DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE, DER WISSENSCHAFTEN. rn ; JAHRGANG 1912. ERSTER HALBBAND. JANUAR BIS JUNI. STUCK I—XXXIN MIT FÜNF TAFELN UND DEM VERZEICHNISS DER MITGLIEDER AM 1. JANUAR 1912. . Mo. Bot. Bardsı > 1913 © BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. INHALT. Yasstielmn Ger MHsboder un L-dmmae 101... 5... ... 20 een I. Scuur: Über einen Satz von Ü. CARATHEODORY Frogexius: Ableitung eines Satzes von CARATREODORY "aus einer Dad 5 von ES RRERS ALDEYER: Ansprache. . . > rn a MAsESTÄT DES Kıeas UND Rünos. ara ee Koser: Fes ö Bi Ken die Belang wlinbinchen Ihe e ahresbericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften Jahresbericht über die ren ie der römischen ae a. - Jahrhundert) Jahresbericht über den Index rei militaris imperii Rom Ta Jahresbericht über die Politische Correspondenz a ds ee os en Jahresbericht über die Griechischen Münzwerke . . . . . 2. 2. 2. 2 2 2... Jahresbericht über die Acta Borussica Baer. Jahresbericht über die Kant-Ausgabe . Jahresbericht über die Ausgabe des Ibn en ee S ahresbericht über das Wörterbuch der aegppschen Sprache Jahresbericht > das »Thierreich« . ericht über das »Pflanzenreich.« wear Jahresbericht ne die Geschichte des Ficsternklamnele ee Jahresbericht über die Ausgabe der Werke Wırueım von mare Jahresbericht über die Interakademische Leisniz-Ausgabe . . . » 2 2 2 2 2 2. Jahresbericht über das Corpus medicorum Graecorum -. . » 2» 2: 2 2 2 2 2 2. Jahresbericht der Deutschen Commission . . Jahresbericht über die Forschungen zur näuhoshdeitächen Spradh- ind 3 Bildungsgeschichte Jahresbericht der Humsorpr-Stiftung . Jahresböfieht der Bavsur Bun: . ,» . .. ,.,... 2. 2.. Jahresbericht der Hermann und Ess aueh, Basiaske Wexrzer-Stiftung Jahresbericht der Kirchenväter-Commission % Jahresbericht der Commission für das Wörterbuch ie deutschen Rechtssprache os Jahresbericht der Akademischen Juhiläumsstiftung der Stadt Berlin : oe Übersicht der Personalveränderungen . . . ai an von WiLamowırz-MoELLENDORFF: Mimnermos un Proc erz Russer: Über die Betheiligung endocellularer Fermente am Energieverbrauch der Zelle Nersst: Thermodynamik und specifische Wärme. . . A. Eucken: Die Molecularwärme des Wasserstoffs bei deln Temperaturen Orr#u: Über Rinder- und Menschentuberkulose Harnack: Geschichte eines eure Worts FR (Matth. 5 17) in der ältesten Kirche . . Adresse an Hrn. Forae as zum fünfigjährigen Doetorjubiläum a am a. Ferse 1912 Warzurs: Über den Energieumsatz bei photochemischen Vo n asen. II. Liesiscn: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Wilssligrupje im ullearicläiien Licht Adresse an Hrn. Pavı Gorpan zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum am 1. März 1912. . Inhalt. Hasertanpt: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe . Rusess und G, Hertz: Über den Einfluss der Temperatur auf die Ingwer estrahlen in einigen festen Isolatoren . i Herımans: Über den Charakter der Sommerregen in Morddentechl lan ne. Heınert: Die Erfahrungsgrundlagen der Lass vom allgemeinen Gleichgewichtsustande der Massen der Erdkruste . : W. Bas: Über die Räthsel des Cilek FRE (er Taf. I ua m. ‚ Burpacn: Faust und Moses. Erster Theil Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander i Meyer, K.: Ein mittelirisches Gedicht auf Bra, di Merfihre i Koser: Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historion . Adresse an Hrn. CArı GrazBE zum fünfzigjährigen Senden am yes en 1912 . Frosenius: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen ; r H. Erpxtansspörrrer: Über Mischgesteine von Granit und Bein ; J. Marquart: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren . Adresse an Hrn. Erst Wırueım Besscke zum fünfzigjährigen Doctorabiläun. am 1 10. Mai 1912.. Adresse an Hin Monde RER zum , fünfzigjährigen Doctorjabiläum am 28. Mai 1912 Scauzze, F.E.: Die Erhebungen auf der Lippen- und Yin sterne der gegen I. Ruminantia (hierzu Taf. III —V) . i en ah von Wıramowırz-MoELLEnDoRFF: Neues von Kallima ich 08. Herrwic, O.: Veränderung der idioplasmatischen Beschaffenheit de Bamenfäden: due physikalische und durch chemische Eingriffe. Vierte ae Wörrruis: Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. . - a: . 572 ige EN ren a en wu Mn 819: LLM SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 11. Januar. (S. 1) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 11. Januar. (S. 3) I. Scaue: Über einen Satz von Ü. CArArkeoporr. (S.4) Frosesivs: Ableitung eines Satzes von CARATHEODORY aus einer Formel von Krosecker. (S. 16) Gesammtsitzung am 18. Januar. (S. 33) MIT DEM VERZEICHNISS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE AM 1. JANUAR 1912. BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI. GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. n 15 Akademie gibt un s $Al,1 der Statuten zwei » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. us $ 2. ede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Ahlers bestimmte Mittheilung muss in einer aka- gemischen Sitzung vorgelegt ee re in ig Regel ie mitglieder haben hierzu die » Ver rmittelung eines ihrem Fache angehörenden gern Mitgliedes zu benutzen. $ 3. on eiten in . keröhuliähen Schrift der Abhand- le . übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Ges ne arena oder der betreffenden n Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrüc beantragen as Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen ollen einer Mittheilung Abbildhngen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen n.s.w. ) gleichzeitig Aut 2 el jedoch auf geircanien Blättern, einzurei Die Kosten der vo Vorligen haben i der Regel die Verfasser zu en. Sind diese Kosten A- demie ber die voraussichtliche Höhe dieser Kosten St — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — Kostenanschlag eines Sachv ändigen beizufügen erschreitet dieser Anse ür die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichte ten 150 Mark, = n us : 5 d Einreichung des Soleländienn wen Manuseri Ar: ts an den zuständigen Secretar ode den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilang ; in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines er anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestim Mittheilungen von Verfassern, weiche nicht Mitglieder er Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die itzungsberichte aufgenommen Beschliesst eine Classe die Aufnahme — Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die u bestim eil » Iu ; so er dieser Be der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie (Fortsetzung auf s. 3 des Aus‘ $ .® 6. N: +. 7 . p 7 ar wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, zu und die miese u: zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflich atgenomncnen w een Mittheilungen, Rede Adressen oder Berichten werden für die Ve rfasser, von w ieissschnflichen ee wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- _ ee eu Stücks ‚der SIROngsberichie ausgegeben werden | | = Aus $ 8. n allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen ; # % für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu TEBABONLER er "Verteilung ohne weiteres 50 Frei- ess be zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er au Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf der Genehmigung der Gesammt-Aka demie oder d treffenden Clas € w ® gern ya la : Sonder Ahiknckai aus den Abhandlungen er- hält eir Ze ee r, welcher - der Akademie ish zu Kresse Vertheilun ne weiteres 30 exemplare; er ist indess berecht er zu en Ei auf Kosten der Akademie weitere Exe ar Zahl von noch 100 und auf sein z n 2 ® f seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmi igung r Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe, — Ni tmitglieder erhalten 30 Frei- exempi nd dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirend re un 100 Exemplare auf irenden Kosten abziehen las 1 Eine für die Ehudsmischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf - A keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs“ Umsehlags.) VERZEICHNISS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM 1. JANUAR 1912. I. BESTÄNDIGE SECRETARE. Gabi yon de Datum der Königlichen estätigung BE AMBM:. .....:. .ophyssmath, Classe . . . „1878 April 10. In, ED 5,505 5.3885 Nov. 27. # PERWE: >... ... payemail. -- .5..2::: 3808 Jan: 20: oe se... Dbll,-hint, none ss AL AUG, 28, Il. ORDENTLICHE MITGLIEDER. Physikalisch -mathematische Classe Philosophisch -historische Classe a Bestätigung BE 0 nein ec. 28066 Aus, IE: Hr. Alexander Conze . . . . 1877 April 23. Pa 2 en. 30 a ER. : . =>... 3, 0. 0.0 Be 3 Hermann Dis . . . . 1881 Aug. 15. -: When Waldley . . . :. . 25.2.0... 184 Be Heinrich Brunner. . . . 1884 April 9. Tome DE Se a. 5. u 3 / - Otto Hirschfld . . . . 1885 März 9. - Eduard Sachau . . . . 1887 Jan. 24. - Gustav von Schmolee . . 1887 Jan. 24. MOIN ee A 2: - Adolf Harnack . . . . 1890 Febr. 10. - Hermann Amandus Schwarz - : -: - » x 2 2... .:1892 Dec. 19. - Georg Frobenus . . . dr sinne BE I ea Er . . . rn . . . . . Den - Oskir Buraaig » ., cn een, Be scMas Powk, - . .. 2... 20.0.0000 I a in - Karl Sumpf . . . . . 1895 Febr. 18. Erich Schmidt. . . . . 189 Febr. 18. - Adolf Erman . . . .°. 1895 Febr. 18. Datum der Königlichen Physikalisch - mathematische Classe Philosophisch - historische Classe re een 1895 Aug. 13, Hr. Reinhold Koser . . . . 1896 Juli 12. - Max Lenz. . . 1896 Dec. 14, - Ulrich von Weis: Moellendorf. . . . . 1899 Aug. 2, a er “on, 2 25,31800 Dee 18. = I EHRE. a 20.3. I u 31: - Heinrich Müller-Bresiu . . . . .. ey, 1008 Jan 12 - Heinrich Dres . . . . 1902 Mai 9. - Konrad Burdach . . . . 1902 Mai 9 - Friedrich en a...» oieulen 5 - Guslan Roethe . “un, 0. sa en 5 - Dietrich Schäfir .. . 2... 1008 Aug. 4. - Eduard Meyr. . . . . 1903 Aug. 4. - Wiühelm Schulze . . . . 1903 Nov. 16. “A ARE > 1904 April 3. - Hormon Stw . .. ..: ale: Aug. 29. - Hermann Zimmermann . . . ser ri Aug. 29. - Adolf Martens . . a 1904 Aug. 29 - Walther Nernst . 1905 Nov. 24 - Max Rubner . . 1906 Dec. 2 - Johannes Orth . 1906 Dec. 2 - Albrecht Penck . ee 1906 Dec. 2 - Friedrich Müller . 1906 Dec. 24 - eas Heusir . . . . 1907 Aug. 8 - Heinrich Rubens . . . ey] Aug. 8. - Theodor Liebisch . . . ee en. Aug. 3, - Eduard Seler . 1908 Aug. 24 - Heinrich Lüders 1909 Aug. 5 - Heinrich Morf . - 1910 Dee. 14 en - Heinrich Wölfln.. . ; 21910: Des; 4. - Gottlieb Haberlandt . Be | - Kuno Meyer . 1911 Juli 3 - Benno Erdmann 1911 Juli 25 - Gustar Hellmann R a 1811 Dee. 3 (Die Adressen der Mitglieder s. S. IX.) III II. AUSWÄRTIGE MITGLIEDER. Physikalisch- mathematische Classe Philosophiseh - historiselie Ulasse eg na ara Bestätigung Hr. Theodor Nöldeke in Strass- et - Friedrich Imhoof- Blumer in Winterthur . . 1900 März 5 - ee Villari ın ER 1900 März 5 Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i.W.. . . er . 1900 März 5. Kad Sen men: 5, nes... 1000 MiR.D, Hr. Adolfvon Baeyer inMünchen . . ». ». .» 2.2... 1905 Aug. 12. - Vatroslav von Jagie in Wien 1908 Sept. 25. - Panagiotis Kabbadias in Atlei. . . .. .. 1908 Sept. 25, F Lord Rayleigh in Witham, Essex. . .. -» . ..„.» . 1910 April 6. 4 IV. EHRENMITGLIEDER. Datum der Königlichen Bestätigung Earl of Crawford and Balcarres in Haigh Hall, IRB x .»...1888: Juli. 30, | Hr. Max Lehmann in Göttingen . . ; =...4887. Jan. 24: Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin ne u ae I) Mrs 5: ; Hr. Richard Schöne in Grunewald bei Berlin. . . . . . 1900 März 5. ; Frau Elise Wentzel geb. Heckmann in Berlin . . . . . . 1900 März 5. ; Hr. Konrad von Studt in Hannover . . nein, Ba 1, ! - Andrew Dickson White in Ithaca, N. Y. a en 5 100 Ben 22, . Rochus Frhr. von Lilieneren in Coblenz . . . . .........1901 Jan. 14. E Bernhard Fürst von Bülow in Rom . . : » : 2... . 1910 Jan. 31. . Hr. V. CORRESPONDIRENDE MITGLIEDER. Physikalisch-mathematische Classe. Ernst Wilhelm Benecke in Strassburg Lewis Boss in albaıy, NY. Oskar Brefeld in Charlottenburg ; Heinrich Bruns in Leipzig . Otto Bütschli in Heidelberg Karl Chun in Leipzig en Giacomo Ciamician in Bologna Gaston Darboux in Paris 2, George Howard Darwin in Cambridge . William Morris Davis in Cambridge, Mass. . Richard Dedekind in Braunschweig & Nüs Christofer Duner in Upsala Ernst Ehlers in Göttingen i Roland Baron Eötwös in Ofen-Pest .. HE -j u i Gabriel Lippmann in Paris Friedrich Merkel in Göttingen. . . Max Fürbringer in Heidelberg David Gill in London . Archibald Geikie in Haslemere, Surrey . . Paul Gordan in Erlangen Kari Graebe in Frankfurt a.M. . Ludwig von Graf in Graz . Julius von Hann in Wien . Vietor Hensen in Kiel . a, Richard von Hertwig in München Vietor Horsley in London . . Adolf von Koenen in Göttingen Leo Koenigsberger in Heidelberg . . Wilhelm Körner in Mailand } Friedrich Küstner in Bonn . Henri Le Chatelier in Paris . . ; Philipp Lenard in Heidelberg. . . Hendrik Antoon Lorentz in Län . Hubert Ludwig in Bons. .:. a, Felix Marchand in Leipsk. . . . - 1910 Datum der Wahl 1900 1910 1899 Febr. Oct. Jan. 1906 Jan. 1897 1900 März Jan. Oct. Febr. Juni Juli März Febr. 7 Jan. Jan. Febr. Febr. Juni Juli \ ENTER Physikalisch-mathematische Classe. Hr. Franz Mertens in Wien . . - Henrik Mohn in Christiania : - Alfred Gabriel Nathorst in Stockholm ; - Karl Neumann in Leipzig . i - Max Noether in Erlangen . u - Wilhelm Ostwald in Gross- Borken. Kor Sachsen . - Wilhelm Pfeffer ın Leipzig . ee er - de Prard in Paris . . i - Edward Charles Pickering in Cambridge, un i - Henri Poincare in Paris. . . 2 - Georg Quincke in Heidelberg . - Ludwig Radikofer in München Sir William Ramsay in London Hr. Gustaf Retzius in Stockholm . ; - Theodore William Richards ın Oambeidee, ai. - Wilhelm Konrad Röntgen in München - Heinrich Rosenbusch in Heidelberg - Georg Ossian Sars in Christiania - Oswald Schmiedeberg in Strassburg . Gustav Schwalbe in Strassburg - Hugo von Seeliger in München : Hermann Graf zu Solms- Laubach ın Sesmubeie:.. Hr. Johann Wühelm Spengel in Giessen . - Eduard Strasburger in Bonn . : - „Johannes Striver in Rom . . Sir Joseph John Thomson in Cambridge. Hr. August Toepler in Dresden . - Gustav von Tschermak in Wien Sir William Turner ia Edinburg Hr. Woldemar Voigt in Göttingen . . i - ‚Johannes Diderik van der Waals in An : - Otto Wallach in Göttingen . rn - Eugenius Warming in Kopenhagen - Heinrich Weber in Strassburg . - August Weismann in Freiburg 1. Br. . . » - Wilhelm Wien in Würzburg ee - ‚Julius von Wiesner in Wien. - Ferdinand Zirkel in Bonn . Y Datum der Wahl 1900 1900 1900 1893 1896 1905 1889 1898 1906 1896 1879 1900 1896 1893 1887 Febr. 22. Febr. 22. Febr. 8. 8 18 19 8 Juli 28 März 13 März 3. März 10. März 8. Febr. 22 Juni 13 dan. 19 Jan. 30 März 11. ' Juli 14. Juni 8. Oct. 20. vi ’ Philosophisch-historische Classe. . Karl von Amira in München . . . . Ernst Immanuel Bekker in Heidelberg ; Friedrich von Bezold in Bonn . Eugen Bormann in Wien Emile Boutroux in ee James Henry Breasted in Chicago Ingram Bywater in London i Rene Cagnat in Paris. . Arthur Chuguet in Villemomble (Seine). Franz Cumont in Brüssel . . . Samuel Rolles Driver in Oxford . Louis Duchesne in Rom. . Julius Euting in Strassburg Paul Foucart in Paris I James George Frazer in Cambridge . Wilhelm Fröhmer in Paris . Percy Gardner in Oxford . . Ignaz Goldziher in Ofen-Pest . Theodor Gomperz in Wien. . . . Francis Liewelhn Griffith in Oxford . Ignazio Gwdi in Rom . . . . Georgios N. Hatzidakis in Athen . Albert Hauck in Leipzig Bernard Haussoullier in Paris . Barclay Vincent Head in London . Johan Ludvig Heiberg in Kopenhagen . Karl Theodor von Heigel in München . Antoine Heron de Villefosse in Paris . Leon Heuzey in Paris . . . 5 Harald Hjärne in Upsala Maurice Holleaux in Athen. Edvard Holm in Kopenhagen Theophile Homolle in Paris . Ohristi Hülsen in Florenz. Hermann Jacobi in Bonn . Adolf Jülicher in Marburg . . Karl Justi in Bonn > . 1900 1897 1907 1902 1908 1907 1887 1904 1907 1911 1910 1893 1907 1884 1911 1910 1908 1910 1893 Du 2 u) 1904 . . . e - m “ 1874 Jan. Juli Febr. Juli Febr. Juni Nov. Nov. Febr. April Dec. Juli Juni Juli Nov. Nov. Datum der Wahl EEE HE WEHRGIEN ERS . Philosophisch-historische Classe. Hr. Arnold Luschin von Ebengreuth in Graz - „John Pentland Mahafj y in Dublin ; - Gaston Maspero in Paris . . - Wilhelm Meyer- Lübke in Wien - Ludwig Mitteis in Leipzig . - Gabriel Monod in Versailles - Heinrich Nissen in Bonu - Axel Olrik in Kopenhagen . - Georges Perrot in Paris . - Edmond Pottier in Paris. - Franz Praetorius in Breslau . . - Wilhelm Radloff in St. ne - Pio Rajna in Florenz - Moriz Ritter in Bonn - Karl Robert in Halle a.S. - Richard Schroeder in Hekdelien - Eduard Schwartz in 1.:BR,; - Emile Senart in Paris . - Eduard Sievers in Leipzig . - Henry Sweet in Oxford . - Sir Edward Maunde Thompson in din “ Hr. Vühelm Thomsen in Kopenhagen . - Paul Vinogradof in Oxford . - Grirolamo Vitelli in Florenz. . - Jakob Wackernagel in Göttingen - Julius Wellhausen in Göttingen - Adolf Wilhelm in Wien - Ludvig Wimmer in Kopenhagen . - Wiühelm Windelband in Heidelberg - Wiühelm Wundt in Leipzig . i vu Datum der Wahl 1904 Juli 21. 1900 Jan. 18. 1897 Juli 15. 1905 Juli 6. 1905 Febr. 16. 1907 Febr. 14. 1900 Jan. 18. 1911 April 27. 1884 Juli 17. 1908 Oct. 29. 1910 Dec. 8. 1895 Jan. 10. 1909 März 11. 1907 - Febr. 14. 1907 Mai . 2. 1900 Jan. 18. 1907 Mai: 2, 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1901 Juni 6. 1895 Mai 2. 1900 Jan. 18. 1911 Juni 22. 1897 Juli 15. 1911 Jan. 19. 1900 Jan. 18. 1911 April 27. 1891 Juni 4. 1903 Febr. 5. 1900 Jan. 18. INHABER DER HELMHOLTZ-MEDAILLE Hr. Santiago Ramon y Cajal in Madrid (1904). Emil Fischer in Berlin (1908). je 4 INHABER DER LEIBNIZ-MEDAILLE. a. Der Medaille in Gold. Hr. James ER in Berlin (1907). - Ernest Solvay in Brüssel (1909). - Henry T. von Böttinger in Elberfeld (1909). Joseph Florimond Due de Loubat in Paris (1910). Hr. Hans Meyer in Leipzig (1911). vıı d. Der Medaille in Silber. Hr. Karl Alexander von Martius in Berlin (1907). - A. F. Lindemann in Sidmouth, England (1907). - Johannes Bolte in Berlin (1910). - Karl Zeumer in Berlin (1910). - Albert von Le Cog in Berlin (1910). - Johannes Ilberg in Wurzen (1910). - Max Wellmann in Potsdam (1910). Robert Koldewey in Babylon (1910). Gerhard Hessenberg in Breslau (1910). - Werner Janensch in Berlin (1911). Hans Osten in Leipzig (1911). a a Sa rs ae a BE aa ei a ars ee ER ER A TE ER BEAMTE DER AKADEMIE. Bibliothekar und Archivar der Akademie: Dr. Köhnke. Bibliothekar und Archivar der Deutschen Commission: Dr. Behrend. Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Harms, Prof. — Dr. von Fritze. — Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. — Dr. Apstein, Prof. - ee —— — mi 2. . - - u TÄSETT ENEEE AREDTEETE ERTL DE an ' Li ' ı Hr. Dr. WOHNUNGEN DER ORDENTLICHEN MITGLIEDER UND DER BEAMTEN. Auwers, Prof., Wirkl. Geh. Ober-Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW 68. Branca, Prof., Geh. Bergrath, Lutherstr. 47. W 62. Brandl, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kaiserin Augusta-Str.73. W 10. Brunner, Prof., Wirkl. Geh. Rath, Lutherstr. 36. W 62. Burdach, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald, Schleinitzstr. 6. Conze, Professor, Grunewald, Wangenheinstr. 17. Diels, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Nürnberger Str. 65. W 50. Dressel, Professor, Kronenstr. 16. W 8. Engler, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Dahlem (Post: Steglitz), Altensteinstr. 2. Erdmann, Prof., Geh. Regierung-Rath, Dahlem (Post: Gross-Lichter- felde-West), Liebensteinstr. 1. Erman, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Dahlem (Post: Steglitz), Peter Lenne£-Str. 72. Fischer, Prof., Wirkl. Geh. Rath, Hessische Str. 2. NA. Frobenius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Charlottenburg, Leibnizstr. 83. Haberlandt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Charlottenburg, Lietzensee- ufer 1. Harnack, Prof., Wirkl. Geh. Rath, Grunewald, Kunz Buntschuh-Str.2. Hellmann, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Margarethenstr. 2/3. W 10. Helmert, Prof., Geh. Regierungs -Ratlı, Potsdam, Geodätisches Institut. Hertwig, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Grunewald, Wangenheimstr. 28. Heusler, Professor, Vietoria Luise-Platz 12. W 30. Hirschfeld, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Charlottenburg, Mommsenstr. 6. Koser. Wirkl. Geh. Ober-Regierungs- Rath, Charlottenburg, Carmer- str. 10. Lenz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburger Str. 39. W 50. Liebisch, Prof., Geh. Bergrath, Charlottenburg, Leistikowstr. 2. Lüders, Professor, Charlottenburg, Sybelstr. 20. Martens, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Dahlem (Post: Gross- Lichterfelde-West), Fontanestr. 22. Meyer, Eduard, Professor, Gross- Lichterfelde-West, Mommsenstr. 7/8. Meyer, Kuno, Professor, Charlottenburg, Niebubhrstr. 11a. Morf, Professor, Halensee, Kurfürstendamm 100 Müller, Professor, Zehlendorf, Berliner Str. 14. | u; Müller-Breslau, Prof., Geh. Re rierungs-Rath, Grunewald, Kurmär- kerstr. 8. | Munk, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 4. WM. Nernst, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Am Karlsbad 26a. Ww35. 2 X Hr. Dr. Orth, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Grunewald, Humboldtstr. 16. - = Penck, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Knesebeckstr. 48/49. W 15. ” = Planck, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald, Wangenheimstr. 21. - - Roethe, Pxof., Geh. Regierungs-Rath, Westend, Ahornallee 39. - = Rubens, Prof., Geh; Regierungs-Rath, Neue Wilhelmstr. 16. NW 7. - = Rubner, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Kurfürstendamm 241. W 50. - = Sachau, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Wormser Str. 12. W 62. - = Schäfer, Prof., Grossherzogl. Badischer Geh. Rath, Steglitz, Fried- richstr. 7. - - Schmidt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburger Str. 43. W 50. - - von Schmoller, Prof., Wirkl. Geh. Rath, Wormser Str. 13. W 62. - = Schottky, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Steglitz, Fichtestr. 12a. - = Schulze, Franz Eilhard, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. N4 - = Schulze, Wilhelm, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kaiserin Augusta- Str. 72. W 10. - =. Schwarz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald, Humboldtstr. 33. En Schwendener, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 28. W 10 - = Seler, Professor, Steglitz, Kaiser Wilhelm-Str. 3. *' ..=2 Süd, Prof., Geh, Regierungs-Rath, Enckeplatz 3a. SW 48. - -. Stumpf, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburger Str. 45. W 50. = = Waldeyer, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Lutherstr. 35, W 62. - Warburg, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 25 b. - - von Wiamowitz -Moellendorff, Prof., Wirkl. Geh. Rath, Westend, Eichen- allee 12, -. =. ‚Wölfen, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Halensee, Kurfürstendamm 160. ” = Zimmermann, Wirkl. Geh. Ober-Baurath, Calvinstr. 4. NW52. Hr. Dr. Apstein, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Flemingstr. 5. NW 52. “ = Behrend, Bibliothekar und Archivar der Deutschen Commission, Gross- Lichterfelde-West, Knesebeckstr. 8a. = = Dessau, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Charlottenburg, Car- merstr. 8, = = von Fritze, Wissenschaftlicher Beamter, Courbierestr. 14. W 62. “= = „Harıns, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Friedenau, Ringstr. 44. - = Freiherr Hiller von Gaertringen, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Westend, Ebereschenallee 31; en Köhnke, Bibliothekar und Archivar, Charlottenburg, Goethestr. 6, “ = ‚Rılier, Wissenschaftlicher Beamter, Friedrichshagen, Seestr. 71. - = Schmidt, en Wissenschaftlicher Beamter, . W 62, Ä : as St 20 ei Bayreuther 0 Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei SITZUNGSBERICHTE 1912. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ll. Januar. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. l. Hr. Dıeıs las: Über die handschriftliche Überlieferung des Galen’schen Commentars zum Prorrheticon des Hippo- krates. (Abh.) Unter den acht Hss., die von diesem Commentar bekannt geworden, sind für die im Druck befindliche Ausgabe die drei ältesten: Reginensis 175, Laurentianus 75, 5 und Trivultianus 6385, alle S. XIV, als Grundlage ausgewählt worden. Sie gehen auf einen, wie es scheint, nicht viel älteren Archetypus zurück, der in einem sehr schlechten Zustand sich befunden haben muss, so dass mehrere Blätter theils ganz, theils für die Mehrzahl der Hss. ausgefallen sind und der Text an vielen Stellen stark gelitten hat. 2. Hr. von Wıramowırz überreichte den Sonderabdruck seiner Ge- schichte der griechischen Literatur und Sprache aus Bd.I, 8 der »Kultur der Gegenwart«. 2. Aufl. Berlin und Leipzig 1912 und Hr. Kuxo MEver seine Ausgabe und Übersetzung des altirischen Gedichts Hail Brigit. Halle a. S. und Dublin ı9ı12. Ferner wurde vorgelegt J. Hırsca- BERG, Deutschlands Augenärzte 1800— 1850 (Geschichte der Augen- heilkunde IV). Leipzig ıg11. Ausgegeben am 25. Januar. Sitzungsberichte 1912. | | 1 | ; | | i ; 3 SITZUNGSBERICHTE 1912. I. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ll. Januar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *]. Hr. Prauck las über die Begründung des Gesetzes der schwarzen Strahlung n dem gegenwärtig noch vielfach umstrittenen Problem der Strahlungsgesetze scheint wenigstens so viel jetzt ziemlich allgemein anerkannt zu sein, dass die Prin- cipien der celassischen Dynamik zu einer rationellen Begründung der Thatsachen nicht ausreichen und daher an irgend einer Stelle modifieirt werden müssen. Die vom Vor- tragenden zu diesem Zwecke aufgestellte Quantenhypothese ist in ihrer Anwendung auf ein System von idealen periodischen Oscillatoren nunmehr zu einem gewissen Ab- schluss gekommen; sie beruht auf der Annahme, dass die Absorption der Strahlung von seiten eines Oseillators stetig, nach einem einfachen Schwingungsgesetz, die Emission dagegen unstetig, nach ganzen Vielfachen eines bestimmten Energiequantums, erfolgt. Hieraus ergibt sich eindeutig das durch die Erfahrung bis jetzt gut bestätigte Gesetz der Energievertheilung im Speetrum eines schwarzen Körpers. 2. Hr. Frogenıus legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. I. Schur hierselbst vor: Über einen Satz von Ü. ÜARATHEODoORY. Bei seinen Untersuchungen über Potenzreihen mit positivem reellem Theil macht Hr. CARATHEoDoRY von einem gewissen algebraischen Satz Gebrauch, zu dem er durch geometrische Betrachtungen gelangt ist. In der vorliegenden Arbeit wird für diesen Satz ein neuer, rein algebraischer Beweis angegeben. 3. Im Anschluss an diese Mittheilung gab Hr. Frogenivs eine Ab- leitung desselben Satzes aus einer Formel von Kronecker. Der in der Arbeit des Hrn. Scuur behandelte Satz des Hrn. CArArneopory wird aus einer von KroNnEckER gefundenen identischen Gleichung abgeleitet. Dieser Be- weis wird dann mit den Beweisen der HH. Fischer und Scaur verglichen. 4 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Über einen Satz von (. CARATHkoDORY. Von Prof. Dr. I. Scuur in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Frosenxtus.) Ba seinen Untersuchungen über Potenzreihen mit positivem reellem Teil ist Hr. Cararu£onorr! zu einem sehr interessanten Ergebnis ge- langt, das sich unter Benutzung einer von Hrn. O. Torrrırz? gemachten Bemerkung folgendermaßen aussprechen läßt: I. Man bezeichne, wenn a,,a,,-:-, a, gegebene Zahlen sind und a_, die zu a, konjugiert komplexe Größe bedeutet, mit M(Q,,Q,,++-,a,) die größte unter den (sämtlich reellen) Wurzeln der Gleichung u, dı s Ag : er, An a_ı, 4, 4ı, = On ö: O-ny A_nrı5 A_nya, 5 L Dann liefert (1.) »(@1,02,.-,a,) < 1 die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß sich eine im Innern des Einheitskreises reguläre analytische Funktion (2) angeben lasse, deren reeller Teil für |z|<1 positiv ist, und deren Entwicklung nach Potenzen Ausdruck von z mit dem 1 yrhrtraet top 0,8 " Über den Varinbilitätsbereich der Koeffizienten von Polenzreihen, die gegebene Werte -93—115, und Über den Variabilitäts- positiwen Funktionen, Rendiconti del Circolo S.193— 217 (diese Arbeit wird im folgen- Br ; certains systömes singuliers d’&quations tegrales, Annales Seientifiques de l’Ecole Normale superieure, Serie UI, Bd. 28 (rgrı), ler quadratischen Formen von unendlich vielen V, lichen, Nach- richten der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften rungen ' der Wissenschaften zu Göttingen, math.-phys. Klasse, Jahr- gang 1910, 3.489 — 506, und Über die Fovrrersche Entwickelung positiver Funktionen, Rendi- eonti del Circolo Matematico di Palermo, Bd. XXX (1911), S.191— 192. I. Scuur: Über einen Satz von Ü. CARATHEODORY. 5 beginnt. Ist insbesondere u(a,,a,,'-",a,) = 1, so gibt es nur eine Funk- tion f(2), die den beiden genannten Bedingungen genügt. Hr. Cararn£oporv beweist diesen Satz in eleganter Weise auf geometrischem Wege durch Betrachtung des kleinsten konvexen Kör- pers K,, im 2n-dimensionalen Raume, der die Kurve x se rey, ae W—=1,2,..,") enthält. Daß die Bedingung (1.) für die Existenz einer Funktion f(2) von der verlangten Art notwendig ist, hat Hr. Torruırz in sehr ein- facher Weise direkt bewiesen und ebenso den umgekehrten Satz: ge- nügen die Koeffizienten @,,@,,--- einer gegebenen Potenzreihe Su). = taste + für jedes n der Bedingung (1.), so ist die Reihe für |2| < I konvergent und ihr reeller Teil positiv. Dieses schöne Resultat beweist Hr. CarA- THEODORY (R., Abschnitt IV) mit Hilfe des Satzes I. Einen algebraischen Beweis dieser Sätze verdankt man Hrn. E. Fıscher'. Eine genauere Betrachtung des Cararn£oporyschen Beweises für den Satz I läßt aber erkennen, daß es in erster Linie darauf ankommt, folgenden rein algebraischen Satz zu beweisen, den Hr. CARATHEODORY (R., Abschnitt II) auch ausdrücklich angibt: II. Sind a,,a,,:--,a, beliebige reelle oder komplexe Größen, so lassen sich auf eine und nur eine Weise höchstens n voneinander verschiedene Größen &,,&,,*'',&, vom absoluten Betrage T und ebensoviele reelle posi- tive Zahlen r,,r,,*'-,r, bestimmen, die den n Gleichungen (2.) Ba nsrnst +96 I 1,2, 00} genügen. Setzt man, wenn a_, (wie oben) die zu a, konjugiert komplexe Größe bedeutet, 7, a; REITEN a D(e,a,:--,%) = eis X, Be re | Bin: Biss Diwam Yin oc so ist (3-) a ee a eindeutig bestimmt als die größte unter den (sämtlich Kens Wurzeln der Gleichung (4.) Ds = 0. ı Über das Cararnkoporrsche Problem, Potenzreihen mit positivem reellen Teil be- treffend, Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo, Bd. XXXI (1g11), S. 240—256. 6 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Die Zahl p ist dadurch charakterisiert, daß D(a) = %>0, D(a,a)>0,:--, D(@,a,:--:,a,-,)>0, D(@,a,-:- a) ist; ferner sind e,,&,,..-,e, die Wurzeln der Gleichung 0 MM. dp-15 An a4]; Ggy ''', Ap-2; a,-ı a (5.) FKla)=|- - - —0. Q-p+15 A_p425°°', Ay a l, | 2er”, ar Den ersten, wesentlicheren Teil dieses Satzes leitet Hr. CaraA- THEODORY aus den Eigenschaften des konvexen Körpers X,, ab. Ein algebraischer Beweis ist in der erwähnten Arbeit des Hrn. Fischer enthalten. Im folgenden soll ein neuer Beweis angegeben werden, der den eigentlichen algebraischen Ursprung des Satzes deutlicher her- vortreten läßt. Am Schluß der Arbeit gebe ich an, wie sich auf Grund des Satzes II der Beweis des Satzes I gestaltet. 1. Nimmt man die Gleichungen (2 .) als erfüllt an, und ist r, > 0, Wie so wird a en a Be a a „on Die mit Hilfe der Zahlen a,, a_, und der durch (3.) definierten Zahl a, gebildete Hrrmresche Form Hn= N, ,a3_. 0.83 (m =0,1,.-.,n) a,6 der konjugiert Romplexen Variabeln Kar a, UDO 2,2... 0 läßt dann offenbar die Darstellung p Mn Drlekestzz a 5 “4 zu. Da °1> 82, °°',€, voneinander verschieden sein sollen, so sind unter den p Linearformen E +8, 2 +--: TE, für m +1

| P genau p linear unabhän ig. Daher ist (wegen r, > 0) H,, eine nicht F negative Form’, deren Rang ! Der triviale Fall a, — dä,» % "se0sell A = schlossen bleiben. | u. = nel Betrachtung ausge- Eine Herurresche Form H nennt man nicht negativ, 5 a = sr ne man ; negativ, wenn sie bei jeder spe- ‚ziellen Wahl der Variabeln einen nicht negativen Wert erhält. Ist a a re en ‚so nimmt H nur dann den Wert en 5 awinden; in diesem Fall wird H ein tive For genannt. Eine Herurresche Form ist ferner dann und nur dann en ii unter den (sämtlich reellen) Wurzeln ihrer charakt ee 1 4 4 : ’ t : 3 : ; l. Schur: Über einen Satz von Ü. Cara Tukopory. 7 für m+1

p gleich p ist. Unter den Determinanten D(a,), D(a,,a,),---, D(a,,a,,---,a, der n+1 Formen H,,H,,---,H, sind folglich die ersten p von Null verschieden (positiv), die folgenden gleich Null. Insbesondere ergibt sich, dap<.n sein soll, daß a, der Gleichung (4.) genügen muß. Da ferner jede Wurzel y der charakteristischen Gleichung D(as—y,a,,::-,a,) = 0 der nicht negativen Form H, eine reelle, nicht negative Zahl ist, so ist a, die größte Wurzel der Gleichung (4.). Daß endlich die Größen €, 83, °°',&, der Gleichung (5.) genügen müssen, ergibt sich unmittel- bar, indem man beachtet, daß auf Grund der Gleichungen (2.) und (3.) -1 rı, T3, De Tas 0 ae Er 1 4, . er Pe p r,£, ’ TyE&y ’ TzEn b) 0 1,8, . En Pr Er F,(z) = ee ee re ey er RR die u ie. f,E, ‚Tat, r 78, „oO l,8,, ui, 48, 0, DB, ..., 0, 1 1 wird. & 2, Es sei umgekehrt a, die größte unter den Wurzeln der Gleichung (4.). Die charakteristische E D(a,—-y,a,,---,a,) = 0 der Hernrte- schen Form H, een 0 aß hat dann keine negative Wurzel. Daher ist H, und folglich auch jede der Formen H. = N) as-.2u2 (m u.:0,, mm! Ked, 1, ‚n) a0 Setzt man daher ‚ 6 =-— = ’ und bezeichnet die zu ec, konjugiert komplexe Größe mit C,, so wird 341 = CL +03Q3_-ı + +cnAp_ar, (6.) { 3+1 Ye, 8 22a 1 he +1 Gel... | A-. = GAdı-tCa_.+ N TorG, ni Man setze nun, wenn Yo: Yı> '"",Y.-, beliebige Variable sind, | (7:) =. = 0 tYı; u a Rare - Ye Ya 1, @,; — C,Yo; | also & = cıYo+Yı, # = CoYo+Ys, ey Do: — Cn-1%0 nit, In-ı Fra CuYo; wo y,, wie immer, die zu Y, konjugiert komplexe Größe bedeuten soll, Dann wird wegen (6.) | n—-1 n—1 (8.) > Ap-ala = > 9B+1-aYa e=o0 a=0 und ; n—1 n—1 (8 .) > Aa4ı-aRg = > Ap-=YB- B=o B=o Multipliziert man nun beide Seiten der Gleichung (8.) mit x; und addiert über A — 0 ‚l,---,n-1, so erhält man unter Berücksichtigung der Gleichung (8.) fo; MIR ER n-1 & (9.) 2: we = 2. AB-aYaYp. . Die positive Form H,_, bleibt demnach bei Anwendung der durch die SENDER ) definierten linearen Substitution ungeändert. Nach einem be- kannten, leicht zu beweisenden Satze sind daher die Wurzeln z ea. der charakteristischen Gleichung ch | Bm 00, 6.5 ER Si 1, = 6, 0 »(z) a 5 no, = 9 Cn-15 u, D, en 1 Ca; ’ 0, s VD, ei ir. a N a La EA 2 hraig = a Em BEL aaa el zen ö ae e zrEmiln ausm ns gie in Man uaizize Naila ade naaafl ua mern Fr SD Ze an. 5 ” ’ E eig e m a e « I. Schur: Über einen Satz von Ü, CArATHkODORY. N) dieser linearen Substitution sämtlich vom absoluten Betrage 1; außerdem besitzt die Determinante ®(x) nur lineare Elementarteiler, d.h. für eine Wurzel e, der Ordnung m ist ®(s,) vom Range n- m. In unserem Falle ist aber ®(e,) genau vom Range n-1, weil die mit Hilfe der n—1 ersten Zeilen und 2-1 letzten Kolonnen gebildete Unterdeter- minante gleich 1 ist. Folglich sind die Zahlen e,, &,,."+,e, untereinander verschieden. Da ferner, wie eine einfache Rechnung zeigt, (2) = (-N (ar - 12"... 0) (- 1)° Fu(z) ist, so bestehen die Gleichungen eo ei has ke din. Man setze nun ots, a1 +-- ee Yote, 'yı+t: I, re er Na- Dann sind Z,,&.,---,£, und ebenso n,,%,, »+-,7, voneinander un- abhängige een, Ferner wird auf Grund der Gleichungen (7.) und (10.) Eu. e == fe, %, +yı) Ar e, (CaYo + Ya») Por > (en-ı%0 + Ya-ı) ng & 70.5 ee En Pe A Führt man nun in der Form H,,_, an Stelle der Variabeln ee die Variabeln £,,&,,---,Z, ein, so möge 2 BR ART = Dale E.&, a@,ß ar werden. Dann ist auch n—1 ar n er >, 08-YuYa = run: a,B #,‘ Aus (9.) ergibt sich daher n =; n T ER n 5 Var e Er = pa Van EuE, Nana se = Var Nas "A ”,a ”,A ; 2-1 folglich ist meh era, Da aber &,, &,, ---,e, voneinander verschieden sind, so wird eh wenn x nicht ach A ist. Setzt man n = R r; er, nat so erhält man Ä \ n n ; & RE rs n-1 en ei i 4 u 4, la. B,-i = Ap-aTlartp = >23 r, Eu = > r.|2o + rn en u.ä ea P “, 10 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. oder, was dasselbe ist, ao = r, = r3 ee 5; un Rn en Fer tn er ns ee A.u-ı = TjE] Far TirerspPu . Es ist aber, wie aus der ersten der Gleichungen (6.) für ® = n-1 folgt, an — C1Q,-ı +C3Aa-a +" +C,0- Daher ist wegen (10.) auch n n n Te n Die Zahlen r,, r,,---, r„ sind hierbei, als Werte der positiven Her- “ıreschen Form H,_,, reelle positive Zahlen. $ 3: Wir haben nun den Fall pu eine positive Form, für a, = u eine nicht eng Form von ee ee _ dender Determinante. Da die Hauptunterdeterminanten einer nicht negativen ie _ schen Form reelle, nicht negative Zahlen sind, so wird ER für ee 2 ne a, = a,—|a,|? 2». 12 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Daher ist für jedes v (13.) la,| x n(aı,as, -:-,a,). Umgekehrt ist, wenn M die größte unter den » Zahlen | «, | bedeutet, (14.) K(aı,Q, ---,a,) } |x.?-M% 2] E74 a,ß «—=0 «=+ß ist, und daß die rechts stehende quadratische Form der Variabeln lx.| für a, = nM eine nicht negative Form wird. Insbesondere gilt in (14.) das Gleichheitszeichen, wenn ist. 1 Der besseren Übersicht wegen mögen hier noch einige Eigen- schaften der Funktion u besonders erwähnt werden: a) Es ist u(a,,a,, :.-,a,) eine reelle, nicht negative Zahl, die nur dann gleich Null ist, wenn 1 e, =. =, =. ist. b) Für jede reelle positive Zahl # ist p(ta, ‚ta, “7, 40,) Br in(a,,Qs, ee e) Es ist stets rlaı + bırar + bu, ...,0,+8,) 1 (2) I +3, (rei+tras;+ Se +rp8,)2” = Stat iq zeH+---, er v=1 Außerdem ist der reelle Teil von f,(z) wegen r, > 0, ae gleich s=ı also, da u,0 sein soll, für jedes Wertsystem 2,2, ,°'",&, Dias-.gl2-ela.ä 2:0 .,ßB ; und, da dies für alle o<1 gilt, auch i D,as-.2.83 0 Dr "oa dar m ka ai de EL EEE l. Scuur: Über einen Satz von Ü. CARATHEODoORY. 15 sein. Hieraus folgt aber (vgl. $ 4), daß für jedes n Kan = H(4ı,42,''',@,) S @o, d.h. M; = l sein muß. Ist nun insbesondere für n gegebene Zahlen a,,a,,---,a, die Zahl u, gleich 1, und genügt die Potenzreihe (17.) den Bedingungen des Satzes I, so ist zunächst für jedes m pa a plamsar, au) 1: Da aber anderseits für m>n 1 = p(a1,0,°'',0.) n eng +rfi, re +4, wird. Beachtet man noch, daß in unserem Fall rn, trn+ +, = mm=]1 ist, so erhält man für /(z) die Darstellung )=zt 2% matnastetng)e s=ı Ey a. ur Be, Ay Lö Die Funktion f(z) ist also in der Tat eindeutig bestimmt. 1) 16 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Ableitung eines Satzes von CARATHEODORY aus einer Formel von KROoNECKER. Von G. FRoBEnIDS. Sind @,,Q@3, a, irgend m gegebene Größen, so kann man m reelle positive Größen 7,,r,,---r„ und m verschiedene Größen & vom absoluten Betrage 1 so bestimmen, daß tg u, z=ndtrsit:-- + rmEh wird. Die m Tensoren r, sind durch diese Bedingungen vollständig - bestimmt, und falls n derselben von Null verschieden sind, etwa rTı,''-T,, So sind es auch die entsprechenden Versoren e,,--:e,. Ist a_, die zu a, konjugiert komplexe Größe und ist a, die größte Wurzel der Gleichung ee a (kr = 0,1, m), so ist n der Rang dieser Determinante und auch dadurch bestimmt, daß An ae laı-.| MHAEDL+:) verschwindet, während A=A, = las-.]| (.,B=0,1l,-.n-B von Null verschieden ist. Die n Versoren &,'+-e, sind die Wurzeln der Gleichung Fa) la, FB. | ed, Es ist also zu zeigen, daß unter den gemachten Voraussetzungen erstens diese n Wurzeln alle untereinander verschieden sind, zweitens Jede den absoluten Betrag 1 hat, und drittens die Versoren Pe, die durch die n Gleichungen a —engH+t +re R=1,2,..n) vollständig bestimmt ‚sind, reell, positiv und von Null verschieden sind. Das letztere schließe ich aus der Auflösungsformel An-ı 1 Frosenıus: Über einen Satz von ÜARATHEODORY. 17 Für die drei Behauptungen, die in diesem Satz des Hrn. CAra- THEODORY ausgesprochen sind, hat Hr. Schur in der vorausgehenden Arbeit einen rein algebraischen Beweis gegeben, der auf den Eigen- schaften der linearen Substitutionen beruht, die eine positive Heruıtesche Form g in sich selbst transformieren. Ich habe bemerkt, daß man den Satz fast unmittelbar aus einer Identität ablesen kann, die Kroxecker am Ende seiner Arbeit Zur Theorie der Elimination einer Variabeln aus zwei algebraischen Gleichungen, Sitzungsber. 1881, abgeleitet hat, F.(z) Fa-1(y) - Fuly) Fa-ı(2) = C(z-y)H,(z,y), wo | Gi us], F.(2) = las+2 2 -Aar+2+ı | (a, =0,1,:..n—1), oder “= ee a Het. .t ) An-ı An ... Adon-ı ’ ( Y) Un-—1 ... Gen Yarı 1 er 1 ge! 0 ist. Hr. Scaur benutzt ausschließlich die positive Form p, in welche die Form v= rıYıyı nn Yu Yalı durch die Substitution Yı rn + €E,fı + mas “r a transformiert wird und wahrt dadurch seiner Entwicklung den Vorzug einer großen Geschlossenheit und Durchsichtigkeit. Ich aber bediene mich mehr der (zur reziproken von p konjugierten) Form ®: A, welche durch die transponierte Substitution La — ei Yı ee En Yn in die zu Y reziproke Form 1.2 > n ee. ap ; übergeht. 52. Ersetzt man in der Formel von Kronecker jedes «a, en we so geht sie über in | (1.) F(2)G (y)- F(y)G(z) = A(#-y)H(x,y). Hier ist, wenn man die n ersten Zeilen in der umgekehrten Reihen- folge schreibt, | Sitzungsberichte 1912. 2 18 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. } | “ (2.) A les-.}; F(x) nn le3-a2-ag-.rı] (a, 0,1. n—1l) \ oder \ Av 4ı ... Ass An E A_ı ao rn A E 2 == EB (3.) F(x) | @_n+1 A_n+2 er 470 aı E E 1 a ae Ku 7 aa E und { n—]1 Rn do An—ı Y | " H xy) ee : / (4-) (2. 4% > 3. ; 1 RL 0 In dieser Funktion H (2,y) ist G(x) der Koeffizient von u ‚u. des letzten Elementes der ersten Zeile. Zum besseren Verständnis der folgenden Entwicklung wieder- hole ich den Beweis von Kronecker für die in dieser Gestalt geschrie- bene Identität. Die darin vorkommenden Größen x, YıQazı,,..Q,, @_1,°**Q_„;, betrachte ich als unabhängige Variable. Dann bestimme ich a_, so, daß die Determinante (rn +1)ten Grades (5-) Are. WR 0,1,..n) verschwindet. Ist nun | Air) > b,x*, so ist 65, = A und (6.) Da. = 0 Kinn x Addiert man in der Determinante er An-ıbn y"b, ar le igeni AyH(z,y) = _ - u ; Guy. **- Go 1 Es 0 zu den Elementen der erste > ersten Zeile die der zweiten, mit b,_, multi- pliziert, ---, die der nten, mit 5, multipliziert, so erhält man IT@-nbo ++» -4a_,b, F(y)—b, RE tn. ... Ana Y _ S ! . =, o se FroBenıvs: Über einen Satz von ÜARATHEODORY. 19 Darin ist das letzte Element der ersten Zeile mit G(x) multipliziert. Daher ist, wenn A, = 0 ist, AyH(z,y) = F(y)6G(2)+(-1)"6.H-.(z,y), wo G_ı 7 Me fr H(z,y)=-lann 0 0 y BE uns #- 1 1 as x#-1 0 aus H(x,y) hervorgeht, indem man Jedes «a, durch a,_, ersetzt. Nun ist H(ax,y) = H(y, x) symmetrisch, und folglich auch H_,(x, y). Um dies zu erkennen, braucht man nur die ersten n Zeilen in der umgekehrten Reihenfolge zu schreiben oder H auf die Form (7) Hlz,y) = las-.(e+y)-as-.n-as-..ı2y| (0, =0,1,..n-2) zu bringen. Folglich ist AyHiz,y)- F(y)G(z) = ArH(z,y)- F(x)G(y), und zwar identisch, weil hier a_„ nicht vorkommt. Ein zweiter Beweis geht aus von der Matrix (0) i 1) @) () en rei JE Bi Un ++ Ga; ao 1 0 1 e Se er m 0 1 von 2n+1 Zeilen und n-+3 Spalten. Von den Spalten sind 4 mit 0,1,2,3 bezeichnet. Nimmt man zu den übrigen n-1 Spalten zwei davon hinzu, etwa 0 und l, so möge die Determinante (n+ l)ten Grades aus diesen n+1 Spalten mit D,, bezeichnet werden. Dann ist Do = F_,(z); Dos = —H_.(2,9); Da = An, Da = G(y), DA, Da = -rH(z,y). Nun ist bekanntlich Da Da+ Da Da + DaD. = 0, und mithin ist identisch | F_(2)@(y)+AH_,(2,y)-A_,xH(z,y) 6; In der verschwindenden Determinante (?+1)ten Grades ao a, ee a, B_;, Mr: Bes Man A, = . . . oT ja Ass a 0, I En er ern a a ee 20 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. verhalten sich die Determinanten nten Grades aus den ersten n Zeilen wie die entsprechenden aus den letzten n Zeilen. Daher ist F(2):4,:A = F,(®): A:A.,, : wo A, = (-1)”b, aus A hervorgeht, indem man jedes a, durch ars Ä ersetzt. Mithin ist | F(x) G(y)+Aı H_ı(z,y)-ArH(z,y) = 0. | Einen dritten Beweis, worin die Hilfsgrößen «_, und 5, nicht be- | nutzt sind, habe ich in meiner Arbeit Über das T) rägheitsgesetz der s quadratischen Formen, Sitzungsber. 1894, $ Iı gegeben, einen vierten werde ich in $6 entwickeln. 8.2. Seien @,,Q,,-.-aq, gegebene Größen, und sei a_, die zu a, kon- Jugiert komplexe Größe. Dann kann man, und nur in einer Weise, 4, So bestimmen, daß die Determinante (rn + l)ten Grades (1.) | 4 el] WR 0,1,--..") verschwindet, und daß die Hernmırzesche Form (2.) | er 2,2, keine negativen Werte annimmt. Diese Größe a, ist reell und positiv (Schur $ 1). Ei Ich mache nun zunächst die Voraussetzung, daß die Determinante 3 | nten Grades. : (3-) se Ar [a.,] von Null verschieden ist. zeichnungen der Satz: Jede Wurzel der Gleichung F(x) Nach (3.) sind durch die n erst (a, ß = 0, 1, Be n—1) Dann gilt bei Anwendung der obigen Be- = (0 hat den absoluten Betrag 1. en der n + I linearen Gleichungen (4.) Sa ln) A die Verhältnisse der n +1 Größen b,,b,, und d, ist von Null verschieden. We auch der letzten Gleichung. Ist c,_, a8 zu b, konjugiert komplexe Größe, so folgt daraus >“, ae nt, y % durch n—-x und A ; ‘+, vollständig bestimmt, gen A,= 0 genügen diese Größen oder wenn man x und A ersetzt 2 2 & y Rn LEE RBRSSEICUO C-ESRURTEEER En ee ans ne a en be SÄaBn ni pen Ehen hasaei ana ren" je sr nn na ET a a a ae ar Se bean zen Ah Frosenıvs: Über einen Satz von ÜARATHEODORY. 2] Demnach ist b:b2n 2. dic und weil d, von Null verschieden ist, so ist es auch «, und mithin auch Ö,. Daher sind die n Wurzeln der Gleichung nten Grades F(x) = 0 oder >52 — 0 f - 1 . ee alle von Null verschieden, und wenn & = n die zu x konjugiert komplexe Größe ist, so ist > Gn-,y7* =0, be er =N, 2 by’ =0. Da die Heruıtesche Form (5) P—= Dap-.Fure E=0,1,--n-1) positiv ist, so ist es auch die (zur adjungierten konjugierte) Form re Be :. Be ( ) Gr ... [77 ci Wo Ln-ı folglich hat die Determinante Ay u 1 -a+1 MH x — $ u Y ( Y) ae Be Ay ge T „as zer-l 0 einen positiven Wert, und demnach ist H(x,y) von Null verschieden. Da ferner F(x) = F(y) = 0 ist, so folgt aus der Gleichung 7.) F(2)G(y)- F(y)G(2) = Alz-y)H(z,y), daß x = y ist. Daher ist ii | 1 a Een ee EST, Y wi a Ist also « eine Wurzel der Gleichung F(x) — 0, so ist e”' die zu e konjugiert komplexe Größe, und folglich ist, 0 0: Duo, 1 8. ee nn (8.) | € (e,:) een I ge ) positiv und von Null verschieden. a 2 . Setzt man in der ‚Gleichung (7.), worin z und y unbestimmte . Größen bedeuten, y= e, so erhält man (9.) Ela) no nn Au Hte, > 22 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Die Funktion H(x,e) verschwindet nicht für & = e, ist also nicht durch 2-e teilbar. Daher ist e eine einfache Wurzel der Gleichung F(«) >= 0: Die n Wurzeln der Gleichung F(x) = 0 sind alle untereinander ver- schieden. Werden sie mit &,,&,, :-- e, bezeichnet, so sind die n Größen "1,72, 7, durch die n linearen Gleichungen (10.) a ereitraar+-- +re K=1,2,.9 vollständig bestimmt, und weil > bs, =60, > b,a, =0 ist, und 5, von Null verschieden ist, so gilt die Gleichung (10.) auch füri=0. Ist also H(x, Ey > 2°, 80. ist ZUR erDBaı)e red Hl), weil nach (7.), falls x von A verschieden ist, H(e,, &,) = 0 ist. Nun ist aber = ao An-ı 2 > hate = — em A, Gar °: do l Gy ... Os. 0 wie man erkennt, indem man die Elemente der ersten Zeile von denen der letzten abzieht. Folglich ist fi3.) de Zen een Nach (8.) ist daher r, reell und positiv, und demnach gilt die Glei- chung (10.) auch für ee Oben ist von der Annahme, daß (2.) eine nicht negative Form ist, kein Gebrauch gemacht, es ist nur benutzt, daß (5.) eine positive Form ist, und daß die Determinante A, von (2.) verschwindet. Jene Annahme folgt aber aus diesen beiden Voraussetzungen. Denn wählt man die Größen b, so, daß b,=-I wird, so zeigt eine leichte Rech- nung, daß 2 Bann = N ap „(&,+b,.2,)(25 4 bax,) ist. ar de . Eine nicht negative Form, deren Determinante von Null verschieden ist, ist positiv. Umgekehrt ist in ej iti = ee Ä einer positiven Fo: icht nur die Determinante, sondern a - nn uch jede ihrer Hauptunterdeterminanten TE Te BE TE Ta re Bee Een u 2 ö ist = ee us Br ER NEED ER De ar EEE EEE RT RER Se SRH N BE Se TEE Be A EEE UT le a . x \ ‚ 4 Frogenivs: Über einen Satz von ('ARATHEODORY. 23 positiv (> 0). Wenn daher eine Hauptunterdeterminante C von A, verschwindet, so verschwindet auch jede Hauptunterdeterminante B, die € enthält. Denn sonst wäre B die Determinante einer positiven Form, und als Hauptunterdeterminante von B wäre U >0. Ist also Ayo ... 777 A :52 5 2 74, RS PR do so ist in der Reihe der Determinanten A,,ÄA,,--- A„, deren letzte Null ist, eine gewisse Anzahl n der ersten von Null verschieden, während alle folgenden verschwinden. Den Fall n = 0, wo die Größen a, sämtlich Null sind, schließe ich aus. Insbesondere ist A, = 0 und A,_, die Determinante einer positiven Form. Dann will ich, und zwar nur aus Determinantenrelationen, zeigen, daß n der Rang der Determinante A, ist. Dazu genügt es, nach einem Satze von Kroxecker nachzuweisen, daß die Überdeterminanten (n+ |) ten Grades von A,_, nee u a, 3 G-nar41::°°° ur) Ar—n+ı QÜ_s A_s+n-ı Ar—s sämtlich verschwinden. Ich zeige dies zunächst für die Determinanten D,.= D,. Nach Voraussetzung ist D, = A, = 0. Bei dem Beweise dafür, daß D, = 0 ist, kann ich daher die Gleichung D,_, = 0 schon als bewiesen ansehen. Nun verschwindet die Determinante dog 4ı ee An A; 4-1 Ao es An-ı d,-ı G_n 4-41 N Ao ER Ar A_r+1 nn A-r+n do als Überdeterminante von D,. Den 4 in den Ecken stehenden Ele- menten seien komplementär die Determinanten (n+ l)ten Grades 2, 8 c I, Dann ist D,_,=0,D,=0,D,_,‚D,-BC=0,BC =, und folglich, weil B und € konjugiert komplex sind, B= (= 0. Die Determi- nante nten Grades A,_,, die nach Streichung der ersten und der letzten Zeile und Spalte übrigbleibt, ist von Null verschieden, ihre 4 Überdeterminanten (n-+1)ten Grades verschwinden. Daher ver- schwinden alle Unterdeterminanten (rn + l)ten FREIEN, und mithin ist 2 =0, 24 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Die Determinante (nr + 2)ten Grades Ayo An-ı a, a; Ü_y+ı do Ar_n+ı As-u+1 d_, A_r+n-1 Ao As-r A_; A_s+n-1 Ars do verschwindet als Überdeterminante von D.. Den 4 letzten Elementen sind komplementär die Unterdeterminanten I: =D; “BB... DD. Daher ist D,D,-D,,D,, = 0 und folglich D,, =D. Daß n der Rang von A, ist, kann man auch so einsehen: Aus D,= 0 ergibt sich, wie eben, daß auch D,.= 0 ist. Setzt man der Reihenahr =n+1,n+2 ‚"'*, So findet man aus dieser Gleichung Qn+1>@,42,°'* Wenn nämlich diese Größen schon bis a,_, bestimmt sind, so ist D,,— 0 eine lineare Gleichung für a,, worin der Koef- fizient Q von a, nicht Null ist. Denn sind in der Determinante A, — 0 den 4 in den Ecken stehenden Elementen die Unterdeterminanten An-ı Q R Au komplementär, so ist QR= A? ,, und mithin ist Q von Null ver- schieden. . Da A,_, die Determinante einer positiven Form und A, — 0 ist, so kann man nach $ 2 n positive Tensoren rı,T,, + r, und 2 ver schiedene Versoren 2,4 bestimmen, daß für A — 0 De u, _eng+--- + re wird. Setzt man dann für ?— 0,1 m, -Ll,:..oMm Kent mer, so hat die Matrix Ä i en (x, % => 0,1,.-.m) den Rang n, und daher verschwinden die Determinanten (n+I)ten Grades, die den Determinanten D,. aus den Elementen a,_, analog sind. Da aber 5, = ee auch u Gun, 770 = aus, Mithin. ist.u:.der Rang der Matrix. A... Damit ist . zugleich der Cararmoporxsche Satz auch. für den Fallm>n+ I be- wiesen. 2 Ä 7 Frosenius: Über einen Satz von ÜARATHEODORY. 25 Endlich läßt sich nach Hrn. Schnur ($ 4) das erhaltene Ergebnis auch so aussprechen: Wenn die größte Wurzel a, der Gleichung A, — 0 dieselbe ist wie die der Gleichung A, = 0, so gilt die Relation (10.) $2 auch fürri=n+1,n+2,---m. 54. Hr. Erst Fischer hat in seiner Arbeit Über das CaraTHEoporrsche Problem, Potenzreihen mit positivem reellen Teil, betreffend Rend. del Circ. Mat. di Palermo, iom. 32, für den hier behandelten Satz einen Beweis entwickelt, worin er von einer reellen positiven rekurrierenden Form ausgeht, die sich als Herumrtesche Form betrachtet, in g transfor- mieren läßt. Er hat es aber (S. 254) als wünschenswert hingestellt, analoge Untersuchungen für die Form g selbst anzustellen. Dies will ich hier auf einem möglichst elementaren Wege ausführen, ohne die Ergebnisse der Theorie der Formenscharen zu benutzen. In der Determinante (1.) F(z2) = Ja;.„x-as-.;| (,8 =0,1-.-n-]) sei F,,(x) die dem Elemente @a;_.&-@;_,;, komplementäre Unter- determinante. Dann ist (2.) F’(@) = N, a9... Kuse). a,ß Ferner ist do a; ee An-ı = uw ur Ha Fa BE. > as Fo; (x) Sr 1 0 N) 1 n-2 1 AEG ü-ı 70), rn Uns = Os Addiert man hier die Elemente der ersten Zeile zu denen der zweiten, dann die der zweiten Zeile nach Absonderung des Faktors x, zu denen der dritten usw., so erhält man (3.) Sa Male) Ari. Ist nun F(e) = 0, so kann man x,, &,,-*-2,„_, so bestimmen, daß (4.) - > (as-. eur Aß-a+ı) x; = 0 (e=0,1,--.n-]) | ßB ’ wird. Vertauscht man & mit 8 und i mit -i, so erhält man (5.) > (as-.: - a9-a-1)%a = 0. « © Nun sei, wie in$ı | i ee | >, 00-.53 = nl («=0,1,..n—1,n). er DE, Bi 26 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Multipliziert man dann (5.) mit 5, und summiert nach $ von 0 bis n-1, so erkennt man, da db, = A nicht verschwindet, daß diese Re- lation auch für © = n gilt. Ersetzt man 8 durch $ +1, so ist also (6.) Dre 0a.) 0 B=0,1,-.n-)). Multipliziert (6.) mit x; und summiert nach $, multipliziert man (4.) mit x, und summiert nach «, so erhält man FB re a) = Br — PR > AB-alatp = E > AB-ar Fatih = 2: N Ad_-atatßı: und mithin ee = I. Nach (6.) ist daher (7.) D(as-u: -035-041)8. = MR, Die n? Größen F,,(e) können nach (3.) nicht alle Null sein und sind also nach (4.) und (7.) den Produkten x, X, proportional. Da nun 2 Aa_„&%,%g positiv ist, so kann > QA5_.Fas(e) = F’(e) nicht ver- ß schwinden, und folglich sind die n Wurzeln &,),&,,.++e, der Gleichung F(x) = 0 alle untereinander verschieden. Durch die umkehrbare Substitution gi 2 er up 3 und die konjugiert komplexe geht p in eine ganz bestimmte positive Hernuıtesche Form »2 r..Y.%, über. Darin sind die Koeffizienten r,.=r, reell und positiv. Wie in $ 2 ergibt sich die Formel wi Bude, P) Folglich gilt die Gleichung (8.) Ap-u ir Pa Ar (,E=0,1,..n-—I1) ”,x auch für B zawnle=0;,1,.n-1), Aus den konjugiert kom- plexen Gleichungen folgt, daß sie auch für x — n und B>0,1,--. n-1l,n) gilt. In jeder der n? Gleichungen (8.), auch in denen, wo oder 8 gleich n-1 ist, kann man daher x und 8 durch «+1 und B+1 ersetzen, und erhält so Ru — > 8x r., a,‘ wo - * 4 ai FroBEnıus: Über einen Satz von (ÜARATHEODORY. 27 ist. Da aber die n* Größen r,, durch die n? Gleichungen (8.) völlig bestimmt sind, so ist s,, = r,, und mithin, falls x von A verschieden ist, , = 0. Demnach ist (9.) AB-« ZUR bei @,E =0,1,--n-—-LIın). $5- In eine reelle rekurrierende Form läßt sich die Hrrmırzesche Form y, wie Hr. Fischer gefunden hat, durch eine Substitution, die von den Koeffizienten von g unabhängig ist, überführen: Seien p und g zwei Konstanten, e eine Variable. Aus der Formel (1.) I, 20° = % (p +Be)""P (g+Ge)®ys erhält man durch Koeffizientenvergleichung für x,, &,, --- z,_, lineare Funktionen von %, Yı>:-- %-ı- Setzt man 2.) - ner ra" e ZI so ergibt sich aus der Formel (3) (PI-0P I Sys =D, (G-PP) (pr gr die umgekehrte Substitution, falls pg—-gp nicht verschwindet, also p:qg nicht reell ist. Alsdann ist 9 = » 2 But = > (2 E," Ze) 2 en 2) = Dr (ö+pijt- ürge. ie. )r1=8 (g+Ge,)® ya = Nr (pr Be )irrent(g+ ge )et®jeye, oder wenn man 4) a = % rer! (p+ Pe)?" (g+ge) O=61,--2n-2, 20-1) setzt : (5-) =. = > Ca+B YaYa- Hier ist ec, =e, reell, und, falls keine der Größen p + pe, ver schwindet, Gray = Ir Dt = A na ar («-e). p+tp:n Daher sind die Wurzeln der Gleichung (6.) |ea+8 2 Ca+s+1| = 0 28 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. die reellen Größen u: 204 (7-) Ir KEER p+Pp:. s Die Transformation (1.) lautet für n = 2 (8.) zo = py + qyı, Xı = py + gyı und fr n = 3 #0 Pr Yat BG: Yık G. 9 2 = 2ppyo+(p9 +gPp)Yyı + 2999: a Pur eg Yra 9 und ist allgemein nach der von Hrn. Hurwırz eingeführten Termino- logie die (n -1)te Potenztransformation von (8.). Sind Yo»Yıs*** Ya-ı reell, so sind x, und x,_,_. konjugiert komplex (Fischer, $ 7). $ 6. Der in $ 4 gegebene Beweis fließt aus den Eigenschaften der Matrix Px-Q, wo E= (a3-.) , u (@5-2+1) ist. An ihrer Stelle benutzt Hr. Schur die äquivalente Matrix P-1(Ps-Q) = Er. Er hat entdeckt, daß die Substitution L— PQ die positive Form P (oder g) in sich transformiert, (1) LPL=P. Für diese Relation oder (2.) VEN -3 will ich hier einen Beweis geben, der auf einem allgemeinen Satze über die Untermatrizen einer Matrix beruht. | In der Matrix mten Grades ee E (a,,) (nv=1,2,.-. m) wähle ich n (< m) Zeilen mit den Indizes Pı»fas':-p, und nSpalten 91>,02,°°:0, aus. Die aus ihren gemeinsamen Elementen gebildete Untermatrix nten Grades von M bezeichne ich mit z ee een ee a a. Bere en ..n— ..0..0...8 .- (9) = ah. 5 a si = (r„) = I Sau I a > = © s = eg 29 FRoBEnIVUsS: Über einen Satz von ÜARATHEODORY. 2 Ist n der Rang der Matrix M, so besteht zwischen den Determinanten dieser vier Matrizen die bekannte Beziehung IPl:|QI=|R]:|S|. Unter der Voraussetzung, daß eine von ihnen, etwa | P|, von Null verschieden, besteht zwischen den Matrizen selbst eine analoge Relation. Der Rang einer Matrix bleibt ungeändert, wenn man die Reihen untereinander vertauscht, oder eine Reihe mehrfach schreibt. Daher hat auch die Matrix 2nten Grades PQ R:8 den Rang n. Folglich ist die Determinante (n-+l)ten Grades Pr > Pre GB Paı Fe Pru In Vai Re Tan Saß Setzt man P”' = (t,,), so erhält man durch Entwicklung dieser Determinante nach den Elementen der letzten Zeile und Spalte SaBß — > Var ZN I1B “Ar oder (33 BPrHID 3. Zu diesem Resultat kann man auch gelangen, indem man die bilineare Form > a,,2,y, durch zwei lineare Substitutionen Ur =, Ü, I Ah (=1,2..n) 7 v in > u,®, transformiert. Setzt man Bis) ir: +B, _ (‘ En 4, g 1 a =B, 1() ... Ei Ye h 1 Ne 6) PAD, = AD, R —= BG,;; S = BD. so wird In dem hier betrachteten Fall st m =n-+1 und ‚P= (a-., Q= lasın-e)» R = (ag_(.41)) = Q' E De (a(&+1)-(«+1)) a und mithin 2.) WPpQ = P. 30 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Januar 1912. Ist x eine positive oder negative Zahl, und entsteht P, aus P, indem jedes a, durch a,;, essetzt wird; oe st Q= P,, R=P,, und es ist P’P,=L°! die zu P"P,=L reziproke Matrix. All- gemeiner ist (4.) P-ıP, = (P-ı P,)*. Die Matrizen L und L’' sind z.B. fürn 4 000 -b,:b, —5,:5, 100 10.0 -5:B, -b,:5 w:.0 en 1:04 Fr 2:09 0 0 —b,:b, ? Le —b,:b, 0 0 1 0.8 1 —b,:b, —b,:b, 0 0 0 $ 7. Zum Schluß will ich zeigen, wie man aus der Relation ( 3.) $6 BED ES, QS-R = P die Identität von Krosecker ableiten kann. Ist unter den Voraus- setzungen des $ ı ?P= (a3-.), = (aß-a+ı)» = (as so ist, weil S—= P ist, RP-"Q = QP-ıR — p, B-a- 4, Nun ist identisch (£Ey- 1)? -fEx- 1) — (-y)((Er-L)(Ey-L))' oder (E'y- E)!-(Lr— E)-ı — (?=y)(L"zy-E(z+y)+ L)-" und wenn man % re e2Q, 5 = P-ıR setzt, (1) (Ry-P)"-(Rz-P)"— _(r -WP(z+y)-Q-Rzy)'. Die Matrix V' erhält man, indem man die zu V adjungierte Matrix durch die Determinante von V dividiert. Ist also F(x) — |IPx-Q| nr IR=z—-P||Z| ee IPlJExz-L|, so hat jedes Element von (Rx P)-: die Gestalt G(z) : F(x), wo G eine ganze Funktion (n- I)ten Grades ist. Die Determinante von P(@+y)-Q- Ray — -R(Ezr—-L)(Ey-L) _ ist bis auf einen konstanten Faktor gleich F(z)F(y). Frogents: Über einen Satz von (ÜARATHEODORY. 31 In der dazu adjungierten Matrix ist nach (7.) $ ı das letzte Ele- ment der letzten Zeile gleich H(x,y). Bestimmt man dasselbe Element auf der linken Seite der Gleichung (1.), so ergibt sich eine Relation von der Gestalt G(y) G(2) _ Alx-y) H(z,y) Fly) Fe) For) ° Für G@(xz) erhält man eine Darstellung, indem man in der Formel (2.) Fa@a)@(y)-Fiy)@(e) = Alz-y) H(z,y) auf beiden Seiten die Koeffizienten von y" vergleicht. Ausgegeben am 25. Januar. 33 SITZUNGSBERICHTE 1912. In. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18. Januar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *]. Hr. Hırscarero las: »Beiträge zurrömischen Geschichte.« Die Beiträge betreffen: ı. den Treuschwur der Italiker für Livius Drusus; 2. typische Zahlen in der Überlieferung der Sullanischen Zeit; 3. ein Senatuscon- sultum vom Jahre 20 n. Chr.; 4. Velleius Paterculus und Atticus; 5. die Beseitigung der Centuriateomitien für die Beamtenwahlen. — Die heute mitgetheilten Beiträge sollen mit anderen der Akademie vorgelegten später veröffentlicht werden. 2. Hr. Epvarn Meyer legte eine Mittheilung von Hrn. Prof. Dr. M. Linzsarskı in Greifswald vor: »Phönieische und aramäische Krugaufschriften aus Elephantine.«- (Abh.) Die Nachprüfung der Kruginschriften aus Elephantine hat gezeigt, dass in diesen phönieischen Aufschriften bereits die Anfänge der späteren neupunischen Cursive vor- liegen, und hat eine Reihe neuer Lesungen und namentlich zahlreiche interessante aegyptische Namen ergeben. 3. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt. Von den Acta Borussica zwei neu erschienene Bände: Die Handels-, Zoll- und Akzise- politik Brandenburg-Preußens bis 1713. Darstellung von H. Racneı, und Das Preußische Münzwesen im ı8. Jahrhundert von F. Frhr. vos Schrörrer. Beschreibender Teil. Heft 3. Berlin 1911; vonder Gesamtausgabe derSchriften Wieland’s, welche die Deutsche Commission unternommen hat, Bd. 7 der Abteilung »Werke«, enthaltend Vers- erzählungen, Gedichte und Prosaschriften, hrsg. von S. MAuERNAnN. Berlin 1911; von den Monumenta Germaniae historica Tom. v.ras2 der Constitutiones et Acta publica imperatorum et regum (Legum Sectio IV). Hannoverae et Lipsiae ıgI1. a Ferner wurde eine von der Turiner Akademie zum Gedächtniss von Avosapro geprägte Medaille übergeben, sowie ein von Hrn. Prof. Grorers Herv£ in Paris eingesandter Sonderabdruck: Les Correspon- dantes de Maupertuis. Dix lettres de Madame du Deffand. Coulom- miers IQII. a | ee Sitzungsberichte 1912. 34 Gesammtsitzung vom 18. Januar 1912. Seine Majestät der Kaiser und König haben durch Allerhöchsten Erlass vom 2. December ıgıı die Wahl des ordentlichen Professors an der Universität Berlin und Directors des Kgl. Meteorologischen In- stituts Geheimen a Dr. Gustav HeLımanv zum ordentlichen Mitglied der physikali tischen Ulasse zu bestätigen geruht. 7 a & % a 1. q Das correspondirende Mitglied der phy Classe Mıcaer Levy in Paris ist Ende September ıgı1 verstorben. Ausgegeben am 25. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. eise oder auch in w grIFERE ne in desseahen Sprache in oder werden. Sollte eine dig eilikfehis Kerle m sedächtnissreden anderweitig zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestat us $ 21. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stüe in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder ee Aus $ 22. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschattlichen Mitthei- lungen und über die zur es rsuns geeigneten ge- schäftlichen Angelegenheit Hinter den Fe der w sachen Mittheilungen bersicht kurze Inhal tsar ngaben derselben, iter n den Scheiften der Akademie erscheinenden ee, werden mit vorgesetztem Stern bezeichnet, bei den für die Abhandlungen bestimmten wird »(Abh.)« zugefügt Wissenschaftliche Eee fremder Verfasse werden in dem Bericht über diejenige Sitzung RE in welcher deren er ere in die akademischen Schriften endgültig beschlossen wird u N Das Manuseript einer in einer akademischen Sitzung am Donnerstag zur Aufnahme in a gen zu- gelassenen Mittheilung, nen am nächsten Donners gedruckt erscheinen soll, muss der R el nach in der Sitzung selber Beat bis ee eit: ag dem redigireı ae Secretar oder e- zugestellt tere, Später ge Mania ” mit dem Präsentationsvermerk des ee Seeretars oder des Archivars versehen, für ein spätere Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus Sa ran wer Gründen be- sondere Schwierigkeiten erwarten läs ( ER en in$$ 3 und 4 es Kehren icht ur ar ichsdruckerei versendet en am Montag we, an die hier v nden oder an- erfas oder an die A welche die Sakalıen, lie Verfasser verziehten damit auf Ers en ihrer Nıcheitang nach aclıt Tagen. Fre Be Veh zur Revision unterbreitet werden m u am nächsten Ausgabetage Ghechaapt nicht zuge- sichert werden Aus $ 37. Die Akademie behält sich ai Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. Jahrg. Ph ysikalisch- Enstindätische Nioeyg, er Philosophisch-historische Class wi Abhandlungen. J: ahrg. 2a Physi sikalisch-mathematische Classe . Phllosophisch-historische Che... - Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1908, Mürer: igurica we ie A Loors: Das Glaubensbekenntniss de Homousianer "von Bardiea a ee ae ee Warpeyer: Der romastoide Dee aan. u Meyer: Gedächtnissrede m auf B Eberhard Sehrader a a „sus DE von Wıramowırz-MoE : Nordionische See. ee en en ScHULzE, W.: Gedä ae: sr Richt Pchel ,. 2. 22. 2. -» 1— Seen, Gedächtnissrede auf Friedrich Kohlraus Dun ea, ein Lasporr +: Über die E are ung der Masse bei en Umsetzungen” ee... Kekurk von Srua ONITZ: nköpfe ie een ıLTtuky: Der Aufbau ‚der pöschichtiichän Welt in den Geisteswissenschaften. Erste Hälfte ee van’t Horr: Gedächtnissrede auf Hans Heinrich Landol sam. h— Mörrer: Ui igurica II en EnsLer - K. Knaus: ‘Über den Anatomischen Bau der baumartigen Cyperacee Schoenodendron eri Exet ae ger 5 2 a Be Fischer: aueh auf Jacobus Honrieus Yan "Hoff. ei. en, ehe Schuze, W.: Gedäe ge auf Heinri = = mer en ns Erman: Hymnen an das m der Phara . A os : a Morr: Zur sprachlichen we Frankreichs ea ame J. Warreer: Die Sedimente der Taubenbank im Golfe von Neapel ae A. Bersericn: Tafeln für die heliocentrischen Coordinaten von 307 klei n Planete Ta. re Siebenter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Tr in Milet und ma unternommenen Ausgrabungen J. Daraus Kaiiewsnsisstelliee erthe du Funetionen Sinus und Cosinus® c. : Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum . i R. Pe Zur Kenntniss der Grosshirnrinde der Maus P. Röruıs: Zellanordnungen und Faserzüge im Vorderhirn vo n Siren lacertina M. Neipmwe: Über die Be des ar wen bei einigen Sängetieren » K. "hg e Kerne des menschlichen Kleinhirn ; H. Junker: Der Aus u ge Bathor -Tefnut aus Nubie Bag ni Peeher HirLer von GAERTRINGEN und H. an Arkadische "Forschungen & - Tu. Wıesann: Erster vorläufiger Bericht über die von den ee Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos . Sitzungsberichte der Akademie. Preis des Jahrgangs . ... . . . Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1911. Nersst und F. A. Linpexann: ii über die N Wärme bei tiefen Fire ss 1 raturen rınaum: Messun ng der" Sonnentemperatur . Een und BEIBLER: zur Kenntni iss a Warpe’schen Umkehru ung VE C. Cararırzoporr und E. Beit zur Cor a von Funetionenfolgen Z, a! über he. ai rdlacher inearer Substitut En 5 : Inschriften aus Rantidi in Kypros (hierzu Rusens ind O. vos Barver: en ie Ene ne Ar von der r Quaraquecksilberlampe a aus- trahlung end Frosentus; über die unzerlegbaren deerstin Bewegu ngs ppen 0 Baskakien: gruppentheoretische Ableitung der 32 gen lelassen eh } SORRNIRBOFOCHE: u. ahr 1911. Prasck: zur Hypothese der Quantenen Jacosı: zur Frühgeschichte der ee Philos sophie . a ach Warsurs: über den Energieumsatz bei photochemischen Vor gän en in Gasen . . nr Vox We Man in Stück aus dem atus ge male ee 3 Bern der mittleren freien Weglänge der Kanalstr von WıLasowırz-MoELLENDORFF ke KER: zwei Edicte des Germanen auf einem Papyrus des Berliner Mus “ (hierzu Taf. A. Torsguisrt: die Tektonik dee Seleree Untergr rundes Norddeutse hl € lands . an meiinggise) Fun ein experimenteller Beweis für die ioplasmanatur der Kernsub = Scaortky: über das Eurer oa Dr Drehungaproben : zen über die vier Jac hen ann ge Ermax: ein Denkmal mensch Theolo a ee, Jacont: Cult tur-, Sprach- und Litterarhi f 2 ogie storisches 3 E. Lirruass: die Inschriften des Königs Kalum s aus dem Kanfliya es i e von Acanceh in Yucaı ; Ei Mesen: cu den Kaas ceh in ucatan „(ierzu it. VI- x) : | im RMAN: Brgege he der m Gräb erstadt (hierzu Pe; som. EC : Mauss: ‚Über die © Messung gro “ı. er Kräfte i im en “ erde \ . €. Bao en des Königs Kalumu 2 ; Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1912. Ä > Baker : über einen Satz von €. Cararm; NEODORY Frosesvs: Ableitung ne Satzes von CARATHLoDoRY. aus einer "Formel von Kronzeken ES J s = s 3 s 3 E} 1 » A; E} Ei 6 7 z = = = = = E; =” ” a de, a De Dr Nennen ze EEE u 2 DE Bee En 1912. vw SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Festsitzung am 24. Januar. (S. 35) WaArpever: Ansprache. (S. 36) Ansprache Semer MasestÄt oes Kaisers. (S. 38) Koser: Festrede, (S.41) Jahresberichte über die akademischen Unternehmungen und Jahresberichte der Stiftungen. (S. 55) Übersicht über die Personalveränderungen. (S. 97) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus $ 1 e Akademie gibt gemäss gal, 1 der Statuten zwei ass kann heraus: ne sberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« ‚oder die demischen Si das druckfertige Manuscript zugleich ee ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem ng Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 3. mfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in en Regel i in den Sitzungsberichten n_ Mitglie 32 ist nur mit Zustimmung der mt-Akademie Be der Beenden Classe statt- haft, we ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu Lässt der Umfang eines Manuserip muthen, dass diese Zustimmung erford as vorlegende Mitglied es vor dem Hihreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen ollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- aufnahmen n. s. w. . gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlägen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag : zu veranse die Aka Aus $ S 6. ry®: ry 1 » Fig I ut d wenn es sich nicht bloss um glatten ee handelt, aus- A tzes Fremde haben diese e Mitglied Bee ie Berichtigung von Druckfehlern n. än Kies] a girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, \ und die nn Be zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflich Aus 8 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, hten werden für die Verfass ® & i3;] = & ® ” 74 er Re} $ 2 <} = g m 2% 4) SB oJ = © 5 = ES 121 u ® Bi mn (=) =} 5 4 a hergestellt. BUENSEN Stücks der PIRRENGRDELIONIE ausgegeben } werden für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, ae ir Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. n den Endes diueken aus den Su n e ist, a & “4 = 3 2 er [<) S B © - ge 0 rd © „ 2 Re) > r fen ® ix) 2 — ke wi: be © = u ER" ® in) von not _ . lage bei den Sitzungsberich bei andlungen 300 Mark, so ist erg Br er se geboten Aus orlegung und Einreichung des vollständigen druckferigen 3 Mais an den zuständigen Secretar oder an den erlangt, verdeckt abgestimm Mi the von Verfassern en nicht Mi lied der Akademie sind, sollen der Ra 5: ah ef dieser m der Bestäti : ee igung dureh die (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Secretar weitere 200 Exemplare auf Kosten abziehen lassen n den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er g ihre n Secretar weitere 100 Exemplare auf Kosten abziehen lassen Eine für die akademischen Schriften . | stimmte wissenschaftliche Mittheilung in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an Be Stelle anderw eine, sei es aueh nur auszug® Rn: 35 SITZUNGSBERICHTE 1912. IV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 24. Januar. Festsitzung zur Feier des 200. Geburtstages König Friepric#'s Il. im Weissen Saale des Königlichen Schlosses. Deiie Majestät der Kaiser und König hatten für die diesjährige Friedrichssitzung der Akademie die Bestimmung getroffen, daß diese Sitzung, anläßlich der 200. Wiederkehr des Geburtstages FRIEDRICHS DES GROSSEN, am 24. Januar im Weißen Saale des Königlichen Schlosses stattfinden solle, und zwar in besonders festlicher Weise. Seine Ma- jestät nahmen mit dem Königlichen Hause an der um 4 Uhr nachmittags beginnenden Sitzung teil und hatten dazu die höchsten Würdenträger des Preußischen Staates in der Zivil- und Armeeverwaltung geladen, während der Akademie die Einladung ihrer auswärtigen, Ehren- und korrespondierenden Mitglieder, soweit sie Preußen angehörten, und ihrer wissenschaftlicien Mitarbeiter und Beamten überlassen war. Über zwanzig der auswärtigen, Ehren- und korrespondierenden Mit- glieder waren der Einladung gefolgt. In der Mitte des Weißen Saales waren auf einer Tafel Erinne- rungen an FRIEDRICH DEN Grossen, insbesondere solche, die an seine Beziehungen zur Wissenschaft und Kunst und zur Akademie anknüpften, aufgestellt. Hinter dieser Tafel, gegenüber dem Throne, befanden sich die Plätze für die Akademiker und die von der Akademie Geladenen, rechts vom Throne die für die Prinzen des königlichen Hauses, links für den Reichskanzler und die Minister, während die übrigen Fest- teilnehmer an den beiden Schmalseiten des Saales ihre Sitze hatten. Ihre Majestät die Kaiserin mit den Königlichen Prinzessinnen wohnte der festlichen Sitzung auf der Kapellentribüne des Saales bei. a. Seine Majestät nahmen unter Vorantritt des Großen Hauptquartiers auf dem Throne Platz und die Feier begann mit einem Gesangvor- trage des Königlichen Opernehors, worauf der für die Feier den Vorsitz führende beständige Sekretar, Hr. Waıorver, nachstehende Eröffnungs- worte sprach: | ; ei Sitzungsberichte 1912. or 36 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Zum zweitenmal erweisen Eure Majestät der Königlich Preußi- schen Akademie der Wissenschaften in Huld und Gnaden die hohe Auszeichnung, eine ihrer Festsitzungen im Königlichen Schlosse, in diesem an geschichtlichen Erinnerungen so reichen Saale halten zu dürfen. Unvergeßlich in unser aller Gedenken haftet noch die erhabene und schöne Feier, die Eure Majestät Allerhöchstihrer Akademie zu deren Zweihundertjahrfeier an dieser Stätte bereitet haben. Und heute, wo es sich wieder um eine Zweihundertjahrfeier handelt, wo die Akademie sich anschickt, die 200. Wiederkehr des Geburtstages ihres zweiten Stifters, weiland König Frieprıcnhs DES Grossen, festlich zu begehen, dürfen wir uns wiederum unter den Augen unseres König- ' lichen Schirmherrn in diesem hohen Festsaale versammeln. Zu ganz besonderem Danke fühlen wir Akademiker uns aber dadurch ver- pflichtet, daß Eure Majestät geruht haben, diesen Festakt ausdrücklich als Festsitzung der Akademie der Wissenschaften zu bezeichnen und zu gestatten, daß wir ihn in dem gewohnten Rahmen unserer »Fried- richssitzung« begehen dürfen. Wollen Eure Majestät die Versicherung entgegennehmen, daß die Akademie die hohe Ehre voll zu würdigen weiß, die ihr hierdurch angetan wird, daß sie aber auch ebenso das allen Herzen wohltuende Gefühl der Pietät würdigt, welches, Eure Majestät damit gegen Allerhöchstihren großen Ahnherrn kundgeben. Die Akademie hatte an jenem denkwürdigen 24. Januartage des Jahres 1712, eben erst ins Leben getreten, noch keine feste Gestal- tung und Wirksamkeit finden können; dieser Tag schenkte ihr erst den Mann, der ihr beides bringen sollte und den sie deshalb als ihren zweiten Stifter ehrt und feiert. Begeht sie in ihrer Hochsommer- sitzung in Erinnerung an den Geburtstag ihres ersten Begründers ihren »Leibniztag«, so begeht sie in ihrer Hochwintersitzung ihren »Friedrichstag« und darf damit seit Eurer Majestät Regierungsantritt die Feier des Geburtstages Eurer Majestät — Gott walte, daß ihr dies noch viele Jahre beschieden sei — verbinden. Ihrer Gepflogenheit gemäß hält an diesem Tage ein Mitglied der Akademie die Festrede, welche für heute Hr. Kosrr übernommen hat, und gen Sekretare, zu dem diesmal mich ein günstiges Geschick bestimmte, berichtet über ihre wissenschaftliche Jahresarbei abgelaufenen Jahre dahir Feier auch heute folgen, alles einzelne aber dem zu druckenden Bericht überlassen. ; Wenn die wissenschaft; s chen Arbeiten der A a . _ freulicherweise festgestellt we er Akademie, wie einer ihrer beständi- den kann, in sicherem Fortschreiten be- EN DE ER u BT.) Waroever: Ansprache. 3 griffen sind, wenn die großen Unternehmungen ihrer beiden Klassen dauernd und ergebnisreich gefördert wurden und neue in Aussicht genommen werden konnten, so ziemt es uns heute, dem beglückenden Bewußtsein Ausdruck zu leihen, wieviel Anteil auch hieran unserem Allergnädigsten Kaiser gebührt. Eure Majestät haben nicht nur unserm Volke das heilige Gut des Friedens bewahrt, der aller Gesittung und Wohlfahrt Quelle und Grundlage ist, sondern mit immer regem Auge nicht minder über dem Fortschritt der Wissenschaft gewacht und unsere Unternehmungen teilnehmend gefördert, ja oft genug durch Bewilli- gung der erforderlichen Mittel erst zum erwünschten Ziele geführt. Dreizehn neue Stellen zur Pflege besonderer Wissensgebiete verdankt Eurer Majestät die Akademie, und durch die bereits angebahnte Ver- bindung mit der von Eurer Majestät begründeten Kaiser-Wilhelm-Ge- sellschaft, deren Aufgaben sich den Zielen der Akademie anschließen, werden für diese neue Kräfte gewonnen werden können. Möchte zu Nutz und Frommen beider so hochbedeutenden wissenschaftlichen Korpo- rationen diese Verbindung immer inniger sich gestalten! Daß Eurer Majestät Huld und Gnade uns fürder nicht fehle, ist unsere ehrfurchtsvolle Bitte und unsere Hoffnung. — . Wenn wir heute nach geheiligtem Brauche unserer Toten ge- denken, so beklagen wir unter den Abgeschiedenen des vergangenen Jahres vor allen unsern verehrten Senior und langjährigen beständigen Sekretar Jomannes Vanzen. Auch allen übrigen Verblichenen eine treue Erinnerung! Dann aber geziemt es heute mir, ohne dem akademischen Fest- redner vorgreifen zu wollen, des großen Kol zu E Bedenken, dessen Namen die Akademiesitzung trägt. Einhund g Jahre sind seit seinem Tode dahingegangen; er gehört nicht mehr dem (re- dächtnisse der einzelnen an, er lebt weiter nicht nur im Gedächt- nisse seines treuen Preußenvolkes, sondern dieser große Fürst ist einer von den wenigen, die der ganzen Menschheit, die der Weltgeschichte dauernd angehören. Und so gedenken wir seiner am heutigen Tage mit Stolz und Freude, daß er unser Fürst war. Und wenn irgendein Jemand Anlaß hat, den heutigen Tag in Stolz und Freude zu be- gehen, so ist es die Königlich Preußische Akademie der Wissen- schaften, deren Mitglied der große Frıeprıcn hat sein wollen und dessen Schätzung der Wissenschaft seine Worte kundtun: _ »Die Wissenschaft«, so lauten König Frırprıcns Worte, »ist unsere treue Gefährtin in jedem Alter und in jeder Lage. Und wen alle anderen Freuden verschwinden, sie bleibt doch.« ' Trügen nicht die Zeichen, die das Weltgeschehen uns vor on führt, so stehen wir mitten in einem am Ringen, dureh welches 4 38 Festsitzung vom 24. Januar 1912. vielleicht ein neues Zeitalter der Weltgeschichte zum Anbruch kommen soll. Das zeigt sich nicht nur auf politischem Gebiet, sondern auch im Felde der Wissenschaft, nehmen wir, welche Seite wir wollen: das Gebiet der Religionswissenschaft, der Rechtskunde, der Medizin, der Naturwissenschaften, der Technik und — last not least — der Philosophie, zeigt uns, in eine kurze Spanne Zeit zusammengedrängt, Wandlungen und Fortschritte, wie wir sie seit langem nicht mehr erlebt haben. In solcher Zeit frommt es, sich derer lebendig zu er- innern, die ihren Schöpfungen die Stetigkeit eines festen Haltes und Rückgrats gegeben haben. Jede gesunde organische Entwicklung hat einen solchen, ihr eigenen inneren Halt, ihr Gesetz, geht ihren festen Weg; weicht sie von diesem ab, so führt sie nicht zum Aufbau, sondern zur Zerstörung. Daß wir dieses richtig vorgezeichneten Weges und dieses Haltes uns erinnern, uns seiner bewußt bleiben, darin liegt die höhere Bedeutung der festlichen Gedenktage an unsere Stifter und Förderer, wie wir einen der würdigsten für uns alle heute begehen. Unser zweiter Stifter hat ein Jahrzehnt hindurch seinen Aka- demikern in seinem Königsschlosse eine Heimstätte gegeben, wo sie ihre Sitzungen halten konnten; Eure Majestät haben mit der Aller- höchsten Entschließung, die heutige weihevolle Gedenkfeier an die- selbe erhabene Stätte zu verlegen, der Akademie ins Herz geschrieben, daß sie dem Vermächtnisse, welches der. große König ihr als Richt- schnur und festen Weg für ihre Arbeiten gegeben hat, treu bleibe; sie wird nicht den Geist Frirprıcns pers Grossen aus ihrer Mitte lassen! Das sei der beste Dank, den wir heute darbringen können. Hierauf erhob sich Seine Majestät der Kaiser und König zu fol- gender Ansprache: Wie einst König Frıiepriıchs Majestät am Vorabende seines Geburtstages 1744 die erneuerte Akademie der Wissenschaften in diesem Schloß bei Sich willkommen hieß, so habe Ich ihre Mitglieder heute um Mich ver- sammeln wollen, um an dem zweihundertsten Jubeltage Meines großen Ahnherrn die Feier, mit der die Akademie seit alters alljährlich Seinem Gedächtnis huldigt, mit ihr gemeinsam zu begehen. _— Mit Mir und Meine Vaterland den 24. Jan | A Erinnerung. Einen besonderen Anlaß aber zu dank- m Hause feiert heute das ganze uar als einen Tag weihevollster ; a nn Lit a nn una u a u Dh nn un n 31 Lan ud an a un ne De giled 3 Et Im nn) Tr nalen at ae Sun Ansprache Seıer Masestär Des Kaisers. 39 barem Gedenken haben diejenigen Glieder unseres Ge- meinwesens, deren Geschichte mit dem Namen des Großen Königs unmittelbar verknüpft ist. Hat der Morgen des heutigen Tages der Feier des Heeres und vor allem derjenigen Truppenteile gehört, die ihre Stiftung auf den »König-Connetable« zurückführen, so grüße Ich hier die Akademie der Wissenschaften als die geistige Elitetruppe, die FRIEDRICH DER (RossE angeworben und auf ihren Ehrenposten gestellt hat. Hat doch der jugend- liche König, noch ehe Er der Mehrer Seines Reiches an kriegerischen Erfolgen geworden ist, die Wissenschaft und Sich Selbst mit dem unvergeßlichen Worte geehrt, dal? Er die Gewinnung des deutschen Philosophen, den Er zunächst für den Vorsitz in der Akademie in Aus- sicht genommen hatte, als eine »Conquete im Lande der Wahrheit« betrachten wolle. So gilt für die Aka- demie insbesondere das Zeugnis, das Mein in Gott ruhen- der Herr Großvater in bezug auf FRIEDRICH DEN (GROSSEN bei festlichem Anlaß abgelegt hat: » Alles, was wir Großes und Gutes in unserem Lande bewundern, ist auf den Fundamenten begründet, die Er gelegt.« Die Akademie setzt ihre Ehre darein, ihre Dankes- schuld gegen ihren Wiederhersteller abzutragen durch ihre Betätigung für die Aufhellung Seiner Geschichte, für die Sammlung und Erforschung der urkundlichen Zeugnisse Seiner Geistesarbeit und Seiner Taten. An die ihr durch König Frieprıch WiLHeLm IV. gestellte Auf- gabe, die literarischen Schriften des Philosophen von’ Sanssouci in einer Gesamtausgabe zu vereinigen, schloß sich der Auftrag Kaiser WILHELMS DES GrRossEn zur Her- ausgabe der »Politischen Korrespondenz« und der »Denk- mäler der preußischen Staatsverwaltung im achtzehnten Jahrhundert«. Es freut Mich, der Akademie für diese ihre umfassende Aufgabe an dem heutigen Tage neuen Stoff zur Verfügung stellen zu können, nämlich die reiche Sammlung des amtlichen und persönlichen Schrift- 80 die alte Gleichheit in den 40 Festsitzung vom 24. Januar 1912. wechsels zwischen dem Großen Könige und einem seiner treuesten Diener und Gefährten, dem nachmaligen Gene- ralfeldmarschall von MOoELLENDORFF, dessen Erbe Mir diese wertvollen Schriftstücke soeben in patriotischem Sinne als Geschenk für Mein Staatsarchiv dargeboten hat. Nieht nur der Wiederhersteller und Schutzherr der Akademie, auch ihr ständiger Mitarbeiter ist König FRIEDRICH gewesen. Ich erinnere die Akademie daran, daß in einer ihrer Sitzungen die Abhandlung zur Ver- lesung gelangt ist, in welcher der erlauchte Ver- fasser gegen eine materialistisch gerichtete Geschichts- betrachtung der Auffassung Ausdruck gegeben hat, daß Reichtum und materielle Güter ein toter Stoff seien, der erst durch die Intelligenz und die Geschicklichkeit Leben und Bewegung erhalte. Und diese Abhandlung birgt zugleich das erkenntnisreiche Wort, daß die Stärke der Staaten auf den großen Männern beruht, welche die Natur ihnen zur rechten Stunde geboren werden läßt. Ein Wort, das wir dankerfüllt heute auf Ihn Selbst an- wenden, und das unserer Feier den Grundton gibt. Uns aber ziemt es, des Großen Königs Werk aus- zubauen und die Kräfte zu nutzen, die Gottes Weisheit und unendliche Güte in Ihm unserm Preußenvolk ge- schenkt hat. Dazu an Meinem Teile zu wirken, wird man Mich stets bereit finden. Und so will Ich auch die Akademie der Wissenschaften weiter in Meinen be- sonderen landesväterlichen Schutz nehmen, und ihr zur Erreichung ihrer Ziele ein Helfer sein. Des zum Zeichen > = N eg ihr die ersehnte Ver- rischen Klasse vor Se en m = Philosophisch-histo- Er En ür die historischen und staats- ächer zuteil werden zu lassen und Sitzen der beiden Klassen 1. Des weiteren werde Ich darauf be- aß ihr die erforderlichen Mittel zur Er- ihr obliegenden bedeutsamen Aufgaben, 3 wiederherzustellen. De dacht sein, daß füllung der E ; r 3 & 4 R: E = E 3 # E “ A Ansprache SEInEer MasesrÄr DES Kaisers, 41 namentlich auf dem Gebiete der deutschen Sprach- forschung, in auskömmlichem Maße gewährt werden. Die Akademie aber wird, so vertraue Ich, den großen und freien Geist, in dem ihr zweiter Begründer in ihr und auf sie gewirkt hat, in ihrer Mitte stets lebendig halten zum Segen der Wissenschaft und zum Heile des Vaterlandes. Darauf hielt Hr. Koser die nachstehend mitgeteilte Festrede. Eure Kaiserliche und Königliche Majestät! Erlauchte Prinzen des Königlichen Hauses! Hochansehnliche Versammlung! In den hellen Ton, auf den unsere heutige Feier durch die soeben ehrfurchtsvoll und bewegt von uns vernommenen Worte gestimmt ist, klingt das warme Gefühl unserer Herzen freudig ein bei Erneuerung ‚einer Huldigung, welche die Akademie der Wissenschaften von den Altvordern her als teure Pietätspflicht betrachtet. Seit dem ersten Jahre nach König Frrenrıcas Tode hat die Akademie ohne Unterbrechung alljährlich zum Tage seiner Geburt sein Gedächtnis gefeiert, ohne Unter- schied der Klasse und des Fachs haben unsere Festredner dem allge- meinen Dankgefühl Ausdruck zu leihen gesucht. Ein weiteres für das Andenken ihres erlauchten Wiederherstellers zu tun, ist der Akademie lange Zeit versagt geblieben. Der hervor- ragende Staatsmann, der, damals einer unserer tätigsten Mitarbeiter, in der Festsitzung vom 25. Januar 1787 die Reihe unserer Huldigungen für Frreprıcns Manen eröffnete, Graf EwArn Frıenrich von HERTZBERG, hatte der Akademie die Aufgabe vorgezeichnet, den festen urkund- lichen Unterbau für eine Geschichte FrıepricHs DES (zRossEn herzustellen. Als Minister der auswärtigen Angelegenheiten glaubte HErTzBERe es verantworten zu können, die Schätze der Archive alsbald für diesen vaterländischen Zweck zu erschließen. Die Staatsmänner, die den Grafen Hertzeers ablösten, sind andrer Meinung gewesen; sein Plan wurde zunächst verworfen und dann vergessen. Erst dank dem »großen und freien Sinne«, der die Regierung unseres ersten Kaisers kenn- zeichnete', erhielt die Akademie jenen ehrenvollen Auftrag, als Grund- ei ii die Geschichte des friderizisnischen Zeitalters die Urkunden : aus ! Aus dem von Max Drucker verfaßten Vorwort zu dem erste Bande = „Politischen Correspondenz F RIEDRICHS DES GRossen« (1879). 42 Festsitzung vom 24. Januar 1912. König Frieprıcns Nachlaß in monumentalen Sammlungen der Öffentlich- keit vorzulegen. Der hochherzige, enge Bedenken von sich weisende Entschluß hat sich voll gerechtfertigt und reich belohnt. Nunmehr gewann die Geschichtsforschung die Möglichkeit und den Mut, an die Abtragung einer Ehrenschuld heranzugehen, und der Zuwachs an zu- verlässiger Kunde, die Vertiefung unseres Verständnisses haben dann die Wirkung in die Breite nicht verfehlt, die in deutschen Herzen tief- eingewurzelte Volkstümlichkeit des »alten Fritz« lebendig zu halten und immer zu steigern. Wir alle aber, denen es vergönnt war, an diese Arbeit Hand anzulegen, wir machen uns das Bekenntnis zu eigen: Meine Lust hab’, meine Freude ich, Frei und für mich im Stillen unabhängig, An Deiner Trefflichkeit und Herrlichkeit, An Ruhm und Wachstum Deines großen Namens. Unsere Feier steht im Zeichen der Dankbarkeit — der Dankbarkeit für das, was der große König uns gewesen ist, und für das, was er noch heute uns ist oder sein kann. | Frieprıcas dauerndes Erbe in der Gegenwart gehört seinem Volke, gehört uns allein; sein Bild in der Geschichte ist das Gemeingut vieler geworden, der Besitz aller derer, deren Teilnahme durch dieses Leben in seinen heroischen Umrissen und mit seinem rein menschlichen Gehalt, mit seinen Wechselfällen, Steigerungen und Gegensätzen angezogen wurde und gefesselt wird. Den Kronprinzen Frıeprıcn hat bisweilen der trübselige Gedanke beschlichen, daß seinem Leben nur eine kurze Frist zugemessen sei. Wäre er gestorben, ohne die Krone getragen zu haben, er würde ewig betrauert und ewig ersehnt in unserm Andenken fortleben. Denn seine Jugend in dem hellen Licht der zahlreichen, schon aus erster Frühzeit N n, das nach rauhem Sturm in ein sonniges Idyll ausgemündet war, dort in Rheinsberg, wo nun doch der Zögling der Musen und Grazien, anscheinend ganz einem verfeinerten Lebensgenuß ergeben, insgeheim in heißer Ungeduld sich verzehrte, in steter Sorge, Er en Stunde der Ansprüche seines Staates ungenutzt vorübereilen könnte. | | Kaum ist er zum Thron gelangt, da schlägt ihm diese mit Spannung sich in seine erste große Unter- be di ai a aan nn il ie Hallen kalender nn > ea a en ER RR SE ER DER TERIIARTEN, Koser: Festrede. 43 Wer Mut sich fühlt in königlicher Brust, Er zaudert keineswegs, betritt mit Lust Des Stufenthrones untergrabne Bahn, Kennt die Gefahr und steigt getrost hinan; Des goldnen Reifes ungeheure Last, Er wägt sie nicht, entschlossen wie gefaßt Drückt er sie fröhlich auf das kühne Haupt Und trägt sie leicht, als wie von Grün umlaubt. Immer wieder beruft sich‘der junge Fürst auf die Stimme im Innern, die ihm Glück verheißt. Und das Glück lacht ihm zu. Als er aus zwei Feldzügen in die Heimat zurückkehrt, darf der Dreißig- Jährige sich rühmen, mehr als einer seiner Vorfahren für die Größe seines Staates erreicht zu haben. Er hat die größte Grenzverschiebung erzwungen, die in der Kriegsgeschichte der neueren Jahrhunderte sich vollzogen hatte. Ein zweiter Krieg bringt den ersten Rückschlag des Glücks. Aber aus einer ernsten Prüfung geht er gereift und gefestigt hervor und schreitet neuen Siegen zu. Der Glanz von Hohenfriedberg und Soor überstrahlt die Tage von Mollwitz und Chotusitz. Aber nicht geblendet durch den Erfolg, gewinnt und bewahrt er die klare Einsicht in die Grenzen seiner Hilfsmittel und erkennt, daß ein Entwurf zur völligen Nieder- werfung der feindlichen Macht über das Maß seiner Kräfte hinausgehen würde. Für eine Urkundenveröffentlichung zur Geschichte seiner Frie- densverhandlungen darf er das Motto wählen: Sich selbst besiegen, königlicher Sieg -—— sui vietoria indicat regem. | Im Siegerkranz glüht er den Aufgaben des Friedens sich zu weihen. Er widerlegt die Meinung derer, die vorschnell geurteilt hatten, daß seine Vorliebe ausschließlich dem Heerwesen gelte. Er bekennt in der Freude seines friedlichen Schaffens, daß wahrhaft regieren das Glück des Volkes fördern heiße, daß wahrhaft sich nur im Frieden regieren lasse. Nun verbündet sich Europa gegen den König von Preußen — »ihn zu bekämpfen und ihn zu bewundern«, wie der Franzose p’ALENBERT gesagt hat. » Auch der Überzahl gewachsen« — nec pluribus imp Jubeln seine Bewunderer, aber einer aus ihrer Zahl, der Brite Cuester- FIELD, setzt hinzu: »Wenn irgendein anderer Mann in seiner Lage wäre, so würde ich unbedingt sagen, er ist verloren; doch er ist solch ein 4 Wunder von einem Mann, daß ich nur sagen will: ich fürchte, er ist verloren.« Neuer Ruhm, Lorbeer in überreicher Fülle fällt ihm aber auch für ihn wird der Lorbeerkranz »ein Zeichen mehr des Leidens als des Glücks«. Fortunas glücklichstes Schoßkind, wie er sich in seinem ersten Kriege ers Mundes Bun .n win von immer an "Weisungen an seine Gehilfen entwirft, in 44 Festsitzung vom 24. Januar 1912. wuchtigeren Schicksalsschlägen getroffen und gebeugt. Gebeugt, aber nicht gebrochen. Als der Held des Jahrhunderts, doch frühzeitig zum Greise geworden, geht er aus dem ungleichen Kampfe hervor, in Schlachten überwunden, im Kriege unbesiegt. In neuer Friedensarbeit werden die Fäden alle wiederangeknüpft, die der Krieg zerrissen hatte. Nicht bloß das Zerschlagene aufrichten und das Alte wiederherstellen, auch Neues schaffen wird dieLosung. Der alte König entfaltet die umfassendste Verwaltungstätigkeit. Nicht immer gleich erfolgreich und nicht überall gleich glücklich in der Wahl seiner Mittel und seiner Werkzeuge, aber immer selbstbewußt, zielbewußt, stetig, lenkt er das Schiff in geradliniger Fahrt, ohne Schwankungen, ohne Kurswechsel, »mit festem Maß«. Derweil behauptet er in Europa die Großmachtstellung, die er seinem Staate errungen hat. Indem er die Wage des Gleichgewichts zwischen zwei aufeinander eifersüchtigen Nachbarn, seinen Gegnern aus dem großen Kriege, in starker Hand hält, setzt er es durch, daß Preußen nicht leer ausgeht, als in Osteuropa eine große Verschiebung der Besitzverhältnisse sich vollzieht. Er gewinnt dank dem Ansehen, das sein Schwert ihm verschafft hat, durch eine diplomatische Ver- handlung nochmals eine große Provinz, die Landverbindung zwischen den auseinanderliegenden Teilen seiner Monarchie. Und als am Aus- gang seiner Regierung jene beiden Nachbarn sich ein zweites Mal gegen ihn verbünden, da versteht er es, mit einem neuen Bundes- verhältnis, das ihm zunächst nur als ein kärglicher Notbehelf erscheinen konnte, durch den deutschen F ürstenbund, am Abend seines Lebens eine große moralische und nationale Wirkung zu erzielen. Freudig, wie nach dem Tage von Roßbach, richten sich die Augen der Deutschen auf den preußischen König. Noch sein sinkendes Gestirn erscheint dem nachwachsenden Geschlechte, wieder nach Gorrnss Ausdruck, als »der Polarstern, um den sich Deutschland, Europa, ja die Welt zu drehen schien«. Die Tat Anfang, Mitt’ und Ende seiner Regierung, seines Tages, seines Lebens. Zugleich aber führte dieser starke Gewaltige im Reiche der Tat ein Doppelleben im Reiche der Betrachtung, im unendlichen Raume des Gedankens. en ; n fttum zurück. Nicht genug, daß er Tag für Tag, vom ersten bis zum letzten Jahre seiner Regierung, die die Feder diktiert oder eigen- ar 4 an lH hr do ne m in tn ig u ulr Amalie la nie ibn uın ne mal La un a ae en 40.107, 4 Les La ln rn Alle Era or Ve 4 il cn a De al ei nn ) Koser: Festrede. 45 händig niederschreibt. Auch nach Erledigung dieses Dienstes sucht er den Schreibtisch auf, nicht mehr aus Pflicht, sondern aus eigenem Trieb, um des Schreibens willen, daheim, auf Reisen, im Feldlager und im buchstäblichen Sinne zwischen den Schlachten. Als nach seinem Tode eine Auswahl seiner literarischen Schriften in 25 Bänden er- schien, wurde mit Recht gesagt, daß hier von einem Manne der Tat die Fruchtbarkeit der schreibseligsten Schriftsteller erreicht oder über- troffen worden sei. Er selber hat von seinem Schreibkitzel, seiner demangeaison d’ecrire, gesprochen. Er scherzt: wäre er nicht dureh seine Geburt zum König bestimmt gewesen, so würde er ein Schrift- steller, ein Gelehrter geworden sein. Er vergleicht sich in seiner Seß- haftigkeit am Schreibtisch den gelehrten Benediktinern, nur daß er über Büchern und Papier nie ein Asket oder gar ein Pedant geworden wäre. Seine Frohnatur hat ihn auch im höchsten Alter nicht ganz ver- lassen. Er blieb in der Mitte seiner Tischgenossen der Gesprächige, Mitteilsame, Muntere, ihr »alter Zauberer« (le vieux soreier), so daß die Tafelrunde von Sanssouei uns noch heute das klassische Beispiel einer veredelten Geselligkeit ist, wo Geist und Witz den Vorsitz führen. »Seine Heiterkeit kam von seiner Überlegenheit«, hat die Zarin Katharina von FRIEDRICH gesagt. Man weiß, wie diese Überlegenheit auch in ätzendem Spott Aus- druck gefunden hat, in einem Spott, der, einmal entfesselt, sich nicht gern Halt gebieten ließ und der doch die im tiefsten Innern dieses reichen Gemüts verborgene Frömmigkeit wohl bisweilen übertönt, nie aber überwuchert oder gar erstickt hat. Denn wieder und wieder ist der Philosoph von Sanssouei aus Herzensbedürfnis zurückgekehrt zu lem grübelnden Nachdenken über die großen letzten Fragen und Rätsel, über die »Ordnung, die der Welt von droben ward zu eigen«, um am letz- ten Ende, in einer Frömmigkeit jenseits von Überlieferung und Dogma, die engen Grenzen unserer Einsicht einzugestehen: Nicht darfst du Gottes Weisheit schuldig nennen, 2 Statt deiner Einsicht Schwäche zu bekennen. Er, der Allmächt’ge, setzte dir die Schranken, Die all dein Fürwitz nimmer bringt ins Wanken. Vielleicht will er durch solehe Hindernisse Demüt’gen die Vernunft, die selbstgewisse, Die schon frohlockte, wenn sie hier und da Im Streiflicht eine Wahrheit dämmern sah. Daß ganz du Gottes Weisheit könntest preisen, Müßt’ er dir erst sein ganz Geheimnis weisen.«! !I Vers sur l’existence de Dieu. (Euyres de Friverıc Le Granp XIV, 19. 46 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Es war eine Frömmigkeit, die auf das engste verwandt war mit den Harmonien, die der Rex tibicen in seiner Seele trug. Denn auch die Musik diente ihm zur Herzenserhebung und ward ihm eine Friedensvermittlerin, wenn es um ihn und in ihm stürmte. Einen Querpfeifer und Poeten hatte einst den Kronprinzen Frırp- rıcHn sein Vater gescholten. Der Querpfeifer und Poet ist auch der König Frieprich allezeit gewesen, auch als er der Vater des Vater- landes, der Feldherr und Staatsmann, der Gesetzgeber und Volks- wirt, sein eigener Finanzminister und sein eigener Handelsminister ge- worden war. »Friepricns Augenblicke gelten Jahre«, mit diesem Worte, das damals in ganz Europa widerhallte, hat in unserer Akademie ihr Präsi- dent Mavperruss die glänzende Formel gefunden für eine auf atem- loser Zeitausnutzung beruhende Arbeitsleistung. Gewiß ist Vielseitigkeit nicht immer ein Lob, und immer nicht das höchste Lob. Hier aber lag neben der nach allen Seiten aus- greifenden geistigen Regsamkeit, der vielfältigsten geistigen Veran- lagung die glücklichste Ergänzung nach der Seite des Charakters, des Willens. Neben der erstaunlichsten Beweglichkeit die Fähigkeit zu straffester Zusammenfassung. Die Fähigkeit, von der einen Tätigkeit ganz unvermittelt und ganz gesammelt zu einer anderen, oft völlig entgegengesetzten überzugehen. FrirpricH hat selber bezeugt, daß er die Arbeit mit der Feder, die literarische Produktion nicht bloß zur Abwechslung, sondern ganz eigentlich zur Erholung aufgesucht habe, zu einer Erholung, die ihn nach dieser Pause zu der strengen ihm obliegenden Königsarbeit geeigneter gemacht habe; daß ihm, wenn er träumerisch auf seiner Flöte improvisierte, oft die glücklichsten Gedanken für seine Staatsgeschäfte gekommen seien. Diese Spannkraft eines wuchtigen Willens, diese Geschlossenheit. und Straffheit seines ganzen Wesens hat sich dann, wenn er vor Ä ‚großen, nicht den alltäglichen Aufgaben stand, ihm bewährt in dem nie versagenden Mut zum Entschluß, in dem hellen Blick für die Aufspürung und Erfassung des günstigen Zeitpunktes, in dem Augen- maß für das Erreichbare, in dem bisw. a 2 | eilen fehlgreifenden, aber immer entschiedenen Urteil über Brauchbarkeit oder Unbrauehbarkeit der ausmachen. 0. Voll aber offenbarte ® kräfte erst im Unglück. ch die Stärke und Tiefe seiner Seelen Beh ae a a GEN a er Bas Eat nal nu ala na EN rad Ir a A Ale Sat di ES an Koser: Festrede. 47 Seine Widerstandsfähigkeit gegenüber einem feindlichen Geschick erscheint um so bewunderungswürdiger, als dieser Fürst von der Natur weich geschaffen war und weich geblieben ist trotz der starken Legierung von Härte, Strenge und Rauheit, die das Leben und der Beruf dem edlen Golde zugesetzt haben‘. Von Sorge, Zweifel und Gefahr umringt, klagt er, daß er innerlich unendlich leidet, aber er setzt hinzu, daß er seiner Seele Stockschläge gibt, auf daß sie ge- duldig und still werde. Er hält die Probe durch, auf die seine Ner- ven gestellt werden, während jener schier endlosen Schreckenszeit, von Erwartung zu Erwartung, Spannung zu Spannung, Enttäuschung zu Enttäuschung, Niederlage zu Niederlage, über ein Trümmerfeld von Entwürfen und Hoffnungen dahinschreitend, dem Leiden vertraut, dem Tode vertraut, dem Tode im Schlachtgewühl unerschrocken sich preisgebend, ja für den letzten dunkelsten Augenblick dem Tode sich weihend. Und scheint er einmal unter der Wucht der Schicksals- schläge zusammenzubrechen, er richtet sich am neuen Tage riesen- groß wieder auf und hält sich fest an dem kategorischen Imperativ seiner Königspflicht. Sein sechster Feldzug endet mit dem Verlust zweier Festungen, weiterer Widerstand will ihm zuerst kaum mög- lich erscheinen. Aber er wird den ihm anvertrauten Posten nicht aufgeben und leiht dem Schwunge seiner Seele in erschütternden Versen Ausdruck: »Vaterland, geliebter Name, dir weiht sich in deiner Bedrängnis mein Herz, mein trauerndes Herz, und opfert dir die erlöschenden Reste eines unheilvollen Lebens; statt mich zu verzehren in unfruchtbarer Sorge, werfe ich mich alsbald wieder in das Feld der Gefahr.« Mit diesem Hort von Trotz und Tapferkeit in der Brust, mit diesen unerschöpflichen Kräften moralischen Wider- standes behauptet er sich sieghaft als der Mann, »der, da alle wank- ten, noch stand«’. Die persönliche Größe Frreprıcns haben vor hundert Jahren, nach dem jähen Falle seines Staates, auch Preußens Feinde nicht in Zweifel ziehen wollen. Aber in dem Frankreich Napoleons wurde die Frage aufgeworfen, ob nieht die Nachwelt, die mit einem so ruhmvollen Titel geize, den Namen des Großen einem Fürsten versagen werde, dessen Schöpfung ebenso vorübergehend gewesen sei wie er selber. Und auch bei uns wagte damals ein so warmer Verehrer Friepricns, wie SCHLEIERMACHER, bei dem Versuch, das Bleibende und Vorbildliche ! Der König schreibt am 8. Juli 1774 an den Prinzen Heinrich: »J’aime & etre emu et sentir que j’ai un ceur; il n’y a que trop d’objets qui endureissent l’äme, il est bon de temps en temps de l’amollir.« Politische Correspondenz XXXV, qrı. ?2 Aus Gorruss Versen auf den Tod Frreprıcns Des GROSSEN: - buch 13, 227. 48 Festsitzung vom 24. Januar 1912. an seinem Werke von dem Zufälligen und Vergänglichen zu scheiden, doch nur die allgemein menschlichen Tugenden der Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Gerechtigkeit, Duldsamkeit, Humanität zu rühmen, die für sich allein den großen Regenten noch nicht ausmachen‘. Wenn wir am heutigen Tage die Frage nach dem Gegenwarts- wert von Frierprıcns Erbe uns von neuem stellen, so haben wir vor der Generation von 1812 den zwiefachen Vorteil voraus, daß das finstere Gewölk nicht auf uns lastet, das damals den Blick trübte und das Urteil unsicher machte, und daß der größere zeitliche Abstand unser Gesichtsfeld erweitert hat. FRIEDRICH DER GrossE hat einmal gesagt: »Die Dekoration eines Gebäudes kann sich ändern, ohne daß die Fundamente und die Mauern benachteiligt werden.« So hat in seinem Staat die Regierung aus dem Kabinett, wie er sie geführt hatte, zwei Jahrzehnte nach seinem Tode aufgehört, und so ist nach weiteren vierzig Jahren die absolute Regie- rungsform durch den Verfassungsstaat abgelöst worden, ohne daß das Fundament, das kraftvolle preußische Königtum uns verloren gegangen wäre. So hat die Heeresverfassung und die Strategie andere Formen angenommen, aber Frreprıcn selber hatte den Nachfolgern in bestimm- tester Weise gesagt, daß die durch ihn eingeführten »Evolutionen« nur so lange beizubehalten seien, als die Kriegsführung die gleiche bleiben werde; andernfalls müsse man sich den Zeitumständen anpassen und sich mit ihnen wandeln’. Eine Vorschrift, die seine militärischen Nachbeter von 1806 zu ihrem schwersten Schaden nicht beachtet und wahrscheinlich nicht einmal gekannt haben. Mit der fortschreitenden Zeit sieh wandeln und mit ihr wachsen, das ist überall der gegebene, der von dem großen König selber gewiesene Gesichtspunkt für eine seines freien Sinnes würdige Fortführung seines Lebenswerkes. Nicht träges, starres Beharren, sondern fortbildende Entwicklung, Fortschritt ohne gewaltsamen Bruch, das ist dann auch, uns zum Heile, der Verlauf unserer weiteren Geschichte geblieben: wir haben nicht zertrümmert, was unsere Väter schufen. Als dann der Feldzug von 1813 die unerschöpfliche Leistungsfähigkeit des Preußischen Staates der über- raschten Welt offenbart hatte, urteilte einer der besten Männer des neuen Preußen, Wırseın von Humsorpr: »NaroLeon gab sich das An- sehen, als wenn Frieprica II. nur für einen Augenblick seinen Staat Vgl. R. Koser, Friedrichsfeier h d - buch a ee . Kege ehe vor hundert Jahren; Hohenzollern-Jahrbuch, Expose du gouvernement 1 prussien von 1777: »Je crois que la diseipline doit en ainsi que les &volutions introduites, & moins que la guerre ne change, car a in see : ng ‚car alors il n’y a de parti qu’ä s ; or ‚es etä ehanger avec elles« (Eu X, 186). parü qua se plier aux circonstances ; Koser: Festrede. 49 aufgebaut hätte. Was er getan hat, wird erst jetzt recht sichtbar; denn, was man auch sagen mag, der Grund des jetzigen Impulses in Preußen kommt noch unleugbar von ihm her'«. Mochten die Werkmeister am Umbau unseres Staatswesens vor hundert Jahren das, was sie von der Vergangenheit schied, in den Vordergrund stellen vor dem, was ihnen mit ihr gemeinsam war, die Auffassung dürfte bestehen bleiben »daß die Kluft zwischen dem Alten und dem Neuen gar nicht so groß war, als jene es sich dachten, und die Ähnlichkeiten jedenfalls größer als die Verschiedenheiten’«. Im Bereiche der geistigen Kultur ein ähnliches Verhältnis. Auch hier hat das Aufklärungszeitalter, das Frıeprıcnhs Züge annahm, die grundlegende Erziehungsarbeit geleistet, den Boden bereitet, auf dem das Bildungsideal unserer klassischen Literaturperiode Gestalt gewinnen konnte’. Am deutlichsten tritt uns der Zusammenhang mit der Vergangen- heit entgegen in unserer Stellung nach außen, in unserer Großmacht- stellung. FRIEDRICH DER GrossE hat seinen Staat den entscheidenden Schritt tun lassen, indem er ihn einführte in den geschlossenen Kreis der alten großen Mächte. Das neue Deutsche Reich steht im Staatensystem, mit gesteigerten Machtmitteln, lediglich auf dem alten Platze Preußens, auf dem Machtfundament, das Frıeprıca gelegt hat. Auf dieser Grund- lage ist der Turmbau Ring für Ring emporgeführt worden, und schon sind die Aufgaben gelöst, auf die der Begründer unserer Großmachtstellung seine Nachfolger noch selber, unmittelbar oder unter bestimmten Voraus- setzungen, hingewiesen hatte. Der Körper des Preußischen Staates verlor allmählich die unregelmäßige Gestalt, die den »König der Grenzen «, wie die Zeitgenossen scherzten, mit Sorge erfüllte, sobald die Land- karte vor sein Auge trat. Die Kaiserkrone ist seinem Hause gewonnen worden, deren Erwerbung er erst für den Zeitpunkt als ein erstrebens- wertes Ziel bezeichnet hatte, wo der Staat durch neuen Landzuwachs ! W.von Humsorpr und Karorınze von Humsorpr in ihren Briefen IV, 160. 2 Lenz, Geschichte der Kol. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin I], 8. ® H. Baumgarten hat in seinem Buche von 1870 »Wie wir wieder ein Volk ge- worden sind«, die tiefste Bedeutung der Jahre 1807—ı3 darin gesehen, »daß der preu- Bische Staat und der deutsche Geist sich in ihnen unzertrennlich vermählten«, und H. vos Trerrscake hat in seiner Deutschen Geschichte diesen Gedanken der Versöh- nung des preußischen Staates mit dem Reichtum deutscher Bildung näher ausgeführt. Dabei aber darf nicht übersehen werden, daß die deutsche Bildung des Aufklärungs- | zeitalters, d. h. eine geistige Bewegung, wie nach A. Harnacks Urteil (Geschichte der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. I, 431) keine seit der Reformation »in Norddeutschland tiefer eingegriffen und kraftvoller umgebildet« hatte, sich mit dem Geist. des ag Bischen Staates in bewußter Weise verwandt fühlte. Vgl. auch Lenz a. a. 0. I Hays, WıiruerLm von Humsorpr S. 260; Dirrney in der Deutschen Rundschau XXVI, Heft 10, S. 118, Me. Bot, Garden 16183 50 Festsitzung vom 24. Januar 1912. noch stärkere Festigkeit erreicht haben würde, und also ist die Ab- folge der Vorgänge eben die gewesen, die sein vorschauender Blick als die gegebene bezeichnet hatte, anders als im ausgehenden Mittel- alter, dessen Kaiser zunächst nach der Krone und dann erst nach einer Hausmacht gestrebt hatten. Auf dem Wasser ist König Frreprıicn der Begründer unserer Handelsmarine geworden; denn aus kleinen Anfängen hat sich während seiner Regierung die preußische Babyflotte, wie man in England da- mals spöttisch sagte, zu bereits stattlichem Umfang entwickelt. Der König hat aus gewichtigen Gründen an den Bau einer Kriegsflotte nicht herangehen wollen, aber doch schon einen ersten Anfang für den Zeitpunkt ins Auge gefaßt, daß Danzig in preußischen Besitz gelangen würde. Danzig ist dann, zu viel späterer Zeit, in der Tat die Wiege unserer Seemacht geworden, die Wiege, der sie jetzt längst 5 entwachsen ist. Denn wie einst in einer Zeit lang andauernden Friedens das Heer geformt und geschult worden ist, das Frıeprıcns Schlachten geschlagen hat, Frieprıch Wırnerns I. eiserne Saat, so ist in unsern : Tagen eine neue eiserne Saat aufgegangen und herangereift: Deutsch- i lands gepanzerte Schutzwehr zur See, die ehernen Mauern, hinter denen wir uns verteidigen können wie einst die Athener hinter jenen »höl- zernen Mauern«. Das alles waren und sind Akte der Testamentsvollstreckung, die Fortführung seines Werkes in der Richtung, die der große König gewiesen hatte, allerdings weit hinaus über die Strecke des Weges, die sein Auge noch zu erkennen vermochte. Und der seither zurück- gelegte Teil der Fahrt ist so ausgedehnt gewesen, daß die unmittelbare Empfindung für den Zusammenhang mit der Vergangenheit uns schon verloren ging und daß ‘der Ausgangspunkt erst durch die historische Betrachtung uns wieder nahegebracht werden muß. Heller und lebendiger stehen vor unserm Blick die großen Bilder, für die Frieprıicns Leben den Rahmen geboten hat, so viele im vollsten Sinne volkstümlich gewordene Szenen dieses gewaltigen historischen Schauspiels. Ein republikanischer Staatsmann und Geschichtsforscher : hat sich zu der enthusiastischen Auffassung bekannt, daß über allen materiellen Gewinn ihres geschichtlichen Lebens hinaus eine Nation unberechenbar reicher sei durch ihre großen Erinnerungen, daß jede grimme Feldzug, jede heißumstrittene Schlacht eine nationale Be- reicherung darstelle. Solehen Reichtums haben wir bei uns die Fülle Immerhin sind Erinnerungen Imponderabilien, rein ideale Güter DE Fleisch und Blut übergegangen ist, wenn auch Aber \ Tnwovonz Rooseven, American Ideals and other essays (1904), p- 25 fl. abe Fa SE ES An. i0 4.0 Al se a len ein La las nn ana nt nn A En Zn anal N u N: ” Koser: Festrede. 51 den Meisten heute unbewußt, das ist der Niederschlag, den Frieprıcas Wesen und Wirken in unserm Nationalcharakter hinterlassen hat. Preußens Geschichte ist von einem Vertreter der Rassentheorie! als Beispiel dafür angeführt worden, wie im hellen Licht der Geschichte eine neue Rasse, mit neuen Eigenschaften ausgestattet, emporkommen kann. Unsere aus so verschiedenen deutschen Stämmen gemischte »neue Abart der germanischen Rasse« hat einen ihr wesentlichen Zug doch erst erhalten in der Epoche, da alle Einwohner des Hohen- zollernstaates sich als Preußen zu fühlen und ohne Unterschied sich Preußen zu nennen begannen. Zu der Disziplin der harten Schule FRIEDRICH WILHELMS I. traten Selbstbewußtsein, Schwung und Stolz, da- mals als nach Gorrues Wahrnehmung der geborene Preuße sein Teil an der Glorie des großen Königs sich zueignete und als neben » Tüchtig- keit, Strenge, Schärfe, Tätigkeit und Ausdauer« auch » Wert, Würde und Starrsinn« die hervorstechenden Züge des preußischen Nationalcharakters wurden. Daß die Preußen sich seitdem als ein Volk, ein einheit- liches Volk, ein ruhmvolles Volk fühlen, hat Erwst Morırz Arspr, dessen Urteil über die Persönlichkeit Frieprıcns so befangen war, in unbefangenster Weise anerkannt, wenn er den Preußen nachrühmte, daß sie nach dem tiefen Fall von 1806 im Gegensatz zu den übrigen Deutschen, »den Bürgern kleiner Staaten und Teilnehmern kleiner Ver- hältnisse«, ohne Ehre nicht mehr glücklich sein konnten, weil sie einen unsterblichen Namen, einen großen Ruhm wiedereinzulösen hatten. So ist der große König seinem Volk ein Erzieher gewesen. Was aber weiß uns dieser Erzieher noch heut zu lehren und zu raten? Nicht daß wir im einzelnen Falle die Frage stellen dürfen, wie FRIEDRICH DER GroszE sich bei dieser Gelegenheit verhalten haben würde; denn der Satz ist unbestreitbar, daß die großen Männer nicht als Vorbilder in die Weltgeschichte hineingesetzt sind, sondern als Ausnahmen’. Wohl aber wird jeder Staat aus dem Schatze seiner Überlieferungen eine Summe von allgemeinen Grundsätzen, Erfahrungen, Lehren und Beispielen, von Antrieben und Warnungen sich entnehmen können. Und was Fkrırprıcn zu diesem Schatze politischer Erb- weisheit beigesteuert hat, das ist zum guten Teil bis heute als laufende Münze im Verkehr geblieben, dank der scharfen Prägung, die seine goldnen Worte durch die Verbrüderung von treffendem Urteil und unnachahmlichem Ausdruck erhalten haben. | Worte, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichen Klang und ‚gleichen Wert haben werden. Sein Gebot, daß keine Kon- a ER Stewart CuanserLam. Die preußische | Rasse 2 J. Bureruarpr, Die historische Größe (Weltgeschiehtliche Betrachtungen S. 234). Sitzungsberichte 1912. | a 5 52 Festsitzung vom 24. Januar 1912. fession der andern Abbruch tun dürfe, weil hier ein jeder nach seiner Fasson selig werden müsse, wird für alle Zeiten einem jeden eine Mahnung sein, nicht bloß vom Staate Duldung für sich zu verlangen, sondern selber gegen Andersgläubige duldsam zu sein; wie denn das aus Frıeprıcnus Geist geborene preußische Landrecht neben die Bürgschaft für eine »vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit« die Verpflichtung gestellt hat zu »Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich guter Gesinnung gegen die Mitbürger«. Ein preußischer Richter hat dieser Tage als »die schönste deutsche Übersetzung des alten Pandektensatzes Suum euique« Frıenrıcns Worte bezeichnet: »Die Gerichte müssen nur wissen, daß der geringste Bauer, Ja, was noch mehr ist, der Bettler, ebensowohl ein Mensch ist, wie Seine Majestät, indem vor der Justiz alle Leute gleich sind'«. Auch unsere moderne soziale Gesetzgebung hat manchen Grundgedanken schon in Frieprıcns Herrscherbrevier vorgezeichnet gefunden. Und sein Wort, daß Erfahrung und Sachkunde die sichersten Führer auch in volks- wirtschaftlichen Dingen seien, ist wieder zu Ehren gekommen, als unsere Wirtschaftspolitik vor einem Menschenalter sich aus dem dog- matischen Banne einer als klassisch gefeierten Lehre zu lösen begann und den Schutz der nationalen Arbeit auf sich nahm, nicht einer Theorie zuliebe, sondern weil ihr, wie einst dem großen Könige, diese Fürsorge von Staats wegen dem praktischen Bedürfnis am besten zu entsprechen schien. Den Bestrebungen unserer inneren Kolonisation hält der Gründer so vieler Hunderte von Dörfern ein glänzendes Muster vor, und von dem Rüstzeug seines erfolgreichen Kampfes im Ödlande gegen Sumpf und Sand erweist sich selbst einer weit vorgeschrittenen Technik heute noch vieles als beachtenswert und nutzbar. Die Politik hat der König in seinem politischen Testament? um schrieben als »die Wissenschaft, stets die Mittel anzuwenden, die den eigenen Interessen entsprechen«: »um seinen Interessen gemäß zu handeln, muß man sie kennen, und um zu dieser Kenntnis zu gelangen, bedarf es des Studiums, der inneren Sammlung, der Appli- kation’«. Das klingt selbstverständlich, und doch hat die Politik der Nachfolger nach 1786 sich von dem größten Sachverständigen die Kritik gefallen lassen müssen, daß klare Ziele ihr entweder gefehlt hätten oder daß sie ungeschickt gewählt worden seien. Und schon am Vorabend des Krieges von 1806 hat ein französischer Diplomat nur zu richtig festgestellt, daß Frieprıcns Epigonen Geist und Grund- 1 2 % { Ä Fr. Horrze in der Deutschen Juristenzeitung vom 15. Januar 1912. s = Acta Borussica (»Serie Behördenorganisation und allgemeine Staatsverwaltung«), » 359- ; * Bismarck, Gedanken und Erinnerungen I, 270. nn unnnu unn u dl alunn ı un u Be a Das na zn ee 2 a a NE Sn TE a kl u a Lu Ta tr nn are an nm Koser: Festrede. 53 sätze seiner Regierung nicht ergriffen hätten. Vergessen waren vor allem seine beiden großen Leitsätze, daß, wer nicht vorwärtskommt in Europa, zurückkommt und daß die Reputation eine Sache von un- bezahlbarem Wert sei und mehr gelte als selbst die Macht. Vergessen auch seine Anschauungen über den Wert und Unwert von Bündnissen mit dem ewig gültigen Endurteil: »Die besten Alliierten, so wir haben, sind unsere eignen Truppen’. « Was für unser Heer der »König-Connetable« bedeutet hat und be- deutet, das ist zur Vorfeier seines Geburtstages den Angehörigen des Heeres aus berufenem Munde dargelegt worden. Weit aber über den Kreis des Heeres hinaus reicht heute, wie vor anderthalb Jahrhunderten, Frrepricns Mahnruf an die Kleinmütigen, die da zagen, noch ehe im Krieg oder im Frieden eine Schlacht verloren, und sein Sammelruf an das letzte Aufgebot nach einer verlorenen Schlacht. Unsere Feier ist eine Erinnerungsfeier an ernste Zeit — in ernster Zeit. König Frırvricn hatte die Hoffnung ausgesprochen, daß dereinst sein Staat auf stärkerer Machtgrundlage und mit besseren Grenzen der straffen Anspannung eher werde entbehren können; bis dahin werde die Losung lauten: » Toujours en vedette!« Die Losung gilt weiter. Noch heute müssen wir wie damals, um Frırprıcns Worte zu wieder- holen, scharf »auf unsere Nachbarn achten, und bereit sein, uns von heute auf morgen gegen die verderblichen Anschläge eines Feindes zu verteidigen«. In der Überlieferung seines Hauses fand König Frreprıcn die Devise vor: Meine Pflicht ist mein Vergnügen — mon devoir est mon plaisir. Diesem Wahlspruch der Großmutter, der philosophischen Königin Sorte CHARLOTTE, stand zur Seite die Mahnung des Vaters: »Zur Arbeit sind die Fürsten geboren.« Der Sohn hat das Wort weitergegeben. Indem er sich als den ersten Diener des Staates bezeichnete, sagte er sich auch, daß der Dienst am Staat nicht aus- geübt werden kann ohne die gewissenhafteste Stetigkeit und ohne die sorgfältigste Vorbereitung. Deshalb warnte er seinen Thronfolger: Entweder soll man an die Regierung der Staaten sich nicht heran- wagen oder man soll den hochherzigen Entschluß fassen, sich der Aufgabe würdig zu machen und alle Kenntnisse zu erwerben, die zur Ausbildung eines Fürsten gehören, und soll sich in edlem Ehrgeiz dazu anfeuern, keiner der Mühen und keiner der Sorgen sich zu ent- ziehen, die das Regieren erfordert.« Wer hat mehr sich auf heitere | Lebenskunst, auf einen verfeinerten Lebensgenuß verstanden, als der oh von Sanssouci, der sich selbst wohl als eine epikureisch ! Politische Correspondenz IV, 187. 5* 54 Festsitzung vom 24. Januar 1912. gerichtete Natur bezeichnet hat! »Zu Sparta hielt ich hoch Athens ge- gepflegte Sitte!« Aber die Schule von Athen lehrte neben der Freude am Leben und an der Schönheit auch den herbsten politischen Idealismus, und den größten aller Athener läßt der große attische Geschichts- schreiber das heroische Wort sprechen, daß das die edelsten Seelen sind, die bei voller Empfänglichkeit für den Genuß und klarer Vor- stellung von bevorstehenden Mühsalen und Opfern sich doch nicht verleiten lassen, der Gefahr aus dem Wege zu gehen. Dieser in der edelsten Bedeutung antiken Gesinnung hat der Held des 18. Jahr- hunderts nichts nachgegeben, wenn er in dunkelster Stunde erklärte: »Gewiß, ich kenne den Wert der Ruhe, den Reiz der Geselligkeit, die Freuden des Lebens. Auch ich wünsche glücklich zu sein, wenn irgend jemand. Aber so sehr ich diese Güter begehre, sowenig mag ich sie durch Niedrigkeit oder Ehrlosigkeit erkaufen. Die Philosophie lehrt uns, unsere Pflicht zu tun, unserem Vaterlande treu zu dienen, auch mit unserem Blut, ihm unsere Ruhe, Ja unser ganzes Dasein aufzuopfern'«. Als ein halbes Jahrhundert später abermals Preußens letzte Stunde zu nahen schien, da haben die Besten in unserem Vater- lande dieses Königswortes sich erinnert und es wie ein Panier auf- gepflanzt, um das sich die Gleichgesinnten scharen sollten. ‘ Was Frıeprıcn sich selber als Gesetz vorschrieb und unverbrüchlich gehalten hat, das hat er jedem einzelnen zur Aufgabe gesetzt: »Die erste Pflicht jedes Staatsbürgers ist, seinem Vaterland zu dienen.« Dieser staatsbürgerlichen Gesinnung, diesem vaterländischen Gesamt- gefühl, das nicht den Acker oder fünf Joch Ochsen und auch nicht Weib und Kind als Hindernis ansieht?, dieser Vaterlandsliebe als der alles zusammenhaltenden Kraft im Staatsleben hat der »erste Diener des Staates« den ergreifendsten Ausdruck gegeben in einer seiner letzten Schriften, den »Briefen über die Vaterlandsliebe« von ı 779. Nach einer begeisternden Aufzählung all der Wohltaten, die jeder einzelne dem Vaterlande verdankt, weiht er sich dem Vaterlande mit dem Ge- lübde: »Ich bekenne, daß ich dir alles schulde, auch bin ich dir auf das innigste und unlösbarste verbunden. « Das ist es und vieles andere, was uns der große König heute noch zu sagen weiß. Dem Vaterlande gilt in der Urkunde seines letzten Willens das letzte Wort, das Wort, das auch das Schlußwort unserer Feier, hier an dieser durch historische Erinnerungen geweihten Stätte, sein soll: ‚Meine letzten Wünsche im Augenblick meines letzten Atemzuges & ' Das Zitat schließt das »Bekenntnis« aus für sich und die ihm gleichgesinnten Männer aufse “ ®2 Worte des Briefes Bismarcks an dem Februar 1812, das Clausewitz tzte, Vgl. Perrz, Gneisenau 3, 628. A. von Roow vom 20. November 1873. | | | | | i | \ | en ins u m a uni ein Eur ande au aan a a En ee ae an nn u El An mluind Ta Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 3%) werden dem Glücke dieses Reiches gelten. Möge es der glücklichste aller Staaten sein durch die Milde der Gesetze, der bestverwaltete in seinem Haushalt der am tapfersten verteidigte dank einem Heere, das nur Ehre und edlen Ruhm atmet, und möge dieses Reich blühen und dauern bis an das Ende der Zeiten.« Die Feier schloß mit einem auf Seine Majestät ausgebrachten Hoch des vorsitzenden Sekretars und mit dem vom Königlichen Opernchor ausgeführten »Salvum fac regem!«. An den vorstehenden Bericht über den Verlauf der Feier werden die vorgeschriebenen Berichte über die Tätigkeit der Akademie und der bei ihr bestehenden Stiftungen sowie über die Personalveränderungen im verflossenen Jahre angefügt: Sammlung der griechischen Inschriften. Berieht des Hrn. voxw WıL amowIıTz-MOELLENDORFF. Von dem Bande V ı, Lakonien und Messenien, sind 27 Bogen fertig oder doch gesetzt; damit ist der Hauptteil, Lakonien, im wesent- lichen fertig. Als erstes Ergebnis der Bereisung Arkadiens für V 2 sind in den Abhandlungen der Akademie erschienen » Arkadische Forschungen von F. Freiherrn HırıLrer von GAERTRINGEN und H. LATTErmanne. Von Bd. XI, Delos, der gemeinsam von den Akademien von Paris und Berlin herausgegeben wird, sind dank der unermüdlichen Energie des Bearbeiters, Hrn. F. Dürrsaca in Toulouse, bereits ı 3 Bogen teils fertig, teils in Korrektur. Es kommt diesem bedeutsamen Werke sehr zu statten, daß nicht nur der wissenschaftliche Beamte unserer Akademie, Freiherr Hırıer von GAERTRINGEn, namentlich durch die Revision der Abklatsche, sondern auch die Mitglieder der Pariser Epi- graphischen Kommission an der Korrektur tätigen Anteil nelımen. Im übrigen sind mehrere Abteilungen so weit gefördert, daß der Beginn des Druckes für das nächste Jahr erwartet werden kann. Sammlung der lateinischen Inschriften. Bericht des Hrn. Hırsc#reı». Die Arbeiten für den Abschluß von Band VI (Rom) sind in diesem Jahre durch Hrn. Bane so weit gefördert worden, daß der Druck so- wolıl des etwa 3000 Nummern betragenden Auktariums als auch der Namenindizes demnächst wird beginnen können. 56 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Hr. Bormass hat auf drei Reisen in Italien die Berichtigung und Ergänzung der in Band XI (Mittelitalien) veröffentlichten Inschriften zu fördern gesucht, insbesondere die zahlreichen neuen Funde in Fe- rento und Cervetri aufgenommen und die ersteren zum Druck gebracht. Von den Abteilungen des Band XIII hat Hr. HıirschreLn die Addenda zu Gallien, Hr. Fmee in Heidelberg die zu Germanien im Manuskript fertiggestellt; letzterer hat zur Vervollständigung des Materials die wichtigeren, von ihm noch nicht erledigten Inschriften- sammlungen von Trier bis Leyden besucht. — Die Nachträge zu XIH, 3 (Instrumentum) hofft Hr. Bons noch im Laufe dieses Jahres der Drucklegung zu übergeben. — Die Bearbeitung der Ziegel von Obergermanien und der Belgica hat Hr. Sreiser (jetzt in Trier) dem Abschluß nahegeführt. — Hr. SzLarorawer hat den Namenindex ab- geschlossen und die Arbeit an den Sachindizes fortgesetzt. — Die von Hrn. Krerscnuer ausgeführten Karten von Gallien und Germanien sind nunmehr zum Stich gebracht; zwei Separatkarten für das gallische Instrumentum, die sich als notwendig erwiesen, sind in Ausarbeitung. Für Band XV (Instrumentum von Rom) hat Hr. Dresser, die Aus- sonderung der falschen und verdächtigen Exemplare durchgeführt, insbesondere die Gruppe der Gemmenfälschungen bearbeitet. Hr. Lommatrzsch (München) hat den Druck der Neubearbeitung des ersten Bandes (Inschriften der Republik) bis Bogen 81 gefördert und die Vorarbeiten für die Indizes begonnen. Das Auctarium des VIII. Bandes (Afrika) haben die HH. CAasnAr und Dessau bis zu Bogen 195 fortgeführt, womit der Druck der neu- gefundenen Inschriften von Thugga vollendet ist, deren Zahl während des Druckes bis auf etwa 900 gestiegen ist. Auch im vergangenen Jahr ist die Unterstützung der HH. Mrrııy und Poıssor dem Werk in reichem Maße zuteil geworden. Das im vorjährigen Bericht erwähnte, für die Ephemeris epigraphica bestimmte Supplement des Hrn. HaverrıeLn zu Band VII (Britannia) be- findet sich im Druck. Zur Herstellung eines provisorischen Supplements zu Band IX und X hat Hr. Barrner. (z. Z. in Frankfurt a. M.) die wichtigsten Fund- oe Unteritaliens besucht; er ist mit der Abfassung des zunächst für die Ephemeris bestimmten Manuskripts beschäftigt. Prosopographie der römischen Kaiserzeit. | Bericht des Hrn. Hırscarert». | Den in Aussicht gestellten Druck der Magistratslisten haben die ; HH. Dessau und Kress im vergangenen Jahr noch nicht in Angriff nehmen können. in te ee ne ee ne =} en wo jerichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. Index rei militaris imperiü Romani. Bericht des Hrn. Hırscnreun. Hr. Rırrertiss ist infolge seiner Berufung nach Frankfurt a. M. zur Leitung der römisch-germanischen Kommission auch in diesem Jahr an der Fortführung seiner Arbeit verhindert gewesen. Politische Korrespondenz FRIEDRICHS DES GROSSEN. Bericht der HH. von ScHamoLLer und Koser. Der 35. Band der Sammlung ist bis auf das Sachregister durch Hrn. Dr. Vorz im Druck fertiggestellt und wird somit binnen kurzem ausgegeben werden können. Die 625 Nummern dieses Bandes liegen zwischen dem ı. Januar und 31. August 1774. Das wichtigste Freignis auf dem Gebiete der auswärtigen Politik während dieses Zeitraums war der Friede von Kutschuk-Kainardsche (21. Juli 1774), der Abschluß des im Jahre 1768 begonnenen russisch- türkischen Krieges, dessen Lokalisierung durch die zwischen Rußland, Österreich und Preußen im Jahre 1772 auf der Grundlage allseitiger Kompensationen in Polen erzielte Verständigung ermöglicht worden war. Die diplomatischen Verhandlungen wegen endgültiger Festsetzung der polnischen Grenze sowohl nach der preußischen wie nach der öster- reichischen Seite nahmen auch im Jahre 1774 die preußische Politik noch in erster Linie in Anspruch. Griechische Münzwerke. Bericht des Hrn. Conze. Das nordgriechische Münzwerk. Nachdem der ı. Band, enthaltend Dakien und Mösien, seit dem Vorjahre vollständig ge- worden ist, ist Hr. Reeiıss weiterbeschäftigt, die Nachträge dazu zu liefern, und hat im September v. J. das Museum zu Sarajevo, das be- sonders für Dakien und Moesia superior reichhaltig ist, dafür durch- gearbeitet. Von dem 2. Bande, Thrakien, der HH. Müxzer und Strack ist Heft ı des ı. Teiles im Druck vollendet. Es enthält die Münzen der Thraker und der Städte Abdera, Ainos, Anchialos, bearbeitet von Hrn. Srrack, unter Mitwirkung des Hrn. vox Frıirze und mit Unterstützung des Hrn. Resrıss, welcher auch für die Bortseirangs: die Jahresliteratur ausgezogen hat. Das kleinasiatische Münzwerk. Die Besibeikieg der Münzen Mysiens hat Hr. vox Faırzz mit Benutzung der von Hrn. Ku- BITSCHEK gelieferten Literaturexzerpte so weit gefördert, daß ein erstes 58 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Heft in Auflage der Tafeln und im Manuskript fertig vorliegt, der Druck auch begonnen hat. Hr. vox Frızze hat ferner die chronologi- schen Vorarbeiten für das Elektrongeld von Kyzikos so gut wie zum Abschlusse gebracht. Von dem Bande über Karien stellt Hr. Kusırschek sein Ma- nuskript bis gegen Ostern d. J. in Aussicht. Nachdem Hr. Dessen aus der Kommission ausgetreten ist und seine Mitwirkung bei der Leitung der Münzwerke aufgegeben hat, ist zum Vorsitzenden der Kommission Hr. Coxnze gewählt worden. Acta Borussica. Bericht der HH. von SconmoLter, Koser und Hitze. Über das Jahr ıgıı ist folgendes zu berichten: Der Band Behördenorganisation, den Dr. W. Stortze bearbeitet, IV, 2, der bis zum Tode Friedrich Wilhelms 1. reicht, liegt gedruckt fertig; es fehlt nur noch das Register, zu dessen Fertigstellung Dr. Srorrze (Königsberg) bisher verhindert war, nach Berlin zu kommen. Dr. Freiherr vox Schrörrer hat das dritte Heft der Münzbeschrei- bung, das die Münzen von 1786—1806 enthält, fertiggestellt; es ist eben versendet worden. Das Manuskript der historischen Dar- stellung des Münzwesens von 1769-1806 nebst Akten hat er der Kommission eingereicht, so daß 1912 dieser Teil unserer Publikation fertig werden wird. Von einem neuen Teil derselben, der Handels-, Zoll- und Akzise- politik, liegt der erste Teil, der bis 1713 reicht und von Dr. Racneı hergestellt ist, fertig vor; er gelangte ebenfalls in diesen Tagen zur Ver- teilung. Dr. Skarweır ist noch mit der Getreidehandelspolitik von 1756 bis 1786 beschäftigt. Im Tode von Dr. Hass, der die Behördenorganisation von 1756 bis 1786 in Bearbeitung hatte, beklagt die Kommission den Verlust eınes ganz selten begabten und fleißigen Mitarbeiters, eines .unge- wöhnlich hoffnungsreichen Jungen Historikers. Ein Ersatz für ihn ist noch nicht gefunden. ‚In Dr. Erıcn Paur Reımanw hat die Kommission einen neuen Mit- arbeiter gewonnen. Er hat durch eine recht gute archivalische Arbeit über das preußische Tabaksmonopol von 1767—ı 796 unsere Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Wir haben ihm die brandenbureis: Bisahe = Wollindustri ad ndenburgische preußise soll eine Parallele zu Hınrzr’s Seidenindustrie werden. ee En 18. Jahrhunderts als Aufgabe gestellt. Die Arbeit j ER & E N i Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 59 Kuant- Ausgabe. Bericht des Hrn. Ernmann. Von der Abteilung der Werke wird der im Druck nahezu fertige Band VIII noch im Laufe dieses Winters ausgegeben werden. Der Text von Band IX, dem letzten Bande dieser Abteilung, ist vollständig gedruckt. Wegen einiger noch offener Fragen über die Gestaltung der Anmerkungen zu JÄscnes Ausgabe von Kants Logik und insbesondere zu Rınks Ausgabe der physischen Geographie wird sich die Veröffent- lichung verzögern. Es ist zu hoffen, daß der Band noch in diesem Jahre herausgegeben werden kann. Von dem revidierten Neudruck dieser Abteilung liegen die Bände I, HI und IV vor; Band II wird demnächst erscheinen. Die folgen- den können nach Bedarf ohne Verzug neugedruckt werden. Die Fertigstellung des vierten und letzten Bandes der zweiten Abteilung, der Briefe, (Band XII) hat sich verzögert. Doch besteht begründete Aussicht, daß der Druck dieses Bandes im Oktober d. J. begonnen und schnell fertiggestellt werden kann. Von der dritten Abteilung, dem handschriftlichen Nachlaß, ist der erste Band (XIV) erschienen. Band XV soll gleichfalls noch in diesem Jahre zur Veröffentlichung gelangen und daran sich der Druck von Band XVI unmittelbar anschließen. Wann der erste Band der vierten Abteilung, der Vorlesungen, zum Druck gestellt werden kann, ist infolge des wiederholten Wechsels in der Leitung dieser Abteilung sowie der unerwarteten Schwierig- keiten, die in der Konstitution der vorliegenden Handschriften liegen, noch nicht mit ausreichender Sicherheit zu sagen. Ibn Saad-Ausgabe. Bericht des Hrn. Sacnar. An den letzten drei Bänden der Ibn Saad-Ausgabe ist in dem verflossenen Jahre die Arbeit mit Erfolg wieder aufgenommen. Der von Hrn. Prof. Dr. ScuwarLy (Gießen) bearbeitete letzte Band der Lebensbeschreibung Muhammeds ist in Text und Anmerkungen bereits fertig, und wird demnächst ausgegeben werden können. Hr. Prof. Dr. B. Meıssser (Breslau) hat nach Beschaffung einer Photographie des Codex Constantinopolitanus die Arbeit an seinem Teil des Ibn Saad, den Biographien der ältesten, in Basra, Syrien und Ägypten lebenden Überlieferer, wieder aufgenommen und Br denkt mit Anfang des neuen Jahres den Druck fortzusetzen. Hr. Prof. Dr. E. Mrrrwocn (Berlin) ist mit der Bearbeitung des zweiten Bandes der Biographie Muhammeds beschäftigt und hofit eben- falls mit Anfang 1912 den Druck weiterführen zu können. 60 .Festsitzung vom 24. Januar 1912. Wörterbuch der ägyptischen Sprache. Bericht des Hrn. Ernman. Die Ausarbeitung des Manuskriptes wurde von Hrn. Erman unter _ Mitwirkung des Hrn. Grarow fortgesetzt. Dabei wurde __ı zu Ende geführt und ein beträchtliches Stück von » (bis wbd) erledigt; auch darüber hinaus wurden größere Abschnitte vorgearbeitet. Bis zum Ende des __ı ergaben sich etwa 2412 Worte un 235, | 1344, -——ı 833), die etwa 160000 Zetteln entsprechen und 1350 Seiten des provisorischen Manuskriptes einnehmen. Hr. Junker konnte gelegentlich einer Reise, die er für die Wiener Akademie unternahm, die wichtigsten Inschriften von. Kom Ombo durch den in Philä und Edfu geschulten Photographen Koc# aufnehmen lassen. Wir haben somit auch für diesen großen Tempel ein gesichertes Material, und zwar mit relativ geringen Kosten ge- wonnen. Für Mitteilung einzelner kleinerer Inschriften sind wir den HH. Borcuaror, GarDiner und Maurer zu Dank verpflichtet. Die Verzettelung erstreckte sich vor allem auf die Tempel der griechisch-römischen Zeit, auf Edfu (HH. Jusxker und Bovran), auf Philä (Hr. Juseer) und Theben (Hr. SETHE). Außerdem wurden ver- zettelt: das Pfortenbuch (Hr. Aser) — der Londoner medizinische Papyrus (Hr. Wreszısskı) —. verschiedene kleinere Texte, meist Fortsetzungen und Ergänzungen schon verarbeiteter (HH. BurcHArpT, DEvAUD, GARDINER, GRAPOW, Horrmann). Die Zahl der verzettelten Stellen betrug 1858, die der alpha-. betisierten Zettel 45180. Im ganzen wurden bisher verzettelt 54140 Stellen und alphabetisiert ı ı6 5729 Zettel. Die Nebenarbeiten wurden von den HH. Devaun, Horrmann, Srork und. Frl. MoRGENSTERN erledigt. Ä Das Tierreich. Bericht von Hrn. F. E. Scavurze. Am ı. April übernahm nach dem Tode von Hrn. Prof. vos Männes- THAL provisorisch Hr. Prof. Arsteıs aus Kiel das Amt des wissen- schaftlichen Beamten für die Herausgabe des »Tierreich«. Zum 1. Juli erfolgte seine definitive Anstellung als solcher. Als Hilfsarbeiter waren > tätig: ai rl. Marrua Luruer, die schon seit 10 Jahren an der Redaktion n des »Tierreich« beschäftigt ist, ferner Frl. Tuıere und Frl. Bons. wo ‚Im laufenden Berichtsjahre erschienen folgende Lieferungen: 26. | Txodidae von Hrn. Prof. Dr. G. Neumans (Toulouse), 27. Chamaeleontidae nl a dd Lan. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 61 von Hrn. Prof. Dr. F. Werner (Wien), 29. Chaetognata von Hrn. Dr. von Rırrer-Zanony (Görz), 28. Megachilinae von Hrn. Dr. H. Frıes£ (Schwerin). Im Druck befinden sich zwei Lieferungen: 30. Evanüdae von Hrn. Prof. J. J. Kırrer (Bitsch) und 31. Ostracoda von Hrn. Geheimrat Prof. Dr. G. W. Mürzer (Greifswald). Für das nächste Jahr stehen eine Reihe von Arbeiten in Aus- sicht, so daß ein schnelles Erscheinen von Lieferungen gewährleistet ist. Plan und Ausführung des als notwendiges Parallelwerk zum » Tier- reich« unternommenen »Nomenelator animalium generum et sub- generum« wurde im vergangenen Jahre von Grund aus revidiert und geändert. Die im Mai erfolgte Herausgabe einer ersten, die Primaten umfassenden Probelieferung unter dem Titel »Primatium genera et subgenera« war die Veranlassung zu mannigfachen Anregungen seitens der für den Nomenklator lebhaft interessierten Zoologen. Erhöhten Wert, gegründete Aussicht auf allgemeine Anerkennung und weiten Vorsprung vor allen bisher erschienenen Nomenklatoren erhielt das Unternehmen durch den Entschluß, ausnahmslos allen Namen das Zitat der erstmaligen Veröffentlichung direkt beizufügen. Bisher war bei der Ausarbeitung und auch noch in der Probelieferung nur ein kleiner Teil der Namen in dieser direkten und erschöpfenden Weise fixiert. Die weitaus meisten Namen hatten nur Hinweise erhalten auf Nachschlagewerke, in denen alsdann nachträglich das Originalzitat auf- zusuchen war. Die Vorschrift, jeden Namen mit dem Zitat seiner Originalveröffentlichung zu versehen, involviert als weitere, in die Arbeitsmethode tief eingreifende Forderung das strenge Gesetz, für jeden Namen die Originalstelle selbst nachzuschlagen und kritisch zu identifizieren, soll anders ein Nomenklator entstehen, der nicht ba- siert ist auf kritikloser Entnahme aus anderen Zusammenstellungen. Die erneute Durchmusterung aller seit 1758 erschienenen Original- veröffentlichungen von Gattungen und Untergattungen wird manchen, von Buch zu Buch und von Generation zu Generation verschleppten Irrtum aufdecken. Als wertvolles Resultat entspringt aus dieser strengeren Methode zugleich die größtmögliche Garantie der Vollständigkeit unseres Namen- verzeichnisses; denn nur das persönliche Durchforschen der literarischen Quellen ermöglicht hinreichende Ergänzung der bisher herausgegebenen, ; nicht gleichmäßig aus diesen Quellen geschöpften und vielfach recht lückenhaften, Nachschlagewerke. Vollständigkeit ist aber eine Haupt- bedingung für die Brauchbarkeit eines Nomenklators. Vollständigkeit wird nach dem neuen Plan nun auch für die Berücksichtigung der 62 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Namen rein fossiler Gattungen und Untergattungen gelten, die anfäng- lich nur gelegentlich mitaufgenommen werden sollten. Unser Nomen- klator wird gleichzeitig ein Lexikon für die Zoologie und alle ver- wandten Wissenschaften werden. Die Zitate werden nach wie vor in den, durch das »Tierreich« und durch den in London jährlich erscheinenden »Zoologieal Record« eingebürgerten, Kürzungsformen gegeben. Desgleichen werden auch die jedem Namen beizufügenden Bezeichnungen der systematischen Stellung nur so weit gekürzt, daß sie jedem Zoologen und Paläozoo- logen, auf welchem Spezialgebiet er auch tätig sei, ohne weiteres Nachschlagen sofort verständlich sind. Dagegen sind Kürzungen von Autorennamen, wie sie noch in der Primatenprobelieferung angewandt wurden und die Benutzung erschweren, nach dem neuen Plane aus- geschlossen. Darüber hinaus werden, um jede Verwechslung unmög- lich zu machen, gleichlautende Namen verschiedener Autoren mit einem oder, wenn nötig, zwei zugehörigen charakteristischen Vornamen ver- sehen. Zum ersten Male wird ein Nachschlagewerk entstehen, das bei bequemer Handhabung auf den ersten Griff erschöpfende Aus- kunft gibt über den Bestand an Gattungs- und Untergattungsnamen und über alles, was hinsichtlich Bibliographie und systematischer Stellung wissenswert ist. Schon bei dem Abschluß unserer Probelieferung aus dem Gebiete der Mammalia stellte sich der dringende Wunsch nach Heranziehung eines in dieser Gruppe versierten Spezialforschers ein, und wir ver- danken bei dieser Lieferung der freiwilligen Mitarbeit des Hrn. Prof. Matscnıe vom Berliner Zoologischen Museum manche wertvolle Er- gänzung und Berichtigung. Geradezu unentbehrlich ist die Mitwirkung der Spezialforscher jetzt, wo der neue Plan des Werkes eine bis ins minuziöse gehende Kenntnis der jeder Tiergruppe zugrunde liegenden Literatur sowie die zur kritischen Sichtung nötige sachliche Kenntnis der Tiergruppe selbst verlangt. Dazu kommt noch, daß sich mittler- weile unsere anfängliche Schätzung von der Anzahl der bekannten Gattungs- und Untergattungsnamen als viel zu niedrig herausgestellt } hat. Entgegen unserer anfänglichen Annahme von etwa ı 50000 Namen haben wir neuerdings gegründeten Anlaß, mit über 200000 Namen zu rechnen. Schon rein zeitlich ist es ganz unmöglich, daß ein einzelner en . F AR ’ wie es die von unserm Plane verlangte kritische und exakte Ausar- beitung erfordert. Daraus hat sich die Notwendigkeit ergeben, den ganzen ungeheuren Stoff für die Durecharbeitung in solehe Arbeits- en 5 er eh ga ee Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 63 portionen zu zerlegen, wie sie sich aus der Gliederung des zoologi- schen Systems von selbst ergeben, und diese unter bewährte Spezial- forscher zu verteilen. Schon jetzt ist ein Stab von 39 Zoologen und Paläozoologen des In- und Auslandes im Dienste des Unternehmens beschäftigt. Um völlige Gleichmäßigkeit der Bearbeitung zu gewähr- leisten, erhalten die Beteiligten gedruckte »Anweisungen«, die in knapper Form jede nötige Information erteilen. Der Aufwand an Zeit und die nicht geringen, aus der notwen- digen Beschaffung der Originalliteratur erwachsenden Kosten hat eine Honorierung der Mitarbeiter notwendig gemacht. Obwohl das Honorar in Rücksicht auf die Knappheit der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Mittel mit nur 20 Mark für jedes Hundert vorschriftsmäßig aufgenommener Gattungsnamen angesetzt ist, so sind doch angesichts der 200000 zu erledigenden Namen nach und nach rund 40000 Mark notwendig, soll anders in nicht gar zu langer Zeit etwas zustande kommen, was unserer Akademie Ehre macht. Durch den im März des Jahres von der Akademie bewilligten Fonds von 7000 Mark ist inzwischen die Drucklegung des Werkes gesichert. Auch soll hier nicht unerwähnt bleiben, daß die Berliner Gesellschaft naturforschen- der Freunde in Anerkennung der Bedeutung des Unternehmens im vergangenen Jahre eine Beihilfe in Höhe von 5000 Mark gewährt hat. Groß sind ferner die Unkosten, welche die Schriftleitung an Remune- rationen der nötigen Hilfskräfte für die kaum zu bewältigenden Zu- sammenstellungen, Abschriften, Korrespondenzen und für vielerlei an- dere Bureauarbeiten verursacht. Speziell hierfür hat auf Antrag des Herausgebers das Ministerium für geistliche und Unterrichtsangelegen- heiten für das kommende Jahr die Summe von 3000 Mark bewilligt. Ferner hatte eine Notiz in der Presse zur Folge, daß der bekannte Herausgeber des Handbuchs zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Hr. Prof. Dr. Lupwıs Darustaepter in Berlin, in Würdigung speziell der historischen Bedeutung des Werkes aus seinen privaten Mitteln für die Jahre ı912—1916 je ı000 Mark, also im ganzen 5000 Mark, zur Verfügung stellte. Großes Entgegenkommen fand das Unternehmen bei den Verwal- tungen der Berliner Bibliotheken und wissenschaftlichen Institute. Mit Herleihung seltener, in Berlin nicht erhältlicher Literaturwerke unter- stützten uns: die Universitätsbibliothek in Göttingen, die Bibliothek der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Natur- forscher in Halle, die Stadtbibliothek in Hamburg, die Kgl. users Hof- und Staatsbibliothek in München. Die Schriftleitung führt im Auftrage des Herausgebers He Dr. Tu. Kunnsarz. Als zoologische Hilfsarbeiter waren außerdem im ver- 64 Festsitzung vom 24. Januar 1912. gangenen Jahre im Bureau tätig die HH. cand. zool. W. STENDELL, . Dr. R. Srersrerp, Dr. H. H. WounpscH, als paläozoologischer Hilfs- arbeiter Hr. Dr. W. O. Dietrich. Bibliographische Hilfsarbeiterin ist Frl. E. RorHENBÜCHER. Fertiggestellt oder nahezu fertiggestellt wurden: die Reptilia von Hın. R. Stersrern (Berlin), einige Familien der Coleoptera von Hrn. S. Schenkuing (Dahlem), die Ascalaphidae von Hrn. H. Sorvasskı (Berlin), einige Familien der Hymenoptera von den HH. R. Lucas (Berlin) und E. Stırz (Berlin), die Phoridae von Hın. Tu. Becker (Liegnitz), die Crustacea und Pantopoda von Hrn. W. Srenperr (Berlin), die Tremato- des von Hrn. H. H. Wunoscn (Berlin), die Echinodermata recentia excel. Echinoidea von Hrn. H. Lupwıs (Bonn). — In Arbeit sind die folgen- den Gruppen: Leptocardia, Cyclostomata, Pisces, Insecta fossilia, Arach- noidea fossilia, Araneae, IIymenoptera, Tenebrionidae, Trictenotomidae, Pho- ridae, Muscidae-Acalypterae, Dolichopodidae, Nemestrinidae, Nematocera, Rhynchota, Rutelidae, Melolonthidae, Chrysomelidae, Coccinellidae, Trich- optera, Collembola, Copeognatha, Mollusca recentia et fossilia, Echinoidea recenlia, Echinodermata fossilia, Appendiculariae, Aseidiaeformes, Vermes, Haemosporidia. Also nur ein recht geringer Teil der Gesamtarbeit konnte bisher in Auftrag gegeben werden. Schuld daran ist der au- genblickliche Mangel verfügbarer Mittel. Eine besonders empfindliche Folge dieses Mangels war das Scheitern unseres Versuches, den un- bestritten besten Kenner der Vogelliteratur, Hrn. Cuarues WautacH Rıcnnoxp, Assistant Curator am National Museum in Washington, für die Zusammenstellung der Gattungen und Untergattungen der Aves zu gewinnen. Leider konnten wir Hrn. Rıcumoxp das Honorar von 2000 Mark, das er für diese Arbeit fordert und billigerweise fordern kann, nicht in sichere Aussicht stellen. Unter der Voraussetzung recht- zeitiger hinreichender finanzieller Unterstützung zu weitgehender An- werbung von Mitarbeitern würde der Abschluß des Werkes in etwa drei oder vier Jahren zu hoffen sein. Es wird in Lexikonformat in einem Umfange von etwa 200 Druckbogen erscheinen. Das in Form eines Zettelkataloges angelegte Manuskript — für jeden Namen einen Zettel — bleibt als nomenklatorisches Archiv be- stehen. Die Verwaltung dieses Kataloges entwickelt sich zu einer Auskunftsstelle für nomenklatorische Fragen aller Art für die gesamte, speziell für die deutsche, Zoologenwelt und wird nach Maßgabe immer größerer Vervollständigung der Zettelsammlung und ständig zunehmen- > n der Erfahrung in allen nomenklatorischen Fragen mehr und mehr an a Bedeutung zunehmen. Unser jetzt in Vorbereitung befindlicher Nomen- klator schließt zwar ab mit der Berücksichtigung aller bis zum Jahre 1910 veröffentlichten Namen; aber nicht so unser nomenklatorisches Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 65 Archiv. Dieses Archiv wird nicht nur dauernde nomenklatorische Zentrale sein, sondern auch die Basis für von Zeit zu Zeit notwendig werdende Ergänzungsausgaben unseres Nomenklators. Mindestens ein zoologisch durchgebildeter wissenschaftlicher Beamter wird nötig sein, um den Zettelkatalog ständig auf dem laufenden zu halten. Es handelt sich um eine dauernde Überwachung aller Neuerscheinungen auf dem (Gresamtgebiete der zoologischen und paläontologischen Systematik. Kein neu aufgestellter Gattungsname, keine Kritik oder Ergänzung älterer Gattungsnamen darf dieser Überwachung entgehen. Dabei ist das Nachrichtenwesen über Veröffentlichungen neuer Namen keineswegs jetzt schon so ausgebildet, daß alle Nova mit Sicherheit auf ein bal- diges allgemeines Bekanntwerden zählen können. Nomenklatorisch völlig gültige Namen, wie sie in den verschiedenartigsten Publikationen, in Reisewerken, in Forst- und Jägerblättern, in Landwirts-, Gärtner-, Fischerei- und Unterhaltungsblättern, ja sogar in politischen Zeitungen versteckt und oft schwer zugänglich sich finden, müssen sorgfältig aufgesucht und gewertet werden. Ferner muß mit Sicherheit ange- nommen werden, daß in solchen wenig bekannten und schwer erhält- lichen Schriften vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte noch Namen verborgen sind, die, ans Licht gezogen, wesentliche Änderungen in der zoologischen Nomenklatur bewirken werden. Besondere Schwierig- keiten entstehen selbstverständlich durch die große, ständig wachsende Zahl der verschiedenen minder bekannten Kultursprachen, in denen oft wichtige zoologische Arbeiten erscheinen. Aus diesen und vielen anderen Gründen kommt es bei der Lei- tung unseres nomenklatorischen Archivs auf technische Übung und nur allmählich zu erwerbende Erfahrung an. Nur ein wissenschaft- licher Beamter, dem durch definitive Anstellung ermöglicht wird, seine ganze Kraft ohne Rücksicht auf andere Erwerbsmöglichkeiten dem Unternehmen zu widmen, ist hier am Platze. Jeder Personalwechsel beim Nomenklator ist gleichbedeutend mit dem Verlust einer erst allmählich wieder zu ersetzenden Summe von Erfahrungen. Es ist dringend zu wünschen, daß das große Werk endlich der Möglichkeit störender und seinen Erfolg in Frage stellender Wechselfälle entzogen werden möchte, indem unsere Akademie es aufnimmt in die Reihe ihrer eigenen Unternehmungen. Das Rflanzenreich. Bericht des Hrn. Enerer. Im Laufe ‚des Jahres ıgrı wurden folgende Hefte veröffentlicht: 47. F. Pax, Euphorbiaceae-Cluytieae. 8 Bogen ge enthaltend ehe ‚Cephalotaceae. _ I 7 ropehie | 66 Festsitzung vom 24. Januar 1912. 48. A. Enter, Araceae-Lasioideae (unter Mitwirkung von Dr. Genr- MANN). 9 Bogen. 49. J. Perkıns, Nachträge zu Monimiareae. 4 Bogen. 50. F. Kränzuım, Orchidaceae-Dendrobiünae, pars 2, und Orchidaceae- Thelasinae. ı2-+ 3 Bogen. 51. C. WaRrnsToRF, Sphagnaceae. 35 Bogen. Im Drucke befinden sich zur Zeit (Ende Dezember ıg11): Geraniaceae von R. Kxur# (hiervon fehlt nur noch das Register, so daß dieses über 37 Bogen umfassende Heft zu Beginn des nächsten Jahres erscheinen kann); Euphorbiaceae-Gelonieae und Hippomaneae von F. Pax (auch dieses Heft ist dem Abschlusse nahe); Goodeniaceae von K. Krause; Umbelliferae-Sanieuloideae von H. Worrr. Dem Abschlusse nähern sich außerdem folgende Arbeiten, mit deren Drucklegung voraussichtlich noch im Laufe des Jahres 1912 be- gonnen werden kann: K. Krause, Brunoniaceae. A. Brannp, Hydrophyllaceae. E. Girs, Draba. Außerdem sind für mehrere wichtige Bearbeitungen neue Mit- arbeiter gewonnen. Geschichte des Fixsternhimmels. Im Jahre ıg9ıı sind weitere 27043 Sternörter auf den Zetteln eingetragen: 13060 aus dem Washington Zone Catalogue durch Dr. Partscn, der mit dem ı. April in den Dienst des Unternehmens ein- getreten ist und neben der Leitung des Bureaus den Auszug dieses, jetzt bis 19"25” erledigten Catalogs besorgt hat, und 13983 durch Hrn. Marress, hauptsächlich aus dem Greenwicher Second Nine year Catalogue (11118 Nummern) und dem Edinburger Zodiacaleatalog für 1900 (2713 Sterne). Die Berechnung der fehlenden Praecessionen wurde bis 15"15" fortgesetzt, für 3844 Sterne durch Hrn. MARTENS, für 712 Sterne durch den zeitweilig im Bureau beschäftigt gewesenen Dr. Drurscnrann und für 2682 Sterne durch den seit Mai 1911 ständig, jedoch nur mit beschränkter Arbeitszeit, dort mit thätigen Hrn. Roscn. Die erste Revision der Nordzettel hat das geschäftsführende Mit- glied der Commission weiter bis zu dem Anfang der Stunde 18" fort- gesetzt, dann aber einstweilen abbrechen müssen. Dagegen hat nach dessen Angaben Hr. Martens eine vollständige Liste der nur in einem einzigen der ausgezogenen Cataloge vorkommenden, zwischen dem Aequator und Deel. + 81°0 (für 1875) gelegenen Sterne zusammen- * [77 ” “ £} * ur ;erichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. b4 gestellt, die die überraschend große Zahl von fast 47000 bisher nur ein- mal im Meridian beobachteten Sternen der Nordhalbkugel ergeben hat. Es sind diess 8702 Sterne aus Bonn VI, und 34959 in anderen Quellen vorkommende Sterne der Bonner Durchmusterung; ferner 2255 nur in den AG-Zonen beobachtete Sterne, die in der Bonner Durchmusterung nicht enthalten sind, und 1059 Sterne, die weder in den AG-Üatalogen, noch in der B.D. vorkommen. Es wird beabsichtigt, diese Liste als ein Ergänzungsheft zu den Astronomischen Nachrichten herauszugeben, um neue Beobachtung der Sterne zu veranlassen. Für die Zone + 50° bis + 65° ist eine solche bereits von der Königsberger Sternwarte übernommen, und die nur im AG-Catalog von Christiania vorkommenden Sterne dürften inzwischen in der der Catalogisirung noch harrenden neuen Reihe dieser Stern- warte erledigt worden sein. Dann bleiben immerhin noch weitere rund 40000 der Wiederbeobachtung bedürftige Nordsterne übrig. Der Berliner Catalog, den Hr. Struve nach den Beobachtungen 1855— 1868 anfertigen läßt, ist für die ersten 18 Stunden zusammen- gestellt, bedarf aber noch einer Revision. Beendigung der Arbeit ist um die Mitte d. J. zu erwarten. Der neue Bradley-Catalog, von 4218 Sternen, für Aeq. 1745 ist zusammengeschrieben, die Declinationsmittel sind aber für die sowohl bis Juli 1745 als auch später beobachteten Sterne neu zu bilden, indem es sich nachträglich als nothwendig ergeben hat, die vor einer am Quadranten im Juli 1745 ausgeführten Verbesserung beobachteten Zenithdistanzen auf halbes Gewicht zu beschränken. Von dem ersten Bande der Bearbeitung, der sich auf die Beobachtungen am Mittags- fernrohr bezieht, sind ı5 Bogen mit den einzelnen beobachteten Rect- ascensionen bis 15"54” gedruckt. Kommission für die Herausgabe der „Gesammelten rt Maas Wilhelm von Humboldts‘“. Bericht des Hrn. Scanipr. Die Drucklegung des 9., Humboldts Dichtungen umfassenden Bandes hat sich wegen der langwierigen Arbeit, namentlich an den vielen Sonetten, fast durch das ganze Jahr hingezogen und wird eben jetzt vollendet. Band ı4 (Tagebücher) ist in Vorbereitung. Die Auffindung von Humboldts ursprünglich auf seinen Sohn Hermann vererbter Bibliothek auf Günthersdorf bei Neusalz, im Be- Sitzungsberichte 1912. ie re 68 Festsitzung vom 24. Januar 1912. sitze des sehr entgegenkommenden und uns zu lebhaftem Dank ver- pflichtenden Hrn. von pErR LAncken-WaRenıtz, bedeutet für unsere Ausgabe den sehr erwünschten Zuwachs eines für verloren gehaltenen Werkes, der bis zur Widmung ganz druckfertigen Schilderung der bas- kischen Reise von 1801. Diese Handschrift wird in dem für Supple- mente bestimmten 13. Band erscheinen. E (Wir hoffen, daß der im Januar plötzlich erfolgte Konkurs ds Verlegers keine längere Stockung herbeiführt.) | Interakademische Leısnız- Ausgabe. E. Bericht des Hrn. Lenz. | Das Manuskript zum ersten Bande der Briefe und Denkschriften | ist abgeschlossen, so daß der Druck beginnen kann. Im übrigen hat : | auch das letzte Jahr einige neue Leisniız-Funde gebracht. Besonders 4 | fruchtbar erwies sich eine Durchmusterung der Bestände desk.u.k. Haus-, Hof- und Staatsarchives und der Kais. Hofbibliothek zu Wien. | Die Kgl. Bibliothek zu Berlin wurde durch die Liberalität des Hrn. Prof. L. Darnstäpter in den Stand gesetzt, zwei im Autographen- handel erscheinende Lrissiz-Briefe zu erwerben. Corpus Medicorum Graecorum. Bericht des Hrn. Dirıs. Mit dem Druck der Galenkommentare ist Ende vorigen Jahres begonnen worden. Der Band V 9, 2 wird die Kommentare zum TIror- pHrikön (bearb. von Hrn. Dieıs) und zu TTeri xvmön des Hippokrates (bearb. von Hrn. Prof. Kausrıeisch) umfassen. Auch der Druck der hat, arbeitet, soweit es sein Schulamt gestattet, zunächst an Buch I und II. Die handschriftliche Grundlage für diese Bücher ist jetzt, ‚nachdem der Paris. 2174 in Berlin verglichen werden konnte, beschafft. en ‚Für das II. Buch ist und bleibt die handschriftliche Grundlage ver- | schollen. Aber Hr. Weskesacn hat in der Markusbibliothek die Editio bereits in Arbeit sind, beginnen. eis * .. * ‘ . r £} 3erichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 69 princeps von Johannes Sozomenus, Prof. in Padua, 1617, aufgefunden und verglichen, die also eodieis instar sein wird. Bei der Textkon- stituierung des I. Buches stellte sich heraus, daß die ersten fünf Seiten des Proömiums der Künsschen Ausgabe eine F älschung CnArTıErs dar- stellen. Da nämlich der Archetypus aller Hss. das erste Blatt verloren hatte, so hat Cuartıer das Fehlende aus der alten lateinischen Über- setzung griechisch ergänzt. Eine Bestätigung dieses Ergebnisses bietet die arabische Überlieferung (cod. Seorial. arab. 804), deren Anfangs- stück Hr. Dr. Kerv (Berlin) in dankenswerter Weise in deutscher Übersetzung wiedergegeben hat. Die durch die beispiellose Ver- derbtheit der Hss. nur langsam fortschreitende Feststellung des Textes des Buches hofft Hr. Wexkesacn im nächsten Sommer vollenden zu können. Hr. Dr. A. Nrrsox (Upsala) hat für Galens Kommentar zu rer) rposAc ermittelt, daß die bisherigen Angaben über die verschollene Editio princeps irrtümlich sind; da eine Hs. dieser Schrift nicht existiert, so wird sich die neue Ausgabe vorläufig auf Cnarrier stützen müssen. Hr. Dr. Hees (München) hat die Kollationen zu Galens Kommentar zum Prognostikon des Hippokrates beschafft und mit der Texther- stellung begonnen. Der wiehtige Cod. Vatie. 1063 muß im Herbst dieses Jahres noch einmal revidiert werden, da der schlechte Zustand der Hs. eine erneute Prüfung wünschenswert macht. Von der la- teinischen Übersetzung des Kommentars sind die fünf Münchener Hss. benutzt worden. Er hofft Ende dieses Jahres die Ausgabe druck- fertig vorlegen zu können. Von dem von Guinterius Andernacus ver- öffentlichten Kommentar des Pseudoribasius zu den Aphorismen des Hippokrates hat Hr. Here vier weitere im Medizinerkatalog noch nicht verzeichnete Hss. aufgefunden: ı. Cod. Aug. CXX s. IX/X. 2. Cod. Monae. lat. 16487 s. XVI. 3. Cod. Cassinensis lat. 97. 4. Cod. Paris. lat. 7027. In den meisten Hss. erscheint dieser Kommentar anonym, hat aber jedenfalls mit Oribasius nichts zu tun. a Hr. Prof. Orıvıerı (Neapel), der mit Hrn. Prof. Weıımans zusammen die neue Aötiosausgabe vorbereitet, hat im vergangenen Jahre die Photographien der alten Hss. Paris. gr. 2228 und Suppl. gr. 630—63 1 und 1240 erhalten und ist mit deren Kollationierung beschäftigt. Hr. Prof. M. Weıımans (Potsdam) hat nach vorläufiger Feststellung des Abhängigkeitsverhältnisses der Hss. Hand an die Bearbeitung des XII. Buches gelegt. ee an cc Hr. Oberlehrer Dr. Rasens, (Berlin) hat den Text von [Galen?] TTepi Ton Eemaccmon (V 11). bearbeitet. Der Druck wird nach Be- endigung der übrigen zu dieser Abteilung gehörenden Schriften, die 6* 70 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Hr. Dr. O. Vıepesantt, der sich der Bearbeitung der ärztlichen Maß- und Gewichtstraktate widmet, wurde zum Studium der betreffenden Handschriften auf ein halbes Jahr nach Italien entsandt. Hr. Rektor J. Iugere (Wurzen), der Vertreter der Kgl. Sächs. Ges. i d. Wiss., hat leider wegen Übernahme seines neuen Amtes am Soran i im abgelaufenen Jahre nicht viel tun können. Er hofft nach Ostern freiere Hand dafür zu bekommen. Hr. Prof. J. L. Hrıgers (Kopenhagen) sendet folgenden Bericht über die Arbeit der Kgl. Dänischen Gesellschaft der Wissenschaften ein: | »Hr. Direktor Dr. Hupe (Frederiksborg) hat in diesem Herbst in | Italien Vatie. 286 und Neapol. III D 2ı des Aretaios ganz kollationiert. Ambr. B 157 Sup. und Laur. 75, ı5 sind untersucht worden. « 3 »Ich habe in den Sommerferien die Kollation der Pariser Hss. ds Paulus Aegineta fast beendet; die zwei teilweise noch ausstehenden | werde ich hier im Laufe von Januar-Februar erledigen. Der Pat- miacus ist, wie Dr. Marc am 12. Dezember 1911 schrieb, vollständig von ihm photographiert worden. « »Im Laufe des Jahres 1912 kann die Recensio des ersten Bandes von Paulus (Buch I—IV) begonnen werden. Von den Athoi habe ich drei vollständig in Photographie, von den anderen genügende Proben. Für Bd. II (Buch V— VI) fehlen mir noch einige Laurentiani und vor allem der Matritensis.« »Die lateinische Übersetzung Is. Sitzungsber. ıgı 1, S. 103] wird demnächst ausgedruckt vorliegen. « Hr. Dr. Raeper hat im Frühjahr ıg91 ı in Florenz und Venedig die Haupthss. zu den kleineren Schriften des Oribasius verglichen, nämlich die Laur. 74, 15 und 74, 17 (zur Cynoric, teilweise zu TTröc EyYnArtion) und den Mare. 294 zu TIrdc ExnAnon. Damit ist die Kollation der Hss. zu Oribasius in der Hauptsache zu Ende geführt und die Arbeit hat neu bearbeiten lassen. So sind bisher als Marburger Dissertationen erschienen: I. 8. Voet, De Galeni in libellum Kat’ iHTpeion commentarüs (1910). 2. A. Mmor, De Galeni libris TTepi avernoiac (1911). 3 F ‚ Ausrecut, Galeni libellus An in arterüis natura sanguis com- tineatur (1911). Ä er 4. W. de Borr, In Galeni Pergameni libros TTer) vYxÄc TIABÖN Kal ÄMAPTHMÄTUN observaliones eriticae (1911). _ u Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. Deutsche Kommission. Bericht der HH. Burpvacn, Heuszrer, Rortne und Scnnipr. Die Inventarisation der deutschen Handschriften und ihre archi- valische Bearbeitung wurde rüstig gefördert; sowohl im äußeren wie im inneren Betriebe wurden die Kräfte so weit angespannt, als es möglich war und als die verfügbaren Geldmittel es gestatteten. Aus der Schweiz sandte Dr. Rorn eine größere Anzahl Be- schreibungen von Handschriften der Baseler Universitätsbibliothek ein; seine Tätigkeit wird voraussichtlich die durch den Fortgang von Prof. Bınz gerissene Lücke schließen. Die Handschriften der Gruppe F, welcher Rorz vornehmlich seine Fürsorge widmete, sind zumeist mu- sikalischen Inhalts und waren bereits durch Julius Richters Katalog der Baseler Musiksammlung im allgemeinen bekannt. Hervorhebung verdient außerdem das Notizbuch Ludwig Iselins (Handschrift um 1400), in das zahlreiche deutsche Sprüche und Verse eingetragen sind. Zu eingehenderer Untersuchung reizt ein lateinisches Repertorium poeticum des 15. Jahrhunderts, bei dem nach der Meinung des Beschreibers zum Teil die Hand des Johannes de Lapide zu erkennen ist; nicht weniger die deutsche Bearbeitung der Summa Confessorum des Lese- meisters Johanns von Freiburg durch Berthold Huenlen (um 1380). Aus der Gruppe E sei hingewiesen auf eine Weltchronik in deutschen Reimen, die bis 1603 fortgesetzt ist. Aus Österreich ist wiederum der Zufluß spärlich gewesen, doch ist hier wie in der Schweiz nach vielfachen Verhandlungen für eine nahe Zukunft kräftigerer Fortgang zu erwarten. Zwei lateinische Sammel- handschriften der Wiener Hofbibliothek beschrieb Dr. Bertaror mit ‚erprobter Sorgfalt. In Vorau nahm Dr. Porazım eine wichtigere Hand- schrift auf, die das Buch von der Himmelstraße, das sogenannte Königs- bad und schließlich Andreas Kurzmanns deutsche Wiedergabe des Spe- culum humanae salvationis vereinigt. Die Mitwirkung Dr. Pornems ver- spricht dadurch besonders ertragreich zu werden, daß er zugesagt hat, in seinen Grazer Übungen jüngere Gelehrte zum Handschriftenbe- schreiben anzuleiten, ein Beispiel, dem auch bei anderen jungen ger- manistischen Dozenten Nachfolge zu wünschen wäre. Ein interessantes Formelbuch aus Melk beschrieb cand. GeEnsErL, unter Benutzung ein- gehender früherer Notizen des Hrn. Burvıcn. “ In Ungarn wurde die Arbeit um ein gut Stück u | RosenHAsen aus Hamburg gefördert. Er hat die deutschen Hand- schriften der Bibliothek des Domkapitels zu Kaloesa, eines achtung- 'gebietenden Denkmals der Josephinischen Zeit, systematisch durch- gearbeitet und verzeichnet. Nicht weniger als 20, zum Teil umfäng- 72 Festsitzung vom 24. Januar 1912. liche Beschreibungen liegen uns von ihm vor, die er mit einem ein- gehenden Bericht über seine Tätigkeit und über die Zusammensetzung und Geschichte der dortigen Bibliothek begleitet hat. Im Vordergrunde seines Interesses stand wie billig die wichtige Novellen- und Beispiel- Handschrift, die bereits für Rosexnasens fruchtbare- Handschriften- untersuchungen in der Einleitung zu Bd. XVII der deutschen Texte, damals noch ohne Autopsie, sehr wesentlich in Betracht kam: ferner sei auf das große religiöse Lehrbuch Lamprechts von Wallsee hingewiesen, von dem sich ein ansehnlicher Teil erhalten hat. Daneben manches Chronikalische! Außer einer Salzburger Chronik von ı 551 findet sich eine der Publikation würdige Nürnberger Chronik von 1626. Gut ist die Reiseliteratur vertreten (das Evagatorium des Ulmers Felix Fabri, als Vagabuch in freier Weise gedeutscht; Konrad Becks aus Memmingen Pilgerreise nach Jerusalem vom Jahre 1483). In das 17. Jahrhundert gehört eine Übersetzung der Susanna des Ferrante Pallavieini (Nürnberg 1663), während Hilleckers Geheimbüchlein um 1700 ältere alchimistische Werke aussehreibt. Von älteren Stücken ver- dienen ferner ein mittelhochdeutsches gereimtes Lied von den 7 Tages- zeiten sowie zwei Gebetbücher des 15. Jahrhunderts aus Böhmen Be- achtung. Bei seiner Arbeit wurde RosennAsEn in dankenswerter Weise unterstützt durch den Erzbischöflichen Archivar und Bibliothekar Hrn. Pavs Wıskter, der sich um die Ordnung und Katalogisierung der Bibliothek besonders verdient gemacht hat. In Bayern arbeiteten mit gewohnter Zuverlässigkeit die HH.Dr.Lrı- DINGER und Dr. Prrzrr fort, aus den reichen Schätzen der Münchener Hof- und Staatsbibliothek schöpfend. Die Verstärkung der dor- tigen Arbeitskräfte läßt für das kommende Jahr eine Beschleunigung des Tempos erhoffen. Einige musikalische Handschriften, die in unser Gebiet fallen, untersuchte Prof. Jonasses Worr in Berlin; einen latei- nischen Sammelkodex beschrieb Dr. BErTALorT. Die wiehtige Würzburger Liederhandschrift der Mün chener Uni- versitätsbibliothek wurde in dankenswerter Weise zum Archiv ge- sandt und ist hier von Dr. Krürr durchgearbeitet worden. Auch aus dem | Münchener Reichsarchiy liegen Beschreibungen vor: die Memminger Chronik Laminits (161 3 die goldene Bulle und Regensburger Reichstagsakten (1429—1469) durch Dr. Dorcn. Beschreibungen ein aus Maria-Medingen, die das Leben der Christine anns mit zahlreichen Versen, im Gewahrsam der beschrieb Dr. Beurenn. Von ihm. alles vor, was sich handschriftlich ’ : . . . . 7° ‚ . -. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. (3 in Ulm über den dort bis ins 19. Jahrhundert fortdauernden Meister- gesang erhalten hat. Die wertvollen Dokumente, die jetzt Eigentum der Ulmer Liedertafel sind, wurden ihm dureh deren ı. V orsitzenden, Hrn. Juneineer, bereitwillig auf das Archiv der Akademie zur Be- arbeitung übersandt. Einen höchsterfreulichen Zuwachs bilden die von Pater Koxran Euser aus dem Minoritenkloster zu Würzburg beigesteuerten Be- schreibungen: unter anderem eine deutsche Übertragung von Bona- venturas Leben Franzisei, ein alter deutscher Psalter, ein von Udalrich Oswald von Röttingen (um 1600) selbst geschriebener Codex, der über den Studiengang dieses Priesters Aufschluß gewährt. Über die typischen Erzeugnisse der kirchlichen Sphäre hinaus weist ein Buch von der Astronomie. Überall bieten die gelegentlich eingestreuten deutschen Verse literarisch und sprachlich Interessantes. Einen latei- nischen Sammelkodex, der nach Berlin geschickt wurde, beschrieb Dr. ScnıLımann. — Als neuen Mitarbeiter für die reichen Nürnberger Schätze begrüßen wir Prof. Dırrtmar, den wir in den letzten Wochen gewonnen haben. Musikceodices der Kgl. Bibliothek zu Bamberg und der Regierungsbibliothek zu Ansbach beschrieb Prof. Jon. Worr. Im Elsaß arbeitete Hr. Rırrer, Hilfsarbeiter an der Kaiserlichen Landesbibliothek zu Straßburg, für uns; sein Beitrag konnte infolge anderer von ihm übernommener Arbeiten nur spärlich sein. Gebucht seien hier einige historische Lieder, ein niederdeutscher Eluzidarius, - eine »tafel van den boke der Kerstene gheloven«. Aus Baden ist die Universitätsbibliothek Heidelberg durch eine umfänglichere Beschreibung Dr. Gırres vertreten. Die Arbeit in Karlsruhe konnte in die Hände Dr. Senmters gelegt werden, dessen eingereichte Proben eine energische Mitarbeit erhoffen lassen. Nach Württemberg mußten wir auch in diesem Jahr von Berlin einen jüngeren Gelehrten, Dr. Pransmürter, entsenden, der sich während seiner mehrmonatlichen Arbeit an der Kgl. Landesbibliothek zu Stuttgart des dankenswerten Entgegenkommens der Verwaltung erfreuen durfte. Seine Arbeit galt in der Hauptsache deutschen Gebets- handschriften, deren Bedeutung erst durch die umfassende Sammlung und Verzettelung gleichartiger, aber doch meist variierter Fassun- gen zutage treten wird. Von den übrigen Handschriften — im ganzen sind 36 zum Teil recht umfangreiche Beschreibungen eingegangen _ s — sei eine Sammlung «deutscher Facetien, die dem Grafen Eberhart gewidmet war, und eine ähnliche BER Sammlung. von 1566 her; A vorgehpben. Aus Tübingen der Dr. A. GrURER einige Probebeschreibungen ein- gesandt. 74 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Für Mitteldeutschland hat wiederum Prof. Dr. Enwarn aus der ihm unterstellten Gothaer Herzoglichen Bibliothek eine reiche Spende geliefert: 33 Beschreibungen, die überall das bisher Bekannte nachprüfen, verbessern und ergänzen. Unter den bisher weniger be- achteten Handschriften heben wir hervor die Übersetzung des Valerius Maximus von Heinrich von Mügeln (1360); eine deutsche Chronik nach Jacob Twinger von Königshofen; die Darstellung der Pilgerreise von Konstanz nach Jerusalem (1486), die der Ritter Conrat Grünemberg unternahm. Reich ist die Übersetzungsliteratur vertreten; wir finden da außer bekannten Sachen (Pontus und Sidonia, Dietrieh von Pleningens Sallust) auch eine kaum beachtete Handschrift der Übersetzung Hartliebs von Ovidii Buch von der Lieb. Für die Frage nach dem Verhältnis E zwischen Handschrift und Blockbuch ist der Kodex A 225 von Belang, x der Fragmente vom »Entchrist« aus einer Handschrift bietet, die dem bekannten Blockbuch zugrunde liegen könnte. Im Königreich Sachsen arbeitete während seiner Schulferien Dr. Marruaeı aus Hildesheim die ihm freundlich zur Verfügung ge- stellten Schätze der Dresdener Kgl. öffentlichen Bibliothek von neuem an der Hand unserer Grundsätze durch; dank den zuverlässigen ge- druckten Katalogen konnte diese Nachlese sich in engen Grenzen halten. Nach seinem Bericht hat er die Klasse der Dresdener Sachsenspiegel- handschriften und verwandten Rechtsbücher erledigt, außerdem eine Reihe Sammelhandschriften rein literarischen Inhalts (darunter das Dresdener Heldenbuch und drei deutsche Gesta Romanorum), schließ- lich einige jüngere Absehriften (meist aus Gottscheds Besitz) von mittel- hochdeutschen Gedichten, wobei die von verlorenen älteren Texten be- vorzugt wurden. Einige Meisterliederhandschriften derselben Bibliothek beschrieb Dr. Beurenn. Einen Musikkodex der Leipziger Universitäts- bibliothek untersuchte Prof. JoHannes Worr (Berlin). Den deutschen eine deutsche Bibel des 14. Jahrhunderts und eine deutsche Rechts- handschrift des 15. Jahrhunderts seien erwähnt. on Den Mitteilungen über die Reisen, die Dr. Scuisumans im Interesse der Münchener Akademie in Sachsen, Schlesien und Posen unternahm, danken wir erwünschte Winke. Aus Schlesien liegt im Berichtsjahr nur die Beschreibung einer Handschrift der Ritterakademie zu Liegnitz durch Dr. Schumann vor. Wenn unser bewährter Mitarbeiter Dr. Krapper infolge anderer Auf- träge der Deutschen Kommission sich nicht selbst der Handschriften-. beschreibung widmen konnte, so hat er doch Fürsorge getroffen, daß ' In Zukunft Ersatzmänner eintreten können. * E73 ” * “ [3 E3 . Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. id In Ostpreußen war Dr. Erruiserr mit Erfolg bemüht, Beschrei- bungen Steffenhagens und anderer nachzuprüfen und durch Beigaben zu erweitern. Interesse erregen vor allem die geistlichen Lieder Hein- richs von Miltitz, die Herzog Albrecht von Preußen gewidmet sind, sowie der Brief des Rabbi Samuel in der deutschen Übersetzung des Pfarrers Vrynhart zu Straßgang (zugrunde liegt die arabische “Ifeham al-Jehud’ genannte Schrift eines vom Judentum zum Islam überge- tretenen Samuel ben Jehuda, die 1338 von einem Spanier Alfonso Buenhombre ins Lateinische übersetzt wurde). Zu einer systematischen Bearbeitung der Handschriften der Kgl. Bibliothek zu Berlin hat Hr. Dr. Desrriss, der sie plant, auch im vergangenen Jahre noch nicht die Muße gefunden. Doch sind einzelne größere Handschriften beschrieben worden, eine Predigthandschrift von Dr. BerrAror, ein Meistergesangbuch des Hans Sachs und eine Spruch- sammlung des ı5. Jahrhunderts von Dr. Nırwönxer, ein Gebetbuch von Dr. Börsıne und vor allem sieben musikalische Codices von Prof. Jon. Worr. Derselbe Gelehrte hat Musikhandschriften der wichtigen Biblio- theca Amploniana zu Erfurt behandelt. Berichte über zahlreiche lateinische Predigtsammlungen deutscher Herkunft und über die hessische Chronika des Joh. Nohen (16. Jahrhundert) steuerte Prof. Emır, Kerrser aus dem Stadtarchiv zu Mühlhausen in Thüringen bei. Eine ver- einzelte Handschrift der Gießener Universitätsbibliothek erledigte cand. phil. Buske. Aus den Handschriftenschätzen Cassels bearbeitete Dr. Lessann diesmal die deutschen und lateinischen Dichtungen des gekrönten Poeten Herm. Fabronius, meist Gelegenheitscarmina, die, nur zum kleinsten Teil gedruckt, mehr historisches als poetisches Interesse erwecken; auch zwei lateinische Dramen (Esther und Daniel) sind da- bei. Die von Prof. Bınz in Aussicht gestellte Aufnahme der Stadt- bibliothek zu Mainz konnte noch nicht gefördert werden; doch hat auch hier Prof. Worr einige musikalische Codices behandelt. Aus der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. beschrieb Dr. Berraror neben einigen geistlichen Stücken eine 1402 in Padua von Nie. Rotenstein aus Jena niedergeschriebene interessante lateinische Sammelhandsehrift, die neben kanonistischen Traktaten auch Epigramme, Memorialverse, Sprüche und ähnliche Erzeugnisse der spätmittelalterlichen Kleinkunst bietet. _ _ Die Inventarisation der Rheinprovinz hat, obgleich ihr dies- % mal keine Reisetätigkeit gewidmet wurde wie in früheren Jahren, . e doch wenigstens an zwei Orten wichtige Fortschritte gemacht. ‘Hr. cand. phil. An. Breker hat, sasgiebig: unterstützt durch den Stadtbibliothekar Hrn. Dr. Kentenich, der die früher sorgloser behandelten Trierer Hand- schriften jetzt in getreue Obhut genommen hat, die deutschen und > I Ville). Niederdeutsche geistlich Altstädter Kirche und aus schrieb Prof. Tünprı, (in der Seuses). a j) Festsitzung vom 24. Januar 1912. lateinischen Codices der Stadtbibliothek zu Trier aufgearbeitet. Im Vordergrunde steht natürlich die Andachtsliteratur, in der Legenden und Heiligenleben besonders reich vertreten sind und die mit einem geistlichen Lebensbronn, Spaziergarten u. a. bis ins 17. Jahrhundert sich erstreckt, dem auch eine Anzahl von Jesuitendramen angehört; außerdem fanden sich neben den bekannten Trierer Denkmälern noch Fragmente aus Rudolfs von Ems W illehalm, aus Philipps Marien- leben, dem Lueidarius, einer Margaretenpassion, einem Lehrgedicht von Schlangen; auch A. v. Harffs Reisebuch, die Vision des Heinr. Busch- mann war zu notieren. Cand. Becker hat im Anschluß an seine Inven- tarisationsarbeiten einen Katalog der deutschen Handschriften Triers vorfaßt, der soeben im Druck erschienen ist (An. Becker, Die deutschen Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, Trier 1911). Auf das un- gewöhnlich schön geschriebene Bruchstück eines deutsch-lateinischen Missaletextes aus dem ı 5. Jahrhundert, das sich im Besitz des Wein- händlers Hrn. Osk. Schross in Trier befindet, wies uns Hr. Stadtbiblio- thekar KentenicH hin; es wurde hier auf dem Handsehriftenarchiv von stud. Künse untersucht und beschrieben. —_ Weiter danken wir es der tatkräftigen Hilfe des Hrn. Archivdirektors Prof. Dr. Hasen, daß endlich die lange gewünschte Aufnahme der Handschriften Cölns be- gonnen werden konnte. ‚Hr. cand. NeukırcHex beschrieb außer einer Anzahl wohlbekannter Handschriften ein Papierfragment der Kaiser- chronik, das Bruchstück eines Alexanders, einer Diehtung von ‘Paris und Helena’, die niederrheinische Erzählung von Morant und Galie; von Prosastücken stieß er auf Loher und Maller, Belial, einen prosaischen Balaam, einen Sydrach, eine Beschreibung des Heiligen Landes; auch von Spees Trutznachtigall war eine bisher nicht benutzte Handschrift vorhanden. — Über eine Sachsenspiegelhandschrift aus dem Museum des Altertumsvereins zu Duisburg (früher im Besitz des Bürger- meisters SCHLEGTENDAL) berichtete Dr. Nırwönner, der namentlich auf ein vorangeschiektes niederdeutsches dialogisches Lehrgedicht über Der mehrjährige eifrige Inventarisator der Handschriften West- falens, Prof. Dr. Bömer, hat, so fern ihn seine ‚ Versetzung nach biete gerückt hat, doch seine Tätig- Berichtsjahr brachte von seiner Hand eutscher Soester Handschriften (außer niederdeutschen Psalmen und Gebeten einen Seelentrost und einen Mande- der Gymnasialbibliothek zu Bielefeld be- a) De Al a a ni ne he Fuchs 2 Kalel ai ae SE = u u RE ERST 37 2 Fan ab ÄFEDE BE DaF Sen a En Me un ah e Handschriften aus der Bibliothek der Kirche ein niederdeutsches Exemplar” | 3erichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie, 171 In der Provinz Hannover war Oberlehrer Dr. Bari. tätig auf der Kgl. und Provinzialbibliothek zu Hannover; er beschrieb dies- mal vorzugsweise deutsche Gebete, Hymnen, Psalter. Ebenso fuhr Dr. Marrnmäı in Hildesheim fort; die Handschriften des Stadtarchivs sind meist bekannt; doch sei auf ein deutsches Bruchstück hingewiesen, das die Geschichte von Irminfried und Iring nach Witekind erzählt; die Beverinsche Bibliothek bot mit Andachts- und Geschichtsliteratur manche Ausbeute; im Museum waren Lieder auf die Sehlacht bei Soltau (1519) zu verzeichnen, wie Hildesheim denn auch sonst für das Handschriften-Material historischer Lieder nicht ohne Ertrag blieb. — Auf der Universitätsbibliothek zu Göttingen sind nach Wiırn. Meyers vortrefflichem Kataloge neue Funde nicht zu erwarten; aber die Grundsätze unserer Aufnahme verlangten doch weithin eine aus- führliehere Neubeschreibung, mit der Dr. PrannmüLzer und stud. phil. Prenıo begonnen haben; eine einzelne Rechtshandschrift mit nieder- deutschen Versen beschrieb Hr. Rorrne. In ruhigem, aber kräftigem Fortgang bewegt sich die Bearbeitung der Stadtbibliothek zu Lübeck durch Dr. Hasen. Die mystische und Erbauungsliteratur behält nach wie vor die Führung: hervorzuheben sind etwa ein Rosengarten Christi, ein geistlicher Palmbaum; nieder- deutsche Auszüge aus des Henrieus de Vrimaria De quattuor instineti- bus; neben anderen poetischen Kleinigkeiten eine neue Handschrift der Begine von Paris; vor allem der Schlußabschnitt der mittelnieder- deutschen poetischen Apokalypse. Abermals ergaben sich interessante Beziehungen Lübecks zu den Niederlanden (zumal zu der Paffraetschen Druckerei in Deventer); Dr. Hasen hat daran Beobachtungen geknüpft, durch die er die nähere Verbindung des Lübischen Michaeliskonvents mit der Mohnkopfdruckerei glaubt stützen zu können. Prof. Hesrıcıs unermüdliche Kraft rückte in der Beschreibung der Helmstedter Handschriften auf der Herzogl. Bibliothek zu Wolfen- büttel wieder um etwa ı50 laufende Nummern fort, von denen die große Mehrzahl umfängliche ee 208: ESSEN, Allegorien, Traktaten und sonstigen kleinen niederd tücken nötig machte; bemerkenswert hebt sich heraus Nr. ı 169, eine ; Handschnift mit ne und Predigtmärlein aus dem Melanchthonschen Kreise, der noch nicht ausgeschöpfte Cod. 1233, sowie Übersetzungen aus Augustin und Thomas a Kempis; auch an der Kleinliteratur der Sprüche, Gelegenheitslieder, Rezepte usw. fehlte es wieder nicht. Von sonstigen ö = poetischen Stücken wurde die niederdeutsche Apokalypse, Gedichte über die Messe, die 10 Gebote vermerkt; aus dem üblichen Rahmen fällt das kleine Bruchstück eines niederdeutschen Reisetagebuchs. Zu den Helmstedter Handschriften trat der cod. Novi a nr ein 18 Festsitzung vom 24. Januar 1912. niederdeutsches geistliches Buch). Zehn musikalische Handschriften beschrieb Prof. Worr. Stammbücher des 16. und 17. Jahrhunderts lieferte für Prof. Hrxrıcı neben der Herzogl. Bibliothek auch das Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel, das sie aus Friedr. Warneckes Nachlaß besitzt; ebenhier liegt auch eine bisher nicht genügend be- | achtete Sammlung geistlicher Schriften aus Kloster Marienberg‘. Auch in Braunschweig setzte Prof. Henrıcr seine erfolgreiche Tätigkeit fort. Im Städtischen Museum fand er mehrere hundert Bruch- stücke, von denen jedoch nur eins für uns zu beschreiben war; außer- dem fanden sich in zweien von den 26 Druckwerken aus dem Nach- lasse des Landwirts Vasel lateinische Verse handschriftlich und in einem auch ein deutsches geistliches Gedicht des 16. Jahrhunderts. Aus der Stadtbibliothek waren nur noch Kleinigkeiten nachzutragen. Die Bi- bliothek der Technischen Hochschule ergab an wenigen Finbänden alte Handschriftenbruchstücke, ohne Bedeutung für uns. — Einen von ihm handschriftlich verbesserten und ergänzten Druck des Handschriften- kataloges der Braunschweiger Stadtbibliothek und einen handschrift- lich hergestellten Katalog der Abteilung »Neue Handschriften« hat Prof. Hexrıcr dem Handschriftenarchiv, zunächst als Depot, überwiesen. Endlich hat der rührige Gelehrte seine Wirksamkeit noch auf eine neue Stätte erstreckt: er hat die Abteilung »Manuscripta Ger- manica« der Stadtbibliothek zu Hamburg aufgearbeitet, was ihm durch die gründlichen Vorarbeiten Dr. Bures wesentlich erleichtert wurde; erwähnt sei des Hans v. Soest Gedicht von der unbefleckten Emp- fängnis Mariä, eine Melusinenprosa, Loher und Maller, Historienbibeln usw., dazu Lieder des 16. und ı7. Jahrhunderts, Dichtungen von Mushart, Ruthenus, Jorman (ein Theuerdank in Alexandrinern). Mit den Theologischen Handschriften hat er einen Anfang gemacht. Die Ham- burger Fragmente des Väterbuchs beschrieb Oberlehrer Dr. Brruckr. Die Handschriften und Fragmente des Kunstgewerbemuseums zu Flens- burg, die meist aus dem Kgl. Staatsarchiv zu Schleswig zu dauernder Aufbewahrung überwiesen sind, untersuchte stud. Aurr. Krüser. Auch für Mecklenbur gist endlich ein Fortschritt zu verzeichnen, dank zumal den Bemühungen des Direktors der Universitätsbibliothek Prof. Dr. Gorruer in Rostock. Die Handschriften der dortigen Univer- sitätsbibliothek hat Oberbibliothekar Dr. Konrerpr zu beschreiben be- gonnen (prachtvolle Pergamenthandschrift des »Theuerdank«); die Schweriner Handschriften hat Dr. Crams einer vorläufigen Durchsicht unterzogen. | .- Mitteilungen aus und über Wolfenbüttler Handschriften ließ Prof. Heseıcı im Braunschweigischen Magazin ıgrı Nr. 2 und Nr. 12 drucken. * .. ” [3 * + wi Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 9 Für das Ausland konnte im Berichtsjahre nicht viel geschehen. Um die Arbeit in Rußland zu organisieren, fanden Verhandlungen mit Prof. Ivan Vasınsevi6 Sarovorskıs von der Universität Kiew statt. Auch der Slawistin Frl. Dr. van ver Kor danken wir nützliche Winke. Bedeutungsvoller war eine Orientierungsreise, die unser Archivar Dr. Benrenn während des Augusts und Septembers in England und Schottland gemacht hat. Nachdem er sich aus den Handsechriften- katalogen und den Berichten der historischen Handschriftenkommis- sion der Vereinigten Königreiche (The Historical Mss. Commissions Reports 1870—1907) vorläufig unterrichtet hatte, besuchte er zu- nächst St. Andrews; die Universitätsbibliothek bot lediglich eine bisher nicht ausgenutzte Handschrift der Schweizer Chronik des Reformators Bullinger. Ganz unergiebig waren die Bibliothek der Townhall in Crail und die Laing Library zuNewbury. Die Royal Observatory Library auf Blackford Hill bei Edinburgh, deren Handschriften aus den lang- Jährigen Sammlungen des Lord CrAwrorn stammen, trug etwa zwölf Beschreibungen ein (lateinisch-deutsche Vagantenverse, Pflanzennamen, Astronomisches); von dem Buchhändler Hogg in BRBNE sh sh ein lateinisches Hymnar holländischer Herkunft Perth wurde. besucht, um auf einer dort stattfindenden Bibliothekar- tagung Auskünfte einzuziehen und durch ein Referat Interesse zu er- wecken; die dortigen Bibliotheken Burgh Library und King James’ Ho- spital Library, sowie die Bibliothek von Sir John A. Dewar zu Dupplin Castle brachten für uns keinen Ertrag, wenn auch die erstgenannte für die deutsche Handelsgeschichte wichtige Materialien birgt. In Glasgow durchsuchte Dr. Brurenn den Palace of History der Scottish exhibition mit geringem Gewinn; er kopierte lediglich einen Brief von Wilhelm Wallace vom ıı. Oktober 1297, der Beziehungen Schottlands zu Ham- burg und Lübeck erweist. Aus der Bibliothek des Benediktinerklosters Fort Augustus, die allerlei alte Handschriften Regensburger Ur- sprungs besitzt, interessierte besonders ein Kodex um 1100 mit einer langen Reihe deutscher Personennamen. Während Inverness und die Kirchenbibliothek zu Dunblane unfruchtbar war, bot die Biblio- thek des alten Kings College zu Aberdeen mancherlei, besonders eine niederländische Gebetshandschrift; auch kopierte Dr. BEHREnD dort einen Brief Friedrichs des Großen vom Jahre 1748. Endlich besuchte er auf den guten Rat des Bibliothekars Hexey Gurpy die an Hand- schriften deutscher Herkunft reiche John Rylands Library zu Man- chester; die meisten dieser Hss. befanden sich früher in der Biblio- : theca Lindesiana zu Wigan, sind aber von Prıessca nur gestreift worden. Die Bibliothek besitzt geistliche Codices aus Kloster Altenburg (zwi- schen Cöln und rer aus Prüm, Walbeck; einen en 80. Festsitzung vom 24. Januar 1912. Briefwechsel über Hermann von Wieds Reformationsversuche in Cöln; deutsche Wappenbücher des 16. Jahrhunderts; allerlei deutsche Feder- ‚proben. Leider reichte die kurze, für Dr. Beurenp noch verfügbare Zeit zu erschöpfender Beschreibung nicht aus; doch hofft er, daß der Rest an Ort und Stelle nach unseren Grundsätzen aufgenommen werden wird. Das Schwergewicht der Reise lag in Schottland. Es hat sich leider ergeben, daß die einst reichen Handschriftenbestände des Landes in den zahllosen inneren Kriegen großenteils vernichtet worden sind. Es war nicht immer möglich, über die adligen Privat- bibliotheken verläßliche Auskunft zu erhalten, manche Anfrage blieb unbeantwortet, und insbesondere waren die Bibliotheken der katho- lischen Erzbischöfe zu Edinburgh, St. Andrews und Glasgow unserm Beauftragten bisher unzugänglich. Aber daran ist doch kaum mehr ein Zweifel, daß es sich in Schottland nur um vereinzelte Zufallsfunde deutscher Handschriften handeln kann. | Für den Katalog des gedruckten handschriftlichen Ma- terials zog der Archivar in der ihm freibleibenden Zeit die Alemannia, Stöbers Alsatia, das Serapeum, v. Aretins Beiträge vollständig aus, und beganıı mit dem Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. In die Handschriftenbeschreibung und in die Verzettelungsarbeiten wurden wie früher jüngere Doktoren und ältere Studenten von ihm eingeführt. An der Verzettelung beteiligten sich die HH. stud. Bıvrs, Dr. Böunr, Dr. Böısıne, stud. Buskr, stud. GENsEL, Dr. Gitwe, stud. KARSTEN, stud. Korte, Dr. Korzexgere, Dr. Krürr, stud. KrÜcer, Dr. Nıewönner, stud. ÜBERBECK, Dr. PrANNMÜLLER, stud. Srecuer. Neu in den Kreis der Verzettelung einbezogen wurden die wichtigen, voll- ständig gedruckten Handschriften, wie die große Heidelberger Lieder- handschrift, die Jenaer Liederhandschrift, das geistliche Liederbuch des Stiftes Hohenfurt, die Handschriften, die in den ‘Deutschen Texten’ der Akademie zum Abdruck gelangt sind. Die Zahl der von aus- wärts an unser Handschriftenarehiv geliehenen Handschriften beläuft sich auf mehr als 30; unsere Leihgesuche sind stets von Behörden wie Privatbesitzern bereitwillig genehmigt worden. In das Archiv wurden außerdem gesandt von der Kgl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden Briefe von Karoline Schlegel für Hrn. Erıcn Scampr, aus E : i Sa a REEL Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 81 dem wurden alle von der Deutschen Kommission mit Sonderelditionen beauftragten Gelehrten dauernd über die sie interessierenden Materialien unterrichtet. Zahlreich waren die besonderen Anfragen, nicht karg die positiv beantworteten. Versuche zur photographischen Aufnahme der Wasserzeichen haben noch keine abschließenden Resultate gezeitigt. Die Büchersammlungen der Deutschen Kommission belaufen sich insgesamt auf 1500 Bücher; der Mangel an altdeutschen Texten hindert die Arbeit zur Zeit noch empfindlich. An Geschenken ist mit Dank außer Dissertationen und Programmen zu nennen das Verzeichnis der Handschriftensammlung des Hospitals zu Cues bearbeitet von Prof. Marx, $owie Prismenphotographien einiger Blätter der Würzburger Handschrift, übersandt durch Prof. vox Kraus in Bonn. Während der Ferien vertraten in einigen Stunden den Archivar die HH. Dr. Börsıne und Dr. Krürr; bei den Ordnungsarbeiten wirkten mit Frl. VoLkmann, Frl. SchwErDFEGER, Frl. Voısr. Von den ‘Deutschen Texten des Mittelalters’ wurde ausgegeben nur Bd. XIX ‘Daniel, eine deutsche Ordensdichtung aus der Stutt- garter Handschrift, herausgegeben von Arrnuur Hüsser’; im Drucke befinden sich zwei sehr umfängliche Bände, Bd. XX Rudolfs von Ems Weltchronik, aus der Wernigeröder Handschrift herausgegeben von Gustav Eurısmann’ und Bd. XXU ‘Das Väterbuch, aus der Leip- ziger Handschrift mit Ergänzungen aus der Hildesheimer und der Straß- burger Handschrift herausgegeben von Karı ReıssEnBERGER’, sowie das dünne Heft XXIH: Konrads von Megenberg Deutsche Sphära, aus der Münchener Pergamenthandschrift herausgegeben von Orro Marrnär. In kurzem soll der Satz der Heidelberger Minnereden beginnen, die Hr. Oberlehrer Dr. K. Marrnäı herausgeben wird, sowie der Berleburger ‘'Pilgerfahrt des träumenden Mönchs'’, die Prof. Böner bearbeitet hat. Dr. Marceıı Eıgesscnürz hat seine Abschrift des Märtyrerbuchs aus der Klosterneuburger Handschrift (nebst Kolla- tionen aus andern Handschriften) der Deutschen Kommission käuflich überlassen, die sie als Grundlage eines künftigen Textbandes zu ver- werten gedenkt. \ Die Wieland-Ausgabe hatte im letzten Jahre unter unvorge- sehenen Stockungen zu leiden. Nachdem der Abschluß der Jugend- schriften wegen einer an Ort und Stelle nötigen Nachkollation der Züricher Diktathefte durch Dr. Bizger, die inzwischen erfolgt ist, hinaus- geschoben worden war, scheiterte die zunächst geplante Herausgabe 0 Historischen Wörterbuchs der 82 Festsitzung vom 24. Januar 1912. des V. und VI. Bandes an dringenden Gesundheitsrücksichten des Be- arbeiters, und wir mußten froh sein, daß Hr. Dr. Maurrmann rasch für den nunmehr ausgedruckten VII. Band in die Bresche sprang. Außer Kleinerem sind darin »Idris«, »Musarion«, »Nachlaß des Diogenes«, »Beiträge zur geheimen Geschichte der Menschheit« enthalten. Die zweite Abteilung, Wielands nach dem Shakespeare fast ausschließlich der Antike gewidmete Übersetzungen, wurde plötzlich durch den Rück- tritt des Hrn. Dr. C. Fries verwaist, der sich für schonungsbedürftig erklärte und seine homerisch-orientalischen Studien fördern wollte. Für ihn wurde Hr. Dr. Sracner, gewonnen. Ein neues Lehramt in Frankfurt a. O. ließ ihn nicht sofort und nicht ununterbrochen die Arbeit betreiben; auch mußte eine von Srurrerr weislich aufgeworfene Grund- frage für den Horaz erst untersucht werden. Aber der Band, den hauptsächlich die »Briefe« des Horaz füllen, nähert sich jetzt dem Abschluß und wird noch im Frühjahr erscheinen. Ein paar äußerliche Inkongruenzen sind beim Druck in den Ferien eingedrungen. Über die Arbeiten am ‚Rheinischen Wörterbuche’ berichtet das außerakademische Mitglied der Deutschen Kommission, Hr. Franck: "Von unsern Mitarbeitern schied am 1. April ıgı ı Frl. BeversporrFr aus; an ihre Stelle trat am gleichen T age Frl. M. Prraumer aus Bonn. Am ı. Mai ı911 begann Hr. Dr. Turovor Frınes aus Dülken, zugleich Seminarkandidat am hiesigen Städtischen Gymnasium, seine Tätigkeit am Wörterbuch. Hoffentlich werden die Verhältnisse gestatten, ihn für längere Zeit uns zu erhalten. Hr. Dr. TREnsE mußte seine Mit- arbeit seit diesem Sommer krankheitshalber abermals einstellen. Ausgegeben wurden die Nummern 14—16 der Fragebogen an die Seminare, Präparandenanstalten und andere Mitarbeiter. Frage- bogen 15 war zum größten Teil mundartengeographischen Fragen ge widmet. Ferner erschien als Sonderdruck aus dem Eifelvereinsblatt ein von Hrn. Dr. Mürwer in der Ortsgruppe Bonn des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins gehaltener Vortrag »Das Rheinische Wörter- buch und die rheinische Volkssprache«. Die Verzettelung älterer Texte nahm ihren Fortgang. Ein großer Teil der gedruckten Quellen der poetischen und Geschäftsliteratur sind erledigt. Von einer kleineren Anzahl, die von Studierenden im An- Kölner Mundart « erweitert und arbeitet Jetzt im Auftrage der Stadt Köln, hat sich jedoch verpflichtet, sein Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 83 ganzes Material auch uns zur Verfügung zu stellen. Die Tätigkeit des Hrn. Dr. Haperer am Kgl. Staatsarchiv zu Düsseldorf blieb aus Zeitmangel bis jetzt beschränkt, Ergebnisse derselben liegen hier noch nicht vor, und auch von der Aussicht auf Beiträge des Hrn. Dr. Kruv- pEwIG hat sich bis jetzt wenig verwirklicht. Die Eingänge aus den lebenden Mundarten haben zwar allmählich wieder nachgelassen, bleiben aber doch immerhin noch ganz beträchtlich und stellen sogar, da sie großenteils bezahlt werden, an unsere Kasse verhältnismäßig recht hohe Anforderungen. Mit ihrer vorläufigen Bearbeitung sind wir nunmehr nachgekommen. Dagegen ist das Material aus den Fragebogen so reich und vielgestaltig, daß wir bei unsern jetzigen Hilfskräften mit der Ordnung andauernd weit zurückbleiben. So sind die Vorarbeiten doch noch recht weit von der Aussicht auf eine einigermaßen erschöpfende Sammlung des Stoffes und von seiner Ordnung entfernt, und es geschieht nicht leichten Herzens, wenn die Leitung sich aus gewissen Rücksichten entschließen muß, trotzdem der systematischen Bearbeitung jetzt schon näherzutreten. Die kartographische Darstellung einer größeren Anzahl Wörter ist ziemlich fertiggestellt worden. Die Absicht, eine "Geographie der rheinischen Mundarten’ zu veröffentlichen, stößt zwar, wie es scheint, auf unüberwindliche Schwierigkeiten, da die beabsichtigte Publikation des Sprachatlas des Deutschen Reiches gerade zunächst auch das rheinisch-hessische Gebiet umfassen soll; wir wollen aber trotzdem die Arbeit unsererseits nicht ganz aufgeben, weil sie zu unserer eigenen Orientierung dienen und uns doch vielleicht eine Handhabe bieten kann, das Wörterbuch von einer allzu umständlichen Angabe der Einzelformen zu entlasten. Zu gleichem Zweck ist die Bearbeitung von Lauttafeln nach dem Vorbild des Siebenbürger Wör- terbuchs in Angriff genommen worden. Dr. Mürzer hat mit einer vorläufigen Bearbeitung des Buchstabens B — A hatte Dr. Trexse auf sich genommen — begonnen. Sie zeigt, wenn sich auch recht viele Nachfragen zur Anfüllung von Lücken und zu Richtigstellungen nötig erweisen, doch die Reichhaltigkeit des vorhandenen Stoffes. Eine Aufgabe der nächsten Zukunft wird es außerdem sein, die schwierigen Fragen, die Anordnung, Auswahl, Druckeinrichtung usw. stellen, gründlich zu erwägen. | Der Bestand unseres Archivs, der das letztemal auf etwa 190000 Zettel angegeben wurde, hat sich trotz Ausscheidungen um etwa 30000 vermehrt. Der aus den Fragebogen bearbeitete Stoff beläuft sich ng = etwa 50000 Zettel. Die uns von der Universität gewährte Räumlichkeit ist ho seit längerer Zeit für das Material und die Zahl der Arbeiter zu eng Sitzungsberichte 1912. | 4 84 Festsitzung vom 24. Januar 1912. geworden. Die uns gleichfalls von der Universität gemachte Aussicht auf einen weit größeren Arbeitsraum konnte vorläufig nicht verwirk- licht werden, weil das vorgeordnete Ministerium die nötigen baulichen Arbeiten noch nicht angeordnet hat.’ In der Überzeugung, daß die Sammlung unserer mundartlichen Schätze eine der dringendsten Aufgaben der Wissenschaft ist, und daß da jedes Jahr des Aufschubs schwere Verluste bedeutet, hat die Deutsche Kommission beschlossen, alsbald der Vorbereitung zweier weiteren Idiotika näherzutreten. Sie hat sich zu diesem Zwecke zunächst mit Prof. Wrepe in Marburg in Verbindung gesetzt, und dieser hat sich bereit erklärt, die Leitung eines ‘Hessen-Nassauischen Wörterbuchs’ in die Hand zu nehmen. Das Idiotikon soll die Provinz Hessen-Nassau, ferner den von ihr umschlossenen Kreis Wetzlar der Rheinprovinz umfassen; es steht nach einer Besprechung, die Prof. Wrepz mit Prof. BEHAGHEL in Gießen hatte, zu hoffen, daß auch die Provinz Öberhessen des Großherzogtums Hessen in den Plan mit wird einbezogen werden können. Der Boden ist durch ältere Arbeiten von Vırmar, KeHrem, ÜRECELIVS, Schmidt besonders wohl vorbereitet; dazu kommt, daß dem Leiter des Werkes infolge seiner langjährigen Tätigkeit an WENnkeErs we a ü RE DIE Wir BT ee e M B RT ni DER a r D DE ERS ART HER 2 ir EN RSS TE UTN RE ee ee EN TR RENT VERS TEICHEENS weit es gelingt, die bescheidenen Mittel “Hessen-Nassauische Wörterbuch’ namentlich provinzielle Unterstützung zu ergänzen. Vorläufig hat das vorgesetzte Ministerium sein Interesse für das Idiotikon dadurch be- wiesen, daß es Prof. WerepE gestattet hat, seine dienstliche Tätigkeit | und Idiotikon zu teilen. Der beklagenswerte Tod des verdienstvollen Begründers des 'Sprachatlas’, Prof. Wenkers, dem = die Akademie erst in ihrer letzten Leibniz-Sitzung die silberne Leibniz- Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 85 Medaille verliehen hatte, hat es mit sich gebracht, daß der "Sprach- atlas’ bisher für Prof. Wreve durchaus voranstehen mußte. So wird eine intensivere Förderung des “Hessen-Nassauischen Idiotikons’ erst im Folgejahr möglich sein. Weiter vorgerückt sind bereits die Sammlungen für ein "Preußisches Wörterbuch’, dessen Vorbereitung Hr. Privatdozent Dr. Warruer Ziesemer zu Königsberg i. Ostpr. übernommen hat, mannigfach gefördert durch das Interesse der HH. Prof. Brzzengereer und Meıszxer. Das ‘Preußische Wörterbuch’ soll sich erstreeken ebenso auf die mittel- und nieder- deutschen Gebiete Ost- und Westpreußens, wie auf die sprachlich ge- mischten, in denen neben deutsch auch litauisch, masurisch, polnisch, kassubisch gesprochen wird. Wir erhoffen gerade von diesem Werke eine erfreuliche Stärkung gesunden Heimatsgefühls in jenen Grenz- landen des deutschen Ostens. Am 11. August wurden die ersten ge- druckten Werbeblätter versendet; jetzt haben sich bereits 120 Mit- arbeiter gefunden, von denen etwa 10000 Zettel alphabetisch einge- ordnet sind. Die Organisation hat sich möglichst an den Vorgang des ‘Rheinischen Wörterbuchs’ angeschlossen. Es darf freudig aus- gesprochen werden, daß der Plan der Akademie in den beiden Pro- vinzen lebhafte Zustimmung gefunden hat; so haben einige Kreisschul- inspektoren (in Heilsberg, Elbing, Pr.-Stargard) auf Konferenzen die Lehrer ihrer Bezirke auf die Bedeutung dieses akademischen Unter- nehmens hingewiesen, und einige Lehrervereine haben sich zur Mit- arbeit bereit erklärt. Mit der Exzerpierung gedruckten Materials sind zur Zeit beschäftigt Oberlehrer Dr. Bauszus in Königsberg (Königs- berger Illustrierte Zeitung), Prof. Dr. Branpes in Dt.-Krone (Reicher- mann, Ut Noatange), Apotheker Jon. Semeritzkı in Memel (Memelsches Wochenblatt; Memeler Anzeiger; Der Pilgrim; Reichardt, Leben des berühmten Tonkünstlers H. W. Gulden). Eine wichtige Ergänzung findet das Zettelmaterial durch die Arbeiten des Gymnasialdirektors Dr. Srunkmann in Dt.-Krone, der nach grammatischen Gesichtspunkten sammelt und bisher das starke Verbum in der Gegend von Seeburg bis Heilsberg bearbeitet hat. Mit besonderem Dank sind einige Zuwendungen an das ‘Preußische Wörterbuch’ zu buchen. So wurde überwiesen ein etwa 500 Quart- seiten umfassendes Wörterbuch, das der verstorbene Hofprediger Horr- HEINZ in Königsberg angelegt hat und das wertvolle Varianten zwi Frischbiers Materialien bietet. Hr. Redakteur Dr. Lupwıs GOLDSTEIN in Königsberg übergab einen Zettelkasten mit etwa 1200 mundart- lichen Wörtern aus dem Nachlaß des verstorbenen Prof. Dr. Maror, 7*+ 86 Festsitzung vom 24. Januar 1912. und gestattete die Benutzung eigner handschriftlicher Nachträge zu Frischbier und Lemke und den Einblick in ein ebenfalls handschrift- liches “Etymologieum parvum’. Hr. Kreisschulinspektor a. D. Schul- rat Dr. Zıyr in Oliva schenkte 50 Berichte von Lehrern des Kreises Stuhm aus dem Jahre 1906, in denen sprichwörtliche Redensarten, Derbheiten, Spracheigenheiten niedergeschrieben sind, wie sie sie unter den Leuten ihres Dorfes gehört hatten. Über die Zentralsammelstelle des ‘Deutschen Wörterhuchs’ in Göttingen berichtet ihr Leiter Dr. Jowannes Lochner das Folgende: »Am 31. März ıgıı schied der erste Assistent Dr. WAGNER aus seiner Stellung, um in den Schuldienst überzugehen. An seine Stelle rückte der bisherige zweite Assistent Dr. Frask Fıscuer auf ; als zweiter Assistent trat Hr. ALrren VoerL am 16. Mai I9gII neu ein. Die dritte Assistentenstelle ist noch nicht wieder besetzt. Die Hilfsarbeiterin Frl. H. Borpr trat, wie bestimmt, mit dem 31. März ıgıı wieder aus. Die Zahl der Exzerptoren konnte in letzter Zeit wieder erhöht werden. Augenblicklich sind 93 tätig (im ganzen bisher 343). Von den 4ııı durch Exzerptoren zu bearbeitenden Bänden sind 2378 er- ledigt, und zwar mit einem Ertrage von 1094600 Zetteln. Aus dem alten Zettelmaterial, das bis auf eine im Juli IQII eingegangene Sen- dung von Hrn. G. Scnorrr im Haag erledigt ist, erhielten wir im ganzen 189100, aus den »Lexikalischen Hilfsmitteln« 100000 Zettel (seit 1. April 1911: 44000), so daß die Zentralsammelstelle Jetzt über insgesamt 1383700 Belege verfügt (+ 407 500) An altem Material erhielten wir auch im Berichtsjahre erneute Zuwendungen, außer den genannten besonders von den HH. DDr. Cronr und Heır. Meyer. Die Beendigung des Hauptquell ichni das nach dem vorjährigen Berichte schon zu sollte, wurde durch die neuen Ein bis Anfang Oktober verzögert. Verweise und wurde am ı8. Okto Ostern ıg11 fertig sein gänge an altem Material nochmals Es umfaßt nahezu 7800 Titel und ber an die Mitarbeiter versandt. In- ntralsammelstelle verfügt, so unzu- reichend, daß an die Beschaffung eines neuen Raumes ernstlich gedacht werden muß. Dr. Locnser gab auf der am 9. Oktober einen öffentlich S wiederum vierteljährlich 64500 Zettel.« Be BR iR äh 2: ET TEE RE 2 SE sin Re ee "Seal ld are vrinsehaluriemg ten har aaa ln rien | | Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 87 In die Zahl der Mitarbeiter des Wörterbuchs ist Prof. Dr. Rosrx- HAGEN zu Hamburg jetzt definitiv eingetreten; er hat die Schlußpartie des Z (Zo—Z2) übernommen. Für die Schlußpartie des @ (G0o—G) sind die HH. Prof. Dr. Heım in Gießen und Dr. A. Hüsser in Berlin geworben worden; doch stehen die Probeartikel noch aus; auch ist die feste Abgrenzung der Gebiete noch nicht vorgenommen. Es erschienen im Berichtsjahre für G (Bd. IV Abt. ı) von Prof. Wunperuich die 12. Lieferung des 3. Teiles, der damit abgeschlossen ist (gewitzigt— gewöhniglich); für W (Bd. XII) von Prof. vos Banper und Dr. Sıcker die 10. Lieferung des ı. Teiles (wandeln — wank), sowie von Dr. Görze die ı. Lieferung des 2. Teiles (wer—wehr). Von S (Bd. X) ist die 7. Lieferung des 2. Teiles (stattlich — staupe) herausgekommen; da- gegen konnte die 8. Lieferung noch nicht ausgegeben werden, obwohl der Artikel stehen von Dr. Meyer bereits gesetzt ist, da Dr. Crone die Reihe siec—-sieg noch nicht abgeschlossen hat; doch steht der Ab- schluß nahe bevor. Ebenso ist die 8. Lieferung des XU. Bandes (ver- sitzen — versprühen, bearbeitet von Prof. Meıszyer und Dr. LroroLn) im Druck fertig. Der Druckbeginn des U (Bd. XI 2) und des Z (Bd. XIV) steht unmittelbar bevor; der Anfang des Manuskripts liegt für beide Bände bereits vor. Forschungen zur neuhochdeutschen Sprach- und Bildungsgeschichte. Bericht des Hrn.’ Burvacn. Die beiden im Druck vollendeten Teile der von dem Bericht- erstatter und Paur Pıur herausgegebenen Rienzoedition wurden bisher nicht veröffentlicht, weil die Einleitung innerlich und äußerlich so an- wuchs, daß sie als ein selbständiges Ganzes abgetrennt und außer- dem in zwei Bände zerlegt werden mußte. Der darstellende, kultur- geschichtliche Teil dieser Einleitung, von dem Berichterstatter allein verfaßt, eröffnet nunmehr unter dem Titel: Rienzo und die geistige Wandlung seiner Zeit als erster Teil das Werk und erscheint, nachdem sein Druck bis zum 22. Bogen fortgeschritten ist und die Drucklegung des Restes von 7 bis 8 Bogen nahe bevorsteht, voraus- sichtlich demnächst zusammen mit den beiden fertigen Textbänden, die jetzt Teil 2 und Teil 3 des Werkes bilden und auf je 3ı und 23 Bogen den kritischen Text, Lesarten und Anmerkungen des eigent- _ lichen Briefwechsels des Cola di Rienzo und der Urkundlichen Quellen zur Geschichte des Rienzo nebst einer kurzen Übersicht der zugrunde gelegten Handschriften und mehreren Registern enthalten. Die zweite Hälfte der Einleitung, welche eine genaue Beschreibung aller Benutzien Handschriften bringt und Teil 2 des Werkes bildet, wird etwas später, gefördert worden. 88 Festsitzung vom 24. Januar 1912. möglichst zusammen mit dem Schlußteil (Teil 5: Sachlicher und historischer Kommentar, Glossar), veröffentlicht werden. — Die ange- kündigte Publikation des ersten Teils der kritischen und kommentierten Ausgabe des Ackermanns aus Böhmen hat sich aus mehreren Gründen verzögert: hauptsächlich weil der Mitherausgeber Prof. Dr. Aroıs Bernt als Direktor an das Gymnasium in Gablonz versetzt und durch die mannigfachen Ansprüche des neuen Amts abgehalten wurde, die Arbeit so nachdrücklich wie bisher zu fördern. — Die übrigen von dem Berichterstatter unternommenen oder unter seiner Leitung stehenden Arbeiten sind aus verschiedenen Ursachen, teils sachlicher teils persönlicher Behinderung, nicht wesentlich gefördert werden. Humsoror- Stiftung. Bericht des Hrn. WaLverer. Die für das Jahr ı9rı verfügbaren Stiftungsmittel im Betrage von 8500 Mark sind an Hrn. Prof. Dr. vox BurteL-Rerren in Olden- burg zu einer Forschungsreise nach Ostindien zwecks biologischer Studien an staatenbildenden Insekten vergeben worden. Hr. von Burter- Rerpen hat die Reise angetreten. Aus früheren Bewilligungen er- schienen als Ergebnisse: Bd. 2 der Werke der Planktonexpedition Fe: Schıemenz, P., Die Heteropoden. He: von Rırter-ZAnory, R., Die Chaetögnathen. Bd. 3. Le: Ruunster, L. Die Foraminiferen (Tha- lamophoren) ı. Lh: Die Tripyleen Radiolarien. Borserrr, A., Chal- lengeridae. Bd. 5. O: Hessen, V. Das Leben im Ozean nach Zäh- lungen seiner Bewohner. Kiel und Leipzig, 1911. Über die so reichen Ergebnisse, welche die gleichfalls von der Humboldtstiftung unterstützte Tendaguruexpedition bis jetzt geliefert hat, berichtete seinerzeit Hr. Branca der Akademie. Für das Jahr 1912 werden 35500 Mark zur Verfügung stehen. Sarıenr- Stiftung. Bericht des Hrn. Brunser. Vom Vocabularium Jurisprudentia Romanae sind unter Leitung des Hrn. Prof. Dr. Berswarp Küsıer Druck und Ausarbeitung bei allen vier zunächst in Angriff genommenen Bänden im Berichtsjahre 1911 = Bei Band I (D—-6) ist der Druck ' zur Zeit vor dem umfangreichen Wortar Skript Hr. Grupe bis Mitte Januar 1912 u Von Band III (H—M) sind zwei weit so weit vorgeschritten, daß er tikel »et« steht, dessen Manu- einzuliefern in Aussicht stellte. ere Bogen (ignavia—impello), £ | Jahresberichte der Stiftungen. 89 von Band IV (N—Q) etwas mehr als vier Bogen (nam —-nihil) gedruckt. Bei Band V ist der Druck von »sed« bis »servo« abgeschlossen, der Artikel »si« so weit ausgearbeitet worden, daß die Einlieferung des Manuskripts demnächst erwartet werden darf. Für die Neubearbeitung von Honevers » Deutschen Rechtsbüchern des Mittelalters« hat Hr. Borcarıne eine druckfertige Reinschrift der ‚auf seinen Arbeitsanteil entfallenden 673 Nummern des Handschriften- verzeichnisses hergestellt und dafür fünf Register ausgearbeitet, zwei systematische Register über die Rechtsbücher und ihre Beigaben und drei alphabetische über die Schreiber der Handschriften, über die früheren Besitzer und über die früheren Aufenthaltsorte der Hand- schriften. Hr. Juuiıvs v. Gierke hat — abgesehen von einigen Nach- ‚trägen zu etlichen Nummern — den Verbleib einer größeren Reihe von Handschriften durch schriftliche Anfragen festgestellt. Für eine Revision der Bestände von Berlin und München ist zum Herbst 1912 eine Reise in Aussicht genommen, nach deren Abschluß beide Mit- arbeiter zusammentreffen wollen, um das Werk für den Druck zum Abschluß zu bringen. Bopr-Stiftung. Bericht der vorberatenden Kommission. Die Kgl. Akademie der Wissenschaften hat am 16. Mai ıgıı den Jahresertrag der Borr-Stiftung in Höhe von 1350 Mark dem Assistenten an der Kgl. Bibliothek zu Berlin, Hrn. Dr. WALTER SCHUBRING, zur Fortsetzung seiner Jaina-Studien zuerkannt. Hermann und Erıse geb. Heckmann WeEnTzeL-Süflung. Bericht des Curatoriums für 1911. Aus den im Jahre ı9ı1ı verfügbar gewordenen Erträgnissen der Stiftung wurden bewilligt: 6000 Mark zur Fortführung der Bearbeitung des Wörterbuchs der älteren deutschen Rechtssprache; 4000 Mark zur Fortführung der Berg der ältesten griechi- schen christlichen Schriftsteller; | 4000 Mark zur Fortführung der Bearbeitung der Prosopographie ; der römischen Kaiserzeit, Jahrh. IV—VI; | 6000 Mark als erste Rate für eine unter Leitung des Hrn. EnsLer auszuführende Bearbeitung der Flora von 5 zu und Mikronesien. 90 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Über den Fortgang der Arbeiten an der Kirchenväter- Ausgabe und der Prosopographie berichtet die hier folgende Anlage I, über das Rechtswörterbuch Anlage I. Von dem Vorırzkow’schen Reisewerk sind im Berichtsjahre zwei Hefte: Bd.I Abth. II Lief. ı und Bd. IV Heft 3 erschienen. Von Prof. Pıntiprson’s »Reisen und Forschungen im westlichen Kleinasien« ist das zweite Heft: Ionien und das westliche Lydien mit einem Blatt der geologischen Karte als Ergänzungsheft Nr. 172 zu Prrermann’s Geographischen Mittheilungen erschienen. Aus dem Curatorium schied das von der philosophisch-histo- tischen Classe als Seeretar gewählte Mitglied Hr. Vanten mit Nieder- legung seines Amtes am 30. September aus. An seine Stelle trat der neue Secretar der Classe Hr. Rortne und wurde vom Curatorium, gleichfalls in Nachfolge für Hrn. VARLEN, zum Stellvertreter des Vor- sitzenden gewählt. Anl. 1. Bericht der Kirchenväter-Commission Jür 1911. Von Hrn. Harnack. I. Ausgabe der griechischen Kirchenväter. Ausgegeben wurde: die Chronik des Eusebius nach dem Armenier (hrsgeg. von Kuarsr). Im Druck befinden sich: die Kirchengeschichte des Philostorgius (Bınrz), das Werk des Origenes Dei dpxav (Korrscnav) und die Demonstratio evangelica des Eusebius (Heıke:)). Von dem »Archiv für die Ausgabe der ältesten christlichen Schriftsteller« wurden elf Hefte ausgegeben, nämlich: Bd. VI (XXXV]I) Heft ıa: Voszıs, Die Harmonistik im Evan- gelientext des Codex Cantabrigiensis. | Bd. VI(XXXVI) Heft ıb: SCHER von Der Balyzeh. Bd. VI(XXXVI) Heft 2: Horı, Die handschriftliche Überliefe- rung des Epiphanius. Bd. Mi (AXXVI) Heft 4: Herkeı, Kritische Beiträge zu den Constantin-Schriften des Eusebius. [NB.: Heft 3 dieses Bandes erscheint später.] Bd. vu (XXXVIN Heft ı: Untersuchungen zu den j MANN, Der liturgische Papyrus SCHMIDTKE, Neue Fragmente und udenchristlichen Evangelien. i E i ; : E | | Jahresberichte der Stiftungen. 91 Bd. VII (XXX VID Heft 2: von Dosscrürz, Die Akten der edessenischen Bekenner Gurjas, Samonas und Abibos, aus dem Nachlaß von Oskar von GEBHARDT. Bd. VIL (XXXVI) Heft 3: Barrn, Die Interpretation des Neuen Testaments in der valentinianischen Gnosis. Bd. VI (XXXVI) Heft 4: Harnack, Kritik des Neuen Testa- ments von einem griechischen Philosophen des 3. Jahr- hunderts. Bd. VII (XXXVIN) Heft ı: Diosovnsorıs und Beis, Hippolyts Schrift über die Segnungen Jakobs. Diosovniorıs, Hippolyts Danieleommentar in Handschrift Nr. 573 des Meteoron- klosters, mit einem Vorwort von BONWETSCH. Bd. VII (XXXVII) Heft 2: Bırut, Zur Erklärung und Text- kritik des ı. Buches Tertullians » Adversus Marcionem«. Bd. VII XXXVIN) Heft 3: Diosovnıorıs und Harnack, Der Scholien-Commentar des Origenes zur Apokalypse Johannis, nebst einem Stück aus Irenäus, lib. V, Graece. Im Druck befindet sich ein Heft, nämlich Bd. VII (XXXVIM) Heft 4: vow Dosscnürz, Das Decretum Gelasianum. Eine größere Unterstützung bei seinen Arbeiten erhielt Hr. Biprz. 2. Prosopographia imperii Romani saec. IV—VI. Hr. Jürıcner hat das umfangreiche Material aus der afrikanischen Kirche bereits ziemlich vollständig für die einzelnen Artikel bear- beitet; die mangelhafte Überlieferung der Namen, besonders der Orts- namen, machte hier große Schwierigkeiten. Auch wurde die Chrono- logie der Briefe, Predigten und Schriften Augustins von ihm her- gestellt. Unter Leitung des Hrn. SeEck setzten die HH. RırrArort, Kantec, Gros und Frl. Nacı, ihre Exzerpte aus der profanen Literatur fort. Hr. Seecx selbst arbeitete an den Regesten der römischen Kaiser von Constantin bis Justinian. | Anl. I. Bericht der Kommission für das Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, für das Jahr 1911. en ı Von Hrn. Brunner. ie Zwischen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften und der Verlagsbuchhandlung Hermann Böhlaus Nachfolger in Weimar ist im Sommer dieses Jahres ein Verlagsvertrag zustande ‚gekommen, 92 Festsitzung vom 24. Januar 1912. durch den dieser das ausschließliche Verlagsrecht des im Auftrage der genannten Akademie in Angriff genommenen Wörterbuchs der älteren deutschen Rechtssprache übertragen wurde. Das Werk soll in Liefe- rungen von je zehn Druckbogen zu 8 Seiten (16 Spalten) erscheinen und etwa acht Bände zu je ungefähr tausend Seiten umfassen. Die Akademie gewährleistet die feste Abnahme von 80 Exemplaren zum Buchhändler- nettopreis. Die akademische Kommission hielt am 21. September ıg1 1 zu Heidelberg ihre zehnte Sitzung ab. Anwesend waren als Mitglieder der Kommission die HH. BRUNNER, VON GIERKE, FrENsporFF, Hüser, RoETHE, SCHROEDER, von Schuwino und als Mitarbeiter die Freiherren von KüÜnssßEr6 und von Schuwermw. Man beschloß, das preußische Land- recht, die Constitutio eriminalis Theresiana, das österreichische bürger- liche Gesetzbuch und die Codices Maximalianei Bavariei in die Ver- zettelung hineinzuziehen. Von den Wortartikeln sind für das erste Doppelheft, dessen Er- scheinen 1913 zu erhoffen ist, 416 fertiggestellt. Der Bestand des Zettelarchivs, das durch Stichproben geprüft wurde, hat sich seit der neunten Kommissionssitzung (April I9IO) um etwa 90000 Zettel vermehrt. Mit der Redaktion des Rechtswörterbuchs sind die HH. Schrorper, von Künssßere und Prrers betraut worden. Bericht des Hrn. SCHROEDER. Seit der zehnten Sitzung der Kommission ist der Zettelbestand des Archivs beträchtlich gewachsen, so daß er Ende IgII etwa 840000 Zettel betragen wird. Das Gesamtverzeichnis der Abkürzungen (Quellen- verzeichnis) ist mit Ende 1911 druckfertig. Zu den in der Herbst- sitzung vorgelegten Wortartikeln ist seither eine Reihe weiterer von Dr. Gustav Wanr, Dr. Ausust Eıssässer und Dr. EBERHARD Freiherrn Das Interesse, das immer weitere Kreise unserem Unternehmen entgegenbringen, zei schaftlichen Anfragen von Gelehrten und Praktikern, darin, daß die von der Akademie z Feen Jahresberichte der Stiftungen. 98. Unterstützungen erwähnen, die uns durch einzelne Beiträge und Hin- weise zuteil geworden sind von den HH. Rechtskandidat PauL Auranam, Berlin; Dr. E. Agr, München; Prof. Dr. K. vow Amıra, München; Dr. J. L. BRANDSTETTER, Luzern; Karı Cnarıst, Ziegelhausen; Direktion des k.u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Wien; Prof. Dr. A. EHRENZWEISG, Wien; Dr. Frieprıcn Grarre, Heidelberg; Prof. Dr. Jon. Hoors, Heidel- berg; Dr. jur. LAmgerr Graf ÖOBERNDORFF, Heidelberg; Privatdozent Dr. Ernst Pereıs, Berlin; Prof. Dr. G. RAnsruch, Heidelberg; Prof. Dr. Max Rınteten, Prag; Lehramtskandidat C. ScHamBacH, Heidelberg; Privatdozent Dr. CLauvivs Freiherr vox Schwer, München; Oberbiblio- thekar Prof. Dr. J. Wırır, Heidelberg; Privatdozent Dr. Frırprich von Worss, Wien. Prof. Dr. F. Lieserwans, Berlin, hat uns in freundlichster Weise gefördert durch Überlassung der Druckbogen des Glossars zu seiner Ausgabe der angelsächsischen Gesetze. Bei den Archivarbeiten haben wir uns seit Mitte Oktober der eifrigen Mithilfe des Hrn. Rechtskandidaten stud. phil. Grore EscHEN- HAGEN zu erfreuen gehabt. Der Stand der Handbibliothek hat einige kleine Erweiterungen erfahren. Verzeichnis der im Jahre ıgır ausgezogenen Quellen. Die Beiträge des österreichischen Komitees sind mit ** gekennzeichnet. ‚ Alemannia. 1906. 7. 8. (teilweise): K. Onkısr, Ziegelhausen. Altenburger Stadtrecht 1256 und seine Erneuerungen 1356 und 1470 (Mitt. der Gesellschaft des Osterlandes. II3.): Prof. von Moetrer, Berlin. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 6. 7. NF. 2. 3. 4. 6.: Pu. Tuors, Stuttgart. \ J. Baader, Chronik des Marktes Mittenwald, Nördlingen 1880: cand. jur. M. Reı- SINGER, München. tsformel, in: Sitzungsbericht der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. 1886: jur. Frrrz Zırrwirz, Leipzig Göttinger philos. Diss. 1906: Dr. LeoroLp Prreıs, Heidelberg. = Beiträge zur Geschichte der Stadt Essen. 2o.: jur. H. Spırzwer, Leipzig. **Beiträge zur oberösterreichischen Landeskunde. 1895 —1910: Pa. Tuorn, Stuttgart. Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg, bearb. Holstein. 1879: Dr. Rosex- stock, Berlin. Die Lübecker Bergenfahrer und ihre Chronistik: Admiral Bacnzm, Heidelberg. E. Berneker, Slavisch-etymologisches Wörterbuch. Heidelberg ı910f.: Dr. von Künss BERG. H. Beschorner, Das Amt Freiberg und seine Verwaltung um die Mitte des 15. Jahr- K. Beyerle, Deutschrechtliche Beiträge. I. U. IH: Frau J. Bercer, Rheinsberg. 2 Oselenie Privatdozent Dr. Cr. Frhr. vos Schwein, München. a a **F. Bischoff, Österreichische Stadtrechte und Privilegien. Wien 1857: jur. Herm Ann, RÜHE, u en Be en **Blätter des Vereins für Landeskunde von: Niederösterreich: ‚Pr. Tuors, ._.. Böhme, Diplomatische Beiträge zur Untersu hung der. schlesischen Rechte und Ge- schichte. 1774f.: jur. Farrz Zrrrwirz, Leipzig 94 Festsitzung vom 24. Januar 1912. C. Bökelmann, Aufkommen der Großindustrie usw. 1905: Dr. von Künsssere. Seb. Brant, Narrenschiff: phil. G. Börrcuer, Steglitz. “*Bregenzer Stadtbrauch (Arch. f. Voralberg. 5.): Dr. Heısor, Bregenz. Bremisches Urkundenbuch. 3-—5.: phil. G. Börrcaer, Steglitz. Breslauer Urkundenbuch: phil. G. Börrcaer, Steglitz. Festschrift Heinrich Brunner zum 70. Geburtstag, Weimar ı910: Dr. von Künsspere. Buch der Rügen. 1277 (Zeitschr. f. deutsches Altertum. 2.): Dr. A. Ersässer, Heidelberg. Hans von Bühel, Die Königstochter von Frankreich, hrsg. Merzdorf, Oldenburg 1867: Prof. Goerrerıcn, Konstanz. Urknndenbuch von Stadt und Kloster Bürgel, hrsg. P. Mitzschke. 1895: cand. phil. G. Börrcner, Steelitz. Calbe, Wetebok (Magdeburger Geschichtsblätter. 20. 21.): jur. Frıtz Zrrrwirz, Leipzig. Calenberger Urkundenbuch, g. W. von Hodenberg, Hannover. 1855—58: cand. Jur. Max Reısıseer, München. Codex Diplomaticus Fuldensis: phil. G. Börrcuer, Steglitz. **Codex Diplomaticus Morawiae. 13: jur. H. Früne, Wien. 2 Codex Diplomatieus Prussieus. 1.—6.): Rechtskandidat stud. phil. Grore EschEx- a HAGEN, Heidelberg. Codex Diplomaticus Silesiae. 8.: cand. jur. M. Reısıseer, München. Urkundenbuch zur Geschichte des deutschen Ordens. 1845. 61.: Börrcher, teglitz. Diepholzer Urkundenbuch, hrsg. W. von Hodenberg, Hannover. 1842: jur. M. Reı- SINGER, München, = Urkundenbuch zur Geschichte des Landes Dithmarschen. 1834: cand. phil. 1 Börrcner, Steglitz. Eberbach, Urkundenbuch der Abtei: jur. Laxomans, Mannheim. ""Erbbergwerksordnung über Eysenärtzts, Grätz 1670: Ingenieur Dr. jur. Runorr Zankı, Brüx, Eranien zum deutschen Recht. 1825—28: Rechtsanwalt Axrox GLOBERGER, Miesbach, akten. 1902 p ipzig. Frankenthaler Monatsschrift (teilweise): En Carıst, Ziegelhausen. -—19. 34.: Dr. Augusr Eısässer, Heidelberg. 28. bis , 30. 33.: Lehramtskandidat H. Poren, Heidelberg. Die Zunftordnungen Freiburgs i.B. 1879: cand. phil, Ronranp, Leipzig. Friedländer, Das Einlager. Münster 1868: eand. jur. G. Kıscn, Pra Festschrift Otto Gierke zum 70. Geburtstage, Weimar 1 R Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz. 1883-91: jur. Hans Merser, Leipzig. ‚Görlitzer Ratsannalen, hrsg. Th. Neumann: eand. hist. C. Rouasn Leipzig. Gu denus, Sylloge variorum Diplomatariorum usw. 1728: K.C Hai gerlocher Statutarrecht 1457, hrsg. Birlinger (Mitt. d. Ver. f. Altertumskunde n Beroer. kasse 17. und ı8. Jahrhunderts: Admiral Bach R Se : EM, Heidelberg. Kae von Hameln. I: stud. phil. Beckmann, Leipzig; I.: W. Tuonmas, H ww & * = ‘ - " . { en Stadtrecht, hrsg. Frhr. y. Grote. 1844: cand. phil. G. Börtoner, heim, hrsg. R, Döbner. a : P f. Gö Hohenlohisches Urkumdenbdake IL: ee 4 EN RS Jahresberichte der Stiftungen. 95 Ilsenburger Urkundenbuch, ‚hrsg. Jakobs. 1875. 77: Dr. Scuixseck, Heidelberg. **Jahrbuch der u. Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. 10—24.: Pan. Taorn, Stutt J de _ die Geschichte des Herzogtums Oldenburg. 14.: Prof. Görrzrıch, Konst Jelinek: Wittehomndetiuie Wörterbuch. ıgıı: Dr. von Künssgere. Kasseler Stadtrechnungen. 1468—ı1553: Dr. W. Dırss, München. **G. Kisch, Das Einlager im ee wg Mährens. ı911: G. Kıscn, Prag. Klenz, Schalten wissiehucn. er SSBERG. Kosnanr, Das Statuarrecht 3 Stadt erg 1845: Dr. von Künsssere und berg. S. A. Krafft, rg gr Wörterbuch, nebst Spitzbubensprache. 1821: Dr. von Kün **Die alten und Verkehrsordnungen der Stadt en = Bucher, Wien 1889 ff.: Ingenieur Dr. jur. RupoLr ZaskL Kretschmann, Geschichte des Sächsischen Oberhofgerichts zu Leipzig. 1804: R. TueverkAur. Leipzig. **Upkundenbuch. des ee Clarissinnenklosters in Krummau. 1904: Dr. Franz Zankır, Wie K.H.vonLan 18» Bechidie des Fürstentums Ansbach-Bayreuth. 2. Aufl. ıgıı: Dr. von KünssBEre. *"B. Lecher, Das Verfachbuch in Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1885: Privatdozent Dr. von Woess, Wien. Leipziger Innungsordnungen, hrsg. G. Berlit, Leipzig 1886: cand. jur. Reisinger, München Lünig, ‚Corpus juris militaris, Leipzig 1723: Admiral Bacnen, Heidelberg. agdeburger Urkundenbuch: Dr. ScHiEBEck, Heidelber Urkundenbuch der Klöster in der Grafschaft Mansfeld, hreg. Krühne: Dr. Scair- BECK, Heidelber: Ausgabebuch des Marienburger Hauskomthurs. 1410—20, hrsg. Ziesemer: Dr. Meppener Urkundenbuch. 3. 4.: Dr. W. Diss, München. Mitteilungen A Geschichte im Österlandes. 1. 2. 3.: ie Goerrerich, Konstanz. Monumenta Boi a3. 33, : Dr. Sımow Hörrt, Münch Deutsche Mysti eg des 14. hands hrsg. Franz Pfeifer, 1943: Dr. W. Korzex- BERG, Berlin Urkundenbuch u ee Neuenwalde, hrsg. Rüther, Hannover 1905: eand. phil. . Böttcher, Ste : Mones Lauch en 53 a Rage G. Börrcner, Steglitz; 71: Dr. von Künssgere und Iopa Berser, Rhein Öberkircher Bahssuhuche Kar Ca Deyekanes Ostfriesisches Urkundenbuch. I. I. (teilweise): Rechtskandidat stud. phil. G. Escnex- HAGEN, Heidelberg. B. Paumgartners ee mit seiner Gattin Magdalena. 1582—98: Prof. Görrenich, Konstan a, L. Philippi, Die Osnabrücker Laischaften. 1896: Dr. vos Künsssere und Ina Bercer, Rheins ; Das Erbbuch des ae Plauen. 1506, hrsg. ©. von Raab. 1902: cand. phil. Jens, Lei ipzig. J. Poetsch, Die Reichsacht im Mittelalter. Breslau ıgıı: Dr. von Künsspere. Stadtbuch von Posen, hrsg. Warschauer: cand. phil. G. Börrcaer, Steglitz. ie Urkundenbuch, hrsg. Philippi. I. 1882: jur. J. Gropsisskı, Königs- erg I FEB von. : 05 edlinburg, hrsg. Janicke. 1882: Dr. ScHiEBEcK, Heidelberg. ne, _ Urkundenbuch der Stadt Quedlinburg, hrsg. Janicke. 1873. 1882: Dr. Seen, : eidelberg. Dr. Lan Frank- en zur Frankfurter Geschichte, hrsg. Grotefand. 1884. 88; Dr. zeoBeN, ; Guetas zur Geschichte von Hamburgs Handel und Schiffahrt im 17., 18. und 19. Jahr- | hundert, hrsg. Baasch. _ Dr. ScueBeck, ._. 96 Festsitzung vom 24. Januar 1912. Rappoltsteinisches Urkundenbuch, hrsg. K. Albrecht, Colmar. 1890—98: cand. phil. G. Börrcazr, Steglitz. v. Rohr, Nützlicher Vorrath usw. (begonnen): jur. Feırz Zirrwırz, Leipzig. v. Rotschitz, Processus juris Deutzsch. 1561: Dr. A. ErsÄsskr, Heidelberg. Rusch, Das Gaugericht auf der Müsinerwiese. 1870: Dr. Heızor, Bregenz. A.Saur, Faszieulus judieiarii ordinis 1589 (begonnen): Dr. A. Eısässer, Heidelberg. A. Schirmer, Wörterbuch der Kaufmannssprache. ıgı1: Dr. Leororo Pereıs, Heidelberg. Schleswig-Holsteinische Urkundensammlung. 1.: Referendar Weicerr, Rheinsberg. Schöpflin, Alsatia Diplomatiea. I. I. Mannheim 1772—75: Rarı Carıst, Ziegel- usen ausen. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees. 11.—ı 5.: Fürsprech Dr. ÄsaRr Kınkeum, Rorschach. Schreiber, Urkundenbuch von Freiburg i.B. 1.: Karı Cnrıst, Ziegelhausen. Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch (soweit erschienen): Dr. von Künssgers. Simon, Geschichte von Erbach. 1858: Karı Cnarıst, Ziegelhausen. **Span, 600 Bergurthel. 1673: Ingenieur Dr. jur. Runorr Zankr, Brüx **Die landesfürstl. Gesamturbare der Steiermark, hrsg. A. Mell und A. Dopsch. 1910: e Dr. Auanmer, Leoben. | Urkunden des Klosters Stötterlin genburg, hrsg. C. von Schmidt-Phiseldeck. 1874: hi Urkunden der Stadt Torgau, hrsg. Knabe. 1896. 97: Prof. Görrericn, Konstanz. Tübinger Stadtrechte. ı 388 und 1493: Dr. von Künsssere und Ina BERGER, Rheinsberg. 3 | Tristan als Mönch, Gedicht aus dem ı 3. Jahrhundert, hrsg. Paul; Dr. von Künsspere. n Das rote Buch der Stadt Ulm, hrsg. Mollwo: Archivrat Dr. MenrıxG, Stuttgart. Urkundliche Geschichte der Abteien und Klöster in Rheinbayern. II. 1836: Karı Carıst, Ziegelhausen. Vierteljahrshefte des Zabergäuer Vereins. 1909: Kar Cnrıst, Ziegelhausen. Westfälische Landrechte. IL: Prof. Dr. vox Mortrer, Berlin. Widder, Versuch einer vollständigen Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz. = hausen. **Wörterbuch der Diebs-, Gauner- oder Kochemersprache. 1864: Dr. von Künssgere. Merkerbuch von Wiesbaden, hrsg, Otto: Kar Cnrısr, Ziegelhausen. Willirams deutsche Paraphrase des hohen Liedes, hrsg. Seemüller. 1878: Dr. e . Ersässer, Heidelbere. Wreden, Gemma juris Palatini. 1740: Karı Carıst, Ziegelhausen. Würdtwein, Chronicon Diplomaticum monasterii Schoenau. 1792: Kart, Cnrıist, Ziegelhausen. Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Heidelberg. **Zeitschrift des deutschen Vereins für Geschichte Mährens und Schlesiens: Taorn, Stuttgart. Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. 1886: stud. jur. Haus ERKER, Leipzig. Zeitschrift für Rechtsgeschichte. 2. 4 —11. 13. 35.—44.: Dr. von Künssper6; Einzelnes davon Dr. A. Ersässer, Heidelberg und Dr. Runorr Zankı, Brüx. Zeitschrift für Wortforschung bis Band XI: Schroever und Ina Bereer. 1.-14.: Admiral Bacnen, Akademische Jubiläums -Stiftung der Stadt Berlin. Bericht des Hrn. Diels. | g über die Verwendung der Stiftungserträgnisse aufenden einjährigen Periode wird erst Ende dieses Jahres 1912 erst im nächsten Bericht darüber eine Mit- ri Übersicht über die Personalveränderungen. 97 Seit dem Frıepricns-Tage 1911 (26. Januar) sind bis heute unter den Mitgliedern der Akademie folgende Personalveränderungen ein- getreten: Die nn = 2 den Tod verloren das ordentliche Mitglied der physikalisch hen Classe Jako Heinrich van’T Horr; die ordentlichen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe Reıynarn KEKULE VON STRADONITZ, are Dirrtuey sr JOHANNES VAHLEN; das auswärtige Mitglied der physikalisch-math hen Classe Sir Josern Darrton N in Sunningdale: die correspondirenden Mitglieder der physikalisel tischen Classe ALgerr LApengure in Breslau und Mic#er Levy in Paris und die correspondirenden Mitglieder der philo- sophisch-historischen Classe Wırueın Wırmanss in Bonn, Ente LevAsseur in Paris, Anton E. SchöngAch in Graz und Gustav Größer in Strassburg. Neu gewählt wurden zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch- mathematischen Classe GortLıeß HABERLAnDT und Gustav Herımans; zu ordentlichen Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe Kuno MEYER, BEnno Eromann, Em SEckEL und JoHAnN JAKOB MARIA DE GROOT; zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe JAKOB WACKERNAGEL in Göttingen, Hermann Jacogı in Bonn, FRANZ ÜumoNT in Brüssel, James GEoRGE Frazer in Cambridge, Anoır Wırneım in Wien, AxEL Orrık in Kopenhagen und Paur Vınoeranorr in Oxford. Ausgegeben a am =: Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. in der Regel nerstags acht Tage nach a a ehe n rfasser ee und für Welche: 2 =: antwor lich nr Diese Inhaltsangaben sollen FeY in der Regel auf 5—6 eng beschränken, kein inesfalls 10 era a le >. weise oder aueh in weiterer Ausfü ührung, in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- lichung redigirenden Secretar vor der Aus in den akademis "hrii zur Kenntniss kommen, so Mittheilung aus diesen zu entfernen. asser ei enommenen ‚wissen- schaftliche ittheilung dies: g en beabsichtigt, als ihm diess ee el- ter n Rechtsregeln zusteht, so Ag er dazu der Ein- willigu ng der Gesammt-Akad = Gedächtnissreden „anderreiig zu veröffentlichen ist z den eg un er 21- Die ei escheintn in einzelnen Stücken R Donn nn = 22. n Si er eröffnet: eine Übersicht über di e rgetr. Witsensehafllichen mare li e - et a Aihelungen werden mit vorgesetztem ‚Stern bez eichnet, i den für e Abhandlı lungen bestimmten wird Ba h.)« werden in Bde Bericht über üjnge Sit un, n we Sr dere nahme War. Die Sedimente der Taubenbank im Golfe von Neape ae je "ae Tafeln für die heliocentrischen Coordinaten von Br Lass Plansis zB RR: reg vorläufiger Bericht über die von den ie Tee in Milet und idyma un ngen J. Peters: Einundzwanzigstellige Werthe Functionen Sinus und I Cosimus C. Tuer, e Handschriften des Corpus agrimensorum Romanoru ; R. Isexsc : Zur Kenntniss der eg nde der Maus B eg duges und Faserzüge im Vorderhirn vo n Siren lacertin M. Neipise: Über die Kerne des Diencephalon bei einigen Säugeilioen “ K. Asanscnantanz: Über die Kerne des Ar leinhirn R t i R: F. Freiherr Hırıer von GAERTRISNGEN und H. m ran: Arkadische "Forschungen Ta. Wırsanp: Erster Re Bericht über die von den en Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos Sitzungsberiehte der Akademie. Preis des Jahrgangs Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1911. Nersst und F. A. Lispemans: eine über die ann) Wärme bei tiefen Erpr F. Kunınaun: Messung der "Sonnentemperatur Fischer . SCHEIBLER: zur —- ir Warpew’schen Umkehru ung v1. C. Giyeräkoboer un u: Beiträge zur Convergenz von Funetionenfolgen I. Scaur: über Gruppen perodischer baren Substitutionen - . MEISTER Inschriften aus Ranti ypros (hierzu Ta Yo Rusess un O. vos Baryer: über die: A eg der von der r Quaraquecksilberlampe a aus- ten Jangwelligen Strahlu i . NEE Saar über die unzerlegbaren ren Bewe ee a ee Frosestus: höre e Ableitung der 32 ungern Sonderabdrucke. I. an 1911. Prasck: zur Hypothese der Quantenemission . Jacosı: zur ang msn der indischen Philosophie . . er den Energi eumsatz = „Photochemischen Vorgängen in Gasen . moy ENDORFF: ein em Ancoratus des Epiphanios Wırx: Bestimmung der mittleren Bei Weglänge der Kanalstrahlen . von Wıramowırz-MoELLEnDoRFF und F. Zucker: zwei Ediete des Germanicus auf, einem Papyrus rliner Museums (hierzu Taf. V A. zu: die Tektonik des Feen Untergrundes Norddeusschlands . Hear 47: en wi an on en ren ein experimenteller Beweis für "die ioplas Scnorrky: über das Eurer’sche Ben . ScHortkyY: über die vier Jacopr’se| Ermax: ein Denkmal memphitischer Theolo SE Jaconı: zuaes Sprach- und Literarkitorisches a aus dem RR: .L NN: die nschriften des Königs J. Hzee: he bliches Diokleszitat are die Suckhgale von Acaneeh in Yucatan „bierzu "Taf. VI-XV ) EYER: zu den aramäischen Papyri von Elepha : : age e und die ee im Marss stem . Ersman: Denksteine aus der hebmeischen. ER (hierzu Taf. An F. Feeen und ©. Renz: Kreide und Trias i a- und Ötagebiet Ofirtelgriechenland) Marrexs: über die ] Mas rosser Kräfte im Materilprüfungsn C. Brockermass: zu den Inschriften des Kör nigs Kalum Sonderabdrucke, £ Halbjahr 1912. Scaur: über einen Satz von C. Caraımk ROBENIUS: Ableitung eines Sea von er Ks diver Fennel von Kronzcker . + J = =” s ” 7 E73 ” u, AL ana u ni. a Ta a | EIERN. SW 1912. | VE SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 1. Februar. (S. 99) vox Wıramowrrz-MortLexporrr: Mimnermos und Properz. (S. 100) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 1. Februar. (S. 123) Russer: Über die Betheiligung endocellularer Fermente am Energieverbrauch der Zelle. (S. 124) Nersst: Thermodynamik und speeifische Wärme. (S. 134) A. Evcxes: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. (S. 141) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. . Die Akademie gibt Fi Er 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Vebndihnnet heraus: der Fe Preussischen Akademie der Abhand n der Königlich Preussischen Akademie ungen ba ehe. Aus $2 de zur Aufnahme in die ‚Sitzungeberiche: ‚oder die Alihgen bestimmte Mittheilung m 1 Tzu rmittelung eines ihrem Fache angehörenden Peer Mitgliedes zu re andlungen 12 Druekbogen von je 8 Seiten in we gew Feen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen erschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffende ı Druck abschätzen zu lassen. Sollen einer Mittheilung Abbildun ngen im Text oder auf besonder beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, phot ographische Original- ahmen u.s. w. ) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzurei n. beiz füg = ei den Slksngsbörteheen 150 Mark, en } ee An Mark, so ist Vorberathu ung durch das Seeretariat En Nach der V Sr un ng nd Einreichung d .. » ” ® ® vollständigen Yorlauae u erh pts den var ÄÜ Aufnahme der Mittheilung in > akademischen Schriften, und zwar, wenn der anwesenden Mit- timmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel na Sitzungsberichte au n aan Classe die Aufnahme der Mittheilu edärf . green . 8 6. N Bes ri; I:.,Nn 1 enn es sich nicht bloss . um en Text ha indes It, Pe: Die erste ur ihrer Mittheilungen besorgen die rfasser. Fremde haben dies e rectur an das vorlegende lied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Correeturen Fremder bedürfen e Druckerei, und die . Big zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflich Aus $ 8. Von allen in die Kiachseibisishie oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftliehen Mittheilu ungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfass ser, von wissenschafilichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 h Erscheinen des be- ragen Beache ‚der Sitzungsherichte ausgegeben W werden, für den Buchhandel hergestellr. indess nur dann, w Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. Von den hen aus den ae erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Verheöimng ohne weiteres 50 Freie exemplare; er ist indess bere echtigt, zu glei auf Kosten der Akademie weitere Exe emplare bis zur Zahl noch = und auf seine Kosten noch weitere bis 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er a nn tig dem redigirenden Seeretar an- = igt hat; nscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der ei Akademi treffenden Classe. e Niehtm emplare und dürfen nach ee Anzeige se dem redigirender ee weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten Basen re Yon u s den Abhandlungen er- lt ein ass r, welcher Mitelei der ER Be zu ie iid nenn. Vertheilung ohne weit 30 Fre exemplare; er ist indess bere echtigt, zu ee Zuecii auf Kosten der See mie weitere Exemplare b von noch _ und auf seine Kosten we weit zur Zahl von 100 Ar ganzen er 230) abziet sofern er diene rechtzeitig g dem Heiden. Secreiiz osten noch mehr se. — Niel elite erhalten 30 Frei- ınd dürfen nach recht tzeitiger Anzeige bei dem ee nn weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen $ 17, Eine für die akade Stelle anderweitig, sei es aueh nur auszugs’ 8.3 des Umschl: ags.) chem a : ı Schriften be Stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener 99 SITZUNGSBERICHTE 1912. DER V. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1: Febman Sing Air phrase Older Vorsitzender Secretar: Hr. Diexs. “1. Hr. Sacnau las über die christliche Gesetzgebung für die Persis, vertreten durch die Erzbischöfe Jesubocht und Simeon. n besonderen wurden ihre Ansichten über Recht und Rechtspilege, ihre Be- mühungen um die Einrichtung der Ehe der persischen Christen nach christlichen Grund- sätzen, ihr Kampf gegen die Magierehe und Leviratsehe sowie ihre Bemühungen um die Sicherstellung Es Wittwe im Erbrecht erörtert. . Hr. von WıranowıTz-MOoELLENDORFF legte eine Abhandlung vor: a und Properz. Es wird untersucht, wie man sich das Gediehtbuch Nanno des Mimnermos zu denken hat. Da nach diesem Properz das seine Cynthia genannt hat, wird wahr- scheinlich, dass er sich in der Darstellung der eigenen Liebe an die classische Elegie der Griechen angeschlossen hat. 3. Hr. Kuno Meyer legte eine Abhandlung des verstorbenen Mit- gliedes Zimmer vor: Auf welchem Wege kamen die Goidelen vom Continent nach Irland. (Abh.) Der Verfasser bekämpft im einzelnen die hauptsächlich von Ruys vertretene An- sicht, dass die Goidelen zunächst Britannien erobert haben und von den nachrücken- den Britten nach Irland hinübergetrieben worden sind. 4. Hr. Harvack überreichte das ı. Heft der neu begründeten »Mit- teilungen aus der Königlichen Bibliothek«, enthaltend Briefe Friedrichs des Grossen an Thieriot hrsg. von E. Jacoss. Berlin 1912. iS Sitzungsberichte 1912. | % 100 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. Mimnermos und Properz. Von ULrıcH von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF. Von Mimnermos steht bei Stobäus Flor. VIL ıı eine merkwürdige Versreihe. Of MEN AH KEINOY TE MENOC Kal ÄFHNOPA 8YMOöN TOION EMme? TIPOTEPWN TTIEYEOMAI, Of MIN TAON AYaQn INTIomAxWN TIYKINÄc KAONEONTA ®ÄHAATTAC "EPMION ÄM TIEAION SÜTA BEPEMMEAIHN. 5 TOP MEN ÄP’ oYTIOTE TIÄMTIAN EMEMYATo TTarnic AsanH APIMY MENOC KPAAIHC, efo’ ör ANA TIPOMÄXOYC CEYAIG AIMATÖENTOC EN FCMinHi TTOnEMOIO TIKPA BIAZÖMENOC AYCMEN&WN BEAEA. 07 TÄP TIC KEINOY AHiwN ET’ ÄMEINÖTEPOC »Üuc 10 ECKEN ETTEPXEeCcEAI ®YAÖTTIAOC KPATEPÄC EPFON, OT’ AYrÄlcın #erer W@KEeoc Henloıo. Sehen wir von dem allein anstößigen' Verse 9 zunächst ab, so ergibt sich, daß der Dichter das Andenken eines Verstorbenen gegen den Vorwurf der Feigheit verteidigt; der Name mußte vorher genannt unter den Sonnenstrahlen bewegte, gab es keinen besseren Kämpfer. « Es ist mir schlechthin unerfindlich, weshalb man den letzten Vers mit gewaltsamen Änderungen heimsucht und Hesse ihn nur stehen läßt, weil Stobäus ihn so verstanden hätte, wie er allein verstanden a leiden wollte, ist nieht unsere Sache ihm vorzuschreiben. a | ‘6.7 hat Scasrivewin 67° und ceYHe’ verbessert: Bersx sah die Tapferkeit des Mann 8 irgendwer BIAZoMenoY. er und ließ ihn sieh dafür »gleich d es darin, daß er den (ieschossen auswich (ANAZÖMENOcC), en Sonnenstrahlen « bewegen (11 eikenoc für &reoc). von WıramowrrZz-MOELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 101 V. 9 scheint zu stehen, daß keiner der Feinde (arıön) tüchtiger war; das wird mit Recht beanstandet, da es den Mann gegen seine Kameraden offenbar herabsetzt‘. Brrek hat die leichte Verbesserung aHön gefunden, aber aufgegeben, und wenn es nötig wäre, wie er wohl annahm, da er »i. q. naön« zusetzt, noch weiter zu ändern, so wäre es freilich um die Probabilität geschehen. Aber gerade den Ionismus begrüßen wir mit besonderer Freude, denn a#6ı ist für Hip- ponax bezeugt und stand wohl auch bei Hekataios’, der den Herakles Eypvce&wce aHön nannte, seinen Dienstmann. Eben diese Stelle erklärt die des Mimnermos am besten. Der Mann, von dem er spricht, war ein seremmenikc, ein Hoplit: die Kolophonier waren vorwiegend Reiter, und nur die zahlreiche hochbegüterte Bevölkerung besaß die bürgerlichen Rechte”. Die raoi Homers leben am Ende fort in den barbarischen rAol, die mit dem Boden, den sie bebauen, den Königen Lydiens oder Persiens oder aber den griechischen Städten gehören, hörig sind‘: hier schen wir einmal in die Verhältnisse der Zwischen- zeit. Das vorsolonische Athen würde den Mann einen AHmöTHc ge- nannt haben, und auch seine rechtliche Stellung wäre dort ziemlich dieselbe gewesen. Der Kampf, in dem sich jener Hoplit so brav hielt, hatte mehr als ein Menschenalter früher in der Ebene nördlich von Smyrna statt- gefunden; das führt auf die Kriege mit Gyges, die Mimnermos in einem Gedichte behandelt hatte, das umfänglich gewesen sein muß, da es eine Einleitung hatte, in der er die älteren Musen, Töchter des Uranos, von denen des Zeus unterschied’. Man kann sich nicht leicht denken, daß die Ehrenrettung eines einzelnen sich in ein solches Ge- dicht fügte; aber unmöglich wird man es nicht nennen. Der besondere Wert der Versreihe liegt darin, daß sie uns zeigt, a die altionische Elegie sich durchaus nicht bloß in den Gremein- Be ER muß auch das folgende &r’ Ameinörteroc eüc werden, da Erı sinn- los ist; aber TöTe ist Flickwerk und arıon Em kann ich überhaupt nicht für griechisch halten. Ich glaube, daß &rrameinöteroc das Wahre ist. Als Eigenname ist ‘Er AMEINWN } SO gebräuchlich, daß man seine Verwendung als Adjektiv erschließen muß. Gewib eißt es »einer der als besserer herzukommt«, und es ist hübsch, wenn so ein | Vater seinen Sohn nennt. Aber wen man vergleicht, der kommt auch herzu, und ErIaeYTeroc wird ja mit gleicher Verwendung der Präposition gesagt; "ErrAraeoc ist auch alt. Kühn, aber verständlich, heißt in einem Geschlechte, das seine Namen vom Wolfe zu nehmen pflegte, ein Sohn ‘Eriaykoc, ein altattischer Name. Br Herodian in den homerischen Epimerismen, ÜRAner, An. Ox. 1265. Das über- aeg ae6n ist nicht glaublich. Lrw'rz, Herod. 1208 hat stillschweigend AAön gesetzt. ud . ‚der herrschenden Klasse bei Aristoteles entsprechen. u y * Ros rowzEw, Kolonat 261, wo auch die Stelle des Hekataios nicht überschen Be » Er.ız, Pausanias IX, 29, 4 aus . Tradition. B. x Aristoteles Pol. A 1290b, im Auszuge der Politieen Herakleides 51. Xeno- ie n | a bei Phylarch (Athen. 526), wo die Tausend, deren Üppigkeit: ir en . 102 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. plätzen bewegte, die naturgemäß in den Florilegien vorwiegen, son- dern ganz wie der lambus persönliche konkrete Dinge behandelte. Wir sehen in die Gesellschaft hinein, der Mimnermos selbst angehört, der zwar hoch über dem Gassendichter Hipponax rangiert, aber doch nicht nur unterhalb von Kallinos, der die Jugend von Ephesos zu den Waffen ruft, und Semonides dem Führer einer Kolonie, sondern auch unter dem Bastard eines adligen Pariers Archilochos. War er doch ein Flötenspieler von Beruf, der bei den Ioniern sowenig wie in Athen oder Sparta zur Gesellschaft gehörte (Böotien und Argos denken darin anders), und seine Geliebte mit dem asiatischen Namen Nanno trieb dasselbe Handwerk; eine solche movcoypröc war überall deklassiert. Das beste Zeugnis für die Umgebung des Mimnermos gibt sein Landsmann Hermesianax KAlETO men NANNOoFc, TIonidı A” em TOAnÄKı AWTOı KHMWeeic KWMoyc Eixe cYn "EzamvH, Hpese A’ "EpmöBion TON Äcl BAaPpyn Ha DepeknÄn 4° EXEPÖN, MICHcAc OT ÄNeTIEMYeNn Errm!. Die Personen stammen selbstverständlich aus den Gedichten des Mimnermos, der Examyes mit dem karischen Namen (der vielleicht auch Iydisch war) stimmt zu Nanno: Pherekles war also auch als Dichter Konkurrent des Mimnermos. Kolophon ist ja für die Poesie der ältesten Zeit entschieden die Hauptstadt Ioniens; da sind Homer oder doch Melesigenes zu Hause, und der Margites macht den Über- gang vom heroischen Epos zum Iambus. Von da stammt Polymnestos’, der einzige Dichter von lonıxa, dessen Werke ins Mutterland dringen; über einen Theodoros kannte Aristoteles noch eine Geschichte, die er in die kolophonische Politie aufnahm, und wußte, daß ein laszives Ge- dicht von ihm noch im Volksmunde lebendig war (Athen. 618f.). Man muß sich klarmachen, daß die Elegie und das Lied in Kolophon ge- pflegt Würden, in Lesbos nur das Lied; in Paros wendet Archilochos di Elepie mit vielen Nebenformen und den Iambus an, und dieser 39 ist überliefert Hanxeee A’ 'Erm. 7 ; i nn -A.B. OYAE ©. Das läßt sich heilen, wenn man an die Athenäusüberlieferung fast von selbst in eee um - i BER i a f ei ‚ und in Hxese ist dann in Wahrheit nur ei chstabe zu ändern. Der Schreiber, der, a a sich von dem folgenden &xerön leiten und hielt sein & von EXew. Epeew ist zwar. das homerische Wort keinen Anstoß Textgesch. d. Lye.r, 0. ; x8ee für eine poetische Form was er als HPpeee las, verständlich machen wollte, ließ en ganz durch &peeizw ersetzt, aber in Kolophon gibt Be SER a na ar a ae ee er 5 er 2 ET en Kae rer a Ba ri: ae Al von WILAMowITZ-MOELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 103 Reichtum ist freilich Lesbiern und Ioniern überlegen. Indessen das Leben, dem diese Dichtung dient, sieht nur verschieden aus, weil die Diehter ihrer nächsten Umgebung, dem Momente und ihrer eigenen Natur sich völlig hingeben. Eben darum stehen sie ihm ganz gleich gegenüber, und es ist auch im Grunde dasselbe Leben; sie nehmen nur eine andere Stellung darin ein. Dura navis, dura fugae mala, dura belli suchen den Archilochos ebenso heim wie den Alkaios, während Mimnermos behaglich im Schutze der großen Stadt lebt und, seiner sozialen Position gemäß, an der Politik des Tages keinen tätigen Anteil nimmt; aber das Gedächtnis an tatkräftigere Zeiten hielt er doch in Ehren. Wesentlich ist dagegen der formelle Unterschied, den in Kolophon die homerische Tradition hervorruft, die auf Lesbos und den Kykladen fehlt. Sie hat auch bewirkt, daß die Heldensage be- rücksichtigt wird, die den Lesbiern fast ganz gleichgültig ist, doch ist mindestens nicht nachweisbar, daß Mimnermos Geschichten erzählt hat wie Antimachos und die hellenistische Elegie'. Es ist bezeichnend, daß die Grammatiker den Vater des Mimner- mos nicht kannten, so daß ein seltsames Mißverständnis ihn in der solonischen Bezeichnung aıryaıcräanc suchte. Seitdem Diers” diese kühne Wortbildung schön erläutert hat, wissen wir, daß die Anerkennung der Vorzüge des Dichters die Stelle des Geschlechtsnamens einnimmt, dürfen dann aber auch nicht zögern, die Folgerungen für die soziale Stellung des Dichters in seiner ständisch geordneten Gemeinde zu ziehen. Daß er ein Plebejer war und ein Flötenspieler dazu, brauchte nicht zu hindern, daß er die Mittel zu einem Leben des Grenusses besaß oder fand. Mit Recht hat Epvarn Meyer’ getadelt (auch ich habe mich getroffen gefühlt), daß in der Anrede Solons etwas anderes ! Fr. ıı fängt an »auch lason würde nieht zurückgekommen sein«. Die Be- dingung re wir nicht, aber offenbar war die heroische Geschichte als Beispiel für etwas herangezogen, das den Dichter selbst anging, und dann verweilte er länger bei den Argonauten, wirklich wie in der römischen Elegie. Über die wenigen Stellen, welche die Sammler mythographischer Varianten notiert haben (Fr. 19, 21, 22), ist natürlich nichts zu wissen, so wertvoll jedes solches Zeugnis aus vorattischer Zeit ist. Sehr seltsam ist der Gew ur Mimnermos, den nur die Lykophronscholien 610 für eine Geschichte bieten, die in den Homerscholien BT D zu E yı2 ebenso steht. Da wird man sich hüten, zuviel “ Mimnermos in Anspruch zu nehmen. Im Ven. A ist das Blatt ausgerissen, aber man darf zum Ersatze aus T die Notiz Tön KomhtorY rIbeon 0oYKk Ölen d noımTäc für aristarchisch rıpde ToYc newteroyc halten; dann mag Mimnermos. 2 mit diesen gemeint sein, wodurch aus der langen Geschichte ihm gerade so viel ZU ällt, wie man ihm zutrauen kann, daß Aphrodite den Diomedes für ihre Verw rn durch en Ehebruch seiner ge init dem Sohne des Sthenelos bestrafte. Herin. 37,452. Dort sind auch die Datierungen bei Suidas richtig an das Zitat ” Solon zurückgeführt, , RT die einen ihn mit Solon. auf die en W se gen die Kader n eine rn früher. a er : a N e Altertums I, ©. onides die Disticha vor den anderı 104 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. gefunden ward als die Mahnung des berühmten alten Mannes an den Jungen Mann, der sich den Tod mit sechzig Jahren wünschte, weil er für ihn noch so weit in der Ferne lag. Es hat also der antike Ansatz recht, der Mimnermos auf die Epoche der sieben Weisen, d.h. auf die Sonnenfinsternis des Thales, 58 5, datierte, und keine andere als eben diese wird er erwähnt haben (Fr. 20). Hätten sich die antiken Gelehrten um die Kritik und Erklärung der Gedichte bekümmert, so hätten sie sicherlich genaueres ermitteln können‘. Ich habe Kolophon als Heimat des Mimnermos behandelt, wie wir das gewohnt sind; es wird wohl auch schon klar geworden sein, daß seine Elegie nieht auf dem ursprünglich äolischen Boden von Smyrna wachsen konnte. Wenn Strabon ihn als Kolophonier führt und dasselbe in der Chrestomathie des Proklos steht, bei Suidas-Hesych an erster Stelle, so ist es die geltende Lehre der alexandrinischen Grammatik gewesen, und man soll es sieh zweimal überlegen, ehe man von dieser abweicht. Aber auch schon für Hermesianax von Kolophon ist Mimnermos offenbar der berühmteste Landsmann gewesen, wenn er hinter Homer und Hesiod »«en Erfinder der Elegie’« Mimnermos und den Antimachos aufführt; daß er bei diesem die Heimat Kolophon nennt, hat den zufälligen Grund, daß er sich seine Geliebte aus dem fernen Lydien holte. Wenn bei Suidas die Varianten stehn A Cmve- naioc A Actyrıanaıerc, so ist das letztere ganz unverständlich; ein Smyr- näer konnte gewiß zum Kolophonier werden, sei es weil Smyrna von Kolophon besiedelt war, sei es weil er sich nach Smyrnas Vernich- tung durch die Lyder (die in die Lebenszeit des Mimnermos fällt?) dorthin rettete. Aber genau ebensogut konnte sich in der Kaiserzeit Smyrna, die Großstadt, einen berühmten Kolophonier annektieren, weil Kolophon ganz verkommen war. Das wird wirklich geschehen sein, wenn der Stein CIG. 3 376, auf dem ein Mimnepmeion erwähnt wird, aus ' Smyrna stammte, yon wo er im 17. Jahrhundert nach England ge- kommen ist. Aber die gebildeten Kreise haben diese Annexion nicht mitgemacht, sonst würde der beredte Verkünder von Smyrnas Ruhmes- titeln Aristeides nicht von diesem Mitbürger schweigen. Gegen die Autorität der Zeiten, welche (den Mimnermos lasen, kommen diese In- stanzen wahrhaftig nicht auf. ; Freilich wenn seine eigenen Verse ein unzweideutiges Zeugnis ab- gäben, müßten alle solche Erwä ah extgesch. d. Lyriker 51 ff. ’ ® Das hat gewiß wenig Ilermesianax kein älterer Elegiker bekannt war, d.h. daß bei Archilochos und Semo- Man; kan ala : ie ganz verschwanden und Kallinos obskur war. & 2 sie nieh u f SH j ? 4 . ee = wo : Mudlers als unter Alyattes ansetzen. Sitz.-Ber. 1906 Ben gungen schweigen. Aber was ist daran zu bedeuten, aber doch so viel, daß den Lesern des ENG von Wıramowıirz-MoELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 105 wunderbar, wenn ein Kolophonier ein Gedicht auf die alten Lyder- kämpfe der Smyrnäer macht, und von einem Hopliten erzählt, der sich in diesem Kriege brav gehalten hatte? Dieser Mann mag ein Smyrnäer gewesen sein; wir wissen das nicht; notwendig ist es auch nicht; denn wer sagt uns, daß die Nachbarn nicht den Smyrnäern bei- standen? Ist Archilochos nicht aus Paros, weil er sagt knalw TA Baclun 0oY TA MarnHtwn KakA? Mimnermos hat von den Amazonen erzählt, vielleicht weil Smyrna nach einer Amazone heißt'; er hat auch An- draimon, den Gründer von Kolophon, erwähnt (Fr. 10). So hängt am 4 Ende alles an der Versreihe, die Strabon oder vielmehr Artemidoros 1 von Ephesos” für die alte Geschichte von Smyrna anführt (Strab. 634, Fr.9) xai Mimnermoc En TAı Nannol »rAzeı MNHCeEIc TI TIEPIMÄXHTOC ÄeI, erreite TTYyaon NHanıon ÄctY AITMÖNTECc IMePTHN ÄCIHN NHYCIN ÄPIKÖMESA &c A’ Epatın Konoo@nA BIHN YTIEPOTIAON EXONTEC Ezömee’ ÄPFARAEHC YBPIOC HrEMÖNEC, KEIBEN AIACTHENTOC” ÄTIOPNYMENOI TIOTAMOIO BEON BOYAHI CMYPNHN EirAOMEN Älonliaa. Es ist Nıeszs Verdienst (Emendd. Strabon. Marburg 78), die Über- lieferung gegen die interpolierte Vulgata in ihr Recht eingesetzt zu haben; nur meinte er noch, daß sie der Verbesserung bedürfte. Und doch liegt der Anstoß allein darin, daß Strabon die Verse in seine Rede verflicht; wenn wir nieht die Sitte hätten, sie als solche abzu- ! Zu dem Sprichwort ÄPıcTa xwndc cisel (bei den Gröttingern Bee il 3), fügt das a Bruchstück des Zenobios (Urvusıvs, Münch. Sitz.- I 4, 15) die Anga % MEMNHTAI TÄC TrAPoImiac Mimnermoc. Das braucht nicht hr zu ee als eine Anspielung, aber es kann auf die niedliche Geschichte von der Amazonen- ee Antianeira gehen, > mit dieser Hindeutung auf ihre Sclaven die Werbung der Skythen abweist, deren unverstümmelte Körper ihr gar nicht imponieren. Nar eins ist klar, daß die we nicht von Mimnermos herr ühren, erstens me oiwein den »halbverwischten Spuren« von Jamben bei Mimnermos,. von denen Ürusıus S. 77 redet, wird man schon deshalb nicht trauen, weil er gleichzeitig den falschen Hexa- meterschluß ArıcTa rAP oieei zur Wahl stellt 5 un: zeigt. ae a darin, ii Suyron auf. einen nn Fleck in demn ach wird die ganze KTicic 'loniac bei Ateakun Anne Her un in. Daß hier ein ee stand, ist niemals zweifelhaft gewesen; den Bach, von em man a t, um Smyrna von Kol er on zu | hat are OB: griechischen Flußnamen noch zur Überlieferung des Girsbonkiniien: Danos hat er = vermutet, was anspree ‘hend ist, weil es das ac zu ak macht; es =. freilich ee : von Äkt4 Küste, sondern von Acta Hollunder her ‚kommen. A Ansprechendes könnte en mehr Vorträgen, wenn es nicht allein auf die Wall ankäne kein ionisches, sondern ein dorisches Wort ist, zweitens weil es lamben sind. Denn 106 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912, setzen, würde sich niemand wundern, daß das Zitat mitten im Verse einsetzt; an dem Fehlen des Verbum substantivum ist doch nichts verwunderlich; daß das so gut ionische, herodoteische &neire zerstört wird, ist wahrlich viel weniger entschuldbar. Strabon berichtet also, daß bei Mimnermos stand: »Um Smyrna wird immer gekämpft, seit wir, die Auswanderer von Pylos, die nun in Kolophon sitzen, es den Äolern abgenommen haben.« Der Gegensatz von &zömeea und einomen ist ganz unzweideutig; jedes natürliche Verständnis kann nur schließen, daß hier ein Kolophonier redet, und als den Redenden werden wir. doch den Mimnermos ansehen, wenn das auch nicht absolut not- wendig ist. Aus dem Ael merımAxHToc folgt weiter, daß andere genannt waren, denen Smyrna begehrenswert war, also die Lyder. Es ist sehr gut denkbar, daß sie Smyına bereits genommen hatten, und daß die Verse aus dem Gedichte über die Kämpfe mit Gyges stammen, ist nicht minder denkbar; es läßt sich nur nicht entscheiden. Ganz besonders merkwürdig dünkt mich, daß Jemand, der zu ihrem Volke gehört, von den Pyliern, die sich in Kolophon festsetzten, sagen konnte Apranenc Yarıoc hremönec. Ein übles Kompliment, denn wer denkt nicht sofort an Theognis ı 103 Yarıc ka) MÄTNHTAcC Ärwnece Kal Kono- ona Kal Cuypnun’; zu dem Ausdruck stellt sich 1082 Anara YBPICTÄN, XAAETIÄC Aremöna cTÄcıoc. Wer so an den Kolophoniern die arge, freche Überheblichkeit hervorhebt, der erzählt nicht die Gründung von Sınyrna, sondern leitet einen Schaden der Gegenwart aus den Sünden der Väter her. Gewaltige Kraft, ein Yrıeporraoc, hatten seine Vorfahren, aber ! Durch ein seltsames Mißverständnis hat Inmisc#, Klaros ı Gewaltsamkeit der Besitzergreifung bezogen. Und wenn die schlugen, so war dies grausame Kriegsrecht keine für sie keine Apraneh. Es folgt die Anwendung rIÄnTwc KYPpne Kai YmM' Ärıonei, den wohl mancher in mancher Stadt beim W erstens daß die Mahnungen des Ritters 'T gegriffen waren, daß jede allgemeine 1 Diese Voraussetzung macht ja die 43, dies auf die Ansiedler alle Karer tot- Yepıc, und wenn YePic, immer noch Das war ein Spruch, ein vortragen konnte; er setzt aber voraus, :n die alten Klagen um den Untergang der ionischen im Gedächtnis leben. | die ihn miterlebten, diese K] in kleinen Stücken selbst, meist aber umgearbeitet, in der Spruchpoesie weitergegeben wurden. An dem Buch, das wir als Theognis lesen, ist ja mindestens ebenso in- teressant wie das Gut des. Theognis, dessen Buch, weil es das in Grundstock bildet, was sich aus einer iel i 6 MET ganz anonym war, vermut- FRI er > Wir rauchen dringend einen Kommentar, der jedes einzelne Stück richtig einreiht; erst dann wird selbst das, was von vielen ganz richtig beobachtet ist, für die allgemeine, namentlich auch die historische Forschung fruchtbar werden. von WILAMOWTTZ-MOELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 107 sie gingen auch voran auf dem Wege der Zuchtlosigkeit: deutet das nicht auf eine Zeit, die Rückschläge erfahren hatte? Wird nicht, wer an die rpye# der Kolophonier denkt, die Xenophanes schildert, und an die Oligarchie der 1000, die Aristoteles beschreibt, in diesen Worten die Stimmung eines Mannes aus dem Volke finden, der den Adel seiner Zeit, der ihn drückt, mit der Charakterisierung der Ahnen treffen will? Wahrlich, die Verse beweisen keineswegs, daß Mimnermos Smyrnäer war; sie lehren vielmehr, wie der Kolophonier über die Aristokratie dachte, die zwar ihre Macht rücksichtslos zu genießen, aber dem Lyder gegenüber das Feld nicht zu behaupten verstand und Smyrna zugrunde gehen ließ. Mimnermos hatte am Staate keinen Anteil; er begehrte ihn aber auch nicht, sondern genoß, was das ionische Leben ihm bot. Hübsch sagt das ein Spruch, der Gott weiß wie in die Anthologie IX, 50 geraten ist (Fr. 7) THN CAYTOY ®PENA TEPTIE, AYCHAETEWN A& TIOAITÜN ÄANOC TIC CE KAKÖC, ÄAAOC ÄMEINON EPei. Die Eehtheit ist glaublich, und hübsch ist der Sinn: »Lebe nach deinem Pläsir, die lieben Nächsten werden doch mehr oder weniger lästern.« Bei Theognis 793 steht davor MÄTE TINÄ ZEINWN AHAEYMENOC EPFMACI AYFPOIC MHTE TIN ENAHMWN, AANA AIKAIOC EWN — THN CAYTOY ®PENA TEPTIE. Nun ist es durch eine gedehnte Mahnung zur Gesetzlichkeit für die moralische Paränese zugerichtet, aber man merkt die Appretur. Statt auf die Vermehrung der Reste der älteren Dichter sollte man auf die Entlarvung der moralisierenden Überarbeitung sein Augen- merk richten, die so vieles in der Ey ri flach und fade gemacht hat'. Bei Stobäus 116, ı4 stehen die anmutigen Verse des Mimnermos, die Euripides Herakl. 638 vor Augen hat. ÄAN ÖANITOXPÖNION TIFNETAI WCTIEP ÖNAP HBH TIMHeccA, TÖ A ÄPFTAAEON Kal ÄMOPSON rAPAac YrIep Kesanfc AYTix" YIIEPKPEMATAI Exerön Ömbc Kal ÄTIMoN, 6 T ÄFNWCTON TIeet ÄNAPA, BAÄTITEI A’ ÖoeAnmoYC Kai NÖON Aneixyacn. ss Gut darüber HEINEMANN, Herin. 34, 590, wo auch der oben zitierte Ve ers 1082 2 i * mit Recht auf efeyntAra Karhc Yerioc AmEeTePHc, 40, zurückgeführt wird: da erwartet Be ‚sorgte Aristokrat, daß ein Tvrann die Yerıc der führenden Männer seines. ‚Standes ur Raison bringen werde. D. h. oYkertı rırnöckeraı ÄNHP ÖN. 108 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. Das ergänzt man aus Theognis 1017—24 vorn um die Verse AYTIKA MOI KATÄ MEN XPOoIhNn Peei ÄcrieToc Tapuc, TTTOIÖMAI A EcoP@N ÄNEOC ÖMHAIKIHC TEPTINÖN ÖMÖC KA! KAAÖN, ETTEI TINEON Denen EINAI. Aber das erste Distichon kann man, Sapphos eingedenk, doch nur auf die Erregung durch den Anblick der Schönheit deuten: und doch zwingt der dritte Vers, der mit &riel rıneon üsenen einaı den Über- gang zu den Mimnermosversen bildet, zu der Auffassung »ich ver- gehe vor Bedauern, wenn ich jugendliche Schönheit sehe, weil ich an das drohende Alter denken muß«. Das ist nichts als eine Miß- deutung, und der Vers 1019, im ersten Teile über den Leisten von ' Mimnermos 4 geschlagen, im zweiten geradezu schäbig, ist nichts als der Gips, der die beiden alten Stücke des Pasticeio zusammenklebt'!. Von anderen Versuchen, Mimnermos aus T heognis zu bereichern°, schweigeich, weil sie nicht in die Fragmentsammlungen Eingang gefunden haben. Mit der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, daß wir im Theognis- buche Verse des Mimnermos und Solon lesen, ist eben praktisch auch nicht das mindeste gewonnen. Der Spruch TAN caYToP orena Terrıe ist in sich abgeschlossen; das berühmteste Stück des Dichters, Fr. ı, ric ae Bloc, TI A& TEPTINÖN ÄTep xpychc Aoroaituc, das mit oYTwc Apraneon rÄPac konke ecöc schließt, gibt auch einen vollkommen abgerundeten Gedanken. Wir haben freilich so wenig von der alten Elegie, daß die Möglichkeit offen bleibt, die Stücke hätten in längeren Gedichten gestanden; aber das einzige Buch, das wir haben, die Theognissammlung, gibt solche Stücke, große und kleine; hintereinander stehen sie, gesondert einst durch die Paragra- phos, und ein verbindendes a& steht auch oft genug, wo eine neue Gedankenreihe anfängt. In solcher Gestalt haben die Alexandriner ohne Zweifel den Mimnermos gelesen; und wenn wir keine Antwort erlangen, so ist es doch schon ein Gewinn, daß wir angesichts der antiken Hand- schriften, z. B. des Alkaios, der inschriftlichen längeren Gedichte, der aufgerollten Bücher auf den Vasenbildern die Frage aufwerfen können, ob der Dichter selbst seine Verse so veröffentlicht hat, oder sie doch in solcher Weise aufgezeichnet schon zu Solon und Euripides kamen, und mindestens für die Zeit des Euripides muß die Frage bejaht werden. Ich habe mich wohl gehütet, mehr als die echten V. vor zwanzig Jahren die Euripidesstelle erklärte; sie ist Geltung des Mimnermos in Ath 2 erse anzuführen, als ich der einzige Beleg für die en. So hat Brasz Theogn. 1069, 70 mit Fr. 6 verbinden wol jeden Anhalt für die Verbindung, sondern auch dafür, daß der unvollständig wäre, len, nieht nur ohne Spruch bei Theognis RER ee EB N von Wıramowrrz-MOELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 109 Die meisten Zitate fügen den Titel Nanno bei; kein anderer, auch kein en &nerelaıc kommt daneben vor. Aber Porphyrio zu Horaz Ep.II ı, 102 gibt an, daß Mimnermos zwei Bücher geschrieben hätte, und wie sollte er sich das aus den Fingern gesogen haben? Nur vermögen wir nicht zu sondern. Daß ein Dichter solonischer Zeit seinem Buche, falls er eins machte, einen Titel gab wie Immiac TTaATwnoc, Korıannö &erekpAtovc ist undenkbar; dagegen ist Avan Antımäxov der Zeit dieses Diehters ganz angemessen, und Acönrıon "EPMHCIANAKTOC Setzt sie voraus: auch gebraucht Asklepiades IX, 63 den Titel Ayar. Nach diesem Vorbilde ist das Elegienbuch des älteren Kolophoniers be- nannt, wenn nicht zusammengestellt. Wir dürfen nicht vergessen, daß das ursprüngliche, von dem Diehter, wie der Epilog lehrt‘, selbst zusammengestellte Buch des Theognis mit Fug und Recht den Titel Kvpnoc tragen könnte. Die Alexandriner haben also die Gedichte des Mimnermos weder zusammengestellt noch den T itel erfunden; beides ist älter, der Titel konnte aber auch dem Elegienbuche, ohne daran zu än- dern, nach der Lyde gegeben werden. Wie dem auch sei, wir werden nieht fehlgehen, wenn wir die Nanno uns dem Kyrnos ähnlich denken, die Lyde? eher nach der Leontion, also breiter ausgesponnene Ge- dichte, vielleicht bis zur Einheit des Buches wie in den Aitia; den erotischen Charakter mußte die Trauer um den Verlust der Geliebten dämpfen, wo nicht aufheben, und diese Stimmung wenigstens lehrt Hermesianax. In der augusteischen Zeit ist Mimnermos zum mindesten ein klangvoller Name; Strabon bringt die Verse freilich wohl alle aus zweiter Hand’, und wenn Horaz Ep. 16,65 den Bekenner des sioc sinfhaonoc nennt, so zeigt Plutarch de virt. moral. 445e, daß die Popular- philosophie ihm das liefern konnte. Auch wenn Properz (19, 12) den Erotiker Mimnermos dem Epiker entgegenstellt, beweist das noch keine Kenntnis der Gedichte. Aber bei Philodem werden wir sie nicht bezweifeln, wenn er, Anth. AU ı68, beim Symposion befiehlt I 237fl. Schon daß er ein solches B zeit des T’heognis auf dieselbe Zeit, die auch durch 775 garantiert wird. i 2 Wir können über das Gedicht, das mindestens zwei Bücher hatte, in Wahrheit gar nichts sagen, als daß es der toten Lyde gewidmet war und viel Mytbisches ent- hielt. Schon das darf unser Urteil nicht beirren, daß sich so viele Fragmente auf die Argonautensage beziehen; es liegt ja daran, daß die Apolloniosscholien der einzige Kommentar sind, der die Lyde ausgiebig benutzt. Außer Grammatikern, die ihre Zitate immer älteren Arbeiten verdanken können, kenne ich niemand nach Philodem, der die Lyde gelesen haben müßte. nn 3 Aus Demetrios von Skepsis nimmt er Fr.ır, das lange Stück über die Argo- n stammt Fr. 18 bei Athenäus. Die Einführung des Zitates die zweite Versreihe uch machen konnte, bestimmt die Lebens- fahrt, 146; aus demselbe nn bei Strabon habe ich bei Gaepe, Demetr. Skeps. 46 gerechtfertigt; ist allerdings sehr salopp angefügt, wenn nieht etwas fehlt. 110 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. Nannofc Kai Ayahc Ertixeı AYO Kal ®InEPÄCTOY Mımn&pmoY Kal TO? CWEPONOC ÄNTIMAXOY. Und wahrscheinlich ist es gewiß auch von Properz und Horaz, wäh- rend aus der späteren Zeit mir nicht die geringste Spur bekannt ist'. Ich teile die Ansicht, welche es auf den dem Horaz not- wendig antipathischen Properz bezieht, wenn er im Florusbrief' 100 den römischen Elegiker zuerst als Kallimachos bekomplimentiert, si plus adposcere visus, fit Mimnermus et optivo cognomine crescit, d. h. er avanciert in derselben Gattung vom »Alexandriner« zum Klassiker. An die Klassiker hatte sich eben Horaz mit energischer Abkehr von der hellenistischen Weise angeschlossen; er wird den Abstand der properzischen Dichtung von der alten Elegie der Griechen stark emp- funden haben, und das optirum cognomen war eine treffende Bosheit, um so treffender, wenn Properz oder seine Bewunderer ihn als neuen Mimnermos gegen den neuen Alkaios ausspielten. Properz selbst hat häufig als seine Vorbilder Kallimachos und Philitas® bezeichnet, aber schon ehe er selbst Aitia zu diehten anfängt, bezieht er sich auf diese Elegien, wenn er non inflati somnia Callimachi sagt‘. Die Aitia konnten für einen Erotiker wie Properz in der Tat ergiebig sein, wie die Kydippe gelehrt hat‘; aber von eignen Lieb- schaften des Kallimachos war aus ihnen nichts zu holen; die steckten allein in den Epigrammen und galten außerdem der sinöraic Nöcoc, wie sie Kallimachos selbst nennt, und von der war Properz frei. Die Zusammenstellung mit Kallimachos führt also nicht von fern darauf, ! Die Funde in Ägypten, Korinna, Kerkidas, Satyros, so manches Seltene, das Athenäus aus eigener Lektüre hat, endlich die unschätzbaren Mitteilungen des Simplikios beweisen freilich die Existenz ‘einer Menge von Werken, die im allgemeinen nicht mehr bekannt waren. Was aber in den Bibliotheken vorhanden war, konnte immer 'inmal ein fleißiger Mensch zur Hand nehmen. Die Chronik des Eusebius verzeichnet den Mimnermos nicht. 2 Daß ein Grieche sehr wohl ®inAtkc heißen konnte und mancher so geheißen hat, bedurfte keines Beweises, kann aber unmöglich etwas daran ändern, daß der Sohn des Telephos aus Kos ®iirac hieß. Die lateinische Überl Eigennamen öfter vorkommt. bei Properz das Richtige bewahrt. ı bei Athenäus zu n geworden ist, wird durch N allein durch diesen, gesichert. 1 34, 32. Ganz feierlich beginnt III ı Callimachi manes et Coi sacra poetae. Ähn- lich III 9, 44 (aus treffender Konjektur) und IV 6, 35 Properz wiederholt sich ja kaum weniger als Ovid. Alle diese Bekenntnisse zu den beiden Elegikern finden sich erst vom zweiten Buche an, d.h. als ihn Maecenas an sich gezogen hatte und ihm mit der Zu- mutung, patriotische Epen zu dichten, lästig fiel, wie das seine Art w * Mit dem Gegensatze von subjektiver und keinen Hund vom Öfen, wie N ER „1 I hai : ieferung hat, wie das bei Auch "Hpwıaac, dessen Plinius Epist. IV 3,4, allerdings nicht | objektiver Liebeselegie lockt man denn solche Schlagwörter dem Verständnis der lebendigen vi he gen immer schaden. Was der Kydippe und aller kallimacheischen Poesie allein Reiz verleiht, ist die subjektive Behandlung des einst um seiner selbst ‚willen, also objektiv, behandelten Stoffes, vn > 0 u ED von WıLamowrrz-MOoELLENDORFF! Mimnermos und Properz. 1ll in Philitas einen Erotiker im Stile des Properz zu finden, und wenn die Muse diesen Philitea aqua zum Dichter der erotischen Elegie weiht (IH 3, 51), so ist nicht gesagt, daß sie nieht aqua Callimachea eben- sogut hätte nehmen können. Ovid Trist. I 6 beginnt den ersten Brief an seine Gattin: non tantum Clario Lyde dilecta poetae, nee tantum Coo Bittis amata suast, und redet Ex Ponto III ı,68 ähnlich. Daraus habe ich immer ge- schlossen, daß Bittis die Frau des Philitas war, da ich Ovid nicht zutraue, die seine mit einer Dame vom Schlage der Nanno oder Cyn- thia zu vergleichen'. Birric ist ja auch ein guter bürgerlicher Name, der noch dazu auf Kos in Bıriäc, Birun, Birraroc seine Verwandten hat. Hermesianax läßt freilich den Philitas Bırtiaa sohn” besingen; aber darum braucht sie keine Hetäre gewesen zu sein (Leontion übri- gens auch nicht); er wollte dem Zeitgenossen, der wohl gar noch lebte, ie Ehre erweisen, in der Reihe der erlauchten Dichter zu figurieren®; dazu mußte er ihn als Verliebten einführen. Zur Rechtfertigung 8° nügte ein Gedicht auf seine Frau, wie er eins auf seinen Vater Tele- phos gemacht hat, und das kann meinetwegen Bittis geheißen haben. Nikias von Milet wird doch wohl auch auf seine Theugenis Epigramme gemacht haben, als die Musen ihn in seiner Verliebtheit stärkten. Diese Parallele drängt sich mir auf: den spindeldürren Stubengelehrten ı Daß Lyde nicht anstoße, bedenke man den cwePwN Anrtimaxoc Philodems XI 168. | 2 soH ist ein so vieldeutiges Wort, daß man zweifeln mag, ob man mehr als darf. »Hurtig« ist für eine Dame oder ein Mädchen gleich seltsam; in den Epimerismen Cram. An. Ox.1 200 .. ar die Deutungen und Mißdeutungen zusammen; darunter aus Antimachos Alaoc @00N A er was ohne Zweifel menana war (nach nyKri eoAı): das würde z. B. angehen, aber auch MErÄAHN, was man ebenda belegt findet. Se oicea A& Kai TON ÄOIAÖN, ÖN EypynYaoy TONIÄTAI Köoı xÄnKelon OHKAN yrö TIAATANOI, BirTiaa MonTIÄZONTA BONN TIEPI rmÄnTa ®INITAN BUuMATA KAl TIÄCAN TPYÖMENON AAAIHN. st. hat für den lebenden, noch nicht überall aner- Vokabeln ein schönes episches Beiwort darin suchen und Geschichten kommen charakteristisch zum Ausdruck. Binıtan Ewa daß Evpyrtaoy moAIATAl noch Karol neben sich hat, erklärt sich daraus, da ge pylos ein auch anderswo (Pergamon, Kyrene) vorkommender Heros ist. Seltsam er m - hängnisvoll ist ram von Postenz (XArırec 111) „die Koer haben in ihrem Stan 3 bild eine Situation ans der Bittis festgehalten, haben ihn ‚dargestellt, .. En alten Platafie ein Lied. singt“ Wie der Philologe sich über die V ergewaltigung des Satzbaues wundert, wird der Archäologe sich über diese Ehrenstatue wundern, deren Erz auch die Platane bildete. Das Gedicht Bittis, das er es „Hauptwerk- nn zeichnet wird, ist ein reines Erzeugnis des Glanbens an die subjektive erotische Elegie, die damit bewiesen werden so E. sı2 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. Philitas als Vorbild des Erotikers Properz kann ich dagegen kaum ernst nehmen. Alle Versuche, auch nur stofflich etwas für Philitas zu ermitteln, sind gescheitert. Wir können ehrlicherweise nur sagen, daß er Gedichte unter Einzeltiteln in Distichen, den Hermes in Hexa- ' metern, verfertigt hat, also Eidyllia wie Theokrit, der ja für seinen Sehüler gilt, auch nairnıa (nugae; Catull braucht den Namen nicht von ihm zu haben, kann es aber) und Epigramme. Eine erotische Ge- schichte, die Parthenios 2 für Gallus aus dem Hermes ausgezogen hat, gibt wenigstens einen Beleg für eine Dichtung, die ähnlich wie die Aitia dem Properz für seine erotische Elegie Motive zuführte. Ich weiß nicht, wie Philitas war und was er taugte, aber dem Theokrit ähnlich, von Mimnermos und Properz ganz verschieden denk ich ihn mir. Für das Verständnis der hellenistischen Diehtung muß man vor allen Dingen immer im Auge behalten, daß sie für die Rezitation bestimmt ist; daher schwinden die lyrischen Formen; zum Ersatz be- mühen sich die rezitativen Dichter, den Eindruck der gesungenen Lieder mit ihren Mitteln zu erzeugen. Eine andere Bedingung ist, daß man nie vergißt, Epos, Elegie und Epigramm sind alles Er, es gibt keinen Gattungsunterschied, der sie trennte: die noytpA TTannAaoc sind genau so gut ein Hymnos wie der xAnaeoc AhmHrtroc und sogar nach demselben Schema komponiert. Die Hekale ist durchaus der- selben Art wie die Aitia. Und was Elegie und Epigramm angeht, so sagt die Poetik des Horaz, daß die ewigui elegi zuerst für die Toten- klage (falscher Schluß aus der Etymologie von &reroc), dann für die voti senlentia compos, das anathematische Epigramm, angewandt wäre. Von einem elegischen Stile der Griechen zu reden, ist ein Unding, den gibt es nicht einmal für das Epigramm, oder was hätte Leonidas mit Asklepiades, Meleager mit Theokrit gemein? KEuphorion, der Nachtreter des Kallimachos, macht nur Hexameter: der Dichter von Theokr. 8, ein wirklicher Dichter, legt Disticha in ein episches G dicht ein. Nikander schreibt neben seinen epischen gelehrten G diehten "Osıarä in Distichen. Die astrologische und die medizinische Dichtung lehrt, daß sich diese Gleichwertigkeit von epischer und ele- gischer Form bis in die spätesten Zeiten gehalten hat. Ein Gedicht, das selbständig rezitiert wird, ist ein efaoc oder eiavanıon und bleibt es, auch wenn ein Dichter oder nach des Dichters Tode ein Sammler eine Anzahl in einem Buche zusammenfaßt; darin ist kein Unterschied zu einem Buche pindarischer efas. So ist es dem Theokrit gegangen, aber man hat nicht aufgehört, die Einzeltitel zu brauchen. Schon im Titel wird nicht selten einem Gönner oder Freunde die Aufmerksam- keit erwiesen, seinen Namen zu wählen. Der Art sind der Telephos des Philitas, viele Titel des Euphorion. Wir können nicht entscheiden, a a En DuÖ Su Su un u a ee ee | | | von WiLAMoWTTZ-MOELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 113 wie weit der Inhalt etwas mit dem Menschen zu tun hatte, den der Titel nannte: die Anrede, die von alters her sowohl im Epos wie in der Elegie üblich war, ist wenigstens öfter nichts als Widmung, so redet Theokrit 6 seinen Aratos, das anonyme Gedicht »Die Fischer « einen Diophantos an. Auch dies findet sich im Epigramm: ai MoY- cal TON EPpwra KATICXNAInontı ®inrre, Kallimachos 46. Wir können die Kontinuität nicht verfolgen; aber Parthenios, der mit den römischen Dichtern um Gallus zusammengelebt hat, bildet Titel genau wie die des Euphorion. Von einem Gediehtbuche der klassischen Zeit wie Nanno oder Kyrnos ist das ganz verschieden; natürlich, denn die hellenistische Kunst geht ja immer vorwärts, man mag sagen abwärts, jedenfalls immer weiter weg von dem klassischen. Die &pwryaa des Bion mochten mit dem Adonis, der ein elaYanıon ist, in einem Buche stehen und sind doch nieht selbständig; aber wenn sie im Buche hintereinander stehen, machen sie es einem Epigrammenbuche ähnlich '. In der catullischen Zeit machen eine Anzahl junger Römer den ernsthaften Versuch, unter der Führung der Grammatiker, deren sie ja nicht entraten konnten, sich der raffinierten hellenistischen Technik zu bemeistern. Natürlich waren die Dichter um Kallimachos ihre Hauptmuster, aber die späteren, auch die Zeitgenossen, konnten un- möglich ganz ohne Einfluß bleiben, wenn wir ihn auch festzustellen außerstande sind. Bei irgendeinem Spätling muß doch Catull das un- erfreuliche Verschränken der Gedanken und Geschichten gelernt haben, das er in seinem epischen Gedichte und seiner größten Elegie gleicher- maßen anwendet. Man sieht, er wußte niehts von einem Gegensatze der beiden Sorten &rın. Sein Gediehtbuch hat er mit sorgsamster Über- legung geordnet (wer’s nicht merkt, tant pis pour lwi?). Weil er ‘» von mehr als 200 Jahren eine Menge Kreuzungen ! Es hat natürlich im Laufe ar i RE der Stilformen gegeben wie das Epigramm 4 in der theokritischen Sammlung, das ich erläutert habe. Namentlich die inschriftlich erhaltenen Epigramme werden eine stili- es im 4. Jahrhundert, das in der Geschichte n Epigrammen, die sich gefordert wird. weit in das »Elegische« 289, von dem niemand mehr bezweifeln darf, daß es auf einem attischen Stein ge- standen hat; die beiden Gedichte der Erinna, mit denen das stolze Grab der Baukis von Telos geschmückt war, auch an diesen ist kein Zweifel mehr erlaubt; endlich a beiden dem Simonides (wie ja auch das Epigramm auf Chaironeia) KaRBehreen nn dichte auf Anakreon A. P. VII 24. 25, die zu denen Erinnas eine schöne I arallele bi en, aber das Grabmonument fingieren. Alles Gedichte von großer eigentümlicher Schön ge Dafür ist ganz gleichgültig, ob der Buchhändler es auf eine Rolle Bun ließ oder in einer Kapsel mit mehreren Rollen verkaufte; das Buchgewerbe kam sie in Rom eben erst auf und genügte 7. B. dem (icero nicht. Ein Menschenalter, e würde Catull die Sammlung in Bücher geteilt haben; hätte er s getan, würden die ns e her zählen se | 114 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. keine Lieder dichtete, d.h. nicht für den Gesang, aber wohl auch die Formen griechischer Lieder übernahm, hat er alles Polymetrische zu- sammengefaßt, auch die Iamben. Dazu gehörte auch das Hochzeits- lied in Hexametern, nicht nur, weil es die Gesänge von Chören imi- tierte, sondern auch, weil es auf Hochzeitslieder Sapphos zurückging, welche Hexameter enthielten. Dazu gehörte der Attis, dessen Vorbild in den merH des Kallimachos stand. Dieser hatte mean Tamsoı ErtirPAMMATA streng gesondert; aber in dem Buche des Theokrit, wie es doch wohl Catull schon gelesen hat, standen elaYanın, meaH, ETTITPAMMATA genau so vereinigt. Wer weiß, ob es nicht mit den nairnıa nugae des Philitas ähnlich stand? Catull stellte dann an den Anfang seiner ern sein einziges Gedicht in Hexametern, dann längere Elegien (es könnten vier eiaYanıa sein) und eine große Zahl kürzerer, die er selbst unmöglich anders als Epigramme hätte nennen können; es sind ja auch Stücke darunter, auf welche dieser Name in engster Bedeutung zutrifft. Aber mitten darunter steht multas per yentes et multa per aequora vectus, und siqua recordanti benefacta priora voluptas und surripui tibi dum ludis mellite Iuventi. Das sind unmittelbare Äußerungen der Empfindung, nicht anders als smiser Catulle desinas ineptire und Caeli Lesbia nostra Lesbia illa, die iambische und lyrische Form tragen. Catull fragte eben nicht danach, ob er es dürfte, wenn ihm in der schöpferischen Stimmung des Augenblicks diese oder jene Form der griechischen Poesie auf die Lippen kam. Er hatte sich in ernster Arbeit aller dieser Formen bemächtigt, und wenn er ein mühselig gelehrtes Stück zimmerte, schaute er ängstlich nach den Regeln der Grammatiker und der Technik seiner Vorbilder. Aber nicht auf dieser Arbeit beruht seine Größe: ein Dichter, wie es seit den klassischen Zeiten der Griechen keinen mehr gegeben hatte, ward er dann, wenn er dichtete, nicht weil er wollte, sondern weil er mußte. So hat er denn dem Phaläceus und dem Skazon, im Gegensatze zu seinen Vor- bildern, den Charakter verliehen, den wir um seinetwillen zuerst mit diesen Massen notwendig verbunden glauben. Wenn wir uns den elegischen Teil seines Buches so geschrieben vorstellen, wie er nach allem, was man wissen kann, geschrieben war, so sieht er genau so aus wie Kyrnos oder Nanno, und die Folge kürzerer und längerer elegischer Stücke ist auch formell genau derselben Art. Kein Gedanke an bewußte Nachahmung der klassischen Elegie, keine Spur davon, daß er sie gekannt hätte: nur weil er sich mit voller Freiheit der elegischen Form bediente, kam er unwillkürlich den Klassikern nahe, die dasselbe getan hatten. | Als dieses lateinische Gediehtbuch und zugleich dieser Dichter mit seiner Leidenschaft und seinem Freimut einmal da war, ward er a Dt 3 un = mia 2 ET u all nn nn a u Er = 4: 4 a “ ©, vow Wıramowrrz-MOELLENDoRFF: Mimnermos und Properz. 115 seinen Landsleuten Voraussetzung und Vorbild der Diehtung nicht minder als die Griechen. Wir wissen nur zu wenig von den nächsten Nachfolgern. Varro Atacinus nannte das Mädchen, dem er für uns völlig verschollene Elegien widmete, Leucadia: der Anschluß an Lesbia Sappho liegt zutage. Calvus ließ seiner Frau ihren Namen, als er um ihren Tod klagte wie Antimachos um den seiner Lyde; auch Bittis, die Frau des Philitas, hatte in der Poesie ihren Namen be- halten. Dann kam Gallus, der zugleich der Begründer der Elegie und Nachahmer Euphorions heißt, der doch keinen Pentameter ge- macht hat. Schwerlich darf man die Angabe des Servius zu Buc. X genau nehmen, daß Gallus den Euphorion übersetzt und vier Bücher auf Lycoris gedichtet hätte, sondern die Gedichte nach Euphorion wer- den mit in den vier Büchern gestanden haben‘. Als dann Vergil zehn Eiayanıa in einen Band sammelte, die ihr Sonderleben zum Teil noch in Sondertiteln zeigen (Titeln, wie Pollio und Varus, die den Titeln des. Euphorion ganz entsprechen), wird das Publikum in diesen Studien nach der griechischen gelehrten Poesie schwerlich eine andere Gattung erblickt haben als in denen des Gallus, auch wenn diese elegische Form hatten. 1 ı Wenn Vergil Buc. X 50 den Gallus sagen läßt, er wollte die Weise des Euphorion mit der des Theokrit vertauschen, so kann man jene Weise nur auf ‚die Gedichte an Lycoris beziehen, denn an die richtet sich Gallus. Aber das Gedicht auf den grynäischen Apollon, das einzige, dessen Stoff Vergil angibt (VI 70), war episch, wenn es Übersetzung war, wie Servius angibt, und Vergil lobt es ja auch als “Hei6saoy Aeıcma, nämlich weil Euphorion seine Geschichte von Kalchas aus der Melam- podie entlehnt hatte: es ist eine sehr gelehrte Anspielung. Lyeoris heißt nach dem Apollon AYKwPreyc (danach Cynthia vom Kyneıioc), den Gallus bei Euphorion ‚gefunden hatte, frei- lich bei Kallimachos (Hymn. 2,19) finden konnte, den jener wie gewöhnlich abge- schrieben hatte. Die Verse des Euphorion setze ich her, weil ich ihre Verbesserung zu vollenden hoffe (Proll. ad Pind. Pyth. S. 3 Drachm. Fr. 53 Mein. 92 SCHEIDWEILER). örraorepoy T’ Axınhoc ÄKOYOMEN EYPYAöX0I0, Nenreiaec Öl Yrıo KANON iHıon AÄNTEBÖHCAN En [2 KPICAN TIOPBHCANTI Aykwreoc oiklaA PolBoY. So hat Borcke im wesentlichen vorzüglich verbessert was als ÄNTHT@NICAN TIOPO. über- liefert ist. Aber die Stelle war in der Vorlage unserer jungen Handschriften schwer lesbar; eine hat daher Lücke gelassen. ÄNTHFÖNICAN und ÄNTETÖNHCAN (wie eine andere von zweiter Hand gibt) sind schlechte Deutungsversuche der Schreiber. Daß Krican in der Vorlage ausgefallen und der Rest korrupt war, wir c gen wenn sich ıcan zu Krican ziehen läßt. Ich glaube, da stand ANTHC, darüber ein ] om- ht. was von KPican kenntlich war: eın byzan- tinisches k und ein können ganz ähnlich anfangen. ÄNTHC ÄnTE und der Spondeiazon paßt für Euphorion. Der Jungfrauenchor sang unter der Führung des Eurylochos den Päan: da paßt soAn auch schlechter als Alaeın. Übrigens ist es nicht schön, wie Krisas Zugehörigkeit zu Delphi, die es hatte abschütteln en hier bezeichnet ist. Wer ein Haus des Apollon zerstört, sieht wirklich nicht nae einem Wohltäter des Gottes aus. Sitzungsberichte 1912. 9 116 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. In den ersten Jahren des Prinzipates wird die römische Poesie, was sie zu werden bestimmt war; dazu gehörte, daß Properz und Tibull in den ersten fruchtbaren Zeiten des befestigten Weltfriedens je mit einem Buche Elegien vor das Publikum traten. Erst von da an gab es eine römische Elegie. Zwar die Form, die die Jahrhunderte beherrscht, die auch wir anwenden müssen, wenn wir lateinische Elegien dichten, hat erst Ovid geschaffen; aber er ist ohne das Vorbild der beiden gar nicht denkbar, die sein unvergleichliches Geschick zusammenschmelzte, leider unter Beihilfe der Rhetorik, die ihn (aber ihn zuerst) in ihrem Bann hielt und dann den Untergang der Poesie ganz ebenso wie jeder wahren Bildung herbeiführen sollte. Properz und Tibull sind verschieden bis zum Gegensatze; so sind es auch ihre Bücher. Tibull bringt kaum anders als Vergil zehn Eklogen; sie könnten als Eidyllia ein selbständiges Leben führen, und das Gedicht auf Messallas Triumph hat es geführt. Sein zweites Buch mit seinen sechs Gedichten zeigt diesen Charakter fast noch deutlicher. Wie wenig er daran gedacht hat, das Buch zu einer Einheit zu machen, zeigen gerade die Gedichte am deutlichsten, die dem Namen Delia nach derselben Geliebten zu gelten scheinen, denn sie machen über diese Delia ganz unvereinbare Angaben. Es steht mit ihr wie mit Milon und Amaryllis bei Theokrit. Lange nicht überall tritt die Person des Dichters hervor, aber immerhin überwiegend, indessen so, daß nur wenige Stimmungen und Neigungen einen wirklich individuellen Charak- ter tragen. Und wir wissen durch seinen Freund Horaz, daß er sich auch da recht anders gab, als er lebte. So steht’s auch um seine Liebe: Ovid, der sich darauf‘ verstand, hat ihn als praeceptor amoris (auch der Knabenliebe) gefaßt (Trist. II 447) und in der Tat ihm für seine Ars den Anstoß verdankt. Gleichwohl wäre es Stumpfsinn, zu verkennen, daß Tibull in seinen städtischen Liebschaften und seiner Liebe zum Leben auf dem väterlichen Landgut und dem unvermeidlichen Konflikt dieser beiden Neigungen wahre Empfindungen gibt; freilich hat er dann alles stark stilisiert. Dagegen Properz hat sein Buch Cynthia genannt, und es ist eine Einheit, wesentlich durch das Mädchen, nach dem es heißt. Die Liebe zu Cynthia ist der Leitstern seines Lebens und seine Dichtung dieses Lebens Widerklang. Dem tut es nicht im mindesten Abbruch, daß die einzelnen Gedichte ihren Adressaten haben und das erste und das letzte den Freund Tullus so anreden (wie Theokrit den Aratos), daß das Ganze diesem gewidmet scheint. Denn sein ganzes Leben ist in dem Buche, und dazu gehören die Freundschaften auch und die gemein- samen Studien; Cynthia spielt doch in alles hinein. In seinem Schluß- gedichte hat sich Properz selbst dem Publikum vorgestellt. AlsLeo' den ' Gött. Nachr. 98, 469. u a ee ; - von Wıramowtrz-MOELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 117 Nachweis erbrachte, daß das Gedicht am Schlusse verstümmelt ist, wies er darauf hin, daß Nikander sich so am Schlusse der beiden erhaltenen Epen nennt und schloß aus den späteren Beispielen ähnlicher Selbst- vorstellung (Horaz Ep. 120, Ovid Am. III ı5) auf griechischen Brauch, dem Properz gefolgt wäre. Aber er wies die Analogie des Nikander ebenso ab wie die entsprechenden persönlichen Äußerungen am Schluß von Ovid Ars II. II. Remed. Amor., weil sie nicht in einem besonderen Gedichte stünden, was sie beim besten Willen der Dichter nicht konnten, und suchte das Vorbild in den Biographien, mit denen die Grammatiker ihre Kommentare zu beginnen pflegen. Die scharfe Trennung der verschiedenen Arten ErrH hat für die antike Anschauung keine Berechtigung und der Appell an die kommentierten Ausgaben der alten Dichter ist eine meräsacıc efc Anno renoc. Die Wurzel der ganzen Sitte konnte vor zwölf Jahren freilich noch niemand sicher fassen: Timotheos hat gelehrt, daß sie das »Siegel«, die coraric, des kitharo- dischen Nomos ist; wir finden sie wieder in dem homerischen Hymnus an den delischen Apollon und in dem Elegiebuche des Theognis (da frei- lich kaum am Schlusse). Aber zu Gebote stand immer schon die beste und für Properz wirklich bestimmende Analogie, das Epigrammen- buch: sind doch die beiden Schlußgedichte von Properz I schlecht und recht Epigramme. Lro bestreitet das freilich für das letzte, ob- wohl er es paraphrasiert: »Nach Herkunft, Heimat und Vaterhaus fragst du mich. Der Name meines Geburtsortes möchte dir unbekannt sein; aber wenn du Perusia traurigen Angedenkens kennst, SO kann ich dir seine Lage leicht beschreiben usw.« Das ist ja gerade eine Form des Grabepigramms, so gewöhnlich, daß ich mich scheue, Belege zu bringen. Was Lro dagegen einwendet, ist, daß die Form, d.h. die Stilisierung der Gedanken, die genau denen eines Epigramms ent- sprechen, elegisch wäre, nicht epigrammatisch. »Das Epigramm ver- langt ein scharf disponiertes, dem Leser sich aufdrängendes Her- eascheite des Gedankens,“. Bei: dem. sp; dann. ist Immer noch nicht gesagt, daß jeder, der ein Epigramm macht, sich dem Ver- langen fügt. Leonidas, Antipater, recht viele und wahrlich nicht die schlechtesten Epigramme auf Stein aus hellenistischer Zeit ü en schlecht genug bestehen. Die Weise, in der Properz sein Schlußepigramm behandelt, ist 'seine 1 Ob solche ren# schon damals in den Handschriften der Dichter standen, weiß ich nicht zu sagen, noch weniger ob ihr Platz am Schlusse war, was Leo voraus- setzen muß. In den mittelalterlichen Handschriften ist diese Stellung jedenfalls seltene Ausnahme, und von der Vita des Aischylos, auf die sich Leo wegen des Mediceus be- ruft, kann ich gerade beweisen, daß sie vor dem Kommentar zum Prometheus ihren richtigen Platz hat. 9* 118 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. Weise, und wenn sie in unsere ästhetische Schablone nicht paßt, so hat sich die Schablone zu ändern. Lro nennt es für die Elegie charakteristisch, den Gedanken so zu führen, daß er seheinbar willen- los dahingleitet. Das ist für Tibull charakteristisch ; bei Properz schon scheint es doch Leo nicht gar so häufig zu finden, und wo kämen Kallimachos oder Hermesianax hin, wenn dieser Stil notwendig zur Elegie gehörte. Es ist eben mit der äußeren Form die innere keines- wegs bestimmt; Tyrtaios und Kallimachos und Andromachos und Gregorios sind alle vier Elegiker gerade wie Theokrit und Meleager und Lueillius und Agathias Epigrammatiker sind, Homer und Hesiod und Timon und Theokrit und die Sibylle Epiker. Und schließlich, wenn Properz ein Gedicht macht, das wir eine Kreuzung von Epigramm und Elegie nennen mögen, wer will es ihm wehren, wer darf es ihm verdenken? Hat sich Catull gefragt,in welches Fach der eidographischen Registratur sein Gedicht paßte, als er surripui tibi, dum ludis dichtete? Und was sind die Verschen der Sulpieia? In ein Schema passen sie nicht; aber in den Theognidea finden sich ein paar solcher naiven Mädchenverse, 257. 861. Durchschlagend ist doch wohl, daß wir trotz unserer Armut noch solche Epigramme besitzen, in denen der Dichter eines ganzen Buches sich vorstellt; und daß sie am Schlusse standen, läßt sich in mehreren Fällen noch erschließen. Nossis VII 414 6 zein ef 14 re maeic rori Kannixopon MyTinfinan TAn Cariso?c xaPitwn ÄNeoc ENAYCÖMENOC, eimein wc MoYcaici oina T’ An. X Te Aokric rA TIKTEe M’* Tcaıc A’ örTı moı Tofnoma Noccic Teı. Was ist das anders als das Gedicht, mit dem die Dichterin, eine meromoiöc wie Sappho, ihre Sammlung von Epigrammen (wenn sie nicht auch ihre Lieder mit umfaßte) beschloß, denn sie nimmt ja Abschied; es ist kein &rmıtymsion, aber die Anrede an den Wanderer ist dieselbe wie dort und die Nennung des Namens auch. Kallimachos hat diese Form des Grabgedichtes selbst gewählt, für seinen Vater, wo sie berechtigt war, ihm aber schon Gelegenheit gab, von sich zu reden, und dann für sich selbst in einem Distichon, das sich durch die Form als Zusatz des Gedichtes auf den Vater aus- weist, das am Ende verstümmelt ist; ich habe zu den Gedichten das Nötige angemerkt, und es genügt, die Anfänge herzusetzen. 21 ÖcTIc Emön TIAPÄ cHmA #ereıc MÖ6AA, Kannımkxov Me iceı Kypunalov rIalaa Te Kal renerän. — — 35 Barttıäaew rrapA cAma sereıc moan. ll LE nn a nn ln all Öl lnölLz 20 nd la ln En a LE Mn un ll nn | nm nu ums: 22 Dale Be Te Pla bin 3 Hi tl a un ann) u i $; ; 3 E . . nicht mehr genannt zu werden brauchte. von WıLamowırz-MoELLENDORFF: Mimnermos und Properz. 119 Hier können wir über den Platz in der Gediehtsammlung nicht mehr sagen, als daß diese Epigramme beisammenstanden'. Der Stephanos des Meleagros hat eine lange Vorrede in elegischer Form: ; ; Mo®ca »ina, TINI TÄNAE »EPEIC TIÄTKAPTION ÄOIAAN, A TIC d Kal TEYEAC” YMNOBETÄN CTESANON; Änvce M&n Menearpoc, Apızknwiı ae A1oknei MNAMÖCYNON TAYTAN EZETIÖNHCE XÄPIN. Folgt die Aufzählung der Blumen, die er zum Kranze gewunden hat. Das Schlußgedicht ist ans Ende der moPca naıaıkk des Straton?’ ver- schlagen, XII 257, und führt die Koronis redend ein, welche diesen Schluß im Buche bezeichnete: neben ihr stand es. Wer ein Schluß- blatt eines alten Buches gesehen hat, dem muß es gefallen. L Ä TIYMATÖN KAMITTÄPA KATATTEAAOYCA KOPWNIC EPKOFPOC TPATITAIC TIICTOTÄTA CEAICIN ®AM| TÖN &K TIÄNTWN ÄBPOICMENON EIC ENA MÖXBON YMNOBETÄN BYBAWI TÄIA ENEAIEÄMENON Exten&caı Menearpon, AEIMNHCTON Ae Alokrel ÄNGECI CYMTTAEEAI MOYCOTTÖAWN CTESANON. OFaA A erw KAMSBEICA APAKONTEIOIC ICA NWTOIC CYNSPONOC TAPYMAI TEPMACIN EYMABIAC. Endlich das Gedicht, das der Sammler der Ausgabe des Theokrit beigegeben hat; gemäß der Sitte, daß der Titel als Subskription steht, hat es auch am Ende seinen Platz gehabt. ı Von den Aitia stand immer fest, daß der Dichter im Eingange erzählte, wie er zu dieser Dichtung berufen ward. Durch die Kydippe haben wir gelernt, daß er immer in Person das Wort führte und den Übergang von Geschichte zu Geschichte machte. Am Schlusse des Ganzen konnte er sich natürlich nicht nennen, aber Abschied nimmt er ausdrücklich xAipe Ze? mera Kai ct, cAw A’ [EMö]N OIkoN ÄNÄKTUN, AYTÄp Erb Morcewn TIeZÖC Erreimi NOMÖN. Es ist bedauerlich, daß der Vers trotz der richtigen Erklärung mißdeutet wird, von der auf Unkenntnis der Schrift beruhenden Anzweiflung von rezöc zu schweigen. Das Mitglied des Museions sagt, er wollte nun seine Gelehrsamkeit in prosaischer Form vortragen: es ist nicht erfreulich, daß ein Philologe bezweifelt, daß Philologie Musen- dienst ist. In dem Kodex stehen die Jamben hinter den Aitia: darauf baut man die Hypothese, Kallimachos bezöge sich auf diese Ordnung, hätte also wohl seine Werke zu einem solchen mera sıgnlion machen wollen, hätte die Gattungen hintereinander ge- pflegt und das Versmaß des Hipponax für Prosa gehalten. &mön mit der kühnen, aber auch im Drama häufigen Enallage des Adjektivs hatte ich sofort vermutet, glaubte aber, da Huwr an önon festhielt, die Lücke faßte die ein wenig längere Ergänzung nicht. Angesichts der Photographie kann ich &mön festhalten. Er 2 Eine bemerkenswerte Inversion für # TIe Kai d TEYzAc. Be a - ; = ® Auch von dem Buche des Straton sind die Gedichte des Anfangs und Schlusses erhalten, XII r und 258; aber er nennt seinen Namen nicht: damals war also der Titel außen an der Rolle so fest und so in die Augen fallend angebracht, daß der Name 120 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. a: Annoc d Xioc, Erw AL OeöKrıtoc Öc TÄA ErpaYa eic ArIO TON TIoAnÖN eimi CyYPHKociun, viöc TTpazaröpao TIerIıKReitHc Te DininHc. MOFCAN A’ ÖBNEIHN OYTIN &BEAKYCÄMHN!. Das sind Gedichte, von denen mehrere dem Properz bekannt ge- wesen sind, und wie sollte es der Art nicht für ihn mehr gegeben haben als für uns. Da ist wohl klar, wo er sein Schlußgedicht her hat. Gewiß hat er so wenig ein Buch Epigramme gemacht wie ein Buch Eiavanıa; aber ebenso gewiß ist, daß er von beiden Seiten her Anregungen genug empfangen hat; das ist hier nicht zu verfolgen’. Der Titel Cynthia aber weist noch anderswohin. Daß die Eigennamen, die wir bei Euphorion und Parthenios als Titel finden, ganze Bücher bezeichneten, ist weder erweislich noch wahrscheinlich, und nirgend stoßen wir auf den Namen einer Geliebten wie bei den drei Kolo- phoniern, von denen wieder Hermesianax sicher, Antimachos wahrschein- oben herab geäußert; das macht mir keinen Eindruck. Poutenz (XAriıtec 90) erklärt, der Bau des Epigrammes widerstrebe. Am Ende soll der Verfasser »die Vorlage des Suidas« in Verse gebracht haben. In der Tat, ein Homonymenlexikon müßte zugrunde liegen; wie man so etwas diesem Dichter zutrauen kann, ist mir unfaßbar. Aber sei's drum. Ich bleibe dabei, daß es wirklich zu dumm wäre. »Der von Bouillon ist ein anderer; ich, der Gottfried, der dies gedichtet hat, bin aus Straßburg.« So kann doch _ nur geredet werden, wenn die Verwechselun möglich war. War sie es für den Buko- liker gegenüber dem Rhetor und allenfalls Publizisten, der nie in der Literatur gezählt hat, geschweige in der Dichtung? Es folgt »aber fremde Dichtung habe ich keine hineingezogen«, d. h. in meiner Poesie ist kein fremdes Element. Soll das zu dem Annoc d Xloc in keiner Beziehung stehen? Oder geht er auf den Chier Theokrit? Oder sagt es gar nichts: in dem Konversationslexikon, das die Quelle sein soll, stand es doch nicht. Dabei habe ich die Stellen angegeben, wo Theokrit den Homer 5 Xioc nennt, und eine davon betont seine eigne Originalität. Als Epiker aber stand er ohne i Pigrammes verlangt, daß Ännoc und moFca Ö@nela korrespondieren, ist das Unterscheidende die Dichtung und nicht das Vaterland. 2 Nicht nur das Epigramm Martials, der so oft von den Lemmata redet, schon das des philippischen Kranzes ist sehr oft ein Gedicht auf ein gestelltes Thema. Wie viele sind das von den Gedichten des Properz, wie oft gibt er das Thema selbst an. Wie oft merkt man die Erweiterung und Auskleidung des einfachen, für ein Epigramm zureichenden Gedankens. Darauf kommt mehr an als auf die Entlehnung bestimmter Motive. Di Auskleidung ist seine Kunst, di arten scheint; mühselige Arbeit sehe ich au war er dem untreu geworden, was ihm . Ri Bi (d.h. bei VaLckenAer, nicht bei GoETHE) mit der regina elegiarum mehr Glück gemacht haben als mit Cynthia. Die hat er Tele =” von Wıramowirz-MoELLENDoRFF: Mimnermos und Properz. 121 lich ausfällt‘, bleibt nur Mimnermos mit der Nanno. Ich habe oben konstatiert, daß wir keinen Beweis für die Benutzung des Mimnermos durch Properz haben, aber auch keinen gegen sie. Jetzt sage ich, daß die Benennung des Gedichtbuches dafür spricht, und jetzt erst erhält das horazische fit Mimnermus et oplivo cognomine creseit volle Bedeutung. Aber die ganze Art des Properz steht dem Klassischen so fern. Von Tibull, dem Freunde des Horaz, glaubt man es leicht, daß er die klassische Elegie studiert hat, so viel er auch selbst dem Kallimachos dankt. Aus ihr hat er jene Weise, die Leo schon vor Jahren so treffend analysiert hat, daß sie gegen Verunglimpfung ge- schützt sein sollte, die Weise, für die Platen das schöne Bild ge- funden hat Im Wasser wogt die Lilie die blanke hin und her, doch irrst du, Freund, sobald du sagst, sie schwanke hin und her: es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund, ihr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her. Wenn der verständnislose Verstand über die große Elegie Solons”, das einzige umfängliche Gedicht, das wir vollständig besitzen, herfiele wie der Fuchs in Goethes Parabel über das Täublein, so würde es auch bald heißen »Mißgeburt, und in Fetzen«. Die tibullische Weise liegt dem Properz freilich nicht. Aber ein Künstler kann sich wahrlich auch an dem bereichern, was er reproduzieren weder kann noch mag. Darstellung der eigenen Liebe boten ihm Epigrammenbücher des Asklepiades und Meleagros und andere; Spiegelungen von Erotik aller Art fand er bei Philitas und Kallimachos; aber das Verweilen bei dem eigenen Empfinden und das Reflektieren darüber war doch noch etwas anderes, und das gab es nur in der klassischen Elegie; wenn's nicht zu lang wäre, schriebe ich Theognis 693—708 ab, wo sich auch die bei Be so beliebten mythischen Exempel finden. Freilich dialektische Erörterungen über die Liebe und das Treiben der Mädchen, die aus ihr ein Gewerbe machen, konnte ihm schwerlich ältere Dichtung liefern als die Komödie; da er die Thais des Menander zitiert (er hat auch die Antiope des Euripides direkt benutzt), so ist nicht einmal die Vermittelung hellenistischer Eidyllia (wie Theokrit 14) immer nötig. Wieder ist es Leos Verdienst, die Fäden, die zur Komödie führen, zustatten gekommen. ® Da ich immer noch nicht dazu gekommen bin, ihre Erklärung vorzulegen, muß ich er Arist. und Athen II 314 verweisen. 122 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 1. Februar 1912. verfolgt zu haben. Natürlich soll damit dem Selbstzeugnis des Properz Callimachi manes et Coi sacra poetae kein Abbruch geschehen. Noch viel stärker wirkte das Vorbild Catulls, dessen Gedichtbuch auch Studien nach den gelehrten Dichtern darbot, aber vor allem eine Leidenschaft jener Art, welche den Menschen erhebt, wenn sie den Menschen zer- malmt; die hatte es bei den Griechen seit Archilochos nicht gegeben. Weder Properz noch Sulpieia würden ohne Catull gewagt haben, zu sagen, was sie litten oder doch, ihm nachstrebend, zu leiden glaubten. Mit dem Nachweise ihrer Vorbilder tut man nur Dichter ab, die keine sind. Die römischen Dichter der kurzen goldenen Zeit, die noch nicht beim Rhetor die billigen Rezepte holten, mit denen man alles oder auch nichts sagen konnte, lernten in ernster Arbeit bei dem Grammatiker viele und sehr verschiedene Dichter der Griechen kennen. Aus den verschiedensten Blüten sogen sie edelste BildungdesGesel ] 1i aber was sie erzeugten, war eigener Honig. Und wenn Alkaios und alle neun Lyriker aus dem Grabe erstünden, würde Horaz Horaz bleiben, einerlei, wie viel sie von ihm heimforderten. So sind denn Properz und Tibull die Schöpfer einer neuen Elegie geworden, ihrer Elegie, jeder der seinen, obwohl wir teils wissen, teils ahnen, daß sie in Stoff und Behandlung den Griechen unendlich viel verdanken, zu denen sie stehen wie GortsE zu den Triumvirn Amors, ja viel freier als er, da sie Dichter sehr verschiedener Zeiten und Kulturen, sehr verschiedener Arten und Stile vor sich hatten. Allein von dem abso- luten Werte der Dichter und der Gedichte habe ich hier Ja überhaupt nicht zu reden; ich habe zu den beiden Römern gar kein innerliches Verhältnis. Unter deren Vorbilder rechne ich nun den Mimnermos und schlage seine Bedeutung für Properz hoch an, obgleich ich keine direkte Berührung zu zeigen weiß. Die Cynthia hat dadurch sofort einen entschiedenen Erfolg gehabt, daß sie das Leben schilderte, das Properz trieb, mit seinen Freunden und seinem Mädehen. Ein solches Lebensbild bot auch die Nanno des Mimnermos. Die Bücher waren so verschieden wie das Kolophon des Alyattes von dem Rom des Augustus; aber Properz empfand, daß er als Dichter zum Leben stand wie Mimnermos und benannte sein Buch Cynthia nach dem Vorbilde der Nanno. Und die Gedichtbücher hatten auch mehr ver- wandtes als den Titel, atmeten sie doch beide denselben sıntaonoc Bloc: TIC A& Bioc, TI A& TEPIINÖN ÄTEP xPYchc AsroAitHc; laus in amore mori. a Ausgegeben am 8. Februar. n ER ä & = ee Ri ET RE 6: BEAEN met > STB STEHT a en BE ander ug Nee ke “ jr a DE a I en u A 2 ar a ge Ta er 5 Tr SITZUNGSBERICHTE 1912. = vi. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1. Februar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. AuweErs. 1. Hr. Russer las über die Betheiligung endocellularer Fermente am Energieverbrauch der Zelle. Der Vortragende zeigt an Versuchen, die an Hefezellen angestellt worden sind, dass diese nur Wärme entwickeln, wenn sie in Zuckerlösung sich befinden, und dass dabei nicht mehr Wärme gebildet wird, als auf Grund von thermochemischer Be- rechnung der Alkoholgärungsgleichung erwartet werden kann. Ein Theil des vergo- renen Zuckers muss also dem Stoffwechsel der Hefe dienen. Es kann nicht einfach, wie bisher angenommen wurde, die ganze Gärung auf Fermentwirkung beruhen. Dies wird dann durch weitere Versuche näher dargelegt und ferner durch besondere Untersuchung der Fermentwirkung gezeigt, dass die überwiegende Menge der von der Hefe erzeugten Wärme auf vitale Processe zurückzuführen ist. 2. Hr. Nernst legte eine Arbeit »Thermodynamik und spe- eifische Wärme« vor. r vom Verfasser aufgestellte Wärmesatz wird aus der experimentellen That- sache abgeleitet, wonach die specifischen Wärmen fester Körper bei tiefen Tempera- turen verschwinden. Zugleich wird auf diesem Wege eine etwas allgemeinere Fassung jenes Wärmesatzes gewonnen. 3. Hr. Nerssr legte ferner eine Arbeit des Hrn. Dr. A. Eucken vor: Die Moleeularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Tem- peraturen. Es wird der Nachweis geführt, dass im Sinne der Vorhersagung der Quanten- theorie das Wasserstoffmolekül bei sehr tiefen Temperaturen seine Rotationsenergie verliert und dass der gasförmige Wasserstoff bereits bei 50° (abs.) die Molecularwärme eines einatomigen Gases annimmt. In quantitativer Hinsicht ist der Abfall der speci- fischen Wärme allerdings viel rascher, als die bisherige Theorie erwarten liess. 124 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. Über die Beteiligung endozellularer Fermente am Energieverbrauch der Zelle. Von Max RUuBNeEr. Die Umsetzungen und Stoffwandlungen, wie sie in jedem lebenden Organismus beim Ernährungsakte eintreten, sind, das weiß man schon lange, teils als Wirkungen der lebenden Substanz, teils als solche von Fermenten aufzufassen. Am frühzeitigsten waren die Verdauungs- fermente, also die Nahrung vorbereitenden, erkannt worden, welche durch Drüsen in den Verdauungskanal ausgeschieden werden. Auch bei den einzelligen Organismen gibt es solche zur Ausscheidung be- stimmte extrazellularwirkende Enzyme. Das Zellinnere stellte man sich vielfach als eine unumschränkte Domäne der Protoplasmatätig- keit vor und bezweifelte das Vorkommen endozellularer Fermente überhaupt. Mit dieser letzteren Annahme oder doch mit ihrer Verallgemeinerung ging man zu weit, denn bei den einzelligen Wesen spielen sich doch Verdauungs- wie Stoffwechselvorgänge unter Umständen innerhalb der Zelle ab. Aber auch hiervon abgesehen war der Gegensatz zwischen einer ausschließlichen Protoplasmaarbeit in der Zelle und einer Be- grenzung der Fermente auf extrazellulare Prozesse nicht aufrechtzu- erhalten, und nun sind wir im Verlauf der letzten Jahrzehnte all- mählich dahin gelangt, daß endozellulare Fermente in immer stei- gender Zahl entdeckt werden, deren Wirksamkeit sich nicht mehr auf nebensächliche und nahrungsvorbereitende Prozesse, sondern auf solche Spaltungen bezieht, die wir bisher als besondere Eigenart des typischen Stoffwechsels einer Spezies angesehen und als Hauptenergie- quelle der lebenden Substanz betrachtet haben. Vielen erschien diese Entwicklung der Zellchemie als die end- liche Bestätigung älterer Hypothesen, die den Stoffwechsel überhaupt auf Fermente hatten zurückführen wollen, und als ein wichtiger Schritt, um das Fremde und Eigenartige der Lebenserscheinungen leichter fassen zu können; am radikalsten ist der Umschwung auf dem Gebiete der Russer: Endocellulare Fermente und Energieverbrauch der Zellen. 125 Gärungsorganismen geworden, wo man deren gesamte Gärleistung nur als die Wirkung der vorgebildeten Fermente erklärt hat. Indes stehen aber einer solchen Verallgemeinerung rein fermen- tativer Vorgänge doch eine Reihe von Bedenken entgegen, die sehr schwerwiegender Natur sind. Wer diese Detailarbeit der Fermente vom biologischen Standpunkt aus erfassen will, wer die ungeordneten zusammenhanglosen Ferment- vorgänge zu einem Ganzen zu schmieden versucht, wer fassen will, wie diese Prozesse innerlich zusammenhängen und ineinandergreifen, und wie daraus die geordnete, wohl regulierte und selbständige Arbeit eines Organismus entsteht, sieht sich dem Ziele nieht näher als sonst. Mit dem Tode steht zwar nicht die Arbeit des Ferments, wohl aber der Organismus als solcher still. Die Ausdehnung der Fermenttheorie auf umfangreiche Zellreak- tionen bringt uns nicht allein hinsichtlich des Zusammenarbeitens und der Ordnung dieser Arbeit in einen schweren Konflikt mit dem Ver- ständnis biologischer Vorgänge im allgemeinen, sondern auch hinsicht- lich der energetischen Seite des Problems in ernste, unüberbrückbare Schwierigkeiten. Die aus dem lebenden Verband gelösten Fermente zerlegen und zerstören die Stoffe vielfach unter Entwicklung von Wärme. Wir wissen aber mit Sicherheit, daß die Wärme, als Temperaturgrad von Flüssigkeiten betrachtet, nur steigernd oder mindernd auf den Le- bensprozeß und die Zelleistungen Einfluß üben und den Verbrauch von Nahrungsstoffen mehren oder herabsetzen kann. Weder für den ru- henden noch für den mechanische Arbeit leistenden Organismus ist Wärme eine nutzbare Energieform. Je umfangreicher im Organismus fermentative Umsetzungen werden, um SO größer ist, von den ho- möothermen Tieren abgesehen, die nutzlose Energievergeudung. Die Energievorräte müssen in anderer Weise als auf dem Umwege über die Wärmebildung für die lebende Substanz nutzbar gemacht werden. Den heutigen Stand der Fermentlehre, die fast schrankenlose Wirk- samkeit, die man dem Ferment für alle möglichen Zellprozesse zu- schreibt, stellt uns allmählich in einen Konflikt mit den prinzipiellsten Grundlagen der Biologie. Wir müssen uns daher ernstlich fragen, ob die tatsächliche Beteiligung der Fermente an dem Ablauf der Lebens- erscheinungen den heute geltenden Anschauungen entspricht. Nicht die qualitative Seite des Problems der endozellularen Fermente steht zur Diskussion, sondern nur die quantitative Seite. In letzter Hin- sieht aber werden wir vergeblich nach einer experimentellen Basis suchen, die einen Anhaltspunkt für eine bestimmt zu formulierende Auffassung bieten könnte. 126 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. Inwieweit fermentative, inwieweit spezifisch vitale Prozesse zu- sammenwirken, wir wissen es nicht, nicht in einem einzigen Falle. Es kann ja freilich auf den ersten Blick scheinen, daß das Problem die Grenzen unserer heutigen experimentellen Hilfsmittel überschreitet. Eine solche pessimistische Auffassung erscheint mir unberechtigt; die Lösung vieler Probleme der Biologie ist von der Auswahl eines geeigneten Versuchsobjektes abhängig. So auch hier. Unter den höheren Organismen bietet sich kaum eine geeignete Möglichkeit für entscheidende Experimente, wohl aber unter den einzelligen Mikroorganismen. Wenn man nach solchen Lebewesen, in deren Dasein den fermentativen Re- aktionen eine besonders umfangreiche Rolle zugeschrieben wird, Um- schau hält, so drängt sich uns neben Bakterien vor allem die Alkohol- hefe auf, die schon bisher nach manchen Richtungen hin als Forsehungs- objekt gedient hat, deren Geschichte gewissermaßen das allmähliche Vordringen naturwissenschaftlicher Methodik auf die Gebiete biolo- gischer Erkenntnis wiederspiegelt, angefangen von den Arbeiten eines THENARD, Gay-Lussac, ScHwann, LieBig, PASTEUR bis auf die Zeit unsrer Tage. Um darzulegen, nach welcher Richtung uns die Alkoholhefe gerade zur Lösung des gestellten Problems dienen kann, muß ich in Kürze versuchen, die heute gültige Anschauung über die biologischen Vorgänge in der Hefe an der Hand eines kurzen historischen Rück- blicks darzulegen. Die erste zusammenfassende Darstellung über das Leben der Hefe- zelle verdanken wir Pasrzur. Er sah in der Alkoholgärung eine Leistung der wachsenden Hefe, erzwungen durch die Sauerstoffentzie- hung, bei Gegenwart von Sauerstoff sollte der Zucker glatt verbrannt, im anaöroben Leben aber eine intramolekulare Verschiebung des Sauer- stoffs unter Bildung von Kohlensäure und Alkohol eintreten. Aus späteren Untersuchungen ScHÜTzENBERGES ging dann weiter hervor, daß neben der Zuckerzerlegung den Wandlungen der N-haltigen Stoffe Beachtung geschenkt werden müsse. Pasteur dachte sich die Gärwirkung der Hefe mit deren Lebens- prozeß, vor allem dem Wachstum, in Konnex, wenn schon er diesen Gedanken nicht nach allen Richtungen konsequent durchgeführt hat; später hatte dann Näsruı zwar den Beweis geliefert, daß die Sauer- stoffentziehung nicht die Ursache der Gärwirkung sei, aber er folgte den Spuren PAstrurs wenigstens in der Richtung, daß er die Gärung als Wirkung der lebenden Substanz der Hefezelle auffaßte und diesen Standpunkt vor allem auch gegen die von Trausz schon im Jahre 1858 aufgestellte Fermenttheorie, nach welcher der Alkohol durch ein endozellulares, damals allerdings völlig hypothetisches Enzym Ruswer: Endocellulare Fermente und Energieverbrauch der Zellen. 127 erzeugt werden sollte, verteidigte. Näszrı bemerkte, Fermente hätten immer den Zweck, Nahrungsstoffe für die Zelle verwertbar zu machen, ein Gärungsferment würde aber gerade das erzeugen, was der Zelle selbst hinderlich sei. Fermentwirkungen verliefen auch, wie er meint, stets unter Wärmebindung, während die Alkoholgärung gerade Wärme zu liefern vermöge. Näeruı sah als Ursache der Gärung Molekular- bewegungen an, die sich weithin im Umkreis der Zelle verbreiten und den größten Teil des Zuckers vor dem Eintritt in die Zelle zersetzen sollten. Außer der Gärung, meinte er, sei auch noch ein anderer Lebens- vorgang, die Bildung von Glyzerin und Bernsteinsäure, vorhanden. Nigerı war sich auch bereits bewußt geworden, daß die von PASTEUR mit großem Nachdruck verfochtene Beziehung der Gärung zu dem Wachstum der Hefezelle nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. Sehen wir nun von der molekular-physikalischen Gärungstheorie Näeruis als solcher ganz ab, da uns hier nur die rein biologischen Gedanken über die Art der Hefefunktion interessieren, SO wär für ihn zwar das Proto- plasma gewissermaßen der Keil, der den Zucker spaltete, aber seine Wirkung war größtenteils eine Fernwirkung selbst über die Grenzen der Zelle hinausreichend, damit entfiel aber für den größten Teil der Zuckerzersetzung die Möglichkeit einer energetischen Verwertung, denn die außerhalb der Zelle frei werdende Wärme kann nun und nimmermehr als nährend, d.h. in diesem Falle energieliefernd, in Be- tracht kommen. So hat wohl Nigerı selbst für einen großen Teil der Zuckerzerlegung eine mehr sekundäre Bedeutung, eine Sehutz- wirkung in der Konkurrenz mit anderen Mikroorganismen, in Anspruch genommen; es bleibt unsicher, inwieweit er den Zucker als Energie- träger im modernen Sinne für die Zelle auffaßte, und welche Be- deutung er den sonstigen Umsetzungen in der Hefe für deren Er- haltung zusprach. Die Anschauungen über das Leben der Hefe hab:n in neuester Zeit nochmals eine prinzipielle Umänderung erfahren. Die schon I 858 von Trauer für die Hefe behauptete und auch später namentlich von Horrr-Sryter auf die Vorgänge im Tierkörper und auf die Gärungen im allgemeinen übertragene Fermenthypothese, welche die Anwesen- heit von endozellularen Fermenten zur Voraussetzung hatte, ist durch die wirkliche Darstellung des Alkoholgärungsfermentes und einer Reihe ähnlicher Fermente bei anderen Mikroorganismen durch E. Buchner und seine Mitarbeiter plötzlich zur allgemeinen Geltung gelangt. Die alkoholische Gärung wird von vielen ausschließlich auf die ı Auf die in jüngster Zeit von E. Bucuner gegebene Besprechung über die nähere Art der Zuckerzerlegung braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. 128 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. lebenden Zellsubstanz ist. Die neuere Auffassung läßt sich am besten erkennen, wenn ich eine Darstellung zitiere (nach Larar, Bd. I, S. 22 I), die sich in einem modernen Handbuch findet. Die Gärungserscheinungen, heißt es, »sind also nicht... der Aus- druck des Gesamtstoffwechsels der Gärungsorganismen, sondern sie sind das Ergebnis der Wirkung eines bestimmten einzelnen Bestandteiles der Zellen und können auch ohne diese selbst in allen Fällen hervorge- rufen werden, in denen es gelingt, das spaltende Enzym in wirkungs- fähigem Zustande abzuscheiden und für sich allein in Tätigkeit zu bringen«. Die Gärung steht somit außerhalb des eigentlichen Zell- lebens, ist eine Zerlegung von Substanzen, wobei aber weder das Material noch das Spaltungsprodukt für die Zwecke des Zellaufbaues in großem Maße herangezogen werden. Unter dem Zwange einer teleologischen Betrachtung hat man sich ziemlich allgemein einer ökologischen Theorie zugewandt, die schon Nieeuı angedeutet hatte, und in der Gärung nur die Bildung von Schutz- und Kampfstoffen der Hefe sehen will. Diese gedrängte Darstellung zeigt uns, an welcher Stelle unsere Untersuchungen einsetzen müssen. Wenn die mächtige Alkoholgärung nur eine N ebenerscheinung des Lebens der Hefe ist, so werden wir uns vom biologischen Stand- punkte aus fragen müssen, was denn sonst in einem Organismus vor- geht, der solche gewaltigen Umsetzungen nur zu seinem Schutze vor- nimmt, der reichlichst Fermente bildet und alle Funktionen eines leben- den Organismus unter lebhaftem Wachstum erfüllt. Das Protoplasma eines Organismus kann nicht als eine im ruhenden Gleichgewicht befindliche Masse betrachtet werden, das widerspricht aller Erfahrung. Wo Leben ist und Lebensfunktionen sich äußern, kann nur ein labiles Gleichgewicht vorhanden sein, das durch be- sondere Ernährungsvorgänge mit einem genau für die Spezies und die jeweiligen Leistungen fixierten Verbrauch von Stoff und Energie unterhalten werden muß. Was geschieht denn in dem Protoplasma der Hefezelle an solchen unerläßlichen Vorgängen? Worin besteht Wir erfahren aus | 2 em von größter Tragweite vor. Wie ist es zu erklären, daß der eigentliche Lebensprozeß der Hefezelle, das also, was das Räderwerk der Organisation im Betriebe hält, trotz endloser Experimente bis Jetzt ganz unentdeckt geblieben ist, zum min- desten aber mit der Gärung nicht in einem nähern Zusammenhange steht? Nehmen wir aber die letztere Behauptung einmal als zu Recht bestehend an, dann scheint mir der Weg zur Lösung, von den me- Rusner: Endocellulare Fermente und Energieverbrauch der Zellen. 129 thodischen Schwierigkeiten abgesehen, doch ganz klar. Es müßte sich dann der wahre Lebensprozeß in vollster Reine wahrnehmen lassen, wenn man die Hefe in ganz zuckerfreien Nährlösungen be- trachtet. Denn wenn sie den Zucker nicht vergärt, um davon zu leben, sondern aus ökologischen Gründen nur zum Schutze gegen kon- kurrierende Keime, so bietet die moderne Bakteriologie bequeme Mittel, um die dem Leben der Hefe gefährliche Konkurrenz aus der Welt zu schaffen. Vielleicht aber will man behaupten, der eigentliche Lebensprozeß der Hefe sei quantitativ im Verhältnis zur gewaltigen Gärung so gering, daß man ihn aus Mangel an geeigneten Methoden nicht auf- gefunden hat. Diese Annahme hält keiner berechtigten Kritik stand; ihr steht unvereinbar die eine wichtige, leicht zu beweisende Tat- sache entgegen, daß die Hefe unter geeigneten Bedingungen ein enormes Wachstum aufweist, und wo Wachstum gegeben ist, muß auch ein entsprechender Stoff- und Kraftwechsel sich nachweisen lassen. Das zeigen nicht nur unsere Erfahrungen an allen möglichen Tierspezies, hoch- wie niedrigstehenden, das zeigen auch unsere experimentellen Erfahrungen an Bakterien, für welche ich die entsprechenden Tat- sachen gesammelt habe. Aus diesen rein biologischen Gründen, das kann man a priori sagen, dürfen wir uns die wirklichen Lebensvorgänge der Hefe (die Dissimilation) keineswegs von allzu geringer Größenordnung vorstellen. Wie mag also wohl dieser noch unbekannte Kraftwechsel der Hefezelle, der die zu ihrem Unterhalt nötige Energie liefert, beschaffen sein? Welches sind die Stoffe, die als die Energiequellen anzusehen sind? Und wie gestalten sich die Quantitätsverhältnisse? Eine Antwort auf alle diese Fragen läßt sich mit aller Bestimmt- heit geben. Der Weg dazu ist folgender: Wir müssen, um einen Anfang zu machen, messen, wie groß der Energieumsatz in einer Gärflüssigkeit oder, da ja auch Hefe ohne Gä- rung untersucht werden kann, in einer Hefekultur überhaupt ist. Hierfür steht uns in der von mir ausgebildeten Mikrokalorimetrie ein völlig exakter Weg zu (Gebote. Die Methode selbst habe ich schon vor mehreren Jahren publi- ziert und zum Studium des Bakterienkraftwechsels und einiger die Hefe betreffenden Fragen angewendet, deren Resultate hier mit verwen- det werden sollen. Wir sind mit aller Sicherheit und mit größter Schärfe in der Lage, die von den Hefezellen produzierte Wärme zu messen, genau so, wie wir etwa die Wärmeentwicklung beim Warm- oder Kaltblüter zu messen pflegen. Da kein anderer Energieverlust als der von Wärme 130 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. in Frage kommt, so messen wir also auch den Gesamtenergieumsatz. Es kann uns also kein mit dem Leben verlaufender thermischer Prozeß entgehen. Die Genauigkeit der Messung ist leicht so weit zu treiben, daß man noch die Entwicklung von 0.03 g/cal. während einer Stunde auffinden kann, ja man kann nach Bedürfnis — für die Hefe liegt ein solches nicht vor — die Methodik auf die zehnfache Empfind- lichkeit verschärfen. Die vorher angegebene Grenze entspricht etwa 0,2 mg Zuckerumsatz pro Stunde bei der alkoholischen Gärung. Es lassen sich daher auch mit größter Sicherheit neben den. Beobachtungen an lebender Hefe solche an den Hefefermenten aus- führen. Was aber neben der Schärfe des Nachweises der mikrokalori- metrischen Methode die Überlegenheit vor den bisher angewandten sichert, ist die Möglichkeit, in jedem beliebigen Zeitintervall, ohne den Versuch zu unterbrechen, die Vorgänge in einer gärenden oder mit Ferment beschickten Flüssigkeit verfolgen zu können, wodurch sich eine ungeheure Erleichterung für die Pläne einer biologischen Betrachtung ergibt, zumal die Hefe stets unter völlig normalen Lebens- bedingungen gehalten werden kann. Außer dem Energieumsatz benötigen wir unter Umständen der Kenntnis des umgesetzten und vergorenen Zuckers; hierüber ist nichts Weiteres zu sagen, denn die Methoden zu diesem Nachweis sind längst bekannt und exakt. Für den Nachweis, ob neben der Zuckerzerlegung bei der Gärung noch eine andere Wärme- und Energiequelle vorhanden ist, bedürfen wir weiterhin einer Feststellung der Wärmetönung des Zuckers bei der Spaltung in die Produkte der Gärung. Man könnte daran denken, zur Feststellung dieser Konstante eine Zerlegung des Zuckers durch das Ferment der alkoholischen Gärung nach Tötung der Zellen vor- zunehmen, dies empfiehlt sich vorläufig nicht; die Grundlagen können aber aus einer rein thermochemischen Berechnung gewonnen werden. Die alten Angaben über die Verbrennungswärmen sind dazu aller- dings nicht zureichend, sie haben unter sich schon zu den differen- testen Ergebnissen geführt. Doch verfügen wir über eine Reihe modernerer Messungen be- treffs der Verbrennungswärme des Zuckers und seiner Spaltungspro- dukte, wie sie aus den bekannten Gärungsgleichungen zu entnehmen sind. Daraus läßt sich die Gärungswärme mit genügender Sicherheit theoretisch ableiten. An der Hand aller dieser Messungen wird sich also feststellen lassen, ob die in einem Gärversuch mit lebenden Zellen gefundene Wärme sich mit jener Wärmemenge deckt, die sich aus dem Ver- brauch an Zucker und den thermochemischen Konstanten für die Al- Rusner: Endocellulare Fermente und Energieverbrauch der Zellen. 131 koholgärung ableiten läßt. Dabei sind dann nur zwei Fälle möglich: entweder wir finden bei der Gärung mit der lebenden Hefe mehr Wärme, als der Berechnung entspricht; dann könnte dieses Mehr ein Ausdruck für den gesuchten bisher unbekannten Lebensvorgang der Hefezelle sein, oder wir finden genau soviel Wärme, als der thermo- chemischen Berechnung entspricht, dann müßte man annehmen, daß ein solcher hypothetischer besonderer Stoffwechsel der Hefe überhaupt nicht existiert. Nach diesem Plane bin ich vorgegangen und habe zahlreiche nach den verschiedenen Lebensbedingungen variierte Gärversuche ange- stellt, deren Resultate, soweit sie zahlenmäßiger Natur sind, schon an an- derer Stelle berichtet worden sind (Arch. f. Hyg. Bd. XLIX, S. 355). Ohne weiter in das Detail der Experimente einzutreten, berichte ich kurz über die Ergebnisse. Die Versuche sind mit verschiedenen Zuekerarten bei verschiedener Gärtemperatur, bei wachsender und nicht wachsender Hefe, also unter Variation aller hier in Betracht kommen- den biologischen Bedingungen, ausgeführt. Für die Hexose erhält man auf Grund der modernen thermo- chemischen Angaben pro ı Molekül als Spaltwärme für die Gärungs- gleichung (also einschl. Glyzerin und Bernsteinsäurebildung) 25.6 kg/eal. auf Grund meiner Messungen als direkte Gärwärme der lebenden Hefe 24.00 kg/cal. Dies kann als eine fast völlige Übereinstimmung gelten, wenn man bedenkt, welch kleine Differenzen in der Bestimmung der Ver- brennungswärme, und welche geringe Änderung etwa der »Gärungs- formel« oder welch geringe Abweichungen vom mittleren Gärverlauf dazu gehören, solche Unterschiede hervorzurufen. Aus diesen Tatsachen ergibt sich mit absoluter Sicherheit, daß in der gärenden Flüssigkeit, gleichgültig ob die Hefe wächst oder nieht, ob viel oder wenig Hefe in Aktion tritt, ob schnelle Gärung bei hoher Temperatur oder langsame bei niedriger Temperatur gegeben ist, ob die Lösungen konzentrierter oder verdünnter sind, keine andre Wärmequelle nachzuweisen ist, als der vergärende Zucker liefern kann. Diesen Experimenten kann ich zur Kontrolle die Versuche anfügen, welche mit Hefezellen, die einfach in Wasser oder in Peptonlösungen gebracht worden waren, angestellt worden sind. Die Hefe liefert unter solehen Umständen, abgesehen von minimalen Wärmemengen, die einer sogenannten Nachgärung entstammen mögen, keinen weiteren Energie- umsatz und fällt mehr oder minder rasch der Autolyse anheim. Die Hefe zeigt nur normale Lebenserscheinungen, wenn sie Zucker zur Verfügung hat. | | Für den Biologen sind die Experimente in ihren Ergebnissen ein- deutig und zwingend; da bei der Hefe kein andrer energetischer Vorgang nachweisbar ist als die Zuekerspaltung, so muß der Gärprozeß ent- - . Sitzungsberichte 1912. en 132 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. weder in seiner Totalität oder zum Teil die Energiequelle für das Leben des Organismus der Hefe sein. Jedenfalls aber kann nicht aller Zucker nur den Weg des fermentativen Zufalls gegangen sein, da hierbei stets sofort die Wärme frei auftritt, letztere aber für die Zwecke des Organis- mus nicht verwendbar ist. Wir setzen daher voraus, daß ein Teil des vergorenen Zuckers unter dem Einfluß der lebenden Substanz, also vital, zerfallen ist und so dieser die nötige Lebensenergie zugeführt hat. Damit soll nicht gesagt sein, daß überhaupt neben der Zucker- gärung nicht auch andere Stoffwechselvorgänge sich abspielen können ; sicher nachzuweisen sind z. B. gewisse geringe Umänderungen stick- stoffhaltiger Bestandteile, allein für die geti Beurteil finden sich nicht. Eine Scheidung in diese beiden Gruppen fermentativer und vitaler A EU 5 WIUCHLISE ich der Gärungs- Natur ist, sogar leicht Toluol abgetöteter Hefe nebenein- ander gemacht werden. Erst durch diese Scheidung lassen sich dann Russer: Endocellulare Fermente und Energieverbrauch der Zellen. 133 die biologischen Faktoren in ihrer Rückwirkung auf die Hefe mit aller Schärfe studieren. Die Fermentwirkung erschöpft sich zumeist rasch in den ersten Stunden der Gärung, bedingt namentlich den stürmischen Beginn der letzteren und kann in dieser ersten Periode der Gärung 30 und 40 Prozent des gesamten Energiewechsels ausmachen. Ein be- liebig aus meinen Versuchen herausgegriffenes Beispiel wird dies er- läutern. g/eal. in 2 Stunden. Stunde Lebende Hefe Ferment Vitale Wirkung 12 791 295 496 3— 4 601 36 565 0 465 20 445 = 447 11 436 9—1I0 388 6) 388 Es widerstreitet kaum den Tatsachen, in dieser kräftigen Wirkung des Ferments zu Beginn der Aussaat der Hefe ein Sehutzmittel der letzteren gegen die Einnistung fremder Mikroorganismen in den Nähr- lösungen zu sehen, um so mehr, als das Protoplasma erst nach einiger Latenz zur vollen Gärkraft sich zu erheben scheint. Der Nachweis einer vitalen Wirkung der Hefe bei der Gärung erlaubt uns erst von einem spezifischen Energieverbrauch zu reden, der sich dann mit dem Kraftwechsel anderer Organismen, und besonders einzelliger Mikroorganismen, in Vergleich stellen läßt. Dabei zeigt sich, daß die Hefe bei optimaler Temperatur in der Intensität ihres Energie- verbrauchs sehr nahe mit den verwandten Bakterien übereinstimmt. Die in der Einleitung aufgeworfene Frage über die Bedeutung endozellularer Fermente kann hiermit als beantwortet gelten. Ich will die gewonnenen Ergebnisse nicht allzusehr verallgemeinern. Aber wenn wir hier bei dem typischsten Beispiel für den Nachweis endo- zellularer Fermente und einer nur auf der Zuckergärung basierenden Stoffwechselgleichung haben erkennen müssen, zu welch unberechtigten Schlüssen der Mangel an quantitativer Messung führen kann, so werden wir uns im übrigen in der Einschätzung der Bedeutung ähnlicher Bazyme überhaupt eine sehr erhebliche Zurückhaltung auferlegen müssen . ı Die ausführliche Publikation erfolgt im Archiv für Physiologie. 134 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. Thermodynamik und spezifische Wärme. Von W. NerNST. Meines Wissens ist die Frage, ob die Erreichung des absoluten Null- punktes der Temperatur experimentell realisierbar ist, noch wenig diskutiert worden. Die allgemeine Annahme ist wohl fast überall die gewesen, daß hier eine Unmöglichkeit vorliegt. Nun ist kürzlich als ein experimentell neuartiges und früher wohl kaum erwartetes Ergebnis hinzugekommen', daß die spezifische Wärme fester Stoffe bei sehr tiefen Temperaturen verschwindend klein wird, wobei wir hier und im folgenden unter »festen Stoffen« sowohl kristallisierte Substanzen wie auch unterkühlte Flüssigkeiten (z. B. Quarz- glas) verstehen wollen. Unerwartet können wir dies Ergebnis nennen, weil es mit den Anschauungen der klassischen kinetischen Theorie der Materie un- vereinbar ist. Erst die Quantentheorie, die ja eine Reihe von Kon- sequenzen der älteren kinetischen Theorie sozusagen durch einen Ge- waltakt aufhebt, hat dies Resultat nicht nur verständlich gemacht, sondern zugleich auch mit den Strahlungsphänomenen in enge Beziehung gesetzt. Die betreffenden Betrachtungen von Pranck und Eısstem sind jetzt wohl so allgemein bekannt, daß dieser bloße Hinweis hier ge- nügen kann. Für unsere Frage schafft der Umstand, daß die spezifische Wärme bei tiefen Temperaturen nicht nur stark abfällt, sondern schon vor Erreichung des absoluten Nullpunktes praktisch Null zu werden scheint, und daß im Sinne der Quantentheorie die Wärmekapazität als Funktion der Temperatur betrachtet, sogar Null von beliebig hoher Ordnung werden soll, eine neue Situation. Wenn es einen festen Stoff gibt, der bei adiabatischer Ausdehnung oder Kompression auch bei tiefen Temperaturen sich abkühlt, so würde hiernach, wie wir weiter unten sehen werden, die Erreichung des absoluten Nullpunktes sogar äußerst leicht sein. Nun werden wir aber zeigen können, daß, falls die Erreichung des absoluten Nullpunktes durch endliche Volumenänderungen, durch end- ! Vgl.darüber z.B. Nernst, Ann. d. Physik [4] 36, 395 (igır). Nerssr: Thermodynamik und specifische Wärme. 135 lichen chemischen oder elektrochemischen Umsatz oder irgendeinen anderen Prozeß möglich wäre, der zweite Wärmesatz verletzt werden würde. Daraus ergibt sich dann sofort der Schluß, daß die mit solchen Prozessen verbundenen latenten Wärmen bei tiefen Temperaturen ver- schwindend klein von höherer als erster Ordnung werden müssen, und dies ist gerade der Inhalt des von mir aufgestellten Wärmesatzes. Es ist nämlich in der Fundamentalgleichung (1.) Pe A-—U (= Differenz von maximaler Arbeit und Wärmetönung) die la- tente Wärme; wird nun im Sinne meines Satzes (2.) im 9, = 0 ar. 2740, so muß in der Tat die latente Wärme von höherer als der ersten Ordnung Null werden. Wir werden also das Resultat erhalten, daß dieser Satz mit Not- wendigkeit aus der experimentellen Tatsache folgt, wonach die spezi- fischen Wärmen fester Stoffe bei tiefen Temperaturen verschwinden, ein Ergebnis übrigens, das mir von vornherein zweifellos erschien". Da mir aber von theoretischer Seite auf der Brüsseler Konferenz (» Con- seil Solvay«) diese Beziehung kürzlich bestritten wurde, so erschien eine eingehendere Untersuchung nützlich, und ich hoffe, daß die nach- folgenden Betrachtungen geeignet sind, jeden Zweifel auf diesem Ge- biete zu beseitigen. $ 1. Über die Möglichkeit, aufdem Wege eines umkehrbaren Kreisprozesses zu dem absoluten Nullpunkte zu gelangen. Wir wollen uns vorstellen, daß es einen Kreisprozeß gäbe, bei welchem die untere Isotherme (vgl. das beistehende in üblicher Weise gezeichnete Diagramm) beim ab- ? soluten Nullpunkt verläuft. Wir könnten uns etwa vorstellen, daß “ ein fester oder flüssiger Körper B bei der Temperatur AT sich ex- © pandiert, während er mit einem R Wärmereservoir in dauernder Be- rührung erhalten wird; daß er a u u pierauf von dem Reservoir ent- 136 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. fernt wird und sich adiabatisch so weit stärker expandiert, bis er zum absoluten Nullpunkt sich abkühlt. Sodann wird er beim absoluten Nullpunkt komprimiert, schließlich durch eine unendlich kleine Zufuhr äußerer Arbeit unendlich wenig erwärmt, so daß es möglich wird, ihn durch adiabatische Kompression wieder auf die Temperatur AT und das ursprüngliche Volumen zu bringen. Bei einem derartigen umkehrbaren Kreisprozeß würde nun eine gewisse endliche äußere Arbeit geleistet werden, die durch den Inhalt des von den 4 Kurven begrenzten Flächenstückes gegeben ist; da auf den Kurvenstücken BC und DA keine Wärme aufgenommen wird, und da nach Gleichung (1.) auch auf dem Kurvenstück CD wegen Ver- schwindens der latenten Wärme beim absoluten Nullpunkte keine Wärme aufgenommen werden kann, so folgt also, daß die äußere Arbeit auf Kosten der dem Wärmereservoir von der vielleicht ungeheuer niedrigen, aber immerhin noch endlichen Temperatur AT entnommenen Wärme geleistet werden muß. Da dies aber dem zweiten Hauptsatze wider- spricht, so gelangen wir zu der Schlußfolgerung: Es darf keinen in endlichen Dimensionen verlaufenden Prozeß geben, mit Hilfe dessen ein Körper bis zum absoluten Nullpunkte abgekühlt werden kann. Dieser Satz ist vielleicht deshalb bisher noch nie besonders betont worden, weil es unter der früher allgemein üblichen Annahme, daß die spezifische Wärme auch bei beliebig tiefen Temperaturen endlich bleibt, von vornherein klar zu sein schien, daß eine Erreichung des absoluten Nullpunktes nicht möglich wäre. Da, wie schon erwähnt, die latenten Wärmen nach dem zweiten Wärmesatze bei sehr tiefen Temperaturen unendlich klein werden, so erschien es ohne weitere Rechnung selbst- verständlich unmöglich, den auch bei tiefsten, aber endlichen Tempera- turen immer noch endlichen und der Temperatur (annähernd) proportio- nalen Wärmeinhalt einem Körper zu entziehen. In eine ganz andere Beleuchtung aber wird die Frage gerückt, wenn wir die Voraussetzung einführen, wonach in dem allgemeinen Ausdruck für die spezifische Wärme (3.) . era + tt... nicht nur c,, sondern auch höchstwahrscheinlich die Koeffizienten der folgenden Glieder sehr klein werden. Wir werden übrigens im folgenden mit der Voraussetzung auskommen, daß nur das erste Glied der rechten Seite der Gleichung ( 3.) verschwindet: wenn wirklich, wie es die von LinDEmAnn und mir gefundene Formel verlangt, sogar alle Koeffizienten, die mit endlichen Potenzen von T multipliziert werden, verschwindend klein sind, so gelten die nachfolgenden Betrachtungen lediglich a fortiori. Nernsr: Thermodynamik und speeifische Wärme. 137 $2. Adiabatische Kompression fester Körper. Die Theorie dieses Vorganges ist bekanntlich leicht zu entwickeln. Gleichung (1.) lieferte hierfür (4.) ae Fi Die zugeführte Wärme beträgt nach dem ersten Wärmesatze oU Q = C,dT +7 do+pdv; durch Kombination der beiden letzten Gleichungen ergibt sich für die : adiabatische Kompression oder Dilatation O =0); op o= (,dT+T 7500. Setzen wir nun allgemein für den Spannungskoeffizienten (5-) r— a,+a,T+4,T’+:--, so folgt dT 2 a,+aT+ N Fa ee Für tiefe Temperaturen wird also — dl dr, a d.h. es entspricht auch bei den tiefsten Temperaturen einer endlichen Volumenänderung auch eine endliche Abkühlung, wobei man sich natürlich die Volumenänderung in dem Sinne abspielend denkt, in welchem sie mit Wärmeabsorption verbunden ist. Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß die Erreichung des absoluten Nullpunktes durchaus möglich wäre. Dies Resultat wird verhindert, wenn (6.) a,=0 ist; dann wird nämlich 2, AL (7.) Ar= . Ta d.h. es bedarf einer unendlich großen Volumenänderung, um von einer beliebig kleinen, aber endlichen Temperatur AT bis zum abso- luten Nullpunkte 7= 0 zu gelangen. Die Folgerung a, = 0, wonach der Spannungskoeffizient bei tiefen Temperaturen verschwindet, läßt sich aber auch unmittelbar aus meinem Wärmesatze (vgl. Gleichung 2 138 Sitzung der/physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. und 4)ableiten', und zwar ist sie nichts anderes, als der Ausdruck meines Wärmesatzes für den in diesem Abschnitte betrachteten Vorgang. Es läßt sich mit anderen Worten für diesen Fall mein Wärmesatz ein- fach aus der experimentell wohl bereits vollkommen sichergestellten Tatsache beweisen, wonach die spezifischen Wärmen fester Körper bei sehr tiefen Temperaturen verschwinden. Es leuchtet wohl jetzt bereits ein, daß dies Resultat für jeden beliebigen Prozeß gelten wird. S 3. Stofflicher Umsatz. Das obige Resultat gewinnen wir für diesen Prozeß in folgender Weise. Wenn nach Voraussetzung für alle reagierenden Stoffe ne, wird, so liefert Gleichung (1.) für die latente Wärme bei tiefen Tem- peraturen A—U=CT (C die Integrationskonstante). Betrachten wir, um die Ausdrucksweise zu erleichtern, einen beliebig einfachen Fall, etwa die Umwandlung von Graphit in Diamant, und nehmen wir an, um die Ideen zu fixieren, daß C eine positive Größe sei. Dann würde mit dem rever- siblen Umsatz dv die Wärmeabsorption C'Tdv verknüpft sein, und wir bekommen für die adiabatische Umwandlung, CTdav+(aT+bT’+..)dT=o, oder integriert, bei hinreichend tiefen Temperaturen a Aav=-—-(T—T): B ( 2 a b3 d.h. schon bei einem unendlich kleinen Umsatz dv lute Nullpunkt erreicht werden, ausgeht. würde der abso- wenn man von der Temperatur dT' Setzen wir jedoch im Sinne meines Wärmesatzes 50, so folgen die Gleichungen A=A—aT:, U=A-+aT’; die latente Wärme würde also bei tiefen Temperaturen a A— U= — 24T: L.Vgh darüber ee, Thermodynamik, II. Aufl. (tg11), und N 30. phys. chim. ıgır, S. 2 ron Nernsr: Thermodynamik und specifische Wärme. 139 werden, und es folgt, wie oben, 18 (8.) A, u 24 d.h. der absolute Nullpunkt (T, = 0) ist durch einen endlichen Stoff- umsatz nicht zu erreichen. Umgekehrt läßt sich natürlich, wenn wir diesen letzteren Satz als richtig annehmen, mein Wärmetheorem auch für diesen Fall ableiten. Als allgemeines Prinzip, aus dem mein Wärmesatz sich ergibt, können wir also hinstellen: Es ist unmöglich, durch irgendwelche stoffliche Ver- änderungen von einer selbst beliebig tiefen Temperatur bis zum absoluten Nullpunkt zu gelangen. Dies Resultat ist gewiß merkwürdig, weil anderseits dadurch, daß die spezifische Wärme der festen Körper bei tiefen Temperaturen so überaus klein wird, eine gewaltige experimentelle Erleichterung gegeben ist, sich dem absoluten Nullpunkt möglichst weitgehend zu nähern. Im Sinne der Quantentheorie besteht der Wärmeinhalt fester Kör- per bei sehr tiefen Temperaturen darin, daß fast alle Atome ruhen und nur einige ganz wenige mit bestimmten Energiequanten versehen um ihre Ruhelage rotieren. Der obige Satz würde sich von diesem Standpunkte aus also auch so aussprechen lassen: es ist nicht mög- lich, einem festen Stoff die letzten Energiequanten zu entziehen. Betrachten wir, was für manche Zwecke erlaubt ist, die schwin- genden Atome als in verdünnter Lösung befindlich, wobei die ruhenden Atome das Lösungsmittel bilden'!, so erscheint die erwähnte Folgerung als völliges Analogon zu dem bekannten Satze: es ist nicht möglich, einer Lösung die letzten Spuren gelöster Substanz zu entziehen (Heın- HOLTZ). $ 4. Einige andere Prozesse. Daß weder mit Hilfe der Verdampfung noch mit Hilfe der Wärme- strahlung ein Körper bis zum absoluten Nullpunkt gebracht werden kann, im letzteren Falle etwa dadurch, daß wir einen auf beliebig tiefe, aber endliche Temperatur abgekühlten festen Körper in einen sich beliebig stark, aber natürlich nur endlich sich vergrößernden ideal _ spiegelnden Hohlraum bringen, ist ohne Rechnung klar. Dampfdruck sowohl wie Strahlungsdichte, geliefert von einem monochromatisch strahlenden Stoffe, werden bei sehr tiefen Temperaturen klein von unendlich hoher Ordnung. ı Nersst, Physik. Zeitschr. 12, 976 (1911). 140 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912, Von sonstigen Vorgängen wäre wohl nur noch an den Peltier- effekt zu denken. In diesem Falle könnte die Schlußweise an Sicher- heit verlieren, wenn etwa die Wärmeleitung beim absoluten N ullpunkt unendlich groß werden sollte. Dies ist nun erstens nicht wahrschein- lich, und zweitens sind wohl allgemein thermodynamische Schluß- folgerungen von dem absoluten Betrage physikalischer Eigenschaften, welche die Zeit enthalten, unabhängig. Somit können wir wohl mit großer Sicherheit schließen: Der durch die absolute Temperatur dividierte Peltiereffekt wird bei sehr tiefen Temperaturen von gleicher Ordnung unendlich klein, wie die spezifische Wärme. Ich habe diesen Schluß bereits kürzlich', von andern Gesichts- punkten geleitet, gezogen, doch mußte ich die frühere Schlußfolge als nicht völlig bindend bezeichnen. Jetzt haben wir dies Resultat als Ergebnis meines noch etwas verallgemeinerten Wärmesatzes er- halten. Zusammenfassung. Von der experimentellen Tatsache ausgehend, daß die spezifische Wärme fester Körper bei tiefen Temperaturen gegen Null konvergiert, wurde gezeigt, daß der vom Verfasser aufgestellte Wärmesatz auch folgendermaßen formuliert werden kann: Es ist nicht möglich, durch in endlichen Dimensionen verlaufende Prozesse einen Körper bis zum absoluten Nullpunkt abzukühlen. Auf diesem Wege wurde einerseits eine wohl zwingende experi- mentelle Begründung des erwähnten Wärmesatzes gewonnen, ander- seits eine Fassung gefunden, die ihn noch etwas erweitert und z.B. auch auf den Peltiereffekt anwendbar macht. I Nernst a.a.0. A. Euckex: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. 141 Die Molekularwärme des Wasserstofis bei tiefen Temperaturen. Von Dr. A. Eucken. (Vorgelegt von Hrn. Nerxsr.) ı. Die neueren Untersuchungen des Energieinhalts fester Körper sowie der Gesetze der schwarzen Strahlung haben ergeben, daß die Grundlagen der klassischen Molekularmechanik (Gesetz von der gleich- mäßigen Energieverteilung) sich nicht aufrechterhalten lassen, und haben in der Aufstellung der Energiequantenhypothese vorläufig ihren theore- tischen Ausdruck gefunden. Zwar gilt die Energiequantenhypothese zunächst nur für schwingende Gebilde mit einer ausgesprochenen Eigen- frequenz (z. B. für die Atome eines festen Körpers), doch wies Nerxst' darauf hin, daß die Betrachtungen in geeigneter Modifikation not- wendigerweise auch auf andere Energieformen, insbesondere auf die Rotationsenergie gasförmiger Moleküle zu übertragen seien. Es ließ sich bereits qualitativ mit Sicherheit voraussagen, daß auch der durch die Rotationsbewegung bedingte Anteil der Molekularwärme eines Gases einen Abfall bei tiefen Temperaturen zeigen muß, der indessen nach den bisherigen Berechnungen als weniger steil als bei festen Körpern zu erwarten war. Wegen seiner geringen Masse (hohen Umdrehungs- zahl) war am ehesten, d.h. noch bei bequem erreichbaren Temperaturen, ein Abfall der Molekularwärme des Wasserstoffs vorauszusehen. Was das bisherige experimentelle Material anlangt, so zeigt ein Vergleich der gefundenen Werte der Molekularwärme für Luft mit denen für Wasserstoff, daß Wasserstoff bereits bei Zimmertemperatur eine merklich kleinere Molekularwärme als Luft besitzt. Hr. Prof. Nerst stellte mir hierüber folgende Ausführungen gütigst zur Verfügung: »Der Wert der Molekularwärme der Luft ist für Zimmertemperatur von Keuter? aus den bisherigen Messungen wie aus denen der Schall- geschwindigkeit zu 4.90 (auf konstantes Volumen umgerechnet) er- ı Zeitschr. f. Elektrochem. 17, 270 und 825 (191 1). 2 Dissertation Berlin 1910. 142 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. mittelt worden; ich selber möchte aus der bisherigen Literatur einen etwas höheren Wert, nämlich 4.92, für richtiger halten. Reenaurt, P. A. MÜLLer, Lummer und Prisesueim, alles Beobachter, deren Zahlen besonderes Vertrauen verdienen, finden nach ganz ver- schiedenen Methoden für Sauerstoff einen etwa ı Prozent höheren Wert als für Luft, so daß für dieses Gas 4.97 folgen würde. Dies ist aber praktisch genau der für starre Moleküle geforderte Wert (5/», R= 4.963); daß Luft einen etwas (etwa 0.5 Prozent) kleineren Wert besitzt, war übrigens wegen ihres Argongehaltes zu erwarten. Und daß beide Werte dem theoretischen äußerst nahekommen müssen, folgt daraus, daß die spezifische Wärme der Luft von der Temperatur innerhalb weiter Grenzen unabhängig ist. Es ist ein Temperatureinfluß von — 200° bis + 200°, wenn die Luft auf den idealen Gaszustand re- duziert wird, bisher wohl kaum mit Sicherheit nachgewiesen worden. Für die Molekularwärme des Wasserstoffs hingegen finden sowohl ReesavLr wie E. Wıepemann merklich (1.2 bzw. 1.4 Prozent) kleinere Werte als für Luft (bezogen auf konstanten Druck); auf konstantes Volumen umgerechnet würde im Mittel C, für Wasserstoff also 4.92 (1—0.018) = 4.83 betragen. Zu genau dem gleichen Ergebnis führen auch die Versuche von Lunmer und Prisesuem. Auch Pier! konnte aus seinen Explosionsversuchen schließen, daß Wasserstoff einen merklich kleineren Wert der Molekularwärme als Luft besitzt (4.75 gegen 4.90, somit 4.77 gegen 4.92). Doch beziehen sich diese Messungen aller- dings auf die mittlere spezifische Wärme zwischen Zim und hohen Temperaturen. Als wahrscheinlichster Wert folgt wohl für Wasserstoff 4.82 bei Zimmertemperatur. Angesichts des Umstandes, daß sich die ganz verschiedenartigen Messungen gegenseitig so vortrefflich kontrollieren, möchte ich die oben für Luft, Sauerstoff, Wasserstoff (4-92, 4.97, 4.82) gewonnenen Werte für auf etwa 0.5 Prozent sicher ansehen.« Bei tiefen Temperaturen liegen noch keine direkten Messungen der Molekularwärme des Wasserstoffs vor, doch ließ sich aus dem experimentell bekannten Temperaturverlauf (von 80° abs. aufwärts) der Wärmeleitfähigkeit (k) und des Reibungskoeffizienten (r), mit denen die spezifische Wärme C durch die Formel mertemperatur k = konst. Cy verknüpft ist, bereits mit eini ger Wahrscheinlichkeit eine starke Ab- nahme der Molekularwärme des Wasserstoffs voraussagen’. Durch ' Zeitschr. f. Elektrochem. 15, 537 (1909). ” A. Eucken, Phys. Zeitschr. 12, rıor (1grı). A. Euckex: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. 143 die im folgenden mitgeteilten Versuche wird diese Vermutung be- stätigt und der Temperaturabfall der Molekularwärme des Wasser- stoffs nunmehr quantitativ möglichst genau festgestellt. 2. Die Untersuchung der Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme des Wasserstoffs erfolgte mit Hilfe einer Apparatur, die auf dem gleichen Prinzip beruht wie die von Nersst' für feste Körper verwendete: In einem kleinen, dünnwandigen, thermisch möglichst isolierten Stahlgefäß befindet sich komprimierter Wasserstoff. Durch elektrische Heizung wird dem Gefäß eine bestimmte Wärmemenge zugeführt. Die Temperaturmessung erfolgt durch einen Platinwider- standsdraht. — Das verwendete Stahlgefäß war aus bestem nahtlosen Stahlrohr ("/; mm Wandstärke) durch Auflöten von zwei passenden Stahlkappen hergestellt, sein inneres Volumen betrug 39 eem, sein Gewicht 40o g. Zum Einfüllen des Gases diente eine Neusilber- kapillare von 0.9 mm äußerem und 0.4 mm innerem Durchmesser, ihre Länge betrug bis zum Einfüllventil 30 em; das Volumen der Kapillare war somit gegen das des Gefäßes zu vernachlässigen, und die Messung lieferte daher direkt C, die spezifische Wärme bei konstantem Volumen. Zum Heizen wurde ein dünner Kon- stantandraht von etwa 500 ® Widerstand benutzt; der Widerstand les Platindrahtes betrug 300—350 2 bei 0°. Die Trennung von Heiz- und Thermometerdraht macht die ganze Anordnung nur wenig kom- plizierter; da indessen der Widerstand des Konstantandrahtes sich zwischen + 20° und 273° abs. praktisch nicht ändert, vereinfacht sich die Handhabung der Apparatur (z. B. braucht während des Heizens die Spannung bzw. der Widerstand nicht nachreguliert zu werden), wo- dureh indirekt ein Gewinn an Genauigkeit erzielt wird. Die beiden Drähte waren um den zylindrischen Teil des Stahlgefäßes einfach herumgewicekelt und mit Hilfe eines Farblackes festgekittet, der zur elektrischen Isolation und gleichzeitig zur Herstellung eines guten thermischen Kontaktes diente. Das Stahlgefäß befand sich in einem evakuierbaren Glasgefäß; die Neusilberkapillare wurde durch eine mit Siegellack zugekittete Glaskapillare eingeführt”. Bei einer Reihe von Versuchen, die in einem konstanten Tempera- turbad vorgenommen werden konnten (Tabelle ı), war das Stahlgefäß mit innen gut geschwärzter, außen blanker Silberfolie umgeben. Man erreichte hierdurch eine sehr erhebliche Verminderung des Tempera- turganges; da indessen die Silberfolie, wenigstens bei tiefen Tempe- raturen (80° und 90°), nur in schlechtem Wärmekontakt mit dem 1 Diese Ber. ıgro, S. 262; Ann. d. Phys. (4) 36, 395 (1911). 2 Hrn. Prof. von WArTENBERG bin ich für seine Beihilfe bei den Vorarbeiten zu den Versuchen, insbesondere bei der Herstellung des Stahlgefäßes zu Dank verpflichtet. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. Tabelle ı. Molekularwärme des Wasserstoffs bei 273°1, I95°, 91° und 82°. 144 U RIRERBDRRICHE des ag MOekRlar- a . en ee leer mit H, gefüllt des H, - 5.159 5.636 | 0.0966 4.94 ee { 5.051* 5.851 0.1661 4.81 199 | 4.400 4.883 0.1095 4.41 194 4.524° 5.275 0.1710 4.39 3-481 0.3550 3.44 3.112 0.2513 3.39 91 2.260 2.978 0.2132 3237 2.744 0.1453 3-33 2.697 0.1315 3.32 1.986 2.387 0.1268 3.30 a | 1.914* 2.520 0.1836 3.30 * Mit der darüberstehenden Zahl nicht vergleichbar. Tabelle 2. Molekularwärme des Wasserstoffs zwischen 35° und 110°. | Wärme- Wärme- Wärme- ‚Wärme kapazität kapazität kapazität | - u leku- ı kapazität | des Gefäßes es des Gefäßes . des Gefäßes zu ag n | des Gefäßes mi en rme u arwärme ie arwärm | deer) 0.1909 vr 0.1794 des H, 0.1040 des Hs Mol. H, Mol. H, Mol. H, 31 2 0310 0.963 3-42 _ _ 0.644 3.20 05 | 0.420 1.046 3.28 — — 0.751 3.18 4 | 0.567 1.197 3.30 1.155 3.28 0.893 3.135 50 | 0.735 — — — = 1.061 3.135 60 | 1.085 — -- —_ — 1.406 3.09 65 | 1.268 1.881 3.21 — — 1.595 3.145 70 1.459 2.082 3.26 Eu — 1.788 3.165 0.2585 0.1295 Mol.H, Mol. H, 80 1.839 2.690 3.29 2.287 3.23 2.472 3.20 85 2.020 2.884 3.34 2.443 3.27 2.365 3.32 90 2.190 3.075 3.42 2.618 338 _ — 100 2.517 3-458 3.64 2.953 3-37 er = 110 2.811 3.800 3.82 3.280 3.04 _ — Stahlgefäß stand, dauerte es verhältnismäßig lange, bis der Tempera- turgang konstant wurde. Ließ man die Silberfolie fort, so stellte sich bereits etwa ı’ nach Unterbrechung des Heizstromes der konstante Temperaturgang ein, doch war derselbe nunmehr beträchtlich größer, so daß keine Messungen bei höheren Temperaturen mehr damit an- gestellt werden konnten. Bei der Temperatur der flüssigen Luft hob A.Evckex: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. 145 sich der Nachteil der Vergrößerung des Ganges gegen den Vorteil der rascheren Einstellung etwa auf. Von Wichtigkeit war die rasche Einstellung für Messungen bei Zwischentemperaturen. Diese gelangen, indem man das äußere Glasgefäß nicht vollständig in die betreffende Badflüssigkeit eintauchen ließ. Dann wurde von oben her Wärme zugeleitet (durch die Kapillare usw.) und zugestrahlt, während sie nach unten abgegeben wurde. Das Gefäß befand sich somit in einem Temperaturgefälle; dabei war bei gutem Vakuum und tiefen Temperaturen die im stationären Zustand durchströmende Wärmemenge so gering, daß sich das Stahlgefäß praktisch vollständig auf gleichförmiger Temperatur befand. Indessen ließ sich bei diesen Messungen (Tabelle 2) in der Regel kein ganz konstanter Temperaturgang erzielen, da das Niveau der Badflüssigkeit durch die Verdampfung dauernd im Sinken begriffen war. Da sich aber die Wärme sehr rasch ausglich, war die hierdurch bedingte Unsicherheit nur gering. Die tiefsten Temperaturen wurden mit Hilfe von flüssigem Wasserstoff hergestellt; zu einer einzelnen Messungs- reihe wurde etwa ein halbes Liter gebraucht. Die elektrische Energie wurde einer Akkumulatorenbatterie ent- nommen, deren Spannung mit Hilfe eines empfindlichen Nullinstru- ments gegen eine Anzahl von Westonnormalelementen abgeglichen war und stets nachreguliert wurde; die Berechnung der Energie er- folgte aus Spannung und Widerstand. Der Widerstand des T hermometerdrahtes wurde mit Hilfe einer Wheatstoneschen Brückenanordnung (Spiegelgalvanometer als Nullin- strument) gemessen. Aus den Widerständen des Platindrahtes wurde nach der von Nersst! angegebenen Tabelle die Temperatur berechnet. Eine Wider- standsmessung bei der Temperatur des flüssigen Wasserstofis ergab, daß die für den benutzten Platindraht geltende Korrektionsgröße « (in bezug auf die obenerwähnte Tabelle) den Wert 0.0138 hat. Die Temperatur des flüssigen Sauerstoffs wurde dann nach den Angaben des Widerstandsdrahtes mit befriedigender Genauigkeit ("/r0°) angezeigt. — Befand sich in dem Stahlgefäß komprimiertes Gas, so stieg infolge der Dehnung des Gefäßes und des Drahtes der Widerstand. Diese Korrektion machte einige '/ıo-Grade aus, ihre Größe wurde bei ver- schiedenen Temperaturen ermittelt. 3. Obgleich die Versuchsbedingungen infolge der verhältnismäßig großen Oberfläche des Stahlgefäßes ungünstig waren, gelang es trotz- dem, eine für den vorliegenden Zweck ausreichende Genauigkeit zu erzielen. Die in den Tabellen ı und 2 angegebenen Mittelwerte, die 1 Ann. d. Phys. (4) 36, 405 (19! 1). 146 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. wegen der starken Temperaturveränderlichkeit der Wärmekapazität des Gefäßes graphisch ermittelt wurden, sind aus einer größeren Anzahl von Einzelversuchen entstanden; z. B. wurde zur Festlegung der Wärme- kapazität-Temperaturkurve des leeren Gefäßes zwischen 30° und 110° (Tabelle 2) 48 Einzelversuche angestellt. Die in den Tabellen enthal- tenen Werte für die Wärmekapazität dürften bei den meisten Tempe- raturen auf ı bis 2 Promille sicher sein; Abweichungen der Einzelver- suche > 0.5 Prozent kommen nur vereinzelt vor. Da bei der Tempe- ratur der flüssigen Luft die Wärmekapazität des mit Wasserstoff gefüllten Gefäßes durchschnittlich um 20 bis 40 Prozent größer als die des leeren (Gefäßes war, würde der Molekularwärme des Wasserstoffs eine Unsicher- heit von weniger als ı Prozent zuzuschreiben sein; bei tieferen Tempe- raturen liegen die Verhältnisse weit günstiger, bei höheren ungünstiger. Zu dem durch die Differenzmessung zweier Wärmekapazitäten mög- lichen Fehler kommen noch systematische Fehler (z. B. Unsicherheit des Temperaturkoeffizienten des Widerstandsdrahtes, Fehler bei der Analyse des H,), deren Summe indessen gleichfalls ı Prozent keinesfalls übersteigen wird. Am genauesten (vermutlich genauer als ı Prozent) sind die Versuche bei 91° (fl. Sauerstoff), am wenigsten genau die- jenigen bei 100° und 110°, verhältnismäßig unsicher sind ferner die Versuche zwischen 190° und 200°. 4. Aus Tabelle ı und 2 ist deutlich zu erkennen, daß bei tiefen Temperaturen die Molekularwärme des Wasserstoffs mit abnehmender Dichte kleiner wird. Die Größe der Veränderlichkeit der Molekular- wärme ist aus den Versuchen bei 91° (Tabelle ı) und denen bei 36° (Tabelle 2) — in der Nähe dieser Temperatur wurden im ganzen sechs Messungen gemacht — mit einiger Genauigkeit angebbar. Bei den dazwischen liegenden Temperaturen sind die Versuche zu wenig zahl- reich und daher die angegebenen Werte nicht genau genug, um für Jede Einzeltemperatur die Dichteabhängigkeit der Molekularwärme direkt feststellen zu können. Doch läßt sich aus der Gesamtheit der Ver- suche zwischen 35° und 91° für Jene Korrektion eine kontinuierliche Zahlenreihe ableiten (Tabelle 4, 2. und 3. Spalte), deren Anwendung auf die Einzelwerte zu keinerlei Widersprüchen führt und daher an- genähert richtig sein dürfte. Thermodynamisch läßt sich die Dichteabhängigkeit der spezifischen Wärme durch die Differentialgleichung: | °C, 0°» dv oT, darstellen. Ist daher die Zustandsgleiehung des Gases genau bekannt, so ist die Dichteveränderlichkeit von C, zu berechnen. Geht man von ” .. r ” * ” Ehren ud A. Evucken: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. 144 einer für reale, verdünnte Gase sehr gut bestätigten Zustandsgleichung aus, die sich von der vaw per Waarsschen durch ein Glied von der Gestalt a a Tr statt — unterscheidet, so gelangt man nach D. BerrueLor' Eu 2 BR Ep. Eh er, worin E das mechanische Wärmeäquivalent, R die Gaskonstante, (, die Molekularwärme bei der Konzentration c, ©, die im idealen Gas- zustand, p, den kritischen Druck, T; die kritische Temperatur bedeutet. Führt man statt p die Konzentration c (Mol/Liter) ein, setzt für Wasser- stoff die von Orszewskı gefundenen kritischen Daten (p, = 20 Atm., T,= 28°5) ein und zieht die Zahlenfaktoren zusammen, so erhält man: zu der Beziehung: 1 G,—(C, =1.6- 10 7° Nach dieser Beziehung ist in Tabelle 3 die vierte Spalte berechnet (für c—= 5). Die Übereinstimmung zwischen der dritten und vierten Spalte ist bei höheren Temperaturen befriedigend, da indessen die kritischen Daten des H, nicht hinreichend sicher bekannt sind, ist der Übereinstimmung kein allzu grosser Wert beizumessen. Bei sin- kender Temperatur ergibt die Formel eine größere Korrektion als die Beobachtung, hier gelangt man offenbar außerhalb des Gültigkeitsbe- reiches der zugrundeliegenden, nur für schwach komprimierte Gase geltenden Zustandsgleichung. Tabelle 3. Reduktion von C, auf den idealen Gaszustand. Durchschnittswerte Berechnet T nach Tabelle ı und 2 nac 0,0 D. BERTBELOT 100 me C; —(0o (kal.) Os Bon (kal.) 35° 14-5 0.45 0.65 40 ı1 0.33 0.50 45 9.5 0.28 0.40 50 8 0.24 0.32 60 6.3 0.20 0.22 70 5.04 0.16 0.16 80 4.0 0.13 0.13 90 3.2 0.11 0.10 ! Sur les Thermomötres a Gas. Paris. 1903. Sitzungsberichte 1912. 11 148 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. Tabelle 4. Molekularwärme des H, im idealen Gaszustande. E Mittel 368 2.99 = 2.97 2.98 | 40 2.96 — 3.00 2.98 | 45 3.02 3.01 2.98 3.00 nach 50 _ — 3.01 3.01 Tabelle 2 60. —_ Fr 2.99 2.99 | 65 3-04 ar 3.05 3.04 70 3.11 — 3.08 3.10 80 3,13 3.15 3.13 3.14 Tabelle ı 82 3.18 3.21 — 3.19 f 85 3.19 3.19 3.25 3.21 ee t 90 3.28 3.24 ar 3.26 .25 3,3% 3.2 Tabelle ı 3 N 3.25 2 il, 2 3.25 = fi 100 3.49 3.30 — 3.42 Zen 2 | 110 3.66 3.54 _ 3.62 Fabelle ı fi 96-5 4.40 4.38 ni 4:39 U 273.1 4.94 4.80 _ 4.84 5. Reduziert man nach Tabelle 3, zweite Spalte, die in Tabelle ı und 2 angegebene Molekularwärme auf den idealen Gaszustand, so gelangt man zu Tabelle 4; bei der Bildung der Mittelwerte wurde den Versuchen mit höherem Wasserstoffgehalt des Stahlgefäßes ein entsprechend höherer Wert beigemessen. Die gefundenen Zahlen sind in der Figur durch Kreuze bezeichnet; die ausgezogene Kurve gibt den tatsächlichen, zur Zeit wahrscheinlichsten Verlauf der Molekular- wärme des Wasserstoffs wieder. Es zeigt sich, daß bald unterhalb 273° der steile Abfall beginnt, bei etwa 140° ist der veränderliche r. » | j | | | | rd x | | | | a ® |Miztel pr Lärapirwprten | I Ba N a a | a ee | Fe a an en Tu f noch or Plans ie Ka Frag ut Dan 7 een € ch Ktanck -Eınstein | er er ERST - Lindemann Le 4 a = 4 j a ee 2 u ee, 25 RER E 7 ge es 1 RE a a 2 Bee 7 z 2 2 o A. Evckex: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. 149 Anteil bereits auf die Hälfte gesunken, und schon bei der Temperatur der flüssigen Luft ist der Grenzwert 3 bereits bis auf einige Prozent, bei 60° praktisch vollständig erreicht. Unterhalb 60° besitzt der Wasserstoff genau die Molekularwärme einatomiger Gase. Zum Vergleich mit dem gefundenen T emperaturverlauf ist die PLAnck- Eissteissche Kurve (gestrichelt) gezeichnet: wobei für $» der Wert 430 benutzt wurde. Während die spezifische Wärme fester Körper weniger rasch ab- zunehmen pflegt, als nach dieser Formel zu erwarten wäre, so zeigt sich hier ein steilerer Abfall der Molekularwärme, als dieser Formel ent- spricht. Noch weniger als die Eısteinsche Formel ist daher die von Nerssr und Lispemann' vorgeschlagene Modifikation dieser Formel zur Darstellung der Molekularwärme des Wasserstoffs geeignet (in der Figur gepunktet; ßv = 570). Indessen war eine unmittelbare Bestätigung einer der erwähnten Formeln im vorliegenden Falle nicht zu erwarten, da diese für Resonatoren mit einer Eigenfrequenz gelten. Die bis- herigen, auf sichergestellten, möglichst allgemeinen Voraussetzungen beruhenden Berechnungen des Temperaturverlaufs der Rotationsenergie führen zu einem erheblich weniger steilen Abfall’, wie er mit den Beobachtungen gänzlich unvereinbar ist. So bestätigt sich die theoretische Voraussage einer Abnahme der Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen nur in quali- tativer Hinsicht. Ein Weiterkommen scheint an dieser Stelle allein dureh die Einführung einer neuen Hypothese möglich zu sein. Zur Auffindung des richtigen Weges wird die Untersuchung der Moleku- larwärme anderer Gase bei tiefen Temperaturen von großer Wichtig- keit sein. 6. Eine Möglichkeit der Erklärung des Temperaturverlaufs der Molekularwärme des Wasserstofis besteht im folgenden: Um die Praxex-Eissteissche Formel” mit dem beobachteten Tempe- raturverlauf der Molekularwärme des Wasserstoffs einigermaßen zur ı Diese Ber. 1911, 496. ® Diese Berechnung ist von den HH. Nerssr und Bıerrum ausgeführt worden und wird demnächst veröffentlicht werden. 3 Das Festhalten an dieser Formel als Grundlage scheint durch die Über- legung (vgl. Nerssr und LinDEMANN, Zeitschr. f. Elektrochem. 17, 825 [191 ı]) geboten, daß ein polar geladenes Gasmolekül in unendlich dicker Schicht wie ein schwarzer Körper strahlen muß, daß ferner die "beobachteten Gesetzmäßigkeiten der schwarzen 150 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 1. Februar 1912. Deckung zu bringen, bedarf es der Annahme einer streng monochroma- tischen Bewegung (konstante Umdrehungszahl des Moleküls); eine breite Schwingungsbande, wie sie z. B. eine Geschwindigkeitsverteilung nach dem Maxweııschen Gesetz mit sich bringen würde, führt unter Anwendung jener Formel stets zu einem weniger geneigten Abfall als eine schmale Schwingungsbande. Eine derartige, gleiehförmige Um- drehungszahl der Moleküle läßt sich durch eine elastische, der Zentri- fugalkraft entgegenwirkende Kraft zwischen den Atomen des Mole- küls erklären, die also derart beschaffen ist, daß bei einer Temperatur- steigerung (Energievermehrung) nicht die Umdrehungszahl, sondern das Trägheitsmoment des Gebildes sich vergrößert. Die Annahme einer konstanten Umdrehungszahl scheint zwar zunächst einigen Er- gebnissen von Rusens und von WARTENBERG' zu widersprechen, die 'im langwelligen ultraroten Gebiet bei polar geladenen Gäsen eine sehr breite Absorbtionsbande fanden; diese ist, wie sich durch sche- matische Berechnung nachweisen läßt, durch jene Rotationsbewegung der Moleküle verursacht. Durch folgende, etwas speziellere Annahme über die erwähnte elastische Kraft zwischen den Atomen läßt sich indessen dieser Widerspruch vermeiden: die Kraft ist nur bei tiefen Temperaturen streng elastisch, wächst bei steigender Temperatur nicht proportional dem Abstande der Atome an, sondern stärker und wird bei Annäherung an einen Grenzwert des Atomabstandes unendlich groß. Die Atome können sich daher nicht weiter als auf‘ einen bestimmten Ab- stand voneinander entfernen, d. h. bei höheren Temperaturen ist das Molekül praktisch starr. In diesem Gebiet würden die Annahmen der klassischen Kinetik (Maxwerrsches Verteilungsgesetz usw.) ihre Gültig- keit behalten, in diesem Gebiet sind ferner die Messungen von Rusess und vox WARTENBERG angestellt. Bei tiefen Temperaturen dagegen herrscht infolge jener elastischen Kraft eine bestimmte Umdrehungs- zahl vor; hier ist daher die Praxck-Eissteissche Formel anwendbar. Der Anstieg der Molekularwärme, d.h. der Übergang beider Grenz- fälle ineinander, ist durch das Verhalten der Kraft zwischen den Atomen bedingt und läßt sich daher nieht ohne Willkür voraussagen; ein steilerer Anstieg der Molekularwärme, wie der der Eissteısschen Funk- tion, ist ebenso wahrscheinlich wie ein sanfterer. Die Hypothese einer bei tiefen Temperaturen elastisch wirkenden Kraft zwischen den Atomen deutet selbstverständlich nur einen pro- visorischen Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten an. Strahlung gerade durch die Praxck-Eissreissche Gleichung gut wiedergegeben werden; ein Unterschied zwischen polar geladenen und ungeladenen Molekülen ist nicht wahr- scheinlich. ı Phys. Zeitschr. 12, 1080 (1911). A. Euckex: Die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen. 151 Eine experimentelle Entscheidung über ihre Richtigkeit könnte die Untersuchung der Absorption polargeladener Gase bei tiefen Tem- peraturen, in Gebiete des Abfalls ihrer Molekularwärme, erbringen, doch dürften sich die hierzu erforderlichen Bedingungen schwerlich realisieren lassen. Zusammenfassung. ı. Es wird eine zur Untersuchung spezifischer Wärmen von Gasen unter höherem Druck bei beliebigen Temperaturen geeignete Anordnung beschrieben. 2. Messungen von Wasserstoff zwischen 35° und 27 3° abs. ergaben, a) daß die auf den idealen Gaszustand reduzierte Molekularwärme bei sinkender Temperatur zunächst stark abfällt, daß sie unterhalb von 60° abs. konstant wird und 3 Kal. beträgt (Molekularwärme ein- atomiger Gase), h b) daß der Einfluß der Dichte auf C, bei tiefen Temperaturen größer ist als bei höheren. In einem gewissen Temperaturbereich wird die aus der D. Berruerorschen Zustandsgleichung abgeleitete Diehteveränderlichkeit von C, quantitativ bestätigt. 3. er 'Temperaturverlauf der Molekularwärme wird durch die bisherigen Theorien nur qualitativ wiedergegeben; es wird eine pro- visorische Hypothese beschrieben, mit deren Hilfe es möglich ist, den Temperaturverlauf richtig darzustellen. Hrn. Prof. Nersst bin ich für sein lebhaftes und förderndes In- teresse an der vorliegenden Untersuehung zu aufrichtigem Dank ver- pflichtet. Ausgegeben am 8. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1912. 12 weise oder aueh in weiterer EBENE in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder tenden en Auge so nn r dazu der Ein- nie - CE üb isireden anderweitig zu ı veröffentlichen ist den Verfassern es gestattet. Aus $ 21. i Die en erscheinen. in einzelnen Stücken. in der Regel Do: st ht Tage nach jeder Sitzung. a > ii die zur Veröffen tlichung geeign schäftli Se en. Hin eln der wissenschaftlich Micheitungen folgen in has oreralehe k e In en ee n derselben, welche die Verfasser Gesläben che sie ver- FR = antwortlich sind. Diese Inhaltsa ER Be Slim sich, in : a ine = i der Regel anf 5—6 ee es e* Die Mieheungen wer n es e Abhandlungen bestimmten w angefügt E Wistenschattich ‚Micheilungen, fremder n dem Bericht über. di ıs $ 22. 3 Jeden Staungshrict eröfet t eine Übersicht t über die in der Sitzung vorgetrag wissenschaf ftlichen Mitthei- 1 ge- Aus $ 27. Das eg einer. in einer sündenischen Sitzung tag me tzungsberichte z: 7 neu ne einem "spitern Se tück « werden Correeture J. Warreer: Die Sedimente der Taubenbank im Golfe von Neapel er A. Berzerion: Tafeln für die heliocentrischen Coordinaten von 307 kleinen Planet ten. Ta. Wıreann: Siebenter en. Bericht über die von den en Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen . un J. Peress: Hinmäswaraigsiälfige erthe der Functionen Sinus und I Cosimus Handschriften anoru . scauip: Zur Ken P. Röruıe: Zeiiirdunigee U Pas üge im Vorderhirn Fer Siren lacerfina M. Neipise: Über die Kerne a re bei einigen re ; ; mn Über die Kerne des menschliche en ‚Rleinhir ; U uszug der Hathor-Tefut a aus Nub F. Freiherr ine voN GAERT Er: Arkadische Forschungen . - Tu. Wıesanp: Erster verufger Bericht über die von den Königlichen _ unternommenen Ausgrabungen in Samo je En ® Sitzungsberichte der Akademie. Preis des Jahrgangs Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1911. C. Cararn£oporr und E. Laxpau: Beiträge zur Convergenz von IR IENNE I. Scaur: ie er Gruppen periodische —n Substitutionen . : . Meıste Kypros (hierzu Taf. IV) . Rusens a O. vos Barver: über nn erh der von der Quarz uecksilberlampe a aus- n w! = a. jo.525 > 5 = 1 7] ES) © =} >? a En gesandten Be a Feopenius: über die unzerlegbaren dis ereten Bewegun ngse N ee Froszntus: ee Ableitung der 32 Krysta we Sonderabdrucke II. en 1911. Prasck: zur Hypothese der Quantenemisgio JAcosı: zur Frühgeschichte der indischen Phi sophie Ms u Warsurs: über den enge bei photochemischen Vorgängen in Gas asen R vox Wiramowırz-MoELteE n Stück aus dem Ancoratus des Epiphanios® IEN: Bestimmung Pas mit sten: Pen Weglänge der Kanalstrahlen voN Ne rer „Zuexe ER: zwei Edicte des Germaniens auf“ einem Papyrus rzu RNQUIST: die k des Woferen Untergı ‚undes Norddeutschlands. an thierischen Keimzellen, ein experimenteller Beweis für die Idioplasmanatur der Kernsubstanzen 2 : über das Eurer’sche Dr ehungsproblem . ScHortky: über die vier Jacopr’schen Thet ; RMAN: ein Denkmal Brose Theolo u Jacosı: Cultur-, Sprach- und Litte ee een aus dem m Kaufliya E. Lırru i ie chriften des Königs Kalun un = o© a = “ ı 5 "BR J. ze. G: über ein angebliches Diokleszita SELE ” Stuckfagade von Acanceh in Yucatan (hierzu Tat. VIXV) E. Mine zu den aramäischen Papyri von Elephant x STRUVE: “über ie Lage der Marsachse und die Kane im ı Marse stem Ermax: Deinkstoine aus der thebanischen ig ea (hierzu Taf. F. Feeca und C. Rexz: Kreide und Trias n Kiona- und Öta tagebiet Odin) . MaRrTeEss: über die Messung grosser K räfte im Matrialprüfutgsese ce. Deirsee: zu den Ts riften des Königs Kalun Sonderabdrucke, Il. Halbjahr 1912, I. Scaur: über einen Satz von C. Carar ns Frorzxivs: Ableitung eines Siacs von Feen TREODORY aus einer "Formel von KRoNEOKER we } Mer bee arg en RFF: Mimnermos und Pr UBNER: über di heiligung endocellularer Fermente am- Ener: ev erbra h Nerssr: Thermodynamik u nd speeifische Wärm e are: a Zeile, A. Evckex: die Molskulrnäen: des Wasserstoffs Be ‚tiefen Temperaturen wer Er Ei AM 12.— ses. = x = E3 WB 1912. VL. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 8. Februar. (S. 153) Orrn: Über Rinder- und Menschentuberkulose. (S. 155) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zw ei ren Veröffentlichungen —— » Sitzungsberi er Königlich Preussischen Akademie der 5 ee « und » Abhandlungen der Königlich et Akademie der Wissenschaften « . 82. Jede zur Aufnahme in die Fe era oder die Abhandlungen« eher Mittheilung m n einer aka- demischen Sitzung vorgelegt —. wobei in er Regel t. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem ache angehörenden ordentlichen ie zu Banden, r mfang einer aufzunehmenden nt soll Regel in Io Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, Ba Nichtmitgliea rn 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift = Sitzungs aeg in den Abhandlungen 12 Druckbogen n je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- nicht übersteigen erschreitung dieser Green | ist nur mit eg r Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- r und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Fr der Umfang eines Manuseripts ver- se Zustimmung erforderlich sein werde, ern Mitglied es vor von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Se oder auf besonde eren Tafeln beigegeben werden, ind die ür (Zeichnungen, ioisgräphische Or riginal- «5. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf ru Blättern, einzureichen Die Kosten der sie der Vorlgen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen se Betrag zu veransch , so kann die Akade u eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter An i r der He n, be- treffen ’orlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu ver eln Die Kosten der Vervielfältigung übernimm ka- demie. Über i bhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus Nach der Vorle ung nd Einreichung des elektadigen druckferigen wa pts an den zuständigen Seceretar ode wird über Aufnahme = Miteitung in die akademischen Schriften, und zwar, nes der gung Mit- glieder es verlangt, a re Mittheilungen von Verfassern, weiche nieht] Mitglieder der Akademie sind, _— der Regel nach nur in die Abhandlungen «, chluss der Deitkigrine durch die Gesammt-Akademie Aus s ee wenn es sich nicht blöss um einen Text handelt, aus- et Kar für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder on die g n bs hat sich ie ers Verfasser. hn girenden ee vor := Essig an die Druckerei, Ve _. er zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflich us $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen v nn Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichte erden für die Verfasser, von SERREAUERRENEN EN Aichilungen, wenn derer n Kafı fang 1 im Druck 4S auch abdrucke hergestellt, die alsba ld nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. vv Ganächtni 1 ı % 1. © 1 u 1 für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrü ch damit einverstanden erklären. Von den Sonde ae aus den ee erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu ee Vertheilung ohne weitere = Frei. exemplare; er ist indess berechtigt, zu gle en Zwecke auf Es der Akademie weitere Exem ar € redigirenden Seecretar ner 200 Exemplare auf ihre as Von den Sonderahirucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher nor u er ae zu unentgeltlicher Velen ohne 30 Fre exemplare; er ist indess beree ehtigt, zu ie Er Zweck auf Kosten der Akademie w weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf e Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen as 230) abziehen zu lassen, wünscht er auf seine Kosten Abdrucke zur Vertheilung zu eRalen so der Genehmigung der Gesammt-Akade 'effen c ige redigirenden Seeretar weitere 100 E xemplare auf ihre Kosten abziehen lassen Eine für die i Ss ten be- stimmte winsenschaftliche Miitkeilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle re eitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) Carton überzukleben über das Verzeichniss der Beamten der Akademie Seite VID. Bibliothekar und Archivar der Akademie: Dr. Köhnke. Bibliothekar und Archivar der Deutschen Commission: Dr. Behrend. Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Harms, Prof. — Dr. von Fritze. Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. — Dr. Ritter. — Dr. Apstein, Prof. 153 SITZUNGSBERICHTE 1912. vn. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 8. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Orru las über Rinder- und Menschentuberkulose. Es wird der Gang der Forschungen über die Beziehungen zwischen Rinder- und Menschentuberkulose geschildert und gezeigt, dass die Zahl der Erkrankungen von Menschen durch Rinderbaeillen nachweislich so gross ist, dass auch vom Stand- punkte der menschlichen Pathologie und Hygiene aus eine Bekämpfung der Perlsucht und der Bacillen, welche sich in von perlsüchtigen Thieren stammenden Nahrungs- ‚mitteln befinden, geboten erscheint, ganz abgesehen davon, dass vieles dafür spricht, dass noch häufiger, als man es unmittelbar nachweisen kann, menschliche Erkran- kungen unter Mitwirkung von Perlsuchtbacillen erzeugt werden können. 2. Hr. Lenz überreichte die 3. Auflage seiner »Geschichte Bis- marck’s«, Leipzig 1912, und Hr. Warpever ein von Hrn. Prof. E. Hor- LÄNDER hierselbst übergebenes Werk: Plastik und Medizin. Stutt- gart 1912. 3. Als Fortsetzung des akademischen numismatischen Unterneh- mens wurde vorgelegt: Die antiken Münzen Nord-Griechenlands. Bd. 2. Thrakien. Tl. ı, Heft ı bearb. von M. L. Strack. Berlin 1912. Ferner wurde das mit akademischer Beihülfe bearbeitete Werk vorgelegt: P. V. NeueeBAvErR, Sterntafeln von 4000 vor Chr. bis zur Gegenwart. Leipzig 1912. Von weiteren Verstendikiungeh über Unternehmungen der Hum- boldt-Stiftung wurden folgende Stücke vorgelegt: Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd. II. Fa.: G. Prerrer, Die Cephalopoden der Plankton-Expedition. Nebst Atlas. Kiel und Leipzig 1912; L. Scuurtze, Zoologische und anthro- pologische Ergebnisse einer Forschungsreise im westlichen und zen- tralen Südafrika ausgeführt in den Jahren 1903— 1905. Bd. 5, Lief. ı. Jena 1912; W. Sırwers, Die heutige und die frühere Vergletscherung _ Südamerikas. Vortrag. Leipzig 1911; W. Voız, Nord-Sumatra. Be- richt über eine in den Jahren 1904— 1906 ee FOEHÄUNGE reise. Bd. 2. Die Gajoländer. Berlin 1912. BD a. 154 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. 4. Die Witwe des weiland Professors der Psychiatrie an der Uni- versität Halle Geheimen Medieinal-Raths Dr. Envarn Hırzıs Frau ErraA Hırzıc, geb. Rasse in Marburg hat der Akademie ein Capital von 85000 Mark übereignet, um damit eine Stiftung zu begründen, die zur Erinnerung an die Arbeiten Envarn Hırzıs’s wissenschaftliche Ar- beiten auf dem Gebiete der Funetionslehre des Gehirns belohnen und zu solehen anregen soll. Die Allerhöchste Genehmigung zur Annahme dieser Schenkung ist unter dem 20. Januar 1912 ertheilt worden; die Stiftung führt den Namen »Eduard Hitzig-Stiftung«. Das im Ein- vernehmen mit Frau Hırzıs aufgestellte Statut derselben, welches unter dem 24. Januar 1912 die Genehmigung des vorgeordneten Ministe- riums erhalten hat, wird in dem Jahresbericht der Abhandlungen KOT mitgetheilt werden. 5. Der philosophisch-historischen Classe der Akademie stand zum 26. Januar d.J. aus der Dr. Carl Güttler-Stiftung ein Betrag von 2300 Mark zur Verfügung; sie hat beschlossen, diese Summe Hrn. Privat- docenten Dr. Erıch JaenscH in Strassburg zur Förderung seiner wissen- schaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Psychologie zuzuwenden. Die nächste Zuertheilung aus der Dr. Carl Güttler-Stiftung findet am 26. Januar 1913 statt. Es SRaen ee... 2300 Mark zur Ver- fügung, und zwar diessmal der physikali tl tischen Classe. Der Betrag kann in einer oder mehreren Raten vergeben werden. Die Zuertheilungen erfolgen nach $ 2 des Statuts der Stiftung zur Förderung wissenschaftlicher Zwecke, und zwar insbesondere als Gewährung von Beiträgen zu wissenschaftlichen Reisen, zu Natur- und Kunststudien, zu Archivforsehungen, zur Drucklegung grösserer wissenschaftlicher Werke, zur Herausgabe unedirter Quellen und Ähnlichem. Bewerbungen müssen bis zum 25. October d. J. im Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Str. 120, eingereicht werden. Seine Majestät der Kaiser und König haben durch Allerhöchsten Erlass vom 4. Januar die Wahlen des ordentlichen Professors der Rechts- wissenschaft an der Universität Berlin Geheimen Justizraths Dr. Enıt. SECKEL und des ordentlichen Professors der Sinologie an derselben _ Universität Geheimen Regierungraths Dr. Jonans Jako MARIA DE GRoOT zu ordentlichen Mitgliedern der nos Classe zu bestätigen geruht. Zu correspondirenden Mitgliedern der physikali :h-mathematisch Classe sind gewählt worden: der Professor der Allgemeinen Pathologie und Histologie an der Universität Pavia Cantro Gorcı und der Professor der Geophysik an der Universität. Göttingen Emm Wiecnert. ÖrTH: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 155 Uber Rinder- und Menschentuberkulose. Eine historisch-kritische Betrachtung. Von J. OrRTH. Die Frage nach den Beziehungen zwischen der Rinder- und Menschentuberkulose ist in dem letzten Jahrzehnt dank einer von dem berühmten Entdecker der Tuberkelbaeillen, R. Koch, ausgegan- genen Anregung ganz besonders eifrig studiert worden, weil von der Beantwortung dieser Frage ein Teil wenigstens der Antwort auf die andere Frage abhängt, welche das ganze Menschengeschlecht unmittel- bar interessiert, die Frage nämlich, wie man die menschliche Tuber- kulose, jene häufigste und schlimmste aller Krankheiten, am besten und aussichtsvollsten bekämpfen könne. Bei allen Kulturnationen sind Forscher eifrig an der Arbeit gewesen, teils Einzelforscher, teils For- schergenossenschaften, zu denen sich auch einige staatliche Anstalten, wie das Kaiserlich Deutsche Gesundheitsamt und das Department of health in New York, gesellten. Ganz besonders waren die Augen der Tuberkuloseforscher und -ärzte auf eine mit reichen Mitteln aus- gestattete Kommission hervorragender englischer F orscher [British Royal Commission on Tubereulosis (Human and Bovine)], gerichtet, welche in königlichem Auftrage auf breitester Grundlage die Beziehungen zwischen Tier- und Menschentuberkulose studierte. Nach 10 jähriger eifriger Tätigkeit hat diese Kommission im verflossenen Jahre ihren Gesamtbericht erstattet', und es ist damit zweifellos ein Markstein auf dem Forschungswege gesetzt, zwar nieht ein Abschluß, aber doch ein Abschnitt der Forschungstätigkeit erreicht. So dürfte also nun, .nach- dem ganz kürzlich auch über die Arbeiten im New Yorker Gesund- heitsamt ein Schlußbericht erschienen ist?, der Zeitpunkt gekommen Sein, um Rückschau zu halten über das, was überhaupt geleistet worden ‚ist, um festzustellen, wie für die Gegenwart der Stand der Frage sich gestaltet hat, und um Ausschau zu halten auf die Aufgaben der Zu- kunft. Es scheint mir das um so notwendiger und nützlicher zu sein, ! Abgedruckt in Tuberculosis, Bd. X, Nr. 9, September 1911. ” Journ. of med. Researches, Dezember 1911, S. ae . 156 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. als Meinungsverschiedenheiten über die Entwicklung und den Stand der Fragen hervorgetreten sind. Selbstverständlich kann es hier nieht meine Aufgabe oder Ab- sicht sein, das ungeheure Forschungsmaterial im einzelnen zusammen- zustellen und zu würdigen, sondern es sollen nur in großen Zügen der Gang der Untersuchungen und ihre Hauptresultate vorgeführt werden. Die hier in Betracht kommende Krankheit des Rindviehes ist bei uns hauptsächlich unter dem Namen Perlsucht bekannt. Schon vor 100 Jahren ist sie, besonders in Frankreich, als eine Form von Tu- berkulose angesehen worden, und der Name der Cachexia tubercu- losa oder der Tubereulosis serosa hat, wie Virchow in seinem Ge- schwulstwerk sich ausdrückt', mehr und mehr Bürgerrecht gewonnen. Aber nicht nur das, sondern, so wie man die menschliche Tuberkulose mit der Lungenschwindsucht in Verbindung brachte, so hat man auch Perlsucht und Lungenschwindsucht der Tiere als zusammengehörig, als eine einheitliche Krankheit betrachtet. Freilich nieht ohne Widerspruch seitens Vertreter sowohl der humanen wie der veterinären Pathologie; insbesondere hat Virchow selbst in seiner Onkologie wie Gurlt auf die Ähnlichkeit der Perl- suchtprodukte mit Sarkomen hingewiesen und erklärt, daß die Perl- suchtwucherungen sich zunächst den Lymphosarkomen anschlössen, welche er mit der Tuberkulose zwar unter der gleichen Überschrift »Lymphatische Geschwülste« abhandelte, aber eben doch von ihr ab- trennte. Außer acht darf freilich nicht gelassen werden, daß Vir- chow Analogien mit der Skrofelkrankheit des Menschen zuließ, mit einer Krankheit also, welehe man heute im wesentlichen der Tuber- kulose zurechnet, so daß also doch auch er im Grunde genommen Analogien mit tuberkulösen Erkrankungen des Menschen anerkannte. Es dürfte ohne weiteres klar sein, daß die morphologische For- schung ebensowenig imstande war, die Gleichwertigkeit der Perlsucht mit menschlicher Tuberkulose endgültig nachzuweisen, wie sie imstande war : . die Abgrenkung er menschlichen Tuberkulose vorzunehmen. Zwar hat die V kroskopischen Technik nicht verfehlt, immer deut- licher wesentliche Ähnlichkeiten der perlsüchtigen Knoten beim Rindvieh und der tuberkulösen Wucherungen beim Menschen aufzudecken, aber das entscheidende Wort konnte nur die ätiologische Forschung sprechen, so- wohl in bezug auf die Frage, was gehört alles zur menschlichen Tuber- kulose, als auch in bezug auf die andere, was ist die Perlsucht und in welcher Beziehung steht sie zu der menschlichen Tuberkulose. Nach- a Onkologie, #3, S. 74 ne _ daß die Perlsucht eine übertragbare I nn tiger Produkte selbst wie vor allem nach ÖrTrH: Über Rinder- und Mensehentuberkulose. 157 dem Villemin 1865 den glücklichen Anfang mit experimenteller Er- zeugung von Tuberkulose gemacht hatte, mehrte sich bald die Zahl der Experimentatoren, sowohl derer, welche mit tuberkulösen Stoffen vom Menschen arbeiteten, als auch derer, welche von perlsüchtigen Tieren stammende Massen prüften. In bezug auf die menschliche Tuberkulose schritt die Kennt- nis ununterbrochen und unaufhaltsam, wenn auch keineswegs ohne Ir- rungen und Wirrungen, weiter, denn der Versuch Friedländers, der experimentell erzeugten Krankheit die tuberkulöse Natur abzusprechen und sie als eine besondere Erscheinungsform chronischer Pyämie hin- zustellen, hatte keinen Erfolg. Immer deutlicher zeigte sich, daß das Gebiet der menschlichen Tuberkulose viel weiter reichte, als es morpho- logisch durch die Entwicklung kleiner Knötchen, der Tuberkel, um- grenzt wurde, immer klarer trat zutage, daß die Tuberkulose des Men- schen eine ansteckende Infektionskrankheit ist, eine durch einen besonderen Infektionsstoff (Virus tubereulosum) erzeugte Krankheit, welehe nicht nur Knötchen, sondern auch allerhand andere, bisher viel- fach als skrofulöse bezeichnete Veränderungen, hervorrufen kann. Schon 1879 konnte Cohnheim in großen Zügen die Pathologie der Infektions- krankheit Tuberkulose feststellen unter Betonung des Satzes, daß zur Tuberkulose alles gehört, durch dessen Übertragung auf geeignete Ver- suchstiere Tuberkulose hervorgerufen wird. Komplizierter gestalteten sich die Verhältnisse bei den Pe rlsucht- forschungen, denn bei ihnen griffen verschiedene Fragen ineinander. Es mußte festgestellt werden, ob auch die Perlsucht eine übertragbare Infektionskrankheit sei, ob sie als Tuberkulose angesehen werden dürfe, ob sie zutreffendenfälles mit der menschlichen Tuberkulose identisch sei, ob sie auf den Menschen übertragen werden könne und wenn ja, dureh welche Mittel (Milch, Fleisch) und auf welchem Wege die Über- tragung etwa stattfinden könne. Die widerstreitendsten Anschauungen wurden, nicht ohne persönliche Schärfe, von Tier- wie von Menschenpatho- logen vertreten, aber schließlich kam doch auch hier diejenige Anschau- ung immer mehr zur Geltung, welche in der Perlsucht eine über- tragbare tuberkulöse Erkrankung erblickte. Auch ich habemich, wie ich glaube, nicht ohne Erfolg an der Befestigung dieser Lehre be- e teiligt durch eine Experimentaluntersuchung, welche ich im Jahre 1876. | in dem Virchowschen Institut ausführte'. Ich kam zu dem Resultat, Infektionskrankheit ist, und daß sie sowohl nach dem Resultat der mikroskopischen Untersuchung perlsüch- | : dem Erfolg der Übertra- Es Virchows Archiv, Bd. 76, 1879. | 158 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. gung auf Kaninchen — ich hatte bei diesen durch Fütterung eine Er- krankung erzeugt — auf Grund sowohl des makroskopischen als auch vor allem des mikroskopischen Befundes als eine Tub erkulose ange- sehen werden müsse. Ich wies dabei darauf hin, daß die morphologi- schen Befunde bei den künstlich tuberkulös gemachten Tieren erheblich abwichen von den Befunden bei der Ausgangskrankheit, der Perlsucht des Rindviehes, dagegen die größte Übereinstimmung mit den bei der menschlichen Tuberkulose festgestellten Veränderungen darboten. Daraus schloß ich, daß die Perlsucht des Rindviehes und die Tu- berkulose des Menschen trotz der Verschiedenheiten in ihrer Er- seheinungsweise doch identische Krankheiten sind, und aus der Möglichkeit, die Perlsucht auf Tiere zu übertragen, schloß ich weiter, daß auch eine Übertragung auf den Menschen stattfinden könne. Ob dureh Milch und Fleisch perlsüchtiger Kühe, also mittels der Nah- rung diese Übertragung stattfände, darüber hatte ich selbst keine Beob- achtungen gemacht, aber, daß Milch und Milchprodukte den Giftstoff enthalten könnten und daß dieser durch diese Nahrungsmittel auf andere Lebewesen übertragen werden könne, dafür wurden von allen Seiten, trotz aller Widersprüche in den Resultaten verschiedener Expe- rimentatoren, immer mehr Beweise herbeigeschafft. Es würden aber sicherlich weder die neuen Anschauungen über die menschliche Tuberkulose noch auch diejenigen über die Natur und Bedeutung der Perlsucht so schnell, wie es tatsächlich geschehen ist, allgemeine Geltung erlangt haben, wenn nicht im Jahre 1832 R. Koch der große Wurf gelungen wäre, den Erreger der Tuberkulose, den Tuberkelbaeillus zu entdecken. Es erübrigt sich hier, die große Bedeutung dieser Entdeckung ins rechte Licht zu setzen, denn jeder- mann ist heutzutage von ihrer Bedeutung für die Wissenschaft so- wohl wie für die Praxis überzeugt, wohl aber muß darauf hingewiesen werden, daß Koch sowohl beim tuberkulösen Menschen als auch beim perlsüchtigen Vieh die Tuberkelbaeillen nachweisen konnte und daß sie bald auch in der Kuhmilch, in der Butter usw. aufgefunden wurden. Koch selbst konnte keine wesentlichen Unterschiede zwischen den vom Menschen oder vom Rinde stammenden Bacillen bemerken und stellte deshalb in seiner berühmten Tuber- kulosearbeit vom Jahre 1834', da auch eine morphologische Über- einstimmung in bezug auf die primäre Struktur der Tuberkel vor- handen sei, die völlige Einheit und Zusammengehörigkeit der tuberkulösen Prozesse verschiedener Tierspezies und des Menschen fest. Er zog auch die praktischen Folgerungen aus dieser BR Koch, Mitteilungen aus dem Kais. Gesundheitsamt, Bd. II, 1884. Örrn: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 159 Anschauung, indem er zwar das baeillenhaltige Sputum tuberkulöser Menschen als die wichtigste Ansteckungsquelle für den Menschen be- zeichnete, aber doch meinte, die Perlsucht des Rindes, die käsigen Veränderungen in den Lymphdrüsen der Schweine seien ein so häufiges Vorkommnis, daß sie volle Beachtung verdienten, selbst für den Fall, daß noch eine Verschiedenheit zwischen den vom Menschen und vom Tier stammenden Baeillen festgestellt werden sollte. »Sollte sich also auch wirklich«, so schreibt Koch wörtlich, »noch im Laufe weiterer Untersuchungen wieder eine Differenz zwischen den tuberkulösen und den Perlsuchtbaeillen herausstellen, welche uns nötigen würde, die- selben nur als nahe Verwandte, aber doch als verschiedene Arten anzusehen, dann hätten wir gleichwohl alle Ursache, die Perl- suchtbaeillen für im höchsten Grade verdächtig zu halten. Vom hygienischen Standpunkt aus müssen dieselben Maßregeln da- gegen ergriffen werden wie gegen die Infektion durch Tuberkel- baeillen,« (d.h. menschliche) »solange nicht bewiesen ist, daß der Mensch ungestraft Hautwunden mit Perlsuchtbaeillen in Berührung bringen, daß er dieselben inhalieren oder ihre Sporen in seinen Ver- dauungstraktus bringen kann, ohne tuberkulös zu werden.« Dies war denn auch die in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts herrschende Ansicht, auf Grund deren Vorsichtsmaß- regeln zum Schutze der Menschen gegen die Perlsucht- bacillen ergriffen wurden. Man mag sich deshalb das Erstaunen der wissenschaftlichen Welt vorstellen, als Koch im Jahre 1901 auf dem Tuberkulosekongreß in London, wo er über die Bekämpfung der Tuberkulose sprach, den Perlsuchtbacillen so ziemlich jede Bedeutung für den Menschen absprach und demzufolge jede Maßregel gegen die Perlsucht des Rindviehes, soweit das In- teresse der Menschen in Betracht kommt, für überflüssig erklärte‘. Diese Schlußfolgerung war es vorzugsweise, welche Gegner auf den Plan rief, viel weniger die Begründung dieses Ausspruches, daß nämlich »die Tuberkulose der Menschen sich von der der Rinder unterscheidet und nicht auf das Vieh übertragen werden kann«, denn mit der Mög- lichkeit einer Verschiedenheit der beiderseitigen Tuberkelbaeillen hatte ja auch Koch schon ı884 gerechnet und trotzdem erklärt, wir hätten alle Ursache, die Perlsuchtbaeillen für im höchsten Grade verdächtig | zu halten — und nun auf einmal sollten sie ganz unverdächtig sein, so unverdächtig, daß es als ganz überflüssig erscheine, Maßregeln e gegen sie zu ergreifen. In unserer schnellebigen Zeit wird leicht ver gessen, was der Ausgang eines über ein Jahrzehnt sich nun schon ! Deutsche Medizinische Wochenschrift 1901. 160 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. hinziehenden Streites gewesen ist, darum ist es notwendig, sich an dokumentarisch festgestellte Tatsachen zu halten. Bei der Besprechung der auf Grund der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ergreifenden Maßnahmen sagte Koch in London betreffs der Bedeutung der Ver- erbung: »so können wir diese Entstehung der Tuberkulose für unsere praktischen Maßnahmen ganz außer acht lassen«, und da er weiter sagte, daß er den Umfang der Infektion durch Milch, Butter und Fleisch von perlsüchtigen Tieren kaum größer schätzen möchte als denjenigen durch Vererbung, so mußte jedermann Koch so verstehen, daß man seiner Meinung nach auch die Entstehung der Tuberkulose durch Milch, Butter, Fleisch von tuberkulösen Kühen für unsere praktischen Maß- nahmen ganz außer acht lassen könne, und wer doch noch einen Zweifel in dieser Beziehung hätte haben können, dem nahm er ihn, indem er fortfuhr: »und ich halte es deswegen für nicht ge- boten, irgendwelche Maßregeln dagegen zu ergreifen«. Es ist also nicht davon die Rede, daß angesichts der von den Bacillen tuberkulöser Menschen drohenden Gefahr in erster Linie gegen die Verbreitung der vom Menschen stammenden Tuberkelbaeillen Maß- nahmen ergriffen werden müßten, an die in zweiter Linie zweckmäßiger- weise auch gegen die Perlsuceht Maßnahmen sich anschließen könnten, sondern es heißt klipp und klar, es sei nicht geboten, gegen die Perl- sucht irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Es ist angesichts dieser unzweideutigen Meinungsäußerung völlig unverständlich, wie einer der späteren Schüler und Mitarbeiter Kochs (Möllers) kürzlich hat behaupten können!: »Die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen gegen die durch die Milch perlsüchtiger Kühe bedingte Infektionsmöglichkeit ist von R. Koch niemals? geleugnet worden. « Diese Behauptung ist um so auffälliger, als Koch selbst auf der Inter- nationalen Tuberkulosekonferenz in Berlin 1902 aus der Feststellung, wie wenig sichere Beweise für die Übertragung der Tuberkulose durch Kuhmilch auf Menschen vorhanden sind, den Schluß zog: » Wenn irgend- welche Maßregeln im Interesse der Landwirtschaft ergriffen werden sollen, dann mag man das tun; aber sie können nur vom veterinär- ärztlichen Standpunkte, vom landwirtschaftlichen Standpunkte aus be- gründet werden, nicht aber vom Standpunkte aus, daß man meint, die Tuberkulose des Menschen damit bekämpfen zu können’.« Auch noch weitere 3 Jahre später hat Koch in seiner am ' Berl. Klin. Wochenschr. 1911, Nr. 4, 8 2117. ® Von mir gesperrt. | a = ° I. Internationale Tuberkulosekonferenz, Berlin 1902, Bericht von Pannwitz, 1903, S. 360. en ÖOrr#: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 161 12. Dezember 1905 gehaltenen Nobelvorlesung die Unschädlichkeit der Perlsuchtbaeillen für den Menschen als erwiesen erklärt'. In dieser Vorlesung sprach Koch nach der Ansteekung von Mensch zu Mensch auch von einer zweiten Möglichkeit, nämlich von der An- steekung des Menschen mit Rindertuberkelbaeillen. »Diese zweite Mög- lichkeit«, so fuhr er fort, »können wir nach den Untersuchungen, welche ich gemeinsam mit Schütz über das Verhältnis zwischen Menschen- und Rindertuberkulose angestellt habe, fallen lassen oder doch so gering ansehen, daß diese Quelle der Ansteckung gegenüber der anderen ganz “in den Hintergrund tritt.« Die kleine Reservation verliert völlig ihre Bedeutung durch den folgenden Satz: »Für die Tuberkulosebe- bekämpfung kommen mithin nur die vom Menschen aus- gehenden Tuberkelbaeillen in Betracht’.« Kein klar denkender Mensch kann aus dieser Äußerung etwas anderes entnehmen, als daß Koch hat sagen wollen, Maßnahmen gegen die Übertragung des Perl- suchtbaeillus halte ich nicht für nötig; von der Anerkennung einer Zweckmäßigkeit von Maßnahmen gegen die durch die Milch perlsüch- tiger Kühe bedingte Infektionsmöglichkeit seitens Kochs kann danach gar keine Rede sein. Anders lautet der von Koch gebilligte Bericht von Pannwitz über den von Koch auf dem Kongreß in Washington 1908 vertretenen Standpunkt?. Da heißt es von Koch: er wendet sich nur dagegen, daß diese an sich sehr nützlichen Maßnahmen (nämlich gegen die Rindertuberkulose) bei der Bekämpfung der Menschentuberkulose in den Vordergrund gestellt werden. Das ist etwas ganz anderes und so formuliert wird kaum jemand heute noch etwas einzuwenden haben, auch die Gegner von früher nicht, denn diese haben nur gegen die völlige Vernachlässigung der von der Perlsucht drohenden Gefahr opponiert. Daß Koch damit in dieser Frage seine Ansicht geändert hat zugunsten derjenigen seiner Gegner, das hat der obengenannte Mit- arbeiter infolge meines Hinweises auf die Irrigkeit seines »Niemals« zugegeben‘, und ich kann ihn als unverdächtigen Zeugen zitieren. Nach Anführung einer Anzahl Koch’scher Äußerungen schreibt er: »Aus diesen Zitaten ergibt sich, daß Koch selbst die von ihm in dem Lon- doner Vortrag im Jahre 1901 gebrauchten ... Worte später auf Grund weiterer Erfahrungen hat mildern wollen. Diese veränderte Anschauung’« usw. | | ! Deutsche Med. Wochenschr. 1906, Nr. 3, S. 89. Von mir gesperrt. ' . ® Berl. Klin. Wochenschr. 1908, Nr. 44, S. 2001. '* Berl. Klin. Wochenschr. ıgrı, Nr. 49, S. 2236. # 162 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. Diesem Zugeständnis gegenüber nimmt sich die Behauptung Gaffkys in seiner Gedenkrede auf Koch! »auch in einer anderen wich- tigen Tuberkulosefrage ist Koch über die Gegner Sieger geblieben « sehr merkwürdig aus, denn es ist damit die Perlsuchtfrage gemeint. Wenn zur Begründung gesagt wird, »denn kaum kann heute noch seine Lehre ernstlich bestritten werden, daß den sog. Perlsuchtbacillen für die tuberkulöse Infektion des Menschen nur eine untergeordnete Be- deutung zukommt, und daß im besonderen für die Entstehung der Schwindsucht, dieser verbreitetsten und verheerendsten Form der Tuber- kulose, nicht der Genuß von Milch perlsüchtiger Kühe, sondern die von dem Menschen ausgeschiedenen Tuberkelbaeillen verantwortlich zu machen sind«, so wird damit nur ein Teil der Perlsuchtfrage berührt, ‚dagegen jener Teil, der in London das große Aufsehen erregte und der der Ausgangspunkt des Streites war, nämlich die Behauptung, daß man sich bei der Bekämpfung der Tuberkulose um die Perlsucht nicht zu kümmern habe, achtlos beiseite gelassen. In dieser Frage ist aber Koch nicht Sieger geblieben, sondern seine Gegner, die, wie ich, gesagt haben, »ob klein, ob groß, jeder Gefahr, welche der menschlichen Gesund- heit droht, muß mit allen Mitteln begegnet werden?«. Ich kann mich unmöglich als Besiegter fühlen, nachdem Koch seine Ansicht geändert und die Maßnahmen gegen die Perlsucht als sehr nützlich anerkannt hat. Leider haben nicht alle seine Anhänger diese Anschauungsände- rung Kochs mitgemacht, sondern noch in jüngster Zeit ist bedauer- licherweise gelegentlich der Tuberkuloseausstellung Berlin-Wilmersdorf ı9ıı von dem Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, Prof. Dr. N ietner, dem Publikum die alte, von ihm selbst verlassene Kochsche Lehre vorgetragen worden’, indem der Redner behauptete, alle Männer der Wissenschaft müßten zugeben, »daß, wenn eine Ansteckung durch die Milch, Butter usw. für den Menschen möglich ist, daß sie nur so selten vorkommt, daß es für die große Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit gar nicht in Betracht kommt«. Wenn der Redner in einem und demselben Satze erklärt, es seien einzelne Fälle bei Kindern beobachtet worden, wo die Ansteckung durch Milch erfolgt zu sein scheine, und daß die Perl- suchtbaeillen, die sich in der Milch der an Eutertuberkulose leidenden Kuh befinden, nicht den menschlichen Körper anstecken, so ist das _ ein unlösbarer Widerspruch, und wenn nun weiter trotzdem Abkochung der Milch \ perlsüchtiger Kühe verlangt wird, weil es vom en. ' Deutsche Med. Wodeakhe: ‚1910, Nr. 50, S. 2321. ?® Berl. Klin. Wochenschr. 1902, Nr. 3 4: | er NENNEN Berlin-Wilmersdorf 1911. .. Wilmersdorfer Zei- | tung, 1912 S. 30. | ; 5 Orr#: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 163 Standpunkte unstatthaft sei, die Milch von kranken Kühen unabge- kocht zu genießen, so wird das auf das Publikum gar keinen Ein- druck machen, sondern dieses wird sich nur merken, daß man sich um die Perlsuchtbaeillen nicht zu kümmern brauche. Solche Dar- legungen werden deshalb dazu beitragen, die Maßnahmen gegen die durch die Milch perlsüchtiger Kühe bedingte Infektionsmöglichkeit in Mißkredit zu bringen, deren Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit Koch selbst anerkannt hat. Ganz anders haben sich die maßgebenden Behörden zu dieser Frage gestellt, denn der Reichsgesundheitsrat hat in seiner Sitzung am 7. Juni 1905 festgestellt', daß der menschliche Körper zur Auf- nahme der Ansteckungskeime aus tuberkelbaeillenhaltigen Ausschei- dungen (z. B. Milch) oder tuberkulös verändertem Fleisch der Haus- säugetiere befähigt ist, daß nicht nur örtlich beschränkte, sondern auch Fälle. bei welchen die Erkrankung von der Eintrittspforte aus auf entferntere Körperteile übergegriffen und den Tod der betreffen- den Person erzeugt hatte, beobachtet worden sind, daß daher der Genuß von Nahrungsmitteln, welche von tuberkulösen Tieren stammen und lebende Tuberkelbaeillen des Typus bovinus enthalten, für die Gesundheit des Menschen im Kindesalter nicht als unbedenklich zu betrachten sind. In folgerichtiger Weise wird auf eine gewissenhafte Fleischbeschau, gründliches Kochen des Fleisches tuberkulösen Rind- viehes hingewiesen und in bezug auf die Milch gesagt: »Die Möglich- keit der Übertragung der Tuberkelbaeillen mit der Milch und den Milch- produkten auf den Menschen wird durch wirksame Bekämpfung der Tuberkulose unter dem Rindvieh erheblich verringert. Die in der _ Milch enthaltenen Tuberkelbacillen können durch zweckentsprechende Erhitzung abgetötet werden.« Diese Leitsätze wurden in der Mitte desselben Jahres beschlossen, an dessen Ende Koch erklärte, daß die Rindertuberkulose nicht auf den Menschen übertragbar sei, so daß generalisierte Tuberkulose (und vor allem Lungenschwindsucht) ent- stehe, und kurzweg behauptete, für die Tuberkulosebekämpfung kämen. nur die vom Menschen ausgehenden Tuberkelbacillen in Betracht! nn Der Reichsgesundheitsrat hat seine Erklärungen abgegeben auf Grund der im Reichsgesundheitsamt angestellten Untersuchungen, denen halb alsbald etwas genauer angeben werde. ee Ich habe bisher nur die für die öffentliche Gesundheitspflege Sucht ergreifen bzw. beibehalten solle, erörtert, diese hängt aber aufs ‘ Deutsche Med. Woch. 1905, Nr. 40, S. 604. | auch Koch volle Beweiskraft zuerkannt hat, deren Resultate ich kei | . a Wichtigste Frage, ob man Schutzmaßnahmen auch gegenüber der BR 164 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. innigste mit einer ganzen Anzahl anderer Fragen zusammen, deren Beantwortung erst die Grundlage für die Beantwortung jener Frage gewährt. Da ist zunächst die Frage der Identität von Perlsucht und menschlicher Tuberkulose. Daß die Verschiedenheit der morpholo- gischen Befunde für diese Frage keine Bedeutung haben kann, das ist schon vor der Entdeckung der Tuberkelbaeillen erkannt worden, das be- darfaber auch deswegen keiner neuen Auseinandersetzung, weil wir durch tausendfältige Experimente mit Tuberkelbaeillen wissen, daß alle Tier- gattungen gegenüber demselben Bacillenstamm ganz typische Verschie- denheiten der erzeugten Krankheit darbieten. Dieselbe Ursache bewirkt je nach der infizierten Tiergattung ganz verschiedene Erkrankungen, folglich kann man aus der Verschiedenheit einer Erkrankung bei ver- schiedenen Tiergattungen (Mensch und Rindvieh) nicht auf eine Verschie- denheit der Ursachen schließen. Ebensowenig kann aber auch auf eine Gleichheit der Ursache geschlossen werden, wenn Infektionsstoffe ver- schiedener Herkunft bei derselben Tiergattung eine anscheinend gleiche Veränderung hervorrufen. Der von mir bei früherer Gelegenheit in bezug auf Perlsucht und Menschentuberkulose angewandte Satz, wenn zwei Größen einer dritten gleich sind, sind sie untereinander gleich, kann heute nur noch als bedingt richtig anerkannt werden; richtig ist er auch heute noch in bezug auf den allgemeinen Charakter der menschlichen Tuberkulose und der Perlsucht, denn an der Anschauung ist nichts geändert worden, daß auch die Perlsucht eine T uberkulose ist, daß es also beim Menschen- und beim Rindergeschleeht (und an- deren Tiergeschlechtern) eine verwandte, zu derselben Gruppe gehörige Erkrankung gibt, die man Tuberkulose nennt. Aber ob die beiden Krankheiten völlig identisch sind, das kann ‚um so weniger aus dem Resultat der Experimente erschlossen werden, als sich im Laufe der Untersuchungen herausgestellt hat, daß zwischen den Erfolgen der Ex- perimente mit Perlsuchtmaterial oder mit vom Menschen stammenden tuberkulösen Massen’ ebenso wie bei denen mit reingezüchteten Bacillen Verschiedenheiten vorhanden sein können und in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich vorhanden sind. Man mußte also statt des indirekten Beweises einen direkten zu gewinnen suchen, indem man unmittelbar von Mensch auf Rind oder umgekehrt die menschliche bzw. die Rinder- tuberkulose zu übertragen versuchte. | 5 Koch hat den ersten Weg eingeschlagen, und weil in 19 mit Schütz zusammen angestellten Versuchen mit vom Menschen stam- menden Baeillen Vieh nicht tuberkulös gemacht werden konnte, schloß ‘ Bei meinen Fütterungsexperimenten hatte ich bereits Unterschiede Befunden. Örrn: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 165 er, »daß die Tuberkulose der Menschen sich von der der Rinder unterscheidet und nicht auf das Vieh übertragen werden kann«. Die letzte Behauptung ist nicht vollständig richtig, denn in den verschiedensten Ländern, an den verschiedensten Orten, von den ver- schiedensten Experimentatoren sind im Laufe der Zeit eine ganze Anzahl von Experimenten ausgeführt worden, bei welchen durch vom Menschen stammende Bacillen eine fortschreitende schwere Tuberkulose bei Kälbern erzeugt werden konnte. Da Koch selbst einen besonderen Wert auf die im Reichsgesund- heitsamt ausgeführten Untersuchungen legte, so will ich zunächst einige Zahlen, die hier gefunden wurden, angeben‘. Voraus bemerke ich nur noch, daß die bei Rindern vorkommenden Bacillen als Typus bovinus, die bei den meisten Menschentuberkulosen vorkommenden als Typus humanus bezeichnet werden. Auf die Bedeutung dieser Ausdrücke komme ich später zurück, hier sei nur noch bemerkt, daß alle die- jenigen menschlichen Tuberkulosen, bei welchen Bacillen vom Typus bovinus vorhanden sind, auch auf Rindvieh übertragen werden können und darum umgekehrt als auf Infektion vom Rindvieh her beruhend betrachtet werden müssen. Diese menschlichen Tuberkulosen sind also ätiologisch mit der Rindertuberkulose identisch. In 67, allerdings in Rücksicht auf das mögliche Vorkommen von bovinen Bacillen ausgesuchten Tuberkulosefällen vom Menschen wurde 56mal Typus humanus, gmal, d.h. in 13.43 Prozent, reiner Typus bovinus und zmal sowohl Typus bovinus als auch Typus humanus gefunden, d. h. Bacillen vom Typus bovinus, Bacillen, welche vom ‚Menschen auf Kälber übertragen werden konnten und Tuberkulose bewirkten, überhaupt in 16.57 Prozent aller untersuchten Fälle. Unter den neun reinen Bovinusfällen, welehe ausschließlich Kinder unter acht Jahren betrafen, befanden sich drei mit generalisierter Tuber- kulose, unter den beiden Fällen mit gemischten Baeillen fand sich eine 30jährige Frau. Besonders bemerkenswert ist der Befund bei ı2 Kindern unter zehn Jahren, bei denen der Darm als Eintrittspforte für die Bacillen anzusehen war: nur fünf davon ergaben Typus hu- manus, sechs reinen Typus bovinus, und ein Fall beide zugleich, so daß nicht weniger als 58.33 Prozent dieser Fälle bovine Baecillen ent- . ‚hielten, durch welche die menschliche Tuberkulose auf Kälber über- tragen werden konnte. Bei sechs dieser Fälle handelte es sich um eine verallgemeinerte Tuberkulose, und auch bei diesen sechs Fällen waren 2mal bovine Baeillen allein, ımal diese mit humanen zugleich ! Deutsche Med. Wochenschr. 1905, Nr. 40, S. 603. ; 166 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. vorhanden. Angesichts solcher Befunde zu behaupten, die Tuber- kulose des Menschen könne nicht auf das Vieh übertragen werden, ist sicherlich ungerechtfertigt, denn hier handelte es sich doch auch um Tuberkulose des Menschen! Auch weitere im Gesundheitsamt vorgenommene Untersuchungen haben bemerkenswerte Resultate ergeben. Oehlecker' hat 50 chirur- gische Tuberkulosen untersucht und insgesamt in 10 Prozent der Fälle Typus bovinus gefunden. Unter ı2 Fällen von kindlichen Halsdrüsen- tuberkulosen zeigten 33'/, Prozent Bacillen vom Typus bovinus. Solche fanden sich auch in einem Falle von Knochentuberkulose bei einem Kinde, welches seit mindestens 6°, Jahren krank war; Zeichen einer Umwandlung des Typus bovinus wurden nicht bemerkt. Die gleichen allgemeinen Erfahrungen wurden an anderen Orten gemacht. Kossel, den ich besonders erwähne, weil er ein Haupt- vertreter der Kochschen Schule ist, hat unter 35 Fällen von Tuber- kulose nicht lungenschwindsüchtiger Menschen 6mal, d.h. in 17 Prozent der Fälle, auf Rinder übertragbare Tuberkulose gefunden’, und in dem Laboratorium des New Yorker Department of health haben Park und Krumwiede folgende Ergebnisse erzielt’: Unter 46 Fällen von Cervikal- drüsentuberkulose bei Individuen unter ı6 Jahren waren 2ımal auf Rinder übertragbare Baeillen vorhanden (— 45.65 Prozent), desgleichen in neun Fällen zu einem Drittel generalisierter Abdominaltuberkulose 6mal (= 66.67 Prozent), in 49 Fällen (nicht primär abdominaler) ge- neralisierter Tuberkulose 5mal (= reichlich ı0 Prozent). Besonders beachtenswert ist, daß in dem einen dieser letzten Fälle auch eine Knoehentuberkulose vorhanden war, die sonst nur humanen Typus zu geben pflegt. Unter sieben Urogenitaltuberkulosen befand sich ein Fall von Nierentuberkulose mit für Rinder pathogenen Bacillen. Ganz besonders häufig fand sich in New York auf Rinder über- tragbare Tuberkulose bei Kindern unter fünf Jahren, nämlich unter 88 verstorbenen tuberkulösen Kindern ı ımal, d.h. in ı 2'/, Prozent aller Fälle. Dabei wurde ein besonders bemerkenswerter Unterschied zwischen verschiedenen Kinderhospitälern festgestellt, indem in dem Findelhause, wo die Kinder mit Kuhmilch genährt werden, unter neun Fällen nicht weniger wie fünf, d.h. 55.5 Prozent, mit auf Rinder übertragbarer Tuber- kulose behaftet ‚gefunden wurden. Die Zahl dieser Beobachtungen ist Ja nur eine kleine, aber das Ergebnis doch ein so auffälliges, daß es jedenfalls die höchste Beachtung verdient. 2 oe .: 'Tuberkulosearbeiten aus dem Kais. Gesundheitsamt, H. 6, 1907, S. 22. ® Deutsche Med. Wochenschr. ıgır, Nr. 43. ee 3 Journ. of ned. research, Dec. 1911, p. 313. ÖrrH: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 167 Die englische Kommission hat bei 108 Fällen von menschlicher Tuberkulose ohne die Lupusfälle ıgmal rindervirulente Baeillen allein und noch 5mal solche zugleich mit nicht auf Rinder übertragbaren gefunden, d.h. nur Rinderbaeillen in 17.6 Prozent der Fälle, Rinder- bacillen überhaupt in 22.2 Prozent. In den Fällen mit Rinderbacillen handelte es sich hauptsächlich um sogenannte alimentäre Tuberkulose, d.h. um tuberkulöse Erkrankungen im Bereiche des Verdauungs- kanals; unter 38 solcher Fälle fanden sich ı7 mit Rinderbaeillen allein, 19 mit Menschenbaeillen allein, und 2 mit beiden Baeillenarten, also Rinderbacillen überhaupt in 50 Prozent aller Fälle und allein in 44.74 Prozent. Läßt man die durch Operation gewonnenen Zer- vikaldrüsen, von welchen !/; (3 von 9) ausschließlich Rinderbaeillen enthielten, weg und berücksichtigt nur die 29 Fälle von primärer Ab- dominaltuberkulose, so stellt sich der Befund folgendermaßen: 14 mal Rinderbacillen, 13 mal Menschenbaeillen, 2mal beide gemischt. Sehen wir von diesen beiden letzten ab, so handelte es sich ausnahmslos um Kinder bis zu ı5 Jahren; die meisten standen im ı. bis 3. Lebens- Jahre. Von den 14 Rinderbaeillenträgern wurden bei 6 mehrere Stellen auf Baeillen untersucht, stets mit dem gleichen Resultat. Während 3 von den ı4 nicht an ihrer Tuberkulose gestorben sind, war für ıı die Rinderbacilleninfektion -tödlich. Unter den ı3 Fällen mit Men- schenbaeillen waren ı2 an ihrer Tuberkulose zugrunde gegangen, so daß von den 2 3 an primärer Abdominaltuberkulose und ihren Folgen gestorbenen Kindern nicht weniger als 48 Prozent an einer Rinder- tuberkulose zugrunde gegangen sind. Es ist also auch durch die englische Kommission die Tatsache bestätigt worden, daß vorzugsweise Kinder durch Rinderbacillen ge- fährdet sind, und daß solche besonders bei Intestinaltuberkulose ge- "funden werden. & Für die Frage, wie oft überhaupt eine Infektion mit Rin- derbaeillen bei Kindern vorkommt, können natürlich nur solche | Untersuchungsreihen maßgebend sein, bei welchen nicht ausgesuchte Fälle, sondern wahllos alle tuberkulösen Kinderleichen untersucht wur . den. Außer in New York sind derartige Untersuchungen auch ander- 2 Wärts gemacht worden, u.a. durch Beitzke in meinem Institut. Dieser : > fand in 8 Prozent sicher bovine Infektion; wahrscheinlich muß SDR ; _ ein etwas höherer Prozentsatz genommen werden, da auch noch un- Zu viel sagen, wenn wir 10 Prozent bovine Tuberkulose bei Kindern annehmen. Unter den Zehntausenden tuberkulöser Kinder es - Tausende mit vom Rinde stammenden Baeillen, und eine Bainhıe Z& ee Sichere Fälle mit atypischen Baeillen hierhergehören. Da an Hagen ee on Orten bis 20 Prozent gefunden wurden, so werden wir sicher nicht 168 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. soll gleichgültig und zu vernachlässigen sein? Das soll keine Volks- krankheit sein? Nun hat man diesen Zahlen die Resultate einer Untersuchung von Gaffky und Rothe' entgegengestellt, welehe von 400 Kinder- leichen je Mesenterial- und Bronchialdrüsen verimpften. In 78 = 19.5 Prozent aller Fälle wurden die Impftiere tuberkulös, aber nur 3.85 Prozent ergaben Rinderbaeillen. Diese Untersuchungen können aber mit jenen gar nicht in Parallele gestellt werden, denn die Frage- stellungen waren verschieden. Hier lautete die Frage: In wieviel Kinder- leichen findet man lebende Bacillen? gleichgültig, ob die Kinder an Tuberkulose erkrankt waren oder nicht; dort wurde danach geforscht, wie oft Rinderbaeillen bei tuberkulös erkrankten Kindern vorkommen. Wie bei so vielen anderen Infektionskrankheiten, gibt es auch bei der Tuberkulose sogenannte Baeillenträger, d. h. Individuen, welche den Infektionskeim beherbergen, aber keine Zeichen von Krankheit darbieten, nur daß bei den Tuberkelbaeillen die Mikroorganismen nicht in den schleimhäutigen Kanälen, sondern innerhalb der Körper- gewebe, also für andere Menschen unschädlich, ihren Aufenthalt haben. Man könnte von endophoren Bacillenträgern sprechen. Es ist kein Beweis dafür geliefert, ist im Gegenteil sehr unwahrscheinlich, daß alle diese Baeillenträger später noch an Tuberkulose erkranken müßten. Der menschliche Körper kann sicherlich auch eingedrungener Bacillen noch Herr werden. Wie oft Kinder durch Rinderbaeillen tuberkulös gemacht werden, wie oft Rindertuberkulose auf Kinder übertragbar ist, das kann also nur durch Untersuchung tuberkulöser Kinder festgestellt werden. Unter den mit Perlsuchtbaeillen behafteten Kindern befanden sich eine große Zahl von Abdominaltuberkulosen, und so lag der Ge- danke nahe, daß man aus der Zahl der vorkommenden Intestinaltuber- kulosen einen Rückschluß machen könne auf die Häufigkeit der In- fektion mit Rinderbaeillen. Es stellte sich nun aber heraus, daß die statistischen Feststellungen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten an demselben Orte durchaus nicht übereinstimmende Resultate ergaben, und da zudem ein großer Teil der daraufhin untersuchten Intestinaltuberkulosen sich als vom menschlichen Bacillentypus erzeugt herausstellte, so kann meines Erachtens auf diesem Wege die Bedeu- tung der Perlsuchtinfektion für den Menschen nicht festgestellt werden. Da Perlsuchtbaeillen hauptsächlich bei anscheinend alimentärer Infektion gefunden wurden, da Kinder die hauptsächlichsten Milch- konsumenten sind, und da es am nächsten liegt, anzunehmen, daß durch ! Deutsche Med. Wochensehr. 1911, Nr. 8, | Orr#: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 169 Milch der Import von Perlsuchtbaeillen in den menschlichen Körper be- wirkt werden kann, so ergab sich die Aufgabe, nach Fällen zu forschen, bei welchen man Beziehungen zwischen Milchgenuß und Tu- berkulose überhaupt sowie Perlsuehttuberkulose im besonderen feststellen konnte. Koch hat mit Recht darauf hingewiesen', daß man bei diesen Forschungen mit scharfer Kritik vorgehen müsse und daß die älteren Fälle einer solchen Kritik nicht standhalten. Leider hat auch die weitere Forschung die widersprechendsten Resultate sowohl in bezug auf die Beziehungen zwischen Milchgenuß und Häufigkeit der Tuberkulose überhaupt als auch in bezug auf nachweisbare Entstehung einer bovinen Tuberkulose durch Milchgenuß beim Menschen ergeben. Die Tuberkulose ist eine oft so chronisch und latent verlaufende Krank- heit, die Anwesenheit virulenter Baeillen in der genossenen Milch ist so wenig zu kontrollieren, die Disposition der einzelnen Menschen zur Tuberkulose ist eine so verschiedene, daß man von vornherein erwarten konnte, durch derartige Untersuchungen werde man nicht viel erreichen. Das war auch die Meinung Kochs, denn in seiner Tuberkulosearbeit von 1884 heißt es auf S. 84: »Es ist deshalb sehr die Frage, ob jemals ein Fall von menschlicher Tuberkulose einwurfs- frei auf den Genuß von Fleisch oder Milch von tuberkulösen Tieren zurückgeführt wird.«e Wenn also auch die im Deutschen Reich ver- anstaltete Sammelforschung’, bei der unter Hunderten von Personen nur zwei Fälle von durch Milch perlsüchtiger Kühe entstandener Perl- suchttuberkulose beim Menschen festgestellt werden konnten, noch negativer ausgefallen wäre, so würde meines Erachtens daraus doch noch nicht der Schluß gezogen werden dürfen, daß dem Menschen durch den Genuß perlsuchtbazillenhaltiger Milch nur eine sehr geringe Gefahr drohe, denn gegenüber dem positiven Nachweis von mindestens 10 Prozent Perlsuchttuberkulosen unter den zur Sektion gekommenen mit Tuberkulose behafteten Kindern können derartige negative Be- sultate keine ausschlaggebende Bedeutung beanspruchen. Die bovine Infektion muß stattgefunden haben, denn die bovinen Bacillen waren vorhanden; bis uns nicht ein anderer Infektionsweg nachgewiesen wird, werden wir mit größter Wahrscheinlichkeit die Milch als den Über- trager ansehen dürfen. Auch die englische Kommission hält an dieser Anschauung fest und nicht minder ‘die amerikanische, deren merk- Würdige Erfahrungen am Findelhaus ich schon erwähnt habe. | Bisher ist nur von dem Vorkommen der Rinderbaeillen bei Kindern die Rede gewesen, und es fehlt nieht an Behauptungen, daß = . 2 1. Internationale Tuberkulosekonferenz, Berlin 1902, Bericht von Pannwitz, ; a ei. N beiten aus dem Kais. Gesundheitsamt, Heft 10, 1910, S. ” Sitzungsberichte 1912. | a. a 170 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. sie bei Erwachsenen überhaupt nicht vorkämen. Das ist ein Irrtum. Kossel, ein Hauptvertreter der Kochschen Ansichten, hat selbst schon vor Jahren einen solchen Fall mit tödlichem Ausgang beschrieben, ebenso andere Forscher, und die englische Kommission hat in 55 Fällen von Tuberkulose bei Adoleszenten und Erwachsenen 5 mal Rinder- bacillen festgestellt, welche in 2 Fällen den Tod, in den anderen wenigstens Behinderung der Arbeitsfähigkeit bewirkt hatten. Dazu kommen aber bei der englischen Kommission auch noch 9 Fälle von Lupus, welche teilweise wenigstens Erwachsene betrafen. Auf diese Fälle muß ich gleich noch zurückkommen, denn sie bieten noch nach einer andern Richtung hin ein besonderes Interesse. Hier habe ich zunächst noch einen andern Punkt zur Sprache zu bringen. Die Gegner der Anschauung, daß die Perlsuchtbaeillen auch Menschen tuberkulös machen können, haben, als sich die Fälle von nachgewiesener boviner Tuberkulose beim Menschen immer mehr häuf- ten, sich schließlich auf die Behauptung zurückgezogen, daß die Perl- suchtbacillen bei der Lungenschwindsucht keine Rolle spielten. Koch‘ selbst hatin Washington 1908 darauf hingewiesen, daß bisher kein Fall von Perlsuchtbaeillenbefund bei menschlicher Lungenschwindsucht bekannt sei, und bemerkt: »Wenn bei weiterer Untersuchung festgestellt werden sollte, daß Lungentuberkulose aus- schließlich durch den Tuberkelbacillus des humanen Typus verursacht wird, dann wird die Frage entschieden sein zugunsten des Stand- punktes, den ich einnehme« usw. Wir haben schon gehört, daß Gaffky erklärt hat, »für die Schwindsucht sei nicht der Genuß von Milch perlsüchtiger Kühe, sondern die von dem Menschen ausgeschiedenen Tuberkelbaeillen verantwortlich zu machen«, indessen, wenn das — soweit man nach dem Baeillenbefund urteilen kann — auch der Haupt- sache nach zutrifft, so hat es sich doch nicht als ausnahmslos zu- treffend erwiesen, denn es sind seitdem mindestens zweimal, wahr- scheinlich dreimal Tuberkelbaeillen des Typus bovinus allein und ein- mal solche des Typus humanus und des Typus bovinus gemischt bei wiederholter Untersuchung festgestellt worden. Ich rechne dazu noch einen Fall von einem Kinde mit käsig-pneumonischen, also phthisischen Lungenveränderungen, bei welchem in meinem Institut von Beitzke nur Rinderbaeillen in Bronchialdrüsen gefunden wurden. Das sind ja gegenüber den vielen hundert Fällen von Schwindsucht mit Typus hu- manus nur verschwindend wenige Fälle, aber sie genügen, um den Beweis zu liefern, daß auch die Rinderbaeillen von der direkten Er- zeugung einer Lungenschwindsucht nicht ganz aus geschlossen sind. ' Berl. Klin. Wochensehr. 1908, Nr. 44, S. 2001. Örr#: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 171 Es kommt aber noch eine andere Möglichkeit in Betracht, zwar vorläufig nur eine Möglichkeit, aber doch eine Möglichkeit, die nicht ganz in der Luft schwebt. Es haben sich in der letzten Zeit die experimentellen Beweise dafür gehäuft, daß durch Überstehen einer tuberkulösen Erkrankung die Reaktion des betreffenden Tierkörpers gegenüber einer neuen Infektion mit virulen- teren Tuberkelbaecillen geändert werden kann. Ob es sich da- bei um eine gewisse erworbene Immunität handelt oder um andere Vorgänge, steht noch dahin; das Wesentliche ist, daß dabei nicht nur die Art und Stärke der durch die zweite Infektion bedingten Veränderungen verändert wird, sondern auch ihre Lokalisation, und daß dabei bemerkenswerterweise bei gewissen Tieren gerade die Lungen- veränderungen ganz besonders in den Vordergrund treten. So konnte ich Meerschweinchen, welche im Gegensatz zu Kaninchen bei einmali- ger tödlicher Infektion mit Tuberkelbaeillen keine eigentliche Lungen- schwindsucht darbieten, nach vorgängiger Behandlung mit Fried- manns Schildkrötenbacillus typisch lungenschwindsüchtig machen‘. Aus solehen und ähnlichen Befunden bei Experimentiertieren kann man sicherlich keinen Rückschluß auf den Menschen machen, aber ein Grund, an eine solehe Möglichkeit zu denken, ist doch sicher vor- handen. Das käme dann etwas auf v. Behrings Theorie heraus, daß eine im Säuglingsalter erworbene erste Infektion die Grundlage ab- gebe für eine aus einer späteren Infektion hervorgehende Lungen- schwindsucht. Ich habe schon in meinen für die Tuberkulosekonferenz in Wien 1907 aufgestellten Leitsätzen® bemerkt, wieweit eine zur Heilung gelangende Infektion durch sie, die Perlsuchtbaeillen nämlich, prädisponierend für Lungenscehwindsucht wirken kann, bedarf noch der weiteren Untersuchung. In der Tat halte ich es wohl für mög- lich, daß eine in der Kindheit überstandene Infektion mit bovinen Baeillen in ähnlicher Weise beim Menschen wirken könnte wie die Schildkrötenbaeillen bei meinen Meerschweinchen, und daß diesem Punkte bei den weiteren Forschungen Aufmerksamkeit geschenkt werden muß. Sollte sich aber so etwas wirklich feststellen oder auch nur wahrscheinlich machen lassen, welche neue ungünstige Bedeutung würden dann die Perlsuchtbaeillen für den Menschen erlangen und wie müßte die Behauptung, daß die Lungenschwindsucht ausschließ- lich durch Tuberkelbaeillen des humanen Typus hervorgerufen werde, eingeschränkt werden! — wurde schon im vorhergehenden von Rinderbaeillen und Menschenbaeillen gesprochen und ein gewisser (Gegensatz zwischen ! Berl. Klin. Wochenschr. 1906, Nr. 20. = 2 VI. Internat. Konf. Wien 1907, Bericht von Pannwitz, 8.67. ae 172 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. beiden angenommen, jetzt muß ich auf die Frage, inwieweit ein solcher Gegensatz zwischen einem Typus bovinus und einem Typus humanus der Tuberkelbacillen besteht, noch etwas näher eingehen, Es ist zweifellos ein großes Verdienst der Kochschen Schüler im Kais. Gesundheitsamt gewesen, daß sie' durch eingehende Unter- suchungen feststellten, daß es beim Menschen Tuberkelbacillen gibt; welche sich sowohl kulturell, als auch in Bezug auf ihre Patho- genität für Tiere in charakteristischer Weise von den bei Rindern vorkommenden Baeillen unterscheiden und welche man zweckmäßig als Typus humanus und Typus bovinus einander gegenüberstellt. Diese Angaben haben von allen Seiten Bestätigung gefunden und darin stimmen nun alle Untersucher überein, daß die aus perlsüch- tigem Rindvieh zu züchtenden Tuberkelbaeillen von den aus den meisten tuberkulösen Menschen gewonnenen Tuberkelbaecillen durch charak- teristische Merkmale zu unterscheiden sind, die zwar jedes einzelne an und für sich nicht zur Trennung hinreichen, aber in ihrer Gesamt- heit doch eine solche in verschiedene Typen gestatten. Wenig be- deutungsvoll sind morphologische Unterschiede der einzelnen Baecillen, denn es kommen in dieser Beziehung in demselben Typus. große Schwankungen vor, dagegen spielen eine große Rolle Verschieden- heiten des Wachstums auf bestimmten Nährböden (der Humanus wächst rascher, er ist eugonisch, der Bovinus wächst langsamer, ist dysgonisch, nach der Bezeichnung der englischen Kommission), Ver- schiedenheiten des biologischen Verhaltens in bestimmten Nährböden z. B. in bezug auf Säurebildung, und vor allem auf Verschiedenheiten der Virulenz für verschiedene Tiergattungen. Während z.B. Affen, auch Anthropoide, und unter den gewöhnlichen Versuchstieren das Meerschweinchen für beide Typen gleiche Empfänglichkeit zeigen und auch in gleicher Form erkranken, verhalten sich Kaninchen und Kälber wesentlich verschieden, indem Kälber dureh Baeillen des Typus humanus, auch wenn diese in großer Menge ihnen beigebracht wurden und ob- gleich sie monatelang lebend in dem Rindviehkörper anwesend bleiben, doch keine fortschreitende Krankheit erlangen, während bei Kaninchen die durch humane Bacillen entstehende Krankheit viel milder verläuft, so daß die Tiere durch eine Menge von 0,01 g Baecillen bei sub- kutaner Injektion nur eine örtliche Affektion bekommen, während sie bei gleicher Zufuhr der gleichen Menge boviner Bacillen einer fortschreiten- den, tödlichen Tuberkulose zu verfallen pflegen. | Auch in bezug auf die Virulenz ist das eben Erwähnte nur die Regel, von. der es aber Ausnahmen gibt. So wurden z.B. aus Rin- ' Kossel, Weber und Heuss, Tuberkulosearbeiten aus d ui & ‚heitsamt, Heft 1, 1904 und Heft 3, 1905 en Kaie. Ben OrtH: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 173 dern Bacillen gezüchtet, welche sonst den Typus bovinus darboten, während sie sich trotzdem im Experiment für Kälber wenig oder gar nicht virulent erwiesen. Immerhin kann man sagen, daß bis jetzt im perlsüchtigen Rindvieh niemals Bacillen vom Typus humanus ge- funden wurden, so daß man daraus den Schluß ziehen muß, daß dem Rindvieh seitens der mit Typus humanus behafteten Menschen keine Gefahr droht, daß also das Rindvieh sich selbst mit Perlsucht ansteckt, aber nicht von der gewöhnlichen Tuberkulose des Menschen angesteckt wird. Auf der Bezeichnung »gewöhnliche« Tuberkulose des Menschen liegt der Nachdruck, denn nachdem, wie wir schon gehört haben, immer zahlreichere Fälle bekannt werden, bei denen nicht die ge- wöhnliche, sondern eine bovine Tuberkulose vorlag, haben sich selbst- verständlich auch die Fälle gemehrt, bei denen es gelungen ist, diese Tuberkulose des Menschen auf das Rindvieh zu übertragen, welches genau so erkrankte, wie wenn es mit von Tieren stammenden Massen infiziert worden wäre. Es liegt aber hier nur eine rein bakteriolo- gische, keine morphologische Verschiedenheit der menschlichen Tuber- kulose vor, und die in der Literatur beschriebenen perlsuchtähnlichen Formen menschlicher Tuberkulose haben nur eine morphologische, nicht notwendig auch eine ätiologische Ähnlichkeit mit den Perlsucht- veränderungen der Rinder. Morphologisch ist also die menschliche Tuberkulose nach unseren jetzigen Kenntnissen eine einheitliche Er- krankung, aber ätiologisch gibt es zwei Formen, von denen die eine durch Baeillen vom Typus humanus, die andere durch solche vom Typus bovinus ausgezeichnet ist. Schon aus dieser doppelten Empfänglich- keit des Menschen für Tuberkelbaeillen der beiden verschiedenen Typen ließ sich von vornherein erwarten, daß die Frage, ob die zweifellos be- stehenden charakteristischen Verschiedenheiten stabile, unverrückbar 'feststehende seien, so daß die beiden Typen als zwei verschiedene Arten von Tuberkelbaeillen anzusehen seien, zunächst vorzugsweise durch Untersuchungen der bei tuberkulösen Menschen vorkommenden Baeillen der Entscheidung entgegengeführt werden konnte und mußte. Diese an den verschiedensten Orten unternommenen Untersuchun- gen haben nun das Resultat ergeben, daß es beim tuberkulösen Menschen gleichzeitig die beiden Typen von Baeillen geben kann, sei es an demselben Orte, sei es an getrennten Stellen im kranken Körper. Es ließen sich dabei aber die typisch verschiedenen Formen isolieren, ohne daß Übergangsformen zu bemerken waren. Weiter aber wurde festgestellt, daß es noch viel häufiger und in noch viel höherem Grade wie bei den Rindern Abweichungen vondem gewöhnlichen Typus gibt, daß Baecillenstämme vorkommen, welche in dieser oder jener Beziehung wesentlich von den typischen abweichen. 174 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. Auch aus dem Material meines Instituts sind von Frau L. Rabino- witsch derartige abweichende Stämme gezüchtet worden, für welche die Forscherin den Namen »atypische Stämme« eingeführt hat‘, den ich für besser halte als den von der englischen Kommission be- nutzten »intermediäre Formen«, da gerade diese Kommission außer intermediären auch solche Stämme vom Menschen gezüchtet hat, welche mit ihren Eigenschaften nicht eigentlich zwischen dem Typus bovinus und humanus stehen, sondern ganz aus den beiden Typen heraus- fallen, indem z. B. für Affen und Meerschweinchen die Virulenz ge- ringer gefunden wurde, als sie es bei den typischen Formen, sei es bovinen oder humanen, ist. s Diese Befunde wurden bei Lupuskranken gemacht und ver- dienen die allergrößte Beachtung, weil sie mit der Lehre von einer stabilen Verschiedenheit des Typus bovinus und Typus humanus nicht in Einklang zu bringen sind. Dabei haben die englischen Forscher gefunden, daß diese atypischen Stämme unter ihren Lupusfällen bei weitem die Majorität bildeten, denn bei 20 Lupuskranken verschiede- nen Alters und Geschlechts und mit verschieden langer Dauer der Krankheit konnten nur 3mal regelrechte Baeillentypen, 2mal Typus humanus, ımal Typus bovinus, nachgewiesen werden, 17mal dagegen abweichende Formen, die $mal mehr dem bovinen, gmal mehr dem humanen Typus sich näherten, aber auch unter sich wieder Verschieden- heiten darboten. Schon dieser Umstand läßt keinen Zweifel darüber, daß es sich nicht um neue, besondere Typen handelt, sondern, wie die englische Kommission annimmt, um Modifikationen der gewöhnlichen Typen. Dafür spricht aber auch eindringlich der weitere Umstand, daß es den englischen Forschern gelang, bei mehreren dieser Bacillen- stämme (4 dem Typus bovinus, ı dem Typus humanus nahestehen- den) die Eigenschaften (und zwar die Virulenz) zu verändern, also neue ° Modifikationen zu erzeugen und bei zweien der den bovinen Baeillen nahestehenden durch längeren Aufenthalt in einem Kaninchen im einen, durch mehrmaligen Durchgang durch Kälber und längeren Aufenthalt in diesen im anderen den Bacillen die typische Virulenz der Rinderbaeillen anzuzüchten. Dies ist eine Tatsache von der allergrößten Wichtigkeit, denn sie erschüttert die Lehre der Kochschen Schule von der völligen Verschiedenheit der beiden Bacillentypen bis in die Grundfesten hinein. Wenn es Modifikationen dieser Typen, wenn es Übergangsformen gibt, wenn man künstlich aus einzelnen wenigstens dieser Modifikationen typische Formen erzeugen kann, so können die Rinder- und gewöhnlichen Menschenbaeillen nicht als zwei " Berl. Klin. Wochenschr. 1906, Nr. 24 und Arbeiten d : Berlin, Festschrift 1906, S. 365. aus dem Pathol. Institut zu ÖrTH: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 175 verschiedene Arten gelten, so kann, auch ganz abgesehen von: der typischen bovinen Tuberkulose des Menschen, eine scharfe Trennung zwischen der menschlichen und der Rindviehtuberkulose nicht gemacht werden, d.h. die Lehre von der Einheit der Menschen- und der Rinder- tuberkulose muß wieder hergestellt werden und es darf nicht mehr von zwei verschiedenen, wenn auch verwandten Krankheiten, sondern _ nur noch von verschiedenen Modifikationen einer und derselben Krank- heit gesprochen werden. Wenn dem aber so sein sollte, so müßte es auch möglich sein, die Modifikationen, die Übergangsformen, mit einem Wort, die atypischen Stämme selbst aus den typischen künstlich zu erzeugen. Das gelingt noch nicht ohne weiteres. Wie die englischen Forscher bei einem Teil ihrer atypischen Lupusbaeillenstäimme eine Änderung der Eigen- schaften, eine weitere Modifikation nicht haben erzielen können, so ist es ihnen auch nicht ein mal gelungen, aus typischen atypische Stämme zu erzeugen. Gleiche Resultate haben auch andere Forscher gehabt, aber abgesehen von älteren Ausgaben, z. B. von von Behring, sind sehr beachtenswerte neue Untersuchungen, insbesondere von Eber, bekannt geworden, welche mit Bestimmtheit beweisen, daß es unter Umständen gelingt aus schwindsüchtigen Menschenlungen gewonnene Bacillenstämme aus typisch humanen in typisch bovine um- zuwandeln. Eber' hat von 7 von schwindsüchtigen Menschen stam- menden, die Eigenschaften des Typus humanus darbietenden Stämmen durch fortgesetzte Übertragungen auf Tiere 3 derart umwandeln können, daß sie nicht nur die Virulenz, sondern auch die Wachstumseigen- schaften des Typus bovinus darboten. Es kann bei solchen Experi- menten eine Reihe von Fehlerquellen vorhanden sein, es könnten u. a. von vornherein beide Typen vorhanden gewesen sein, von denen der vielleicht in der Minderzahl gewesene Rinderbazillus allmählich den menschlichen überwucherte, so wie es die englische Kommission unter Abänderung ihrer früheren Ansicht bei ihren anscheinend positiv aus- gefallenen Variationsversuchen mit typischen Stämmen annimmt, aber bei den Eberschen Versuchen erscheint diese Erklärung ausgeschlossen. Daß Eber einen besonderen Infektionsmodus benutzt (gleichzeitig sub- kutane und intraperitonäale Injektion der Baeillen), kann nicht in Be- tracht kommen, denn es handelt sich nicht hauptsächlich darum, ob leicht oder schwer, ob auf einfachem oder kompliziertem Wege die Überführung des einen in den andern Typus möglich ist, sondern zu- nächst um die Grundfrage, ob eine solche Variation überhaupt künstlich herbeizuführen ist. Sehr bemerkenswert ist dabei, daß es Eber nur einmal bei Bazillen vom Typus humanus, welche aus Kniegelenks- : Zentralblatt für Bakteriologie (Originale) Bd. 59, Heft 3, ıgıı, S. 193. 176 Gesammtsitzung vom 8. Februar 1912. granulationen eines gjährigen Kindes stammten, geglückt ist, durch Übertragung einer Reinkultur auf Kälber eine Umwandlung in Typus bovinus zu erzielen, während ihm dies in 3 Fällen mit Bazillen aus schwindsüchtigen Lungen nur gelang, wenn er tuberkulöses Material von den geimpften Meerschweinchen übertrug. Bei einem dieser Stämme, dessen Reinkultur kein Resultat gab, wurde ein solches erzielt, als mit dieser Reinkultur infiziertes Meerschweinchenmaterial zur Übertragung verwendet wurde, ein Beweis, daß nicht etwa von dem kranken Menschen stammende Stoffe zur Erlangung der positiven Resultate not- wendig sind. Für mich sind diese Feststellungen um so interessanter, als es mir vor 10 Jahren schon geglückt ist, auf ähnlichem Wege ein Kalb mit Baeillen aus sehwindsüchtiger menschlicher Lunge tuberkulös zu machen. Ich hatte erst ein Meerschweinchen infiziert, dann aus diesem Baeillen rein kultiviert, mit einer Reinkultur ein Kaninchen infiziert und nun durch Übertragung von Stückehen einer tuberkulösen Niere dieses Kaninchens ein Kalb infiziert, welches an einer fortschreitenden Tuberkulose erkrankte. Sollten auf solehe oder andere Weise noch öfter gleiche Resultate erzielt werden, so wäre die Dualitätslehre ihrer Hauptstütze beraubt, es bliebe aber immer noch die Tatsache bestehen, daß die Baeillen der Perlsucht und diejenigen der gewöhnlichen Menschentuberkulose ty- pische Verschiedenheiten darzubieten pflegen. Koch selbst legte, wie er in Washington 1908 äußerte, auf die Frage, ob es sich dabei um Arten oder nur um Varietäten handele, gar keinen Wert, er bestritt gar nicht, daß eine kulturelle Umwandlung möglich sei, behauptete ‘aber, das sei für die Beurteilung der praktischen Bedeutung der Perlsucht ganz gleichgültig, denn der Mensch könne sich eben nur mit dem beim Rinde allein vorkommenden reinen Typus bovinus vom Tiere aus in- fizieren, praktisch habe man es nur mit ihm zu tun. Das ist schon richtig, allein ich kann trotzdem den Kochschen Standpunkt nicht teilen. Wie ich schon ausgeführt habe, können wir die Größe der Gefahr, welehe dem Menschen von den tuberkulösen Tieren droht, nur bestimmen aus der Häufigkeit, mit der man vom Rindvieh her- zuleitende Baeillen beim tuberkulösen Menschen findet. Wenn man die Möglichkeit einer kulturellen Umwandlung von Typus humanus in Typus bovinus zugeben muß, so muß man auch die Möglichkeit einer Umwandlung von Typus bovinus in Typus humanus zugeben, und es ist, mag auch der bovine Typus Jahrelang im Menschen sich rein erhalten können, doch kein Grund ersichtlich, warum eine solche Umwandlung nicht auch im Menschen vor sich gehen könne, viel- leicht nicht sofort, sondern etwa nach mehrmaliger Übertragung. Die Örrn: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 177 aufgefundenen atypischen Stämme könnten solche in der Umwand- lung aus bovinem in den humanen Typus begriffene Stämme sein. Wenn dem aber so wäre, so würde sofort die Zahl der Fälle, bei welchen eine Tuberkulose bei Menschen von Rindvieh stammen könnte, beträchtlich in die Höhe schnellen und die Bedeutung also der Rind- viehtuberkulose für den Menschen eine erheblich größere sein, als sie aus dem Befunde reiner Bovinusstämme beim Menschen erschlossen werden könnte. Erst recht aber würde die Perlsucht an Bedeutung gewinnen, wenn man damit rechnen müßte, daß mindestens ein Teil der Stämme vom Typus humanus umgewandelte, dem Menschen ak- kommodierte Bovinusstämme wären. Nach der Größe der Gefahr richtet sich aber die praktische Bedeutung der Perlsucht und die Dringlichkeit ihrer Bekämpfung. Überschauen wir noch einmal das vorliegende tatsächliche Ma- terial, so kommen wir zu folgenden Schlußfolgerungen: Es ist richtig, daß es zwei Typen von Tuberkelbaeillen gibt, von denen der eine dem Rindvieh, der andere dem Menschen eigentümlich ist; es ist aber nicht nachgewiesen, im Gegenteil nach den neuesten Untersuchungen besonders des Lupus und nach den Resultaten neuerer Experimente unwahrscheinlich, daß es sich dabei um zwei verschiedene, mit bleibenden Eigenschaften versehene, also nicht zusammenhängende Organismen handelt; es ist richtig, daß der typische genuine mensch- liche Tuberkelbaeillus nicht für Rinder pathogen ist, es ist aber ebenso richtig, daß das Gegenteil nicht der Fall ist, daß vielmehr der ty- pische Rinderbaeillus auch den Menschen krank machen kann; die Behauptung, die Rindertuberkulose könne nicht auf den Menschen über- tragen werden, ist also ebenso falsch wie die andere, daß Tuberkulose überhaupt vom Menschen auf Rindvieh nicht experimentell übertragen werden könne, denn es gibt eine bovine Tuberkulose beim Menschen. Es ist richtig, daß diese bovine Tuberkulose, die vielleicht nur eine Modifikation der genuinen menschlichen Tuberkulose ist oder umge- kehrt, vorzugsweise im Kindesalter vorkommt, es ist aber nicht richtig, daß sie nur bei Kindern vorkomme. Es ist richtig, daß die durch bovine Bacillen erzeugte Menschentuberkulose häufig nur lokale, wenig progrediente Veränderungen erzeugt, es ist aber nicht richtig, daß sie von ganz geringfügiger Bedeutung sei, denn es sind eine ganze Anzahl von Fällen bekannt, in denen Rinderbaeillen den Tod von Menschen herbeigeführt haben. Es ist richtig, daß die überwiegende Mehrzahl der Lungenschwindsüchtigen bei der Untersuchung Bacillen vom Typus humanus zeigt, es ist aber nicht richtig, daß die Lungen- schwindsucht ausschließlich durch Baeillen vom Typus humanus erzeugt wird, und es besteht die Möglichkeit, daß auch in den ge- Sitzungsberiehte 1912. . 15 178 Gesammtsıtzung vom 8. Februar 1912. wöhnlichen Fällen ein boviner Baecillus, sei es durch Erzeugung einer Disposition zu Lungenschwindsucht, sei es durch Umwandlung, eine Rolle spielt. Es ist richtig, daß bei der Bekämpfung der Tuberkel- bacillen und der Tuberkulose der Kampf in erster Linie gegen die Baeillen. welche vom Menschen stammen und in der größten Mehr- zahl aller Fälle dem Typus humanus angehören, gerichtet werden muß, es ist aber nicht richtig, daß man den Menschen nicht gegen die vom Rinde stammenden Bacillen besonders zu schützen brauche, da die von ihnen drohende Gefahr zu gering sei, ganz im Hinter- grunde stehe. Sind die beiden Baeillentypen nur Modifikationen der- selben Art, können, wie es im Experiment bei Rindern mit Menschen- bacillen geglückt ist, so auch beim Menschen umgekehrt aus Rinder- bacillen solche vom Typus humanus werden, worauf die atypischen Formen hindeuten, so ergibt sich die große Gefährlichkeit der Rinder- tuberkulose für den Menschen ganz von selbst, aber auch wenn man zwei scharf getrennte Typen anerkennt, bleibt die Tatsache bestehen, daß typische Rinderbaeillen den Menschen krank machen und töten können und daß, von dem Lupus ganz abgesehen, die Zahl der an boviner Tuberkulose leidenden Menschen nicht gering ist, da bei einem Prozentsatz von auch nur ıo Prozent unter den Zehntausenden von tuberkulösen Kindern Tausende von Perlsuchtkranken vorhanden sein müssen. Und wie nun, wenn sich als tatsächlich herausstellt, was vorläufig nur als Möglichkeit gelten kann, daß Überstehen einer Perl- suchtinfektion in der Jugend die Disposition zu einer chronischen Lungenschwindsucht verleiht oder doch verleihen kann, wer möchte dann noch sagen, für die Bekämpfung der Tuberkulose als mensch- liche Volkskrankheit sei der Kampf gegen die Produkte tuberkulösen Rindviehes ganz in den Hintergrund zu stellen?! Wozu gründet man denn eine Gesellschaft zur Bekämpfung des Lupus, der nach der eng- lischen Kommission in 45 Prozent durch typische oder atypische bo- vine Bacillen erzeugt wird, wenn man nicht die Hauptquelle für bo- vine Baeillen, die baeillenhaltigen Produkte perlsüchtigen Viehes, mit Energie bekämpfen will? Die Aufgaben für die Zukunft ergeben sich von selbst. Im Vordergrund steht die Frage der Variabilität der beiden Bacillentypen; es müssen die atypischen Formen genau erforscht, es müssen mit ihnen vor allem Umzüchtungsversuche gemacht werden, es müssen die Versuche, typische menschliche Baeillen in atypische oder gar in typische bovine umzuwandeln, fortgesetzt und es muß versucht werden, bovine zu mo- difizieren, oder in humane umzuwandeln, es muß in allen Ländern der Lupus bakteriologisch studiert werden, es müssen die Forschungen über die Häufigkeit des Vorkommens boviner Baeillenformen bei Kindern Örra: Über Rinder- und Menschentuberkulose. 179 und Erwachsenen, insbesondere bei schwindsüchtigen Erwachsenen, fortgesetzt werden, es muß Material für die Frage, ob Perlsuchtinfektion in der Kindheit Beziehungen zu späterer Lungenschwindsucht hat, her- beizuschaffen versucht werden, es muß weiter geforscht werden über die Wege, auf welchen Bacillen von Tieren, insbesondere Kühen, in den menschlichen Körper hineingebracht werden. In der Bekämpfung der Tuberkulose darf auch in Zukunft nichts versäumt werden, was dazu beitragen kann, die Zahl der Tuber- kelbacillen zuvermindern und die Übertragung von Bacillen auf Menschen zu verhindern. Die Übertragung von Mensch zu Mensch spielt sicher eine hervorragende Rolle, vom Menschen stammende Baeillen, wie sie besonders im Auswurf enthalten sind, müssen daher in erster Linie un- schädlich gemacht, ihre Übertragung auf andere Menschen muß durch geeignete Vorkehrungen soviel wie möglich erschwert werden. Aber daneben darf auch der Kampf gegen die Rindviehbaeillen nicht gering geachtet werden, wobei sowohl auf die Verminderung der Perlsucht beim Vieh als auch auf die Verhinderung der Übertragung lebender Rinderbaeillen auf den Menschen durch sanitätspolizeiliche Maßnahmen gegenüber dem Kadaver sowie gegenüber der Milch und den Milch- produkten Bedacht zu nehmen ist. Nach allem, was ich dargelegt habe, kann ich mit Kleine!', der offenbar den Standpunkt des Instituts für In- fektionskrankheiten vertritt, nieht übereinstimmen, wenn er schreibt: »So wünschenswert und wichtig auch im Interesse der Landwirtschaft alle Maßnahmen zur Ausrottung der Perlsucht sein mögen, eine Herab- minderung der menschlichen Tuberkulose wird durch sie nicht erzielt werden.« Etwas anders drückt Kossel einen ähnlichen Gedanken aus in den Worten” »gelänge es wirklich, durch prophylaktische Maßnahmen die Gefahr der Infektion aus tierischer Quelle völlig zu verhüten, so würde die Tuberkulose immer noch dieselbe verheerende Volkskrankheit bleiben«. Nach Wegfall der bovinen Krankheitsfälle würde die Tuber- kulose beim Menschen zwar nicht mehr dieselbe, aber sicherlich noch ‚ eine verheerende Volkskrankheit bleiben; aber eine mit allen Mitteln zu bekämpfende Volkskrankheit (Kindertuberkulose, Lupus) würde noch übrigbleiben, auch wenn alle Baecillen vom Typus humanus vernichtet wären, denn es kann die Tuberkulose unter dem Menschen- geschlecht nicht verschwinden, solange noch immer von neuem Perlsuchtbacillen von Tieren auf den Menschen über- tragen werden können. ! Ztschr. f. Hyg. u. Inf. Bd. 52, S. 512, 1906. 2 Deutsche Med. Wochenschr. rg11, Nr. 43. 2 Ausgegeben am 15. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder auch in weit deutscher veröblin tlicht ode werden. Sollte e dem zuwiderlaufende Verse be r Ausfü a, in lichung de Seien Sec de gabe i den akademischen if zur Keineiter Kremer s hat er a aus diesen ntfe r Ver einer aufgenommenen wissen- A ehlichen Michelin: dieselbe anderweitig früher zu veröffentlichen — als ihm diess nach den gel- . tenden Rechtsregeln teht, so em rf er dazu der Ein- willigung der chi Gedächtnissreden rä zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt eng tet. s $ 21. Die Sitzungsberichte echeinen in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags a Aus $ 22. Re Jeden Sitzungsbericht ger t eine Übersicht über die wisse senschaftlichen. ‚Mitthei- eröffentlichung geeigneten ge- schäftlichen Angelegenheiten inter den Titeln der wissenschaftlichen Mittheilungen folgen i in dieser Übersie V ngaben erselben, einreichen ut für welche es 1 egel ruckzeilen beschränken, keinesfalls 10. Zeilen überschre n de Schriften der Akade Mischeilungen pre mit vorgesetztem Stern be ze bei den ı für ( die bhandlunge senschaftliche Mittheilu; ungen fren werden i in dem Berie a6 über diejenige Sitzung au rt, in welcher deren Aı cn n die ae hriften. dgültig beschlossen w ht Tage nae ach j jeder Sitz ung. eichnet, IE DEREN, wird »(Abh. ) Aus $ 27. Das Manuseript einer in einer le Stang am Donnerstag : zur Aufnahme in die Sitzungsberichte u itthe wele ichsten D« Gg n See r Reich: idr fertig zugestellt werden. Per eingereichte M: nuseript werden, mit dem dem Präsentationsvermerk des vars J. Warner: Die Sedimente der Taubenbank im Golfe von Nea A. Bersericn: Tafeln für die heliocentrischen Coordinaten von u yon Planeie ten Ta. Wıesanp: Siebenter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet and idyma unternommenen Ausgrabungen J. Perers: Einundzwanzigstellige Wertlie » Funetionen Sinus un und "Cosinus” i i rum M C. Tau: Die Handschriften des Corpus agfimene R. Isesscumip: Zur Kenntniss der Grosshirnrinde der Fe era Zellanordnungen und Faserzüge im Vorderhirn n Siren lacerti M. Neı ber die Kerne des Diencephalon bei einigen "Stugeihiren \ "Aonoscnassas ber die Kerne des menschlichen Kleinhir : H. Jusker: Der na, = Harbor -Tefnut aus Nubien . F. Fre Be Hırter von GAERTRINGEN un rrensasn: Arkadische "Forschungen N Ta. Wırsasp: Erst er voriger Bericht über die von den Königlichen Museen unternommenen Ausgr ee in Samos . : Sitzungsberichte der Akademie. Preis des Jahrgangs Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1911. R. Meister: zen aus Rantidi in Kypros (hierzu Taf. IV) . Rusess und O. vos Barver: über = Feel ggg der von der Quaraquecksilberlampe a aus- gesandte ılangwellign Stra er Frogentus: über die nen ee Bewegun ıgsgruppen ae ig = Frosentus: ee Ableitung der 32 Krysta lelassen“ ae Sonderabdrucke. I. an 1911. Praser: zur Hypothese der Quantenemission ee zur Früh ischichte nn bee Philos sophi tz bei ophie >. = Be een en ae Pen i pho otochemischen Vorgäng en in Gas er vox Wiramowiırz-MoELLENDOR n Stück aus dem Ancoratus des Eoichanioe- es Wıirx: Boden der a feden en der Kanalstrahlen vos Wıramowırz-MoeLLexporrr und F. Zucker: zwei Edicte des En auf einem Papyrus des Berliner Muscuns in Taf. A. Ba, die Tektonik des tief eren Untergrundes Norddeutschla: u Herrwıs: Moesihoriuhereeniche an thier dioplasmanatur der Kernsubstanz i Scaortky: über das Euzer’sche Dr rehungsproblen . ScHoTtky: über die vier Jacorı’schen The Erman: ein Denkmal memphitischer Theolog ach- schen ee ein experimenteller E Beweis für "die Jacosı: Cultur-, Spr un iterkeligiärzachee aus dem Rauiliya i . E. u. die Tnschrifien des Königs eg lumu a J. Hess: über ein angebliches Diokleszita : Be die Stuckfagade von Acanceh in Ycatan (hierzu Taf. E.VI-XY) es ‘. Mever: zu den aramäischen Papyri ie Elephar 2 ; Srauve: über die Lage der Marsiehss u d die Kon 2 en im Marssystem ET Ernan: Denksteine aus der 'hebanischen. Fi Fee rel Taf. X F. Fre d C. Resz: Kreide und d H un ı Kio agebiet (Mitelgriechenland) Martens: über die Messung grosser Kräfte im Naterilprüfungswesen ©. Brockeimasn: zu den Inschriften des Königs Kal Bone seendeucke. I. ee 1912, I. Schur: über einen Satz von ©. Cararn R es Fropesivs: Aug eines Satzes von ds neben aus einer ‚Formel von | Kaosroxen Koser: Festre # i vos Wir.asowrrz-MoeLLEnDoRFF: Mimnermos "und Properz - Russer: über die Betheiligung Bars :ellularer mn am _ Energieverbraneh der Zelle . Nerssr: Ther Br rei und speeifische Wär 2 . Euckex: die ekularwärme = Wahserstoiti bei tiefen n Temperaturen - Orrn: über Enden er Menschentuberkulose . M 3 8 » 9. n 3. -» 9. » 4.50 „ 4 » 6.— » 1.50 ” 4.50 » 850 en AM 12.— 1.— » 0.50 » 1 AM 0.50 ”» 0.50 » 0,50 » 0.50 ” 0.50 1— 0.50 » 1 » L+s » 0.50 » ı.— » 1L— » 0.50 „ L— » Lo » L— » I ” 1.— » 0,50 ” 0.50 » 0.50 SS Mopss=e - 183818 | > % = = ” = Schr. x S Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. s$1 Die Akademie gibt a N 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Teer nn ste «ler Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und »Abhandl me n der Königlich arte ala ‘der Wissenschaften us $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel h I L# . ar ® Ye 1, m Ni mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem che angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benntzen. 3. mfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in = Sitzungsberiehten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Staungsherich, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der ee Schrift der Abhand- lungen SR heil eiger erschreitung r: 6 renzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Dank abschätzen zu lassen. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die a. ea (Zeichnungen, phötoprhpkische Öriginal- en u.s. w.) gleichzeitig mi ie — jedoch ar ee Blättern, einzureie Die Kosten der ee de * Vorlagen haben in der Regel die Verfas tragen ademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein stv treffenden Vorl ines um en ee Textfiguren — s Sachverständigen beizufügen. Michi Ta Knschi ür die er- rg Auflage bei den Be mersgn: 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung er das Secretariat geboten Aus $ ’orlegung u d Einreichung des vollständigen ürncklertiren Kirn seripts an den zuständigen Secretar oder an den Archiv wird. a Aufnahme der an, m in > eo... Schriften, und zwar, wenn enden Mit- eicder es verlangt, verdeckt a itthei lunge von Verfassern, weiche nicht Mitglieder der Abkas mie sind, sollen der Regel nach nur in > nn aufgenommen werden. Beschli sm asse ufnahme ee Mittheilung eines Nichtmitgliedes n die se bestimmte Abtheilun r » Abhandlungen «, bedarf dieser Be uss der Hesskigani durch die Gesammt-Akademie, Aus S 6. S ry 3:.nNn 7 . ge R ar wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- Arie Anweisungen für die Anordnung des Satzes n von d € Verfasser. Fremde vorlegende Mitglied nmsenden Die Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten ich et hinausgehen. Umfängliche re girenden vor der Einsendung an die und die Verfasser er zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichte Aus $ 8. n allen in die Sitzungsberichte ed Abhandlungen ee wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von a Mittheilungen, wenn deren Umfang im ruck 4 Seiten . age auch aa = Buchhandel Sonder- En ıcke herges e alsbal h Erscheinen des be- Beenden Stücks a Sizungsberiehe ausgegeben \ w Bing für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. n den Sonde mbdrusken aus den Sitzungsberichten N ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu en Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten er Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl zur Zahl von 200 (im nn also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu ge so bedarf es dazu igung der Gesam emie oder der be- Classe. — Nie nt ee erhalten 50 Frei- er und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosen abziehen lassen. on den enlarge aus den Abhandlungen er- hält au Verfasser, welcher Mitglied der eng = zu unentgeltlicher Verth eilung ohne weiteres 30 F exemplare; er ist inıess berechtigt, zu Yiehhen Zwecke ee Bat wünscht er auf seine Kosten noch mehr ige redigivenden Seeretar weitere 100 Exemplare .auf ihre en. Kosten abziehen lasse T: Eine für die skademischen Schriften be- lle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es aueh nur auszugs- (Fortsetzung auf $S.3 des Umschlags.) 181 SITZUNGSBERICHTE 1912. DER vn. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ı *1 7 +1 2 e Re 15. Februar. Sitzung der y Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *1. Hr. Pencx las: Über die Schliffkehle. Oberhalb des Trograndes bezeichnet die Schliffkehle in den glacial ausgestal- teten Alpenthälern das Einsetzen einer neuen starken glacialen Erosion. In der Mont- Blanc-Gruppe ist dieselbe am »Plan« im wesentlichen durch kleine Nebengletscher des grossen Arvegletschers bewirkt worden, die wie Kargletscher wirkten und ihr Hintergehänge untergruben. In der Regel jedoch gehört die Schliffkehle zu den Unterschneidungsformen des Hauptthalgletschers, und ihr Auftreten ist mit einer starken Zerrüttung des Gesteines durch glaciale mechanische Verwitterung in Zusammenhang zu bringen. Die Schliffkehle gehört dann zu den Formen der seleetiven Erosion, der Trog zu denen der dirigirten. 2. Hr. Prof. Braux in Königsberg, dem vor längerer Zeit von der Classe die Mittel zu einer Studienreise nach den Fär Oern bewilligt wurden, berichtet über die Veröffentlichungen, zu denen seine dor- tigen Untersuchungen Anlass gegeben haben, mit Einsendung der neuesten: Über die Brustflosse der Wale. Von Dr. ArwoLn Kunze. (SA. Zoolog. Jahrbücher 1912.) Ausgegeben am 22. Februar. Sitzungsberichte 1912. ms 183 SITZUNGSBERICHTE 1912. IX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 15. Februar. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. l. Hr. Harnack las über die Geschichte eines program- matischen Worts Jesu (Matth. 5,17) in der ältesten Kirche. Der Spruch Jesu, dass er nicht gekommen sei, das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen, ist für die älteste Christenheit, die sehr bald die Gesetzesbeobachtung bei sich einstellte, ein schweres Problem gewesen. Deßhalb hat sie an den Spruch eine grosse Arbeit gesetzt; auch haben Versuche nicht gefehlt, ihn durchgreifend zu corri- giren. Beruhigung trat erst ein, als man den Kern des Gesetzes mit dem natür- lichen Sittengesetz identifieirte und auch sonst Unterscheidungen im Begriff des Ge- setzes machte. In dem Gedanken, dass die Liebe die Vollendung des Gesetzes sei, blieb die Kirche aber dem Sinne Jesu nahe. 2. Hr. Sacuau legte vor Bd. 2, Th. 2 der von der Akademie unter- nommenen Ausgabe des Ibn Saad, hrsg. von F.Scuwarıy. Leiden 1912. 184 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5,17) in der ältesten Kirche. Eine Skizze von ApouLr HArnAck. Der Sinn des Spruchs und die Anstöße, die er bot. Die Urgemeinde. r. Paulus. 2. Lukas. 3. Johannes. 4. Der Hebräerbrief. 5. Mareion (und die Maniehäer). 6. Die gnostischen Ebioniten, die klementinischen Homilien und die Enkratiten. 7. Ptolemäus. 8. Der Jakobusbrief. Der Barnabasbrief. Die Testamente der zwölf Patriarchen. Hermas. Die Predigt des Petrus. 9. Justin. 10. Irenäus. Clemens. Origenes. Tertullian. Die Didaskalia. Hippolyt (Der Kaiser Julian. Der Traktat Schabbath). rt. Schluß- ausführungen. »Wähnet nicht, daß ich gekommen bin, niederzureißen das Gesetzoder (und) die Propheten; ich bin nichtgekommen, niederzureißen, sondern zu vollenden (maHr&caı).« Dieses Wort Jesu hat, obgleich es nur durch Matthäus überliefert ist, allen Anspruch auf Echtheit. Ob es schon in der Spruchsamm- lung gestanden hat, die Matthäus und Lukas benutzt haben, muß man dahingestellt sein lassen; wahrscheinlicher ist es, daß Lukas den Spruch gekannt, aber beiseite gelassen hat; denn den folgenden Spruch (s. Matth. 5,18), der den unsrigen zur Voraussetzung hat, hat er wieder- gegeben (s. Luk. 16, 17). Die Echtheit soll hier nicht begründet werden! — genug, daß der Spruch sehr frühe in die christliche Tradition gekommen ist. Auch über den Sinn soll hier nicht verhandelt, vielmehr vorausgesetzt werden’, daß raHröcaı nicht bedeutet »durch Gehorsam erfüllen« (so Zaun u. a.), sondern »vollkommen machen’.« Wie das zu verstehen ist, lehrt der ! Vgl. über sie meine Abhandlung: »Ich bin gekommen.« Die ausdrücklichen Selbstzeugnisse Jesu über den Zweck seiner Sendung und seines Kommens (Zeitschr. f. Theol. u. Kirche, 22. Jahrg., 1912, Heft ı S. ıff.). Die Verwerfung des Spruchs als Wort Jesu bei Horrzmans, Neutest. Theol. 1? S. 502f. u.a. scheint mir vorschnell. 2 VeL.22.0,.8168% ® Demgemäß kann raHpäcaı, auf die Propheten bezogen, nicht bedeuten, daß Jesus ihre Weissagungen erfüllen, sondern daß er ihre das Gesetz ergänzenden Be- stimmungen vollenden wolle. Vielleicht sind übrigens »die Propheten« ein Zusatz des Matthäus. Der Kontext legt diese Annahme nahe, und Matthäus liebt den Aus- Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 185 bei Matthäus sofort folgende große Abschnitt 5, 20—48 mit seinem: »Ich aber sage euch«. Jesus erklärt, daß er das Gesetz vollkommen mache (vollende), indem er es, auf die Gesinnung — letztlich auf die Liebe und die innere Wahrhaftigkeit — zurückgehend, vertieft, ja sogar gewissen Zulassungen des Gesetzes im Interesse der sittlichen Vollkommenheit entgegentritt. Ebendeshalb hat er sich nicht damit begnügt, dem »Niederreißen« ein bloßes »Konservieren« oder »Be- glaubigen« entgegenzusetzen, sondern hat das Wort »Vollenden'« ge- wählt. Er bezeichnet sich also selbst indirekt als Gesetzgeber, und zwar als konservierenden, weil abschließenden Gesetzgeber. Die ganze Aussage tritt aber endlich einem Mißverständnis gegenüber, nämlich dem Wahne, er sei zur Vernichtung des Gesetzes gekommen. Dieses Mißverständnis konnte leicht aus dem Kampf Jesu gegen die Pharisäer in bezug auf die Gesetzesbeobachtung entstehen, es konnte aber auch aus dem Verhalten Jesu gewissen gesetzlichen Bestimmungen gegen- über erwachsen, und Lukas berichtet, daß es bereits während der Wirk- samkeit Jesus entstanden sei”. In seinen direkten Aussagen in bezug auf den Zweck seines Kom- mens bezeichnet sich Jesu als Erretter® und als Gesetzgeber, also als einen Mann mit einer Sendung wie die des Moses’. Während aber die Sprüche, welche die Errettung verkündigen, von den Gläubigen ohne Bedenken und Zweifel aufgenommen worden sind und nicht nur keinen Anstoß gaben, sondern vielmehr eine Fülle von zustimmenden Ausführungen hervorriefen, hat das Wort vom Nichtniederreißen, son- dern vom Vollenden des Gesetzes, soweit wir zu urteilen vermögen, der Gemeinde bald mehr Verlegenheit bereitet als Zustimmung ab- gewonnen. Die Entwicklung der Dinge in der Kirche hat überall über dasselbe hinausgeführt, und aus den verschiedensten, zum Teil druck: »das Gesetz und die Propheten«. — Abzulehnen ist die Meinung von Rescn, (der Paulinismus und die Logia Jesu, in den Texten und Untersuchungen Bd. 27, 1904, S. 280), rmaHpo®n bedeute wie das hebräische 753 auch Tenein, und der Sinn BRERn Spruchs sei, die im Gesetz gegebene Typik und in den Propheten geschehene Weis- sagung soll in Jesus ihre Erfüllung und zugleich ihr Ende finden. ! Einen »Superlativ« (s. WELLHAUSEN z. d. St.). 2 Fin Teil der Mss. bietet Luk. 23, 2 als Worte der Ankläger Jesu vor Pilatus! TOYTON EYPAMEN .... KATAAYONTA TÖN nöMoN Kal TOYC TIPO®ÄTAC. Mir scheint diese Über- lieferung, die schon Mareion bezeugt, sehr beachtenswert. S. Mark. 2,17; Matth. 9,13; Luk. 5,32; Luk. 19,10; Luk.9,55; Matth. 15,245 3 Matth. 11, 3 ff.: Luk. 7,20 ft. & F ä * Der Anspruch der Messianität liegt in diesem Selbstzeugnis noch nicht — ne zu erkennen, ist wichtig —, wohl aber liegt das Selbstzeugnis auf der Linie Keen; Propheten zum Messias, zumal wenn man erwägt, daß die Parallele zu aa en MN zugleich eine versteckte Antithese ist, die in den Ausführungen zum Begrift TIIRBEN noch stärker zum Ausdruck kommt als in dem Begriff selbst. 186 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. entgegengesetzten Gründen vermochte man sich in das Wort nicht zu finden. Den einen war es anstößig, daß Jesus das Gesetz nicht aufgehoben, den anderen umgekehrt, daß er dem vollkommenen Ge- setz Gottes etwas hinzugefügt bzw. es erst vollendet haben soll. Die Dritten nahmen schon daran Anstoß, daß er überhaupt den Zweck seines Kommens mit dem Gesetz in Verbindung gebracht hat, und die Vierten vermochten es nicht zu verstehen, warum er nicht Unter- schiede im Gesetz gemacht und nicht einiges für aufgehoben, anderes für verbessert und vollendet erklärt habe. Gewiß ist uns nur ein kleiner Teil der verschiedenen Stellungen bekannt, die man zu dem Worte in der ältesten Kirche einnahm, und auch nur ein kleiner Teil der Mittel, mit denen man es zu verändern oder unwirksam zu machen versucht hat. Was sich noch erkennen läßt, soll im folgenden zur Darstellung kommen. Stets muß man sich dabei gegenwärtig halten, daß es sich um ein Wort von bedeutendster Tragweite handelt. Jesus hat mit ihm die alttestamentliche Schrift und Religion — denn sie sind in dem Gesetz gegeben — ausdrücklich bejaht und in ihrer Voll- endung seine Mission erkannt. Daß aber darin ein Problem steckte, davon verrät er selbst bei seiner absolut positiven Art, d. h. bei seinem Gehorsam, kein Bewußtsein. Und doch steckte es darin; denn ein Gesetz, das »vollendet« werden muß und vollendet wird, ist in irgendeinem Sinne unvollkommen, wird in diesem Sinne also nicht mehr behauptet. Diese Erkenntnis wurde bereits der ersten christ- lichen Generation durch den Gang der Dinge aufgezwungen; sie floß aber schon aus der Sache selbst, wenn man zu tun versuchte, was der Meister geboten hatte. Der Spruch Jesu enthält also in Wahrheit zwei Gedanken, und die Folgezeit konnte ihn daher auch zur Hälfte annehmen und zur Hälfte umgehen bzw. verwerfen, oder sie konnte ihn ganz fallen lassen oder ganz akzeptieren. Der eine Gedanke lautet: Das Gesetz besteht noch, es ist von Jesus bestätigt worden; der andere aber lautet: Das Gesetz war noch nicht vollkommen, es hat durch Jesus seine Vollendung erhalten. ' Der Begriff der »Vollendung« läßt es an sich offen, in welchem Zustande sich das Unvollendete befindet. Ob die Vollendung eine Sache überhaupt erst zu dem macht, was sie sein soll, oder ob sie eine bereits in Kraft stehende Sache ledig- lich krönt bzw. vervollkommnet, darüber kann allein der Kontext entscheiden. In unserem Falle ist im Sinne Jesu gewiß das letztere anzunehmen; aber die Ausfüh- rungen, in denen er selbst das maHpöcaı näher bestimmt, legen das erstere nahe, und so hat man ihn bald verstanden. Es kommt hinzu, daß schon die Spruchsammlung (Matth. rı,12f.; Luk.16,16) ein anderes Wort Jesu darbot, welches so ausgelegt wer- den konnte, daß das Gesetz und die Propheten, weil sie nur bis Johannes reichen, nunmehr abgelöst sind. Dieses Wort ist in der altkatholischen Kirche — und viel- leicht schon früher — häufig gegen den Gedanken von Matth. 5,17 ausgespielt worden. Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5,17). 187 Die Urgemeinde von Jerusalem hielt an der Beobachtung des Gesetzes fest — ein deutlicher Beweis, daß auch Jesus das Gesetz bis zuletzt beobachtet hat. Eine Gesetzesfrage hat es am Anfang in den Kreisen der Jünger Jesu nicht gegeben; sie waren alle »Eifrer um das Gesetz« (Act. 21,20). Allein der naive Zustand hat nur sehr kurze Zeit gedauert. In den Kreisen bekehrter hellenistischer Juden zu Jerusalem begann die Bewegung, die mit der Loslösung vom Tem- peldienst und vom Gesetz endigen mußte, und bald gewann sie in Paulus ihren Führer. Der Gang der Dinge wird hier als bekannt vorausgesetzt; es handelt sich an dieser Stelle lediglich darum, welche Auslegungen bzw. welche Geschichte das Wort Matth. 5,17 nunmehr erlebte. 1. Gal. 6,2 schreibt der Apostel Paulus: »Einer trage des anderen Lasten, und so erfüllt ihr das Gesetz Christi.« Der Begriff » Gesetz Christie, den er hier gebildet hat, ist auf der Linie zu suchen, den das Wort Jesu bezeichnet: »Ich bin gekommen, das Gesetz zu vollenden«; denn auch Jesus meint, daß er das Gesetz durch aus- schließlichen Rückgang auf die Gesinnung und die Liebe, vor allem die dienende, zur Vollkommenheit bringe. Paulus kennt also ein Gesetz Christi neben dem mosaischen; er wird also auch an dieses Gesetz Christi denken in solehen Sprüchen, in denen er sagt, daß das Gesetz »erfüllt« werde durch Liebe — Sprüche, in denen allerdings nicht von der vollendeten Gestalt des Gesetzes die Rede ist gegenüber einer unvollkommenen, sondern von der vollkommenen Gesetzeserfüllung gegenüber dem Zurückbleiben hinter dem Gesetz. Somit darf man in Sprüchen wie Gal. 5, 14', Röm. 13,8°, Röm. 13, ı0° doch auch einen Nachklang von Matth. 5, ı7 erkennen. Sie haben zwar an und für sich nichts mit der »Vollendung« des Gesetzes zu tun, sondern lediglich mit seiner »Erfüllung«; aber weil sie die Erfüllung von der Liebe ableiten und Paulus ein »Gesetz Christie der Liebe neben dem mo- saischen kennt, scheinen die Sprüche nicht unabhängig zu sein von dem Gedanken, daß Jesus das Gesetz zu seiner Vollendung gebracht habe. Jesus selbst aber hätte seine Vollendung des Gesetzes niemals als »mein« Gesetz bezeichnet und dadurch vom alten Gesetz unter- schieden. Indem Paulus den Begriff »Gesetz Christi« gebildet hat, beweist er bereits, daß er über das alte Gesetz anders denkt als Jesus, ! »Das ganze Gesetz wird in dem ei deinen Nächsten wie dich selbst.« ? „Wer seinen Nächsten liebt, der hat das Gesetz erfüllt. « ° »Erfüllung (rmaAPpoma) des Gesetzes ist die Liebe.« nen Wort erfüllt (merraHPoTa)): Liebe 188 _ Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. und das kommt zum unzweideutigsten Ausdruck in dem Spruche Röm. 10,4: »Christus ist des Gesetzes Ende.« Das Gesetz ist also abge- tan, ist aufgehoben. Das lautet wie ein dezidierter Widerspruch zu Matth. 5, ı7 und ist es auch; aber Paulus hat den Widerspruch, den er bemerkte und nicht gelten lassen wollte (Röm. 3, 31: »Heben wir das Gesetz auf? Das sei ferne; wir richten es vielmehr auf«), durch eine eigentümliche Spekulation zu beseitigen versucht. Auf diese Spe- kulation brauchen wir hier nicht einzugehen‘. Es kann uns genügen, daß Paulus den in Matth. 5, 17 unzweifelhaft enthaltenen Gedanken: »das Gesetz besteht fort«, in kühner Glaubensgewißheit respecetu erueis Christi aufgehoben und ihm den Satz entgegengestellt hat: »Das alte (sesetz besteht für den Christen nicht mehr; er ist in den Stand der Freiheit versetzt.« An einem entscheidenden Punkt also, dem Ver- hältnis zur alten Religion, hat der Heidenapostel sich entschlossen von dem Boden entfernt, den Jesus behauptet hat. Und auch an solchen Stellen hat er sich von ihm entfernt, wo er durch allegorische Er- klärung das Gesetz konserviert; denn alle Allegoristik ist Preisgebung dureh Vertauschung. 2. Lukas, den selbständigen Begleiter des Paulus, findet man hier, wie so oft, nicht völlig auf den Spuren des Paulus. Wir haben es oben offen gelassen, ob Lukas den Spruch in der Spruchsammlung vorgefunden hat. Las er ihn dort und ließ ihn weg, so geschah es wohl nicht, weil er ihm zu gesetzesfreundlich schien, sondern viel- leicht umgekehrt, weil er bei seiner großen Devotion dem Gesetz gegen- über an dem »vollenden« Anstoß genommen hat. Zu den falschen Anklagen gegen Jesus rechnet er es (c. 23,2, s. 0.), daß er das Ge- setz und die Propheten niederreiße. Er findet sich also an diesem ; Man hat zu beachten, daß Paulus niemals sagt, Christus habe das Gesetz auf- gehoben, vielmehr erklärt: »Christus ist des Gesetzes Ende.« Die Begründung dieser Behauptung wird Gal. 3,13 (»Christus hat uns vom Fluche des Gesetzes losgekauft dadurch, daß er für uns zum Fluch geworden ist«) und Gal. 4,4 (Christus, der Sohn (zottes, trat unter das Gesetz, damit er die unter dem Gesetz Stehenden loskaufe«) gegeben (s. auch Röm. 8, 2f.). Aus ihr entspringen die weiteren Behauptungen, daß das Gesetz von Anfang an nur für eine bestimmte Epoche erlassen war, also »zwischen- ein gekommen ist« und eine pädagogische Bedeutung gehabt hat (Gal. 3, 19; 3, 23. 24; Röm. 5, 20). Sehr drastisch ist Koloss. 2, 14 (vgl. Eph. 2, 15) der Vorgang vor- gestellt, wie Christus das Gesetz, indem er es in seinem Kreuzestode ans Kreuz ge- nagelt, weggeräumt hat. So ist dem Gesetze Genüge geschehen: &zaneivac Td Kae’ HMÖN XEIPÖrPAGON Tolc AÖrMacın d ÄN YTIENANTION HMIN, Kal AYTd firen &k To? MECOY, TIPOCHAGCAC AYTö TO cTaYpd. — Daß Paulus übrigens innerhalb seiner zahlreichen Ideen auch eine solche noch kennt und festhält, nach der der Besitz des Gesetzes (ebenso wie der der viosecia, der alaeAkaı, der aATpeia und der errarreniaı) ein bleibendes Gut der Juden bedeutet (Röm. 9, 4), sei hier nur konstatiert. Harsack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth, 5, 17). 189 Punkte in voller Übereinstimmung mit Jesus, und pünktliche Gesetzes- beobachtung empfindet er, der Heidenchrist, bei einem Juden als etwas Ehrwürdiges (s. e. ı, 6 und sonst), so gewiß er vollkommene Ge- setzeserfüllung mit Paulus für unmöglich hält (Act. 15, 10) und ge- wisse Grenzen des Gesetzes Mosis in bezug auf die Rechtfertigung kennt und würdigt (Act. 13, 38£.). Daß den Christen aus den Heiden das Joch des mosaischen Gesetzes nicht auferlegt werden soll, darin stimmt er mit Paulus überein und erzählt sogar, daß auch Petrus und Jakobus dieser Meinung gewesen seien. Allein er läßt den Jakobus diese Konzession mit der Motivierung geben, daß das Gesetz Mosis bei den geborenen Juden ja seine Geltung behalte (Act. 15), und er berichtet an mehreren Stellen nicht ohne Absicht, daß auch Paulus (als geborener Jude) die Gesetzesbeobachtung für seine Person nicht völlig eingestellt habe. Lukas, der geborene Grieche, steht dem Jjü- dischen Gesetze innerlich näher .als Paulus. 3. Ganz anders Johannes. Zwar sind seine Äußerungen über das Gesetz nicht eindeutig; aber sie müssen nach den fortgeschrittensten gedeutet werden, und da zeigt es sich, daß Johannes dem Paulus sehr nahesteht, ja noch über ihn hinausgeht. Er läßt Jesus den Juden gegenüber von »euerem« Gesetz sprechen (8,17), als ginge dasselbe ihn selbst und die Seinigen nichts mehr an, und er hat im Prolog den programmatischen Satz gebildet (1, 17): »Das Gesetz wurde durch Moses gegeben, die Gnade und Wahrheit wurde dureh Jesus Christus. « Die Antithese ist nicht nur durch die Gegenüberstellung von Moses und Christus eine scharfe, sondern in noch höherem Grade dadurch, daß dem Gesetz nicht das Evangelium‘ oder ein formaler Begriff, sondern die Gnade und Wahrheit entgegentritt. Dadurch wird dem Gesetz Gnade und Wahrheit geradezu abgesprochen. Es war und ist also etwas ganz anderes als das, was Jesus gebracht hat. Somit hat Jesus das Gesetz nicht vollendet, sondern beendigt und damit auf- gehoben. Das Gesetz ist abgetan’. Das geht auch klärlich aus dem Worte Jesu an die Samariterin (ec. 4,21) hervor: »Glaube mir, Weib, daß die Stunde kommt, daß ihr weder auf diesem Berge (Garizim) noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.« Fällt der Tempel, so fällt auch das Gesetz. Wie aber Paulus vom Gesetz des Moses das ; e\ ! Dieses Wort findet sich niemals bei Johannes. ee ® Johannes hat also die verborgene Antithese zu Moses (8. 0.) herausgearbeitet, die in Matth. 5,17 ff. und in den Sprüchen steekt, in denen sich Jesus als Se bezeichnet. Indem er aber diese Antithese auf das Gebiet der Gnade und en . hinüber führt, hat er die Gegenbildlichkeit in einen entschiedenen Gegensatz verwande t. 190 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. Gesetz Christi unterschieden hat und unter ihm das Liebesgebot ver- steht, so spricht auch Johannes von einem »neuen Gesetz« (bzw. dem »neuen Gebot«) und läßt es förmlich von Jesus gegeben sein (8. c. 13, 34f.): »Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander liebt. Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.« Dieser Titel »das neue Gesetz« wird in der Folgezeit eine wichtige Bedeutung in der Kirche erhalten. 4. Daß Johannes dem Gesetz auch einen typischen bzw. pädago- gischen Charakter beigelegt (wie Paulus) und durch diese Betrachtung den Gegensatz von Gesetz und Evangelium gemildert hat, geht aus anderen Stellen hervor. In klassischer Weise aber ist der feinsinnige Verfasser des Hebräerbriefs der Vertreter der Lehre vom typischen Charakter des Gesetzes: »Einen Schatten der zukünftigen Güter hatte das Gesetz, nicht aber die Gestalt der Dinge selbst« (cKıAn &xun 5 nömoc TON MEAAÖNTWN ÄTABON, OYK AYTHN TAN EIKÖNA TON TIPATMÄTWN; IO, I). Danun dieses Neue gekommen ist, erscheint das Frühere als veraltet und muß verschwinden (8, 13). Hätte man ihn nach seinem Verständnis von Matth. 5, 17 befragt, so hätte er geantwortet: Gewiß hat Jesus das Gesetz nicht niedergerissen, sondern durch Vollendung zum Aufhören gebracht, nämlich so, daß er das Symbolische des Gesetzes in eine höhere Wirklichkeit übergeführt hat. Diese Antwort, die einfach eine meräsacıc eic Anno renoc bedeutet und dem wirklichen Sinn des Worts Jesu ganz fern steht, ist später in der Christenheit auch einer der Rettungsanker geworden gegenüber dem Eindruck des auffallenden Spruchs; aber bis es dahin kam, hat man noch verschiedene Wege eingeschlagen. D. Paulus und noch mehr Johannes haben die Aufhebung, d. h. die Ungültigkeit des Gesetzes, eingesehen und verkündigt. Ein ehrliches und einfaches Gemüt, welches von der Autorität dieser Männer ebenso überzeugt war wie von ihrer vollen Übereinstimmung mit Jesus, mußte daraus den Schluß ziehen, daß Jesus das Wort Matth. 5, 17 nicht ge- sprochen haben könne. Dieser Überzeugung gab Mareion, der Paulus- schüler, den deutlichsten Ausdruck. Da er unter allen Evangelien nur das Lukasevangelium (nach einer sorgfältigen Säuberung der ver- meintlichen judaistischen Interpolationen) gelten ließ, war er für seine Person und seine Kirche gar nicht genötigt, das nur bei Matthäus sich findende Wort noch ausdrücklich zu verwerfen. Allein in den a Me ERMRTeSReN 0 ai ergo vu 5 n Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 191 Auseinandersetzungen mit den großkirchlichen Gegnern hat er es doch für angemessen erachtet, den seiner Lehre so tödlichen Spruch zu be- kämpfen, d. h. für unecht zu erklären. Das geht aus Tertullians Gegenschrift gegen Mareion deutlich hervor. Ausdrücklich bemerkt er (V, 14): »Frustra de ista sententia neganda Pontus [= Ponticus] laboravit«, und auch an anderen Stellen wirft er ihm vor, diesen Spruch beseitigt zu haben (IV, 7.9. 12.36). Nicht nur um den Grund- gedanken des Spruchs handelte es sich also für Mareion, sondern um den Spruch selbst, und wenn es feststeht, daß er in seinen » Anti- thesen« den Nachweis erbracht zu haben glaubte, daß die Zwölf Jünger Jesu dem Evangelium »legalia« beigemengt haben —, an welchem Spruche durfte er weniger vorübergehen als an Matth. 5, 17? Mareion begnügte sich noch damit, die Unechtheit des Spruches zu behaupten und nachzuweisen; aber seine Schüler sind noch einen “ dreisten Schritt weitergegangen. Sie haben sich nicht gescheut zu be- haupten, Jesus habe vielmehr gesagt: »Ich bin nieht gekommen, das Ge- setz zu vollenden, sondern niederzureißen.« Das teilt uns der unbekannte Antimareionit » Adamantius« am Anfang des 4. Jahrhunderts mit. Er läßt den Mareioniten sprechen': »Das haben die Judaisten geschrieben, nämlich das Wort: Ich bin nicht gekommen, das Gesetz niederzu- reißen, sondern zu vollenden; aber Christus hat nicht so gesprochen; denn er sagt: Ich bin nicht gekommen, das Gesetz zu vollenden, sondern niederzureißen « (To?To of 'lovanicTal ErPAYAN, TO OYK ÄneoN KATANTCAI TON NÖMON ÄAnnA TIAHPOCAI" 0Yx oYrwc A& einen d Xrictöc, AEreı räp’ OYK Äneon MAHP&cAı TON N6Mon AnnA KATaAnScaı). So lasen also Mar- eioniten um das Jahr 300, und daß ein soleher Text auch später noch zirkulierte, wird bestätigt durch Isidor Pelusiota?. Die Manichäer des Abendlandes nämlich übernahmen die marcionitische Evangelienkritik; auch sie verwarfen daher entweder den Spruch Matth. 5, ı7 oder kehrten ihn in sein Gegenteil um’. Sie erklärten, wie einst Mareion, daß man ! Dialog II, ı5, $. 88 (ed. van DE Sanpe-BAKHUYZEN). 5 ? Epp. I, 37ı (Mıene, T. 78, col. 394): Aokelte Brı Äneon rIAHPÖCAI TON NÖMON A ToYC TIPO®ATAC; ÄineoN KATANTCAI, AAN’ 0Y TIAHPÜCAI. ; ® Der Manichäer Faustus bei Augustin (l. XIX, 5): »Indeficientes eg0 praeceptori meo refero gratias, qui me similiter labentem retinuit, ut essem hodie , Dam ego quoque cum capitulum hoc (Matth. 5, 17) imprudens legerem, quema ws L fu, paene ieram in consilium ludaeus fieri. nec immerito; etenim si Christus egem non venit solvere sed adimplere, vide, si quid impedire iam poterat, quin factus essem Iudaeus. sed huie periculo me Manichaei vene 3 »Nee immerito nos ad huiusmodi seripturas, tam ineonstantes et varıas ns sane sine iudicio ac ratione aures afferimus, sed contemplantes owniM, nn alia eonferentes, perpendimus, utrum eorum quidque a Christo diei potuerit neu multa enim a maioribus vestris eloquiis domini nostri inserta verba sunt, quae anne Signata ipsius cum eius fide non congruant, praesertim quia ... nee ” een 192 _ Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. Jude werden müsse, wenn Jesus wirklich gesagt habe, er sei nicht gekommen, das Gesetz niederzureißen, sondern zu vollenden; in Wahr- heit aber sei das Wort eine Interpolation oder Verkehrung der Juda- isten'. So war hier der Wortlaut des Spruchs Jesu in sein Gegenteil umgekehrt — und doch war der Sinn Jesu hier weniger verfehlt als von denen, welche auf Grund dieses Spruchs die Lasten des Gesetzes als Christen glaubten weiter tragen zu sollen und denen die Selig- keit absprachen, welche sich nicht beschneiden und gesetzlich leben wollten”. Die strengen und engen Judenchristen zeigten einen sehr unchristlichen Haß gegen Paulus und alle Heidenchristen, die sie auf jede Weise zu verlästern suchten; die Mareioniten aber predigten die »summa et praeeipua bonitas« des geistigen Gottes und rückten, dem Geiste Christi folgend, die Liebe und Barmherzigkeit in den Mittelpunkt. 6. Die Mareioniten sind nicht die einzigen gewesen, welche, in der Überzeugung, daß das Wort Matth. 5,17 eine Fälschung sei, es durch- greifend zu korrigieren sich erlaubt haben. Epiphanius hat uns über- liefert, daß in dem Evangelium der gnostischen Ebioniten das Wort gestanden habe: »Ich bin gekommen, die Opfer aufzulösen, und wenn ihr nicht vom Opfern ablaßt, wird der Zorn Gottes von euch nicht ablassen« (*Haeon Katanscaı TÄC evYciac, Kal EAN MA TIAYCHCEE TOY BYEIN, 0Y TAYCETAı Äo Ymön K örra’). Die Zusammenstellung der beiden Worte Aneon und Katan?caı lassen schwerlich darüber einen Zweifel aufkommen, daß dieser Spruch nach Matth. 5,17 gebildet ist. Ist er aber nach ihm gebildet, so sollte er ihn ersetzen. Diese gnostischen Ebioniten hielten an gewissen Teilen des Gesetzes, die sie für mosaisch hielten, streng fest, ja erklärten, daß in bezug auf sie die Gesetzgebung des Moses und Jesu einfach zusammenfälle: » Jesus lehrt wie Moses, und Moses lehrt wie Jesus«. Aber, dem Zuge einer neuen Zeit folgend, verwarfen sie sunt nec ab eius apostolis scripta, sed multo post eorum assumptionem a nescio quibus, et ipsis inter se non concordantibus, semi-Iudaeis per famas opinionesque comperta sunt.« Vgl. Augustin, de util. ered. 3: »Volunt nescio quos corruptores divinorum librorum ante ipsius Manichaei tempora fuisse; eorrupisse autem illos, qui Iudaeorum legem evangelio miscere cupiebant.« "Siehe auch was Hegemonius (Acta Archelai ed. Beeson, 8.65) über die Mani- ehäer berichtet: »Ego dicebam ei sermonem evangelicum ... ‚Non veni solvere legem, sed adimplere.‘ ille vero ait nequaquam eum hune dixisse sermonem ; eum enim ipsam invenlamus eum resolvisse legem, necesse est nos hoc potius intellegere quod feeit.« Siehe Gal. 5,6; Justin e. Tryph. 47 usw. ° Epiph., haer. 30,16. Scnmiporke (Texte u. Unters. Bd. 37,1, S.193f.) hat sich vergebens bemüht zu zeigen, daß hier kein Zitat aus dem Ebionitenevangelium vor. liegt, sondern daß Epiphanius willkürlich einen Text zurechtzemacht hat. | ee Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 193 mit Entschiedenheit, die blutigen Opfer und hielten diese Verwerfung für so wichtig, daß sie sie Jesus in einem ausdrücklichen Wort in den Mund gelegt haben. Durch dieses Wort ersetzten sie Matth. 5,17. Nach ihnen ist Jesus gekommen, um das Opferwesen abzuschaffen, aber das übrige Gesetz Mosis zu bestätigen. Dies geht auch aus den klementinischen Homilien (III, 51) hervor. Hier erklärt Petrus dem Simon Magus: »Wenn Jesus sagt: ‚Ich bin nicht gekommen, das Ge- setz aufzulösen‘, während er doch offenbar auflöste, so wollte er da- mit sagen, daß das, was er aufgelöst hat, nicht zum Gesetze gehörte. Und wenn er sagt: ‚der Himmel und die Erde werden vergehen, aber kein Jota noch ein Häkchen vom Gesetz wird vergehen‘, so bezeich- nete er das, was vor dem Untergang des Himmels und der Erde ver- gangen ist, als nicht zum wirklichen Gesetz gehörend'.« Auch hier sind vor allem die Opfer gemeint, und es muß daher die in dem Ebionitenevangelium vorliegende Textänderung im Sinne des klemen- tinischen Petrus gewesen sein. So kühn diese Textänderung ist, sie bleibt dem Gedanken Jesu doch etwas näher als die marcionitische, und es kommt ihr auch viel mehr Recht zu als einer dritten Korrektur, die auch schon in ältester Zeit an dem Spruche Matth. 5,17 vorgenommen worden ist. Man weiß, wie frühe die christliche Predigt auf heidenchristlichem Boden in enge Beziehung zu einer prinzipiell asketischen Denk- und Lebens- weise getreten ist. Nicht nur einzelne, sondern weite Kreise ver- standen das Evangelium dualistisch-asketisch und sahen demgemäß in der Aufhebung jeder geschlechtlichen Verbindung das Hauptstück der neuen Ethik?. Aus diesen Kreisen stammt das Ägypter-Evange- lium, und Clemens Alexandrinus berichtet uns, daß in diesem alten Evangelium folgendes Herrnwort gestanden habe: »Ich bin gekommen, die Werke des Weibes aufzulösen« (*Haeon KATANFCAI TÄ tpra TAc eHnelac'). Wiederum ist es sehr wahrscheinlich, daß dieser Spruch in Erinnerung an Matth. 5,17 gebildet ist; ob er ihn verdrängen sollte, läßt sich allerdings mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht behaupten. »Die Werke des Weibes« sollen die Sexualität mit allen ihren Folgen bedeuten; : TON N6MON» KAI GAINECBAI AYTON KATAAYONTA ae Kal einein »Ö OYPANöC Kal H Arnd TOY nöMoY« TÄ rıPd OYPANOY _ Tod eirein AYTöN »oYKk ÄneoN KATAATCAI CHMAINONTOC ÄNn BTI Ä KATenYen oYk An TOP NömMoY. TÖ TA TIAPENEFCONTAI, IOTA En A mia Kerala 0Y MH TIAPENOH Kai Ffc TIAPEPXÖMENA ECHMANEN MA ÖNTA TOY ÖNTWC NÖMOY. ? So auch die mareionitische Kirche. Clemens, Strom. III, 9, 63: Oi ae ÄNTITACCÖMENOI TH EYoHMoY ErKPATeiac KÄKEINA ndrovcı TA TIPÖC CANÜMHN EIPHMENA, DEPETAI a&, oimaı, En TO KAT Airyrrrioyc erarrenig. @Acı TÄP, ®HABON KATAnFcAı TA Epra TÄC eHnelac«, EnNelAc men TÄC EIIOYMIAC, KAl ®60PAn, Kriceı TOP seo? AA TAC ÖN TIPÖTEPON EMNHCEHMEN " örı aYTöc eirren d c@TÄPr' &pra 48 TENECIN 194 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. daß sie nach dem Weibe bezeichnet werden, bedarf keiner näheren Erklärung. Wie groß ist hier der Abstand vom Gedanken Jesu! denn wenn Jesus auch das Wort von den um des Himmelreichs willen Ver- schnittenen gesprochen hat (Matth. 19,12), so ist nicht nur ein weiter Weg von diesem Spruch bis zu dem Programm: »Ich bin gekommen, die Werke des Weibes zu zerstören«, sondern es liegt auch eine Kluft zwischen beiden Worten. Das eine Wort sieht in der Begründung der vollkommenen geschlechtlichen Askese den Hauptzweck der Sendung Jesu, das andere bezeichnet die Eunuchie als Ausnahme. »Ich bin gekommen, niederzureißen das Gesetz, die Opfer, die Werke des Weibes«: diese Programme hat man an die Stelle der Worte: »Ich bin nicht gekommen, das Gesetz niederzureißen « gesetzt! So rücksichtslos ist man mit der echten Überlieferung umgesprungen in der festen Überzeugung, sie sei falsch und man müsse sie korrigieren! 7 Die gnostischen Ebioniten haben innerhalb des Gesetzes Unter- schiede gemacht, das ganze Opferwesen beseitigt und seine Aufhebung auf eine willkürliche neue Fassung des Spruchs Matth. 5, 17 zurück- geführt. Anders sind die Valentinianer verfahren. Sie haben den Spruch bestehen gelassen, aber durch gewagte Distinktionen ihm einen neuen Inhalt gegeben. Aus dem Brief des Valentinianers Ptolemäus an die Flora‘ kennen wir ihre Theorie. Zugrunde liegt ihr eben unser Spruch Matth. 5, 17. Ptolemäus zeigt zuerst, daß das Gesetz in seiner Totalität nicht von Gott selbst herrühren könne. »Das ist die einfache Konsequenz aus dem Charakter des Gesetzes, welches unvollkommen ist, der Voll- endung (naHpweAnaı durch einen anderen bedarf und Gebote enthält, die mit der Natur und Gesinnung des vollkommenen Gottes und Vaters streiten« (I, 4). Hier ist also aus dem: »Ich bin gekommen zu vollenden« (Arson naHPöcaı), zum ersten Male mit voller Entschie- denheit der Schluß auf die Unvollkommenheit des alten Gesetzes ge- zogen! Weil das Gesetz der Vollendung durch einen anderen bedarf, darum ist es ungenügend. Ptolemäus weist dann nach, daß das Gesetz in drei Teile zerfalle: Urheber des einen Teiles sei Moses, Urheber des zweiten »Die Ältesten«, Urheber des dritten Gott. Aber das Drittel, welches man Gott zuzuschreiben habe, zerlege sich wiederum in drei Teile; der erste sei »die reine Gesetzung (nämlich der De- kalog), die mit dem Bösen nicht verflochten ist und auch im eigent- ' Siehe meine Untersuchung über den Brief (bei Epiph., haer. 33) in den Sitzungs- berichten vom 15. Mai 1902, S, 507 ft. Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5,17). 195 lichen Sinne Gesetz heißt; diese nicht aufzulösen, sondern zu vollenden ist der Heiland gekommen; denn das Gesetz, welches er vollendet hat, war ihm nicht fremd; es besaß nur noch nicht den vollkommenen Abschluß«'. Der zweite Teil ist noch mit dem Schlechteren und der Ungerechtigkeit verflochten; diesen Teil hat der Heiland aufgehoben’. »Der dritte Teil ist das Typische und Symbolische, welches als Ab- bildung des Pneumatischen und Wertvollen gegeben worden ist; diesen Teil hat der Heiland aus dem Sinnlichen und der Erscheinung ins Geistliche und Unsichtbare umgewandelt«° (II, ı). Hier ist also aus dem Spruch: »Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern zu vollenden«, die Behauptung geworden und als Sinn des Spruchs dargelegt: Jesus hat das Gesetz zum größeren Teil doch aufgehoben (nämlich 7 Neuntel); ein Neuntel hat er voll- endet und ein Neuntel umgewandelt. Destruere (abrogare), per- ficere, demutare: so hat sich Jesus dem Gesetz gegenüber ver- halten! Um diese differenzierende Theorie aber mit dem Wortlaut von Matth. 5, ı7 in Einklang zu setzen, wird behauptet, in Wahrheit sei nur der Dekalog das Gesetz (III, 2: &crın 5 TO? eco? nömoc, d KAasardc Kai ÄCYMTIAOKOC TÖ xeiponı, aYtl H aekAnoroc). Den Dekalog allein habe auch Paulus gemeint, wenn er sagt: »Das Gesetz ist heilig, und das Gebot ist heilig und gerecht und gut«. Zuletzt aber erfährt man zur Über- raschung noch, daß auch die Teile des Gesetzes, welche von Gott stammen, nicht vom höchsten Gott d. h. nicht von Gott selbst her- rühren, sondern vom Weltschöpfer, der ein mittleres Wesen ist, nicht gut, und nicht schlecht, sondern gerecht. Diese Theorie wird der verschiedenen Höhenlage der alttestament- lichen Gesetze in ausgezeichneter Weise gerecht; aber sie tritt in Widerspruch zu dem, was Matth. 5, 17 besagt, und sie war in der großen Kirche vollends unannehmbar durch die Unterscheidung zwischen dem höchsten Gott und dem Weltschöpfer-Gott. Dennoch werden wir sehen, daß eben diese Kirche unserm Spruche schließlich eine Auslegung gegeben hat, welche der valentinianischen sehr nahe kommt. 1 Oyk Än Änndtpioc AYToF Ön Errahpwcen: of rÄP EIxen TO TEneION..... Oi Aeka Aörol Mi EXoNTec Td TEAEION, EAEONTO TÄC TIAPÄ TOY CWTÄPOC TTAHPÜCEWC. 2 Aneinen d CWTHP ÄNDIKEION ÖNTA TA &AYToY »Yceı. Gemeint ist vor allem das Jus talionis. 3 Mereenken (scil. Opfer, Beschneidung, Sabbath, Fasten, Passah, Ungesäuertes). Vgl. 3,10: »Was die Erscheinung und den materiellen Vollzug betrifft, ist es auf- gehoben worden, nach dem Pneumatischen aber ist es wieder aufgenommen (verwirk- licht); dieselben Namen sind geblieben, aber die Sachen sind umgewandelt«. 2 196 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. 8. Daß die »Vollendung« des Gesetzes (maHro®n), von welcher Jesus gesprochen, in dem souveränen Liebesgebot zu erkennen, und daß dieses als »neues« Gesetz aufzufassen sei, hatte »Johannes« nach Andeutungen des Paulus bestimmt zum Ausdruck gebracht. In der großen Heiden- kirche fiel dieser Gedanke, der sich auch unabhängig von »Johannes« einstellte, gleich anfangs auf einen fruchtbaren Boden. Sofern es in der neuen Religion noch ein »Gesetz« gibt — und welche höhere Religion könnte ohne ein solches sein? auch hatte Jesus selbst das Gesetz als solches bejaht —, muß dieses, eben weil es das vollendete Gesetz ist, neue Züge tragen. Worin ist das Neue zu suchen? In dem Charakter der Vollkommenheit und Freiheit, den es besitzt, sagt »Jakobus«', und er fügt hinzu, daß eben dieses »königliche« Gesetz in dem Worte beschlossen sei: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«’. Es sind also Paulus, »Johannes« und »Jakobus« derselben Überzeugung, daß das vollendete Gesetz, welches zugleich das neue (Gesetz und das Gesetz Christi ist, eben deshalb das vollendete ist, weil es ganz auf die Liebe gestellt ist, von der es auch seinen Frei- heitscharakter erhält. Den letzteren hat »Barnabas« ebenfalls betont, wenn er das jetzt gültige »neue« Gesetz als ein solches charakterisiert, das »das Joch des Zwanges« nicht kennt’. Ganz allgemein bezeichnet der Interpolator der » Testamente der zwölf Patriarchen« Jesus als den, der das Gesetz »neu gemacht« habe‘. Auch er denkt vielleicht an das Liebesgebot. | Hier liegen durchweg sehr beachtenswerte Versuche vor, die das Bewußtsein von dem höheren Charakter der christlichen Religion gegenüber der alttestamentlichen zum Ausdruck bringen wollen, ohne den Zusammenhang mit dieser zu verlieren und in dem deutlichen Bestreben, dem Worte Jesu von dem durch ihn vollendeten Gesetz gerecht zu werden. In der Liebe und der Freiheit soll die Vollendung liegen. Sofern sich aber die Liebe in dem Wirken Jesu selbst als ! Ep.1,25: d nömoc Teneioc 5 TAc &nevYeeplac, 2,12: NÖMoc dnevoerlac. 2 Ep. 2,8: ei nömon TEAEITE BACIAIKÖN KATÄ TÄN TPASHN* ÄFATIÄCEIC TON TTAHCION COY ÖC CEAYTÖN, KAAGC TIOIEITE. ® Barnabas, Ep. 2,6: d kaındc nömoc Äney zyro? AnArkHc. Da Barnabas den Wort- sinn des alttestamentlichen Gesetzes, wie ihn die Juden festhalten, für ein teuflisches Miß- verständnis erklärt (er steht übrigens mit dieser Annahme allein), so empfand er die Fragen, wie Christus sich zum Gesetz gestellt habe und wie die Christen sich zu ihm stellen sollen, überhaupt nicht als Probleme. Das Gesetz darf nur allegorisch-geistlich verstanden werden, und mit dieser Annahme erscheint jede Schwierigkeit beseitigt. * Testam. Levir6: ’AnAPA ÄNAKAINOTIOIOFNTA TÖN NÖMON EN AYNÄmel YYicToY TIAÄNON TIPOCAFOPEYCETE KA TENOC... ÄTIOKTENEITE AYTÖN. | Harsack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 197 vollendet darstellt und eben dieses Wirken seinen Gläubigen vorbild- lich sein soll, ist man weiter zu der kühnen Formulierung geschritten, Jesus selbst sei das (neue) Gesetz. So lehren Hermas' und der Ver- fasser der »Predigt des Petrus«’. In dem Momente freilich, wo diese Aussage erreicht war, mußte sie ihre eigene Logik geltend machen und zu Spekulationen über die Gleichung: »der Herr = das Gesetz« führen, die sich von dem Ausgangspunkt weit entfernten. Das zeigt bereits die Zusammenstellung von Logos und Nomos in der Predigt des Petrus (nach Jesaj. 2, 3). 9. Alle diese Schriftsteller — mit Ausnahme vielleicht des Ver- fassers der »Predigt des Petrus« — konnten sich freier in ihren er- baulichen Gedanken ergehen, weil sie noch nicht genötigt waren, vor dem Forum der Griechen Rechenschaft von ihrem Glauben abzulegen. Aber Justin, der Apologet, sah sich dazu genötigt; er mußte rund und deutlich zum Ausdruck bringen, wie die Christenheit zum alttesta- mentlichen Gesetze steht. Er hat dies in seinen beiden Hauptschriften, vor allem in dem Dialog mit Trypho, getan. Den Spruch Matth. 5,17 hat er dabei einfach unterschlagen; er war ihm sichtlich unbequem’. Statt seiner benutzte er die verschiedenen Spekulationen, die in Anlehnung an den Spruch bereits vorhanden waren, nämlich, daß die Vollendung des Gesetzes in der Aufstellung eines neuen Ge- setzes zu suchen sei, daß im Zusammenhang mit der Vollendung ge- wisse Bestandteile des Gesetzes wirklich abgeschafft seien, daß die Vollendung auch darin liege, daß das Symbolische und Typische des Gesetzes in Wirklichkeit und Kraft umgewandelt sei, und daß Christus selbst das Gesetz sei. Demgemäß führt er, wie der Gnostiker Ptolemäus, aus, daß vieles im Mosaischen Gesetz nur um der Herzenshärtigkeit angeordnet und da- her offenbar nur für die Juden bestimmt gewesen sei, also auch nur zeit- weilige Geltung habe; speziell habe die Aufstellung des goldenen Kal- bes Gott veranlaßt, besondere Kultusgesetze zu geben, die eben des- halb transitorisch seien‘; ja der größere Teil des Gesetzes, einschließlich der Beschneidung, sei den Juden um ihrer Sünden willen als Last ! ‚Simil. VIII, 3,2: Td Aenaron Toto Tö Mera TO CKETIÄZON TIEAIA Kal ÖPH Kal TIÄCAN TÄN FAN NömMoc 80? &crin d Aogeic eic Bnon TÖN Köcmon" d A& NÖömoc oYToc Yidc ve0? Ecrin ö Aoeeic eic ÖnoN TON KÖCMON. 2 Bei Clemens, Strom. I, 29, 182 und II, 15, 68: 5 «Yioc NÖMOC KAI AÖrOC ECTIN. 3 Das ist auch sonst zu bemerken: Cyprian zitiert den Spruch in den uns erhaltenen Werken überhaupt nicht, Clemens Alexandrinus nur ein einziges Mal (Strom. II, 6, 46); auch bei Origenes ist er nicht so häufig, wie man erwarten sollte. * Dial.45. 43. 46. 47. 11. 19. 40. 18. 22. 19. 20. 'Sitzungsberichte 1912. 19 # 198 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. und Zuchtmittel auferlegt worden’; daher haben auch die gerechten Patriarchen vor Moses diese Gesetze nicht zu beobachten gebraucht’. Mit der Gerechtigkeit, d.h. also mit der Religion, können diese Ge- bote niemals etwas zu tun gehabt haben; denn sonst brächte man die Religion mit sich selber in Widerspruch’. Zusammenfassend müsse man sagen: »Im Gesetze Mosis sind einige Gebote als religiöse und moralische (eic eeoc&seıan Kal AIKAIOTIPAzIAN) gegeben — diese bleiben —, einige sind symbolische Darstellungen in bezug auf Christus (eic mv- cTAPıon TO? XPıcro?)‘, und wieder einige sind um der Herzenshärtigkeit des jüdischen Volkes willen erlassen (eic ckaHpoKApaıon TO? ano? "loy- AAiko?)’.« Diese letzteren haben ihre Bedeutung schlechthin verloren, da der Bund Gottes mit diesem Volke überhaupt aufgehört hat. Das Gesetz ist also als Ganzes nicht »ewig«*, und eben weil die Christen das wissen und die Motive kennen, aus denen es den Juden gegeben worden ist, halten sie es nicht. Die Christen haben mit dem alten Gesetz nichts mehr zu tun. Das »alte« Gesetz ist dahin, aber es gibt ein »neues« Gesetz. Schon die Propheten haben es an- gekündigt’; dieses endgültige Gesetz und dieser höchste Bund (Tenev- TAlOcC NÖMOC Kal AlABaKH KYPIWTÄTH rracon) ist allen Menschen gegeben. Wenn aber Gesetz gegen Gesetz steht, so hebt das neue das frühere auf. Als letztes und ewiges Gesetz ist uns Christus gegeben; nach ihm gibt es kein Gesetz, keinen Befehl und kein Gebot mehr‘. Chri- stus aber als Gesetz ist so zu verstehen, daß nun nur noch ‚geistige und sittliche Gebote gültig sind, wie sie der Anlage des Menschen- geschlechts entsprechen, und daß man nun ohne Furcht lebt?. Der geschichtliche Sinn des Spruchs Matth. 5, 17 ist hier verlassen, und etwas anderes ist an seine Stelle getreten. Ein in dem »Voll- enden« enthaltener Keim ist ‚ausgewachsen und hat alles andere er- stickt, ja in sein Gegenteil verwandelt. Am empfindlichsten aber ist, daß bei der Entwicklung, die aus dem »Vollenden« ein neues Gesetz ‘ Dial. 27 und sonst. Dial. 29 und sonst. ® Dial. 33. * C.42 werden diese also spezialisiert: TA Ynd MwyYc&wc AIATAXSENTA AYNAMAI KATAPIGMÖN ÄTIOAEIKNYNAI TYTIOYc Kal CYMBonA Kal KATATTEAIAC TON TO XPICTÖ rINeCBAl MEAAÖNT@N KAI TON Eic AYTÖN rIcTeYein TIPOETNWCMENON KAl TÖN Yrr AYrTo? To? Xricro? ÖMolwc FINECBAI MEAAÖNTUN. . 40. ” Hauptstelle ist Jesaj. 2,3: ’Ex Ceiön dzenercera NÖMoC Kal Aöroc KYPioy € lerovcaahm. Es war den Vätern sehr beruhigend, daß sieh im Alten Testament selbst Stellen nachweisen ließen, die auf die Abschaffung des alten und die Aufstellung eines neuen Gesetzes gedeutet werden konnten. Dial. ı1, vgl. 43. 51. 118. 30, 183. ° Dial. 67. Harwack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 199 gemacht hat, hier das Liebesgebot fast vollständig vernachlässigt ist (auch der Freiheitscharakter des neuen Gesetzes). Justin spricht sehr selten von ihm. Daß an seine Stelle das sittliche Naturgesetz der Stoiker einziehen wird und daß in Wahrheit dieses älteste Gesetz die »lex novissima« ist, kündigt sich bereits bei Justin deutlich an. Er ist daher der Herold, ja in wichtigsten Beziehungen bereits der Be- gründer des philosophischen Hellenismus innerhalb der großen Kirche. 10: Von Justin, dessen Anschauung mit der des Ptolemäus sich be- rührt, sind die leitenden Gesichtspunkte in die Theologie der altka- tholischen Kirche übergegangen. Indessen finden sich doch insofern bedeutende Nuancen, als die altkatholischen Väter in ihrem heißen Kampfe mit den Gnostikern und Mareioniten die Kühnheit dämpfen mußten, mit der Justin sich über das »alte« Gesetz hinweggesetzt hat, und somit dem Standpunkt des Lukas näher kommen. Justins einfache Formel: »das alte Gesetz ist dahin; wir stehen unter dem neuen Gesetz«, hat sich Einschränkungen im Interesse des Alten Testa- ments gefallen lassen müssen, wenn sie auch im wesentlichen bestehen blieb. Und auch darin hat die Formel des Justin eine bedeutende Verbesserung erfahren, daß einige Väter sich doch wieder des Lie- besgebotes erinnern und daß sie, von Paulus belehrt, den Frei- heitscharakter der neuen Gesetzgebung gegenüber der Knechtschaft der alten sicherer und mit mehr Verständnis betonen als Justin. Die reichhaltigste Theorie vom Gesetze mit durchgehender Be- ziehung auf Matth. 5, ı7 findet sich bei Irenäus; ja er kommt sogar auf einem weiten Umwege über Justin an einem Hauptpunkte dem wirklichen Sinn des Spruches Jesu wieder nahe. Die Unterscheidung des alten und des neuen Gesetzes steht an der Spitze. Das »alte« Gesetz ist aber den Patriarchen noch nicht gegeben worden; denn sie waren »gerecht«, d. h. sie hatten den Dekalog in ihren Herzen geschrieben und liebten Gott und den Nächsten; sie brauchten daher kein anderes Gesetz als das »natürliche« (d.h. das »älteste«). Erst als in Ägypten das Volk Gerechtigkeit und Liebe verloren hatte und sich gar ein goldenes Kalb machte, erhielt es das Gesetz. Dasselbe umfaßte erst- lich die »naturalia legis«, die das Volk vergessen hatte, nämlich eben die im Dekalog sich ausprägenden Gebote der Gottes- und Nächsten- liebe, zweitens knechtende Gebote, die das stets zum Abfall geneigte Volk bei Gott halten sollte — »per typica ad vera, per temporalia ad aeterna, per carnalia ad spiritalia, per terrena ad caelestia«‘. Diese ı Iren. IV, 14,3. 19° 200 _ Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. »legisdatio in servitutem«, die eine notwendige und heilsame Sklaverei bedeutete, aber wirkliche Gerechtigkeit nicht schaffen konnte', dauerte bis auf Johannes den Täufer’; aber die Apostel haben auch später noch mit Recht eine Zeitlang das Gesetz beobachtet, damit der Irr- glaube nicht aufkäme, das Gesetz sei nicht von Gott selbst, sondern von einem anderen gegeben’. Mit Christus endete das alte Gesetz. Matth. 5, ı7 wird von Irenäus also erklärt und paraphrasiert‘: »Daß der Herr die Naturgebote des Gesetzes, durch welche der Mensch gerechtfertigt wird’, welche auch vor der Gesetzgebung die- jenigen beobachteten, welche durch den Glauben gerechtfertigt wurden und Gott gefielen, nicht aufgehoben, sondern erweitert und vollendet hat, erhellt aus seinen Worten: ‚den Alten ist gesagt... ich aber sage euch‘ (folgt Matth. 5, 21. 22. 27. 28. 33. 34. 37). Alles dieses nämlich enthält keine Entgegensetzung und Aufhebung des Früheren, wie die Mareioniten schreien, sondern Vollendung und Erweiterung... Worin aber bestand das Mehr? Erstens in dem Glauben nicht bloß an den Vater, sondern auch an seinen bereits erschienenen Sohn; denn er ist es, der den Menschen zur Gemeinschaft und Einheit mit Gott führt°; dann — sich nicht auf das bloße Sagen zu beschränken, sondern es auch zu tun; denn jene sagten es, taten es aber nicht, endlich — sich nieht bloß von bösen Werken zu enthalten, sondern auch vom bösen Begehren. Dies aber lehrt er nicht im Gegen- satz zum Gesetze, sondern um das Gesetz zu vollenden und die Ge- rechtigkeitswirkungen des Gesetzes in uns tief einzuprägen. Dem Ge- setz wäre es entgegen gewesen, wenn er irgend etwas, was das Gesetz verboten hätte, seinen Jüngern befohlen hätte zu tun. Was er aber von der Enthaltung von den Begierden sagt, soll das Gesetz nicht auflösen, sondern vollenden, ausdehnen und erweitern. Denn das Gesetz, als für Knechte bestimmt, unterwies durch das Äußere und Körperliche die Seele, sie gleichsam durch Seile und Bande hinziehend zum Gehorsam gegen die Gebote, damit der Mensch lerne Gott dienen; das »Wort« aber, die Seele befreiend, lehrte auch die freiwillige Rein- haltung des Körpers durch die Seele. Infolgedessen mußten die Bande ! Iren. IV, 16,2: Hier liegt die stärkste Abweichung von Paulus vor. Das ist in diesem Zusammenhang ein ganz neues Element, welches aber viel- leicht aus der Überlieferung entstanden ist: Christus selbst ist das Gesetz. 2 3 * Iren. IV, ız. 5 6 1 nn at EEE LT NETT HarnAcK: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 201 der Knechtschaft hinweggenommen werden ..., weiter ausgedehnt werden aber die Satzungen der Freiheit und vermehrt werden die Unter- _ würfigkeit unter den König, damit nieht der Mensch durch Wieder- umkehr als unwürdig erscheine seines Befreiers; die Pietät aber und der Gehorsam gegen den Hausvater mußten zwar gleich sein bei den Knechten wie bei den Freien, ein größeres Zutrauen jedoch die Freien haben, weil größer und ehrenvoller das Handeln der Freiheit ist als die Folgeleistung in der Knechtschaft. « »Darum hat der Herr die Gebote des Nichtbegehrens gegeben und die anderen alle, die Matth. 5, 21—43 stehen, damit wir uns dem Nächsten dienlich erweisen, nicht ihre Torheit anschauen, sondern unsre Güte ausüben. Darin liegt nicht eine Aufhebung des Gesetzes, sondern eine Vollendung und Ausdehnung und Erweiterung in uns... Nicht darum hat er uns freigemacht, daß wir ihm ent- laufen, sondern damit wir, als seiner Gnade reichlicher teilhaftig ge- worden, um so mehr ihn lieben.« „Weil also alle natürlichen Gebote uns und jenen (den Juden) gemeinsam sind, so haben sie in jenen zwar Anfang und Aufgang gehabt, in uns aber Zuwachs und Vollendung. Denn Gott an- hangen und seinem Worte folgen, über alles ihn lieben und den Näch- sten wie sich selbst (des Menschen Nächster aber ist der Mensch), sich von allem bösen Tun enthalten und alles dergleichen, was uns und jenen gemeinsam ist, bekundet einen und denselben Gott. Dieser aber ist unser Herr, das Wort Gottes, das zuerst (jene) als Knechte zu Gott hinzog, sodann aber die ihm Untergebenen befreite (folgt Joh. 15, 15); es hat also zuerst den Menschen die Knechtschaft, Gott gegenüber, durch das Gesetz auferlegt und ihnen dann die Freiheit geschenkt«. Ursprünglich schrieb Gott den Juden nur die zehn Gebote vor, die übrigen Gesetze erst später als Zuchtmittel wegen ihrer Hals- starrigkeit!. Sie dienen nicht der Rechtfertigung, sondern sind »signa«. »Für das ewige Leben den Menschen vorbereitend, hat der Herr selbst dureh sich selbst die Worte des Dekalogs zu allen auf gleiche Weise . gesprochen, und darum gelten sie auf gleiche Weise auch für uns, f indem sie Erweiterung und Zuwachs, aber nicht Aufhebung er- | hielten durch seine Ankunft im Fleisch ... Was zur Knechtschaft und zum Zeiehen jenen gegeben wurde, hat er aufgehoben durch den neuen Bund der Freiheit. Die natürlichen, freiheitsmäßigen und für alle gemeinsamen Vorschriften aber vermehrte und erweiterte er, indem er neidlos geschenk weise durch die Adoption den Menschen ı Iren. IV, 15. 16. 202 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. verlieh, Gott als Vater zu wissen und ihn zu lieben aus gan- zem Herzen«'. Diese Gedanken des Irenäus — so kompliziert sie sind, da sie Paulinisches, Stoisches und Antignostisches zur Erklärung von Matth. 5, 17 hinzuziehen — versuchen dem Spruch unter Beachtung des Gesamteindrucks der Predigt und Erscheinung Jesu wirklich gerecht zu werden. Sie kehren insofern zum wirklichen Sinn des Spruchs zurück, als sie in dem neuen Gesetz, d. h. in der Vollendung des Gesetzes, das Liebesgebot erkennen. Sie haben großen Eindruck auf die älteste Kirche gemacht und bezeichnen zunächst den Abschluß der Bemühungen, sich mit Matth. 5, 17 auseinanderzusetzen. In der Folgezeit sind die Differenzierungen, die (nach dem Vorgang des Pto- lemäus und Justin) Irenäus vorgenommen hat, in Kraft geblieben, aber in bezug auf die Erkenntnis der Bedeutung des Liebesgebots und der Freiheit haben die Späteren ihn nicht erreicht’. So schreibt Tertullian®: »Das Frühere ist entweder verwandelt worden (demu- tatum), wie die Beschneidung, oder ergänzt worden (suppletum), wie das übrige Gesetz, oder erfüllt worden (impletum), wie die Prophetie, oder vollendet worden (perfeetum), wie der Glaube selbst«. Weder die Liebe noch die Freiheit ist hier berücksichtigt, und statt der Voll- endung des Gesetzes tritt hier der Begriff der Ergänzung ein. Der Verfasser der Didaskalia ermahnt‘: »Unser Erlöser ist um keiner andern Sache willen gekommen, als um das Gesetz zu vollenden und uns von den Banden der Wiederholung des Gesetzes (d. h. des Zere- monialgesetzes) zu befreien... Ihr wißt ja, daß Gott ein einfaches, * Iren. 1V, 10,4. 5. ® In bezug auf die Alexandriner bemerke ich nur, daß Clemens (Strom. III, 6, 46) es verbietet, aus dem Spruche zu folgern, das Gesetz sei »&naehc« gewesen; die Er- füllung, sagt er, könne sich nur auf die im Gesetz enthaltenen Prophetieen beziehen; denn das richtige Lebensgesetz sei schon den Patriarchen bekannt gewesen. Dagegen sagt Origenes (Comm. in ev. Matth. X, 12: Tom. II, S.33 ed. Lomm.), daß dem Ge- setz noch etwas gemangelt habe, nämlich die Evangelien und das Apostelwort. Er bezieht aber den Begriff »Gesetz« in dem Spruch ausdrücklich auf das ganze Ge- setz, welches durch die Liebe seine Erfüllung erhalte (Hom. in Num. 3 3.8, 109 An anderen Stellen versteht er unter rIaHPpäcaI »beobachten « (wie Zaun, bzw. »be- obachten nach dem geistlichen Sinn«), s. Hom. in Jesu Nave XV, er xT, S. 138 ff. und Comm. in ep. ad Rom. II, 13, T. VI, $S. 122 und macht an der letzteren Stelle eine merkwürdige Unterscheidung zwischen »observare« (THPEIN) einerseits und »per- ficere« (TEREIN) und »adimplere« (AHPoYn) anderseits: »Ille, qui secundum literam vivit, eustodire dieitur legem; iste vero, qui secundum spiritum, perficere: per- fectio autem legis in Christo est, qui dixit: ‚Non veni solvere legem, sed adimplere.‘ adimplere autem legem, hoe est perficere legem. eustodit ergo legem carnalis Iudaeus, perfieit autem spiritualis et qui in oceulto Iudaeus est.« | 3 en u. Be c.11 en legem«); an anderen Stellen spricht Tertullian von »superstruere«, »adjicere« usw. raescr. 13: »Christus icavi legem.« Texte und Unters. Bd. 25 H. 2s. 6. a a. Harsack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5,17). 203 reines und heiliges Gesetz des Lebens gegeben hat, in welches unser Erlöser seinen Namen gesetzt hat. Die Zehn weist nämlich auf das Jod (10. Buchstabe im Alphabet) hin, Jod aber ist der Anfang des Namens Jesu... Er hat gesagt: ‚Ich bin nicht gekommen, das Ge- setz und die Propheten aufzulösen, sondern sie zu erfüllen.‘ Das Ge- setz also wird nicht aufgelöst, die Wiederholung aber des Gesetzes gehört der Zeit an und wird aufgelöst. Das Gesetz also sind die zehn Gebote.« Der Verfasser glaubt alle Schwierigkeiten durch die Unter- scheidung von Dekalog und Gesetz überwunde nzu haben. — Als eifriger Gegner der Gnostiker und Mareioniten ist Hippolyt wie Irenäus darauf bedacht, das alttestamentliche Gesetz zu schützen. Er deutet in seinem Kommentar zu Genes. 49, 14 das »EranartayoNTaı ÄNÄA MECON TÖN KAHPWN« auf diejenigen, welehe sowohl die Gebote (Jesu) als die Vorschriften des Gesetzes (welche?) halten, versteht unter ihnen nicht etwa die sektiererischen Judenchristen, sondern die kirchlichen Christen und’be- ruft sich dafür auf Matth. 5, ı7. So einfach und so gesetzesfreund- lich hat sich Irenäus in bezug auf den Spruch nicht verhalten; doch sind uns die Worte des Hippolyt nur fragmentarisch erhalten’; wir kennen daher seine Meinung nicht vollständig. Den ursprünglichen, einfachen Sinn von Matth. 5, ı7 hat kein Kirchenvater mehr zu konstatieren gewagt, weil die Entwicklung der Kirche über diesen Sinn hinweggeschritten war. Nur Griechen er- innerten die Kirche zuweilen in unbequemer Weise an ihn. So schreibt der Kaiser Julian in seinem polemischen Werk gegen die Christen: »Christus selbst hat gesagt, das Gesetz solle beobachtet werden, da er spricht: ‚Ich bin nicht gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen‘. Demnach hat Christus ohne Wider- rede die Beobachtung befohlen’.« Julian tadelt die Christen bitter, daß sie die Beobachtung des Gesetzes eingestellt haben, und zeiht sie des Abfalls von Christus’. Auch bei den Juden erhielt sich das Ge- dächtnis an Matth. 5, 17, s. Traet. Sehabbath e. XVI f.116°: »Da sagte der Philosoph zu ihnen: Ich habe den Schluß des Evangeliums’ nach- gesehen; da heißt es: Ich, Evangelium, bin nicht gekommen, wegzu- ! Hippolyts Werke (hrsg. von Bonwersch und Acneuıs) I, 2. Äbt 9. 68. 2 Juliani Imp. libr. c. Christ. quae supersunt, collegit C. J. Nrumans (1880) p. 229. 236. 3 So aueh schon Porphyrius; ist übrigens der Satz in der Schrift de abstin. II, 33: &rö TÄ Men KEKPATHKÖTA TIAP’ EKÄCTOIC NÖMIMA AYCON OYK EPXOMAI etwa von Matth. Ri 17 abhängig? * Resch in den Texten und Unters. Bd. ro H. 2 S. 72. 5 Der »Schluß« des Evangeliums ist auffallend und bedarf einer besonderen Untersuchung. 204 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. tun vom Gesetz Mosis, sondern hinzuzufügen zum Gesetz Mosis bin ich gekommen.« Aus manröcaı ist hier »addere« geworden, eine Wieder- gabe, wie sie sich auch bei Tertullian findet (»supplere«). Der Jude Trypho (bei Justin, Dial. 10) erklärt dementsprechend, die christlichen (sebote seien so schwer, daß niemand sie beobachten könne. Ir: In der Auslegung des Spruchs Matth. 5,17 spiegelt sich das Be- . wußtsein, welches die Jünger Jesu von dem Verhältnis ihres Glaubens zur alttestamentlichen Religion besessen haben. Aus dem »TraHPücaı« haben sie das herausgearbeitet, was sie bedurften, um ein bis zum Gegensatz gesteigertes Stufenverhältnis ihres Glaubens im Vergleich mit der alten Religion zu gewinnen. Wenn sie dabei entscheidendes Gewicht darauf legten, daß das »raHPpöcaı« so geschehen sei, daß die Souveränität des Liebesgebotes nun zum Ausdruck gekommen, so folgten sie damit den Anweisungen Jesu selbst. Aber der Gedanke hat schließlieh in der Kirche nicht mit voller Kraft durchgeschlagen. Stärker hat der andere (paulinische) Gedanke gewirkt, der aus dem »rmaHp&caı« die Umwandlung eines knechtischen Zustandes in den Zu- stand der Freiheit entnahm. Allein auch dieser Gedanke ist nicht kräftig und rein erfaßt und durchgeführt worden, weil man, hinter Paulus zurückbleibend, die Freiheit schon erreicht sah, wenn die Äußerlichkeiten des Gesetzes entfernt waren. In dieser Richtung ist der Spruch Matth. 5,17 weiter bearbeitet worden, indem man den Be- griff »Gesetz« näher beleuchtete und differenzierte. Hier geriet man auf den Gedanken, der sich bei Paulus mindestens nicht deutlich findet, aber doch schon im Judentum verbreitet war, daß der Dekalog das eigentliche Gesetz sei und daß sich daher das Wort Jesu, er löse das Gesetz nicht auf, lediglich auf ihn beziehe. Damit gewann man die Möglichkeit, an Matth. 5,17 festzuhalten und doch zu behaupten, Jesus habe das übrige Gesetz aufgehoben bzw. umgewandelt; aufgehoben habe er die »pädagogischen«, um der Herzenshärtigkeit willen er- lassenen Gebote, und umgewandelt habe er die »typischen« und »sym- bolischen« Einrichtungen'!. Mit dem ersteren Satze glaubte man der Spekulation des Paulus gerecht zu werden, der freilich viel mehr be- hauptet hatte, nämlich den transitorischen Charakter des ganzen Ge- setzes; mit dem „weiten Satze meinte man den geistigen und Freiheits- charakter der neuen Religion genügend zu wahren, obgleich man die vergeistigten Einrichtungen als »neues Gesetz« promulgierte. ? Daß die Gebote als pädagogisch-transitorische und die Einrichtungen und Ze- remonien als symboliseh-typische einst gegeben worden seien, ist natürlich eine un- geschichtliche, willkürliche Voraussetzung Hıarnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 205 - Der Abstand von Paulus und Johannes, deren Kühnheit überhaupt in der großen Kirche nicht wieder erreicht worden ist, vergrößerte sieh vollends, als man den Dekalog mit dem »natürlichen« Gesetz der Stoa identifizierte und damit auf die Spur des Gedankens kam, daß das »neue« Gesetz vielmehr das.»älteste« ist, weil das deutlich erkannte und wiederhergestellte sittliche Naturgesetz. So einleuchtend es nun war, daß Christus dieses nicht aufgehoben, vielmehr bekräftigt und vollendet habe, so sehr drohte hier die Gefahr erhabener Tri- vialitäten. Aber diese Gefahr wurde nicht empfunden; denn es war nun die ganze Frage von dem geschichtlichen und jüdischen Niveau auf das philosophische und allgemein menschliche gehoben. Dieser ungeheure Vorteil entschädigte für alles. Nun ließ sich auch dieses ganze widerstrebende Gebiet der vernünftigen Theologie einordnen: Christus hat als Logos das sittliche Naturgesetz (das älteste Gesetz) restituiert, erweitert, vollendet und verdeutlicht; alles bloß Zeitge- schichtliche aber hat er beseitigt und alle »Symbole« in geistliche Realitäten verwandelt. Der Spruch Matth. 5, 17 wurde nun so ver- standen: »Ich bin gekommen das wahre, älteste Gesetz zu vollenden, aber abzuschaffen bzw. umzuwandeln, was fälschlich für das Gesetz gehalten worden ist. « i In der großen Gedankenarbeit, die zu diesem Ergebnisse geführt hat, ist ein Gedanke des Paulus in der Kirche des 2. Jahrhunderts unberücksichtigt geblieben, daß Christus die Menschen vom Gesetz los- gekauft habe. Dieser zu Matth. 5,17 sich ganz disparat verhaltende Gedanke wird zwar (nachdem die paulinischen Briefe kanonisiert waren) in homiletisch-rhetorischen Darlegungen aufgenommen, bleibt aber bei der prinzipiellen Beurteilung des Verhältnisses des neuen Zustandes zum alten und zum jüdischen Gesetz unberücksichtigt . Nur Mareion hat ihn kräftig erfaßt und in den Mittelpunkt gerückt. Für Paulus und Mareion ergab sich im Zusammenhang dieses Gedankens irgend- wie die Vorstellung, daß Christus dem Gesetze, indem ® unse das-. selbe trat, auch Genüge geleistet und es eben dadurch für die anderen für immer unwirksam gemacht habe. Aber diese Vorstellung hat sich niemals zu der ganz anderen entwickelt, die erst in viel rn Zeit eine große Bedeutung erhalten sollte, daß Christus durch seine .. erfüllung (obedientia activa) allen anderen die Gesetzeserfüllung stell- vertretend abgenommen habe”. i ' 1 Anders erst wieder Origenes, s. Hom. in Jesu Nave XV, 4 T. X, 2 ae »Omnia quae lex mandabat, implevit, ut noS redimeret a maledieto legis. $ pse de se dicit ete.« (folgt Matth. 5, 17)- : —_ - £ Von der Gesetzeserfüllung Jes eu Vätern die Rede. Sitzungsberichte 1912. u durch Gesetzesbeobachtung ist natürlich öfters 20 206 _ Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 15. Februar 1912. Eine ganz neue Beleuchtung schien endlich der Spruch Matth. 5,17 dadurch zu erfahren, daß in der nachapostolischen Zeit Christus selbst als das »Gesetz« bezeichnet worden ist. Aber in Wahrheit ist diese hohe Spekulation recht einflußlos gewesen — auch die Auslegung von Matth.5,1ı7 hat sie nicht berührt — und offenbart sich bei näherer Würdigung als ziemlich hohl; denn sie ist in der Regel so zu ver- stehen, daß das Evangelium mit dem gepredigten Sohne Gottes zu‘ identifizieren sei, daß aber das Evangelium auch als Gesetz, nämlich als das neue Gesetz, bezeichnet werden könne und daher auch der Sohn Gottes. Das, was sich um das Jahr 200 als das orthodoxe Verständnis des Spruchs Matth. 5, 17 niedergeschlagen hat, war etwas außerordent- lich Kompliziertes, ja Verwickeltes'; aber es spiegelt sich in ihm der komplizierte, synkretistische Charakter, den die Kirche und die Kirchen- lehre von Anfang an und in steigendem Maße besessen haben. In diesen großen Gebilden verklagten und entschuldigten sich die Ge- danken und Einrichtungen gegenseitig, und doch besaßen sie eine mächtige Anziehungs- und Stoßkraft; denn es war gelungen, das Alte und das Neue, das Notwendige und das Widerstrebende in einen Organismus zu zwingen, und in diesem Organismus lebte noch immer der Gedanke, daß die Liebe die Erfüllung des Gesetzes sei. Aber es lebte in ihm auch die nun gewonnene Einsicht, daß das Christliche mit dem Humanen, die christliche Lehre mit der Vernunft letztlich identisch sei und daß man sich daher der christlichen Religion auf dem doppelten Wege des geschichtlichen Glaubens und der Philosophie bemächtigen könne. Diese Überzeugung verwandelte die Mission einer weltfremden Sekte in die Mission der Kirche, die die geistige Kultur Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu (Matth. 5, 17). 207 ‚der Welt bejahte und die von ihrem Stifter verkündigte, er sei nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um das eingepflanzte höhere Ge- setz der Menschheit zu vollenden. Nimmt man seinen Augenpunkt hoch genug, so darf man diese Entwicklung nicht schelten, sondern muß bekennen, daß der Grundgedanke des Spruchs Matth. 5, 17 trotz seiner Transformierung' nicht preisgegeben ist: die neue Religion er- kennt das vorhandene geistige und sittliche Kapital an; sie will es nicht auflösen, sondern vollenden, und sie sieht die Vollendung in dem gesteigerten Ernst und der Heiligkeit des Lebens und in der Kraft der Liebe. ! Die Kosten der Transformierung trug das Judentum. "Ausgegeben am 22. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder auch = ER UNITORFORE: in Breher Sprac ht rden. Sollte eine a zuwiderlaufende Veröffent- ee dem redigirenden Seeretar vor der Aus in den akademischen Schriften zu i € nn der Verfas einer aufgen enen wissen- Aa Mifkheii dieselbe Se früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm diess nach den gel- tenden Rechtsregeln zusteht, so en er dazu der Ein- G t ” dem Gedächtnissreden ander ae zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestatt Aus $ 21. Die Sitzungsberichte ne in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags Tage nach jeder Sitzung. Aus $ = Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die der Sitzung ns ragenen a Mitthei- ee und üb e zur ger geeigneten ge- en Angelegenet nter den Titeln der w euchafälehen Mittheilungen et in dieser Übersicht are Inhaltsangaben derselben, welche die Verfasser einreichen, und für welche sie ver- antwortlich sind. Diese tohalkahakhen sollen sich in d eg en beschränken, keinesfalls Die nicht in den Schriten der Akademie erscheinenden Michilungen w erde t vorgesetztem Stern bezeichnet, i den für die A alnngen bestimmten wird »(Abh. ER ügt. Wissenschaftliche Mittheilungen fremder Verfasser ee = dem = richt über diejenige Sitzung aufgeführt, in w er deren Aufnahme in die akademischen Schriften s a wird. ; mit Secretars oder Si Archiva u zu a. einer in einer akademischen Sitzung am Donnerstag zur Aufnahme in die Sitzungsberichte zu- ERS Michele wele - am nächsten Donnerstag Sitzung selber, spät s bis Freitag 10 Uhr N dem redigirenden arseH oder der Reichsdruckerei dru fertig zugestellt werden. Später eingereichte ek werden, dem Präsentationsvermerk des ayserzen ars versehen, für ein Stück zurückgel Dasselbe es von vorn herein mit Er ge- schehen, deren Satz aus irgend welchen Gründen be- in $$ 3 und 4 enthaltenen .— ungen i i rei versendet spätestens am ‚ Montag . die rer an "die hier wohnenden oder an- asser, Be: an die Br aan w ne a haben, mit der Angabe, dass sie jedoe i n zu lesen, so muss sie die Correetur bereits Dienstag früh an die Druckerei zurückliefern. Wird die d Correetur länger als bis Dienstag Abend von der damit be- trauten Person behalten, so hat diese es zu v & wenn n Mittheilung in einem — ger: erscheint, auswärts werden Correeturen nur erlange Ge die Verfasser ih damit at Pie ihrer Mittheilung nach = Tagen. ern, deren Correeturen erst zur Revision ee werden müssen, kann das Er- scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden us 8 37, Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. See Jahrg. 1909: Phys ikalisch-mathematische Classe . . - - Philosophisch-historische Glasse .:. gm Jahrg. 1910: Physikalisch-mathematische Glaser... 0% Philosophiseh-historische Classe . . . » - Möürier: Loors: Das te der Homonsianer von Sardica en, nu Warperer: Der Processus retromastoideus 2 Mkxyer: Gedächtnissrede - Eherhard Schrader von WıLAmowıTz- MoELLEN Scauzze, W.: Gedäc Tee er Richard rare Rusens: ee auf Friedrich Kohlraus Lanporr I ber die Erhaltung der Mass Kekurxz von Strapoxıtz: Stra ge Dirrezy: "Dar Aufba van’r Horr: ee ie auf Hans Heinrich ÜLLER: Uigurica 2 EnsLer und K. Kra 6 Fischer: Gedächtnissrede auf 1e Ja eg W.: —. auf rich Zimm A Hymnen n das Diadem der Peickoien Morr: Zur et Gliederung Frankreichs Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1908, m 1910 und 1911. : Nordionische Be, i au der geschichtlichen Y Welt i ae den ‚Geisteswissenschaften. E Erste Hälfte . . : Uber den anatomischen Bau der baumartigen Cyperacee Schoenodendron acobus Henricus vant Hof ne en A 11.50 - 17. “ * . » D . ” ” D * D . ” . a me 4 „ 2 ss en - a # s « Be 0 ua 3 . : . or ee . = -» 1L—_ ae) ” 1.— e bei 1 ehinischen Umsetzungen” en, s u 1 I.Wa | TIER: Die rg der Taubenbank im Golfe von Neapel ee BeRBERICH.: die helio age Coordinaten von 307 kleinen Planete en Sieben ıter es ber die von BER Köni en Me in Milet und . . : "Arka dische "Forschungen en: "Berich über die von den en ı Museen unternommenen . . . 5 r Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1911. iev er der von der rent aus- = EN u Ten mumemn | mug | amıguem | amp en Adresse an Hrn. Juurus Eurm - 1L., Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. s$1 e Akademie gibt 2 .$ 41,1 der Statuten zwei fort x al de Veröffe innen herank: » Sitzungs der Königlich Preussischen Akademie der gegen und ee der Königlich Preussischen Akademi der Wissenschaften a. Jede zur Aufnahme & »Sitzungsberichle« oder die » Abhandlungen « ee Mitthei eilung muss in einer aka- Bemischen Sitzung vorgelegt werden, went in er Regel icht- mitglieder haben hierzu die Vermit ittelung eines rd Fache angehörenden u Mitgliedes zu benutzen. mfang einer na Mittheilung soll öh n t Be Sitzungsberichte, in ungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in — ewehnlehen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen Überschreitung ech. Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- a dass diese a erforderlich sein werde, hat das on. e Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- u. 5. w.) gle ichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf .. Blättern, einzureichen Die Kosten der ee der Enger haben in = Regel die. Verfasser tragen er auf einen a wen die Akadem darauf RETER > -Akademie zu verhandeln. rvielfältigung übernimmt die Aka- voraussicht liche Höhe dieser . um wenige einfache Textfigure Kostenanschlag eines Bachs fee beizufügen. 'hreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 a. so ist Vorberathung durch das Seeretariat er sg re er d Einreichung des vollständigen üruklene Manuseripts an den eines der en Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestim Mitt heilunge n von . rn, I uch Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach mur in die in die dazu bestimmte en der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie, Aus x 6. nn: 2» Ty q f a} RT wenn es sich nie cht bloss um glatten Text handelt, aus- für die Anordnung des Satzes sselbe hat sieh zu vergewissern, dass seine Mittheilung als vollkommen drı a t ie erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde h diese erst ectur vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll Möglichkeit nicht über die von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche tars vor der Einsendung an die Dru und die Verfasser - zur Tragung der eikatehenden Mehr- Foaal verpflichte Aus $ 8. allen in = Sitzungsberichte oder ee en, ee aa ann A. der Dinfan g aue ae hergestellt, die er nach Erscheinen des be- en SAUCE ‚der RGHRRUERIEHEE ‚ausgegeben \ = u für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklieh damit einverstanden erklären. Von den Eandarihdrucken aus den een erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akadem zu rn .. lung ohne weiteres ° Frei, exemplar: s berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Ei er er weitere Exem 0 (im ganzen - 350) abziehen zu ee sofern er diess rechtzeitig de gezeigt = wüns nn er auf seine Abdrucke zur Verthei zu erhalten, so der ee pi Cum mt-Akademie oder der be- s himitglieder erhalten Frei- e ar Exemplare auf ihre a ein Verfas welcher a zu unentgellicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- Secretar weitere 100 Exemplare auf i irenden Kosten abziehen lassen. 1 Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) 209 SITZUNGSBERICHTE 192. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 22. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *], Hr. Stumer las über die Veränderlichkeit central be- dingter Gefühlsempfindungen. ie rein sinnlichen Gefühlswirkungen gleichzeitiger Töne haben sich seit dem Alterthum nachweislich in bestimmter Richtung verändert. Ferner hat seit der Ein- führung von Dreiklängen der Molldreiklang, der auf das unbeeinflusste Gehör geradezu unangenehm wirkt, für Musikalische diese Eigenschaft verloren, da er als Schluss- accord gebraucht werden kann. Der Vortragende hält es nach Beobachtungen an Kindern für nicht unwahrscheinlich, dass auf diesem Gebiet eine Vererbung erworbener Dispositionen, wenigstens zu rascherer Ausbildung prechender Gefühlsempfind mitwirke. 9. Hr. E. Meyer überreichte seine Schrift: Der Papyrusfund von Elephantine. Leipzig ı912. Ferner wurden vorgelegt: Morrke’s Mili- tärische Werke. Hrg. von der Kriegsgeschichtlichen Abtheilung I des Grossen Generalstabes. IV. Kriegslehren. Th. 3. Berlin 1912, und Bd. III, Abth. ı des früher von der Akademie unterstützten Werkes: Antike Schlachtfelder. Von J. Kromaver. Berlin 1912. 3. Das correspondirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe Hr. Juzius Eurıns in Strassburg hat am 21. Februar das fünfzig- Jährige Doctorjubiläum begangen; aus diesem Anlass hat ihm die Aka- demie die unten abgedruckte Adresse gewidmet. Sitzungsberichte 1912. 210 Gesammtsitzung vom 22. Februar 1912. Adresse an Hrn. JuLıus Eutıns zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum am 21. Februar 1912. Hochverehrter Herr Kollege! Der 2ı. Februar, an dem Sie vor fünfzig Jahren in der Universität Ihrer schwäbischen Heimat die Doktorwürde erlangten, bezeichnet den Anfang einer für die orientalische Wissenschaft reich gesegneten Ge- lehrtenlaufbahn. Es ist Ihnen beschieden worden, den in den Idealen Ihrer Jugend wurzelnden Baum Ihrer Lebenspläne durch fünf Jahr- zehnte mit Erfolg zu pflegen und kostbare Früchte an ihm zur Reife gedeihen zu sehen. Die rückwärts wandernden Gedanken des heutigen Tages dürfen Sie mit hoher Freude und Genugtuung erfüllen. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, welche die Ehre hat Sie zu den Ihrigen zu zählen, und gern daran denkt, daß sie Gelegenheit gehabt hat, Ihnen bei einigen Anlässen ihre hohe Wert- schätzung Ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu bezeugen, sendet Ihnen zu Ihrem heutigen Gedenk- und Ehrentage die herzlichsten Grüße und Glückwünsche. Auf dem Gebiet der von unserem Mitgliede PrErErmann neu an- geregten Mandäischen Studien haben Sie in Ihrer @olasta-Ausgabe, von der ein in dem Archiv der Akademie aufbewahrter Bericht außer anderem besagt, daß sie mit unübertrefflicher Sauberkeit ausgeführt sei, der semitischen Philologie nach Form und Inhalt eine Muster- ausgabe beschert, welche eine sichere Grundlage für die Erforschung der Sprache und des religiösen Systems der Mandäer bietet und bis- her unerreicht geblieben ist. Dann aber haben Sie sich der Haupt- aufgabe Ihres Lebens zugewendet, der Erforschung der semitischen Schrift und der semitischen Epigraphik. War diese Wissenschaft da- mals noch verhältnismäßig wenig über die verdienstlichen Arbeiten von Gesenıus hinaus gediehen, so ist der große und vielseitige Fort- schritt, den sie seitdem erfahren, in hohem Maße als ein Ergebnis ; i Adresse an Hrn. Junivs Evrine zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum. 211 Ihrer Forschungen anzuerkennen und anerkannt worden. Ein im Er- kennen schriftgeschichtlicher Details besonders scharfes Auge, reiche Sprachkenntnisse, eine besonnene kritische Methode und eine kunst- geübte Hand haben Sie in den Stand gesetzt, auf verwitterten Fels- wänden halb zerstörte Schriftzüge zu erkennen, zu erklären und zu reproduzieren. Jedes Ihrer Inschriftenwerke, die Punischen Steine, die Phönizischen Inschriften aus Idalion, die Sammlung der Cartha- gischen Inschriften, die Nabatäischen Inschriften aus Arabien, die Sinai- tischen Inschriften, die Notice sur un papyrus egypto-arameen, anderer Detailpublikationen nicht zu gedenken, haben der Wissenschaft viel- fache Anregung und bedeutsame Förderung gebracht. Wir gedenken mit besonderer Anerkennung des vielseitigen Inschriftenmaterials, das Sie aus Arabien heimgebracht haben, durch das wir neue, bis dahin fast gänzlich unbekannte oder ungenügend bekannte Schriftarten und Sprachdenkmäler kennen gelernt haben, gedenken speziell auch der von Ihnen interpretierten nabatäischen Inschriften, welche lehrreiche Einblieke in die verschollene Kultur des Nabatäerreiches gestatten, auf die Völkerverhältnisse und Völkerwanderungen ein ungeahntes Lieht werfen und auch wegen der nahen schriftgeschichtlichen Be- ziehungen der jüngsten nabatäischen Kursive zur ältesten arabischen Schrift wichtige Zusammenhänge erkennen lassen. Daß Sie neben solchen epigraphischen Arbeiten die Entwickelung der semitischen Schrift in allen ihren Verzweigungen in zahlreichen Tafeln mit Meister- hand zur Anschauung gebracht haben, wird Ihnen in der Geschichte der Wissenschaft unvergessen bleiben. Sie sind, hochverehrter Herr Kollege, in einer Beziehung weniger günstig gestellt gewesen als alle, welche neben Ihnen auf dem gleichen Studienfelde arbeiteten. Ihr Hauptamt war seit Ihrer Promotion der Bibliotheksdienst, der es Ihnen zwar ermöglicht hat, kräftig fördernd in die Entwickelung der Straßburger Bibliothek einzugreifen, Ihnen aber nur Nebenstunden des Tages für die Pflege Ihrer Wissenschaft übrig gelassen hat. Was Sie indessen diesen Nebenstunden abge- wonnen haben, ist das volle und keineswegs von jedem erreichte Maß des Erträgnisses einer lebenslangen ungeteilten Gelehrtentätigkeit. Schließlich gedenken wir noch eines Ruhmestitels besonderer Art, an dem außer Ihnen kein anderer in gleichem Maße teilzuhaben be- anspruchen darf. Es ist ein anderes in der Gelehrtenstube der euro- päischen Heimat, ein anderes auf dem Rücken des Kamels in den Wüsteneien Arabiens der Wissenschaft zu dienen. Wie Sie unter Ein- setzung Ihrer Gesundheit und Ihres Lebens den Felsen Innerarabiens ihre Inschriften abgewonnen haben, wie Sie vor Krankheit und vor den mörderischen Anschlägen raubsüchtiger Barbaren bewahrt geblieben 21* 212 Gesammtsitzung vom 22. Februar 1912. sind, dessen werden sich mit uns alle Ihre Freunde und alle Gleich- strebenden an diesem Tage mit aufrichtiger Anerkennung und Dank- barkeit erinnern. Möge es Ihnen beschieden sein, manches weitere Jahr über ‘diesen Tag hinaus in ungetrübter Schaffenskraft auf dem Arbeitsfelde Ihrer Wahl tätig zu sein! Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 7. März. 213 SITZUNGSBERICHTE 1912. DER | xl. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 29. Februar. Sitzung der philosophisch-historischen Ülasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. *], Hr. Sonmivr las »Beiträge zur Chronologie von Wilhelm Meisters theatralischer Sendung«. Nach prineipiellen Erwägungen stellten die Beiträge vorweimarischen Ursprung nur für die losen Aesthetica II 5 und im Zusammenhang damit für Grundlagen des Abschnittes über Corneille und die Einheiten als wahrscheinlich hin; abgesehen natür- lich von den Monologen aus dem »Belsazar« und der »Königlichen Einsiedlerin«, denn auch dieser muss der Leipziger Jugend zugetheilt werden, wie Inhalt (vgl. Meta- stasio, Chr. E. v. Kleist) und Form (Apostrophirung, Einerlei der Epitheta, der Alexan- drinerart gemässe Reimtechnik) beweisen. Die Iyrischen Einlagen wurden überschaut, an die Zusatzstrophe »Ihm färbt der Morgensonne Licht« und was ihr vorausgeht der Schluss auf späte Erfindung der ganzen italienischen Vorgeschichte des Harfners sammt seiner Katastrophe geknüpft. 9%. Hr. FE. W.K. Mürter legt eine Abhandlung des Hrn. Prof. W. Bıne aus Löwen (Belgien) vor: »Über die Räthsel des Codex Cumanieus.« (Ersch. später.) Sie bringt eine kritische Edition der in diesem Codex enthaltenen Räthselsamm- lung sowie eine Interpretation der meisten dieser schwierigen, aber für Linguistik und Volkskunde wichtigen komanischen Sprachreste. nn Ausgegeben am 7. März. 215 SITZUNGSBERICHTE 1912. xu. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 29. Februar. Sitzung der physikalisch-matl tischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. ÄUWERS. 1. Hr. Rusens las über den Einfluss der Temperatur auf die Absorption langwelliger Strahlen in festen Isolatoren. (Ersch. später.) Nach Versuchen, welche der Vortragende in Gemeinschaft mit Hrn. G. Herrz angestellt hat, zeigen Steinsalz und Sylvin sowohl vor wie hinter dem ultrarothen Ge- biete anomaler Dispersion eine starke Abhängigkeit des Absorptionsvermögens von der Temperatur, derart, dass der Extinetionscoeffieient mit sinkender Temperatur ab- nimmt und in der Nähe des absoluten Nullpunkts vollkommen verschwindet. (uarz und Flussspath verhalten sich in Bezug auf ihre langwelligsten Absorptionsstreifen ebenso wie die zuvor genannten Substanzen. Bei den unterkühlten Flüssigkeiten trat nur ein geringer Einfluss der Temperatur auf die Absorption hervor. 9. Hr. Warsure las: Über den Energieumsatz bei photo- chemischen Vorgängen. U. Sauerstoff von 130 Atmosphären Druck absorbirt auf einer Wegstrecke von 2 cm Wellenlängen von o.2 u fast vollständig, 46 Procent der absorbirten Strahlung werden zur Ozonisirung verwandt, eine Theorie von Erxstein liefert hierfür 50 Procent. 316 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 29. Februar 1912. Über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. Il. Von E. WARBURG. Mitteilung aus der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. ı2. In einer früheren gleichbetitelten Mitteilung! habe ich ge- zeigt, daß die photochemische Ausbeute — d.h. der Bruchteil der gesamten absorbierten Strahlung, welcher in chemische Energie ver- wandelt wird — bei der photochemischen Zersetzung des Ammoniaks durch Wellenlängen zwischen 0.203 und 0.214 u ungefähr 2 Prozent beträgt. Dieser Wert wurde sowohl für reines Ammoniak von 80—90 cm Quecksilberdruck als auch für ein Gemisch gefunden, das aus 50 Volum- prozenten reinen Ammoniaks und 50 Volumprozenten eines Gemisches aus ı Vol. Stickstoff und 3 Vol. Wasserstoff bestand. Es schien zunächst von Interesse, den letztgenannten Versuch auf kleinere Ammoniakkonzentrationen auszudehnen. Unterwirft man nämlich Ammoniakgas der stillen Entladung, so hört die Zersetzung auf, wenn die Ammoniakmenge auf 5.6 Prozent der ursprünglich vor- handenen oder maximal möglichen gesunken ist. Dies rührt daher, daß die stille Entladung aus Stickstoff Aue Masseratoff Ammoniak bildet und daß bei der erwähnten A tion die ammoniak- bildende der ammoniakzersetzenden Wirkung das Gleichgewicht hält. Indessen kann Strahlung einer Wellenlänge größer als o.2 u, weil sie von Stickstoff und Wasserstoff nicht absorbiert wird, kein Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff bilden; hier fällt also die Ursache, welche bei der stillen Entladung die Zersetzung zum Stillstand bringt, fort. Es war deshalb von Interesse, zu untersuchen, ob die ammoniak- zersetzende Wirkung jener Strahlung bei der erwähnten kleinen Ammoniakkonzentration noch stattfindet. | 13. Fügt man zu V, Volumteilen Ammoniak von dem aus ı Vol. Stickstoff und 3 Vol. Wasserstoff bestehenden Gemisch so viel hinzu, ! Diese Berichte für ıgır, S. 746. Die zur: der vorliegenden Mitteilung sind mit denen der ersten fortlaufend numerier Wuanrsurs: Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. IE 247 daß das Volumen V erreicht wird, wobei alle Yolumins unter dem- selben Druck gemessen sind, so erhält man eine Mischung, welche p = 200/(1ı + V/V,) Prozent des maximal möglichen Ammoniaks ent- hält. Die Stickstoff-Wasserstoffmischung wurde aus Bombengasen, welehe Holzkohle und flüssige Luft passierten, in einem Wassergaso- meter bereitet und über [rockenapparate in ein 200 cem fassendes Queck- silbergasometer übergeführt, in welchem die Mischung mit Ammoniak erfolgte. Als ich den Zersetzungsapparat mit einer Mischung, für welche p= 5 war, beschickte, erhielt ich bei der ersten ıı’ lang dauernden Bestrahlung eine starke Kontraktion, entsprechend Ap, = 0.23’; bei den folgenden acht je 10° dauernden Bestrahlungen nahm die Kon- traktion mehr und mehr ab, verschwand alsdann und ging in eine kleine Ausdehnung über. Die Kontraktion rührt von einem kleinen Sauerstoffgehalt der Gasmischung her, durch welchen Ammoniak unter der Wirkung der Strahlung oxydiert wird ($ ı4). Es war deshalb nötig, das Gas von Sauerstoff möglichst zu befreien. Die Stickstofl- Wasserstoffmischung wurde zu diesem Zweck über Schwefelsäure und Phosphorpentoxyd durch ein Rohr mit glühendem Kupfer, dann wieder durch Phosphorpentoxyd in das Quecksilbergasometer geleitet und der Zersetzungsapparat vor der Füllung aus dem Quecksilbergasometer mit der sauerstofffreien Mischung gespült; p war gleich 4.9 Prozent. Auch in diesem Fall führten die beiden ersten ı 1 bzw. 16° dauernden Bestrahlungen Kontraktion herbei, aber eine viel schwächere als in dem vorigen Fall, nämlich entsprechend Ap, = 0.054 und 0.023. Dann trat Ausdehnung ein, deren auf die Zeiteinheit bezogener Betrag bald einen konstanten Wert annahm. Indem die Bestrahlung 100’ lang in Absätzen angewandt wurde, ergab sich Ap, = 0.0137, dabei A = 0.44, E,= 28.5-10”°, W= 0.475.107, s=W/E, = 0.475/28.5 = 1.67 Prozent. Der Druck des Gemisches im Apparat betrug 80.5 em Queck- silber bei 16.5°. Noch bei einem Ammoniakgehalt gleich 4.9 Pro- zent des maximal möglichen wirkt also die angewandte Strahlung (A =.0.203—0.214) ammoniakzersetzend mit einer Ausbeute, die nicht viel kleiner ist als bei reinem Ammoniak. Ein ganz anderes Ergebnis würde man wahrscheinlich erhalten haben, wenn man sehr kurz- wellige Strahlung angewandt hätte, die von Stickstoff und Wasser- stoff absorbiert wird und möglicherweise in der bei der stillen Ent- ladung auftretenden Strahlung enthalten ist. ı4. Als Ursache der Kontraktion in Gegenwart von Sauerstoff ist im $ ı3 Ammoniakoxydation angegeben. Um diese direkt nach- zuweisen, wurde der Zersetzungsapparat mit einem Gemisch aus 67 cem ! $ 3 der vorigen Mitteilung. 218 _ Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 29. Februar 1912. Ammoniak und ı17 cem trockener Luft beschickt. Nachdem die Strahlung 43’ lang in Absätzen gewirkt hatte, war Kontraktion ent- sprechend Ap = 21.27 eingetreten, wobei auf der einen Quarzplatte Flüssigkeitströpfehen sichtbar wurden. 15. Im $ ıo der vorigen Mitteilung wurde bemerkt, daß die Aus- beute bei photochemischer Ammoniakzersetzung (2 Prozent) von der- selben Größenordnung sei, wie der Bruchteil der einer Ozonröhre zu- geführten elektrischen Energie, welcher nach Porz‘ zur Ammoniakzer- setzung durch stille Entladung verbraucht wird; daß dagegen bei der Ozonisierung des Sauerstoffs durch die stille Entladung dieser Bruch- teil weit größer ist, nämlich bis ı5 Prozent beträgt, und daß es da- her von großem Interesse sei, die Versuche über die photochemische Ausbeute auf andere Gase auszudehnen. Meine Aufmerksamkeit war nach dem Gesagten in erster Linie auf die photochemische Ozonisierung des Sauerstoffs gerichtet. Nun konnte KrrusLer” auf einem Wege von 30 cm nur bei Wellenlängen kleiner als ungefähr 0.19 x Absorption im Sauerstoff entdecken, man hätte also die kürzesten Wellen der Aluminiumfunkenstrahlung be- nutzen müssen, deren Energie verhältnismäßig klein ist und bei welchen überdies auf dem verfügbaren Wege von höchstens 2 em nur auf einige Prozent Absorption zu rechnen war; selbst bei 100 Prozent Ausbeute wäre es unmöglich gewesen, unter diesen Umständen Messungen zu machen. Indessen haben Liveme und Dewar’ in einem ı8 m langen Rohr, das mit Sauerstoff von 97 Atmosphären Druck gefüllt war, vollständige Absorption des Ultraviolett bis hinauf zu X = 0.28 u gefunden, und es schien mir zwar keineswegs sicher, aber immerhin möglich, daß Versuche bei einem derartigen Druck zum Ziel führen könnten. Ich war deshalb sehr überrascht, zu finden, daß bei dem Druck der käuf- lichen Bomben die Absorption der breehbarsten Zinklinien (A = 0.214 bis 0.203) bereits auf dem Wege von 1.7 em eine nahezu vollständige ist. Da außerdem diese Strahlen kräftig. ozonisieren, so erwies sich die gestellte Aufgabe leicht lösbar. ı6. Bei der Konstruktion der Druckzelle erfreute ich mich der Hilfe des Hrn. Dr.-Ing. Jacos. Die Zelle besteht (Fig. ı und 2) aus einem stählernen, mit Gewinde versehenen Mittelstüick M und zwei stähler- nen, als Muttern ausgebildeten Endstücken E. Die Abdichtung er- ' R. Poaut, Ann. d. Phys. 21, 879. 1906. ® H. Kreuster, Ann. d. Phys. 6, 412. 1901. ® G. D. Liverse und J. Dewar, Proc. Roy. Soe. Vol. XLVI, 222. 1890. Wuansurg: Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. 1. 219 folgt durch Kupferringe K. Das Mittelstück hat eine kreiszylindrische Bohrung von 1.5 em Durchmesser, die Endstücke haben entsprechende kreisrunde Löcher, welche dureh 0.7 em dicke Quarzplatten Q ver- schlossen werden. Die Platten sind mit einigen Tropfen des zähen Wachskolophoniumkitts auf den ebenen Flächen F befestigt, gegen welche sie durch den Druck von innen gepreßt werden. Diese Dich- tung hat nie versagt. Das Mittelstück trägt zwei Bohrungen, B, und 2/z nat. Gr. B.. Von B, führt eine 0.5 mm weite, 65 em lange Stahlkapillare S mit Kupferflansch k zur Sauerstoffbombe, an welcher ein Manometer angebracht ist; von B, führt eine sehr enge 6—10 em lange Platin- kapillare P von ı.2 mm äußerem Durchmesser mit Platinflansch p zu einem Glasrohr, in das sie eingeschmolzen ist. An das Glasrohr ist mittels ungefetteten Glasschliffs die Jodkaliumvorlage zur Ozon- bestimmung angesetzt. Die inneren Metallflächen der Zelle sind stark vergoldet. ı7. Anstatt der früher benutzten Anlage zur Erzeugung der Funken ($ 2) ist eine größere und zweckmäßigere, für 4 Kilowatt berechnete angewandt, welche Hr. Dr. Boas für mich gebaut und in seinem Preisverzeichnis beschrieben hat. Die Leidener Batterie ist auf acht 159 em hohe, ı2 em weite Flaschen von zusammen 72000 cm Kapazität gebracht. Die Funkenstrecke befindet sich in einer Kammer, welche nach vorn'zu durch eine Kollimatorlinse aus Quarz von 5.2 cm Durchmesser und ı5 em Brennweite für Natriumlieht verschlossen ist. 220 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 29. Februar 1912. Vor der Funkenstrecke befindet sich vorn, auf Seite der Kollimator- linse, eine Abschlußdüse von 5 mm Weite, welche zugleich als Spalt dient. In die Kammer wird aus einem durch Elektromotor betriebenen Hochdruckgebläse durch ein 3.5 em weites Rohr Druckluft eingeführt, welche durch die Düse hindurch die Aureole nach hinten zu fort- bläst und durch ein 3.5 em weites Rohr in einen Auspufftopf gelangt. Der Funke bildet sich zwischen zwei rechteckigen 14 mm breiten, 4 mm dicken Zinkstäben, welche in Führungen oo. m von außen durch ein mit Speichenrad versehenes Recht winde einander genähert und voneinander entfernt werden können. Während des Betriebes erfolgt die Regulierung durch ein Glasrohr, welches in die Speichen des Rades eingreift. Durch eine Linse in der einen Seitenwand der Kammer wird der Funke auf einer Skala abgebildet. Hält man die Funkenlänge in der beschriebenen Weise während des Betriebes konstant, so gelingt es, die am Bolometer gemessene Strah- lungsenergie in viel befriedigenderer Weise konstant zu halten, als dies früher möglich war; die Abweichung der Intensitäten vor und nach dem Versuch vom Mittel belief sich auf ı —6 Prozent. Die Primärleistung beträgt ungefähr 2.4 Kilowatt, der Leistungs- faktor cos $ ungefähr 0.39. 18. Mit diesen Einrichtungen wurden zunächst einige Absorp- tionsversuche gemacht. Die aus der Kollimatorlinse kommenden Strahlen fielen durch die Druckzelle hindurch auf einen kleinen Quarzspektro- graphen, das Spektrum entstand auf einer Uranglasplatte, auf welcher, wenn kein Überdruck in der Zelle war, die ultravioletten Zinklinien sich zeigten. Öffnete man nun die Sauerstoffbombe von ı 30 kg/qem Druck, wobei in der Minute etwa 31 Gas von Atmosphärendruck aus der Platinkapillare entbunden wurden, so verschwanden die vier brech- barsten Linien des Zinkspektrums und kamen nach Fortnahme des Drucks wieder zum Vorschein. In der von Hrn. Dr. Janıckı vorge- nommenen photographischen Aufnahme des Absorptionsspektrums bei diesem Drucke war Absorption bis A= 0.240 u bemerklich. Ein etwas anderes Ergebnis erhält man, wenn man nach Ent- fernung der Platinkapillare die Druckzelle verschließt. Nach Zulassen des Drucks, wobei jetzt der Gasinhalt nicht erneuert wird, verschwindet auch hier zunächst die brechbarste Liniengruppe I des Zinkspektrums, mit der Zeit aber verblaßt auch die Liniengruppe II (A = 0.250 und 0.256), um schließlich zu verschwinden. Verringert man den Druck in der Zelle allmählich durch Ablassen von Sauerstoff etwa bis 25 kg/gem, so kommt I allmählich mehr und mehr wieder zum Vorschein, während II ausgelöscht bleibt. Diese Erscheinungen rühren von dem unter Einwirkung der Liniengruppe I sich bildenden Ozon her, welches in Warsurg: Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. 1. 221 der Nähe von A=0.250 « an der Liniengruppe II ein starkes Ab- sorptionsmaximum besitzt (vgl. $ 21). Die unzerlegte Funkenstrahlung, durch eine Quarzlinse von der Größe und Brennweite der Kollimatorlinse gesammelt und dem Gase zugeführt, erzeugte in 6 Minuten !/, mg Ozon. Stickstoff von 130 kg/gem Druck, weniger als 0.2 Volumprozent Sauerstoff enthaltend, zeigte keine durch das Auge bemerkliche Ab- sorption in Ultraviolett; ebensowenig Kohlendioxyd von 50 kg/gem Druck. Beim Herauslassen des Kohlendioxyds verschwindet auf kurze Zeit das Spektrum vollständig vermöge der vorübergehenden Konden- sation des Gases. | ı9. Die Bestimmung der photochemischen Ausbeute bei der Ozonisierung wurde mit spektral zerlegter Strahlung für die Linien- gruppe I des Zinkspektrum A= 0.203— 0.214) ausgeführt. Die Messung der absorbierten Energie geschah so, wie es $ 2 und 4—6 der ersten Mitteilung beschrieben ist. Nach Austritt aus der Öffnung im Fluoreszenzschirm passierten die Strahlen eine vor die Öffnung ge- schlagene Sammellinse aus Quarz von 2 em Durchmesser und 2 cm Brennweite, die Verbreiterung des Strahlenbündels wurde dadurch so eingeschränkt, daß es die Wand der Zelle nicht erreichte; eine Uran- glasplatte, welche von den aus der Zelle tretenden Strahlen getroffen wird, läßt dies mit Sicherheit erkennen. Die Druckzelle war auf einem Stativ an beweglichem Arm montiert, mittels dessen sie vor- und zurückgeschlagen werden konnte, um im letzteren Falle durch das Bolo- meter ersetzt zu werden. Die Strahlung war in der Regel so intensiv, daß in den Galvanometerzweig der $ 4 beschriebenen Anordnung 900 2 aufgenommen werden mußten. Zur Bestimmung des im Gase der Zelle absorbierten Bruchteils der Strahlung wurde diese durch die Zelle hindurch auf das Bolometer gesandt. Seien @, und a bzw. die Inten- sitäten, je nachdem in der Zelle Atmosphärendruck oder der Versuchs- druck herrschte, so ist A = 1—4j@. Vor dem Ozonisierungsversuch maß man das Volumen V der Gas- masse, welche von der Druckzelle durch die Platinkapillare hindurch pro Minute entbunden wurde (aufgefangen über Wasser, unreduziert). Die Ozonbestimmung geschah durch die Jodkaliummethode nach den Vorschriften von Lanexgure'. Die Jodkaliumvorlage hatte dreiRammern, die Gelbfärbung erstreckte sich schwach bis in die zweite. Die verwandte Natriumthiosulfatlösung war !/so n, bereitet aus einer Normallösung, welche pro Liter einem halben Mol Jod entsprach; sie trat aus der Bürette in ein Tropfröhrehen, das Volumen eines Tröpfehens betrug ı A.Lapenzure und R. Quasıe. Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. XXXIV, S. 1184, 1901. 222 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 29. Februar 1912. 0.0118 cem; die Tropfspitze taucht, wenn nicht gebraucht, in Natrium- thiosulfat. Um zu finden, wieviel Jod zur Hervorbringung der Stärke- reaktion unter den angewandten Bedingungen erforderlich ist, wurde in einer Jodkaliumlösung von der Stärke der benutzten (10og KJ in 0.5 1) so viel Jod gelöst, daß 9.98 cem ı2 Tropfen der 1, n Natrium- thiosulfatlösung entsprachen. Von ee Jodlösung waren 0.282 ccm entsprechend 0.34 Tropfen der 3 5on N lich um in einer mit Stärke versetzten angesäuerten Jodkaliumlösung von der Konzentration und dem Volumen der benutzten eben sichtbare Blaufärbung hervorzurufen. Die Korrektion ist also unbedeutend und beträgt 0.34 Tropfen. Der Gasstrom ändert den Titer einer Jodlösung, wie sie bei den Ozonisierungsversuchen gebildet wurde, nicht in zu berücksichtigendem Maße. 10° cem '/so n Natriumthiosulfatlösung ent- sprechen einem Mol Ozon, dessen Bildungswärme nach den neueren Versuchen von Jaun' 34100 g-Kal. beträgt. Ist also v das zur Ent- färbung nötige Volumen der Natriumthiosulfatlösung und f die Dauer der ozonisierenden Strahlung in Minuten, so ist die pro Sekunde in chemische Energie verwandelte Strahlungsintensität in g-Kal. O4“ nr 341-v 60+t { war immer gleich ı5. Die mittlere Ozonkonzentration in der Druckzelle ist m .i2l) P ar ern Mol/ebm, wo P der Druck in der Zelle in kg/gem bedeutet und nach dem Marıorteschen Gesetz gerechnet ist. 20. In der folgenden Versuchstabelle bedeutet E£, die pro Sekunde durch das Gas in der Zelle absorbierte Strahlung in g-Kal. P ist der vom Manometer an der Bombe angegebene Druck, welcher wegen des Druckverlustes in der Stahlkapillare bei V= 31/Min. um einige Atmosphären größer ist als der Druck in der Zelle. Nr. 1—3 sind mit kleiner, Nr. 4—ı2 mit großer Geschwindigkeit des Gasstromes angestellt. Zu ı—5 diente eine kleine Bombe von ı1.1] Inhalt und einem Anfangsdruck P= ı20, welche 94.2 Prozent Sauerstoff ent- hielt; zu 6—1ı2 eine große Bombe von 40 1 Inhalt und einem Anfangs- druck P= 150, welche 95.5 Prozent Sauerstoff enthielt. 21. Diskussion. ı. Der Vergleich von Nr. ı und 3 mit 2 sowie von 9 und ı2 mit ı0 und ıı zeigt, daß die Ausbeute s unabhängig ‘ Stern. Jaun, ZS. für anorg. Chemie 60, 337. 1908. r.) * ”- * . * fe „ Wuarsurg: Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. 1. 223 Vers.- re Vv A h E,- 10° | W,. 10° c 8 Nr. | kg/gem | cem/Min. | Prozent yeah | g-Kal./Sek.|g-Kal./Sek.) Mol/cbm Prozent I 104 194 95 0.425 473 161 0.152 34.0 2 104 207 950 0.154 168 58.5 0.052 34.0 3 102 208 93 0.405 483 154 0132 121328 Mittel 33.3 4 98 1840 95 0.507 428 193 4. 002 | 450 5 95 u 95 0.527 435 200 | = 6 150 3000 99 0.425 412 | 161 | 0015 ı 391 7 147 2800 99 0.491 393 186: 21 0017 | 47-4 8 145 2800 99 0.445 361 169 0.015 46.8 9 136 2850 98 0.406 333 154 0.013 46.3 10 333 2850 98 0.134 112 50.8 0.0042 45-5 11 133 1930 98 0.134 116 50.8 0.0062 44.0 12 132 2890 98 0.393 343 149 | 0.012 43:5 | Mittel 44.8 von der angewandten Strahlungsintensität, mit anderen Worten, daß die gelieferte Ozonmenge der Strahlungsintensität proportional ist. 2. Der Vergleich von ı—3 mit 4—-12 zeigt den Einfluß der Geschwindigkeit auf den Wert von s. Hierbei ist zu bedenken, daß die beobachteten Werte der Ausbeute aus zwei Gründen zu klein aus- fallen müssen. Erstens ist bei der Empfindlichkeit des Ozons Des- ozonisierung in Zelle und Platinkapillare durch Kontakt mit Fremd- körpern anzunehmen. In der Tat zeigte sich nach frischer Reinigung der Zelle die Ausbeute bei Wiederholung des Versuchs zwar zuerst konstant, aber alsdann abnehmend und nach frischer Reinigung der Zelle auf den anfänglichen Wert steigend. Bei der Reinigung be- merkte man einen schwärzlichen Beschlag, der besonders auf den Quarz- platten sichtbar wurde. / Ferner absorbiert das in der Zelle gebildete Ozon auch Strahlung; der vom Ozon absorbierte Anteil geht einerseits für die Ozonisierung des Sauerstoffs verloren und wird anderseits Ozon desozonisieren, WOT- über besondere Versuche in Aussicht genommen sind. E. Mever' hat aus Versuchen über die Absorption von Sauerstoff mit einigen Zehntel Volumprozenten Ozon den Extinktionskoeffizienten & — d.h. den umgekehrten Wert des Weges in Zentimeter, auf welchem die Intensität auf '/. des ursprünglichen Wertes geschwächt wird — für reines Ozon unter der Annahme berechnet, daß die Absorption der Ozonkonzentration proportional ist. Die Ozonkonzentrationen in der Druckzelle liegen bei den obigen Versuchen zwischen €, = 0.15 und c, = 0.01 Mol/ebm, reines Ozon enthält 1000/22.4 = 44.6 Mol Ozon ! E. Mever, Ann. d. Phys. 12, 849. 1903. 224 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 29. Februar 1912. im cbm und der Weg der Strahlen in der Zelle betrug d= 1.7 cm. Daraus ergeben sich die Absorptionskoeffizienten A des Özons in der Zelle zu 1 —e-*°"24$ In der folgenden Tabelle sind dieselben für e=c, (A) und c=e, (A,) nebst den Mrverschen Werten von « ver- zeichnet. ! A ee | ® a Prozent 0.200 17-9 9.7 0.7 0.210 26.4 14 I 0.250 2834 80 ii 0.260 291 82 11 0.270 267 78 Io 0.280 169 62 6.7 Die hohen Werte von & bzw. A, am Maximum der Ozonbande erklären den Erfolg eines im $ ı8 beschriebenen Versuchs. Ander- seits ist um A=0.21, d. h. in dem Wellenlängengebiet, in welchem die Versuche der Tabelle ı angestelltwurden, A, unbeträchtlich (1 Prozent). Im allgemeinen sollten die Korrektionen, welche wegen der beiden besprochenen Fehlerquellen an den gefundenen Werten der Ausbeute s anzubringen sind, der Geschwindigkeit oder V umgekehrt proportional sein. Unter Annahme dieser Beziehung und daraus, daß nach Tabelle ı bei Steigerung der Geschwindigkeit auf den ı4fachen Wert s von 33 auf 45 Prozent wuchs, folgt für den größeren Wert 45 Prozent noch eine Korrektion von etwa 2 vom Hundert. Für die photochemi- sche Ausbeute bei der Bildung des Ozons in Sauerstoff von 100-150 kg/gem Druck durch Strahlung von den Wellen- längen 0.203 bis 0.214 ergibt sieh mithin in runder Zahl der Wert von 46 Prozent. Dies entspricht der im $ ı5 angedeuteten Erwartung. 22. Nach Hrn. Eınstem soll unter gewissen Voraussetzungen die Zahl der‘ photochemischen Elementarprozesse gleich der Anzahl der für die benutzte Wellenlänge genommen Pranckschen Energieelemente sein, welche in der absorbierten Strahlung enthalten sind'. Bei jedem Elementarprozeß mögen u Moleküle einer Substanz M entstehen (oder im Falle der Zersetzung verschwinden), dann werden durch n Ele- mentarprozesse m = nu/N, Mol von M gebildet, wo N, die Anzahl der Moleküle im Mol. Nach dem Eissteisschen Satz ist n = EJ/hv, wo E die absorbierte Strahlung in g-Kal., J das mechanische Wärme- ! Diesen Satz teilte mir Hr. Eınsreın auf dem Brüsseler Kell ıgıı mit, eine ausführliche Begründung erscheint demnächst in den Annalen der Physik. Warsurg: Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. I. 225 äquivalent, also m = EJ u/hvN,. Setzt man N, = R/k (R Gaskon- stante, k Prancksche Strahlungskonstante), klh= vle, wo » die Licht- geschwindigkeit und « die bekannte Konstante des Wirn-Pranogschen Strahlungsgesetzes, endlich v = v/A, so wird m= uEJ A/Re oder m A Eee Ist H die Wärmetönung in g-Kal. bei der Bildung eines Mol von M, so it md = W und s= W/E oder (1) (2) Bei der Ozonisierung des Sauerstoffs sind die nächstliegenden An- nahmen über den photochemischen Elementarprozeß O0, = O+0 oder 30,= 20,. In beiden Fällen liefert der Elementarprozeß zwei Ozon- moleküle (x = 2). Für die bei den obigen Versuchen benutzte Strah- lung von der mittleren Wellenlänge 0.209 ist das Prancksche Energie- element Av = 94.3: 10" Erg, ungefähr doppelt so groß als die Bil- dungswärme von zwei Ozonmolekülen! 2- 34100 -4.189 - 107/6.175 - 10° — 46.10", wobei die Zahl N, = 6.175: 10°” gesetzt ist. Die Gleichung (2) liefert nun mit u = 2, H = 34100, A = 0.209 c—= 14400 für s 50 Prozent, während 46 Prozent experimentell ge- funden sind. Für die Bewertung dieser Übereinstimmung bleibt die Unter- suchung anderer Beispiele abzuwarten. Jedenfalls ist die weitere ex- perimentelle Prüfung des Ernsteinschen Satzes von größter Bedeutung, als einer Fundamentalregel, aus welcher der Erfolg eines photochemi- schen Prozesses quantitativ sich ergeben würde, sobald der photo- chemische Elementarprozeß bekannt ist. ı Nicht identisch mit der Wärmetönung des Elementarprozesses. Ausgegeben am 7. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1912. m e oder aueh in weiterer Ausführung, in us $ 27. Das Manuseript einer in einer akademischen Sitzung deutscher Sprache veröffentlieht sein oder | erden. Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- | am Donnerstag zur Aufnahm in die Sitzungsberichte zu- liehung dem redigirenden Secretar vor der Ausgabe in | gelassenen Mittheilung, weich am nächsten Donnersta n akademischen Schriften zur Kenntniss re so | gedruckt erscheinen soll, muss der Regel nach in der hat er > Mittheilung aus diesen zu entfer | Sitzung selber, spätestens his Freitag rgens Ww er Verfasser einer aufgenommenen wissen- | igirenden Seeretar oder der Reichsdruckerei druck | g em re schaftlichen Mittheilung dieselbe anderweitig früher zu fertig zugestellt werden. Später eingereichte Manuseripte pP veröffentlichen beabsichtigt, als ihm a nach den gel- werden, mit dem Präsentationsvermerk des redigirenden nden Rechtsregeln zusteht, so eg r dazu der Ein- Seeretars oder des Archivars versehen, für ein späteres willigung der Gesammt-Akaden Stück zurückgelegt. Gedächtnissreden anderv a zu veröffentlichen ist Dasselbe kann von vorn herein mit eg ge- den Verfassern unbesehränkt gestattet. schehen, deren Satz aus irgend welehen Gründen be- 8 sondere Sch wierigkeife rwarten lässt, ae welche _. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken men. een = eier in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Di: Boichsäruckerel ‚rerzeiäit ppAEeBeREESMn "Montag Abend die Correeturen an die hier wohnenden oder an- Aus $ 22. ‚ wesenden Verfasser, De an die Mitglieder, welche die Jeden en... eröffnet eine Übersicht über die Zar ge haben, ‚nie der Angabe, dass sie in “rr Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- dieselben ee be end w bhol .. werde, lungen und über die zur re tlichung geeigneten ge- wünscht Ehe die mit der "Correetur betraute Person shätlichen Angelegenhei Revision zu lesen, so muss sie die Correetur ale er den Titeln der w u Mittheilungen Dienstag früh an die Druckerei zurückliefern. Wird die folgen er dieser Übersicht kurze Inhaltsangaben derselben, Correetur länger als bis Dienstag Abend von der damit be- welche die Verfasser einreichen, und für welche sie ver trauten Person behalten, so hat diese es zu ve orten, antwortlich De Diese Inhaltsangaben sollen sieh in wenn die Mittheilung in einem spätern Stück erscheint. der Regel au Sep ne. beschränken, keinesfalls Nach auswärts werden Correeturen nur auf Verlangen 10 Zeilen er sandt; die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen Die nicht in den Seiten der Akademie erscheinenden ihrer Ninheitung San re Tagen. Fremden Verfassern, ae a mit vorresetztem Stern bezeichnet, deren Correeture och dem vorlegenden ? Mitgliede bei den für die nllungen bestimmten wird »(Abh.)« zur Revision unter ee werden müssen, kann das Er- zugefü scheinen am Be Ausgabetage überhaupt nicht zuge- Wissenschaftlich Mittheilungen fremder Verfasser sichert wer rden in dem Bericht über diejenige Sitzung aufgeführt, Aus $ 37. in welcher deren Aufnahme in die akademischen Schriften Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- endgültig beschlossen wird. griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. See Jahr A 11.50 1909: aihomatische Case 2 um a meer nn 2 ze; Tg- mern ee ee Abhandlungen. Jahrg. 1 sikalisch- Fe De M a. Philosophisch-historische Classa . » : «+ + m 2 r n.t 1 2 ent ne ne Abhandlungen aus den Jahren 1908, 1909, 1910 und 1911. Mörier: Ui igurica : ns AM I Loors: Das Glaubensbekenntnis der Homonsianer ‘von Sardicn Be ee en a ALD : Der Processus retrom : een or Keinen Beiichtsiswrede at an Schra der a ee na ar vox Wıramowırz-Moe rrr: Nordionische Se. u em - yE Scaurze, W.: Gedächtnissrede auf Richard Pischel. . » ern nen! , Re upens: Gedächtnissrede auf Friedrich Kohlrausch onen, un +: Über die Erhaltung der Masse bei chemischen Umsetzungen -- sa sen een ULE VON STRA : Strategenköpfe een Dirraurr: Der Aufbau der geschichtlichen V Welt in den Geisteswissenschafien Erste Halte er van’t Horr: ee auf Hans Heinrich Landolt a hot Mürzer: U igur = un Exerer und K. Kunst: Über, den inatomischen Ban der baumartigen Oyperacee Schoenodendron . ücheri En us Kamerun w * Ben Fiocnen: Gedächtnissrede Re obus Henricus van x BE. 2. une. ae ScuuLze, W.: > „ äch —n auf nr inrich Zimm ne nun e ") haraon eu er AN! Hymn n das Dia ; Morr: Zur ee Ener Frankreichs eye ne m. , Sedimente der Taubenbank im Golfe von Neapel I . Tafeln für die heliocentrischen. Ben von 307 kl n Planete : Siobenter keine ufiger Berie richt r die e von den Königlichen Mus in Milet und Ss ee ıternommenen Ausgrabu 5 s 1 sE Perens: Einundawanzgselige Werthe. Me ar Functionen Sinus und Domina 2.8... C. Tauuıs: Die Handschr Em, des Corpus agrimensorum Roman orum . ee N Teeeeihee Im 9 er Maı ee neh im Vorderhirn von Siren lacertina ; M. Neioise: erne des Dieskehbalon bei einigen "Singethieren a A K. Aoansonas : Über die Kerne rss ren Klei nhirn men H. Junker: ‚Der Aubıng der BR un = De ER VON (GAERTRINGE ee Fkslische "For: schungen „Ersten _n ger Bere über die von den ge chen Museen unternommenen - Talztı 27 U Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Die er Statuten zwei trtauend nen heraus: »Sitzungsberichte öniglich Preussi n Akademie der Wissenschaften « und ren gen = Königlich Preussischen Akademie der Wissenschatten.«. #88 ademie gibt ar $4Al,i1d Ss 582, Jede zur Aufnahme in ie »Sitzungsberichte« ‚oder die demischen Sitzung vorgelegt werden das druckfertige Manuseript zunn einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Der Umfang einer hufaunehmenden Mittheilung soll in ‚der Regel ir in a Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, ich rn 16 Seiten in ae gewöhnlichen Schritt nor ee in den Abhandlungen 12 Druckbogen n je 8 Seiten in = Seen Schrift der Abhand- u nicht übe Überse hreitung ce Grenzen ist nur mit eng der Ge t-Akademi r betreffenden Clas haft, und “ bei Vorige = Nichelung enaklie zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese ii we RE erlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. en einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf a eher n Tafeln beigegeben werden, so sind die un en (Zeiehnungen, re 18) nn aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript. jedoch auf Bere Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung == huge haben in zu tr: Sind richten, gr zunächst im ria iter in der Gesammt-Aka r# mie zu verhan Die ae der Vervielfältigung been: die Aka- demie, ber die euer e Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht u m wenige einfache Textfiguren Aa — der Kosten anschlag . aeg beizuf Überschreitet dieser Anschlag fü fo erfiche Auf lage bei den Sitz Acer nie Mark, bei den Abhandlungen 360 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat er s$5. hderV u und Einreichung des vollständigen druckferügen er an a en Seere de ehiv nahme ges ie $ in die: he zwar, wenn eines = erg Mit- verlangt, verdeckt abge Mittheilungen von Verfassern, mega nicht Mitglieder der Alskenke sind, a ze sh nur in die Sitzungsberichte au werden schliesst ar € asse die Aufnahme 3 " Michäitung eines eanade in die dazu bestimmte Abtheilung der ne, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie, (Fortsetzung auf S.3 = Umsehlags.) | Aus 5 6. nn: I: ._n 1 ® nr wenn es sich nicht bloss um ee Text handelt, aus- für di Dasselbe zu en kei dass der Verfasser seine sine ii vollkom r Die erste Correetur ihrer Micchöiluigen Brenn die Fremde en diese _ Corree n das e Correetur u: nach ie und le Schreibversehen hinausgehe ngliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden vor der Einsendung e Druckerei, und die nt a zur Tragung der nie Mehr- kosten verpflich Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen u wisenschafichen Mittheilungen, Reden, rs: oder n werden für die Verfasser, von richt wissenschaflichen Misheilungen, wa deren Umfang. im ai ck AS je: auch rucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Auen der BiERUngnbErIChIe ' ausgegeben rd für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Vertasser sich I damit ai erklären. ker Sonderabdrue aus den Sitzungsberichten ee, welcher Mitglied der Akademie ist, erhält e zu Verthe redigirenden nn Ile re a zes: hen las Vo ande aus den ee er- 200 Exemplare auf ihre xemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere ‚Exem > ii zur Zahl eitere bis retar sin mehr gezeigt hat; Fünzehk r auf seine Kos eke zur Vertheilung zu erhalten, so Bedart es dazu enehmi der ammt-Ak oder d treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- retar weite Kosten a a 8 it. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliehe Mittheilung darf ee keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener elle anderweitig, sei es auch nur auszugS- . & : 227 SITZUNGSBERICHTE 1912. x DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 7. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. Liesiscn las über die Fluorescenz der Sodalith- und ' Willemit-G@ruppe im ultravioletten Licht. Unter den Mineralien der Sodalith- und Willemit-Gruppe sind namentlich Soda- lith, Hauyn und Troostit ausgezeichnet durch lebhafte sichtbare Fluorescenz währen der Bestrahlung durch das von einem Wood’schen Filter hindurchgelassene Ultra- violett oder durch Belichtung mit ausgedehnteren Gebieten von spectral zerlegtem Ultraviolett. 2. Im Auftrage des auswärtigen Mitgliedes Hrn. NöLvere legte Hr. EpuAro Meyer eine Abhandlung des Privatdocenten Dr. Carı Frank in Strassburg vor »Zur Entzifferung der altelamischen In- schriften«. (Abh.) Auf Grund einer bilinguen Inschrift des Ba$aSuSinak von Susa (etwa 2400 v. Chr.) und eingehender Analyse der einzelnen Texte versucht der Verfasser, den Lautwerth der Schriftzeichen der zehn bei den Ausgrabungen in Susa gefundenen altelamischen Steininschriften zu bestimmen und den Inhalt der Texte zu ermitteln. 3. Hr. Eserer überreichte das 52. Heft des » Pflanzenreichs«: F. Pax, Euphorbiaceae-Gelonieae und Euphorbiaceae-Hippomaneae. Leipzig 1912. 4. Hr. von Wiramowırz übergab eine Druckschrift des Hrn. Prof. Crartes Micner in Lüttich: Recueil d’Inscriptions Greeques. Supplement. Fase. ı. Bruxelles ı912, und Hr. WALDEYER das Werk des Professors der Anatomie an der Universität Lyon M. L. Testur: Traite d’Anatomie humaine. Tome I—IV. Paris 1911-1912. das fünfzigjährige PR 5. Das correspondirende Mitglied der phy ikali Classe Hr. Pavı Gorvaw in Erlangen hat am 1. März Sitzungsberichte 1912. 23 228 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. Doctorjubiläum gefeiert; aus diesem Anlass hat ihm die Akademie eine Adresse gewidmet, die unten abgedruckt ist. Die Akademie hat das correspondirende Mitglied der philosophisch- historischen Classe Hemeıcn Nissen in Bonn am 29. Februar, und das Ehrenmitglied Rochus Frhrn. von Liziencron am 5. März durch den Tod verloren. Liesiscn: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe. 229 Über die Fluoreszenz der Sodalith- und Willemit- gruppe im ultravioletten Licht. Von Th. LiegiscH. Die Anzahl der Mineralien, in denen schon durch elektromagnetische Wellenstrahlung von kurzen Wellenlängen relativ intensive sichtbare Lichtemissionen erregt werden, ist nieht groß. Daher ist eine hier- her gehörige Mineralgruppe von Interesse, an der, soviel ich weiß, Fluoreszenzerscheinungen bisher noch nicht beobachtet worden sind. Es handelt sich um Sodalith, Nosean und Hauyn, die schon bei der Bestrahlung mit dem eng begrenzten Gebiet ultravioletten Lichtes, das aus einem Woodschen Filter austreten kann, lebhaft fluoreszieren. Auf dieses Verhalten kann in vielen Fällen eine Fluoreszenzanalyse der Mineralgemenge begründet werden, an denen Glieder der Soda- lithgruppe beteiligt sind. Die Prüfung der Lichtemissionen von Mineralien der Willemit- gruppe im ultravioletten Licht wurde veranlaßt durch das reichhal- tige Material von Troostit, das von M. Berowsky auf der Taylor Mine zu Franklin Furnace in New Jersey im Sommer 1911 gesammelt worden ist. I. Erregung der Fluoreszenz mit Hilfe von Filterultraviolett. Zur Erregung der Fluoreszenz diente zunächst ein Woodsches Absorptionsfilter in der Ausführung, die nach Angaben von H. Len- MANN! in der optischen Werkstätte von C. Zeiß hergestellt wird. Als Lichtquelle wurde eine Eisenkohlenbogenlampe oder eine Quarzglas- Queeksilberbogenlampe benutzt. Um bei der Prüfung des Fluoreszenz- lichtes den störenden Einfluß des violetten Lichtes zu vermeiden, das in Spuren von dem Filter noch durchgelassen und von dem zu unter- suchenden Körper reflektiert werden konnte, wurde vor das Auge eine mit Auramin-O gelbgefärbte Gelatineplatte gehalten. ' 11. Leusans, Verhandlungen d. Deutschen Phys. Gesellsch. 12, Nr. 21, 1910. 15, Nr. 23, ı9ıt. 23° 230 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. Das durch Bestrahlung mit diesem Filterultraviolett' erregte Fluoreszenzlicht wurde durch ein Handspektroskop mit Wellenlängen- skala analysiert. Bei Zimmertemperatur kann die Prüfung von Mineral- oder Ge- steinsstücken auf Fluoreszenz ohne weiteres stattfinden. Um den Ein- fluß tiefer Temperaturen festzustellen, wurden Körner in Röhren aus Uviolglas von Schott u. Gen. gefüllt und darauf in ein aus derselben Glasart hergestelltes und mit flüssiger Luft gefülltes Drwarsches Ge- fäß getaucht. A. Sodalithgruppe. Ausgezeichnet durch prachtvolle orangefarbige Fluoreszenz ist der meist farblose, zuweilen blaßgrüne Sodalith, der als Bestandteil der Sommaauswürflinge am Vesuv in Drusenräumen von Kalkblöcken, in Aggregaten von schwarzer Hornblende, grünem Augit und Glimmer oder als Gemengteil der Sanidinite auftritt. Hierdurch ist der Soda- lith sofort zu unterscheiden von anderen farblosen Mineralien dieser Auswürflinge. Insbesondere ist der Anteil, den er an der Zusammen- setzung der Sanidinite nimmt, durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht leicht festzustellen. Das kontinuierliche Emissionsspektrum ent- hält Orange und Grün; es erstreckt sich bei Zimmertemperatur und bei der Temperatur der flüssigen Luft von etwa 620 bis 520 un. Sehr schwach ist die Fluoreszenz der kleinen Sodalithkristalle, die zuweilen auf den Wänden von Hohlräumen in Laven des Vesuvs sitzen. Dasselbe gilt von dem Sodalith in Trachyten der Phlegräi- schen Felder und der Insel Ischia. Dagegen fluoresziert sehr stark der hellgraugrüne Sodalith des großkörnigen Eudialytsyenits von Julianehaab in Grönland. Die Durchsehnitte der Dodekaeder heben sich orangefarbig leuchtend mit scharfer Begrenzung von den übrigen Gemengteilen des Gesteins ab. Ihr Emissionsspektrum stimmt überein mit dem des Sodaliths vom Vesuv. Dasselbe ausgezeichnete Verhalten zeigen der Sodalith im Eudialyt- syenit von Elluaiv im Lujavr Urt auf der Halbinsel Kola und der So- dalith aus den Eläolithsyenitpegmatiten des südlichen Norwegens. Sehr schwach fluoreszierte ein dunkelblauer Sodalith aus Eläolith- syenit von Bancroft in der Provinz Ontario in Kanada. Auch die dunkelbraunen Noseane in den grobkörnigen Sanidiniten aus dem Gebiete des Laacher Sees werden nur schwach erregt; zu- ! Die Bezeichnung rührt von P. Lexaro her, Ann. d. Phys. (4) 15, 245, 1904- Liesıscn: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe. 231 weilen ist die Hülle wirksamer als der Kern. Dagegen leuchten stark die aus wechselnden hellgrauen und weißen Schichten aufgebauten Noseane, die in Drusen mit Sanidin, Magnetit und Spinell sitzen. Lebhaft orangefarbig fluoreszieren ferner der hellblaue Hauyn in Sani- diniten von Laach, die auch Augit und Titanit führen, und der blaue Hauyn im Tephrit von Niedermendig. Sehr schön ist die Fluoreszenz der blauen Hauyne in den Somma- auswürflingen am Vesuv, sowohl in Aggregaten, die vorherrschend aus feinkörnigem Augit und Glimmer bestehen, wie in Drusenräumen von Kalkblöcken. Genau so verhalten sich der blaue Hauyn und der weiße Berzelin in Auswürtlingen aus dem Albanergebirge, der in hellblauen Oktaedern ausgebildete Hauyn in Auswürflingen vom See von Braceiano und:der blaue Hauyn, der mit Titanit und Augit in Auswürflingen der Isleta an der Nordostspitze von Gran Canaria auftritt. Der Hauyn im Hauynophyr von Monte Vulture bei Melfi in Lucanien leuchtet namentlich in hellgrauen oder hellblauen Kristallen lebhaft orangefarbig; dagegen werden dunkelgraue Kristalle nur schwach erregt. Deutliche Fluoreszenz bietet der graue Ittnerit aus dem Phono- lith vom Steinriesenweg am Horberig bei Oberbergen im Kaiser- stuhl dar. B. Willemitgruppe. Die Mineralien dieser Gruppe fluoreszieren unter der Einwirkung von ultraviolettem Licht mit sehr verschiedenen, von ihrer chemischen Zusammensetzung abhängigen Graden der Helligkeit. An den kleinen Kristallen des typischen braunen Willemits von Altenberg bei Aachen konnte ich Fluoreszenz nicht wahrnehmen. Auch die Phenakite zeigten keine oder nur eine Spur von Liehtemission. In hohem Grade ‘wirksam sind dagegen die als Troostit bezeichneten Mischkristalle, die aus den Lagerstätten von Zink- und Manganerzen zu Stirling und Franklin in New Jersey stammen. Ihre mannigfachen Farben deuten auf wechselnde Konzentrationen ihrer Komponenten hin!. Lebhafte Fluoreszenz und Phosphoreszenz wurden am grünen Troostit von G. F. Kunz und Ch. Baskervirze schon 1903 festgestellt”. Als Er- regungsarten wurden dabei außer ultraviolettem Licht und Röntgen- ! Vgl. die Analysen von G. C. Sroxe, School of Mines Quarterly 8, 148, 1887. 2 G. F. Kunz und Cn. BAsSKERVILLE, Seience N. S.18, Nr. 468, S. 769, 1903. (Hier wird der grüne Troostit als Willemit angeführt.) Referat im N. Jahrb. f. Min. usw. 1905, I, 8. — G. F. Kunz, Fortschr. auf d. Gebiete der Röntgenstrahlen. Hamburg 1905. — Das Abklingen der Phosphoreszenz wurde von E. L. Nıcnors und E. MerRITT verfolgt; Phys. Rev. 23, 37, 1906. 232 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. strahlen auch Radiumstrahlungen benutzt. Vergleichende Untersuchun- gen der verschiedenen Varietäten des Troostits sind, soviel ich weiß, bisher nicht ausgeführt worden. In der Helligkeit des Aufleuchtens unter der Einwirkung von Filterultraviolett wird der grüne Troostit wohl nur noch übertroffen von Kalkuranit und Bariumuranit. Einen prachtvollen Anblick ge- währen außer den derben Massen insbesondere die schmalen, wenige Millimeter bis 2 em breiten gangförmigen Aggregate, die in feinkörnigen Gemengen von Troostit, Rotzinkerz und Franklinit auftreten. Auch die kleinsten Körnchen des Troostit verraten sich hier durch ihr hell- grünes Fluoreszenzlicht. Das Emissionsspektrum erscheint im Hand- spektroskop bei gewöhnlicher Temperatur kontinuierlich von etwa 620 bis 5ıo uw mit einem Maximum der Helligkeit im Grün bei etwa 530 uu. Kühlt man Körner auf die Temperatur der flüssigen Luft ab, so zerfällt das Spektrum in zwei Gebiete, die durch eine schmale Lücke im Gelb bei 575 vu voneinander getrennt werden. Derbe Massen von durchsichtigem, gelbem Troostit fluoreszieren erheblich schwächer. Während der Erniedrigung der Temperatur än- dert sich die Farbe dieses Minerals in Gelblichweiß. Das Emissions- spektrum läßt dabei wieder eine Lücke bei 575 vu erkennen. Hellbraune, allseitig ausgebildete Kristalle von Troostit, die von manganhaltigem Kalkspat (Spartait) umschlossen werden, heben sich durch ihr grünes Fluoreszenzlicht von der orangefarbig leuchtenden Umgebung ab. Auch die körnigen Aggregate von gelblichbraunem Troostit mit rötlichbraunem Granat oder graubraunem Tephroit ge- statten eine leichte Unterscheidung ihrer Gemengteile durch Fluores- zenzanalyse, denn im Filterultraviolett fluoresziert Granat nicht und Tephroit nur äußerst schwach. Der weiße, radialstrahlige Troostit fluoresziert schwächer als der grüne, ist aber dadurch ausgezeichnet, daß er nach der Bestrahlung viel länger nachleuchtet. Das Emissionsspektrum erstreckt sich nur von etwa 560 bis 510 un. Es schien von Interesse, zu prüfen, ob die am grünen und gelben Troostit bei der Abkühlung auf die Temperatur der flüssigen Luft beob- achtete Gliederung des Emissionsspektrums in zwei Gebiete durch eine Lücke bei 575 vu auch bei anderen fluoreszierenden Zinkverbindungen eintritt. In der Tat ergab sich dasselbe Verhalten bei Zinkblende (Cleiophan) von Franklin, Zinkoxyd von der Königshütte, Zinkspat von Alston und Kieselzinkerz von Bleiberg. Liesisch: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe. 233 II. Erregung der Fluoreszenz durch Belichtung mit spektral zer- legtem ultraviolettem Licht. Um eine schärfere Kennzeichnung der Fluoreszenzerscheinungen zu gewinnen, wurden Leuchtschirme aus gepulvertem Material her- gestellt und mit den ausgedehnten Gebieten des Ultravioletts belichtet, die in dem spektral zerlegten Licht einer Quarzglas-Quecksilberbogen- lampe oder einer Eisenkohlenbogenlampe enthalten sind. Obwohl die Spektren dieser Lichtquellen diskontinuierlich sind, waren sie geeignet für den vorliegenden Zweck einer Vergleichung von Mischkristallen verschiedener Konzentrationen während der Erregung der Fluoreszenz dureh Lichtarten mit bestimmten Wellenlängen. Fig. 1. K E Be L x FIR“ 1 r Quarzspektroskop mit Leuchtschirm. Die Versuchsanordnung wird durch Fig. ı erläutert. Die Licht- quelle Z wurde durch eine Quarzlinse Z oder durch zwei gekreuzte Quarzzylinderlinsen abgebildet auf dem Spalt S eines Quarzspektro- skops, das aus einer Kollimatorlinse O,, einem Corsuschen Doppel- prisma C von Rechts- und Linksquarz und einem Objektiv O, bestand. Das Spektrum wurde projiziert auf einen Karton X, der mit dem Pulver des zu untersuchenden Stoffes bestreut war. Die Länge des Spektrums betrug etwa ı em von Rot bis Violett und etwa 6 cm in dem durch grünes Fluoreszenzlicht sichtbaren Gebiet des Ultravioletts auf einem Leuchtschirm von grünem Troostit (vgl. Fig. 2, )). Führt man streifenförmig geschnittene und nebeneinander be- festigte Leuchtschirme unter dem Spektrum vorüber, so treten die von der chemischen Zusammensetzung der Pulver abhängigen Ver- schiedenheiten in der Erregung von Fluoreszenzlicht durch überein- stimmende Lichtarten anschaulich hervor (vgl. Fig. 2). Das erregte Licht wurde mit einem Handspektroskop analysiert. 234 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. A. Sodalithgruppe. Die Sodalithe in den Sommaauswürflingen und in dem grön- ländischen Eudialytsyenit sind dadurch bemerkenswert, daß durch ultraviolette Liehtarten von verschiedenen Wellenlängen verschieden- farbiges Fluoreszenzlicht erregt un Bei der Bestrahlung mit dem Spektrum der Quarzglas-Quecksilb 1 sind im Ultra- violett deutlich zwei Bereiche zu unterscheiden: Am das sichtbare Quecksilberspektrum schließt sich zunächst ein Gebiet mit intensivem orangefarbigen und schwächerem gelben Fluoreszenzlicht an. Jen- seits 300 uu bis etwa 235 uw wird grünes Licht erregt (vgl. Tab. ı und Fig. 2, V). Das Emissionsspektrum des durch die besonders Tabelle ı. Fluoreszenz von Sodalith im Quecksilberbogenspektrum. Wellenlänge | Inten- Sodalith, N BORN E Vesuv Grönland sität Vesuv : ka (e) Fig. 2, V 238 = — sehr schwach 248 4 BER u chwach 253.67 30 deutlich er stark = deutlich = 265.23 20 deutlich != deutlich 4 stark z 275.30 20 sehr schwach * schwach = schwach 296.75 200 schwach deutlich )J * sehr schwach 302.17 200 deutlich deutlich sehr schwach 312.58 200 = 5 Do [21 2 313.17 100 deutlich Er stark = schwach in) 313.20 ı00 | 3 & 2% 334.18 50 schwach — 3 sehr schwach 365.03 100 © A 366.32 Ee } sehr stark 5 sehr stark | 2 sehr stark \ & En > 404.69 100 stark ° _ t stark 5 wirksame Quecksilberlinie 365 uu hervorgerufenen Lichtes dehnt sich von etwa 640 uu im Orange bis 440 uu im Blau aus und ist am roten Ende relativ lichtstark, während das durch die Linie 26 5 au erzeugte lichtschwächere Spektrum nur aus einer grünen Bande von etwa 550 bis 505 uu besteht. Hierdurch erklärt es sich, daß diese Sodalithe im Filterultraviolett, das sich nur von etwa 400 bis 300 un erstreckt, orangefarbiges Fluoreszenzlicht darbieten. Analog verhalten sich der Hauyn von Niedermendig und der Ittnerit aus dem Kaiserstuhl. Etwas abweichende Fluoreszenzfarben wurden am Sodalith (e) vom Vesuv beobachtet; die Quecksilberlinie 365 un erzeugte in ihm ein blaßblaugrünes Fluoreszenzlicht, dessen Spektrum aus einer Bande Liesısch: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe. 235 Fig. 2\. ei Ss a e& ma + ın ın a an + nn re} No ee en D ° had es N 8 a ann Bil 4 ° 1. IL H 5 I. IV. v. vi. 11 Fluoreszenz durch Belichtung mit dem ultravioletten Spektrum einer (Quarzgl: s-Q lampe. I. Grüner Troostit. — II. Gelber Troostit. I. Weißer gg zen IV. Zinkoxyd. = . Sodalith aus Grönland. — VI. Tephro von etwa 540 bis 460 un bestand. Auch der schwach fluoreszierende Sodalith von Baneroft wurde in dieser Weise erregt. Unter der Einwirkung von Röntgenstrahlen habe ich an den Mi- neralien der Sodalithgruppe Fluoreszenz nicht beobachtet”. ichnet von Hrn. Dr. M. Bere, dem ich für seine Mitwirkung an den I Gez Be ecke zu Dank verbunden bin. 2 Das Wernerwerk von Siemens und Halske gestattete mir, diese Prüfung mit Unterstützung des Hrn. Dr. BAnGERT vorzunehmen. Gesammtsitzung vom 7. März 1912. B. Willemitgruppe. Das in den Troostiten durch ultraviolette Strahlen erzeugte Fluoreszenzlicht ist stets grün. Aber die erregenden Strahlenarten bilden zwei durch eine Lücke voneinander getrennte Gruppen. Einem schmalen Gebiet schwach erregender Strahlen mit größeren Wellen- längen gehören die Quecksilberlinie 365 #u und die Eisenlinien 372 bis 375 vu an. In dem darauffolgenden Bereich nichterregender Strahlen ist selbst die Eisenlinie 344 ua unwirksam. Das große, von etwa 340 bis 220 uu sich erstreckende Gebiet erregender Strahlen mit kleineren Wellenlängen umfaßt z. B. die sehr stark wirkenden Quecksilberlinien 265 und 254 uw und die Eisenlinien 249 und 260 bis 293 un. Über das Verhalten verschieden gefärbter Troostite geben Tab. 2 und Fig. 2, I—-II Auskunft. Tabelle 2. Fluoreszenz von Troostit und Tephroit im Quecksilber- bogenspektrum. | Wellenlänge | Inten- | Grüner Troostit | Gelber Troostit | Weißer Troostit Tephroit un sität Fig. 2, I Fig. 2, U Fig. 2, II Fig. 2, VI 226 2 sehr schwach _ sehr schwach —_ 230 — sehr schwach — sehr schwach —_ 238 _ schwach sehr schwach schwach schwach 248 4 stark deutlich deutlich deutlich 253.67 30 sehr stark stark stark stark 265.23 20 sehr star stark stark stark 275.30 20 deutlich schwach deutlich schwach 296.75 200 schwach pur — — 302.17 200 schwach sehr schwach sehr schwach — 312.58 200 313.17 100 | sehr schwach _ _ _ 313.20 100 334.18 50 Spur E= _ -- 65.0 I i u. . } deutlich sehr schwach schwach Spur Die zum Vergleich beigefügte Fig. 2, IV erläutert das Verhalten des Zinkoxyds von Königshütte; hier wird grünes Fluoreszenzlicht in dem ganzen Gebiet des Ultravioletts erregt, am stärksten durch Strahlen mit großen Wellenlängen, insbesondere auch durch die Eisen- linien 372 bis 375 und 382 bis 386 un. Das Emissionsspektrum er- streckt sich von etwa 580 bis 460 un. Die Bestrahlung des Tephroit mit dem Quecksilberbogenspektrum (vgl. Fig. 2, VI) gestattet die Erscheinung aufzuklären, daß dieses Mi- Liesisch: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe. 237 neral im Filterultraviolett nur äußerst schwach fluoresziert: es wird Tephroit erst lebhaft erregt durch ultraviolette Strahlen mit kleinen Wellenlängen, die von dem Filter nicht mehr durchgelassen werden. In diesem Zusammenhange ist es interessant, daß unter der Einwirkung von Röntgenstrahlen nicht nur Troostit, sondern auch Tephroit stark fluoresziert. III. Phosphoreszenz. Zur Beobachtung der Phosphoreszenz diente die in Fig. 3 skizzierte Vorrichtung. Der positive Krater einer Kohlenbogenlampe L wurde abgebildet durch eine Quarzlinse O, auf der Peripherie einer mit rand- ig. 3. In Phosphoroskop. lichen Durehbohrungen versehenen Scheibe P, vor der sich eine Iris- blende J befand, und darauf durch eine zweite Quarzlinse 0, auf dem zu untersuchenden Mineral oder Leuchtschirm K. Ein Teil des hier erregten Lichtes wurde durch die Linse O, wieder auf der Peripherie von P vereinigt und gelangte dann in das Handspektroskop $. Die Rotation der Scheibe P wurde durch den Motor M bewirkt. Die Mineralien der Sodalithgruppe phosphoreszieren in sehr geringem Grade bei Zimmertemperatur, etwas stärker bei der Temperatur der flüssigen Luft. Das Emissionsspektrum reicht von etwa 560 bis 51Io uu im Grün. Ä Willemit von Altenberg ist unwirksam. An den Phenakiten ist eine sehr schwache Lichtemission bei etwa 530 uu wahrzunehmen. Unter den Troostiten leuchtet am stärksten die grüne Varietät. Ihr Emissionsspektrum erstreckt sich bei Zimmertemperatur von etwa 640 im Orange bis 550 uu im Grün, in flüssiger Luft von etwa 640 bis 515 uw mit einer Lücke im Gelb bei 575 HM. Dasselbe Verhalten mit geringerer Helligkeit bietet die gelbe Varietät dar. Weißer Troostit und - "Tephroit liefern ein lichtschwaches Spektrum von etwa 560 bis 510 um: 238 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. Tabelle 3. A. Bogenspektren von Mineralien der Sodalithgruppe. Aufgenommen von G. EBERHARD. ; x { Hauyn Hauyn . | Sodalith, | Sodalith, | Sodalith, | Nosean ID) 90 n Wellen- |Intensi- ? 2 . : ; . “ Element ke ir Vs Grönland | Ontario Laach Aioder ARE änge tät mendig gebirge E I. III. IV. Ve YI Silber....... Ag | 3280.83 500 \ .. 3383.0 300 Aluminium... | Al | 3082.3 500 \ sehr sehr sehr sehr sehr sehr 3961.7 1000 stark stark stark stark stark stark = schwach schwach Berlins; . ;» >. Ba 4554.2 500 — — schwach — bissichtbar | bissichtban Berylli B h en a a er \ - schwach _ _ schwach schwach 333.5 20 Caleium ..... Ca | 3933-8 500 |} sichtbar ; i sehr 4336:5 ar Be RR siehtbar sichtbar stark stark BR kuünfer,.....;. Cu 247. 1000 P . 2 } schwach vn schwach schwach sichtbar schwach Biseu 2.0 Fe | 4277.0 {e) ; i 43837 - \ sichtbar sichtbar sichtbar sichtbar sichtbar sichtbar Gallium ..... Ga| 4172.2 30 | schwach | sichtbar | schwach. | schwach _ schwach Kalum...;;.. K |] 4044.4: 200 sichtbar RER . Na RE schwach schwach sichtbar sichtbar stark : \ Magnesium Mg| 2795-6 200 \ sichtbar ihibnr sichtbar siehtbar schtb sehr 2852.2 500 Vbis stark " Ibis atark | bis stark | stark Mangan ..... Mn] 4030.9 100 : sichtbar 4033; DE } sichtbar | sichtbar sichtbar Ks stark schwach schwach Molybdän ... | Mo| 3170.5 20 1941 = \ schwach _ —_ schwach sichtbar schwach Natrium..... Na | 3302.6 100 ee sehr sehr sehr sehr sehr 3303-1 100 = stark stark stark stark stark Biel „2.20 Pb | 3639.7 500 En 3683.6 ARERR: ee —_ == eig u: Silizium „er... Si 2881.7 30 } sehr sehr sehr sehr sehr 3905-7 15 stark stark stark stark stark stark Strontium Sr | 4077.94 | 1000 \ sichtbarbis 4215.7 un schwach _ schwach schwach sichtbar schwach s IHaa......5 Ti | 3989.9 20 3998.8 20 I - —_ _ stark FEN sichtbar 4306.1 20 Zirkonium ... | Zr | 3392.1 10 3438-4 8 hs - — schwach _ schwach 3496.4 10 2. Liesisch: Über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe. B. Bogenspektren von Troostit und Tephroit. Tabelle 4. Aufgenommen von G. EBERHARD. 239 El : Wellen- |Inten- | grüner gelber |hellbrauner | weißer Tephroit ae länge | sität | Troostit Troostit | Troostit | Troostit p Silber ...... Ag | 3280.83 | 500 N en er Spur Br Spur 3383.0 | 300 Ammon... |21 | 739823 | 5o© } schwach | schwach | schwach | schwach | schwach 3961.7 | 1000 Barium ..... Ba | 4554.2 | 500 _ _ » Spur -— — mn.) Do] 31305 = h Spur sichtbar Spur stark _ 3321.5 20 Wismut .... | Bi | 3067.8 | 500 Spur Spur Spur Spur _ Caleium .... | Ca| 39338 | soo|l chwach | schwach | SB" | sichtbar | stark 4226.9 | 1000 stark nr ee en a en N schwach | schwach | schwach | schwach Spur 3274-1 800 Eisen ,..;.: Fe | 4272.0 30 N h achbis EB schwach bis Br Br 4383.7 100 j sichtbar sichtbar Magnesium.. Mg| 2795.6 | 200 } stark stark age schwach | stark 2852.2 | 500 stark Mangan .... |Mn| 4030.9 | 100 sehr sehr sehr sichtbar sehr 4033-2 100 stark stark stark bis stark| stark Natrium .... |Na | 3302.6 | 100 h so s ie _ sichtbar 3303.1 | 100 Bis... Pb | 3639.7 | 500 } = schwach Spur schwach Spur 3683.6 | 1000 Silizium .... | Si | 2881.7 30 } stark aterk stark stark stark 3905-7 15 Strontium... | Sr | 4077.9 | 1000 u schwach a 4215.7 | 100 = bissichtbar BR: 2.v, Zn | 3282.5 | 200 sehr sehr sehr sehr eichtbar 3302.8 | 100 stark stark stark stark j|bisstark Im wesentlichen stimmt also das erre Filterultraviolett hervorgerufen gte Licht überein mit dem durch en Fluoreszenzlicht. In bezug auf die Dauer des Nachleuchtens übertrifft der weiße Troostit die übrigen Varietäten bedeutend. 240 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. IV. Bogenspektren. Die von Mineralien der Sodalith- und Willemitgruppe vorliegenden quantitativen Analysen gestatten noch nicht, die Abhängigkeit der Fluoreszenzerscheinungen von der chemischen Zusammensetzung weiter zu verfolgen. Hr. Prof. Dr. G. Eseruarp in Potsdam hat sich auf meine Bitte der dankenswerten Mühe unterzogen, zunächst mit Hilfe von Bogenspektren die Metalle zu ermitteln, die in Zukunft bei ana- lytischen Untersuchungen nicht übersehen werden dürfen. Seine Er- gebnisse‘ sind in den Tabellen 3 und 4 zusammengestellt”. A. In den sechs untersuchten Mineralien der Sodalithgruppe waren nach der Beschaffenheit ihrer Bogenspektren nicht vorhanden die Ele- mente: Arsen, Chrom, Kobalt, Germanium, Indium, Lanthan, Lithium, Nickel, Niobium, Tantal, Wolfram, Yttrium, Zinn und Zink. Sehr bemerkenswert ist u. a., daß in dem Bogenspektrum des dunkelbraunen Nosean IV aus den grobkörnigen Sanidiniten von Laach starke Linien von Caleium und Titan beobachtet wurden. In allen Fällen konnten Magnesium, Eisen und Mangan, in der Mehrzahl der Fälle auch Kupfer nachgewiesen werden. B. Im Troostit und Tephroit wurden die Linien folgender Elemente vergeblich gesucht: Cadmium, Kobalt, Chrom, Gallium, Germanium, Indium, Kalium, Lanthan, Lithium, Molybdän, Niobium, Nickel, Anti- mon, Scandium, Zinn, Titan, Thallium, Vanadium, Wolfram, Yttrium, Zirkonium. Wahrscheinlich fehlen also alle Metalle der seltenen Erden. Von besonderem Interesse ist die Auffindung des Beryllium, das in dem Bogenspektrum des weißen Troostit starke Linien erzeugt. Nach den Analysen von Srose war im Troostit eine Beimischung des Phenakitsilikats nicht zu erwarten. Diese Ergebnisse des Hrn. G. Eserr#Arn enthalten wertvolle An® regungen zu neuen Analysen und Synthesen der Mischkristalle, die in den Mineralien der Sodalith- und Willemitgruppe vorliegen’. ! In allen Aufnahmen sind die Linien des Bor sichtbar, das in den Kohlen der gerreen vorhanden war. e darin angegebenen Wellenlängen und Intensitäten sind entnommen aus F. Exner Be E. Hascher, eu mug auf Grund der ultravioletten Bogen- spektren der Elemente. Leipzig und Wien 1904 ® Berichtigung. Sitzungsberichte or S.420 und 421 ist an Stelle von Böhmen IV zu setzen Grönland IV. Adresse an Hrn. Pur Gorpan zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum. 241 Adresse an Hrn. PauL GoRDAN zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum am 1. März 1912. Hochverehrter Herr Kollege! 7 dem Tage, an dem fünfzig Jahre seit Ihrer Doktorpromotivn ver- flossen sind, sendet Ihnen, ihrem hochgeschätzten Mitgliede, die Aka- demie der Wissenschaften ihre herzlichen Glückwünsche. Die Frage, die Sie damals in Ihrer Dissertation »De linea geodetica«, wohl an- geregt durch Kummer und indirekt durch Jacosı, mit großer Gründ- lichkeit und in origineller Weise behandelten, wieweit die auf einem abgeplatteten Rotationsellipsoid gezogene geodätische Linie als kürzeste zu betrachten sei, gehört zu denen, die jeden Mathematiker inter- essieren. Ein größeres Verdienst haben Sie sich erworben, als Sie, zusammen mit Ürzgsch, die Rırmanssche Theorie der algebraischen Integrale ergänzten. Ganz von algebraischen Grundlagen ausgehend, drangen Cresscn und Sie vor bis zu den transzendenten Funktionen mehrerer Variabeln, die Rırmans die Jacosıschen Umkehrungsfunk- tionen nannte. Rırmann selbst hatte einen andern Weg eingeschlagen, der wohl direkter ist; Sie nennen ihn einen synthetischen. Aber diese synthetische Betrachtung, welche die wichtigsten Vorstellungen schnell herbeiführt, beruht auf einem Satz, der zwar den Physikern schon vor Rırmann und Dirıcnter geläufig war, dessen strenger ma- thematischer Beweis jedoch erst später geführt wurde und jetzt selbst eine umfangreiche Theorie darstellt. Deshalb war es ein notwendiges Werk, das Cresscn und Sie verrichteten, als Sie zeigten, daß jene sehr richtigen und interessanten Voraussetzungen, die Rıemanw macht, nicht unumgänglich notwendig sind, um die von RıEmann dargelegten Beziehungen zu erkennen. — An diese ersten Arbeiten schließt sich eine fast unabsehbare Reihe algebraischer Untersuchungen, die Sie in rascher Folge veröffentlichten. Es ist wohl kein Irrtum, anzunehmen, aß sie wenigstens teilweise durch den Gedanken hervorgerufen sind: der Bau, den Rırmanv gegründet, und den er mit geistigem Auge wohl vollendet vor sich sah, den er aber, durch Krankheit dahin- gerafft, uns unvollendet zurückließ, werde noch die größten algebrai- 242 Gesammtsitzung vom 7. März 1912. schen Anstrengungen erfordern, um ganz zu Ende geführt zu werden; deshalb sei die Ausbildung der Algebra ein unbedingtes Bedürfnis. Erkennbar ist in Ihren algebraischen Arbeiten das Streben nach Ver- einfachung der Rechnung, durch Einführung von Symbolen, die das- Jenige bedeuten, worauf es bei der Rechnung hauptsächlich ankommt. Und daß Sie wichtige Dinge so einfach wie möglich darzustellen suchten, haben Sie auch gezeigt, als sich durch die Arbeiten anderer die von den Mathematikern längst vermutete Unmöglichkeit der Qua- dratur des Zirkels ergab. Die Beweise hierfür, zuerst auf komplizier- ten Gedankengängen beruhend, vereinfachten sich nach und nach, da sie das Interesse vieler scharfsinniger Mathematiker erweckten. Die Form, die Sie dem Beweise zuletzt gaben, kann an Kürze und Ein- fachheit kaum überboten werden. Die Akademie wünscht und hofft, daß Sie sich inmitten der zahlreichen in Ihrer Wissenschaft wirkenden Jüngeren Kräfte noch lange der Ihnen zuteil werdenden Anerkennung erfreuen. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 14. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder aueh in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- lichung dem ee Secretar vor der Ausgabe in = nn... Schriften zur Kenntniss kommen, so er die Mitt i 'ernen. n der ee e genommenen wissen- schaftlichen Mitth ee Base anderweitig früher 2 veröffentlichen beabsichtigt, als ihm diess nach den gel Er so bedarf er dazu der Ein- er Gesam ie. G edächtnise reden anderweitig zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestattet. Aus $ 21. erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die Sitzungsberichte Aus $ 22. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- en und über die zur ee geeigneten ge- schäftlichen Angelegenheit Hinter den Titeln der w Inendchältlichen Mittheilungen folgen in dieser Übersicht kurze een ee welche die Verfasser einreichen, und f antwortlich sind. Diese RER so He n sich. ee der Regel auf 5—6 a beschränken, keinesfalls 10 en ee Die t inden Schriten = Akademie erscheinenden Mihelungen werder setztem Stern bezeichnet, bei - für die ren Yes wird »(Abh.)« zugefü Wisenshaftiche richt - Mittheilungen fremder Verfasser werden in dem über diejenige Sitzung aufgeführt, in welcher dere Kufialos in die akademischen Schriften endgültig bee wird Ans.$ 27. Das Manuseript einer in einer akademischen m Donnerstag zur en in Se Sitzungsberichte zu Be .n. gedruckt e en sol hr en: fertig ER we ingerei Mansi äpl werden, mit dem Besen des redigirenden Secre oder des Archivars versehen, für ein späteres Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus irgend welchen Aeenen be- sondere Schwierigkeiten erwarten lässt, oder welche den in $S : - & enthaltenen en nice, entsprechen. de SSET, ar an die Be welche die Miuhellung Auer haben, mit der Angabe, dass sie Dienstag früh an die Druckerei zurtisphiefdin: Wird die Correetur . ke bis Dienstag Abend von = ee be- trauten Per halten, so hat diese es zu v orten, wenn Er Shehung in einem spätern Sick "erhein Nae wärts werden Correeturen nur Verlangen ale "die Verfasser Musa en dam Eau ee ihrer Mittheilung nach acht Tagen. mden Verfassern, a Correeturen erst n = dem Vorteilen Mitgliede zur Revision unterbreitet werden müssen, kann das Er- ee am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. Jahrg. 19 Physikalisch- sbhsnäche Classe . Philosophisch-historische Classe . . » . » » Fe Jahrg. 1910: ikalisch-mathematische Classe . Ph era historische Classe . . » » » » * ” ” . Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1908, * . 1909, 1910 und 1911. u Mörier: igurica ae . 4 Loors: Das Glaubensbekenntnise „der Homousianer von Sardica een an 2 ALD : Der Processus retromastoideu er eek er Meyer: Gedächwmisede auf Eberhard ee ee . har vos Wıra -MoELLEND : Nordionische Steine i en en er 5 CHULZE, W.: Ged dadteharede. auf Richard Pischel. ee un ad . Ss Rupens: Tg auf Friedrich er en ai nr bw Lanporr +: Über die Erhaltun - der e bei lachen Umsetzungen as en Keavıx von Srraponırz: . - un Dirrury: Der Aufbau der riegenkpte Welt in den Geisteswissenschaften Erste Hälfte . . - — van’r Horr: Gedächtnissrede auf Hans Heinrich dolt a 7 ÜLLER: Uigurica — Exouer u se K. Krauss: Über den anatomischen Bau der baumartigen Cyperacee Schoenodendron . i Ener. aus Sr ki eg ee Kar: Ess ie Henricns vantı ‘Hoff. en A a Sammzz, W.: Gedächtnissrede auf Heinr a u a ee se a Man Hymnen an das Diadem der een ae, es : . ORF: Zur itraaklehe, Gliederung Fessikreiche 2% or . . . . : 3 Wierind: Die ne der Taubenbank im Golfe von Neape ern Berserıcn: Tafeln für die meer Coo: rdinaten von. Y ‚kleinen Planete re > Ber und nie ertina en Shugerlieren re Be 0. ubien RMANN: re "Forschungen über die von den Königlichen Museen unternommenen . 5 . - a . . . . D 1912. xıv.xıv SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 14. März. (S. 245) HaABERLAnDT: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. (S. 244) Rusens und G. Hertz: Über den Einfluss der Temperatur auf die Absorption langwelliger Wärmestrahlen in einigen festen Isolatoren. (S. 256) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 14. März. (S. 275) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus 3 6. ryı’ rı x “7 2 I nr ungheice | wenn es Een nicht bione | um glatten Text handelt, regte: ' reiche erfasser. F remde _. vorlegende Mitglied 'Mö ;glichkeit nicht ü abe un AeRBED Schreibverschen an hen. 2 ürfen der nehmig ke 01 us N ı girenden Secretars vor or der r Einsendung an die Druckere TR = . und die Verfasser sind zur g kosten verpflichtet. Aus $ 8. Von allen in die Sitz erichte oder Abhandlun; ‚ Red Adressen oder. aufgenommenen wissenschafichen on en, Berichten n Verfasser, von wissenschaftlichen Mirtheilun Umfang im en Stücks ‚der Sitzungsberiehte ausgegeben x werde £ es n Buchhar ndel hergestellt, indess nur dann, wenn di Vertasser sich ausdrü ekli ich damit einverstanden erk $ ken aus 4 itsungebesiehl ser, sn Mitgliec ed der Akademie er Vertheilun 1 Gr den Se erhält ein Verfas zu —. 243 SITZUNGSBERICHTE 1912. DER XIV. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 14. März. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. “ Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. Hr. Hagerranor las: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. Zahlreiche Arten der Orchideengattung Pterostylis besitzen ein für mechanische Reize empfindliches Labellum. Bei Pterostylis curta und verwandten Arten ist die Lippenplatte an ihrer Basis mit einem pinselförmigen Anhängsel versehen. Es wird gezeigt, dass dieses Anhängsel das Perceptions- oder Sinnesorgan des Labellums dar- stellt, durch dessen Berührung die ‚Reizbewegung des letztern ausgelöst wird. Nach Besprechung der hierauf bezüglichen Versuche wird der anatomische Bau des Perceptions- organs beschrieben. Sitzungsberichte 1912. 244 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. März 1912. Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüte. Von G. HABERLANDT. Die Vertreter der in Australien, Neuseeland und Neukaledonien ein- heimischen Orchideengattung Pterostylis sind der Mehrzahl nach durch den Besitz eines für mechanische Reize empfindlichen Labellums aus- gezeichnet. Das mediane Sepalum der Blüte bildet mit den seitlichen Petalen einen Helm, die paarigen Sepalen sind mehr oder weniger zu einer Unterlippe verwachsen. Das Labellum ist sehr verschieden gestaltet und besteht bei den uns hier interessierenden Arten aus einer schmalen »Platte« und einem kürzeren »Nagel«. An der Basis der Platte, dort, wo sie in das Bewegungsorgan des Labellums, den Nagel, übergeht, befindet sich auf der Oberseite ein bei den einzelnen Arten sehr verschieden geformtes Anhängsel, dessen Bau und hypothetische Funktion ich in der 2. Auflage meiner Arbeit über »Sinnesorgane im Pflanzenreich zur Perzeption mechanischer Reize«'! eingehend erörtert habe. Da mir bei meinen damaligen Untersuchungen nur Herbar- material zur Verfügung stand, so konnte zwar der anatomische Bau des Anhängsels bei den verschiedenen Arten mit hinlänglicher Genauig- keit festgestellt werden, hinsichtlich seiner Funktion mußte ich mich aber auf bloße Vermutungen beschränken. Erst vor kurzem fand ich Gelegenheit, diese Vermutungen experimentell zu prüfen. Im Kgl. Bo- tanischen Garten zu Dahlem bei Berlin wird nämlich gerade jene Art, die in bezug auf die hypothetische Funktion des Anhängsels als Per- zeptionsorgan für mechanische Reize das größte Interesse darbietet, Pierostylis curta R. Br., mit Erfolg kultiviert und gelangt alljährlich im Februar bis März zur Blüte. Dem freundlichen Entgegenkommen des Direktors des Botanischen Gartens, meines verehrten Kollegen Hrn. Geheimrat Prof. Enezer, verdankte ich die Möglichkeit, im Februar l. J. mit Mia: wohlentwickelten Blüten dieser Pterostylis-Art experi- i ug isn ein usw., 2. Aufl., Leipzig 1906, $. 85 ff. HaBertLAnNDT: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. 245 mentieren zu können, die Reizbarkeit des Labellums kennen zu lernen sowie die Funktion seines Anhängsels endgültig festzustellen. Nach den Beobachtungen von Tu. F.Cuezseman' u.R.D. FıTzeERALD? wird die Reizbewegung der Lippenplatte durch kleine Insekten aus- gelöst, die sich auf ihr niederlassen. Durch plötzliche Einkrümmung des Nagels wird die Platte zurückgeschlagen (Fig. B)’ und das Insekt wird in der Blüte eingeschlossen. Es kann nur entweichen, indem es auf der Säule emporkriecht und eventuell mitgebrachte Pollen- massen auf der ungefähr in der Mitte der Säule gelegenen langen Narbe (Fig. A, st) abstreift. Wenn es dann weiter emporkriecht, muß es sich zwischen den beiden flügelartigen Anhängseln durchzwängen, die sich am oberen Ende der Säule (f) befinden. Es streift dann das Rostellum und nimmt die Pollinien mit. A B Pterostylis-Blüten nach dem Typus der Pt. curta; halbschematisch mit Benutzung Fırzorrauo’scher Figuren gezeichnet. Helm und Unterlippe sind wegpräpariert. A Blüte mit ungereiztem, B Blüte mit gereiztem Labellum, 8 Säule, an Anthere, F flügelförmige Anhängsel der Säule, st Stigma, I Lippenplatte, n Nagel (Bewegungsorgan), @ Anhängsel des Labellums (Sinnesorgan). Weder Cureseman noch Fırzerrarp haben sich darüber geäußert, ob die Lippenplatte in ihrer ganzen Ausdehnung oder nur an gewissen Stellen empfindlich ist. Bei Pterostylis curta und anderen Arten ist das Labellum teilweise im Helm der Blüte eingeschlossen und schräg aufgerichtet. Nach Fırzezrar» soll in diesen Fällen auch die Unter- I! Typ. F. Cueeseman, On the Fertilization of the New Zealand Species of Ptero- stylis. Transact. New Zealand Institute, Vol. V, 1873, S. 352. ® R.D. Frrzezrarn, Australian Orchids, Vol. I, Sydney 1882. \ ® Die Figuren sind der 2. Auflage meiner »Sinnesorgane im Pflanzenreich usw.« entnommen. i 2% 246 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. März 1912. seite des Labellums reizbar sein. Wenn also das Insekt die nach außen gekehrte Unterseite der Lippenplatte als Anflugstelle benutzen würde, so wäre die Reizbarkeit des Labellums bei diesen Spezies eine nutzlose, ja nachteilige Eigenschaft. Denn die Lippenplatte würde sich zurückschlagen, ohne das Tier in der Blüte einzuschließen. Man darf demnach von vornherein bezweifeln, ob die Angaben FırzeErALns betreffs der Reizbarkeit der Unterseite des Labellums richtig sind. Schon On. Darwın hat sich in diesem Sinne ausgesprochen. ÜHEESEMAN hat nur Beobachtungen über die Blüte von Pterostylis trullifolia angestellt. Er ist der Ansicht, daß anfänglich das Gewicht des Insektes, das sich auf dem Ende der Lippenplatte niedergelassen hat, dem Bestreben dieser, sich einwärts zu schlagen, entgegenwirke; erst später, wenn das Insekt auf der Platte weitergekrochen ist, wird jener Widerstand überwunden und die Lippenplatte schnellt zu- rück. Bei dieser Annahme geht er von der Voraussetzung aus, daß die Lippenplatte in ihrer ganzen Ausdehnung, also auch an der Spitze, reizbar sei. Die näherliegende Annahme, daß der obere Teil der Platte unempfindlich ist, wird von Cuerseman nicht diskutiert. Experimentelle Untersuchungen über die Verteilung der Empfindlichkeit von der Spitze des Labellums bis zu seiner Basis hat er nicht ausgeführt. Bei Pterostylis curta R. Br. weist der Blütenschaft nur eine einzige terminale Blüte auf. Der Helm ist von weißlich-transparenter Farbe, nur der obere Teil ist rötlich angehaucht; die Nerven sowie die auf- wärtsgeschlagene, von den zwei vorderen Sepalen gebildete »Unter- lippe« sind lichtgrün gefärbt. Das schräg aufwärts gerichtete Label- lum ragt nur mit seinem nach außen gebogenen Endlappen aus der Blüte hervor. Er ist nach Fırzerrarn lebhaft karminrot gefärbt; an den im Botanischen Garten zu Dahlem gezogenen Pflanzen zeigt er nur eine rotbraune Farbe, die gegen die Basis der Platte zu allmäh- lich verblaßt. Immerhin bildet das aus dem Helm hervorragende Endstück der Platte eine sehr auffallende Anflugstelle. »Würde nun schon dieses Endstück der Platte auf seiner Oberseite reizbar sein, so würde bei der Reizbewegung das Insekt nicht in das Innere der Blüte eingeschlossen werden, sondern zu hoch oben, an das Ende der Säule bzw. an die beiden zusammenneigenden Flügel angedrückt werden oder die Säule überhaupt nicht berühren. Es würde rasch entweichen, ohne die Anthere gestreift zu haben. Die Lippenplatte ist nämlich so lang, daß ihr Endlappen in der Reizstellung über das Ende der Säule um etwa 4 mm, d.i. fast um ein Drittel der Lippenplatte, hinaus- ragt. Es ist daher nicht wahrscheinlich, daß schon das Endstück der Platte auf seiner Oberseite hinlänglich reizbar ist, um bei der Be- rührung des anfliegenden Insektes die Reizbewegung herbeizuführen. Haserrannr: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. 247 Es ist vielmehr zu erwarten, daß das Insekt erst später, wenn es auf der Platte weiterkriecht, die Reizbewegung auslöst; dann erst wird es sieher in der Blüte eingeschlossen und muß nun, auf normalem Wege entweichend, die Pollinien mitnehmen. « »Die Perzeptionsstelle für den von dem eindringenden Insekt aus- geübten mechanischen Reiz ist also nicht am oberen Ende der Lippen- platte, sondern weiter unten zu suchen. Da stellt sich nun an ge- eignetster Stelle dem Tiere das bogig nach aufwärts gekrümmte An- hängsel entgegen und versperrt ihm den Weg. Dasselbe besteht bei Pt. eurta und allen Arten, die diesem Typus angehören, aus einem bandförmigen unteren Teil, der bogig gekrümmt ist, und einem am Rande in zahlreiche Lappen und Zipfel aufgelösten oberen Teil, der dicht mit kurzen zartwandigen Haaren bedeckt ist; das Anhängsel gleicht so einem flach ausgebreiteten Pinsel. Das weiterkriechende Insekt muß unfehlbar an das Anhängsel anstoßen und die Zipfel und Haare verbiegen. Unter diesen Verhältnissen halte ich es für höchst wahrscheinlich, daß das pinselförmige Anhängsel das Perzep- tionsorgan des Labellums vorstellt«. Mit diesen Worten habe ich mich in der 2. Auflage meines oben- genannten Buches über die mutmaßliche Funktion des Anhängsels ge- äußert. Die Grundlagen für diese Annahme lieferten mir ausschließ- lich der morphologische und anatomische Bau der Blüte. Seit der Veröffentlichung meiner Untersuchungen über das La- bellum der Pterostylis-Blüte sind drei Arbeiten erschienen, die sich gleichfalls mit der Funktion des Anhängsels beschäftigen. Zunächst hat Oswarp H. Sarernt' über Beobachtungen berichtet, die er an den Blüten verschiedener Pterostylis-Arten (Pt. reflexa, con- strieta, nana, pyramidalis, recurva, vittata, Sargenti, rufa und turfosa) in ihrer Heimat (Westaustralien) angestellt hat. Die Arbeit CnEESEMANS sowie die von mir veröffentlichten Untersuchungen sind ihm unbekannt geblieben. Sarsenr beschreibt, ohne sich auf mikroskopische Beob- achtungen zu stützen, ziemlich eingehend die Blüte von Pterostylis reflexa; das bogig gekrümmte Anhängsel seines Labellums endigt wie bei Pterostylis curta pinselförmig. In ungereiztem Zustande ragt das Endstück des Labellums aus dem Helm heraus und bildet eine sehr geeignete Anflugstelle. Wenn das Insekt die Basis des Labellums erreicht hat, springt dieses zurück und schließt das Tierchen in der Blüte ein. Diese Angabe deckt sich im wesentlichen mit jener ÜHEESE- Mans über den Eintritt der Reizbewegung bei Pterostylis trullifolia. Am ı 0. H. Sırsewr, Notes on the Life-History of Pterostylis, Annals of Botany, Vol. XXIII, 1909, S. 265 ff. 248 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. März 1912. wichtigsten sind für uns die Mitteilungen, die Sarernr über seine Ver- suche betreffs der Lokalisation der Reizbarkeit des Labellums gemacht hat. Wenn man die Reizung mit dem Finger oder irgendeinem gröberen Instrumente (heavy instrument) vornimmt, so hat es den An- schein, als sei das Labellum überall reizbar. Vorsichtige Experimente mit einer Borste lehren aber, daß die Reizbarkeit nur auf das An- hängsel beschränkt ist'. Dementsprechend hat Sarernt beobachtet, daß sich Insekten auf dem Labellum von Pterostylis rufa, Sargenti und vittata niederlassen und wieder fortfliegen, ohne die Reizbewegung aus- zulösen. Daß das Anhängsel sehr empfindlich ist, schließt Sarsent aus dem geringen Gewicht der in die Blüte eindringenden Insekten — es handelt sich um kleine Dipteren —, von denen eine etwa ein Milligramm schwer ist. Leider hat es SAarsent unterlassen, seine Versuche betreffs der Reizbarkeit des Labellums genauer zu beschreiben. Er sagt nichts darüber, ob er das Labellum mit der Borste auf der Ober- oder Unter- seite gereizt hat, ob er die eventuelle Empfindlichkeit seines Randes prüfte, und ob er auch mit der Möglichkeit rechnete, daß wenigstens der untere Teil der Lippenplatte reizbar ist. Immerhin darf ich in seiner sehr bestimmt ausgesprochenen Angabe, daß nur das Anhängsel reizbar sei, eine Bestätigung meiner drei Jahre vorher ausgesprochenen Vermutung erblicken, daß das Anhängsel des Labellums der hier in Betracht kommenden Pierostylis-Arten ein Perzeptionsorgan für me- chanische Reize darstelle. In einem kleinen Aufsatze über Pterostylis curta R. Br. hat dann F. Lepıen® den Bestäubungsvorgang im Anschluß an Fırzerrann ge- schildert. Bezüglich des Anhängsels sagt er, daß es »augenscheinlich den Reiz, welcher das Hochklappen der Unterlippe” hervorruft, ver- mittelt«. Genauere Beobachtungen werden nicht mitgeteilt, auch sind dem Verfasser meine Angaben über die Pterostylis-Blüte sowie die Arbeit von SARGENT unbekannt geblieben. In der letzten, erst vor kurzem erschienenen Mitteilung über » Das Perzeptionsorgan der Pterostylis-Blüte« von E. Werrn* kommt der Ver- fasser in bezug auf die Reizbarkeit des Labellums und seines Anhängsels zu wesentlich andern Resultaten. Er kennt zwar meine Untersuchungen über die Pterostylis-Blüte, die Arbeit von Sarsent ist ihm aber ent- * »But careful experiments with a bristle have convinced me that the sensitive- ness is really localized in the appendage.« | ” F. Levıen, Pterostylis curta, Gartenflora 1910, S. 100ff. ° Statt »Unterlippe« soll es richtig heißen »Labellum« * E. Werrn, Das Perzeptionsorgan der Pterostylis-Blüte, Berichte der Deutschen Bot. Gesellschaft, Jahrg. ıgır, S. 728 ff. Haservanpr: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. 249 gangen. E. Werra hat verschiedene Pterostylis-Arten bereits vor vielen Jahren in Australien beobachtet. Bei Pt. longifolia, die übrigens nicht zu jener Sektion gehört, bei der das Anhängsel von pinselförmiger Gestalt ist, soll das ganze Labellum reizbar sein. Ein eigenes Per- zeptionsorgan ist nach E. Werrn nicht vorhanden, und auch die teil- weise Behaarung des Labellums soll in keiner Beziehung zu seiner Reizbarkeit stehen. Aus der Sektion Antennaea hat der Verfasser Pt. eurta und nutans lebend untersucht. Sonderbarerweise leugnet er bei diesen Arten die Reizbarkeit des Labellums überhaupt und gibt nur zu, daß nach den Beobachtungen FrrzeErALDS »bestimmte Individuen der dem Typus curta angehörenden Arten eine wenigstens geringe Reizbarkeit des Labellums aufweisen«. E. Werr# ist ferner der An- sicht, daß die Blütenkammer von Anfang an geschlossen sei. Er bildet das Labellum von Pt. curta in der Reizstellung ab, wobei es also an die Säulenflügel angepreßt ist und behauptet, daß es nach seinem Be- . funde »gar nicht beweglich« sei, sondern nur mit seinem schmalen Nagel »federnd« in Verbindung stehe. Die Nichtreizbarkeit des La- bellums von Pt. eurta wie mehrerer anderer Arten desselben Typus soll auch Hr. Dr. SCHLECHTER festgestellt haben, der viele Arten selbst gesammelt und im lebenden Zustand untersucht hat. E. Werru stellt sich nun den Bestäubungsmechanismus folgender- maßen vor: Das Insekt kriecht vom oberen Ende des Labellums ab- wärts und gelangt so in den Winkel, den die Platte mit den Flügeln der Säule bildet. Es drückt nun das an die Flügel angepreßte La- bellum zurück, was ihm bei der federnden Anheftung des letzteren leicht gelingt und schlüpft in die Blütenkammer hinein. Da E. Werru die Reizbarkeit des Labellums von Pt. curta und den verwandten Arten überhaupt in Abrede stellt, so kann er natür- lich in seinem pinselförmigen Anhängsel auch kein Perzeptionsorgan für mechanische Reize erblicken. Er hält es vielmehr nur für ein Anlockungsmittel, eine Ansicht, die übrigens lange vor ihm schon OLiver ausgesprochen hat‘. — Bei dieser widerspruchsvollen Sachlage war es mir sehr erwünscht, daß ich mit zwei lebenden Blüten von Pterostylis curta, die, wie er- wähnt, aus dem Botanischen Garten zu Dahlem stammten, selbst eine Anzahl von Experimenten anstellen konnte. Es sei mir gestattet, über die Ergebnisse dieser Versuche im nachstehenden zu berichten. Am 12. Februar 1. J. vormittags ‘brachte der Obergehilfe des Uni- versitätsgartens einen Topf mit mehreren Pflanzen, von denen zwei ı F.W. Orıver, On the sensitive Labellum of Masdevallia muscosa, Rch. f. Annals of Botany, Vol. I, 1888. 250 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. März 1912. offene Blüten aufwiesen, aus dem Gewächshaus zu Dahlem in das Botanische Institut. Der ganze Topf war während des Transportes sorgfältig in Papier gehüllt, zumal die Temperatur im Freien nur 4—5° GC betrug. Nach Entfernung der Papierhülle ergab die Be- sichtigung der beiden Blüten, daß sich in einer das Labellum in jener Lage befand, die nach FırzerraLn für seine Stellung im un- gereizten Zustande charakteristisch ist. In der zweiten Blüte dagegen befand sich das Labellum in der Reizstellung. Es soll gleich bemerkt werden, daß in dieser Blüte am nächsten Tage einige Blattläuse ent- deckt wurden. Es kann sonach wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß das Labellum dieser Blüte nur deshalb die Reizstellung angenom- men hatte, weil während der Fahrt eine Blattlaus darauf gefallen oder darüber gekrochen war. Daß in der anderen Blüte das Labellum trotz der dreiviertelstündigen Wagenfahrt ungereizt blieb, beweist an und für sich noch nicht, daß bloße Erschütterung nicht als Reizursache wirkt. Die Pflanze könnte sich ja ähnlich wie Mimosa pudica ver- halten, bei der bekanntlich die Laubblätter trotz fortgesetzter Erschütte- rung infolge Abstumpfung der Empfindlichkeit allmählich in die Aus- gangsstellung zurückkehren'. Daß ein derartiges Verhalten bei Pie- rostylis nicht vorliegt, geht aber aus der Tatsache hervor, daß im Laboratorium ruhig aufgestellte Pflanzen bei mäßiger Erschütterung keine Reizbewegung des Labellums zeigten. Mit der letzterwähnten Blüte, deren Labellum sich, wie erwähnt, in der Ausgangsstellung befand, wurden nun sofort einige Reizver- suche vorgenommen. Zur Reizung diente mir ein menschliches Bart- haar von ungefähr 2 em Länge und 140 u Dicke, das an einem langen dünnen Holzstäbchen befestigt war. Zunächst wurde die Unterseite des oberen Teiles des Labellums berührt und gestreift, um festzu- stellen, ob die Angabe Fırzerrarns betreffs der Reizbarkeit der Unter- seite der Lippenplatte richtig ist oder nicht. Es trat keine Reiz- bewegung ein, und zwar auch dann nicht, wenn durch den Druck des Haares die Lippenplatte etwas zurückgebogen wurde. Dasselbe Er- gebnis wurde bei Wiederholung dieses Versuches in den nächsten Tagen bei beiden Blüten erzielt, so daß die Behauptung FırzerrALos, wonach auch die Unterseite der Lippenplatte reizbar sein soll, als irrig erwiesen ist. Damit fällt natürlich auch die Annahme des ge- nannten Forschers, daß die Reizbarkeit des Labellums bei Pt. curta und den verwandten Arten eine nutzlose, der Fremdbestäubung hinder- liche Einriehtung vorstellt. Nun suchte ich die Oberseite des Label- lums durch wiederholtes Darüberstreifen mit dem Barthaar zu reizen. ‘ Vgl. Prerrer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., II. Bd., S. 443- HaperLanvr: Über das”Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. 251 Das Ergebnis war ein negatives, die Reizbewegung trat nicht ein. Erst nach Berührung des Anhängsels, das aber in der intakten Blüte nicht gut und nur teilweise siehtbar ist, schnellte das Labellum rasch zurück. Um das Labellum und sein pinselförmiges Anhängsel in seiner ganzen Ausdehnung gut überblieken und mit Sicherheit an jeder be- liebigen Stelle reizen zu können, brachte ich bei einer Blüte an einer Seite des Helmes einen fensterförmigen Ausschnitt an, der ungefähr ıo mm hoch und 5 mm breit war. Das Labellum befand sich schon vor der Operation in der Reizstellung. Nach Ablauf einer Stunde hatte es wieder die Ausgangsstellung angenommen. Da bei intakten Blüten die Rückkehr in diese Stellung nach meinen Beobachtungen 35—60 Minuten erfordert (Temp. 20° C), so hat bei der operierten Blüte der Wundshock die rückläufige Bewegung des Labellums nicht oder nur unbeträchtlich verzögert. Weitere Versuche wurden dann in den nächsten Tagen vorge- nommen. Der Topf mit den Versuchspflanzen stand auf meinem Ar- beitstische vor einem Südfenster des Botanischen Institutes, ohne aber direkt besonnt zu werden. In den Pausen zwischen den einzelnen Versuchen sowie auch nachts war eine große Glasglocke, die teilweise mit feuchtem Filterpapier ausgekleidet war, über den Topf gestülpt. Wenn man die Ober- oder Unterseite des Labellums durch Be- rührung oder Streifung mit dem Barthaare zu reizen versuchte, so trat wie bei jenem ersten Experimente niemals eine Reizbewegung ein. Dieses Verhalten zeigte sowohl die intakte wie die mit dem Fensterausschnitte versehene Blüte. Bei letzterer löste auch die Be- rührung und Streifung des Plattenrandes sowie des gekrümmten Stieles des Anhängsels die Reizbewegung nicht aus. Diese erfolgte erst, wenn der pinselförmige obere Teil des Anhängsels gereizt wurde. Dabei genügte schon eine ganz sanfte Berührung mit dem Barthaare, um diesen Erfolg zu erzielen. Bei der intakten Blüte kam es zweimal schon dann zur Aus- lösung der Reizbewegung, wenn der Rand des untersten Teiles der Lippenplatte mit dem Barthaare gerieben wurde. An der »Fensterblüte« ließ sich derartiges nicht beobachten. Auch die in- takte Blüte reagierte später (am 17- Februar) erst dann auf den Reiz, wenn das Anhängsel berührt wurde. Die Reibung des Plattenrandes blieb erfolglos. Wenn nach 35—60 Minuten das Labellum in die Ausgangsstel- lung zurückgekehrt ist, so befindet es sich zunächst noch in einem Starrezustand. Auch eine kräftige und wiederholte Berührung des An- hängsels mit dem Barthaare führte zu keiner Reizbewegung. Auf diese 252 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. März 1912. Eigentümlichkeit hat übrigens schon FırzezrrArn hingewiesen. Ihr Ana- logon findet diese Erscheinung in dem Verhalten der Blattgelenke von Mimosa pudica, deren Reizbarkeit, wie Prerrer' gefunden hat, nach Vollendung der Rückkehrbewegung des Blattes auch nur langsam wiederkehrt. Nach Ablauf einiger Tage nahm die Empfindlichkeit des Labellums beider Blüten allmählich ab, und zwar in der operierten Blüte rascher als in der unverletzten. Bei ersterer war die Reizbarkeit am 17. Februar, d.i. 5 Tage nach Beginn der Versuche, vollständig erloschen; das Labellum hatte nun dauernd die »Reizstellung« angenommen. In der intakten Blüte war an diesem Tage das Labellum nicht ganz in die normale Ausgangsstellung zurückgekehrt, so daß das Endstück der Lippenplatte kaum mehr aus dem Helm hervorragte. Wie schon oben erwähnt wurde, führte das Labellum jetzt nur nach Berührung des Anhängsels die Reizbewegung aus. Aus den mitgeteilten Beobachtungen ergibt sich zunächst, daß bei Pterostylis curta, wie nach den Angaben von FrrzerrArn und SARGENT von vornherein zu erwarten war, das Labellum reizbar ist; Erschütte- rung wirkt nicht als Reiz, erst durch Berührung mit einem festen Körper wird die Reizbewegung ausgelöst”. Die Behauptung von E. Werra, daß das Labellum der Prerostylis-Arten vom Typus der Pterostylis curta nicht reizbar sei, ist demnach vollkommen unrichtig. Wahrscheinlich hat dieser Autor bei Beobachtung der Pflanze in der freien Natur zufällig immer nur solche Blüten gefunden, deren Labellum sich in der Reizstellung befand; da dies zugleich die Stellung dieses Organs in älteren Blüten ist, deren Labellum seine Empfindlichkeit schon verloren hat, so kann auch dieser Umstand dazu beigetragen haben, daß E. Werru sich getäuscht hat. Meine Beobachtungen lehren ferner, daß die Unterseite des La- bellums, entgegen den Angaben FırzerrauLos, auch für kräftige mecha- nische Reize unempfindlich ist. Das gleiche gilt für die Oberseite und den gebogenen Stiel des Anhängsels. Nur der Rand des untersten Teiles der Lippenplatte ist bei hochgradiger Empfindlichkeit des La- bellums reizbar. Das ist blütenbiologisch deshalb von Vorteil, weil auf diese Weise auch Insekten, die auf der Lippenplatte abwärts kriechend nicht direkt auf das eigentliche Perzeptionsorgan, das An- hängsel, zusteuern, sondern schon vorher seitlich ausweichen wollen, ' W.Prerrer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., II. Bd., S. 443. ” Ob die Bewegung auch durch einen genügend kräftigen Wasserstrahl aus- gelöst werden kann, wie dies nach Barrour bei den Fühlborsten von Dionaea der Fall ist, habe ich nicht untersucht. Unter natürlichen Verhältnissen kommt jedenfalls nur die Reizung durch einen festen Körper, das einkriechende Insekt, in Betracht. Hasertannr: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. 253 bei Berührung des Lippenrandes doch noch mit Sicherheit in der Blüte eingeschlossen und so der Fremdbestäubung dienstbar gemacht werden. Der empfindlichste, bei geringerer Reizbarkeit des La- bellums allein empfindliche Teil desselben ist sein pinsel- förmiges Anhängsel, das deshalb mit Recht als das Sinnes- oder Perzeptionsorgan der Blüte bezeichnet werden darf. Nur der obere reichverzweigte und mit einzelligen Haaren versehene Teil des Anhängsels ist empfindlich, sein Stiel ist nicht reizbar. Der Umstand, daß auch der Rand des untersten Teiles der Lippen- platte, und zwar in geringerem Grade, sensibel ist, kann gegen die Auffassung des Anhängsels als Perzeptionsorgan nicht geltend gemacht werden. Auch die Fühlborsten des Blattes von Dionaea muscipula sind des- halb nicht weniger scharf ausgeprägte Sinnesorgane, weil das Zusammen- klappen der beiden Blatthälften auch durch kräftige Reibung der ober- seitigen Blattepidermis bewirkt werden kann. So haben die experimentellen Beobachtungen die Richtigkeit meiner Annahme betreffs der physiologischen Funktion des Anhängsels am Labellum der Blüte von Pterostylis curta vollkommen bestätigt. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß auch bei den ver- wandten Arten mit gleichgebautem Labellum das pinselförmige Anhäng- sel als Perzeptionsorgan für mechanische Reize fungiert. Bei Pterostylis reflexa hat dies, wie oben erwähnt wurde, Sırsent bereits experimentell nachgewiesen. Nach den Beschreibungen und Abbildungen Fırz6ErALDS kommen hier noch folgende Arten in Betracht: Pi. Baptisii Fırze., pedo- glossa Fırze.., striataFırze., coccina Fırze., truncata Fırze., pedunculata R. Br., acuminala R. Br., ophioglossa R. Br., concinna R. Br., nutans R. Br., his- pidula Fırze. und obtusa R. Br. Über den anatomischen Bau des Labellums und seines Anhängsels habe ich bereits in meiner früher erwähnten Arbeit (S. 97; 98) berichtet. Ich möchte hier noch einige ergänzende Bemerkungen hinzufügen. Der untere bogig gekrümmte Teil des Anhängsels ist bandförmig, etwa 2.5 mm lang, an seiner Basis 0.8 mm breit, gegen oben zu ver- schmälert; sein Rand ist hier beiderseits nach oben zu umgeschlagen. Dieser bandförmige Stiel, der oberseits in der Mitte eine schmale Längs- leiste trägt, wird von 5 Tracheidenbündeln durchzogen, einem stär- keren medianen und zwei schwächeren lateralen. Sie enden an der Stelle, wo sich das Anhängsel in die Zipfel zu verteilen anfängt. In das Parenchym des Stieles sind außerdem ziemlich zahlreiche Raphi- denschläuche eingestreut. Die Anzahl der Zipfel, die ı bis 2 mm lang sind, schwankt zwischen 28 bis 32. Ihre Dicke beträgt 70 bis 90 u. Sie bestehen aus nur wenigen Reihen gestreckter, zartwandiger Par- 254 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. März 1912. enehymzellen, deren Querwände meist schräg gestellt sind. Die sie umgebenden Epidermiszellen sind gleichfalls gestreckt, mit sehr zarten Außenwänden versehen und wachsen an ihren basalen Enden häufig zu schräg abwärts gerichteten Haaren aus. Nicht selten sind zwei Haare an den Enden benachbarter Zellen, ähnlich wie bei den Fühl- haaren der Centaureafilamente, zu einem Doppelhaare verwachsen; die beiden miteinander verwachsenen Zelläste sind in der Regel von sehr ungleicher Länge. Das obere Ende der Zipfel ist meist dicht mit widerhakenförmigen zartwandigen Haaren besetzt; nur ausnahmsweise ist ein Haar vollkommen gerade‘. Ob nun die an den Zipfeln auftretenden zahlreichen Haare als die eigentlichen Perzeptionsorgane fungieren, oder ob die Reizbewe- gung durch die Verbiegung der Zipfel ausgelöst wird, wobei die Haare nur als Reizüberträger, als Stimulatoren wirken würden — diese Frage läßt sich natürlich nicht sicher beantworten. Ich möchte die letztere Annahme für die wahrscheinlichere halten, da die widerhaken- förmigen Haare gegen ihre Basis zu verbreitert sind; für ihre Ver- biegung ist das keine günstige Form, als Stimulatoren sind sie aber ganz zweckmäßig gebaut. Jedenfalls wird schon ein kleines Insekt die zarten Zipfel leicht verbiegen können. Die Epidermiszellen der Oberseite der Lippenplatte sind sämtlich zu zartwandigen, zahnartigen Papillen ausgewachsen, die alle basal- wärts gerichtet sind. Am größten sind diese Papillen an der Spitze der Platte; gegen die Basis zu werden sie immer kleiner. Daß diese Papillen das Hinabkriechen des Insektes erleichtern, ist nicht zu be- zweifeln; sie stellen gewissermaßen Widerhaken vor, an denen das Tier sich leicht festklammern kann. Der beiderseitige Rand des unter- sten Teiles der Lippenplatte, der, wie wir gesehen haben, gleichfalls einen gewissen Grad von Empfindlichkeit besitzt, ist etwas empor- gekrümmt, wulstförmig verdiekt und dicht mit kleinen, basalwärts ge- richteten Papillen besetzt. Ihre Außenwände sind besonders zart, nur etwa 0.5 u diek”, während die Außenwände der weitaus größeren Pa- pillen am obasch Ende der Lippenplatte etwa doppelt so dick sind. Die zu erfolgreicher Reizung erforderliche Deformation der anliegen- den Plasmahaut wird also überaus leicht erfolgen können. Bei Pierostylis nutans ist das Anhängsel des Labellums nach meinen früheren Untersuchungen im wesentlichen ebenso gebaut wie das von Pt. curta. Bei Pt. reflexa, mit der SARrsEnT experimentiert hat, besitzt ' Abbildungen des Anhängsels und seiner Zipfel habe ich in meiner zitierten en Taf. VIII, Fig. 3 und 4 veröffentlicht. ie zarten Wände der Fühlpapillen von Opuntia vulgaris besitzen eine Dicke von bis 0.8 u. Hapertanvr: Über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe. 255 das Anhängsel einen langen, schmalen Stiel. Die Zipfel des Endteiles sind mit kürzeren Haaren versehen als bei Pt. curta und nutans. Oft kann man nur von Papillen sprechen. Bei den übrigen Arten, die oben aufgezählt worden sind, ist das Anhängsel noch nicht genauer anatomisch untersucht worden, doch ist nieht anzunehmen, daß we- sentliche Verschiedenheiten im anatomischen Bau zu beobachten sein werden. Nach den vorstehenden Darlegungen stellt das Anhängsel des Labellums von Pterostylis curta und den verwandten Arten eines der größten, auffälligsten und am zweckmäßigsten gebauten Sinnesorgane für mechanische Reize vor, die wir im Pflanzenreiche kennen. a a 256 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Über den Einfluß der Temperatur auf die Absorp- tion langwelliger Wärmestrahlen in einigen festen Isolatoren. Von H. Rusens und G. Hertz. (Vorgetragen am 29. Februar 1912 [s. oben S. 215].) Über die Änderung des Absorptionsvermögens fester Körper mit der Temperatur liegen bereits zahlreiche Arbeiten vor. Soweit sich diese Untersuchungen auf breitere Absorptionsgebiete im sichtbaren und ultra- roten Spektrum beziehen, liefern sie das Ergebnis, daß mit steigender Temperatur eine Verschiebung des Absorptionsstreifens nach längeren Wellen erfolgt, daß diese Verschiebung um so geringer ist, je weiter das betreffende Absorptionsgebiet im Ultraroten liegt und daß meist bei Temperaturerhöhung eine schwache Verbreiterung des Absorptions- streifens auftritt‘. Bekannt ist ferner, daß in dem Absorptionsspektrum mancher festen Körper, z.B. der seltenen Erden, relativ scharfe Banden beobachtet werden, welche bei abnehmender Temperatur noch viel schmaler und schärfer werden, ohne ihre Lage wesentlich zu ändern”. Bei der Temperatur der flüssigen Luft erreichen diese Banden eine solche Schärfe, daß sich das Zerman-Phänomen leicht beobachten läßt. Es deutet dies zugleich darauf hin, daß es sich hier um schwingende Elektronen handelt, durch welche die betreffenden Absorptionsstreifen hervorgerufen werden. Über den Einfluß der Temperatur in denjenigen Gebieten des Absorptionsspektrums fester Körper, in welchen ausschließlich durch die Resonanz der Ionen Absorption ausgeübt wird, ist bisher nichts ' Siehe insbesondere die zahlreichen und sorgfältigen Messungen von J. Könıgs- BERGER, Ann. d. Phys. 4, $. 796, 1901, und J. Könıgsperser und K. Kırcazıne, Verh. d. Dt. Phys. Ges. 1908, S. 537, sowie Ann. d. Phys. 28, S. 889, 1909, und 32, $. 843, 1910. — Siehe auch R. A. Hovsroun, Ann. d. Phys. 21, 535, 1906. ® Jean Becquereı, Physik. Zeitschr. 8, S. 929, 1907. Auch diese Banden wandern meist um einen geringen Betrag bei abnehmender Temperatur nach kurzen Wellen. Ihre Breite ist der Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur angenähert proportional. Rusens und G. Herz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 257 bekannt. Und doch beanspruchen gerade diese Spektralgebiete erhöhtes Interesse, weil die Periode und Dämpfung der Eigenschwingungen der Atomgruppen des Moleküls mit einer Reihe von wichtigen Eigen- schaften der Körper in Zusammenhang gebracht werden können, unter welchen in erster Linie die spezifische Wärme zu nennen ist. Im folgenden sollen einige Versuche beschrieben werden, welche den Zweek haben, zur Ausfüllung der genannten Lücke einen Beitrag zu liefern. Wir begannen mit der Untersuchung des Reflexionsvermögens, welches Quarz und Kalkspat im Gebiet ihrer kurzwelligen ultraroten Reststrahlengebiete bei verschiedenen Temperaturen besitzen. Solche Messungen bieten verhältnismäßig geringe Schwierigkeit, weil es sich hier um Spektralbereiche handelt, welche unterhalb A = 10 u liegen, in welchen also die spektrothermometrische Methode noch leicht an- gewendet werden kann. Die Versuchsanordnung, deren wir uns bei diesen Messungen bedienten, ist, soweit es zum Verständnis der Me- thode erforderlich ist, in Fig. ı dargestellt. Die Strahlen einer Nernst- lampe A werden von dem Hohlspiegel B zu einem Bilde A’ vereinigt und gelangen weiter nach Reflexion an dem Planspiegel C in das Innere eines ı0 em tiefen, 5 em weiten Glaszylinders E, welcher mit einer ebenen Steinsalzplatte D verschlossen ist. Auf dem Boden des Zylinders, welcher durch Ausgießen mit Woovschem Metall eben ge- macht ist, liegt der Hohlspiegel F aus dem zu untersuchenden Ma- terial (Quarz oder Kalkspat) und wird in seiner Lage festgehalten durch Korkstücke, welche zwischen die Ränder des Spiegels und die Seitenwände des Zylinders eingeklemmt sind. Nach Reflexion an dem Hohlspiegel F werden die Strahlen in einem konvergenten Bündel 258 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. abermals an dem Planspiegel © reflektiert und dann auf dem Spalt S eines mit Steinsalz- oder Flußspatprisma versehenen Spiegelspektro- meters zu einem Bilde des Nernstfadens vereinigt. Das Spektrometer war nach der Angabe von Wansworrk mit festen Spiegeln und Spal- ten konstruiert. Als Strahlungsempfänger diente ein Mikroradiometer, dessen luftdicht schließende Glocke mit einer Steinsalzplatte verschlos- sen war. Spektrometer und Mikroradiometer sind in Fig. ı nicht ge- zeichnet. | Der Glaszylinder E war mit einem Ansatzrohre J versehen, welches mit einer rotierenden Kapselpumpe nach Garne in Verbindung stand. Ferner war der obere Teil des Glaszylinders mit einer Heizspirale 7 umwunden, und unmittelbar darunter befanden sich zwei horizontale Pappscheiben X, welche den Glaszylinder E dicht umschlossen. Über den unteren Teil des Glaszylinders konnte ein mit flüssiger Luft ge- fülltes Drwarsches Gefäß G geschoben werden. Der Hohlspiegel F nahm dann nach einigen Minuten gleichfalls die Temperatur der flüs- sigen Luft an, was mit Hilfe eines den Hohlspiegel berührenden Thermoelements aus Eisen und Konstantan festgestellt werden konnte. War der Glaszylinder EZ gut evakuiert und floß in der Heizspirale H ein Strom von passender Stärke, so wurde die Verschlußplatte D während der Versuchsdauer auf Zimmertemperatur gehalten und da- durch vor dem Anlaufen geschützt. Die Versuche wurden stets in der Weise angestellt, daß zuerst an einer Reihe von Punkten des zu untersuchenden Spektralgebiets Ausschläge gemessen wurden, wenn sich der Hohlspiegel F auf Zimmertemperatur befand. Dann wurden diese Messungen wiederholt, während der Hohlspiegel auf die Tem- peratur der flüssigen Luft abgekühlt war, und endlich wurde die In- tensitätsverteilung der Nernstlampe in dem betrachteten Spektralgebiet gemessen, wobei der Planspiegel € durch einen versilberten Hohl- spiegel ersetzt wurde, welcher die von A’ kommenden Strahlen direkt nach S gelangen ließ. Bezeichnet man den für eine bestimmte Wellen- länge im ersten Falle beobachteten Ausschlag mit z, im zweiten mit . £3 5 ” & ß, im dritten mit y, so ist or das Reflexionsvermögen der Substanz bei Zimmertemperatur, se ihr Reflexionsvermögen bei — ı86°. Der Faktor q ist innerhalb einer solchen Versuchsreihe konstant. Aus dem bekannten Reflexionsvermögen' der untersuchten Substanzen bei Zim- mertemperatur ließ sich qg mit genügender Genauigkeit bestimmen. ! O.Reınkoger, Dissert. Berlin 1910; Jous Koca, Arkiv för Matematik, Astron. och Fysik, Bd. 7, Nr. 9, ıgrr. Rusens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 259 Das Verhältnis der Reflexionsvermögen bei hoher und tiefer Tempe- & ratur B’ auf dessen genaue Bestimmung es Uns in erster Linie ankam, ist natürlich von g unabhängig. Die Resultate dieser Messungen für Quarz und Kalkspat, beide senkrecht zur Achse geschliffen, sind in den Kurven der Fig. 2 wiedergegeben, welche das Reflexionsvermögen als Funktion der Wellenlänge darstellen. Die ausgezogenen Linien be- ziehen sich auf Zimmertemperatur, die punktierten Linien auf — 186°. Man sieht, daß die Änderung, welche das Reflexionsvermögen mit der Kalkspat. Fig. 2. Temperatur aufweist, in bei dem Kalkspat scheint das R peratur etwas zu. wachsen, eine nicht erkennbar. Bei dem Quarz eine schwache, aber in jeder Versuchsreihe doch merklich hervor- tretende Wanderung des Streifens nach kürzeren Wellen, welche je- doch nur 0.02 bis 0.03 # beträgt. Auch wächst in dem kurzwelligeren Maximum das Reflexionsvermögen mit sinkender, in dem langwelligen mit steigender Temperatur um einen geringen Betrag. Dieselben Eigen- tümliehkeiten traten auch bei einer Versuchsreihe hervor, bei welcher der Quarzspiegel F dureh flüssigen Wasserstoff bis — 252° abgekühlt wurde. Die Meßgenauigkeit wurde hier leider durch den Umstand beeinträchtigt, daß die Versuchsreihe in verhältnismäßig kurzer Zeit ausgeführt werden mußte, weil es nicht möglich war, das Beschlagen der Steinsalzplatte auf die Dauer zu verhindern. Immerhin konnte Sitzungsberichte 1912. 25 260 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. festgestellt werden, daß sich das Reflexionsvermögen des Quarzes in dem betrachteten Spektralgebiet zwischen — 186° und — 252° kaum merklich ändert. Der zu diesem Versuche verwendete flüssige Wasserstoff wurde uns von Hrn. Nersst freundlichst zur Verfügung gestellt, wofür wir ihm an dieser Stelle herzlichen Dank aussprechen. Wir mußten leider darauf verzichten, Flußspat, Steinsalz und Sylvin in gleicher Weise, wie dies hier für Quarz und Kalkspat ge- schehen war, auf die Änderung des Reflexionsvermögens mit der Temperatur im Reststrahlengebiet zu untersuchen, weil die spektro- metrische Methode in jenen Spektralbereichen versagt. Wir gingen deshalb dazu über, die Absorption in diesen und einigen anderen Substanzen als Funktion der Temperatur zu messen. Freilich ist uns hierbei ein Eindringen in das eigentliche Reststrahlengebiet wegen der großen Stärke der Absorption nicht möglich gewesen, und wir mußten uns auf die Untersuchung von Spektralgebieten beschränken, welche erheblich, oft mehrere Oktaven von dem Absorptionsmaximum ent- fernt sind. Immerhin erwies es sich als ausführbar, bei sämtlichen Substanzen die Änderung der Absorption mit der Temperatur sowohl vor wie hinter dem Reststrahlengebiet zu messen. Je nach der Lage ihres Reststrahlengebiets mußten für die ein- zelnen Substanzen die Absorptionsmessungen an verschiedenen Stellen des Spektrums vorgenommen werden. Außer dem mit dem Spektro- meter zugänglichen Wellenlängenbereich kamen hier die Reststrahlen von Flußspat und Steinsalz und die mittels Quarzlinsen isolierten langwelligen Strahlenkomplexe des Auerbrenners und der Quarzqueck- silberlampe in Betracht. Bei den Reststrahlen von Flußspat wurde ein Auerbrenner als Lichtquelle und drei reflektierende F lußspatflächen benutzt. Es befand sich stets eine Sylvinschicht von etwa ı cm Dieke im Strahlengang, wodurch die Strahlen bedeutend homogener werden und ihre mittlere Wellenlänge auf etwa 23 u herabsinkt. Zur Erzeugung der Reststrahlen von Steinsalz dienten vier Stein- salzflächen und wiederum ein Auerbrenner als Strahlungsquelle. Durch Benutzung eines Steinsalzschirmes wurde die kurzwellige Verunreinigung. der Reststrahlen in der bekannten Weise unschädlich gemacht. _Im Strahlengang befanden sich stets etwa 3 mm Quarz. Die mittlere Wellenlänge betrug etwa 52 w!. Die mittels Quarzlinsen isolierte langwellige Strahlung des Auer- brenners hatte eine 28 mm dicke Quarzschicht und einen Schirm aus ...*% H. Rusens und H. Horısaser, Diese Berichte 2910, 8. 36... Rusens und G. Hertz: Absorption. langwelliger Wärmestrahlen. 261. schwarzem Papier. zu durchdringen und besaß eine mittlere Wellen- länge von etwa 110". Die langwellige Strahlung der Quarzquecksilberlampe? wurde durch eine 2 mm dicke Platte aus amorphem Quarz filtriert und da- durch von der Hauptmenge ihres kurzwelligeren Bestandteiles befreit. Außerdem befand sich hier, ebenso wie bei der zur Isolierung der langwelligen Strahlung des Auerbrenners dienenden Versuchsanordnung stets ein Schirm aus schwarzem Papier dauernd im Strahlengang. Die mittlere Wellenlänge war für die von der Quarzquecksilberlampe herrührende Strahlung von der Größenordnung 300 u; eine genauere Angabe hätte hier nur geringen Wert, weil die Strahlung sehr in-. homogen ist, sich über mehr als eine ganze Oktave erstreckt und im wesentlichen aus zwei Streifen besteht, von welchen der schwächere bei:218 u, der stärkere bei 343 # ein Maximum besitzt. M | 79.8. er o” le Sale al Fig. 3 zeigt die verwendete Quarzlinsenanordnung, welche mit der- jenigen früherer Arbeiten in der Hauptsache übereinstimmt, sodaß auf diese verwiesen werden kann. Die Platte F aus dem zu untersuchenden Material befand sich im Inneren eines Absorptionsgefäßes R und war an derjenigen Stelle in den ‚Strahlengang eingeschaltet, an welcher die Quarzlinse Z, die von der Lichtquelle A kommende, das Diaphragma B durehdringende, langwellige Strahlung zu einem scharfen Bilde des Diaphragmas B. vereinigt. Hinter dem Absorptionsrohr R haben die Strahlen noch das Diaphragma @, welches mit der amorphen Quarz- platte P verschlossen: ist, und den Papierschirm H zu durehdringen, bevor sie durch .die Linse Z, auf die Lötstelle T. des Mikroradio- meters M konzentriert werden. Der Papierschirm H erfüllte in Ge- meinschaft mit der Platte P den Zweck, den Strahlungsaustausch des erhitzten bzw. auf tiefe Temperaturen abgekühlten. Absorptionsgefäßes 4 H, Rusens und R.W. Woop, Diese Berichte 1910, S. 1122. Die mittlere Wellenlänge wurde mit Hilfe des Interferometers neu gemessen. ° an “ 2.H. Rusens und OÖ. von Barver, Diese Berichte 1911, 8.339 und S. 66 95° 262 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. mit dem Mikroradiometer möglichst zu verhindern. Daß dieses Ziel in der Tat erreicht wurde, ging daraus hervor, daß beim Abkühlen bzw. Erhitzen des Absorptionsrohres nur eine geringe Verlegung des Nullpunkts im Mikroradiometer eintrat. Diese war auf die beobachteten Ausschläge ohne Einfluß, weil der Klappschirm D, dessen Entfernen aus dem Strahlengang die Ausschläge hervorrief, unmittelbar hinter dem Diaphragma B angebracht war. Je nachdem Versuche bei Temperaturen unterhalb oder oberhalb der Zimmertemperatur ausgeführt werden sollten, wurden zwei ver- schiedene Absorptionsgefäße verwendet, welche in Fig. 4 dargestellt sind. Das für tiefe Temperaturen bestimmte Absorptionsgefäß (A, A’) besteht hauptsächlich aus einem 20 cm langen, 5 cm weiten Messing- rohr R von 0.5 mm Wandstärke. An seinen Enden sind dicke Messing- ringe aufgelötet, um das Aufkitten der Verschlußplatten P zu erleich- tern. In seinem mittleren Teile ist das Rohr auf eine Länge von IO cm von einem II em weiten Messingzylinder N umgeben, dessen Grundflächen das Messingrohr R exzentrisch durchsetzt, wie dies be- sonders deutlich aus der Seitenansicht A’ zu ersehen ist. Im Inneren des Rohres R befindet sich ein Blendensatz Q, dessen mittlere Blende, welche die zu untersuchende Platte trägt, einen Durchmesser von ı5 mm besitzt. Die Größe der übrigen Blenden ist so bemessen, daß von allen Punkten der Mittelblende aus noch gerade die Ränder der Verschlußplatten sichtbar sind. Das Messingrohr R besitzt einen seit- lichen Rohransatz 7, durch welchen es sich mit Hilfe einer Kapsel- pumpe evakuieren läßt. Auf die Enden des Rohres R sind zwei Heiz- spiralen S und $’ aufgewunden. Es bleibt endlich noch zu erwähnen, daß sich das Absorptionsrohr R zur besseren Wärmeisolierung in einem mit Watte angefüllten Holzkasten befand, aus welchem nur die Rohr- enden mit den Heizspiralen herausragten. Wird der Zylinder N mit flüssiger Luft gefüllt, nachdem das Absorptionsgefäß gut evakuiert ist, so läßt sich der Strom in den Heizspiralen S und 8’ leicht so regulieren, daß die Verschlußplatten P und P’ dauernd auf Zimmertemperatur bleiben, während die Platte F sich nach etwa 10 Minuten auf — 186° abgekühlt hat. Die Verschlußplatten P und P’ mußten für die verschiedenen Strahlenarten in verschiedener Größe und aus verschiedenem Material gewählt werden. Bei der mittels Quarzlinsen isolierten langwelligen Strahlung des Auerbrenners und der Quarzquecksilberlampe wurden senkrecht zur Achse geschnittene Quarzplatten von 3 mm Dicke und 5 em Durchmesser verwendet. Bei den Versuchen mit Reststrahlen von Steinsalz, welche von Quarz sehr stark absorbiert werden, war es nötig, die Dicke der verwendeten Verschlußplatten auf 0.7 mm Rugens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 263 zu verringern. Damit war aber zugleich die Notwendigkeit einer Verkleinerung ihres Durchmessers auf 25 mm verbunden, weil die Platten andernfalls dem äußeren Luftdruck nicht hätten standhalten können. Da der Öffnungswinkel des Strahlenkegels, welcher das Ab- sorptionsgefäß durchdringt, bei den Reststrahlenversuchen bedeutend kleiner war als bei der Quarzlinsenanordnung, so war mit der Ver- kleinerung der Verschlußplatten hier kein erheblicher Energieverlust verbunden. Für die Versuche mit Reststrahlen von Flußspat kam als Mate- rial für die Verschlußplatten nur Sylvin in Frage. Auch hier konnten kleinere Platten, welche auf Messingrahmen gekittet waren, Verwen- dung finden, da der Öffnungswinkel der Strahlen nur 5° betrug. Bei den Versuchen im kurzwelligen ultraroten Spektrum endlich, bei welchen die spektrothermometrische Methode zur Anwendung kam, wurden Steinsalzplatten benutzte. Für unsere Messungen bei hohen Temperaturen wurde ein ein- faches Kupferrohr (B, Fig. 4) von 8 cm Länge, 3 em lichter Weite und 4 mm Wandstärke mit offenen Enden verwendet. Dasselbe war mit einer Heizspirale S aus Nickeldraht versehen und mit Asbest um- wunden. Im Inneren dieses kleinen elektrischen Ofens befand sich wiederum ein Blendenrohr Q, auf dessen Mittelblende die zu unter- suchende Platte F ebenso wie in dem Absorptionsgefäß A mittels zweier Federn befestigt war. Ein Thermoelement T aus Eisen und Konstantan, dessen temperaturempfindliche Lötstelle sich in unmittelbarer Nähe der Platte F befand, gestattete die Temperaturmessung mit genügen- der Genauigkeit auszuführen. 264 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Fig. 5. Steinsalz. sr Kurve a: d= 1.50 mm, Kurve 5: d= 0.60 mm, | A=23u. A= etwa 300. . SEHEN EN je Fa ER | 5 more ai | 4 7) | r3 m): 7) 20 B i io # a A/ f er | „ol. | De -20° 100° 0 +10° +200° +300° ' Um bei den Versuchen mit der Reststrahlen- und Quarzlinsen- anordnung die mit beiden Absorptionsgefäßen (A und B) angestellten Messungen vergleichen zu können, war es erforderlich, die auf dem Absorptionsgefäß A befestigten Verschlußplatten P und P’ auch bei Anwendung des Absorptionsgefäßes B in den Strahlengang einzu- schalten, weil die mittlere Wellenlänge und Energieverteilung dieser ziemlich inhomogenen Strahlenkomplexe durch das Einschalten ab- sorbierender Medien merklich geändert wird. we "oa Rusens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 265 Fig. 6. Sylvin. Kurve a: d= 4.49 mm, Kurve 5b: d= 0.86 mm, A=23u. A = etwa 300 MW. MOTTTT LE zu 1 Er Da ı Di ER; ER 1 Dr se ee 3 Er 6; TIır EA | Ar ai Tıtt TItT] 30H - E 4b = >: S m= m : e z n 218 ie in 2 BE 2a E 748 2 or / TE 2: PA > = 4 4 E 2 a .. SraBenn = 7 en PD: ne 1 ns = er E ;? Er : Er € 5 I 1} wi E n 3 “r Ara x : r 74 u .- ER En Vd - = ro 2 Fe ER AUNERUREERSERSGUUNSERERNERHSEUSRSMENSENERURBURUENMENEN! € 00° -MO 0.2700 6200 000° Die Kurven der Figuren 5 bis 9 enthalten die Resultate unserer Absorptionsmessungen. Als Abszissen sind die Temparaturen in Celsius- graden, als Ordinaten die Absorptionen in Prozenten der eindringen- den Strahlung aufgetragen. Die Korrektion für die an den Ober- flächen der Platte reflektierte Intensität wurde mit Hilfe der bekannten Brechungsexponenten der betreffenden Materialien vorgenommen’. Bei ı Da der Brechungsexponent des Quarzes für A = 16.5 » nicht bekannt ist, mußte das Reflexionsvermögen experimentell bestimmt werden. Es ergab sich zu 6.3 Prozent. a u 266 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Fig. 7. Fluorit. Kurve a: d= 0.47 mm, Kurve db: d= 0.59 mm, =12u. A = etwa 300 u. Ei: VOLTTTT ET ER SRITRIIERTEITT TTTITreetteeiItItITtrTTT | Ss ea RM | | | S | | FRAUSRIBEZENZENDUUE: X S N | | | | 5 | | S LEISTET Tr ur iS ERETTFREITTTIETTSFREERTTITT IT IETTITTITT a = 30 —— 2 20F - mr F° = 3 2 m se ou -FAERNANSNSTERSERSULETN TASERENNERZRERNEERWENNENDNN - 200° - 700° age ig +700° +200° 300° den jenseits des Absorptiongebiets angestellten Messungen wurde der Wert des Brechungsexponenten der Quadratwurzel aus der Dielektrizi- tätskonstanten gleichgesetzt. Betrachten wir zunächst die Figuren 5 und 6, welche die Ab- hängigkeit des Absorptionsvermögens von der Temperatur für Stein- salz und Sylvin darstellen. In beiden F ällen bezieht sich Kurve a auf ‚die Reststrahlen von Flußspat (A = 23 u) und Kurve 5 auf die lang- wellige Strahlung der Quarzquecksilberlampe (1 etwa 300 u). Zwischen 4 Rusens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 267 Fig. 8. Quarz, L. Kurve a: d= 0.14 mm, Kurve b: d= 0.0245 mm, A=.7% 11 Kurve ce: d= 0.14 mm, Kurve d: d= 1.41 mm, 45.16.54; A=52MW. Kurve e: d= 6.05 mm, 1104. 700 c 3 Le Tr ed E22: ger“ * N d : ae 2 Be 7 L a + B =200° 100° 0° +700° +200° +300° : diesen Wellenlängenbereichen liegt das eigentliche Absorptionsgebiet | beider Stoffe. Die Dicke der verwendeten Platten betrug bei dem Steinsalz 1.50 mm für A = au und en für A= 300u. Bei dem Sylvin waren die ttendicken 4.49 bzw. 0.86mm. Man Mehl, daß die Absorptionskurven in allen Fällen denselben Cha 268 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. rakter zeigen und mit sinkender Temperatur dem Werte Null zu- streben, d. h. daß beide Stoffe an den betrachteten Stellen des Spek- trums bei — 273° vollkommen durchlässig werden. Dieses einfache Verhalten zeigen Flußspat und Quarz, wie aus den Kurven ‘der Figuren 7 und 8 hervorgeht, nur auf der langwelli- gen Seite ihres gesamten Absorptionsgebiets. Kurve b, Fig. 7, welche die Temperaturabhängigkeit der Absorption einer 0.59 mm dicken Flußspatplatte für die langwellige Strahlung der Quecksilberlampe darstellt‘, und die Kurven d und e der Fig. 8, durch welche diese Ab- hängigkeit für eine Quarzplatte von der Dieke d= 1.41mm bei? =52u und für eine 6.05 mm dicke Platte aus gleichem Material bei A= ııo u wiedergegeben wird, zeigen durchaus den gleichen Verlauf wie die Kurven a und 5 der Figuren 5 und 6. Denn auch die Kurve 5 der Fig. 7 sowie d und e der Fig. 8 lassen bei dem absoluten Nullpunkt vollkommene Durchlässigkeit erwarten. Dies ist aber bei der a-Kurve der Figur 7 und bei den Kurven a, b und c der Figur 8 keineswegs der Fall. Kurve a, Fig. 7, welche bei ı2 u aufgenommen ist und die Absorption einer 0.47 mm dicken Flußspatplatte darstellt, zeigt zwar in dem Bereich der höheren Temperaturen einen ziemlich steilen Ver- lauf, aber ihre Neigung gegen die Abszissenachse vermindert sich rasch in dem Gebiet der tiefen Temperaturen, so daß in der Nähe des absoluten Nullpunkts noch eine ererhebliche Absorption von etwa 28 Prozent übrigbleibt. Dieselbe Eigentümlichkeit tritt in Kurve a der Fig. 8 noch stärker hervor. Hierin wird der Absorptionsverlauf einer 0.14 mm dicken Quarzplatte bir = 7 u dargestellt, d. h. bei einer Wellenlänge, welche auf der kurzwelligen Seite des ersten ultra- roten Streifens metallischer Reflexion gelegen ist. Die Änderung der Absorption ist hier auf dem gesamten durchmessenen Temperatur- bereich nicht bedeutend, und die Kurve läßt auch bei den tiefsten Temperaturen noch eine Absorption von fast 70 Prozent erwarten. Die Kurven bund ce der Figur 8 gelten für die Spektralgebiete A= ııu und A= 16.5 u und für Quarzplatten von der Dicke d— 0.024 mm bzw. d= 0.14 mm. Bekanntlich besitzt Quarz drei Gebiete anomaler Reflexion, nämlich bei 8.8 u, 12.7 » und 20.7 4. Die Kurve 5 be- zieht sich also auf eine Stelle im Spektrum, welche zwischen dem ersten und zweiten, Kurve c auf eine Stelle, welche zwischen dem zweiten und dritten Absorptionsgebiet liegt. Beide Kurven verlaufen ‘ Für Reststrahlen von Steinsalz erwies sich die benutzte Fluoritplatte als un- durchlässig, im Gegensatz zu einer früheren Angabe (H. Ruszns und E. Ascnkınass, Wied. Ann. 65, S. 241, 1898), nach welcher für eine 5.6 mm dicke Platte eine merk- liche Durchlässigkeit beobachtet worden war. Diese Angabe hat sich mit dem uns zur Verfügung stehenden Material nicht bestätigen lassen, Rusens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 269 zwar wesentlich steiler als die Kurve a für A= 7 u, aber auch sie lassen bei der Temperatur des absoluten Nullpunkts noch eine be- trächtliche Absorption vermuten. a Um eine Deutung dieses Tatbestandes zu geben, ist das vorhan- dene Beobachtungsmaterial noch nicht ausreichend. Es liegt jedoch nahe, zwei verschiedene Typen von ultraroten Absorptionsstreifen in festen Körpern anzunehmen‘. Die Streifen des ersten Typus, von welchen die Absorptionsstreifen der zweiatomigen Körper Steinsalz und Sylvin sowie die langwelligsten unter den Absorptionsstreifen der dreiatomigen Körper Quarz und Fluorit Beispiele sind, werden mit abnehmender Temperatur immer schmäler und schärfer. Die Streifen des zweiten Typus zeigen geringere Änderung ihrer Breite und Stärke mit der Temperatur. Zu dieser Kategorie sind sowohl nach unseren Reflexionsmessungen als auch nach unsern Absorptionsmessungen die kurzwelligsten ultraroten Streifen der vier- bzw. dreiatomigen Körper Kalkspat, Quarz und vielleicht auch Fluorit zu rechnen‘. Wenn diese Annahme zweier verschiedener Typen von ultra- roten Absorptionsstreifen zutrifft, so wird man wohl den weiteren Schluß ziehen dürfen, daß die von der Temperatur weniger beein- flußte Streifenart von Schwingungen solcher Teile des Moleküls her- vorgerufen werden, welche durch quasielastische Kräfte vorwiegend mit anderen Teilen desselben Moleküls in Verbindung stehen. (Innere Schwingungen.) Dagegen wird man annehmen dürfen, daß die tem- peraturempfindlichen Streifen der ersten Art den Schwingungen solcher Ionen ihre Entstehung verdanken, welche nicht nur von den Ionen desselben Moleküls, sondern auch in erheblichem Maße von denen be- nachbarter Moleküle in ihrer Ruhelage festgehalten werden. (Äußere Schwingungen.) Daß in letzterem Falle die Bewegung der Nachbar- ! Auch im Gebiete der Elektronenresonanzen haben die HH. KönıssgErser und Kırcarıne bereits zwei Arten von Absorptionsstreifen angenommen, welche im wesentlichen durch die verschiedene Zahl der schwingenden Teilchen in der Volum- einheit charakterisiert sind. Die hier betrachteten beiden Typen der ultraroten Ionen- streifen sind nach anderen Gesichtspunkten gekennzeichnet. Bei sinngemäßer Über- tragung der von den HH. Köntssserser und Kırenzine gewählten Einteilung auf Ionenstreifen würden die von uns unterschiedenen Typen beide der ersten Streifenart angehören. Es soll hiermit nicht gesagt sein, daß sich nicht auch Ionenstreifen zweiter Art im Spektrum vieler Stoffe vorfinden. Vermutlich sind die kurzwelligen Ab- sorptionsstreifen des Sylvins hierfür Beispiele. en 2 Bei dem, Flußspat bleibt neben dieser Art der Deutung auch die Möglichkeit, anzunehmen, daß der eigentümliche Verlauf der Kurve a, Fig. 7, durch ein Schmäler- werden und gleichzeitiges Wandern des benachbarten Streifens nach kürzeren Wellen mit abnehmender Temperatur hervorgerufen wird. Bei dem Quarz aber scheint diese Möglichkeit nicht vorzuliegen, wenn auch die Temperaturabhängigkeit der Absorption vor und hinter dem Streifen von einer geringen Wanderung des Streifens beeinflußt 270 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. R I 12 RR EEE Fig. 9. Amorpher Quarz. Glas. Kurve a: d= 0.90 mm, Kurve c: d=0.15 mm, A451. ‘\=5u Kurve b: d= 0.90 mm, Kurve d: d= 0.15 mm, A= etwa 300 u. A= etwa 300 u. MWOLTTTTTTTTT Cr iRt BEIFTATTEETTIEIREFTEFTEEF I RErFEFT ETF 2 or Ind F er z 5 d mi ET ® _ R soF - En E Et 3 E 2 Ft 3 sr ei FR r 7 2 E en E wor Fr 3 2]: Bacöes} E : b a v 45 — = = ä 4 age Li S I Iltsliııi aı, DELETE TT o _ EEE er -0°. +00° +200° +300° moleküle auf die Dämpfung des schwingenden Ions einen Einfluß aus- üben muß, geht aus einer von Hrn. Eıssreix herrührenden Betrach- tung hervor'. Außer den im vorstehenden genannten Kristallen haben wir auch einige unterkühlte Flüssigkeiten, nämlich geschmolzenen Quarz und ' A. Eınsreis, Ann. d. Phys. 35, S. 679, 1911. Rusens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. 271 Spiegelglas, in den Bereich unserer Betrachtung gezogen. Die Ergeb- nisse dieser Messungen sind in den vier Kurven der Fig. 9 zusammen- gestellt, von welchen sich zwei auf amorphen Quarz und zwei auf Glas beziehen. Die untersuchte Glasplatte war ein mikroskopisches Deck- glas' von 0.15 mm Dicke; sie wurde vor und hinter dem Absorptions- gebiet innerhalb des Temperaturbereichs zwischen Zimmertemperatur und 300° auf ihre Absorption geprüft. Kurve C zeigt den Verlauf der Absorption bei kurzen Wellen (A= 5 u), Kurve d bei langen Wellen (A = etwa 300 u). In beiden Fällen ist die Änderung der Absorption mit der Temperatur nur eine geringe. Für unsere Messungen am geschmolzenen Quarz stand uns eine Platte von 0.9 mm Dicke zur Verfügung. Der amorphe Quarz be- sitzt ebenso wie das Glas und im Gegensatz zu der kristallinischen Modifikation ein sehr ausgedehntes Absorptionsgebiet, welches sich über mehr als sieben Oktaven erstreckt. Die beiden Wellenlängen- bereiche, für welche die Absorption gemessen wurde, liegen deshalb im Spektrum sehr weit voneinander entfernt, nämlich bei 4.5 « und 300 u. Bei 4.5 u (Kurve a) zeigte sich eine fast lineare Abnahme der Absorption mit sinkender Temperatur, derart, daß sich bei gerad- liniger Extrapolation der Kurve die Absorption bei dem absoluten Null- punkt zu etwa % der bei 200° C beobachteten ergeben würde. Für die langwellige Strahlung der Quarzquecksilberlampe dagegen war zwi- schen — ı86° und + 300° überhaupt kaum ein Einfluß der Tempe- ratur auf die Absorption zu erkennen. Immerhin schien die Absorption im Bereich der tiefen Temperaturen hier etwas größer zu sein, im Gegensatz zu allen anderen von uns untersuchten Fällen. Daß die Durchlässigkeit des geschmolzenen Quarzes für lange Wellen von der Temperatur nur sehr wenig abhängt, geht übrigens schon aus früheren Versuchen? hervor, durch welche festgestellt wurde, daß ein Kolben aus amorphem Quarz bei Zimmertemperatur und bei 500° O die lang- wellige Strahlung der Quarzquecksilberlampe gleich stark absorbierte. Die Änderung, welche die Absorption bei den unterkühlten Flüssig- keiten mit der Temperatur erfährt, ergibt sich in den untersuchten Fällen stets als geringfügig, insbesondere wenn man sie mit der Ab- sorptionsänderung vergleicht, welche die Kristalle in dem Gebiet langer Wellen aufweisen. Dieser Befund erinnert an den verschiedenen Ein- fluß der Temperatur auf das Wärmeleitvermögen von Kristallen und unterkühlten Flüssigkeiten, welcher von Hrn. A. Eucxex kürzlich auf- ! Die Glassorte enthält 72 Prozent SiO,, 14 Prozent Na,0, ı2 Prozent CaO und ı bis R Prozent Al,O, + Fe, 0;. H. Rusens und H. von WARTENBERG, Verh. d. Dt. Phys. Ges. XII, S. 796, ıgrı. 272 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. gefunden ‘worden ist‘. Auch hier zeigt sich bei den Kristallen eine bedeutende Abnahme des Wärmewiderstandes mit sinkender Tempe- ratur, während bei den unterkühlten Flüssigkeiten der Einfluß einer Temperaturerniedrigung ein geringerer ist und im entgegengesetzten Sinne wirkt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sowohl die Abnahme der Absorption als auch die Zunahme des Wärmeleitvermögens mit abnehmender Temperatur bei den Kristallen auf eine gemeinschaftliche Ursache, nämlich auf eine Verminderung der Dämpfung der Molekular- schwingungen, zurückzuführen ist”. - Neben einer Verringerung der Dämpfung könnte für die Ab- nahme der Absorption mit sinkender Temperatur auch eine Vermin- derung der Zahl der schwingenden Teilchen in der Volumeinheit zur Erklärung herangezogen werden. Ob eine der beiden hier genannten Annahmen oder vielleicht auch beide als Ursachen in Betracht kommen, läßt sich aus dem vorhandenen Beobachtungsmaterial noch nicht mit Sicherheit schließen, doch ist eine Änderung der Zahl der schwin- genden Teilchen wenig wahrscheinlich. Geht man davon aus, daß die Zahl der schwingenden Teilchen und ihre Eigenfrequenz konstant bleibt, so kann man die Abnahme ihres logarithmischen Dekrements unter Voraussetzung eines einzigen ultraroten Absorptionsstreifens aus der Druneschen Dispersionstheorie berechnen. Hieraus ergibt sich nämlich das logarithmische Dekrement der schwingenden Teilchen als proportional mit dem Extinktionskoefäi-. zienten an einer von der Mitte des Absorptionsstreifens hinreichend. entfernten Stelle, eine Bedingung, welche für die von uns unter- suchten Spektralbereiche in genügendem Maße erfüllt ist. In der folgenden Tabelle sind die tausendfachen Werte des Extinktionskoeffi- zienten = nx der untersuchten Kristalle für einige Temperaturen zusammengestellt.‘ Die erforderlichen Absorptionswerte wurden den Kurven der Figuren 5 bis 9 durch Interpolation entnommen. : Die Tabelle I lehrt, daß die Änderung des Extinktionskoeffizienten mit der Temperatur bei Quarz und Flußspat im Gebiet der kurzen und langen Wellen sehr verschieden ist, worauf auch schon früher hingewiesen worden ist. Im Quarz wächst der Extinktionskoeffizent bei 7 « mit steigender Temperatur auf das Doppelte, bei 110 u aber auf das 40fache. Nicht ganz so groß sind die Unterschiede bei dem ı. A. Evcxen, Ann. d. Phys. 34, S. 185, 19 ® Auch von seiten der HH. Nerxst Sn Lanka > Zeitschr: f. Elektro- chemie ı81, S. 817, ıgıı) ist bereits darauf hingewiesen worden, daß das verschieden hohe Wärmeleitvermögen der Kristalle und amorphen Körper bei tiefen Temperaturen mit der I ee een, der molekularen EEE in ge zu bringen sei: - Rusens und G. Herrz: Absorption langwelliger Wärmestrahlen. . 273 Tabelle I. Extinktionskoeffizienten k- 10°. i Quarz L Fluorit Steinsalz Sylvin A=rulA = 52u|A=rıoy A=12u|X= ca. 3064 JA = 23u|X = ca. 3004| = 23u/A = ca. 3004 — 186° 4:98 0.29 0.034 0.73 1.74 0.13 5.35 0.038 4.24 [6) 6.50 2.10 0.43 1.17 20.7 0.77 26.4 0.18 23.3 100 7-45 4.13 0:71 166 31.4 1.16 39.0 0.27 35.0 200 8.81 4.17 1.01 2.28 40.8 1.51 47-7 0.36 46.0 300 9.95 5.35 1.36 2.85 51.5 1.85 59.8 0.46 54.8 k E >= 2.0 18.4 40.0 3.9 29.6 14.2 11 12.1 12.9 — 186 ; Flußspat. Aber auch bei Steinsalz und Sylvin ergeben sich vor und hinter dem Absorptionsstreifen merklich verschiedene Werte für die Veränderung von k. Bei 23 u wächst der Extinktionskoeffizient des Steinsalzes von — 186° bis + 300° auf das 14.2 fache, bei A = 300 u nur auf das ı1.2fache. Die entsprechenden Zahlen sind für Sylvin. in etwas besserer Übereinstimmung, nämlich 12.1 und 12.9. Diese Verschiedenheit der Änderung des Extinktionskoeffizienten vor und hinter dem Streifen könnte auf eine Wanderung des Streifens mit ver- änderter Temperatur zurückgeführt werden. Daß jedoeh die Drunr- sche Theorie nur qualitative Gültigkeit besitzt, geht: aus folgender Überlegung hervor. Die Drupesche Dispersionsformel für eine ultrarote Eigenschwin- gung kann in der Form geschrieben werden': g’ . 2 12 a ° = — = — "ii—ık’ =m+ ii 2= 2re do To T ” z = 2m worin n der Brechungsindex, nx = k der Extinktionskoeffizient, T, die Periode der ultraroten Eigenfrequenz, &, das Dämpfungsglied ist. n, ist der Wert der Dielektrizitätskonstanten nach Abzug des Beitrags, welcher von dem ultraroten Streifen herrührt. Die vorstehende Formel ergibt durch Trennung der reellen und imaginären Größen zwei Glei- chungen, aus denen man den gesamten Verlauf des Brechungsex- ponenten und des Extinktionskoeffizienten berechnen kann, wenn man die empirisch bestimmten Konstanten der Krrreier-Hernnorrzschen Dispersionsformel und außerdem den Extinktionskoeffizienten für eine bestimmte Wellenlänge zugrunde legt. Verwendet man z.B. die von ı P. Drupe, Lehrbuch der Optik, 2. Aufl., 1906, S. 368. 274 Sitzung der phys.-math. Classe v. 14. März 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Hrn. F. Pıscnen berechneten Konstanten! und den für A=18u be- obachteten Extinktionskoeffizienten? von Steinsalz, so erhält man die in der folgenden Tabelle angegebenen Werte des Extinktionskoeffizienten für Zimmertemperatur nach der Drupzschen Formel. Die beobachteten Werte sind zum Vergleiche daneben gestellt. Tabelle I. 2 k.103 beobachtet k.103 berechnet 15 4 0.020 0.098 18 0.185 0.185 23 0.765 0.465 300 | 26.4 1.70 Man sieht, daß sowohl vor wie hinter dem Streifen von einer quan- titativen Wiedergabe des Verlaufs der Absorption nicht die Rede sein kann. Auch bei der Annahme zweier ultraroter Absorptionsstreifen, welche durch die Reststrahlenversuche gestützt wird, ist es uns nicht gelungen, wesentlich bessere Übereinstimmung zu erzielen. Es bietet sich daher zunächst noch keine Möglichkeit, aus den beobachteten Änderungen des Extinktionskoeffizienten die funktionale Abhängigkeit des logarithmischen Dekrements der schwingenden Ionen von der Temperatur zu berechnen, wenn auch eine solche Abhängigkeit durch die mitgeteilten Versuche sehr wahrscheinlich gemacht worden ist. ! F. Pascren, Ann. d. Phys. 26, S. 120, 1908, ® H. Rusens und A. Trowsrıner, Wied. Ann. 60, $. 733, 1897. Ausgegeben am 21. März. 275 SITZUNGSBERICHTE 1912. XV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 14. März. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. 1. Hr. Mürrer las eine Abhandlung, betitelt: Ein Doppelblatt aus einem manichäischen Hymnenbuch (mahrndmag). (Abh.) Das erste Blatt enthält einen Segensspruch für den regierenden Herrscher, sein ganzes Haus und seinen Hofstaat, sodann einen Bericht über die Entstehungsgeschichte des Hymnenbuches. Das zweite Blatt enthält einen Theil des Inhaltsverzeichnisses, genauer der Versanfänge. 9. Derselbe legte vor eine Abhandlung des Hrn. Prof. MARQUART in Berlin: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren. (Ersch. später.) Ausgegeben am 21. März. Berlin, gedruckt in der Keichsdruckerei Sitzungsberichte 1912. _ weise e:oder auch in-weiterer Ausführung, in deutscher m veröffentlicht der rden. Sollte ER zuw iderlaufende Veröffent- dem N re derv ie zu veröffentlichen ist den v erfass sern unbes chränkt gestattet. ee erscheinen in einzel EREEIER nach jeder Sitzung. i Die Sitzungsberi erichte Me ‚der ge Donnerstags a e Übersie ht über die ra eng Veröffentlichung geeigneten Br | een: Hin ıter den Titeln der resp ee re e eis es ver- hreii nden Schritten der Akademie Bee werden mit vorgesetztem Stern bezeichnet, den. für ie: en EEE Be ‚ah. g in üben nen Stücken tlichen Mitthei- = ser = der eng nach dere ckt n San selber, spätestens bis ra Io Une Morgens nden dem redigi ır oder der Reichs ee NRAF Später eingereie werden, mi Präsentationsvermer Seeretars Sie des Archivars versehen, ee zurückgelegt. Ihe kann von vorn herein Sa ehe, dere: aus FRE sondere i en ‚Comeeinren erst. noch dem unterbre J. ee Die Se ... der Taubenbank im Golfe von Neapel . ...... “m n. H. WıEGanD: Siehenter ee Bericht über die von den Runge Museen in Milet und ne J. Perers: Einundzwanzigstellige e Warte ie Functionen Sinus und "Cosinus” C. Taurın: Die .—. des Corpus agrimensorum Romanorum : an R. Isenscummp: Zur Kenntniss der Brig a See P. Rörnıc: Zellanordnungen and Faserzüge derhirn von en Ineerlina M. Neipine: Über die Kerne des Dias Balom bei einieen ee . K. Acanschanıanz: Über die Kerne ‚des ne Rle nhirn ; - Junker: Der Auszug der Hathor- F. Freiherr Hırıer vox GAERTRINGEN un ee Ar ka die Posachun ıgen Ta. Wıesannp: Erster un Bericht abe die von den rasen Museen uhternommendn Ausgrabungen in San en Sitzungsberiehte der Akademie, Preis des Jahrgangs . . Sonderabdrucke. II. 1911. Praxck: zur Hypothese der Quantenemissio Er : ee Jacopı: zur Früh — der indischen Philos sophie . . ee WARBURG: über arpercBumegnggen bei en Vorgang en in Gasen ; voN Wo Mas RFF: ein Stück aus dem ratus des Epiphanios Wien: Bestimmun ge alters freien Weglänge der Kunslaere ılen von WiLamowiırz- OELLENDORFF U eo F. Zucker: zwei Edicte des Gormanicus auf einem Papyrus Taf A. Torxauist: die Tektonik des "tiefe eren Unter, rgrundes Norddeutschla nds Hexrwio: Mesothoriumversuche an un Keimzellen, ein . ihienteller Beweis für "die Idioplasmanatur der substan & HOTTKY: über das Krimsicchs Diiinbgsirohlenn ScHortky: über cogi’schen T uckfagade von Acanceh in Yucatan (hierzu Taf. VI-XV) zu den aramäischen von Elephan + Struve: über die Lage der Marsachse und die En im Marss stem . Erman: Denksteine aus der erg nn ge ran (hierzu Taf. X und ©. Fa ide Trias im und Öta nenne 25 telgriechenland) Marrtexs: über ie Nasen rosser Kräfte im Matrilprüfungswe c. oe zu den 18 rose des Königs Kalun > 1 E 5 = ga S r ; © [3 2E ” Sonderabdrucke. 1. Halbjahr 1912. I. Schur: über einen Satz von C. Cararusonory Faonmsus: Ableitung eines Satzes von elene aus einer ‚Formel | von ı Kuonsexen . } OSER: Festrede . von Wirano wırz-MOELtENDORFF: Minmermos "und Pro oper . Russer: über die Bet etheiligung endo gi Fermente a am ' Energieverbrauch der Zelle . Nersst: Thermodynamik und specifische ; - . Euckex: die Molekularwärme des Wa Ders bei tiefen Temperaturen i - Orrn: über inder- und Menschentuberkulose . Harsack: Geschichte eines nn Worts Jesu (Matth. 5, ‚17 in in der ältesten Kirche Warsurg: über ‚den Energieumsatz bei nn Vorgängen in Sr F enz der Sodalith- und Wi emitgruppe im uralten Licht HaBertanpr: über we eg des Labellums der Pterostylis-Blütl den Rvsrns und G. Her influss > ee auf die Absorption langwelliger Wärme- strahlen in dinishehi fort Isolatorer 1 = 3 s =” = ” = } ” E S s = a s 3 3 Ss ” ” s s s “© | ‚8881| 1|&] E DD m mr Sn m co @o S(OOQOrr re nn Smmonm- SEE LLLIS SL om u Rah Ss HH Sharan Ss88| | j Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Be Aus Sl. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende rung nee wre ee a der Königlich P kad ssenschaften « und ee der Königlich Beobestacheh Akademie der Wissenschaften « Jede zur Aufnahme in et Ve oder die en bestimmte a u. muss in einer aka- emis Sitzung vorgelegt w wobei in ‚der Regel Bin Grneklertire Misasipt zu siert n ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll n von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen Jberschreitung dieser Grenzen ist nur 2 Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe gel haft, und ist bei Yolae der Mittheilung ER eklie Umfang eines Manu zug ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, at das vorlegende Mitglied es vor inreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang ı Druck abschätzen zu lassen. Sollen einer inne Abbildungen im . oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, sind die Vorlagen dafür ee oe Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf gi Blättern ichen Die Kosten der Herstelinng der * Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu ffen eines Sachv zu verhandeln. ten der Vervielfältigung übernimmt di Über die riehten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Se so ist Vorberathung ch das Secretariat gebote Einreichung des vullstindieen iruchferigen zeoeipu an den zuständigen Secretar od an den glieder es ee a ee mmt. Mittheilungen von eemseregere welche nicht ee argren der Akademie sind, sollen u Regel nach n ie Sitzungsberichte iso Classe die A Aus $ Ss ry: sv ı 4 3 nr nicht bloss um glatten Text handelt, aus- ie Anordnung des Satzes wenn es sich nd diese Anweisungen vor Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu ve ergewissern, dass der Verfasser seine et als vollkommen druckreif ansieht. Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die "Fremde h girenden Secretars vor der RRSINE an die Druckerei, und die Verfasser a zur Tragung der entsteh verpflicht Aus $ 8. n allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen EEE w ee Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, vr wissenschaftlichen Be lungen, wenn deren 1 Umfan; drucke hergestellt, die alsbald nach wetenien DEBeNe ‚der Sitzungsberichte ausgegeben \ ware für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn pr Verfasser sich ausdrü Ren. damit einverstanden erklären. den Sonderbirucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, weleher Mitglied der re ist, zu uieiigekihe icher Ver theilung ohne weitere exemplare; er ist indess berechtigt, zu let Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemp bis zur Za 1 noe ' seine or weitere bis asse t exemplare und dürfen neh rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden nn weitere 200 Exemplare auf ih Kosten eragees las Vo n So iruken aus den Abhandlungen er der Akademie = ; indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der laser weitere Exemplare bis zur Z c seine Kosten noch weitere b Abdruck Vertheilung zu erhalte b der Genehmigung der G a Aladde mie oder der 3 treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei exemplare und dürfen nach en ae ih bei Ps redigirenden Secretar weitere 100 Ex auf Kosten abziehen lassen. be- | 8 17. Eine für die akademischen Schriften R ‚dar in keinem Falle vor ihrer Ausgab Fr Stelle ee sei es auch nur z aunzug en auf S.3 des Umsehlags.) 277 SITZUNGSBERICHTE 1912. DER XV | KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ee ee 91. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *1. Hr. Lenz las über die Kämpfe des Ministers Eichhorn mit der Berliner Universität. Die Politik Eichhorn’s gipfelte, ganz conform der Gesammttendenz der Regierung Friedrich Wilhelm’s IV., in der Ausrottung des Hegelianismus und der Einführung sogenannter »positiver« Freiheit und »christlicher Wissenschaft«. Wie hierin die Con- fliete des Ministers mit der Berliner Universität wurzeln, wird an einer Reihe von Bei- spielen (Berufung Gelzer’s und Huber’s, Maassregelung Bruno Bauer’s und Nauwerck’s, Beeinflussung der Presse u. A.) gezeigt. Das Ergebniss war das gleiche, das die ge- sammte Politik des romantischen Königs hatte: wachsende Verwirrung und Ohnmacht. 9. Hr. Zimmersians überreichte die b seiner Mitwirkung herausgegebenen Zeitschrift schaft«. eiden ersten Hefte der unter »Luftfahrt und Wissen- Eu ” ” * [4 EN FR m + Fe N Das correspondirende Mitglied der phy sikalisch-math Classe Aususr Torrıer in Dresden ist am 6. März verstorben. Ausgegeben am 11. April. ER a ETET Sitzungsberichte 1912. 279 SITZUNGSBERICHTE 1912. xv DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 38. März. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. *Hr. Koser las: Preussen und Österreich im Jahre 1358. Die aus Bismarck’s Berichten vom Bundestage bekannten Zwistigkeiten zwischen Preussen und Österreich wegen der Besatzung der Bundesfestung Rastatt führten die preussische Regierung auf grundsätzliche Erörterungen über das gegenseitige politische Verhältniss, die in einer Instruetion für die zur Inspection des österreichischen Bundes- contingents nach Wien gehende militärische Abordnung (September 1858) Ausdruck fanden. Ausgegeben am 11. April. 21° 281 SITZUNGSBERICHTE 1912. XV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. _ BI PER ER DIRRERIERRERRI ER ER EEE ET EEE en PIE ne re 98. März. Sitzung der physikalisch mathematischen Classe. nn ae a | Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. Hrrımans las: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. Aus zehnjährigen Registrirungen von Pluviographen eigener Construction werden Gesetzmässigkeiten bezüglich der Dauer und Häufigkeit der Sommerregen in Nord- deutschland abgeleitet sowie die Hauptzüge ihrer täglichen Periode festgestellt. So- dann wird der Versuch gemacht, die Sommerregen nach ihrer Herkunft in solche des grossen und des kleinen Kreislaufes des Wassers zu classifieiren. 9, Hr. Eneıer überreichte zwei weitere Hefte des Werkes >» Das Pflanzenreich«: 53. R. KnutH, Geraniaceae, und 54. K. Krause, (G00- deniaceae und Brunoniaceae, Leipzig 1912. 282 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. Von G. HELLMANnN. #F Unsere Kenntnis von der Dauer und Häufigkeit der Niederschläge ist noch gering, weil zu ihrer Ermittlung die gewöhnlichen meteorolo- gischen Terminbeobachtungen nicht ausreichen, sondern Registrier- apparate erforderlich sind. Deren gibt es zahlreiche der verschieden- sten Konstruktion, aber die Zahl der Stationen, an denen sie dauernd funktionieren und von denen die Aufzeichnungen eingehend bearbeitet und veröffentlicht werden, ist sehr klein im Verhältnis zu der großen Zahl von Orten, an denen die Niederschlagsmenge täglich direkt ge- messen wird. Deshalb beziehen sich die meisten Untersuehungen über atmosphärische Niederschläge auf die herabfallenden Mengen, während Studien über ihre Dauer und Häufigkeit bisher über Gebühr zurück- stehen mußten. Es ist das bedauerlich; denn bei vielen theoretischen und praktischen Fragen eignet sich die Häufigkeit besser zu Vergleichen als die Menge, bei der sich lokale starke Regenfälle störend bemerk- bar machen. Nun sollte man glauben, daß aus der täglichen Messung der Niederschlagsmenge wenigstens vergleichbare Angaben über die Zahl der Tage mit meßbarem Niederschlag abgeleitet werden können, allein die Erfahrung lehrt, daß dies nicht der Fall ist, und zwar hauptsächlich wegen der ungleichen Aufmerksamkeit der Beobachter. ‘Allerdings hat die Einführung einer unteren Grenze für die Niederschlagsmenge an Niederschlagstagen in dieser Hinsicht einige Besserung gebracht, aber wirklich vergleichbare Zahlen erhält man erst dann, wenn diese untere Grenze ziemlich hoch gewählt wird, 0.5 mm oder gar mehr, wobei natürlich die Gruppe der für manche Klimate höchst charakteristischen Tage mit wenig ergiebigem Niederschlag (Nieselregen oder Sprühregen, engl. drizzle, franz. bruine) ganz außer acht bleibt. Schon im nord- deutschen Binnenland beträgt die Zahl der Tage mit weniger als 0.5 mm Niederschlag etwa 20 Prozent aller Tage mit meßbarem Niederschlag, in manchen Klimaten höherer Breiten sogar erheblich mehr. Herımann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 283 Aber selbst, wenn es gelänge, genau vergleichbare Angaben über die Zahl der Tage nicht bloß mit meßbarem Niederschlag, sondern auch mit Niederschlag überhaupt zu erhalten, würden diese doch keinen richtigen Maßstab für die Häufigkeit und Dauer der Niederschläge ab- geben; denn Tage mit einem Regenschauer von einigen Minuten Dauer sind nieht gleichwertig mit solchen, an denen es stundenlang ununter- brochen regnet. Der Tag von 24 Stunden ist offenbar eine viel zu große Zeiteinheit für die Beurteilung der Häufigkeit und Dauer der Niederschläge. Er muß durch ein kleineres Zeitmaß, die Stunde, er- setzt werden. So genaue Zeitangaben lassen sich natürlich nur aus den Auf- zeichnungen von Registrierinstrumenten ableiten, da selbst der eifrigste Beobachter nieht imstande ist, sie dureh direkte Beobachtung zu be- schaffen. 2 Nachdem Pluviographen meines Systems, die eine so große Zeit- skale haben, daß die Zeitbestimmung bis auf 2 Minuten genau erfolgen kann, an mehreren Stationen des norddeutschen Beobachtungsnetzes ein Jahrzehnt lang in Tätigkeit waren, liegt genug Material vor, um aus ihren Aufzeichnungen den Charakter der sommerlichen Regenfälle schärfer als bisher zu erfassen und darzustellen. Denn während die Registrierungen von selbstschreibenden Regenmessern gewöhnlich nur soweit bearbeitet bzw. publiziert werden, daß man die in den einzel- nen Stundenintervallen gefallenen Mengen und vielleicht noch die Gesamtdauer der Niederschläge am Tage bekanntgibt, bin ich gerade bemüht gewesen, die Diagramme viel mehr auszuwerten und ihnen weitere interessante Angaben zu entnehmen. Eine Ausdehnung der Untersuchung auf das ganze Jahr wäre höchst erwünscht gewesen, läßt sich zur Zeit aber noch nieht ausführen, weil der genannte Registrierapparat nur ZUF genauen Aufzeichnung der Regen- fälle bestimmt ist und der von mir später (1 906) konstruierte Chiono- graph erst kurze Zeit in Gebrauch steht. Die Untersuchung beschränkt sich daher auf die fünf Monate Mai bis September, die hinsichtlich der Regenverhältnisse einen ziemlich einheitlichen Charakter aufweisen und als sommerliche Regenzeit aufgefaßt werden können. Die Stationen, deren Registrierungen benutzt wurden, sind Memel, Schivelbein, Putbus, Schwerin i. Meckl., Westerland auf Sylt, Lennep, Von-der-Heydt-Grube bei Saarbrücken und Gießen, gehören also vor- zugsweise dem norddeutschen Flachlande an. Gelegentlich sollen aber auch die kürzeren Beobachtungsreihen der beiden Gipfelstationen Schneekoppe und Brocken zum Vergleich herangezogen werden, so- wie die langjährigen Aufzeichnungen in Potsdam und auf einigen aus“ wärtigen Stationen, an denen gleichfalls Pluviographen meines Systems 284 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. im Gebrauch sind. Dagegen bleiben ganz außer acht die auf einigen norddeutschen Stationen mittels des zuerst eingeführten Pluviographen von HoTTinser gewonnenen Registrierungen, aus denen die Dauer der Niederschläge weniger genau ermittelt werden kann. Die Differenz kann namentlich bei älteren Apparaten dieser Art, die auf dem Prinzip der Federwage beruhen, leicht auf 20 und mehr Prozent anwachsen. Einen fast ebenso großen Unterschied zwischen den Angaben ver- schiedener Pluviographen fand man neuerdings auf einer englischen Station (in Yorkshire), wo 1910 drei Apparate verschiedener Konstruk- tion nebeneinander funktionierten. Der besseren Vergleichbarkeit wegen habe ich im folgenden lieber Prozentwerte als absolute Zahlen gegeben. Da ferner bei dem Vor- handensein einer natürlichen unteren Grenze, nämlich Null oder kein Niederschlag, das arithmetische Mittel vom häufigsten oder Scheitelwert stark abweicht und da die Streuung der Werte eine ziemlich große ist, habe ich meist Häufigkeitszahlen nach Stufenwerten abgeleitet. Das der Untersuchung zugrunde liegende umfangreiche Zahlen- material wird später zusammen mit weiteren Einzelausführungen in den Veröffentlichungen des Kgl. Meteorologischen Instituts bekannt- gegeben werden, so daß ich mich hier auf die Mitteilung einiger all- gemeiner Resultate beschränken kann. 2. Die Pluviogramme können zunächst zur Beantwortung der Frage nach der Anzahl der Regenfälle an einem Regentage dienen. Auch ohne genauere Aufzeichnungen weiß man schon aus der bloßen Erfahrung, daß der Regen nicht selten an einem Tage zu wiederholten Malen einsetzt und aufhört, ja daß gerade darin eine Eigentümlich- keit mancher Wetterlagen besteht. Die Registrierungen lehren uns stellt die durchschnittlichen Verhältnisse um so richtiger dar, als auch in den einzelnen Jahren der allgemeine Verlauf der Zahlen jedesmal Die Zahl der Regentage, an denen es nur einmal regnet, ist über- raschend klein, jedenfalls kleiner, als man nach der bloßen Erfahrung erwartet hätte. An knapp einem Drittel aller Regentage ist dies der Fall, und an reichlich doppelt soviel Tagen regnet es in mehr oder Hermann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 285 Tabelle ı. Zahl der Tage mit n Regenfällen in den Monaten Mai bis September, ausgedrückt in Prozenten aller Regentage. Schivel- REN | Wester- | | Von-der- | Mittel n | Memel | ein Putbus |; Meckl land | Lennep | Heydt- Gießen | aus 8 : £ i | auf Sylt |’ Grube | Stationen I 38.8 27-6 33:2 32.6 33-1 29.3 348 | 26.8 32.0 2 24.I 24.2 22.0 21.8 22.8 20.8 22.2 | 209 22.4 3 15.5 17-1 16.1 14.7 16.3 14.7 | 174 28 15.7 4 8.5 |. 120 12.3 10.9 11.2 i83 |. 108 7 94 1 110 5 5.2 | 5.7 6.3 10.1 6.8 8.6 | 56 | u 1 6 2.8 | 5.8 52] 4-7 4-5 43. | 38 | 60 4.6 7 16 100008 a 2.6 2.7 2.8 | ee 2 8 1.0 | 1.9 | 0.7 | 0.7 0.7 2:7.) 7.1 2.5 1.5 9 1.2 0.8 | 3 1.09 0.7 1.6 | 09 | 24 1.2 10 0.6 | 6 1,063 | 0.6 0.4 08 | 07 | 06 0.6 11 2 1. 08 0,8 ; 0.3 io 4 014.91 0.4 12 0.2 | Be. | ae | 05 0.2 13 0.2 0.2 | a ee | 03 0.1 14 . : | | 0.2 | Be 0 0.1 15 , 0.1 | . | | | vo | 02 0.05 16 . | er | 0.2 | er el | 0.02 17 i i | | - | 5 0.1 | | 0: | . 0.02 18 . | 0.2 | | E | : 0.2 | | 0.05 minder zahlreichen Absätzen!. Eine obere Grenze für die Zahl der zeitlich getrennten Regenfälle an einem Tage ist theoretisch zwar nicht vorhanden, nach den bisher vorliegenden 10 jährigen Aufzeichnungen ist sie aber mit der Zahl 18 schon erreicht worden. Wie man am besten aus der Kurve in Fig. ı ersieht, erfolgt die Abnahme in der Häufigkeit der Zahl der Regenfälle an einem Regen- tage außerordentlich regelmäßig, und zwar ziemlich genau in einer geometrischen Progression. Das erste und wichtigste Stück der Kurve läßt sich durch eine Gleichung von der Form «= a-b"" darstellen, in der a den Anfangswert, b den zu bestimmenden Quotienten (das Dekrement) und n die Zahl der Regenfälle am Regentag bedeutet. Bei Zugrundelegung der ersten 6 Zahlenwerte der Reihe ergibt sich für b der numerische Wert 0.697 oder rund 0.7, so daß die Formel lautet © 32%x0.7"'. Beobachtung und Rechnung stimmen bis auf durehschnittlich 0.5 Prozent überein, doch nehmen bei größeren Wer- I Ihre Zahl würde noch größer sein, wenn die Registrierapparate jeden feinsten Sprühregen, Regentropfen usw. anzeigten, was bekanntlich nicht möglich ist. Darum ınuß auch die wahre Regendauer etwas größer sein als die registrierte. 286 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912, Fig. 1. a a ee Te "BR U u En Zahl der Regentage, an denen es I, 2, 3 ... mal regnet. ten von n die aus der Beobachtung abgeleiteten Häufigkeitsprozente etwas rascher ab als die nach der Formel berechneten. Die Tage mit nur einem Regenfall sind zu einem großen Teil die Gewittertage und die Tage mit Platzregen. Erstere machen in Monaten Mai bis September zwischen 60 bis 75, je nach der Gegend, schwankt. Tage aber, an denen der Regen wiederholt unterbrochen treten. Sind diese so weit nach Osten vorgeschritten, daß sie sich nördlich oder nordöstlich von der Station befinden, so stellen sich Regenpausen ein, und kommt das sogenannte Rückseitenwetter noch mehr zur Geltung, dann fällt der Regen in Schauern, die um so seltener werden, je mehr das Minimum sich entfernt und von Westen her hoher Luftdruck heranrückt. Eine derartige Wetterlage zeigen die synoptischen Karten auch in allen extremen Fällen, in denen es mehr brachte, im Nordosten, seltener im Norden der Station, während sich ein Hoch von Westen oder Südwesten her nähert. Besonders inter- Da nur von Regentagen die Rede ist, hat die Formel für » — o natürlich keinerlei Bedeutung. u Hesrımann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 287 essant in dieser Beziehung ist der ı. August 1903, an dem an den beiden etwa ı50 km auseinander liegenden Stationen Putbus und Schivelbein übereinstimmend ı5 bzw. 14 Regenpausen aufgezeichnet wurden: Solche Pausen haben oft nur eine Dauer von 5 bis 10 Minuten, können aber auch Stunden andauern. 3. Die zweite und nächstliegende Frage, deren Beantwortung die Analyse der Pluviogramme gestattet, ist die nach der Dauer der Regenfälle. Schon die Bearbeitung des ersten Jahrgangs der Registrierungen zeigte, daß die Gruppierung nach einstündigen Intervallen nicht aus- reichte, da auf das erste Intervall ı Minute bis I Stunde reichlich zwei Drittel aller Regenfälle kamen. Es wurde daher die erste Stunde in Tabelle 2. Häufigkeit der Regenfälle in den Monaten Mai bis September, geord- net nach ihrer Dauer und ausgedrückt in Prozenten der Gesamt- zahl der Regenfälle. m — Dauer | . | . : | Wester- \Von-der-| Mittel Iodnao- es Memel Sevel Putbus N land ‚ Lennep | Heydt- aus7Sta-| Gießen | ae Regenfalls bein | | 1. Meckl. | auf Sylt | Grube | tionen | p you ' 28.8 35.2 28.3 30.9 | 33-3 | 29.2 | 32.6 31.2 488 | 173 18.5 22.0 20.2 23.6 20.6 | : 23.2 21.1 21.3 19.7 | 20.0 12.4 10.3 11.8 11.6 10.6 9.9 | 13.3 11.1 83 | ı14 9.2 8.3 8.1 54 | 84 68.9 | 18 | 6 | 76 | 7 Pu ae er | 823 | 57 14.2 12.6 15.9 | 13.3 | 14-1 18.114.305 14.1 99 | 180 6.8 5.8 7.2 re 6.6 | 6.0 6.2 4.0 | 1.2 3.6 2.3 2.7 2.7 | 3.4 a 6 3.0 1.2 | a 1.8 1.2 2.0 3) 20 | 8 1.8 | m 1.4 0.5 1.2 0.8 1.0 0. It 1.0 0.5 | 5 0.9 0.6 0.9 0.8 | 0.6 0.3 0.7 0.7 030 1.6 0.6 02 | 04 | 0.1 | 0.6 0.3 | 0.6 0.4 0.2 | 1.3 = | 0.2 0.4 | 04] 0.4 | 0.3 | 0.3 0.3 0.1 1.4 0.3 | 0.3 : | 0.2 | 0.2 03 | al 0.2 1:1. 08 0.5 0.1 o.1 0.2 0.2 0.1 | 0.2 .2 | = 0.1 0.1 0.1 0.1 | \ | 0.1 0.1 .9 0.1 0.1 0.1 03, 0.1 a 0.3 01 0.1 | ; 0.3 | 0.1 = 0.1 ; 0.1 01 | 0. 0.1 | ; | 0.1 0.1 | | | 0.1 | 0.2 | ö : | =: | 5 | 02 | ‘ | | Es Bm 288 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912, vier gleiche Teile zerlegt, wodurch viele interessante Einzelheiten auf- gedeckt wurden, ja es wäre gut gewesen, auch das zweite Stunden- intervall wenigstens in Hälften zu teilen. Die in Tab. 2 niedergelegten Ergebnisse lassen bei den ersten sieben Stationen eine weitgehende Übereinstimmung erkennen, so daß sie zu einem Gesamtmittel vereinigt werden konnten, dagegen weisen Gießen und Schneekoppe, d.h. eine trockene und eine nasse Station, andere numerische Verhältnisse auf. Überraschend wirkt das Resultat, daß bei allen Stationen des Tieflands Regenfälle bis zu ı 5 Minuten Dauer, auf der Schneekoppe — und ebenso auf dem Brocken und in Flinsberg — solche von 16 bis 30 Minuten Dauer am häufigsten sind; denn allgemein neigt man zu einer Überschätzung der Regendauer, die in Laienkreisen häufig über- trieben hoch angenommen wird!. Die Abnahme der Häufigkeit bei den drei ersten Intervallen ($ #3 $3—3 Stunden) erfolgt, wie Fig. 2 deutlich zeigt, geradlinig, d.h. in arithmetischer Progression, dann tritt bei allen Stationen der Ebene eine Verlangsamung: in der Abnahme ein. Bei den sieben norddeutschen Stationen, deren Werte zu einem Gesamtmittel vereinigt werden konnten, haben 72 Prozent aller Regen- fälle eine Dauer bis zu ı Stunde, nur noch 14 eine solehe von ı bis regnet. Regenfälle von ı 2stündiger Dauer sind schon eine große Selten- heit, die vielleicht alle drei bis vier Jahre an einer Station einmal vor- kommen, und, wie Tab. > zeigt, wurden Regenfälle von 24 Stunden Dauer an den meisten Stationen in den zehn Sommern überhaupt nicht registriert. Dies gilt auch für die 18 Jährige Beobachtungsreihe von otsdam, aus der ich folgende mittlere -und absolute Maxima ab- Mai Juni Juli August Sept. Mittleres Maximum der 7.6 6.3" 8.0" e u Absolutes $ Dauer eines Regenfalls 20.6 16.0 19.3 13.3 20.7 Das rasche Anwachsen des mittleren Maximums vom August zum September steht in Übereinstimmung mit der längeren Dauer der Regenfälle im September im allgemeinen und findet auch in der nach- . Die Überschätzung der Regendauer ist psychologisch wohl dadurch zu er- klären, daß der Regen als störend empfunden und seine Dauer darum länger an- genommen wird, als sie in Wirklichkeit ist, Hermann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 289 Fig. 2. nnd 5 FE 7 a a R x IN E\ nr nr [) n a ” 2, a no ca en Se re ae ee a Dia din 8 td | el a o Eu aa + no” u — — _ — — Zahl der Regenfälle von verschieden langer Dauer. folgenden Zusammenstellung der besonders lange dauernden Regenfälle eine Bestätigung. Der September ist nämlich reich an ihnen und er- weist sich insofern als ein Übergangsmonat zur kalten Jahreshälfte mit ihren Niederschlägen von langer Dauer. Regenfälle von ungewöhnlich langer Dauer. Dauer Regenhöhe in mm en — in Stunden insgesamt pro Stunde Schwerin i. Meckl. . - 2.3. Juli 1899 12.0 2.5 u ee 14.— 15. Sept. 1903 134 34.6 2.5 a © Ve 13.— 14. Sept. 1906 15.8 18.7 1.2 Pod 5 a en 20, Juni 1906 16.0 15.5 1.0 w land auf Sylt . 15.— 16. Sept. 1906 16.9 84.7 5.0 Schivelbein . . . - - 7. Sept. 1902 17.3 35-5 a Potsdam . . ie 7. Sept. 1902 16.6 44-9 2.7 a 6.—7. Juli 1906 19.3 25.0 1.3 Due. : 8.—9. Juli 1903 19.4 14.2 0.7 Von-der-Heydt-Grube . 28.— 29. Sept. 1904 20.7 29.3 1.4 Das... 2, 21 20.7 28.7 1.4 RE ge 20.8 27-4 1.3 26.9 13 Bad. 2.02 21.8 290 Sitzung der :physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. Dauer Regenhöhe in mm Ort Datum : ; in Stunden insgesamt pro Stunde Von-der-Heydt-Grube . 20.—21. Mai 1906 22.8 9.3 0.4 N 6.—7. Juni 1902 23.0 38.8 %.7 Von-der-Heydt-Grube . 6.—7. Juni 1902 19.8 17.5 0.9 N 27.—28. Sept. 1899 24.2 20.4 0.8 Von-der-Heydt-Grube . 4.—5. Sept. 1901 26.0 22.6 0.9 Sehivelbein. . . , = 9.— 10, Mai 1903 26.8 57-5 2.1 a BR 26.—27. Mai 1899 40.9 47-3 1.2 Schivelbein . . . .. 26.—27. Mai 1899 29.2 18.2 0.6 Von-der-Heydt-Grube . 14.—ı6. Sept. 1901 47-8 32.6 0.7 Alle vorstehend aufgeführten langdauernden ununterbroclhenen Regenfälle, ja nahezu alle Regenfälle von mehr als fünfstündiger Dauer gehören den sogenannten Landregen an, die in der kalten Jahreszeit zwar häufiger als in der warmen vorkommen, aber auch in dieser einen hohen Prozentsatz aller Regenfälle ausmachen. Natürlich gibt es auch sommerliche Landregen von weniger als fünfstündiger Dauer, wie umgekehrt bisweilen ein Gewitterregen länger als 5 Stunden an- halten kann. Drei typische Wetterlagen sind es, bei denen obige langdauernde _ Regenfälle eintraten: 1. die Station liegt an der Vorderseite eines von Nordwesten oder Westen heranrückenden barometrischen Minimums, das nahe nördlich vorbeizieht oder unter Änderung seiner Bahn die Station selbst passiert; 2. über ganz Zentraleuropa, einschließlich der südlichen Nordsee und Ostsee, liegt ein ausgebreitetes flaches Tiefdruck- gebiet, aus dem heraus sich Depressionskerne entwickeln, die langsam nach.Norden oder Nordosten ziehen; 3. bei hohem Druck im Westen befindet sich. im Osten von Zentraleuropa ein Tief, das ähnlich wie auf der Zugstraße V® langsam nach Nordosten fortschreitet. Die Regenfälle hielten um so länger an, je langsamer die De- pressionen zogen oder wenn sie stationär blieben. Zu dem gleichen Resultat hatte auch die Untersuchung über die starken Regen im öst- lichen norddeutschen Binnenland geführt, welche die Sommerhoch- fluten der Oder verursachen'. Während aber diese schlesischen Regen bei langer Dauer auch so intensiv sind, daß sie oftmals Wolkenbrüche genannt werden können, erweisen sich die oben angeführten längsten Regenfälle als wenig ergiebig; denn nur selten geht die Regenintensität pro Stunde über 2 mm hinaus. | Um zu einer Vorstellung über die Dichtigkeit der norddeutschen Landregen im Sommer überhaupt zu kommen, wurde für Potsdam die mittlere Stundenmenge bei allen länger als 5 Stunden dauernden Regen ‘ Herımans und von Eısxer, Meteorologische Untersuchungen über die Sommer- hochwasser der Oder. Berlin 1911, 3° und Atlas. lisa Herımann: Über 'den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 291 ermittelt. Sie ergab sich für die Monate Mai bis September zu 1.4 mm, so daß ein Landregen, der zwei oder mehr Millimeter in der Stunde liefert, schon als stark bezeichnet werden kann. Bei den eben er- wähnten schlesischen Sommerregen sind aber im Gebirge mittlere Stundenmengen von 8 bis 10 mm öfters vorgekommen. Es sind dies die ergiebigsten Landregen in ganz Norddeutschland. Aus der Zahl und Dauer der Regenfälle an einem Tage läßt sich die Gesamtdauer des Regens an einem Regentage ableiten. Über diese gibt Tabelle 3 Auskunft. | Tabelle 3. Zahl der Regentage in den Monaten Mai bis September mit einer Regendauer von n Stunden bzw. Minuten, ausgedrückt in Prozenten aller Regentage. n Regendauer Schivel: Schwerin Wester- a Mittel eines Tages | Memel Putbus !, land | Lennep | Heydt- | aus 7 in Stunden le i. Meckl. | zur Sn! Grube [Stationen bzw. Minuten | Een 9.6 8.3 7.4 9.2 7.4 6.7 7.9 8.1 13-3 2.3 1630” 8.4 8.7 8.8 9.1 11.1 7.1 8.4 88 | 11.7 6.2 31 —ı? 13:8 14.4 13.9 13.6 16.0 12.0 14.8 14.0 17-2 12.4 ' min 325 | 31.4 30.1 31.9 34:5 25.8 | 31.0 30.9 42.2 | 20.9 1" —2" 18.9 21.7 20.5 21.0 } 20.6 180 | 20.6 20.2 20.6 | 14.9 ab ,b 12.5 13.8 15.5 9.2 | 12.7 13.0 13.2 13.0 | 11.4 ee 10.4 8.7 10.2 10.3 11.4 9.2 10.2 10.1 6.9 | 9.2 ge 5.8 6.7 6.8 6.7 5-9 | 9.0 7-4 6.9 4-3 7.6 Ken 5.1 4.7 5.6 3.7 5.5 7.2 4.8 5.2 3.2 2.8 zb 3.8 2.1 3.2 2.3 3.3 3.8 3-5 3.2 3.1 4.6 Tg" 3.6 2.1 2.6 2.6 3.1 3.6 2.3 2.8 2.1 4-3 rn —gh 2.6 1.4 1.9 2.2 33 2.4 2.2 Ei 14 3.0 Yı"—ioN 1.9 1.4 2.2 1.2 0.4 1.8 1.4 1.5 2.3 1" rt 1.6 1.1 1.0 0.9 1.7 1.3 I. hear ig -. 12° _ at 0.8 0.3 0.9 .0.4 1.0 1.0 0.1 0.6 2.1 LE FL 0.6 0.8 0.7 0.6 0.9 1.7 0.3 0.8 4.6 14m _ gb 0.7 0.5 0.5 0.7 0.2 0.7 | 1.0 0.6 | 0.8 | 2.0 1667 m__ gb 02 oz ; LE | 0.5 0.4 [20 86m _ „oh 0.5 - 0.6 0.2 | | 2.8 a0' m _ 226 63.71..03 0.1 0.7 1.3 22m _ 24 : 0.1 | 0.1 0.03 J | 2.0 Sieht man zunächst von Gießen und Schneekoppe ab, die ein extrem trockenes bzw. feuchtes Klima repräsentieren, 80 herrscht bei den anderen norddeutschen Stationen wieder eine große Übereinstimmung im Verlauf der Zahlen. Die Abnahme der Häufigkeit der Regentage mit dem Ansteigen der einstündigen Schwellenwerte erfolgt sehr regel- mäßig (Fig. 3). An 31 Prozent aller Regentage beträgt die Regendauer 292 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. Fig. 3. a re ee: a n ”» - > n ee „ee 2 Zahl der Regentage mit verschieden langer Regendauer. bis zu ı Stunde, an 20 Prozent ı bis > Stunden, so daß rund die Hälfte aller Regentage eine Regendauer bis zu 2 Stunden hat. Die weitere Abnahme der Häufigkeitsprozente geht so rasch vonstatten, daß Tage mit einer Regendauer von 2 bis 3 Stunden schon seltener sind als solche, an denen es nur £ bis ı Stunde regnet. Desgleichen gibt es ebensoviel Tage, die eine Regendauer von 3 bis 5 Stunden haben, wie Tage, an denen der Regen bis zu 4 Stunde andauert. In Gießen überwiegen die Tage mit kurzer Regendauer, auf der Schneekoppe, wo die Zahlenwerte der höheren Stufen wegen der Kürze der Beobachtungsreihe (6 Jahre) noch etwas unregelmäßig verlaufen, natürlich solehe mit langer Regendauer. Hier regnet es an 65 Prozent aller Regentage mehr als 2 Stunden. Aus den der Tabelle 3 zugrunde liegenden absoluten Zahlen kann die mittlere Dauer des Regens an einem Regentag berechnet werden. Sie sagt zwar viel weniger aus als die Verteilung der Häufigkeit nach Schwellenwerten in der genannten Tabelle, eignet sich aber zu einem raschen Vergleich der Stationen untereinander. Man darf nur nicht ver- gessen, daß der Wert der mittleren Dauer überall über dem häufigsten liegt. Die Zahlenwerte sind folgende: Mittlere Dauer des Regens an einem Regentage. Mai Juni Juli August Sept. Mittel a) nach Registrierungen mit Herımanss Pluviograph: Memel a 2.9 2.3" 2. 3.4" 3.2» 2.9" Schivelbein . . . . . 3.1 2.8 2.9 2.4 3.0 2.8 be N 2.6 3.0 31 30 3-1 3.0 ‚Schwerin i. Meckl.. . . 2.3 2.6 a ee N Herrmann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 293 Mai Juni Juli August Sept. Mittel 2.8 Westerland auf Sylt . 3.0 3.1 2.2 3.0 2.8 Linen2 . . 3... 7 3.8 3.7 3.8 2.9 3.9 3.6 Von-der-Heydt-Grube . 7,8 2.5 2.8 23 3.8 3.0 Gießen ae re 2.1 2.1 2.1 1.8 2,2 2.3 Nürnberg (11 Jahre) . 2.7 25 2.9 2.4 4.1 2.9 Wien (12 Jahre) . - - 33 2.8 2.9 2.8 2 3.0 Sarajevo (16 Jahre) . - 3.0 2.8 1.9 2.5 3.1 2.7 Mostar (16 Jahre) - - 3.0 2.1 1.5 2.0 3.6 2.4 b) nach Registrierungen mit anderen Pluviographen: Potsdam (18 Jahre) . - 2.7 2.4 2.8 2.0 2.8 2.5 Basel (7 Jahre) . - - 3.6 2.5 2.9 2.8 3.5 3.1 Das Plateau des Bergischen Landes, auf dem Lennep liegt, wurde bereits in meiner »Regenkarte der Provinzen Hessen-Nassau und Rhein- land«, Berlin 1903, S. 17, als eines der regenreichsten Gebiete Nord- deutschlands bezeichnet (Jahresmenge 1270 mm), obwohl es nur eine durchsehnittliche Meereshöhe von 350 M hat: nun erweist es sich auch als eine Gegend, welche die häufigsten und längsten Regenfälle ver- zeichnet. An den Küsten der Nordsee und Ostsee ist die Dauer der sommerlichen Regenfälle viel kürzer, und im Troekengebiet von Gießen erreicht sie ein Minimum. Dagegen kann man von einer Abnahme der mittleren Regendauer an einem Regentage bei den mehr kontinental gelegenen Stationen Nürnberg und Wien nieht sprechen; erst Mostar in der Herzegowina, das sich schon dem mediterranen Charakter der Regenverteilung nähert, hat im eigentlichen Sommer Juni— August Tage mit kurzer Regendauer. 4. Eine weitere Gruppe von Ergebnissen, die sich aus den Aufzeich- nungen der Pluviographen ableiten lassen, betrifft die tägliche Pe- riode des Regens, und zwar hinsichtlich seiner Häufigkeit, Dauer, Menge und Intensität. Hierbei treten mehr regionale Verschiedenheiten auf als bei den in den vorhergehenden Abschnitten besprochenen Ver- hältnissen, die sich auf die Häufigkeit und Dauer der Regenfälle im allgemeinen bezogen, ohne Rücksicht auf die Tageszeit, in der sie fallen. Zum besseren Verständnis des Folgenden will ich vorausschicken, daß sich die tägliche Periode des Regenfalls, soweit sie bis Lg nament- lieh bezüglich der Menge studiert worden ist, auf zwei Haupttypen zurückführen läßt, die ich nach den Erdgebieten, in denen sie am ausgeprägtesten vorkommen, den ozeanischen und den kontinentalen nennen will. Der ozeanische Typus ist durch ein Maximum bei Nacht und ein Minimum bei Tage, der kontinentale umgekehrt durch ein Maxi- mum am Nachmittag und ein Minimum bei Nacht gekennzeichnet. Am 28 Sitzungsberichte 1912. 294 . Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. häufigsten kommen aber Übergangsformen vor: der ozeanisch-kontinen- tale Typus mit einem Hauptmaximum in der Nacht und einem sekun- dären am Nachmittag sowie der kontinental-ozeanische Typus, bei dem das Hauptmaximum auf den Nachmittag und ein sekundäres in die Nacht- oder frühen Morgenstunden fällt. Diesen beiden Übergangs- formen begegnen wir auch bei den Sommerregen in Norddeutschland. Zur Ableitung der täglichen Periode der Regenhäufigkeit dient die Häufigkeit des Regens in den einzelnen Stundenintervallen oder die Zahl der sogenannten »Regenstunden« (Tabelle' 4). DER 13 Bla Eee Tabelle 4. Mittlere Zahl der Regenfälle in den einzelnen Stundenintervallen in den Monaten Mai bis September Leg IeNe Periode der Regen häufigkeit). ; i ._ | Wester- Von-der- . : Memel m Putbus A land | Lennep | Heydt- | Gießen eu ge auf Sylt Grube ı und 3 |2,4,6,8 I 2 3 4 5 6 7 8 o—ıa 13.2 12.3* 12.8 12.4 13.8 19.0 14.9 12.5 13.0 u 1—2 13.8 12.8 13.3 12.3 14.0 18.9 16.0 13.0 13.6 104 2—3 14.1 13.4 13.8 12.4 14.8 19.1 16.5 12.9 14.0 14.4 3—4 13.8 13.4 14.0 13.0 15.7 19.7 17.0 13.0 13.9 14.8 ı— 14.0 13.9 14.6 13-4 16.0 20.3 17.4 13.6 14-3 15.3 5—6 15.0 14.8 15.0 13.5 15.9 20.8 17.2 13.8 15.0 15-7 6—7 14.6 14.7 13.4 13.4 14.9 20.0 15.6 12.8 14.0 158 7—8 12.8 13.4 10.9 12.8 13.9 17.4 14.1 11.8 11.8 13.8 8-9 12.0* | 126 10.4* 12.3 14.2 16.1* 14.3 11.4 ın.2* | 131° 9—10 12.0 12.6 10.7 12.5 14.8 16.3 14.8 1123 14 13-2 10-53 12.2 13.5 10.6 14.1 14.2 17.0 14.6 11.4 11.4 18 11— 128 13-4 14.8 11.2 15.4 13-6 18.6 14.5 12.4 12.3 15-3 122—ıp 14.3 15.8 12.1 16.0 12.8 20.6 14.5 13.6 13.2 16.5 —2 14.1 16.9 12.9 17.0 11.4 21.4 14-7 14.8 13.5 17-5 2—3 13.2 17.5 13.6 16.9 10.6* 21.0 14.7 15.5 13.4 11.7 Eue,, 12.5 17.5 13.8 15.5 10.7 20.6 14.6 15.5 13.2 17-3 46 12.1 17.2 13.3 14.8 11.4 20.4 14.8 15.8 12.7 10 5—6 12.3 16.3 12.6 14.9 11.7 20.5 14.8 15.4 12.4 18 6—7 12.7 15.4 12.7 14.5 12.2 21.0 14-7 14.1 12.7 16.2 ie 13.3 14.8 13.4 13.4 13.4 20.4 14.0 13.7 13.4 15.6 8-9 14.0 14.2 14.1 12.8 14.0 19.1 13.8 13.8 14.0 15.0 9—ı10 13.7 13-4 14.2 12.6 14-4 18.5 13-6 13.8 14.0 14.6 10—11 13.4 13.2 13.5 11.8 14-4 18.8 2.3° 12.6 13.6 a. 11—12 13.4 13.7 13.0 11.8* 14.1 19.2 13.2 12.8 13.2 4 Mittel 13.3 14.5 12.9 137 13.6 19.4 14.9 13.4 ' Bei den Zahlenwerten für die tägliche Periode (Tab. 4—6) fand eine Aus- gleichung nach der Formel (a+25+c):4 statt. Herimann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 295 Die binnenländischen Stationen Sehivelbein, Schwerin, Lennep und Gießen zeigen denselben täglichen Gang, SO daß sie zu einem Gesamt- mittel vereinigt werden können, das in Fig. 4 graphisch dargestellt ist. Hiernach regnet es am seltensten in den Vormittagstunden von $ bis 10", von da nimmt die Regenwahrscheinlichkeit regelmäßig zu bis 3", wo sie das Hauptmaximum erreicht, sinkt zu einem sekundären Minimum um Mitternacht herab und wächst wieder zu einem sekun- dären Maximum um 6" morgens an. Es besteht also der kontinental- ozeanische Typus. An der fünften binnenländischen Station, Von-der-Heydt-Grube, fehlt merkwürdigerweise das Hauptmaximum am Nachmittag vollstän- dig; von 8° bis 7" verläuft die Kurve nahezu geradlinig, und nur in den Morgenstunden 5—6 macht sich ein deutliches Maximum bemerk- bar, das im Mai und September besonders hervortritt. Von den Küstenstationen lassen sich Memel und Putbus zusammen- fassen (Fig. 4); sie haben ein Hauptmaximum um 6" morgens und zwei nur wenig davon verschiedene sekundäre Maxima zwischen ı und 2" nachmittags und 9 bis 10° abends. Das Minimum fällt auch hier zwischen 8 und ı1" vormittags. Am reinsten zeigt sich der ozeanisch-kontinentale Typus in Wester- land auf Sylt, wo einem Maximum zwischen 4 und 5" morgens ein tiefes Minimum zwischen 2 und 4" nachmittags gegenübersteht. Der Aufenthalt der Badegäste im Freien wird hier also bei Tage relativ am wenigsten durch Regen gestört. Der Grund dafür liegt in der Seltenheit der Platzregen, Gewitter und gewitterartigen Regenfälle (»stille Gewitter«), die im Binnenland um diese Tageszeit besonders häufig sind. Zieht man die Dauer des Regens in den einzelnen Stundeninter- vallen in Betracht, so gelangt man zur täglichen Periode der Re- gendauer, die ich hier aber nur benutzt habe, um aus ihr und der Häufigkeit des Regens die wahre Dauer des Regens in den Stunden- intervallen ‚abzuleiten. Die Zahlen der folgenden Tabelle 5 sagen also aus, welchen Bruchteil eines Stundenintervalls mit Regenfall es durch- schnittlich regnet. . Wären verschieden lange Regen innerhalb einer Stunde gleich häufig, was nach Tab. 2 aber nieht zutrifft, dann müßte die wirkliche Regendauer fast genau halb so groß sein wie die Zahl der »Regen- stunden «, oder, anders ausgedrückt, der Reduktionsfaktor zur Reduktion der »Regenstunden« in wahre Regendauer wäre nahezu 4}. Das ist nicht der Fall. Der Faktor fällt im allgemeinen größer aus und er- reicht auf der Schneekoppe® besonders hohe Werte. Aber auch in der Ebene sind die Zahlenwerte dieses Reduktionsfaktors SO ungleich ; 98* 296 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. Tabelle 5. Mittlere Regendauer in einem Stundenintervall mit Regen (»Regen- stunde«) in den Monaten Mai bis September. | Schivel- Schwerin ..n ei Binnen- Memel bein Putbus iMeckl,| and |Lennep| Heydt- | Gießen | Küste RR Schnee : "auf Sylt Grube koppe ! 2 3 4 5 6 7 8 1(1,3.5),,4,6,78] 0o—ıIa 0.65 0.62 0.64 0.59 0.60 0.69 0.64 0.56 0.63 0.62 0,84 1-2 0.62 0.63 0.65 0.62 0.60 0.67 0.67 0.56 0.62 0.63 0.84 2—3 0.63 0.62 0.64 0.64 0.60 0.66 0.68 0.56 0.62 0.63 08 3-4 0.66 0.63 0.64 0.64 0.60 0.66 0.68 0.55 0.63 0.63 084 45 066 | 065 | 066 | 0.65 0.60 | 0.65 0.68 | 0.54 | 0.64 0.63 083 5—6 0.64 0.66 0.64 0.64 0.60 0.65 0.68 0.53 0.63 0.63 084 6—7 0.61 0.65 0.60 0.63 0.62 0.66 0.64 0.51 0.61 0.62 0,82 7—8 0.60*| 0.64 0.58 0.63 0.64 0.66 0.61 0.49 0.61 0.61 078 8-9 0.61 0.60 0.58 0.63 0.62 0.66 0.61 0.48 0.60 0.60 0 9—Io 0.63 0.56 0.58 0.60 0.59 0.63 0.61 0.49 0.60 0.58 04 10—11 0.63 0.53 0.56 0.57 0.59 0.60 0.59 0.50 0.59 0.56 04 11— 124 0.62 0.50 0.58 0.56 0.58 0.58 0.56 0.48 0.59 0.54 070 12&—1p 0.61 0.48 0.61 0.54 0.56 0.55 0.54 0.43 0.59 0.51 0.68 1—2 0.60* | 0.48* | 0.60 0.50 0.56 0.54 0.52 0.41*| 0.59 0.49 068° 2—3 0.62 0.50 0.57 0.48* 0.54 0.54*| 0.,50* | 0.42 0.58 0.49* 0.68 3—4 0.64 0.52 0.55°| 0.48 527... 054 0.52 0.42 0.57* 0.50 0.69 4—5 0.66 | 0.53 | 0.56 | o.sı 0.54 | 056 | 0.53 | 042 | 0.59 0.51 ne 5—6 0.66 0.54 0.60 0.53 0.57 0.58 0.55 0.44 | 0.61 0.53 ur ya. as] | vasgeräsgr | 64 1 0.6 054 (0 7—8 0.64 0.56 0.60 0.54 0.56 0.62 0.56 0.52 0.60 0.56 0.7 8—9 0.62 0.56 0.57 0.54 0.57 0.64 0.56 0.53 | 0.59 0.57 a0 9-10 | 060" | 055 | 055") 054 | 056 | 066 | 058 | 0.52 | 0577| 0.7 joM 10—11 0.61 0.60 | 0.58 | 0.57 058 | 067 | 0.63 | 0.52 | 0.59 0.60 8 11—12 0.64 0.62 0.62 0.58 0.60 0.68 0.64 0.54 | 0.62 0.61 0.82 Mittel 063 | 057 | 060 | 0.37 0.58 | 0.62 | 060 | 0.50 | 0.60 0.57 an Schwankung 0.06 0.18 0.11 0.17 0.12 0.15.1- 0.18 0.15 0.07 0.14 0.16 groß, daß man nicht daran denken kann, mit dem für eine Station ermittelten Faktor die »Regenstunden« einer anderen Station in Regen- dauer verwandeln zu können. Dagegen zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung im täglichen Gang, sowohl bei den binnenländischen wie bei den Küstenstationen (Fig. 4). Im Binnenland, die Gipfelstation auf der Schneekoppe nicht ausgenommen, haben Nachtregen längere Dauer als Tagregen; an der Küste besteht noch dieselbe Gesetzmäßig- keit, aber der Unterschied zwischen den Regenfällen beider Tages- zeiten ist geringer. Die Begründung für dieses Verhalten muß wieder in der ungleichen Häufigkeit der Gruppe der kurzdauernden Regenfälle gesucht werden. Die ganz kurzen Platzregen und die auch nicht lange dauernden Ge- Herrmann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 297 Fig. 4. Vormittag. | Nachmittag. ERTL EEE FRE, BE ZUERN NE MER AL SE, BER Binnenland Ostseeküste Nordseeküste — | Küsten Fe -#} Binnenland I Mi a 2 B LBELBLT Lennep Westerland auf 1 Sylt ERER u. 8.0 2 6 Tägliche Periode des Regenfalls. witterregen treten im Binnenland in den Mittags- und Nachmittags- d sie an der Küste selten sind. stunden am häufigsten auf, währen Tir müssen daraus schließen, daß an der Küste der größte Teil der Regenmenge im Sommer von Landregen herrührt, die von der Tages- zeit weniger abhängig sind. Die ergiebigen Gewitterregen sind hier seltener, worauf die von mir früher nachgewiesene Regenarmut unse- ‘rer deutschen Flachküsten beruht (vgl. diese Sitzungsberichte Bd. 42, S. 1422). Zum Studium der täglichen Periode der Regenmeng® be- darf es eigentlich längerer als 10 jähriger Beobachtungsreihen, da ein- ar zelne starke Regengüsse auf den Verlauf der Zahlen störend einwirken; 298 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. März 1912. indessen kommen bei Zusammenfassung der fünf Monate Mai bis Sep- tember die großen charakteristischen Züge deutlich genug zum Vorschein. Immerhin zeigen sich gerade hier so erhebliche Verschiedenheiten von Station zu Station, daß lokale Verhältnisse eine viel größere Rolle spielen müssen als bei den bisher behandelten Elementen der Häufig- keit und Dauer der Regenfälle. Tabelle 6. Tägliche Periode der Regenmenge in Prozenten für die Monate Mai bis September. | | | | Schivel- | Schwerin | u | Von-der- | Memel 2:4 Putbns-.}- | land Lennep | Heydt- | Gießen in i. Meckl. ’ | | | auf Sylt | Grube | | | | | 0—ıa 4:4 4.0 43 56-3 4 EL 3-7 1—2 4.1 3.8 4.2 3.4 | 4-5 4.0 | 4.1 3.8 2—3 40 | 3.4 4.0 3.6 4.8 44: | 3.9 3-4 3—4 a ee 3.9 4.0 501044 3.0 3.2 4—5 Bu 0 4.1 | 4.0 ee 3-5 3-4 5—6 3.7 3-7 4.1 3-7 2 ca 36 | 36 6—7 4.1 | 3.9 3.8 | 3.8 5.6 4.2 3.4 3-3 7—8 4.1 3% En N a Re 5.5 3.8 33 3.0 8—9 3.9 2.9* ee, 5.2 3.2 3.8 3.0* 9—ı10 3-8 | 3.1 2.8 | el 28° 4-3 3.0 10—11 3.8 re a | 5.1 3.6 3.0 4.6 3.4 11—124 42 | 4-4 4.2 5,6 38 3.4 4-7 3-5 122—ıp 4.7 45 5.1 | 5.4 3-7 4.0 45 3.6 1-3 4.6 SS 4.7 5.1 3-7 4.6 4.3 4-9 2—3 4:4 6.2 4.2 4.6 3.2 5-4 4-5 5.9 34 4-3 5.9 4-7 4-4 2.7* 6.0 5.2 5-5 nn 3-8 5.3 5.3 5.0 2.8 5.3 5,8 5.6 5-6 3.8 5.0 38 5,3 3-7 4:5 5.6 6.0 7 4.6 4-7 44 4-3 4-3 4-4 4.8 5.6 7—8 5.2 4-4 4-7 3.6 4.4 43 4.0 5.3 8—9 4-8 4.1 4.6 3-5 4.0 4.2 4-3 5.0 9—10 4.0 3-7 4-3 3.6 3-5 4-1 4-3 4.6 30-11 3-9 3-7 4:4 3-4 3-6 a 41 11—12 4.4 4.0 4-4 | 3.4* 3.8 3.8 | 24° 3.6 Es ist darum als unzweckmäßig zu bezeichnen, daß man bis jetzt mit Vorliebe den täglichen Gang der Regenmenge studiert hat; denn es lassen sich aus ihm allein wenig allgemeine Gesetzmäßigkeiten ableiten. a ,. | Die größten Gegensätze weisen Westerland und Lennep auf: hier der scharf ausgeprägte kontinental-ozeanische Typus mit einem Haupt- maximum zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags, einem sekundären Maxi- mum zwölf Stunden früher und einem tiefen. Minimum von ıo bis Herrmann: Über den Charakter der Sommerregen in Norddeutschland. 299 11 Uhr vormittags, dort der ozeanisch-kontinentale Typus mit kleinerer Schwankung. Bei einigen binnenländischen Stationen teilt sich das nachmittägliche Hauptmaximum in zwei, bei anderen tritt das sekun- däre Nachtmaximum stark zurück, wie namentlich in Gießen, wo fast der reine kontinentale Typus herrscht. Es ist längst bekannt, daß das Maximum der sommerlichen Regen- menge am Nachmittag im Binnenland von den starken Regenfällen herrührt, die meist in Begleitung von Gewittern eintreten, und daß auch die oft ohne elektrische Erscheinungen herabfallenden Platzregen einen großen Anteil daran haben. Da die Station Von-der-Heydt-Grube keine Vermehrung in der Zahl der Regenfälle am Nachmittag zeigte, während in der täglichen Periode der Regenmenge das Maximum am Spätnachmittag sehr wohl vorhanden ist, kann es nur durch häufige starke Regen in diesen Stunden hervorgerufen sein. Um dies an der Hand der Registrierungen zu prüfen, wurden alle Fälle, in denen es in einem Stundenintervall mindestens 5 mm geregnet hat, ausgezogen. Dasselbe geschah auch bei den Stationen Lennep, Westerland und Potsdam (18 Jahre). Es ergab sich, daß in den fünf Monaten Mai bis September durchschnittlich 5.7 mal in Westerland, 8.2 mal in Von- der-Heydt-Grube, 9.0 mal in Potsdam! und ı1.4 mal in Lennep Stun- denmengen von >5 mm vorkommen. Ihre prozentische Verteilung auf die Tageszeiten ist folgende: Tägliche Periode der starken Regen (Stundenmenge = 5 mm) in Prozenten. ah en ee 37° 6-9..,9—-12 Von-der-Heydt-Grube 93 56. 83 120 130 a u 83 Be ea ee ee 108 110 Potsdam 8 6.2 4.1 a: 0 an eiet - Westerland auf Sylt 17.5 125 17.5 15;2332 838 138 112 Diese Zahlen bestätigen die gemachte Annahme, zeigen auch für Pots- dam die interessante Eigentümlichkeit des späten Eintretens der starken Regen von 3" nachmittags bis gegen Mitternacht. In der täglichen zwischen 7 und 8? bemerkbar, mit dem diese starken Regenfälle offen- bar zusammenhängen. Dagegen haben die Platzregen, d.h. starke Regenfälle von kurzer Dauer, in Potsdam? einen ‘davon etwas Ver schiedenen täglichen Gang, der zeigt, daß ihr Eintreten vorzugsweise an die wärmste Tageszeit gebunden ist. t In Potsdam kommt es in IO Sommern (gerechnet von Mai bis September) durch- schnittlich 13 mal vor, daß es zwei Stunden hintereinander mindestens je 5 mn regnet. ? Seit 1893 werden in Potsdam Regenfälle von mindestens o.2 mm in ı Minute als starke ausgesondert. 300 Sitzung der physikalisel 1 ischen Classe vom 28. März 1912. ji Tägliche Periode der Platzregen in Prozenten. 0-32 3—6 6—9 9—12 0o—3P 3—6 6—9 9—12 Potsdam 7.6 4.0 4.9 8.4 22.1 21.9 18.9 12.2 Damit in Übereinstimmung steht auch die Tatsache, daß auf den . wärmsten Monat die meisten Platzregen entfallen; denn von allen Platz- regen in den Monaten Mai bis September kommen auf den Mai 14.4, Juni 18.0, Juli 30.2, August 21.7 und September 15.7 Prozent. Die Verteilung der starken Regenfälle auf die Tageszeiten in Westerland, die mit derjenigen der Gewitter Hand in Hand geht, zeigt deutlich ihr Vorherrschen in der Nacht und in den frühen Morgen- ‚stunden. Die tägliche Periode der Regenintensität (Stundenmenge dividiert durch die zugehörige Dauer) schließt sich so eng an die der Regenmenge an, daß ich auf die Mitteilung der henden Tabelle hier verzichte. Es genüge hervorzuheben, daß im Binnenland die In- tensität am Nachmittag (3—5") am größten und früh morgens (4— 6") am kleinsten ist. An der Küste gibt es zwei Hauptmaxima gegen 8" morgens und abends sowie ein sekundäres zwischen 2 und 3" nach- mittags. Der Quotient Maximum :Minimum schwankt zwischen 1.5 in Westerland und 2.5 in Von-der-Heydt-Grube, d.h. am letzteren Ort ist der Regen von 5—6? zweiundeinhalbmal so intensiv als der von 5—6* fallende. 5. ‚ Auf Grund der im tehend thalt Ergebnisse ı0jähriger R des R falls sowie anderer von mir schon früher ge- wonnenen Resultate der Regenforschung, wie sie namentlich in dem Werke »Die Niederschlagsverhältnisse in den norddeutschen Stromge- bieten« (Berlin 1906, 3 Bände 8°) niedergelegt sind, will ich versuchen, eine allgemeine Charakteristik und Klassifikation unserer Sommerregen zu geben. Sie hat nicht bloß für INAOHLER ROLL, sondern auch für einen großen Teil Zentraleuropas Gültigkeit, da, hen von ganz lokalen Ausnahmen, gewisse Gesetzmäßigkeiten des Regenfalls für weite Gebiete annähernd gleich bleiben. Eine Klassifikation unserer Sommerregen gründet sich am zweck- mäßigsten auf ihre verschiedene Herkunft, je nachdem sie dem großen oder dem kleinen Kreislauf des Wassers angehören. Mit letzteren wer- den zugleich die dem Sommer charakteristischen Formen von denen geschieden, welche das ganze Jahr vorkommen. Unter dem großen Kreislauf des Wassers verstehe ich diejenigen Niederschläge, bei denen der größte Teil des zur Kondensation gelan- genden Wasserdampfes in den barometrischen Depressionsgebieten durch Herrmann: Über den Charakter der S in Nordd hland. 301 die Winde vom Ozean herbeigeführt wird, um später in flüssiger Form zu diesem zurückzukehren. Hierher gehören die langdauernden und weit; Landregen, die gewöhnlich in Regenschauer und Regen- böen von kurzer Dauer übergehen, wenn die Station auf die Rück- seite des Depressionsgebietes zu liegen kommt; Auch die Graupelfälle des Frühjahrs und Frühsommers, die besonders in Nordwestdeutschland und in den Hochregionen unserer Mittelgebirge häufig auftreten, sind hier einzurechnen. Wenn dagegen ein erheblicher Teil des kondensierten Wasser- dampfes von der Verd g in der Nacht haft oder an Ort und Stelle herrührt, kann man von einem kleinen Kreislauf des Wassers sprechen. Charakteristisch für ihn ist, daß er sich mehrere Tage hinter- einander in fast derselben Form wiederholen kann, und daß er natür- lich nur Niederschläge von kurzer Dauer verursacht, da der lokal vor- handene Wasserdampf, wenn keine kräftige Advektion stattfindet, bald erschöpft ist. Regen solcher Herkunft sind die strichwei ft d Gewitterregen, Gewitterböen und Hagelfälle sowie die lokalen Platz- - regen. Was nun den Anteil betrifft, den diese verschiedenen Formen des Regenfalls an der Gesamtregenmenge des Sommers haben, so läßt er sich genau nicht angeben, da häufig die eine Form in die andere über- geht und eine strenge Scheidung der anteiligen Mengen kaum möglich ist. Indessen kann man doch die Gewitterregen als unsere ergiebigsten Ss g h : denn, obwohl im Binnenland nur der vierte bis dritte Teil der Regentage Gewitter haben, stammt nahezu die Hälfte der vom Mai bis September fallenden Reg ge von Gewi g her. In den Küstengebiet tlich der Nordsee, wird der an- teilige Betrag der Gewitter erheblich kleiner, während er in einigen Berglandschaften Mitteldeutschlands bis zu 75 Prozent ansteigt. Gewitterregen haben durchschnittlich eine kürzere Dauer, als oben für die Sommerregenfälle im allgemei festgestellt wurde; sie be- trägt in der Ebene etwas mehr als ı Stunde, im Gebirge ungefähr 14. Ihre Intensität ist aber groß. Gewitterregen mit einer Stundenmenge von 5 bis 15, ja mehr Millimetern können bei Frontgewittern auf große Erstreckungen hin niedergehen, dagegen kommen Maximalmengen immer nur nesterartig auf relativ kleinen Gebieten vor. Man darf annehmen, daß überall in Norddeutschland, die Küstenstriche ausgenommen, ein mehrstündiger Gewitterregen bis zu 150 mm liefern und daß die Maxi- malstundenmenge go mm erreichen kann. Das sind die eigentlichen Wolkenbrüche, d.h. ungewöhnlich starke Regenfälle von etwas längerer Dauer. Sie treten mit Vorliebe in den trockenen Gegenden Ostdeutsch- lands auf, wo sich infolge der hohen Temperaturen ein kräftiger auf- 29 Sitzungsberichte 1912. 302 Sitzung der physikalisel 1 ischen Classe vom 28. März 1912. steigender Luftstrom entwickeln kann. Indessen sind sie auch hier so selten, daß mehrere Jahrzehnte vergehen können, ehe sie sich am selben Ort wiederholen. Der Grund dafür liegt in ihrem geringen räumlichen Umfang: denn das Gebiet maximaler Regenmenge bei einem starken Gewitterregen kann auf ı qkm herabgehen, beträgt aber bis- weilen das ıo bis 30fache. Im Mai und Juni, seltener im Hoch- und Spätsommer, beginnt der Gewitterregen öfters mit einem Hagelfall, der noch enger begrenzt strichweise auftritt als das Gewitter selbst. Auch dürfte mancher groß- tropfige Regen der warmen Jahreszeit nichts anderes sein als Hagel- körner, die geschmolzen sind, ehe sie den Erdboden erreichen. Einen kurz n gewöhnlich i i Regenfall nennen wir einen Platzregen (Gußreg S Eine Definition des Platzregens mit Angabe der unteren Grenzwerte für Zeitdauer und Regenmenge läßt sich nicht geben, da ich schon früher nachgewiesen habe, daß die Intensität der Platzregen mit ihrer Dauer abnimmt. Es gibt zwei Arten von Platzregen: die eigentlichen Platzregen, die selb- ständig auftreten, und solche, die nur eine Verstärkungsphase eines Regens, und zwar meistens eines Gewitterregens, bilden. Wie diese, kommen die Platzregen am häufigsten in der wärmsten Tages- und Jahreszeit vor. Das von ihnen betroffene Gebiet ist sehr klein. Aus einigen Tausenden von eigentlichen Platzregen, welche die hlreichen Regenb Norddeutschlands in den 20 Jahren von 1891— 1910 gemeldet haben, ergeben sich folgende mittlere und ab- solute maximale Intensitäten des Regenfalls pro Minute!. : 1=5 6—i15 16-30 3145 4660 Min. Dauer Mittleres Maximu, 3.2 3: 2. 1.4 u mm Absolutes f der Intensität 6.7 5.0 47 2.3 1.5 mm An einer einzelnen Station liefern 20jährige Beobachtungen natur- gemäß viel kleinere Extremwerte, aber die Abstufung der Intensität bleibt im wesentlichen dieselbe. Zur Erklärung der Platzregen hat man Übersättigung der Luft mit Wasserdampf angenommen. Obwohl diese meines Wissens höchst selten in der Atmosphäre wirklich beobachtet worden ist, Könnte sie doch wohl nur zur Erklärung der eigentlichen Platzregen dienen, nicht aber derjenigen, die in der Mitte oder am Ende eines Regenfalls auf- treten. Die Intensität der Landregen, die während der kalten Jahreszeit häufiger und ausgedehnter als im Sommer vorkommen, ist zwar gering . “ Wegen. der zugrunde liegenden unteren Grenzen der Intensität vgl. mein Werk »Die Niederschlagsverhältnisse in den norddentschen 8 bi Bd. 1, 8. 144- Herrmann: Über den Charakter der S in Nordd hland. 303 und stark wechselnd, durchschnittlich nur wenig mehr als ı mm pro Stunde, doch erreichen die Gesamtmengen wegen der langen Dauer des Regenfalls so erhebliche Beträge, daß ihnen nächst den Gewitter- regen der größte Anteil an der Regenmenge des Sommers zukommt. An den Küsten liefern sie sogar die Hauptmengen. Da bei den sanft niedergehenden Landregen ein relativ großer Teil des Wassers in den Boden eindringt, tragen sie am meisten zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit und zum Wachstum der Pflanzen bei. Dagegen hen die ungewöhnlich kräftigen Landregen, die im öst- lichen Binnenlande gar nicht selten eintreten, die gefürchteten Sommer- hochwasser der Oder und oft auch solche der Weichsel und Elbe. Die meisten Überschwemmungen der westdeutschen Flüsse Weser, Ems und Rhein rühren von Winterregen her, deren Charakter ich später einmal zu erörtern gedenke. "Ausgegeben am 11. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder auch in weiterer ne in en Sprache veröffentlicht en. Sollte eine da zuwi er Veröffe nt- Be dem redigirenden Seeretar vor der Ausgabe in den akademischen Schriften zur Kenntniss u so hat er die as ttheilung aus diesen zu et w r Verfasser einer leeasramease wissen- en littheilung dieselbe anderweitig früher zu ie veröffentlichen beabsichtigt, ae ihm diess nach den gel- tenden Rechtsregeln zusteht, so bedarf er dazu der Ein- Gesammt-Akademie. ı anderweitig zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestattet. Aus $ 21. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Aus $ 22. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in a Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- en und über die zur ee geeigneten ge- schäfiliche en Angelegenheit: ee, den en der Wissenschaften Mittheilungen folgen in dieser Übersicht kur derselben, ee. die Ve Ede Bueishen und für welche sie ver- antwortlich sind. Diese Inhaltsangaben sollen sich in er Regel auf 5—6 Druckzeilen beschränken, keinesfalls 10 Zeilen hesahre 'eiten. Die nicht in den Schriften der ei erscheinenden en werden mit vorges n Stern bezeichnet, bei den für die Abhandlungen ee wird »(Abh.)« zug. ante Mittheilungen fremder Verfasser Bericht über diejenig. 'e Sitzung aufgeführt, in wel n Aufnahme in die akademischen Schriften endgültig Tidenlosten wird. 827. Das ne einer in einer akademischen Sitzung ım Donners ur Aufnahme in die Sitzungsberichte zu- Galerie Mitheihung, welche am alkdhten Donnerstag gedruckt Bekiage a muss der Regel nach in der Sitzung s selber s bis 2. 10 Uhr Morgens dem = 6 druck- fertig men a: Später eingereichte ke werden, Präsentationsvermerk des Secretars u a Archivars versehen, Fre ein Se Stück zurückgelegt. a a von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren aus irgend welchen Gründen be- sondere A ae erwarten lässt, oder welche den in Ss 3 a 4 een Bestimmungen nicht entsprechen, rci versendet spätestens am Montag a = Core an die hier Sohnähiioe = an- wesenden V an die Mitglieder, welche die Mittheilung Be abet n, mit der Angabe, dass sie dieselben am Dienstag Abend wieder abholen lassen werde, er su nd mit der Coı Rev uss ie ruckerei ae die bend von der en be- Correetur länger als = Dienstag Abt trauten Person behalten, so hat diese es zu verantworten, wenn die ee in einem spätern Stück erscheint. ch auswärts werden Correeturen nur auf Verlangen Ferandk; "he vr 'erfasser verzichten damit auf Erscheinen = Mittheilung nach acht Tagen. Fremden Verfassern, n Correeturen er en Bi ee I zur 2 Revalon unterbreitet werden ‚cheinen am nächsten Augaheuge ee lt ee che rt werden. Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. 1909: 'h-mathematische u a ae hysikalisc Phllosophisch- historische Class en aa Jahr; g- 1910: Physikalisch-mathematische Olasse . . . - - Philosophisch-historische Classe . . -» » » - 411.50 se M34— . 38.— Einzelne anne aus den Jahren 1909, 1910, 1911 und 1912. Der Proc: mastoideus ” Pe 9 ne Gödächinissrede u af Eberhard Schra« De ee von Wıramowırz-MorıLExn Nordioni: ni Seine. N ee Scaurze, W.: Ge Aehtoeiede- auf Richard Pi n a Se Roses: See auf Friedrich Kohleauie a ee re 2 Lasporr +: Über die a der Masse bei chemischen Umsetzungen A en Kekurx von m. = ee Dirzuev: Der Aufn 4 der geilen wat in des Geisteswisenschaften. Erste | Hälfte ee van’r Horr: ıtnissrede auf H: 'h Landolt . en ÜLLeR: Uigurica -» 1 Exozer und Karen Uber den den anatomischen Bau der baumartigen Cyperace Schoenodendron R us Kam * ee » ee Fiscner: er auf ns bus Henri ar vant "Hof. a = Scuuzzz, W.: ei E aut es a ee Er Exsan: Hymnen an das Diadem der Phara ee Morr: ne sprachlichen indernng | Frankreichs u Disis: Die g x Galen‘ ’schen Commentars "zum Prorrhetieum des 5 Hippokatea 2.2, 2 es = Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. us$1l.- Die Akademie gibt ar s Alt der Statuten er fortlaufende i i der Königlich Preussischen ae lemie eder ea und ee der Königlich Preussischen Akademi der Wissenschaft Aus $ 2 jede: sor Keen a die »Sitzungsberichte« oder die muss in einer aka- demischen Sitzung er werden, wobei in = ur ich einzuliefern ist. Nich; mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem 'ache angehörenden ee Mitgliedes zu benutzen. Der Umfang einer Auen Mittheilung soll 2 der Regel in den ei sberichten bei SEE. 32, 6 Sei 3, = in der ie Sleungsberehe, in = Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der 'ewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht überstei Aus $ 6. sich nicht bloss um glatten a a iahande Anweisungen Satzes ei sind diese eisungen von ar 2. vor -—— des Manu: Se ran Dass at zu v en Sr a Verfasser ich seine Niheing als vollkom: Die erste engen ihrer Mihelngen Emas die Verfasser. mde haben diese erste Correetur das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur Ar nach a er nicht über die Bee von : leichten Schreibversehen ‚gehen. Umfäng]i Camekiren gs bedürfen ae Genchnigung des ae girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser ind zur Tragung der entstehenden Mehr- Hosen verpflichtet, s$8 „von allen in die Siteungberichte oder Abhandlungen an Reden, muthen, dass diese Zustimmung erford« hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einrei Ai a ae : im Druck abschätzen zu lassen, en Sg Sven asp im Text oder eigegeben werden, so sind die Vorlagen ee age Photographische Original- En anu ahmen u. s. w. eript, jedoch er ee Blättern, einzureichen. ie Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Ba die Verfasser zu tragen. Sind diese en aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. "Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem ee Kostenanschlage eines er verständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im ERE at vorzuberathen und alien "E der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung Ballen die A demie. me die voraussichtliche ie dieser are ist — wenn . sich nicht um a inte Textfiguren handelt — beizufügen. De 'hreitet dieser a schlag für die er- we Auflage bei En Sitzungsberichten 150 Mark, n Abhandlungen so ist Vorberathung Ans Ans Secretariat got. s$5 Nach der Vorlegung und Bee .. zuständigen Seeretar oder an de wird über Aufnahme der Mittheilung in die ak en un ne zwar, wenn eines der anwesenden A erlangt, Be year ID, ehe nieht Mitglieder der Aladenie sind, ge der Regel nach nur in die Si richte ee werden. Beschliesst ‚eine Classe ie. Aufnahı Ahr a er der » Abhandlungen«, bedarf dieser egäne der Bestätigung durch die Gesammt-Akademii Adressen oder Berichten werden 8 die Verfasser, von wissenschattlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im rucl aue! d ‚ke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- iefinden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben v werden. 'n Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich einverstanden erklären. ‚ht ee ein ee welcher es der Akademie ist, 'rei- lare bis ‚ahl e Boden noch bis Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- ch mehr es dazu -Ak ie oder der be- Nis hmiietieder erhalten 50 Frei- plare auf A den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- ie nie Sg der Akademie = 0 pn a er lass 17. Eine für die akademischen Schriften stimmte wissenschaftliche Mittheilung dar elle anderweitig, sei es (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) 305 SITZUNGSBERICHTE 1012 XIX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 11. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. Waroever las: Über einen Fall von Mikrocephalie. (Abh.) Im Anschlusse an den im vorigen Jahre iel Fall von ) halie bei einem 16jährigen Mädchen wird über einen neu zur ne een gleichen Fall bei einem 52jährigen Manne berichtet, und es werden insbesondere die Windungen dieses Gehirns mit denen von normalen reichgegliederten Gehirnen verglichen. 2. Von der Gesammtausgabe der Werke Lroxuarn Evrer’s wurde Bd. 4 der Serie III vorgelegt: Dioptrica hrsg. von E. CnersuLiez. Vol. 2. Lipsiae et Berolini 1912. 3. Hr. E. Horn, direndes Mitglied, ü det sein Werk: Danmark-Norges Historie fra den store nordiske ie Slutning til Rigernes Adskillelse (1720—ı814). Bind 7, Afd. ı. 1800 —1807. Kjobenhavn 1912. 4. Die Akademie hat durch ihre phys.-math. Classe ihrem Mit- gliede Hrn. F. E. Scuusze weiter 10000 Mark zur Bearbeitung des »Nomenclator animalium generum et subgenerum« bewilligt, und durch ihre phil.-hist. Classe Hrn. Professor Arson Oskar Mrver in Rostock 600 Mark zu einer Reise nach England behufs Studien für die Fort- setzung seines Werkes »England und die katholische Kirche unter Elisabeth und den Stuarts«. Hr. Hersrıcn Wörrrum, bisher ordentliches Mitglied der philo- sophisch-historischen Classe, hat am ı. April seinen Wohnsitz von hier fort nach München verlegt und ist damit statutengemäss in die Reihe der Ehrenmitglieder der Akademie übergetreten. hisch-} isch Classe Das correspondirende Mitglied der phil GaBrıeL Monop in Versailles ist am 10. April gestorben. _ Ausgegeben am 25. April. Sitzungsberichte 1912. 307 SITZUNGSBERICHTE 1912. XX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER nn... 18. Sitzung der physikalisch-mathematiscl RE Vorsitzender Seeretar: Hr. Auwens. Hr. Scuwarz las: Über eine, wie es scheint, bisher nicht bemerkte Eigenschaft der reellen Configurationen (9,, 9,). Jede reelle ebene Configuration (9,, 9,) kann, entweder durch eine Centralpro- jection oder durch eine Parallelprojection, in eine andere Configuration derselben Art übergeführt werden, welche die Eigenschaft besitzt, mit sich selbst zur Deckung zu gelangen, wenn sie unter Festhaltung eines bestimmten Punktes in ihrer Ebene um einen Winkel von 120° gedreht wird. Im Anschlusse an den Vortrag legte Hr. Scuwarz Zeichnungen von 34 in to- pologischer Beziehung von einander verschiedenen, sich selbst zugleich einbeschriebenen (95, 9,) bilden. Diese Zeichnungen hat Hr. stud. math. DerLer Caver angefertigt und dem Vortragenden mitgetheilt. Bisher waren, wie es scheint, nur 10 von einander verschiedene Neunecke der angegel Beschaffenheit bekannt. 308 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. Die Erfahrungsgrundlagen der Lehre vom allge- meinen Gleichgewichtszustande der Massen der Erdkruste. Von F. R. Hernerr. (Vorgelegt am 2. November 1911 [s. Jahrg. 1911 S. 913].) 1: Seit etwa fünfzig Jahren hat sich allmählich die Lehre von der Isostasie der Erdkruste gebildet, wonach diese auf dem Erdinnern sozusagen schwimmt. Das Erdinnere wird hierbei zwar nicht als flüssig, aber doch als nachgiebig gegen die von der Erdkruste ausgeübten hohen Drucke vorausgesetzt. Unterhalb der Kruste muß also eine Niveau- fläche gleichen oder doch nahezu gleichen Druckes bestehen: die Aus- gleichsfläche'. Abgesehen von der Änderung der Schwerkraft mit der Höhe innerhalb der Kruste werden somit über gleichen Teilen der Ausgleichsfläche gleich große Massen lagern — allerdings infolge der Festigkeit der Kruste nur bei größerer Ausdehnung dieser Teile und nicht auch für kleinste Stücke. Die lineare Dimension derselben beträgt erfahrungsmäßig nicht non einigen ea Kilometern. Inner- halb dieser Ausdehnung ist die I g der Erdkruste mehr oder weniger von der isostatischen Lagerung öreichend, Vollkommene Isostasie ist auch für Massen von kontinentaler Aus- dehnung fraglich, da geringe Abweich vom hyd ischen Gleich- gewicht wegen der Zähigkeit des Erdinnern er wohl denkbar sind und auch die fortdauernden Massenverlagerungen an der Erdoberfläche den Eintritt völliger Isostasie hinausschieben. Bekannt ist, wie Prarr zur Lehre von der Isostasie gelangte. Er begann mit rechnerischen Studien über die Einwirkung der Massen des Himalaja und des tibetanischen Hochlandes auf den meridionalen indischen Gradmessungsbogen; entscheidend war schließlich dieMessung der Schwerkraft auf Mor& im Himalaja in 4696 m Höhe durch eng- ! Sitzungsberichte 1908, $. 1058 u. ff. Herxerr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 309 lische Offiziere (Basevı 1871). Weiterhin folgten die Untersuchungen von FAyE, HELMERT, von STERNECK, ScHigtz, Hecker und Hayrorv; der letztere kam erfolgreicher als Prarr auf Krümmungsstudien zurück!. 2. Die Schweremessung auf der Höhenstation Mor& hatte schon im ı8. Jahrhundert einen Vorläufer in Bovevers Messung der Schwere zu Quito gelegentlich der peruanischen Gradmessung, deren ähnliches Ergebnis Larrace auf Dichtigkeitsdefekte unterhalb der Bergmassen zurückführte’. In beiden Fällen ist die Beweiskraft für die Isostasie nicht sehr groß wegen der möglichen Größe der Beobachtungsfehler. Aber Fayr fühlte sich 1880 doch veranlaßt, unterstützt durch weitere Ergebnisse, zu empfehlen, bei der Reduktion der beobachteten Schwere- beschleunigung aufs Meeresni von der Anziehung der Gebirgsmassen abzusehen. Ich fand die Ansicht Fayzs 1834 bestätigt. Eine g Unt hung gab vox Sterneek 1898 durch Betrachtung von nahezu 500 Messungen in Österreich-Ungarn. Gegen 900 solche aus verschiedenen Gegenden der Erde behandelte ich 1903 und fand für Zentimeter: 1 1 9 = + 0.009— 0.0002961 (H in m), während in freier Luft ist 9 = 9,— 0.0003086 (H in m). Hierin bezeichnet y, die sog te normale Schwerebeschleunigung im Meeresniveau. Auf Bergkuppen und in Tälern weicht g nach der posi- tiven bzw. negativen Seite ab nach Maßgabe der Erhebung bzw. Senkung gegen eine mittlere Erhebung der Gegend für einen Umkreis von mehreren hundert Kilometern Radius (Enzyklopädie S. 146). Dieses Verhalten von g auf dem Festlande im allgemeinen spricht sehr für eine Ausgleichung der Massen der Fı 'estländer über dem Meeres- niveau im großen und ganzen durch Dichtigkeitsdefekte unterhalb des- selben. Im einzelnen kommen allerdings beträchtliche Abweichungen vor, am stärksten wohl im zentralasiatischen Hochl M: g des russischen Obersten Zarzsskı®. Doch ändert dies nichts an der allgemeinen Regel. ! Vgl. Enzyklopädie der math. Wiss. VI, ıB.: F.R. Heınerr, Die Schwerkraft und die Massenverteilung der Erde, S.85 u. fl. 2 Mee. eel.t.5 l.ı1, S. 56. : . ® Vgl. E. Borrass, Bericht über die relativen Messungen der ‚Schwerkraft mit Pendelapparaten in der Zeit von 1808 bis 1909 usw. (Teil III der Verhandlungen d. Intern. Erdmessung 1909 in London und Cambridge. 1911), S. 155 u. #f. 310 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. Über die Verteilung der Dichtigkeitsdefekte nach der Tiefe läßt sich noch wenig sagen. Genau angeben läßt sich nur, soweit Schwere- messungen reichen, die Dicke der »ideellen« störenden Schicht im Meeresniveau (nach Heınerr). Die wirkliche Störungsmasse bzw. der Ausgleichsdefekt liegt, wie man glauben muß, bis 100 oder einige hundert Kilometer tiefer und ist daher größer als die ideelle Masse. 3. Wäre Isostasie im allgemei nicht vorhand tsprächen ins- b lere den sichtb Gestaltsunregelmäßigkeiten der festen Erd- oberfläche in vollem Betrage Massenanhäufungen oder Defekte, so müßte sich dies in starken Unregelmäßigkeiten des Verlaufs der Schwerkraft längs der mathematischen Erdoberfläche, sowie in großen Abweichungen der Gestalt der letzteren von einem abgeplatteten Umdrehungsellipsoid äußern‘. Bei ganz gleichmäßiger g dkörp beträgt nach E. Wırcnerr und G. H. Darwıx diese Abweichung dagegen höch- stens 3 m. Zur Prüfung der Isostasie gibt es also zwei Wege: Schwere- messungen und Krümmungsmessungen. Von diesen beiden hat der erstere am meisten zur Förderung der Erkenntnis beigetragen. Aus den Schwerebeobachtungen auf dem Festlande leitete ich 1901 für Zentimeter und auf das Potsdamer System reduziert die Formel ab: SSEEHt des E : Y% = 978.030 (1+ 0.005302 sin? #— 0.000007 sin’ 29), (1) oder Y = 980.616 (1— 0.002644 cos 2 + 0.000007 cos’ 24), (2) worin y, die Schwerebeschleunigung im Meeresniveau und &$ die geogra- phische Breite bezeichnet, die Konstante — 0.000007 aber den theoreti- schen Ableitungen der obengenannten beiden Forscher entnommen wurde. Die nach der Regel für freie Luft aufs M i duziert Schwerebeschleunigungen des Festlandes, die Werte I, zeigen eine mittlere unregelmäßige Abweichung gegen den »normalen« Wert y von etwa =#0.035 cm, abgesehen vom Hochgebirge und von der Nähe der Steilküsten, wo größere systematische Abweichungen auftreten. Durch die im letzten Dezennium im Auftrage der Internationalen Erdmessung 1901 und 1904 ausgeführten Schwerebestimmungen auf dem Weltmeere durch O. Hzcxer hat sich die Gültigkeit der Formel für y, auch dort herausgestellt. Wenn auch die Sicherheit der Be- obachtungen weit geringer als auf dem Festlande ist, so genügt sie doch, um die allgemeine Regel zu erkennen. Wir gehen hierauf näher ein, um festzustellen, daß Heckers Rechnungsmethoden genügend sind. ! Heıserr, Theorien der höheren Geodäsie I, S. 364 u. ff. Heımerr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 311 4. Heckezrs Reisen auf dem Weltmeere erstreckten sich auf die Linien Hamburg-Rio de Janeiro und Rio de Janeiro-Lissabon, Bremerhaven- Melbourne, Sydney-San Franeisco und San Franeisco-Yokohama. Eine kurze Notiz gab ich der Akademie 1902 über die erste Reise. Die endgültigen Ergebnisse veröffentlichte Hecker 1910, nachdem bereits zwei Veröffentlichungen vorausgegangen waren'. Die letzte Veröffent- Hug end a der endgäluigen Ableitung den Einfluß der der g auf die Quecksilber- ee welcher vorher nicht in Rechnung gezogen worden war. Eine wesentliche Änderung der Ergebnisse hinsichtlich des Nach- ze der allgemeinen Isostasie tritt dadurch sowie durch die anderen des R gg jedoch nicht ein. Von diesen ist b lers her heben, daß Beobacht bei ruhendem Schiffe mit solchen bei bewegtem Schiffe nicht mehr ver- bunden wurden, weil sich nach den Erfahrungen auf dem Schwarzen ea da ein BREHIRONEDER Unterschied zeigt, der wohl in den Schiffs- bei bewegtem Schiffe wurzelt. Demgemäß konnten Be- obachtungen auf dem Schiffe in den Häfen nur dazu rung finden, die zeitliche Veränd g der Quecksilb im Vergleiche zu denen der Siedethermometer festzustellen, nieht aber zur Entscheidung der Hauptfrage. ur Haus aus schon war ver- mutet worden, daß nur solche Beob g leichbar seien, die unter gleichartigen Verhältni fänden; in der Tat hat sich bei id Reise auf dem Schwarzen Meere gezeigt, daß sogar eine geringe g in der Installation der Apparate Änderungen der Angaben erzeugt, die ein Zerfallen der Beobachtungsreihen herbeiführt, wo- durch ihre gemeinsame Verarbeitung erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. 5. Die große Ausdehnung der Tiefsee beim Großen Ozean macht die Ergebnisse der Reisen von Sydney nach San Francisco und von hier nach Yokohama besonders interessant, denn hierbei kommen ge- B der ‚kraft ni dem Atlantischen Ozean usw. (Veröft, d. Kg. Preis. Geod. Inst.,. N. F. Nr. ır), 19 ; uf dem Indischen und Großen Ozean usw. (Veröff. 4.2 entralbureaus d. Intern. Erdmessung, N. F. Nr. 16), 1908. auf dem Schwarzen Meere und an dessen Küste sowie neue A ‚lei der Sel ] auf dem ee Indischen und Großen Ozean ek d.Z 1b d. Intern. d N. F.Nr. 20), 1910. Die drei Abhandlungen werden hier im ee mit I, I und m Yeah werden. 312 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. rade die ausgedehntesten Tiefseeflächen zur Geltung. Wir betrachten daher diese Reisen zuerst. Die Fahrt von Sydney nach San Francisco 1904 führte anfangs über sehr hselnde M: iefen bis Samoa, dann aber von 500 km weiter nördlich an auf einer nahezu geraden Strecke von etwa 3000 km bis 300 km vor Honolulu über zehn Tiefseestationen von 4200 m bis 5500 m Tiefe (Mittel 5200 m). Auf der im ganzen geraden Linie Hono- lulu-San Franeiseo folgen von 500 km hinter Honolulu an bis 400 km vor San Franeisco 10 Tiefseestationen auf 2500 km Länge mit 4700 m bis 5500 m (Mittel 5100 m) Tiefe. Die Fahrt San Franeisco-Yokohama 1904 enthält bis Honolulu annähernd dieselben Stationen wie die vorige Fahrt; von Honolulu bis Yokohama folgen zunächst Stationen in der Nähe der Hawaii-Insel- kette, dann von etwa 2000 km westlich Honolulu ab bis etwa 800 km vor Yokohama ıı Tiefseestationen auf einer Strecke von 3000 km mit 4500 m bis 6400 m (Mittel 5300 m) Tiefe. Zum Anschluß der Tiefseebeobachtungen an das Festland liegen drei Flachseestationen vor, nämlich zwei in der Nähe von San Fran- eisco und eine in der Bucht von Yokohama. Die ersten beiden fallen bis auf wenige Kilometer geographisel Die Beobachtung auf der Flachsee erfolgten ebenso wie die auf der Tiefsee bei rascher Fahrt. Das Wetter war günstig bis auf die letzten Tage vor Yoko- hama, wo Sturm eintrat (II, 2). Unter der Annahme, daß g, auf der Tiefsee bis auf kleine unregel- mäßige Variationen der Normalformel (1) für y, entspreche, wurden die Einflüsse der Schiffsschwankungen abgeleitet; diese Größen konnten dann dazu dienen, die Beobachtungen auf der Flachsee zu verbessern und so den Unterschied der Schwere zwischen Flachsee und Tiefsee herzu- leiten. Da man aber aus Pendelbeobachtungen von Küstenstationen, die nicht allzu weit von den Flachseestationen entfernt sind, die Schwere- beschleunigung g, für letztere mit leidlicher Sicherheit ableiten kann, so ist damit auch die Schwere auf der Tiefsee ermittelt. Ist S der Luftdruck aus den Siedethermometern, reduziert auf die normale Schwere in 45° geogr. Breite, B der reduzierte lokale Queck- silberbarometerstand und g, die Schwerebeschleunigung des Beobach- tung: ‚ So ist, abgesehen von Beobachtungsfehlern, 9,8 = 9," B. Mit Rücksicht auf Verbesserungen der Beobachtungen gelangt man zu der Gleichung (I, 75, IL, 193, III, 52 und 132): ; dB S-B-)+Kr+aT + t)Hop+dr+ectfark, —=$, (3) Herserr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 313 worin s die sogenannte Schwerekorrektion des Quecksilberbarometer- standes B ist: we „+28 95.980.010, W=0,—Y, : . (4) 4 mit 2 5 = (— 0.002644 cos 2 + 0.000007 cos’ 29) B; (4) ferner bezeichnet: K, eine Korrektion wegen der ostwestlichen Schiffsgeschwin- digkeit, a eine Konstante für den Einfluß der Geschwindigkeit der Luft- druckänderung zur Zeit der Beobachtung, b eine Konstante zur Berücksichtigung der der Zeit proportio- nalen Veränderung des kleinen systematischen Unterschiedes der Angaben S und B, der für die Zeit #, gleich A, gesetzt ist; c, d, e und f sind Konstanten zur Berücksichtigung der Schiffs- schwankungen, die sich äußern im Pumpen p der Queck- silbersäule im Barometer, ferner als Schlingern r und als ‘ Stampfen r des Schiffes, sowie in einer Ungleichheit A der Periode für steigenden und fallenden Barometerstand. Eine Tafel der normalen Schwerereduktion s, gibt II, 226. Wegen verschiedener Fehlerbeeinflussungen ist der Wert der linken Seite von (3) nicht Null, sondern eine kleine Größe d, wie in (3) an- gegeben ist. Abgesehen davon kann man (3) zur Bestimmung von Ag benutzen. Denn löst man von s den Teil Ag-B/g,, ab und bringt ihn nach rechts, so gibt (3) eine Bestimmungsgleichung für Ag- B/g,, mit dem Fehler d, dessen mittlerer Betrag zu schätzen ist. Für B/g, ge- nügt bei der Kleinheit von Ag die Annahme von 760/981, d.h. man hat, um Ag zu erhalten, mit 1.29 zu multiplizieren, wenn B in mm, 9 in cm verstanden werden. 6. HECKER ermittelt in I, 159, in der angedeuteten Weise aus den beiden Reisen auf dem Großen Ozean: Ag (Flachsee — Tiefsee) = + 0.052 em } für die Küste bei und +0.045 >» San Franeisco und +0.054 » für die Bai von Yokohama. Die Konstante b des Zeitgliedes wurde bei der Reise Sydney- San Franeisco aus der Vergleichung der Hafenbeobachtungen bei ruhen- dem Schiff in Sydney und San Franeisco ermittelt; für diese Orte ist 9 aus Pendelmessungen bekannt, die Hecker selbst in Sydney und Berkeley bei San Franeiseo ausführte (vgl. hierzu Abschnitt ı2 weiter- 314 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. hin). Die wegen des Zeitglied j Werte von ($—B—s) +adBj/dt stimmen daher in diesen Häfen überein bis auf eine uner- hebliche Größe (vgl. III, 129 und 130, Juni 26 und 27, sowie Juli 18, 2. Reihe, und Juli 19. Siehe auch II, 157, 196). Bei den Werten der Reise San Franeisco-Yokohama zeigen aller- dings die Hafenmittel für (S— B—s) noch einen Unterschied von +0.05 mm, der aber durch Berücksichtigung von adB/dt auf + 0.02 mm herabsinkt, was in Ag +0.03 cm entspricht (vgl. II, ı3ı und 132, Aug. 23—29 und 30, 1. Reihe, sowie Sept. ı8, 2.—4. Reihe und Sept. 19. Siehe auch II, 178, 198). Dieser Betrag ist gering und um so eher zu vernachlässigen, als er bei der nahezu symmetrischen Lage der Flachseestationen zu den Tiefs i den Unterschied Ag (Flach- see — Tiefsee) nicht beeinflußt. Auf die Einzelwerte von Ag kommt es uns nicht an; sie werden auch nicht viel mehr als um 0.01 cm betroffen. Die zur Bereel g von s erforderliche Schwerkraft in Yoko- hama entnahm Hecker seiner Pendelbeobachtung in Tokio (vgl. Ab- schnitt 12). Die Fehlergleichungen aus den Tiefseebeobachtungen haben nach Maßgabe von (3) nunmehr die Gestalt dB S-B-s+K)+an, +ep+dr+ec+fa+k, =v, 65) wobei =v (6) gesetzt ist und der Klammerausdruck eine kleine Zahl in mm ergibt. Die Ag kann man sich jetzt für eine Gruppe von Tiefseebeob- achtungen um eine zunächst beliebige Konstante & verändert denken, wenn man der Größe k, zugleich gegenüber seiner früheren Bedeutung einen Zuwachs von u/1.29 erteilt. Die Werte Ag-+-u, welche nun in (6) anstatt Ag einzuführen sind, haben die Bedeutung relativer Schwere- störungen, die wir mit Ag* bezeichnen. Die sechs Konstanten a, rc, d, e, f und k, wurden von Hecker für jedes Barometer bei jeder der beiden Reisen aus der Bedingung [vv] ein Min. unter Benutzung von ungefähr 20 Tiefseegleichungen (5) be- stimmt. Die Ergebnisse für die v sind Näherungswerte für die Größen Ag*/ı.29, die durch Mittelbildung aus den einzelnen Barometern ver- bessert werden. Allerdings ist dabei zu beachten, daß für alle Baro- meter auf jeder Station nur ein einziger Mittelwert $ benutzt ist, dessen Unsicherheit also durch die Mittelbildung nicht indert wird. Da nun [v] = o ist, so wird bei dieser Bestimmung der Schwere- störungen auch [A9*]=o, d.h. im Mittel ist für die Ausgleichungs- Heınert: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 315 gruppe von Tiefseestationen die Schwerestörung gleich Null gesetzt. Wendet man dann (5) auf eine Beobachtung an, die nicht in der Aus- gleichung enthalten ist, so ergibt die linke Seite von (5) mit 1.29 multipliziert die Schwerestörung dieser Station relativ gegen die Aus- gleichungsgruppe der Tiefseestationen. 12 Für die Reise Sydney-San Franeisco benutzt Hecker je 20 Fehler- leich für B ter I, I und V sowie ı8 solche für Baro- meter ıv (vgl. II, 138 u. ff.). Wir stellen die wichtigsten Ergebnisse zusammen: Tabelle I. Sydney-San Franeisco. $ Tiefe EEE NS N Mitte | Ag" & | Breite Länge \ en LE er |; a" in m in 0.01 mm In 0.01 mm in 0.001 cm | 1 | — 9°37'| 169° r0'W| 5000 o 44 —4 ° o | ° 2 | — 828 | 168 48 5000 ; ou. ° —1.0 | —13 3 | =4 6| 167 32 5500 Fee 39 4 —- 259 | 167 6 5000 3 2-64 -3 | —3.5 | 45 5 | +1 34 | 165 29 5500 3 0-0 | 3.3 | Zug 6 | +245 | 165 ı2 5400 3.34 -| —o | 26 7 | +12 19 | 161 38 5400 HE o ° o ° 8 | +13 33 | 161 14 5500 +2 4 4 ° +18 | +23 9 | +17 45 | 159 42 5300 o 4 5 + +2.5 | +32 10 | +18 48 | 159 18 4200 4 #5 +4 + +4.0 +52 ıı | +24 7 | 153 52 5000 4 —2 o.-5 —2.8 36 12 | +24 53 | 152 44 5500 o +4 + ©: +2.5 +32 13 || +27 26 | 148 23 5400 +10 —4 0.43 °© ° 14 | +28 7|147 15 5300 4-3 + o 0.3 3 15 | +30 29 | 142 ı8 5100 4 U EN | +3-3 +42 16 | #312 15 | 14r 10 | 5000 +1 o + + | +15 +19 17 || +33 38 | 136 8 | 5000 +2 er +2 | +13. | +17 18 | #33 57 | 134 54 | 5ıoo IR le 4 | —4.7 61 19 | +36 5 | 129 19 | 4800 Ze] —2.3 30 20 || +36 36 | 127 36 | 4700 +4 4 +4. +6.3 +81 | [w]= | 189 227 361 216 ! 158.71 | Die Tabelle I gibt die 20 Tiefseestationen, nördlich von Samoa be- ginnend, nach geographischer Breite ®, Länge ? und Meerestiefe; Nr. I bis 10 liegen südlich von den Hawaii-Inseln, dann folgen Nr. ı ı bis 20 weiter östlich bis San Franeisco. Unter I bis V stehen die v in Hun- dertstel-Millimetern, dann ihre Mittelwerte und die daraus berech- neten Ag*, diese in 0.001 cm. Wegen des Umstandes, daß bei IV die Stationen ı7 und ı8 fehlen, haben die Durchschnittswerte Ag* der 316 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. letzten Spalte etwas verschiedene Gewichte, jedoch kann man der systematischen Beobachtungsfehler wegen davon absehen. Daß in den v etwas Systematisches zum Ausdruck kommt, zeigt die Vergleichung der Reihen der vier Barometer sofort. Hauptsäch- lich tritt es hervor in den Quadratsummen der v und der ihrer Stations- mittel. Letztere müßte bei rein zufälligem Charakter viel kleiner sein als erstere, etwa nur 65 statt 159. Den v derselben Station ist aber das Ag* gemei und allerdings auch der Fehler von S, den Hecker aber in II, 188, zu nur #0.016 mm bestimmt, während Ag* etwa doppelt soviel geben dürfte. Der systematische Vorzeichenverlauf in den Vertikalreihen ist wohl auf einen systematischen Verlauf von Ag* mit dem Orte zurückzuführen, der mit der Massenverteilung zusammen- hängt, aber kaum zu ergründen ist. Eine erheblich irrige Annahme im Reduktionskoeffizienten auf 45° Breite dürfte nicht vorliegen, da das Mittel der Ag* der zehn südlichen Stationen nur —0.006 em, das der zehn nördlichen -+0.006 cm ist, Beträge, die ganz unsicher sind. Die der Ausgleichung zugrunde liegende Voraussetzung über den Ver- lauf von g, auf der Tiefsee ist also für das in Betracht kommende Gebiet erfüllt. Bildet man aus den Quadratsummen der Vertikalreihen » durch Division mit der Anzahl der überschüssi das mittlere Fehlerquadrat, so folgt je} je} 8 2 H=7,=135 kı= = 402 so i 216 m ME w= 14 = 15.4. Für das Stati ittel ist ähernd bei 0.01 mm bzw. 0.001 em als Maßeinheit: u R wei und = 1881; (8) es ist also der mittlere Fehler einer Gleichung, auf Schwerkraft re- duziert, bei Anwendung des Barometermittels: 4, = 0.043 cm. i Würde man Barometer IV weglassen, weil seine Angaben sehr viel ungenauer als diejenigen der drei anderen sind, so ergäbe sich #, = =E0.043 em unverändert. Deshalb wurde es beibehalten. Woher die geringere Genauigkeit der Angaben von IV kommt, ist nicht er- sichtlich, da die hauptsächlich maßgebende Trägheit nach II, 98, als nahezu gleich für alle Barometer, nicht Ursache sein kann. Hermerr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 317 Durch Anwendung der aus den Ausgleichungen folgenden Kon- stanten auf die am 18. Juli bei San Franeisco absolvierte Flachsee- station fand sich in 0.01 mm (vgl. II, 147): =+3 G=+5 w=+3 yw=+5, Mittel + 4.0, das gibt Ag*= +0.052 cm, (9) bei = 37°44', A= 122°44 W, Meerestiefe 80 m. Auch hier gäbe die Weglassung von Barometer IV keine wesentliche Änderung. Um die Genauigkeit dieser Bestimmung zu erkennen, wurde auf die in den Akten des Geodätischen Instituts befindlichen Normalglei- chungen zurückgegangen und für die Funktion der 6 Unbekannten + 0.314+0.090+1.5d+0.5e—0.08f-+k,, (10) die dabei zur Geltung kommt (II, 130), das reziproke Gewicht nach bekannten Formeln der Methode der kleinsten Quadrate bestimmt. ‘Es fand sich zu 1.07 für die Barometer I, I und V; für IV würde es wegen der geringeren Anzahl der Fehlergleichungen in der Ausglei- chung kleiner sein, jedoch nur wenig; das wurde nicht weiter be- rücksichtigt. Als mittleres Fehlerquadrat der Gewichtseinheit wird man den Wert u; = 1881 aus (8) anwenden, der für das Mittel der vier Baro- meter gefunden wurde und der sich (nahezu) auch ergeben haben würde, wenn man für jede Station das Mittel der Angaben der vier Barometer gebildet und dafür eine Ausgleichung bewirkt hätte. Das mittlere Fehlerquadrat, soweit es von den Konstanten her- rührt, ist also für (9) gleich 1.07 + 1881 = 2013 für 0.001 cm als Einheit. Hierzu tritt aber noch das mittlere Quadrat des eigentlichen Beobachtungsfehlers, das wir zu 1000 annehmen können, vgl. weiter- hin Abschnitt 9. Dies ergibt im ganzen 3013, d.i. nahezu 55’. Also hat man aus (9) für die Flachseestation bei San Francisco aus der Reise Sydney-San Franeisco: Ag*= +0.052=0.055 em. (11) 8. Für die Reise San Franeisco-Yokohama ergeben sich je 21 Fehler- gleichungen bei den Barometern I, II, IV und V, 20 solche bei III. Da sich in den Normalgleichungen, welehe die Akten enthalten, ein Koeffizient nicht ganz richtig zeigte, wurden sie nach Richtigstellung 318 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. neu aufgelöst. Für die Unbekannten ergaben sich jetzt folgende Werte in 0.001 mm: I u II IV iv mitt]. Fehler kn + 20 + 745 +126.9 + 83.4 — 37.2 #52 a —113.8 —102.7 —156.0 — 516 —104.6 + 48 e — 160.1 —450.4 —671.1 —776.6 + 70.9 #159 d + 02 + 54 — 75.0 — 32.6 - 05 = 67 e — 474 — 60.1 — 54.8 — 96.0 — 49.6 #51 F — 45.0 — 521 — 83.7 —115.2 — 56.9 = 46. Diese Werte weichen aber nicht sehr von den Angaben in II, 147, ab. Tabelle II gibt die Fehler v und die Ay*. Tabelle I. San Francisco-Yokohama. I u II IV Vv Mittel Ag* g Breite Länge Ei in in % Zeigt in 0.01 mm 0.01 mm | 0.001 cm 7 1 36° 117! | 127°33'W| 4800 | +14 +15 +01 —0.5 +LıI +07 EN 2 35 48 128 26 4800 | +09 +26 — 3.7 +0.2 -+o.1 | 0.0 o 3|| 34 8 | 133 42 5I0 | +15 —34 —03 —1.7 +37 0.0 ° 4 33 40 | 135 8 5100 | —0.3 35 —68 —36 +17 —2.5 — 32 5 31 49 139 40 5000 | +28 +20 +24 +1.2 +21 +2.1 + 27 6 31 ı2 | 140 56 4900 | +0.5 —2.5 2.5 —0.2 —1.2 -ı 7 28 53 145 24 5000| +15 +0.1 — 30 —4.6 +29 —0.6 8 8 28 10 146 35 5Ioo | —-17 —.I +03 —I5 —I4 —0.9 ir 9 || 2542 | 150.24 5300 |-56 -51 —25 -82 —23| —47 or 10 | 24 53 | 151 38 5500| —07 —40 — 15 —52 —13| —25 TR 11 29 30 177 14 | 5500| 47-1 447 +22 +90 +83 +8.3 +107 12 29 56 | 178 36 5300 | —4.2 +02 +12 -0,2 —3.0 —1.2 —ı15 13 3ı ı2 176 18 E| 5000 | +#0.1 —-1.0 — 2.6 —3.4 +0.2 —1.3 TE 14 || 32 33 | 174 48 5000 +42 46.3 +65 +8.4 +20| +55 Bel 15 32 36 169 48 5200 |-40 —26 +02 +L1 —73 —2.5 ER 16 | 33 43 | 163 34 5000 | —19 —47 —80 +04 —1| —37 — 48 17 33 53 162 o 5000 | #L.I #08 +29 +0.1 +3.2 +16 + 21 ; 34 21 156 30 4500 | -66 —54 —45 -—02 —5.3 44 = 9 19 || 34 30 | 155 0 50001435 +23 +24 #73 —03| +31 +40 20 34 57 149 55 6100 | +3.8 +31 +08 +12 +18 +2.1 + 27 x 21 34 56 | 148 27 6400 | —0.2 +05 +52 +23 -09 | +14 + 18 | [eo] = | 337:..232 409 369 234 | 202.21 ! | I Die Ag* stimmen gut überein mit den in III, 157, 158, angegebenen Werten der Hrexerschen Berechnung. Der Mittelwert der 10 östlichen Stationen gibt —0.012 cm, derjenige der 11 westlichen +0.011 em, was hinsichtlich systematischer Einflüsse als günstig zu betrachten ist. Die mittleren Fehlerquadrate werden bei 0.01 mm als Einheit: Herxerr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 319 ER PER 2 RS BELA Ps. =15.1 er =143 Mı= 14 ee 12 234 — —er niet w=-——- =156. Kıv 5 24 kv 15 15.6 Barometer III und IV zeigen sich weit ungünstiger als die an- deren; für IV war dies schon im vorigen Abschnitt festgestellt (II fehlte dort). Sieht man ab von den konstanten Anteilen in den v, die sich nur stationsweise ändern, so folgt auf Grund einer Annäherungs- rechnung für die Gewichte der Barometerangaben die Zahlenreihe Behalten wir aber gleiche Gewichte bei, so ist fürs Stations- mittel annähernd bei 0.01 mm bzw. 0.0oıem als Maßeinheit: = ns =13.5 und ı = 2246, 1 also der mittlere Fehler einer Gleichung aus 5 Barometern: (13) Y, = 0.047 em. Würde man Barometer III und IV ganz weglassen, so würde der m.F. einer Gleichung aus den 3 Barometern I, II und V gleich #0.045 cm, also wenig verändert. Daher wurde es vorgezogen, III und IV mitzu- nehmen. Die mittleren Fehler der Konstanten sind mit dem Mittel- wert von u’ für die 5 Barometer berechnet, d. i. #” = 20.0 (bei Baro- meter III ist keine Rücksicht auf das Fehlen von Station 6 genommen). Die Konstanten sind schr ungenau, weil sie zum Teil schlecht voneinander getrennt aus der Rechnung hervorgehen; nichtsdestoweniger wird die Anwendung auf die Flachsee, zu der wir jetzt übergehen, recht günstig. Auf der Flachsee bei San Franeisco wurde am 30. August, bei Yokohama am ı8.8 ptember beobachtet. Wie schon bemerkt, ist bis auf ein paar Kilometer ersterer Ort derselbe wie bei der Hinreise nach San Franeiseo. Bei der Revision der Zahlen zeigte sich, daß bei Hecker die Schwerereduktion für die Gleichung (3) mit der aus Pendelmessun- gen an den benachbarten Küstenorten folgenden Schwerkraft ermittelt worden war (vgl. II, 178 und 179). Um aber der Gleichförmigkeit wegen auch hier mit Formel (5) zu rechnen — auch weil dies besser dem später zu bewirkenden Anschluß von der Flachsee ans Festland entspricht, habe ich die normale Schwerereduktion eingeführt. Damit verändern sich die numerischen Glieder der Gleichungen um die ge- ringen Beträge +0.016mm bzw. +0.014 mm. 320 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. Die Glieder ($— B— s,+ Ky7) werden bei den angewandten Ba- rometern (siehe auch II, ı3ı und 132) in Millimetern: I u II IV Y für San Franeisco: +0.126 -+0.116 -+0.136 -+0.176 —_ für Yokohama: +0.014 -+0.II4 0.164 -+0.094 —0.006 und die funktionalen Ausdrücke (III, 131 und 132) bei San Franeiseo: +0.2404 +o.IIc +05d -+0.7e +0.28/+kn Yokohama: —0.180 +0.14c +05d -+o05e —0.02f-+ kn. (14) Damit ergeben sich die Werte von v in 0.01 mm: I u II IV Me Mittel San Franeisco: 43.7 +61 +53 +47 —_ +5.0 Yokohama: -08 +18 +62 +15 —38 +5.0. Hierzu gehört Ag*= +0.064 cm (15) bei $ = 37°45', A= 122°42’W, Meerestiefe 80 m und Ag*= +0.064 cm (15*) bei = 35°10', A= 139°45’E, Meerestiefe 100 m. Das reziproke Gewicht ergab sich aus den Normalgleichungen für das arithmetische Mittel der Funktionen (14) zu 0.187. Die Ungleich- heiten in der Anzahl der Barometer wurden nicht berücksichtigt. Als mittleres Fehlerquadrat der Gewichtseinheit wurde 2246 für 0.001 em als Maßeinheit angenommen, siehe (13). Das gibt anbi Hierzu tritt das mittlere Quadrat des eigentlich bacht: fehlers, das wir für das arithmetische Mittel der. beiden Flachseestationen zu etwa 500 annehmen können. Das gibt zusammen 920. Also erhält man aus (15) und (15*) im Mittel für die beiden Flachseestationen bei San Franeisco und Yokohama aus der Reise vom ersten nach dem letzten Orte: Ay* = +0.064 50.030 em. (16) Da bei jeder Reise in konstanter M. j beobachtet wurde, so kann man (11) und (16) ittelbar aufs M i beziehen'. Würde man nur die Barometer I und II benutzen, so bliebe das Ergebnis (16) nach Größe und mittlerem Fehler nahezu ungeändert. 9. Das mittlere Quadrat der Beobachtungsfehler in der Bestimmung ' eines Ag* wurde im vorigen zu rund 1000 für 0.001 cm als Maßeinheit angenommen. Hierbei lagen Berechnungen Hecxers zugrunde. Nach ' Wie mir Hr. Hroxer mitteilt, sind die Höhen der Siedethermometer über dem Wasser etwa 2.5 bzw. 4m gewesen. Hernerr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 321 Il, 224 und 225, ist der m. F. aus den 6 Siedethermometern gleich #0.021cm und der m. F. aus 4 oder 5 Barometern etwa +0.023 em, zusammen =E0.031 cm. Da bei dieser Schätzung die Übereinstimmung der betreffenden Inst te unter sich benutzt ist, wird der m. F. vielleicht etwas größer sein. Doch stimmt der Betrag gut mit dem- Jjenigen überein, der sich aus 6 Doppelbestimmungen auf der zweimal bereisten Linie San Franeisco-Hawaii ergibt (I, 225 und III, 160). Hier liegen die Stationen 14, 16, 18, ı9, 20 und die auf der Flachsee bei der Hinreise nach San Franeisco im Mittel nur ein paar Zehnerkilometer von den Nummern 8, 6, 4, 2, ı und der Station auf der Flachsee bei der Rückreise entfernt und geben die Unterschiede in 0.001 cm +9, +34, —29, —30, +72, —ı2. Die Quadratsumme durch ı2 dividiert ergibt 692. Diesen Wert muß man noch etwas vergrößern, da die beobachteten Ag* bis auf den Fall der Flachsee- station Ausgleichungsreste, also im Durchschnitt kleiner als wahre Werte sind. Der Vergrößerungsfaktor ist 20:14 bei der Hinreise, 21:15 bei der Rückreise, im Mittel 20.5:14.5. Es folgt 974, was mit dem vorigen Ergebnis #0.031 cm für den m. F. selbst gut stimmt. Wir behalten den abgerundeten Wert 1000 fürs Quadrat des mitt- leren Beobachtungsfehlers eines Ag* bei. Das mittlere qi einer Gleichung war nach (8) für die Reise Sydney-San Franeisco gleich 1881 bei 0.001 em als Einheit; nach (13) war es für die Reise San Franeisco-Yokohama gleich 2246. Beide Werte beziehen sich annähernd auf die gleiche Anzalıl Stationen und auf gleich viel Barometer. Nehmen wir also einfach das Mittel, so folgt 2064. Ziehen wir hiervon 1000 ab für den reinen Beobachtungs- fehler, so bleibt als Rest 1064, dessen Quadratwurzel zu dem Werte =#0.033 cm (17) führt. Dieses ist der mittlere Betrag der Variation der Schwerestörung Ayg* längs der Tiefsee. Er stimmt nahezu mit dem Werte =+0.035 em überein, der die mittlere Variation von Ag auf dem Festlande angibt. Jedoch ist er wohl in Wirklichkeit etwas kleiner, da bei den obigen Betrachtungen noch keine Rücksicht auf den theoretischen Fehler im Ansatz der Gleich gen (5) g ist. SEI an 10. Den Rechnungen zur Ableitung der Ergebnisse (11) und (16) liegt die Annahme einer bestimmten Funktion zur Berücksichtigung der Schiffsschwankungen zugrunde, siehe (3) und (5). Die Gestalt der Funktion ist nun zwar als eine erste Annäherung ganz plausibel; auch Spricht für ihre Brauchbarkeit die Übereinstimmung der Ausgleichungs- Sitzungsberichte 1912. 31 322 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. reste v auf derselben Station; es könnte aber immerhin eine andere Funktion, z. B. mit quadratischen Gliedern, besser sein. Frei von der Gestalt der Funktion würde man werden, wenn man unter den Tiefsee- beobachtungen solche hätte, die bei derselben Schiffsschwankung statt- fanden wie auf der Flachsee. Das ist nun ig ähernd der Fall. Bei der Reise Sydney-San Franeisco geben die Nummern 5, 6, 14 und ı5 der Tabelle I nach III, 139, sehr nahe die oben unter (10) aufgeführte Funktion, nämlich im Mittel — 0.104 + 0.1556 +1.60d + 0.75e + 0.14f. Das Mittel ihrer Ausgleichsreste Ag* ist —0.007 em. Diese 4 Tiefsee- stationen allein würden also Ag* für die Flachseestation um 0.007 cm größer ergeben als (11), wobei die Verbesserungsfunktion eingeht mit dem Betrage + 0.414 — 0.0650 — 0.1d — 0.25e — 0.22. Nach Maßgabe der Konstanten gibt dies in Ag* etwa 0.13 cm (vgl. III, 146), doch haben die Glieder mit d und e (Schlingern und Stampfen) nur verschwindenden Einfluß. Das Glied mit a (das von dB/dt abhängt) ist wohl überhaupt seiner Form nach gesichert. So bleibt nur der etwas stärkere Einfluß von c und f (Pumpen und Periodendifferenz). Doch dürfte auch dieser nicht so erheblich sein, daß man nicht bei dem Ergebnis (11) nach Größe von Ag* und Betrag seines mittleren Fehlers stehenbleiben könnte. Bei der Reise San Franeisco- Yokohama entsprechen die N I, 2,7,8,9,11,12,15 und ı9, Tab. II, gut dem Mittel der Funktionen (14) der beiden Flachseestationen, besonders in den Koeffizienten von c, d und e, vgl. II, 141: +0.060+0.160C+0.59d+0.71e+0.33 f. Der Unterschied gegen das Mittel von (14) ist nur: — 0.034 — 0.0356— 0.09d— 0.11e— 0.20/. Das gibt etwa +0.05 cm. Dabei ist das Mittel der A 9* gleich +0.003 cm. Hier kann man mit vollem Recht das Ergebnis (16) festhalten, da mit Ausnahme von f alle Koeffizienten wenig Einfluß haben. Was letzteren Koeffizienten anlangt, also die Unsymmetrie der Auf- und Abwärtsbewegung des Schiffes, so hat Hrcxer bei der ersten Bearbeitung der Reisen auf dem Großen Ozean in II, 20 3 u.f. auch eine Ausgleichung ohne Mitführung des Gliedes / bewirkt, welche zu nicht wesentlich anderen Ergebnissen führte. Die Änderungen in den Ag* gehen nur bis zu 0.03 cm; sie liegen also noch innerhalb der Unsicherheit der Ergebnisse. Herverr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 323 11. Es möge hier noch das Ergebnis einer Ausgleichung für die Reise San Franeisco-Yokohama aufgeführt werden, bei welcher in der Funktion, die zur Berichtigung der Beobachtungen wegen der Schiffsschwan- kungen dient, nur das Glied mit ce aus dem Pumpen benutzt: ist, Schlingern, Stampfen und Periodenungleichheit aber nicht beachtet sind. Die Herleitung dieses Ergebnisses ist insofern von Wert, als Hecker bei der Reise auf dem Atlantischen Ozean den gleichen Rechnungs- gang einschlug; erst bei den folgenden en gelangte er dazu, das Schlingern und Stampfen durch si ht zu messen. Die Periodenungleichheit allerdings hätte = auch nachträglich aus den Photogrammen ermitteln lassen; davon ist aber wohl abgesehen, nachdem der nicht sehr starke Einfluß derselben durch die am Schlusse des vorigen Abschnitts erwähnten Ausgleichungen festgestellt war. An Stelle von (5) tritt also nun die Fehlergleichung dB S-B—.+K)n+a, +Pp+h=. (18) Die Methode der kleinsten Quadrate ergab folgende Werte der Konstanten in 0.001 mm!': I u II IV V- kn — 38.1 +26.8 +343 —194 —80.8 a —100.7 — 86.6 -106.0 — 90° —89.8 € —231.7 -—500.0 —834.6 -948.2 — 0.2. Tab. II gibt die Fehler vo und die entsprechenden Ag*. In der letzten Spalte sind die Ag* aus Tab. II mit aufgenommen. Die Übereinstimmung ist nicht gerade gut; aber es wird doch auch durch 3 Konstanten der Verlauf der Schwereanomalien leidlich gut dargestellt. Es ergeben sich nun für die beiden Flachseestationen die Werte von vo in 0.01 mm: I u IH IV Sf Mittel San Franeisco: +38 +67 +53 +51 _ +35.2 Yokohama: 38 487 +00 -56 —7.I +0.4- Hierzu gehören die Werte Ag*—= +0.067 cm und -+-0.006 em, (19) die an Stelle von (15) und (15) treten. Das reziproke Gewicht für das arithmetische Mittel folgt aus den Normalgleichungen gleich 0.087. Als mittleres Fehlerquadrat der Ge- ! Diese Berechnung wie auch die Ausgleichung für Tab. ]I hat Hr. Dr. Borrz vom Geodätischen Institut bewirkt. gir 324 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. Tabelle IH. San Franeisco-Yokohama. a I u II IV. v Mittel Ag* in 0.001 cm x in 1 nor $ in 0.01 mm o.ormm | 3 Konst. | 6 Konst. I +26 430 +03 +18 +25 +2.0 + 26 +9 2 +24 +50 —23 +36 +21 +2.2 + 28 o 3 +9 —383 —01I —20 +34 —0.3 ER o 4 FRI BE 1399 50 40 eh 32 5 449 448 +72 +69 445 +57 +74 + 27 6 +13 —13 —1.2 +08 —o.1 -ı — 15 7 +3 0.8 —48 —66 +20 —2.0 — 26 - 8 8 u a ee re 43 N} 12 ) 58 —51 .—-30 -79 —23 4.8 62 — 61 10 —0.6 —32 +04 —41 —LI 1.7 — 22 — 32 1 +1 42 +12 489 +84 +3.2 +106 +107 12 -33 +6 +32 +25 —18 +0.4 +5 - 15 13 +47 #5 -01 +03 +18 +10 +13 —- 17 14 +33 +58 +61 +70 +10 +4.6 +59 + 71 15 N ee 5.4 — 70 — 32 16 6 51.68 01 —4B —3.9 — 50 — 48 17 —.0 -1.0 +04 —3 +06 —nI _ 14 + 21 18 Sr 35 u Te 3.2 gt 57 19 440 +36 +30 +92 +07 +41 +53 +40 20 +.6 +0.2 —19 —3.1 —05 0.5 - 6 + 27 21 +03 +43 +70 +45 +01 +2.8 + 36 + 18 [vv] = 261 273 509 555 280 276.13 wichtseinheit nehmen wir wieder den Wert, der aus den arithmetischen Mitteln der v aller Barometer für jede Nummer folgt, d.i. entsprechend (13): 6276.13 Er EN RR es wird also der mittlere Fehler einer Gleichung: eo) %, = =E0.051 em. Das gibt 222 als mittleres Fehlerquadrat des Mittels der beiden Werte(19) aus den Konstanten. Fügen wir hierzu noch 500 fürs mittlere Quadrat des eigentlichen Beobachtungsfehlers, so folgt, vgl. (16): Ag* = +0.037 # 0.027 em. (21) Aus der Vergleichung der mittleren Fehler (13) und (20) geht deutlich hervor, daß die Anwendung einer Reduktionsformel mit 6 Kon- stanten besser ist als einer solchen mit nur drei. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Schlußergebnis (21) einen etwas geringeren Hernert: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 325 m.F. aufweist als (16); denn hierbei ist die Unsicherheit in der Kenntnis der Funktion nicht voll berücksichtigt. Im ganzen kann man aber wohl annehmen, daß a er Atlantischen Ozean mit 3 Konstanten a, cund A, ei hl g noch genügt haben wird, zu- mal dort zahlreiche Flachseestationen benutzt sind. 12. Die Ergebnisse (11) und (16) haben an sich schon Bedeutung. Diese wird noch erhöht, wenn es gelingt, die Flachseestationen auf das Festland zu beziehen, so daß man dann durch Verbindung der Ergebnisse auch die Tiefsee aufs Festland bezogen erhält. Hecker bedient sich hierzu der Größe 0.036 em, um welche ich bei früheren Berechnungen Ag bei Küstenstationen im Mittel größer fand als bei Inlandstationen. Die Anwendung dieser Mittelzahl ist aber sehr un- genau; fürs Mittel zweier Flachseestationen muß man einen m. F. wegen lokaler Störungen von #0.035/V/2 = #0.025 cm erwarten; außerdem wäre noch die Lage zum Rande des Steilabfalls zu beachten, da für 1okm Annäl g an denselben die Störung um etwa+0.0023 cm wächst und die Zahl 0.036 für etwa 50 km Abstand gilt‘. Ferner kommt bei der Flachsee noch die Wassertiefe als eine die Schwer- kraft vermindernde Ursache in Betracht. Nun scheinen bei beiden Flachseestationen größere lokale Störungen nach Maßgabe von je zwei benachbarten Pendelstationen ausgeschlossen zu sein. Man wird daher besser die Ergebnisse für Ag aus den Pendel- beobachtungen mit geeigneter lokaler Reduktion auf die Flachseesta- tionen übertragen, wobei nur wenige Einheiten Fehler zu erwarten sind. Nach Hecker ist in Berkeley: $ = 37°52!2 A= 122°15!/4W I. —% = + 0.016 50.0014 em. In San Franeisco ist 5-mal zu verschiedenen Zeiten beobachtet; das einfache Mittel gibt: #= 37°47:5 1=122%2517W g—%=+0.013#0.0035 em. Die Einzelwerte sind hier nicht ganz einwandfrei; ihr Mittel ist immerhin brauchbar’. Für die Flachseestationen ist im Mittel $ = 37°44!5, A=122°43'W. Da hier Ag SI=RTI ist, wurden für die Pendelstationen die nach Bousver ermittelten 9, —%. angegeben, weil diese erfahrungsmäßig gleichmäßiger als die, —%; verlaufen. Zu dem Werte von g’—y = +0.015 em, der sich im en aus Berkeley und San Franeisco für die Flachseestation ergibt, 2 : Enzyklopädie, S. 137. ? E. Borrass, Bericht. 326 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. treten noch + 0.0023 mal 4=-+0.009.cm wegen größerer Annäherung der letzteren an den Rand des Steilabfalls. Ferner ist zu beachten, daß die Flachsee eine Wassertiefe von etwa 33 m hat (nach der englischen Admiralitätskarte, Heexer gibt 8o m an). Damit ergibt sich noch eine Verminderung der Schwere von — 0.002 cm. Es wird somit für die Flachseestationen bei San Franeisco y=g—y,=1—Yy = +0.022 em. (22) Der mittlere Fehler dieser Größe dürfte einige Einheiten nicht über- schreiten. Wir setzen # 0.005 cm an. Für die Flachseestation in der Bai von Yokohama mit $ = 35°10', ?=139°%45'E und 100 m Wassertiefe kommen zwei Pendelstationen in Betracht: Tokio $ = 35°%42:6 A=139%6l0E g’—y,=-+0.014 cm, Kamakura $ = 350192 ?%= 139°34'E %—y=-+0.025 cm. Der Unterschied der Störungen erklärt sich durch die größere Nähe von Kamakura zu dem Steilrand. Noch etwas näher liegt diesem die Flachseestation. Berücksichtigt man dieses sowie die Wassertiefe, so folgt für die Flachseestation bei Yokohama: Y=g-%=R—%,=+0.021em, (23) zufällig fast derselbe Wert wie (22); m. F. etwa =.0.005 em. Für die Störung Ay = 9,—y, auf der Tiefsee der Linie Sydney- San Franeisco folgt nun aus (22) und (11) der Wert — 0.030*#0.055 em; (23) für die Tiefsee auf der Linie San Franeisco-Yokohama ferner aus (22) und (23) mit (16): — 0.043 #0.030 cm. (24) Diese beiden Beobachtungsergebnisse können hinsichtlich der Hauptfehlerquellen äls inand bhängig aufgefaßt werden. Da- mit folgt im Mittel mit Rücksicht auf die mittleren Fehler die Störung Ag=9—Y auf der Tiefsee im Gebiete nördlich von Samoa bis zur Linie San Franeiseo-Yokohama gleich — 0.0400.026 em. (25) Es ist wichtig zu bemerken, daß dieser Wert ganz allgemein gilt und nicht etwa nur für eine besondere Annahme der Massen- lagerung. Zu seiner Ableitung sind nur Beobachtungsdaten benutzt. Macht man aber die Voraussetzung der isostatischen M; ilung nach Prarr-Havrorp, so erklärt sich die Hälfte des Betrags — 0.040 em ungezwungen, da bei derselben auf dem inneren Festlande die isosta- tische Störung im Durchschnitt etwa +0.010 cm, auf der Tiefsee aber etwa — 0.010 cm ist. Hernert: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 327 13. Weit weniger als die soeben besprochenen Reisen auf dem Großen Ozean ist die Reise Bremerhaven-Mell 1904 geeignet zur Prüfung der Isostasie. Hecker wählt hier die Tiefsee des Indischen Ozeans zwischen Ceylon und der Westküste von Australien aus, wo 16 Stationen mit der mittleren Wassertiefe von 4870m (von 2900 bis 6100 m) liegen, welche Gleichungen der Form (5) geben, wobei jedoch auch das Zeit- glied mit in die Ausgleichung aufgenommen wurde. Der Anschluß an das Festland wird direkt mittels Gleichungen der Form (3) gewonnen, die sich für Schiffsorte ergeben, die in der Nähe von 6 Pendelstationen zwischen Messina und Aden sowie bei Melbourne liegen. Der Unter- schied der k, aus (3) und (5) für dasselbe Barometer ergibt dann im Mittel für 5 Barometer die Störung Ag auf der Tiefsee (III, 150) gegen die Normalformel (vgl. Abschn. 6): + 0.031#0.044 em. (26) Der mittlere Fehler ist aber viel zu klein. Zunächst deshalb, weil bei seiner Ermittelung die Ergebnisse der benutzten 5 Barometer als inand betrachtet sind (III, 144); schon aus diesem Grunde ist er etwa doppelt so groß. Dann kommt noch in Betracht, daß für die Gleichungen (5) die Koeffizienten von «, dund e sehr klein sind, für (3) dagegen recht bedeutend, was mit dem auf dem Indischen Ozean während der Reise l hend ünstigen Wetter zusammen- hängt. Diese Ungleichheit der Koeffizi nt bewirkt an sich schon einen großen m. F. in (26); es geht dann aber noch die ganze Un- sicherheit in der Kenntnis der Funktion ep + dr +es ein, die nicht genau zu schätzen ist. Anstatt (26) muß man nun ansetzen mit starker Erhöhung des mittleren Fehlers auf etwa +o.1em: +0.031#0.100 em, (26*) und hiermit verliert das Ergebnis für sich allein seine Beweiskraft für die Existenz der Isostasie. Deshalb gehen wir auch auf weitere inzelhei der B g nicht ein. 14. Bei der Reise auf dem Atlantischen Ozean von Hamburg nach Rio de Janeiro im Jahre 1901 konnte der Anschluß der Tiefsee zwischen Lissabon und Rio an das Festland mittels mehrerer Flachseestationen gewonnen werden: 6 in der Schelde und im Ärmelkanal, 3 an der spanisch-portugiesischen Küste und 5 an der brasilianischen. Bei der 328 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. Rückreise nach Lissabon kommen infolge der Ungunst der See aller- dings überhaupt nur zwei nahe benachbarte an der letzteren Küste in Betracht. Zu diesen im ganzen günstigen Umständen tritt noch hinzu, daß das Pumpen der Barometer sich für die Flachsee annähernd im gleichen Betrage äußerte wie für die Tiefsee. Hierdurch wird der Übel- stand einigermaßen ausgeglichen, daß von der Funktion zur Verbesse- rung der Beobachtungen wegen der Schiffsschwankungen nur das Pum- pen berücksichtigt wurde. In die Ausgleichung gingen bei der Hinreise 29 Tiefseestationen mit der mittleren Tiefe 4200 m (3500 bis 5600) ein, bei der Rückreise deren 33 mit der mittleren Tiefe 4100 m (2000 bis 5600). Sie wurde unter Benutzung der Gleichung (5) geführt, in Zusammenfassung von Tiefsee und Flachsee, aber mit Einführung einer Konstanten für den mittleren Unterschied der Ag beider Gruppen, so- wie mit Bestimmung des Zeitgliedes durch die Ausgleichung. Es fand sich hiermit für die Flachsee die Schwerestörung im Vergleich zur Tiefsee (III, 149) aus der Hinreise: Ag*= +0.015=+0.021 cm, (27) » » Rückreise: + 0.037 50.059 ». Man wird auch hier, um die Genauigkeit nicht zu überschätzen, den m. F. annähernd verdoppeln müssen. Denn betrachtet man die übrig- bleibenden Ausgleichungsreste in III, 142 und 143', so bemerkt man leicht wie in den früheren Fällen, daß im Mittel die Reste der Sta- tionsmittel kaum kleiner sind als für die einzelnen Ausgleichungen. Wir setzen daher mit Abrundung der m. F. Ag*= +0.015 40.040 cm bzw. + 0.037 30.100 cm. (27*) Bei dem Übergang von der Flachsee zum Festland kommen die g er tehenden Ausgleichung in Betracht. Diese Voraussetzungen bestehen in Gleichheit von Ag für die Flachseesta- tionen einerseits und für die Tiefseestationen and b h von unregelmäßigen Schwankungen. Für die Flachsee im Ärmelkanal ist aber mit Rücksicht auf die Wassertiefe von etwa 8om nach Maßgabe von Pendelstationen jener Gegend A9” =-+-.0.009 cm. An der Küste von Nordspanien und bei Lissabon findet sich etwa Ag” =+0.055 cm. Endlich an der brasi- lianischen Küste gibt Bahia Ag” — +0.041cm. Hier liegen die Flach- seestationen sehr nahe an einem steilen Abfall zur T, iefsee, so daß man für sie etwa Ag’ = +.0.050 cm setzen kann (mit Benutzung einer iso- fo} 3 Hier wie auch $. 133 und ı 51 bis 153 sind einige Zahlen zu berichtigen. Herserr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 329 statischen Schätzung). Im Mittel wird somit bei der Hinreise für die Flachsee etwa Ag=+0.037 em. (28) Der mittlere Fehler dieser Größe dürfte #0.010 em nicht überschreiten. Bei der Rückreise kommt nur der Anschluß an die brasilianische Küste in Betracht und zwar für eine zwischen Bahia und Rio de Ja- neiro gelegene Gegend. Im Mittel aus den Pendelergebnissen ist Ag” =-+0.020 cm. Wegen der Nähe des Steilabfalls setzen wir für die Tiefseestationen bei etwa 200 m Wassertiefe: Ag = -+.0.030 cm. (28°) Der m. F. mag auch hier zu #0.010cm veranschlagt werden. Aus (27*) und (28) bzw. (28*) folgt jetzt die Störung auf der Tiefsee des Atlantischen Ozeans zwischen Lissabon und Bahia bzw. Rio de Janeiro gegen die Normalformel: Ag=+0.022#0.041 cm bzw. —0.007&0.100cm (29) und im Mittel: Ag=+0.018#0.038 cm. (30) 19: Die Ergebnisse von Hecxers Ozeanreisen stellen sich für die mitt- lere Schwerestörung auf der Tiefsee im Vergleiche zum Fest- lande, abgesehen von der Nähe der Küsten, nunmehr wie folgt, nach (25), (26*) und (30): Großer Ozean: —0.040 =+0.026 cm, Indischer Ocean: +0.03I1 =*0.100 » Atlantischer Ocean: -+0.018 0.038 ». Dies gibt zusammen: —0.019 0.021 cm. (31) Wie schon bei (25) bemerkt wurde, erklärt sich ein Betrag von etwa —0.020 ungezwungen durch die Isostasie bei Annahme der Prarr- Havrornschen Hypothese. Das mittlere Ergebnis der drei Ozeane stimmt also sehr gut damit, und der mittlere Fehler ist auch befrie- digend klein. Er ist aus den m. F. der drei Einzelergebnisse berech- net. Die Widersprüche derselben geben zufällig fast denselben Wert =0.020 cm. Diesem mittleren Fehler pricht eine G hicht von etwa #200 m, um welche sich die Massen der Erdkruste bei den Fest- ländern und den Ozeanen unterscheiden würden. 330 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. 16. Das vorstehende allgemeine Ergebnis für die Schwerestörung auf der Tiefsee im Vergleich zum Festland ist, wie schon beim Großen Ozean im Abschnitt 12 bemerkt wurde, noch unabhängig von jeder Annahme über die Art der isostatischen Massenverteilung. Es bildet mit dem im 2. Abschnitt erwähnten Ergebnis für die Änderung von g mit H auf dem Festlande den Beweis dafür, daß die orographische Gestaltung der festen Massen nur einen geringen Einfluß auf die Schwere- beschleunigung hat, daß also im großen und ganzen Isostasie besteht. Will man eingehender prüfen, so muß man eine Hypothese über die Art einführen, wie sich die Diehtigkeit der Massen mit der Tiefe än- dert. Es ist wohl ganz zweckmäßig, zunächst die Hypothese von Prarr mit gleichmäßiger Verteilung der Kompensationsmassen nach der Tiefe, die Hayrorn als Arbeitshypothese vorteilhaft fand, zu prüfen und dabei die Tiefe der Ausgleichsfläche zu etwa 120 km anzunehmen. Die Schwerestörungen erklären sich zum Teil durch die der oro- graphi g entsprech Höhenstörungen der Massen- lagerung, zum Teil sind Unvollkommenheiten im Gleich icl t anzunehmen'!. Für die Vereinigten Staaten von Amerika hat Havrorn, nachdem er die Lotabweichungen zur Untersuchung der Isostasie her- angezogen hatte, auch die Schwerestörungen geprüft und sie mit der Isostasie gut verträglich gefunden’. Die an den Festlandsküsten beobachtete positive Störung von im Mittel +0.036 cm und die von Scuiorz aus Hecxers Messungen für den Atlantischen Ozean abgeleitete negative Störung von rund —0.060 em über dem Küstenfuß stimmen auch gut zur Prarı-Havroroschen Hypo- these; erstere allerdings, wie ich kürzlich in Erfahrung brachte, nur unter der Annahme, daß von der Erhebung der Kontinentalmassen übers M. iveau abgesehen wird. Dies tritt besonders scharf an der Westküste von Südafrika hervor, wo nach Oberleutnant Lorschs Messungen vom Jahre 1898 die totale Schwerestörung etwa +0.040 em beträgt, während man nach der isostatischen Hypothese (abgesehen von Kapstadt) annähernd Null erwarten müßte. Es wird noch zu untersuchen sein, ob generell an den Küsten eine von Prarr-Hayrorn abweichende 1 } ist. (o} o° Ich hoffe darauf zurückzukommen, wenn Berechnungen von Ag nach dieser Hypothese in noch größerer Anzahl vorliegen. Jedenfalls han- delt es sich dabei aber nur um regionale Abweichungen, wie sie schon ! Sitzungsberichte 1908, $. 1058; 1909, S. 1192; ıgrı, S. 10 u.fl. und Enzy- klopädie. ® Verhandlungen der I. E. in London und Cambridge 1909, I, S. 365 u. ff. Hernerr: Gleichgewichtszustand der Erdkruste. 331 früher fürs Festland nachgewiesen wurden und wie sie neuerdings E. Kontscnürrer aus seinen eigenen Beobachtungen in Ostafrika und aus Hrckers Messungen für den südlichen Teil des Großen Ozeans aufgefunden hat. 17: Das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts brachte der Geodäsie zur Prüfung des Bestehens der Isostasie außer der Untersuchung der Schwerkraft auf dem Weltmeere noch die wirklich großartige Unter- suchung der Lotabweichungen in den Vereinigten Staaten von Amerika durch die unter Leitung von O. H. Tırrmans stehende Coast and Geo- detic Survey. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden den Allge- meinen Konferenzen der Internationalen Erdmessung von 1906 und 1909 vorgelegt und erschienen in zwei Teilen 1909 und ıg1ı0°. Ich hatte schon zweimal Anlaß, mich mit den wertvollen Ergebnissen dieser Unter- suchungen zu beschäftigen®. Durch mehrjährige Überlegungen und Vor- arbeiten gelangte Hayrorn zu dem Entschluß, die isostatische Hypo- these von Prarr auf die Ableitung des Referenzellipsoids in den Ver- einigten Staaten von Amerika anzuwenden, und dieser Entschluß fand die Billigung Tiırrmanns. Geht man zunächst von der Tatsache aus, daß die für einen Teil des Geoids in bezug auf ein ihm angepaßtes Referenzellipsoid abge- leiteten Lotabweichungen in der unregelmäßigen sichtbaren Massen- verteilung wurzeln, so kann man versuchen, durch sogenannte topo- graphische Reduktionen die Lotrichtungen zu verbessern. Seit langem schon ist es bekannt, daß dieses Verfahren nicht recht zum Ziele führt. Havyrorpv berücksichtigtedi hische G l biszu4126km Distanz; aber bei der Ableitung des Referenzellipsoids stieg die Quadrat- summe der Lotabweichungen DE an En bis Sechsfache im Ver- gleiche zum Falle duzi Durch Anwendung der ERmEKBBENEN m =: dagegen für die günstigste Tiefe er Ausgleichsfläche die Q der Lotabweichungen auf wenig mehr als die Hälfte herab. Die Lotabweichungen er im et schnitt nur ein Zehntel der topographischen Red Hi h wird die Existenz von Kompensationsmassen zweifellos; sie liegen wahr- scheinlich nicht ausschließlich sehr nahe unterhalb der mathematischen ! Über den Bau der Erdkruste in Deutsch-Ostafrika (Nachr. d. K. Ges. d. W. zu Göttingen, ıgrr). ® Joun J. Hayroro, The Figure oL the Earth And. Isostasy from Measurements : in 1909 of the Figure of in the United States, 1909. — Suppl y the Farth und Isostasy, 1910. ® Sitzungsberichte 1909, S. 1196, und 1917, 8. to u. * 332 Sitzung der phys.-math. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 2. Nov. 1911. Erdoberfläche, wie es dem Falle unreduzierter Lotrichtungen entspricht, sondern sind bis zu einer Tiefe von mehr als 100 km verteilt. Wir können hier die zahlreichen, eingehenden Untersuchungen Hayrorvs, um die zahlenmäßige Begründung der Isostasie für die Vereinigten Staaten von Amerika vollständig zu liefern, nicht zur Darstellung bringen, erwähnen aber noch, daß er S.59 der 2. Ab- handlung die Abweichung von der Isostasie einer Massenschicht von etwa 76 m Dicke entsprechend schätzt. Die mittlere Erhebung der Vereinigten Staaten über das Meeresniveau ist nämlich 760 m, das Verhältnis der mittleren topographischen Reduktion zur mittleren Ab- weichung der isostatisch reduzierten Lotabweichung im Betrage von rund 3” etwa 10:1; bei 76 m mittlerer Erhebung würde es also etwa ı:ı sein. Diese Schlußfolgerung ist nicht recht zwingend, schon weil die Meerestiefe dabei nicht in Betracht gezogen ist. Rechnet man vom Meeresboden aus etwa 6000 m als mittlere kontinentale Erhebung, so käme man auf 400 m als Dicke der verbleibend törenden Massen- schicht. Wie dem auch sei, so kann man wohl sagen, daß der Gegensatz der orographischen Gestaltung von Festland und Meer durch isostatische Kompensation bis auf wenige hundert Meter — wie es die Schwere- messungen auf am Meere ah Abachrikt 15 ergeben — auch nach Hayroros Lotal gen in den Vereinigten Staaten von Amerika ausgeglichen sein dürfte. Ausgegeben am 25. April. 333 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXL DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18. April. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender: Hr. Coxz£ (i. V.). *1. Hr. von Wir M las: Über das Symposion des Platon. Die Antworten des Sokrates zeigen, dass Platon die Rede der Diotima durchaus nicht als Ausdruck seiner etrachtet wissen will. Die Prophetin spricht zur Sache nicht anders als Arzt und Dichter. Offenbarungen mögen noch so Grosses und Schönes enthalten, Wahrheit wird nur in wissenschaftlicher Dia- lektik gefunden. Das Verständniss des Platon, auch das philosophische, hängt daran, daß Poesie als Poesie behandelt wird. 2. Hr. Erman legte die 18. Wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen Orientgesellschaft vor: »Der Porträtkopf der Königin Teje im Besitz von Dr. James Simon in Berlin.« Leipzig ıgıı. 334 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Über die Rätsel des Codex Cumanicus. Von Prof. W. Bane in Löwen (Belgien). (Vorgelegt von Hrn. F.W.K. Mürrzr am 29. Februar 1912 [s. oben S. 213].) Hierzu Taf. I und Il. Mit fewe worde wis mon fele biluken wel con. (King Alfred’s Proverbs.) Wenn es dem Verfasser zwar noch nicht gelungen ist, alle Schleier zu lüften, die die Rätsel des Codex Cumanicus! umgeben, so liegt dies, abgesehen ganz davon, daß es eben Rätsel sind, zunächst an unserer Unkenntnis der Sprache, dann aber auch am Zustande der Überlieferung. Über diese belehrt das Faksimile sowie die folgende Mitteilung des Hrn. Dr. Frarı, des Direktors der Mareiana: se l’etat de ce feuillet 60 du Codex Cumanicus est, sur- tout en certains endroits, presque desesperant. Il n’est pas possible de lire avec suret& ce que l’on pourrait lire, sans savoir prealablement ce qulil faudrait y lire. Je crois que ce feuillet 60 a &te quelque temps le premier d’une partie du ms., qui &tait alors sans couverture et qui a &t& consequemment tres deteriore par le frottement et l’usage. Certainement ce precieux ms. a &t& longtemps dans les poches peu propres d’un ancien possesseur; et cela a contribu& a rendre encore moins lisible une £eriture, par elle-meme &vanouie. La marge gauche du f. 60° est peu lisible par effet surtout de ce frottement; et la marge droite du f.60”, par effet d’une bande de papier transparent, qui a et© collee sur la marge pour la reparer. Zu dieser Schwierigkeit gesellt sich noch die andere, größere, daß die Rätsel wohl kaum Originaleinträge sind, sondern nach einer älteren Vorlage kopiert ‚wurden, wobei der Abschreiber hier und da ' Vgl. Kuus, Codex Cumanieus, Budapest 1880, S. 143 ff, Ranvrorr in den Memoires de l’Academie Imp. des Seiences de St-Petersbourg, VII Ser. T.XXXV, N° 6, 1887, S. 2 ff, auf die ich hier ein für allemal verweise. W. Baus: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 335 vergaß, die Auflösung beizuschreiben. Dadurch wird aber die aycıc geradezu unmöglich'. Und dann noch eins: unsere Rätsel gewähren uns ja zweifellos lehrreiche Einblicke in das Kulturleben der Komanen, die für die Ge- schichte des Codex Cumanicus von hervorragender Wichtigkeit sind’; anderseits aber liegt doch gerade in der Kulturstufe, die die Rätsel widerspiegeln, eine Klippe für den modernen Interpreten, solange er nicht über reichere S lungen aus d ben Kreise verfügt und daher der Gefahr ausgesetzt ist, in das betreffende Rätsel etwas hineinzu- deuten, das nach seiner Herkunft vielleicht gar nicht darin liegen kann’. Ich habe daher auch bei den Rätseln, die wie z.B. »das Ei« oder »das Schiff«, Gemeingut aller Literaturen* sind, von der Aufführung außertürkischer Parallelen abgesehen, da ein wahrer Nutzen für die Er- klärung meines Erachtens nicht daraus zu gewinnen gewesen wäre. Dagegen erwiesen sich für die Erklärung überhaupt sowie für die i g der verletzten Stellen sehr nützlich: die metrische Form, die oft ftretende Alliteration, die symmetrische Anordnung der Versglieder (Parallelismus) und schließlich der Umstand, daß sich auch in mehreren unserer Rätsel die Gegenstände derselben personifiziert selbst schildern. Hrn. Dr. Frarı sage ich auch an dieser Stelle herzlichen Dank für wiederholt freundlich erteilte Auskunft. Fol. 60", I (2. 1—2). tap tap tamyzik tamadirgan tamizik kolägä altar??] kojedirgan tamyzik. ol kobelek. ! Vgl. Fünrer in ZDMG. 39, S.99 und besonders Meıszor, Die Dichtung der Afrikaner, 1911, S.140: »Eigentlich kann man die Auflösung nicht raten, sondern man muß sie wissen. Denn das Rätsel deutet nur an, was gemeint ist, und läßt unter Umständen mehrere Lösungen zu.« 2 Wenn z.B. in Nr. IX der weiße Kranich als Gegenstand eines Rätsels er- scheint, so geht daraus mit Sicherheit hervor, daß der Missionar, der es aufzeichnete, €s nicht aus dem Munde eines in Ungarn angesiedelten Komanen gehört haben ' ann. Es weist aber wohl über die Sitze der Polowzer hinweg nach Osten. ’gl. Have in den Münchener Sitzungsberichten, 1875, Bd. II, S. 465. * Über die uferlose Literatur des Rätsels orientiert am besten Turrer, The Se of the Exeter Book, 1910, S. XI—LIN; Dorn Parallelen findet ee er klassischen Sammlung Wossınros (Mecklenburgi Volksüberlieferungen 1; vgl. besonders die re S. 272 ff.); weiteres wird der zweite im Druck befindliche Teil von Worre. Scnurrz, Rätsel aus dem hellenischen Kulturkreise, bringen. Auch für die türkischen Rätsel und ihre Analyse sind von grundlegender Wichtigkeit Eserrs Aufsatz in den Berichten über die Verhandl. der Kgl. Sächs. Ges. der Wiss., 1877, Ba. 29, S.20 fl. und Perscn, Neue Beiträge zur Kenntnis des Volksrätsels (Palästra IV). 336 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Das Schallwort Zap kommt nur noch in Nr. XXXIX vor, wo es von dem Ge- räusch der sich öffnenden Tür gebraucht wird; kolägä — kölägä scheint sicher, da- gegen ist das folgende Wort so gut wie verloren. koje° lies kojä® < goja° mit Über- gang von @a>ä nach j. Zu kobelek (doch wohl — köbäläk) vgl. jetzt immerhin das merkwürdige Kumük. gobelek »Schmetterling« (Kel. Szemle, XI, rgrı, S. 114; daneben ebenda ı15: gumelek), das auf eine Zi hinzudeuten scheint, jedenfalls aber ursprünglich mit unserem kobelek identisch ist. Wort findet sich CC 222 im Verein mit dur (d.h. bür) = »en knospe« und wird durch »en czue walde« interpretiert. In czue kann (man vergleiche das vorher- gehende »Anospe«) nur ein adjektivischer Gebrauch von czu — »geschlossen« vorliegen, der also viel älter wäre, als wir bisher angenommen haben; walde ist die bekannte zum Gelbfärben benutzte Pflanze Reseda Iuteola, jetzt Wau genannt; dazu würde der Vergleich mit tamyzik vorzüglich stimmen. Wi diese Erklärung richtig ist, so wären Nr. I—III dem Inhalte nach (»Färb- mittel«) geordnet. Knister-knaster Feuerbrand, Ein Feuerbrand [ist's], der tropfen kann, Schatten [wirft er? ?]; Ein Feuerbrand [ist’s], den man auflegen kann. ösung: der gelbe Farbstoff. II (Z. 3—4). biti biti bitidim bes agalga bitidim konesuum juurd[im] kök jibekim &irmadim. 2? ol kinädir. biti vgl. bitiv in Nr. XII < bitik. konesuum lies könäsu’ym (CC 30 von deutscher Hand: fonefiu); su wurde also noch als selbständiges Wort gefühlt !; suum < *subym; ebenso tar. sutmt Prob. V1, 136,21 < *subyny. juurdim = juurdim < Juyur- mit Schwund des intervokalischen -y-, der uns noch so oft begegnen wird. _ Über den Gebrauch von Quecksilber bei der Präpari g der H hmink scheint in Europa nichts bekannt zu sein; Wıesser, Rohstoffe des Pflanzenreichs?, II, 1903, 602 sagt nur: »Der zum Bemalen der Fingernägel dienende Farbstoff wird wahrscheinlich durch Einwirkung von Kalk auf die Blätter dargestellt«. Scauyzer, Turkistan, I. 181 sagt: »The leaves and flowers are bruised, mixed with a little alum, and at night bound (vgl. unser dirmadim) about the nails of the fingers and toes«. Einen Brief, einen Brief habe ich geschrieben, Auf fünf Hölzer habe ich ihn geschrieben ; Mein Quecksilber habe ich geknetet, Meine blaue (?) Seide herumgewickelt. uflösung: Henna. 2 Dagegen soll nach W. B. II, 1245 ein uig. könüksü im Chin.-Uig. Wrtb. 68a vor- kommen; ist es dort umschrieben? [Im Berliner Exemplar — Hırra, Ms.ı, 5 $. 68a steht deutlich aa _ _saasos — kinük suv (in chinesischer Umschreibung 3 R ik k*u-nu su), worin künük = dem gewöhnlichen kümüs — Silber bedeuten wird, also: »Silber-Wasser«, chinesische Übersetzung IK ER eigentlich — Wasser-Silber. F.W.K. M.] aaa iS che nn a W. Bang: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 337 IIL (2. 5). ///!/tä kara kula juvsap dir. ? “red: ol jslikdir. Im ersten Worte steckt vielleicht ein Lokativ. juvsap ist bisher ganz unbekannt; ich vermute Zusammenhang mit kumük. jiusap »still, ruhig« (Kel. Szemle, XII, 1911, S. 125). Dieses selbst ist aber etymologisch unklar, da der Diphthong zu sonst im Kumükischen nicht vorkommt; man wird an Zusammenhang mit juwcas, jawas usw. denken dürfen, das, von Pferden gesagt, »zahm, folgsam« bedeutet. x jelik, d. h. islik, ist unverständlich; ich schlage vor, iglik zu lesen; der Abschreiber hätte also $ und g verwechselt (vgl. meine Anmerkung zu julusna in Bull. Ac. Roy. de Belgique, ıgır, Nr. 9—10, S. 466). Zu iglik stelle ich schor. iünik »rote Schminke«, tob. inlik; nachträglich finde ich das Wort in der Form iglyk bei Schuuvrer, Turkistan I, S. 181: Rouge (iylyk) is prepared by soaking cotton wool in an infusion of the root of some boraginous plant. Das Rätsel muß sich auf die Art der Herstellung oder des Auftragens der Schminke beziehen. h Auf cn, ist der Schwarzfalbe zahm geworden. Auflösung: rote Schminke. IV (29). Jjtip jtip jrgalmäs jüindägi täyhalmäs. ol urulh]. ? Mit j wird hier, wie sonst, der Vokal i wiedergegeben; irgalmäs < yryalmaz; vgl. yrya-, tar. iryan- usw. däykalmäs mit äy< aj. ; Be Die Auflösung ist verstümmelt und daher unsicher; uruh ist die gewöhnliche Schreibung des CC für uruq. Wenn Du es auch stößt und stößt!, so wird’s doch nicht bewegt; In seinem Innern wankt es nicht (wörtlich: wird’s nicht bewegt). Auflösung: der Samen. V (Z.7 und 8 rechts). siloüsin jägi[m] silkip bolmäs ? sirma tonum bügüp [boljmäs ol ju[murtka]. silovsin — kaz. siläwsin »Luchs«; CO 98 silausun »lupi ceruerij« an dieser Stelle von einem Italiener eingetragen, so daß wir es durch siläüsün interpretieren dürften ; silovsin also silöüsin zu lesen. Mein Luchs (-farbenes) Fett (oder Öl) kann man nicht schütteln, Meinen gesteppten Rock kann man nicht falten (zusammenlegen). Auflösung: das Ei. i * sr Y öde Jjanar ! Die Form auf -p auch hier konditional. Vgl. kumük. kuruya kodulup ei (Kel, Szemle XII, Die 167) = »wenn Du es mit dem Dürren vereinigst, brennt auch das Grüne«. + Sitzungsberichte 1912, ”2 338 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. VI (2. 8). ak küy, ie avzu[’] joh. ol dumertka, In küy = kii sehe ich das qui »F jurte« der J iinschriften, — chin, kui. In palataler Form wie im Ritanlschen, liegt das Wort wohl auch im AEnen vor in Proben, III, 183,579 küimö, in der Übersetzung S. 222 durch 1 Ist küimö eine ra Weiterbildung auf -mö oder gibt es im Chinesischen einen Komplex qui-mo? Von N in mänin nur Spuren; m von avzum vergessen oder abgesprungen. Sachlich vgl. Karvrz, Unter Kirgisen und Turkmenen, Leipzig ıgır, S. 97: Weiße ern ohne Tür und Fenster (Ei). ‚Eine weiße Jurte, einen Eingang (Öffnung) habe ich nicht. Auflösung: das Ei. VI (Z2.9—ı2 und ı3 rechts). alan bulan tuv -turur ayri agaödän jav tamar kulan alan tuv turur kuv agaldän jav tamar kün altundän älei keliyrir kömis birgitän keliyr ay altundäfn] el&i keliyr altun birgitäln] keliyr. ol nozil. alan korr. aus alan. ayri lies air’; kulan, nicht ganz sicher zu lesen, ist der Alliteration wegen nicht zu bezweifeln; vgl. karatschajisch goldn »bunt, scheckig« (Kel. Szemle, X, 1909, 119), kulan alan also = alan bulan. a verschrieben a keliyr; in dieser Form steht iy offenbar für betontes i; öl kömis (oder könus ae ?) mit ö für sonstiges Be kümis, kümüs; vgl. kumük. A neben gumus (Kel. Szemle, 1911, IT4—15). kuv (<* a = karatschajisch gz erg dürr, Terkockneti (a. a. O. 120); weitere Verwandte uig. qubur-, quwar-, kir. birgitän = *birgit-dän? ' rege ankam ay ren; korr. aus aldun® ' Das kirg. küimö entspricht im allgemeinen unserm »Wagendach« usw. [Ist vielleicht an Aui-mu u zu denken? mu — Vorhang lautete aber ursprünglich auf -k aus. F.W.K. 2 Dies *quy go wohl noch vor in güyäq »dürr (hohl)« bei vox Le Cog, En wörter aus Turfan S.95b; vgl. dschag. goyla- »am Feuer ‚trocknen«; lies quyla-? ® Sie verhalten sich zu *yuyur wie z. B. gowus zu . Rn i W. Band: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 339 Es hängt eine bunte Fahne, Von vielästigem Baume tropft Öl; Es hängt eine schillernde Fahne, Von dürrem Baume tropft Öl. Unter (?) der Sonne kommt ein Bote, Aus silbernem Behälter (?) kommt er; Unter (?) dem Monde kommt ein Bote, Aus goldenem Behälter (?) kommt er. Auflösung: der Wein. VII (2. 13). butu butu uzun ? butundän arek ol uzum. Sein Schenkel, sein rer ist lang Vom Schenkel an ist’s ma; Aufl in die Rebe. R (2. 14). ap ac eli jabovli altun basli &ohmarli. ol turna dir. Die drei ersten Wörter sind schwierig, aber meines Erachtens jetzt sicher; eli li. Über grus leucogeranus vgl. Mareo Polo, ed. Yule-Cordier, I, 296: „There are five different kl kinds of eranes found in those traets ....... the s second kind again is all white ,...... whilst the head is red and black on a white ground« und die Binary zur Stelle. Brenms Tierleben+, ıgrı, VII, 190: »Durch nackte Wangen unterscheidet sich yon der Gattung Grus der prachtvolle ostasiatische Mönchs- oder Schneekranich, 8 Pall (Grus), der einigemal auch in Europa erlegt wurde. Er i ist bis auf die schwarzen Steuerfedern blendend weiß, der nackte Kopf blutrot ...... Von der Gestalt der Flügel sagt Brenm S. 185 bei der allgemeinen Beschreibung = Familie: »große, lange, breite Flügel mit elf Hand- wingen, von denen die dritte die längste, und deren letzte Oberarmfedern sich über alle übrigen verlängern, auch wohl sichelförmig gebogen sind, sich überhaupt durch eigentümliche Gestaltung auszeichnen«. un. *Yjabug; FR tar. jopug, osm. japyg, dsch. jabig, Alt. usw. jabü, karatsch. Zabi; jak . saby. In dem vierfachen -Z könnte das Adjektivsuffix Te Gi aber zu Nr. XXXII, wodurch das koordinierende -4 als komanisch erwiesen wird. Schneeweiße Hände: eine Decke; Ein goldener Kopf: eine Keule. Auflösung: der Kranieh. * 340 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. X (Z.15—16). sendä mendä joh sengir tavdä joh ütlü tasde joh kipeäkdä joh. ol kus süt dir. üllü zu üt; des Gegensatzes halber ist dann sengir — sänir etwa durch »spitz, hervorspringend« zu übersetzen. kipeäk mit @ aus betontem a nach €; ich sehe in dem Worte hier nicht den Landesnamen, sondern die ursprüngliche Bedeutung desselben: »Wüste«; vgl. Brer- SCHNEIDER, Mediseval Researches, London 1910, II, 681; dort Verweis auf Cuarmov, Exped. de Timour, in M&m. Acad. St-Petersbourg 1836, S. 125, die mir unzugängig sind. Zur Auflösung vgl. das osm. qu$ süd-ü »chose introuvable« usw. Nicht in Dir und mir, Nicht auf dem spitzen Berg, Nicht im ausgehöhlten Stein, Nicht in der Wüste. Auflösung: Vogelmilch. XI (Z2.17— 18 und ı9 rechts). kockar müzi kojürmak kojurmakdän kojurfmak] tegä müzi tiyrmak tiyrmakdän tiyrmak. ol [ ] müzi den [ dir]. Über dem zweiten Verse ein wohl den ersten Vers glossierender Eintrag: kockar müzi ku. Das Folgende undeutlich. Ergänze zu ku[ca müzi], d.h. kockar müzi = kuca müzi?? kojürmak verschrieben für kojurmak. liyrmak lies Wirmak < tiyirmak — tyyyr-. In der Auflösung ist ol selbst sehr zweifelhaft; vor müsi muß wohl kockar oder tgä gestanden haben. Die Auflösung selbst ist leider bis auf zwei oder drei un- leserliche Zeichen verloren; das was dasteht wäre zu übersetzen: der dem [ -] Horn gleiche [ k XU (Z.17—18 und ı9 rechts). : Es ist mir nicht gelungen, diese Nummer befri digend zu rek i und ‚in das nur zweifelhaft Gelesene einen annehmbaren Sinn zu bringen. Zu lesen wäre etwa: usun agad [,] dasindä, wo das Zeichen hinter agad, wenn es gelten soll und überhaupt ein Buchstabe ist, jedenfalls sinnlos ist. Es folgt der zweite Vers: urguul atli kus olturur (wohl oltrur gesprochen) — »sitzt der Urguul genannte Vogel«. Dieser Vogelname ist unbekannt; wenn er türkisches Sprachgut ist, so ist er vielleicht aus ur »Kropf« und guul zusammengesetzt, wo denn -rg- ' Vgl. W.B. 3gqyp ll, 839 und "qypcag ebenda 843. en . W. Ban: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 341 aus -rg- entstanden wäre. In dem so erschlossenen *guul würde lautgesetzlich ein türk. *goyul vorliegen müssen; vgl. tuurdi < toyurdi usw. In diesem *goyul »Taube« sehe ich das Grundwort zu tel. goyoljyn »Taube«, alt. kögöreün, kir. kögörsün, karatsch. Kögüreün, kumük. gogureun; auch das kkir. kögöl »Enterich« gehört wohl hierher, so daß es wahrscheinlich wird, daß der Übergang aus der gutturalen in die palatale Reihe durch Einfluß von Aök »blau, taubenfarbig« gefördert, wenn nicht veranlaßt worden ist. Den dritten Vers glaube ich ani atma är kerek — »ihn zu schießen ist ein Mann nötig« lesen zu sollen; atma — atmaga, wie häufig in unseren Texten. Vor ani steht ein nun ua euen 14 oder € zu gleichen scheint, aber wohl nur ein vielleicht kb v: vom [M} = ur Nr. ESS Den vierten Vers hatte der Aber sodann fe ieb eki udunä t[..]ke. Er Fer dann, daß er sich verlesen hatte, expungierte eki udunä und verwies durch # auf den Rand, wo wir unten auf der Seite jüreginä finden. Unter eki ucunä schrieb er du noch das den vierten Vers vervollständigende Aerek, wobei er vergaß, daß der Schluß von {f..]ke schon die folgende Zeile beginnt. Da das Metrum für [..]ke ein zweisilbiges Wort verlangt, so kann doch wohl nur tänkä dagestanden haben. Wie der Abschreiber dazu gekommen ist, für jüreginä sein eki ucunä einzusetzen, ist nur dann klar, wenn wir annehmen, daß sein Original einen Text enthielt, der die Wörter eki udunä in der Tat in einem folgenden Rätsel bot. Wir hätten also mit vielen Zweifeln zu lesen: uzun agat basindä urguul atli kus oltrur ani atma är kerek jüreginä Br kerek. ol vl. er]. Wohl eine Frucht? XIU (Z.21—22 und 23—24 rechts). uzun agad basindä ulu bitiv bitidim kensän ovlu[m] kelgay dep kensän turup sahladim. ol karfmak] bile balik er Statt dasindä würden wir eher basinä zu erwarten haben!; in ovlu ist offenbar die Tilde (ovlü) vergessen; kensän in der dritten Zeile vielleicht kensan geschrieben; von dir nur schwache Spuren. In dem mir unbekannten känsän sehe ich eine Fortbildung zu kom. känsi, kökt. käntü, osm. kändi vermittels än; vgl. das entsprechende ör und dazu ösän, özön (= özök); vgl. uig. ösänintin — öränintin bei F.W.K. Mürzer, Uigurica II, 44, 32. sahla- wohl in der Bedeutung »warten«, wie im Karatschajischen; oder lies sahlandim sag der Tilde könnten vorhanden sein) — »versteckte mich«?? ! Vgl. aber Bull. Acad. Roy. de Belgique ıgrr, S. 22, Anm. 3. aaa 342 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. An die Spitze eines langen Holzes | Habe ich eine große Schrift geschrieben; 4 Da mein eigner Sohn sagte »ich werde kommen«, ; Stand ich selbst und wartete. i Auflösung: Angel(haken) und Fisch. XIV (Z. 23—25). ahtä kaydä kislämis kanli jerdä ki$lämis kani ne&ik juhmamis hap ortadä kislämis a ol En jav dir. ; | Es ist nicht ganz bestimmt auszumachen, ob karin (< garyn) oder karun (dies eher — *garun) zu lesen ist. ; Das Weißliche wo hat’s überwintert? Auf blutiger Stelle überwinterte es; Ihr Blut wie ist’s nicht kleben geblieben, Gerade in der Mitte überwinterte es [doch]. Auflösung: das Bauchfett. XV (Z. 26). bes basli el&i keliyr. ol etikdän bes barmak bafr??]. Es kommt ein Bote mit fünf Köpfen. j Auflösung: die fünf Zehen aus dem Stiefel. XVI (Z. 27 und 28 rechts). Auch diese Nummer habe ich nicht sanieren können wie ich gewollt hätte. Lies etwa: tav ustindä talaman tayagi bar bes batman balsir??] tulkukigi. ? Es folgt noch: tup.[ ]? ? lasman kommt an einer Stelle des Kodex vor, die selbst keineswegs über allen Zweifel erhaben ist!. Ddatman hier wohl »Pfund«, wie z. B. bei Hovrs. 60. i zu “tulkuöik = *tulgueyg; vgl. tel. Zulgucag »rund, abgerundet«; hier nach Ausweis des Suffixes -i substantivisch. Kiga tulı u rsetze vielleicht: Auf dem Berge ist des Bösen Keule Sa Fünf batman [wiegt??] ihre Rundun, # Vgl. 1 Bull. Acad. Roy. de Belgique ıgır, 8. 413. W. Bang: ‚Über die Räthsel des Codex Cumaniens. 343 In- tup ,... müßte der Anfang der Auflösung stecken; ??tupda — tüpdä »auf dem Boden« und dann. vielleicht kuun »die Melone«?? vgl. Nr. XXI. «u Ganz ‚unsicher! XVI (Z. 28). Offenbar unvollständig überliefert. Erhalten ist nur araba $ak ta$ araba ak; im ersten Gliede fehlt also wahr- scheinlich ein Qualifikativ zu araba: NEE TEN araba Sak, ta$ araba Sak. Auflösung fehlt. XVII (Z. 29). j??' käläfim menim karumä tüsti. ol tovä. rt Das erste Wort unleserlich; vielleicht jany oder järi usw. zu lesen, wie in Nr. XXVI. Hinter karumä stand wohl noch te; dies scheint jedoch ausgestrichen zu sein, ist mir auf alle Fälle unklar. Wenn tovä = tövä (Hours. 69: töwä) wirklich dasteht, so haben wir zweifellos noch ein Wort wie bota »Füllen« zu ergänzen, für das auf dem unversehrten Blatte Raum genug vorhanden war. Meine ...... Braut sank in meine Arme. Auflösung: das Kamel[füllen] (bei der Geburt) ?. XIX (Z. 30). Von dieser Nummer ist außer zwei oder drei unleserlichen Buchstaben nur die Auflösung erhalten: ol keregidir. Dies ist wohl eine bisher nicht belegte Nebenform*® zu kärägä usw. »das Jurtengitter«. Als ein dem Nomaden naheliegender Gegenstand kommt dieses als Vorwurf eines Rätsels bei Karurz, a. a. O0. S. 97 und in Proben I, Übers. 261, 5 vor. XX (Z. 30). siyr sirti koy konati. ?? ort] siyr — str < sigir = syyyr »Kuh«; daneben ‚CC 134 syr = str. sirti für sirtti aus sirit- für syryt- wie silk- < silik-. Meines Wissens ist syryt- heute nur aus dem Ösmani- schen bekannt und nur in der Bedeutung »murmeln«; hier wohl = muira oder manra? ı Vor diesem Worte noch Reste eines anderen, das die Auflösung der vorher- gehenden Nummer oder den’ Anfang dieser Nummer bildet. 2 Umgekehrt in Proben III, 388, 5 oben und 5 unten (Übers.): Das Kamelfüllen mit dem Kupferpflocke, Ist jemand, der es gesehen hat? De Kamelfüllen mit dem Kupferpflocke, Ist es nicht eine jüngst verheiratete Braut? 3 Vgl. jetzt das alte küräkü bei Tuonsen, Journ. Roy. Asiat. Soc., Jan. 1912, S. 199, 27. 344 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. -— Mitth. v. 29. Febr. In konati muß ein Verbum gonat- vorliegen; lies gonrat- »läuten«?? Dies könnte bedeuten: »das Schaf setzt sein Glöckchen in Bewegung«. Da aber CC 136 ein kom. congranirmen »ich murmele« vorkommt, so könnte konati = konrat-t auch als Synonym zu sirt- aufgefaßt! und das Ganze durch Die Kuh brüllte Das Schaf blökte übersetzt werden. Da die Auflösung fehlt und die Überlieferung zu wünschen läßt, ist die oben- stehende Erklärung nur als möglich, nicht als sicher anzusehen. XXI (Z. 31). karä ulahim kegemdä semirrir. 2??? ol huun. In kegemdä gibt e den türk. Laut y wieder; es entspricht also einem *qyyymda; vgl. osm. qyy, kir. qyi. semirrir für semirir. In Auun liegt eine lautg lich g aus goyun »Melone« vor, im CC 126 von italienischer Hand coun geschrieben; vgl. tuus < toyus$ im Hymnus A Solis ortus cardine ], 1?; tuurdadi < toyurdadi IV, ı usw. Zu sprechen also huun; vgl. etwa karatschajisch xa’n (Kel. Szemle X, 1909, S. 105). Entwick] Mein schwarzes Lasttier wird auf meinem Misthaufen fett. Auflösung: die Melone. XXII (Z. 32). [kälte kirir kara ulah 2? erte kellir kara ulah. - Auflösung unleserlich. üce — käcä wird durch den Parallelismus mit erte gefordert; vgl. CC 80: sero = chezä (im italienischen Teile). Spät geht das schwarze Lasttier, Früh kommt das schwarze Lasttier. Fol. 60°, XXIL (Z. 1). .. butu ki3 kislär err buu jäy jäylär. ol sirik. . 74 % kis und jäy (< qy$ und jai) formelhafte Akkusative. In sirik steht das k nicht ganz fest, es könnte auch A sein. CC 235 steht sirih = en querder (sie; nach freundlicher Mitteilung Dr. Fraris); da querder unser »Köder« ist, dürfen wir für sirik vielleicht an die osmanische Bedeutung von syryg »Angel- rute« denken? Halb ist's im Winterlager (d. h. in der Kälte, en im Wasser), alb ist's im Sommerlager (d. h. in der Wärme, in der Luft). ae Auflösung: die Angelrute ' Vgl. kürlä- und sogran- in Nr. XLIV. ® Tuonsen-Festschrift $. 39- hing en de lan end FREENET TEEN W. Bang: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 345 XXIV (2. 2). olturganim oba jer baskanim bagir &änäk. ol üzengi. 3 Man beachte, daß jär außer »Stelle« auch die Bedeutung »Sattel«, danag außer »Schüssel« auch die von »Steigbügel« haben kann. canak > lünak > lünäk, unter Einfluß des palatalen Anlauts. oba wird CC 88 durch np. grioua, lat. podius erklärt. Mein Sitz eine bergige Stelle (ein Bergsattel, Bergpaß), Mein Tritt eine kupferne Schale. Auflösung: (Sattel und) Steigbügel'. XXV (2. 3). täptacik ustundä Cäpcacik. ol hamis dir. cäpcadik Diminutiv zu dapdag; ä aus betontem a nach e. Über dem Fäßchen ein Fäßchen. Auflösung: das Schilfrohr. XXVLI (Z. 4). jäzdä jäni kelin jugunädir. ol hamis basidir. Hier und in den folgenden Nummern jäz aus jax des anlautenden j wegen; eben- so järi aus jani; vgl. den Hymus A solis ortus cardine X, 4: jänla < *jänilä — janyla?. In jugunädir ist ä der unbetonte Bindevokal. Für jugun- wäre besser jugun- = jügün- geschrieben worden — Dies Rätsel ist ein ganzes Gedicht! Auf der Ebene verbeugt sich die neue Schwiegertochter. Auflösung: die Schilfähre. XXVI (Z. 5). äzdä javli tokmak jatir. ol kirpidir. Sachlich vgl. Nr. XLIll. Auf der Ebene liegt ein fetter Hammer. Auflösung: der Igel. 4 vg. Proben I, 239, Nr. 18: fäkpänim täräk, otturyanym oiduq. Auflösung: attyn üzönü, äri. täkpän mielsihetisch für täpkän; täräk < täyäräk; übersetze: Mein Tritt ein Kreis, mein Sitz ein Talkessel. Auflösung: Steigbügel und Sattel des Pferdes. 2 Vgl. Tuomszn-Festschrift S. 42. 346 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth..v. 29. Febr. XXVII (2.6). Jjäzdä javli hays jatir. ol ylan dir. hays lies ha’is mit Schwund des intervokalischen 5 < d: *gadys > gajys. Sachlich vgl. Proben III, 321, 13—14 und 322, 13—14: ai dalada d3el’ argan, In der Steppe der Füllenstrick, onü körgön barma ekän? Hat ihn jemand gesehn? ai dalada dzel’ argan, In der Steppe der Füllenstrick, diylanynyz bolmasa? Ist’s nicht eure Schlange? ' Auf der Ebene liegt ein fetter Riemen. Auflösung: die Schlange. XIX (Z. 7). jeer jer Jjninä kirer. ol bitak dir. Sachlich vgl. dasselbe Rätsel bei Karurz, Unter Kirgisen und Turkmenen, Leipzig ıgr1, S. 97: Es ißt und trinkt und geht dann in seine Höhle (Messer). Es trinkt und ißt und geht in seine Höhle. Auflösung: das Messer. XXX (2. 8). | salp kesim sansis ohum. ol kokbile juldus dir. salp wohl zu sal-, wie alp zu al-; etwa »ausgedehnt, gewaltig«?? Oder ist an dschag. usw. salt »seul, unique« zu denken? i ; ; Gewaltig (einzig?) ist mein Köcher, zahllos meine Pfeile. Auflösung: Himmel und Sterne. XXXI (Z. 9). burunsis buz te3er. ol koy..bogu. Ohne Schnabel hackt es (durchlöchert es) das Eis auf. Auflösung: der Schafmist. . W. Ban: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 347 XXXI (Z. 10). oAlu solulu ayrgan otus tümen oneydim. ol kujas ay. In orlu solulu haben wir das bekannte koordinierende Suffix -% usw., das unter den älteren Dialekten zunächst im Köktürkischen und dann besonders in der Sprache der Turfanfragmente auftritt. otus (otus) mit Schluß-8 geschrieben. Das Wort, welches ich zweifelnd oneydim gelesen habe, ist ganz unverständlich; ich möchte es in ortafide, ortafide emendieren = ortasynda, -dan; der Ablativ würde eine Assonanz zu ayrgan herstellen. Rechts und links ein einzelner, 300000 in ihrer Mitte. Auflösung: Sonne, Mond und Sterne. XXXII (Z.ı1 und ı2 rechts). altun ayrgan tura tüser al torhan jäyli tüser. ol bey klunlagan. Hier läßt einmal die Auflösung an Klarheit nichts zu wünschen übrig und trotz- dem ist das Rätsel in der überlieferten Form wenig klar. bey — schor. päi > pä, wozu bä (d.h. b@?) bei Hovrs.; dann auch gekürzt zu be (z. B. Proben V, 529,94 usw.), das wieder zu biä und bijä wird. Proben III, 121, 5u usw. bedäü. Guttural: bajtal? klunlagan < qulunlayan mit Schwund des unbetonten Vokals wie in klie < qylye usw. ee S. 39): n tura durch »Haus« zu übersetzen ist, steckt in jäyl vielleicht ein Ver- wandter de älteren m Jajlag »Sommersitz«; das ayrgan parallele torhan (= torgan?) müßte dann wohl zu {ör-, tor-, türa-, toyra- »zerspalten« gehören? Letzteres demnach imeathetisch aus ea (tor- -ya; zum Suffix vgl. kom. jarilga) ?? Die zahlreichen Fragezeichen entheben mich einer Übersetzung. XXXIV (Z.12—13). oy otemis otemis jiy koldä kislamis. ol it dir; avzun artinä sohup ujur. In otemis — ötämis sehe ich eine Fortbildung zu öt- »hindurchgehen«, der laut- lich das kir. ötö- entspricht. jiy ist ganz unklar; es könnte ein Wort wiedergeben, das wir ji umschreiben würden; ich vermute daher, daß es für isi, issi verlesen ist. Zwischen dir und avsun ein Zeichen, in dem der merci ein t ‚gesehen zu haben scheint; es kann sich nur um einen 'h handeln (/), wie auch wohl in Nr. XI 348 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Wenn meine Erklärung richtig ist, so macht dieses Rätsel der Beobachtungs- gabe seines Erfinders alle Ehre. Die Niederung passiert es, passiert es, Am heißen(P) See überwintert es. Auflösung: der Hund; denn er steckt die Schnauze in den Hintern und schläft. XXXV (Z. 14). tümä tüdim tücgängä saldim. ol us dir. tümä wohl = *tüvmä (CC ı19 und 122: tuuma, im italienischen Teile des Kodex); Hours. 68: tügmä. Ebenso tüdim < *tüvdim, *tügdim zu tüg-, tül-, tü-? Zur selben Wurzel wird man doch wohl auch tücgän zu stellen haben, obwohl die Erhaltung des Gutturals große Schwierigkeiten bereitet. Allerdings würden wir ja auch tütgän lesen dürfen, tüt- seinerseits scheint jedoch in keiner der bekannten Bedeutungen herzupassen. Schließlich macht die Auflösung selbst schon insofern Schwierigkeiten, als us der einzige vollständig abstrakte Begriff wäre, der in unseren Rätseln vorkäme. Unter allem Vorbehalt übersetze ich: Einen Knoten habe ich geknotet Und auf das Geknotete gelegt!. Auflösung: der Verstand. XXXVI (Z. 15— 16). kasartkite kan tammis kara ulusgä jäylmis. ol ot dir. Die folgende Zeile enthält noch die Wörter: kasartkide sare altın a. Ich ver- mute, daß kasartkide durch sare altun — sary altun erklärt werden soll, muß aber gleich hinzufügen, daß mir a durchaus unklar ist. Wir bekämen also: »kasartkice = gelb- golden«, Es scheint daper, daß uns in kasartki eine gutturale Nebenform des ku- mükischen kesertki »Eidechse« (Kel. Szemle XII, 1917, S. 130) vorliegt, das Verwandte in anderen Türksprachen hat; zum Suffix -ki vgl. tel. käläski »Eidechse« neben Aälär, käläs in anderen Dialekten, sowie das karatschajische Aeselekke? (Kel. Szemle X, 1909, S. 109). Bei Hours. 98 käläz neben kältä »Salamander« (vgl. tuwas. Aalpa usw.). kasartkice, < -kica, -qyca durch regressiven Umlaut, — »wie eine Eidechse«. 5 In jäylmis liegt zunächst Übergang in a von ä nach j vor: y=i; phonetisch wäre das Wort also j@lmis zu schreiben gewesen. Es entspräche demnach mit Schwund des intervokalischen -y- dem uig. @adiey, jayyl- »hängen bleiben«. Vielleicht »An dem Geknoteten befestigt«? »An das Geknotete geknüpft«? 2 Metathetisch erweitert aus käläskä, alt. usw. küläskän? Die von Pröntz auf- genomme tschajischen Texte enthalten übrigens zahlreiche, etymologisch unklare Geminationen, über die er sich bisher nicht ausgesprochen hat. W. Base: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 349 ist jedoch das dritte Zeichen nicht y, sondern ji zu lesen; in diesem Falle entspräche unser Wort dem uig. @42«& jajyl-, kumük. jajll-, karatsch. Zajil »sich ausbreiten«. (Goldgelb) wie die Eidechse ist das Blut herabgetröpfelt Und hat sich über das schwarze Land verbreitet. Auflösung: das Feuer. XXXVU (Z. 17— 18). uzun uzun sirgalak uöunä deyri sirgalak kizga kiz[ga] sirgalak krivinä deyri sirgalak. ol bitak bile bfiläü?]. krivinä, kriv-inä aus kirio; vgl. köi aus kisi usw. kiriv < *kirik = qyryg, qyryy usw. — »Ende, Rand«. Vgl. meine Anm. zur koman. Bearbeitung des Hymnus A so- lis ortus cardine I, 2: Arivgä (Tuomsen-Festschrift S. 39). Eine lange, lange Rutschbahn, Bis zu seinem Anfang eine Rutschbahn, Eine kurze, kurze Rutschbahn, Bis zu seinem Ende eine Rutschbahn. Auflösung: Messer und Schleifstein. XXXVII (Z. 19). bu bardi; izi joh. ol kemä dir. Dies geht und hat doch keine Spur, Auflösung: das Schiff. XXXIX (Z. 20). tap artindä karp. ol esik dir. Knarr! dann krach! Auflösung: die Tür. XL (Z. 21/22 rechts). avzum alsän öpkäm korunir. ol esik atsä ot korungan dir. Zu avzum »meinen Mund« vgl.z. B. Nr. XXXIV avzü — avzun, wie ja auch hier gelesen werden könnte, und avzing »dein Mund« im Marienpsalter 46, 2; ich glaube daher nicht, daß das undeutliche Wort an unserer Stelle abzü zu lesen ist, obwohl so dazustehen scheint. 350 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. Daneben eine Form mit g, z.B. CC 168, 15 agisna' (agisnä?) — ayizna usw.; vgl. Bull. Acad. Roy. de Belgique 1911, Nr. 7, S. 410. In korunir und korungan fehlen die Zeichen der Palatalität; lies: Aörünir, körüngän. Sachlich ist zu bemerken, daß, während die Feuerstelle im allgemeinen in der Mitte der Jurte liegt, es doch auch eine andere Einteilung gibt, bei der die Feuer- stelle sich zwischen Tür und Mitte befindet (Karvız, Unter Kirgisen und Turkmenen, Leipzig ıgı1, S. 69). Wenn Du meinen Mund öffnest, ist meine Lunge zu sehen. Auflösung: wenn man die Tür öffnet, erscheint das Feuer. XLI (Z. 22). al savri jändigim alti tovram askinem. . ol hoz. x In jäncigim, zu tar. usw. jandyg, ist a nach j palatal geworden. tovram wird CC ı82 durch bolus, d.h. frustulum »Bröckchen« usw., preti vgl. Hours. 84: togram = toyram < toryam. savri entspricht also lautgesetzlich dem dschag. usw. sayrı < sayry »Bug« usw., während das CO 106 aufgeführte sagri = npers. sagri — neulat. camutum gestellt wird. Über diese vgl. Yures Marco Polo, ed. Corvıer, London 1903, I, 394/95. Das Diminutivsuffix -kine = -yyna, -ginä liegt z.B. in dem Hymnus Saginsamen bahasiz kanini III, 3 in hanginam (Bull. Acad. Roy. de Belgique 1910, Nr. 5, S. 232) vor; das e in ajkinem = askinäm < a$kinam < asqynam erklärt sich durch regressiven Umlaut (vgl. unsere Osttürk. Dialektstudien — Abhandl. d. Kgl. Ges. d. Wiss. Göttingen, £ S. 8). Es wäre also zu übersetzen: »ein roter Bug ist meine Tasche (d. h. meine Hülle; die Hülle, in der ich mich befinde), oder: meine Schale ist rundlich erhöht wie ein roter Bug; sechs Stückchen sind meine kleine Speise. Auflösung: die Nuß«. An dieser Übersetzung glaube ich jedoch die »sechs Stückehen« beanstanden zu sollen! und schlage daher vor, in alti einen Fehler des Abschreibers zu sehen für altü = altun »golden, goldgelb«; dadurch wird zugleich der Parallelismus zu al hergestellt: Ein roter Bug meine Tasche Ein goldnes Bröckchen mein Speischen. Auflösung: die Nuß. XLI (Z. 23/24 und 25/26 rechts). sen sen ayri basindä segiz koyan jni bar sen ani tapmäsäfi senek iyn ylagil avluübile tapmäsän ayruy iyn ylägil. ol kl. .]mi& dir. ' [Inzwischen finde ich in dem soeben erschienenen Heft 3 von Kel. Szemle XII das kumük. Sprichwort ($. 276 Nr. 33): alt? xapsa er tojar, altmuS yapsa at t'ojar & h sechzig«, wonach es den Anschein hat, als könne alt für »wenig, winzig« usw. gebraucht werden? Korr. Note.] u ai: ar Er er | 2% en W. Bass: Über die Räthsel des Codex Cumäanicus. 351 Soweit ich. dieses schwierige Stück zu verstehen glaube, wird das eigentliche Rätsel nur durch die beiden ersten Verse gebildet. Zu den einzelnen Wörtern kann je ange bemerken: iyn darf wohl zn ‚ausgesprochen werden. Es ist mit Abfall des anlautenden 3* == Schrund des intervokalischen 9 -y- aus *igin < jyyyn entstanden; außer diesem ist das] lich. daraus entst. schor. dyyyn und dyn sowie kaz. kir. dyjyn und kaz..dim zu vergleichen. Für. senek iyn vermutet Hr. Rapzorr eine Bedeutung wie in russ. nomoms (spr. pom@36);' vgl. besonders russ. nomous (spr. pöm®t). und das daraus entlehnte bar. pomats (Proben IV, 6, 2; hier »Erntefest« übersetzt). Wenn wir demgemäß unter senek iyn die geinsinschäftliche Arbeit beim Heuen verstehen dürfen, so könnte auruv (< ayrug?) iyn das gemeinsame Einbringen der Heuernte bedeuten. Alles das muß vorläufig als ganz unsicher bezeichnet werden. ylagil und ylägil sind ilagil, dägil zu lesen, < *yla- > üa-, ilä-; Bedeutung »suchen« oder »fragen«, »rufen« oder ähnlich ?. Im dritten Verse wird der Missionar zwar ani gehört haben, das ee, ist aber doch wohl zweifellos anlar gewesen, vgl. segis und besonders das Met XLIN (Z. 25/26). teüridän tüSgen tokmalik dort ayäkli mäymäßik. ol kirpi. tüSgen wohl korrigiert, aus tisgen. dort — dört mit dialektischem d (für das von der Alliteration verlangte 1), wie in der Sprache des von Hoursua edierten Glossars. age be ur ajdgly. iymäcik unbekannt. Es ist offenbar Diminutiv zu *mäymäk. Dieses kann von ge aus zur palatalen Reihe gehören oder erst durch den Übergang ai > ä in die- selbe gekommen sein, also für maymag stehen. Ich glaube, daß an das sagaische maimag »Stiefel« gedacht werden muß (Casrren, Koib. und 'karagass. Sprachlehre; vgl. Karanorr, Bull. Acad. St-Petersbourg XXXI, 1887, S. 179). Ein vom Himmel gefallenes Hannehn Ein vierfüßiges Stiefelchen. Auflösung: der Igel. XLIV (Z. 27—29 und Glossen). ol tutgan kitidir bugovli - bugänäkli £ärt terek ol kiskata kilägandir buga tongus kislämis ol re! sohrangan- dir küd bugasi kürlämis a anasi ylagan dir kutmen kara &iülämis ol eki sä[..] ylagan dir eki säl. .] setelär sete tübü bürküldär. ! Vgl. meine Bemerkungen im Bull. Acad. Roy. de Belgique, ıgrı, S. 93- 2 Vgl. unten zu‘ Nr. V. 352 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 18. April 1912. — Mitth. v. 29. Febr. So, glaube ich, muß dieser sehr schwierige Text gelesen werden. Die Auflösung fehlt; vielleicht beginnt mit Vers 5 ein neues Rätsel? Die Ausbeute an neuen Wörtern ist nicht gering: dugovli < *buyag-li (kar. buydu); kiskata glossiert kislämis, gehört also zu alt. usw. qysqyda; kilägandir zu qyla- »schnarchen, röcheln«; in kara steckt doch wohl das dschag. gara » Vieh« ; dinlämis zu dyüyr- »schnauben, schreien, grunzen«, vgl. dyy, &iy »Schrei« und Kunos dyynamag »rufen, lärmen« (SuLesmans W.-B., S. 44: ses ve avaz etmek)!. tongus ist versehentlich mit Schluß-8 geschrieben worden; für bürküldär der Hs. vermute ich bürkülär. XLV (Z. 29—33). jogartin kelgan nekjik jolabars kijk desirlär jotasincu su jinc[u] tama kellir desirlär. ? küjürtin kelgan nekjik kulabars kijk desirler kuyruhuntu su jincu tama kellir desirlär. ol bezergendir. Wie neben kom. jogartin (kar. oyart''n mit Schwund von j) das palatale kökt. Jögrü steht, so das palatale küjürtin neben *qujurtyn zu quju, quji, gody, gojy, goji »unten« usw. nekjik, wohl aus nekük korrigiert, ist unklar, ebenso Jjotasineu (jotas-ineu), kuy- ruhundu (kuyruh-undu) und su jindu ?sujineu = su + ineu?). Jolabars — jolbars; neben kulabars glaube ich mich des Eigennamens Kulbars zu erinnern (?). Das palatale dezergen auch im Jarlik des Toktamys (bei Hrn. Raprorr, Zapiski der K. Russ. Archäol. Gesellsch. II, 1888, S. 15) Ich kann dieses Rätsel nicht übersetzen. XLVI (Z. 34—35). beltirdägi bes kuvluk besibile kulunlamis saralyldägi sare äygir savlavlati kisnämiß. ol kazan [ ) Über dem unbekannten Auoluk (kuyluk?) steht die Glosse: ol jil kelgandir — »dies bedeutet das Herauskommen der Luft«, d.h. des Dampfes (?). De Parallelismus zu äygir < aiyyr »Hengst« macht es wahrscheinlich, daß kuvluk »Stute« bedeutet; vgl. kulunlamis der folgenden Zeile. Bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse wage ich nicht, das Wort anzutasten, verweise aber immerhin auf quzarag, qysrag, sülük als " Beachte die Gleichung: eirlämi$ = ylagan, das also wohl »rufen« bedeuten wird. W. Bass: Über die Räthsel des Codex Cumanicus. 353 Wörter für »Stute«, die bei einer eventuell nötigen Emendation in Betracht gezogen werden könnten. Da ich über tiefergehende Kenntnisse in der komanischen Kessel- kunde leider nicht verfüge, vermute ich, daß bes ganz indifferent gebraucht ist. Spuren von y in saray über der Linie; der auslautende Diphthong könnte auch äy = äi sein; sare äygir lies sar’ äigir. Das bisher unbelegte savlavlati (< *saglaglaty) dürfte, wie das parallele besibile, einen adverbialen Begriff ausdrücken; ich e »heimlich« vor. Den ganzen Vers beziehe ich auf das Geräusch des kochenden, »singenden« Kessels!. An der Flußmündung? haben fünf Stuten (?) Zu fünft Füllen geworfen; Im Schlosse hat der gelbe Hengst Heimlich (?) gewiehert. Auflösung: der Kessel. ! Wenn W.B. II 1394 dem entsprechenden alt. kistä auch die Bedeutung »braten« (doch wohl nur intransitiv?) beigelegt wird, so ist, wenn kein Mißverständnis vorliegt. die Auffassung fast dieselbe; vgl. Grimm s. singen 1084 und aus den Türkdialekten etwa noch külbürä und külbrä. $ ® D.h. an der Zotte, Tüte, Gefäßmündung mit fünf Löchern. = Ausgehen am 25. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1912, 3 Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1912. Taf. 1. [£ pre ande zT Srushalma oh ar i ze bone ya re Iars Srneeagn. se BO elifeus Juve > 7 Ba vaunl Ar ge a reeısch. W. Bang: Über die Rätsel des Codex Cumanieus. Sitzungsber. d. Berl.. Akad. d. Wiss. 1912. Taf. II. Fre rar 14 91 kei zugume sn I tya Ablı Fobwmak Jar olk JB yays re I mu karı- 2 al Bes an Janpıp oyi «b.othr tn pescn deoy bog u - Ra ckus ne we) W.Bans: Über die Rätsel des Codex Cumanieus. weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache veröffentlicht sein ode werden. Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- Mes dem redigirenden en vor der A: 'n akademischen Schriften zur Kenntn den gel- eln zusteht, so = arf er dazu der Ein- ern a Gain mt-Akademic Gedächtnissreden anderweiti ie zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestattet. Gt s21. Die Sitzungsberi cheinen in einzelnen Stücken in der Regel Bene ehe Tage nach jeder Sitzung. s $ 22. Jeden a oe eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- lungen und über die zur Er Koniikhuig geeigneten ge- schäftlichen Russlegeäbel Hinter den Titeln der w: Seinen Bene folgen in dieser Übersicht kurze Inhaltsa n derselben, welche die Verfasser einreichen, und für. ae sie ver- i Diese Inhaltsangaben sollen sieh in zeilen beschränken, keinesfalls 10 Zeilen überschreiten. Die nicht in den Se = ne erscheinenden nee werden tztem Stern bezeichnet, = für die a ers wird »(Abh.)« ügt. Wissenschaftliche en fremder Verfasser len in dem Bericht r diejenige Sitzung aufgeführt, in welcher deren Aufkähie in die akademischen Schriften eschlossen wird. Aus $ 27. Das en N in einer akademischen Sitzung am Donnerstag zur Aufnahme in ge zu- gelassenen Aaeneng, wele] = ten Donnerstag gedruckt erscheinen soll, mn: Gr BR nach in der aa .. ee bis Freing 10 Uhr Morgens in N ee fertig a werden. Später eingereichte Manuseripte werden, it dem Präsentationsvermerk des redigirenden Searelara Modes sen Archivars versehen, für ein späteres Bun en es selbe age von vorn Sr en, deren Satz aus irgend we hen sondere Schwierigkeiten erwarten 'haltenen Bestimmungen nicht n herein mit Mittheilungen se elchen Gründen ee ie us früh an zurücl ird di ‚OIT versandt; die Verfasser Mare ee damit auf Erscheinen ihrer er jr acht Fremden Verfassern, deren Corre: rst noch a Bronegiikn: Mik1ikde zur a a werden müssen, kann das Er- scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden. Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. Jahrg. ang: Physikalisch-mathem; 6 -Olasse ... 00 ee : ee ot Philosophisch-I Thekerache, ee EEE S Er Be Te rn. Gr 1910: . Physikali mathematische Classe . . . » . Br en ONE, Eee eH Ieemmestir historische Classe . . » - » a » 38. Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1909, 1910, 1911 und 1912. = cessus ii . » .. — Meran; Gedächtnissrede auf Eberhard Schrader . - - : ER 2. le W.: Gedäch! Ruszns: Gedächtnissrede m Friedrich K. B Er] K r die ULE VON ne St ategenköpfe . Duzuar: Der Aufbau ‚der Sechlehtlichen Welt in den Geitenwissenschaften. VAN’T Horr: Gedächtnis BR uf Hans Heinrich Landolt Mürter: Uieuri ‚ohlrausch 5 ung der Masse bei chemischen Uimsetzungen” = Ente Maine > Exorer und K. Krauss: Uber den anatomischen Bau der baumartigen Cyperacee Sehoenodendron om 3: Excr. M 'ymnen 'hara BR: Zur sprachlichen Gliederung ee Diers: RS age : ncobus Henricns van Hof. ee Galenischen Commentars "zum Prorretium des cd J. eu a lien oa: der Functionen ‚Bomann a Cosimma A ©. Tau manorul 2 R. rare Zur Babe der Groskirainde der c P. Rörnıs: Zellanordnungen und Faserzüge im Vorderhirı n Siren lacertina M. Neipise: Über die Ker his des NERHne, bei eini; = "Slugetieren E SE K. Acansowantaxz: Über die Kerne des menschlichen Kleinhirns BER re Juszer: Der Auszug | der Hathor-Tefnut aus * F. Freiherr Hırırr vox und H.L = Arkı adische "Forschungen Tu. Wıeeann: Erster er Bericht über die von den en Museen unternommenen rabungen in L. 1 fern n Bere a Satzes, dass jet hinreichend kleine, im wesentlichen stetig ge- ie singnlaritätenfreie Flächenstück auf einen ae einer Ebene Aenugen! in den kleinsten Theilen ähnlich Abgebildet werden ee M. ee Phönieische und aramäische Krugaufschriften aus e Eleplientine Bee £tee Sitzungsberiehte der Akademie. Preis des Jahrgangs . . . ke I. Halbjahr 1911. Warsurs: über den Energi bei Vorgängen in Gasen . . . . » voX se -MOoELLENDORFF: ein Sal aus dem aba es Epiphanios . . . - a der mittleren freien Weglänge der Kanalstrahlen . voN un OELLENDORFF und F. Zucker: zwei Edicete des Germanicus auf einem ' Papyrus es Berliner Museums (hierzu Tat. v) ? A. Tornquist: is Tektonik a tiefere: d dd RTWIG: Mes Scuorisr: über das Eoanrs sche Dr« Ya sproblem . Scuortky: über = vier JAcopr’se] The Ersan: ein De, eng "Theologi Jacost: Cultur-, S ach und terarhsorschen aus gem Kanye die Inse en a Königs Kal Stuckfagade von heaiesh in Yucatan „Aerzu Taf. vI-v) zu den Bene Papyri von Elep! ’ 5 Srauve: über die Lage der Marsachse und die‘ ee im Marss stem . . Ersan: Denksteine aus der litehen Gräberstadt (hierzu Taf. . F. Freon und C. Rexz: Kreide und Trias im Kiona- und Öta, BER Mirelgriechentand) B ARTENS: über die Mesuns rosser Kräfte im Meterilprfungewe x C. Broerztatans: zu den Inschriften des Königs Kalumı Bondssabärucke L ae 1912, * 1. Scaur: über einen Satz von C. Cararnsoporr Frosenxius: RUE eines Satzes von Canaruionony aus “einer Formel von " Kaouronen . . Es A. Euckex: die Molekularwärme des Wa: narekoe 'bei tiefen T at : ur oo. Orrn: über Rinder- und Menschentuberkulose SR wer sr ehe Harnack: Geschichte eines Ingerenimalchen Worts Jesu. Mari. 5, 17) in der ältesten Kirche Wanrpuri BB: über den Energieumsatz bei pho otochemischen Vorgängen in . Liesiscn: über die Fluoreseenz der Sodalith: und Willem; mitgrune im Hlkreyiglckten Licht . Hasertaspr: über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe Rusens . Hertz: über den Einfluss der aenpersige Be 2 AeBEDen Tangn eliger Wärme- ren E ee ss: über den Charakter der dd hland Heer: de Erfahrungs undlagen der Lehre vom algeeinen Gleichgewichtszustande der Massen r ‚I e W. Bass: über die Räthsel des Codex" Cumanicns” (hierzu Taf. FE und im. Sg D grmmemom SSs8l 1811 ww IS M12— .. ES ses 33% De 8S| za En serien. N E See lgeele] ER „m“ osoo=-"-5090-> La 1 1912. XXI. XXI. XXIV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 25. April. (S. 355) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 2. Mai. (S: 357) Burpacn: Faust und Moses. Erster Theil. (S. 358) Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. (S. 404) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 2. Mai. (8. 433) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. (4 Aus dem en für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus Die Bes gibt Kemklk Ht a L der Statuten : zwei fortlaufen. der Erle Preussischen RT de Wissenschaften « und » ee der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaft Aus $ 2 ..gbdei I Me in La »Sitzungsberichter Sr die s in einer aka- denlechn Sing Torgelegt nen Se in der Regel liefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die V: ae eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Migliedes zu benutzen. imfang einer ed Mittheilung soll “ der Rage in den ee bei een 3 I Sigebericn in a Ab bhandlungen ee von je 8 Seiten in = ee Schrift der Abhand- lungen nicht überste Aus $ 6. wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- für die Anordnung des Satzes Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Bin eichung des Mannserips ee at sich zu verge: Ben. dass der Verfasser seine Siheung a vollkommen druckreif ansieht. Die erste Cor ihrer Nittheilungen besorgen die Verfasser. vorlegende Mitglied re Di ee nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und lei DERSER Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Ver sind zur Tragung der entstehenden Mchr- kosten verpflichi s$8. Von allen in die Sitzungsberichte oder A dieser Grenzen ist nur ler 6 Akad de der heuekend haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung amadrdeklich ı zu beantragen. Lässt lang ipts veı 0 hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen Seite auf 'h i Umfang im Druck abschätzen zu wa Sollen einer ee Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, nn en i ichzeitig mi loch lättern, einzureich: tellung dee Vorlagen. haben. in en. Sind diese Kosten ung beschliessen. Ein darauf nee Aue ist vor der He er Benselung der be- treffenden Vorlag: eines Bechversiinäigen an Be vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen demie, Über voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige Sinfiche Textfiguren handelt — der K eines beizufügen. schreitet dieser Anschlag für die er- bei den Abhandlungen 300 nn so ist Vorberathung durch das Secretariat g. a Nach der Forlager und Einreichung des zuständigen Seeretar oder nes der Kia: Sie glieder es verlangt, verdeckt an mmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht ed der Akademie sind, sollen der Regel nach nur ae aufgenommen er Beschliese „eine Classe die Aufnahme der Mitth. in die dazu bestimmte Abthei ae er »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Mittheilungen, Reden Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von a en Mittheilungen, wenn deren Umfang im auch er hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberiehte ausgegeben werden. Y Kähent h ra für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann. wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. erhält ein Verfasser, welcher hg der Br ae, zu en Vertheilung o weiteres 50 Frei mplare; er ist indess ge zu eielenda Br = Kosten der re a ee bis zur Zahl von noch 100 auf sı noch weitere bis ur Zahl von 200 Ha anzen ao naeh: abriehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- ‚ten mel redigirenden a Bu 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen las: Von den Elerabäradken aus den Abhandlungen er- Verfasser, welcher Mitglied der Akademie 2 Frei tar gezeigt hat; scht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteiung zu erhalten, so bedarf es dazu ‚ammt-Akademie oder der be treffenden Cl _ Nic itmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirend. jecretar ere 100 Exemplare auf Kosten abziehen lassen. s 17. Eine für die akademischen Schriften be- mte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs (Fortsetzung auf $.3 des Umschlags.) 355 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 25. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwenrs. *1. Hr. Deesser las über römische Medaillons aus der Samm- lung des Königl. Münzcabinets. Die Darstellungen auf acht Medaillons aus der Zeit von Hadrianus bis Commodus wurden im Projeetionsbild vorgeführt und eingehend erklärt. Das wichtigste Stück ist ein Medaillon des jugendlichen Marcus Aurelius (Zeitschr. für Numismatik XV Taf. I, 13), auf dem das Penatenopfer des Aeneas nach der Landung an der latini- schen Küste dargestellt ist. Das Münzbild ist eine etwas freie, in allen wesentlichen Punkten jedoch übereinsti de Wiederhol eines M iefs von der unter Augustus in Rom errichteten Ara Paeis Augustae (Platte VIII. VIII’). Es wird ver- muthet, dass die auf dem Medaillon neben Aeneas befindliche Figur des Ascanius ursprünglich auch auf dem Relief vorhanden war; ihre Stelle dürfte durch die grosse Bruchfläche bezeichnet werden, die sich vom linken Unterarm des Aeneas bis an das untere Ende der Reliefplatte hinzieht. 2. Hr. Sıcnau legte eine Arbeit des Hrn. Prof. Friepricn Scuurr- HESS in Königsberg vor: Zurufe an Thiere im Arabischen. (Abh.) 3. Hr. Coxze legte im Auftrage der Deutschen Orientgesellschaft das von der Gesellschaft herausgegebene Werk vor: Boghasköi, die Bauwerke, von Orro Pucnstei unter Mitwirkung von Heısrıcn Konz und Danıer Kresorer. Leipzig 1912. . Diese letzte grosse und bedeutende Arbeit, welche unter Orro Pucastein’s Leitung entstand, ist von Hrn. Konz, pietätvoll ein Jahr nach Pucasteın’s Todestage zum Erscheinen gebracht worden. 4. Die Akademie hat durch die philosophisch-historische Classe Hrn. Prof. Dr. Orro Hörzscu in Posen zu Reisen im Interesse der von ihm geplanten Herausgabe der Correspondenz des Botschafters Baron Peter Meyendorff 1000 Mark bewilligt, und durch die physikalisch- mathematische Classe dem Hauptmann in der 1. Ingenieur-Inspeetion Hrn. W. Kranz in Swinemünde 90 Mark zur Drucklegung einer Karte des Tertiärs im Vicentin. i 22 Adakägehen am 9. Mai. ae Sitzungsberichte 1912, 357 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXIH. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Vorsitzender Secretar: Hr. Roerrur. 1. Hr. Burvach las über »Faust und Moses«. Erster Theil. Goethe plante schon 1781, den Schluss seiner Fausttragödie (Vermächtnis, Tod, Grablegung, Kampf zwischen Engeln und Teufeln, Weghebung der Seele durch die himmlische Heerschaar) nach der im Judasbrief (V. 9), in jüdischer und islamischer Überlieferung lebenden Mosessage zu gestalten. Auf die Wiederaufnahme der lange ruhenden Faustdichtung im Juni 1797 wirkte seine Studie über den historischen Moses, ie in diesem den Typus des Befreiers und des gewaltsamen Thatmenschen sah. Die Persönlichkeit des Moses, wie sie aus biblischer, hel tisch-jüdisch !bbinisch pl ischer und kabbalistischer Auffassung geformt war zu einem Vorbild magischer Theosophie, hat aber auch den Aufbau des ganzen Faustdramas beeinflusst: die Be- schwörung des Erdgeistes, das Gespräch über den schaffenden Spiegel, den Spiegel der Hexenküche, den Monolog in Wald und Höhle, die Sonnenaufgangsscene am Anfang des zweiten Theils. 2. Das correspondirende Mitglied Hr. Roserr in Halle übersandte eine Mittheilung: »Zu den Epitrepontes des Menander«. Eins der neu gefundenen Fragmente des Kairenser Papyros hat Lerervre zur Ergänzung des kreuzweise zerrissenen Blattes D 3/4, von welchem das äussere untere Viertel fehlt, verwenden wollen, diesen Gedanken aber wieder aufgegeben. Das Fragment gehört aber wirklich an diese Stelle; nur muss es eine Zeile höhergerückt werden, als Ler£svre wollte. Aus dem sich dann ergebenden Zusammenhang fällt auf die Führung der Handlung neues Licht. 3. Hr. Erıcn Scnmr übergab die 2. Auflage seiner »Charakte- ristiken, Zweite Reihe« (Berlin 1912). 34° 358 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Faust und Moses. Von Konrap Burbach. Erster Teil. Vor vierundzwanzig Jahren habe ich in einer Fauststudie (Vierteljal schrift für Literaturgeschichte ı, S. 284) als Grundidee der Naturan- schauung und Naturerkenntnis Goethes und als frühe, ja als die wich- tigste Aufgabe seiner inneren Ausbildung den Drang, das Bemühen und die Fähigkeit hingestellt, ‘das dem Menschen Zugängliche und Unzugängliche in der Welt um uns zu unterscheiden’. In dem Problem dieses Dualismus fand ich den eigentlich Angelpunkt der Faust- tragödie. Und als Formel für dieses, freilich durch keine Formel zu erschöpfende Lebensgedicht schien mir noch die einleuchtendste: "Ver- hältnis des strebenden Menschen zur Natur”. Die in jenem Aufsatz niedergelegten Ausführungen sind geblieben. Und auch eine gelegentliche Neuprägung des Gedankens in dem Satz: Goethes ‘Faust das ragende Siegeszeichen seiner natur- wissenschaftlichen Lebensarbeit’ (Goethe-Jahrbuch 1896, Bd. 17, S. 3 7‘) rückte den von mir hervorgehobenen Gesichtspunkt ebensowenig über die Schwelle des Bewußtseins der Faustforschung als es spätere, verwandte Andeutungen in meinen Divanbeiträgen vermochten. Und doch hatte ich damals kein bloßes Apergu bieten wollen, vielmehr das Ergebnis zusammenhängender, mehrjähriger Betrachtung, dem freilich noch die Reife fehlte. Heute komme ich darauf zurück, nicht um das einstige Versprechen (a. a.0. S. 285f.) einzulösen und zu zeigen, ‘inwiefern die Faustdichtung alle Wandlungen, welche Goethes Ansichten über das Sittliche im Verhältnis zum bloßen Natu- ralismus durchgemacht haben, abspiegelt und im letzten Grund eine Kritik des Naturalismus gibt’ (verdeutlichend müßte ich heute hinzu- setzen: eine Kritik auch gibt der Mystik). Viel engere Grenzen müssen sich die Erörterungen stecken, die ich hier vorlege. Meine frühere Skizze knüpfte an ein Faust-Paralipomenon (Weimar. Ausgabe 14, 8. 293, Nr. 20), den Rat des Mephistopheles: Dass Burvacn: Faust und Moses. 359 Und merck dir ein für allemal Den wichtigsten von allen Sprüchen, Es liegt dir kein Geheimnis in der Zahl, Allein ein großes in den Brüchen. Den Sinn dieses Fragments erklärte ich aus einer von Boıssrr£e auf- bewahrten Äußerung Goethes, über ein geologisches Buch: der Ver- fasser — so urteilte Goethe — verderbe seine Sache durch das falsche Bemühen, etwas zu erklären, was sich nicht erklären lasse, was man zugeben müsse; wie man in ‘der Musik nie eine reine Oktave kriege, sondern in der zweiten immer ein neuer Ton sich bilde, ein neunter Teil, den man als Bruch in die ganze verteile’, so sei es dieser Bruch, der einem in der ganzen Natur begegne, den man nicht auf- lösen dürfe, den man als etwas Unauflösliches zugeben müsse. Meinem Versuch, an dem dramatischen Aufbau der Faust- tragödie die Durchführung jenes en vom Dualismus des Zu- liel und U: ängliel isen, will ich in der nach- tehenden U hung eine Stütze geben, die mir bisher nur teil- weise erreichbar gewesen ist. Forschungen der letzten Jahre, die mich in die Geschichte der mittelalterlichen Theosophie hineinführten, haben mir das alte Problem wiederholt lebendig gemacht und den unmittel- baren Anlaß gegeben, den früher nur eine kurze Strecke weit be- schrittenen Weg nun wenigstens bis zum entscheidenden Ausblick zu verfolgen. Man hat längst gesehen, daß am Schluß der Goethischen Tra- gödie die Grablegung des greisen Faust durch die Lemuren, desgleichen der Kampf um die Seele des Toten zwischen den von Mephistopheles herbeigerufenen Teufeln und der von oben niederschwebenden himm- lischen Heerschar, die den bösen Dämonen Fausts Unsterbliches entführt, ein Motiv der Moses-Sage gestaltet. Erıcn Scnuipr weist mit bündiger Kürze (Jubiläumsausgabe Bd. 14, 8. 399 zu V. 11676) nach K. J. Schrörrs' und von Lorrers? Vorgang auf einige Zeugnisse, die lehren, wie vertraut Goethe diese Fabel gewesen ist, räumt ihr aber für den Faust keine besondere Bedeutung ein, findet eine Beziehung darauf nur in dem Kampf‘ guter und böser Mächte um die Seele und ! Faust von Goethe Sr eier von K. J. Scurörr, 2. Teil, Heilbronn 1881, S. 371 zu V. 7001-7002; K.J. Scuröer, die Aufführung des ganzen Faust auf dem Wiener Hofburgtheater, Heilbronn 1883, S. 55f.; endlich in der dritten Auflage seiner Faustedition, 2. Teil, Leipzig 1896; S. cv fl. und S. 368 zu V. 11614 f. (die zweite Auf- lage ist mir nicht zugänglich). ® Goethes Werke, 3. Band, Gedichte 3. Teil. Mit Einleitung und Anmerkungen von N voN EUNERE, Berlin 1884, Gustav Hempel, S. 221 zu den Zahmen Xenien Nr. 3, 360 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. bemerkt ganz richtig: ‘der Kampf guter und böser Mächte um die Seele ist häufiger ein Gegenstand mittelalterlicher Literatur und Ma- lerei. Das entspricht wohl auch der herrschenden wissenschaftlichen Meinung. Meiner Ansicht nach geht der Zusammenhang zwischen dem Faustdrama Goethes und dem Mosesmythus viel weiter und reicht viel tiefer. Gewiß, das Motiv des Streites der bösen und guten Geister um die Seele des Verstorbenen braucht man nicht aus der Sage vom Tod des Moses abzuleiten. Dafür stehen zahlreiche andere und all- gemeiner bekannte germanische Überlieferungen verwandter Art als Vorbild zu Gebote. Aber die Analogie zwischen dem Tod des Faust und dem Tod des Moses erschöpft sich nicht in dem Streit der bösen und guten Dämonen um den Leichnam. Es kommt als Zweites hinzu das übereinstimmende Motiv der Herstellung des Grabes durch Mitwirkung von Geistern. Es besteht drittens eine Ähnlichkeit darin, daß der hundertjährige Faust wie der hundertundzwanzig Jahre alte Moses dem 'Tod Widerstand leisten, der nur durch geisterhafte Mächte gebrochen wird. Es findet sich viertens ein Parallelismus, insofern Faust wie Moses in ihrer schöpferischen Vollkraft, im unverdunkelten Besitz ihres Geistes sterben mit dem sehnsuchtsvollen Blick in das erhoffte nahe Zukunftsland, im Vorgefühl der sicheren Erfüllung des Ideals, das selbst zu erreichen ihnen doch versagt bleibt, und endlich fünftens: beide, Faust und Moses, sterben mit einem Ver- mächtnis auf den Lippen. Die beiden letzten Übereinstimmungen sind die eigentlich entscheidenden. Hier lebt die Seele der Sage vom Tod des Moses. Diese Seele hat Goethe ergriffen und seine poetische Phantasie zur Nachgestaltung angeregt. Faust gleich dem Begründer des nationalen jüdischen Staates, dem Gesetzgeber und Bildner der sittlich-religiösen Existenz des jüdischen Volkes, dem Bevollmächtigten und Sprecher Gottes, dem priesterlichen Führer Israels stirbt auf der Höhe eines titanischen Lebens, von Gott gerufen, von Gott bestattet; er sieht das Land der Verheißung zum Greifen vor sich, aber er selbst kommt nicht hinein, und im Scheiden denkt er nicht mehr an sich, sondern der | len Geschlechter, denen er ein Gesetz sitt- lichen Lebens hinterläßt. Indessen, der alttestamentliche Volksleiter, Religionsgründer und Prophet gab, wie ich nachweisen werde, viel viel mehr als dieses Motiv seines Sterbens und dessen dargelegte fünf vorbildliche Züge. Auch sein Leben, wie es die Sage sich mystisch-poetisch vorgestellt hatte, schuf in Goethe Elemente des Faustdramas: nicht bloß für die Idee dieses Dramas, sondern auch für die Architektonik seiner Hand- lung. Gleichwohl muß die Untersuchung zunächst jenes eine Motiv scharf ins Auge fassen. Burvacn: Faust und Moses. 361 R Die Sage vom Tod des Moses, was erzählt sie? Woher stammt sie? Auf welchem Wege ward sie Goethe zugänglich? Der herkömmlich dem Apostel = een u a erg Brief be- kämpft ketzerische Strömungen der inde: gottlose Menschen, die — wie es scheint nach den Lehren der Gnostiker — die Majestät Gottes, wohl des Weltschöpfers und Herrn des alten Testaments, herabsetzen und schmähen, obgleich doch selbst der Erz- engel Michael im Streit mit dem Satan das Urteil über diesen nicht selbst ausgesprochen, sondern Gott überlassen hatte. Nach Luthers Übersetzung (V. 9): »Michael aber, da er mit dem Teufel zankte und mit ihm redete über den Leichnam Mosis, durfte er das Urteil der Lästerung nicht fällen, sondern sprach: ‘der Herr strafe dich’ «. Der Verfasser des Briefes schöpft hier aus einem apokryphen isch oder hebräischen Buch über Moses, das unter dem Titel Hinmeifshrt Mosis’ oder ‘Vermächtnis Mosis’' von mehreren Kirchenvätern und anderen älteren Schriftstellern (Clemens Alexan- drinus, Origenes, Euodius, in der Kompilation des Gelasius von Cy- zicus über das Nizaeische Konzil usw.) sowie in Apokryphenverzeich- nissen erwähnt, benutzt und seinem Inhalt nach beschrieben wird. Während zu Goethes Zeit von dieser Adscensio oder Assumptio Mosis (Anäanrıc Mwoyvce&uc, Arseikn Mwrvc&uc) nur solche Zitate und Anfüh- rungen der genannten Quellen bekannt waren, wurde nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ein umfangreiches Bruchstück einer altlateinischen Übersetzung? aufgefunden, das, obzwar ohne Titel, sich als einen Teil der Adscensio Mosis durch einen darin vorkommenden Satz erweist, der sich deckt mit einem Zitat aus der Anännrıc Mwyc&wc bei Gelasius von (Cyzieus. Im übrigen berührt sich dieses Fragment nicht mit dem Bericht und den Zitaten der alten Gewährsmänner über das apokryphe Mosesbuch: denn es enthält nur dessen erste Hälfte, das ' Die knappste und dabei reichhaltigste Darstellung der an dies Werk sich knüpfenden wissenschaftlichen Fragen mit vollständigen Nachweis des Materials bei Enır Schürer, Geschichte des Jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christis, Bd. 3 (Leipzig 1909), S. 294—305. ® Lateinisch und deutsch herausgegeben von Vorkmar, Mose en und Himmelfahrt, Leipzig 1867; lateinisch von Carı. Cremes, die Himmelfahrt des Mose, Bonn 1904 (kleine Texte für theolog. Vorlesungen und Übungen, hrsg. von Pr Lierz- "ann Heft 10); deutsch mit Kommentar von (©. Crrmen in Kaurzsen’ Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Freiburg i. Br. 1900, S. 311—331. 362 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Vermächtnis, während jene Berichte und Zitate fast allein die zweite Hälfte, die Himmelfahrt, betreffen. Für Goethe kommt dieser Fund nicht in Betracht. Nur auf die schon seiner Zeit vorliegenden Zitate und die mit ihnen verbund Nachrichten über das Werk konnte die Kenntnis, die Goethe davon haben mochte, zurückgehen, natür- lich nicht direkt, sondern durch Mittelglieder. Außerdem aber gab es eine üppig wuchernde jüdische und islamische Sagentradition über den Tod des Moses. Auch aus dieser konnte Goethe schöpfen und hat er, wie sich später zeigen wird, geschöpft. Was wußte Goethe vom Tod des Moses, was überhaupt von dem mythischen Moses jüdischer, christlicher, islamischer Überlieferung? Ich will die wesentlichen Aussagen seiner Briefe und Gedichte der Reihe nach zusammenstellen'. 1.. Dem Malerdichter Friedrich Müller schreibt er am 21. Juni 1781 in einer umfassenden und tief eindringenden Kritik der von diesem nach Weimar eingesandten Gemälde und Zeiehnungen auch ein Urteil über dessen den Tod des Moses darstellendes Bild (W. IV, Bd. 5, S. 140, 19 bis 141, 19): In der Wahl Ihrer Gegenstände scheint Sie auch mehr eine dunkle Dichterlust als ein geschärfter Malersinn zu leiten. Der Streit beider Geister über den Leichnam Mosis ist eine alberne Judenfabel, die weder Göttliches noch Menschliches enthält. In dem alten Testament steht, daß Moses, nachdem ihm der Herr das gelobte Land gezeigt, gestorben und von dem Herrn im Verborgenen begraben worden sei; dies ist schön. Wenn ich nun aber, besonders wie Sie es behandelt haben, den kurz vorher durch Gottes Anblick begnadigten Mann, da ihn kaum der Athem des Lebens verlassen und der Abglanz der Herrlichkeit noch auf seiner Stirn zuckt, dem Teufel unter den Füßen sehe, so zürne ich mit dem Engel, der einige Augenblicke früher hätte herbeieilen und den Körper des Mannes Gottes von der scheidenden Seele in Ehren übernehmen sollen. Wenn man doch dieses Sujet behandeln wollte, so konnte es, dünkt mich, nicht anders geschehen, als daß der Heilige, noch voll von dem an- muthigen Gesichte des gelobten Landes, entzückt verscheidet und Engel ihn in einer Glorie wegzuheben beschäftigt sind; denn das Wort: »Der Herr begrub ihn«, läßt uns zu den schönsten Aussichten Raum, und hier könnte Satan höchstens nur in einer Ecke des Vordergrundes mit seinen schwarzen Schultern kontrastiren und, ohne Hand an den Gesalbten des Herrn zu legen, sich nn nur umsehen, ob nicht auch für ihn etwas hier zu erwerben sein möchte. . Die Sage setzt Goethe, wie man sieht, zunächst als alberne Juden- fabel herab. Und doch hat sie ihn gepackt und bewegt! Dann, offen- bar mit tiefstem inneren Anteil holt er, um zu zeigen, “wie man dieses Sujet behandeln sollte’, ihren edeln poetischen Kern heraus. Der Plan einer künstlerischen B lung des Motivs, den er dabei ent- wirft, ist — man beachte die in meinem Abdruck gesperrten Worte — , ," Die Zitate, wo nichts anderes bemerkt, nach der Weimarischen Ausgabe der Werke Goethes (W.), und zwar die Briefe mit vorgesetzter Abteilungsziffer (IV). BurvacH: Faust und Moses. 363 im Grunde von ihm selbst ausgeführt worden in der Szene seines Dramas, die Fausts Tod darstellt. 2. Am 7. November 1808 dankt er Zelter für musikalische und kulinarische Gaben und verbindet damit den Dank für Höheres, für des Freundes belebende Einwirkung auf den jungen Karl Eberwein (W.IV, Bd. 20, S. 204, Z.1—17): Wir haben uns gestern an manchen Ihrer Gaben ergetzt, an Ihren Kompo- sitionen so wie an Ihren Rüben; auch habe ich Ihrer dankbar gedacht, indem Eber- wein etwas von Ihrem Ernst mitgebracht zu haben scheint. Er kommt mir vor wie Moses der vom Berge kam und dessen Gesicht glänzte. Wenn das auch nur eine äußerliche Wirkung ist, so läßt sich vermuthen, daß doch auch etwas ins Innere eingedrungen seyn mag. Ich danke Ihnen, daß Sie ihm so gütig fortgeholfen haben: denn seine Wiederkunft ist für ihn und für uns günstig. Unser kleiner Chorgesang wäre den Winter ganz zu Grunde gegangen; nun mag er sich fassen und prüfen und etwa auf Palmarum wieder zu Ihnen wallfahrten Für so vielerley Gutes Ihnen auch was freundliches zu erzeigen, war lange mein Wunsch usw. 3. Am 27. Juli 18i2 aus Teplitz an seine Frau (W. IV, Bd. 23, »:40,27 D18 47, 5): Grüße Hofr. Meyer schönstens und sage ihm: ich habe eine Nachbildung des Moses von Michelangelo in Bronze gekauft, die sehr schön und wahrscheinlich aus dem ı6ten Jahrhundert ist. Wie er sitzt, ist die Figur 13 Weimarische Zoll hoch. Also eine schöne Größe. Das Nakte ist wohl verstanden. Bart und Gewänder von der größten Ausführung. Es handelt sich um eine Kopie des bekannten K ks. Nicht die historische Person des Moses will diese Schöpfung Michelan- gelos verkörpern, sondern den gehörnten Gehilfen Gottes, den Inbe- griff dessen, was die christliche Phantasie im Einklang mit der mittelalterlichen Bibelexegese und unter halbbewußter Nachwirkung mythischer Überlieferung von dem göttlichen Abglanz auf dem Haupte des Propheten Gottes aus dem geschichtlichen Moses gemacht hat. Dieses künstlerische, mythisch-poetische Bild gestaltete der sich ihm verwandt fühlende Titan. Und dieses Bild zündete in der Seele des Dichters, der in sich Elemente von Muhammed und Moses, von Prometheus und Faust trug, empfand und zum Ausdruck brachte. Auf diese Bronzeskulptur bezieht sich wenige Wochen später,, am 14. August 1812, ein Brief aus Karlsbad an Heinrich Meyer (W.IV, Bd. 23, S. 59, ı bis 60, 3): Sie erhalten hiebey, mein theurer Freund, eine Silhouette des neu age Moses, die, obgleich etwas roh, Ihrem Seherblick auf einmal mehr eröffnen Is viele meiner Worte thun könnten. Ihre Vermuthung ist bey mir zur eriäheie worden. Die Nachbildung deutet auf einen großen Respect fürs Original und zugleich auf die Absicht, die Kopie’ zu einem selbstständigen Werke zu machen. Dem Künstler derselben hat es nicht an Sinn und Gefühl für die Großheit des Marmorbildes gefehlt; aber mich dünkt, es ist schon eine gewisse Eleganz einer späteren Zeit bemerkbar, besonders an den nackten Armen, welche jedoch sehr wohl verstanden sind. Die 364 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. nackten Theile sind mit Einfalt und Wahrheit gebildet, aber unglaublich ist die Aus- führung der übrigen: Haare, Bart, Nägel, die daeische Strumpfhose des rechten Fußes mit ihren Manschetten, der schwere wollene Mantel; an jener sind die Maschen, an diesem das wollene Gewirke mit großem Geschmack und Gehörigkeit ausgeführt. Es fielen mir dabey die gewissen Eischen ! des Cellini ein; denn man sieht deutlich, daß sie sich verschiedene Instrumente zugerichtet haben, um schon durch die Form der- selben ihre Zwecke zu erreichen. Wenn diese nun durch eine geschickte Hand ge- führt und durch einen geistreichen Hammer begünstigt worden, so begreift man, daß sie Effeete hervorbringen konnten, die man sonst nur dem Pinsel zutraut. In den Tag- und Jahresheften (1812, W. 36, S. 77, 1— 11) redet Goethe dann auch vor der Öffentlichkeit davon: Ich aequirirte eine nicht gar ellenhohe alttlorentinische Copie des sitzenden Moses von Michelangelo in Bronze gegossen und im Einzelnen dureh Grabstichel und andere eiselirende Instrumente fleißigst vollendet: ein schönes Denkmal sorgfältiger, beinahe gleichzeitiger Nachbildung eines höchst geschätzten Kunstwerkes jener Epoche und ein Beispiel, wie man dem kleinen Bilde, welches natürlich die Großheit des Ori- ginals nicht darstellen konnte, durch eine gewisse Ausführlichkeit im Einzelnen, einen eigenthümlichen Werth zu geben wußte. Noch zwei Jahre vor seinem Tode ist Goethe die Schöpfung Michel- angelos der vollend und vorbildliche künstlerische Ausdruck des Charakters des Moses. In dem Aufsatz ‘Christus nebst zwölf alt- und neutestamentlichen Figuren den Bildhauern vorgeschlagen’ empfiehlt er folgende plastische Gestaltung (W. 49, 2. Abt. S. 91, 13 —23): Moses. Diesen Heroen kann ich mir freilich nicht anders als sitzend denken, und ich erwehre mich dessen um so weniger, als ich, um der Abwechselung willen, auch wohl einen Sitzenden und in dieser Lage Ruhenden möchte dargestellt sehen. W hrscheinlich hat die überkräftige Statue des Michel Angelo, am Grabe Julius des Zweyten, sich meiner Einbildungskraft dergestalt bemächtigt, daß ich nieht von ihr los- kommen kann. 4. Im Jahre 1817 erwirbt Goethe für die Weimarische Bibliothek die Handschrift eines magisch-alchemistischen Werkes, das in die an den Namen Moses sich knüpfende Zauberliteratur hineinführt und Moses als einen Kollegen des Geisterbeschwörers Faust zeigt. Das meldet ein Brief an Voigt, Jena den ı6. Mai 1817 (W. IV, Bd. 28, S.90, 9 bis gı, 3): Ew. Exeellenz werden gewiß lächeln, wo nicht gar mich tadeln, daß ich 52 Thaler Sächs. für eine magische Handschrift gezahlt, unserer Bibliothek einzuverleiben. Die Aufschrift findet sich auf beyliegendem Blatte. Ich feilschte schon 4 Wochen darum, konnte es aber doch am Ende nicht aus Händen lassen. Eine auf dem Lande Oppburg bey Neustadt wohnende Alchymisten Familie hält es im Geheim seit mehreren Jahren für den größten Schatz und bringt es nur an Tag, weil der Glaube sich mindert, und die Noth sich mehrt. Futteral darüber machen zu lassen, denn bisher ward es immer in Teppichen aufbe- ı Eischen = Eisenchen: ebenso Benvenuto Cellini 1. Teil, 10. Kapitel, W. 43, 5.136, 19 f. "vom feinsten Stahl ein Eischen‘. Burvacn: Faust und Moses. 365 sam genug, un Bibliotheksbesuchende in Verwunderung zu setzen, und einen treflichen Aufsatz in die Curiositäten zu veranlassen. Nachsicht! und Theilnahme! Diesem Brief liegt ein Blatt bei, darauf‘ von Schreiberhand genau der Titel verzeichnet ist (a.a. O0. S. 387f. zu Nr. 71743): Bibliae magicae Das ist die ganze heilige Abschrift alten. Testaments von Hans Weymar des sechsten und siebenden Buchs Mosis, Summarien der magischen biblischen Bücher richtiger Eintheilungen u 'hwörungen, nützlich zugerichtet im Jahre Christi 1505 auf 22 Pappetafeln und 2 durchscheinenden Blättern. In Hebräischer, Syrischer und Deutscher Sprache mit großen farbigen Lettern geschriebenes Werk. Einen Monat später, den 18. Juni, übersendet er, wie es scheint, die Handschrift selbst an Voigt (W.IV, Bd. 28, S. 132, 1—10): Als einen Gegensatz von Verwirrung lege zu dem kleinen heitern Gedicht die zauberhaften Seltsamkeiten bey. Jedes Jahrhundert hat seine Fratze und wenn wir unsere Preßfreyheits-Gespenster in Chiffern brächten, so ‘würden sie vielleicht nicht klüger aussehen als wie diese Zeichen. Haben Sie die Gnade dieses Werk nach ge- nugsamer Beschauung auf die Bibliothek zu geben, wo Vulpius wohl überlegen wird, inwiefern das Publikum damit unterhalten werden könne. Und daß er wirklich diesem späten Machwerk niedriger Art nicht nur eine kulturhistorische Wichtigkeit, sondern auch eine gewisse mensch- liche Bedeutung beilegt, zeigt sich in dem Nachdruck, mit dem er nochmals darauf zurückkommt (Jena 23. Juni 1817, W.IV, Ba. 28, S. 142, 24— 28): Ew. Excellenz Beyfall zur magischen Acquisition macht mich sehr glücklich. Es ist wirklich ein ganz eigen Sachsen-Weimarisches Monument von der wunder- lichsten Art. Der Bibliothekar wird schon deshalb Recherchen machen. 5. Ernsthafter, und was wichtiger ist für unsere Frage, mit un- mittelbarer Beziehung auf sich selbst ruft er den Propheten herbei in einem Brief an Schubarth (Jena 21. August 1819). Der hatte ihm von der Hagens Schrift über die Bedeutung der Nibelung gesendet, die gegen Schubarth gerichtet war, und von Goethe Partei- nahme in diesem Streit der feindlichen Kunstanschauungen, und zwar im Sinne der klassizistischen Auffassung erbeten. Goethe lehnt das ab. Er, der soeben den Westöstlichen Divan vollendet hat, fühlt sich den Nibelungen entfernt, ohne doch gegen sie das Wort ergreifen zu wollen (W.IV, Bd. 31, S. 272, 2ı bis 273, 6): Von den Nibelungen habe ich seiner Zeit so viel zu mir genommen, als mir frommte, Mögen sie jetzt und künftig hin einem jeden auch das Seine bedeuten; für den Augenblick kann ich mich nicht. damit: befassen. Übrigens komme ich mir i Gelegenheit des zurückkehrenden Heftes abermals wie der Leichnam Aa vor, um welchen sich die Dämonen streiten. Thun Sie von Ihrer Seite das Mögliche, daß der Altvater bei seinen’ Ahnen im Haine zu Mamre anständig beige- Setzt werde. i : 6. Zwei Jahre später steigert Goethe diesen Gedanken der Ana- logie seiner Persönlichkeit mit Moses zu einem poetischen Be- 366 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. kenntnis, das äußerlich die Form eines Scherzes hat, aber ernsten und stolzesten Sinn verkündet. NE den Falschmünzer Pustkuchen, den Verfasser der parodistisch hen “Wanderjahre’, und ihm verwandte Gegner erhebt sich der alte Dichter. Der Streit der Meinungen um seinen Diehterwert weckt das alte Bild des toten Moses auf, um dessen Leichnam die Engel und Teufel stritten. Aber Goethe greift hier, was die Interpreten übersahen, auf die rabbinische Legende über den Tod des Moses zurück. “Der Stab des Meisters’ ist der Stab des Moses, mit dem er dem Felsen die Quelle entlockte und mancherlei andere Wunder vollführte, mit dem er nach jüdischen Sagen ae Satan Sammael, der ihn zum Tode mit sich ppen wollte, abwel ein Auge ausstößt. Zahme Xenien 5, 2.1585 bis 92 (W.Bd. 3, S. 349): Über Moses Leichnam stritten Selige mit Fluch-Dämonen; Lag er doch in ihrer Mitten, Kannten sie doch kein Verschonen! Greift der stets bewußte Meister Nochmals zum bewährten Stabe, Hämmert auf die Pustrichs-Geister !; Engel brachten ihn zu Grabe. 7. Von einer treugesinnten stillen Gedächtnisfeier im Garten des Schlosses Sanssouci am hundertjährigen Todestag Friedrichs des Großen, auf der Stätte seines Sterbens, meldet im Jahre 1826 ein Brief Zelters (Briefwechsel Nr. 497, bei Reclam Bd. 2, S. 414f.): Der königliche Gartendireetor Lenn& gestern [17. August] in Potsdam konnte gar nicht aufhören Gutes zu sagen von Deinen morphologischen Heften, indem er sagte: Deine Buchstaben kämen ihm vor wie die Blätter des Baumes der Natur u.8.w. Er hat in Sanssouei einige recht malerische Aussichten durchgeschlagen und sagte: er habe sich stets dabey gedacht wie sie der alte König selbst würde beliebt haben wenn er noch lebte. Nun zog ein anständiges Gewitter nahe, der Himmel ward zu einer Wolke und ein dicker Regen, senkrecht herab, erinnerte uns an’ den 17. August 1786, da eben solch ein Himmel war, und so pilgerte man die heiligen Terrassen hinauf bis an den Fleck wo Er am heutigen Tage die Welt verlassen hat. — Da man bald dies bald das denken muß, was sollte man nicht auch des vergan- genen oft mißkannten wie seiner selbst gedenken, da noch immer die alten derb ge- sponnenen Fäden den Ballon über der Erde erhalten? Giebt es ja denn auch genug die ihre Zeit (und zwar nicht ohne Grund) für die goldne halten. Diesen das Datum von neun Tagen tragenden Brief, der einen reichen Inhalt umfaßt, beantwortet Goethe sofort. Die Mahnung des greisen Freundes an die Nähe des Scheidens, an das Erlöschen des großen Königs, der Bericht über die Huldigung, die einer der treuen Diener und Verehrer dieses großen Königs dem großen Dichter dar- BRHEEN RE mußte ihn tief bewegen. Tag und Ort dieser weihe- a Ober diesen Ausdruck wird unten zu sprechen sein: er kettet diese Xenie fest an die Konzeption der Grablegung des Faust! Burpacn: Faust und Moses. 367 vollen Erinnerung weckten das erschütternde Bewußtsein, daß auch den Genien der Menschheit eine letzte Erdenstunde komme. So stellt Goethe denn die Erwiderung auf die Erzählung des Potsdamer Er- lebnisses an den Schluß seines Antwortbriefes (26. August 1826) und läßt diesen in eine bedeutungsvolle Anspielung ausklingen (W. IV, Bd. 41, S. 130): Herrn Gartendireetor Lenn& empfiehl mich gelegentlich. Ich möchte wohl mit einem solchen Manne das Feld durehwandern, wohin ich jetzt nur, wie Moses, vom Berge hinsehe. Diesseits und jenseits des ‚Jordans der Deine. Goethe. Zelter wird den vollen Sinn dieser Worte schwerlich verstanden haben. Ihm erschienen sie wohl, wie jedem Leser, der nicht den ganzen Zusammenhang überblickt, als ein geistreiches Kompliment. Wir, sofern meine Darlegungen die Wahrheit erfassen, sehen tiefer. Vor der Seelenphantasie Goethes, die so unendlich fein auf jeden ihr verwandten Reiz reagierte, hatte Zelters Schilderung das erhabene Bild jener Stunde heraufbeschworen, da der Schöpfer des nationalen deutschen Kulturgedankens en dannen ging. Der sterbende große König Preußens, der A der ischen Sümpfe und der sterbende Faust, der dem Meer Wohnräume für Millionen abzwingen will, der dem letzten Erdentag entgegengehende Dichter des ‘Pro- ee und ‘Mahomet’, der zugleich der Bahnbrecher der modernen len ist — sie bilden in der Phantasie Goethes eine ‚ Reihe, ja gewissermaßen eine Pe, So et wir den ge- heimen, den ifenden Sinn jener schei Höflichkeitsp Für das irdische Ende Friedrichs II., Fausts wie für sein eigenes, das er mit dem vielerprobten Freunde in der stillen Demut unermüdeten Schaffens erwartete, war der letzte Blick des Moses auf‘die unerreichbare Herr- lichkeit des Landes jenseits des Jordans, in die einzuziehen er sein Volk geleitet und tüchtig gemacht hatte, das ausdrucksvollste Gleichnis. Ich gehe nicht zu weit, wenn ich sage: als Goethe dem Gartendirektor Friedrichs des Großen durch Zelter jenen Dankesgruß bestellen ließ, weil er seine naturwissenschaftliche, insbesondere seine botanische Lebensarbeit gepriesen hatte als "Blätter des Baumes der Natur‘, war vor seinem inneren Auge die Szene lebendig, da Faust gleich Moses von der Höhe das ersehnte Zukunftsland erblickt, das er den kommen- den Geschlechtern bereitet hat, da er im Vorgefühl eines unerreich- baren Glücks den höchsten Augenblick erlebt: den Tod mit dem “Ab- glanz der Herrlichkeit’ auf’ der Stirn, das Eintreten in das Land jen- seits des Jordans des Lebens'. ! Hingewiesen sei wenigstens auf eine briefliche Äußerung Goethes vom 18. April 1828 (W.IV, Bd. 44, S. 65, 15— 24), worin er dem Verfasser eines epischen Gedichts "Moses, Hofrat Bußler in Berlin, die Ablehnung des erbetenen Urteils motiviert: “Das vor- 368 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. 1: Angesichts der tehenden Übersicht erhebt sich die Frage: das poetische Phantasiebild, das Goethe, wie sich gezeigt hat, so viele Jahrzehnte durch lebendig in sich trug und hegte, wurzelt es in ge- schichtlicher Kenntnis? hat Goethe seinen mythisch-poetischen Begriff des Moses gewonnen aus einer Kenntnis der gleichzeitigen gelehrten Forschung, der Bibel- und Religionswissenschaft? Man muß darauf mit ja antworten. Die Gestalt des Moses ist für Goethe seit früher Jugend ein Be- standteil jenes andächtigen, eigentlich niemals ganz erlöschenden Wer- bens um das volle, innerste Verständnis des Orients. Dieses Ver- ständnis sollte, wie stets bei Goethe, sich auf Einfühlen und Anschau- ung gründen. Und es war ihm, seit der Kindheit fast bis in das höchste Alter, nur das Instrument einer tieferen Einsicht in die Natur des Menschen überhaupt. Seine naturwissenschaftliche Forschung, sein Bemühen um den Orient, sein dichterisches Schaffen — miteinander ringen sie nach demselben Ziel: nach dem Begreifen der Grundlagen des Menschen, seines Ursprungs und seiner Entwicklung, seiner Kräfte und Aufgaben und nach der allseitigen, vollstä digen Ausbildung der eigenen Individualität als eines vom Weltgeist zum Führer und Lehrer berufenen Gestalters und Deuters künstleri hei Wie aus der Teilnahme an der gleichzeitigen orientalistischen For- schung Goethes dichterisches Vermögen sich befruchtet, auf welch breitem Boden gelehrter, allerdi gs sprunghafter Lektüre sein Maho- met, seine Übersetzung des Hohenlied ‚ der ersten Muallaga, sein Westöstlicher Divan erwachsen, das ist im Laufe der letzten Jahre durch sorgsame Feststell zum Gemeingut der Goetheerkenntnis ge- oO worden und soll hier nieht wiederholt werden. Nur an Goethes kri- tische Arbeit über die geschichtliche Wahrheit des Lebens Mosis will ich erinnern. Eine Reihe von Zeugnissen, meist aus dem Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller, möge sie hier vergegenwärtigen. 8. Hier folgt Cellini, der nun bald mit einer kleinen Sendung völlig seinen Abschied nehmen wird. Ich bin, indem ich den patriarchalischen Überresten nachspürte, in das alte Testament gerathen und habe mich auf’s neue nicht genug über die Con fusion und die Widersprüche der fünf Bücher Mosis verwundern können, die denn freilich, wie bekannt, aus hunderterley schriftlichen und liegende Werk redlich und gründlich zu beurtheilen, müßte ich erst jene uralte Über- lieferung mir völlig vergegenwärtigen und in ihre Natur und Eigenschaft wieder aufs neue einzudringen suchen, um sodann erst mit Wohlwollen und Genauigkeit zu ermessen, wie der spätere poetische Arbeiter ‚jene Angelegenheit und die davon zu uns gelangte Kenntniß angesehen, auch wiefern er dem würdigen Original neuen dichterischen Gehalt zu verleihen und das Ganze in glücklicher Sprache mitzu- theilen gewußt habe‘. Burpacn: Faust und Moses. 369 mündlichen Traditionen zusammengestellt seyn mögen. Über den Zug der Kinder Israel durch die Wüste habe ich einige artige Bemerkungen gemacht und es ist der verwegne Gedanke in mir aufgestanden: ob nicht die große Zeit welche sie darinne zugebracht haben sollen [40 Jahre], erst eine spätere Erfindung sey? Ich will gelegentlich, in einem kleinen Aufsatze, mittheilen was mich auf diesen Gedanken ge- bracht hat. 9. Ihre Entdeckungen in den fünf Büchern Mosis belustigen mich sehr. Schrei- ben Sie ja Ihre Gedanken auf, Sie möchten des Weges sobald nicht wieder kommen. Soviel ich mich erinnere haben Sie schon vor etlichen und zwanzig Jahren [1773] mit“ dem neuen Testament Krieg gehabt [‘Brief des Pastors zu **” und die zweite der ‘Zwo biblischen Fragen’]. Ich muß gestehn daß ich in allem was historisch ist, den Unglauben zu jenen Urkunden gleich so entschieden mitbringe, daß mir Ihre Zweifel an einen einzelnen Factum noch sehr raisonable vorkommen. Mir ist die Bibel nur wahr wo sie naiv ist; in allem andern was mit einem eigentlichen Bewußtseyn geschrieben ist, fürchte ich einen Zweck und einen späteren Ursprung. (Schiller an Goethe, 14. April 1797: Schillers Briefe hrsg. von F, Jonas Bd. 5, S. 176f.) 10. Zugleich habe ich noch immer die Kinder Israel in der Wüste begleitet, und kann, bey Ihren Grundsätzen, hoffen, daß dereinst mein Versuch über Mose Gnade vor Ihren Augen finden soll. Meine kritisch-hi torisch-poetische Arbeit geht davon aus: daß die vorhandenen Bücher sich selbst widersprechen und sich selbst verrathen, und der ganze Spaß den ich mir mache läuft dahinaus, das menschlich wahrscheinliche von dem absichtlichen und blos imaginirten zu sondern und doch für meine Meinung überall Belege aufzufinden. Alle Hypothesen dieser Art be- stechen blos durch das Natürliche des Gedankens und durch die Mannigfaltigkeit der Phänomene auf die er sich gründet. Es ist mir recht wohl, wieder einmal etwas, auf kurze Zeit, zu haben bey dem ich, mit Interesse, im eigentlichen Sinne, spielen kann. Die Poesie, wie wir sie seit einiger Zeit treiben, ist mir eine gar zu ernsthafte Beschäftigung. (Goethe an Schiller, 15. April 1797, W. IV Bd.ı2, $.87, 18 bis 88, 11.) 11. Ich studiere jetzt in großer Eile das alte Testament und Homer, lese zu- gleich Eichhorns Einleitung in’s erste und Wolfs Prolegomena zu dem letzten. Es gehen mir dabey die wunderbarsten Lichter auf, worüber wir künftig gar man- ches werden zu sprechen haben. (Goethe an Schiller, 19. April 1797, W. IV Bd.ı2, S.89, 23 bis 90, 4.) 12. Da ist unser Woltmann, dem nichts rechts recht ist, was andre schreiben, dems kein Mensch zu Danke machen kann. Jetzt habe ich seine Menscheng di ei heraus ist, durchblättert. Nein, das ist ein Greuel von einem Geschichtbuch, eine solche Impudenz und Niaiserie zugleich und Tollheit können Sie Sich nicht denken. Das Buch macht Fronte gegen Philosophie und Geschichte zugleich, und es ist schwer zu sagen, welcher von beiden es am meisten widerspricht. (Schiller an Goethe, 18. April 1797, Jonas 5, $. 178.) 13. Woltmanns Menschengeschichte ist freylich ein seltsames Werk. Der Vor- bericht liegt ganz außer meinem Gesichtskreise, das ägyptische Wesen kann ich nicht eilen, aber wie er bey Behandlung der Israelitischen Geschichte das alte Testa- ment so wie es liegt, ohne die mindeste Kritik, als eine reine Quelle der Begeben- heiten annehmen konnte, ist mir unbegreiflich. Die ganze Arbeit ist auf Sand gebaut, und ein wahres Wunderwerk, wenn man bedenkt, daß Eichhorns Einleitung schon zehen Jahre alt ist und die Herderischen Arbeiten schon viel länger wirken. Von den unbilligen Widersachern dieser alten Schriften will ich gar nicht einmal reden. (Goethe an Schiller, 22. April 1797, W. IV, Bd. 12, $. 94, 12——24.) 370 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. 14. Für die übersendete Menschepgeschiehte schreibe ich hiermit meinen ver- späteten Dank, ich habe sie mit vielem Vergnügen [!] gelesen und wünschte mich mit Ihnen darüber nun auch mündlich unterhalten zu können; denn für die Betrachtungen, die bey einem solchen Werke entstehen, ist in einem Briefe kein Raum. So wünschte ich z. B. die Ursache zu wissen, warum Sie bey der Darstellung der Israelitischen Geschichte den alten jüdischen Schriften mehr historischen Werth beygelegt haben, als sie je behaupten können, da es doch vielmehr wie mir scheint selbst Ihrem Plan, eine allgemeine Menschengeschichte di tellen, günstiger gewesen wäre, wenn nicht Ein Volk und in diesem Ein Mensch eine so große Rolle spielte. Doch das ist eben das worüber man nicht schreiben sondern sprechen, nicht aburtheilen sondern hören soll. (Goethe an Carl Ludwig Woltmann, 26. April 1797, Konzept, W.1V, Bd. r2, S. 102, 1—16.) 15. Gestern habe ich angefangen an meinem Moses zu dictiren. Güßefeld ver- langt für eine Charte [die zur Verdeutlichung des Zuges in der Wüste dem für die “Horen’ bestimmten Aufsatze beigegeben werden sollte] in klein Folio zu zeichnen 4 Louisd’or und will den Stich derselben für etwa 2 Carolin in Nürnberg besorgen. Glauben Sie daß der Spaß die Auslage werth sey, so will ich gleich Anstalt machen, es gehn doch immer ein paar Monate hin bis die Charte fertig wird. Mein Aufsatz kann recht artig werden, um so mehr als in der neuern Zeit die Theologen selbst die Bibelchronologie verdächtig machen und überall eingeschobene Jahre zur Ausgleichung gewisser Cyklen vermuthen. (Goethe an Schiller, 3. Mai 1797, W.1V, Bd. ı2, S. 115, 1—ı2.) 16. Was die Charite zum Moses betrift, so wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, den Zenzischen Aufsatz, den ich in das 5' Horenstück einrücken lasse, dazu bestimmen, daß die Ausgabe für jene Charte davon [von dem Honorar, das für den “Waldbruder Lenzens zu zahlen gewesen wäre, wenn er noch gelebt hätte] bestritten wird. Ich habe Cotta versprochen, daß ihm kein Bogen mehr als 4 Ldors kosten solle... Sorgen Sie nur, daß’ wir den Moses und auch das Kupfer bald können abdrucken lassen. (Schiller an Goethe, 5. Mai 1797, Jonas 5, S. 190.) 17. Daß wir den Ertrag von Lenzens Mumie auf die Karte von Palästina an- wenden wollen, ist mir ganz recht. Doch will ich noch einen Augenblick inne halten, bis ich sehe ob auch mein Moses wirklich fertig wird. Bisher hatte ich mich von der Idee Italiens fast ganz los gemacht, jetzt, da die Hoffnung wieder lebendig wird, so sehe ich wie nöthig es ist meine Colleetaneen wieder vorzunehmen, zu ordnen und zu schematisiren. (Goethe an Schiller, 6. Mai 1797, W. IV, Bd. ı2, S. 118, 13—2r.) } 18. Es sollte mir leid thun, wenn Sie Ihren Moses zurücklegten. Freilich ist es eine sonderbare Collision, in die er mit den italienischen Dingen kommt: aber nach dem, was Sie mir schon davon sagten, hätten Sie däucht mir wenig mehr zu thun, als ihn zu dietieren. (Schiller an Goethe, 10. Mai 1797, Jonas 5, S. 192.) 19. Seitdem die Hoffnung das gelobte, obgleich- jetzt sehr mißhandelte, Land Italien] zu sehen bey mir wieder auflebt, bin ich mit aller Welt Freund und mehr als jemals überzeugt: daß man im theoretischen und praktischen, und besonders in unserm Falle im wii haftliel nd dichterischen immer mehr mit sich selbst eins zu werden und eins zu bleiben suchen müsse... Den Schluß des Cellini will ich in Jena gleich zum Anfange vornehmen, vielleicht findet sich auch sonst noch etwas und vielleicht wird Moses durch die Unterhaltung wieder lebendig. (Goethe an Schiller, 17. Mai 1797, W. IV, Bd. ı2, S. 125, 4—11, 16—19.) Burpacn: Faust und Moses. 371 e beyden handfesten Pursche Moses und Cellini haben sich heute zu- same Ähnlichkeit. Sie werden doch gestehen, daß dieß eine Parallele ist, die selbst Plutarchen nicht eingefallen wäre. (Goethe an Schiller, Jena, 27. Mai 1797, W. IV, Bd. ı2, S. 130, 5—ıo0.) 21. Moses so wie Sie ihn genommen haben ist dem Cellini wirklich gar nicht so unähnlich, aber man wird die Parallele greulich finden. (Schiller an Goethe, 27. Mai 1797, Jonas 5, S. 196.) 22. Ich habe diese Tage mancherley angegriffen und nichts gethan. Die Ge- schichte der Peterskirche habe ich besser und vollständiger schematisirt und sowohl diese Arbeit als der Moses und andere werden schon nach und nach reif werden. (Goethe an Schiller, Weimar 21. Juni 1797, W.IV, Bd. ı2, S. 162, 20 bis 163, 3.) Ich habe diese Verhandlungen über Goethes Mosesaufsatz voll- ständig vorgeführt, weil sie sehr merkwürdig, ja beinah seltsam sind. Nebenher gingen freilich noch mündliche Besprechungen über diese Arbeit während Goethes Aufenthalt in Jena (s. u.), und ihre Briefe weisen ja auch darauf zurück. In den Briefen stellt Goethe das Ganze wiederholt als Spaß hin. Es soll ihm eine Ablenkung, eine Erholung ermöglichen, deren er bedürfe. ein der ER, die durch den Bund mit Schiller, durch die gemei g um die Theorie des Künstlerischen und deren bewußte Verwirklichung sich so um- gestaltet hatte, daß sie anfing, ihm ‘eine gar zu ernsthafte Beschäftigung” zu werden, sucht er nach der Gelegenheit, im vollen Sinne des Worts zu spielen (Nr. 10). Und dieser wissenschaftliche Versuch soll sie ihm geben. Man glaubt nicht me . angesichts der zähen An- strengung, mit der hier tändliche B und genaue geogra- phische Überlegungen angestellt und auch die kritischen Arbeiten der Theologen, sogar die schwierigen chronologischen (Nr. 11. 13. 15) be- rücksichtigt werden. Schiller zeigt sich dabei, wie stets, wenn er in Goethes Arbeitspl iht wird, als der zu Produktion und Abschluß Anregende, Treibende. Aber sonderbar ist es: mit keinem Wort erinnert er an seine eigene historische Studie ‘die Sendung Moses’, die 1790 erschienen war und die Tat des Stifters der alt- jüdischen Religion aus den ägyptischen Mysterien hergeleitet hatte. Ebenso spricht auch Goethe nicht davon. Ob er diese rationalistisch- konstruktive Freimaurerträumerei! nicht gekannt hat oder sie nur ' Vgl. darüber Rıon. Fester, Schillers Sämtliche Werke, Säkularausgabe, Bd. 13, S. 301f. — Ein sehr scharfes Urteil über Schillers Moses-Studie fällte BR von Ranke, Weltgeschichte 3. Teil, 2. Abteil., Analekten, 3. Aufl., Leipzig 1883, S. ı Recht nimmt er Anstoß an der Erklär ärung, "Moses habe die ägyptische en von dem Einen wahren Gott kennen gelernt, aber dann doch in der Überzeugung, daß das Volk unfähig sein würde sie so aufzufassen, sich entschlossen, den wahren Gott auf eine fabelhafte Art zu verk also doch die Wahrheit zu ver- fälschen‘. Aber den Wunsch, ‘Schiller hätte das poetisch zu einem Monologe des Moses verarbeiten können wird nicht jeder teilen. Übrigens scheint Schiller 1797 die Me- Sitzungsberichte 1912, 35 372 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. nicht kennen wollte? Man empfängt den Eindruck, als suche Goethe sich eigentlich vor dem Gefährten auf der Bahn künstlerischen Schaffens und kunsttheoretischen Nachdenkens zu entschuldigen wegen dieses Seitensprungs und als drücke er darum seine Studie über den alt- testamentlichen Heros möglichst herab. Es war das einer jener Akte freundschaftlicher Diplomatie, deren die Vereinigung dieser beiden Ungleichen, namentlich in den ersten Jahren, bedurfte. Auch auf seiten Schillers war wohl etwas Ähnliches bestimmend, wenn er fast geflissentlich reges Interesse an diesen Fragen zur Schau stellt. Und doch sieht er diese biblische Welt mit so ganz andern Augen an als Goethe. Schiller steht dem Ziel Goethes, durch pragmatische Kritik das historische Wesen von dem bloß Imaginierten abzusondern, augen- heinlich skeptisch gegenüber. Er hatte wohl die methodische Schwäche des Versuchs und die Unzulänglichkeit der wissenschaftlichen Aus- rüstung erkannt. Mochte Goethe sich auf Friedrich August Wolfs Homerkritik berufen (Nr. ı1) und auch wirklich durch sie sich an- geregt fühlen, die philologischen Mittel der Pentateuchkritik hat er doch kaum anzurühren begonnen, geschweige denn irgendwie reich- licher und tiefer genutzt. Heute wirken diese Mängel auf uns natürlich noch stärker. Doch scheint mir von Lozrzrs Urteil (Ausgabe des West- östlichen Divans, Hempel 4, S. XLII), daß der Aufsatz ‘schon 1797 nicht mehr zeitgemäß’ gewesen sei, unbillig, und ebenso die Begründung, es sei "unzulässig, die biblische Darstellung als reine Geschichte und Moses nur als Herrscher und Feldherrn aufzufassen’ (s. unten S. 378). Die Skizze der Pentateuchforschung des ı8. Jahrhunderts, die z. B. ein Kenner und Bahnbrecher wie Envarn Reusz (Die Geschichte der heiligen Schriften alten Testaments, 2. Aufl., Braunschweig 1890, S. 70ff.) geliefert hat, und das Lebensbild, das er selbst von Moses entrollt, lehren, daß Goethes Auffassung einen gesunden Kern hatte. Mit sicherem Instinkt geht er von einer richtigen positiven Erkenntnis aus, wenn er vielleicht auch zu weitgehende Schlüsse daraus zog: die 40 Jahre der Wüstenwanderung sind ein mythisches Element. Diese Zahl — das ist eine frı Beob g von prinzipieller Be- deutung, die noch in den Tagen der Segen und Fluch in sich bergenden modernen Religionswissenschaft herlei Aufschlüsse bringt — be- trachtet er als überlieferte typische Zahl von bolischer Bedeut y je} und spricht ihr den Wert eines genauen chronologischen Maßes ab'. thode jenes Aufsatzes selbst nicht mehr gebilligt zu haben. Er schweigt, wie oben bemerkt, über ihn nicht nur, auch seine Äußerung, die Bibel sei nur wahr, wo sie naiv ist (oben Nr. 9), stimmt nicht zu seinem früheren Verfahren, die im Pentateuch berichteten historischen Fakten ohne kritische B tand hi } . F 7 Fi = 2 ! Auf die Rolle ‚der ‚typischen Zahl 40 im Leben des Moses (Tod mit 120 Jahren; Nomadenzug durch die Wüste 40 Jahr’; im 80. Jahr Heerführer; im 40. Jahr flüchtig Burpaca: Faust und Moses. 373 Den ‘Moses’ hat Goethe nicht in den Horen veröffentlicht. Aus welchen Gründen, bleibe dahingestellt. Fast scheint die Honorierung des Kartenstechers aus dem Lohn für die Mumie Lenzens (Nr. 17) das Stocken veranlaßt zu haben, gewiß nicht erlahmendes Interesse. Das ergibt eine Prüfung des ergötzlichen Auf und Ab in dem Noten- wechsel der beiden Freunde über diese Angelegenheit. Erst redet Goethe von ihr als ‘verwegenem Gedanken’ (Nr. 8), und Schiller fühlt sich belustigt (Nr.9). Dann retardiert Goethe, zweifelnd, ob er sich auch von der Idee Italiens werde losmachen können (Nr. 17). Sogleich stimmt Schiller höflich ein und befürchtet bedauernd die Zurücklegung des Moses wegen der sonderbaren Kollision mit den italienischen Dingen (Nr. 18). Aber da entgegnet Goethe fast eifrig: die Hoffnung auf Italien stärke ihm nur die Überzeugung, immer mehr mit sich selbst eins werden und bleiben zu müssen; dazu — scheint es — soll nach dem Gellini nun der Moses dienen, den Unterhaltung mit Schiller bei dem bevorstehenden Aufenthalt in Jena wieder lebendig machen werde (Nr. 19)'. In Jena nennt sie dann ein Billett Goethes zwei handfeste Pursche von wundersamer Ähnlichkeit. Und Schiller beeilt sich, sofort seine Zustimmung in einem Antwortbillett zu erklären. Am Abend desselben Tags besiegelte danach die mündliche Konferenz das neuer- liche Übereinkommen. Man glaube nicht, daß Schiller hier die Rolle des Polonius spiele und die Wolke, um Hamlet-Goethe nicht zu widersprechen, bald für ein Kamel bald’ für einen Walfisch halte. Die Metamorphose, die im suchenden Geiste Goethes damals die Gestalt des Moses durchmachte, war in der Tat fast so seltsam als jene Wolkenwandelbilder in Hamlets höhnender Suggestion. Und in dieser Metamorphose lag wohl auch aus Ägypten) hatte allerdings schon J. G. Eıcnnorn (Einleitung in das Alte Testament, 2. Aufl., Leipzig 1787, Teil 2, S. 241 Anm.) hingewii und hervorgehol wi nach ‘alle 40 Jahre eine Hauptbegebenheit seines Lebens vorgefallen' und ‘das Runde in den Zahlen doch einigen Verdacht gegen ihre Richtigkeit erwecken . ! Goethe war vom 19. Mai bis 16. Juni 1797 in Jena und, wie das Tagebuch verzeichnet, mehrmals bei Schiller. Aber den Moses nennt es nur einmal, am 27. Mai: “Früh Cellini und Moses ... Abends bey Schiller’. Das bezieht sich also auf den oben als Nr.20 abgedruckten Brief, der am Morgen geschrieben und vielleicht auf der Stelle, jedenfalls aber im Laufe des Tages von Schiller beantwortet wurde (Nr.2r). Diese innere Verbindung von Cellini und Moses konnte Goethe dann später in einem Kunstwerk sich täglich symbolisch vor Augen führen. Am 12. Dezember 1812 schreibt er an Zelter (W.IV, Bd. 23, S. 198, 18—26): ‘Ich wollte sodann, wie das vorige Mal, meine Gedanken aufrichtig darüber mittheilen, und das Beste was ich zu geben habe dagegen [für eine ihm zum Tausch angebotene Jupiterbüste] anbieten. So be- sitze ich eine Medaille vom Cellini doppelt, es ist diejenige vom Moses und der Umschrift: ut bibat populus, die ich wohl hochschätzen muß, weil ich dreyßig Jahre vergebens darnach getrachtet habe und sie alsdann durch sonderbare Zufälle in einem Jahre doppelt erhielt.’ la- 35* 374 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. der tiefere Grund, warum Goethe 1797 den nahezu fertigen Moses- aufsatz vorläufig beiseite legte. Aber man hat kein Recht, zu bezweifeln, daß Schiller — trotz seinen anfänglichen inneren Bedenken — sich von Goethe zu der neuen Auffassung des Moses hat bekehren, mindestens von deren persönlicher, relativer Berechtigung hat üb gen lassen. Um den einer mehr rationalistischen Kritik der Bibel geneigten Freund, der bekannte, den Inhalt der alttestamentlichen Schriften, soweit er nicht naiv sei, aus bewußten Zwecken herzuleiten (oben Nr. 9), durch den rein menschlich-poetischen Gesichtspunkt seiner Mosesstudien nicht zu befremden, bezeichnete Goethe sie als einen Spaß, als ein Spiel. Im Grunde war es ihm eine sehr ernsthafte An- gel heit. Im mündlichen Gespräch wird das Schiller völlig klar geworden sein, wie es sein lieb ürdiger Takt von herein geahnt oder vermutet hat. Wir mögen heut bereit sein, mit Hrn. vow Lorrer die Nase zu rümpfen über diese veralteten! dilettantischen, so überaus umständlichen Versuche, durch geographisches Nachrechnen und aus allgemeinen Voraussetzungen ursprüngliche und spätere Bestandteile, Wahres und Erfabeltes im Bericht der Exodus zu scheiden. Wir sind geschichtlicher geschult und gewohnt, die Grenzen zwischen Sage und Historie schärfer zu ziehen, Kulturvorgänge weniger entschieden als ! Doch möchte ich hervorheben: Goethes Reduktion der 40 Jahre Wüsten- wanderung auf vier oder später auf anderthalb Jahre kehrt fast oder ganz entsprechend wieder bei Heıyrıcn Ewarn, Ernest Rexan, und wenn auch unsere modernen alt- testamentlichen Kritiker über Goethes Versuche ziemlich hinweggleiten, so beziehen sich doch — wie mir Hriyrıcn Axz nachweist — auch noch die neuesten Kommen- tare, z.B. H. Horzıneer, Exodus, Tübingen 1900, Einleit. S. X und Br. Bänrscn, Exo- dus-Levitieus-Numeri, Göttingen 1903, S. 497, mit einer gewissen Zustimmung auf Goethes Bedenken gegen die Ursprünglichkeit der Redaktion jenes die Zeitangabe bietenden Abschnittes. Goethes Nachweis aber, daß der eigentliche und echte De- kalog nicht Exod. 20, ı—19, sondern Exod. 34, 11—26 erhalten sei, hatte Weır- HAUSEN und seine Schule für längere Zeit zur Anerkennung gebracht (vgl. z.B. noch . F . Fi * 8, rücksichtigung der inzwischen durch A bung alten Kultur und Rechtennellen“des bafslonie) älterer verwandter q Landes völlig neue Maßstabe ge- schaffen ‚haben. Vgl. die gut orientierende Schrift von Runorr on Die Art liche Wissenschaft in ihren wichtigsten Ergebnissen, Leipzig ıgro, auch HorzınGer, bei Kavrzscn, Die Heilige Schrift des Alten Testaments, 3. Aufl., Bd. r, Tübingen 1909. i x Wenn allerdings mit Berufung auf Srapr der Versuch, den Wüstenzug Israel zu lokalisieren und näher zu beschreiben, abgelehnt wird mit dem Urteil, es habe denselben Wert, als etwa den von den Burgunden bei der Reise zu König Etzel zurückgelegten Weg zu untersuchen (G. Beer, “Wüstenwanderung': H. Gurses Kurzes Bibelwörter- buch 1903, S. Burvacn: Faust und Moses. 375 das Werk eines einzelnen, sondern mehr auch als ein Ergebnis langer Tradition, der sozialen Lage und der geistigen Bedürfnisse seines Volkes aufzufassen. Aber es bringt glücklicherweise für das Problem, das ich behandle, keinen wesentlichen Nutzen, Schwächen und Vorzüge dieser Arbeit Goethes abzumessen an der gleichzeitigen und späteren Bibelforschung der Fachgelehrten. Die persönliche Bedeutung des Mosesaufsatzes für Goethes innere, für seine künstlerisch-menschliche Entwicklung kann man kaum hoch genug schätzen. Einerlei, ob und wieweit er durch seine konkrete und lebendige Auffassung des Schau- platzes, der primitiven Zustände namentlich der Zeit von Mosis Exil, die hist he Bibelkritik befruch sie aus dem unsolide fundierten Universalismus der Herderschen Vergleichungstendenz in die Enge einer philologischen, die nationale Einzelexistenz und Einheit Israels betonenden Betrachtung gezogen und so einen notwendigen Durch- BSEBRROREN für die Entwicklung der Forschung geschaffen hat'!. Für Faktums, für die Frage, ob die Burgunden überhaupt und wie die Burgunden gezogen sind, hat diese Untersuchung gar keinen Wert, wohl aber einen sehr großen Wert für die Frage nach Herkunft und Zeit, Verfasser und literarischem Charakter des Gedichts oder seiner Quelle, worin dieser Zug erzählt wird. Allen Philologen und Historikern, die sich mit diesem in der Kritik epischer Sagen und ihrer poetischen Gestaltung, ihrer literarischen Aufzeichnung und Verbreitung überall wiederkehrenden Problem des historischen Schauplatzes beschäftigen ‚müssen, sei als methodisch lehrreich empfohlen Frıeprıcn Zarnckes Untersuchung über die im Nibelungenlied vorliegenden östlichen deutschen Grenzbestimmungen (Beiträge zur Erklärung und Geschichte des Nibelungenliedes, Leipzig 1857 [8. Band d. Berichte d. Kgl. Sächs. Ge- sellsch. d. Wissensch., phil.-hist. Kl.]J, S. 170— 211). Übrigens hat Goethe 1808 “im Sinne der Vossischen Charten zum Homer Hesiodus Aeschylus eine Pegel zu den Nibelungen gezeichnet, die auf sehr hübsche Reflexionen führt’: Fr. W. Rırmer, Mitteilungen über Goethe 2, S. 666. ! Während der Niederschrift dieser Zeilen geht mir zu Ruvorr Kırrer, Ge- schichte des Volkes Israel, r. Band, 2. Aufl, Gotha ıgr2. Die Vorgeschichte der ii haftlich P hkrii die tastende Bemühung des 18. Jahrhunderts, die E. Revusz (s. o. S. 372) ziemlich eingehend berücksichtigt, ist darin S. 244f. nur gestreift. Aber das vierte Buch dieses Bandes “Mose und der Wüstenzug (S. 456 bis 564) läßt den Kriegsschauplatz der modernen Exodusforschung voll überblicken. Nur wer sich in dieses Getümmel mit guter Rüstung hineinwagt, um die erstaunlich wechselnden Vorstöße, Rückzüge und Niederlagen alter und neuer Hypothesen (von Spinoza, Astruc, Herder, Eichhorn, Vater, de Wette zu Ewald, Vatke, Graf und weiter zu Wellhausen, Eduard Meyer) aus der Nähe zu prüfen, kann daran denken, dem geschichtlichen Verdienst der Mosesarbeit Goethes und seiner Jugendschrift mg den Dekalog wirklich gerecht zu werden. Dies muß den dazu Berufenen überlasseı aber auch wärmstens ans Herz gelegt werden. Einstweilen ist man Peer 2. B. auf Lupwie Diester, Geschichte des Alten Testaments, Jena 1869, S. 460ff. und A. Könter, Lehrbuch der Biblischen Geschichte des Alten Bundes 1, S.7ff. Nicht ohne Interesse wäre es, zu ermitteln, wie weit Goethe wirklich von Friedrich August Wolf i in seiner Methode beeinflußt ist, Die in der modernen alttestamentlichen Diszi- g g der (Redaktion älterer Schriften mit Einschiet (Ver- einigung rer Stücke ohne en er feste Ordnung), der Grund- 376 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. ihn selbst reifte hier ein köstlicher Ertrag. Sonst wäre ja auch nicht zu begreifen, daß er später zweimal die Voraussetzungen, Wege und Resultate des im Jahre 1797 unvollendet zurückgelegten Aufsatzes mit stärkstem Nachdruck in einem großen Zusammenhang an die Öffentlichkeit gebracht hat: 1811 und 1814 in ‘Dichtung und Wahrheit’ (1. Teil, 4. Buch, W.26, S.203ff.; 3. Teil, 12. Buch, W. 28, S. 100 ff.)' bei der Darstellung der Frankfurter und Straßburger Werdejahre und 1819 in den ‘Noten und Abhandlungen zum bessern Verständnis des Westöstlichen Divan’ (W. 7, S. 154— 182). Die Vorarbeiten für den alten Aufsatz über Moses erscheinen hier in einer nur wenig umge- staltenden, aber doch auch sachlich (die Dauer des Wüstenzugs) ändernden und einzelnes (das Priestertum der Leviten) beiseite lassenden Ausführung?. Durch Seurrerrs Sorgfalt sind wir in der Lage, den alten Bestand und sein Verhältnis zu der für den Divan ihm gegebenen schrift- und Ergänzungshypothese scheint, soweit meine Kenntnis reicht, das Verhältnis zu der verwandten Entwicklung der Kritik des Epos in der klassischen Philologie wenig oder gar nicht h iehen und t Es hat lange gedauert, bis die I insch zwischen Pent: hkritik und H itik von der strengen Fachwissenschaft anerkannt und fruchtbar gemacht wurde. Ich verweise auf H. Gunkers Betrachtungen über den Erzählstil der Genesis (Handkommentar zum Alten Testament Bd. r, Göttingen 1901) und den Beifall, den ihm jetzt E. Berne (Gercke-Norden, Ein- leitung in die Altertumswissenschaft Bd. ı, Leipzig 1910, S. 441f.) spendet. Die Theo- rie des Epos war das Problem, das Goethe und Schiller im Jahre 1797 bewegte, das sie damals von Homer auf Genesis und Exodus führte. So, scheint mir, bewährt sich im höheren Sinne Goethe doch auch hier als Bahnbrecher und Befruchter der zunftmäßigen Forschung. Denn für die Geschichte der wahren, inneren Bewegungs- kräfte aller Wissenschaft gilt als Grundgesetz das Wort: Im Anfang war die Intuition. * Tagebuch 1811: 25. Juli. Erstes Buch Mosis und Geographie von Palästina; 29. Juli Schema der hebräischen Urgeschichte; 30. Juli jüdische Antiquitäten; 31. Juli Biblische Urgeschichte; r. August Zweyte Hälfte der Urgeschichte, Abends Hebraica; 2. August, Palästina Hebräische Sprache; 4. August Israelitische Urgeschichte. Tage- buch 1812: 25. März Anfang des Aufsatzes über Mosen; 26. März An der Fortsetzung des Aufsatzes über die Wanderung der Kinder Israels nach dem gelobten Lande, Ch briand Genie du Christianisme; 27. März Genie du Christianisme. Die früheren Blätter den Zug der Kinder Israels betreffend durchlesen und durchdacht; 28. März Genie du Christianisme. Fortsetzung der Israelitisch Wand hich Vgl. Tag- und Jahreshefte 1812 (W. 36, S. 75f.): “Der Biographie zweiter Band wurde gearbeitet und abgeschlossen, auch der dritte Band eingeleitet, im Ganzen entworfen, im Einzelnen ‚ausgeführt. In Gefolg der Darstellung Mosaischer Geschichte im ersten ® Bereits 1849 veröffentlichte H. Düxrzer eine besondere Abhandlung über Goethes “Moses: Herrigs Archiv für das Studium der neueren Sprachen Bd. 6, S. 140ff. Jä fi Unter- suchung beleuchten die folgenden von mir (W. 6, S. 335) aus den damals noch unge- druckten Tagebüchern ausgezogenen Vermerke: 1819 21. 22. April “Älterer Aufsatz über die Kinder Israel in der Wüsten; 23. April zu redigieren angefangen’; 24. April Redaktion und Abschluß und 26. April Abschrift des Aufsatzes. Burpacn: Faust und Moses. 377 Fassung zu überblicken (W. 7, S. 309—335, dazu Goethe-Jahrb. 1889 Bd. 10, S. 276£.). ; Der menschliche Charakter des Moses ist der eigentliche Mittelpunkt der ganzen Betrachtung. Die Rechnerei über die Dauer der einzelnen Wüstenstationen auf Monate und Tage mochte wirklich Spaß und Spiel sein. Die Charakteristik des Schöpfers der national- israelitischen Kultur ist es nicht. Für sie trifft wirklich das schöne Wort aus ‘Dichtung und Wahrheit’ (II, 12, W. 28, S. 102, ı0f. 103, ıf.) über das auf diese Studien verwendete ‘Gemüt’: sie ist ‘aus Glauben und Schauen ent üÜt 2 je} he - “Endlich stehet aus einem gewaltsamen Stamm ein gewaltsamer Mann auf, leb- haftes Gefühl von Recht und Unrecht und heftige That zeichnen ihn aus. Einen Ägypter, der einen Israeliten mißhandelt, erschlägt er, sein patriotischer Meuchelmord wird entdeckt und er muß entfliehn’ “Als einen kräftigen, kurzgebundenen, ver- schloßnen, der Mittheilung unfähigen finden wir ihn auch in der Verbannung wieder (W.7, S. 322, 1—5. 10—12). Man fühlt sich an Tell erinnert. Und die Ähnlichkeit wird dadurch bedeutungsvoll, daß Goethe ja vielleicht schon damals, jeden- falls ein Vierteljahr später (Brief an Schiller vom ı4. Oktober 1797) sich mit dem Plan trug, die ihm seit der Schweizerreise von 1775 vertraute ‘Fabel vom Tell episch zu behandeln’. Wem aber dies Bild des Moses, das solche Analogie nahelegt, ichnet vork ‚ der nenne es deshalb nicht mit vow Lorrer schon für Goethes Zeit unzeit- gemäß. Denn auch ein modernes, für ein wissenschaftliches Publikum bestimmtes Porträt! des Moses bringt diesen Zug zur Geltung. Aber hören wir weiter, wie Goethe den Charakter des Moses darstellt. “Alle vorherige Cultur, die er möchte gehabt haben, hatte nicht gewirkt, seinen gewaltsamen Charakter zu bändigen’... “Zugleich erfahren wir seine Unfähigkeit sich durch die Rede deutlich zu machen, alles ist bey ihm auf That concentrirt (W.7, 8. 316, 1.2.8.9). “Moses Ungeschicklichkeit in Verwaltung der bürgerlichen Ge- schichte’... “Das Volk will nicht angreifen, und er nimmt mit seiner gewöhnlichen Ungebärdigkeit zu Fluchen und Drohen seine Zuflucht’ (S. 317, 1 f. 25— 27). ‘Ein starker, gewaltsamer, das rechte und große wollender, ein Mann der That und nicht des Raths, von seinem Wege abzuleiten, aber von seiner Idee nicht... immer gewaltsam, aber auch gewaltsam zur rechten Zeit und dem zur Ausführung seiner großen Absicht für sein Volk alles erlaubt schien. Rettung desselben gegen den Vorwurf der Grausamkeit; Vergleichung mit den neuern Franzosen’ (W.7, 8. 319, 22—24. 26 bis 320, 2). ! von Oreıuı, Real klopädie für p tische Theologie, 3. Aufl. 1903, Bd. 13, 8.488, Z. 6ff.: ‘Der gewalttätige Streich, durch welchen er [Mose] einen unmensch- lichen Fronvogt aus der Welt schaffte (Exodus 2, ırff.) verrät den künftigen Volksbefreier.” — So verschieden Schillers und Goethes Mosesaufsätze erscheinen Fe jener faßt nur das geschichtliche Ereignis, dieser nur den Charakter des Helden ins Auge —, einig sind beide in der Betonung des Gesichtspunktes, daß Moses sein Volk befreit, aus Sklaven zu einem Volk der Freiheit gemacht und ihm einen Gott der Freiheit gegeben habe. — Dem entspricht auch später der durch Rossinis ver- unglückte Oper hervorgerufene scherzhafte Plan einer historischen Mosesoper: ‘So wie 378 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Hier ist mehr als das Bild eines ‘'handfesten Purschen’. Mehr als Cellini, mehr auch als Tell. Hier ist etwas vom Schlage des Mahomet. Hier ist etwas von Faust: von dem Faust, wie ihn der Tragödie zweiter Teil zeigen sollte in der großen Welt, am Hofe des Kaisers, als Kriegsführer, als Herrscher. Von dem Faust, der die Mystik magischer Naturbeschwörung überwunden und die Übersetzung geprägt hat ‘Im Anfang war die Tat’. Eine kritisch-historisch-poetische Arbeit hat Goethe seine Moses-Studie genannt (oben Nr. 10). Wohl hält sie sich nicht frei von dem Geist der rationalistischen Kritik und bedeutet insofern einen Rückschritt gegen Herders mehr volkspsychologisch-genetische Me- thode. Aber es ist eine Übertreibung, wenn von Lorper ihr vorwirft, daß sie die biblische Darstellung als reine Geschichte auffasse. Der alte Entwurf vollends spricht sich darüber in einer Weise aus, die eher in der starken Betonung des nichtgeschichtlichen Elementes zu weit geht. “Schriften in welchen alte Traditionen zusammengestellt sind, bleiben immer eine Art von Poesie, nicht gerechnet daß ihr größter Theil selbst der Form nach Lied war, so ist ihr Inhalt meist poetisch, das heißt es ist gerade nur der Sinn wahr, das ausge- sprochene Facktum ist meist nur Fabel’ ($. 328, 6—10). Aber das befremdet uns allerdings in hohem Maße, daß Goethe hier wirklich, wie von Lorrer bemerkt, über Mosis eigentliches Wirken als Religions- stifter und Prophet stillsel igend hi ggeht. Nimmermehr hätte der junge Goethe, der Schüler des Jungen Herder der Straßburgischen Zeit, der Schüler des Fräuleins von Kletten- Ba berg, der fromm gen Gottesglauben predigte, der das Pfingst- wunder des Zung d hfühlen und nachleben wollte, der es in trunkenen Enkomien auf den Erbauer des Straßburger Münsters und Shakespeare nachzustammeln suchte, nimmermehr hätte Goethe, als er den Mahomet begann, den Charakter des Moses so gezeichnet. Auf jener hlichen und künstlerisch Entwicklungsstufe, da er den der Vorhang aufgeht, stehen die Leute da und beten!... Ich hätte Euch einen ganz andern Moses machen wollen und das Stück ganz anders anfangen lassen. Ich hätte Euch zuerst gezeigt wie die Kinder Israel bey schwerem Frohndienst, von der Tyrannei der egyptischen Vögte zu leiden haben, damit es nachher desto anschau- licher würde, welche Verdienste sich Moses um sein Volk erworben, das er aus so schändlichem Druck zu befreyen gewußt. (Gespräche mit Eckermann, 7-Oktober 1828, Houben S. 226.) Wieder also ein Telldrama! ; Burpaca: Faust und Moses. 379 Töne des Alters sich einmischen. Aber gewiß greift fehl, wer etwa deshalb nun diese Schilderung überhaupt für ung dig, für eine anachronistische Projektion späterer Beschäftigung in die Jugendzeit halten will. Das Verhältnis zu dem poetischen und mythischen Ge- halt des Alten Testaments hat sich im Laufe seiner menschlichen und künstlerischen Entwicklung gewandelt. Im Bann der pietistischen Mystik des Fräuleins von Klettenberg und ihrer gläubigen ärztlichen Berater, die sich aus Kabbala, Alchemie und Heilkunst eine fromme Magie zusammenbrauten, hatte er aus der biblischen Tradition eine geheime Theosophie schöpfen wollen. Jetzt hatte ihm Weimar und Italien, hatte ihm Shaftesbury, Spinoza, Kant und die naturwissen- schaftliche Arbeit, hatte ihm die Verbindung erst mit Moritz und Herder, dann mit Schiller die Jugendeindrücke befreit von der Wolke mystischer Andacht und ihm ihren objektiven geschichtlichen Kern enthüllt. Das T gesicht, empfangen einst ‘in holder Dunkelheit der Sinne’ war den hellen Bildern des Tages gewichen. Der Wirrwarr des Gefühls der Klarheit. Die poetische Beichte der Weimarischen Anfänge, Wilhelm Meisters Lehrjahre, lag hinter ihm. Er kam von der Vollen- dung eines epischen Gedichts, in dem der Idealismus der klassizistischen Form den realistischen Stil sich erobert hatte, wo “unter dem mo- dernen Kostüm die wahre echte Menschenproportion und Gliederform’ erkennbar werden sollte: Hermann und Dorothea. Der Drang nach poetischer Produktion brach jetzt übermächtig hervor. Die Ballade und die Elegie lockte, es lockten neue epische Entwürfe. Es lockte so vielerlei anderes. Mit strengem Eifer wurden Beobachtungen über das Wachstum und die Metamorphose von Schmetterlingen und Pflan- zen fortgeführt, morphologische, galvanische, chemische und chroma- tische Untersuchungen gingen daneben. Im Briefwechsel und Gespräch mit Schiller werden die Grundzüge einer Theorie des Epos und des Dramas entworfen: die Eigenschaften des künstlerischen Stoffes, die Arten der gattungsgemäßen Motive. Eine 'vielgeschäftige Zeit’! Aber dies treffende Wort Srurrerrs ist dennoch zu schwach. Es kann sogar mißverstanden werden. In diesem Frühling und Sommer des Jahres 1797, der die Sehnsucht nach Italien wieder entzündet und sorg- fältige Rüstung auf die zweite Hegire herbeiführt, kommt nach langer Vorbereitung eine tiefe Wendung in Goethes Denken und Schaffen zum Durchbruch. Wie eine Flut steigt in ihm der vom Vater er- erbte Drang zum Schematismus empor. Der Begriff des Typus, des Urphänomens durchdringt die sch de Hingabe an die Fülle des Lebens, an die Welt des Persönlichen, an die Erscheinungen der Natur. Man weiß, wie die Briefe der dritten Schweizerreise im Herbst dieses Jahres den Charakter von ‘Relationen’ annehmen und Karl August 382 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912, Noch schärfer spricht Goethe das Ziel seines ‘Moses’ aus, in der Umarbeitung für die Noten zum Divan. Hätten wir uns so vieler fruchtloser Stationen entledigt, so würde sogleich der große Heerführer, gegen das was wir ihm zu erinnern gehabt, in seinem ganzen Werthe wieder hergestellt. Auch würde die Art wie in diesen Büchern Gott er- scheint uns nicht mehr so drückend sein als bisher, wo er sich durchaus grauenvoll und schrecklich erzeigt; da schon im Buch Josua und der Richter, sogar auch weiter hin, ein reineres patriarchalisches Wesen wieder hervortritt und der Gott Abra- hams nach wie vor den Seinen freundlich erscheint (W. 7, 8. 180, 4—15). Hier erklingt in vollen Tönen der Grundgedanke der Phantasmagorie des Westöstlichen Divan: der Glaube an die Reinheit des Patriarchen- alters, an die ihr eigene Humanitätsreligion'. Und wieder wendet der Divandichter sich zum Charakter des Moses. Nicht die Talente, nicht das Geschick zu diesem oder jenem machen eigentlich den Mann der That, die Persönlichkeit ist’s, von der in solchen Fällen alles ab- hängt. Der Charakter ruht auf der Persönlichkeit, nicht auf den Talenten. Talente können sich zum Charakter gesellen, er gesellt sich nicht zu ihnen; denn ihm ist alles entbehrlich außer er selbst. Und so gestehen wir gern, daß uns die Persönlichkeit Mosis, von dem ersten Meuchelmord an, durch alle Grausamkeiten durch, bis zum Verschwinden, ein höchst bedeutendes und würdiges Bild gibt, von einem Manne, der durch seine Natur zum Größten getrieben ist (W. 7, S. 181, 3—15). Das ist freilich keine wi haftliche Betrachtungsweise im Sinne der modernen Philologie. Aber gewiß nichts Geringeres. Es ist die Weisheit und die künstlerisch-sittliche E pfindung, die das gängliche Vermächtni aussprach : Alles könne man verlieren, Wenn man bliebe was man ist.? So gewahren wir, daß diese Untersuchung über Moses und den Wüstenzug in das zentrale Problem des Goethischen Denkens und Schaffens führt, an die Quelle, daraus im Juni 1797 dem Faustdrama neues Leben kam. Diese Studien über den Charakter des Moses, die sich um die Begriffe des Typus und der Persönlichkeit drehten, sie lenkten zurück in die große Schatzk hlicher Typen von poetischer Urkraft: in das Alte Testament. Das Erste, das Goethe am ‘Moses’! Ich zweifle nicht, daß es Leser gibt. die auch diesem Urteil zustimmen. Denn das Niedrige verliert niemals seinen Kurs, - 2 er diese Divanverse und das Gedicht, in dem sie stehen, s. meine Darlegung im 26. Band der Schriften der Goethe-Gesellschaft (Goethes eigenhändige Reinschrift des Westöstlichen Divan), Weimar 1911, 8. 35f. zu Tafel XXI. Burvacn: Faust und Moses. 383 nach der Wiederaufnahme des eigentlichen Dramas ‘Faust’ daran schuf, war der Prolog im Himmel. Und er ruht auf dem Hiobmotiv, also auf einem Motiv des Alten Testaments. Aber dieses Hiobmotiv steht zugleich, wie ich. unten nachweisen werde, in nächster ideeller Ver- wandtschaft mit einem Motiv der rabbinischen Mosessage. Die Wette im Himmel um den Knecht Gottes und die Entscheidung der Wette über der Leiche Fausts hängen innerlich fest zusammen. Und auf beide hat die M ge besti d eingewirkt Am 22. Oktober 1797 traf Goethe in Zürich der Pfarrer Georg Geßner und schrieb darüber: Ich ging in den Schönenhof, in der sonderbaren Erwartung, da vielleicht Goethe zu sehen. Er kam. Stirne und Augen Mose’s, lauter Geist und Feuer (von Bıeper- mann, Gespräche mit Goethe? ı, S. 261 Nr. 528). Der Vergleich kann dem geistlichen Gesichtskreis des Berichtenden entsprungen sein. Aber er könnte Geßner auch gekommen sein, weil Goethe selbst damals von seinen Gedanken über Moses gesprochen hat. Jedenfalls traf der ihn prägte in wunderbarer Weise die Wahr- heit und leuchtete in die innere schöpferische Arbeit, die Goethe er- füllte, tiefer als er ahnen konnte. Denn in der Tat, der Dichter des Faust, der damals sich anschiekte, nach dem Menschheitstypus, den in seiner Phantasie der ideale Moses darstellte, den Magier des 16. Jahr- hunderts zu formen, in der Großheit, wie sie Michelangelos Bild- werk den Sinnen offenbart hatte, der wuchs nach dem Willen des Schieksals nun selbst in die Rolle des Moses und wurde allmählich gleich diesem ein Führer, Priester, Prophet seines Volkes, der Gründer eines neuen Bundes mit Gott und einer neuen nationalen Kultur. 11. Ich sagte bereits oben (S. 360), die Szene, die Fausts Ende und Grablegung darstellt, bildet das sichere Fundament unserer Unter- suchung. Doch muß es, damit jedem Zweifel der Zutritt fehle, von allen Seiten freigelegt werden. Sconrörr erkannte richtig, daß zwischen der Konzeption dieser Szene und dem brieflichen Programm einer künstlerischen Neugestaltung der Moses-Legende, das Goethe dem Maler Müller entwarf, ein Zusammenhang besteht. Aber er hätte seine Er- kenntnis viel entschiedener aussprechen und viel schärfer formulieren sollen. Nicht genug, ‘daß wir die Vermutung kaum abweisen können’, wir müssen es mit all der Gewißheit annehmen, die in solchen Fragen überhaupt erreichbar ist: als Goethe dem Maler Müller vor Augen führte, wie man dieses Sujet aus der Sphäre der ‘albernen Judenfabel herausheben und in edlerem Sinne behandeln könne, muß ihm die 384 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. poetische Konzeption jener Schlußszene des Faust in ihren Grund- zügen, ja sogar in einer sehr charakteristischen Einzelheit fest- gestanden haben. Drei Momente setzen das außer Frage: ı. ‘daß der Heilige noch voll von dem anmutigen Gesichte des gelobten Landes entzückt verscheidet‘, entspricht genau den letzten Worten und Emp- findungen des sterbenden Faust (V. 11559— 11586); 2. daß ‘Engel ihn in einer Glorie gzuhel beschäftigt sind’, entspricht der Er- scheinung nach V. 11675 ‘Glorie von oben rechts. Himmlische Heer- schar.’ bis in den Wortlaut des Szenars; 3. daß Satan vor den Engeln weichend 'nur in einer Ecke des Vorgrundes noch Platz findet und sich höchstens noch umsehen’ kann, ‘ob nicht auch für ihn etwas hier zu erwerben sein möchte’, entspricht genau dem Szenar nach V. 11979: Engel. Wir kommen schon, warum weichst zu zurück? Wir nähern uns, und wenn du kannst, so bleib. (Die Engel nehmen umherziehend den ganzen Raum ein.) Mephistopheles (der in’s Proszenium gedrängt wird). (Sie erheben sich, Faustens Unsterbliches entführend.) Mephistopheles (sich umsehend). 11835 Doch wie? — wo sind sie hingezogen? Goethe besaß, als er in der Form eines scheinbaren Rats den Schleier über dem Webstuhl seiner dichterischen Phantasie lüftete und sein eigenes Gewirk in seinem Werden ahnen ließ, eine genaue Kenntnis der Moses-Sage. Er p sie als Judenfabel. Aber der in ihr verborgene edle Kern hatte sich tief eingedrückt in sein Gemüt und empfing daraus neues Leben und Wachstum. Woher kam Goethe diese Kenntnis, und wie weit drang sie in den damals bekannten Stoff der Moseslegende ein? Die Briefstelle vom 21. Juni 1781 steht zeitlich sehr nahe einer Veröffentlichung Herders. Im September desselben Jahres erschienen von ihm “Jüdische Diehtungen und Fabeln’, freie Übersetzungen rabbi- nischer Sagen. Den Anfang macht ‘Die Schöpfung des Lichts und der Liebe’, ein Motiv, das Goethe bekanntlich später in dem Divan- gedicht “Wiederfinden’ (Ist es möglich, Stern der Sterne) in halb orphisch-platoniseh ientalischer Mystik gestaltet hat. Dann phisch-r ‚ hal folgen ‘Die Schöpfung der Sonne und des Mondes’, ‘Die Schöpfung des Mannes und des Weibes’, weiterhin unter anderem ‘Lilith und Eva’, ‘Sammael’ (die Verstoß g des hochmü igen Engels, der dann als Schlange Eva verführt und fortan durch Gottes Fluch zum Engel des Todes wird), als Nr. ır ‘Der Tod Moses’. Davon gebe ich hier Burpaca: Faust und Moses. 385 den vollen Wortlaut, genau nach dem ersten Abdruck (Teutscher Merkur 1781, 3. Vierteljahr, September, S. 239— 241)". Der Tod Moses. Als Moses, der Vertraute Gottes sterben sollte und seine Stunde heran- nahte, versammelte Gott die Engel um sich. »Es ist Zeit, sprach er, die Seele meines Knechts abzufodern, wer will mein Bote werden?« Die edelsten unter ihnen, Michael, Raphael, Gabriel baten und sprachen: » Wir sind seine und er ist unser Lehrer gewesen, laß uns nicht fodern des Mannes Seele«. Der abgefallene Sammael aber trat hervor: »Hier bin ich, sende mich.«e Mit Zorn und Grausamkeit bekleidet, stieg er hinab, das Flammenschwert in seiner Hand, und freute sich schon der Schmerzen des Gerechtesten der Erde. Als er aber nahe hinzutrat, erblikte er Moses. Seine Augen waren nicht dunkel worden und seine Kraft war nicht verfallen. Er schrieb die Worte seines letzten Liedes und den heiligen Namen; sein Angesicht glänzte, bewafnet mit ruhiger Himmelsklarheit. Der Feind der Menschen erschrack und ließ sein Schwert fallen und eilte zurück: »Ich kann dir die Seele des Mannes nicht bringen, denn ich habe an ihm nichts Unreines funden.« Da stieg Jehovah selbst hernieder, die Seele seines Knechts von ihm zu nehmen und seine getreuen Diener, Michael, Gabriel und Raphael kamen mit ihm. Sie bereiteten Moses sein Sterbelager, und standen bey ihm zu Haupte und zu Füßen, und eine Stimme sprach: »Fürchte dich nicht, ich selbst will dieh begraben.« Da bereitete sich Moses zu seinem Tode, und heiligte sich, wie Einer der Seraphim sich heiligt, und Gott rief seine Seele: »Meine Tochter, hundert und zwanzig Jahre hatte ich dir bestimmet im Hause meines Knechts zu wohnen. Sein Ende ist gekommen, gehe heraus und säume dich nicht.« Die Seele Moses antwortete: »O du Herr der Welt, ich weiß, daß du bist ein Gott aller Geister und aller Seelen und daß in deiner Hand sind die Lebendigen und die Todten. Aus deiner Hand empfing ich das feurige Gesetz, und sahe dich in den Flammen und stieg hinauf und gieng den Weg des Him- mels. Durch deine Macht trat ich in den Palast des Königs und nahm ihm die Krone von seinem Haupt und that Wunder und Zeichen in Ägypten, und führte dein Volk hinaus, und spaltete das Meer in zwölf Spalten, und verwandelte das bittre Wasser in süßes, und offenbarte deine Geheimnisse den Menschenkind Ich wohnte unter dem feurigen Thron, und hatte meine Hütte unter der Feuersäule, und redete mit dir von Angesicht zu Angesicht, wie der Freund mit seinem Freunde redet. Und nun, es ist genug; nimm mich, ich komme zu dir!« Da küssete der gnädige Gott seinen Knecht, und nahm ihm im Kusse seine Seele. Moses starb am Munde Gottes, und Gott begrub ihn selber, und niemand weiß die Stäte seines Grabes. Herder hat im ersten Abdruck die Herkunft und den Charakter seiner Nachdichtungen nur unb t bezeichnet als ‘eine kleine Probe von der Mythologie der Ebräer”. In der Vorrede zu den Zer- streuten Blättern, wo die Zahl der Stücke stark vermehrt ist, nennt er sie ‘völlige Apokryphen, entweder alte Sagen mehrerer morgenlän- discher Völkern oder wenigstens aus Samenkörnern dieser Art ent- sprossene Gewächse”. In ihrer Ausbildung, behauptet er, gehören die meisten ihm völlig zu, und unter den Beispielen der wenigen ganz ! Später erschien ‘Der Tod Moses’ mit den übrigen und noch weiteren jüdischen Stücken in den Zerstreuten Blättern, 3. Sammlung, Gotha 1787, S. 264—266 (Suphans Herderausgabe 26, S. 346 f.). 386 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. in der Tradition gegebenen’ nennt er seinen ‘Moses’ nicht. Trotz- dem ist seine Erzählung vom Tod des Moses im wesentlichen aus rabbinischen Quellen geschöpft. Zunächst bleibe die Quellenfrage in- dessen auf sich beruhen. Man kann es aber wohl mit Sicherheit an- nehmen, daß Goethe diese Nachdichtung Herders vor ihrem Abdruck gekannt hat. Ja, es ist mir sogar wahrscheinlich, daß sie auf jenen brieflichen Abriß einer künstlerischen Darstellung des Todes Mosis ein- gewirkt hat. Aber Goethe kannte mehr von diesen Legenden, als er bei Herder fand. Der Kampf zwischen Engeln und bösen Geistern, der im Faust ein wichtiges Rad der dramatischen Handlung ist, der gegen den Satan Sammael zur Abwehr gebrauchte Stab, auf den die Zahme Xenie (oben Nr. 6 S. 366) anspielt, fehlen in Herders Re- daktion, und die tätige Teilnahme der Engel bei der Bestattung, auf die es in jenem brieflichen Programm besonders ankommt, hat nichts von jenem ‘in einer Glorie wegheben’, wie es Goethe ausmalt und später dargestellt hat. Herders Nachdichtung verharrt hier streng im altjüdischen Vorstellungskreis: die drei Engel begleiten zwar den Herrn, als er herniederfährt, um die Seele seines Knechts einzuholen. Aber sie bereiten nur das Sterbelager, stehen Moses zu Häupten und Füßen. Sie führen also, wie man sieht, die Rolle der Lemuren des Faustdramas aus. Von einem Aufwärtstragen ist nichts gesagt. Dieser Jüngere, von der christlichen Mythologie, Dogmatik und Kunst fest und reich ausgebildete Zug der Engeltätigkeit bleibt hier fern. Allerdings bietet anderseits Herders Fassung Züge, die an funda- mentale Motive der dramatischen Handl g des Goethischen Faust anklingen, und zwar in einer Häufung, die einen Zufall auszuschließen scheinen. Gott nennt Moses ‘meinen Knecht’ und beratschlagt über das Schicksal seiner Seele mit den drei Erzengeln Michael, Raphael, Gabriel. Alle drei wollen Mosis Seele ihm nicht abfordern, da sie seine, er ihr Lehrer gewesen sei: man sieht hier Moses durchaus in die übermenschliche, halbgöttliche Höhe gesteigert. Aber der Satan Sammael tritt in den Kreis, und er will es tun. Das erinnert an den ‘Prolog im Himmel’, wo ja auch in den Kreis des Herrn und der ihm huldigenden drei Erzengel Raphael, Gabriel, Michael der Satan Mephistopheles eintritt und die Erlaubnis erhält, sich Faust zu ge- sellen, um Gewalt über seine Seele zu erlangen. Allein der Kern der Handlung des Faustprologs stammt ja bekanntlich aus dem Ein- gang des “Hiob’”. Immerhin bleibt zu beachten, daß in diesem nur ‘die Kinder Gottes’ auftreten, die drei Erzengel nicht unterschieden sr nicht mit Namen genannt werden. Möglich also, wenn auch + 1 g ig und nicht einmal wahrscheinlich, daß Goethe Burnacm: Faust und Moses. 387 durch Herders Nachdichtung bestimmt wurde, die freilich längst durch das christliche Dogma, die christliche Kunst und Dichtung in den Bestand des göttlichen Hofhalts aufgenommenen drei Erzengel ein- zuführen. Aber man lese das übrige. “Seine Augen waren nicht dunkel worden und seine Kraft war nicht verfallen.” Ist es Zufall, wenn Goethe am Lebensende des Faust dieses Motiv umkehrt oder vielmehr im Grunde nur tiefsinnig steigert? Faust (erblindet). Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen, Allein im Innern leuchtet helles Licht. Was ich gedacht, ich eil’ es zu vollbringen. ‘Das Schwert entsank ihm und er eilete hinweg’, heißt es bei Herder von Sammael, der näher trat und das Angesicht Moses ansah. Wie- derum fragt man: Ist es ein Zufall, daß vor Fausts Ende die vier grauen Weiber ihn zu bezwingen trachten, drei — Mangel, Schuld, Not — vergeblich, die vierte, die Sorge, ihn innerlich auch nicht überwältigt, sondern nur durch ihren Anhauch blind macht, damit nun der Tod freien Lauf hat? Mosis Seele spricht vor dem Tode zum Herrn: “Ich sahe dich in den Flammen und stieg hinauf (auf den heiligen Berg Sinai) und ging den Weg des Himmels. Durch deine Macht trat ich in den Pallast des Königs und tat viel Zeichen und Wunder in Ägypten und verwandelte das bittere in süßes Wasser und offenbarte deine Geheim- nisse den Menschenkindern. Ich wohnte unter dem feurigen Tlıron und redete mit dir von Angesicht zu Angesicht, wie der Freund mit seinem Freunde redet.’ Man höre daneben Fausts Monolog in Wald und Höhle (V. 3217 bis 24): Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, Worum ich bat. Du hast mir nicht umsonst Dein Angesicht im Feuer zugewendet. Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, Kraft sie zu fühlen, zu genießen. Nicht Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur, Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust, Wie in den Busen eines Freunds zu schaun. - Um die Übereinstimmung richtig einzuschätzen, muß man be- denken, daß zwar Moses mit Gott wie mit einem Freunde, Faust mit der Natur wie mit einem Freunde zu verkehren bekennt. Aber im Sinne des hier redenden Faust ist ja die Natur nur die Erscheinung Gottes. Soll die Ähnlichkeit des Dankgebets, das Faust in der wilden Ein- samkeit an Gott richtet, und des Dankgebets Mosis vor seinem Tode Sitzungsberichte 1912. “ 388 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. auf der Höhe des Berges Nebo zufällig sein? Dabei muß man frei- lich scharf betonen: dieses Gebet Fausts enthält biblische Motive. Längst hat man für diesen Vers angemerkt Exodus 3,2: “Und der Engel des Herrn erschien ihm (Moses) in einer feurigen Flamme aus dem Busch. Und er sahe, daß der Busch mit Feuer brannte und ward doch nicht verzehret.’ Dieser ‘Engel Gottes’ ist natürlich der Erdgeist, den Faust in der Flamme erblickt und nicht ertragen kann. Ist aber diese Glei- chung richtig, dann erhalten wir eine Einwirkung der Moses-Sage auf dieK ption des Faustd schon für die erste Szene, für einen der ältesten Bestandteile der ganzen Dichtung. Auch das wundervolle Bild, Gott habe mit Moses von Angesicht zu Angesicht geredet wie der Freund mit dem Freunde, ist biblisch. An einer Stelle der Exodus, deren geschichtliche Bedeutung für das philosophische und religiöse Denken der Menschheit durch die Jahr- hunderte hindurch geradezu unermeßlich gewesen ist, heißt es (33, 11): ‘Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet.’ . Und weiter: Moses in jenem Dankgebet der Herderischen Nach- dichtung stellt sich hin als Magier und Weisheitslehrer, der Wunder und Zeichen getan und die Geheimnisse Gottes offenbart hat. Auch das stimmt zum Charakter des Faust, des Vielgelehrten, des Theo- logen, Naturforschers, Magiers. Endlich, daß dies im Palast des Königs geschehen sei, mahnt an die Rolle, die Faust als Zauberkünstler am Hofe des Kaisers spielt. Es bleibt noch ein Zug in dem Dankgebet Mosis, wie es Herder gestaltet, übrig, der nur verständlich ist, wenn man den tiefen Hinter- grund kennt, der zu ihm gehört. “Ich stieg hinauf und ging den Weg des Himmels.” Gemeint ist das wiederholte Aufst igen zum hei- ligen Berg Sinai, auf dessen Höhe Moses mit Gott redet, Gott sieht und den Glanz Gottes in sich saugt, daß er leuchtend auf seinem Ant- litz und seiner Stirn liegt und mit einem Tuche verdeckt werden muß. Vorgreifend will ich gleich hier prechen: dieses Aufsteigen, dieser Weg des Himmels — das ist das Motiv des großen Sonnenaufgang- monologs auf dem Gebirge am Anfang des zweiten Teiles der Faust- tragödie, davon werde ich später selır eingehend reden müssen. Es wäre methodisch verkehrt, aus der Nachdichtung Herders allein oder auch nur überwiegend die M ive im Goethisch Faust abzuleiten. Soviel Goethe auch Herders Anregung im münd- lichen Verkehr und in dessen Schriften schuldet — worauf ich noch zurückkommen werde -—, die entscheidenden Eindrücke der biblischen und außerbiblischen Mosesmythe empfing er sicherlich schon vor der Burpacn: Faust und Moses. 389 EP YERı RI} großen die in S erneuerer an ihm vornahm. Goethes frühzeitige eingehende Bibelkenntnis ist, wie er in Dich- tung und Wahrheit bezeugt, hauptsächlich durch zwei exegetische Werke seiner Jugend gefördert worden: durch das sogenannte eng- lische Bibelwerk ‘und durch die lateinische Übersetzung des Straßburger 'Theologieprofessors Sebastian Schmid, der in der Ge- schichte der Bibelinterpretation eine rühmliche Stelle behauptet'. In Kap. 34 des Deuteronomiums, das Mosis Ende erzählt, bringt Schmids Übersetzung gegen Luthers Text nur zwei Eigenheiten: V. 5 Ita mortuus est ibi Moses, servus Iehovae, in terra Moabi iuxta os Iehovae und am Rande die Inhaltsangabe zu V. 6,7 Qui ipsum in eadem valle sepelivit eiusque sepulerum occuliavit, procurans ut terra ipsius corpus reciperet. Mortuus autem est non defectu naturae, sed singulari Dei ordinatione, cum nec sensus erant hebetati nec corpori vigor fractus. Dem Lutherschen ‘er starb nach dem Wort des Herrn’ gegenüber haben wir hier das von der rabbinischen Legende im wörtlichen Sinn verstandene ‘er starb am Munde des Herrn’, ein schönes und tiefes Bild, das auch Herders Nachdichtung der rabbinischen Sagen sich aneignet, das aber die Quelle seltsam verstiegener theoso- der ostpreußische Menschheits- [3 ! Dichtung und Wahrheit I 4, W. 26, S. 202: ‘Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem ich mich, um von dem Hebräischen Meister zu werden, mit dem Alten Testamente ausschließlich beschäftigte, und solches nicht mehr in Luthers Übersetzung, sondern in der wörtlichen beigedruckten Version des Sebastian Schmid, die mir mein Vater sogleich angeschafft hatte, durchstudierte” Vox Lorrer (Hempel 20, S. 326, Abs. 107) hat keinen bibliographischen Nachweis dazu gegeben. Schmids Übersetzung erschien unter dem Titel: Biblia sacra sive testamentum vetus et novum ex linguis originalibus in linguam latinam translatum. Argentorati 1696 (andere Exemplare 1697), davon eine Editio secunda priori emendatior Argentorati 1708. Goethe hat hier jedoch die Ausgabe des Alten Testaments im Sinn, welche in zwei Spalten, nebeneinander den hebräischen Text und die lateinische Übersetzung Schmids enthielt: Biblia Hebraica secundum editionem Belgicam. Everardi van der Hooght collatis aliis bonae notae codieibus una cum versione latina Sebastiani Schmidii. Lipsiae, umptibus Wolfgangi Deer, 1740. Auch in Dichtung und Wahrheit II, ı2 (W. 28, S. 100, Z. 8—ı8) ist nur die Rede von Schmids Übersetzung des Alten Testaments, wie die Wendung lehrt: ‘und suchte mein weniges Hebräisch dabei so gut als möglich zu benutzen’, also auch hier ist nur das zuletzt angeführte Werk mit der daneben- stehenden lateinischen Version gemeint, nicht die ganze lateinische Bibel Schmids. — Das englische Bibelwerk führt den Titel: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nebst einer vollständigen Erklärung derselben, welche aus den 1 A 1 hiad Engländischen Schriftsteller zusammen- 8 'n und zuerst in der französischen Sprache an das Licht gestellet, nunmehr aber in dieser deutschen Übersetzung auf das neue durchgesehen und mit vielen An- merkungen und einer Vorrede begleitet worden von D. Romanus Teller, Leipzig, Bernh. Christ. Breitkopf, 1749— 1770. Das Alte Testament umfaßt Teil Til. Neben Teller wirkten in den Bänden des Alten Testaments hieden i di ig‘ später übernahm die Leitung der Ausgabe Jakob Brucker. Die fünf Bücher Mose füllen den ersten und zweiten Teil. 36* 390 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. phischer Mystik geworden ist. Und über den Grund des Todes er- halten wir eine eigentümliche Formulierung: nicht die Natur brachte ihm den Tod, nicht Altersschwäche, sondern der besondere Befehl Gottes. Das läßt sich zwar recht wohl mit der biblischen Erzählung vereinbaren. Aber es schimmert doch eine Annäherung durch an die Auffassung der rabbinischen Sage; die Herder wieder- gab: Gott forderte zu von ihm bestimmter Zeit Moses seine Seele ab, obwohl er noch lebenskräftig war. Unwillkürlich liest man da zwischen den Zeilen die steigernde rabbinische Tradition über Moses Widerstand gegen den Tod: Gott rief ihn ab, obwohl er noch nicht sterben wollte. Die biblische Darstellung ist in bezug auf die Ur- sache seines Todes unklar und widerspricht sich hier: Deuteronom. 31, 2 motiviert Moses seine Amtsniederlegung mit seinen hundert- undzwanzig Jahren und einem ‘ich kann nicht mehr aus- und ein- gehen’, «dagegen behauptet 34, 7: ‘seine Kraft war nicht verfallen’ (Seb. Schmid: nee fugit humor eius, Kautzsch: ‘seine Frische nicht ge- schwunden’). Goethe hatte in Straßburg den wesentlichen Inhalt seiner Unter- suchung über die Tafeln Mosis der theologischen Fakultät als Doktor- di i ingereicht. Wenn sie auch zurückgewiesen worden war, so kann man nicht zweifeln, daß er dazu auch wissenschaftliche Lite- ratur herangezogen hatte. Und er bezeugt es in Dichtung und Wahr- heit selbst'. Jene zweite der Zwo biblischen Fragen zitiert des Fabrieius Bibliotheca Graeca (W. 37, S. 186, 24—2 7). In den Frankfurt-Straß- burger Ephemeriden ist desselben Fabrieius Bibliographia antiquaria (Hamb. et Lips. 1713) gebucht mit einem Verweis auf die Behandlung der Pythagoreischen Zahlenlehre (W. 37,7f.; 38, S. 228). Aus den- selben Ephemeriden (W. 37, ı8. 27; 38, S. 228) wie aus Dichtung und Wahrheit wissen wir, daß Goethe das große kritisch-enzyklo- pädische Wörterbuch von Pierre Bayle? studiert hat. Und neben des Göttinger Professors Joh. Matthias Gesner völlig elementaren Primae lineae isagoges in diti i 1 (Göttingen 1756 und 1760) hat er nach der Aussage seiner Selbstbiographie (Dicht. u. Wahrh. II, 6, W. 27, S. 39, ıf) Daniel Morhofs mächtigen Quar- tanten ‘Polyhistor’ (Lübeck 1688, 4. Aufl. 1747) benutzt. Er kannte ferner =; * Dicht. und Wahrh. III, ı2, W. 28, S. 104,4—6: “Ich arbeitete mich mit un- säglicher Mühe, mit unzulänglichen Hälfsmitteln und Kräften durch die fünf Bücher [Mosis].’ * Ich benutze Pierre Bayle, Dictionaire historique et eritiqus. 4. edition par Des Maizeaux. Amsterdam-Leide 1730. Der Giordano Bruno gewidmete Ab- schnitt (Tom. r, $. 679—681), voll blinder Kritik, macht doch immerhin den Versuch, die Hauptschriften durch Angabe des Titels und der G lcedank ini: zu charakterisieren. 2 = BurvacH: Faust und Moses. 391 MosheimsInstitutionum historiae ecelesiastieae libri quatuor, Helmstadii 1755, wie das noch in dem bekannten Divangedicht nachklingende Abraxaszitat der Ephemeriden (W. 37, 8.110, 15; 38, S. 233) lehrt. Gottfried Arnolds Unpartheiische Kirchen- und Ketzer-Historie, Frankfurt a. Mayn 1729, der Goethe in Dichtung und Wahrheit (II, 8, W. 27, S. 217, ı2 bis 218, 3) einen so großen Einfluß auf die Aus- bildung seiner wunderlichen Phantasie-Religion einräumt, vermittelte mancherlei positiven Stoff aus der altchristlichen Literatur. Wie weit die Kenntnis und Lektüre des Griechischen reichte, ist zweifelhaft. Nach Dichtung und Wahrheit II, 6, W. 27, 8.39, ı8f. erstreckten sich seine griechischen Kenntnisse vor dem Abgang nach Leipzig nicht über das Neue Testament hinaus. Dem widerspricht kaum, daß er noch in derselben Frankfurter Zeit an der Hand des ‘kleinen Brucker', d.h. des Leitfadens der Geschichte der Philosophie von Jacob Brucker (Fragen aus der philosophischen Historie, Ulm 1731— 36, oder auch der Institutiones historiae philosophieae, Lipsiae 1747 und öfter) die griechi i 7 sieh deutlich zu machen versuchte, daß er den herbeigeschafften "Epiktet mit vieler Hingabe studierte’, d. h. ihn selbst im Original oder in Übersetzung las (Dicht. u. Wahrh. I, 6, W. 27, S.ı2, 6—21). Wir besitzen aber, allerdings nur fragmentarisch, eine von Riemers Hand geschriebene ältere Gestalt dieser Schilderung, worin Epiktet fehlt, dafür aber Plotin und die Neuplatoniker als Gegenstände eifrigster Lektüre schon für die letzte Frankfurter Zeit vor der Übersiedlung nach Leipzig auftreten (W. 27, S. 382). h ... Neuplatonikern, da mir denn auf einmal wie durch eine Inspiration Plotin ganz außerordentlich gefiel, so daß ich mir seine Werke borgte und nunmehr zum größten Verdruß meines Freundes Tag und Nacht darüber lag. Er versicherte mir dagegen anhaltend, daß diese Werke ganz unverständlich seyen und gerade das Un- verständliche bey jungen und schwärmerischen Personen einen solchen unwidersteh- lichen Reiz hervorbringe. Ich suchte ihn durch Übersetzung von solchen Stellen zu überzeugen, die mir am besten gefielen und die ich vollkommen zu verstehen glaubte; allein auch damit konnte ich nichts über ihn gewinnen: denn er behauptete entweder, daß er es auch im Deutschen nicht verstehe, und wenn es verständlich war, daß es im Grundtext nicht also laute. Er war kein sonderlicher Grieche, ich auch nicht; ich suchte mich dem Text durch die lateinische Übersetzung zu nä- hern, und kam wohl zu eigner Überzeugung, aber blieb mit jenem immerfort im Zwiespalt, so daß er zuletzt der Sache müde wurde und wir unsere Studien, jeder für sich, weiter führten. Eine Zeitlang hielt mich Plotin noch fest: denn ‚diese Sinnesart war doch mit dem auf das Judenth gepflanzt ı Christen. thum, dem ich doch auch den größten Theil meiner Bildung schuldig war, ge- pflanzt; allein es häuften sich nach und nach so viele Schwierigkeiten und mir ver- ging die Geduld in dunklen Stellen zu wühlen und mir heimlich zu bekennen, daß der Freund doch nicht so ganz unrecht haben möchte. Man hat diese ganze Erzählung für eine Erfindung gehalten (Rıch. M. Meyer, Jubiläumsausgabe Bd. 23, S. 285), darin nur eine Projektion des späteren Plotinstudiums in die Jugend erblickt. Ich kann das 392 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. nicht billigen. Die Angaben bieten zu bestimmte Einzelheit Aber allerdings verschiebt hier Goethe Bemühungen und Eindrücke der Jahre 1769 und 1770 oder noch späterer Zeit schon in das Jahr 1765. Die Plotinstudien haben nach der obigen Schilderung sich aufgebaut auf einer Ausgabe, die den griechischen Text und eine lateinische Über- setzung enthielt. Diese Übersetzung rührt von Marsilius Ficinus her, und Ausgaben, die Text und Übersetzung verbanden, erschienen Basel 1580 und 1615. Eine dieser beiden Ausgaben müßte dem jungen Goethe vorgelegen haben. Denkbar wäre aber auch, daß Goethe da- mals nur Auszüge aus Plotin kannte, vielleicht gar nur feindselige Dar- tellungen seiner Philosophie, wie etwa bei Pierre Bayle', und solcher aufklärerischen Kritik des großen Schwärmers sich widersetzte. Diese immerhin problematischen neuplatonischen Studien, diese Versuche, mittels der lateinischen Üb g des Plotin von Mar- silius Fieinus oder aus abgeleiteten Quellen in den schwierigen Sinn dieses letzten großen antiken Phil phen einzudringen, hingen offenbar zusammen mit jenen mystischen Bestrebungen während der Frankfurter Zeit, die auf den Verkehr mit Susanne von Klettenb erg und ihrem Kreise zurückgehen. Im achten Buch des zweiten Teils von Dichtung und Wahrheit (W. 27, S. 203ff.) führt uns Goethe in diese Welt ein, die uns heute wie ein Spuk erscheint, damals aber in breiten Schichten auch der Gebildeten und höchsten Stände noch eine reale, sehr lebendige und wirksame Macht war. Die “mystischen chemisch-alehimischen Bücher‘, wie Wellings Opus mago-cabbalistieum, die Schriften des auch in den Ephemeriden (W. 37, 8. 86,17; 87,15 bis 88,6; 38, $. 229) exzerpierten Theophrastus Paracelsus, Basilius Valen- tinus, von Helmont, Starkey, die Aurea catena Homeri, konnten, * P. Bayle, Dietionaire 4. ed. Tom. 3 S. 757—760. Der Artikel “Plotin’ ist i hisch-Anekdotisct bringt fast nur Summarien des Inhalts, aber keinen Kommentar gebe. Den Standpunkt Bayles cha- rakterisiert etwa S. 758 Anm. D: Que vouloit dire Plotin quand il fit deux Livres Pour prouver Unum et idem ubique totum simul adesse? N’ &toit-ce pas enseigner que erat quo aciem mentis intenderet propinquare coniungique ipsi Deo omnibus ubi- que praesenti; quater autem dum eum ipso versarer, hune finem est assecutus, non potentia duntaxat, inguam, sed actu quodam ineffabili eonsecutus. Das war freilich für die Verehrer der visionären Mystik eines Swedenborg das Wichtigste! Burpacn: Faust und Moses. 393 nach Goethes sehr zutreffender Bemerkung (W. 27, S. 204, 6f.) ‘wie alle Schriften dieser Art’ ihren ‘Stammbaum in gerader Linie bis zur Neuplatonischen Schule verfolgen’. Die meisten davon waren zugleich mehr oder minder auch erfüllt von der seltsamen christlichen Um- bildung der jüdischen, in der Kabbala niedergelegten Mystik, die ihrer- seits gleichfalls stark neuplatonische Einflüsse mit sich führt. Und ebenso brachte Arnolds eben erwähnte Ketzergeschichte manches gnostische Gedankengut neuplatonischer oder jüdisch-hellenistischer Mystik. Ob und wann Goethe von den Werken und Gedanken der beiden großen italienischen Neuplatoniker Marsiglio Fieino und Pico della Mirandola eingehendere Kenntnis erhalten hat, bedarf dringend der Untersuchung. Es wird ja immer eine schwierige kritische Frage bleiben, wieviel von dem wunderlichen theosophischen System, das Goethe am Schluß des achten Buchs seiner Autobiographie ausein- andersetzt, wirklich den Ausdruck seiner religiösen Anschauungen während des Umgangs mit der schönen Seele darstellt. Ich will hier darauf nicht näher eingehen. Aber eine bloße Fiktion oder ein purer Irrtum des alten Goethe kann es nicht sein. Unter diesen christlichen Kabbalist diesen mystischen Theo- sophen und Pantheisten ist der einzig wirklich geniale Giordano Bruno. Ihn hat Goethe nach Ausweis der Ephemeriden in Frankfurt und Straßburg kennen gelernt, zunächst freilich in Bayles Auszügen (s. oben 8. 390 und Anm. 2). Viel später hat er sich dann in seine Schriften vertieft: Tag- und Jahreshefte 1812 (W. 36, 8.77, 26 bis 78,7)‘. Neuer- dings mehr beachtet hat die Goethewissenschaft dank den Hinweisen von Erıcn Scnnipr, Nirsamr, Morris einen jüngeren Vertreter der christ- lichen Magie: Swedenborg. Und ohne Zweifel hat er insbesondere auf die Faustdichtung Goethes eingewirkt. Doch glaube ich, man geht in der Annahme von Entlehnungen aus ihm zu weit. Die Schriften dieses Mannes sind so abschreekend durch ihren Wortschwall und vielfach so abstrus, daß Goethe schwerlich sie jemals im Zusammen- ang und mit eindringendem Verständnis hat lesen können. Gilt es, die literarischen und gelehrten Quellen für das Dichten und Denken Goethes vor der italienischen Reise zu ermitteln, so ist natürlich als persönlichstes lebendigstes Repertorium die Anregung des genialen Viellesers, Herders, in Anschlag zu bringen. War er ja doch ein Schatzgräber versunkener geistiger Herrlichkeiten. Durch münd- lichen Verkehr, durch Briefe, durch seine Schriften, die fertigen wie ! Vgl. auch Goethes Tagebuch, Jena, den 18., 19, 20. Januar 1812 W. II, Bd. 4, S. 254). Doch erklärt er am 1. Februar 1812, J. F.G. Schlosser für die über- sandte Übersetzung des Jordanus Brunus dankend: “Dieser außerordentliche Mann ist mir niemals ganz fremd geworden’ (w. IV, Bd. 22, S. 258, 8—ır). 394 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. die werdenden, die er mitteilte, hat er ja auf Goethe unberechenbar ge- wirkt. Auch die apokryphe Mosesgeschichte, die ich oben abdruckte, mag durch ihn mit manchen andern jener im Teutschen Merkur und nachher in den Zerstreuten Blättern herausgegebenen Nachdichtungen Jüdischer Legenden Goethe bekannt geworden sein, bevor Herder sie an die Öffentlichkeit brachte. Und Herder könnte Goethe auch auf die einschlägigen Quellenpublikationen hingeleitet haben: Johann Andreä Eisenmengers Entdecktes Judenthum, Königsberg 1711; Kab- bala denudata seu doetrina Hebraeorum transcendentalis et metaphy- sica atque theologica, Sulzbach-Frankfurt 1677—84; Christiani Schött- genii Horae Hebrai et Talmudicae Dresdae et Lipsiae 1733, 1742. Das wissenschaftliche Material für die Geschichte der Moses-Sage konnte Goethe ziemlich vollständig finden in der obenerwähnten engländi- schen deutschen Bibel (Teil 18, S. 768—772), wo der neunte Vers des Judasbriefs mit reichen Belegen erläutert und in den vorausgehenden inleitungen auch die Frage nach der Benutzung der apokry- phen Adscensio Mosis (s. oben S. 36 1) gelehrt erörtert wird. Goethe konnte hier sowohl Verweise auf die “Vita Mosis’ des Philo, auf die Jüdische Archaeologie des Josephus und die Zeugnisse der Kirchenväter über jenes Mosesbuch kennen lernen als auch die gelehrte Literatur über all diese kirchenhistorischen Materialien: lich des Joh. Alb. Fabrieius' noch heute tbehrliche Sammlung alttestamentlicher Pseudepigraphen, desselben Ausgabe der lateinischen Üt g des Midrasch von dem Hinscheiden Mosis (Petirath Mosche) und Spezial- untersuchungen® über die Epistel Judae. Grab gewußt. Darum saget Philo De vita Mosis lib. 3, p- 538D, er sey nicht durch Menschen, sondern durch Engel begraben worden. Daß aber zwischen Michael dem Erzengel und Sammael dem Fürsten der Teufel, über den Leib des Moses ein Streit gewesen ist, das erkennen wir aus den Überlieferungen der Juden ... weil er wie Enoch und Elias weggenommen ward und nicht des gemeinen Todes starb (wie der Satan behauptete, daß er wegen der Ermord ung des Aegypters so sterben mußte, Liber de ‚M sondern nur verschwand. Deswegen sagen die Juden: ascendit ad ministrandum excelso »er ist aufgefahren, dem Herrn zu dienen«. S. 77ob Bey den 70 Dolmetsehern steht: "sie begruben ihn’, welches Philo und andere Juden da- durch erklären, daß sie sagen, Gott habe Engel gebraucht, dieses zu thun... Michael setzte sich auf eine bescheidene Weise wider ihn und vollzog den göttlichen Befehl... [Fußnote:] Origenes, Clemens von Alexandrien, Epiphanius berufen sich darauf [auf 5 Codex pseudepigraphus veteris Testament: colleetus eastigatus testimoniisque censuris et animadversionibus illustratus aJohan. Alberto Fabrieio. Ed. secunda Hamburgi 1722. er De vita et morte Mosis libri tres cum observationibus Gilberti Gaulmini eum praefatione J. A. Fabrieii. Hamburgi 1714. . * Johann Samuel Hanke, Analysis logica epistolae eatholieae $, Judae apostoli, Lipsiae 1748, und andere, Burvacn: Faust und Moses. 395 das alte jüdische Buch “Enoch’ oder das Buch “Die Aufnehmung oder Auffahrt Mosis'. Besonders Grotius. Edw. Bernhard zu Josephus Alterth. lib. IV p. 323, dessen Stelle auch Fabricius Cod. pseudepigr. vet. test., p. 841 seq. anführt. Der Herr Hanke hat noch eine andere Stelle aus dem Buche Rabboth p. 92 angeführet. Aus welchen allen ganz unleugbar ist, daß eine alte allgemeine Sage unter den Juden für ungezweifelt wahr angenommen worden, der Teufel habe mit dem Erzengel Michael über dem Leibe Mosis disputiret. Man beachte, welche Rolle in dieser Legende dem von Moses begangenen Meuchelmord an dem Ägypter zufällt. Der Satan will ihm daraus den Strick drehen, aber Michael verteidigt ihn deswegen vor Gott. Und Goethe, als er 1797 seine Charakteristik des Moses schrieb, machte daraus ein Tellmotiv, einen Beweis des Heldentums, eine rühmliche Tat des Befreiers, einen Rechtstitel auf den Anspruch einer ‘'höchst bedeutenden und würdigen Persönlichkeit’, die durch ihre Natur ‘zum Größten getrieben ist’ (s. oben S. 377. 382). Ferner: nach dem Wortlaut des griechischen Grundtextes' handelt es sich bei dem Tode und der Bestattung Mosis um eine Disputation zwischen Michael und Satan, die Entscheidung aber über Recht und Unrecht zwischen den sich mit Gründen bekämpfenden Gegnern fällt der Herr selber. Dieses Motiv hat Goethe, als er im Jahre 1797 die Arbeit am Faust wieder aufnahm und das ausführliche Schema entwarf, der Konzeption des Schlusses zugrunde gelegt. Wie man längst weiß (s. z.B. O. Pxı- ower, Goethes Faust, Berlin 1899, S. 287), sollte Mephistopheles nach dem Tode Fausts mit dem Pakt vor den Thron Gottes eilen und dort seine Ansprüche geltend machen. Da aber findet er den Reichsver- weser auf dem Thron sitzend, Christus (Paralipomenon Nr. 95 der Weim. Ausgabe). Es scheint Goethes Absicht gewesen zu sein, diese Szene der Entscheidung eng anzuknüpfen an den Himmelsprolog. Wie in diesem sollte wieder der Erzengel Michael auftreten. Und ihm lag es ob, die Sache Fausts zu führen, bis dann Christus den Teufel und sein Gefolge wie Ratten in die Flucht jagt. t Ep. Jud. 9 ‘O a& Mıxahn 6 ApxÄrrenoc, ÖTe TO AlaBba AlAKPINÖMENOC alenereTo Meri TOP Mwrcewc CÜMATOC, OYK ETÖAMHCEN KPICIN ErIENEFKEIN BAACSHMIAC, AnnÄ einen: “Enmtimfcaı coi KYpioc. Vulgata des Hieronymus: Cum Michael Archangelus eum diabolo disp utans, altercaretur de Moysi corpore, non est ausus iudieium inferre blasphemiae, sed dixit: Imperet tibi Dominus. Ebenso hat Sebastian Schmids lateinische Über- setzung das de Wort disy Dazu halte man die von der gelehrten Exegese des 18. Jahrhunderts in vielfach widersprechender Weise zur Erklärung der Judasstelle } ianisch Verse des Sacharja nach der Goethe vor- liegenden Übersetzung Seb. Schmids (Zach. 3, 1—4): »Postea ostendit mihi Iehoschuam Sacerdotem magnum, stantem coram Angelo lehovae: Satan autem stans ad dextram eius, ad adversandum illi. Sed dixit Iehovah ad Satanam: “Increpet te Iehovah, o Satan, inerepet, inquam, te Iehovah, eligens Hierosolymam. Nonne hie est titio, ereptus ex igne?” Tehoschua autem fuit indutus vestibus pollutis, sieque stabat coram Angelo. Respondit ergo dixitque ad stantes coram ipso, dicendo: “Removete vestes pollutas a super ipso’; ad ipsum autem dixit: “Vide, transire feci a super te iniquitatem tuaın et induendo te quidem vestibus mutatoriis. « 396 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912, IV. Ich nähere mich nun dem eigentlichen Ziel meiner Untersuchung. Die Moses-Sage hat mitnichten bloß den Abschluß der Fausttragödie beeinflußt. Als Goethe, von Cellini und von Hermann und Dorothea kommend, das Ideal des schaffenden Helden im Sinne hegend, das be- rühmte Verse der Achilleis (V. 365 ff.) bald nachher verkörperten, den Faust zum Repräsentanten des Menschen, zu einem “Flügelmann’ gei- stigen Strebens steigerte, da gab er ihm etwas von dem Blute des Moses, wie ihn damals seine dem Symbol, dem Urphänomen nach- trachtende Phantasie aus der vertrauten patriarchalischen Vorzeit hatte auferstehen lassen: etwas von dem Volksführer und Volksbefreier, dem Kolonisator und Landgewi ‚ dem sittlichen Gesetzgeber, dem Wegweiser diesseitigen Lebens. Auch dieser Faust mit den Moses- zügen der gewaltsamen Tat freilich stößt den Seufzer aus: “Könnt ich Magie von meinem Pfad entfernen!” Er hat noch nicht die Zauber- sprüche ganz verlernt, hat sich noch nicht ins Freie gekämpft. Er steht noch nicht vor der Natur ein Mann allein. Immer noch um- spinnt ihn das Düstere (V.11403— 11411). Scheint hier nicht der alte Faust von jenem Moses, von jenem greisen Heroen, wie ihn Goethe 1797 sich vorgestellt hatte und wie er ihn im Bildwerk Michelangelos paradigmatisch gestaltet fand, sich weit zu entfernen? Von jenem Moses, den Goethe wohl als Heerfüh ‚ Gesetzgeber, Organisator, Be- freier, aber so wenig als Propheten und Religionsstifter charakterisiert? Die Antwort, die ich schon oben (S. 387) andeutete, lautet nein. Auch der Faust, den die Magie umstrickt, der sich vergeblich von ihr loszumachen strebt, den die vier Dämonen Mangel, Schuld, Not, Sorge bedrängen wollen, der zwar drei in die Flucht schlägt, auch von dem vierten, der Sorge, deren Macht er anzuerkennen sich weigert, nicht innerlich bezwungen, aber doch körperlich geblendet wird, auch er hat Elemente des Mosestypus. Und ebenso auch der Faust der früheren Entwicklungsstufe, der den Erdgeist beschwor, der auf den Brocken hinaufstürmte, der im Alpengebirge vor Sonnenaufgang die Einsicht gewann, die der entscheidende Schritt zur inneren Überwin- dung der Magie ist, die Einsicht, daß der Mensch das Sonnenlicht nicht unmittelbar, daß er es nur im farbigen Abglanz sehen und nur in diesem das Leben finden kann, die Einsicht, die der Sterbende wiederholt (V. 11442£.): Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt; Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet. Auch dieser Faust, der scheinbar vom Göttlichen si 'h abwendet, der es nur sucht in irdischer Tüchtigkeit und Tätigkeit, der es im Werden Burvacn: Faust und Moses. 397 des Geschaffenen gewahrt, an dem seine Persönlichkeit eingreifend teilnimmt, auch er ist ein Abbild und allerdings auch ein Gegenbild jenes Moses, der im Laufe alter Traditionen der theosophischen Mystik, der magisch-pantheistischen christlichen und jüdischen Naturphiloso- phie aufgegangen war. Ich habe oben die beiden entscheidenden Monologe, die Beschwö- rung des Erdgeistes und das Dankgebet in Wald und Höhle als Re- flexe der Mosesmythe nachgewiesen. Mir liegt nun der oben ange- kündigte wichtigste Beweis ob, daß auch der Anfangsmonolog des zweiten Teils aus der Mosessage befruchtet ist. Der Moses des Alten Testaments hat sehr früh Züge des Magiers, des Trägers geheimer göttlicher Weisheit und übernatürlicher Kräfte pfang ‚Griechi und römische Schriftsteller des Altertums be- haupten, er habe aus Ägyptens Wissensborn geschöpft und die griechische Philosophie befruchtet. Schon Philo von Alexandria schildert den Herrscher, Gesetz- geber, Oberpriester, Propheten Moses als Philosophen, als Kenner göttlicher Geheimnisse, als Weisen, dessen Wort ohne Falsch ist wie das Wort der Natur. Er gibt sein Lebensbild in der Art eines philo- sophischen Romans, in der Manier der hellenistischen Biographie, die nicht den Verlauf eines individuellen Einzelleb darstellt, sondern das Exempel für einen Typus des Lebens'. Ob Goethe mehr als Auszüge aus diesem Werk gekannt hat, weiß ich nicht. Eine leid- liche deutsche Übersetzung hätte er einsehen können’. Bereits in Philos Mosesbiographie waltet eine weitgehende Alle- gorese, Die einzelnen Werke seiner Gesetzgebung werden gefaßt als Darstellungen eines philosophischen Gedankens. Viel tiefer ist die Symbolik, in die der christliche Neuplatoniker Gregor von Nyssa das Wesen und das Leben des alttestamentlichen Heros einhüllt. In seiner Vita Mosis wird der Gesetzgeber vom Sinai der Typus des mystischen Theosophen. Sein Besteigen des heiligen Berges ver- sinnlicht die allmählich fortschreitende Annäherung an Gott. Ich gebe einen zusammenfassenden Auszug und lasse den Wortlaut des Textes nur in der lateinischen Übersetzung unten folgen, weil Goethe, falls er die Schrift des großen Kappadoziers selbst gelesen haben sollte, sicher nur diese alte lateinische Version benutzt haben kann. Die Kontemplation, das Schauen Gottes, bedarf keiner leiblichen Sinne. Wer zu ihr gelangen will, muß seinen Geist reinigen von ı Vgl. Leororo Corn, Die Werke Philos von Alexandria r. Teil, Breslau 1909, S. zı8£. : 2 Philo vom Leben Moses, das ist: von der G tischen Geiste. Dresden 1778. ottesgelahrtheit und dem prophe- 398 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. aller sinnlicher und unvernünftiger Regung. Wenn er davon frei geworden ist, dann kann er den Berg des Moses besteigen. Der Berg ist steil, sein Zugang schwierig. Der Berg ist das Wissen von Gott. Zu seinem Gipfel vermag die große Menge nicht zu gelangen. Wer aber ein Moses ist, der wird gleich diesem, wenn er höher steigt, die Töne der Posaunen mit seinen Ohren vernehmen, die, wie die biblische Geschichte erzählt, im Fortschreiten anschwellen'. Es ist das die symbolische A tzung von Exodus 19, 16: Als nun der dritte Tag kam, und Mo rgen war, da erhob sich ein Donnern und Blitzen, und eine dieke Wolke auf dem Berge, und ein Ton einer sehr starken Posaune... der ganze Berg Sinai aber rauchte, darum daß der Herr herab auf den Berg fuhr mit Feuer... Und der Posaunen Ton ward immer stärker ... Als nun der Herr hernieder gekommen war auf den Berg Sinai, oben auf seine Spitze, forderte er Mose oben auf die Spitze des Berges und Mose stieg hinauf. Gregorius fährt fort den Vorgang des Eindringens in die Gottheit am Bilde des Moses vorzuführen. Wer ohne die Befleckung seines früheren Lebens abgewaschen zu haben, ungebadet und im schmutzigen Kleide den himmlischen Aufstieg gewaltsam erreichen will, der wird von seinen Gedanken gesteinigt werden’. Moses hat Gott einmal im Lichte gesehen, einmal im Dunkel. Die Erkenntnis Gottes umstrahlt den frommen Menschen anfangs als Licht. Aber je mehr er fortschreitet zur Vollend g, je mehr er zum wirklichen Schauen Gottes kommt, desto mehr erkennt er, daß die göttliche Natur unsichtbar und unfaßbar ist. Denn wenn er alle sinn- liche Wahrnehmung, alles geistige Sehen zurückgelassen hat und immer vordringt ins Innere, dann umfängt ihn von allen Seiten undurch- sichtige und unbegreifliche Dunkelheit und dann sieht er — Gott. ! Gregorius von Nyssa, Vita Mosis, Ed. Morelli, Parisiis 1638, Tom. ı, S. zıgAB, Mixe, Patrologia Graeca Tom. 44, 8. 374 CD: Speculatio autem, qua Deum contem- plamur, nee visn nee auditu, quantum in se est, indiget: neque consueta quadam prehensii intellectioneque pereipitur: oeulus enim non vidit, nee auris audivit [Isaia 64, 4; 1. Cor. 2,9]: non est enim quiequam eorum, quae in cor hominis ascen- dere consueverunt. Quare oportet, si quis ad contemplationem eius aeccedere velit, ab omni sensuali et irrationali motu mentem suam permundare: ac ita cum omnem opinionem quae ex sensibus originem habeat, ex mente abstruserit, consuetudineque eontugis suae caruerit (coniunx vero hic sensus intellegitur, qui coniunetus naturae nostrae nobiseum habitat) haec igitur cum carnerit, sie denique poterit ad montem accedere. Mons autem arduus vere ac accessu diffieilis, Theologia est: euius vix multitudo ad radices pervenire potest. Si quis vero Moses fuerit, cum altius ascen- derit, poterit sonitus tubarum auribus sentire, quas narrat historia procedendo fieri fortiores. ? Gregorius von Nyssa, Vita Mosis, Ed. Morelli, $. 220 A, Micnz, 2.2.0. S. 3750: Nam multi cum adhuc prioris vitae maculam non absterserint, ipsi illoti, ac amietu vitae sordido utentes, irrationalem sensum in omnibus pluris fa- _. divinum hune ascensum rapere audent, unde ipsi suis cogitationibus lapi- dabuntur. Burvacn: Faust und Moses. 399 Denn darin besteht die wahre Erkenntnis Gottes, daß man sieht, was nicht gesehen werden kann, weil über alle Erkenntnis die Erkenntnis dessen hinausgeht, die von allen Seiten in das Dunkel der Unfaßbarkeit eingehüllt ist!. Wer nach dem Vorbild des Moses den Aufstieg zum Berg unter- nimmt, der wird von einer Spitze zur andern fortschreiten, immer höher aufwärts. Während alle anderen die Kräfte verlieren, wird er allein schließlich emporsteigen zum Gipfel. Dann wird er mit seinen Ohren den wunderbaren Klang der Posaunen hören. Dann wird er hineinschreiten in das unsichtbare Innere der Anschauung Gottes. Und er wird eintreten in das Zelt, das keine Hand gemacht hat?. Die Natur des Guten selbst reißt alle, die mit gesunden Augen die Strahlen der Schönheit erblicken wollen, an sich. So kommt es, daß der Mosesnachfolger von Sehnsucht nach dem Himmlischen immer zu Größerem sich erhebt und immer zu Höherem sich auf- schwingt. Denn durch das, was er schon genossen, wird er befähigt, immer Größeres zu schauen und zu genießen, und glüht von stärkerer und immer stärkerer Begierde und wird so unablässig aufwärts ge- tragen, durch das Erreichte gekräftigt. Denn allein das tugendhafte Handeln mehrt die Bemühung und steigert die Kraft. Darum blieb Moses, nachdem er einmal die göttliche Jakobsleiter zu ersteigen be- gonnen hatte, niemals stehen; darum kannte er niemals ein Ende seiner ! Gregorius von Nyssa, Vita Mosis, Ed. Morelli ı, $S. 220: Quid signifieat, quod in caliginem seipsum prius Moyses intromisit, deinde in ea Deum prospexit? Contrarium enim id quodammodo videtur primae visioni: nam tunc in luce, nune in caligine Deum videt. Sed id quoque a serie anagogiei sensus abhorrere non putamus: per hane enim diversitatem historiae docemur, quod religionis cognitio lux est ab initio illis, a quibus percepta est: quamobrem quod religioni oppositum intelligimus, tenebrae sunt, quarum depulsio non nisi lueis partieipatione fit. Verum mens ominis ad maiora semper et perfectiora procedens, quanto magis ad Dei speeulationem accedit, tanto magis per- spieit, quod divina natura invisibilis atque ineomprehensibilis est. Nam cum reliquerit non solun omnia quae sensu pereipiuntur, verumetiam cuneta guae mente inspici re) ac semper ad interiora progrediatur, tunc caligine undique eircumseptus invisibili et ineomprehensibili, Deum videt. In hoc enim consistit Dei vera cognitio, in hoc est eius visio, ut videas quod videri non possit, quod omnem cognitionem cognitio eius excedit, quasi caligine quadam ipsa incomprehensibilitate undique contenta. ® Gregorius von Nyssa Vita Mosis, Ed. Morelli 1, S. 221 D u. 222 A.B, Mine, deficerent, radices montis solus supe! itur. Deinde tubarum sonitus auribus per- vatus, ad haee invisibilia di- t, sed in tabernaculum nulla e finem pervenit, qui huius- modi ascensibus exaltatur. 400 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Bewegung, sondern klomm immer von Stufe zu Stufe. Sein ganzes Leben ist eine solche Stufenfolge von herrlichen Taten. Er rächte den bedrückten Hebräer. Erbegab sich in die Einsamkeit der Wüste. Er sah auf dem heiligen Berg das göttliche Licht und zog die Schuhe ab. Er vernahm den Schall der Posaune. Er trat in die Finsternis, er schritt in das Innere des göttlichen Zeltes, er lernte das Geheimnis des Priestertums. So oft und so herrlich erhoben, glüht er immer- fort vor Verlangen, gleichsam hungernd und dürstend, als ob er das entbehrte, was er doch schon genossen hat, und bittet, daß er Gott schaue. Er, der Liebhaber der höchsten Schönheit, hielt, was er schon gesehen hatte, nur für ein Abbild dessen, was er noch nicht gesehen hatte und begehrte dieses selbst, das Urbild, zu genießen. Das also erstrebt jene kühne Bitte auf‘ dem Berge: sie will nicht durch Spiegel und Bilder, sondern das wahre und eigentliche Antlitz der Schönheit genießen'. Und Gott, indem er diese Bitte abschlägt, erfüllt sie doch zu- gleich. Er sagt zu, zu tun, worum Moses bat. Aber er verspricht nicht ein Ende und ein Aufhören des Verlangens. Denn niemand kann so Gott schauen, daß die Begierde nach dem vollkommenen Sehen jemals erlösche. Gerade darin besteht die Anschauung Gottes, desiderio semper ardet, ac sic indesinenter sursum fertur, his quae peracta sunt ro- bustior facta: solum enim virtutis actio nutrit laborem, viresque auget. Quapropter ascendere coepisset, numquam stetit, numquam terminum motus novit, sed semper de gradu in gradum ascendebat, nec enim deficere unquam potest altior gradus. Ne- gavit falsam A ti inae iuneti qua filius eius putabatur: Hebraeum EyP ZOBB H ultus est, ad desertam et solitariam se transtulit vitam, quam humanae perturbationes non vexant, pavit cicurium animalium gregem, vidit resplendentem lucem divinam, abieeit calceos, ut facilius ad lucem accederet, in libertatem vindicavit suos, hostem undis vidit submersum, lucida nube duetus est, sicco lapide sedavit sitim, e coelo de- duxit panem. Praeterea extensione manuum alienigenam fudit, sonitum tubae audivit, caliginem subiit, ad penetralia divini tabernaculi ingressus est, sacerdotii didieit my- steria, simulachrum destruxit, propitium Deum reddidit, legem Iudaeorum pravitate dirutam restituit, gloria effulsit. Ac tot tantisque sublimationibus elatus adhuc ardet compelleret: quocirca supremae pulehritudinis amator, quod iam viderat, tam- quam imaginem eius quod non viderat credens, ipso frui primitivo desiderabat. ld ergo vult audax in monte illo petitio, ne per specula et imagines, sed per veram et propriam faciem frui pulchritudine posset. ? Burpach: Faust und Moses. 401 daß man niemals aufhört, verlangend mit dem Blicke ihn zu suchen. Darum sagt: Gott zu Moses: Du kannst nicht mein Angesicht sehen, denn niemand wird mein Antlitz sehen und leben. Nicht als ob Gottes Angesicht den es Sehenden den Tod brächte, sondern weil, obgleich Gott durch die Natur lebendig macht, es zu seinem Wesen gehört, daß er über alles Schauen hinausgeht. Wenn die Leben spendende Natur über alle Anschauung hinausgeht, dann ist das, was erkannt wird, nicht Leben. Was aber nicht Leben ist, kann auch nieht Leben geben. So also wird das Verlangen dem Moses auf solche Weise erfüllt, daß es ungesättigt bleibt!. Es lehrt die Geschichte des Moses, wie viel und wie Großes er im Leben vollbringen mußte, daß er in seinem Geiste den Mut fassen konnte, den Berg der Anschauung Gottes zu besteigen, das Getöse der Posaunen auszuhalten, in das Dunkel einzutreten, wo Gott ist und die auf Tafeln geschriel göttlichen Gebote in Empfang zu nehmen’. Ich mache hier zunächst Halt und stelle fest, was diese mystische Mosesbiographie des neuplatonisch gestimmten Kirchenvaters an Mo- tiven bietet, die in Goethes Faust anzuklingen scheinen. Der Aufstieg auf das hohe Gebirg am Morgen, das begleitende, hsende P getön, das voraufgehende Läuterungsbad, das Schauen des Lichtes der aufgehenden Sonne, das heißt der Gottheit oder der göttlichen Natur, das dem Auge des Schauenden als Dunkel- heit erscheint, die Unstillbarkeit der Begierde nach erhöhtem Empor- stieg, nach gesteigertem Genuß der Schönheit, das ewige Hunger- und en SE RIRTEBR ! Gregorius von Nyssa, Vita Mosis, Ed. Morelli 1, $. 238 A—C, Mıcxe, a. a. 0. S. 402 D—403 D: Divina vero vox per ea qux negat, concedit quod petitur, pauculis verbis immensam tenti: profundii subaperiens. Annuit enim facturum se quod petebatur: finem autem atque cessationem huius desiderii futurum non promisit, nec enim ita quispiam Deum videre potest ut videndi desinat desiderium. ‚Nam in hoc profecto Deus videtur, ut numquam desinas ad eum respicere. Quare, inquit: Non poteris videre faciem meam, nec enim videbit homo faciem meam et vivet [Exodus 33; 20]: non quia causa mortis videntibus sit illa facies (nam quomodo vitae facies Causa appropinquantibus mortis esse poterit?), verum quoniam etsi vivificat quidem Deus natura, proprium tamen suum est, ut omnem cognitionem excedat: Ideirco qui orum quae cognoscuntur, Deum esse opinatur, quasi deviasset ab eo qui est, ad id quod esse putatur, vitam non habet. Nam qui vere est, is vera vita est, et hie eogni- tione non comprehenditur. (Quare si haec vivificans natura cognitionem omnem excedit, non est profecto vita id quod cognoseitur: quod vero vita non est, id vitam Praebere non potest. Sie igitur desiderium Moysi adimpletur, ut insatiabile per- inaneat. * Gregor von Nyssa, Vita Mosis, Ed. Morelli, S. 217 D, Mıone, aa. 0.8.371 D: Docet igitur nos his omnibus historia, quot quantaque in vita gessisse illum oporteat, u eognitionis Dei montem ascendere mente audeat, et tubarum vocem sustinere, atque in caliginem ingredi, ubi Deus est, divinaque praecepta tabulis impressa suseipere. 402 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Durstgefühl des unendlichen Strebens, die Gleichsetzung des mensch- lichen Lebens mit diesem Streben, die Frage nach dem, was ‘Leben’ sei und heiße — alles dieses sind Züge, die in der Anfangsszene des zweiten Teiles der Fausttragödie hervortreten als Wegzeichen für den weiteren Gang des Dramas. Diese Züge kehren wieder in dem heilen- den, reinigenden Schlaf Fausts, den die Genien herbeiführen, in dem von Ariel geschilderten Posaunenton des Sonnenaufgangs (V. 4666 —7 2), in dem Monolog, der das Sichtbarwerden des Sonnenballs und gleich- zeitig die plötzliche Verdunkelung der Augen, die Verwandlung des göttlichen Lichtes in die Dunkelheit ausspricht. ‘So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!’ und ‘Am farbigen Abglanz haben wir das Leben’ — das ist die Erkenntnis, die Faust davonträgt. Sie gibt der folgenden aswicklung des Ben die Richtung. Sie ist die Palin- odie der B g des E istes, die Berichtigung und Umbie- gung der elegischen N: hwä i des früheren Monologs in Wald und Höhle, der für die zwiespältige Gabe des Erdgeistes Dank und Klage ausspricht, das Erwachen auch aus jenem Unendlichkeits- rausch, der ihn einst im Frühlingssturm der Maiennacht auf den Pepe des Brockens trieb. Diese vier Szenen, Grundsäulen der F: wurzeln in Motiven der biblischen Moses-Sage und ihrer neuplatonisch- christlichen Ausdeutung durch die Vita Mosis des Gregor von Nyssa. Die Erkenntnis, daß für den Menschen allein der farbige Abglanz des Lichtes das Leben ist, bringt den Verzicht auf das Schauen des Lichtes der (Gott-Natur von Angesicht zu Angesicht und ohne Spiegel (s. oben S. 388. 398) und berichtigt, wie sich unten zeigen wird, Fausts einstiges Verlangen nach dem ‘schaffenden Spiegel’' (Pa- ralipom. Nr. 11, W.ı4, S. 291, 20), dem Mephistopheles als diaboli- schen Ersatz den Zauberspiegel der Hexenküche unterschob. Meine spätere Darlegung wird die Frage erörtern, ob und wie hier auch ! Dies Motiv des Spiegels — von tiefster Bedeutung! — wurzelt in einer ungeheuer verbreiteten Tradition, die Goethe längst berührt haben mußte, che er die Disputation zwischen dem Jesuiten und dem Chinesen aus Erasmus Franeisei kennen lernte (Goethe an Schiller 3. 6. Januar 1798). Nicht erst aus diesem Buch, wie man vermutet hat, stammt jene Frage Fausts nach dem Spiegel. Wie der junge Goethe darüber dachte, lehrt der Schluß des zweiten Briefes im Werther (W. 19, S. 8,9—25): “Wenn ich. fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wesen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält, wenn's dann um meine Augen dämmert und die Welt um mich her und der Amndl ganz in meiner Seele ruhn wie die Gestalt der Geliebten; dann sehne ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! — Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen. Burpacn: Faust und Moses. 403 Plotin mit eingewirkt habe, auf welchem Wege oder durch welche Mittelglieder Goethe die allegorische Behandlung kennen gelernt haben mag, durch die Gregor von Nyssa in seiner Mosesbiographie Mosis Besteigung des Sinaigipfels bei Sonnenaufgang zum Ausdruck für das höchste Mysterium des Lebens gestaltet und dieses auffaßt als ein immer gesteigertes Suchen nach Gott, nach der göttlichen Natur und nach der niemals erreichten Anschauung Gottes. Sitzungsberichte 1912. 404 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Zu den Epitrepontes des Menander. Von Car RoßErT. Das Blatt D 3/4 der ‘Enirperiontec, das siebente des ersten der beiden gefundenen Quaternionen, ist kreuzweise durchgerissen. Die beiden Teile der oberen Hälfte sind uns in NT, der innere Teil der unteren in M erhalten, den äußeren hat Lrresvr£ unter den neuerdings hinzu- gefundenen Stücken in zwei aneinanderschließenden Fetzen VX er- kannt!. Leider ist er selbst an dieser schönen Entdeckung irrege- worden, aber nicht auf Grund des äußeren Befundes, sondern seiner Vorstellung von dem Verlauf der Handlung. Darüber später. Hier sei zunächst nur hervorgehoben, daß, wie ich zu meiner Freude bei Leregvre lese, M. Crosser auch jetzt noch geneigt ist, dieser Kombi- nation zuzustimmen, wie ich zu zeigen hoffe, mit vollem Recht. Auf jeden Fall aber verdient sie eine ernsthafte Prüfung und darf nicht mit einer eleganten Handbewegung abgefertigt werden, wie es soeben von A. Körre in der zweiten, übrigens an schönen Ergebnissen über- reichen Ausgabe seiner Menandrea geschehen ist?. Als Indizien für die Zugehörigkeit von VX zu D 3/4 bezeichnet LeEregvre£: les caracteres extrinsöques de cette bande de papyrus, sa couleur, son etat d’usure, also lauter sehr schwer ins Gewicht fallende Dinge. Zu den Caractires extrinseques muß auch gerechnet werden, daß die oberen Rand- linien von V zu den unteren von T vortrefflich passen (s. pl. XXXVI, XXXVIH und pl. XLI). Zwar lassen sie sich nicht ittelb fügen, aber sie verhalten sich doch zueinander wie etwa die Ostküste von Amerika zu der Westküste von Europa und Afrika, also wie Ränder ur- sprünglich zusammengehöriger Stücke, die aber infolge tausendjähriger Trennung abgefasert und verschlissen sind. Alles hängt also von der Frage ab, ob sich die Textreste auf VX mit denen auf M in Ver- bindung bringen lassen. So, wie Lerssvre früher wollte, geht das " Papyrus de Menandre $. IXff. pl. XLI. . ” Praefatio $. XVII n.ı: VX non posse coniungi cum fragmentis TNM quater- nionis prioris nemo negabit, qui textum ex eis conglutinatum in editione Lefeburiana p. XI accuratius inspexerit. rectissime Lefeburius ipse reprobat illam coniecturam, acceptam Oroiseto. Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 405 nun freilich nicht; soweit muß man A. Körrte vollständig recht geben; aber man braucht den Text von VX nur eine Zeile höher zu rücken', als es LErEBVRE getan hat, und man erhält einen Zusammenhang, wie man ihn bei der 'Trümmerhaftigkeit der Verse wohl kaum zu hoffen gewagt hätte. Denn mehr darf man nicht erwarten als den Nachweis, daß die Versanfänge zu den vorausgehenden Versenden passen und daß sich aus ihrer Verbindung ein der Situation entsprechender Sinn ergibt. Die entscheidende Probe aber wird sein, ob sich die letzten Versreste auf VX”’ mit den ersten Versen auf Y” in ungesuchter und natürlicher Weise werden verbinden lassen. Denn der neugefundene Fetzen Y gehört, wie Leresvre gesehen hat, zu demselben Blatte wie R; der Inhalt von Y beweist aber, daß dieses Blatt auf D 3/4 folgen mußte. Somit behalten v. Arsın und Körrz recht, die R schon immer an diese Stelle gesetzt haben, während Oroıser und ich es mehr an den Anfang des Stückes rücken wollten. Weiter hat aber A. Körre noch erkannt, daß dies neugewonnene Blatt YR das letzte des ersten Quaternio ist und daß somit nach der wichtigen von ihm über die Folge von Rekto und Verso im Cairensis gemachten Beobachtung” das Verso voranstehen muß. Da nun von VX der untere, von Y der obere Rand erhalten ist, so schloß der erste Vers von Y’ an den letzten von VX* unmittelbar an. Ich drucke nun auf S.406—409 den Text dieser beiden Blätter, deren zweites ich D 5/6 nenne, ab, indem ich VX an die Stelle rücke, die ihm nach meiner Ansicht zukommt. Bei den Lesungen folge ich meist Jensen und Körrr, auf dessen kritischen Apparat ich auch für die Ergänzungen verweise’; die dort nicht aufgeführten habe ich vorläufig eingesetzt, um sie später bei der Besprechung zu rechtfertigen, wo ich auch auf die Lesung der kritischen Stellen näher eingehen werde. Per- sonenbezeichnungen führe ich nur an, wo sie überliefert oder, besser gesagt, erhalten und erkannt sind; ebenso halte ich es natürlich mit den für unsere Untersuchung besonders wichtigen Paragraphoi. Um bequemer zitieren zu können, habe ich den Versen ihre eigene Nume- rierung gegeben, füge aber die Zahlen der Körreschen Ausgabe in Klammer bei. ı Daß dabei der erste Vers erst von VX*v eine Zeile höher zu stehen kommt als der von VXr, ist ganz in der Ordnung; denn NT enthält auf dem Rekto 8, auf dem Verso 7 Zeilen, M auf dem Recto 3, auf dem Verso 2. Auch Leresvre hat dem Rechnung getragen, denn bei ihm kommt der Anfang von XVr in die 13., der von XV* in die ı1. Zeile zu stehen. Das Umgekehrte ist bei dem folgenden von mir als D 5/6 bezeichneten Blatt der Fall, wo R auf der Vorderseite in der 4., auf der Rück- seite in der 5. Zeile einsetzt. ? Bericht. d. Sächs. Ges. 1908, 87 fl. ® Selb ändliche Ergä habe ich als solche nicht bezeichnet. Pr 406 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom (375) (380) u D3. TIEPIEPFACAÄMENON Ä AANHCANT’, EKTEMEIN Alaum” EMmayTo? ToYc ÖAöNTAC’ Ann’ OYTocı Tic &ce’ d mPocıon; CmikpinHc ÄNACTPEBEI &z Äctewc TIÄRIN TAPA(KTI)KÖC ExwNn AFTIC. TIETIYCTAI TÄC ÄN(HO.. 2... .)IC map TINOC 0YToc; errı(0AUN 7\3 B)oYaomaı TIONEN ELMANTON Se ne san are. Ds AOKEIN Wr rnit me dei. 10 8 » a DB ER ON ER a a ee Sa VON RE EEE LT /STAHNRJAH BES Eee ee ehe en THRON EN ee eh. ION TOTHORIA = Eee aa TAG) VAATPIAG EAN ÄNTON an 3 BR UNE ITRHO SSH TINEON AM[EPON 32 Aa een AYTONZ AJANA CS re NOR OIMOE TANAC ee ARSCH KONDNDIC ee een DROCHAO a Bre: THN.E. u SETS ER IU TIYNBAN(ÖMENOC 2 nennen. THC EME GIRO Se ee ea 0 Porn ee Seren ee ih RAT YÄNTRIR ee ee er RTROL TYAD; Benseseeonnenescnenen AA)AA KXAPETO Re nee an RR TIDANAN OLD een eh een en WNERTHCEMH a a “222..H MOI MÖNH es ee ER STRTHN ATNOTN 2. Mai 1912. ER Eee Yy. 10710 TE pr (385) (395) cM/ XAP/ cmı/ Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 407 D4. 35 OYAelC .K..1... ErTeroc YMIn: TIOIKIAON N’ ÄPICTON ÄPICTÜCIN. @ TPICÄBNIOC "Erb KATA TIOAAA' NN MEN OFN OYK 0la’ örwc ANICKOREN er. K.00, Ann’ EAN TIÄNIN ..marelpoy T(IC) TYXH .. € . ANEIT EIC MAKAPIAC. ei AR TINOE cMI/ KA... XalPieh, 2.222... TAC Yan)Tplac. NOS Bee WelIRA VRMSARATE .e)xovcı AH ne ne BOY)AOMAL N 2, oe... Acrrain’ olKlAC, & Hrläraeie 2. .eenn nn... Cimmlac. AmlomleN nennen ee een NH r)ön "Haıon KRPDTS TR ee TANTHN ero . TAc ÖePp?c GR TPOHN ÄP see conese rennen. 6 CHÄND Once nenne Eror’ ambnlwaa une ne ren ÖKNHPdLC «nn nenne re EN OMEATEPA scene a 6 TÜETOR IK. a seuonennn nun une een ne a AABÖNT" AlMATATEIN urn eeee een TAPAKAK an ei ee IAKONE ae ehe le 7.0 er margo. Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. 408 D5. margo. > “YMOn Eralpoc 0FToC O....Hc (oAl)net(aı HIMAÄRION -ER-TIOPNHC ss see ce HPOCWMON) 6 ae (409) EM nen anne inen.en STIe- NR. Ns NEUN. Be RS HM) AAR Br TETAT . TO)? AvcTyxoFc: - TÖ)N AYcTvYXR: “2. N" Ann Icoc erw MOAYTIPATM(OND .....)@ TE TON EMON TIPÄTTW KATÄ AÖTON EZÖN ...EI)N THN OYFATEPA (424) AABÖNTA' TOPT’ Eme....EIcw KAl CXEAöN 35 ACAOrMEnoNn N(?N NEI" MAPTYPOMAI YmAc a’ dmo..... mee’ ÖNn E(keinoc ... OVIATOPA ee > BEN: ee, Chun cr KÄPTEPLIRDE Icon. ee desunt versus fere 14. Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. margo. ti MiceT TON HAYN AEFÖMENON TOFTON BION. SCHNEM 2... 2. EKEINOC Ecxen ECTIEPAC » . „EN A’ AYPIO[N . . . EIN! Exei Foo. MEPDC. Tr sa ee (426) A ma meice.. nenn eos nennen ch HMIN KEKHA(EYKÜC. » Yrundc Ün Tıe (.... 0YK OI)MÖEETAI KATABGAPEIC T’ EIN MATPY)nelw TON BION 105 MeTÄ TÄC KAnAc TYNAIKöc, AN Erreicärei, (431) Bibcee’; HMAc A’ .... AE TINÜCKWN AOKÖN TEN eier 2... HzeI AABON En ee Sunnenne. A)HANANH N 2... &Mmol AoKel et an ee ee „EcTI Mol desunt versus fere 15. 409 410 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Ehe ich auf den Zusammenhang eingehe, hebe ich als Stichproben ein Paar Stellen von M+ VX heraus, indem ich, zunächst nur probe- weise, ergänze: 15 META TÄC) YAATPIAC zAn AYTöN ....Hc (Name oder Stand) Eon tıaeon hm(eran (Zahl) 22 ayt oder Asrortön)oy TO?T6 re TIYNean(Ömenoc. 24 TPÖTI@ enarw(nio #8 ÄPICT)OCI KA) meleyoycı 59 Ti a’ &xeıc cY) TÄc deP?c EmAnw; eleneıc - Hoffentlich lehren diese Beispiele, daß der Versuch zu wagen ist, auf Grund der vorgeschlagenen Zusammensetzung den Verlauf der Handlung zu ermitteln. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, die sprechenden Personen festzustellen und die einzelnen Verse auf sie zu verteilen. Die ersten Verse auf D° spricht bekanntlich noch Onesimos', ehe er vor dem herankommenden Smikrines die Flucht ergreift. Und zwar läuft er nicht, wie ich früher fälschlich annahm, seitwärts ab, sondern ins Haus. Denn erstens ist er dort vor Smikrines am sicher- sten, und zweitens gehört sich’s doch, daß er'beim Frühstück seinem Herrn aufwartet; er hat sich nur V. 202 auf einige Zeit davonge- stohlen, um dem Publikum seine Not zu klagen. Endlich hat er auch das dringendste Interesse daran, das Vorgehen der Abrotonon aus der Nähe zu beobachten. Wiranowırz’ Ergänzung von V. 7.8: oYa’ TaeIN AYTON) Aokein' rPö(Teron rAp Asrötonon TI APA TNÖNA)| me Aei trifft daher dem Sinne nach gewiß das Richtige und vielleicht sogar den Wortlaut. Die vielbesprochenen Verse ı. 2 (358. 359) sind, abgesehen davon, daß man mit Wirasowirz entweder Ann’ streichen oder dai statt oYToci einsetzen muß, meiner Ansicht nach ganz in Ordnung. Allerdings erwartet man, daß Onesimos, wie d alte Euclio in der Aulularia 250ff.: si hercle ego te non elinguendam dedrro usque ab ra- dieibus, impero auctorque ego sum, ut tu me cuivis castrandum loces, von seinem Örxeic sprechen wird; AI6TI ol Ö6aöntec oYK EKTEMNONTAI, Ann EzeAKoNTAl. Aber wir haben es mit dem Schema rıaP’ Yrıönosan zu tun. Der Sch pieler soll deklami : EKTEMEIN Alaum &mayTo? ToYc 6-AönTac. Etwas genau Entsprechendes fällt mir im Moment nicht ein, aber eine gewisse Analogie bietet die Aposiopese in den Vögeln V. 442 ff. MHA” ÖPYTTEIN: OYTI TIOY TON (Sc. TIF@KTEN) ; OYAAmöc: oYk, AnnA TOssanmo Aero, wo Valkenaers Änderung Töna’ schwerlich richtig ist. e Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 41l Vor V.9 steht die Paragraphos, und obgleich die Personenbe- zeichnung durch einen tief in den Seitenrand eingreifenden Riß ver- lorengegangen. ist, kann dem Zusammenhang nach der Sprecher nur der von Onesimos angekündig ikri sein. Das Ende von V. 10 und der Anfang von V.ıı ist bei Orion erhalten (fr. 882 KR): er kmönıc) önn r(Ap Älaeı TO KAKÖN. Smikrines hat also bei seinem Gang nach der Stadt (V. 4) den Zweck verfolgt, sich nach dem Treiben seines Schwiegersohnes, der ihm bisher als ein sittsamer, ernster, junger Mann bekannt war (V. 487 fi.), näher zu erkundigen‘. Die Auskunft lautet niederschmetternd V.ı0: Kcot(6c Ecrı); vgl. fr. 615 6 a’ Äcwröc Ecri, TIOAYTEANC, @PACYC CoÖapa, das aber selbstverständlich in ein anderes Stück gehört. Die ersten Worte V.g können etwa &znı[peenn TOn öknon gelautet haben; vgl. V.62 ökn#röc. Auch im folgenden wird von dem liederlichen Treiben des Charisios gehandelt: V. 14 rinen, V. 15 f. merA TAC) YAnTPIAc ZAN ANTÖN en... nc (d Acina) Eon rıneon Am(eran — seit drei Tagen hat er sich des Umgangs mit Abrotonon enthalten (V. 223), vorher aber doch einige Zeit gewiß ihre Liebe genossen; vgl. 217 f. oYKerı m’ ER rAP oYac KATAKEICBAI TÄMAN TrAP° AYTON »jetzt duldet er mich nicht einmal beim Symposion in seiner Nähe«, — also etwa ron hm(erßn dKto. V.15 oYnoma geht vielleicht darauf, daß der Alte den Namen des Mädchens noch nicht kennt und auch nicht in Erfahrung bringen konnte. In diesem Falle ist es möglich, daß rAc vantriac nicht zu dem folgen- den, sondern zu tofnoma gehört und dann asyndetisch fortgefah wurde. Übrigens scheint es nach diesem allem, daß auch Smikrines, wie früher Charisios, eine Zeitlang abwesend war und erst an dem Tage, an dem das Stück spielt, zurückgekommen ist. Da an dem von V.ıo bis V.25 noch erhaltenen linken Seiten- rande keine Spur von einer Personenbezeichnung sich findet, auch eine Paragraphos nirgends zu entdecken ist, so vermutet Jensen (Rhein. Mus. 1910, 548), daß Smikrines bis V. 25 weiterspricht. Da nun aber notorisch V. 35 noch eine zweite Person auf der Bühne ist, so müßte diese zwischen V. 26 und 34 aufgetreten sein, wo die Versanfänge fehlen. Indessen ist die Paragraphos entweder so unregelmäßig ge- setzt gewesen oder so häufig verschwunden, daß JEnsens Schlußfolge- rung keineswegs zwingend erscheint. Es kommt hinzu, daß die er- haltenen Reste V. 2ı mrochne(on oder Ane(en, V. 22 öTe TAN, "W220 ToFT6 re mynean(ömenoc nieht nach Reflexion, sondern nach Erzählung ! Siehe auch A. Körrz, S. XXI. 412 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. aussehen, die an dieser Stelle im Munde des Smikrines befremdlich ist. Auch dürfte oimoı TAnac schwerlich anders als am Anfang einer Rede gebräuchlich sein, vgl. Sam. 253, fr. 567 K. und namentlich das Fragment aus dem °E des Pherekrates 5ı K. KÄN MEN CIWTI®, TEIPETAI KAl TINITETAI KAl @HcI: TI CIWrAc; EAN A r’ Amokpıeß' OIMOI TÄNAC, ®HCIN, XAPÄAAPA KATEAHAYBEN. Es bleibt also doch sehr zu erwägen, ob die neue Person nicht schon V.ı9 mit den Worten oimoı TAnac auftritt. Daß diese Person der Koch ist, hat man mit Recht allgemein aus V. 39 geschlossen. Wie war dessen Auftreten motiviert? Wenn Supnaus V. 35 mit Ver- wertung von fr. 185 K. richtig zu oYaeic &xinoc Ereroc vmin ergänzt hat, würde er ein größeres Geschirr verlangen, und hierauf müßte sich dann die B kung des Smikrines roıkinon Ärıcron Arıcröcın beziehen. Aber warum tritt der Koch zu diesem Behufe aus dem Hause heraus? Von Smikrines kann er doch nicht erwarten, daß dieser zufällig einen großen Topf bei sich habe, und weiter ist ja niemand auf der Bühne. Oder spricht der Koch die Worte etwa hinter der Szene? Oder beim Her- austreten in das Haus zurück? Beides gleich unwahrscheinlich. Und warum ist er denn, wenn anders die Worte V. 36f. ihm wirklich ge- hören, so unglücklich & Trıckeneoc &rü KarA rroanA? Nur weil er keinen größeren Topf bekommen kann? Man sieht, die Ergänzung von Sun- HAUS paßt, obgleich sie A. Körre in seinen Text aufgenommen hat, in keiner Weise zur Situation. Erwägen wir nun, unter der Voraussetzung, daß der Koch schon bei V.19 aufgetreten ist, welche Vorgänge sich unmittelbar vorher im Innern des Hauses abgespielt haben müssen. Wenn alles programm- mäßig verlaufen ist, hat sich Abrotonon dem Charisios genähert, hat wie zufällig den Ring sehen lassen und dadurch dessen Aufmerksam- keit erregt. Er fragt, woher sie den Ring habe. Nun muß aber not- wendig eine Störung eingetreten sein; denn ganz so, wie sie geplant ist, darf die Intrigue nach den elementarsten Gesetzen dichterischer Komposition nicht verlaufen. Diese Störung oder Retardierung zu bewirken, ist nun der Koch die gegebene Persönlichkeit. Er hat sich schon in der ersten Szene des Stückes selbst als sehr neugierig ein- geführt, fr. 2*. 3* Kör. OYAEN TAYKYTEPÖN ECTIN A TIÄNT” elaenaı. Daher wird er sich, als er den Ring sieht und die Aufregung des Charisios bemerkt, leise näher geschlichen haben. Dieser Hypothese fügen sich die Fragmente. Es kann z.B. dagestanden haben: Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 413 olmoı TÄnAC, (KAINÖN TI KYKÜCI AHAAA)H. KoINWNÖö(c EINAIı BOYAömenoc Wc Heyx)A mrochne(on, und dann entweder von sich selbst aYTo)? ToPTö re riYneancömenoc oder von Charisios ABPoTöno)yY ToPT6 re tiyneancömenoc, Vorschläge, die natür- lich nieht den Anspruch erhalten, den wirklichen Wortlaut des großen Dichters herzustellen, sondern nur zeigen wollen, wie die Verse gelautet haben können, und daß die Reste zu der gesetzten Situation passen. Aber dem Koch scheint seine Neugier schlecht bekommen zu sein; denn mit dem Schrei ofmoı TÄnac ist er aus dem Hause gestürzt. Wie es weiter ging, ist leicht zu erraten. Man wird sein Heranschleichen be- merkt und ihn auf nicht gerade sanfte Weise weggewiesen haben, nach Turnerart, wenn V.25 enaro' von Körrz richtig gelesen und von mir richtig zu Trörıw &narw(nig) ergänzt ist. Das kann Charisios selbst gewesen sein; dann wäre am Ende von V.23 5 at Aecmö)THc me zu ergänzen; oder Onesimos, der durch die Neugierde des Kochs das Spiel der Abrotonon gefährdet sieht. Auf jeden Fall scheint eme zum folgenden zu gehören und eiaoı Anrede zu sein; also entweder sincı eeoi oder, wie sonst Anarec (Er. 466, Sam. 54. 114. 338), An- rede an die Zuschauer, was ich zwar anderweitig nicht belegen kann, was mir aber in seiner impertinenten V' lichkeit für diesen unver- schämten Gesellen sehr passend erscheint. Solche Behandlung läßt sich natürlich der Koch nicht bieten. Aus Zorn sowohl über die un- befriedigte Neugier als über die erhaltenen Schläge läuft er davon: V.28 An)aA xaıperw. Mit den folgenden Versschlüssen läßt sich nicht viel anfangen, zumal V. 30, wo Leresvre hinter # keine Spur eines Buchstabens erkennen konnte; er schreibt: »je ne vois aucune trace de lettre apres H final, mais si la lecture EMH est ewacte (€ et H douteux), il faut probablement conjecturer la disparition dun C, & TAc &mfc«. Un- bedingt nötig ist das freilich nicht, da man auch wn &krtHc &mA trennen kann; in welchem Zusammenhang aber diese Worte gestanden haben könnten, vermag ich nicht anzugeben. Immerhin läßt sich soviel er- raten, daß der Koch mit Emphase von sich und seiner Kunst ge- sprochen hat: 29 ronnAN er, 32 H Mol MÖNH und vielleicht V. 30 &« TAc @mAfc) (Texnnc). Danach läge es nahe, V.35 oYaeic (mAre)ı(roc) Ereroc Ymin zu ergänzen, und wenn man die maßgebenden Lesungen mitein- ander vergleicht, scheint diese Ergänzung in der Tat nicht ausgeschlos- sen: .K..ı... Jensen, .N..ı.. KöRtE, AN ss Leresvee, der hinzufügt: »A me parait assez sür, N ensuite est possible, au milieu de la lacune peut-etre un autre N (en tout cas une lettre avec haste verticale). ! enare (vel ®) Kö., enant Ler. 414 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Es käme also darauf an, ob der von Lrresvr£e als A gelesene Buch- stabe ein M, der von ihm und Körre als N, von Jensen als K ge- lesene Buchstabe ein A sein kann. Das zu entscheiden, muß der Nach- prüfung des Papyros überlassen bleiben. Die Möglichkeit dieser Er- gänzung vorausgesetzt und angenommen, daß das allein von Körre auf der Photographie am Schluß von V. 34 gelesene cw auch ro sein kann, würde sich der hübsche Satz ergeben: AEINöc, üc Er)o, oYaelc (mAre)ılroc) Ereroc Min. Dann können mit Ymin Charisios und seine Gäste, aber nach dem oben Bemerkten auch me Zuschauer gemeint sein. ber vorh t offenbar Smikrines noch einmal das Wort genommen. Denn was sollen in dem Bericht des Kochs die «veoı! V.27? Wenn man nämlich an dieser Lesung Leregvres festhält, so läßt sich in den Vers des Fr. 9gı4K einsetzen: möroı cynexeic «yeoı. Also z.B. V. 26ff. KÖNAKEC) Kal YÄATPIA, (rerwc, BoR, möToı eYnexeic), KYBOI’ TYXW (£rreikAcac Kal Meizon;)”, falls dies für den cholerischen Alten nicht zu tragisch ist. Ich möchte also glauben, daß die erste Rede des Kochs von V. 19 bis zur Mitte von V.26 reicht; dann Smikrines von da bis zur Mitte von V. 28; dann, von ÄnnA xaıpetw an, wieder der Koch. In V.35 zeigt ein Doppelpunkt hinter Ymin Personenwechsel an. Seit die Lesung Arıcröcın statt des früher gelesenen Arıcrömen feststeht, kann es nicht ifelhaft sein, daß Smikrines die Worte: rioıkinon ÄPIcTon Arıcräcın spricht. Wenn der Koch, wie wir annehmen, vorher seine Künste gerühmt hat, könnten sie sich auf das bunte Menü beziehen, aber wahrscheinlicher und mehr im Charakter des Smikrines ist es, daß sie ironisch gemeint sind: »ein abwechslungsreiches Frühstück, bei dem der Koch geprügelt wird und dann davonläuft«; vgl. Kithar. fr. 8 Kör. oc noıkiaon rıPArm’ ecri Kal TIAANON TYXH. Die folgenden Worte: & rrickenioc ru «ra. lassen sich aber hier- mit in keiner Weise verbinden, am wenigsten die doch wohl in V. 39 steckende Verwünschung des Kochs, der ja den Smikrines gar nichts angeht, und obgleich hinter ärıcröcın kein Doppelpunkt steht und die Paragraphos vor V. 37 ‚nach MANS FEER Anbe unsicher ist, wird man doch einen ab h müssen, wie es auch A. Körre tut. Aber daß der Koch diese Worte sprechen sollte, ER. Kbarz glaubt = der Photographie «Ysoy zu erkennen, wovon ich mich nicht habe überzeugen kön: Vgl. Choeph. 14 Amarpi A Tand TÄCA’ ErIeIKÄCAC TYXw XoAC BEPOFCAC; Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 415 ist wenig glaublich. Wie sollte der dazu kommen, sich selbst zu ver- wünschen? Der weinerliche Ton paßt mehr für Onesimos, dem man ja auch früher, als man noch Arıcrömen las und dahinter keinen Per- sonenwechsel annahm, die ganze Versreihe zu geben pflegte. Die Her- stellung von V.38 bis V. 40 ist noch nicht geglückt, aber der Gedanke scheint zu sein: »Diesmal bin ich noch glücklich durchgeschlüpft; aber wenn es einer noch einmal mit solch einem nichtswürdigen Koch zu tun hat, soll man ihn totschlagen«, auch im Aufbau ganz ähnlich den Worten desselben Sklaven V.355ff. (=D 3, ıff.): Kai nn xaPıentwc EKNENEYKENAI AOKD . ... - » ÄN A& TIC AÄBHI m’ ETI TIEPIEPFACÄMENON Ä AAAHCANT/; erremein alaunı crn. Diesen Gedanken bekommt man in Körres Lesung: all)JackeaA n.... (m)yxyoc nicht hinein, die auch darum bedenklich scheint, weil sowohl Rıccı als Jensen die Möglichkeit, ara zu lesen, be- streiten. JEnsens eigene Lesung A.cKen.N ..... x.oc führt auf -usu= ou. Am Anfang wird das Verbum in der ersten Person 'ge- standen haben, dann vielleicht Aenrr)oc. In V.40 muß .aneit eic makaplac die Apodosis sein; also doch wohl K)aneit’; denn das Futurum BJaneit’ ist unverständlich, wenn man es nieht mit Carrs als Frage faßt; dann aber müßte oy vorhergehen, während von allen Augenzeugen €, von JENSEN ıe gelesen ist. Also, wenn man Wiramowırz’ schöne Emendation annimmt x)aneir’, eic Makaplan'. Das sännere ist, wie Aristo- phanes’ Ritter 1751 zeigt, überflüssig. Es würde also, wenn ich mit dieser Vermutung Recht habe, nach dem Koch, der sich V. 35 gleich aus dem Staube macht, Onesimos herausgekommen sein, glücklich daß die Störung der Intrigue durch den Koch noch so glimpflich abgelaufen ist. Warum er herauskommt? Vielleicht um zu sehen, ob der Koch auch wirklich fort ist, vielleicht, um nach Art der Komödiensklaven, dem Publikum seine Empfindungen mitzuteilen, wie er es schon zweimal vorher getan hat. Neben V. 4ı finden wir die Personenbezeichnung Smikrines. Da diese aber am rechten Rande steht, muß den Anfang des Verses ein anderer gesprochen haben, also entweder noch Onesimos oder eine neu- auftretende Person. Im ersteren Falle könnte man einen Augenblick daran denken, hier das Verbum zu eic Maxkapian also sAnnere oder BÄnne einzusetzen. Aber es leuchtet wohl ohne weiteres ein, daß bei diesem Fluch das Verbum wohl fehlen, aber nicht nachgestellt werden kann, und daß die Rede des Onesimos mit eic Maxarian eindrucksvoll schließen muß. Erwägen wir also die andere Möglichkeit. Nach den am linken Rande erhaltenen Personenbezeichnungen spricht Smi- krines V. 47, Charisios V. 48, und zwar spricht Smikrines von oder zu Charisios. Daß er ihn mit diesem Vers erst aus dem Hause ruft, scheint ausgeschlossen. Selbst wenn der junge Mann geneigt sein 416 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. sollte, einem solchen Rufe ohne weiteres Folge zu leisten, kann er, da er im Kreise seiner Freunde beim Zechgelage sitzt, so schnell nicht erscheinen. Also muß Charisios schon vor V. 47 aufgetreten sein, und wahrscheinlich aus eigener Initiative. Da haben wir also die Person, die den Anfang von V.4ı sprach. Wie kommt er aber auf die Bühne, wenn er nicht von Smikrines gerufen ist? Machen wir uns wieder den Verlauf der Vorgänge im Hause klar. Die Ex- plosion muß jetzt erfolgt sein. aapatoheh ba% das Findelkind für ihr eigenes, von Charisios st; geg Aber was sie vorher in der summarischen Darlegung ihres Planes (V. 296 ff.) nicht erwähnt hat, sie muß, um ihre Lüge glaubhaft zu machen, beweisen, daß der Ring bei dem Kinde gefunden worden ist, und ihr Zeuge hierfür ist Onesimos. Als Charisios diesen im Speisesaal nirgends erblickt, tritt er aufgeregt heraus, ihn vor der Tür zu suchen. Also mag V. qıf. etwa gelautet haben: (CHAR. ’Onäcım’, ieröcyne mal. SMIK. BoR)c') Tinoc (AKovca;) Die folgenden Wortreste sind zu trümmerhaft und zu unsicher gelesen, um eine auch noch so problematische Herstellung zu gestatten’. Nur errät man leicht, daß nach dem Zwisch f des Smikri Chari- sios wieder das Wort ergreift und dem Sklaven befiehlt, ihm ins Haus zu folgen. Wenn auf das Fehlen der Paragraphos vor V. 44,45 etwas zu geben ist, müssen diese dem Charisios gehören, vorher aber Onesimos eine kurze Replik gehabt haben. Wenn also am Ende von V. a5 m)az ergänzt werden darf, liegt es trotz des Fehlens der Paragraphos nahe, dies Wort und den folgenden Vers dem Onesimos zu geben (s. Anm. 2). nee: der während dieser ganzen Szene beobachtend im Hi tanden hat und weder von dem Koch noch von Onesimos noch. bisher von Charisios bemerkt worden ist, ruft nun seinem Schwiegersohn den V.47 zu, der sowohl oben wie unten die Paragraphos hat: RE. TAc vYan)TPiac. Da nur die beiden Schlagworte erhalten sind, wäre es vermessen, mL Vers STERIREN zu wollen. Aber eine kräftige Bosheit muß er ' Allerdings liest Jensen oTInoc, was indessen kaum irgendwelche Ergänzung Aue . . Ler., en Kör.; 45 A.A= nur Kör.; wenn richtig gelesen, viel- leicht nicht Xinaz, sondern A.mAz. Das letzte Wort könnte dann Onesimos sagen, ebenso V. « und dann im Haus verschwinden, 46 Enon JENSEN (rINÖmenoN?), enoc LEr., enoaoc Kör Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 417 enthalten haben. Hat Smikrines seinen Schwiegersohn höhnisch nach dem Befinden der Zitherspielerin oder nach ihrem Namen (vgl. V. 15) gefragt? Oder gar ihn gebeten, ihm das Mädchen zu zeigen? Ihm Zutritt zu ihr zu gewähren'? Auf etwas derartiges scheint nämlich die Antwort des Charisios hinzudeuten, wenn wir sie etwa folgender- maßen ergänzen: NOF(n oYK Exeıc. Oi a’ Enaon ÄPIcT)ücı Kal me(syoycı’ TAFe’ dPAN eeneıc evr’; Vor jedem der drei folgenden Verse steht die Paragraphos. Mithin gehört V. 50 dem Smikrines, V. 5ı dem Charisios, V. 52 wieder dem Smikrines, also lebhafte Rede und Gegenrede, aber nicht stichomythisch, denn mit Ara re” V.49 kann keine Rede schließen, vielmehr beginnt hier die Replik des Smikrines. Dasselbe gilt von dem folgenden Versschluß &xoycı at, der offenbar den Anfang von Chari- sios Erwiderung enthält, und rmenmriein INA, welche Worte wieder dem Smikrines gehören müssen. Somit ist diese Versgruppe folgender- maßen zwischen die beiden Personen zu verteilen: 7 Sm Kalpla 2 RAR TAc YanTpiac. CHAR. noF)n oYK &xeic. ol a’ EnaoN ÄPICT)OCI Kal me(eyoycı’ TAFe’ DPÄN e&neic cyr’;) Sm. ApA re a CHAR. Tap)exoycı AH OlHMeia?) .. SM... er. ceeee me)nmein Ina KA. Bei V. 5ı scheint Charisios ins Haus zurückgekehrt zu sein. Smikrines bleibt auf der Bühne allein zurück. Der Inhalt seiner nächsten Worte läßt sich aus dem Erhaltenen leicht erraten: V. 51 etwa Act TÄHN EYrATep” ÄTIOME)MTIEIN INA KTA. Nun wo er, was er in der Stadt gehört, mit eignen Augen bestätigt sieht, will er energisch auf die Herausgabe seiner Tochter und der Mitgift (V. 52 TA xPAmata) dringen; aecron’ otklac (V. 55) geht entweder auf Pamphile, der diese Stellung versagt wird, oder auf Abrotonon, die sie sich, nach dem Wahn des Smikrines, anmaßt. Mit V. 56 tritt eine neue Situation ein; das lehrt der verwun- derte Ausruf: ö "HrArneıc. Daß der am Schluß desselben Verses ge- nannte Simmias nicht der Koch sein kann, brauche ich nach dem Gesagten nicht noch ausführlich auseinanderzusetzen. Darin aber hat A. Körre recht, daß mit der Personenbezeichnung zu V. 90: c./ die- Wenn V. 520f. TOIAYTHci TAP OYK Anecxet’ ÄN keinoc, ET TOT’ olaA, wie es den Anschein hat, auf Smikrines geht (vgl. unten S. 33), so war dieser, unbeschadet seiner Bärbeißigkeit, als Freund des weiblichen Geschlechts gezeichnet. Daß so zu lesen und nicht etwa mi)apA re zu ergänzen ist, bedarf wohl keiner besonderen Begründung. 418 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. selbe Person gemeint ist. Es ist dort also C(l)/ zu ergänzen. Dieser Simmias ist also V. 90 auf der Bühne, und da Smikrines V. 56 mit einem Ausruf der Verwunderung seinen Namen nennt, muß er an dieser Stelle aufgetreten sein; jedoch nicht allein, denn V. 71.sagt jemand: vmön &raipoc ofroc, womit natürlich nur Charisios gemeint sein kann. Also müssen mindestens zwei von Charisios’ Zechkum- panen auf der Bühne und bei V. 56 aus dem Hause getreten sein, beide natürlich von Smikrines dort mit Namen bezeichnet. Der des zweiten ist ausgefallen; setzen wir einen beliebigen, der dem Vers- maß entspricht, ein: ö "HpAlkaeıc, d Mocxion x) Cımmiac. Am Anfang des nächsten Verses 57 ist arııwm gelesen und Äniwmen mit Sicherheit ergänzt. Wir werden also diesen Vers trotz der fehlenden Paragraphos' dem Simmias geben, und das um so zuversichtlicher, als V. 63 die Personenbezeichnung CMI/ und Paragraphos hat, vorher also jemand anders gesprochen haben muß. Innerhalb dieser Verse muß Smikrines von Simmias erfahren, was im Hause vorgegangen ist; denn V. 72 weiß er es: rrA1aAPıon &k tröpnHc; aber wohl bemerkt, er braucht nur diese angebliche Tatsache selbst, nicht die Details der Entdeckung zu erfahren. Von dem Ring braucht er nichts zu wissen, auch nicht, daß es sich um dasselbe Kind handelt, das er als Schieds- richter dem Syriskos zugesprochen hat. Die Verse 57—62 scheinen diese Mitteilung nicht enthalten zu haben. Aber V. 65 steht Teroxer’,' was man wohl nicht mit Leregvre und KörteE in Teroxe «k, sondern in Teror’ &k zerlegen muß; also Teror’ &« (Xarıclov). Diese Worte können dann aber nicht mehr zu der mit V. 63 einsetzenden Replik des Smikrines, sie müssen trotz der vor V.65 fehlenden Paragraphos dem Simmias gegeben werden, so daß innerhalb von V. 64 Ben wechsel war, vermutlich nur durch den Doppelpunk wie auch sonst bei lebhaftem Dialog häufig im Cairensis, z. ;B, auf B 2. Doch wir müssen zunächst wieder zum Anfang der Rede des Simmias zurückkehren: V. 57 Arlamlen zen neneaseeen NA T)On "Hain. Nachdem das Kind in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist, wird es den beiden drinnen ungemütlich; an eine lustige Fortsetzung der Zecherei ist nicht mehr zu denken, darum verlassen sie das Haus. V.58 z. B. mıkpo? (r? Ärennirhn reAön). TAYTHN erö TIPOHN AP... scheint ! Übrigens glaube ich auf der Photographie die schwache Spur einer solchen zu erkennen. Dieses TEToKe, das an dieser Stelle des Stücks, wie ich oben zu zeigen hoffe, ganz an seinem Platz ist, trägt die Schuld zu daß Lerepvre an seiner wunder- schönen Entdeckung irre geworden ist (S. XI). Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 419 sich auf’ Abrotonon zu beziehen. Hat der Sprecher vielleicht gesagt, daß er sich an dieser, die sich jetzt als junge Mutter entpuppt, kürzlich beinahe vergriffen hätte!? Übrigens scheint es nicht ausgeschlossen, daß hier beide Freunde durcheinandersprechen, was dem aufgeregten Charakter der Szene noch angemessener sein: würde, wie es ja von vorn- herein wahrscheinlich ist, daß »Moschion« kein kwsön TIPöCWTION War. Dann wäre innerhalb des Verses 57 Personenwechsel gewesen, vor nA Ton “Haion nur durch einen Doppelpunkt bezeichnet. Bei V. 59 erblieken sie den Smikrines. Man könnte, wie schon oben (S. 3) an- gedeutet, versuchsweise ergänzen: TI a’ &xeıc cY) TÄc ÖeP?c EÄNW; BlEreic 2.2... Die beiden nächsten Versanfänge 61 &rur’ Amöawna und 62 ÖrnHpöc gehören offenbar wieder dem Smikrines. Da nun neben V.63 CMI/ und vorher Paragraphos steht, muß innerhalb des V. 62 Personen- wechsel gewesen sein und eine kurze Replik des Simmias den Schluß des Verses gebildet haben; denn mit &meira an beginnt Smikrines offenbar eine neue Rede. Möglich ist, daß an dem verlorenen rechten Rand mehrfach Personenbezeichnungen standen. Die Verteilung dieser Verse stelle ich mir also folgendermaßen vor: 56 SMI. & ‘Hp(Axneıc, & Mocxiwn x0) Cımmiac. SIM. Aniom(en 22... ..- MOS. nA r)ön “Haon, mikpo® (r’ Ämernirhn ren@n)' TAYTHN Er& TIPÖHN ÄP . une» TI a’ &xeıc cr) TAC Öer?c Errino, eleaeic....nnorenreerenenener SMI. Erur’ Anönlana) urn reeeerreer rennt ÖKNHPÖLC) «ee re rer SM... ....0:-- SIM:. Ereitan An een er See Hierauf scheint Smikrines den beiden sein Leid geklagt und von dem traurigen Los seiner Tochter gesprochen zu haben. Und dann folgt sofort der Donnerschlag: »Und du weißt wohl noch gar nicht, daß die Dirne von Charisios ein Kind geboren hat?« V.66 sprach, wie die Paragraphos zeigt, Smikrines, er muß aber schon in der Mitte von V.65 eingesetzt haben, da mit AnABONT’ Alrmararein, wie KÖRTE vor- züglich ergänzt, keine Rede beginnen kann; also z. B.: eror’ ex (Xarıcioyv. SM. Ti ah me Kwayeı) AABÖNT” Ä(TIATATEIN TAN oyraTera;) ı Vielleicht bezieht sich das auf V. lästigt, aus dem Hause stürzt: &Ate m, IketeY@ CE, Sitzungsberichte 1912. 212f., wo Abrotonon, von den Gästen be- Kal Mm Mol KAKÄ TIAPEXETE. 38 420 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Von nun an wird die Verteilung schwieriger, da V.71 vman Eraipoc gleichfalls dem Smikrines gehört, dazwischen aber nur einmal, vor V.69, die Paragraphos steht. Seglich muß, trotz des Fehlens der zweiten Paragraphos, noch einmal ein P‘ hsel ttgefund haben, vermutlich mitten im Vers. Mir ist am wahrscheiniidieten, daß dies in V. 69 oder 70 der Fall war, da die zwiefache Bezeich- nung derselben Person V.69 als Xaricioc, V. 71 als yman Eraipoc oYToc so kurz hintereinander im Munde desselben Sprechers recht unge- schickt wäre. Ich vermute daher, daß die Rede des Smikrines bis V.68 weiterging, dann mit V.69 Xar(icıoc «ta. Simmias oder der andere Freund ein Wort der Entschuldigung einschaltete, und Smi- krines von der Mitte des V. 70 an weitersprach, so daß die Worte Ymon Eraipoc oYroc den Schluß seines ersten Satzes bilden. Beim zweiten Teil dieses Verses ist wieder die Lesung unsicher: » Apres oytoc trace d’une lettre rotonde (o?); apres la lacune nc ou uc« L£r., A... Hc KöRrTE, dessen Ergänzung A(tyx)äc wohl für den Koch, dem er die Worte geben will, nicht aber für Smikrines paßt; (eal)ner(aı ist ansprechend, muß aber dann zu dem Folgenden gezogen werden: (sAi)ner(aı) TTAIAAPION € mIÖPnHc (MoHcac). Hier sind wir nun bei der Stelle angelangt, die nach dem oben (S. 2) bemerkten die Probe für die Richtigkeit der Einordnung von VX liefern sollte. Ich denke, wir können mit dem Resultat zufrieden sein. Die Situation auf Y” ist dieselbe wie auf VX’ und der An- schluß so eng wie möglich. Bis V.74 regt sich Smikrines noch weiter über Charisios auf. Dann steht am Ende von V. 79 Doppelpunkt, mit dem die Para- graphos vor V. 80 korrespondiert, hinter V. 80 abermals Doppelpunkt, während doch vor $ı die Paragraphos fehlt, ein Beweis dafür, wie unregelmäßig . nun ist. Due ist also zwischen V. 75 und 81 ein RP l. Da indessen zwischen V. 77 und 80 in Y ein ne Riß ist, dem die Versanfänge zum Opfer gefallen sind, müssen wir mit der Möglichkeit rechnen, daß noch öfter Baronshyenhael stattgefunden hat. Und in der Tat muß ein dritter Pı bedingt angenommen werden, da die Verse Sıff. ihrem Inhalt nach nur von Smikri gesprochen werden können. Für diesen Personenwechsel kommen in Betracht V. 76 und 77; denn V.78 und 79 sind durch die offenbar zusammengehörigen Worte: To? Blov — T09 ayctvxoFc eng miteinander verklammert und ge- hören offenbar dem Smikrines. Also sprach V. 75 bis Mitte 76 oder 77 Simmias oder »Moschion«; dann erwidert Smikrines bis V. 79- Der Vers 80, in dem rön avcryxA deutlich auf die Worte des Smikrines To? alov — To? avcrvxo%c Bezug nimmt, gehört dem Simmias oder Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 421 »Moschion«. Dann setzt mit V.8ı Smikrines wieder zu längerer Rede ein, die bis zur nächsten Paragraphos vor V.90 reicht. Er legt darin seine schon vorher kundgegebene Absicht (V. 51—55, 63—64), seine Tochter und die Mitgift zurückzufordern, nochmals dar, begründet sie und ruft die Freunde seines Sohnes für die Rechtmäßigkeit seiner Handlungsweise zu Zeugen an. V.82 hat Leo durch die Umstellung TON &man rırArtw geheilt, Wıramowırz durch morymPpAarm(on® mael)w TE TON mon mr. schön ergänzt. Danach darf aber nicht interpungiert wer- den, denn das Folgende bringt die Begründung dafür, daß Smikrines seine Kompetenz nicht überschreitet: KaTA aöron &zön. . . EI)N THN OYrATepa AABÖNTA. ÜROISETS Ärtararein ist in der Tat das, was man in der Lücke erwartet, zumal damit deutlich auf V.66 Bezug genommen würde; da aber der Platz für diese Ergänzung nicht ausreicht, wird Körre mit seiner Annahme, daß infolge von Haplographie Arrreın dastand, das Richtige treffen. Mit ro?to beginnt ein neuer Satz; für eme. eıcw weiß ich keine Ergä hlagen; es kann kaum richtig gelesen sein; aber das Folgende ist doch wohl kai cxeadn aeaormenon N(PN TAPamE)neı. Dann MarTYpomaı YMAc A ”dmo(norein TAPTA..... mee’ On E(kei- noc kta. V.gof. spricht wieder Simmias; Karteplıköc iceı hat Körte schlagend richtig ergänzt. Der untere Teil des Blattes, etwa ı4 Verse, fehlt, und nach dieser Lücke finden wir Smikrines in andrer Gesellschaft. Es lohnt sich aber, vorher einen Rückblick auf die rekonstruierte Szene zu werfen. Die Aufgabe des Dramatikers war, einmal das Publikum über ‘den Verlauf der Intrige der Abrotonon zu unterrichten, dann den Smikrines in die vermeintliche Tatsache einzuweihen, daß Cha- risios mit einer Dirne ein Kind erzeugt habe. Ein Stümper hätte einen Augenzeugen aus dem Hause treten und den Verlauf aus- führlich erzählen lassen, so daß das Publikum im wesentlichen das- selbe noch einmal erfahren hätte, was es schon aus dem Munde EL Sonn geuget hatte. Anders Menander: er läßt das schon itete Publikum den Verlauf der Intrige tropfen- weise Gaietiander aus den Reden des Kochs, des Onesimos, des Charisios und des Simmias mehr erraten als erfahren, so daß es den Vorgang gleichsam miterl bt; dem Smikri aber läßt er durch Simmias nur das Punetum saliens mitteilen und die wechselvollen auf- geregten Szenen, in denen sich die Repliken wie Fechterhiebe folgen, in ein verhältnismäßig ruhiges Gespräch efereeige Smikrines und den Freunden des Charisios kli So iert der Meister. Bei der Besprechung der Rückseite des zweiten Blattes D6 empfiehlt es sich, von dem Wichtigst h was uns der neue Fund gebracht hat, der neben v. 102 am Fohlen Rande stehenden Personen- 38* 422 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. bezeichnung XAIP/. Also die längst bekannten Verse von R, die man allgemein dem Smikrines zugeteilt hat, gehören dem Chairestratos. A. Körrz findet das so unglaublich, daß er lieber Xar(icıoc) lesen, diesem den Schluß von V. 102 geben und von V. 103 an wieder Smikrines sprechen lassen will. Seine Gründe basieren fast ausschließ- lich auf dem Platz, den er dem Fetzen VX anweist, nämlich hinter YR. Aber auch das Unglaubliche muß man erst daraufhin prüfen, ob es nicht dennoch möglich ist. Da die Personenbezeichnung XAIP/ am rechten Rande steht, muß die Rede des Chairestratos in der Mitte von V. 102 eingesetzt haben. Die folgenden Verse 103ff. einer andern Person zu geben, ist nicht statthaft; denn ofm&zeın steht regelmäßig am Anfang eines Satzes. Bei Personenwechsel zwischen 102 und 103 würde also den Worten vrhaöc ön rıc das Prädikat fehlen. Dieses muß mithin notwendig am Schluß von V.ıo2 gestanden haben. Ich ergänze also, indem ich annehme, daß die Rede des Smikrines mit dem von Wıramowırz gefundenen kekh- sev(koc schließt: hmin Kekhaleyküc. CHAIR. Ti aereic cY; »AineTaı Yrunde ün Tıc, (ni Al’! Über die folgenden Sätze bekenne ich, bisher immer gedankenlos hinweggelesen zu haben. Jetzt glaube ich sie verstanden zu haben, was bedingt, daß anders interpungiert werden muß als bisher, soviel ich weiß, allgemein geschehen ist. Mit dieser, wie ich zu zeigen hoffe, einzig möglichen Interpunktion habe ich sie oben (S. 7) abgedruckt und setze sie hier nochmals her: OYK OMWEETAI KATAGBAPEIC T’ EN MATPYAEIW TON BION 105 METÄ TÄC Kanfc TYNaıköc, HN Erreicärei, Biöcee’; HMAC A’ .... AE TINÜCKWN AOKÖN Zunächst das re hinter Kataseareic. So lange die zweite Hälfte von V.105 unbekannt war, konnte man hen, ein it te dort unterzubringen, z. B. merA TAc xanfc TIinwn T’ Äcı Hhlachihe. wie ich in meinem Neuen Menander vorgeschlagen hatte. Jetzt geht das nicht mehr an; es stellt sich heraus, daß dies te nicht zwei Parti- zipien, sondern die beiden Verba finita oimwzeraı und siwcetaı mitein- ander verbindet und daß die Negation zu beiden gehört. Beide Satz- glieder stehen trotz ihrer Ungleichheit einander parallel, das zweite re er erste näher aus. Also muß das Fragezeichen hinter sıöcee’ 2 u nach Leresvers Zeugnis den Raum gerade füllend; Arnims ofroc ist ao: zu lang. Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 423 rücken. Eben dies Futurum sıöcee’ hätte eigentlich schon früher auf die richtige Spur treiben müssen. Aber nur Oroıser hat ihm durch die Ergänzung HmAc ct’ An Amoavch TrAny Rechnung getragen, die sich jetzt durch den neuen Fund als unzutreffend erweist. Und was ist mit matpyneion gemeint? Das Haus des Charisios? Das könnte nur in übertragenem Sinne geschehen und müßte deutlicher gesagt sein. Dieselbe Schwierigkeit bleibt, wenn man sich mit J. Karr das Haus eines Freundes des Charisios, den sie mit Croıser und Sunpkaus in Chairestratos sehen will, als Schauplatz der Orgie denkt (Herm. XLVII 1912, 318). Wenn nun Harpokration und Suidas unter Berufung auf diese Menanderstelle das matpyneion als Törton TINA, EN Ö rPAec AIATPIBOYCAI BEXONTAI TOYC BOYAOMENOYC KATA A definieren, so zeigt dies schlagend, daß hier marpyaeion im eigentlichen Sinne gebraucht ist. Bliebe also einzig die Hypothese von Carrs, daß es sich um ein zweites Haus des Chairestratos, den er für den Vater des Charisios erklärt, handelt, das dieser als Bordell vermietet hätte. Aber wenn diese An- nahme schon an sich im höchsten Grade unwahrscheinlich ist, auch wegen der Rücksichtslosigkeit, die darin gegen Pamphile liegen würde, so ist sie durch die Worte merk TAc Kanhc rynaıköc An Erreicäreı ab- solut ausgeschlossen. Diese Worte beweisen, daß wenigstens während des ersten Teiles des Stückes Abrotonon in demselben Hause sich aufhält wie Pamphile, und auch der von J. Karr eingeschlagene Weg ist aus demselben Grunde ungangbar. ; Liest man nun die Stelle mit der von mir empfohlenen Inter- punktion, so erkennt man, daß matpyaeion nicht nur in der Tat im eigentlichen Sinne zu verstehen ist, sondern daß gerade auf diesem Wort der Hauptnachdruck liegt: »Mag er doch zum Henker gehen und sein Lotterleben in einem Bordell fortsetzen«, also nicht in dem Hause, wo er es jetzt führt. So kann aber nur einer sprechen, der über dies Haus zu verfügen hat und der es nicht zum Bordell herab- gewürdigt sehen will. Also nicht Smikrines, dem ja Charisios sogar den Eintritt verwehrt (V. 48 fl.), sondern der Vater des Charisios. Und die Personenbezeichnung zu V. 102 gibt uns nun den urkund- lichen Beleg, daß dieser Chairestratos hieß, womit die alte Kontroverse hoffentlich endgültig erledigt ist!. ı Nach meinem Dafürhalten war sie es allerdings schon längst. Das durch- schlagende Argument hat kürzlich wieder A. Körre gut und scharf formuliert, Me- nandr.2, S. XIX Anm. 3, vgl. auch Supraus Rhein. Mus. LXIII, 1908, S. 302, Der neue Menander S, 1. Demgegenüber kann es nicht ins Gewicht fallen, daß Chairestratos anderweitig als Name des Liebhabers bezeugt ist, Schol. Pers. V, 161, Chorieius de mimis (Rev. de phil. 1877, S. 228); vgl. A. Humpers Mus. Belge 1909, S. 345, J. Karr, a.a. 0. 8. 318. Vielmehr lernen wir, daß sich bei der Namengebung die neuere Ko- mödie auch Ausnahmen erlaubte. Gegen den Gedanken von Croiser, Rev. d. et. gr. 424 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. Die Lücke in der Mitte von V. 106 beträgt nach Leresvres Zeugnis vier Buchstaben, so daß er selbst seine Ergänzung ov)a&, die A. KörrE sehr verführerisch durch das Eupolisfragment 180 koYa& rirnückein AOKÖN zu stützen sucht, wieder fallen gelassen hat. Auch wenn man mit Körtze annehmen wollte, daß a& oYat dastand, würde noch immer ein Buchstabe fehlen. Dagegen füllt oY rA)ae genau die Lücke. Natürlich muß das Partizipium rınockun mit Körte in den Infinitiv rınockeın emendiert werden, und hierfür kann das Eupolisfragment in der Tat als Beleg dienen. Wir erhalten also: kmAc a’ (0% TÄ)ae rınackein Aokön »und indem er wähnt, ich merke das nieht —«. Möglich ist übrigens, daß auch dieser Satz noch Frage war und das Prädikat in Hzeı nason (V. 107) steckt. Wieviel von den folgenden Versen noch dem Chairestratos gehört, ist nicht zu sagen, da die Anfänge ver- loren sind. Aber zur Ergänzung von V. 109. .110 darf vielleicht das Fragment 738 K OYK EcT’ Änolac OYAEN, üc) EMoi Aokei, TOAMHPÖTEPON) herangezogen werden. Dann würde Chairestratos mindestens bis V. 110 weitergesprochen haben. Die V. 102 mit xexnalevküc) schließende Rede des Smikrines scheint am Ende von V.94 mit &xeı, vor dem ein Doppelpunkt Per- sonenwechsel anzeigt, eingesetzt zu haben'. Am Schluß hat er natür- lich von seinem Schwiegersohn gesprochen und sich, wie aus der Antwort des Chairestratos hervorgeht, über dessen hochmütiges Ge- baren, wohl mit Rücksicht auf die Szene V. 47—51, beschwert. Vorher aber muß er von dem Kinde erzählt haben, und wirklich läßt sich V. 96 am Schluß £r)exen, am Anfang AY(tH ergänzen, und die ganze Rede könnte mit &xeı (kai rraıaArıon) begonnen haben. V.98 doch wohl Ana(T@n oder Arra(röca oder AnA(tH; V. 101 ist meıc natür- lich metrisch unmöglich und nur A m# me sicher. 1008, 264, Supsaus und Karr, in den V. 160, 161 den Namen XAIP&cTPAToN zu TON TPdoImon zu ziehen ist außer dem eben bemerkten noch folgendes einzuwenden: r. daß Tp6eImoc niemals in Verbindung mit einem Eigennamen vorkommt, 2. daß TP6IMoc nur von einem jungen Mann gebraucht werden kann, dessen Vater noch am Leben ist. Wäre also der V. 160 erwähnte TP6sımoc Chairestratos, so müßte sein Vater noch leben und dann selbstverständlich in dem Stücke auch vorkommen. Wir besitzen aber yon dieser Komödie jetzt so viel, daß wir kühnlich behaupten können, dies sei nicht der Fall gewesen. Umgekehrt folgt daraus, daß Charisios, abgesehen von V. 160, auch in fr. ı* Kör. vom Koch als TP6sımoc des Onesimos bezeichnet wird, daß auch der Vater des Charisios in e Stück Person gewesen sein ınuß, 3. daß man, wenn V- 160. 161 } n gezogen wird, weder weiß an wen Syriskos die AnosorA zu ae hat, noch warum er erst am folgenden Tage zur Ar- beit zurückkehren kann. ! So auch A. Körrk. Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 425 Die beiden ersten Verse dieser Seite und den größten Teil des dritten (92 bis 94) wird man nun zunächst geneigt sein, dem Chaire- stratos zu geben. Aber die große Schwierigkeit besteht darin, zu er- mitteln, in welchem Zusammenhang und mit Bezug auf wen die Worte Mmicel TON HAYN nerömenon TOFTON sion gebraucht waren. Von Charisios, wie er früher war (V.487ff.)? Aber dann dürfte doch nicht das Prä- sens stehen, und was soll das Demonstrativum? Oder weiß Chaire- stratos noch nichts von dem Sinneswandel seines Sohnes? Aber die Rede des Smikrines, falls wir sie riehtig rekonstruiert haben, scheint doch vorauszusetzen, daß er, wenn auch noch nicht über das Kind, so doch über den neuerlichen Lebenswandel des Charisios unterrichtet ist? Und was sollen mit Bezug auf Charisios die Worte &crrerac und ayeion? Vielleicht aber kann uns gerade dies letzte Wort auf die richtige Spur leiten. Onesimos hat V.1ı97 den Syriskos auf AYpıon vertröstet. Könnte davon nicht hier die Rede und Syriskos der Sprecher sein? In der Tat läßt sich dieser Gedanke in V.94 hinein- bringen, wenn man z. B. ergänzt: Eneein mAnın eim)en A’ AYpıö(n me AJeiN, womit die Lücke genau ausgefüllt wird. Dann würde also auch Sy- riskos auf der Bühne sein, und einmal aufmerksam gemacht, wird man in den Worten mıcet TÖn HaYn nerömenon ToFTon sion den Stil des ne- Trioc bärwp (V.19) unschwer wiedererkennen. Überraschen kann das eigentlich nicht. Daß er, wie Daos, nur ein mPröcurron TIPOTATIKÖN ge- wesen sein sollte, war von vornherein nicht wahrscheinlich. Er hat uns V. 245ff. bei seinem Abgange zur Stadt seine baldige Rückkehr in Aussicht gestellt: Hzw AIAAPAMON, Eic TIÖAIN TÄP EPXOMAI NYNI meri TOYTWN elcömenoc TI xPH TIOEIN. Die letzten Worte pflegen mit Hzw alaapamun verbunden zu werden, aber natürlicher ist es doch, sie mit efc mönın rAP Erxomaı nvni zu ver- binden. Ursprünglich war es die Absicht des Syriskos gewesen, die Ankunft seines Herrn Chairestratos auf dem Dorfe abzuwarten: V. 161 XAIPECTPATON NON rAP meno9men EneAae. Wenn er jetzt plötzlich seinen Vorsatz ändert, so mußte der Dichter das motivieren, und er tut es lurch die Worte: mer) ToYtwn eicömenoc TI xPH TIOEIN. Durch das Be- nehmen des Onesimos mißtrauisch gemacht, will er in die Stadt gehen, um sich bei rechtskundigen Leuten Rats zu erholen. Ob er dabei von vornherein an seinen Herrn Chairestratos denkt, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnte es der Dichter so einrichten, daß er diesem, dessen Ankunft auf dem Dorfe ja gerade heute erwartet wird, auf dem Wege zur Stadt begegnet und mit ihm umkehrt. Natürlich 426 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. hat er nichts Eiligeres zu tun, als dem Chairestratos die Geschichte von dem Ring zu erzählen. Dabei wird diesem auch die erste Kunde von dem Umschlag in dem Lebenswandel seines Sohnes geworden sein; denn offenbar lebt er in der Stadt und kommt nur monatlich einmal aufs Dorf heraus, um die ArıosorA einzukassieren. Das lieder- liche Leben des Charisios kann aber noch keinen ganzen Monat wäh- ren, da die Aussetzung des Kindes erst vor dreißig Tagen geschehen ist (V. 26) und darauf noch die Heimkehr des Charisios und die De- nunziation des Onesimos folgen mußten. Wenn nun in V. 94 von Onesimos die Rede ist, muß dies auch in den beiden vorhergehenden Versen der Fall sein, obgleich es schwer ist, deren Sinn zu fassen: &xeinoc &cxen, vielleicht Onesimos den Ring, der sich aber nicht in diesen Vers hineinbringen läßt, also schon vor- her erwähnt gewesen sein müßte; &crerac wird vielleicht zum folgen- den zu ziehen sein; &crıerac (Ensein mAnın eim)en a’ aYpıö(n me a)ein. Das entspricht freilich nicht ganz dem Sachverhalt; denn es war nur vom morgigen Tage, nicht vom morgigen Abend die Rede; doch ist eine solche Übertreibung dem ungeduldigen, verschlagenen und auf Onesimos erbosten Syriskos wohl zuzutrauen. Aber für den Anfang von V.93 weiß ich keinen Rat. Lrresvr£ schreibt: » Au debut [..]H, ou [..] Il, ensuite NEM ou MEN«. So nahe &e)h nem oder &e)hn em zu liegen scheint, so ist doch der dahinter noch zu füllende Platz von sechs Stellen für zwei kurze oder eine lange Silbe zu groß. Der Vers scheint mit einem Daktylos begonnen zu haben. Der vorhergehende Vers mıcet Tön Hayn nEröMenoN TOPTON Bion paßt aber weder auf Charisios noch auf Onesimos; es kann aber eine Negation vorangegangen sein, z. B. (07 rAe aYTöc 0Yaamöc) m. T. #1. Tr. 8. Dann ließe sich der Zusammenhang ungefähr so rekonstruieren: »Er konnte den Ring seinem Herrn nicht gleich zeigen, denn es war gerade ein großes Gelage; übrigens ist er auch selbst diesem sogenannten Wohlleben gar nicht abgeneigt (kleiner _ Hieb auf Onesimos). So behielt er den Ring und hieß mich morgen Abend wiederkommen.« Der szenische Verlauf würde demnach folgender gewesen sein: Nachdem Simmias und sein Genosse abgegangen sind, bleibt Smikrines kurze Zeit allein auf der Bühne und hält einen seiner üblichen kleinen’ Monologe. Dann tritt Chai in lebhaftem Gespräch mit Syriskos auf, Smikrines gesellt sich zu ihnen, und es folgt der erhaltene Dialog. Hiermit sind wir am Ende des ersten erhaltenen Quaternio an- gelangt; es fehlen auf der letzten Seite etwa noch 14 Verse. Den zweiten Quaternio hat A. Körrr schlagend richtig rekonstruiert, ab- gesehen davon, daß er den Fetzen VX dem ersten Blatt dieses Qua- ternio zuteilt. Danach ist H die dritte Blattlage, das jetzt durch U - Abrotononszene geschlossen habe. Was sollte diese Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 427 erweiterte Fragment Q das erste Blatt der vierten. Es fehlen also zwischen D6 und Hı zwei ganze Blätter. Die auf D6 fehlenden 14 Verse eingerechnet, beträgt somit der Abstand von V.431, (nach Körre’s Bezifferung —= ı12 der meinigen) etwa 154 Verse. In diese Lücke muß vor allem das Gespräch zwischen Smikrines und Pamphile fallen. Wie dies vermittelt wurde, können wir jetzt leicht erraten, seitdem wir wissen, daß bereits vor diesem Gespräch Chairestratos in die Handlung eingegriffen hat. Dem Smikrines hat Charisios V.48ff. den Eintritt ins Haus schroff verweigert, Chaire- stratos geht einfach hinein. An dieser Stelle muß der Akt, der be- reits über 270 Verse lang ist, geschlossen haben. Es ist ja auch ein h punkt in der Handlung. Chairestratos wird es nun gewesen sein, der im nächsten Akt die Pamphile zu ihrem Vater herausschickt. Denn daß diese noch im Haus ihres Gatten weilt, wird jetzt durch V. ı05 bewiesen‘. Natürlich lebt sie dort in ihrem Frauengemach still verborgen, so daß Abrotonon sie noch nicht er- bliekt hat’. Daß das Gespräch zwischen Vater und Tochter auf der Bühne stattgefunden hat, scheint jetzt auch A. Körrz zuzugeben; Cha- risios belauscht es von der Haustür aus: mPöc TAlc eYpaıc ENAoN AlA- xyrıran (V. 462f.). Was Charisios V. 499 ff. aus diesem Gespräch re- kapituliert, ist so wenig, daß es als überflüssige Wiederholung wirk- lich nicht gelten kann, zumal es nicht Erzählung, sondern Reflexion ist, bestimmt, sein eigenes Benehmen zu dem seiner Gattin in Kon- trast zu stellen. Aber verkehrt war es, wenn ich früher aus den von Charisios rekapitulierten Worten der Pamphile V. 499 ff. koınanöc HKeIN TO? Blov Trap’ ÄNAPA KoY AeIN TÄTYXHM’ AYTHN @Yrein TO CYMBEBHKÖC . gefolgert habe, daß sie dem Befehl ihres Vaters erfolgreichen Wider- stand entgegengesetzt habe. Das liegt in diesen Worten durchaus nicht, und seit wir von Jensen und WıLamowiTz gelernt haben, daß in der Abrotononszene V.433 ff. Pamphile die eine Sprecherin ist, hat sich die Grundlag hob Wir müssen nun annehmen, daß Smikrines die Pamphile trotz ihres Protestes mit mehr oder minder sanfter Gewalt gezwungen hat, in ihr Vaterhaus zurückzukehren’. Aus % Vgl. S.422. Auch die Worte der Abrotonon V. 451f. TAN NYHOHN THN ENAON oFcan konnten dies schon beweisen. Ferner, wäre Pamphile schon im Hause ihres Vaters, so brauchte dieser nicht erst in der Stadt über das Treiben seines Schwiegersohnes Er- kundigungen einzuziehen. Auch wäre sein Gespräch mit Pamphile gänzlich überflüssig. er neue Menander S. 3. 3 A.Körre nimmt a. a. O0. S.XXVIN an, daß Smikrines am Ende des vorher- gehenden Akts ins Haus des Charisios eingedrungen sei, um seine Tochter heraus- zuholen, und am Anfang des folgenden Akts aufs neue mit ihr aus seinem eigenen Haus getreten sei, woran sich dann, nach dem Abgang des Smikrines, die erhaltene Duplizität für einen dramatischen Zweck gehabt haben? 428 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. diesem wird sie dann im letzten Akt, jedenfalls im Einverständnis, vielleicht mit direkter Unterstützung des Chairestratos, wieder entführt. Darauf beziehen sich, wie Leo zuerst ausgesprochen hat, die Worte des Smikrines V. 542 T6 e’ Apmacm', "HpAKneic, eAYMAcTöN olon. Da nun aber Smikrines in unserm Akte die Pamphile wieder verläßt, muß er ihr doch eine Wache zurückgelassen haben, und das kann wohl nur Sophrone gewesen sein, mag man in ihr nun eine alte Dienerin oder, was ich noch immer nicht für ausgeschlossen halte, ihre Mutter sehen'. Deshalb richten sich auch gegen diese die Vorwürfe des Smi- krines nach der Entführung, V. 522 ff. Darum muß sie schon früher aufgetreten sein, und zwar in dem Akt, von dem wir eben sprechen. Ich denke, Smikrines wird vor seinem Abgang die Pamphile ihrer Obhut übergeben haben und bei dem Gespräch zwischen dieser und der Abrotonon wird sie noch auf der Bühne sein. Darauf deuten, wenn ich nicht irre, auch die Worte V. 453 Tun eYpan TON reITönwNn TIe Eröonken Ezıön, die im Munde der Pamphile unmöglich sind und auch in dem der Abrotonon sich nur gezwungen erklären lassen?. In den Mund der Sophrone würden sie sehr gut passen, aber frei- lieh ist weder von einer Paragraphos noch von einem Doppelpunkt eine Spur zu entdecken, was aber bei dem jammervollen Zustand gerade dieses Blattes vielleicht nicht allzuviel beweist. Indessen zur Füllung von 154 Versen reicht die bisher ermittelte Handlung schwerlich aus. Es muß noch Anderes vorgegangen sein. Da möchte ich zunächst auf einen schon früher? hervorgehobenen Punkt aufmerksam machen. Wenn man nämlich, wie es meist mit Recht ge- schieht, die Worte der Abrotonon Nr. 444 f. dpäc TI, einTÄTH, coı FNÖPIMoN Ön TOPT’ Exeı; auf die rnwricmara des Kindes bezieht, so müssen diese doch vorher in den Besitz der Abrotonon gelangt und das Publikum muß in einer besonderen Szene von diesem Umstand unterrichtet worden sein. Diese rnwpicmara befinden sich aber in dem Besitz des Syriskos, und dieser ist, wie wir sehen, am Ende des vorhergehenden Aktes zurückgekommen. Aber daß dieser habsüchtige Geselle die mühsam erkämpften Schätze gutwillig der Abrotonon sollte abgetreten haben, ist kaum anzunehmen. Ein dritter muß ittelnd oder gebiet dazwischengetreten sein. Wer dies gewesen ist, läßt sich unschwer ! Der neue Menander $.1. Wie wenig es beweist, daß bei Terenz Sophrone zweimal der Name einer alten Dienerin ist (Körtr, a. a. 0.8.XV, ); kann jetzt der Gebrauch des Namens Chairestratos lehren, s. $.423 Anm. ı. ” »De vos voisins.« Il sagit de la porte de la maison de Charisios. Abrotonon, etant alors devant la maison de Smikrines et parlant & Sophrond, peut s’exprimer ainsi. Croiser. Zugegeben; aber wenn sie diese Worte nicht zu Sophrone, sondern zu Phamphile spricht, so wird die Sache doch bedenklich. ® Der neue Menander S. 3. Roserr: Zu den Epitrepontes des Menander. 429 erraten: Chairestratos. Sein Erstes wird es gewesen sein, im Hause Ordnung zu schaffen. Zwar ist das Gelage abgebrochen, der Koch ausgekniffen, die Gäste zerstoben. Aber noch weilt die Dirne in dem Bürgerhaus. Sie hat es zu verlassen, natürlich mit dem Kinde, das, wie Chairestratos glaubt, ihr eigenes ist, freilich von seinem Sohn erzeugt, aber den Bastard will er in seinem Hause nicht dulden. Dem Kinde aber und seiner Mutter gehören die rnwricmara. Also ge- bietet Chairestratos dem Syrikos, sie der Abrotonon zurückzugeben. Auch im übrigen mag Chairestratos der Abrotonon zwar energisch, aber nicht brutal gegenübergetreten zu sein. In Frieden mag sie ab- ziehen. So erklärt sich ihr Auftreten in der ersten Szene nach der großen Lücke (V.432 ff.), für das wir bisher noch keine rechte Moti- vierung hatten, und so erklärt es sich auch, wie das Kind wieder zu seinen rnoricmara kommt. Allerdings wird Abrotonon, indem sie es damit schmückt, die geheime Absicht gehabt haben, auf diese Weise seine wahre Mutter ausfindig zu machen. Der Akt mag also mit einer Szene zwischen Chairestratos und Syriskos oder auch mit einem Bericht des Syriskos über die von dem alten Herrn im Hause getroff‘ Verfügungen begonnen haben. Der Kohlenbrenner hat von jetzt an im Hause und im Stücke nichts mehr zu suchen. Nachdem er seine ArososA bezahlt hat, von der ihm vielleicht sein Herr als Ersatz für den Verlust der Schmuckstücke etwas erlassen hat, mag er sich schon heute in seinen Wald zurück- trollen. Abrotonon schon vor der großen Erkennungsszene, etwa im Gespräch mit Chairestratos noch einmal auftreten zu lassen, würde ein schwerer dramatischer Fehler gewesen sein, den wir dem Menander nicht zutrauen dürfen. Nach dem Abgang des Syriskos wird Chaire- stratos mit Pamphile herausgetreten sein, um sie dem Smikrines zu übergeben, muß sich dann aber irgendwohi gbegeben haben; denn während des Reueausbruchs des Charisios ist seine Anwesenheit im Hause undenkbar. Dann kam die große Szene zwischen Vater und Tochter, an deren Schluß diese der Obhut der Sophrone übergeben wird, und hier schloß das erhaltene an. Über den weitern Verlauf des Stückes urteilt Körre meiner An- sicht nach richtig, und mit F reuden sehe ich, daß er sich meiner Hy- pothese, daß Chairestratos vor der Schlußszene V. 520f. die wieder zu Ehren gekommene Abrotonon zur Stadt zurückgeleitet, um sie frei- zukaufen', angeschlossen hat. Nur wenige Punkte möchte ich etwas t Der neue Menander S. 5, vgl. oben S. 417 A:2.x Auf die Hypothese andrer, daß sie dem Onesimos zur Frau gegeben wird, gehe ich nicht ein. Dies iebenswür- dige, durchtriebene Ding, in dem das Zeug zu einer Phryne und Lais steckt, wird sich hüten, einen alten Freigelassenen zu heiraten. 430 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. bestimmter formulieren. Mit Recht nimmt Körte an, daß noch ein- mal Aktschluß gewesen ist, schwankt aber, ob dieser nach 510 oder nach 519 anzusetzen sei. Mir scheint der erste Ansatz, nach der auf- geregten Szene zwischen Charisios und Abrotonon, unbedingt geboten. Denn hier ist die Peripetie zu Ende und somit ein tiefer Einschnitt in der Handlung. Da die Szene zwischen Abrotonon und Charisios in der letzten Zeile von Q”, unter welcher der Rand erhalten ist, noch nicht zu Ende geht, hat der letzte Akt auf der oberen Hälfte von U’Q" begonnen, und zwar mit einem Gespräch des V. 486 durch- gebrannten Onesimos und des schon früher abgegangenen Chairestratos (s. oben S. 429). Beide haben sich offenbar außerhalb getroffen und kehren nun zusammen zurück, da Onesimos unter dem Schutz des alten Herrn sich vor seinem verrückt gewordenen Tröeımoc sicher fühlt. Aber diese Furcht scheidet wohl überhaupt aus. Denn wie der In- halt des Blattes lehrt, wissen beide bereits von der glücklichen Lösung (V.510, und 514 f.), an der sich Onesimos in starker Übertreibung auch ein großes Verdienst zuschreibt, eine Renommage, die ihm die Freilassung einzutragen scheint. Diese Kunde aber, daß alles glück- lich gelöst ist, kann ihnen nur das Gerücht zugetragen haben, da sie selbst dem Schauplatz während der Katastrophe fern waren; und so scheint sich denn Menander in der Tat die Sache gedacht zu haben. Das verlorene fünfte Blatt, die andere Hälfte von UQ, muß dann die Rückführung der Pamphile und die Szene zwischen Chairestratos und Abrotonon enthalten haben, deren letzte Verse auf H3 stehen. Noch müssen wir zu dem Petersburger Fragment Stellung nehmen. Denn es könnte scheinen, daß die Ergebnisse unserer Enteruchung die Indizien für seine Zugehörigkeit zu den °€ Zwei Freunde des Charisios, wie wir sie oben S. 418 in Simmias ne dem Anonymos gefunden haben, treten auch in dem Fragment auf, und der eine ist, wie wir es für er vermutet haben, gleich- falls auf die Weiber wie toll versessen'. Und doch wird gerade ag ‚die RR Funde die Zugehörigkeit, auch abgesehen von den bi d die Körte gut entwickelt hat, völlig aus- geschlossen. Denn in dem Fragment ist der Schwiegervater über das Treiben des Charisios so genau unterrichtet, daß er sogar den täg- lichen Preis für die Hetäre kennt; und was er etwa noch nicht wissen sollte, will er im Hause erkunden W. 25f.). In den *Enıtpenontec ist Smi- krines über das Treiben seines Sch hnes noch ziemlich im dunkeln, ke} " V. 30 rIonnÄc &soyadmun Kma, TroAnAc, natürlich Hetären. Daß hier nicht zwei Lebemänner, sondern ein Sklave und der Bordellwirt spreche n sollen, wehEnlt mir, wie die ganze von A. Körr« vorgeschlagene Rel unwahrscheinlich. Rorerr: Zu den Epitrepontes des Menander. 431 kennt vielleicht nicht einmal den Namen der Hetäre (S. 411) und be- gibt sich, um Näheres zu erfahren, nieht ins Haus, sondern in die Stadt. In dem Fragment machen sich die jungen Lebemänner über den alten Herm lustig; Simmias und sein Freund behandeln Smi- krines offenbar mit einem gewissen vertraulichen Respekt. Sollte also am Anfang des Epitrepontes, was auch mir wahrscheinlich ist, ein Akt fehlen, das Petersburger Fragment darf für ihn nicht in An- spruch genommen werden. Zum Sehluß sollen noch zwei einzelne Stellen besprochen werden. In der Szene zwischen Abrotonon und Onesimos sind die Verse 2604. durch den Scharfsi 'hied Gelehrten gewiß richtig folgendermaßen hergestellt worden: M)aıchn rAP Eyannon KÖPAIC „ash ©’ (mo? cY)nemazon’ oYa’ Erb TöTE oYrw rAP Änap’ Hacın TI EcTi- Doch bleiben hierbei noch einige Schwierigkeiten. Erstens ist in diesen Versen von Charisios gar nicht die Rede, was man doch er- warten sollte. Zweitens, wenn Abrotonon zum Tanze aufspielt, kann sie doch nicht selbst mittanzen. Drittens, warum betont sie so stark ihre damalige Unschuld? Viertens, und das ist die Hauptschwierig- keit, Abrotonon sprieht von mehreren Mädchen, Onesimos aber in seiner Replik fragt plötzlich nach einer einzelnen, V. 263: Tan A& malakA r’, Hric An olceac; und nur von dieser einen, der präsumtiven Mutter des Findlings, ist auch im folgenden allein die Rede. Man sollte nun doch erwar- ten, daß diese schon in den Worten der Abrotonon ausdrücklich be- zeichnet und hervorgehoben wäre. Das ist aber jetzt nicht der Fall. Man erhält es indessen leicht dureh Änderung der Interpunktion: maIcIn TÄP Erannon KÖPAIC' ASTH ©’ bmoP. cyn&mazon- oYa Erb" TÖTE ovmw rAp Änap’ Hacın TI Ecri. Das ist geradezu ein Schulbeispiel für die nezıc BIANENYMENH Kal YTIO- Krırıkä, welche Demetrios m. &pm. 103 dem Menander nachrühmt. Man muß sich nur, um die Worte zu verstehen, vergegenwärtigen, was Abrotonon kurz vorher gesagt hat, als sie hört, daß Charisios den bei dem Kinde gefundenen Ring in der Trunkenheit an den Tauro- polien verloren hat (V. 256 ff.): AHAAAH elc TÄC FYNAIKAC TIANNYXIZOYCAC MÖNOC enerrece' KAmo? FÄP TIAPOYCHC ErENETO TOIOFTON ETEPON 432 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 2. Mai 1912. mit dem Harhymans: auch da hat er eine aus dem Reigen heraus- Serien, sie weggeführt, vergewaltigt; also ayr# (oder vielleicht aYTrH) e’ömo? »und sie, an die ich denke, war dabei« omor (An TAIC TIAICIN KÖ- Paıc)‘ cynerrazon (Al Köpaı Karıciw EMTIecönTı AYTAlc)' oYa’ Erw (CYNETTAIzon); »denn ich war damals noch unschuldig«. In der großen Moralpredigt, die Onesimos dem Smikrines hält, lassen sich die V. 554ff. auf Grund einer Lesung von Jensen, deren Mitteilung ich der Freundlichkeit von Supnaus verdanke und die jetzt auch von Leregver in seiner großen Ausgabe bestätigt wird, noch viel schöner herstellen, als es bisher gelungen war. LErEBvrE druckt: ofroc &nao|.]e..| und bemerkt, übereinstimmend mit JENsENs Zeichnung: apres e, je vois les restes d’ume haste transversale, puis d’une haste verticale, les deux assez rapprochdes Tune de l’autre’. Es war also ein a, und es hat entweder enaenelxic] oder Enaenelxöc| dagestanden ; und in der Tat glaube ich auf der Photographie das von JENSEN und Lerepver zweifelnd gelesene o deutlich als e und hinter dem letzten e zu beiden Seiten des halbrunden Bruchs Reste des x und des c zu erkennen. Ich schreibe also EKÄCTW TON TPÖTION CYN(KICAN) SPOYPAPXON’ OYToc Enaenex(H)c (MAPÜN oYnAz) EMETPIYEN, ÄN AYTD KAKÜC xPAlcenı BeaHc), ETEPON A’ Ecwcen. Ausgegeben. aın 9. Mai. 433 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXIV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 2. Mai. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. *1. Hr. Exerer las: Über die Verbreitung der afrikanischen Burseraceen im Verhältniss zu ihrer systematischen Gliede- rung und die Eintheilung der Gattung Commiphora. Die Kenntniss der Burseraceen, denen man wegen der werthvollen von ihnen abstammenden Harze immer viel Beachtung schenkte, ist durch neuere Forschungen im tropischen Afrika ganz erheblich erweitert worden. Von der lange Zeit nur aus dem Monsungebiet bekannten Gattung Canarium kennt man jetzt mehrere Arten im tropischen Afrika, und ziemlich stark entwickelt sind in Westafrika die Gattungen Pachylobus und Santiriopsis. Während man früher Boswellia nur von Vorderindien, Arabien und dem Somalland kannte, sind jetzt solche in grösserer Zahl in Ostafrika, einige aber auch im westlichen Sudan nachgewiesen worden. Den xerophytischen ein u die rein hygrophile Gattung Aucoumoea Gabuns. Eine ganz klung erreicht Commiphora, deren 129 Arten entsprechend dem ee in subzerophilen und xerophilen Gebieten eine grosse Verschiedenheit in zeigt sich, das A einen ar Dberganz von der Blattentwicklung aufweisen. Es fiederblättrigen Formen zu solchen mit einem Die Abhandlung wird im 48. Band von Enerer’s Botanischen Jahrhlichern erscheinen. 2. Hr. Liesiscn legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. Dr. O. H. Ern- MANNSDÖRFFER in Berlin über »Mischgesteine von Granit und Sedim en te n« vor. (Ersch. . H ht sich m Aufnahme einzelner Gemengtheile, theils durch chemische Auflösung. zonen und Injeetionsadern reihen sich endogen die Granitfeldspate an und local 12: Sr theils d RER In den Misch- entstehen pegmatitähnliche Varietäten. Ausgegeben am 9. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. een weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher une veröffentlicht sein oder e dem ee Veröffent- A) mmenen wissen- schaftlichen Mittheilung dlörelhe, ae nn zu en beabsichtigt, als ihm diess nach den gel- echtsregeln zusteht, so Pen er dazu ER Ein- erne der Gesammt-Akadem; Gedächtnissreden anderw. er zu en ist den Verfassern unbeschränkt gestattei Aus $ 21. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel aa acht Tage nach jeder Sitzung. s $ 22. Jeden ee eröffnet eine Übersicht über die in der es N orgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- lungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten ge- en Angelegenheite n. ter den Titeln der wissenschaftlichen Mittheilungen Men in dieser Übersicht kurze Per en e die Verfasser einreichen, 'er- Diese ee en eh in —6 Druckzeilen beschränken, keinesfalls 10 re er ten. 'ht in den Schriften > Akademie erscheinenden Sihelungen werden mit vı etztem Stern bezeichnet, bei den für die A enähtngen ee wird »(Abh.) zigefit Pa etatliene: Mittheilungen fremder le t über diejenige Sitzung au wele] ker Fan ren me in die akademischen ee ee beschlossen wird. Aus $ 27. Das Manuseript einer in einer akademischen Sitzung Donnerstag zur Aufnahme in die en zu- gelassenen Mittheilung, wäiche am rstag des ee Secretars oder des Archivars versehen, für ein spätere; Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit ae 32 es deren Satz aus irgend welch. sondere Schwierigkeiten erwarten in$$3und4e Correctur länger als bis Dienstag Abe: n der damit Nach auswärts we uren nur auf Verlangen versandt; die Verfasser verzichten ee inet Erscheinen ihrer Mittheilung nach acht Tagen. Fremden Verfassern deren Correeturen erst noch dem one Mitgliede zur Revision unterbreitet werden müssen, kann das Er- scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden, Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ve, griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu beat Abhandlungen der Akademie. em Jahrg. 1: Physikalisch-ı a hernaiche Classe. 2..2..% Philosophisch-historische Classe . . - - - Abhandlungen. Jahrg. 1910: Ph hysikalise isch-mathematische Classe . . - -» Philosophisch-historische Classe . . - » +» BEN) en een er we MU— nn BB Einzelne Aa na aus den Jahren 1909, 1910, 1911 und 1912, Waıperer: Der Proc: h i 8 Meyer: Gödkehtnisarede ae auf ? Eberhard. rn ; nr : -» 1— yon Wiramowırz-MoELLENDORFF: Nordionische Steine 2 " . 5 « » NE » W. le auf . . NEE . be s: Gedächtnissrede auf Friedrich Kohlrausch a . .- 1- Lasporr “ Üb Erhaltung der Masse bei chemischen Umsetzungen” ee ae 2 Sa TRADONITZ: Strate, a Dee Aufbau der eeerlentlichen Welt in den Geisteswissenschafien. Erste Hälfte .» 3 var ‚Bor: Gedächtnissrede auf Hans Heinrich Landolt . - » 1 Mi; ULLER: ca I a Exorer iR ‚Ruauss: Uber den anatomischen Bau der baumartigen Cyperacee Schoenodendron ‚ Fischer: "Gelkchninrede auf Tacabos Henriens "van’t Hör ee ea Ja Scnurze, W. en a ae Hennen ABER . ER a im ns AN: © Hyrnen an das er Pharaı a aa SE en RF: A re Tr . wre ” R Diers : Die} sprachlichen Giederug De ini Commentars zum Prorrheticum des en Hippokrates . . J. Peters: Einundzwanzigstellige Werthe der Funetionen Sinus und Cosimus . 2...» C. Tuvum: a Handschriften des Corpus agrimensorum or Kamgsrn Baar R. Iseuscum: Zur Kenntniss der nehme der a P. Rörus: elenanla en und Faserzüge im Vorde: hen von ı Siren lacertina r M. Neipmwe: Über die Kerne = Dienejhalon bei einigen Säugethieren . . » .. . - K. Asapscuanıanz: Über die (e des menschlichen lethkurae.. #0... 0: an ws ni H. Jus Der Auszug ji Hathor-Tet e F. Freiherr Hırıer von GAERTRINGEN STERMANN: Arka dische "Forschungen Tu. eyes Erster vornhger. Bericht über se von den RONBlENeN Museen unternommenen abungen in Samı L. et Be eweis 32 "Sat dass ‚jedes hinreichend teine, im wesentlichen stetig ge mmte, singularitätenfreio Flächenstäck auf einen Theil einer Ebene anıhen bogen krür und in den kleinsten Theilen. ähnlich abgebildet w erde n ie Bo M. Livzsarskı: Phönieische und aramäische Kr gaufkelriften aus Elephantine ee Sitzungsberichte der Akademie, Pros: dbs dnhrganga 2 u ee ee ne ee ne ee ehe ehe en. I. Halbjahr 1911. x Wirasowrrz-MoeLtenporrr: ein Stück aus dem Ancoratus des Epiphanios . . » » » Wie: Bestimmun; an mittleren freien Weglänge der Kanalstrahlen vos Wıramowırz-MoeLLesoorrr und F. Zucker: zwei Edicte des Germanicus auf einem | Papyrus des Berliner Meine (hierzu Taf. V) Er A. Torxquist: die Tektonik des tieferen Unter; rgrundes Norddeutschla: de Herrwig: Mesothoriumversuche an thierischen Keimzellen, ein oxperimentller E Boweis für "die der Schorrkv: über das Euer’ sche Den sproblem ER a ES aber die vier Jacorı n Theta re en man: ein Denkmal memphii erden "Theolosi 6: Be ee a: Äh, Sen und a aus dem Kanzliya ee E. Lirrmass: die Inschriften des Köni r re ee J. Heee: Aber ein angeblich en Dioklsriar 5 a ne ee SeELer: Fe ne le von we ceh in Yucatan (hierzu "Taf. £VI-RV) E. Meyer: zu den aramäischen Papyıi von Elephan wi. re Shan: abe die Lage der Marsachse und die Koetanie en im Marseystem 5 Erman: en aus der thebanischen Gebet (hierzu Taf. XVI) . F. Fax C. Rexz: Kreide und Trias im Kiona- und Ötagebiet ‚Mirtelgriechenland) Ma idee die Messung grosser Kräfte im Naterapräfung ‚west C. Brookermann: zu den Inschriften des Königs Kalum ur ee POBASEHBÄINSER I ae 1912. cHür: über einen Satz von C. CArATHkoporY H Frames: leitung eines Satzes von Canarnfoponr aus einer Formel von ı Kaosscnen . Koser: Festrede . R voX Won wırz-Moetzesporrr: Mimnermos und Pro operz GL Russer: über die a IEnIE endocellularer Fermente am Energieverbrauch der Zelle . - Nersst: Thermodynamik u eeifische Wärm« = A. Euckex: die ek e des Wasserstofls bei tiefen Tenperaturen ee Orrn: über Rinder- und Mensch entuberkulo: Harnack: Geschichte eines programmatise Jesu " (Matth. 5, 'uy in der ältesten Kirche Warsurs: über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gas Liesisch: über die Fluorescenz der een und Mae: im Silo Ticht Hasen; über das Sinnesor; ellums der Pterostylis-Bl n des ütl Rusens und G. Hertz: über den Einfluss de Kae auf die Absorption Tangwelliger W Wärme- son ılen in einigen festen Isolatoren LL, : über den Charakter der ;. Deere die EEE RINUNENRE undlagen der Lehre vom ee Gerichte der 3 Massen der Erd W. Baus: über ee Räthsel des Codex Cumanicus eier Taf. I und iy. Rosert: zu den Epitrepontes des Menander M12.— ggE| || 0.50 sSP2-r22 ss le 1912. XXV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 9. Mai. (S. 435) K.Mever: Ein mittelirisches Gedicht auf Brendan den Meerfahrer. (S. 436) Koser: Jahresbericht über die Herausgabe y Monuumsnta Keinen historica. (S. 444) m 30. April 1912. (S. 452) Adresse an Hrn. Carı GrArse zum gjährig BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 7 Aus dem Reglement für die Redaction & der akademischen Druckschriften. s$1 Die Akademie > gibt Be $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende eo der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und ee der Königlich ee Akademie der Wissenschaften« s$2 ed ze Aufnahme in ie »Sitzungsberichte« ‚oder die bestimmte Mi iner aka- demisehien Sitzung vorgelegt werden, lan in der se mitglieder haben hierz: rg De Fache angehörenden en Mitgliedes zu re 3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei ee 32, ” tn 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift ichte, in den Ahandlungen 12 Druckbogen von ir "85€ Seiten ı in der gewöl n Schrift der Abhand- Jungen nicht en Aus 86. wenn es sich nicht bloss um Ss Text handelt, aus- ung Sr Satzes Bei Einsendungen dem Knreche is dass der seine Mittheilung als olkmiieni raekreif ansi Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen . Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur son aa rei! Umfängliche Correeturen Fremder Dedürf 'en der Genehm; ing: des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser na zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichte: Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Anlisnälungen Mittheil Grenzen der Gesammt-A Ban Gr der Beenden rs statt- haft, und ist bei Vorlage der neue re zu beantragen. eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zusimmung erforder] lich © sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Hiwelchen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lasse Sollen einer Mittheilung Abbildungen, im ae auf besonderen Tafeln beigegeben werd. d die u dafür (Zeichnungen, ee Original. u. 8. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf srrennten Blättern, einzureichen. ie Kosten der Eee der Vorlagen haben in ei Reel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten auf einen erheblichen ir zu veranschlagen, kam. = Akademie dazu eine eene ken Ein f gerichteter Antrag ist vor der der be- einen Vorlagen mit dem er Een den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat nn und um we Er a. Sei beizufügen. Überschreitet dieser jark, so ist Vorberathung urch das Secretariat geboten. Aus . Nach der Vorlegung und Einreichung des M i an den Zubtindigen Becketar Oder un den Arckiver ra über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es yalangk verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, a nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Reg (Fortsetzung auf eilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im 'k 4 Seiten ü igt, auch fürd d abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Vasen für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. erhält ein Verfasser, welcher ee der ug ist, zu natgeiäkiher 'hne weitere: Abädrucke zur Verthei Saar zu der ee der mm-Aka mie oder der be- treffenden Classe. — Nic) ee erhalten 50 Frei- exemplare er dürfen Ran ee ‚er Anzeige bei dem redigirenden . 200 Ex xemplare auf ihre Kos: östen un iehen las: SCnderaydideken aus den Abhandlungen er- er, welcher Mitglied der Akademie ist, g als sofern er nn rechiieitig dem elighendin Seer: gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten nat mehr Abdrucke zur Verein zu zu re so bedarf es d: igung dı treffenden Classe. — Na re erhalten 30 Frei- exemplare und dü: ch rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden in weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lasse: $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- S.3 des Umschlags.) 435 SITZUNGSBERICHTE 192: XXV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 9. Mai. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Rorrnr. 1. Hr. F.E. Scuuzze las über »Die Erhebungen auf der Lip- pen- und Wangenschleimhaut der Säugetiere«. I. Ruminantia. (Ersch. später.) Nicht bei allen Säugetieren ist die Innenfläche der Lippen und Wangen so gleich- mässig glatt wie beim Menschen. Besonders reichlich treten papillenförmige Er- hebungen an der Lippen- und Wangenschleimhaut der Wiederkäuer auf. Die mit spitzer apikaler Hornkappe versehenen Papillen, welche bei einigen Thieren, wie z.B. der Giraffe, bis 2 cm hoch werden, sind meist rückwärts gebogen und formieren an der Innenfläche jeder Wange eine horizontale, der Kauspalte entsprechende Furche, suleus buccalis, in welcher der zu kauende Bissen geformt und von aussen zwischen die Mahlzähne gedrängt wird. ü 2. Hr. Kuso Meyer legte eine Mittheilung vor: »Ein mitteliri- sches Gedicht auf Brendan den MASttAlizNR Das bisher ungedruckte Gedicht wird hier mit [ h ben und der Versuch gemacht, ihm seine Stellung innerhalb der Brendansage zuzuweisen. Aus sprachlichen Gründen ist es in das ır. Jahrhundert zu setzen, so dass es als das älteste auf uns gekommene Denkmal der Sage in einer Vulgärsprache zu bezeichnen ist. 3. Hr, Be erstattete den Jahresbericht über die Herausgabe der iae historica. 4. Das correspondirende Mitglied der p Classe Hr. Carı, Grarge in Frankfurt a. M. hat am 30. April das Be Jährige Doctorjubiläum gefeiert; aus diesem Anlass hat ihm die Akadenıe eine Adresse gewidmet, welche unten abgedruckt ist. 5. Vorgelegt wurden drei neu erschienene Bände akademischer Unternehmungen : die Lieferungen 30 und 32 des »Tierreich«, ent- haltend die Evaniidae bearb. von J. J. Kırrrer und die Desmomyaria bearb. von J. E. W. Inte, und der Neudruck des 2. Bandes von Kant’s gesammelten Schriften, sämmtlich Berlin 1912; von den Monumenta Germaniae historiea Tom. 6, Pars 2, Fase. ı der Abtheilung Epistolae, Berolini 1912, und endlich Vol. ı, Annee 1910 der Tables annuelles de eonstantes et donn&es num6riques de chimie, de physique et de techno- logie, zu dessen Bearbeitung die Akademie eine Unterstützung gewährt hat. M, RR th r Sitzungsberichte 1912. “ 436 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. Ein mittelirisches Gedicht auf Brendan den Meerfahrer. Von Kuno Mrryer. Bisher hat ein um 1120 verfaßtes anglonormannisches Gedicht', welches die Meerfahrt und Abenteuer Brendans zum Gegenstand hat, als das älteste Denkmal der Brendansage in irgendeiner Vulgärsprache gegolten. Dieser Anspruch wird ihm aber durch ein aus dem Heimatlande der Sage stammendes mittelirisches Gedicht streitig gemacht, das, aus der Mitte des ı2. Jahrhunderts überliefert, der Sprache nach ins ı1. Jahr- hundert zu setzen ist. Bei dem großen Interesse, welches die For- schung seit langem der Brendansage zugewandt hat, ist es merkwürdig, daß dieses freilich nur kurze und mangelhaft überlieferte Gedicht noch keine Beachtung gefunden hat. Der Grund mag darin liegen, daß seine einzige Niederschrift, die uns das um etwa 1160 geschriebene Buch von Leinster bewahrt hat, halb versteckt und zum Teil unleserlich auf dem unteren Rande zweier durch ein Blatt t Seiten (366 und 369) steht”, so daß auch Arkınsox in seiner Einleitung zu dem von der Königlich irischen Akademie herausgegebenen Fak- simile der Handschrift seiner nicht Erwähnung tut. Zimmer ist meines Wissens der einzige, der auf das Gedicht N hat, ohne frei- lich weiter darauf einzugehen’, ı Hieikgeider von Sucuier in Bönners Romanischen Studien I, S. 555 ff. (1875) und von Fraxcısqur Micher, 1878. Cuarees Prunmer hat in der Zeitschrift für celtische Philologie V, S. 139 nachgewiesen, daß die Quelle des Gedichts in der sogenannten zweiten Vita Brendani zu suchen ist, welche, nach der Oxforder Hand- schrift Bodl. e Musaeo 3 herausgegeben, jetzt im Anhang seiner Vitae Sanctorum Hiberniae (Oxford 1910) S. 270—299 vorliegt. Diese Blätter gehören zu den sogenannten ‘Isidore leaves’, die, aus dem Buch von Leinster losgetrennt, lange Zeit in SER Konvent des hl. Isidors zu Rom gelegen haben, bis sie in unseren Tagen in dem F: zu Dublin nied legt worden sind. ® In seiner Abhandlung ‘Brendans Meerfahrt‘, ZfdA. XXXIN, S. 143, Anm. Hier hat Zisen sich auch mit dem Namen des Heiligen beschäftigt, doch bedürfen seine ler Berichtigung. Wir müssen von dem Vollnamen Brenaind ausgehen, der sich etymologisch in ein bahuvrihi Kompositum Bren-find ‘Stinkhaar’ zerlegt, wobei das a die nichtpalatale Färbung des n bezeichnet. Ebenso gebildet ist z. B. der Frauen- name Uanaind "Schaumbnar, hs LL 363 g ‚etymologisch Uanfind geschrieben. Vgl. dazu den Beinamen köpfig, RC XII, 104. Zu dem Vollnamen ist dann Brenddn Koseform und diese liegt dem Aatäinischkd Brendanus, Brandanus zugrunde. K. Mever: Ein mittelirisches Gedicht auf Brendan den Meerfahrer. 437 Die Veranlassung zur Aufzeichnung des Gedichts bot der auf S. 366 der Handschrift in der Liste von gleichnamigen irischen Heiligen (Comainmnigud noeb nErenn) vorkommende Name des Brenaind mocu Altai, des berüh Seefal Daß der Schreiber nicht etwa aus dem Gedächtnisse geschrieben, sondern eine Vorlage benutzt hat, zeigen deutlich mehrere von ihm begangene Lesefehler, so besonders doinmsi (Str. 2) und abferaib (Str. 7). Das Gedicht scheint vollständig über- liefert zu sein, denn sämtliche Strophen sind durch sogenanntes fidrad ‚Freccomail miteinand bunden, d. h. das letzte Wort jeder Strophe alliteriert mit einem der ersten Wörter der nächstfolgenden. Nur zwischen der ersten und zweiten Strophe fehlt diese Alliteration, und zwar deshalb, weil beide mit demselben Worte anfangen'!. Das Metrum ist die bekannte rannaigecht chetharchubaid recomarcach, welche sieben Silben in jedem der vier Verse, zweisilbigen Versausgang, Reim des zweiten und vierten Verses und Übereinstimmung der Quantität der Endsilben des ersten und dritten Verses mit den Reimworten verlangt. Fehlt diese Übereinstimmung (Assonanz), so wird sie durch Alliteration ersetzt (Brenaind: breö, chomsid: Cliana, Gree: rogabais). Auch sonst findet sich Alliteration und in folgenden Fällen Binnenreim: Cliana®: bilada, ratımar: cathrach, glend: tend, -fane: dge, Iordanän*: deoradan, -sceuchtha: luchra, slebe: grene, apstail: astair, trebaib Gree: feraib‘ dee, ri: Hi, rwrech: twirech, aillege: fäilte, aileon: chrideon®. Was die Sprache betrifft, so gehört unser Gedicht offenbar der Übergangsperiode aus dem Altirischen zum Mittelirischen an. Ich möchte es nicht früher als in den Anfang und nicht später als ins Ende des ı1. Jahrhunderts setzen. Von Sprachformen, die zur Da- tierung dienen können, erwähne ich die folgenden. In Str. ı skandiert breo als einsilbig, während es im Altirischen, z.B. im Felire Oingusso, stets zweisilbig ist. Ebenso zählt leoman in In altirischer Zeit sind die latinisierten Formen Brendinus (Thes. Pal. II, 283, 284) und Brendenus (ebenda 280) gewöhnlicher, welche irischen Koseformen auf -in und -en (ebenda 281, 5) entsprechen. ! Diese Eigentümlichkeit der irischen Verskunst ist bisher noch nicht fest- gestellt worden. So erklärt sich auch, daß im Epilog zum Felire Oingusso die dreißig sämtlich mit Romsoerae a Isı anfangenden Strophen nicht durch Alliteration verbunden sind. Dieselbe Regel galt auch bei den kymrischen Barden. So zeigt ein Gedicht Cynddelws (Srracuan, Introduction to Early Welsh, S. 234) adyymeriad in allen Strophen außer in den sechs ersten, die alle mit ‘asswynaf’ anfangen. 2 So leicht aus dem fehlerhaften c/u@ der Handschrift zu bessern. ® Die Form Eordandn, CZ. VII, 106, würde noch genauer entsprechen. ' * Die Handschrift hat abferaib, wofür ich dib feraib zu lesen vorschlage. ® D.h. chraideon. ° Stores setzt das Wort Gorm. Aug. 6 fälschlich als zweisilbig an. Es ist zu lesen: Mochuä breo bäghach. 39* 440 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. 7. In den Wohnsitzen der Griechen hast du geweilt, mit zwölf Männern bist du ausgezogen, viele Inseln hast du geschaut außer der MBel. u. 8. Das wonnereiche uralte Rom und Tours stehen unter deinem Sehutz'; dir, o König der Könige, eignet ein Turmhaus” in Iona und in Ailech. 9 Lieber als Mettrunk und Jubel beim Festgelage ist dir (die Fahrt) in deinem Schiff von Insel zu Insel — willkommen meinem Herzen! Hier folgen zunächst noch einige erklä g Str. 1, breö “Flamme? ist häufige dichterische Bezeichnung für einen Heiligen, so daß das Wort in der berla na filed genannten Sprache geradezu an die Stelle von ndeb ‘Heiliger’ tritt”. Der Ausdruck stammt wohl aus der Bardenpoesie. ıb. Zetha kann entweder Latium oder Aremorica (Letavia, kymr. Liydaw) bedeuten, hier wohl das letztere; denn der Kult Brendans war und ist in der Bretagne weit verbreitet‘ und gleich in der nächsten Strophe ist mit dem Kloster des Gildas gewiß Ruys gemeint. In weiterem Sinne bezeichnet Letha überhaupt Gallien (la Germän andes i ndeisciurt Letha, Fiacs Hymn. 5) und schließlich den Kontinent. Str. 2, Gillas ist die irische Form des Namens Gildas, indem schon im späteren Altirisch (Ml.) /d zu U geworden ist. Siehe Tuurnevsen, Handbuch $ ı150f£. Str. 4, deoraddn Fine ‘an exile of the Irish’. Hier sind die Iren mit dem alten St Fene bezeichnet, wie in Fiacs Hymnus (do thıtathaib Fene). Str. 5, fot ist wohl als /ot ‘Scholle, Stätte” zu fassen. Str. 6, da fresdul — dia frestul, proleptisch auf Rig grene bezüglich. Str. 8, Torinis f., der irische Name für die Stadt Tours, ist mit Volksetymologie (gleichsam “Turminsel’, vgl. Torinis, inis in tuir, LL 7b 10) aus dem gallo-romanischen Toronis gebildet. Siehe Horver, Altkelt. Sprachschatz s. v. Turoni. Str. 9, mochen-on kommt auch bei Gorman, Jan. 6, vor. ' 'Wörtlich “unter deiner Ehre’. . = Das heißt wohl eine mit einem Turm versehene Kapelle oder Kirche. Das ir. tuirech ist von tor “Turm’ weitergebildet wie ailech ‘Felsenort' von ail. ® Siehe CZ. VII, 558. * Siehe Barıns-Gourp and Fısuer, Lives of British Saints I, S.233ff. Es gab auch ein bretonisches Gedicht über Brendan, wenn wir dem Verfasser des Roman du renard glauben dürfen (ed. M&ox II, 96): Je fot savoir bon lai breton istan, de chievrefoil, de saint Brendan. K. Meyer: Ein mittelirisches Gedicht auf Brendan den Meerfahrer. 441 Es ist nun nicht leicht, diesem kurzen Gedichte seine Stellung innerhalb der Brendansage zuzuweisen. Bekanntlich sieht die Brendan- legende in irischer Form ganz anders aus als in den lateinischen Fassungen, die in die Literatur des Mittelalters übergegangen sind', und auch unser Gedicht geht seine eigenen Wege. Es stimmt aber auch nicht zu der irischen Vita des Heiligen’, die freilich nur ein Bruchstück zu nennen ist, da sie mit der Auf- findung des Paradieses unvermittelt abbricht und weder von der Heim- kehr noch dem Tode Brendans berichtet. Anderseits enthält es Züge, die sich in der von Pıumner herausgegebenen Vita Prima Sancti Brendani® wiederfinden. Der Form nach ist das Gedicht eine Begrüßung des Heiligen und scheint irgend jemand in den Mund gelegt, dem er auf einer seiner Fahrten begegnet oder der ihn bei seiner Rückkehr in die Heimat willkommen heißt. Es wird demnach wohl aus einer irischen Vita oder Navigatio stammen; denn derartig in die Prosa eingestreute Gedichte sind ja eine bekannte Erscheinung in der irischen Erzähler- kunst, und die irische Hagiographie hat das der profanen Sage nach- geahmt. So sind z. B. in die von Sroxzs herausgegebene Betha Brenaind elf solcher edichte ‚Bingelagbs aganiet eines (Z. 3809 ff.), welches ebenfalls eine Beg des h enthält und ähnlich wie unser Gedicht mit den Worten Dia do betha, a Brenainn, sunn ‘sei ge- grüßt an dieser Statt, Brendan!” anhebt. Was nun die einzeln aufgeführten Erlebnisse und Örtlichkeiten betrifft, so erwähne ich zuerst diejenigen, die sich mit schon bekannten der Sage decken. In Str. 2 und 3 spielt unser Verfasser offenbar auf den Besuch Brendans bei Gildas an, der in $ 83 ff. der Vita Prima erzählt wird. Was der Dichter die Herrschaft (Autorität, ir. commus) Brendans über das Kloster des Gildas nennt, wird dort von Gildas selber dem Brendan mit folgenden Worten angeboten: ‘Homo Dei, aceipe me diseipulum atque obedientem monachum tibi in perpetuum.... Mane hie et aceipe regimen huius plebis tibi et locum istum custodi.’ Dort findet sich auch das Abenteuer in der Bergschlucht der Löwen (= desertum ubi leo et leaena habitant $ 85), welche Brendan zähmt und dem Kloster des Gildas dienstbar macht. In Str. 5 tritt der Berg Zion an die Stelle der terra repromissionis, deren Auffindung ja der Zweck von Brendans Meerfahrt war. Dies kehrt in dem auf der zweiten Version beruhenden mitteldeutschen Gedichte Von sente Brandan‘ wieder, wo r Siehe darüber besonders Eeärgzee Zur Brandanuslegende, S. 27. ® Mit U g‘ n Wu. Sroxes, Lives of Saints from the Book of Lismore. Oxford 1890. 3 In seinen Vitae Sanctorum Hiberniae, vol. I, S. 98— * Herausgegeben von Karı ScHRÖDER, Sant ee 5. en. 442 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. v. 1113—1244 den Besuch auf Munda Sion schildern. Ferner bezieht sich Str. 8 auf die in $ 86 der Vita Prima erzählte Gründung eines Klosters in insula quadam Britanniae nomine Ailech, das wohl in Schott- land und nicht in der Bretagne zu suchen ist. Was dagegen die Erwähnung von Iona betrifft, so mag sie durch die Erinnerung an den von Adamnan Kap. ı7 erwähnten Besuch Brendans bei Columba veran laßt worden sein. Die Anspielung auf die Insel par excellence in Str. 7 bezieht sich gewiß auf die paradiesische Insel, welche Brendan zuerst von Sliab Aidche im westlichen Meere erblickte (Betha Brenaind. 3565). Neben diesen aus der lateinischen oder irischen Fassung der Sage bekannten Episoden wird nun aber auf eine Reihe von Örtlichkeiten angespielt, die sonst in der Brendansage nicht vorkommen. Da fällt es sofort auf, daß wir es hier mit Dingen zu tun haben, die sämtlich zum Gemeingut des alt- und mittelirischen Erzählerrepertoires gehören, wo Gelegenheit geboten ist, sich mit der großen Welt außerhalb Irlands zu beschäftigen. Diese Züge sind hier einfach auf den berühmten Pilger übertragen. Die Kenntnis von Taprophane (Ceylon) stammt aus der Trojasage, mit der die Iren seit dem 10. Jahrhundert durch Übersetzungen be- kannt waren!. In der von Sroxes herausgegebenen Togail Troöi (Kal- kutta 1881) wird Z. 633 die Insel (inis Taprofani) als das Ende der Welt im Osten, wo die Sonne aufgeht, bezeichnet (airm i turgaib grian in-airthiur in domain), und als solches gilt sie allgemein in der mittel- und neuirischen Sage. In der auf Josephus beruhenden mittelirischen Erzählung ae fola ae Die Rache für Christi Blut” finden wir zu- erst die durch Voll beeinflußte Form Tiprafäne (LB 150a 24, 153b 57), woraus im Laufe £ Zeit Tipra Fane ‘Quelle des Morgenrots’ geworden ist (z.B. Agall. na Senorach, ed. Srorzs, Z. 2774). Der ‘Sonnenbaum’ stammt wiederum aus der Alexandersage, die ebenfalls seit dem 10. Jahrhundert bei den Iren im Umlauf war. Hier wird er in der mittelirischen Version (BB 488a 30 = Ir. Texte II, S. 103) erwähnt. Auch er gilt als Markstein des östlichen Endes der Welt, so daß es bei einem irischen Dichter des ı2. Jahrhunderts heißt: “Wenn der Wind vom Westen bläst über die stromschnelle See, so strebt er ostwärts an uns vorüber nach dem Sonnenbaume hin in den breiten weitentfernten Ozean.’? Daß die Insel Taprophane auf dem Sonnenbaum wie auf einem reise. oder Piedestal ruht, ist aus altirischen Sp herüber- ! In einem aus diesem Jahrhundert st: den S b wird unter den a d. h. ‘Zerstörungen’ an erster Stelle Togail Troi ‘die ren Trojas’ auf- geführt. 2 Siehe Otia Merseiana II, S. 82. K. Meyer: Ein mittelirisches Gedicht auf Brendan den Meerfahrer. 443 genommen. Sowohl in der ‘Meerfahrt Brans’' als in der des Maelduin lesen wir von Inseln, die auf einem bzw. vier Pfeilern ruhen’. Pfahl- bauten mögen diesen Gedanken veranlaßt haben. Der in Str. 4 erwähnte Jordan wird, freilich in anderer Weise, in einem irischen Prosafragment über Brendan (LL 37ıb) mit dem Heiligen in Zusammenhang gebracht. Hier heißt es, daß sich zu seiner Taufe ein Wasserguß aus dem Jordan auf sein Haupt nieder- gelassen habe (dothaäet broen dian do thopur Iordanen co rothinsan fair indenus a baiste). Die Anekdote ist erfunden, um eine Volksetymologie des Namens Brendain (aus broen und dian) anzubringen. Daß in Str. 5 und 6 der Berg Zion an die Stelle des verheißenen Landes getreten ist, habe ich schon bemerkt. Er galt den Iren als der Ort des Jüngsten Gerichts (Sliab Sion baile i ndingne Crist mes for clainn nÄdaim, Lism. Lives 622)*. Ob das in Str. 6 erwähnte Fasten eine Vorbereitung auf den Anblick Gottes oder Christi auf Zion bedeutet oder sich auf das vierzig- tägige Fasten vor der Ausfahrt Brendans bezieht (Scuröper, a. a. 0. S. 5), muß dahingestellt bleiben. Auch von dem in Str. 7 erwähnten Aufent- halt in Griechenland berichten die Vitae und Navigatio nichts. Griechen- land spielt schon in altirischen Sagen von wandernden Heroen eine Rolle. So besucht es z. B. der Sagenheld Cüröi mac Däiri (CZ III, 38). In derselben Strophe werden die Begleiter Brendans auf zwölf angegeben, im Gegensatz zu aller sonstigen Überlieferung, wonach es bald sieb- zehn, bald dreißig oder sechzig waren. Die Zwölfzahl ist aber bei Auszügen und Pilgerfahrten irischer Heiliger die übliche, nach dem Vorbilde Christi und der Apostel. So ziehen sowohl Columba als Columban mit zwölf Gefährten in die Welt hinaus. Die Erwähnung von Rom und Tours in Str. 8 bedarf keiner Er- klärung. Es waren die g lichsten Zielpunkte irischer Pilgerfahrten von frühester Zeit an, letzteres besonders um das Grab des hl. Martin zu besuchen. Ich möchte also dahin OHBERER: Re eg Gedicht aus einer irischen Prosa- verloren gegangenen, dem 11. g erzählung von der Meerfahrt Brendans ER in welcher der Verfasser zu den bel Abent seines Helden andere aus den oben an- Beinen, jedem irischen Erzähler vertrauten Quellen hinzugefügt hatte. ! Siehe meine Ausgabe S. 47- 2 Siehe ROX, S. 62 (inis aile for denchois -i- denchos oc a Julang), 3 In der Vita prima, Kap. 6 wird Brendan ‘puer tanquam mons 8yon in fide stabilis genannt. 444 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. Von Remnorn Koser. An der 38. Plenarversammlung der Centraldireetion der Monumenta Germaniae historica, die vom ı8. bis 20. April d. J. in Berlin tagte, beteiligten sich die HH. Prof. BressLau aus Straßburg i. E., Hofrat Prof. Luscnum Ritter von EBENGREUTH aus Graz, Prof. von OTTENTHAL aus Wien, Geheimrat Prof. vox Rırzıer aus München, Geh. Hofrat Prof. VON STEINMEYER aus Erlangen sowie die hiesigen Mitglieder Wirkl. Geh. Rat Prof. Brunser Exzellenz, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Koser als Vorsitzend Geheimrat Prof. Scnärer, Geh. Hofrat Prof. von Sın- son, Prof. Taner, der das Protokoll führte, und Prof. Zrumer. Am Er- scheinen verhindert waren durch dringende Berufsgeschäfte Hr. Archiv- direktor Geh. Archivrat Kruscn in Hannover und Hr. Prof. Dr. Repricn in Wien, zur Zeit Rektor der dortigen Universität. Als Leiter der ihm durch Beschluß der Centraldireetion ‘vom 18. April übertragenen Ab- teilung Antiquitates wohnte ferner an den beiden letzten Sitzungstagen Hr. Prof Strecker von der Berliner Universität den Verhandlungen bei. Zum ersten Male seit ihrem Bestehen tritt die Centraldireetion in ein neues Arbeitsjahr, ohne auf die Mitwirkung des Mannes zählen zu dürfen, der seit 1875 als unser Mitarbeiter, seit 1888 als unser Mitglied seine ganze Lebensarbeit ausschließlich in den Dienst der M 6 historiea gestellt hatte. Am ı. November ıg11 wurde der Geh. Regierungsrat Hr. Prof. Dr. Oswaın Howprr-Esser im 61. Lebensjahre durch einen frühzeitigen Tod unserer Gemeinschaft und der Wissenschaft entrissen. Einen Nachruf auf den von uns Ge- schiedenen aus der Feder des Hrn. Prof. Zeuner, des ihm durch 33 jährige Arbeit engverbundenen Kollegen und Freundes, enthält das nächste zur Ausgabe gelangende Heft unseres »Neuen Archivs«. Behufs Herbeiführung einer Entscheidung über die durch diesen Todesfall erledigte Stelle eines etatmäßigen Mitgliedes der Central- direction hat in deren Auftrage der Vorsitzende dem Reichsamt des Innern einen Bericht erstattet. Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. 445 Seit Erstattung des letzten Berichtes erschienen: In der Abteilung Seriptores: Seriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi: Einhardi Vita Karoli Magni ed. sexta. Curavit O. Hoıver- Esser. — Ottonis Episcopi Frisingensis Chronica. sive historia de duabus ceivitatibus ed. altera. Recognovit AnoLrus HornEister. In der Abteilung Deges: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum. Tomi V pars altera. Ed. J. Schwarm. In der Abteilung Epistolae: Epistolarum tomi VI partis alterius fascieulus primus (Nicolai I. papae Epistolae. Edidit E. Prrers). — Tomi VI pars prima (Registrum Johannis VII. papae. Edidit E. Casrar). Vom Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts- kunde: Bd. XXXVI Heft 3 und Bd. XXXVI Heft ı. Im Druck befinden sich sechs Quart- und vier Oktavbände. In der Serie des Seriptores rerum Merovingicarum ist unter Leitung des Hrn. ‚Geh. Archivrats Kruscn der Satz des von ihm und Hrn. Prof. Levisox bearbeiteten Schlußbandes VI vom 24. bis zum 57. Bogen vorgeschritten. Zugleich ist der Herr Abteilungsleiter mit der Be- arbeitung der ältesten Vita Corbiniani (von Bischof Arbeo von Frei- sing) auf Grund der Londoner und der von ihm in Karlsruhe auf- g | alten Reich H RR ER häftigt gewesen. Für die dem Mönch Hrotrohe zugeschrieb Überarbeitung des 10. Jahr- hunderts, die für das Verständnis des Urtextes nieht wohl zu ent- behren ist, waren nicht weniger als 2ı Handschriften zu unter- suchen. Durch Z dung von Handschriften unterstützten die Edi- tionsarbeit die Bibliotheken von Admont, Bern, Brüssel, Einsiedeln, Heiligenkreuz, Kremsmünster, Leipzig, Lüttich, Luxemburg, Mons, München, Prag, St. Gallen, Wien. Zu besonderem Danke verpflich- tete dem Herausgeber die k. k. Lyzealbibliothek in Linz, die aus- nahmsweise eine nach den Vorschriften sonst ausgeschlossene Hand- schriftenversendung eintreten ließ. Der zu früh verstorbene Bollan- dist Hr. P. Arserr Poxczrer, in welchem die M G i einen warmen Freund verloren haben, hat bis zuletzt die Mero- vinger-Serie durch Kollationierungen Brüsseler Texte unterstützt. Sein kurz vor seinem Tode erschienener Katalog führte auf die Spur wichtiger hagiographischer Handschriften des Museums Mermanno- Westreenianum im Haag, wie der Virtutes Iuliani und Martini Gregors von Tours und der Vitae Trudonis et Eucherü, die Hr. Prof. Levısox, 446 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. durch den Direktor der Kgl. Bibliothek in Haag, Hrn. Dr. Byvancx, und seinem Sohn Hrn. Dr. A. W. Brvanck auf das entgegenkommendste unterstützt, an Ort und Stelle verglichen hat. Die Leitung der sämtlichen bisher Hrn. Geheimrat HoLper-EssEr unterstellten Serien der Seriptores hat die Centraldireetion in die Hände des Hrn. Prof. Bressrau zu legen beschlossen, und zwar auf seinen Wunsch vorläufig für die Dauer eines Jahres, während dessen er einen Arbeitsplan für die Fortführung der großen Aufgabe entwerfen wird. Von den zahlreichen unvollendeten Arbeiten, die sich im Nachlaß des gsleiters vorgefunden haben, wird die dringendste, d.h. die Einleitung zu der im XXXII. Bande der Scriptores enthaltenen Ausgabe der Chronik des Minoriten Salimbene de Adam, durch den Privatdozenten Hrn. Dr. Schwerer in Leipzig fertiggestellt werden. Als erste Vorarbeit für die Sammlung der Geschichtsschreiber Deutsch- lands im 14. Jahrhundert hat Hr. Privatdozent Dr. Horneıster eine Prüfung der Überlieferung für Mathias von Neuenburg begonnen. In Fortsetzung seiner Arbeiten am Liber Pontificalis hat Hr. Prof. Levisox u. a. eine Handschrift mit Papstviten aus Evreux herangezogen, deren Texte sich aber für seine Aufgabe als wertlos erwiesen. Nach- forschungen nach dem Verbleib des Codex Farnesianus, an denen sich Hr. Dr. Bonarra, Kustos der Universitätsbibliothek in Wien, hilfsbereit beteiligte, sind ergebnislos geblieben. In der Sammlung der Seriptores rerum germanicarum erschien die im vorigen Berichte angekündigte sechste, durch Hor.ver-Esser durch- greifend revidierte Auflage von Einhardi Vita Karoli Magni als letzte Arbeit, die dem Herausgeber abzuschließen beschieden war. Für die gleichfalls im Berichtsjahr erschienene neue Ausgabe der Chronik Ottos von Freising dient zur Ergänzung die von dem Herausgeber Hrn. Dr. Horneıster im ersten Hefte des Neuen ‚Archivs veröffentlichte Untersuchung, der zwei weitere Studien folgen werden. Zu besonderem ' Dank hat ihn bei Lösung seiner Ausgabe Hr. Oberbibliothekar Dr. Ler- DINGER in München verpflichtet. Die von Hrn. Geheimen Hofrat vox Smson besorgte dritte Ausgabe der Gesta Friderici von Otto und Ra- hewin befindet sich im Druck, ebensb die aus St. Blasien stammende Fortsetzung der Chronik Ottos, als deren Verfasser jetzt der Mönch Otto gesichert ist und deren Text durch die von dem Bearbeiter Hrn. Dr. Hormeister herangezogene, bisher vernachlässigte Wiener Hand- schrift eine wesentlich veränderte Gestalt erhalten hat. Hr. Privat- dozent Dr. Schmeipzer hat für die Neubearbeitung des Adam von Bremen die Klassifizierung der Handschriften und die erstmalige Herstellung des Textes und Apparats für alle vier Bücher durchgeführt, auch für das Register und das Glossar vorgearbeitet. Die von Hrn. Dr. Wzı- Koser: Monumenta Germaniae historiea. Jahresbericht. 447 BERGER unterstützten Arbeiten des Hrn. Landesarchivdirektors Prof. Brernorz in Brünn für Cosmas von Prag sind dadurch wesentlich ge- fördert worden, daß nach der wiedergefundenen B H fi neuerdings Dank der Bemühungen des Hrn. Kanonikus P. Dr. Pon- zama nunmehr auch die Prager Kapitelhandschrift wieder zum Vor- schein gekommen ist. Im Zusammenhang seiner Arbeiten für die Annales Austriae bietet Hr. Prof. Unzisz in Graz in seinen Beiträgen für die von A. Cmroust herausgegebenen Monumenta Palaeographica Faksimiles, welche die wichtigsten dieser Annalenhandschriften be- rücksichtigen. Durch Ausleihungen nach Graz unterstützten Hrn. Unrırz die k. k. Hofbibliothek in Wien und der hochwürdige Hr. Bibliothel des Benedikti tiftes Admont, P. Frıeprıcn Fıenrer. Hr. Dr. Rıcnarn Saromon begann unter Mitwirkung von Hrn. Prof. Zevmer mit dem Druck des Berichts des Johannes Porta de Annoniaco (vgl. Jahresbericht 1909) über die Reise zur Kaiserkrönung Karls IV., die der Verfasser mit dem vom Papste zur Vollziehung der Krönung delegierten Kardinalbischof von Ostia und Velletri, Petrus von Co- lombier, im Februar 1355 von Avignon antrat und von Pisa aus gemeinschaftlich mit Karl IV. fortsetzte. Zwei in des Verfassers Hei- matstadt Annonay (Departement Ardöche) neu aufgefundene Hand- schriften hat Hr. Dr. Saromox auf der dortigen Stadtbibliothek durch- beitet, Kollati einer Pariser Handschrift besorgten Hr. H. Lr- ’ BEGUE und Hr. Dr. Horneister. In den durch Hrn. Wirkl. Geh. Rat Prof. Brunner geleiteten Serien der Abteilung Leges ließ Hr. Geh. Justizrat Prof. Srexer von dem Cod. lat. 4635 der Pariser Nationalbibliothek, dessen Ausleihung uns als unzulässig bezeichnet, wurde, für die Zwecke der Ausgabe des Bene- dietus Levita eine Photographie herstellen, unter deren Hinzuziehung die Quellenstudien für Liber III und Additio I—IV nunmehr zum Ab- schluß gebracht werden. Zur Lex Baiuwariorum ist die dritte kritische Studie des Hrn. Prof. Freiherrn vos Scnwiso im Neuen Archiv Bd.XXX VI gedruckt. Hr. Privatdozent Dr. Freiherr von Scuwerm in München hat den Text der Lex Thuringorum und der Leges Saxonum auf Grund der erhaltenen Handschriften und der Drucke von Tilius und Herold be- arbeitet; für das Vorhandensein bisher nicht benutzter Handschriften hat sich nicht der geringste Anhaltpunkt ergeben. Unter Leitung des Hrn. Prof. Zrumer hat in derselben Abteilung zunächst Hr. Dr. Kramner das Manuskript seines Textes der Lex Salica so weit hergestellt, daß es nach einer letzten Revision in Druck gegeben werden kann. Die Textgeschichte wird abschnitts- weise im Neuen Archiv veröffentlicht werden. Der Druck der von Hın. Privatdozenten D. Dr. Huserr Basteen in. Straßburg i. E. für die 448 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. Serie der Concilia bearbeiteten Libri Carolini hat begonnen. In der Serie der Constitutiones et acta publica regum et imperatorum ist der zweite Teil des fünften Bandes (bis Dezember 1324) erschienen; eine Schluß- lieferung mit Titel, Vorwort, Inhaltsverzeichnis und Register wird der Bearbeiter Hr. Prof. Scnwarn im Laufe dieses Jahres folgen lassen. Gleichzeitig mit dieser Ausgabe ist eine Abhandlung des Hrn. Prof. Zeumer über die darin enthaltenen Appellationen Ludwigs des Bayern erschienen (Neues Archiv XXXVI, ı). Der Druck des von ihm und Hrn. Dr. Rıcnarn Saromon bearbeiteten achten Bandes der Constitutiones, der bis zum Schluß des Jahres 1348 führen wird, ist bis zum 70. Bogen vorgerückt. Auch für den neunten Band liegt bereits umfangreiches Material in fertiger Bearbeitung vor. Auf einer im Herbst ıgıı unter- nommenen Forschungsreise besuchte Hr. Dr. Saronon die Archive zu Sondershausen, München, Stuttgart, Karlsruhe, Frankfurt a. M., Mar- burg, Rudolstadt und Dresden. Den Verwaltungen dieser Archive, sowie den Herren Archivdirektoren Dr. Diererıcn in Darmstadt und Dr. Wırrmans in Büdingen und den Staatsarchiven in Berlin, Coblenz, Hannover, Magdeburg . i AWeimar, den Bezirksarchiven in Colmar und Straßburg, den Fürstlichen Archiven in Donaueschingen, Amorbach und Wolfegg, den RERLEEEN von Augsburg, Koesfeld, Donauwörth, Dortmund, Hagenau, Mühlhausen i. Th., Oberehnheim, Schlettstadt, Ulm und Worms spricht die Abteilangsleitimg ihren ver- bindlichen Dank aus. In der Abteilung Diplomata war Hr. Prof. Taxer u. a. mit dem Abschluß einer Arbeit über die Kanzlei Ludwigs des Frommen be- schäftigt. Sein bisheriger ständiger Mitarbeiter Dr. Mürzer kann sich infolge seiner Ernennung zum Archivar am Berliner Geheimen Staats- archiv nur noch als Hilfsarbeiter an den Editionsaufgaben beteiligen und wird durch den Archivhilfsarbeiter Dr. Hrıy ersetzt, der seine Tätig- keit bereits am ı. Dezember ıgıı mit Vorarbeiten für die Urkunden Lothars I. begonnen hat und mit Urlaub von der Archivverwaltung seine Arbeitskraft vom künftigen Herbst ab ausschließlich den Mo- numenla Germaniae widmen wird. Die Arbeiten für die Ausgabe der Diplome Heinrichs III. wurden in Straßburg durch Hrn. Prof. Bressrau, der er han Besuch in Acqui für die einer Urkunde jenes H h kunden zu- grunde liegenden Ottonendiplome die er ci Überlieferung verglichen hat, und durch seinen ständigen Mitarbeiter Hrn. Prof. Wise fortgesetzt. Für die Diplomata saec. XII. konnten eine weitere Anzahl Gruppen, die mit Originalen Konrads III. einsetzen, abermals in Wien aufge- nommen werden, weil das Material in zuvorkommender Weise dorthin Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. 449 ausgeliehen wurde, und zwar Selz-Hagenau (aus dem Generallandes- archiv zu Karlsruhe); St. Waldburg (aus der Universitätsbibliothek zu Heidelberg); St. Remy zu Rheims (aus der Landesbibliothek zu Stutt- gart); St. Ulrich und Afra, Mönchsmünster, Neumünster in Würzburg, St. Peter in Salzburg (sämtlich aus dem Reichsarchiv zu München); endlich die Originale der österreichischen Stifter Garsten (aus dem Museum Franeisco-Carolinum zu Linz), Klosterneuburg, Zwettl; das ganze Material fiel dem ständigen Mitarbeiter, Hrn. Privatdozenten Dr. Hırscrn, zu. Aus Norddeutschland wurde in Wien durch Hrn. Prof. von OrrentuAar das dem Staatsarchiv zu Hamburg gehörige Kopial- buch von Neumünster benutzt; einige jüngere Überlieferungen für Magdeburg und Nivelles bot das k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Vornehmlich aber erstreckte sich die Tätigkeit des Herrn Abteilungs- leiters auf die Untersuchung der Diktate der Kanzlei Lothars und die Fortsetzung der Arbeit an den bereits aufgenommenen Gruppen aus Norddeutschland, Belgien und Nordfrankreich. Hr. Dr. Samasex be- teiligte sich an den Arbeiten u. a. mit größeren Ausarbeitungen für die Gruppe Neumünster-Segeberg-Corvey und setzte die bibliogra- phischen Auszüge fort. Endlich entstanden im Zusammenhange der Wiener Editionsarbeiten eine bereits druckfertige Monographie des Hrn. Dr. Hırscn über »Immunität und Vogtei im ı2. Jahrhundert« und eine Untersuchung desselben Verfassers über die Geschichte des Codex Udalriei und seine Verwendung in der Reichskanzlei unter Konrad III. und Friedrich I. In der Abteilung Zpistolae veröffentlichte Hr. Privatdozent Dr. Perers als zweiten Halbband von Bd. VI die Briefe des Papstes: Nico- laus I. und im Anschluß an seine Ausgabe eine Erörterung über die handschriftliche Überlieferung dieser Briefe (Neues Archiv XXXVI. Hrn. Prof. Wernisenorr in Königsberg i. Pr., der nach seinem Rück- tritt von der Leitung der Abteilung die Aufsicht über diese Edition beibehalten hatte, spricht die Centraldirection auch an dieser Stelle für seine hingebende und sachkundige Mitwirkung an der Lösung dieser wichtigen Aufgabe ihren wärmsten Dank aus. Die Vorarbeiten für den Schlußteil des sechsten Bandes, der die Briefe Hadrians II. sowie die Register zu dem ganzen Bande enthalten soll, hat Hr. Dr. Prrers zum tli Teile abgeschl Von ausländischen Handschriften konnte er für seine Zwecke dank dem Entgegenkommen der beteilig- ten Verwaltungen hier in Berlin vergleichen die Codd. Taurinensis 903 und Bruxellensis reg. 5413/22 sowie den Cod. 10 aus Alencon. Gleichzeitig mit diesem Berichte gelangt das Registrum Iohannis VIII. in der Bearbeitung des Hrn. Privatdozenten Dr. Casrar als erster Teil des siebenten Bandes der Zpistolae zur Ausgabe; der zweite Teil dieses + 450 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. Bandes soll die Epistolae Iohannis VIII. papae passim collectae (ed. Caspar), die Briefe des Anastasius Bibliothecarius (ed. Prrers) und die Papst- briefe aus dem Ausgang des neunten Jahrhunderts enthalten sowie den durch Hrn. Gymnasialdirektor Henze bereits für den Druck her- gestellten Brief Kaiser Ludwigs II. Seine im vorigen Bericht erwähnten Untersuchungen über das Register Gregors VII. wird Hr. Dr. Caspar im Neuen Archiv demnächst vorlegen. Hrn. Geheimrat Prof. Srexen ist die Abteilung für seinen Beirat bei der Feststellung kanonistischer Quellen zu Dank verpflichtet. Auf Antrag des Abteilungsleiters beschloß die Centraldireetion die Herausgabe von Epistolae selectae in usum scholarum ex Monumentis Germaniae historieis separatim PiRAS a Sammlung wird mit den von Hrn. Prof. Taneı. bearbeit briefen eröffnet werden. Für die Abteilung Antiquitates hat ihr nunmehriger Leiter Hr. Prof. STRECKER in Berlin die in dem Euiton Teil des vierten Bandes der Poetae Latini aufzunehmende S g der karolingischen Rhythmen für die Drucklegung fertiggestellt. Es "unterstützten den Herausgeber durch Photographien aus einer Eskorial-Handschrift Hr. Dr. Joseen SCHWEIZER, der zur Zeit, im Auftrage des preußischen Historischen ge zu Rom, spanische Archive und Bibliotheken bereist, durch 1 nach gli 1 Handschriften Hr. Prof. Levisosn, durch n r Bereitwilligkeit Hr. H. Lesisur in Paris und mit erheblichem Aufwand an Zeit und Mühe Hr. Prof. Dr. Bruno Arzers 0. S..B. in Monte Cassino. Der Bibliothekar und Archivar Dom Antoxıo SPAGNOLO vom BEN zu Verona hat sich der schwierigen Auf- gabe unt die reskribi Seiten des Veroneser Rhythmen- kodex XC (85) zu entziffern, und Hr. Pavı Lisaerr, Serittore della Biblioteca Vaticana, verpflichtete uns durch eine Abschrift interessanter merovingischer Rhythmen, die er in Paris am Schluß eines Kodex des Gregor von Tours gefunden hat und den Monumenta zur Veröffent- lichung überlassen will. Handschriften wurden zur Benutzung über- sandt aus Arras, Brüssel, St. Gallen und München, eine Photographie Fa die Bibliothek zu Bern. Hr. H. Brrwer in Brüssel gestattete llichst die Benutzung seiner Photographien aus Monza. In Bezug auf von dem verstorbenen Prof. von WINTErrELD in Angriff g lung der Sequenzen Notkers und verwandter Dichtungen hatte die Centraldireetion nach dem Tode des ersten Be- arbeiters mit dessen Nachf , Hrn. Bibliothekar Jacos WERNER in Zürich, ı ee wesentliche Einschränkung ”“ Aubgale gegenüber dem ur- ü Plane bredet (vgl. Jah icht von 1906). Inzwischen haben. die Arbeiten von Creuens Brune und Hrxry Bansıster in ihrer Ausgabe der dem Notker Balbulus zugeschriebenen Sequenzen (Analeeta Kollati Koser: Monumenta Germaniae historica. “Jahresbericht. 451 + hönft hymnica Bd. 5 3) den Stoff in der I da somit eine erneute B g etwas Neues nicht bringen könnte, werden die Monumenta Germaniae von der geplanten Sequenzen-Aus- gabe ganz absehen. Bei: der fortgesetzten Drucklegung des fünften Bandes der Necro- logia (Passauer Diözese österreichischen Anteils) unterstützten den Herausgeber, Hrn. Pfarrer Dr. Anaıserr Fuchs O.S.B. in Brunnkirchen, neben der Abteilungsleitung die HH. Prof. Repzicn in Wien und Prof. Taneı in Berlin. Der Satz des vierten, durch den Erzbischöflichen Bibliothekar Hrn. Dr. Fastuiseer in München bearbeiteten Bandes (für den bayrischen Anteil der genannten Diözese) erlitt infolge des Wechsels in der Abteilungsleitung einen Aufschub, soll aber nunmehr beginnen. Den Druck der Werke des Aldhelm von Sherborne hat Hr. Prof. EnwaAın in Gotha bis zum neunten Bogen gefördert. Im Redaktionsausschuß für das Neue Archiv ist an Stelle O. Hoıner- Essers Hr. Prof. Bresstau den HH. Taxeı und Zevmer zur Seite ge- treten. Die Traube-Bibliothek, zu deren besonderer Dotation die Central- direction aus den für die allgemeine Verwaltung bestimmten Mitteln einen Zuschuß leistete, erhielt eine wertvolle Erweitung durch die Erwerbung des größten Teiles der Horner-E hen Bibliothek, mit dessen Einordnung der Hr. Bibliothekar Dr. Jacoss zur Zeit noch be- schäftigt ist. Wir schließen unsern Bericht wie alljährlich mit dem Dank für so vielfache Unterstützung, die uns außer den bereits genannten Be- hörden, wissenschaftlichen Anstalten und einzelnen Gönnern die hohen Reichsbehörden, das Kgl. Preußische Historische Institut zu Rom, der Herr Präfekt der Vatikanischen Bibliothek, P. Franz Eure, und die Herren Beamten der Handschriften- und der Zeitschriftenabteilung der Berliner Kgl. Bibliothek zuteil werden ließen. I 1:1 Sitzungsberichte 1912. ; 40 452 Gesammtsitzung vom 9. Mai 1912. Adresse an Hrn. CarL GRAEBE zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum am 30. April 1912. Hochverehrter Herr Kollege! Zn dem Tage, an dem Sie vor 50 Jahren an der Universität Heidelberg die philosophische Doktorwürde erwarben, entbietet Ihnen die Preußische Akademie der Wi haften herzlichen Glückwunsch und Gruß. Nachdem Sie als Assistent Ihres großen Lehrers Busse reichlich Gelegenheit gehabt, alle Feinheiten der Experimentierkunst kennen zu lernen, führte Sie die vom Vater ererbte Wanderlust über die chemische Industrie nach Berlin, an die Stätte, wo Sie Ihren ersten großen wissen- schaftlichen Erfolg haben sollten. In dem von Anorr Baryer geleiteten bescheidenen Laboratorium an der Gewerbeakademie fanden Sie treffliche Gelegenheit, mit der in frischer Entwieklung befindlich ganischen Chemie Fühlung zu neh- men und Ihr erfinderisches Talent darin zu betätigen. Hier beginnt alsbald die lange Reihe von Versuchen, die Sie von der Chinasäure zu der breit angelegten Arbeit über Chinone und schließ- lich zu den komplizierten Bestandteilen des Steinkohlenteers führten. Mit genialem Blick erkannten Sie die Zugehörigkeit des Alizarins, des wichtigen Farbstoffs der Krappwurzel, zur Gruppe der Chinone, und, nachdem Sie sich mit 0. L bunden, um diesen Gedan- ken zu prüfen, gelang es Ihnen sofort, den Farbstoff als Abkömmling des Anth zu k iel Daran schloß sich der noch kühnere Gedanke, umgekehrt aus dem Anthracen das Alizarin künstlich zu bereiten. Durch seine glückliche Verwirklichung wurde nicht allein die erste Synthese eines wichtigen, natürlichen Farbstoffs bewerkstelligt, sondern auch die Grundlage für eine neue Industrie geschaffen. Die Übertragung Ihrer Synthese in den technischen Betrieb war der erste durchschlagende Erfolg, den die in Frankreich und England entstandene Industrie der Teerfarbstoffe auf deutschem Boden erzielte, und bezeichnet den Anfang der glä Ent g, um die Deutsch- land jetzt von anderen Völkern beneidet wird. u Adresse an Hrn. Cart, Grazse zum fünfzigjähri D jubilä 453 5J 5 Die neue nn a ihrem Beprandee dadurch ER daß sie umgekehrt durch Vv g des Steinkohlenteers man- cherlei Produkte zugänglich machte, die Ihnen Anregung und Gelegen- heit zu neuen Entdeckungen gaben. Nachdem Sie schon früher durch 'eine meisterliche Untersuchung die Struktur des Naphthalins festgestellt und bei dieser Gelegenheit auch wichtige Beiträge zur Ortsbestimmung aromatischer Verbindungen geliefert hatten, sind die hochsiedenden Stoffe des Steinkohlenteers, das Phenanthren, Pyren, Chrysen, Acenaphthen, Akridin und Karbazol von Ihnen entweder entdeckt oder durch Aufklärung der Struktur dem all- gemeinen System der hen Chemie ei iht worden. Aber nicht allein der Arbeit des Forschers, auch der Tätigkeit des akademischen Lehrers dürfen wir rühmend gedenken. Ein Vierteljahr- hundert war es Ihnen vergönnt, an der Universität Genf einen großen Schülerkreis um sich zu versammeln und in glücklichster Weise ein Bindeglied zwischen deutscher und französischer gen zu werden. Jetzt, wo Sie das Lehramt und die E iment fgegeb haben und in Ihre Vaterstadt zurückgekehrt sind, um das Otium. cum dignitate zu genießen, ist Ihr Interesse dem Werdegang der Wissenschaft zugewandt, und Ihr feines Verständnis für die schaffende Arbeit des Naturforschers läßt Sie den Fortschritt chemischer Erkenntnis nicht so sehr in der Konzeption und Ausbildung der Theorien, als vielmehr in der Verfeinerung der Methoden und der konsequenten Verfolgung der Erscheinungen erblicken. Zeugnis dafür gibt der treffliche Nekrolog, den Sie dem genialen und überaus fruchtbaren französischen Chemiker M. Bert#eLor gewidmet haben. Ähnliche Produkte historischer Forschung hoffen die Chemiker noch öfters von Ihnen geschenkt zu erhalten. Daß Ihnen für solche Arbeiten ein gütiges Geschick noch lange die Frische des Geistes und Körpers erhalten möge, ist der Wunsch, den wir zum heutigen Jubeltage darbringen. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 23. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder auch in weiterer er in deutscher Sprache veröffentlicht r erd Sollte eine dem euwiderutende Veröffen. lichung dem rı vor der Ausgabe in kommen, so hat er die Mittheilung aus Ey zu entfernen. wi Aus $ 27. | Das Manuseript einer in einer ‚Akademische: en Sitzu: am Donnersta me En 85 5 3 2 5 3 5 ER 5 2.5 5 = E & 5 g®» 5 4 #3 3 7 E 3 mE 2 3 2-4 ga 3 5 & 3 enn der Verfas fasser ein we gel- chtsregeln a so Be er dazu der Ein- willigung der Gesam. kadem Geirkinitreien a es velle zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestattet. s $ 21. Die Sizungsberehe er in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht t Tage nach jeder Sitzung. Aus $ 22. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über d; in der Sitzung v kein: agenen wissenschaftlichen Mitthei- lungen und über die zur vs une geeigneten ge- ee Abeeenhan ter den Titeln der Wienschäfichen Bee a in dieser Übersicht kurze Inhaltsan, ‚gaben en für aa sie ver- aben sollen si 5—6 Drucksehlän: ae keinesfalls 10 SR Überheien. bezeichnet, (Abh.)« m Stern für die Abhandlungen eek wird » Wissenschaftliche Mittheilungen fremder Verfasser werden in dem Bericht über diejenige Sitzung aufgeführt, in Flle: deren Aufnahme in die akademischen Schriften endgültig beschlossen wird. werden, mit dem Poleeniafonse 'ermerk = later Secretars oder des Archivars versehen, für ein späteres | Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit en n schehen, deren Satz aus irgend welchen Gründen be- sondere Sue aa Ts, auge wi alas den ins$ : und 4 enthaltene: ie Rei Pe se spätestens am Mo Aland: die Correeturen an die hi fi Wird die Atiheilung in in einem spätern Stück Are Nach auswärts weı rreci langeı versandt; ai ie Ver! scheinen am nächsten Ausgabe sichert werden. tage Aser ie zuge- Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen en Jahrg. 1909: der Akademie. Physikalisch-mathematische Classe EN Eee Ei -. 41150 Philosophisch-t historische Classe . . . ee Ne N ee IE Abhandlungen. Jahrg. 1910: ee mathematische Classe . . . » 22.2... e Es M34— Philosophisch-historische Classe - . . . . . . . are En k er Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1909, 1910, 1911 und 1912. : Gedächtnissrede auf eng de Schrader : AM 1— VON Wiramowrrz.) -Mo: : Nordionische Steine. ee ee RT .: Ged ae auf Rich Pisch« & Pr = 2, » 1— Russ: Gedächtnissrede auf Bee Kohlrausch” = Es 1 Laxoorr +: Übe, = e r Masse bei chemischen Umsetzungen Be < ee Bes vos S: öpfe Le Dırraı Der Aufbau de Geochkchtie en Welt in den Geisteswissenschaften Erste Maine .5— VAR’T en: Ged Aehtuinntede anf uf Hans Heinrich Landolt . I Mörter: Uigurica RE Exorzr und R. Krause: Über gen anatomischen Bau der Daumartigen Cyperacee Schoenodenäron 5 ücheri En sK » 2— Fischer: Gedächtnisrede auf Ji Tocsbns Henrieus van’t Ho : EN SER ee Scuvsze, W.: edächtnissrede auf Heinrich ar Fa? ie m dee Enwax: Hymnen an das jadem der Ph : eg Monr: Zur sprac achlichen G liederung Fran Be Ei » 3,50 Dieis: Die ee Gberkieung des Galen’schen Commentars zum Prorrheticum des si 250 Hippo) Zimmer +; Auf welchem Wege kamen die Goidelen vom Continent nach Irland? . R. Isesscanip: Zur Kenntniss oahnrnde der M BEE IE. P. Röruıe: Zn nordnun Faserzüge im Vordaitar, von Siren lacertina M. Nzipise: Über die Kerne” ne ie Diencephalon bei eini; En asien a eng K. eg : Über die Kerne des menschlichen Kleinhirn: SER H. Jus‘ De: A ge Hathor-Tefnut aus Nubie: F. es Hırrer von GAeRTRIngen und H. De "Arkadische "Forschung gen Ta. Wireanp: Erster Pa Ber Bericht über die von den Königlichen Museen unternommenen Ausgrabungen in Sam L. Licntessteis: FBiree rg Satz zes, dass ‚Jeis hinreichend kleine, im wesentlichen stetig ge krümmte, singularitätenfreie Flächenstück auf einen Bi einer Ebene ne und in Be k feinsten Treden ähnlieh gel bildet werden n 5 M. Livzsarskr: Phönieische und aramäische le aus * Bophanine n A.vox Le Cog: Türkische Manichaica aus M. vay Berc#en: Die muslimischen ee von ee Sitzungsberichte der Akademie. a a en ern Sonderabdrucke. II. Halbjahr 1911. Wıex: Bestimmung der mittleren freien Weglänge der Kanalstrahlen . VoX ee -MoELLENDORFF un UCKER: zwei Ediete des Germanicus auf einem | Papyrus d erliner Museums (hierzu Taf. V) £ ® A. Ne die Tektonik des tieferen U: Nordd hl: Herrwi : Mesothoriumversucl e an thierischen äinzele, ein Osperimemiier Beweis für "die r das Eurer’sche Deko) sproblem . ee et abe die vier Jacopr’sel ee R a ee 5 jenkmal ee "The gie FR -, Sprach- und Litterarhistorisches aus dem Raurliya Be ee Ann: die Be en des Königs Kalumu RE in es Diokleszitat Wera er ee . SELER: > Smktug Re von ee in Yucatan (hierzu "Tal. vv ER E. Mer u den aramäischen Papyri von Elephantin; e rl "über die Lage der Marsachse und die Konstah ten” im Marseystom - . Ernan: Denksteine 2 an ern Gräberstadt (hierzu Taf. a ; m und C. Rex C. A zu den Inschriften Fig Königs, Kalumu DE Sonderabdrucke. I. ee 1912, I. Scaur: über einen Satz von C. Carara£opo; A a Ableitung eines Sarıc von CArsrafoporr aus "einer ‚Formel von \ Raouscxen . OSER: ee B vox owırz-MOELLENDORFF: Mimnermos "und Pro roperz Re über die Betheiligung endocellularer Fermente am Energiev erbrauch der Zelle Nersst: Thermodynamik und specifische Wärme 2 z A. Eucxex: die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Tenperaturen . BE Bus Orra: über Rinder- und nes ws Harsack: Geschichte eines programmatischen Worts Jesu. (Matth. 5, in in ı der ältesten Kirche Warzurg: über den Due bei photochemischen Vorgängen in Gasen. . Liesisor: über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemi tgruppe im altravioleten Licht Hasertaspr: über das Sinnesorgan des Labellums der Pferos tylis-Blütl Rusens und G. Hertz: über den The er ers auf die Absorpion Iangwelliger Wärme- trahlen in einigen Be er Ki Herrsays: über den Charaktı dd hl: en die Ertahrungsgrundlagen der Lehre vom algeneinen Gleichgewichtszustande der Massen WW. Bis: über e Rächs el des Codex” Cumanieus“ (hierzu Taf. I und im. : Rosert: zu den Epi Basar 's des Menan n K. Meyer: ein mittelirisches Gedicht auf Beiden den Meerfahrer e : me om o ira. 8 SEI 1912, XXVIXXVI. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 23. Mai. (S. 455) Frosexius: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. (S. 456) .H.E r Mischgesteine von Granit und Sedimenten. (S. 478) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 23. Mai. (S. 485 J. Marquart: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren. ($. 486) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. s$1 Die ie gibt lee sa s der Statuten ae fortlaufen« der Kö: en Preussischen er ler Wissenschaften « und et der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften Aus $ 2 ge ke en in er »Sitzungsberichte- oder die uss in einer aka- demischen ee ee werden, wobei in der Regel i i ich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. imfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll a der Rage in den See bei RBEUe > = er in Lan Kokandiigen 12 en von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht U eRmEeIBEN: 6 “+ Zusti ‚Aus $ 6 wenn es sich nicht bloss um glatten Text a aus- reichende Anweisungen für die Anordnung und die Wahl der Schriften enthalten. girenden Secı und die aueh er zur Tragung deı kosten verpfli n die Drus er renden ne s $ 8. Von allen in die Sitzungaberichte oder Abhandlungen Mittl dieser Gren Arsen nur der’& Akademie oder dä haft, und ist bei we der eng ausörcklich 2 zu beantragen. ee der Umfang ei wmuthen, dass diese Zustimmung ei ef hat das vorlegende sp: nen: s= es vor dem iheeleniie m; im Druck abschätzen zu ee Sollen einer ne Abbildungen im Text oder auf Baar Tafeln beigegeben werden, s Vorlagen ir (Zeichnungen, photographische Ori ee u.s.w.), ende mit Kae Manuseript, jedoch tellu ie Vorlagen haben’ in der Regel die eelaaner zu tragen. Sa: diese a aber auf einen erheblichen er zu veranschlagen, kann die Akademie dazu eine Bewilligung Beschliesen, "Ein eines Sachverständi; vorsitzend zu ichten, dann u im Sceretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zı de: u verhandeln. Die Kosten der Vervielfsligung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um _.n a Textfiguren elt — der K en Überschreitet dieser ee für die er- terliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, er den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat res 5. Nach der Korlasıne und Einreichung des an den zuständi ige n den chivar wird über elaline vs les in die Er emischen Schriften, und en a eines der anwesenden Mit- Es es verlangt, abgestimm: theilungen von er va nicht an gms egel nacl schliesst eine s0 bedarf dieser Beschlu. ss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. es Be sen oder Berichten werden für die Verfas: von wi iienshnichen en wenn deren Umfang im für de: jrucke hergestellt, die al a Erscheinen des be- ee Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Nr 1 dssshisnch; für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. Von den ; erhält ein Verfasser, ee nei 2 en ist, zu en Vertheil s 50 Frei- exemplare; eı indess ee zu gleichem Zwecke auf Kosten = ne weite! ran is zur Zahl von noch 100 und an Kosteı och weitere bis en er diese ie je emplare und -. nach rechtzei eigen ‚eretar weitere 200 Ex er abzlähen n den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- a ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie I zu ie ra Vertheilung ohne weiteres ichem Zwecke emplare auf ihre Hötane din zechkseiige dein kace Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine K eh Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der ber en Classe. — Nie] ii Iten exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. SIR. ‚Eine für die usdemischen Schriften be- mte ae Mittheilung darf in keinem Falle r ihrer Ausgabe an jener Stelle nee sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf 8.3 des Umschlags.) 455 SITZUNGSBERICHTE _ 1912. DER XXVL KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 23. Mai. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. EUJ Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Hr. Frogenisus las Über Matrizen aus nicht negativen Ele- menten. Die Theorie der nicht negativen Matrizen wird auf den besonderen Fall zurück- geführt, wo die Matrix unzerlegbar ist. Dann bleiben fast alle Eigenschaften der positiven Matrizen bestehen, nur braucht die Maximalwurzel nicht grösser zu sein als jede andere Wurzel, sondern kann auch einigen derselben gleich sein. Diese sind dann die sämmtlichen Wurzeln einer reinen Gleichung. In diesem Falle nenne ich die Matrix imprimitiv, im andern Falle primitiv. Es werden eine Anzahl von Regeln entwickelt, nach denen man diese verschiedenen Arten von Matrizen unterscheiden kann. Sitzungsberichte 1912. > 456 Sitzung der physikalisch ischen Classe vom 23. Mai 1912. Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. Von G. FRoBEntus. In meinen Arbeiten Über Matrizen aus positiven Elementen, Sitzungs- berichte 1908 und 1909, die ich hier mit P. M. zitieren werde, habe ich die Eigenschaften der positiven Matrizen entwickelt und durch Grenzbetrachtungen mit den nötigen Modifikationen auf nicht negative übertragen. Die letzteren aber erfordern eine weit eingehendere Un- tersuchung, worauf ich durch die in $ ıı behandelte Aufgabe ge- kommen bin. Eine nicht negative Matrix A, die unzerlegbar ist, hat fast alle Eigenschaften mit den positiven Matrizen gemeinsam ($ 5). Nur wenn r die größte positive Wurzel oder Maximalwurzel ihrer charak- teristischen Gleichung p(s) = 0 ist, kann der absolute Betrag einer andern Wurzel zwar nie >r, wohl aber = r sein. Jede der k Wur- zeln r,r’,r”,.--, die absolut gleich r sind, ist einfach, und ihre Ver- hältnisse, 1,Z, Z, + sind die k Wurzeln der Gleichung r* = 1. Ist k= 1, so nenne ich die Matrix A primitiv, ist k>1, im- primitiv. Jede Potenz einer primitiven Matrix ist wieder primitiv, eine gewisse Potenz und jede folgende ist positiv. Ist A imprimitiv, so besteht A” aus d unzerlegbaren Teilen, wo d der größte gemeinsame Divisor von m und k ist, und zwar zerfällt A” vollständig. Die charakteristischen Funktionen der Teilmatrizen unterscheiden sich nur durch Potenzen von s untereinander. Die Matrix A* ist die niedrigste Potenz von A, deren unzerleg- bare Teile alle primitiv sind. Die Anzahl dieser Teile ist dem Ex- ponenten % gleich. Ist Yls) = Ss" +as” + as"? +... +0, die charakteristische Funktion eines dieser k Teile, so ist pls) = Ss" + ask agsn-2tr ... Haysmk — sr-mkuy(sk) die von A. Die Maximalwurzel r‘ der Gleichung &(s) = 0 ist ab- solut größer als jede andere Wurzel. Fropenıus: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 457 In $ ıı dehne ich die Untersuchung auf zerlegbare Matrizen aus, und in $ ı2 zeige ich, daß eine solche nur auf eine Art in unzer- legbare Teile zerfällt werden kann. Dabei ergibt sich der merkwür- dige Determinantensatz: I. Die Elemente einer Determinante nten Grades seien n’ unabhängige Veränderliche. Man setze einige derselben Null, doch so, daß die Deter- minanle nicht identisch verschwindet. Dann bleibt sie eine irreduzible Funk- tion, außer wenn für einen Wert m0, und ist g„ (m0, so sind auch alle Hauptunterdeter- minanten jeden Grades von P(r) positiv. Ist A>0, so haben die n linearen Gleichungen (1.) Aatıt + Anka = TE, «=1,2,.n) nur eine Lösung, falls man von einem gemeinsamen Faktor absieht, und diesen kann man so wählen, daß die Werte der Unbekannten alle positiv werden. Aber auch wenn A20 ist, kann man diesen Gleichungen immer durch Werte genügen, die alle nicht negativ, und nicht alle Null sind. Denn da ihre Determinante A(r) = 0 ist, so ist eine dieser Gleichungen, etwa die te, eine Folge der n-1 andern, und kann daher weggelassen werden. Die übrig bleibenden seien (vgl. P.M. $ ı) -(agg—r)a9— +" —ag,T, = Apala, 4,828 - —- (a, —r)z, = Gala- Ist B(r) ihre Determinante und g die Maximalwurzel der Glei- chung B(s)=0, so ist g£r. It g=[tr, also B(r)= 0, so setze man &,.—= 0. Dann erhält man n—1 homogene lineare Gleichungen 41* 458 Sitzung der physikalisch h ischen Classe vom 23. Mai 1912. zwischen den n -1 Unbekannten %;, x, von derselben Beschaffen- heit wie die n Gleichungen (r.). Da ihre Anzahl nur n-1 ist, so kann man annehmen, daß für sie die Behauptung bereits bewiesen ist. Ist aber g0, sondern es sind auch, wie eine Grenzbetrachtung zeigt, ihre Unter- determinanten B,,(r)=0. Setzt man dann x, —=1, so wird B(r)xs =,y Be+(r)a;a, --- B(r)2, — > B,.(r)a;,. Mithin ist 2520,---2,20 und x,>0. i 8.2. Eine Matrix oder Determinante des Grades p + q nenne ich zer- ‚fallend oder zerlegbar, wenn darin alle Elemente verschwinden, welche p Zeilen mit den q Spalten gemeinsam haben, deren Indizes den Indizes der p Zeilen komplementär sind (sie zu 1,2,---p+9g ergänzen). Unter den pg Elementen, deren Verschwinden die Zerlegbarkeit der Matrix bedingt, kommt also kein Hauptelement a,, vor. Sei z.B. ER 4=(v.g). seien P und Q Matrizen der Grade p und g, V eine Matrix von p Zeilen und g Spalten, U eine Matrix von q Zeilen und p Spalten. Dann zerfällt A in die komplementären Teile P und Q, wenn U=0 oder V=0ist. It U=0und V= 0, so heißt A vollständig zerlegbar. Dasselbe gilt, wenn A erst nach einer Umstellung der Zeilen und der entsprechenden Umstellung der Spalten auf jene Form gebracht werden kann. Eine solche kogrediente Permutation der Zeilen und Spalten, wobei die Hauptelemente nur unter sich vertauscht werden und konjugierte Elemente konjugiert bleiben, ist im folgenden immer ge- meint, wo von einer Umstellung der Reihen einer Matrix gesprochen wird. Jeder der beiden Teik oder Teilmatrizen kann weiter zerlegbar sein. So zerfällt die Matrix der Determinante a, (1.) vg v|=|PIjo||R| WEOER in die 3 Teile P,Q und 2, die verschwindenden Matrizen können in jedem der weiter zerlegbaren Teile beliebig links oder rechts von der Diagonale stehen. Durch Umstellung der Reihen kann man die Matrix auf die Formen Pon ovv WERD VER W io, e.0,Pp Frogenivs: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 459 bringen. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann man daher in die Definition der Zerlegbarkeit die Bedi gung aufneh ‚ daß die Elemente, deren Verschwinden das Zerfallen der Matrix bedingt, alle rechts von der Diagonale stehen, oder alle links. Ist A, wie stets im folgenden, eine nicht negative Matrix, und zerfällt die Determinante A(s) in die Teile P(s), Q(e), R(s), --:, so muß einer dieser Faktoren, also eine Hauptunterdeterminante von A(s) für s=r verschwinden. Umgekehrt gilt der Satz: II. Wenn eine Hauptunterdeterminante P von A(r) verschwindet, so zerfällt A(r). Wenn außerdem keine Hauptunterdeterminante von P ver- schwindet, so ist P einer der unzerlegbaren Teile von A(r). Sei P= A,(r), seien P,(x,A=1,2,--- m) die Unterdetermi- nanten (m-1)ten Grades von P, sei stets P,>0. It P= 0, so ist P,D.— PD, also nicht 2, 0, und mithin DD, Daher kann man den m linearen Gleichungen GuYyıt + Onulm = ty «=1,2,-.-m) durch Werte genügen, die alle positiv sind. Ist Y eine Matrix von nur einer Zeile y,,%,,---y„, so kann man diese Gleichungen in der Gestalt YP = 0 schreiben, wo jetzt P die Matrix der Determinante A,„(r) bezeichnet. Ebenso kann man die n Gleichungen {1.) Aatıt Fa = TI, («=1,2,..n) in der Gestalt AX—=rX schreiben, falls X eine Matrix von nur einer Spalte ist, worin die n nicht negativen Größen z,,%,,--- x, unter- einander stehen. Wir teilen X in U und Z, wo U die Größen Die, Z die Größen x,,,,:--x, enthält. Ist PL rE-A= ( M o, so nehmen die Gleichungen (1.) die Gestalt PU+LZ=E, MU+NZ=0 an. Dann ist Y(PU+LZ)= 0, also weil YP= 0 ist, F(LZ) = 0, und da Y>0 und LZ=0 ist, LZ=0, mithin auch PU=0. Sind @,,,,:-- x, alle positiv, ist also Z>0, so ist L= 0, da die Elemente von L alle negativ oder Null sind. (Das letztere gilt auch von M, aber nicht von den Diagonalmatrizen P und N.) Sind dagegen x,,,,---x, alle Null, ist also Z= 0, so sind 7%. nieht alle Null und genügen der Gleichung PU=0. Da 460 Sitzung der physikaliscl t ischen Classe vom 23. Mai 1912. F diese aber nur eine Lösung hat, so ist U>0 (weil die Größen P,, alle >0 sind). Nun ist MU+NZ=V0, also da Z=0, U>0 ist, H=0; Ist aber L= 0 oder M= 0, so zerfällt A(r) in zwei Teile, von denen der eine P ist. x Endlich seien von den Größen x,„;,,-- x, einige Null, die andern positiv. Dann besteht Z aus zwei Abteilungen V und W, von denen V=0 und W>0 ist. Teilt man Z, M,_N entsprechend ein, so wird nach passender Umstellung der Reihen POUR rE-A= B Q’ r); pr gr R" und die Gleichungen (1.) nehmen die Gestalt an PU+QV+RW=o, P'U+QV+RW= 0, P’U+Q’V+RW=0. Wie oben gezeigt, zerfällt die erste in PU=0 und QY+RW=0. Da aber V=0 und W>0 ist, so it R=0. Die zweite Gleichung lautet, dV =Pist, PU+RW=0. Da P'=0, R=<0 und U20, W>0 ist, so muß einzeln P'U = 0 und R'W= 0 und mithin R’— 0 sein. Demnach ist R=0 und R’=0, und folglich zerfällt A(r) in | R”| und To PQ P' Q’ Da die Matrix dieser Determinante P enthält und in rE-A ent- halten ist, so ist r nach Satz II in $ ı die Maximalwurzel der Glei- chung 7(s)—=0. In T(r) verschwindet die Hauptunterdeterminante mten Grades P. Endlich ist der Grad von T(r) kleiner als der von A(r). Daher können wir für T(r) den behaupteten Satz bereits als erwiesen ansehen. Demnach zertällt T(r) in Teile, deren einer P ist, und folglich gilt dasselbe von A(r). $ 4 Ist A legbar, so hwindet keine der Größen A,.(r); und mithin ist r eine einfache Wurzel der charakteristischen Glei- chung $(s)=0. Wenn umgekehrt keine Hauptunterdeterminante (r-1)ten Grades von A(r) verschwindet, so ist A unzerlegbar. Da Aus(r)Az.(r) = A,.(r)Ass(r) ist, so ist auch Ass(r)>0. (Ist Aua{r) = 0, aber Ass(r) > 0, so verschwindet A,.(s) As.(s) identisch.) Frosentus: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 461 Die adjungierte Matrix B von rE-A ist also positiv. Daraus ergibt sich ein Satz, der dem Satze von Maschke in der Gruppen- theorie analog ist. Ist nämlich r = ee, so ist (1.) B=o(r,A) eine ganze Funktion von A, eine lineare Verbindung von A’, A', .-- A". Die Elemente von A” seien aA. IV. In einer unzerlegbaren Matrix können bei keiner Wahl der In- dizes die n Größen a, aa at) sämtlich verschwinden (kann nicht identisch A.s(s) = 0 sein). Denn sonst wäre auch das Element b,; = 0, während doch ba = A.s(r) >V ist. In einer zerlegbaren Matrix kann man aber a und 8 so wählen, daß a für jeden Wert von % verschwindet (daß also A,„.(s) identisch verschwindet). Denn ist oe): 8 Ar — ( 10 E Jeder der unzerlegbaren Teile P(s), Q(s), R(s),--- von A(s), der für s—= r Null wird, verschwindet nur von der ersten Ordnung. Daraus folgt: V. Damit die Maximalwurzel r der Gleichung A(s) = U eine k fache sei, ist notwendig und hinreichend, daß von den unzerlegbaren Teilen von A(s) genau k für s = r verschwinden. so ist Daraus schließt man leicht: VI. Ist die Maximalwurzel r der Gleichung A(s) = 0 eine mehr- fache, so ist sie entweder gleich dem größten der Hauptelemente a,., oder in jeder Hauptunterdeterminante (n—1) ten Grades verschwindet für s—= r eine Hauptunterdeterminante (n— 2) ten Grades. Ist insbesondere r = 0, so verschwinden die Hauptunterdeter- minanten jeden Grades von A, und daher zerfällt A in n Teile ersten Grades. Ist z.B. n=4, so kann jede Matrix vierten Grades durch Umstellung der Reihen auf die Form an = 8 & 3 o 290000 462 Sitzung der physikalisch h ischen Classe vom 23. Mai 1912. : gebracht werden, wenn alle zyklischen Produkte Goa = 0, Asp = 0, Auglp,Aya = 0, AupApyAyslza = 0 sind. $5- Ist q die Maximalwurzel der Gleichung A,.(s) = 0, so ist gr, so ist auch s>g und mithin ist A..(s)>0. Hat p dieselbe Bedeutung wie in P.M. $ı, so gilt der Satz: VI. Wenn A.s(s) (=) für einen Wert s>r (oder auch nur s>p) Null ist, so verschwindet A„s(8) identisch. Denn sei s,>p ein solcher Wert. Da für alle benachbarten Werte A,s(s)>0 ist, so verschwindet auch die Ableitung A/,,(s) für s=s,. Nun ist aber U —Aay Ga, a au, +8 >= -Assls) = de PT ER a6 —4,, a, +8 Daher ist A/,(s) eine Summe von n-2 Determinanten (n- 2) ten Grades, A,(s) + --- + A,(s), die zu den Hauptunterdeterminanten A,,(8),--- A,,(s) in derselben Beziehung stehen wie A,s(s) zu A(s). Hat p, für A,,(s) dieselbe Bedeutung wie p für A(s), so ist P,p, so ist auch s>p,. Folglich ist A,(s)=20, und mit- hin verschwindet für s— s, jede der Determinanten A,(s),--- A,(s), und zwar jede nebst ihrer Ableitung. So erkennt man, daß alle Ableitungen von A,s(s) fürs=s, verschwinden, und mithin ver- schwindet diese Funktion identisch. Nun ist aber A)CLe) = Acals) Aga(s) - Ausls) Aca(s). Ist also identisch Aas(s) = 0, oder ist auch nur A.s(r) = 0, so ver- schwindet eine der beiden Größen A..(r) oder A,;(r), und mithin ist A zerlegbar. VII. Ist A unzerlegbar, so sind die Unterdeterminanten A,s(s) für ‚jeden Wert s=r positiv. Eine nicht negative unzerlegbare Matrix besitzt demnach die meisten Eigenschaften einer positiven Matrix: Die Maximalwurzel r der Glei- chung A(s) = 0 ist einfach, die Unterdeterminanten (n-1)ten Grades und die Hauptunterdeterminanten jeden Grades von A(s) sind positiv, falls s2r ist. Ist aber r’ irgendeine von r verschiedene Wurzel, so ist stets r2|r’|, aber nicht notwendig r >|r’|. Eine unzerlegbare nicht nega- Frosenıvs: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 463 tive Matrix nenne ich primitiv, wenn ihre Maximalwurzel absolut größer ist als jede andre Wurzel, imprimitiv, wenn sie dem absoluten Betrage einer andern Wurzel gleich ist. 8 6. IX. Von jeder primitiven Matrix ist eine Potenz positiv. Ist AP die niedrigste, so sind es auch alle folgenden Art‘, Art? ... Umgekehrt ist eine Matrix primitiv, wenn eine ihrer Potenzen ‚positiv ist. Ist A” positiv, so ist A unzerlegbar. Sonst wäre auch jede Po- tenz von A zerlegbar und enthielte verschwindende Elemente. Ferner ist stets r?>|r”|, und mithin r>|r’|. Folglich ist A primitiv. Diese Bemerkung hat schon Hr. Prrrov am Schluß seiner Arbeit ge- macht. Ist P irgendeine positive Matrix, und A eine ünzerlegbare, so ist auch PA=Q positiv. Denn wäre (= > Par Q,; = 0, so wäre 94g=''=qa,,=(, also A zerlegbar. Daher ist auch QA= PA: positiv usw. Hat umgekehrt A eine einfache Wurzel r, die absolut größer ist als jede andere Wurzel r’, so ist (P. M. $ 3) lim ana u Aus(r) r e'(r) Ist A unzerlegbar, so ist nach Satz VIII der Grenzwert positiv, mithin muß auch, falls k eine gewisse Grenze überschreitet, für je zwei In- dizes a >0, also A!>0 sein. Da hier aber Grenzbetrachtungen benutzt sind, so werde ich von diesem Ergebnis nicht eher Gebrauch machen, bis ich es auch alge- braisch bewiesen habe. X. In einer imprimitiven Matrix sind die Hauptelemente sämtlich Null, Jedes Element a{}) von A* ist eine Summe von Produkten nicht negativer Größen, also positiv, sobald eins dieser Produkte positiv ist. Ist a, >0, so ist auch a®>0, weil es das Glied a}, enthält. Nach Satz IV gibt es eine Zahl k < n, wofür a) > 0ist. In Art! — AA ist dann auch at) > 0, weil es das Glied a) a,, enthält. Ist al>0, so ist es auch al#') in At" — AA. Spätestens für k=!=n-1 sind demnach die 2n-1 Größen (k= oo). ee (e=1,2,..n) er sau von Null verschieden. Folglich ist in A'*' = A’A' jedes Ele- ment“) > 0, weil es das Glied a‘ a‘) enthält. Ist aber AP> 0, so ist A primitiv. 464 Sitzung der physikaliscl H ischen Classe vom 23. Mai 1912. Ist umgekehrt A imprimitiv, 'so müssen daher a,,,a,,:':qa,, sämtlich verschwinden, oder es muß, was dasselbe ist, ihre Summe (1) antaat a —ertnt tn 0 sein, falls (2.) 2 (8). = (s-r) (sr) --- (s-r.-ı) gesetzt wird. In jeder Potenz einer imprimitiven Matrix gibt es dem- nach verschwindende Elemente. Dies ist selbstverständlich, wenn die Matrix A” zerlegbar ist. Ist sie aber unzerlegbar, so ist sie imprimi- tiv, weil |r'"| = r” ist, und dann verschwinden alle Hauptelemente. XI. Jede Potenz einer primitiven Matrix ist primitiv. Sind umgekehrt A,4A?..- A" unzerlegbar, so ist A primitiv. ‘ Da die Matrix (1.) $ 4 positiv ist, so ist es auch die Matrix BA, die eine lineare Verbindung von A, A*--- A" ist. Daher können die n Größen Ar an: a nicht alle verschwinden. Ist a{>0 und ist A imprimitiv, so ist A” zerlegbar. Denn wäre A” unzerlegbar, so wäre diese Matrix im- primitiv, und es wäre a —0. Sind also umgekehrt A, A?,.-- A" unzerlegbar, so muß A pri- mitiv sein. Der Beweis der ersten Hälfte des Satzes XI sowie der des Sat- zes IX, woraus jene sofort folgt, beruht auf den folgenden Überle- gungen. $7- Ist A unzerlegbar, so sind die er A.s(r) alle positiv. Daher haben die n linearen Gleichungen (1.) Gaılıt FA = TLa («=1,2,.n), falls man von einem gemeinsamen Faktor absieht, nur eine Lösung, und darin können x,,--- x, alle positiv angenommen werden. Das- selbe gilt von den Gleichungen (2.) me yıt --- +a,oyn = rya (=1,2,--n). Betrachten wir die n Größen y,,--- y, als eine Matrix Y von nur einer Zeile. Ebenso sei X die Matrix, worin &,,--- x, in einer Spalte unter- einander stehen. Dann ist XY>0 und F>0, und die Gleichungen (1.) und (2.) lauten (3.) AX 8 , M-ıY Sei umgekehrt Z eine Matrix, worin in einer Spalte n Größen 2,,:- 2, stehen, die alle nicht negativ, und nicht alle Null sind. Bestehen Frosexivs: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 465 dann n Gleichungen AZ = sZ, so muß zunächst p(s) = 0 sein. Fer- ner ist YAZ = (YA)Z = rYZ = Y(AZ) = sYZ. Die Matrix YZ ist vom ersten Grade und besteht aus der Größe Yı2ı+°°+9.2„>0. Mithin ist s—=r. Die linearen Gleichungen AX = sX oder YA= sY können also nur dann eine Lösung haben, deren Elemente alle nicht negativ und nicht alle Null sind, wenn sr ist, und dann sind die Unbekannten alle positiv. Nun sei A unzerlegbar, aber A” zerlegbar. Nach passender Um- stellung der Reihen von A können wir also Rıı 0 0 0) Ra Ra 0 0 A" = Ru Ras Ras 0 Rı Ra Ra Ru setzen, wo die Teilmatrizen R,,, AR... --- unzerlegbar sind, und R,; — 0 ist, falls 8 > a ist. Bestimmt man X und Y, wie oben, so ist auch AR Hu VAR my Sei m, der Grad von R,,, sei X, das System der ersten m, der Größen &,,---@,, X, das der folgenden m, usw. Dann ist (4.) > RapXg = sX,, > YıRas — ehe, wo s=r"ist. Die ersten dieser Gleichungen lauten (5.) RıX, = 8X, und DURSSe SIR hN, also weil das erste Glied dieser Summe Y,(R,X,) = sYıX, ist, HR HR + HRuÄı + - = 0, und da jedes Glied 2 0 ist, Y,R,,.X, = 0. Besteht die Matrix R,, aus den Größen c,,, so besteht Y, R,, X, aus der einen Größe DyscHn. Da x, und y, positiv sind, so ist ec, = 0, also Ry ed HR Red, Demnach lauten die zweiten der Gleichungen (4.) (6.) Ra 3X, und IURa= Yu, DYRakı = hä. 466 Sitzung der physikalisch h ischen Classe vom 23. Mai 1912. Da R,, = 0 ist, so ist das erste Glied dieser Summe Y,R„X, = sY,X,;, und mithin ist Ba 05 Rs = .0, Ra O,:,., allgemein R,; = 0, falls «>% ist. Daher zerfällt 22020 te Ri 0 0 Rz vollständig. XII. Zerfällt eine Potenz einer unzerlegbaren Matrix, so ist sie voll- ständig zerlegbar. Ferner zeigen die Gleichungen (5.) und (6.), daß jeder der un- zerlegbaren Teile R,, die Wurzel r” hat. Da r eine einfache Wurzel von A ist, so ist dies nur möglich, wenn A eine von r verschiedene Wurzel r’ besitzt, deren mte Potenz r"=r" ist. Folglich ist |r’|= r und A imprimitiv. Wenn also A primitiv ist, so ist Jede Potenz von A unzerlegbar, und demnach, weil stets r’” < r” ist, primitiv. Ferner gibt es, wie schon oben gezeigt, eine Potenz A”, worin a”) >0 ist. Da außerdem A” unzerlegbar ist, so ist nach den Überlegungen im Beweise des Satzes X eine Potenz von A” positiv. Damit sind die Sätze IX und XI voll- ständig bewiesen. Aus der obigen Entwicklung ergibt sich noch das Resultat: XI. Ist A eine zerfallende Matrix, und haben sowohl die Glei- chungen AX—=rX als auch die Gleichungen YA= rY eine positive Lösung, so zerfällt A vollständig, und jeder unzerlegbare Teil von A hat die Maximalwurzel r. : $8. Wenn A unzerlegbar ist, so ist nach Satz II die Maximalwurzel der Gleichung A,.(s) = 0 q9q ist, so ist A,.(r’) von Null verschieden, und da Auslr’) Agalr’) = Asalr’) Ass(r’) ist, so ist es auch A,.(r’). Mithin haben die n linearen Gleichungen AZ == r'Z nur eine Lösung, und deren Elemente 2,2, sind alle von Null verschieden. Dann ist aber auch Frogextus: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 467 A"Z=rnz » also Rrzy ern zZ Bez en ARE Folglich hat jeder der unzerlegbaren Teile R,, die Wurzeln (2) ee Sind diese nicht alle gleich r”, so ist Jeder Teil R,, imprimitiv, und mithin zerfällt eine Potenz von A” in eine größere Anzahl von Teilen wie A”, Da die Anzahl der Teile nicht >n sein kann, so muß es eine Potenz A” geben, die in lauter primitive Teile zerfällt. Dann ist "= r"=r’"=..., und folglich sind Br an (3.) ie ER Wurzeln der Gleichung ?” = 1. In jedem unzerlegbaren Teile R,, von A” ist r” die größte posi- tive Wurzel, also einfach. Die Anzahl dieser Teile ist demnach gleich der Anzahl der Größen (2.), die gleich r” sind. Wählt man m so, daß die Einheitswurzeln (3.) alle der Gleichung ?” = 1 genügen, so sind die Größen (2.) alle gleich r”, R,, hat keine von r” verschiedene Wurzel vom absoluten Betrage r" und ist daher primitiv. Der kleinste Exponent k, wofür A* in lauter primitive Teile R,, zerfällt, ist folglich gleich dem kleinsten Exponenten k, wofür die Größen (3.) alle der Gleichung ?*—= 1 genügen. Ist dann m nicht durch % teilbar, so genügen die Größen (3.) nicht alle der Gleichung f"=1, sind die Größen (2.) nicht alle gleich r”, ist jeder Teil Rs von 4” imprimitiv, sind die Hauptelemente von R,, alle Null. Ist also m nicht durch % teilbar, so verschwindet die Summe der Hauptelemente von A” arte Hr, =0. Mithin ist auch c, — 0, wenn ls) = "+ site. +e ist. Dies folgt aus den Newronschen Formeln Sm tCıSm-ı +: +om-ı5ı FMcmn = 0. Denn wenn es für €13°** Cm.) schon bewiesen ist, so ist in jedem der m ersten Glieder c,s, entweder c, — 0 oder s, = 0, weilx ti —= m ist, also x und A nicht beide durch k teilbar sind. Folglich ist auch m =0. Demnach ist (4.) o(s) = tr +0 t+astr.... 468 Sitzung der physikaliscl h ischen Classe vom 23. Mai 1912. F Ist also p irgendeine Wurzel der Gleichung £"=1, so ist ! = gr eine Wurzel der Gleichung „(s) = 0. Ferner ist le) = Ppre/lr), und mithin ist r’, ebenso wie r, eine einfache Wurzel. Daher stimmen die Größen (3.) mit den k verschiedenen Wurzeln der Gleichung p* — 1 überein, und ihre Anzahl ist gleich A. XIV. Die charakteristische Funktion einer unzerlegbaren Matrix A sei o(s) = s"+a’/s” +a” sn” + ..., won>n'>n">.:.ist, und a’, a”, :-- von Null verschieden sind. Der größte gemeinsame Divisor der Differenzen n-n', n'’—-n”,::- sei k. Ist dann k = 1, so ist A primitiv. Ist aber k> 1, so ist A imprimitiv, _A* ist die niedrigste Potenz von A, die in lauter primitive Teile (vollständig) zerfällt, und die Anzahl dieser Teile ist ebenfalls gleich k. Setzt man pls) = s"+as" Hass" +... +ams""%, Ws) = S"+as" tags” 24. + Gm so hat die Gleichung V(s) = 0 eine positive Wurzel, die einfach ist und absolut größer als jede andere ihrer Wurzeln. Der letzte Teil dieses Satzes zeigt am deutlichsten die geringe Modifikation, Ark sich die Eigenschaften der positiven Matrizen auf während sie für primitive ganz unverändert x gültig bleiben. Die Zahl n-n’ = h ist die kleinste Zahl, wofür die Hauptelemente von 4’ oder die zyklischen Produkte a,,a;,@a,;:::as. von h Faktoren oder die Hauptunterdeterminanten hten Grades von A nicht sämtlich verschwinden. "Für irgendeine nicht negative Matrix ist jede dieser drei Bedin- gungen damit äquivalent, daß c, der erste ei verschwindende Ko- effizient in y(s)=s"+c,s""!+c,"? +. Ist nun A unzerlegbar, so ist A Sei oder imprimitiv, je nachdem A* unzerlegbar oder zerlegbar ist. Um diese Untersuchungen an einem Beispiel zu erläutern, sei $(s) = s’-a, wo a nicht Null ist. Dann ist , =0,,—0,---,,=0, aber s, von Null verschieden. Nun ist sı ns Gaas 82 =, AapQpar 83 = AsplpyAyar Mithin ist jedes: zyklische Produkt von weniger als n Faktoren AuBApyAys- Asa = 0, Frogentus: Über Matrizen aus nicht negativen Elementen. 469 aber nicht jedes von n Faktoren. Durch Umstellung der Reihen kann man bewirken, daß (4) 012023 434°" An-ı,ndı >0 ist. Da a, > 0 ist, so ist A, = 0, daa„a,>V ist, so ist a, — (, a Ay-2,n-1@n-1n And > 0 ist, SO ist a,,_, — 0. So erkennt man, daß alle Elemente von A verschwinden, mit Ausnahme der n Elemente des Produkts (4.). Für n = 4 ist also 0 an 0 0) 0 0° 204:..0 = A (5 ) 1) 0 0 au au 0 07:0 Ist A irgendeine nicht negative Matrix, und ist wie oben c, der erste nicht verschwindende Koeffizient von p(s), so kann jede Haupt- unterdeterminante ten Grades von A, die von Null verschieden ist, durch Umstellung ihrer Reihen auf die Gestalt (5.) gebracht werden. $ 9 Jeder der % unzerlegbaren Teile R,, von 4“ ist primitiv. Mithin ist R), positiv, sobald / eine gewisse Grenze übersteigt. In einer Potenz von A*,. etwa in A’ = P sind folglich die Teile Rr, — ae alle positiv. Man teile die Matrix A" = M entsprechend in Submatrizen Mn. Mıs --- Mur Mi Ma, Ma S M:+ Mir Mas + Mar Ist m, der Grad von R,,, so ist z.B. M,, die Matrix der Elemente aus den Zeilen 1,2,--- m, und den Spalten m, +1,--- m, -+m, von M. Ist nun m nicht durch % teilbar, so ist es auch m+ kp nicht. Folglich verschwinden alle Hauptelemente der Matrix MP, also auch von M.sP:.. BD Verso ish > Und. 0, uni), a und weil v,,>0 ist, u, =0, d.h. M,. —0. Ist daher Lu La» ER Li Ye La ge . i Er: Lis + - Zu so ist zunächst L,. = 0. ; 470 Sitzung der physikaliscl h ischen Classe vom 23. Mai 1912. Ist k>2, so sind in der Matrix M= APA die Submatrizen Ma — > TLesPoole. — 0, ß mithin ist L.5 Pa5aL;. = 0, oder wennman Z;, = U, Pa =V,L,..=W setzt, UVW=0, Dante = 0, Unter = 0, ul 0, ge also entweder U=0 oder W= 0. Daher ist entweder L,; oder Di. Ist k>3, so sind in der Matrix M—= APAPA die Submatrizen Ma. = > Las Pop Le, P,y Lye m Bıy also (L,sPssL;,)P,,L,. = 0, demnach entweder L,.=0 oder L.sPsaL;, = 0, mithin entweder L;,= 0 oder L,=0. Sind allgemein 2,8,y,d,---$ m0, d.h. von den Unbekannten, die das Teilsystem X, bilden, können nicht einige = 0, andere > 0 sein. Denn ist s>r,, so ist @B.- 0,30 eine positive Matrix und (2), 2 EP) nee +0. ,.RX 0) DZ, wo Z=0 ist. X, besteht also aus den Größen > P.a2p- Da stets P«s >) ist, so ist X,>0, außer wenn Z= 0 ist. Dann ist DER Ist aber s m ist. Das- selbe gilt von a we Ich nenne die Indizes «, 8 ungleich- m+l,m+ı"*" 476 Sitzung der physikaliscl t ischen Classe vom 23. Mai 1912. P artig, wenn einer m ist, aber gleichartig, wenn beide < m oder beide > m sind. Sind « und $ ungleichartig, so kommt demnach x,, weder in P noch in Q vor, also auch nicht in X — PQ. Daraus folgt beiläufig, daß Oo ». Buqu tigin (bzw. oe #2, v.l. ob by.) habe am Orgon die Stadt 3 2,1 Ordu balyg gegründet. »Darauf erblickte Buqu Chan im Traume gegen 1000 Männer mit wei- ßen Kleidern und Hauptbinden‘, welcher [sie!] ihm einen Nephrit- stein in Gestalt eines Fichten(zapfens) reichte und sprach’: ‚Wenn du diesen Stein bewahren kannst, so kommen die vier Weltgegenden unter den Schatten des Banners deines Befehles‘; und auch der Wezier hatte einen entsprechenden Traum.« Jene 1000 Männer sind augenscheinlich Manichäer, wie schon ihre Kleidung (ve Au) erweist; der Chan Bugu ist unweigerlich ı Guwaini, Tärich i Gihän-gusäi; Text und Übersetzung von CARL SALEMANN bei Raprorr, Kudatku bilik I (Text in Transkription), St. Petersburg 1891, S. XLV. * Vgl. Fo tsu Pong ki a. 771 bei Cuavannes, Le nestorianisme et l’inseription de Kara-Balgassun, S. 29 (Extr. du Journ. as., Jjanv.-fevr. 1897. Dem Verfasser schwebt der Wortführer der Gesellschaft vor, daher der Singular. Über ha vgl. Aper Römusar, Hist. de la ville de Khotan (1820) S. 130 ff. J. Marqvarr: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren. 487 Buqu Chagan (Itikän, Tängridä qut bolmys *Kit-tut täng mis! Alp külüg bilgä Chagan), der Sohn des Qarlyg Chagan (Bojun Öur) und Enkel des Bojla, der seit 759 regierte und die manichäische Religion bei den Uiguren einführte (nach 762)°. Daran schließt sich ein Zug nach Turkistän und die Gründung der Stadt JyLA Balasagun, die man jetzt LE Gur-balyg° nennt, wo er seine Residenz aufschlug. »Die Heere sandte er nach verschiedenen Seiten, und im Laufe von ı2 Jahren eroberten sie alle Zonen und ließen nirgendwo einen Aufsässigen und Widerspenstigen übrig. Und bis zu einem Orte gelangt, wo sie Menschen mit Tiergliedmaßen* er- bliekten, und erfahren habend, daß jenseits kein bewohntes Land ge- blieben sei, kehrten sie um und führten die Könige der [unterworfenen] Grenzbezirke mit sich und stellten sie an jenem Orte [Baläsagün] vor.« Buqu Chan nimmt sie mit Ehren auf, mit Ausnahme des Königs von Hind, den er wegen seiner Häßlichkeit nicht vor sich ließ, entläßt sie als Vasallen in ihre Reiche und kehrt nach seinem alten Lager- platz zurück. Der angebliche Feldzug nach Turkistan und die fabelhafte Grün- dung der zum erstenmal in der zweiten Hälfte des ı0. Jahrhunderts erwähnten Stadt Baläsagün durch Buqu Chan scheinen mir den histo- rischen Taten des Gurchäns Ja-lut Tai-sik, des Gründers des Reiches der Qara Chytai’ abgeborgt zu sein‘. Sollte in jenem Feldzug etwa gleichzeitig ein Nachhall einer Hilfsexpedition des Uigurenchagans zu- gunsten des Propheten al Muganna‘ zu erblicken sein? Buqu Chan stand um 162 H. = 778/779 n. Chr. in politischen Beziehungen zum Chalifen al Mahdı’. Dies hängt wohl mit dem langjährigen Aufstande des Mu- ’ er Ü tutmys nach F. W. K. Mürrer, Uigurica II, S.95.] G. SchLEGEL, ir chinesische Inschrift auf dem uigurischen Denkmal von Kara ebene S. 32— ® Lies a Sr © a Chinesen Hu-szu wa(?)-r-to (Liao-Si, Kap. 30, fol. 6; 116, fol.13. 25; Brerschxeiver, Medi»val Researches I, 18. - Ko(k)-tsi(k) _— -r-to (Jüan- Si, Kap. 120, fol. 15; ebenda II, 222) = (O)guz-ordu »Ordu der (Ö)guz«. Vgl. ebenda 226. In der Tat war Baläsagün bzw. das ganz in der Nähe gelegene S2jad die Ordu der (Zehn) Oguz, d.i. der Westtürken, ehe sich die Qarluq hier festsetzten, die dann von den Uiguren (wenigstens zeitweilig) zur Anerkennung ihrer Oberhoheit gezwungen wurden e Eine interessante Parallele zu dieser Angabe kann ich aus Muhammad i Aufi’s SulsE fol nachweisen. Ich denke den Text demnächst herauszugeben. 5 S. BRETSCHNEIDER, a. a. O. I, 216. ° Diese Beobachtung ist von Wichtigkeit für die Analyse der uigurischen Le- gende von Oguz Chagan. — Nach Hrn. Barruorn, Zur Geschichte des Christentums i in Mittelasien S. 48, A.4 wäre die ur von der Gründung von Baläsagün durch Buqu Chan aus einer V‘ g des Balgassun »Stadt« mit Ba- aangün mt )- Ja‘gübi, Hist. II &V%,ı5 ed. Houtsma. nn 1912. 43 488 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 23. Mai 1912. — Mitth. v. 14. März. qanna‘ in Sogdiana zusammen. In der Tat sagt al Berüni, al Muganna‘ habe den Chägän um Hilfe angerufen', unter welchem nach den da- maligen politischen Verhältnissen nur der gleichzeitige Chagan der Uiguren gemeint sein kann. S. XLVI lesen wir dann nach der Rückkehr des Buqu Chan nach Ordu balyq (Qaragoram): »Und die Ursache des Götzendienstes (but- parastt) der Uiguren war folgende.« Der mit diesen Worten eingeleitete Abschnitt S. XLVI—XLVII ist aber nur unter der Voraussetzung ver- ständlich, daß in den Quellen Guwaini’s wie in der Inschrift von Qara Balgassun von der Abschaffung des alten Schamanendienstes und der Einführung einer neuen Religion unter Buqu die Rede war. Es wird nämlich jetzt zunächst das Schamanentum der alten Uiguren be- schrieben. Daran schließt sich S. XLVII folgende Erzählung: »In Chytaj ist ein Götzendiener gewesen, der hat einen Gesandten an den Chan gesandt und bat um nom-Leute?. Als sie kamen, hat man beide Parteien einander gegenübergestellt, damit, wer Sieger werde, man dessen Lehre annehme.« Nun wird die nom-Lehre beschrieben. »Und nom ist ihre Wissenschaft und Dogmatik, enthaltend allerlei fabelhafte Überlieferungen und Geschichten; auch gute Ermahnungen, die mit den Vorschriften und Lehren aller Propheten übereinstimmen, finden sich darunter, als wie, daß man sich hüte vor Verletzung und Vergewaltigung und dergleichen, und über die Vergeltung von Bösem durch Gutes, und über die Enthaltung von Tierquälerei und anderes noch. Und ihre Glaubensmeinungen und Lehren sind mannigfaltig, aber vorwiegend hat mit ihnen Ähnlichkeit die Lehre der Anhänger der Seelenwanderung. « (Folgt eine Darstellung des karman.) »Als sie das nom ein weniges verlesen hatten, gerieten die Qame aufs Trockene. Aus diesem Grunde nahmen sie den Götzendienst (but- parasti) an, und die meisten Völker folgten ihnen nach; und von den Götzendienern, welche am Rande des Ostens leben, ist kein Volk hals- starriger als sie, und dem Islam feindlicher gesinnt.« Diese Erzählung ist, so wie sie überliefert ist, aug widersinnig. Denn der Verfasser will ja die Ursache des but-parastz der Uiguren berichten, tatsächlich sagt er aber, ein but-parast in Chytai (China) habe sich an den Chan (der Uiguren) um nom-Leute gewandt, welche in einer Disputation die Qame aufs Trockene setzten, worauf diese (wie ausbedungen) das but-parastt annahmen. Unter diesen Qamen müßten also chinesische Schamanen verstanden werden, was dem Zusammenhang der Geschichte völlig widerspricht. Es ist zunächst BEN EBEN * al Börüni, Chronologie ed. Sacnav, S. Y\\, 10 — 194, 28 der Übers. ® ls hölsn. J. Marqvarr: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren. 489 klar, daß nom (dharma)' und but-parastz hier identisch sind, daß somit but-parastt hier in seinem ursprünglichen Sinne — Buddhaverehrung, Buddhismus gebraucht ist. Ferner erkennt man jetzt ohne weiteres, daß in dem einleitenden Satze statt Jy-ss Ll ey re n > hol gs cal sl Se &sy mit geringer Änderung zu lesen ist: rd ul alu 3 Se (sy Als} Jyss.... »In Chytai (China) war ein Buddhaverehrer; zu ihm sandte der Chan einen Gesandten und bat um nom-Leute.« Die Verderbnis ist jedoch schwerlich zufällig entstanden, sondern eine mit Rücksicht auf S. XLI, wo von Qamen aus Chytai unter Cingiz Qa’an die Rede ist (unten S. 496), vorgenommene Ver- schlimmbesserung.. Wenn man dann statt »Götzendienst« überall »Buddhismus« liest, so ist alles klar. Seltsam, daß Raprorr und Sare- mann bei der Bearbeitung der Inschriften von Qara Balgassun sich der Legende Guwaini’s, die sie erst ein paar Jahre vorher allgemein zu- gänglich gemacht hatten, nicht erinnert haben. Als die neue Religion der Uiguren erscheint hier also das nom (dharma) oder die Buddhaverehrung (but-parastz), die den Manichaismus vor dem Durchdringen des Nestorianismus bei den Uiguren großenteils verdrängt hatte und wohl auch noch im 13. Jahrhundert Anhänger unter ihnen zählte. Daß die manichäischen Glaubensboten nicht direkt aus Tochäristän oder Sogdiana, sondern zunächst aus China zu den Uiguren kamen, ersehen wir aus der chinesischen Inschrift von Qara Balgassun, und zwar besagt diese, daß die Einführung der Lehre des Lichtes unter den Uiguren vom chinesischen Kaiser begünstigt wurde (Sp. IX 10 bis X 24); ja der Text macht, wenigstens nach der Ergänzung SchLeeer’s, geradezu den Eindruck, daß die Berufung der manichäischen Priester durch den Chagan direkt durch die chinesische Politik veranlaßt wurde, welche in der friedlichen Religion des babylonischen Propheten’ ein viel wirksameres Mittel erkannte, das wilde Volk zu zähmen und das. Reich der Mitte gegen seine fortwährenden Überfälle zu schützen, als die chinesischen Heere. In China selbst brach freilich beim Unter- gange des großen Uigurenreiches eine heftige Verfolgung gegen die Anhänger Mani’s aus (343—845)?, als man auf ihren mächtigen Schirm- herrn in der Steppe keine Rücksicht mehr zu nehmen brauchte. ! Das während der makedonisch-hellenischen Herrschaft (bis etwa 200 v. Chr.) aus dem griech. nömoc entlehnte sogd. nom, das eo auch ins Uigurische und Mon- golische übergegangen ist, übersetzt das buddh. dharma s ? Vgl. dazu die Äußerungen des al Gähic in meinen Öereien Streifzügen, = a8: ® Vgl. Cuavannes, a.a.0.8.34—36; J.J. er DE a Sectarianism and Religious Persecution in China I, Amsterdam 1903, S. 5gff 43* 490 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 23. Mai 1912. — Mitth. v. 14. März. Daß die Legende von der wunderbaren Geburt des Buqu Chan, welche sich bekanntlich fast gleichlautend in der offiziellen Geschichte der Mongolen (Jüan-Si) und bei Guwaini findet!, manichäischen Ur- sprungs ist, bedarf jetzt keines Beweises mehr. Der wunderbare Baum 3» (nD’Onsson 55-3) am Gemünd der Togla und Selenga, welcher einer Fichte gleicht und im Winter Blätter hat wie die Blätter der Zypresse und Früchte trägt wie Tannenzapfen, kann keine Pistazie sein; überdies wächst dieser Baum nicht in der Mongolei. Ist viel- leicht an die sibirische Zeder (pinus cembra) gedacht? Da Guwaini am Schlusse des Berichtes” bemerkt: »Der Stammbaum jenes (des vor- her genannten Ydygut), der ein verfluchter Stammbaum ist, ist in ihren Buddhatempeln auf der Wand genau verzeichnet [und sie haben ihn gemalt]’«, so darf man erwarten, Darstellungen jener Szene in den Ruinen von Öinän& kat (Ydyqut-sähri bei Turfan) und Bis balyq (Pang kat) noch zu begegnen. Der wunderbare Lichtstrom, welcher auf den Baum fällt, wo- durch dieser befruchtet wird und fünf Anschwellungen bekommt, ist echt manichäisch. Solche manichäische Emanationsideen haben noch bei den islamisierten uigurischen Bogra-Chanen von Käsgar (Jagmä) ihre Spuren hinterlassen. Am deutlichsten tritt dies noch zutage in der Erzählung von der wunderbaren Geburt des Saijid Ali Arslän Chän, eines Enkels des Satoq Bogra Chan, von welchem es in der osttürki- schen Legende des letzteren heißt: »Die zweite (Tochter des Satoq Bogra Chan), A“lä Nür [‚das höchste Licht‘), empfing in einer Nacht wie Maria, die Mutter Jesu, den Besuch des Engels Gabriel, der ihr einen Liehttropfen in den Mund träufelte‘. Zur gewöhnlichen Zeit brachte sie einen Sohn zur Welt. Die befragten Weisen und Ge- lehrten erkannten, daß es ein Sohn des Ali sei und gaben ihm den Namen Saijid Ali Arslän Chän. Andere erzählen die Umstände ! Siehe Brerschseiper, Medizval Researches from Eastern Asiatie Sources I, London 1888, S.247. 255f. — Notices of the Mediseval Geography and History of Central and Western Asia, Shanghai 1876. Guwaini bei Raprorr, Kudatku bilik I, S. XLIIf. 2 Raprorr, a. a. 0. S. XLIX. ® Der Text lautet: „Ig> 2 olal Ge 22 Cl Sy 5,8 el = . er AR are Ss S 29 Cl Ct. Sareırass übersetzt: »Und der Baum ...... , welches ein verfluchter Baum ist, ist in ihren Götzentempeln an der Wand angebracht.« Zu el bemerkt er: »das Wort ist im Türkischen nicht nachzuweisen« — sehr begreiflich, da L,>, und sich verborgen hält?.« Es scheint mir ausgeschlossen, daß die Beziehungen, welche zwi- schen dieser Erzählung und den durch die türkische Legende des Satoq Bogra Chan bezeugten ultraschütischen Ideen der Bogra-Chane sowie dem nach Abü Dulaf ausgesprochen sabaitischen Glauben der Bogräß, d. i. der Türken von Käsgar, unleugbar bestehen, lediglich zufällig sein sollten. Diese Ideen, welche in der Vergöttlichung Ali’s gipfelten und zuerst von den Saba’jja aufgebracht wurden, waren ge- rade gegen Ende der Omaijadenherrschaft weit verbreitet, wie besond die Räwandija beweisen‘. Da aber Zaid b. Ali, an welchen die Könige der Bogräg anknüpften, schon im Jahre ı22 H. (739/740 n. Chr.)°, sein Sohn Jahjä im Jahre 125 H. (742/743)°, Abü Muslim im Jahre 137 H. (754/755) ihren Untergang fanden, so muß Ishäq at Turk seine Lehre zu- ' S.7&£e,1ı2 beruft sich der Verfasser für die Geschichte der Buddhisten (Sa- manija) in Transoxiana auf eine von einem Chorasanier verfaßte handschriftliche Geschichte von Chorasan, die er selbst gelesen habe. ® Vgl. das himmlische Mädchen, welches nach Guwaini (bei Ranıorr, a. a. 0. S. XLIV) dem Buqu Chan über sieben Jahre lang jede Nacht auf dem Qut-tag erschien und mit ihm Unterredungen hatte. ® Fihrist I, X£&, 28 — Ye, ıo, ed. Fröerı. = * Vgl. G. van Vroren, Recherches sur la domination arabe, le chiitisme et les Croyances messiani : 8. 68. Tab. II, ei TAN. NANAN YY2; al Ja‘gübi, Hist. I, Yo. ra —ra\. ° Tab. II, \YYe—\VV&; al Ja‘gübi, Hist. I, var. DAvran, 496 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 23. Mai 1912. — Mitth. v. 14. März. erst im Reiche der Türgis verbreitet haben. Dieselbe muß sich hier auch während der Vorherrschaft der Charluch erhalten haben, und erst nachdem die Bogra-Chane die Charluch aus dem nordwestlichen Tarym- becken und aus dem Tale des Cui verdrängt hatten, werden die Uiguren mit jenen Lehren bekannt geworden sein. Sobald sich daher Satoq Bogra Chan entschloß, die Religion des arabischen Propheten anzu- nehmen, trat bei ihnen Alı (bzw. Zaid) an die Stelle Mänı’s, so daß ihnen nunmehr ihr Fürst als eine Emanation Ali’s galt. Merkwürdig ist freilich, daß wir von solchen Ketzereien der Bo- gra-Chane, nachdem sie Herren von 'Transoxiana geworden waren, gar nichts hören'. Daraus ergibt sich wohl mit genügender Deutlichkeit, daß sie dieselben nicht erst adoptiert haben, nachdem sie Herren des sunnitischen Samanidenreiches geworden waren — was ja auch aus der Erzählung des Abü Dulaf folgt, welehe die Bogrä& noch als ein un- bekanntes türkisches Volk bzw. Dynastie kennt —, sondern mit ihnen bereits früher bekannt geworden sein müssen und es mit Rücksicht auf ihre neuen sunnitischen Untertanen für geraten hielten, dieselben nicht offen zu bekennen. Als Terminus post quem für die Annahme der ultraschiitischen Lehre in Käsgar wäre demnach die Bekehrung des Satoq Bogra Chan zu betrachten, als Terminus ante quem die Einnahme von Buchara durch Nacr Arslan Dig im Jahre 999. Der gleiche Terminus post quem gilt auch für die Abfassung der Risäla des Abu Dulaf; einen Terminus ante quem für diese bildet aber die Eroberung von Chotan, die im Jahre 1006 eine vollendete Tat- sache war”. Die Kenntnis der Geschichte des Buqgu Chan wird von Guwaini von Steinen mit Inschriften aus den Ruinen von Ordu balyq (Qara-Bal- gassun) abgeleitet, die auf Befehl Cingiz Chagans von Qamen (Schamanen) aus Chytai (China) entziffert worden seien‘. Es ist hier natürlich die Rede von der berühmten dreisprachigen Inschrift von Qara-Balgassun, von welcher jedoch heutzutage nur noch der ehinesische Text ein leid- lich zusammenhängendes Verständnis ermöglicht. Freilich weist auch dieser manche für uns sehr unangenehme Lücken auf, allein durch Scazezr’s Ergänzung ist uns doch der historische Zusammenhang der Erzählung im großen und ganzen erschlossen. Daraus ist ersichtlich, * Doch macht sich der Einfluß des Manichaismus bzw. der Dualisten in weit späterer Zeit sogar noch bei den Qarachaniden (Bogra-Chanen) von Transoxiana be- merkbar. Ahmad Chan von Samargand bezahlte das Bekenntnis zur »Lehre der Zindigen (Gnostiker)« sogar mit dem Leben (488H.=1095). Vgl.Ibn alApir X,\ 10; W. Barrnorn, Zur Geschichte des Christentums in Mittelasien (1901), S. 51. = ® In diesem Jahre wird Jüsuf Qadyr Chan als König von Chotan bezeichnet. Vgl. Grexarn a.a,0. S. 64; al "Utbi, S.YNA—YVe; Ibn al Apir, IX, \vo. ® Raprorr, a.a.0. S.XLI. J. Marquarr: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren. 497 daß in der Tat die Bekehrung der Uiguren zur manichäischen Religion unter Buqu Chan auf der Inschrift ziemlich ausführlich erzählt war (Sp- VII 69—X 73). Daß die Vorgänger des Bugu Chan in der Legende Guwaini’s völlig ignoriert sind, ließe sich daraus erklären, daß die be- treffenden Partien der Inschrift (Sp. I 25—VI 75) so zerstört sind, daß ihnen auch die modernen Gelehrten bis auf Scureser keinen Sinn ab- zugewinnen wußten'. Dagegen ist von der wunderbaren Geburt und den Eroberungszügen des Buqu Chan (Rapıorr, a. a. 0. 8. XLI—XLVI), welchedieQame nach Guwaini ebenfalls von den Inschriftsteinen abgelesen haben sollen, in den erhaltenen Resten der Inschrift keine Spur zu ent- decken, aber auch im vollständigen Texte war für dieselben, wie man zuversichtlich sagen kann, kein Raum. Von dem ehemals sehr um- fangreichen, in alttürkischer Runenschrift geschriebenen uigurischen Texte sind nur ganz klägliche Bruchstücke erhalten, mit denen nicht viel zu beginnen ist; nur soviel sieht man, daß auch hier von der Einführung einer neuen Religion die Rede war”. Von der sogdischen, von Raprorr für süduigurisch gehaltenen Version haben sich einige größere zusammenhängende Bruchstücke erhalten, deren Entzifferung von F. W. K. Mürzer angebahnt ist’. Vor allem hat derselbe in einem längeren Bruchstück den Eigennamen unseres Chagans in der Form bu gu xäg än entdeckt (S. 728), während dieser im chinesischen Texte, soviel sich erkennen läßt, nur unter seinem Thronnamen einge- führt wird (Sp. VI 27—45). Dieser Umstand könnte zu der Meinung verleiten, daß die Qame Cingiz Chagans vielleicht die sogdische Version benutzt haben. Allein die Legende von der wunderbaren Geburt des Buqu Chan können sie diesem Denkmal unmöglich entnommen haben, schon aus dem einfachen Grunde, weil ihnen die Sprache desselben unbekannt war; überdies liegt auch nieht der geringste Anhaltspunkt für die Annahme vor, daß der türkisch-uigurische oder der sogdische Text ausführlicher gewesen sei als der chinesische und jene Legende enthalten habe. Dies führt uns auf die Frage, wie sich wohl Cingiz Chagans Qame dem Denkmal gegenüber verhalten haben werden. Es ist an sich möglich, daß sich dasselbe damals noch in einem wesentlich besseren E Erhaltungszustande befand als zur Zeit seiner Wieder- nkleokahg durch die Russen. Der chinesische Text war natürlich den selehrten des 13. Jahrhunderts, soweit er erhalten war, eb gut tändlich als den heutigen. Wäre also damals noch : Val die t des cl ischen Gesandten Suv-Kıys-Cneng und des russischen nee W. P. Wassiuserr bei Ranrorr, Die alttürkischen Inschriften der Mongolei I, S. 286. au Ranan, a. a. 0. S. 291— 297: ® F.W.K. Mürzer, Ein iranisches er aus der nördlichen Mongolei. ern a Berl. Akad. d. Wiss. 1909, S. 726—730. 498 Sitzung der phil.-hist. Classe. v. 23. Mai 1912. — Mitth. v. 14. März. wesentlich mehr von demselben, zumal von den ersten sechs Spalten, lesbar gewesen als heute, so wäre es sonderbar, daß der Bericht des Guwaini davon gar keine Kenntnis zeigt, falls sich wirklich unter den vom Welterot beruf Gelehrten auch Chinesen befanden. Der uigurische Text setzte die Qame in nicht geringe Verlegenheit, da er in alttürkischer Runenschrift geschrieben war, deren Kenntnis, zumal im Osten, um diese Zeit sicherlich längst erloschen war. Völlig rat- los mußten sie aber dem sogdischen Texte gegenül der zwar in einer ihnen geläufigen Schrift, welehe in jüngerer Entwicklung auch von den Uiguren und später auch von den Mongolen für ihre Sprache verwandt wurde, aber in einer ihnen gänzlich unverständlichen Sprache abgefaßt war'. Man kann wohl erraten, wie sie sich aus der Verlegen- heit gezogen haben werden. Daß im 13. Jahrhundert die Legende von der wunderbaren Geburt des Buqu Chan als selbständige Erzählung bei den Uiguren existierte, steht durch den Parallelbericht des Jüan-si (BRETSCHNEIDER, a. a. O. 1, S. 247) fest. Aus dem chinesischen Texte der Inschrift mögen die Gelehrten dann festgestellt haben, daß in der- selben von der Einführung einer neuen Religion bei den Uiguren die Rede ist. Vielleicht ist es ihnen überdies gelungen, aus den Bruch- stücken des sogdischen Textes den Namen des Chagans Bugu, unter welchem jenes Ereignis stattfand, zu entziffern. Auch ist es wahr- scheinlich genug, daß sie eine schriftliche uigurische Legende über dieses Thema kannten. Daß dasselbe literarisch behandelt war, be- weisen ja die von Le Cog entdeckten Bruchstücke. Doch noch eine andere wichtige Frage wird durch das Denkmal von Qara Balgassun angeregt. Schon 300 Jahre vor Cingiz Chagan hatte dasselbe Anlaß zu einer Legende gegeben. Im Jahre 924 drang Apaoki, der Gründer des Qytanreiches, in die nördliche Mongolei ein. »Im neunten Monat, am Tage ping-sen, dem ersten des Monats, machte er Halt in der alten Uigurenfestung [Qara Balgassun], und ließ in einen Stein (oder Fels) einen ehronologischen Bericht seiner Taten eingravieren®.... Am Tage kiah-tsze befahl er, die alte Stele des Chagans P'it-kat (Bilgä) (auszulöschen und) zu glätten und seine [des Apaoki oder des Chagans?] Werke darauf (chronologisch?) zu ver- zeichnen in K“i-tan-, T“ut-kwat- und chinesischen Buchstaben®.« ' Daß die Kenntnis des Sogdischen in der Mongolei und in China verloren gegangen war, nachdem die Sprache im M; de selbst war, ist selbst- verständlich. ä Liao-schi, Kap. II, Fol. 4—5: AHRHHMREET H " Ebenda Fol.5: ZU UHR TEE RT ZH a DIR JE FE BKEFHH H- Die Übersetzungen aus dem Chinesischen sind von Prof. J. Marquart: Guwaini’s Bericht über. die Bekehrung der Uiguren. 499 Dieser Text ist freilich sehr seltsam. Zunächst fällt auf, daß zu- erst von einer eigenen Siegesinschrift des Apaoki und sodann keinen Monat später von einer Usurpierung der alten Säule des uigurischen Bilgä Chagans durch ihn die Rede ist. Allein von einem Siegesdenkmal des Apaoki hat sich in den Ruinen von Qara Balgassun nichts ge- funden, ebensowenig zeigt aber das dreisprachige uigurische Denkmal irgendwelche Spuren einer zweiten Beschriftung, sondern nur die Reste einer chinesischen, uigurischen (in alttürkischer Runenschrift) und sog- dischen Inschrift des Chagans Ay tängridä qut bulmys alp bilgä Chagan. Wie jener Bericht des Liao-$i zustande gekommen sein mag, ist schwer zu sagen. Darf man etwa aus dem unklaren Texte desselben schließen, daß Apaoki in der Tat den Befehl gab, die Inschriften des alten Denk- mals auszulöschen, in der Absicht, seine eigenen Taten auf demselben zu verewigen, daß aber dieser Befehl beim Aufbruche des Eroberers von Qara Balgassun erst nach seiner negativen Seite teilweise aus- geführt war und die Arbeit dann eingestellt wurde, so daß ein großer Teil der chinesischen Inschrift verschont blieb und es zur Einmeiße- lung einer neuen Inschrift gar nicht kam? In diesem Falle könnte die jetzige Zerstörung des Denkmals weder von ihm noch von den Qyrgyzen herrühren, sondern müßte in einer späteren Zeit erfolgt sein. Prinzipielle Bedenken gegen die Richtigkeit des Berichtes erweckt aber die Erwägung, was Apaoki veranlaßt haben könnte, seine Taten in der damals sicherlich längst außer Kurs gekommenen alttürkischen Runenschrift — denn diese ist jedenfalls unter den T‘ut-kwat-Charak- teren zu verstehen — verewigen zu lassen. Man hätte statt dessen die (ursprünglicl g uigurische Schrift erwartet, welche um diese Zeit, abgesehen von der gelegentlichen Verwendung der mani- Chäischen Schrift für manichäische und der mittelasiatischen Varietät des indischen Brähmialphabets für buddhistische Texte, die eigent- liche Schrift der schriftkundigen Türkstämme war und später noch weitere Eroberungen machen sollte. Von den großen K'itan- Charakteren, die im Jahre 920 auf Befehl des Kaisers hergestellt worden waren und die chinesische Bilderschrift zur Grundlage hatten (siehe S. 501 Anm. ı), ist auf dem Denkmal keine Spur zu sehen, und kein schriftkundiger Qytaf oder Chinese konnte beim Beschauen des Denkmals an jene erinnert werden. Daraus schließe ich, daß DE Groor. Vgl. Cuavanses, Voyageurs chinois chez les Khitan et les Joutchen, S.6 n.r. Extr. du Journ. as. mai-juin 1897. — Brerschseider, Medi»val Researches from en Asiatie Sources I, 2 56 n. 640 gibt von diesem Passus folgende Übersetzung: »On the 29t of the same month (the emperor sojourned still at the same place), he ordered the ancient monument of P‘i-A'o han to be restored. Besides this an inseription was made in letters of the K“i-tan, T‘u-küe (Turks), and Chinese, to glorify the feats of Pi-Ko han.« . 500 - Sitzung der phil.-hist. Classe v. 23. Mai 1912. — Mitth. v. 14. März. der Bericht des Liao-si formell und materiell falsch ist und die Inschrift des Apaoki, wenn sie wirklich geplant war, in der Tat (wenigstens in Qara Balgassun) nicht zur Ausführung kam. Die Angabe über eine dreisprachige Inschrift kann sich demnach nur auf die erhaltene des Uigurenchagans beziehen, die man durch irgendein Mißverständnis für eine solche des Apaoki ausgab. Dann muß die Inschrift in K'itanbuchstaben dem sogdischen Texte des Denkmals entsprechen. Dies würde voraussetzen, daß die Qytai das ursprünglich sogdische, später von den Uiguren übernommene und nach ihnen benannte Alphabet angenommen hatten. Da die Sprache und Schrift der Uiguren, wie es scheint, am Hofe des Apaoki sehr wenig bekannt war (s. u.) und wir Kenntnis des Sogdischen bei den Qytafi noch viel weniger voraussetzen dürfen, so erklärt es sich leicht, warum man die Inschrift nicht, wie in unserer Zeit, für uigurisch hielt. Doch wie dem auch sei, so viel ergibt sich jedenfalls aus unserem Texte mit Sicherheit, daß auch die Qytaü nachmals eine eigene, von der chinesischen verschiedene Schrift besaßen. Dies wird übrigens auch noch an zwei anderen Stellen des Liao-$i ausdrücklich bezeugt. Es heißt nämlich von Ja-lut Tai-sik, dem Gründer des Reiches der Si Liao oder Qara Chytai: »Er verstand die Liao- und die chinesische Schrift'.c Und an einer andern Stelle wird von einem gewissen Tiet- is'ik berichtet: »T’ai-tsu (posthumer Name des Apaoki) sprach: Die Kenntnis des Tiet-tsiik ist durchaus vollendet. Im Entwerfen von Unternehmungen kann ich ihm nicht gleichkommen, aber bei der Aus- führung von Plänen (Kriegslisten) ist er zaudernd, und nicht wie ich selbst. Als Gesandte von den Uiguren kamen und niemand ihre Sprache verdolmetschen konnte, sagte T’ai-tsu: Tiet-isik ist so klug, sendet ihn dahin, um sie zu empfangen. Und in den 20 Tagen, die er mit ihnen war, hte er ihre gesprochene Sprache und ihre Schrift zu gebrauchen. Er machte darauf kleine Schriftzeichen der K'itan, gering an Zahl, und alle aneinander gereiht?.« Hier ist also ? Liao-$i, Kap. 30, Fol. 4 v.: EBD se ® Liaosi, Kap. 64, Fol.4—5. AME ANZ RRA HE r Der “ ie = FR ERINER HE Act, REDET ME HEILER Ach A ER RESET HE BRFr sh RS 34 m 1% =. Übersetzung ve Groor’s. — Kuraıcnı Surrarort, Über die Sprache des Hiung-nu-Stammes und der ‚Tung-hu-Stämme (Tokio 1900), S. 55 gibt diesen Passus folgendermaßen wieder: »Unter der Regierung des Kaisers T’ai-tsu, von dem in der Geschichte Liaoshi die Rede ist (Bd. 64), wurde ein Bote von Huihuh (d. h. Uigur) zum Kitanstamme geschickt; aber er wurde nirgends verstanden. Da befahl der Kaiser einem seiner Unterthanen Tieh-la, die kitanische Sprache und Schrift zu erlernen« (von mir gesperrt). J. Marquarr: Guwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren. 501 die Herstellung eines Qytanalphabets unter Apaoki ausdrücklich be- zeugt, und zwar läßt der Text deutlich erkennen, daß die Buchstaben desselben in Zeilen geschrieben und durch Ligaturen verbunden wurden. Hierdurch ist die chinesische Schrift als Vorbild ohne weiteres aus- geschlossen'. Die geringe Anzahl der Zeichen weist vielmehr auf ein westländisches Muster hin, und die Umstände, unter denen die Er- findung stattfand, lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß Tiet- tsik sich bei der Herstellung eines Qytanalphabets an die igurisel Schrift anlehnte?. Als eine gewisse Bestätigung hierfür könnte man bei dem engen Zusammenhang, der bekanntlich vielfach zwischen Schrift und Religion besteht, die Nachricht Ibn al Apirs betrachten, daß der erste Gurchän der Qara Chytai (Ja-lut Tai-sik) Manichäer gewesen sei?. Aus vorstehenden Darlegungen geht also hervor, daß schon drei Jahrhunderte vor Cingiz Chagan eine mit dem Tungusischen und Mandschurischen oder, wie der Kommentar zum Liao-si (Liao-$i-jü-hiai) sowie H. H. Howorrs und Kvraxıcnı Smratorr wollen®, mit dem Mon- golischen verwandte Sprache, das Qytan, mit einem aus der uigurisch- gdischen Schrift abgeleiteten Alphabete geschrieben worden ist. Dies scheint Raustepts Ansicht zu begünstigen, der aus der Altertümlich- keit der mongolischen Schriftsprache gegenüber den ältesten Aufzeich- nungen mongolischer Wörter bei westländischen Schriftstellern (Kira- kos u. a.) im 13. Jahrhundert den Schluß gezogen hat, daß dieselbe schon vor Cingiz Chagan schriftlich fixiert gewesen sein müsse’. Wenn daher die Gürcit (Kin)', die Nachfolger der. Qytaf, die chinesische * Dagegen diente die chinesische Schrift ohne Zweifel als Vorbild der großen K'itan-Charaktere, die, einige 1000 an Zahl, im Jahre 920 auf Befehl des Kaisers Apaoki hergestellt wurden. T‘u-Su-tsih-Cing III, 9 (huang-kih-tien) Kap. 79: Liao 1, sub a. 920. Die einzige bekannte Probe dieser großen Charaktere (5 Zeichen) findet sich bei Wyrır, JRAS. 1870, 8.36, n.2. Vgl. auch Dev£rıa, Revue de l’Extreme-Orient 1882. Ich verdanke diesen Hinweis der Liebenswürdigkeit von Prof. F. W. K. Mürzer. * [Der Name Tiet-tik ist vielleicht, worauf mich F. W. K. Mütrer aufmerk- Sam macht, eigentlich ein Appellativ — mittelpers. tarsak »der Christ“. Korrek- turnote]. ® Ibn al Apir XI,oe. Vgl. W. Barrnoro, Zur Geschichte des Christentums in Mittelasien S. 56. * Vgl. Kurarıcnı Smirarors, Über die Sprache des Hiung-nu-Stammes und der Tung-hu-Stämme. Tokio 1900, S. 37 fl. — Die Frage wäre vermutlich schon weiter gefördert, wenn Smrarorı die chinesischen Geschich ke in päischer Weise durchweg genau nach Kapitel und Seite, statt, wie so häufig, nur nach Kapitel, oder, wie er sagt, Band (z. B. S. 48—55), oder gar nur ganz allgemein als Kitan-kwoh-chi, Wu-tai-shi (@.B. S. 54. 41. 43f. 45) zitiert hätte. ® Ruusreor, Das Schriftmongolische und die Urga-Mundart. Journ. de la Soeiete finno-ougrienne vol. XXI, 2 S.4. Ich verdanke das Zitat der Liebenswürdigkeit Baxcs. ° So lautet die mongolische (Plural-) Form des Namens, die sich in der uigurischen Legende von Oguz Chagan bei Raprorr, Kudatku bilik I, S.XIIb Zeile 21 findet (von Raprorr nicht erkannt). 502 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 23. Mai 1912. — Mitth. v. 14. März. Bilderschrift zur Grundlage wählten, um aus ihr eine Schrift für ihre Sprache herzustellen, so war dies ein ganz gewaltiger Rückschritt. Seltsam ist es freilich, daß von der Literatur der Liao bislang gar keine Spuren entdeckt worden sind, während uns die Kin (Gür£it) und Si Hia (Tangut) eine Anzahl von Denkmälern ihrer Sprache und Schrift hinterlassen haben. Es wird Sache der Sinologen sein, zunächst das, was sich in den chinesischen Geschichtswerken über das Kanzlei- wesen der Liao findet, zusammenzustellen, sodann aber überhaupt die Geschichte der Liao genauer als bisher zu durchforschen und Archäologen und Forschungsreisenden die nötigen Fingerzeige zu geben. Auch von der Dynastie der Qara Chytai in Semirjetschie haben sich keinerlei schriftliche Denkmäler erhalten. Über die Einrichtung ihrer Regierungs- kanzlei ist uns nichts bekannt. Da aber die Ydyquts der Uiguren von Bis-balyq ihre Vasallen waren, so sollte man erwarten, in dem so ergiebigen Boden von Turfan und Bis-balyg eines Tages auch noch Dokumente in der verklungenen Sprache der Qytaüi zu entdecken. Ausgegeben am 6. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder er weiterer RERMLIERE in deutscher Sp veröffentlicht sein oder Sole eine a zuwi rufe Veröffent- tar r einer aufgenom: menen wissen- schaftlichen Mittheilung dieselbe anderweitig früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm a nach den gel- tenden Rechtsregeln zusteht, so bedarf er dazu der Ein- ımt-Akademie. ande erweitig zu veröffentlichen ist den Verfassern EabescHidake gestattet. Aus $ 21. Die Sitzungsberichte en in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Aus $ 22. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die n der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- es und über die zur LU geeigneten ge- schäftlichen Angelegen Hinter den Titeln ge ee Mittheilungen folgen in dieser Übersicht kurze Inhalı en derselben, welche die Verfasser einreichen, und für w ie sie ver- antwortlich sind. Diese Inhaltsangaben alten sich in der Regel auf 5—6 Druckzeilen beschränken, keinesfalls 10 gen. überschreiten. Die nicht in den Schriften der Akademie erscheinenden Mietheilungen werden mit vorgesetztem Stern bezeichnet, bei den re die Abhandlungen bestimmten wird »(Abh.)« zugefü, ann. Mittheilungen fremder Verfasser in rn a über diejenige Sitzung aufgeführt, in welche fnahme in die akademischen Schriften endgültig ae wird. Aus $ 27. Das HER aus: in einer akademischen Sitzung am Donners Aufnahme in die Sitzungsberichte zu- gelassenen N Mittheilung, welche am Fe ten Donnerst: gedruckt erscheinen soll, s in der cretars oder des Archivars versehen, für ein spä Stück zurückgele; Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus irgend welehen Gründen be- sondı jere Schwierigkeiten erwarten lässt, oder welche den 4 ent! haltenen nn nicht entsprechen. Die Reichsdruckerei sendet on oder an- we Mittheilung vorgelegt habe: rien, Seen werden Correeturen nur auf Verlangen terbre scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden, a: 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- re Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. ei 1909: Phyaikal lisch-mathematische Yes Bee Philosophisch-historische Olasse . . . . Abhandlungen. Jahrg. 1910: Physikalisch-mathematische ur 5 Philosophisch“ historische Classe . . . . Kinzelne Abhandlungen aus ‚Gedächtnissrede auf Eberhard ee den Jahren 1909, hen Uinsetzungen ; a EN ler geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Erste Hälfte . dR.Kı Kanu: Vier den anatomischen Bau der baumartigen Oyperacee Sehoenodendron Bein ‚Henricus 'van’t Hoff. NE ee rel Laxporr +: Über die Trhaltun dee Mass: Kerurx vox Srrapostrz: St nköp Dirzuey: Der Aufbau dı vax’t Horr: Gedächtissede auf Hans Ieinrich Landol Mörter: Ui Exorer un i Exa: s Kam Posen: "Gedächtniserede ae a Scnenze, : Gedächtnissrede auf : Hynner an das Di: Br der P Mon: "Zur epfächleher Gliederung Frankr‘ ei NELS: he us et Überlieferung des Galen' acer: Conienläre zum -Prorchetichui des Zismer E Eine as Wege karten die. Göidelen vom ; Continent 'nach Irland? . R. Isexscnsin: Zur Kenntniss der Grosshirnrinde der Mau: au: Bao P. Rörme: Zellanordnun en und Faserzüge im Vordahim. von Siren lacertina . et M. Neipise: Über die Kerne an a epucn bei einigen Arasellieren N ER Anker: Über die e des een leinhi Be a ne H. Jusxer: Der Auszug der Hathor-Tefnut s Nubien . a - F. Freiherr Hırıer vox Gaserriseen und H. aan: Ar kadische Forschun gen . #. Wıroann: Erster a Bericht über die von den X ZOnlg NE Museen unternommenen ‚en in Sam Li en Be eweis des St tzes) dass ‚je Henreichent kleine, im wesentlichen stetig ge rümmte, sin laritätenfreie Fläcl ück auf einen Theil Auer ae Se, und in den kleinsten 'Theilen ihaiich rede werden kann A. von E Cog: Türkische Manichaica aus Chotscho. I. M. vav Bercnem: Die muslimischen Inschriften von Per: = M. Livzsarskt: Phönieische und aramäische Krupshfechäfen aus " Elephantine . Sitzungsberichte der Akademie. ein a a a eh en a ee Sonderabdrucke. II. Halbjahr 1911. ne an die Tektonik des tieferen Untergrundes Norddeutschlands . RE : Meso oriumversuche an thierischen Banellt, ein ‚experimenteller Beweis für die der “ ER en "über das Eurer’sche ee u A EA Senortkv: über die vier Jaconr‘ 4 Ensax: ein Denkmal memphitischer Theologii EN N Jacorı: Cultur-, Sprach- und Lit: tieranhistoraches aus "dem a a a a Ans: die Inschriften des Königs Kalumu . er . i itat E von Acanceh in Yucatan (ierzu Tat. vI-XY) RE E. Mever: zu den aramäischen Pa} apyri von Elephanti: we ee STRUVE: über die Lage der Marsachse und die Ronsenten ji 1 Marssystem : Enrsan: Denksteine = der thebanischen Gräberstadt it (hierzu Taf. XV] F. Frzcn und C. Resz: Kreide und Trias im Kiona- und Öta, hie nich Marress: er die Messung er Kräfte im een BRocKELNMARN: zu den Ti riften des Königs Kal Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1912. 1. Sch über einen Satz von C. Cararnkoporr An rom A ug eines Satzes von OAeK ARNO aus "einer Formel \ von ı Kuosscnen ER oser: Fest: voX ee Mimnermos "and Pro operz Russer: über die Betheiligung endocellularer euere am | Energieverbrauch der Zeie” Bes head yHe y nd speeifische a P2 & S 5 5 2 1 & 25 3 B2 5 ° 9 ir: \E. eR ee 5 ea =} 8, 3: 5 Harsack: Geschichte eines programmatischen Wo; Orts Jesu " Matih. 5, in in | der ältesten Kirche Wareune: über den nergieumsatz bei photochemischen Boeennsn in Ga. . Liesiscn: über die Fluoreseenz der Sodalith- und Su itgruppe im ee Licht . Hasertanpr: über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüthe Rusexs und G. Herrz: über den na Ar its: auf die nn langwelliger Wärme- ia in rn festen Isolator: Herıman a Charakter der S 5 25 gie Eithrungeer a der Lehre vom ae Ghichgewihiniande der Massen er Erdkri Basa: über die Räthsel des Codex” Cumanicns (hierzu Taf. I und ıy. Rosert: zu den Epitrepontes des Menandı . K. Mever: ein mittelirisches Gedicht auf Er ndan den Meerfahrer . Fropexius: üher ‚Matri izen. u un a le nten ©. H on ranit und Sedimenten“ d. "Para art: Guwaini’s rede über die Bekehrung der Uigui DS oO & N Bere Sell Leh. al) a o 1912. XxVvM. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 6. Juni. (S. 503) Adresse an Hrn. Erssr Wıraerm Bexecke zum fünf: igjährigen Doctorjubil am 10. Mai 1912. (S. 505) Adresse an Hrn. Morız Rırrer zum fünfzigjäh jubilä am 28. Mai 1912. (S.507) F.E. Scuurze: Die Eye auf der Ber und Wangenschleimhaut der Säugethiere. I. Ruminantia. ($. 510 MIT TAFEL IH, IV uno V. BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. us $ 1 Ba ne 3° gibt Fee s ar h Sp Statuten zwei fortl: der Kate Preussischen Wer FR Wissenschaften« und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wisse) ne, Aus $ 2 Jede Aufnahme in die ‚Situngsbericht. oder die GAB Tengene bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung v« orge legt nn en in Be A mitglieder haben hierzu die Vermitte Spa eines ln Fache angehörenden ee Mitgliedes zu benutzen. einer au A Mittheilung soll = a er Pr a ee bei Mitgliede ın 32, 16 Seite: ift pe: itzungs) Ha in ei Abtandiungen 12Druckbogen von je 8 Seiten in 'Ööhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht abge berschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der ne A kadsie oder der betreffenden Classe statt- Sollen einer Mittheilung Abbildungen im ne ar auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die en: dafür (. (Zeichnungen, pl Reel Original. aufnahmen u. s. w.) anuscript, jedoch auf ee Blättern, einzureich Die iomaa der Hersellung der Er haben in der Reg: ie Verfasser zu d diese Kosten aber u einen erheblichen Bern zu Fermschlen, so Fer Ak: schliessen. Ein Ber ana ist 2 Kor Hensellung der be- ne, ae ass Mn Seeretar zn cretariat vorzuberathen und - Seele zu ehr handelt aa eines beizufügen. Kr Aamer tet. dieser Fern die er: forderliche re lage bei = Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 er so ist Vorberathung durch das rang gebote: Aus . Nach der Vorlegung und Einreichung des Iständ:, in m & ig: ig‘ pts an den ee Seeretar od n den Archivar ufnahme der Mittheilung in die akademischen , ıd zwar, be ine der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. itthei ern, Karen nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sr Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, ieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $ 6. n es sich nicht bloss um glatten Text ra aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei deren Be Ya Misheifungen besorgen = je haben diese erste Correetur vorlegende bee, einzusenden. Die Correetur SE nah Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen Be n. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser a zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet Aus $ 8. i oder Abhandi Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von re See wenn deren Umfang im Von allen in die ik hergestellt, die Ks Id nach Erscheinen des be- wefnden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich a einverstanden erklären. Von den s den erhält ein Verfasser, welcher Mitgtie der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- zur Zahl von 200 (im sr also 350) gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr n 50 Frei- und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem eigenen Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. or Mei Pe Abhandl ser, welcher Pe der Akademie es zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- Abdrucke zur el zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Ak. ie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei Kosten abziehen lassen. 9:17. Eine für die akademischen Schriften be- vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) 503 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXVI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 6. Juni. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Rorrnr. *1. Hr. Scnärer las über die deutsch-französische Sprach- grenze. Ihre Besonderheit gegenüber den deutschen Sprachgrenzen im Osten, Süden und Norden wurde hervorgehoben: Geschlossenheit, Fehlen von Enclaven und Exclaven und fast unerschütterter Bestand mindestens seit dem ro. Jahrhundert. Dann wurde im Einzelnen der Nachweis geführt, dass die Sprachgrenze früher so wenig wie heute jemals auf irgend belangreiche Strecken politische Grenze gewesen ist, weder der in Frage kommenden Reiche noch der Territorien. 2. Das correspondirende Mitglied der ph Classe Hr. Ersstr Wiruern BEnEcKE in Strassburg hat am ı0., das cor- tespondirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe Hr. Morız Rırrer in Bonn am 28. Mai das fünfzigjährige Doctorjubiläum gefeiert; beiden Jubilaren hat die Akademie Adressen gewidmet, welche unten im Wortlaut abgedruckt sind. 3. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: zwei neu er- schienene Bände akademischer Unternehmungen, Bd. 35 der Politischen Correspondenz Friedrich’s des Grossen (Weimar ı912)und Acta Borussica. Behördenorganisation und llgemeine Staat, ltung. Bd.5, Hälfte2. Akten von ı7 36 bis 1740, bearb. von G. Scnmorzer und W. Storze (Berlin 1912); ferner die fünfte Reihe der Vermischten Beiträge zur französisel G tik des torb ordentlichen Mitgliedes Anoır Togrer (Leipzig 1912). I +1 RN 4. Zu wissenschaftlichen Unternehmungen hat die Akademie be- willigt durch die ph ysikalisch-mathematische Classe: für eine im Verein mit anderen deutschen Akademien geplante Fortsetzung des Posern- DorrF'schen biographisch-literarischen Lexikons als erste von drei Jahres- raten 800 Mark; Hrn. Privatdocenten Dr. Arvorn Euoken in Berlin zur Ausführung einer Experimental-Unt hung über die speeifische Wärme von Gasen 2000 Mark; Hrn. Geheimen Medieinalrath Prof. Dr. Gustav Frrrscn in Berlin zur Herausgabe eines Werkes über das Sitzungsberichte 1912. 44 504 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. 4 Haupthaar und seine Bildungsstätte bei den Rassen des Menschen 1200 Mark; Hın. Prof. Dr. Esnar Herrzserung in Potsdam zu einer Reise nach Nordamerica behufs Arbeiten auf dem Solar Obser- vatory der Carnegie Institution 1500 Mark; Frau Dr. Fansy Horer- Moser in Berlin zur Fortführung ihrer Studien über Siphonophoren 800 Mark; Hrn. Dr. Orro Karıscuer in Berlin zur Fortsetzung seiner Versuche betreffend die Hirnfunetion 600 Mark; Hrn. Prof. Dr. Wırıv MarckwaArn in Berlin zu Untersuchungen über das Verhältniss von Radium zu Uran 800 Mark; Hrn. Privatdocenten Dr. Rogerr PorL in Berlin zur Fortsetzung seiner liehtelektrisehen Versuche 800 Mark; Hrn. Dr. Pur Rörme in Berlin zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die vergleichende mikroskopische Anatomie des Centralnerven- systems der Wirbelthiere 1000 Mark; Hrn. Privatdocenten Dr. Aurren Weerser in Marburg als Zuschuss zu den Kosten einer Expedition nach Grönland im Anschluss an die dänische Expedition unter Haupt- mann Kocn 1600 Mark; durch die philosophisch-historische Classe; Hrn. Koser zur Fort- er Politi g führung der H gabe d. litischen C pondenz Friedrich’s des Grossen 6000 Mark; Hrn. von Wıramo M zur Fort- führung der Inscriptiones Graecae 5000 Mark; der Deutschen Commission zur Fortführung der Forschungen des Hın. Burvach über die neuhoch- deutsche Schriftsprache 4000 Mark; für die Bearbeitung des Thesaurus linguae Latinae über den etatsmässigen Beitrag von 5000 Mark hinaus noch 1000 Mark; zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der griechisch-römischen Epoche für das Wörterbuch der aegyptischen Sprache 1500 Mark; für das Cartellunternehmen der Herausgabe der mittelalterlichen Bibliothekskataloge als sechste Rate 500 Mark; Hrn. Scuärer zur Fortführung der Veröffentlichung der im Dänischen Reichs- archiv zu Kopenhag halt Sundzolllisten 10000 Mark. 5. Die Akademie hat auf den Vorschlag der vorberathenden Com- mission der Borr-Stiftung aus den Erträgnissen der’ Stiftung Hrn. Prof. Dr. Lvisı Svarı in Payia zur Förderung seiner Prakritstudien ı 350 Mark zuerkannt. : Die Akademie hat in der Sitzung vom 9. Mai den Professor der Ge- schichte an der Universität Strassburg Dr. Harry BressLau zum eor- respondirenden Mitglied ihrer Philosophisch-historischen Classe gewählt. Das correspondirende Mitglied der physikalisch-mathematisch Olasse Envarn Srrasnuurger in Bonn ist in der Nacht vom 18, auf den 19. Mai, das correspondirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe Hexey Sweer in Oxford am 30. April gestorben. Adresse an Hrn. Ernst Winner Benecke zum fünfzigjähr. Doetorjubilium. 505 Adresse an Hrn. Ernst WiLHeLMm BENEcKE zum fünfzigjährigen Doktorjubiläium am 10. Mai 1912. Hochverehrter Herr Kollege! Füntzig Jahre! So zahllose, die alljährlich den Doktorhut erwerben, und doch so wenige, denen das, was Ihnen heute, zuteil wird: nach 50 Jahren auf diesen Tag zurückblicken zu dürfen und zumal in solcher geistigen und körperlichen Frische. Freilich, nieht Ihr Verdienst; denn das ist ein Geschenk der Natur. Und doch wieder Ihr Verdienst; denn ohne die Weisheit des so Beschenkten verrinnt gerade diese Gabe vor der Zeit in unseren Händen. Ein volles, ganzes Menschenlos ist es, das Sie in diesen 50 Jahren durchlebt haben. Allerschwerstes blieb Ihnen nicht erspart; aber die Summe war doch heller Sonnenschein des Glücks und des wissenschaft- lichen Erfolges. Tief unter der Erde traten Sie ein in Ihren praktischen Beruf, als Junger Bergmann. Aber mächtig zog es Sie bald hinauf aus der Praxis zur lichten Sphäre reiner Wissenschaft, zur Geologie und Paläontologie. Als Schüler des unvergeßlichen Orrrr begannen Sie den Aufstieg zu dieser; und um dem allzufrüh dahingegangenen, verehrten Lehrer ein würdiges Denkmal zu setzen, da schufen Sie die » geognostisch- paläontologischen Beiträge«. ’ Noch einmal haben Sie dann, viel später, sich hochverdient ge- macht auf gleichem Gebiete: Aus dem geistigen Schlafe, in den eine andere geol gisch-paläontologische Zeitschrift, das »Neue Jahrbuch «, versunken war, haben Sie sie zu neuem, glanzvollem Leben erweckt, indem Sie Last und Odium, die damit verknüpft waren, um der Sache willen willig auf Ihre Schultern nahmen. Aber noch auf einem andern Gebiete haben Sie Neues ins Leben gerufen: Angezogen durch die geologische Umgeb von Heidelberg die wohl bei keiner zweiten deutschen Universitätsstadt in gleicher Weise mannigfaltig ist wie dort, haben Sie, zusammen mit E. Cones, die geologische Karte dieser Umgebung aus eigenen Mitteln hergestellt und damit den Anstoß gegeben zu der jetzigen geologischen Landes- aufnahme von Baden. 44* 506 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. Als das denkwürdige Jahr 1870 uns einst geraubte deutsche Lande wiedergab, da rief man Sie nach Straßburg, um dort als Lehrer der Geo- logie und Paläontologie deutsche Wissenschaft hochzuhalten und franzö- sierte Germanen wieder unter deutschem wissenschaftlichem Banner zu sammeln. Unvergessen wird das bleiben, was Sie an Ihrem Teile da- zu getan haben. Rüstig nahmen Sie auch das große Werk in Angriff, an Stelle der veralteten französischen geologischen Karte von Elsaß- Lothringen eine neue, exakte erstehen zu lassen; gegen den Willen der Französlinge, aber zum Ruhme deutscher Wissenschaft haben Sie das bedeutsame Werk der geologischen Landesaufnahme der Reichs- lande durchgeführt. Unauslöschlich ist Ihr Name verknüpft mit der Kenntnis zweier Formationen, der Trias und des Jura. In zahlreichen, schönen, zum Teil bahnbrechenden Arbeiten haben Sie die Ergebnisse Ihrer Unter- suchungen niedergelegt und Muster gründlicher, bis ins kleinste ge- nauer geologisch-stratigraphischer Arbeiten geschaffen. Hier wie dort, in Jura- und namentlich in Triasformation, haben Sie Licht in die so schwer zu entziffernde alpine Ausbildungsweise gebracht und dann die Parallelisierung der außeralpinen mit der alpinen Schiehtenfolge fest- gestellt. Unverrückbar steht das fest, was Sie niedergelegt haben in Ihren wertvollen Arbeiten über die fragliche Stellung des Kalkes der Porte de France, über das strittige Alter des Esinokalkes, über das Grignagebirge, über die Eisenerzformation von Lothringen, den Bunt- sandstein der Vogesen, die Trias und den Jura: von Elsaß-Lothringen sowie in Ihrer zusammenfassenden Darstellung der Geologie der Reichs- lande. : Fünfzig arbeitsreiche, arbeitsfrohe Jahre sind so über Sie dahin- gezogen. Und wenn heute .der Tag sich wiederum jährt, an dem Sie vor nunmehr einem halben Jahrhundert den Doktorhut erwarben, so können auch wir, die wir Sie mit Stolz zu den Unsrigen zählen, nicht terl Ihnen, hochverel Herr Kollege, unsere aufrichtigsten und herzlichsten Glückwünsche darzubringen. Mögen Ihnen noch lange Jahre beschieden sein in Glück, in Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. Adresse an Hrn. Morız Rırrr zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum. 507 Adresse an Hrn. Morız Rırrer zum fünfzig- jährigen Doktorjubiläum am 28. Mai 1912. Hochverehrter Herr Kollege! An dem Tage, da vor fünfzig Jahren die philosophische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Ihnen den Doktorgrad ver- lieh, hat auch die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften Anspruch darauf, im Kreise derer, die Ihnen ihre Glückwünsche dar- bringen, zu erscheinen. Bei Ihren akademischen Studien von Untersuchungen zur Geschichte des alten Roms ausgegangen, erhielten Sie unmittelbar nach dem Er- scheinen Ihrer Inauguraldissertation über die Verfassungsreform Diokle- tians die entscheidende Richtung für Ihren weiteren wissenschaftlichen Entwieklungsgang durch die Aufforderung zur Mitarbeit an den Publi- kationen der damals noch jungen historischen Kommission bei der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften und vor allem durch das enge persönliche Verhältnis, in das Sie damit zu Karı. Corsenvs traten. Sie selber haben es bezeugt, wie stark dieser Führer, mehr noch als wissenschaftlicher Charakter denn als Lehrmeister der Methode und Editionstechnik, auf Sie eingewirkt hat. Den umfassenden, von der Münchner Kommission geplanten Unternehmungen halfen Sie in verheißungsvoller Weise die Bahn brechen durch die in jugendfrischer Rüstigkeit schnell von Ihnen geförderte Bearbeitung der ersten, für Ihre Fortsetzer vorbildlichen Bände der großen Sammlung der »Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges«. Aber im Sinne der nachmals, »mitten unter dem Feuer des gegenwärtigen Akten- edierens«, von Ihnen ausgesprochenen Mahnung, diese Editionstätigkeit nicht zum Selbstzweck werden zu lassen, haben Sie schon bei jungen Jahren, noch während Ihrer Münchner Lehrzeit, Ihr erstes darstellendes Werk, die »Geschichte der deutschen Union bis zum Tode Rudolfs I.«, veröffentlicht, das den zunächst gesicherten Ertrag Ihrer ausgedehnten Archivstudien darbietende Buch, das Ihnen den Ruf an die Universität Bonn eintrug. 508 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. Dort in Ihrer Vaterstadt ist dann das hervorragende Geschichts- werk ausgereift, in welchem Sie die Summe Ihrer wissenschaftlichen Lebensarbeit zogen, die »Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegen- reformation und des Dreißigjährigen Krieges«. Indem Sie Ihre Dar- stellung von dem spezifisch gelehrten Beiwerke, das Sie für jenes Jahrhundert wie kein anderer Sich zu eigen gemacht haben und be- herrschen, entschlossen entlasteten, gelang es Ihnen, einen überaus weitschichtigen und auseinanderstrebenden Stoff zu bemeistern und uns die lang vermißte Fortsetzung zu Rankes Deutscher Geschichte im Zeitalter der Reformation in einer des großen Vorbildes würdigen Durchführung zu schenken. Nach dem Vorgange der hadernden Zeit- genossen war eine konfessionell voreingenommene Geschichtsschreibung durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder darauf zurückgekommen, der Gegenpartei »alle seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 errungenen Erfolge als unerträgliche Übergriffe nachzurechnen« und ihr dunkle, auf Vernichtung abzielende Anschläge vorzuwerfen. Diesen einseitigen Auffassungen gegenüber hat Ihre gerecht abwägende Dar- stellung uns in überzeugender Weise gelehrt, daß die Kampf- und Angriffstendenz beiden Teilen gemein war und daß hüben wie drüben politische Beweggründe mit den religiösen sich verquickten. Indem Sie Ihre Tätigkeit als Editor, Kritiker, Darsteller in straffster Geschlossenheit auf eine große Aufgabe richteten, haben Sie uns doch durch die literarischen Früchte Ihrer Nebenstunden gezeigt, mit welcher Aufmerksamkeit und mit welcher Bestimmtheit des Urteils Sie das weite Feld der geschichtlichen Studien überschauen, ihren Gang und ihre Wandlungen begleiten. Als vor einer Reihe von Jahren die Er- örterung methodologischer Fragen innerhalb der Geschichtswissenschaft wieder einmal in den Vordergrund trat und hier und da eine persön- liche Schärfe annahm, haben Sie von einem festen Standpunkt aus beschwichtigende und klärende Worte an die streitenden Teile ge- richtet. Und so haben Sie wiederholt Ihre gewich ige Stimme er- hoben, wo Sie falsche Wege eingeschlagen sahen, sei es, um vor den entgegengesetzten Unarten hier bequemer Routine und dort paradoxer Spitzfindigkeit zu warnen, sei es, um die unerfreuliche Betriebsamkeit geschäftskundiger Fachgenossen zu kennzeichnen, »die ihre literarischen Programme nicht der Entwicklung der Wissenschaft, sondern der Nachfrage auf dem Büchermarkt anpassen «. Wie Sie als Organisator wissenschaftlichen Betriebes vor einem Menschenalter der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde einen Arbeitsplan in die Wiege gelegt haben, so bewähren Sie jetzt Ihr organisatorisches Talent an dem Platze, den zuerst Rank einnahm, auf dem Präsidentensessel derselben Münchner historisch Kommission, Adresse an Hrn. Morız Rırrer zum fünfzigjährigen Doetorjubilä 509 8 J als deren jüngster Mitarbeiter einst der junge Doktor sich die lite- rarischen Sporen verdiente. Daß Ihnen zu neuen Pflichten, Aufgaben und Entwürfen die alte Kraft und Frische auf lange Jahre hinaus erhalten bleiben möge, das ist an Ihrem heutigen Ehrentage unser herzlicher Wunsch. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. 510 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912.. — Mitth. vom 9, Mai. Die Erhebungen auf der Lippen- und Wangen- schleimhaut der Säugetiere. I. Ruminantia. Von Franz Eınnarn ScHuLze. (Vorgetragen am 9. Mai 1912 [s. oben S. 435.) Hierzu Taf. III—V. Nieht bei allen Säugetieren ist die Schleimhautoberfläche der Lippen und Wangen so gleichmäßig glatt, wie beim Menschen. Oft, und sogar bei ganzen Ordnungen, kommen auf ihr Erhebung hied Form und Anordnung vor, sei es als vorspringende Leisten, sei es als Papillen oder selbst als behaarte Flächen. In einer Reihe einzelner Mitteilungen beabsiecl ige ich nachein- ander die Ergebnisse meiner, diese Erheb gen betreffenden Unter- hungen zu publizi und beginne mit den Wiederkäuern. I. Ruminantia. Besonders reichlich treten papillenförmige Erhebungen an der Lippen- und Wangenschleimhaut der Wiederkäuer auf und sind daher auch vorzugsweise häufig Gegenstand ei gehender Unt hungen ge- wesen. Begreiflicherweise waren es hauptsächlich Tierärzte, welche sich beim Studium der Anatomie der großen zu den Wiederkäuern zählenden Haustiere, wie Rind, Schaf, Ziege usw., mit diesen auf- fälligen Gebilden beschäftigten und auch deren physiologische Be- deutung zu ermitteln versuchten. Ohne auf die reiche, teils in besonderen Aufsätzen, teils in Lehr- und Handbüchern zu findende Literatur über diesen Gegenstand näher einzugehen, will ich hier nur auf die recht ausführlichen und auch die ältere Literatur berücksichtigenden »Untersuchun gen über die mechanisch wirkenden Papillen der Mundhöhle der Haus- säugetiere von K. B. Imuscn« verweisen, welche (aus dem Physiol. und Histolog. Institut der Kgl. Tierärztlichen Hochschule in Dresden her- F. E. Scaurze: Lippen- und Wangenschleimhaut. I. Ruminantia. 5ll vorgegangen), im Jahre 1908 in » Anatomische Hefte« I. Abt., 107. Heft (35. Bd., H.3) erschienen sind. Eine auf eigenen Untersuchungen beruhende, in vielen Punkten mit der Darstellung von Inmiscn übereinstimmende Beschreibung der kopisch t hen Verhältnisse soll hier in großen Zügen gegeben und daran der Versuch einer Deutung der physiologischen Leistung angeschlossen werden. Zur Bezeichnung der über die glatte Schleimhautoberfläche frei vorragenden Lippen- und Wangenpapillen sind von den einzelnen Autoren recht verschiedene, bald nach der Gestalt, bald nach der an- genommenen Funktion gewählte Namen verwandt. Außer der generellen Bezeichnung »Papillen« werden Namen, wie »Stacheln«, »Warzen«, »Papillae filiformes«, »conicae«, »mechanicae « und von Inmisch lings I d »Papillae operariae« (= zur körperlichen Arbeit gehörig) angewandt. Wenn nun auch zugegeben werden kann, daß die Funktion aller dieser Erhebungen eine vorwiegend mechanische ist, können daneben doch auch noch andersartige Leistungen, wie Sinneswahrnehmungen verschiedener Art, in Betracht kommen. Ich ziehe es daher vor, im allgemeinen solche nach der Funktion gewählten Bezeichnungen zu vermeiden, und werde nur den indifferenten Namen »Papillen« mit gelegentlicher näherer Bezeichnung nach Gestalt und Lage benutzen. Zu meinen Untersuchungen der Wiederkäuer habe ich außer den oft studierten Haustieren (Rind, Schaf und Ziege) auch Hirsch, Reh, iraffe, Kamel, Lama, Renntier und mehrere Antilopenarten benutzt. Da bei allen diesen Tieren Form, Bau und Lage der Papillen im wesentlichen übereinstimmt, will ich auf eine ausführliche Beschreibung der bei den einzelnen untersuchten Arten gefundenen Tatsachen ver- zichten, vielmehr hier nur die allen gemeinsamen Charaktere über- sichtlich zusammenstellen und höchstens besonders auffällige spezielle Eigentümlichkeiten einzelner Formen gelegentlich hervorheben. Oberlippe. Bei allen Wiederkäuern, welche das von der Nasenregion auf den mittleren Teil des Oberlippenrandes in breiter Ausdehnung übergrei- fende Flotzmaul besitzen, wie Bovidae, Cervidae usw., setzt sich die- ses, laterikaudad umbiegend, in ein den ganzen vorderen Teil des Ober- lippenrandes einnehmendes Lager flacher, unregelmäßig rundlicher Buckel fort, welches Lager jedoch von der Mitte des lateralen Ober- lippenrandes an in ein sich kaudad verbreiterndes Feld konischer, me- 512 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. — Mitth. vom 9. Mai. 4 Pr a dikaudad gerichteter und zugleich auch etwas ts gebog mit derber Hornkappe versehener Papillen übergeht. Von dem die bekannten derben Querleisten (»Staffeln«) tragenden Mundhöhlendach des harten Gaumens ist dieses Papillenfeld durch eine rillenförmige glatte Randzone getrennt. Während im vorderen Teil dieses dreieckigen Feldes noch alle Papillen ziemlich gleichmäßig ver- teilt oder höchstens in den Randpartien in rostrikaudalen Reihen ge- ordnet erscheinen, macht sich weiter hinten in mittlerer Höhe eine an Breite kaudad etwas zunehmende Zone spärlicheren Papillenbesatzes bemerkbar, zu welcher sich die darüber- und darunterstehenden Pa- pillen ein wenig zusammenneigen, so daß in der Flächenansicht die An- deutung einer Furche gegeben ist. Ich würde diese, nur bei manchen Tieren ganz deutliche Erscheinung hier nicht besonders erwähnen, wenn sie sich nicht in der sich unmittelbar anschließenden Wangenregion noch viel auffälliger ausprägte und von funktioneller Bedeutung wäre. Bei den nur mit einem »Nasenspiegel« versehenen Wiederkäuern (den Opinae, Antilopinae usw.) zieht sich von diesem aus in der media- nen Oberlippenfurche eine schmale Fortsetzung zum Lippenrande hin- ab und breitet sich dort beiderseits laterikaudad in einer schmalen Zone aus, welche die vordere Hälfte des jederseitigen Lippenrandes einnimmt und entweder, wie bei Capra und den Antilopen, ein dem Nasenspiegel ähnliches Lager von dichtgedrängten, flachen, warzen- ähnlichen Erhebungen oder, wie bei Ovis, nur eine einfache Reihe glatter, buckelartiger Papillen darstellt. Auch bei Capra geht der vorne noch aus pflasterähnlich gedrängt stehenden Papillen gebildete Rand rückwärts in eine einfache Reihe glatter, isolierter Buckel über. Von der Mitte des lateralen Oberlippenrandes an beginnt, ebenso wie bei den mit einem echten Flotzmaul versehenen, auch bei den nur einen Nasenspiegel besitzenden Wiederkäuern an der Medialfläche des hinteren Teiles der Oberlippe ein kaudad verbreitertes Feld schwach rückwärts gebogener, konischer Papillen, deren meist einfache (zuweilen auch doppelte oder mehrfache) stark verhornte Apikalspitze sich im dorsalen und ventralen Teil des ganzen Feldes etwas gegen die spär- licher mit Papillen besetzte horizontale mittlere Zone neigt, so daß sich auch hier, wenngleich weniger deutlich als beim Rind, Hirsch, Ren- tier u. a., bei der Flächenansicht der vordere Anfang einer mittleren Horizontalfurche markiert. Das Papillenfeld, welches sich um den Mundwinkel als kontinuier- liche Fortsetzung der ventralen Partie des eben erwähnten hinteren Teiles des Oberlippenbesatzes abwärts herumzieht, besteht vorn in der Nähe des behaarten Lippenwinkelrandes bei allen Wiederkäuern aus einem dichten Lager von niedrigen, bald mehr abgerundeten, bald Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1912. Taf. III. Photostereogramm: Mundschleimhaut eines Stieres. Die Unterlippe ist in der Mitte durehschnitten und deren beide Hälften sind seitlich zurückgeklappt. Auf !/, verkleinert. Die Zunge ist ent- fernt. Nach einem Spirituspräparat photographiert. Zur Betrachtung dieser Stereogramme verwendet man zweckmäßig das nach meinen Angaben von der Firma Warmbrunn und Quilitz, Berlin NW, Heidestraße 55—57, hergestellte, für 1.50 Mark zu erhaltende Universalstereoskop. F. E. Schurze: Die Erhebungen auf der Lippen- und Wangenschleimhaut der Säugetiere. F. E. Senurze: Lippen- und Wangenschleimhaut. I. Ruminantia. 513 konisch zugespitzten Papillen, welche zwar sämtlich medikaudad um- gebogen sind, aber dabei auch vom Mundwinkel aus fächerförmig di- vergieren. Unterlippe. Bei den mit einem echten Flotzmaul versehenen Boviden und Cerviden zeigt auch die vordere Hälfte der Unterlippe eine dem Flotz- maul ähnliche äußere Zone, deren pflasterartig gedrängte flache Buckel auf der Firste des Lippenrandes sich vorn zu einer einfachen Reihe gedrängt nebeneinanderstehender, weiter rückwärts mehr isolierter zahnähnlicher Papillen mit verhornter Spitze formieren. Das Kaudal- ende dieser Papillenreihe wird oft von einer, jederseits etwa in der Mitte des Unterlippenseitenrandes liegenden, seitlich komprimierten längeren Papille gebildet, von welcher sich mehrere rückwärts gebogene Zacken verschiedener Form und Größe erheben. Darauf folgt sodann ein bis zum Mundwinkel reichendes, sich allmählich verbreiterndes Feld ‘rückwärts gebog konisch mehr oder minder spitz aus- laufender, oft zweizackiger Papillen, welches insofern dem darüber befindlichen Papillenfeld der Oberlippe gleicht, als sich ebenso wie dort eine horizontale Längsreihenanordnung der Papillen erkennen läßt. Auch stehen hier, ähnlich wie bei der entsprechenden Region der Oberlippe, die medialen und die lateralen Papillenreihen dichter als in dem dazwischenbleibenden, kaudad etwas an Breite zunehmenden mittleren Felde und neigen sich gleichfalls etwas zueinander, wodurch auch hier wie an der Oberlippe der vordere Anfang einer papillen- ärmeren vertieften Horizontalfurche gebildet wird. An der Unterlippe der nur mit einem Nasenspiegel versehenen Wiederkäuer sind die Verhältnisse zwar ähnlich, doch fehlt hier die flotzmaulähnliche äußere Zone an dem mit einer einfachen Papillen- reihe auf der Firste besetzten vorderen hufeisenförmigen Teil der Unterlippe, welcher sich gewöhnlich scharf von der mehr geraden lateralen hinteren Partie absetzt. Die spitzkonischen dorsikaudad um- gebogenen Papillen dieser sich kaudad allmählich verbreiternden Re- gion bilden auch hier zwei dichtere mehrreihige Randzonen, welche eine spärliche, mit Papillen besetzte keilförmige Mittelzone zwischen sich fassen und dieser, von beiden Seiten her sich zuneigend, den vorderen Anfang einer rückwärts verbreiterten Furche formieren. Bemerkenswert ist, daß bei dem Renntier, welches nicht nur des Flotzmaules, sondern auch eines Nasenspiegels entbehrt, der hufeisen- förmige vordere Randteil der Oberlippe von einer gefelderten Zone flacher warzenartiger Papillen gedeckt erscheint. Diese geht erst im 514 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. — Mitth. vom 9. Mai. hinteren Drittel der Oberlippe in ein kaudad allmählich verbreitertes Feld von konischen spitzen Papillen über, welche zwar sämtlich ventri- kaudad gerichtet sind, aber auch hier den vorderen Anfang einer papillenärmeren, rückwärts keilförmig verbreiterten horizontalen mitt- leren Zone zwischen sich fassen, zu welcher sich sowohl die dorsalen als auch die ventralen Papillen ein wenig zusammenneigen. Ähnlich verhält es sich auch an der Unterlippe des Renntiers. Wange. Die vom Mundwinkel bis zum Schlundeingang reichende Wangen- schleimhaut ist bei sämtlichen Wiederkäuern reichlich, aber keineswegs ganz gleichmäßig mit konischen, meist einspitzigen, apikal verhornten Papillen versehen, deren Form, Größe, Richtung und Anordnung in den einzelnen Regionen erheblich differiert und für ihre Funktion zweifellos von großer Bedeutung ist. Das mit Papillen dicht besetzte Schleimhautfeld dieser Backen- gegend setzt sich durch einen glatten, papillenfreien Randsaum ab, und zwar sowohl dorsal von der vorderen Region des harten Gaumens und von dem maxillaren Zahnfleisch, als auch ventral von dem man- dibularen Zahnfleisch und dem Seitenrande der Zungenbasis, mit einer meist deutlich ausgebildeten Längsreihe von zuweilen zwei- oder mehrspitzigen Papillen, deren Basen häufig zu einer Längsfalte ver- einigt sind. Die vordere Partie des Stachelfeldes der Wange stellt sich im ganzen als eine direkte Fortsetzung der rückwärts vereinigten Papillenfelder von Ober- und Unterlippe sowie des Mundwinkels dar. Alle Papillen dieser vorderen Wangengegend enden spitz und sind mehr oder minder stark schlundwärts zurückgebogen. Sie stehen am dichtesten hinter dem Mundwinkel und breiten sich, von dort nach hinten allmählich an Höhe zunehmend (bei der Giraffe bis 20 mm), in einer dorsalen und ventralen Längszone aus, während sie zwischen diesen beiden, also in mittlerer Höhe des Backenfeldes, spärlicher vor- kommen und niedriger sind, ja am hinteren Ende schließlich ganz schwinden. Diese etwa in der Mitte zwischen der maxillaren und der mandibularen Backenzahnreihe befindliche papillenarme Längszone bildet die direkte Fortsetzung der in einiger Entfernung hinter dem Mundwinkel zusammentreffenden beiden papillenarmen Lippenzonen. Zu ihr biegen sich die oberhalb und unterhalb gelegenen Papillen hin, die maxillaren abwärts, die mandibularen aufwärts, so daß deren schlundwärts gerichtete Biegung daselbst minder deutlich ausgeprägt erscheint. Hierdurch entsteht eine rinnenförmige Vertiefungszone des ganzen bukkalen Stachelfeldes, welche ich als »Suleus buecalis« be- Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1912. ERER Photostereogramm: Mundschleimhaut eines Schafes. Die Unterlippe ist an der rechten Seite abgelöst und zurückgeschlagen. 2.3 mal verkleinert. Die Zunge ist entfernt. Nach einem durch allmäh- liche Entwässerung mittels Alkohol und Xylol hergestellten Trocken- präparat photographiert. F. E. Schurze: Die Erhebungen auf der Lippen- und Wangenschleimhaut der Säugetiere. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1912. Taf. V. Photostereogramm: Mundhöhlenschleimhaut einer Zwergantilo Je, g 8 Cephalolophus melanorrhoeus Gray. Auf '/, verkleinert. Die Zunge ist zurückgeschlagen. Nach einem Spirituspräparat. F. E. Scausze: Die Erhebungen auf der Lippen- und Wangenschleimhaut der Säugetiere, F. E. Scnvrze: Lippen- und Wangenschleimhaut. I. Ruminantia. 515 zeichnen will. Dieser Sulcus buccalis entspricht in seiner Lage etwa der zwischen den beiden Kauflächen der maxillaren und mandibularen Zahnreihe befindlichen Kauspalte. Während sein Grund vorn noch mit spärlichen und niedrigen Stacheln besetzt ist, werden diese, wie er- wähnt, schlundwärts allmählich seltener und niedriger, so daß er schließlich einen fast glatten Boden zeigt und mit papillenfreier Fläche in die glatte Schlundhaut übergeht. Taf. II—V. Hebt sich nun nach dem Gesagten diese Backenrinne (Suleus buccalis) schon durch die geringe Höhe, spärliche Verteilung und schwächere Schlundwärtsbiegung ihrer minder spitzen Papillen mehr oder weniger deutlich gegen das übrige Papillenfeld der Wange ab, so wird diese Niveaudifferenz noch vermehrt durch die benachbarten, oberhalb (dorsal) und unterhalb (ventral) des Suleus und parallel mit diesem gelagerten Backendrüsen (Gl. buccales supp. et inff.) der Sub- mucosa, durch welche zwei in die Mundhöhle etwa vorspringende par- allele Längswülste erzeugt werden. Über die physiologische Bedeutung des Papillenbesatzes der Lippen- und Wangenschleimhaut der Wiederkäuer finde ich in der mir zugängigen Literatur folgende Ansichten aufgestellt: Alle Unter- sucher stimmen darin überein,: daß die über die normale Schleimhaut- oberfläche frei vorragenden, mit einer mehr oder minder festen Horn- kappe gedeckten und fast sämtlich schlundwärts gebog Papillen einerseits die zarte flache Schleimhautoberfläche schützen vor der di- rekten Berührung mit der oft ziemlich derben, scharfkantigen, schnei- denden, stechenden oder selbst Inden Rohnahrung und ander- seits das durch die Lippen-, Zungen- und Wangenbewegungen be- wirkte Gleiten des in der Lippen- und Mundhöhle befindlichen Bissens zum Schlundeingang erleichtern und befördern. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, daß diese beiden mecha- nischen Funktionen von den meisten der hier in Betracht kommenden Papillen geleistet werden, doch so, daß bei manchen mehr die eine, bei anderen mehr die andere zur Geltung gelangt. Dazu kommt noch eine dritte, von den meisten Autoren wohl als selbstverständlich be- trachtete und daher nicht besonders erwähnte Leistung der Lippen- papillen, welche zum Abtasten, Ergreifen und Festhalten geeigneter Beute dienen. Hierbei spielen zunächst die beide Lippenränder viel- fach krönenden, bald mehr buckelförmigen, bald-mehr warzenähnlichen Papillen eine Rolle. Wer die einreihige Garnitur von ziemlich festen, halbkugelig vor- Springenden Hornpapillen näher betrachtet, welche die vordere Hälfte 516 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. — Mitth. vom 9. Mai. des oberen wie unteren Lippenrandes des Schafes aufweist (vgl. Taf. IV), oder sich die Finger von den Lippen des lebenden Tieres beknabbern läßt, versteht ohne weiteres, wie geeignet diese gegeneinander wirkenden zahnähnlichen Papillenreihen zum Prüfen, Erfassen und Abreißen zarter Pflanzenteile oder anderer halbweicher Nahrungskörper sind. Ähnlich steht es mit den gewöhnlich allerdings nur an dem vordern Unter- lippenrande in einreihiger Anordnung vorhandenen buckel- oder meißel- förmigen Hornpapillen der meisten andern Wiederkäuer, der Rinder, Ziegen, Rehe, Antilopen usw., bei welchen sich am zugeschärften Rande der Oberlippe nieht sowohl eine einfache Reihe isolierter zahn- ähnlicher Papillen, als vielmehr (und zwar b ders an der Partie) ein mehr oder minder breiter Randsaum von dichtgedrängten warzenförmigen Erhebungen befindet, welcher meistens als eine di- rekte Fortsetzung des Flotzmaules oder des Nasenspiegels erscheint, und gegen welchen die mehr zahnreihenähnliche Bewaffnung der Unter- lippe wie gegen ein Polster drückend wirkt. Ja, bei manchen Wieder- käuern fehlt auch am Unterkieferrande ein einreihiger Papillenbesatz. Es tritt dann, wie z. B. bei den Hirschen, eine derbe scharfkantige Hornleiste auf, deren Zusammensetzung aus dieht nebeneinander stehen- den oder seitlich ganz verschmolzenen, meißelförmigen Papillen meist noch erkennbar ist; oder es hat sich, wie beim Renntier, diese Leiste zu einem abgerundeten Wall verbreitert, welcher zum Abtasten, Fassen und Abzupfen des vielzackigen Renntiermooses vorzüglich geeignet sein mag. Besondere Beachtung verdient meines Erachtens die Funktion der oben S. 514 unten als Suleus buccalis beschriel i tige Bildung, welche zwar von einigen Autoren bemerkt, aber in ihrer physiolo- gischen Bedeutung bisher, soviel ich weiß, noch nicht näher gewür- digt ist. Da der oben beschrieh ichliehe Stachelbesatz der Lippen- und Wangenschleimhaut fast nur den Wiederkäuern zukommt, ist von vornherein anzunehmen, daß er sowohl im ganzen als auch speziell (mit der merkwürdigen Einrichtung des Suleus buccalis) zum Prozeß des Wiederkauens in Beziehung steht. Nachdem die entweder mit den Lippen abgezupfte oder durch die Schneidezahnreihe des Unterkiefers mittels Stemmen ‘gegen die vordere Schwielenplatte des Gaumens abgeschnittene Gras- oder Blätter- rohnahrung, zunächst nur Ilständig sodann mit der rauhen Zunge gegen die raspelartig wirkende Doppelreihe der scharf- kantigen (häufig auch noch mit stachelartigen Randpapillen' besetzten) »Staffeln« (Rugae palatinae) gedrängt, dabei zu Ballen gerollt und oberflächlich zerrieben ist, wird sie direkt schlundwärts befördert und 1 rs Lisr F. E. Senvrze: Lippen- und Wangenschleimhaut. I. Ruminantia. 517 hluckt. Das gründliche Zerquetsch und Zermahlen tritt be- kanntlich erst später, wenn die in Haube und Pansen erweichte und gequollene Masse wieder in die Mundhöhle hinaufbefördert ist, durch den eigenartigen Akt des Wiederkäuens ein. ; Zunächst wird die grobfaserige Masse von der Zunge nach vorn geschoben und gelangt durch die jederseitige große vordere Zahnlücke zwischen die Lippen. Von diesen zurückgedrängt, gleitet sie seitlich an dem Lager der rückwärtsgerichteten Lippen- und Wangenpapillen hin wieder nach hinten und gerät hier in die oben geschilderte Rinne, den Suleus buccalis, wo der grobfaserige Bissen zu einem länglichen spindelförmigen Bolus formiert und mit dem Sekret der gegen die Mahlzahnreihen gedrückten Bukkaldrüsen reichlich durchtränkt wird (vgl. Taf. II—V). Beim Anziehen der Wangen- und Kaumuskulatur wird dann der Bissen einwärts in die geöffnete Kauspalte hinein- gedrängt und hier durch kräftiges Heben des Unterkiefers zerquetscht und zerrieben. Dieser Mahlprozeß des Wiederkäuens gestaltet sich nın im ein- zelnen folgendermaßen. Beim Herabziehen des Unterkiefers wird dieser schräg gestellt, indem der Gelenkkopf der einen Seite etwas vorwärts auf den vor der Gelenkgrube befindlichen Höcker (Tubereulum artieulare) rückt, der anderseitige Gelenkkopf dagegen nach hinten in seine Gelenkgrube bis zum Processus glenoidalis zurückgedrängt wird. Hierdurch wird die Längsachse des Unterkiefers in der Weise verschoben, daß sein die Schnei trag Vorderende erheblich und zugleich auch die hinteren Mahlzahnreihen etwas nach der Seite rücken, auf welcher der betreffende Gelenkkopf in seiner Grube bleibt (s. Textfigur ı, S. 518). Zugleich muß auch eine geringe Drehung des ganzen Unterkiefers um seine horizontale Längsachse erfolgen, da ja der aus der Gelenkgrube auf den vorderen Gelenkhöcker gerückte Gelenkkopf tiefer steht als der andere. Wird nun durch die starken Beißmuskeln (m. temporalis, masseter usw.) der Unterkiefer als ganzes gegen den Oberkiefer empor- gezogen, so trifft zunächst die Mahlzahnreihe des laterad verschobenen Unterkieferastes auf die über ihr gelegene maxillare Mahlzahnreihe der- selben Seite und zerquetscht den von außen — aus dem Sulcus bucealis zwischen beide übereinanderstehende Zahnreihen gesel Bissen. Da aber während des Zubeißens der Unterkiefer aus seiner laterad ver- Schobenen Lage wieder mediad geführt wird, gleitet alsbald die ins Auge gefaßte mandibulare Mahlzahnreihe mit ihrer (oberen) Kaufläche an der darüberliegenden maxillaren Mahlzahnreihe in medidorsaler Richtung hin, wodurch außer dem Zerquetschen auch noch ein Zer- reiben des betreffenden Nahrungsbissens stattfindet (s. Textfigur ı b). 518 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. — Mitth. vom 9. Mai. Wenn sich darauf der ganze Unterkiefer wieder senkt und in die schräge (vorne laterad verschobene) Stellung zurückkehrt, von welcher wir ausgingen, hat die Kaufläche des berücksichtigten Unterkieferastes eine nahezu horizontale (etwas lateral geneigte) Ellipse beschrieben (s. Textfigur 1). Selbstverständlich beschreibt dabei auch die mandi- bulare Kaufläche des anderseitigen Unterkieferastes eine entsprechende Kurve, erreicht aber die maxillare Kaufläche ihrer Seite nicht, kommt also nicht zur Wirkung (Textfigur 1a). Dies tritt erst bei einem Wechsel der Bewegungsrichtung ein, welcher sich bei den meisten Wiederkäuern erst nach einer Reihe in derselben Richtung aus- Textfigur 1. air. yejhu sl bi Der Unter- ver- schoben. Linke Seite. u... Linke Seite. ' e !/ı; von vorn, Schaf. ! Schema: a. Senkrechter Durchschnitt durch das Maul des Schafes — Öffnungsstellung. Ansicht von vorn. Natürliche Größe. Die gestrichelte Ellipse, welche zwischen den überein- anderstehenden Zähnen der linken Seite eingezeichnet ist, deutet den Weg der medialen Rand- kante des betreffenden Unterkiefermahlzahnes ie angegebenen Pfeile die Richtung der Bewegung beim Wiederkäuen eines linksgelegenen Bissens an. Die an der rechten Seite ein- gezeichnete gestrichelte Ellipse mit den Richtungspfeilen gibt den Weg der medialen Zahnkante der nicht Busen Phrsrer beteiligten rechten Mahlzahnreihe an. 2 echter Schnitt durch die li i i ö r a a nke Seite des Maules. Natürliche Größe. Der Unter ©. Ansicht des Vorderendes des Unterkiefers, Ellipse deutet den Weg an, freie Ecke des ersten Schr g'ap. von vorn. Natürliche Größe. Die gestrichelte welchen beim Wiederkäuen auf der linken Seite die mediane vordere neidezahnes zurücklegt. Die Pfeile geben die Richtung der Be- F. E. Schürze: Lippen- und Wangenschleimhaut. I. Ruminantia. 519 geführten Schläge vollzieht. Dann tritt beim Senken des Unterkiefers ein laterales A ichen seines Vord les nach der entgegengesetzten Seite ein, und die Führung der Kurve der dibul M: geschieht in umgekehrter Richtung, so daß nun auch der andere, vor- her nicht zur Kauwirkung gelangte Unterkieferast in Aktion tritt und zum Mahlen kommt. Für das Verständnis dieser in gleichmäßigen querelliptischen Bahnen ausgeführten Wanderung der Unterkieferäste während des Mahlaktes ist es wesentlich zu berücksichtigen, daß die beiden Hori- zontaläste des Unterkiefers und damit seine Mahlzahnreihen erheblich näher zusammenstehen als die entsprechenden beiden maxillaren Mahl- zahnreihen, und daß die aneinander hingleitenden Mahlzahnflächen jeder Seite keineswegs (wie etwa beim Menschen oder beim Schwein) in einer horizontalen Ebene liegen. Vielmehr ragt der durch eine b starke Schmelzl festigte laterale Randteil bei allen ill Mahlzäh bedentend weiter hinab als die mediale Partie, so daß also die untere Mahlfläche jeder maxillaren Backenzahnreihe den laterad abfallenden Seitenteil eines Tonnengewölbes darstellt, wäh- rend die obere Mahlfläche der dibul Backenzahnreihe eine ent- sprechend gebogene Dorsikonvexfläche mit etwas höherem medialen Rande bildet. Die beiderseitigen Kauflächen entsprechen daher zwei schmalen dorsilateralen iten Lä eines dorsil 43 Er fe} gewölbes, welche laterimediad inander hingleitend dadurch zu wirksamen Reib- und Mahlflächen werden, daß sie durch ihre senk- rechten halbmondförmigen Mahlzonen mit zwischenliegendem weicheren (also leiehter abnutzbaren) Dentin stets rauh gehalten werden. Bekanntlich wiederholen sich bei den meisten Wiederkäuern die Kaubewegungen stets mehrmals nacheinander in gleicher Richtung, wobei die kauende mandibulare Backenzahnreihe (und ebenso die nicht- käuende der anderen Seite) eine geschlossene ellipsoide Bewegungs- kurve beschreibt, wie sie in Textfigur ı auf $S. 518 angegeben ist. Erst nach mehreren (oft zwanzig und mehr) in ein und derselben Richtung ausgeführten Gängen wechselt die Richtung, und geht der Kauakt auf die andere Seite über. Doch pflegt jeder Bissen auf ein und derselben Seite zu Ende gekaut zu werden. ; Etwas abweichend gestaltet sich nach meiner Beobachtung der ganze Vorgang beim Kamel. Hier wechselt in der Regel die Tour, welche der Unterkiefer beim Wiederkä beschreibt, jedesmal in der Art, daß sein Vorderende und somit auch jede libulare Mahlzahn- reihe nicht eine einfache in sich zurücklaufende elliptische Bahn, sondern beständig Achtertouren beschreibt, wie es die Textfigur 2a auf S. 520 Sitzungsberichte 1912, 4 520 Gesammtsitzung vom 6. Juni 1912. — Mitth. vom 9. Mai. erläutert. Betrachtet man das Maul eines ruhig wiederkäuenden Ka- mels gerade von vorn, so bemerkt man, daß sich das Unterkiefer- vorderende etwas von der medianen Stellung aus nach links (des Ka- mels) unten hinabbegibt, dann an der linken Seite (des Kamelmaules) im Bogen emporsteigt bis zum Auftreffen auf die darüberstehende Kaufläche der linken maxillaren Backenzahnreihe, darauf an dieser, mediad vorbeigleitend, sich zunächst nach innen bewegt, darauf aber nach rechts unten hinabzieht, um dann an dieser rechten Seite wieder Textfigur 2. at. vs bp. e !/2; von vorn gesehen. Kamel. Schema: a. Senkrechter Durchschnitt durch das Maul des Kameles — Öffnungsstellung. gene von vorn. Auf die Hälfte verkleinert. Die gestrichelten Achtertouren deuten den W; welchen die mediale Randkante des betreffenden beim äkiegt zu Pfeile bezeichnen die Richtung der Bewegung. b. Senkrechter Schnitt durch die linke Seite des Maules. Der linke Unterkiefer ist ganz nach - vorschoben, Auf die Hälfte verkleinert. er t der id des Unterkiefers. Auf die Hälfte verkleinert. Fa ala per Achtertour deutet den Weg an, welchen die mediale Randkante des ersten (vordersten) Schneidezahnes beim Wiederkäuen zurücklegt. Die Pfeile bezeichnen die Richtung der Bewegung. F. E. Scnurze: Lippen- und Wangenschleimhaut. I. Ruminantia. 521 emporzusteigen bis zum Auftreffen auf die Mahlfläche der rechten maxillaren Backenzahnreihe und sodann nach dem Vorbeigleiten an dieser im kurzen Bogen wieder sich nach links unten hinabzubegeben (Textfigur 2c). Dabei beschreibt also sowohl das Vorderende des ganzen Unterkiefers wie jeder seiner Horizontaläste eine in sich zurück- kehrende Achtertour, wie die Textfigur 2a und e angibt. Während demnach bei der gewöhnlichen Art des Wiederkäuens der im Sulcus buccalis einer Seite geformte und von außen her zwi- schen die beiden übereinanderstehenden Zahnreihen gedrängte Bissen zunächst durch das Heben des betreffenden Unterkieferastes gequetscht und sodann durch dessen einwärts gerichtete Bewegung zerrieben wird, und erst nach der mehrmals wiederholten völligen Zermalmung des betreffenden Bissens sich das gleiche, aber umgekehrt gerichtete Mahl- geschäft des anderseitigen Unterkieferastes in mehrmaliger Wieder- holung vollzieht, tritt beim Kamel bei jedem Mahlgang sowohl der linksseitige, als der rechtsseitig gelegene Bissen unmittelbar nachein- ander von außen (und unten) her zwischen die betreffenden beiden Mahlzahınkolonnen. Selbstverständlich werden bei allen diesen Kaubewegungen die etwa einwärts von den Zahnreihen in den breiten Mittelraum der t Nahrungsbestandteile mittels der sehr beweg- lichen Zunge immer wieder von innen her zum Zweck des wieder- holten Durchmahlens zwischen die beiderseitigen Mahlzahnkolonnen gedrängt. Die auf diese Weise zu einem weichen Brei verarbeitete und mit den Säften der in die Mundhöhle mündenden Drüsen durchtränkte, annähernd flüssige Masse rinnt dann zwischen den Reihen der rück- wärts gebogenen Wangenpapillen und besonders durch die verhältnis- mäßig breite Rinne des Suleus buccalis aus der Mundhöhle in den Ösophagus hinab, um schließlich auf dem bekannten Wege aus diesem an den vorderen Magenabteilungen vorbei sogleich in den Blätter- und Labmagen zu gelangen. Ausgegeben am 13. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprac veröffentlicht sein oder werden. Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- ent: er Be nen wissen- ng di esam A Eikiinisreden anderweitig zu veröffenflichen ist den Verfassern unbeschränkt gestättet. Aus $ 21 Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel Be acht Tage nach jeder Sitzung. s $ 22. Jeden Stunt het eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- lungen und Aber. die zur Veröffentlichung geeigneten ge- as Angelegenheiten. inter den Titeln der wissenschaftlichen Mittheilungen folgen i in ie Mlıue kurze Inhaltsangaben derselben, welche die Verfasser einreichen, und für welche sie © uf 5—6 Druckzeilen beschränken, ‚keinesfalls 10 Zeilen Vene Die nicht in den Schriften der Akademie en nen. werden mit vorgesetztem Stern bei den für die Abhandlungen bestimmten wird nABR, ie fügt. Wissenschaftliche Mittheilungen fremder n = - werden in dem Bericht über diejenige Sitzung au! hrt, in welcher deren Aufnahme in die äkademischen BR endgültig beschlossen wird, Aus $ 27. Das Manuseript einer in einer akademischen Sitzung erstag zur Aufnahme in die une zu- gelassenen Mittheilung, wäh 'hsten Donnerstag ckt erscheinen soll, muss der Baal Fe in der Sitzung selber, a ns Be Er 10 Uhr Morgens dem redigir i druck- Be N ee ke eingereichte A neriiie mit dem Präsentationsvermerk des redigirenden ae eg es Archivars versehen, für ein späteres Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus irgend welchen Gründen be- Mittheilung vorgelegt trauten Person behalten, so hat diese es zu n, nn die Mittheilung in einem spätern Stück erscheint. ac swärts werden eturen nur auf Verlangen sichert werden. Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. mem, Jahrg. 1909: Physikali le Olassa un, = * ae historische Classe . . . . . Abhanı Jahrg. 1910: Pia ihematch Olasse .i°.0% phisch-historische Classe . . . . » Einzelne Abhandlungen Mever: nee ächtnissrede -n Eberhard Schrader . vos Wirasowırz-Mo: : Nordionische Steine . n = Vox NE RADONITZ: Stra Durruey; Der Aufbau der el vax’r Horr Möree: U: ri Exorer un u 2 Über den anatomischen Ban! der Daumartigen Cyperace Bchosnödesikon :E aa W.: gern aut ir Zimmer . 'ymnen an das 'haraonen Kar: sprachlichen Gliederung 1 Frankreichs Mon: ® Diers: Zum pr # ehr ln Wege kamen die Göidelen vom Continent nach Irland? R aus den Jahren ge Welt in den Geisteswisenschaften. Erste Hälfte . . - er ee e auf Hans Heinrich Landol 5 ica RT = ns r A 11.50 er Bean NET » 17. ee ER 1909, 1910, 1911 und 1912. Due ve.dK 1 NE TER Er N a st sch a 1— he chemischen Umsetzungen er r g Se ol Henriens van’t HE er > Be a » 3.50 es Galen’schen® Commentars zum Prorrheticum des g En wu 5 .n.250 R. Isesscumip: Zur Kenntniss der ee der Mus . » 2.02.0000. P. Rörnıs: Zellanordnungen un rzüge im Vorderhirn von Siren lacertina . . . ... - M. Neipine: Über die Kerne des Dienbenhälon bei a Base lest. FR EN K. AsAnscHantanz: er die Kerne des menschlichen RR RE 3 H. Jusser: Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. . . Re“ F. Freiherr Hırırr von : Arkadische Forschungen Tu. Wıeeanp: Erster vorläufiger Bericht ie die von den en Museen unternommenen ‚grabungen in Samos L. Licnrensteim: wen des Satz dass jedes hinreichend kleine, im Wesentlichen stetig ge- krümmte, si laritätenfreie Fläche nstück auf einen Theil einer Ebene zusa u und in den an Theilen ähnlich nei werden kann . . . . A.vox Le Cog: Türkische Manichaica aus Chots. A aus „van Berc#em: Die raakiitschen Inschriften ei Ban ergamı . M. Linzsarskı: Phönieische und aramäische TEFORATRRBER: aus” Elephantine . Sitzungsberichte der Akademie. EN a rn LE TE EN ER RE Re Sonderabdrucke. II. Halbjahr 1911. Scnortky: über das Evter’sche Drehun; N a Scuortky: über die vier Jacor’schen Tıcta. a een r Ensas: ein Denkmal memphitischer Theolo; ie ee ie Jacosr: Cultur-, Sprach- und Litterarhistorisches aus "dem Kauziiya ee ee er AnN: die Inschriften des Königs Kalumu . ET re Te J. Heee: über ein angebliches Diokleszitat Pe SELER: ee eig le von Acanceh in Yucatan (hierzu "Taf. vI-&V) ee mäischen Papyri von Eleph: 5 r Sin: "ober > Lage der Marsachse und die Konstan arssystem . . » ee Enman: ang aus der thebanischen Gräberstadt (hierzu Taf. X BE F. Free und C. Resz: Kreide und ses im Kionn und Ötagebiet (itelgriechenland) ee Manrrexs: "ber die Messun ge äfte im Mteraprüfutgewesen £ 5 en C. Brocxzımans: zu den Inschriften des Königs Kalum EEE I. I Era s Sana erubäracke, E ar 1912. 'HuR: über einen Satz von Ü. CArATnEonory . Frames: ee eines Satzes von Ks aus einer Formel von Kuonsexsn A vox Wiramowırz-Morrixnporrr: M; und Pro operz . ale über die Betheiligung ee ah am “Ehergieverbrauch der Zelle . Nenn: : Therm ee ud und ee ‚Wärme ee . asserstoffs bei tiefen Temperaturen oe en, On: über Rinde, und Meninchentuberke lo B Harnack: Geschichte eines programmatischen Worts ‚u (Matth. 5, in in 1 der ältesten Kirche Warsurs: über den Energieumsatz bei Thelochunischen Vorgän gen in Gasen. I. we Lissiscn: über die Fluorescenz der Sodalith- und Wan Si en Licht . . Hasertaspr: über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis Rusexs und G. Herrz: über den ns Ss a auf die Sein langwelliger Wärme- strahle: e 3 MANN: über den Charakter der 5 hl: un Hi een der Lehre vom Algmeinen Giger der Massen W. Bass: über die Räthsel des Codex” Cumanicus (hierzu Taf. I und in. Roserr: zu den Epitrepontes des Men; . Meyer: ein mittelirisches Gedicht auf Bre sndan den ‚Meerfahrer ae I : Frosenxtus: über Matrizen „aus nicht Na er » ie . O.H.Eı ent und Sedimenten” Be J. Manquarr: rn s Be über die Pekehren, die Uiguren F. E. Scaurze: Die a auf ni er un id Wangenschleimhaut der "Sängethiere, | IL Ru- minantia (hierzu Taf. Te ee u nr c anna“ an © Sue ai af; | 85s SSL ESS N | m Il 18111 u S So 123 o 1912. XXIX. XXX. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 13. Juni. (8. 523) von Wirasowırz-Mortzenvorrr: Neues von Kallimachos. (S. 524) Sitzung der physikalisch h ischen Classe am 13. Juni. ($.551) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. r Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Die Akademie gibt Fun ja 4, Er der Statuten zwei fe der Königlich Preussischen oe jemie der Wissenschaften « und ne, der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaft s$2. Jede zur Aufnahme Kr ie, N oder die dlı immt« uss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, Ra in der Regel M B Aetoh Ansnliefern ja; Nicht mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. mfang einer anfsunehmend en Mittheilung soll B Per ar in den een bei Mitgliedern 32, 16 Schrift = eg in eg Khan lungen 12 Druckbogen der g: er Schrift der Abhand- Aus 86. wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- r di Inung Verfasser. ie haben ar erste s; lürfen der reiner des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfkaer sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. oder re (Ben, 'hten werden für die von wissenschaftlichen ae, wenn a He im Druck 4 Seiten ü igt, auch B A von je 8 Seiten in Aus $ 8. lungen nicht überstei Von allen in die i Üb ee "Gr ist nu m it Zustimmung i lich Akademi oder der betreff ca Adressen oder Ber un. und ist bei Vorlage der Mittheilung le zu ler Umfang eines Manuserip: r- an dass diese immung erforderlich sein werde, Zusti so hat ‚das rn se es vor dem Einreichen uf sei Umfang im Druck abechäiemn zu Be Sollen einer ker) Abbildungen im Text oder auf eier Tafeln Vorlagen d: ee photograp) aufnahmen u. s.w.) ) gleichzeitig mit = Manuseript, jedoch ich. le Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu we Sind diese Kosten v- 2; | erheblichen Betrag zu veranse) chlagen, so beschliessen. Ein Fe en Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen ger eines Sachverst ar Ian den vorsitzenden Secret Secretariat vorzuberathen je ıdemie zu verhandeln. nimmt die Aka- ler ei ei beizufügen. Überschreitet für die er- forderliche Auflage bei des ee 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung das Secretariat geboten. Aus $ 5. Nach der Vorlegung und et des den zuständigen Secretar oder an den chivar € wird über Aufnahme der Een) in die ne Schriften, und zwar, wenn eines der er glieder es verl: verdeckt ahgeeilien Mittheilungen von Verfassern, Techen nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Rege! re aufgenommen werd: nahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die u bestimmte nn der »Abhandlungen«, s0 bedarf dieser Beschluss der Bestät Gesammt-. Adam ‚ gezeigt wünscht er auf sei abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks ‚der Sitzungaberichte ausgegeben v een für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. n Verfasser, welcher sincken ‘= are = res 50 Frei eitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) ahiche zu eg m redigirenden Sec: der Genehmigung der Gesam: treffenden Classe. — Nie en erhaitkn 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei a redigirenden Seeretar weitere 200 Exemplare auf i Kosten abziehen lassen. we den in Verfasser, welcher ee der Akademie in zu rin Vertheilung Ohne weiteres 30 Frei- er ist dr beree] AK En der Akademie weitere Exemp von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu sofern er diess dem a en Secrei hat; ine Kosten noch ee Abdrucke zur amgräüet zu ein; so bedarf es dazu der ne der Gesammt-Akademie oder der be- chtı Bananen En dürfen nach rechtzeitig‘ Secretar weitere 100 Exeı Sa auf i Kosten abziehen lassen, 8.17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) 523 SITZUNGSBERICHTE 1912. DER XXIX. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 13. Juni. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Roerar. 1. Hr. Kuno Meyer las über die älteste irische Dichtung und Verskunst. (Abh.) Ehe etwa im Laufe des 7. Jahrhund durch Nachal der lateinischen Hymnenpoesie ein neues Prineip ir an. die arınaun Verskunst eingeführt wurde, welches auf strenger D der und des Endreims beruht, hatte die ältere rhythmische Dichtkunst verschiedene Phasen durchgemacht, die wir aus zahl- reichen Gedichten des 6. und 7. Jalrhunderes erkennen können. Es lassen sich in ihnen drei H ı. Gedichte, in welchen der Stabreim nur sporadisch und ohne feste Regelung auftritt, mit allmählicher Entwicklung zu Gruppe 2; 2. solche, in welchen er nach bestimmten Gesetzen geregelt zum leitenden Prineip ge- worden ist; 3. solche, die unter Beibehaltung der für Gruppe 2 geltenden Regeln den Endreim hinzugefügt haben. Es wird die Frage erörtert, ob die Durchführung des Stabreims in Gruppe 2 unter dem Einfluss der altenglischen Verskunst geschehen ist. Die Gedichte werden, soweit die Überlieferung es ermöglicht, in einer kritischen Aus- gabe nach den drei Gruppen geordnet abgedruckt. 2. Hr. Evvarn Meyer legte im Auftrage der Deutschen Orient- gesellschaft zwei weitere Veröffentlichungen derselben vor, Nr. 20, Ocheidir von Oskar Rrurner (Leipzig 1912) und Nr. 21, Hatra, II. Theil, Einzelbeschreibung der Ruinen von Warrer Anprar (Leipzig 1912). 3. Hr. Harnack übergab seine Schrift »Über den privaten Ge- brauch der heiligen Schriften in der alten Kirche« (Leipzig 1912). Sitzungsberichte 1912, 46 524 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. Neues von Kallimachos. Von Urrıcn von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF. (Vorgetragen am 23. Mai 1912 [s. oben S. 485].) I. Lieder des Kallimachos. Papas Nr. 13417 des Berliner Museums, kürzlich im Handel er- worben. A Mittelstück eines Blattes aus einem Buche; ein kleiner Fetzen rechts unten hat sich an seine Stelle rücken lassen, obwohl er nirgend anschließt. Zu demselben Buche gehört B, ein kleiner Fetzen vom linken Rande einer Seite, nur die Zeilenanfänge, so daß die Rück- seite leer ist. Für die Schrift kenne ich keine genaue Parallele; Prof. Scnusart vergleicht die Oxforder Hypsipyle, aber auch da bleiben charakteristische Unterschiede. Die Buchstaben stehen ge- drängt, aber nicht gleichmäßig; auffällig ist a, oft sehr groß, der letzte Strich tief hinabgezogen, während a meist klein ist, da es von oben rechts hinab, dann scharf links horizontal, dann kurz nach oben rechts hinauf gemacht wird, und besonders fällt auf, daß der Mittel- strich am w nicht selten ganz hochgezogen ist, so daß man zuerst denkt, es wäre ein großer Akzent darüber. Der Schreiber hat Apo- strophe, einzelne Interpunktionen und wohl auch Akzente gleich mit abgeschrieben; er ist allem Anscheine nach mit dem Diorthoten iden- tisch, der noch mehr Lesezeichen eingetragen und die Scholien ge- schrieben hat, wie seine Fehler zeigen, nach einer Vorlage. Das ganze Buch sieht durchaus nach dem dritten Jahrhundert aus. Was auf dem Blatte stand, ergab sich mir sofort durch die Er- innerung an Hephästion 8 ücrer TOn AAKTYaıKOn ÄÄN TI AOrAOIAIKÖN, OYTW KÄN TOIC ÄNATIAICTIKOIC TO Eic BAKXEION TIEPAIOYMENON, 0% ECTIN Eri- CHMÖTATON TO METÄ TECCAPAC TIÖAAC AYTON EXON TON BAKXEION. ON d TIP@TOC TINETAI Kal CIONAEloc Kal Tamaoc. Kaneltaı men o9N ArxeBoyacıon Arrd Apxe- BoYnoy TO? OHBAloy TIOIHTOF XPHCAMENOY AYTÜI KATAKÖPWC. TETPATITAI AL Kal Kannımaxov (Fr. 146) ÄrETW eeöc' or rAP erw Alxa TONA’ Aclacın (1) TOYTo MEN OFN ÄTId ÄNAMAICTOY" ÄTIO AL crIoNAcioy NYMoA, CY MEN ÄCTEPIAN Yr’ Amazan Han (5) von Wiramowrrz-MoELLENDORFF: Neues ‚von Kallimachos. 525 Arıd A& IAmBoY Pinwrera' Aprı rAp oT CıkenA men "Enna (43). TOYC A& META TON TIPÖTON TIÖöAA TPEIC Oi MEN EN CYNEXElAI TPA- YANTEC TO METPON TIÄNTWC ÄNATIAICTOYC EoYnazan" AnKMÄN A TIOY KAl CTIONAElOYC TIAPANAMBANEI!. Dieselbe Erklärung des Metrums steht neben den ersten Versen als Eingangsscholion Td m(en) merp(on) ÄrxesoYaleion) (1KöN) KanlelTaı)‘ TIENTÄMETPON" H A ETTIAEXETAI ÄNÄTTAICTON CTIONAEION TAMBON* Al EzAc ÄNÄTIAI- er(o1)* HEcxAT(H) Barxeion K(al) Ameleraxyn, Errel AnıAvoroc H TeneYT(ala) CYAnABH. Wir kannten bisher von diesem Maße außer lateinischen Muster- versen der Metriker nur ein Gedicht aus der mAmmerroc des Diogenes Laertios IV 63, der sich des Kunststückes berühmt, indem er sagt Tal aoraoıaıkdı merrwı Kal Apxesovneiwi. Es zeigt sich, daß er das Schema aus dem metrischen Handbuche genommen hat, nicht aus den Dichtern, daher klingen seine wie immer schlechten Verse ganz anders. Ab- gesehen von der Stillosigkeit ein Monosyllabon an den Schluß zu setzen, hat er nicht beachtet, daß Kallimachos hinter dem dritten Anapäst einen festen Einschnitt durch Wortende macht, wenn auch & folgen darf (44, 71). Dieser männliche Einschnitt kontrastiert nicht nur mit dem weiblichen Ausgang, er gibt auch dem ersten Teile einen entschied teig wie die Griechen sagen, anschlagen- den, anapästischen Gang. Die Erkenntnis dieses Gesetzes hilft zur Auffassung der verstümmelten Reste sehr viel, denn so gut wie voll- ständig ist allein Vers 43 erhalten, den Hephästion anführt, weil er mit einer Kürze anhebt. Das durfte aber nicht unter die normalen For- men gerechnet werden, wie es denn auch die lateinischen Metriker nicht kennen (Diogenes hat nur anapästischen Anfang), es ist vielmehr Kon- zession an den Eigennamen; immerhin ist für die Herkunft des Maßes nicht unwichtig, daß Kallimachos die anlautende Kürze für zulässig hielt. Es folgt nun die Abschrift, dann die Umschrift. ————_ ! Die Scholien B p- 276 Consbr. wiederholen die Verse, und da hat eine Hand- schrift im ersten &xo für erö, was von selbst hinfällt. Derselbe wird zitiert von Atilius Fortunatianus 292, wo die Überlieferung eto auch er® bezeugt. Cäsius Bassus 256 gibt ie Derivation vom Hexameter, bezeugt frühere Anwendung bei Stesichoros, Ibykos, Pindar, Simonides, Archebulus autem quia carmen ex hoc uno composutt, archebuleum no- minatum est. Wenn er am Ende sagt, ex anapaestis constat Fere ‚pedibus, recipit spond 008, Cluditur baccheo, so gilt der Spondeus natürlich für die alten Lyriker. Die weitere Verwendung des Namens archebulium bei Sacerdos S. 544 hat hier keine Bedeutung, bezeugt auch keine Maße des Archebulos. ‘Was Marius Vietorinus 75 von einem ar- chebulium integrum vedet, wie es scheint fünf Anapästen, ist wohl nur Theorie; be- merkenswert, daß er das wirkliche Maß Ärıöxpoton nennt. Ganz im Gegenteil sagt Cäsius Bassus ic versus dactylicum metrum summa. cum voluptate aurium eludit: daß den Ohren damals der ditrochäische Ausgang besonders schmeichelte, zeigt der Prosa- Thythmus. Aber die Cäsur bei Kallimachos wirkt diesem Effekt entgegen. 46* 526 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. Rekto. Tas, TOM’MET PAPXEBOYnOrAOlA” KAN Jaruna’acıaeın ANATTAICT ]porroaeinarıoanwn CTIONAEIIAMB/AIEEHCANATTAICT A |kenaynaımHun |AXEIPABAMOICAI. Bee s . AMAEANHAH KATAXEIPAPMOAIAITOYT — THIAPCINOHI >— KAETITOMEN/HPTIACMENH ETIEIAAIAGOP/HTEAEYTCYANABH >— Jamap&aeıcenanaı ” TS Jareneicoaypmoı WCEAITTÄCCEAHNHPTTACMENHC |mıaToYToswna bernd Jancıneınerovan ATENEICETIEITIOAYAIHKONTEC 10 JImaewnarecaa. ANHAPCINOSWCOYCAHMON —— jexvaaneaıaackeayra HAEECTTAPMENHK,C| TAC JameTacrameomeyno > aNTaKak > nl YPAIBEIN AETITONYAWP TIPOPTATIPOBEPO[ 2 Al & Berl 15 lAOCTATIEPAIABWMW THONHE enHı | . [. Jwaconsa ‚ae H BEPTA AN CYAcKAI 20 .0H' ENMIAITYNAIKI[ OAMAC ? : Toy" nereimt| A SL PEIAHC* OYKATHCXYNEA[ ]. meac a. ; OH@AICTOC 25 maoıc & ICIANST’KAEL Al ei‘ ANAIEIWOYIAIKL oY AN CTOMATADIC . [ » ac Hm. ANTON BAC HTTHN®APON . [| Mo' eL Hoch auf dem oberen Rande hat ein Scholion gestanden; übrig ist Jeoic[, auch über dem Text sind Spuren, etwa von der Überschrift. 3 Vielleicht aus oder in kon korrigiert. 5 Die erste Spur stimmt zu n. 7 Vom ersten A der Schwanz unter T; er sieht wie ein Gravis über Mmı aus. 10 re aus mie korrigiert. ı2 Die Spuren von am sind schwach, passen aber; ee. ein Rest, nicht von r; es kann al ; ‚est eines üb, ein. 17 Vor ac wage- rechter Verbindungsstrich. 19 ® ergibt sich aus ru Reste seines Fußes. 20 Vermutlich Hen. 24 Rest paßt zu Y. Schol. zu 32: der Spiritus über oıc sehr groß, so daß er Buchstabenrest sein könnte, aber eben so groß ist er in A neben 37- von Wıramowırz-MoRLLENDORFF: Neues von Kallimachos. 527 3 . MCAAN|.|Tevzei‘ EITETTANTAKABAIP[ ge |: 3 |eereieanal. .]a Jananarkce .[.. Je’ nratanantal....]. HapcıN >— Jantakanan. |... .]A TONB@m/neroY[ mAronaıock[. ... . . .|mAceAı" erenoNnT/a . „ OATITONEMAIO|. . .... PuwezevovaıkH[ Jwieinaaenl. ....... JeAar-THTETAPTHA[ Verso. > % f YMOIKATATO| a AMANTPIANÄ ACENOHCI[ ÄNOFA f ÄNOPAAKY L. HAA YKATAN@TA[ —— TIOAAPIOTIOY ET PETER > ATIOENHCAEFET KATEAEITIETO "AAMNIÄKOIA ETTATET| Oo R M HPTTACPEHKOPH "unanı] se 2 WAAIMOCINAPTIATIMA" SATOA HMIA[ EZEYXAPITANYTIA|.JANETTABwKOAU| ANORSPTAEANENGAIDVENEFPACHE| ] T oca| 5o . ® L HCYNECTIT@I H®AICTWIXAPIC TAA’EOABEOC "ANAOTIOTECKOTTIANEN| XIONWAEATANATIEXEINEAAXICT| HKEINOTOC" EcAcsAPOYTIEPIcAMmo[ = ECKEYATOEYMÖNITIHCEBOA| NAINAIMEFAAHT[ ANITNYCASYMET| ÄA’HNETIETAYTA| TANMOITIOAINÄIME[ & Kelpoycinoaeceia mocıcwixeTorieneer| AKOYCATEMAKPOBIW| 34 Spuren passen zu rionIc. Schol. 37 &ıre ist unsicher nur im zweiten Buch- gt und im Spiritus. 36 Von dem Buchstaben vor der Lücke eine lange Hasta, ara 38 Hinter rı am ehesten T, doch P nicht unmöglich. 39 i vom Schreiber chgeiragen, zuerst stand TIP@TA. 40 Das letzte ı sicher, 41 EAUK vor der Korrektur 43 Scholion verwischt; auch KAP für AP möglich. 45 Der Hinter m unten tief ein Tintenrest, der zu 49 Von hier ab ist der. Papyrus 50 NOTOC aus TIOTOC. Akzent war auf c&o berechnet. rg ! gehört haben kann, aber nicht muß. 'S an den Anfang der Schrift abgebrochen. 528 Sitzung: der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. 6 > O®PAAYCTIOAACHCEN| BEOCEAPAMEN 'AYTIK[ 65 HZEIAÖMON "AMEN| OYKHIACETAIAEXAP[ MHMOIXEONOC"OYXI|. mepıKAAaleo "MHAETI| ANNAMETICOYK’ATAG| . 7» EPHNOITTOAINYMETER| OYXxwWcermAAmoT| xewn 'annaTıTW[.|meranone| TANTOIMIANoIxom|. . .|NomoneneYNn| KAAIONTI"TAR AI... . .|AHIC" Menan| 7 wi XBONOCACTEA'N|. . .|EPUNTOKPAT| NZ 63 Unter dem ersten o noch ein Strich, der ein Scholion abtrennte. 66 HAce vor der Korrektur. 68 Ende auch er möglich. 72 Toı korrigiert aus mol; OMOAEABYN sieher aus den Resten erkannt von Scausarr. 37 Verse sind auf der Seite. Umschrift. Arerw Oeöc, oY rAp Erb alxja TOA’ Aclacın mjporroaein Arıöanwn jxen Avnalman ATJA xelpa BAcal. 5. NYM®A_CY MEN ÄCTEPIAN ur ÄMAZAN HAH Kaerıtomen]a TIAPEBEI CENÄNAI JArenele daypmoi jnia To?To sunA ]Jsaciaeıa epovaA Scholien: das metrische steht S. 525. 4 KATÄ xeipa" ÄPmöAlaı TOYT(oIc). 6 rAı APCINÖHI — KAETIOMEN(AI) HPTIACMENH &c EAITTÄC CEAÄNHC HPrIACMenHc verdorben, un- yerztändlic) h. 7 ÄTenelc- &rrei (a. i. em) monY AIMKoNTec. ı Ergänzt aus Heph. T&a Korrektur, Töna’ Text und Hephäst.; der strenge Dorismus hat die Verderbnis erzeugt. 2—4 lauteten anapästisch an, da Hephäst. 5 für Spondeus zitiert. rrorıoaein, das die Zäsur an die Hand gibt, muß für das ho- merische rıporioaizein gesagt sein. -3 AYNAIMHN vor der Korrektur. 4 BAMOICAI; da ist die Glosse moicaı halb eingedrungen. Der Gedanke war hreicew 5 eeöc* Äner rAP ToYToY Erö 0Yx IKandc ein, el A& rıpoHrolto 6 ArıöanuN, AYNAIMHN ÄN, CYANABETWCAN A& Al eeAl Äpmöalaı Eneofcat: ihr Name war nicht nötig. 5 Erg. aus Heph. 6 Erg aus dem Schol. Wer dort die Korruptel heilt, wird auch’ im Texte weiterkommen Der Sinn war etwa coli a& ücnep &kneimofchi TÄI CeniNnHI TIAPHKOAOYEEI TIÄC BOÖN, Erii TIOAY A& AIAKON Oi EPANOI Kal MIÄI Sunfı Eneron ÄTIANTEC »H BACIACIA TEENHKE, d ÄCTHP HMÖN TI TIABUN ÄTIECBH; von WiıLAmowırz-MOELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 529 10 T]i maeün Arıecen; A ale xYaan Ealaacke AYTTA TAMETAC ÖMEYNW AN TIPÖBECIN TIYP” AlBEIN NETITÖN Yawp 15 Berılaoc TA TIePaIıA BWM@n joae Onsa cr ac ca |- - 7 - CTÖMAT 0cC - - - -jor 30 Jac mjantan ]sac mon Scholien: ro An(Ti TOP) H Arcınön #&c oYca AMön. 11 H A& ECTAPMENH Kal <[- - ArTIH]. 12 ÄN(TI TOP) TA KAKA- TTfronemaloc]. 13 mPpöeecin‘ TÄ TIPOvEPÖ- L. % Y 4 ” [mena]. 15 TAc nAcloy) en Aı @eraoc [Bwmoll. 18 Änfawc)cy ad ral. 20 En miÄl FYNAIKI. 21 TofTo nereı TTrfonemloc). 22 0Y KATHCKYNE A&. 23 ö "Hoaı- Alan 24 KAICIAN EINAI TÄC KAß| 26 Ai eiweyiaı Kl 28 An(TI TO?) CTÖMATA diet 29 nl 32 Hrloı] Tan bAPoN .«[ 10 Arecea Hyperdorismus. Aus eöc des Scholions muß, wie TI mAeON zeigt, ein synonymes Maskulinum gewonnen werden: ich weiß nichts als ÄcrAr, das doch kaum so glossiert werden konnte. tz Erg. aus Schol. ı2 Es war wohl TAMeTAc ram&rtac fälschlich wiederholt. Ob der König erst durch die allgemeine Klage das Unheil erfuhr? Das würde zeigen, das er abwesend war, als Arsinoe starb. 13 Die Akzente rıfpaisein zeigen, daß neben dem richtigen rıfp’ Aleeın kenntlich. 14 &m oder eine andere zweisilbige Präposition fehlt vor nerrtön. 17 Die schrieb TY. Hier schon Anrede; fraglich also, ob Ptolemaios erst 21 anfing, wo ihn als Redner das Scholion nennt; 20 und 22 ist von Arsinoe in dritter Person die Ki 25 rierraolc, Örraoıc u. a. denkbar. 28 Das Scholion scheint sich darauf zu beziehen, daß gemäß der dorischen Weise die Elision ohne Aspiration vorge- nommen war, vgl. Apollon. Dysk. Synt. 334- 530 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. Er) jmönıc Annla] Tevzei‘ 35 ]Jeercı eanAlccjaı Ja manarhc e|....]c' In TA TAnanTa [..... 1% jon TA Kanant[..... ]a TIpwrAı men Ga’ Erymoı KATAro[nTo oAmaıl. CAMÄNTPIAN A A& TIYPAc EnöHc’ 1wAn,] ÄN OFAA KYAINAOMEnAaNn Ealwr[on AYPpaı] - ° Ha’ Am Meca OPHikioy KATA N@TA [TöNToY,] ©inwrera' Aptı rAp oT CikenA men “Enn[a] KATeneltteTo, AAMNIAKO) A’ ErtAteS|nTo Bovnoi] AnHo9e Arroneicomenac' ceo a’ An Älnvcroc] Ö Anlmocın ÄPrIarima, ATo a’ hmial »Ezev XArı TAn vralrlan En ‘Aew Konu[nan,] And A’ AYracaı, &K mealov TA myp’ al can - -,] [TJie Anonero, Tic roniun dnökayroc altecı]. Enı Mol #6BoC' ÄnnA TIOTE?" NÖToc AY|TA acızei,] nöroc aAlerıoc' Ark Tı moı Aıpya KalkoFTaı;]« TAa’ Eon seöc‘ Ann dndrte cKoman En[erra] XIONWACA, TAN Arıexein EnAxıcrlon Arktov] Hkeı nöroc, &c ae bAroy Trepicamo[n AKTAn] ss eEckeraro, eymonınhc Eudalce TAna'] > a u ° Scholien: 35 eire rIÄNTA Kaeaipfei]. 37 h Arcınön. "38 TON BWMON Adrovfcı Scholion auf dem unteren Rande. --]rmaron AlöcK..... TIACBAI" ErENONTO A[---] 5 A& lofc. x(ai) (&)Jp(ec) A men Ex ’Eypyaikh[c - - - TI Pinaaenfsul..... ]Jeaı, TA TETÄPTHL- -. 43 TIÖNÜIC) APIorroy ganz unverständlich. Arıd “En(n)Hc Adreraı Hr- rrÄceaı H Körh. 47 A cynecrı TÖI "Hoaicrwı XAPıc. ‚ 38 mr oder np; Doppelkonsonanz ist nötig. In dem Scholion unten ist Eyev- AlkHc verschrieben. Ein Verzeichnis der Kinder des Soter würde wertvoll sein; aber die Lücken entwerten auch das Erhaltene. 40 ioA...Karınöc Hesych. Hinter 41 fehlt ein Vers, der wohl mit An anfing und den Sinn hatte »über Asien und Europa«, oder »über Ost und West«, denn nur so wird verständlich »und in der Mitte über das Thrakische Meer«. 44 BoYnoi ist kyrenäisch, Hero- dot 4, 199. 45 Hymn. 6,9 ÄPprıarimac 8K’ ÄtYcTa METectixen IXNIA Koypac; aber aktiv steht Änvetoc 4,215. Daß der Demeterhymnus die Vorlage ist, folgt aus dem hier durchaus nicht natürlichen Äprrarim. 46 Ein Adjektiv mit Ama will sich nicht finden lassen; man möchte auch lieber #ATo a’ um iafoica] lesen, wenn sich nur mit Hm etwas anfangen ließe. 48 TA my’ Al canli)- Al c’ Ärt- fügt sich auch nicht, denn nur der Akkusativ kann elidiert sein. Daher vermute ich, daß Al K ArontA zu verbessern ist. 50 Enı Emol. 51 note? ist akzentuiert; der G iker hat also ein moTeomaı neben rIeTomaı und riwTÄomaı angenommen; vielleicht ist aber doch rıerev das Echte. Wenn sie dahin blickt, wo der Wind herkommt, wird sie die Feuer erkennen, denn es ist helles Wetter, wie nicht oft bei Südwind. 55 eYMmonırtÄc ist aus Nonnos 37, 540 notiert, wo es aber "geradezu ohnmächtig ist, entsprechend dem altionischen Aınyeynin; hier ist es etwa AsymAcaca, aber Nonnos kann die Vo- kabel doch hier aufgelesen haben. von Wıramowırz-MOELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 531 55 »nal nal Mera An T|Iı KAKöN Ä nirnvc Äo Ymer[erac mönIoc »oreitan.]« A a Änene »TarTa| TÄn Mmoı TIÖAIN Aı mel 6 Kelpoycın® d a’ ec oil möcıc ÜlXeTo TIENBEr|öN ÄKovcA TE MakPoslu[N ÖoPpa AYcrioaac &c & m eedc Earamen’ AYTik[A 65 zei Aömon.« Ä Men| oYK Hıace' TAı ae XArlıc Bapyn eine mYeon] »mA moi xeonöc’ oYxı [reA ®Aroc AleAnwraı] meriKaaleo" MHAE TI| Anna me Tic oYK Arae[A ATıc oYae’ Hrei’] 7° erAnoı mönın YMeteran [KATtexontı TrAcan]' oYx be Em AAmor[erwn A’ Öneerwı Kekorıtaı] xeon® AnnA TI TO[n] meränon E[aAmacce moipa] TAn Toı mian olxom[enajn dmönenevn [AYTAN] Kanionti® TA a’ Aıl wen 1]anıc menan [Ansiecrai] xeondc Äctea, n[wir]erwn Td KrAtloc [, 7 58 Airnye ist so betont; die Byzantiner oxytonieren, und die Modernen folgen ihnen; ein Zeugnis Herodians liegt nicht vor, seine Regel aber verlangt den Ton auf der letzten, wenn das y lang ist, sonst auf der ersten (I 237. 238L.); je nachdem man die Kürze oder die Länge für mroıHtık! Äaeıa hielt, ist man verfahren, denn gewußt hat es keiner, und der ganze Kram ist Willkür, wenn renvc und icxYc richtig betont werden. 78 finerre, wie bei Bakchylides und Pindar nun wohl aner- kannt ist. 59 Äı so überliefert, was die Ergänzung mir unmöglich macht. 61 TIEN- SEPON ÖN müßte man wegen der Zäsur ergänzen, wenn man nicht rrenseriköc oder eine ähnliche Ableitung vorzieht. 62 Hes. makpösıoı: al nYmoaı “Pöatol; Aischylos nennt die Götter überhaupt Aapösıoı, Sieb. 524- 63 Wenn der Akut von ic Bedeutung hat, muß & das enklitische Pronomen sein. 68 rreriknaleceAl, zu dem der Genitiv paßt, ist neu, aber nichts Merkwürdiges. Der Satz mit MmHAE bezog sich auf die Weiter kann ich die Ergänzung nicht treiben, die nur den Ge- danken stilgerecht in den Vers bringen will; denn die Worte des Kallimachos finden zu wollen, hieße einen Dichter arg unterschätzen, 532 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. der immer etwas Apartes apart zu sagen weiß, gelehrt und erfindsam, auch wo er unsern Geschmack verletzt. Das Gedicht, das wir Arsinoe nennen dürfen, ist offenbar unter dem frischen Eindrucke ihres Todes verfaßt, also kurz nach dem Juli 270'. Ob es am Ende auf die Konsekration hinauslief, die der Bruder- gatte mit anderen überschwänglichen Ehrungen vollzog, stehe dahin. Im Anfang hat der Dichter sich jeder Hindeutung selbst auf die Ge- sehwisterehe enthalten, und nichts verrät die kalte Mache bestellter Arbeit. Man pflegt ja über den Hofpoeten die Nase zu rümpfen, wenn er seinen Fürsten huldigt, wie es dem Horaz auch gegangen ist. Daran ist vor allem die verkehrte Ausdeutung seiner Hymnen durch die Historiker schuld, die in Zeus und Apollon usw. Ptolemaios und andere Menschen verborgen glaubten. Die Annahme einer solchen Allegorie hat auch an keiner einzigen Stelle die geringste Berechtigung, und wer überblickt, was Kallimachos wifklich von seinen Königen aussagt, muß zugestehen, daß er alles so gut verantworten kann wie Horaz. Wie anders klingt die Terhexliohane der GencbiAlatehe bei Theokrit (17, 130), und dieser meint all die ten Herrschaften «, wenn er sagt, daß sein Gedicht dem Zeus zu Ohren gekommen wäre (7,93): er redet ovidisch, weil er ebensowenig wie Ovid mit den Fürsten persönliche Beziehungen hatte. Was steht denn in der Locke der Berenike, das nicht zuträfe, Schönheit und Mut der Heldin, kriegerischer Erfolg des Euergetes; die Apotheose der Arsinoe Aphrodite macht nicht erst Kallimachos. Was steht in den Hymnen auf Zeus und Delos von Phila- delphos, das nicht ein patriotischer Mann in Alexandreia 280 und 265 empfinden durfte und mußte? Die Götter des Mythos könnten sich beschweren, daß er sie minder ernst nimmt als die Könige; aber es ist seltsam, wenn ihm zugemutet wird, Mythen als Heilswahrheiten zu traktieren; das Necken läßt er übrigens selbst gegenüber Berenike nicht, und die junge Frau wird sich’s von dem berühmten alten Ge- lehrten und Landsmann gern gefallen lassen haben: es gab damals in Alexandreia weniger Hofetikette als in Guastalla oder Baireuth. Und so höre ich denn in den einfachen Tönen, mit denen die Arsinoe an- hebt, die Erschütterung, die der Dichter und das Volk von Alexandreia bei dem plötzlichen Tode der Frau empfanden, die in ihrer sechsjährigen letzten Ehe der Mittelpunkt ebensowohl der Politik Ägyptens wie der ganz eigenartigen alexandrinischen Poesie gewesen ist, und beide haben damals in ihrem Zenith gestanden. Auch die Apotheose der Phila- delphos hat in der inneren Politik Ägyptens Epoche gemacht. Wir vermögen die Person dieser Frau nicht zu fassen, die, durch eigene ! Berocn, Gr. Gesch. III 2, 130. von Wıramowırz-MorLLENDoRFF: Neues von Kallimachos. 533 schwere Schuld ins Elend gestürzt, als Witwe ihres verruchten Halb- bruders nach Hause zurückkehrte und dann ihren rechten Bruder dazu vermochte, sie zur Gattin und Mitregentin (dies wenigstens tatsächlich) zu machen; aber mich dünkt, für ihr Bild sind auch die Züge nicht unwesentlich, daß Straton der Physiker an sie schrieb', und vollends, daß Kallimachos, der früher irgendwie ihre Hochzeit gefeiert hatte’, in dieser Weise von ihrem Tode geredet hat. »Führe der Gott; sonst vermag ich nicht zu singen; mit seiner Hilfe und wenn der Musenchor mit einfällt, mag ichs leisten. nYmea, du bist nun also im Himmel.« nimea sagt er; darin liegt nichts von Göttlichkeit oder Fürstentum, wohl aber mehr von frischer Jugend- lichkeit, als die Verstorbene besitzen konnte; nur dem kurzen Glanze ihrer letzten Ehe mochte das Wort entsprechen. Dann scheint mit den Rufen der Menge, die den sich verfinsternden Mond begleiten, der Klageruf verglichen zu sein, der jetzt ertönt, ganz schlicht »die Königin ist dahin, verloschen ist unser Licht«’. Danach erst kam der Gatte vor, der vielleicht erst in der Ferne seinen Verlust erfuhr, und die Feuer, die nun entzündet werden, scheinen Fanale zu sein, die über das Land hin die T' kund breiten sollten; wenigstens werden gleich danach geographische Namen genannt, das Wasser, doch wohl des Nils, das ägyptische Theben, eine Insel mit Altären der Thetis, die ich nicht nachweisen kann. Später ward Ptolemaios 1 Diogenes V 60, unter Stratons Werken emcronai Ön Apxı »CTPATON APcınökl e$ npÄtteın«. Straton war Lehrer des Philadelphos gewesen, vermutlich kurz bevor er 287 als Nachfolger des Theophrastos nach Athen ging. Das ergab die Bekannt- schaft, aber Arsinoe war damals bereits Gattin des Lysimachos. Die Anrede brauchte damals, wie die eigenen Weihungen der Könige lehren, das Königtum nicht zu er- wähnen, auch ohne Philosophenstolz. Straton wird wohl der Philosoph sein, der an Arsinoe auch einen Trostbrief richtete, Consol. ad Apollon. 112. \ 2 Fr. 196 aus den Pindarscholien Apcınönc Ö zeine TAMON KATABAnNOM ÄCIAEIN. Da Weiter läßt sich gar nichts sagen ; was bei O. Schneiper steht, ist windig. Der Schluß der Aitia müßte erst hergestellt sein, damit man sagen könnte, ob die Änacca, die dort vorzukommen scheint (ich kann’s nicht sicher lesen), die Königin, und wenn das, ob sie Arsinoe wäre. In dem Falle würden die Aitia vor 270 fertig gewesen sein, was mir doch nicht sehr wahrscheinlich vorkommt, obwohl die Haupttätigkeit des Dichters Kallimachos allerdings um diese Zeit abgeschlossen ward, der nun mit der Katalogisi und E i der Bibliothek genug zu tun hatte, Movceon tiezöc EnAABE Nomön, wie er es selbst sagt. Der Apollonhymnus und die Berenike waren dureh ganz besondere Veranlassungen erwachsene späte Nachblüten. ; ® Indem der Tod als Entrückung in die Region des Sternenwagens, ÄCTEPIAN Yı? Ämazan, bezeichnet wird, ist der Übergang zu der KAEMTOMENH CEAHNH gemacht, das verlö; i ört in dieselbe Sphäre. / ü i Ko ger eis weit al harmonierte. Daß die Seele des Toten ins Reich der Sterne entweicht, bedeutet keine Apotheose; Alohr &xeı nın Hak könnte €s ebensogut heißen wie bei Euripides. 534 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth: v. 23. Mai. eingeführt, der die Gattin gepriesen zu haben scheint; aber bis zum Ende der Seite vermag ich nirgend. auch nur einen Faden des Zu- sammenhanges zu fassen, und doch ward hier der entscheidende Über- gang in das mythische Reich gemacht, und zuletzt Proteus über die Tatsache unterrichtet. Proteus kennt ja Alexandreia', und Pharos, wo er bei Homer seine Robben sonnt, kam V. 32 vor. Seine Heimat hat er bekanntlich an der Chalkidike in den thrakischen Gewässern, und dahin führt uns der Dichter in dem verständlichen Abschnitt. Philotera, erzählt er, war von Enna, wo sie bei Demeter weilte, als diese Enna verließ, nach Lemnos gereist und bei Hephaistos und seiner Frau Charis zu Besuch, die wir aus Homer kennen, wo sie freilich auf dem Olymp wohnen; soviel ich weiß, ist Charis als Frau des Hephaistos in der nachhomerischen Dichtung sonst zugunsten Aphrodites aufgegeben, so daß ihre Erwähnung auch die Zuhörer des Kallimachos konsternieren mußte. : \ Für uns ist Philotera noch sehr viel überraschender. Wir wußten von ihr nur, daß sie auch eine rechte Schwester des Philadelphos war, der nach ihr einige Städte benannte und ihr einen Kult stiftete”. Wir lernen. zu, daß sie vor Arsinoe verstarb, unvermählt, wie man annehmen wird, da sie als eine Göttin in das Gefolge Demeters ein- getreten ist, wie wir hier auch erfahren. Daß Demeters Wohnsitz in Enna ist, überrascht wieder; aber in dem Demeterhymnus des ' An ihn als den Herrn der Pharosinsel wendet sich das Gedicht des Poseidippos auf den Leuchtturm, das der Papyrus Didot erhalten hat, Scaorr, Posidippi epigr. S. 9. ® Die Philotera hat eigentlich Lerrosxe entdeckt, indem er Strabons oder vielmehr Artemidors Angabe (769 KATA TÄN TPOroAaYTıKaNn TIÖAIN EINAI PInWTepan Ärıd TÄC ÄAenoAc TO? Aeyr&poy TTronemalor ican) zur Verb g eines Theokritscholi 17,121, benutzte. Da ist die Überlieferung, wie mir Hr. Dr. Wenoer, der künftige Heraus- geber der Scholien, mitteilt, folgende: örı rroanoYc naorc TAPYCATO, KeAiKIoc A& EN TOI TIEPI NEcTopoc Emoincen d& ®inÄaensoc, HCIN OYTWC, GIKOAÖMHCE Ad KA TÖN. FONeON ÄMOOTEPON TIAMMErECH NAÖN Kal TAIc Anenoaic ’APcınöHı Kai surhra. Mit der Emendation PinwTeraı ist die Hauptsache gewonnen, und viel weiter kommt man nicht. Eins aber hat Lerronne doch schon gesehen, daß eHcin oYrwc, die Einführung des wörtlichen Zitates, hinter den Buchtitel gehört, also &roincen d ®ıirAaenooc Korrektur zu GIKOAÖMHCEN ist, also das Zitat mit &moiuce A& KAi TON rondun beginnt, denn bei dem Autor stand natürlich hier nicht der Name, den der Grammatiker zusetzt. Am Ende fehlt natürlich etwas, aber Enoikce gilt auch für den zweiten Satz, also war von TemenH oder ähnlichem auch für die Schwestern die Rede: die Konsekration der Philotera bestätigt nun Kallimachos. Verdorben ist der Name des Autors und der Titel, denn Nestor ist undenkbar. Lerronses AYkoc aber auch, da dieser, den Kallimachos stark ausgezogen hat (Antigonos im Wunderbuch bezeugt es öfter), nicht über Philadelphos geschrieben haben kann. Demselben Autor gehört selbstverständlich auch das Scholion zu 128 über die Frauen des Philadelphos; er gibt einen kundigen knappen Berieht. Da der Buchtitel hoff- nungslos ist, wage ich nicht Aykeac einzusetzen, dessen Airyrıtiakä auch nichts als eine Möglichkeit bieten würden, Daß ®awrepeia in Palästina (Steph. Byz.) seinen Namen auch von dieser Philotera hat, ist ein unabweisbarer Schluß, aber. es ist nur er- schlossen. von WıLamowıTz-MOELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 535 Kallimachos, an den er sich, wie zu V.45 gezeigt ist, auch im Aus- druck anlehnt, heißt es, daß die Göttin die Nymphe Enna so lieb hatte wie Triopas, den Eponymen ihres knidischen Heiligtumes, und eine schöne Untersuchung von Marten hat kürzlich gelehrt, daß der Demeterhymnus sich seinerseits an eine breite Darstellung des Raubes der Kora aus den Gefilden von Enna anlehnte, die in den Aitia stand'. So wird dieser Zug verständlich, weil wir einmal über die Dinge etwas Bescheid wissen, die der Dichter voraussetzt. Es entspricht nun durchaus seiner Weise mit den Göttern zu spielen, wenn er die Philotera, weil er:sie bei der Charis in Lemnos einführen will, die Reise dahin von Enna machen läßt; sie ist bei ihrer Herrin abkömm- lich, ‘weil diese nicht zu Hause ist: daß Demeter irgendwo auf ihrer Erde etwas zu besorgen hat, glauben wir ohne weiteres. “ Philotera also bemerkt den-Rauch, der über das Thrakische Meer treibt, wird ängstlich, ob nicht eine Stadt ihrer Heimat” in Flammen stünde, und schickt die Charis auf den Athos, nachzusehen. Der Athos, den Kallimachos auch in der Berenike als maxumum in oris einführt (Catull 66, 44), ist zwar gar nicht besonders hoch, 1000 m niedriger als der Olymp, aber er hat den Schiffern durch seine Lage und den Schatten, den er gegen Sonnenuntergang bis über Lemnos wirft?, besonders imponiert. Charis, für die der Flug nicht mehr be- deutet als aufs Dach zu steigen, meldet, daß der Rauch aus Alexan- dreia kommt, worauf Philotera zwar etwas klagt, aber dann von einem Gatten redet, der, wie es scheint, zu seinen Schwiegereltern gegangen ist; sie hat von irgendwelchen makrösioı etwas gehört, während .der Gott lief, Avcnoaac üc & m- -; jetzt würde er aber gleich in das Haus (wohl eher der Schwiegereltern als in seins) kommen. Diese Partie ! Hera. 45,543. Die Konsequenzen sind sehr wichtig. Die Arsinoe bestätigt, was wir aus der Form schlossen, daß der Demeterhymmus (die Lutra auch) früh ge dichtet ist; Maren zeigt, daß das Demetergedicht der Aitia noch älter war. Dies benutzte den Timaios, also waren dessen erste Bücher schon berühmt, sind also noch unter Soter erschienen; dasselbe habe ich früher aus der Benutzung durch Lykophron erschlossen, den ja Kallimachos in den Aitia auch berücksichtigt. Endlich zeigt MALTEN daß Kallimachos f en} ischen D h (unsere Fassung braucht es ja nicht ge- wesen zu'sein) vor Augen hat. Er hat auch das delische Prooimion Homers unverkoppelt mit dem pythischen Hymnus benutzt. Bei Theokrit habe ich die Spuren des home- rischen Hymnus auf die Dioskuren nachgewiesen. Daß die Kritik der Ilias von dieser späten Rhapsodik absah, war recht; aber die Dichter brauchten es nicht ebenso zu Machen, und haben es anders gemacht. . * Airyrroc ging schlecht in den Vers, Libyen auch seine Heimat ein. 3 *Aswc ckıkzeı nöTa AHnniac Bode soll Sophokles gesagt haben, Fr. 708, aus den Parömiographen. Auf diesen Vers ist auch die Schilderung des Athos bei Apollonios gebaut, 1,601—-604. Wenn er ihn auch eine konönh nennt wie hier Kallimachos, so mag das kein Zufall sein. . Nonnos 3, 216 AewiAaoc ... NÖTA KOAÖNHC. aber der Kyrenäer schließt gern mit 536 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. müßte man verstehen, um über die weitere Erfindung etwas zu ver- muten. Philotera kann keinen Gatten haben; Charis hat den He- phaistos, der in Lemnos nicht anwesend zu sein scheint, aber schon vorher V. 23 nach der Angabe der Scholien erwähnt war, auf den Aycrıoaac, in welcher Verbindung es auch stand, gut passen würde. Mit der Feuersbrunst könnte er auch gut etwas zu tun bekommen, etwa zu seinem Elemente sagen »sei ruhig«. Aber was sollen die Schwiegereltern, also Eltern der Charis? Worin beruhte überhaupt die Beziehung Philoteras zu Charis? Da bin ich ratlos; von den Metzgergängen meines Suchens will ich schweigen. Mittlerweile hat Charis vom Athos aus die Rufe der Alexandriner vernommen und ihre Trauerkleider gesehen. Es ist sehr geschickt und wirksam, wie sie in lauter unverbundenen Sätzen der Philotera schonend die Schreckenskunde beibringt, »es brennt nicht; ich höre etwas Schlimmes; man klagt, nicht wie über einen gewöhnlichen Trauerfall, sondern ein Hochgestellter muß gestorben sein; um deine leibliche Schwester selbst weinen sie; so weit das Auge reicht, sind die Städte in Trauer gekleidet. Die Macht (oder Hetrschaft) unserer « — da bricht es ab; weiter ist nichts zu wissen. Es gibt in der griechischen Poesie nichts Ähnliches außer der Coma Berenices, die nun aufhört, ganz vereinzelt dazustehen. Aber um so deutlicher tritt die Eigenart des Kallimachos hervor. Wenn er die Götterwelt des Mythos, für ihn und seine Leser rmAcmaTa TON npotepwn, nach Belieben verwendet, so baut er natürlich auf dem Fun- ‚lamente jener Göttermaschinerie, deren das antike Epos sich nie hat entschlagen können, auch wenn's jemand versuchte, die Acteurs zu ändern wie Lucan. Aber es ist nicht eine heroische Vergangenheit, in der die mythischen Götter agieren, sondern die Gegenwart; es ist ein Widerspiel zu der gerade damals so oft ausgesprochenen und sicher- lich von vielen (nur nicht von einem Kallimachos) geglaubten Inkar- nation der Götter in Menschen der Gegenwart: Arsinoe Zephyritis ist doch Aphrodite geworden und Philotera irgendeine rrArearoc AnmHrroc, weil in ihnen diese oder jene aynamıc 8c0? cArz Er&neto Kal EcKinwcen en HMin Kal Eseachmeea TuN AÖzan AYroR!. Von der Behandlung, durch die Kallimachos die alten Götter ebenso wie die neuen geflissentlich so stark vermenschlicht, daß der Leser an der beständigen Zerreißung * In Carm. 1, 2 hat Horaz sich dieser Auffassung bedient, die ihm weder die alten hellenischen Dichter an die Hand gaben noch der Glaube seiner Zeit, der sich im Divi filius oder auch dem genius Augusti ausspricht. Aber Antonius war ja noch ein n&oc Alönycoc gewesen. Später betrachtete er den Augustus als den Menschen, der sich dank seiner Taten wie Herakles Dionysos die Dioskuren die Göttlichkeit er- wirbt, und diesen stoischen Glauben hat der Kaiser geteilt. von Wıramowrrz-MOELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 537 der Illusion seinen Spaß haben soll und kann, will ich hier nicht reden; aber die Fortwirkung der kallimacheischen Erfindungen mag doch ein Wort verdienen. Gedichte an Personen waren in der alten Lyrik häufig genug, aus der das "Enkomion’ erwachsen ist; da spiegelt sich in der Gegenwart der Glanz eines verwandten, aber doch in ferne Höhe entrückten Heroentums, und nur dieses verkehrte menschlich mit den Göttern. Hellenistische Gedichte, die wir vergleichen könnten, haben wir nicht, und wenn in der Zeit von Augustus bis Domitian wie im Kultus so in der Poesie die gegenwärtigen Menschen auch bestimmten Göttern oft ganz gleichgesetzt werden (casta fave Lucina, luus iam regnal Apollo, Agrippina und Nero in den Einsiedler Bucolica), auch einmal eine auf die Geg t bezügliche hi ische Szene aus- gemalt wird (Horaz III 3), so klingt doch alles anders, nicht nur weil keine neckisch-ironischen Züge an das Spiel mahnen, sondern weil die Wesen der beiden Welten doch immer einander fremd bleiben. Die bildende Kunst erreicht viel einheitlichere Wirkungen; die Cameen der augusteischen Zeit möchte ich dem Kallimachos am ehesten ver- gleichen. Endlich in jener letzten reichen Epik, die aus dem griechi- schen Osten durch Claudian in den lateinischen Westen überführt wird, findet die Göttermaschinerie in der grandiosen Phantastik des Nonnos und daneben in den Gedichten an Personen erst ganz jene Verwendung, die von der Renai fg und überall bis zu den Gelegen- heitsdichtern herab geübt zu jeder Hochzeit und jedem Begräbnis von Hinz und Kunz den Schwarm der olympischen Schemen aufbot. Wieder ist die bildende Kunst, allem Schelten auf die Allegorie zum Trotz, glücklicher, kallimacheischer; Rubens und Paolo Veronese (Europa usw. im Dogenpalast) zu würdigen, bedeutet mehr für sein Verständnis als die R ung seiner h hen Vokabeln und der Wendungen, die Nonnos von ihm genommen hat. Und immer bleibt dem Kalli- machos eins eigentümlich, was Meleager im Auge hat, wenn er in tenb hmecken herb) Kannı- tat seinen Kranz nimmt hay nyeron (My MÄXOY CTYoeno? MecTön Acl menıtoc, jene Würze, die für einen empfäng- lichen Gaumen dem Konventionellen das Fade, dem Pathetischen das Aufgebl ‚ dem Komplimente das Schmeichlerische nimmt. B. Kallimachos TTannvxic. an... oYmHalHnT| AEYTETTANNYX[ ba’ArpyrinHcac| MEXPITHCKO[ u 538 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. 6 TONTIYPAMOP[NTA KAITAKOTT[AB KAITONTTA[ xonsenel . | 10 wKacTop| KAICYTIWAYA[EYKCC KAIT@NA .. | KAIZEN@I| Ende der Seite Links von 6 ein unleserliches Scholion. ı2 Hinter a ein Rand von o, c, ®. ı3 Das letzte Iota könnte auch die Hasta z. B. von « sein, allenfalls auch von n. Das würde verzweifelt sein, wenn nicht Hilfe von außen käme. Athenäus XV 668c in der Besprechung des Kottabos, gleich hinter einem Zitat aus der Kydippe des Kallimachos, An ae rı al Anno (d.i. KOTTABEIWN) ElAoc TIPOTIBEMENON EN TAIC TIANNYXICIN, 0% MNHMONeYEı KAnAITITIOC (d. i. Kannimaxoc) En TTannyxlaı Alk TOYTun d A’ ÄTPYTINHCAC TON TIYPA- MOPNTA AHYETAI (KAl) TA KOTTÄBLE)IA KAl TON TTAPOYCON An aeaecı sınhceı'. Es folgt mit andern attischen Belegen, daß es Kuchen und Küsse als Siegespreise für die Tänzer an den Nachtfesten gab, die bis zu Ende aushielten. Es bedarf keines Wortes über die Identifikation, auch keines Wortes über die bisherigen Versuche, mit den Versen des Kallippos etwas fangen, die notwendig fehlgehen mußten. Nun läßt sich einiges gewinnen, vor allem das Metrum, das aber zieht dann noch ein anderes Zitat aus Kallimachos in dies Gedicht, Fr. 116. He- phästion 15, als Beispiel des AcynArtkron Evpiniacıon trarA Kannımaxwı Enect’ Anönnon TOI xoPdı" TÄC AYPHC ÄKoYw" Kal TON "Erotwon AicaömHn® Ecrı KÄsPoAITH. Wenn auch nicht notwendig, ist es doch naheliegend, daß Hephästion den Anfang des Gedichtes anführt; und uns so mitten in die Situation zu versetzen ist ja gerade die Weise des Kallimachos: ofon 5 Törsnnwnoc Eceicato AAenınoc öpmHz fängt der zweite Hymnus an. Nicht sehr viel später dürfte die Aufforderung an die Festgenossen und die Verkün- digung der Preise gestanden haben, die sich aus der Kombination der beiden lückenhaften Zeugnisse leicht ergibt. - THN... A- = OYMHAIHNT[e v - u - ACHTE TIANNYalizein- > ; d a’ ÄrpymnAcac [Anerec] mexpı TAC Ko[punhc ı die Korräneia als nıchräpia redet Et. M. Kortaeizw aus derselben Quelle Über wie Athenäus; zugrunde liegt der Kallimachosvers. Weiter kommt man nicht. von Wıramowırz-MoELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 539 TÖN TIYPAMOPNTA AHYETAI KAl TÄ KOTTÄBEIA, 5 Kal TÖN TIAPOYCON ÄNn eeneı xÖN eeneı einKcei. Ö KÄcToP - vv - Kal cY TTonvalerkec KAl TÖN A - vu - Kal EENW- - - V.2 kann natürlich eine andere Form gestanden haben, z. B. MANNYXIcTAl, V. 3 ein anderes synonymes Wort, z.B. ar t&nerc. V.4 ergänzt sich leicht, aber mir bleibt es unverständlich. Zwar korunH für jedes Akron ist verbreitet', und die korunic als Schlußzeichen im Buche gehört dazu, so daß ich es zu verstehen meinte, zumal ganz ungewiß ist, ob das Diminutivum schon zur Zeit des Kallimachos galt; dem Bücherwurm hätte ich es zugetraut, zuerst die später ver- breitete Wendung nexeı TAc Korwniaoc auch metaphorisch anzuwenden. Aber da fiel mir eine Stelle bei seinem Zeitg Poseidippos ein, die sich auch jeder plausiblen Erklärung entzieht; er nennt den verarmten Parasiten Phyromachos TANTA earein BOPÖN OlA KOPÜNHN TIAN- NYxıKAn (Athen. 414e, 8. 31 in Scuorzs Posidippi epigr.), das ist also »eine Krähe oder die Krähe einer mannyxic«: das besagt das Adjektiv auf -ıxoc und bestätigt sich, da auch Kallimachos von der korönh der TAnnvxic redet. Hier weiß ich nicht weiterzukommen. — V.4 sind Kortäaeıa Preise wie beim Kottabosspiel. Worin sie bestanden, wissen wir nicht und wußte der Antiquar nicht, den Athenäus ausschreibt. Es ist eine gelehrte Reminiszenz des Kallimachos, denn zu seiner Zeit war das Spiel abgekommen, und beim Nachtfest konnte es nicht ge- spielt werden. — V.5 ist überaus glücklich variiert, was die Prosa geben würde tan maröntun Hn odacı A Kal ön aeneı. Die meisten wollen natürlich ein Mädchen küssen; aber ist’s ein Junge, sollen sie es auch dürfen. — V.6 die Dioskuren kommen uns befremdend, so gern sie i Th i hei Man denkt dann etwa an Kal TON Aoikun — Kal zenon, die auch an dem Feste teilnehmen dürfen. Es würde der Weise des Kallimachos entsprechen, wenn er uns durch progressive Darstellung das Fest gleichsam miterleben ließe: das ist seine singu- läre Kunst in den Hymnen 2. 5. 6°. Aber auch hier heißt es sich bescheiden. OYMHAiun ist ionisch, rrapovcan attisch, TIunraeykec streng dorisch. Welchen Dialekt der Dichter hier verwandt hat, ist also nieht ganz mm ! Wenn Lukian Peregrin. 33 sich den Witz erlaubt, xpycöt ‚ala XPYCÄN KOPÜNHN EMieeinan, so spielt er mit Fe er dem vulgären Kopaniaa Ermeeinal, und wenn By- zantiner das nachmachen (Frrrzsche führt Belege an), so sind sie von Lukian ab- hängig. Das ist also weiter nicht verwendbar. = ® Diese Kunst und ihre Nachwirkung möchte ich nun schon so viele Jahre nen, muß aber zur Zeit auf meine Skizze der Literaturgeschichte 210 ver- w Sitzungsberichte 1912. M 540 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. sicher; ich denke aber, daß das Zitat bei Hephästion für das Ionische entscheidet. Die Arsinoe dagegen ist dorisch, und da haben die Grammatiker auch einzelne dorische Akzente gesetzt TIANTOn 32, Teyzei 35, Hzei 65, Erymoı 39 (was ich nicht nachgemacht habe), übrigens auch den falschen Dorismus Amecsa hineingebracht 10; anderseits ge- winnt man den kyrenäischen Dorismus des Kallimachos T®ae erst aus einer Variante V.ı. Da wird ®4roy 54 nicht original sein, auch nicht önöte 52. Er wechselt nach Bedarf zwischen keiroycın 60 und kariontı 74; Episches wie den Dativ TTewrRı, OrHikioc wendet er natürlich ohne Bedenken an, sogar Kıaee 66. Aroneicomenac zeigt eine Schreibung, die so häufig ist, daß sie für ebenso anerkannt gehalten werden muß wie das jetzt herrschende niccomaı; es hat auch im Altertum Wörter genug gegeben, deren Schreibung schwankte; viel hat die Autorität Herodians normalisiert, die Modernen sind dann noch strenger geworden. Auch das ist ein Fortschritt, den die antiken Bücher bringen, daß in diesen Bagatellen mit der toten Regel aufgeräumt wird; gerade die Gram- matik, für die allein es keine Bagatellen sind, kann mit normalisierten Texten am wenigsten anfangen. Aber ebensowenig darf man das Überlieferte für richtig halten: Kallimachos hatte seine Arsinoe ohne Zweifel in der Mundart behandelt wie die Lutra und den Demeter- hymnus; das war seine kyrenäische Muttersprache, nur von der epischen Literatursprache stark durchsetzt. Das Buch, aus dem ein Blatt uns so viel gelehrt hat, enthielt die mean, eine Abteilung der Gesamtausgabe, wie Suidas lehrt; die TTannvxic zeigt indessen wie früher der Branchos, daß auch dies efaYanıa waren, die ihren eigenen Titel führten; sie hatten ja auch verschiedene Maße. Diese Gedichte sind wenig kommentiert; vergebens habe ich die seltenen Worte in den Lexieis gesucht; und wenig gelesen. Nur ein Metriker recht alter Zeit hat sie ausgenutzt; daher haben wir bei Hephästion und den Lateinern eine Anzahl Gedichtanfänge; aus dem vollständigeren Hephästion sind zwei Zitate in die Anthologie XIII geraten, Fr. 114. 115. Ich stelle die Reste zusammen: BrArxoc Fr. 36, choriambische Pentameter, Aulmonec eYYmnöTatoı Pose Te Kal Ze? Aravmun renApxal. ' Dies Gedicht ist auch benutzt Et. M. Ataymaloc und bei Stephanus Alaym. Kuna, An. Alex. 48 hat eine Geschichte aus Konon und Varro hervorgezogen und auf dieses Gedicht zurückgeführt, schon deshalb unsicher, weil ihre gemeinsame Vor- lage der Dichter selbst nicht gewesen ist. Die Jamben des Kallimachos 224 haben Fr. 75 vervollständigt; da wird erwähnt, daß Branchos, Apollons Geliebter, wie der Scholiast zufügt, den Ioniern durch Zaubersprüche Heilung bringt. Das kombiniert sich mit jener Geschichte nicht leicht. Das Versmaß nennt Sacerdos geradezu Callimachium. von Wıramowırz-MoELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 541 Fr. 114; Erotikon; der Geliebte auf See vgl. Theokrit 7, 52: A na®c, A TO MöNoN ®erroc EMIN TO TAYKY TAC ZÖAc ÄPTTAZAC, TIOTI TE ZANÖC IKNEPMAI AIMENOCKÖTIW. Die großen Asklepiadeen machen wahrscheinlich, daß trotz dem verschieden überlieferten Dialekte hierher gehört Fr. 170. > u ToYc AYTOI cKoTioyc EmrienAteip Üc ETEKen TYNH'. TE en ”z Fr. 115. Sympotil t *Epxeraı rionYc men Airalon AIaTmAzac Art oinHpAc Xioy ÄM®OPEYC, TIOAYC AL AccBinc ÄWTON NEKTAP OINÄNEHC ÄTWN. Fr. 118. Erotikon, Pherekrateen “"H trace HR KATÄKAEICTOC, THN Of #Acı TEKÖNTEC ernalovc ÖAPICMOYC Exeeın Tcon Öneerwı. Dies die Bruchstücke; denn Epigramme in archilochischen Maßen - muß man fernhalten. Aber Versmaße von Liedern sind mehr bekannt. Galliamben bezeugt Choeroboskos zu Hephäst. 246; ich habe da- her früher vermutet, daß die rmoaverYanra rraraaelrmara bei Hephästion 12 von Kalli hos herrührten; das ist aber nicht zwingend und wird durch die Behandlung des ersten Fußes widerraten; dann sind sie von einem der neöreroı, von denen Hephästion redet. Daß Catull den Kallimachos vor Augen hat, wird dadurch nicht beeinträchtigt; ich könnte noch mehr dafür anführen. Der Metriker von Oxyrynehos (220, Kol. 9) setzt ein KYPHnaıkön als bekannt voraus, und aus seinen Worten folgt, daß es die Form ! Das Versmaß hatte Meısexe hergestellt, als noch EmrIenÄTEIPA TEKEN FYNA im Et, M. stand Jetzt gibt das Genuinum kai Erexen rynf; daraus habe ich öe gemacht. (Berl. Klass. Texte Va 59). Möglich ist freilich immer, daß Tour rynH (Kai rynA) als Erklärung mit Recht beseitigt hat, wo denn ein guter Pentameter bleibt. [ 2° Fr. 191 TÖN Me TIAMAICTPITAN ÖMÖCAC GEÖN ETTTÄKIC SINFCEIN: da redet ein Hermes und ein Epigramm ist deutlich. Dieses Maß kommt öfter auf’ den Steinen vor. 117 redet auch ein Hermes. Es hat jene Epodenform, die uns am geläufigsten aus dem attischen Ithyphallos auf Demetrios ist, “ErmAc d TTepeeraioc Ainion seöc emmi To ar TAIXMA (so habe ich geschrieben Herm. 40, 138, nur AINEION ändernd). Hier wii die Herkunft aus den Epigrammen durch Caesius Bassus 255 bezeugt, der vom Ithyphallikus sagt, er ließe den Tribrachys zu, uf etiam apud Callimachum in epigramma- tibus ostendi potest. Nur ist Bassus nicht sehr genau, denn 261 bezieht er sich mit Callimachus in epigrammatibus auf A mAlc H Karäkneıcroc. $. 258 teilt er den Phaläceus in einen daktylischen Dimeter und einen Ithyphallikus und sagt, er hätte davon ge- redet cum de epodo Callimachi dicerem. Das kann kaum auf $. 255 gehn, denn- von ’ Daktylen redet er dort nicht. Die Pannychis ist epodisch und hat den Ithyphallikus, aber keine Daktylen. So scheint noch ein anderes Gedicht gemeint zu sein, etwa Verbindung des Hexameters mit dem Ithyphallikus, die Euripides Andr. 117 an die Hand geben konnte. 47* 542 Sitzung der phil.-hist. Classe. v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. hatte »»-»u-“-.-, von dem Beispiel ist übrig .. . . TAPeENnoN 'KÖPHN: wer soll ein kyrenäisches Maß erfunden haben als Kallimachos? Dieses Maß erscheint dem Archebuleion b verwandt; und als drittes, von dem Kyrenäischen nur durch eine Silbe unterschieden, tritt der seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. populärste lyrische Vers hinzu, dessen Ursprung noch ganz unbekannt ist, da ihn die Metriker nicht erwähnen: Diese drei Verse verdienen allein den von den Modernen so arg mißbrauchten Namen logaödisch; die Metriker rechnen dazu außer dem alkaischen Zehnsilbler, den wir fernhalten werden, noch das Praxilleion Ö AıA TAC eypiaoc Kanön Emsnerioica, das in jenem Liedehen stichisch ge- braucht war und in den beiden Proben durch den Einschnitt - » - w-| »»-»-. mindestens die Möglichkeit bietet, es als ein AcvnÄArTHToN im Sinne Hephästions zu fassen, daktylisches Trithemimeres und Rei- zianum, und Kallimachos baut sein Archebuleion auch als = - w- ww -| “„=“-v, so daß sein Vers nur durch die variablen Vorschlagssilben verschieden ist. Ein solcher Vers konnte gewiß ebensogut wie das Praxilleion im Volksliede leben und aus ihm aufgegriffen werden; das Kyrenaikon ist ja nichts als der in besonderer Weise normalisierte alte Dimeter. Die Metriker fanden das Archebuleion nur in den chorischen Strophen der alten Lyriker vereinzelt und von Spondeen durchsetzt und nahmen an, daß Archebulos es dort aufgelesen, normali- siert und stichisch verwandt hätte. Sehen wir Aischylos Prom. 594 ser’ Onwc ÄxaPıc xArıc & einoc, eine, mo? TIc ÄnKA, TIc &oamerlun ÄPHEIC, 0YA” EAepxenc. Das ist ähnlich, nicht identisch, und vor allem, die Zäsur fehlt. Diese Verse gehören zu dem archilochischen Parömiakus, den ich Enoplios ge- nannt habe; bei Aischylos findet sich ähnliches auch Sieb. 750f. Wenn wir auf dieses Maß zurückgreifen, hat die Zäsur und die Durchführung der zweisilbigen Senkungen wirklich etwas Neues geschaffen!. Auch das ist denkbar; ich wage nicht zu entscheiden, gerade weil ich .die Formen auch der hellenistischen Lyrik zu übersehen glaube. Die Vielseitigkeit des Kallimachos auch auf dem Gebiete der Lyrik ist nichts Geringes; neben kleinen erotischen und sympotischen Stücken, die sich zu seinen Epigrammen stellen, so Eigenartiges wie Arsinoe und Pannychis und die Schöpfung der Galliamben, in denen Inhalt und Form neu war. Dabei kyrenäisch-dorischer und ionischer Dialekt, in ! Auch das Archebuleum integrum des Marius Vietorins läßt sich belegen, Aristoph. Acharn. 285 c& Men oYN KATAnercomen Ö MIAPÄ kesanf, ein Vers, der damit nicht erklärt wird, daß man ihn anapästische Pentapodie nennt oder sonst (durch 'ein Kunstwort seine Singularität verschleiert. von Wiramowrrz-MoELLENDoRFF: Neues von Kallimachos. 543 (dem Epigramm auf den Aeoler aus Ainos auch äolischer. Aber nicht nur für die Dichtung ihrer Zeit, sondern für die Metrik überhaupt ‚sind die Formen dieser gelehrten Lyrik sehr wichtig; es ist die Me- trik, die von Lxo' geradezu als die des »kallimacheischen Kreises« bezeichnet worden ist, nicht so gar verschieden in der Theorie von der Lehre des Hephästion. Die Anregung, neue Verse zu erfinden, ‘stammt aber nicht von Kallimachos, denn Simias von Rhodos, der übrigens noch Kultlieder für die Praxis macht, wird für manchen Vers als Erfinder genannt, und sein Ei ist wohl das wichtigste Dokument für die ganze Theorie’. Er bringt die Choriamben auf, die Kallimachos im Branchos anwendet; das Maß der Pannychis findet sich bei Ari- stophanes in der Parodos der Wespen, und das der Arsinoe soll ja von Archebulos stammen. Das sagen die Metriker; aber damit streitet, daß dieser nach Swidas. Lehrer des Euphorion war, neben Lakydes; dann war er ein Menschenalter jünger als Kallimachos. Wir können | das eb ig entscheiden, wie ob er aus Theben (Hephästion) oder Thera (Suidas) stammte’. Diese Dichter suchen oder erfinden sich lyrische Verse, die sie Stichisch anwenden. Ihre Lyrik ist eben nicht mehr für den Gesang bestimmt, sondern für die Rezitation; man sang ja auch die Klassiker nicht mehr, und ihre Polymetrie kam beim Vorlesen nicht zur rechten Geltung. Da vereinfachte man die Formen, die man dann aufs feinste auspolierte. Die Musik war ja so mächtig geworden, daß ihre Libretti keine dichterischen Ansprüche mehr erhoben, und nach den Proben, die wir namentlich ‘auf Stein haben, nicht erheben konnten. Die Ver- hältnisse waren eben auch hierin ganz modern geworden. Aber wenn auch Buchlyrik, Lyrik sollte es im Gegensatze zu den alten rezita- Mn nn ! In der Erläuterung des Metrikers von Oxyrynchos, Götting. Nachrichten 1899, '505, die nicht nur für das merkwürdige Buch, sondern für die Geschichte der Metrik überhaupt von tiefer Bedeutung ist. Wir werden unsere Beurteilung der altgriechischen Verskunst nicht an die Theorien selbst des Kallimachos binden, aber welch ein Fort- schritt liegt darin, daß wir den Hephästion, den die Zeit Wesrruars ganz fortwarf, als Vertreter der altalexandrinischen Lehre anerkennen müssen; nur wußte man da- mals noch, daß v - v - usw. die metrische Einheit ist, nicht » -. Und wie die Zeit des Zenodotos über die Metrik gedacht hat, darf nur ignorieren, wer sich selbst für inspiriert hält. ? Ich habe den ersten ernsthaften Versuch gemacht, seine Verse zu verstehen, Textgeschichte ‘des Buk. 248. Eine zusammenfassende Darstellung der hellenistischen Metrik in Theorie und Praxis ist auch für die Praxis der klassischen Zeit ein drin- gendes Bedürfnis. ; * Die Inschriften geben den Namen weder hier noch dort; auf Astypalaia rang er vor, aber das hat keine nahe Beziehung zu Thera. Komposita mit sorah sind an beiden Orten häufig. Sonst ist von Archebulos nur bekannt, daß er das ehoriambische Maß, auf das Philiskos Anspruch erhebt, auch angewandt hat, Das sagt Caesius Bassus 264; Hephästion belegt es vor Philiskos nur aus Simias. 544 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. tiven Gattungen, Epos, Elegie, Tambus, bleiben, und mindestens den Sehein der Erfindung neuer Töne war man bedacht zu wahren. Das ist noch eine Weile fortgegangen. Einmal hat doch. der Glykon sich so viel Geltung verschafft, daß sein Name nun das uralte Maß bezeichnet. Und Boiskos von Kyzikos' berühmt sich einer neuen Erfindung, die nichts ist als ein iambischer Oktameter, in Dimetern gebaut, wie in der alten Komödie: so hatte Kallimachos seinen trochäischen: Penta- meter erfunden. Das geht weiter bis auf den Metriker von Oxyrynehos, der uns erzählt, wie traurig er war, als er eine eigne Erfindung von Tragikern und Lyrikern okkupiert fand. Ich glaube, Leo hat ihn unter- schätzt; die stattliche Rolle, auf deren Rückseite sich ein fleißiger Student das Homerkolleg des Ammoni 'hrieben: hat, war in der Ra gekauft und enthielt ein 1 damals, ich denke noch im . Jahrhundert n. Chr., angesehenes Werk, doch wohl älter als; das von Leo so treffend verglichene des Cäsius Bassus. I. Kommentar zu den Aitia des Kallimachos. Papyrus 1i521; in Gizeh erworben. Verstümmeltes Blatt einer Buchrolle; es war einmal saubere Buchschrift des 2. Jahrhunderts n. Chr.; nur sind m und m kaum zu unterscheiden. Jetzt stark ver- scheuert, und die querlaufenden Fasern sind öfter, z.B. Z.7 und ı3, so dunkel geworden, daß man zuerst glaubt, die Schrift wäre durch- gestrichen. Lesung sehr schwierig. Daß ein Kommentar vorläge, hatte Hr. Prof. Scuusarr erkannt; da ich mich an Kallimachos Fr. 529 erinnerte, und so der Wert des Stückes feststand, hat unsere gemeinsame wiederholte Bemühung fast alles entziffert; nur V. 4 und 8 mag sich noch etwas gewinnen lassen. Da außer dem Doppelpunkt oder Punkt oben keine ‚Lesezeichen ge- setzt sind, kann ich sogleich die 'ergänzte Umschrift: geben, in. der die Wörter des erklärten Gedichtes gesperrt sind. ner Toln...... In : soini«[ [-. . .]. oewrAakon A [....: :]| wrerpomaoı | Jenurarrial. ...... Jontec‘ Kyraliorc Je rAc Muaeilac.. .] aHovevcter V.2 Vor kooe am ehesten A. oder A, nicht ı. 4 Ende, wohl [xalxore, SETEROIN: ! Iuba bei Rufinus de metr. Terent. 564. Marius Vietoririus Be Bemerkenswert ist, daß Boiskos noch richtig öktAroye sagt, wo wir Oktameter sagen; Rufin. hat das natürlich nicht mehr verstanden. Wir kennen einen Boickoc, Anrioxoy MOIHTHC KAINÄC Kumwlalac aus dem Anfange des 1. Jahrhunderts v. Chr. IG VII 1753. ‚Die ‚Identität ist möglich, da die Techniten sich in verschiedenen Gattungen Befiaen, aber nicht mehr als möglich. : ; or Be von Wıramowırz-MOELLENDORFF: Neues von Kallimachos. [ön rrörron A] n®n Oerttanla Tlö] rranaıdn "EnnAlc ]: mic &crın ayrAc, Konxol ae Kanoo[nTaı ol] [en] rAı Afaı rontra, Ha’ Öan xüra Konxic| ‚[Jsal.- . Jeatoc, ‘IHonec Annk me n..cal 4 ]mAnta a’ AnatpAmerai co...| HEN e]moıncantö me #öpron cov| ]:n 8 coe eereı aYyTan.| ] "Haıoc ferw Kal ®Acıc: [materon] [Ame]rerun gacınerc : nen Torc “Ennnnac "IA[onac] Kelmajuken Ad Ton Aehnalon mAnT[ac Kor-] nölc‘] oFToı rar mrörerfo]n “IAonec Erano9n[To‘ Kal “Omnroc &män nern “lAonec Enkecirennloi] Tore Aennalovc nereı, moanpleıc rAle [xır@nac £-] oörlov|n Kat’ ArxAc ön Trömon Kal Tleecalı Cjteloı Kar-] xHfajönıoı ictorei ae Tarta Kaelalnmoc En] » "Areiaı, And merovc ofn Tore “Enlannac Aonnalovc] efpnken Ön Trömon kai TTinaaroc: "ElnnAaoc &-] peıcm AsAnaı (Fr. 76), lAonec a8 Kexanntalı Arrd “lonoc] "To$ !Eoyeoy To? Alönoy To? “Elanunoc - - elfın ÄnTI TOP Ektanon . | 25 KlaeArıe]e Kal "Ofm]Hroc[ {r R 18 EenTPorion mit dem Schreibfehler deutlich. 22 Das erste ep hat in der Zeile nicht gestanden, scheint aber übergeschrieben gewesen zu sein. Von dem Texte ist das erste Wort soınık - erklärt durch - koow- PAKun, was aber nicht »oınıkoewrAkon war; es bleibt also rätselhaft. Dann ymeronnoı und wahrscheinlich das weitere bis zu [riruuT’ Alrıa- Ad], wie man die ben zu Wörtern verbinden kann; aber Sinn ergibt sich nicht, und man weiß nichts hineinzubringen, auf das sich das Scholion bezöge. In diesem wird Kyra oder Kyrasoı er- klärt. Stephan. Byz. Kyra nönıc Konxiaoc matric Muaelac, ähnlich Schol. Apollon. II 399. Kallimachos Fr. 113 mar’ Alatao Kyraiov, übernommen von Apollonios II 1094. Die Metonomasie scheint nicht weiter yor- zukommen ; Aia gilt allg in als Stadtn Das längere Stück läßt Sich wenigstens auf die Verse verteilen 7 1:21 Ru - 2 2 enioc, IHonec AnnA MEN - = = = TIÄNTA A ÄNATPÄTIETAI = 2.02 &moIhcANTO ME @ÖPTON coy[menoı - u - -wujn 8 coe #Ereı ENTAN =: = -,“Hnc Tero Kal acıc [marerun Amejreron BACIAEYC 546 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13, Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. Im ersten Verse ist das unverständliche earoc den Buchstaben nach ziemlich sicher; am Ende führen die Reste etwa auf menevca. Der Hyperionismus ‘läAonac ist mindestens von dem @rammatiker ge- lesen. TrArıw ist herodoteisch, jungionisch. Der Halbvers 3 ist Fr. 529 aus Schol. Soph. Ant. 1036 xÄmTesöPTIcMmAIl....... TIPOAEAOMAI, Er. M. ®. Kannimaxoc. Hier ist #örroc wirklich cargo; im folgenden war wohl von dem Schiffe die Rede; aYftanaron? Es kann die Furcht, es kann auch der Wunsch ausgesprochen sein, daß die Argo zugrunde ginge. Denn trotz der hoffnungslosen Verstümmelung ist so viel klar, daß hier feindselig gegen die Griechen jemand aus Kolehis redet, einer aus dem Volke, das sich auf den Flußgott zurückführt, der zu einem alten Könige geworden ist. Mnac&ac ToYc Konxofc eHcı KAHEANAI Ad Könxoy T0? ®Acıaoc, Schol. Theokr. 13,75. Das kann also Medeia, die Enkelin des Helios, nicht sagen. Ebendaher verhilft es dazu, die Si- tuation sicher zu erkennen. Es spricht eine Dienerin Medeias im Über- mute eines Nachtfestes, das die Argonauten zu Ehren des Apollon Aigletes auf der Insel Anaphe feiern, die auf Geheiß des Apollon Ane- +AnH, um ihnen Zuflucht aus schwerem Sturme zu gewähren. Die neckischen Scheltreden der Mägde werden das Afrıon für einen ent- sprechenden Festbrauch auf Anaphe. Wir kennen die ganze Geschichte dureh Konon 29, der sie dem Kallimachos nacherzählt; auch Apol- lonios 4,1711 —30 bringt sie mit geringen Varianten. Wie würde sich Geors Kyaack gefreut haben, seine Kombinationen bestätigt zu sehen, mir ein lieber Schüler und einer der wenigen, die nach OÖ. Scuseiwer für Kallimachos etwas Nützliches geleistet haben: er hat gerade diese Szene genau verfolgt!. Kallimachos hat im zweiten Buche der Aitia über die Rückfahrt der Argonauten gehandelt; die Elegie weiter zu behandeln ist hier nicht der Ort. Die “läonec des Kallimachos hat der Grammatiker mißverstanden. Der Dichter ließ eine Asiatin den Namen brauchen, von dem er wußte, daß er bei allen Asiaten und auch bei den Ägyptern galt. Der Ein- fall ist grotesk, daß erst Ionier für Athener stünde und dies dann für Griechen; der Pindarvers, der diesen Gebrauch rechtfertigen soll, könnte ihn höchstens widerlegen. Daß in dem Homervers N 685 ' Coniectanea Stettin 1887. Aus dieser Partie stammt noch Fr. rız3a und adesp. 289. Den Anfang der Elegie gibt Strabon, Fr. ı13b. Besonders viel ist aus einer Partie erhalten, die über Orte des Ionischen Meeres Gelehrsamkeit häufte, wie in der Kydippe über die «Ticeıc der Keischen Städte aus Xenomedes; hier war der Gewährsmann Timaios. Fr. 104. 336. 362. 393. 480 und die von Drrrrick in Fleckeis. Jahrb. 1888 glücklich zu einem Distichon zusammengefügten 22. 172. 502. 554. Sonst gehören in die Elegie noch 112. 377, wahrscheinlich 4rı und aus Schol. Lykophr. 1319 die Notiz, daß die Argo sprach oder sprechen konnte. Wer aber weiterkommen will, muß zunächst den Apollonios analysieren. von Wırastowirz-MOELLENDORFF: Neues von Kallimachos. 547 “IAonec die Athener meint, ist richtig und steht in den D-Scholien, die auch die vulgäre Genealogie des Ion beibringen. Bei Homer heißt es “lAonec Enkexitwnec, und das hat der Schreiber, nicht etwa der Gram- matiker, mit &akıcireroı vertauscht, denn von den langen Chitonen ist sofort die Rede, und für sie wird Kleidemos angeführt, das einzige Wertvolle in diesem Scholion. Man hört gern, daß in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts der Athener die langen Röcke der Asiaten als etwas Fremdes beobachtet, und auch daß er Karthager zu Gesicht bekommen hat. Jedem fällt ein, was Thukydides I8 über die alte Tracht sagt; es ist aber ganz etwas anderes, denn er redet von dem Stoff, Kleidemos von dem Schnitt der alten Röcke. Also dieser schreibt den Thukydides nicht ab, ist aber durch ihn angeregt, denn Thuky- dides schließt seine Ausführung mit dem allgemeinen Satze, daß sich auf vielen Gebieten die frühere Übereinstimmung der barbarischen und hellenischen Sitten zeigen ließe'. Dafür findet Kleidemos in den langen Röcken einen Beleg, (die von den athenischen Priestern und den tra- gischen Schauspielern getragen wurden, und in allen Werken der archaischen Kunst zu sehen waren. Thukydides hatte die eigne Er- innerung an die Tracht der alten Herren verwertet, die er als Knabe gesehen hatte. Schließlich gibt &xtanon die Erklärung eines kallimacheischen, wie es scheint aus Homer entlehnten Wortes, das ich nicht zu erraten vermag; es mag wohl das Prädikat zu ‘läonec oben gewesen sein und im nächsten Hexameter gestanden haben, dann im Sinne von ÄfI@necan. III. Epigramm auf Philiskos von Korkyra. Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen der Hamburger Stault- bibliothek darf ich ein Epigramm hier beifügen, das einem älteren Zeit- und Zunftgenossen des Kallimachos gilt und zu dessen Lebzeiten nicht nur verfaßt ist, sondern auf dem Stück Papier aufgeschrieben, das nun, aus Papyruskartonnage stammend, im Besitze der Hamburger Stadtbibliothek N. 312 ist. Es steht auf einem unten verstümmelten etzen, an den sich links ein anderer hat fügen lassen; damit ist be- Stätigt, was an sich klar war, daß jemand das Epigramm aus seinem Gedächtnis, soweit dieses reichte, niedergeschrieben hat, denn auf dem linken Blatte stehen die beiden ersten Zeilen zwisehen andern, sach- lich wenig interessanten und hier nieht hergehörigen Dingen. Die Schrift aber ist klar und schön und stammt offenbar etwa aus der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. Daß in «icchreseoc der Sibilant ein- Fe ! Den Zusammenhang der Partie habe ich erklärt Herm. 45. 394- Sitzungsberichte 1912, 48 548 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. fach geschrieben ist, wird einen Kenner der gleichzeitigen Stein- schriften nicht verwundern, um so mehr elaun für Tawun, das in der Tat für die Schulbildung des Schreibers kompromitti 1 ist. EPxeo AN MAKÄPICTOC ÖAOITTÖPOC, EPXEO KAAOYC xbPpoyc ercegewn Örömenoc @inıke' EK KICHPEBEOC KESANÄC EYYMNA KYAluN PHMATA KAl NHCOYC KÜMACON EIC MAKÄPUN, s e? mer rApac (eylamn erecrion Ankındoıo @AIHKOoC, ZWEIN ÄNAPÖC ETTICTAMENOY* Ankındoy TIıle Eün &z AIMAToC vucar “== = = Amd [Anjmoaökoy Bee an age)... V. 3. Zwischen ey und ymna eine Stelle frei, weil das Papier schadhaft war. V.7 sind von Ticewn nur die obersten Striche des Buchstaben erhalten; ı stand unter dem langen Striche des T; dennoch ist die Lesung unzweifelhaft. »So zieh denn hin, Philikos, als ein seliger Wanderer, zieh hin zu schauen das schöne Reich der Frommen. Aus efeubekränztem Haupte klangvolle Diehterworte rollend, ziehe im Komos auch nach den Inseln der Seligen. Glücklich hast du das gesegnete Alter des Phäaken Alkinoos schauen dürfen, eines Mannes, der zu leben verstand. Als einer aus dem Geschlechte des Alkinoos .... oder von Demo- dokos....« Mit dem Gegensatze zu «? men entgeht uns Wichtiges; ich denke, es ging die Dichtung des Philikos an, die ihn überlebte. Zu- nächst ein paar Einzelheit : ist einfach ein starkes mAkar, Theokr. 7,83. & maxärıcre Komara: unmöglich kann man es noch für MAKAPICTÖC »selig gepriesen« halten, das durch den Zusatz eines Dativs bei Aristophanes, Platon und anderen älteren gesichert ist. Danach akzentuiere ich es denn, und önsıcroc (Kallim. 5, 117) muß ebenso be- handelt werden. In der lebendigen Sprache te man sich solche Erweiterungen, ohne viel zu überlegen, ob sie Superlative oder Verbal- adjektive oder was sonst waren, vgl. zu Eur. Her. 290. — Für den schwülstigen Ausdruck bAmata Kyalcın und gar &K Kesanfc Kyaleın habe ich keine Analogie, denn wenn Aischylos in den Fröschen 823 Kceı PAMATA TOMSOTATÄ TIINAKHAÖN ÄrIocHOn, so tut er das wie ein Gigant im Kampfe; und wenn der Wind die Wogen rollt (Theokr. 25,93), so ist das nicht anders gesagt, als wenn der Fluß die Kiesel rollt (Theokr. 22,49): das Gerollte denkt man sich gerundet üc kyaınaron. So mag der Diehter sich das karözunon gedacht haben, daß die Worte und Verse rund und glatt dem Philikos von den Lippen rollen, und das Haupt hat er genannt, um den Efeu des tragischen Sieges zu be- zeichnen wie Kallimachos Ep. 7, Simias A. P. VI 21. — erecrioc gibt von Wıramowırz-MOELLENDORFF: Neues von. Kallimachos. 549 uns die richtige Deutung von ictin & nAcun erecrie bei Kallimachos Del. 325, das nicht von £&cria stammt, an das es nur anklingen soll, denn das ist hier unmöglich: offenbar gehört das seltene Wort zu erecto, dem altionischen Synonym von eYaaımonia. — »Der zu leben weiß« von dem eın#aonoc klingt uns modern, frivol; denn wir emp- finden Polemik gegen die Philosophie, die magistra vitae, und in der Tat führt diese die Sirenenworte der Verführung ein esse bibere frui patrimonio hoc est vivere (Seneca Ep. 123, 10), und läßt die Stimme des modernen Luxus sagen »Scipio nesciit vivere«, angesichts der Einfach- heit seiner Villa (Ep. 86, 11). Aber so sagte man schon in dem Athen des 4. Jahrhunderts, roaaıöc oYToc! Änerwrioc' oYK Eniicracaı zAn sagt ein Koch bei Alexis (III 464 Mein.) zu einem Herrn, der im Essen nicht den richtigen Geschmack hat, und Philemon prägt bei ähnlicher Gelegenheit die Sentenz Ti zAn ösenoc di mA’ crı TO zAn elaenaı (IV 49 Mein.). Daß das Epigramm tatsächlich an Philikos rühmen will »er war ein Mann, der recht tat, ein Phäakenleben zu führen«, nicht bloß, weil er von der Phäakeninsel stammte, sondern weil es das wahre Leben ist, also wirklich gegen die moralische Askese der Philosophen Front macht, folgt eben daraus, daß ihm die Phäaken Vertreter des sınhaonoc Bloc sind, denn so hat sie nicht das Volk aufgefaßt, sonst würde die Ko- mödie davon wissen, sondern die Homerexegese der Philosophen; noch bei den Sophisten ist keine Spur davon. Die Verskunst des Dichters ist nicht die allerfeinste seiner Zeit; er setzt männliche Zäsur ohne bukolische Diärese und läßt ein iam- bisches Wort vor der Zäsur zu. Auch von Schwulst kann man ihn nicht freisprechen, und schon die Länge des Gedichtes wird dem Kallimachos mißfallen haben. Um so erwünschter ist uns ein solehes Stück entgegengesetzter Technik aus seiner Zeit. Das Gedicht we offenbar frisch, als es sich ein Bewunderer aufzeichnete; es illustriert die bekannte Sitte der Großstadt, daß die Epigrammatik das, nn man spricht, in elegante Verse bringt, wofür Poseidippos und später Dioskorides mehr Belege bieten als Kallimachos. 5 Der tragische Dichter Philikos aus Korkyra, den das ent richtig verstanden selbst bezeugt, ist der Tragiker der Pleias, den die Überlieferung Philiskos nennt, der Epigrammatiker aber Philikos, Wie er selbst es in einem Hymnus an Demeter tut‘. In nn Festzuge des Jahres 275/74 ging er an der Spitze der Techniten 2% er Dionysospriester: das Gedicht ist also in dem angemessenen en lichen Abstande verfaßt und aufgeschrieben. Außer den Versen, die rm i ‘ Scholion $. 279 Consbr. Gleiche Tradition in dem a ae ak a 3 stimmt zu Hephästion, zeigt ee daß Hephästions Quelle weit über Heliodor zurückreicht. Kallixeinos bei Athen. 198c. 550 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 13. Juni 1912. — Mitth. v. 23. Mai. von den Metrikern überliefert werden, weil er den Anspruch erhob, ein neues Maß erfunden zu haben, ist nur eine tolle Erfindung von seiner Poesie übriggeblieben', die Phalloskonkurrenz eines dionysischen Esels mit dem neuen Gott Priapos, dessen Kult sich eben von Lamp- sakos (zu dessen Gebiete die Stadt Priapos gehört haben muß) ver- breitete: da der unterliegende Esel an den Himmel kam, Priapos aber auf Erden Gott ward, tut man dem Dichter schwerlich unrecht, wenn man ihm eine Verhöhnung des neuen Kultes zutraut. Daneben amüsierte sich das Publikum über die Verletzung des Anstandes bei dem neuen Demodokos, wie es die Phäaken bei dem alten getan hatten. Wir aber lernen in Philikos mit Vergnügen eine neue Figur aus der Gesellschaft des kallimacheisel A kennen, den Lebens- künstler, der auch den letzten Lebensgang zum Komos machen darf. Daß das Phäakenland, aus dem er stammte, eigentlich mit den Inseln der Seligen identisch ist, zu denen er hinzog, haben wir von WELcKER gelernt; ein Grieche hat es niemals geahnt. * Germanicusschol. in Roserrs Eratosthenes go, der die richtige Kombination gemacht hat, nur bleibt unsicher, ob Philiskos das gerade in einem Satyrspiele vor- getragen hat. Navck hat zu wenig ausgeschrieben und hätte sein Fr. ı mindestens mit Reserve geben müssen. Warum sollen die Verse tragisch sein oYK EcTin & MATAIE ern Paleymial TÄ TON TIONOYNTON MA TIONÄCANTAC nABeIN? Warum soll das Lemma $ınickoy bei Stobäus 29, 40 einen anderen meinen als 73,53 (I S. 558 Hesse), wo $inickoy ®inarrfpon den Komiker sicher stellt? Dieser höchst obskure Komiker ist von MEıNEkE in die mittlere Komödie versetzt, vornehmlich, weil nach Plinius 35, 70 Parrhasios malte Philiscum et Liberum patrem adstante Virtute; aber Parrhasios konnte keinen Dichter der mittleren Komödie mehr malen, von einem Komiker steht nichts da, das Gemälde also muß ganz beiseite bleiben. Philiscum tragoediarum scriptorem meditantem malte Protogenes, Plin. 35,106. Auch das ist nur möglich, wenn der alte Maler den sehr jungen Dichter malte. Mxınexes zweiter Grund war, daß dem Ko- imiker bei Suidas die Dramentitel gegeben werden Aawnıc, Aıöc FONAl, @EMIcToKnÄc, Onymrioc, TTandc ronal, "Ermo? Kai AopoaitHc ronai, ArTemiaoc Kal Arıöanwnoc. Aber den Themistokles schiebt er doch dem Tragiker zu. Es ist richtig, daß solche Titel in der nea unmöglich, in der mech belegt sind, allein kein gewöhnlicher sicher komischer Titel ist darunter. Also gehört vielleicht all j) haben soll. 8 a es dem Tragiker, der 42 Dramen verfaßt Ausgegeben am 20. Juni. 551 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE a WISSENSCHAFTEN. 13. Juni. Sitzung « dr phy ikalis E thematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Hr. Fıscner las über die Synthese von Gerbstoffen aus Zucker und Phenolcarbonsäuren, die er in Gemeinschaft mit Dr. Karı FrevpengerG ausgeführt hat. (Ersch. später.) Als BrgAnsung der fr rei Veröffentlichung erwähnt er 1. die Synthese der Pentamethyl der Chlorid für den Aufbau des Me- thylotannins dienen soll, 2. die Hyd ne se des Hamamelitannins, das in grosser Menge einen von der Glucose verschiedenen, links drehenden Zucker liefert. Ausgegeben m am 1 20.. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1912. er weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache werden. veröffentlicht sein oder Sollte ‚eine dem zuwiderlaufende Veröffent- nden ee vor der Ausgabe in e r Kenntniss kommen, so hat er die Mittheilung aus sen zu entfernen. Verfasser einer aufgenommenen wissen- früher zu ht, so bedarf er dazu der Ein- der Gesammt-Akademie. 'n anderweitig zu veröffentlichen ist den Verfassern ee gestatte: Aus $ 21. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. s $ 22. Jeden hi eröffnet t eine Übersicht über die in I Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- lung. d über die zur SHE hing geeigneten ge- schäftlichen Angelegenheit Hinter den Titeln der ienkee Allah Mittheilungen folgen in dieser Übersicht kurze Inhaltsangaben derselben, 10 Zeilen TR Die nicht in den Schriften nn rar: erscheinenden Mittheilungen werden mit vorgesetztem Stern bezeichnet, bei den für die Aa ee wird »(Abh.)« zugefügt. se Mittheilungen fremder Verfasser n die akademischen Schriften endgültig beschlossen wir BE Aus $ 27, >= Manuseript einer in einer akademischen Sitzung am Dorn tag zur Aufnahme in die Sitzungsberichte zu- scheenen Mittheilung, welche am nächste: ie deren Satz sondere Schwierigkeiten in$$ 3 und 4 allen Berliner nicht aus ee welchen Grür Abend Sie an- wesenden Verfasser, oder an die van die Mittheilung vorgelegt haben, mit der Angal dass sie dieselben am Dienstag Abend wieder holen wi werde, en ar mit en Correetur betraute Person Rev; muss sie die einge bereits ee Fan an ie: Dec Ka i zurückliefern. Wird die Correetur länger als bis Dienstag Abend von a damit re trauten Person behalten, so hat diese es zu verantwo u a en in einem Kae Stück ea n Cor Beherniene am nächsten Ausgabetage ee ei ee ge sichert werden. Aus $ 37. ie Akademie behält sich das Re. Die cht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranst talten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. Jahrg. 1909: Ph, a ee Case . ...» sophisch-historische Classe . . . » - Ang Jahrg. 1910: alisch-mathematische Classe . . - - ame veengverenen Classes. 44% Einzelne Abhandlungen aus den en: Gedächtnissrede auf Eberhard Schrader ILAMowırz-M. er : Nordionische Steine . & ard Pischel een “2.00 41150 nn ee ee re MA en aneeeBe Jahren 1909, 1910, 1911 und 1912. : I 1- OELLENDORFF % 4 ee Gedächtnissrede auf Rich ischel. ar ae Rusexs; Gedächtnissrede auf Friedrich Kohlrausch ER Dre Kar, 7 +: Über die rag der Masse bei chemischen: Umsetzungen ee ee En ULE von Straponıtz: Stra a ra ; Dirtuer: Der a dan 4 der lien Welt in den Öeisteswissenschafien. Erste Hälfte . . 5 ne Yar’r Horr: Gedächtnissrede auf Hans Heinrich Landolt en ÜLLer: Uigu Kabenedenon ‚ Exorer und‘ K re Bee den anztomischen Bau der baumartigen Oyperace Be FR ücheri Ener. aı R : „ 1. ISCHER: "Geiächtnissrede auf Jacobus Henriens an Hot. ED ne ee Scnurze, : Gedächtnissrede auf Heinrich Zimmi EEE Be 3.— Be er eg lernen : er een = rankreic De 5 Bands he © ds Ole schen” Commentars "zum "Prorrheticum des En Hippo okrate. : ER 2.50 Zrumer rt: Auf Welten Wege kamen die Goidelen vom Continent nach Irland? . 8 R. Isenscasunp: Zur Kenntniss der en arnude der Maus .. P. Rörms: Zellanordnungen und Fas im Vorderhirn von n lacertina . Hs Neipina: Über die erne des Derenbalon bei einigen Siugeliern ee K. Bahn: Übe: erne des ln n einhirn: En . Jun: Der Ausz: ug | er Hat 'hor-Tefnu F. er Hırrer von und HT "Arkadische Forschun, ngen Ta. Wıesanp: Erster ine Bericht über die von den Känigliehen Museen Te nommenen Ausgrabungen in L. ae "Boni des Satz dass jedes hinreichend eine, im wesentlichen stetig ge krümı f e mte, laritätenfreio, Flächenstäck auf n The Es r Ebene Anand und in den ji einsten Theilen ähnlich abgebildet Re - A.vox Le Coo : Tü ürkische Manichaica aus Chotscho. 5 Ber air . van Bercnzm: Die muslimischen Inschriften von Pergam Dee M. Lipzwanskt: Phönieische und aramäische KEEasrichefien” ua " Elephantine U Sitzungsberiehte der Akademie. 9 oe Sonderabdrucke. II. Halbjahr 1911. CH! ai das Euzer’sche Drehun; len ne SO SCH. ber die vier Jaconı’schen Yhcıe 5 ie ne . Ermax: ein Denia eplaeher Theolo ogie RENT NEON acosı: Cultur-, Sprach- und Litterarhistorisches Aus dena ramlye Ra Fr I A a BR E. Littuasx: die schriften des Köni EHE 3 » ‘a: über ein an len Diokleszite . . ELER: die Stuckfai von Acanceh in Yucatan (hierzu Taf. vI-Xv) TR . Meyer: zu an Santcher Papyri von Elephant x z Se TRUVE: über age der Marsachse und die ee im Marss stein x . ‚RMAN Denksteine aus der thebanischen Gräberstadt (hierzu Taf. X . Frech . Renz: Kreide und Trias im Kiona- und Ötagebiet (itegriechenland) er Mares: "über die Messias rosser Kräfte im een RER . Brockeımans: zu den Inschriften des Königs Kalum E Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1912. I. Scaur: über einen Satz von C. Cararukopor een Frosextus: ee. eines Satzes von Cararuionont aus einer Formel von Kaoxrcxer . Rupser: über die Betheiligung re Kömente u am \ Energieverbrauch der "Zelle" Wärm UCKEN: die s Wa. eretolle bei tiefen Temperaturen ERBE Oamu: a ser Rinder- un Mänschentuberenldas Harnack: Geschichte eines BSD We schen Worts Jesu” (Matth. 5, in in der ältesten Kirche War ae über den Energii hotochemischen Vorgängen in Gas u. er Liesisch: über die For de sa ith- und Wilenigrups u „Atravileien Licht. - Hapertanpr: über das Sinneso esorgan des Labellums der Pterostylis-B) Rusens En G. Hertz: über den Einfluss der Temperatur a auf die Absorion langwelliger Wärme- unten in einigen Yengsk Isolatorer Herr: über den es die der Lehre vom Algen Giihgemichninnde der Massen Pu: W. Base: über die Räthsel des Codex Cumanicus” (hierzu Taf. U und ip. Roserr: zu den E nit des Menander . K. Meyer: ein mittelirisches Gedicht auf Brendan den ‚Neerfahrer * Ole, über Matrizen Eee nicht en on a öru und Sedimenten” - a: 5 J. Marquarr: Gear Beni eric s über die Bek, aha Ui . F.E. Semun; Die re auf nn Ela er Wengenkhinhui der Säugetiere, | I. Ru- minantia (hierzu T: vox Wir.anowrrz-MoRLLENDORFF: ee von Kallimachos ser“ M12.— Saal ha 1912. XXX SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 20. Juni. ($.553) Hertwig: Veränderung der idiopl isch und durch chemische Eingriffe. (S.554) Wörrruin: Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. ($. 572) heit der Samenfäden durch physikalische BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Telr Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. s$1 Die Akademie gibt ns s Ba 1 der Statuten zw ei fortlaufende der en Preussischen et de Wissenschaften « und ‚dlungen der Königlich Preussischen Akademie der pre Aus $ 2 Jade zur Aufnahme in en „Sitzungsberichte oder die bestimm! in einer aka- demischen Sitzung Tageligs Ve "we in der Regel mitglieder haben hierzu die Tele Fache angehörenden ame Mitgliedes zu benutzen, Der Umfang einer RE Mittheilung soll “ ar Regel! in den nn bei uaelen Sr iten in der Er Siungeriee, in in Abhandlungen 12 Den von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- hungen nicht übenteigen Aus $ 6. wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die und die Wahl der Schriften ee h Fremder sind se ee von dem vorlegenden Be vor Br ung des Minseire ne Dasselbe en zu ee ‚wissern, dass der Verfasser seine ee als vollkommen druckreif ae Die erste Correerur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. ‚emd: ben diese eı > das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht Re die Berichtigung von Druckfehlern i Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der SENDE TE des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der ekinden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 3 Von allen in die Si sberi ee Abhandl der Gesammt-A| Badanie oder der erden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ee zu hat das ee Sen es vor dem Einreichen Umfang im Druck Pe zu ars Sollen einer ueaelns Abbildungen im u ne auf Helen der: feln beigegeben werden, d di Vorlagen dafür ee Keseiee Original“ aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit ei Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzurei Die Kosten der Herstellung ae "Vorlagen habeı der Regel die Verfasser zu tragen. eines Sachv: en, demie. Über voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sie) wenige einfache Te extfiguren handelt — der K eines beizufügen. Übers: chreitet dieser Ansel für die = 0 ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. us $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des Yständi: Amckfant 4 x die ig: p n den zuständigen Secretar oder an ee Archivar wird über Aufnahme en ne in die akademischen ‚chriften, und s der anesenden Mit- song es verlangt, erleek en Mittheilungen von Verfassern, ek nicht Mitglieder der aleie sind, se = Regel nach nur in die Sitzungsberichte anfgen. werden. Beschliesst „eine so bedarf ae ee der Bestätigung durch die 'esammt-Akade Reden, Adressen oder Berichten werden für die erde von MORE UEnD. Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 auch abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. 7 ER di e 1esbarnieki für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich url damit einverstanden erklären. Teshärseken uns den Br karsch erhält ei ein = erfasser, welcher Mitglied der Akademie ges zu ee Vertheilung ohne weiteres 50 Frei plare; er ist indess ber zu gleichem Re ai "Kosten der Akademie weitere Exemplare er zu Zahl von noch 100 und auf seine Ta noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) ee zu 1 aen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden igt uf seine und dürfen na. redigirenden ee en 200 Kosten Jan Exemplare auf ihre en hält e else, wel cher as der re in ung ohne weiteres 30 Frei- sofern er diess EEeEU EBENE dem redigirenden Secretar an- noch mehr renden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten Kbilehen lassen. 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mumeter darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs“ (Fortsetzung auf 8.3 des Umschlags.) 553 SITZUNGSBERICHTE 1912. AXX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 20. Juni. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Rorrnr. 1. Hr. Herrwie las über experimentelle Veränderung der idioplasmatischen Beschaffenheit der Samenfäden durch physikalische und durch chemische Eingriffe. Er berichtete von neuen Versuchen, die mehrere Herren im anatomisch-biolo- gischen Institut mit Radium- und Mesothoriumbestrahlung der Keimzellen von ver- schiedenen Vertretern der Wirbelthiere, von der Forelle, von Triton, von Frosch und Kröte ausgeführt haben. Es konnte hierbei das früher bei Rana Jusca ermittelte Gesetz der Kurvenbildung, das man bei schwächerer und stärkerer Bestrahlung der zur Befruchtung von Eiern benutzten Samenfäden erhält, bestätigt werden. Nach diesem Gesetz lässt sich auch die neugefundene und zunächst überraschende Thatsache erklären, dass bei manchen Bastardbefruchtungen, wie zwischen Frosch und Kröte, zwischen Rana fusca und R. viridis, zwischen Salamandra mac. und Triton taeniatus Eier, die mit sehr stark bestrahlten Samenfäden der fremden Thierart befruchtet werden, sich zu normalen Embryonen und viele Wochen alten Larven züchten lassen, während sie bei Befruch g mit unl hl s fädı regelmässig auf dem Stadium der Keimblase frühzeitig absterben und zerfallen. Ferner konnte durch eine grössere Reihe von Experimenten, die an Rana fusca und R. viridis vorgenommen wurden, ermittelt werden, dass ähnliche Ergebnisse, wie durch Bestrahlung der Keimzellen, sich auch durch chemische Eingriffe, z. B. durch Einwirkung geeigneter Lösungen von Methylenblau, erzielen lassen. 2. Die Akademie hat durch die philosophisch-historische Classe zur Förderung der Unternehmungen der Deutschen Commission weiter 4000 Mark bewilligt. 1 1.000025 +] are Das correspondirende Mitglied der phy Classe Fervisann Zırker in Bonn ist am 11. Juni verstorben. Sitzungsberichte 1912. ze 554 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. Veränderung der idioplasmatischen Beschaffenheit der Samenfäden durch physikalische und durch chemische Eingriffe. Von Oscar Herrwic. Vierte Mitteilung. Seit ich der Akademie über meine Untersuchungen mit Radium und Mesothorium berichtet habe, ist eine Reihe ergänzender Experimente an anderen hierfür geeigneten Tierarten von mir und einigen in meinem Laboratorium arbeitenden Herren mit Erfolg ausgeführt worden. Ich selbst habe entsprechende Versuche wie beim Frosch an Eiern von Tritonen vorgenommen, indem der Samen vor der Befruchtung der Bestrahlung durch Radium oder Mesothorium unterworfen wurde. Hr. stud. Orrermann hat das Ei der Forelle zum Gegenstand experimen- teller Eingriffe gewählt und Befunde erhalten, welche die schönste Parallele zu den früher vom Frosch beschriebenen Ergebnissen liefern. So bestätigte er vor allen Dingen das Gesetz der Kurvenbildung, welches von der Dauer und Intensität der Bestrahlung abhängt. Bei schwacher Bestrahlung erzielte er Mißbildungen mit den verschiedenartigsten Gra- den von Spina aba, wie ich sie in ähnlieher Weise an bestrahlten F habe. Bei maximaler Bestrahlung der Samen- fäden Fe gewann er anscheinend normal gebildete Forellenlarven, die sich wochenlang, fast bis zum Termin des Ausschlüpfens aus dem Ei, fortzüchten ließen. Die Erklärung für dieses gegensätzliche Verhalten in der Entwicklung des Eies bei kurzer und bei langer Bestrahlung der ugs ergibt sich ge ek in der Annahme, daß der durch n seine Entwicklungs- a und Vermehrung durch Teilung eingebüßt und daher bald, vielleicht schon von der ersten Furchung des Eies an, aus dem Ent- wicklungsprozeß überl haltet wird. Die Entwieklung muß daher in diesen Fällen als eine ‚parthenogenetische bezeichnet werden, da sie allein vom Eikern, nach Ausschaltung des Samenkerns, diri- giert wird. Herrwis: Idiopl änd. g durch physikalisch-chemische Eingriffe. 555 So läßt sich auch verstehen, daß die Radiumlarven, trotzdem sie alle Organe gebildet haben, doch an Größe hinter den Kontrollarven nicht unerheblich zurückbleiben und überhaupt schwächliel ent- wickelt sind. Auch sind ihre Kerne, nach Messungen, die Hr. (0) ) hni durchg t hat, kleiner als diejenigen der Kontrollarven, was für ihre haploide Beschaffenheit und ihre Abstammung vom Eikern allein sprechen würde. Einen handgreiflichen mikroskopischen Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung hat inzwischen an einem andern geeigneten Objekt, dem Ei des Seeigels, Günther Hrrrwie geliefert. An dünnen Schnittpräparaten, die nach dem Verfahren von HEIDENHAmN mit Eisenhämatoxylin ge- färbt wurden, konnte er feststellen, daß der Kopf des eingedrungenen Samenfadens, wenn er sehr intensiv lange Zeit bestrahlt worden war, sich nicht mehr normalerweise in einen $ \ delt und mit dem Eikern verschmilzt, sondern abseits im Dotter ziemlich un- verändert während vieler Stunden liegen bleibt, daß in dieser Zeit der Eikern für sich allein in eine Teilungsspindel übergeht und daß darauf unter seiner Einwirkung das Ei sich in zwei Embryonalzellen teilt, von welchen eine den noch immer in Passivität verharrenden Kopf des Samenfadens erhält. Daher ist die erste Teilung und die sich daran weiter anschließende Entwieklung als eine parthenogenetische zu bezeichnen; denn die vorgenommene Besamung hat infolge der Schädigung der einen Komponente nicht mehr zu einer Amphimixis führen können. Zu einem int Experi hat Güntuer Herwig diesen Umstand ausgenutzt. Auf dem Gebiet der Bastardierungslehre ist be- kannt, daß die Eier einer Spezies sich mit dem Samen einer syste- matisch näher verwandten Spezies zwar befruchten lassen, daß nach Eindringen des Samenfadens sie sich auch in vielen Fällen regelmäßig zu teilen beginnen, daß sie aber dann auf einem frühen Stadium, und “war gewöhnlich auf dem der Keimblase plötzlich in der Entwicklung stehen bleiben, absterben und rasch zerfallen. So geschieht es z. B., wenn Eier von Bufo vulgaris mit Samen von Rana Fusca befruchtet werden. Wie von allen Forschern, die sich mit dieser Bastardierung beschäftigt haben, von Prrüser, Born u. a., in übereinstimmender Weise beschrieben wird, und wie ich selbst bei den Versuchen meines Sohnes habe bestätigen können, setzt die Entwicklung bastardierter Kröten- eier mit vollständig normaler Zweiteilung ein, nimmt einen Tag lang einen weiteren regelmäßigen Verlauf, hört dann aber plötzlich vor der Gastrulation aus inneren Ursachen auf. Alles Material zerfällt ohne Ausnahme, während mit eigenem Samen zur Kontrolle befruchtete Kröteneier sich gleichzeitig ungestört weiterentwiekeln und nach dem i 50* fs] an Q 556 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. 1 E ae lassen. Ausschlüpfen aus der Gallerte sich g Die zum Tode führende innere Ursache besteht darin, daß Frosch- und Krötenidioplasma vereint eine disharmonische Verbindung liefern, welche, um einen groben Vergleich zu gebrauchen, das Räderwerk der Entwicklung früh in Unordnung und dadurch zur Selbstzerstörung bringt. Von der aus früheren Experi g richtigen Er- wägung ausgehend, daß stark bestrahlter Samen bald nach der Be- fruehtung wegen der eingetretenen Schädigung und der aufgehobenen Vermehrungsfähigkeit unwirksam wird und daher die durch ihn ein- geleitete Entwieklung nieht mehr in schädlicher Weise beeinflussen kann, benutzte GÜNTHER Herrwis zur Bastardierung der Kröteneier einen bis zur maximalen Grenze bestrahlten Frosch Er er- zielte hierdurch in einer über alles Erwarten vollständigen Weise die im voraus erschlossene Wirkung. Denn bei Verwendung dieses Kunst- griffes entwickelten sich jetzt die mit bestrahltem Froschsamen be- fruchteten Kröteneier gleich den normalen Kontrollen über das kritische Keimblasenstadium weiter und lieferten weit ausgebildete Krötenlarven. Eine Anzahl von ihnen zeigte die für Froscheier von mir beschriebene, durch starke Bestrahlung des Samens hervorgerufene Radiumkrankheit (Bauchwassersucht usw.), ein anderer Teil aber war von normalen Tieren kaum zu unterscheiden und hat sich in wenigen Exemplaren 4—5 Wochen am Leben erhalten lassen, noch besser als es bei Frosch- larven nach maximaler Bestrahlung des Samens hat gelingen wollen. Auch hier liegt es im Zusammenhang mit allen anderen Er- fahrungen klar auf der Hand, daß die durch Bastardbefruchtung ge- wonnenen Larven nicht in Wirklichkeit Bastarde sind, sondern reine Krötenlarven, die sich auf parthenogenetischer Basis ohne Amphimixis mit männlichem Idioplasma entwickelt haben. Wie sich schon jetzt erkennen läßt, handelt es sich in dem Frosch- krötenexperiment nicht um einen vereinzelten Fall, sondern um eine allgemeine, für Bastardierung gültige Erscheinung. Denn man wird in allen Fällen, in denen sich Eier irgendwelcher Tierart durch fremden Samen befruchten lassen und sich regelmäßig teilen, dann aber auf einem frühen Entwicklungsstadium absterben, sie durch Befruchtung mit stark bestrahltem Samen zu parthenogenetischer Weiterentwick- lung über den kritischen Termin hinausbringen können. Schon jetzt kann ich zwei weitere bestätigende Beispiele anführen. Hr. Por, welcher sich mit Kreuzungen der verschiedensten Wirbel- tierarten seit vielen Jahren im Biologischen Institut beschäftigt und seine interessanten Ergebnisse in einer Reihe von »Mischlingsstudien « zum Teil schon veröffentlicht hat, konnte in diesem Frühjahr feststellen, + hänft Ta und Kap 2) Herrwie: g durch nische Eingriffe. 557 daß Eier von Trion taeniatus, wenn sie mit den Samenfäden von Sala- mandra maculata, einer im System schon weit entfernten Art, Rap werden, sich gleichwohl in einem geringen P lassen, normal teilen, dann aber auf dem Stadium der Keimblase oder bei Beginn der Gastrulation absterben. Da somit auch hier nach den ‚ Erfahrungen von Porz die Bedingungen für einen Radiumversuch in der eben mitgeteilten Art gegeben sind, bestrahlte ich zwei Stunden lang den Samen von Salamandra mac. zwischen zwei starken Präparaten von Mesothorium und befruchtete dann eine kleine Anzahl aus den Ovidukten herausgeschnittener Tritoneier. Der Versuch fiel wie bei den tardierten Krötenei aus, mit dem einzigen Unterschied, daß bei diesen alle, hier nur wenige Eier sich teilten und sich über das kri- tische Stadium in normaler Weise weiterentwiekelten. Während bei den an einem großen Eimaterial ausgeführten Bastardierungsversuchen von Porz kein einziges Ei eine gestreckte Larve Aelpkens Fondeen die Entwieklung in dem Teil der Fälle, wo überl t eine B tung erfolgt war, vor der Gastrulation zum Stillstand kam, entstanden, sofern die Eier sich von Anfang an normal zweigeteilt hatten, par- thenogenetische Larven, die ein Alter von mehreren Wochen erreichten. Einige Exemplare von ihnen sind so wohl ausgebildet, daß sie sich anatomisch kaum von den gleichaltrigen Kontrollarven unterscheiden lassen. Nur in ihrer Größe sind sie hinter ihnen etwas zurückgeblieben, wie sie auch in ihren Schwimmbewegungen weniger hurtig sind. Die anderen Larven waren mehr pathologisch, in ähnlicher Weise wie mit rg bestrahltem Samen erhaltene Froschlarven. Sie wurden etwas ‚ das Scl de war mehr oder minder stark gekrümmt oder umgeknickt. Sie blieben nach dem Ausschlüpfen auf dem Boden des Gefäßes liegen und führten, anstatt gerade durch das Wasser zu schießen, wie es normale Tritonlarven tun, kreisförmige, oft zitternde Bewegungen um ihr Kopfende aus. In einem dritten Fall hat Güntuer Herrwıe ein entsprechendes Resultat erhalten. Wie schon durch Pruüser, Borw u.a. seit längerer Zeit ermittelt worden ist, lassen die Eier des Ende Mai laichenden grünen Wasserfrosches sich mit Samen von Rana fusca in einem ge- wissen, etwas schwankenden Prozentsatz befruchten; sie furchen sich zum Teil auch in normaler Weise, sterben dann aber ebenfalls wie die oben beschriebenen, mit Samen von Rana fusca bastardierten Krö- teneier als Keimblasen ab und zerfallen. Auch hier konnte dem Zer- fall der Eier mit Sicherheit vorgebeugt werden dadurch, daß der art- fremde Samen vor der Verwendung zur Befruchtung 2 Stunden lang mit Mesothorium in der Stärke von 50 mg reinen Radiumbromids be- strahlt wurde. In diesem Fall nahm die Entwicklung der nur schein- 558 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. bar bastardierten Eier von Rana viridis über das kritische Stadium hinaus noch wochenlang ihren Fortgang und lieferte Larven, die aus der Gallerte ausschlüpften. Doch waren sie schon vor dem Aus- schlüpfen stark wassersüchtig geworden, blieben unbeweglich auf dem Boden des Gefäßes Sepen; während sie bei Berührung mit der Nadel stärkere Zucl t Die Diff i g aller Organe nahm dabei ihren Fortgang. Einige dieser auf parthenogenetischer Basis entstandenen Kaulquappen haben ein Alter von mehreren Wochen erreicht. Ich behalte mir vor, auf die verschiedenen, eben erwähnten Ra- diumexperimente, die zum Teil noch nicht ganz abgeschlossen sind und auch sonst weiter ergänzt werden sollen, später wieder zurück- zukommen und das Gesamtresultat aus ihnen zu ziehen. Denn zum Hauptgegenstand meiner heutigen Mitteilung. will ich eine Anzahl von Versuchen machen, die zwar durch die vorausgegangenen Arbeiten angeregt worden sind, aber sachlich doch auf einem anderen Gebiete liegen. Von er Eniatehe ausgehend, daß Ei- und Samenzellen schon dureh ing kung von &- und y-Strahlen dauernd ver- ändert werden können, daß diese Veränderungen zwar auf einem unserer direkten Wahrnehmung völlig verschlossenen, ultramikroskopischen Gebiet liegen, aber in ihren Folgen wahrnehmbar gemacht und ana- lysiert werden können, wenn die betreffenden Geschlechtsprodukte zum Ausgangspunkt eines Entwieklungsprozesses gemacht werden, legte ich mir die Frage vor, ob sich nicht auch auf chemischem Wege ent- sprechende Veränderungen in der Konstitution der Geschlechtsprodukte, wie durch Radiumbestrahlung, hervorrufen lassen. Die Beantwortung dieser Frage schien mir von vornherein nach zwei Richtungen von Interesse zu sein: einmal in theoretischer Hin- sicht für die Frage nach der Vererbung erworbener Eigenschaften, zweitens in praktisch medizinischer Hinsicht für die Behandlung und Heilung von Krankheiten auf chemischem Wege. Wie bekannt, spielt die Chemotherapie in der modernen Medizin eine hervorragende Rolle, unterstützt und gefördert durch die zahllosen neuen Verbindungen, welche die chemische Forschung liefert, und durch Interessen der che- mischen Industrie. Wie in keiner früheren Zeit werden dem mensch- lichen Körper heutzutage außer. den gewöhnlichen Nahrungsmitteln die differentesten ch hen Stoffe ei leibt, und zwar nicht nur durch den Magen und Darmkanal, durch welchen eine bestimmte Aus- wahl und Abschwächung in vielen Fällen herbeigeführt wird, sondern auch durch direkte Einführung in die Blut- und Lymphbahn, wodurch ihre Wirkung eine viel unmittelbarere und stärkere wird. Es kann Herrwis: Idioplasmaveränderung durch physikalisch-chemische Eingriffe. 559 von vornherein nicht, in Abrede gestellt werden, daß alle diese Mittel außer den beabsichtigten Heilwirkungen auch noch nichtbeabsichtigte Nebenwirkungen auf viele andere Organe und Gewebe des Körpers ausüben können, von denen wohl manche anfangs für uns latent bleiben und erst nach längerer Zeit zu nachweisbaren Veränderungen führen. Dann aber liegen für gewöhnlich Ursache und Wirkung zeit- lich so weit auseinander, daß der Zusammenhang zwischen beiden uns überhaupt verborgen bleibt, in anderen Fällen vielleicht vermutet, aber nicht mehr wirklich bewiesen werden kann. In dieser Beziehung nehmen die Keimzellen eine Ausnahmestellung ein. Sie können geradezu als Testobjekte für latente Veränderungen infolge experimenteller Eingriffe bezeichnet werden; denn in ihrer Be- nutzung als Ausgangspunkt für einen Entwicklungsprozeß besitzen wir das Mittel, um an den sichtbar werdenden Entwiecklungsstörungen den Beweis für Veränderungen zu führen, die uns sonst verborgen geblieben wären, Die Untersuchungen wurden im März während der Laichperiode von Rana fusca vorgenommen; sie sind die ersten Probeversuche auf einem bisher noch unbebauten Forschungsgebiet. Die Auswahl der zu den Experi ten I tzten Ü ikalien war daher zum Teil auch eine willkürliche und vom Zufall bestimmte. Benutzt wurden drei Anilinfarben, Eosin, Methylenblau, Rubin; ferner Atoxyl und Sublimat, Äthyl- und Methylalkohol. Um die Einwirkung der genannten Stoffe auf die reifen Samen- fäden von Rana Fusca zu studieren, wurden zwei Verfahren eingeschlagen: In einigen Fällen wurden Lösungen von Eosin, von Methylenblau und Atoxyl in bestimmter Konzentration männlichen Fröschen, die 3 Wochen vor Beginn der Laichzeit frisch eingefangen worden waren, zu wieder- holten Malen -in längeren Zwischenräumen in die großen Lymphsäcke unter der Haut eingespritzt. Wie im ganzen Körper, wurde so das chemische Mittel durch Lymph- und Blutwege auch im Hoden ver- teilt. Später wurden durch Zerkleinerung des so vorbereiteten Hodens in 0.3 prozentiger Kochsalzlösung die reifen Samenfäden zur Befruchtung normaler, nicht vorbehandelter Eier eines laichreifen Weibchens be- . nutzt. Beim zweiten, mehr abgekürzten Verfahren, welches für erste Probeversuche empfehlenswert ist, wurden die Hoden eines nicht vor- delten brünstigen Männchens direkt in Lösungen der obenge- nannten Chemikalien, die in verschiedener Konzentration in 0.3 pro- zentiger Kochsalzlösung hergestellt worden waren, zerzupft und während der Dauer von 15, 30 Minuten oder ı bis 24 Stunden in ihnen be- lassen, che sie zur Befruchtung normaler Eier eines frisch gefangenen Weibehens verwandt wurden. 560 Gesammtsitzung von 20. Juni 1912. Unter den obengenannten, verschiedenartigen chemischen Stoffen befand sich nur ein einziger, welcher eine Änderung in der idioplas- heit der S fäden hervorrief. Es ist das Me- hylenblau, das seit J hnten bekanntlich schon eine wichtige Rolle in der Histologie ea da es sich in ee hohen Dosen dem lebenden Tier teils subkutan, teils i inverleil läßt und dabei eine vitale Färbung von Ganglienzellen und erkenisern liefert. Normale und vollständig gesunde Froscheier, die mit Samenfäden nach geeigneter Vorbehandlung mit Methylenblau befruchtet wurden, ent- wiekelten sich in gestörter Weise; sie lieferten je nach dem Grade der Methylenblauwirkung eine Reihe bald mehr, bald minder patho- logisch veränderter Entwieklungsstadien und boten eine weitgehende Übereinstimmung zu den in meinen Untersuchungen über die Radium- krankheit tierischer Keimzellen beschriebenen und durch Bestrahlung der Samenfäden gewonnenen Befunden dar. Drei gesunde Froschmännchen, welehe vor Beginn der Laich- periode am Anfang März eingefangen worden waren, wurden in folgender Weise mit einer o.ı prozentigen Lösung von Methylenblau, weleher 0.3 Prozent Kochsalz zugesetzt war, vorbehandelt. Zwei als Nr. 6 und 7 bezeichnete Männchen erhielten am 6. und am 8. März je 2 eem Methylenblaulösung in die Lymphsäcke am Rücken und an den Oberschenkeln eingespritzt. Ein drittes Exemplar Nr. 8 bekam am 8. März eine Dosis von 3eem und darauf am 12. und 16. je eine Dosis von 2 cem. Nr. 6 und 7 hatten also im ganzen 4 cem der 0.1 prozentigen Methylenblaulösung, dagegen Nr. 8, welches ein größeres Tier war, 7 cem erhalten. Bei allen 3 Fröschen waren während der ganzen Versuchszeit die Haut- deeken und bei Öffnung des Rachens die Zunge und Schleimhaut des Rachens mattblau gefärbt. Als sie später getötet wurden, war die Blaufärbung auch an fast allen inneren Organen verbreitet. B 1 blau gefärbt waren die Blutflüssigkeit, die Nieren, die Mil. Der in der Harnblase in großer Menge angesammelte Harn war bläulich ver- färbt. Leicht gebläut waren die Muskeln, Magen und Darm. Die Hoden sahen zuerst bei der Herausnahme ziemlich weiß aus, wurden aber auch beim Liegen an der Luft und später beim Zerzupfen leicht blau. Von den 3 Fröschen starb Nr. 6, ein ziemlich kleines Tier, am 12. März, 4 Tage nach der letzten Einspritzung. Bei der Zerzupfung des mattblau gefärbten Hodens in einer 0.3prozentigen Kochsalzlösung waren die Samenfäden noch sehr gut beweglich, konnten aber zu einem Befruchtungsversuch nieht benutzt werden, da zu dieser Zeit noch keine laichreifen Froschpärchen eingefangen worden waren. Die erste Lieferung traf erst am folgenden Tage ein. An diesem wurde daher R Ta PR p g durch physikalisch-chemische Eingriffe. 561 Herrwie: auch das vorbehandelte Froschmännchen Nr. 7, das noch recht kräftig war, getötet; seine mit Samen stark gefüllten Hoden wurden in einigen Tropfen 0.3 prozentiger Kochsalzlösung gut zerzupft. Die Samenfäden waren lebhaft beweglich und wurden zur Befruchtung normaler Eier in üblicher Weise benutzt. Ihre Entwicklung verlief durchaus regel- mäßig, mit Ausnahme von ı5 Fällen. In diesen blieb der Urmund längere Zeit über die Norm weit; der Dotterpfropf, der punktförmig hätte sein müssen, war noch als größerer, runder Fleck deutlich zu sehen. Bei ro von ihnen glich sieh später die Störung ganz aus, nur 5 blieben pathologisch und in ihrer Entwicklung hinter den übrigen immer weiter zurück; sie lieferten kleinere und schwächliche Larven, zum Teil mit umgekrümmtem Schwanzende; nach dem Ausschlüpfen aus der Gallerthülle blieben sie meist auf dem Boden des Gefäßes liegen und machten bei Berührung schwache, zittrige Bewegungen. Alle übrigen Larven, die bis zum Ende der zweiten Woche gezüchtet wurden, waren von den gleichaltrigen Kontrolltieren nicht zu unter- scheiden. Bei der geringen Anzahl der veränderten Larven läßt sich daher aus diesem ersten Versuch auf eine Veränderung der idioplasma- tischen Beschaffenheit der S fäden infolge der Vorbehandlung des lebenden Männch mit Methylenblau noch kein Schluß ziehen. Einen klaren, unzweideutigen Befund lieferte dagegen das Frosch- männchen Nr. 8, das im Laufe von 8 Tagen 3mal (am 8., ı2. und 16. März) mit Methylenblau vorbehandelt worden war und im ganzen 7 ecm einer o.ı prozentigen Lösung erhalten hatte. Durch den Eingriff war es krank geworden und machte nur matte Bewegungen; das rechte hintere Bein war halb gelähmt und gewöhnlich an den Körper dicht angezogen. Am 20. März wurde der Frosch getötet und die beiden Hoden, deren Samenfäden volle lebhafte Beweglichkeit zeigten, zu 3 verschiedenen Versuchen verwendet. Der eine Hoden wurde nach seiner Abtrennung vom Tier sofort in wenigen Tropfen einer 0.3 prozentigen Kochsalzlösung zerschnitten und in feine Stückchen zerkleinert. Der Brei zeigte eine geringe, grünbläuliche Verfärbung, ein Anzeichen, daß ihm Spuren von Methylen- blau beigemischt waren. Die so gewonnene Samenmilch wurde, nach- dem sie mit o. 3 prozentiger Kochsalzlösung in geeigneter Weise wieder verdünnt worden war, zur Befruchtung eines größeren Eiquantums eines frisch eingefangenen, laichreifen Weibchens verwandt. Alle Eier wurden befruchtet und teilten sich normal nach derselben Zeit, wie im Kontrollversuch die Eier desselben Weibchens, die mit dem reifen Samen eines anderen Froschmännchens, das nicht mit Metlıylenblau vorbehandelt worden war, befruchtet wurden. Auch bis zum Keim- blasenstadium war keine auffällige Abweichung von der Norm zu 562 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. beobachten. Aber mit Beginn der Gastrulation änderte sich das Bild bald vollständig. Während am 22. März, also 48 Stunden nach der Befruchtung, bei den Kontrolleiern der Urmund schon zu einem engen Loch geschlossen und der Dotterpfropf nur als ein kleiner heller Punkt zu sehen war, waren die mit Methylenblausamen befruchteten Froscheier in einigen Fällen noch so weit in der Entwicklung zurück, daß sie immer noch auf dem Keimblasenstadium standen; die weiter entwickelten Eier aber, und zwar diesmal alle ohne Ausnahme, zeigten einen Riesendotter- pfropf in ähnlicher Weise, wie er bei den höchsten Graden der Radiumschädigung von mir beobachtet und beschrieben worden ist. Das ganze, über ein Drittel der Oberfläche Seisiellende helle Dotter- feld der Keimblase ist in einen Dotterpfrop delt, welcher sich durch eine tiefe Furche, die Ummendrinme, gegen die pigmentierte animale Hälfte ringsum abgegrenzt hat. Hiermit war, nach allen früheren Erfahrungen, der weitere pathologische Verlauf der Ent- wicklung schon klar vorgezeichnet. Nach 24 Stunden war denn auch der Kontrast gegen die gleichalterigen Kontrolleier noch auffälliger ge- worden. Diese hatten gestreckte Embryonen geliefert mit geschlossenem Nervenrohr und deutlich abgegliedertem Kopf- und Schwanzhöcker. Im Methylenblauversuch dagegen war keine einzige normale Larve mit ausgebildetem Kopf- und Schwanzhöcker aufzufinden. Alle Eier be- saßen noch den großen SEN DBODt.. der entweder die Mitte des Rückens einnahm oder mehr sc} hoben war. In letzterem Fall hatte sich eine von Madullarvrülakan umgebene Hirnplatte aus dem animalen Bezirk der Eioberfläcl ickelt und so eine Miß- bildung geliefert, die auch aus andern Ursachen entsteht und von Roux als Hemitherium anterius getauft worden ist. Im anderen Fall war die als Spina bifida benannte Mißbildung des Froscheies, die ieh kchon füher dureh. andere Eingriffe, z. B. auch durch Radium- 10 g habe, entstanden oder noch in Ausbildung begriffen. Wegen der hochgradigen und sehr gleichmäßig eingetretenen pathologischen Entwieklung der Eier, die zwar noch lebend waren, aber doch den Eindruck erweckten, daß sie bald ihrem Zerfall ent- gegengingen, wurde am Ende. des dritten Tages (2 3. März) nach Vor- nahme der Befruchtung der Versuch beendet und das Eimaterial für genauere Untersuchung in eine Chromsublimatmischung eingelegt. Der zweite Hoden vom Froschmännchen 8, welches ein so klares, durehschlagendes Ergebnis geliefert hatte, wurde zu zwei weiteren Versuchen verwandt, unmittelbar nachdem die vorbereitenden Ope- rationen des ersten Experiments abgeschlossen waren und die be- Herrwis: Idiopl änderung durch physikalisch-chemische Eingriffe. 563 fruchteten Eier sich selbst überlassen werden konnten. Er wurde nämlich in einigen Tropfen eines Gemisches, das aus 3 Teilen einer 0.3 prozentigen Kochsalz- und ı Teil einer 0.1 prozentigen Methylen- blaulösung hergestellt worden war, zu einem feinen Brei zerkleinert. Es wurde 1 ichtigt, die Methylenblauwirkung, welche (die Samenelemente schon im Hoden des 8 Tage lang vorbehandelten Tieres erfahren hatten, durch direktes Verweilen in einer sehr dünnen Methylenblaulösung, hier also von einer 0.025 prozentigen Konzen- tration, noch weiter zu verstärken. Ein Teil des Hodenbreies wurde darauf nach 30 Minuten, ein anderer Teil nach 34 Stunden, nachdem er in entsprechender Weise mit 0.3 prözentiger Kochsalzlösung stark verdünnt worden war, zur Be- fruchtung einer zweiten und einer dritten Portion von Eiern desselben Weibehens benutzt, das schon zum ersten Versuch gedient hatte. Nach 30 Minuten waren die Samenfäden, als sie zur Befruchtung verwandt wurden, unter dem Mikroskop noch lebhaft beweglich, nach 34 Stunden aber war ein Teil unbeweglich geworden und unter Ösenbildung abgestorben. In beiden Fällen aber wurden die Eier, mit sehr wenigen Ausnahmen, befruchtet und teilten sich in normaler Weise. Am anderen Tage waren sie in Keimblasen umgewandelt. Mit Beginn der Gastrulation aber gestaltete sich ihre Entwieklung vom zweiten Tage an wieder zu einer pathologischen, doch blieb die Störung im Vergleich zum ersten Versuch eine weniger intensive und bot viel mannigfaltigere Befunde dar. Nur bei einem kleinen Teil der Eier führte die Gastru- lation zur Bildung eines Riesendotterpfropfs; bei der Mehrzalil war sie mit Vergleich zu den Kontrollen nur stark verzögert; auch blieb der Dotterpfropf relativ groß und war am 3. und 4. Tage nach der Befruchtung, also zu einer Zeit noch zu schen, wo er bei normaler Entwieklung schon lange Zeit in das Innere des Darms ganz auf- genommen ist. Die Folge davon war das Entstehen von vielen Larven mit Spina bifida und gestörter Bildung des Schwanzes, zuweilen mit Verdoppel g dessell Im ganzen aber verlief die Entwicklung um vieles besser; denn es entstanden Larven mit geschlossenem Nerven- rohr, mit Kopf und Schwanzhöcker, die am 5. Tage aus der Gallerte ausschlüpften. Von den Kontrollen waren sie aber in vielen Ver- hältnissen leicht zu unterscheiden. Denn am 6. Tage waren sie ii etwa zwei Drittel so groß wie die Kontrolltiere, und während diese starke Kiemenbüschel, hatten sie nur kurze Höcker entwickelt. Ein Teil von ihnen konnte bis 2 Wochen nach Vornahme der Befruchtung am Leben erhalten werden; während aber die Kontrolltiere entsprechend der zunehmenden Entwicklung ihrer Muskelfasern immer lebhafter im Wasser herumschwammen, blieben die Larven des Methylenblau- 564 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. versuchs unbeweglich auf dem Boden des Gefäßes liegen; nur selten führten sie zuekende, spontane Bewegungen aus, konnten aber bei Be- rührung mit der Nadel zu Zuckungen veranlaßt werden. Die am besten ausgebildeten Exemplare Fear auch bei Reizung, sich im Wasser eine Strecke weit schwi fortzubewegen, fielen aber bald wieder auf den Boden nieder, auf dem sie dann träge liegen blieben. Bei allen diesen Larven begann sich schon vom 6. Tage an eine Bauchwassersucht, bald mehr bald weniger, auszubilden, um allmählich einen so hohen Grad zu erreichen, daß sie wie ein Ballon aufgetrieben waren. Derartige Larven gleichen dann auf ein Haar den Radiumlarven, die bei sehr langer und intensiver Betrahlung der Samenfäden erhalten werden. Um die Ergebnisse der Methylenblauwirkung noch mehr über jeden Zweifel festzustellen, wurden zwei weitere Versuche, der eine am 23., der andere am 27. März ausgeführt. Da jetzt keine Männchen mehr vorhanden erg die in der früher beschriebenen Weise mit Me- hyl t worden waren, wurden nur die dem gesunden Tier entnommenen Hoden in der, schon früher ausprobierten Methylen- blaukochsAlzlösung (3 Teile 0.3 prozentige Kochsalzlösung vermischt mit ı Teil einer 0.1 prozentigen Methylenblaulösung) zerschnitten und zum Brei verkleinert. Nachdem die Samenfäden in diesem Gemisch entweder 20 oder 40 Minuten, ı$ oder 24 Stunden der Wirkung der 0.025 pro- zentigen Methylenblaulösung ausgesetzt gewesen waren, wurde ein Teil des Breies mit der Pipette rege mit 0.3 PFORUGME Kochsalz- lösung stark verdünnt und zur B von E benutzt. Der Erfolg war wieder der gleiche, wie ‚er schon früher beschrieben wurde. Wenn Samenfäden sich auch nur kurze Zeit unter der Ein- wirkung einer 0.025 prozentigen Methylenblaulösung befunden haben, so schlagen die durch sie befruchteten Eier, die nach dem Ergebnis der Kontrollversuche vollkommen gesund sind, eine stark gestörte Ent- wieklung ein und liefern pathologische Embryonen und Larven, die einige Tage nach der Befruchtung, aber spätestens 2—3 Wochen nach ihr, absterben. Der ganze Entwicklungsverlauf, der je nach dem Grad und der Dauer der Methylenblaueinwirkung auf die Samenfäden ein sehr mannigfaltiges Bild liefert, erinnert in frappanter Weise an die Befunde, welche ich in meinen Studien zur Radiumkrankheit tierischer Keimzellen beschrieben habe. So läßt sich denn nach meiner Ansicht dieselbe Schädigung der Entwicklung wie durch Bestrahlung der Sa- menfäden auch auf chemischem Wege hervorrufen. Ein Parallelergebnis zu den Radiumversuchen glaube ich auch ' sehon jetzt durch diesen Vorversuch insofern konstatieren zu können, als mir die erhaltenen Befunde darauf hinzudeuten scheinen, daß ein Herrwis: Idiopl änd g durch physikalisch-chemische Eingriffe. 565 geringerer Grad der chemischen Schädigung der S fäden die durch sie befruchteten Eizellen in ihrer Entwicklung mehr stört als ein stär- kerer Grad. Daher muß es auch hier bei weiterer sorgfältiger Durch- arbeitung des Verfahrens gelingen, die Ergebnisse einer größeren Zahl variierter und richtig ausgeführter Versuche unter dem Bild einer Kurve darzustellen. Die Erklärung glaube ich in derselben Richtung wie in meinen Radiumexperimenten suchen zu müssen. Das chemisch stärker geschädigte Samenchromatin hat einen weniger störenden Ein- fluß auf die Eientwieklung von dem Moment an, wo es infolge des intensi hemischen Eingriffs seine Vermehrungsfähigkeit mehr verloren hat und dadurch während des Teilungsprozesses des Eies frühzeitig aus der Entwieklung teilweise oder ganz ausgeschaltet wird. Wie dies am Seeigelei geschieht, hat Günrser Herrwise an Schnitt- a ee rn f in Ifreier Weise mikroskopisch nachgewiesen. Bei aller Übereinstimmung möchte ich aber auch auf einen Unterschied zwischen den Radium- und Methylenbl i hinweisen. Bei jenen bieten die sich entwickelnden Eier ein viel gleichartigeres Bild der Störung dar als bei diesen, wenn ich den einen Versuch ausnehme, wo die Samenfäden schon im Hoden durch die Vor- behandlung des Froschmännc} mit Methylenblau eine Veränderung ihrer Konstitution erfahren haben. Die Erklärung hierfür liegt aber nicht fern. Die 8- und y-Strahlen dringen viel gleichmäßiger durch alle Teile des in einen Brei verkleinerten Hodens ein, als es eine chemische Lösung vermag. Bei dieser werden Samenfäden, die noch in einem Bündel zusammenliegen oder gar in einem Stückchen des Tubulus contortus eingeschlossen sind, viel weniger mit dem Methylenblau in Berührung kommen als ein isoliert in ihr } hwii der S fad Aus diesem Grunde scheinen mir Ungleichmäßigkeiten in der Wirkung bei Benutzung des Hodenbreies kaum auszu- schließen zu sein. Viel gleichmäßiger müßten die Resultate bei Benutzung reifer Samenflüssigkeit aus den Sammelblasen ausfallen, da dann alle Spermatozoen ‚sich mehr unter gleichen Bedingungen befinden oder bei Vorbehandlung des lebenden Tieres mit Methylenblau, wo es in dünnerer Lösung viele Tage wirkt und den ganzen Hoden mit dem G } vi leichmäßi durchdringt. In der Tat scheint dies ja auch der Fall zu sein, soweit sich ein solcher Schluß aus einem einzigen Experiment ziehen läßt. Zur genaueren Dureharbeitung der Methylenblauversuche hatte ich die Absicht, die Ende Mai stattfindende Laichzeit vom grünen Wasser- frosch zu benutzen. Da es aber in Berlin mit vielen Schwierigkeiten verknüpft ist, frisch eingefangene, laichreife Pärchen dieser Froschart trotz ihrer weiten Verbreitung zu erhalten, und da auch ds Lehr- tätigkeit zu Semesterbeginn für derartige Versuche wenig freie Zeit übrig läßt, konnte ich nur ein paar Experimente ausführen, die eine volle Bestätigung der für Rana fusca erhaltenen Befunde geliefert haben und später bei mikroskopischer Dureharbeitung des konservierten Materials mit besprochen werden sollen. Dagegen konnte eine um- fangreichere Versuchsreihe, die mit verschieden starken Methylenblau- lösungen von 0.05 Prozent, 0.01 Prozent und 0.005 Prozent Bugehr: wurde und zur Demonstration der Kurvenbildung die g g 566 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. Ergebnisse liefern sollte, zu diesem Zweek nieht benutzt worden, weil das Eimaterial, wie der Kontrollversuch lehrte, sich schon im Zustand der Überreife befand. Wahrscheinlich war das Weibehen, ehe es in meine Hikide kam, schon einige Tage gefangen und am normalen t worden, was ja bekanntlich auch eine Ur- snähie: für Patkinldgische Entwicklung der Eier bei Ausführung der künstlichen Befruchtung ist. Normales Material zu erhalten, wollte aber nieht mehr gelingen, da mit dem Eintritt sehr warmer Witte- rung das Laichgeschäft rasch beendet wurde. Bei den während der Laichzeit von Rana fusca in diesem Früh- jahr ausgeführten Experimenten hat sich Methylenblau als das ein- zige chemische Agens erwiesen, durch welches sich eine Veränderung in der Konstitution der Samenfäden hervorrufen ließ. Wenn wir uns der von Enkrien eingeführten Ausdrucksweise bedienen wollen, so würde der Samenfaden eine besondere Avidität oder einen besonderen Chemorezeptor für Methylenblau besitzen. Unter Chemorezeptor ver- steht Eurtich eine in der Zelle vorhandene, chemische Gr dureh welche sie andere mit ihr in Berührung kommende Stoffe bindet oder verankert. Nach dieser Hypothese müßte es daher an beson- deren Chemorezeptoren für die benutzten Chemikalien in meinen an- deren Versuchen gefehlt haben. Von Anilinfarben wurden Eosin und Rubin kinheirmernin Mit einer ı prozentigen Eosinlösung wurden 2 vor der Laichperiod f: Froschmännchen vorbehandelt. In Zwischenräumen von 2 bi 4 Tagen wurden ihnen dreimal 2 Kubikzentimeter der obengenannten Lösung in die subkut Lymphsäcke eingespritzt. Die Blutflüssigkeit und alle Organe waren tief eosinrot gefärbt. Das eine Männchen wurde am 13., das andere am ı7. März getötet. Ihre Harmblasen waren mit großen Mengen eosinroten Harns gefüllt. Der rot gefärbte Hoden wurde in beiden Versuchen in einigen Tropfen einer o.2prozentigen Koehsalzlösung zerzupft, die bald ziemlich rot gefärbt war, und zur Befruchtung gesunder Eier benutzt. Alle Eier teilten sich normal und lieferten normale Kaulquappen, die sieh von den Kontrolltieren in nichts unterschieden und 2 Wochen lang bis zur Vollendung des Versuchs gezüchtet wurden. Das Ergebnis dieser beiden Versuche läßt sich somit kurz dahin zusammenfassen, daß Vorbehandlung der Männchen mit ı Prozent Eosinlösung während 7 bzw. ıı Tagen die Beschaffenheit der Samenfäden nicht verändert hat. Der Versuch mit Eosin wurde noch, wie es ja auch mit Methylen- blau geschehen war, in der Weise ausgedehnt, daß ein Hoden des ıı Tage lang vorbehandelten Männchens in einem Gemisch von 0.3 Prozent Kochsalz- und ı Prozent Eosinlösung zu gleichen Teilen fein Herrwıs: Idiopl änd g durch physikalisch-chemische Eingriffe. 567 zerzupft wurde. Auch in der tief eosinroten Lösung blieben die Samen- fäden gut beweglich, während sich die Gewebszellen mit ihren Kernen rosenrot färbten. Sogar nach 24stündigem Verweilen in derselben zeigte ein großer Teil von ihnen noch ganz gute Bewegung, während andere abgestorben und in die bekannte Ösenbildung übergegangen waren. Samen, der nach 2% und in einem zweiten Versuch nach 63 Stunden aus der Eosinlö und mit 0.3 Kochsalz- lösung stark verdünnt zur Befruchtung benutzt wurde, erwies sich noch als voll wirksam. Die mit ihm. befruchteten Eier teilten sich und entwickelten sich in völlig normaler Weise wie die Kontrolltiere. Sogar Samenfäden, die 24 Stunden in der 0.5 prozentigen Eosinlösung verweilt hatten, ließen sich noch zur Befruchtung benutzen. Doch wurde jetzt nur ein geringer Teil der Eier befruchtet, da sie in- folge Schwächung ihrer Geißelbewegung durch die dicke Gallerthülle nicht mehr durchdringen konnten. Aber auch jetzt entwiekelten sich die wenigen Eier, die befruchtet wurden, noch in normaler Weise zu kleinen, lebhaft herumschwimmenden Kaulquappen, die 9 Tage nach der Befruchtung konserviert wurden. Zwischen Eosin- und Methylenblau hat sich somit in ihrer Einwirkung auf die Samen- fäden ein großer Gegensatz ergeben, obwohl das Eosin in ıomal stärkerer Lösung als das Methylenblau zu den Versuchen verwandt wurde. Die dritte zu Versuchen benutzte Anilinfarbe, das Fuchsin, ist nur wenig in Wasser löslich. Es wurde eine bei 15° R gesättigte wässerige Lösung hergestellt und teils in dieser Konzentration benutzt, teils auf $ teils auf 4 mit o.3prozentiger Kochsalzlösung verdünnt. Subkutane Einspritzungen wurden mit diesem Mittel nicht ausgeführt, sondern die Hoden wurden in den Lösungen A, B und © direkt zum Brei zerkleinert. Hierbei zeigte sich, daß Fuchsin auf die Geißel- bewegung viel mehr als Methylenblau und namentlich Eosin lähmend einwirkt. Schon nach 14 Stunde war die Beweglichkeit der Samen- fäden bei Untersuchung mit stärkerer Vergrößerung herabgesetzt. Nach 6 Stunden waren in der Stammlösung A alle Spermatozoen starr ge- worden, ohne Ösen gebildet zu haben, wie es auch nach intensiver Radiumbestrahlung der Fall ist; von lebenden Objekten unterschieden sie sich nur durch den Mangel der Beweglichkeit. Nur in der auf 4 verdünnten Lösung © führten noch wenige Fäden schwache Geißel- bewegungen aus. Nach 1, ı+ und 14 Stunden wurden mit dem Samen- brei aus asien “ B a © Befruehtungen vorgenommen. Wegen der g ichkeit der Sp t wurden die Eier nur zum kleinen Teil befnushten; diese aber ergaben einen durchaus normalen Verlauf‘ ihrer Entwicklung und lieferten normale, gut be- 568 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. wegliche Kaulquappen. Wenn daher Fuchsin auf die protoplasmatische Substanz der Samenfäden auch lähmend einwirkt, hat es auf ihr Idio- plasma keinen verändernden Einfluß in der Zeit des Experiments aus- geübt und die Entwicklung der mit ihnen befruchteten Eier auch nicht im geringsten gestört. In entsprechender Weise wie mit Farbstoffen wurden auch Ver- suche mit einigen anderen chemischen Substanzen, mit Arsenver- bindungen, mit Sublimat, mit Äthyl- und Methylalkohol, ausgeführt. Von Arsenikalien wurde Atoxyl gewählt, da es in der Therapie der Gegenwart vielfach angewandt und zur Abtötung von Trypano- somen namentlich bei der Schlafkrankheit in größeren subkutanen Dosen empfohlen worden ist. Vor Beginn der Laichperiode wurden 2 Froschmännchen mit 4prozentiger Lösung von Atoxyl vorbehandelt. An 3 verschiedenen Tagen wurden ihnen 2 bzw. 3 ccm des Mittels subkutan einverleibt. Nach Zerzupfen der Hoden in o.3prozentiger Kochsalzlösung zeigten die Samenfäden unveränderte Beweglichkeit. Die mit ihnen befruchteten Eier furchten sich normal. Auch die Gastrulation und weitere Ent- wicklung ließ die Störungen vermissen, welche bei Radium- und Methylenblaubehandlung in so auffälliger Weise beobachtet werden. Bei beiden Atoxylversuchen entstanden hurtig herumschwimmende Kaulquappen mit langen Kiemenbüscheln, die beim Vergleich mit den Kontrolltieren keine Unterschiede erkennen ließen. Nur einige wenige Tiere waren in der Entwicklung zurückgeblieben; im zweiten Ver-' such fanden sich unter ihnen auch 9 etwas krüppelhafte Formen. Doch erscheint es mir im Hinblick auf das Gesamtergebnis mehr als zweifelhaft, ob diese mit der Atoxylvorbehandlung in irgendeinem Zusammenhang stehen. Es wurde daher auch noch untersucht, ob die direkte Behandlung der Samenfäden mit Atoxyl einen Einfluß ausübt. Benutzt wurde eine Iprozentige, mit o.3prozentigem Kochsalz hergestellte Lösung, in welcher der Froschhoden zu einem feinen Brei zerzupft wurde. Wider Erwarten konnte ich feststellen, daß in ihr die Samenfäden außerordentlich gut und längere Zeit als selbst in der 0.3 prozentigen Kochsalzlösung beweglich blieben. Nach 24 und selbst nach 30 Stunden befruchteten sie in 2 Versuchen alle Eier eines frisch getöteten Weib- chens. Ohne Frage wird von der At yllösung die Geißel gung der Spermatozoen zu lebhafterer Tätigkeit angeregt, wie dies schon früher von einigen anderen Mitteln (z. B. sehr stark verdünnten Alkalien) beobachtet worden ist. Eine Veränderung in der Konstitution des Idioplasmas scheint auch bei direkter Einwirkung des 1[ ti Atoxyls, selbst bei 30stündiger Dauer, nicht einzutreten. Denn bei Herrwıs: Idiopl änd & durch physikalisch-chemische Eingriffe. 569 r 4 Versuchen, in denen die zur Befruchtung von Eiportionen benutzten Samenfäden nach 2, nach 6, nach 24 und nach 30 Stunden dem in der oben angegebenen Weise hergestellten Hodenbrei entnommen wurden, trat normale Zweiteilung, normale Gastrulation und anschließende Embryobildung wie bei dem Kontrollversuch ein. Aus allen 4 Ver- suchen wurden lebhaft herumschwimmende, gesunde Kaulquappen ge- züchtet, die zwei Wochen lang lebend erhalten wurden. Auch hier traten einige krüppelhafte Larven auf, die im Wachstum zurückge- blieben waren und sonst auch einige Schäden, z. B. Fehlen des Auges auf einer Seite, erkennen ließen, daher auch für spätere genauere Untersuchung konserviert wurden. Doch muß ich es in diesen Fällen ebenfalls dahingestellt sein lassen, ob die Verkümmerung einiger Larven mit der Atoxylbehandlung in Zusammenhang steht, da sie unter den übrigen zahlreichen normalen Tieren immerhin nur als Ausnahmen er- scheinen. Sublimat ist für die lebende Zelle ein sehr starkes Gift. Schon dadurch, daß es bei stärkeren Konzentrationen die Proteinstoffe zur Gerinnung bringt, wirkt es auf Lebewesen sofort abtötend ein. Ich erwartete daher von vornherein, daß mit sehr stark verdünnten Lösungen sich ähnliche Wirkungen wie mit Methylenblau würden gewinnen lassen. Die Annahme erwies sich indessen als eine irrige. Denn entweder wurde in stärkeren Lösungen die Geißelbewegung der Samenfäden zum Stillstand gebracht oder so abgeschwächt, daß ein Durchdring durch die Gallerthüllen und eine Befruchtung schon dadurch unmög- lieh geworden war, oder die Samenfäden blieben bei sehr starker Verdünnung des Mittels beweglich und befruchteten die Eier. In diesem Fall war aber auch die weitere Entwicklung derselben eine normale. Zum Beweis mögen folgende kurze Angaben über einige Versuchsergebnisse dienen. In einer 0.2prozentigen Sublimatlösung werden Samenfäden, die in einem Tropfen derselben auf den Objekt- träger gebracht und bei stärkerer Vergrößerung untersucht werden, sofort starr, Ösenbildung tritt nicht ein. Wenn die Lösung um das !Ofache mit 0.3 prozentiger Kochsalzlösung, also auf 0.02 Prozent verdünnt wird, bleiben die Samenfäden im Deckglaspräparat längere Zeit beweglich, werden aber nach einiger Zeit ebenfalls starr, ohne Ösenbildung. Erst in einer 0.01 prozentigen, mit 0.3 Prozent Koch- salz hergestellten Sublimatlösung bewegen sich die Samenfäden Gaga viertel Stunden und mehr lebhaft durch das Gesichtsfeld des Mikro- skops und bleiben zur Befruchtung geeignet. Es wurden daher erg bei dieser Konzentration 2 Versuche ausgeführt. Bm m _ zunächst in einer o. 3 prozentigen Kochsalzlösung zu einem Brei zer- kleinert. Nach Entfernung der Hodenstückchen wurde der Brei von Sl Sitzungsberichte 1912. 570 Gesammtsitzung vom 20, Juni 1912. Samenfäden mit gleich viel 0.02prozentiger Sublimatlösung versetzt, welche dadurch etwa auf die Hälfte verdünnt wurde. Von diesem Gemisch wurde die eine Hälfte nach 50 Minuten, die andere nach ı$ Stunden zur Befruchtung von 2 Eiportionen benutzt. In beiden Fällen wurden fast alle Eier befruchtet; es erfolgte regelmäßige Zwei- teilung, auch die Gastrulation nahm wie in den Kontrollen ihren normalen Verlauf und führte zur Bildung eines kleinen, runden Dotter- pfropfs. Es entstanden. normale Larven, die zur reehten Zeit aus- sehlüpften und weiterhin zu lebhaft im Wasser herumschwimmenden Kaulquappen wurden. Durch Sublimat war also auf dem eingeschlagenen Weg eine chemische Beeinflussung und Veränd g im Idiop be ig wie durch Atoxyl zu erreichen. Es fehlte aueh hier an den erforder- lichen Angriffspunkten, an Chemorezeptoren. Zum letzten Versuch dienten 2 Alkohole, der gewöhnliche Äthyl- und der im letzten Jahre so viel besprochene Methylalkohol. Beide zeigten in ihrem Verhalten gegen Froschsamenfäden keine Unterschiede, so daß die mit ihnen angestellten Parallelversuche wegen ihres gleich- artigen Ausfalls gemei besprochen werden können. Auch hier bereitete mir die Widerstandsfähigkeit der Samenfäden gegen Lösungen von relaliv hoher Konzentration eine Überraschung. Denn eine mit Zu- satz von 0.3 Prozent Kochsalz hergestellte 5 prozentige Lösung zeigte keinen schädlichen Einfluß, als in ihr der Hoden zu einem Brei zer- kleinert und vermischt wurde. Bei mikroskopischer Untersuehung in einem Tropfen 5 prozentiger Äthyl- oder Methyllösung gewann ich sogar den Eindruck, als ob der Geißelschl g der Sp t kräf- tiger erfolgte als in der 0.3 prozentigen Koehsalzlösung, die ieh immer als- indifferente, unschädliche Zusatzflüssigkeit in allen Versuchen ver- wandt habe. Selbst stundenl ge Einwi g wird gut vertragen. Wie nach 3, war sogar nach 8 Stunden eine aus der Mischung ent- nommene Probe des Samens bei mikroskopischer Betrachtung lebhaft beweglich. Mit Samenfäden, die in einer der 5 prozentigen Alkoholgemische 20 Minuten, ferner 1, 2 oder 3 Stunden verweilt hatten, wurden ver- sehiedene Portionen von Eiern mit gutem Erfolg befruchtet. In allen Versuchen nahm die Entwicklung einen vollständig regelmäßigen Ver- lauf und war von dem Kontrollversuch nicht zu unterscheiden. Alle Larven sehlüpften aus den Gallerthüllen aus und schwammen nach einigen Tagen lebhaft im Wasser herum. Mit Ausnahme von 3 Ex- emplaren in den 8 Versuchen waren alle Tiere normal gebildet; sie wurden bis zur Beendigung des Versuchs 10 Tage lang am Leben erhalten. 1 1 Herrwie: Idiopl änd & durch physikalisch-chemische Eingriffe. 571 + PR TER Unter den von mir geprüften chemischen hat sich daher bis jetzt das Methylenblau als das einzige Mittel erwiesen, dureh welches sich auf das Idioplasma der Samenfäden ähnliche Wirkungen wie dureh kürzere und längere Bestrahlungen mit Radiumbromid und Mesothorium hervorrufen ließen. Gewiß werden sich dem Methylen- blau noch viele andere Substanzen bei weiterer Ausdehnung der Versuche anschließen lassen. So eröffnet sich hier ein weites Gebiet für neue Versuche in verschied Richtung Nicht nur handelt es sich um Ermittlung anderer wie Methylenblau wirkender Sub- stanzen, sondern auch um einige weitere Fragen. Es wäre zum Beispiel zu prüfen, ob bei Bastardierung der Eier von Bufo vulgaris und Rana esculenta mit Samen von Rana fusca, der ı und mehr Stunden mit 0.025 prozentiger Methylenblaulösung behandelt worden ist, nicht ebensogut parthenogenetische Weiterentwieklung zu erzielen wäre, wie dureh starke Radiumbestrahlung der Samenfäden in der am Beginn meines Vortrags besprochenen Weise. 572 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. — Mitth. vom 7. Dee. 1911. Das Problem des Stils in der bildenden Kunst‘. Von H. Wöurruın. (Vorgetragen am 7. Dezember 1911 [s. Jahrg. 1911 S. 1111].) I. Die doppelte Wurzel des Stils. Man pflegt einen Stil in erster Linie auf Ausdruck hin zu deuten. In den Formsystemen, die wir Stile nennen, charakterisieren sich für uns Völker und Zeiten. Die französische Gotik ist aus einer bestimmten Zeitstimmung hervor- gegangen, und der Stil der italienischen Renaissance entspricht einer gewissen, klar zu erkennenden Lebensauffassung des italienischen Volkes. Und ebenso hat das einzelne starke Künstlerindividuum seinen Stil, in dem sein persönliches Wesen zur Erscheinung kommt. Feinfühlige Kunsthistoriker haben manches geleistet, diesen Zusammenhang zwischen Stil und Charakter einleuchtend zu machen. Indessen ist das Problem damit nicht gefaßt. Man kann wohl die Linienführung Raffaels bis zu einem gewissen Grad aus seinem Wesen erklären und auch zeigen, wie sie bei Dürer anders ist und anders sein mußte, allein damit ist die Frage noch nicht gelöst, wieso es kam, daß beide gerade die _ Linie als wesentliches Ausdrucksmittel benutzten und daß hundert Jahre später die abendländischen Künstler, gleichgültig, was sie vor- zubringen hatten, sich einer anderen Sprache, der malerischen, bedienten. Es macht nachdenklich, wenn zwei Künstler, die nach Temperament und Rasse so weit auseinanderliegen, wie Bernini und Terborg, sich doch als verwandt erweisen, sobald man, vom »Stofflichen« des Stils absehend, nur die Faktur ins Auge faßt, die Art, wie das Gesehene auf eine Form gebracht ist. Zwei Zeichnungen der beiden, nur mit sich verglichen, mögen sehr disparat aussehen, legt man sie aber neben Zeichnungen des 16. Jahrhunderts, so wird das Verwandtschaft- liche stärker sprechen als das Trennende, und auf der Folie des Jahr- hundertkontrastes würden umgekehrt auch so große Gegensätze wie Michelangelo und Holbein als Einheit erscheinen. ! Der Aufsatz gibt ungefähr den Inhalt eines Vortrages, der am 7. Dezember ıg11 vor der Gesamtakademie gehalten wurde. Die ausführliche Behandlung des Themas ist einer besonderen Publikation vorbehalten. : : WörrrLın: Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. 573 Man stößt hier also auf eine untere Schicht von Formbegriffen, die aufzudecken die elementarste Aufgabe der Kunstgeschichte sein müßte. Es sind Begriffe, die mit »Temp t«, »Gesi g« u. dgl. direkt nichts zu tun haben, sondern sich nur auf einen bestimmten Darstellungsmodus beziehen. Es können ganz verschiedene Inhalte in diesem gemeinsamen Modus zur Erscheinung kommen: nur die darstellerischen Möglichkeiten einer Zeit sollen damit umschrieben sein. An sich farblos, gewinnt er Farbe, Gefühlston erst, indem ein b Ausdruckswille ihn in seinen Dienst nimmt. Aller Ausdruck ist an bestimmte optische Möglichkeiten gebunden, die in jedem Zeitalter andere sind. Der gleiche Inhalt könnte zu verschiedenen Zeiten nicht in gleicher Weise ausgedrückt werden, nicht weil die Gefühlstemperatur sich geändert hat, sondern weil die Augen sich geändert haben. Die Architektur der italienischen Renaissance ist gewiß die Ver- körperung eines bestimmten Humanitätsideals, aber um das Phänomen ganz zu verstehen, muß man erst die optische Zone kennen, inner- halb der es sich verkörpert hat, und alle »Fortschritte der Natur- beobachtung« genügen nicht, den Stil der Malerei des 17. Jahrhunderts zu erklären: was hier im Imitativen an neuen Inhalten gewonnen wurde, ist in der Schale einer bestimmten Darstellungsform aufgefangen worden, die ihre eignen Prämissen hat. Wir erkennen also in jedem Stil eine doppelte Wurzel. Auf der einen Seite der Strom des Stofflichen, wozu die besondere Schön- heitsempfindung ebenso gehört wie etwa — für die darstellende Kunst — der besondere Grad von Naturalismus, auf der anderen Seite die allgemeine optische Form, in der das Stoffliche sich für die An- schauung gestaltet. Diese Form hat ihre eigene Geschichte. Gewisser- maßen unterirdisch vollzieht sich eine Abwicklung der künstlerisch Seh- und Darstellungsweise, die in der abendländischen Kunst sich periodisch gleichlautend zu wiederholen scheint. ; Was hier versucht werden soll, ist, den Darstellungstypus einer- seits der Klassik des 16. Jahrhundert derseits der Klassik ‚des 17. Jahrhunderts auf allgemeinste Begriffe zu bringen. Wenn das nicht ganz leicht ist, so hängt das damit zusammen, daß die Darstellungs- formen eben immer legiert mit einem bestimmten Ausdruck auftreten und man zunächst geneigt ist, den stofflichen Faktor für die ganze Erschei {lich zu machen, d.h. den Stil ganz als Aus- druck zu ihtärpretieren, Hat man aber erst einmal an einer Stelle — hier also in der neueren Kunstgeschichte — sich über das Fhänsmen verständigt, so wird man mit größerer Sicherheit in den weiter zurück- liegenden Epochen untersuchen können, was sich analog deuten läßt. 574 Gesammtsitzung vom '20. Juni 1912. — Mitth. vom 7. Dee. 1911. I. Die Momente der Darstellungsentwicklung. Der große Prozeß läßt sich, soviel ich sehe, auf fünf Begriffspaare reduzieren: die Ausbildung der Linie und die Entwertung der Linie zugunsten des Flecks (linear — malerisch); die Ausbildung der Fläche und die Entwertung der Fläche zugunsten der Tiefe; die Ausbildung der ge- schlossenen Form und die Auflösung in die freie, offene Form; die Ausbildung eines einheitlichen Ganzen mit selbständigen Teilen und das Zusammenziehen der Wirkung auf einen oder auf wenige Punkte (bei unselbständigen Teilen); die vollständige Darstellung der Dinge (Klarheit im Sinne des gegenständlichen Interesses) und die sachlich unvollständige Darstellung (Klarheit der Erscheinung der Dinge). ı. Für den Charakter von linearer Kunst ist entscheidend, nicht daß überhaupt Linien da sind, sondern daß ihnen das Wesentliche des Ausdrucks zugeleitet ist. Insofern vollendet sich der lineare Stil erst im 16. Jahrhundert. Leonardo ist linearer als Botticelli und der Jüngere Holbein linearer als sein Vater. Erst jetzt ist die Linie zum wesent- lichen Träger der Formbezeichnung gemacht und so verschieden das schönheitliche Empfinden in Italien und im Norden sein mag: es ergießt sich hier und dort in das Element der Linie. Schon im 16. Jahr- hundert aber beginnt auch hier die Wandlung: die Aufmerksamkeit des Beschauers wird stellenweise von den Rändern der Dinge abge- lenkt und nach innen gezogen, die Flächenmassen fangen an so zu sprechen, daß die Begrenzungsform gleichgültig wird, und der entschieden malerische Stil bringt eine fast völlige Entwertung der Linie zugunsten des unbegrenzten Flecks. Das Auge, auch wenn es wollte, kann die Linie nicht mehr als Bliekbahn benutzen. Damit ist eine ganz andere Sehoperation gefordert, und das dekorative Prinzip liegt nun in der Kombination von Flecken, nicht in der Art, wie die Linien laufen. Natürlich sind unendlich viele Zwischenstufen denkbar. Mit den zwei Worten linear und malerisch ist nur ganz im allgemeinen die Rich- tung angegeben. Der lineare Stil benutzt schon malerische Werte, und der malerische Stil braucht auf die Linie nicht ganz zu verzichten: es handelt sich nur darum, wo der Hauptausdruck liegt und wie die Dinge im wesentlichen gesehen worden sind. Plastik und Architektur aber, trotzdem sie es mit festen Körpern zu tun haben, besitzen die gleiche Fähigkeit, dem Beschauer die Liniengeleise zu entziehen und ihn zu zwingen, malerisch zu sehen. Bernini behandelt auch die Frei- figur so, daß es dem Auge unmöglich ist, der Silhouette entlang zu gehen. " Wenn wir dem Begriffspaar linear-— malerisch als zweites Paar flächenhaft — tiefenhaft koordinieren, so ist das Flächenhafte hier natürlich nicht im Sinne einer unvollkommenen Vorstufe der Kunst WörrrLin: Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. 575 zu verstehen, als jener Flächenbann, aus dem die Darstellung sich erst allmählich losringt. Die Malerei des ı5. Jahrhunderts hat im Durch- brechen nach der Tiefe schon vieles gewagt, was der klassische Stil wieder fallen ließ. Erst als die völlige Freiheit im Beherrschen der Tiefe da ist (Verkürzung und Raumdarstellung), kommt jenes bestimmte Verlangen, die Dinge flächenhaft zusammenzuschließen. Der Begriff der Fläche im darstellerischen Sinne ist, so gut wie der Begriff der Linie, erst dem Bewußtsein des 16. Jahrhunderts aufgegangen. Nicht daß flächenmäßig Gesel vork entscheidet hier, sondern mit welehem Nachdruck die Fläche spricht. Leonardos Abendmahl ist mehr mauerhaft »gedichtet« als irgendeine der planimetrisch befangenen älteren Abendmahlsdarstellungen, die daneben undicht, löcherig aus- sehen. Auf deutscher Seite ist Dürer ein charakteristisches Beispiel, wie die Figuren immer mehr in die Bildebene einrücken. Dann aber kommt auch da schon im 16. Jahrhundert die Entwertung der Fläche und die Durchsetzung des »Nebeneinander« mit einem »Hintereinander«, das die Aufmerksamkeit an sich reißt. Selbstverständlich kann die Bildebene nicht preisgegeben werden, aber die Fläche ist dem Auge als Sehform verleidet. Es wird alles getan, um nicht die Bildebene als die Form erscheinen zu lassen, in der die Dinge für die An- schauung gesammelt worden sind. Wo ein profilmäßiges Begegnen von Figur mit Figur vorkommt, da wird durch einen stark sprechenden Tiefenblick dafür gesorgt, daß ein flächenmäßiger Zusammenschluß nicht zustande kommen kann. In den meisten Fällen aber liegt es schon in der Disposition der Dinge, daß das Verhältnis von rechts und links entwertet ist und das Auge Vorderes und Rückwärtiges zusammen- nehmen muß. Daß dieser ganze Prozeß aber nicht etwa als eine bloße Frage des darstellerischen Könnens aufzufassen ist, erhellt daraus, daß die Architektur als Raumkunst (wo alles Imitative wegfällt) m dieser Umorientierung ebenfalls, soweit es ihr möglich ist, Anteil nımmt. . An dritter Stelle wäre der vielgestaltige Prozeß zu verfolgen, der durch die Worte Entstehung und Auflösung der geschlossenen Form bezeichnet ist. Die Primitiven haben nur eine laxe Empfindung für das Geschlossene besessen, erst die Klassik des 16. Jahrhunderts hat den Begriff angespannt, und wenn dann im 17. Jahrhundert eine iu Spannung eingetreten ist, so ist das nicht ästhetisch-qualitativ zu dentem; die Geschlossenheit der Form ist nur scheinbar aufgehoben, im Grunde besteht sie fort, wenn auch alles vermieden ist, was an bewußt ge- handhabte Regel erinnern könnte. Selbst da, wo das 17. Jahrhundert Streng erscheinen will, kann es nicht mehr auf die Schemata des Cinqueeento zurückgreifen. Die allgemeine Basis hat sieh verschoben. 576 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. — Mitth. vom 7. Dee. 1911. Um Mißverständni hließen, soll ausdrücklich gesagt sein, daß wir unter der Kunst des strengen Stils nicht nur tektonische Hervorbringungen von jener hohen Art verstehen, wie etwa Raffaels Sixtina oder die Schule von Athen es sind: Italien selbst hat neben dem tektonischen Stil ja immer eine nicht tektonische Komposition gepflegt, und hier müssen wir das Wort »geschlossene Form« mit einer solehen Weite der Bedeutung gebrauchen, daß neben den ita- lienischen Beispielen auch die lockereren deutschen darin Platz finden, ja selbst solche, die absichtlich auf den Eindruck der gelösten Ordnung hinarbeiten, wie etwa Dürers Melancholie. Auch von einer solchen Komposition kann noch behauptet werden, daß sie in der Art der Flächenfüllung, des Anschlusses an den Rand, der Schaustellung der Dinge sich grundsätzlich von allen Bildern des 17. Jahrhunderts unter- scheidet. Die »unterirdische« Entwicklung geht dahin, sich der Ver- bindlichkeit des Rahmens zu entziehen, gegen die gegebene Fläche sich aufzulehnen, den Bildausschnitt nur als einen zufälligen erscheinen zu lassen und, wo die ältere Kunst die reinen Kontraste der Horizontalen und Vertikalen herausgearbeitet und mit diesem Gerüst dem Ganzen einen Rückgrat "gegeben hatte, da werden jetzt diese tektonischen Urlinien wenn nicht negiert, so doch zurückgedrängt zugunsten der atektonischen Elemente. Es ist nun freilich nicht zu leugnen, daß eine »freie« Komposi- tion von vornherein als anderen Geistes erscheint als eine strengere und geschlossenere und daß also hier der Verdacht naheliegt, es sei bei jeder derartigen Verschiebung ein Ausdruckswille im Spiel. Allein darauf kommt es ja nicht an, was für einen Eindruck wir rück- schauend von der einen Darstellungsart im Gegensatz zur anderen empfangen: für das 17. Jahrhundert war die freie Art so sehr der allgemeine Darstellungsmodus geworden, daß er an sich keine be- stimmte Farbe mehr hatte, d. h. nicht im Sinne eines bestimmten Ausdrucks wirken konnte. Was natürlich nicht ausschließt, daß es auch innerhalb dieses Stils möglich war, gewisse ganz freie Kompositions- formen ausdrucksmäßig zu verwenden. 4. Die Art, wie die Teile sich zum Ganzen verhalten, ist eine andere im 16. und im 17. Jahrhundert. Die Klassik des Cinquecento brachte gegenüber dem lockeren Nebeneinander der Teile bei den Pri- mitiven jenen Begriff der Einheit, wo jedes Einzelstück als inte- grierendes Glied eines Ganzen wirkt. Dieser Begriff verbleibt der fol- genden Kunst, aber während die Teile bisher noch immer selbständige Werte darstellten, wird ihre Selbständigkeit nun aufgehoben und das Einzelne, gleichgültig, ob es sich dabei um eine holländische Landschaft handle oder um eine römische Kirehenfassade, unlösbar in das Ganze Wörrrrin: Das Problem des Stils in der bildenden Kunst. 577 eingeschmolzen. Das ist nicht eine graduelle Steigerung der Einheit, es sind zwei v hied Formen künstlerisel Einheit, jede für sich ein Absolutes darstellend. In der »Schule von Athen« kann man jede einzelne Figur isolieren, und sie behält einen (ästhetischen) Wert, die »Staalmeesters« lassen sich nur als Ganzes auffassen. Und doch wird niemand behaupten, die Komposition Raffaels sei weniger im Ganzen empfunden worden als die Komposition Rembrandts. Noch mehr tritt das Neue des 17. Jahrhunderts hervor, wenn einzelne Motive, selber verkettet mit der Umgebung, als die ünbedi gt beh hend dem Auge entgegenspringen: eine Gruppe höchsten Lichtes, eine Gruppe der entschiedensten Farbigkeit, eine Gruppe sprechendster Form. Es brauchen keine vielformigen Historien oder Landschaften zu sein: daß der einzelne Porträtkopf jetzt durchweg anders aussieht als früher, hat seinen Grund eben in diesem Zusammenziehen der Wirkung auf einen oder wenige Punkte. Das Bedeutungsgleichgewicht der einzelnen Gesichtsteile in einem Holbeinschen Gesicht ist bei van Dyck oder em { einer itig Akzentsetzung aufgehoben. 5. Alle Darstellung geht auf Klarheit, und es ist zu jeder Zeit ein Vorwurf gewesen, wenn man ein Bildwerk unklar genannt hat. Nichtsdestoweniger hat auch der Begriff der Klarheit seine Geschichte: man hat nicht immer unter klarer Darstellung dasselbe verstanden. Während das ı 5. Jahrhundert überhaupt noch nicht zwischen klar und unklar sicher unterscheiden konnte und dem Auge gelegentlich Zu- Mutungen gemacht worden sind, die uns unbegreiflich erscheinen, hat das 16. Jahrhundert ein Ideal von Klarheit aufgestellt, wo die Dinge — in der darstellenden Kunst so gut wie in der Architektur — sich vollständig und gewissermaßen von selbst erklären. Für die Barock- kunst ist dieses Ideal bedeutungslos geworden. Nicht daß man einem qualitativen Niedergang sprechen dürfte: bei gleicher Absicht zu sein, ist man zu einer andern Darstellungsform gelangt, ie fach darum, weil sich das Verhältnis des Auges zur Sichtbarkeit ver- ändert hat. Die alte Kunst hatte sich eingestellt auf die Frvenblaer der Dinge, wie sie sind, nach ihrer bleibenden Form, sie gibt alle Gestalt so vollständig und so bestimmt wie möglich. Die neue En hält sich an die Erscheinung der Dinge im Gesamtzusammenhang; die ©inzelne Gestalt taucht unter in dem Ganzen, das sich er auge ar stellt, eine gleichmäßig deutliche Aufklärung aller Formen liegt nicht in der Absicht, unter Umständen hat die Erscheinung mit - on Formunterlage überhaupt sehr wenig mehr zu tun. en m, Sup) Pe ist für die klassisch klare Kunst in allen Gliedern Ba En R : u Maler des 17. oder ı8. Jahrhunderts gibt die Erscheinung ya i Einzelnen Pointen, aber niemandem würde es eingefallen sein, sie 52 Sitzungsberichte 1912. : 578 Gesammtsitzung vom 20. Juni 1912. — Mitth. vom 7. Dee. 1911. über mangelnde Klarheit zu beschweren: der Begriff hat eben eine andere Bedeutung bekommen. Die Theorie spricht sich über den Standpunkt des 16. Jahrhunderts unmißverständlich aus. Leonardo' muß zugeben, daß bei den Bäumen das Grün im durchfallenden Licht am schönsten sei, allein er schließt dieses Phänomen von den Aufgaben der Malerei aus, da jedes durch- fallende Licht irreführende Schatten erzeuge, die Klarheit der Form also beeinträchtigt werde. Für die Spätern ist dieses Bedenken nicht mehr verbindlich gewesen. Licht und Schatten, die früher durchaus im Dienste der (bleibenden) Form standen, emanzipieren sich von den Dingen und bekommen ihr eigenes Leben, das von dem Gegen- ständlichen mehr oder weniger unabhängig ist. II. Aufgaben der Stilgeschichte. Wie man sich die Gründe dieses Wandels in der Auff: gs- und Darstellungsform zu denken hat, möge hier unerörtert bleiben. Mit dem bloßen Prinzip der Reiz- steigerung ist jedenfalls nichts anzufangen. Ich will aber auch nicht behaupten, daß die fünf Begriffe die abschließenden seien. Woran ich festhalte, ist nur dies, daß diese internen Fragen des Verhältnisses des Auges zur Welt überall aufgenommen werden müssen, wo es sich darum handelt, ein Stilphänomen zu erklären. Es muß erst die optische Basis festgelegt sein, bevor man darangehen kann, sich über die Ausdruckswerte einer Zeit auszusprechen. Übrigens wird, was hier auf dem Boden der neueren Kunst- geschichte an Begriffen gewonnen worden ist, seine ganze Bedeutung erst erhalten, wenn diese Entwicklung als eine periodisch sich wieder- holende aufgefaßt wird und als ein Prozeß, der mutatis mutandis nicht nur für die Musik, sondern auch für die literarische Auffassung der Welt ebenso in Betracht kommt wie für die bildende Kunst. ' Buch von der Malerei (ed. Lupwig): 917 (892) und 913 (924). Berlin, gedruckt in der Reichsdruckereh, weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Sollte eine dem Bu eBeg Veröffent- den akademischen Schriften zui Kenntni: tenden Rechtsregeln zusteht, so Ba er dazu der Ein- willigung der Gesammt-Akadem Gedächtnissreden anderw ee zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestattet. Aus $ 21. Die Sitzungsberichte Areheideh in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. s 22. Jeden Sitzungsberie! Fr eröffnet, eine eh über die n Mitthei- inter den Titeln der tag chen Mittheilungen folgen in dieser Übersicht kurze Inhaltsangaben derselben, welche die Verfasser einreichen, und für w: as sie ver- Bin Ks Diese Inhaltsangaben sollen sich in r Regel auf 5—6 Druckzeilen beschränken, keinesfalls er Zeilen Gberniheeie ten Die nicht in den Schriften der Akademie erscheinenden Mittheilungen werden mit vorgesetztem Stern bezeichnet, bei den für die Abhandlungen bestimmten wird »(Abh.) zugefügt. Wissenschaftliche Mittheilungen fremder über diejenige Sitzung aufgeführt, in die akademischen Schriften Verfasser endgültig beschlossen wird 827. Das Manuseript einer in "einer akademischen Sitzung am Donnerstag zur Aufn: in die Sitzungsberichte zu- ae Reiben en bis E 10 Uhr Moe retar oder der druck- fertig zugestellt an Später eingereichte Manuseripte werden, mit dem Prä: ne onarerierk des redigirenden Secretars oder des Alva versehen, für ein späteres Stück zurückgeiegt. Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus irgend welchen Gründen be- sondere Sehieiekeien erwarten lässt, oder welche den in $$ 3 und 4 enthaltenen es nicht entsprechen. Die ne ichsdruckerei versendet spätestens am Montag ie Correeturen an die hier hs nden oder an- Ber "ve zfasser, oder an die Mitglieder, welche die Dice früh an die Druckerei Zurücklie fern. Correctur länger als bis Dienstag Abend von der damit be- Fremden Verfassern, rreeturei noch dem Mas ara: zur Revision unterbreitet werden müssen, kann d: scheinen am nächsten Ausgabetage Dbahanik Eubes a sichert werden. Aus $ 37. Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. Jahr; : Prnkalscmienache me . . 09 0 0000220 CHR Philosophisch-historische Classe . - - + - BE a N ET Abhandlungen. Jahrg. 1910: is Physikalisch-mathematische sung Be er ae Philosophisch-historische Classe Rare er N e Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1909, 1910, 1911 und 1912. z Merz: Godschiisrede af E Eberhard Schrader . - ige ai vor Wıram Nordionische Steine ee DER Bene Scanize, W san Ge eds #3 Richard Pischel. » Barmen 1 Rupens: Gedächtnissrede auf Friedrich mc er rn rm 7 +: Über die Erhaltung der are bei chemischen "Umsetzungen a a che Vox Strap : Strategenkö re el THEY: Der Koran der eechfchtlichen en ‚Welt in den Geiteowisenschafen. Erste } Bäre Ss. nn ne Br: Gedschtnisere © auf Hans Heinrich Landolt a 5 > Esorzr un Rus (Uber den den anatomischen Bau der beuimartigen Oyperace Schoemodenären a F Bü ; Excr. aus Kam ; Be we ISCHER: Gedächtnissrede auf Tec obus Henricus "van’t Bor. een ee ka er Ai Be Zimmer . » ee ymnen an das Diadem der ann S Re at Moxr: Frankreich ; : Non: zu Zar sprachlichen Ele un des * Galen’ schen Commentars zam Prorrheticum des En Zinuen ne welchem Wege kamen die a vom Continent "nach Bas. 505. 2.50 SEE R. Isexscusun: Zur Kenntniss der Emeasrannde der Maus : R: nıs: Zellanordnungen und Faserzüge im Vorderhirn von Siren lacertina . M. Neiise: Über die Kerne des Diencephalon bei einigen ngerbieren . . Aaapscnantanz: Über die Kerne des menschlichen Kleinhirn. . H. Jusxer: Der Auen der Hathor-Tefnut aus Nubien. . ; F. Freiherr Hırıer vo und H.I kadische "Forschungen . Ta. Wiesanp: Eee vorläufiger Bericht über die von en Se ungliehen Museen unternommenen usgrabungen in en L. Licurensteis: Beweis des Satzes, dass ‚jedes hinreichend 'kleine, im wesentlichen stetig 'ge- ja singularitätenfreie Fiüchenstick auf einen Theil einer Ihene nennen in den etnstatı Theilen ähnlich abgebildet werden kann A.vox m od: „Türkische Manichaica aus Chotscho. I. M. van Bercnex: Die muslimischen Inschriften von Perga . M. Livzsarskı: Phönieische und aramäische Kruganfächäiften aus " Elephantine = Sitzungsberiehte der Akademie, Preis des Jahrgangs Sonderabdrucke. II. Halbjahr 1911. Jacosı: Cultur-, Sprach- und Litterarhistorisches aus dem le E. Littyass: die Techn des Königs Kalumu R J. Here: über ein angebliches Diokleszitat . = die Stuckfagade von Acanceh in Yucatan (iieran "Taf. vn) E. Meyer: zu i han! Srauve: über die Lage der Marsachse und die Kon stanie a an Mars system . F. Kıscne und C. Rexz: Kreide und Ran und Öta; hir nn Marrexs: über die Messung grosser Kräfte ; im Meterirüfungswesen C. Brocxersass: zu den Inschriften des Königs Kalum Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1912. I. Scaur: über einen Satz von C. CArarnkonory . ; Fropextus: Een, eines es von Canaratonoar aus einer Formel von 1 Raoszcnen . } OSER: vox Wıramowırz-MortLexporrr: Mi imnermos "und Pro Russer: über die Betheiligung endocellularer F. ae am Energieverbrauch der Zelle” Nersst: Thermodynamik und specifische Wärme 2 A. Evcxex: die Molekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen , REN Orra: über Rinder- und Menschentuberkulose AacKk: Geschichte eines progra Amann, Worts Jesu” (Matth. 5, 17) in der ältesten Kirche Warsurs: über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen in Gasen. Liesiscn: über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemitgruppe im ültravioetten Licht BERLANDT: über das Sinnesorgan des Labellums der Pterostylis-Blüth Rusexs und G. Heerz: über den Einfluss a Ten eratur auf die zen on] ng lie Wärme- ne in einigen a. Isolatore: 3 x Sp is zw 5 ger Heıımans: r den Charakter der S Jrdd Hernerr: die Eugen tndagen der Lehre vom .. ie eninde der Massen rdkrust: W. Baxo: über die Räthsel des Codex” Cumanicus (hierzu Taf Tl und ip. Roperr: zu den Epitrepontes des Menan n . Meyer: ein mittelirisches Gedicht auf en den ‚Meorfahrer E Fnonsxtus: über Matrizen aus nicht ae 9 H.E über a Granit und Sedimenten” ur haar Guwaini’s Bericht über die Balekn er Uiguren . Scuutze: Die Erh en auf Ge pen- ac Wingenleinai der Säugstiore | L Ru- minantia (hierzu Taf. Eee & vox Wiramowrrz-Moerzexo DoRFF: Be von Kallimachos Heerwis: Veränderung der i und durch chemische Eing: Wörrruis: das Problem des Se in der bildenden Ks t der Samenfüden durch Physikalische eh M12.— sur, ern o - 8228| | 88218 | | 1818111 mo { ni m S| I 1912. XXXI. XXXII. XXXIV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch b tischen Classe am 27. Juni. ($.579) Sitzung der ee „historischen Classe am 27. Juni. (S.58 1) Öffentliche Sitzung am 4. Juli. (S. 583) Dirrs: Ansprache. ($. 583) Haserraspr: Antrittsrede. e 586). — WALDEXER: u. a 588) K.Mever: Antrittsrede. ($. 589). — Roerue: Erwiderung. 8.59) Erpsans: Antrittsrede. (8. 598). — Dieıs: een (S. 595) Herımass: Antrittsrede. (S. 596). — Prascr: Erwiderung. (S. 599) Seoreu: Antrittsrede. (S. 601). — Dirıs: Erwiderung. Er DE Groor: Antrittsrede. (S. 607). — Rorrue: Erwiderung. (S- Ni Coxze: Gedächtnissrede auf ie A STRADONITZ. eB von Wır, auf erg Yan (S. 617) Preisausschreiben aus dem von Munsaet a Taler (8. 6 Preis der Disz-Stiftung. (S- 623) DUARD GERHARD-Stipendium. (S. 623) Verleihung der Leissız-Medaille. (S. 624) BERLIN 1912. VERLAG DER KÖNIGLICHEN REDEN DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REINER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Die Akademie gibt Fe | 5 = der Denkaren zw rtlaufende ” Königlich Preussischen ae BE Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. us $ 2 Jon gun ne in de ‚Stzungsberichte ‚oder die uss in einer aka- demischen Stzung Tas werden; Wwohe i in ‚der Regel icht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 3. 'r Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in ea Regel in den en bei a E= eiten in di der Sitzungsberichte, = in Kunahdhuigent 12 ee von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- tungen nicht ie Aus $ s wenn es sich nieht Be um Bere Text handelt, aus- für Jassel seine Niehelung ie vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verlassen, Fremde haben di etur vorlegende Mitglied ei Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche en Secret: en Einsen: Verfasser ind. zur Tragung der entstehenden Mehr- En verpflichtet. Aus $ 8. i Berichie Saar At a ‘Von allen in die der Gesammt-Akademie oder der beenden Classe statt- Fr und e bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu ar 1 5 so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen i if sei ii Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Sollen einer ee) Abtitdungen im Text ir auf besonderen igegeben ei ® ei Nies dafür realen. Pphotograph! al- en u. s. w.) ogyen mit Se esse: en ar getrennten Blättern, einzurei Die Kosten der Re RR Vorkeen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen a hen Betrag : zu veranschlagen, so ‚kademi Re Fi ers BuilnE der «de- an den vorsitzenden Seeretar zu rvielfältigung en ie Aka- v et Höhe dieser a icht um ne sea Text xtfigure ie Kosten der Ve demie. Über die handelt beizufügen. schreitet ee Kusak] für die er- forderliche Auf! Be bei den ee 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat er s 85. Nach der Voriagear Bor Einreichung des an den zuständigen Seeretar oder an wird über Aufnahme der ie in die akademischen Schriften, und zwar, we ines va anwı er Mit- glieder es verlangt, ih bel Mittheilungen von Verfassern, weiche nicht BaueR, der Akademie sind, sollen der Rege in ee u bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, edarf dieser een der Bestätigung durch die en oder ii Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von Ne BAtHachen Mittheilungen, yon deren Umfang 308 auch an ke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. $9. erhält ein Verfasser, welcher keren der Akademie ER zu dnssigoläiichee Vertheilung ohne weitere: Frei exemplare; er ist indess berechtigt, zu glei auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch ah a auf seine Kosten noch weitere bis z 0 (im ganzen also 350) abziehen zu ne al Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Se lassen. Vo hält ei rise welcher er der Akademie is zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 exemplare; er ist indess ee zu gleichem Zwecke mie weitere Exemplare bis zur Zahl 3 noch weitere bis gezeigt hat; wünscht S auf ren erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nn Eye er Anzeige bei dem redigirenden Seeretar a. 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassı 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderw eitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) 579 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXX DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. lisch-math tischen Classe. 27. Juni. Sitzung der physil Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. *Hr. Pranck las über das Prineip der kleinsten Wirkung. i E ickl h des Prineips der kleinsten Wirkung, von Die Leissız, Maurerruıs und LAGRANGE bis zur Gegenwart, werden in historisch-geneti- schem Zusammenhang an der Hand speciell ausgewählter Beispiele geschildert, und dabei insbesondere die mit der fortschreitenden Präeisirung seines Inhalts parallel gehende Erweiterung seines Gültigkeits- und Anwendungsbereichs, sogar über die hanische N: h hinaus, an den wichtigsten Stellen hervorgehoben. Ausgegeben am 11. Juli. Sitzungsberichte 1912. 581 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXXIL DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 27. Juni. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. RorrHe. *]. Hr. Wırneım Scnurze las über zwei lautgeschichtliche Fragen. 1. Die ind ischen Bezeicl der Laus zeigen dieselben charakteristi- schen Anlautsdifferenzen wie das Wort für Leber: pali %-k@ (= prakr. a4), lit. u-t, sl. va-35, skrt. yü-ka, gern. !ü-s. Der daraus zu erschliessende Anlaut mit mouillirtem 7 scheint weiter verbreitet gewesen zu sein. Vergl. sl. ost» : skrt. yastih : pali yattki und latthi, prakr. latthi; sl. jama, lat. läma, lit. loma, lett. lahma. Die Lautverbindung -wvy-, die im Sanskrit ganz zu fehlen scheint (ausser in dem unorganischen urwvyaäc-), ist vermuthlich lautgesetzlich in -@y- verwandelt worden: in alten Optativen wie susrayas, Precativen wie sruyasam, Passiven wie srüydte, Nomi- nalbildungen wie pöyam und vädhküya-. In den indischen Volkssprachen ist das v zum Theil erhalten geblieben, pali pubbar, prakr. suvvai (aus dem zweisilbigen Präsens- stamme *sruvya-, der nichts Anderes ist als die Tiefstufe des Nominalstamms sravya-, d.i. ursprünglich dreisilbig *sraviya-). Auch äol. puiw ueSuiw enthalten wohl -unj-. 2. Derselbe legte eine Mittheilung über den Tod des Kam- byses vor. (Ersch. später.) Das altpersische uv@marsiyus amariyata entspricht lateinischem sua morte obüt, dessen Bedeutung sich durch zahlreiche Parallelen aus anderen indogermanischen Sprachen erläutern lässt. 3. Hr. Erman legte eine Mittheilung vor: »Zur ägyptischen Wortforsehung. Il.« (Ersch. später.) Aus dem für das ägyptische Wörterbuch gesammelten Material werden einige Ilständi A beitung mitgetheilt. 5 2 Verba in g 583 SITZUNGSBERICHTE 1912. XXXIV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 4. Juli. Öffentliche Sitzung zur Feier des Lrisnızischen Jahrestages. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit folgender Ansprache: Wenn die Kgl. Akademie von jeher den Geburtstag ihres Stifters Lzisnız zu feiern gewohnt ist, um dem Gefühle der Bewunderung und Dankbarkeit immer und immer wieder Ausdruck zu verleihen, so ist es ihr seit kurzem vergönnt, dieser Huldigung für den großen Toten eine mit seinem Namen pfte Anerk der Lebenden zu ver- knüpfen, die in seinem Sinne an der Ausbreitung des Reichs der Wissen- schaften arbeiten. Wir verdanken dies dem lebhaften Interesse, das Se. Majestät der Kaiser und König an der Wi haft üb pt und namentlich an der Wissenschaft, die in unserer Akademie betrieben wird, fort und fort nimmt. So ist ihr am 27. Januar 1906 durch die Huld ihres erhab Sehirmh die Ermächtigung verliehen wor- den, zur Ehrung besonderer Verdienste um die Förderung unserer aka- demischen Aufgaben Leissız-Medaillen zu verleihen, die alljährlich an dem Ehrentage ihres Heros Eponymos an Nichtakademiker vergeben werden sollen. Unsere Akademie hat auch in diesem Jahre wieder in dankbarer Betätigung dieses ihr verlieh Rechtes beschl eine Anzahl von Leisız-Medaillen in Gold und Silber an deutsche und ausländische Forscher zu verleihen, deren Verkündigung und Ül ichung am Ende dieses Festaktes erfolgen wird. Die Unterscheidung von goldenen und silbernen Medaillen soll nicht etwa W terschiede der wi haft lichen Leistungen zum Ausdruck bringen, die sich ja überhaupt nicht in so äußerlicher Weise gegeneinander abwägen lassen. Vielmehr ist es üblich geworden, mit dem glänzenden Golde in der Regel diejenigen hochherzigen Förderer der Wissenschaft zu ehren, die von ihren reichen Mitteln den würdigsten Gebrauch gemacht und durch Unterstützung oder Ausführung großer Unternehmungen zugleich von ihrem wissen- 54 Sitzungsberichte 1912. 584 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. schaftlichen Sinne das rühmlichste Zeugnis abgelegt haben. Der feine Klang des Silbers dagegen soll namentlich solchen —. nd in das Ohr tönen, die in eigner, hlafft r, oft verkannter Arbeit an dem Bau der Wissenschaften erfolgreich mitge- arbeitet haben. Wenn so nach der Devise der Medaille »Digna dignis« den For- schern und Förderern der gelehrten Arbeit auf den allerverschiedensten Gebieten eine Anerkennung von seiten der Akademie ausgesprochen wird, so ist diese Universalität ganz im Sinne Leisnızens, dem kein Feld der wissenschaftlichen Betätigung fremd geblieben, dem kein Fach der Gelehrsamkeit nicht zu mannigfachem Danke verpflichtet ist. Wollte ich z. B. als Vertreter der klassischen Philologie die Ver- dienste des unsterblichen Mannes um dieses Gebiet der Forschung eingehender darstellen, so würde die mir heute zu Gebote stehende Zeit bei weitem nicht ausreichen. Wie groß sie sind, mag man daraus ermessen, daß sie zweien meiner Vorgänger im Sekretariate, den Philo- logen Böcku und Hauer Stoff zu ausführlichen Festvorträgen an Leısnız- Tagen gegeben haben. Ich will heute nur eine Tatsache, die in weiteren Kreisen nicht sehr bekannt ist, in das Gedächtnis zurückrufen, daß der junge Polyhistor bereits in seiner Leipziger Bacealaureusdissertation vom Jahre 1663 seiner Diskussion über das Prinzip der Individuation eine These angehängt hat, in der in vier Zeilen die richtige Begrün- dung der Unechtheit der Phalarisbriefe gegeben ist, die am Ende des 17. Jahrhunderts der große Bextıev, der seinen Vorgänger nicht kannte, in ausführlicher Beweisführung und glänzender Darlegung für alle Zeiten erwiesen hat. Wie Lemsız mit Newrox sich in den Ruhm teilt, durch Entdeckung der Differentialmethode der rechnenden Mensch- heit ein neues Semebwerkzeng in ie Hand gegeben zu haben, das für die math 'h-natur ftlichen Fächer von der größten Bedeutung geworden ist, so teilt er mit dem großen englischen Fee logen das Verdienst, an jenem Schulfalle die Bedeutung der hist kritischen Methode aller Welt klargemacht und der ganzen Forschung der Geisteswissenschaften eine weithin wirkende Anregung gegeben zu haben. Leissız hatte früh erkannt und gegen die Widersacher gründlicher Forschung sein ganzes Leben hindurch scharf betont, daß ohne das kritische Fundament der Philologie der ganze Bau der Geisteswissen- schaften auf Sand gebaut ist. Wie er als siebzehnjähriger Jüngling mit jener These sich als erstaunlich reifen Kenner und Beurteiler der antiken Literatur erwiesen, so ist er bis in sein hohes Alter dieser Lieblings- wissenschaft treu geblieben. Gerade in diesen Tagen hat sich ein bisher ungedruckter Originalbrief Leissızens aus dem Jahre 1709 im Diers: Ansprache. 585 are sr 1 W iv gefunden, der dem Hofrat Luvorr in Eisenach eine philologisch-juristische Belehrung über die Bedeutung der Aus- drücke eomitia, Grave, Grafschaft, Zentgrave, Gaugrafschaft in klassi- schem Latein zuteil werden läßt. So ist es der Geistesrichtung des großen Mannes nicht wider- sprechend, wenn auch diesmal, wie sehon früher, die philologische Diszi- plin bei der Vergebung der Leissız-Medaillen mehrfach bedacht worden ist. Besonders erfreulich aber war es, daß diesmal die goldne Medaille namentlich mit Rücksicht auf eine große Unternehmung verliehen werden konnte, die in ganz besonderer Weise im Sinne von Leissız ist. Es handelt sich um die der Vollendung entgegengehende kritische Ausgabe des Neuen Testaments, die von Professor Hervans Freiherrn vox Sopen geplant und mit Unterstützung einer Anzahl jüngerer Ge- lehrter jetzt fast zu Ende geführt ist. Die sehr beträchtlichen Mittel, die bei diesem Werke zur Beschaffung und Durcharbeitung des Riesen- materials erforderlich waren, sind der opferwilligen und einsichts- vollen Freigebigkeit einer Frau zu verdanken, deren Name bei der Preisverteilung genannt werden muß, so sehr ihr bescheidner Sinn jeder lauten Verkündung ihrer stillen Wohltaten widerstrebt. Leısız aber würde an diesem Bibelwerke seine besondere Freude gehabt haben, da es nicht nur an sich, sondern auch als Beweis für den jetzt immer enger werdenden Bund zwischen "Theologie und Philologie seinen Bei- fall gefunden haben würde. Denn die Einzelwissenschaften zur Har- monie zu führen und in sich selbst diese Harmonie alles Wissens immer mehr zu vollenden, das war das Ziel seines Lebens und Strebens. Ist ja doch gerade diese unsre Akademie der äußere Ausdruck seiner universalistischen Geistesriehtung. Er ist es, der gegenüber den damals bestehenden einseitig philologischen oder naturwissenschaftlichen Aka- demien der Italiener, Franzosen und Engländer diese Berliner Gesamt- akademie gegründet hat, deren universelle Organisation sich bis auf den heutigen Tag als vorbildlich erwiesen hat. : . Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird diese zur Einheit der Wissen- schaft und der Weltanschauung treibende Richtung in diesem Jahr- hundert sich siegreich durchsetzen. Wie sich die beiden Halbkugeln mehr zu nähern und zu durch- F wi; haft h derW: Akademie ihren äußeren Ausdruck gefunden haben, nicht mehr, betrachten, sondern sich mehr un! befruchten suchen. Aus diesem Streben heraus, i ; keit der Einzelforschung nicht hemmen wird, kann dann ein wirk- licher Monismus geboren werden, dessen Tag falsche, auf einseitigen 54° 586 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. Pfaden wandelnde Propheten schon jetzt angebrochen wähnen. Nein, so einfach, wie diese Männer glauben, lösen sich die jahrtausendalten Welträtsel nicht. Es wird noch unendlieher Arbeit und zahlloser Kämpfe bedürfen, um jenem ersehnten Einheitsideale näher zu kommen. Aber unsere Akademie sieht mit guter Hoffnung der Zukunft entgegen. Denn ihr Vorbild und Führer auf dem Wege zur allumfassenden Ein- heit war, ist und bleibt Gorrrrırn Wırnerm Leienız. Es folgten die Antrittsreden der seit der Leisniz-Sitzung ıg11 neu eingetretenen Mitglieder der Akademie. Antritisreden und Erwiderungen. Antrittsrede des Hrn. Hagerrannr. Der Beginn meiner botanischen Studien unter Wirswers Leitung fiel in eine Zeit, in der sich im Entwickelungsgange der Anatomie und Physiologie der Pflanzen so mancher sehr bedeutungsvolle Umschwung vorbereitete. Die von Huco vow Monz, Franz Unger u. a. gepflegte deskriptive Pilanzenanatomie hatte eine Fülle neuer Tatsachen zutage gefördert, die zwar die Aufricht eines stattlichen Lehrgebäudes ermöglichten, doch keinen Zusammenhang mit den Lebenserscheinungen der Pflanzen erkennen ließen. Man scheute sich, solchen Zusammenhängen nach- zugehen, da frühere Versuche dieser Art nur Mißerfolge gezeitigt hatten. Um so reichere Ernte versprach man sich vom Aufblühen der Entwickelungsgeschichte. Allein auch diese Forschungsriehtung konnte nur Bilder an Bilder reihen, im Grunde genommen aber keine befriedigenden Erklärungen geben. Wir schätzen uns glücklich, den Forscher, der damals in der Entwickelung der Pflanzenanatomie eine wichtige Wendung angebahnt hat, noch heute rüstig in unserer Mitte zu sehen. In seinem Werke über das mechanische Prinzip im anatomischen Bau der Monokotylen hat Hr. Schwexpeser den weitgehenden Zusammenhang zwischen Bau und Funktion des Skelettes der Pflanzen dargelegt und so zum ersten Male ein anatomisch-physiologisches Geweb y klärend be- schrieben. In einer meiner ersten Arbeiten über die Schutzeinrichtungen der Keimpflanzen habe ich gleichfalls, von Darwın angeregt, in freilich noch unvollkommener Weise auf die Beziehungen zwischen Bau und. Leistung hingewiesen, die schon das kleinste Keimpflänzchen so deutlich erkennen läßt. Nach Vollendung dieser Arbeit zog ich zu Hrn. Schwen- bexer nach Tübingen, da ich in seinem vorhin genannten Werke den RR r und Erwid B 587 5 Ausgangspunkt einer neuen Richtung der Pflanzenanatomie, oder besser gesagt, die erfolgreiche Erneuerung einer längst in Vergessenheit ge- ratenen Betrachtungsweise erkannt hatte. In häufigen Gesprächen mit meinem verehrten Lehrer wurde die Durehführbarkeit einer physio- logischen Pflanzenanatomie erwogen, die die rein beschreibende Anatomie zu ergänzen, wenn nicht zu ersetzen hätte. Vor allem mußte nunmehr nach Aufstellung des mechanischen Systems die Fruchtbarkeit der anatomisch-physiologischen Fragestellung auch für andere Gewebesysteme erwiesen werden. Nach meiner Heim- kehr ging ich deshalb sofort daran, das Assimilationssystem der grünen Pflanzen vergleichend zu untersuchen und seine ligemeinen Bauprinzipi festzustellen. Als dann vor 32 Jahren Hr. Schwexpeser in der Leisxız-Sitzung der Kgl. Akademie seine Antrittsrede hielt, da sprach er sich über die Zukunft der neuen Richtung allerdings noch zurückhaltend aus. Er meinte, daß die »Wechselbeziehung zwischen Bau und Funktion nur teilweise, oft nur in wenigen Punkten, erkennbar sein werde.« Allein dank seiner eigenen Arbeiten wie der seiner Schüler konnte ich schon vier Jahre danach in der 1. Auflage meiner » Physiologischen Pflanzen- anatomie« den Versuch wagen, das Gesamtgebiet der neuen Disziplin im Grundriß darzustellen und eine neue, auf physiologischer Basis ruhende Einteilung der Gewebeart hlagen. — So wie es kein Zufall war, daß unter den das Skelett der Pflanzen zu- * ur hie en 1 Sasd oO {>} Apparaten die Perzeptionsorgane der Pfl i Sinnesorgane, zuletzt entdeckt und beschrieben wurden. Denn diesem Nachweise mußte erst die Erl tni gehen daß auch die Pflanzen, gleich wie die Tiere, Reizbewegungen ausführen, daß die Orte der Reiz- aufnahme und der Reizreaktion räumlich getrennt sein können und daß auch im pflanzlichen Organi eine Fortpfl g der ‚dareh = Reiz bewirkten Erregung von Zelle zu Zelle stattfindet. Diese an dıe amen Darwıns, Prerrers und EDUARD Tancıs geknüpften Entdeckungen ließen die Frage berechtigt }oinen. ob die Prinzipien der physio- logischen Pflanzenanatomie auch auf dem Gebiete der Reizaufnahme gelten, ob auch die Pflanze Sinnesorgane besitzt. : a Ich konnte diese Frage in einer Reihe von Arbeiten mit ja 5 antworten. Es ließen sich mannigfach gebaute Perzeptionsorgane mechanische Reize nachweisen, die den Tastorganen der Tiere ent- sprechen. Von mir und Ninse wurde sodann gezeigt, daß die Per- ; i Ye n führt, zeption des Schwerkraftreizes, die zu geotroP Kr 8 ’ 588 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. seitens der Pflanze in ganz analoger Weise zustande kommt, wie bei so vielen Tieren, nämlich durch Statolithenorgane; und schließlich konnte der Nachweis erbracht werden, daß viele Laubblätter eigene Lichtsinnesorgane besitzen, die den Richtungsaugen niederer Tiere vergleichbar sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Tier und Pflanze, wie ihn auf dem Gebiete der Reizaufnahme schon Aristoteles annahm, ist dem- nach nicht vorhanden. Die physiologische Pflanzenanatomie hat noch manche schwierige Aufgabe zu lösen. Sie wird sich u. a. in Zukunft noch mehr als bis- her mit Blüte und Frucht und überhaupt mit den Fortpflanzungsorganen zu beschäftigen haben; siewird ihre Prinzipien auch auf die pathologische Anatomie der Pflanzen ausdehnen, und schließlich wird sie bemüht sein, aus dem anatomischen Bau der vorweltlichen Pflanzen auf ihre Lebens- vorgänge zurückzuschließen und Anhaltspunkte zur Beurteilung der klimatischen Verhältnisse längst vergangener Erdperioden zu gewi Ich werde bestrebt sein, an der Lösung dieser Aufgaben, soweit meine Kräfte reichen, mitzuarbeiten. Auch auf diese Weise möchte ich den Dank zum Ausdruck bringen, den ich der Königlichen Aka- demie für meine Wahl zu ihrem ordentlichen Mitgliede schulde. Erwiderung des Secretars Hrn. WALDvEYER. Es gereicht mir zur besonderen Freude und Befriedigung, daß ich ausersehen bin, Sie, Hr. HagrrrAanprt, heute in unserer Mitte will- kommen zu heißen und zu begrüßen. Bringen doch Ihre zahlreichen und tiefgründigen Untersuchungen die Pflanzenwelt der Tier- und Menschenwelt, der meine Arbeit zugewendet ist, näher, als bisher an- genommen worden war. Ein alter Spruch lautet: »Lapides erescunt, plantae ereseunt et vivunt, animalia erescunt, vivunt et sentiunt.« Ein großer Teil Ihrer Untersuchungen bringt wenigstens einen Teil dessen, was zu dem Begriffe »sentire« gehört, der Pflanzenwelt als etwas Neues, bisher nicht Bekanntes zu. Bei der systematisch ver- folgten Aufnahme physiologischer Untersuchungen, deren Anregung Sie auf Ihre Lehrer Wırsser und Schwexpener zurückführen, kamen Sie naturgemäß auch auf die Frage, ob nicht in der Pflanzenwelt Organe vorhanden seien, die den Sinnesorganen der Tiere an die Seite zu stellen wären. Es ist Ihnen gelungen, den Nachweis zu führen, daß für die Aufnahme bestimmter Reize, wie mechanischer Reize und Lichtreize, in der Tat besondere Organe bei den Pflanzen vorhanden sind, die Sie für den Schwerkraftreiz den Statolithen vergleichen, für den Lichtreiz in besonderen Strukturen der Blattepidermis der Pflanzen den und Erwid 589 5 finden. Es waren ja seit längerer Zeit Reaktionen der Pflanzen auf äußere Reize bekannt, aber daß bestimmt lokalisiert und eig ig gebaute Organe zur Aufnahme für diese Reize vorhanden sind, und daß von diesen Aufnahmeorganen Leitungen der Reize zu entfernteren Pflanzenteilen bestehen, die eine prompte Auslösung von Bewegung zur Folge haben, dieses an mehreren Beispielen nachgewiesen zu haben, ist Ihr hohes Verdienst. Wir können diese Vorgänge mit den einfachen, nicht in das Bewußtsein übertretenden Reflexvorgängen in der Tierphysiologie vergleichen. Solche Untersuchungen eröffnen Aus- blicke auf weite Forschungsgefilde; sie sind von höchster Wichtigkeit für das Verständnis allgemeinbiologischer Verhältnisse, indem sie die Aufstellung gemei Gesichtspunkte für die Betrachtung der Lebens- vorgänge bei sämtlichen Lebewesen fördern. Darin liegt die höhere und allgemei Bedeut Ihrer Forschungen, die ja auch an sich schon das größte Interesse erwecken müssen. Möchte es Ihnen be- schieden sein, auf dem von Ihnen bebauten weiten Forschungsfelde noch manche Frucht für Sie und für unsere Akademie zu gewinnen! ‚+ Antrittsrede des Hrn. Kuno MEyEr. Die Aufnahme in eine erlesene Gesellschaft, welche durch mehr als zwei Jahrhunderte ihrer hohen Aufgabe, der Mehrung und Ver- breitung der Wissenschaft, unter dem Beifall der ganzen Welt ob- liegt, muß einem jeden, dem diese Ehre zuteil wird, zur Veranlassung werden, die Stellung seiner eigenen Wissenschaft im Kreise der Schwesterdisziplinen zu prüfen, die Ziele, welche sie verfolgt, fester ins Auge zu fassen und sich von dem, was er selbst getan hat und noch tun will, Rechenschaft zu geben. Daß die Akademie, der wir nächst Errichtung und Erhaltung des einzigen Keltologie verdanken, das neue Fach unter den en wollen, dafür sei mir gestattet, ihr im Namen aller, denen see rd Wissenschaft am Herzen liegt, Dank zu sagen. Wenn die keltische Philologie in der Vergang 1oit stiefmütterlich behandelt worden ist und auch jetzt noch, selbst in keltisch erkennung ringen muß, so liegt das teils an } " teils an ve mai aufs GE echo gerichteten Sinn een et alters; vor allem aber daran, daß sie erst spät auf eine u. - liche Grundlage gestellt worden ist. Sie darf kühn durch ihre Be = tung für die Geschichte der Sprache un! Kultur, Literatur und Kunst, einen sie trägt die Leuchte, welche derein einem Hohen Ministerium die deutschen Lehrstuhls der älteren nieht hat missen en Landen, um ihre An- politischen Verhältnissen, 590 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. Kontinents. lastende Dunkel erhellen wird; sie kennt und weist die Wege, auf welchen sich im frühen Mittelalter Christentum, Wissen- schaft und Zivilisation über große Strecken Europas verbreitet haben; sie hält manche der Fäden in der Hand, welche zwischen der Dichtung so vieler europäischer Nationen hinüber- und herüberschlagen; und sie erschließt uns einen reichen Born von Sage und Erfindung, an dem sich die Literatur und Kunst der großen Kulturvölker immer wieder neu belebt hat, aus dem sie, wenn er erst völlig erschlossen ist, noch tiefer schöpfen wird. Darf ich nun hier, wie es Sitte ist, von mir selbst reden, so muß ich dankbar 1 ‚ daß ein glückliches Gestirn über meinem wissenschaftlichen Lebensgange gewaltet hat. Durch den Altmeister der deutschen Keltologie, durch Winvisch, in diese Wissenschaft ein- geführt, hat ein günstiges Geschick mich durch meine Berufung nach Liverpool früh in die unmittelbare Nähe meines eigentlichen Arbeits- gebietes geführt, der Länder, wo nach tausendjährigem Kampfe keltische Sprache und Eigenart noch immer der mod Zivilisation stand- hält; in die Nähe der Bibliotheken, in denen die keltische Literatur so lange in Staub und Vergessenheit geschlummert hat. In langjährigem vertrauten Umgang mit den bedeutendsten Keltologen Englands, mit Wunrtzey Stores, Stracuan und Ruts empfing ich auf Schritt und Tritt Anregung und Förderung, während mein Liverpooler Kollege J. M. Macxay mir zuerst den Sinn für die eigenartige Poesie der Kelten erschloß. Dank der verständnisvollen Liberalität der Jungen Universität -iverpool durfte ich auch an anderen britischen Hochschulen sowie in Irland selbst an der Königlich Irischen Akademie und als Direktor der School of Irish Learning für die Wiederbelel g der kelti Studien wirken. : ; Bei der Fülle der verlockenden Probleme, welche unser Arbeits- feld umschweben, tut Beschränkung, und zum weiteren Ausbau unserer Wissenschaft eine feste Grundlage not. Diese können wir nirgends so sicher gewinnen wie in Irland durch die Erforschung der Literatur, die sich rühmen darf, die älteste unter allen keltischen und westeuropäi- schen zu sein. Hier handelt sich’s zuerst um Beschaffung und Ordnung des Materials. So hat meine H pttätigkeit der S lung, Herstellung und Datierung der ältesten irischen Texte in Prosa und Poesie gegolten. Vom 8. Jahrhund g 1, hoffe ich hier Schritt vor Schritt in immer ältere Zeiten vordringen zu können. Dabei ist mein Augenmerk stets der Lexikographie und Metrik als unentbehrlichen Hilfsmitteln zu- gewandt. ‘Endlich habe ich durch Übert gung ausgewählter alt- und mittelirischer Gedichte ins Englische die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf diese langvergessene Literatur zu lenken versucht. Antrittsreden und Erwiderungen. 591 Nachdem ich nun so dreißig Jahre meine Kräfte dem Auslande gewidmet, bin ich durch die ehrenvolle Berufung an die Universität, wo Eser und Zıuser dem Nachfolger als hohe Vorbilder leuchten, in einen neuen, anders gearteten Wirkungskreis versetzt. Im Unter- schied von Großbritannien bringen in Deutschland, wo seit langen Zeiten alles lebendige Keltentum geschwunden ist, keine breiten Schichten des Volkes der Keltologie ein pietätvolles oder romantisches Interesse entgegen. Hier kann sie sich einzig als strenge Fachwissenschaft Geltung verschaffen. Leider aber sind die Zeiten vorüber, wo jeder tüchtige Arbeiter in Sprachwissenschaft und Philologie, sei es der klassischen oder mod es sich angelegen sein ließ, auch auf den Nachbargebieten selbständige Kenntnisse zu gewinnen. Möge es mir und der oft bewährten Zauberkraft der keltischen Muse trotzdem gelingen, ihr manchen eifrigen Jünger zuzuführen, damit es auch im Heimatlande des Begründers der keltischen Philologie an Nachwuchs nicht fehle. Bei diesem Bestreben wird das Bewußtsein, daß mir die wohlwollende Teilnahme dieses erlauchten Kreises zur Seite steht, der schönste Ansporn sein. Erwiderung des Secretars Hrn. Rorrne. Verehrter Herr College! Vor etwa sechs Jahren trafen wir beide uns an einem für jeden keltischen Philologen höchst ehrwürdigen Orte und Tage: an Casrar Zeusz’ Grabe feierten wir den hundertsten Geburtstag des großen Gelehrten, ich von der Akademie entsandt, Sie als der berufene Sprecher von altkeltischem Boden über den Kanal herbeigeeilt, um Zeugnis abzulegen von der späten, jetzt aber um so wärmeren Verehrung, die Ihre junge Wissenschaft dem Manne zollt, der sie vom geistreichen Spiel zum zwingenden Ernste strenger Arbeit ———gelührt hat. Sie begleitete ein junger Ire, um gleichsam im Namen seiner Nation dem Andenken des schlichten Forschers zu huldigen, der in seiner Grammatica celtica den Grund gelegt hat für alle echte geschichtliche Erschließung keltischen Volkstums und der dadurch einer der Schöpfer keltischen Nationalgefühls geworden ist. Allen Teilnehmern jener Feier war es ein großer Eindruck, als sich so die lebendig wirkende Macht des stillen wissenschaftlichen Gedankens, der spröden geistigen Arbeit bewährte. Deutschland war es noch öfter beschieden, durch verstehendes Interesse für fremde Art andern Nationen einen Anstoß zur Selbstbesinnung zu geben, der in seinen Folgen uns nicht immer bequem war: wer dächte nicht an die heiße Flamme nationalen Selbstgefühls, die deutsche Kunst und Wissen- schaft in Czechen und Slowenen entfachen half? Und wenn wir 592 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. den Fortschritten keltischen Sonderleb auf den britischen Inseln un- befangen zuschauen mögen, in Frankreich hat gesteigertes Kelten- und Pankeltentum auch schon unerwünschte Formen angenommen. Gleichviel, es darf uns Deutsche mit Genugtuung erfüllen, daß deut- scher Geist mitwirken durfte bei der Erweckung schlummernder Volks- seelen, die erwacht den Reichtum menschlichen Geisteslebens zu mehren berufen sind. Wenn die Slawen stets Nehmende waren, die Kelten haben uns einst gegeben; ihnen hat Deutschland alten Dankeszoll abgetragen, da es ihnen den Weg zu sich selbst wies. Mehr als einmal waren die Kelten uns langsamer Reifenden Führer; noch zeugen Lehnworte und Namen von den Culturelementen, die sie uns vermittelten; es liegt im hellen Lichte der Geschichte, wie sie uns während des Mittelalt lassisch und romantische Anregungen spendet So ist keltisches Geisteslel dem deutschen eng verknüpft. Das wußte man längst; aber die vage Erkenntnis, deren Tragweite man obendrein überschätzte, hat lange nur unreife Früchte gebracht. Die Akademie hat sich von dem Halbdilettan- tismus der Keltomanie stets leidlich frei gehalten; ein Memoire des Abbe Dexma, das 1786 die Verwandtschaft des Keltischen mit andern europäischen Sprachen beleuchtet, entbehrt der Schärfe, doch auch der Waghalsigkeit. Aber anderseits ist auch die wissenschaftliche Pflege des Keltischen später bei uns zu Worte gekommen als fast alle andern indo- germanischen Sprachstämme. Zeusz freilich war unser Correspondent, auf Jac. Grmms warmen Antrag gewählt; aber er hat die Wahl nur kurze Frist überlebt. Eser hat uns nie angehört, und wenn auch MüLuennores tiefdringende Altertumsforschung von fester Basis aus den alten kelti- schen Besitzstand des heutigen deutschen Bodens zu erweisen suchte, ihren ersten wirklichen Keltisten hat die Akademie an Ihrem Vorgänger, verehrter Herr College, besessen. Die geniale Leidenschaft, mit der Hrısrıon Zimmer die keltische Philo- logie im größten Stile zu umspannen und zu festigen wußte, ist allen unvergeßlich, die ihn kannten: wer wird es dem feurigen Eroberer ver- argen, daß er schneidende Waffen schwang, daß er die duldsame Fried- seligkeit der kleinen keltischen Gelehrtengemeinde unbarmherzig störte, daß er die Grenzen des Erreichbaren nie ängstlich respectierte? War er doch ein unerhört Schaffender: zu früh hat schöpferische Glut ihn verzehrt. Sie, verehrter Herr College, sitzen heute auf dem verlassenen Platz, der durch Zımmer wahrlich ein Ehrenplatz geworden ist. Eine keltische Mähre erzählt von dem Ehrensitz in würdiger Runde, der in die Erde versinkt, wenn ein Unberuf: ihn einnimmt Fürehten Sie nichts! Wir wissen und freuen uns, daß wir wieder einen Berufenen auf diesen schwer zu besetzenden akademischen Stuhl N P a und Erwid g 593 laden durften. Gewiß, Sie sind ein ganz anderer als Zimmer und eben darum sein glückliehster Ergänzer. Wenn er, kaum daß er sich in trengtem Handschriftenstudi festen Boden erobert, alsbald ungeduldig aufwärts drängte zu den größten und feinsten geschichtlichen Problemen und Zusammenhängen, so haben Sie in entsagungsvoll zäher Treue ruhig und unermüdlich die Schätze irischen Schrifttums gehoben, h gebend, ül tzend, erklärend, nieht nur für sich selbst, auch für alle Fachgenossen den Boden bereitend. Wenn Zimmer mit Vorliebe sich einbohrte in verheißungsreiche Rätsel altirischen Wort- schatzes, so haben Sie in überraschendem Reichtum die Fülle auch jüngerer Sprachp len lexikali bieten begonnen, und das Vertrauen der Iren hat Sie, den Deutschen, an die Spitze des großen irischen Wörterbuehs der Dubliner Akademie, ja zur Leitung der Hoch- schule irischer Wissenschaft berufen. Was Zmner nur auf karg be- messenen Reisen an sich raffen konnte, Fühlung mit keltischer Art, Anschauung von keltischem Leben, das haben Sie in dem steten Ver- kehr eines Menschenalters sich ganz anders zu eigen gemacht: die sichere und intime Vertrautheit mit Land und Leuten, wie sie nur aus dauernder Gemeinschaft erwächst. Die moderne Wissenschaft bildet sich etwas darauf ein, daß sie nicht nur die Gegenwart aus der Vergangenheit, sondern auch die Vergangenheit aus der Gegen- wart zu erhellen weiß. Gerade auch für diese Aufgabe sind Sie un- gewöhnlich gerüstet. Ihnen sind Iren und Kymren, deren Sprachen ten und Sprachft bekannt: Sie sprechen, nicht nur aus Perg Sie haben dem redenden Munde gelauscht, haben steigendes Streben in Irland und Wales beobachtet. So ist es nieht nur der gelehrte Erforscher keltischer Worte und Bücher, es ist auch der Freund und Kenner keltischer Volksart, von dem wir erfolgreich werbende Kraft für seine Wissenschaft erhoffen und den wir mit freudigem Vertrauen begrüßen. Antrittsrede des Hrn. ERDMANN. Das Suchen nach einer neuen Synthese des naturwissenschaft- lichen und des geisteswissenschaftlichen Denkens, die beiden .. wird und den bloßen Übertragungen des einen auf das andere Halt gebietet: das darf als die leitende Idee der mannigfaltigen Bestrebungen angesehen werden, die von der ansteigenden philosophischen an unserer Zeit Zeugnis ablegen. Noch ein Suchen und Drängen en er Symptomen einer Übergangsperiode; die entscheidende Tat noc) a hemmt durch die Problemlage der Gegenwart. Denn wir e_ zen in einer tiefgreifenden Umwälzung der seit ne ee 594 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. lieferten Naturauffassung, und wir leben in einem ungestümen Treiben sozialer Kultur, das alle festgewurzelten Lebenswerte ins Schwanken gebracht hat. Die Entwicklung meiner Jugend vollzog sich unter diesen Zeichen der Zeit. Ausgezeichneten Vertretern der genannten beiden Denk- richtungen, vor allen Kummer, Rogert Kırcnnorr und Hrımnortz, Stei- Hat, Bonttz und Zerter verdanke ich die mathematisch-naturwissen- schaftliche und die geisteswissenschaftliche Schulung, die mein von religiösen und ethischen Problemen erfülltes jugendliches Denken zu er- kenntnistheoretischen sowie zu geschichtlichen Untersuchungen führte. Jene waren den Grundlagen der Math ik zug dt; diese bezogen sich vornehmlich auf den historischen Bestand und die Entwieklungs- bedingungen des Kanrischen Kritizismus, zu dem auf solchem Wege Stellung zu nehmen die Verschiedenheit der damals zeitgenössischen Spiegelungen dieser Lehre aufforderte. Dadurch kreuzte sich die Antinomie der beiden genannten Denk- weisen mit dem Gegensatz des rationalistischen und des empiristischen Denkens, der die Entwicklung der Philosophie seit alters in immer neuen Formen durchzieht. Die phänomenalistische Überzeugung, in deren Idee sich Kants Grenzregulierung unseres Erkennens mit dem Positivismus Hunes vereinigt, wurde mir im Sinne eines absoluten Phänomenalismus zur philosophischen Grundüberzeugung, nicht nur für die theoretische, sondern auch für die praktische Philosophie. Denn eine Lebensdeutung und Lebenswertung, die nicht in einer Welt- auffassung fundiert ist, bleibt ähnlich haltlos wie eine Weltauffassung, die sich nicht an einer Lebensauffassung erprobt. Diese phänomena- listische Überzeugung leitete unter Hinzunahme der Hypothese un- bewußter seelischer Bedingungen des Bewußtseins sowie der leiten- den Ideen der Entwicklungslehre zu der Annahme des psychophysi- schen Parallelismus. Wie für Fecuxer, so scheint auch für mich diese Annahme — freilich nur auf phänomenalistischer Grundlage — vor allen anderen geeignet, den erkenntnistheoretisch durchleuchteten Tat- sachen des physischen wie des psychischen Geschel zu geben, was sie fordern dürfen. Nur langsam und intermittierend habe ich diese beiden Über- gungen zu entwickeln vermocht. Mehrfach drängten sich auch, zum Teil in Verbindung mit sozialen und ethischen Problemen, histo- rische Arbeiten in den Vordergrund. Psychologische, auf die Tatbestände des Erk und des Den- kens gerichtete Analysen und logische Untersuchungen über die Formen des gültigen Denkens halfen mir weiter. Jene gaben den Anstoß zu einer Theorie der Apperzeption, derzufolge sich die assoziativ fun- den und Erwid 595 5 dierten Vorgänge des Erkennens im engeren Sinne und des Verstehens als wesensgleich erweisen lassen; sie gewährten überdies die Hand- haben, die vielfachen V igungen beider Arten des Vorstellens ge- nauer bloßzulegen, insbesondere, unter Hinzunahme einer psychologi- schen Deutung der Hypothesen über die aphatischen Störungen, die Durchführung des Versuchs, den mannigfachen Verwicklungen des for- mulierten Denkens nachzugehen. Einige nur experimentell bestimm- bare Daten ließen sich durch eine spezielle Untersuchung über die Erkenntnis- und Reaktionsbedingungen beim Lesen gewinnen, die ich in mehrjähriger Arbeitsgemeinschaft mit Raymosp Dopsr ausführen - konnte. So fanden sich die tatsächlichen Voraussetzungen für eine logische Synthese der Verzweigungen, in denen sich die Urteile als Formelemente des Denkens durch die naturwissenschaftlichen wie durch die geisteswissenschaftlichen Forschungsmethoden ausbreiten. Immer deutlicher ergab sich dabei, daß auch für diese Normierungen, ebenso wie für die Analyse der seelischen Vorgänge, die grundlegenden mathe- matischen Untersuchungen zur Mengenlehre festbestimmbare Ausgangs- ' punkte bieten. Die Ehre, die Sie mir erwiesen haben, indem Sie mich in Ihre engere Arbeitsgemeinschaft aufnahmen, empfinde ich tief als eine wert- volle Einschätzung der Aufgaben der Philosophie, als einen Ausdruck Ihrer Überzeugung, daß die Idee der Einheit der Wissenschaft, der una omnium universalis seientia, die im Geiste Leisnizens unsere Stif- tung ins Leben gerufen hat, lebendig erhalten werden müsse. Ich empfinde diese Ehre um so wärmer mit dem vollen Gefühl der Ver- pflichtung, als diejenigen meiner akademischen Lehrer, denen ich das Beste meiner Lebensarbeit schuldig geblieben bin, in vorbildlicher Tätigkeit in Ihrer Mitte gewirkt haben. Erwiderung des Sekretars Hrn. Dırıs. Wir begrüßen Ihren Eintritt in unsere Körperschaft, Hr. Erpmanss, auf das wärmste und herzlichste. Sie sind uns ja längst kein Fremder mehr. Die Richtung Ihrer Studien wurzelt, wie Sie pietätvoll er- wähnen, hauptsächlich in den Anregungen der großen Philosophen, Mathematiker und Naturforscher, die in Ihrer Jugend unserer Körper- schaft Glanz und Licht verliehen. Dem Rufe »Zurück zu Kayt«, den Zeiter und Heımnorrz damals erschallen ließen, sind auch Sie gefolgt, und seinen Phänomenalismus mit den Mitteln der historisch-natur- wissenschaftlichen Methoden der d Forschung weiter zu be- gründen und zu vertiefen, war Ihre Lebensaufgabe. Indem Sie das natur- wie geisteswissenschaftliche Denken in sich zu vereinigen streb- 596 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. ten, haben Sie wohl erkannt, daß es nicht damit getan sei, die Me- thoden der einen Forschungssphäre ohne weiteres auf die andere zu übertragen, und daß es nicht genüge, sich die Steine von den Fach- leuten sauber zugeschnitten zum Aufbau eines umfassenden Systems darreichen zu lassen. Sie sind vielmehr auf beiden Arbeitsgebieten hinabgestiegen in die Steinbrüche und haben sich Ihre Werkstücke selbst aus dem Boden geschnitten und sich so das Sachverständnis erworben, ohne das der Baumeister sein Material nicht richtig be- urteilen und verwenden kann. So haben Sie schon früh die phy- : siologische und mathematische Raumlehre Heınworrzens weiterzuführen unternommen, haben mit Unterstützung unserer Akademie die von Heınmorız und Vorkmann eingeführte tachistoskopische Methode weiter- gebildet und durch Ihre Untersuchung über das Lesen die junge Wissen- schaft der experimentellen Psychologie b ders gefördert. Von an- derem Ausgangspunkte her haben Ihre logischen Untersuchungen seit 1887 in die Diskussion eingegriffen, und Ihre noch nicht vollendete ' Logik eröffnet dieser Fundamentalwissenschaft weite Perspektiven. In b dank rter Weise haben Sie die Akademie in der von ihr unternommenen Kaxr-Ausgabe unterstützt, indem Sie als Begründer der modernen Kaxr-Philologie die Herausgabe der beiden Auflagen der Kritik der reinen Vernunft und der Prolegomena unternommen hatten. So sind Sie nach Divrurvs beklag tem Hinscheiden wie kein anderer berufen, unsere akademische Kanr-Ausgabe zu rühmlichem Ende zu führen und zugleich der nunmehr nach langer und schwie- riger Vorbereitung begi len interakademischen Leissız-Ausgabe die Wege zu ebnen, die sich Glück wünschen darf, in Ihnen, dem Histo- riker, Mathematiker, Naturforscher und Phil phen ihren kompetent sten Leiter gefunden zu haben, der wohl allein von uns imstande ist, das grandiose Leb k des universalsten Philosophen mit Sachver- ständnis zu überblicken. Antrittsrede des Hrn. Hrıınann. Der Eintritt eines Meteorologen in die Königliche Akademie der Wissenschaften läßt ihn am heutigen Tage zunächst der steten Für- sorge gedenken, welche diese gelehrte Körperschaft von Anfang an der Meteorologie zuwandte, indem sie regelmäßige Wetterbeobachtungen in Berlin anstellen ließ bis zu dem Augenblick, wo der Staat durch die Einrichtung eines besonderen Instituts die Pflege dieses Wissensgebietes in größerem Umfange selbst übernahm. Die Leiter des Meteorologischen Instituts, mein hochverehrter Lehrer Heirıca Wirueım Dove und Wırazım vox Bezorp, mit dem es Antri den und Erwid 597 © mir vergönnt war, 22 Jahre lang zusammen zu arbeiten, haben als Mitglieder der Akademie grundlegende Arbeiten auf dem Gebiete der Meteorologie und des Erdmagnetismus geliefert, waren aber in ihrem Hauptfach Physiker. Wenn ihr Nachfolger im Institut und in der Akademie sich als Meteorologen bezeichnet und wenn fast gleichzeitig in die älteste, die Pariser Akademie der Wissenschaften zum ersten- mal ein solcher als ordentliches Mitglied aufgenommen wurde, so dürfte dies ein Zeichen a sein, daß die Meteorologie als Wissen- schaft selbständi ist. Der Königlich. Preußischen Akademie der Wissenschaften sage ich darum besonders herzlichen Dank dafür, daß sie durch meine Auf- nahme in den Kreis ihrer Mitglieder der Entwicklung dieser Wissen- schaft Rechnung trägt. Die Fortschritte, welche die Meteorologie in den letzten Jahr- zehnten gemacht hat, beruhen auf der Verfeinerung und Erweiterung der Beobachtungen sowie auf der Anwendung allgemeiner physikali- scher Erkenntnisse auf die Verhältnisse im Luftmeer, weshalb man mit Recht von einer Physik der Atmosphäre spricht. Freilich sind wir noch weit davon entfernt, ein so vollkommenes Lehrgebäude der Atmosphärolögie zu besitzen, wie die Physiker oder die Astronomen solche aufweisen können. Gegenüber den ersteren ist der Meteorologe insofern im Nachteil, daß er weder mit der ganzen noch mit einem größeren Teil der Atmosphäre Experimente anstellen kann. Er muß vielmehr die atmosphärischen Erscheinungen, wie sie sich von selbst darbieten, durch Beobachtungen richtig zu erfassen suchen, ohne die Bedingungen ihrer Entstehung beliebig verändern zu können. Das- selbe trifft allerdings auch bei der Astronomie zu; indessen läßt sich die B der B g der schweren TERBRlSRDEDEN, in deren Präzision von jeher der Ruhm der Ast i ündet war, ungleich genauer ausführen als diejenige der Bewegung eines Luft- teilchens, dessen Leichtigkeit und Beweglichkeit der Lösung aller aero- dynamischen Probleme ungeheuere Schwierigkeiten entgegenstellt. Wenn somit die Beobachtungen eine unentbehrliche Grundlage der meteorologischen Forschung bilden, muß das Bestreben dahin gehen, sie in räumlicher wie zeitlicher Beziehung zu vervollständigen. Denn die großen und weitverbreiteten Witterungserscheinungen lassen sich erst dann verstehen, wenn man die Atmosphäre als ein Ganzes erfaßt, dessen einzelne Teile sich gegenseitig beeinflussen. Ein mäch- tiger Impuls, den das Luftmeer irgendwo erhält, pflanzt sich fort und macht sich noch an weit entfernten Orten bemerkbar. So wissen wir, daß gewisse Wechselwirkungen in der Witterung von Europa und Nordamerika, von Ostindien und Südamerika bestehen; da uns aber 598 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. aus Mangel an Beobachtungen die Zwischenglieder unbekannt sind, läßt sich der ursächliche Zusammenhang noch nicht feststellen. In dieser Hinsicht hängt also der Fortschritt der Meteorologie ganz von der Erschließung und kulturellen Entwicklung der fremden Erdteile ab. Aber nicht bloß in horizontaler, sondern auch in vertikaler Er- streckung, weit über die Gipfelobservatorien hinaus, mußte der meteo- rologische Gesichtskreis erweitert werden. Denn gleichwie aus den Erscheinungen an der Oberfläche des Meeres die Gesetze der Ozeano- graphie nicht abgeleitet werden können, lassen sich nur aus Beob- achtungen am Grunde des Luftmeeres, an dem wir leben, die Vor- gänge in der Atmosphäre nicht genügend verstehen. Gerade nach dieser Richtung sind aber in den letzten Jahrzehnten sehr erfreuliche Fortschritte durch die systematische Erforschung der höheren Luft- schichten gemacht worden. Sie hat uns interessante Einblicke in die kwürdig he Schiehtung der Atmosphäre gewährt und durch die über dem Atlantischen und Indischen Ozean ausgeführten Son- dierungen sicher erwiesen, daß die bisherige Theorie von der allge- meinen Zirkulation der Atmosphäre einer gründlichen Revision bedarf. Auch hier werden erst vielfältige neue Beobachtungen, vor allem in niederen Breiten, den offenbar sehr verwiekelten Zusammenhang zwi- schen unteren und oberen Luftströmungen mehr und mehr aufhellen. Wenn ich zum Schluß meinen eigenen wissenschaftlichen Ent- wicklungsgang kurz kennzeichnen darf, so möchte ich zunächst her- vorheben, daß eine fachliche Ausbildung in der Meteorologie und in der Lehre vom Erdmagnetismus früher in Deutschland kaum möglich war. Wenn mich auch Dovr durch sein einstündiges Publikum über Meteorologie sowie durch private Anregungen dieser Wissenschaft zu- führte, so war es doch Hemrıch Wirp, dessen kritischer Sinn und instrumentelles Geschick mir zum Vorbilde wurde, als ich als Volontär an dem von ihm musterhaft geleiteten Physikalischen Zentralobser- vatorium in St. Petersburg zuerst in die kt Arbei beider Gebiete Einsicht gewann. Durch den Aufenthalt an anderen Fachanstalten des Auslandes wurden die so gewonnenen Kenntnisse erweitert, bis ich sie 1879 in den Dienst des Vaterlandes stellen und speziell bei der 1885 beginnenden Neugestaltung des meteorologischen Dienstes in Preußen verwerten konnte. Von der Üb gung ausgehend, daß bei dem jetzigen Stande der Meteorologie die Hi fügung von neuen Tatsachen und positivem Wissen ihr mehr frommt als bloßes Theoretetisieren, waren meine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten darauf gerichtet, die Beobachtungen exakter zu machen und vor allem, neue Gesetzmäßigkeiten aus ihnen abzuleiten. Wenn dabei auch alle meteorologischen Elemente Berück- Antri den und Erwid 599 5' sichtigung fanden, so habe ich doch dem kompliziertesten von ihnen, dem Niederschlag, am meisten Aufmerksamkeit geschenkt. Daneben war es mir stets eine Freude, mich in Muß mit der Geschicht meiner Wissenschaft zu beschäftigen, ihren Uranfängen im Zweistrom- land nachzugehen, ihre erste Vertiefung im griechischen Kulturkreis zu verfolgen und den Ursprung der modernen experimentellen For- schung in dem zu Unrecht vielgeschmähten Mittelalter aufzudecken. Die Fülle der vorhandenen meteorologischen Beobachtungen, wenn sie auch nur von einem beschränkten Teil der Erde vorliegen, ist so groß, daß es mir an Material für weitere Untersuchungen der gedachten Art nicht fehlen kann, und auch in der Geschichte der Meteorologie wie des Erdmagnetismus ist noch so viel Pionierarbeit zu verrichten, daß ich nur wünschen kann, neben den vielen Amts- geschäften, welche die Leitung eines großen Instituts mit sich bringt, Zeit genug zu erübrigen, um mich auch auf diesem Gebiet weiter betätigen zu können. + I Erwiderung des Secretars Hrn. Pranc«. Geehrter Herr Kollege! In Ihrer schönen Gedächtnisrede auf unseren unvergeßlichen Wırnerm von Bezorp, vor fünf Jahren, haben Sie mit besonderer Wärme der stetig gleichbleibenden Harmonie ge- dacht, welche Sie mit Ihrem langjährigen Chef und Mitarbeiter bis zu seinem Lebensende verband. Dieses beide Teile gleich ehrenden Ver- hältnisses erinnert sich die Akademie gerne am heutigen Tage, da sie Ihnen als seinem mit aller Sorgfalt auserlesenen Nachfolger ihren Will- kommengruß bietet, nachdem Sie schon früher in der Leitung des Meteorologischen Instituts und auf dem Lehrstuhl der Universität zu seinem Ersatz berufen wurden. Sind wir doch sicher, daß es dem Heimgegangenen eine Gewissens- und eine Herzenssache war, Sie dereinst an seiner Stelle zu sehen. Es dürfte auch nicht schwer fallen, den Grund für die besondere Wertschätzung zu finden, die er Ihnen entgegenbrachte. Brzor» war von der Physik her, erst in verhältnismäßig späten Jahren und zum Teil durch das Eingreifen mehr äußerlicher aeg zur Meteoro- logie gekommen, und auch nachdem dies gesch halb der Meteorologie stehend, hat er nie aufgehört, sich im Grunde doch noch als Physiker zu fühlen. So mochte in ihm besonders lebhaft der Wunsch rege gewesen sein nach einer Kraft, die geeignet war, seine Wirksam- keit nach der speziell klimatologischen Seite hin noch zu ergänzen. In Ihnen hatte er den Gesuchten gefunden. Sie sind von jeher in erster Linie Meteorologe gewesen. Schon Ihre Dissertation behan- Sitzungsberichte 1912. 55 600 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. delte ein meteorologisches Thema, dem Meteorologischen Institut ge- hörten Sie an schon zu einer Zeit, als es noch mit dem statistischen Bureau verbunden war. Ihr Hauptinteresse lag immer auf dem Ge- biete der Klimatologie, und dementsprechend haben Sie auch, darin wieder enger an den Altmeister Dove anknüpfend, nicht die dynami- sche, sondern die statistische Betrachtungsweise zur Grundlage Ihrer Forschungen gemacht. Indessen wäre es doch verkehrt, die statistische Methode in einen prinzipiellen Gegensatz zur physikalischen bringen zu wollen. Ja, wenn nicht alle Zeichen trügen, so drängt die Entwicklung gerade des neuesten Zweiges der Physik, der Molekular- und Atomphysik, mit Entschi heit auf eine statistische Betrachtungsweise hin, welche durch die Häufung zahlreicher unregelmäßig schwankender Einzelereignisse zum Verständnis des Kausalzusammenhangs der elementaren Vorgänge durch- zudringen sucht. i Daß die meteorologischen Schwankungsperioden sich nach Stun- den, Tagen und Jahren, die molekularen Schwankungsperioden dagegen meistenteils nach winzigen Bruchteilen einer Sekunde bemessen, ändert natürlich an dem Wesen der statistischen Methode nichts. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist der von Ihnen hervorgehobene Umstand, daß der Meteorologe gegen den Physiker insofern im Nachteil ist, als er die Bedingungen der ihn interessierenden atmosphärischen Erschei- nungen nicht durch Experimente willkürlich verändern kann. Aber da- für ist er — so möchte ich hinzufügen — andrerseits in der glück- licheren Lage, daß die elementaren Gesetze der atmosphärischen Vor- gänge: der Luftbewegungen, der Druck- und Temperaturänderungen, der Niederschlagsbildung, ihm mit aller wünsel ten G igkei bekannt sind. Wohl liegt die Hoffnung noch im weiten Felde, daß es einmal gelingen werde, durch eine passende Kombination der statistischen mit der dynamischen Methode, etwa im Sinne der Bestrebungen von V. Bserkses, dem idealen Endziel aller meteorologischen Forschung: der Prognose, etwas näher zu kommen. Einstweil wird jed noch auf lange Zeit für die praktische Met logie nur die Sammlung und Vergleichung von Beobachtungsdaten in Betracht kommen, und in dieser Hinsicht haben gerade Sie, in erster Linie durch Ihr umfassen- des Werk über die Niederschlagsverhältnisse in verschiedenen Provinzen Preußens, eine BuiR für die Klimatologie anderer Länder vorbildliche rs © rel All oO k>3 Die Akademie kennt Sie aber nicht nur als umsichtigen Forscher und als scharfsinnigen und id ichen Bearbei li 1 5 Ma- terials, sie schätzt in Ihnen auch den gründlichen Literaturkenner, der Antrittsred ia 601 5 und Er zwischen den zeitraubenden Ansprüchen seines Berufes hindurch immer noch Muße findet, sich in die Aufzeichnungen fremder Epochen zu vertiefen und sie sogar durch Neudruck der Allg heit zugänglicl zu machen, sie schätzt den geschiekten Konstrukteur, dessen Kunst sich tlich in der Herstellung und Vervollkommnung von selbst- registrierenden Apparaten erfolgreich bewährt hat, und schließlich nicht zum mindesten auch den vielseitigen und unermüdlich tätigen Organi- sator wissenschaftlicher Arbeit, der den ungemein kunstvoll verzweigten Apparat des ihm unterstellten Instituts mit sicherer Hand meistert und dabei seinen durch die Eindrücke zahlreicher Reisen geschärften Blick stets auch über die Grenzen des engeren Vaterlandes hinaus auf die entsprechenden Einrichtungen und Bestrebungen in anderen Staaten gerichtet hält. Auf allen diesen Gebieten sieht die Akademie Ihrer Mitarbeit mit Zuversicht entgegen und hofft sich derselben auf lange Jahre hinaus erfreuen zu können. Antrittsrede des Hrn. Seokeı. Soweit die Rechtswissenschaft der Rechtsdogmatik, der Rechts- lung, der Rechtspolitik dient, bleibt sie vom Kreis der aka- ‘hen Diszipl aus gutem Grunde ausgeschlossen. Nur Rechts- philosophie und Rechtsgeschichte fallen in den Bereich der Akademie. Die historische Rechtswissenschaft wird gepflegt in den drei Zweigen der römischen, der germanischen und der kanonischen Rechtsgeschichte. Einen Vertreter des kanonischen Rechts hat die Akademie bisher nicht beherbergt; durch glänzende Namen war die römische und germa- nische Rechtsgeschichte vertreten. Die Akademie hat mir, dem Ro- manisten und Kanonisten, die hohe Auszeichnung erwiesen, mich in ihren Kreis aufzunehmen. Tiefempfundenen Dank in Worten darf ich Ihnen am heutigen Akademiefeste abstatten; und ich darf geloben, durch die Tat den Dank für Ihr Vertrauen abzustatten, soweit es irgend in meinen Kräften steht. Die römische und die kanonische Rechtsgeschichte umfaßt in ihrer etwas mehr und etwas weniger als 2000,jährigen Entwieklung einen so gewaltigen Stoff, daß der einzelne Arbeiter nur auf einzelnen Gebieten in selbständiger Forschung sich zu betätigen vermag. Die Sondergebiete römischer Rechtsgeschichte, denen ich mich zugewendet habe, sind einmal das klassische und Jjustinianische Privat- und Prozeßrecht, sodann und namentlich die Quellen des römischen Rechts im Mittelalter. Das antike Recht, insbesondere das Privatrecht der Römer, ist ein Stück moderner Rechtskultur geworden. Erst seit es in Deutsch- 55* A 602 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. land am ı. Januar 1900 seine formelle Geltung eingebüßt hat, gehört es im vollen Sinne der Geschichte an. Auf die geschichtliche Be- trachtung hat fördernd seine Beseitigung schon zurückgewirkt, als sie mit Sicherheit vorauszusehen war. Vor etwa einem Menschenalter begann ein Wandel der romanistischen Methode. An Stelle der von praktischen Interessen beeinflußten Pandektenharmonistik trat eine vor- tzung istorisch-kritische Betrachtungsweise. Man erkannte, daß viele Rechtsgedanken, die man zuvor naiv als Erzeugnisse der klassischen Zeit hing hatte, der völlig verschiedenen Ge- dankenwelt des justinianischen Byzanz ihren Ursprung verdankten. Die trübe Überlieferung klassischen Rechts, wie sie in Justinians Sammelwerk geboten wird, bedarf der eindringendsten sachlichen und sprachlichen Kritik, um die klassischen Texte von den byzantinischen Übermalungen (den sog. Interpolationen) zu befreien und aus den ge- reinigten Quellen das klassische Recht in seiner herben Schönheit, seiner trotz mancher Unfertigkeit technisch vollendeten Gestalt als eines der bew t Denkmäler menschlicher Denk- und Gestaltungskraft wiedererstehen zu lassen. Einen der Führer moderner Romanistik durfte die Akademie den ihrigen nennen; es war Aırrep Perser. Wenn Mownsen, der geniale Baumeister des öffentlichen Rechts der Römer, seinem privatrechtlichen Genossen vor elf Jahren in den Nekrolog schrieb, es gehe über Menschenkraft hinaus, das rö- mische Vollrecht mit beseitigten Schlacken wiederzuschaffen, so hat der Altmeister vom Standpunkt einer jetzt überwundenen Wissen- schaftsstufe aus gesprochen und die fröhliche Weiterentwieklung der modernen Romanistik, die bald nach der sie versenkenden Sturzwelle des Bürgerlichen Gesetzbuchs wieder an die Oberfläche gelangte, nicht aufzuhalten vermocht. Als einer Hilfswissenschaft bedarf‘ die moderne Interpolationen- forschung der Philologie, insbesondere der Lexikographie. Eine ach- tungswerte Leistung hat in seinem Manuale Latinitatis der Akademiker Dirxsen erbracht. Das auf dem heutigen Stande der Methodenverfeine- rung stehende Wörterbuch der klassischen Rechtswissenschaft, dessen Grundlegung Monnsen und Grapeswrrz verdankt wird und das unter Küsrers unermüdlicher Leitung rüstig fortschreitet, hat unsere Aka- demie in ihre Obhut genommen. Im Sinne heutiger Romanistik zu arbeiten war auch mir vergönnt. Teils in monographischer, teils in lexikographischer Form durfte ich zur Palingenesie des klassischen Rechts in Richtung auf die Aktionen, die Zufallshaftung usw. einige Bausteine hinzutrag Eine Geschichte des gemeinen römischen Rechts, wie es seit dem Mittelalter in Westeuropa sich umgestaltet hatte, lag und liegt Antrittsreden und Erwiderung 603 im Programm von Savıswys historischer Schule. Das Programm harrt bis zum heutigen Tage und noch auf Generationen hinaus der vollen Ausführung. Von Justinian trennen uns 14 Jahrhunderte. In diesen Jahrhunderten war das römische Recht zunächst zum Vulgarrechte ver- roht, dann dank den Bol Glossat im 12. Jahrhundert zu neuer Erkenntnis, dank den. italienischen und französischen Postglossa- toren im 13. und 14. Jahrhundert zu neuem Leben erweckt und mit germanischen und kanonischen Gedanken durchtränkt, später bei und nach der Rezeption in Deutschland vom 15. bis zum 18. Jahrhundert nochmals zum Usus modernus germanisiert worden, bis schließlich durch eine verhängnisvolle Zurückromanisierung ein Zustand geschaffen wurde, der in Verbindung mit dem ungeheuern Aufschwung des Ver- kehrs und mit der Schaffung des Nationalstaats zum Tode des ge- meinen Rechts und zur Geburt des heute geltenden Privatrechts führte. Tote Männer erhalten ihre Biographie, tote Rechte ihre Geschichte. Schon als um die Wende des 18. Jahrhunderts das römisch-gemeine Recht zu sterben begann, stellte sich die Historiographie ein. Bevor an eine Geschichte der Institutionen auch nur zu denken war, galt es, eine Geschichte der Quellen des gemeinen Rechts, d. h. die Ge- schichte seiner Literatur zu schreiben. Für das Mittelalter dieses Gebiet erschlossen zu haben, ist das unsterbliche und unangefochtene Verdienst von Savısny. Auf seinen Schultern stehen wir alle, die wir ihm, leider ein kleines Häuflein, in der mittelalterlichen Rechtsge- sehiehte Nachfolge geleistet haben. Die schwierigsten Teile der Auf- gabe, die Geschichte des römischen Rechts im Hoch- und Spätmittel- alter hat Savıcny allerdings nur in Form von Biographien und Biblio- graphien in Angriff genommen; und dabei blieben weite Gefilde ohne Anbau. Auch wo Savısny gearbeitet hat, ist das Unterste und das Oberste seinen Nachfolgern zu tun übrig geblieben. Der Unterbau fehlt namentlich für die Jugendzeit der neu er- wachenden Wissenschaft im ı2. Jahrhundert. Die große Masse des Materials schlummert in den Handschriften. Mag der einzelne noch so planmäßig und fleißig sammeln — ich bin beim Suchen in Hun- derten von Handschriften durch zahlreiche, großenteils noch unver- öffentlichte Funde belohnt worden —, der einzelne ist machtlos. Die Edition eines Corpus glossarum z. B. könnte nur gedeihen, falls die Schaffung einer gelehrten Organisation gelänge. Ohne ein Glossen- korpus kann aber eine wirkliche Kenntnis der Inkunabeln moderner europäischer Rechtswissenschaft nieht gewonnen werden. Die Büchergeschichte muß durch den Überbau einer Entwick- lungsgeschichte der Literaturgattungen und ihres Zusammenhangs mit den Geistesströmungen der Zeit überwölbt werden. An diese 604 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. Aufgabe hat Savıeny nicht von ferne gedacht. Einen ersten Versuch, die juristische Literaturgeschichte der Glossat auf eine methodisch höhere Stufe zu heben, habe ich kürzlich in meiner Arbeit über die Distinetiones Glossatorum gemacht. Seit dem ı2. Jahrhundert vermählt sich mit dem römischen das kanonische Recht zum Jus utrumque. Die älteren kanonischen Quellen, die in Gratians Decretum um die Mitte des 12. Jahrhunderts zusammenfließen, reichen in das Altertum und in das Frühmittelalter zurück. Einen Einschnitt in der kanonischen Quellengeschichte be- deuten die kühnen und großartigen Fälschungen des 9. Jahrhunderts. Zu diesen Fälschungen gehört die Kapitulariensammlung des Bene- dietus Levita. Als das Vertrauen meines hochverehrten Kollegen, des Hrn. Brunser, im Jahre 1895 mir die große Neuausgabe des Benedietus Levita für die Monumenta Germaniae historica übertrug, war mir die schöne Aufgabe gestellt, mit weit strafferer Methode als meine Vorgänger Baruze und Knust in die Fälschungstechnik des Benedietus einzudringen und seinen gewaltigen Quellenkreis zu durch- forschen: abgesehen vom römischen Rechte fränkischer Gestalt die alten Konzilien und Dekretal die Bußbücher und die Bischofs- na die fränkischen Kapitularien und die Volksrechte der West- goten und der Bayern. Der dem Fälscher auf seinen krummen Wegen nachspürende Jurist hatte sogar Bibel, Kirchenväter und theologische Literatur des Frühmittelalters in nicht bloß oberfläch- licher Weise zu durchstöbern. Da ferner die unechten Kapitularien des Leviten einen integrierenden Bestandteil der pseudoisidorischen Gesamtfälschung ausmachen, war es geboten, die seit dreieinhalb Jahr- hunderten verhandelte pseudoisidorische Frage, die sich in Dutzende von Unterfragen spaltet, nachzuprüfen; und es bot sich Gelegenheit, die Ergebnisse dieser Nachprüfung nebst den eigenen Beobachtungen in gedrängter Fassung den Fachgenossen darzubieten. Meine Vor- studien zu Benedictus, die zum größern Teil gedruckt vorliegen, gehen ihrem Ende entgegen, und es besteht die Hoffnung, daß in wenigen Jahren die Ausgabe der falschen Kapitularien vorgelegt werden kann. Möge sie würdig neben die Ausgabe der falschen Dekretalen von Hınscrrvs treten können. Die Quellengeschichte zwischen Pseudoisidor und Gratian liegt trotz vieler und tüchtiger Arbeit, die auf sie verwendet wurde, noch vielfach im argen. Was ich zu dieser Periode der kanonischen Quellengeschichte beigesteuert habe, sind Vernichtung geblicher Synodalschlüsse und Entdeckungen verloren geglaubter Synodalschlüsse des 9. Jahrhunderts, quellenkritische Forschungen zu bel Sammlungen, wie Regino, Burehard, Ivo, und Erstnach 41 weise Sammlungen. Antrii den und Erwiderung, 605 In nachgratianischer Zeit wird die Rechtsproduktion von den Päpsten in die Hand genommen. Ihre Dekretalen werden schon im ausgehenden 12. Jahrhundert gesammelt. Neu aufgefundene Samm- lungen habe ich analytisch untersucht und die Untersuchungen andrer nachgeprüft. Dabei zeigte es sich, wie auch hier Fälschungen sich einschleichen konnten, und zwar in Gestalt einer englischen Verun- echtung von gratianischen Kanonen und von päpstlichen Erlassen. Neben das römische und kanonische Recht trat im 13. Jahr- hundert ein dritter Quellenkreis gemeinrechtlicher Geltung, die lom- bardischen Consuetudines feudorum. Das germanische Lehenrechts- buch schmiegte sich als freilich stilwidriger Anbau an das römische Corpus iuris an. Der Legist war seitdem regelmäßig zugleich Feudist. Als das rezipierte gemeine Lehenrecht im 19. Jahrhundert zu Grabe ging, erhielten seine Quellen und seine Literatur ihre Geschichte. Die Quellengeschichte war am Schluß des Jahrhunderts geklärt bis auf die Geschichte der Extravagantensammlungen mit ihrem Einschlag an römischem, lombardischem und kanonischem Recht, an Gesetzen der salischen und staufischen Kaiser, an italienischem Stadtrecht des 13. Jahrhunderts. Die Entdeckung einer Wiener Handschrift ermög- lichte mir, die Lücke in der Quellengeschichte des Lehenrechts zu schließen. ; Römisches und ‚kanonisches Recht wurden im 15. Jahrhundert in Deutschland rezipiert. Es hat den größten Reiz, den Ursachen dieser Entnationalisierung unseres Rechtes nachzugehen und die Wege zu verfolgen, auf denen die Fremdrechte in Deutschland eindrangen. Auf die große Bedeutung der populären Rechtsliteratur für die Re- zeptionsgeschichte hatte Srinrzıns hingewiesen, sich aber in seiner Untersuchung auf die wenigen Jahrzehnte des Frühdrucks populärer DBRBER (etwa EN OR 5) beschränkt. In einer auf umfassender der ten Handschriften aufgebauten Geschichte des Vocabularius juris utriusque und der verwandten Rechtsenzy- klopädien des Mittelalters habe ich gezeigt, daß diese besonders ein- flußreiche Gattung populärer Rezeptionsliteratur mit ihren Wurzeln bis in das ı2. A ar daß die Fabrikation leicht- faßlicher alphabeti her beider Fremdrechte schon seit dem frühen 14. Jahrhundert auf deutschem Boden selbst in Blüte stand, und daß lange vor Erfindung des Buchdrucks Elementarkenntnisse gerade auch des römischen Rechts in steigendem Maße dem deutschen Klerus und deutschen Laienkreisen zuflossen. Wer zu Vorgängern in der Akademie Männer wie Savıcny, Ruporrr, Bruss und Perstor hat, dem fiel es schwer, von den bisherigen eigenen Doch ist er entschuldigt durch den Brauch Leistungen zu sprechen. 606 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. dieser Stunde, erleichtert durch den Willen, mehr und Größeres zu leisten, und dankbar erfreut durch die Ermunterung, deren eine Forschervereinigung wie diese mit ihrem nachsichtigem Urteil ihn gewürdigt hat, ihn, den Werdenden und noch mitten in der Arbeit Stehenden. Erwiderung des Secretars Hrn. Diers. Ihren Eintritt in diesen Kreis, Hr. Secker, begrüßen wir mit leb- hafter Genugtuung. Wir freuen uns, daß das seit Prrnıcrs frihem Tode verwaiste Fach nunmehr durch Sie eine würdige Vertretung gefunden hat. Freilich die Stellung der Romanistik ist seit dem Jahre 1884, wo Ihr Vorgänger hier von Monnsex begrüßt wurde, gründlich ver- ändert. Ich erinnere mich, wie beide in ihren damaligen Reden es bitter beklagten, daß die Rechtswissenschaft die Forschung des römischen Rechts zu sehr an die modernen Rechtsbestrebungen anlehne und um- gekehrt, daß keine zur Zeit herrschende Rechtsanschauung als kanonisch gelte, sofern sie nicht auch bei Papinian nachgewiesen werde. Diese unwissenschaftliche Strömung Ihrer Wissenschaft ist durch die Schöpfung des Bürgerlichen Gesetzbuches glücklicherweise bgelenkt worden. Der Romanist steht nicht mehr unter dem Zwange des gemeinen römischen Rechts und kann seine Forschung nunmehr der geschicht- lichen Betrachtung des echt antiken Rechts und seiner Fortbildung und Verbildung bei den Byzantinern und Glossat bis zur Ver- koppelung mit dem kanonischen Recht und seine Erweiterung durch das Lehnsrecht ungestört durch moderne aus der Praxis herüber- t de Beei g widmen. Sie haben über diese Wandlung Ihrer Disziplin und ihre Entwicklung so führlich gesprochen, daß ich mir versagen muß, zumal als F ernstehender, Ihnen in das Einzelne zu folgen. Aber jeder von uns weiß, daß Sie auf allen diesen Ge- bieten als Romanist, Kanonist und Feudist tiefer hinabgestiegen sind in die Quellenschachte als irgendei der jetzt Lebenden. Wenn Sie die mannigfachen Untersuchungen, die Sie begonnen, erst zum kleineren Teile veröffentlicht haben, so ist außer äußeren Ursachen vor allem die Ihnen angeborene Gründlichkeit Ihrer Forschung und die Vielseitigkeit Ihrer Int hinderlich gewesen. Um so reicher wird die Ernte sein, zu der Sie sich nun, da Sie auf der Höhe des Lebens stehen, rüsten. Der Zwang zur Mitteilung, der mit dem Amte des Akademil bunden ist, und die Teilnahme der Ihren Studien nahestehenden Kollegen, die Ihnen gewiß ist, wird auch bei Ihnen wie bei uns allen seine maieutische Wirkung wohltätig erweisen. Daß wir bei den von der Akademie ins Leben gerufenen Unternehmungen Antrittsred und Erwid 607 5 des Wörterbuchs der deutschen Recht: he und besonders des Voca- bularium Jurisprudentiae Romanae auf‘ Ihre bewährte Mitwirkung rechnen dürfen, versteht sich bei dem Gange Ihrer Studien von selbst. So heißen wir Sie denn in unserer Mitte auf das herzlich Antrittsrede des Hrn. pe G@roor. Nie hat sich eine Wissenschaft ihre Aufgaben und Methode genau im vornhinein umschrieben. Es ist nun einmal ein Hauptzug im Forschungstriebe des Menschen, stetig nach Vermehrung seines Wissens zu streben, und dabei legt er sich natürlich im voraus keine selbst- geschmiedeten Fesseln an. Kaum hat sich ein neues Wissensgebiet zur Bearbeitung dargeboten, so drängen sich viele zum Suchen und Auflesen heran. Schnell wird die Wissenschaft durch Funde und Entdeck b hert; allein der Boden bleibt nur oberflächlich berührt, und wird lediglich abgeholzt. Allmählich nehmen vereinzelte Ackerbauer die Stelle der Abholzer ein. Doch die Bearbeitung des Bodens geht anfänglich nur in die Breite, nicht in die Tiefe, denn auf jungfräulichem Brachfelde ist bei leichter Arbeit die Ernte reich. Bald aber kommt die Zeit, wo eine Ernte nur durch wirkliche An- strengung ermöglicht wird; das Feld will tiefer gepflügt, intensiv an- gepackt sein. Diesen neuen Erfordernissen sind die meisten Arbeiter nicht g h die schwäch ziehen sich allmählich zurück; nur eine kleine Auswahl bleibt, mühselig und gewissenhaft strebend und schaffend. Auf dieser niedrigen Stufe ihres Entwicklungsganges steht jetzt offenbar die Sinologie. Das Auflesen auf ihrem Gebiete hat auf- gehört, denn Leseholz ist kaum mehr da, und schon längst haben die Sammler damit angefangen, einander das Leseholz zu entreißen. Aus solcher Beute werden jetzt meistens die Bücher über China an- gefertigt, welche die Welt zu lesen bekommt. Das vollständige Rezept dieses Verfahrens lautet ungefähr so: man macht eine Reise, oder auch keine Reise; man verschafft sich dabei Photographien oder Gewerbe- und Kunsterzeugnisse des Chinesenvolkes; alsdann läßt man sich dieselben von guten Lithographen und Zinkographen in Illustra- tionen umwandeln, und dann kommt das eigentliche Buch dazu: eine eigenartige, aus anderen Büchern zusammengeraubte oder selbst er- sonnene Mischung von Wahrheit und Dichtung. Wie eine Garnitur wird dieselbe um die schönen Bilder herumgeflochten; das übrige besorgt der Verleger: gutes Papier, schönen Druck, Reklame. In Frank- reich wird diese Art Sinologie auch viel getrieben in der Gestalt von Büchern mit sehr beschränktem Bilderschmuck, die sich aber empfehlen 608 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. dureh flüssigen Stil und den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß sie billig und massenhaft verkäuflich sind und also dem Verfasser und dem Verleger ein schönes Geld eintragen. Auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gedeiht diese Sinologie ohne Chinesisch besonders vorzüglich. Übrigens wird sie kräftig vertreten durch Zeitschriften von gutem Rufe, am meisten aber durch die Tagespresse. Über die verwickeltsten und tiefsten Geheimnisse des politisch irtschaft lichen und gesellschaftlichen Lebens des Reiches der Mitte der Mensch- heit sogar mit telegraphischer Schnelligkeit Aufschluß zu erteilen, versteht letztere immer am besten — nur sind die Quellen ihrer Allwissenheit leider meist bloß die Stehtrinkhallen oder »Bars« der Fremdenklubs in Schanghai, Tientsin und Hongkong. Leider ist dies alles kein Scherz: es stellt die traurige Wahrheit dar. Schon längst hat die Wissenschaft auch in Deutschland das Gefühl, daß angesichts der Tatsache, daß schon seit Jahrzehnten Ost- asien die Aufmerksamkeit der ganzen Erde fesselt und als einer der Hauptbrennpunkte des Welthandels und des Weltverkehrs die Welt- politik großenteils zu beherrschen im Begriffe steht, diese bedauerns- werte Sachlage der Wissenschaft zur Schande gereicht. Sie verlangt, sich der ordentlichen Pflege des Stiefkindes zu widmen, damit eine ingehende und methodiscl Erforschung des Chinesentums einsetze und die Sinologie sich den Fesseln eines unwürdigen und gefährlichen Dilettantismus entringe. Zu diesem Zwecke wünscht sie geschulte Arbeiter, welche sich dem Fache widmen wollen, auszubilden und mobil zu machen. Im Einklange mit dieser Akademie hat die Berliner Universität aufs neue einen Versuch zur Verwirklichung dieser Auf- gabe unternommen und mir dabei eine Rolle zugeteilt. Der Auftrag ist ein schwerer; mit zagender Befangenheit habe ich ihn über- nommen, denn ich bin mir wohl bewußt, daß mein Alter mir nicht mehr erlauben wird zu leisten, was man von mir zu erwarten scheint. So schwer aber der Auftrag, so groß ist das Vertrauen, welches mir in demselben geschenkt wird. Es verpflichtet mich zu tiefem Dank. An diesem Gedenktage, in dieser Werkstatt gelehrten Wollens und Könnens, wo der Geist der großen Männer, die ihren Ruhm aus- machen, zu verweilen scheint, lege ich von meinem Dankgefühle Zeugnis ab. Dazu die Gelegenheit zu haben, erscheint mir als eine der wichtig und angenel Begebenheiten meines Lebens. Den im Laufe des Jahres eingetretenen Neulingen dieser Akademie liegt es ob, an diesem Tage über ihre wissenschaftliche Persön- lichkeit einige Auskunft vorzulegen. Es wäre mir leicht, Sie durch Erwähnung von Einzelheiten aus meinem Leben zu ermüden, denn es war an Abwechslungen überreich; doch wiehtig war es nicht, und Kntrifisreden und: Krerd 609 & sein Entwicklungsgang war sehr einfach. Der Traum aller Jünglinge, von der Welt mehr zu sehen, als dem Durchschnittsmenschen beschieden wird, hat auch mich in meiner Jugend, die ich in der Nähe eines wichtigen Seehafens verlebte, stets berauscht. Er trieb mich in den Dienst der Kolonialregierung meines Vaterlandes, nach China, Java, Borneo, Sumatra und anderen Teilen des Paradieses der Welt. EIf Jahre lang übten diese Prunderländee RL, mich ihren gewaltigen Reiz. Das Studium ihrer eth E inungen wurde meine Lebens- aufgabe, und derer dhinas an allermeisten. Schon in meinen Studenten- Jahren, als religions-politische Fragen Europa und Deutschland ins- besondere heftig bewegten, erwachte in mir ein lebhaftes Interesse für die Probleme der menschlichen Religion und ihre Geschichte; der Ge- danke, die Religion Chinas, den Hauptnerv alles ostasiatischen Lebens, in ihrem ganzen Umfange zu beschreiben, ist mir dadurch sehr früh gekommen. Die Ausführung dieses kühnen Plans hat meine wissen- schaftliche Tätigkeit großenteils in Beschlag genommen; sie wird auch hier meinen Studien die Hauptrichtung geben. Die Vollendung dieser Lebensaufgabe wird mir im neuen Heim, wo mir eine neue Lehr- tätigkeit auferlegt ist, nicht beschieden sein, denn auch bisher hat ihr Fortgang mit dem meiner Lebensjahre nicht Schritt halten können. Mir bleibt also nur die Hoffnung, arbeiten zu können bis der Tag mir untergeht, sowie daß die Ergebnisse meiner weiteren Studien der deutschen Wissenschaft in diesem ihrem Haupttempel nicht ganz unwert mögen befunden werden. Hat also die Wissenschaft es auf sich genommen, die Sinologie in die richtigen Bahnen zu leiten und bleibend zu pflegen, so treten zuallererst die Fragen hervor, ob diese Aufgabe zu verwirklichen sein werde, und auf welche Art und Weise zur Erreichung des Zweckes zu verfahren sei. Diese Fragen sind fürwahr keine leicht zu lösenden, und solange es der Wissenschaft beschieden ist, sich in geistiger Unabhängigkeit zu bewegen und zu entwickeln, muß die Antwort ver- schieden lauten. Ich habe vor, meine Ansichten über die zweite Frage späterhin hier auseinanderzusetzen und dabei zugleich zu skizzieren, wie meines Erachtens sinologische Seminare einzurichten und ihre Bibliotheken aufzubauen wären. Fachgenossen mögen dadurch ver- anlaßt werden, mit Beurteilung oder, wenn nötig, mit Verurteilung meiner Ansichten, bessere Methoden und Pläne zu entwerfen. Auch wenn man die Sinologie bloß als das Bestreben bezeichnet, welches die Erwerbung einer möglichst genauen Kenntnis des Chinesen- tums bezweckt, und die Vorteile, welche das Abendland aus Ostasien zu schöpfen imstande sein könnte, als außerhalb ihres Arbeitskreises liegend betrachtet, ist ihre Aufgabe eine unübersehbare. Sie bezweckt 610 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. die Erörterung der Kultur des ganzen ostasiatischen Weltteils, einer Kultur, welche von der unsrigen grundverschieden ist und eben da- durch wie auch durch ihre eigenartige Entwicklung immer etwas Unverständliches war; einer Kultur, welche im Laufe der Jahrhunderte Tausende von Millionen Menschen umfaßt hat und heutzutage Hunderte von Millionen umschlingt. Über zweitausend Jahre hat sich diese Kulturwelt in ganz Ostasien überlegen erwiesen, und hat sie daselbst die Sitten und Bräuche gebildet, das Leben und die Bestrebungen der verschiedenen Völker beherrscht. Ihre Grundmauern sind die des grauen Altertums selbst. Auf denselben wurde sie durch nie unter- brochene Anstrengung menschlicher Vernunft im Laufe der Zeit kunst- voll erbaut. Ein richtiges Verständnis dieses Ri I welcher zwar etwas verwittert, jedoch gänzlich unversehrt, wie ein Hoch- gebirge in die Gegenwart hineinragt und eine unbegrenzte Lebens- dauer zu verbürgen scheint, ist also ohne g hung ihres Ursprungs und Entwicklungsganges nicht erreichbar. Der Sinologie liegt deshalb die Aufgabe ob, vor allem archäologisch und historisch zu arbeiten. Die Reichtümer ihres Wissensgebietes liegen also nicht zu- tage; man soll danach graben, und zwar in erster Linie in der Literatur, mittels welcher China sich das Gebäude seiner Kultur erbaut hat. Es stellt also diese Literatur eine Geschichtschreibung ungeheuren Umfangs dar, welche zu erschließen und zu bearbeiten für die Er- örterung jedes Bestandteiles des bsehbar verästelten ostasiatischen Geisteslebens und der Einzelheiten der durch dasselbe erzeugten Staats- verfassung, Religion, Riten, Sitten und Gebräuche, Philosophie und Kunst unabweisbare Hauptbedingung ist. Die hi gebende Arbeit vieler Gelehrten wird dazu in aller Zukunft erforderlich sein. Probleme ohne Zahl, für die Förderung der allgemeinen Kulturgeschichte der Menschheit von unschätzbarem Wert, werden ihre Ergebnisse unserer Gelehrtenwelt immerhin zu lösen bieten. Kurzum, Sinologie bedeutet die Bewältigung einer ganz neuen Wissenswelt, welche, obschon hier und dort an einzelnen Stellen durch Pioniere etwas eröffnet, wie ein Jungfräulicher Boden unbearbeitet vor uns liegt. Wer der Enthüllung dieser neuen Welt seine Kräfte zu widmen wünscht, muß also über eine genügende Kenntnis ihrer Schriftsprache verfügen. Bekanntlich ist diese die schwierigste der Erde, und es sind zur Aneignung solcher Kenntnis mehrere Jahre fleißigen Studiums kaum hinreichend. Aber es ist nun einmal eine nicht zu ändernde Tatsache, daß sie zur Durehforschung der Realien und also zur Er- fahrung in chinesischen Denkmethoden und zur richtigen Erfassung der Anschauungen, Sitten und Bräuche des Volkes das einzige und unentbehrliche Mittel ist. Wenn die Sinologie bisher nur beschämend Antrittsreden und Erwiderungen. 611 hofı ı shlı wenig Frucht getragen, dagegen die Wi in ung Rich- tungen auf Irrwege geführt hat, ist dies wohl dem Umstande zuzu- schreiben, daß man gar zu viel Sinologie ohne Chinesisch, und also mit Vernachlässigung des geschriebenen Materials, hat treiben wollen: ehe Wissenschaft aufhört, Wahrheit und Gründlichkeit zu bedeuten, wird ihr durch solehe Arbeit noch weniger als durch gar keine Arbeit gedient sein. Also ist die Kenntnis der chinesischen Schriftsprache die Kraft und Seele der Sinologie, welche man letzterer ohne sie zu lähmen und zu töten nicht nehmen kann. Fleiß und Ausdauer sind zur Erwerbung dieser Kenntnis die besten Hilfsmittel. Überdies gibt es. schon treffliche Wörter- und Lehrbücher, denn die ernsthaften Leiter der Sinologie haben wahrlich nicht stille gesessen. Und aller- dings stehen hier in Berlin schon seit Jahren zur Erlernung der geschrieb und gesproel Sprache die besten Lehrkräfte am Seminar für Orientalische Sprachen zur Verfügung. Trotz alledem wird die Länge der Studiendauer die Wahl der chinesischen Studien immerhin zu einer bedenklichen machen, auch weil sie selbstverständ- lich mit Aneignung eines gewissen Grades höherer allgemeiner Bildung verbunden sein sollen, wodurch der Studienkreis ausgedehnt und seine Dauer verlängert wird. Und vor allem drängt sich dabei die Haupt- frage auf: Wie soll die Sinologie denjenigen, der in der Welt einen Unterhalt gewährenden Beruf braucht, ernähren? Alles in allem werden die Schüler der Sinologie zu aller Zeit verhältnismäßig gering an Zahl sein, und es steht zu befürchten, daß diese Wissenschaft sich immer über Mangel an tüchtigen Kräften zu beklagen haben wird. Wenn nun der Schüler die Schwierigkeiten der Schriftsprache in so hohem Grade überwunden hat, daß er hoffen darf, Sinologe zu werden, dann ist die Zeit da, wo er sich einen Unterteil des umfang- reichen Materials zur Bearbeitung auswählen und sich einem gründ- lichen, in die Tiefe dringenden Studium der Quellentexte zuwenden soll. Dann wird er das Material, dem er gegenübersteht, allmählich sichten und dessen natürliche Abteilungen und Unterabteilungen unter- scheiden; seine Fülle wird auf ihn einen anregenden Zauber üben, denn das Material bedeutet das volle, ihm in einem wundersamen Ent- wicklungsgang einiger Jahrtausende in Bilderschrift vorgelegte Leben des Menschentums, und es könnte ihn aus diesem Grunde nur inter- essieren, wo er es packt. Zu befürchten ist wohl kaum, daß die Un- ermeßlichkeit des Umfangs abschreckend auf ihn wirken könnte. Denn ist nicht das ganze Weltall noch viel unermeßlicher, und hat sich die Gelehrtenwelt vor seiner Durchforschung in allen seinen Teilen, welche sie zu entdecken vermochte, bange gescheut? Sollte es da anders sein, wo es sich um eine Kunde handelt, welche wich- 612 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. tiger als jede andere ist, nämlich die, welche den lebenden Menschen selbst zum Gegenstande hat? In diesem fast unbearbeiteten Felde ist jeder Arbeiter bei sach- tändig ang ter Anst g einer reichen Ernte sicher. Den- noch könnten die wenig günstigen Aussichten für das Fortkommen der Sinologen dieser schönen Sicherheit völlig überlegen sein. Möchte es Deutschland beschieden sein, diese Sperre, welche über das Sein oder Nichtsein der Sinologie entscheidet, zu beseitigen, dann wird der Fleiß seines begabten Volkes sich den Weg zur planmäßigen Er- forschung Chinas ganz gewiß schon selbst weiter bahnen; es wird das also ein Verdienst um die Wissenschaft bedeuten, welches dem Germanenstamme zur Ehre und zum Ruhme gereichen wird. Erwiderung des Secretars Hrn. Rorrur. Verehrter Herr College! Es ist ein doppelter Gruß, den ich Ihnen zuzurufen habe: nicht nur den Sinologen, auch den Holländer heißen wir in Ihnen heute willkommen. Lebt doch in unsern Herzen noch treu der Gedanke an Ihren trefflichen Landsmann van’r Horr, dem die Leisiz-Sitzung des vorigen Jahres das Scheidewort nachrief, der auch den Fachfremden durch seinen unverwüstlichen Humor oft in seinen Bann zwang, dessen besondere Art uns so lieb geworden war, daß wir alle die Lücke schmerzlich empfinden. So ist es eine freundliche Fügung, die uns in Ihnen wieder einen Holländer geschenkt hat, auch Sie dem behaglichen Lächeln nicht abgeneigt, ohne das wir uns den Geschiedenen gar nicht denken können. Daß wir Söhne des großen Deutschlands von dem kleineren nahe verwandten Nachbarlande viel zu lernen haben, das zeigt uns, verehrter Herr College, eben Ihr Beispiel: hat doch Ihre Colonialregierung es tanden wahr zu machen, was der Heros eponymos dieser Sitzung schon während der Vorge- schichte unsrer Akademie vergeblich von Preußen erhofft hatte, daß man “gute Observatores über Batavia nach China schicke’, die dort ‘nützliche Observationes nationum linguarum rerumque artifieialium’ machen soll- ten. Er hätte, mein ich, an Ihnen seine helle Freude gehabt: dieser Tag erfüllt Leissiz einen seiner grundlegenden Wünsche. Unter dem Zeichen Chinas hat die Akademie in ihren Anfängen nicht ganz selten gestanden. Die Forschungsreisen nach China, für die Leissız mit Wärme bei allen möglichen Potentaten warb, hängen bei ihm eng zusammen mit dem Plan einer großartigen protestantischen Mission, der, Religion und Wissenschaft vereinend, zu den Keimen der entstehenden Soeietät gehört hat. Die erste bildliche Darstellung, die in den Miscell Beroli ia der Societät erschien, führt Chinesen 4 ; 1 ann en 613 5 und Er beim Brettspiel vor und illustriert eine Abhandlung von Leisxız über Schachspiel und Verwandtes, und noch derselbe erste akademische Band bringt einen Bericht des gelehrten Lacroze über die berühmten chinesischen Manuscripte der Kgl. Bibliothek. Freilich den Anfängen entsprach der Fortgang nicht ganz, obgleich noch der große Friedrich sich für die Chinesen als ein besonders aufgeklärtes, von Aberglauben freies Volk erwärmte. Aber der Weg von Berlin nach Peking war eben doch etwas weit, und so sind auch Ihre wohlverdienten Vor- gänger, Wırn. Scnorr und Hans GEORG CoNnoNn VON DER GABELENTz, mehr von der Sprachphilosophie, von der all schaft als von der Volkskunde, die aus lebendiger Volkskenntnis ersteht, an die literarischen Denkmäler des Reiches der Mitte heran- getreten. Es ist für uns ein Neues und Großes, daß jetzt in unserm Kreise ein Mann das Chinesische vertreten wird, der es durch lange Jahre in vielseitigster Umschau im .. re an der Quelle studiert, der von der sicher begründ V theit mit Sprache und Literatur aus als ein Mitlebender tief in chinesisches Denken und Fühlen sich versenkt hat. Sie, hochverehrter Herr College, haben die Sinologie zwar stets als fester Philologe, aber zugleich stets als liebevoll interessierter Eth- nograph geübt. Es galt Ihnen, die Seele des chinesischen Volkes zu fassen. Und so haben Sie sich mutig an eine wahrhaft centrale Auf- gabe gewagt, an die Ergründung und Darstellung der chinesischen Religion, die mit der chinesischen Bildung überhaupt, der ganzen Staatsorganisation Chinas, mit allen seinen Lebensformen in so unlös- lich enger Verbindung steht. Mit Bewunderung erfüllt auch den Laien Ihr großes monumentales Religionswerk, von dem sechs stattliche Bände vorliegen und um das sich ein reicher Kranz von Nebenarbeiten schließt, die einzelne Seiten des großen Problems, Feste, Seetenwesen, geheime Gesellschaften, für sich behandeln und die manchen guten Rat selbst für die praktische Politik des Tages erteilen, auch das Leissizens Neigungen nicht fremd. In vornehmen Familien und in buddhisti- schen Mönchsklöstern haben Sie religiöses Leben aufgesucht, Sie haben Ediete und Urkunden gesammelt, den Umgang der Zauberer, der Nekro- und Geomanten nicht verschmäht, um Einblick zu gewinnen in die unendliche Welt der Gespenster, Dämonen und Seelen, des Toteneults und der Lebenskräfte. Dem Bilde, das sich FrieprIcH DER GROSZE machte, entspricht nicht ganz, was Sie sahen: vom Aberglauben sprechen Sie die Chinesen so wenig frei wie von der Intoleranz. Aber die Entwieklung von Jahrtausenden hat Sie doch mit tiefer Ehrfurcht er- füllt; Chinas religiöses Werden wuchs sich Ihnen aus zu einer ge- waltigen Geschichte des ringenden Menschengeistes. 614 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. Sie haben es mit Wärme ausgesprochen, wie hoch Sie von den Aufgaben der Sinologie denken; Sie haben durch Ihr Vorbild gezeigt, was wir von ernster Pflege Ihrer Wissenschaft zu erwarten haben. Fernen verschwinden allmählich für unsern Planeten; die Geschichte der Menschheit schließt sich einheitlich ; der fe Geist fühlt in sich die Kraft, auch die fremdartigsten Culturen an ihrer Stelle zu verstehen. Mit guter Laune haben Sie uns jene Carricatur Ihrer Wissenschaft geschildert, die Sinologie ohne Chinesisch, die uns unmerklich mit falschen Vorstellungen stopft, der entgegenzuwirken Sie für eine Gulturpflicht halten. Möge Ihnen das gelingen und der neue Wirkungskreis, dem Sie zu unsrer dankbaren Freude sich ge- schenkt haben, Ihnen Gelegenheit geben, dem Studium ostasiatischen Geistes neue Männer Ihrer wissenschaftlichen Solidität zuzuführen! Mögen sich durch Ihre forschende, gestaltende und lehrende Kraft alte Träume der Akademie und ihres Stifters in freierem und tieferem Sinne erfüllen, als sie ihrerzeit auch nur geträumt werden konnten! Mögen Sie sich dauernd wohl und schaffensfroh fühlen in dieser Ihrer neuen Heimat! Darauf wurden folgende Gedächtnisreden gehalten, von Hrn. Coxze auf REınuAarn von Krkurz, von Hrn. Ernmann auf Wirnern Dirreey, von Hrn. von Wıramowrrz auf JoHAnnes VAHLEN. Gedächtnissreden. Gedächtnisrede des Hrn. Coxze auf Reınnarn Krkuue VON STRADONITZ. Am 22. März v.J. ist unser Mitglied, Rrısuarn Krkvıe von Strano- nıtz, uns durch den Tod genommen. Ich denke zurück an die Zeit vor etwa fünfzig Jahren, da ein Dreiverein von jungen Forschern unser archäologisches Studienfeld betrat, neben Reınarn Krrvız Orro Bexwoorr und Rıcnarn Schöne, ein jeder mit schon entwickel- ter persönlicher Eigenart. Krkurz, mit seiner zeitlebens bewahrten Liebe für Musik, eine zart besaitete Natur, in seinen philologischen Studien nach der sprachvergleichenden Seit geregt, durch Frieperıchs aber und dann in naher persönlicher Beziehung zu EpuArd GErHARD der Archäologie g n, traf er wohl vorbereitet im Jahre 1864 mit BEnsporr und Schöne beim Archäologischen Institut in Rom zu- sammen. Auch sonst fand er dort einen Kreis besonders begabter Genossen und unter den beiden Leitern des Instituts in Bruns einen Gedächtnissreden. 615 ihm kongenialen Führer zur Betrachtung zumal der antiken Plastik und ihrer Götterideale, einem Führer, dem er aber doch nur folgte, um dann seinen eigenen Weg zu gehen. Voll ließen die jungen Fachgenossen den ihre ganze Bildung reich fördernden Einfluß der Kunstwelt Italiens auf sich wirken, Italiens, das noch nicht durch die allzu leichte Zugänglichkeit eines Teiles seines Zaubers beraubt war. Mit Bensporr und Schöxe betrat dann Krkvrr im Jahre 1867 den Boden Griechenlands, der damals begann, die Arbeitskraft stählend, aber den Anschauungskreis einigermaßen verarmend, vor Italien in den Vordergrund der Studien schon der Anfänger zu treten. Gemeinsam mit seinen Genossen bildete sich Krkurr die Über- zeugung von der Notwendigkeit, mit einer zuverlässigen Verzeichnung aller Überreste der Kunst des Altertums, der Skulptur zunächst, vor- zugehen, um überhaupt erst einmal den Gegenstand der Forschung bis ins einzelne klar kenntlich sich und anderen vorzulegen, wie es zumal Ger#Arn schon gewollt hatte. In diesem Sinne legte Krkur£ Hand an die im »Theseion« vereinigten Denkmäler, deren Verzeichnis er im Jahre 1869 herausgab. Zugleich wandte er sich aber in Einzel- behandlung zu einem der anmutigsten Werke attischer Skulptur, den Balustradenreliefs des Tempels der Nike Apteros, die er in den Zu- sammenhang des ganzen Bauwerks stellte, eine Arbeit, die er, mit besonderer Liebe im Vereine mit einem ihm befreundeten Künstler vervollständigt, später noch einmal herausgab. Wie auf das Katalogisieren von Sammlungen richteten sich die Gedanken der verbundenen Freunde, wiederum in GErHARDs Sinne und nicht ohne Einfluß von Turonor Monusens Vorgehen auf einem wissenschaftlichen Nachbargebiete, auch auf die Zusammenfassung und Durcharbeitung ganzer Klassen von Kunstwerken, ein Unternehmen, dessen Herr zu werden die erleichterten Weltverbindungen immer mehr ermöglichten. Es führte das zu einem fest aufgestellten Pro- gramm in den sogenannten Serienpublikationen des archäologischen Instituts, dessen Zentraldirektion Krxure seit der Verwandlung des Instituts in eine deutsche Reichsanstalt ständig angehörte. Als sein Teil wählte er die Sammlung der antiken Terrakotten, welche damals dureh die Funde bei Tanagra ihre künstlerischen Reize besonders ans Licht treten ließen. Er lieferte selbst den ersten Band in den Terrakotten Siziliens und sah nach von Ronness Pompejibande noch den, auch unter seiner Leitung von Franz Winter fertiggestellten Typenkatalog dieser Denkmälerklasse. Das Jahr 1870 brachte unserm Freunde die Berufung zum Nach- folger Orro Jauns nach Bonn, der Wirkungsstätte auch Frıeprıch GorıLıeB Werrcxers, dem Kexure sich als Biograph hingab. Hier Sitzungsberichte 1912. 56 616 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. reichte er, im Anschlusse auch an Hersrıcn Nissen, im vorbildlichen Vereine Bücherer und Usexer die Hand, um die Studien seiner Zu- hörer, immer im Zusammenhange mit der gesamten Altertumswissen- schaft, in einem großen Sinne höchst erfolgreich zu leiten. In glück- lichster Weise wirkte Krxunes in Bonn gegründete Häuslichkeit zum Segen vieler Schüler dabei mit. Daß auch unser Kaiser als Prinz während seiner Bonner Studien- zeit in diesen Kreis trat, hat wohl mit dazu gewirkt, daß Krkurz im Jahre 1889 den Platz in Bonn, an dem doch sein Herz hing, verließ und als Direktor der Antikensammlungen der Königlichen Museen nach Berlin übersiedelte. Neben dieser gerade damals mit dem vergrößerten Umfange der ihm unterstellten Museumsabteilung gewaltig wachsenden Aufgabe wollte er aber nicht darauf verzichten, als Lehrer, wie bis- her in Bonn, den Museumsbesitz in den großen Zusammenhang der Kunstgeschichte zu stellen, und nahm es auf sich, zugleich als Pro- fessor an der Universität ins Volle zu wirken. Die großen Schritte, welche an den Museen unter Kekuues Leitung am Orte und bis nach Kleinasien hin gemacht wurden, sind Jüngst im Jahrbuche der König- lichen Kunstsammlungen pietätvoll gewürdigt worden, und seines Unterrichts an der Universität gedenken dankbare Schüler. Der Übergang nach Berlin führte Kexvır dann auch als Mitglied in den Kreis unserer Akademie, in deren Schriften eine ganze Reihe seiner Einzelarbeiten niedergelegt sind. Wie in den Programmen der Archäologischen Gesellschaft, deren Vorsitzender er wurde, knüpfte er da gern an ein einzelnes Kunstwerk an, oft an eine neue Er- werbung der Museen. Stets griff er dabei zurück auf die Vorgeschichte der Untersuchung des Gegenstandes, den er feinsinnig erläuterte und kunstgeschichtlich einordnete. Wohl trug er sich mit dem Gedanken, alles zusammenzufassen, was ihm an Erkenntnis der antiken Kunst als Forscher und Lehrer zur Üb gung g den war. Er traf Vorbereitung zu einem umf: den Geschiel - Wenigstens im Abrisse hat er davon Zeugnis hinterlassen in der von den Königlichen Museen herausgegebenen Schrift: »Die antike Skulptur«, einer der letzten seiner zahlreichen, im Drucke erschienenen Arbeiten. Auch ihm war es, um meinen Spruch mit Worten Wırurım von zu beschließen, »stets vor dem Ziel doch endend Leben«. Die Gedächtnisrede, die Hr. Erpmanv auf Winsen Direuey hielt, wird in den Abhandlungen der Kgl. Akad. d. Wiss. 1912 veröffentlicht. Gedächtnissreden. 617 Gedächtnisrede des Hrn. von Wıramowırz-MoELLENDORFF auf JOHANNES VAHLEN. Den Gönnern, die unsern öffentlichen Sitzungen ihre Teilnahme schenken, wird die Akademie gar nicht mehr sie selbst zu sein scheinen, weil aus der Reihe unserer Vorsitzenden das eindrucksvolle Haupt JOHANNES VAHLENS verschwunden ist, in dessen scharfgeschnittenen Zügen der eindringende Verstand, die unerbittliche Strenge, die aske- tische Selbstzucht des Kritikers unverkennbar waren, dessen stets wohlgebaute und wohllautende Perioden den Anschluß an die ihrer Mittel bewußte klassische Redekunst verrieten, wie sie denn ihren vollen Wohllaut erst in der Sprache Ciceros gewannen. Fügen wir hinzu, daß auch die zarte und spitze Handschrift der abgemessenen Feinheit seines Wesens entsprach, so ist es gesagt, daß er es erreicht hatte, seine Eigenart nach allen Seiten zu eng geschlossener Harmonie auszubilden. VAnten ist im April 1893 als Sekretar an Currivs’ Stelle ge- treten und im Dezember 1874 Mitglied der Akademie geworden, als Monmusen Sekretar ward, der als ein baumeisterlicher Mann, wie GoETHE den Aristoteles genannt hat, die Akademie Aufgaben angreifen und bewältigen lehrte, die über die Kräfte des einzelnen Sterblichen gehen, auch wenn er wie Momuszen das beste daran selber tut. An diesen Arbeiten hat Vanten sich nur soweit beteiligt, daß er ratend und helfend in ihre geschäftliche Behandlung mit eingrifl, so daß ihn das Vertrauen der Akademie an Monnsexns Seite stellen konnte. Selbst gehörte er zu den Akademikern alter Art, die doch auch eine gute Art ist, wo jeder nach Neigung und Geschmack den eigenen Garten pflegt und die reifen Früchte einem Kreise darbietet, dessen Glieder Duft und Glanz zu würdigen wissen, auch wenn sie auf den Genuß verzichten, weil ein jeglicher in seinem Gärtlein eine andere Sorte zieht. Doch wollen wir nicht vergessen, daß es besonders liebenswürdige Arbeiten sind, zu denen Monusen und Vanzen einander angeregt haben, wozu freilich auch die Liebenswürdigkeit des Horatius beiträgt, dem der Historiker und der Philologe beide huldigten. Vaurens Eigenart war vollkommen ausgebildet, als er in die Akademie trat, und sie hat sich so wenig verändert wie seine Ge- stalt, nur daß das Alter allmählich die Züge tiefer furchte. Vielleicht hängt das mit seiner Frühreife zusammen, denn er war erst 22 Jahre alt, als er sich mit seiner Erstlingsarbeit, seinem Ennius, gleich in die vorderste Reihe der Latinisten schwang. Rrrscus hatte das Thema gestellt, die Konkurrenz war scharf, und der Sieger hat das Urteil seines Lehrers in der Neuausgabe 1903 abdrucken lassen, Er war 56* 618 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. ein Bonner Kind, 1830 geboren, in Bonn gebildet; da war es natür- lich, daß er sich zuerst in den Gleisen der Bonner Schule bewegte. Auch die akademische Lehrtätigkeit begann er unter des Meisters Augen; sie führte ihn rasch über Breslau nnd Freiburg nach Wien, und dort hat seine Lehre anderthalb Jahrzehnte eine Wirkung geübt, deren Segen noch jetzt lebhaft empfunden wird. Auch er selbst hat die Erinnerung an die Wiener Jahre hochgehalten, mit Recht, denn dort hat er seine eigene feste Stellung zur Wissenschaft gefunden und die Werke verfaßt, denen man zuversichtlich die längste Dauer und die tiefste Wirkung zuschreiben darf, seine Abhandlungen über Aristoteles und seine Ausgabe der Poetik. Durch sie trat er unserer Akademie bereits nahe. Denn unsere Ausgabe hatte für das Studium des Aristoteles überhaupt erst den Grund gelegt, und in Wien stand neben Vanıen Hervany Bontrz, beschäftigt mit seinem Index zu BEKKERS Ausgabe, in dem er durch die Tat lehrte, was ein Index sein soll, die Darstell g des Sp hgeb 1 durch einen Kenner; es ist freilich sehr viel bequemer, das Lob der Vollständigkeit durch wahlloses Ausschütten aller Wörter und Phrasen zu erlangen. Der Stil des Aristoteles, dessen Ungleichförmigkeit für die unvergleich- liche Ausdrucksfähigkeit der griechischen Sprache kein geringeres Zeugnis ablegt als die Poesie Platons, führte den, der die drei Kar- dinaltugenden des Kritikers, Gewissen, Geduld und Geschmack, mit- brachte, von selbst auf den richtigen Weg, sich in die allgemeine Denk- und Sprechweise der Griechen und die des Aristoteles besonders hineinzuleben, und so lehrte er an einem der sprachgewaltigsten Denker, was die Kritiker beinahe vergessen hatten, daß es ihre Auf- gabe ist, zu verstehen, zu verstehen auch was unserer Art zu denken und zu reden widerstrebt, Ja wohl gar, aus Flüchtigkeit oder Manier + h 7 prungen, g Tadel unterliegt. Zu solchem Verständnis zu führen, hat Vanten dann zeitleb ganz b lers als seine Auf- gabe betracht und üb n ‚ und g den Ausschreitungen konjekturaler Willkür mußte es zumeist als Rechtfertigung der Überlieferung er- scheinen. Natürlich behandelte er gekommen ist, habe ich nicht ermittelt. Von diesem klarsten und Gedächtnissreden. 619 feinsten Kopfe unter den Humanisten des Quattrocento hat er drei vergessene Schriften herausgegeben, ‚hat sein Leben und seine Schrift- stellerei so behandelt, wie es nur eind de literarische und historische Forschung vermag, hat auch alles zu einem Vollbilde zusammengefaßt. Wenn er sich später solche Aufgaben nicht mehr gestellt hat, so ge- bührt sich, hervorzuheben, daß er den Beweis des Könnens in seinem Valla erbracht hatte. Hier in Berlin trat er an Haurrs Stelle, ee seine Aufgabe vor- nehmlich darin gesehen hatte, die Methode Lacnwanss zu verkünden. Das geschah in einem gewissen Gegensatze zu der Bonner Philologie, die sich ebenfalls auf Methode besonders viel zugute tat. Heute wird man die sachliche Berechtigung dieses Gegensatzes kaum aner- kennen, denn hier wie da trieb man ausschließlich Wortphilologie, mit JAkog Grınm zu reden, in Wahrheit die von der antiken Grammatik und den Humanisten ererbte Textkritik. Vanırn ward also seinem Lehrer gewiß nicht untreu, aber den Kultus Lacnwanss hat er aller- dings von Haupr übernommen. Er gab sofort dessen Lucilius heraus, unfertig, wie er hinterlassen war, sammelte seine kleinen Schriften zur klassischen Philologie, gab später (1892) seine Briefe an Haurr heraus, alles ohne eignem Urteil je Raum zu gönnen. Endlich hat er (1892) Lacumann eine Gedächtnisrede gehalten, auf die man sehr wohl eine Darstellung und Kritik seiner eignen Auffassung vom Wesen der Philologie bauen könnte. Von Haurr übernahm er die Revision der zierlichen Hırzerschen Drucke des Horaz und Catull, Tibull, Properz, die er mehrfach wiederholt hat. Er hat auch selbstlos seine Arbeit für H. A. Kocus posthume Ausgabe von Senecas Dialogen eingesetzt, obwohl darin jene Kritik geübt ward, die er überwunden hatte. Daß er von Orro Jans die Ausgabe der Schrift vom Erhabenen übernahm, mußte ihm eine Freude sein, hatte er doch selbst die peinlich genaue Vergleichung der Handschrift geliefert, und diesen Text auszupolieren und gegen voreilige Änderung zu schützen, war eine Aufgabe, wie geschaffen für seine Neigung. Aus eigenem Antrieb hat er außer der Erneuerung seines Ennius, einem imponierenden Neubau, aber auf den alten Fundamenten, die Bücher Ciceros von den Gesetzen herausgegeben und für seine Vorlesungen die Menächmen des Plautus; aber diese Ausgaben illustrieren nur an umfassenderen Objekten die- selbe Methode der Textkritik wie alle seine akademischen Abhand- lungen und ebenso die Indices leetionum, die er noch selbst in zwei stattlichen Bänden vereinigt hat, als er diese Publikation einstellte, womit denn die lateinische Eloquenz an den d hen Uni itäten endgültig verstummt ist. Auch in diesen Proömien hat er Hauers Weise treulich fortgesetzt, und wenn sie auch beide über den Zwang 620 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. zuweilen geklagt haben, jedes Semester etwas schreiben zu müssen, entsprach diese Art der Schriftstellerei doch ganz ihrem Wollen und Können. Inhaltlich ist ja auch das meiste gleicher Art, was VAHLEN in der Akademie vorgetragen hat. Es pflegt sich um Erklärung und Kritik einzelner Stellen zu handeln, die Hauer gewöhnlich ändern will, Vanzen verteidigen. Und auch wenn dieser ganze Gedichte oder Gedichtabschnitte erläutert, pflegt ihn ein Angriff auf ihre Integrität oder eine Ausdeutung gereizt zu haben, die sich von dem sicheren Boden des richtigen Wortverständnisses entfernt. Oft genug redet er von der Kleinheit seiner Objekte, aber daß ihre Behandlung keine Kleinigkeit ist, weiß er sehr wohl, und wahrlich, der ahnt nichts von Wissenschaft, dem so etwas wie das Proömium über die Inter- punktion (1880) nicht imponiert, und der nicht den methodischen Fortschritt, hier gerade über Lacnmann, anerkennt, der in der Abhand- lung über die Anfänge von Ovids Heroiden (1881) erzielt ist. Hinter all dem steht eine Sprachkenntnis und ein Sprachgefühl, wie sie Haurr z. B. schwerlich besessen hat, und wie sie nur aufmerksamste Be- obachtung bei unausgesetzter Lektüre der Klassiker lebendig erhält. Ein glänzendes Beispiel ist das Prodmium des Winters 1895, das eine besondere Art der Vergleichung durch die Literaturen verfolgt. Freilich jene Observation ist es doch auch hier nicht, ‘die BENTLEY zuerst und in Vollkommenheit Lacnmans geübt hat, der in der Arbeit am Lukrez innehält, weil er erst sämtliche römische Dichter durch- sehen muß, um zu wissen, wie es um die Elision iambischer Wörter steht. Nur so wird gefunden, was wir Gesetze der Sprache und des Versbaus nennen, und zugleich die geschichtliche Entwicklung, die lehrt, wieweit solche Gesetze tatsächlich gegolten haben. All so etwas lag Vanten fern, zumal alles Metrische und Rhythmische. Man darf auch nicht verkennen, daß seine eigentliche Arbeit doch nur dem beschränkten Kreise der klassischen Schriftsteller gegolten hat, wenn auch natürlich die ausgebreitete Lektüre manchem Späteren gelegentlich zu Gute ‚kam, wenigstens in der lateinischen Literatur, wo er doch auch Werke der klassizistischen Nachahmung wie die Dialoge des Taeitus und Minueius b gte. Im Griechischen vollends hat er das alte Epos und alle Lyrik, auch die szenische, alles Ionische, Hellenistische, Vulgäre so gut wie ganz beiseite gelassen, also von den Massen der späteren Literatur nur einiges streng Klassizistische, wie die Schrift vom Erhabenen, Dion, Lukian behandelt. Inschriften, zumal griechische, hat er kaum je auch nur zitiert. Da würde jeder halbwegs Sachkundige, auch wenn ich es unter- lassen wollte, die Parallele zu Frasz Bücheıer ziehen, der auch ein Kind des Niederrheines, auch ein Schüler Rırscars, auch ein Text- Gedächtnissreden. 621 kritiker, auch vorwiegend kleine Einzelbeobachtungen veröffentlicht hat und auch den Respekt vor der Überlieferung wieder zu Ehren gebracht. Bücheer beherrschte die lateinische, besser die italische Sprache, in allen Mundarten und Stilen, von den stammelnden An- fängen bis in das Chaos der werdenden romanischen Sprachen. In ilım lebte jene Kunst der Observation, die gepaart ist mit dem historischen Sinne, der vor dem Normalisieren schützt. An ihn schickte Momnsen die inschriftlichen lateinischen Gedichte zur Ergänzung, und zahllosen Werken anderer lieh er seine helfende Hand. Er verstand die alt- kretischen Gesetze und die ionischen ITamben des Herodas sofort, als sie aus der Erde aufstiegen, und die Treffer seiner divinatorischen Kritik werden für alle Zeit im Homer und Pindar, im Philodem und Hermes Trismegistos stehen. BüchELer rangiert eben mit Lachmann. Mit Lacuwann hat sich Vanten niemals vergleichen wollen. Aber mit HAvpt, dem er ebenbürtig ist, teilt er einen Vorzug auch über Lacumann und Büchzrer. Deren Schriften sind nur den Eingeweihten verständlich, auch nur auf sie berechnet: Haurr und Vanten sind Lehrer und Erzieher, auch in ihren Schriften, die zu lesen für jeder- mann, der lernen will, ein fast müheloser Genuß ist. Wozu sie er- ziehen, gerade weil sie auch das kleine ganz ernst nehmen, ist vor allem Redlichkeit, das höchste wie im Leben, so in der Wissenschaft, und in ihr wenigstens gibt es keine Kompromisse. Was sie lehren, ist das, was jeder lernen muß, der Schriftwerke benutzen will, eben verstehen, aus jedem Satze holen, was in ihm steht, nieht mehr, aber auch nicht weniger. Gewiß gehört zu solchem Verstehen noch mancherlei anderes, hier dieses, dort jenes, aber hier und dort und überall ge- hört vor allem dazu das einfache sprachliche Verständnis. Auf dieses muß sich also die erste und unerläßliche Führung des philologischen Lehrers richten. Damit müssen wir alle anfangen, und dafür und dadurch zu lernen hören wir nicht auf, solange unsere Lehre etwas taugt. Wenn es denn Pflicht ist, die Leb beit des id Genossen an dieser Stelle auf der Wage der Wissenschaft zu wägen, zu betrachten sub speeie aeternitatis, soweit das ein Sterblicher ver- mag, so fordert die Gerechtigkeit, daß dieses letzte Wort ausklinge in dem Ruhm von dem, was der Lehrer und Erzieher Vanıen für die Wissenschaft getan hat und durch seine Schriften weiter tun kann und soll. Seines Lehramtes hat er zu walten vermocht, bis der Körper ganz versagte, und wie einst an Hermann Sauppe habe ich an ihm beobachten und bewundern können, wie tief das Ethos eines greisen lehrenden und lernenden Meisters auf die empfänglichen jungen Seelen wirkt. Dies Ethos aber hatte ihm nicht erst das Alter verliehen, er strahlte es aus, schon da er nach Berlin kam: auch das kann ich 622 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. aus eigener Erfahrung bezeugen. Ich habe seit jenen fernen Tagen mit Ehrfureht zu ihm emporgesehen wie zu einem Lehrer, und aus dieser Ehrfurcht, vor ihm und vor der Wahrheit, die uns allen das heiligste ist, habe ich gesprochen. Sodann erfolgten Mitteilungen betreffend die Preisaufgabe aus dem von Miroszewskyschen Legat, den Preis aus der Dirz-Stiftung und das Stipendium der Epvarn GerHARn-Stiftung. Preisaufgabe aus dem von Mıroszewsur’schen Legat. Die Akademie stellt die folgende Preisaufgabe aus dem von Hrn. vos Miroszewsky gestifteten Legat für philosophische Preisfragen: »Es wird eine Geschichte des theoretischen Causalproblems seit Hosgrs und Descartes gewünscht. Die Untersuchung soll durchweg um die physisch-erl isstl tischen, psychologisch und logischen Causalprobleme (Gesetz der Causalität, des zureichenden Grundes, Induction und Analogie) concentrirt sein, die ethischen und religiösen Causalprobleme also nur so weit heranziehen, als das historische Verständniss der Entwicklungsbedingungen der theoretischen Probleme dies fordert. Die Untersuchung kann mit den Lehrmeinungen Jons Sıuarr Mırı’s abgeschlossen werden. Wünschenswerth ist jedoch eine quellen- mässige Schlussübersicht, die bis zu den Deutungen von Lorzz, Fecuxer, Sıswart, H: 5 Kx geführt ist. Eine Darstellung der Causaltheori gegenwärtig lebender For- scher ist ausgeschlossen. « Der ausgesetzte Preis beträgt Viertausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutsch ‚ lateinischer, franzö- sischer, englischer oder italienischer Sprache abgefasst sein. Schriften, die in störender Weise unleserlic} geschrieben sind, können durch Beschluss der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen, und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers gebenden Zettel ä lich zu wie- derholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Zurück- ziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December ı914 im Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Strasse 120, einzu- Preisertheil und Prei hreit 623 5 liefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leisniz-Sitzung des Jahres 1915. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Aka- demie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nieht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preis aus der Dıirz-Stiftung. Der Vorstand der Dirz-Stiftung hat beschlossen, den aus der Stiftung im laufenden Jahre zu vergebenden Preis im Betrage von 1800 Mark Hrn. Kr. Nyror, Professor an der Universität Kopenhag für seine »Grammaire historique de la langue frangaise« zuzuerkennen. Stipendium der Epvarn GernarD-Süftung. Das Stipendium der Enuarn GeruArn-Stiftung war in der Leisnız- Sitzung des Jahres ıg1 1 für das laufende Jahr mit dem Betrage von 2500 Mark ausgeschrieben. Diese Summe ist Hrn. Regierungs-Bau- meister Dr. Frırz Krıschen in Berlin-Schöneberg zur Erf hung der Befestigungen von Halikarnassos und Knidos zuerkannt worden. Für das Jahr 1913 wird das Stipendium mit dem Betrage von 2400 Mark ausgeschrieben. Bewerbungen sind vor dem 1. Januar 1913 der Akademie einzureichen. Nach $ 4 des Statuts der Stiftung ist zur B g 1. Nachweis der Reichsangehörigkeit des Bewerbers; 2. Angabe eines von dem Petenten beabsichtigten durch Reisen bedingten archäologischen Planes, wobei der Kreis der archäo- logischen Wi haft in d ben Sinn tanden und an- "zuwenden ist, wie dies bei dem von dem Testator begründeten Archäologischen Institut geschieht. Die Angabe des Planes muss verbunden sein mit einem ungefähren sowohl die Reisegelder wie die weiteren Ausführungsarbeiten einschliessenden Kosten- anschlag. Falls der Petent für die Publication der von ihm be- absichtigten Arbeiten Zuschuss erforderlich erachtet, so hat er den voraussichtlichen Betrag in den K 'hlag aufzuneh eventuell nach ungefährem Überschlag dafür eine angemessene 7 r FR. FU. TR Summe in Gesuche, die auf die Modalitäten und die Kosten der Veröffent- lichung der beabsichtigten Forschungen nicht eingehen, bleiben un- Sitzungsberichte 1912. 57 624 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli 1912. berücksichtigt. Ferner hat der Petent sich in seinem Gesuch zu ver- pflichten: 1. vor dem ı. December des auf das Jahr der Verleihung fol- genden Jahres über den Stand der betreffenden Arbeit sowie nach Abschluss der Arbeit über deren Verlauf und Ergebniss an die Akademie zu berichten; D . falls er während des Genusses des Stipendiums an einem der Palilientage (21. April) in Rom verweilen sollte, in der öffent- lichen Sitzung des Deutschen Instituts, sofern dies gewünscht wird, einen auf sein Unternehmen bezüglichen Vortrag zu halten; 3. jede durch dieses Stipendium geförderte Publication auf dem Titel zu bezeichnen als herausgegeben mit Beihülfe des Epuarn GERHARD-Stipendi der Königlichen Akademie der Wissen- schaften ; 4. drei Exemplare jeder derartigen Publication der Akademie ein- zureichen. Verleihung der Leisnız-Medaille. Schliessliel kündigte der Vorsitzende, dass die Akademie die von Sr. Majestät dem Kaiser und König an Allerhöchstseinem Ge- burtsfeste am 27. Januar 1906 gestiftete Leisnız-Medaille zur Ehrung besonderer Verdienste um die Förderung der Aufgaben der Akademie verliehen habe a) in Gold: an Fräulein Erıse Korsıes in Berlin; b) in Silber: dem Professor Dr. Rogert Davınsonn in Florenz, dem Aegyptologen N. pr Garıs Davırs in Kairo, dem Assist am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum in Berlin Dr. Epwın Hrxsıe und dem Oberlehrer Professor Dr. Huco Rage in Hannover. Ausgegeben am 11. Juli. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- Aus $ 27. Das ac einer in einer akademischen Sitzung am Donners! ahme in die Sitzungsberichte zu- gelassenen Mittheilung, a am nächsten Donnerstag gedruckt erscheinen soll, muss der Regel nach in der rUOR: Bellen Be is ne Teig 10 Uhr M Be 2 fteı ır Kenntni: re so hat er Br Mittheilung aus diesen zu entfern der Verfasser einer wissen- schaftlichen Mittheilung dieselbe anderweitig früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als a diess nach den gel- tenden Rechtsregeln zusteht, ee edarf er dazu der Ein- willigung der Gesammt-Akadem: Gedächtnissreden ci zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt ges Aus $ 21. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Aus $ 22. Jeden Sitzungsbericht a: eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen vanrg lungen und über die zur *Veröten lichung geeignete schäftlichen Angelegenh: Hinter den Titeln 3 meinllenen Mittheilungen folgen in dieser Übersicht k: Diese angeben sollen ‚sich in ie nicht in dans : der Akademie erscheinenden Michiungen wer rgesetztem Stern be; u bei den für die Abhandlungen bestimmten wird »(Abh. zugefügt. Wissenschaftliche Mittheilungen fremder Verfasser endgültig beschlossen wird. fertig zugestellt ee Später eingereichte ea werden, mit dem Präsentationsvermerk des redigirenden Secretars oder des Archivars versehen, für ein späteres Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus gend welchen Gründen be- sondere een a lässt, vor welche den in$$ 3 4 enthalte: Die RER nn spätestens am , Montag Abend die Correeturen die hier wohnenden oder e es zu vei wenn die er in einem spätern Stück a Nach auswärts werden Correeturen nur auf Vi versandt; “ie Verfasser ae dam ihrer Mittheilung nach acht Tag: deren Correeturei noch dent vorlegenden Mitgliede zur Revision unterbreitet werden müssen, scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden. Aus $ 37. e Akademie behält sich das Recht mn von einer ver- en Abhandlung eine zweite Auflage zı ten, Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen. Jahrg. 1910: Physikalisch-mathematische Olasse . Philosophisch-historische Classe . . . . . . Kg Jahrg. 1911: Physikalisch-mathematische Case ...... Philosophisch-historische Classe . . » . »- - Einzelne Abhandlungen aus Meyer: Gedächtnissrede auf Eberhard Schrader Moxıxenporrr: Nordionische Steine . Runexs: Ge Lasporr +: Über die Erhaltung der Mass LE Vi INITZ: ö van’t Horr: ee auf Hans Heinrich L; Mürter: Ui EnGter Bu "Kuna: i Exo; aus FıscHEr: eläshrniserede ee Jacı ae W.: aa auf Heinrich am an: Hymnen an das Diadem der Pharaoneı Nonr: Zur sprachlichen Gliederung une Hippokr Zimmer +: Auf elle Wege kamen die Goidelen vom \ Continent nach Irland? . “w den Jahren asse bei chemischen Umsetzungen rue: Der Aufbau der en Welt in den ( Geisteswissenschaften. Uber den anatomischen Bau der baumartigen Cyperacee 'Schoenodendron meru) ‚bus Henricus van ee Galen’schen Commentars zum "Prorrheticum des M34.— -38.— M %6.— 54, 1909, und 1912, . Erste Hälne a Pe ee | | So wweun Ssılll wo in So P. Rörnıe: Zellanordnungen und Faserzüge im Vorderhirn von Siren lacertina . » » ... . » M. Neipise: Über die Kerne des Diencephalon bei einigen nie Et GADSCHÄRIANZ: Über die Kerne des menschlichen Rleinhirns € ee H. Jusxen: Der RA, der Hathor-Tefnut aus Nubien. . . PER F. Freiherr Hırız und H.I kadische "Forschungen Ti. Wiesann: Bier lest Bericht über die von en Königlichen Museen unternommenen ce une n in L. Licntess Beweis Men Sie dass je hinreichend keine, im wesentlichen steti ig 'ge- krümmte, singularitätenfreie Fläch enstück auf ei znell einer Ebene a aunenhangenil nd und.in. den kleinsten Theilen ähnlich abge nun ‚werde jen A. vox Le Con: Türkische Manichaica aus Choi RE UNE TEN M. v. Ri i M. Livzuarskı: Phönieische und aramäische Krugau ufschäften aus "Eleplantine Be ae C. Frank: Zur Entzifferung der Alrelknechin Inschriften ER TE Sitzungsberiehte der Akademie. a ee ee Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1911. Jacosı: Cultur-, Sprach- und ns aus dem eaullne eG Ih N J. Hex: Saum: die = ee e mn aa inceh in a Ya atan (hierzu "Tal. vv) u den n Papyri von Elephanti , Hs sserie über die L hage rg Marsachso id die Enakbaten im Marse stem 3 XV). F. Freen und C. Rexz: Kreide und Trias im Kiona- und Öta; lei ‚Mirtelgriechentand) * Martens: über die Messung grosser Kräfte im Mteraprüfungewes . ©. Brocxersmaws: zu den Inschriften des Königs Kalı VE ; Sonderabdrucke. I. Ast 1912, Scaur: über einen Satz von C. Cararmk Fa Frosesius: lauıa eines Satzes von anreknnnsr aus einer Formel von KaoxeckeR . H Koser: Festred. vox Wiıramo ırz-Mo; OELLENDORFF! Min imnermos "und Pr 'roperz Russer: über die Betheiligung an unlarer Fermente am " Ehergieverbrauch der Zelle Nersst: Thermodynamik Du ai cifische Wärme 75 ee. A. Euckrx: die olekularwärme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen Bee Rn Orra: über Rinder- und Mensteaniberkalles Harsack: Geschichte eines chen Worts Jesu lach. 5, ini in | der ältesten Kirche Wansuxe:, über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgän; Liesiscn: über die Fluorescenz der le ith- und Wilonigrupe im eeleletten Licht BERLANDT: ale das Sinnesorgan des Labellums der Pierostylis-Blü Rusexs und G. Hertz: über den ee ve ge auf de AReprpeoR langwelliger Wärme- stral hlen i in en Ss Helen sh ‘ Herımann: über 1 Heınmerr: ne Erfahrungsgrundlagen der Lehre vom es Ölichgewichubtnde der Massen kruste Ww. Bass über die et des Codex Cumanicus (hierzu Taf. I und m. Roserrt: zu den Epitr s des Menander . { K. Meyer: ein mittelinsches fer dicht auf Brendan den Meerfahrer . Frorexius: über Matrizen aus nieht Baer Denise ee 0. über n Grant und Sedimenten re z Manquanr: rer Bericht über die Bekehrn une der iguren i ; CHULZE: die Erhebungen auf der Lippen- und Wangenschl: au = minantia (hierzu Taf. IH, IV und Wr. a ei ie Mr Bingen » 1 vos Wiramowrrz- Mosıtesponre‘ Neues von Kallimachos = Hewrwis: Veränderung der it der Samenfüden ı durch Physikalische urch chemische Eingri Wörrrum: das Problem des Se in Ar bildenden Rune. PR M12.— N ER: Be