mosul. el-Hasan hatte sich auf das östliche Ufer des Tigris nach dem Städtchen Mallathäjä begeben, die Verhand- lungen zwischen ihm und Ibn Räik, welche durch Abgeordnete geführt wurden, nahmen einen so günstigen Verlauf, dass ein Bündniss geschlossen wurde und zur Bekräftigung desselben setzte Ibn Räik mit dem Prinzen Emir Abu Mangür, dem Sohne des Chalifen, nach dem östlichen Ufer über, um el-Hasan einen Besuch abzustatten, und der Prinz wurde mit Dinaren und Dirhem förmlich überschüttet. Als sie sich wieder entfernen wollten und der Prinz schon aufgestiegen und weggeritten war, bat el-Hasan den Ibn Räik, er möchte den Tag noch bei ihm bleiben, sie wollten näher mit einander besprechen, was zu thun sei; jener entschuldigte sich, dass er den Prinzen nicht allein könne reisen lassen, und da el-Hasan mit seiner Einla- dung zudringlich wurde, fing Ibn Räik an, Verdacht zu schöpfen und machte sich mit Gewalt von ihm los, so dass der Ärmel, an dem er ihn fest- hielt, entzweiriss; indem er dann aufsteigen wollte, bäumte sich sein Pferd, er fiel zu Boden und el-Hasan rief seinen Leuten zu: stosst ihn nieder! was auf der Stelle geschah, und die Leiche wurde in den Tigris geworfen. Dies ereignete sich Montag den 21. Ragab 330. el-Hasan machte dem Chalifen selbst die Anzeige davon mit dem Bemerken, dass er bestimmt gewusst habe, Ibn Räik habe sich der Person des Chalifen be- mächtigen wollen, und der Chalif musste sich nicht nur darein ergeben, son- dern liess el-Hasan auch zu sich kommen und ernannte ihn am 1. Scha’bän mit dem Beinamen Näcir ed-Daula „Reichshelfer“ zum Emir el-Umarä; sein Bruder ’Ali erhielt den Beinamen Seif ed-Daula „Reichsschwerdt‘. Kaum hatte el-Ichschid von der Ermordung Ibn Räik’s Kunde er- halten, als er seinen Bruder Abul-Mudhaffar el-Hasan wieder zum Reichs- verweser in Agypten einsetzte und am 6. Schawwäl selbst mit seiner Armee aufbrach, um sich wieder in den Besitz der augenblicklich her- renlos gewordenen Provinz Syrien zu setzen. Er kam nach Damascus, wo der Präfect Muhammed ben Jazdäd ihm nicht nur die Stadt und 32 F. WÜSTENFELD, damit das ganze Land ohne Widerstand übergab, sondern auch sich selbst so entschieden für ihn erklärte, dass el-Ichschid kein Bedenken trug, ihn auf seinem Posten zu belassen, und nachdem er die Verhält- nisse in friedlicher Weise geordnet hatte, kehrte er nach Ägypten zurück, wo er am 13. Gumädä I. 331 eintraf und den neu erbauten Palast in dem Käfürischen Park bezog. Nach einiger Zeit siedelte er wieder in seine frühere Residenz über und liess hier am letzten Dsul-Ca’da des Jahres die Ägyptier, sämmtliche Corpsführer und die ganze Armee seinem Sohne Abul-Cäsim Ungür huldigen. — Der Chalif fügte in diesem Jahre zu Agypten und Syrien noch die Statthalterschaft der beiden heiligen Städte Mekka und Medina hinzu. Inzwischen war der Chalif ganz der Spielball der obersten Heer- führer geworden, el-Baridi, Tüzün und die Hamdaniden kämpften um die Oberherrschaft, wobei der Chalif nur die Nebenperson war, welcher sich dann auch bald diesem bald jenem in die Arme warf. Tüzün hatte ihn aus Bagdad vertrieben, er war zu den Hamdaniden nach Nisibis ge- flüchtet. Vorher schon hatte er an el-Ichschid geschrieben, ihm seine unglückliche Lage geschildert und ihn gebeten ihm zu Hülfe zu kommen, und da jetzt Abu Abdallah el-Husein ben Said Ibn Hamdän im Ragab 332 in Haleb eingerückt war und el-Ischschid noch weiter in dem nörd- lichen Theile von Syrien sich bedroht glaubte, so hatte er einen doppelten Grund dahin zu eilen. Er übertrug also seinem Bruder el-Mudhaffar wieder die Regierung, verliess Fustät am 8. Ragab, kam nach Damas- cus und dann nach Haleb. el-Husein Ibn Hamdän hatte die Stadt ge- räumt, bei seinem Abzuge hatte sein Steuerverwalter Abu Bekr Muham- med ben ’Ali Ibn Mucätil in dem Minaret der Hauptmoschee sich ver- steckt, kam bei Ichschid’s Einzuge wieder zum Vorschein und wurde von diesem als Steuererheber nach Agypten geschickt und ihm sogar die Einnahme, welche Näcir ed-Daula noch von ihm zu fordern gehabt hätte und die sich auf 50,000 Dinare belief, erlassen. Seif ed-Daula wusste es längere Zeit zu verhindern, dass el-Ichschid nach Racca kam und der Chalif sah jetzt ein, in welcher Abhängigkeit von den Hamdaniden er sich befinde, er bekam vor ihnen einen solchen DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 33 Widerwillen und solchen Abscheu, dass er sogar zu Tûzûn sandte, um mit ihm Frieden zu schliessen und sich wieder unter seinen Schutz zu stellen. Zugleich hatte er noch einmal den Abul-Hasan Ahmed ben Abdallah ben Ishäk el-Charaki an el-Ichschid abgeschickt, der mit seinem Vortrabe bis Bälis gekommen war, und ihn nach Racca eingeladen um seinen Rath und seine Hülfe in Anspruch zu nehmen. el-Ichschid zeigte seine besondere Freude über dies ehrenvolle Vertrauen des Cha- lifen, sandte ihm sogleich durch Ahmed ben Said el-Kiläbi eine nam- hafte Unterstützung an Geld und folgte alsbald selbst nach. Als er Donnerstag d. 13. Muharram 333, (15. Sept. 944) an dem jenseitigen Ufer von Racca erschien, liess ihn der Chalif durch el-Charaki und seinen Wezir Abul-Hasan Ibn Mucla herüberholen, empfing ihn selbst und befahl ihm ein Pferd zu besteigen und an seiner Seite zu reiten, allein el-Ichschid lehnte dies ab und ging aus Ehrerbietung zu Fuss neben ihm her. Bei der nun folgenden Unterredung überreichte er ihm kostbare Geschenke und eine grosse Summe an baarem Gelde, der Wezir Ibn Mucla erhielt 20,000 Dinare und so wurde keiner aus der übrigen Umgebung übergangen, ohne seinem Range gemäss bedacht zu werden. Da auf die Sendung an Tüzün die Rede kam, sagte el-Ichschid zu dem Chalifen: „O Emir der Gläubigen! ich bin dein Diener, komm’ mit mir nach Syrien und Ägypten, diese Länder sind dein, dort sollst du sicher sein.“ Als der Chalif dies Anerbieten ausschlug, fuhr el-Ichschid fort: „So bleibe hier in Racca, bis ich dich mit Geld und Truppen hinreichend unterstützt haben werde, damit du nach Bagdad zurückkehren kannst.“ Doch auch dies wurde aus Furcht vor Tüzün abgelehnt und nun wandte sich el-Ichschid an den Wezir Ibn Mucla und suchte ihn zu bereden mit ihm zu gehen; dieser wollte indess den Chalifen aus Auhänglichkeit nicht verlassen, äusserte aber später: ‚wenn ich doch dem Rathe des Ichschid gefolgt wäre!“ el-Ichschid verabschiedete sich dann und kehrte nach Haleb zurück, nachdem der Chalif durch Decret ihm und seinem Sohne Üngür die Statthalterschaft von Syrien und Ägypten auf dreissig Jahre zugesichert hatte. el-Ichschid schrieb über seinen Empfang bei dem Chalifen an Käfür, Histor. - philolog. Classe. XXI. 2. F 34 F.WÜSTENFELD, den Hofmeister seiner Söhne, sehr befriedigt, dass er ihn angeredet habe: „wie geht es dir, Abu Bekr?“ während er sonst niemand mit dem (mit Abu zusammengesetzten) Vornamen anzureden pflege. — In Haleb liess er den Abul-Fath ’Othmän ben Said el-Kiläbi und in Antiochia dessen Bruder Ahmed als Präfecten zurück; in Damascus setzte er el-Husein ben Lülü als solchen ein. Gleich nach der Abreise Ichschid’s war auch der Chalif am 26. Muharram von Racca aufgebrochen, nachdem er von Tüzün das eidliche Gelöbniss seiner Sicherheit erhalten hatte; er fuhr den Euphrat hinab bis Hit und sandte von hier noch einmal zu Tüzün, welcher den feier- lichen Schwur für seine aufrichtigen Gesinnungen wiederholte und dann dem Chalifen, welcher bis el-Anbär gefahren war und hier den Weg nach Bagdad eingeschlagen hatte, am 20. Gafar (12. Oct. 944) bei dem Orte el-Sindia entgegen kam. Tüzün küsste vor ihm den Erdboden, betheuerte nochmals das geleistete Versprechen und seine Unterthänigkeit und führte ihn mit seinem Gefolge in sein eigenes grosses Zelt, — in derselben Nacht liess er ihm die Augen ausstechen und erklärte ihn für abgesetzt; das Geschrei, welches der Chalif und seine Frauen und Diener desshalb erhoben, wurde durch Pauken übertönt und am andern Morgen wurde el-Mustakfi Abdallah, ein Sohn des Muktafi, aus Bagdad nach el-Sindia geholt und zum Chalifen ausgerufen. Erst am 4. Gumädä I. 333 soll el-Ichschid wieder in Fustät ein- getroffen sein, wo er wieder in dem Käfürischen Park seine Wohnung nahm, und erst am 7. Gumädä II. soll er die Nachricht von der Thron- veränderung in Bagdad und von seiner Bestätigung durch el-Mustakfi erhalten haben!). In Haleb waren die verwandten Kiläbiten eifersüchtig auf den neuen Präfecten Abul-Fath und sandten desshalb zu Seif ed-Daula und ver- 1) So Abul-Mahäsin II. pag. 275. Es liegt die Vermuthung nahe, dass es Rab? I. und II. statt Gumädä heissen müsse, oder beide Male Rab? I., weil ein so wichtiges Ereigniss als dieser gewaltsame e in Bagdad nicht über zwei oder gar drei Monate in Fustät unbekannt bleiben konnte. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 35 sprachen ihm die Stadt zu übergeben, wenn er zu ihnen käme. Da dies mit dessen Absichten und Wünschen übereinstimmte und sein Bruder schon darauf hingedeutet hatte, begab er sich nach Haleb und Abul-Fath, welcher die Treulosigkeit seiner Verwandten durchschaute und wohl wusste, dass er ohne sie sich nicht würde behaupten können, war klug genug, sich ihnen anzuschliessen, als sie dem Seif ed-Daula bis an den Euphrat entgegen zogen. Nachdem dieser herüber gekommen war, zeichnete er doch Abul-Fath vor seinen Verwandten aus, liess ihn mit sich auf seinem Sattel sitzen und nach dem Einzuge in Haleb Montag d. 8. Rabî I. 333 musste er neben ihm auf seinem Throne Platz nehmen. Der dortige Cädhi Ahmed ben Muhammed ben Mäthil wurde abgesetzt und Abu Hucein ’Ali ben Abd el-Malik el-Rakki kam an seine Stelle, welcher aber so ungerecht war, dass er z. B. bei Todes- fällen den Nachlass der Verstorbenen einzog, indem er sagte: „der Nach- lass für Seif ed-Daula, für Abu Hucein die Provision.‘ Während dann Seif ed-Daula einen Feldzug gegen die Griechen unternahm und die Gegend von el-Gafcäf und ’Aransûs verheerte und ausplünderte, hatte el-Ichschid ein Heer unter Käfür und Jänis el-Münisi ‚gegen Haleb gesandt, welchem Seif ed-Daula bei seiner Rückkehr sofort entgegen zu gehen beschloss. Bei dem Städtchen el-Rastan zwischen Hime und Hamät an dem Flusse el-Äci oder el-Minäs, dem oberen Theile des Orontes, stiess er auf die Ägyptier, schlug sie in die Flucht und drängte sie nach der Brücke von el-Rastan, wo bei dem Übergange viele im Wasser umkamen, bis er mit erhobenem Degen seinen Leuten befahl vom Morden abzulassen, es wurden dagegen etwa 4000 zu Ge- fangenen gemacht, darunter mehrere Emire, und das ganze Gepäck er- beutet. Käfür war nach Himg entkommen, zog sich von da nach Da- mascus zurück und gab el-Ichschid von der erlittenen Niederlage Kennt- niss. Seif ed-Daula setzte die Gefangenen bald darauf wieder in Frei- heit, welche darüber laut ihren Dank zu erkennen gaben, und rückte dann nach Damascus vor, wo er im Ramadhän 333 einzog. Hier erhielt er ein Schreiben von el-Ichschid, welcher verlangte, dass er sich mit seinen jetzigen Besitzungen begnügen und nicht weiter vorgehen solle, 36 F. WÜSTENFELD, worauf indess Seif ed-Daula nicht eingehen wollte. Bei seiner Rückkehr von einem Zuge, den er gegen die Wüsten-Araber unternahm, wehrten ihm aber die Einwohner den Eintritt in die Stadt, weil inzwischen el- Ichschid selbst nach Ramla gekommen war und nun gegen Tiberias vor- rückte, und da ein grosser Theil der Truppen von Seif ed-Daula ab- fiel und zu el-Ichschid überging, zog jener sich ohne Kampf auf Haleb zurück. el-Ichschid folgte ihm, bis er bei Maarrat el-Nu’män mit einer grossen Armee ein Lager bezog und Seif ed-Daula kam ihm bis Kinnasrıin entgegen, wo es im Schawwäl 333 zur Schlacht kam. el-Ichschid hatte die leichten Truppen mit kurzen Lanzen, die gewöhnlich seine Leibwache bildeten, nebst den Hornbläsern in das Vordertreffen gestellt und ein auserwähltes Corps von etwa 10,000 Mann, welche er ‚die Standfesten“ nannte, bildete das Hintertreffen. Beim ersten Angriff wurden die leichten Truppen geschlagen und Seif ed-Daula, welcher glaubte, dass el-Ichschid sich unter ihnen befinde, wandte sich gleich nach dessen Zelten und die Soldaten fingen an sie zu plündern; jetzt stürzte el- Ichschid mit seinen ‚„Standfesten‘‘ hervor, nahm ihnen das Gepäck wieder ab und trieb sie in die Flucht. Mu’ads ben Sa'id, der Präfect von Ma’arra, welcher Seif ed-Daula hatte gefangen nehmen wollen, wurde von ihm erschlagen. Die flüchtige Armee hatte sich nach ver- schiedenen Seiten zerstreut, ein Theil wandte sich nach Haleb, wo ihnen aber der Eintritt verwehrt wurde, wesshalb sie alle die schönen Bäume in der Umgebung der Stadt, die nach der Erwähnung des gleichzeitigen Dichters Canaubari eine grosse Zierde der Gegend gewesen sein müssen, abhauten. Seif ed-Daula hatte sich nach Racca begeben und el-Ichschid war erst nach Haleb marschirt, wo seine Soldaten gegen die Einwohner wegen ihrer Hinneigung zu Seif ed-Daula eben nicht schonungsvoll ver- fuhren, dann kehrte er nach Damascus zurück und knüpfte mit Seif ed-Daula Unterhandlungen an, welche im Beginn des J. 334 dahin zum Abschluss kamen, dass dieser Haleb, Himç und Antiochia für sich be- halten und ihm el-Ichschid für den Besitz von Damascus noch jährlich einen Tribut bezahlen solle. Zur Befestigung eines freundschaftlichen Bündnisses verheirathete el-Ichschid die Tochter seines Bruders Ob: DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 37 allah ben Tugg mit Seif ed-Daula. Die Verhandlungen hierüber wurden im Rabî I. 334 durch el-Hasan ben Tähir el--Alawi geführt 1). Im Muharram 334 war Tüzün gestorben; Donnerstag d. 22. Gu- mädä 334 (29. Jan. 945) wurde der Chalif el-Mustakfi plötzlich von Mu’izz ed-Daula Ibn Buweih abgesetzt und von seinem Nachfolger Abul- Cäsim el-Fadhl el-Muti’ geblendet. Von diesem erhielt el-Ichschid noch die Bestätigung als Statthalter von Syrien und Ägypten in Damascus, wo er geblieben war; er erkrankte dann und starb dort Freitag den 21. Dsul-Higga 334?) (24. Juli 946), seine Leiche wurde nach Jerusalem gebracht und dort begraben. Seine beiden Söhne Abul-Cäsim Ungür und Abul-Hasan ’Ali folgten ihm nach einander in der Regierung; seine Staatssecretäre waren Abu Ga’far Ibn el-Muttafik, Ibn Tumätis und Ibn el-Rüdsabärt. Abul-Cäsim Ungür?) ben el-Ichschtd Muhammed, geb. zu Damascus Donnerstag d. 9. Dsul-Higga 319, war bei dem Tode seines Vaters in Damascus mit anwesend; sein Erzieher Käfür erwirkte bei dem Chalifen seine Bestätigung als Nachfolger seines Vaters und sandte mit- der Anzeige über den Regierungswechsel den Befehl nach Fustät, den bisherigen Steuerverwalter Abu Bekr Muhammed ben Ali ben Mucätil festzunehmen und Muhammed ben AH el-Mädaräni an seine Stelle zu setzen, was am 3. Muharram 335 geschah, und sobald 1) Wenn Abul-Mahäsin II. pag. 175 hiernach von einem neuen Zerwürfniss zwischen el-Ichschid und Seif ed-Daula berichtet, wessbalb jener „zum zweiten Male“ ein Heer ausgerüstet und unter Käfür und Fätik nach Syrien gesandt habe, dem er am 5. Scha’bän 333 gefolgt sei und, nachdem er Seif ed-Daula bei Kinnasrin ge- schlagen, Haleb genommen habe, so zeigt schon die Jahreszahl, dass dies ein Ver- sehen ist oder vielleicht eine fehlerhafte Folge im Texte, in welchen das „zum zweiten Maler: eingeschoben wurde. 2) Eine andere Angabe „im Muharram 33 Nachricht in Ägypten zu beziehen. SE i 3) Macrizi II. pag 329 schreibt ziel, Ibn Challikän „>, Anûgûr, Gemäl ed-Din el-Halebi und Fûsî, Chron. v. Mekka II. pag. 204 „=, Ungür, das Wort wird durch Sy „der gepriesene‘‘ erklärt. 5% scheint sich auf die Ankunft der 2677 . F. WÜSTENFELD, die Angelegenheiten in Damascus geordnet waren, brach Ungdr mit Käfür nach Ägypten auf, wo ihm sein Vater schon als Kind hatte hul- digen lassen, um dort die Regierung anzutreten, welche ja selbstverständ- lich in Wirklichkeit in Käfürs Hände kam, und sie hielten am 1. Cafar mit der Armee ihren Einzug in Fustät. Sogleich nach ihrem Abmarsche war Seif ed-Daula wieder vor Damascus erschienen und hatte die fast ganz von Truppen entblösste Stadt mit Leichtigkeit in Besitz genommen, da der Präfect Jänis el- Münisi mit einer Handvoll Soldaten keinen Widerstand leisten konnte und sie ohne Schwerdtstreich übergab und sich sogar selbst zu seiner Verfügung stellte. Seif ed-Daula bemächtigte sich der Niederlagen und Kriegsvorräthe und fing an, die Steuern zu erheben, und wie sicher er dort zu sein glaubte, geht auch daraus hervor, dass er seine Mutter Num dahin kommen liess. Es bedurfte aber kaum der Aufforderung der Einwohner, welche grössere Erpressungen und eine Willkürherrschaft be- fürchteten, um Ungür zu veranlassen sofort zurückzukehren. Wegen seiner Jugend und Unerfahrenheit übernahm sein Oheim el-Hasan ben Tugg den Oberbefehl über die Armee und Käfür begleitete ihn als der eigentliche Regent. Seif ed-Daula war von Damascus weiter marschirt und schon über Tiberias hinaus, nach Ramla zu bis el-Laggün vorgerückt und stand bei dem Orte Aksäl einige Tage der Ägyptischen Armee be- obachtend ganz nahe gegenüber. Eines Tages hatten sich seine Soldaten in die Felder zerstreut, um Futter zu holen, Käfür erfuhr dies und ging rasch vor; Seif ed-Daula war auf eine Anhöhe geritten und sah die Ägyptier in Schlachtordnung herankommen, er eilte ins Lager zurück und führte seine Truppen hinaus, es entspann sich ein heftiger Kampf, er wurde in die Flucht geschlagen, seine Armee gänzlich gesprengt und er kam unter grossen Beschwerden im Gumädä II. nach Damascus zurück. Aus Besorgniss verrathen oder überfallen zu werden, nahm er sein Quartier in einem Orte in dem Wiesengrunde, Marg 1), des Thales 1) Es gab in der nãchsten Umgebung von Damascus drei Orte, deren Namen mit Marg ;, Wiesengrund“ zusammengesetzt sind: Marg ’Adsrä, Marg el-Guffar und Marg Data, DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 39 Güta. Hierher liess er seine Mutter kommen und alle seine Habe aus der Stadt herbeischaffen und zog damit über Cära D nach Himc ab, noch ehe die Einwohner etwas von der verlorenen Schlacht erfahren hatten. Er sammelte hier von den Wüsten-Arabern Banu ’Okeil, Nomeir, Kalb und Kiläb ein so grosses Heer, wie er es bis dahin nicht beisammen gehabt hatte, und ging damit den Ägyptiern wieder bis Marg ’Adsrû entgegen; es kam zur Schlacht, Seif ed-Daula errang anfangs einige Vortheile, wurde aber dann vollständig geschlagen. Seine Truppen zer- streuten sich, er hatte sein ganzes Gepäck verloren, wurde bis Haleb verfolgt und fühlte sich erst sicher, als er wieder in Racca angekommen war. Jänis el-Münisi hatte sich von ihm wieder getrennt und nach Antiochia begeben, Ungür zog im Dsul-Higga 335 in Haleb ein, liess Jänis zu sich kommen und gebrauchte ihn als Vermittler eines Friedens- abschlusses mit Seif ed-Daula, indem er ihn in dessen Namen zum Statthalter von Haleb ernannte, wofür Jänis zur Sicherheit seinen Sohn als Geissel stellte, und der Friede kam unter der Bedingung zu Stande, dass die bisherige Abgrenzung der Gebiete dieselbe bleiben, aber der von el-Ichschid bewilligte Tribut wegfallen sollte. Nachher soll Jänis sogar als Präfect von Damascus wieder eingesetzt sein und Ungür und Käfür kehrten wohlbehalten nach Ägypten zurück. Hier hatte sich in ihrer Abwesenheit Galbün, der Präfect des Seedistrictes, aufgelehnt und die Gegend geplündert; bei der Rückkehr Ungürs ergriff er die Flucht, el-Hasan ben Tugg verfolgte ihn, bis er ihn einholte und tödtete. Abul-Fadhl Ga’far ben el-Fadhl Ibn el-Furät gen. Ibn Hinzäba2) wurde in dieser Zeit mit der Würde eines Wezirs zum Staatssecretär ernannt. 1) Der Gränzort im District von Himg. 2) Hinzäba bedeutet eine kleine, untersetzte Frau und war der Name seiner Grossmutter; Gamäl ed-Din schreibt Chinzäba, was eine sehr anstössige Bedeu- tung hat. — Ibn el-Furät, geb. im J. 308, hatte als Gelehrter und Freund der Dichter einen Namen, war auch von Mutanabbi besungen und der Traditions-Sammler Därakutni aus ’Iräk war seinetwegen nach Ägypten gekommen, um vom ihm Tra- ditionen zu hören und bei ihm sein Sammelwerk zum Abschluss zu bringen, auch 40 F. WÜSTENFELD, Im J. 337 wurde el-Hasan ben Tugg als Präfect nach Damascus geschickt. — Um sich für die Folge seine Stellung zu sichern, veranlasste Käfür, dass Ungür im .ل‎ 338 nach Bagdad an Mu’izz ed-Daula Ibn Buweih, der damals den Chalifen ganz beherrschte, Geschenke sandte mit dem Gesuche, dass sein Bruder Abul-Hasan "AN als Mitregent in Ägypten und als sein demnächstiger Nachfolger anerkannt würde, was ihm auch gewährt wurde. Danach wurde Schu’la ben Badr el-Ichschidi zum Statthalter von Damascus ernannt, welcher sich ebenso durch seine Tapferkeit, wie durch seine Tyrannei auszeichnete. — Im J. 342 starb el-Hasan ben Tugg zu Ramla, wohin er von Damascus versetzt war, und wurde in Jerusalem begraben; er war ein tapferer und erfahrener Mann, welcher manche wichtige Aufträge und Geschäfte ausgeführt hatte, So wie der jugendliche Herrscher Ungür nach und nach etwas selbständiger wurde, fing er auch an, die Abhängigkeit, in welcher ihn Käfür noch immer hielt, mehr zu fühlen. Käfür hatte ihm für seine Hofhaltung jährlich die Summe von 400,000 Dinaren ausgesetzt und alle übrigen Einkünfte für sich behalten; dies gab im J. 343 die Veranlassung zu einem ersten Zerwürfniss. Einige Personen aus der Umgebung des Fürsten stellten ihm vor, dass Käfür grosse Schätze auf- häufe, dass er die Besitzungen seines Vaters sich angeeignet habe und die Verwaltung und Leitung der Armee für sich allein besorge und ihn als seinen Untergebenen betrachte. Sie brachten ihn dahin, dass er ihn ganz zu vermeiden suchte, er ging oft auf die Jagd, entfernte sich dasshalb bis nach el-Mahalla und noch entlegeneren Orten und ergab hat er selbst ein Werk über die Überlieferer und deren Abstammung geschrieben. Aber seiner Stellung im Staatsdienst war er anscheinend nicht gewachsen und seine gelebrten Freunde kosteten ihm vermuthlich mehr, als er nach seinem rechtmässigen Einkommen hätte verwenden können (s. unten). Er starb im J. 391 und Ibn Challikän will den Leichenstein mit seinem Namen auf dem Begräbnissplatze am kleinen Caräfa-Berge bei Cähira gesehen haben, setzt aber hinzu, dass nach anderen Nachrichten seine Leiche nach Mekka gebracht, an den Wallfahrtsorten umherge- tragen und dann seiner Bestimmung gemäss in Medina in einem Hause neben der Moschee, welches er gekauft hatte, beigesetzt sei. Ibn Challikän vit. Nr. 132. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 41 sich allen Vergnügungen. Endlich beredeten sie ihn, dass er nach Ramla reisen solle, wodurch es zum förmlichen Bruch zwischen ihnen gekommen sein würde. Seine Mutter erhielt aber Kunde von diesem Plane und aus Besorgniss für ihren Sohn gab sie selbst Käfür Nachricht davon, welcher dann nach ihm aussandte; auch die Mutter schickte zu ihm und liess ihn bange machen, dass ein Aufstand ausbrechen würde, wenn er sein Vorhaben ausführte, und es kam danach eine Aussöhnung zu Stande und das frühere Verhältniss wurde wieder hergestellt. In demselben Jahre entstand ein grosser Brand in Fustät an dem Bazar der Kleiderhändler und der Honighalle; bei einbrechender Dunkel- heit war noch keine Veränderung eingetreten, das Feuer gewann immer an Ausdehnung und die Leute verbrachten die Nacht in grosser Angst und Gefahr. Am Morgen ritt Käfür auf die Brandstätte und liess aus- rufen, dass er für jeden grösseren oder kleineren Schlauch Wasser, welcher herbeigetragen würde, einen Dirhem bezahlen werde und die so aufgewandte Summe belief sich auf 10,000 Dirhem, bis das Feuer gelöscht war. Im Ganzen waren 1700 Häuser abgebrannt, dazu alle Waarenvorräthe und das Hausgeräth. In den Jahren 341 bis 343, wo die Zahl der Pilger aus Ägypten ziemlich bedeutend war, kam es in Mekka zwischen den sie begleitenden Truppen und denen aus ’Iräk, welche sich auf die Seite der Scherife von Mekka stellten, zu blutigen Kämpfen, welche jedesmal zum Nach- theil der Ägyptier endigten und die Ägyptische Oberhoheit wurde in dem heiligen Gebiete nicht anerkannt 1). Im J. 344 war ein furchtbares Erdbeben in Ägypten, welches drei Stunden anhielt und viele Häuser zerstörte. — In demselben Jahre fiel der Emir Abul-'Abbäs Schula ben Badr, Präfect von Damascus, bei Tiberias in einem Treffen gegen Muhalhal el-Okeili. 1) Wenn bei dieser Gelegenheit Ibn el-Athir VII. pag. 380 im J. 342 noch von den Soldaten des Ibn Tugg spricht und el-Fäsi, Chron. von Mekka, Bd. II. pag. 205 ausdrücklich el-Ichschid nennt, so ist dies eine Anachronismus, da el-Ichschid schon im J. 334 gestorben war; danach ist auch die Deutsche Bearbei- tung der Chroniken S. 215 zu ändern. Histor.-philolog. Classe. XXI a F 42 F. WÜSTENFELD, Ungür, in dessen Abhängigkeitsverhältniss zu Käfür sich nichts verändert hatte, starb Sonnabend d. 7.—8. Dsul-Ca’da 389 (29. Dec. 961); die Leiche wurde nach Jerusalem gebracht und an der Seite seines Vaters beigesetzt. — In Übereinstimmung mit den Hofbeamten und Corpsführern erhob Käfür den Bruder ‚Ungür's Abul-Hasan ’Ali ben el-Ichschid Muhammed auf den Thron und die Bestätigung durch den Chalifen als Statthalter von Ägypten, Syrien und den beiden heiligen Städten Mekka und Medina erfolgte Sonnabend d. 20. Dsul-Ca’da 3494). Obgleich er, geb. d 26. Cafar 3262), damals schon fast 24 Jahre alt war, liess ihn Käfür doch nicht an den Regierungsgeschäften Theil nehmen, sondern hielt ihn wo mög- lich in noch grösserer Abhängigkeit als seinen Bruder, er durfte ausser in seiner Begleitung sich nicht einmal öffentlich zeigen und bekam nur wie jener für seine Hofhaltung dieselbe Summe von 400,000 Dinaren. Indess dehnte sich die Ägyptische Macht zu seiner Zeit wieder über ganz Syrien aus und seine Regierung wurde in Haleb, Macciga, Tarsus und der Umgegend anerkannt. | So wie nun Käfür längst zur unumschränkten Herrschaft gelangt war und über unermessliche Summen verfügen konnte, so hatte er sich auch mit allem orientalischen Luxus umgeben und sein Hof gehörte zu den glänzendsten seinerZeit. Er hatte sich aber auch einige wissen- schaftliche Bildung zu verschaffen gewusst, versammeite um sich eine 1) Nach dem Wortlaut bei Abul-Mahäsin II. pag. 354 müsste dies Datum auf die Thronbesteigung bezogen werden, dann würde sich aber Abul-Mahäsin selbst widersprechen, wenn er bei dem unten anzugebenden Todestage bemerkt, dass die Regierungszeit fünf Jahre, zwei Monate und zwei Tage betragen habe; dies stimmt nur, wenn die Huldigung gleich am Tage nach dem Tode seines Bruders stattfand, wesshalb auch das Datum für diese bei Macrizi II. pag. 329 „am 13. Dsul-Ca’da“ nicht richtig sein kann, aber auch nicht für das Eintreffen der Bestäti- gung passt, da mehr als fünf Tage erforderlich waren, um die Nachrichten von Fustät nach Bagdad und wieder zurück zu bringen; allenfalls könnte letzteres das Datum der Ausfertigung des Decretes in Bagdad sein. 2) nicht 306, wie Abul-Mahäsin a. a. 0. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 43 grosse Anzahl von Gelehrten, mit denen er besonders Abends lieber verkehrte, als mit seinen Emiren, indem er sich die Werke über die Geschichte der Omeijaden und ’Abbäsiden vorlesen liess. Daneben durften dann auch die Dichter nicht fehlen, welche dem Fürsten mit Lobliedern schmeichelten, und Käfür beschenkte sie auch fürstlich. Heftige Erdbeben hatten Ägypten sechs Monate lang Tag und Nacht erschüttert, so dass die Erde bei Nabhä el Asal grosse Risse bekommen hatte; dann war eine Ruhe eingetreten, bis nach sechs Monaten sich die Stösse wiederholten; da brachte Muhammed ben ’Äcim in einer Cacide den Vers an: Ägypten erbebt nicht wegen eines Unheils, das ihm angethan werden soll, sondern es tanzt vor Freude über seine (Käfürs) Gerechtigkeit. Dafür liess er ihm tausend Dinare auszahlen. Durch solche Freigebig- keit wurde auch der grosse Dichter Abul-Tajjib Ahmed el-Mutanabbi angelockt, er verliess Seif ed-Daula, den er seit dem J. 337 auf seinen Feldzügen begleitet hatte, und folgte im J. 346 der Einladung Käfürs nach Ägypten zu kommen. Auf dem Wege dahin passirte er Ramla, wo el-Hasan !) ben ’Obeidallah ben Tugg an der Stelle seines Oheims el-Hasan ben Tugg Präfect geworden war. Dieser kam ihm mit Geschenken entgegen, liess ihm einen Ehrenmantel überreichen, ein edles Pferd besteigen und mit einem grossen Gefolge in seine Residenz führen; hier umgürtete er ihn mit einem kostbaren Schwert und bat ihn dann um ein Lobgedicht. Mutanabbi entschuldigte sich mit folgenden Versen: Wenn ich es unterliesse dich zu loben, mir selber wär’s Satire, nur zu gering für dich ist auch das grösste Lob. Doch wenn ein Grund ist, dass ich dir ein Stegreiflied nicht bringe, so wirst du meines Gleichen drob entschuld’gen. 1) Die meisten nennen ihn el-Hasan und ich ziehe dies vor, weil sein Vater 'Obeidallah den Vornamen Abul-Hasan hatte; Abul-Mahäsin und Macrizi nennen ihn el-Husein, 2) Mutanabbii carmina ed. Dieterici, pag. 326. = 44 F. WÜSTENFELD, Dein Wesen ist es, das dich lobet, nicht mein Lied, Vortrefflichkeit die lauter spricht, als meine Worte. So tränke Gott durch deine beiden Hände wen ich liebe !), und tränke er dich selber, o Emir! Als er dann zu Käfür kam, liess ihm dieser eine eigene Wohnung einrichten, beschenkte ihn mit einem Ehrenkleide und überreichte ihm einige Tausend Dirhem, nun flossen die Lobgedichte von des Dichters Munde in überschwänglicher Weise und dies gute Verhältniss dauerte etwa zwei Jahre. Fätik, als Griechischer Knabe in Gefangenschaft gerathen, hatte in Palästina einigen Unterricht genossen und war dann in den Besitz el-Ichschid’s gekommen, dem es unangenehm gewesen war, dass sein bisheriger Herr einen Preis für ihn nicht hatte annehmen wollen. Fätik stieg in der Umgebung el-Ichschid’s zu der Würde eines Emir empor und war einige Zeit Präfect von Damascus, es widerstrebte ihm aber, dass er nachher in Käfür’s Dienste treten und sich ihm unterordnen sollte, da er ihm bisher wenigstens gleich gestellt und befreundet war. Er zog sich desshalb auf ein Landgut bei Fajjüm zurück, welches ihm gehörte, erkrankte 2 indess dort in dem ungesunden Aufenthalte und 1) Der Dichter meint sich selber und es ist der damaligen Sitte gemäss, dass Mutanabbi sich sogleich die Belohnung für sein Gedicht ausbittet. Schöner wäre | der Sinn nach der Lesart bei Gamäl ed-Din يكفيك‎ statt بكفيك‎ „So tränke (belohne) Gott den, der dich, wie ich wünsche, genugsam lobet“, nach dem Versmass müsste man dann يكفيك‎ lesen, nur ist die zweite Form dieses Verbum noch nicht weiter belegt. 2) Mann könnte meinen, dass seine Krankheit in Geistesstörungen bestanden und er davon den Beinamen el-Magnün „der Rasende, Besessene“ erhalten habe, in- dess Ibn Challikän vit. Nr. 535 sagt, dass er wegen seiner Tapferkeit und Ver- wegenheit so benannt sei, und Abul-Mahäsin II. pag. 377 hebt seine Lebhaftig- keit und Ausgelassenheit hervor, während Käfür ein ruhig überlegender Verstandes- mensch war; so oft diesem neue Ehren und Auszeichnungen wiederfuhren, nahm Fätik’s Ärger und Neid gegen ihn zu, während Käfür nicht aufhörte, ihm Wohl- thaten zu erweisen und ihn mit grösster Aufmerksamkeit zu behandeln. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 45 kam zu seiner Genesung wieder nach Fustät. Hier lernte er bei einem Ausfluge aufs Land Mutanabbi kennen, von dem er schon gehört hatte; sie unterhielten sich auf angenehme Weise und nach Hause zurück- gekehrt sandte Fätik ein ansehnliches Geschenk an Mutanabbi. Dieser wollte sich dafür durch ein Gedicht erkenntlich erweisen, scheute sich aber vor Käfür und erbat sich von ihm zuvor die Erlaubniss dazu, und als er sie erhielt, dichtete er am 9. Gumädä 348 eine Cacide zum Lobe Fätik’s, welche mit einer Selbstanrede des Dichters beginnt: Du hast keine Rosse und kein Geld als Geschenk zu bringen, drum lass dein Lied, wenn’s anders nicht geht, zum Dank erklingen !). Er spendete aber darin, besonders nach Käfür's Ansicht, des Lobes etwas zu viel und dieser war darüber ungehalten; es entstand eine Spannung zwischen ihnen, so dass Mutanabbi aus Furcht wohl noch in seinem Gefolge erschien, aber nach dem Schawwäl 349, wo er noch ein Gedicht auf Käfür gemacht hatte, nicht mehr mit ihm in nähere Be- rührung kam, und als Fätik, den er noch in mehreren Gedichten feierte, in der Sonntagsnacht vom 11. auf den 12. Schawwäl 350 starb, zog es Mutanabbi vor, das Weite zu suchen. Nachdem er noch ein Spottge- dicht auf Käfür veröffentlicht hatte, verliess er anderen Tags am Opfer- feste d. 10. Dsul-Higga d. J. Fustät heimlich, kehrte nach ’Iräk zu 'Adhad ed-Daula Ibn Buweih zurück und fuhr fort Spottgedichte auf Käfür zu machen, die sich erhalten werden, so lange die Welt steht. Bei allem äusseren Glanze und üppigen Wohlleben hatte Käfür doch mehrere Jahre seine grossen Sorgen wegen der Nothstände und Bedrängnisse, welche über Ägypten kamen. Im J. 351 und in den folgenden Jahren erreichte der Wasserstand des Nil nicht die Höhe, welche zu einer hinreichenden Befruchtung des Bodens nöthig ist; die Felder lagen öde, Getreidemangel und übermässige Theuerung herrschte allgemein und in Folge davon brachen an mehreren Orten Unruhen aus. Hierzu kam, dass Alexandria und die Seedistricte im J. 351 durch die Magribiner bedroht wurden; im J. 352 drangen die Carmaten in 1) Mutanabbii carmina, pag. 704. 46 F. WÜSTENFELD. Syrien vor und die Ägyptier waren nicht im Stande sich ihnen ent- gegen zu stellen, da sie kaum im eigenen Lande sich des Elends und der Bedrängniss erwehren konnten, und um das Mass voll zu machen, brachen auch die Nubier in Ägypten ein, drangen über Uswän bis Ichmim vor, machten viele zu Gefangenen und verbreiteten durch Morden, Plündern und Brennen überall Schrecken und Noth. Kurz, Ägypten war im Süden wie im Norden in furchtbarer Weise heimgesucht. Ali lebte gezwungen, vielleicht auch aus Neigung, still und zurück- gezogen, er enthielt sich des Weintrinkens und war fleissig im Beten und Koranlesen; Käfür hatte ihn zuletzt von allem Umgange ausge- schlossen, er erkrankte an derselben Krankheit wie sein Bruder und starb am 11. Muharram 3551) (7. Febr. 965); die Leiche wurde nach Jerusalem gebracht und an der Seite seines Vaters und Bruders bei- gesetzt. Der Geschichtschreiber Abu Muhammed el-Fargäni erzählt: Als Ali ben Ichschid gestorben war, liess mich Käfür zu sich rufen und redete mich an: Ich habe vor dir eine grosse Hochachtung und wegen des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen uns setze ich auf deinen guten Rath ein besonderes Vertrauen und ich weiss, dass du mir deine aufrichtige Meinung sagen wirst; was räthst du mir, dass ich thun soll? Ich antwortete ihm: o Gebieter! du hast dem seligen Fürsten el-Ichschid viele Wohlthaten und Unterstützungen zu danken, ich erwarte, dass du auf seine Nachkommen Rücksicht nimmst und mein Rath ist der, dass du den Prinzen Ahmed an die Stelle seines Vaters setzest und die Re- gierung führst, wie du bisher gethan hast. Er entgegnete: wie kann ich ein Kind auf den Thron setzen? (er war damals neun Jahr alt.) Ich erwiederte: Der selige Fürst hat seinen Sohn ’Ali zu seinem Nach- folger bestimmt und ihm huldigen lassen, als er noch nicht so alt war, wie jetzt Ahmed. Er antwortete: Ich will es mir überlegen; und damit 'verliess ich ihn. Später erfuhr ich, dass er nach meinem Weggehen -1) Gamäl ed- Dîn setzt seinen Tod in das J. 354 und seine Lebenszeit ZU 27 Jahr 10!/s Monat an. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 47 gesagt habe: der Abu Muhammed gehört zu denen, die in keiner Lage zweifelhaft sind, was sie thun sollen, schade dass er eine solche An- hänglichkeit an die Farganenser (Ichschiden) hat. Käfür folgte dem ertheilten Rathe nur insoweit, als er sich anfangs den Schein gab, als wolle er die Regierung im Namen des Prinzen Ahmed ben كلخ‎ mit Hülfe des Wezirs Ga’far Ibn el-Furät Ibn Hinzäba in der bisherigen Weise weiterführen und es wurde, um angeblich erst dessen Bestätigung abzuwarten, einstweilen in dem Kanzelgebet nur der Name des Chalifen el Mutt genannt, bis er in Übereinstimmung mit den angesehensten Personen des Reiches und der Armee sich selbst zum Statthalter ausrufen liess, und am 10. Cafar hielt er mit seiner mit kurzen Lanzen bewaffneten Leibwache einen Aufzug, wobei er in einem Ehrenmantel erschien, den er angeblich aus ’Iräk bekommen hatte; zu- gleich zeigte er ein vom 26. Muharram datirtes Schreiben vor, worin ihm der Vorname Abul-Misk beigelegt und er als Ustäd „Gebieter‘ angeredet war. Abul-Misk Käfür ben Abdallah el-Ichschidi, in Ha- bessinien geboren und daher von schwarzer glänzender Hautfarbe, war als Sklav nach Ägypten gekommen und el-Ichschid hatte ihn im J. 312 für 18 Dinare von einem Oelhändler oder von einem Ägyptier Namens Mahmüd ben Wahb ben ’Abbäs gekauft. Bald darauf wurde er von einem bedeutenden Hautausschlage befallen, so dass er sich vor Nie- mand konnte sehen lassen, sein Herr entliess ihn desshalb und er musste betteln gehen. So kam er eines Tages über den Markt der Banu Hu- bäscha, wo ein Koch Speisen verkaufte, und als er bei ihm vorbei ging, bettelte er ihn an. Der Koch schlug ihn mit einem heissen Löffel so heftig über die Hand, dass er ohnmächtig niederfiel. Ein Agyptier hob ihn auf, besprengte ihn mit Wasser und nahm ihn in seine Behandlung bis er geheilt war und zu seinem Herren zurückkehren konnte. Dieser nahm ihn wieder auf und bot dem menschenfreundlichen Wohlthäter eine Belohnung an, er aber schlug sie aus mit den Worten: mein Lohn steht bei Gott. Kûfûr erinnerte sich in der Folge oft, wenn er Sorgen hatte, an diesen Schlag mit dem Löffel und wenn er ausritt und über 48 F. WÜSTENFELD, jene Strasse kam, stieg er ab, sprach unter Verbeugung ein Dankgebet und sagte zu sich selbst: Lass mich des Schlages mit dem Löffel ge- denken! Abu Ga’far el-Mantiki erzählt: Eines Tages rief mich Käftr an und fragte mich: Kennst du den Sterndeuter, der in dem und dem . Hause wohnt? Ich antwortete: Ja! -- Was macht er? — Er ist vor vielen Jahren gestorben. — Höre! fuhr er fort, ich ging einst an ihm vorüber, da rief er mich an und sprach: erlaube, dass ich dir wahr- sage. Thue das! sagte ich. Nun betrachtete er die Sterne und sprach dann: „Du wirst diese Stadt beherrschen und darin befehlen und ver- bieten.“ Ich hatte zwei Dirhem bei mir, die reichte ich ihm, da sagte er: was soll das? Ich antwortete: mehr als dies habe ich nicht bei mir. Da erwiederte er: ich will dir noch etwas sagen: Du wirst noch mehr als diese Stadt beherrschen und zu hohen Ehren kommen, dann erinnere dich meiner. Damit verliess ich ihn. Gestern nun sah ich ihn im Traume und er sprach zu mir „Du hast mich doch im Stich gelassen.“ Ich wünschte nun, dass du hingingest und dich nach ihm erkundigtest und ob er Erben hinterlassen hat. Ich ging also nach dem Hause, welches er bewohnt hatte, fragte nach ihm und erfuhr, dass er zwei Töchter hinterlassen habe, eine sei noch ledig, die andere verheirathet. Ich kehrte nun zurück und brachte Käfür diese Nachricht, da kaufte er ihnen ein Haus für 400 Dinare und schenkte der unverheiratheten noch 200 Dinare, um sich darin einzurichten. Käfür besass eine grosse Körperkaft und es fanden sich wenige, die im Stande waren seinen Bogen zu spannen; wenn es Einer ver- suchte und nicht damit fertig wurde, so lachte er ihn aus, behielt ihn indess doch bei sich; wenn es aber Einem gelang und er etwa gering- schätzend sich äusserte, so wurde Käfür unwillig und duldete ihn nicht in seiner Nähe. — Einen Sklaven, der bei ihm eintrat, fragte er: wie heissest du? Er antwortete; Käfür. Da sagte er: schon recht, nur ist nicht jeder, der Muhammed heisst, ein Prophet. An seiner Tafel hatte er immer eine zahllose Menge von Gästen und der tägliche Bedarf für seine Küche bestand in 200 Hämmeln, 100 DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 49 Lämmern, 250 Gänsen, 500 Hühnern, 1000 kleineren Vögeln wie Tauben u. d. gl. 100 Krügen mit Süssigkeiten, jeder Krug zu zehn Pfund und 250 Büchsen voll Gewürz. Gamäl ed-Din giebt an: täglich 1700 Pfund Fleisch ausser den gemästeten Hühnern, jungen Hahnen und gebratenen Lämmern, dazu süsse Speisen u. d. gl. Aus seiner Weinniederlage wurden täglich funfzig Schläuche gewöhnlicher Getränke für die Diener- schaft geliefert. Der Cädhi von Sujüt schickte ihm jährlich 50,000 Quittenäpfel, aus denen ein Getränk bereitet wurde. Der Genealog Abu Ga’far Muslim ben Abdallah ben Tähir el-Alewi erzählt als Beispiel, wie Käfür stets seiner vormaligen niedrigen Stel- lung eingedenk war und welche Achtung er vor älteren Gelehrten hatte, folgendes eigene Erlebniss: Ich befand mich eines Tages in dem Ge- folge Käfürs, als er auf einem leichten Pferde ausritt, um eine Ver- gnügungstour zu machen; vor ihm ritt eine zahlreiche Begleitung in Gold und Silber, hinter ihm folgte eine Schaar auf Maulthieren. Da fiel ihm seine Reitpeitsche aus der Hand, ohne dass es sein Bediente bemerkte; ich stieg schnell ab, hob sie von der Erde auf und reichte sie ihm. Da sagte er: o Scheif! ich beuge mich vor Gott wegen der hohen Stellung, zu welcher ich gelangt bin; ich habe nicht geglaubt, dass eine Zeit kommen würde, wo du mir einen solchen Dienst erweisen würdest. Dabei traten ihm die Thränen in die Augen und ich erwiederte: ich bin der Diener des Gebieters und sein Unterthan. — Als wir zurück- kamen, verabschiedete ich mich von ihm bei seiner Wohnung und in- dem ich fortging, wandte ich mich um und sah sämmtliche Pferde und Maulthiere des Gefolges hinter mir herkommen. Auf die Frage: was soll das? antworteten die Begleiter: der Gebieter hat befohlen, dass das ganze Gefolge zu dir gebracht werde. Ich liess es in meine Wohnung führen, der Werth überstieg 15,000 Dinare. Das Jahr 355 schloss mit der traurigen Nachricht, dass die Kara- wane der Pilger aus Syrien, Ägypten und Magrib, die aus etwa 20,000 E D 1) Die ehrende Anrede, da Muslim aus der Familie ’Ali’s stammte. Hist.-philolog. Classe. XXI. 2. e 50 F. WÜSTENFELD, Kamelen bestand, von den Carmaten überfallen, der grösste Theil der- selben umgekommen und ihnen alles Gepäck und Geld abgenommen sei; allein der Cädhi von Tarsus Namens el-Chawätimi hatte dabei 20,000 Dinare eingebüsst. Aus dem nächsten Jahre wird über Ägypten nichts Merkwürdiges berichtet, der Tod der beiden Sultane, welche damals neben Käfür die mächtigsten des Chalifenreiches waren, Seif ed-Daula "AN Ibn Hamdän, gest. am 25. Gafar 356 zu Haleb, und Mu’izz ed-Daula Ahmed Ibn Buweih, gest. am 17. Rabî II. 356 zu Bagdad, scheint auf Ägypten keine besondere Einwirkung gehabt zu haben. Käfür starb Dienstag d. 21. Gumädä I. 357!) (13. April 968); die Leiche wurde nach Jerusalem gebracht und dort begraben. Noch in derselben Stunde, wo er gestorben war, versammelten sich die obersten Würdenträger und gaben sich gegenseitig das Versprechen, sich über die Wahl seines Nachfolgers nicht entzweien zu wollen, es wurde hier- über ein Protocoll aufgenommen und sie wählten den elfjährigen Prinzen Ä Abul-Fawäris Ahmed ben ’Ali ben el-Ichschid Mu- hammed zum Statthalter. Das ganze Land, sowie die Syrischen Be- sitzungen und die beiden heiligen Städte Mekka und Medina huldigten ihm dadurch, dass sein Name in dem Kanzelgebete genannt wurde und nach ihm el-Hasan ben Obeidallah ben Tugg, der Vetter seines Vaters und damals Präfect von Ramla und Damascus, welcher Ahmeds Schwester Fätima heirathete; die Trauung wurde durch einen Bevollmächtigten voll- zogen, welchen er aus Syrien schickte. In die Regierungsgeschäfte theilten sich der Wezir Ga’far Ibn el-Furät für die Verwaltung und Samuël, ein Freigelassener der fürstlichen Familie Ichschid und bisher Postmeister der Brieftauben, für das Heer. Von nun an ging die Herrschaft der Ichschiden einem raschen Un- tergange entgegen. Zuerst brachen die Carmaten unter Abu Muhammed 1) Die Angaben 356 oder 358 und dass Käfür noch das Eindringen Gauhars in Ägypten erlebt habe, sind ganz zu verwerfen. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 51 el-Hasan el-A’cam in Syrien ein; el-Hasan ben Obdeillah musste vor ihnen die Flucht ergreifen und kam nach Fustät zu seiner ihm bereits angetrauten Frau Fätima.. Während hier die Bevölkerung durch eine drückende Theurung entmuthigt und erschlafft war, hatte der Wezir Ibn el-Furät durch sein schlechtes Benehmen auch die Truppen gegen sich aufgebracht, und als er ihnen gar den Sold verweigerte, weil die Ab- gaben und Pachtgelder nicht eingegangen waren, kam es zum Aufstande und sie plünderten seine Wohnung und die Wohnungen seiner Ange- hörigen. el-Hasan sah sich desshalb genöthigt, ihn abzusetzen und in Gewahrsam zu bringen und selbst die Regierung zu übernehmen, und er setzte an seine Stelle als Geschäftsführer seinen Secretär el-Hasan ben Gäbir el-Rijähi!). Unter den von Ibn el-Furät Misshandelten befand sich auch Abul- Farag Jacüb ben Kils, von Geburt ein Jude, der zum Islam überge- treten war und ein hohes Amt bekleidet hatte; Ibn el-Furät hatte ihm 4500 Dinare abgefordert und gewaltsam abgenommen, Ibn Kils hielt sich danach noch eine Zeit lang bei dem Scherif Abu Ga’far Muslim ben ’Obeidallah el-Huseini versteckt und flüchtete darauf nach Magrib, wo er eine Haupttriebfeder für die Besitzergreifung Ägyptens durch el- Muiizz wurde,. welcher ihn in der Folge zum Wezir erhob. Nachdem er ihm nämlich das Unvermögen und den gänzlichen Verfall der Ägyp-- tischen Regierung geschildert hatte und diese Schilderung von anderen hochstehenden Personen bestätigt wurde, welche ihm das Land auszu- liefern versprachen, wenn er Truppen zu ihnen schicken wolle, und da el-Mu’izz auch recht gut wusste, dass von Bagdad aus, wegen der Kämpfe zwischen den Buweihiden Bachtiär ben Mwizz ed-Daula und seinem Vetter ’Adhad ed-Daula ben Rukn ed-Daula eine Einmischung nicht zu befürchten sei, so liess er ein Heer ausrüsten und stellte Abul-Hasan Gauhar ben Abdallah, einen seiner Freigelassenen von Griechischer 1) So Gamäl ed-Din und Ibn Challikän; bei Abul-Mahäsin heisst er el-Zangäni. G* 52 F. WÜSTENFELD, Abkunft, der sich bereits als tüchtiger Anführer bewährt hatte, an die Spitze. Der Abmarsch wurde noch durch eine Krankheit Gauhars ver- zögert, erfolgte aber endlich am 14. Rabî I. 358 von dem allgemeinen Sammelplatze Raccäda aus in einer Anzahl von mehr als 100,000 wohl- bewaffneten Reitern, welche eine Kriegskasse in 1200 Kisten mit sich führten. el-Muizz war während der Rüstungen täglich zu Gauhar ge- kommen, um ihm seine Befehle zu geben, jetzt ritt er hinaus, um Ab- schied zu nehmen; Gauhar stand vor ihm, el-Mu’izz stützte sich auf sein Pferd und sprach noch eine Zeit lang heimlich mit ihm, dann rief er seinen Söhnen zu: Steigt ab zum Abschied! Sie stiegen von ihren Pferden, ebenso ihre ganze Begleitung, Gauhar küsste el-Mu’izz die Hand und seinem Pferde den Huf, dann sagte el-Muizz zu ihm: steig auf! er schwang sich aufs Pferd und die ganze Armee setzte sich in Bewegung. Als el-Muizz in sein Schloss zurückkam, schickte er Gauhar seinen ganzen Anzug nach, den er eben getragen hatte, mit Ausnahme seines Ringes und seiner Beinkleider, sammt seinem Pferde. Aflah, der Com- mandant von Barca, erhielt den Befehl Gauhar entgegen zu gehen und wenn er ihn träfe, ihm die Hand zu küssen; er bot 100,000 Dinare, wenn ihm dies erlassen würde, umsonst, er musste sich dazu be- quemen. In Fustät war el-Hasan ben ’Obeidallah, welcher sich auch manches hatte zu Schulden kommen lassen, nur drei Monate geblieben, dann hatte er auf Anrathen des Scherf Abu Ga’far Muslim den Wezir Ibn el-Furät wieder in Freiheit gesetzt und ihm die Regierung wieder über- geben, und er selbst reiste am 1. Rabf II. wieder nach Syrien. Als hierauf im Gumädä II. die Nachricht eintraf, dass die Magribiner im Anzuge seien, versammelte Ibn el-Furät die Corpsführer und hielt mit ihnen eine Berathung und sie kamen überein, einen gewissen Nihrir Schuweizän aus Uschmünein herbeizurufen und an ihre Spitze zu stellen und sich zur Gegenwehr zu rüsten. Bald darauf kam die Anzeige, dass Gauhar in Barca eingerückt sei, und bei einer neuen Berathung gewann die Friedenspartei die Oberhand und beschloss, ihm eine Gesandtschaft entgegen zu schicken und mit ihm wegen einer Uebergabe des Landes DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 53 in Unterhandlung zu treten. Die Gesandtschaft bestand aus dem Scherif Muslim als Unterhändler, welchem der Wezir Ibn el-Furät ein beson- deres Schreiben an Gauhar mitgab, ferner Abu Ismä’il ben Ahmed el- Rassi, Abul-Tajjib el-Abbäs, dem Cädhi Abu Tähir und einigen anderen. Sie machten sich Dienstag d. 19. Ragab auf den Weg und trafen Gauhar bei Tarüga nicht weit von Alexandria, er empfing sie sehr ehren- voll, nahm das Schreiben des Wezir entgegen, zeigte sich bereit auf ihre Vorschläge einzugehen und es wurde ein Friedensvertrag aufgesetzt. Unterdess hatte aber in Fustät ein Umschlag der Meinung stattgefunden und als die Gesandtschaft am 7. Scha’bän zurückkehrte, wollte die Kriegspartei von einer Uebergabe nichts wissen, die Truppen verlangten in den Kampf geführt zu werden und fingen im Weigerungsfalle an zu plündern, selbst der Wezir Ibn el-Furät und Nihrir traten auf ihre Seite und die Besatzung rückte ein Corps nach dem anderen nach Giza aus, hielt aber die Brücken für den Fall eines Rückzuges stark besetzt. Auch Gauhar war unterdess bis in die Nähe von Giza gekommen, nach- dem er von der Zurückweisung des Vertrages Kenntniss erhalten hatte, und am 10. oder 11. Scha’bän 1) begannen die Feindseligkeiten; es wurden alsbald viele von den Ägyptiern zu Gefangenen gemacht und Pferde auf- gefangen. Gauhar war nach Munjat el-Cajjädin?) gegangen, um in den Furten bei Munjat Schalacän 3), wo eine Insel im Nil liegt, überzusetzen, und um dies zu verhindern, hatten die Ichschiden ein Corps unter Muzähim ben Räik dahin geschickt. Er vermochte indess nur kurze Zeit den Feind zu beunruhigen und aufzuhalten, denn da auch Ueber- läufer zu Schiffe herübergekommen waren, bedurfte es nur der Anrede Gauhars an den Corpsführer Ga’far ben Faläh el-Kutämi: „heute rechnet 1) Gamäl ed-Din sagt: Donnerstag den 11. Scha’bän, dieser Wochentag fiel aber auf den 12. des Monats. 2) Dieser Ort wird zum Gebiete von Giza gerechnet; vgl. de Sacy zu Ab- dallatif pag. 677 Nr. 143, S ci 3) Nach de Sacy a. a. O. pag. 601 Nr. 38 zum Gebiete von Kaljûb gehörig, nach Jacût, Moschtarik pag. 276 im Gebiete el-Scharkîja. 54 F. WÜSTENFELD, el-Mu’izz auf dich!“ um ihn zu veranlassen, sich nur mit Beinkleidern bekleidet in ein Fahrzeug zu werfen, seine Leute stürzten sich ins Wasser und folgten ihm nach, sie erreichten das jenseitige Ufer und richteten unter den Ichschiden und ihren Anhängern ein grosses Blut- bad an. Die meisten der Ueberlebenden zogen sich in der Nacht eiligst nach Fustät zurück, packten hier ihre Habseligkeiten zusammen und flohen in entgegengesetzter Richtung. Ihre Frauen erschienen nun jam- mernd vor dem Scherif Muslim und baten um Erneuerung des Vertrages mit Gauhar. Muslim schrieb an ihn und bot ihm die Uebergabe der Stadt an, die Leute warteten ängstlich auf die Rückkehr des Boten, bis er ihnen die Friedensnachricht brachte, und es erschien ein Abgesandter Gauhars mit weisser Fahne, welcher unter den Einwohnern umherging und ihnen die Sicherheit ihres Eigenthums zusagte. Die Leute beruhigten sich bald, der Marktverkehr wurde wieder eröffnet und die Stadt ge- wann ein so friedliches Zeen, als wenn gar kein Kampf stattgefunden hätte. Gegen Abend kam ein الا‎ zu Muslim und forderte ihn auf, am andern Morgen den 17. Scha’bän!) (6. Juli 969) mit den ange- sehensten Einwohnern und Gelehrten vor Gauhar zu erscheinen; sie machten dazu ihre Vorbereitungen und zogen dann hinaus nach Giza, wo sie Gauhar trafen. Auf einen Ruf des Herolds mussten alle ab- steigen, nur der Scherif Muslim und der Wezir Ibn el-Furät blieben zu Pferde zur Linken und Rechten Gauhars. Alle mussten einzeln an ihm vorübergehen und ihn begrüssen, und als dies geschehen war, be- gann mit Sonnenuntergang der Einzug der Truppen in die Stadt mit ihren Waffen und Kriegsgeräthen. Gauhar folgte am Abend, Trommeln und Fahnen voran, in einem schwer seidenen Anzuge auf einem braunen Pferde, er nahm seinen Weg mitten durch die Stadt und bezog aussel- halb auf der anderen Seite auf dem Platze des heutigen Cähira ein Lager. Noch in derselben Nacht wurden die Gränzen der neuen Stadt 1) Gamäl ed-Din setzt hier unrichtig das Jahr 359 hinzu statt 358. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. š5 gezogen und am anderen Morgen fanden die zur Aufwartung erscheinen- den Ägyptier den Grund zu dem Schlosse schon gegraben; einige Rich- tungen waren nicht ganz gerade ausgefallen, was bei der Eile in der Nacht nicht zu verwundern war und er sagte: „ich habe in einer glücklichen Stunde den Graben gezogen und will nichts daran ändern.“ Die Truppen lagen sieben Tage in der Stadt, Gauhar gab el-Mu’izz Nachricht von der glücklichen Eroberung und sandte ihm die Köpfe der in der Schlacht Getödteten, der Name der ’Abbäsiden wurde in dem Kanzelgebete ab- geschafft und statt dessen el-Mu'izz genannt und die Münzen mit seinem Namen geschlagen. Noch blieb aber el-Hasan ben ’Obeidallah in Syrien übrig, der nicht Willens war, seine Ansprüche auf Ägypten sogleich aufzugeben, und er brach noch im Scha’bän von Damascus auf, wo er Samuël el-Käfüri als seinen Stellvertreter zurückliess. Gauhar sandte den Emir Ga’far ben Faläh mit einer Armee gegen ihn ab, im Dsul-Higga 358 stiessen sie bei Ramla auf einander, el-Hasan wurde gänzlich geschlagen und ge- fangen genommen und im Gumädä I. 359 mit mehreren anderen zu Gauhar nach Cähira geschleppt. Als sie dort ankamen, liess man sie fünf Stunden lang auf offener Strasse stehen, so dass die Vorübergehenden in Erinnerung an das, was sie unter el-Hasan hatten erdulden müssen, sie angafften und ihre Schadenfreude ausdrückten, bis sie in Gauhars Zelt geführt und dann zu den übrigen Gefesselten gebracht wurden. Am 17. Gumädä I., als Gauhar seinen Sohn Gafar mit unermesslichen Geschenken an el-Muizz abschickte, sandte er auch die aus Syrien gekommenen Gefangenen mit, unter ihn el-Hasan; das Schiff, welches sie im Nil bestiegen, während Gauhar am Ufer stand, schlug um und el- Hasan rief ihm zu: o Abul-Hasan! willst du uns ertränken? Gauhar ent- schuldigte sich und zeigte einiges Mitleid mit ihm; sie wurden in ihren Fesseln auf ein anderes Schiff gebracht und nach Magrib abgeführt. So endete in Ägypten und Syrien die Herrschaft der Ichschiden und damit in Ägypten auch die der Abbäsiden Chalifen von Bagdad und ging für 208 Jahre auf die Fätimiden über. el-Muizz hielt seinen Einzug in Cähira erst nach der Vollendung 56 F. WÜSTENFELD, des Baues der neuen Stadt und des Schlosses im Ramadhän 362 (Juni 973); er brachte el-Hasan als Gefangenen wieder mit sich nach Cähira zurück, wo er am 20. Ragab 371 starb. — Ueber den letzten Ichschiden Ahmed ben ’Ali ist weiter nichts bekannt, als dass er am 13. Rabî I. 377 gestorben ist. — el-Mulizz starb am 17. Rabî I. 365, Gauhar am 19. Dsul-Ca’da 381. Es folgt hier wiederum aus dem Werke des Abul-Hasan Gamäl ed-Din el-Halabi die Geschichte der Ichschiden. DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 57 الدولذ الاخشيدية var‏ والشام كان طَعْمِ يم بن جف القرغانى من قواد الطولونية وكان يتو حمارويه بن ايد دمشف والشام وهو الذى Ai‏ حرب الحسين بن زكرويه القرمطى الخارجى بالشام وترك من الاولاد عند ite‏ ابا بكر حمد وهو الاخشيد وابا القاسم على AS H‏ الحسين بن طغع Me‏ اخسن عبید الله وكان ابو بكر Pasi‏ وجبيعة فبسعادته سعدوا وبارتفاعه ارتفعوأ © الاخشيد أبو بكر حمد بن طغي الفرغانى U‏ توف تكين الخاصة الوالى على مصر من قبل القاهر ف يوم السبت لاربع بقين من شهر ربيع الاول Bien‏ احدى وعشرين وتلثماية أفترق الاجناد فرقتين بين ولده A‏ تكين Als‏ بكر احمد بن على المادرآفی والنقوا فانهزم أبن تکین وخرے من البلد وورد الخبر بولايته A‏ ذلك حبد بن على فورد اللتاب بعد ذلك بتفويض الامر إلى حمل بن على فى Sie‏ أحدى وعشرين A‏ ورد بعد ذلك كتاب بتولية محمد بن طغج وعو يوميف Al‏ على دمشف والرملة وكثير من بلاد الشام فلم جتنع حمد بن على من ذلك وتسلم له اخوه عبید الله ثم عزل بعد Ae dl‏ حمد بن كيغلغ A‏ يوم الثلثاه لليلتين بقيتا من شهر رمضان سنة أحدى وعشرين وكانت مدّة ولاية ng‏ بن طغج أياما يسيرة فم ورد zl‏ يوم الاربعاء لليلة بقيت منه باعادة حمد بن gb‏ فتسلّم اخوه له وورد الخبر بعزله لتسع dal‏ خلون من dä‏ من السنة بعينها فكانت ولايد الثانية عشرة ايام وتولاها AS‏ بن كيغلغ ذاتام بها الى أن ورد اللتاب فى يوم السبت لثلاث عشرة ليلة خلت من شعبان سنة ثلاث وعشرين وثلثماية بواية محمد بن طغج وعو بدمشف فاعتزل Aë)‏ بن كيغلغ النظر As‏ محمد بن على bal‏ التسليم له وكان ع غالبا على أمر AFI‏ وعزم على لقاد محمد بن طغم وبلغه ذلك فبعث صاعد بن كلملم فى مراكب كثيرة من ساحل الشام وسار at A ep‏ اليه ووصل ا A8‏ يوم اخميس حمس بقين من شعبان اقام خيسة ايام واحرق الجسر Histor. - philolog. Classe. XXI. 2. 58 F. WÜSTENFELD, ووصل الاخشيد فوصل اليه حمد بن على واد بن كيغلغ فلما تصافقوا انحاز اچد بن كيغلغ وانهزم das‏ بن على Al‏ مصر واختنفى فيها ودخل الاخشيد مصر وملكها مضافة الى الشام وذلك dl A‏ الواضى وا توق الراضى بالل وتو المتقى Ale‏ الاخشيد على مصر والشام nie‏ وعقد لولديه من بعده اوأجور وعلى ان يكفلهما غلامه كافور الاخشيدى الخصى pèls‏ #حيل بى طغع مستمر المملكة الى أن e ër?‏ وف سنة تمان وعشرين وثلثماية تعته الامام الراضى all‏ بالاخشيد لشوال Ab‏ ذلک»> قل ll‏ وان حارما ua‏ التيقظ A‏ > وحسى التديير مكرما للاجناد ايد! فى نفسه لا يكاد جر قوسه الآ الغداد فى Sëll‏ حسى السيرة ف الرعية وكا جيشه ai‏ على اربعاية الف رجل وكان d‏ ثمانية الف ملوك جرس فى كل ليل الفا لوك ويوكل جانب خيمته الخدم اذا سافر ثم لا ينف حتى عضى الى خيمة ill‏ وينام فيهاء قال وترك الاخشيد سبعة بوت مال فى كل بيت الف الف دينار من سكة واحدة وتوف بدمشق وقيل par‏ ف يم عة لثمان بقين من ذى Eë)‏ سنة اربع وثلاثين وثلثماية وكانت مذة ولايته .للد توف فيها عشر سنين وثلثة اشهرء اولاده ابوالقاسم اكور أبو اخسن على تابه ابوجعفر ابن المتفف أبن تومانس أبن الروذبارى 4 اوأجور بن الاخشيد ونا توف الاخشيد عقدت البيعة لولده A‏ القاسم أونجور وتفسيره حمود وغلب على أمره SU‏ أبيه ابو المسک كافور الاخشيدى وكان شراه بتبانية عشر Lian‏ فلم يكن Aë‏ له امر ولا ينسب إليه فعل إلى أن توف A‏ ذى القعدة سنة تسع وأربعين وثلثماية فكانت Aal‏ اربع عشرة سنة حعشرة أشهر Eh‏ الوزير :ابو الغصل جعف ين الفضل بن الغرات المعروف بان خترايةة © | ابه ut‏ على بن الاخشيد ولأ مات اخود عقد له الامر وجرى كافور معد على ما كان من اخيد بل زاده انه A‏ يكن يتركه يظهر ul‏ الآ معد Ae‏ يؤل sall‏ على ذلك الى أن توق وكان قد تاب عى شرب Sul‏ ولزم الصلوة ëi Sy‏ القوان > ولد لاربع بقين من صغر سنة ست وعشرين وثلثماية وتوف لاحدى عشرة ليلة nk‏ من الحرم سنة اربع وخمسين فكانت 5 SEL‏ اربع سنين وشهرين ویره يوم مات سبع وعشرين سنة وعشرة أشهر ونصف > ولده Al‏ بن de‏ أو الفصل جعفر أبن خنزاية 8 DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 59‏ ابو المسكى كفور الاخشيدى Ù,‏ توق على بن الاخشيد استشار فور فيما يصنع قال الغرغاف المورخ لما توق على استدطاق كافور وتال لى أن لك علينا حرمة وبيننا معرقة وانت مسكون الى نصيكتك ومشهور ie‏ Kuss‏ عقیدتک فا ری أن أصنع فقلت له ايها الاستاف cl‏ للمرحوم عندك صنايع واباد نقتضى ان تنظر لعقبة وألواى عندى أن تنصب AFI‏ بن الامير على مكان ابيه وتدبر انت ail‏ كما كنت فقال كيف A‏ نصب صغير فقلت قد كان المرحوم عقد العهد لولده على ولم يكن له من الس ما لاجد فقال لی ننظر A‏ ذلك وأنصرفت عنه» قبلغنى أنه قال بعدى أبو تحمل من لا يشك ف ولاية مته جيل الى الفرغانية» A A‏ يقبل ما اشار اليه الغرغاف بل وتب على السرياسة وانتزى وانتمی اليها واعترى وانزل اسم مواليه عن ال منابر واقام كذلك الى أن نوق يوم dät)‏ لعشر بقين من جمادى الاولى سنة سبع وخمسين وتثلثباية فكانت مذة تدبيره RS‏ احدى وعشرين سنة وشھرین وعشرين يوماء قل اہو بكر حمد بن على المادراءى قلت Aë‏ وهو يعدد نعم الله Aaf‏ عليه وكيف کان ف بلاد السودان وكيف جلبت قال جلبت وعرى اربع عشرة سنة وجلب فى سنۂ اثنتين وعشرين وثلثماية» قال le)‏ بن ابراعيم كان wël‏ معروف فى كل سنة Ze‏ البو Are dit‏ مالا وكسوة وطعاما ويبعث Ars‏ صندوقين من كسوة بدنه تفرق لاولاد رسول all‏ صلعم وكان له من الغلمان الترك الف وسبعون LAE‏ يغلق عليه باب داره وتام الالفين غلام روم مقيمين معد سوى المولدين والسودان يكين عدة الجيع Sail‏ آلاف غلام وكان راتبه ف مطضه كل یوم الف وسبعاية رطل نحم سوى الدجاے الغايف والفراريم والخراف المشوية واحلوی وغبر ذلك وكانت له خزانة شراب تغرق منها كل يوم خمسون قرابة من ساير الاشرية فى الحاشية ویهدی اليه قاضى أسيوط فى كل سنة خمسين الف سفرجلة نهل شراب سغرجل e‏ ولما مات كافور خلف فى خزاينه Den‏ وجومرا وثيابا وسلاحا وغير ذلك مبلغه الف الف دينار» وكان متواضعا کی أنه کان فى أبتداء امره حقہ جرب كثير حتى كان لا يظهر ولا يقابل فطرده سيّده فكان Leit,‏ فى سو بنى حباشة وفيه طباح يبيع الطبيخ فعبر به يوما كافور فطلب منه فضريه بالمغرفة على يده وك حارة فوقع مغشيا عليه ناخذه رجل من المصريين ورش عليه الماء وداواه > وجد العافية SE‏ سيّده واخذه وتال للذى داواه تاخذ اجرة ما فعلت فقال لا لجرى على الله فكان كافور HS‏ 60 F. WÜSTENFELD, LY‏ عزت نفسه يذكرها بضرب المغرقة Lä‏ يركب وباق ذلك الوقاى یسجی شكرا لله Aa?‏ ويقول لنفسه Ad Al‏ ضرب المغرفة» وحكى zl‏ جعفر المنطقى قال zt Geos‏ وما وقال تعرف Lie‏ كان ی ق دار کلای فقلك تع قل ما خعل قلت مات هنك سنن كثيرة هال A det‏ كيت مروت عليه یوما AA‏ وقال لى N‏ قلت افعل فنظ ثر قال ستيلك هذه المدينة وتامر فيها séin‏ وان elë As‏ فدفعتهيا اليه فقال al‏ شیء هذا إفقلت ما می Pai‏ فقال وازیدک Kin‏ هذه المدينة وغيرعا وتبلغ مبلغا عظيما BSS‏ وانصرفت فاما نمت البارحة رايثه فى منامى وعو hi‏ لى ما على هذا فارقتنی cl Aalt‏ #ضی وتسّل عن حاله وهل له ورثة قال فضيت الى AL sio‏ كان يسكنها فسالت عنه فقيل له ابنتان احدا9ا بكر والاخرى متزوجة vu oa‏ فاشترى لهما دارا بارباية دينار ودفع للبكر مايتى دينار تتجهز بهاء وف سنة ست واربعين وثلثياية قدم عليه ابو الطيب المتنى Lä,‏ عليه ومفارقا لسيف الدولة بكتاب كافور فى طلبه وكان كتب اليه ل هوی RE Aë ve‏ يعرف بابن .مالك بان scht H‏ قال با ala Aalt Act‏ ات en‏ e‏ قصدى dr‏ وكان dus‏ بدمشف فثبت به فسار منها الى الرملة حمل اليه أميرها لسن بن عبيد الله بن HAS gab‏ وخلع عليه وجله على فس جواد ركب ثقيل وقلده سيفا نحل وساله المدے فاعتذر اليه بالابيات El)‏ وف ترک مدحیک كالهجاه لنفسى «قليل لك المديم mD‏ غم الى تركب ët‏ ال لامر مكل بد A‏ رجاف il‏ كه لا مسري وجيت dër‏ کلامی نعم فسقی الله من حب engl Mel u en‏ ولا قدم ابو الطيب على كافور اخلا له دارا وخلع عليه وجل d‏ آلافا من الدرام فقال ابو الطيب قصيدته لله LÉI‏ | كفى بك o‏ أن ترى الموت شافيا وحسب المنايا أن تكون أمانيا تھا لیا یټ ان تی bie d Lech Lane‏ مرلجيا نجاءت بنا انسان عين zilo‏ ولت بياضا خلفها وماقيا DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 61‏ وحسى موقعه عند كافور äis u‏ كافور دارا تعرف JN‏ الحرم المعروقاة H‏ الجيش بن طولون قيل انه انفف عليها ماية الف دينار dä‏ جماعة من الشعراه بسكناها فقال المتنى فى ذلك القصيدة لله Leid‏ اما déi Bl‏ ولمى يدف من البعداه وتال فيه من قصيدة يخبر فيها بخروجه عن سيف الدولة ويعد كافورا أنه يبل مثل Më‏ معد وان بُليت Ei‏ مثل Gei dr et ail‏ فكان كما قال فهرب منه dee‏ وبقى الهجوغ كافور ما قامت الدنيا» ونا كثرت الؤلازل صر va,‏ سنة اشهر ليلا äs Hate‏ انشقت الارض ف نبها العسل تر فم تعد الى ستة أشهر ف cl‏ كافور انشده حمد بن عاصم قصيدة يقول فيها : ما زلؤلت مصر من سو يراد بها لنه رقصت من din‏ فرحا فأمر له بالف دينار وقيل ان عطاءه ذلك e:‏ المتنبى على المسير ألى e nos‏ ودخل على كفور غلام ke AR‏ لمك ل فير قال ai‏ ها کل من sel‏ سين ga‏ AS)‏ بن على بى الاخشيد ونا توف كافور اجتمع القواد والغلمان الاخشيدية وحالفوا ان لا ختلفوا ثم عقدوا الرياسة لاجد بن على بن الاخشيد وهو أبن احدى عشرة سنة واستخلفوا له أبن عم أبيه الحسن بن عبيد الله بن gb‏ وعو يوميف قد تغلب على الشام نايبه على دمشف وجعلوا تدبير الرجال الى شمول الاخشيدى وتدبير الاموال الى جعفر أبن خنرابة الوزير وذلك فى يوم وفاة كافور ومو 1 يكف بعد ثم دفن »> ووصل الحسن بن عبيد الله من الشام منهزما من A‏ حمن mt‏ الاعصم القرمطى أل paa‏ فقبض على جعفر بن الفضل وصادره واستوزر الحسن بن جابر الوياحى واقام صر ثلثة أشهر ثم رحل الى الشام بعد أن اطلقف ابن خنزابة واستخلفه على e es‏ وتواردت الاخبار A‏ جبادى الاخرة من هذه السنة بان zl‏ ملك المغرب قد جهز غلامه جوم الى مصر فجمع الوزير ابو الفضل القواد وشاورم Sch Së‏ على تقديم as‏ شويزان فاستدحو من vie El‏ وعقدوا له الرياسة علي ووصل sl‏ بوصو جوم Sa‏ فلجتمع eh‏ الجاعة على أن بعثوا H‏ جعفم مسلم الحسيى واب امماعيل أبراعيم بن all AS)‏ وابا اليب العباس والقاضى ابا طا وغيم2 ليلقوا جودرا ويقررون 62 F.WÜSTENFELD, D.STATTHALTER V. ÄGYPTEN Z. ZEIT D. CHALIFEN. معد الصلم وتسليم البلاد وسار امجاعة فى يوم الاثنين لاثنتى عشرة ليلة بقيت من رجب سنخ‎ lasst الى ما طلبواء. وبعد‎ Als Ausb وسلّموا عليه‎ Sësd ثمان وخمسين فلقو! جوعرا على‎ اضر اجتيع القواد على ابطال المصاحة وآجهزوا للحرب ورجع ولک النفر بكتاب الامان فلم‎ ذلك وخرجوا بأجمعه عسكر! بعد عسكر الى الجيزة ووصل جور وابتدا القتال فى‎ A تقبل‎ يوم الخميس الحادى عش من شعبان سنة تمان وخمسين تم سار جوم :بعد ذلك الى منية شلقان‎ أ وملک الخايص فبعث الاخشيديون مزاحم بن رايق لحفظها فلم حفظها وخامر عليه وعدا‎ عشرة ليلة بقيت‎ SUN جوم فهزم الاخشيديون ودخل جوع مصر بعد العصر ف يوم الثلثاء‎ وقعة على الرملة فى يوم‎ dl من شعبان سنة تسع وخيسين ووقعت بينه وبين اخسن بن عبيد‎ النصف من رجب انهزم الحسى فيها ثم أسر وملك جوم جميع الشام وانقرضت دولة الاخشيديخة‎ Übersicht der Chalifen und Statthalter. el-Muktafi Abu Muhammed ’Ali 289—295. ’jsä ben Muhammed Abu Müsä el-Nüscharf DE er Abu Abdallah Muhammed ben Alí OR 292—293. 'Îsû el-Nüschari 293—297. e a E el-Muctadir Abul-Fadhl Ga’far 295—320. Abu Mançûr Takîn ben Abdallah el-Chazarí 297—302. Abul-Hasan Dsukä el-Rümi 303—307. . . à Takîn ben Abdallah 307—309. A Abu Câbûs Mahmûd ben Hamal 309. Takîn ben Abdallah 309. . . . Abul-Hasan Hilâl ben Badr 309—311. Abul-Abbâs Ahmed ben Keigalag 311. Takin ben Abdallah 311—321. . . el-Cähir Abu Mangür Muhammed 320—322. Muhammed ben Takin 321. . . i EN Mohammed ben Tugg 321. . oO SE ER Ahmed ben Keigalag 321—322 . . ee el-Rädhi Abul-’Abbäs Muhammed 322—329. Muhammed ben Tugg el-Ichschid 323—334. el-Muttaki Abu Ishâk Ibrahim 329—333. el-Mustakfi Abul-Cûsim Abdallah 333—334. el-Muti’ Abul-Câsim ed-Fadhl 334—363. Abul-Cäsim Ungür ben el-Ichschid Muhammed 334—349. Abul-Hasan ’Ali ben el-Ichschid Muhammed 349—355. Abul-Misk Käfür ben Abdallah el-Ichschidi 355—357. Abul-Fawäris Ahmed ben ’Ali ben el-Ichschid Mate 357. 42 47 Die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitä- und Pada-Texten der Veden. Von Theodor Benfey. Dritte Abhandlung: Alphabetisches Verzeichniss der zweisilbigen, im Pada auf a, ï, ù aus- lautenden Wörter, deren Auslaut, wenn sie den Anfang eines Stollens bilden, in der Samhitä gedehnt erscheint. Vorgelegt in der Sitzung der Königl. Ges. d. Wiss. vom 4. März 1876. XIV. Vorbemerkung: Auch hier erscheint der Vokal nur dann ge- dehnt, wenn der folgende Lautcomplex nicht mit einem Vokal und nicht mit mehr als einem Consonanten beginnt (vgl. 1ste Abhandlung in Bd. XIX. S. 231 und 2te Abhandlung in Bd. XX S. 3). Ausnahmen werden erwähnt werden. Den Grund der Dehnung betreffend s. 1ste Abhlg. S. 231, d. 1. äccha (RPr. 438; VPr. III. 123; Wh. zu AthPr. III. 16, 5. 133; 134; TaittPr. III, 8 Wh.). Z. B. Rv. V. 83,1 Pada: äccha vada Samhitä: äcchä& vada. Rv. 1.20, 3 HE E32 VG IE 8 Pada: äccha viräm Samh.: äcchä viräm. Ath. VI. 39,2 Pada: äccha nah Samh.: äcchä na. Rv. VIII. 75 (64),2 = TS. II. 6. 11.1. Pada: äccha vocah. Samh.: äcchä voco. Histor-philolog. Classe. XXI. 3. A 2 THEODOR BENFEY, Im Verzeichniss in Abschnitt XV und dem Anhang dazu ergiebt sich, dass, der Auslaut ursprünglich lang. war und als solcher theils durch das Metrum, theils überhaupt vorwaltend bewahrt ist, selbst im Auslaut von vorderen Stollen und vor Position. Doch ist die Position oft nur scheinbar, so Rv. VII. 3,3° — Sv. II. 5. 1. 9. 3 dcchä dyd'm, wo dikm zu lesen, Rv. VIII. 5. 33° acchä svadhvardm, wo suadhvaram zu lesen. Ausnahme (RPr. 438) Rv. I. 31,17° Pada dccha yáhi & und Samh. ebenso zu lesen. | 2. [ä-äcya im Pada, in der Samh. Zonë s. im Anhang zu XV. unter den Absolutiven auf ya]. 3. ua (RPr. 463; 465) eigentlich nur Rv. I. 174,3° Pada: äja vritah Samh.: &jä vrita vgl. Alfred Ludwig in „Sitzung der Classe für Philosophie u. s. w. der Böhmischen Gesellsch. der Wissensch.“ 27. April 1874 S. 8; ich trete ihm darin bei, dass, das ájá der Samh. für djas steht (vgl. 1ste Abhand- lung in Bd. XIX S. 255); im übrigen aber weiche ich ganz, von ihm ab; ich construire: puruhüta räkshas västos siehás ná agnim agüsham türvayänam äpäesi dáme yebhis nünäm 4jä vritah cü’rapatnis dym ea; d. h. »Du schützest« (im, Sinne des Imperativs — schütze) am frühen Morgen, einem Löwen gleich, das (Opfer-)Feuer, die (Opfer-)Werke in dem , Hause (des Opfrers), durch welche du die heldengeführten Schaaren (d. i. die Maruts) und den Himmel jetzt in Bewegung setzen sollst, Es drückt den in den Veden so häufig wiederkehrenden Ge- danken aus, dass die Götter durch die Opfer befähigt und bestimmt werden, ihre Kräfte zum ‚Wohl. der Welt zu entfalten. Ich erwähne auch sogleich Rv. I. 23,13°, obgleich ajá im Pada nieht den Anfang des Stollens bildet; es geht ihm nämlich d vorher, doch wird %a durch die Contraction von d mit 0م‎ zur zweiten Silbe des Stollens und deshalb gedehnt: Pada: 4; aja nashtäm Samh.: jå nashtäm. QUANTITÄTSVERS( ITEN IND. SAMHITÄ-U.PADA-TEXTENETC. 3 4. attä (RPr. 465; VPr. III. 128; TPr. III. 12) nur Rv. X. 15,11° = VS. XIX. 59 = TISTL". 197 3: (SAth. XVIIL 3, 44, wo aber V. L. attó) Pada: attä havî ashi Samh.: atta havî eshi. 5. Atra (RPr. 465; "Vir III. 119; TPr. IIE 8; AthPr. III. 16), z. B. Rv. I. 163,7° = VS. XXIX. 18 = TS. IV. 6.7.3 Pada: ätra te Samh.: äträ te. Ath. V. 1,3° Pada: ätra dadhete Samh.: äträ dadhete. Vgl. Verzeichniss in XV. und Anhang dazu. "6. ätha (RPE 465; VPr. III. 123; TPr. III. 10), "a B. Be I. 43° = Sy. IL 4. 1. 15. 3 = At. XX. 57,3 und 68,3 | ger: Pada: ätha te Samh.: äthä te. Be II. 36,3: = VS: ASVEL 24 Pada: ätha mandasva Samh.: äthä mandasva. TS. T. 1. 13.1 (= VS. XVII. 63, wo aber V. L. ädhä) Pada: ätha sapätnän Samh.: äthä sapätnäe. Vgl. eine Ausnahme im Sv. I. 5. 1. 5. 7. unter ádh. 7. adyä (RPr. 453; 465; VPr. III. 113; TPr. III. 8; AthPr. TII. 16); PCPR W T Wer NEE CET Zä ` Pada: adya nah Samh.: ady& no. Be I. 115,6° = VS. XXXIII, 42 Pada: 2076 deväh Samh.: adyã devê. Rv. VII. 104,15° = Ath: VIII. 4,15 A2 4 A °“ THEODOR BENFEY, Pada: adyá muriya Samh.: adyä muriya. Zë EV. GL A Pada: adyä devän Samh.: adyä devän. Bem. Sv. I. 2. 1. 5. 7 hat in der Samh. adyd no!), während im Ry. statt dessen, der Regel gemäss, adyd no erscheint. Vgl. Verzeichniss in XV und Anhang dazu. 8. ädha (RPr. 463; 465; VPr. III. 125; 'TPr. III. 9 cf. Wh.; Wh. zu AthPr. IV. 16 und 25). Z. B. Rv. I. 156,1° Pada: ädha te Samh.: ädhä te. Rv. IX. 48,5° = Sy. II. 2. 2. 3. 4 Pada: ädha hinvänäh Samh.: ädhä hinväns. Rv. IV. 216° = VS. XIX. 69 = TS. II. 6. 12, 4 = Ath. S XVIII. 3,21 Pada: ädha yäthä Samh.: ädhä yäthä. Bemerk. Da die verschiedenen Präticäkhya’s von verschiedenen Gesichtspunkten aus ihre Regeln geben, so fallen die Ausnahmen, wel- che sie hinzufügen, nach der Darstellung des RPrätic., welcher ich hier folge, von selbst weg. So z. B. erscheint ddha im Atharvaveda, nach Whitney zu AthPr. III. 23, mit einer einzigen Ausnahme, nur zu Anfang eines Stollens. Das Präticakhya giebt demnach die Regel, dass adha seinen Auslaut stets dehne, ausser vor tyam und dhi. Der erste Fall adha tyám erscheint Ath. XVIII Lëtz — Rv. X. 11,4 und fällt nach unsrer Darstellung von selbst weg, da Position folgt (s. S. 1 Vor- bemerk.); einen anderen eben dahin gehörigen hat der Vf. und Commen- tator des AthPr. übersehen, nämlich ddha syáma Ath. XVIII. 3,10%, Der zweite, im AthPr. als Ausnahme erwähnte Fall 4076 dhťr in XVIIL 1,21? erscheint im Inneren eines Stollens. Im Inneren findet sich aber 1) So auch die Calcutta’er Ausgabe, Vol. I. (1874), p. 332. QUANTITÄTSVERSCHIE DENHEITENIN D.SAMHITÄ-U.PADA-TEXTENETC. 5 der Auslaut von adha nur ein einziges mal gedehnt (s. XV), so dass das RPr. diesen Fall besonders erwähnt. Aehnlich ist es mit der Darstellung des VPr. III. 125; daher fällt ` ddha sma VS. XV. 62° = TS. IV. 4. 3. 3=Rv. VII. 3,2 wegen Position weg; dagegen XXVIL 9% = TS. IV. 1. 7. 4 (= Ath. VIL. 53,1 wo aber V. L. adhi), so wie VS. XXXIII. 48° — Rv. V. 46,2, weil «adha im Innern des Stollens erscheint. Bei unsrer Darstellung finden sich folgende Ausnahmen von der Regel: 1) wirkliche (RPr. 466): Rv. 1. 57,2° = Ath. XX. !) 15,2 Pada und Samh.: ddha te. IV. 27,45 Dada und Samh.: ddha gd mani. VI. 6,5° Pada und Samh.: ddha jihvd‘. VI. 10,4° Dada und Samh.: adha bahü. VII. 90,5: = VS. XXVII 24 (vgl. VPr. III. 125) Pada und Samh.: 060/06 IX. 97,11° By II. 3. 2. 20. 2 adha dhäraya. Ferner bleibt das auslautende a stets kurz, wenn yad folgt; es finden sich nicht weniger als sieben Fälle dieser Art; der Grund könnte auf den ersten Anblick in dem folgenden Laute zu liegen scheinen, da y als Liquida wie eine Position gewirkt haben könnte und mitten im Worte sehr oft Vokale davor gedehnt werden (z.B. f, ŭ vor dem ya des Passivs u. a.); allein, obgleich wir auch eben die Kürze vor vd mam fanden, scheint mir doch eher der Grund darin zu liegen, dass die Ver- bindung ddha yád zu häufig gebraucht war, als dass sich die Dehnung hätte geltend machen können. Sie wirkte fast so als ob beide Wörter eins geworden wären. Die hieher gehörigen Fälle sind Rv. I. 167,2° Pada und Samh.: 60/6 yad eshäm. I. 169,6° ganz ebenso. I. 186,9* ebenso. VII. 46, 31° Samhita: ddha yác cärathe. CNE 1) Ich erinnere daran, dass dieses Buch im AthPr. nicht berücksichtigt wird. e THEODOR BENFEY, Rv. IX. 110,9 = Sv- IL 7. 1: 3. 3 Samh.: ddha yád imê, X. 61,23“ Samh. : ádha 1/00 | X..95,12° Samh.: adha ydd agnih. det 2) scheinbare — nämlich gegen die Regel, dass keine Dehnung vor Position Statt findet — sind folgende (vgl. RPr. 447 und 487): Ke, PN 107 = Se 19/14 52 = VS. XV 40 Zu IEE Pada: ädha hi agne Samh.: ädhä hy ägne; es ist aber Ai agne zu lesen.‘ Rv. VII. 56,1 (= Sv. I. 5.1. 5. 7, wo aber V.L. athd): Pada: ädha su-äcväh Samh.:. ädhä sväcväh; es ist aber sudçváh zu lesen. Diese Stelle und vieles andere (vgl. RPr. 979 fl.) zeigt, dass diese Dvipadä nicht eine Strophe von zwei zehnsilbigen, sondern eine von vier fünfsilbigen Stollen ist, als welche sie auch in der Regel auftritt; doch hat sich die Verbindung von zwei Stollen zu einem Halbvers schon _ bisweilen geltend gemacht, z. B. in der Accentlosigkeit von 60/41 in Rv. VII. 34,14% (vgl. RPr. 983), wogegen aber in demselben Hymnus 3° Pinvanta und 34 massanta sowie 6° hindta accentuirt sind: genaueres Si in den bald zu veröffentlichenden Beiträgen zur Veden-Metrik. Rv. VII. 88,2° Pada: ädha nú asya | Samh.: ádhâ nv äsya, zu lesen nú asya. Rv: VIII. 84 (73), 6° = Sv. 11.7. 2. 6. 3 Pada: ädha tväm ` Samh.: adhä tväm; das letzte Wort ist aber, wie vorwaltend, tudm zu lesen. Vgl. ädha auch in XV. 8. äpa (RPr. 486). Hierher gehört nur ein Fall Rv. VII. 72, 7? Pada: ápa vridhi Samh.: äpä vridhi. Bem. Innerhalb des Stollens kommt dp (statt dpa) vor vridhi noch einigemal vor, aber stets nur an den Versstellen, in denen die Dehnung von Auslauten regelmässig eintritt, nämlich Be I. 7,6 (= Sv. H 8£ QUANTITÄTSVERS( TENIND.SAMHITÄ-U.PADA-TEXTENETC. 7 2.2 — Ath. XX. 70, 12) und IV. 31,13 in der sechsten Silbe acht- silbiger Stollen; Rv. II. 27 (= TS. 11. 2. 12.6, vgl. TPr. III. 12) und VIII. 23,29 in der zehnten zwölfsilbiger- Stollen. 9. abhí (RPr. 442; 474; VPr. III. 128); nur in folgenden Stellen: Re I. 140,13° Dada: abhi nah Samh.: abhi’ no. II. 33,7? Pada: abhí nú Samh.: abhî nú. D. 41:10? = Sv. LA 121.17: =: Ath! RX 20,5: und 55,8 Pada: abhi sät Samh.: abh? shäd. IV. 31,3: = Sv. II. 1. 1. 12.3= VS. XXVII 41 Ath. XX. 124,3 Pada:. abhí sú Samh.: abh? shú. IV. 31,4 Pada: abhí nah Samh.: abh? na. VII. 32,24 = Sv. I. 4.1. 2. 7 Pada: . abhi satäh Samh.: abh? shatäs. VIII. 93 (82),21* Dada: abhí sú Samh.: abh? shú. IX. 97,49° = Ge, H. 6.: 2. 18j1 Pada: abhi náram = Samh.: abh? náram. ERIS ew I1. 6. 2. 18,3 Pada: abhí nah Samh.: abhî no. IX. 100,12 — Sv. L 6. 2. 1. 6 Pada:. abhi navante Samh.: abhi navante, X. 48,7? Pada: abhí dvê ` | Samh.: abhi’ dré < Bem. Die Position ist nur hebis es ist dud (= DE du) zu lesen. X. 59,3° Pada: abhi sú e Samh.: abhî shv äryäh. 8 THEODOR BENFEY, Bem. Auch hier ist die Position nur scheinbar; es ist zu lesen abh? shú aryäh. Ausserdem Sv. I. 4. 1.5. 5 Pada: abhí syäma Samh.: abh? shyåma (auch in der Calc. Ausgabe I. p. 680). Bem. Hier ist ¿ vor wirklicher Position gedehnt; denn es ist hier shyáma zu lesen. Allein im Optativ von as ist in den Veden die ur- sprüngliche Form mit i, statt y, noch überaus häufig, speciell sidma * mehr als doppelt so oft, wie syäma (in Rv. 72mal gegen 30); diess konnte von Einfluss darauf sein, dass die Position unbeachtet blieb. Der Auslaut von abhi war zwar ursprünglich eben so gut lang wie im latein. i-bî, (c)w-b2, allein im Sanskrit zeigt sich keine sichere Spur, dass diese ursprüngliche Quantität noch gefühlt ward. Endlich Se, I. 6. 2. 1. 5° Pada: abhí nah ` Samh.: abhi’ no, wo aber Rv. IX. 98,1 auch in der Samh. abhi no hat. 10. area (RPr. 462; 465; VPr. III. 96). Be, V. 16,1? = Sv. I. 1. 2.4. 8 Pada: ärca deväya Samh.: ärcä deväya. V. 59,1? Pada: Area divé Samh.: ärcä divé. VIII. 41,1° Pada: ärca vidüh-tarebhyah Samh.: ärcä vidüshtarebhyah. X. 50,1 — VS. XXXIII. 23 Pada: ärca vievänaräya Samh.: ärcä vicvänaräya- Bem. In Rv. V. 59,1 entscheidet das daneben stehende bhare (1 Sing.) dafür, dass auch drc4 die erste Sing. ist, also für dreäni steht ; dasselbe wird höchst wahrscheinlich auch für V. 16,1 durch die Ver- gleichung mit 5/06 in V. 15,1. Dagegen entschieden 2 Sing. Imperativi in Rv. I. 54,2* Pada: ärca gakrä'ya Samh: ärcä cakräya. QUANTITÄTSVERS( ITENIN D.SAMHITÄ-U. PADA-TEXTENETC. 9 wegen abhi shtuhi in demselben Vers; und nach Analogie von diesem Verse auch im folgenden Rv. I. 54,3° Pada: ärca divé Samh.: ärcä divé; ichieden auch Rv. V. 22,15 Pada: ärca pävakä-cocishe Samh.: ärcä pävakäcocishe. wegen des Vokativs vicvasäman. ` In Bezug auf die schon angeführten Rv. VIII, 41,1 und X. 50,1, sowie Rv. VIII. 50 (Välakh. 2(,1* Pada: ärca cakräm Samh.: ärcä cakräm ist die 2te eben so gut wie die erste Person möglich. Ausnahmen (RPr. 466) giebt es nur zwei Rv. VI. 68,9° Pada und Samh.: ärca devä'ya Rv. VI. 16,22° Pada und Samh.: ärca gä'ya ca. Da der Vokativ sakhäyas mit diesen Verben verbunden ist und vak . agndye ‘eurem Agent davon abhängt, so vermuthet Alfr. Ludwig (in Böhm. Ges. der Wiss. 1874, 27. Apr. S. 11), dass arca gäya für 2te Ps. Pluralis arcata gäyatastehen. Da, ähnlich wie im Prakrit, £ zwischen Vokalen mehrfach in 3 Sing. und Plur. Ätm. elidirt wird, wäre es nicht unmöglich, dass diess auch in einigen Fällen in 2 Pl. geschehen sei. Doch scheint mir die Annahme nicht nothwendig. Die syntaktische Con- gruenz wird in den Veden nicht mit derselben starren Regelmässigkeit, wie in einer Literatursprache, beobachtet; doch sind die Abweichungen davon mehrfach erklärbar; so z. B. scheinen hier die zwei Verba an die Stelle eines Plurals getreten zu sein, um anzudeuten, dass der eine preisen, der andre singen soll. Doch darüber an einem anderen Orte. — Man beachte noch, dass diese beiden einzigen Ausnahmen in den Hymnen des Bharadväja erscheinen und in diesen ausser ihnen kein Stollen mit drca beginnt. Vgl. XV arca. 11. [pra-ärpya, im Pada, in der Samh. prä’rpya Rv. I. 113,4“ prärpyä jägad. 8. im Anhang zu XV, unter den Absolutiven auf yal. Histor.-philolog. Classe. XXI. 3. 10 THEODOR BENFEY, 12. ärsha (RPr. 465). RY EX 61.15 = Br. 5: 20.8 Pada: ärsha nah Samh.: ärshä nah (Sv. V.L., nah). IX. 65,19 Sv. L 6. 1. 2. 7 Pada: ärsha soma Samh.: ärshä soma. 13. äva, Verbum (RPr. 482; VPr. III. 106 (wo Dehnung vor n vorgeschrieben wird, und daher VS. V. 25 (= TS. I. 3. 2. 2. 4), wo dva Präposition ist, in VPr. III. 105 ausgenommen wird); TPr. III. 8). Der Auslaut wird nur in folgenden Stellen gedehnt: Br. t OTe Sy. 7. 1:14. L Fada: áva nah Samh.: ávå no. I. 129,4° Pada: áva pritsúshu Samh.: ávå pritsúshu. VI. 15,15° Pada: áva nah Samh.: ávå no. VI. 48,19? Pada: áva nůnám Samh.: ávå nünäm. VI. 61,6° Pada: áva våjeshu Samh.: 558 väjeshu. VIII. 80(69),6° Pada: áva nah Samh. : ávå no. VIII. 92(81),9° = Sv. IL 18. 1. 10. 3 Pada: áva nah Samh.: ávå nah. IX. 9,7* Pada: áva kälpeshu Samh.: ávå kálpeshu. X. 50,5* Pada: áva nú Samh.: Aeä nú. VS. XI. AU = TS. IV. 1. 4. 1° Pada: áva nah Samh.: ávå no. Vgl. XV ava. QUANTITATSVERS( ITEN IND. SAMHITÃ- U. PADA-TEXTENETC. 11 14. ashtû (RPr. 465). Rv. VIII. 2, 41° Pada: ashtä paréh Samh.: asbhté paräh. Bem. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass der Pada-Verfertiger hier sowohl als X. 27,15 mit Unrecht ashta’ statt asht# geschrieben hat. Die Veden kennen nur ashtë = Geng und ashtau = gothisch ahtau. Genaueres an einem andern Ort. 15. itä (RPr. 465; VPr. 111. 115). Rv. VIII. 83(72),7° س VS. LXXIII. 47 Pada: ité märutah Samh.: itå' märuto. Bem. Hieher gehört auch (RPr. 519) Rv. V. 45,6 Pada: û’ ita dhiyam Samh.: etä dhiyam, da der Auslaut von ita in Folge der Zusammenziehung in die 2te Silbe des Stollens fällt. Vgl. XV ita. 16. ucchä (RPr. 465). Rv. VI. 65,6 Pada: ucchä divah duhitar iti Samh.: ucchä divo duhitah. Vgl. XV uecha. 17. urú (RPr. 484). Rv. VI. 47,14° Pada: urú ná Samh.: urú’ ná. 18. evá (RPr. 465; VPr. III. 123; Wh. zu AthPr. III. 16); dehnt stets, selbst vor Position : D ohne folgende Position, z. B. Rv. IX. 97,36 — Sv. II. 2. 2. 10. 2 Pada: eva nah Samh.: evä nah. X. 120,9 — Ath. V. 2,9 Pada: evê mahä’n Samh.: evä mahän. B2 12 THEODOR BENFEY, IV. 50,6* (= TS. L 8. 22. 2) Padi: evä!) pitre Samh. : evå' pitré. VS. XIII. 20° Pada: evá nah Samh.: evä no. 2) vor Position: a) nur scheinbarer: Rv. VIII. 92 (81),28° = Sv. I. 3. 1. 4. 10 = Ath. XX. 60,1 Pada: evä hí asi Samh.: evê hy ási, aber zu lesen evd’ hí ási. Ferner Rv, I. 8,8° und 10° — Ath. XX. 60,4 und 6 = 71,4 und 6, wo Pada: evä hí asya Samh.: evä hy asya, aber evê hi asya zu lesen ist. Auch Rv. IV. 19,1° Pada: evé två'm Samh.: evä tväm; ist zu lesen evd tudm. Endlich auch Ath. XIV. 1,43°: denn die Vergleichung des folgenden Verses, wo samrd jît viermal sein auslautendes 1 vor folgendem Vokal in y verwandelt, zeigt, dass auch in diesem samrá'júy edhi, folglich auch evd tudm zu lesen ist. b) wirklicher: Rv. V. 78,8: = Ath. I. 11,6. (= VS. VIII. 28, wo aber V. L.) Pada: evé tvam Samh.: evê tväm. Eben so auch AR. NV. 21,4°; 5°; 6°; VI. 105,1°; 2°; 3°; XII. 5,65'. Ferner Rv. X. 63,17° — 64,17* Pada: evé plateh Samh.: evê plateh. Ath. VI. 74,3° (— TS. II. 1. 11. äm Pada: evé tri-näman Samh.: evê’ trinäman. Ath. VII. 13,1° Pada: evä strinä'm Samh. ev strinäm. Bem. Da eva sicherlich alter Instrumental vom zusammengesetzten Thema ewa (= aéva im Avesta, griech. olo für oi-Fo) ist, so könnte die Länge vor der Position dafür zu sprechen scheinen, dass die Dehnung 1) Die Verkürzung im Pada fehlt im TPr. und ist auch in Weber Ausgabe nicht angegeben. QUANTITÃTSVERS( ITEN IN D.SAMHITÄ-U.PADA-TEXTENETC. 13 nicht durch das Metrum veranlasst, sondern vielmehr bewahrt sei. Allein innerhalb des Stollens erscheint sie nur einmal und zwar an einer Stelle, wo sie durch das Metrum veranlasst sein kann (s. XV evä); daher glaube ich fast eher, dass die Dehnung vor der Position durch Einfluss der übrigen steten Dehnungen herbeigeführt und durch die folgenden Gruppen tv, pl, tr nicht gehindert sei, weil diese aus einer muta cum liquida bestehen. Freilich ist dann die vor str im Ath. ganz unregel- mässig, aber in diesem spät redigirten und theilweis auch spät abgefassten Veda wohl ebenfalls durch den Einfluss der sonst so häufigen Form evd’ zu erklären (vgl. unter téna). 19. kärta (RPr. 462; 465). Rv. I. 90,5° und VI. 51,15° Pada: kärta nah Samh.: kärtä nah (s. XV karta). 20. kútra!) (RPr. 465; TPr. III. 10); drei Fälle: Be V. 72: = TPr. II. 1. 11. 3; Rv. VI. 3,3 und VII. 69,2° Samh.: küträ cid. 21. kridhi (RPı. 442; 468; TPr. III. 13) nur in folgenden Stellen: Rv. I. 10,11: = TS. IV. 7. 15. 7 kridhî sahasras&m. I. 36,14° kridhi’ na ürdhvän. III. 15,3 kridhi’ no rûyê. IV. 12,4° kridhî shv äsmän, zu lesen kridht shú asmän. VIII. 97(86),8° kridhi jaritre. IX. 6128? — Sv. I. 5. 2. 5. 3 kridhî no. IX. 84,1° kridhi no. X. 42,7% — Ath. XX. 89,7 kridhi dhiyam. X. 93,9 kridhi’ no. Bem. Unter diesen neun Fällen sind fünf, in denen die Deh- nung vor dem tonlosen nas erscheint. In folgenden sieben Stellen: Be II. 9,5; 17,8; III. 18,5; VII. 16,6; VIII. 26,15; 67 (56),12; und IX. 97,27, bleibt der Auslaut ungedehnt. Ein schönes Beispiel der In- 1) Ich gebe von hier an nur den Samhitä - Text. 14 THEODOR BENFEY, consequenz der Diaskeuasten, d.h. der Treue, mit welcher sie ihren Ge- währsmännern folgten. 22. krishvä (RPr. 465); drei Fälle Rv. I. 10,9% krishvä’ yujäc. VI. 18,15° krishvä kritno. VII. 22,4° = Sv. II. 9. 1.13. 1 krishvä’ düvässy äntam& (zu lesen düvässi). 23. kshära (RPr. 465); zwei Fälle Rv. IX. 35,3° kshärä no. IX. 61,3 = Sy. II. 5. 1. 6. 3 kshärä sahasrinir. 24. kshäma (RPr. 465; TPr. III. 10; Wh. zu Ath. Pr. III. 16 S. 134,1) Re, IV. 2,16° — VS. XIX. 69 = TS. II. 6. 12. 4 عد‎ AA. XVIII. 3,21 kshämä bhindänto. Bem. In dem VPr. finde ich keine Regel für diese Dehnung; ist kshämä etwa auch im Pada? Rv. X. 45,4° — TS. IV. 2. 1.2 — 2. 2 kshä’mä rerihad. X. 176,1° kshämä yé. Bem. Im Rv. gehört dieses kshd' md (Pada: kshd'ma) zu kshäman; kshd' mû von ksham wird hier auch im Dada mit auslautendem á ge- sprochen. In TS. IV. 7. 12.3 dagegen wird auch dieses 4 als Dehnung betrachtet und das Wort ist nicht mit dem vorhergehenden dyd'vd com- ponirt, wie in der entsprechenden Stelle VS. XII. 2; auch XVII. 70 und im Rv. I. 96,5 und sonst. 25. (kshidhi) Sv. I. 4. 1.5.5 kshidhi yudhä' gehört sicher auch hieher, obgleich Pada ebenfalls die Länge hat. Die Erklärung des Schol. kann man in Ed. Calc. .م‎ 381 nachsehen; sie zu critisiren wäre Papierver- schwendung; kshidhí ist Imperativ 2 Sing. von Ashi nach II. 2, oder von dessen Aor. I. 26. gänta (RPr. 463, 465). Rv. I. 38,2° gäntä divé. I. 39,7° gäntä nünäm. QUAN TITÄTS VENDI TEN IN D.SA MHITÃ- U. PADA-TEXTEN ETG. 15 I. 39,9? gántå vrishtim. V. 87,9 gántâ no. VIII. 27,5° gántâ vicve (vgl. XV ganta). 27. jahí (RPr. 442; 485); es dehnt den Auslaut nur in drei Fällen : Rv. V. 3,7° jahbi cikitvo und vor scheinbarer Position: Rv. III. 30,16° jahî ny ebe acanim, zu lesen jahf ni eshu acanım. Rv. VI. 51,14° jah? ny ätrinam, zu lesen jaht ni atrinam. Dagegen bleibt i in vierzehn Fällen vor einfachen Consonanten kurz, nämlich: Re I. 131,7° jahi yó. III. 30,16 und IV. 3,14? jahi räksho. VI. 16,29“ und IX. 63,28“ jahi räkshäesi. III. 47,2: (— VS. VIL 37 = TS. I. 4. 42); VL US (— Ath. XX. 8,1) und IX. 85,2° jahi çétrûer. IX. 78,5° jahi cätrum. IV. 22,9° und VII. 25,3° jahi vädhar. VI. 25,3% jahi vrishnyäni. IX. 87 Se II. 5.1. 2. 7 jabi victa, IX. 86,48° jahi vigvän. Hieher darf man auch als fünfzehnten rechnen: Rv. VI. 44,11? jahy äsushvin, obgleich auf jahi ein Vokal folgt; denn es ist jahi asushvin zu lesen. Bem. Vgl. kridhi; denn auch hier ist ein gleiches Beispiel von Inconsequenz zu erkennen. 28. jinva (RPr. 465) Rv. VIII. 60(49),12° jinvä dhiyo. ' IX. 108,101 (= Sv. 11. 3. 2. 17. 2, wo aber V.L.) jinvä gävishtaye. Le 29. jösha (RPr. 465) Ry. X. 158,2° jöshä savitar. 16 THEODOR BENFEY, 30. tätra (RPr. 468; 481; VPr. III. 128; TPr. III. 8); nur an folgenden fünf Stellen: Rv. I. 105,9” täträ me. VI. 16,17° (= $Sv. II. 1. 1. 21. 2) täträ sädah (aber Se tatra yönim). VE WE = VS AAIR 45 = TS IV. 60: P T l rátham. VI. 75,17° täträ& no (= Se II. 9.3. 6. 3, wo VL ira no, = VS. XVII. 48 wo aber V. L. tätra Indro, = TS. IV. 6. 4. 5, wo V. L. Indro nas tätra). VII. 83,2% täträ na. Dagegen in den sechs übrigen Stellen bleibt a kurz, nämlich Be I. 13,12° tätra dei, V. 5,10° tätra havyäni. VE 57,4 (>= Sv. I. 2. 2. 1. 4 wo aber V.L.s. die Bem.) tätra püshä’bhavat. Bem. In meiner Ausgabe des Sämaveda ist mit Stevenson und nach den Pada-Handschriften: Chamb. 103 und EIH. 2130 (wo püshä | abhuvat |), pushäbhuvat gedruckt. Die Calcuttaer Ausgabe dagegen T. I. p. 346 druckt püshä bhuvat. In der That ist abhuvat ungrammatisch ; aber ganz eben so hat Sv. I. 1. 1. 5. 9 dbhuvah statt dbhavah des Rv. III. 9,2; auch hier hat der Pada-Text des Sv. abhuvah; trotzdem hat die Calc. Ausgabe TET ge :: ; in den Scholien I. p. 182 v. u. gar äbhuvah, glossirt samantät bhaveh d. h. das anlautende å als Präfix gefasst, und in Note 7 dazu wird die Verbalform als Aorist erklärt; ferner erscheint dbhuvah auch in Sv. I. 1. 2. 4. 10 (einer Strophe, welche nur im Sv. vorkömmt); hier hat die Calc. Ausg. I. p. 247 richtig sahä@'bhuvah gedruckt. So ist auch in derselben Ausgabe Sv. I. 1. 2. 5. 4 richtig (T. I. .م‎ 253) Ojväbhuvat gedruckt und in den Scholien dazu (p. 254, 2 v. u.) pary abhuvat; dieser Vers erscheint Rv. II. 5,3 ebenfalls mit der Variante abhavat. Die Padatexte, die im Rv. entsprechenden Formen abhavat, so wie der Sinn, welcher, z. B. an unsrer Stelle entschieden, das Imperfect fordert (yêd Indras änayat..... apás .... tätra püshä abhuvat sácâ QUANTITÄTSVERS( EITEN IN D.SAMHITÄ-U. PADA-TEXTEN ETC, 17 | als Indra das Wasser brachte, war Püshan mit ihm’) und den Con- junctiv ausschliesst, entscheiden dafür, dass abhuvas, dbhuvat an diesen Stellen die den Säma-Diaskeuasten von deren Autoritäten überlieferten Formen waren. Freilich sind sie ungrammatisch; höchst wahrscheinlich aber auch nur durch falsche Aussprache — Verwandlung des a in u durch Einfluss der beiden Lippenlaute, die es einschliessen — entstanden, wobei der häufige regelmässige Uebergang von úin uv mitwirken mochte; vgl. u für a im Prakrit (Lassen Inst. l. Pracr. S. 126) und das episch nicht seltene abruvam für regelrechtes abravam. By IX. 113,8% tätra mäm. X. 34,13° tätra gä’vah. X. 64,13% tätra jämitväm. Vgl. jahi und XV Anhang. 31. tapa (RPr. 465) Rv. III. 18,2? täpä cässam. VI. 5,4% täpä tapishtha täpasä täpasvän. VI. 22,8: = Ath. XX. 36,8 tápå vrishan. ` 32. tishtha (RPr. 462; 464; 465; VPr. III. 102; TPr. II. 12; Wh. zu AthPr. III: 16) Ry. L 36,1% = 8+ 1.1.2. 1.3 = VS: AL 42 = TS. IV. LA 2 tishthä devó. I. 121,12” tishthä vätasya. | III. 35,1° tishthä hári. III. 53,2° tishthä sú. V. 33,3° = VS. X. 22 tishthä rätham. Ath. IV. 7,5° tishthä vrikshäiva sthämni. Beiläufig bemerkt, ist zu lesen vriksheva sthä'mani. 33. trimpû (RPr. 448) Rv. VIIL 45,22 == Be, 12.2.2 G= Ath. XX. 22,1 - (scheinbar vor Position) trimpä& vy äcnuhi (es ist aber zu lesen trimpd vi ` wt, 34. t6na (RPr. 469; Wh. zu AthPr. III. 16, S. 132; 134) Histor -Philolog. Classe. XXI. 3. 0 18 THEODOR BENFEY, Dehnt seinen Auslaut im Ry. nur in den fünf aufzuzählenden Stellen, im AthV. öfter. Ry. I. 49,2° tenä sucrävasam. VII. 55,7° = Ath. IV. 5,1 tenä sahasyenä. VIII. 20,26° tenä no ädhi. VIII. 67(56),6° ebenso. IX. 61,19 = Sv. I. 5. 2. 4. 4 16085 Oefter kurz z. B. Ry. I. 21,6° tena satyena. I. 47,9° téna näsatyä& gatam (zu lesen näsatya & gatam, statt násatyá d. mit Verkürzung des auslau- tenden d vor dem folgenden Vocal). VIII. 5,20°; 30° und IX. 66,3° tena no. Im Ath. dagegen ist, wie schon bemerkt, diese Dehnung viel weiter verbreitet, ich glaube fast, weil die Autoritäten sie für eine vedische Eigenheit hielten. So ausser dem schon oben angeführten Fall Ath 5 83; 2:3: 4, ° téng te. III. 7,3°, wo der gedruckte Text zwar téna te hat, aber nach Wh. zu AthPr. S. 137 n. téná zu bessern ist. ` III. 16,5? ténå vayäm (= Rv. VII. 41,5 = VS. XXXIV. 38, wo aber Zena). IV. 7,1? tenä te. VI. 7,1“: 2°; 3° ténå no (in 2° mit folgendem ädhi wie im Rv. s. oben). VI. vV ke 12,1? und 2% tenä te 24,3% tenä vo. VI. 80,1!und 3? tenä te (= Rv. X. 136,4, wo aber V.L.). VI. 91,1° tenä te. VIIL 20.4°: 38,3; 79,1° tén no. XVIII. 2,30° tenä jänasyäso. Doch giebt es auch Fälle ohne Dehnung z. B. ` Ath. VI. 78,1° tena bhütena. Vgl. XV Anhang. en‏ لص نهدا QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IND. SAMHITÄ-U.PADA-TEXTENETC. 19 35. dhäta (RPr. 484) nur in zwei Fällen Rv. III. 54,13 und VII. 39,6°, beidemal dhd'té rayim. Dagegen kurz Rv. VI. 50,7° dhäta tokaya. 36. dhäma (RPr. 486 TPr. III. 8) nur Be, VI. 2,9 — TS. IIL LI. 6 dhä’mä ha. Bem. Es ist diess die einzige Stelle im Rv., in welcher dd më in der Samhitä erscheint; vgl. XV unter dhäma und Anhang. 37. dhishvä (RPr. 487); nur Rv. II. 11,18° dhishvä’ cävah. Dagegen kurz an den drei übrigen Stellen VI. 18,9°; 22,9 (= Ath. XX. 36,9); 45,18“ dhishvd vajram. 38. nahí (RPr. 442; 483) nur in folgenden drei Stellen : Rv. I. 167,9 nahî nú und vor scheinbarer Position Rv. IV. 18,4° und VIII. 3,13°, beidemal nahî nv Asya, aber zu lesen nú asya, also ebenfalls vor nú. Dagegen sehr oft kurz vor einfachem Consonanten Be I. 19,2%; 22,4°: 94 62: 39,4%; 54,15: 80,15° (NB. nahi nú); IV. 55,7°; VL 16,18* (= Sr. II. 1. 1. 21. 3); VI 27,3° (NB: nahi nú); VII. 59,3° (= Sv. I. 3. 1. 5. 9); 4; VIII. 30,1°; 33,16%; 40,2"; 46,11°; 60 (Välakh. 1), 14°; 71(60),2°; 102(91),19°; X. 119,6; 7°; 185,2* (= VS. IH.-32°) 39. päthä (RPr. 484) Rv. I. 86,1? päthä divé. Dagegen kurz Rv. X. 126,2? päthä nethä (vgl. XV nethä). 40. piba (RPr. 445; 464; 465: VPr. IIL 158; TPr. III. 8; Wh. zu AthPr. III. 16), stets, ausser in den anzuführenden Ausnahmen, nämlich: Rv. I. 14,10: (= VS. XXXII. 10) pibä miträsya. E 15,5 شح‎ 86:1 äech 4 0; BOF; IL se: p; VL 17,1; VIIL 4,10°; 36,1; 76(65),7°; 95(84),3°; X. 112,6°; 116,1°, pibä sömam. I. 177,4? pibä nishädya. III. 32,3? pibä rudrebhih. C2 20 THEODOR BENFEY, III. 36,3° pibä värdhasva. III. 47,1? — VS. VII 38 — TS. I. 4. 19 pibä sömam. V. OLO; VIL- 90,1° (= VS XXXII. 70; VOL 8% (= Sv. I. 3. 1. 5. 7) pibä sutásya. VI. 23,7 pibä tu. VII. 2,1’ pibä süupürnam. VE lL SO EC 5 4. 8 = TS IC 4 14-3 عم‎ Ath. XX. 117,1 pibä sömam. VII. 17,4° (= Ath. XX. 4,1) pibä sú. VIII. 37,1? pibä sömasya. VIII. 82(71),2° pibä dadrig. X. 116,1” pibä vriträya AR. I- D l = Sv. H. 8 L 22,1° pib& sutdsya. Bemerk. Nach dem Pada- Text würde auch Rv. X. 96,12° pibä yathä hieher gehören. Aber die Relativpartikel zeigt, dass es nicht Im- perativ 2Sing. sein kann. Der Pada-Verfertiger hat sich geirrt; er hätte nicht piba sondern pibáh lesen müssen. Es ist der Conjunctiv und der Verlust des Visarga ganz regelrecht. Ich glaube, dass auch VII. 17,1? (= Sv. I. 2. 2. 5. 7T = Ath. XX. 3,1) piba imam für pbáh imám und nicht mit RPr. 175 für piba imám mit unregelmässiger Dehnung (vor Vokal) in der 6ten Silbe eines achtsilbigen Stollens zu nehmen ist; da- für spricht auch der Conjunctiv sadas im 3ten Stollen dieser Strophe. Hatten die ältesten Pada-Verfertiger den Conjunctiv pibäs noch gar nicht erkannt? In der That kommt er weiter nicht vor und auch nur ein- mal die 3te Sing. desselben 'pibat (Rv. IX. 108,14). Vor scheinbarer Position (RPr. 445) in folgenden vier Stellen: Rv. III. 50,2% pibä tv äsya (zu lesen tú asya); ebenso in Il. BIN ESLE 28 1; VIE 239,17; VIL. 136 = Sh M. 6:2, bo; VIIN. 95(84),2°. Ausnahmen finden sich nur drei: Rv. I. 16440: — VI. 73,11 piba cuddhäm. X. 116,1° piba räye. X. 116,1? piba mädhvas. ` QUANTITÄTSVERS( TEN IND.SAMHITÄ- U.PADA-TEXTENETC. 1 Beachtenswerth und wiederum ein Zeugniss der grossartigen Incon- sequenz, oder vielmehr wunderbaren Treue, der Diaskeuasten (vgl. jahi), dass trotz der grossen Anzahl der Stellen, wo piba seinen Auslaut dehnt und trotzdem, dass dies auch in eben dieser Strophe im ersten und dritten Stollen geschieht, die Dehnung in dem zweiten und vierten unter- . blieben ist. 41. purü (RPr. 445; 465; Wh. zu Ath. III. 16) 1.Singular: Rv. I. 166,13° port yäc. 2. Plural: VII. 97,7° purü säkhibhya. X. 61,13’ 1111م‎ X. 94,5? = Ath. VI 49,3 purt reto. I. 62,10°; IV. 28,3%; V. 37,3% VL218,18% & 23,5’. (= Ath.. XX. 73,6) und X. 48,4° nord sahäsrä. I. 117,9° purt värpässi. I. 139,10? purü’ sädmäni. I. 144,4° purü’ cûran. I. 166,3? prä räjässi. III. 51,5" purl väsüni. 3,4° purü dädhänä. 9,4° purü yó. 33,4° s. Bemerkung. 73,2° pur däwsässi. . 44.8“ purù cid. . 29,6? pur ca. VI. 62,2° purü’ väräesy ämitä. X. 64,144 purü’ retässi. 0 ا‎ SL Ausnahmen kennt RPr. (466) sieben, nämlich: L Singular Rv. I. 142,100 purü vâ. ` 3. Plural ` IV. 20,9° purü däcüshe. IV. 37,8% purü Costa, VI. 63,8° purü hi. VIL 92(81),9 = S. H. 8-4. I. 191,9: © vielleicht Sing.) purü vicväni. 10. 3 purü vidvän. 22 THEODOR BENFEY, VII. 62,1’ purü vicvä. Bemerk. M. Müllers beide Ausgaben und auch die Aufrecht’sche haben auch Rv. V. 33,4* purt yát ungedehnt; ich kenne aber keine Regel, nach welcher die Dehnung hier fehlen dürfte. Sonderbarer Weise hat Grassmann (Wörterb. (828°,39) das, wie mir scheint, richtige purt ; ich weiss nur nicht, woher. Vgl. XV. 42. präpra (RPr. 486), nur: Rv. I. 129,8° präprä vo. In den übrigen sieben Stellen I. 40,7; 138,1; V. 5,5; 585; VI 48,1 (= Sv. 1.1.1.4. 1); VIC 6,3; VIII 6959,1 Sv. LEZ SD kurz. Vgl. XV prä. 43. bódha (RPr. 463; 465; VPr. III. 128; TPr. III. 8) stets, nämlich: Rv. I. 147,2 — VS. XII. 42 = TS. IV. 2. 3. 4 bödhä me (aber TS. bödhä no). VE SEL = SV. 221. 8 1. bódhà oe, Vo. 223° = Se UL 8. 1. 13.3 A0, XX. 1173 bödhä sü. VIL 22,4° = Sy. II. 9. 1. 13. 1 bödhä viprasya; selbst vor wirklicher Position: X. 156,5° — Sv. II. 7. 1. 15. 5 bödhä stotré, wohl nur, weil sonst im Anfang des Stollens stets gedehnt (vgl. bhävä)- 44. brähma (RPr. 474) nur an sechs Stellen, alle Plural, ge- dehnt, nämlich Rv. I. 105,15° brähmä krinoti. II. 20,5? bráhmâ tütod. VI. 38,3° brähmä ca giro. VII. 28,1° brähmä na Indröpa. VIII. 32,17° brähmä krinota. VIII. 90(79),3° brähmä ta Indra; sonst stets kurz, z- B, Rv. VIII. 35,16%; X. 4,7; X. 65,11%; Sv. L 4. 1.3.9 vg XII. : Ath- XIX. 24,5", Bei dieser grossen Masse von Dehnungen des Auslauts darf es uns nicht Wunder nehmen, dass sie auch vor Position eingetreten ist (vgl. bödha). ' Rv. III. 10,8“ bhavä stotribhyo. X. 69,5° bhävä dyumnî (s. XV). 47. bhü’ma, vom Nomen bhû'man (RPr. 464; 465) Er 1.Singular: Rv. I. 70,3° (oder eigentlich 6° s. zu ädha S. 6) bhümä ní. 24 THEODOR BENFEY, V. 7,5% bhü’mä prishtheva. 2. Plural: Rv. VI. 50,5? bhü’mä rejante. Vgl. XV bhû ma und Anhang zu XV. 48. makshü (RPr. 437; TPr. VIII. 14) : Rv. II. 13,1" makshû jåtá und so stets, nämlich IV. 16,16%; 21,3%; A43,3°; VI. 66,5°; VII. 56,15°; VEE Si 1D = TS- L 8 229): VII. 83,3% (=s Sv: 11.9.2318 pam EM AS OLO) VIIL 6i(00)4: SEHEN EL LC ES Ze Ath. AA UN), AnaL GLD. 10; 20°: 147,4°. Bem. Rv. I. 2,6“ ist in makshv ùtth& die Contraction wieder aufzu- heben und da makshü mit einer einzigen Ausnahme — vgl. XV und Anhang dazu, so wie XVI — stets mit langem ú in der Samhitä er- scheint, makshd' itthä’ zu lesen. 49. mr'ifá (RPr. 465; TPr. III. 8; Wh. ad AthPr. III. 16) Rv. I. 94,12° mri’ su. I 114,.2* <= IS IVS 10:2!) mai ao II. 33,11: — TS. IV. 5. 10. 41) = Ath. XVII. 1,40 mrilä jaritre. VII. 89,1° mril& sukshatra. X. 25,3% mrilä’ no. 50. Absolutiva auf ya, s. nr. 2 deya und nr. 11 prdrpya und vgl. XV, Anhang. 51. yakshva (RPr. 487) Rv. V. 42,11° yäkshvä mahé. : 52. yäccha (RPr. 465; VPr. III. 106 vgl. Weber dazu) ` Br. I 22,15° = VS. XXXV Sl {= Ath XVIH.. 2.1970 wo aber V. L.) yäcchä nah. IV. 12,5? yäcchä tokä'ya. VII. 16,8% yäcchä nah. VII. 30,4° yäcchä süribhya. 53. yäja (RPr. 446; 465; VPr. III. 106; 128) nn 1) In Weber's Ausgabe fehlt die Angabe der im Rv. entsprechenden Stelle. QUANTITÄTSVERS( TEN IN D.SAMHITÄ-U. PADA-TEXTENETC. 25 Rv. I. 45,1° = Sv. I. 1. 2. 5. 6; scheinbar vor Position: yájå svadhvaram; es ist aber suadhvardm zu lesen. I. 75,5° yajä no und 5? yájå devd I. 76,2% yajä mahé. 54. yatra (RPr. 479, vgl. 477; VPr. III. 120; TPr. III. 8; Wh. zu AthPr. III. 16) dehnt den Auslaut in folgenden Stellen : Rv. I. 22,4” yäträ räthena. | | I. 89,9 — VS, XXV. 22 yátrâ nah; ebenso Rv. X. 14,2° (= Ath. XVI L60; Bv. X 141P: (= Ath. XVIII. 1,54, wo aber V. L. yena). Rv. I. 115.2° (= Ath. XX. 107,15) yäträ náro; ebenso Rv. VI 510° (= VS. XXIX 48 = TS: IV. 6.6. 4); Be. VII. L4 89,2, VIE: 20,6; TS. HL 1. Ji- 08%E Ath. VI 22277. BCE 1634 =: VS. XXIX: 15>- TS. IN. 6.7.9, ët : ta ähuüh. I. 164,21: — Ath. IX. 9,22 78615 I. 166,6° yäträ vo. III. 53,5° yäträ rathasya. V. 44,9% yäträ matir. V. 61,14 yäträ mädanti. VI. 63,5° yäträ cakrür. VII. 83,2° yäträ bhäyante. VIII. 4,12? yäträ& sömasya; ebenso VII. 53 (Väl. 5), 4. IX, 111,2 = Be I. 7. 3. 10. 3 yátrå ränanti. X. 86° — TS. IV. 4. 4. 1 yäträ niyüdbhih. X. 28,8° yäträ& kripitam. X. 82,2? — VS. XVII. 26 yäträ saptarishin. | X. 88,17° yäträ vädete. 1) Beiläufig bemerke ich dass im ersten Stollen mädhund zu streichen ist. Die Strophe im Ath. sieht wie eine Variante der vorhergehenden der TS. aus. Histor.-philolog. Classe. XXL 3. D 26 THEODOR BENFEY, X. 138,1° yátrå dacasyan. X. 149,2° yäträ samudräh. Ath. III. 28,5° — VI. 120,3* yäträ suhärdah. III. 28,6° yäträ suhärdäm. Sv. II. 3. 1. 4. 1° yäträ devê (wo aber Rv. in der entspre- | chenden Stelle IX, 39,1° yatra hat). Ich bemerke hier sogleich, dass der Auslaut von 3/0176 ausser an diesen 29 oder, wenn man die zuletzt angeführte Variante des Sv. mit- rechnet, 30 Stellen nur noch einmal in der 4ten Silbe eines zwölfsilbigen Stollens Rv. VIII. 13,20 gedehnt wird (s. XV unter yatra). Da es nun keinem Zweifel zu unterwerfen ist (vgl. z. B. deva-trä und beachte die Entstehung dieser ursprünglichen Locative aus alten Instrumentalformen des sogenannten!) Comparativs), dass der Auslaut der Adverbia auf tra ursprünglich lang war, so könnte man wegen der nicht unbeträchtlichen Anzahl der Stellen in denen yatrd erscheint — 30 oder 31 — auf den Gedanken gerathen, dass in ihnen das Metrum nicht die Dehnung herbeigeführt, sondern nur die ursprüngliche Länge geschützt habe. Genauere Erwägung zeigt jedoch, dass diese Annahme irrig sein würde. Denn die Formen mit kurzem Auslaut sind die weit über- wiegenden. I. In der zweiten Silbe eines Stollens treten den aufgezählten 29 oder 30 mit Dehnung 27, oder wenn man die sechs vor Position hinzu- rechnet, was hier geschehen muss (vgl. oben decha), 33 mit Kürze gegen- über, . nämlich: 1. vor einfachem Consonanten: Rv. I. 23,18’ (= Ath. I. 4,3); Rv. I. 28,3°; 4“: 154,6° (= VS. VL3 = TS. I. 3.6.2); Rv. I 164,3“ = Ath. IX. 9,3); Rv. I. 164,50? (= Ath. VIL. 5,1); Rv. II. 24,8°; IV. 30,5°; 58,9° (= VS. XVII. 97); Be V. 5,10°; 50,4; VI. 161° (~ Se I. 1) Ich bediene mich dieses Zusatzes, weil die Bedeutung dieser sprachlichen Categorie ursprünglich von der erst später aus der ursprünglichen entwickelten ganz verschieden war; darüber eingehend zu einer andern Zeit. e | QUANTITÄTSVERSE ITEN IND. SAMHITÄ-U.PADA-TEXTENETC. 27 KE 21. 2) vor scheinbarer Position yatra kva; es ist aber zu lesen: yatra küa; Rv. VI. 46,12*; 15,17 (= Se II. 9. 3. 6: 3 = VS, nt 48 = TS. IV. 6. 4. 5), Rv. VII. LL: 83,6° (man beachte in demsel- ben Liede in 2** yatrd); VIII. 29,71); IX. 39,1٠ (= Sv. IL. 3. 1.41, wo aber ydträ); Rv. IX. 92,5%; 113,8; 10; X. 10,10 (= Ath. XVIII. 1,11); Rv. X. 38,1“: 71,2° (beachte im ten Stollen desselben Verses aträ); Rv. X. 82,5? (= VS. XVIII. 29 — TS. IV. 6.2.2; beachte in demselben Hymnus des Rv. 2% yátrá); Rv. X. 90.16; 114,3. Im Ganzen 27. = vor Position: Ry. L 28,1% 275. TH ër 10. Im Ganzen 6. II. In der vierten Silbe eines Stollens kömmt, wie bemerkt, yátrá einmal vor. Dagegen yatra Rv. I. 83,6° (= Ath. XX. 25,6); Rv. I. 151,6°; ١ 154850: IIL 1,8%; 31,1%; VI 18,14°; VII. 97,1; IX. 29,5“: X. 31,9 (= Ath. XVIII. 1,39, wo aber corrumpirt und V. L. atra statt yatra); Rv. X. 64,1395 15°; 76,6°. Ferner einmal vor Position Rv. IX. 113,9. Im Ganzen 13. III. In der Bten Silbe eines Stollens: 1. eines achtsilbigen: Rv. IX. 113,10°; 2. eines elfsilbigen: Rv. I. 89,9 (= VS. XXV. 22; beachte in dem 2ten Stollen desselben Verses yatrd); Rv. I. 121,9°; 164,34“ (= Ath. ix 10,13, wo aber fast ganz abweichend); Rv. III: 76°; 82,14°; 395": 54,9; 55,192: V, 62,1°; VI. 31,4°; VII. 65,2%; 97,1“: X. 74,2%. Ferner zweimal vor Position Rv. I. 113,16; VIII. 48,11‘. Endlich einmal vor ri ohne dass Contraction zu einer Silbe ein- tritt Rv. IV. 23,7° rind cid yatra rinayd’ na ugró. In diesem Fall spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das auslautende 6 für einstiges 4 einge- treten, also einst ydtrd rinayd gesprochen ward. Doch ist diess noch nicht ganz sicher, daher ich auch diesen Fall zu den Kürzen zähle. RE Ehe Auer ee 1) Das Metrum besteht aus zwei Stollen, einem von 12 und einem von 8 Silben. In Vs 50 ist entweder çúcir oder ugró zu streichen. ` D 28 THEODOR BENFEY, 3. eines zwölfsilbigen: Rv, X. 37,2; 44,7? (= Ath. XX. 94,7) Re X. 99,4°. Also im Ganzen 20 Fälle. IV. In der 6ten eines elfsilbigen Stollens: Rv. I. 133,1°. V. In der neunten 1. eines elfsilbigen Stollens: Rv. IV. 58,9° (= VS. XVII. 97); Rv. VI. 40,5. 2. eines zwölfsilbigen: Rv. X. 17,4° (= Ath. XVII. 2,55 wo V. Li Also in IV. und V im Ganzen 4 Fälle. . „VI Der Vollständigkeit wegen füge ich auch noch die Fälle hinzu, in denen der Auslaut von yatra mit dem folgenden Anlaut zusammen- gezogen ist, so dass die Quantität des Auslautes nicht erkennbar ist; Rv. I. 13,5°; 164,2 (= Ath. IX. 9,2); Rv. I. 188,4°: IV. 30,4°; 6°; V. 65,0%; VI. 76,8 (— VS. XXIX. 45 = TS. IV. 6. 6. 3); Rv. VI. 6958),5° (= Sv. II. 7.1.1.2. — Ath. XX. 22,5); Rv. VIII. 75(64),15° (= VS. XI. 1 = TS. U. 6. 11. 3-4); Rv. IX. 15,2 (= Be II, 5. 2. 3. 2); Rv. IX. 25,4°; "Lë 113,11® und °; 9; 8° und °; X. 7 (= Ath. XVIII. 2,55); Rv. X. 86,1°; (= Ath. XX. 126,1); Rv. X. 87,6* = Ath. VIH. 3,5); Rv. X. 97,6° (= VS. XII. 80); Rv. X. 121,6° (= VS. XXXI. 7 = TS. IV. 1.8.5 Ab IV. 2,3, wo aber V. L.). In 70 Fällen also erscheint yatra mit auslautender Kürze. Denen gegenüber erscheint die Länge nur in 29 oder 30 Fällen in der 2ten Silbe eines Stollens, wo Länge überaus häufig durch das Metrum herbeigeführt wird, und in einem Fall in der 4ten Silbe eines Stollens, wo sie ebenfalls nicht selten durch das Metrum. hervorgerufen ist (vgl. die erste Abhandlung in Bd. XIX S. 231 und das Verzeichniss in XV). Es ist demnach nicht zu bezweifeln, dass der Auslaut, obgleich ursprüng- ‚lich lang, in der Vedenzeit schon durchweg verkürzt war und in den Fällen, in denen er in der Samhitä lang erscheint, nicht eine Bewahrung der ursprünglichen Länge durch das Metrum zu erkennen ist, sondern metrische Dehnung der im Gebrauch schon herrschend gewordenen Kürze, Beachtenswerth ist hier wiederum die Inconsequenz, oder vielmehr 7 پې QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D.SAMHITÄ-U.PADA-TEXTEN ETC. 29 die Treue, mit welcher die Samhitä in der 2ten Silbe den 33 Kürzen gegenüber 29 oder 30 Längen, ja den 13 Kürzen in der 4ten Silbe ge- genüber sogar nur eine einzige Länge zeigt; ein sicheres Zeugniss, dass die Diaskeuasten sich keine Willkühr verstatteten. Eine andre Frage ist aber, ob das Zutrauen, welches sie ihren Autoritäten geschenkt haben, sich auch wirklich rechtfertigen lässt. Darüber werden wir in der Ein- leitung in die Grammatik der vedischen Sprache zu urtheilen haben. 54. yadi (RPr. 465; TPr. III. 13; Wh. zu AthPr. III. 16) mit wenigen, anzuführenden Ausnahmen gedehnt, z. B. Rv. III. 29,6° yádî mänthanti. VI. 42,3" = Sv. Il. 6. 3. 2. 3 yadi sutebhir. IX. 15,3° = Sv. IL 5. 2. 3. 4 yädi tünjanti. IX. 70,2° = Sv. II. 6. 2. 17. 2 yadi deväsya. IX. 86,6° — Se IL. 3. 1. 1. 2 yädi pavitre. IX. 99,2° = Sy: I. 8. 1. 6. 1 yädi viväsvato. X. 11,4° = Ath. XVII. 1,21 yädi vico. TS. IV. 6. 2. 4 yädi bhümim (= Re X. 81,2° = VS. XVIL 18, welche aber V. L. yato statt yddi haben). Sv. LA 2. 2. 5°; auch in der Ogle: Ausg. I. p. 727. (nicht im Rv.) yädi vahanty. Ausnahmen (RPr. 466); im Rv. nur fünf: Rv. VII. 104,14° = Ath. VIIL: 4,14; und Rv. X. 129,7’ yadi vå. VIII. 13,21° und VIII. 32,6* yadi me. X. 161,2? — Ath. III. 11,2 yädı mrityör. Hier wirkte mri? vielleicht positionsartig (vgl. TIte Abhdlg in Bd. XX 5.51 und sonst); vielleicht um so leichter, da im vorhergehenden Stollen yadi in Folge wirklicher Position mit kurzem Auslaut erscheint. Aus der VS. habe ich noch zwei notirt, deren eine auch im Ath. wiederkehrt VS. XX. 15° (= TBrähmana Il. 4. 4. 9; 6. 6. 1 yadi divê XX. 16° (= TBr. IL 6; 6 lz Ath. VI. 115,2) yadı. \ jû grad. Aus dem Ath. I. 16,4*; I, 25,3°°; IV. 12,7; V. E عه‎ A KM, U 30 THEODOR BENFEY. wo aber die Lesart des im Rv. entsprechenden Verses (X. 120,4*) tfi statt مدو‎ SUVS 16T V. 10,45; 05; Grace: 10%; VL 124,2°; VIL 38,59, IX. 8,8°; XII. 4,53°; XX. 132,10. Es mögen ausser dem Rv. noch mehr Ausnahmen BEE doch sind die Stellen, welche nicht im Rv. vorkommen, für grammatische Fra- gen grösstentheils unerheblich. Bemerk. Es verhält sich mit yadi ebenso wie mit ydtra. Auch bei ihm ist kaum zu bezweifeln, dass das auslautende i ursprünglich lang war; dafür spricht zunächst täditnd Rv. I. 32,4; darin ist ind der alte Instrumental (adverbial gebraucht) des Suffixes tna (= tana), welches Adjective aus Indeclinabilien bildet (vgl. Vollst. Gramm. der Sanskritspr., 5 496, B. Ausn. c. und d, S. 190, sowie 5566, IV, 3, S. 213). Das vor- hergehende tádí beruht auf 1001, dem Correlativ von yadı (vgl. dessen 2te Bedeutung bei Grassmann Wtbch, Col. 1088). Die Dehnung des â in 1001 ist entweder — wenn gleich bei Antritt von tna sonst nicht gebrauchte — Vriddhirung, wie in den meisten sekundären Nominalbil- dungen, oder eine vedische Eigenheit. Die in yadi eingebüsste Länge des f ist hier durch die Weiterbildung geschützt worden. Dieses 7 ist eine Zusammenziehung von grundsprachlichem id, wie sie im Sanskrit so häufig erscheint (vgl. z. B. grdsprchl. pivarid — griech Hısoi« = sskr. pî varî). Die Verkürzung auslautender Längen in Indeclinabilien ist bekannt- lich sehr häufig und gerade die von 1, welches aus id entstanden, nicht selten, z. B. yuvati, für und neben yuvati aus yuvatis (vgl. die sskr. Endung des Ptcp. Präs. im -Fem. -anti für antiá — griech. opge für oe), tadi aus tadid, yádi aus 70014 sind alte (adverbial gebrauchte) Instrumentale einer Bildung durch dia, und gerade in Instrumentalen auf ursprüngliches id, späteres yâ, tritt vedisch Contraction zu í (z. B. matî für matyd') und Verkürzung dieses í ein (z. B. prayukti für Otyá). Das adjectivische Bil- dungselement, nicht eigentlich Affix (doch darüber an einem andern Ort), erscheint am häufigsten im Griechischen, z. B. &ef-dio, 6oYoi-dio, ng00Hi- -dıo,. 91-60 (für 9ı-dio); im Sskr. bildet es ein vollständiges Adjectiv nur in á-dya ; einstiges ya-dia, ta-dia ist nur in yddi, tädi erhalten ‚und ein einsti- ges u-dia in dem vorderen Theil des Femininum udict für udi-acivon ud-anc QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SA MHITÄ-U. PADA-TEXTEN ETC. 31 (vgl. Bezzenberger’s Nachweis dass ud einst eine Nebenform udi gehabt habe in ‘Beitr. f. vgl. Sprachwissensch. VIII. 3, 365). Das Thema u welches diesem u-di (ebenfalls für u.did) zu Grunde liegt ist identisch mit dem u in ú-pa. Wie yatra in der Vedenzeit seinen ursprünglich langen Auslaut schon verkürzt hat, so auch yadi; auch hier erscheint er nur durch Ein- fluss des Metrums lang, zunächst, wie wir gesehen, in der 2ten, und, wie wir in § XV sehen werden, einigemal in der Arten Silbe von Stollen; na- türlich auch in den in der 2ten Abhandlung besprochenen Stellen, wo ein Auslaut regelmässig gedehnt wird und hier sogar einmal gegen die Regel, s. daselbst XIII 5 14 S. 45 Z. 5 v. u. 56. yûnta (RPr. 465); es giebt nur einen Fall, welcher hieher gehört : Rv. VIII. 27,4% yántå no. 57. yukshvä (RPr. 463; 465. VPr. III. 128; TPE 1II.8; Wh. zu AthPr. III. 16), Durchweg, auch vor scheinbarer Position (RPr. 444), gedehnt, fast stets vor hi. Die Fälle sind folgende: Rv. I. 10,3 — Sv. II. 5. 2. 23. 3 (wo. yunkshvud‘) = VS. VIII. 34 yukshvä hi. I. 92,15° — Sv. II. 8. 3. 8. 3 (wo yunkshvä) yukshvä’ hi. VIII. 317° — Sv. I. 4. 1. 1. 9 ebenso (Sv. auch hier yunkshvä)). VIII. 26,20° ebenso. VIII. 75(64),1* — VS. XIII. 37 = TS. II. 6. 11. 1 ebenso. X. 4,6? yukshvä rätham. X. 11,9 — Ath. XVIII. 1,25 ebenso; vor scheinbarer Position Rv. 1. 14,12* yukshvä hy arushi, wo aber zu ` lesen yukshvä hi árushi. vg. XV. 58. yéna (RPr. 478; 480; VPr. III. 106; 128; TPr. III. 12; Wh. zu AthPr. III. 16). Der Auslaut wird gedehnt in folgenden Fällen: Rv. I. 50,6° — Sv. Naigeya-Cäkha (in meiner Ausgabe S. 5 2.9 vs. 11; bei S. Goldschmidt in ‘Monatsberichte der Berl. Akad. d. 32 THEODOR BENFEY, Wiss. 1868, April S. 236 vs. 53’, wo aber yena mit auslautender Kürze gedruckt ist) = VS. XXX. 32 — Ath. XIII. 2,21 yenä pävaka. 1. 62,2° = VS. XXXIV. 17 yenä nah, I: 72,8° — yenä nu. I. 80,2° yenä vriträm. II. 17,6° yenä prithivyäm. IV. 51,4° yenä nävagve. V. 54,15° (vor scheinbarer Position) yen& svar ná, aber zu lesen yéná star nd. V. 87,5° yenä sämhata. VI. 16,48° yenä väsüny ä’bhritä (z. l. :عمد‎ 4). VIII. 3,9° = Ath. XX. 9,3 yenä yätibhyo. VIII. 3,10° — Ath. XX. 9,4 yénâ samudräm. VI. 12,1° = Sv.1.5.1.1.4 = Ath. XX. 63,7 yen& hässi. MAIL. 12,2° = Ath XX. 63,8 yenä däcagvam. VIII. 12,2° ع‎ Ath. XX. 63,8 yénå samudräm. VIII. 12,4° yenä nu. VII. 17,10° = Ath. XX. 5,4 yenä väsu. VILL 19,20? = Sy. IL 7. 2. 10.2 = VS. XV. 39 én samätsu. VIII. 24,25° yenä dassishtha. IX. 97,39° (= Sv. II. 6.1. 4. 3, wo aber VL. yatrd) yenä nah. IX. 108,4* — Sy. II. 3. 1. 17,2 yénå nävagvo (beachte in demselben Vers den 2ten Stollen, in dessen Anfang yéna mit kurzem Auslaut). X. 126,2° yenä nir. Fernet noch in der VS. XV. 40° yénû samätsu. TS. IV. 7. 13. 4, ° — Ath. IX. 5,17 yenä sahäsram. im Ath. I. 13,1? yenä düdä'ce. VII. 12,1° yenä samgäcchä. VII. 38,2° yenä& nicakrä. IX. 5,17° yénâ sahäsram. XVIII. 1,54 (= Rv. X. 14,7 wo aber V.L. yaträ) yenä te. QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IND, SAMHITÄ-U. PADA-TEXTENETC. 33 XVIII. 4,44” ebenso, endlich vor wirklicher Position Ath. III. 9,4* yenä cravasyavac. Diesen 30 Stellen mit Dehnung in der 2ten Silbe stehn aber im Rv. allein 51 mit Kürze vor einfachem Consonanten gegenüber: nämlich Rv. I. 34,9%; 42,5°; 47,9°; 56,3: 6“ (= Sv. II. 8. 3. 8. 1 = VS. XXXIV. 33); Rv. I. 117,2°; 164,49% (= VS. XXXVIIL 5 = Ath. VII. 10,1); Rv. I. 166,14"; 171,5°; 182,5°; 183,3°; 186,5°; II. 24,10%: 30,5: HE 29,9:;-31,9%; 60,2°; IV. 9,8° (= VS. II. 36); 36,9%; 43,6%; 45,7°; MN 53,13°; VI. 19,7°; Se: 44,3°; 51,16°; VII 124°; gg ge اعم‎ IL. 3. 1.13. 2 = Ath. XX. 1172); Rv. VII. 104,4? (— Ath. VIII. 4,4); Rv. VIIL 7,18°; 9,4° (= Ath. XX. 139,4); Be VIII. 12,3* ees AE IX, 63,9); Rv. VIII 13,21°; 15,5° (= Sv: IL 2. 2. 18.2 — Ab XX 61,2); Re, VIII. 19,6" und *; 27,22%; 40,1°; 60(49),12°; IX. 108,4 (— Se U. 3. 1. 17. 2); Rv. IX. 109,14°; X. 37,4°; 52,1%; 53,7%; 9%; 10%. 55,2. 102,9°; 114,77; 121,5’ (= VS. XXXIL 6 = TS. IV.1.8.5 — Ath. IV. 2, 4. Die Position ist nur scheinbar, da súah statt svah zu lesen ist; im ersten Stollen dagegen ist wirkliche Position, da dyaúr gelesen werden muss). Ausserdem: in der VS. XV. 34,2°; 55°; in der TS. V. 7. 2. 2; im Ah. .IIL15,5*°; Gs: 22,2»; 23,1°; 30,4°; IV. 11,6%; 28,65 V101; SE Alag 3°; 82,2%: 101,2»; 129,29: IX: 2,17, X, LI” XD 15 XIX. 24,1° und wohl noch manche andre, welche ich nicht notirt habe. 59. voila (RPr. 450; VPr. III. 106; in der TS. erscheint die Deh- nung auch im Pada, Wh. zu TPr. III. 15, p. 98). Nur in dem Refrain Rv. I. 82,1°—-5° vor scheinbarer Position yójá nv dra, zu lesen yójá nú Indra. 1 Bve LOE = Sel 5. 18. L 8227 حت‎ Syr 15 L 3 TNS BE 84: TEL 8. 5. 2 (= Ath. XVIIL 461, wo aber der Re- frain fehlt und noch aa. VV.); 1. 82,8 — VS.-HL 92 = TS.1L3 51; ERS E L: 82,0" Histor.-philolog. Classe. XXI. 3. E 34 THEODOR BENFEY, 60. raksha (RPr. 464; 465; VPr. III. 106; 115; 128; TPr. IE. 8): a RB Rv. I. 18,3° = VS. Ill. 30 räakshä no. VL 713° = VS XXX on = TS. L 4/2. Ay takalia mäkir. Ich erwähne auch noch Rv. VI. 75,10 = VS. XXIX. 47 = TS. IV. 6. 6. 3, wo ganz ebenso. Ludwig in der schon mehrfach erwähnten Ab- handlung (in Sitzung der böhm. Ges. d Wissensch. 1874. April S. 14) will rákshá im Sinn von rakshatu nehmen, weil pätu vorhergeht; VI. 71,3° schützt aber rdkshd für raksha; vgl. auch Ath. XIX. 47,6°; dieser Stollen ist eine Art Formel. Die übrigen hieher gehörigen Stellen sind Rv. I. 35,114: 54,11; 91,8°; 174,1°; DL LI: IV. 3,14%; VI. 8,7°; 16,30%; VIII .84(73),3°; IX. 29,5°; 61,350° (= Sv. Il. 2. 1. 2.3); X. 4,7. — Vgl. XV. raksha. 61. 13488 (RPr. 465). In der vorliegenden Samhitä nur ein Fall: By. IX. 7,7. = Be, I. 4. 2. 2. 7. iráni yo. Die Stelle ist sehr schwierig; vgl. Ludwig a. a. O. S. 19, welchem ich nicht beitreten kann. Ich glaube dass rand für ránas Nom. sing. von rána steht (vgl. 1. Abhdlg in Bd. XIX. S. 255) und construire sd gacchati Väyim Indram Açvíná säkam mádena yds (sc. mädas) rdnas asya (sc. sömasya) dhärmabhis wörtlich: »Dieser (Soma) geht zu Väyu, Indra und dem Acvin-Paar mit Rausch (d. h. wird von ihnen getrunken und berauscht sie), welcher (Rausch) Kampflust ist durch dessen (des Soma’s) Eigenschaften« Der Sinn ist: »der . Rausch den der Soma gewährt verleiht Kampflust«; wie ja in den Ve- den der Muth und die Kampflust der Götter für das Wohl der Welt von den Opfern der Menschen und insbesondre dem Somatrank durch- weg abhängig gedacht wird. Ein zweiter Fall erscheint: Sv. I. 5. 1. 4. 411) ränä gävo (— Rv. X. 25,1 wo aber V. L. rdnan). 1) So ist im Glossar zum Sv. S. 156,6, 3 v. u. zu corrigiren. QUANTITATSVERS( TEN IN D. SA MHITÀ- U.PADA-TEXTEN ETC. 35 62. rûda (RPr. 465). Ry. I. 169,8° rädä marüdbhih. VI. 61,6° rádâ püsheva. 63. räsva (RPr. 483; 484); gedehnt in Rv. I. 114,6° räsvä ca. I. 114,9" rä’svä pitar. VIII 6049,11 — Se L 1.14. 9, und Bv. X. 7% räsvä ca. Dagegen kurz im Ry. III. 62,4°; VI. 48,4“ (beiläufig bemerke ich, dass rásvá 000014 für rasva | vdjam | utá steht; Pada hat vájá | utá. Vgl. ‘Einleitung in die Grammatik d. ved. Spr. in Bd. XIX S. 159 52.3: VIL. 16,4%; VIII. 4,16”. 64. rujä (RPr. 465; Ausn. 466). Gedehnt Rv. IX. 91,4* rg drilhä. Dagegen kurz en. BIETE EFT ck ١ 65. . VässVa (RPr. 471); gedehnt Ry. VIII. 23,7° und 60(49),14? vässvä no. Dagegen kurz in dem 2ten Stollen des zuerst erwähnten Verses VIII. 23,7 und ausserdem VII. 17,5%. 66. vada (RPr. 462; 465). Es giebt m der Rv. Sämhitä kein hieher gehöriges Beispiel, vgl. M. Müller zu RPr. 465,89; es wird wohl eines in einer andern, dem Kreise des Rv. angehörigen , Schrift gemeint sein, vgl. Ite Abhandlung 5. 77 Bemerk. zu samidhäna; vgl. XV. 67. vardha (RPr. 465; TPr. III. 8); gedehnt Rv. VIII 75(64),13° = TS. II. 6. 11. 3 värdhä no. IX. 29,3° — Se II. 9. 1. 1. 3 ebenso. IX. 61,15: — Sv. II. 5. 2. 20. 3 vardhä samudram. Dagegen kurz (RPr. 466) Rv. VII. 95,6%. 68. väha (RPr. 456; 465; Wh. zu AthPr. II. 16 p. 134), ge- > dehnt in 3 Rv. IX, 65,17 — Sv, II. 2. 2. 2. 3 vähä bhägattim. E2 36 ` THEODOR BENFEY, X. 12, 2? = Ath. XVIII 1,30 vähä no. Dagegen kurz (RPr. 466) Rv. I. 135,2: 174,5°; 175,4°; VII. 90,1 — VS. XXXIIL 70; Rv. X. 51,5. — Vgl. XV. 69. vida (RPr. 465). Rv I. 86,89° = Sv. II. 7. 3. 12. 1 vidä kämasya. V. 41,13° vidä’ cin. (A. Ludwig, ‘Sitzung der böhm. Ges. der Wiss. 1874, April S. 5, vgl. dessen Uebersetzung des Rigveda I. S. 219, glaubt, dass vidd für vidma stehe. Diese Annahme scheint mir zu kühn, haltlos und unnöthig. Ich sehe in 206 den Instrumental von vid, wie er auch I. 31,18 erscheint. Es hätte demnach auch der Pada-Text das lange 6 haben müssen. Genaueres an einem andern Orte). VIII. 47,2* dä devê. 70, viddhi (RPr. 445). A VIE 814° 25 81:48 = At, 18,4 (vor scheinbarer Position) viddh? tv asya (zu lesen tú asya). 71. vidmä (RPr. 444; 465; TPr. III. 10; Wh. zu AthPr. III. 16). Mit wenigen Ausnahmen nur vor hi, nämlich Rv. I. 10,10*; 81,8°; 370,37: HL 36,99 (= IST R1. 8F Me UIL: 42,6% Le AE XX. 24,6); Rv. VIII. 2,21* (vor scheinbarer Position Ay äsya, aber zu lesen hi asya); VIII. 20,3"; 45,13°; 51(Väl. 3),5° (vor scheinbarer Position); VIII. 61(50),3°; 75(64),16°* (= TS. II. 6. 11. 4); Rv. VIII. 81(70),2° (= Sv. IL 1. 2. 6. 2); Rv. VIII. 92(81),18°; X. 23,6° (vor scheinbarer Position); 7°; 47,1“ (= Se, L4 1.3.5). Vor anderen Wörtern als Ai: Rv. VIII. 21,7° vidmê purä‘. VIII. 21,8° vidmä sakhitväm. X. 45,2°® — VS. XII. 19 — TS. IV. 2.2. 1 vidmäte. X. 452° — VS. XIL 19 = TS. IV. 2. 2.1 vidmä tem. A, I. 2,1%; 3,1%; 2°; 3°; 4°; 5° vidmä garäsya. ` QUANTITATSVERS( TEN IND. SA MHITÃ- U. PADA-TEXTENETOC. 37 ` IV. 31,5? vidmä’ tám (vgl. Rv, X. 45,2), X. 1,20” und XIII, 3,21? vidmä’ te. Ausnahmen (RPr. 466). Rv. VIII. 46,2? und ° vidmä dätäram. 71. vriccä (RPr. 465). Rv. I. 51,7? vriecä cätror. III. 30,17” vriech madhyäm. 73. vettha (RPr. 485). Nur vor A Rv. VI. 16,3° (= Be Ol. 6. 3. 14. 3) und Rv. VIIL Be (= 81.165.116 = AXX. 66,8), 74. véda (RPr. 472; 473) dehnt den Auslaut nur 1. in den Hymnen des Gunassepa vor y Be I. 25,7° vedä yó. I. 25,8° vedä ya. I. 25,9° vedä yé: 2. Re Ve 12,3° ved& me: VI. 49,3: = Sv. I. 6. 3. 2. 3 védê vicvasya. VIII. 61(50),12° vedä bhrimäm. Bem. In ebenso vielen Stellen bleibt der Auslaut kurz, z. B. selbst I. 25,7°; 8°; 9° d. h. in denselben drei Versen, wo er vor y gedehnt ist. Vgl. XV. 15. Çû.sa (RPr. 463; 465). Rv. III. 49,1° cä,sä mahäm. VIII. 61,4 cässä miträsya. | Bem. In beiden Stellen könnte çássá für. çdəsáni stehen; in Bezug auf letztere spricht sogar Vs 6 dafür; doch ist es nicht nothwendig. Vgl. XV. 76. eagdhi (RPr. 484), dehnt nur vor nah. Bo VEE 31r und: 12° Dagegen kurz I. 42,9; III. 16,6°; VIII. 3,11° und à (beachte in demselben Vs, wo vor nah gedehnt); 12° (wie eben); IX. 89,7. Ich bemerke noch dass Rv. IX. 89,7° gagdhy d mit Hiatus; çagdhi d, zu lesen ist. 38 THEODOR BENFEY, 77. eiksha (RPr. 464; 465; VPr. III. 128; TPr. III. 8; Wh. zu AthPr. III. 16); dehnt stets, selbst vor Position. Re I 27,5° = Be IE "LA ®icikshä väsvo, I. 62,12%, ‚so. wie, Rv. VIII. 2,15° (= Se II. 9. 1. 15. 3) und Rv. IX. 87,9% cikshä cacivah. VIL 27,2, so wie X. 81,5° (= VS. XVIL 21) cikshä | säkhibyah. VIL 32,20 c= Sw L 3. 2282- e TS: VIE 74 جد‎ Athi XVIL- 3,67), so wie Re, VIII. 92(81),9 (= iSv.. IL 8. 1. 10. 3) eikshä nah. VIII. 2,41° cikshä vibhindo (Säyana nimmt es für 2 Im- perf. Sing.; dann wäre 4 für auslautendes as ein- getreten (vgl. die Ite Abhdlg in Bd. XIX, 255; doch ist die Annahme nicht absolut nöthig.) VIII. 66(55),14° cikshä cacishtha, IX. 81,3° cikshä vayodho. Die Stelle, wo Position folgt, erscheint in dem Refrain in Rv. II. 11,21° cikshä stotribhyah, wiederkehrend in Rv. II. 15,10°; 16,9°; 17,9°; 18,9°; 19,9° und 20,9. 78.: ©0668. (RPr. 464; 465). Re, VI. 16,45° = Be II. 6. 2. 2. 3 cöcä vi. VII. 2,1° cöcä brihäd. VIII. 60(49),6° cöcä gocishtha. 19. erudhi (RPr. 471; 483). 1. vor nah Re VI. 26,1°; SX 11,9 (= Ab, XVII. 1,25) und Br. X. GLl4, | 2. vor havam Re IL 11,1°; VI. 21,10°; VII. 224° — Se IL. 9. 1. 13. 1); Rv. VIII. 95(84),4° (= Sy. I. 4. 2.1.5); Rv. X. 148,5°; Ath. 1I. 5,4°; vgl. XV. Nur einmal bleibt vor einfachem Consonanten kurz, nämlich Rv. 1. 48,10% grudhi citrämaghe. ١ 80. eröta (RPr. 465; VPr. III. 128), stets gedehnt, nämlich: Rv. I. 122,11” crötä räjäno. QUANTITÄSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAMHITA- Û. PADA-TEXTEN ETC. 39 V. 87,8” erötä hävam; ebenso 9 VII. 39,3° 20858 vor Position: VS. VI, 26,c° çrótå gräväno. 81. säkshva (RPr. 465). Rv. I. 42,1° sakshvä deva. 82. sûna (RPr. 462; 465; 486), auch vor Position : Be N 42,1 Be EL ER 1 8042 م‎ IX. 4,3° — Sy. II. 4. 1. 4. 3 sänä däksham. IX. 9,9° sánå medhä’m. vor Position: IX. 4,2" — Sv. II. 4. 1. 4. 2 sánå jyötih; vgl. XV. 83. sára (RPr. 465). Rv. IX. 41,6° = Sv. II. 3. L 3. 6 Mia raseva. 84. sädha (RPr. 465). Rv. IV. 3,8° sä’dhä divé. 85. sima (RPr. 465). Re VOL 41° = Sv. L3 24.7 = Ath. XS. 120,1 simä purü (dunkel). 86. seija (RPr. 463; 465; TPr. III. 12). Rv. I. 80,4° srijä marütvatir. VII. 86,5% srijä vatsäm. IX. 100,3? und TS. IL 4. 8,2, c* srijä vrishtim. Vgl. XV. 87. sédha (RPr. 465, Ausn. 466) nur ein Fall lang Rv. VI. 44,9° sedhä jänänäm; der andre kurz Rv. X. 25,7° sedha räjan. 88. s6ta (RPr. 464; 465). Re VHE 1,17° sötä hi. 89. stäva (RPr. 465). Rv. II. 11,6° stävä nú (entschieden für stáváni). — Vgl. XV. 90. svena (Bir 485; TPr. II. 10) nur Rv. VII. 21,6: — TS. VII. 4,15 svenä hi. 91. hatû (RPr. 485). g Rv. IX 101,13‘ hatû makhäm. E 2 40 THEODOR BENFEY, QUANTITÄSVERSCHIEDENHEITEN ETC. Dagegen auch ein Fall, wo kurz Re I. 23,9° hatá vriträm. Berichtigung zu der 2ten Abhandlung: Durch ein Versehen ist S. 59 hinter 38, statt 39, 40 gezählt; es sind demnach die Zahlen von 40 an um eins zu verringern und 5. 90 Z. 17 ist 96 und 41 statt 97 und 42 zu verbessern. S. 61 ebds. ist Z. 20 vor 7252868 die Zahl 46 hinzuzufügen. S. 78 ebds. Z. 15 ist SU statt sú zu bessern. In der vorliegenden Abhandlung S. 31 Z. 2 verbessere man: Bei- träge z. vgl. Sprachforschung. Das Indogermanische Thema des Zahlworts ‘Zwe ist du. Von Theodor Benfey. (Vorgelegt in der Sitzung der Königl. Ges. der Wissenschaften vom 5. August 1876.) S 1. . Die in der Ueberschrift ausgesprochene Annahme ist schon in meinem Griechischen Wurzellexikon Bd. II. (1842) S. 218 angedeutet. Sie zu erweisen, oder wenigstens zu hoher Wahrscheinlichkeit zu erheben, machte der damalige Zustand der Indogermanischen Sprachwissenschaft noch nicht möglich und es ist deshalb a. a. ©. dem Worte du noch ein Fragezeichen beigefügt. Mit der Zunahme der Kenntnisse und Forschungen auf diesem Gebiete haben sich auch die Mittel eingestellt, welche eine Begründung dieser Annahme verstatten, und wenn mich nicht andre, wie mir schien, wichtigere Arbeiten zurückgehalten hätten, würde ich es schon lange gewagt haben einen Versuch zu machen dieses Fragezeichen auszumerzen. Wenn ich mich jetzt dazu entschlossen habe, so fühle ich mich dazu bestimmt, ja genöthigt dadurch, dass ich glaube diese Annahme in meine Grammatik der vedischen Sprache aufnehmen zu müssen und demgemäss halte ich mich verpflichtet, die Gründe, welche mir dafür zu sprechen scheinen, in einer, wenn auch nicht erschöpfenden — denn die Erörterung der principiellen und Detail-Fragen, welche zu diesem Zwecke in Betracht gezogen werden müssten, würde den Um- Histor.-philog. Classe. XXI. 3 A 2 THEODOR BENFEY, fang eines ganzen Buches einnehmen — doch für das nächste Bedürfniss genügend scheinenden Weise vorzulegen. 8. 2. Zu der Zeit, als die uns bekannten Indogermanischen Sprachzweige sich vom Grundstocke abtrennten und besonderten, treten uns wenigstens drei thematisch verwandte Formen als Ausdruck des Zahlworts ‘zwei’ entgegen: 1. dua oder dva. Beide erscheinen im vedischen Sanskrit, nur die letztere im gewöhnlichen, in den Veden aber vorherrschend die erstere (vgl. Grassmann, Wörterbuch zum Rig-Veda, Col. 649. 650, auch weiter- hin §. 12), z. B. Rv. I. 155,5, wo die Samhitä zwar in Uebereinstimmung mit dem gewöhnlichen Sanskrit dv hat, aber das Metrum entschieden du zu lesen gebietet. Der Stollen ist ein zwölfsilbiger, in der Samhitä: dvé id asya krämane svardrigo zu lesen: due id asya krämane suardrigo v—v— | —w— | vr— |. Dagegen ist die Liquida v zu lesen Rv. III. 2,9, wo der Stollen ebenfalls zwölfsilbig: u lökam u dré úpa jämim iyathuh v—u— | —w— [vor |. Im Lateinischen erscheint regelrecht als Reflex von dua im Nomin. Msc. und Ntr. duo, und so auch sonst u: duos, duðrum , duobus, duae, duarum, duabus, duas. Im Griechischen dvo als regelrechter Reflex von dua entschieden in der Form dvoiow, vielleicht auch in dvoiw (vgl. §. 14). Im Zend dva in dvayäo. Ebenso im Germanischen der regelrechte Reflex der Basis dva z. B. gothisch wa in wai, dem Nominativ Plur. Msc. nach der pronominalen Declination. + 2. dvi z. B. in sskrit. deis ‘zweimal’ = griechisch de, mit der- selben Bedeutung und, wie gewöhnlich, mit Einbusse des v; mit dem- DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DT. 3 selben Verlust entspricht ihm lateinisch dis (vgl. cani für cvani, aus grundsprachlich ķúan, griech. xo»), aber mit der auf den ersten Anblick sehr abweichenden Bedeutung ‘auseinander’; dagegen ist die Bedeutung dieselbe wie in sskr. dvis, dis, aber die Form anders verändert in lat. bis für dvis; die letztere Umwandlung ist — natürlich völlig unabhängig vom Latein -— auch im Zend eingetreten und bis hat hier auch dieselbe Bedeutung ‘zweimal. Doch hat dvis im Zend, ähnlich wie im Latein, noch eine zweite Form erzeugt, aber nicht, wie im Latein, durch Ein- busse desv, sondern des d, nämlich vis, und diese hat wesentlich dieselbe Bedeutung wie das lateinische dis, nur dass aus dem Begriff ‘ausein- ander’, vermittelst ‘getrennt’ die Bedeutung ‘weg’ hervorgetreten ist (vgl. z. B. die Bedeutungen von dimittere und andern mit dis zusammenge- setzten lateinischen Wörtern, auch die des sanskritischen Präfixes vi, ebenfalls mit Einbusse des anlautenden d). Diese Zusammenstellungen, in denen das Auseinandergehen des in- dogermanischen dvis in zwei scheinbar so sehr verschiedene Bedeutungen wie ‘zweimal’ und ‘auseinander’ uns entgegentritt, sind zwar wesentlich schon in dem Griechischen Wurzellexikon II. 219 mitgetheilt und auch der Grund, durch welchen sich diese auffallende Erscheinung erklärt, kurz angedeutet. Allein schon diese Kürze und noch mehr der Um- stand, dass uns eine fast ganz analoge Erscheinung sogleich von Neuem begegnen wird, macht es mir zur Pflicht hier etwas näher auf sie ein- zugehen. Es ist nämlich a. a. ©. 5. 219 bemerkt, dass das grundsprachliche dvis, meiner Ansicht nach, eine Verkürzung des Locativ Pluralis, das heisst aus ursprünglichem dvi-sva entstanden sei. Es ist das zwar nur eine Hypothese, allein, wenn man bedenkt, dass die indogermanische Grundsprache in der langen Zeit von ihren ersten Anfängen an bis zu ihrer Besonderung, in Uebereinstimmung mit dem historischen Charakter der Menschheit überhaupt und der allgemeinen Entwicklungsweise der Sprachen, lautliche Umwandlungen eben so gut und wesentlich in der- selben Art erleiden musste, wie in den besonderten Sprachen, dass deren ferner eine nicht unbeträchtliche Anzahl schon jetzt und bei tieferem A2 4 THEODOR BENFEY, Eindringen in Zukunft noch mehr nachgewiesen zu werden vermögen, dass insbesondere zu Adverbien gewordene Casus , weil aus ihrem cate- gorischen (hier flexivischen) Zusammenhang gerissen, oft sehr individuellen lautlichen Veränderungen ausgesetzt sind, dass uns endlich eine lautlich ganz analoge Erscheinung sich in dem lateinischen Indeclinabile semis für grundsprachliches sämisva (adjectiv = griechisch Lg! zeigt, dann wird man diese Erklärung schon darum für wahrscheinlich genug halten dürfen, um sich berechtigt zu fühlen, sie so lange festzuhalten, bis die Falschheit derselben erwiesen ist. Nun ist es aber auch bekannt und kann, wenn irgend Jemand daran zweifeln sollte, vollständig erwiesen werden, dass der Locativ in der Grundsprache sowohl die Bedeutung der Ruhe hat, gewissermassen ‘in ... seiend’ als die der Bewegung zu dem, wo die Ruhe eintritt, gewisser- massen ‘in.... machend’. So bedeutete dvisva zugleich ‘in zwei (Dativ zweien) seiend = ‘zwiefach, doppelt’ (in sskr. dots griech. dis, zendisch und lateinisch bis) und ‘in zwei (Accusativ) machend, theilend’ — ‘auseinander in lat. dis, zendisch vis. Aber auch wenn man diese Auffassung von dvis nicht billigt, son- dern dessen s als ein ursprünglich selbstständiges Suffix betrachtet, wird man dennoch die Nothwendigkeit anerkennen, die Bedeutung des latei- nischen dis und des griechischen dis durch eine gemeinsame Grundlage zu erklären und als diese auch in diesem Fall ‘in zwei’ aufstellen müssen. Diese Erscheinung würde ein vollständiges Seitenstück durch griechisch due erhalten, wenn sich mit Bestimmtheit annehmen lässt, dass die Praeposition 06, wie sie mit dë in drëzdoor der Form nach überein- stimmt — denn die Kürze des ¢ in der Präposition entscheidet dagegen nicht im Geringsten, da wir durch eine Fülle von Beispielen wissen, dass Partikeln auslautende Vocale leicht verkürzen — so auch der Bil- dung nach ursprünglich identisch sei. Allein wir werden sogleich weiter- hin (S. 7) eine andere Erklärung der Präposition geben, welche vielleicht gleich berechtigt ist. Dennoch erlaube ich mir, auch diese hieher zu setzen, einmal weil dieses Are zu dem Stamm gehört, dem diese Unter- suchung gewidmet ist, dann aber auch weil es vielleicht einem andern BE‏ ا يا DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS 2wtt IST DU. 5 Forscher gelingt, ein Moment zu entdecken, welches der einen der bei- den Erklärungen den Ausschlag giebt, und endlich, weil, wenn diese Erklärung sich als die richtigere erweist, die Doppelbedeutung um so interessanter wäre, da sie sich in demselben Worte erhalten hätte. = dw- in dı@-x0010 ‘zwei Hundert’, ist genau so gebildet wie zoue in Twı@-20010 u. s. w. Diese Bildungen werden in keiner der Indogerma- pischen Sprachen widergespiegelt und können demnach für verhältniss- mäsig jung gelten; 2016-0000 u. s. w. sind aus zwei zusammengerückten Wörtern und zwar Nominativen Plur. Ntr. der Grundzahl und des Zahlworts für Hundert, z. B. vote xor«& (letzteres vom Thema xoté — zero in &=xerö-v), durch Antritt des, ursprünglich ‘Angehörigkeit’ aus- drückenden, Suffixes م‎ (für ursprünglicheres ta) in Adjective verwandelt. Bei ‘zwei Hundert’ hätte man zwar, da der Dual im Griechischen be- wahrt ist, den Dual der beiden zu Grunde liegenden Zahlen erwartet; allein in due zo einen Dual ntr. nachzuweisen würde nicht ohne ge- waltsame und sehr unwahrscheinliche Voraussetzungen möglich sein. Es ist daher kaum zu bezweifeln, dass in dieser, wie gesagt, verhältniss- mässig jungen Bildung die Sprache sich durch die Analogie der übrigen sieben Hunderte von ‘drei Hundert an bestimmen liess, auch hier den Plur. des Ntr., durch langes á gebildet (vgl. ge in zeıixovre und lat. gintd in trigintä weiterhin), zu verwenden. Hier bedeutet dann dı@ die Verdoppelung von eins. Da nun bekanntlich im Griechischen der mit dem Nominativ formal identische Accus. der Ntra häufig adverbiale Be- | deutung annimmt, so würde von dieser Seite nichts entgegenstehen, die Praeposition ds — die Präpositionen sind ja bekanntlich ursprünglich Adverbia — mit diesem Are zu identificiren. Als Präposition hat aber dı wesentlich dieselbe Bedeutung wie das lateinische dis, ursprünglich in zwei (Accus.)’, ‘auseinander, durch, — Ebenso erscheinen auch beide Bedeutungen in diye, 'zwiefach’ (= verdoppelt) und ‘verschieden’ (aus | “in zwei getheilt’, ‘auseinander’); vgl. auch die übrigen Zahladverbia auf re, | Demgemäss bedeutete auch dvis ursprünglich sowohl die ie de lung einer Einheit zu zweien ‘zweimal, als die Trennung derselben ın 6 THEODOR BENFEY, zwei Theile, ‘auseinander. Die alte Sprache machte dazwischen keinen Unterschied; sie überliess das specielle Verständniss — wie dies ja auch die cultivirtesten Sprachen in unzähligen Fällen (vgl. lateinisch ‘tertia’; ‘die dritte und ‘Drittheil’) und selbst noch heutigen Tages thun — dem Zusammenhang der Rede. War doch der Gebrauch der Sprache damals auf die mündliche Mittheilung beschränkt und eine Bestimmtheit, wie sie die schriftliche Anwendung derselben nöthig macht, lag noch in weiter Ferne. Verstand der Hörer nicht, was der Sprechende meinte, so konnte er ihm dieses durch erweiterte Rede, oder durch eines der übrigen Mittel erläutern, welche dem Menschen zur gegenseitigen Ver- ständigung zu Gebote stehen und noch heutigen Tages nicht selten zu ähnlichen Zwecken angewendet werden. Wie kam es aber nun, wird man fragen, dass einige der Indoger- manischen Sprachen die eine Bedeutung in diesem Worte ganz einge- büsst haben, wie das Sskr. u. s. w., andre, wie das Latein und Zend, die eine der einen Lautumwandlung, lat. und zend. bis, die andre der andern, lat. dis, zend. vis, zugetheilt haben? Der gemeinschaftliche Grund für beide Erscheinungen liegt darin, dass sich hier — wie ähnlich in so vielen andern Fällen — im Verlauf der Zeit doch herausstellen musste, dass die beiden Bedeutungen, welche dvis in sich vereinigte, zu verschiedenartig waren, um nicht häufig Miss- verständnisse herbeizuführen. In solchen Fällen bewahrt das Wort ge- wöhnlich nur die Bedeutung, in welcher es am häufigsten gebraucht ward, für die andere wird ein anderes verwendet. So ist im Sanskrit dvis, griechisch dis nur für die der Verdoppelung ‘zweimal’ im Gebrauch geblieben, für die der Trennung ‘in zwei, auseinander’ ist im Griechischen dıe fixirt, im Sanskrit eine Verstümmelung eines noch nicht mit voll- ständiger Sicherheit nachzuweisenden Casus von dvi, nämlich vi, zen- disch أنه‎ '). 1) Dass im Avesta nur vi herrscht, ergiebt. sich aus Justis Wörterbuch mit Leichtigkeit. Unter allen Nominalzusammensetzungen, deren vorderen Theil es bildet — und es finden sich deren bei Justi (S. 277—284) über achtzig — hat nur eine / | / 5 Se E E ENEE DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 7 Dieses ví führt nämlich auf die oben angedeutete andere Erklärung der Präposition doc Sowohl im Sanskrit als Zend entsteht nämlich f häufig durch Zusammenziehung von 7é oder fá (vgl. z. B. vedisch und zendisch 7 für á und fd im Instrumental der Themen avf ? und î und sonst). So könnte vî für vid stehen und, da vor v unzweifelhaft d ein- gebüsst ist, wäre dann die Urform 014: da aber im griechischen in di für dvis das v eingebüsst ist, so konnte dies auch hier geschehen sein und die Präposition dı@ wäre dann mit zend. ví sskr. ei identisch und vi, alle anderen haben vi. Ebenso ist unter den Verbalzusammensetzungen oder -ver- "bindungen, deren Zahl zu gross ist, um sie hier aufzuzählen, nur ein Fall, wo vč erscheint, nämlich o? ooch: denn vitbi für vibů zu nehmen, ist bedenklich. Damit man die Fälle bei Justi nachsehen könne, will ich die Verba; welche mit vî erscheinen, hier auf- führen. Zu bemerken ist nur, dass Justi im Lemma — ich glaube fast stets — or drucken lässt, aber in den angeführten Stellen vî hat. Die hieher gehörigen Verba sind urvic, kan, karet, garew, ghzhar, gherad, car, ci, cish (vi getrennt), jam (ebenfalls getrennt), jaç (vereint und getrennt), tar, dar, dä ‘geben’, dû ‘setzen’, du, nam (ge- trennt), nac (vereint und getrennt), pat (getrennt), fshénay (getrennt), bakhsh, bar (vereint und getrennt), man, marez, marehc, mrü (vereint und getrennt), yuz, råz, rud, vanih ‘kleiden’, vanh, ‘leuchten’, vad, vå, vår, vid, gpar, grage, gru, shu (vereint und getrennt), 57:0. Ueber die Ableitung vi-tara, wo Sskrit vitara hat und über vizlwanc = sskr. vishvanie s. weiterhin im Texte dieses $. Dass auch in vîgpa ‘all’, welchem sskr. 27 مم‎ entspricht, eine Ableitung von einem mit vî (sskr. vr) zusammengesetzten Verbum zu erkennen ist, ist schon im GWL. II. 167 bemerkt. Es ist das schon grundsprachliche Verbum , als dessen Urform — mit dem Ptsb. Wtbch. — sskr. org statt çvi, wie a. a. O. geschehen, grundsprachlich kvä anzusetzen ist. Davon ist in sskr. sa-gwant (= ännavı, dnavı , navt) çvant das Ptep. Aorist. 11. (vgl. von dä den vedischen Aor. ddam u. s. w., wo in û das Präfix steckt, Ptsb. Wtbch. II. Col. 569; von 086, dhat, von ré, ahvat u. s. w.); gva in vi-gva = vigpa ist dessen durch Heteroklisie berbeigeführte Verstümmelung: vi-gpa, sskr. vi-çva aus ursprünglichem di-kvant wörtlich ‘in zwei = auseinander, nach vielen, allen Seiten (vgl. die Bedeu- tungen von sskr. vi, vishvane, lat. dis u. andern aus dem Zahlwort ‘zwei’ entsprungenen Wörtern) auseinanderschwellend, dann ‘alle’, bezeichnet eine Totalität als sich durch die darin enthaltenen Individuen weit verbreitend; 'sskr. sa-çvant für ursprüngliches sa-kvant ‘zusammen schwellend’ (gewissermassen ‘sich zusammen bal- lend’), dann ebenfalls ‘alle’, bezeichnet dagegen die Totalität als aus einer Menge Individuen bestehend, zusammengeballt. 8 THEODOR BENFEY, dvid als Präposition schon in den indogermanischen Sprachschatz auf- zunehmen. Dass gerade der Instumental häufig adverbiale Bedeutung annimmt, ist bekannt; ganz analog wäre die Bildung in diesem Fall dem lateinischen quia von qui = grdsprchl. ki, eigentlich ‘durch welches — RER. Hat aber eine Sprache von Wörtern oder Begriffselementen phone- tisch verschiedene Formen entwickelt und nicht; wie so oft, alle bis auf eine eliminirt, sondern mehrere nebeneinander bewahrt, dann findet sich nicht selten, dass sie sich der lautgespaltenen Formen zur Unter- scheidung der in den Wörtern liegenden verschiednen Bedeutungen oder zur Differenziirung grammatischer Categorien bedient; so ist z. B. wenn und wann im Deutschen lange ohne Unterscheidung neben einander ge- braucht, und ein Unterschied im Gebrauche beider Formen erst in unserm Jahrhundert zur vollständigen Herrschaft gelangt; eben so hat sich ahnen von anden streng geschieden; auch französisch diner und dejeüner sind nur phonetisch verschiedene Formen von disjejunare, aber schon lange in ihrer Bedeutung streng getrennt. In derselben Weise sind auch die phonetisch verschiedenen Formen von dvis im latein. dis und bis, im zend. vis und bis so geschieden, dass dis, vis auf die Bedeutung ‘in zwei, auseinander, bis auf die Verdoppelung ‘zweimal’ beschränkt ward. Bezüglich der Categoriendifferenziirung will ich nur an die be- kannte sanskritische Verwendung der phonetisch zu n, e differenziirten Endung des Acc. pl. m. und fem.: ns') zur Unterscheidung mehrerer Themen-Classen im Masculinum und Femininum erinnern. 3. Die dritte indogermanische Form entstand durch Einbusse des d in dvi. Dass auch diese schon vor der Trennung der Indogermani- ae Eigentlich m ms; denn der Acc. ri ist ursprünglich der durch s plura- lisirte Singular, z. B. agvam-s der Sing. acvam mit pluralisirendem s, gerade wie der Dat. Plur. ebenso aus dem Singular gebildet ist, z. B. bhyam, in tubhyam, wird bhyam-s, dann bhyas im Plural, bhyâm für bhyams im Dual. Das indogermanische Nominalthema hatte nämlich ursprünglich allgemeine, d.h. in der Praxis collective Be- deutung. Aus dieser ward zuerst der Singular, z. B. im Nomin. durch Antritt von sa ‘ein’ gebildet, dann aus dem Sing. der Plur. und Dual. Darüber eingehend an einem andern Orte. DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ZWEI IST DU. 9 schen Sprachen bestand, zeigt das indogermanische Wort visva. Im ` Sanskrit wird dieses widergespiegelt in vishva-dryanc und vishuva (mit der in der Taittiriya-Samhitä so häufig vorkommenden Aussprache von v durch مه‎ [vgl. Weber, Indische Studien XIII. 105), welche auch im Päli [vgl. z. P. Zenn! für sskr. çv und sv bei E. Kuhn, Beiträge zur Päli-Grammatik, S. 52] und Präkrit (vgl. z. B. duvära für sskr. dvära bei Lassen, Inst. ling. Pracr. .م‎ 184n.*) erscheint). Mit dem so häufigen Uebergang von va in u wird vishva zu vishu (vgl. vishu-vant in derselben Bedeutung, wie vishuva, ‘Aequinoctium’ wo Tag und Nacht gleich sind, der volle Tag also in zwei gleiche Theile zerfällt); dieses visku, mit ac zusammengesetzt, bildet viskvdne und diesem entspricht im Zend, mit regelrechtem Uebergang des stummen Zischlauts sk vor dem tönenden v in den entsprechenden tönenden 27, zugleich aber (s. d. Note S. 6 ff.) mit langem í, vizhvanc. Als schon dem indogermanischen Sprachschatz angehörig wird das Wort visva durch griechisch Zong (mit o durch Assimilation für GF) Go (mit spurloser Einbusse des F), Zog für Fıoro (vgl. Griech. Wurzellexikon 11. 222) erwiesen. Wegen des langen ź im zendischen vfzhvanc, sowie wegen der in der S. 6. Note angedeuteten Länge derselben in zend. ví = sskr. vi und des Circumflexes in Zoo könnte man auf den ersten Anblick geneigt sein anzunehmen, dass das grundsprachliche Wort ebenfalls langes ê gehabt, also visva gelautet habe. Allein das griechische Zog zeigt, in Ueberein- Stimmung mit den hierher gehörigen sankritischen Wörtern, entschieden kurzes 7 und die Länge in Zon erklärt sich durch die einstige Beschwerung durch die Position in Zero. welche hier ihre Spur in der Dehnung des ihr vorhergehenden Vocals zurückliess ` ausserdem ist dieses Wort nicht ‚mit der Präposition, welche im Zend vf lautet, zusammengesetzt, sondern von einer Form des Zahlworts abgeleitet, tritt also in die Categorie von grdsprchl. dvis, dessen i nur durch kurzes i widergespiegelt wird. Da wir nun im Zend den Vocal i gerade in der Silbe vi sehr häufig in Fällen gedehnt finden, in denen er grundsprachlich unzweifelhaft kurz war, Histor.-philog. Classe. XXI. 3. 10 THEODOR BENFEY, z. B. im Verbum vid sehr oft, wie 2107014 = sskr. vidyät und grdsprchl. vidtdt, vithushi — sskr. vidıisht, beide für grundsprachliches vidúsiá = home- risch vie für dere, so dürfen wir wohl unbedenklich annehmen, dass auch in vizhvanc die Länge des i unorganisch und vielleicht eben durch die fast stete Länge desselben in anlautendem أنه‎ herbeigeführt sei; vielleicht ist dasselbe auch für vitara anzunehmen. Da es keinem Zweifel unterworfen ist, dass das Zahlwort für ‘zwan- zig schon in der Grundsprache mit vf statt dví anlautete (vgl. lateinisch viginti, zend. vigaiti), so dürfen wir überzeugt sein, dass dieselbe Einbusse auch in visva eingetreten und dessen ursprüngliche Form dvisva gewesen sei, und dafür wird uns das Griechische weiterhin eine entscheidende Bestätigung liefern. Die Bedeutungen von sskr. vishvdnc ‘nach beiden Richtungen, ent- zwei, getrennt, nach jeder Richtung u. s. w., von vishva-dryane, ‘nach beiden Seiten hinaus, weg’, von vishuva und vishuvant ‘Aequinoctium' d. h. in zwei gleiche Theile getheilt', von zend. vizhvanc, bei Justi ‘über- all hinfliegend,’ eigentlich ‘nach jeder Richtung gewandt (wärts), griechisch Son gleich d. h. ‘das eine von in zwei (gleiche) Theile zerfallenden’ (s. weiterhin) schliessen sich alle an den Begriff ‘in zwei’ (Accusativ), wie lateinisch dis, griechisch dg sskr. vi und zendisch vi (S. Aft.). Leider kennen wir den Ursprung des angetretenen sva noch nicht. Bopp (vgl. Gr. $ 308) hat darüber zwar eine Vermuthung aufgestellt; allein es lässt sich ziemlich viel dagegen einwenden, so dass sie auf keinen Fall als gesichert betrachtet werden kann; ich würde eine andere entgegenstellen, allein auch diese scheint mir zu ungewiss, um mitgetheilt werden zu können. Dagegen wissen wir, welche Bedeutung es dem vorhergehenden Worttheil verleiht. Es ist nämlich dasselbe Bildungsele- ment, welches — von Bopp a. a. O. besprochen — im Zend auch in thri-shva von thri, drei, cathru-shva 1) von cathware, vier, erscheint. 1) Justi stellt als Thema cathrushu auf, während er richtig thrishva als Thema giebt; von jenem erscheint nur der Accus. cathrushüm, aber auch thrishva bildet in diesem Casus, mit u für va und der regelrechten Dehnung vor m: thriskûm. In dem unse DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 11 Diese Bildungen drücken eines der Producte der Theilung einer Zahl in gleiche Theile aus, ein Drittel, Viertel, Siebentel, Achtel, Fünftel; in derselben Weise drückt griechisch Zuse, welches grundsprachlich sämisva lauten würde, eines der Producte einer Theilung in Hälften, grandsprach- lich sámi von sama "gleich, aus. Dieses letzte Verhältniss von sämi zu samá (= uó) bildet gleichsam das Gegenstück des Verhältnisses von griechisch Zoo zu der Grundbedeutung von visva; wie sámi ‘halb’ aus samá ‘gleich’ abgeleitet ist, so ist die Bedeutung von 760 ‘gleich’ aus der von visva *halbirt’, Hälfte, hervorgegangen, also, wie thrishva, Drittel, ei- nes der Producte der Theilung in zwei gleiche Theile. Wir sahen nun oben 5. 4, dass das grundsprachliche dvis sowohl die Bedeutung ‘getheilt in zwei, auseinander‘, als die ‘gemacht zu zwei, ver- doppelt’ enthielt. Ganz dieselbe Erscheinung tritt uns nun auch hier entgegen. Wir sahen, dass visva für ursprüngliches dvisva steht, und ganz wie 2000 für visva, ist dı600 für dvisva eingetreten, hat aber nicht die Bedeutung ‘halb’, aus ‘in zwei getheilt, sondern ‘doppelt, aus ‘zu zwei gemacht. Eben so ist 704006 = zendischem thrishva, hat aber in gleicher Weise nicht, wie dieses, die Bedeutung ‘ein Drittheil‘, sondern ‘dreifach’. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, dass dieses 0660 nicht erst auf griechischem Boden entstanden sein kann, sondern zu der Zeit, in welcher das Griechische sich von der Grundsprache abtrennte, das ur- ` sprüngliche dvisva noch neben dem schon daraus hervorgegangenen visva von Jamaspji herausgegebenen “Old Zand-Pahlavi Glossary’ erscheint noch haptanhum mit kurzem u geschrieben, von haptan, sieben (S. 125) und ebenso astanhum von astan, acht (S. 85), welchen sanskritisches sapta-sva, ashta-sva entsprechen würde. Im Avesta erscheint noch dieselbe Bildung von dem Zahlwort für ‘fünf, aber in ano- maler Form und VVLL. bezüglich des dem auslautenden m vorhergehenden Vocals; Westergaard liesst (Yacna, 19, 7 = Spiegel, 13) pantanhem und so giebt auch das Old Zand Pahlavi Glossary p. 102, allein Westergaard’s K. 4, 6 haben pantanhum; auch Vd. VI. 32 — Sp. 69 hat W. em, aber hier findet sich als VL. wm und Tom: auch Vd. XVI, 2 — Sp. 7 erscheint die Variante "um; 0em ist demnach als Corrup- tion zu betrachten und %üm als die richtige Endung. B2 12 THEODOR BENFEY, bestand, jenes aber für die Bedeutung ‘doppelt’, dieses für ‘in zwei ge- theilt’ fixirt war, also hier schon in der Grundsprache derselbe Process vollzogen war, welcher sich im. besonderten Latein in Bezug auf bis und dis (beide für grundsprachliches dvis) zur Geltung brachte. $ ©. Da dem vorigen $ gemäss das indogermanische vi nur eine Verstüm- melung der Form dvi ist, so haben wir für eine ältere Periode unseres Sprachstammes nicht mehr drei, sondern nur zwei, thematisch gebrauchte, Formen des Zahlwortes für ‘zwei’ aufzustellen, nämlich dva und dvi. Aber auch für diese zwei entsteht die Frage, ob sie beide Urbil- dungen der Grundsprache sind, oder ob die eine aus der andern entstan- den oder beide aus einer ihnen gemeinschaftlich zu Grunde liegenden dritten. Freilich erscheinen im Indogermanischen nicht wenige gleichbedeu- tende und in ihren Formen sich nur wenig —- nicht selten wie hier bloss durch die Vocale a und i — unterscheidende Themen. Aber bei allen diesen entsteht nicht bloss dieselbe Frage, sondern in den meisten Fällen scheint mir bezüglich der Nomina dieser Art schon nachgewiesen oder entschieden nachweisbar zu sein, dass diese Differenzen nicht ur- sprünglich waren, sondern sich theils durch phonetische Neigungen theils durch Heteroclisie und andre Einflüsse erklären. Nur in Bezug auf Pronominalstämme dieser Art scheinen in der That schon ursprünglich durch verschiedene Vocale differenziirte Themen ange- nommen werden zu müssen; allein dieseDifferenziirungen waren wahrschein- lich nicht bedeutungslos, sondern drückten vielmehr Bedeutungsverschieden- heiten aus, welche in der Urzeit, aus der die Pronomina herrühren (vgl. Or. u. Occ. II. 748), wichtig genug waren, um besonders characterisirt zu wer- den. So finden wir z. 8. den Pronominalstamm ma in sskrit. (vedisch) a-ma = griech. @-uo in uñ, due. duoi u. s. w.; mi in griech. wi-v, sskr. a-mi (wohl für a-mi-i), Nom. pl. msc.; amfbhis Instr. pl. m. n. (vgl. 8 von amu) u. s. w.; mu in sskr. a-mü-shya, Gen. s. m. n., amit bhis Instr. DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEP IST DU. 13 Pl. fem.; ebenso na, z. B. in dem mit e (altem Locativ 1) vom Pronomen a her) zusammengesetzten sskr. e-na; mit ci in zend. ci-na, welchem griech. v-v für z-vo entspricht; nu bewahrt in der sskr. Partikel nú, welche im griechischen vg widergespiegelt wird; höchst wahrscheinlich ist auch ni grundsprachlich, obgleich nur in griech. سعد‎ und lat. e-ni-m nachweisbar. Eben so lässt sich für das Interrogativum ka und ki, viel- leicht auch Au als grundsprachlich nachweisen, ferner ein Demonstrati- vum gha und ghi u. s. w. Wenn wir aber die geringe Zahl der Prono- mina, mit welchen die jüngsten Phasen des Indogermanischen sich be- helfen, mit der, je weiter wir zurückschreiten, desto mehr zunehmenden Anzahl derselben vergleichen, dann werden wir zu der Annahme ge- drängt, dass sie ursprünglich keinesweges, wie später, kaum nüancirte, gewissermassen personificirte, Abstracta der Demonstration, Relation, In- terrogation bezeichneten, sondern scharf und bestimmt nach Oertlich- keit, Zeit und vielleicht andren Momenten differenziirte Pronominalthemen waren. Zu derartigen Unterscheidungen mochten dann auch neben den Consonanten die alten drei Vocale dienen. Keine Spur einer derartigen Verwendung der Vocale lässt sich aber im gesammten übrigen Sprach- schatz erkennen, speciell so wenig bei den Nominibus als bei den Zahl- wörtern. Diese letzteren schliessen sich überhaupt den Nominalthemen im grammatischer Beziehung im Wesentlichen eng an, wie sie sich ja auch dadurch, dass sie das decadische Zahlsystem in einer für alle Zeiten genügenden Vollendung darstellen, als Resultat einer hohen Sprachent- wicklung erweisen. Nur einen Punkt giebt es, in welchem sich zwei Grundzahlwörter, welche aber in Beziehung auf ihn für eines gelten müssen, von dem Character der späteren Epoche theils vielleicht nur in Bezug auf die Anwendung einer verschiedenen Analogie, theils aber, wenigstens von der Bildung der übrigen Grundzahlen, ganz entfernen. Er betrifft die Bildung des Femininums von ‘drei’ und ‘vier. Unter sich 1) Statt des späteren asmin, vgl. die sanskritischen alten Ablative yät, tät, ekät, statt der späteren yasmät u. s. w. Den ersten beiden entspricht bekanntlich we, GE 8 14 THEODOR BENFEY, aber stimmt diese so sehr überein, dass sie für eine beiden angehörige betrachtet werden darf. Das Thema des Femininums von grdsprchlich tri ‘drei’ und katvar ‘vier lautet nämlich in der Grundsprache bezw. tasar und katasar, im Sanskrit fisdr und catasar, im Zend tisar (tishar) und catanhar 1), im Al- tirischen Zeoir, teora und cetheoir, cetheora. Danach sieht das Zahlwort für ‘vier so aus, als ob es eine Zusammensetzung mit dem für ‘drei enthalte. Da das Zahlwort für ‘eins’ im Sanskrit eka heisst, im Zend ava, welchem sskr. opd entsprechen würde (und auch in der Partikel evd sich der Form nach und, wie wir gleich sehen werden, auch in in- nigst verwandter Bedeutung erhalten hat), im Lateinischen oino (üno) = ovo in org ‘eins’ auf Würfeln = gothisch aina-s u. s. w. (s. Fick, vgl. Wtbch der Indog. Spr. I5, 505), welchem der Form nach das schon erwähnte zusammengesetzte Pronomen des Sanskrits e-na entspricht, dann liegt der Gedanke unabweislich nah, dass, wie e-na, der Reflex von grundsprachlichem ai-na, wenn ai oben richtig als Locativ des Prono- mens a gefasst ist, eigentlich Aier-er, zur Bezeichnung der Einzahl in den europäischen Sprachen des Indogermanischen Sprachstammes verwendet ward, auch in sskr. eka, welchem grundsprachlich aika entsprechen würde, und zend. aéva, welchem grundsprachlich aiva wirklich entspricht — denn dafür entscheidet das griechische olo für offo allein (eine Bedeutung, welche auch die ursprüngliche der schon mit dem zendischen Worte zusammengestellten sskrit. Partikel evé — alten Instrumentals für evő ?) — ist) — Zusammensetzungen des Locativs ai vom Pronomen «a mit Pronominibus zu erkennen sind. Dafür spricht auch der Umstand, dass das indogermanische sa sowohl das Pronomen der dritten Person und Demonstrativ ‘er, dieser’, als auch das Zahlwort ‘eins’ bezeichnet. Das va in dem grundsprachlichen ai-va schliesst sich dann an den Pronomi- nalstamm va, welcher in dem zendischen, mit a, wie oben a-ma u. aa., zusammengesetzten Pronomen a-va ‘jener, im Griechischen in der weite- 1) Von Bezzenberger in ‘Beiträge z. vgl. Sprfschg’ VII. 119 nachgewiesen. 2) vgl. ‘Quantitätsverschiedenheiten’, dritte Abhandlung, S. 12 in Bd. XXI der Abhandl. der kön. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 15 ren Zusammensetzung «@vV-zö und sonst erscheint, und ai-va bedeutete etwa ‘hier jener, das ka in ai-ka, endlich ergiebt sich als das Prono- men interrogativum, aber in der indefiniten Bedeutung: ‘hier wer — irgend einer — einer 1), In der Zusammensetzung mit dem Zahlwort für drei hat dieses eka entweder — bei der Neigung der Zahlwörter, sich in Folge ihres häufi- gen Gebrauchs zu verkürzen — das anlautende e auf bloss phonetischem Wege eingebüsst, oder ka wurde wie in den Veden 2) und ähnlich wie das griech. indefinite zís auch allein in der Bedeutung ‘irgend wer, einer’ gebraucht oder für genügend gehalten. Ist die Vermuthung, dass ka-tvar eine Zusammensetzung von ka ‘eins’ mit dem Zahlwort, welches ‘drei’ bedeutete, sei, zu billigen, dann haben wir aber zugleich anzunehmen, dass nicht tri die ursprüngliche Form sein könne, sondern nur eine die sich enger an tvar schliesst, etwa tvari. Diese hätte das va vielleicht zunächst in das so oft für va schon in der Grundsprache eintretende u verwandelt und dieses wäre, durch die erwähnte Neigung ‚Zahlwörter zu syncopiren, von dem ja selbst ein vocalisches und zwar dem u nächst verwandtes (vgl. die insbesondere in den Veden häufige Umwandlung von a vor und hinter r zu u) Ele- ment enthaltenden r absorbiıt. So wäre dann wier bezeichnet durch ‘eins dre’ für ‘eins und drei’ und zwar ganz nach demselben Gesetz, wie in der späteren Phase die Grundzahlen zu den Zehnern treten, z. B. fr - deza ‘eins zehn’ für ‘eins und zehn’ u. s. w. Ist diese Annahme richtig — und ich glaube, dass wir sie wenig- stens für höchst wahrscheinlich halten dürfen — dann müssten wir in dieser Bildung vielleicht einen Ueberrest einer uralten Periode sehen, in welcher die Indogermanen, gleichwie noch heute brasilianische Auto- chthonen, nur bis drei zählten (vgl. Pott, Quinare und Vigesimale Zählme- 1) Beiläufig bemerke ich, dass der als Partikel verwandte Accus. sing. n. im Sskr. kám, kam =, griech. xá (dorisch), xé», xé ebenfalls zu dieser indefiniten Be- deutung gehört und in Bedeutungen gebraucht wird, welche sich an ‘irgend’ schliessen. 2) vgl. Grassmann, Wtbch z. Rigv. 307, ká, 5,2. 16 THEODOR BENFEY, thoden 1847 8. 3; 4; 6; 7; 9), oder nur bis drei reichende Zahlwörter besassen, und, weiter schreitend, gleichwie die Völker der quinaren Zähl- methode ‘sechs’ durch ‘fünf und eins’ ausdrücken (ebds. S. 21 ff.), ‘vier durch ‘eins und drei’ bezeichnend, nahe daran waren, statt ihr vollen- detes dekadisches System zu schaffen, in einem triadischen stecken zu bleiben. Dass diese Bildung einer sehr alten Zeit angehörte, zeigt auch eben der Ausdruck des Femininums dieser Zahlwörter. Er ist nicht, wie bei fast allen Nomina und auch bei den Zahlwörtern ‘eins, zwei durch gewöhnliche Motion aus dem Masculinum gebildet, sondern nach Ana- logie einiger wenigen Nomina — ähnlich wie noch heute ‘Ziege dem Masculinum ‘Bock’ gegenübersteht — durch ein besonderes, sicherlich mit dem Zahlwort für "drei lautlich gar nicht verwandtes, Wort tasar bezeichnet. Eine Etymologie von diesem kennen wir eben so wenig wie von tvar. Wie diese Feminina in allen indogermanischen Sprachen, ausser den Arischen (Sanskrit, Zend, Päli und Präkrit) und Celtischen eingebüsst sind, so auch in allen modernen indischen, daher mir auch nicht unmöglich scheint, dass sie im Päli und Präkrit nur dem Einfluss des Sanskrits verdankt werden. Auch im Rämäyana IV. 39, 33 findet sich schon das Masculinum von catvar statt des Femininums gebraucht (s. Ptsb. Wtbch unter catvar). Mit diesen Abweichungen von dem Character der uns bekannten Phase des Indogermanischen kann aber die Doppelform dva und dvi auch nicht entfernt auf gleiche Stufe gestellt werden. Sie tritt vielmehr äusserlich zunächst in Analogie mit dem Verhältniss von z. B. sskr. aksha zu akshi ‘Auge’, weiter dann zu den gleichbedeutenden Wörtern überhaupt, deren Themen sich lautlich nur sehr wenig unterscheiden. Wie diese berechtigen ja verpflichten zu untersuchen, ob diese Unter- schiede ursprünglich oder erst im Verlauf der Sprachentwicklung einge- treten sind, so sind wir sicher berechtigt, im Folgenden zu versuchen auch das gegenseitige Verhältniss von dva und dvi aufzuhellen. PE EE EE E E ل‎ LS EE DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTES ‘ZWET IT DV. 17 $. 4. Schon Bopp hat (vgl. Gr.$. 320), wenn auch nur als wahrscheinlich, ausgesprochen, dass die voranstehende kleine Zahl in den Zehnern von «dreissig’ bis ‘neunzig’ im Griechischen und Lateinischen, z. B. toi- in pue gur quadrä- in quadrä-ginta, eine neutrale Pluralform sei. Diese An- nahme ist jetzt keinem Zweifel mehr unterworfen, da wir sicher wissen, dass die letzterreichbare indogermanische Endung des Nomin.-Acec.- Voc. Plur. des Ntr. durch 4 gebildet ward und alle hieher gehörigen Formen dieser beiden Sprachen sich mit Leichtigkeit daraus erklären lassen!). Dasselbe gilt auch für die Zehner von ‘dreissig’ bis ‘fünfzig’ des arischen Sprachzweigs, obgleich hier noch einige Schwierigheiten in der Detailerklärung wegzuräumen sind, welche jedoch dem Resultat im Ganzen keinen Abbruch thun. So ist z. B. im sskr. catvári -m-cät der regelrechte spätere Nom. pl. des Neutrums catvdri für ursprüngliches in- dogermanisches katvard (= 2007, quadrä) eingetreten; und dieser wird trotz des anomalen, wahrscheinlich durch die vielen auf re auslautenden Wörter herbeigeführten e für a, noch treuer im zendischen cathware - cat oder -cata widergespiegelt. Zendisch thri in thri-gat, oder -cata, dreissig, lässt sich sehr gut, in Analogie mit ganz ähnlichen Fällen, zunächst für Verkürzung von thrí nehmen und dieses für Zusammenziehung von thrid); dasselbe gilt auch für sskr. tri in tri-m-çát; denn schwerlich berechtigt uns der Nasal tri aus tríni, der spätern Form des Nom.- Acc. Plur. des Ntr., zu deuten; dieser Nasal ist vielmehr eben so zu fassen, wie die an derselben Stelle der Zusammensetzung, im Gegensatz zu allen verwand- ten Sprachen, erscheinenden Nasale im sskr. schon erwähnten Zahlwort für ‘vierzig’ und ‘zwanzig’ vi-m-cad DBopp’s Erklärung desselben aus dem ursprünglichen d in dagan ‘zehn’ (s. $ 5) möchte kaum zu billigen ja auch nur zu erwähnen sein; eine andre wird in 8 9 versucht werden. EE 1) Vgl. auch ‘Ueber einige Pluralformen des indogermanischen Verbums’ in den ‘Abhandlgn d. Kön. Ges. d. Wiss? XIII (1867), bes. Abdr. p. 6. n. 2) Vgl. oben § 2. 8. 7. Histor.-philog. Classe. XXI a 0 18 THEODOR BENFEY, Was endlich sskr. und zend. pancä vom Thema pancan in pancä-cat (oder zend. auch -gata) betrifft, so ist es das treueste Spiegelbild des griech. even- und lateinischen quinquä- in nevejzovre quinquägintä, so dass es sich von selbst versteht, dass wenn nevm und quinquä Nom.-Ace. Pl. Ntr. sind, auch paúcá dasselbe sein muss. Was die Formation be- trifft, so schliesst sie sich an die vedischen und zendischen Nom.-Ace. Plur. der Ntr. auf an, z. B. vedisch brahmä und brahma (vgl. mit letzterem den Nom.-Acc. von páńcan in der unzusammengesetzten Grundzahl: padnca) vom Thema bráhman (vgl. Grassmann, Wtbch z. Rig-Veda Col. 917) und zend. ma&cma Nom., náma Acc. des Ntr. madcman, náman. Es sind diess schon in der Indogermanischen Zeit eingetretene Nebenformen der ursprünglichlichen Form auf äná und späteren dnd, worüber eingehender an einem andern Orte (man vgl. für jetzt lat. ndmina goth. namna, welche grundsprachliches and, und goth. hairtöna, sskr. nämäni, welche grdsprchl. and widerspiegeln). S 5: Eben so verdanken wir Bopp a. a. ©. die Erkenntniss, dass der zweite Theil der Zehner mit dem Zahlwort für zehn zusammenhängt, dass in -xovre, lat. -ginta, sskr. -çat die erste Silbe des indogermanischen dakan ‘zehn’ eingebüsst sei. In der That, da der erste Theil als eine Form der Grundzahl, drei, vier u. s. w. feststand, war die Vermuthung, dass der zweite ‘Zehner bedeuten müsse, fast eine nothwendige Con- sequenz und die Einbusse des da von dakan wurde schön durch den Verlust des lateinischen de von -decim in den französischen Zahlwörtern gestützt, welche den lateinischen von ‘elf’ bis ‘sechszehn’ entsprechen, z. B. onze = undecim u. s. w. Ist ja doch auch nichts natürlicher, als dass der häufige Gebrauch der Zahlwörter leicht zu Syncopirungen, Ver- stümmelungen derselben, zumal der längeren, Veranlassung giebt, eine Vermuthung, welche durch die Geschichte der Zahlwörter in nicht we- nigen Sprachen ihre vollständige Bestätigung findet. Allein wie ist es möglich, diese mit grundsprachlichem dakan in Verbindung on Formen -zovze, -gintä, -çat aus diesem dakan zu 1 ا | | 3 i 2 1 A K i i | d A ? wird, dass auch nicht indogermanisches dakan die Urform war, ee د کی‎ E DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTES ‘ZWEI IST DU. 19 erklären? Hier habe ich mich genöthigt gesehen, von dem grossen Schöpfer der heutigen Linguistik abzuweichen und schon im Griechischen Wurzellexicon II. 212 anzunehmen, dass als ursprüngliche Form des zur Zeit der Sprachtrennung gebrauchten dakan nicht diese sondern dd- ` kant anzunehmen sei; etwas eingehender wurde diese Annahme im Glos- sar zum Sämaveda unter dagati erörtert, erhielt aber ihre weitere Be- gründung durch den später an verschiedenen Orten durch Beispiele be- legten Satz, dass die Themen auf an, in einer grossen Menge von Fällen nachweislich, aus ursprünglichen auf ant entstanden sind und zwar durch den in der Sprache so weit greifenden Einfluss der Heteroklisie und des prototypischen Characters des Nominat. sing. msc.; indem dieser Casus ursprünglich auf ant-s, dann, mit Einbusse des م‎ vor s, ans auslautete, s aber im Sprachgefühl als Ausdruck des Nominativs msc. und fem. le- bendig gefühlt ward, nahmen diese Nominative den Schein an, als ob ihr Thema nicht auf ant auslautete, sondern auf an, so dass die Endun- gen der übrigen Casus in vielen Fällen an die im Nomin., nach Auf- gabe des s, hervortretende Form auf an traten und die Veranlassung zu Themen auf an als Nebenthemen von ant bildeten. Wie sanskrit. yuvati oder yuvati “junges Mädchen’, das Fem. von yuvan, ‘junger Mann, zeigt, dass yuvant die ursprünglichere Form des letzteren war, was seine vollständige Bestätigung durch das vedische yuvdt (dessen schwache Form) in yuvad vayas (Rv. X. 39, 8) findet, wie vedisch bAhüri-dävattara, Com- parativ von bhüri-dävan, zeigt, dass des letzteren ursprüngliche Form bhúri-dá'vant war, was dann weiter durch nicht wenige Wörter bestätigt wird, in denen Formen auf vant und van promiscue neben einander er- scheinen, wie z. B. in árvant (schwach arvat), dra rikvant (schwach rikvat), rikvan; so zeigt auch schon -zovre in zgu@-zori@ U. S. W. -gintä in quadrä-gintä u. s. w., wenn sie wirklich Verstümmelungen von, ge- tá sind, woran wohl niemand mehr zweifeln Wissermaassen, dszovze, degin sondern vielmehr dakant. 02 20 THEODOR BENFEY, § 6. Diese Annahme erhãlt in diesem speciellen Fall aber auch noch andere Stützen. Als Abstracta von sskr. dacan erscheinen dacdt und dacati, beide Substantiva weiblichen Geschlechts. Dem erstren entspricht griech. ðe- x0 in Bedeutung, Geschlecht und Accent vollständig; höchst wahr- scheinlich aber trotz des unregelmässigen Eintritts von Û für ? auch in der Form überhaupt. Denn ganz selten ist die Schwächung von grund- sprachlichem f zu griech. ð keinesweges; vgl. z. B. &ßdouo — grdsprchl. saptama, von &ntd, 070070 — grdsprchl. aktama, von Gerd, und Les Meyer, Vgl. Gr. der griech. und latein. Spr. II, 97 und 102 f., welcher, wie mir scheint, mit Recht in dem «d vieler griechischen Wörter Umwand- lung von ant erblickt, gerade wie hier dezdd für ursprüngliches dakant erscheint. Das «œ deutet noch, wie so oft, an dass ihm einst ein Nasal folgte und dessen Einfluss — als eines tönenden Lautes — möchte die Veränderung des stummen f in das tönende ð hier und auch in latein. endo — sskr. ata für ant-a veranlasst haben. Dagati ist geschwächt aus daganti, gerade wie yuvati’ aus yuvantl, wie die ursprünglichere Form gelautet haben muss. Die Form mit be- wahrtem Nasal wird in litauisch deszimti-s, altslavisch desenti widerge- spiegelt (vgl. auch goth. téhund und taihund z. B. in sibun-tEhund, sie- benzig, taihun-taihund, etymologisch gewissermaassen zehn-zig = hun- dert 1). e Beide Wörter erweisen sich durch ihre Existenz im arischen und europäischen Sprachzweig als indogermanische und zwar schon in der Form dakat (ohne Nasal) und in der Form dakanti mit auslautendem í für ursprüngliches i4. | 1) Auf die Holtzmann-Scherer’sche Auffassung (vgl. Scherer, zur Geschichte der deutschen Sprache 453 ff.) näher einzugehen, wird wohl Jeder, der sie durchsieht, insbesondere, wenn er bis zu der Erklärung des tê als Präposition = tû, zuo, -de gelangt ist, und die sich dadurch ergebende etymologische Bedeutung mit der histo- rischen vergleicht, mir gern erlassen. / a PS, 3 5 A DE E ger EE ef e E d SN EE £ . MECH EES ا لوال مواد‎ E NEE E ée £ EN E EE = DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 2i Sie werden aber auch durch analoge Bildungen von andern Grund- zablen geschützt. So erscheinen in gleicher Weise von sskr. paäncan, in- dogerm. pankan, fünf, die sskr. weiblichen Abstracta pancat und panktt oder pankti. Auch hier entspricht dem ersten Worte griechisch 71200, dem zweiten altnordisch fimt (für fimft, mit Einbusse des f, wie in goth. nithji-s für nifthji-s aus indogerm. naptid) und altslav. peti ebenfalls mit Einbusse des Vertreters von grundsprachlichem und sskr. E Wir haben hier ein weiteres Beispiel der Synkopirung von Zahlwörtern. Die ältere Form von sskr. pont oder parkti hätte, nach Analogie von dacati, ei- gentlich sskr. pańcaťť oder pancati statt ursprünglichen pankantiá lauten müssen. Die Einbusse des a und des Nasals vor dem م‎ theilen die ver- glichenen Sprachen und es wird dadurch sehr wahrscheinlich, dass sie schon im Indogermanischen eingetreten sei und zwar durch Einfluss des Accents auf der folgenden Silbe, gerade wie ursprüngliches gagamis zu sskr. jagmús wird. Endlich erscheint von navan im Zend als Abstract navaiti (wie sskr. dacati gebildet) und, mit Bewahrung des Nasals, altslav. deve. Die Form auf at wird in griechisch &vvedd widergespiegelt; da sie in keiner der andern Sprachen vorkömmt und sich an die speciellgriechische Um- wandlung der Grundzahl zu véœ schliesst, könnte man sie für eine spätere Bildung des Griechischen halten; allein beide Gründe sind nicht entscheidend; die grundsprachliche Form, welche navat gelautet haben würde, konnte auch im Griechischen allein bewahrt sein und sich nach Ana- logie der Form, welche die häufigst gebrauchte Grundzahl angenommen hatte, umgestaltet haben. Wir sehen also in den hervorgehobenen Bildungen Feminina, wel- chen Formen auf anti (für ursprüngliches anti) zu Grunde liegen, neben gleichbedeutenden, welche weder das n noch das femininale í zeigen. Die- ses Verhältniss kehrt im Veda gerade bei mehreren Themen auf ur- sprüngliches ant wieder; hier finden wir mehrere Feminina auf af neben oder für ursprünglicheres off oder anti, So z. B. asaccdt neben asaccantl, ad). saccdt, sbst. f. 22 THEODOR BENFEY, arvävat, sbst. f. (von *-vant:. udvat, sbst. f. (von *-vant). nivdt, sbst. f. (von *-vant, vgl. nivan-d aus der Abstumpfung "nivan, s. pravdt). parävät, sbst. f. (von *-vant). pravat, sbst. f. (aus právant; wegen der Differenz des Accents vgl. dagat, pancdt mit 009011, pancan; vgl. auch pravana und s. bei nivat). virükmat, sbst. f. (Das Ptsb. Wtbch. und Grassmann nehmen es gewiss irrig für msc.; cubhrä's (Rv. I. 25,3) gehört sicherlich als Acc. Pl. Fem. dazu, wie auch Alfr. Ludwig annimmt (Uebersetzung II, 288); nur weiss ich nicht wie er cubhräs und wie virdkmatas übersetzt. Ich betrachte virúkmat nach den bisherigen Analogien als ‘Abstract’ des entsprechenden Adjectivs). In diese Categorie gehören auch noch einige vedische Wörter, wie z. B. sarit f. von sdrant (vgl. wegen des i für a bodhit für bödhat im Rv. in bodhinmanas, statt dessen Sv. bödhanmanas hat) und aa. Es scheint danach dass hier eine dem Indogermanischen eigene ca- tegorische Bildung vorliegt, welche sich in grösserem Umfang nur in den Veden erhalten hat. Noch zwei Fälle, in welchen dakant widergespiegelt wird — zendi- sches Zhrigae und víçãçtema — werden in $. 8 hervortreten. E Bopp betrachtet nämlich auch das çat, welches als hinteres Glied des Zehner von 30—50 im Sanskrit und, wie wir sehen werden, im Zend erscheint, als eine Form, welche zu dem Zahlwort für zehn gehört und das da desselben eingebüsst hat. Auch hier hat er richtig geahnt, aber die Erklärung und Begründung dieser Ahnung ergiebt sich, wie mir scheint, erst durch Annahme der von mir aufgestellten Grundform: da- ķant. Steht sskr. und zend. çat für daçat, und daran ist kaum ein Zweifel möglich, dann entspricht es dem femininalen Abstract dagat = dexdd, welches wir im vorigen $. kennen gelernt haben und es erklärt sich daraus zugleich, wie so die sskr. Zehner femininalen Geschlechts sind. Steht nun griech. -xovræ latein. -gint4 für ursprüngliches dakant-ä. BE a E‏ ار[ SE a‏ H 3‏ وو TEE EE EEN E ET er ENEE e, CR A Ee dE Ne ENEE EEN ee RT EE,‏ ككس BEE En ET EE TR TEN E Er te‏ >= ` RUAN‏ ا O en‏ يا EE EE‏ DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 23 so ist — wie Bopp ebenfalls schon ahnte, jetzt aber erwiesen ist, da, wie bemerkt, 4 das ursprüngliche Zeichen des Nom.-Ace, pl. ntr. ist — Toıd-zovre quadrä-gintä eine Zusammensetzung eines Nom. DL ntr. einer Grundzahl mit dem Nom. pl. von Zehn und diese Zusammensetzung be- deutet ‘drei Zehn‘, man erlaube mir zu sagen: Zehnen, während die von sskr. catvärı(-m-)edt auf den ersten Anblick die eines Nom. Plural ntr. mit einem Nom. Sing. fem. zu sein scheint, gewissermaasen eine vier- Zeħnheit bedeutet. Dass eine solche unlogische Verbindung die ursprüng- liche Bildung sei, ist nicht wahrscheinlich , sondern es ist vielmehr, nach Analogie des Verhältnisses der Feminina auf at, wie wir es im vorigen $. kennen gelernt haben, anzunehmen, dass aus den ursprünglicheren Bil- dungen, wie sie im Griechischen und Latein. bewahrt sind, triäkanta, katvarakantä, nach Analogie des Verhältnisses von dakat fem. zu dáķant u. s. w. die sanskritische, oder vielmehr arische durch cat statt çant für grdsprchl. kant erst gebildet sei. Deutlicher wird die Auffassung, wenn ich sage, dass diese Bildungen auf çat, für grdsprchlich kat, fem., nicht unmittelbare Bildungen sind, sondern vielmehr Ableitungen aus den Bildungen auf vote, gintä für grundsprachlich kantd ganz in derselben Weise, wie z. B. die Ordinalia sskr. vimca, der zwanzigste, Zrimca, drei- ssigste, catvärimca, vierzigste, pancäca, fünfzigste neben den gleichbedeu- tenden vimcati-tama, trimcat-tama, catvärimcat-tama, pangäcat-tama nicht ursprüngliche Bildungen aus z. B. fri für tria (8. 4), cat und tama sind, sondern Ableitungen aus vimçati, trimcat u. s. w.; oder auch, wie die griechischen Zahlwörter für ‘zwei hundert’ bis ‘neun hundert’ nach $. 2 Ableitungen durch to von dı@-zor@ u. s. w. sind. Am deutlichsten aber tritt uns das Verhältniss dadurch entgegen, dass wir beide Bildungen im Griechischen nachzuweisen vermögen und zwar hier mit Bewahrung ih- res begrifflichen Unterschiedes. | °“ Da wir nämlich oben gesehen haben, dass thri im zend. thri-gat, dreissig, und sskr. tri in tri-m-edt für ursprüngliches tri steht und in griech. ðexéð — sskr. dacat, 0د‎ dem sskr. gdt entspricht, so folgt dar- aus, dass griechisch z9@x&d, fem. — abgesehen vom Nasal im Sskrit, über welchen sogleich — das getreueste auch im Accent übereinstim- 24 THEODOR BENFEY, mende Spiegelbild von arischem triçát ist und beide Formen sich in einem grundsprachlichen triäkat, fem., vereinigen, welches zu dem Thema von zoıs-xovre, nämlich 29:@xovr für grundsprachliches triskant, genau in demselben Verhältniss steht, wie sskr. daçát — dex«d, fem., zu dáçan = d£xe für grundsprachliches dakant adj. ; das heist, wie in den im vorigen $ angeführten vedischen Beispielen, das Abstractum eines Adjectivs aus- drückt; während das griechische Adj. neutr. zeı#-xovre ‘drei Zehnen = Dreissig’ bedeutet, bezeichnet das von ihm schon in der einheitlichen Bedeutung abgeleitete arische triedt für tridkdt = tgr&xťð, f. Dreissigheit. Wir sehen also dass während im Griech. und Latein die Zehner durch die angemessene, gewissermassen in multiplicirender Bedeutung vorantre- tende, Grundzahl mit ‘zehn’ gebildet wird, im Arischen statt dieser Bil- dung das daraus abgeleitete Abstract eingetreten ist. Schon der Umstand dass zeı@-z&d sich von ror#zovre durch den Vo- cal und den Mangel des Nasals in xæð unterscheidet, ferner dass auch dem Zahlwort für ‘zwanzig’ six001 ein ganz ähnliches Abstract sed eben- falls mit verschiedenem Vocal und Einbusse des im lateinischen vīgintt bewahrten Nasals gegenübertritt, endlich dass diesem sief — genau wie tri-m-çát dem griechischen Terzê — im Sanskrit eine Nebenform des gewöhnlichen Zahlworts für ‘zwanzig’, nämlich vimçat ebenfalls fem. und gewiss wie eix&d, trimeat u. s. w. auch oxytonirt, entspricht, macht es unzweifelhaft, dass sowohl zerexê als eizdd nicht erst auf griechischem Boden gebildet sind. Diesem gehören erst die Bildungen wie zeooepe- xovr-dd u. s. w. an, welche trotz ihrer weiterreichenden Analogie erst dadurch entstanden sind, dass die Sprache dé in sled 101&xdd wie ein besonderes Suffix fühlte; die richtige Bildung hätte zeoo«gex«d — zend. cathvarecat, sskr. catvdri-m-cät lauten müssen. Gehören aber sizdd und لهنم‎ einer der Besonderung des Griechi- schen vorhergegangenen Sprachperiode an, so zeigt die Uebereinstimmung mit den arischen Formen, dass ihre Grundlage schon indogermanisch war und hier dvíķát — wie sich weiterhin heraustellen wird — und triakdt gelautet haben muss. Demgemäss ist die arische Bildung der Zehner von 30—50 durch DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 25 cat schon eine aus der Indogermanischen Zeit stammende, wobei sich jedoch nicht entscheiden lässt, ob sie schon damals, wie im Arischen später, gewissermaasen die concrete Bezeichnung desselben war, oder noch, wie griechisch zg1@x2«d, die abstracte, welche sich dann erst später an die Stelle der obsolet gewordenen concreten (= den lateinischen auf gintá) setzte. | ee Obgleich dem vorigen $. gemäss das grundsprachliche kat für dakat, welches in den angeführten Abstracten oder Zehnern der Zahlwörter er- scheint, schon in der Indogermanischen Periode ohne das n des ursprüng- lichen dakant gebraucht ward, so giebt es doch zwei schon $. 6 ange- deutete Formen, welche beweisen, dass daneben auch die Form mit dem n in Gebrauch war. Es sind dies zunächst das zendische thriçãç in thricäc-ca, am häufigsten in der Verbindung mit tAryag-ca ‘drei und drei- ssig in Bezug auf die drei und dreissig arischen Götter, welche auch in den Veden oft erwähnt werden (vgl. Muir, Original Sanskrit Texts V. 9 f), also genau dem sanskritischen trayag ca trimgde ca, 2. D Rv VIII 30, 2, entsprechend. Man kann schwanken, ob diese Verbindung in den Fällen, in denen sie vorkömmt, als Nominativ oder als Accusativ gefasst sei (vgl. Justi, Handbuch der Zendspr. unter thri S. 139 und unter thrigag S. 140); aber selbst wenn sie als Accus. gefasst wäre, so wäre die Form doch der ganz regelrechte Nominativ für ursprüngliches thrigants, gerade wie z. B. der Nom. sing. msc. des Ptcp. Präs. mraocag für mraocants vom Verbum mruc. Der Gebrauch des Nominat. als Acc. würde sich aus der Neigung der Zahlwörter Indeclinabilia zu werden erklären und gerade ihren Nominativ als Indeclinabile zu fixiren, welche in diesem speciellen Fall sich auch darin kund giebt, dass thriçãç auch das vordere Glied von Zusammensetzungen bildet, nämlich thrieac-aydaghra und thri- cäc-fradakshainya. Jene Neigung zeigt sich schon sporadisch in den Veden und im Zend in mehreren Fällen bei Zahlwörtern, welche im Allgemeinen noch flectirt und in $. 13 erwähnt werden; ferner z. B. im Verlust der Declination der Cardinalia von ‘fünf an im Griechischen, Histor.-philog. Classe. XXI. 3. D 26 THEODOR BENFEY, schon von ‘vier an im Latein. Der Gebrauch des Nominativs statt des Themas in der Zusammensetzung erscheint in den Veden in catam-üti ` neben der regelrechten mit dem Thema çatő'ti für cata-dti. Diese Form, beruhend auf thriçant, zeigt zugleich dass das Thema, wie im Sanskrit, auf € endigte, was auch durch pancagat-bis-ca, den In- strumental von pancägat, fünfzig’, so wie durch die Ableitungen cathware- gath-wäo und pancäcath-wäo bestätigt wird. Da sich die Formen mit schliessendem f durch griechisch 201000 u. s. w. im vorigen § als die indogermanischen auswiesen, so werden sie auch im Zend als die eigent- lichen zu betrachten sein, und die Formen, welche hier hinter dem t noch einen dem Thema angehörigen Vocal zeigen, wie die Nominative cath- waregat-e-m und pancagat-e-m, der Gen. Pl. thrigat-a-nam, so wie das Thema pancägat-a in der Zusammensetzung pancdgata-gäya als unorgani- sche !), wie in mehreren der Indogermanischen Sprachen — insbesondere in den späteren Phasen — durch den Einfluss der überwiegend grössten Mehrzahl der Themen auf a herbeigeführte Nebenformen. Der Accusativ auf em kann eben so gut diesen durch ursprüngliches a verlängerten Themen angehören, als den ursprünglichen ohne dasselbe. Vielleicht trug das häufigere Vorkommen dieses Casus mit dazu bei, diese Zahl- wörter in einigen Casus in die a-Declination (also durch Heteroklisie). hinüber zu führen. Das zweite Beispiel, in welchem der Nasal vor ? bewahrt ist, ge- währt das zendische Ordinale des Zahlworts für ‘zwanzig’. Das Cardi- nale lautet vigasti für älteres vigati (vgl. sskr. vimgati) und, wie wir §. 11 sehen werden, abgeleitet von einer Form, welche & vor f hatte. Das 1) Das a in tisra für tisar-a, im Gen. plur. tisranäm neben tishrãm, scheint mir dagegen der so häufig hinter r vor Consonanten hervortretende Vocal zu sein (vgl. ‘Orient and Occident’ II. S. 25 81: tisranäm steht demnach für tisaranam und dieses für fisarnam (vgl. sskrit. catur-nam von catvar und shannäm für shash- nam). Am a. O. ist gezeigt, wie aus ar mit diesem dahinter entwickelten Vocal im Sanskrit der Vocal ri entsteht und so entspricht diesem tisaranam sskr. tisrinäm ` und tisrind’'m. — Wegen des Verhältnisses von tisra-näm zu tishr-äm vgl. eine Note in $. 14, DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DT. 27 Ordinale aber spiegelt diesen Nasal noch wider, indem es 10 - tema lautet, welches eine regelrechte Umwandlung von vicant-tema ist. Die- ses Ordinale könnte aus der Form auf i gebildet sein (vgl. sskr. vimga- titama; allein da im Sskrit die Form ohne das auslautende i, vimpat, neben vimgati bewahrt ist, so ist kein Grund vorhanden, sie dem Zend abzu- sprechen, und sie konnte sich sehr gut in diesem víçant, mit Bewahrung des ursprünglichen z, erhalten haben. 9. Schliesslich glaube ich auch eine Spur zu erkennen, dass, wie in zendisch thriçûçg vigäg-tema, so auch im Sanskrit einst die Form mit n, gant, neben der ohne dasselbe, cat, bestand, nämlich in dem Nasal, welcher hier, wie schon mehrfach gesehen, zwischen der Grundzahl und çat erscheint in tri-m-gat, catväri-m-gat und, wie ich gleich bemerke, auch in dem Zahlwort für ‘zwanzig’ vi-m-gati; wie in jenen beiden, so zeigt auch in diesem keine der verwandten Sprachen eine Spur dieses Nasals an dieser Stelle; er ist demnach nicht organisch, sondern kann nur durch eine phonetische Neigung des Sanskrits entstanden sein. Wie wir aber gesehen, dass çat für einstiges gant steht, werden wir weiter finden, dass auch çati in vi-m-gati für einstiges ganti eingetreten ist. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass durch eine Art Assimilation dieser Nasal einen Nasal in der vorhergehenden Silbe erzeugte und dann ver- schwand, gewissermaassen von seiner richtigen Stelle sich in die vordere Silbe flüchtete, Assimilationen vorderer Silben an die folgenden sind bekanntlich überaus häufig in den Sprachen, vgl. z. B. latein. coquo, quinque für poquo, pinque, sskr. gvagura für svagura; mit der Flucht des Nasals in die vordere Silbe dagegen vergleicht sich der im Sskrit so häu- fige Fall, wo eine an ihrer organischen Stelle eingebüsste Aspiration sich in die vordere Silbe, oder den vorderen Theil derselben, rettet, z. B. bu-budh-sa zu bu-bhutsa wird (vgl. auch den Uebertritt des + im Griecht: schen, z. B. nieıoe für nisgıe und indogermanisches pf varid). D2 28 THEODOR BENFEY, S 10. Bopp hat ferner, wie schon angedeutet, die arischen Ausdrücke für die Zehner von ‘sechzig’ bis menung, aus einer Verbindung der Einer mit dagati erklärt, trotz dem dass von dem letzten Worte nur fi in ih- nen erscheint, so z. B. zendisch haptä-i-ü, sskr. sapta-ti, siebenzig, in denen kaptá, sapta nur den Ausdruck für ‘sieben’ widerspiegeln und von dacati nur das fi übrig sein soll. Obgleich Bopp’s reiche Combinations- gabe auch für diese Hypothese die fast ganz analoge Erscheinung in der französischen Form der Zehner, z. B. trente für lateinisch trilginta gel- tend gemacht hat, so scheint sie mir doch insbesondere dadurch nicht zu voller Wahrscheinlichkeit erhoben zu sein, dass seine hier etwas zu knappe Darstellung nicht ganz deutlich hervorspringen lässt, dass z. B. saptati, haptäiti nicht eine unmittelbare Syncopirung von arischem sapta (oder saptá) -dagati sind, sondern, nach Analogie der Zehner von ‘dreissig bis ‘fünfzig’, z. B. pankä-kat für ursprüngliches. pankd-dakat, eine Form die Vermittlung bildet, in welcher, wie in diesen, die Silbe da schon eingebüsst war, also in sapta-tí, ganz wie in französisch trente für tri- [gintá, weiter dann nur der Reflex von arisch ga = lat. gi ausfiel. Diese weitere Einbusse erklärt sich dann aber nicht bloss durch die na- türliche Neigung der Zahlwörter zur Verminderung ihres Umfangs, son- dern auch durch den Einfluss des Accents auf f, wodurch ga in die schwächste Stelle des Wortes trat, in welcher die Silben überaus oft Schwächungen der verschiedensten Art erleiden. Doch möge es mir verstattet sein, darauf etwas näher einzugehen; denn ich kann nicht bergen, dass es mir stets eine eben so grosse, ja fast grössere Befriedigung gewährt, Vermuthungen des grössten europäi- schen Sprachforschers Sicherheit oder wenigstens höchste Wahrschein- lichkeit zu verschaffen, als eigene Entdeckungen mitzutheilen. Wir haben oben ($. 6 ff.) gesehn, dass die Feminina auf dt und ati (für ant und antî) Ableitungen von Themen auf ant sind, welche Abstracta bezeichnen, dass auf diese Weise z. B. von der grundsprachlichen Zu- sammensetzung, vorher Zusammenrückung trid-kant4 ‘dreissig’ (für ur- DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ZWEI IST DV. 29 sprüngliches trid-dakantä ‘drei Zehnen'), das Abstractum triakat "Dreissig- heit gebildet ward. , Da die Formen auf ati (für anti) völlig dieselbe Be- deutung haben, so konnte eben so gut tridkati gebildet werden und so finden wir denn im Sanskrit neben dem Reflex von triäkat: sskr. trim- çat fem., auch das Fem. trimgati, neben catvärimgat auch catvärimpati, und neben pancägat endlich auch pancägati (vgl. sie im Ptsb. Wtbch). Diese Wörter kommen zwar nur in unaccentuirten Schriften vor, aber die Analogie von vimgati ‘zwanzig, neben welchem auch vimçat, wie wir gesehen, erscheint, beide ebenfalls ursprünglich Abstracta mit der Bedeu- tung: ‘Zwanzigheit’, macht es unzweifelhaft, dass sie, gleich wie vimpati ebenfalls oxytonirt waren. Werden aber somit für die Zehner von ‘zwanzig’ bis ‘fünfzig’ Doppelformen auf dt und ati nachgewiesen, welche aus Themen auf grundsprachliches kant abgeleitet sind, so werden wir vollständig berechtigt, völlig dasselbe auch für die arischen Zehner von ‘sechzig’ bis ‘'neunzig’ anzunehmen, also auch hier Doppelformen in Ab- stractbedeutung auf çati und çat, welche in gleicher Weise von Themen auf kant abgeleitet sind. Diese Themen auf kant erscheinen aber in der Form des Nom. pl. ntr. in den Bezeichnungen dieser Zehner im Grie- chischen und Lateinischen, welche bzw. wie die von ‘dreisig bis ‘fünf- zig’ auf zouge, gint4 auslauten. Neben saptati für saptagati oder, wegen des zendischen haptäiti, für saptägati, dürfen wir also auch eine wenigstens berechtigte, wenn auch vielleicht nicht gebrauchte, Form saptagat oder saptáçát annehmen, beruhend auf einstigem sapta-kantä oder saptä-kantd, welchem griechisch &nzö-zovre oder ŝntý-xovıæ nach Analogie von "emm - zovze entsprechen würde. Im Bewusstsein meiner geringen Kenntniss des Armenischen wage ‘ich es nur zögernd und für den Fall eines Irrthums um Nachsicht bit- tend, eine Stütze für diese Annahme auch dieser Sprache zu entnehmen; denn ein gewissenhafter Forscher muss die Resignation besitzen, sich der Gefahr selbst schmählichen Irrthums auszusetzen, wenn es gilt die Wahr- ‚heit zu Tage zu bringen. Gerade wie im Griechischen und Lateinischen lauten nämlich auch im Armenischen alle Zehner von ‘dreissig’ bis mennig auf denseiben 30 THEODOR BENFEY, Lautcomplex aus, nämlich, wie im Griechischen alle auf zovze, im La- teinischen auf gintä, so im Armenischen auf çoun; so viel ich zu ersehen vermag, würde dieser Lautcomplex sanskr. und zend. gan grdsprchliches kan repräsentiren. Mir scheint er eine Verstümmelung entweder von çantá — griech. zone, latein. gintd, oder von grdsprchl. kant, der Grundform von sskr. çati in den eben besprochenen tri m-cati u. s. w., mit Bewahrung des ursprünglichen Nasals (vgl. $. 6). Letztere Annahme scheint mir jedoch schon darum höchst unwahrscheinlich, weil diesem coun für ganti im Sskr. und Zend von 30—50 cat oder çati, von 60—90 nur H ohne n gegenüberstehen würde. Ich glaube vielmehr, dass es für çantê = xovre, lat. gintä steht, und dafür spricht mir auch das ar- menische Zahlwort für ‘zwanzig’, nämlich AkAcan, in welchem viel wahr- scheinlicher der Reflex von lat. vi-ginti als zend. vicaiti zu ‘erkennen ist. In Betreff der Einbusse des auslautenden tá oder ží vgl. armenisch a für nti in der Endung der 3. Ps. Pl. Präsentis. Sind diese Annahmen richtig, so reflectiren die armenischen Zehner durchweg die concreten Bildungen des Griechischen und Lateinischen, nicht aber die abstracten Ableitungen davon, welche wir im Sanskr. und Zend finden. Die Ent- scheidung darüber, ob eine von diesen beiden Erklärungen und welche die richtige, oder ob beide falsch seien, stelle ich denen anheim, welche sich mit der linguistischen Aufhellung der armenischen Sprache be- schäftigen. Ueber den Ausfall der Silbe ca in diesen Formen des Sskr. und Zend — auf saptati oder saptäti für saptagati oder saptdcati u. s. w. be- ruhend — bedarf es keiner weiteren Bemerkung; dagegen bieten die Einer in ihnen einige Schwierigkeiten, über welche eine genügende Aus- kunft wohl wünschenswerth wäre. Ich erlaube mir desshalb meine An- sicht darüber hier mitzutheilen, es dem Urtheil der Leser überlassend den Grad der Wahrscheinlichkeit zu ermessen, auf welche sie Anspruch machen darf und nöthigen Falls eine ARE an ihre Stelle zu setzen. Was zendisch haptäiti betrifft, so ergiebt sich dessen haptä, nach ` Analogie von pancd in pancd-cat, neven in nevujxovte, quinquä in quingud- DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEI IST DU. 31 gintä, als Nom. ntr. plur. des Cardinale, wie auch in den Zehnern des Arischen, Griechischen und Lateinischen von drei und vier. Die Kürze des Auslauts im sanskritischen sapta in saptati spricht nicht dagegen; sie erklärt sich entweder rein phonetisch durch die Neigung der Zahl- wörter sich zu erleichtern, oder durch den Eintritt der gewöhnlichen sskrit. Form des Nom. Plur. sapta« statt der alten Form sont? Dieses Resultat macht es höchst wahrscheinlich, dass wir auch in den übrigen Einern dieser Zehner die Cardinalzahlen zu erwarten haben und zwar ursprünglich in der vollen Form des Nom. Plur. ntr. auf 4. Dafür spricht die zendische Form des Zahlworts für ʻachtzig’ astäiti, welchem ein arisches actäti entsprechen würde. Eine Schwierigkeit bietet aber das im Sanskrit entsprechende Wort, welches, hier scheinbar stark ab- weichend, aciti lautet; doch trifft diese Schwierigkeit nicht das á; denn ich habe schon mehrfach nachgewiesen, dass eine accentuirte Silbe über- aus häufig bewirkt, dass ein d der vorhergehenden Silbe zu geschwächt wird, so z. B. wird dhá durch Antritt des ursprünglich durchweg ac- centuirten Characters des Passivs yá zu dhi, z. B. nidhyámána (Rv. X. 32, 6); pd, trinken, mit Suffix z, pît. In gleicher Weise ist hier açíti zunächst aus açátí entstanden und, da wir in aç4 unzweifelhaft den Re- flex des zendischen astá in astäiti haben, so hat in diesem Zahlwort auch das Sanskrit die ursprüngliche Länge bewahrt. Die Schwierigkeit liegt in dem sskr. Reflex des zendischen st, arischen çt durch blosses £. Mir scheint sie sich durch die in allen Sprachen hervortretende Neigung zur Dissimilation zu erklären. Wie z. B. sskr. vasudatti zu vásutti durch die Aehnlichkeit des d mit t ward, wie im Zend ameretät aus ame- reta-tit entstand, haurvat neben haurvatät erscheint und ähnliches in Fülle auch in anderen Sprachen (vgl. z. B. Leo Meyer, Vgl. Gramm. der Griech. u. Lat. Spr. I. 281), so scheint mir auch in arisch agtäti, welches im Sskrit ashtäti hatte werden müssen, die Identität des ¢, oder schon die Aehnlichkeit des ¢ hinter dem Zischlaut mit dem f von ti dessen Ein- busse im Sskrit herbeigeführt zu haben und zwar vielleicht schon zu einer Zeit, wo man noch çt sprach, oder, wenn schon sAf, doch das Gefühl der Entstehung des sh aus ¢ im Sprachbewusstsein noch so lebendig war, dass 39 THEODOR BENFEY, nach Einbusse des Dinale: welcher die Veränderung des ¢ in sh her- vorgerufen hat, der ursprüngliche Laut wieder an seine Stelle trat. Auch in dem arischen agt4 haben wir den Nom. pl. ntr. von actan, nicht etwa das mit ashtáu, indogermanischem aķtáu identische vedische ashtd zu erkennen, was vollständig zu beweisen hier zu weit führen würde. Während uns in zend. Aaptä-i-ti und 0510-1-11 = sskr. açíti für agdti langes 4 entgegentritt, hat aber das Zahlwort für ‘neunzig’ sowohl im Sskr., navati, als im Zend, navaiti, nur kurzes a. Im Sskr. erklärt sich die Kürze, wie in saptati und, da sich auch im Zend neben haptäiti hap- taithi-vant mit kurzem a zeigt, könnte man sie hier und in 7080111 in ähnlicher Weise erklären wollen. Allein mich macht ein Umstand da- gegen bedenklich, welcher im Sskrit nicht eintritt. Während nämlich saptati nur siebenzig, navati nur mennig bedeutet, heisst im Zend na- vaiti, wie wir oben sahen (§. 6, S. 21), auch ‘Neunheit’ &vvsdd. Dass in einer hoch cultivirten Sprache so sehr verschiedene Zahlen wie ‘neun’ und ‘neunzig durch ein und dasselbe Wort ausgedrückt gewesen seien und also zu Missverständnissen der verschiedensten Art insbesondere in Be- zug auf Hab und Gut, Kauf und Verkauf, Besitz überhaupt führen mussten — diese empfindlichste Stelle des gebildeten Menschen, wo alle Gemüthlichkeit aufhört — ist völlig unglaublich; ich vermuthe daher, dass wie in haptäiti astäiti, so auch in dem Zahlwort für ‘neunzig das lange á herzustellen und die Verkürzung desselben eine durch Ver- wechslung oder Identificirung mit navaiti ‘Neunheit’ herbeigeführte Cor- ruption sei. Was endlich das letzte dieser Zahlwörter, das für ‘sechzig’, betrifft, so ist es keine Frage, dass in sskr. shash-ti, zend. khshvas-ti, so wie auch armenisch vatk-goun der vordere Theil die gewöhnliche Form des Nomin. der Grundzahl sskr. shash, zend. khshvas, armen. vets für grdsprachliches svaks = latein. sex, griech. ZE u. s. w. widerspiegelt. War diese schon ursprünglich zur Bildung von ‘sechzig’ verwandt, so sind sskr. shashti u. s. w. die regelrechten Resultate des Zusammentreffens dieser vorderen Theile mit folgendem #. Allein ich kann nicht bergen, dass ‘es mir aus DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ZWEI IST DU. 33 zwei Gründen nicht wahrscheinlich vorkömmt, dass schon ursprünglich der Reflex von grdsprchl. svaks der vordere Theil: dieses Zahlworts ge- wesen sei, und zwar 1. weil in den übrigen Zehnern von ‘dreissig’ bis ‘neunzig’ das vordere Glied sich als ein Nomin. plur. ntr. kund gab, während svaks kein Zeichen dieses Casus an sich trägt, 2. dagegen das vordere Glied in dem entsprechenden griech. und latein. Zahlwort &«@- sote, sexä-ginta unverkennbar die Endung des Nom. pl. ntr. zeigt und wir schon mehrfach gesehen haben und noch durch andre Momente (z. B. genauere Betrachtung der Ordinalia) bestätigen könnten, dass das Griechische und Lateinische die alten Zahlenformen im Wesentlichen am treuesten bewahrt haben. Ist diese Annahme richtig, dann war die ursprüngliche Form svaks4-dakantd, zur Zeit der Sprachtrennung svak- säkantä, Abstract svaksäkati oder svaksäkanti; mit der Einbusse der Silbe ka hätte dieses .كاده‎ shashäti, zend. khshvasäti werden müssen. Daraus konnten die erwähnten historischen Formen entweder auf phonetischem Wege entstehen, zunächst durch Verkürzung des 4, wie in sskr. saptati und navati, zend. haptaithi-vant und griech. Ed in &E&xdoı (aus 858 xot — ‘sechs Hundert’ mit Suffix o. vgl. $. 2), dann durch Einbusse des a, wie in sskr. pankti für pancati (§. 6) u. an: oder es konnte auch die im Nomin. des Ausdruckes für ‘sechs’ an die Stelle von svaksá in allen in- dogermanischen Sprachen getretene Form mit Einbusse des auslautenden Vocals, also svaks, an die Stelle der nur im Griech. und Latein wider- gespiegelten Urform getreten sein, gerade wie ja auch im Latein. in ses- centi für sexcenti statt des griech Aë in &$5@x00101 die gewöhnliche Form sex sich geltend gemacht hat. Bei der einen wie der andern Erklärung trat dann der zweite Theil ti unmittelbar an sskr. shash, zend. khshvas. Sil Wir sind jetzt hinlänglich vorbereitet, um zu unserer eigentlichen Aufgabe zurückzukehren. EE Wär haben in den bisherigen Untersuchungen festzustellen gesucht, dass die Zehner von ‘dreissig’ bis ‘neunzig’ ursprünglich durch Plur. ntr., im Nom. auf 4, der Einer und des Zahlworts für ‘zehn’ ausgedrückt Histor.-philog. Classe. XXI. 3. 34 THEODOR BENFEY, wurden, z. B. ‘dreissig’ durch Did dakantä; dass diese beiden Wörter sich aber noch vor der Sprachtrennung zu einem Worte verbanden, wo- bei die Silbe da eingebüsst ward, also z. B. triáķantá entstand. Aus diesen Formen bildeten sich, ebenfalls schon in der Indogermanischen Zeit, Ab- stracta, eigentlich in der Bedeutung ‘Dreissigheit' u. s. w., im Gebrauch völlig dasselbe wie ‘dreissig’ u. s. w. bedeutend. Die Bildung fand da- durch Statt, dass das Thema jener ursprünglichen Zusammenrückungen, also von triäkanta z. B. triadkant, als Femininum, entweder ohne Femi- ninalcharacter, oder mit dem Femininalcharacter 1 und Oxytonirung im Sin- gular gebraucht ward. Zugleich ward der Nasal fast spurlos eingebüsst und das femininale 1, wie auch sonst so oft, verkürzt; also 31156 4 (wahrscheinlich ursprünglich mit Accent auf der ersten Silbe, griech. in Folge des Einflusses der Silbenzahl auf die Accentuirung zou #OVTC), vermittelst triáķánt und triäkantt, triáķát (= griech. 201600, sskr. tri-m- cat) und tridkati (= sskr. tri-m-gati), beide fem. In den Zahlwörtern für ‘sechzig’ bis ‘'neunzig’ ward dann ferner in der arischen Grundlage auch die Silbe ca eingebüsst, so dass z. B. einstiges sapté dakantä vermittelst saptäkanta und daraus Abstract, arisch saptägati, zu saptäti (= zend. haptäiti) und, mit Verkürzung des d vor f, sskr. saptati ward. Die ursprüngliche Bildung, jedoch zusammengerückt und ohne das da, also z. B. triäkantä u: s. w. hielt sich nur im Griechischen, Lateini- schen und, wie mir scheint ($. 10), Armenischen; im Sanskrit und Zend dagegen traten die Singulare der femininalen Abstracta an die Stelle der concreten Formen, jedoch mit gleicher Bedeutung. Ist diese Auffassung richtig, so ist nichts natürlicher als dass — da das Indogermanische den Dual besass — wenn dreissig u.s. w. durch ‘drei Zehnen’ u. s. w.im Ntr. plur. ausgedrückt war, ‘zwanzig’ durch ‘zwei Zehnen’, d. h. den Dual beider Wörter und zwar ebenfalls im Neutrum bezeichnet ward. Wir wissen aber nun durch die Bewahrung von f als categorischem Zeichen des Nom.-Acc.-Voc. des neutralen Duals im Sans- krit und Zend und die sichere Erkenntniss desselben im Celtischen ver- mittelst des Altirischen, dass dieser Vocal im Indogermanischen überhaupt Exponent dieses Casus war. Es ist daher, keinem Zweifel zu unterwerfen, DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEIT IST DU. 35 dass wir in dem lateinischen v/gint! zunächst ein treues Spiegelbild des indogermanischen vkanti, mit schon indogermanischer Einbusse des an- lautenden d (vgl. §. 2) und des inlautenden da, für ursprüngliches dei dakanti ‘zwei Zehnen’ und in dem zweiten Worte den Nom.-Acc. des Duals des Neutrums von dakant zu erkennen haben. Im Griechischen entspricht, mit Einbusse des Nasals (wie in &-xzezöv für zevıo-v — lat. centu-m — goth. hunda), böotisch und dorisch Gen (Ahrens, Diall. I. 170, II. 42; 279), über dessen Quantität des ersten ¢ ich keine Angabe finde; ob die neuere dorische Nebenform Feizer (Ahrens II. 279) und eixeu (ebd. II. 280), so wie die gewöhnliche 87200: für bewahrte Länge des ersten z spre- . chen, wage ich nicht zu entscheiden; da aber im Latein die Länge bei- der i erscheint, die des ersten auch im Zendischen vieaiti, Verkürzung aber zumal in Indeclinabilien, in welchen die Form nicht durch weit- reichende Analogien geschützt ist, viel häufiger als Dehnung ist, endlich die Etymologie die Länge beider 1 — als Kennzeichen des Casus, des- sen Schluss “sie bilden — schützt, so ist kaum zweifelhaft, dass auch im Griechischen wie im Latein beide » ursprünglich lang waren. Im Sanskrit und unzweifelhaft auch im Zend ist, wie in den übrigen Zehnern, die Abstractbildung auf ù (für 4), im Sanskrit ferner und viel- ` leicht auch im Zend (s. $. 8) auch die ohne Femininalmotion an die Stelle der concreten getreten. Der Nasal vor dem î ist im Sanskrit in beiden Formen, im Zend in der auf ı eingebüsst, doch scheint mir, wie schon $. 9 bemerkt, eine Spur desselben sich im Sanskrit erhalten zu haben; hier erscheint nämlich vimçatí statt des zend. vicaiti und, ohne das movirende i (für 2), vimgat (= griech. six¢ð), deren m ich aus dem assimilirenden Einfluss des Nasals in der ursprünglichen Form viganti vicant zu erklären versucht habe. Die Verkürzung des ersten f im Sans- krit erklärt sich durch den Einfluss indischer Volkssprachen, speciell des PAI und Präkrit, wo Verkürzung lange Vocale in geschlossener Silbe d. h. vor Position regelmässig eintritt (vgl. E. Kuhn, Beiträge zur Päli- Grammat. S. 17 und die daselbst angeführten Stellen); Belege für den Einfluss der Volkssprachen auf das Sanskrit und selbst die Sprache der Veden sind aber schon in solcher Anzahl geliefert, dass er überhaupt E2 36 - THEODOR BENFEY, nicht mehr auffallen darf, am wenigsten bei den so häufig gebrauchten Zahlwörtern. In Bezug auf die zendische Form vîçaiti ist nur noch zu bemerken, dass sie, ähnlich wie alle Zehner im Griech. und Latein, der nach und nach fast für die meisten Zahlwörter geltend gewordenen Neigung ge- mäss, indeclinabel geworden ist, und zwar in der Form des Nom., aber, wie in Themen auf i und sonst so oft (vgl. Justi, Handb. p. 389, nr. 535, Bem. 1 u. sonst), mit Einbusse des auslautenden s. 8 12. Wenn wir nun annehmen, dass die ursprüngliche Form des Stamm- wortes für ‘zwei’ weder dva noch dvi, sondern du war, dann erhalten wir eine einzige Grundlage der dazu gehörigen Formen und diese selbst scheinen sich aus ihr mit Hülfe einiger keineswegs kühnen Voraussetzun- gen ohne grosse Schwierigkeit zu erklären. Dass die Declination dieses Zahlworts ursprünglich eine duale war bedarf keines Beweises, da sie sich in einigen indogermanischen Sprachen ganz, in andern wenigstens theilweise erhalten hat. Der Exponent des Nom. - Voc.- Acc. Dualis Msc. und Fem. ist be- kanntlich 4, welchem im Griechischen o entspricht. Bei der Voraus- setzung, dass du der Stamm war, lautete dieser Casus also ursprünglich dud; ihm entspricht im Griechischen zugleich mit v, dem regelrechten Repräsentanten von grdsp. u, dvw; das auslautende œ wird gewöhnlich verkürzt (wie das indogermanische á in den Nominibus zu e: x0g«x-e), dro, doch hält es sich durchweg, durch die Zusammensetzung geschützt, in dem Zahlwort für ‘zwölf’ und zwar nicht bloss in der vollen (dialek- tischen) Form dvwdexe, sondern auch in der gewöhnlichen, in welcher das v — wohl nach vorhergegangener aber nur kurze Zeit dauernder Liquidirung zu £ — ganz verschwunden ist, nämlich dwdeze. Im La- tein entspricht ebenfalls mit u und steter Verkürzung duo. Der Exponent desselben Casus im Ntr. war, wie bemerkt, 1 dieser würde also ursprünglich du? gelautet haben. Der Vocal « und die Liquida v liegen sich nun bekanntlich so nahe, DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEIT IST DV. 37 dass der Uebergang dieses Vocals in diese Liquida vor unähnlichen Vo- calen, wie er im gewöhnlichen Sanskrit regelmässig, in den Veden aber noch entfernt nicht so häufig, Statt findet, sich sicherlich in einzelnen Fällen auch schon in dem langen Lauf der Entwickelung der Indoger- manischen Sprache vor der Besonderung geltend gemacht hat. Man mochte schon, zumal in einem so häufig gebrauchten Zahlworte, neben dud auch bisweilen dvd sprechen; doch muss dies noch sehr selten der Fall gewesen sein, sonst würden Griechisch und Latein nicht einzig duä reflectiren und selbst im Veda noch — wie wir gleich sehen wer- den — diese Aussprache die vorherrschende sein. In Zusammensetzun- gen und Ableitungen dagegen mochten, bei der Neigung der Zahlwörter ihren Lautcomplex zu kürzen (man erinnere sich des eben erwähnten dridsze und der vielen früher vorgekommenen Syncopirungen) beide Sil- ben schon häufiger zu einer geworden sein und dann auch dahin ge- wirkt haben die Einsilbigkeit auch in den unzusammengesetzten Formen zu fördern. Diese Verkürzung trat schon lange vor der Trennung in der Neutralform dui ein, welche in dem Zahlwort ‘zwanzig’ in Folge die- ser Umwandlung auch — ebenfalls schon vor der Trennung — das d einbüsste. Im Sanskrit, so wie im Zend wird zwar auch nur du — und zwar in allen Casus — geschrieben, allein in dem Rigveda ist drai 2 mal duaú und 2 mal dead dräi 15 mal dud 5 mal dvd dré 12 mal due 1 mal dré dvdyos 2 mal dudyos 1 mal dvayos zu sprechen, also 31 mal mit u und nur neunmal mit v. Zweifelhaft ist zweimal dvd’bhyäm. | In den Ableitungen und Zusammensetzungen — Wo die Neigung der Zahlwörter, sich zu verkürzen, in der Aussprache mit v eine leichte Handhabe fand — herrscht zwar die Liquidirung vor (nämlich in 16 Fällen bei Grassmann, Col. 650, wozu noch Col. 41 in ddvayant. bis ädvayu 8 Fälle kommen); aber in duddagan ist, gerade wie in griech. duwdexe (neben dwdsxe) und lat. duodecim, stets, auch X. 114,5, und selbst in ` der weiteren Zusammensetzung X. 114,6 und I. 164, 11, im Ganzen 38 THEODOR BENFEY, sechsmal dud’dacan zu sprechen. In X. 114, 5 und 6 ist der hieher gehörige Stollen beidemal ein zwölfsilbiger, was in Bezug auf 5 schon Grassmann vermuthet hat. | Si Im Zend wird zwar dvd, dva!) geschrieben und ist sicher auch so gesprochen, allein das w hat sich erhalten im Femininum duyad, duyê, welche dem vedischen due entsprechen. Da das Zend dem Sanskrit so sehr nahe steht, nehme ich kaum Anstand diese so wie die nicht ge- ringe Anzahl analoger Formen (vgl. die von Justi, Handbuch 5. 358, 10 angeführten), wie im Sanskrit, zu erklären und zwar die, in denen das y wie hier hinter u folgt, durch Uebergang eines aus dem u entwickelten v in y, wie es uns im Sskritin 6070711 neben und für vedisch Al'vant, in iyant, welches auch im Zend erscheint, neben und für vedisch Zreant, in dtatä- yin neben und für dtatdvin u. aa. entgegentritt. In diesem Falle haben wir anzunehmen, dass wie im Sskrit theils regelmässig, theils gewisser- maasen dialektisch (z. B. in der Taittiriya- Samhitä), u oder d zu uv ward, wie z. B. brú mit e zu bruve, so auch im Zend einst uv aus u entstand, dann aber das v in y überging, wie in dem diesem bruve ent- sprechenden zendischen mruy@ (vgl. auch z. B. von tanu Dativ Sing. tanv-é und Zanu-y-£); danach entstand duyad duyd aus due vermittelst duvê %). In den Fällen dagegen, wo ein andrer Vocal vorhergeht und y nicht zu dem suffixalen Element gehört, wie z. B. zend. däyanh — ved. dhäyas aus dhá mit Affix as; ist y zur Vermeidung des Hiatus eingeschoben, vgl. z. B. sskr. päc-aka mit dä-y-aka und aa. | In der Form, welche statt des a ein i hat, dagegen ist, wie schon vor der Besonderung der Indogermanischen Sprachen, auch im Rigveda durchweg v zu sprechen (vgl. Grassm. Col. 651—652) und eben so ru- hen auch alle dazu gehörigen Bildungen der verwandten Sprachen auf der Aussprache mit v. Demgemäss dürfen wir wohl unbedenklich annehmen, dass zu der 1) Ueber vä, vaya verweise ich auf Roth’s unzweifelhaft richtige Bemerkung in “Ueber Yacna, 31 (1876) S. 14. 15. 2) Beiläufig erinnere ich daran, dass im Päli umgekehrt sskrit. y in v übergeht (vgl. E. Kuhn, Beitr. z. Päli-Gramm. S. 42). DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS :ZWET IST DU. 39 Zeit der Sprachtrennung in überwiegend vorherrschendem Masse der Nom. Du. msc. und fem. noch dud mit Vocal gesprochen ward, dagegen der Nom. Du. ntr. dv? mit Liquida. Der: Eintritt, oder die weitere Verbreitung der Aussprache des Duals Msc. und Fem. mit der Liquida fand in den Sprachen, in denen sie widergespiegelt wird,.erst nach der Besonderung unabhängig von einander Statt. Da aber duá und dví Casus eines und desselben Themas sind, so ist wohl nicht zu bezweifeln, dass dieses Thema aus ganz gleichem Laut- complex bestand, und dass dieser dann allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach nur du gewesen sein könne, bedarf wohl weiter keiner Ausführung. 8.18: Aus diesen beiden Casusformen erklären sich alle zu dem Zahl- worte für ‘zwei’ gehörige und daraus abgeleitete Bildungen. Der Stamm du ist von ihnen vollständig aus dem Sprachbewusstsein verdrängt. Die Momente welche diese Erscheinung herbeigeführt haben sind vorzugsweise folgende: 1. die Neigung der cardinalen Zahlwörter indeclinabel zu werden und als die indeclinable Form den Nominativ zu fixiren. 2. die prototypische Wirkung des Nominativs, durch welche das Sprachgefühl leicht zur Annahme falscher Themen sowohl für die Flexion (Heteroklisie), als Ableitung verführt wird. ` - ‘Für das erste Moment bedarf es wohl kaum mehr der Beispiele; selbst die Deutsche Sprache, eine der conservativsten, hat von ‘zwei an regelmässig einige flectirte Formen nur dann bewahrt, wenn der gezählte Gegenstand fehlt z. B. ‘mit zweien’ ‘auf allen vieren aber ‘auf allen vier Füssen. In unserm Jahrhundert ist der flectirte Plur. 1) selbst in solchen Fällen obsolet geworden, z. B. ‘alle vier nicht mehr ‘alle viere. 1) Er ist nach der Besonderung zur Zeit der germanisch -slavischen Einheit gebildet und zwar aus einer aus dem alten Nominat. durch Einbusse der user chen verstümmelten, als Thema betrachteten und durch Antritt von 1 verlängeren Form; ähnlich wie lateinisch quatuor, dessen o wahrscheinlich schon ursprünglich kurz war (vgl. griech. 566060 0- روث‎ Qe und lat. quadrä- für quatvarü = 410 00( , AUS A0 - THEODOR BENFEY, Im Griechischen ist, wie schon bemerkt, die ganze Masse von ‘fünf bis ‘hundert inclusive indeclinabel geworden und zwar in deren altem Nominativ; die wenigen Ausnahmen, welche sporadisch vorkommen, z. B. das übrigens zweifelhafte zeınz0vrwv bei Hesiod. "Fo, 694 u. ähn- liches zählen natürlich nicht mit; eben so wenig die Flexion von tọ: und zeooeg in der Zusammenrückung mit deze. Ausserdem ist selbst dúo schon häufig indeclinabel gebraucht. Im Lateinischen beginnt die Indeclinabilität schon mit dem Zahl- wort für ‘vier’; wie im Griechischen sind auch hier die alten Nominative als Indeclinabilia verwandt. Im classischen Sanskrit sind noch alle Zahlwörter declinabel; allein dass diese durchgreifende Regelmässigkeit dem Einfluss der Grammatiker verdankt wird, ergiebt sich schon daraus, dass wir schon im Rigveda Anfänge der Neigung finden die Nominative als Indeclinabilia zu ge- brauchen; so páńca im Sinn des Genetivs und Locativs, 502716 ausserdem noch im Sinn des Instrumentals; in letzterem auch catdm, welches, wohl in Folge davon, wie schon erwähnt, geradezu wie ein Thema im vorde- ren Glied einer Composition (catdm-üti) erscheint, Demgemäss ist auch der Nominativ pancáçat Rv. IV. 16,13, wo er im Sinn des Accusativs gebraucht wird, als Indeclinabile verwandt. Dass auch im Zend wenigstens víçaiti in indeclinablem Gebrauch nachweisbar ist, wurde am Schluss von $. 11 bemerkt; ebenso, dass der Nominativ tArigäg (ähnlich wie im Sanskrit catam) als vorderes Glied in Zusammensetzungen erscheint. Was das zweite Moment, den prototypischen Einfluss des Nomina- dem indogermanischen Nom. pl. m. katvär-as, ntr. katvär-G entstanden ist, trat aus den indogermanischen Nebenformen (vgl. $. 4) katvär-as, katvâr-å goth. fidvör hervor, woraus das neue Thema fidvör-i entstand (vgl. altnord. Nom. Pl. fior-ir, welchem goth. fidvör-eis entsprechen würde, und den belegten goth. Dat. fidvör-im); dem go- thischen fidvör-i entspricht in Bezug auf den Zutritt des i litauisch ketur-i und alt- Slavisch Ceiyrije m. &etyri n. £.; ob das lit. a. asl. y aus vë oder vå entstanden sei, wage ich nicht zu entscheiden. 1) Die Stellen findet man bei Grassmann unter den angeführten Zahlwörtern. DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ZWEI IST DU. 41 tivs betrifft, so habe ich darauf schon mehrfach aufmerksam gemacht (z. B. öfter in der Abhandlung ‘Ueber die Entstehung des Indogerm. Vocativs’ $. 29 im XVII. Bd. 1872, vgl. bes. Abdr. S. 69 und 70, Göt- tinger ‘Nachrichten’ 1876 S. 658 und sonst); ebenso auf die häufig da- durch herbeigeführte Heteroklisie (z. B. ebds. S 33. S. 84). Hier mögen noch einige den Zahlwörtern entlehnte Beispiele erwähnt werden. Der Genetiv Plural m. n. des Zahlworts für ‘drei’ im Sanskrit, näm- lich trayändm, welcher jedoch in den Veden noch nicht erscheint, son- dern durch die normale Form trind’m vertreten wird, aber von Pänini, ohne die vedische Form zu erwähnen, für die classische Sprache vorge- schrieben ist (VII. 1,53), beruht wohl unzweifelhaft auf dem Nominativ mascul. trdyas, welcher dem Sprachgefühl wie ein Nom. sing. msc. vor- kam und bewirkte, dass der Gen. gebildet ward, als ob das Thema traya lautete (nach Analogie von z. B. Thema deva, Nom. ‚sing. devas, Gen. ‚pl. devandm). Auf ähnliche, aber noch regelmässigere, Weise erklären sich die Genet. der Zahlwörter auf an, z. B. pancand'm von pancan. Der alte Nom. pancä (statt des spätern pańca), welchen wir in pancd-gdt bewahrt fanden, machte den Eindruck als ob er, wie die alten Nomin. Plur. der neutralen Themen auf a z. B. cakrd (8mal im Rigveda, während die spätere Form cakräni nur einmal vorkömmt!)), auf Themen auf a, etwa panca, beruhte, und bildete demgemäss den Genetiv nach Analogie von cakränädm. Dass im Däi die Casus obliqui von 2510, ubhe, beide, und von dve, duve, zwei, durch Einfluss des Nomin. entstanden sind, ist in Bezug auf das erstre kaum zu bezweifeln, für das zweite höchst wahrscheinlich ; vgl. Instr. ubhobhi, ubhohi, Loc. ubhosu mit Nom. ubho; Genet. ubhinnam 1) Die Form auf û ist aus Contraction des thematischen a mit dem Casus- zeichen û entstanden; dies ist die eigentliche Nominal- Bildung; die spätere auf 8 für -nå ist durch Einfluss der Pronominalflexion enststanden, speciell durch Antritt des Nom. pl. ntr. des Pronomens na (vgl. die Abhandlung ‘Ueber die indogerm. En- dungen des Gen. Sing. auf ians u. s. w. im XIX Bd. 1874 insbesondere 8.37. 5. 13). Wie cakräni zu cakr& verhält sich zend. fisranäm zu tishräm $. 9. Histor -philog. Classe. XXI. 3. F 42 THEODOR BENFEY, (für ubhennam, ubhenam) mit Nom. 26/6 und E. Kuhn in Beitr. z. Päli Gr. S. 91 und 28, 50, sowie latein. ambo in $. 14. Auch das w in den althochdeutschen Casus des Zahlworts für acht, z.B. Dat. ahtowen, scheint mir einzig aus dem indogermanischen Nomin. aktau, widergespiegelt in goth. ahtau, sskr. ashtau erklärbar. Da sich der Dual im Germanischen nur im Verbum und dem Pronomen der er- sten und zweiten Person erhalten hat, musste der flexivische Charakter des goth. au aus dem Bewusstsein ganz verschwinden; die Form, welche im Gothischen indeclinabel erscheint, nahm den Charakter eines Themas an und verwandelte in den neuen, durch Hinzutritt von i gebildeten Themen (vgl. Leo Meyer, Die Gothische Sprache 402, S. 526 und oben S. 39 Note 1) das xu in dessen Liquida w. Bei dem gothischen Zahl- wort für acht hat sich zwar kein Casus dieser Bildung erhalten, auf ihr aber beruhen die dazu gehörigen althochdeutschen. Selbst das » in gothisch Zigu, durch welches hier die Zehner von ‘zwanzig’ bis ‘fünfzig’ gebildet werden, während dessen Reflexe in den übrigen germanischen Sprachen auch die übrigen Zehner gestalten, scheint mir einzig durch den Einfluss des Nominativs seine Erklärung zu finden. Die welche ich, jedoch mit demselben Vorbehalt, wie oben ($. 10) die des armenischen coun, vorzuschlagen wage, kann ich zwar nicht beweisen, aber wer die vielen, gerade im Bereich der Zahlwörter vorkommenden, zum Theil auf Bewahrung von Alterthümlichkeiten beruhenden, Anoma- lien in sein Gedächtniss zurückruft, wird sie auch ohne strieten Beweis wenigstens nicht unwahrscheinlich finden. Das auffallende in tigu ist die Behandlung des u als ob es indogermanischem u entspräche }), wäh- rend mir kein Zweifel darüber bestehen zu dürfen scheint, dass es, 8% rade wie taihund und tehund, zu indogermanischem dakant gehört, also das u, zumal da in keiner indogermanischem Sprache ein Reflex eines einstigen durch ursprüngliches u gebildeten daku erweisbar ist, ursprüng- 1) Vgl. Nom. pl. tigjus, wie von sunu: sunjus (für gräsprchl. sün-a-u-as), Gen. pl. tigivê, wie: sunive (für gräsprchl. sün-a-u-äm), Acc. pl. tiguns wie 25 u gräspr. sünuns für ursprüngliches sünum-s), vgl. die Abhandlung ‘Die Entstehung des Vocativs $. 25’ bes. Abdr. S. 56 f DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS ‘ZWEIT IST DU. 43 liches a widerspiegelt. Ich glaube, dass tigu auf einer Nebenform von taihund = grdsprehl. dakant (= sskr. daçát, griech. dexzdd) beruht, deren Nom. sing. tigand-s gelautet haben müsste. In diesem scheint mir ands in us übergegangen zu sein und dieser Nomin. Haus, welcher ganz denen von Themen auf ursprüngliches u entspricht, führte den Uebertritt in die «-Declination herbei). 5 §. 14. In ähnlicher Weise, glaube ich, erklären sich alle Formen, welche sich an das Zahlwort für ‘zwei’ schliessen, aus den beiden um die Zeit der Sprachtrennung nachweisbaren Nominativen Dualis von du, nämlich msc. f. duä und dvd, ntr. dei (für ursprüngliches dut) mit der Nebenform vi. Dies im Einzelnen jetzt vollständig durchzuführen, erlaubt mir meine Verpflichtung zu andern Arbeiten nicht; ich beschränke mich daher auf einige Beispiele, die aber die Methode der Durchführung hinlänglich kennzeichnen werden. Was die Flexion des Cardinale betrifft, so ist der Nom. - Acc. des Neutrum dvi vollständig ausgeschieden, vielleicht eben in Folge davon, dass um die Zeit der Sprachtrennung der des Msc. und Fem. noch vor- waltend mit u dud gesprochen ward, im Ntr. dagegen die Liquida v in dvi zur ausschliessenden Herrschaft gelangt war. 1) Man verstatte mir hier ein Beispiel anzuführen, in welchem schon in der Indogermanischen Periode die phonetische Umwandlung von a zu u Uebertritt in die Bildung der Feminina von Themen auf u herbeiführte. Es betrifft das Wort svakrü (sskrit. çvaçrú', lat. socru), Femin. von gräsprchl. svakura (sskrit. çváçura, at. socero). Ich bin überzeugt, nicht zu irren, wenn ich dieses abnorme Fem. da- durch erkläre, dass das auslautende a des Msc. durch Einfluss des r — (vgl. z. B. den im Sskrit, insbesondere in den Veden, häufigen Uebergang von ursprünglichem @ in u sowohl vor als hinter r, z- B. grdsprchl. Varana = griech. 039696 (mit Ac- cent wie im Begriffswort oögavd, trotz der Verwendung als Nomen proprium) im Sans- krit aber Váruņa (mit Wechsel des Accents, weil es hier nur als Nomen proprium bewahrt ist)) — wie u klang und mit diesem Klang die Grundlage der Motion bil- - dete; svaķuru tönend, ward dessen Fem., mit Dehnung und Accentuirung des Aus- lauts, wie oft, zuerst svaķurú, dann, durch den Einfluss des Accents auf die Pe gehende Silbe, mit Einbusse von dessen a (vgl. sskr. jagmus für Serge svakrü. 44 THEODOR BENFEY, Im Griechischen ist in Folge davon — und in Uebereinstimmung mit der gesammten Nominalflexion, in welcher, da der alte Exponent dieses Casus im Ntr., û, im Griechischen (und im Lateinischen) sich nur in Fixeu (viginti) erhalten hat, an die Stelle desselben durchweg der des Mscul.-Fem. getreten ist (w in der zweiten, e in der dritten Declination) — Jw und mit Verkürzung des Auslauts, dvo, auch als Neutrum ver- wandt. Allein der Umstand, dass im Fem. nicht öv@, nach Analogie von dree gebildet ist, so wie die durchgängige Bewahrung des v, macht es sehr wahrscheinlich, dass in dieser Sprache noch das ursprüngliche dv, nicht dvo (fem. due) oder gar dva (fem. dvd), als Thema gefühlt ward; dieses liegt auch entschieden vor in dem, durch das anfangende Aus- sterben des Duals herbeigeführten, Dat. Plur. duet, dvotw, wo auch der Accent für die Einsilbigkeit des Themas geltend gemacht werden kann. Der prototypische Einfluss des Nominativs dv», welcher, nachdem für die 3. Declination nur ,ع‎ für die erste nur © im Nom. Du. fixirt war, nach Analogie von Aoyw, oVzw einzig zu einem Thema auf o zu gehören scheinen konnte und bei der so überwiegend grossen Mehrzahl von Themen auf o leicht den Schein annehmen musste, wirklich dazu zu gehören, führte dagegen entschieden den Dativ dvoicıw herbei, als ob das Thema dvo wäre; auffallend ist dabei der Accent. Der Genetiv-Dativ Dual. dvoi» könnte — abgesehen vom Accent — eben so gut zu dv als dvo gehören; der Accent scheint jedoch für das erstere zu sprechen; doch macht dies die Accentuation von dugoiv und dvoioıw wieder zweifelhaft. Ueber die attische Form dei wage ich nicht zu entscheiden; gehörte sie wirklich nur dem Fem. an, dann möchte sie ein due (mit e für el widerspiegeln und also Zeugniss dafür able- gen, dass auch im Griech. (vgl. Lat. Sskr. Goth.) aus dvo ein Fem. dva gebildet zu werden anfing. An 06 schliessen sich manche Ableitungen, z. B. 0 An die schon indogermanische Nebenform dva mit v schliesst sich grundsprachlich dva-la — sskr, dvaya, griech. ðoró (GWL. II. 219, Fick 13 111); speciellgriech. dev-tsg0, mit sv für indogerm. va, wie in zt = indogerm. varı (sskr. urú, aber Compar. värtyän). 5 - E DAS INDOGERMANISCHE THEMA DES ZAHLWORTS