FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN. VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT. IN REGENSBURG -89. BAND. — ERGÄNZUNGSBAND ZUM JAHRGANG 1901. 0. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der. Botanik in München, Mit 5 Tafeln und 33 Textfiguren. Erschienen am 24. Juli 1901. Inhalt! PAUL VOGLER, Ueber die Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpen- „pflanzen . een. Seite I BARANETZKY, Veber die Ursachen, "weiche die Richtung der Asste der “ Baum- und Straucharten bedingen . . . B . . . B » $ KORSCHINSKY, Heterogenesis und Evolution“ . ” 3 GREGOR MENDEL, Versuche über Pflanzenhybriden oo. . . . » G. KARSTEN, Ueber farblose Diatomeen . . “ Dr. WILH. LORCH, Beiträge zur Anatomie und Biologie der Laubmoose LITTERATUR: Dr. RICH. R. v. WETTSTEIN, Handbuch der systematischen ° Botanik. — SV. MURBECK, Das Verhalten des Pollenschlauches bei Alchemilla arvensis (L.) Scop. und das Wesen der Chalazogamie, — Dr. A. BLIEDNER, Goethe und die Urpllanze. — A. MÖLLER, Phycomyceten und Ascomyceten nn rn MARBURG: N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 1901. 1137 138-239 249—363 364403 404—433 434-454 455455 Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 „.» „ „ . „250 5 „ „ nn 6 „30 „ - „380 „ „ „ nl „40 „ „ „ Fa SE n. „ von 10 „5 R R » „650 „ B . Fa 9X y 60 r ” ” ” 8.— rn ” ” ” » 2.— „m . „ „ „9% , „ „ nn bt „8 P " n „1050 „ » n n „ 3— “ 0 ” r ” ” 11.50 ” ” r ” ” .3.50 „ 100 u: - „ 18.50 . „ „he k ” ” . r Dissertationen und Abhandlungen systematischen Iuhalts werden nicht hono- riet; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; ‚die Kosten für Abbildungen und Tafeln hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagsbandlung nur die Herstellungskosten be- rechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen. Correoturentschädigungen, die von der Druckerei für nicht verschuldete Correeturen in Anrechnung gebracht werden, fallen dem Ver- fasser zur Last. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen und zahlreichen Tafeln. Nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergünzungsbände an, welche be- sonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora* sind an den Herausgeber, Herrn Prof. Dr. Gocbel in München, Friedrichstrasse 17/1, zu senden, Cor- reeturen an die Druckerei von Val. Höfling, München, Lämmerstrasse 1. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind an die unterzeichnete Verlagshandlung zu richten, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHER ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 89. BAND. ERGÄNZUNGSBAND ZUM JAHRGANG 1901. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der Botanik in München. Mit 5 Tafeln und 33 Textfiguren. MARBURG. N. @. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1901. Inhaltsverzeichniss. I. Abhandlungen. J. BARANETZKY, Ueber die Ursachen, welche die Richtung der Aeste der Baum- und Straucharten bedingen . . . G. KARSTEN, Ueber farblose Diatomeen S. KORSCHINSKY, Heterogenesis und Evolution Dr. WILH. LORCH, Beiträge zur Anatomie und Biologie der Laubmoose GREGOR MENDEL, Versuche über Pflanzenhybriden PAUL VOGLER, Ueber die Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpenpflanzen . . II. Abbildungen. A, Tafeln. Seite 138— 239 404—433 240— 363 434—454 364—403 1—137 Tafel I-IV zu Vogler, Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpenpflanzen. Tafel V zu Karsten, Diatomeen. B. Textfiguren. Seite 87 ı Fig. zu Vogler, Verbreitungsmittel der schweiz. Alpenpflanzen, Seite 435 ff, Fig. 1—32 zu Lorch, Laubmoose. II. Litteratur. Dr. RICH. R. v. WETTSTEIN, Handbuch der systematischen Botanik Seite 455 SV, MURBECK, Das Verhalten des Pollenschlauchs bei Alchemilla arvensis (L.) Scop. und das Wesen der Chalazogamie . Dr. A. BLIEDNER, Goethe und die Urpflanze . . A, MÖLLER, Phycomyceten und Ascomyceten Der Band erschien am 24. Juli 1901, 455 456 465 Ueber die Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpenpflanzen. Von Paul Vogler. (Arbeit aus dem botanischen Museum des eidgenössischen Polytechnikums Zürich.) Mit 4 Tafeln und einer Textfigur. A. Einleitung. E Die Ausstattung der Keime einer grossen Menge von Pflanzen mit Anpassungen an die Verbreitung derselben durch verschiedene Agentien, namentlich Wind, Wasser und Thiere, ist so auffällig, dass mit den ersten Anfängen einer biologischen Betrachtungsweise der Pflanzen ihre Bedeutung erkannt werden musste. Schon Sprengel gibt in seinem in anderer Richtung so hervorragenden Buch „Das entdeckte Geheimniss der Natur“ 1793 eine kurze, aber ziemlich um- fassende Zusammenstellung der in Betracht kommenden Einrichtungen, Die erste grössere Arbeit, die speciell nur diesem Capitel der Pflanzenbiologie gewidmet ist, bot Hildebrand 1873 unter dem Titel: „Die Verbreitungsmittel der Pfanzen“. Darin stellt er sehr vollständig und übersichtlich zusammen sowohl die verschiedenen Ver- breitungsagentien und deren Bedeutung, als auch die Verbreitungs- einrichtungen und die Organe, welche sich zu solehen ausbilden können. Seither ist eine reiche Litteratur über dieses Gebiet entstanden. Mae Leod zählt allein für die Zeit von 1873—90 220 Arbeiten in dieser Richtung auf. So hat sich im Laufe der Zeit ein grosses Material angehäuft, das einer vollständigen Zusammenfassung noch harıt. Neuere Zu- sammenstellungen bieten hauptsächlich Kerner im zweiten Band seines Pflanzenlebens und Kronfeld in seinen Studien über die Verbreitungsmittel, sowie selbstverständlich allgemeine biologisch- pflanzengeographische Werke, so z.B.Schimper in seiner „Pflanzen- geographie auf physiologischer Grundlage“. Auch die systematischen Werke nehmen meist Rücksicht auf dieses Gebiet. Ich erwähne nur: Engler und Prantl’s „Natürliche Pflanzenfamilien“, die zum Theil sehr vollständige Uebersichten über die bei einzelnen Familien vor- kommenden Verbreitungseinrichtungen enthalten. Mehr Interesse verlangen aber Arbeiten, die von ganz speciellen Gesichtspunkten aus das vorhandene Material zum Theil ergänzen, Flora, Ergänzgsbd. 1901. i 2 zum Theil nur neu gruppiren, Hier erwähne ich zunächst die Zu- sammenstellungen bestimmter Gruppen von Verbreitungsmitteln, wie sie z.B. von Huth (Klettpflanzen, Pflanzen mit Schleuderfrüchten u.s. w.) und Focke (Verbreitung der Pfanzen durch T'hiere) vorliegen. Der- artige Arbeiten erhielten einen viel grösseren Werth, wenn sie einem Zusammenhang oder auch nur Parallelismus zwischen den ähnlichen Verbreitungsmitteln und anderen durchgehenden biologischen Verhält- nissen der betreffenden Arten nachgingen. Eine ganz kleine Ünter- suchung dieser Art bietet Lubbock (22 pag. 79), indem er nach- weist, dass von 80 Gattungen, figured as having seeds or fruits with a long wing, known as a Samara, alle zu den Bäumen oder KRletter- sträuchern gehören, keine einzige zu den niedrigen Kräutern. Der Zusammenhang liegt auf der Hand. Namentlich wichtig erscheinen mir Arbeiten, welche die Ver- breitungsmittel bestimmter biologischer, klimatologischer oder geogra- phischer Pflanzengruppen behandeln, weil sie namentlich auf die Frage nach der thatsächlichen Bedeutung einer Einrichtung, sowie auf die Frage der Anpassung und Auslese Aufschluss ertheilen können. Hier erwähne ich die Untersuchungen Schimpers, der (28) nachweist, dass alle Epiphyten Keime haben, die zum Transport auf Baumäste geeignet sind; seien es saftige Früchte, die von Vögeln verbreitet werden, seien es kleine oder mit Flugapparaten versehene Samen, die vom Winde verweht werden, und dass diese Keime auch leicht auf Baumrinde haften müssen. „In diesen Eigenschaften haben wir aber nicht eine Anpassung an atmosphärische Lebensweise, sondern vielmehr eine praeexistirende Eigenschaft, durch welche letztere erst ermöglicht wurde, zu erblicken“ (pag. 23). Aehnlich zeigt er an der indo-malayischen Strandflora (29), dass überhaupt nur solche Pflanzen in dieser vertreten sein können, deren Keime für den Transport durch Wasser, in selteneren Fällen auch durch Vögel, ausgerüstet sind. Aehnliche Beziehungen weist Schenck (27) in der Süsswasserflora nach. Als speciell das mich im Folgenden beschäftigende Gebiet be- handelnd, erwähne ich ferner noch Massart’s Arbeit: La dissemi- nation des plantes alpines, Die Pflanzenwelt der gemässigten Zone ist so allseitig erforscht, dass es auch in Beziehung auf die Verbreitungsmittel schwer fallen dürfte, irgend welche principiell neue Fälle zu finden; die Zahl der Modificationen der bereits bekannten Typen kann sich allerdings noch sehr steigern. Viel weniger Thatsachenmaterial liegt vor, wenn man die Frage nach der Bedeutung und Wirkung der Verbreitungsmittel, speciell der der Anpassungen an Windverbreitung, studiren will. Es sind namentlich zwei, allerdings oft in einander greifende Fragen, die das Interesse in Anspruch nehmen, nämlich: Worin zeigt sich die Ueberlegenheit der mit bestimmten Arten von Verbreitungsmitteln ausgestatteten Pflanzen gegenüber den dieselben entbehrenden? und wie weit, d. h. auf welche Maximaldistanz, ist unter normalen Ver- hältnissen ein Transport möglich? Zwei Wege können nach meiner Meinung zu einigermaassen zu- verlässigen Resultaten betr. die erste Frage führen. Der eine lässt sich ungefähr folgendermaassen skizziren. Es ist das Vorkommen ein und desselben Verbreitungsmittels durch möglichst viele Genera zu verfolgen und nach einem Parallelismus mit anderen biologischen An- passungen oder Bedürfnissen oder mit der geographischen Verbrei- tung zu suchen. Daran hat sich noch eine Vergleichung mit in be- stimmter Weise an andere oder gar nicht an Verbreitung angepasster Pflanzengruppen zu reihen. In dieser Richtung lassen sich die Ar- beiten von Huth, Focke u. A. ausbeuten. Der zweite, vielleicht aussichtsreichere Weg bietet sich in der Untersuchung einer biologisch geschlossenen Pflanzengruppe, wie sie in den Arbeiten von Schenck, Schimper und Massart vorliegen. Für eine derartige Gruppe ist es möglich, ein annähernd vollständiges Thatsachenmaterial zu bekommen und aus der Vergleichung mit den übrigen biologischen Bedingungen verhältnissmässig zuverlässige Schlüsse zu ziehen. Grössere Sicherheit wird auch hier gewonnen, wenn die Daten aus einer biologischen Gruppe mit denen aus einer anderen, durch bestimmte Bedingungen unterschiedenen, verglichen werden können. Auf diesem Wege suchte ich in der folgenden Arbeit einen Beitrag zur Lösung der gestellten Frage zu liefern. Mehr Schwierigkeiten stellen sich der Beantwortung der zweiten Frage betr. thatsächlichen Transport gegenüber. Directe Beobach- tungen sind, weil von vielen Zufällen abhängig, selten. Wir sind auch hier auf Umwege angewiesen. Aus der Verbreitung einzelner Species, aus plötzlichem Auftreten einer Art an neuen Standorten, aus Beob- achtungen von Transport anderer Körper können wenigstens Wahr- scheinlichkeitsschlüsse gezogen werden, die ihrerseits wieder eine bessere Präcisirung der Fragestellung gestatten. Ich hoffe auch in dieser Richtung durch eine Zusammenstellung bekannter und neuer Thatsachen und durch eine Discussion des jetzigen Standes der Frage der biologischen Pflanzengeographie einen Dienst zu erweisen. Ist doch das Problem, wann ein Areal als disjunct bezeichnet werden 1% 4 muss, d. h. wann es aus jetzt noch wirkenden natürlichen Ursachen nicht mehr erklärt werden kann, eines der wichtigsten der Pflanzengeo- graphie. Thema und Eintheilung der Arbeit. Meine Absicht war zunächst, an Hand einer möglichst voll- ständigen Zusammenstellung der Verbreitungsmittel der Alpenpflanzen einem Parallelismus zwischen den Verbreitungsausrüstungen derselben und ihren anderweitigen biologischen Verhältnissen nachzugehen. Bei den Vorarbeiten dazu zeigte es sich, dass die Frucht- und Samen- verhältnisse eines grossen Theils der Alpenpflanzen noch sehr wenig untersucht sind. Ich entschloss mich deshalb, wenigstens für die wichtigsten Dicotylen-Familien eine etwas detaillirtere morphologische Untersuchung durchzuführen. Die Resultate derselben gebe ich im ersten Abschnitt des ersten Theils meiner Arbeit. Ich hoffe, damit auch dem Systematiker einen Dienst zu leisten. — Daran schliesse ich in einem zweiten Abschnitt eine Besprechung der biologischen Verhältnisse, speciell der Verbreitungsmittel der Früchte und Samen dieser Familien an, immer unter Vergleichung mit den Arten der tieferen Lagen. In dem zweiten, allgemeinen Theil dehnte ich die Untersuchung auch auf die übrigen Familien aus, um so auf einer breiteren Grund- lage zuverlässigere Schlüsse aufbauen zu können. In erster Linie handelte es sich darum, statistisches Material zu erhalten, über das Vorbandensein oder Fehlen der verschiedenen Gruppen der Ver- breitungsmittel bei den Alpenpflanzen im Gegensatz zur Flora der tieferen Lagen. Ich habe deshalb die Früchte und Samen der ganzen Schweizer Flora auf diesen Gesichtspunkt hin durchgangen, ohne hiebei allerdings auch auf die andern morphologischen Verhältnisse eingehend Rücksicht zu nehmen. Der Vergleich zwischen der Alpen- flora und der tieferer Lagen ergab unter anderem ein sehr starkes Ueberwiegen der Anpassung an Windverbreitung in den Alpen, ein Resultat, das nichts Unerwartetes bietet. Die Arbeit war schon ziem- lich weit fortgeschritten, als ich auf Massart’s Publikation: „La dissemination des plantes alpines“ aufmerksam wurde, der nach seinen Beobachtungen im Gebiet von Zermatt zum gleichen Schlusse kommt. Trotzdem dürften meine Erhebungen auch über diesen Punkt noch Interesse erwecken, weil sie auf breiterer Basis beruhen, und, was Massart nur ganz allgemein nachweist, mit bestimmten Zahlen belegen. Mehr Gewicht legte ich auf die Frage nach einem Zusammenhang dieser und ähnlicher Erscheinungen mit den übrigen biologischen b Verhältnissen der Alpenpflanzen, und besonders nach ihrer Bedeutung für die Besiedelung neuer Standorte und für die Einwanderung. Das führte mich dazu, auch der Frage nach der Möglichkeit des Trans- portes auf grosse Distanzen meine Aufmerksamkeit zu widmen. Ich bin mir vollständig bewusst, dass ich in meiner Arbeit oft Herbariumsbiologie treibe. Doch kann das nicht sehr ins Gewicht fallen, da ein grosser Theil des Gebietes einer anderweitigen Be- arbeitung erst dann überhaupt zugänglich wird, wenn einmal durch Untersuchungen vorliegender Art eine Grundlage für präcise Frage- stellung bei Beobachtungen geschaffen ist. In Benennung und Umgrenzung von Arten, Gattungen und Familien folge ich Schinz und Keller, Flora der Schweiz, Zürich 1900, auf die ich auch für die Autornamen verweise. Die Arbeit wurde ausgeführt im botan. Museum des eidgen. Polytechnikums in Zürich (Direction Prof. Dr. C. Schröter). Ich benütze die Gelegenheit, auch hier meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. C. Schröter, für die vielfachen Anregungen und Förde- rungen, die er mir während meiner ganzen Studienzeit und speciell bei dieser Arbeit zu Theil werden liess, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Zugleich danke ich auch allen anderen Herren, die mich durch Zuwendung von Untersuchungsmaterial oder anderweitig unterstützt haben, vor Allem Herrn Dr. F, G. Stebler, Director der eidgenössischen Samencontrolstation in Zürich. B) Specieller Theil. (Morphologische und biologische Untersuchung der Samen der Alpenpflanzen aus den wichtigsten Familien der Dicotyledonen.) I. Morphologie. Vorbemerkungen. Der Ausdruck Alpenpflanzen (alpine Arten) lässt verschiedene Deutungen zu. Man versteht darunter entweder diejenigen Arten, welche der Alpenkette eigen sind oder diejenigen, welche der Alpenregion angehören. Als biologisch abgeschlossene Gruppe kommt aber nur die zweite Umgrenzung in Betracht. Ich bezeichne also mit Christ (43) als Alpenpflanzen diejenigen Arten der Alpen, die das Maximum ihrer Verbreitung in der alpinen Region, d. h, über der Zone des Waldwuchses!) haben. Es sind also die Arten der 1) Ueber Waldgrenze und Baumgrenze vgl. Imhof, Die Waldgrenze in der Schweiz, Leipzig 1900. Die Waldgrenze ist natürlich keine durchgehend scharf Ebene, selbst solche, welche bis in die nivale Region hinaufsteigen, nicht inbegriffen. Christ (43) gibt ein ausgedehntes Verzeichniss aller europäischen Alpenpflanzen in diesem Sinne des Wortes. Für meine Untersuchungen schloss ich zunächst alle der Schweiz nicht angehörenden Species aus. Von den bleibenden bestimmte ich an Hand der Localfloren des schweizerischen Alpengebietes (Nr. 42, 46, 52, 55, 58, 59, 63, 64, 68, 74, 19, 80, 82, 85, 86 des Litt.-Verz.) möglichst die Höhengrenzen. Dabei ergab sich, dass eine Anzahl der bei Christ aufgeführten Arten für die Schweiz nicht als alpin be- zeichnet werden können.!) Diese wurden ebenfalls ausser Betracht gelassen. Für die näher besprochenen Arten gebe ich jeweils in kurzen Zügen die Verbreitung in den Schweizeralpen an, unter haupt- sächlicher Berücksichtigung der Höhengrenzen. Bei meinen morphologischen Untersuchungen berücksichtige ich im Hinblick auf den biologischen Zweck meiner Arbeit in erster Linie die Verbreitungseinheit, d. h. also bei Schliessfrüchten bestimmte; sie variirt ziemlich stark nach klimatischen und Expositionsverhältnissen. Dazu kommt noch, dass sie sehr oft durch wirthschaftliche Bedingungen, nament- jich Weidgang, künstliche Abholzung, stark beeinflusst ist. Trotzdem darf sie für die Nordschweiz durchschnittlich auf 1800 m, für das Wallis auf 2100 m festgesetzt werden. Natürlicher, d. b. weniger durch den Menschen und seine Cultur beein- flusst, ist die Baumgrenze, d, h. die Grenze der letzten einzelnen hochstämmigen Bäume. Diese liegt nach Imhof durchschnittlich 100m über der Waldgrenze. Trotzdem setze ich die „Waldgrenze“ als untere Grenze der alpinen Region. Wenn wir absehen von der stellenweis künstlichen Herabdrückung derselben, haben wir hier eine biologische Grenze; denn dass einzelne Bäume weiter hinaufsteigen ist durch locale, klimatische Standortsverhältnisse bedingt. Oberhalb der Wald- grenze herrschen, namentlich was die Verbreitungsagentien anbetrifft, überall die alpinen biologischen Bedingungen. 1) Die nicht als alpin betrachteten Arten sind folgende: Alsine lariecifolia, Moehringia muscosa, Silene rupestris, S. saxifraga, Atragene alpina, Ranunc. aconi- tif., Trollius europ., Aconitum Anthora, A. Napellus, A. variegatum; Aethionema saxatile, Arabis ciliata, A. Halleri, Biscutella laevigata, Kernera saxatilis, Hugue- ninia tanacetif., Saxifr. Cotyledon, cernua, cuneifolia, Hirculus, mutata, rotundifolia ; Alchimilla alpina, Potentilla aurea, alpestris, caulescens,; Astrantia minor, major; Bupleurum longifolium, Meum athamanticum; Androsace chamaejasme, lactea, septen- trionalis, villosa; Cortusa Matthieli, Primula glutinosa, farinosa, integrifolia; Trien- talis europaea; Gentiana asclepiadea, campestris, lutea, utrieulosa, verna,; Sweertia perennis,; Achillea macrophylla, Adenostyles albifrons, alpinu; Arnica montana, Bellidiastrum Michelii; Petasites niveus; Crepis blattarioides; suecisaefolia; Cirsium heteroph., Mulgedium alpin., Plumieri; Rhapontic. scarios. — Einige andere Aende- rungen: Vermehrung oder Verminderung ergaben sich durch eine weitere oder engere Fassung des Artbegriffes bei Schinz und Keller, 7 die Frucht, bei Springfrüchten die Samen. Dadurch erklärt sich die Bevorzugung der einen oder andern. Die Untersuchung dehnte ich im Allgemeinen nur so weit aus, als es dem mit einer guten Lupe bewaffneten Auge möglich war. Mikroskopische Structurunterschiede wurden nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen. Zur Verdeut- lichung meiner Beschreibungen gebe ich auf 4 Tafeln Abbildungen der Haupttypen. Detaillirte Angaben über Frucht und Samen finden sich für die Alpenpflanzen wenige in der fioristischen und systematischen Litteratur. Relativ viele derartige Daten enthalten: Rouy et Foucauld, Flore de France; Beck, Flora von Niederösterreich; Gaudin, Flora hel- vetica und z. T. auch Koch, Synopsis (neu herausgeg. v. Hallier). Ich habe für die einzelnen Species jeweils diese Werke consultirt. Wo die Angaben mit meinen Befunden im Widerspruch stehen, weise ich extra darauf hin. Meine Beschreibungen beruhen, wo nicht aus- drücklich anders bemerkt ist, auf Autopsie. Die Dimensionen geben jeweils die Mittelwerthe aus dem mir vorliegenden Material; die Ge- wichte wurden bestimmt durch Wägung von 50—200 Stück. Eine Hauptschwierigkeit für die Untersuchung bot die Beschaffung des Materiais. Durch Vermittlung der eidgen. Samencontrol- station Zürich, die mir selbst ihre reichen Sammlungen zur Ver- fügung stellte, erhielt ich alpine Samen aus den botanischen Gärten von: München, Graz, Grenoble, Lyon, Jena, Lausanne und Genf. Ausserdem benützte ich die Samensammlungen des bo- tanischen Museums des eidg. Polytechnikums, sowie frisches Material, theils selbst gesammelt, theils durch Vermittlung studirender Freunde erhalten. Für einen grossen Theil der Arten war ich aber trotzdem noch angewiesen auf Herbarmaterial. In der Hauptsache entnahm ich dieses dem Herbarium helveticum des eidg. Polytechnikums, nach dem ich auch die Bestimmung der aus den botanischen Gärten be- zogenen Samen möglichst controlirte. So konnte ich wenigstens an- nähernde Vollständigkeit für die in Betracht gezogenen Familien er- reichen. Doch ergab das Herbarium in einzelnen Fällen nur sehr spärliches Material. Die betreffenden Angaben, auf die ich jeweils extra hinweise (spärlich), können deswegen auf absolute Zuverlässigkeit keinen Anspruch machen. Ich gebe bei jeder Art die Bezugsquelle des Materials an, auf dem die Beschreibung in der Hauptsache fusst. Dabei bedeutet: HH — Herbarium helveticum. j Im Ganzen werden 183 Species, d. h. die alpinen Species folgen- der Familien besprochen: Caryophyllaceen, Ranunculaceen, Cruciferen, 8 Saxifragaceen, Rosaceen, Umbelliferen, Primulaceen, Gentianaceen, Campanulaceen, Compositen. Es sind das mehr als die Hälfte der 343 schweizerischen alpinen Arten. ‘1. Caryophyllaceen. Alpine Vertreter weisen folgende Gattungen der Schweizerflora auf: Viscaria, Silene, Heliosperma, Gypsophila, Dianthus, Cerastium, Alsine, Arenaria, Moehringia. i “ Nach dem Bau der Samen lassen sie sich in zwei Hauptgruppen scheiden: I. Same schildförmig, platigedrückt; Hilum in der Mitte der Bauchfläche. U. Same nierenförmig, „dieht mit genäherten Höckerchen besetzt, hinsichtlich ihrer Gestalt verschieden, zuweilen stark compri- mirt, auf dem Rücken besonders stark höckerig oder papillös-warzig, bald kantig, bald gerundet, matt oder glänzend. Die Protuberanzen bilden regelmässige Reihen. Die Epidermiszellen der Testa meist sternförmig. Bei einigen platte, seitlich comprimirte Samen mit gleich- zeitig auf dem Rücken lang ausgezogenen Epiderniszellen der Testa*. (Harz, als Charakteristik der Gttg. Silene [90] pag. 1078). (Ueber nähere Struk- tur und Entwickelungsgeschichte der Epidermisgebilde siehe Hegelmeier [91]}), I. Schildförmige Samen: hieher die Gattung Dianthus, Dianthus glacialis (Lausanne). Same schwarzbraun, fein punktirt, auf der Bauchseite schwach concav, ohne Flügelraund; Imm lang, 0,Tmm brt. (Im Vergleich zu den übrigen Dianthus-Arten also sehr klein: D. vaginatus: 2,5mm Ig., 2 br., 105mg schwer [Harz]; D. inodorus: S!mm Ig., 2,5! br.) Taf.I Fig. 1. Verbreitung: Oestlicher Theil des Kantons Graubünden; Unter-Engadin „von 3000 m an“, Ober-Engadin „ob Samaden, Lavirums, Piz della Padelle, Um- brail“ (Moritzi), Avers. U. Nierenförmige Samen. Diese lassen sich nach dem Bau der Testaoberhaut weiterhin gruppiren. A. Samen glatt oder nur punktirt. a) glänzend: Moehringia ciliata (HH). Same schwach-nierenförmig (1,2 mm Ig., 0,83 br.), glatt, schwarzglänzend; etwas abgeplattet; auf dem Rücken eine Kante „mit einem scheibenförmigen, oft sternförmigen Arillus- blättchen an der Chalaza verschen‘. (Beck.) Taf. ] Fig. 2. Rouy et Foucauld: „graines ponctudes“ kann ich nicht be- stätigen. 9 Verbreitung: Durch die Hochalpen verbreitet von 1600m an (Wallis 1800—2400m, Glarus 700—2360 m, aber nicht häufig, Unt.-Eng. von 1800m bis über 3000m im Geröll), b) matt oder punktirt: Alsine biflora (HH spärlich). Same matt, braun, schwach punktirt, nierenförmig 0,7mm 1g., Rücken abgerundet. Taf. I Fig. 3. Verbreitung: Sehr selten: nur Graubünden, Wallis u. Waadt, Unt.-Eng. von 2000 m an; Davos, Ober-Engadin; Stelvio, Wallis sehr selten auf Moraines gazonndes 2000—2500 m. Alsine recurva (HH spärlich). Der vorigen entsprechend, aber grösser (1,2mm Ig.); Rücken abgeflacht. Die Diagnose stimmt überein mit der Abbildung bei Reichen- bach T. 208. Nach Koch dagegen: „Samen bekörnelt, am Kiel warzig“. Bei der Spärlichkeit meines Materials, das vielleicht nicht ganz ausgereift ist, kann ich nicht sicher entscheiden. Verbreitung: Hochalpen: Wallis vorzugsweise in der penninischen Kette 1800—3100 m ziemlich gemein; fehlt dem Berneroberland; hohe Berge des Urseren- thales (Uri), Unt.-Eng. von ca. 2500 m an; Davos; Ob.-Eng., fehlt St. Gallen u. Glarus. B. Samen abgerundet gebuckelt. a) ohne Papillenkranz. a) Buckel langgestreckt; hieher die Gattungen Silene, Viscaria und Arenaria, Alsine p. p. Silene acaulis (Laus.). Same rundlich, nierenförmig, nicht kantig, Rücken abgerundet; 1—1,5mm Ig., 0,54mg schwer. Die in 4-6 concentrischen Linien angeordneten Buckel sehr fein und schmal, so dass sie selbst unter der Lupe nur als feine Striche erscheinen. Taf. I, Fig. 4. Rouy et Foucauld, Beck und Koch geben übereinstimmend an: „am Rücken furchig, auf den Flächen vertieft“. (Unter dem reichlichen Material aus dem botan. Garten von Grenoble finde ich nur ganz vereinzelte Samen mit Furche auf dem Rücken und con- caven Flachseiten. Unter dem aus dem botan. Garten von Lausanne und dem reichlichen von Herrn E. Keller für mich auf der Fürstenalp gesammelten entspricht etwa !/3 der Diagnose Rouy-Beck-Koch. Es sind das aber alles die kleineren Samen, die auch sonst den Ein- druck unvollständiger Entwickelung machen.) Verbreitung: Durch die ganze alpine und nivale Region. Wallis gemein von 1700--3000m, Lyskam 3630 m; Oberland a. d. Jungfrau bis 3350m; Glarus bis 2800m, herabgeschwemmt bei Matt a. d. Sernf 845m. Silene exscapa (Varietät der vorigen!), Same nicht zu unter- scheiden von denen der vorigen. Nach Koch etwas grösser. Verbreitung: Entsprechend der vorigen, durchschnittlich aber etwas höher, 10 Wallis 1800—3600m (Monte Rosa); bevorzugt nach Killias im Unt.-Eng. Granit und Hornblende. Silene Valesia (Laus.). Same nierenförmig, 1,5 mm lg., Imm br., 0,705 mg schw.; Rücken abgeplattet bis schwach gefurcht, so dass zwei Kanten entstehen. Breitflächen flach mit 7—9 Reihen stumpfer, länglicher Höcker; Rücken mit 3 Reihen stunpfer Kegelhöcker, braun. Taf. I Fig. 5. Verbreitung: Localisirt auf die Südkette des Wallis; ziemlich gemein in den Thälern von Vieges und des Simplon, gemein zwischen Simplon und Gondo (Jaccard). Viscaria alpina (Laus.). Same vollständig gleich gebaut wie bei Silena valesia, aber schwarz und sehr klein, höchstens 0,4mm Längs- durchmesser, 0,08mg schwer. Taf. I Fig. 6. Verbreitung: Wallis: fehlt dem westlichen Theil, sonst:verbr. von 1900 bis 2900m; Oberland: nur Kienthal und Gemmi; Graubünden: Unt.-Engad., Ob.- Engad., Avers. Arenaria ciliata (HH). Same schwach nierenförmig, schwarz, 8—12 Reihen flacher Buckel, Rücken abgerundet; 0,9—1mm I1g. (Form v. Sil. acaulis, Zeiehnung v. Sil. vallesia). Verbreitung: Durch die gesammten Alpen und Voralpen gemein von ca. 1300 bis über 3000 m. Arenaria biflora (HH). Samen etwas kleiner als an voriger. 0,7—0,8mm, sonst übereinstimmend. Verbreitung: Hochalpin, vorzugsweise auf Urgestein. Wallis: ziemlich gemein von 1400-3200 m; Oberld.: hohe Alpen; Ure.: nivale Granitalpen. St. Gall.: Nur Calveis 2400m; Glarus: 2500--2600m nicht häufig. Graubünden: Scaletta, Bernina, Lavirums. Unt.-Eng.: höchste Lagen; Ob.-Eng.; Avers; Davos. Arenaria Marschlinsii (HH). Samen gleich den vorigen, aber höchstens halb so gross 0,3—0,4mm. 0,07 mg schwer. Verbreitung: Graubünden; Wallis von 2000—3100m, selten. Alsine sedoides (HH sehr spärlich). Nach dem wenigen Material, das mir vorliegt, entsprechen die Samen in Form und Zeiehnung den vorigen; 0,d5mm Ig., ebenso nach der Abb. bei Reichenb. T. 204. Beck: Samen etwas warzig, 0,7mm lg. Koch: Samen gross, fast kugelig, feinkörnig-schärflich, aber nicht weichstachlich (gehört also vielleicht in die Gruppe D). Verbreitung: alpine und nivale Region durch die ganze Schweiz, Nur selten unter 1800m. Am Monte Rosa bis 3800m (J. Valais). B) Buckel sternförmig-rund. Cerastium. aa) Testa dem Samen fest anliegend. Cerastium strietum (teste Correns). Die Nierenform des Samens ist nicht mehr deutlich, indem der Durchmesser Bauch— Rücken grösser, als die Länge. (B.—R. Imm, Lg. 0,8). Rücken BB 1 schwach abgerundet. Der ganze Samen mit stumpf-kegelförmigen, am Fusse sternf, ineinandergreifenden Buckeln besetzt; braun. Taf. I Fig. 13. Verbreitung: Vertritt in den höhern Alpen bis 2500m in der Ostschweiz und 3000m im Wallis, das gewöhnliche Cer. arvense. Cerastium trigynum (HH). Entsprechend dem vorigen (0,8 mm B.—R.). Rücken etwas mehr abgerundet, Höcker etwas flacher. Verbreitung: Charakterpflanze der Schneethälchen. Ueberall in der Nähe des schmelzenden Schnees. 1800 — 3000 m. ßß) Testa dem Samen lose anliegend. Cerastium latifolium (8.-C.-St. Zürich.) Samen gross, 3mm v. Bauch—Rücken, 25mm ]g., 0,8img schwer; braun, kaum flachge- drückt, Testa den Samen nur ganz lose umhüllend, unregelmässig geschrumpft, ganz flach sternförmig gebuckelt. Taf. I Fig. T. Auf das lose Anliegen der Testa wird von Massart aufmerksam gemacht. Verbreitung: Felsen und Gerölle der hohen Kalkalpen bis 3000m (Wal- lis 3400 m); selten unter 2000 m. Gerastium uniflorum (teste Correns). Samen der vorigen ent- sprechend, aber etwas kleiner, 1,5—2 mm B.—R. Verbreitung: Vertritt die vorige auf den höchsten Granitalpen. Wallis 2200-3350 m. Ure.: höchste Granitalpen. Unt.-Eng.: auf Granit; hochalpin-nival sehr verbr. St. Antönien, Avers. Fehlt: St. Gallen und Oberland. Cerastium filiforme (teste Correns). Samen entsprechend den vorigen, kleiner Imm B.—R. (Nach Rouy und Foucauld dagegen: graines tres petites [!/ı mm de diametre]; rougeätres). Verbreitung: Gletschernähe in den Centralalpen. Wallis 2000—3100m, fehlt in der Nordkette westlich der Gemmi; Südkette ziemlich gemein. b) Mit Papillenkranz: Heliosperma quadrifidum (Lausanne). Samen sehr flachgedrückt- nierenförmig, Imm Ig., 0,7mm br., 0,12 mg schwer, schwarz; kamm- förmig gewimpert. Wimpern von Ausstülpungen der Epidermiszellen gebildet 0,4mm Ig.; gleichmässig, am Ende schwach keulenförmig verdickt; gelbbraun, zweireihig. Die Buckel des Samens langgestreckt, sehr fein, nur gegen den Rand deutlich zu erkennen. Taf. I Fig. 10. Vgl. auch Abb. bei Kerner u. A. Verbreitung: Alpen und Voralpen; schon bei 1000m beginnend; selten über 2000m. (Wallis 2400 m.) (Heliospermum alpestre [der Schweizerflora nicht angehörend], 0,10mg schwer, zeigt im Bau der Samen eine Zwischenstellung zw. Silene und Heliosperma. Ganze Oberfläche deutlich gebuckelt; Buckel 12 gegen den Rücken etwas ausgezogen; schliesslich in Papillen über- gehend. Taf. I Fig. 9.) C. Samen mit spitz-kegelförmigen Wärzchen be- Betzt. Gypsophila repens (Lausanne). Same abgerundet nierenförmig, mit 8—10 eoncentrischen Reihen massiver kegelförmiger Spitzen besetzt, die gegen den Rücken grösser werden; schwarz. 1,5 mm lg., I mm br., 0,67 mg schwer. Taf. I Fig. 8. Verbreitung: Gemein auf Kalkschutt. Längs der Bäche herabsteigend bis 380 m (Wallis); auch am Walensee und Vierwaldstättersee. Steigt bis 2700 m hinauf. D. Samen auf den Flachseiten ziegelig geschuppt. a) olıne Papillen. Cerastium alpinum (Genf und HH teste Correns). Same undeutlich nierenförmig, Bauch— Rücken Imm, Länge 0,7 mm, Gewicht 0,25 mg, flachgedrückt, Flachseiten ziegelig geschuppt, braun. Taf. I Fig. 11. Verbreitung: Von ca. 1500 m an auf Felsen und Geröll allgemein ver- breitet. Wallis von 2000--2800 m, doch mehr südliche Kette. b) Rücken mit Papillen. Alsine verna (Lausanne und Genf). Same rundlich-nierenförmig, 0,8 mm I1g., 0,07 mg schwer. Testaepidermis in ziegelige Schuppen ausgewachsen, die gegen den Rücken in kurze zitzenförmige Papillen übergehen. Taf. I Fig. 12, Verbreitung: Von 1500-3000 m allgemein verbreitet. Alsine aretioides (HH spärlich) den vorigen ähnlich, sehr klein, 0,2 mm lg. (Samen spreuschuppig, Hausmann.) Verbreitung: In der Schweiz und Val de Vitges (26003540 m). Alsine liniflora (Lausanne). Same gross, 1,5—2 mm lg., 0,81 mg schwer; schwach zusammengedrückt; Flachseiten ziegelig geschuppt; Schuppen gegen den Rücken allmählich in Papillen übergehend, die äussersten fast so lang als der kleinere Samendurchmesser. Taf. I Fig. 14. Verbreitung: Schweiz und höchster Jura: Reculet, Döle. Alsine lanceoluta (HH spärlich). Der vorigen entsprechend, kleiner, 1,2 mm Ig., sehr stark flachgedrückt. Verbreitung: Wallisam Simplon, Unter-Engadin am Schlinige Pass bis 2500 m. Die besprochenen 24 Arten vertheilen sich auf die einzelnen Gattungen folgendermaassen: Viscaria alpina 11, B, a, a. Silene acaulis, exscapa, vallesia II, B, a, a. Heliosperma quadrifidum II B, b. Gypsophila repens Il, C. Dianthus glacialis I. 13 Cerastium latifolium, uniflorum, fliforme II, B, a, ß, PP. _ strietum, trigynum, II, B, a, ß, aa. _ alpinum II, D, a. Alsine aretioides, lanceolata, verna, liniflora I,D,b. — sedoides II, "B, a, af). —— biflora II, A, b, recurva II, A, b(P). Arenaria Marschlinsi, biflora, eiliata II, B, a, @. Moehringia ciliata II, A, a. 2. Ranuneulaceen. Alpine Arten weisen folgende Gattungen auf: Callianthemum, Aquilegia, Delphinium, Anemone, Ranunculus, Thalietrum. Nach den Fruchtverhältnissen ergeben sich sofort zwei Gruppen: I. Frucht aus einsamigen Schliessfrüchtehen bestehend: Callian- themum, Anemone, Ranunculus, Thalictrum. Il. Frucht aus mehrsamigen Balgkapseln bestehend: Aguilegia, Delphinium. I Frucht aus einsamigen Schliessfrüchtchen: 1. Callianthemum rutaefolium (HH). Früchtchen ein sehr hart- schaliges, beinahe kugeliges Nüsschen, 3 mm 1g., 2 mm dick, 2,5 mm br. ; netzig runzelig; Griffelüberrest ein kleines Spitzchen; Stiel kurz, kegelförmig. Taf. I Fig. 20, Verbreitung: Vereinzelt, localisirt: Wallis: du Cervin au Gries; St. Gallen, graue Hörner, Calveis; Glarus: Obersand; Unt.-Eng.: Scarlthal und andere Stellen ca. 2200m; Lavirumpass 2800m (Candrian, Ob.-Eng.); zw. Brienzer-Rothorn und Lungern (Schinz u. Keller). 2. Anemone. Früchtchen ein lederhäutiges Nüsschen; Griffel und Behaarung verschieden. a) Griffel zur Reifezeit verlängert, von abstehenden Haaren bärtig; Nüsschen spitz-spindelförmig, zerstreut behaart. Anemone vernalis (HH). Früchtehen braun, 4—5 mm 1g., 1,5 mm br., ganze Oberfläche zerstreut behaart, jedoch 4 Längsleisten etwas hervortretend; Fruchtnabel von einem Kranz steifer, aufwärts ge- richteter Haare umgeben. — Griffel 35—40 mm lang, mit 3—5 mm langen Haaren; letzte Spitze kahl. Taf.I Fig. 15. Verbreitung: Gesammte Alpen und Voralpen von 1800— 3000m und dar- über; Wallis bis 8600 m. Anemone Halleri (HH). Früchtchen etwas grösser (5—5,5 mm Ig., 1,5mm br.) und bauchiger (Typus der A. sulphurea) als vorige; gleichmässiger behaart. — Griffel 35—40 mm Ig., mit kurzer, kahler Spitze, dunkelbraun. Verbreitung: Nur im Gebiet von Zermatt 1620--3000 m. 14 Anemone alpina (alba) (Laus. 8.-O.-St. Zürich). Früchtchen braun, 5 —7 mm Ig., 1—1,5mm br., 3,48 mg schw. inel. Griffel; Rückenseite meist etwas stärker gewölbt als Bauchseite; gleichmässig zerstreut be- haart. Griffel 40—45 mm Ig., äusserste Spitze kahl. Taf. I Fig. 16. Verbreitung: In allen Alpen auf Kalk gemein; von ca, 1600m (Wallis 1100 m) bis 2600 m. Anemone sulphurea (Laus. u. Zürich). Früchtchen bedeutend kleiner als vorige: 3—-4,5 mm Ig., 1—1,5mm br., 3,08mg schw. incl. Griffel; gleichmässiger spindelförmig; weniger behaart. — Griffel 40 bis 45mm lang. Taf. I Fig. 17. Verbreitung: Vertritt die vorige auf kalkarmem Gestein. Betreffend den Unterschied der beiden vorgenannten Arten (oder Varietäten) sei noch bemerkt: Die einseitig stürkere Wölbung der Alpina-Früchtchen ist bei einer grossen Zahl von Früchtchen frappant, doch nicht absolut durchgreifend; dagegen sind die der alpina all- gemein bedeutend schlanker als die der sulphurea. Betreffend die Längenunterschiede führe ich folgende Zahlen an: 100 Messungen von Früchtehen verschiedenen Ursprunges aus dem HH ergaben eine mittlere Länge: alpina 5,00mm (Max. Tmm, Min. Amm); sulphurea 3,90 mm (Max. 4,5mm, Min. 3mm). Je 100 Früchtchen aus den botanischen Gärten ergaben im Mittel: Grenoble: alpina 5,2 mm; sulphurea 3,57 mm. Dagegen Lausanne nur 4,5 resp. 4,3mm. Genf: alpina 5,37 mm. Zürich, Samencontrolstation: sulphurea 3,77 mm. b) Griffel zur Reifezeit nicht verlängert. a) Frucht von Wollhaaren umgeben, Anemone baldensis (HH), Früchtchen flachgedrückt, schwarz- braun, kurz-spindelförmig; 3mm Ig., 2mm br., mit schmalem Flügel- rand; Kanten kurz-rauhhaarig-bärtig; das ganze Früchtchen eingehüllt von 8-9 mm langen, am Fruchtnabel entspringenden weissen Woll- haaren. Taf. I Fig. 18. Verbreitung: Wallis ziemlich selten von 1800—3000m über den ganzen Canton zerstreut; Freiburg: höchste Alpen; Berner Oberland: Gemmi. Moritzi: in Rhätien (?) ß) Früchtehen ohne Wollhaare. _Anemone narcissiflora (8.-C.-St. Zürich). Früchtchen flachgedrückt, elliptisch discoid, niit rund herumgehendem steifem, Imm breiten Flügel; vollständig kahl. Länge incl. Flügel 5 num, Br. 4mm. Kurzer Griffel als kleines festanliegendes Häkchen. Taf. I Fig. 19. Verbreitung: 1500 —2600m durch das ganze Alpengebiet, 15 8. Ranunculus. Früchtehen ein lederiges Nüsschen, meist etwas gedunsen, nicht behaart. a) Früchtcehen berandet: Ranunculus montanus (HH). Früchtchen krumm-eiförmig, seit- lich flachgedrückt, glatt; 3,5 mm Ig., 25mm br., Imm dick, auf der Bauchseite schmal berandet; Schnabel kurz, etwas gekrümmt. Taf. I Fig. 23. Verbreitung: Gemein durch das ganze Alpengebiet, schon von 1000m an, steigt bis in die nivale Region, 2900m im Ob.-Eng., 2700m Wallis. Ranunculus glacialis (HH). Früchtchen flachgedrückt, fast drei- eckig, auf zwei Seiten mit Flügelrand. Früchtchen (excl. Fl.) 2,5mm ]g., 2mm br., Flügel !,—1'jamm br. Gewicht des ganzen Fr. 0,35 ıng. Taf. I Fig. 22. (Koch und Hausmann betonen ausdrücklich: „Früchtehen unberandet“. Ich habe Material von verschiedenen Standorten nachcontrolirt und überall den Rand gefunden. Gaudin (54) stimmt mit mir überein: „seminibus ovato-compressis, subcarinatis“.) Verbreitung: Von 2300m an bis über die Schneegrenze verbreitet. Die absolut höchst steigende Blüthenpflanze der Schweiz. Oberste Standorte nach Fischer und Jaecard Oberahorn 8400 m; Schreekhorn 3600 m; Weisstor 3600 m; Monte Rosa 3630 m; Jungfrau bei 4000 m; Matterhorn 4200m. Im September 1872 von Lohmeier und 1873 von Calberla (89) am Gipfel des Finsterahorns bei 4275 m gefunden. b) Früchtchen unberandet: Ranunculus Thora (HH). Früchtehen gedunsen, 3,5--4,5 mm ]g., 25—3mm br., 2—2,5mm dick; geadert; Schnabel nur schwach ge- krümmt. Taf. I Fig. 29. Verbreitung: Selten in den Alpen: Waadt, Freiburg; Unter-Wallis: du Lac au col de Conz; Engadin, Ranunculus parnassifolius (HH). Frucht einseitig convex; geadert; 3 mm Ig., 2,5 mm br., 1,5 mm dick. Schnabel dünn-hakig, stark aus- wärts gebogen, fast eingerolli. Taf. I Fig. 24. Verbreitung: selten; auf Felsschutt und Moränen, 2300 —2900 m; folgt mehr den nördlichen Kalkketten; Ct. Graubünden: Albula, Piz Ot; Avers; Engadin. Ranunculus alpestris (AH spärlich). Früchtchen verkehrt-eiförmig, fast kugelig; 2 mm ]g., 1,5 mm br., 1 mm dick; glatt; Schnabel spitz- kegelförmig, nur an der Spitze schwach hakig. Taf. I Fig. 21. Verbreitung: auf feuchten, nackten Felsen schon von 1500 m an durch das ganze Alpengebiet gemein. Ranuneulus pyrenaeus (HH; spärlich). Früchtchen trapezförmig, gedunsen, glatt; 3 mm lg., 2mm br., 1,8 mm dick; „Schnabel dünn, hakig“ (Koch). Taf. I Fig. 28. Verbreitung: nicht überall; fehlt St. Gallen und Freiburg; Wallis: Süd- kette; 1900--2500 m gemein; Oberland: selten; Urcantone: Urserenthal; Glarus; 16 Graubünden: Unter-Engadin bis 2500 m nicht ganz selten; Ober-Engadin über der Waldgrenze verbreitet; Avers; Davos. Ranunculus pygmaeus (llerb. arcticum Pol. helv.). Früchtchen in der Form entsprechend dem von R. parnassifolius, aber glatt und nur etwa 13 in der Grösse; 1—1,2 mm lg., 0,8—1 mm br.; Schnabel nach auswärts eingerollt. Taf. I, Fig. 25. Verbreitung: In der Schweiz bis jetzt nur: Val Zeznina (Ct. Graubünden). Thalictrum alpinum (HH). Früchtchen spindelförmig, 3--3,5 mm]g., 1,5 mm br., etwas seitlich zusammengedrückt; Rücken stärker gewölbt als der Bauch; meist 10 (bisweilen auch mehr, bis 15), stellenweise anastomosirende Längsrippen; Griffel kurz, hakenförmig. Taf. I Fig. 30. Verbreitung: Bisher nur Unter-Engadin auf dem Gebirgsstock zwischen Scarl und Münsterthal bei ca. 2200 m. DO. Frucht aus mehrsamigen Balgkapseln. Balgkapseln häutig, lederig, sich nur in der oberen Hälfte der inneren Naht öffnend; Samen zahlreich. Aquilegia alpina (8.-C.-St. Zch., Fürstenalp.). Balgkapseln 20 mm 1g., quer geadert. Same eiförmig, 2—2,5 mm Ig., 1,89 mg schwer; hart, schwarzglänzend, bisweilen etwas kantig, anatrop, mit auch äusserlich deutlicher Grenze zwischen Funiculus und Samen. Taf. I, Fig. 2b. Verbreitung: Ueber das ganze schweizerische Alpengebiet zerstreut; immer nur vereinzelt; 1600 —2400 m. Delphinium elatum (8.-0.-Zch.). Balgkapseln 12—18 mm 1g., 3 bis 5mm br., quer geadert. — Samen schr unregelmässig gekrümmt, runzlig gefurcht, in der Grundform dreikantig; 4 mm lg., 2,5 mm br., 1,84 mg schwer, längs zwei Kanten ziemlich breit, längs der dritten schmäler geflügelt. Taf. I Fig. 27. Verbreitung: Nur vereinzelte Standorte zerstreut durch das ganze Alpen- gebiet; 15002000 m. 8. Cruciferen. Alpine Arten weisen in der Schweiz folgende Gattungen auf: Retrocallis, Thlaspi, Cardamine, Hutchinsia, Draba, Arabis, Alyssum. Wie der Bauplan der Frucht durch die ganze Familie einheitlich ist, zeigen auch die Samen der Cruciferen eine grosse Einförmigkeit (v. Harz [90] pag. 914—946; betreffend Anatomie namentlich Kraus [93] und Sempolovsky [95]. Sie sind durchgehend mehr oder weniger linsenförmig mit punktirter, meist verschleimender Testa- epidermis. (Ueber Bau und Entwickelung der Testaoberhaut vergl. Abraham [87)). Da eine rationelle Gruppirung der Gattungen nach den Verhält- nissen der Samen sich nicht durchführen lässt, bespreche ich die in | 17 Betracht kommenden in systematischer Reihenfolge nach Schinz und Keller. 1. Petrocallis pyrenaica (HH). Schötchen verkehrt-eiförmig, ge- dunsen, 6mm lg, 3mm br.; vom Rücken her zusammengedrückt. Samen 2 pro Fach, pleurorrhiz, elliptisch-Iinsenförmig (2 mm ]g., 1,2mm br.), flachgedrückt, braun punktirt, ungefügelt. Taf. II Fig. 17. Verbreitung: Schutthalden, Gräte, Felswände der Kalkalpen, sporadisch: Sentisgebiet, Fluhbrig, Wäggithal, Fronalp bei Brunnen, Pilatus, Wiggis, Tödi, Stockhorn, Vanil noir, Bellalui, Furggengrat, Zermatt, Theodule. 2000-3400 m. Schröter, 2. Thlaspi. Frucht ein Schötchen, seitlich zusammengedrückt, verkehrt-eiförmig. Fächer wenigsamig. Thlaspi rotundifolium (HH und Laus.). Schötchen verkehrt-ei- förmig, kaum ausgerandet, 8mm Ig., 4mm br. Klappen nicht oder nur undeutlich geflügelt. Samen, 2 pro Fach, elliptisch-linsenförmig, gross, 2,5mm Ig., 15mm br, 1,04mg schwer; pleurorrhiz; braun punktirt, ungeflügelt. Taf. II Fig. 18. Verbreitung: Im feuchten Geröll der höhern Kalkalpen von 1600--3000 m verbreitet durch das ganze Gebiet; auf den höchsten Urgesteinsgipfeln ersetzt durch die Varietät corymbosum bis 3400m (Wallis). Thlaspi Mureti (HH.) Schötchen wie bei voriger, aber nur etwa ?2/3 so gross, Bmm Ig., 3,5mm br.; gegen das vordere Ende deutlich geflügel. Samen ebenfalls wie bei voriger, aber nur 1,5mm Jg. Taf. II Fig. 19. Verbreitung: Nur Wallis: Alpes pennines 1400-2400 m. St. Bernard und Zermatt; Urserenthal. Thlaspi alpinum. „Schötchen länglich, verkehrt-herzförmig, gegen den Grund verschmälert; Flügel der Klappen halb so breit, wie die Höhle des Faches.“ (Koch) Sahne den vorigen entsprechend. Verbreitung: Nur Gebiet von Zermatt 2400—3000 m. 3. Cardamine. Frucht eine schmal-linealische Schote. Samen elliptisch-linsenförmig, braun punktirt; pleurorrhiz. Cardamine alpina (HH). Schoten 10—15mm Ig., 1,5mm br., Same Imm Ig., 0,8mm br., flachgedrückt, flügellos. Taf. II Fig. 11. Verbreitung: von 1600 bis über 3000m durch das ganze Gebiet, häufig. Cardamine resedifolia (HH). Schoten 10—15 mm Ig., 1,5 mm br., Same Imm Ig., 0,8mm br.; an den Ecken geflügelt. Taf. II Fig. 12. Verbreitung: 1500—3000m und darüber. 4. Hutchinsia. Frucht etwa 3mal so lang als breit, elliptisch, 2 Samen pro Fach. Samen notorrhiz; die Grenze der beiden Keim- blätter auch äusserlich deutlich erkennbar; eiförmig; nur schwach zu- sammengedrückt; braun punktirt, Flora, Frgänzgsbd. 1.01. 2 18 Hutchinsia alpina (HH). Schötehen 4—5 mm Ig., 1,52 mm br. ; Same 2—2,2mm Ig., imm br. Taf. II Fig. 15. Verbreitung: von 2000 - 3000 m allgemein verbreitet, doch Kalk vorziehend; steigt mit den Bächen bis 500m herab. Hutchinsia brevicaulis (HH). Schötchen 3,5mm Ig., Imm br.; Same kleiner (lmm Ig., 0,8 mm br.) und etwas mehr flachgedrückt als bei voriger. Taf, II Fig. 16. Verbreitung: vertritt die H. alpina auf den höchsten Gipfeln der kalk- armen Gesteine. 2100—3200 m. 5. Draba. Frucht langgestreckt, 2—5mal so lang als breit; dorsiventral zusammengedrückt. Samen pleurorrbiz, elliptisch-linsen- förmig, stark flachgedrückt, braun mit sehr dunkler Mieropyle, braun punktirt. Die Samen der einzelnen Species unterscheiden sich nur durch verschiedene Krümmung und verschiedene Grösse. Draba aizoides (München und HH). Schötchen spitzzulaufend, schwach seidenhaarig, 512mm Ig., 3—4mm br. Same 1,5mm Ig., 0,8mm br., 0,28 mg schwer, etwas gekrümmt. Taf. II Fig. 13. Verbreitung: von 1600 bis über 3000m durch das ganze Alpengebiet, doch Kalkfels bevorzugend. Draba dubia (HH). Schoten 10-13 mm ]g., 2—3mm br. Same 1 mm Ig., 0,7mm br., weniger gekrümmt als bei voriger. Verbreitung: Schon von 1800m an, bis über 3400m; häufiger in den höchsten Lagen. Draba incana (Laus. und HH). Schoten 15—20mm Ig., 3mm br.; Same 1,2mm 1&., 0,7mm br., 0,16mg schwer; sehr flach. Verbreitung: Vereinzelie Standorte am Nordabhang der Alpen. 1400 bis 2200m. (Chäteau d’Oex, Körblifluh, Ganterisch, Wasserberg, Axenfluh, Pilatus, Sämtisersee). Draba carinthiaca (München und HH). Schötchen 7mm Ig., 2,ömm br. Same 0,8mm Ig., 0,5mm br. Verbreitung: höchste Gipfel bis 3400 m, über das ganze Gebiet zerstreut. Draba tomentosa (HH). Schoten 8—10mm Ig., 3-—-4mm br. Same Imm Ig., 0,6mm br. Verbreitung: von 1800-3400m auf Kalkfels allg. verbr. Draba Wahlenbergii (HH). Schoten 5-—-8mm lang, 2mm br. Same fast kreisrund-linsenförmig, Imm Dehm. Taf. II Fig. 14. Verbreitung: höchstes Gebirge von 2000— 3400 m. 6. Arabis. Frucht linealische Schote; Samen einreihig; flachge- drückt-linsenförmig, pleurorrhiz; braun punktirt. Die Punktirung löst sich bei stärkerer Vergrösserung auf in erhabene Polygone, getrennt durch schmale Rinnen. Taf. III Fig. 21 (vgl. auch Abraham [87]). Wenn der Keimling die Samenschale nicht vollständig ausfüllt, ent- 19 steht ein Rand, der aber noch deutlich zweiwandig ist. Bisweilen ist der Same umgeben von einem gelb bis weiss gefärbten ein- schichtigen Flügel. Arabis alpina (Genf u. HH). Schoten 50—75mm Ig., 2—3mm br.; Same imm br., 1,5mm Ig. (inel. Flügel); Flügel 0,15mm br.; hellbraun; den Samen vollständig umziehend; Samenschale vom Keim- ling nicht vollständig ausgefüllt, daher innerhalb des Flügels noch ein schmaler, dunkelbrauner Rand. Taf. II Fig. 1. Verbreitung: Felsen des ganzen Alpengebietes von 1600 bis über 3000m; bisweilen längs Bächen herabsteigend. Arabis bellidifolia (Genf u. HH). Schoten 35—40 mm Ig., 2mm br.; Samen fast rechteckig 2mm Ig., 1!/s br., von einem breiten gelben Flügel rings umgeben. Taf. II Fig. 2. Verbreitung: An Alpbächen zwischen 1600 und 2600m überall. Arabis coerulea (Versuchsfeld Fürstenalp). Schoten 25—35 mm ]1g., 3mm br.; Samen fast kreisrund-linsenförmig, 1,8mm Ig., 1,5mm br., 0,24mg schwer; vollständig von einem breiten, weissen Flügel um- geben. Taf. II Fig. 3. Verbreitung: Feuchtes Geröll der nivalen Region 2000 --3000m überall. Arabis pumila (HH). Schoten 30—40 mm lg., 2mm br.; Same elliptisch, 2mm Ig., 1,5mm br.; Flügel rund herum gehend, weiss, am oberen Ende fast !/; so breit als die Länge des Keimlings. Taf. I Fig. 4. Verbreitung: Durch das ganze Alpengebiet von 1600 bis über 2600m, doch etwas weniger häufig als A. coerulea. Arabis serpyllifolia (HH). Schoten 15mm 1lg., Imm br.; Same klein, elliptisch, 0,7—1 mm Ig.; flügellos. Taf. II Fig. 5. Verbreitung: Alpen der Waadt, Freiburgs, des Wallis und des Berner- oberlandes, selten, bis 2900 m; Jura. Unter Berücksichtigung einiger nicht-alpinen sowie ausserschwei- zerischen Species lässt sich in der Gattung Arabis ein allmählicher Uebergang vom ungeflügelten und unberandeten Samen bis zum breit- geflügelten resp. breitgerandeten constatiren. In die Reihe gehören folgende Species: Arabis ciliata (Fig. 6): Same kreisrund, weder Rand noch Flügel. — saxatilis: Same elliptisch, weder Rand noch Flügel. — pedemontana (Fig. 7): elliptisch, gegen das obere Ende seitlich schmal geflügelt. — petraea (Fig. 8): elliptisch, Flügel am unteren Ende be- ginnend, gegen oben langsam an Breite zunehmend. — bellidifolia (Fig. 2): elliptisch mit breitem Flügel. 3% 20 Arabis coerulea (Fig. 3): elliptisch mit breitem Me _ pumila (Fig.4): ° 5 — 'scopoliana (Fig. 9): rechteckig-elliptisch, am oberen Ende ” schmal berandet. — Halleri: rechteckig-elliptisch, rund herum schmal, am “ oberen Ende etwas breiter berandet. — strieta (Fig. 10): elliptisch durch seitlich schmalen, oben und unten breiten Rand zum Rechteck erweitert. T. Alyssum alpestre. Frucht fast kreisrund, dorsiventral flachge- drückt, schmal berandet; 4—D mm lg., 3—4mm br.; Fächer einsamig. Taf. II Fig. 20. — Same elliptisch, gross, 3mm Ig., 2!/,mm br., breit geflügelt. Habitus von Arabis pumila, Verbreitung: Nur Alpen von Zermatt 2500—83100m auf Felsen. 4. Saxifragaceen. Alpine Vertreter weist einzig die Gattung Sari/raga auf, und zwar sind von den 28 Arten dieser Gattung 20 alpin. Nach der verschiedenen Ausbildung der Samentesta lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden: 1. T’esta mit in Reihen angeord- neten kegelförmigen Wärzehen, und 2. Testa ohne Wärzchen. 1. Testa mit kegelförmigen Wärzchen; Samen mehr oder weniger spindelförmig. Saxifraga oppositifolia (Grenoble u. HH). Same krumm-spindel- förmig, Imm Ig., 0,10mg. schw., braun; Wärzchen klein, stumpf- kegelförmig. Taf. II Fig. 22. (Engler [49], pag. 277, bezeichnet sie als oblonga, triquetra, rugosa.) Verbreitung: In Fels und Schutt von 1500—3300m allgemein verbreitet; bisweilen herabgeschwemmt. Sazifr. caesia (HH spärl.). Gleicher Typus wie oppositif., aber nur etwa halb so gross; 0,5—0,6 mm Ig. Verbreitung: Von ca. 1500-2800m auf Kaikfels, Sazifr. diapensioides (HH s. splch.). Wie vorige 0,6 mm Ig. Verbreitung: Nur Bassin des Dranses: Wallis. Saxifr. aizoon (Laus. u. HH). Same breit abgestumpft-spindel- förmig 0,91 mm 1g., 0,5 mm br., 0,06 mg schw., schwarzbraun ; Wärz- chen sehr stumpf. Taf. IL Fig. 23. Verbreitung: An Mauern und Felsen schon von 400m an bis 3000 m. Sazifr. Vandellii (HH sehr spärl.). Gleicher Typus wie vorige; 0,6 mm Ig. Verbreitung: Südgrenze des Kantons Graubünden gegen das Veltlin. Sazxifr. aizoides (Laus. u. HH). Same gleichmässig spindelförmig, 21 fast spitz, bisweilen schwach gedreht; 0,5—0,7mm 1g., 0,2—0,3mm br., 0,04 mg schw., dunkelbraun; Wärzchen fast spitz. Taf. II Fig. 24. Verbreitung: Nasse Feisen, schon in der montanen Region, bis über 3000 m steigend. Saxifr. aspera (Grenoble u. HH). Gleicher Typus wie vorige, aber noch kleiner; 0,4mm Ig., 0,15 mm br., 0,01mg schw., braunschwarz; Wärzchen etwas stumpfer. (Die Var, bryoides unterscheidet sich nicht.) Verbreitung: Feuchte Felsen des Urgebirgs (selten auf Kalk), schon von 1000nm an bis 3000m. In den nivalen Lagen meist ersetzt durch bryoides, die im Wallis und Berneroberland bis 4000m steigt. Saxifr. stellaris (HH). Same bauchig-spindelförmig, 0,8 mm 1g., 0,5mm br., meist gedreht, braun, mit sehr feinen Stachelreihen. Taf. II Fig. 25. Verbreitung: Häufig Bachufer und feuchte Felsen von 1500m an bis über 3000 m. (In die gleiche Gruppe gehört wahrscheinlich auch Sazifr. cernua, doch ist mein Material der nur im Gebiet des Sanetsch vorkommen- den Art zu unsicher, um zuverlässige Angaben zu machen.) 2. Samen ohne kegelförmige Wärzchen, Sazifraga biflora (HH spärl.). Same gross, verkehrt-eiförmig, etwas flachgedr., 1 mm lg., 06mm br., ganze Oberfläche schwach ge- buckelt, runzlig, braun. (Engler [49], pag. 279, bezeichnet sie als oblonga-triquetra, rugosa.) Taf. II Fig. 26. Verbreitung: In der Nähe der Schneelinie zerstreut, mehr centrale und südliche Ketten; fehlt Glarus, St, Gallen (nördlich des Walensees) und Freiburg; steigt am Matterhorn bis 4200 m. Saxifr. adscendens (HH spärl.). Gleicher Typus wie vorige, aber nur 0,4—0,5mm Ig. (Beck [36] gibt an: Same eiförmig, dicht warzig- stachlig, 04mm lg. Bei dem nur sehr spärlichen Herbarmaterial, das mir vorliegt, kann ich nicht sicher entscheiden.) Verbreitung: Moränen und Schutt: Waadt, Wallis (hauptsächlich Südkette) 2000 —83100 m; Unt.-Engadin Val Tiatsch 2800 m. Saxifr. androsacea (Laus. u. HH). Same verkehrt-spitzeiförmig, 0,5mm ig., 0,3—0,4mm br., 4kantig, Oberfläche buckelig - runzlig, braunschwarz. Taf. II Fig. 27. Verbreitung: An feuchten Stellen von 1800-3000 m durch das ganze Alpengebiet. Sazifr. retusa (HH spärl.). Wie vorige, aber grösser, 1,2 mm ]g. 0,4mm br. Verbreitung: Nur Wallis: Versant 5. du St Bernard et du Mt. Rose, St, Vineent-Hütte jusqu’a 3150 m. Sazifr. macropetala (HH spärl.). Wie vorige, 0,8—1 mm Ig., 0,6 br. Verbreitung: Wallis sehr selten, von 1800—3000 m. 22 Saxifr. exarata (Laus.), Same breit, spindelförmig, schwach kantig, 0,5mm Ig., fein punktirt, braunsehwarz. (Die Punktirung er- scheint bei stärkerer Vergrösserung als durch kleine Höckerchen be- wirkt. Taf. II Fig. 28.) Verbreitung: höchstes Urgebirge (fehlt St. Gallen u. Freiburg), Unt.-Eng. bis 3300m; im Wallis schon von 500m an bis 2700m gemein. Saxifr. moschata (HH). In Form und Öberflächenstructur der vorigen sehr ähnlich, 0,6mm lg. Die tuberculorum minutorum series (Engler [49] pag. 173) sind nur bei starker Vergrösserung zu erkennen. Verbreitung: Von 1800--4000m überall auf Felsen. Saxifr. Seguieri (FLH splch.). Vollständig den vorigen entsprechend, 0,5mm ]g. Verbreitung: Durch das gesammte nivale Gebiet von 1900--3100 m. Saxifr. muscoides (HH sehr spärl.). Wie vorige, 0,5 mm ]g. Verbreitung: Nivales Gebiet von 2200—4200m, bes. Centralkette. (Zum gleichen Typus gehört wahrscheinlich auch Sazifr. pede- montana. Nur Saasthal, 2700 m). Saxifr. aphylla (HH). Samen eiförmig, gross, mit scharf abge- setzter Längskante, Imm 1g., 0,6mm br., schwarzglänzend. (Erscheint aber bei starker Vergrösserung auch punktirt.) Taf. II Fig. 29. Verbreitung: Oestliche Alpen, St. Gallen-Appenzell, Graubünden (Avers), Engadin (Albula), Glarus, Urcantone von 2000m an. 5. Rosaceen, Die sehr artenreiche Familie der Rosaceen weist relativ nur wenige alpine Vertreter auf. Diese vertheilen sich auf die Gattungen: Potentilla, Sibbaldia, Sieversia, Dryas und Alchimille. Die Frucht aller dieser Gattungen ist gebildet aus einem bis mehreren entweder in die Blüthenaxe eingeschlossenen oder auf einem gewölbten Frucht- träger ein Köpfchen bildenden nussigen Früchtehen. Ich unterscheide zwei Hauptgruppen: 1. Früchtchen zahlreich auf gewölbtem Fruchtblattträger, Griffel bleibend, zur Reifezeit verlängert: Sieversia und Dryas. 2. Früchtchen in die Blüthenstandsaxe eingeschlossen, Griffel ab- fallend: Potentilia, Sibbaldia, Alchimilla. 1. Früchtcehen mit zurReifezeit verlängertem@riffel; Früchtehen mehr oder weniger behaart, Griffel zottigbärtig. Sieversia montana (Genf). Früchtchen tropfenförmig, 3—4 mm ]g., 2mm br., 1,74mg schw. (incl. Griffel), etwas zusammengedrückt, gelbbraun, gegen das untere Ende roth punktirt, von einer schmalen 23 Rippe umzogen, unteres Ende schwach vereinzelt, gegen das obere Ende stärker und länger behaart. — Griffel rothbraun, etwas gegen das Fr. abgesetzt, 25—30mnm I1g., abstehend seidenhaarig - zottig; Haare 2mm ig. Taf. III Fig. 2. Verbreitung: Weiden, Rasenbänder, Humus von 1500—2700m allgemein durch die ganzen Alpen. Sieversia reptans (HH). Früchtchen ganz wie bei der vorigen Art. Verbreitung: Schutt und Geröllhalden, durch die ganzen Schweizeralpen; selten unter 2000 m, steigt bis 3400 m. Dryas octopetala (Laus.). Früchtchen spindelförmig, eine Seite etwas stärker gewölbt, 4—5 mm Ig., 1—1,2mm br., braun, reichlicher und gleichmässiger behaart als bei Sieversia. — Griffel gegen das Früchtehen nicht abgesetzt, 25—35 mm Ig., zottige Haare 2mm 1g. Taf. III Fig. 1. Verbreitung: Humuspolster, Gräte, Schutthalden, Felsblöcke, von 1000 bis 2500m allgemein verbreitet auf Kalk; stellenweise auch tiefer: Wallis: 460m, St. Gallen: Walensee 480 m. 2. Griffel zur Reifezeit abfallend; A. Früchtchen zahlreich, sich einzeln ablösend und aus der umschliessenden Blüthenstandsaxe herausfallend. Potentilla. Die Früchtchen der alpinen Art sind alle einheitlich gebaut, krumm -stumpf-verkehrt-eiförmig, Rückenseite etwas stärker gewölbt, mit einer sehr schmalen, braunen Rippe, queraderig, grün- braun. — Die einzelnen Arten unterscheiden sich höchstens durch die Dimensionen. Potentilla multifida (Graz u. HH). Früchtchen nach dem allge- meinen Typus gebaut, Imm lg., 0,31mg schw. Verbreitung: Nur Wallis: Gebiet von Zermatt und Saas. Potent. nivea (HH). Allgem. Typus, 1,5mm 1g., Imm br. Verbreitung: Wallis: du St, Bernard au Simplon et de la Sionne au Lötschenthal, 2400-—-3100 m; Unt.-Eng.: Piz Chiampatsch 2800 m; Albula. Potent. grandiflora (Laus. u. Genf). Allgem. Typus, 1,5 mm ]g., imm br., 0,40mg schw. Taf. III Fig. 3. Verbreitung: Durch die gesammte alpine Region; schon von 1500m an bis 3000m. Potent. frigida (HH). Allg. Typus, 1mm ]g. Verbreitung: Nivale Alpen, selten unter 2200m, steigt im Wallis bis 3540 m. \ Potent. dubia (HH). Früchtehen etwas regelmässiger eiförmig als bei den vorigen, 1—1,5mm Ig., beinahe glatt. Verbreitung: Ueber 2000m durchs ganze Gebiet bis 3100m (auch auf dem Reculet des Jura). 24 Sibbaldia procumbens (HH). Früchtchen stumpfeiförmig, mit flacher Basis, 1,5mm Ig., 0,50mg schw., glatt, grüngelb, mit dunkel Punkten. Taf. III Fig. 5. Verbreitung: Hauptsächlich Nähe des schmelzenden Schnees, von 1800 m bis gegen 3000m, durch das gesammte Gebiet, doch kalkarme Gesteine vorziehend. B. Ein einziges Früchtchen, in eine häutig-knorpelige Cupula eingeschlossen, Kelch und Aussenkelch bleibend. Alchimilla glaberrima. (S.-C.-St. Zürich). Früchtehen schwach ge- krümmt-eiförmig, mit starker Basis, 1,5—2 mm Ig., 1—1,2mm br., glatt, grünlich-braun. — Kelch und Aussenkelch abstehend. Taf. III Fig. 4. Verbreitung: COharakterpflanze der nivalen und subnivalen Region, von 2000m an ganz allgemein verbreitet, nur selten tiefer. Alchim. pentaphyllea (HH spärl.). Früchtchen wie bei voriger. — Kelchblätter nicht abstehend. (Sch. u. K.) Verbreitung: „Subnivale Region der Hochalpen, moorige, feuchte Stellen, besonders Schneethälchen, 1900—3000 m.“ (Schröter [80].) Fehlt dem Berner- oberland, j 6. Umbelliferen. Die Umbelliferenfrüchte zeigen trotz ihres einheitlichen Bauplanes in der Ausbildung der Details ziemliche Mannigfaltigkeit, die bei der systematischen Eintheilung eine bedeutende Rolle spielt. Während aber für die Systematik hauptsächlich die Verhältnisse des Endosperms und der Öelstriemen in Betracht gezogen werden, hat für eine bio- logische Untersuchung die äussere Morphologie mehr Bedeutung. Unter den alpinen Arten der Schweiz sind vertreten die Gattungen: Eryngium, Bupleurum, Athamantum, Ligustium und Laserpitium. Mit Rücksicht auf die Fruchtverhältnisse unterscheide ich folgende Gruppen: 1. Theilfrüchtehen schuppenförmig, Kelch bleibend, Eryngium alpinum (8.-C.-St. Zürich). Theilfrüchtehen 6mm Ig., 4mm br., Imm dick, 6,2 mg schw.; nur undeutliche Rippen, dagegen scharfe, manchmal anastomosirende Längsrunzeln auf dem Rücken, braungelb, Bauch weiss, mit scharfer Rinne, seitlich bisweilen ein- zelne Zähne. — Früchtehen oben continuirlich übergehend in zwei oder drei aufgerichtete, 4—5mm lange, scharfspitzige Kelchzähne, die sammt dem oberen Theil des Früchtchens amethystfarbig ange- laufen sind. Taf. III Fig. 6. Verbreitung: „Sporadisch auf tiefgründigen Alpmatten zwischen Alpen- rosen und Alpenerlen“, 1500—2000m; Unterwallis, Freiburgeralpen, Jochpass, Surenenpass, Rheinwald, St. Antönien. 25 2. Theilfrüchtehen nicht schuppig, Kelch abfallend. A. Rippen nicht geflügelt. Bupleurum ranunculoides (Genf u. HH). Theilfrüchtehen eiförmig, 2,5 mm lg., Imm br, 1,68mg schw., Querschnitt fast regelmässig Teckig, 5 Hauptrippen nur schwach vorspringend (Taf. III Fig. 8), Frucht dunkelbraun, Rippen gelb. Verbreitung: Triften und Felsen von 1400--2400m, auf Kalk durch das ganze Gebiet; fehlt dem Unt.-Engatlin und der Nordkette des Wallis. Athamdnta hirsuta (Genf u. HH). Theilfrüchtchen langgestreckt- eiförmig, 5—7 mm ]g., 1,5—2mm br.; Rücken mit fünf ganz flachen Rippen; das ganze Früchtchen weichborstig behaart. Taf. III Fig. 9. Verbreitung: Kalkfels und Kalkschutt, schon unter der Holzgrenze be- ginnend, 1500—2300m (in Wallis bis 2600m) allgemein durch Alpen, Voralpen und Jura. B. Rippen oder Nebenrippen in Flügel ausgezogen. Bupleurum stellatum (MH). Theilfrüchtchen eiförmig, 4mm Ig., Imm br.; Querschnitt Teckig, die fünf Hauptrippen in !/j;mm breite Flügel ausgezogen; Frucht braun, Flügel weisslich. Taf. III Fig. 7. Verbreitung: Felsenpflanze des Urge-teins; kalkfliehend, von 1400— 2400 m, im Gneissgebiet des Wallis, Berneroberlandes, der Urcantone und des südlichen Graubündens. Ligustieum mutellina (B.-C.-St. Zürich). Frucht langgestreckt-spindel- förmig, 7—9 mm Ig., 2—2,5mm br.; Theilfr. auf der Bauchseite abge- plattet, die fünf Hauptrippen in Flügel ausgezogen; Frucht dunkel- braun, Flügel gelbbraun. Taf. II Fig. 10. Verbreitung: Eine der besten Futterpflanzen, auf Weiden oft reine Be- stände bildend; allgemein durch das ganze Gebiet, hauptsächlich von 1600 bis 2400 m; steigt im Wallis bis 2800 m. Ligusticum simplex (8.-0.-St. Zürich). Theilfrüchtchen 4—5 mm Ig., 3—4mm br., 1,02 mg schw.; dorsiventral etwas zusammengedrückt, gelb, Spitze oft violett angelaufen; Rippen in '/;mm breite Flügel ausgezogen. Taf. III Fig. 11. Verbreitung: Höchste Weiden von ca. 1900m an bis 3000 m durchs ganze Gebiet (Wallis bis 3900 m). Laserpitium Panax (HH). Theilfrüchtchen oval, dorsiventral zusammengedrückt, 7mm Ig., 4—5mm br.; die vier Nebenrippen in 1—1,5mm breite, häutige Flügel ausgezogen. Taf. II Fig. 12. Verbreitung: Auf Urgestein von 1300--2500m; sehr stark kalkfliehend; Unter-Engadin, Urcantone, Berneroberland, Wallis, 7. Primulaceen. Alpine Vertreter besitzen nur die Gattungen: Primula, Gregoria, Androsace und Soldanella. 26 Die Frucht ist in allen Fällen eine am obern Ende klappig auf- springende Kapsel mit zahlreichen Samen. Nach den Samen können zwei Hauptgruppen unterschieden werden: 1. Samen unregelmässig polyedrisch: Primula, Soldanella; 2. Samen etwas flachgedrückt, eiförmig bis rechteckig: Androsace, Gregoride. 1. Samen unregelmässig polyedrisch. A.Kanten mit schmalen, fädigen, weisslichen Wülsten. Primula. Die concaven Flächen sind durch kraterförmige Ver- tiefungen mehr oder weniger deutlich punktirt. Die einzelnen Arten unterscheiden sich nur durch Grösse und Färbung. Primula auricula (Zürich und München). Grösse 1—1,5 mm Durch- messer, 0,26 mg schwer; Flächen braunschwarz, durch sehr deutliche Punktirung rauh. Taf. Iu Fig. 13. Verbreitung: Auf Kalkfelsen durch das ganze Gebiet zerstreut; schon von 1000 m an bis 2500 m. . Primula latifolia (Zürich und HH). Grösse Imm; Flächen heller braun und sehr fein punktirt, fast glatt. Taf. III, Fig. 14. Verbreitung: Graubünden: Auf dem ganzen Centralgebirgszug, Avecrs, Septimer, Rosetsch-Thal, Bernina-Thal, Maloja, Albula; Unter-Engadin: an Urgebirgs- felsen verbreitet bis 2700 m. Pr.oenensis(HH). Grösse lmm. Flächen stärker punktirt, schwarzbr. Verbreitung: Im Grenzgebirge zwischen der östlichsten Schweiz und Italien: Piz Umbrail und Val Muranza. Primula viscosa (HH). Wie vorige, Grösse 0,7—1l mm. Verbreitung: Auf Urgebirgsfelsen schon von ziemlich tiefen Lagen im Allgemeinen bis 2700 m. Wallis 500—8600 m, Primula longiflora (Zürich und Lausanne), Grösse 0,5-—-0,7 mm, Flächen braun, fein punktirt. Verbreitung: Alpweiden von 1800-2300 m; Graubünden: Sils, Fexthal, Alp Grüm; Tessin: Campolungo-Pass; Wallis nur östlich der Visperthäler: Binn, Saas, Zermatt, Münsterthal, Coucher (Nach Schröter [80]). B. Kanten ohne fädige Wülste. Soldanella. Samen grösser als die der Primulaarten; 1,5—2 mm Maximal-Durchmesser; braun, wellig punktirt. Taf. III Fig. 15. Die beiden Arten in den Samen nicht zu unterscheiden. Soldanella alpina. 0,24 mg schwer. Verbreitung: Auf von Schneewasser befeuchteten Stellen der Weiden, Humuspolster, Schneethälchen; von ca. 1400 - 2500 m, selten tiefer; Wallis 900 bis 3000 m; zieht Kalk etwas vor. Soldanella pusilla. Verbreitung: Gleiche Standorte wie vorige, nicht unter 1800 m bis 3100 m; Mehr auf Urgestein. 27 2. Samen flachgedrückt-eiförmig. Androsace. Samen zu mehreren in der Kapsel; spitz-eiförmig bis fast rechteckig; Rücken schwach gewölbt; Bauchseite mit mehr oder weniger vorspringender Kante; dunkelbraun bis schwarz; punktirt. Androsace obtusifolia (München und Lausanne). Samen spitz- eiförmig;; 2—3 mm Ig., 1,5 mm br., 0,73 mg. schwer; ziemlich stark flachgedrückt; Kante auf der Bauchseite deutlich hervortretend. Taf. III Fig. 16. (Dunkelbraun.) Verbreitung: Rasen, Schutt und Humus von 1800-3000 m; Wallis und Oberland 3400 m; allgemein verbreitet, doch mehr auf Urgestein, Androsace carnea (HH spärl.). Samen oblong, stark flachge- drückt. 2-—-2,5 mm Ig., Imm br.; Rücken schwach gewölbt, Bauch- seite flach bis schwach concav mit nur undeutlicher Kante, dunkel- braun. Taf. III Fig. 17. Verbreitung: Südkette des Wallis von 2000-3000 m; nur auf Urgestein; Waadt. Androsace glacialis (HH). Sanıen fast kreisrund (jedoch nicht constant, bisweilen auch gestreckt), 1,5 mm lg., 1,2 mm br.,;, kaum zusammengedrückt; Rücken stark gewölbt, Bauch mit deutlicher Kante; schwarz. Taf. III Fig. 18. Verbreitung: Höchste Gräte und Gipfel, nur auf Urgestein von 2000 m bis 4200 m. Androsace Charpentieri (HH spärl). Wie vorige, aber etwas grösser. 2 mm Ig., 1,7 mm br., schwarzbraun. Verbreitung: Nur Hochalpen des Cantons Tessin. Androsace imbricata (HH spärl.). Gleicher Typus wie die beiden vorigen. 1,5 mm lg., I mm br., schwarzbraun. Verbreitung: Berner Oberland (Unteraargletscher). Wallis: Hautes alpes pennines 1600—3000 m; Tessin; Graubünden. Auf Urgestein. Andros. helvetica (HH). Same oblong, 2mm Ig., 1 mm br., Rücken nur schwach gewölbt; Bauch mit stark vorspringender Kante, schwarz- braun. Taf. III Fig. 19. Verbreitung: Höchste Gräte und Gipfel des Kalkgeb,, 2100—3500 m. Andros. pubescens (Herb. Gen; spärl.). Form der Andr. obtusifolia, 1,5mm Ig. Verbreitung: St. Gallen, Urcantone, Oberland, Wallis, Waadt und Freiburg, von 1800—3400m; fehlt Glarus u. Graubünden. Gregoria. Nur zwei Samen pro Kapsel. Greg. Vitaliana (Herb. Gen. spärl.). Die Samen stimmen in der Form überein mit denen der Andros. helvetica; 2mm Ig., schwarz. Verbreitung: Wallis: ausgenommen zwei Standorte bei Leuk nur im Ge- biet zwischen Matterhorn und Ritterpass, 1700 — 3100 m. 28 8. Gentianaceen. Ausser der Gattung Gentiana ist nur noch die Pleurogyne carin- thiaca alpin. Die Frucht ist immer eine trockenhäutige, zweiklappig aufspringende, vielsamige Kapsel. Gentiana. Die alpinen Arten dieser Gattung weisen vier ver- schiedene Typen von Samen auf, die nach Kusnezow in Engler und Prantl für die betreffenden Sectionen der Gattung charakteristisch sind. Sie lassen sich zusammenfassend in zwei Hauptgruppen trennen: 1. Samen ungeflügelt, 2. Samen ringsum geflügelt. 1. Samen ungeflügelt. A) Samen ellipsoid, längswulstig (Sect. T’hylacites). Hie- her die Gentiana acaulis mit ihren Unterarten. Schinz und Keller unterscheiden: Gentiana vulgaris (Laus). Samen ellipsoid, 1,5 mm Ig., Imm br., 0,34mg schwer, 9—10 Längswülste, etwas gedreht, braun, netzig- runzlig. Taf. III Fig. 20, Verbreitung: Alpen und Voraipen auf Kalkboden von 1200-2500 m all- gemein verbreitet; oft herabgeschwemmt z. B. am Ufer des Walensees. Gentiana latifolia wie vorige. Verbreitung: Von 1500-2700m verbreitet, doch mehr auf Urgestein. „G. latifol. und vulg. schliessen einander in ihren Verbreitungsgeb. meist streng aus.* Sch, u. K. Gentiana alpina wie vorige. Verbreitung: Südkette des Wallis, Tessin. B) Same spindelförmig, netzig-runzlig. (Sect. Oyclo- stigma.) Hicher: Gentiana bavarica (HH.) Samen imm Ig., 0,5 mm br.; braun- schwarz. Taf. III Fig. 21 und 21a (Testa vergrössert). Verbreitung: Rasenfl. und Schutt, von 1800--3600m überall. Gent. brachyphylia (HH spärl.) wie vorige, etwas grösser und stumpfer, 1,2—1,5 mm Ig., Imm br., braun-schwarz. Verbreitung: Von 2000--3000 m verbreitet (fehlt St. Gallen). Wallis am Matterhorn bis 4200 m, Gent. nivalis (HH) wie vorige, Ber sehr klein; höchstens 0, 5mm lg., 0,015mg schwer. Taf. III Fig. 2 Verbreitung: Weiden und Schr anthälchen der höchsten Regionen. 1600 bis 3000m (fehlt Berner Oberland). C) Same länglich-linsenförmig (Sect. Amarella). Gent. tenella (HH). Samen länglich, stumpf, linsenförmig, 0,7 mm lg., 0,5mm br., braun, fein punktirt Fig. 4. Taf. III Fig. 23. Verbreitung: Weiden, Sand, beraster Schutt, in der Nähe der Schnee- linie. 2000 bis über 3000m; selten, 29 2. Same flach, ringsum geflügelt. (Sect.Coelantke.) Hieher: Gentiana punctata (HH). Samen flachgedr., linsenförmig, fast kreisrund; incl. Flügel 2,5—3mm Ig., 2mm br.; Flügel bis !/; der ganzen Breite; Samen braun, Flügel gelbbraun, netzadrig. Verbreitung: Alpweiden von 1500 — 2700 nı. Gent. pannonica (Churfirsten) wie vorige, etwas kleiner. 2mm lg., 1,5mm br., 0,565 mg schwer. Taf. Il[ Fig. 24. Verbreitung: Nur an einigen Stellen am Nordabhang der Churfirsten. Gent. purpurea (Laus.) wie vorige; grösser, 3--3,5min Ig., 2,5 bis 3mm br., 0,48mg schwer. Verbreitung: Weiden, Wildheuplätze, steinige Stellen von 1600 bis gegen 2800 m. Pleurogyne (HH). Samen länglieh-linsenförmig, 0,5—0,7 mm Ig., 0,3—0,4mm br., braun, runzlig. Taf. III Fig. 25. Pleur. carinthiaca. Verbreitung selten: Avers, Kistenpass, Zermatt, Saasthal. 1800-2000 m. 9. Campanulaceen. Vertreten sind unter den Alpenpflanzen die Gattungen: Phyteuma und Campanula. - Die Frucht ist bei allen eine häutige, vielsamige Kapsel mit sehr variirendem Modus des Aufspringens. Die Samen sind nach einem einheitlichen Gruridtypus gebaut; eiförmig bis spindelförmig, bisweilen berandet, braun; an beiden Polen dunkle Punkte, die durch spindel- fadenartige feine Längsriefen verbunden sind. Phyteuma Scheuchzeri (Zürich). Samen krunmeiförmig, 0,5 bis 0,7 mm I1g., 0,027 mg schwer, nicht zusammengedrückt. Taf. Ill Fig. 26. Verbreitung: Wallis, Südkette: Bassin des Vitges und Simplon. 900 bis 3600 m, Berneroberl.: Gasterenthal, Tessin; Graubünden: Misox und Oberengadin. Phyt. hemisphaericum (HH). Samen langspindelförmig, 1—1,2mm lg., 0,3—0,4mm br., nicht zus. gedr. Taf. III Fig. 27. Verbreitung: Humuspolster, Weiden, Rasenflecken. 1800—3000m. Wallis bis 3400m. Kalkfliehend. . Phyt. humile (HH). Samen langgestreckt, etwas krumm-spindel- förmig, Imm lg. Auf einer Längsseite mit durchscheinendem heller braunem Rand. Taf. III Fig. 28. Verbreitung: Wallis, localisirt im Monte Rosagebiet; Graubünden: Ber- nina und Splügen. Phyt. pauciflorum (HH) wie hemisphaericum, aber etwas kleiner. 0,8—1Imm 1g. Verbreitung: Rasenfl. und Humuspolster; Graubünden: Unt.-Eng. 2700 m bis oberste Gipfel; Obereng., Umbrail, Albula, Bernina, Avers, Davos; St. Gallen: Sardona; Glarus 2240-2560 m; Wallis: Alpes pennines 2400—3400m. Tessin. 30 Phyt. Michelii (Genf) wie Ph. Scheuchzeri. 0,6—0,8mm 1g., 0,04mg schwer. Verbreitung: Unt.-Eng., Splügen, Bernhardin, St. Gallen 1500-2200 m; Wallis: Südkette, Gletsch; Tessin. Campanula barbata (Laus.). Samen eiförmig, Imm Ig., schwach zusammengedrückt; ohne Rand. Taf. III Fig. 29. Verbreitung: Weiden, Humuspolster 1000-2700 m. Camp. thyrsoidea (Zürich) wie vorige, etwas grösser, 1,2 mm 18g., 0,13mg schwer; stärker flachgedrückt; bisweilen mit rudimentärem Rand. Taf. HI Fig. 30. Verbreitung: Weiden und Wiesen auf Kalk, 1500-2300 m. Camp. Scheuchzeri (Zürich) wie ©. barbata, 0,6—0,7mm lg., 0,14mg schwer. Verbreitung: Alpwiesen von 1800— 3000 m. Camp. cenisia (HH). Samen eiförmig, 0,8mm 1g., eine Längs- seite mit durchscheinendem Rand. (Der Rand nicht immer gleich stark entw.). Taf. III Fig. 31. . Verbreitung: Felsschutt und Gräte von 2000-3000 ın, zerstreut. 10. Compositen. Eine detaillirte morphol. Behandlung sämmtlicher alpinen Compo- siten würde über den Rahmen meiner Arbeit hinausführen.! TIch muss mich begnügen, die Haupttypen zu besprechen und für dief einzelnen Arten nur ganz kurze Daten zu geben. Mit Rücksicht auf die Bio- logie haben wir zunächst die beiden Gruppen der pappuslosen und pappustragenden Compositen zu unterscheiden. 1. Comp. ohne Pappus. a) Achänium verkehrt-spitzeiförmig; schief abgestutzt. Taf. IV Fig. 1. Artemisia spicata (höchste Gräte über 3000 m); Art. mutellina 0,26 mg schwer (Hochalpen 1600-3500 m); Art. nana (selten: Wallis 800-2200 m). b) Achänium verkehrt-stumpfkegelförmig, zerstreut behaart. Taf. IV Fig. 2. Artemisia glacialis (Wallis: Zermatt und Bagnethal 2100—3100 m). ec) Achänium trapezförmig, flachgedrückt, mit mehr oder weniger deutlichem Flügelrand; fein längsschraffirt, grauweiss bis silberweiss (3mm Ig., 2mm br.). Taf. IV Fig. 3. Achillea. Ach. nana 0,20 mg schwer (auf Urgestein 1790—3100m). Ach. moschata (Urgest. 1900—3400m). Ach. atrata Taf. IV Fig. 3. (Kalk von 1600 bis 400Um). (Die beiden letzten scheiden sich, wo sie neben einander vorkommen, streng nach der Unterlage). 31 d) Achän. kurzspindelförmig, 5rippig, mit vorspringen- dem schief abgestutztem Kelchsaum; abgedorrte Blumenkrone meist bleibend. Taf. IV Fig. 4. Uhrysanthemum alpinum (1600—3400m mehr auf Urgestein). Chr. atratum (2000--2700m mehr auf Kalk). 2. Comp. mit Pappus. a) Frucht halboval; unteres Ende spitz, gekrümmt, mit ein- seitiger Einbuchtung; kahl, fein längsschraffirt, weiss-seidenglänzend, 4--5 mm ]1g., 2,66mg schwer. Pappus mehrreihig (3mm lg.), kurz- borstig; gelb-violett überlaufen. Taf. IV Fig. 5. Üentaurea nervosa (südliches Gebiet 1500— 2600 m). u b) Frucht verkehrt-lanzetförmig, stark zusammenge- drückt, auf der einen Flachseite eine schwache Kante. Anliegend seidenhaarig. Taf. IV Fig. 6. (Pappus haarförmig rauh.) Aster alpinus. 3 —3,5 mm lg., 1,5 mm br., 0,86 mg schwer, (Kalk von 1000— 3000 m). Erigeron: schmäler als Aster. Er. alpinus. 2,5—83mm Ig., 0,5-—-0,7mm br., 0,19 mg schwer. (15002600 m.) Er. uniflorus. 1,5—2 mm ]g., 0,5 mm br. (1700 bis über 3000 m.) ec) Frucht spindelförmig, nicht gerippt, mehr oder weniger zusammengedrückt und behaart; ohne Kante auf der Flach- seite; langer seidenhaariger Pappus. Taf. IV Fig. T. Antennaria carpathica (Hochalp.), Leontopodium alpinum. Taf. IV Fig. 7. (2—3000 m mehr auf Kalk.) Gnaphalium supinum stark zusammengedrückt. (1800—3000m verbreitet.) Ga. norvegicum (sub- alpin-nival); Gn. Hoppeanum (Hochalpen selten). d) Frucht langgestreckt-spindelförmig, längsgerippt, ao) Pappus haarförmig. Taf. IV Fig. 8. Crepis aurea, 5—6mm Ig., 0,65 mg schw. (ohne Pappus), 20rippig (Weiden bis 2400 m); Cr. pygmaea, an beiden Enden breit abgestumpft, 5mm Ig., 2örippig (Graub. Oberld., Wallis u. Waadt 16002700 m); Cr. Tergloisensis, beidseitig abgestumpft, 4—5 mm I1g., scharf 10rippig (Holzgrenze bis 2500 m); Cr. alpestris, nicht abgestumpft, 3,5 mm 1g., 10rippig (1200— 2200 m östliches Gebiet); Cr. jubata (Graubd. u. Wallis, äusserst selten); Cr. grandiflora, T—8mm Ig., 30rippig (Voralpen und Alpen bis 2200 m); Cr. Jaequini, 4mm Ig., 12—1örippig, Pappus schmutzig-weiss (Graubünden: subalpin bis über 3000m); Or. mon- tana, 1 mm Ig., lÜrippig, Pappus schmutzig-weiss (Weiden bis 2200 m). Adenostyles leucophylla. Früchtchen spindelförmig, fast cylindrisch, 32 3 mm Ig., 0,7mm br., 10rippig, Pp. 5mm, 2reihig, rauh-haarförmig (Wallis, Graub. Oberld. 2000—3100 m). B) Pappus federig. Taf. IV Fig. 9 u. 10. Leontodon incanus, 8—-11 ınm Ig., zahlreiche Rippen, quer-runzelig (östl. "Gebiet, 1900 —2300 m); L. taraxaci, wie vor., aber schneeweisser Pappus (von 2000m an überall); L. pyrenaicus, 8--10mm I1g., fast glatt, mit 2-3 Längsrinnen (alle Alpweiden bis 2500 m und darüber). e) Frucht verkehrt-kegelförmig bis eylindrisch, gerippt. ua) Pappus haarförmig. Aronicum. Taf. IV Fig. 11. Früchtchen breit abgestumpft-kegel- förmig, 10rippig, Rippen gelbbraun mit Zerstreuten, nach oben gerich- teten Borstenhaaren, Pappus vielreihig; A. scorpioides (Kalkgeröll von 1700-2500 m); Ar. Clusii (20002900 m auf Urgestein). Senecio. Taf. 1V Fig. 12. Früchtehen kegelförmig bis lineal, meist kahl; Sen. abrotonifolus, Wrüchtchen kurz, 3—6mm Ig., 10rippig (mehr östliches Gebiet bis über 2300 m); Sen. doronicum, Früchtchen lineal, 10reihig, 7—8mm Ig., 0,5—0,8mm br. (Alpen u. südl. Jura, 1500-2500 m); Sen. uniflorus (höchste Alpen des Wallis: Zermatt- Simplon); Sen. incanus, Krüchtchen kurz, 1,5—2mm Ig., 10rippig, schwach behaart (West- u. Centralalpen, 20003400 m). Hieracium wie vorige. H. glaciale (1600-—-2700m); H. öpieo (Wallis, 2000—2600m); H, aurantiacum (1800—2600m verbr); H alpinum (1800— 3100 m verbr.); H. rhaeticum (selten, Wallis u. Graub.); A. glanduliferum (Alpweiden bis 3000 m verbr); H. piliferum (oberste Alptriften bis 2800m verbr.); H. villosum (felsige Alpen bis 3100 m verbr.); H. intubaceum (Granitalpen 1800-3000 m). ß) Pappus federig. Saussurea. Taf. IV Fig. 13. Frucht keilförmig, 4—5 mm Ig., 1,96 mg schwer (ohne Pp.); etwas gekrümmt, dunkel überlaufen; con- eave Seite mit drei scharf hervortretenden hellen Rippen. Pappus federig, lem lg. S. alpina (Urgeb. 1800-2800 m). S. lapathifolia (auf Kalk von 1000—2500m; fehlt Waadt, Freiburg, Berner Obld. und St. Gallen). f) Frucht eiförmig, gross, schief abgestutzt, etwas flachgedrückt. Taf. IV Fig. 14. Cirsium spinosissimum. Frucht 6mm 1g., 3mm br., 2,34 mg schwer (ohne Pp.); fein längsschraffirt, seidenglänzend. — Pappus sehr lang 1,5cm; federig; am Grunde verbunden, leicht als Ganzes ab- fallend (von 1600 2500m überall auf Weiden). 33 II. Biologie. Vorbemerkungen. Ich bespreche in diesem Abschnitt die Verbreitungsmittel der beschriebenen Familien und Arten, unter Beigabe einlässlicher, stati- stischer Vergleiche mit den Arten der tiefern Lagen. Dabei mache ich einen Unterschied zwischen Ausstreuvorrichtung und Verbrei- tungsmittel. Unter Ausstreuvorrichtungen verstehe ich alle diejenigen Einriehtungen zur Verbreitung der Früchte und Samen, bei denen die Pflanze activ betheiligt ist. Hieher gehören also: Ausschleuderung des Samens durch Spannungsänderungen, wie bei vielen Papilionaceen, Viola etc.; ferner Streckung des Blüthen- oder Blüthenstandstieles bei der Reife (Cruciferen), wodurch die Samen den Angriffen des Windes besser dargeboten werden; Oeffnen der Fruchtkapsel am obern Ende, so dass die Samen nur bei stärkerer Erschütterung ein- zeln entleert werden und andere Modificationen. Unter Verbreitungsmittel dagegen verstehe ich diejenigen Einrichtungen der Früchte und Samen, die den passiven Transport derselben durch Wind, Wasser oder andere ausserhalb der Pflanze liegenden Agentien ermöglichen oder erleichtern; also Haar- und Flügelbildungen für den Wind; Häkeleinriehtung für Thiertransport ete. Sehr oft sind Ausstreuvorrichtungen und Verbreitungsmittel com- binirt und erhöhen so die Gesammtwirkung. Mit einiger Einschränk- ung darf der Satz aufgestellt werden, dass die Verbreitungsmittel eher für die Verbreitung auf weitere Distanzen, die Ausstreuvorrichtungen mehr für die schrittweise Ausbreitung in Betracht kommen. Ich be- rücksichtige im Folgenden detaillirt nur die Verbreitungsmittel und begnüge mich, bei den einzelnen Familien auf event. vorhandene Aus- streuvorrichtungen kurz hinzuweisen. Uebersicht über die Typen der Verbreitungsmittel. In der Hauptsache folge ich der Gruppirung Hildebrand’s (12). Doch kommt für meine Zwecke natürlich nicht in Betracht, welches Organ zum Verbreitungsmittel umgebildet ist, und ob Frucht oder Samen als Verbreitungseinheit functioniren. Nach den verschie- denen Verbreitungsagentien geordnet, unterscheide ich folgende Gruppen und Unterabtheilungen: A) Verbreitungsagens: Wind. IL Haarbildungen. Flora, Ergünzgsbd. 1901. 3 34 a) Pappus und pappusartige Fallschirme; b) Haarschopf; e) Haarschweif; d) andere Haarbildungen: Wollhaare, Wimperhaare etc. I. Flügelbildungen. a) eigentliche Flügel; b) sehr flachgedrückte Samen oder Früchte; ce) häutige Fallschirme. I. Herabsetzung des specifischen Gewichts. IV. Kleinheit der Samen. a) pulverförmige Samen; b) körnchenförm. Samen mit vergrösserter Oberfläche; d) kleine, flache Samen. B) Verbreitungsagens: Thiere. V. Darbietung von Nährstoffen. a) Grosse nährstoffreiche Früchte (hauptsächlich durch Nagethiere und grössere Vögel verschleppt), b) kleine fleischige Früchte (hauptsächlich durch Vögel verbreitet); VI. Klett- und Häkeleinrichtungen. VI. Transport durch Ameisen. 0) Verbreitungsagens: Wasser. VII. Schwimmfrüchte und -Samen. IX. Bei Feuchtigkeit sich öffnende Früchte (Hydrochasie); Samen verschwemmt. Ohne Verbreitungsmittel. Bemerkungen: Die verschiedenen Typen der Flugvorrich- tungen sind von Dingler (6) auf ihre Wirksamkeit einlässlich unter- sucht. Nach ihm ist der wirksamste, für die Phanerogamen aber nicht in Betracht kommende Typus, der der staubförmigen Gebilde (Sporen, Pollenkörner); darauf folgt der der haarförmigen Bildungen; darauf der der Flügelbildungen; erst in letzter Linie der der pulver- bis körnchenförmigen Samen, Die GruppenI und II benöthigen keiner weiteren Erläuterungen. ad III. Die Herabsetzung des specifischen Gewichts kann auf verschiedene Weise geschehen: Die Testa umhüllt den Samen nur lose (Cerastium latifolium) ; die Fruchtschale ist stark gedunsen und schliesst. einen relativ kleinen Samen ein (Colutea arborescens); die Samen sind von einem losen Mantel umgeben (Orchideen, Parnassia); blasige Schuppen dienen als Luftbehälter (Astrantia) und andere Möglichkeiten. 85 ad IVa. Der Begriff der kleinen Samen gehört zu den am schwersten zu definirenden und am willkürlichsten begrenzten. Dingler (pag. 63), weist nach, dass schon bei den Samen von Papaver somni- /erum (mit den Dimensionen 1,5; 1; ®/ mm und 0,554 mg Gewicht) eine Wirkung der adhärirenden Luftschicht sich nicht mehr nach- weisen lässt; dass diese vielmehr nur bei den staubförmigen Sporen und Pollenkörnern eine Rolle spielt. Demnach gäbe es keine Phanero- gamensamen, die zufolge ihrer Kleinheit als mit Flugmitteln, das heisst mit Vorrichtungen, die die theoretische Fallgeschwindigkeit bedeutend vermindern, ausgestattet bezeichnet werden könnten. Dem ist natürlich entgegenzuhalten, dass ein Luftstrom von bestimmter Geschwindigkeit eine ganz bestimmte motorische Kraft repräsentirt und also auch be- stimmter Leistungen fähig ist. Wie weit diese Leistungsfähigkeit geht, darüber fehlen genaue Untersuchungen noch. Bekannte Thatsache ist, dass ein Sturm selbst grosse Steinstücke mit Leichtigkeit auf- wirbelt, und es dürfte wohl im ganzen Pflanzenreich weder Früchte noch Samen geben, die jedem Sturm trotzen können. In diesem Sinn wären also alle zum Windtransport befähigt. — Anders wird die Frage, wenn wir die Grenze bestimmen wollen, unterhalb der wir von „Anpassung“ an Windverbreitung sprechen können. Diese Grenze wird immer eine willkürliche sein. Um statistische Vergleiche durch- führen zu können, musste ich aber eine solche festsetzen. Dabei unterscheide ich zwei verschiedene Begriffe von klein. Relativ klein nenne ich die Samen oder Früchte, die bedeutend unter dem Durch- schnitt der in der betreffenden Familie oder Gattung vorkommenden Samen liegen; aber auch nur dann, wenn sie die Grösse von Imm Maximaldurchmesser nicht übersteigen. Als absolut klein betrachte ich alle Samen, deren Maximaldurchmesser 0,5 mm nicht übersteigt. Wir dürfen nach den Erfahrungen mit Sicherheit annehmen, dass solche Gebilde schon von sehr schwachen Luftströmungen bewegt werden können. ad IVb. Wenn die Oberfläche durch Wärzchen, Schuppen oder ähnliche Gebilde vergrössert ist, also dem Wind eine grössere An- griffsfläche geboten wird, steigt natürlich die Transportfähigkeit. Ich setze für diesen Fall als obere Grenze einen Maximaldurchmesser von 2 mm. ad IVc. Samen mit einem Maximaldurchmesser bis 2 mm be- trachte ich ebenfalls als an Windtransport angepasst, wenn sie linsen- förmig oder stäbehenförmig ausgebildet sinds ad Va. Zum Theil passiren die Samen dieser Gruppe den Darm- g* 86 kanal von Säugethieren, namentlich Nagern (seltener Vögeln); meistens aber werden sie von diesen Thieren verschleppt, indem sie dieselben entweder zufällig wieder fallen lassen, oder indem sie sich Vorräthe davon anlegen. Vergl. namentlich Focke (8). Vb. Die Verbreitung der Beeren und Steinfrüchte durch Vögel und ebenso VI. Häkel- und Klettfrüchte, bedürfen keiner weiteren Worte. ad VII. Als Anpassung an Verbreitung durch Ameisen kommen namentlich fleischige Anhängsel der Samen in Betracht, die ihnen so Nahrung bieten. Vergl. Kerner (18) ]I pag. 619. ad VIII. Ueber Schwimmfrüchte vergl. Schencek (27). ad IX. Unter Verschwemmung von Samen verstehe ich das Herausgespültwerden derselben aus den bei Befeuchtung sich öffnen- den Früchten. Die Anpassung liegt dabei also nicht in den Samen, sondern in der Frucht. Ohne Verbreitungsmittel nenne ich diejenigen Arten, deren Früchte oder Samen sich in keiner der aufgeführten Kategorien unterbringen lassen. Ihre Verbreitung durch das eine oder andere Agens liegt also nieht in ihrem Bau begründet, sondern ist in diesem Sinne mehr eine zufällige. Selbstverständlich gehen die einzelnen Typen in einander über und kommen Combinationen vor. Doch ist eine Entscheidung, in welche Kategorie die Art eingereiht werden muss, in den meisten Fällen nicht sehwierig, ausgenommen die Gruppe IV. Im Anschluss an die Besprechung der Verbreitungsmittel gebe ich bei jeder Familie statistische Zusammenstellungen. Es handelt sich für mich dabei darum, festzustellen, ob in dem Vorkommen der einzelnen Gruppen von Verbreitungsmitteln beim Vergleich mit den Arten tieferer Lagen gewisse Gesetzmässigkeiten herrschen. Zunächst ging ich von folgendem Gesichtspunkte aus: Der Vergleich ist durchzuführen innerhalb der nächsten Verwandt- schaftskreise, also der Gattung, da man mit einiger Reserve doch annehmen kann, dass die nächstverwandten Arten auch ähnliche Forderungen an Klima und übrige biologische Verhältnisse stellen. Zeigt sich dann innerhalb dieser eine Differenz in einem bestimmten biologischen Factor, hier in dem Vorkommen oder Fehlen von Ver- breitungsmitteln oder gewisser Gruppen derselben, und geht diese Differenz mit einer bestimmten anderen Erscheinung, hier Höhenlage, parallel, so können wir@auf eine gegenseitige Beziehung oder auch Abhängigkeit schliessen. Ich vergleiche also zunächst die alpinen 37 (alpin im definirten engeren Sinn) Arten mit den nicht alpinen der- selben Gattung. (Einige Modificationen und ihre Begründung siehe bei den betreffenden Familien) Dazu füge ich kurz auch noch die Zahlen, die sich ergeben, wenn man die überhaupt in der alpinen Region vorkommenden Arten vergleicht mit denen, die dieselbe nicht erreichen. Diese Vergleiche sind natürlich da weggelassen worden, wo wegen grosser Einheitlichkeit im Bau der Früchte oder Samen Differenzen in Beziehung auf Verbreitungsmittel fehlen. Um dem Vorwurf zu entgehen, dass die Beschränkung auf die Gattungen zu eng gefasst sei und um eine breitere Unterlage zu ge- winnen, stellte ich auch die Verbreitungsmittel der ganzen Familien tabellarisch zusammen, Für die Taxirung der nichtalpinen Arten, sowie über deren Höhenverbreitung verweise ich auf die dieser Arbeit beigefügte Uebersicht über die Verbreitungs- mittel der schweizerischen Phanerogamen. Die Einrich- tung er tabellarischen Uebersichten des speciellen Theiles bedarf keiner weiteren Erläuterung; auseinander zu halten sind die Begriffe: „alpin“ und „in die alpine Region steigend* nach den oben gegebenen Defini- tionen. Auf andere biologische Eigenthümlichkeiten der Früchte und Samen, die möglicherweise in gesetzmässigem Zusammenhang stehen mit den Lebensbedingungen oder der geographischen Verbreitung der Alpenpflanzen oder einzelner Gruppen derselben, mache ich am ge- gebenen Ort gelegentlich aufmerksam. Zum Schluss gebe ich noch eine Zusammenstellung der bei den speciellen Untersuchungen vorläufig gefundenen Thatsachen und der daraus folgenden Resultate. 1. Caryophyllaceen. Die besprochenen Caryophyllaceen sind alle mehr- bis vielsamig ; es bilden also die Samen die Verbreitungseinheit. Die am oberen Ende aufspringenden Fruchtkapseln functioniren als Ausstreuvorrich- tungen, indem sie die Samen nur allmählich und bei stärkerer Erschüt- terung entlassen. Bei Silene acaulis und exscapa kommt dazu eine Streckung des zur Blüthezeit kurzen Blüthenstiels bei der Reife, wodurch die Kapsel aus dem dichten Polster herausgehoben wird. (Massart 24). Die Samen sind bei allen besprochenen Species klein (im Maxi- mum 1,5mm Durchmesser) und leicht. Selbst die grössten erreichen nicht das Gewicht von Img. Die Möglichkeit des Transportes durch den Wind ist demnach für alle gegeben. Trotzdem finden wir bei 88 einigen Arten Samenformen, die wir als an Windverbreitung angepasst betrachten können. Als solche Verbreitungsmittel sebe ich an: a) sehr starke Flachdrückung des ganzen Samens: Dian- thus glacialis, (Heliosperma quadrifidum, Alsine lanceolata) ; b) flügelartige Papillenkränze: Heliosperma quadrifidum, (Silene alpestris), Alsine lanceolata, Als. liniflora ; ec) Herabsetzung des specifischen Gewichts durch Vergrösserung des Volumens: Cerastium latifolium, uniflorum, ‚filiforme. (Les graines sont entourees d’une enveloppe lache, remplie d’air, ce qui diminue fortement leur densite. Massart [24] pag. 132); d) Vergrösserung der Angriffsfläche für den Wind bei relativer Kleinheit, und zwar: 1. durch ziegelige Schuppung der Flachseiten: Cerastium al- pinum, Alsine verna, (Alsine liniflora) ; 2. durch Papillen:: Cerast. strictum, trigynum, G'ypsophila repens; e) ausserordentliche Kleinheit. Trotzdem alle Samen der Car. klein sind, fallen einzelne Arten durch winzige Sa- men auf: Alsine aretioides (0,2mm), Arenaria Marschlinsiü (0,8—0,4 mm, 0,07 mg, schwer), Viscaria alpina (0,4 mm, 0,08 mg schw. ), Alsine sedoides (0,5 mm). Ohne Anpassung an den Wind sind also nur: Silene acaulis und exscapa, 5. vallesia, Alsine recurva, biflora. Arenaria ciliata, biflora, Moehringia ciliata. Die starke Nabelschwiele der Moehringien dient nach Kerner (17) II pag. 620) der Verbreitung durch Ameisen. Da Formica Jusca nach Forel (89) bis zur Schneegrenze verbreitet ist, kann diese Art der Verbreitung auch für Moehringia ciliata in Betracht kommen. Direete Beziehungen zwischen dem Vorhandensein oder Fehlen von Verbreitungsmitteln bei den verschiedenen Arten der alpinen Region und ihrer thatsächlichen Verbreitung bestehen nicht. Gerade die am weitesten verbreitete hochalpine Silene acaulis ist dem Wind am wenigsten angepasst. Dagegen lässt sich eine gewisse Gesetzmässig- keit constatiren bei einer Vergleichung der Samen der alpinen Arten mit denen der nicht alpinen, in Bezug auf die Verbreitungs- mittel. DieArten der tieferen Lagen zeigen weniger Verbreitungs- mittel, resp. Anpassungen an den Wind. Vertreten sind die Gruppen 39 a) mit 9 Species: sämmtliche Dianthus-Arten; d) mit 6 Species: Al- sine laricifolia, Gypsophila muralis, Cerastium glomeratum, brachypeta- lum, caespitosum, semidecandrum; e) mit 5 Species: Silene armeria (0,5 mm), rupestris (0,5mm), Gypsophila muralis (0,4mm), Alsine vis- cosa (0,3 mm), Arenaria serpyllifolia (0,5 mm). Die Gruppen b) und c) fehlen. Ohne Verbreitungsmittel sind 17 Arten: Viscaria viscosa ; Silene venosa, alpina, conica, saxifraga, gallica, rupestris, italica, otites, nutans; Alsine Jaseieulata, tenuifolia, stricta, mucronata; Arenaria grandiflora; Moehringia muscosa, trinervia. Das Bild wird viel klarer, wenn ich die einzelnen Gattungen tabellarisch zusammenstelle: | | ar soncien Nicht alpine Specios! Alpine Species lan den an den! an den Total ! Wind | ®, | Total | Wind : 0, | Total | Wind | 0, angep. angep. | angep. Viscaria . . . 2 1 50 1 _ 1 1100 Siene . . ... 12 2 16,6 | 10 2 20 2 — _ Heliosperm« . 1 ı !100 _ _ —_ 1 1,100 Gypsophila . . 2 2 100 1 1 100 1 1 100 Dianthus . . . | 10 | 10 | 100 9 9 !100 1 1,100 Cerastium, . . | 11 11 | 100 5 5 1100 6 6 | 100 Alsme....\ 3 T| 5838| 6 2 | 8388| 7 5 | 714 drenaria , . . 6 2 33,3 3 1 33,3 80 1 33,3 Moehringia . . 3 = _ 2 - | 1 | - Total 4 60 36 | 60 | 37 | 20 |541: 28 | ı6 | 69,6 Von den alpinen Arten der 9 Gattungen sind also 15!/2 °, mehr der Verbreitung durch den Wind angepasst, als von den nicht alpinen. Noch frappanter wird das Resultat, wenn man nur diejenigen Gattungen in Betracht zieht, bei denen überhaupt Differenzen im Vorkommen oder Fehlen der Verbreitungsmittel zwischen den einzelnen Arten vor- kommen, nämlich: Viscaria, Silene, Alsine und Arenaria. Dann er- gibt sich: Von der Gesammtzahl der Species besitzen 36,3 °%,, von den nicht alpinen 25°/,, von den alpinen 53,8%, Verbreitungsmittel, also eine Differenz von 28,8%, zu Gunsten der alpinen Arten, Ausser den eigentlich alpinen Arten sind bis jetzt von den be- sprochenen Gattungen in der alpinen Region der Schweizeralpen folgende beobachtet: Silene otites, 8. nutans, S. rupestris (W. = an Windverbreitung angepasst), alpina, venosa; Dianthus vaginatus(W.), car- thusianorum (W.), inodorus (W.), superbus (W.); Cerastium arvense (W.), 40 caespitosum (W.); Alsine larieifolia (W.), mucronata. Zusammen mit den 23 alpinen Arten somit 36 Arten. Davon besitzen Anpassungen an den Wind 24 oder 66,7 %,, gegenüber 60°/, bei der Gesammtzahl und 50°, bei den nicht in die alpine Region aufsteigenden (12 Spec. auf 24), Berücksichtige ich die ganze Familie der Caryophylla- ceen in Bezug auf die Anpassungen an Windverbreitung, so ergeben sich folgende Zahlen: Mi t Nicht alpine Arten Veberhpt. esammt- - . , Verbreitungs- zahl der |nicht in d.|in die alp.| Alpine [in der alp. einrichtung Species Total |alp. Reg. Region Arten |Reg. be- steigend | steigend obachtet Gruppe a) und b) ji5 14,60/911 13,80,) 7 12,50),| 4 16,79,) 4 17,40),) 8 17,009 9)... 50 12 25 |2 36 |- — |3181 |3 64 » 0...18186 :8100 |5 89 3125 5217 |8 170 2» 9) ...21 204 17213 10179 17292 4174 |11 28,4 Total d. angepassten |54 52,6 0/,38 47,60/,124 42,9 %,114 58,4 0,16 69,60),130 63,8%, Ohne Anpassung|49 47,6 |42 52,5 132 57,1 110. 41,6 | 730,5 |17 36,3 Total d. Arten |103 [so 156 124 23 47 Zu beachten sind namentlich folgende Punkte: l. Auch wenn man die ganze Familie der Caryophyllaceen be- rücksichtigt, ergibt sich im Procentsatz der an die Verbreitung durch den Wind angepassten Arten beim Vergleich der nicht alpinen mit den alpinen eine Differenz von 21°/, zu Gunsten der alpinen. 2. Unter gleichen Bedingungen beträgt die Differenz zwischen den gar nicht in die alpine Region steigenden und den in der al- pinen Region überhaupt beobachteten 20,9 %, zu Gunsten der letzteren, 3. Berücksichtigen wir von den Verbreitungsmitteln nur die Gruppen a), b), c), d) (also Kleinheit der Samen ohne anderweitige Ausrüstung ausgeschlossen), so steigen die Differenzen für die beiden verschiedenen Gruppirungen auf 25,9°/, resp. 25,4 9],. 2. Ranunculaceen, Bei den Arten mit einsamigem Schliessfrüchtehen bilden diese die Verbreitungseinheit, sie tragen also auch die angepassten Aus- rüstungen. Als Ausstreuvorrichtung kommt bei diesen höchstens an Ranunc. glacialis die bleibende Blüthenhülle in Betracht, die wie in einem Becher die Früchtchen noch nach der Reife eingeschlossen be- bält und allmählich entlässt. 4 Die Arten mit mehrsamigen Balgkapseln besitzen in diesen, da sie nur am obern Ende aufspringen, einen ziemlich wirksamen Aus- streuapparat; Verbreitungsmittel müssen wir hier an Samen suchen. In der Familie der Ranunc. überhaupt finden wir Anpassung an alle Verbreitungsagentien: Wasser (Schwimmsamen von Caltha palu- stris); Thiere und zwar durch Gefressenwerden (Beeren von Actaea spicata) und durch Anhäkeln (Ranune. arvensis) und Wind. Nur die letzte Gruppe ist in den Alpen vertreten und zwar in folgenden ver- schiedenen Formen: 1. Verlängerter, behaarter Griffel: Anemone vernalis, Halleri, alpina und sulphurea. 2. Wollhaare: Anemone baldensis. 3. Flachgedrückte Früchte mit Flügelrand: Kunune. montanus, glacialis, Anemone nareissiflora. 4. Geflügelte Samen, mit durch Fältelung vergrösserter Oberfläche: Delphinium elatum. Ohne Verbreitungsmittel sind also unter den alpinen Arten: Ranunc. pygmaeus, pyrenaeus, parnassifolius, alpestris, Thora; Thalictrum alpinum; Aquilegia alpina. Eine durchgreifende gesetzmässige Beziehung zwischen Ausrüstung mit Verbreitungsmitteln und thatsächlicher Höhenver- breitung lässt sich auch bei den Ranunculaceen nicht constatiren. Immerhin sind folgende Punkte in dieser Richtung von Interesse: Von sämmtlichen Anemonen steigen nur Arten mit gutem Flugapparat überhaupt in die alpine Region und von diesen lassen wieder die relativ best ausgestatteten (Haarschweif oder Wollhaare) vernalis und baldensis, die nur mit etwas plumpem Flügel versehene narcissiflora weit hinter sich zurück. Die höchsten Gipfel in weitester Verbreitung beherrscht Ranunculus glacialis, unter allen Ranunculusarten die best- ausgestattete. Wir finden ihn deshalb auch immer als ersten Phanero- gamencolonisten auf neu sich bildenden Standorten der nivalen Region (vgl. unten). Auch bei Ranunculus montanus steht vielleicht seine weite Verbreitung über die Alpen und die andern Gebirgsketten mit seiner relativ leichten Windtransportfähigkeit in Zusammenhang. Die Arten der tiefern Lagen (aus den besprochenen Gat- tungen) sind auf die vier Gruppen der Anpassung folgendermaassen zu vertheilen: 1. 2 Sp. Anemone pulsatilla und montana,; 2. 1 Sp. Anemone silvestris; 3. 2 Sp. Ranune. polyanthemus und lanuginosus, 4. 0 Sp. Dazu kommen noch als neuer Modus die Flügelkanten an Thalictrum aquilegifolium und die Häkeleinrichtungen von R. arvensis. 42 Ohne Verbreitungsmittel bleiben also: Aguilegia vulgaris, Delphinium eonsolida, 3 Anemonen, 18 Ranunculus, 7 Thalictrum. | Gesammtzahl Nicht alpine Alpine Sbeci der Species | Species pine Dpectes nn me nn EEE anden | |anden anden Total | Wind 9%, | Total! Wind} ©, | Total | Wind) 0, langep. | jangep. angep. _ Anemone , . « 12 9 75 6 | 3 50 6 6 100 Aquilegia . . . 2 _ _ 1 FE 1 _ _ Callianthemum . 1 _ _ _ _ _ 1 _ _ Delphinium 2 1 5,0 1 - | - 1 1 100 Ranuneulus . . 28 4 14,3| 21 2 9,5 T 2 28,6 Thalictrum . . 9 1 j ii 8 l 12,5 1 _ _ Total | 54 | 15 | 27,8 | 37 6 ; 1682| ı7 9 | 52,9 Wir haben also das gleiche Resultat wie bei den Caryophylla- ceen: von den alpinen Arten zeigen 36,7 °), mehr Anpassung an den Wind. Lasse ich auch hier die Gattungen Aguil. und Calliantlı. ausser Betracht, so ergeben sie 16,7°/, resp. 60 %,, also 43,3%), Diff. Ausser den eigentlichen alpinen Arten dieser sechs Gattungen sind bis jetzt in der alpinen Region der Schweizeralpen beob- achtet: Ranunculus lanuginosus (W.); R. bulbosus, acer, aduncus, aconitifol., platanifolius; Thalictrum aquilegifolium (W.), Th. foetidum, saxatile, minus, also zusammen mit den 17 alpinen Arten 27 Species. Davon sind an Windverbreitung angepasst 9+2=12 Sp. oder 44,4°%),; gegen 27,8°|, bei der Gesammtzahl der Sp. und 11,1°, bei den die alpine Region nicht erreichenden. Für die ganze Familie der Ranunculaceen ergeben sich mit Rücksicht auf Anpassung an Windverbreitung folgende Zahlen: I” | !Gesamnt- Nicht alpine Arten . | Veberhpt. Verbreitungsmittel | zahl der |nichtin d. |in die alp. Alpine in der alp. Arten Total |alp.Reg.! Region Arten | Reg. be- | | steigend steigend obachtet Haarschweif oder | | Wollhaare . . 111 14,30), 6 109 | 5 11,40), 1 6,20), 5 29,40) 6 18,20) Flügelbildung . . 110 13,0 60 2 4b |4 250 |4 235 | 8 24,2 Total a. W. angep. '21 27,30), 12 20%. 7 15,9%) 5 31,20/4 9 52,90/,14 42,40) Ohne Anp.a.d.W. 56 727 148 80 187 84,1 11.688 8 47,1 |19 57,6 | 77 | 60 44 116 17 183 43 Auch hier wieder ein ähnliches Resultat wie bei den Caryophyll.: die Differenz deran Windverbreitung angepassten Arten beträgt zwischen den alpinen und nicht alpinen 32,9%, und zwischen den in die alpine Region steigenden und den sie nicht erreichenden 26,5 %),; jeweils zu Gunsten der ersteren. 3. Cruciferen. Günther Beck ([36] pag. 441) unterscheidet bei den Cruciferen zwei Hauptgruppen: Cruciferae disseminantes, die zweifächerigen Schoten öffnen sich mit von unten nach oben sich ablösenden Klappen und Crueif. nucamentaceae, die Schoten bleiben geschlossen oder sind gliedertheilig, d. h. quer in zwei bis mehrere einsamige geschlossen bleibende Theile zerfallend, seltener fallen die beiden seitlichen ein- samigen Hälften der brillenförmigen Schote geschlossen ab. Bei den disseminantes bilden also die Samen die Verbreitungs- einheit. Dabei muss allerdings noch einschränkend berücksichtigt werden, dass wohl die breitgeflügelten Schötchen von T'hlaspi arvense und andern auch als Ganzes vom Winde transportirt werden können, Bei den nucamentaceae sind die Früchte oder Theilfrüchte Verbrei- tungseinheit und wir haben die Verbreitungsmittel an diesen zu suchen. Als bekanntestes Beispiel erwähne ich hier Biscutella. Unter den alpinen Arten haben wir nur Vertreter der ersten Gruppe. Bei der Reife fallen die Klappen ab, die Scheidewände mit den anhängenden Samen bleiben. Man kann aber diese Scheidewände, trotzdem sie einen ausgezeichneten Windfang bilden, nicht als Verbrei- tungsmittel betrachten, da sie normal nicht mit den Samen losgerissen werden, sondern stehen bleiben, während die Samen einzeln abfallen. Dagegen functioniren sie als Ausstreuvorrichtungen, indem sie dem Winde die Samen darbieten. Ihre Wirkung wird verstärkt durch eine sehr erhebliche Streckung des ganzen Blüthenstandes bei der Fruchtreife. Die Samen sämmtlicher alpinen Cruciferen sind klein und mit Ausnahme derer der Gattung Hutchinsia (der einzigen der Notorrhizae) flachgedrückt. Sie können also alle leicht durch den Wind trans- portirt werden. Von grosser Bedeutung ist auch, dass alle eine ver- schleimende Epidermis besitzen (vgl. Abraham [87]), wodurch sie selbst an kahlen Wänden sich festheften können. Diese Eigenschaft und die kleine flache Ausbildung der Samen, die das Eindringen in die Ritzen des Gesteins sehr erleichtert, gibt den Cruciferen einen grossen Vorzug als Felsen- und Schuttpflanzen. Ich betrachte also alle Cruciferen mit flachgedrückten Samen als zur Verbreitung durch den Wind geeignet, d. h. also alle pleuror- 44 rhizae. Als eigentliche Verbreitungsmittel sind dagegen zu bezeichnen: Flügel an Samen, Flügel an Schötchen, Herabsetzung des specifischen Gewichts durch zwei leere Fächer auf ein volles (Gattung Myagrum), Häkeleinrichtungen bei Coronopus und Bunias. Ausgenommen die Gattung Hutchinsia sind die Samen aller alpinen Cruciferen fachgedrückt-klein, also zur Verbreitung durch den Wind geeignet. Als spezielle Verbreitungsmittel kommen : 1. geflügelte Samen: Cardamine resedifolia; Arabis alpina, belli- Aifolia, coerulea, pumila,; Alyssum alpestre;-2. flügelig gekielte Klappen: Thlaspi Mureti und Thlaspi alpinum; doch sind hier die Flügelränder gegenüber Thlaspi arvense so schmal, dass sie als Verbreitungsmittel kaum in Betracht kommen. Ein Parallelismus zwischen Verbreitungs- einrichtung und thatsächlicher Verbreitung findet sich auch bei den Cruci- feren nicht. Eine Vergleichung mit den Arten tieferer Lagen ergibt innerhalb der Gattungen Petrocallis, Thlaspi, Cardamine, Hut- chinsia, Draba, Arabis, Alyssum kein klares Resultat, da entweder, mit Ausnahme der Gattung Hutchinsia, alle Arten als flachgedrückt für Windverbreitung ausgerüstet zu betrachten sind, oder dann nur die eigentlichen Verbreitungsmittel, also geflügelte Samen oder breit flügelig gekielte Klappen, besitzenden. Im letzteren Falle gehören von den Arten tieferer Lagen in die Gruppe 1. Arabis Turrita, sagittata, muralis, stricta, Halleri; Alyssum calycinum und montanum. " u 2. Thlaspi arvense, perfoliatum und alpestre. Ohne Verbreitungsmittel sind also von den Arten tieferer Lagen: Thl.montanum; 7 8p. Cardamine; Hutchinsia petraea; Draba muralis und Thomasii; Arabis pauciflora, auriculata, saxatilis, hirsuta,arenosa,alpestris. Wenn nur die deutlichen Verbreitungsmittel berücksichtigt werden, ergibt sich als statistische Zusammenstellung: . | Gesammtz. d, Spec. Nicht alp. Spec, _ Alpine Speo. u | Total | WA) | 9% |Tetai] w. 0 Total! WI Alyssum 3.3100 | 2 | | 100 1 ı | 100 Arabis . 16 3 | 552, 5 Por u ya 7) Cardamine . . | 9 ı' 1 701-1 - 2; 17/580 Draba ....ı8| - | -|, 2| -|- | 6 | - | - Hutchinsia . . | 31 — | | ı | | - 2 — | —_ Thlaspi?) . | 07 3 42,9 4 3 75 38, —- | Petrocallis 1 - 1-1. BE 1 PR ge Total | 47 | 16 | 340) 27 | 10 ; 370! 20 | 6 | 30,0 2) W. hier und später = an Windverbreitung angepasst. 2) Thl. Mureti und alpinum = ohne Verbreitungsmittel. 45 Das Resultat ist also hier umgekehrt als bei den Ranunc. und Caryophyli. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Um- kehrung hauptsächlich durch die Gattung Draba bedingt ist, der specielle Anpassungen überhaupt fehlen, deren Samen aber bei ihrer Kleinheit und Flachgedrücktheit doch durch Wind verbreitet werden können. Berücksichtige ich deshalb auch hier nur diejenigen Gattungen, innerhalb welcher überhaupt Unterschiede im Vorhandensein oder Fehlen von speciellen Anpassungen vorkommen, also Arabis, Car- damine und Thlaspi, so erhalte ich folgende Zahlen: Gesammtzahl 40,6°,; Nicht alpin 36,4°%,, Alpin 50°, ; also auch hier eine Diffe- renz von 13,6%, zu Gunsten der alpinen Arten. Für die ganze Familie der Cruciferen ergeben sich folgende Zahlen: Nicht alpine Species —_ . Total in Total der ‚nicht in|in diealp. Alpine der alp. Species | Total jd.alp.Reg.| Region | Species Region | steigend | steigend 1. geflügelte Samen | 19 16,4%/,|18 13,70), 12 14,60), 1 7,70, 6 28,60/,| T 20,60, 2. gefl. Schötchen | 10 8,6 10 10,5 9 1 1 77 0 — 1 29 3. herabges.sp.Gdw. | 1 0,9 1 1,0 112 |- — I —- |. - Summa | 30 25,90/,24 25,20/,22 26,80), 2 15,40), 6 28,80, 8 23,50), flachgedr. (pleuror- 46,1 hs 61,9 119 55,9 rhiz) . .....01494232 |36 87,8 180 86,6 ) 6 Total angepasst . | 79 68,10/,60 63,00,,52 63,4%),| 8 61,50,,119 90,50],127 79,40), Ohne Verbreitung | 37 31,9 185 36,8 |30 836,6 |5 38,5 2? 9,5 j? 20,6 Total |116 195 j82 13 lgı |34 Die Tabelle zeigt folgendes: 1. Mit Rücksicht auf die speeiellen Anpassungen beträgt die Diffe- renz zwischen nicht alpinen Arten und alpinen nur 3,4°/, zu Gunsten der letzteren; zwischen die Baumgrenze nicht überschreitenden und den in die alpine Region ansteigenden ist sie sogar negativ: — 3,3 %,. 2. Berücksichtige ich nur die Flügelbildungen an Samen, so sind die beiden Differenzen + 14,9%, resp. + 6%. n 3. Betrachte ich auch die flachgedrückten (pleurorrhizen) Samen als zur Windverbreitung geeignet, so beträgt die Differenz zu Gunsten der alpinen Arten, resp. der in die alpine Region steigenden: 27,5, resp. 169),. Unter den Arten „ohne Verbreitungsmittel“ sowie unter denen mit „flachen Samen“ sind auch inbegriffen die mit Schleuderfrüchten und Häkelfrüchten. Von diesen steigt aber keine in die alpine Region 46 Schleuderfrüchte 6 Sp. = 5,2°%),: 4 Dentarien und Cardamine impatiens. Häkelfrüchte 2 Sp. = 1,7%: Coronopus Ruellü, Bunias Erucago. 4. Saxifragaceen. Die Samen sämmtlicher Saxifragen sind so klein, dass sie durch stärkere Winde jedenfalls leicht verbreitet werden. Durch ihre meist spindelförmige Gestalt sind sie zudem sehr geeignet in Spalten und Ritzen einzudringen. Und wir sehen auch in der That die Saxifragen als die typischen Felsenpflanzen. Von eigentlichen Verbreitungsmitteln kann bei den Saxifragen nicht gesprochen werden, doch lassen sich zwei Gruppen als der Windverbreitung besser angepasst ausscheiden: 1. Die mit Wärzchen versehene Oberfläche bietet der Windwirkung eine grössere Angriffs- Näche dar; hieher 9 Sp.: Sax. oppositifolia, caesia, diapensioides, aizoon, Vandellii, aizoides, aspera, stellaris, cernua. 2. Samen ohne Wärzchen aber sehr klein, unter 0,5 mm Max.-Durch- messer (5 Sp.): Sax. adscendens, androsacea, exarata, Seguieri, muscoides. Die übrigen 6 Sp. sind am schlechtesten ausgerüstet: Sazxifraga biflora (1 mm), retusa (1,2 mm), macropetala (1 mm), moschata (0,6 mm), aphylia (1 mm), pedemontana (?). Die 8 nieht alpinen Arten der Schweiz: Sax. mutata, tridactylites, granulata, bulbifera, Hirculus, rotundifolia, Cotyledon, cuneifolia ge- hören alle zur Gruppe 1. Wenn ich nur die Arten der Gruppe 1. und 2. als an Windverbreitung angepasst betrachte, sind demnach die alpinen Arten im Nachtheil. Es entfallen auf ein Total von 28 Sp. 22 oder 78,6°), angepasste; auf 8 nicht alpine Sp. 8 oder 100°), angepasste und auf 20 alpine Sp. 14 oder 70°), angepasste, also eine Differenz von 30°), zu Ungunsten der alpinen Arten. Zu den Saxifragaceen zählen Schinz und Keller noch die Gattungen Chrysosplenium (2 Sp.) ohne Verbreitungsmittel, Parnassia palustris, mit sehr leichten, kleinen Samen (0,083mg Kerner) und Ribes 4 Sp. mit durch Vögel verbreiteter Beerenfrucht,. Von diesen steigen in die alpine Region überhaupt Chrysospl. alternifolium, Ribes petraeum und Parnassia palustris. Die letztere ist bemerkenswerth dadurch, dass ihre kleinen Samen noch durch eine lose Epidermis in ihrem specifischen Gewicht erleichtert und dadurch besonders flugfähig gemacht werden. Damit hängt wohl auch ihre weite Verbreitung vom Thal bis in die nivale Region zu- sammen, die allerdings auch klimatisch erleichtert ist durch den Hygrophytismus der Art. 47 5. Rosaceen. Die alpinen Rosaceen besitzen nur drei Arten mit sehr aus- gesprochener Anpassung an Windverbreitung: Dryas; Sieversia mon- tana und veptans, deren Haarschweif ein ausgezeichnetes Flugorgan bedeutet. Als Verbreitungsmittel betrachte ich aber auch die die Frucht lose umschliessende Cupula der Gattung Alchimilla, die zu- sammen mit dem als Fallschirm wirkenden Kelch das speeifische Ge- wicht bedeutend heruntersetzt. Die Früchte der Vertreter der Gattungen Potentilla und Sibbaldia sind also allein ohne Verbreitungsmittel, doch sind auch diese so klein (1—1,5mm) und leicht (0,3—0,4 mg), dass Windtransport keine grossen Schwierigkeiten findet. Da die Variation in Bezug auf Verbreitungsmittel innerhalb der besprochenen Gattungen sehr gering ist, kann eine statistische Zusammenstellung nicht sehr klare Resultate geben. Trotzdem lasse ich die Zahlen hier folgen. | Gesammtz, d. Spee. | Nicht alp. Spee. u Alp. Spec. Total! w. | 0, ! Total! w. | 0), | Total] w. | 9, Drys ....l ıl ı wi - | - I la ı | 10 Sieversia . . . 2 | 2 .w| — - | - 2 2 | 100 Potentilla. . . | 38 | 30) 91] 28 s ls | - I - Alchimilla. . . | 11 ; 11 | 100 9 so | 2 2 | 100 Sivaldia .. | ı | I ı !ı _ı “ Bu HE Kl Total ı as ı m I al ar le a7 lu | 5 |a5565 Also auch hier immerhin noch eine Differenz von 12,8°/, zu Gunsten der alpinen Arten. Interessantere Resultate ergeben sich, wenn ich die verschiedenen Verbreitungsmittel der gesammten Familie der Rosaceen heran- ziehe. Wir finden dabei Anpassungen an sämmtliche bei uns normal in Betracht kommenden Verbreitungsagentien, und zwar: 1. an Thiere: a) kleine fleischige Früchte, speziell durch Vögel verbreitet, z. B. Cotoneaster, Sorbus, Rosa, Prunus;, b) grosse fleischige Früchte, hauptsächlich durch Säugethiere verschleppt: Pirus; ce) Häkel- einrichtungen: Geum und Agrimonia. 2. an Wind die besprochenen ; ferner Flügelbildung bei Sangui- sorba muricata; staubförmige Samen bei Aruncus. 3. an Wasser: schwammiger Fruchtträger von Potentilla palustris. 1) Potentilla alba, caulescens, petioluta mit zottig behaarten Früchtehen. 48 In Zahlen ausgedrückt ergeben sich folgende Verhältnisse: . I. Nicht alpine Species - i Nicht alpi _ _ . Total in Total der |nicht in; indiealp. Alpine der alp. Species | Total d.alp.Reg.| Region Species Region | steigend | steigend 1(a-+b) Vögel oder %, %, %o %o lo Säugethiere . | 87 60 | 87 64,9 | 82 71,31 5 26,3 —_ 5 16,7 lc häkelnd.. . .| 4 28/4 80|7|88 26) 1 58 —-— 1133 Total an Thiere 91 62,8 | 91 67,9 | 85 73,9 | 6 “| 00 | 6 20 3. Wasser. „. .| 1068| 1 071- — 1058| — 1838 Total | 92 638,4 | 92 68,6 | 85 73,9 | 7 36,9 — 1.7 23,8 Wind: a) Haare .| 6 A1| 3 2028| 3 261 — — 3 27,3 18 3 10 b) Füge... .| 106) 1 0711 981 —- — _ e) Gering. sp. Gew. | 11 7,6| 9 6,7| 1 0,9) 8 42,1| 2 18,2 | 10 33,8 d) Staubförmig. .| 3 21) 8 2838| 3 28|1— — - | —- Total Wind | 21 14,4 | 16 18,0 | 8 70) 8 421 er 5 A5,5 | 13 43,8 Ohne Verbreitgsm. | 32 22,1 26 19,4 | 22 19,1 | 4 21,0 | 61545 | 10 33,3 Total |145 1184 115 19 u | 30 Das Haupigewicht ist auf folgende Punkte zu legen: 1. Trotz- dem von der Gesammtmenge der Rosaceen 91 Sp. oder 62,8°/, der Verbreitung durch Thiere angepasst sind, finden sich Verbreitungs- mittel dieser Art bei keiner alpinen Species. Die Differenz zwischen alpinen und nichtalpinen Species beträgt also 67,9%, zu Gunsten der letzteren. 2. Es steigen relativ nur wenige an Thierverbreitung ange- passte Species überhaupt in die alpine Region. Die Differenz im Procentsatz beträgt zwischen den die alpine Region nicht erreich- enden und den über die Baumgrenze steigenden 58,9%, zu Gunsten der ersteren. 3. In der Anpassung an Windverbreitung zeigen sich die Verhältnisse umgekehrt. Hier beträgt die Differenz zwischen nichtalpinen und alpinen 32,5°/,, zwischen nicht in die alpine Region steigenden und den in derselben vorkommenden 35,3%, je zu Gunsten der letzteren. 6. Umbelliferen, Die Umbelliferen zeichnen sich durch relativ grosse und schwere Früchte aus und da, wo nicht besondere Anpassungen dazu kommen, dürfte der Windtransport ziemlich schwierig sein. Es ist deswegen bemerkenswerth, dass von den 88 schweizerischen Umbelliferen nur sieben alpin sind, 49 Als Verbreitungsmittel in Anpassung an den Wind be- trachie ich: 1. Die fachgedrückte, schuppenförmige Gestalt des ganzen Frücht- chens mit bleibenden Kelchzähnen bei Eryngium alpinum. 2. Die in häutige Flügel ausgezogenen Rippen von: Bupleurum stellatum, Ligusticum mutellina und simplex, Laserpitium panax. Ohne Verbreitungsmittel sind demnach nur: Bupl. vanunculoides und Athamantha hirsuta. Die nicht alpinen Arten der besprochenen fünf Gattungen zeigen folgendes Verhalten: Eryngium campestre nach gleichem Typus ge- baut wie Er. alpinum; aber viel stärker mit seitlichen Zähnen be- waffnet, so dass jedenfalls Anhäkelung an Thiere in Betracht kommt. Die Gattungen Laserpitium und Ligusticum zeigen keine Differenzen ; bei Bupleurum entsprechen die Arten der Ebene dem Typus von B. ranunculoides. Statistische Zusammenstellung. Total der Species | Nicht alp. Spec. I Alpine Spec. Total | W. 0, ; Totalı W, %, | Total| W. % Eryngium. . . 2 1 | 50 1l- | - 1 ı 100 Bupleurum 5 1, 20 8 _ _ 2 1 50 Athamanta 1 — — _ — | 1 _ _ Ligusticum 4 4 |100 2 2 100 2 2 100 Laserpitium . 5 5 /100 4 4 100 | 1 ı 100 Ttl|ı vl ulezieole Iool | 5 | 714 Also eine Differenz von 11,4%, zu Gunsten der alpinen Arten. Bei Berücksichtigung der ganzen Familie der Umbelliferen finden wir noch folgende weitere Arten von Verbreitungsmitteln : 1. als Anpassung an den Wind: Herabsetzung des speecifischen Gewichts durch Bekleidung der Früchtehen mit blasigen Schuppen bei Astrantia; 2. als Anpassung an vorbeistreifende Thiere: die Häkel- und Kletteinrichtungen von Eryngium alpinum, Anthriscus vulgaris, Torilis, Caucalis, Orlaya und Daucus. Auch hier finden wir unter denjenigen mit häkelnden Früchtchen keine einzige alpine Art; zudem steigt auch keine derselben über- haupt in die alpine Region. Flora, Ergänzgsbd, 1901, 4 50 Tabellarisch zusammengestellt ,‚ erhalten wir: Nicht alpine Species Gesammt- | — . Veberhpt. zahl der | |nichtin d.| in die Alpine in der alp. Species | Total |alp. Reg.ialp. Reg. Species Region | steigend | steigend Wind: Flügelbildg. | | u. herabges. sp.&w.|33 86,70/,128 33,70/28 31,50.) 5 500,15 71,40/,,10 53,80), Thiere: häkelnd . |11 12,2 111 13,3 11 151 .-— 00 |— v0 |- Ohne Verbrigsm.. 146 51,1 44 58 139 58,4 |5 50 2 28,6 |7 412 Total |90 [83 73 110 7 17 Ausser dem schon erwähnten Umstand, dass trotzdem im Ganzen 12,2%, der Umbelliferen mit Häkeleinrichtungen versehen sind, keine dieser Arten in die alpine Region steigt, sind folgende zwei Punkte hervorzuheben: Die Differenz im Procentsatz der an Windver- breitung angepassten Species beträgt zwischen den nicht alpinen und alpinen, resp. zwischen den die alpine Region nicht erreichenden und den dieselbe erreichenden: 37,7], resp. 27,3°],. 7. Primulaceen. Die Primulaceen, wenigstens die besprochenen Gattungen, sind in der Hauptsache Hochgebirgspflanzen. Soldanella und Gregoria be- sitzen bei uns keine Vertreter in tiefern Lagen. Für Primula und Androsace mögen folgende Zahlen von Blanc und Deerock (37) für sämmtliche Gebirge erwähnt werden: Primula besitzt überhaupt nur 11 Species in der Ebene, gegen die Höhe steigt die Zahl sehr schnell, noch unter 2000m findet man schon 77, von denen wieder der grösste Theil noch höher hinaufgeht, so dass zusammen mit denen, die ihre untere Grenze über 2000m haben, die höhern Regionen 127 Species aufweisen, Von der Gattung Androsace bewohnen von 58 Species acht die Ebene; unter 2000m 34; über 2000m 40. Die besprochenen Arten sind alle nicht arktisch. Ziehen wir auch die sonst in den Schweizeralpen vorkommenden Species in Be- tracht, so erhalten wir drei arktisch-alpine (der besprochenen Gat- tungen), nämlich Primula farinosa, Androsace chamaejasme, Andr. septentrionalis. ” Scharf ausgeprägte Verbreitungsmittel fehlen den Primu- laceen; als Ausstreuvorrichtungen functioniren die am obern Ende aufspringenden, vor der Reife sich aufstellenden Kapseln. Die Samen 51 der Gattung Primula und Soldanella sind relativ klein und leicht; sie erreichen höchstens 1,5 mm Durchmesser und 0,26mg Schwere; sie sind also noch leicht für den Wind zu transportiren. Weniger Be- deutung mag der Wind haben für die Gattung Androsace mit einer Samengrösse von 2--3mm und einem Gewicht von 0,73mg. Immer- hin ist natürlich auch hier Windtransport als möglich anzunehmen. Bei der grossen Einheitlichkeit, die innerhalb der besprochenen Gattungen herrscht, ergibt eine statistische Zusammenstellung mit den Arten tieferer Lagen natürlich keine Resultate. Doch muss auf einen andern Punkt hier noch die Aufmerksamkeit gelenkt werden. Wie gezeigt, sind diese Primulaceen alle endemisch-alpin; also haben sie sicher auch ihren Ursprung in den Alpen genommen. Be- steht nun ein Zusammenhang zwischen dem Fehlen der Verbreitungs- mittel und diesem Beschränktsein aufs Hochgebirge? Ich werde unten näher auf diese Frage eintreten. Hier nur kurz Folgendes. Wenn wir annehmen, die Primeln haben schon vor und während der Eiszeit die höchsten Gipfel unserer Berge bewohnt, sie seien mit dem Eis thalwärts gewandert, so stellt sich sofort die Frage: Warum haben sie sich hier nieht mit den nordischen Arten vermischt und sind beim Rückzug der Gletscher nicht auch in grösserer Zahl nach Norden gewandert, wie andere Gattungen? Berücksichtigen wir, dass die be- sprochenen Arten alle streng alpin sind und dass sie keine Verbrei- tungsausrüstungen besitzen, die ihnen den Transport auf weite Distanzen ermöglichen, so müssen wir annehmen, dass zwischen den von den Alpen und von Norden ins deutsche Tiefland herunterreichenden Eiszungen noch ein Streifen für diese Primeln unbewohnbares Land bestand so breit, dass der Wind die schlecht 'ausgerüsteten Samen nicht so weit zu tragen vermochte. Wenn diese 'hatsache auch nicht zur vollständigen Erklärung genügt, so bildet sie doch dabei einen wesentlichen Factor. Die Wahrscheinlichkeit wächst noch, wenn wir beachten, dass die beiden alpin-nordischen Andro- sacen: septentrionalis und chamaejasme entweder ganz den tiefern Lagen angehören oder doch viel tiefer herabsteigen und dass Primula Jarinosa, die einzige alpin-nordische Primula, überall im Mittelland auf Mooren vorkommt und zudem bei einem Samengewicht von nur 0,07mg der Verbreitung viel besser angepasst ist, als ihre Schwester- arten. 8. Gentianaceen. Die vielsamige, sich am oberen Ende öffnende Kapsel dient auch hier als Ausstreuapparat. Als Verbreitungsmittel sind zu betrachten: 4% 52 1. Die Flügel der Section Coelanthe: G. pannonica, punctata und purpuren. 2, Ausserordentliche Kleinheit der Samen bei: Gent. nivalis und tenella und Pleurogyne carinthiaca. Die fünf übrigen Gentianen: Gent. bavarica, brachyphylla, vulgaris, alpina wären demnach ohne Verbreitungsmittel; doch erreichen auelı sie keine so bedeutende Grösse, dass ein Windtransport nicht mehr leicht möglich wäre. Von den Gentianen der tieferen Lagen besitzen geflügelte Samen: G. pneumonanthe, asclepiadea und lutea,; die übrigen 14 Arten sind ungeflügelt und übertreffen an Grösse bedeutend G@. nivalis und tenella. Statistische Zusammenstellung. Total der Species | Nicht alpine Spee. | Alpine Species Total | W. | 9 | Total] W. | 9 | Total W. | © Gentiana ... m | ss | wel wm s|ız|lw|5 15% Pleurogyre . . 1 1,100 _ _ — 1 1 100 Total | 28 | 9 | 3111| 77 s az u 6 54,5 Es ergibt sich also wieder eine Differenz zu Gunsten der alpinen Arten von 36,8°),. Ausser den eigentlich alpinen Arten sind in der alpinen Region noch folgende Gentianen beobachtet: Gent. asclepiadea (W), Iutea (W), utriculosa, eruciata, campestris und verna, also zusammen 16; davon an Windverbreitung angepasst 5+2==7 Sp. oder 43,8°),; gegen 29,6°/, bei der Gesammtzahl der Arten’ und 9,1%, (1 auf 11 Sp.) bei den die alpine Region nicht erreichenden. Für die ganze Familie der Gentianaceen erhalten wir mit Rücksicht auf die Anpassung an Windverbreitung folgende Zahlen: Nicht alpine Arten Gesammt- . Total in zahl der nichtind. [indie alp.! Alpine | go. alp. Arten Total |alp. Reg.| Region | Arten Region steigend | steigend Flügel. . .....|720,60/,| 4 17,401 2 12,500) 2 28,6%) 3 27,20),| 5 27,8%), Sehr kleine Samen | 7 20,6 4 17,4 4 25 —.— 3 27,2 3 16,6 | Total a. W. ang. |14 41,20/,| 8 34,80),| 6 37,504 2 28,60/,| 6 54,50/,| 8 44,40], Ohne Anp. |20 58,8 15 652 |10 625 |5 714 |5 45,5 |10 55,6 Total 34 28 16 7 11 18 58 Wir haben also auch hier wieder das schon öfter oonstatirte Re- sultat: ein bedeutendes Vorherrschen der an den Wind angepassten bei den alpinen Arten, resp. den in die alpine Region steigenden, und zwar eine Differenz von 19,7 resp. 9,9°|,. ’ 9. Campanulaceen. Die alpinen Gattungen der Oampanulaceen besitzen alle vielsamige, häutige Kapseln, mit sehr mannigfaltigem Modus des Aufspringens. Im Allgemeinen gilt: Die aufrechtstehenden Kapseln springen am distalen Ende auf, die hängenden am proximalen. So ist bei allen die Function als Ausstreuvorrichtung gegeben, indem nie alle Samen zugleich herausfallen, sondern nur bei stärkerer Erschütte- rung nach und nach sich die Kapsel entleert. Von eigentlichen Verbreitungsmitteln kann bei den Camp. nicht gesprochen werden; die rudimentären Ränder an den Samen einzelner Arten haben kaum eine Bedeutung. Dagegen sind die Samen sehr klein und leicht. Die Phyteuma-Arten 0,5 —1,2 mm ]g., bei einer Breite von 0,1—0,5 mm; Campanula zwar etwas grösser, dafür aber flachgedrückt. Selbst die relativ grossen Samen von Camp. thyrsoidea erreichen das Gewicht von ?/w mg nicht. Wegen des sehr einheitlichen Baues der Samen in der ganzen Familie lässt sich ein statistischer Vergleich mit den Arten der tieferen Lagen nicht durchführen. Es sei aber auf Folgendes auf- merksam gemacht. Von den 9 Sp. der Gattung Phyteuma sind fünf alpin, aber auch die übrigen vier steigen bis weit in die alpine Region hinauf. Wir haben also wieder eine streng alpine Gattung vor uns, von deren Arten zudem keine in der Arktis vorkommt. Uebrigens sind auch die alpinen Vertreter der Gattung Campanula in der Haupt- sache nicht nordisch; nur Ü. Scheuchzeri erreicht im Norden eine grössere Ausdehnung und C. barbata findet sich auch in Skandinavien. Es mögen hier ähnliche Verhältnisse in Betracht kommen, wie bei den Primulaceen. 10. Compositen. Die Compositen sind diejenige Familie, die wohl am meisten an Windverbreitung ausgezeichnet angepasste Arten besitzt. Daneben finden sich auch Anpassungen an Thiere, hauptsächlich Kletteinrich- tungen. Eine einlässliche Besprechung der Verbreitungsmittel kann ich mir ersparen; ich verweise auf die Arbeiten von Kronfeld (19), Bentham (8) und Andern. 54 Ich gebe nur eine kurze Uebersicht der in der Schweizer Flora vorkommenden Verbreitungsmittel: A. Häkel-undKletteinrichtung; Verbreitungsagens Säuge- thiere und Vögel. a) Pappus aus rückwärts rauhen Grannen als Klettorgan: Bidens. . b) Ganze Köpfchen mit Häkchen klettend: Xanthium und Lappa. B. Anpassungen an den Wind. a) Fallschirmartiger Pappus: Bei der grossen Mehr- zahl der Arten. (Hierher noch als specieller Fall der leicht sich loslösende Pappus bei Cirsium.) b) Flügelbildung an den Achänien in Verbindung mit breitem Kelehsaum: Anthemis tinctoria. (Der schmale Kelchrand bei den Chrysanthemum-Arten kann kaum als Verbreitungsmittel in Betracht kommen. Flügelbildungen finden sich auch bei den Randfrüchtehen der Gattung Achillea.) c) Achänien flachgedrückt, klein: Achilles und Bellis. d) Achänien klein, bleibende Blumenkrone als Flugnoth- behelf: Chrysanthemum. Die grösste Bedeutung kommt natürlich dem Pappus zu. Wenn er auch in der Hauptsache Flugorgan ist, so dient er doch auch secundär oft als Klettorgan und Schwimmorgan. Vgl. namentlich Kronfeid (19). Die besprochenen alpinen Arten vertheilen sich folgendermaassen auf die einzelnen Kategorien: A. Klett- und Häkelfrüchte — fehlen. B. a) Pappusfallschirm: Oentaurea nervosa; Aster alpinus; Erigeron alpinus und uniflorus,; Antennaria carpathica; Leontop. alpin.; Gnaphalium 3 Sp.; Crepis 8 Sp.; Adenostyles leucophylla; Teontodon 3 8p.; Aronicum scorp. und Clusü; Senecio 4 Sp.; Hieracium 9 Sp.; Saussurea alpina und lapathif.; Cirsium spinosissimum. Total 39 Sp. b) geflügelte Achänien: Randfrüchtehen der Achilleen. c) flachgedrückte Achänien: Achillea nana, moschata und atrala. d) bleibende Blumenkrone: Chrys. alpinum und atratum. Ohne Anpassung an Windverbreitung bleiben demnach nur die Artenisien: A. spicata, mutellina, nana, glacialis. 55 Ein statistischer Vergleich mit den Arten der Ebene inner- halb der besprochenen Gattungen bleibt ohne Resultat, weil nur bei der Gattung Cenfaurea überhaupt Differenzen vorkommen. Berücksichtige ich die ganze Familie, so ergeben sich folgende statistische Zahlen: | — — Nicht alpine Arten | Total Total in der nicht in d.|in die alp., Alpine g., alp. Arten Total alp. Reg. Region | Arten | Region | steigend | steigend | dp | 0 Urn Yo UN % Pappus-Fallsch. . |222 79,01183 78,5 142 75,9| 41 89,1, 39 81,3| 80 85,1 Gefl. Achänien.. . 2 08| 2 09, 2 wa Kleine,flache Achän. 13 4,6510 48| 6 32 4 87 3 62T 14 1 3 Kl,mitblar.Blumenk| 7 2325| 5 231: 4 2,1 3,2 244 86,9'200 85,8 154 82,3| 46 100 | 44 91,7| 90 95,7 Klettend. ... 2 422 5iı2 lo lo 1-0 Öhne Anpassung . . 25 89:21 9021 11,2] 4 83442 Total 1281 ‚238 187 | 46 | 48 ı 9 Trotzdem im Ganzen 79°/, unserer Compositen Pappus be- sitzen, ergeben sich doch folgende Differenzen: Vorsprung der alpinen über die nicht alpinen 2,8%,; Vorsprung der in die Alpenregion steigenden gegenüber den dieselbe nicht erreichenden 9,2°|,. Sehr frappant ist auch die Differenz von 18,2°%, zwischen den nicht in die alpine Region steigenden und den in die alpine Region steigenden nicht alpinen Arten. Für die Gesammtheit der Anpassungen an den Wind sind die Differenzen etwas ausgesprochener: 5,9°, zwischen nicht alpinen und alpinen; 13,4°, zwischen nicht die alpine Region erreich- enden und Arten der alpinen Region; 17,7°/, zwischen den beiden Gruppen der nicht alpinen Arten. Trotzdem 4°, der Gesammtartenzahl Klettausrüstung besitzen, fehlen diese nicht nur unter den alpinen Arten, sondern überhaupt in der alpinen Region vollständig. Es gilt also auch für die Compositen, was ich schon mehrmals con- statirt habe, die Anemochoren nehmen gegen die Höhe zu, die Zovu- choren gehen zurück. IH. Zusammenfassung. Von den besprochenen alpinen Arten entfallen auf die oben gegebenen Hauptkategorien der Verbreitungsmittel Vertreter folgender Gattungen: I. Haarförmige Bildungen: 50 Arten aus den Gattungen: 58 Anemone; Sieversia, Dryas; Oentaurea, Aster, Erigeron, Antennaria, Leontopodium, Gnaphalium, Cre epis, Adenostyles, Leontoden, Aronicum, Senecio, Hieracium, Saussurea, Oirsium. “I. Flügelbildungen: 22 Arten aus den Gattungen: Dianthus, Heliosperma, Alsine; Ranunculus, Anemone, Delphinium; Cardamine, Arabis, Alyssum; Eryngium, Bupleurum, Ligusticum, Laserpitium; Gentiana; (Achillea). III. Herabgesetztes specifisches Gewicht: 5 Arten aus den Gattungen: Cerastium und Alchimilla. IVb. KleineSamenmitvergrösserter Angriffsfläche: 14 Arten aus den Gattungen: Cerastium, Alsine, Gypsophila; Sazxifraga. IVa und ce. Kleine Samen und klein-flachgedrückte S.: 41 Arten aus den Gattungen: Alsine, Arenaria, Viscaria,; Arabis, Cardamine, Draba, Thlaspi, Petrocallis; Saxifraga; Gentiana, Pleuro- gyne; Campanula, Phyteuma; Achillea, Chrysanthemum. V. Fleischige Früchte und VI. Häkelfrüchte: ohne Vertreter, VII. Transport durch Ameisen: 1 Art: Moehringia ciliata. VII. und IX. Durch Wasser verbreitete Früchte fehlen. 54 Arten sind ohne Verbreitungsmittel, und zwar aus den Gattungen: Silene, Alsine, Arenaria; Ranunculus, Thalictrum, Aquilegia; Saxifraga; Potentilla, Sibbaldia; Bupleurum, Athamanta; Primula, Gregoria, Androsace, Soldanella; ; Gentiana,; Artemisia. Stelle ich die bei der Vergleichung innerhalb der einzelnen Gattungen gefundenen Zahlen nach den Familien in eine gemeinsame Tabelle zusammen, so ergibt sich: Total der Arten Nicht alp. Arten Alpine Arten Total| W. | 9, |Total| W. | 9, |Totaı| W. | % Caryophylliaceen 60 36 | 60 37 20 | 541| 23 16 | 69,6 Ranunculaceen . | 54 | 15 | 27,8| 37 6 | 122 7 9 | 52,9 Cruciferen!).. . | 47 16 34 27 10 | 37 20 6 30 Saxifragaceen . | 28 | 22 78,61 8 8 1100 20 14 70 Rosaceen . | 48 17 | 354! 37 12 |, 3237 1 5 | 45,5 Umbelliferen. . | 17 1 | 6847| ı0 6 | 7 5 714 Primulaceen . . | 26 _ _ 11 —_ _ 15 _ — Gentianaceen . | 28 9, 311) 17 sl u 6 | 545 Campanulaceen , 28 28 | 100 17 171100 11 11 | 100 Compositen . . | 183 | 170 | 9288| 185 | 126 | 98,8 | 48 4 | 91,7 Total | 519 | 324 | 82,4 | 336 | 208 | 61,9 | ı83 | 116 | 63,4 1) Bei den Cruciferen nur die geflügelten Samen als angepasst gezählt. 57 Das Resultat liegt also in der schon mehrmals betonten Richtung dass die alpinen Arten einen grösseren Procentsatz anemochorer be- sitzen, doch ist die Differenz hier ausserordentlich gering, nur 1,5%,. Die Kleinheit der Differenz erklärt sich aus folgenden Punkten: 1. Ich habe bei den Cruciferen nur die mit Flügeln versehenen als angepasst aufgefasst. 2. Bei der verhältnissmässig geringen Gesammt- zahl von 183 drücken die 15 Primulaceen das Resultat der alpinen stark herunter. — Wir können mit einer gewissen Berechtigung die- jenigen Familien, bei denen gar keine Differenzen in der Anpassung vorkommen, also Primulaceen und Campanulaceen ausschliessen von der Summe; dann erhalten wir bei den nicht alpinen 62,0°|,, bei den alpinen 66,9°,, also immerhin eine Differenz von 4,9°/, zu Gunsten der. letzteren. Es muss dazu bemerkt werden, dass bei so kleinen Zahlen der Zufall eine Rolle spielt, da schon wenige Species genügen, um das Resultat nicht unbedeutend zu modificiren. Zuverlässiger sind des- halb folgende auf den ganzen Familien der Caryophyli., Ranunc., Crueif., Saxifrag., Rosae., Umbellif., Primul., Gentian., Campanul. und Compositen beruhende Zahlen. | Nicht alpine Arten Total Ueberhpt. der nicht in d.| in die alp. Alpine in der Arten Total |alp. Reg.| Region Arten Alpenreg. steigend | steigend A. Wind. 9 %, 9% %o | %o %o I. Haarbildung . |242 25,8 192 25,2|149 24,7| 43 21,9 | 50 26,2| 93 27,3 IL Flügelb. . .\94 9972 98|57 96115 97/22 11,8| 37 18,8 II. Geringessp.Gw. 20 21115 20| 4 07 11 115 23616 47 Summa 1--III |356 37,8/279 87,0 1210 .35,0| 69 44,71 77 40,6 146 42,8 IV.b) Kl. v. A. . | 30 3,2| 16 2,1| 11 2,0 5 3,2, 14 7,5 19 5,6 IV.a-+c) Klein . 138 14,6| 97 123,8| 70 ı1,4|27 17,5) 41 21,9| 68 19,9 Total W. |524 57,6 1392 51,9|291 48,41101 65,4| 32 70,0|233 68,3 B. Thiere. V. Fleischige Fr. | 89 94/89 11784 1838| 5 32|1—-— -|5 15 VII. Häkelfrüchte | 33 35)3 44392 5383| 1 071- —|1 05 Total T. 1122 12,9 122 161 116 91 6 39: —- —|6 18 Ohne Anp. . . .|298 31,62438 32,11196 32,5) 47 30,5 55 29,7j102 29,9 Total d. Anp. |944 757 603 154 187 341 Zu vergleichen sind: 1. Rubrik 2 mit Rubrik 5: die Differenzen sind bei den verschie- denen Arten der Anpassung an Wind durchaus gleichsinnig, zu Gunsten 58 der Rubrik 5; Anpassungen an Verbreitung durch Thiere fehlen der Rubrik 5. Die Differenzen betragen: für die scharf ausgeprägten Windanpassungen (I—III) + 3,6°),; für die Windanpassungen über- haupt + 18,1°%,; für die Anpassung an Thiere: — 16,1%,. 2. Rubrik 3 mit Rubrik 6: Hier gelten dieselben Beziehungen wie bei der Vergleichung von 2 und 5; die drei Hauptdifferenzen _ betragen + 7,8%, + 19,9%, — 17,3%. 3. Rubrik 3 mit Rubrik 4: zeigt dieselben Beziehungen, mit folgenden Hauptdifferenzen: + 9,7, + 17, — 15,2. In diesen Zahlen liegen auch die vorläufigen Hauptresultate meiner Untersuchungen; in Worten ausgedrückt lauten diese: Wie man auch die Vergleichung durchführt, sei es dass man die nicht alpinen den alpinen Arten, oder die nicht in die alpine Region steigenden den in derselben vorkommenden Arten, oder endlich, unter Ausschluss der alpinen, die die alpine Region nicht erreichenden und die in dieselbe hinaufsteigenden Arten — einander gegenüber- setzt: immer zeigt sich folgende Gesetzmässigkeit: Der Procentsatz der anemochoren Arten nimmt mit der Höhe zu, der der zoochoren ab. Dieses vorläufige Resultat weiter auszuführen und seine Bezieh- ungen zu den übrigen biologischen Verhältnissen der Alpenpflanzen zu beleuchten, wird die Aufgabe des zweiten Theils dieser Arbeit sein. Als Anhang stelle ich hier noch eine Anzahl Gewichte kleiner Samen zusammen, nach der Schwere geordnet. Die Mehrzahl beruht auf eigenen Wägungen (gewöhnlich 100 Stück). Mit * bezeichne ich die Kerner, mit * die Kronfeld') und mit *** die Harz entnommenen Zahlen. **Oephalanthera pallens 0,002 mg Gentiana nivalis 0,015 mg *Stanhopea oculata 0,003 mg * Semperviv. acuminata 0,02 mg *Monotropa glabra 0,003 mg Rhododendr. ferrugin. 0,025 mg *Pirola uniflora 0,004 mg (*0,02 mg) *Umbilicus erectus 0,006 mg Phyteuma Scheuchzeri 0,021 mg *Gymnadenia conopea 0,008 mg *Parnassia palustris 0,03 ıng *Orobanche ionantha 0,01mg ** Stenactis beilidif. 0,03 mg Sazifraga aspera 0,01mg * Sedum maximum 0,04 mg 1) BeiKronfeld (20) sind die Kerner entnommenen Zahlen von Sasnifraga izoon und Rhod, ferrug. irrthümlicher Weise 1Ofach zu yross eitirt; ebenso die Kronfeld (19) entnommenen Sfenactis, Erigeron nnd Hyperium, die in „Ver- breitungsm, der Comp.“ richtig angegeben sind, Phyteuma Michelli 0,04 mg Saxifraga aizoides 0,04 mg .- Ootyledon 0,04 mg **Erigeron canadense 0,05 mg Sazxifraga aizoon 0,06 mg *Hypericum mont. 0,07 mg *Lepigonum margin. 0,07 mg Primula Farinosa 0,07 mg Arenaria Marschl. 0,07mg Alsine verna 0,07 mg *Spiraea aruncus 0,08 mg Lychnis alp. 0,08 mg ***Papaver Rhoeas 0,083 mg *Veronica aphylia O,lmg 59 Cerastium alpinum 0,25 mg Primula auricula 0,26 mg *+* Reseda luteola 0,27 mg Draba aizoides 0,29 mg Erica carnea 0,3mg Potentilla multifida 0,31 mg Gentiana vulgaris 0,34 mg Ranunculus glacialis 0,35 mg Potentilla grandifl. 0,40. mg ***Quscuta Epithymon. 0,46 mg Gentiana purpurea 0,48 mg Sibbaldia procumb. 0,50 mg (*0,40 mg) Silene acaulıs 0,54 mg Gent. pannonic, 0,565 mg **+Oenothera biennis 0,645 mg Crepis aurea (ohne Pp.) 0,65 mg Gypsophyla repens 0,61 mg Silene valesia 0,105 mg Alsine liniflora 0,81 mg Öerast. latifol. 0,81 mg Aster alpinus 0,86 mg *+* Sjline venosa 0,92 mg Ligustie. simpl. (Thlfr.) 1,02 mg Saxifraga oppositif. 0,10 mg Silene alpestris 0,10mg Heliosp. quadrif. 0,12mg Campanula thyrs. 0,13mg _ 7 Scheuchzeri0,14 mg Draba incana 0,16mg Erigeron alpinum 0,19 mg Achillea nana 0,20 mg ‚drabis coerulea 0,24mg Soldanella alpina 0,24 mg C. Allgemeiner Theil. 1. Statistik der Verbreitungsmittel. Im ersten Theil meiner Arbeit habe ich für eine Anzahl Familien das Ueberwiegen der anemochoren und das Zurücktreten der zoochoren Arten in der Alpenflora statistisch nachgewiesen. Um sicherere Zahlen zu erhalten, habe ich auch die übrigen Familien in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen. Für den dabei eingeschlagenen Weg ver- weise ich auf die Vorbemerkungen zu der beiliegenden Uebersicht über die Verbreitungsmittel der schweizerischen Pha- nerogamen. Die sich daraus ergebenden Zahlenverhältnisse sind pag. 61 tabellarisch zusammengestellt. Zur Eintheilung der Tabelle sei bemerkt: Ich gruppire nach den oben aufgestellten Hauptgruppen der Verbreitungsmittel, die ich mit den entsprechenden Zeichen versehe. Für jedes Ver- breitungsagens ist die Summe besonders aufgeführt. Bei den An- 60 passungen an den Wind gebe ich noch extra die Summe der sicheren Verbreitungsmittel: Haare, Flügel, Herabsetzung des spe- cifischen Gewichts, um diese viel zuverlässigeren Zahlen nicht durch die doch der willkürlichen Taxirung mehr unterworfenen „kleinen Samen“ in ihrem Werth abzuschwächen. — An die Verbreitungsmittel reihe ich noch als besondere Kategorie die Schleuderfrüchte an, als die verbreitetste typische Ausstreuvorriehtung. — Unter der letzten Kategorie „ohne Verbreitungsmittel* sind auch diejenigen Arten mitgezählt, bei denen eine Entscheidung fraglich war (in der Beilage mit ? bezeielinet), Es gehören hierher hauptsächlich einige Sumpfpflanzen, die vielleicht durch Wasser, sowie einige Liliaceen, deren Brutknöllchen vielleicht durch Vögel verbreitet werden; also Fehler, welche das wesentliche Schlussresultat nicht beeinflussen. Die erste Rubrik enthält die Gesammtzahl der schweizerischen Phanerogamenspecies ; die zweite Rubrik die Gesammtzahl der nicht alpinen Arten; sie gibt die Summe der Rubrik 3 und 4 dieser Tabelle oder 2 und 3 der Beilage; die dritte Rubrik entspricht der Rubrik 2 der Beilage; sie enthält die überhaupt nicht in die alpine Region aufsteigenden Arten; die vierte Rubrik entspricht der Rubrik 3 der Beilage; sie enthält die in die alpine Region hinaufsteigenden Arten, die aber nicht eigentlich alpin im definirten Sinne sind; die fünfte Rubrik entspricht der Rubrik 4 der Beilage; sie umfasst die „alpinen“ Arten; die sechste Rubrik enthält die überhaupt in der alpinen Region gefundenen Species, also die Summe der Rubrik 4 und 5. die siebente Rubrik entspricht der Rubrik 5 "der Beilage; sie enthält die gesammten in der nivalen Region beobachteten Pflan- zen, ohne Rücksicht darauf, ob dieselben „alpin“ oder „nicht alpin“ seien. Die Procentzahlen sind jeweils berechnet auf die Gesammt- artenzahl der betreffenden Rubrik resp. Höhenquote. Sie dürfen auf Zuverlässigkeit Anspruch machen, da sie bei der relativ grossen Zahl von Arten durch etwa mit untergelaufene Irrthümer, sowie zweifelhafte Taxirungen der Verbreitungsmittel, kaum stark modificirt werden können. Es könnte die Frage mir entgegengehalten werden, ob es über- haupt gestattet sei, die Gesammtflora zu den statistischen Ver- gleichen zu benützen, da ja ganze Pflanzengruppen wegen ihrer ganzen Organisation nicht befähigt seien, in die Alpenregion hinaufzu- steigen. Hierher gehörten z. B. alle hochstämmigen Holzpflanzen, die 61 arme- igung ein, aber iese eine tigen W ist also doch Berecht üns Es 138e Arten, die nur unter besonders g . Ich räume diesem Einwand eine gew es sind folgende Umstände zu berücksichtigen: Wenn ich d iejenigen verhältnissen an bestimmten Schweizerstandorten noch fortkommen, z. B. seien am richtigsten, weil jede Willkürlichkeit ausschliessend, die gesammte Dabei ergäben sich sehr willkürliche Grenzen, wodurch die Zuverlässig- Flora der einzelnen Regionen zu vergleichen. die Flora der Walliser Felsensteppe oder die Mediterranflora des Tessins. keit der Zahlen bedeutend beeinträchtigt würde. andere an bestimmte Standorte gebundene ausschliessen, z. B. Parasiten; Pflanzengruppe ausschliesse, so muss ich consequenterweise auch ferner alle d schon durch die Definition der Alpenregion von dieser ausgeschlossen 098; 169 52 ve 269l Tel 9638 1907, BEE IF TFE BER g'aE 32T ‘SE HITL0'8E 109 | 8'98 EaL |B'ge grg | wärıgaey suyg vı ss 08 jEı Ss iur er Be #6 19% 601 O'S FIT | ° eIyonıjuepnegog vl eier vw ıR (sie 88 | XI+Ta | ıossen 'd ee we IT 68 iz 068 |6'#I 688 | T'EL 008 | saeryyg, tego, so 6 |so or |Eo Tr |° * wespuy 'IIA 2ı80 8 68 FIT ITS 917 URAMR-NEH IA Te 8rL ice car Ic er | a agogsayey 'A saoryL, siee 86T Fee Hgelg'sg Fol LH ZILlF'9E 184 6LE ERL ETF Lr6 | purq :jeıo] get 69 s/ar ııloilz EL \eıı 09 |8'6 99 ! OT 961 |SFTT 123 | ueweg ouıeıy "AL ge Fale/ce ITBgLE 6aLlF'rE za1\g9g Sa# |B'LZ 296 | ‘6a 919 | III TeloL Ir cıloa weise erlzo 22 ı6r 82 [Ts oor [6 er ‘9 ds Sqeaoy IM az er ler 18 lofrı Br lo'tı 68 |ei6 Br 96 BET For gez | "uspirgredngg IE sı v9 |F'sı 6zLleieı 89 |B'LT IA IP'ZL S6I |BEIL 698 |E'FT 238 | ° udpfIgassg I % %o 9 %o % Oo % pum 'Yy puowwoy DuoStegs | puadtegs zo PWUWON, yagıy | uordog | "day die) 1830] sarnodg "Sog uagaa| 08 301 ourdpe "die erp ur)'p urzyoru 1op -1u 20p un -uadiy'p'I yorguestg —| Toy SUHFBSÄUNNAIGIOA EUÜSCHEJ sdyzogan usjay ourdie Iyoın 'L Ki) ‘g 7 '& 'z I "ZIOMUOg IOp UEUOLBIY UauSPpoIyosıea uap ul ujo34twsdungrergiey UOA uEWWoyIoA sep ıoqn oLJege]L 62 Die wichtigsten Resultate des Vergleichs der verschiedenen Rubriken sind: 1. „Alpine“ Arten gegenüber „nicht alpinen“ (Rubrik 5 zu 2). Verbreitungsagens Wind: Ausgenommen Kategorie IH, überwiegt der Procentsatz der alpinen Arten den der nicht alpinen überall. (Die Umkehrung bei III ist zurückzuführen auf die Orchideen, bei denen 4 alpine Species 54 nicht alpinen gegenüberstehen.) Haupt- differenzen zu Gunsten der alpinen Arten: Kategorie I-IIHI + 9,7 °|,, Total anemochor (I—IV) -- 21,6 °),. Verbreitungsagens Thiere: Die zoochoren fehlen unter den alpinen Arten fast vollständig; ihr Procentsatz erreicht nur 2,3%), für nährstoffreiche Früchte, 0,6°%, für Häkelfrüchte und 0,3%, für Ameisenfrüchte, Total 3,2°%,. Differenz: — 11,7 9),. Verbreitungsagens Wasser: Nur bei 0,3°/, der alpinen Arten ist das Wasser normales Verbreitungsagens. Differenz —4,1°|,. Die Schleuderfrüchte treten ebenfalls sehr zurück, und zwar um 4,1°),. Ohne Verbreitungsmittel. Diese Zahlen zu vergleichen hat keinen Werth, da sie in Correlation stehen zu den Zahlen der übrigen Kategorien. 2. Alpenregion gegenüber tiefern Regionen: 6 zu 3. Die Resultate bewegen sich einheitlich im gleichen Sinn wie bei der vorigen Gegenüberstellung. Die Hauptdifferenzen zu Gunsten der Arten der alpinen Region betragen: Wind: (—-IUD) +9,3°%. Total+ 169,. Thiere: nährstoffr. Fr. — 5,5 %,; Häkel — 2,5 °),, Total — 8,3%. Wasser: — 0,8°/,. Schleuderfr. — 3,9 °],. 3. Nivale Region gegenüber alpine Region: 7 zu 6. Die Differenzen sind hier sehr gering und nicht in einheitlichem Sinne gerichtet. Hervorzuheben ist nur der weitere Rückgang der zoochoren und hydrochoren Arten. Es mag gleich darauf aufmerk- sam gemacht werden, dass dieses Resultat nicht sehr unerwartet ist. Eine wirkliche scharfe biologische Grenze besteht für die Höhen- regionen nur zwischen der subalpinen und der alpinen (Baumgrenze), während die nivale Region keine bestimmte untere Grenze hat. Die biologischen Bedingungen der alpinen Region gehen langsam über in die der nivalen. 4. In die alpine Region steigende gegenüber dieselbe nicht erreichende nicht alpine Arten; 4 zu 3, 63 Auch hier sind für den Wind als Verbreitungsagens die Diffe- renzen im gleichen Sinne gerichtet wie bei 1 und 2. Die beiden Differenzen betragen + 7,8 und 9,3%,. Für Anpassung an Thiere er- geben sich — 4,5, wobei aber zu beachten ist, dass der Procentsatz der Häkelfrüchte in beiden Rubriken fast gleich ist. 5. Alpine Arten gegenüber nicht alpinen aber indie alpine Region steigende: 5 zu 4. Man sollte erwarten, dass der Procentsatz der anemochoren in der 4. Rubrik grösser sei als in der 5. Ruhrik; dass dem nicht so ist, hat seinen Grund wohl darin, dass die untere Grenze der alpinen Region vielfach zerrissen ist, so dass zufälligerweise manche Art in die alpine Region gelangt. 6. Sprechend sind aueh folgende Verhältnisse: Von den Total 2294 Species sind eigentlich alpin 343 — 14,9 9], ; von den Total 947 anemoehoren Speeies sind eigentlich alpin: 204 oder 22,6 °|, (also Differenz gegenüber der Gesammtzahl + 7,7°|,); dagegen von den 800 zoochoren Species sind eigentlich alpin: 11 oder 3,7%, (also Differenz = — 11,6 9,) und von den 88 hydrochoren Arten sind eigentlich alpin: 1=1,1%, (Differenz — 13,6 %,). Von den Total 2294 Species kommen "überhaupt in der alpinen Region vor: 697 oder 30,4°],; von den 947 anemochoren Species kommen überhaupt in der alpinen Region vor: 366 oder 51,1°/, (Differenz also + 20,7%); dagegen von den 300 zoochoren Species kommen überhaupt in der alpinen Region vor: 50 oder 16,7°/, (Differenz — 13,7 %,) und von den 88 hydrochoren Species konmen überhaupt in der alpinen Region vor: 28 oder 26,1%, (Differenz — 4,3 %),). Von den nicht alpinen 1951 Species steigen bis in die alpine Region 254 oder 18,1, ; von den 743 anemochoren nicht alpinen Species steigen in die alpine Region: 162 oder 21,8%), (Differenz + 3,7 %),); dagegen von den 289 zoochoren nicht alpinen Species steigen in die alpine Region: 39 oder 13,4°!, (Differenz — 4,7 °,) und von den 87 hydrochoren nicht alpinen Species steigen in die alpine Region: 22 = 25°), Differenz + 6,9 °|,). Ausgenommen die letzte Zahl, zeigt sich überall für die anemo- choren eine positive, für die zoochoren und hydrochoren Arten eine negative Differenz gegenüber dem Mittel aus der Gesammtzahl. 64 Ergebniss: Durch diese Zahlen ist der am Schlusse des ersten Theils meiner Arbeit als vorläufiges Resultat aufgestellte Satz ge- sichert: Der Procentsatz der anemochoren Arten ist über der Baumgrenze bedeutend grösser als unterhalb der- selben; die zoochorenundhydrochoren Arten verhalten sich umgekehrt. 2. Die Verbreitungsagentien in der alpinen Region. Die Beziehung zwischen dem Vorkommen oder Fehlen von Ver-. breitungsmitteln und der Höhenlage kann nur eine indirecte sein, in- dem die von der Höhe direct abhängigen Factoren, speciell Tempe- ratur und Luftdruck, auf die Verbreitungsagentien einwirken. Die Verhältnisse der Verbreitungsagentien, ihre Differenz gegenüber denen der Ebene und die Beziehungen zu den für die Verbreitungsmittel gegebenen Zahlen darzustellen, ist die Aufgabe dieses Capitels. a) Wasser. Für die alpine Region fällt das stehende Wasser fast ausser Betracht. Da die kleinen Alpenseen einen grossen Theil des Jahres gefroren sind, und auch im Sommer das sie speisende Schmelzwasser selten eine höhere Temperatur erreicht, tritt die phane- rogame Wasserflora sehr zurück. Von eigentlichen Wasserpflanzen steigen in die alpine Region nur Potamogeton natans, pectinatus, prae- longus und filiforme, von denen wieder nur das letzte in der Schweiz eigentlich alpin ist). Auch die Sumpfpflanzen besitzen nur wenige Vertreter: Scheuchzeria, Triglochin und einige Carices. Damit ist natürlich das fast vollständige Fehlen von Schwimmsamen oder -früchten gegeben. Dagegen könnte man versucht sein, den Wildbächen für den Samentransport eine grosse Bedeutung zuzuschreiben. Die Stosskraft ist hier selbst bei geringer Wassermasse sehr gross und es ist selbst- verständlich, dass Samen, Früchte und selbst ganze Pflanzen, die zu- fällig ins Wasser gerathen, weit transportirt werden können: Doch spielt hier meist nur der Zufall mit; wir finden unter den Alpen- pflanzen keine, die irgendwie dieser Art des Transports als normaler angepasst wäre. Massart (24) sucht mit Recht die Erklärung dafür, dass das fliessende Wasser kein wesentlicher Factor für die Ver- 1) Nachtrag: Nach Overton (70 pag. 224) finden sich im Oberengadin über der Waldgrenze (2150 m n. Imhof) folgende Wasserpflanzen: Ranuneulus tricho- phylius (2580 m), Sparganium natans (?) (2350 m), Callitriche spec. (2306 m); Potamogeton rubellus (?) (2306 m), Hippuris vulgaris (2220 m). 65 breitung der Alpenpflanzen ist, darin, dass die Bäche und Flüsse der Alpen die Samen und Früchte zu rasch in eine klimatisch verschiedene Gegend bringen, während in der Ebene die Verbreitung in klimatisch gleichem Gebiete möglich ist. Es sind ja überhaupt nur wenige alpine Arten, die im Ebenenklima nicht sofort dem Concurrenzkampf unter- liegen. Nur wo sie die ersten Ansiedler sind, können sie sich länger halten, Spielt also auch normaler Weise das fliessende Wasser keine grosse Rolle als Verbreitungsagens, so lässt sich doch jederzeit seine Wirkung constatiren an den in den Flussdelten und Kiesablagerungen aufkeimenden alpinen Arten. Ich erinnere nur an die Alpenpflanzen im Linthdelta'), die Alpenpflanzen im Isargebiet bei München ete. Regenwasser als Verbreitungsagens kann in den Alpen auch in Betracht kommen, in Verbindung mit Hydrochasie. Diese spielt aber in unserer Zone schon in der Ebene nur eine ganz untergeord- nete Rolle. Hieher gehören einige Veronicaarten (v. Steinbrink 32), von denen Ver. arvensis, beccabunga und serpyllifolia bis in die alpine, die letzten zwei sowie Caltha palustris sogar bis in die nivale Region steigen. (Eine Zusammenstellung der bekannten Fälle siehe bei Ascherson [2]). In den Alpen ist das Wasser auch in fester Form als Schnee und Eis zu berücksichtigen. Es ist selbstverständlich, dass Samen und ganze Pflanzen mit den Lawinen zu Thal transportirt werden und hier wieder aufkeimen können. Ebenso wandern sie auf dem Rücken der Gletscher thalwärts. Doch kommt diese Verbreitungsart entweder nur local vor, oder sie geht so langsam, dass sie vernach- lässigt werden darf. Für die Lawinen gilt zudem das für die Wild- bäche Gesagte; sie führen die Pflanzen meist rasch in klimatisch andere Regionen. Anpassungen an Lawinen- und Gletschertransport dürfte man vergeblich suchen. — Die Gründe für das Zurücktreten ‘der hydrochoren Arten sind damit gegeben. b) Thiere. Es kommen für Pflanzenverbreitung hauptsächlich höhere Thiere, Säugethiere und Vögel, in Betracht. Vergleichen wir die Arten- und Individuenzahl der alpinen Region mit denen der Ebene, so können wir mit der Waldgrenze eine sehr bedeutende Ab- nahme constatiren. Fast ohne Leben erscheinen die oberen Regionen unserer Gebirge. 1) Nach Mittheilung von Prof, Schröter: Linaria alpina, Gypsophila repens, Astragalus ulpinus, Oxytropis campestris, Polygonum eiriparum; ferner an der Sihl: Ranuneulus montanus und die sonst auch höheren Regionen angehörenden Polygonat, verticillat, und Carex paniculata. Flora, Ergänzgsbä, 1901, 5 66 In der alpinen Region finden wir ausser dem Menschen und den ihm folgenden Hausthieren normalerweise nach Tschudy (96) haupt- sächlich folgende Säugethiere: Alpenfledermaus (Vesperugo Maurus) bis 2300 m; Marder, Iltis, Hermelin bis 2600 m, Wiesel, Eichhörnchen bis 2000 m, Hausmaus, Waldmaus, Feldmaus, Schneemaus bis in die Schneeregion, Alpenhase bis 2600 m, Murmelthier 1300— 2600; Alpen- fuchs, Gemsen bis 3000 m, Steinbock. Grösser ist die Artenzahl der Vögel. Zudem steigen wegen ihrer leichten Beweglichkeit viele Arten tieferer Lagen vereinzelt in die alpine Region, und zu Zeiten der Herbst- und Frühlingswanderung der Zugvögel kann die Individuenzahl grosse Dimensionen annehmen. Als in der alpinen Region noch brütend, also hier noch heimisch, erwähnt Tschudy: Buchfinken bis 2100m, Gartengrasmücken und Rothkehlchen bis 1920 m; Nusshäher bis 2750 m, Bergmönchmeise (Parus einereus montanus) bis 2300 m, Schneehuhn, Alpenflühlerche (Accenter alpinus) 1300—2100 m, Ringamsel, Schneekrähe bis 3200 m, Steinkrähe, Schneefink, Bachstelzen und einige andere. Dazu noch, jetzt allerdings selten, die Könige unserer Vögel: Lämmergeier (jetzt ausgestorben) und Steinadler. Sehen wir ab vom Menschen, dessen Cultur bis zu den höchsten Alphütten hinauf mit oder gegen seinen Willen eine Reihe Ubiquisten folgen, so müssen wir die Frage stellen: welche Bedeutung haben die höheren Thiere für die Verbreitung der Arten in der alpinen Region? Alle können den Transport vermitteln ohne Entgelt in ihrem Balg oder Gefieder; nur ein Theil besorgt den Transport gegen Darbietung von Nahrung. Für die Klett- und Häkelfrüchte ist das nothwendige Verbreitungsagens zwar gegeben, wenn auch be- deutend weniger häufig als in der Ebene, und doch finden wir unter den alpinen Arten nur zwei klettende: Poa minor und Curex sem- pervirens. In die alpine Region steigen von den 116 Species aller- dings 26, davon entfällt aber der grösste Theil auf Pflanzen der Weide (allein 16 Arten gehören zu den Gramineen oder der Gattung Carex), wo durch die Hausthiere die Möglichkeit des Transportes noch vermehrt wird. Ausserhalb der Weide ist die Bedeutung der Häkel- und Klettfrüchte für die Verbreitung sehr gering; erstens treten hier die Pelzthiere sehr zurück und zweitens darf dabei namentlich ein Punkt nicht ausser Acht gelassen werden: zur Verbreitung durch Häkel- und Klettfrüchte bedarf es nicht nur dieser Einrichtungen und des transportirenden Thieres, sondern auch noch der Möglichkeit, die Samen und Früchte wieder vom Pelz und Gefieder abzustreifen. a 7 67 Diese ist für die Säugethiere der tiefern Lagen gegeben beim Streifen durch hochstenglige Wiesen, für Säugethiere und Vögel beim Schlüpfen durch Busch und Wald. Diese treten aber in der alpinen Rögion sehr zurück oder fehlen ganz. Es überrascht also nicht, dass in der Alpenflora relativ wenig Klett- und Häkelfrüchte gefunden werden. Für die Verbreitung der nährstoffreichen Früchte kommen von den Säugethieren höchstens das Eichhörnehan und. die Mäuse in Betracht, die den „Arvennüsschen® im Verein mit dem Nusshäher eifrig nachstellen und dabei zugleich auch die Verbreitung besorgen. Der Nusshäher trägt nach Tschudy bis zu 40 Arvennüsschen in seinen Backentaschen fort. Er verpflanzt auch den Baum auf Fels- zinnen, wohin er auf keine andere Weise gelangen könnte (vgl. auch Eblin 48). Mehr Bedeutung hat auf den ersten Anschein die Vogelwelt für die Verbreitung der kleineren fleischigen Früchte, doch fallen von den so wie so nicht zahlreichen Arten die insektenfressen- den weg; dann bleiben nur die Finken, Ameisen, Drosseln und vor Allem die Schneehühner, also im Vergleich mit den tieferen Lagen ausserordentlich wenige. Entsprechend ist auch die Zahl der beeren- oder steinfrüchtigen Arten in der Alpenregion sehr klein. Nur sechs Species sind alpin: Juniperus nana, Rhamnus pumila, Daphne striata, Arctostaphylos Uva-ursi und alpinus, Vaccinium uliginosum, und nur 23 finden sich überhaupt in der Alpenregion. Polygonum viviparum wird hauptsächlich durch das Schneehuhn verbreitet, dessen Haupt- nahrung die Bulbillen bilden. Die Verbreitung erfolgt durch Wieder- auswerfen aus dem Kropf. So erklärt sich auch das Zurücktreten der nährstoffreichen zoochoren Arten in der alpinen Region. Niedere Thiere kommen ausser den Ameisen normaler Weise ale Verbreitungsagens nieht in Betracht. Soweit die Ameisen als solches eine Rolle spielen, ist diese für die Alpenregion auch mög- lich, da einige Arten nach Forel (89) und Tschudy bis 2600 m hinaufsteigen. Ferner sei hier auch noch die Vermuthung Massart’s erwähnt, dass die auf den Alpweiden und -Wiesen so zahlreichen Heuschrecken das Ausstreuen der Samen aus den aufrechtstehenden Kapseln vermitteln, indem sie deren Erschütterung besorgen. Ich möchte diese Ansicht nicht ohne Weiteres abweisen. Ob aber die Pflanzen wirklich auf diese Thiere angewiesen sind, ob nicht der Wind allein zur Entleerung genügt, müssten weitere Untersuchungen zeigen. c) Wind. Der Wind ist allgemein das wichtigste Verbreitungs- agens und dementsprechend geht auch die grösste Zahl der An- 5* 68 passungen in dieser Richtung. Von der Schweizerflora sind insgesammt 41,3°/), der Arten anemochor. Die Rolle der Luftströmungen muss in der alpinen Region noch grösser sein als in unserem Tiefland, selbst bei gleicher Stärke. Zunächst hat der durch Erwärmung der ruhigen Luft entstehende aufsteigende Luftstrom für das Ge- birge eine grosse Bedeutung. Während er in der Ebene die Hug- fähigen Samen wohl hoch erheben kann, sie aber nicht weit fortführt, sondern in der Nähe des Ursprungsortes wieder absetzt, trägt er im Gebirge dieselben an die Thalhänge und besiedelt diese mit reicher Vegetation. Aehnlich wirken die in unsern Thälern verbreiteten regelmässigen Thalwinde, die nach Pittier (72) Früchte und Samen selbst auf grosse Distanzen thalaufwärts führen. Auch horizontale Luftströmungen, selbst von geringer Stärke, sind in den Alpen leistungsfähiger als in der Ebene, aus zwei Gründen: Samen und Früchten, die nicht sehr hoch über den Boden erhoben sind, setzen in der Ebene die Wälder und einzelne hochstämmige Bäume Hindernisse entgegen, die in der alpinen Region wegfallen. Dazu kommt als zweites, dass Samen, die von Gipfeln, Kämmen und andern erhöhten Standorten weggeblasen werden, selbst wenn sie constant fallen, viel grössere Horizontaldistanzen zurücklegen können, ehe sie am Boden anlangen. Allerdings wird dieser Vortheil wieder etwas dadurch compensirt, dass die gleichen Terrainverhält- nisse oft auch unübersteigliche Hindernisse bieten. Schon die gewöhnliche Beobachtung lehrt, dass die Wind- stärke in der alpinen Region bedeutend grösser ist als im Thal. Mit welcher Wucht freistehende Gipfel umtost werden, mit welcher Gewalt der Sturm durch Passlücken sich durchzwängt, davon weiss jeder Alpenwanderer zu erzählen. Für den Meteorologen ist es eine längst feststehende Thatsache, dass die Windstärke mit der Höhe. über Meer zunimmt. Leider haben wir nur wenige Höhenstationen mit genauen Messungen der Windgeschwindigkeiten, solche aus Pass- lücken fehlen ganz. Die höchste Station mit registrirendem Apparat für Windstärke ist der Säntis mit 2500m über Meer. Ich stelle um- stehend die monatlichen Maximalgeschwindigkeiten der WS8W-Winde, der häufigsten und stärksten der beiden Stationen, von Zürich, 493m über Meer, und dem Säntis, 2500m über Meer, in den Jahren 1896 und 1897 nach den Annalen der schweizerischen meteorologischen Station zusammen. Die Angaben sind ausgedrückt in Metern pro Secunde. 69 Monatsmaximum der Windstärke von Zürich und Säntis, | 1896 1897 Zürich | Säntis | Differenz Zürich | Säntis | Differenz Jamar 222! 11,1 16,9 | 30,6 13,7 Februar . . . . 15 18,9 11,4 21,9 28,6 6,7 März .....| 197 23,6 3,9 19,2 38,8 19,1 April 22.2. .| 381 17,5 4,4 14,2 23,6 9,4 Mi. 22.2.0. 4,4 13,9 9,5 8,9 22,8 13,9 Juni 2. .22..L 100 23,9 13,9 11,1 32,0 20,9 Wi 22... m 333 172 8,3 25,0 16,7 August .... 13,9 23,9 10,0 9,7 34,5 24,8 September . . . 16,4 31,1 14,7 13,9 33,3 19,4 October . . . . 10,3 97 194 8,1 33,3 25,2 November . . . a | 0219 17,2 16,7 33,6 16,9 Dezember...) 164, 278 | 11,4 144 |, 33,1 18,7 Jahresmaximum | 19,7 | 33,3 136 21,9 38,3 16,4 Max. f. Juli-0Oet. | 164 | 33,8 16,9 | 13,9 34,5 20,6 2 Die Differenzen sind allgemein sehr bedeutend; die Windge- schwindigkeit erreicht auf dem Säntis beinahe das Doppelte von Zürich. Betrachten wir nur die Monate Juli bis October als für die Ver- breitung der Samen hauptsächlichsten, so ergibt sich für 1896 eine Differenz der Maxima von 15,9, und für 1897 sogar von 20,6 Meter- secunden. Dass Winde von so viel grösserer Geschwindigkeit auch eine viel grössere Bedeutung für den Samentransport haben, ist ohne Weiteres klar. Selbst Samen, die dem Winde in Zürich noch Widerstand leisten oder doch nur kurze Strecken weit geführt werden, können in grösserer Höhe weit getragen werden. Man dürfte also, ohne einen Fehler zu begehen, für die Alpenpflanzen die obere Grenze der „kleinen Samen“ bedeutend höher ansetzen als für die tieferen Lagen, wodurch sich das Resultat noch mehr zu Gunsten der Alpenpflanzen ändern würde. Dazu kommt noch, dass für eine Windstärke von 30 Metersecunden besondere Transportausrüstungen kaum mehr nöthig sind. Eine solche Windströmung repräsentirt eine Kraft von 720 Dyn pro cm?, was ungefähr einem Druck von 7mg pro mm? entspricht, und diese vermag wohl ziemlich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mitzureissen. Wir haben demnach in den Flugeinrichtungen mehr eine Anpassung an schwächere Winde als an Sturm zu sehen. Einige Bemerkungen verlangt noch der den Gebirgsländern eigen- thümliche Föhn. Hat er für die Pflanzenausbreitung eine besonders ausgeprägte Bedeutung? Im Allgemeinen darf diese Frage verneint 70 werden. Er hat die gleiche Bedeutung wie irgend ein anderer Sturm von gleicher Stärke; speciell ist er nicht mehr befähigt als andere, Früchte und Samen über Bergkämme hinwegzuführen. Da er ein Bergwind ist, spielt er hauptsächlich eine Rolle für den Transport thalabwärts; stellen sich ihm allerdings dann Bergkämme als Hinder- nisse in den Weg, so zwängt er sich auch durch die Passlücken hin- durch mit gleicher Gewalt wie andere Winde gleicher Geschwindig- keit. Ein Punkt gibt ihm aber einen Vorzug vor anderen Winden: der Föhn ist ein trockener Wind; also bleiben namentlich die haar- förmigen hygroskopischen Flugapparate unter seiner Herrschaft aus- gebreitet, und so vermag er selbst in seinem Beginn und in seinen letzten Ausläufern noch eine Wirkung auszuüben, die feuchten West- winden versagt ist.!) Es besteht also auch ein Parallelismus zwischen den Anpassungen der Früchte und Samen der alpinen Region an den Wind und den thatsächlichen Windverhältnissen. Diese lassen sich kurz folgender- maassen zusammenfassen : In den Alpen haben zufolge der orographischen Gliederung des Gebietes selbst schwächere l.uftströme eine grössere Bedeutung als in der Ebene; die Winde erreichen aber durchsebhnittlich auch eine viel grössere Stärke und sind also viel wirksamer als im Thal. Ergebniss: Das Vorherrschen oder Zurücktreten der einzelnen Gruppen der Verbreitungsmittel bei den Alpenpflanzen geht parallel mit der Verbreitung und Bedeutung der Verbreitungsagentien in der alpinen Region, 1) Es mag hier noch kurz auf die Frage der Herkunft der „Föhnpflanzen“ am Nordrand der Alpen hingewiesen werden, Eine vollständige Discussion der- selben ginge über den Rahmen dieser Arbeit hinaus. Die Möglichkeit einer Ein- führung wenigstens eines Theils jener Arten durch Windtransport ist nicht aus- zuschliessen. Doch möchte ich namentlich auch auf folgenden Punkt hinweisen. Von den bei Christ (44) pag. 128 und 131 aufgezählten 45 „Föhnpflanzen“ sind 9, also 200), zoochor, nämlich: mit Häkelfrüchten Echinosperma lappula und Parie- taria erecta; mit kleinen fleischigen Früchten (also hauptsächlich durch Vögel verbreitet): Evonymus latifolius, Rhamnus alpina, Daphne laureola und alpina, Juniperus sabina, Tamus communis, Rosa sepium. Zählen wir dazu auch noch die Bulbillen tragenden Alliumarten: Allium carinat., fallax und sphaeroceph., sowie Lilium bulbiferum, so steigt die Zahl auf 13 oder 28,90/,. — Anemochor sind nur 8 Species oder 17,80], nämlich : Leontodon pseudo-crispus (H), Crepis nicaeensis (H), Achillea tanacetifolin, Sedum hispan. und max.; Aceras anthropophora (mit sehr kleinen Samen), und Stipa pennata (H); die letztere übrigens oft auch häkelnd. — Diese Zahlen scheinen eher darauf hinzuweisen, dass wir es zum Theil mit durch Vögel eingeführten Arten, zum Theil mit Relieten zu thun haben, die sich wegen des durch den Föhn begünstigten Klimas an diesen Stellen halten konnten. 11 3. Die Bedeutung der Anpassungen an Windverbreitung für das schritt- weise Vordringen der Pflanzen. Ich habe im vorigen Kapitel allgemein den Parallelismus zwischen Verbreitungsmitteln und Verbreitungsagentien in der alpinen Region nachgewiesen. Das Hauptinteresse nehmen die Wirkungen der Luft- strömungen in Anspruch. Dabei haben wir zu unterscheiden zwischen den schwachen, oft regelmässig auftretenden Winden und den starken Stürmen. Für letztere brauchen die Pflanzen, wie gezeigt, kaum be- sondere Ausrüstungen. Wenn wir also die Bedeutung der Verbrei- tungsmittel für den Windtransport studiren wollen, haben wir es zu- nächst nur mit den schwachen Bewegungen der Atmosphäre zu thun. Von diesen geht auch Kerner aus in seiner Studie: „Ueber den Einfluss der Winde auf die Verbreitung der Samen im Hochgebirge“. Seine Beobachtungen führten ihn zum Schlusse (pag. 170), dass nur staubartige Gebilde (Blüthenstaub, Sporen ete.) durch Luftströmungen über weite Länder transportirt werden können; dass die Früchte und Samen der Phanerogamen mit gespinnstartigen Fallschirmen zwar durch den aufsteigenden Luftstrom emporgeführt, aber in geringer Horizontaldistanz wieder zu Boden gesetzt werden, der Hauptzweck dieser Vorrichtung also nicht die Eignung zu weiteren Reisen sei, sondern vielmehr die Befähigung derselben zur Besiedelung der Ge- sinse und Ritzen steiler Gehänge; dass das Vorhandensein häutiger Einfassungen und Flügel den Transport durch horizontale Windströme zwar erleichtere, die Horizontaldistanz sich aber wohl kaum jemals weiter als von einer Thalwand zur andern erstrecke; dass endlich Früchte und Samen ohne Flugvorrichtungen durch Luftströmungen kaum influenzirt werden. In diesen Sätzen liegt so ziemlich die ganze Bedeutung der Fiugvorrichtungen für schwache Luftströmungen ausgesprochen. Wenn aber Kerner überhaupt die Möglichkeit eines Transportes auf weite Distanzen ausschliesst, so ist das eine zu weit gehende Verallgemeinerung (vgl. unten). Stelle ich die einzelnen Punkte, für die der Transport der Samen durch schwache Luftströ- mungen und vermittelst ihrer Anpassungen von grosser Bedeutung ist, zusammen, so ergeben sich folgende Verhältnisse in der alpinen Region. a) Besiedelungsonstunzugänglicher Standorte. Dass die Besiedelung der Gesimse und Ritzen steiler Hänge durch die Flugeinrichtungen sehr erleichtert, oft vielleicht erst ermöglicht wird, ist ohne Weiteres klar. Da an diesen Standorten der Concurrenz- kampf weniger heftig tobt, können hier Arten in die alpine Region 72 aufsteigen und sich nach und nach dort acelimatisiren, die in den ungünstigeren klimatischen Verhältnissen nicht hätten Stand halten können, wenn sie im scharfen Concurrenzkampf gestanden hätten mit den schon acelimatisirten. So kann in der Ausrüstung mit fallschirm- artigen Flugorganen ein Factor liegen, der eine gewisse Auslese unter den aus der Ebene in die alpine Region aufsteigenden Arten ausübte, wodurch sich der Procentsatz der anemochoren Arten unter den Alpenpflanzen vergrösserte. Freilich lässt sich dieser Vorgang nicht direet nachweisen, da wir kein Mittel haben, zu entscheiden, welche Arten auf diesem Wege erst jüngst zu alpinen oder wenigstens das Alpenklima ertragenden geworden sind, und welche schon längst in dieser Region heimisch sind und sich soweit acclimatisirt haben, dass sie auch ausserhalb der erwähnten Standorte den Concurrenz- kampf bestehen könnten. Besser uachweisbar ist der Zusammenhang zwischen der Aus- stattung mit Verbreitungsmitteln und anderen Standortsverhältnissen der alpinen Region. b) Besiedelung neu sich bildender Standorte. In der Ebene kann die Zahl der gegebenen Standorte als ziemlich constant gesetzt werden und es gilt deshalb hier der Satz, dass aller verfüg- bare Raum von der Vegetation eingenommen ist, in weitem Umfange; wo ein Samenkorn hinfällt, hat es den Kampf mit schon vorhandenen Arten aufzunehmen. Nicht so in den Alpen. Hier ist die Constanz der Standorte eine viel geringere; bestehende Standorte verschwinden, neue entstehen täglich. Grundlawinen reissen die Verwitterungskrume und Rasendecke auf grosse Strecken weg und lagern den Schutt an andern Stellen wieder ab; Wildbäche fressen die Abhänge viel plötz- licher und rascher an als die Flüsse der Ebene, und bilden etwas weiter unten grosse, kahle Schuttkegel; Murgänge überdecken oft grosse Gebiete mit fruchtbarem Schlamme; grössere und kleinere Berg- stürze, vom rollenden Stein der Steinschlagrinne bis zum Felssturz von Tausenden von Kubikmetern, schaffen an ihrem Ursprungsort und an ihrer Ablagerungsstätte neue kahle Stellen; die Gletscher weichen zeitweise zurück, und lassen ein ödes Schuttfeld hinter sich. Auf alle so entstehenden neuen Standorte dringt, meist nur Schritt für Schritt, die Vegetation vor. Bei der Eroberung dieser Gebiete sind selbst- verständlich die zuerst ankommenden Arten im Vortheil; denn sie kämpfen als die „beati possidentes* in dem auch hier nachher sich ent- wiekelnden Concurrenzkampf von einer stark begünstigten Position aus. Da solche Standortsverschiebungen in der Ebene weniger vor- 78 kommen als in den Alpen, sind also für die Alpenpflanzen die Ver- breitungsmittel, die ihnen eine möglichst rasche Besitzergreifung solcher Neubildungen gestatten, von eminenter Bedeutung. Der Vor- sprung der anemochoren Arten bei der Besiedelung solcher Stand- orte lässt sich direct zahlenmässig nachweisen. Als schönstes Bei- spiel führe ich zunächst das Vordringen der Vegetation auf das durch den Rückzug des Rhonegletschers frei ge- wordene Terrain an. Der Stand des Gletschers wird von der schweizerischen Gletschereommission jedes Jahr genau markirt, so dass seit 1874 Jahrringen gleich eine Reihe von Gürteln erhalten wurde, die jeweils das in einem Jahr freigewordene Gebiet anzeigen. Coaz (45) hat 1883 die Flora dieses Gebiets genau studirt; er unterscheidet acht Gürtel, die folgende Phanerogamen aufweisen: 1. Gürtel: 1874/75. 38000m?. 38 Arten: Cardamine alpina (kl), Adrabis alpina (Fl), Silene venosa, S. acaulis; Sagina Linnaei (kl.3), Arenaria ciliata, Cerastium trigynum (kl.), Trifolium palles- cens, Tr. badium (Fl.!), Lotus corniculatus, Epilobium alpinum (MH), Sedum sexangulare (kl.), S. repens (kl.), Sazifraga aspera (kl.), aizo- ides (kl.), stellaris (kl.), Petasites niveus (1.), Gnaphalium silvaticum (H.), @. supinum (H.), Achillea moschata (kl.), Chrysanthemum alpi- num (kl), Campanula Scheuchzeri (kl.), C. thyrsoidea (kl.), Oxyria digyna (Fl.), Salix reticulata (H.), Alnus viridis (FL), Carex stellulata, brunescens, frigida; Phleum alpinum (H.), Agrostis alpina (Fl.), ru- pestris (Fl), Dechampsia caespitosa (Fl), Poa lara, alpina, nemoralis (Th.), Festuca violacea, Nardus strieta (Th.). 2. Gürtel: 187576. 26200 m?. 37 Arten: Arenaria ciliata, Cerastium trigynum (kl.), C. uniflorum (8), Trifotium pallescens, Tr. badium (Fl.), Lotus cornieulatus, Alchimilla vulgaris (8.), Epilobium Fleischeri (H), Sedum atratum (kl.), Sazifraga aspera (kl.), uizoides (kl), stellaris (kl.), Petasites niveus (H.), Gnaphalium supinum (H.), Achillen moschata (kl.),, Campanula pusilla (kl.), rotundifolia (kl.), Veronica saxatilis (Fl.), alpina (Fl), Kumex acetosa (Pl) Oxyria di- gyna (Fl.), Polygonum viviparum (V.), Salix purpurea (1I.), S. helve- tica (H.), Alnus viridis (Pl), Juncus Jaeguini (kl.), Luzula multiflora, Carex frigida, CO. sempervirens (Th.), Anthoxent. odorat. (H.), Agrostis alba (Fl), vulgaris (Fl), rupestris (Fl.), Deschampsia caespit. (Fl) Poa alpina, nemoralis (Th.), Festuca violacea. 1) Ich bezeichne in diesen und späteren Pflanzenlisten die Verbreitungsmittel H,=—-Haarbildung, Fl. = Flügelbildung, 8. = geringes spec. Gew., kl.—kleine Samen, V,=feischige Früchte, Vogeltransport, Th. — Häkelfr., durch Pelzthiere transportirt. 14 8. Gürtel: 1876/77. 36600 m?. 22 Arten: Cardamine resedifolia (Fl), Arabis alpina (Fl.), Silene rupestris (kl.), S. acaulis, Sagina Linnaei (kl.), Cerastium arvense (kl.), Epilob. Fleischeri (H.), alpinum (H.), Sarifraga bryoides (kl.), S. aizoides (kl.), Tussilago farfara (H), Petasites niveus (H.), Achillea moschata (kl.), atrata (kl.), Leontodon pyrenaicus (H.), Hierac. intubac. (H.), Rumex scutatus (Fl.), Oxyria digyna (Pl), Alnus viridis (Fl.) Agrostis alba (Fl.), Deschampsia cae- spitosa (Fl), Poa nemoralis (Th.). 4. Gürtel: 1877/78, 16800 m?. 12 Arten: Silene rupestris (kl.), Sagina Linnaei (kl), Trifolium badium (Fl.), Epilob. Fleisch. (H.), Saxifraga bryoides (kl.), aizoides (kl.), Tussilago farfara (H.) Chrys. alpinum (kl.), Achillea moschata (kl.), Oxyria dig. (Fi.), Desch. fleruos«a (Fi), Poa nemoralis (Th.). ” 5. Gürtel: 1878/79. 27900 m?. 9 Arten: Sagine Linnaei (kl.), Epil. Fleischeri (H.), alpina (H.), Sax. aspera (kl.), aizoides (kl.), Andros. glacialis, Rumex acetosa (Pl.), Oxyria dig. (Fl.), Hestuca violacea. 6. Gürtel: 1879/80. 40800 m?. 9 Arten: Sagina Linnaei (kl.), Epil. Fleisch. (H.), Sax. uizoides (kl.), Tussil. (H.), Achillea mosch. (kl), Oxyria (Fl.) Agrostis vulg. (Fl), rupestris (Fl), Poa nemoralis (Th.). 7. Gürtel: 1880/81. 23200 m#. 7 Arten: Epilob. Fleisch. (H.), Sax. aspera (kl.), aizoides (kl.), Tussil. farf. (H.), Oxyria (Fl.), 4grostis vulg. (Pl), Poa nemoralis (Th.). 8. Gürtel: 1881/83. 25200 m?. Eine Art: Sax. aizoides (kl.). Um die procentualen Verhältnisse deutlicher zu machen, stelle ich die Daten in eine Tabelle zusammen: Verbreitungsmittel der auf das durch den Rückgang des Rhonegletschers freigewordene Gebiet vorgedrungenen Phanerogamen. | 1. 2. 8, 4. 5. 6. 1. 8. | | Total Total Nicht ‚ Total Haare | Flügel |Ger. 8. u_ıy | Klein ane- ane- | | mochor j mochor % % Oo % % Oo I. Gürtel | 38 |6 158) 7 18,4 | — [13 34,212 31,6] 25 65,8) 13 34,2 IL ,„ 37 16 16,2| 10 27,0 12 5,4j18 48,6| 9 24,3| 27 72,9| 10 27 I, ,„ 22 16 278 7 318 — Jis591| 7318| 20 909) 2 91 IV. ,„ 12 |2 16,7) 3 3 — |541,7) 650 |11 918) 1 83 vV ,„ 12 222 2 2922| — 14444| 3333| 7 717) 2 222 VL ,„ 9a |2 222| 8 338 0 — 15555) 3383| 8 88,8 1 11,1 VL. ,„ 712 2386| 2286| — 14572) 2286: 6 858] 1143 VII ,„ 1 _ _ _ | _ 1 1 100 _ 75 Die Tabelle zeigt Folgendes: Rubrik 5. Der erste Gürtel bleibt in seinen ausgesprochenen Anpassungen unter dem Mittel (35,9°,) der gesammten Flora der alpinen Region; alle folgenden übersteigen dasselbe. — Die ersten drei Gürtel zeigen ein allmähliches Ansteigen des Procentsatzes; beim IV. Gürtel findet ein plötzlicher Rückgang statt, dem wieder ein all- mähliches Ansteigen folgt. (Der VIII. Gürtel mit nur einer Species fällt ausser Betracht.) — Der plötzliche Rückgang beim IV. Gürtel erklärt sich aus der plötzlichen starken Abnahme der Species über- haupt, da bei 12 Species eine einzige schon 10°, repräsentirt. Rubrik 7. Die Zunahme geht bis zum 4. Gürtel, dann folgen Unregelmässigkeiten; jedoch bleibt der Procentsatz (ausgen. für V) immer sehr nahe der einmal erreichten Zahl. — Die Schwankung er- klärt sich daraus, dass die einzige nicht anemochore Species bis zum VH. Gürtel bleibt; diese ist für IV, VI und VII Poa nemoralis, normal mit ihren verbindenden Zotten häkeind, die aber sicher schr leicht auch durch Wind transportirt wird, so dass also für IV, VI, VII und VIII das Total der anemochoren Arten auf 100°|, angesetzt werden darf. Es bliebe also nur der V. Gürtel als aus der Reihe fallend; hier ist der Rückgang bewirkt durch Festuca violacea und die nur hier vorkommende Andros. glacialis. u Aus den Daten folgt: je jünger eine Vegetation ist, um so grösser ist der Procentsatz der anemochoren Arten. Das gleiche Resultat ergeben die Beobachtungen Arnold’s (pag. 110) auf dem durch den Rückzug des Jamthalgletschers frei gewordenen Boden. 200 Schritte vom Eis entfernt fand er 18 Phanerogamen, weiter unten 21. Ich habe auch diese nach den einzelnen Kategorien der Verbreitungsmittel vertheilt, und erhalte folgende Procentzahlen für die beiden Hauptrubriken: 1. Florula „weiter unten“. I—III 52,4, Total anemochor 76,2 %,. 2. Florula „näher beim Eis“. I—III 444%, „ n 88,8%, Also wenn auch für die ersten drei Kategorien kein Ansteigen, so doch für das Total der anemochoren Arten. Relativ junge Standorte sind auch die Moränen. Auch hier muss sich ein Ueberwiegen der anemochoren Arten nachweisen lassen, und zwar muss der Procentsantz das Mittel aus der gesammten Flora der Alpenregion übersteigen. In allgemeinen Zügen hat Kerner (a. a. OÖ.) schon darauf aufmerksam gemacht. Wenn ich die Phanero- gamen seiner für die End-Moränen gegebenen Pflanzenlisten tabellarisch zusammenstelle, erhalte ich folgende Hauptzablen: 76 l ‘Di | pie. | | Dif, Total | Dif Total der! Dif. | Nicht | gegen d. sp. LS. 08 d. Anemoch. a N anemoch.| das ittel itte Mittel | U gr % Ueberh. i. d.alp. Reg. | — 35,9: — 595 — 40,5 — Schwarzensteingletsch, ' 2200m .......7 36 [18 50 41411 28 77,8)4188| 8 22,2 | 18,3 Madatschgl. 2200m .| 28 |14 50 Hısılaı 5 +1557 25 |- 155 Hochjochferner 2200m 43 |27 62,8 + 25,9| 37 86 |+-26,56 14 |— 26,5 Alpainergl. 2200m .. 28 12 42894 7 | 24 85,7 426214 14,3 — 26,2 Floitengl. 1600m . .. 36 ‚18 50 4141| 28 77,8 +18,3| 8 77,8|— 18,3 Also auch hier das erwartete Resultat, und zwar mit sehr grossen Differenzen, - Hierher gehören auch die Floren von Vegetationsinseln in Firnfeldern. Wir dürfen annehmen, dass solche wenigstens zum Theil erst durch den allgemeinen Rückgang der Gletscher frei geworden sind. Auch für diejenigen Partien, für die das nicht der Fall sein sollte, fand die Besiedelung ausser durch Vögel (Polygonum viviparum, Juniperus communis) durch Vermittlung des Windes statt. Es müssen sich also auch hier ähnliche Differenzen ergeben. Es liegen mir einige Florulae von solchen Vegetationsinseln vor. Massart (24) untersuchte die Triftje am Breithorn und die Schwärze an den Jumeaux im Gebiete von Zermatt. Beide liegen zwischen 2600 und 3000m und sind vollständig durch Eis vom „Festland“ ge- trennt. Die Minimaldistanz für die Schwärze ist 2 km, für die Triftje 1 km. I. Auf der Triftje fand Massart 74 Arten Phanerogamen. Dieselben vertheilen sich auf die drei Hauptrubriken folgendermaassen: Kat. I-II: 26=:35,1°%%, (—0,8) Total anemoch. 50— 67,6°), (+ 8,1) nieht anemoch. 24— 32,4 9],. Il. Schwärze 57 Arten. Kat. I-III 20 — 35,1%, (— 0,8). Total anemoch. 36 = 63,2%), (43,7) nicht anemoch, 21 = 36,89), (—3,D. Aehnliche Daten besitze ich aus dem Bassin de la mer de glace am Montblanc von Payot (71). Er gibt die genauen Listen von zwei solcher Inseln. I. Entre-la-Porte 2300m, 1 km Umfang: Total 35 Arten. Kat. I-II 18 = 51,4%, (415,5). Total anemoch. 26 — 74,3%, (414,8), nicht anemoch. 9 — 25,7 °|,. 1. Couvercle 2300—2600m, 10 km Umfang. Total 95 Arten. Kat. I—-III 45 = 47,30), (+ 11,4). Total anemoch. 69 = 72,6°, (413,1), nicht anemoch. 26 — 27,4°].- 77 Bei den Listen aus dem Zermattergebiet erhalten wir zwar keinen Widerspruch, aber nur sehr wenig frappante Zahlen; im „mer de glace* zeigt sich das Ueberwiegen der Anemochoren sehr scharf. Die (in Klammer beigesetzten) Differenzen gegen das Mittel der ge- sammten Alpenflora erreichen fast 15 °/,. Endlich sei hier noch eine Beobachtung Lindt’s (67) angeführt. Er fand am 3. September 1872 auf dem „sonst unwirthlichen Felsen- kamm, der sonst jahrelang unter einer Schneedecke begraben war, vom Hugisattel bis zum Gipfel des Finsteraarhorn, von ca, 4000—4275 m, folgende blühende Phanerogamen: Sazxifraga bryoides (kl.), muscoides (kl.), Achillea atrata (kl.) und sehr zahlreich Ranun- eulus glacialis (Fl.)*. Lauter anemochore Arten. Lindt nimmt an, dass die Samen „jahrelang im Schlummer gelegen“; doch dürfte die Erklärung, dass die Samen im Jahre vorher auf die Schneedecke geweht worden und beim Abschmelzen auf den Boden zur Keimung gelangt seien, mehr für sich haben, Durch die angeführten Daten dürfte die grosse Bedeutung der Anpassung an den Wind für die Besiedelung neu sich bildender Standorte genügend belegt sein. Die Annahme weiten Windtransportes ist dabei nicht nöthig, denn die in den Listen angeführten Arten kommen überall in der nächsten Umgebung auch vor. ec) Gipfel- und Gratfloren. Schibler (76 pag. 268) weist eine Bereicherung der Flora des Piz Linard seit 1835 nach. Bei 3414m fand Heer 1835 nur Androsace glacialis; Sieber 20 Jahre später noch: Ranunculus glacialis (Pl) und Chrysanth. alpinum (kl.) und Schibler 1895 noch: Sazifr. oppositifolia (kl.) und bryoides (kl). Es war also 1835 die Besiedelung des Piz Linard noch nicht abgeschlossen. Vielleicht dürfen wir überhaupt in den Floren der Gipfel und Gräte eine relativ junge Vegetation sehen, so dass wir es hier mit den ersten Vorposten einer Einwanderung zu thun hätten. Sehen wir zunächst ab von der Möglichkeit eines Transportes von Früchten und Samen auf weite Distanzen, d. h. von Gipfel zu Gipfel, sondern nehmen wir an, dass ihre Vegetation Schritt für Schritt von unten her eingewandert oder im Einwandern begriffen sei, dann muss sich nach dem Vorausgehenden auch in den Floren der Gräte und Gipfel ein Ueberwiegen des anemochoren Elementes nachweisen lassen. (Immerhin ist noch eine Einschränkung zu machen, dass möglicher- weise ein Theil dieser Floren alt endemisch ist.) Zunächst sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass die Bereicherung des Piz Linard nur anemochore Arten betrifft, und ebenso dass die von Lindt am 78 Finsteraarhorn beobachteten alle anemochor sind. Ich stelle hier die Zahlenverhältnisse der Verbreitungsmittel einiger Gipfel- und Grat- floren zusammen, die die gemachte Annahme bestätigen: Gipfel- und Gratfloren. | . Total |H,F,8. | Die, | Total Ipip, | Nicht ı anemoch. anemoch, . ! 1. Gipfelkegel des Kreuz (St. 0, %, | %, Antonier) 2000—2200m | 95 | 44 46,8 110,4 53 55,7 |-+- 3,3. 42 44,2 2. Eckberggrat 2200-2300m | 109 | 49 44,9 [+ 9 | 64 58,6 + 42) 45 41,8 3. Gempifluh 2390 m. . 19 | 10 52,6 416,7) 12 63,1 -+10,7) 7 36,8 4, Schafberg 2460m. . . 50 | 21 42 |+ 6,11 28 56 |+ 8,6) 22 44 5. Kistenpassh. 2500m . . 913 338 |— 24 3 66,6|4+142| 3 33,8 6. Schollberg 2550 —2570 m 20 6 30° 0— 5,9 15 75 4226| 5 25 7. Bristenstock 2500-3070 m 4 375 |43911 8 75 4226| 1 25 8. Schlossberg Ostgrat 2500-3100m . . 9) 444 + 85 7 777 253 2 22,2 9. Aelplihorngrat 2800 m 9 6 66,6 + 21,7; 7 777 +2583 2 22,2 10. Ruchigipfel 3100 m 2 — — ;.2100 |+476 — 11. Signalhorn 3200 m . . 3 2 66,6 + 21T 3 100 |+- 47,6 _ Die Floren 1., 2, 4. und 6. entnehme ich Schröter’s Monographie des St. Antönierthals. Nr. 5, 7, 8, 10. und 11. verdanke ich Herrn cand. rer. nat. Herzog. Er gab mir folgende Pflanzenlisten: 5. Kistenpassh.: In Millionen Primula integrifolia und Draba aizoides (kl.); Azalea procumbens (kl), Viola calecarata, Linaria alpina (Fl), Gentiana verna, Cerast. alpinum (kl), Geum montanum (H.), Lloydeu serotina (Fl. 7. Bristenstock aufdem Grat von 2500-3074 m: Ranunculus glacialis (Fl.), Lloyd. serot, (Fl.), Alchimilla fissa (8.), Prim. minima, 8. Schlossberg, Ostgrat von 2500—3100 m: Ranunc. glae. (Fl.), Linarie alpina (Pl), Cerast. alpin. (kl.), Sax. bryoides (kl.), oppositifolia (kl.), Silene acaulis, Androsace sp., Geum reptans (H.), Leontop. (H.). ” 10. Ruchigipfel: Sax. oppositifol. (kl.) und bryoides (kl.). 11.Signalhorni.d. Silvrettagruppe mitten aus dem Gletscherfirn auftauchend 3200 m: Geum montanum (H.), Ranune. glacialis (Fl.), Suxifraga bryoides (Kl.). Nr. 9. nach eigener Beobachtung im Sommer 1900, Aelplihorn bei Davos, im Sattel des Grates bei 2800 m auf Kalk: Taruxaec. offiein. (H.), Aronicum (H.), Zinaria alpina (Fl.), Sieversia reptans (H.), Cerast, latifol. (8.), Hutchinsi« ulpina, Saxifraga oppositifohia (kl.), Meum mutellina (Pl.), Viola calcarata. Es übersteigt also bei allen diesen Floren der Procentsatz der anemochoren Arten den für die Gesammtflora der Alpenregion be- rechneten um ein Bedeutendes und zwar steigt er mit der Höhe. 19 d) Einwanderung der Alpenflora nach der Eiszeit. Unsere Alpenflora besteht bekanntlich aus mehreren Florenelementen, von denen die beiden wichtigsten das endemische und das arktische sind. Wir müssen annehmen, dass schon vor der Eiszeit eine Alpen- flora bestand; dass diese beim Vordringen der Gletscher thalabwärts wanderte, unter Zurücklassung grösserer oder kleinerer Colonien an eisfreien Stellen des Gebirges. Aehnlich drang von Norden her mit den Gletschern die arktische Flora in das deutsche Tiefland ein. llier hat eine Vermischung der beiden Elemente stattgefunden und beim Rückzug der Gletscher wanderte sowohl ein Theil der Alpenflora nach dem Norden, als auch ein Theil der arktischen nach dem Süden, so dass jetzt Norden und Alpen eine grosse Zahl von Species ge- meinsam haben. Hat nun bei der Einwanderung des arktischen Elements in die Alpen eine Auslese nach den Verbreitungsmitteln stattgefunden ? Der Rückzug der Gletscher ging langsam vor sich; es kann sich also nur um eine schrittweise Einwanderung handeln. Ich habe aber ge- zeigt, dass gerade in diesem Falle die mit Verbreitungsmitteln aus- gerüsteten, speciell die an den Wind angepassten Arten im Vortheil sind. Es sind also von vornherein auch bei dieser Einwanderung ähnliche Verhältnisse zu erwarten. Da das alpine Element nicht nur am Rand der Gletscher sich fand, sondern auch bis ins Gebirge hinein die schnee- und eisfreien Stellen beherrschte, hatte es von Anfang an einen grossen Vorsprung vor dem arktischen, das nur von einer Seite langsam nachrücken konnte. Für die alpinen Arten waren also gute Verbreitungsmittel weniger nothwendig, als für die neu einwandern- den nordischen. Es ist also zu erwarten, dass sich das endemische Element und das arktische in der Häufigkeit des Vorkommens von Verbreitungsmitteln unterscheiden. Ich erinnere hier zunächst noch- mals an das schon erwähnte Fehlen typischer Verbreitungsmittel in den alpin-endemischen Gattungen der Primulaceen und Campanu- laceen. Wenn ich nach Christ (43) und Nyman (69) die in der Rubrik 4 der Beilage als alpin aufgeführten Arten auf die beiden Gruppen der arktisch-alpinen und der endemisch-alpinen vertheile, erhalte ich die unten folgenden Zahlen für die Hauptkategorien der Verbreitungsmittel. Dabei sind (nach Christ 43) von den arktisch- alpinen als in ihrem Ursprung auf die Alpen zurückgehend zu den alpinen gezählt: Phleum Michelii, Agrostis alpina, Poa minor, Festuca Halleri, Chamaeorchis alp.; Draba aizoides, Saxifr. biflora, Alchimilla 80 glaberrima, Oxytropis lapponica, Camp. barbata, Hierac. glaciale. Von den alpinen ist dagegen abgerechnet das mediterrane Element: Silene vallesia, Astragalus depressus, aristatus; Helianth. canum, alpestre, Eryny. alpin., Erica carnea, Erinus alpinus, Globul. nudie., cordifolia. Verbreitungsmitteldesarktischen unddesendemischen Elements der Alpenflora, Arktisch. El. Endem. El. Diff. zu Gunst. d. arkt. Haare 30 = 24,4 9), 34 = 16,79, + 77 Flügel 16 = 13,0 31 = 15,3 — 23 geringes 8. 6= 48 4—= 2,0 + 2,8 Total I-III 52 = 42,2°|, 69 = 849], + 82 kleine Samen 27 — 22,0 46 — 22,6 -— 086 Total: Wind 79 = 64,2°), 115 = 56,6°|, + 76 Vögel 6— 4,9 2= 1,0 + 3,9 Ohne Verbr. 38 = 30,9 86 — 42,4 — 11,5 Total d. Sp. 123 203 Es besitzt also das arktische Element 8,2°,, mehr typische An- passungen an Windverbreitung, ferner sind auch die durch Vögel verbreiteten Arten rascher nachgerückt, so dass auch hier eine Diffe- renz von 3,9°/, zu Gunsten der arktischen besteht. Wir dürfen dem- nach das Ueberwiegen der anemochoren Arten der Alpenregion zum Theil aueh dem arktischen Element zuschreiben, bei dessen Einwan- derung eine Auswahl nach den Verbreitungsmitteln stattgefunden hat. Im Anschluss an die Einwanderung des arktischen Elements mag hier noch ein anderer Punkt kurz besprochen werden, der allerdings schon die Frage nach dem Transport auf weite Distanzen berührt, nämlich: die Vermischung des alpinen Elements mit dent arktischen zur Eiszeit im eisfreien Gürtel zwischen den alpinen und nordischen Gletschern. Wie kommt es, dass eine ganze Reihe alpiner Arten, die sicher zur Eiszeit schon bestanden, nicht nach Norden gewandert sind? Zum Theil mögen hier zufällige Um- stände mitgewirkt haben, die sich nicht mehr eruiren lassen, zum Theil aber gelten auch die oben bei der Besprechung der Primulaceen angeführten Gründe. Es hat für die endemisch-alpinen Arten, speciell für die hochalpinen, im Gürtel zwischen den beiden Gletschern an geeigneten Standorten gefehlt; oder diese Standorte waren zu vereinzelt und zu zerstreut, als dass die Früchte und Samen das Zwischengebiet hätten überspringen können. Das gilt namentlich 8 für diejenigen Arten, die auch jetzt nicht tief herunterzusteigen ver- mögen. Dass von diesen die anemochoren und die durch Vögel transportirten beim Ueberspringen des Zwischengebiets im Vortheil waren, ist einleuchtend. Die hochalpinen Arten, die nicht in die subalpine Region herabsteigen, in eine nordisch-alpine und eine alpine Gruppe getrennt (wobei nur die jetzige Verbreitung, nicht die Heimath in Betracht kommt), müssten also für die erste Gruppe, die nordisch- alpinen Arten, einen grösseren Procentsatz anemochorer und „orni- thochorer“ Arten ergeben. Leider ist es unmöglich, zur Zeit die Alpenpflanzen, denen tiefere Standorte fehlen, sicher auszuscheiden, weil die untere Grenze im Allgemeinen sehr ungenau erforscht ist. Es würde eine solche Liste leicht sehr willkürlich ausfallen. Um wenigstens einige Zahlen als Beleg meiner Behauptung geben zu können, entnahm ich der von Heer (58) aufgestellten Liste der Nivalpflanzen Graubündens diejenigen Arten, die nach seinen An- gaben nicht unter 5500 P. F. = 1780m herabsteigen. Von den bier- her gehörenden 134 Species sind 60 nordisch-alpin, 74 nicht nordisch ; auf die verschiedenen Kategorien der Verbreitungsmittel vertheilt, er- geben sich folgende Zahlen: nordisch , nicht nordisch Differ. Haare 14 = 23,3 9), 9= 12,2%, +111 Flügel 7=11,7 8 = 10,8 + 0,39 geringesspec.G. 3= 5 3—= 41 + 09 Total I—III 24 — 40 20 —= 27,1 —+ 12,9 klein 15 — 25 16 — 21,6 + 3,4 Total: Wind 39 — 65 36 — 48,7 —+ 16,3 Vögel 2—= 3,3 _ — + 3,3 Ohne Verbr. 19 = 31,7 38 = 51,3 — 19,6 Total 60 74 Die Differenzen sind also hier noch viel grösser als bei der Gegenüberstellung des gesammten arktischen Elementes und des ge- sammten alpinen. Damit dürfte auch dieser Annahme wenigstens einige thatsächliche Grundlage gegeben sein. Ergebnisse: Aus den Daten und Auseinandersetzungen dieses Capitels folgt: 1. Die Hauptbedeutung der Anemochorie liegt für die Alpenpflanzen in der durch dieselbe gegebenen Möglichkeit der raschen Besiedelung neu sich bildender Standorte. 2. Bei der Einwanderung fand eine Bevorzugung der anemo- choren Arten statt. Flora, Ergänzesbd. 1901. 6 82 3. Das Vorherrschen der anemochoren Arten ist nicht sowohl zurückzuführen auf eine direete Anpassung an die biologischen Ver- hältnisse ale vielmehr auf eine gewisse Sichtung der Arten nach dem Verbreitungsmittel bei der Einwanderung. 4. Windtransport auf grosse Distanzen. Ich habe die grosse Bedeutung der Verbreitungsmittel für das schrittweise Vorrücken der Arten nachgewiesen. Es fragt sich nun: Ist auch ein Transport auf grosse Distanzen möglich? Für Meeres- strömungen als Verbreitungsagens ist diese Möglichkeit nachgewiesen durch Schimper, Treub und Andere. Dass auch durch Vögel keimfähige Samen sehr weit transportirt werden können, steht eben- falls fest. Ich möchte hier nur noch die Beobachtung Borzi’s (5) an der .Strasse von Messina über durch Zugvögel dort eingeschleppte Pflanzen erwähnen. Neben zahlreichen Arten, die auf Sieilien heimisch sind, erscheinen daselbst temporär auch einige fremde Arten, die immer bald wieder verschwinden, so Trigonella lilacina, Salvia pinnata, Con- volvulus hirsutus, Hyosciamus reticulatus. Die Samen derselben und an- derer Arten fand erauch noch keimfähig im Mageninhalt einiger Zugvögel. Weniger zuverlässig ist die Frage nach der Möglichkeit des Windtransportes auf grosse Distanzen beantwortet. Kerner (17) kommt geradezu dazu, diese überhaupt zu verneinen. De Candolle (47) weist sie zwar nicht ab, will ihr aber keine grosse Bedeutung beimessen. Es treten hier der Untersuchung grosse Schwierigkeiten entgegen. Directe Transportbeobachtungen sind selten. Aus jetzigen geographischen Verbreitungsthatsachen Schlüsse zu ziehen, ist meist etwas gewagt, da jetzt disjuncte Areale in früheren Epochen zu- sammenhängend gewesen sein können. Selbst das plötzliche Auftreten einer Art weit von ihrem nächsten bekannten Standort ist nicht immer beweisend, da die Mithilfe des Menschen und seiner Cultur nur schwer auszuschliessen ist. Der einzige Weg, auf dem man zu einigermaassen zuverlässigen Daten gelangen kann, liegt darin, alle Beobachtungen von sicher durch Wind transportirten Gegenständen zu sammeln, an den Punkten, wo andere Transportmöglichkeiten nicht in Betracht kommen können, und den nächsten normalen Standort zu bestimmen. So untersuchte Kerner (17) die Samen auf dem Firnschnee im Gebiete des Ortlers, und fand (pag. 152), „dass die grösste Mehrzahl der Pflanzen- arten, deren Samen sich über den Firnschnee der Gletscher ausge- streut finden, und jene, welche die Moränen bevölkern, identisch sind*. 83 Und daraus schliesst er (pag. 154), „dass die Uebertragung von Samen durch Luftströmungen nur auf sehr beschränkte Horizontaldistanz stattfindet“, und (pag. 165) „die luftfahrenden Samen, welche sich dem aufsteigenden Luftstrom anvertrauen, werden also in der Regel bei diesen ihren Reisen ein nahes Ziel in hohem Bogen erreichen, und von der Uebertragung luftfahrender Samen über weite Länder und Meere kann nach alledem füglich nicht mehr die Rede sein“. Dagegen ist zu erinnern, dass solche negative Befunde nicht absolut beweisend sind; eine einzige positive Thatsache kann sie umstossen. Zum gleichen Schluss wie Kerner kommen auch Magnin (23), Beier (4) und andere aus den Unter- suchungen der Ueberpflanzen der temperirten Zone. Ich halte die Untersuchung über diesen Punkt noch nicht für abgeschlossen. Für weitere Beobachtungen ist besonders das Alpen- gebiet geeignet, weil wir in den Gletschern und Firnfeldern Gebiete haben, auf die Samen, Früchte, Blätter ete. nur durch Windtransport gelangen können. Namentlich sind die Blätter, Buchenblätter, Ka- stanienblätter, ausgezeichnete Objeete, weil sie auch dem nicht speciell darauf ausgehenden Touristen in die Augen fallen, und sich ihr nächster normaler Standort relativ leicht bestimmen lässt. Eine An- zahl solcher Daten steht mir bereits zur Verfügung. a) Daten über Windtransport. In der Litteratur finde ich nur wenige derartige Daten. So erwähnt DeCandolle (II p. 615), dass in Anatolien und Persien bisweilen Flechtenstücke fallen bis 430 mg Gewicht. Doch zweifelt er, „que ces lichens aient &t& portes loin de leur origine, par exemple & plus de 10 ou 15 lieues“. Schibler (76) spricht von einer grossen Zahl Laubblätter aus grosser Tiefe, die er auf dem Radünergletscher gefunden habe. Die einzige sicher feststehende grosse Transportdistanz von Phanerogamensamen durch den Wind hat Treub in der Neubesiedelung der Insel Krakatau nachgewiesen. Die im Innern der Insel aufgegangenen 8 Phanerogamen können nicht anders als durch den Wind hergebracht worden sein. Die nächsten Vegetationen tragenden Inseln sind Sibesie 18,5 km, Sumatra 37,1km, Java 40,8 km entfernt. Doch dürfen diese Daten nicht direct auf unsere Breiten übertragen werden, da die Orkane und Teifune des indischen Archipels in ihrer Wirkung noch über unseren Alpenstürmen stehen, da sie eine Geschwindigkeit von über 50 Metersecunden erreichen. Ebensowenig darf aus den Transportthatsachen der Vulkan- und Wüstenstaube über weite Gebiete auf die Möglichkeit solcher Samen- 6*r 84 transporte geschlossen werden. Es ist eine bekannte Thatsache, dass Saharastaub bis weit in die Nordalpen geführt wird und hier das Phänomen des braunen oder gelben Schnees verursacht. Kerner (17 pag. 168) weist nach, „dass das Gewicht der organischen Bestand- theile dieser Staube zwischen einigen Millionteln und Zehntausend- steln eines Milligramms schwankt“, also noch unendlich weit hinter dem Gewicht der kleinsten Samen zurückbleibt. Um aus unserem Gebiet Daten über Windtransport zu erhalten, habe ich mich an eine Reihe von Alpinisten gewandt um Mittheilung event. Funde auf Gletschern und Firnfeldern. Die meisten kamen meinem Wunsche bereitwilligst entgegen und es wurde mir von allen versichert, dass sie oft Gegenstände beobachtet hätten, die nur aus weiter Ferne durch den Wind hertransportirt sein konnten. Leider haben die wenigsten genaue Notizen darüber gemacht und mussten mich auf die zukünftige Saison vertrösten. Trotz dieser in der Natur der Sache liegenden Misserfolge habe ich durch die gütige Mittheilung verschiedener Herren eine Anzahl bis jetzt noch unbekannter Thatsachen sammeln können, die die Möglichkeit des Transportes auf grosse Distanzen be- weisen. Ich stelle sie hier zusammen. Die meisten Daten verdanke ich Herm Dr. Coaz, Oberforst- inspector in Bern, der mir durch Vermittlung von Herrn Prof. Dr. C. Schröter auch die Objecte selbst zur Einsicht zukommen liess: Coaz fand 1878 auf dem Gerstengletscher (Geb. des Rhonegl.) bei 2490m Buchenblätter. Der nächste Buchenstandort ist Aeger- stein bei Guttannen im Haslithal, in einer Entfernung von 10km. Derselbe fand am 20. Mai 1878 Buchenblätter am Oberalp- pass im Schnee bei 2031m. Leider fehlt eine Angabe über den nächsten sicheren Buchenstandort. Wir wissen aber, dass die Buche im Bündner Oberland sicher die Höhencurve von 1500m nicht erreicht. Nehmen wir selbst den unwahrscheinlichen Fall an, dass bei 1500 m (Selva) noch eine vereinzelte Buche stehe, so wäre die Distanz immer noch 5km. In Wirklichkeit wird sie grösser sein, oder wir müssen an- nehmen, dass der Transport aus dem Tessin über die Bergkämme stattgefunden habe. Derselbe fand 6. September 1878 Blätter von Alnus viri- dis, Fagus silvatica, Sorbus Aria und Salices bei 2585m unweit des Sees beim Nägelisgrätli a. d. Grimsel. Alnus, Sorbus und Salix sind nicht beweisend, da diese sehr hoch hinauf steigen. Für die Buche ist der nächste Standort wieder Aegerstein in Ilkm Entfernung. 85 Derselbe fand am Säntis auf dem sog. blauen Schnee bei 2400m Buchenblätter; der wahrscheinliche Ursprungsort befindet sich am Seealpsee in 5km Entfernung; oder die Blätter sind über den Bergkamm aus dem Gebiet der Schwägalp (westlich) oder der Tschentschora (südlich), wo sich in 83km horizontaler Entfernung Buchen finden sollen, hergebracht worden. December 1878 führte ein Sturm Kastanienblätter aus dem Bergell von 1050 m über Pässe von 2700 m ins Avers. Die Hori- zontaldistanz beträgt mindestens 12 km (Mittheilg. v. Prof. C. Schröter). Escher fand auf der Zaportaalp im Rheinwald Kastanien- blätter, die entweder aus dem Blegnothal, zwei Stunden, über Kämme von 2500m, oder aus dem Misox, sechs Stunden, herbeigetragen sein müssen. (Schröter nach mündlicher Mittheilung von Prof. Dr. A. Heim.) Dr. Christ in Basel fand mitten im Firngebiet des Berner- oberlandes auf dem Concordiaplatz des Aletschgletschers Buchenblätter. Der nächste Walliserstandort ist am Glishorn bei Brieg, in 25 km Entfernung; aus dem Berneroberland könnten die Blätter nur gelangt sein über das Jungfraumassiv aus einer Entfernung von mindestens 15 km. Anton Brun in Flims theilt mir folgende Beobachtungen mit: „Auf dem Segnes-Gletscher habe ich oft Waldsamen, Buchen-, Eichen- und Birkenlaub gefunden, ebenso auf dem Bündnerfirn-Vorab- gletscher.* Er nimmt an, dass diese Laubsorten von starkem Föhn- wind aus dem Tessin herbeigetragen worden seien. Diese Annahme scheint mir zu gewagt. Nach Christ steigt die Buche im Bündner- oberland bis in die Gegend von llanz, und wir haben also wahr- scheinlicher hier ebenfalls in direct südlicher Richtung der beiden Gletscher den Ursprungsort zu suchen. Bei dieser Annahme ergibt sich für beide Gletscher immerhin noch eine Minimaldistanz von 8 km. Im Norden finden sich die nächsten Buchen jenseits des Kammes im Sernfthal in der Gegend von Elm; Entfernung vom Vorabfirn ca. 30 km, vom Segnesgletscher 6—8 km. Ernest Muret, Inspecteur des For&ts, schreibt mir: En aoüt 1894 je noti lors d’une ascension du Mt. Rose la rencontre vers 4000—4200 m de quelques feuilles geches de Sorbus Aria. Nach Jaccard findet sich Sorbus Aria im Nicolaithal; als oberste Grenze gibt er 1900 m, Das ergibt nach der Karte eine Minimaldistanz von 15—20 km. Prof. Früh beobachtete im Flachland während eines Brandes bei Föhnsturm, dass angebrannte Schindeln von Märweil 86 (Kt. Thurgau, 514m ü. M.) in direeter Windrichtung bis Bürglen (455 m) getragen wurden. Die Horizontaldistanz beträgt 6 km; in der Flugrichtung liegt ein bewaldeter Bergrücken von 550m Meereshöhe. Alle diese Beobachtungen beweisen, dass bei Sturmwind ein. Transport wenigstens bis auf Distanzen von 20 km möglich ist. Sie beziehen sich allerdings nur auf Blätter als die am leichtesten zu be- obachtenden Objecte, doch liegt keine Schwierigkeit darin, die Daten auch auf die doch leichtern Samen zu übertragen. Einen Beweis, dass selbst sehr schwere, compacte, kornförmige Gebilde im vollen Sinn des Wortes über Länder und Meere getragen werden können, liefert der Salzhagel am Gotthardt vom 30. Aug. 1870. Der Fall ist so wichtig und interessant, dass ich ihn nach Kenngott und dem Sammlungsmaterial in Zürich etwas ein- lässlicher darstellen will. Er ist bis jetzt nur als kurze Notiz Kenn- gott’s in der Vierteljahrsschrift der Zürch. naturf. Gesellsch. XV, 1870 veröffentlicht. Seine grosse pflanzengeographische Bedeutung ist bis jetzt noch nirgends hervorgehoben. Kenngott und Escher von der Linth erhielten die Mittheilung von dem eigenthümlichen Phänomen durch Fürsprech Müller in Airolo. Diese Briefe sammt den in der geologischen Sammlung des Polytechnikums und der Universität Zürich aufbewahrten Probestücke des Hagels sind mir von Herrn Prof. Dr. A. Heim gütigst zur Verfügung gestellt worden. Ich entnehme denselben und der Notiz Kenngott’s folgende Daten: „Post- fourgonconducteur Pedrina aus Airolo und Fourgonknecht Regli wurden am 30. Aug. 1870 um 11 Uhr Vormittags, als sie mit dem Postfourgon von Flüelen kommend die Lucendrobrücke, etwa 20 Min. vom Gotthardhospiz, erreichten, von einer Art Hagelwetter überfallen. Der Hagel fiel derart, dass den beiden fast das Gesicht verbläut wurde. Derselbe dauerte einige Minuten. Sie lasen solche Steine auf der Strasse auf; alle waren hart und salzig; Hagelsteine (Eis) fanden sich keine vor. Der Himmel war ziemlich bewölkt, doch zeigte sich hie und da ein Sonnenstrahl. Der Nordwind (Bise) wehte stark.“ — Die in der geologischen Sammlung aufbewahrten, von Herrn Müller an Prof. Kenngott gesandten 19 Probestücke wiegen durchsehnittlich 0,32 g; die schwersten 0,76, 0,63, 0,51, 0,50, 0,47 g nach meinen Wägungen. „Es sind Chlornatriumkrystalle oder Steinsalz, wie es in Nordafrika als sog. Wüsten- oder Steppensalz vorkommt; einzelne Krystalle sind an den Ecken abgerundet; an einzelnen sind Ecken und Kanten scharf; auch zeigt sich zum Theil treppenförmige Bildung- Kein Krystall ist rundum ausgebildet, sondern man sieht deutlich, 87 dass sie von einer Fundstätte herkommen, wo sie aufgewachsen waren; doch sind fremde Mincraltheile nicht zu bemerken, was auch bei einem Salz nicht zu erwarten ist, welches auf einer Bodenoberfläche als lockerer Ueberzug vorkommt, als so lockerer, dass einzelne Indi- viduen durch Stürme aufgehoben und fortgetragen werden können.“ (Kenngott.) Der Beschreibung ist weiter nichts hinzuzufügen. Ich gebe hier die photographische Abbildung der neun Hauptstücke in natürlicher Grösse. Salzkrystalle vom Salzhagel am Gotthardt, 30. Aug. 1870 (natürliche Grösse). Woher stammen nun diese Salzkrystalle? Dass sie von einem Salztransport in der Nähe verloren und dann vom Sturme aufgewirbelt worden seien, ist nicht anzunehmen. Dagegen spricht ihre ‚grosse Menge (das Hagelwetter dauerte einige Minuten!) und ihre Ausbildung. Wir finden Salzkrystalle von dieser Form und Grösse nirgends ver- wendet. Im Ferneren wäre zu denken an die nächstliegenden Salinen und Salzbergwerke. Ich habe mich um Auskunft an die Directionen der 88 Salinen von Bex und Rheinfelden gewandt. Die Antworten zeigen beide die Unwahrscheinlichkeit dieser Ursprungsorte. Die Direetion von Bex schreibt: „Unser Bergwerk besteht aus einem Gemisch von 30%, Salz und 70%, Anhydrit. Es wird mit Pulver gesprengt, in unterirdischen Behältern gelöst und die Lauge in Röhren bis zum Siedehaus geführt und das gewonnene Salz in geschlossenen Räumen getrocknet. — Andererseits sehe ich aus den meteorologischen Beobachtungen aus dem Jahre 1870, dass damals im Monat August niemals starker Wind geherrscht hat. Die Richtung der beobachteten Winde war folgende: 1.—183. Aug. N—E, 18., 19., 23., 24., 26., 27. und 28. Aug. N, 14.—17. und 29.—81. Aug. E, 22. Aug. E“. Also niemals die Wind- richtung gegen den Gotthardt; Bex liegt WSW vom Gotthardt. Dem Rheinfelder Bericht entnehme ich nur Folgendes: „Unsere sämmtlichen Räume zur Salzfabrikation bleiben mögliehst geschlossen; frei gelagert wird unser Salz nicht und in keinem Falle wird es vom Wind davon getragen“. Zugleich wurden mir Muster der verschiedenen gewonnenen Salz- sorten gesandt, die aber alle keine Aehnlichkeit mit den Hagel- krystallen zeigen, ausser den sog. Hütchen, die sich beim Kaltstellen der Pfannen, also bei ganz langsamer Verdampfung, ergeben. Diese sind aber bedeutend grösser und scheinen nicht in so grosser Menge vorzukommen, dass sie das Material für einen Salzhagel hätten liefern können. — Die nächstliegenden Salinen Bex und Rheinfelden sind demnach als Ursprungsort so gut wie ausgeschlossen. Kenngott schloss aus der Ausbildung der Krystalle auf Nord- afrika als Ursprungsort. Dagegen scheint zwar zu sprechen, dass am 30. Aug. 1870 auf dem Gotthardt der Nordwind wehte. Doch löst sich dieser scheinbare Widerspruch leicht. Viele der schon erwähnten in ihren Ursprung feststehenden Staubfälle haben ebenfalls bei Nord- oder Nordwestwinden stattge- funden, Der Südwind hat den Transport vermittelt, der Nordwind den Niederschlag verursacht. Der Annahme Nordafrikas als Ur- sprungsort steht also dieses Factum nicht entgegen. Um aber event. weitere Aufklärung zu erhalten, wandte ich mich durch Vermittelung von Herrn Prof. ©. Schröter an Herrn Prof. Flahault in Montpellier. Er sandte uns aus den Salzgärten von IIyeres eine grössere Probe von Salzkrystallen, die in der Aus- bildung mit den am Gotthardt gefallenen übereinstimmen. Dadurch gewinnt die Vermuthung an Wahrscheinlichkeit, dass wir es hier mit 89 Meersalz zu thun haben. Nehmen wir diesen Ursprung an, so ergibt sich immerhin noch eine Distanz von 250 km (Genua) oder 300 km (Venedig), durch welche Zahlen dann die geringste Entfernung ge- geben wäre. Auch Delage, Prof. der Geologie in Montpellier, weist übrigens nach den Briefen Flahauit’s die Möglichkeit eines afrikanischen Ursprungs dieser Krystalle nicht vollständig zurück. Wir müssen dann die Heftigkeit der afrikanischen Stürme in Betracht ziehen, von der folgende Beobachtungen De&elage’s ein Bild geben: „Il tombe une grele des cailloux qui atteignent le poid d’un gramme, qui volent horizontalement commes des fiocons de neiges. Ües cailloux sont transport&s depuis des centaines de Kilometres.* Daran anschliessend schreibt Flahault: „Ces gröles de cailloux arrivent, moins fröquentes et moins abondantes jusque dans le 'Tell, au sud d’Alger. Mais entre le Tell et le St. Gothard, il y a environ 1000km. Il faut alors ad- mettre que les cristaux de sel aient et enleves par un tornado et emporter dans les hautes regions de l’atmosphere pour retomber au St. Gothard par un vent du Nord. Cela n’est pas impossible; mais comme le dit Mr. Delage c'est extraordinaire®. Der sichere Ursprung der Krystalle wird sich also kaum mehr definitiv feststellen lassen. Es bleiben die beiden Möglichkeiten: Mceresküste und Nordafrika. Für unsere Frage ist damit genügend Klarheit geschaffen. Wir haben es mit einem Transport auf minde- stens 250 km, vielleicht sogar 1000 km zu thun. Wenn es aber möglich ist, dass Salzkrystalle von 0,76g Gewicht durch Windströmungen auf 250—1000 km Distanz transportirt werden, so steht sicher der Annahme, dass Samen durch den Wind selbst über weite Länder und Meere getragen werden, nichts entgegen. b) Einwanderungen durch Transport auf grosse Di- stanzen. Etwas anders wird die Antwort lauten, auf die Frage nach der Bedeutung solcher grossen Transportdistanzen für die Ein- wanderung der Arten. Diese kann nicht gross sein, da die Samen dadurch gewöhnlich in klimatisch zu verschiedene Bedingungen ge- führt werden. Ein Transport von Pflanzensamen aus der Arktis in unsere Alpen ist trotz dieser letztangeführten Beobachtung mit Heer (58 pag. 28) abzulehnen. Eine grössere Bedeutung kommt dem Transport auf Distanzen von 10—40km über Alppässe zu. Diesem mag manche Besiedelung eingeschlossener Thäler und einzelner Gipfel zu danken sein (vgl. auch Chodat 42a). 90 wur -_- Eine Anzahl von Einwanderungs- und Verbreitungsthatsachen, die sich nur durch diese Vermittelung erklären lassen, die aber in- direct auch wieder das Vorkommen solcher Transporte beweisen, stelle ich hier zusammen. Mit Erlaubniss des Verfassers habe ich aus dem Archiv der naturforschenden Gesellschaft des Kantons Glarus einen unveröffentlichten Vortrag von Dr. Stauffacher über die „Vegetationsverhältnisse des Sernfthales“, Herbst 1887, erhalten. Demseiben entnehme ich folgende Daten. Stauffacher hat 1887, also ca. 50 Jahre nach den Untersuchungen Heers, „die an Vollständigkeit nichts zu wünschen übrig lassen, in dem von allen Seiten abgesperrten, namentlich dem Südstrom fast ganz verschlossenen Sernfthal“, folgende Arten als sicher neu constatirt: Örchis Morio in der Eggerweid; Serratula Rhaponticum im Krauchthal (Alp Rieseten); Galeopsis speciosa, zwei Exemplare am Südabhang des Camper- dunergrates; Saponaria ocymoides, am Segnespass, und Delphinium elatum am Panixerpass. Diese Arten sind alle so auffällig, dass sie Heer nicht entgangen sein konnten; sie müssen also in Jder Zwischenzeit eingewandert sein, Es lässt sich auch für diese der wahrscheinliche Ursprung und Ein- wanderungsweg bestimmen, Orchis Morio ist über den Riesetenpass (2195m) aus dem St. Galler Oberlanıl eingewandert. Serratula Bhapontieum auf dem gleichen Wege. Der nächste St. Gallerstandort befindet sich zwischen Unterfoo und Wallenbüzel (Wartm. und Schlatter), also in einer Horizontaldistanz von 2,5 km. Galeopsis speciosa. Der nächste Standort ist (nach Wartm. und Schlatter) Vorsiez im Weisstannenthal. Die Horizonthaldistanz beträgt 9km; der zu überschreitende Foopass besitzt eine Meercs- höhe von 2290 m. Saponaria ocymoides ist wahrscheinlich über den Segnespass, Delphinium elatum über den Panixerpass eingewandert. Diese Annahmen begegnen nach den constatirten sicheren Trans- portdistanzen keinen Schwierigkeiten. In ähnlicher Weise sind auch folgende Fälle zu erklären: Serratula Rhaponticum findet sich (Schlatter 78 pag. 375) im Kanton St. Gallen nur im Seezgebiet und gerade gegenüber der Saxerlucke auf der Alp Mans. Da die Distanz nur ca. 3km beträgt, ist die Einführung durch den Föhn ziemlich sicher anzunehmen. 91 Mit ebenso grosser Berechtigung führen Wartmann und Schlatter (85 pag. 41 und 44) auch folgende zwei Fälle auf Föhn- wirkung zurück: Arabis turrita „im Gebiet auf die unteren Abhänge des Rhein- thales‘ beschränkt; eigenthümlicherweise findet sie sich auch am nördlichen, sonnigen Abhang beim Sämtisersee (Appenzell), wurde daselbst von Brügger zuerst aufgefunden und seither auch von Schlatter in verschiedenen Jahren beobachtet; wahrscheinlich durch den Föhn über die Bergpässe eingeführt“. Die Horizontaldistanz von den nächsten Standorten beträgt 2—-3km; die zwischenliegenden Kämme haben eine Höhe von 16— 1700 m. Cardamine resedifolia. In den Alpen des Oberlandes weit ver- breitet; in der Alviergruppe und den Churfirsten noch gar nicht auf- gefunden. In den Appenzelleralpen äusserst selten: 1807 fand Dr. T. Zollikofer am Säntis, 1880 Steph. Schlatter am Altmann je ein Exemplar; dann war die Pflanze wieder völlig verschwunden, bis 1877 Th. Schlatter nach langem, in verschiedenen Jahren wiederholtem Suchen dieselben in einer Gruppe von sechs Exemplaren am obersten Grasband des Altmann (Süd-Westseite) neuerdings ent- decken konnte. Offenbar trägt der Föhn die Samen aus den Öber- länder Schieferalpen von Zeit zu Zeit in die Appenzelleralpen, wo jene dann keimen; auf die Dauer scheint sich die Speeies dort nicht halten zu können. Die Horizontaldistanz vom Altmann zum Ober- land beträgt 25km. Die Beispiele liessen sich bei einer einlässlichen Durchforschung des Alpengebietes auf diesen Gesichtspunkt hin jeden- falls noch vermehren. Die angeführten Fälle zeigen zugleich auch die Bedeutung der Passlücken für die Einführung neuer Arten. Die Abhänge gegenüber solchen Windstrassen zeichnen sieh, wie z. B. Schlatter, Schib- ler und Stauffacher übereinstimmend constatiren, durch grossen Artenreichthum aus. Ergebniss: Ich glaube mit den eben angeführten Daten die Möglichkeit des Windtransportes über Bergpässe und auf grosse Distanzen sichergestellt zu haben. Zugleich aber geht aus diesen Daten im Vergleich zu denen des vorigen Capitels hervor, dass dem Transport auf weite Distanzen gegenüber dem schrittweisen Vorrücken eine geringere Bedeutung zukommt. Disjuncte Areale können also auf Windtransport zurückgeführt werden. Es steht selbst der Annahme, dass die südlichen Arten des Wallis und der Föhnzonen, ohne die Nothwendigkeit einer postglacialen Aquilonarperiode, über 92 die Alpen eingewandert seien, nichts im Wege. Damit ist natürlich die Frage nach der Existenz der aquilonaren Periode und nach dem thatsächlichen Einwanderungswege des xerothermischen Elementes in unserer Flora nicht entschieden. Vgl. übrigens Chodat (41a) und Briquet (38). " 5. Bedeutung der Verbreitungsmittel für den Transport auf grosse Distanzen. Nachdem der Nachweis geleistet ist, dass ein Samentranaport durch den Wind selbst auf grosse Distanzen möglich ist, frägt es sich, wie weit dabei die Verbreitungsmittel eine Rolle spielen. De Candolle (47) suchte auf verbreitungsstatistischem Wege zu einer Antwort zu gelangen. Er theilte die Arten derjenigen Familien, in denen hauptsächlich ausgezeichnete Anpassungen an den Wind vorkommen, in je zwei Gruppen, die eine mit, die andere ohne Verbreitungsmittel, Danu stellte er fest, wie viel Procent der Arten jeder Gruppe in mehr als zwei der von ihm aufgestellten 10 Regionen der Erde vorkommen. Er erhält so, um nur drei Beispiele anzuführen, folgende Zahlen (I pag. 534): Total d, Spec, in mehr als 2 Regionen Ranunculaceen: mit nackten Früchtchen 444 31=7T % mit Haarschweif 101 3= Rosaceen: nacktfrüchtig 255 21=8,2 mit Haarschweif 43 2—= 4,6 Compositen: mit Pappus 993 45 — 4,5 ’ ohne Pappus 17565 222 = 2,9 ‚Danach wären also die Verbreitungsmittel für die allgemeine Verbreitung der Arten, und insbesondere für den Transport von einem Florengebiet zum andern, nicht maassgebend. Die schlecht angepassten Gruppen weisen einen höheren Procentsatz weit verbreiteter Arten auf. Beweisend sind aber diese Zahlen nicht. Die Schwächen des ganzen Verfahrens liegen auf der Hand. Die Zahl der Regionen ist so klein, dass sie zugleich auch klimatisch verschiedene Gebiete repräsentiren, und cs überrascht deshalb nicht, dass überhaupt nur ein so geringer Procentsatz der Arten mehr als zwei Regionen be- wohnt. Die Differenzen zwischen den beiden Gruppen können aber eben so leicht von klimatischen Ansprüchen abhängen. Sicher spricht 93 das Resultat allein nicht gegen die Bedeutung der Windverbreitungs- mittel für den Transport auch auf grosse Distanzen. Für eine richtige Beurtheilung” dieser Bedeutung sind zwei Fälle aus einander zu halten, nämlich der Transport durch schwache Lutft- strömungen und der Transport durch Sturm. Es lässt sich in den wenigsten Fällen nachträglich entscheiden, welchem dieser beiden Factore ein thatsächlicher Transport zu verdanken ist. In den meisten angeführten Beispielen ist allerdings Sturmwirkung wahrscheinlicher, speciell beim Transport über Bergkämme, Wenn überhaupt weite Transporte durch schwache Luftströmungen vorkommen, so ist es selbstverständlich, dass ein solcher nur leicht fliegende Objecte treffen kann. Für Früchte und Samen, die zufolge ihrer Kleinheit oder anderer Flugorgane schon durch den aufsteigen- den Luftstrom emporgehoben werden, kann man annehmen, dass sie in höheren Regionen in horizontale Luftströmungen gelangen und durch diese weithin verfrachtet werden. Kerner (17 p. 162) will diese Möglichkeit nicht zugeben; er begründet seinen ablehnenden Stand- punkt folgendermaassen: „Alle diese Früchte und Samen (mit haar- förmigen Flugapparaten) können durch den aufsteigenden Luftstrom nur bei Sonnenschein, bei trockener Luft und im unbethauten Zu- stande emporgeführt werden. Sobald die relative Feuchtigkeit der Luft im geringsten zunimmt, hört auch die Möglichkeit des weiteren Aufsteigens alsbald auf, Eine solche Aenderung tritt aber nothwendig immer und überall ein, sobald die erwärmte Luft beim Aufsteigen sich ausdehnt und abkühlt, und die ausserordentlich hygroskopischen Samen werden daher über einen gewissen Höhepunkt niemals hinaus- kommen, Dieser Höhengürtel wird nicht für alle Samen der gleiche sein, auch wird derselbe nach verschiedenen Tageszeiten, Jahreszeiten und nach örtlichen Verschiedenheiten des den Grund des Luftoceans bildenden Terrains eine bald höhere, bald tiefere Lage annehmen. Auf keinen Fall gelangen die Samen, welche mit dem courant aseen- dent im Quellengebiete unserer Südwinde emporschweben, bis in die Region, in welcher die emporgestiegenen Luftmassen seitlich ab- fliessen, und im Gebiet unseres Hochgebirgs mag im Hochsommer etwa der Höhengürtel, welcher sich 5—-600 m über die höchsten Spitzen ausspannt, die Grenze bilden, welche von keinem der beflügelten Samen überschritten wird. — Es ist hier auch noch daran zu erinnern, dass die im Sonnenschein emporgeführten Samen, sobald die Sonne untergegangen, geradeso wie die ins Luftmeer tauchenden Halme, Zweige und Blätter nothwendig Wärme ausstrahlen und infolge dessen pe 94 bald mehr bald weniger reichlich bethaut werden. Aber schon durch die schwächste Bethauung verliert der luftfahrende Same seine Flug- fähigkeit und sinkt immer tiefer und tiefer, bis er endlich wieder den Grund des Luftmeeres erreicht hat, von dem er aufgestiegen ist.“ Durch diese Begründung wird in der That der Umstand erklärt, dass so selten flugfähige Samen aus weitentfernten Regionen beobachtet werden. Doch beruht sie anderseits auch wieder auf rein theoretischen Erwägungen, denen nur negative Beobachtungen zu Grunde liegen. Ich möchte die Frage noch offen lassen, bis durch positives Beob- achtungsmaterial die Ansicht Kerner’s bewiesen oder widerlegt werden kann. Gegen Kerner spricht jedoch schon die grosse Windgeschwindigkeit in den höheren Regionen. Ich habe oben (pag. 68 u. ff.) allgemein nachgewiesen, dass unsere Alpenstürme im Stande sein müssen, selbst die schwersten Samen ohne Weiteres mit sich zu reissen. Der Salzhagel am Gott- hardt gibt ferner ein sicheres Beispiel eines Transports von schweren, kernförmigen Gebilden auf sehr grosse Distanzen. Daraus folgt, dass für Sturmtransport Flugeinrichtungen nicht unbedingt nöthig sind. — Betrachten wir die übrigen angeführten Fälle von weitem Transport, so finden wir zunächst, dass sich die directen Beobachtungen meist auf Blätter beziehen. Das mag sich zum grössten Theil durch den schon angeführten Grund erklären, dass die Blätter auffallende, leicht sichtbare Objecte sind; es kann aber dabei auch noch ihre ganze flügelartige Ausbildung eine Rolle spielen. Die als indireete Beweise angeführten Neueinwanderung und Verbreitungsthatsachen betrafen folgende Species: Orchis Morio (8.), Galeopsis speciosa, Serratula Rhaponticum (Pappus), Delphinium elatum (Flügel), Saponaria ocy- moides, Arabis turrita (Flügel), Cardamine resedifolia (kl. geflügelte Samen); also nur Galeopsis und Saponaria nicht ausgesprochen ane- mochor. Ebenso ist es wohl mehr als Zufall, dass unter den acht von Treub (84) als auf Krakatau eingewandert constatirten Species sich befinden: vier Pappus tragende Compositen (1 Wollastonia, 2 Conyza, 1 Senecio); ferner zwei sonst mit haarförmigem Flug- apparat ausgestattete Arten (1 Phragmites und 1 Gymnothrix). Die andern beiden sind Tournefortia argentea L. (olıne Verbreitungsmittel ?) und Scaevola Koenigü Vahl. (mit fleischigen Früchten, wohl durch Vögel eingeschleppt). Alle diese Befunde sprechen für eine Bevorzugung der mit Flug- apparaten ausgestatteten Arten auch beim Transport auf grosse Distanzen. Wie ich aber schon nachgewiesen habe, tritt der Trans- 85 port auf weite Distanzen in seiner Bedeutung weit zurück hinter das schrittweise Vorrücken und so bleibt auch die Hauptbedeutung der Verbreitungsmitte) und speciell der Flugvorrichtungen in der Erleich- terung der letztern. 6, Schluss. Durch die vorliegende Arbeit glaube ich folgende Hauptsätze als feststehend bewiesen zu haben: 1. Parallel mit den veränderten Windverhältnissen und der da- durch bedingten grösseren Bedeutung des Windes als Verbreitungs- agens, parallel mit dem Zurücktreten der Thierwelt und dem fast vollständigen Verschwinden des von Phanerogamen bewohnbaren stehenden Wassers, — weist die alpine Region gegenüber den tiefern einen grösseren Procentsatz anemochorer Arten auf, treten die zoo- choren sehr zurück und fehlen die hydrochoren fast ganz. 2. Das Ueberwiegen der anemochoren Arten ist nicht zurückzu- führen auf direete Anpassung an die alpinen Verhältnisse, sondern auf eine Auslese bei der Einwanderung der Alpenflora, durch welche die anemochoren bevorzugt wurden. 3. Die Bedeutung der Flugeinrichtungen liegt für die Alpen- pflanzen hauptsächlich in dem dadurch ermöglichten raschen Besitz- ergreifen von neu sich bildenden Standorten und dem Besiedeln steiler Hänge. 4. Transport der Samen durch den Wind auf grosse Distanzen, selbst bis auf Hunderte von Kilometern ist möglich, spielt aber für die thatsächliche Pflanzenverbreitung nur eine schr geringe Rolle. Mehr Bedeutung hat der Transport auf Distanzen von 3—40 km, s0- wie die Möglichkeit des Ueberschreitens selbst hoher Bergrücken. Zürich, im Januar 1901. Anhang. Uebersicht über die Verbreitungsmittel der schweizer. Phanerogamen. Die folgende Zusammenstellung soll die Belege bieten für die statistischen Angaben meiner Arbeit. Sie enthält die Verbreitungsmittel sämmtlicher schwei- zerischer Phanerogamen in systematischer Reihenfolge. Ueber die Taxirung und Eintheilung der Verbreitungsmitiel vgl. pag. 33 u.fl. Wo nichta anderes bemerkt, sind die Angaben durch eigene Untersuchung gewonnen, in der Hauptsache an den Exemplaren des Herb, helv. d. eidg. Polyt.; andernfalls sind sie der oitirten Litteratur entnommen. 98 Zur Darstellung folgende Bemerkungen: Wenn innerhalb einer Gattung keine Differenzen in Beziehung auf Ausrüstung mit Verbreitungsmittel oder auf die Höhenregion bestehen, sind die Arten nicht einzeln aufgoführt; ebenso auch nicht die „nicht in die alpine Region“ aufsteigen- den, wo os sich nur um Differenzen in der Höhenverbreitung handelt. Ich gebe nur die Anzahl der betr. Species an, und verweise im Uebrigen auf Schinz und Keller. Die einzelnen Rubriken enthalten die Anzahl der Arten der betr. Höhen- quoten mit den Verbreitungsmitteln. Rubrik I enthält die Gesanmtzahl der schweizerischen Arten, n Il enthält die „nicht alpinen“ Arten, die überhaupt nicht in die alpine Region aufsteigen, » UI enthält die „nicht alpinen“ Arten, welche aber die Waldgrenze überschreiten, „ II und III ergeben also zusammen das 'Total der „nicht alpinen“ Arten, » IV enthält die eigentlich „alpinen“ Arten, » Il und IV enthalten zusammen also das Total, der in der alpinen Region gefundenen Arten, n 1I-+- III --IV=Rubrik I oder der Gesammtzahl der Arten. n V enthält sämmtliche Arten der nivalen Region. Wenn keine weitere Bezeichnung sind es „alpine“ Arten; mit -+ bezeichne ich die- jenigen Arten, die nicht „alpin“ sind, sondern einer tieferen Region angehören. (Die letzteren sind in Rubrik IH, die ersteren in Rubrik IV mitgezählt.) Bei der Aufzählung der Arten bediene ich mich für die Regionen der Ab- kürzungen: Unt. L. — Rubrik II, Unt. L.-Alp. = Rubr. II, Alp. —Rubr. IV, Alp.- Niv, = Rubr. IV-+- V; Unt. L.-Niv. = Rubr. II + (+ V). Die Höhenquoten wurden bestimmt nach den Localfloren des Gebiets; hauptsächlich Jaccard, Wartmann, Schlatter, Wirz, Killias, welche die meisten Höhenzahlen angeben; ferner wurden dazu benutzt Heer (58), Stebler und Schröter (82). Als untere Grenze der alpinen Region setze ich (vgl. auch pag. 5, Anmerk.): Nordschweiz 1800 m, Wallis 2100 m; für die nivale Region: Nordschweiz 2600m, Wallis 2800 m. Die „alpinen“ Arten sind Christ (43) entnommen (vgl. auch pag. 6). Mit n bezeichne ich unter diesen diejenigen, welche nach Christ und Nyman auch nordisch sind. Abkürzungen für die Bezeichnung der Verbreitungsmittel: W.== Anpassung an Windverbreitung (die specielle Art ist jeweils ausge- schrieben, vgl. die gegebene Eintheilung pag. 33 u. 34. $. == spec. Gewicht). T. vschl. = grosse, nährstoffreiche Früchte, durch Thiere verschleppt. T. häkelnd oder klett.—= Hükel- oder Klettfrüchte. Vögel kleine, Beischige Früchte, durch Vögel verbreitet. Ag = Hydrochor. — = in keine der aufgef. Kateg. gehörend. Schleuderfr.=Schleuderfrüchte; Hrsch w. = Haarschweif; vschl. = ver- schleppt ; Schw. = Schwimmer. 97 |puroxeg ‘LI | “ya by Tjayog by z | \ ‚puanay EL" 'bv z, bv a sbvı sbv ı “ayag'by gi | u08 byız diy-I a euoy u Paoaeı suysnorl uryaojbrd ‘L " " diverı un ayonad oönawsenu ‘sn. end PrIzUamaU08 oomuauannt K ® B un “ de d) oueyog In “Iıssnu gyonag : :sDlDN ‚uoaouputen y org ug 'suagsnppd vnpayamunz udıy u ausofgy 'g Uy-tj gun ‘snpunpad pun sun -»u 7 run "de Sr ‘(2Z) NDUEyOg "pusmgyonıg ueıeseug ' ‚op ut uepyoggparz :uopboumorg :uaaowuozadowuejodg 'g "by “ by gl byz' . ’ . ‘ . 5 (22) X9uaydg yons '[FA | | (gr) aausey :by ‘yonız säıegyonazursgs dıy- "Tun | i “umumunudg “7 'yun "däg € "unmuvdundg :uaeosıusdaudg 'z "AUdBapH ' Mr Myosıp m y| Toysygonag a911e8yagqZusg “rg Jun ‘(de p) »ydh], :uaooeydÄ, 1 | | | "ueuopejfäy0oouom | "ezwaedsor3uy | 1odox ıl psoAıı . * auasguıeyag Darzaagay DApaydar ‚ueoosjeung 'g ı todoA T) 1ägAıLL" ’ ’ ’ ’ saasqursyag 7 Jun ‘Wong snznL oägA I TägA 1 o3ga | a wa 9 Tepe dy unuup diy-ı sun | ung ‘fun srunwmmos”f "uelsoqufeyog isnadunp Pan aM % Bänd Mil . uoweg "god “dıy-' un ‘7s720x0 naoiy 'ngw sagy ten MI ana ar 0 vouug "yes "äly-T gun 'onpmwep win “yosa LT U GL Due vun Ge BE Zn "dev sun gddayos -19A JSUBH yoınp ‘uawmeg oyoraagogsaugu aRBoıIg !nAqwa) 'T SIE INGE GC Be Se SC 23.16 ey EZ en or ueueg "ed -diy- ug (wunguom 'g tr ug sussanssnulg :ueaejtuod I ‚sewaedsouufg TSAIN wdy | dverzun| m runann | de 'p von, | [22 Flora, Ergänzgsbd. 1901. 98 PUfoARy “LT, Puposey LT | putaagy 'Lz| ' " y " “ pujexeq ueddery uestzyrdspoyoue uap u *diy-"T gun 'sapror.ınpoyd pun “un “unssdsn wnapyJ "Ayo 'M Z AyDsay Az | 9dderyosaea zug mr asıy], yoınp yone usdomsep uopıom pun um yols Usayoq apleg "pususip Zusjpun SIE yoop ı1oqe eaveq] ‘ses ouyo ngmyndoo '9aBsgoq auusin dus; Drvuuad ndng MIO eigey "MT 51 3 27 0 0 en En Zn Ze Ze “MINI Ju OD gopırH FT) yyay "Zusppuy se Salve “wnD.t0p0o ununzoymy _ € _ e| * ToytwmsdsungtagIror auyo unmm ‘soryoo.targy (S1A0Dy4E puogarz ‘LT, PuaNeg LT | * " " j ö " " “ Ae][oy pun zuryag _ ‘addejyasıoa Todgadnz yoını "puszgopg munsapunp vzhig _ € _ ge ’ * Zungyoraufsjoggy sugyo soredg aßıgn til PUPONBU SET) PUTORBU LTE Tr GI) yyag pun 18U12Y 'PULONEBY 'ynBı SJIgMyOnı URIBIOg 270711014.190 DIIDIOS pufos®y ‘EI | Pufeyey LT ° " PUToNey ouusag 1odtıgepy wm “Jofunnpun snuausydg = 48 = € 10493 Iydroera ‘oyyonag opunı “T zug ‘Cdg g) mnamnT PUIOABU "LT | puoaey ur | ° " " s i " " i “ yyunH 'paoyory uezjedg USP „ne uMsIog AdFIyByLopIm ‘snsowson.t snÖn4L, pujoxgq 'L 3 | pupeyey 'L2| " " " j s " ” “ui zpadyeyog ar ya usayoq 'pufoyry ueuusig op oylıy Arm “ag77d pun snyhaß y Zusjpurq spe _ . 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Ranunculaceen: Aeussere Ansicht der Theilfrüchte (resp Samen) (meist 5:1); Querschnitte schematisirt. 16. — alpina. m. — sulphurea. 18, — baldensis. 19, — nareissiflor«. 20. Callianthem. rutaef. . Ranuneulus alpestris. .— glaeialis, Fig. 1—21. Cruciferen: n ” » n ” ” Tafel IL Samen 15:1, Fig.23. Ranunc. montana (Früchtchen). 24. — pnrnassifolia „ 25. _— pygmaeus 26. Aquilegia alpina (Same). 10:1. 27. Delphinium elatum (Same). 28. Ranunc. pyrenaeus (Früchtehen). 29. — Thora. n 30. Thalietrum alpinum » Früchte 8:1, schemat. Querschnitt, einschichtige helle Flügel der Samen weiss, doppelte dunkle Ränder punktirt. Fig. 1. Arabis alpina. ” 2. 11. 12. "— bellidifolia. — coerulea. _ pumila. — serpyllifolia. — ciliata, _ Pedemontuna, — Petraea. — Scopoliana. _ strieta, Cardamine alpina. — resedifolia. Fig.13. Draba aizoides. 14. — Wahlenbergii. 15. Hutchinsia alpina. 16. — brevicaulis. 17. Petrocallis pyrenaica. 17a. Schötchen derselben. 3:1. 18. Thlaspi rotundifol. 18a. Schötchen derselben. 3:1. 19. Thlaspi Mureti (Schötchen). 3:1. 20. Alyssum alpestre „ 3:1. 21. Vergrösserte Testsstruotur von Arabis und Drabs. 300: 1, 137 Fig. 22—29, Saxifragaceen: Samen 50:1, schemat. Querschnitt: Fig.22. Sarifragea oppositif. Fig.26. Saxifraga biflora. »„ 23. — Aizoon. n 27. — androsacea. „ 24. — aizoides. „ 28. — exarata. »„ 25. — stelaris. „29. — aphylla. Tafel II, x Fig. 1—5,. Rosaceen: Fig. 1. Früchtehen von Dryas oetopetala. 6:1. n„ 2 „ n Sieversia montana. 6:1. „ 3 ” „ FPotentilla grandifl. 20:1. „4 „ „ Alchimilla glaberrima 20:1. 4a. Dasselbe sammt Kelch von oben. 10:1, 5. Früchtehen von Sibbaldia procumbens. 20:1. Fig. 6-12. Umbelliferen: Theilfrüchtchen 5:1; Querschnitt 5:1 oder 10:1. Fig.6. Eryngium alpinum. Querschn 5:1. Fig.10. Ligusticum mutellina. » 7. Bupleurum stellatum. „ 10:1. Querschn. 10:1. n„ 8. _— ranunculoides. „ 10:1. „ 1. — simplex. n 5:1, „ 9. Athamanta hirsuta, „ je: „ 12. Laserpitium panax. 5:1. Fig. 13—19. Primulaceen: Samen 10:1: "Fig. 13. Primula auricula. Fig. 17. Androsace carnea. 14. — latifolia. n„ 18. — glacialis. 15. Soldanella alpina. „ 19. — Relvetica. „ 16. Androsace obtusifolia. Fig. 20—25. Gentianaceen: Samen 20:1: Fig. 20. Gentiana vulgaris. Fig, 23 Gentiana tenella. „ 21. — bavarica. »„ 24. — pannonica, „ 21a. Oberflächenstructur ders. 70:1. „ 25. Pleurogyne carinthiaca. 22. Gentiana nivalis. Fig. 26—31. Campanulaceen: Samen 20:1. ” Fig. 26. Phyteuma Scheuchzeri. Fig. 29. (ampanula barbata. n 27. — hemisphaeris. n„ 30. — thyrsoides. n 28. — humile. »„ 31. — eenisia. Tafel IV, Fig. 1—-14. Compositen, Achaenien: 10:1 (Dimensionen des Pappus durch einzelne Strahlen angedeutet): Fig. 1. Artemisia spicata, Fig. 7. Leontopodium alpin. n 2. — glacialis. n 8. Crepis grandiflora. n 3. Achillea atrata. n 9. Leontodon incanus. n 4. Chrysanth. alpinum. n„ 10. — pyrenaicus. „ 5. Centaurea nervosa. „ 11. Aronicum scorpioides. » 5a. Längsschnitt durch das untere „ 12. Senecio abrotonifolius. Ende desselben, „ 13. Saussurea alpina. „ 6. Aster alpinus. „ 14. Cirsium spinosissimum. Ueber die Ursachen, welche die Richtung der Aeste der Baum- und Straucharten bedingen. Von J. Baranetzky. (Mit 20 Textabbildungen.) Von allen den Fällen, wo oberirdische Pflanzenorgane eine nicht vertieale Lage annehmen, erregten die vegetativen Seitenäste am wenigsten das Interesse der Physiologen, und die ihre Richtung be- stimmenden Ursachen blieben bis jetzt vielleicht am wenigsten auf- geklärt. Es darf gesagt werden, dass seit Knight und bis zum 70. Jahre diese Frage auch nicht einmal berührt wurde. Nachdem der genannte Forscher durch seine genialen Versuche gezeigt hatte, dass es die Schwerkraft sei, durch deren Einwirkung die Lage der verticalen Hauptachsen bestimmt wird, wurde von ihm in Bezug auf die Seitenäste die Meinung ausgesprochen, diese Organe seien durch die Schwerkraft in derselben Weise beeinflusst; wenn sie aber trotz- dem die senkrechte Lage gewöhnlich nicht erreichten glaubte Knight, ihrem trägeren Wachsthum und dem Einfluss der eigenen Schwere dies zuschreiben zu müssen.!) Seit dieser Zeit wurde betreffend der Seitenäste nieht nur von Seiten der älteren Physiologen, wie DeCan- dolle, Dutrochet, Meyer, sondern auch der neueren, Bachs’), Hofmeister?), im Ganzen nur die Ansicht Knight’s wiederholt, ‚ohne zu versuchen, dieselbe experimentell zu prüfen, bezw. zu be- gründen. A. B. Frank war der erste, welcher die physiologischen Eigenschaften der nicht verticalen Organe und die Ursachen, welche die Lage solcher Organe zum Horizonte bedingen, zum Gegenstande einer speciellen Untersuchung machte.*) Der Umfang der Aufgabe, “die der genannte Forscher sich zum Lösen vorgenommen hat, war ausserordentlich gross, da er in den Kreis seiner Untersuchungen nicht allein die Seitenäste der Nadel-, Laubbäume und Sträucher, sondern auch die kriechenden Stengel und die Blätter hereingezogen hat. Was die erste Categorie dieser Objecte betrifft, so ist Frank zu der 1) T. A. Knight in Ostwald’s Klassiker pag. 8 und 9. 2) J. Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie, 1865; im Capitel „Schwerkraft“. 3) W. Hofmeister, Die Lehre von d. Pflanzenzelle, 1867, pag. 286. 4) J.R. Frank, Die natürliche wagerechte Richtung v. Pfianzentheilen. 1870. 189 Ueberzeugung gekommen, dass, wenn auch die normale Lage der Seitenäste — Lage, welche der Verfasser immer als „horizontal“ be- zeichnet — wirklich durch die Schwerkraft allein bestimmt wird, so wird doch hier die Gleichgewichtslage zur Schwerkraftwirkung eben bei der horizontalen Lage der Axen erreicht — eine besondere geo- tropische Eigenschaft, welche Frank als „Transversalgeotropismus“ bezeichnete. Den Seitenästen der untersuchten Objecte hat Frank ausserdem physiologische Bilateralität zuerkannt, weil sie dem Zenite immer eine bestimmte Flanke zukehrten. Solche Schlüsse wurden aus Versuchen gezogen, welche darin bestanden, dass wachsende Sprosse, ohne von der Pflanze abgetrennt zu werden, in aufwärts oder abwärts senkrechte Lage gebracht werden, oder bei den horizontal gelassenen Sprossen wurde die frühere Unterseite nach oben gekehrt. In den ersteren Fällen krümmten sich die Sprosse so lange, bis sie wieder die horizontale Lage erreichten, indem sie dabei immer die frühere Oberseite nach oben kehrten, im letzteren Fall erfuhren die Sprosse nur eine Axendrehung von 180°, welche die frühere Ober- seite wieder nach oben brachte. Ganz gleiche Resultate wurden er- halten, wenn die Versuchstriebe verfinstert wurden, woraus Frank ersehen konnte, dass die besagten Bewegungen der Sprosse und ihre definitive Stellung ausschliesslich durch die Schwerkraft bedingt werden. An dieser Stelle werde ich die Versuche von Frank nicht ausführ- licher beschreiben, weil ich im Folgenden noch vielfach Gelegenheit haben werde, zu denselben wiederzukehren. Auf Frank ’s Arbeit folgte bald diejenige von Hugo de Vries, welche zum Zwecke hatte, die etwaige Existenz einer von Frank vermutheten besonderen Form von Geotropismus bei den oberirdischen Organen zu prüfen.!) Die Untersuchungen von de Vries beziehen sich wesentlich auf die Blätter, von welchen schon Sachs gelegentlich bemerkte, dass sie, während sie im jüngsten Stadium dicht an die Knospe angedrückt bleiben, sich im späteren Alter von dieser abbiegen — eine Erscheinung, welche nur durch das ungleiche Längenwachs- thum der Ober- und Unterseite in verschiedenen Entwiekelungsstadien zu erklären wäre. Nähere Untersuchungen zeigten de Vries, dass den Biattstielen und Blattrippen auch wirklich die Eigenschaft eines un- gleichmässigen Wachsthums zukommt, welches eine diesen Theilen innewohnende und von den äusseren Factoren unabhängige Erschei- nung ist. Beim Austreten der Blätter aus den Knospen wachsen ihre 1) Arbeiten des botanischen Instituts in Würzburg, Bd. I pag. 223. 140 Stiele und Hauptrippen stärker auf ihrer morphologischen Oberseite, welche Eigenschaft von de Vries als „Epinastie“ bezeichnet wurde; im jüngsten Zustande hingegen überwiegt das Wachsthum der Unter- seite — die Organe sind zu dieser Zeit „hyponastisch*. Wird von einem noch wachsenden Blatte der Stiel sammt der von der Lamina befreiten Hauptrippe im dunklen, feuchten Raume vertical gestellt, so machen sie eine Krümmung auf ihre Unterseite (Epinastie). Werden solche Objecte horizontal gelegt, die einen mit der morphologischen Oberseite nach oben, die anderen nach unten, so krümmen sich bei den meisten Pflanzen die beiden nach oben, doch im ungleichen Grade. Die mit ihrer Unterseite nach oben gekehrten Blattstiele krümmen sich immer viel stärker, ja bei manchen Pflanzen wird die Aufwärtskrümmung überhaupt nur in dieser Lage beobachtet, während bei der normalen Lage im Gegentheil nur die (schwachen) Krüm- mungen nach unten entstehen. Die horizontal gelegten, aber mit einer Seitenflanke nach oben gekehrten Blattstiele krümmen sich auf ihre Unterseite und zugleich nach oben so, dass jetzt eine Krümmung in der geneigten Ebene gebildet wird. Aus diesen Versuchen ist de Vries zu der Ueberzeugung gekommen, dass den Blattstielen und den Blatt- rippen der normale negative Geotropismus eigen ist, dem aber im späteren Entwickelungszustande die Epinastie entgegenwirkt; die nor- male Richtung dieser Organe wird somit durch Zusammenwirken der beiden Agente bestimmt. Aehnliche Versuche wurden mit Blüthen- schaften verschiedener krautartiger Pflanzen und schliesslich auch mit vegetativen Trieben einiger Bäume und Sträucher gemacht. Solche Triebe, von den Pflanzen abgeschnitten, wurden entblättert und in geschlossenen, feuchten Kästen horizontal gelegt, wobei wieder bald die morphologisch obere, bald die untere Seite nach oben gekehrt ‚wurde. In diesen beiden Fällen krümmten sich die Triebe ebenfalls ungleich und zwar so, dass betreffend Tilia parvifolia, Pyrus Malus und Philadelphus gordonianus de Vries auf das Vorhandensein der epinastischen Eigenschaften bei diesen Arten schliessen musste. Im Gegentheil, bei Prunus avium, Ulmus campestris, Corylus Avellana, Evonymus verrucosus, Cotoneaster vulgaris und Picea nigra krümmten sich die umgekehrt gelegten "Triebe meistens abwärts, woraus der Verfasser auf ihre Hyponastie glaubte schliessen zu müssen. Ebenso wie Frank betrachtet also de Vries die vegetativen Seitentriebe als physiologisch bilaterale Gebilde. Indem aber nach der Auffassung von Frank die geneigte Lage dieser Gebilde aus- schliesslich durch die Schwerkraft bestimmt wird, findet de Vries 141 in ihnen nur den normalen negativen Geotropismus, ihre geneigte Lage erklärt er dabei zum Theil durch den Eingriff der Epinastie, welche dem Geotropismus entgegenwirkt. In der Epinastie ersieht somit de Vries einen der verbreitetsten Faetoren, durch dessen Ein- griff verschiedene negativ geotropische Organe und unter anderen die Seitentriebe gewisser Bäume und Sträucher eine mehr oder weniger geneigte Lage behalten. Den meisten der letztgenannten Objecte, ungeachtet ihrer geneigten Lage, ist doch nach de Vries, im Ge- gentheil, die Hyponastie eigen, eine Eigenschaft, welche mit dem negativen Geotropismus zusammenarbeitet. Für solche Fälle betrachtet der genannte Physiologe die eigene Schwere der Triebe als einen sonstigen Factor, welcher fähig ist, die gesammte Wirkung des Geo- tropismus und der Hyponastie zu überwinden. Abgeschnittene Triebe verschiedener Arten, deren Blätter bald entfernt, bald belassen wurden, legte de Vries in den feuchten Kammern horizontal mit der Ober- seite nach oben und fand dabei, dass z. B. bei Evonymus verrucosus, welcher Strauch nach den früheren Versuchen als hyponastisch er- kannt wurde, nach oben nur der entblätterte Trieb sich gekrümmt hat. Andererseits, als bei den am Stocke verbliebenen (hyponastischen) Trieben von Ulmus, Corylus die Blätter entfernt wurden, richteten sich die so erleichterten Triebe nach einigen Tagen stärker empor. Axendrehungen, die von Frank an den gegen den Zenith umgekehrt gewendeten horizontalen Trieben beobachtet wurden, erklärt de Vries als Folge der ungleichmässigen Belastung mit den Blättern, weil diese Drehungen nur an den beblätterten Trieben zu beobachten waren; wurden aber die Blätter entfernt, so richteten sich nur die Triebe steiler, die Drehungen blieben aber ganz aus. Was die Untersuchungen von de Vries betrifft, so ist über- haupt zu bemerken, dass hier den Versuchen mit vegetativen Trieben der Holzgewächse am wenigsten Raum ertheilt worden ist. Ausser dass diese Versuche wenig zahlreich sind, wurden die Triebe in ihren normalen Entwiekelungsbedingungen (am Stocke) beinahe gar nicht beobachtet. Die oben angeführten Versuche aber, die zum Zwecke hatten, das etwaige Vorhandensein der Epi- resp. Hyponastie in den Seitentrieben zu constatiren, sind in mancher Hinsicht im Stande, gewisse Zweifel zu erwecken. Zu solchen Versuchen wurden kleine Ab- schnitte der Triebe angewendet, welche Abschnitte bei Prunus avium z. B. eine Länge von nur 2'jzcın hatten, wobei auch die Blätter ent- fernt wurden. Wenn auch der Verfasser jedesmal die Zuwachse in seinen Versuchstrieben angibt (bei der genannten Kirsche um I mm 142 in 24 Stunden), so kann doch mit Bestimmtheit gesagt werden, dass bei solchen Bedingungen das Wachsthum nur eine kurze Zeit ge- dauert haben konnte. Soll aber dieses Wachsthum wirklich von ver- schiedenen Factoren beeinflusst werden, so wäre nicht unmöglich, dass dabei nur der Einfluss eines vorherrschenden von ihnen sich deutlich kundgibt. In dieser Weise wären vielleicht einige Resultate von de Vries zu erklären, welche der genannte Autor nicht genug ge- würdigt hat, aus denen aber bei den Trieben von Evonymus verru- cosus vielmehr auf den „Transversalgeotropismus“ im Sinne Frank’'s und bei solchen von Ulmus campestris auf den positiven Geotropis- mus selbst geschlossen werden dürfte. In der That krümmten sich bei dem ersteren dieser Objecte die horizontal gelegten Triebe ganz gleich, ob sie mit der oberen oder unteren Seite dem Zenithe zugekehrt waren, nur war ihre Krümmung nach den entgegengesetzten Seiten gerichtet. Bei den Trieben von Ulmus war bei den nämlichen Bedingungen die Krümmung nach unten selbst stärker als diejenige nach oben (l. c. pag. 269). Später werden wir auch wirklich sehen, dass weder die Triebe von Prunus avium, noch diejenigen von Evo- nymus oder Ulmus hyponastisch sind; die letzteren sind im Gegen- theil entschieden epinastisch. Die Krümmungen der entlaubten hori- zontal gelegten Triebe waren, wie wir sehen werden, wahrscheinlich infolge der Ausgleichung einer geotropischen Spannung entstanden. Aus der hier gegebenen kurzen Uebersicht ist zu sehen, dass die Untersuchungen von de Vries, insoweit sie die vegetativen Seitentriebe betreffen, ihrer Unvollständigkeit und zum Theil der mangelhaften Methode wegen kaum dazu ausreichen, die Ergebnisse von Frank, welche an unverletzten, normal wachsenden Trieben gewonnen wurden, genügend zu beleuchten. Wie aber Frank das Verdienst gehört, die betreffende Frage zum ersten Male einer näheren Erforschung unterworfen zu haben, so sind die Versuche von de Vries insofern von Bedeutung, als sie den Einfluss einiger neuer Factoren auf die Lage der nicht verticalen Organe auf experimentalem Wege wahrscheinlich gemacht haben. Im Folgenden werden wir auch sehen, dass die Richtung der vegetativen Seitenäste der Holz- gewächse in der That nebst ihrem Geotropismus noch durch gewisse andere physiologische Eigenschaften. bestimmt wird. Diese Eigen- schaften sind aber theilweise von einer anderen Natur als de Vries meinte und ich werde deshalb mit der Untersuchung einer physiolo- gischen Eigenschaft beginnen, welche für die geneigte Lage der Seitentriebe von überwiegender Bedeutung ist. 143 l. Die Eigenschaft der Gegenkrümmung. Von H. Vöchting wurde zuerst die Erscheinung bemerkt, dass, wenn geotropisch gekrümmte Stengel oder Wurzel an den Klino- staten gesetzt werden, bevor das Wachsthum in der gekrümmten Region aufgehört hat, so wird die Krümmung zum Theil oder auch vollständig ausgeglichen. Diese Erscheinung, die der genannte Phy- siologe als „Rectipetalität“ bezeichnete, erklärte er als Folge gewisser innerer Ursachen, welche das Streben der Axenorgane zum gerad- linigen Wachsthum bestimmen. Mit dem Aufhören der Schwerkraft- wirkung sollen diese inneren Ursachen in Wirkung treten, was zum Geradestrecken ‚des gekrümmten Theiles führt.) Früher hat schon Pfeffer als „Eigenrichtung“ die Eigenschaft verschiedener Organe be- zeichnet, in Bezug auf andere Theile oder Organe eine bestimmte Rich- tung anzunehmen?) und die Rectipetalität von Vöchting wäre nur als ein besonderer Fall der von Pfeffer angegebenen Eigenschaft zu betrachten. Unlängst wurden Vöchting’s Versuche von Czapek wiederholt und dieselben Resultate erhalten.?) Ausser den geotropisch gekrümmten Organen wurden von Czapek auch Versuche über das Verhalten am Klinostaten der mechanisch aufgezwungenen Krüm- mungen ausgeführt. Er liess die Wurzelspitzen in enge gebogene Glasröhrehen einwachsen, wodurch ihnen eine Krümmung _ ertheilt wurde. Nachdem die Wurzelspitzen befreit wurden, glich sich ihre Krümmung am Klinostaten wieder aus. Bei diesen Versuchen mussten die Wurzelspitzen ziemlich lange in den Röhrchen verbleiben, während welcher Zeit die aufgezwungene Krümmung voraussichtlich durch das effective Wachsthum fixirt worden war. Somit dürfte eine solche Krümmung als analog jeder anderen durch ungleichseitiges Wachs- thum entstandenen Krümmung angesehen werden. Als aber den wachsenden Wurzeltheilen eine rein mechanische Krümmung ertheilt wurde, verblieb diese Krümmung am Klinostaten unverändert und die Wurzelspitze wuchs in gerader Richtung weiter. Uzapek stellt die Frage: erfolgt denn die Geradestreckung der Krümmurgen am Klinostaten durch gleichmässiges Wachsthum der Innen- und Aussen- seite oder durch beschleunigtes Wachsthum der Innenseite? Unmittel- bare mikroskopische Messungen der am Klinostaten befindlichen geo- tropisch gekrämmten Wurzeln zeigten dem Verfasser keinen Unterschied 1) H. Vöchting, Die Bewegungen der Blüthen und Früchte. Bonn 1882, 2) W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II. Bd. pag. 347. 3) Jahrbücher für wiss. Botanik Bd. XXVI pag. 308. 144 im Wachsthum der beiden Seiten der Krümmung. Geometrische Er- wägungen haben ihn aber zu der Ueberzeugung geführt, dass beim gleichmässigen Wachsthum die Geradestreckung nur äusserst langsam erfolgen könnte und darum glaubt er diese Geradestreckung dem be- schleunigten Wachsthum der Innenseite zuschreiben zu müssen. Doch weder Vöchting noch Ozapek haben versucht, die physiologische Natur des Processes, welcher die Ausgleichung der Krümmungen am Klinostaten bestimmt, näher zu studiren. Von Rectipetalität oder Autotropismus (Czapek) wird von den genannten Physiologen nur als vom beschleunigten Wachsthum der Innenseite geredet, das so lange andauert, bis die Krümmung mehr oder weniger ausgeglichen wird. In Wirklichkeit stehen wir hier vor einer mehr complieirten Erscheinung, deren physiologische Natur einer näheren Erforschung fähig ist und welche, wie wir sehen werden, einen wesentlichen Factor ausmacht, von dem die geneigte Lage der Seitentriebe bei der Mehrzahl unserer Holzarten abhängt. Zum ersten Male habe ich die betreffende Erscheinung so zu sagen in ihrem vollen Umfange an den Trieben verschiedener Bäume und Sträucher beobachtet. Zum Zwecke der Versuche am Klinostaten wurden zeitig im Frühjahr, lange vor dem Aufbrechen der Knospen, Aeste von 1'!/js,—2m Länge oder ganz junge Bäumchen abgeschnitten, welche in schwachen Nährlösungen, manchmal mit Zugabe von etwas Zucker, ins Zimmer gestellt wurden. Bei diesen Bedingungen ent- wickelten mehrere Arten wie Ahorn, Rosskastänien, Philadelphus kräf- tige, bis 10—12cm lange Triebe, mit denen im Laufe von 8—10 Tagen bequen: experimentirt. werden konnte. Behufs der Versuche am Klinostaten wurden ganze Aeste in breithalsige, etwa !js Liter fassende Gläser gesetzt, deren Pfropfen eine passende Bohrung für den Durchgang des Astes und eine andere für ein Glasrohr besassen, dessen äusseres mit einem Kautschukansatz versehenes Ende luftdicht verschlossen werden konnte. Die Spalte um den Ast herum wurde mit Watte dicht verstopft und mit Paraffin übergossen. In die Gläser wurde nur so viel Wasser gegeben, dass bei horizontaler Lage der Astquerschnitt immer untergetaucht blieb und in dieser Lage wurde die Vorrichtung an den Klinostaten gesetzt. Nachdem die Triebe schon eine gewisse Entwickelung erlangt haben, kann infolge der Transpiration leicht im hermetisch verschlossenen Gefäss eine Luft- verdünnung eintreten, welche natürlich das Welken der Triebe.herbei- führt. Um das zu vermeiden, wurde beim Anfang jedes Versuches durch das eingesetzte Glasrohr die Luft in das Gefäss mit voller Kraft 145 der Lungen eingeblasen und diese Operation wurde auch im Laufe des Versuches wiederholt. Starke Aeste von Philadelphus coronarius mit den sich entwickeln- den Trieben wurden wie oben beschrieben, in (iläser eingesetzt und mit den Spitzen nach unten gekehrt, -bis die Triebe genügend starke geotropische Krümmungen gebildet hatten. Wird jetzt ein solches Object an den Klinostaten gebracht und genügend lange Zeit beob- achtet, so sieht man Folgendes. Die geotropische Krümmung beginnt unmittelbar sich auszugleichen; diese Bewegung steht aber nach dem völligen Ausgleich der geotropischen Krümmung keineswegs still, sie fährt vielmehr in demselben Sinne weiter fort, so dass wieder eine Krümmung in derselben Ebene, aber in entgegengesetzter Richtung, entsteht. Diese neue Krümmung beginnt nach einiger Zeit sich eben- falls auszugleichen, und öfters gelingt es nochmals, die Bildung einer schwachen Krümmung im ursprünglichen Sinne zu beobachten. Schliess- lich streckt sich der Trieb mehr oder weniger gerade. Also auf die ursprüngliche geotropische Bewegung folgen darauf am Klinostaten eine ganze Reihe Hin- und Herbewegungen in der Ebene der ur- sprünglichen Krümmung. In günstigen Fällen kann die ursprüngliche Krümmung schon im Laufe von 3 Stunden in die entgegengesetzte übergehen, gewöhnlich aber ist dazu eine längere Zeit nöthig. Die am Klinostaten entstehende Gegenkrümmung ist meistens ziemlich schwach, manchmal kaum wahrnehmbar, kann aber bisweilen auch sehr intensiv sein. So folgten z. B. auf die geotropischen Krümmungen mit dem Radius (bei verschiedenen Trieben) von 12—20 mm an einem Aste die Gegenkrümmungen mit dem Radius von 42—55mm. Da das Wachsthum der Triebe allmählich aufhört, von unten angefangen, so kommt es (zumal bei nicht sehr jungen Trieben) meistens vor, dass “ der untere Theil der Krümmung nicht mehr ausgeglichen wird und die Gegenkrümmung nur im nächstjüngeren Theile entsteht. Diese letztere kann ihrerseits theilweise verbleiben, während im Gipfel noch- mals eine der vorigen entgegengesetzte Krümmung gebildet wird. Fünf- bis sechsjährige Stämmcehen von Aesculus Hippocastanum wurden in Glasgefässe eingesetzt und mit der Spitze nach unten ge- stellt. Bei dieser Lage bildeten sowohl die Gipfeltriebe als die Seiten- triebe so starke geotropische Krümmungen, dass nach 24 Stunden ihre Spitzen oft eine beinahe verticale Richtung annahmen. Wurde jetzt ein solebes Object an den Klinostaten gesetzt, so erfolgte nicht nur die Ausgleichung der geotropischen Krümmung, sondern es wurde an ihrer Stelle eine mehr oder weniger starke Krümmung in derselben Flora, Ergänzgsbd. 1901. 10 146 Ebene, aber nach der entgegengesetzten Richtung gebildet. Diese letztere glich sich nach einiger Zeit ihrerseits aus, worauf — wie es schon für Philadelphus beschrieben wurde — nochmals eine Krümmung in der ursprünglichen Richtung beobachtet werden konnte. Solche Hin- und Herschwankungen an. den einmal gekrümmten und dann der Wirkung der Schwerkraft entzogenen Objecten erfolgen in gleicher Weise bei dem Gipfeltriebe wie bei den Seitentrieben. An den dicken Trieben der Rosskastanie konnten bequem die Zuwachse an den in der Ebene der Krümmungen liegenden Flanken gemessen werden. Solche Messungen demonstriren noch klarer die Natur der vorliegen- den Erscheinung, weshalb ich hier eine Reihe derartiger Beobachtungen an einem Gipfeltriebe anführe. Ein Stämmchen wurde mit der Spitze nach unten gestellt, bis alle Triebe starke geotropische Krümmungen gebildet hatten. Als der Gipfelspross, welcher aus zwei Internodien bestand, eine Krümmung von ungeführ 90° ausgeführt hatte, wurde das Objeet an den Klinostaten gebracht. An der Aussen- und Innen- seite der Krümmung wurden mit Tusche Marken aufgetragen, wobei das erste Internodium in Theile von IOmm, das zweite in solche von 3mm getheilt wurde. In der nachfolgenden, wie auch in allen weiteren Tabellen sind jedesmal die Zuwachse in Procenten der vorherigen Länge angegeben. Durch a ist jedesmal die Aussenseite, durch I die Innenseite der ursprünglichen Krümmung bezeichnet. Tabelle 1. Zuwachse in 0), Beobach- | 1. Inter- | 2. Inter- . . . Aussehen des Sprosses tungszeit | nodium | nodium a i ali 31. März an den Klinosta- ten gebracht Die bestandenen geotropischen Krümmungen oben angegeben. Erstes Internodium hat im unteren Theile seine Krümmung ausgeglichen, im oberen Theile eine 1. April. . | 8,0 118,0) 11,4 60,1 schwache, entgegengesetzte Krümmung gemacht, Zweites Internodium besitzt der gauzen Länge nach eine entgegengesetzte Krüm- mung mit dem Radius von 28mm. Erstes Internodium hat wieder der ganzen Länge nach schwache Krümmungin der ursprüng- 2. April. . |3,4| 1,0'28,4 16,0 lichen Richtung. Zweites Internodium ist in seinem basalen Theile gerade, gegen das Ende | hin hat es zu Theil die gestrige entgegeng®- | | setzte Krümmung noch beibehalten. 147 Zuwachse in 0), Beobach- |1. Inter- | 2. Inter- . : A tungszeit | nodium | nodium usschen des Sprosses a i a i | Erstes Internodium hat, wie gestern, schwache 3. April. . | 0,3) 0,6 114,0| 3,6 * Krümmungin der ursprünglichenRichtung.Zwei- | tes Internodium ist beinahe vollständig gerade. 1,5 | 0,0| 6,1| 5,2 mungen in der ursprünglichen Rich- tung. | Beide Internodien haben jetzt schwache Krüm- Die ursprüngliche Länge des gemessenen Theiles betrug im ersten Internodium 75mm und 70mm, im zweiten Internodium 18 und 15mm; am Ende des Versuches war die Länge zu 84 und 80 mm, bezw. zu 80 und 30'/;mm herangewachsen. Daraus ist zu sehen, dass die pro- centischen Werthe der Zuwachse aus den Grössen berechnet wurden, welche die möglichen Beobachtungsfehler übertrafen. Betrachtet man diese Zuwachse, so findet man, dass am Klinostaten die Innenseite sofort energisch zu wachsen begann. Im ersten Internodium ging sodann das überwiegende Wachsthum auf die Aussenseite, dann wieder auf die Innenseite und schliesslich nochmals auf die Aussenseite über. Im zweiten Internodium folgte auf das energische Wachsthum der Innen- seite wieder das andauernde Wachsthum der Aussenseite, infolge dessen die zunächst entstandene sehr stark entgegengesetzte Krüm- mung nieht nur ganz ausgeglichen, sondern selbst in eine schwache Krümmung nach der ursprünglichen Richtung übergeführt wurde, Mit den jungen Stämmen von Acer platanoides wurden den oben beschriebenen ähnliche Versuche gemacht, welche gezeigt haben, dass hier ebenfalls jede Krümmung das Streben zum beschleunigten Wachs- thum der concaven Seite hervorruft, infolge dessen am Klinostaten das Schwanken der vorher gekrümmten Triebe in der Ebene dieser Krümmung beobachtet wird. Gleichzeitige Messungen ergaben, dass das überwiegende Wachsthum dabei wirklich abwechselnd bald an der einen, bald an der anderen Seite des Triebes vor sich geht. Die Eigenschaft der Stengel, auf jede Krümmung mit dem Streben zum beschleunigten Wachsthum auf der entgegengesetzten Seite zu reagiren, ist nicht allein den Trieben der Baum- und Straucharten eigen. Dieselbe Eigenschaft kann in ausgezeichneter Weise u.a. an den Epicotylen von Phaseolus multiflorus beobachtet werden, mit denen ich auch zahlreiche Versuche gemacht babe, um die betreffende Er- 10* 148 scheinung näher zu studiren. Zu solchen Versuchen wurden die in Töpfehen gezogenen Keimlinge angewendet, deren epicotyle Glieder eine Länge von etwa 10—12cm erreicht haben. Vor Anfang eines Versuches wurden auf zwei entgegengesetzten Seiten des Stengels Marken, gewöhnlich in Abständen von lOmm, aufgetragen. In einer Versuchsreihe wurden die Keimlinge in horizontale Lage (mit den markirten Seiten in verticaler Ebene) gebracht, bis sie eine geotropische Krümmung gebildet hatten, worauf sie an den Klinostaten gesetzt wurden. In einzelnen Fällen blieben die Keimlinge in hori- zontaler Lage so lange (meistens 1'!/J;—2 Stunden), bis ihre Spitze eine Krümmung von ungefähr 90° gebildet hatte. Wurde nun das Object an den Klinostaten gebracht, so beobachtete man dieselbe Er- scheinung, die schon oben für die Baumtriebe beschrieben wurde, d. h. die Krümmung fängt jetzt unmittelbar an, sich auszugleichen, die Bewegung in diesem Sinne dauert aber nach völliger Ausgleichung der Krümmung fort, so dass eine Krümmung nach der entgegenge- setzten Seite entsteht, welche darauf ihrerseits in eine solche nach der ursprünglichen Richtung übergehen kann. Werden gleichzeitig die Zuwachse gemessen, so überzeugt man sich, dass diese Schwan- kungen vom abwechselnd stärkeren Wachsthum der beiden Stengel- seiten in der Ebene der Krümmung abhängen. Folgende Tabellen sollen zwei solche Versuchsreihen demonstriren. Am 18. April um 12 U. M. wurde ein etiolirter Keimling hori- zontal gelegt. Um 5 U. p. m., nachdem er eine Krümmung von ca. 90° gebildet hatte, wurde er an den Klinostaten gebracht. Tabelle 2. Zuwachse in 0), Beobachtungszeit & i 18. Apl 5 U.p.m.. .| 2830| 123,5 19. April 11U.am. .! 470 60,0 19. April 3U.p.m. . .| 12,4 9,8 19. April 7 U.p.m.. . 6,2 6,4 20. April 11 U. a. m.. 26,3 | 22,0 Am 29. April um 11 U. 30 M. a.m. wurde ein grüner Keimling horizontal gelegt. Um 12 U. m. hatte er schon eine Krümmung von etwa 35° und wurde nun an den Klinostaten gebracht. 149 Tabelle 8, |Zuwachsein®|,| Beobachtungszeit el Aussehen des Stengels a ‚ 1 j 29. April 12 U.m. .| 3,0 | 00: ' | Pie ursprüngliche Krümmung bleibt nur 29. April 1 U. p.m.. | 1,6 2,5 ‘] im unteren Theile, wo auch das Wachs- thum ausschliesslich nur en der &-Seite vor sich ging. !f Die noch im unteren Theile bestandene ursprüngliche Krümmung hat sich ganz ausgeglichen, im oberen Theile ist sie schon in die entgegengesetzte übergegangen. 29.April2U.15M pm. 24: 5,3 | Die entstandene entgegengesetzte Krüm- mung hat sich ebenfalls ausgeglichen und 29. April 5U.45M.p.m.. 7,0 ° 5,8 | der Stengel ist jetzt vollständig gerade. Der im Wachsthume begriffene Theil des Epicotyls hat wieder der ganzen Länge 29. April TU.30M. p.m.. 2 Pal T vApm : so “ nach eine bedeutende Krümmung in der | |t ursprünglichen Richtung. | | |{ Der ganze Stengel behält noch eine 50,April 1IU.15M.p.m. 15,3 146,7 schwache Krümmung in der ursprüng- | | | lichen Richtung. Im letzten der angeführten Versuche ist der Stengel nur 30 Minuten in horizontaler Lage geblieben und seine geotropische Krümmung hat nur angefangen sich zu bilden. Nichtsdestoweniger begann am Klino- stat diese Krümmung in seinem oberen Theile sich unmittelbar aus- zugleichen, wenn auch, wie oben angegeben, im unteren Theile das Wachsthum eine Zeit lang ausschliesslich nur auf der Aussenseite der Krümmung fortdauerte. In anderen Versuchen aber, wo der Stengel ebenfalls nur kurze Zeit, nicht über 20-30 Minuten in horizontaler Lage geblieben ist und seine geotropische Krümmung sich nur zu bilden anfing, wurde am Klinostaten jedesmal zunächst das stärkere Wachsthum auf der Aussenseite und somit nur die Verstärkung der geotropischen Krümmung beobachtet. So z. B. wurde um 11 U. 10M. a. m. ein Keimling horizontal gelegt; um 11 U. 30 M. a. m. war seine geotropische Krümmung kaum angedeutet und jetzt schon wurde das Objeet an den Klinostaten gebracht. Hier setzte die Krimmung fort sich zu verstärken: um 12 U. m. war der Krümmungsradius etwa 80mm, bis 12 U. 80 M. hatte er sich aber zu 42mm verkleinert. Um 12 U, 45 M. blieb schon die Krümmung unverändert und die 150 Zuwachse ergaben sich zu dieser Zeit: 6,5°/, auf der Aussen- und 3,5°, auf der Innenseite. Von nun an begann die Krümmung rasch sich auszugleichen und schon eine halbe Stunde später (um 1 U. 15 M. p. m.) hat sich ihr Radius wieder bis zu etwa 80mm vergrössert. Die Zuwachse für diese letzte halbe Stunde waren: 1,1, für die a-Seite und 2,9%, für die i-Seite. Es ist daraus zu sehen, dass in den ersten Stadien der Bildung einer geotropischen Krümmung das Streben zum beschleunigten Wachsthum auf der Innenseite noch nicht besteht oder wenigstens wird es in diesen Stadien durch die geotropische Nach- wirkung überwunden. Die durch Lichtwirkung hervorgerufenen Krümmungen zeigen am Klinostaten dieselben Eigenschaften und dienen hier ebenfalls zum Ausgangspunkt für eine ganze Reihe der Schwankungen, die durch abwechselnd stärkeres Wachsthum der entgegengesetzten Stengelseiten bedingt werden. Derartige Versuche wurden ebenfalls mit den Epi- cotylen von Phaseolus multiflorus gemacht, nachdem dieselbe eine Länge von 10—12cm erreicht haben. Die Objecte wurden in einem mit einem Ausschnitt versehenen dunklen Kasten bis zur Bildung einer mehr oder weniger starken heliotropischen Krümmung gestellt, um sodann an den Klinostaten gebracht zu werden. Von solchen (übrigens weniger zahlreichen) Versuchen werde ich hier wieder bei- spielsweise nur einen anführen, wo der Vorgang besonders regel- mässig verlief. Am 21. September wurde um 11 U. 30 M. a. m. das Öbjeet in den Dunkelkasten gestellt, wo es bis 1 U. 30 M. nur eine Krümmung von etwa 60° mit dem Radius von ca. 80mm gemacht hat, und wurde nun an den Klinostaten übertragen. Hier fuhr die Krümmung fort im Laufe der ersten Stunde in seinem oberen Theile sich noch zu verstärken und um 2 U, 30 M. hatte sie den Radius von 42mm, fing aber jetzt an sich auszugleichen. Der Verlauf des ganzen Vorgangs war der folgende: Tabelle 4. Beobachtungs- |ZuwachseinV], zeit 2 : Aussehen des Stengels ıU.30M.p.m. | 104 | 6,2 2U. ....|) 41 8,5 3U. 2... 291 45 {Im oberen Theile bleibt noch eine Krümmung im \ ursprünglichen Sinne. 5U.4M. .. 6,7 | 10,1 [De Stengel hat schon eine bedeutende Krümmnng in der entgegengesetzten Richtung. TU.B5M ..) 58 4,8 | Der Stengel hat wieder eine schwache Krümmung lin der ursprünglichen Richtung. 151 Das Verhalten der heliotropischen Krümmungen am Klinostaten bietet gewisse Figenthümlichkeiten und unter anderem eine, welche ich an den geotropischen Krümmungen niemals beobachtet habe. Es kam hier nämlich wiederholt vor, dass, bevor die ursprüngliche Krümmung sich vollkommen ausgeglichen hat, sie sich wieder zu ver- stärken anfing. Bei den heliotropisch gekrümmten Stengeln entstehen ausserdem oft am Klinostaten kurzdauernde Flankenkrümmungen, deren Ebene zu derjenigen der ursprünglichen Krümmung ungefähr unter 90° gerichtet ist. Solche Flankenkrümmungen werden auch in an- deren Fällen nicht selten beobachtet, bei den heliotropisch gekrümmten Stengeln treten sie aber besonders häufig auf. Besonderes Interesse dürfte aber die Thatsache verdienen, dass die Hin- und Herschwankungen am Klinostaten nicht allein durch die geo- oder heliotropischen, d. h. die durch innere Wachsthumsursachen enstandenen, sondern auch durch die mechanisch aufgezwungenen Krümmungen eingeleitet werden. Mit den Epi- ] cotylen von Phaseolus multiflorus habe ich folgende er Versuche gemacht. Der Stengel, welcher eine Länge von 12—15cm erreichte, wurde in seiner oberen, kräftiger wachsenden Hälfte im weiten Bogen um beinahe 90° vorsichtig gebogen und an einen Stab angebunden, wie das in Fig. 1 ange- geben ist. Vor dem Umbiegen wurden an den in der Ebene der künftigen Krümmung liegenden Stengelseiten Tuschmarken in Abständen von je Fig. 10mm aufgetragen. Um den Einfluss der Schwer- kraft auf den gebogenen Stengeltheil zu beseitigen, wurden die so präparirten Objecte unmittelbar an den Klinostaten gebracht, wo sie während 1-—2 Stunden angebunden gelassen wurden. Darauf wurden die Stengel befreit, blieben aber weiterhin am Klinostaten. Nach dem Befreien gleicht sich schon im Laufe einiger Minuten die Krümmung zum grössten Theile aus. Die weitere Geradestreckung geht zwar langsamer, doch immer so schnell vor sich, dass gewöhnlich nach 30—45 Minuten die Krümmung vollständig ausgeglichen wird. Nun geht aber die Bewegung in demselben Sinne weiter fort, und nach Ausgleichung der ursprünglichen, mechanisch aufgezwungenen, beginnt die Bildung der entgegengesetzten Krümmung. Diese letztere wird hier oft ungemein stark und beträgt manchmal beinahe 90°, so dass der Stengel wieder ungefähr die ihm früher künstlich ertbeilte Form, nur mit der nach der entgegengesetzten Seite gerichteten Krümmung 152 erhält. Weiter fängt aber diese Gegenkrümmung ihrerseits an, sich auszugleichen, worauf nochmals eine bedeutende Krümmung nach der ursprünglichen Richtung und unter Umständen zum zweiten Male eine entgegengesetze Krümmung entstehen kann, bis schliesslich der Stengel sich gerade streckt. Solche Schwankungen werden auch hier durch ab- wechselnd stärkeres Wachsthum der Stengelseiten in der Ebene der ur- sprünglichen Krümmung bedingt, wie die hier folgenden Beispiele lehren. Am 17. Sept. wurde ein 12cm langer Epicotyl um 11 U. 45 M. a. m. angebunden und an den Klinostaten gesetzt, wo er um I U, 45 M. p. a. wieder befreit wurde. Wenige Minuten nachher blieb nur noch eine schwache Krümmung übrig, die im Laufe der weiteren 15 Minuten sich beinahe vollständig ausgeglichen hat. Tabelle 5. Beobachtungs- |Zuwachse in0|, Aussehen des Stengels zeit a ı 2U.p.m,.,. 8,3 8,3 | Der Stengel ist beinahe gerade. BU. 220. 2,3 5,8 Der Stengel hat schon eine entgegengesetzte Krümmung mit dem Radius von etwa 54mm. 5U.30M.p.m. | 15,8 6,5 |s ursprünglichen Richtung, mit dem Radius von etwa 24mm, 82 {De Stengel hat nochmals eine schwache ent- gegengesetzte Krümmung. fer Stengel hat wieder eine Krümmung in der 6U.45M. . .| 28 Am 18. Sept. wurde um 11 U.45 M.a. m. ein ca. 11cm langer Stengel angebunden und an den Klinostaten gebracht, wo er um I U. 15 Min. (nach 1'/2 Stunden) wieder befreit wurde. Eine Viertelstunde später (um 1 U. 30 M.) blieb noch eine Krümmung mit dem Radius von etwa 70mm. Der weitere Verlauf des Vorgangs war der folgende: Tabelle 6, Beobachtungs- Zuwachsein®|, zeit a i Aussehen des Stengels 2U.pm. ..|-ı86| 32 | Der Stengel hat schon eine schwache entge- \ gengesetzte Krümmung. 2U.4M. .. 2,7 2,7 Die entgegengesetzte Krümmung ist bedeutend stärker geworden. 5U.15M. . .„| 11,8 9,4 | Der Stengel ist wieder beinahe gerade. a 101 48 nochmal eine starke entgegengesetzte Krümmung mit dem Radius von etwa 55nm. | Die obere Stengelhälfte hat wieder eine schwache 7U.45M .„.| 44 2,3 . . . Krümmung in der ursprünglichen Richtung. \. 153 Diese Beispiele, wie auch alle anderen hier nicht angeführten Versuche, zeigen, dass die durch mechanische ‚Beugung eingeleiteten Wachsthumsschwankungen selbst energischer und in kürzeren Zeit- intervallen erfolgen als die Schwankungen, welche durch geo- oder heliotropische Krümmungen hervorgerufen werden, Analoge Versuche wurden auch mit einigen anderen krautigen Stengeln gemacht, vor allem mit den Hypocotylen von Ricinus sangui- neus, welche den oben beschriebenen ganz ähnliche Erscheinungen gezeigt haben. Bei den Hypocotylen von Helianthus annuus, mit denen Vöchting und ÖÜzapek experimentirt haben, erfolgte am Klinostaten nur das Ausgleichen der geotropischen Krümmungen, die Bildung der entgegengesetzten Krümmungen habe ich aber niemals auftreten sehen. Die Versuche mit den Keimlingen von Raphanus, Lepidium ergaben sehr unbestimmte Resultate. Von ganzen Aussaaten, deren Keimlinge genügend starke geotropische Krümmungen gebildet hatten, blieben die letzteren am Klinostaten bei verschiedenen Keimlingen bald fast unverändert, bald glichen sie sich aus, bald gingen sie endlich in ent- gegengesetzte über. Diesem letzteren Umstand ist aber im vorliegen- den Falle keine Bedeutung beizulegen, da fast ebenso oft wie die entgegengesetzten auch Flankenkrümmungen beobachtet wurden. Es muss hier bemerkt werden, dass überhaupt bei den krautigen Stengeln die Individualität oder specifische Eigenschaften der Rasse eine wich- tige Rolle im Verlaufe der betr. Erscheinung zu spielen scheinen. So kamen mir nicht selten Rieinus-Keimlinge vor, die ein ganz unbestimmtes Resultat ergaben, während bei den anderen die Nutationen in der Ebene der ursprünglichen Krümmung sich ganz regelmässig wieder- holten. Selbst bei Phaseolus multitlorus gaben die Samen der meisten von den Handelsgärtnern bezogenen Partien durchgehends Keimlinge, welche für die betr. Versuche sehr günstig waren; doch gab eine Samenpartie dicke, fleischige Keimlinge, deren Epicotyle sich wenig verlängerten, und deren Krümmungen am Klinostaten sich zwar aus- glichen, aber nur selten in entgegengesetzte übergingen. Die angeführten Versuche zeigen also, dass das Ausgleichen der Krümmungen am Klinostaten wirklich vom beschleunigten Wachsthum der Innenseite abhängt, was an den Stengelorganen mit langer Wachs- thumszone leicht unmittelbar zu constatiren ist. Während aber Vöch- ting und Czapek anzunehmen scheinen, das überwiegende Wachs- thum der Innenseite dauere nur bis zum Geradestrecken des Stengels fort, zeigen meine Versuche, dass das begonnene Wachsthum dieser Seite auch nach völligem Ausgleichen der Krümmung fortdauert und 154 bei den Laubtrieben der meisten Bäume und Sträucher ebenso wie bei den Stengeln mehrerer krautartiger Pflanzen die Bildung einer Krümmung nach der entgegengesetzten Seite herbeiführt. Darauf geht aber das überwiegende Wachsthum auf die Innenseite dieser neuen Krümmung über, die infolgedessen wieder in eine Krümmung nach der ursprünglichen Richtung übergeführt werden kann u. s. w., bis bei immer kleinerer Amplitude der Schwankungen sich schliess- lich der Stengel gerade streckt. Es erhellt also, dass, wenn auch als Endresultat dieser Schwankungen wirklich die Geradestreckung des Stengels erfolgt, so besteht doch das Wesen der betreffenden Er- scheinung nicht etwa in einer selbständigen Eigenschaft des Stengels, die erhaltene Krümmung auszugleichen, sondern in einer physiologi- schen Eigenschaft auf jede durch äussere oder innere Fac- toren hervorgerufene Krümmung durch ein Streben zur Krümmung nach der entgegengesetzten Seite zu rea- giren. Vöchting (l. c. pag: 192) ebenso wie Czapek (l. e. pag. 311) scheinen weiter zu glauben, dass das Streben zum Gerade- strecken erst mit der Beseitigung des Factors entsteht, welcher die Krümmung hervorgerufen hat. Einer solehen Annahme widerspricht aber schon die Thatsache, dass eine am Klinostaten entstandene Gegenkrümmung sich dort ihrerseits wieder ausgleicht. Aus meinen oben angeführten Versuchen ist vielmehr eben zu schliessen, dass das Streben zum beschleunigten Wachsthum auf der concaven Seite nicht erst nachdem die Wirkung des die Krümmung bedingten Fac- tors aufgehört hat, sondern schon während der Bildung dieser Krüm- mung selbst entsteht. Anders gesagt, mit der Bildung einer Krüm- mung werden zugleich die Bedingungen für eine Gegenkrümmung geschaffen. In der That, wird ein Stengel, nachdem er schon eine starke geotropische Krümmung gebildet hat, aber noch nicht in die Gleichgewichtslage zur Schwerkraftwirkung gekommen ist, an den Klinostaten gebracht, so müsste zunächst die geotropische Nachwirk- ung sich geltend machen und die ursprüngliche Krümmung noch verstärken. Diese Nachwirkung gibt sich am Klinostaten auch wirk- lich zu erkennen, doch nur in den Fällen, wenn der Stengel vorher nur eine schwache geotropische Krümmung gebildet hat (s. Tabelle 3); mehr oder weniger starke geotropische Krümmungen fangen aber am Klinostaten unmittelbar an, sich auszugleichen. Dies kann nur in der Weise aufgefasst werden, dass in den ersten Stadien der Bil- dung einer (geotropischen) Krümmung ein Streben zur Gegenkrümmung noch nicht besteht oder wenigstens so schwach ist, dass es am Klino- 155 staten durch die geotropische Nachwirkung überwunden wird. Mit dem Stärkerwerden der primären Krümmung wächst aber das Streben zur Gegenkrümmung soweit an, dass es am Klinostaten die Nach- wirkung überwindet und somit beginnt die geotropische Krümmung unmittelbar sich auszugleichen. Noch interessanter sind aber in dieser Beziehung die Thatsachen, welche beweisen, dass mit dem Stärker- werden der ursprünglichen Krümmung das Streben zur Gegenkrüm- mung so weit anwachsen kann, dass bei fortdauernder Ein- wirkung desFactors, der dieKrümmung hervorgerufen hat, diese letztere sich doch wieder zu vermindern anfängt. Eine solche Erscheinung kann an den Trieben verschiedener Laubbäume und Sträucher beobachtet werden. Werden die Stämmehen von Phila- delphus, Evonymus, Aesculus u. s. w. mit der Spitze nach unten ge- stellt, so bilden die Seitentriebe zunächst sehr starke geotropische Krümmungen. Wird nun ein solches Object weiter beobachtet, so findet man die Krümmung im älteren Theile der Triebe allmählich sich wieder vermindern. Auf den ersten Blick wird man unwillkür- lich auf den Gedanken geführt, das nachherige Sinken der Triebe sei durch die Wirkung ihrer eigenen Schwere verursacht. Die Versuche zeigen aber, dass dem nicht so ist. So z. B.: ein abgeschnittenes Stämmehen von Rosskastanie wurde mit der Spitze nach unten ge- stellt; im Laufe von 24 Stunden hat ein Gipfeltrieb, welcher nur aus einem entwickelten, etwa 3em langen Internodium bestand, eine Auf- wärtskrümmung mit dem Radius von ca. 52mm gebildet. Nun wurde auf sein Ende die Schlinge eines Fadens aufgelegt, welcher über eine oben befindliche Rolle geführt und dessen freies Ende genügend belastet wurde, um die gekrümmte Spitze des Triebes eben merklich zu heben. Am nächsten Tage zeigte sich die Krümmung im unteren Theile des Internodiums beinahe ausgeglichen und nur im oberen Theile blieb noch eine Krümmung mit dem Radius von etwa 80mm. Jetzt hat sich schon das zweite Internodium gestreckt und krümmte sich eben- falls stark aufwärts mit dem Krümmungsradius von etwa 12mm und nun wurde das Gewicht auf das Ende dieses zweiten Internodiums verschoben. Tags darauf war der Krümmungsradius des ersten Inter- nodiums etwa 100mm und der des zweiten Internodiums etwa 20 mm. Der ganze Krümmungsbogen, welcher am vorigen Tage 140° betrug, hatte jetzt nicht über 90°. Derartige Versuche wurden mehrmals mit Rosskastanie und anderen Arten wiederholt. Zu diesem Zwecke wurden junge Stämme, welche im Freien schon Triebe von genügen- der Länge entwickelt haben, unter Wasserstrom abgeschnitten. Bei 156 vielen Arten bleiben dann solche Objecte im Zimmer mehrere Tage lang frisch, entwiekeln ihre Triebe weiter und können bequem zu den Versuchen angewendet werden. An den Trieben der Rosskastanie habe ich das obenbeschriebene Resultat jedesmal erhalten, ebenso an denjenigen von Evonymus europaeus. Die aufwärts gekrümmten und dann in der obigen Weise unterstützten Triebe von Fraxinus excelsior zeigten meistens auch eine Verminderung der Krümmung, in anderen Fällen blieben sie aber scheinbar unverändert. Bei Acer plantanoides konnte auch eine Verminderung der Krümmung an den aufgehängten Trieben beobachtet werden. Bei den betr. Versuchen mit Evonymus wurden auch die mechanischen Bedingungen dieser Versuche näher bestimmt. Nach Beendigung jedes Versuches wurde nämlich das Gewicht des aufwärts gekrümmsen Theiles des Versuchs- triebes ermittelt. Bei den angewendeten Gewichten von 0,5—0,7g wog in zwei Fällen der aufwärts gekrümmte Theil des Triebes um einige Centigramme mehr; in einem Falle war aber der ganze auf- steigende Theil des Triebes durch das aufgehängte Gewicht völlig aequilibrirt. Und doch war in diesem letzteren Falle der Verlauf der Erscheinung in keiner Weise ein anderer als in den beiden übrigen Fällen. — Bei derartigen Versuchen wird bald eine Verminderung der Krümmung in allen Theilen des Triebes (scheinbar bei langsamer wachsenden Trieben) beobachtet, so dass auch der Winkel, den der Gipfel mit dem Horizonte bildet, sich vermindert, bald behält der Gipfel seinen Winkel unverändert, dieser kann ja selbst etwas ver- grössert werden, während nur der Krümmungsradius im älteren Theile des Iriebes sich vergrössert. Später werden wir sehen, dass allge- mein bei den normal sich entwickelnden Trieben der meisten Bäume und Sträucher eine starke von dem Gipfel des Triebes gebildete Auf- wärtskrümmung im älteren Theile desselben sich wieder vermindert, wodurch auch die geneigte I,age solcher Triebe bedingt wird. Die letztangeführten Versuche beweisen aber, dass die nachherige Ver- minderung der geotropischen Krümmungen nicht etwa eine passive, durch eigene Schwere verursachte, sondern eine active Wachsthums- erscheinung ist, die auch an völlig aequilibrirten Trieben sich in gleicher Weise wiederholt. Nachdem wir die Eigenschaft der Gegen- krümmung kennen gelernt haben, kann nicht zweifelhaft sein, dass wir es hier eben mit dieser Eigenschaft zu thun haben, welche also bei gewissen Bedingungen im stande ist, selbst die direete Wirkung der Schwerkraft zu überwinden. Bei den heliotropischen Krümmungen, welche der hemmenden 157 Wirkung des Lichtes auf das Wachsthum der concaven Seite ihre Entstehung verdanken, fehlt doch, wie ich gezeigt habe, das Streben zum stärkeren Wachsthum dieser Seite keineswegs. Ich habe aber schon oben bemerkt, dass solches Streben hier im schwächeren Grade sich kund gibt und dass oft, bevor die ursprüngliche Krümmung sich noch völlig ausgeglichen hat, sie wieder anfängt stärker zu werden. Mit anderen Worten, es kommen auclı hier abwechselnde Wachs- thumsschwankungen an den entgegengesetzten Stengelseiten vor, doch mit Uebergewicht der Aussenseite der ursprünglichen Krümmung. Das dürfte wohl durch die directe Einwirkung des Lichtes erklärt werden, welche überhaupt die Wachsthumsfähigkeit der Gewebe auf der concaven Seite des Stengels vermindert. Das Aeussere der hier dargelegten Erscheinung besteht also darin dass, wenn durch irgend einen Factor das überwiegende Wachsthum einer Stengelseite hervorgerufen wurde, so wird dasselbe zum Aus- gangspunkt für eine ganze Reihe der abwechselnden Wachsthuns- schwankungen an den entgegengesetzten Stengelseiten in der Ebene der ursprünglichen Krümmung. Hierin hat man einen neuen Fall aus derjenigen Kategorie der Wachsthums- oder Gewebespannungserschei- nungen, wo jede durch einen äusseren Factor hervorgerufene Störung im gleichmässigen Gange, bezw. im Gleichgewichtszustande dieser Processe eine ganze Reihe der nachherigen Schwankungen im Gange dieser Processe verursacht. Dem hier vorliegenden ganz analog .sind die schon bekannten Fälle, wenn z. B. die einfache Verdunkelung eines Stengels von Gesneria tubillora starke Schwankungen seines Wachsthums und zwar gewöhnlich in den täglichen Perioden hervor- ruft!) oder noch mehr, wenn die Verdunkelung einer Blüthe von Crocus, Tulipa u. a. abwechselndes Wachsthum beider Seiten der Blumenblätter und die Verdunkelung einer Mimosapflanze ebenso ab- wechselnde Schwankungen in der Gewebespannung an den entgegen- gesetzten Seiten der Blattkissen herbeiführt.?) Die durch die Bildung einer Krümmung hervorgerufenen Wachsthumsschwankungen sind aber insofern von Interesse, als sie auch durch rein mechanisches Biegen des Stengels verursacht werden können, und wie wir sahen, sind in diesem Falle die Wachsthumsschwankungen eben besonders rasch und energisch. Bei meinen Versuchen, wo die Stengel verhältnissmässig kurze Zeit im gebogenen Zustande verblieben, konnte eine factische 1) J.Baranetzky, M&moires de l’Acad. de St. Petersbourg T. XXVII Nr. 2. 2) L. Jost, Jahrbücher f. wiss, Botanik Bd. XXXI pag. 345; W. Pfeffer, Die periodischen Bewegungen der Blattorgane pag, 39. 158 Ueberverlängerung der Aussenseite noch kaum in bemerklichem Grade eintreten. Das darf. aus dem so schnell (in 15-—-20 Minuten) er- folgenden Geradestreeken des befreiten Stengels geschlossen werden, welches kaum dem nun eintretenden Wachsthum der concaven Seite, viel mehr aber dem elastischen Verkürzen der früher gedehnten con- vexen Seite zuzuschreiben ist. Solches Verkürzen war auch wirklich in den Fällen zu beobachten, wo (wie es in der Tabelle 6 zu sehen ist) die erste Messung der Stengelseiten noch vor dem völligen Ausgleichen der mechanischen Krümmung ausgeführt wurde. Die Wachsthums- schwankungen werden also im vorliegenden Falle scheinbar nicht durch das"factisch eingeleitete einseitige Wachsthum, sondern durch die zu einem solchen Wachsthum erst geschaffenen Bedingungen ver- ursacht. Der Mechanismus eines solchen Vorgangs kann in verschie- dener Weise gedacht werden. Nach den Versuchen von M. Scholtz verursacht eine schwache, kurz dauernde Dehnung des Stengels immer nur eine Verlangsamung des Wachsthums, wenn auch bei längerer Dauer dieselbe Dehnung bei manchen Pflanzen das Wachsthum im Gegentheil beschleunigt. Da bei solchen Pflanzen eine stärkere Del- nung sofort eine Beschleunigung des Wachsthums herbeiführt, so schliesst der genannte Autor, dass eine mechanische Dehnung zweierlei Wir- kung ausübt. Einerseits wirkt sie als ein wachsthumhemmender Reiz, andererseits als ein mechanischer Factor, weleher das Wachsthum be- günstigt, wobei je nach Umständen die eine oder andere dieser Wir- kungen überwiegen kann.!) Zu den gleichen Schlüssen ist später auch R. Hegler gekommen.?) Danach wäre zu denken, dass der kurz- dauernde Eingriff, welcher durch das mechanische Biegen eines Stengels ausgeübt wird, die Wachsthumsbedingungen der gedehnten, convexen Seite desselben beeinträchtigt, und nach dem Befreien eines solchen Stengels tritt zunächst das Wachsthum der früher concaven Seite ein. Es könnte aber auch gedacht werden, dass nicht an der convexen, sondern an der concaven Seite eines gebogenen und sodann befreiten Stengels die Ursache des darauf eintretenden ungleichseitigen Wachs- thums liegt. Direete Versuche über den Einfluss einer activen Zu- sammenpressung auf das Wachsthum des Gewebes sind meines Wissens nicht gemacht worden. Die Untersuchungen von Pfeffer über den Verlauf des Wachsthums bei mechanischen Widerständen) beziehen 1) M. Scholtz, Beiträge z. Biologie d. Pflanzen IV. Bd. pag. 323. 2) R. Hegler, Beiträge z. Biologie d. Pflanzen VI. Bd. pag. 383. 8) W. Pfeffer, Druck und Arbeitsleistung durch wachsende Pflanzen. (Abb. der k. Sächs. Ges. d. Wiss. Bd. XX Nr. III) a AREHReS 159 sich nur theilweise auf den hier vorliegenden Fall, wo eine plötzliche active, mit der Deformation der Zellen verbundene Compression der concaven Seite im gebogenen Stengel ausgeübt wird. Eine solche Compression könnte als Reiz in noch unbekanntem Sinne einwirken, es wäre aber auch möglich, dass, wie es von Pfeffer bei mechani- schen Widerständen manchmal beobachtet wurde, hier eine Erhöhung des Zellenturgors eintritt. Dies Letztere würde aber eine für das Wachsthum der vorher comprimirten Seite günstige Bedingung aus- machen, und es wäre somit möglich, dass nach dem Befreien des gebogenen Stengels diese Seite zunächst selbständig stärker zu wachsen beginnt. Welche Ursache das ungleichseitige Wachsthum eines vorher gebogenen Stengels sein mag, so ruft auch in diesem wie in den früher betrachteten Fällen das einseitige Wachsthum sofort eine Gegen- reaction und somit das Hin- und Herkrünmen des Stengels in der Ebene der ersten Krümmung hervor. Die in diesem Theile dargelegten Thatsachen führen also zu fol- genden Ergebnissen: 1. Jedes einseitige Wachsthum des Stengels ruft bei vielen und zumal den Holzarten sogleich ein Streben zum beschleunigten Wachs- thum auf der entgegengesetzten Seite hervor, infolge dessen wird 2. jede Krümmung am Klinostaten zum Ausgangspunkte für eine ganze Reihe der abwechselnden Wachsthumsschwankungen auf den entgegengesetzten Stengelseiten in der Ebene der ursprünglichen Krümmung. 3. Bei der Bildung jeder Krümmung entsteht eine Gegenwirk- ung, welche schliesslich die unmittelbare Wirkung des die Krümmung hervorrufenden Factors überwinden und die Krümmung wieder ver- mindern kann. Hl. Versuche und Beobachtungen im Freien. Um die Ursachen klar zu verfolgen, welche die geneigte Lage der Seitenaxen bei den Holzarten bedingen, müssen die Triebe bei möglich günstigen Entwickelungsbedingungen beobachtet werden. Aus den schon früher angedeuteten Gründen genügen dazu die Ver- suche mit abgeschnittenen Trieben nicht, denn, um den Einfluss der einzelnen Factoren auseinanderzuhalten und zu verfolgen, müssen die Beobachtungen an einem Triebe während längerer Zeit und bei ge- änderten Bedingungen fortgesetzt werden. So habe ich denn nur die am Stocke normal sich entwickelnden Triebe beobachtet und nur für 160 die Klinostatenversuche wurden, wie oben beschrieben, starke Aeste oder ganze Bäumchen abgeschnitten, deren Sprosse sich noch gut genug entwickeln. Das energische Wachsthum der Triebe ist die haupt- sächliche Bedingung, bei welcher der Antheil der einzelnen Factoren deutlich genug hervortritt, während an den langsam wachsenden Trieben die Erscheinungen immer unklar sind. Darum wählte ich für meine Versuche im Freien nur Bäumchen in der Baumschule oder überhaupt junge kräftige Bäume, bei denen nur starke Gipfeltriebe der Aeste oder die Seitentriebe am vorjährigen llauptstamme beob- achtet wurden; diese letzteren, welche immer das kräftigste Wachs- thum zeigen und darum für die betreffenden Beobachtungen am gün- stigsten sind, werde ich im Folgenden als primäre Seitentriebe bezeichnen. Durch die Versuche von Frank, welche ergaben, dass im Dunkeln die Seitentriebe dieselbe Lage zum Horizonte wie am Lichte annehmen, wurde gezeigt, dass diese Lage vom Lichte unab- hängig ist. De Vries fand seinerseits, dass, wenn auch die Triebe der Holzarten immer positiv heliotropisch sind, so ist doch ihr Helio- tropismus nur schwach und seine Wirkung immer derjenigen der an- deren Factoren untergeordnet. Darum wurde bei meinen Unter- suchungen die Frage über den etwaigen Einfluss des Lichtes auf die Lage der Seitenaxen vollständig ausgeschlossen. Die Versuche von Frank, die einzigen, welche bisher an un- verletzten, normal sich entwickelnden Trieben ausgeführt wurden, be- ziehen sich auf einige Nadel-, sowie auch Laubbäume. Von den letzteren wählte Frank Linde, Ulme und Hainbuche und ausserdem wurden von ihm einige Versuche, hauptsächlich die Axendrehung der Sprosse betreffend, mit den strauchartigen Spiraea hypericifolia, Philadelphus columbianus, Lonicera Xylosteum und Deutzia scabra gemacht. Es ist schwer zu sagen, wodurch bei den Untersuch- ungen von Frank die Wahl der obengenannten Baumarten bestimmt wurde, denn von den Laubbäumen unseres Klimas gehören die ge- nannten eben zu einem besonderen physiologischen Typus, während bei den meisten übrigen unserer Bäume physiologische Eigenschaften. der Triebe ganz verschieden davon sind. Vom ersteren Typus, den man als Typus der Linde bezeichnen kann, habe ich Linde und Ulme und vom letzteren, den ich Typus von Prunus Padus nennen werde, habe ich ausser dem genannten Baume noch Ahorn, Esche, Rosskastanie und von den strauchartigen Evonymus europaeus und zum Theil Philadelphus coronarius untersucht. Von den Nadelbäumen beziehen sich meine Beobachtungen auf Pinusarten und Picea excelsa, 161 wobei, wie wir sehen werden, bei den Nadelbäumen ebenfalls ver- schiedene physiologische Typen deutlich ausgeprägt sind. 1. Typus von Prunus Padus. Die primären Seitentriebe, welche immer am stärksten in die Länge wachsen, richten sich bei den Arten von diesem Typus unter einem Winkel von nicht weniger als 50—60° zum Horizonte. Oft aber, besonders bei Rosskastanien, Eschen, Feldahorn, ist der untere Theil dieser Triebe in weitem Bogen so gekrümmt, dass ihre Spitze eine beinahe verticale Stellung annimmt. Die Richtung, welche die Gipfeltriebe der Hauptäste zum Horizonte annehmen, hängt von der Richtung der sie tragenden Theile selbst ab. Die mehrjährigen Baum- äste sind in ihren älteren Theilen gewöhnlich nach unten gekrümmt, während ihr oberer Theil im weiten Bogen aufsteigt. An einem und demselben Baume sind die oberen Theile jüngerer Aeste stärker auf- gerichtet als diejenigen älterer Aeste. Verschiedene Arten zeigen aber in dieser Beziehung bedeutende Unterschiede und bei Esche, Feldahorn, manchmal bei Rosskastanie, sind die Spitzen sogar bei den unteren Aesten manchmal unter einem Winkel von 60-—70° aufge- richtet, während dieselben bei Prunus Padus, Acer platanoides und A. Pseudoplatanus meistens einen Winkel nicht über 30—50° mit dem Horizonte bilden. Wie die primären Seitentriebe, .so sind auch die Gipfeltriebe der Aeste gewöhnlich während ihrer Entwickelung der ganzen Länge nach sanft nach oben gekrümmt. Bei Prunus Padus, bei welehem Baume alle Seitentriebe am meisten typisch sich verhalten, bleiben sehr oft die sich entwickelnden Triebe mehr oder weniger gerade und nur ihre Spitzen sind ziemlich plötzlich aufwärts gekrümmt. Im Gegentheil, bei Rosskastanie, besonders bei den Ahornen, manchmal auch bei Esche, Evonymus besitzen die Spitzen der sich entwickelnden Seitentriebe gewöhnlich eine Krümmung nach aussen (unten), infolge dessen der ganze Trieb S-förmig gekrümmt ist; zuletzt aber, wenn die Entwickelung der Triebe schon langsamer vor sich geht, wird diese Endkrümmung vollständig ausgeglichen. Betrachtet man die sich entwickelnden Seitentriebe, so findet man, dass sie jedesmal eine mehr aufgerichtete Lage anzunehmen suchen als diejenige, welche die Spitzen der sie tragenden Aeste besitzen; darum erreichen ihre Gipfeltriebe z. B. bei Esche, Feldahorn, wo die Enden der Aeste stark aufwärts gekrümmt sind. manchmal eine fast verticale Lage. Bei den Arten mit gegenständigen Blättern liegen bekanntlich die Seitentriebe der Hauptäste in der Regel in horizon- Flora, Ergänzgsbd. 1901. ıı 162 taler und verticaler Ebene. Die Triebe der horizontalen Paare streben ebenfalls mehr oder weniger starke Aufwärtskrümmungen zu machen. In den verticalen Paaren wächst oft an den wenig aufgerichteten Aesten der obere Trieb (welcher schon im Knospenzustande eine an- nähernd verticale Lage besass) von Anfang an annähernd vertical aufwärts, ohne zu suchen, diese Lage irgendwie zu ändern; an den stark aufgerichteten Aesten krümmt sich der obere Trieb mehr oder weniger nach rückwärts (gegen die Basis des Astes hin) und mit Beendigung des Wachsthums bleibt er gewöhnlich in einer geneigten Lage. Untere Triebe wachsen meistens sehr schwach und bleiben dann die ganze Zeit nach abwärts gerichtet; bei stärkerem Wachsthum aber — wie es z. B. bei Evonymus oft der Fall ist — streben die unteren Triebe ebenfalls sich aufwärts zu krümmen, wenn auch ihre Spitzen dabei gewöhnlich kaum vermögen, sich über die horizontale Lage heraufzuheben. Bei Prunus Padus, mit 2/;-Blattstellung, können starke Seitentriebe (nicht selten von 15 - 20cm Länge) an allen Seiten der Aeste gebildet werden. Bei jeder Richtung, in welcher solche Triebe ursprünglich austreten mögen, krümmen sich ihre Spitzen aufwärts, und bei den an der oberen Seite austretenden Trieben er- reichen sie dabei oft eine fast verticale Lage; hingegen vermögen die Spitzen der unten inserirten Triebe gewöhnlich sich nur wenig über die Horizontale zu heben, während ihre älteren Theile schief abwärts gerichtet sind. Zuletzt strecken sich alle diese Triebe gerade und nehmen an allen Seiten des Astes eine zu ihm symmetrische Stellung an, indem sie annähernd dieselbe Richtung behalten, die sie im Knospenzustand besassen. Die einfache Beobachtung der bei den natürlichen Bedingungen sich entwickelnden Triebe führt somit schon allein zu der Ueber- zeugung, dass allen Seitentrieben der zu diesem Typus gehörenden Arten der normale negative Geotropismus eigen ist. Einzelne von diesen Trieben können aber im Ganzen sehr verschiedene Lagen von der beinahe verticalen bis zu der horizontalen annehmen, ja selbst bei ganz homologen Trieben, wie die primären Seitentriebe eines Stammes, ist der Winkel, den sie mit Lothlinie bilden, gewöhnlich sehr verschieden, was, wie schon gesagt wurde, in Zusammenhang mit mehr oder weniger intensivem Wachsthum einzelner von ihnen zu stehen scheint. — Bei Prunus Padus (zum Theil auch bei Evonymus) kann dabei deutlicher als bei anderen Arten die Erscheinung beobachtet werden, dass gewöhnlich der junge Gipfel der sich entwickelnden Triebe allein fortwährend mehr oder weniger stark geotropisch ge- 163 krümmt bleibt, während im älteren Pheile diese Krümmung sich aus- gleicht, womit dieser Theil des Triebes eine mehr geneigte Lage an- nimmt. Aus dieser Erscheinung ist schon zu schliessen, dass dem negativen Geotropismus der Triebe irgend ein Factor entgegenwirkt, unter dessen Einfluss nicht allein die negativ geotropischen Triebe fast niemals eine völlig verticale Stellung erreichen, sondern selbst die schon gebildeten geotropischen Krümmungen wieder vermindert werden. Aus dem Umstande, dass ein Trieb sich desto näher an die Lothlinie stellen kann, je mehr aufgerichtete Stellung die Knospe selbst schon besass, ist weiter zu folgern, dass unter dem Einfluss der besagten Gegenwirkung die geotropischen Krümmungen hier über- haupt einen bestimmten Kreisumfang nicht übertreffen können. — Wie schon oben angegeben wurde, nahmen auch alle früheren Autoren seit Knight und bis Sachs wirklich an, die geneigte Lase der Seiten- triebe sei durch eine dem negativen Geotropismus entgegenarbeitende Gegenwirkung bestimmt, welche Gegenwirkung sie hauptsächlich in der eigenen Schwere der Triebe voraussetzten. Nur von Seiten de Vries’ wurde zum Theil die physiologische Natur dieser Gegenwirkung erkannt, welche er bei gewissen Arten in der von ihm gefundenen Epinastie vor- aussetzte, während er sie für die übrigen ebenfalls der eigenen Schwere zugeschrieben hat. Diese letztere sollte als bestimmender Factor in den- jenigen Fällen wirksam sein, wo die Triebe im Gegensatz zu den ersteren hyponastisch sind, welche Eigenschaft mit dem negativen Geotropismus gleichsinnig wirkt. Als hyponastisch sollen nach dem genannten Autor unter anderen die Triebe von Ulmus, Prunus avium, Evonymus verru- cosus sich erwiesen haben. Wie wir aber später sehen werden, sind die Erscheinungen, welche die sich entwickelnden Triebe von Ulmus darbieten, von den oben für Prunus-Evonymus beschriebenen ganz verschieden und schon die Thatsache, dass alle diese Arten von de Vries in dieselbe Gruppe zusammengestellt wurden, zeigt, dass die Eigenschaften der Triebe von dem genannten Physiologen nicht ge- nügend studirt worden sind, Um sowohl die Beziehung der Triebe zur Einwirkung der Schwer- kraft als die Wachsthumserscheinungen ausserhalb derselben zu stu- diren, habe ich bald die sich am Stocke entwickelnden Triebe in ver- schiedene Lagen zum Horizonte gebracht, bald die abgeschnittenen Aeste am Klinostaten beobachtet. Mit Philadelphus coronarius wurden nur Versuche mit frühzeitig abgeschnittenen Zweigen gemacht, welche, wie oben angegeben, im Zimmer kräftige Triebe entwickelt haben. Dieser Strauch bildet oft sehr starke adventive Sprosse, welche verti- 11* 164 cal aufwärts wachsen und eine-Länge bis zu 2m erreichen können. Die primären Seitenzweige, welche im folgenden Jahre an solchen Ruthen gebildet werden, sind, je nach der Intensität des Wachsthums, bald mehr oder weniger horizontal, bald unter einem bedeutenden Winkel zum Horizonte gerichtet. Die Versuche wurden zum Theil mit einjährigen geraden Ruthen, zum Theil mit schon verzweigten zweijährigen gemacht. Entwiekeln sich die primären Seitentriebe bei der normalen verticalen Stellung der einjährigen Ruthe, so stellen sie sich mehr oder weniger horizontal oder richten sich (im Zimmer) unter einem Winkel nicht über 20—30° zum Horizonte auf. Wird aber eine solche Ruthe mit der Spitze nach abwärts gekehrt, so krümmen sich die Seitentriebe so stark aufwärts, dass ihre Spitzen nicht selten eine ganz vertieale Lage annehmen. Die Triebe sind also negativ geotropisch und wenn sie bei normaler Lage des Ob- jeetes sich nur schwach aufwärts krümmen, so hängt das offenbar von dem selbständigen Streben zum stärkeren Wachsthum an der Ober- seite der Triebe ab. Das wird durch das Verhalten der Objecte am , Klinostaten bestätigt, wo alle Seitentriebe starke Krüm- | f mungen auf ihre Unterseite bilden. Es ist zu bemer- EN ken, dass trotz der Angabe von Frank (für Philad. columbianus) an den mehr oder weniger horizontalen u Zweigen von Philadelphus coronarius schr oft nicht alle Knospen in horizontaler Ebene liegen, sondern es ist ebenso leicht auch abwechselnde Stellung der Knospenpaare zu treffen, ja nahe zur Basis der Zweige dürfte das letztere selbst der gewöhnliche Fall sein. An solchen Zweigen bilden am Klinostaten die verschieden inserirten Triebe Krümmungen nach morphologisch verschiedenen Seiten, jedesmal aber nach unten in Bezug auf ihre frühere Lage. Die Triebe der in horizontaler Ebene gelegenen Paare krümmen sich somit auf ihre morphologische Seiten- fläche, die oberen Triebe der in verticaler Ebene befindlichen Paare biegen sich dem Zweige zu, die unteren von demselben ab, d. h. die ersteren bilden eine Krümmung auf ihre Innen-, die letzteren auf ihre Aussenseite. Die Objecte nehmen jetzt die in der Fig. 2 schematisch wiedergegebene Form an. Die am Klinostaten auf die Unterseite der Triebe gebildeten Krümmungen, welche von dem Streben zum überwiegenden Wachsthum auf der Oberseite der Triebe abhängen, stellen offenbar dieselbe Erscheinung dar, welche von de Vries als Epinastie bezeichnet wurde. In der oben angeführten Abhandlung wurde von dem genannten Physiologen die Epinastie als Fig. 2. 165 eine allen Seitentrieben gewisser Holzarten zukommende organische Eigenschaft aufgefasst und desshalb wurde solchen Trieben von ihm die physiologische Bilateralität zugeschrieben. In Wirklichkeit ist aber die physiologische Natur der sog. Epinastie der Baumtriebe eine ganz andere. Die Eigenschaft des überwiegenden Wachsthumes ist nicht etwa an eine bestimmte Seite des Triebes gebunden, vielmehr jedesmal, wenn der Trieb in einer geneigten Lage sich entwickelt, erhält er (bei dem vorliegenden physiologischen Typus) das Bestreben, stärker auf seiner physikalischen Oberseite zu wachsen. Die so be- vorzugte Seite des Triebes ist aber keineswegs ein für alle Mal be- stimmt und, wie ich später ausführlicher zeigen werde, kann im Laufe der Entwickelung eines Triebes das stärkere Wachsthum nach Be- lieben auf seinen verschiedenen Seiten hervorgerufen werden; ausser- dem kann bei gewissen Entwickelungsbedingungen das Streben zum stärkeren Wachsthum auf einer gewissen Seite auch ganz verloren gehen. Im ersten Theile dieser Abhandlung habe ich schon gezeigt, dass bei der am Klinostaten vor sich gehenden Entwickelung eines Triebes derselbe zuerst abwechseinde Krümmungen nach den entgegengesetzten Seiten ausführt, welche Krümmungen allmählich aufhören, und dass der Trieb schliesslich gerade wird, wenn auch sein Wachsthum noch fort- dauert. Jetzt aber zeigt sich der physiologische Zustand des Triebes als ein anderer als zuvor. So wurde eine ljährige Ruthe von Philadelphus coronarius, nachdem sie drei Tage lang am Klinostaten verblieb, nach- her wieder in der normalen verticalen Lage ruhig stehen gelassen. Während, wie schon gesagt wurde, die normalen Stämmchen von Philadelphus in dieser Lage ihre Seitentriebe nur wenig aufwärts richteten, so krümmten sich jetzt die meisten von diesen Trieben so stark geotropisch, dass ihre Spitzen eine beinahe verticale Stellung annahmen, indem sie Krümmungen mit dem Radius von I2—20mm gebildet haben. Im normalen Zustande können so starke Krümmungen nur an den mit der früheren Oberseite nach unten gekehrten Trieben, d. h. nur in den Fällen beobachtet werden, wenn die derzeitige Epinastie dieser Seite mit dem Geotropismus gleichsinnig wirkt. Die Möglich- keit, für die in normaler Lage sich befindenden Triebe so starke geotropische Krümmungen zu bilden, kann also im vorliegenden Falle nur dadurch erklärt werden, dass bei genügend langem Verweilen der Objeete am Klinostaten das Streben zum überwiegenden Wachsthum an der früheren Oberseite (Epinastie) verloren gegangen ist. Andererseits wird, wie ich später durch Versuche ausführlicher zeigen werde, ein sich entwickelnder Trieb mit seiner Unterseite oder einer der Seitenflanken 166 zum Zenithe gewendet und in dieser Lage bis zur Bildung einer geotropischen Krümmung belassen, so tritt sodann am Klinostaten die Epinastie jedesmal auf derjenigen Seite auf, welche in der letzten Zeit nach oben gekehrt wurde. In derselben Weise zeigt sich auch der Gipfelspross eines Hauptstammes am Klinostaten immer epinastisch, wenn er zuvor in horizontaler Lage sich befand und eine geotropische Krümmung gebildet hat. Diese Thatsachen zeigen, dass sowohl die Seitentriebe als die Gipfeltriebe der Hauptstämme sich in der be- treffenden Beziehung ganz gleich verhalten und dass allen diesen Gebilden eine inwohnende physiologische Bilateralität vollständig ab- geht. Krümmungen, welche die Triebe am Klinostaten ausführen, werden zwar freilich durch das Streben zum überwiegenden Wachs- thum an einer Seite verursacht, diese Seite wird aber nieht einmal für immer, sondern jedesmal nur durch die unmittelbar vorausge- gangene geneigte Lage des Triebes bestimmt. Nachdem ein Trieb eine geotropische Krümmung gebildet hat, wird darauf am Klinostaten das selbständig stärkere Wachsthum (Epinastie von de Vries) immer auf der concaven (vorher oberen) Seite desselben eingeleitet. Wir kommen somit auf die Erscheinung zurück, welche ich im ersten Theile dieser Abhandlung ausführlich erörtert habe und welche darin besteht, dass mit der Bildung jeder Krümmung ein Streben zum stärkeren Wachsthum auf der Innenseite der Krümmung entsteht. Die Epinastie von de Vries, wenigstens insofern sie die Triebe der Holzpflanzen betrifft, ist also nichts anderes als dieses Streben zur Bildung der entgegengesetzten Krümmung, welches den Seitentrieben wie den Gipfeltrieben der Hauptstämme in gleicher Weise eigen ist. In der Rectipetalität von Vöchting und der Epinastie von de Vries haben wir somit im Grunde eine und dieselbe Erscheinung vor uns, welche nur bei verschiedenen Umständen beobachtet wurde. Das Wort Epinastie, welches doch das Aeussere der Erscheinung gut bezeichnet, mag der Kürze halber auch im Folgenden gebraucht werden. Mit den am Stocke sich entwickelnden Trieben habe ich die meisten Versuche mit Prunus Padus und Evonymus europaeus ge- macht. Als die Gipfeltriebe der Hauptäste vertical aufwärts gestellt wurden, so entstand in der ersten Zeit fast immer eine Krümmung nach aussen, d. h. die frühere Oberseite bildete die convexe Seite der Krümmung. Nachher glich sich aber diese Krümmung wenig- stens im jüngeren Theile des Sprosses wieder aus und der .Spross wuchs dann gewöhnlich in aufrechter Lage weiter fort. Wurde ein Ast so angebunden, dass sein Gipfeltrieb vertical abwärts gerichtet 167 war, so krümmten sich dieser wie die Seitentriebe sogleich aufwärts. Während aber die Spitze des Gipfeltriebes dabei nur eine horizontale Lage annahm oder eine Aufwärtskrümmung nieht über 10—20° zum Horizonte bildete, krümmten sich die Seitentriebe viel stärker auf- wärts, indem ihre Spitzen in einem Winkel von 45° und darüber sich erhoben. Als nachher diese Aeste in die verticale Aufwärts- stellung gebracht wurden, so fingen alle Triebe unmittelbar an, sich nach der entgegengesetzten Seite zu krümmen; die Spitze des Gipfel- triebes stellte sich annähernd vertical, diejenigen der Seitentriebe bildeten aber, wie gewöhnlich, die Winkel von 40—-60° mit dem Horizonte. In anderen Versuchen wurde der Stamm eines jungen Bäumchens horizontal angebunden, wobei die primären Seitentriebe, die an verschiedenen Seiten des Stammes standen, jetzt in verschie- dener Lage zum Horizonte geriethen. %, Die Spitze des Gipfeltriebes fing dabei BA unmittelbar an, sich aufwärts zu krüm- 7 ee men, während die Seitentriebe sich ge- N wöhnlich zuerst in der Richtung nach N # der Basis des Stammes hin krümmten Fig. 3. Der Pfeil gibt die Loth- und zwar so, dass ihre frühere Oberseite riehtung an. zur Aussenseite der Krümmung wurde. In der schematischen Fig. 3 sind diese Krümmungen mit Punkten ange- deutet. Solche Krümmungen, welche offenbar die epinastischen Krüm- mungen von de Vries sind, werden aber nach einiger Zeit wieder ausgeglichen. Die auf der oberen Seite stehenden Triebe richten dabei ihre Spitzen annähernd vertical, in welcher Richtung sie auch weiter fortwachsen; die unten oder an den Seiten des Stammes inserirten Triebe krümmen sich nun aber wieder aufwärts. Die Spitzen der unteren Triebe werden meistens nicht oder nur wenig über die Horizontale gehoben, während die an den Seiten stehenden Triebe vermögen ihre Spitzen viel stärker aufzurichten. Weiter aber, wie es schon früher angegeben wurde, in dem Maasse als die Internodien der geotropisch gekrümmten Spitzen sich entwickeln, vermindert sich ihre Krümmung wieder, indem der ganze Trieb sich allmählich ge- rade streckt. Die an den Seiten stehenden Triebe erhalten definitiv eine annähernd horizontale oder nur wenig aufsteigende Lage, die unteren Triebe aber, nachdem sie ihre geotropische Krümmung aus- geglichen haben, zeigen sich schief abwärts gerichtet, indem sie an- nähernd denselben Winkel mit dem Stamme bilden (Fig. 3) wie bei seiner normalen Aufrechtstellung. 168 Sehr interessant ist das Verhalten des Gipfelsprosses eines in horizontale Lage gebrachten Stammes. Dieser Gipfelspross fängt, wie schon gesagt, sogleich an, sich aufwärts zu krümmen, wobei seine Spitze manchmal eine fast verticale Stellung annimmt, meistens aber nur einen Winkel von etwa 50—60° mit dem Horizonte bildet. Solche Lage behält die Spitze selbst des Triebes im Laufe der ganzen Zeit als dessen Entwickelung fortdauert; mit dem weiteren Wachsthum der Internodien vermindert sich aber, wie in allen übrigen Fällen, ihre Krümmung wieder, und indem der entwickelte Theil des Triebes sich mehr oder weniger gerade streckt, bleibt er definitiv unter einem Winkel von etwa 30-—-40° zum Horizonte gerichtet. Somit verhält sich der Gipfeltrieb eines Stammes, nachdem er einmal in horizontale Lage gebracht wurde, nun in ganz gleicher Weise wie alle Seiten- triebe und ist nicht im Stande, die verticale Lage wieder anzunehmen. Ich schnitt den oberen Theil des in horizontale Lage gebrachten Stammes ab, nachdem seine Triebe neue geotropische Krümmungen gebildet haben, und setzte solche Objecte an den Klinostaten. Alle Triebe fingen jetzt unmittelbar an, ihre Krümmungen auszugleichen, an deren Stelle mehr oder weniger bedeutende entgegengesetzte Krümmungen entstanden. Die convexe Seite dieser letzteren bildete also jedesmal diejenige Flanke des Triebes, welche bei horizontaler Lage des Stammes nach oben gekehrt war. Die auf den Seiten des Stammes gestandenen Triebe machten also die Krümmung auf ihrer (in Bezug auf den Stamm) Seitenflanke, die unteren Triebe auf der dem Stamme zugekehrten Flanke. Die Triebe, welche auf der oberen Seite des Stammes standen und eine verticale Stellung ange- nommen haben, machten keine Krümmung mehr und in dieser Be- ziehung erwiesen sich die Triebe ausserordentlich empfindlich; besass der wachsende Theil des Triebes eine Neigung von nur 10—20° zur Lothlinie, so wurde das schon am Klinostaten durch eine der vorigen Neigung entgegengesetzt gerichtete Krümmung verrathen. Der Gipfel- trieb machte am Klinostaten ebenfalls eine der geotropischen ent- gegengesetzte Krümmung, verhielt sich also auch in dieser Beziehung den Seitentrieben ganz analog. Dje am Klinostaten entstehenden Gegenkrümmungen erstrecken sich zunächst nur.auf die älteren Theile der Triebe, während die jüngsten Theile ihre frühere (geotropische) Krümmung noch beibehalten, wie ich das später an Evonymus aus- führlicher zeigen werde. Nach dem bis jetzt Gesagten braucht kaum mehr hinzugefügt zu werden, dass, wenn ein aufrechtes Stämmehen von Prunus Padus 169 direct an den Klinostaten gesetzt wird, sich alle Seitentriebe auf ihre frühere Unterseite krümmen, d. h. ihre Krümmungen sind analog denjenigen, welche auch an einem in die horizontale Lage ge- brachten Stämmchen zunächst entstehen (Fig. 3). Haben aber an einem in solche Lage gebrachten Stämmcehen die Triebe neue geo- tropische Krümmungen gebildet, so stehen die nun am Klinostaten auftretenden Krümmungen nur mit diesen letzteren in Beziehung. Man erkennt hier also die schon früher erörterte Eigenschaft der Triebe, auf jede entstandene Krümmung mit dem Streben zu einer Gegenkrümmung zu reagiren und, wie die letztangeführten Klino- statenversuche lehren, besonders energisch tritt solches Streben erst in älteren Internodien auf, die zunächst allein eine entgegengesetzte Krümmung machen, während die Spitze selbst ihre geotropische Krümmung beibehält. Im ersten Theile dieser Schrift wurde auch durch Versuche mit aufgehängten Trieben bewiesen, dass die Gegen- wirkung einer geotropischen Krümmung allmählich soweit anwachsen kann, dass sie schliesslich die direcete geotropische Wirkung über- windet. Damit im Einklang steht die Thatsache, dass die Triebe von Prunus Padus scheinbar nicht im Stande sind, geotropische Krüm- mungen über etwa 90° zu bilden, denn, wie schon gesagt wurde, vermögen die vertical abwärts gestellten Triebe ihre Spitzen kaum über die horizontale Lage zu heben, während die von Anfang an in die horizontale Lage gebrachten manchmal beinahe ganz vertical sich aufrichten können. Nun beobachten wir oft bei Prunus Padus die schon angegebene Erscheinung, dass die junge Spitze der sich ent- wickelnden Triebe allein fortwährend geotropisch gekrümmt bleibt, während im älteren Theile des Triebes diese Krümmung sich wieder vermindert, womit dieser Theil eine mehr geneigte Lage annimmt. Nach all dem im Vorausgehenden Auseinandergesetzten nehme ich keinen Anstand, solches Verhalten der Triebe und überhaupt die Thatsache, dass sie aus einer geneigten Lage nie im Stande sind, eine ganz verticale Lage anzunehmen oder dieselbe auf die Dauer zu behalten, der besagten Gegenwirkung zuzuschreiben. Auf den ersten Blick dürfte wohl am meisten naheliegend er- scheinen, die nachherige Verminderung der ursprünglichen geotropi- schen Krümmung der Wirkung der eigenen Schwere der Triebe zu- zuschreiben. Unabhängig von den früher angeführten Versuchen, welche gezeigt haben, dass selbst bei den equilibrirten Trieben die ursprüngliche geotropische Krümmung sich nachher wieder vermin- dert, wurden mit Prunus Padus noch Versuche anderer Art gemacht. 170 An den jungen Internodien der horizontalen Triebe, welche nur schwache Aufwärtskrämmungen gemacht haben, wurden nämlich die Lamina aller grösseren Blätter entfernt in der Voraussetzung, dass ihr Gewicht die Bildung stärkerer geotropischer Krümmungen ver- hindert. Die so erleichterten Triebe behielten aber im Laufe der 2—3 folgenden Tage ganz dieselbe Krümmung. In anderen Ver- suchen wurden die Aeste mit den Spitzen vertical abwärts angebun- den und nachdem es sich gezeigt hat, dass ihre Seitentriebe nur schwache Aufwärtskrümmungen zu bilden vermögen, wurden nun die Aeste vertical aufwärts gestellt, wobei die Triebe jetzt schief abwärts gerichtet waren. Sollte früher die Bildung stärkerer geotropischer Krümmungen durch die eigene Schwere der Triebe mechanisch ver- hindert werden, so wäre zu erwarten, dass bei der umgekehrten Lage, bei welcher die eigene Schwere mit der geotropischen Nachwirkung gleichsinnig wirkte, diese letztere sich jetzt geltend macht und die Abwärtskrümmung zunächst noch vergrössert. Das letztere wurde aber niemals beobachtet. Die Triebe fingen immer unmittelbar an, sich wieder aufwärts zu krümmen und in einem Falle so energisch, dass schon im Laufe von zwei Stunden die frühere Krümmung sich beinahe ausgeglichen hat und nach weiteren vier Stunden wurde eine der früheren gleiche Krimmung nach der entgegengesetzten Seite gebildet. Es gibt somit keine Thatsachen, welche dafür sprechen, dass die eigene Schwere der Triebe irgend einen merklichen Einfluss auf die geotropische Krümmungsfähigkeit ihrer jungen Theile ausübt und die beobachtete Verminderung der ursprünglichen geotropischen Krümmung muss ausschliesslich der Eigenschaft der Gegenkrümmung zugeschrie- ben werden. Andererseits geht die Bewegung im Sinne des Zurück- krümmens immer nur so weit vor sich, bis die Krümmung annähernd ausgeglichen ist und in ihren schon ausgewachsenen Theilen erscheinen meist die Triebe der ganzen Länge nach beinahe ganz gerade. Solches Geradestrecken, welches den Trieben von verschiedener Ueppigkeit im gleichen Grade eigen ist, kann durch die mechanischen Ursachen nicht erklärt werden. Wirkung der eigenen Schwere lässt sich zwar gewöhnlich an den länger gewordenen und reichlich beblätterten Trieben von Prunus Padus und anderer Arten beobachten, die ihrer ganzen Länge nach sich schwach abwärts krümmen. Solche Form erhalten aber die Triebe schon im späteren Alter und ich werde weiter zeigen, dass dieselbe wahrscheinlich nicht durch Wachsthum, sondern nur durch elastische Dehnung der Oberseite zu Stande kommt. 171 Erwägt man schliesslich, dass bei jeder Neigung zum Horizonte die Triebe sich in gleicher Weise gerade strecken, so wird man genöthigt, zu schliessen, dass dieses Geradestrecken dureh organische Eigen- schaften der Triebe bedingt wird und ein Gleichgewichtszustand zwischen Streben zu den Krümmungen nach den entgegengesetzten Seiten bezeichnet. Wenn bei einzelnen Trieben desselben Baumes dieses Gleichgewicht bei verschiedener Neigung zur Lothlinie eintritt, so hängt das möglicher Weise von der geotropischen Empfindlichkeit ab, welche ihrerseits mit der Wachsthumsenergie der Triebe in Zu- sammenhang zu stehen scheint, da, wie ich schon oben angegeben habe, die am stärksten wachsenden primären Seitentriebe sich auch am stärksten emporrichten. Wird ein Ast noch vor dem Aufbrechen der Knospen in aufwärts verticale Lage gebracht, so cıhält der sich entwickelnde Gipfeltrieb in der Regel eine epinastische Krümmung im Sinne de Vries, d. h. auf die frühere Unterseite. Das scheint ja wirklich auf eine physio- logische Bilateralität der Seitentriebe binzuweisen und doch glaube ich im vorigen gezeigt zu haben, dass eine solche überhaupt nicht existirt. Darum braucht das Auftreten der besagten epinastischen Krümmungen noch weiter auseinandergesetzt zu werden. Gewiss sind die Triebe schon im” Knospenzustande negativ geotropisch. Sobald die Knospen im Frühjahr sich zu strecken beginnen, krümmen sie sich sogleich aufwärts und bei den langspitzigen Knospen von Prunus Padus betragen diese Krümmungen nicht selten bis 45° Dasselbe wird z. B. auch bei Rosskastanie beobachtet und doch macht die Spitze der aus solchen Knospen hervortretenden Triebe gewöhnlich zu- nächst eine Krümmung nach unten. Diese Erscheinung lässt sich aber vollständig aus der schon früher erörterten Eigenschaft der Ge- genkrümmung erklären. Wenn der Geotropismus eine Aufwärts- krümmung der Knospenaxe hervorruft, so tritt zugleich eine Gegen- wirkung auf, und wird jetzt die Knospe in eine zur Schwerkraftwirkung symmetrische (verticale) Lage gebracht, so muss eine der geotropischen entgegengesetzte Krümmung entstehen. Ich habe versucht, diese Auf- fassung durch einige Versuche zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurden im Herbste, als die Knospen noch keine Spur einer Aufwärtskrümmung aufwiesen, Seitentriebe von Prunus Padus mit den Spitzen vertical aufwärts angebunden. Das Resultat war, dass bei fünf von den sechs so behandelten Versuchszweigen die sich entwfekelnden Gipfeltriebe keine Krümmungen mehr machten und gerade vertical wuchsen. Bei den Aesten von Rosskastanien aber, welche ebenso im Herbste 172 vertical gestellt wurden, machten doch die austretenden Gipfeltriebe wie sonst starke epinastische Krümmungen. Die Knospen der Ross- kastanie sind aber schon im Herbste bedeutend geotropisch gekrümmt und es dürfte also schon jetzt ihr physiologischer Zustand derselbe sein, wie zur Zeit der Streckung der Triebe. Dass die eigene Schwere der Triebe ihre Form beeinflussen muss, ist ohne Weiteres anzunehmen und schon daraus ersichtlich, dass, wie schon von de Vries bemerkt wurde, nach dem Blattfall sich die Enden der Seitenäste viel steiler emporrichten. Noch deut- licher kann der Einfluss des Blättergewichtes an den noch krautigen Trieben soleher Arten beobachtet werden, wo, wie bei Acer, Evony- mus, Prunus Padus, die Triebe verhältnissmässig dünn sind und da- bei bedeutende Länge erreichen können. Stark geschossene Triebe von Prunus Padus, nachdem sie ihr Wachsthum schon beendet haben, sind oft der ganzen Länge nach bedeutend abwärts gekrümmt. Werden bei einem solchen Triebe die Blätter entfernt, so gleicht sich diese Krümmung sogleich zum grössten Theile aus. Ebensolche Wirkung muss natürlich das Blättergewicht auch an den noch wach- senden und geotropisch gekrümmten Sprosstheilen ausüben. An dünnen und langen horizontalen Sprossen von Evonymus, welche geo- tropisch gekrümmt waren, konnte ich mich überzeugen, dass mit dem Entfernen der Blätter die Krümmung sich sogleich bedeutend ‚ver- stärkte. Es konnte somit die Voraussetzung entstehen, ob nicht viel- leicht das am Klinostaten immer auftretende Wachstlium der concaven Seite durch die zuvor bestandene mechanische Dehnung dieser Seite indueirt wird. Widerstreiten zwar schon einer solehen Auffassung die früher beschriebenen Versuche mit P’hascolus, wo das mechanische Biegen des Stengels, also die Compression der concaven Seite, den gleichen Effect ergibt, so habe ich doch einige Versuche angestellt, um die besagte Voraussetzung direet zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurden abgeschnittene Stämmehen von Evonymus europaeus und Syringa Emodi horizontal so gelegt, dass einzelne Sprosspaare sich in horizontaler Ebene befanden und auf die Spitzen solcher Sprosse wurden Schlingen der Fäden aufgelegt, welche über die darüber stehenden Rollen geführt und deren freie Enden mit Gewichten be- lastet wurden, die eben genügten, die Triebe schwach aufwärts zu biegen. Bei Syringa Emodi ging das Aufwärtskrüämmen der s0 aufgehängten Triebe viel träger von statten als das der freien, und somit bestätigten sich auch hier die Beobachtungen von M. Scholtz (. ce.) und R. Hegler (l. c.), wonach schwache Dehnung in den 173 meisten Fällen das Wachsthum nur verlangsamt. Bei Evonymug krümmten sich aber beideriei Triebe in gleicher Weise und als die Krümmung stark genug wurde, wurden die Objecte an den Klino- staten gebracht. Nun verhielten sich die Triebe, welche bei ihrem Aufwärtskrümmen die Wirkung der eigenen Schwere nicht erfahren haben, in ganz derselben Weise wie die übrigen, d. h. an der Stelle der früheren geotropischen bildeten sie eine Krümmung nach der entgegengesetzten Richtung. Dieser Versuch zeigt also nochmals, dass beim Ausgleichen der ursprünglichen geotropischen Krümmungen der eigenen Last der Triebe jedenfalls nicht mehr als eine unter- geordnete, scheinbar rein mechanische Rolle zukommt. Ich versuchte noch durch direetes Messen das Wachsthum des Parenchyms auf der oberen und unteren Seite der Triebe in ihren verschiedenen Entwickelungsstadien zu verfolgen, in der Hoffnung, auf diese Weise zu bestimmen, in wie weit die spätere Ausgleichung der geotropischen Krümmungen durch wirkliches Wachsthum der Oberseite zu Stande kommt. Dazu wurde in Internodien, welche in verschiedenen Krümmungsphasen sich befanden, die Länge der Pa- renchymzellen der subepidermalen Reihe auf der Ober- und Unter- seite der Triebe gemessen. Die Messungen wurden erst ausgeführt, nachdem die (radialen) Schnitte einige Stunden im dieken Glycerin gelegen und ihren Turgor verloren hatten. Diese Methode zeigte sich aber wenig tauglich, um die betreffende Frage klar zu beant- worten, und zwar wahrscheinlich weil das Wachstum in verschiede- nem Maasse von den Theilungen der Zellen begleitet wird. Jedenfalls wurden ungeachtet der sehr grossen Zahl der gemessenen Zellen (einige Hundert für jeden einzelnen Fall) nır ziemlich unbestimmte Resultate erhalten. So wurden in einem ca. 17cm langen Triebe von Prunus Padus, dessen Spitze sich noch entwickelte und welcher der ganzen Länge nach schwach aufwärts gekrümmt war, die Stellen etwa dem von der Basis und etwa 3cm von der Spitze untersucht. An diesen beiden Stellen erwiesen sich länger die Zellen der Unterseite, und zwar an der ersteren um 14,8°%, und an der letzteren um 26,6 %,. In einem anderen (ca. 28cm langen), schon ganz ausgewachsenen und etwas abwärts gekrümmten Triebe wurden ebenfalls zwei Stellen etwa llcm von der Basis und etwa 8cm von der Spitze untersucht. Hier zeigten sich auch überall länger die Zellen der Unterseite und zwar näher zur Basis um 11,0°, und näher zur Spitze um 8,0°/,. Somit scheint bei Prunus Padus mit dem Geradestrecken des Triebes die Längendifferenz zwischen den Zellen der Ober- und Unterseite 174 sich bedeutend zu vermindern, ohne doch ganz ausgeglichen zu werden. Bei Evonymus wurden auf dieselbe Weise drei Triebe untersucht. Die primären Seitentriebe der in horizontale Lage ge- brachten Stämme bilden hier schnell neue geotropische Krümmungen, welche bald beginnen, sich wieder zu vermindern. Solche Triebe wurden in verschiedenen Krümmungsphasen untersucht. A) Ein Trieb, welcher zur Zeit abgeschnitten war, als die geotropische Krümmung anfing sich zu vermindern. In der Mitte des Krümmungsbogens zeigten sich hier die subepidermalen Zellen der Unterseite länger als diejenigen der Oberseite um 8,0°%,. B) Ein Trieb, dessen Spitze sich noch entwickelte, welcher aber schon fast gerade sich gestreckt hat; als aber die Blätter entfernt wurden, bekam der Trieb wieder eine bedeutende Aufwärtskrimmung. Im mittleren Theile dieses Triebes hatten die Zellen an der Ober- und Unterseite beinahe die gleiche Länge (die unteren waren länger um 0,8°%,). CO) Ein ebenfalls ge- rader horizontaler Trieb, welcher aber schon zu wachsen aufgehört hat; nachdem die Blätter entfernt wurden, entstand nur im oberen Theile eine schwache Krümmung nach oben. Das mittlere Inter- nodium wurde hier an zwei um 12mm von einander entfernten Stellen untersucht und gefunden: an einer Stelle (näher zur Basis) zeigten sich die Zellen der Unterseite länger um 7,0°/,, während an der an- deren Stelle diejenigen der Oberseite sich um 2,5 °/, länger erwiesen haben. Also hat bei Evonymus wie auch bei Prunus Padus mit dem Geradestrecken der Triebe die Längendifferenz zwischen den Zellen der Ober- und Unterseite sich im ganzen bedeutend vermindert. Wenn aber diese Differenz nicht ganz ausgeglichen wird, so darf daraus eben nur geschlossen werden, dass die mechanische Dehnung, welche doch im Triebe fortwährend besteht, keinen merklichen Einfluss auf das Wachsthum der Zellen seiner Oberseite auszuüben vermag. Bei Ulmus werden wir später sehen, dass in den Internodien, welche ihr Wachsthum schon eingestellt haben, eine mechanische Dehnung nur reichliche Zelltheilungen hervorzurufen scheint, und die bei Prunus Padus und Evonymus aus Messungen gewonnenen Daten widersprechen dem jedenfalls nicht. Nach Frank soll die normale Lage der Seitentriebe zum Hori- zonte sehr oft durch Axendrehungen erreicht werden. Solche Dreh- ungen hat Frank u. a. bei Philadelpus beobachtet, einer Art, welche unzweifelhaft zu demjenigen physiologischen Typus gehört, den ieh als Typus von Prunus Padus bezeichnet habe. Darum werden meine die Drehungen bei verschiedenen Arten von diesem Typus be- 175 treffende Beobachtungen im Stande sein, die Befunde von Frank zu beleuchten. Bei Prunus Padus können oft Axendreliungen der Triebe beobachtet werden, welche aber bei ganz auderen Bedingungen ent- stehen, als es von Frank (l.’e. pag. 38) angegeben wurde. Wie ich schon früher gesagt habe: wird ein aufrechter Stamm von Prunus Padus in horizontale Lage gebracht, so machen zunächst alle Seitentriebe Krümmungen auf ihre frühere Unterseite. Darum werden bei den jetzt in horizontaler Ebene liegenden Trieben die Krümmungen ebenfalls in horizontaler Ebene gebildet und nur solche Triebe werden gewöhnlich und zwar bis zu 90° gedreht. Es leuchtet aber ein, dass das in horizontaler Ebene gekrümmte Ende des Triebes einen Hebel ausmacht, dessen Last auf den geraden Theil des Triebes in tangentialer Richtung einwirkt und die Drehung geht auch immer nach dieser Richtung vor sich. Ausserdem kann hier die Drehung verschieden stark sein und zwar nach der Intensität und der Dauer der Seitenkrümmung, und bei den '[rieben, welche nur schwache und kurzdauernde Seitenkrümmung gebildet haben, bleibt auch die Drehung vollständig aus. Frank gibt an, dass, wenn bei den von ihm beob- achteten Arten (u. a. bei Philadelphus) horizontale Seitentriebe wieder horizontal, aber mit der umgekehrten Seite zum Zenithe, angebunden wurden, so drehten sie sich dabei immer um 180°, d. h. so weit, bis die frühere Oberseite wieder nach oben kam. Ich wiederholte solche Versuche an den Seitentrieben von Prunus Padus, welehe mit der umgekehrten Seite zum Zenithe gewendet wurden, wobei längs des Triebes ein Tuschestrich aufgetragen wurde, um zu ermöglichen, die geringste Axendrehung wahrzunehmen. Die Gipfel- wie die Seiten- triebe der Aeste machten dabei nur die gewohnten geotropischen Krümmungen und bei den Gipfeltrieben wurde eine Drehung niemals beobachtet. Bei schwächeren Seitentrieben, welche in horizontaler Ebene umgekehrt angebunden wurden, wurde manchmal eine schwache Drehung beobachtet, die aber 30—40° nicht überschritt. Bei den betreffenden Bedingungen, wo die Triebe keine Seitenkrünmungen machen, konnte die Ursache der Drehung immer deutlich in einem an der Seitenfläche stehenden und nicht entsprechend equilibrirten grossen Blatte gefunden werden. Was also die Ursache der Axen- drehungen in diesen wie in den später anzuführenden Fällen betrifft, so kann ich vollständig die Beobachtungen von de Vries bestätigen, denen zufolge solche Drehungen immer nur den zufälligen mechani- schen Factoren ihre Entstehung verdanken. Es bleibt nur zu be- merken, dass nicht bei allen Arten die Triebe gleich fähig sind, 176 Drehungen zu erfahren. Bei Evonymus europaeus z. B. scheinen ziemlich lange, saftige Triebe einer Drehung hartnäckig zu wider- stehen. Wird ein Stämmehen von Evonymus so in horizontale Lage gebracht, dass einzelne Sprosspaare in horizontaler Ebene zu liegen kommen, so machen diese Sprosse ebenfalls zunächst epinastische Seitenkrümmungen, die übrigens bald wieder ausge- glichen werden; Drehungen habe ich aber dabei niemals entstehen sehen. In dem Vorhergehenden hielt ich für angemessen, an dem Bei- spiele von Prunus Padus allein in nähere Besprechung der Ursachen einzugehen, welche die geneigte Lage der Seitentriebe bedingen, weil die Triebe der genannten Art sehr günstige und typische Beobach- tungsobjeete darstellen und weil die Erscheinungen, welche an an- deren zu demselben physiologischen Typus gehörenden Arten zu be- obachten sind, das oben Gesagte nur bestätigen. Bei Ahorn, Esche, Rosskastanie sind die jungen Seitentriebe gewöhnlich an ihrer Spitze abwärts gekrümmt, welche Krümmung manchmal bis 45° beträgt, so dass die Spitzen stark aufgerichteter Triebe wieder horizontal ge- riehtet sind. ‚Auf den ersten Blick dürften diese Krümmungen den- jenigen, welche die Triebe am Klinostaten auf ihre frühere Unterseite bilden, d.h. den sog. epinastischen Krümmungen, als gleichbedeutend angesehen werden. In Wirklichkeit mögen aber eine solche Bedeu- tung diese Krümmungen höchstens beim ersten Austreten der Triebe aus den Knospen haben. Beobachtet man nämlich von Zeit zu Zeit die sich weiter entwickelnden Triebe, so bemerkt man, dass die be- sagten Krümmungen zeitweise verschwinden, um darauf wieder zu erscheinen, und zwar geschieht das bei fast allen Trieben gleichzeitig. An gewissen Tagen fand ich fast alle Triebe mehr oder weniger stark gekrümmt während sie an anderen Tagen alle gerade waren, und darum liegt es auf der Hand, die Entstehung der Gipfelkrüm- mungen irgend einem meteorologischen Factor zuzuschreiben. Da diese Krümmungen an trockenen wie an feuchten Tagen ohne Unter- schied sich bilden und somit nicht von den Turgorgrade der Triebe abhängen, so können sie nur der Einwirkung der Winde zuge- schrieben werden. Hofmeister hat an verschiedenen krautartigen Pflanzen die Beobachtung gemacht, dass die plötzlichen, durch die Stösse an den unteren Stengeltheil hervorgerufenen Schwankungen der Stengelspitze eine Krümmung derselben herbeiführen, welche erst nach einigen Stunden sich allmählich wieder ausgleicht und welche Hofmeister der Ausdehnung der Epidermis an der Aussenseite der 177 Krümmung zugeschrieben hat.!) Aufrecht stehende vom Winde be- wegte Sprosse schwanken nach allen Seiten mehr oder weniger gleich- mässig und an den Gipfelsprossen der Hauptstämme, selbst bei Ahorn, treten die betreffenden Krümmungen nur selten auf; bei Syringa Emodi fand ich aber die fleischigen, schweren Gipfeltriebe meistens gekrümmt. Was nun die Seitentriebe betrifft, deren Schwankungen nach einer Seite (nach unten) jedesmal stärker sein müssen, so sind die Krümmungen ihrer jungen, noch plastischen Theile unzweifelhaft der von Hofmeister bemerkten Ausdehnung der peripherischen Gewebe zuzuschreiben. Im späteren Entwickelungsstadium, wenn die Gipfel der Triebe steifer werden, werden die Gipfelkrümmungen nieht mehr gebildet und auf die difinitive Richtung der Baumtriebe (wenigstens in den vom herrschenden. Winde etwas beschützten Loca- litäten) sind sie von keiner Bedeutung. Mit Acer platanoides, Aesculus Hippocastanum, Fraxinus excel- sior wurden zahlreiche Versuche gemacht, wo junge Stämme umge- bogen und so in horizontaler oder , \ . N N geneigter Lage angebunden wurden, N | N dass die Insertionsebenen der Seiten- \ \\ IN \ . . . \ \ triel horizontal und vertical zu _ \ N riebe orizon a \ \- v) stehen kamen. Die ersteren von PA . diesen Trieben heben ihre Gipfeln 7X 7a 7 selten mehr als um 50—60° empor, Fig. 4. (Mit dem Pfeile ist die Loth- gewöhnlich auch weniger, und nach richtung angegeben). 1—2 Tagen beginnt die geotropische Krümmung sich wieder zu vermindern. Dies nachherige Zurückkrümmen ist gewöhnlich bei der Esche, Rosskastanie weniger bedeutend, wäh- rend bei Ahorn die Triebe manchmal eine fast horizontale Lage an- nehmen. Jedenfalls strecken sich die Triebe mit Beendigung des Wachsthums der ganzen Länge nach mehr oder weniger gerade und erhalten definitiv in allen ihren Theilen annähernd die gleiche Neigung zum Horizonte. Die unteren Triebe der in der verticalen Ebene stehenden Paare krümmen sich ebenfalls geotropisch; wie wir aber schon bei Prunus Padus gesehen haben, sind die Triebe gewöhnlich nieht im Stande, ihre Gipfel aus der abwärts geneigten Lage irgend- wie bedeutend über die horizontale Lage zu bringen, und indem sie nachher sich wieder senken, bleiben sie definitiv abwärts unter ver- schiedenen Winkeln zum Horizonte gerichtet. Die oberen Triebe, 1) Jahrbücher für wiss. Botanik II. Bd. pag. 237. Flora, Ergänzgsbd. 1901. 12 178 welche an den geneigten Stämmchen in eine annähernd vertieale Lage gerathen, bilden zunächst eine Krümmung auf die frühere Unterseite. Darauf kommt aber der Gipfel des Triebes in die verticale Lage zu- rück, welche er entweder dauernd beibehält oder sich nochmals nach der Basis des Stammes hin krümmt, d. h. der Trieb schwankt in der Ebene d&r ursprünglichen Krümmung. Bei Esche und Rosskastanie wurde wiederholt solches Schwanken der in verticale Lage gebrachten Seitentriebe beobachtet. So wurde ein Stämmcehen der Rosskastanie derart in geneigter Lage angebunden, dass die oberen Triebe vertical standen. Drei Tage später hatte einer dieser Triebe eine Rück wärts- krümmung von etwa 15° und seine Form war wie die in der Fig. 4A angegebene; nach weiteren vier Tagen stand die Spitze des Triebes wieder vertical wie in der Fig. 4B, und noch sieben Tage später war der Trieb nochmals um etwa 30° nach rückwärts, wie in Fig. 4C, geneigt, in welcher Lage er schon erstarrte. Solche Schwankungen in der Ebene der ursprünglichen Krümmung sind aber gewöhnlich nur bei den in verticale Lage gebrachten, d. h. in einer zur Schwerkraft- wirkung symmetrischen Stellung befindlichen Seitentrieben zu beob- achten. Bei den horizontalen Trieben folgt, wie schon gesagt wurde, auf eine geotropische Krümmung nur eine Gegenkrümmung, welche die erstere vermindert; die Schwankungen der geneigten Triebe konnten nur einmal deutlich bei Esche beobachtet werden. Also jedesmal, wenn ein bisher in geneigter Lage befindlicher Trieb in verticale Lage gebracht wird, bildet er zunächst eine Rückwärtskrümmung, welche oft, zumal bei schwach wachsenden Trieben, definitiv bestehen bleibt. Stand aber schon die Seitenknospe selbst annähernd vertical, was bei den oberen Knospen an den stark aufgerichteten Aesten der Fall ist, so wachsen die aus solchen Knospen austretenden Triebe gewöhnlich vertical aufwärts, ohne irgend welche Krümmung zu machen. Die in horizontale Lage gebrachten Gipfeltriebe der Hauptstämme zeigen bei allen letztbesprochenen Arten dieselben Erscheinungen, die schon für Prunus Padus beschrieben wurden. Bei zahlreichen Ver- suchen, wo die Stämmchen von Ahorn, Esche, Rosskastanie in hori- zontale Lage gebracht wurden, waren ihre Gipfeltriebe keinmal im Stande, sich ganz vertical aufzurichten. In den günstigsten Fällen krümmten sie sich nicht über 65—70°, gewöhnlich aber bedeutend weniger aufwärts, und diese Krümmung wurde darauf wieder ver- mindert. Bei Ahorn ein in horizontale Lage gebrachter Gipfeltrieb des Hauptstammes erhält sogleich in seiner Spitze die schon früher besprochene Abwärtskrümmung, die er in seiner normalen Stellung 179 gewöhnlich nicht besitzt und deren Auftreten bei der geneigten Lage nochmals auf eine mechanische Herkunft dieser Krümmung hinweist. Bei Esche und Rosskastanie tritt an dem horizontal gestellten Gipfel- trieb die besagte Krümmung zwar oft, doch weit nicht immer auf, wie es übrigens auch bei den Seitentrieben dieser Arten der Fall ist. Ich habe schon früher durch directe Versuche am Klino- staten mit Ahorn, Rosskastanie und anderen Arten gezeigt, dass der Gipfeltrieb des Hauptstammes seinen physiologischen Eigenschaften nach sich von den Seitentrieben in keiner Weise unterscheidet und ebenso wie die letzteren auf jede geotropische Krümmung mit dem Streben zu einer Gegenkrümmung reagirt. An den Gipfeltrieben der Rosskastanie und anderer Arten habe ich weiter gezeigt, dass bei fortdauernder Einwirkung der Schwerkraft, das Streben zur Gegen- krümmung schliesslich den Geotropismus überwinden und die Ver- minderung der geotropischen Krümmung herbeiführen kann. Durch diese Eigenschaften des Gipfeltriebes wird die Thatsache erklärt, dass, wenn er in eine Lage gebracht wird, in welcher sonst die Entwickelung der Seitentriebe vor sich geht, er wie diese letzteren ‚nicht mehr im Stande ist, die verticale Lage wieder zu erreichen. Ein sehr interessantes Object bieten die Blüthenschäfte der Rosskastanie, welche be- _ kanntlich vegetative, aus 2—3 Internodien — g bestehende Triebe fortsetzen. Der untere Fig. 5. (Der Pfeil gibt die Theil des Blüthenschaftes, welcher etwa !js Lothrichtung an.) seiner Länge einnimmt, ist nicht verästelt, der übrige Theil trägt allseitig die mehrfach verästelten Blüthenstiele. Vegetative Internodien der blüthentragenden Triebe haben die Eigen- schaften der gewöhnlichen vegetativen Triebe, und wie diese letzteren sind sie nur mehr oder weniger aufwärts gekrümmt, ohne je eine ganz verticale Richtung anzunehmen. Die Blüthenschäfte allein, welche solche Triebe endigen, richten sich immer ganz vertical. Im jungen Alter ist der nackte Theil des Blüthenschaftes wie der ihn tragende vegetative Theil des Triebes im weiten Bogen aufwärts gekrümmt, und der ganze blüthentragende Trieb hat die in der Fig. 5 dargestellte Form; später steht der Blüthenschaft der ganzen Länge nach gerade aufrecht. In jungen, nicht über 6—8cm langen Blüthenschäften ist ihr verästelter Theil, besonders im oberen Theile, fast immer ein- wärts gekrümmt, so dass seine Spitze oft bis zu 20° gegen die Ver- 12* 180 ticale geneigt ist. Auf den ersten Blick dürfte dabei die Vermuthung als nahe liegend erscheinen, dass den Blüthenschäften der Rosskastanie die Hyponastie eigen ist, welche de Vries bei einigen Objecten ge- funden zu haben glaubte, und deren Mitwirkung die betreffenden Objecte auch ihre verticale Lage verdanken. Werden die Aeste mit jungen Blüthenschäften an den Klinostaten gebracht, so zeigen hier die vegetativen Internodien und auch der untere, nackte Theil der Blüthenschäfte die schon im Vorigen beschriebenen Erscheinungen, d. h. diese Theile strecken sich gerade und an Stelle der früheren geotropischen treten gewöhnlich die nach der entgegengesetzten Seite gerichteten Krümmungen auf. Die verästelten Theile der Blüthen- schäfte bleiben dabei entweder unverändert oder ihre frühere Ein- wärtskrüämmung wird noch etwas verstärkt. Dieser letztere Umstand scheint die Voraussetzung zu bestätigen, dass die letztgenannten Ge- bilde eine selbständige Eigenschaft besitzen, auf ihrer morphologisch unteren Seite stärker in die Länge zu wachsen. Werden aber die- Aeste mit jungen Blüthenschäften so angebunden, dass die letztere in horizontale oder abwärts geneigte Lage, aber mit der morphologi- schen Oberseite nach unten, gebracht werden, so beginnen sie sogleich sich sehr energisch aufwärts, d. h. auf ihre morphologisch untere Seite zu krimmen. Am meisten interessant ist dabei, dass, nachdem der verästelte Theil des Blüthenschaftes wieder die verticale Lage erreicht hat, er in dieser Lage nicht stehen bleibt, sondern sich in derselben Richtung weiter krümmt und wieder (jetzt auf seine mor- phologische Unterseite), manchmal um mehr als 90° gegen die Verti- eale neigt. Darauf fängt eine solche Krümmung an sich auszugleichen, der Blüthenschaft krümmt sich aber wieder nach der entgegengesetzten Seite mehr oder weniger stark hinüber, um schliesslich in die Gleich- gewichtslage zu kommen und sich vertical zu stellen. Aus diesen Erscheinungen ist klar, dass den Objecten, die auf ihre morphologisch untere Seite zu sich so energisch krümmen und die Krümmungen auf diese Seite bis.zu 180° zu bilden im Stande sind, eine etwaige Hy- ponastie nicht eigen sein kann. Zugleich lassen aber diese Erschei- nungen eine andere ganz specifische Eigenschaft der Blüthenschäfte erkennen, welche den vegetativen Trieben ganz abgeht, nämlich die Eigenschaft, die geotropische Nachwirkung ausserordentlich stark zur Wirkung kommen zu lassen. — Als ich im Vorhergehenden die Eigenschaft der Gegenkrümmung erörterte, wies ich darauf hin, dass das Fehlen jeder Spur der geotropischen Nachwirkung bei den vege- tativen Trieben, nicht nur bei normalen Bedingungen, sondern auch 181 am Klinostaten, nur durch das Bestehen des einer geotropischen Krümmung entgegenwirkenden Strebens zur entgegengesetzten Krüm- mung erklärt werden kann. Das Auftreten einer so starken geotro- pischen Nachwirkung bei den Blüthenschäften der Rosskastanie kann also umgekehrt nur dadurch ermöglicht sein, dass hier das Streben zur Gegenkrümmung fehlt oder nur in sehr geringem Grade besteht. Für die Richtigkeit einer solchen Auffassung sprechen auch die Ver- suche am Klinostaten. Es wurden die Blüthenschäfte in die horizon- tale Lage gebracht, und nachdem sie mehr oder weniger starke geotropische Krümmungen gebildet, die verticale Lage aber nicht über- sehritten hatten, wurden sie an den Klinostaten gebracht. Hier fuhren die Krümmungen fort, manchmal im Laufe von mehr als 24 Stunden, sich weiter zu verstärken, und in einzelnen Fällen wurden Krüm- mungen bis beinahe 180° gebildet. Es sei bemerkt, dass die durch die geotropischen Nachwirkungen hervorgerufenen Krümmungen immer desto stärker werden, je näher sie der Spitze des Blüthenschaftes sind. Beim weiteren Verweilen am Klinostaten fangen gewöhnlich solche Krümmungen an, sich wieder zu vermindern. Dieses Zurückkrümmen beginnt immer am unteren Theile des Blüthenschaftes, welcher manch- mal schon gerade ward, während die Spitze des Blüthenschaftes noch eine mehr oder weniger starke Krümmung beibehielt; schliesslich konnte nicht selten im unteren Theile des Blüthenschaftes auch eine Gegenkrüämmung beobachtet werden. — Bringt man an den Klino- staten Aeste mit schon älteren Blüthenständen, deren Schäfte ihrer ganzen Länge nach gerade und vertical aufgerichtet waren, so wird (im Gegensatz zu dem, was im jungen Zustande beobachtet wird, .wo der unverästelte Theil des Blüthenschaftes sich sofort zurückbiegt) jetzt in diesem wie in den übrigen Theilen meistens eine schwache Krümmung nach innen beobachtet. Alle diese Versuche lassen schon die Eigenschaften der Blüthenschäfte von Aesculus Hippocastanum kennen lernen, welche es bedingen, dass diese Organe allein im Stande sind, immer eine ganz verticale Lage anzunehmen. Im jungen Alter be- sitzen also verschiedene Theile der Blüthenschäfte verschiedene physio- logische Eigenschaften. Der untere unverästelte Theil unterscheidet sich in dieser Beziehung nicht von den vegetativen Internodien; wie diesen letzteren ist ihm die Eigenschaft der Gegenkrümmung eigen, und darum ist auch die Lage, welche er zum Horizonte annimmt, von derjenigen der vegetativen Triebe nicht verschieden. Weiter im Blüthenschafte wird aber die Eigenschaft der Gegenkrümmung immer schwächer und scheint im oberen Theile desselben auch ganz zu fehlen, 182 und dem entsprechend kann der verästelte Theil des Blüthenschaftes direct eine ganz verticale Lage annehmen. Im späteren Alter geht die Eigenschaft der Gegenkrümmung auch im basalen Theile des Schaftes verloren, weshalb jetzt auch dieser Theil sich ganz vertical aufrichtet. Somit kann an den Blüthenschäften der Rosskastanie die Richtigkeit der im Vorhergehenden für die vegetativen Triebe ge- gebenen Erklärungen geprüft werden. In der That sind diese Blüthen- schäfte die einzigen mir in diesem physiologischen Typus bekannt gewordenen Objecte, denen die Eigenschaft der Gegenkrümmung ab- geht, und zugleich sind sie auch die einzigen, welche immer eine ganz verticale Lage annehmen. Von den Straucharten wurden von mir noch zahlreiche Versuche mit den am Stocke sich entwickelnden Trieben von Evonymus euro- paeus gemacht, die ihres raschen Wachsthums wegen sich zu diesen Versuchen sehr gut eignen. Hier wurden ebenfalls die Stämmchen bald horizontal, bald vertical abwärts fixirt. Im ersteren Falle krümmt sich nicht nur der Gipfeltrieb und die in horizontaler Ebene inserirten, sondern auch die unteren Triebe nicht selten beinahe vertical auf- wärts (Fig.64A). An den normal aufrecht stehenden Stämmchen sind gewöhnlich die Spitzen der primären Seitentriebe nicht über 50—60° aufwärts gehoben; noch kleinere Winkel mit dem Horizonte machen gewöhnlich die Spitzen der an den Seitenflanken der horizontalen Aeste stehenden Triebe, während die unteren Triebe solcher Aeste ihre Spitzen nur selten über die horizontale Lage erheben. Und doch krümmen sich diese Triebe, wenn sie während ihrer Entwickelung mit einer neuen Seite zum Zenith gewendet werden, in der Regel viel stärker aufwärts. So starke Krümmungen, wie etwa die in der Fig. 6A angegebene, verbleiben aber nicht lange Zeit, und nach 1—2 Tagen fangen sie an sich wieder zu vermindern. Dabei streckt sich, wie immer, der ältere Theil allmählich gerade, indem er eine be- stimmte Neigung zum Horizonte annimmt, und der junge Theil des Triebes allein bleibt fortwährend stärker aufwärts gekrümmt. An den vertical abwärts geneigten Stännmehen zeigen die primären Seiten- triebe dieselben Erscheinungen — sie bilden zunächst sehr starke geotropische Krümmungen, die sich später wieder vermindern. Die Thatsache, dass die mit einer neuen Seite zum Horizonte gewendeten Triebe mit der Bildung einer ungewöhnlich starken geo- tropischen Krümmung zu beginnen pflegen, erklärt sich einfach aus der uns schon bekannten Eigenschaft des Strebens zu einer Gegen- krümmung. Entwickelt sich ein Trieb von Anfang an in einer 8% 188 neigten Lage, so stellt sich bald eine Gleichgewichtslage zwischen dem negativen Geotropismus und dem ihm entgegenwirkenden Factor ein und die geotropische Krümmung des Triebes vermag ihre volle Grösse nicht mehr zu erreichen. Wird aber ein solcher Trieb mit einer anderen Seite zum Horizonte gewendet, so erfährt zunächst der Geotropismus keinen Widerstand und es kann deshalb eine viel stärkere geotropische Krümmung gebildet werden, welche nur mit dem nach- herigen Auftreten eines solchen Widerstandes sich wieder vermindert. Das Bestreben, einer geotropischen Krümmung entgegen zu wirken, kann bei Evonymus, wie auch bei anderen Arten, schon unmittelbar an den mit einer neuen Seite zum Horizonte gewendeten Trieben beobachtet werden. Die in horizontaler Ebene liegenden Triebe eines in horizontale Lage gebrachten Stämmchens bilden nämlich oft zu- nächst eine Krümmung auf die frühere Unterseite, und ebensolche Krümmungen werden auch an den auf der oberen Seite stehenden Trieben beobachtet. Noch deutlicher kann aber diese Eigenschaft N \ Fig. 6. an dem Klinostaten verfolgt werden. Es wurde an den Klinostaten ein zuvor in der horizontalen Lage angebundenes Stämmchen gebracht, nachdem zwei Paare seiner Seitentriebe die in der Fig. 6A angegebene Krümmung gebildet haben (mit dem Pfeil ist die Richtung nach der Spitze des Stämmchens angegeben). In B ist das in horizontaler Ebene befindliche Paar der Triebe von vorne dargestellt, woraus zu sehen ist, dass diese Triebe der ganzen Länge nach um etwa 60° und 70° aufwärts gekrümmt waren. Nach 5 Stunden haben diese Triebe die in C dargestellte Form angenommen, d. h. statt einer Krümmung nach oben ist eine Krümmung nach unten, doch nur im älteren Theile der Triebe, entstanden, während ihre Spitzen immer noch deutlich die frühere geotropische Krümmung beibehalten. Der 184 obere Trieb des vertical gestandenen Paares hat sich ganz gerade gestreckt; bei dem unteren Triebe war zu dieser Zeit die geotropische Krümmung nur stark vermindert, blieb aber noch sehr bedeutend. Noch 13 Stunden später hat das horizontale Paar die in E wieder- gegebene Form angenommen, wo die zuerst im älteren Theile ent- standene entgegengesetzte Krümmung sich nun bis zur Spitze ver- breitert hat. In dieser letzteren ist ja jetzt diese Krümmung am meisten ausgesprochen; im unteren, offenbar nicht mehr wachsenden Theile ist noch die ursprüngliche Aufwärtskrümmung geblieben. Der obere Trieb bleibt schon unverändert, während bei dem unteren die Spitze, die ursprünglich beinahe vertical aufwärts gerichtet war, jetzt eine beinahe vertical abwärts gerichtete Lage angenommen hat — wie in der Fig.6F zu sehen ist — indem sie somit in ihrer Bewegung einen Bogen von ungefähr 180° beschrieben hat. Im Laufe von weiteren 24 Stunden blieben schon alle Triebe fast unverändert. — In einem anderen Versuche hatten bei einem vertieal abwärts fixirten Stämmchen die Seitentriebe so starke geotropische Krümmungen ge- WETTEN [A . Fig. 7. macht, dass bei einzelnen von ihnen die Spitzen beinahe vertical standen, wie bei dem rechten Triebe in der Fig. 74. Nach fünfstün- digem Verweilen am Klinostaten haben diese Triebe die in B wieder- gegebene Form angenommen, d.h.im mittleren Theile hat sich schon eine bedeutende, der ursprünglichen entgegengesetzte Krümmung ge- bildet, während die Spitzen noch deutlich in der ursprünglichen Richtung gekrümmt bleiben. Noch 12 Stunden später ist die ent- gegengesetzte Krümmung bis zu den Spitzen der Triebe fortgeschritten, welche jetzt die in C angegebene Form haben. Inzwischen hat sich offenbar auch im basalen Theile der Triebe die ursprüngliche Krüm- mung langsam vermindert, weil die Triebe sich im Ganzen nach der Spitze des Stammes hin bewegt haben — wie aus dem Vergleichen 185 der Fig.7 B mit 7C deutlich sein wird. Nach weiteren 6 Stunden hat der rechte Trieb seine Krümmung ausgeglichen und sich gerade gestreckt, wie in Z zu sehen ist, und noch 15 Stunden später hatte er nochmals in seinem Gipfel eine der geotropischen entgegengesetzte Krümmung gebildet. — Die beschriebenen Versuche demonstriren also in klarer Weise die schon früher bei Gelegenheit von Prunus Padus gedachte Erscheinung, dass nämlich am Klinostaten die der geotro- pischen entgegengesetzte Krümmung zuerst immer im älteren Theile des Triebes entsteht, während seine Spitze noch längere Zeit die frühere geotropische Krümmung beibehält. Wie ich mich aber im Vorhergehenden zu zeigen bemühte, muss in der Reihe der Beding- ungen, welche die Form der sich entwickelnden Triebe und ihre de- finitive geneigte Lage bestimmen, diesem Umstande eine wichtige Rolle zugeschrieben werden. Zahlreiche im Vorhergehenden angeführte Beobachtungen und Versuche haben gezeigt, dass bei den von mir untersuchten Arten die Seitentriebe ihren physiologischen Eigenschaften nach sich in nichts von dem Gipfeitriebe des Hauptstammes unterscheiden und dass die etwaige physiologische Bilateralität allen diesen Trieben in gleicher Weise fremd ist. Alle Triebe sind in gleicher Weise negativ geotro- pisch und streben bei jeder nicht verticalen Lage sich aufwärts zu krümmen. Bei jeder Krümmung entsteht aber eine Gegenwirkung, welche die geotropische Krümmung verhindert, weiter als bis zu einem gewissen Grade fortzuschreiten, oder selbst im Stande ist, den Geo- tropismus zu überwinden und die schon gebildete geotropische Krüm- mung wieder zu vermindern. Solche Gegenwirkung tritt zunächst in den älteren Internodien des Triebes auf, und so kommt es, dass, während die junge Spitze des Triebes oft fortwährend eine mehr oder weniger starke geotropische Krümmung beibehält, dieselbe sich im älteren Theile des Triebes wieder vermindert. Auf diese Weise streckt sich der Trieb allmählich annähernd gerade, wobei er im Ganzen eine gewisse Neigung zum Horizonte beibehält, welche offenbar der Gleich- gewichtslage zwischen dem negativen Geotropismus und dem ihm ent- gegen wirkenden Streben zur Krümmung nach der entgegengesetzten Seite entspricht, Deshalb ist an einem und demselben Stocke die Neigung einzelner Seitentriebe sehr verschieden und hängt hauptsäch- lich von der Lage ab, welche die Knospen selbst schon besassen. Meistens bilden aber die Gipfeltriebe der Hauptäste einen etwas grösseren Winkel mit dem Horizonte als die vorjährigen Theile der 186 sie tragenden Aeste. Würde also nicht unter dem Einfluss der eigenen Last ein allmähliches Senken der älteren Theile der mehrjährigen Aeste zu Stande kommen, so würden ihre Spitzen bald eine ganz verticale Lage annehmen, wie das auch wirklich an den oberen, noch jungen Aesten verschiedener Bäume nicht selten zu sehen ist. Da aber zu- gleich mit dem Streben der Gipfeltiebe, sich stärker aufzurichten als die Spitzen der sie tragenden Aeste, die letzteren alljährlich sich immer mehr senken, so kommt davon die gewöhnliche S-förmige Krümmung der mehrjährigen Aeste zu Stande, wo der basale Theil nach unten, der obere hingegen in weitem Bogen nach oben gekrümmt ist, wie das z. B. mit grosser Regelmässigkeit der in der Fig. 20 abgebildete 12jährige Ast der Rosskastanie zeigt. Ich werde später zeigen, dass das Senken der mehrjährigen Aeste durch eine organische Eigenschaft des secundären Holzes befördert wird, und von (er Ausgiebigkeit dieses Factors und der Biegsamkeit der Aeste einerseits sowie von der Grösse des Winkels andererseits, unter welchem die sich entwickelnden Seiten- triebe ihre Gleichgewichtslage finden, muss offenbar in bedeutendem Maasse der Habitus verschiedener Bäume abhängen. Der Winkel mit dem Horizonte, unter welchem die Seitentriebe in die Gleich- gewichtslage kommen, dürfte nur wenig durch ihre eigene Schwere beeinflusst und viel mehr durch die im Vorhergehenden auseinander- gesetzten organischen Eigenschaften bestimmt werden. 2. Typus der Linde. Wie ich schon früher gesagt habe, unterscheiden sich die Linde, die Ulme und wahrscheinlich auch Carpinus, Fagus, Celtis, Corylus durch die Eigenschaften ihrer Triebe von den bis jetzt beschriebenen Arten und bilden in dieser Beziehung einen besonderen physiologi- schen Typus, den ich als Typus der Linde bezeichne. Von den zu diesem Typus gehörenden Arten habe ich näher nur die Linde und die Ulme untersucht, doch trage ich kein Bedenken, auch die übrigen eben genannten Arten hierher zu rechnen, weil ihre sich entwiekeln- den Triebe das für diesen Typus eben charakteristische Aussehen darbieten. Auf den ersten Blick schon fällt es hier nämlich auf, dass die aus ihren Knospen austretenden Triebe sich sogleich scharf ab- wärts krümmen. Die Triebe, welche eine Länge von etwa 2—3cm nicht überschritten haben, sind dabei ganz steif, und die unmittelbare Beobachtung lässt schon vermuthen, "dass ihre Abwärtskrümmung nicht etwa passiv, durch eigene Schwere verursacht, sondern eine active Wachsthumserscheinung ist — was die Versuche auch vollständig 187 bestätigen. Die Linde und die Ulme bieten jedoch gewis e jedem von diesen Bäumen zukommende speeifische Figenschaften, weshalb es bequemer sein wird, die von diesen beiden Arten darg.botenen Fr- scheinungen einzeln zu beschreiben. Linde. Wie jedermann bekannt, unterscheiden sich die Linden- bäume in Bezug auf die Stellung und die Form ihrer Aesie im Ganzen nicht von den Bäumen des vorher besprochenen Typus. Bei nicht zu alten und noch energisch wachsenden Exemplaren stehen oft die oberen Aeste unter einem Winkel von 50-60° zum Horivonte und ihre Spitzen können noch stärker aufgerichtet sein. Die unteren Acste, welche im Ganzen die schon erwähnte S-förmige Krümmung zeigen, sind in der oberen Hälfte ebenfalls bedeutend aufwärts gekrümmt. Was den Hauptstamm betrifft, so beschreibt Frank (l. ec. pag. 7) seine Bildung folgendermaassen: „... bei Tilia, Carpinus, Fagus, Ulmus, Celtis u. a. wächst auch der Hauptstanım nicht in vertiealer Richtung aufwärts, sondern seine oberen Theile neigen über und werden so ebenfalls horizontal... . Diese letzteren Theile sterben ab oder bleiben schwach, ein aus der mittleren noch ziemlich aufrechten Strecke des Sprosses hervorgegangener Seitenspross ist im folgenden Jahre in gleich kräftiger Weise aufgeschossen, jedoch wiederum nach oben zu überneigt. Dieser verhält sich nun genau so wie sein Vurgänger, und so alle folgenden. So wird der Stmm aus einzelnen, je um ein Jahr im Alter differirenden Gliedern, deren jedes einem höheren Ver- zweigungsgrade angehört, zusammengesuftzt. Je üppiger der jeweilige Endspross aufschiesst, je länger sein unieres beinahe vertical.s Stück sich gestaltet, und in je grösserer Entfernung von seinem unteren Ende die für seine Fortsetzung im nächsten Jahre bestimmte Knospe steht, um so rascher erfolgt der Aufbau des senkrechten Starımes. — Es kann auch vorkommen, dass in einem gewissen Alter zwei oder mehrere Seitenknospen sich zu aufstrebenden Hauptsprossen ent wickeln und dass einer oder jeder derselben später wieder einmal rıchrere solcher Hauptsprosse gleichzeitig aus sich hervorgehen lässt. Js wird auf diese Weise der Wipfel des erwachsenen Baumes aus mehreren aufrechten Hauptästen zusammengesetzt, wie dies gewöhnlich bei der Linde und Ulme der Fall ist.“ Was nun die Linde betrifft, so trifft die Beschreibung von Frank gar nieht zu. Die Linde hat, wie auch die Bäume des vorhergehenden Typus, gewöhnlich einen im Ganzen ganz geraden continuirlichen Stamm, welcher sich nur selten gabelt. Die irrthümliche Angabe von Framk kommt offenbar von der un- vollständigen Beobachtung einer Erscheinung, welche eben für die 188 Linde sehr charakteristisch ist. Besichtigt man die Lindenbäume im Laufe des Winters, so findet man, dass der Gipfeltrieb des Haupt- stammes, wenn er lang genug ist, mit seinem oberen Theile mehr oder weniger stark, manchmal fast horizontal, geneigt ist. Dieselbe Er- scheinung kann bier oft im Winter auch an den Endtrieben der Aeste beobachtet werden, wenn diese Triebe lang genug und unter einem bedeutenden Winkel aufgerichtet sind. In ihrem mittleren Theile sind solche Triebe ziemlich scharf gekrümmt, so dass ihr oberer Theil horizontäl oder selbst etwas abwärts gerichtet ist. Die Herkunft und das weitere Verhalten dieser Krümmungen werden wir später be- trachten. Meine Versuche wurden theils mit jungen Exemplaren von Tilia parvifolia, theils mit solchen von T. platyphylios gemacht. Zeitig im Frühjahr wurden Aeste und junge Stämme von T. parvifolia abge- schnitten, die dann im Zimmer Triebe von 8—1Ocm entwickelten. Im Laufe des Winters sind schon alle Knospen der Linden mehr oder weniger stark abwärts gekrümmt. Die aus den Knospen aus- tretenden Triebe krümmen sich nach derselben Richtung und an den mehr oder weniger verticalen Axen sind also die Krümmungen der Triebe nach der Basis der Axe gerichtet. Wird aber ein horizontaler Ast in verticale Lage gebracht, so bilden nun die sich entwickelnden Triebe ihre Krüämmungen in der horizontalen Ebene. An den vertical abwärts gestellten Stämmen krümmen sich die Triebe ebenfalls nach der Basis des Stammes hin; jetzt werden aber die Krümmungen immer stärker, so dass schliesslich die Triebe in einen vollen Ring auf die frühere Unterseite sich zusammenrollen können. Am Klino- staten schreitet die ursprüngliche Krümmung ebenfalls immer weiter fort; bleibt aber das Object am Klinostaten längere Zeit (einige Tage), so beginnt später die anfänglich gebildete ringförmige Krümmung sich wieder zu vermindern. Solches Zurückbiegen geht aber nur langsam von statten, und die gebildete Krümmung wird niemals vollständig ausgeglichen. Es mag hinzugefügt werden, dass die Endknospe und die Seitenknospen (bezw. Triebe), welche hier auch morphologisch gleichwerthig sind, sich in ihren physiologischen Eigenschaften in keiner Weise unterscheiden. Aus den angeführten Versuchen ist schon zu sehen, dass den sich entwiekeinden Lindentrieben wirklich eine physiologische Bilate- ralität, nämlich Epinastie, zugeschrieben werden muss, welche aber an keine morphologisch bestimmite Seite des Triebes gebunden ist, sondern jedesmal seiner physikalischen Oberseite zukommt. Aus 189 diesem letzteren Umstande ist zu schliessen, dass das Auftreten der Epinastie, welche schon im Knospenzustande der Triebe sich zu er- kennen gibt, mit der Einwirkung der Schwerkraft auf dieselben im Zusammenhang steht. Nach all dem im Vorhergehenden Ausein- andergesetzten lässt sich daraus einige Einsicht in die physiologische Natur und die Herkunft der an den sich entwickelnden Trieben be- obachteten Bilateralität gewinnen. In der That ist eine gewisse Ana- logie nicht zu verkennen, welche in dieser Beziehung zwischen der Linde und den Bäumen des vorhergehenden Typus besteht, denen eine etwaige Bilateralität abgeht. Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, dass, wenn die Knospen dieser Biume am Klinostaten selbst zur Entwickelung kommen, die Triebe eine Krümmung auf die frühere Unterseite bilden (Fig. 2). Bei den uns bekannt gewordenen Eigen- schaften dieser Triebe habe ich das Auftreten solcher Krümmungen dadurch erklärt, dass bei der horizontalen (resp. geneigten) Lage einer geotropischen Knospe auf ihrer Unterseite Bedingungen zum stärkeren Wachsthum geschaffen werden, welche ihrerseits ähnliche Bedingungen auf der entgegengesetzten Seite hervorrufen. Dieselbe Erklärung kann auch auf die Triebe der Linde und anderer epinastischen Arten an- gewendet werden. Wie wir gesehen haben, fehlt den Lindentrieben die Eigenschaft der entgegengesetzten Krümmung keineswegs, und es lässt sich darum denken, dass auch hier der geotropische Reiz eine Gegenreaetion auf der oberen Seite der Knospenaxe hervorruft, welche Reaction hier aber zu einer dauernden, organischen Eigenschaft ge- worden ist. Zu Gunsten einer solchen Auffassung spricht einerseits der Umstand, dass die Triebe der Linde (sowie auch der Ulme) wirklich negativ geotropisch sind, und dass andererseits, wie wir sehen werden, die Epinastie dieser Triebe ebenfalls nur eine Zeit lang be- stehen bleibt, um später allmählich durch den Geotropismus über- wunden zu werden. Somit wäre der physiologische Unterschied der Triebe in den Typen der Linde und von Prunus Padus mehr quanti- tativ, indem bei der Linde die durch den ursprünglichen geotropischen Reiz hervorgerufene Gegenreaction längere Zeit anhält und somit den Charakter einer organischen Eigenschaft erlangt, während sie sonst bei geänderten Bedingungen sehr rasch wieder verschwindet. Entwickeln sich die Triebe im Zimmer, wo sie nicht ihre normale Länge erreichen und nur kleine Blätter tragen, so beobachtet man folgenden Gang der Entwickelung. Die zunächst in ihrer ganzen Länge stark abwärts gekrümmten Triebe fangen dann an, sich rasch zurückzukrümmen, was aber nur in ihrem älteren Theile geschieht, 190 während die sich entwickelnden Gipfel immer stark gekrümmt bleiben. Erst mit Aufhören der weiteren Entwiekelung wird auch die Krüm- mung der Spitze allmählich vermindert und nicht selten streckt sich dabei der ganze Spross beinahe gerade. Die Neigung zum Horizonte, welche solche Triebe bei der Linde definitiv annehmen, hängt, wie aush bei Prunus Padus, unmittelbar von der Lage ab, welche die Knospen selbst schon besassen. Die oberste Seitenknospe eines ver- t’salen Stammes, welche, die Gipfelkuospe verdrängend, beinahe ihre Stelle einnimmt, ergibt einen Trieb, der sich (wenigstens mit seinem unteren Theile) mehr oder weniger vertical aufrichtet, während die Seitentriebe (eines Hauptstammes) meistens einen Winkel von 20—30° mit dem Horizonte bilden. Schon aus dem Umstande, dass die mit der umgekehrten Seite zum Zenithe gewendeten Triebe lange Zeit ihre Krümmung nur verstärken, während in der normalen Lage diese Krümmung sich bald wieder zu vermindern beginnt, ist zu sehen, dass die Triebe der Linde negativ geotropisch sind. Die Beobachtung des Entwickelungsverlaufes zeigt aber weiter, dass mit dem Alter der Internodien ihre epinastische Eigenschaft allmählich schwächer wird. Das ist nicht bloss daraus ersichtlich, dass bei einem in Entwiekelung begriffienen Triebe nur sein junger Theil fortwährend abwärts ge- krümmt bleibt, sondern noch mehr daraus, dass am Klinostaten die Ausgleichung der epinastischen Krümmung nur im älteren Theile des Triebes erfolgt. An den sich am Baume entwickelnden Trieben können alle die- selben Erscheinungen beobachtet werden. Hier aber, wo die Triebe lange Internodien und grosse, rasch wachsende Blätter bilden, kommt ein neuer Factor, nämlich die eigene Schwere hinzu, wodurch einige für die Linde charakteristische Erscheinungen bestimmt werden. Rasch wachsende Endtriebe des Hauptstammes und der Aeste hängen zuerst alle herab; in dem Maasse aber als die Entwickelung der unteren Internodien fortschreitet, strecken sie sich schnell gerade und nehmen bei dem Endtriebe des Stammes eine ganz verticale Stellung au. Die Endtriebe der Seitenäste richten sich dabei annähernd nach der Verlängerung der sie tragenden Aeste; erreicht aber ein Trieb eine bedeutende Länge und ist der ihn tragende Ast stark aufge- richtet, so vermag dann der Trieb in der Regel nicht seiner ganzen Länge nach sich gerade zu strecken. Zu der Zeit, als das Längen- wachsthum eines solchen Triebes aufhört, ist nur sein unterer Theil aufgerichtet, während der übrige und gewöhnlich der grössere Theil des Triebes horizontal oder selbst abwärts geneigt ist, beinahe wie in 191 der Fig. 8 A angegeben ist. Solche Form der Triebe wird unzweifel- haft durch die Last der Blätter bedingt. Als ich bei den Trieben, deren oberer Theil annähernd horizontal war, die aber noch wuchsen, die Blätter entfernte, so entstand manchmal schon im Laufe einer halben Stunde eine s0 bedeutende geotropische Krümmung, dass die Spitzen der Triebe unter einem Winkel von 50—60° zum Horizonte sich aufrichteten. Macht man einen solchen Versuch mit den Trieben, deren Gipfeln noch jung genug sind, so wird man finden, dass die geotropische Krümmung nur in einer von PA der Spitze des Triebes etwas entfernten 2 ._— Region gebildet wird, während die jüngsten Internodien dabei eine schwache Abwärts- krümmung beibehalten. Das zeigt noch- mals, dass die Epinastie bei den ‘Trieben der Linde nur im jungen Alter der Inter- nodien bestehen bleibt. Fig. 8. (Der Pfeil gibt die Lothrichtung an.) Fig. 9. Wie ich eben gesagt habe, bleiben zur Zeit, wo das Längen- wachsthum endigt, die an verticalen oder stark aufgerichteten Axen sitzenden Gipfeltriebe gewöhnlich noch gekrümmt. Werden solche Triebe weiter beobachtet, so constatirt man die interessante Er- scheinung, dass trotz dem Mangel an Längenwachsthum die Triebe fortfahren, im Laufe des ganzen Sommers sich immer mehr aufzu- richten, und am Ende der Vegetationsperiode erscheinen sie oft der ganzen Länge nach geradegestreckt. Als Beispiel ist ein solcher Fall dureh die Fig. 8 versinnlicht, welche einen Trieb von Tilia platy- phyllos in verschiedenen Epochen der Vegetationsperiode schematisch darstellt. Am 16. Mai (a. St.), als das Längenwachsthum des Triebes beinahe endigte, war er noch wie in 4 gekrümmt; am 12. Juni war seine Form wie in B und schliesslich am 20. September zeigte sich dieser Trieb der ganzen J,änge nach in der Verlängerung des Trag- astes, wie in C gerade gestreckt. Solches Geradestrecken geht aber nicht bei allen Trieben mit gleicher Energie vor sich. Sehr lange 192 Triebe, welche stark überneigten, bleiben oft am Ende der Vege- tationsperiode immer noch gekrümmt und deshalb, wie ich schon sagte, findet man oft im Laufe des Winters den langen Gipfeltrieb des Iauptstammes, wie auch der Aeste in ihrem oberen Theile mehr oder weniger stark geneigt, wie das auch von Frank beobachtet wurde. Frank glaubte aber, dass dieser geneigte Theil später ab- geworfen oder zu einem Seitenzweige wird, was in Wirklichkeit nie- mals geschieht. Im Gegentheil, mit dem Antritt der neuen Vege- tationsperiode fährt der geneigt gebliebene Theil eines solchen Triebes fort sich weiter aufzurichten und etwa ein Monat später bleibt von der früheren Krümmung keine Spur mehr. Figuren 9, 10 und 11 En: Fig. 10. Fig: 11. stellen die Spitze des Hauptstammes a, und eines kräftigen Astes, b von T. parvifolia dar, welche in drei verschiedenen Zuständen photo- graphisch aufgenommen wurden. In der Fig. 9 ist das Aussehen des Öbjectes am 1. April widergegeben; die Fig. 10 stellt dasselbe am l. Mai dar, wo ungeachtet der nun eingetretenen Belastung ınit den Blättern die Sprosse schon viel weniger gekrümmt sind!) und schliess- lich in der Fig. 11 ist der Gipfel des Bäumchens am 16. Mai zu sehen, wo nur ganz unbedeutende Krümmungen noch geblieben sind. 1) Durch Versehen ist in der Fig. 10 das Object in etwas grösserem Maass- stabe aufgenommen worden, 193 Später sind auch diese Krümmungen vollständig verschwunden und der im Winter stark überneigte Gipfelspross hat darauf den ganz geraden Hauptstamm gebildet. Waren also infolge der Belastung die Triebe der Linde nicht im Stande, während ihres Längenwachsthums sich gerade zu strecken, so dauert das Geradestrecken auch nachher, selbst in der folgenden Vege- tationsperiode noch fort. Dieser Vorgang wird unzweifelhaft durch den negativen Geotropismus der schon erwachsenen Triebe bedingt. Als ich im Frühjahr ganz gerade und beinahe verticale vorjährige Seiten- sprosse hörizontal angebunden hatte, krümmten sie sich ziemlich stark aufwärts. Ein solcher Versuch ist in der Fig. 12 widergegeben. A stellt einen langen vor- gun, jährigen Spross von T. A. parvifolia dar, welcher am 22. April, als die Knospen sich zu entfalten begannen, angebunden wurde; am = RZ ? 10. Juni war dieser Spross - RB. in seiner oberen Hälfte ig. 12, (Der Pfeil gibt die Lothrichtung an.) unter einem Winkel von annähernd 50° aufwärts gekrümmt, wie in B zu sehen ist. Als ein anderer Spross, nachdem er ebenfalls eine bedeutende Aufwärtskrüm- mung gebildet hat, dann wieder befreit und in frühere verticale Lage gebracht wurde, glich sich seine Krümmung nach einiger Zeit wieder aus. Bildung der geotropischen Krümmungen in den vorjährigen Sprossen geht anfangs zienilich rasch vor sich und die bezeichneten Sprosse haben schon im Laufe der drei ersten Tage eine Krümmung von etwa 20° gebildet; dann schreitet aber das Krümmen immer langsamer fort und scheint nicht über einen gewissen Grad hinauszu- gehen. Bei dem in der Fig. 12 skizzirten Aste ist die Krümmung überhaupt nicht weiter gegangen und auch im Laufe der folgenden Vegetationsperiode hat sie sich nicht mehr geändert. Verhältniss- mässig schnelle Bildung der Krümmungen auf den vorjährigen Sprossen kann nur durch das nachträgliche Wachsthum des Rindenparenchyms zu Stande kommen, was ich auch direet constatiren konnte. In einem Sprosse von T. platyphyllos, welcher im Laufe eines Monats ebenfalls eine Aufwärtskrümmung von etwa 50° mit dem Krümmungsradius von etwa 250mm gemacht hat, wurde aus einer grossen Anzahl der Messungen (nicht weniger als 500 für jede einzelne Bestimmung) die mittlere Länge der Zellen der subepidermalen Parenchymreihe an der Flora, Ergänzgsbd. 1901. 13 194 Aussen- und Innenseite der Krümmung bestimmt. Die Bestimmungen wurden in den mittleren Theilen der zweien benachbarten Inter- nodien, in denen die schärfste Krämmung sich befand, ausgeführt. In dem mehr unteren Internodium waren die Zellen der eonvexen Seite um 7,3°),, in dem mehr oberen Internodium zeigten sie sich selbst länger um 15,7%),. 8o grosse Differenzen in der Länge der Zellen, welche den relativen Längen der Krümmungsseiten (bei der Dicke des Sprosses von etwa 5mm) weit nicht entsprechen, können nur davon herrühren, dass die Zellen der Ober- (nachher concaven) Seite sich öfter getheilt haben, was wahrscheinlich noch im ersten Jahre während der epinastischen Periode des Sprosses stattgefunden hat. Die meisten Versuche von Frank, bei denen die sich entwickeln- den Triebe künstlich in verschiedene Lagen zum Horizonte gebracht wurden, wurden eben mit der Linde ausgeführt. Bei diesen Versuchen glaubte der genannte Physiologe gefunden zu haben, dass die Seiten- triebe sich immer so weit krümmen, bis sie eine annähernd horizon- tale Lage erreicht haben, und zwar so, dass die frühere Oberseite wieder nach oben zu liegen kommt. Wurde dies Letztere nicht ein- fach durch die Krümmung selbst erreicht (manchmal begann z.B. der vertical abwärts geneigte Trieb sich auf seine Unterseite aufwärts zu krümmen) oder wurden die Triebe in horizontaler Lage, aber mit der Unterseite nach oben fixirt, so erfolgte eine Drehung derselben, weiche bis etwa 180° fortschritt. Durch diese Befunde wurde eben der Ver- fasser zu der Ueberzeugung über die physiologische Bilateralität der Seitentriebe geführt. — Ich habe die besagten Versuche mit der Linde wiederholt, bin aber zu wesentlich anderen Resultaten gekommen. Wird das Ende eines Astes in aufwärts verticale Lage gebracht, so verhält sich, wie ich schon früher sagte, sein Gipfeltrieb demjenigen des Hauptstammes ganz analog. Wird aber ein Ast vertical abwärts angebunden, so macht sein Endtrieb ziemlich complieirte Bewegungen, welche nur durch die Einwirkung seiner eigenen Schwere erklärt werden können. Es ist zunächst daran zu erinnern, dass die jungen Triebe der Linde an ihren Spitzen epinastisch gekrümmt sind, und bei den abwärts gesenkten Trieben ist der gekrümmte Theil horizontal oder selbst etwas aufwärts gerichtet. Bei einer solchen Lage beginnt die epinastische Krümmung sich rasch zu vermindern; ehe sie aber ausgeglichen wird, kann deutlich verfolgt werden, wie das nächste grosse an der Seite des jungen Theiles inserirte Blatt die Krümmungs- ebene auf die Seite zu legen und somit den Trieb zu drehen beginnt. Zugleich strebt der ältere (annähernd vertical abwärts gerichtete) Theil 195 des Triebes eine geotropische Aufwärtskrüämmung zu bilden, und wenn diese Krümmung in einer solchen Ebene entsteht, dass dadurch die Ebene der (epinastischen) Gipfelkrüämmung fortwährend wieder vertical gestellt wird, so kann die Drehung im jungen Theile des Triebes immer weiter fortschreiten. So wurde manchmal an langen, vertical abwärts fixirten Trieben von T. platyphyllos eine Drehung bis zu 270° gebildet. Im ganz ausgewachsenen Zustande erwiesen sich solche Triebe in ihren verschiedenen Theilen nach verschiedenen Seiten ge- krümmt, blieben aber im Ganzen abwärts geneigt und waren niemals im Stande, auch nur annähernd eine horizontale Lage zu erreichen. Es wäre dabei freilich in einzelnen Fällen, bei kurzen, steiferen Trieben, möglich, dass sie ihre oberen Theile in annähernd horizontale Lage brächten und zufällig auch eine Drehung von etwa 180° bildeten. — In anderen Versuchen habe ich die Triebe horizontal, aber mit der umgekehrten Seite zum Zenithe, fixirt. Kräftige Gipfeltriebe der Aeste (von T. platyphyllos) bildeten jetzt so starke Krümmungen auf die frühere Unterseite, dass ihre oberen Theile wieder in horizontale Lage, und zwar mit der Oberseite nach oben, kamen — wie das auch von Frank beschrieben wurde. Frank hat aber nicht bemerkt, dass meistens bald darauf der obere Theil des Triebes sich zu drehen beginnt, was also nur durch die mechanischen Ursachen erklärt werden kann. Manchmal, und offenbar bei mehr gleichmässiger Belastung, trat aber auch keine Drehung ein. Kürzere, umgekehrt befestigte Triebe, welche sich nur schwach aufwärts krümmten, erhielten in der Regel keine Drehung und blieben dauernd in der umgekehrten Lage. Ulme. Bei dieser Baumart geht die Bildung des Stammes und der Aeste wirklich in der Weise vor sich, wie es Frank auch für die Linde voraussetzte. Eine aufmerksame Beschauung der jungen, kräftigen Bäume, wenigstens der von mir beobachteten von Ulmus campestris und U. montana, wird bald überzeugen, dass die gebrochenen Stämme dieser Arten aus den unteren, mehr oder weniger aufrechten Theilen der kräftigsten Triebe zusammengesetzt werden, während die oberen und gewöhnlich schon ziemlich stark geneigten Theile dieser Triebe den Rang der Seitentriebe annehmen. Mehrjährige Seitenäste der Ulmen sind in ihrer oberen Hälfte mehr oder weniger aufwärts gekrümmt, und doch sind dabei ihre Gipfelsprosse wieder bedeutend nach unten gebogen. Diese Aeste werden ebenfalls alljährlich durch den unteren Theil eines der stärksten ihrer Seitentriebe fortgesetzt. So kommt es, dass in den ersten Vegetationsjahren eines jungen Bäumehens es oft unmöglich ist, in seiner Krone den Hauptstamm 18* 196 und die Aeste zu unterscheiden, und es gabelt sich auch nicht selten der Stamm in eine Anzahl gleichwerthiger Aeste. Doch werden bei der Ulme, ebenso wie bei der Linde, die überneigenden Ende der Sprosse normaler Weise niemals abgeworfen. Die Knospen der Ulmen haben noch keine Krümmung. Sobald sie aber zu treiben beginnen, krümmen sich die jungen Triebe so- gleich stark abwärts, In dem Maasse als die Triebe sich entwickeln, strecken sich ihre älteren Internodien gerade und nur ihre Spitzen bleiben fast die ganze Zeit epinastisch abwärts gekrümmt. Das Ge- radestrecken der Triebe kann in verschiedener Lage zum Horizonte erfolgen, was auch hier hauptsächlich von der Lage abhängt, welche die Knospen selbst schon besassen. So stellen sich die Triebe, die auf der Oberseite stark aufgerichteter Axen entsprossen, gewöhnlich beinahe vertical, während die aus den in horizontaler oder stark ge- neigter Lage befindlichen Knospen entstandenen Triebe gewöhnlich nicht mehr als um 20-—-30° zum Horizonte aufsteigen oder selbst ganz horizontal bleiben. Die schon entwickelten Triebe der Ulmen sind aber nur selten ihrer ganzen Länge nach gerade. Horizontale oder wenig geneigte Triebe sind gewöhnlich nur schwach abwärts gekrümmt; die Triebe aber, deren unterer Theil mehr vertical auf- gerichtet ist, sind in ihrem oberen Theile so im weiten Bogen ge- krümmt, dass ihre Spitzen oft beinahe horizontal gerichtet sind, Es gelang mir nicht, die Triebe der Ulmen am Klinostaten zu beobachten, weil sie an den abgeschnittenen Aesten rasch welkten; doch haben die Versuche mit den am Baume sich entwickelnden Trieben ihre Eigenschaften in genügender Weise aufgeklärt. De Vries schreibt den Trieben der Ulmen Hyponastie zu, was um so weniger verständlich ist, als der Angabe zu der betreffenden Tabelle dieses Autors (l. c. pag. 269) zufolge die hyponastische Krümmung „vier jüngste Internodien“ gezeigt haben sollen, welche auch schon vorher eine Aufwärtskrümmung besassen. Wir haben aber schon gesehen, dass für die Triebe von diesem physiologischen Typus eben eine starke Abwärtskrümmung ihrer Spitze charakteristisch ist, welche Krüm- mung beinahe bis zum Ende der Entwiekelung bestehen bleibt. Erst nachdem die Entwickelung der Spitze aufgehört hat und die letzten Internodien sich in die Länge zu strecken beginnen, streckt sich auch das Ende des Triebes gerade. Die Krümmungen der jungen Ulmen- triebe sind ganz denjenigen der Lindentriebe ähnlich, welche letztere aber, wie auch die Versuche am Klinostaten gezeigt haben, unzweifel- haft epinastisch sind. Das macht schon wahrscheinlich, dass die ana- 197 logen Krümmungen der Ulmentriebe auch von derselben physiologi- schen Natur sind, und die Versuche bestätigen dies vollständig. — Nach einer weiteren Angabe von De Vries soll das Gewicht der Blätter den überwiegenden Factor ausmachen, der die geneigte Lage der Ulmentriebe bestimmt, weil mit dem Entfernen der Blätter die Triebe sich aufrichten (l. e. pag. 233). Da auch in diesem Falle nicht näher angegeben ist, auf welchen Theil und welches Alter der Triebe sich diese Beobachtungen beziehen, so war der Vermuthung Raum gegeben, ob nicht eben die Krümmung der biegsamen Spitze durch die Last der Blätter verursacht wird. Ich entfernte darum ganz oder nur zum Theil die Blattlamina an der abwärts gekrümmten Spitze der Triebe; in allen Versuchen richteten sich aber die so entlasteten Triebe nicht nur nicht energischer aufwärts, sondern blieben im Gegen- theil länger als die übrigen abwärts gekrümmt. Andererseits krümmt LE Fig. 13. (Der Pfeil gibt die Lothrichtung an.) sich ein in horizontaler Lage befindlicher Trieb, in derselben Lage mit der umgekehrten Seite zum Zenith gewendet, so stark aufwärts, dass sein oberer Theil oft eine beinahe verticale Lage annimmt. Diese Erscheinungen beweisen, dass den Trieben der Ulmen, wie denjenigen der Linden, Epinastie eigen ist, die aber nur im jüngsten Theile der Triebe als bestimmender Factor auftritt, während sie im späteren Alter vom Geotropismus überwunden wird, dessen Einwirkung die nachherige Ausgleichung der epinastischen Krümmung zugeschrieben werden muss. Der Umstand, dass, wenn nicht alle, so doch einzelne Triebe der Ulmen in ihren unteren Theilen eine fast verticale Lage annehmen und behalten können, lässt schon vermuthen, dass sie ne- gativ geotropisch sind. Der Versuch beweist auch das vollständig. Ich habe die horizontalen Triebe so angebunden, dass ihre unteren, schon geraden Internodien vertical zu stehen kamen, wobei die oberen 198 Theile der Triebe überneigten. Es war jetzt zu sehen, wie die noch gekrümmten Internodien der Reihe nach sich aufrichteten und in der Verlängerung des unteren Theiles des Triebes sich ganz vertical stellten. Der Anschaulichkeit halber habe ich den Verlauf der Er- scheinung bei einem solchen Versuche in der Fig. 13 widergegeben. Am 6. Mai wurde ein horizontaler Trieb so gestellt, dass seine drei untersten geraden Internodien vertical gerichtet wurden, wie in A zu sehen ist; die weiteren Internodien IV, V und VI bildeten dabei zu- sammen einen regelmässigen Bogen, so dass die Spitze des Triebes abwärts neigte. Am 9. Mai hatte der Trieb die in B widergegebene Form, wo das Internodium IV sich schon beinahe gerade gestreckt hat; am 10. Mai war die Form des Triebes wie in €, d.h. das Inter- nodium IV stand schon ganz vertical aufrecht und auch das Inter- nodium V, welches ursprünglich eine horizontale Lage hatte, stand jetzt beinahe vertical und besass nur noch eine schwache Krümmung. Am il. Mai war — wie in D zu sehen ist — das Internodium V schon ganz gerade und in der Verlängerung der älteren Internodien gerichtet; eine Krümmung befand sich jetzt nur im oberen Theile des Internodiums VI, infolge dessen das weitere Internodium (VID), welches ursprünglich stark abwärs geneigt war, nun in die horizontale Lage gekommen ist. Verfolgt man gleichzeitig das Wachsthum der einzelnen Internodien, so findet man, dass ihr Aufrichten und Gerade- strecken, das bei vertical aufgestellten Trieben immer ziemlich plötz- lieh und in kurzer Zeit erfolgt, schon in ihrer letzten Wachsthums- periode eintritt. In der Fig. 13 ist zugleich zu sehen, wie in dem Maasse, als immer neue Internodien sich aufrichten, der ganze Trieb sich wieder neigt, und zwar je näher zur Spitze desto mehr. So kommt es, dass selbst sehr starke Triebe, welche im unteren Theile eine ganz verti- cale Lage angenommen haben, in ihrem oberen Theile mehr oder weniger geneigt sind und, wie ich schon sagte, eine solche Form auf die Dauer behalten. Bei sehr windigem Wetter kam es mir vor, zu beobachten, dass die aufrechten Triebe in ihren bisher geraden, ver- tiealen Theilen wieder eine scharfe Krümmung erhielten, welche dann nicht mehr ausgeglichen wurde. Alle diese Erscheinungen zeigen, dass die Krümmung, welche die aufrechten Triebe in ihrem oberen Theile erhalten, der Wirkung ihrer eigenen Schwere zugeschrieben werden muss. Wird ein horizontaler Ast mit den in derselben Ebene ausgebreiteten Seitentrieben mit der umgekehrten Seite zum Zenith gewendet, so sinken dabei zunächst alle Triebe bedeutend abwärts, 199 ein Beweis, dass sie bisher passiv abwärts gekrümmt wurden. In der That erhalten mit dem Entfernen der Blätter alle horizontale oder stark geneigte Triebe allmählich eine bedeutende Aufwärtskrümmung. Dies Letztere hat, wie oben gesagt, de Vries beobachtet, dabei aber nicht bemerkt, dass es eben diesem Umstande zugeschrieben werden muss, wenn bei seinen Versuchen entblätterte und im feuchten Raume umgekehrt gelegte Triebe Krümmungen auf ihre Oberseite gebildet haben. Somit ist die Erscheinung, welche de Vries der vermeint- lichen hyponastischen Eigenschaft der Triebe zugeschrieben hat, un- zweifelhaft nichts Anderes als die elastische Ausgleiehung der vorher aufgezwungenen mechanischen Krümmung und zum Theil vielleicht auch die geotropische Nachwirkungskrümmung. In dieser letzteren Beziehung ist an den Versuch zu erinnern, dass, wenn ein in ein enges Rohr eingeschobener Stengel in horizontaler Lage belassen wird, er nach dem Befreien längere Zeit fortfährt, die indueirte geotropische Krümmung zu realisiren. — Das von den Ulmentrieben eben Gesagte bezieht sich unzweifelhaft auch auf die Triebe von Evonymus verru- cosus und Prunus aviun, bei denen de Vries ebenfalls „Hyponastie* zu finden glaubte, bei denen aber, wie ich schon früher sagte, die älteren Internodien der Triebe durch die Last der Blätter ebenfalls bedeutend niedergebogen werden. An den Trieben der Ulme, welche in so hohem Grade der Ein- wirkung der eigenen Schwere unterworfen sind, suchte ich unmittelbar den Einfluss der mechanischen Dehnung auf das Wachsthum zu be- stimmen. Zu diesem Zwecke wurde in einem verticalen Triebe, welcher darauf in zwei bisher geraden (schon ausgewachsenen) Inter- nodien wieder eine starke Krümmung erhalten hatte, in der Mitte jedes derselben die Länge der subepidermalen Parenchymzellen auf der concaven und convexen Seite gemessen. In beiden Internodien erwiesen sich die Zellen der concaven Seite länger, und zwar im älteren Internodium um 36,2°/, und im benachbarten jüngeren selbst um 53,7%. Diese Zahlen, welche als ganz zuverlässig angesehen werden dürfen, da für jede einzelne Bestimmung nicht weniger als 200-300 Zellen gemessen wurden, zeigen uns unzweifelhaft, dass die Zellen der convexen Seite sich reichlich getheilt haben. Es ist aber danach nicht zu entscheiden, ob diese Theilungen schon als Folge des wieder begonnenen Wachsthums eintraten, oder ob vielleicht die mecha- nische Dehnung als ein Reiz einwirkte, welcher unmittelbar die Thei- lungen hervorrief. Diese letztere Alternative durfte schon aus dem Grunde als wahrscheinlicher erscheinen, weil die so grossen Differenzen 200 in der Länge der Zellen dem Längenunterschiede zwischen der con- vexen und concaven Seite eines dünnen Triebes keineswegs entsprechen. Andererseits aber scheinen bei der Ulme, wie auch bei den meisten übrigen unserer Bäume, mit dem Aufhören des Längenwachsthums der Triebe die Parenchymzellen wirklich ihre weitere Wachsthums- fähigkeit gänzlich zu verlieren. Das muss daraus geschlossen werden, dass hier die ausgewachsenen Triebe nicht mehr im Stande sind, geo- tropische Krümmungen zu bilden, während bei der Linde, wo solche Krümmungen noch vollzogen werden, dieselben, wie wir gesehen haben, eben durch das nachträgliche Wachsthum der Parenchymzellen an der Unterseite bedingt werden. Es kann dazu freilich bemerkt werden, dass ausser der Möglichkeit des Wachsthums die geotropische Krüm- mungsfähigkeit ebenso von der geotropischen Reizempfindlichkeit der Zellen abhängen muss. Da aber die Zeilen sonst vollkommen activ und auch theilungsfähig bleiben, so wäre es schwer verständlich, wenn sie dabei ihre geotropische Empfindlichkeit nur während der kurzen Zeit ihrer Eintwickelungsperiode bewahren sollten. Das wäre um so weniger zu erwarten, als es für die Knoten der Gräser u. a. schon länger bekannt ist und von Rothert auch für die heliotropische Sensibilität der Paniceenkeimlinge gefunden wurde), dass die geo- und heliotropische Empfindlichkeit im Gegentheil längere Zeit als die Wachsthumsfähigkeit der Zellen erhalten bleiben kann, während der umgekehrte Fall meines Wissens noch niemals beobachtet wurde, Am wahrscheinlichsten dürfte also zur Zeit das Nichteintreten der geotropischen Krümmungen an den schon ausgewachsenen Trieben bei den meisten Baumarten der Unfähigkeit der Parenchymzellen zum weiteren Wachsthum zuzuschreiben sein, wenn auch diese Zellen durch die mechanische Dehnung zu den neuen Theilungen noch angeregt werden können. Mit den Trieben der Ulme habe ich auch die Versuche von Frank wiederholt, bei denen die Triebe in verschiedene anormale Lagen zum Horizonte gehracht wurden. Wie ich schon früher sagte, wurden verticale Stämmchen oder stark aufgerichtete Aeste mit ihren Spitzen abwärts fixirt, so machten alle Triebe starke geotropische Krümmungen. Die oberen Theile der Seitentriebe stellten sich dabei nicht selten ganz vertical, während sie bei den Gipfeltrieben gewöhn- lich nur die annähernd horizontale Lage annahmen. Die Blattstiele krümmten sich ihrerseits so stark aufwärts, dass die Blattlamina oft 1) Beiträge zur Biologie der Pflanzen, VII, Bd, pag. 67. 201 ganz zurückgeschlagen wurden. Frfolgten nun solche Krimmungen der Blattstiele an den beiden Seiten des Triebes gleich energisch, wobei die Blätter mit ihren unteren Flächen über dem Triebe zu- sammenstiessen und ihre weitere Bewegung verhindert wurde, so blieben gewöhnlich solche Triebe weiterhin mehr oder weniger unver- ändert und erhielten auch keine Drehungen. Beim ungleichmässigen Krümmen der beiderseitigen Blätter begann sogleich eine Drehung des Triebes, welche augenscheinlich durch grösseren mechanischen Moment eines hervorstehenden Blattes verursacht wurde. An dem Gipfeltriebe der abwärts geneigten ‚Stämmehen, dessen oberer Theil gewöhnlich nur eine horizontale Lage annahm, konnte die Ursache der Drehung besonders deutlich verfolgt werden. Bei den kräftigen, mit grossen Blättern versehenen Trieben von U. montana var. gran- difolia blieb oft der horizontale Theil des Gipfeltriebes zunächst längere Zeit (einige Tage) ohne jede Drehung. In dem Maasse aber als die Blätter an dem jungen Theile grösser wurden, fingen sie alle an, auf die untere Seite des Triebes sich zu verschieben. Somit er- hielten alle Internodien Drehungen, welche bei verschiedenen Inter- nodien ungleich waren und zum Theil nach verschiedener Richtung ausfielen. Als bei einem solchen Triebe zufällig das Blatt an einem Internodium fehlte, so war dieses Internodium auch ungedreht ge- blieben. Aehnliche Erscheinungen waren auch zu beobachten, wenn horizontale Triebe mit der umgekehrten Seite zum Zenithe befestigt wurden. Somit bestätigen alle meine ‚Versuche die schon von de Vries geäusserte Meinung, dass die Axendrehungen, welche an den in verschiedene anormale Lagen gebrachten Trieben entstehen, immer nur durch mechanische und nicht durch organische Ursachen bedingt werden. Aus dem im Obigen Auseinandergesetzten ist zu sehen, dass im Laufe ihrer ganzen Wachsthumsperiode die Triebe der Linde und der Ulme sich in ganz ähnlicher Weise verhalten. Im jungen Alter sind sie nämlich im hohen Grade epinastisch, welche Eigenschaft da- rauf schwächer wird und somit unter der Einwirkung des negativen Geotropismus wird die epinastische Krümmung ausgeglichen. Bei dem nun erfolgenden Geradestrecken nehmen die Triebe annähernd die- selbe Lage zum Horizonte an, welche sie im Knospenzustande schon besassen. Dass aber ungeachtet ihres negativen Geotropismus die in horizontaler Lage angelegten Triebe nicht im Stande sind, sich irgend wie bedeutend aufzuriehten, muss, zum grössten Theile wenigstens, 202 der Wirkung des Blättergewichtes zugeschrieben werden. Triebe, welche in einer mehr oder weniger verticalen Lage sich zu entwickeln begannen, können aus derselben Ursache nicht ihrer ganzen Länge nach diese Lage behalten und in dem Maasse, als sie länger werden, bleiben ihre oberen Theile mehr oder weniger geneigt. Zu der Zeit, wo das Längenwachsthum erlischt, bieten die Triebe der Linde und der Ulme in gleicher Weise die eben besagte Form dar, doch infolge grösserer Länge der dünnen Internodien bleiben oft die horizontalen Triebe der Linde mit ihrem oberen Theile bedeutend abwärts geneigt. Im darauf folgenden Alter unterscheiden sich aber die Triebe der Linde und der Ulme in ihrem Verhalten sehr wesentlich von einander. Bei der Ulme ändern die gesenkten Theile der Triebe ihre Lage nicht mehr, während sie bei der Linde noch lange Zeit fortfahren, sich geotropisch aufzurichten, wenigstens so lange, bis sie ganz gerade werden. Dieser Umstand bedingt auch die Art und Weise, in welcher der Aufbau der Stämme und der Hauptäste bei den beiden genannten Baumarten vor sich geht. Bei der Linde werden diese und jene immer aus der äussersten Seitenknospe fortgesetzt,. deren Trieb allmählich der ganzen Länge nach in der Verlängerung der vorjährigen sich stellt. Bei der Ulme bleiben im Gegentheil selbst die in ihrem un- teren Theile verticalen Triebe in ihrem oberen Theile mehr oder weniger stark geneigt. Das am meisten energische Längenwachsthum konmt aber bekanntlich immer den womöglich vertical aufgerichteten Trieben zu, und so geschieht es, dass der geneigte Gipfel eines Ulmen- triebes fernerhin nur schwach in die Länge zuwächst, während der aus seiner Basis in mehr aufrechter Stellung aufschiessende Trieb sich am kräftigsten entwickelt und dadurch zur Fortsetzung des vor- jährigen Triebes wird. Die geotropische Krümmungsfäbigkeit der schon ausgewachsenen Triebe, welche nach Vöchting auch den Trauervarietäten der Buche und der Weide zukommt), theilt mit der Linde wahrscheinlich auch die Birke. Wenigstens bleiben bekanntlich die langen und dünnen Triebe dieses Baumes im Laufe der ersten Vegetationsperiode mehr oder weniger stark abwärts geneigt, während die älteren Theile der Hauptäste in Bezug auf ihre Stellung sich im Ganzen nicht von der- jenigen anderer Baumarten unterscheiden. 3. Nadeibäume. Von den Nadelbäumen beziehen sich meine Beobachtungen we- sentlich nur auf drei Arten von Kiefer: Pinus sylvestris, P. Strobus 1) Vöchting, Die Organbildung im Pflanzenreiche II pag. 85. 203 und P. Pumilio und auf Picea excelsa.. Von den von Frank unter- suchten Pinus Picea L. (Abies excelsa Mill.), Pin. balsamea L. (Abies balsamea Mill.), Pin. canadensis L. (Tsuga canadensis Corr.) und Taxus baccata habe ich einige Versuche nur mit Abies balsamea gemacht. Was die Arten der Gattung Pinus in ihrer gegenwärtigen Be- grenzung betrifft, so finde ich nur bei Hofmeister kurz die Eigen- thümlichkeit erwähnt, welche die sich entwickelnden Triebe dieser Arten darbieten.!) In der That zeigen hier die Gipfel der treibenden Stämme und Aeste ein ganz eigenartiges und von allen übrigen Bäu- men verschiedenes Aussehen, welches unmittelbar auf gewisse spe- cifische Eigenschaften der sich entwickelnden Triebe hinweist. Bei ihrem Austreten aus den Knospen richten sich nämlich nicht nur die Gipfeltriebe der Aeste, sondern auch alle die letzteren umgebenden Seitentriebe sogleich ganz vertical aufwärts. Infolge dessen erscheinen Jetzt die Gipfel sowohl des Haupt- stammes als auch der Aeste mit Bündeln der aufrecht stehenden Triebe gekrönt, wodurch der ganze Baum eine candelaberartige Form erhält, welche ich dem Leser durch die halb schematische Fig. 14 (den oberen Theil eines Stammes von P. Strobus am 16. Mai a. St. dar- stellend) zur Anschauung zu bringen versuchte. Selbst an den Fig. 14. unteren Aesten, deren Enden oft beinahe horizontal sind, stellen sich alle jungen Triebe ebenso ganz vertical. Eine solche Lage behalten die Triebe annähernd während der Zeit, wo sie noch energisch in die Länge wachsen; nachher fangen aber die Seitentriebe an, sich von dem Gipfeltriebe wegzubiegen und die Gipfeltriebe der Aeste sich nach aussen zu neigen. Dieses nach- herige Sinken der Triebe geht bei P. Strobus so rasch vor sich, dass schon gegen Mitte Juli die basalen Theile der primären Seitentriebe die Winkel von 50—60° mit dem Stamme bilden; dabei sind die Triebe der ganzen Länge nach in weitem Bogen aufwärts gekrümmt, so dass ihre Spitzen oft noch beinahe vertical bleiben. Das Abbiegen der Triebe schreitet aber auch weiter fort, und die einjährigen Zweige sind mit ihrem unteren Theile schon beinahe horizontal gerichtet 1) W. Hofmeister, Allgemeine Morphologie, 1868, pag. 606. 204 (Fig. 14). An den älteren Aesten, deren Enden schon eine sehr ge- neigte Lage haben, geht das Auswärtsbiegen der an verschiedenen Seiten des Astes stehenden Seitentriebe nicht gleichmässig vor sich. Die auf der oberen Seite stehenden Triebe behalten fast ihre ursprüng- liche Stellung und bleiben annähernd vertical, während zu gleicher Zeit die unten inserirten Triebe sich so schnell senken, dass sie gegen das Ende der ersten Vegetationsperiode gewöhnlich schon eine mehr oder weniger horizontale Lage annehmen. — Bei P. sylvestris und P. Pumilio geht das Sinken der Seitentriebe im Ganzen langsamer vor sich, und bei P. Laricio Poir. (austriaca) findet man sie oft am Ende des Sommers noch beinahe vertical gerichtet. Nach all dem, was wir an den Seitentrieben der Laubbäume kennen gelernt haben, bleibt es bei der Betrachtung der an den Seitentrieben der Kiefern zu beobachtenden Erscheinungen aufzu- klären, wodurch die Möglichkeit der ganz verticalen Richtung der noch wachsenden Triebe und deren nachheriges Sinken bedingt wird. Hofmeister schreibt diese letztere Erscheinung der Wirkung der eigenen Schwere der Triebe zu (l. c.), und es muss zugestanden werden, dass alle das nachherige Senken der Triebe begleitende Umstände zu Gunsten einer solchen Auffassung sprechen. In der That ent- spricht die Form, welche die sich senkenden Triebe allmählich an- nehmen, vollständig der Grösse des mechanischen Momentes in ihren einzelnen Theilen, und in demselben Sinne ist auch die Thatsache aufzufassen, dass die an der oberen und der unteren Seite eines stark geneigten Astes stehenden Seitentriebe sehr verschiedene Lagen an- nehmen. Lange und verhältnissmässig dünne Triebe der Weymouths- kiefer senken sich sehr schnell, dicke Triebe von P. Laricio nur sehr langsam. An den Stämmen von P. Pumilio, welche horizontal ange- bunden wurden, senkten sich die nun an die untere Seite gerathenen primären Seitentriebe im Laufe der Vegetationsperiode fast senkrecht abwärts. Aus allen diesen T'hatsachen könnte geschlossen werden, dass die eigene Schwere der Triebe die einzige Ursache ihres nach- herigen Senkens ausmacht; doch scheint dazu, wie wir bald sehen werden, wenigsten bei P, Strobus noch eine physiologische Eigenschaft der Seitentriebe beizutragen. Was die Ursachen betrifft, welche die ursprüngliche verticale Lage der Kieferntriebe ermöglichen, so sind wir schon in den Blüthen- schäften der Rosskastanie den Objecten begegnet, welche dieselbe Erscheinung darbieten. Jene Objecte zeichnen sich aber in Bezug auf ihre physiologischen Eigenschaften dadurch aus, dass, nachdem 205 sie eine Zeit lang unter dem Einfluss des geotropischen Reizes ge- blieben sind, sie darauf unter allen Bedingungen ausserordentlich starke Nachwirkungskrümmungen auszuführen streben. Ich suchte dort zu zeigen, dass diese Erscheinung durch den Mangel jeglicher Gegenwirkung bei der Bildung einer Krümmung erklärt werden muss; fehlt aber eine solche Gegenwirkung, so muss offenbar ein negativ geotropisches Organ durch die Wirkung der Schwerkraft jedes Mal in ganz verticale Lage gebracht werden. Es ist nun für die vor- liegende Frage die Thatsache sehr wichtig, dass die Triebe der Kie- fern, die ebenso wie die Blüthenschäfte der Rosskastanie fähig sind, ganz verticale Lage anzunehmen, auch in Bezug auf ihre physiolo- gische Eigenschaften sich den letzteren ganz analog verhalten. Es wurden Stämmehen von P. Strobus und P. Pumilio mit noch wach- senden Trieben in horizontaler Lage angebunden; nachdem nun alle Triebe eine Krümmung von 90° gebildet hatten, fuhren sie jedes Mal fort, sich weiter in derselben Richtung zu krümmen, und das ging so weit, dass die Spitzen aller Triebe wieder eine ganz horizontale Lage annahmen, wie das in der Fig. 15, welche einen Versuch mit P. Strobus darstellt, wiedergegeben ist. Sodann begannen die Triebe in ihren noch wachsenden Theilen sich zurückzukrümmen, wobei sie aber wieder die verticale Lage bedeutend überschritten. An den abge- schnittenen Stämmen der Kiefern hörten die Triebe sogleich zu wachsen auf und für die Klinostatenversuche mussten darum in Töpfen wach- sende Exemplare verwendet werden. Etwa 8—-4jährige, im Vorjahre in die Töpfe verpflanzte und gut treibende Exemplare von P. Strobus wurden horizontal gelegt, und nachdem alle Triebe Krümmungen von etwa 40—50° gebildet hatten, wurden die Töpfe an den Klinostaten gebracht. Hier fuhren die Triebe fort, sich weiter in der ursprüng- lichen Richtung zu krümmen, was meistens im Laufe von 2—3 Tagen noch fortdauerte, und bei den Gipfeltrieben erreichten die Krümmungen 120—150°% Weiter schienen aber die Krümmungen im unteren Theile der Triebe sich langsam wieder zu vermindern. — Alle diese Versuche überzeugen uns, dass den Kieferntrieben wirklich die Eigenschaft, einer sich bildenden geotropischen Krümmung entgegenzuwirken, fast vollständig abgeht oder höchstens nur spät und in schwachem Grade auftritt, und somit sind auch diese negativ geotropischen Triebe im Stande, eine völlig verticale Lage anzunehmen, Fig. 15 (Der Pfeil gibt die Lothriehtung an.) 206 , Den Seitentrieben der Weymouthskiefer ist auch unzweifelhaft Epinastie eigen, welche zwar bei den gewöhnlichen Bedingungen sich nicht bemerken lässt, doch am Klinostaten deutlich auftritt. Wird an den Klinostaten ein Bäumchen gesetzt, dessen sämmtliche Triebe, wie . oben angegeben, zuvor geotropische Krümmungen ausgeführt haben, so verhalten sich jetzt einzelne um den Gipfeltrieb herum stehende Seitentriebe nicht in gleicher Weise, Bei denjenigen, welche die geotropische Krümmung auf ihre morphologisch untere (vom Stamme abgewendete) Seite gebildet haben, wird diese Krümmung lange Zeit nur immer stärker und erreicht oft bis zu 180°. Bei den an der entgegengesetzten Seite des Stammes inserirten Trieben, bei denen die geotropische Krümmung auf die dem Stamme zugewendete (mor- phologisch obere) Seite gebildet wurde, wird dieselbe im Gegentheil nur langsam verstärkt, fängt bald an, sich wieder zu vermindern und in einem Falle wurde hier eine Krümmung nach der entgegengesetzten Seite von mehr als 90° gebildet. In den Trieben, welche die geo- tropische Krümmung auf einer Seitenflanke gebildet haben, wird diese Krümmung am Klinostaten ebenfalls sehr energisch verstärkt, doch beginnt nach einiger Zeit die Ebene desselben sich nach auswärts zu wenden, um schliefslich eine in Bezug auf den Stamm radiale Stellung zu nehmen. Während also ursprünglich die Krümmungen bei allen Trieben in derselben Ebene lagen, so zeigen sich nach 2 —Stägigem Verweilen am Klinostaten die Krümmungsebenen der an verschiedenen Seiten des Stammes stehenden Seitentrieben annähernd radial zum Stamme orientirt. Das zeigt, dass alle Seitentriebe unab- hängig von der geotropischen Nachwirkung ein Streben besitzen, auf ihrer dem Stamme zugewendeten (morphologisch oberen) Seite stärker in die Länge zu wachsen. Da bei den normalen Bedingungen die Seitentriebe der Kiefern sich ihrer ganzen Länge nach vertical auf- richten, so muss zu dieser Zeit ihre Epinastie noch so schwach sein, dass sie den negativen Geotropismus der Triebe nicht in merklicher Weise zu stören vermag. Das später erfolgende Sinken der Triebe muss aber doch hauptsächlich durch das stärkere Wachsthum der Oberseite bedingt sein. Bei den Pinusarten, bei denen dieses Sinken der Triebe nur langsam fortschreitet, mag dasselbe ausschliesslich durch eine Eigenschaft des secundären Holzes bestimmt werden, auf die ich später zu sprechen komme; bei P. Strobus aber, wo das Sinken der Seitentriebe schon frühzeitig beginnt und schnell vor sich geht, wird es wahrscheinlich durch das Wachsthum des Rindenparen- chyms der Oberseite bedingt, wenn auch die directen Untersuchungen 207 darüber mir leider fehlen. Es ist möglich zu denken, dass die passive Dehnung schliesslich das überwiegende Wachsthum des Parenchyms auf der oberen Seite des Triebes indueirt, und da eine solche Er- scheinung sich hier regelmässig an allen Seitentrieben wiederholt, so konnte sie zum Theil erblich geworden sein und tritt darum am Klinostaten als Epinastie im späteren Alter der Triebe auf. Von den Nadelbäumen wurden von Frank hauptsächlich die Arten von Abies (A. balsamea, A. excelsa, Tsuga canadensis) unter- sucht. Ihrem Wabitus nach stehen diese Bäume denjenigen der Gattung Picea so nahe, dass daraus schon mit Wahrseheinlichkeit auf die gleichen physiologischen Eigenschaften ihrer Triebe geschlossen werden dürfte, was die wenigen mit Abies balsamea von mir ge- machten Versuche auch zu bestätigen scheinen. Wie schon früher angeführt wurde, ist Frank in Bezug auf die von ihm untersuchten Nadel- wie auch Laubbäume übereinstimmend zu dem Schlusse über ihren „Transversalgeotropismus“, sowie über die physiologische Bila- teralität ihrer Seitentriebe gekommen. Was aber diese letztere Eigen- schaft betrifft, so glaubte Frank zwischen den Trieben der Laub- bäume und der Nadelbäume den durchgreifenden Unterschied gefunden zu haben, dass, während bei den ersteren die Bilateralität schon im Knospenzustande bestimmt wird, bei den letzteren sie erst mit dem Austreten der Triebe aus den Knospen entschieden wird. Wird darum bei den Nadelbäumen eine Knospe mit der umgekehrten Seite zum Horizonte gewendet, so entwickelt sich der Trieb in der ge- gebenen Lage; wird aber ein schon in Entwickelung begriffener Seitentrieb umgekehrt zum Zenithe fixirt, so strebt er nun jedesmal wieder die frühere Oberseite dem Zenithe zuzuwenden. Das letztere sollte entweder dadurch erreicht werden, dass der Trieb eine Krüm- mung auf seine (ursprüngliche) Unterseite bis zu 180° macht, wobei die frühere Oberseite wieder nach oben kommt, oder dadurch, dass die Axe des Triebes um 180° gedreht wird. Meine oben angeführten Versuche mit der Linde haben schon die die Laubbäume betreffenden Angaben von Frank ins richtige Licht gestellt und meine Versuche mit der Fichte werden ebenfalls im Stande sein, die an den Nadel- bäumen gewonnenen Resultate des genannten Forschers zu beleuchten. Picea excelsa Lk. Die gemeine Fichte zeigt viele Formen, welehe durch den Habitus der Bäume sich erheblich unterscheiden, deren Aeste bald beinahe horizontal ausgebreitet, bald mehr oder weniger stark aufgerichtet sein können. Die von mir beobachteten Fichten des hiesigen botanischen Gartens unterscheiden sich in dieser 208 Beziehung sehr bedeutend von einander. Bei einem Exemplare sind die Hauptäste, welche in ibrem unteren Theile mehr oder weniger horizontal oder selbst abwärts geneigt sind, in ihrer oberen Hälfte so stark aufgerichtet, dass ihre Gipfel beinahe vertical stehen. Bei der anderen Form (deren Exemplare dieht daneben stehen und gleich exponirt sind) sind die Endtheile der Aeste unter einem Winkel von nicht mehr als etwa 50° zum Horizonte aufgerichtet. Die erste von diesen Formen werde ich der Kürze halber als A, die letztere als B bezeichnen. Wenn die Triebe aus den Knospen hervortreten, so zeigen sie gewöhnlich sogleich eine schwache Abwärtskrümmung und in dem Maasse, als sie länger werden, wird diese Krümmung immer stärker. Bei der Form A krümmen sich die Triebe überhaupt weniger und bei den Gipfeltrieben der Hauptäste nehmen die oberen Theile nicht selten nur eine annähernd horizontale Lage an. Bei der Form B erhalten aber die Triebe bedeutend stärkere Krümmung und ihre Gipfel hängen oft ganz vertical abwärts. Das bezieht sich besonders auf die Seitentriebe, die am vorjährigen Theile der Aeste entsprossen, während die Gipfeltriebe der Hauptäste im Ganzen weniger über- neigen. Die Zweige, welche an der unteren Seite der Hauptäste entspringen, hängen bei genügender Länge annähernd vertical abwärts und ebensolche Richtung behalten auch ihre sich entwickelnden Gipfel- triebe. Anderseits wachsen die Seitentriebe, die auf der oberen Seite der Aeste in mehr oder weniger verticalen Lage austreten, auch gewöhnlich in derselben Richtung gerade oder krümmen sich nur wenig. Im späteren Alter streeken sich allmählich alle überneigen- den Triebe ihrer ganzen Länge nach vollständig gerade. Indem aber bei den Laubbäumen von dem Typus von Prunus Padus die ihr Längenwachsthum abschliessenden Triebe sich meistens etwas steiler aufrichten als die Enden der sie tragenden Aeste, so findet man im Gegentheil bei der Fichte die soeben ausgewachsenen Triebe etwas mehr geneigt als die Enden ihrer Tragäste, Um die physiologische Natur der Krümmungen der sich ent- wickelnden Triebe aufzuklären, wurde der Verlauf ihrer Entwickelung am Klinostaten beobachtet. Behufs solcher Versuche wurden etwa drei- bis vierjährige Bäumehen der Fichte in Töpfe verpflanzt, wo sie schon im folgenden Frühjahr Triebe von 8—12em Länge ent- wickelten. Zwei solche Bäumchen wurden an den Klinostaten zu der Zeit übertragen, als einzelne Triebe eben begannen, aus den Knospen auszutreten, während andere Knospen noch geschlossen waren; die 209 Objecte blieben dann ununterbrochen drei Wochen lang am Klino- staten, bis die Entwickelung der Triebe ganz beendigt war. Die Seitentriebe, welche schon begonnen hatten, sich zu strecken und eine Länge von 6—10mm besassen, zeigten auch meistentheils eine merk- liche Abwärtskrüämmung. Bei ihrer weiteren Entwickelung am Klino- staten blieben die Gipfel solcher Triebe fortan wenn auch sehwach, doch sehr bemerklich epinastisch gekrümmt. Ebenso zeigten die Triebe, die schon am Klinostaten aus den Knospen austraten, eine schwache epinastische Krümmung; diese letztere war aber nicht allen solchen Trieben, sondern nur denjenigen eigen, deren Knospen schon beim Anfang des Versuches stärker aufgeschwollen waren. Im Gegen- theil, die Knospen, welche im noch wenig entwickelten Zustande an den Klinostaten kamen, gaben die Triebe, die von Anfang an ganz gerade blieben. Das war besonders deutlich an den primären Seiten- trieben zu sehen, deren Entwickelung vom apicalen Ende des vor- jährigen Stammtheiles anfängt, So zeigten die Triebe, welche weiter vom Ende des Stammes standen und folglich auch später sich zu entwickeln begannen, meistens keine Spur einer epinastischen Krüm- mung, ebenso wie die Seitentriebe der Aeste, welche als die letzten zur Entwickelung kamen. Diese Thatsache beweist, dass die Epinastie keine erbliche Eigenschaft der Fichtentriebe ist, dass sie vielmehr schon im Knospenzustande der Triebe und dazu auch ziemlich spät erworben wird. Da die Triebe im Knospenzustande, wenn sie dicht mit steifen Schuppen umgeben sind, der Einwirkung ihrer eigenen Schwere nicht unterworfen sein können, so muss hier die Herkunft der Epinastie in der schon oben für die Linde versuchten Weise er- klärt werden. — Jedenfalls sind, wie schon gesagt wurde, die am Klinostaten auftretenden epinastischen Krümmungen immer nur schwach und allein auf den jüngsten Theil eines Triebes beschränkt, während sein älterer Theil und schliesslich der ganze Trieb sich ganz gerade streckt.!) Sind also die den Trieben selbständig eigenen epinastischen Krümmungen immer nur unbedeutend, so müssen starke bei den normalen Entwickelungsbedingungen sich bildende Abwärtskrümmungen durch die eigene Schwere der Triebe verursacht werden. Darauf weist auch das oben angegebene Verhalten der vertical aufwärts oder abwärts wachsenden Triebe sowie auch der Umstand hin, dass die überneigenden Theile der Triebe, die dabei immer sehr schlaff sind, im Ganzen desto stärker überneigen je dünner und schwächer sie 1) Die Nadeln werden am Klinostaten niemals gescheitelt. Flora, Ergänzgsbd. 1901. 14 210 sind. Darum senken sich die Seitentriebe, die gewöhnlich zu beiden Seiten des Gipfeltriebes eines Astes in horizontaler Ebene entsprossen, mehr als sein Gipfeltrieb und ihr oberer Theil hängt gewöhnlich (bei der Form B) ganz vertieal abwärts. Bei der Form A, wo alle Triebe im Ganzen weniger überneigen, sind sie auch alle in dieser Entwicke- lungsperiode bedeutend steifer und elastischer. Versuche, bei denen die Triebe künstlich in verschiedene Lagen zum Horizonte gebracht wurden, demonstriren noch klarer den Ein- fluss der eigenen Schwere auf die Richtung des Triebes und lassen zugleich die Ursache einsehen, welche Frank vermuthlicherweise zu seiner oben angeführten Ansicht über die Eigenschaften der Coni- ferentriebe verleitet hat. Werden die Aeste von Picea excelsa vertieal aufwärts angebunden, bevor die Knospen noch zu treiben begonnen haben, so bildet der Gipfeltrieb oft beinahe keine oder nur schwache Krümmung und wächst in verticaler Richtung mehr oder weniger gerade. Die neben dem Gipfeltriebe entsprossenden Seitentriebe neigen sich jetzt wie gewöhnlich mit ihren Spitzen ab- wärts, wenn auch dies Mal die Abwärtskrümmungen auf eine morpho- logisch andere Seite als bei der normalen Lage des Astes gebildet werden; zu Ende der Entwickelungsperiode strecken sich diese Triebe wie sonst gerade, ohne irgendwelche Axendrehungen zu erfahren. — Wird aber in gleicher Weise ein Ast angebunden, dessen Triebe schon etwa 2—3cm lang geworden und deren Spitzen abwärts gekrümmt sind, so kommt dabei die gekrümmte Spitze des Gipfeltriebes in eine geneigte Lage und zunächst (offenbar unter der‘ Einwirkung der eigenen Schwere) wird die Krümmung noch weiter, nicht selten bis zu 90°, verstärkt, was auch wahrscheinlich Frank die Ver- anlassung gegeben hat zu glauben, dass solche Triebe wieder die frühere mehr oder weniger horizontale Lage annehmen. Werden aber solche Triebe weiter beobachtet, so findet man, dass ihre Krümmungen wie diejenige aller übrigen Triebe sich später wieder vermindern und zu Ende der Wachsthumsperiode strecken sie sich in verticaler Richtung beinahe gerade und bleiben gewöhnlich der ganzen Länge nach nur ganz schwach, manchmal nicht mehr als um etwa 10° ge- krümmt. Ganz anders verhalten sich dabei die neben den Gipfel- trieben stehenden Seitentriebe, deren Krümmungen an den vertical aufwärts gestellten Aesten in die Horizontalebene zu liegen kommen. Die Spitzen dieser Triebe beginnen nun sogleich (offenbar wieder in Folge der eigenen Schwere) sich abwärts zu senken und die ent- sprechenden Theile erhalten somit eine Axendrehung bis zu 90°. 211 Werden die Enden der Aeste in umgekehrt horizontaler Lage fixirt, so schauen jetzt ihre Krümmungen aufwärts. Nun werden diese Krümmungen zunächst — und zwar offenbar durch Zusammenwirkung des negativen Geotropismus und der Epinastie — gewöhnlich noch bedeutend verstärkt. Der obere Theil der Triebe krümmt sich dabei manchmal um mehr als 90° aufwärts, was wieder Frank zu der Meinung verführen konnte, dass die umgekehrten Triebe sich etwa auf ihre untere Seite zurückschlagen. Fortgesetzte Beobachtung zeigt aber, dass die Wirkung der eigenen Schwere nachher wieder den Geotropismus überwindet, denn die Aufwärtskrümmung beginnt sich wieder zu vermindern und schliesslich streckt sich der Trieb in hori- zontaler Lage beinahe gerade. Bei den Gipfeltrieben entsteht dabei in der Regel keine Spur einer Drehung, was schon vom ersten Blick nach der (sehr frühzeitig eingeleiteten) Scheitelung der Nadeln zu entscheiden ist, welche sich überall längs der oberen Seiten des Triebes hinzieht.!) Nur selten und offenbar wenn die Ebene der Krümmung nicht ganz vertical stand, fing die Spitze an seitwärts zu neigen und senkte sich schliesslich ganz vertical abwärts, wobei natürlich eine Drehung bis zu 180° entstand, wie das von Frank als eine normale ‚Erscheinung beschrieben wurde. Die Seitentriebe an den umgekehrt horizontal angebundenen Aesten verhalten sich im Ganzen ebenso wie die Gipfeltriebe, nur werden hier die Drehungen öfter als bei diesen letzteren beobachtet, was auch ganz verständlich ist, da bei der verticalen Stellung der Krümmungsebene des Gipfeltriebes die Krümmungsebenen der Seitentriebe nicht immer ganz vertical zu stehen brauchen. Auch wurden Aeste vertical abwärts angebunden, als die Triebe schon 4—5em lang und mehr oder weniger stark abwärts gekrümmt waren. Bei der neuen Lage des Astes war die Spitze des Gipfeltriebes horizontal oder selbst etwas aufwärts gerichtet, während die Krümmungen der Seitentriebe in horizontaler Ebene lagen. Die Krümmung des Gipfeltriebes pflegte dabei zunächst noch stärker zu werden, darauf begann aber die Spitze sich wieder zu senken und zu Ende der Wachsthumsperiode war der Gipfeltrieb immer ganz gerade gestreckt und vertical abwärts gerichtet. Die Seitentriebe, deren Krümmungen anfänglich in horizontaler Ebene sich befanden, erhielten gewöhnlich eine Drehung von etwa 90° und streckten sich schliesslich in annähernd horizontaler Richtung ebenfalls gerade. 1) Das Eintreten der etwaigen Axendrehung wurde freilich nicht etwa nach der Scheitelung der Nadeln, sondern direet nach der im Anfang des Versuches längs einer Seite aufgetragenen Tusohemarke beurtheilt. 14* 212 Alle angeführten Versuche lassen erkennen, dass der Haupt- agent, welcher die Richtung aller Seitentriebe der gemeinen Fichte bestimmt, ihre eigene Schwere ist, deren Wirkung im jungen Alter der Triebe durch die schwache Epinastie noch befördert wird. Zu- gleich sind aber diese Triebe unzweifelhaft negativ geotropisch, was daraus zu sehen ist, dass jedesmal, wenn der Geotropismus mit der Epinastie gleichsinnig wirkt, die Krümmung anfänglich noch energisch verstärkt wird. Wenn auch am Klinostaten die epinastischen Krüm- mungen nachher wieder ausgeglichen werden, so muss doch das Geradestrecken der bei den normalen Bedingungen stark überneigen- den Triebe hauptsächlich durch ihren negativen Geotropismus bewirkt werden. Das kann daraus geschlossen werden, dass, wenn von den Trieben, deren unterer Theil schon gerade geworden, während der obere noch eine starke Abwärtskrümmung besitzt, die Nadeln entfernt werden, so erhält der untere Theil sogleich eine bedeutende Auf- wärtskrümmung und die Krümmung des oberen Theiles wird ver- mindert. Jedenfalls ist der Geotropismus der Fichtentriebe so schwach, dass er nur in ihrer letzten Entwiekelungsperiode, d. h. nachdem die Triebe steifer und elastischer geworden sind, im Stande ist, die Wirkung ihrer eigenen Schwere zu überwinden. Bei den vertical . abwärts gerichteten Trieben vermag aber, wie angegeben wurde, der Geotropismus im Laufe ihrer ganzen Entwickelungsperiode sich nicht kenntlich zu machen und die Triebe aus dieser Lage herauszubringen. Der so überwiegende Einfluss der eigenen Schwere lässt vermuthen, dass ihre Wirkung bei der Fichte nicht bloss mechanisch ist, sondern auch factisch stärkeres Wachsthum der Oberseite der Triebe verur- sacht. Das bestätigen auch wirklich die Bestimmungen der Zellen- länge, welche ich an den jungen im oberen Theile noch stark abwärts gekrümmten Triebe ausgeführt habe. In den jungen Trieben war die Messung der Parenchymzellen an den Radialschnitten nicht aus- führbar und es konnte nur an den Flächenschnitten die Länge der Epidermiszellen gemessen werden. In einem Triebe wurden die Epidermiszellen auf der Ober- und Unterseite des anfänglich geraden, nach Entfernen der Nadeln aber schwach aufwärts gekrümmten Theiles, im anderen entsprechend die Zellen im abwärts gekrümmten, Theile gemessen. In den beiden Fällen haben sich die Zellen der Ober- seite länger erwiesen und zwar im ersten Falle (im Mittel aus 423 und 347 Messungen) um 9,0%, und im zweiten (aus 465 und 555 Messungen) um 8,5%. Da die eigentlichen epinastischen (am Klino- staten zu beobachtenden) Krümmungen hier nur schwach sind, so 213 zeigt eine so bedeutende Längendifferenz zu Gunsten der Oberseite, dass die durch die eigene Schwere der Triebe verursachte Dehnung ihrer Oberseite wirklich ein stärkeres Wachsthum derselben verur- sacht, welches im jungen Alter der Triebe das geotropische Wachs- thum der Unterseite übertrifft und somit den Geotropismus der Triebe verdeckt. Kann also im Laufe der Entwickelungsperiode der Triebe ihr negativer Geotropismus sich nur im schwachen Grade offenbaren, so theilt doch andererseits die Fichte mit der Linde die Eigenschaft, dass die geotropische Krümmungsfähigkeit ihrer Triebe nicht mit dem Längenwachsthum aufhört, sondern noch an zwei-, ja dreijährigen Aesten beobachtet werden kann. So stellt A in der Fig. 16 das aus den Zuwachsen der drei Vegetationsperioden bestehende Ende eines Astes dar, welches während der Entwickelung des Gipfeltriebes (am 13. Mai a. St.) in einer um etwa 25—30° abwärts geneigten Lage 7213 Fig. 16. (Der Pfeil gibt die Loth- Fig. 17. (Der Pfeil gibt richtung an.) die Lothrichtung an.) angebunden wurde (der Pfeil gibt die Lothrichtung an). Zu Ende der Vegetationsperiode hatte. der Ast die in B angegebene Form, d. h. nicht allein der ganze vorjährige Theil war stark aufwärts ge- krümmt, sondern auch im apicalen Ende des dreijährigen Theiles war eine schwache Krümmung zu bemerken. Infolge dessen war der Gipfelspross, welcher selbst nur eine schwache Aufwärtskrümmung gemacht hat, jetzt wie alle übrigen Triebe des Baumes unter einem Winkel von etwa 50--60° zum Horizonte aufgerichtet. Die Gipfel- triebe der vertical abwärts angebundenen Aeste, welche, wie schon gesagt wurde, zu Ende der Wachsthumsperiode gerade abwärts hängen blieben, haben später ebenfalls mehr oder weniger starke Krümmungen gemacht. In der Fig. 17 ist ein solcher Versuch wiedergegeben. 4 stellt das Ende eines Astes dar, dessen schon ausgewachsener Gipfel- trieb ganz gerade bleibt und vertical abwärts gerichtet ist, und B dasselbe Object am Ende der Vegetationsperiode. Jetzt hat nicht 214 nur der diesjährige Trieb, sondern auch der vorjährige Theil des Astes eine bedeutende Aufwärtskrämmung und zwar (wie auch im anderen analogen Versuche) auf seine morphologische Unterseite. Aehnliche geotropische Krümmungen in den vorjährigen Theilen wurden auch vielfach bei den Versuchen gebildet, bei denen das Ende eines Astes umgekehrt horizontal angebunden wurde und unzweifel- haft würde dasselbe auch bei der normal horizontalen Lage eines zu- vor mehr oder weniger aufgerichteten Astes eintreten. Durch dieselbe Ursache werden offenbar die Triebe, welche, wie schon gesagt wurde, mit der Beendigung des Längenwachsthums meistens in etwas mehr geneigter Lage als ihre vorjährigen Theile bleiben, später doch in die nämliche Lage gebracht. In den in den Fig. 16 und 17 abge- bildeten Aesten wurde auch die mittlere Länge der unter der Kork- schichte liegenden Parenchymzellen auf der convexen und concaven Seite bestimmt. Im Aste Fig. 16 B wurde diese Bestimmung im vor- jährigen Theile des Astes an der Stelle, wo die stärkste Krümmung lag, gemacht, Hier erwiesen sich die Zellen an der oberen (concaven) Seite (im Mittel aus 458 und 570 Messungen) länger um 4,2% In den noch wachsenden Trieben wurden, wie oben angegeben, die (Epidermis-)Zellen an der Oberseite übereinstimmend um etwa 9%, länger gefunden. Die nun um die Hälfte kleinere Längendifferenz, die im vorliegenden Fall sich ergeben hat, kann somit zum Beweise dienen, dass das Aufwärtskrümmen des zweijährigen Astes wirklich durch nachträgliches Wachsthum des Parenchyms der Unterseite zu Stande gebracht wurde. Im Aste Fig. 17B wurden die auf die Korklage folgenden Parenchymzellen im basalen Theile des diesjährigen Triebes gemessen (360 und 366 Messungen), wobei hier ebenfalls die Zellen der morphologisch oberen, in diesem Falle convexen, Seite sich länger erwiesen haben und zwar jetzt um 12,6°,, was wieder das nachträgliche Wachsthum des Parenchyms der convexen Seite beweist. Wenn bei der Fichte, ebenso wie bei der Linde, die mehrjährigen Aeste noch fähig sind, sich geotropisch aufwärts zu krümmen, so entsteht die Frage, warum trotzdem diese Aeste sich nicht allmählich ganz vertical stellen, sondern immer eine bestimmte Neigung zur Lothlinie beibehalten. Früher habe ich Versuche mit der Linde an- geführt, bei denen die in die horizontale Lage gebrachten verticalen Sprosse nicht im Stande waren, Aufwärtskrümmungen über etwa 60° zu bilden. Bei der Fichte bildeten die (umgekehrt-)horizontal ange- bundenen Aeste ebenfalls nur Krümmungen von etwa 40—50°, welche 215 im Laufe der folgenden Vegetationsperioden nicht mehr stärker wurden. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass das geo- tropische Gleichgewicht hier etwa bei einer gewissen Neigung zur Lothlinie eintritt, wie das von Frank für alle Seitentriebe ange- nommen wurde, weil die vertical gestellten Triebe diese Richtung mehr oder weniger vollständig beibehalten. Es kann auch nicht ge- dacht werden, dass die durch das geotropische Wachsthum entwickelte Kraft etwa nicht ausreiche, den Holzeylinder eines mehrjährigen Astes stärker als bis zu einem gewissen Grade zu biegen, denn es beginnt, wie bekannt, bei den Fichtenbäumen, bei denen der Gipfel des Stammes abgebrochen wurde, der nächste, manchmal schon ziem- lich alte Seitenast sogleich sich aufwärts zu krümmen, um zuletzt eine ganz verticale Lage anzunehmen. Man muss darum sich denken, dass die geotropische Empfindlichkeit des alten Parenchyms überhaupt nur schwach ist — was auch aus der sehr langsam hier eintretenden geofropischen Reaction zu schliessen wäre — und dass mit der Ver- grösserung des Neigungswinkels zum Horizonte diese Empfindlichkeit rasch noch abnimmt. So kann bei einem bestimmten Neigungswinkel die betreffende Reizempfindlichkeit zu schwach werden, um eine Wachsthumskraft zu erwecken, die genügte, den immer anwachsenden mechanischen Widerstand zu überwinden. Ist aber der Stammgipfel verloren gegangen, so erhalten bekannter Weise die nächsten Aeste gewisse physiologische Eigenschaften des Hauptstammes, wie z. B. eine erhöhte Wachsthumsfähigkeit und zugleich möglicher Weise auch eine grössere geotropische Empfindlichkeit. Bei Abies balsamea’sind die Hauptäste mehr oder weniger horizontal gerichtet und beinahe dieselbe Richtung behalten auch ihre sich entwickelnden Gipfeltriebe, deren Spitzen allein dabei gewöhn- lich schwach aufwärts gekrümmt sind. Als die Aeste vertical auf- wärts angebunden wurden, wuchsen in zweien von den drei Fällen die Gipfeltriebe im Ganzen vertical weiter; sie machten nur eine ziemlich schwache Krümmung und zwar seitwärts, beide in der Rich- tung des vorherrschenden Windes, und somit ist diese Krümmung wahrscheinlich der mechanischen Wirkung des Windes auf die noch plastischen Triebe zuzuschreiben. Der dritte Gipfeltrieb krümmte sich aber um 90° auf seine morphologisch untere Seite so, dass er wieder in die normal horizontale Lage kam, welche er auch definitiv bei- behielt. Bei drei anderen Aesten, welche umgekehrt horizontal be- festigt wurden, krümmten sich die Gipfeltriebe zunächst mehr oder weniger stark, in einem Falle selbst um mehr als 90° aufwärts. Da- 216 rauf begannen aber, wie bei der Fichte, diese Krümmungen sich wieder zu vermindern und schliesslich kamen die Triebe wieder in die horizontale Lage. Dabei erhielten sie keine Axendrehungen und nur ihre Nadeln drehten sich in ihrem basalen Theile so, dass sie die Oberseite wieder nach oben kehrten. Nach diesen Thatsachen zu schliessen sind die Triebe der Abies balsamea negativ geotropisch und zugleich epinastisch; wie bei der Fichte soll aber die normale horizontale Lage dieser Triebe vorwiegend durch ihre eigene Schwere . bestimmt werden, wenn sie auch nicht ausreicht, um die mehr steifen Triebe der Tanne passiv abwärts zu biegen. Etwaige physiologische Bilateralität geht auch diesen Trieben vollständig ab. Die in Obigem dargelegten Beobachtungen und Versuche zeigen, dass von den von mir untersuchten Nadelbäumen die Pinus-Arten und die Fichte (resp. Tanne) in der betreffenden Beziehung wieder zwei verschiedene physiologische Typen repräsentiren. Eine angeborene Bilateralität ist wahrscheinlich diesen beiden Typen ebenso wenig wie demjenigen von Prunus Padus eigen. Bei den sich entwickelnden Trieben der Pinus-Arten wird anfänglich ihre Richtung ausschliesslich durch ihren negativen Geotropismus bestimmt, was durch den Mangel eines Strebens zur Gegenkrümmung ermöglicht wird; erst im späteren Alter der Triebe wird ihre vertieale Richtung unter dem Einfluss der eigenen Schwere, welche das überwiegende Wachsthum der Oberseite einleitet, geändert. Die sich entwickelnden Ficktentriebe werden im Gegentheil zunächst hauptsächlich durch ihre eigene Schwere beein- flusst, und erst zu Ende der Wachsthumsperiode kommt ihr negativer Geotropismus zur Wirkung, welcher dann aber selbst in mehrjährigen Aesten noch wirksam bleiben kann. 4. Trauervarietäten. Ich hatte Gelegenheit, im hiesigen botanischen Garten die Trauer- varietäten von Üaragana arborescens, Fraxinus excelsior und Ulmus montana zu beobachten, und wenn auch meine Untersuchungen über diese Objeete nicht umfassend genug sind, so sind sie doch im Stande, zu den wenigen in der Litteratur schon vorhandenen Daten einige neue hinzuzufügen. — Nachdem von Dutrochet das Herabhängen der Triebe der Traueresche ihrem negativen Geotropismus zuge- schrieben wurde), glaubte Hofmeister die Ursache der Erschei- nung der eigenen Schwere der mit längeren und dünneren Interno- 1) Dutrochet, M&moires pour servir ete. II pag. 90. 217 dien als bei der normlen Form versehenen Trieben zuschreiben zu müssen.!) Dieser Meinung haben sich Frank?) und später auch Vöchting angeschlossen; dem letztgenannten Forscher gehören auch die am meisten ausgedehnten Beobachtungen über mehrere Trauer- varietäten; Beobachtungen, die übrigens hauptsächlich ihre morpho- logischen Eigenschaften betreffen.) Nach den Untersuchungen von Vöchting sind die Triebe der meisten Trauerbäume deutlich negativ geotropisch. Die Gipfel der herabhängenden Triebe krümmen sich oft bedeutend aufwärts, und nur in dem Maasse als sie länger werden, senken sie sich ebenfalls nieder. Aus dieser Erscheinung glaubt eben Vöchting auf den überwiegenden Einfluss der eigenen Schwere der Triebe schliessen zu müssen, lässt aber die von ihm gestellte Frage offen, ob nicht etwa noch andere Bedingungen dabei mitwirken. Bei Caragana arborescens var. pendula ist der negative Geotropismus der Triebe sehr ausgesprochen. Die Triebe, welche aus den Basaltheilen der vorjährigen Aeste austreten, wo diese Aeste noch eine annähernd horizontale Lage besitzen, wachsen zunächst mehr oder weniger vertical aufwärts und nur ihre Gipfel sind dabei immer schwach gekrümmt. Die Triebe aber, welche auf den herabhängenden Theilen der Aeste gebildet werden, sind schon niemals im Stande, sich vertical aufzurichten. In ihrem jungen Theile sind doch solche Triebe in der Regel bedeutend aufwärts gekrümmt, während die Spitze selbst wieder abwärts neigt; infolge dessen bleibt beinahe im Laufe der ganzen Entwickelungsperiode der noch wachsende Theil aller hängenden Triebe 8-förmig gekrümmt. Die älteren Theile der auf den gesenkten Aesten entsprossenden Triebe nehmen zunächst unge- fähr die Richtung, in welcher sie aus ihren Knospen ausgetreten sind, d. h. annähernd horizontale oder nur wenig abwärts geneigte Rich- tung an; in dem Maasse aber als sie länger werden, senken sich sowohl die ursprünglich wenig geneigten als die ganz verticalen Triebe immer mehr herunter. Abwärtskriämmungen der Spitzen, offenbar analog denjenigen, welche die jungen Triebe von Ahorn und anderen Arten zeigen, werden auch hier gewiss durch die Wirkung der eigenen Schwere auf die noch zarte Spitze bedingt. Histologische Untersuchung der Triebe der Trauerakazie zeigte mir, dass die Abwärtskrümmung der Spitze sich lediglich auf den Theil beschränkt, wo ausser den primären Holzgefässen noch keine anderen verholzten Elemente ge- 1) Jahrb. f. wiss. Bot. III pag. 106, 2) A. B. Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie pag. 64. 3) H. Vöchting, Ueber Organbildung im Pflanzenreich II pag. 78. 218 bildet sind, Die Entwickelung der Gewebe schreitet dann aber rasch fort und oft findet man schon im unteren Theile desselben Interno- diums nicht allein die Fasern der Gefässbündelscheide verholzt, son- dern auch eine bedeutende Lage des Secundärholzes gebildet, und von dieser Stelle an tritt im Triebe eine Aufwärts- statt einer Ab- wärtskrümmung auf. Das nachherige Herabsinken der Triebe wird unzweifelhaft hauptsächlich durch ihre eigene Schwere bedingt. Das ist nach dem ganzen Verlauf des Vorgangs sowie auch nach dem Unterschiede im morphologischen Aufbau der Triebe der gewöhnlichen und der trauernden Form der gelben Akazie zu beurtheilen, indem die letzteren viel länger und schlanker sind als die ersteren. Damit fällt aber der Unterschied im histologischen Bau des Secundärholzes in den beiden Varietäten zusammen, welcher bei dieser Art besonders scharf ausgesprochen ist. Bei den beiden Varietäten von Caragana arborescens besteht das Holz hauptsächlich aus den Fasern, die alle bei der normalen Form sehr stark verdickt sind; hier werden ausser- dem dicke Lagen dieser Elemente mit der sog. tertiären Verdiekung versehen, welche ibre Lumina fast zum Verschwinden bringt. Das Holz der Trauervarietät ist bedeutend lockerer gebaut. Die tertiäre Verdiekung wird hier (wenigstens in den einjährigen Zweigen) gar nicht gebildet, und alle Fasern haben überhaupt bedeutend dünnere Wände als bei der normalen Form. Somit ist im histologischen Bau selbst der mechanischen Elemente des Holzes eine Bedingung gegeben, der zufolge die langen Triebe der Trauervarietäten nicht im Stande sind, die Last ihrer Blätter zu tragen, und sie sinken unter derselben passiv nieder. Zum Theil ähnliche mechanische Bedingungen trifft man auch bei Ulmus montana var. pendula. Bei der normalen Form der Ulme haben wir gewisse Eigenschaften der Triebe kennen gelernt, welche es bedingen, dass ihr negativer Geotropismus sich nur wenig äussert. Die Triebe der Trauervarietät, welche hier wie sonst bei ihrem ersten Austreten aus den Knospen starke Abwärtskrümmungen bilden, bleiben auch fortan in der hängenden Lage, und nur selten ist in ihrem jungen Theile eine schwache geotropische Krümmung zu beobachten. Dass aber das Streben, eine solche Krümmung zu bilden, auch hier nicht abgeht, ist daraus zu sehen, dass selbst bei ganz geraden Trieben mit dem Entfernen der Blätter in der Spitze oft eine mehr oder we- niger bedeutende Aufwärtskrümmung entsteht. —- Im Bau des secun- dären Holzes ist hier ebenfalls ein Unterschied von der normalen Form sehr deutlich, wenn auch nicht so scharf wie bei Caragana, ausge- 219 sprochen. Bei der Trauervarietät von Ulmus montana sind nämlich die Holzfasern, welche auch hier in den ersten Jahresringen die Haupt- masse des Holzes bilden, merklich weniger verdickt als bei der nor- malen Form, was seinerseits eine grössere Biegsamkeit dieser Triebe bedingen muss, Fraxinus excelsior var. pendula. Der negative Geotro- pismus der Triebe ist hier ziemlich deutlich ausgesprochen. An den herabhängenden Trieben, noch mehr aber an solchen, welche eine mehr horizontale Lage haben, ist oft in ihrem jungen Theile eine manchmal ziemlich starke geotropische Krümmung zu sehen, die, wie schon Vöchting bemerkte, bald erscheinen, bald wieder verschwin- den kann. Wird ein herabhängender, ganz gerader Trieb vertical aufwärts gestellt, so erhält er sogleich in seinem noch wachsenden Theile eine Krümmung auf die früher obere Seite, welche Krümmung bei den einzelnen Versuchen im Laufe einer Stunde etwa 90° erreichte. Bei den energisch wachsenden Trieben wird eine solche Krümmung später nicht nur wieder ausgeglichen, sondern es tritt an ihrer Stelle eine (schwächere) Krümmung nach der entgegengesetzten Seite auf, welehe ihrerseits sich schliesslich ausgleicht. Wurde aber ein solcher Trieb weiterhin in verticaler Lage stehen gelassen, so begann er in dem Maasse als er sich verlängerte, und zwar in einem der unteren schon ausgewachsenen Internodien wieder auf die Seite zu neigen. — Was Hin- und Herschwanken des Gipfels eines in verticale Lage ge- brachten Triebes bietet offenbar dieselbe Erscheinung dar, die sonst nur am Klinostaten ganz deutlich aufzutreten pflegt, die aber, wie wir schon früher gesehen haben, manchmal auch an den bei den normalen Bedingungen sich entwiekelnden Trieben beobachtet werden kann. Mit der Traueresche habe ich keine Versuche am Klinostaten gemacht; nach den eben angeführten Beobachtungen scheint hier aber das Streben zur Gegenkrümmung sehr stark ausgesprochen zu sein, und darin mag eine der Ursachen liegen, welche der Einwirkung des negativen Geotropismus auf die Richtung der Triebe dieser Varietät widerstreben. Jedenfalls ist als die Hauptsache davon auch hier un- zweifelhaft die eigene Schwere der Triebe anzusehen, was schon daraus erhellt, dass die vertical gestellten Triebe später wieder passiv um- fallen. — Dass die Triebe der normalen Form der Esche, welche gleiche Blätter tragen, sich aufrecht halten, während die Triebe der Trauervarietäten dabei fallen, haben Hofmeister und auch Vöch- ting der grösseren Länge und Schlankheit dieser letzteren zuge- schrieben. Ich finde aber, dass zwar die Internodien hier auch wirklich 220 länger, doch nicht dünner, vielmehr bedeutend dicker als bei der nor- malen Form sind. Diese Dicke vermehrt aber nicht die Steifheit, sondern nur das Gewicht der Triebe, da sie in den Trieben der Trauerform durch die bedeutend üppigere Entwiekelung der Paren- chymgewebe bedingt wird. Ich habe in den Internodien der hängen- ‚len und der vertical aufrecht wachsenden Triebe, welche manchmal an den Trauerbäumen gebildet werden, den Durchmesser des Markes an den annähernd gleich dicken Stellen der schon ausgewachsenen Triebe gemessen und gefunden: in zwei verticalen Trieben verhielt sich der Durchmesser des Markes zu demjenigen des ganzen Triebes wie 46,6:100 und 38,4: 100, und an den entsprechenden Stellen der drei hängenden Triebe war dieses Verhältniss wie 51,3: 100, 47,0 : 100, 47,2:100, 55,1:100 und 52,2:100. Die Stärke des Holzeylinders war im Gegentheil in den letzteren Trieben jedesmal weniger bedeu- tend. Noch mehr Bedeutung als dieser letztere Umstand hat aber wahrscheinlich derjenige, dass in den trauernden Trieben die Bildung der mechanischen Gewebe überhaupt später anfängt und langsamer vor sich geht als in den gewöhnlichen. Die Wanddicke der Holz- elemente bietet in den beiden Varietäten keinen bemerklichen Unter- schied dar. — Es sind somit auch in den Trieben der Traueresche gewisse Eigenthümlichkeiten des histologischen Baues zu finden, welche ihre Steifheit vermindern und es ihnen unmöglich machen, eine Last zu halten, welche die Triebe der normalen Form noch leicht tragen. Ill. Ungleichmässiges Längenwachsthum der secundären Holzelemente. Im vorhergehenden Theile wies ich darauf hin, dass bei allen Bäumen von dem Typus von Prunus Padus die Gipfeltriebe der ge- neigten Aeste gewöhnlich eine etwas mehr aufgerichtete Lage an- nehmen als die Enden der sie tragenden Aeste und wenn der Neigungswinkel der letzteren zur Verticale nur klein ist, so können die Gipfeltriebe sich selbst ganz vertical stellen. Infolge dessen müssten die oberen Theile aller Seitenäste allmählich eine ganz ver- ticale Lage annehmen. In dem Maasse als die Aeste an Länge zu- nehmen, vergrösseit sich freilich ihr Gewicht und auch das mecha- nische Moment der Last, wodurch sie passiv heruntergebogen werden. Die Wirkung der Belastung wird aber um so schwächer, je näher sie dem freien Ende des Astes ist, und an den einjährigen Aesten der Kiefern, welche unter dem Einfluss der eigenen Last heruntergebogen werden, sehen wir auch wirklich, dass ihre Spitzen oft eine fast ver- ticale Lage beibehalten, während der untere Theil schon beinahe 221 rechtwinklig zum Stamme gerichtet ist (siehe z. B. Fig. 19). Bei einer solehen Form des Astes wird offenbar die weitere Belastung seiner Spitze nicht gleichmässig biegend auf seine verschiedenen Theile, sondern im Verhältniss zu dem Winkel einwirken, den diese Theile mit der Lothlinie bilden. Es wäre danach zu erwarten, dass bei den Bäumen von dem physiologischen T’ypus von Prunus Padus die oberen, aus einigen Jahreszuwaclisen bestehenden Theile aller Seitenäste eine verticale Lage behalten. In Wirklichkeit ist aber der obere Theil der mehrjährigen Aeste der ‘ganzen Länge nach im weiten Bogen allmählich aufwästs gekrümmt, etwa wie das in Fig.20 zu sehen ist. Betrachtet man, besonders im Winter, die entlaubten Aeste solcher Arten, bei denen, wie z. B. bei Pappeln, Esche, die Aeste stark auf- gerichtet sind, so findet man, dass, während ihre Endsprosse ganz vertical stehen oder selbst (im entlaubten Zustande) einwärts gekrümmt sind, ihre vorjährigen Theile schon bedeutend geneigt sind, — ein Umstand, welcher aus den mechanischen Bedingungen der Belastung allein nicht recht zu erklären ist. Das Auswärtsbiegen der Kiefern- triebe, das im Laufe der ganzen Vegetationsperiode fortdauert, ebenso wie das nachherige Senken der schon verholzten Triebe anderer Bäume, lassen vermuthen, dass diese Erscheinungen nicht bloss rein passiv, sondern zum Theil auch activ sein müssen. Die active Natur der betr. Erscheinungen könnte aber etwa durch das ungleichmässige Längenwachsthum der secundären Holzelemente auf der Ober- und Unterseite der geneigten Aeste bedingt werden. Ich habe darum in den Hauptästen einiger Laub- und Nadelbäume die Länge der Holz- elemente bestimmt und will hier die Resultate dieser Untersuchungen mittheilen, Zum Zwecke solcher Untersuchung wurde aus einem Aste eine etwa 4—5mm dicke Querscheibe ausgesägt, aus welcher durch zwei parallele Schnitte eine nur das Holz der oberen und unteren Seite enthaltende Diametrallamelle herausgeschnitten wurde. Diese letztere wurde sodann in der Richtung der Markstrahlen in Spähne von mitt- lerer Dicke zerspalten, in welchen (bei einem mehrjährigen Theile) die Jahresschichten sorgfältig (gewöhnlich unter dem Präparirmikroskop) von einander getrennt wurden, Die Holzsplitter wurden in Schultze’s Reactiv und zwar gewöhnlich in der Wärme macerirt; bei dem stark verharzten braunen Holze der Coniferen, welches für das Reactiv schwer permeabel ist, muss aber die Maceration in der Kälte ausge- führt werden. Das Gewinnen der zuverlässigen Mittelzahlen für die Länge der Holzelemente ist ausserordentlich erschwert dadurch, dass 222 bei allen Bäumen (am wenigsten bei der gemeinen Kiefer) nicht nur in verschiedenen Schichten desselben Jahresringes, sondern auch in derselben Schichte die Länge der einzelnen gleichnamigen Elemente Schwankungen in sehr weiten Grenzen aufweist. Ausserdem sind die kurzen und langen Elemente nicht bloss gleichmässig vermischt, son- dern nicht selten sind diese und jene nesterweise im Holze vertheilt. Diese Schwierigkeiten können nur mit grossem Aufwand von Zeit und Mühe überwunden werden. Man darf sich nicht darauf beschränken, die Eiemente in einem einzigen radialen Splitter zu messen, sondern es müssen dieselben wenigstens in zwei, drei solchen und zwar in der vollen Breite der Splitter (der Dieke der Jahresringe entsprechend) gemessen werden. So wird man genöthigt, zum Gewinnen einer Mittelzahl manchmal ganz ungeheuere Mengen der Elemente zu messen. Im Holze der Coniferen wurden so die Tracheiden, in demjenigen der Laubbäume die Holzfasern (als die dominirende Form der Ele- mente) und die Gefässglieder gemessen. Da in jedem Präparate womöglich alle aus einem Holztheil isolirte Elemente gemessen werden sollten, so dienten dazu die Objectträger, auf denen ein Netz mit etwa 4qmm weiten Quadraten eingeätzt wurde, damit das Messen im Raume der einzelnen Quadrate ihrer Reihe nach ausgeführt werden könnte. In Glycerin, in welchem die zu messenden Elemente sich befanden, sind oft ihre nach der Maceration sehr durchsichtig gewordenen Spitzen nur schlecht sichtbar, weshalb in Glycerin etwas violette Anilinfarbe gelöst wurde, welche die macerirten Elemente stark tingirt und ihre feinen Spitzen scharf hervortreten lässt. Die Messung wurde mit Hilfe des Ocularmikrometers bei verschiedenen Objeetiven je nach der Länge der Elemente ausgeführt. In den nachfolgenden Tabellen ist die mittlere Länge der Elemente in den Theilstrichen des Ocular- mikrometers angegeben. Pinus silvestris. Ein etwa 4m langer, 17jähriger Ast, welcher etwa so gekrümmt war, wie in der Fig. 18 angegeben ist. A u rDmmz 8 Pr u —— mg = Im” Fig. 18. Es wurde das Holz einiger Jahresringe an den Stellen A, Bund C untersucht, 223 Tabelle 1.) Mittlere Längendife-| Anzahl der Länge der |renz zw.Ober-| gemessenen ! Tracheiden |n. Unterseite, Tracheiden A. 1. Jahresring, Oberseite. . . . 32,8 + 55% 145 Unterseite . sl, 222 R . Frühlin „sholz 43,8 120 8. Jahresring, Oberseite ! 5 ’ | \ 7 5 Herbstholz . | 36,6 40,2 +50 162 Unterseitef"n8cholz 34,7 314 143 Herbstholz . | 40,0 ’ 110 . . 9,8 138 6. Jahresring, Oberseite [ Frühlingsholz | 49, | 30 5 Herbstholz . | 59,81 48 | 722,30 36 Orte te 412 44.8 45 Herbstholz . | 42,5 ’ 88 9. Jahresring, Oberseite . . 58,7 + 16,79), 125 Unterseite . . . 50,3 89 12. Jahresring, Oberseite 2. 587 | +23,00%, 138 Unterseite . B . a,7 136 B. 1. Jahresring, Oberseite 5 . . 29,1 + 3,20%, 364 Unterseite . . . 28,2 356 2. Jahresring, Oberseite on 38,5 | +21,80, 180 Unterseite . . . 31,6 255 6. Jahresring, Oberseite . . . 52.3 + 30,7%, 141 Unterseite . 0. 40,4 28 12, Jahresring, Oberseite rn 643 | +12,69, 97 Unterseite . . . 57,1 40 C 1. Jahresring, Oberseite En 28,9 199 Unterseite . . . 29,0 + 080% 320 Aus dieser Tabelle ist zu sehen, dass bei der gemeinen Kiefer in allen Jahresringen die Tracheiden an der oberen Seite eines Astes länger als an der unteren Seite sind und in den auf einander folgenden Jahres- ringen diese Differenz im Ganzen immer grösser wird. Das Anwachsen der Längendifferenz ist wahrscheinlich in Wirklichkeit gleichmässiger als in der angeführten Tabelle, da die unregelmässigen Sprünge hier haupt- sächlich in den Fällen aufgetreten sind, wo die Anzahl der gemessenen Tracheiden unbedeutend war. Nur im Theile C, in dem hier allein untersuchten 1. Jahresringe, zeigten die Tracheiden der Ober- und 1) Bei den Tracheiden der Coniferen entspricht immer eine Theilung des Mikrometers }/.,mm. 224 Unterseite fast vollkommen gleiche Länge. — Das Verhältniss der Länge bei den Frühlingsholz- und Herbstholztracheiden kann in den einzelnen Jahresringen verschieden sein. So war im Theile A im 3. und 6. Jahresringe dieses Verhältniss gerade das umgekehrte. Es ist kaum zu zweifeln, dass solche Schwankungen im Längenverhält- niss der Tracheiden des Frühlings- und llerbstholzes innerhalb der verschiedenen Jahresringe durch die meteorologischen Verhältnisse zu verschiedenen Zeiten der Vegetationsperiode bedingt werden. Pinus Strobus, A. Einjähriger, im Winter genommener Ast, dessen unterer Theil unter einem Winkel von etwa 75° zum Stamme gerichtet war und welcher der ganzen Länge nach in weitem Bogen so gekrümmt war, dass seine Spitze nur einen kleinen Winkel mit dem Vertieale machte, wie das in der Fig. 19 ange- geben ist. Das Holz war an den Stellen I, II, ll und IV untersucht. Fig. 19. Tabelle 2, | Mittlere |Längendiffe- | Anzahl der | Länge der |renzzw.Ober-| gemessenen | Tracheiden | u. Unterseite) Tracheiden I. Oberseite . . . . 54,8 +1,90, 1146 ° Unterseite . . . . 53,3 1137 U. Oberseite . . . . 69,2 +2,80, 876 Unterseite B . . . 67,3 987 III. Oberseite . . . . 68,8 + 4,00%, 754 Unterseite . B B . 66,2 754 IV. Oberseite . . . B 65,2 - 6,00), 580 Unterseite B . - . 61,5 689 IV. Oberseite oo. 0. 62,9 + 739%, 674 (daneben) Unterseite . . . 58,6 916 B % Pinus Strobus, B. Zweijähriger Ast desselben Baumes, welcher ähnlich wie der vorhergehende gekrümmt war, mit dem Stamme aber einen etwas grösseren Winkel (etwa 80°) bildete. Zwei- jähriger Theil dieses Astes war ca. 45cm lang, und hier wurde das Holz der beiden Jahresringe an zwei Stellen — etwa 5em vom oberen Ende (Theil I) und etwa 5em vom unteren Ende (Theil D) des zweijährigen Asttheiles — untersucht, 225 Tabelle 3. \ Mittlere |Längendiffe- |; Anzahl der Länge der |renzzw.Ober-| gemessenen Tracheiden |u. Unterseite| Tracheiden Theil I. ı. Jahresring, Oberseite . . 60,4 00 593 Unterseite . . 60,4 ’ 640 2. Jahresring, Oberseite . . 76,0 + 800, 458 Unterseite ,„ . 70,4 512 Theil II. 1. Jahresring, Oberseite . - 86,4 414,409, | 356 Unterseite . . 75,5 669 2. Jahresring, Oberseite . . 70,3 + 10,20) 562 Unterseite . . 63,8 8387 Es zeigt sich also, dass auch bei Pinus Strobus die Tracheiden an der oberen Seite der Aeste länger sind als an der unteren Seite. Die Längendifferenzen sind aber in verschiedenen Theilen eines Jahrestriebes verschieden, und zwar am grössten im unteren Theile des Triebes, um gegen seine Spitze allmählich abzunehmen — was mit besonderer Regelmässigkeit sich im Triebe A (Tabelle 2) ausge- sprochen findet. Dasselbe Verhältniss wiederholt sich in beiden Jahres- ringen des 2jährigen Astes B (Tabelle 3), nur ist er in denselben quantitativ ungleich: während im 1. Jahresringe die an der Basis des Astes sehr bedeutende Längendifferenz (14,4°,) an seinem oberen Ende vollständig verschwindet, ist im 2. Jahresringe selbst im oberen Ende des Astes diese Differenz noch bedeutend (8,0°/,), wenn auch merklich kleiner als im unteren Ende des Astes') (10,2 %,). Larix europaea, lOjähriger, etwa 2!jam langer Ast. Im entblätterten Zustande (im Winter) war der untere, ca. ®jım lange Theil des Astes horizontal gerichtet, während der ganze übrige Theil so gekrümmt war, dass der Trieb des letzten Jahres ganz vertical stand. An verschiedenen Stellen des aufwärts gekrümmten Theiles war das Holz des letzten Jahresringes untersucht und zwar: I. im unteren Theile des Endtriebes, wo er noch beinahe vertfical war; 1) Die Länge der Tracheiden kann bei P. Strobus in demselben Jahresringe von etwa 30 -40 bis zu 120-150 Theilstrichen des Mikrometers schwanken. Es mussten darum für jeden einzelnen Fall die Elemente aus 4-5 verschiedenen Holzsplittern und zwar in ihrer ganzen Breite genommen werden. In einzelnen solchen Splittern konnte manchmal die mittlere Länge der Tracheiden z. B. von 46,4 bis 60,5 Theilungen schwanken, und nur bei sehr grosser Anzahl der ;emessenen Elemente konnten ganz gesetzmässige Zahlen gewonnen werden. Flora, Ergänzgsbd. 1901. 15 226 II. im zweijährigen, um etwa 60° aufgerichteten Theile; III. im vier- jährigen Theile, welcher um etwa 40° aufgerichtet war, und IV. in dem schon horizontalen, siebenjährigen Theile des Astes. Tabelle 4. Mittlere | Längendiffe- Anzalıl der Länge der |renzzw.Ober-, gemessenen Tracheiden | u, Unterseite | Trachejden 1. 1. Jahresring, Oberseite . . 59,0 + 3,00], 993 Unterseite . . 57,3 963 H. 2. Jahresring, Oberseite . . 88,3 + 5,00), 126 Unterseite . . 83,6 821 Il. 4. Jahresring, Oberseite . . 123,0 203 Unterseite . . 124,2 -r 1,00%, 361 IV. 7. Jahresring, Oberseite . . 145,0 + 14,80], 229 Unterseite . . 126,5 ° 250 Somit zeigte die Lärche mehr verwickelte Verhältnisse als die Kiefern. Zwar erwiesen sich auch hier meistens die Tracheiden länger an der Oberseite des Astes, doch hält sich in den beiden ersten Jahres- ringen die Längendifferenz ziemlich unbedeutend und im vierten Jah- resringe kehrt selbst das Verhältnis ganz um. Erst im siebenten Jahres- ringe tritt eine bedeutende Längendifferenz zu Gunsten der Oberseite auf. Picea excelsa. Es wurde das Holz einiger Jahresringe in den Aesten der beiden oben besprochenen Formen der Fichte unter- sucht, wobei in den entsprechenden Asttheilen jedesmal der letzte Jahresring untersucht wurde. Form A mit sehr stark aufgerichteten Hauptästen; der unter- suchte Theil des Astes war um etwa 80° aufgerichtet. Tabelle 5. Mittlere |Längendiffe- | Anzahl der Länge der |renzzw.Ober-| gemessenen Tracheiden | u. Unterseite | Tracheiden 1, Jahresring, Oberseite . . . 69,1 + 5,00), 687 Unterseite . . . 65,2 873 2. Jahresring, Oberseite . . . 75,9 608 Unterseite . . . 89,6 + 18,00], 618 4. Jahresring, Oberseite . . . 93,0 659 Unterseite . . . 127,4 -+ 37,00), 425 Form B. Der untersuchte Ast war in seinem oberen Theile nicht mehr als um etwa 35—40° aufgerichtet, 227 Tabelle 6. Mittlere |Längendiffe-| Anzahl der : Länge der renzzw.Ober-| gemessenen | Tracheiden | u. Unterseite | Tracheiden tl. Jahresring, Oberseite . . B 63,9 + 8,80%, 780 Unterseite . . . 58,7 742 2. Jahresring, Oberseite . . . 78,6 + 0,80), 1062 Unterseite . . . 78,4 1083 4. Jahresring, Oberseite . . . 114,7 + 20,60), 479 Unterseite . . . 102,1 583 Die Fichte A hat also ein von den anderen ÜOoniferen ganz ab- weichendes Verhalten erwiesen. Im ersten Jahresring sind auch hier die Tracheiden der oberen Seite des Astes länger als diejenige der unteren; aber schon im zweiten Jahresringe wird das Längenverhält- niss umgekehrt und im vierten Jahresringe sind die Tracheiden der Unterseite mehr als um ein Drittel länger als diejenige der Ober- seite. Die Fichte B verhält sich im Ganzen wie die Kiefern, d. h. in allen dreien untersuchten Jahresringen zeigten eine grössere Länge die Tracheiden an der Oberseite des Astes. Doch kann auch hier die bei der Form A so scharf aufgetretene Abweichung spurweise verfolgt werden. Man findet nämlich die im ersten Jahresringe schon so bedeutende Längendifferenz zu Gunsten der Oberseite, im zweiten Jahresringe beinahe auf Null sinken, was offenbar dem völligen Um- kehren des Längenverhältnisses in den nächsten Jahresringen bei der Form A entspricht. Bei der letzteren habe ich ältere Theile des Astes leider nicht untersucht; es ist aber mit Wahrscheinlichkeit vorauszusagen, dass in den späteren Jahresringen das Längenverhält- niss sich hier nochmals zu Gunsten der Oberseite ändert — was bei der Form B schon im vierten Jahresringe geschieht. Später werden wir die wahrscheinlichen Bedingungen aller dieser Verhältnisse näher zu betrachten haben. In derselben Weise wurden auch die Holzelemente in den Aesten einiger Laubbäume, nämlich Aesculus Hippocastanum, Tilia platy- phyllos und Ulmus campestris untersucht. 15* 228 Aesculus Hippocastanum. Der untersuchte Ast von fast 2m Länge war sehr regelmässig in der in Fig. 20 angegebenen Weise gekrämmt. Die Elemente, Fasern und Gefässglieder wurden an den Stellen A etwa 18cm, B etwa 70cm und C etwa 105cm von der Basis des Astes gemessen. Der grossen Breite der Jahresringe wegen wurden im ersten Jahresringe nur die Elemente des Herbst- holzes gemessen; in den anderen Jahresringen wurden nur die Elemente aus ihrem äusseren und inneren Theile gemessen und in der unten folgenden Tabelle sind die Mittelzahlen aus diesen beiden Messungen angeführt. Tabelle 7.) Mittlere Länge Längendifferenz Anzahl der der der gemessenen Fasern Gefüss- Fasern Gefüss- F Gefäss- glieder glieder SEN) „Jieder A. 1. Jahresring, Oberseite 28,7 | 83,2 270 | 154 Unterseite | 31,8 | 34,4 | 410,80, | +3,60%, | 198 | 147 3, Jahresring, Oberseite 36,8 | 41,7 | + 2,09%, | +8,60, : 407 | 271 Unterseite | 86,1 | 38,4 296 | 165 6. Jahresring, Oberseite | 41,9 | 42,5 | + 8,00, | +2,70, | 418 | 339 Unterseite | 38,9 | 41,4 | 558 | 278 10. Jahresring, Oberseite 46,0 | 38,8 | 483,000, | +5,20, | 464 | 336 Unterseite | 34,7 | 836,9 " : 501 | 343 B. 1. Jahresring, Oberseite 27,8 | 32,7 297 | 262 Unterseite | 29,7 | 351 | + 7,00, | +74 % 342 | 155 4. Jahresring, Oberseite 34,8 | 39,3 658 | 445 Unterseite | 35,6 | 424 + 2,30, | -+8,00, | 667 | 459 9. Jahresring, Oberseite 36,6 | 40,5 | + 7,00, | +6,60), 342 | 166 Unterseite | 34,2 | 38.0 |‘ 343 | 184 C. 1, Jahresring, Oberseite 27,5 | 34,0 +4,00), 851 | 305 Unterseite | 29,0 | 3827| + 5,5 %, 8350 | 228 3, Jahresring, Oberseite 36,2 | 388,5 | +14,00, ' +08 %, 285 | 208 Unterseite | 31,8 | 38,2 368 | 277 7. Jahresring, Oberseite 34,6 | 39,1 | + 9,50, | +5,79 320 , 215 Unterseite | 31,6 | 37,0 367 | 306 Bei der ‚Betrachtung dieser Tabelle ergibt sich vor Allem, dass das Verhältniss der Länge auf der Ober- und Unterseite sich für die 1) Für die Fasern entspricht eine Mikromet i i th 1 ü - füssglieder 1/, mm. ertheilung I/„mm, für die Ge 229 Fasern und Gefässglieder immer im gleichen Sinne ändert. Es zeigt sich dabei, dass bei Aesculus Hippocastanım an allen drei unter- suchten Stellen im ersten Jahresringe die Holzelemente an der un- teren Seite des Astes länger sind als an seiner oberen Seite. Nur im Theile C erwiesen sich die Gefässglieder länger an der oberen Seite, wenn auch hier die Mittelzahl aus diesen und den Fasern eine grössere Durchschnittslänge für die Elemente der Unterseite ergibt. Im Gegensatz hierzu haben die Holzelemente in den späteren Jahres- ringen, wie meistens bei den Coniferen, an der oberen Seite des Astes eine grössere Länge. Da in den Theilen A und C dieses letztere Verhältniss schon im 3, Jahresririge auftritt, so ist es als eine Ab- weichung anzusehen, dass bei B noch im 4. Jahresringe die Elemente der Unterseite eine grössere Länge aufwiesen. In dem untersuchten Aste von Aeseulus rubicunda erwiesen sich die Elemente an einer Stelle schon im 1., ebenso wie in allen späteren Jahresringen, an der oberen Seite länger als an der un- teren. An einer anderen Stelle waren aber, wie bei der gemeinen Rosskastanie, die Holzelemente im 1. Jahresringe an der oberen Seite des Astes länger. . Tilia platyphyllos. Ein fast horizontaler Ast. Tabelle 8.1) Mittlere Länge Längendifferenz Anzahl der der der gemessenen IGefäss- | Gefäss- u IGefäss- Fasern glieder Fasern | glieder Faso! glieder 765 | 8386 4,20), | 588 | 301 5,30, | 916 | 217 782 | 164 1. Jahresring, Oberseite 62,0 45,1 Unterseite | 64,5 | 47,0 | +4,09 2. Jahresring, Oberseite 74,0 | 49,4 -+ 6,30), | Unterseite | 69,5 46,9 | Hier sind also, ebenso wie bei der Rosskastanie, im ersten Jahresringe die Holzelemente länger an der oberen Seite des Astes, während schon im zweiten Jahresringe das umgekehrte Verhältniss eintritt, Ulmus campestris. Achtjähriger Theil eines horizontalen Astes, Es wurden nur die Fasern gemessen. 1) Für die Fasern und Gefässglieder entspricht eine Mikrometertheilung Yo mm. 230 Tabelle 9.) Mittlere , . Anzahl der Länge der Längendiffe- gemessenen Fasern renz Fasern 1. Jahresring, Oberseite . . . 26,0 558 Unterseite . . . 27,2 + 4,60% 575 3 letzte Jahresringe zusammen?), Oberseite 42,9 + 8,60, 367 Unterseite 39,5 362 8, Jahresring allein, Oberseite . . 49,4 + 27,30), 495 Unterseite . . 38,8 479 Bei der Ulme wiederholt sich somit das auch bei allen anderen untersuchten Laubbäumen beobachtete Verhalten, dass nämlich im ersten Jahresringe die Holzelemente an der unteren Seite des Astes länger als an dessen oberer Seite sind. In den späteren Jahresringen sind im Gegentheil die Elemente der oberen Seite des Holzeylinders länger und zwar im Ganzen desto mehr je näher an die Peripherie des Holzeylinders, Ungeachtet der grossen Schwierigkeiten, welche die ausserordent- lich schwankende Länge der gleichartigen Holzelemente für die Unter- suchung bietet, ergeben doch die über eine genügende Anzahl solcher Elemente ausgeführten Messungen ganz bestimmte Resultate. Die Gesetzmässigkeit der gefundenen Längenverhältnisse, welche in allen von mir untersuchten Fällen sich in bestimmter Weise wiederholen, beweisen unzweifelhaft, dass die von mir erhaltenen Mittelzahlen für die Länge der Holzelemente einer reellen physiologischen Erscheinung zum Ausdruck dienen. So zeigen also bei den Kiefern vom ersten Jahresringe an die Holzelemente an der oberen Seite der Aeste eine grössere Länge als an der unteren. Im Ganzen dasselbe Verhältniss besteht auch bei der Lerche und bei der Fichte‘ B, doch ist bei diesen Bäumen deutlich zu verfolgen, dass die Ursache, welche ein stärkeres Wachsthum der Elemente der Oberseite bedingt, in den ersten Jahres- ringen weniger wirksam ist und scheinbar mit einem entgegenwirken- den Factor zu kämpfen hat, da die Längendifferenzen zu Gunsten der Oberseite in diesen Jahresringen noch ziemlich unbedeutend und schwankend sind, ja selbst in umgekehrtes Verhältnis umschlagen können; erst in späteren Jahresringen tritt die Längendifferenz im besagten Sinne scharf hervor. Bei der Fichte A, entsprechend dem bei den letztgenannten Arten beobachteten schwankenden Verhält- 1) Eine Mikrometertheilung entspricht 1/,, mm. 2) Die Jahresringe waren sehr schmal und schwer zu isoliren. » 231 nisse, ist mit Ausnahme des ersten Jahresringes eine sehr scharf aus- gesprochene Längendifferenz der Holzelemente zu Gunsten der Unter- seite zu constatiren. Was die Laubbäume (Rosskastanie, Linde, Uime) betrifft, so sind hier, wenigstens im ersten Jahresringe, immer die Elemente der unteren Seite des Holzeylinders länger; weiter kehrt aber auch hier dieses Verhältniss um und in allen späteren Jahres- ringen haben die Holzelemente der oberen Seite eine grössere Länge. Das überwiegende Längenwachsthum der secundären Holzelemente an der oberen Seite der Aeste kann sowohl durch eine innere als auch durch eine äussere Ursache bedingt werden. Es wäre nämlich möglich, an eine physiologische Bilateralität zu denken, der zufolge die Holzelemente der morphologisch oberen Seite der Aeste selbstän- diges Streben besitzen stärker in die Länge zu wachsen, wenn auch schon einer solchen Voraussetzung die bei den Laubbäumen beob- achtete Erscheinung widerspricht, wo im ersten Jahresringe das betr. Längenverhältniss dem in den späteren Jahresringen bestehenden ge- rade umgekehrt ist. Das stärkere Wachsthum der Holzelemente an der oberen Seite eines horizontalen oder nur geneigten Astes kann aber auch durch die mechanische Ursache hervorgerufen werden. Naoh den schon früher erwähnten Versuchen von M. Scholtz und R. Hegler soll eine genügend starke mechanische Dehnung das Wachsthum eines Stengels beschleunigen. Die obere Seite der ge- neigten Aeste bleibt durch die Einwirkung der eigenen Schwere einer stetigen Dehnung unterworfen und den genannten Autoren zufolge ist selbst eine schwache aber langandauernde Dehnung im Stande, das Wachsthum zu beschleunigen. Wird nun das stärkere Wachs- thum der Holzelemente an der oberen Seite der Aeste wirklich durch mechanische Dehnung bedingt, so müssen in einem umgekehrt ge- wendeten Aste die Elemente an der entgegengesetzten, d. h. mor- phologisch unteren Seite sich stärker verlängern. Eine Voraussetzung, dass etwa bei jeder neuen Lage des Astes seine Bilateralität sich entsprechend änderte, ist wenig wahrscheinlich, da bis jetzt kein Fall bekannt ist, wo die einmal indueirte Bilateralität sich im entwickeln- den Organe je änderte. Ich glaubte darum die Frage durch die Versuche zu entscheiden, bei denen entweder die Aeste in eine um- gekehrte Lage zum Horizonte gebracht oder ihre Enden unterstützt wurden, um den Einfluss der eigenen Schwere zu eliminiren, und darauf wurden die bei diesen neuen Bedingungen gebildesen Holz- elemente untersucht. In der ersten Art wurden die Versuche mit Kiefern, in der zweiten Art mit Laubbäumen gemacht. Nachdem 232 die Triebe eben aufgehört hatten, in die Länge zu wachsen, wurden die Stämmehen von Pinus Strobus und P. Pumilio in horizontaler Lage angebunden, wobei die jetzt auf der oberen Seite des horizon- talen Stammes befindlichen Seitentriebe mit ihrer morphologisch oberen Seite nach unten gekehrt wurden. Der Stamm von P. Strobus ist ia dieser Lage während zweier Vegetationsperioden geblieben, worauf in einem auf seiner oberen Seite sitzenden, jetzt zweijährigen Aste die Tracheiden der beiden Jahresringe in dem von der Basis etwa 5cm entfernten Theile gemessen wurden. Tabelle 10, Mittlere |Längendiffe-) Anzahl der Länge der irenzzw.Ober-; gemessenen Tracheiden |u. Unterseite| Tracheiden 1. Jahresring. Physikalisch obere (mor- pholog. untere) Seite 53,6 738 Physikalisch untere (mor- pholog. obere) Seite. 57,3 + 6,9% 429 1. Jahresring daneben. Physikalisch obere (morpholog. untere) Seite 60,2 + 14,79%, 932 Physikalisch untere (mor- “ pholog. obere) Seite . 52,5 664 Im Mittel von beiden vorhergehenden Be- stimmungen. Physikalisch obere (mor- pholog untere) Seite 56,9 + 3,50%, Physikalisch untere (mor- pholog. obere) Seite . 54,9 2. Jahresring. Physikalisch obere (mor- pholog. untere) Seite 59,1 1056 Physikalisch untere (mor- pholog. obere) Seite . 62,2 + 5,99%, 1147 In dieser Tabelle wiederholt sich der Fall, der mir einmal auch im normalen Aste von Pin. Strobus vorkam, dass nämlich an zwei benachbarten Stellen des Astes die Tracheiden desselben Jahresringes ein umgekehrtes Längenverhältniss zeigen. Wie aber bei dem nor- malen Aste im Mittel von zwei solchen Stellen eine ganz gesetz- mässige Zahl erhalten wurde (Tabelle 3, Theil II, 2. Jahresring), so dürfte auch im gegebenen Falle die von beiden Bestimmungen er- haltene Mittelzahl als zuverlässig angesehen werden. Diese Mittelzahl ergibt aber eine grössere Länge (3,5 °%%) für die Tracheiden der phy- sikalisch oberen, wenn auch morphologisch unteren Seite. Im 2. Jahres- ringe zeigten die Tracheiden der physikalisch unteren Seite wieder 298 eine grössere Länge. Leider wurde hier nur eine Bestimmung ge- macht ; nach den vorhergehenden Fällen liegt aber einige Wahrschein- lichkeit vor, dass auch hier im benachbarten Aststücke ein um- gekehrtes Längenverhältniss erscheinen würde. Ich mache darauf aufmerksam, dass, während mir im normalen Aste solches Schwanken in der Länge der Elemente nur einmal vorkam, es sich im umge- kehrten Aste in den beiden Jahresringen wiederholt. Das kann eben so aufgefasst werden, dass in diesem letzteren Falle die zum Theil vererbte Neigung zum stärkeren Wachsthum an der morpho- logisch oberen Seite mit der ihr entgegengesetzten Wirkung der neuen mechanischen Bedingungen zusammentrifft. Es ist somit Grund zu glauben, dass das stärkere Wachsthum der Tracheiden an der oberen Seite der Aeste von Pin. Strobus nicht etwa durch die morphologischen, sondern vielmehr durch die mechanischen Bedingungen bestimmt wird. Die in horizontaler Lage angebundenen Exemplare von Pinus Pumilio zeigten ein etwas verschiedenes Verhalten. Bei dem einen änderten die auf der oberen und der unteren Seite des Stammes be- findlichen Seitentriebe zum Schlusse der Vegetationsperiode nur wenig die ursprüngliche, zu dem Stamme symmetrische Lage, während bei zwei anderen die an der unteren Seite inserirten Triebe so schnell sich zu senken begannen, dass sie schon in der Mitte des Sommers fast vertical abwärts gerichtet waren. Anfangs October war ein solcher abwärts gerichteter und ein ihm auf der oberen Seite entgegenstehen- der, annähernd horizontaler Trieb abgeschnitten und in beiden die Tracheiden an einer um etwa lcm von der Basis entfernten Stelle gemessen worden, Tabelle 11. j Mittlere |Längendiffe- | Anzahl der Länge der !renzzw.Ober-; gemessener Tracheiden |u. Unterseite | Tracheiden Der obere Trieb. Physikalisch obere (morpholog. untere) Seite 84,5 + 14,00%, 966 Physikalisch untere (morpholog. obere) Seite 74,1 1221 Der untere Trieb. Physikalisch (und auch h morpholog.) obere Seite 35 | + 06 1298 Physikalisch (und auch | | morpholog.) untere Seite 84,0 | 584 Somit bei dem auf der oberen Seite des horizontalen Stammes stehenden Triebe, bei welchem die morphologisch untere zur physi- kalisch oberen Seite gemacht wurde, zeigten sich im Gegensatz zu 234 den normalen Aesten der Kiefern die Tracheiden eben an dieser Seite länger und zwar um 14°|,. Bei dem auf der unteren Seite des Stammes befindlichen Triebe waren ebenfalls länger die Tracheiden an der physikalisch (hier auch morphologisch) oberen Seite, doch bloss um 0,6%. Eine so unbedeutende Längendifferenz kann hier vielleicht durch den Umstand erklärt werden, dass beim sehr schnell vor sich gegangenen Sinken dieses Triebes der grosse Theil seiner Secundärelemente bei einer Lage des Triebes gebildet wurde, wo seine eigene Schwere nicht mehr eine merkliche Dehnung der Ober- seite bedingen konnte. Da in den normalen Aesten der Kiefern eine grössere Länge immer die Tracheiden der morphologisch oberen Seite besitzen, wäh- rend die bei umgekehrter Lage der Aeste gebildeten Holzelemente in den meisten Fällen auch umgekehrtes Längenverhältniss aufweisen, so hat man Grund zu schliessen, dass das stärkere Längenwachsthum der Tracheiden in der oberen Hälfte des Holzeylinders durch die eigene Schwere der Aeste bedingt wird. Dafür spricht auch der Umstand, dass in einem Aste, welcher die etwa in der Fig. 19 ab- gebildete Form besitzt, die Längendifferenz der Tracheiden gegen das freie Ende des Astes sich allmählich vermindert, wie aus der Tab. 2 (auch aus der Tab. 3 für den ersten Jahresring) zu sehen ist. In der That muss ja in einem wie in der Fig. 19 gekrümmten Aste, dessen einzelne Theile unter sehr verschiedenen Winkeln zur Loth- linie geneigt sind, die eigene Schwere nach der Maassgabe dieser Winkeln einwirken. Im zweiten Jahresringe aber, bei dessen Bildung die Spitze des Astes mit einem neuen Triebe belastet war, tritt schon im apicalen Ende des zweijährigen Theiles eine sehr bedeutende Längendifferenz zu Gunsten der Oberseite auf (Tab. 3). Mit Aesculus Hippocastanum, Tilia platyphyllos und Ulmus cam- pestris wurden die Versuche in anderer Weise angeordnet. Vor Anfang der Vegetationsperiode wurden nämlich mehrjährige Aeste der genannten Bäume ungefähr in der Mitte ihrer Länge mit Schnur oder Draht umschlungen und an die höher stehenden Aeste gleich- sam aufgehängt, wobei sie gegen ihre frühere Lage etwas gehoben wurden. Der obere Theil der Aeste schwebte also frei und wurde der Einwirkung der eigenen Schwere wie früher unterworfen, während ihr unterer Theil an beiden Enden unterstützt wurde. Nach der Be- endigung der Vegetationsperiode wurden in solchen Aesten die Holz- elemente des letztgebildeten Jahresringes zu beiden Seiten der unter- stützten Stelle gemessen. 235 Aesculus Hippocastanum. Es wurde das Holz beiderseits in Abstand von etwa 5mm von der umschlungenen Stelle untersucht. Die untersuchten Regionen waren um etwa 15mm von einander ent- fernt. In Laufe der letzten Vegetationsperiode wurde hier der sechste Jahresring gebildet. Tabelle 12.) Mittlere Länge Längendifferenz Anzahl der der bei den gemessenen Gefäss- Gefäss- N |Gefüss- Fasern| . Fasern . Fasern| . glieder : gliedern glieder Oberhalb d. unterstütz- ! ten Stelle, Oberseite | 59,0 | 46,0 | +5,3%, | +3,40), | 1266 | 259 Unterseite | 56,0 | 44,5 930 152 Unterhalbd.unterstütz- ton Stelle, Oberseite | 60,9 | 46,3 | +7,60, | 46,90), | 877 | 258 Unterseite | 56,6 | 43,8 i 1220 291 Tilia platyphyllos. Ks wurden die Holzelemente in Abstand von etwa lOmm zu beiden Seiten der unterstützten Stelle gemessen. Oberhalb dieser Stelle wurde der sechste, unterhalb derselben der siebente Jahresring gebildet. Tabelle 13.2) ! Mittlere Länge Längendifferenz Anzahl der | der bei den | gemessenen I" u nn T Fr | Gefäss- Gefäss- \ Gefäss- ıF i F I. Kasern glieder Fasern gliedern ABern | glieder Oberhalb d. unterstütz- | | ten Stelle, Oberseite | 78,3 —+ 16,80), 1286 Unterserseite | 67,1 . 1133 Unterhalb .d. unterstütz- ten Stelle, Oberseite | 77,4 | 49,5 | +14,20, | +7,80, | 1141 | 3983 Unterseite | 67,8 | 45,9 | | 820 | 279 Ulmus campestris. Aus dem freien Theile des Astes wurde das Holz im Abstand von etwa Icm oberhalb der unterstützten Stelle untersucht, wo zuletzt der siebente Jahresring gebildet wurde. Unter- halb der unterstützten Stelle wurde das Holz im Abstand von etwa 30cm von derselben zur Untersuchung genommen; hier schien der letzgebildete Jahresring der zehnte zu sein. In den äusseren, sehr 1} Eine Mikrometertheilung entspricht für beide Formen der Elemente 1/omm. 2) Eine Mikrometertheilung entspricht !/, „mm. 236 schmalen Jahresringen bestand das Holz hauptsächlich aus den Ge- fässen und Tracheiden, die auch allein gemessen wurden. Tabelle 14.1) Mittlere |Längendiffe- | Anzahl der !: Länge der renz der | gemessenen Elemente | Elemente Elemente Oberhalb der unterstützten Stelle, | ' Oberseite . . . | 34,8 i 469% 607 Unterseite . . . . . . 32,8 | 393 Unterhalb der unterstützten Stelle, | Oberseite . . . . . . 33,6 492 Unterseite . . . . . . 34,8 | +3,60, 570 Aus den angeführten Tabellen ist zu sehen, dass in Betreff der Linde und der Rosskastanie die Resultate ungünstig ausfielen. Bei diesen Bäumen sowohl oberhalb als unterhalb der unterstützten Stelle ergab sich eine grössere Länge bei den Elementen der oberen Seite der Acste. Solcher Befund entspricht aber wahrscheinlich nicht dem wirklichen Stand der Sache. Der leider zu spät bemerkte Fehler bestand darin, dass unterhalb der unterstützten Stelle das Holz bei- nahe dicht an dieser Stelle, also in einer Region untersucht wurde, wo durch die Last des frei schwebenden (jedesmal etwa Im langen) Theiles der lose untergebundene Ast nach abwärts übergebogen werden musste. In der That wurde bei der Ulme, in einer etwa 30cm unterhalb der unterstützten Stelle gelegenen Region ganz an- deres Resultat erhalten. Zwar konnten hier die Gefässelemente allein gemessen werden, doch zeigten in den normalen Aesten die Gefäss- glieder in allen Fällen dasselbe Verhalten wie die Faserelemente, d. h. mit Ausnahme der ersten Jahresringe, sie waren immer länger an der oberen Seite des Astes. Ja in dem nämlichen Aste der Ulme, oberhalb der unterstützten Stelle zeigten die Gefässglieder, wie immer, eine grössere Länge an der oberen Seite des Astes. Da- rum darf der Thatsache, dass unterhalb dieser Stelle die Gefäss- elemente ein dem normalen ganz umgekehrtes Verhalten erwiesen haben, eine Beweiskraft zugesprochen werden. Wie ich schon oben bemerkt habe, wurden die Aeste beim Aufhängen etwas heraufge- hoben, wobei ihr unterer Theil möglicher Weise schwach aufwärts gebogen und somit an der unteren Seite gedehnt wurde. Dieser Um- stand mag zum Theil die im betreffenden Falle beobachtete Ueber- 1) Eine Mikrometertheilung entspricht hier Ygys mm, 287 verlängerung der Holzelemente an der Unterseite des Astes bedingt haben, doch die Hauptrolle ist darin wahrscheinlich dem weiter unten zu besprechenden Agente zuzuschreiben. Aus allen beschriebenen, mit Nadel- und Laubbäumen ausge- führten Versuchen darf somit der Schluss gezogen werden, dass das stärkere Längenwachsthum der Holzelemente an der oberen Seite der geneigten Aeste durch die Einwirkung der mechanischen Dehnung bedingt wird. Da verschiedene, durch äussere Factoren hervorge- rufene Erscheinungen, wenn sie sich regelmässig wiederholen, die Neigung erlangen, eine Zeit lang auch selbständig aufzutreten, so kann die Ueberverlängerung der Holzelemente an der morphologischen Oberseite, die an den umgekehrten Aesten manchmal (Pinus Strobus) auch unabhängig von der mechanischen Dehnung eintritt, einer solchen Neigung zugeschrieben werden. Bei den Kiefern, wo beim Beginn des secundären Verdickungs- processes die Triebe schon dick und schwer sind, indueirt ihre eigene Schwere schon im ersten Jahre das stärkere Wachsthum der Holz- elemente an der Oberseite der Aeste. Bei den Laubbäumen haben im Gegentheil die Elemente der unteren Seite des Holzcylinders im ersten Jahresringe eine grössere Länge. Bei einigen Baumarten sind, wie wir gesehen haben, die schon ausgewachsenen Triebe im Stande, durch das nachträgliche Wachsthum des Rindenparenchyms sich geo- tropisch aufwärts zu krümmen. In solchen Fällen könnte man ge- neigt sein, die Ueberverlängerung der Holzelemente an der unteren Seite der Aeste der bei dem geotropischen Aufwärtskrümmen er- folgenden Dehnung dieser Seite zuzuschreiben. Bei der Mehrzahl der Bäume findet aber ein solches Aufwärtskrümmen der schon verholzten Triebe nieht mehr statt, und hier kann das stärkere Wachsthum der secundären Holzelemente an der Unterseite der Aeste durch nichts Anderes als durch den negativen Geotropismus dieser Elemente erklärt werden, welche somit bei ihrer Entwiekelung gleich den pri- mären Parenchymzellen der Einwirkung der Schwerkraft unterworfen sind. Es ist kein Grund zu glauben, dass die in den späteren Jahren sich bildenden Holzelemente in dieser Beziehung andere Bigenschaften besässen, und doch zeigen die Holzelemente in den späteren Jahres- ringen andere Längenverhältnisse. Wir haben aber noch einen an- deren Factor, nämlich die mechanische Dehnung, kennen gelernt, welche in den geneigten Aesten in der dem Geotropismus entgegen- gesetzten Richtung wirkt und ihrerseits im Stande ist, das Längen- wachsthum der secundären Holzelemente zu beeinflussen. Dieses 238 Wachsthum muss darum in den einzelnen Fällen durch den über- wiegenden Einfluss eines von diesen beiden sich entgegenwirkenden Factoren geregelt werden, und eine solche Auffassung macht alle zu beobachtenden Fälle ohne Schwierigkeit verständlich. Bei den Laub- bäumen, wenigstens im ersten Jahresringe, überwiegt immer der Geo- tropismus, weleher wahrscheinlich auch im 2., leider nicht direet untersuchten Jahresringe als bestimmender Factor wirkt, da in der Tab. 7 B sich noch im 4. Jahresringe der Einfluss des Geotropismus als vorherrschend zeigt, wenn auch im Theile A (Tab. 7) schon im 3. Jahresringe die Wirkung der mechanischen Dehnung schwach zu überwiegen anfängt. — In dünnen und biegsamen Aesten der Lärche halten sich in den ersten Jahresringen die beiden Factoren annähernd das Gleichgewicht; wie aus der Tab. 4 zu sehen ist, sind hier die 1—2jährigen Theile der Aeste vorwiegend dem Einfluss der eigenen Schwere unterworfen, während im 4jährigen Theile, welcher schon steifer geworden ist, ohne noch eine bedeutende Last zu tragen, der Geotropismus wieder die Oberhand gewinnt. — Noch interessanter sind in dieser Beziehung die beiden untersuchten Formen der Fichte, weil hier die Längenverhältnisse der Holzelemente sichtlich in Be- ziehung zu dem Habitus der Bäume stehen. Im ersten Jahre, wenn die Triebe noch dünn sind, übt die Dehnung der Oberseite auf die sich entwickelnden Holzelemente den überwiegenden Einfluss aus. Im zweiten Jahre tritt aber schon die Wirkung des Geotropismus, doch bei den beiden Formen in sehr ungleichem Grade, hervor: Bei der Form mit wenig aufgerichteten Aesten reicht der Geotropismus im 2. Jahresringe nur so weit, um dem Einflusse der mechanischen Dehnung fast genau das Gleichgewicht zu halten (Tab. 6), während hier in den späteren Jahresringen diese letztere wieder stark die Oberhand gewinnt. Bei der Form mit beinahe vertical aufgerichteten Aesten tritt der negative Geotropismus der Holzelemente im 2. und noch mehr im 4. Jahresringe so scharf hervor (Tab. 5), dass es möglich erscheinen mag, eben diesem Umstande die dieser Form der Fichte eigene, fast verticale Richtung der Aeste zuzuschreiben. Wir haben früher gesehen, dass selbst 2—3jährige, aus ihrer normalen Lage voraus gebrachten Aeste der nichte fähig sind, sich geotropisch auf- Narr ae ae das Wachsthum des Rindenparenchyms . e geotropische Empfindlichkeit des Paren- chyms in solchen Aesten so schwach, dass sie nicht im Stande zu aufichten. Darum kanı auch da stärkere Längenvachathum dr . as stärkere Längenwachsthum der 239 Holzelemente an der Unterseite der Aeste nicht etwa dem mechani- schen Aufwärtsbiegen der Aeste infolge des Geotropismus ihres Rinden- parenchyms zugeschrieben werden. Wäre dies letztere der Fall, so müsste sich das in den diesjährigen Trieben besonders kenntlich machen, was aber nicht eintritt. Somit sind die secundären Holz- elemente bei der Form A der Fichte unzweifelhaft selbständig negativ geotropisch, und zwar geotropisch sehr empfindlich, weil in den so stark aufgerichteten Aesten dieser Form der Fichte ihr Geotropismus sich noch so scharf ausspricht. Da der morphologische Aufbau der Aeste und somit ihre Schwere bei den beiden Formen der Fichte sich nicht merklich unterscheiden, so ist offenbar bei der Form B entweder die geotropische Empfindlichkeit der sieh entwiekelnden Holzelemente viel schwächer oder der Einfluss der mechanischen Dehnung viel stärker als bei der Form A, und darin mag zum grossen Theile die Ursache des so verschiedenen Habitus bei diesen Formen liegen. Was den Einfluss betrifft, welchen die Ueberverlängerung der Holzelemente an der Oberseite der Aeste auf die Form und die Lage dieser letzteren ausübt, so kann ohne Weiteres nur so viel gesagt werden, dass dieselbe das passive Herabbiegen der Aeste befördert. Bei Pinus Strobus, wo das Sinken der jungen Triebe ziemlich rasch und im Laufe der ganzen Vegetationsperiode vor sich geht, zeigen die Tracheiden im unteren Theile solcher Triebe immer schon eine sehr bedeutende Längendifferenz zu Gunsten der Oberseite. Wenn es auch sehr schwer ist, sich eine genaue Vorstellung über die Form der rein mechanischen Krümmung zu bilden, welche die Aeste ver- schiedener Bäume unter dem alleinigen Einfluss ihrer eigenen Schwere erhalten würden, so müsste doch diese Form von der wirklich beob- achteten eine erheblich verschiedene sein, und zwar würden voraus- sichtlich die oberen Theile der Aeste eine mehr schroffe und plötzlich beginnende Aufwärtskrümmung besitzen. Das stärkere Längenwachs- thum der Holzelemente an der oberen Seite der Aeste scheint nicht allein ihr Abwärtsbiegen zu befördern, sondern macht hauptsächlich dieses Abwärtsbiegen in allen Theilen der Aeste mehr gleichmässig. Diesem Umstande muss es wahrscheinlich zum grossen Theile zuge- schrieben werden, dass die oberen Theile der mehrjährigen Aeste eine so allmähliche Aufwärtskrämmung besitzen, welche bis zu ihrer Spitze sich gleichmässig erstreckt. Kiew, October 1900. . Heterogenssis und Evolution. Fin Beitrag zur Theorie der Entstehung der Arten, Von S. Korschinsky, + Director des Botanischen Gartens zu Petersburg. Mit Bewilligung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg aus dem Russischen übersetzt von $. Tschulok, Zürich, Seitdem im Jahre 1859 das berühmte Werk Darwin’s: „Ueber die Entstehung der Arten“ erschienen ist, begannen viele Gelehrte die Verbreitung und das Vorkommen der Varietäten und Variationen aufmerksam zu untersuchen, um an ihnen den Vorgang der Bildung neuer Arten in der Natur zu verfolgen. Diese Untersuchungen be- reicherten die Wissenschaft mit einer grossen Menge von Thatsachen, verbreiteten Licht über viele räthselhafte und wenig erforschte Er- scheinungen, führten aber in Bezug auf ihr eigentliches Ziel keines- wegs zu den erwarteten Ergebnissen. Einige Autoren verheimlichten nicht ihre Enttäuschung (W.O.Focke), andere fanden zwar in den von ihnen beobachteten Erscheinungen eine gewisse Uebereinstimmung mit der Theorie, die Thatsachen waren aber nicht besonders über- zeugend. Es ist merkwürdig, dass trotz der grossen Zahl der begabten und begeisterten Anhänger der Dar win’schen Lehre die factische Seite des eigentlichen Darwinismus (oder der Transmutation), d. h. der Theorie der Entstehung der Arten durch Zuchtwahl und Häufung der individuellen Merkmale, bis auf unsere Tage fast in demselben Zustande geblieben ist, wie sie von ihrem Schöpfer selbst ausgearbeitet wurde. Die ungeheure darwinistische Litteratur aber, die in den letzten Jahrzehnten entstanden ist, besteht hauptsächlich aus theore- tischen Betrachtungen, in denen die als Beispiele angeführten ver- einzelten Thatsachen völlig verschwinden. Von Anfang meiner wissenschaftlichen Arbeit an untersuchte ich ebenfalls mit besonderem Interesse alle Abweichungen, forschte nach Uebergangsformen und strebte überhaupt, der allmählichen Entwicke- lung der Arten auf die Spur zu kommen. Diese Aufgabe war immer das eigentliche, wenn auch heimliche Ziel aller meiner Excursionen und Reisen in Russland und Sibirien. Allein, je weiter ich forschte, desto tiefere Enttäuschung musste ich erleben. Die Thatsachen waren 241 entschieden nicht mit der Theorie in Einklang zu bringen. Alle Er- scheinungen, die es mir zu erforschen gelang, sprachen für die Ver- änderlichkeit der Arten; aber wie ihre Veränderung und die Ent- stehung neuer Formen stattfindet, blieb mir nach wie vor ein Räthsel. Ich musste endlich das Zugeständniss machen, dass uns die Darwin’sche Theorie in diesem Gebiete die Erscheinungen nicht be- leuchtet hat, welche ebenso dunkel und unklar blieben wie zuvor. Unwillkürlich stellte sich der Zweifel ein, ob denn die Erklärung, welche Darwin für den Entwickelungsprocess gegeben hatte, auch richtig sei. Diese so geistreiche und verlockende Transmutationstheorie, steht sie auch in der That mit der Wirklichkeit in Einklang? Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass die aufsteigenden Zweifel durch die Beobachtung der wildwachsenden Formen allein nicht gelöst werden können, wandte ich mich dem Studium der Ent- stehung neuer Formen in der Gartencultur zu. Bekanntlich bildet die Frage von der Veränderlichkeit der Thiere und Pflanzen in der Cultur eine Grundfrage des Darwinismus. Dieser widmete Darwin besonders viel Zeit und auf ihr baute er in der Hauptsache seine Lehre. Und nichtsdestoweniger musste ich mich bald überzeugen, dass die Schlussfolgerungen, zu denen Darwin in Bezug auf die Ent- stehung der eultivirten Formen gelangt war, auf einer unrichtigen Auf- fassung der Thatsachen beruht. Wenigstens kann ich in Bezug auf die Gartenpflanzen entschieden behaupten, dass kein einziger Züchter jemals zur Gewinnung von neuen Rassen mit individuellen Merkmalen operirte, und dass niemals eine „Häufung“ der letzteren beobachtet wurde. Dagegen sind alle neuen Varietäten (mit Ausnahme der Bastarde), deren Herkunft uns bekannt ist, in Wirklichkeit auf dem Wege plötzlicher Abweichungen aus reinen Arten oder hybriden Formen entstanden. Es fragt sich nun, ob nicht diese plötzlichen Abweichungen auch in der freien Natur eine ähnliche Rolle spielen und ob sich nicht auf diese Weise die Nichtübereinstimmung der Natur und des Vorkommens der Variationen mit der Darwin’schen Theorie erklären lasse. Die Existenz von plötzlichen Abweichungen war Darwin wohl bekannt; allein er legte ihnen zu wenig Bedeutung bei, indem er diese Erscheinung, die ich im Folgenden als Heterogenesis be- zeichnen werde, für eine abnorme, exceptionelle hielt. Aus dem- selben Grunde wurde sie von der Mehrzahl der Darwinianer voll- kommen ausser Acht gelassen. Die Thatsachen, welche von mir in diesem Werke dargelegt werden, werden, wie ich hoffe, klar genug Flora, Ergänzesbd. 1901. 16 242 zeigen, dass die Heterogenesis eine, wenn auch seltene, so doch voll- kommen normale Erscheinung darstellt, welche den thierischen wie den pflanzlichen Organismen zukommt, und in der Entwickelung der- selben eine ausserordentlich wichtige Rolle spielt. Der erste Theil meiner Arbeit ist der Charakteristik der Erschei- nung der Heterogenesis selbst gewidmet, in dem zweiten, den ich etwas später vorzulegen gedeuke, wird ihre Rolle bei der Entstehung der Arten dargethan werden. St. Petersburg, 14. Januar 1899. I Der Begriff der Heterogenesis wurde bekanntlich durch den be- rühmten Histologen Kölliker im Jahre 1864?) in die Wissenschaft eingeführt. Indem er die Darwin’sche Theorie analysirte, versuchte der genannte Gelehrte, derselben seine eigene gegenüberzustellen, welche er als die „Theorie der heterogenen Zeugung* bezeichnete und in folgenden Ausdrücken charakterisirte: „Der Grundgedanke dieser Hypothese ist der, dass unter dem Einflusse eines allgemeinen Ent- wiekelungsgesetzes die Geschöpfe aus von ihnen gezeugten Keimen andere abweichende hervorbringen. Dies "könnte geschehen: 1. dadurch, dass die befruchteten Eier bei ihrer Entwickelung unter besonderen Umständen in höhere Formen übergingen; 2. dadurch, dass die primitiven und späteren Organismen ohne Befruchtung aus Keimen oder Eiern (Parthenogenesis) andere Orga- nismen erzeugten.“ Zur Begründung dieser Sätze führt der Verfasser folgendes an: 1. Den Generationswechsel, bei welchem bekanntlich ein Orga- nismus auf geschlechtlichem oder ungeschlechtlichem Wege Formen erzeugt, welche ihm gar nicht ähnlich sind. So sind beispielsweise Polypen und Medusen bei einigen Arten innig mit einander verknüpft und stellen bloss verschiedene Entwickelungsstadien dar; bei anderen Gruppen aber leben und entwickeln sich diese Formen vollkommen selbständig. Somit erzeugen die Polypen Medusen, welche letztere, (in anderen Gruppen wenigstens) selbständig zu leben vermögen, Die Thatsache der heterogenetischen Entwickelung liegt hier klar zu Tage. 1) Kölliker, Ueber die Darwin’sche Schöpfungstheorie. Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. XIV (1864) pag. 174— 186, 243 2. Der Verfasser weist darauf hin, dass die befruchteten Eier verschiedener Thiere zuweilen unter einander sehr ähnlich sind, wes- halb er vermuthet, dass eine geringfügige Veränderung ausreichen würde, um eine andere höhere Form zu erzeugen. „Dass ein befruch- tetes Ei eines 'Thieres zu einer höheren Form sich zu entwickeln im Stande sei, wird vorläufig allerdings durch keine directe Thatsache bewiesen, dagegen ist die Möglichkeit eines solchen Vorganges gewiss nicht zu bezweifeln, da die Embryonen grösserer Thiergruppen sich ungemein ähnlich sehen.“ Das sind die Grundlagen der Kölliker’schen Theorie. Wie man sieht, zeichnet sie sich weder durch besondere Stichhaltigkeit noch durch Ueberzeugungskraft aus. Es ist daher nicht zu verwundern, dass diese Theorie gar keinen Erfolg hatte und dass wir sie selbst in speciellen Handbüchern und Eneyclopädien lange nicht immer er- wähnt finden. Daraus folgt aber keineswegs, dass die Theorie der Heterogenesis gar keine Bedeutung hätte und durch keinerlei That- sachen gestützt würde. Im Gegentheil, es bestehen Thatsachen, und zwar sehr überzeugende, welche beweisen, dass in der That infolge irgend welcher uubekannter Umstände sich aus der befruchteten Ei- zelle trotz dem Gesetze der Vererbung ein seinen Eltern so unähn- licher Organismus entwickeln kann, dass wir ihn, sowohl der Gesammt- heit seiner äusseren Merkmale nach, als auch mit Rücksicht auf sein Vermögen, dieselben erblich zu übertragen, für eine besondere Art halten können. In vorliegender Arbeit hoffe ich zu zeigen, dass diese Erscheinung, welche in ihrem vollen Umfange am passendsten als Heterogenesis bezeichnet werden mag, einerseits lange nicht so selten ist, wie man glauben möchte, andrerseits aber zweifellos eine gewisse Rolle in der Evolution der organischen Welt spielt. Ich will zunächst an einige Thatsachen aus dem Thierreich er- innern. In Massachusetts wurde im Jahre 1791 von einem Schaf der gewöhnlichen Rasse ein Widderlamm geboren, welches kurze krumme Beine und einen langen Rücken besass und an eine bekannte Form unserer Dachshunde erinnerte. Von diesem halbmonströsen Lamm ging ein besonderer Schlag der Ötter- oder Ankonschafe her- vor, welche deshalb gezüchtet wurden, weil sie nicht über die Hecken zu springen vermochten. Dieser Schlag war bemerkenswerth durch seine feste Vererbungskraft, so dass selbst bei Paarung mit gewöhn- lichen Schafen die Merkmale desselben fast immer unverändert blieben. Es ist ferner merkwürdig, dass „sich die Ankonschafe zusammenhielten und sich von dem Reste der Herde, wenn sie mit anderen Schafen 16* 244 in der Einfriedigung gehalten wurden, trennten“!). Und dieser so cha- rakteristische Schlag ging aus einem einzigen Exemplar hervor, welches zwar von normalen Eltern erzeugt, aber mit einer ganzen Reihe scharf charakterisirter abweichender Merkmale plötzlich aufgetreten war. Ein ähnliches Beispiel bietet die Entstehung einer Abart der Merinoschafe, der sogenannten Mauchampschafe. Dieser Schlag verdankt seinen Ursprung einem schwächlichen, schlecht gebauten Lamm, welches 1828 auf der Farm Mauchamp im Departement Aisne von gewöhnlichen Merino geboren wurde. Ausgewachsen stellte es sich als hornlos heraus®), sein Hauptkennzeichen bestand aber in der langen und weichen, seidigen Wolle. Das Erscheinen eines solchen Lammes in der Merinoherde war nicht eine vereinzelte Thatsache. Es wurde auch früher vielmal be- obachtet, es wiederholte sich auch in der Folge nicht selten. Aber nur dieses einzige Mal fiel es dem Besitzer der Herde Namens Graux ein, einen besonderen Schlag mit dieser Wolle, wie sie das Lamm hatte, zu züchten. Nachdem er es auferzogen hatte, paarte er es mit mehreren Schafen, von, denen zwei im Jahre 1830 Lämmer lieferten, die dem Vater glichen.: 1831 erhielt er fünf soleher Lämmer und 1833 besass er bereits genügend Schafböcke für die ganze Herde. Dabei wurde bemerkt, dass die Natur der Wolle sich in der Nach- kommenschaft immer genau reprodueirte, wenn die beiden Eltern diesem Schlage angehörten. War aber das Weibchen von den ge- wöhnlichen Merino hergenommen, so ging der seidige Charakter der Wolle in der Mehrzahl der Fälle verloren. Es war daher strenge Zuchtwahl nothwendig. So hatten selbst noch im Jahre 1848, also zwanzig Jahre nach Auftreten des Schlages, unter 553 Lämmern 22 die gewöhnliche Merinowolle, Die Mauchampschafe wurden eine Zeit lang sehr sorgfältig ge- züchtet, weil man von ihnen grosse Vortheile erwartete. Ihre Wolle schien nämlich für die Herstellung von Shawls nach der Art der indischen besonders geeignet zu sein. Nun sind aber diese Shawls bald aus der Mode gekommen und gleichzeitig ging das Interesse an der Erhaltung dieses Schlages verloren. Sie wurden nach und nach durch gewöhnliche Merino ersetzt und gegenwärtig sind sie ganz verschwunden, 1 Ch. Darwin, Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestieation Bd. I 8. 110 (Stuttgart 1873). 2) Barr aletSagnier, Diet, d’agrie, v. III pag. 691—692. Darwin’s Schilde- rung (], c.) ist nicht ganz richtig, 245 Nach einer Angabe von Felix de Azara!) wurde im Jahre 1770 in Süd-Amerika in einer Viehherde, die zu einem gehörnten Schlage gehörte, ein männliches Kalb geboren, welches vollkommen hornlos war. Dieses Merkmal erhielt sich in seiner Nachkommen- schaft und so entstand eine besondere Rasse, die sogenannte mocho, welche ganze Provinzen eroberte. Der sogenannte „lackirte“ oder „schwarzschulterige* Pfau (Pavo nigripennis) zeichnet sich gegenüber dem gewöhnlichen Pfau durch eine ganze Reihe von Merkmalen aus, welche ganz sicher vererbt werden. Diese Rasse vermehrt sich manchmal so stark, dass sie die gewöhnliche verdrängt. Kurz, sie bietet alle Eigenschaften einer besonderen Art dar, und wurde auch von Selater als eine solche beschrieben. Allein wild kommt sie nirgends vor, und Darwin führt fünf einzelne Fälle des plötzlichen Auftretens von schwarzschulterigen Vögeln innerhalb der gewöhnlichen in England gezüchteten Rasse auf. „Bessere Zeugnisse für das erste Auftreten einer neuen Varietät lassen sich kaum beibringen“, meint Darwin?) Man könnte noch mehrere ähnliche Beispiele anführen, welche unter anderem in dem citirten Werke von Darwin zerstreut sind, doch wollen wir uns mit dem Gesagten begnügen und zu einer eingehenderen Untersuchung analoger Thatsachen aus der Pflanzen- welt übergehen. Chelidonium laciniatum Miller ist eine dem gewöhnlichen Schöll- kraut (Chelidonium majus) nahestehende Form; sie unterscheidet sich von letzterem durch ihre Blätter, deren Segmente tief fiedertheilig sind, mit schmalen und spitzen lanzettlichen Lappen, sowie durch die gezähnten oder gelappten Kronblätter. In unserer Zeit ist diese Pflanze in Westeuropa keine Seltenheit und wächst in einigen Gegenden sogar ziemlich zahlreich als Unkraut; die historischen Daten aber, die durch Herrn Rose?) sorgfältig gesammelt wurden, lassen sowohl die Herkunft als auch die allmähliche Verbreitung dieser Form ziem- lich genau feststellen. Sie erschien nämlich im Jahre 1590 im Garten eines Apothekers Sprengerin Heidelberg. Sprenger beachtete diese von der Normal- form so sehr abweichende Pflanze und sandte Musterexemplare an 1) F. de Azara, Voyage dans ’Ame6rique möridionale t. I p. 378. Mir ist das aus Godrons Artikel in den Mem. de !’Acad. de Stanislas, 1873, 4me Serie, t. VI pag. 92 bekannt. ’ 2) Darwin, Das Variiren der Thiere und Pflanzen Bd. I pag. 324. 3) Journ. de bot. 1895. Bei Benutzung dieses Artikels habe ich doch alle wichtigsten Punkte nach den Originalquellen nochmals selbst eontrolirt. 246 Clusius, dann an Plater, welcher sie dem Caspar Bauhin über- mittelte. Letzterer beschrieb die Pflanze im Jahre 1596 in seinem Werke Phytopinax unter dem Namen Chelidonium majus foliis quernis. Dann begann sich die neue Form über die botanischen Gärten Europas, von einem Botaniker zum andern zu verbreiten. Sie wurde beschrieben oder wenigstens erwähnt von: Clusius (1601), wieder von Caspar Bau- hin (1620), Guy de la Brosse (1636), Jean Bauhin (1651), Chabraeus (1666), Morison (1680), Tournefort (1689 und 1719), Linne (1753), Miller (1731, 1760 und 1768) und von vielen Anderen. Eine aufmerksame Durchmusterung und Zusammenstellung aller Angaben und Beobachtungen der namhaft gemachten Botaniker ge- stattet mit Sicherheit zu schliessen, dass die genannte Form eben zuerst im Garten des Apotheker Sprenger erschienen ist, indem sie offenbar aus dem Samen des gewöhnlichen Schöllkraut (Chelidonium majus) ausgewachsen war, dass sie nirgends wildwachsend angetroffen wurde und sich bloss über die botanischen Gärten verbreitete. Erst Ph. Miller sagt in der ersten Auflage seines Gardener’s Dietionary 1731), diese Pflanze sei in England bei Wimbeton (Surrey) „im wilden Zustande“ angetroffen worden, aber in der Erläuterung zu den separat herausgegebenen Abbildungen der in diesem Wörterbuche beschrie- benen Pflanzen sagt er ausdrücklich, Chelidonium laciniatum wachse nur in den Gegenden, wo es gesäct wurde); „lässt man aber seine Samen sich frei verbreiten, so werden aus denselben Pflanzen hervor- gehen, welche sich ebenso rasch vermehren werden wie die gewöhn- liche Art (Chelidonium majus) und zu einem lästigen Unkraut in den Gärten werden können“. Dann wiederholt der Autor in der achten Auflage desselben Werkes (1768), unsere Art „finde sich nur in wenigen Orten, wo nämlich ihre Samen einstmals ausgesäet wurden, oder wo die Exemplare derselben aus Gärten herausgeschmissen wurden“. Seine erste Angabe erwähnt er gar nicht und wir dürfen dieselbe sicher für einen Irrthum halten. Somit hatte in einem Zeitraume von 150—200 Jahren keiner von den Botanikern diese Form im wilden Zustande gefunden; alle erkannten ihre Herkunft aus dem Heidel- 1) Figures of the... Plants deserib, in the Gardener’s Dictionary vol. I tab. XCH pag. 62, 1771. Bei Pritzel (Thesaurus litter.), sowie bei Rose (l. c.) ist dieses Werk mit 1760 bezeichnet, das im kaiserl. botanischen Garten befind- liche, Exemplar trägt dagegen die Jahreszahl 1771. Es wird wohl die zweite Auflage sein. Die betreffende Stelle ist übrigens in dieser Ausgabe wie auch in der deutschen Uebersetzung (von 1768) ganz gleichlautend mit dem Text, wie ihn Rose nach der Ausgabe von 1760 eitirt, 247 berger Apothekergarten an und niemand äusserte einen Zweifel dar- über. Um die Bedeutung dieser Thatsache richtig zu bemessen, muss man sich gegenwärtig halten, dass sich die hervorragendsten Botaniker jener Zeit für diese Form interessirten und dieselbe von solchen Ge- lehrten ersten Ranges wie ein Caspar Bauhin, ein Clusius, ein Teurnefort eifrig studirt wurde; und dass ferner zu jener Zeit, d.b. am Ende des XVI. und während der ganzen Dauer des XVII. Jahrhunderts das Forschungsgebiet der Botaniker sich fast ausschliess- lich auf den Garten und auf die nächste Umgebung der Vaterstadt beschränkte, so dass die damaligen Gelehrten trotz aller Ursprüng- lichkeit ihrer Begriffe doch die gewöhnlichen wildwachsenden und im Garten gezogenen Pflanzen, wenigstens von der äusseren Seite (d.h. in Bezug auf die Variationen), vielleicht nieht minder gut kannten, als die Gelehrten der Gegenwart, da dank den Reisen und Museen sich das Beobachtungsgebiet der Botaniker so unermesslich erweiterte, während der Garten fast vollständig ihrer Leitung entschlüpft ist. Ein zweiter Umstand, welcher ganz besonders zu beachten ist, besteht darin, dass die in Rede stehende Forn sich von Anfang an als vollkommen samenbeständig erwiesen hatte. Es ist dies daraus zu ersehen, dass aus den durch Sprenger an verschiedene Gelehrten versendeten Samen immer dieselbe Form hervorzugehen pflegte, so- wie ferner aus directen Hinweisen von Clusius, Jean Bauhin und Morison. Besonders klar wird aber dies durch Phillip Miller (1768) bezeugt. „Einige Autoren“, so schreibt er, „betrachten Chelidonium laciniatum als eine Varietät der ersteren Art (d.h. Ch. majus); ich habe sie aber während 40 Jahren durch Samen vermehrt und dabei immer beobachtet, dass die auf diese Weise erhaltenen Pflanzen genau gleich denjenigen waren, aus denen sie hervorgegangen sind; überdies hatte ich niemals bemerkt, dass sich diese Form ver- ändert hätte oder dass sich die erstere Art (d. h. Ch. majus) in die- selbe verwandelt hätte.“ Freilich bietet Chelidonium laciniatum doch einige Variationen dar. Schon Caspar Bauhin bemerkt in seinem Werk „Prodromus theatri botaniei“ (1620), dass wenn „dasselbe auf alten Mauern wächst, es seine Form beibehält, dass es dagegen auf günstigerem Boden etwas ausarte“!), In Paris entstand in den Cul- turen des königlichen Gartens aus dem Samen von Chelidonium la- ciniatum eine besondere Form, die sich durch noch mehr geschlitzte 1) „Si in parietinis sefatur formam retinet, lastiore vero in solo, aliquando degenerat.“ 248 Laub- und Kronblätter auszeichnet, Sie wird zum ersten Mal in dem anonymen Werke Hortus regius 1661 unter der Bezeichnung Chelidonium majus foliis et floreminutissime laciniatis, dann aber in der Schola botanica von Tournefort (1689) und in des- selben Autors Institutiones (ed. altera 1700 pag. 231) erwähnt. Die- selbe Form wird auch von Morison (Morison, Hortus regius blesensis pag. 49, 1669) unter dem Namen Chelidonium majus foliis tenuissime dissectis angeführt, wobei er (pag. 250) die Ver- muthung ausspricht, es sei einfach ein Degenerat (degener) von Ch. foliis quernis laciniato flore (d.h. eben laciniatum), da aus dem Samen des ersteren wieder die letztere Form erhalten worden sei. Dasselbe bestätigt er auch in seinem späteren Werke, Plantarum Historia universalis (1680): „ex semin Cehelidonii foliis quernis donati creditur esse degener planta, quia semen ex Chelidonio hoc foliis tenuissime divisis colleetum, et a me satum, Ch. foliis quernis laciniato flore produxit, atque pristinam recuperavit et formam et figuram quoad omnes suas partes, quod indicat esse tantum lusus naturae, nam oportet semper eodem modo se habeat ad diversam speciem constituendam“. Von der Unbeständigkeit und der Neben- sächlichkeit dieser Variation, welche später den Namen var. fuma- riaefolium erhalten hat, äussert sich auch Miller (1760), weicher sagt, er habe häufig aus den Samen des Ch. laeiniatum Pflanzen er- halten, deren Laub- und Kronblätter feiner zertheilt wären, als bei der Mutterpflanze. Ferner muss noch hinzugefügt werden, dass von Tournefort noch eine Varietät mit verschiedenfarbigen Blättern (foliis variegatis) und von Miller eine Form mit gefüllten Blüthen erwähnt wird, von denen diese letztere bei Vermehrung durch Samen ihre Merkmale beibehielt. Je mehr wir uns unserer Zeit nähern, desto dürftiger werden die Angaben über die uns interessirende Rasse. Freilich wird sie in sehr vielen Floren angeführt, am häufigsten nach dem Vorbild Linn&’s als Varietät des gewöhnlichen Schöllkraut (Chelidonium majus), seltener nach dem Vorgang von De Candolle!') als besondere Art. Es wird dabei erwähnt, die besagte Form komme in dieser oder jener Gegend vor, an neuen Beobachtungen wird aber nichts angeführt ; im Gegentheil, die alten gerathen in Vergessenheit und die Pflanze hört auf, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Man kann hier nur erwähnen, dass Rouy und Foucaud in ihrer Fiore de France?) 1) De Candolle, Syst. v. II pag. 99. 2) Rouy et Foucaud, Flore de France I pag. 166—167. 249 drei Hauptformen anführen, welche sie alle als Varietäten von Ch. majus betrachten, nämlich: var. crenatum Lange Fi. Dan., var. la- einiatum Gren. et Godr. und fumariaefolium DC. Die erste derselben sollte, nach der Beschreibung zu schliessen, etwa das Mittel zwischen der typischen Form und der var. laciniatum darstellen. In neuerer Zeit beschäftigte sich Rose!) mit der Untersuchung dieser Formen. Auf dem Wege der Cultur unter verschiedenen Be- dingungen gelangte er zum Schluss, Chelidonium laeiniatum sei eine besondere Art, vollständig constant und vom gemeinen Schöllkraut (Chel. majus) vollkommen deutlich zu unterscheiden. Unter dem Ein- fluss der äusseren Bedingungen verändert sie sich etwas, indem sie auf stark beleuchteten Standorten eine Form mit mehr geschlitzten Blättern liefert — var. fumariaefolium; auf schattigen Standorten eine weniger geschlitzte — v. crenatum. Aber auch diese letztere Form vermittle keineswegs den Ueber- gang zu Ch. majus, sondern sei immer von demselben scharf unter- schieden ?). Somit bietet Chelidonium laciniatum alle Merkmale einer guten Art: deutliche morphologische Merkmale und Beständigkeit bei Aussaat der Samen. Und doch ist das erste Exemplar derselben aus dem Samen einer anderen Art ausgewachsen und die neue Art entstand aus einer anderen mit einem Schlage, mit constanten Merk- malen und fester Vererbungskraft; sie entstand vollkommen aus- gebildet und abgeschlossen wie Pallas Athene in voller Rüstung aus dem Haupte Zeus’ hervorgegangen ist. Im Jahre 1761 fand der bekannte Duchesne, der Verfasser der Monographie der Erdbeere, auf einem Beete seines Gartens in Ver- sailles unter vielen Sämlingen der gewöhnlichen Erdbeere (Fragaria vesca) einen, der sich von allen anderen durch sein Laub unterschied. Im Gegensatz zu den dreizähligen Blättern der typischen Form waren nämlich bei diesem Exemplar sämmtliche Blätter ganz, einfach, von ovoid-herzförmiger Gestalt, mit grossen Zacken an den Rändern. Diese Pflanze blühte und brachte reife Früchte. Die Blüthen wiesen die 1) Journ. de Bot. 1859, 2) Ich will hier noch eine Arbeit von Clos in den Comptes rendues v. 115 X, Paris 1892, erwähnen. Er spricht hier vom Neuauftreten (rdapparition) des Ch. fumarisefolium in Sordze (Tarn) und beschreibt diese Form. Er hebt dabei horvor, die Schoten (derselben seien unentwickelt und samenlos. Der Autor nimmt offenbar ihre unabhängige Entstehung an diesem Orte an, ohne es zu be- gründen, während man doch immer eine zufällige Verschleppung von Samen ver- muthen kann. Er hält diese Form, ähnlich wie Marchant’s Mercurialis, vinfach für Anomalien, wovon weiter unten noch die Rede sein Boll, 250 typischen Merkmale auf, mit Ausnahme der Kelchblätter, welche etwas grösser als gewöhnlich und sägeartig gezackt waren; die Früchte, verlängert und etwas plump, waren von unbedeutenden Dimensionen und enthielten sehr kleine Samen. Aus den gesammelten Samen er- bielt Duchesne in den Jahren 1764 und 1765 über 80 neue Pflänz- chen. Alle behielten ihre Merkmale bei mit Ausnahme von 3—4 Stück, welche einen Rückschlag zum Typus äusserten. Dasselbe fand auch bei den nachfolgenden Aussaaten statt.!) Auf diese Weise wurde mit einem Schlag eine neue Rasse mit bestimmten Merkmalen und fester Vererbungskraft erhalten. In biologischer Hinsicht zeichnet sich diese Rasse durch besondere Frostempfindlichkeit sowie durch allgemeine Schwächlichkeit aus, so dass sie zu ihrer Erhaltung eine beständige Vorsorge verlangt. Ihr Wuchs ist ziemlich schwach; sie liefert wenig Rhizomverzweigungen und bildet nie so grosse Rasen, wie die andern Sorten der Erdbeere), Sie erhielt sich in der Cultur bis jetzt?), wenn sie auch in gärtnerischer Beziehung keine besonderen Vortheile bietet. Im Jahre 1719 überreichte Marchant der Pariser Akademie eine Denkschrift®), in welcher er zwei interessante Formen von Mercurialis annua beschreibt, welche in seinem Garten ausgewachsen waren. Die eine von ihnen trat im Jahre 1715 in einem Exemplar unter un- zähligen Individuen der normalen Form dieses im Westen so gemeinen Unkrauts auf. Sie unterschied sich stark von der typischen Form durch ihre Blätter, die sitzend, sehr schmal (etwa 'j» Linie), fast bis auf den Mittelnerv reducirt waren und dabei am Stengel nicht immer gegenständig, sondern meistens wechselständig und zu mehreren zu- sammen angeordnet; die Blüthen waren büschelweise in den Blatt- achseln angeordnet, sitzend oder kurz gestielt. Dieses Exemplar blühte, erzeugte aber nach der Meinung Marchant's keine Samen. Nichtsdestoweniger erschienen im Frühling des folgenden Jahres sechs neue Exemplare, von denen zwei der vorhin beschriebenen Form vollkommen glichen, die vier übrigen aber von derselben stark ab- wichen und etwas ganz Besonderes darstellten. Sie hatten einen stark 1) Duchesne, Hist, nat. des fraisiers, pag. 124—135. Idem in Enoyecl. möth. Botanique par Lamarck, v, II p. 532 Bot, Mag. tab, 63, Vgl, auch Verlot in Rev. hort. 1866, pag. 467. 2) Duchesne l. e.; Poiteau Pomol. france, v. II, tab. 342, 3) Beispielsweise bei Vilmorin auf seinem Gute Verriöres bei Paris, wo ich diese Pflanze im Frühling dieses Jahres (1899) sah. 4) Observations sur la nature des plantes, in: Histoire de l’Acad. royale des sciences, annde 1719, pag. 59, 251 verzweigten Stengel und schmale linenl-Janzettliche Blätter mit un- regelmässigen und mannigfaltigen Einschnitten; ihre Blüthen waren fast sitzend und sassen in dichten Büscheln in den Blattachseln. Von dieser Zeit an und bis zum Jahre 1719 erschienen diese Formen alljährlich in derselben Gartenecke bei Marchant, blühten und starben dann im December ab, um im nächsten Frühling wieder zu erscheinen. Beide Formen wurden von Akademiker Marchant als besondere Arten beschrieben, wobei er die erste von ihnen Mercurialis foliis capillaceis, die zweite M. altera foliis in varias et in- aequales lacinias quasi dilaceratis. Dieses plötzliche Auf- treten zweier so scharf charakterisirter Formen machten auf den genannten Gelehrten einen tiefen Eindruck und veranlassten ihn Ideen auszusprechen, welche Marchant als einen Vorboten der Rvo- lutionstheorie zu betrachten gestatten. Er vermuthet nämlich, dass „la Toute-puissance ayant une fois er6&& des individus de Plantes pour modelle de chaque genre, faits de toutes structures et caracteres imaginables, propres ä produire leurs semblables, et que ces modelles, dis-je, ou chefs de chaque genre, en se perpetuant, auroient enfin produit des varietes, entre lesquelles celles qui sont demeurees con- stantes et permanantes, ont constitue des espöces, qui par successions de temps, et de la möme maniere, ont fait d’autres differentes pro- duetions, qui ont tant multipli& la Botanique dans certains genres.“ Es muss aber hier auf einen Umstand hingewiesen werden, welcher unaufgeklärt blieb. Marchant vermochte nämlich entschieden keine Samenbildung bei den von ihm beschriebenen Formen zu beobachten, mit welcher Erklärung er auch seine Denkschrift einleitet. Auf den beigelegten Tafeln bildet er nur die männlichen Blüthen ab, aber mit Staubfäden, welche der Antheren vollständig entbehren, was auch Lamarck in der berühmten Eneyelopädie von Diderot und D’Alembert bestätigt‘). Lamarck schreibt sogar diesem Fehlen von Samen den Umstand zu, dass diese Formen eine längere Dauer der Vegetationsperiode hatten, als die typische, indem sie sich von Anfang April bis zum Dezember entwickelten. Allein nach den Be- obachtungen von Marchant waren die neuen Formen, ebenso wie die typische Mercurialis annua einjährig und gingen im Winter zu Grunde; der Umstand aber, dass sie im Frühjahr wieder an demselben Orte zu erscheinen pflegten, veranlasste schon den Autor selbst zu I) Lamarck, Enoyel, bot. vol, IV pag. 118, 252 vermuthen (l. c. pag. 64), dass sie doch Samen erzeugt hätten, welche er infolge der Unvollkommenheit der damaligen Beobachtungsmittel und -Methoden leicht überschen konnte.!) Man muss somit annehmen, dass unter den sterilen männlichen Blüthen mit atrophirten Antheren sich auch nur wenige normale weibliche Blüthen entwickelten, wie das ja bei den Arten von Mereurialis beobachtet wird, welche auch die Samen lieferten. Kurz, die betreffenden Formen boten auch in geschlechtlicher Beziehung eine erhebliche Anomalie dar, welche aber leider nicht untersucht wurde. Im laufenden Jahrhundert wurden die von Marchant beschrie- benen Formen in einigen Gärten in Angers und Issy-’Evöque?) ge- funden, es wurden aber an ihnen keine neuen Beobachtungen gemacht. ls ist sogar nicht eruirt, ob sie an diesen Orten unabhängig erschienen oder aus dem Garten von Marchant dorthin verschleppt worden sind. °) In Bulletin de la soc. bot. de France (1894 pag. 216) berichtet Vilmorin über eine interessante Varietät Salpiglossis sinuata var. eorolla nulla, welche sich von der typischen Form durch das voll- ständige Fehlen der Krone unterscheidet. Sie wurde unerwartet aus den Samen der typischen Salpiglossis sinuata erhalten und vom Ver- fasser .im Jahre 1892 bemerkt. Die gesammelten Samen lieferten im folgenden Jahre viele Individuen, welche sämmtlich den Mangel der Krone geerbt haben, so dass die betreffende Form sich sofort als constant herausstellte. Abgesehen vom Mangel der Krone zeigen die Blüthen der in Rede stehenden Varietät einen normalen Bau und liefern eine grosse Anzahl von Samen, was Vilmorin vollkommen begreiflich findet, da diese Form keine Kraft zur Ausbildung einer prangenden Krone zu verwenden braucht; er zieht dabei eine Parallele !) Von den damals herrschenden Vorstellungen kann man sich nach einer Stelle in Marchant's Abhandlung einen Begriff bilden, in der es heisst: „nach der allgemeinen Ansicht der Botaniker“ bringen die männlichen Exemplare von Mer- eurialis Samen, geben aber gar keine Blüthen, die weiblichen dagegen entwickeln unfruchtbare Blüthen, liefern-aber keine Samen, Aus diesem Grunde zählt er die von ihm beschriebenen Exemplare zu den weiblichen. 2) Grenier et Godron, Flore de France III pag. 99. — Boreau, Flore de centre de la France ]I pag. 409. 3) Es ist merkwürdig, dass weder Marchant selbst, noch andere Autoren, welche seine Beobachtungen eitiren (Lamarck, Grenier et Godron, Boreau, Penzig, Saint-Lager und Clos) erwähnen, wo sich dieser Garten befunden hatte, in welchem die beschriebenen Mercurialis-Formen aufgetreten sind. Ich vermuthe, dass er in Puris war, allein Cosson und Germain erwähnen diese Form nicht in ihrem Werk: „Flore de Paris“, 253 zur Viola odorata, bei welcher die Blüthen mit grossen Kronen un- fruchtbar bleiben, während diejenigen mit kleinen und unscheinbaren Kronblättehen (d. h. die Kleistogamien) reife Samen liefern. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass bei anderen Pflanzen die Entwiekelung der Krone die Samenbildung nicht hindert, so dass die oben ange- führte Erklärung kaum stichhaltig ist. Leider erwähnt der Autor . nicht, ob die Blüthen der beschriebenen Form nicht kleistogam seien und gibt überhaupt keine genaue Beschreibung ihres Baues. Der bekannte Botaniker Godron führt in einem besonderen Artikel!) drei Beispiele soleher Rassen an, welche so zu sagen unter seinen Augen entstanden sind. Ranunculus arvensis L. Es ist bekannt, dass bei der typischen Form dieser Art die Schliessfrüchte einen dieken Rand haben, welcher auf beiden Seiten hervortritt und von Stacheln besetzt ist; ausser- dem sind die Früchte auch noch auf beiden Seiten von kleinen Stacheln besetzt. Aber schon Nees ab Esenbeck beobachtete eine Form, welche Koch in der Folge unter dem Namen var. inermis beschrieben hat und welche sich dadurch auszeichnet, dass der Rand der Schliess- frucht mit glatten Ausbuchtungen versehen ist, ihre Seiten aber keine Stacheln tragen, sondern eine netzförmige Runzeligkeit: aufweisen. Diese Form kommt in Deutschland und Frankreich hie und da auf Feldern vor. Wie die von Godron noch in den Jahren 1848—50 angestellten Versuche zeigen, ist diese Form vollkommen Samenbe- ständig. Im Jahre 1866 hatte Godron die Samen der typischen Form Ranunculus arvensis ausgesäet und fand unter den ausgewachsenen normalen Pflanzen (12) ein Exemplar mit glatten Früchten. Die Samen dieses Exemplars wurden für sich ausgesäet und lieferten eine Nachkommenschaft mit ebenfalls glatten Früchten und darauf behielt diese plötzlich entstandene Form ihre Merkmale unverändert bei der Aussaat während der Dauer von acht Generationen bei. Ein anderes Beispiel einer derartigen Erscheinung beobachtete Godron bei Datura Tatula L. Im Jahre 1860 sammelte er im botanischen Garten von Nancy eine reife Samenkapsel dieser Pflanze von einem vollkommen normalen typischen Exemplar ein und säete im folgenden Jahr diese Samen aus. Er erhielt sieben oder acht Pflanzen, welche die Merkmale der Mutterpflanze genau reprodueirten und viele ganz typische Samenkapseln lieferten. Aber erst im Herbst fiel Go- 1) D, A. Godron, Des races vegetales qui doivent leur origine A une mon- struosit6. — M&moires de l’Aoademie de Stanisias 1873. 4e sörie v. VI pag. 77-85, 254 dron ein kleines Exemplar auf, welches im Schatten der grösseren verborgen war und von denselben fast überwuchert wurde. Dieses schwächliche Exemplar hatte nur eine Blüthe und lieferte eine ein- zige Kapsel, welche sich won der typischen Form dadurch unterschied, dass sie vollkommen glatt, d. h. mit keinen Stacheln bedeckt war. Die Samen dieser Kapsel im folgenden Jahre, d. h. 1862 ausgesäet, lieferten schon ziemlich viele Exemplare, welche weder im Wuchs noch in anderen Merkmalen von der Normalform abwichen, sie alle hatten aber Kapseln, welche nicht von Stacheln besetzt, sondern entweder vollkommen glatt waren oder hie und da einzelne zer- streute und sehr kleine Höckerchen trugen, welche gleichsam die Spuren der Verwandtschaft mit der typischen Form darstellten. Bei der weiteren Aussaat behielt diese Varietät jahraus, jahrein (bis 1873, also in 13 Generationen) ihre Merkmale unverändert bei, indem sie somit eine wahre und völlig selbständige Rasse bildete. Als drittes Beispiel endlich führt Godron die Pelorie von Oory- dalis solida an, welche er in der Baumschule von Nancy am 5. April 1852 fand. In ihrem Blüthenbau war diese Form von der Gattung Dielytra durchaus nicht zu unterscheiden. In den Garten verpflanzt und in günstige Bedingungen gebracht, entwickelte sie sich, lieferte reife Früchte und Samen und behielt ihre Merkmale im Laufe von fünf Generationen bei. Das erste Auftreten dieser Form wurde nicht näher verfolgt, aber nach Analogie mit den Pelorien überhaupt zu schliessen, dürfte sie plötzlich aus den Samen der normalen Form entstanden sein. Besphränken wir uns vorläufig auf die angeführten Beispiele und betrachten wir sie näher, um uns über die Grundzüge der ganzen Er- scheinung Klarheit zu verschaffen. Ihr Wesen besteht darin, dass unter der Nachkommenschaft, welche von normalen Vertretern irgend einer Art oder Rasse abstammt und sich unter denselben Bedingungen ent- wickelt, unerwartet einzelne Individuen erscheinen, welche von den übrigen, sowie von den Eltern mehr oder weniger erheblich abweichen. Diese Abweichungen sind zuweilen ziemlich bedeutend und kommen in einer ganzen Reihe von Merkmalen zum Ausdruck, häufiger aber beschränken sie sich auf wenige oder auch nur auf irgend ein Merk- mal. Es ist aber merkwürdig, dass diese Merkmale eine grosse Be- ständigkeit (Constanz) aufweisen und von einer Generation zur andern unverändert vererbt werden. Es entsteht somit mit einem Schlage eine besondere Rasse, die ebenso gefestigt und constant ist wie die- jenigen, die seit unvordenklichen Zeiten existiren. 255 Solche Thatsachen waren schon seit sehr langem bekannt und für ihre Tragweite hatten solche Gelehrte, wie ein Duchesne, ein tiefes Verständniss. Sie lenkten aber nicht die allgemeine Aufmerk- samkeit der gelehrten Welt auf sich, weil sie als zu selten und jeder allgemeinen Bedeutung bar galten. Man betrachtete sie als Aus- nahmsfälle und erklärte sie bald als Aeusserung des Atavismus, bald als Monstrosität. Unter der Bezeichnung Atavismus versteht man bekanntlich das plötzliche Erscheinen von Merkmalen, welche den mehr oder weniger entfernten Ahnen eigen waren. Von den Bedingungen der Rückkehr soleher Merkmale, sowie darüber, in welcher Combination diese Merk- male wieder auftreten können, wissen wir eigentlich nichts und daher erscheint der Hinweis auf den Atavismus immer mehr oder weniger unbegründet. In einigen Fällen dagegen scheint er doch einen ge- wissen Grund zu haben. So kann man beispielsweise das Auftreten von einfachen Blättern bei der Erdbeere auf Atavismus zurückführen; der Umstand, dass die ersten Blättchen bei der Erdbeere einfach (und nieht dreizählig) sind, sowie allgemeine theoretische Erwägungen gestatten uns anzunehmen, dass bei irgend welchen Vorfahren der Erdbeere alle Blätter einfach waren. Andererseits aber sind bei Chelidonium laeiniatum die Blätter stärker geschlitzt und somit com- plieirter als bei der Grundform. Folglich ist diese Form nicht ata- vistisch, sondern im Gegentheil progressiv. Und doch erfolgte das Auftreten der einen wie der anderen Merkmale, der atavistischen ebenso wie der ihnen entgegengesetzten progressiven in ganz der- selben Weise und ward von denselben Folgen begleitet. In anderen Fällen ist zwar die Hypothese des Atavismus anwendbar, eine solche Erklärung erscheint aber allzu willkürlich und gezwungen. Ich glaube, man könnte das Verhältniss zwischen Atavismus und Hetero- genesis mit gutem Grunde folgendermaassen formuliren: die Hetero- genesis ermöglicht es manchmal dem Atavismus sich zu äussern, wird aber durch diesen letzteren keineswegs erschöpft und noch weniger erklärt, Eine andere Art der Erklärung besteht darin, alle Erscheinungen der Heterogenesis in das Gebiet der Teratologie zu verweisen und alle auf diesem Wege entstandenen Abweichungen vom Typus als Monstrositäten oder Anomalien zu bezeichnen. Diese Anschauung hat freilich ihre Gründe. Es gibt viele offenkundige Monstrositäten, welche ebenso unerwartet, ohne jede sichtbare Ursache entstehen und ebenso zähe vererbt werden. Besonders bekannt ist in dieser 256 Beziehung eine Anomalie des gewöhnlichen Mohns (Papaver somni- ferum), welche darin besteht, dass die Staubfäden der Blüthen sämmt- lich oder nur theilweise in kleine von langen Stielen getragene Frucht- knoten umgewandelt werden. Diese Anomalie wurde in Deutschland von vielen Gelehrten beobachtet; sie vermehrt sich durch Samen und erfüllt manchmal ganze Felder.‘) Körnicke berichtet?), es sei im botanischen Garten von Pappelsdorf einmal ein völlig monströses Exemplar von Bilsenkraut (Hyoseyamus niger) erschienen, welches einen fasciirten Stengel und abnorm entwickelte Blüthen hatte. In letzterer war nämlich die Zahl der Kelch- und Kronentheile, sowie die Zahl der Staubfäden stark vergrössert. Die Krone war auf einer Seite gespalten und die Theile griffen über einander, so dass sie im Querschnitte nicht einen Kreis, sondern eine Art Schneckenlinie dar- stellten. Der Fruchtknoten war vielfächerig, der Deckel der Frucht an den Rändern vielfach gezähnt. Die von dieser Pflanze einge- sammelten Samen wurden ausgesäet und die dabei erhaltenen Pflanzen hatten, wie sich zeigte, Blüthen von ganz demselben Bau; sie behielten ihre Merkmale auch bei der weiteren Vermehrung durch Samen. Die Faseiation trat nicht mehr auf, der Stengel hatte aber im oberen Theil einen doldenförmig verzweigten Blüthenstand und auch dieses Merkmal erhielt sich in den nachfolgenden Generationen. Offenbar hatte sich diese Form mit ihrem eigenen Pollen bestäubt, wenn auch sonst die Blüthen dieser Art für Wechselbestäubung eingerichtet sind, Seit dem Erscheinen dieser beschriebenen monströsen Form wurde sie gesondert von der normalen Form eultivirt. Aber das gewöhnlichste in dieser Reihe von Erscheinungen ist das Gefülltsein der Blüthen. Es ist zweifellos eine Monstrosität, denn sie ist immer mit einer mehr oder weniger erheblichen functionellen Störung der Blüthenorgane verknüpft; nicht selten ist die Gewinnung von Samen aus gefüllten Blüthen mit grossen Schwierigkeiten ver- bunden und nur auf dem Wege einer kreuzweisen Bestäubung mit nichtgefüllten Blüthen möglich. Und doch zeigt das Gefülltsein eine starke Tendenz vererbt zu werden. Somit schliessen sich viele zweifellose Monstrositäten, sowohl ihrer Entstehungsweise nach als auch durch ihre Vererbungsfähigkeit gänz- lich den heterogenetischen Rassen an. Daraus folgt aber keineswegs, dass man alle auf dem Wege der Heterogenesis entstandenen Ab- weichungen zu den Monstrositäten rechnen dürfte. Solche Eigen- 1) Die Litteratur darüber bei Penzig, Pflanzenteratologie v. I pag. 224, 2) Verhandl. naturhist. Ver. d. Rheinl, v. 47 Sitz.-Ber. pag. 14-20. 257 thümlichkeit, wie beispielsweise das Auftreten von einfachen Blättern an der Stelle getheilter oder umgekehrt von getheilten statt einfacher, das Auftreten von glatten Früchten statt stacheligen u. s. w., ent- halten an und für sich nichts Monströses oder Abnormes. Im Augen- blick ihrer Entstehung kann man sie selbstverständlich, wie jede Ab- weichung von der Norm als Anomalien bezeichnen, wird aber einmal die gegebene Abweichung zum Merkmal einer besonderen Rasse, so kann von Anomalie nicht die Rede sein. Stellen wir uns vor, irgend eine Form, etwa Ranunculus arvensis var. inermis oder Datura Tatula fruetibus inermibus, erlange eine ebenso grosse Verbreitung, wie die typische Form, ihre Herkunft sei aber in Vergessenheit geraten oder überhaupt nicht bekannt geworden. Gibt es in einem solchen Falle irgend eine Möglichkeit zu entscheiden, welche von den beiden Rassen die echte, normale und welche die monströse oder abnorme sei? Auf Grund des Ausgeführten wäre es richtiger die Sache so auf- zufassen, dass die Erscheinung, die wir als Heterogenesis bezeichnen, sich im unerwarteten Auftreten verschiedenartiger Abweichungen von der typischen Structur äussert. Von diesen Abweichungen werden einige von einer functionellen Störung der Organe begleitet und stellen daher einfach Monstrositäten dar; andere dagegen stören die vitalen Functionen des Organismus nicht und geben besonderen Rassen den Ursprung. Somit ist die Heterogenesis jener Boden, auf welchem sich Monstrositäten entwickeln können, ebenso wie sich auf ihm der Atavismus äussern kann; dies alles sind aber nur nebensächliche Aeusserungen, welche weder den Umfang noch die Tragweite jenes grossen geheimnissvollen Vorganges erschöpfen, den uns die Hetero- genesis darbietet. Godron steht in seinem oben eitirten Artikel auf einem anderen Standpunkt. Er hält alle derartigen Rassen, die auf dem Wege der Heterogenesis entstanden sind, für teratologische, weil die Art und Weise ihrer Entstehung selbst ihm abnorm erscheint. „C’est par selection que paraissent avoir &t& produites la plupart des races vege- tales que nous cultivons; elles ont &t& obtenues par les 'soins et par P’intelligence de l’homme et se perpetuent dans les conditions de cul- ture et de climat qui leur sont favorables. Mais il est aussi des mon- struosit&es qui peuvent &tre immediatement et integralement soumises & la loi d’heredit& et forment de veritables races teratologiques“. So begiunt der Autor seinen Artikel!) und etwas weiter (pag. 91) fährt er 1) Mem, de !’Acad, de Stanislas 1873 pag. 77. Flora, Ergänzgsbd. 1901. 17 258 fort: „Les races qui ont pour origine une monstruosit& se distinguent des races qui sont le r&sultat de l’action lente de la culture et de la selection, par leur apparition brusque au milieu d’un semis naturel ou opere par l’homme et qui reproduit en möme temps des individus normaux“. . Somit scheint Godron geneigt zu sein, alle bestehenden Rassen in zwei Klassen einzutheilen: in normale Rassen, welche der Selec- tion und der langsamen Häufung von Merkmalen ihren Ursprung ver- danken, und in teratologische Rassen, welche plötzlich entstehen. Es fragt sich nun, wie sind sie zu unterscheiden? Darauf antwortet Godron Folgendes: „Vor allem, meint er, ist die Entstehung dieser (teratologischen) Rassen gewöhnlich bekannt, und man weiss, aus welchen Typen sie hervorgegangen sind; ihr Stammbaum liegt klar zu Tage, und für alle Naturforscher, welehe an die Existenz der Arten glauben, ist dies eine grundlegende Thatsache, ein wahres Kriterium. Anderer- seits unterscheiden sie sich durch mangelhafte Entwickelung oder Mo- dification irgend eines Organs, eine Abweichung, welche nur von sehr nebensächlicher Bedeutung ist, da sie die Pflanze am Leben und an der Vermehrung nicht stört, und welehe dabei zum Rassenmerkmal wird. Ueberdies bleiben alle sonstige Organe beider Pflanzenformen, mit Ausnahme dieses einzigen charakteristischen Merkmals, völlig identisch nicht nur in ihren morphologischen Merkmalen, sondern auch in ihrer inneren Organisation. Ich glaube aber nicht, dass es irgend eine Species gebe, welche sich von anderen nahestehenden Arten bloss durch ein einziges morphologisches Merkmal unterscheiden würde.“ Es ist nicht nothwendig, sich bei dem ersten Punkt lange auf- zuhalten. Vor dem Erscheinen von Godron’s Arbeit wusste doch niemand, dass Ranunculus arvensis var. inermis gerade auf diesem Wege entstanden ist; von Datura Bertoloni glaubt Godron, ihrer Analogie mit D. Tatula fructibus inermibus wegen, sie stelle eine teratologische Rasse von D. Stramonium dar. Das ist aber doch nur eine Vermuthung und bleibt als solche so lange bestehen, bis eine rein zufällige Beobachtung irgend eines Botanikers dieselbe bestätigen wird. In Bezug auf Tausende und Abertausende anderer Varietäten haben wir aber weder Analogie noch Vermuthungen. Zu glauben, es seien uns alle oder fast alle Fälle von Heterogenesis bekannt, heisst ungefähr so viel wie zu vermuthen, diese geheimnissvolle und seltene Erscheinung finde nur dann statt, wenn irgend ein Botaniker die Möglichkeit und die Lust hat, sie zu beobachten. 259 Ich will aber hier bemerken, dass sich Godron doch irrt, wenn er glaubt, plötzlich entstehende Rassen unterscheiden sich von der Stammform bloss durch irgend ein einziges Merkmal. In Wirklichkeit unterscheiden sich solche Formen wie beispielsweise Fragaria mono- .phylla oder Chelidonium laciniatum von den Typen, die ihnen den Ursprung gaben, neben dem Hauptmerkmal auch noch durch eine ganze Reihe kleinerer Züge. Wären diese Formen in irgend einem Lande wild verbreitet, so würde sie die Mehrzahl der Botaniker für besondere Arten halten. In der Mehrzahl der Fälle unterscheiden sich die auf dem heterogenetischen Wege entstandenen Formen wirk- lich nur in einem oder in wenigen Merkmalen von den typischen, ganz ebenso wie die ungezählte Menge wild wachsender Formen, die man als Varietäten bezeichnet. Es fragt sich nun, wie soll man diese wild wachsenden Varietäten auffassen, und soll man vielleicht nur die typische Form jeder Art für eine normale Rasse halten, alle anderen aber für teratologisch, indem man ihnen somit eine principiell ver- schiedene Entstehungsweise zuschriebe. Es ist aber zur Genüge be- kannt, dass es zwischen Arten und Varietäten keine Grenze gibt, und daher wäre jeder Versuch einer solchen Eintheilung nicht bloss phan- tastisch, sondern auch direet unmöglich. Indem wir alle morphologischen Eigenthümlichkeiten und phy- siologischen Eigenschaften der auf heterogenetischem Wege entstan- denen Formen erwägen, müssen wir anerkennen, dass sie sich in keiner Beziehung prineipiell von anderen Rassen unterscheiden, welche seit unvordenklichen Zeiten existiren, und denen wir gestützt auf die Darwin’sche Theorie mit solcher Zuversichtlichkeit eine Entstehung auf dem Wege der langsamen Häufung von Merkmalen und einer dauernden Auslese zuschreiben. Da wir aber eigentlich nichts davon wissen, wie die Formen und Rassen aller wild wachsenden und der ungeheuren Mehrzahl der Culturpflanzen in Wirklichkeit entstanden sind, so entsteht vor uns jetzt die ernste Frage: ob denn wirklich der Vorgang der Entstehung neuer Formen auf dem Wege der Hete- rogenesis so selten und so exceptionell sei? Findet er nicht vielleicht viel häufiger statt, als wir es glauben, und spielt er nicht eine ge- wisse Rolle in der Evolution der Formen des Pflanzenreiches? D. Auf die Existenz der Heterogenesis in der freien Natur können wir nur indireet aus den Beobachtungen über die Verbreitung von In einer anderen Lage befinden wir uns Variationen schliessen. izx 260 in Bezug auf die Culturpflanzen. Diese letzteren wachsen so zu sagen unter den Augen des Menschen, welcher sie in bestimmte Bedingungen bringt, ihre Entwickelung verfolgt und ihre Veränderungen aufzeichnet. Ueberdies bewahrt er einige Varietäten, während er andere vernichtet, und spielt auf diese Weise eine active Rolle in der Entwickelung der Formen. Ohne Zweifel können uns die Beobachtungen der Gärtner, Landwirthe und Pflanzenzüchter gutes Material liefern zur Beurthei- lung der Rolle, welche die Heterogenesis bei der Entwickelung neuer Varietäten und Rassen spielt. Besonders viele Daten kann man in der Litteratur über die Ent- stehung der Formen der Zierpflanzen und speciell der Zierbäume finden, Die Gartenjournale begannen namentlich seit den 20er—30er Jahren dieses Jahrhunderts den in der Cultur erscheinenden neuen Varietäten besondere Beachtung zu schenken und ihrer Beschreibung und Abbildung einen ansehnlichen Platz zu gewähren. Die hervor- ragenden Gärtner Europas, wie Ph. Vilmorin, Decaisne, Poiteau, Pepin, Verlot, Naudin, Carriere u. A. bekundeten ein tiefes Interesse für die Entstehung der Gartenvariationen und für ihren Uebergang in Rassen, indem sie diesem Gegenstand bald kleinere Notizen, bald ganze Artikel widmeten. Indem wir nun diese gärtnerische Litteratur studiren, finden wir hier eine Unmasse von Thatsachen, die sich auf die Heterogenesis beziehen. Dem Namen nach unbekannt, war diese Erscheinung, wie sich herausstellt, im Kreise der Gärtner längst so gut bekannt, dass man in derselben durchaus nichts Sonderbares er- blickte, sondern sie als das übliche Mittel zur Gewinnung neuer Formen betrachtete. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus blieb sie nichts- destoweniger ganz unerforscht, und alle Mittheilungen und Notizen tragen den Charakter zufälliger Beobachtungen, in denen immer bald die eine, bald die andere Seite der Erscheinung unbeachtet blieb. Und doch ist die Summe der bekannten und sicher festgestellten Thatsachen so bedeutend, dass sie uns gestatten wird, die Eigen- schaften und den Charakter der uns interessirenden Erscheinung bis ins Detail zu studiren. Gehen wir also zur Darlegung jener Thatsachen über, welche man aus der Gartenbaulitteratur schöpfen kann. Wir werden hier zu betrachten haben, welche Arten von Abweichungen der Heterogensis zugeschrieben werden können, d. h. nach welcher Richtung sich die Typen unter der Einwirkung dieses Vorganges verändern, in welchen Formen sich derselbe äussert und von welchen Erscheinungen er be- gleitet wird, 261 Die Zusammenstellung aller bekannten Thatsachen und Beobach- tungen gestattet anzunehmen, dass die heterogenetischen Abweichungen bei den Pflanzen nach allen möglichen Richtungen erfolgen können, dass aber nieht alle Veränderungen in gleicher Weise die Aufmerk- samkeit der Züchter auf sich zu lenken vermochten. So ist beispiels- weise die grössere oder geringere Behaarung des Stengels und der Blätter, so viel man nach den wild wachsenden Arten schliessen kann, ein ziemlich veränderliches Merkmal. Zweifellos kommen auch bei Culturpflanzen mannigfaltige Variationen in dieser Beziehung vor, sie fallen aber nicht so auf und haben keine Bedeutung im Gartenbau, weshalb wir auch in der gärtnerischen Litteratur fast gar keine dies- bezüglichen Angaben finden. Daher umfassen diejenigen Kategorien von Variationen, die wir unten aufzählen, noch lange nicht alle Rich- tungen der Variabilität, sondern nur diejenigen, welche die Züchter zu beachten pflegten. Die Hauptrichtungen der Variabilität, die im Gartenbau bekannt sind, sind folgende: Variationen des Wuchses. Die Dimensionen einer jeden Pflanzen- art schwanken bekanntlich bedeutend unter dem Einfluss der äusseren Bedingungen. Manchmal werden aber auch unabhängig von diesen letzteren schr starke Abweichungen angetroffen, entweder nach der Seite der Verminderung des Wuchses, so dass man Zwergformen er- hält, oder nach der Seite der Vergrösserung, so dass die Exemplare relativ sehr grosse Dimensionen erreichen. Die erstere Erscheinung heisst Nanismus, die letztere kann man als Gigantismus (g&antisme) bezeichnen. Unter der Bezeichnung Nanismus werden nicht selten total ver- schiedene Erscheinungen zusammengefasst und mit einander ver- wechselt. So wird erstens mit diesem Namen jene ganz gewöhnliche Erscheinung belegt, dass bei sehr dichter Aussaat oder auf zu trocke- nem und unfruchtbarem Boden die Pflanzen ein mageres, zwerghaftes Aussehen gewinnen. Solche Veränderungen sind rein pathologisch; sie entstehen als Folge des Nahrungsmangels und werden selbstver- ständlich nicht vererbt.!) Zweitens wird zu den Aeusserungen des Nanismus der niedrige Wuchs der alpinen und arktischen Pflanzen gezählt, welcher schon eine viel complieirtere Erscheinung darstellt. Er steht einerseits zweifellos mit den ungünstigen klimatischen Ver- dass Pflanzen der Pag. 278 E. 262 Ebene, wenn sie in das Gebirge verpflanzt werden, kleinwüchsiger werden und sich im allgemeinen Habitus den Alpenpflanzen nähern.') Anderseits verändern aber die typischen alpinen und arktischen Pflanzen selbst unter günstigeren Bedingungen ihren äusseren Habitus gar nicht oder nur sehr wenig und bleiben selbst nach vielen Jahren der Cultur auf gutem Boden und in warmem Klima ebenso klein- wüchsig wie in ihrer Heimath. Folglich sind dies nicht mehr ein- fache Modificationen, wie im vorigen Falle, sondern besondere Rassen, für welche der geringe Wuchs eine normale Eigenschaft darstellt. Endlich führt Clos, welcher eine besondere Arbeit über den Nanis- mus?) veröffentlicht hat, auch die geringen Dimensionen der Bacterien, Hefepilze, Diatomeen?°) u. s. w. auf diese Erscheinung zurück. Mit allen diesen Erscheinungen hat eigentlich jener Nanismus nichts zu thun, weichen man als den heterogenetischen bezeichnen kann und welcher allein uns in diesem Falle interessirt. Er besteht darin, dass unter normalen Exemplaren, die unter gleichen Beding- ungen auf gutem Gartenboden wachsen und aus Samen gleicher Her- kunft stammen, unerwartet irgend ein Individuum erscheint, welches sich von allen anderen durch ausserordentlich niedrigen Wuchs aus- zeichnet, das aber nicht schwächlich und ausgehungert, sondern kräf- tig, stämmig, stark verzweigt und reichlich blühend ist. Diese Merk- male werden nun auf seine Nachkommen übertragen, besonders wenn man den Stammvater vor einer Kreuzung mit der Normalform ver- hütet, und so wird eine besondere kleinwüchsige Rasse erhalten‘) Auf diesem Wege sind, soweit bekannt, jene Gartenvarietäten erhalten worden, welche mit var. nana, pumila oder compacta bezeichnet werden, wie z. B. Ageratum coeruleum var. nanum, Sca- biosa atropurpurea var. nana, Coreopsis tinctoria var. pumila, Tagetes patula var. nana, die kleinwüchsigen Balsaminen , Aster, Cinerarien, Tropaeolum und viele andere. Infolge der eleganteren compacteren Form, des frühen und reichlichen Blühens, werden solche Varietäten im Gartenbau sehr geschätzt; man erhält und vermehrt sie sorgfäl- tig, weshalb es wenige von den verbreiteten Zierpflanzen gibt, von 1) In dieser Richtung wurden von Prof. Bonnier umfassende Versuche an- gestellt. Eine Zusammenfassung der Resultate seiner Beobachtungen findet sich in den Annales des seiences natur., VII ser. vol.XX, pag. 117—360 (G.Bonnier, Recherches experimentales sur l’adaptation des plantes au elimat alpin), 2) Clos, Du nanisme dans le rögne vegetal. — M&m, de l’Acad, de Toulouse. IX ser, v. I pag. 375-406, 3) Clos, 1. c. pag. 399. 4) Vgl. Verlot, Sur la prod. des var. pag. 34—42. 268 denen nicht eine kleinwüchsige Varietät bekannt wäre, Alle derartige Formen behalten nicht bloss bei ungeschlechtlicher Vermehrung durch Stecklinge, Ableger und Pfropfung ihre Eigenschaften, sondern bleiben auch bei Vermehrung mittels Samen constant, natürlich bei genügen- der Isolirung, d. h. bei Vermeidung einer Bestäubung durch die Normalform. Da in der Praxis die Isolation nur sehr selten in aller Strenge durchgeführt wird, sind die Resultate der Aussaat verschieden und immer mehr oder weniger vom Zufall abhängig. Die einen Varie- täten werden leicht, die anderen nur sehr schwierig fixirt. Ich will hier als Beispiele zwei Fälle anführen, welche ich Ver- lot’s Werk (l. c. pag. 88, 39) entlehnt habe. Im Jahre 1860 er- schien in Vilmorin’s Anstalt mitten in einer Plantage von Tagetes signata ein Individuum, welches sich von allen anderen durch seine Buschigkeit und seinen niedrigen stämmigen Wuchs auszeichnete. Dieses Exemplar wurde nicht isolirt. Aus seinen Samen erhielt man 1861 eine zahlreiche Nachkommenschaft, aus welcher nur zwei Indi- viduen den Charakter der Mutterpflanze behielten, während alle an- deren Uebergänge zum Typus darstellten. Die Samen aber, die von den besagten zwei Individuen eingesammelt wurden, reproducirten im folgenden Jahre (1862) fast vollständig die kleinwüchsige Form, so dass selbst bei strenger Auswahl nicht über 10°, der Exemplare beseitigt werden mussten, die einen Rückschlag zum Typus aufwiesen. Im Jahre 1859 erschien ebenfalls bei Vilmorin unter zahl- reichen Exemplaren von Saponaria calabrica, welche aus Samen ge- zogen wurden, ein Individuum, das sich durch merkwürdig niedrigen Wuchs auszeichnete. Die aus demselben erhaltenen Samen wurden 1860 ausgesäet und lieferten viele Exemplare, die mit der Mutter- pflanze fast identisch waren. Von dieser zweiten Generation wurden ebenfalls Samen eingesammelt und im folgenden Jahre ausgesäet, dieses Mal reproducirte aber keiner der erhaltenen Exemplare die kleinwüchsige Form. Die so sehr verschiedenen Resultate sind zweifellos hauptsäch- lich vom Charakter der Bestäubung und vom Grade der Isolation ab- hängig. Im Allgemeinen aber kann die Kleinwüchsigkeit ein voll- kommen constantes Merkmal bilden, da im Gartenbau sehr viele Formen bekannt sind, die auf dem Wege der Heterogenesis entstan- den sind und sich durch Samen fortpflanzen, Irgend welche Anomalien in den Fortpflanzungsorganen erzeugt der heterogenetische Nanismus augenscheinlich nicht. In der Litteratur ist nur ein Fall einer solchen Erscheinung bekannt, welcher von Ver- 284 %* lot (l. e. pag. 34) mitgetheilt wurde. Rs war nämlich bei Vilmorin eine kleinwüchsige Form von Ageratum coeruleum, welche reichlich blühte, aber fast gar keine Samen zu erzeugen pflegte, so dass sie nur durch Ableger vermehrt werden konnte. In der Folge erhielt derselbe Gartenbauer aus den Samen des typischen Ageratum coeru- leum eine andere kleinwüchsige Varietät, welche sich als vollkommen fruchtbar, d. h. zur Fortpflanzung durch Samen befähigt ergab. Kleinwüchsige Varietäten werden nicht nur von krautartigen Ge- wächsen, sondern auch von Baumpflanzen erhalten. Es sind viele solche Zwergbäume und -Sträucher bekannt, welche in allen Fällen, über welche Angaben vorliegen, auf dem Wege der Heterogenesis entstanden sind. So ist Clematis Viticella nana, welche einen ver- zweigten nichtschlingenden Strauch darstellt, aus dem Samen der typischen Cl. Viticella ausgewachsen.!) Acer campestre nanum wurde unter den Sämlingen der typischen Form aufgefunden.?) Prunus Mahaleb nana wurde in Orleans bei Mme. E. le Brun unter zahl- reichen Sämlingen der normalen Form in der Aussaat von 1828 in einem Exemplar entdeckt.®) Lonicera tatarica nana wurde auf die- selbe Weise durch Herrn Billiard in Fontenay-aux-Roses anno 1825) erhalten. Cedrus Libani nana erscheint nach CarridreÖ) nicht selten in den Saaten der typischen Form. Man zieht es im Allgemeinen vor, die kleinwüchsigen Variationen der Holzpflanzen durch Pfropfung zu vermehren, doch wurde bei allen Aussaatversuchen, die uns bekannt sind, die Kleinwüchsigkeit vollständig oder theilweise in der Nach- kommenschaft beibehalten. So wird Biota orientalis nana nach den Beobachtungen von Carriere$®) in der Mehrzahl der Fälle durch die Samen reproducirt. Dasselbe gilt von Biota orientalis aurea, wenig- stens was die Kleinwüchsigkeit anbetrifft.”) Aus einer Aussaat dieser Form erhielt Carri&re 1858 nur zehn Exemplare, die zum Typus zurückgekehrt waren. Alle übrigen, 308 an der Zahl, reprodueirten fast alle Merkmale, die der Mutterpflanze eigen waren. Sie alle waren niedrig und ästig, mit dünnen, an den Enden gelblichen Zweigen. Merkwürdig ist auch die ausserordentliche Frühreife der 1) Rev. hort. 1877 pag. 16. 2). c. 1874 pag. 340. 3) 1. c. v. II pag. 34. 1885. 4) Rev. hort, 1844 v. VI pag. 109. 5) Carridre, Trait6 des Con. nouv, dd. pag. 371, 6) I. c. pag. 94. T) le. pag. 95. 265 Mehrzahl der Individuen dieser Generation, welche schon im dritten Jahre fructifieirten.!) Die entgegengesetzte Erscheinung, d. h. der Gigantismus oder Grosswüchsigkeit wird ebenfalls unter den Culturpflanzen nicht selten beobachtet. Diese Varietäten werden aber im Gartenbau gering ge- schätzt und deshalb ist von ihnen sehr wenig bekannt. Dabei kann sich ja hier die Heterogenesis als Befähigung zu Riesenwuchs äussern, die Verwirklichung eines solchen Wuchses ist aber von warmem Klima, reichlicher Düngung oder überhaupt Fruchtbarkeit des Bodens, von Bewässerung, Frische der Samen u. s. w. in hohem Grade abhängig, so dass nur streng wissenschaftliche Versuche den Einfluss der heterogene- tischen Prädisposifion von der unmittelbaren Einwirkung der äusseren Bedingungen zu trennen vermöchten. Die Variationen des Stengels. Durch das Fehlen der kriechen- den Triebe, die für die Gattung Fragaria so charakteristisch sind, zeichnen sich einige Varietäten der Erdbeere aus, die auf dem Wege der Heterogenesis erhalten wurden. So erschien beispielsweise eine unter dem Namen Fraisier de Gaillon oder Fraisier des Alpes be- kannte Rasse im Jahre 1811 in einem Dorf in der Normandie (Gaillon, dep. Eure) in einer Saat der gewöhnlichen Monatserdbeere (Fragaria semperflorens, Fraisier des Alpes) in einem einzigen Exemplar und reproducirt sich seitdem aus Samen, indem sie somit mit einem Schlage eine vollkommen constante Rasse bildete.?) Eine ähnliche Varietät der gemeinen Erdbeere (Fragaria vesca, Fr. de bois) wurde im Jahre 1748 in der Umgebung von Laval in einem einzigen Exemplar mitten im Gebüsch gefunden und reprodueirt sich ebenfalls durch Samen. Dieselbe Form war übrigens auch schon früher, am Ende des 17. Jahrhunderts bekannt und entstand wahrscheinlich zu wieder- holten Malen an verschiedenen Orten.?) Das Fehlen oder das Vorhandensein von Stacheln kann ebenfalls als Merkmal heterogenetischer Variationen dienen. Bevor wir aber diese letz- teren besprechen, ist es noth wendig, über die Veränderlichkeit dieser Merk- male unter dem Einfluss der äusseren Bedingungen einige Worte zu sagen. Die Thatsache, dass die mit Dornen und Stacheln bewaffneten Pflanzen vorwiegend in trockenen Ländern mit starker Insolation ver- breitet sind, gab Herrn Lothelier Veranlassung, eine Reihe von 1) Rer. hort. 1861 pag. 229. 2) Vilmorin, Notice sur l’amel, pag. 48. . 3) Duchesne, Hiat. nat. des frais, 1766, pag. 119—124. Ebenso Decaisne, Le jardin fruit. du Mus.; Fragaria. 266 Versuchen über den Einfluss der Trockenheit oder Feuchtigkeit der Luft, sowie des Lichtes und der Beschattung auf die Entwiekelung der Dornen!) anzustellen. Er wählte zu diesem Zwecke 18 Arten?) aus verschiedenen Familien und eultivirte sie in identischen Exem- plaren (oder selbst in Theilen eines und desselben Exemplars, d. h. in vegetativer Vermehrung durch Stecklinge) in zwei Gruppen: die eine unter einer Glocke in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft, die an- dere in trockener Luft (in einer Glocke über Schwefelsäure), aber unter sonst gleichen Bedingungen. Es ergab sich dabei, dass die Pflanzen, die in der trockenen Luft eultivirt wurden, ihre Dornen beibehielten, während die letzteren in der feuchten Luft verschwanden. Dabei hatten sie sich bei denjenigen Pflanzen, bei denen die Dornen metamorphosirte Blätter darstellen, wie bei Berberis, oder Zweige, wie bei Ulex, Pyracantha und Lycium, zu den entsprechenden Or- ganen entwickelt, bei denjenigen Arten aber, bei denen die Dornen wie bei Robinia aus Nebenblättern oder wie bei Xanthium aus den mit dem Blütbenstiel verwachsenen Nebenblättern hervorgehen, ein- fach atrophirt. Hübsche Resultate ergaben sich auch bei Culturver- suchen im Licht und im Dunkeln. Die von Lothelier erhaltenen Resultate enthalten nichts Un- erwartetes, da die alltäglichen Beobachtungen uns zeigen, wie bei- spielsweise diejenigen Zweige, die in der Mitte eines Berberis- oder Weissdornstrauches wachsen, d.h. diejenigen, die sich gewissermaassen im Schatten und vielleicht auch in etwas feuchterer Atmosphäre ent- wickeln, gewöhnlich viel weniger Dornen haben als die äusseren Zweige desselben Strauches. Aus allen derartigen Thatsachen darf man aber keineswegs den Schluss ziehen, die Entwickelung der Dornen hänge von der unmittelbaren Einwirkung der äusseren Bedingungen ab.?) Denn einerseits besitzen lange nicht alle Pflanzen der trockenen Länder Dornen und anderseits lassen Pflanzen, denen keine Dornen eigen sind, keine solchen entstehen, auch wenn sie in noch so trockener Luft oder bei noch so intensiver Insolation eultivirt werden. Es muss 1) Bonnier, Observ. sur les Berberiddes etc. Revue gön. de bot., 1890, pag. 276. Lothelier, Recherches sur les plantes ä piquants. Ibidem pag. 480 et 518. 2) In der Darstellung der Resultate sind jedoch nur 14 erwähnt, nämlich: Berberis vulgaris, Ulex europaeus, Ononis repens, Genista anglica, Robinia Pseudo- Acacia, Gleditschia triacanthos, Rosa arvensis, Pyracantha vulgaris, Cydonia japo- niea, Xanthium spinosum, Cirsium arvense, C. lanceolatum, Centaurea, Caleitrapa und Lycium barbatum (1. c. pag. 518-522). 3) Vgl. auch Goebel Organographie pag. 224 (Anın. des Herausgebers), 267 daher die Abhängigkeit der Dornenentwickelung von den äusseren Bedingungen so aufgefasst werden, dass Pflanzen, denen die Bildung von Dornen eigenthümlich ist, je nach der Trockenheit oder Feuchtigkeit der Luft, nach dem Grade der Beleuchtung oder Be- schattung u. s. w. die Dornen zur Entwiekelung bringen oder nicht. Die Fähigkeit der Dornenbildung selbst bleibt bei ihnen constant und von den äusseren Bedingungen unabhängig. Es kommt aber manchmal vor, dass unter zahlreichen Sämlingen irgend einer Art, welche Dornen besitzt, unerwartet einzelne Exem- plaro auswachsen, die derselben vollkommen entbehren; und sie be- halten dann dieses Merkmal unverändert während des ganzen Lebens und unter allen Bedingungen bei und übertragen es nicht selten auch auf die Nachkommenschaft, welche aus ihren Samen gezogen wird. Hier haben wir es schon mit Heterogenesis zu thun. Von derartigen Fällen sind einige aus der Litteratur bekannt. So lieferte beispiels- weise Gieditschia sinensis Lam. (Gl. horrida Willd.), die im Jahre 1774 von China aus in die Cultur eingeführt wurde, im Jahre 1823 bei Herrn Caumzet!) unter vielen Sämlingen zwei Exemplare, die voll- kommen stachellos waren. Fine ähnliche Varietät lieferte auch eine andere Art von Gledischia, nämlich Gl. triacanthos L.?), ihre erste Entstehung ist aber nicht bekannt. Die gewöhnliche Robinie oder „weisse Acazie“ (Robinia P’seud- acacia) lieferte aus Samen mehrere dornenlose Formen. Von diesen wurde die sog. var. Utterharti im Jahre 1833 durch H. Utterhart (aus Facey-les-Lys) in einem einzigen Exemplar aus einer Saat der typischen weissen Acazie erhalten.?) Die Var. umbraculifera 4) oder die Acacia Paraso! der Franzosen, die sich ausser der Dornenlosigkeit auch noch durch ihre kugelförmige Krone auszeichnet, war schon ziemlich lange bekannt (in England seit 1820 gemein) und soll ebenfalls aus den Samen der gewöhnlichen Robinia hervorgegangen sein.) Aehnliche 1) Ann. soc. hortie. Paris, v. XIII, pag. 298; Verlot, Sur la prod. ete. pag. 92. 2) Gl. triacanthos L, var. inermis DC. Prodr. II pag. 479; Loudon, Arbor. britann. v. II (1835), pag. 650; Dippel, Laubholzk. v. III pag. 655; Ul. triacath. var. laevis hort. in Petz. et Kirchn, Arbor. Musoav. pag. 364. 3) Rev. hort. 1859 pag. 548. 4) DC. Prodr. v. II pag. 261. . ; 5) Loudon, Abor, brit. v. II pag. 610; DC. I, c. Im Herbarium des Kaiserl, Bot, Gartens in Petersburg befindet sich ein Exemplar, das offenbar zu dieser Form gehört und folgende Inschrift trägt: Obs. Point d’£pines & l’aiselle des feuilles. Folioles ovales, Cette plante n'est, selon mr, Cals, qu’une variete du Robinie Preudacacia obtenue des graines de cette dernidre plante par Boulogne, jardinier 268 Formen sind mehrmals in verschiedenen Gärten ') aufgetreten. So ist die Form var. inermis Rehderi in Muskau in mehreren Exemplaren auf einem Beet mit Sämlingen der gewöhnlichen Robinie erschienen. Petzold und Kirchner?), welche diese Thatsache mittheilen, glauben, diese Form sei aus den Samen der typischen hervorgegangen, denn „es ist kein einziger Fall bekannt, dass eine alte kugelförmige Acazie (d.h. die var. umbraculifera) geblüht hätte“. Diese Form blüht wirk- lich sehr selten, Koch?) erwähnt aber doch das Blühen derselben, und es ist daher möglich zu vermuthen, dass an der Entstehung der neuen unbewaffneten Varietät, d. h. der var. inermis Rehderi, die alte var, umbraculifera eine gewisse Rolle gespielt haben mag, und sei es denn in Form des Pollens, der ja durch die Insekten zuweilen auf grosse Distanzen transportirt wird. Alle derartigen Varietäten, der Gleditschie sowohl wie der Ro- binie, bildeten aber keine besonderen Rassen und können sich nur auf ungeschlechtlichem Wege, d. h. durch Pfropfung, Wurzelspross u. 8. w. vermehren. Aus den Samen von Rob. Ps. var, Utterharti sollen immer nur Sämlinge der typischen Form, d. h. mit Dornen versehene, gewonnen werden.?) Doch hat eine der Robinienformen, nämlich die var. coluteoides, die sich unter anderem durch den Mangel der Dornen auszeichnet, bei der Aussaat Exemplare geliefert, von denen einige die Merkmale der Mutterpflanze beibehalten haben.) Ueber Rob. Ps. var. inermis äussert sich Sargent®): „Ihre Säm- linge sind häufig mit Dornen versehen“, womit er gleichsam aussagt, dass sie manchmal auch dornenlos sind. Die gewöhnliche Stachelbeere (Ribes Grossularia) gab ebenfalls stachellosen Formen den Ursprung.?) Das erste Exemplar einer der- artigen Varietät wurde durch den seinerseits bekannten Baumschul- besitzer Billard (mit dem Beinamen La Graine) in Fontenay-aux- Roses (Seine) unter den Sämlingen des Jahres 1860 erhalten. Durch Pfropfung verbreitete es sich in den Gärten unter dem Namen Gro- & Clamart sous Mendon. Elle n’a pas encore fieuri chez mr. Rambideau — Jardin de Champyrenon pres Mäcon, le 16€ Juin 1817. 1) Koch, Dendr. v. I pag. 57. 2) Arbor, Musc. pag. 377. 3) Kochll.e. 4) Isabeau iu Rev. hort. 1859 pag. 548. — Verlot in Rev. hort. 1873 pag. 154, 5) Rev. hort. 1867 pag. 457. 6) Sargent, Silva of North Amer. v. III pag. 41, 7) Rev. hort. 1867 pag. 370; 1891 pag. 344; 1892 pag. 180. 269 seillier Billard. Diese Form lieferte ziemlich gute Früchte mit normal entwickelten Samen, zeichnete sich aber durch keinen beson- ders kräftigen Wuchs aus. Carriöre begrüsste diese Pfanze und empfahl schon im Jahre 1867, dieselbe durch Samen zu vermehren, indem er der Hoffnung Ausdruck gab, sie würde zum Stammvater einer neuen Serie von Varietäten werden. Seit 1884 begann Eduard Lefort in Meaux systematisch Aus- saaten der Samen der beschriebenen Form zu machen, wobei er jedes Mal alle stacheligen Exemplare vernichtete und nur die stachellosen wachsen liess. Auf diese Weise erhielt er in kurzer Zeit viele Varietäten, die sich durch die Grösse und Färbung der Frucht von einander unterscheiden, die aber sämtlich stachellos sind. Die vier besten von diesen Formen wurden im Jahre 1892 von Carriere)) beschrieben. Es gibt auch eine Andeutung, dass durch Herrn Bruant auch, von Rosa rugosa ein stachelloses Exemplar erhalten wurde ?), ausführ- lichere Angaben über diese Form sind aber in der Litteratur nicht vorhanden. Besonderes Aufsehen erregte aber eine Varietät von Ulex euro- paeus, die stachellos ist (Ajone sans &pines). Sie wurde zum ersten Mal im Jahre 1847 durch Herrn Trochu entdeckt, welcher unter Tausenden von Sämlingen der typischen Fornı fünf oder sechs Indi- viduen dieser Varietät fand. Bei der grossen Rolle, welche Ulex europaeus in der Landwirthschaft. von Nordwestfrankreich spielt, machte diese Entdeckung grosses Aufsehen, weil die Cultur einer solchen Form es ermöglichen würde, die werthvolle Futterpflanze ohne jede vorhergehende Bearbeitung zu verwenden.?) Allein die Be- mühungen des Herra Trochu selbst, sowie diejenigen von Louis Vilmorin blieben erfolglos und es gelang nicht, aus dieser Variation eine besondere Rasse zu züchten. Nach Verlot‘) erklärt sich dieser Misserfolg dadurch, dass die Versuche nicht genügend nachhaltig ge- macht und zu bald aufgegeben wurden. Naudin bemerkt in einem Artikel5), die erhaltene Variation sei wahrscheinlich von der typischen Form nicht genügend isolirt und mit dem Pollen derselben befruchtet' 1) Rev. hort. 1892 pag. 180. 2) 1. c, 1890 pag. 18. . 3) Vilmorin, Notices sur Yamel. pag. 31. — Rev. hort. 1852 pag. 22; siehe auch Rev. hort, 1850 pag. 153 und 273. 4) Verlot, Sur la prod. ete. pag. 92. 5) Rev. hort. 1861 pag. 467. ® 270 worden, weshalb sie auch immer eine mit Stacheln ausgerüstete Nachkommenschaft lieferte. Naeh Naudin könnten neue, unter An- wendung aller Vorsichtsmaassregeln durchgeführte Versuche zweifel- los die Möglichkeit gewähren, eine besondere samenbeständige Rasse zu erhalten. Doch sind solehe Versuche, soweit mir bekannt, nicht gemacht worden, obwohl diese stachellose Variation auch in der Folge unter der typischen Form sporadisch aufgetreten war. !) Mit Stacheln ausgerüstete Variationen von Arten, denen diese in der Regel fehlen, wurden bis jetzt nicht beobachtet. Es ist aber eine Form bekannt, bei welcher die Dornen viel stärker entwickelt sind, als beim Typus. Es ist dies Crataegus monogyna Jacg. var. horrida?), welche 1861 durch Carri&re beschrieben und abgebildet wurde °) und welche sich durch mächtige, büschelweise angeordnete Dornen auszeichnet, Sie ist wahrscheinlich auf dem Wege der Heterogenesis entstanden, über ihre Entstehung ist aber nichts Genaueres bekannt. Nach Carri&re werden aus den Samen dieser Varietät nur Sämlinge der typischen Form erhalten. Von weiteren Veränderungen des Stengels mag noch eine ziem- lich gewöhnliche Monstrosität, die sog. Fasciation, erwähnt wer- den, welche ebenfalls immer plötzlich bei einzelnen, aus den Samen normaler Mutterpflanzen ausgewachsenen Exemplaren auftritt. . Häufig wird diese Abweichung auf die Nachkommenschaft vererbt. So wurde aus dem Samen von Sambucus nigra monstrosa mit fasciirten Zweigen eine ähnliche Form erhalten, die. sich nur durch eine regelmässigere Krone auszeichnet und den Namen Sambucus nigra monstrosa com- pacta erhalten hat.) Dass die Fasciation zu einem vollständig con- stanten Rassenmerkmal werden kann, das beweisen am besten die gärtnerischen Varietäten des bekannten Hahnenkammes (Celosia cristata). Die Variationen der Krone. Auch die Form der Krone unter- liegt bei den Baumarten bedeutenden Veränderungen. Im Gartenbau werden die Varietäten mit herunterhängenden (trauernden) Aesten oder mit pyramidaler Krone wie bei der italienischen Pappel (Popu- lus pyramidalis) besonders geschätzt. Die einen wie die anderen Formen werden gewöhnlich auf dem Wege der Heterogenesis er- 1) Barral et Sagnier, Diet. d’agrie. I pag. 161. 2) Dippel, Laubholzk. v. III pag. 459, 3) Flore de Serres vr. XIV tab. 1488 (subnom. Cr. oxyacantha v. horrida). 4) Rey. hort. 1877 pag. 217. 271 halten, indem sie unerwartet unter den Sämlingen der typischen Form erscheinen. Auf diese Weise wurde die Sophora japonica var. pendula er- halten, die bei Herın Jolly in Paris um das Jahr 1800), vielleicht aber auch bei Herrn Jonet in Vitry-sur-Seine?) entstanden ist. Gleditschia triacanthos pendula (Gl. Bujoti) entstand aus den Samen der gewöhnlichen Gl. triacanthos bei Herrn Bujot in Chäteau-Thierry (dep. Aisne)?). Prunus Mahaleb pendula in Rouen hei Constant Lesueur im Jahre 1847, Prunus Padus pendula in Chäteller- ault bei H. Beauchaine‘), Persica vulgaris pendula in Lion bei H. Lac&ne im Jahre 18215), Mespilus linearis®) pendula nach den Beobachtungen von Camuzet?) Sambucus nigra pendula bei H. Baudriller, Gärtner in Gennes (dep. Maine-et-Loire)®), Quercus sessiliflora pendula in Vincennes°®), Carpinus Betulus pendula bei H, Masse in La-Perte-Mace (dep. Orne)!’) u. a. m. Picea excelsa (Abies excelsa) pendula wurde zuerst durch H. Briot in Trianon- Versailles um das Jahr 1835 erhalten’), dann entstand unabhängig eine ähnliche Form bei Herrn Mass&.'?) Bei demselben erschien im Jahre 1844 auch Abies pectinata pendula (Abies taxifolia pen- dula) 3), Abies Nordmanniana pendula wurde in Frankreich durch den Baumgärtner Courtois in Clamart (dep. Seine) aus der Aussaat von 1869 erhalten. '‘). Wellingtonia gigantea pendula ging bei einem Gärtner in Nantes (Lolande jeune)'5) aus der Saat von 1862 hervor. 1) Ann. soe. hort. Paris v,IX pag. 188. — Verlot, l. c. pag. 93. Nach Pepin (Rev. hort. 1853 pag. 179) im Jahre 1810. Siehe auch Carridre in Rev, hort. 1861 pag. 84. 2) Ann. soc. hort. Paris v, XIX pag. 26. — Verlot,L.e. 3) Rev. hort, 2. sr. Vol. IV pag. 205 (1845). — Sargent, Silva of North Amer. v. III, 77. — Ann. soc. hort. 1856 pag. 414. — Verlot,l.e. 4) Rev. hort. 1853 pag. 180. 5) Decaisne, Jard. fruit. v. VO. 6) Mespilus linearis Desf. —M. salieifolia Med. in Koch Dendr. I pag. 144. — M. Grus Galli var, linearis Wenz, — Crataegus Crus Galli L. var. galicifolia subvar. linearis Dipp. Handb. d. Laubh. v. II pag. 442. ?) Rev. hort, 1844 pag. 135, 8) Rev. hort. 1890 pag. 503, 1891 pag. 205. 9) Rev. hort. 1887 pag. 61. 10) Rev. hort. 1853 pag. 269 — 272. 11) Carr. Conif. pag. 330. 12) Rev. hort. 1858 pag. 271. . 18) Rev. hort. 1852 pag. 101. 14) 1. c. 1890 pag. 440. 15) 1. c. 1889 pag. 545. 272 Die Trauerlärche wurde in England erhalten (Larix europaea pen- dula)!). Die sog. Biota orientalis Endl. var. flagelliformis Henk. et Hochst.?), die von Lambert als eine besondere Art mit dem Namen Thuja pendula®) beschrieben wurde, entstand in Frankreich in der Umgebung von Laval (Mayenne) bei Graf de Rumigny um das Jahr 1818 in einem einzigen Exemplar unter einer grossen Zahl von Säm- lingen der normalen Biota orientalis. Von diesem Exemplar erhielt Herr Jacques im Jahre 1822 Pfropfreiser und begann diese Variation zu verbreiten. Eine ähnliche, wenn nicht gar identische Form ist in den Gärten von China und Japan sehr verbreitet, wo sie viel früher und ganz selbständig entstanden ist; sie ist den neueren Angaben zufolge auch in Europa zu wiederholten Malen unter den Sämlingen der typischen Form aufgetreten. Nach Pepin’s mehrere Mal aus- drücklich wiederholter Angabe *) irägt diese Varietät alljährlich Früchte, in denen sich aber kein einziger Same entwickelt. Nach den Beob- achtungen von Verlot®), sowie nach späteren Angaben ist dies aber unrichtig; sie liefert ziemlich häufig reife Samen, welche in einem gewissen Procentsatz die Mutterform reproduciren. Trauer- oder Hängevarietäten von einigen Arten wurden in Form einzelner Bäume in Parken und auf Feldern gefunden. So wurde die Trauereiche (Quercus pedunculata pendula) als alter Baum in einem englischen Park (Moccas Court, Herefordshire)®) entdeckt, die Trauerulme (Ulmus campestris pendula) wurde von P&pin im Dep. Eure im Jahre 18537) gefunden. Die Traueresche (Fraxinus excel- sior L. var. pendula Ait.) wurde nach Loudon®) um die Mitte des vorigen (X VIII.) Jahrhunderts auf einem Felde bei Wimpole (Cam- bridgeshire) entdeckt. „Dieser alte Baum existirte noch in den 30er Jahren dieses Säculums, obwohl er in Zerfall begriffen war. Es ist nicht bekannt, wann man begonnen hatte, Pfropfreiser von demselben 2 Gard. chron. 1887 v. II pag. 684. 2) Beissner, Handb. d. Nadelh. pag. 63; sie heisst auch Biota orientalia var. pendula Carr. (Trait6 des Conif. ed. nouv. Pag. 160) und Thuja orientelis fla- geiliformis Jacq. 3) Lamb. Pinet. ed, II pag. 115, 4) Ann. soc. hort, Paris v, 34 pag. 77. — Rev. hort. v. V pag. 580; 1860 pag. 538. 5) Verlot, Sur la prod. etc. pag. 59. 6) Loudon, Arbor. et frut. brit, v. IH Pag. 1732. Doch scheint es, dass ähnliche Formen auch in Deutschland nnabhängig entstanden. — 8. Petz. et Kirchn., Arbor. Muscav. pag. 620. 7) Rev, hort. 1853 pag. 179, 8) Loudon, Arbor. et frut. brit, v, U pag. 1214, er ne re, 273 zu entnehmen, aber in den 30er Jahren waren schon 50jährige ge- pfropfte Bäume vorhanden. Viele gepfropfte Bäumchen wurden in England, dann in Schottland, Irland und Deutschland gepflanzt. In Odessa war dem von Descemet zusammengestellten Katalog zufolge auch eine Traueresche vorhanden, die aber auf den Beeten unter den Sämlingen der gewöhnlichen Esche aufgefunden wurde und sich wahr- scheinlich von der englischen unterschied“.') Die Trauerbuche (Fagus silvatica var. pendula) wird manchmal in den Wäldern. in einzelnen Exemplaren angetroffen. So existirte ein solcher Baum in Northamp- tonshire beim Milton Park?) und eine ähnliche Form bei Metz, ?) Trauerformen der Weisstanne (Abies pectinata) werden von Zeit zu Zeit in Wäldern angetroffen. So berichtet Fischbach, es wurden im Schwarzwald bei Wildbad zwei alte Bäume dieser Varietät ge- funden, sowie viele junge Exemplare, die bereits die charakteristischen Merkmale der Mutterpflanze zeigten. In Hohenzollern wurde ein derartiger Baum gefunden.*) Die Trauerfichte (Picea excelsa Link. var. pendula Carr.) wächst nach einer Mittheilung von Caspary in einem Walde in Preussen (Bezirk Heilsberg) in einem einzelnen Exemplar unter Millionen von typischen Individuen. Die Sänlinge von diesem Baume reprodueiren nicht die Mutterpflanze, sondern schlagen zum Typus zurück.®) Kein Zweifel, dass diese Formen, die in einzelnen Exemplaren in Parken und Wäldern erscheinen, aus den Samen der typischen Formen auswachsen, d. h. ihren Ursprung der Heterogenesis verdanken. Aller Wahrscheinlichkeit nach muss auch die Entstehung der übrigen Trauerbäume, von deren Erscheinen wir keine genauen Angaben haben, demselben Vorgang zugeschrieben werden, Einige Trauer- oder Hängebäume behalten bei Vermehrung durch Samen ihre Merkmale vollkommen bei. So lieferten bei Carriere die vom Trauerpfirsich (Persica vulgaris var. pendula) eingesammelten Samen 32 Exemplare, welche sämmtlich die Form der Zweige erbten.°) Dasselbe bestätigt Decaisne, welcher grosse Mengen von Samen dieser Form pflanzte und dieselbe ohne Veränderung erhielt.) Die 1) Loudon|| ce, 2) Loudon I, c. pag. 1953. 3) Koch, Dendr. v. II pars 2 pag. 17. 4) Wien. Illustr, Gartenzeit, 1880 pag. 160-161, 5) Schr. Ges, Königsberg 1879, II pag. 50. 6) Rey. hort, 1859 pag. 419, pag. 178. 7) Decaisne, Jard. fruit. v. VII, Flora, Frgänzgsbd. 1901. 18 274 wiederholte Aussaat der von der oben erwähnten Trauereiche ge- sammelten Samen!) lieferte viele Pflanzen, welche sämmtlich in einem höheren oder geringeren Grade die besagte Eigenschaft der Zweige besassen, manche in einem so hohen Grade, dass ihre Zweige in der Jugend durch Pfosten unterstützt werden mussten. Bei vielen Exem- plaren äusserte sich aber diese Eigenschaft erst vom 20. Lebensjahr an. Nach den Beobachtungen von Herrn Mac-Nab waren die Säm- linge von dem Prachtexemplar der Trauerbirke (Betula alba pendula), welches im botanischen Garten von Edinburgh wächst, bis zu 10—15 Jahren alle gerade, dann aber wurden sie zu Trauerbirken, wie die Mutterpflanze.?) Ebenso geben die Traueresche und der Trauer- lebensbaum (Biota orientalis v. filiformis) einen bedeutenden Procent- satz an Trauerexemplaren, andere Trauerformen liefern nur wenig solcher. Nach den Beobachtungen von Mac-Nab erhält man aus den Samen der Trauerbuche nur Sämlinge der gewöhnlichen Buche.?) Nicht minder häufig als die Trauervarietäten werden die pyra- midalen Varietäten der Baumpflanzen angetroffen, welche die Be- zeichnung var. fastigiata oder var. pyramidalis tragen. Ihr Kenn- zeichen besteht darin, dass alle Aeste verhältnissmässig sehr kurz sind und den geraden und hohen Stamm gleichmässig bekleiden, wodurch die Krone eine schmale, gestreckte Form erhält, wie die der Pyra- midenpappel. Alle derartigen Varietäten werden, so viel uns bekannt, auf dem Wege der Heterogenesis aus den Saaten der typischen Formen erhalten. So wurde beispielsweise Betula alba var. fastigiata in Bollweiler (Elsass) durch Herrn Baumann‘) erhalten, Abies concolor var. fastigiata in Sceaux im Garten der Herren Thibault und Keteleer’), Cedrus atlantica var. fastigiata in Nantes bei Herrn Lalande ( jeune)®), Cryptomeria japonica var. pyramidata in Chätenay-les- Sceaux bei Herrn Paillat, Wellingtonia pyramidata compacta in Saint Etienne (Loire) bei den Herren Otin pöre et fils.”) Pinus silvestris var. Bu- joti, die sich dadurch vom Typus unterscheidet, dass sie eine klein- wüchsige dichte Pyramide mit sehr kurzen Zweigen und mit welliger 1) Loudon, Arbor, et fruit, brit, v. III pag. 1732. 2) Verlot, Sur la prod. pag. 94, 3) Verlotl, c. pag, 98, 4) Rev. hort, 1872, pag. 24. 5) Ibidem 1890, pag. 137. 6) Ibidem 1890, pag. 32. 7) Ibidem 1891, pag. 166. 275 Oberfläche bildet, wurde durch H. Bujot in Chierry unter zahl- reichen Exemplaren der typischen Form aufgefunden, welche aus der Aussaat von 1843 ausgewachsen waren.!) Pseudotsuga Douglasii var. fastigiata Carr. (Tsuga Douglasiü var. sparsifolia Carr.), die sich durch die Pyramidalform und die nach oben gehobenen Aeste auszeichnet, entstand aus dem Samen der typischen Form im Jahre 1855 in Eng- land.?) Die gewöhnliche Cypresse (Cüpressus fastigiata DC.), welche an und für sich eine pyramidale Form hat, gab einer sehr charakte- ristischen Varietät den Ursprung, welche Carriere var. cereiformis benannte.?) Ihr Stamm ist nur von kleinen Zweiglein bedeckt, die nach oben gerichtet sind und den Stamm dicht bekleiden, so dass der ganze Baum die Gestalt einer sich nach oben allmählich ver- Jüngenden Säule hat. Bei einem 8,4m hohen Exemplar hat die Krone am Grunde und auf dem grössten Theil ihrer Länge einen Durch- messer von bloss 20cm. Ein grosses Exemplar von 12m Höhe hatte eine Krone von 60cm Durchmesser, von denen 20cm auf den Stamm selbst entfielen. Die originelle Form wurde im Jahre 1838%) durch Herrn Fer- rand in Cognac (Charente) aus den Samen der typischen pyramidalen Cypresse (Cupressus fastigiata) erhalten. Die Samen von diesem alten originellen Exemplar lieferten eine Nachkommenschaft, die alle Merk- male der Mutterpflanze beibehalten hat, so dass sich diese Form durch Samen vermehrt.öÖ) Ebenso reproducirt sich die Pyramidaleiche (Quer- eus pedunculata var. fastigiata®) oder Qu. fastigiata Lam.)’), welche übrigens nicht in der Cultur erhalten wurde, sondern in den Pyrenäen und in Südfrankreich hie und da wild vorkommt, ziemlich gut aus den Samen.®) Bei anderen derartigen Varietäten schlagen die Sämlinge häufiger zum Typus zurück, wie das beispielsweise bei der pyrami- dalen weissen Acazie beobachtet wird (Robina Pseudacacia var. pyra- 1) Rev. hort, 1856, pag. 242. 8. auch Journ. soc. imp. hort. 1856, pag. 413. 2) Rev. hort. 1861, pag. 23; Carr., Con. pag. 257. 3) Rev. hort. 1859, pag. 166. . 4) Carritre gibt in seiner Monographie der Coniferen (Con. pag. 148) irr- thümlicherweise das Jahr 1854 an, 5) Rev. hort, 1859, pag. 166. 6) Loudon, Arbor. pag, 1731. 7) Lamarck, Diet. v. I pag. 725. 8) Loudon ı e. pag. 178%; Verlot I. e. pag. 94; Alphonce De Candolle (DC. Prodromus v. XIV pars 2, pag. 6) sagt von dieser Form: Forma non satis herediteria (ex Alman, du bon Jard.); e 30 satis, 12 formam fastigiatam prae- buerunt (Mathieu, Fl. for. ed, 2, pag. 287p.; ed. 4, pag. 346). 18* 276 midalis). Dieser Baum von unbekannter Herkunft wurde in den Jahren 1833--1834 in Frankreich in die Cultur eingeführt.*) 1840 wurde ein Exemplar dieses Baumes, der im allgemeinen Habitus der pyramidalen Pappel ähnlich ist, im Jardin des plantes in Paris ge- pflanzt. Er blühte und trug Früchte erstmals 1853. Die gesammelten Früchte enthielten Samen, die sich in ihrer Form etwas von den typischen unterschieden. Sie wurden ausgesäet und es wuchsen 17 Exemplare aus, die aber sämmtlich der typischen Robinia Pseud- acacia gehörten, d. h. keine pyramidale Krone hatten.?) Daraus folgt natürlich nicht, dass sich die Pyramidenform auch bei weiterer Aus- saat nicht erhalten würde. Ueber Taxus baccata var. fastigiata ?) (Taxus hibernica Hook.) berichtet Mac-Nab, er hätte die Samen dieses Baumes oft ausgesäet, immer aber erfolglos; „ich erhielt immer die gewöhnliche Eibe“, schreibt er. „Andere sollen aber glücklicher gewesen sein und dieselbe Varietät erhalten haben. Dies ist aber eine seltene Thatsache.* Verlot,*) der diese Stelle citirt, bestätigt, dass sich die Pyramidaleibe wirklich manchmal durch Samen repro- ducirt und weist auf ein Exemplar in der Baumschule des Schlosses Rothschild in Ferriere hin, das auf diese Weise erhalten wurde. Dass dies so selten stattfindet, darf uns nicht wundern, da Taxus hibernica, die sich von der gewöhnlichen Eibe ausser durch den pyramidalen Wuchs auch noch durch die länglichen Früchte unter- scheidet, im vorigen Jahrhundert in Irland (in den Fermanaglı-Bergen bei Florence Court) in einem einzigen weiblichen Exemplar ge- funden wurde. Von diesem Baum, welcher sich noch 1838 in gesundem Zustande befand, wurden schon vor 1780 Pfropfreiser entnommen, durch deren Vermittlung diese Form sich auch über alle Gärten Europas verbreitete) Männliche Exemplare dieser Varietät gibt es aber nicht, weshalb ihre Bestäubung nur durch den Pollen der ge- wöhnlichen Eibe stattfinden konnte. Unter diesen Umständen konnte die Reproduction der Merkmale der Mutterpflanze selbstverständlich 1) Sargent (Silva of North Amer, v. III pag. 42) sagt, diese Form sei 1839 in der Baumschule von H. Leroi in Angers erschienen, wobei er sich auf Verlot in Rev. hort. 1873 pag. 155 beruft. Dies beruht doch auf einem Missverständnis. Leroi war nur der erste Baumgärtner, der diese Pflanze in grosser Anzahl eultivirte. Ausführliche Angaben über diese Pflanze macht P&pin in Rev. hort. 1859 pag. 541. 2) P&pin in Rev. hort, 1859 pag. 541. 3) Loudon, Arbor. pag. 2066. — Carr., Con. pag. 737. — Beissn., Handb. Nadelh. pag, 169, 4) Verlot, Sur la prod. pag. 94, 5) Loudon, Arbor. pag. 2066, 277 nur Sache des Zufalls sein. Am häufigsten kommen ohne Zweifel Mittelformen zu Stande, von denen sich einige, wie z. B. var. erecta!) (T. strieta hort.), intermedia und compressa,*) in der Cultur er- halten haben. Einige pyramidale Varietäten der Baumarten werden in einzelnen Exemplaren im wilden Zustande gefunden. So wurde beispielsweise die pyramidale Weisstanne (Abies pectinata pyramidalis)®) von Herrn Verlot im Jahre 1857 im Canton de Vif, Isere, in einem einzigen grossen Exemplar unter einer grossen Menge gewöhnlicher Weiss- tannen gefunden. Die Entstehung der pyramidalen Hainbuche (Car- pinus Betulus var. pyramidalis), die sich von Cassel aus über die Gärten verbreitete, ist uns nicht bekannt. Eine ähnliche Form wurde aber in einem Walde in Preussen (Kreis Flotow) wildwachsend ge- funden, in einem Exemplar unter unzähligen normalen Bäumen dieser Art‘) Eine der Formen der Pyramidaleiche (Quereus pyramidalis Gmel.)5), welche sich, wie es scheint, von der obenerwähnten Qu. fastigiata Ikam. etwas unterscheidet,®) existirt nach einer Mittheilung Fennel’s?) in wildem Zustande in einem einzigen alten Exemplar im Walde bei Babenhausen a. Günz, unweit der württembergischen Grenze. Von diesem Baum wurde ein Pfropfreis nach Wilhelmshöhe gebracht und aus ihm sind alle Pyramidaleichen hervorgegangen, die in Nord- und Mitteldeutschland wachsen. Aehnliche Beobachtungen liegen auch in Bezug auf einige-andere Baumarten vor. Bei dieser Gelegenheit will ich mir erlauben noch auf eine Form hinzuweisen, deren Herkunft bis jetzt räthselhaft bleibt. Es ist die Pyramidenpappel oder die italienische Pappel (Populus fastigiata Desf., P. italica Moench., P. pyramidalis Rozier)®), die in ganz Südeuropa und Westasien so verbreitet ist. Diese Form ist schr nahe verwandt mit der Schwarzpappel (Populus nigra L.), als deren Varietät sie von der Mehrzahl der Forscher betrachtet wird °), zeichnet sich aber dureh — 1) Loudon, |, ec. pag. 2068. — Carr., Con. pag. 734. — Verlot, Sur la prod. pag. 94. 2) Carr., Con. pag. 738. 3) Carr., Con. pag. 280. j 4) Caspary in Schr. Königsb. 1882 pag. 216-217. 5) Gmelin, FI. bad. als. v. IH pag. 699. 6) Koch, Dendr. v. II, pars II pag. 29. 7) Ber. Verh. Cassel 1891 pag. 33. . Floor. IV 8) Lam,, Diet. v. V pag. 235; Loud., Arbor. pag. 1660; Boiss,, Fl. or. v. pag. 1194, . Koehne 9) Koch, Dendr, II, pag. 490; Dippel, Laubh. II, pag. 199; Koe ’ Dendr, pag. 81. 278 die Form ihrer Krone, durch das Vermögen, Adventivsprosse auszu- treiben, sowie durch geringfügige Unterschiede in der Form der Blätter und der männlichen Kätzchen aus. Die Pyramidenpappel wird seit unvordenklicher Zeit in Italien eultivirt, wo sie in der Lombardei den Poufern entlang besonders üppig wächst. Von hier aus wurde sie 1749 nach Frankreich und 1758!) nach England eingeführt. Lange Zeit glaubte man, Italien sei die Heimat dieser Form, bis man sich davon überzeugt hat, dass sie dort nicht im wilden Zustande, sondern nur .in Cultur oder verwildert angetroffen wird. Dann suchte man ihre Heimath in der Krim, in Armenien ?), Persien, Afghanistan und endlich in dem Himalaja. Allein es stellt sich heraus, dass in allen diesen Ländern, den Himalaja und Westtibet nicht ausgenommen ?), die Pyramidenpappel nur im cultivirten Zustande angetroffen wird. Man muss, wie es scheint, zugestehen, dass diese Form nirgends wild wächst. Dabei wird sie nur in männlichen Exemplaren cultivirt, wäh- rend weibliche Exemplare 'von ihr nicht bekannt sind. Denn wenn auch Loudon (l.ce.) und Andere‘) auch weibliche Exemplare er- wähnen, so unterscheiden sich doch diese letzteren offenbar von der echten Pyramidenpappel und stellen möglicherweise Hybriden derselben oder überhaupt besondere Formen dar. Wenn wir uns nach allem . hier Gesagten die Frage vorlegen, wie doch diese Form entstanden sein mag, so werden wir kaum eine befriedigendere Erklärung aller Thatsachen finden als diejenige, dass die Pyramidenpappel eine hete- rogenetische Variation der gewöhnlichen Schwarzpappeli (Populus nigra) bildet, d. h, dass sie einst aus den Samen der Schwarzpappel in Form eines männlichen Exemplars entstanden ist und dann, vom Menschen bemerkt, auf ungeschlechtlichem Wege fortgepflanzt und über das weite Gebiet, welches sie jetzt einnimmt, verbreitet wurde. m. Die Form der Blätter. Die heterogenetischen Variationen der Blätter, die bis jetzt beobachtet wurden, können unter folgende zwei 1) Loud,, Arbor. pag. 1662, 2) Rev. hort, v. III (1838) pag, 467, 3) Hook., Fl. of Brit. India v. V pag. 68. 4) Dipp,l.c, Koch, I, c, Prof, Fischer von Waldheim (Bot. Ztg. 1887, pag. 450-451) weist auf ein weibliches Exemplar der Pyramidenpappel hin, welches in Warschau wächst. Die Aeste dieses Baumes stehen weiter als bei den männ- lichen Exemplaren ab, so dass die Krone nicht von so regelmässiger Form ist. Auf diesen Umstand macht auch Hartig (Nat. forst. pag. 435) aufmerksam und fügt hinzu, die weiblichen Exemplare seien niedriger als die männlichen, was übrigens art Warschauer Exemplar nicht zu bemerken ist, 279 Hauptkategorien subsumirt werden: 1. Vereinfachung des Blattes, wobei aus zusammengesetzten oder geschnittenen Blättern einfache entstehen, und 2. Complicirung der Blattscheibe, wobei aus ungetheilten Blättern gelappte, aus gespaltenen und getheilten noch mehr getheilte und aus geschnittenen doppelt geschnittene hervorgehen. Zur dritten Kategorie könnte man die Veränderung des allgemeinen Umrisses der Blätter, sowie ihrer Grösse zählen. Solche Fälle sind bekannt, sie sind aber wenig zahlreich und, was die Hauptsache ist, noch sehr wenig erforscht.) Aus den Formen der ersten Kategorie muss neben der bereits im ersten Kapitel beschriebenen Erdbeere mit einfachen Blättern (Fragaria monophylla) vor Allem auf eine Varietät der Robinie, nämlich Robinia Pseud-Acacia var. monophylia (oder unifoliata) hinge- wiesen werden. Diese Form unterscheidet sich von der typischen vor Allem durch ihre Blätter, welche bis auf das Endblättchen redueirt sind, wobei letzteres aber bedeutende Dimensionen annimmt und eine Länge von 15cm bei einer Breite von 8cm erreicht, ?) Es verbindet sich mit dem Blattstiel, wie bei der typischen Form vermittelst eines Gelenkes, an dessen Grunde zwei sehr kleine pfriemenförmige Neben- blättchen zu bemerken sind. Weiter unten sitzen an demselben Blatt- stiel nicht selten noch ein oder zwei Blättchen von noch kleineren Dimensionen. Ausser diesem Hauptzug zeichnet sich die geschilderte Form noch dureh andere geringfügige nebensächliche Merkmale aus, so z. B. durch den Mangel von Dornen im oberen Theil der Zweige, durch lange, etwas zusammengedrückte Trauben mit einer geringeren Blüthenzahl, durch dichtes, dunkelgrünes Laub, welches sich im Herbst viel länger erhält, als bei der gewöhnlichen weissen Acazie, u, a. m. Die geschilderte Form entstand auf heterogenetischem Wege, indem sie plötzlich in einem einzigen Exemplar auf einem Beet mit zahlreichen Sämlingen der typischen weissen Acazie erschien. Dies geschah im Jahre 1855 bei Herrn Deniau,‘) Gärtner in Brain-sur- l’Authion (Maine et Loire). 1865 brachte sie im Jardin du Museum 1) Der gewöhnliche Faulbaum (Rhamnus frangula) lieferte eine besondere Varietät (var. asplenifolia Arbor. Muse.), die sich durch schmale, fast fadentörmigs Blätter von 4—6cm Länge und 4mm Breite mit welligen Rändern, auszeichnet. Bie entstand aus den Samen der typischen Form in den Baumschulen von Kun (Dipp., Laubh. II peg. 528). Geringere Grösse und etwas verschiedene Form er Blätter erscheint nicht selten ala nebensächliches Merkmal neuer Varietäten. 2) Beschreibung und Abbildung siehe bei Carr. in Rev. hort. 1860 pag. 629 — 632, 3) Rev. hort. 1864 pag. 239; 1885 pag. 77. 280 in Paris zum ersten Mal Früchte (vorher blühte sie mehrere Male, gab aber keine Früchte). Aus den eingesammelten Samen gingen Sämlinge hervor, von denen etwa !/, die Merkmale der Mutterpflanze reprodueirten, während die übrigen zum Typus zurückkehrten.!) Bei wiederholter Aussaat im Jahre 1871 hatten mehr als die Hälfte der Sämlinge die Merkmale der Mutterpflanze?), und nach Beissner’s Versuchen ?) soll sich diese Varietät durch Samen gut reproducieren, indem nur hie und da Uebergangsformen zum Typus erscheinen, Ich will noch bemerken, dass nach Briot’s*) Mittheilung Robinia pseud,. monophylla infolge der beginnenden Füllung ihrer Blüthen sehr. selten Früchte trägt. Ich untersuchte in dieser Hinsicht die Blüthen der geschilderten Form’) und fand, dass sie wirklich selten normal, meistens dagegen verschiedenen Metamorphosen unterworfen sind. Die Veränderungen betreffen am häufigsten das Schiffehen, welches seine regelmässige Form verliert und in zwei oder drei Theile gespalten wird. Dabei behält gewöhnlich ein Kronblatt noch die Form des Schiffehens bei und ist an seinem unteren Ende verbogen, während das zweite die Gestalt eines Flügelchens oder selbst einer kleinen Fahne annimmt. Ausserdem erscheinen 1—-2 überzählige Kronblätter, welche sich übrigens nicht auf Kosten der Staubgefässe entwickeln, deren Zahl normal bleibt. Von diesen letzteren ist das obere freie sehr häufig missbildet; es wird verkürzt und verwächst mit der oberen Nath des Griffels. Von den übrigen Staubgefässen wird selten irgend eines in ein kronblattartiges Anhangsgebilde umgewandelt. Die Qualität des Pollens konnte leider nicht untersucht werden, da die Zweige in der Periode des Abblühens gesammelt wurden. Nach den Resten des Pollens zu schliessen, war derselbe normal und gleich dem Pollen der typischen Form. Nur in der Anthere des mit dem Griffel ver- wachsenen zehnten Staubgefässes bemerkte ich, dass der Pollen an Ort und Stelle ausgewachsen war und eine zusammenhängende Masse ver- flochtener Pollenschläuche bildete. Fruchtknotenund Samenknospen waren normal. Aus dem Gesagten folgt, dass die Geschlechtsorgane unserer Form gewissen anomalen Modificationen unterworfen sind, wie aber diese Veränderungen die Fruchtbarkeit beeinflussen bleibt noch unklar. 1) Rev. hort. 1866 pag. 364, .2) Rev. hort. 1871 pag. 564. 3) Mittheilgn. deutsch. dendrol. Ges. 1895 pag. 47. 4) Rev. hort. 1869 pag. 457. 5) Das Materiel dazu wurde mir aus Odessa von Herrn P. 8. Schesterikow geliefert, dank der freundlichen Mitwirkung des Fürsten Anatol Gagarin. 281 Ich will noch erwähnen, dass in der Cultur Exemplare mit bald einfachen, bald dreizähligen oder fünfzähligen Blättern angetroffen werden, und das veranlasste wahrscheinlich Herrn Verlot!) diese Varietät als inconstant zu bezeichnen. Ich glaube, dass solche Exem- plare aus den Sämlingen der originellen R. ps. monophylla hervor- gehen, unter denen, wie wir gesehen haben, auch Mittelformen, die zur typischen R. Pseud-Acacia hinüberleiten, angetroffen werden. Eine analoge Varietät mit einfachen Blättern gibt es auch von der gewöhnlichen Esche. Dies ist — Fraxinus excelsior L. var. mono- phylla oder Fraxinus simplieifolia Willd.2) Sie unterscheidet sich vom Typus durch ungetheilte Blätter von lanzettlicher Form mit säge- artig gezähnten Rändern, Man findet übrigens Exemplare, bei denen neben ungetheilten auch drei- und selbst fünfzählige Blätter vorkommen. Diese Form wurde gegen Ende des vorigen (X VIIL.) Jahrhunderts bekannt. In der achten Auflage der berühmten gärtnerischen Eney- clopädie von Philipp Miller,?) welche 1768 erschienen war, ist davon noch nicht die Rede; sie wird aber schon von Aiton 1789,*) von Lamarck 17905) und in der posthumen 9. Auflage der genannten Eneyclopädie (1797) erwähnt, Die Herkunft dieser Varietät ist mit Sicherheit nicht bekannt. Smith®) sagt, er wisse aus authentischen Quellen, dass sie in verschiedenen Theilen Englands wild angetroffen wird, woran er nicht zweifle, wenn er auch selbst dieselbe nie ge- funden hätte und nur die Abbildung eines cultivierten Eixemplars gebe. Dasselbe wiederholt auch Loudon.”) Doch fand ich in den Floren Englands keine bestimmteren Hinweise in dieser Beziehung. Selbst Watson erwähnt nicht einmal diese Form in seinem Capitalwerk.®) Fraxinus excelsior monophylia unterscheidet sich so sehr vom Typus, dass einige Autoren sie für eine besondere Art hielten. Aber schon Lamarck vereinigte sie als Varietät mit der gewöhnlichen Esche, was auch zur herrschenden Ansicht in der Wissenschaft ge- I) Rev. hort. 1873 pag. 156. 2) Sie heisst auch Fr. monophylia Desf. u. Fr. heterophylla Vahl. 8.Loudon, Arbor, v. II pag. 1228; Dippel, Laubh. v. I pag. 84. 3) Ph. Miller, Gard. Diet. ed. VIII, 1768. 4) Aiton, Hortus Kewensis v. III pag. 445. 5) Lam., Diet. v. II pag. 544, 1790. 6) Smith and Sowerby, Engl. bot. v. 35 tab. 2476 (1813). 193 7) Loudon, Arbor. v. II pag. 1228. Willdenow (Berl. Baumg. pag. >) erwähnt ebenfalls, auf Grund einer Mittheilung Mawe’s, diese Form komme in England, in der Grafschaft York, wild vor. 8) Watson, Cybele britannioa v. III pag. 445. 282 worden ist. Loudon (l. 0.) beschreibt sie zwar als besondere Art, führt jedoch folgende Thatsachen an, durch welche das Verhältnis dieser Form zum Typus bestimmt werden dürfte: dass, nämlich erstens, Mac-Nab in Edinburgh aus den Samen dieser Form nur Exem- plare mit Fiederblättern, d. h. zum Typus gehörende, erhalten hätte; zweitens aber, hätte Sinning in Bonn im Jahre 1831 Samen der gewöhnlichen Esche ausgesäet und aus ihnen neben den typischen auch noch 2°/, an Exemplaren mit einfachen Blättern erhalten. Unter tausend Sämlingen, die schon 1835 acht Fuss hoch waren, befanden sich 20 mit vollständig ungetheilten und ebensoviele mit dreizähligen Blättern. „Beide Blattformen bleiben jahraus jahrein unverändert und bei keinem einzigen Exemplar vermischen sich die einfachen oder dreizähligen, welche letzteren an einem Bäumchen auch als dreilappig erscheinen, mit den fiederigen.“ !) Dass Fr. excelsior monoplıylla auf heterogenetischem Wege aus der typischen Form hervorgegangen ist, halte ich für zweifellos. Doch kann ich die von Herrn Sinning beschriebene Erscheinung nicht zur Heterogenesis zählen. Denn, konnte bei Herrn Sinning aus den Samen der gewöhnlichen Esche auf einmal eine so grosse Zahl von Exemplaren mit einfachen Blättern hervorgehen, so müsste offen- bar diese Erscheinung zu wiederholten Malen an verschiedenen Orten stattfinden. Und doch hat Niemand weder vorher noch nachher etwas Derartiges beobachtet; wenigstens finden wir in der Litteratur nirgends etwas davon erwähnt. Ich erkläre mir daher die oben mitgetheilten Tbatsachen so, dass die von Herrn Sinning ausgesäeten Samen von der gewöhnlichen Esche erhalten wurden, welche aber mit dem Pollen der Varietät monophylia befruchtet worden war, die wahrscheinlich irgendwo in der Nähe wuchs. Bei dieser Annahme sind die Ergebnisse der Aussaat nun vollkommen begreiflich. Was die Constanz der geschilderten Form anbetrifft, so liegen in dieser Beziehung sich widersprechende Angaben vor. Willdenow?) erklärt, ein erfahrener und durchaus zuverlässiger Gärtner habe ihm gesagt, er hätte aus den Samen dieser Esche eine kleine Baumschule eingerichtet, wobei alle Sämlinge ihre einfachen Blätter beibehalten hätten. Ebenso sagt Decaisne?), diese Form werde ziemlich regel- mässig durch Samen reproducirt. Petzold und Kirchner er- I) Allg. Gartenzeit. 1835 pag.6. Bei Loudon (l. e.) ist der Sinn dieses letzten Satzes ganz falsch ausgelegt. 2) Willdenow, Berl, Baumg. 1. Aufl. pag. 122; II. Aufl. pag. 152. 3) Decaisne in Rev. hort, 1851 pag. 62, 288 wähnen,!) es hätten bei ihnen zwei Drittel der Sämlinge die mütter- liche Form reprodueirt, während die übrigen zum Typus zurückge- kehrt seien und fiederige Blätter besessen hätten. Carridre aber erklärt?) kategorisch, die Sämlinge dieser Varietät schlagen, wie auch bei anderen derartigen Varietäten, zum Typus zurück, was in der eben citirten Beobachtung Maec-Nab’s eine Bestätigung findet. Solche widerspruchsvolle Resultate erklären sich neben anderen Ursachen dadurch, dass unter dem Namen Fr. exe. monophylla wenigstens zwei verschiedene Formen zusammengefasst und verwechselt werden, die in der Kultur existiren.®) Die eine von ihnen, die von Willdenow beschriebene (l. c.) hat immer einfache sägeartig ge- zähnte Blätter und ist sehr constant. Sie wird durch Samen regel- mässig reproducirt. Die andere aber (oder die anderen) haben neben den einfachen Blättern oft auch noch dreizählige oder selbst fast fiederige. Koch schlägt vor, die erstere var. monophylia, letztere aber var. heterophylla zu nennen. FErstere stellt wahrscheinlich auch die auf heterogenetischem Wege entstandene Originalform dar, während die zweite möglicherweise ein Kreuzungsprodukt der ersteren mit der typischen Esche bildet. Jedenfalls zeigen die Beobachtungen, dass in den Aussaaten von Fr. exe. monophylla neben den mit der Mutter- pflanze identischen Exemplaren einerseits und den zum Typus zurück- kehrenden andererseits, auch noch viele Mittelformen erscheinen, ‘) von denen einige als zum Typus zurückgekehrt betrachtet werden, während die anderen zur var. monophylla gezählt werden, wenn sie sich auch von der reinen ursprünglichen Monophylla-Form unterscheiden.°) Endlich will ich noch bemerken, dass Smith®) erwähnt, die Samen von var. monophylia seien gewöhnlich schwach entwickelt. Boswell Syme wiederholt in der neuen Auflage desselben Werkes, ?) die Früchte dieser Formen enthalten gewöhnlich unentwickelte Samen. Bei anderen Autoren fand ich keine Angaben über diesen Punkt. Auch von der Wallnuss gibt es eine Varietät mit einfachen Blättern, 1) Petzold und Kirchner, Arbor. Muse. pag. 503. 2) Rev, hort. 1860 pag. 388. 3) Koch, Dendr. v. II fasc. I pag. 243. 4) Arbor. Muse. pag. 503. 1s var 5) Eine von diesen Mittelformen ist im Arboretum Muscav. d. ec) & . laciniata beschrieben. Sie zeichnet sich durch eiförmige gespaltene oder getheilte Blätter aus. Von ihren Eigenschaften ist aber nichts bekannt. 6) Smith and Sowerby, Engl. bot. tab. 2476. 7) Vol. VI pag. 57. 284 Juglans regia var. monophylla!), über deren Entstehung ist uns aber vorläufig nichts bekannt. Loudon erwähnt sie im Jahre 1838?) nicht, ebenso wie die früheren Autoron, sie findet sich aber im Arboretum Muscaviense (pag. 336), Ausgabe 1864, sowie in verschiedenen anderen später herausgegebenen Werken. Man kann daher annehmen, dass sie in den vierziger oder fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts ent- standen ist.) Eine andere derartige Form, die von Carriere var. monoheterophylia*) genannt wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass alle ihre Blätter einfach sind und ausserdem von ungleicher Form, indem sich nämlich bei den kräftigeren Trieben am Grunde breite, herzförmig-eiförmige Blätter entwickeln, im oberen Theil dagegen schmale kleine mit breitem, etwas geflügeltem Stiel; auf den kleineren Zweigen sind die Blätter elliptisch, am Grunde verschmälert. Ein Exemplar dieser Form wurde vom Gärtner H. Muret bei Dieppe (Dep. Pasde Calais) in einer sumpfigen unbekannten Gegend gefunden und war höchstwahrscheinlich, wie auch Carriere mit Grund ver- muthet, zufällig aus den Samen der typischen Form entstanden. Im Jahre 1865 war das Öriginalexemplar dieser Form bereits zu Grunde gegangen, es blieben aber zwei Nachkommen zurück, von denen der eine aus dem Gestrüpp hervorgewachsen war, der andere auf eine gewöhnliche Wallnuss gepfropft wurde. Zu jener Zeit hatten sie noch nicht geblüht. Ueber weitere Beobachtungen an dieser Form wurde nicht berichtet. Zu derselben Kategorie von Erscheinungen kann man jene Fälle rechnen, wo aus Arten mit gespaltenen und getheilten Blättern Formen mit weniger gespaltenen oder selbst fast ungetheilten Blättern hervor- gehen. Thatsachen dieser Art sind ziemlich selten, finden sich aber in der Litteratur erwähnt. So ist Acer platanoides var. integrilobium Zabel,5) 1) Koch, Dendr. I pag. 585; Dippel, Laubh. II pag. 318, 2) Loudon, Arbor. Brit. v. 1II pag. 1423, 3) Zwar spricht Bonnet (Rech, sur l’usage des feuilles pag. 195, 1754) schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von den einfachen Blättern der Wallnuss, erwähnt aber dieselben, wie überhaupt alle Teratologen, d h. ohne zu beachten, inwiefern diese Erscheinung constant sei, ob es nur ein Blatt auf einem normalen Baum sei‘, oder ob der ganze Baum solche Blätter besessen habe u, 5. w. In derselben Weise werden derartige Erscheinungen von Moquin-Taudon (Elem. pag. 249) und Anderen behandelt. Siehe Penzig, Pfl. Terat. v. II pag. 300. 4) Rev. hort: 1865 pag. 130. 5) Gartenflora 1887 pag. 431; Dipp., Laubh. II pag. 450. Pax hat diese Form in seiner Monographie unrichtig zu Acer Lobelii Ten, gerechnet und als var. Diekii Pax beschrieben (Engler’s Jahrb. VII pag. 238). 285 welcher sich vom typischen Ahorn durch die ganzen ungetheilten Lappen (ohne secundäre Einschnitte) unterscheidet, in einem Exem- plar unter mehreren Hundert (ca. 500) Sämlingen des typischen Acer platanoides in Münden erschienen, wo er auch anfangs der 70er Jahre (1870— 71) von Herrn Zabel bemerkt wurde. Im vierten Jahre blühte dieses Bäumchen und brachte Früchte, die sich von den Früchten der typischen Form nicht unterscheiden. Aus ihren Samen gingen Sämlinge hervor, welche „fast alle eine entschiedene Rückkehr zum Typus zeigten, wobei die Blätter der Frühjahrstriebe mehr den Blättern der typischen Form, diejenigen der Sommertriebe mehr der Mutterpflanze ähnlich waren“. Quereus pedunculata var. Feunessii hort.') unterscheidet sich vom Typus durch schmälere gestreckte Blätter und durch die geringere Zahl der gewöhnlich etwas kürzeren Lappen. Diese Form entstand in England in der Baumschule der Herren Fennessy and Son in Waterford, wo sie um das Jahr 1820 „zufällig“ aus den Samen der typischen Form ausgewachsen ist. Im Jahre 1835 war der Baum 15 Fuss hoch.2) Von demselben aus verbreitete sich diese Form durch Pfropfung über Deutschland und andere Länder. Diese Form wird aber unter dem Namen var. heterophylia Loud.?) mit anderen ähnlichen verwechselt, die sich durch ihre bald vollkommen ganz- randigen, bald mehr oder weniger gespaltenen Blätter unterscheiden. Solche Formen wurden in einigen Gegenden von England wiederholt gefunden. Eine Form der Sommereiche (Quercus peduneulata) mit fast ungetheilten Blättern wurde unter anderen von Prof. Magnus bei Berlin im Jahre 1879) gefunden. Loudon glaubt, alle derartigen Formen müssten, wenn auch nicht immer, ihre Merkmale auf die Nachkommenschaft übertragen. Dafür spricht unter anderem auch die von ihm angeführte Thatsache, dass in der Zwing’schen Baumschule in Dumfries im Jahre 1831 einige Dutzend Sämlinge dieser Form vorhanden waren. Von welchem Baum und wann die zur Saat verwendeten Eicheln genommen wurden, wird aber nicht mitgetheilt, und überhaupt sind mir genaue Beobachtungen über die Erblichkeit der in Rede stehenden Varietäten nicht bekannt. 1) Loudon, Arbor. brit. v. IlI pag. 1733, fig. 1570 und 1571; Arbor. Muscav. pag. 623; Koch, Deadr. II pars 2 pag. 17. 2) Loudon, l. c. pag. 1735. 3) Auch Quercus laciniata, salicifolia, filieifolia hort. u. &. Laubh. II pag. 68. 4) Verh. Brand. 1882, Sitzber. pag. 83. S, Dippel, 286 Ungleich häufiger begegnet man den Erscheinungen der zweiten Kategorie, nämlich den Variationen im Sinne einer Complication der Blattspreite, einer Vergrösserung der Zahl und Tiefe der Ein- schnitte u. s. w. Es gibt wenige unter den in den Gärten verbreiteten Baumarten, die nicht mehrere Variationen in diesee Richtung geliefert hätten, doch sind die Angaben über die Herkunft solcher Varietäten sehr spärlich. Bei vielen ist sie ganz unbekannt, bei anderen existiren kurze Andeutungen, wonach sie entweder im wilden Zustande ge- funden, oder in Gärten aus Saaten erhalten worden sind. Ebenso liegen sehr wenige Beobachtungen über den Grad der Constanz der betreffenden Merkmale vor, da man es gewöhnlich vorzieht, solche Formen auf ungeschlechtlichem Wege zu vermehren, So sind von der gewöhnlichen Sommereiche ziemlich viele Formen mit stark gespaltenen Blättern bekannt,!) über ihre Entstehung liegen aber in der Mehrzahl der Fälle keine genauen Angaben vor. Einer Mittheilung Petzold und Kirchner’s zufolge?) erschien eine dieser Formen, die sog. var. filicifolia, die, wie man vermuthet, aus den Ge- birgen Süddeutschlands stammt, 1858 plötzlich in mehreren Exemplaren unter den Sämlingen der gewöhnlichen Eiche in der Waldbaumschule von Muskau, wobei die zur Saat verwendeten Eicheln aus dem dortigen Park, sowie aus den umgebenden Wäldern bezogen wurden, wo sicher kein einziges erwachsenes fruchttragendes Exemplar dieser Form vor- handen war.®) Somit muss das Neuauftreten dieser Form der Hete- rogenesis zugeschrieben werden. Eine andere Form der Eiche mit in schmale, lanzettliche Lappen getheilten Blättern, die sich von allen ähnlichen Varietäten unter- scheidet und Quercus pedunculata Doumeti genannt wurde, ist in Frankreich in einem dem Herrn Doümet-Adanson gehörenden Park (Parc de Baleine, Allier) entstanden, wo sie auch jetzt noch in einem einzigen Exemplar existirt.*) Durch Pfropfung hat sie sich ziemlich stark verbreitet und findet sich im Handel. „Im Jahre 1830, so berichtet ein seinerzeit bekannter Gärtner Jacques?), machte ich eine Aussaat von Rüstersamen (Ulmus pedun- eulata). Unter den erhaltenen Pflanzen bemerkte ich ein Individuum, welches tiefgezähnte Blätter hatte, wobei die Zähne ungleich gross l) Dipp., Laubh. II pag. 63; Arbor. Musc. pag. 622— 624. 2) Arbor. Musc. pag. 622. 3) l. c. pag. 628, 4) Rev. hort, 1894 pag. 17. 5) Rev. hort. v. Il pag. 128. Ebenso Ann. aoc, hort. Paris v. XI pag. 141. 287 und sehr scharf waren, was dem Laub ein ganz besonderes Aussehen verlieh. Im Herbst 1831 oculirte ich einige Knospen dieser neuen Varietät, da ich befürchtete, die Mutterpflanze könnte ihren Charakter verlieren, wie das ja manchmal im Falle der Buntblätterigkeit vorkommt. Ich schlage vor, diese Form Ulmus (peduneulata var.) urticaefolia zu nennen, weil ihre Blätter im Ausschnitt denjenigen der Nessel sehr ähneln.“ Ueber das weitere Schicksal dieser Form ist uns nichts bekannt. Sie wird in den dendrologischen Werken von Koch, Dippel, Koehne u. A. nicht erwähnt. Die gemeine Erle (Alnus glutinosa Gaertn.) lieferte melirere Formen mit gespaltenen oder getheilten Blättern. Von diesen wird var. laeiniata Ait.') nach Mirbel?) in Nordfrankreich, besonders in der Normandie und in den Wäldern von Montmorency bei Paris wild angetroffen. Ich muss aber bemerken, dass Grenier und Godron in ihrer bekannten „Flore de France“ °) die var. laciniata nur cultivirt angeben, und dass dieselbe weder im Katalog von Camus®), noch in Brebisson’s Flora der Normandie°), noch in Cosson und Ger- main’s Flora der Umgebung von Paris®) erwähnt wird. Daher muss Mirbel’s Angabe, die auch von Loudon u. A. wiederholt wird, wie auch in anderen Fällen so verstanden werden, dass in der Nor- mandie und in Montmoreney einst einzelne Bäume dieser Form ge- funden worden seien, dass dieselbe aber kein constantes Element der Flora bilde. Eine Varietät, die der var. laciniata sehr nahe steht (nach Koch sogar mit ihr identisch ist)?) und var. imperialis hort.°) genannt wird, wurde von Herrn Brossart, Gärtner in Alengon (dep. de Vorne) bei einer Aussaat im Jahre 1855 gefunden und 1858 durch die Firma Desfoss&e-Thuillier in Orleans in den Handel gebracht. Nach Petzold und Kirchner’s®) Meinung wurde sie aus den Samen der vorhergehenden erhalten, nach der oben eitirten Mittheilung kanı man aber eher annehmen, sie sei aus der typischen Erle selbständig ent- standen. 1) Loudon, Arbor. brit, v. III pag. 1678; Dipp, Laubh. II pag. 161. 2) Mirbel in Nouv. Duh. II pag. 213. 8) Grenier et Godron, Flore de France v. II pag. 150. 4) Camus, Katal. pag. 255. 5) Brebisson, Flore de la Normandie 3° &d. 1859; 5° 6d. 1880. 6) Cosson et Germain, Fiore de Paris 1845; 2° &d. 1861, 7) Koch, Dendr. v. I pag. 629. 8) Illustr. hort. 1859 pag. 97, cum. tab. 9) Arbor, Muse. pag. 599. 288 Eine dritte derartige Varietät, Alnus glutinosa var. oxyacanthae- folia Lodd.') erschien im Katalog der Firma Loddiges seit dem Jahre 1812. Dieselbe Form wurde bei Herrn Madiot in Lion aus einer Aussaat erhalten. Es bleibt aber auch hier wieder nicht aufgeklärt, ob sie in einer Aussaat der typischen Form selbständig entstanden oder aus den Samen der Loddiges’schen Varietät ausgewachsen ist. Die gewöhnliche Linde (Tilia platyphyllos Scop., T. europaea L.) bietet eine Varietät mit stark und unregelmässig gespaltenen Blättern. Sie heisst var. asplenifolia hort.?2). Diese Form zeichnet sich durch niedrigen Wuchs (nach Loudon nicht über 30%)°) sowie dadurch aus, dass sie fast niemals blüht.*) Ihre Entstehung ist unbekannt, nach einer Mittheilung von Potonie°) ist aber eine ähnliche Form plötzlich in einem Exemplar mitten in einer ausgedehnten Aussaat der gewöhnlichen Linde erschienen. Acer platanoides var. laciniatum Ait.) entsteht nach Loudon häufig aus Samen und wird in den Baumschulen unter den Sämlingen der typischen Form gefunden. Im Jahre 1835 sollen in einer Baum- schule auf zwei Beeten ca. 100 solcher abweichenden Exemplare vor- handen gewesen sein (Loudon |. c.). Doch deutet schon diese Zahl darauf, dass die Samen höchstwahrscheinlich von erwachsenen Exem- plaren dieser Varietät oder aus der mit dem Pollen der Varietät be- stäubten typischen Form gewonnen wurden, denn aus den Samen der typischen Form erscheint auf heterogenetischem Wege niemals eine so grosse Zahl gleicher Variationen. Broussonetia papyrifera Vent. var. dissecta?), die sich durch in 1) Loudon, Arbor. brit. III pag. 1678; var. incisa Dipp.,Laubh, v. II pag. 161. 2) Dipp., Laubh. III pag. 61; var. lacinista Loudon, Arbor. I pag. 366. 3) Siehe auch Arbor. Muse. pag. 155. s) Von zwei Exemplaren, die im kaiserl. botanischen Garten zu Petersburg wachsen, gab eines um Mitte Juli 1898 einige Blüthen. Diese Blüthen traten am Gipfel des ca. 3,5m hohen Baumes auf, in den Axeln von Blättern, die ebenso gespalten waren wie alle anderen. Sie verwelkten alle, ohne die Frucht angelegt zu haben. Die Untersuchung ergab, dass alle Antheren unentwickelt und frei von Pollen blieben und entlang den Spalten gleichsam vernarbt waren. Nur bei sehr wenige war hie und da ein Fach entwickelt, welches eine geringe Quantität nor- malen Pollens enthielt. Im Bau des Fruchtknotens und der Samenknospen konnte ich keine Abweichungen vom normalen Bau bemerken. 5) Potonie in Monatsschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den kgl. preuss. Staaten 23. Jahrgang 1880 pag. 543—547. Mir aus Just’s Jahresbericht 1880 v. II pag. 158 bekannt, 6) Loudon, Arbor. brit. v. I pag. 409; Dipp., Laubh, v. II pag, 451. 7) Oder var, laciniata Seringe Mur. pag. 237; Dipp., Laubh, v. II pag. 17. 289 drei Lappen getheilte mit sehr langen Stielen und kleinen Spreiten versehene Blätter auszeichnet, wurde nach den von Carriäre!) ge- sammelten Angaben in den Jahren 1830—1835 von Herrn Hamon im botanischen Garten zu Lion aus dem Samen der typischen Form erhalten und wird durch Pfropfung vermehrt. Diese‘ Form zeichnet sich durch schwachen niedrigen Wuchs aus und leidet sehr von Frost, Sie brachte es nie zur Blüthenbildung.2) Im Jahre 1866 erhielt aber Herr Billiard in Fontenay-aux-roses in einer Saat der typischen Broussonetia papyrifera mit einem Male sieben Individuen mit stark gespaltenen Blättern. ®) Von diesen waren sechs identisch mit der schon früher bekannten var. dissecta, das siebente Exemplar wich aber hauptsächlich durch seinen kräftigeren Wuchs etwas davon ab, Dieses Exemplar gab Veranlassung zur Beschreibung einer beson- deren Varietät, var. Billiardi, welche durch Ableger sowie durch Pfropfung auf die typische Form vermehrt wird. Corylus Avellana var. laciniata®), welche von der gewöhnlichen Haselnuss durch ihre gespaltenen Blätter sowie durch eine Reihe anderer kleinerer Merkmale abweicht, wurde 1798 in der Umgebung von Rouen in einem einzigen Exemplar gefunden, welches in dem zum Gute des Herrn Duhecquet?) gehörenden Walde wuchs. Der Besitzer verpflanzte diesen Strauch zu sich in den Garten und verbreitete ihn unter seinen Bekannten, Dann kam diese Form in den Handel und ihre Herkunft ist fast ganz in Vergessenheit ge- rathen. Sie trägt Früchte, aus ihren Samen gehen aber nur Säm- linge der typischen Form hervor.®) Sambucus (glauca Nutt. var.) angustifolia Mey”) weicht von der typischen 8. glauca 8) durch ihre schmäleren Blättchen mit tiefen säge- artigen Zähnen ab. Sie wurde unter den Sämlingen von 8. glauca aufgefunden. Von Sambucus nigra und $. racemosa sind Varietäten mit fast doppelt gefiederten Blättern bekannt. Unter ihnen hat be- sonders die 9. racemosa plumosa mit kammartig-fiederigen Blattseg- menten durch die Schönheit ihres Laubes die besondere Aufmerk- —ı._ li) Carri&re in Rev. hort. 1878 pag. 374-376. 2) Seringe Mur. pag. 237; Bureau in DC. Prodr. XVII pag. 225. 3) Carritre,l. ce. 4) Dipp., Laubh, v. II pag. 128; Goeschke, Haseln. pag. 47 tab. 5. 5) Ann. soc. hort. de Paris v. IX pag. 356-358. 6) Pr&övost in Ann. soc. hort, de Paris |. c. 7) Rev. hort. 1878 pag. 231. 8) Sargent, Silva v. V pag. 91 tab. 222, Flora, Ergänzgsbd. 1901, “ 290 samkeit der Gärtner auf sich gelenkt. Zum ersten Mal finden wir sie im Jahre 1886 erwähnt!), zu welcher Zeit Carriere dieselbe von einer Firma in Metz (Simon Louis freres) erhalten hat. Dann wurde sie von Andre beschrieben. ?) 1890 machte Carriere einen Aussaatversuch mit dieser Form und es ergab sich dabei, dass sie ihre Merkmale fast ebenso gut reprodueirt wie die echten Arten. Eine Rückkehr zum Typus wurde bei den Sämlingen nicht beobachtet. Fast alle hatten sie doppeltgefiederte Blätter, in den Einzelheiten varlirten sie aber bedeutend, so dass der Autor sieben hervorragende und besonders schöne Formen beschreibt, 3) welche darauf auch in den Handel gebracht wurden. Aehnliche Aussaatversuche machte auch Beissner,t) welcher „ziemlich gute Resultate, nämlich neben der charakteristischen Blattform auch alle Uebergänge zu normalen Blättern“ erhielt. Eine andere nahestehende Form des Hollunders, S. racemosa serratifolia, erschien gleichzeitig mit der vorangehend besprochenen. 5) Versuche, dieselbe zu säen, wurden von Schröder in Moskau ge- macht.) Dabei ist die Mehrzahl der (in mehreren 100 Exemplaren erhaltenen) Sämlinge zur typischen wildwachsenden Form zurück- gekehrt, ungefähr !|ıo zeigte mannigfaltige Uebergangsfornmen zwischen der typischen und der mütterlichen Form. Es waren aber auch Formen, bei denen die Blättchen tiefer und feiner eingeschnitten waren als bei der var. serratifolia. Zwei solehe Formen belegte der Autor mit besonderen Namen, nämlich var. pteridifolia und filieifolia Schröder. Leider ist uns über die Entstehung der $. racemosa plu- mosa, ebenso wie der 9. racemosa serratifolia nichts bekannt, aber nach der Analogie mit allen Thatsachen zu schliessen, kann man kaum bezweifeln, dass sie auf heterogenetischem Wege entstanden sind. Der persische Flieder) stellt bekanntlich zwei Formen dar: eine mit ungetheilten Blättern, die andere, var. laciniata, mit zweierlei Blättern, wobei die unteren ungetheilt, die oberen tief 3—5theilig sind. Beide Varietäten wurden schon im XVI. Jahrhundert aus Persien 1) Rev. hort. 1886 pag. 399. 2) 1. c. 1889 pag. 858. 3) Rev. hort. 1891 pag. 408. 4) Beissner in Mitth, deutsch. dendr. Gesellsch. 1895 pag. 47. 5) Rev. hort. 1886 pag. 399. 6) Ssad i Ogorod (Baum- und Gemüsegarten) 1894 pag. 282 (russisch). D) Syringa persica L.— Loud., Arb.brit. v. II pag. 1211. — Dipp., Laubh. II pag. 114. — Sargent in Garden. and Forest v,I pag. 222, 1888. — Franchet in Rev. hort. 1891 pag. 831, 291 in die Cultur eingeführt, wobei nach Ph. Miller die var. laciniata sogar früher als die typische Form eingeführt worden sein soll, !) von welcher sie sich unter anderem durch grössere Frostempfindlich- keit unterscheidet.?) Stellt diese var. laciniata bloss eine Cultur- varietät dar oder wird sie auch wild angetroffen, das blieb mir un- klar. Die typische Form kommt wild nicht in Persien oder im Kaukasus vor, wie man früher glaubte, sondern im östlichen Af- gbanistan (im Kuramthal, wo sie Atchison entdeckte) und im Nord- tibet im Gebirge zwischen Lhassa und Battang.°) Der persische Flieder liefert in der Cultur gar keine oder fast keine Samen. Dasselbe wurde auch von var. laciniata geglaubt. Aber im Jahre 1877 gab sie in Paris, nach einem Bericht von Carriere®) eine grosse Menge von Früchten und reifen Samen, welche auch ausgesäet wurden, Unter den Sämlingen erschien u. a. eine neue Form, welche Carriere var. mimosaefolia®) nannte; sie zeichnete sich dadurch aus, dass alle ihre Blätter in je 3—4 Paare schmaler Blättchen fiederförmig getheilt waren. Leider ist über das weitere Schicksal dieser Form nichts bekannt. Auch von der Walnuss (Juglans regia) gibt es Varietäten mit tief gespaltenen Blättchen. Solche Formen waren schon lange be- kannt, da eine von ihnen schon zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts (Reneaulm 1701) erwähnt wird. Gegenwärtig existiren einige der- artige Formen in der Cultur, welehe möglicherweise unabhängig von einander entstanden sind. Manchmal wurden solche Formen zufällig als Einzelbäume in Parks und an Strassenrändern gefunden. So wurde eine von ihnen (Juglans regia var. heterophylia) 1812 von Graf de Montbron im Kreis Chätellerault®) und 1827 von Herrn Jacques unweit Clermont?) gefunden. Vom letzteren Baum wurden Nüsse gepflanzt, wobei Jacques nach wiederholtem Misserfolg unter 45 Pflänzchen nur ein einziges fand, welches die Blattform der Mutterpflanze geerbt hatte.) Daraus zog Jacques den Schluss, diese eigenthümliche Blattforın könne doch vererbt und constant 1) Ph. Miller, Diet. ed. VIII, 1768, 2) Jäger u. Beissner, Ziergeh. pag. 5ll. 3) Franchet, Il, ce. 4) Rev. hort. 1878 pag. 6. 5) Rev. hort, 1878 pag. 454. 6) Ann. hort. de Paris v. II pag. 24, 1828. De. pag. 22. 8) Ann, hort. de Paris v. Il pag. 96-97. v. IV pag. 287, 1845—1846), es seien mehrere solche Exemplare En P&pin sagt in Rev. hort. (2e ser. 292 werden, worin auch andere Züchter mit ihm übereinstimmen.) Nach einer Mittheilnng von Jühlke?) ist Juglans regia var. laeiniata ziem- lich samenbeständig. Nach Beissner’s Beobachtungen?) behalten unter den Sämlingen derselben Varietät einige die Merkmale der Mutterpflanze bei, während die anderen sich der typischen Form nähern. Nach Prof. Seelig*) haben im Durchschnitt 50 %, der Nach- kommen von Juglans regia laciniata gespaltene Blätter, er beobachtete aber lange einen Baum in Kiel, dessen Früchte immer nur die typi- sche Form lieferten. Die Ursache davon lag, wie sich später erwies, darin, dass sich bei diesem Baum die männlichen Blüthen 4—6 Wochen früher zu entwickeln pflegen als die weiblichen, weshalb sie auch nicht zur Bestäubung der letzteren dienen konnten. Die Blüthen wurden somit immer vom Pollen der anderen zum Typus gehörenden Bäume befruchtet, weshalb sie auch die Varietät nieht reprodueirten, Zweifellos kann ein ähnlicher Umstand auch in anderen Fällen ge- wirkt haben, wodurch der so wechselnde Erfolg der Aussaaten sich erklären würde. Die erwähnte Ungleichzeitigkeit der Entwickelung der männlichen und weiblichen Blüthen wird auch bei der typischen Walnuss beobachtet, wenn auch nicht in so ausgesprochener Form. Nach Prof. Seelig’s Untersuchungen kann diese zeitliche Differenz im Reifwerden der verschiedenen Elemente von wenigen Tagen bis auf 3—4 Wochen anwachsen und dabei bleibt sie für jedes Indivi- duum constant, indem sie sich bei Vermehrung durch Pfropfung er- hält. Es ist dies folglich eine gewisse Art von physiologischer Variation. Am besten wird aber die Erblichkeit derartiger Abweichungen durch die Variationen der Farnkräuter bewiesen. Sehr viele Arten dieser letzteren bieten eine grosse Mannigfaltigkeit der Blattform dar. Besonders viel Variationen werden aber bei Scolopendrium vulgare Sm. (Seolopendrium offieinarum $w.) beobachtet. Die Blattspreite unter- liegt bei dieser Art den mannigfaltigsten Modificationen. Bald wird sie am Rande wellig, bald gezähnt, gelappt oder eingeschnitten; balı ist sie am Ende rund, bald theilt sie sich in zwei oder mehrere schmale handförmig angeordnete Lappen. Zuweilen scheidet das Blatt an seinem Grunde knospenförmige oder runde Läppchen ab; manchmal aber wird es schmal, fiederschnittig und verliert ganz und gar seinen 1) Verlot, Prod. pag. 96, 2) Arbor. Musc. pag. 386. 3) Mitth. d. d. dentrol. Ges. 1895 pag. 47. 4) 1. oc. pag. 40. 298 specifischen Charakter. Besonders viele derartige Variationen finden sich in England, wo Scol. vulgare sehr üppig wächst, während dasselbe in Deutschland verhältnissmässig selten gefunden wird.!} Moore?) be- schreibt für England 155 solche Variationen. Die Mehrzahl derselben wurde in wildem Zustand in verschiedenen Gegenden Grossbritanniens aufgefunden, viele wurden aber auch in der Cultur durch Aussaat gewonnen. Sie alle sind völlig constant bei vegetativer Vermehrung, bei Vermehrung durch Sporen reprodueirten sie manchmal ziemlich gut ihre Merkmale, während sie in anderen Fällen eine bunt zusammen- gesetzte Nachkommenschaft lieferten, in welcher sich Exemplare fan- den, die zum Typus zurückgekehrt waren, daneben aber solche, die der Mutterpflanze glichen, und endlich solche, die zwischen den einen und den anderen die Mitte bilden. Ein solches Resultat, welches wir in anderen Fällen dem Einfluss der Kreuzung zuschreiben könnten, wird hier durch einen ganz an- deren Umstand bedingt, welcher am Anfang der 60er Jahre durch Herrn Kencely Bridgman®) aufgeklärt wurde. Es ergibt sich nämlich aus den Beobachtungen dieses Forschers, dass, wenn bei irgend einer Varietät die ganze Blattspreite einer Modification verfiel, wie das z. B. bei Nephrodium molle var. corymbiferum, Polystichum Filix mas var. eristatum, Scolopendrium vulgare var. marginatum u.a.m. der Fall ist, die Sporen diese Variation ohne oder fast ohne jede Veränderung reprodueiren. So hat in einem Falle bei der Aussaat der Sporen von Polystichum Filix mas var, cristatum unter mehreren Tausend Sämlingen nur einer die typische normale Form der Art re- Produeirt, während sich zwei der var. angustata Smith näherten; alle übrigen glichen vollkommen der Mutterpflanze. Bei sehr vielen Va- riefäten wird aber nur ein Theil des Blattes modifieirt, was u, a. be- sonders scharf in der Veränderung seiner Nervatur zum Ausdruck kommt. In einem solchen Falle werden die Sporen eine sehr bunt gemischte Nachkommenschaft liefern, falls sie unterschiedlos vom ganzen Blatte gesammelt wurden. Sammelt man aber die Sporen vom deformirten Blattheil separat ein und säet dieselben aus, 80 werden die Sämlinge die Variation vollständig reprodueiren. Die Sporen aber, die vom übrigen, d. h. normalen Theil des Blattes gesammelt wurden, liefern typische Pflanzen. So hat beispielsweise bei Versuchen mit 1) Luerssen, Farnpfl. pag. 121. 2) Brit. Ferns v. II pag. 148-197. 3) Ann. se. nat, de serie v. XVI pag. 365-—368 (1862). Prod. pag. 97—99 und Naudin in Rer. hort, 1863 pag. 357. $. auch Verlot, 294 Seolopendrium vulgare var. laceratum eine Aussaat der Sporen vom deformirten Theile zahlreiche Exemplare ergeben, welche ausnahmslos die Merkmale der genannten Varietät beibehalten hatten, während eine Aussaat der Sporen vom normalen Theil des Blattes nur die typische Form der betr. Species ergab, wobei unter tausend Sämlingen bloss 12 geringfügige Abweichungen vom Typus aufwiesen. Die vom verzweigten Gipfel von Scolopendrium vulgare var. Crista-galli ent- nommenen Sporen gaben vielen Hunderten von Exemplaren den Ur- sprung, welche alle fast ausnahmslos die charakteristische Eigenthüm- lichkeit dieser Varietät wieder erzeugten, einige selbst in einem noch höheren Grade. „Besonders merkwürdig ist es, dass die Mutterpflanze anfangs ganz normal war, so dass sich bei derselben die Anomalie erst nach dem zweiten Jahre äusserte, während sie bei ihrer zahl- reichen Nachkommenschaft schon von den ersten Blättern an hervor- trat.*!) Aehnliche Versuche wurden dann in verschiedenen Orten und mit verschiedenen Arten wiederholt und ergaben überall dieselben Resultate. Nun könnte man mir hier einwenden, die angeführten Beispiele stellen schon eine Erscheinung aus einer anderen Kategorie dar, denn die Sporen bilden sich auf den Farnkräutern auf ungeschlechtlichem Wege aus und behalten daber ganz natürlich alle Eigenthümlichkeit des Blattes bei, welchem sie entstammen. Jedoch gibt die Spore nicht unmittelbar der folgenden Farnkrautgeneration den Ursprung. Bei ihrer Entwickelung wächst sie erst zum Vorkeim aus, auf welchem sich Archegonien und Antheridien entwickeln, und erst dann entwickelt sich aus der befruchteten Zelle des Antheridiums die neue unge- schlechtliche Generation. Infolge dessen ist die Vermehrung durch Sporen derjenigen durch Samen vollständig äquivalent. Der Unter- schied besteht nur darin, dass, indem wir die Sporen der einen oder anderen Variation für sich aussäen, wir die geschlechtliche Generation isoliren und dieselbe viel bequemer und sicherer vor einer Kreuzung verhüten, als das leider bei den höheren Pflanzen geschehen kann. IV. Die Blattfärbung. In der Systematik spielt die Blattfärbung fast gar keine Rolle; zwar kommen in Bezug auf die Nuancen der grünen Farbe des Laubes bei den einzelnen Arten auch Unterschiede vor, dieselben sind aber zu fein, um einer genauen Bestimmung unterzogen 1) Verlot in Rev. hort. 1869 pag. 91. 295 zu werden. Eine andere Blattfarbe als die grüne kommt aber in der Natur äusserst selten und dabei meist in Form unbeständiger Variationen vor. In der Gärtnerei aber spielen die buntblätterigen Formen eine hervorragende Rolle infolge jener Farbeneffecte, welche sie erzeugen. Es genügt nur an jene unzähligen Formen von Ooleus, Bertolonia, Sonerila und Anthurium zu erinnern, welche in den Treib- häusern cultivirt werden. Auch unter den im Freien cultivirten Baumpflanzen werden die buntblätterigen Formen sehr geschätzt, wes- halb jede Abweichung in dieser Richtung sorgfältig erhalten und fort- gepflanzt wird. Unter den buntblätterigen Variationen begegnet man am häufig- sten den Varietäten mit purpurner Blattfärbung. Eine solche Färbung stört augenscheinlich die Lebensverrichtungen der Pflanze nicht, wes- halb dieselbe ziemlich kräftig bleibt und meistens bei Fortpflanzung durch Samen ihre Merkmale beibehält. Als Beispiel derartiger Formen kann man unter den Kräutern auf Ocimum Basilicum, Oxalis corniculata und Atriplex hortensis verweisen, von denen jede eine Varietät mit purpurnen Blättern geliefert hat. Diese letzteren bleiben vollkommen samenbeständig, selbst dann, wenn sie von den typischen Formen nicht streng isolirt werden. Ihre Entstehung ist nicht bekannt, die- jenigen Formen aber, bezüglich deren Angaben vorliegen, sind auf heterogenetischem Wege entstanden. So sollen beispielsweise alle purpurblätterigen Dahlien aus einem Exemplar hervorgegangen sein, das bei Louis van Houtte in Gent erschienen war. Diese Form hatte in gärtnerischer Beziehung viele Mängel, so das späte Aufblühen und die Neigung zum Abwerfen der Blüthenknospen, nachdem sie aber mit anderen Varietäten gekreuzt wurde, gab sie einer ganzen Serie von Formen den Ursprung, welche die genannten Mängel nicht mehr besitzen, aber die Purpurfärbung der Blätter beibehalten haben.!) Unter den Baumarten existiren solche Formen von der Buche, Berberize, der Haselnuss, der Esche, Eiche u. a. m. Unter ihnen ist die Buchenvarietät Fagus silvatica var. purpurea Aiton besonders bekannt.?2) Sie zeichnet sich durch die dunkelpurpurne Farbe der Blätter, sowie auch der Knospen und Triebe aus. Ebenso behält auch die Rinde, und zwar nicht nur bei jüngeren Zweigen, sondern auch bei alten Stämmen dieselbe Färbung bei. Diese Form wurde um die Mitte des vorigen (XVII) Jahrhunderts in einem Walde (Hainleiter 1) Rev. hort. 1891 pag. 424, . . var 2) Loudon, Arbor, brit. v. III pag. 1950; Dipp., Laubh. II pag. 52; va stropurpurea hort. Arbor. Musc. pag. 660. 296 Forst) bei Sonderhausen in Thüringen entdeckt. Nach einer Mit- theilung von Lutze!) existirt dieser Baum auch jetzt noch; er hat 98cm im Durchmesser und dürfte nicht unter 200 Jahre alt sein. Schon längst hat man begonnen, diese Form durch Pfropfung in den Gärten Europas zu verbreiten. Bei Antwerpen existirte zu Beginn dieses Jahrlfunderts ein Baum, weicher einen Umfang von über 9’ hatte. Er wurde 1752 gepflanzt und noch im Jahre 1807, als er bereits 65 Jahre alt war, konnte man die Pfropfungsstelle wahrnehmen.?) Die Rothbuche kann sich auch durch Samen fortpflanzen. Nach Loudon (l. ce.) werden dabei die Merkmale der Mutterpflanze in der Nachkommenschaft ziemlich gut erhalten, wenn auch bei einigen Sämlingen die Purpurfärbung der Blätter sehr schwach ist, bei anderen die Blätter sogar vollständig grün sind. Kurz, es werden häufig Uebergänge zwischen der purpurnen und der grünen Blattfarbe be- obachtet, und einige solcher Formen mit einer Uebergangsfarbe exis- tiren auch in der Cultur (var. euprea). Im Jahre 1840 sammelte Herr Cappe die Samen einer Roth- buche in Periers (Eure) und säete sie bei sich aus. Alle jungen Bäumchen reproduceirten bei ihm die Färbung der Mutterpflanze. Im Jahre 1852, als P&epin diese Bäunichen sah, lieferten dieselben bereits Samen, welche umherfielen und keimten; ea. ?|s der aufgehenden Keimlinge behielten ebenfalls die Purpurfärbung bei.?) Pepin säete selbst mehrmals die Samen der Rothbuche aus. So hatte er 1850 elf Samen ausgesäet und erhielt zehn Sämlinge mit Purpurblättern, im Jahre 1853 säete er ca. 100 Samen, von denen ein Drittel die purpurblätterige Varietät reproducirte. Diese Versuche wurden später vielfach wiederholt, wobei die Ergebnisse verschieden waren. Manchmal war der Procentsatz der erhaltenen purpurblätterigen Sämlinge sehr klein, zuweilen aber ziem- lich gross.*) Nach Lutze (l. e.) geben die Samen eines Original- baumes der Rothbuche im Allgemeinen ca. 20%, von Sämlingen, die die Merkmale der Mutterpflanze beibehalten, aber auch nur dann, wenn die Samen aus der Mitte der Krone entnommen sind, d. h. von dort, wo sie vor der Kreuzung mit gewöhnlichen Buchen am meisten gesichert sind. Wie wir gesehen haben, kann dieser Procentsatz !) Mitth. thür. Ver, Neue Folge, II. Heft 1892 pag. 28. 2) Loudon, l. eo. 3) Ann. soc. hort. 1853 pag. 462. 4) Arbor. Musc, pag. 661. Siehe auch Mitth. deutsch. dend. Gesellsch. 1895 pag. 48; 1896 pag. 48. Srteee 297 zuweilen viel höher sein, aber die zuletzt citirte Bemerkung macht uns jene Mannigfaltigkeit der Resultate begreiflich, die bei der Aus- saat der Rothbuchensamen erzielt wurden, denn wir wissen nicht, unter welehen Bedingungen sich die Bäume befunden hatten, die diese Samen lieferten, und wie gross die Wahrscheinlichkeit der Selbst- bestäubung oder der Kreuzung mit anderen Buchen bei ihnen gewesen ist, wodurch die grössere oder geringere Reinheit ihrer Nachkommen- schaft abhängig war. Zweifellos ist nur, dass die Rothfärbung der Blätter vererbt werden kann, und dass man bei Beachtung einiger Vorsichtsmassregeln aus der Rothbuche eine völlig constante Rasse züchten könnte, ähnlich wie sie aus den obengenannten Kräutern (Oxalis corniculata, Oeimum basilicum, Atriplex hortensis) hervor- gegangen sind. Es ist hier noch zu erwähnen, dass Prof. Jäggi in einer Arbeit ') darauf aufmerksam macht, dass die Rothbuche aus Thüringen keines- wegs das einzige Originalexemplar dieser Form darstellt. Es sind Andeutungen vorhanden, dass eine ähnliche Variation auch in anderen Gegenden beobachtet wurde. So heisst es in Wagner’s Werk, Historia naturalis Helvetiae curiosa, es seien bei dem Dorfe Buch am Irchel im Canton Zürich drei sehr alte Rothbuchen gewachsen, und Hausmann erwähnt in seiner Flora von Tirol?) eine ähnliche Form aus den Bergen bei Roveredo. Aus diesen Daten kann man schliessen, dass die beschriebene Varietät zu wiederholten Malen und an ver- schiedenen Orten unabhängig entstanden ist. Die purpurblättrige Varietät der Berberize (Berberis vulgaris var. atropurpurea) wurde von Herrn Bertin in Versailles unter den Säm- lingen der gewöhnlichen Berberize gefunden. Die ersten Samen gab dieses Exemplar im Jahre 1839; sie wurden ausgesäet und reprodu- eirten alle die mütterliche Form.°) Seitdem ergab die Aussaat immer dasselbe Resultat und diese Form pflanzt sich im Allgemeinen durch Samen fort. Freilich finden wir manchmal Angaben, die Mehrzahl der Sämlinge kehre zum Typus zurück, *) die Ursache dieser letzteren Erscheinung dürfte aber höchstwahrscheinlich wiederum in der Kreuzung mit der gewöhnlichen Berberize liegen. 1) Botan, Centr, 1892 pag. 9. 2) Hausmann, Flora von Tirol 1851. 55 3) P&pin in Ann. soo. hort. Paris, 1853 pag. 462; Verlot, Prod. pag. 55. 4) Arbor. Muse. pag. 137. 298 Carridre’s sogenannte Prunus Pissardi !) ist eine purpurblättrige Varietät von Pr. cerasifera Ehrh. (Pr. Myrobalana Lois). Sie wurde Eude der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts aus Persien durch Pissard, Gärtner des Schahs von Persien, zugeschickt und soll aus Täbris stammen. In Persien ist diese Form „noch selten“,?) wird aber wegen der Schönheit ihrer Blätter und Früchte sehr geschätzt, in Europa aber gewann sie eine weite Verbreitung. Sie trägt reich- lich Früchte, Saatversuche sind aber, soweit bekannt, mit ihr noch nicht gemacht worden. Andr&?°) erwähnt einen Sämling aus dem Garten des Herrn Carriere in Monteuil, der bereits einen Meter llöhe erreichte, dessen Blätter aber vollkommen grün waren. Er nimmt an, dass man auch in anderen Fällen bei der Aussaat nur die typische Form erhalten hatte. Dies ist aber nicht richtig. Etwas später erhielt ein deutscher Gärtner aus dem Stein von Pr. Pissardi eine neue Form mit rothen, von grünen Fieeken bedeckten Blättern.*) Diese Thatsache zeigt, dass die Blattfärbung dieser Form wenigstens theilweise vererbt werden kann. Es ist merkwürdig, dass eine der Prunus Pissardi ausserordentlich ähnliche Form in Deutschland selbständig entstanden ist. Sie wurde nämlich durch Herrn L. Späth in seiner Baumschule bei Berlin unter den Sämlingen der typischen Form gefunden. Dieser Umstand veranlasste sogar Einige, die persische Herkunft der Pr, Pissardi zu bestreiten, 5) doch klärte sich die Sache später in der Weise auf, dass es zwei purpurblättrige Formen von Prunus cerasifera gibt, von denen eine (Pr. Pissardi) aus Persien stammt, die andere aber aus Deutsch- land. Nach Carri&re®) sind sie durch eine Reihe kleinerer Unter- schiede in der Blattfärbung, iu der Qualität der Früchte u. a. m. von einander zu unterscheiden. . Ein analoger Vorgang fand auch in Frankreich statt. In Orleans säete ein Gärtner im Jahre 1890 im botanischen Garten die Steine der gewöhnlichen Prunus Myrobalana, d. h. Pr. cerasifera aus, und bemerkte dann mit Erstaunen, dass ziemlich viele Sämlinge, etwa 1) Ueber diese Form siehe Rev. hort. 1881 pag. 190 (cum, chrom.) pag. 423; 1883 pag. 68; 1884 pag. 396 (cum. chrom.); Gard. Chron. 1887, ], pag. 416 (cum. xyl.); Garden, 1887, v. II pag. 224 (cum. chrom.). 2) Nach Carridre in Rev. hort. 1881 pag. 191. 3) Rev. hort. 1884 pag. 397. 4) Rev. hort. 1891 pag. 52. 5) Rosenthal in Wien. Gart.-Zeit. 1886 pag. 492. 6) Rev. hort. 1888 pag. 147, 299 1a], der Gesammtzahl, vollständig purpurrothe Blätter hatten. Diese Thatsache setzte ihn deshalb so sehr in Erstaunen, weil das gleichzeitige Erscheinen einer so grossen Anzahl von abweichenden Exemplaren nicht mehr dem „Zufall“ (d.h. der Heterogenis) zugeschrieben werden konnte. Indem er nach den Ursachen dieser Erscheinung forschte, wurde dieser (nicht genannte) Gärtner darauf aufmerksam, dass in 500m vom Baum, welchem er die Steine entnommen, sechs Exem- plare von Prunus Pissardi wuchsen. Dann wurde ihm die Sache klar. Höchstwahrscheinlich haben Insekten die typische Pr. Myrobalana mit dem Pollen dieser Pr. Pissardi bestäubt, und aus ihren Samen, die somit ein Kreuzungsprodukt darstellten, konnten einige Exemplare mit Purpurblättern hervorgehen. !) Ich will meinerseits hinzufügen, dass eine solche Vermuthung einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit be- - sitzt und auch zur Erklärung vieler analoger Thatsachen mit Erfolg herangezogen werden kann. Bezüglich anderer Baumarten mit Purpurblättern existiren leider nur sehr spärliche und vereinzelte Angaben über die Art ihrer Ent- stehung und über die Versuche, sie mittels Samen fortzupflanzen. So pflegt sich nach den Beobachtungen Beissner’s?) Acer pseudopla- tanus fol. purp. gut aus den Samen zu reproduciren, Corylus Avellana atropurpurea liefert dagegen nur etwa !/; Nachkommen, die mit der Mutterpflanze identisch sind, während circa !js grüne Blätter hat und !s aus Uebergangsformen zusammengesetzt wird, Nach den Ver- suchen des Grafen von Schwerin liefert Acer platanoides Schwedleri bis zu einer Hälfte Sämlinge mit rothen Blättern (aber nicht dunkel- rothen wie bei der Mutterpflauze), während bei Acer platanoides Reitenbachii etwa die Hälfte der Sämlinge dunkelrothe Blätter hat und mit der Mutterpflanze identisch ist, ungefähr die Hälfte grüne Blätter aufweist und sehr wenige Uebergangsformen auftreten.) Dabei bemerkt der Verfasser, die Resultate der Aussaat hängen wesentlich davon ab, wie nahe oder fern die untersuchte Form von den typischen Bäumen stehe, d. b. ob grössere oder geringere Mengen von Pollen von diesen letzteren auf die Blüthen der Varietät übertragen werden können. Bei seinen Versuchen stand Acer platanoides Reitenbachii fern von den Bäumen der typischen Form, während Acer platanoides Schwedleri zusammen mit den Bäumen des typischen Acer platanoides gewachsen ist, Ten. I) Rev. hort. 1891 pag. 485. 2) Beissner in Mitt. deutsch. dendr. Ges. 1895 pag. 48. r 3) Graf von Schwerin in Mitth. deutsch. dendr. Ges. 1886 pag. *9. 300 Eine purpurblättrige Varietät des Pfirsichs erschien zuerst in Amerika Anfang der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts!) und ver- breitete sich von dort aus über die Gärten Europas. Doch ist einem Berichte?) zufolge eine ähnliche Form zweimal in Meaux (Frankreich) entstanden. Im Jahre 1888 erschien nämlich bei Chalin ein Exemplar dieser Form und 1890 erschienen im Garten des Herrn Lefort, der in Meaux in derselben Strasse wohnt, zwei Sämlinge derselben Form. Ein solches Zusammentreffen lässt eher auf eine Einwirkung des Pollens des purpurblättrigen Pfirsichs, als auf eine selbständige hetero- genetische Entstehung schliessen, wenn auch im Bericht erwähnt wird, weder in diesen Gärten selbst, noch in den benachbarten sei auch nur ein einziges erwachsenes Exemplar der amerikanischen Varietät vorhanden gewesen. Unter den anderen Arten von Buntblättrigkeit sind namentlich die partielle Gelb-, Rosaroth- und Weissfärbung der Blätter zu nennen. Diese Färbung vertheilt sich auf dem Blatte in verschiedener Weise, bald nimmt sie in Form von zusammenhängenden Flecken oder kleiner Sprenkeln und Streifen die Mitte des Blattes ein, bald be- deckt sie die Blattränder. Die Weissfärbung erscheint als Resultat des vollständigen Schwindens des Chlorophylis, was einen partiellen Albinismus erzeugt. Aber auch andere Färbungen, wie die gelbe und rosarothe, entwickeln sich ebenfalls auf Kosten des Chlorophylis und setzen folglich das Assimilationsvermögen des Blattes herab. Daher zeichnen sich alle derartige Variationen durch schwachen Wuchs und Kränklichkeit aus, die bei manchen Formen fast an Existenzunfähigkeit grenzt. Doch bleiben solehe Formen, falls sie überhaupt überleben, meistens völlig constant während ihrer ganzen Lebensdauer und auch bei vegetativer Vermehrung, so dass man sie keineswegs einfach für Krankheitszustände halten kann. Die Buntblättrigkeit erscheint am häufigsten auf einzelnen Trieben einer normalen Pflanze auf dem Wege der sogenannten Knospen- variation, von der später noch die Rede sein wird. Nicht selten ent- stehen aber solche Variationen auf heterogenetischem Wege, indem sie plötzlich an irgend einem Sämling einer normalen Generation auf- treten. Ein solcher Sämling behält, auch nachdem er ausgewachsen ist, seine Eigenthümlichkeit auf allen Trieben bei, bleibt constant bei Vermehrung durch Pfropfung und durch Stecklinge und überträgt 1) Fl. des serres v. XIX tab. 1986. 1873, 2) Rev, hort. 1891 pag. 114. 301 sogar bei günstigen Umständen seine Merkmale auf seine Nachkom- menschaft, wodurch er einer neuen Rasse den Ursprung geben kann, Auf diese Weise wurde die Ulme mit gelber Rinde und bunten Blättern durch Herrn Angebault in Fossay (pres Paimboeuf, dep. de la Loire-Inferieure) mitten in einer Aussaat der Samen der typi- schen Ulme im Jahre 1828 gefunden.) Pinus austriaca fol. varie- gatis entstand in einer Aussaat der gewöhnlichen Kiefer um das Jahr 1864 bei Hrn. Simon Louis in Plantieres-les-Metz (Elsass-Lothringen).?) Fagus silvatica var. nivea, mit weissen Blättern, ging aus einer Aus- saat der Rothbuche im Jahre 1849 bei Herrn A. Mass& hervor.?) Ligustrum vulgare var. variegatum ging bei Herrn Cordier in Ber- nai (Eure) im Jahre 1858 aus den Samen der gemeinen Steinweide hervor.*) Ligustrum japonieum foliis aureo-marginatis wurde im Jahre 1850 bei Herrn Rantonnet, Gärtner in Hyeres, erhalten.) In der Gartenanstalt von Louis van Houtte in Gent wurden in den 50er Jahren mitten in einer ausgedehnten Aussaat von Diervilla coraeensis DC. (Diervilla amabilis Carr.)®) einige Exemplare mit bunten Blättern bemerkt. Sie wurden sorgfältig gepflegt, trotzdem sind aber einige zu Grunde gegangen, bei anderen erwies sich die Färbung unbestän- dig und nur ein Exemplar ist ausgewachsen und behielt seine Merk- male bei.?) Acer Negundo var. variegatum mit von weissen und rosarothen Flecken bedeckten Blättern erschien in Toulouse, indem er nämlich 1853 als bereits 15jähriger Baum im Garten des Herrn Fromant®) entdeckt wurde. Er ist wahrscheinlich auf dieselbe Weise entstanden, Auch im wilden Zustande wird manchmal das Auftreten von buntblättrigen Variationen der Baumarten beobachtet. 30 beobachtete einmal Carriere unter grossen Eschen in einer Gruppe von Sämlingen, die aus den abgefallenen Samen bervor- spriessen, ein Exemplar mit bunten Blättern. Während einiger Jahre blieb diese Färbung unverändert und ging sogar auf die Rinde über, auf welcher gelbe Flecken erschienen sind.?) Das weitere Sehicksul dieser Form ist uns leider nicht bekannt. Die Buche mit gestreiften 1) Rev. hort. IT pag. 547. 2) Rev. hort. 1883 pag. 482. 8) 1. c. 1852 pag. 369. 4) I. c. 1861 pag. 284. 5) 1. 0. 1856 pag. 18. 6) Flore des serres v. III pag. 287. De. v. XII pag. 15. 8) Rev. hort. 1861 pag. 268. 9) Rev. hort. 1866 pag. 462, 302 Blättern, Fagus silvatica var. fol. striatis wurde in einem Walde bei Nassau durch Herrn Bose 1851 gefunden.!) Fagus silvatica var, Ziatia mit goldgelben Blättern wurde im Gebirge Serbiens von Prof. Dragaschewitsch in Form eines gut entwickelten. offenbar aus einem Samen ausgewachsenen Baumes gefunden.?) 1893 fand Köhler in den Schweizeralpen ganz die gleiche Form, ebenfalls als einzigen aus Samen ausgewachsenen Baum. Der Boden, auf dem dieses Exemplar wuchs, war vollständig normal und ganz derselbe wie in der nächsten Umgebung, wo normale grüne Buchen wuchsen. °) Sehr viele Botaniker und Gärtner äusserten die Meinung, die buntblätterigen Varietäten seien nicht samenbeständig, da aus ihnen nur grüne Pflanzen hervorgehen. Diese Anschauung stimmt aber gar nicht mit den Thatsachen überein; sie beruht auf einer vorge- fassten Meinung, wonach die Buntblätterigkeit, als partielle Chlorose, nichts anderes sei als ein abnormer krankhafter Zustand. Das ist aber nicht ganz richtig. Man muss nämlich jene pathologische Chlorose, die als Folge gestörter Ernährung — etwa Mangel an Licht oder an Eisen — erscheint, und die heterogenetische Chlorose streng aüs- einander halten, welch letztere von den äusseren Bedingungen unab- hängig ist. Erstere verschwindet leicht bei entsprechender Behandlung, . letztere bleibt auf jedem Boden und unter allen Umständen bestehen. Diese letztere stellt an und für sich keine Krankheit dar, sondern nur eine gewisse physiologische Abweichung, welche doch die Er- nährung des Organismus stört und daher je nach dem Grade ihres Auftretens entweder schwachen Wuchs und Kränklichkeit oder voll- ständige Existenzunfähigkeit bedingt. In letzterem Falle, wenn die ganze Blattfläche von Chlorose betroffen ist, stirbt die Pflanze selbst- verständlich rasch ab, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Bleibt aber die Chlorose eine partielle, tritt sie nur in Form von Flecken und Streifen auf der Blattspreite auf, ohne dieselben ihres Chlorophylls vollständig zu berauben, dann lebt und entwickelt sich die Pflanze fort, trägt Samen und kann ihre Chlorose wie jedes ‚morphologische Merkmal auf ihre Nachkommen übertragen. Die partielle Chlorose wird auch in der freien Natur, wenn auch nicht geradezu häufig, angetroffen und dient als charakteristisches !) Dipp., Laubh, v. II pag. 52. Dieser Baum wurde unweit vom Geburtsort des berühmten H. L. Hartig gefunden (Gladenbach bei Biedenkopf), weshalb er auch Hartig’s Buche genannt wurde, 2) Rev. hort. 1894 pag. 60. 3) Rev. hort, 1894 pag. 60, un 303 Merkmal einiger Formen, so z. B. bei den ostindischen Farnen Pteris quadriaurita Retz, var. argyraea !) und Pteris aspericaulis Wall. var. tricolor.?) Selbstverständlich wird in diesen Fällen die Blattfärbung ganz genau auf die Nachkommen übertragen. Aber auch jene zu- fälligen (d. h. heterogenetischen) buntblätterigen Variationen, welche manchmal in einzelnen Exemplaren im wilden Zustande angetroffen werden, vermögen ebenfalls ihre Merkmale auf die Nachkommen zu vererben. So erwies sich Phytolacca decandra var. luteola, die von Herrn Treye Marie, Gärtner in Moulins (Allier) im Kaukasus (Kreis Tschernomorski) gefunden und in die Cultur eingeführt wurde, als vollständig samenbeständig.?) Plantago lanceolata var. marginata, die sich durch weisse Streifen an den Blatträndern auszeichnet, wurde von Herrn Genty, Gärtner in Beaumont-la-Ferriere (Nievre) auf einer Wiese unter zahlreichen tormalen Individuen aufgefunden. Er ver- pflanzte dieses Exemplar zu sich und erhielt durch wiederholte Aus- saat eine Rasse, bei welcher die Buntblätterigkeit noch stärker aus- gebildet ist, als beim Urexemplar.t) Der bekannte Gärtner Jacques fand und cultivierte ein weibliches Exemplar von Lychnis dioica (Melan- drium album) mit Fiederblättern. Er bestäubte es mit dem Pollen der typischen Form und trotzdem sind bei ihm aus den erhaltenen Samen u. a. drei Exemplare mit bunten Blättern ausgewachsen,’) Unter den Formen, die nur in der Cultur existiren, kann man auf Barbarea vulgaris var. fol. variegatis hinweisen, welche vollkommen samenbeständig ist. Die sog. Aquilegia Vervaeneana variegata (Aqui- legia vulgaris var. Vervaeneana) pflanzt sich nach einer Angabe des Herrn J. Sallier fils, Gärtner in Neuilly (Seine), in den Gärten von selbst durch Samen fort und reprodueirt immer genau ihre Merkmale.®) Nach P&pin”) pflanzen sich die buntblättrigen Formen von Alyssum maritimum und Cheiranthus Cheiri durch Samen fort, wenn auch zu bemerken ist, dass erstere nicht immer constant bleibt.®) Jules Ru- dolf®) stellte Aussaatversuche mit den Samen buntblättriger Pflanzen 1) Pteris argyraea T. Moore in Gard. Chron. 1859 pag. 671. 2) Pteris tricoler Linden. Siehe T. Moore in Gard. Ohron, 1860 pag. 617. 3) Rev. hort. 1894 pag. 471. 4) 1. c. 1889 pag. 71 und 100. 5) Veriot, Prod. pag. 75. \ 6) Rev. hort, 1896 pag. 42. 3. auch Vilmorin, Blumengärtn., herausgeg. von Voss, pag. 30. T) Ann. soc, hort. Paris 1853 pag. 463. 8) Vilm,, Les fleurs. 3e &d. pag. 61, 9) Rev. hort. 1897 pag. 141. 304 an und kam zu folgenden Resultaten: Aquilegia vulgaris fol. varieg. (wahrscheinlich identisch mit der oben erwähnten Aqu. Vervaeneana) lieferte von 20 Exemplaren 13 buntblättrige, die übrigen waren grün; Mirabilis Jalappa (Belle de nuit) fol. varieg. ergab unter 20 Exem- plaren 15 buntblättrige; Humulus japonicus variegatus erzeugte unter 20 Sämlingen 17 mehr oder weniger buntblättrige; bei Lavatera ar- borea fol. varieg. waren alle 20 bunt, aber in verschiedenem Grade; bei Lunaria biennis fol. varieg. reprodueirten alle 20 Exemplare die Buntblättrigkeit, dabei alle in demselben Grade; Zea Mais fol. albo- striatis: alle Exemplare reprodueirten ganz genau die Buntblättrig- - keit; Helianthus annuus fol. varieg.: von 20 Exemplaren waren 13 bunt- blättrig, aber ziemlich unregelmässig, die übrigen dagegen grün; beim buntblättrigen Kohl (Chou cabus panache) reprodueirten von 20 Exem- plaren 10 die Buntblättrigkeit vollständig, 5 in einem geringen Grade und 5 blieben grün; die weisse amerikanische Sellerie (c&leri plein blane d’Amerique, White plume) reproducirte auf allen Exemplaren die Färbung der centralen Blätter, wobei sich der Albinismus selbst auf die Blattstiele erstreckte. Andere Kräuter reprodueiren aber nur sehr schwer die Buntblättrigkeit. So erhält man nach Sallier!) aus einem ganzen Packet von Samen der Nicotiana macrophylia kaum einige buntblättrige Exemplare, die aber auch nicht ganz regelmässig die mütterliche Form wiederholen. Phytolacca decandra variegata liefert aus Samen bloss grüne Exemplare.?) Unter den Treibhausgewächsen werden die buntblättrigen Varia- tionen von Phormium, Yucca, Agave, Cyperus, Aralia, Eulalia u.a. m, durch die Samen gar nicht reprodueirt.) Doch sind mir keine ge- nauen Saatversuche mit diesen Pflanzen bekannt. Was nun die Baumpflanzen des freien Terrains anbetrifft, so sind hier die Fälle einer erblichen Uebertragung von Buntblättrigkeit sel- tener als bei den Kräutern, wahrscheinlich deshalb, weil sich die Baum- pflanzen überhaupt viel seltener durch Samen fortpflanzen. Die Be- obachtungen zeigen jedoch, dass sich auch bei ihnen die Buntblättrigkeit zu vererben vermag und folglich auch bei ihnen bei Isolirung und wiederholter Aussaat zu einem constanten Rassenmerkmal werden könnte. So weist Pepin‘) auf einen Baum von Sophora japonica fol. varieg. im Park von Versailles hin, welcher alljährlich Samen trägt, 1) Rey. hort. 1896 pag. 42, 2) Rev. hort. 1897 pag, 142, 8) 1, ce. 1896 pag. 43; 1897 pag. 142. 4) Ann. soc. hort. Paris, 1858, pag. 463, 305 wobei bei der Aussaat die Zahl der buntblätterigen Sämlinge immer grösser ist, als diejenige der typischen. Fin anderer ähnlicher Baum dieser Form blühte zwar jedes Jahr, brachte aber niemals reife Samen. Derselbe Autor erwähnt auch Celtis australis unter den buntblättrigen Bäumen, die sich durch Samen fortpflanzen. Bezüglich Acer plata- noides var. flavo-variegata berichtet Loudon?), der Originalbaum dieser Varietät, der sich bei Edinburgh befindet, gebe aus den Samen im allgemeinen typische grüne Pflanzen, bei einigen Sämlingen seien aber auf den Blattstielen und -spreiten Spuren einer gelben Färbung bemerkt worden. Acer Pseudoplatanus fol. varieg. reprodueiert nach Beissner’s?) Beobachtungen seine Merkmale bei der Vermehrung durch Samen (wie constant — das wird nicht erwähnt). Nach den Versuchen des Grafen von Schwerin?) lieferte Acer Pseudoplatanus var. Leopoldi bei der Aussaat nur !/jo buntblättriger Sämlinge, var. nervosum und Handjervi dagegen über ?jı. Diesen hohen Procent- satz der letzteren Form erklärt der Autor dadurch, dass der Baum, von welchem die Samen entnommen wurden, fern von den Bäumen der typischen Form stand, d. h. nur wenig Chancen für eine Kreuzung darbot. Einige buntblättrige Pflanzen mit partieller Chlorose vermögen sich nicht durch Samen zu vermehren, und zwar nicht deshalb, weil sie dabei nur typische Pflanzen liefern würden, sondern weil ihre Sämlinge eine totale Chlorose, d. h. völligen Chorophylimangel auf- weisen und schon in früher Jugend zu Grunde gehen, sobald die im Samen aufgespeicherten Nährstoffe aufgezehrt sind. So lieferte bei- spielsweise Nicotiana colossea variegata aus mehreren Tausend gut gekeimten Samen bloss 2—3 Sämlinge, auf deren Blättern grüne Partien waren, mit deren Hilfe sie fortkommen konnten; alle übrigen waren vollständig chlorophylifrei und gingen bald zu Grunde. Ganz ebenso liefert Impatiens Sultani variegata aus den Samen nur voll- kommen weisse Sämlinge. Sallier fils,*) der diese Thatsachen mittheilt, fügt hinzu, es wäre interessant zu verfolgen, ob die Ent- stehungsweise der buntblättrigen Formen ihre Erblichkeit beeinflusse oder nicht. Die Thatsachen scheinen für letzteres zu sprechen, denn es ist 2. B. Nicotiana colossea variegata vor einigen Jahren in einer Aussaat der typischen Form heterogenetisch entstanden, während Impatiens Sultani 1) Loudon, Arbor, I pag. 414. 2) Beissner in Mitth. deutsch. dendr. Ges. 1895 pag. 48. 8) Graf von Schwerin, l. c. 1896 pag. 43. 4) Rev. hort. 1896 pag. 43. Flora, Ergänzgsbd. 1901. 20 306 als Knospenvariation in Form eines Triebes auf einer normalen Pflanze erschienen ist. Es muss jedoch bemerkt werden, dass die Knospen- variation im Allgemeinen als eine Abart von Heterogenesis betrachtet werden muss, mit welcher sie aufs innigste verbunden ist. Aehnliche Thatsachen, d. h. das Erscheinen vollkommen chloro- tischer Sämlinge von Formen mit partieller Ohlorose, wurden bei der Aussaat der buntblättrigen Varietäten von Phormium tenax, Panicum plicatum, Pelargonium zonale') u. a. m. beobachtet. Bei den mit weissen und gelben Blatträndern ausgestatteten Varietäten von Acer Negundo beobachtete Graf von Schwerin immer diese Erscheinung, welcher er folgende originelle Erklärung gibt. Seiner Meinung nach hängt das Erscheinen vollständig chlorotischer Sämlinge damit zu- sammen, dass die Früchte dieser Varietäten ebenfalls „vollständig weiss oder gelb sind, und nur auf dem Rücken des Flügels einen schmalen grünen Streifen haben, welcher jedoch nicht bis zum Samen ins Innere dringt; daher können aus ihnen auch keine grünen oder panachirten Pflanzen hervorgehen“.?) Diese Erklärung ist ausser- ordentlich interessant. Da die Wandungen der Frucht, d. h. die Fruchtblätter, den sporentragenden Blättern der Farne homolog sind, so haben wir folglich dieselbe (oben schon beschriebene) Erscheinung vor uns, die bei der Fortpflanzung der Farnkrautvariationen durch Sporen beobachtet wird, V. Die Blüthenfärbung. Die Variationen, die an Blüthen wahrge- nommen werden, erfolgen in zwei Hauptrichtungen: 1. Veränderung der Blüthenfärbung und 2. morphologische Abweichungen vom Typus. Die Veränderungen der Blüthenfärbung stellen unbedingt die am meisten verbreitete Art von Variationen dar. Sie kommen auch bei wildwachsenden Pflanzen sehr häufig vor. In der Cultur aber ent- stehen sie erstaunlich schnell, häufig schon in den ersten Jahren nach der Einführung der betreffenden Pflanze in die Cultur.d) Alle Pflanzen aber, die seit mehr oder weniger langer Zeit in Gärten ge- 1) Rey. hort. 1897 pag. 142. 2) Mitth. deutsch. dend. Ges. 1896 pag. 43. Der Autor erklärt sich bereit, die beschriebenen Früchte Allen einzusenden, die die von ihm mitgetheilten That- sachen persönlich controlliren möchten. 3) So wurde Iris Lortetii Barb. (Boiss. Fl. or. V pag- 131), welche von Dr. Lortet im Libanon entdeckt wurde, 1895 in die Cultur eingeführt und lieferte schon in den ersten Saaten eine weissblüthige Varietät (Ill, hort. 1896, pag. 140 und 237), 307 zogen und der Blüthen wegen cultivirt werden, bieten immer eine Unmasse von Sorten dar, die sich durch die Färbung oder die ver- schiedenen Nuancen ihrer Krone auszeichnen. Derartige Variationen entstehen immer auf heterogenetischem Wege, indem sie in der Aussaat der typischen Formen plötzlich in einzelnen Exemplaren erscheinen. Einmal erschienen, behalten sie ihre Merkmale bei und übertragen dieselben auf ihre Nachkommen- schaft. Es sind Fälle bekannt, in denen eine derartige Varietät schon von Anfang an eine völlig constante Rasse lieferte‘) In anderen viel häufigeren Fällen erhält man aus den Samen der neuaufgetretenen Form einen gewissen Procentsatz an Sämlingen, die zum Typus zu- rückgekehrt sind, und es ist eine gewisse Isolation und Verhütung der Kreuzung nothwendig, um eine constante Rasse zu züchten. Endlich gelingt es manchmal auch gar nicht, eine solche Rasse zu erhalten, da die Sämlinge der Variation alle zum Typus zurückkehren. Zweifellos bestehen bei den neuentstehenden Formen auch angeborene Differenzen in Bezug auf die Constanz der neu erschienenen Merkmale und auf die Neigung, zur typischen Form zurückzukehren. Doch dient als Hauptfaetor, der über die Constanz oder Veränderliehkeit der Merkmale, somit auch über das Bestehen und Vergehen der Rasse entscheidet, immer die Art der Bestäubung, d. h. ob die Varietät durch ihren eigenen Pollen oder durch denjenigen der typischen Form be- fruchtet wird. Und gerade dieser Umstand bleibt meist unaufgeklärt und wird einfach dem Zufall preisgegeben. Vergleicht man die Zahl der durch Blüthenfärbung ausgezeich- neten Variationen und Rassen unter den einjährigen Pflanzen, dann unter den mehrjährigen Kräutern und endlich unter den Baum- Pflanzen, so bemerkt man, dass erstere sehr viele Variationen geliefert haben, welche dabei fast alle samenbeständig und daher auch zu be- i) So theilt P&pin folgendes über Fritillaria imperialis var. Iutea mit (Rev. hort. v. VI pag. 65): „Man muss diese neue Varietät nicht mit derjenigen ver- wechseln, welche wir schon längst in den Gärten cultiviren. Delorme, Görtner in Verriöre-le-Buisson, erhielt diese Form mit grossen hellgelben Blüthen uuter den typischen Sämlingen, die aus den im Jahre 1832 gesäeten Samen der gewöhn- lichen Frit. imperialis ausgewachsen sind. 1838 brachte er mir ein Exemplar zum Zwecke des Vergleichs mit der früher bekaunten Form. Seitdem vermehrte er sie durch Zwiebeln und später auch durch Samen. Er wartete auf das Blühen der aus den Samen ausgewachsenen Zwiebeln, die ihm auch eine vollständige Reproduction der Mutterpflanze gaben. Diese Varität ist schöner und mehr wider- standsfähig, als diejenige, die wir früher kannten.“ 8, auch unten über Begonia Semperflorens var, rosea. 20* " 308 sonderen Rassen wurden, dass die zweite Gruppe viel weniger, die dritte endlich sehr wenig Variationen geliefert hat, die dabei fast immer wenig constant waren. Diese Erscheinung hängt damit zu- sammen, dass die einjährigen Pflanzen immer in grossen Quantitäten ausgesäet werden; man erhält dabei viele Variationen, die man sofort durch Samen zu vermehren beginnt und die man erst dann registrirt, beschreibt und in den Handel bringt, wenn sich diese neuen Formen als samenbeständig erwiesen haben. Diejenigen Variationen aber, die nicht fixirt werden, verschwinden spurlos. Die Baumpflanzen werden in unvergleichlich geringerer Zahl gesäet, weshalb sie auch seltener Variationen ergeben. Sind aber solche erschienen, so beginnt man sie auf ungeschlechtlichem Wege zu vermehren und bringt sie in den Handel, ohne sich um die Vermehrung durch Samen zu bekümmern. Somit hängt der erwähnte Unterschied nicht von der Natur der Pflanze, sondern von den Culturbedingungen ab. Die mehrjährigen Kräuter nehmen in beiderlei Hinsicht eine Mittelstellung zwischen den ein- jährigen und den Bäumen ein. Wenn man die zahlreichen Variationen der Culturpflanzen dureh- mustert, so kann man sich davon überzeugen, dass die Veränderungen in der Färbung der Krone nicht nach allen Richtungen hin mit gleicher Leichtigkeit erfolgen, sondern in der einen Richtung leichter, in der anderen weniger leicht. Als die constanteste Farbe, gleichsam die Grundfarbe der Krone, muss das Weiss betrachtet werden. Die ungeheuere Mehrzahl der Arten, die der Blüthen wegen ceultivirt werden und eine irgendwie anders gefärbte Krone haben, gab weiss- blüthigen Varietäten den Ursprung. Verlot führt in seiner Arbeit über die Produktion und Befestigung der Culturvarietäten!) eine Liste solcher Variationen an; diese enthält aber noch lange nicht alle weiss- blüthigen Varietäten, die schon damals bekannt waren, seitdem hat sich aber ihre Zahl um ein Mehrfaches vergrössert. Ebenso findet man auch in der Natur die weissblüthigen Varietäten von wildwachsen- den Arten häufiger als alle anderen. Die weissblüthigen Varietäten sind verhältnissmässig sehr be- . ständig und werden leicht zu Rassen. Es gibt aber auch Ausnahmen von dieser Regel. So wird Amygdalus nana var. floribus albis, die im wilden Zustande gefunden wurde, manchmal aber auch in der Cultur in den Saaten der typischen Amygdalus nana auftritt, durch die Samen nicht reproducirt. Wenigstens erhielt Carriere, ebenso 1) Verlot, Prod. pag.57—58. 8. auch P&pin in Rev. hort. 1854 pag. 295. 309 wie andere Gartenbauer, bei der Aussaat derselben immer Exemplare mit rosarothen Blüthen.!) Bezüglich Cereis siliquastrum flor. albis, welehe in den 40er Jahren entstanden ist,2) sowie des Ribes sangui- neum Pursh, var. albidum,?) welches Anfang der 40er in Schottland aus Samen erhalten wurde, sind mir leider keine Aussaatversuche bekannt. Vie} seltener sind die Fälle, wo von weissblüthigen Arten Varie- täten mit gefärbter Krone erhalten werden. Ein sehr charakteristisches Beispiel einer solchen Erscheinung bietet uns Begonia semperflorens (Link et Otto). Diese sehr gemeine Pflanze, die in Treibhäusern und Wohnungen in ungeheuren Mengen cultivirt wird, zeichnete sich durch grosse Constanz aus und hatte trotz der ausgedehnten Aussaaten niemals variirt. Ende der 70er Jahre fand aber ein Gärtner, Herr Roussel bei Tours (Frankreich), in der Aussaat der typischen Be- gonia semperflorens eine Varietät mit grell rosarothen Blüthen.*) Diese neue Form (var. rosea) erwies sich sofort als völlig constant, denn die vielen Tausend Sämlinge, die alljährlich aus ihren Samen erhalten wer- den, reproduciren sämmtlich ihre Merkmale, ohne zum Typus zurück- zukehren. Sie ist sogar nach den Beobachtungen der Gärtner etwas kräftiger und weniger zu Erkrankungen disponirt, als die typische Beg. semperflorens. 3) Zehn Jahre später gab Begonia semperflorens var. rosea einer neuen Varietät mit rothen Blüthen und theilweise purpurroth ge- färbten Blättern den Ursprung. Diese Form wurde Begonia Vernon, 1) Rev. hort. 1872 pag. 118. 2) 1. ce. 1862 pag. 254. 3) Paxt. Mag. v. X pag. 55; Fl. des serres I, tab. 3. — Dipp., Laubh. v. IH pag. 294. 4) Rev. hort. 1881 pag. 330. . a 5) Ich muss hier bemerken, dass eine Varietät der Begonia semperfforen® mit rossrothen Blüthen schon viel früher bekannt war, indem sie fast gleichzeitig mit der typischen Form in die Cultur eingeführt wurde. Dies war nämlich die var. Hookeri Alph. DC. (DC. Prodrom v. XV pars 1 pag. 293), welche durch Herrn Charles Chamberlayne aus Brasilien dem Liverpool’schen botanischen re zugesandt wurde, woselbst sie auch 1828 zuerst blühte. Doch unterschie Bo diese Form, soweit man nach der Abbildung und Beschreibung (Bot. Mag. t. N schliessen kann, ziemlich stark von der neu aufgefundenen (Rev. hort. l. eo. tal . chrom.) durch kleinere Blüthen, Form und Behaarung der Blätter u. s. w. Sie hat sich ausserdem in der Cultur nicht erhalten, so dass bis zur Auffindung der Obenbeschriebenen var. rosea im Gartenbau nur die typische weissblüthige Form von Begonia semperflorens bekannt war. 310 oder Beg. semperflorens atropurpurea‘!) genannt. Sie wurde durch Herrn Vernon, Gärtner in Blois, aus den Samen der früher ent- standenen Rasse erhalten und ist ebenfalls vollkommen samenbeständig. Die gewöhnliche weisse Acazie (Robinia Pseudacacia) lieferte eine Varietät mit rosarothen Blüthen, welche von Carriere var- Decaisneana genannt wurde.) Sie entstand in Manosque (Basses- Alpes) in der Baumschule des Herrn Villeville aus den Samen der typischen Form und blühte zum ersten Mal im April 1862. Wegen der Schönheit ihrer Blüthen verbreitete sich diese Form rasch über die Gärten, wobei sie durch Pfropfung vermehrt wurde. Manche äusserten sich dabei, dass die Blüthenfärbung sich ziemlich unbestän- dig erwiesen hätte; auf vielen Exemplaren soll sie aus unbekannten Ursachen sehr schwach geworden oder gar vollständig verschwunden sein, während sie an anderen sehr intensiv blieb.?) Trotz dem reich- lichen Blühen erzeugt diese Form nur selten und geringe Quantitäten von Samen, *) die sich von den Samen des Typus etwas unterscheiden. Aus ihnen gehen, nach Herrn Briot’s Bericht,’) nur Sämlinge der typischen Form hervor. ° Diese Angabe stellte sich aber als unrichtig heraus. Mit Rücksicht auf eine Notiz von Ed. Andre&,f) in welcher dieser Autor angibt, nur sehr wenige Gärtner hätten es versucht, die Samen von Robinia Decaisneana auszusäen, erklärt Herr Robillard,?) Gärtner aus Valencia (Spanien), die Ursache davon sei höchstwahr- scheinlich im ausserordentlich unsicheren Aufkeimen der Samen dieser Form zu suchen. Robillard säete zwölf Jahre hindurch alljährlich 500g Samen aus, die von einigen Bäumen der Robinia Decaisneana eingesammelt wurden, beobachtete nur vier oder fünf Mal ein mittel- mässiges Aufkeimen und nur einmal ein gutes, nämlich 1889, da er 800 Sämlinge auf einmal erhalten hatte. In den anderen Jahren waren aber die Resultate fast gleich Null. Im Jahre 1890 erhielt er aus derselben Samenquantität bloss 20 Keimlinge. Was nun aber den Charakter der Nachkommenschaft anbetrifft, so sind nach den Beobachtungen Robillard’s 20°, der Sämlinge vollkommen identisch mit der Mutterpflanze; 40%, haben rosarothe 1) Rev. hort. 1890 pag. 482; 1891 pag. 84 cum tab. chrom. 2) Rev. hort, 1863 pag. 151; Fl. des serres, v. XIX tab. 2027. 3) Rev, hort. 1868 pag. 222. 4) Rev. hort. 1872 pag. 111. 5) Briot, Rev. hort. 1867 pag. 369. 6) Ed. Andr& in Rev. hort. 1890 pag. 275, 7) Rev. hort. 1890 pag. 518, 311 Blüthen, aber etwas hellere, als bei der Originalform und alle übrigen endlich haben weisse Blüthen mit kaum angedeuteter Rosanuance. Rinige Exemplare boten interessante Variationen der Färbung dar, der Autor hielt es aber nicht für nöthig, dieselben zu bewahren. Ausserdem braucht man nach Robillard gar nicht auf das Blühen der Sämlinge zu warten, um zu wissen, wie die Blüthen aussehen werden, denn die Färbung dieser letzteren steht in Correlation mit anderen Merkmalen und variirt entsprechend dem Grade, in dem sich der allgemeine Habitus des ganzen Pflänzchens der mütterlichen Form nähert oder von derselben entfernt. Exemplare mit dieken, nach oben gerichteten Zweigen und wenig auffallenden Dornen liefern rosarothe, mit denjenigen der Mutterpflanze fast identische Blüthen. Eine Abweichung von diesem Typus zieht eine Veränderung der Färbung der Bfüthe nach sich und Exemplare mit dünnen, geneigten und sehr stacheligen Zweigen, die der typischen weissen Acazie gleichen, liefern vollständig weisse Blüthen. Wir betonen diese That- sachen, da sie nochmals darauf hinweisen, dass die Abweichungen vom Typus, die bei den auf heterogenetischem Wege entstandenen Variationen zu bemerken sind, sich nicht auf irgend ein Hauptmerk- mal beschränken, sondern in einer ganzen Reihe kleinerer Merkmale, sowohl morphologischer als physiologischer Art, zum Ausdruck kommen. Bei einer Aussaat der Robinia Decaisneana erhielt Herr Croux, Baumschulbesitzer in Aulnay bei Sceaux, eine neue Variation mit Blüthen, die noch greller gefärbt waren als bei der Mutterpflanze. Ed. Andr& schlug vor, diese Variation Robinia Decaisneana rubra zu nennen.!) Zweifellos wurden auch in Irankreich Aussaaten der beschriebenen Varietät nicht so selten gemacht, wie es Andre ver- muthet, und ich möchte mir bei dieser Gelegenheit erlauben, die Ver- muthung auszusprechen, dass jene Unbeständigkeit der Färbung bei einigen Exemplaren, auf welche Carriere seinerseits hingewiesen hat?) und von der in der Folge nicht mehr die Rede war, von ganz anderen Ursachen herrühren dürfte. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren jene Exemplare, auf denen sich die Färbung als zu schwach erwies, nicht von dem durch Villeville erhaltenen Originalbaum, sondern von dessen Sämlingen aus gepfropft. Dann wäre die sonder- bare Thatsache der Unbeständigkeit eines heterogenetischen Merkmals ausreichend erklärt, da wir bereits gesehen haben, dass unter den Sämlingen der Robinia pseudacacia Decaisneana immer unter anderen 1) Rev. hort, 1890 pag. 275. 2) 1. c. 1868 pag. 222. . 312 auch Exemplare aufzutreten pflegen, die eine mehr oder weniger ab- geschwächte Färbung aufweisen und zum Typus hinüberleiten. Ebenso plötzlich, auf heterogenetischem Wege, ist bei Carriere in einer Aussaat der Kirsche ein Exemplar mit rosarothen Blüthen entstanden, !) wie sie vorher bei dieser Art niemals beobachtet wurden. Wahrscheinlich ist diese Form, die bei Dippel unter dem Namen Prunus Cerasus var, persicaeflora erwähnt wird. ?) Einen sehr seltenen Fall der Verwandlung von weissen Blüthen in gelbe bietet uns Chrysanthemum frutescens L. var. Bei dieser Art, wie bei allen nahestehenden, sind die Zungenblüthen weiss; im Jahre 1842 erhielt aber der Gärtner Herr Goutant auf der Insel Poquerolles (Var) unter den Sämlingen des typischen Chr. frutescens eine Varietät mit gelben Zungenblüthen.?2) Diese Form zeichnete sich ausserdem auch noch durch die feiner gespalteten Blätter aus, weshalb sie var. tenuifolium genannt wurde, sowie durch weniger reichliche Blüthenbildung. Sie verbreitete sich in der Cultur und gab in der Folge zahlreichen Sorten von gelbblüthigen Chr. frutescens den Ursprung. Pflanzen mit gefärbten Blüthen geben sehr leicht Variationen mit anderer Blüthenfarbe, in der Veränderung dieser letzteren wird aber eine gewisse, ziemlich strenge Gesetzmässigkeit beobachtet. Aug. DeCandolle hatte schon zu Anfang dieses Jahrhunderts sämmtliche Färbungen der Pflanzenorgane in zwei Reihen eingetheilt, welche er die Xanthische und dieCyanische nannte.*) Zur ersteren, d.h. zur gelben Reihe, gehören alle Nuancen von Weiss) bis Roth über Gelb und Orange; zur zweiten ebenfalls eine ganze Scala von Ver- änderungen von Weiss bis zu Roth, die aber über die Stufen himmel- blau, blau und violett führen. Auf diese Weise gehört die weisse Farbe beiden Serien an und erscheint gleichsam als die Grundfarbe, welche infolge Abwesenheit oder schwacher Entwickelung des Pigments zum Vorschein kommt. Ebenso gehört auch die rothe Farbe, wenn auch in verschiedenen Nuancen, beiden Serien an. Alle übrigen 1) Rey. hort. 1887 pag. 70. 2) Dippel, Laubh. III pag. 613, 8) Rev. hort. v. V pag. 826. 4) DC., Phys. veget. v. II pag. 906—915. 5) De C andolle gehtim eitirten Werke von der grünen Farbe aus, es scheint mir aber bei der Anwendung auf die Blüthenfärbung richtiger zu sein, die weisse Farbe zum Ausgangspunkt zu nehmen, wie es Verlot (prod. pag. 56) und Andere thun, 318 Farben und Nuancen aber gehören nur irgend einer der beiden Serien an, und kommen in der Zweiten nicht vor. Beobachten wir nun die Veränderungen der Färbung im Pflanzen- reiche, so bemerken wir, dass die Veränderungen bloss im Bereiche jener Serie erfolgen, welcher die betreffende Art angehört und eine gewisse Grenze fast niemals überschreiten. Dieses Gesetz (wenn man es so bezeichnen dürfte) ist auch in der Natur von grosser Bedeutung, denn es gehört, allen Beobachtungen zufolge, die Färbung der Varie- täten oder nahestehenden Arten, manchmal .aber auch ganzer Gat- tungen immer zu den Nuancen einer und derselben Serie.') Die typischsten Farben beider Serien aber, einerseits gelb, andrerseits blau, stellen zu gleicher Zeit die constantesten Färbungen dar, die für ganze Gruppen und Gattungen der Pflanzen charakteristisch sind. In der Gärtnerei wird die geschilderte Erscheinung durch zahl- reiche Beispiele bestätigt. So wird trotz der Mannigfaltigkeit der Blüthenfärbung bei den Sorten der Balsamine (Impatiens Balsamina), des Flieders, des Mohns (Papaver somniferum), der Petunien und Levkojen, unter denselben keine gelbe Färbung beobachtet. Anderer- seits ist es Niemandem trotz allen Bemühungen gelungen, etwa Georginen oder Mimulus mit blauen Blüthen zu erhalten. Alle in der Cultur neuentstehende Varietäten gehören der Blüthenfärbung nach zu derselben Serie wie ihre Stammarten. Allein es kommen auch Abweichungen von dieser allgemeinen Regel vor. So besitzt eine Dahlienart, Dahlia Merckii Lehm. (D. gla- brata Lindl.,2) kleine violette Blüthen auf langen Blüthenstielen. Unter den Sämlingen dieser Art bemerkte P&pin 1843 eine Varietät, die sich durch gelbe Blüthen, sowie durch behaarten Stengel und Blätter auszeichnete. Von diesem Exemplar wurden Samen eingesammelt und Herrn Jacques überliefert, welcher sie im Frühjahr 1844 aus- gesäet und schon mehrere gelbblüthige Exemplare erhalten hat.°) Die Form hat sich bis jetzt in der Cultur erhalten. Es muss übrigens bemerkt werden, dass auch von der gewöhnlichen Georgine einige Sorten. mit violetten Blüthen bekannt sind, ihr Ursprung ist mir aber nicht bekannt. Ebenso wurde von Ageratum mexicanum, welcher —__ 1) Selten kommen übrigens Ausnahmen von dieser Regel vor. von Viola odorata eine Varietät mit gelben Blüthen, Viola odorata L. var. sul- phurea Cariot (8p.), die in Frankreich hie und da angetroffen wird (Raquy et Fouc., Pl. de Fr. v. III pag. 26). 2) Bot. Mag. tab. 3878. 8) Rev. hort. 2e ser., v. IV pag. 249. So gibt es 914 lilablaue Blüthen hat, eine Varietät mit blassgelben und dann auch mit gelben Blüthen erhalten.') Die Blüthenfärbung wird manchmal gegen eine andere, aber nicht gleichmässige, sondern bunte, vertauscht. So gab beispielsweise Erythrina Crista galli einmal eine Varietät mit bunten Blüthen, welche var. versicolor genannt wurde.?) Nach P&pin’s Bericht entstand sie in Charanne in der Gartenanstalt des Herrn Pomerel. Der Director der Culturen dieser Anstalt, Herr Belange, der sich schon längst mit der Anpflanzung von Erythrina Crista galli beschäftigte, bemerkte 1844 unter den Sämlingen dieser Pflanze ein Exemplar, welches in einer ganzen Reihe von Merkmalen von den anderen abwich. Diese Varietät bildete ein starkes Gebüsch von 1—2m Höhe mit alter- nirenden grünen stacheligen Zweigen. Ihre Blätter waren rundlich- oval, an beiden Enden tief ausgeschnitten, beiderseits graublaugrünlich gefärbt. Die grossen Blüthen hatten eine gelblichweisse, carminroth umsäumte Fahne; das Schiffehen war keilförmig, von blassrother Farbe, die Staubfäden grün, der Kelch kugelförmig, von safrangelber Farbe, an den Rändern häutig. Diese Varietät war die erste, die aus den Aussaaten dieser Art gewonnen wurde. Sie entstand aus Samen, die in demselben Garten gesammelt wurden, und konnte keine hybride Herkunft haben, da dort nur die typische Erythrina Crista galli wuchs. In der Cultur existirt sie bis jetzt.) In der Gärtnerei sind sehr viele Sorten von Zierpflanzen mit bunten Blüthen bekannt, bei denen auf dem Grundton einer Farbe eine andere in Form von Streifen, Flecken oder Sprenkeln verbreitet ist. Alle derartigen Eigenthümlichkeiten werden aber nicht unmittel- bar erhalten, sondern auf dem Wege der Hybridisation oder durch die partielle Rückkehr andersgefärbter Varietäten zum Typus. Die Art und Weise ihrer Gewinnung ist von L. Vilmorin®) eingehend beschrieben worden. Solche Variationen vermehren sich zwar durch Samen, zeichnen sich aber durch keine Constanz aus; von unserem Standpunkt aus bieten sie wenig Interesse, denn sie kommen bei wildwachsenden Formen nicht vor. 1) Rev. hort. 1891 pag. 243, 438. Von Primula acaulis Jacq., welche gelbe, violett nuancirte Blüthen hat, wurden in der Cultur Varietäten mit violettblauen Blüthen erhalten (Rev. hort. 1898 pag. 12). " 2) Rev. hort, 2° ser., v. V pag. 146. 3) Nochols. Diet. ei. frang. v. II pag. 328. 4) Rev. hort. 1852 pag, 128; L. Vilm., Notice etc. pag. 39—40; siehe auch Verlot, Prod. pag. 62—68. en 815 Varietäten mit einer vom Typus abweichenden Blüthenfärbung. kommen in der Natur sehr häufig vor, und jeder Florist kann gewiss zahlreiche Beispiele dieser Erscheinung aufzählen. Einige dieser For- men sind auch in die Cultur übergegangen, so z. B. Salvia pratensis rubra, die von Herrn Briot gefunden wurde.!) Sarothamnus sco- parius Koch,?) ein in Westeuropa weit verbreiteter Strauch mit grellen gelben Blüthen, wurde zum Stammvater zweier derartiger Varietäten. Bei einer von ihnen, var. bicolor°) genannt, ist die Fahne rein weiss, Flügel und Schiffehen dagegen sind am Grunde weiss, an der Spitze gelb. Diese Form wurde von Herrn Masse im Wald (wahrschein- lieh bei Paris) mitten in einer Gruppe typischer Sträucher dieser Art gefunden. Die andere Varietät, var. Andreana, welche allgemeines Interesse erweckte,*) wurde von Herrn Puissant in der Normandie im Gestrüpp der normalen Form gefunden. Sie unterscheidet sich vom Typus durch die grösseren Blüthen und die Krone, deren Flügel grell-purpurroth, sammtartig ist. Ausserdem ist sie viel zarter, weniger widerstandsfähig, als der Typus und leidet unter den Frösten.) Wegen der Schönheit ihrer Blüthen hat sie sich schnell in den Gärten Europas verbreitet, wobei sie durch Pfropfung auf der typischen Form oder auf Cytisus Laburnum vermehrt wurde. 1890 wurde in England von Herrn Wood der Versuch gemacht, ihre Samen auszusäen. Die er- haltene junge Generation blühte 1894 und war ziemlich mannigfaltig. Unter den Sämlingen kehrten die einen vollständig zum Typus zurück und hatten gelbe Blüthen, bei den anderen war das Schiffehen dunkel- orangeroth gefärbt, bei den dritten waren sowohl Schiffehen, als auch Flügel von carminrother Farbe.*) In der Notiz wird merkwürdiger- weise gar nicht erwähnt, ob doch einige Exemplare die mütterliche Form reprodueirt hätten, was doch ohne Zweifel der Fall war. Be- züglich einer Aussaat dieser var. Andreana liegen noch folgende An- gaben vor: Ein gewisser Herr Leeson Prince in Sussex säete 1893 vier Samen dieser Form. Davon keimte nur einer auf und lieferte einen Sämling, welcher in drei Jahren zu einem grossen, bis zu 5 hohen Strauch ausgewachsen ist. 1896 blühte dieser und lieferte bis i) Rer. hort. 1850 pag. 275. x vl 328: 2) Sarothamnus vulgaris Wimmer. Gren. et @odr., Fl.de Fr. v.1 pag. 949; Cytisus seoparius Link. — Dipp., Laubh. v. III pag. 679. 3) Rev. hort. 1850 pag. 275. . 4) Rev. hort. 1886 pag. 372 cum tab., Gartenflora 1891 pag. 118 tab. 1342. 5) Rev. hort. 1891 pag. 312, 315. 6) Garden 1894 pag. 501; Wien. ill. Zeit. 1894 pag. 348. 316 zu 10,000 Blüthen, welche mit denjenigen der Mutterpflanze vollkommen identisch waren. Der Verfasser dieser Notiz spricht die Vermuthung aus, die von dieser zweiten Generation gesammelten Samen würden die betr. Form ebenfalls ohne Veränderung reproduciren und dann würde man im Stande sein, diese Form durch Samen zu vermehren, was viel bequemer sei als die Pfropfung. Ausserdem zeigte die Er- fahrung, dass sein aus Samen ausgewachsenes Exemplar besser den Frost ertragen konnte als diejenigen, die an Cytisus Laburnum ge- pfropft wurden.!) In einer Sitzung der kgl. Gärtnereigesellschaft in London am 9. Juni 1896 bemerkte Herr Wilks bezüglich der Ver- mehrung dieser Form mittelst Samen, dass ungefähr !/s der Sämlinge die Varietät reprodueiren, während die anderen zum Typus zurück- kehren, und Herr Henslow legte Zweige von Sämlingen vor, welche die Merkmale der Mutterpflanze vollständig beibebalten hatten. Letztere war auf typischem Sarothamnus seoparius gepfropft worden.?) Eine dritte Varietät derselben Art wurde 1891 in Schottland bei Alberfeld ebenfalls als ein Strauch unter einer grossen Anzahl typi- scher Exemplare gefunden.?) $ie zeichnet sich durch milchigbraune Blüthenfarbe (caf& au lait) aus. Weitere Angaben sind über dieselbe vorläufig noch nicht bekannt. vL Die Variationen im Blüthenbau. Die morphologischen Verän- derungen der Blüthe sind ausserordentlich mannigfaltig. Sie umfassen die verschiedenen Variationen in den Deckblättern, in der Lage der Blüthe, in der Form des Kelches und der Krone, der Zahl der Frucht- blätter u. s. w. Die gewöhnlichste unter den morphologischen Variationen im Blüthenbau ist die Füllung der Blüthen. Gefüllte Blüthen werden in der Gärtnerei sehr geschätzt, weshalb von der Mehrzahl der deco- rativen Pflanzenarten gefüllte Varietäten existiren, welche von den Gärtnern sorgfältig erhalten und vermehrt werden. Fbenso finden wir in der gärtnerischen Litteratur viele Angaben über gefüllte Blüthen überhaupt, sowie speciell über das Erscheinen einzelner Formen. Das Gefülltsein besteht in der Mehrzahl der Fälle in einer Ver- wandlung aller oder fast aller Staubgefässe zu Kronblättern, und ausserdem allgemein auch in einer Vergrösserung der Zahl dieser 1) Gard. Chron. 1896 I pag. 682. 2) (Gard. Chron. 1896 1 pag. 791. 3) Rev. hort. 1891 pag. 415. 317 letzteren. Somit stellt dieser Zustand eine abnorme, teratologische Erscheinung dar, welche die Unfruchtbarkeit der Blüthe im Gefolge hat. Diese Sterilität ist entweder eine vollständige, wenn die Blüthe, wie man sagt, vollständig gefüllt ist, in welchem Falle die betreffende Form nur auf ungeschlechtlichem Wege, d. h. durch Stecklinge, Ab- leger, Pfropfung, Rhizomtheilung u. s. w. fortgepflanzt werden kann. Ist aber die Blüthe nur halbgefüllt, oder nicht ganz gefüllt, d. h. sind nicht sämmtliche Staubgefässe der Metamorphose unterlegen, dann behält sie ihre Fortpflanzungsfähigkeit bei. Das Gynaeceum bleibt in den gefüllten Blüthen häufig unverändert; zuweilen unterliegt auch dieses einer Anomalie; der Fruchtknoten zertheilt sich in die einzelnen Fruchtblätter, die Samenknospen treten nach aussen oder entwickeln sich gar nicht u. s. w. Ihre Entstehung verdanken die gefüllten Blüthen in allen näher bekannten Fällen der Heterogenesis. Das typische Bild ihrer Ent- stehung ist, dass unter zahlreichen Sämlingen der normalen Pflanze unerwartet ein Exemplar mit gefüllten oder halbgefüllten Blüthen er- scheint. Und dieses Exemplar behält dann seine Eigenthümlichkeiten unverändert, sowohl im Laufe des individuellen Lebens, als auch bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung bei und kann, wenn seine Blüthen nicht vollständig steril sind, zum Stammvater einer besonderen Rasse werden. Dass die gefüllten Varietäten gerade auf diesem Wege entstehen, davon zeugen sowohl einzelne Thatsachen als auch die Aussagen der Autoren, die diese Frage studirt haben.') In gleicher Weise ist aus allen Berichten über die Gewinnung der gefüllten Formen immer zu schliessen, wenn dies nicht schon direet ausgesagt wird, dass ursprünglich nur ein Individuum mit mehr oder weniger gefüllten Blüthen entstanden sei. Ein solches Neuauftreten, wenn es auch im Allgemeinen keine Seltenheit darstellt, erfolgt für jede einzelne Art, wie man annehmen kann, äusserst selten. So befindet sich beispiels- weise Ipomaea purpurea seit dem XVII. Jahrhundert in Oultur, aber nur mit einfachen Blüthen. 1843 erschien bei Vilmorin zufällig ein Individuum mit gefüllten Blüthen.?) Es gelang aber nicht, diese Form zu fixiren; sie ist spurlos verschwunden und nicht mehr auf- getreten. Dann finden wir schon 1895 wieder eine Angabe, °) es sel bei Vilmorin wieder eine Form derselben Art mit weissen gefüllten l) Verlot, Prod. pag. 84. 2) Rev. hort. v. VI pag. 197. 3) 1. c. 1895 pag. 514. 318 Blüthen entstanden. Diese Varietät hatte eine gespaltene Krone mit unregelmässig entwickelten Lappen, behielt aber die Fortpflanzungs- fähigkeit bei und reprodueirte ihre Merkmale bei der Fortpflanzung durch Samen. Da sich aber ihre Blüthen nicht durch Schönheit aus- zeielineten, wurde sie nicht in den Handel gebracht und wir haben über sie keine weiteren Angaben. 1883 wurde berichtet,!) es sei in einer Gärtnerei in Frankreich (bei den Herren Simon Louis freres in Plantieres-les-Metz) unter den Sämlingen der gewöhnlichen Pflaume ein Exemplar mit gefüllten Blüthen erschienen, welche bis dahin bei dieser Art nicht bekannt waren. Üyelamen persicum, welches in den Gärten seit 1731 angepflanzt wird, gab erst in den 50er Jahren (bei Herrn L. van Houtte in Gent) einem Exemplar mit gefüllten Blüthen den Ursprung. Dieses Exemplar ist aber wieder verschwunden, ohne Nachkommen hinterlassen zu haben. Dann erhielt schon 1875 ein Warschauer Gärtner, Fred&rie Bardet, unter der typischen Form Cyelamen persicum ein Exemplar mit halbgefüllten Blüthen. Die Samen desselben wurden gesammelt und ausgesäet und lieferten 1876 sechs Pflanzen mit vollständig gefüllten Blüthen. Bei denselben waren weder Stempel noch Staubgefässe atrophirt, weshalb man bald durch Kreuzung mehrere gefüllte Sorten erhalten konnte, die schon 1880 in den Handel gebracht wurden.?) Wenn wir nach den Gartenjournals das Erscheinen der gefüllten Varietäten bei verschiedenen Arten studiren, so beobachten wir oft die Thatsache, dass irgend eine Pflanze, die Jahrzehnte hindurch immer nur mit einfachen Blüthen bekannt war und eultivirt wurde, auf einmal an mehreren Orten und fast gleichzeitig Variationen mit gefüllten Blüthen liefert. Freilich bietet die selbständige Entstehung der gefüllten Varietäten einer und derselben Art in verschiedenen Orten an und für sich nichts Wunderbares, ein solches zeitliches Zu- sammentreffen wäre aber höchst auffallend. Es könnte zu der An- nahme Veranlassung geben, es sei für jede Pflanze gleichsam eine gewisse Periode der Cultur nothwendig, während welcher die Fähigkeit, gefüllte Blüthen zu bilden, gleichsam im Reifen begriffen sei. In Wirklichkeit erklärt sich die Thatsache höchst einfach durch die professionelle Ungewissenhaftigkeit, die bei den Gärtnern weit ver- breitet ist. Gewöhnlich wird eine bei irgend einem bescheidenen Gärtner entstandene Form von einem anderen abgekauft, der sie für sein Erzeugniss ausgibt; über die Art ihrer Entstehung erklärt er ge- 1) Rev. hort, 1883 pag. 243, 2) Rev. hort. 1886 pag. 515, 319 wöhnlich, sie bilde ein Geheimniss oder veröffentlicht darüber irgend eine abgeschmackte Erdichtung. Diesem zweiten Gärtner wird die Neuigkeit von einem dritten abgelistett oder abgekauft, der sie wiederum als ein Ergebniss seiner eigenen Kunst hinstellt. Nicht nur einzelne Personen, sondern auch die grössten Firmen verfahren so, indem sie ihren Berufsgenossen manche Neuigkeit ablisten um sie selbst in den Handel zu bringen. Infolgedessen ist es gewöhnlich sehr schwierig, ja zuweilen ganz unmöglich die Entstehung der einen oder anderen Gartenvariation zu verfolgen, da man auf Schritt und Tritt bald auf eine alberne Erdichtung, bald auf ein „Geheimniss“ stösst. Die Erdichtungen und Betrüge werden zwar in der Folge meistens entpuppt, die „Geheimnisse“ aber geratlen in Vergessenheit. Auf diese Weise gehen werthvolle Thatsachen für die Wissenschaft verloren, indem sie dem Geschäftsgeheimniss geopfert werden. Trotz der beschränkten Fruchtbarkeit der gefüllten Blüthen ist dieser Zustand in hohem Grade befähigt, erblich übertragen zu werden. Es gibt viele Rassen von Zierpflauzen, besonders unter den ein- jährigen, welche vollkommen samenbeständig wurden, so die Balsa- minen, Mohn, Nelken u. a.!) Andere, wie die Georginen und Chry- santhemen, liefern zwar nicht sämmtliche, aber einen bestimmten Procentsatz an Sämlingen mit gefüllten Blüthen. Unter den Holz- pflanzen reproduciren sich die gefüllten Sorten des Pfirsiches aus den Samen), ebenso der gefüllte Apfelbaum (Malus spectabilis).°) Der Weissdorn mit gefüllten Blüthen wird auch zum Theil durch Samen reproducirt, wie die Beobachtungen zeigen, ‘) dagegen lieferte die ge- füllte Schlehe (Prunus spinosa) bei den Versuchen von Camuzet (1. e.) nur Exemplare mit einfachen Blüthen. . . Blüthen, die so. weit gefüllt sind, dass sie für sich allein keine Samen zu erzeugen vermögen, können bei Kreuzung mit einfachen Blüthen eine Nachkommenschaft liefern. Auf diesem Wege züchtete Lemoine einige neue gefüllte Fliedervarietäten, indem er auf einem nur gefüllte Blüthen tragenden Exemplar einige Blüthen mit normalen Stempeln aufsuchte und sie mit dem Pollen nicht gefüllter Varietäten bestäubte.5) Die gefüllten Sorten der Petunie werden gewöhnlich in I) Verlot, Prod. pag. 82. 2) Camuzetin Ann. soc. hor! — Decaisne, Jard. fruit. v. 3) Camuzetl.c. 4) Rev. hort. v. V pag. 356. 5) l. c. 1883 pag. 550. t. Paris 1848 pag. 193; Rev. hort. v. IV pag. 200. 320 der Weise gewonnen, dass man auf den gefüllten Blüthen die noch intaeten Staubfäden aufsucht und mit ihrem Pollen die Stempel der einfachen Blüthen befruchtet, die vorher castrirt wurden. Aus den Samen dieser letzteren erhält man immer 50 —60°], gefüllte Blüthen.') Wir führen hier eine Beobachtung an, welche uns die Art der Gewinnung gefüllter Blüthen bei Petunia illustrirt. Ph. Lambotte, ein s Z. bekannter Maler und Gartenbauer in Paris, theilt in einem Briefe an Carriere?) Folgendes mit: 1853 säete er Samen der Petunie Prince Camille de Rohan aus (purpurrothe grün umsäumte Blüthen), die er von Louis van Houtte erhalten hatte. Dazumal war noch keine Rede von gefüllten Petunien, wenigstens in Paris; unter den ausgewachsenen Pflanzen fand sich aber ein Exemplar mit ungeheuren Blüthen, deren Staubfäden auf die Hälfte in Kronblätter verwandelt waren. Diese Petunie mit Tendenz zur Füllung der Blüthen hatte blass-lilafarbige violett gestreifte Blüthen. Die Blätter waren breit, gross und wichen von den Blättern der übrigen, zur Varietät Prince de Rohan gehörenden Exemplaren, deutlich ab. Mit dem aus den intact gebliebenen Staubfäden entnommenen Pollen dieser halbgefüllten Varietät wurden die Stempel der normalen Blüthen derselben Varie- tät (Prince Camille de Rohan) befruchtet. Die darauf eingesammelten Samen lieferten sehr kräftige Pflanzen mit grossen gefüllten Blüthen, lilafarbige, weisse nnd violette mit grünem Saum. Auf diese Weise wurde auf einmal eine ganze Colleetion gefüllter Petunien erhalten, welche bei den Ausstellungen das allgemeine Staunen erweckten. Nach einige Jahre fortgesetzten Versuchen konnte Lambotte mit Sicherheit gefüllte Blüthen produeiren, so dass er von den Pflanzen nicht einmal die Stecklinge aufzubewahren pflegte. Aehnliche Thatsachen werden auch bezüglich, Fuchsia und Primula berichtet. Bezüglich der Levkojen (Matthiola annua) rieth Ph. Miller?) zwecks Gewinnung gefüllter Exemplare, die Samen von denjenigen Blüthen zu sammeln, welche fünf Kronblätter haben, d. h. den Beginn der Füllung darstellen. Diese Thatsachen zeigen, dass mit Rücksicht auf die Erblichkeit schon die schwachen Anfänge des Gefülltseins der vollständigen Entwicklung dieses Zustandes gleichkommen. Die Gewinnung der gefüllten Levkojen war überhaupt Gegenstand vieler Versuche und Beobachtungen. Da sich diese Blumen allgemeiner Liebe erfreuen und in grossen Mengen verlangt werden, so wurden 1) Krug in Gartenflora 1889 pag. 222. 2) Rev. hort. 1874 pag. 121. 3) Ph. Miller, Gard. Diet. ed. 8, 1768. 321 von Seiten der Gärtner viele Bemühungen darauf verwendet, diese Blumen mit vollständiger Sicherheit aus Samen ziehen zu können. Ihre Bemühungen wurden von Erfolg gekrönt und gegenwärtig erhält man aus den käuflichen Levkojensamen immer 60—80°, Pflanzen mit gefüllten Blüthen. Diese Erscheinung stellt auch vom theoretische Standpunkte aus ein bedeutendes Interesse dar. Die gefüllten Blüthen der Levkojen zeigen nämlich für gewöhnlich (vielleicht aber auch immer) keine Spur von Staubfäden und Stempel. Die ganze Blüthe bis zum Centrum besteht nur aus Kronblättern, die gegen die Mitte immer kleiner werden. Solche Blüthen sind selbstverständlich vollkommen steril; sie sind nicht im Stande, auch nur ein Pollenkorn zu erzeugen. Neben den gefüllten Exemplaren wachsen aber auch Individuen mit ganz einfachen Blüthen aus, die keine Merkmale der Füllung auf- weisen. Sie werden dureh den Pollen ähnlicher einfacher Blüthen befruchtet, liefern aber Samen, aus denen Exemplare mit einfachen ebenso wie solche mit gefüllten Blüthen auswachsen. Um den Procentsatz der gefüllten Blüthen zu erhöhen, werden in der Cultur einige specielle Massregeln getroffen. So pflegen die Erfurter Gärtner, welche lange Zeit das Monopol der Erzeugung der Samen gefüllter Levkojen inne hatten, die Pflanzen in Töpfe zu ver- pflanzen und dieselben sehr knapp zu begiessen, nur so viel als es nothwendig ist, um sie nicht untergehen zu lassen. Bei einer solchen Pflege verzweigt sich die Pflanze nicht, ihre Schoten, werden viel kürzer und enthalten weniger Samen; diese letzteren reifen aber besser aus und liefern 60-70), gefüllter Exemplare. Ein anderes Verfahren, das vom Pariser Gartenbauer Chate ausgebildet!) wurde, besteht darin, die Pflanzen auf nach Osten exponirtem Terrain zu versetzen und sie der Mehrzahl der Blüthen zu berauben, so dass nur bloss 10 oder 12 Schoten auf einem Exemplar übrig bleiben. Ausserdem werden beim Einsammeln der Samen die Schoten nur auf 3/4 ihrer Länge entleert; dann geben diese Samen bis zu 80%), Exemplare mit gefüllten Blüthen. Aus den Samen des oberen Viertels der Schote entwickeln sich nach Chat haupt- sächlich einfache Exemplare, unter ihnen erscheinen aber selten neue Varietäten. , Die oben beschriebenen Culturmethoden stellen aber nichts Be- Diese Arbeit selbst 1) Chats E., Culture pratique des Giroflees, Paris. 14 und habe ich nicht gesehen, aber sie wurde referirt in Gard. Chr. 1866 bes: Nioh., Diet, 6&d. fr. v. II pag. 497. Ebenso Mast. PA, Ter. pag. Br . Flora, Ergänzgsbd. 1901. 322 sonderes dar. Sie sind bloss als Mittel zur Gewinnung kräftiger und gut ausgereifter Samen von Bedeutung. Würde man dasselbe Ver- fahren auf andere Pflanzen oder selbst auf solche Levkojenvarietäten anwenden, denen keine gefüllten Blüthen eigenthümlich sind, so könnte man sicher sein, dass man auf diese Weise keinen Uebergang ein- facher Blüthen in gefüllte bewerkstelligen würde. Offenbar liegt es nicht in der besonderen Art der Pflege. Es ist eher zu vermuten, dass auf dem Wege der vieljährigen Cultur, bei welcher immer die Samen der neben den gefüllten ausgewachsenen Exemplare zur Aus- saat verwendet wurden, sich endlich eine Rasse ausgebildet hat, die sowohl einfache als auch gefüllte Blüthen zu entwickeln vermag. In jeder Generation liefert nun diese Rasse je nach den äusseren Bedingungen (Art der Pflege, Qualität des Bodens u. s. w.) einen grösseren oder geringeren Procentsaiz an gefüllten Exemplaren, während die übrigen einfache Blüthen haben und Samen tragen, dabei aber das Gefülltsein sozusagen in potentia beibehalten und diesen Zustand in der nächsten Generation verwirklichen können. Constant bleibt somit nur die Tendenz zur Füllung, welche je nach den äusseren Bedingungen sich entweder äussert oder im latenten Zustande bleibt. Diese Ansicht findet darin ihre Bestätigung, dass die Füllung über- haupt ziemlich stark von den äusseren Bedingungen, besonders aber von der reichlichen Ernährung, abhängig ist. Infolge dessen kann ein und dasselbe Individuum etwa eines vieljährigen Krautes oder einer Holzpflanze, welches gefüllte Blüthen besitzt, bei schlechter Cultur nur halbgefüllte oder fast einfache Blüthen liefern, ohne jedoch die Fähigkeit einzubüssen, bei besserer Ernährung wieder vollständig gefüllte Blüthen zu erzeugen. Gefüllte Blüthen kommen auch in der Natur, bald bei einzelnen Exemplaren, bald bei grossen Gruppen vor. So wurde in den Vogesen ein Exemplar von Anemone alpina mit gefüllten Blüthen unter einer grossen Anzahl normaler Individuen gefunden.) Die Ackerwinde (Convolvolus arvensis) wurde mit gefüllten Blüthen in Frankreich ge- funden, fast gleichzeitig bei Toulon und bei Toulouse.?) Eine interessante Form des Leinkrauts (Linaria vulgaris) mit gefüllten Blüthen wurde unlängst in England bei Tavistock gefunden.®) Eine grosse Gruppe von Ranunculus repens mit gefüllten Blüthen sah ich einst vor etwa 20 Jahren bei Astrachan. Nach den Beobachtungen von W.L. Koma- 1) Rev. hort. 1884 pag. 289. 2) Rev. hort. 1875 pag. 385. 3) Gard, Chr, 1895, v. II pag. 554; Rev, hort, 1895 pag. 538. 323 row (im Jahre 1892) bildet Rosa lutea mit gefüllten Blüthen ganze Gestrüppe an den Abhängen der Serafschanberge im Jagnobathale und bei Iskander-Kul, In der Litteratur finden sich ausserdem Arten von Rubus, Ranunculus, Cardamine, Lychnis u. a. erwähnt, die im wilden Zustande mit gefüllten Blüthen angetroffen werden. Als nor- males constantes Artmerkmal kommt die Füllung selbstverständlich nicht vor, eine theilweise Füllung ist aber für ganze Gattungen und selbst für Familien (z. B. Nymphaeaceae) charakteristisch, Eine Liste aller Pflanzen, bei denen gefüllte Blüthen bekannt sind, ist von Herrn B. Seeniann 1864 zusammengestellt und von Masters ergänzt worden.!) Eine ganz andere Erscheinung ist die sogenannte Füllung bei den Compositen. Sie äussert sich nieht in einer Vergrösserung der Zahl der Kronblätter, sondern meistens in einer Verwandlung der Röhrenblüthen der Scheibe in Zungenblüthen. Infolge dessen wird das ganze Köpfchen grösser und üppiger und dem allgemeinen Habitus nach in einem gewissen Grade ähnlich den gefüllten Blüthen der choripetalen Pflanzen. Selten kommt eine andere Art von Füllung vor, welche darin besteht, dass sich umgekehrt alle Blüthen in Röhrenblüthen verwandeln, sich aber dabei bedeutend verlängern, die Farbe der Strahlenblüthen annehmen, so dass die äusseren Verände- rungen des Blüthenköpfehens im Allgemeinen dieselben sind wie im vorigen Falle. Diese Form der Füllung kommt beispielsweise bei einigen Astervarietäten (den sog. röhrigen) und bei den Gänse- blümchen vor. Der einen wie der anderen Art der Füllung unterliegen nur diejenigen Compositenarten, welche in ihren Köpfchen zweierlei Blüthen, Zungenblüthen und Röhrenblüthen enthalten. Somit bilden einerseits die Gruppe der Cichoriaceae (Liguliflorae), bei denen alle Blüthen Zungenblüthen sind, anderseits die Cynaroideae, bei denen alle Blüthen Röhrenblüthen sind, die äussersten Grenzen, innerhalb deren die übrigen Compositen (Corymbiferae) balaneiren. Bei allen diesen Veränderungen pflegt die Fruchtbarkeit der Pflanzen immer stark zu sinken. Da bei den Corymbiferae die Zungenblüthen gewöhnlich weiblich (wenn nicht gar steril) sind, so werden im Falle der Füllung mit Zungenblüthen alle Blüthen weiblich und müssen folglich zwecks Samengewinnung mit den Pollen einer anderen nicht gefüllten Varietät befruchtet werden. Bei der Füllung mit Röhren- blüthen entwiekeln sich die Staubfäden und überhaupt die Fort- 1) Journ. of. Bet. v. II pag. 176; Mast. Pf. Ter. pag. 566578. ı. 2 324 pflanzungsorgane mangelhaft, so dass die Blüthen nicht immer Samen zu geben vermögen. Doch sind die gefüllten Blüthen der Compositen selten vollständig unfruchtbar; meistens behält eine gewisse Anzahl von Blüthen im Centrum des Köpfehens ihre Eigenschaften bei und liefert Samen, mit deren Hilfe die betreffenden Formen vermehrt werden. Die Entstehung der gefüllten Varietäten von Arten, die schon längst in Cultur sind, ist gegenwärtig schwierig, wenn nicht gar un- möglich zu verfolgen. Bezüglich der neueren Formen aber liegen nicht selten Beobachtungen über das erste Auftreten der gefüllten Blüthen vor; dasselbe bietet immer ein typisches Bild der Hetero- genesis dar. So lieferte beispielsweise Sanvitalia procumbens im Jahre 1864 bei Haage und Schmidt in Erfurt unerwartet eine gefüllte Varietät unter den normalen Sämlingen. Und diese Form erwies sich sofort als ziemlich eonstant, denn von ihren Nachkommen schlugen nur ca. 10°, zum Typus zurück, indem sie einfache Blüthen hatten. Ausserdem ist diese gefüllte Varietät, wie sich herausgestellt hat, viel kräftiger als die typische Form, sie entwiekelt sich üppiger und ihre Blüthen halten sich länger als diejenigen der typischen Form. Sie existirt bis jetzt in der Cultur und ist in den Gärten ziemlich verbreitet.') Es gibt noch eine Art von Blüthenfüllung, welche bei einigen gamopetalen Pflanzen vorkommt. Sie besteht darin, dass sich der Kelch in eine Krone umwandelt und auf diese Weise gleichsam zwei ineinandergeschachtelte Kronen entstehen. Solche Formen existiren bereits in der Cultur und zwar von Primula elatior, Mimulus luteus, Campanula medium, Gloxinia speeiosa u. a. Leider ist es mir nicht gelungen, genaue Beobachtungen über das erste Erscheinen derartiger Formen in der Litteratur zu finden. Es liegen nur allgemeine An- deutungen vor, wonach solche Formen „zufällig“ (aceidentellement), d. h. auf heterogenetischem Wege entstehen und sich dann in con- stante Rassen verwandeln sollen.?) Eine derartige Varietät der Glocken- blume (Campanula medium var, calycanthema) entstand wahrschein- lich in England zu Anfang der 70er Jahre. 1873 wurde sie in einer Zeitschrift abgebildet), wobei erwähnt wurde, es gebe auch eine Varietät mit weissen Blüthen. 1874 wurden beide Formen durch eine englische Firma in den Handel gebracht, als vollkommen samen- 1) Rev, hort, 1866 pag. 70, 2) Rev. hort. 1896 pag. 300-- 302, 8) Floral. Magazin, tab, 57, 325 beständige Formen.!) Dann wurden verschiedene anders gefärbte Formen derselben Varietät erhalten.2) Eine Form mit doppelter Krone ist auch von Campanula persieifolia albiflora bekannt.?) Eine solche Form wurde u. a. 1897 in Petersburg in der pomologischen Baumschule von Regel und Kesselring in Gestalt eines einzigen Exemplars unter zahlreichen normalen Individuen dieser Art erhalten. *) Da die für diese Aussaat verwendeten Samen z. Th. eigene, z. Th. aus England bezogene waren (die Aussaat geschah 1896), so bleibt es selbstverständlich unbekannt, ob diese Form aus der einfachen weiss- blüthigen Varietät selbständig entstanden sei, oder ob sie irgend einen Samen einer bereits früher bestehenden Form ihren Ursprung ver- danket, welcher zufällig in die von England bezogenen Samen gerathen wäre. Jedenfalls unterscheidet sich die neue Petersburger Form von der früher bekannten durch stärkere Entwickelung der äusseren Krone, welche dazu noch nach unten zurückgeschlagen ist. Durch vegetative Vernichrung (Theilung des Rhizoms) wurden von diesem Exemplar 1898 schon 13 Pflanzen erhalten, welche alle reichlich blühten, aber keine einzige Frucht lieferten, während die gewöhnliche Camp. per- sicifolia albiflora in Petersburg vollständig fruchtbar ist. Diese Steri- lität deutet meiner Ansicht nach eher auf eine selbständige hetero- genetische Entstehung dieser Form hin. R. E. Regel, der mir diese Thatsache mittheilte, bemerkte dabei, diese Variation stelle die einzige bedeutendere Abweichung dar, die in der genannten Anstalt während ihres 36jährigen Bestehens vorgekommen ist, trotz der grossen Anzahl der alljährlich ausgeführten Aussaaten verschiedener Arten. Gloxinia speciosa mit doppelter Krone wurde von der Firma Veitch im Jahre 18735) in zwei Formen in den Handel gebracht und existirt seitdem in der Cultur. Eine derartige Form entstand auch selbständig 1882/83 in einer Aussaat bei Herrn Chaput in Bourge dep. Cher.®) (Frankreich). Eine der ziemlich gewöhnlichen Abweichungen, die bei Garten- pflanzen angetroffen wird, ist die Fransung der Krone. Es sind bei- spielsweise Rassen von Petunien, Rosen u. a, bekannt, welche ge- 1) Gard. Chron. 1874, II pag. 703. 2 . hort. 1899 pag. 548. MN Von in Vilm. Blumengärtn. pag. 570. — Nichols, Diet. ed. frang. I pag. 485. j oo. 4) Diese Mittheilung verdanke ich Herrn R. E. Regel, welcher mir eine handschriftliche Notiz und eine Photographie dieser Pflanze überreichte. 5) Rev. hort. 1873 pag. 28. 6) Rev. hort. 1885 pag. 345. 326 franste Kronen besitzen und samenbeständig sind. Dieses Merkmal verdankt in allen Fällen, in denen Beobachtungen vorliegen, seine Entstehung der Heterogenesis. So ist z. B. die erste Petunienvariation mit gefranster Krone in den Vereinigten Staaten erschienen. Ein Gartenbauer, Herr Viek aus Rochester berichtet, er habe in seiner Orangerie ein Exemplar von Petunia mit tief eingeschnittenem ge- franstem Kronenrand gefunden, welches ihm sehr aufgefallen sei.') Von diesem Exemplar wurden durch Kreuzung mit anderen Varie- täten in Amerika und Europa viele gefranste Petuniensorten erhalten. Es ist zu bemerken, dass eine solche Form etwa zwei Jahre vorher auch in Chiswick gefunden wurde, die aber offenbar verschollen ist. Die Fransung der Kronblätter ist auch bei einer Varietät von Rosa rugosa bekannt, nämlich der var. fimbriata, die von Herrn Morlet in Avon (Seine-et-Marne) durch Kreuzung von Rosa rugosa mit Rosa Mme. Abel Carriere erhalten wurde.?2) Da weder die eine noch die andere der gekreuzten Formen gefranste Kronblätter hat, so muss das Erscheinen derselben beim Kreuzungsprodukt der Heterogenesis zugeschrieben werden. Eine interessante Varietät wurde von einer Begonienart erhalten und mit dem Namen Begonia erecta cristata hort. belegt.°) Sie seichnet sich durch besondere Auswüchse auf der inneren Oberfläche der Kronblätter, etwa in der Art des Hahnenkammes aus. Diese Form ist vor noch nicht langer Zeit bei den Herren Vallerand freres in Vesinet (Frankreich) entstanden, indem sie um das Jahr 1895 als Monstrosität aufgetreten ist. Diese Anomalie wurde bemerkt, durch Zuchtwahl fixirt (seleetionde, puis fixe) und bildete sich zu einer besonderen Rasse aus.*) Eine ähnliche Form mit fiederigen ver- zweigten Auswüchsen auf den Kronblättern existirt auch von Cy- elamen latifolium (C. persicum). Sie entstand um das Jahr 1893 bei den Herren Hugh Lowet Comp. in London ebenfalls als einzelnes monströses Exemplar, welches die Aufmerksamkeit der Gärtner auf sich zog. Es wurde mit dem eigenen Pollen bestäubt und aus den Samen wurden anscheinend sehr mannigfaltige junge Pflänzchen er- halten, wobei aber bei einigen die Auswüchse noch stärker ausgebildet waren als beim ursprünglichen Exemplar. Diese wurden wieder durch 1) Gard. Chron, 1870 pag. 704. 2) Rev. hort. 1889 pag. 290; 1890 pag. 17, 427; 1891 pag. 510; nicht R. Mme. Alfred Carritre, wie es irrthümlicherweise in Rev. hort. 1891 pag. 510 heisst, 3) Mottet in Rev. hort. 1896 pag. 61 mit Abbildung. 4) Rev. hort. 1895 pag. 535, 561; 1896 pag. 61, 827 eigenen Pollen befruchtet und auf diese Weise wurde in einigen Jahren eine Rasse mit stark entwickelten Auswüchsen auf den Kron- blättern ausgebildet.') Interessant ist, dass diese Form anscheinend zu wiederholten Malen entstanden ist. In England wurde sie schon 1855 beobachtet, ging aber wieder verloren.?2) In Frankreich wurde nach einer Erklärung eines Gärtners (Herr Etienne Narbouton in Maisons-Laffitte, dep. Seine-et-Oise) eine solche Form 1893 von ihm erhalten, die aber eine rothe Krone hatte und sich gut durch Samen fortpflanzte.?) Inwiefern aber diese Angabe richtig ist, das ist mir nicht bekannt. Tiefer greifende ‚Veränderungen in der Form der Krone kommen im Allgemeinen selten vor. Unter ihnen bietet die Pelorisirung, d. h. die Umwandlung einer unregelmässigen Krone in eine regelmässige, besonderes Interesse dar. Ueber einen derartigen Fall, nämlich über ılie Pelorie von Corydalis, sprach ich schon oben. Von anderen Er- scheinungen dieser Art ist am meisten die Pelorie des gemeinen Leinkrauts (Linaria vulgaris) bekannt; die bei Upsala in Schweden im Jahre 1742 durch Student Zioeberg entdeckt und von Rudberg beschrieben wurde.*) Dann wurde diese Anomalie an sehr vielen Orten in Europa gefunden und von verschiedenen Gelehrten vielfach beschrieben.) Sie kommt, wenn auch selten, fast überall im ganzen Verbreitungsgebiet der Linaria vulgaris vor, indem sie bald in ein- zelnen Exemplaren, bald in grösseren Gruppen angetroffen wird. Dabei unterliegen entweder sämmtliche Blüthen, oder nur einige der- selben der Veränderung, in welch letzterem Falle sich die übrigen entweder normal entwickeln oder Uebergänge zwischen den normalen Blüthen und den Pelorien darstellen. Exemplare, bei denen alle Blüthen als Pelorien entwickelt sind behalten diese Eigenschaft bei der ungeschlechtlichen Fortpflanzung (durch Wurzeltriebe), zum Theil aber auch bei Fortpflanzung durch Samen bei.) Eine vollständig constante Rasse hat sich aber aus dieser Form nicht ausgebildet, zweifellos hauptsächlich aus dem Grunde, weil sich niemand dafür interessirte und sich Alle allein auf die Be- schreibung der äusseren Veränderung der Blüthe beschränkten. 2) Gard. Chron, 1885 pag. 536. — Thiselton Dyerl.e. 3) Rev. hort, 1897 pag. 98. 4) Linn, Amoen. Acad. I pag. 55. . . 5) Litteratur über dieselbe. Siehe bei Penzig, Pf. Ter. II pag. 195. 6) DC., Phys, veg. v. II pag. 692; Penzigl. c. 328 Ausser der gewöhnlichen gespornten Pelorie, die eine regel- mässige Krone mit fünf Sporen aufweist, kommt, zwar sehr selten, eine andere Anomalic des Leinkrauts vor, mit regelmässiger röhrenför- miger Krone und ohne jede Spur von Spornen, wodurch die Blüthen denjenigen eines südamerikanischen Strauches, Fabiana imbricata, in hohem Grade ähnlich werden.!) Eine solche Form wurde 1857 bei Fill6-Gueeelard (Sarthe) in Frankreich gefunden und nach Paris dem Museumsgarten eingesandt. Nach einer Mittheilung von H. Verlot?) wuchs dieses Exemplar zunächst in Töpfen und überwinterte unter den Rahmen, wurde aber nachher ins Freie verpflanzt. Es entwickelte sich üppig und gab viele Ausläufer, so dass es schliesslich einen Raum von über im im Durchmesser einnahm. Während der ersten zwei Jahre waren alle Blüthen gleich und stellten eine büschelförmige Blüthe mit einer cylindrischen Röhre und ohne Sporne dar. Die Staubgefässe waren atrophirt, der Stempel zwar ziemlich lang (er nahm mehr als die Hälfte der Kronröhre ein), aber schlecht entwickelt. Die Blüthen waren somit vollkommen steril, 1860 bot das Blühen bis zum Monat August nichts Bemerkens- werthes dar, dann aber erschien an den Zweigspitzen je eine Blüthe, die die gewöhnliche, d. h. die gespornte Anomalie darstellte. 1861 erschienen solche Blüthen in noch grösserer Anzahl. In diesen Blüthen waren fünf ganz gleiche und ziemlich gut entwickelte Staubgefässe vorhanden, auch der Stempel war normal, und doch waren diese Blüthen immer unfruchtbar, Pelorien sind auch beim Löwenmaul (Antirrhinum majus) bekannt und vielfach in Gärten beobachtet worden.®) Die Blüthen dieser Pelorien haben keine Sporne, sondern stellen eine röhrenförmige Krone mit regelmässigem 5—6theiligem zurückgeschlagenem Rand dar. Den Bau derselben beschreibt eingehend Ratzeburg,*) welcher diese Anomalie in einem der Berliner Gärten in grosser Anzahl gefunden hat. Violet theilt mit,°) eine ähnliche Form sei 1857 in einem einzigen Exemplar unter zahlreichen Sämlingen des typischen Löwenmauls entstanden. 1865 fand ein gewisser Herr Helge in einem Pariser Garten eine grosse Anzahl Exemplare dieser Form in verwildertem Zustande. Ein Exemplar derselben wurde im Garten des Museums gepflanzt. 1866 1) Rev. hort. 1851 pag. 433, 2) Rev. hort. 1862 pag. 188. 3) Penzig, Pfl. Ter. v. II pag. 199. 4) Ratzeburg, Anim. pag. 19, 5) Rev. hort. 1860 pag. 446, 829 gab es Samen, aus denen drei Individuen hervorgegangen sind; aus den Samen dieser letzteren erhielt man 1867 eine neue Generation, deren alle Blüthen, ebenso wie bei der vorhergehenden, Pelorien dar- stellten. Eine neue Aussaat der Samen im Jahre 1868 gab bereits 30 Exemplare, die mit Pelorienblüthen bedeckt waren, ganz denselben, wie sie beim Stammvater waren.!) Auf diese Weise entstand eine besondere Pelorientragende Rasse von Antirrhinum majus. Pelorien sind auch von anderen Arten mit unregelmässiger Krone bekannt, so von Calceolaria, Pleetranthus, Pedieularis u. a. Meistens unterliegen aber solchen Veränderungen bloss einzelne, auf normalen Exemplaren befindliche Blüthen. Dabei sind. solche Blüthen ge- wöhnlich steril, weshalb sie auch keine Nachkommenschaft hinter- lassen. Ich will aber ein Beispiel anführen, wo eine Pelorie nicht nur constant, sondern zum Stammvater einer neuen Rasse, oder rich- tiger einer ganzen Serie von Rassen wurde und selbst begonnen hatte, die typische Form zu verdrängen. Ein solches Beispiel bietet uns eine Varietät der Gloxinie, näm- lich ‘Gloxinia (oder Sinningia) speciosa var. Fyfiana. Sie unterscheidet sich vom Typus erstens durch ihre vollkommen aufrecht stehenden Blüthen (statt der gesenkten), zweitens durch die regelmässige Krone und drittens durch ihre fünf gleichen und regelmässig entwickelten Staubgefässe.?) Solche Merkmale kommen nicht nur bei den übrigen Arten dieser Gattung, sondern überhaupt in der Familie der Gesne- riaceae nicht vor. Infolge dessen weicht diese Varietät sehr stark von allen nahestehenden Formen ab, weshalb Ch. Lemaire es für nöthig hielt, dieselbe in eine besondere Gattung auszuscheiden und ihr den Namen Orthanthe Fyfiana verlieh.?) Diese originelle Pflanze entstand in den vierziger Jahren in Eng- land bei einem Gärtner John Fyfe, der sie in einer Aussaat der gewöhnlichen Gloxinien fand. Die Samen, aus denen diese Form ausgewachsen ist, hatte er durch Kreuzung verschiedener Gloxinien- sorten erhalten, aus welcher Kreuzung aber diese Form entstanden ist, blieb unbekannt. Man vermuthet, dass sie ein Hybrid von Gl. caulescens >< speciosa sei, dies ist aber keineswegs bewiesen, Sicher ist nur, dass keine von den Arten, die als ihre Stammväter betrachtet werden, das Hauptmerkmal dieser Form, nämlich die regelmässige Krone und fünf Staubgefässe, besitzt. Mögen folglich beliebige 1) Rev. hort. 1868 pag. 327. 2) Flore des Serres 1848 tab. 3il. 3) Illust. hort, 1856 ad tab. 81. 330 Arten gekreuzt worden sein, die Entstehung dieser originellen Varia- tion kann nur der Heterogenesis zugeschrieben werden. Es wurde in der Folge einmal die Meinung ausgesprochen,'!) die geschilderte Pflanze sei vielleicht aus von Amerika eingeführten Samen ausge- wachsen, dies wurde aber weder damals noch später durch etwas be- stätigt. Nun sind Alle darin einig, dass sie eben bei Fyfe in Eng- land zuerst entstanden ist. Ausserdem ist, wenn auch nicht direct erwähnt, so doch aus allen Umständen ersichtlich, dass die betreffende Form ursprünglich in einem Exemplar entstanden ist, welches dann auf ungeschlechtlichem Wege vermehrt wurde. Einmal entstanden, erwies sich diese Pflanze als constant. Bei Vermehrung durch Samen, welche durch Kreuzung mit anderen Varietäten erhalten wurden, werden neue und mannigfaltige Blüthenfarben bei dieser Form erhalten.?) Sie begann sich sehr schnell über die Gärten zu verbreiten und wird gegenwärttg viel häufiger eultivirt als die früher bekannten Varietäten mit herabhängenden Blüthen. Analoge Thatsachen wurden auch bei anderen Pflanzen beobachtet. 80 lieferte Digitalis purpurea eine Varietät, bei welcher sich an der Spitze des Stengels und der Zweige aufrechtstehende Blüthen von regelmässiger glockenförmiger Gestalt fanden. Diese Blüthen stellten aber nicht einfach einen Rückschlag zum regelmässigen Typus dar, wie bei der Gloxinie Sie gingen vielmehr aus der Verwachsung mehrerer Blüthen, nämlich am Ende des Stengels aus der Verwachsung dreier, an den Zweigenden — je zweier Blüthen, hervor. Die seit- lichen Blüthen waren vollkommen normal. Diese Form erschien im Garten des Herrn Blanchard in Brest im Jahre 1890.2) Die ano- malen Blüthen gaben Samen, welche theilweise die Eigenthümlichkeiten der Mutterpflanze reproducirten.*) Eine ähnliche Form wurde von Digitalis gloxinioides bei Vilmorin gefunden, welcher auf dem Wege der Zuchtwahl aus ihr eine vollständig constante Rasse erhielt.) Wir sehen somit, dass Arten mit zygomorphen Blüthen plötzlich neuen Formen mit regelmässigen Blüthen den Ursprung geben können; dass derartige Formen bei Fortpflanzung durch Samen ihre Merkmale beibehalten und sich in besondere Rassen verwandeln können. Was 1) Rev. hort. 1861 pag. 380. 2) Ill. hort. 1856 tab 81, 3) Rev. hort. 1890 pag. 3683, 4) 1. c. 1892 pag. 304. 5) Rev. hort. 1896 pag. 379. 391 aber die umgekehrte Verwandlung anbetrifft, d. h. das Hervorgehen unregelmässiger Blüthen aus regelmässigen, so ist ein solcher Vorgang, soweit mir bekannt, noch niemals beobachtet worden. Pflanzen mit getrenntblättriger Krone können neuen verwachsen- blättrigen Variationen den Ursprung geben. Solche Thatsachen sind übrigens nur wenige bekannt. Carridre berichtet!) er habe aus einem Samen der Amande-Pöche, d. h. des Mischlings von Mandel und Pfirsich, eine Form mit verwachsenblättriger Krone erhalten. Eine derartige Varietät mit verwachsenblättriger Krone gibt es auch von Papaver braeteatum. 1860 wuchs im Garten der Frau Vilmorin in Verrieres bei Paris ein altes Exemplar dieses Mohns, bei welchem die meisten Blüthen eine verwachsenblättrige Krone hatten. Einige Blüthen waren aber normal, mit. getrennten oder nur teilweise in ver- schiedenem Grade verwachsenen Kronblättern.?) Diese Form lenkte die Aufmerksamkeit vieler Gärtner auf sich. Sie wurde grösstentheils auf ungeschlechtlichem Wege vermehrt, ?) Decaisne aber versuchte ihre Samen auszusäen und erhielt unter den jungen Pflänzchen einige Exemplare mit verwachsenblättriger Krone. Auf diese Weise wäre es möglich bei wiederholter Aussaat eine besondere Rasse mit ver- wachsenblättriger Krone zu züchten. Des umgekehrten Uebergangs, d. h. der Verwandlung gamopetaler Blüthen in choripetale, sind ziemlich viele Fälle bekannt, von denen die teratologische Litteratur berichtet, *) genauere Beobachtungen über die Entstehung und über den (Grad der Erblichkeit dieser Veränderungen gelang es mir aber nicht zu finden. Ich will ferner noch folgende Thatsachen erwähnen. In England erschien bei Herrn Staudish in einer Saat von Aucuba japonica ein Exemplar mit Zwitterblüthen.?) Diese Form existirt seitdem in der Cultur unter dem Namen var. hermaphrodita.‘) In Frankreich erschien mitten in einer Aussaat der Steine von Üerasus semperflorens (Prunus acida K. Koch. var. semperflorens) eine Form, in deren Blüthen mehrere Stempel vorhanden waren und welche somit auf jedem Fruchtstiel mehrere ungleich grosse Steinfrüchte erzeugte.) Nun ist es unbekannt, ob diese Form mit derjenigen identisch ist, 1) Rev. hort, 1872 pag. 129. 2) Rer. hort. 1860 pag. 293. 3) Fl. des serres v. XV pag. 186. 4) Most, Pfl. Ter, pag. 92—93. 5) Rev. hort. 1867 pag. 7. 6) Dippel, Laubh. v. III pag. 260. 7) Rev. hort. 1875 pag. 409. 332 welche schon früher, zu Bauhin’s Zeiten bekannt war und deren Herkunft unbekannt ist. Diese wurde von Aug. De Candolle unter dem Namen Cerasus Caproniana DC. var. polygyna Ser. beschrieben.') Aussaatversuche mit dieser alten Form sind mir nicht bekannt. Was aber die neue anbelangt, so wird in dem eitirten Artikel mitgetheilt, ihre Samen keimen gut, welchen Formen sie aber den Ursprung geben, darüber wird nichts ausgesagt. Eine ähnliche Form mit mehreren Fruchtknoten erhielt einmal Carriöre aus dem Stein der P&cher-Amandier im Garten des Museum d’histoire naturelle in Paris. Er nannte diese Form Amygdalus mon- strosa.2) Sie zeichnet sich nicht allein dadurch aus, dass sie in ihren Blüthen mehrere (2--5) Stempel enthält, sondern auch durch ihre sehr kleinen atrophirten Kronblätter. Die Früchte bestehen aus haarigen, gerunzelten Steinen, die auf dem Fruchtstiel zu mehreren zusammen- gedrängt und fast immer unregelmässig entwickelt sind. Sie fallen ab, ohne volle Reife zu erlangen, Diese Form ist jedoch ziemlich constant; sie wird durch Pfropfung auf der gewöhnlichen Mandel vermehrt. Mehrere Fruchtknoten (2—5) in einer Blüthe wurden auch bei der gewöhnlichen Mandel beobachtet.) Bei der nordamerikanischen Gattung Nuttalia finden wir aber constant fünf Fruchtknoten, was diese Gattung von allen anderen in der Unterfamilie der Mandelartigen trennt. Bei Prunus triloba Lindl. ist die Zahl der Fruchtknoten in der Blüthe unbeständig, am häufigsten werden aber mehrere bei- sammen angetroffen. Die Verwandlung der Staubgefässe in kleine Fruchtknoten beim Mohn wurde bereits oben erwähnt. Diese Anomalie wird nicht selten angetroffen und behält ihre Merkmale bei der Fortpflanzung durch Samen bei. 1) DC., Prodr. II pag. 537; DC. Pi, var. Gen. tab. 18. Es muss allerdings bemerkt werden, dass im eitirten Artikel (Rev. hort. 1. ce.) der mit „Pomona“ unter- zeichnete Verfasser bloss mittheilt, die geschilderte Form sei aus den Samen von C. semperflorens neben den anderen Varietäten entstanden, aber nicht erzählt wo, wann und unter welchen Umständen dies geschehen sei. Es ist daher ein Zweifel gestattet, ob diese Varietät (var. polygyna oder var. multicarpa hort.) wirklich zum zweiten Mal entstanden sei. Vielleicht handelt es sich doch um dieselbe alte Form, wobei der Autor in Bezug auf ihre Herkunft dasjenige als Thatsache mittheilt, was bloss als Vermuthung (wenn auch sehr wahrscheinliche) cireulirt, 2) Rev. hort. 1870 pag. 550. 3) Penzig, Pfl. Ter. v. I pag. 412, In den Deckblättern, der Lage der Blüthen u. s. w. kommen ebenfalls heterogenetische Abweichungen vor. So wurde beispiels- weise in Richmond (Indiana, Ver. Staaten) bei Herrn L. B. Case in einer Aussaat von Richardia aethiopica Knuth, welche sich im All- gemeinen durch grosse Constanz auszeichnet und sehr selten Variationen liefert, ein Exemplar gefunden, dessen Blüthenstand zwei Hüllblätter hatte.') Dieses Merkmal erwies sich constant und wurde bei unge- schlechtlicher Fortpflanzung unverändert beibehalten. Derartige That- sachen wurden übrigens auch früher mehr als einmal beobachtet. So sind bei Herrn Henry in Dijon drei Jahre vorher in einer Aussaat vier solche Exemplare erschienen, von denen sich eines durch beson- ders gut ausgebildete Hüllblätter auszeichnete.2) Es sind uns aber keine Versuche bekannt, wo die Samen von solchen Exemplaren aus- gesäet worden wären. In der teratologischen Litteratur finden sich Hinweise auf ähnliche Erscheinungen bei anderen Aroideen.?) Pflanzen mit gesenkten oder herunterhängenden Blüthen können Formen mit aufrecht stehenden Blüthen erzeugen. So zeiclinet sich eine Fuchsienvarietät, die in England wahrscheinlich in den 60er Jahren entstanden ist und Fuchsia erecta superba*) genannt wird, durch vollkommen aufrechte Biüthen aus, während sie bei allen Fuchsienarten herunterhängen. Genau ist die Herkunft dieser Form leider nieht bekannt. Sie verbreitete sich in den Gärten, wurde aber ausschliesslich auf ungeschlechtlichem Wege fortgepflanzt. Ihre Samen zu säen, versuchte ein Gärtner, Herr Aubin in Bagnolet (Seine), und erhielt ca. 50 Pfänzchen mit schlecht entwickelten, röthlichen, herunter- hängenden Blüthen. Kein einziger der Sämlinge hatte, wie sich er- gab, das originelle Merkmal der Mutterpflanze ererbt. Die wiederholte Aussaat gab aber andere Resultate. So theilt Herr Comte, Gärtner in Lion, mit,5) er habe die Samen von Fuchsia erecta superba gesäet und unter den Sämlingen drei schöne Varietäten erhalten, von denen die eine wagrechte, die beiden anderen aber aufrecht stehende Blüthen hatte. Wir haben somit vollen Grund anzunehmen, dass es durch wiederholte Aussaat und Zuchtwahl möglich wäre, eine besondere constante Fuchsienrasse mit aufrechten Blüthen zu erhalten, ebenso wie von Capsicum annuum (mit herabhängenden Früchten) in der Cultur 1) Rev. hort. 1884 pag. 52. 2) Rev. hort. 1884 pag. 370; siehe auch 1898 pag. 857. 3) Penzig, Pfl. Ter. II pag. 440—445. 4) Rev. hort. 1868 pag. 407; 1886 pag. 464, 5) Rev. hort. 1891 pag. 495. 334 Rassen mit aufrecht stehenden Früchten entstanden sind, Eine ana- loge Erscheinung bietet auch die oben geschilderte Gloxinienvarietät (var. Fyfiana) dar. vi. In den vorangehenden Capiteln haben wir jene Kategorien von Variationen betrachtet, in Bezug auf welche es mir gelungen war, ein mehr oder weniger bedeutendes Material zu sammeln. Nun will ich noch in aller Kürze auf die übrigen Abweichungen hinweisen, über welche nur sehr dürftige und vereinzelte Angaben vorhanden sind. Die Variationen des Blühens. Das Alter, in welchem die Pflanze zu blühen und zu fructifieiren beginnt, unterliegt bei verschiedenen Formen einer und derselben Art bedeutenden Schwankungen, und die Unterschiede sind in dieser Beziehung manclımal so gross, dass sie bei manchen Variationen in den Vordergrund treten. So gibt es bei- spielsweise eine Varietät der gewöhnlichen Walnuss (Juglans regia L.), welche J. fertilis oder J. praeparturiens hort. genannt wird. Diese Form zeichnet sich hauptsächlich dadurch aus, dass sie sehr früh, etwa im dritten, ja manchmal selbst schon im zweiten Lebensjahre Früchte zu tragen beginnt. Ihre Früchte sind klein, aber von ziemlich guter Qualität. Die Pflanze zeichnet sich durch ziemlich schwachen Wuchs aus, so dass eine sehr aufmerksame Pflege nothwenig ist, um von der- selben hochstämmige Bäume zu ziehen, denn sie hat die Eigenschaft sich zu verzweigen und auf jeden Trieb eine rundliche Krone zu bilden.') Diese Form wurde um das Jahr 1830 in der Baumschule des Herrn Louis Chatenay in Dou&-la-Fontaine unter den Sämlingen der gewöhnlichen Walnuss gefunden und 1837 in den Handel gebracht.?) Sie vermehrt sich durch Samen und ist ziemlich constant, wenn sie auch häufig Formen liefert, die von der Mutterpflanze mehr oder weniger abweichen und sich manchmal von der gewöhnlichen Wal- nuss fast gar nicht unterscheiden. Vor vielen Arten sind Variationen bekannt, die dadurch vom Typus abweichen, dass sie während der ganzen Dauer der Vegetations- periode blühen. Eine solche Varietät ist z. B. Robinia Pseud-Acacia var. semperflorens. Sie wurde 1862 von Herrn Durousset, Gärtner in Genouilly (Saöne-et-Loire), in Gestalt eines einzigen Exemplars unter vielen tausenden Sämlingen der gewöhnlichen weissen Acazie 1) Rev. hort 1882 p. 419--420. 2) Nach Mouillefert (Mouill. Tr. des Arbres pag. 1188) wurde diese Form bei Anger im Jahre 1839 gefunden, doch scheint mir diese Angabe auf einen Irr- thum zu beruhen, 335 gefunden. Anfangs unterschied sich das Pflänzchen gar nicht von den anderen und wurde mit den anderen zweijährigen Bäumchen auf einem entlang der Strasse befindlichen Damm gepflanzt. Zwei Jahre später, d. h. im vierten Lebensjahr, blühte es auf und trat sofort durch seinen Blüthenreichthum und durch das ununterbrochene Blühen hervor. !) 1875 wurde diese Varietät in den Handel gebracht. Leider ist es nicht bekannt, wie sie sich bei der Vermehrung durch Samen verhält. Eine ähnliche Varietät existirt auch von der Kirsche. Dies ist Cerasus semperflorens oder Prunus acida Koch. var. semperflorens.?) Sie befindet sich schon längst in Cultur und ihre Herkunft ist nicht bekannt. Aus den Samen dieser Form gingen nach Carriöre?°) immer mannigfaltige Pflänzchen hervor, manchmal auch solche, die der Mutterpflanze sehr glichen, aber doch nicht identisch waren. Eine ähnliche Varietät der Erdbeeie, Fragaria semperflorens, kommt in den Alpen im wilden Zustande vor und ging von dort in die Cultur über. Sambucus nigra var. semperflorens wurde zufällig in einem Exemplar unter anderen Sträuchern in Jardin’s Acelimatisation (im Bois de Boulogne bei Paris) gefunden. °) Eine Varietät von Oytisus nigricans,°) nämlich var. Carlieri, zeich- net sich durch folgende charakteristische Eigenthümlichkeit aus. Ihre Trauben lassen nach dem Abblühen an der Spitze wieder einen be- laubten Trieb entstehen, der auch neue Blüthen trägt, so dass das Blühen ununterbrochen den ganzen Sommer fortdauert.°) Die Ent- stehung dieser Form ist nicht bekannt. In der Cultur befindet sie sich seit etwa 40-50 Jahren und behält ihre Eigenthümlichkeiten bei Vermehrung durch Samen bei.) Unter den zahlreichen Gloxiniensorten ist eine, Gloxinia remontant comtesse de Sachs (aus der Gruppe crassifolia erecta), dadureh charak- terisirt, dass sie sofort nach Abschluss der ersten Blüthe zum zweiten Mal zu blühen beginnt. Diese Form wurde 1897 durch einen Gärtner H. Rozelet im Dep. Marne in einem Exemplar unter den Sämlingen 1) Rev. hort. 1870 pag. 502; 1875 pag. 191 cum tab. chrom, 2) Dippel, Laubh, v. II pag. 613. 3) Rev. hort. 1877 pag. 51. 4 . . 40. : » Dippei Laubh, vorm pag. 676; Lembotropie nigrieans Koch. Dendr. I pag. 21. 6) Rev. hort, 1891 pag. 149. 7) Rev, hort. 1892 pag. 27. 336 der Gloxinie gefunden.!) Ebenfalls in der Cultur ist ein Varietät des Maiglöckchens, Convallaria majalis var. prolificans aus der typischen Form entstanden; sie zeichnet sich durch das Anftreten eines zweiten Blüthenstandes aus, Die ganze Pflanze ist grosswüchsig und erreicht manchmal eine Höhe von 40cm. Ihre Blüthen sind grösser als die- jenigen des typischen Maiglöckchens, haben aber einen fast immer atrophirten Fruchiknoten.?) Ausserdem bilden das verfrühte oder verspätete Aufblühen, die reichliche oder dürftige Blüthenentwickelung u. a. m., als secundäres Merkmal nicht selten einen charakteristischen Zug vieler hetero- genetischer Variationen und Rassen, was s, Z. bei der Beschreibung dieser letzteren erwähnt wurde. Die Variationen der Früchte. Oben hatten wir mehrmals Ge- legenheit, auf die Unterschiede in der Frucht hinzuweisen, welche bei den heterogenetischen Rassen und Variationen gegenüber der typi- schen Form vorkommen. In der Cultur existirt bekanntlich eine grosse Anzahl von Varietäten, welche sich hauptsächlich durch ihre Früchte auszeichnen und dieser letzteren wegen cultivirt werden. Ueber die Herkunft aller dieser Varietäten finden sich in der Litte- ratur meistens gar keine Angaben. So sind uns beispielsweise fast gar keine genauen Beobachtungen über die Entstehung der Variationen der Gurke, der Tomaten, des spanischen Pfeffers, der Erbse u. a. bekannt, welche ja so zahlreich und so sehr samenbeständig sind. Die Ursache davon liegt wahrscheinlich darin, dass einerseits diese Pflanzen schon längst in die Cultur eingeführt wurden, dass aber andrerseits die Cultur dieser Gemüsepflanzen sich in den Händen von Leuten befindet, die im Allgemeinen weniger gebildet und we- niger geneigt sind, ihre Beobachtungen in der Litteratur mitzutheilen, In Bezug auf die Obstbäume wird die Sache noch dadurch complieirt, dass die Mehrzahl derselben, wie Aepfel, Birnen, Pflaumen und wahr- scheinlich auch die Rebe, aus der Kreuzung mehrerer wilder Arten hervorgegangen sind oder wenigstens, wie etwa Pfirsich, Mandel u.a., schon in uralten Zeiten zahlreichen Rassen den Ursprung gegeben hatten, die sich dann ununterbrochen unter einander kreuzten. Infolge dessen ist bei solchen Formen die Erblichkeit so zerrüttet, dass jede Aussaat ebenso viele neue Varietäten, wie Individuen liefert.?) 1) Rev, hort. 1898 pag. 855, 2) Rev. hort. 1890 pag. 27, 3) 8. darüber die Versuche Decaisne’s (Decaisne, Jard. fruit. v. 1 pag. 9—10). 337 Dabei werden Aussaaten nur zum Zwecke der Gewinnung neuer Sorten gemacht; diese letzteren werden aber ausschliesslich auf ungeschlechtlichem Wege vermehrt. Um den Grad der Erblichkeit der gewonnenen Merkmale kümmert sich sicher niemand, so dass man darüber nur dürftige vereinzelte Beobachtungen findet. Viele Thatsachen zeigen aber, dass von denjenigen Obstbäumen, welche sich noch in ihren ursprünglichen (samenbeständigen) Stamm- formen erhalten haben, neue Variationen eben auf heterogenetischem Wege entstehen. So erhielt beispielsweise Carriöre im Jahre 1869 aus den Samen der gewöhnlichen japanischen Quitte (Cydonia japonica Pers.)!) eine interessante Varietät mit citronenähnlichen Früchten (Cydonia eitripomma)?). Aus den Samen der Prunus japonica Thunb, wurde eine Form mit grösseren runden Früchten, die Prunus japonica sphaerica, erhalten?) Die oben erwähnte Juglans fertilis entstand aus der gewöhnlichen Walnuss, und Jugl. regia Bartheriana%) wurde von Herrn Barthe&re in einem Dorfe bei Toulouse (Haute Garonne) in einem Exemplar unter typischen Bäumen gefunden und war wahr- scheinlich ebenfalls auf heterogenetischem Wege entstanden. Diese letztere Form zeichnet sich durch ihre langen, elliptischen Nüsse von 6—7cm Länge und 3em im Durchmesser, mit dünner Haut und wohl- schmeckendem Kern aus, Sie reprodueirt ihre Merkmale gut bei Ver- mehrung durch Samen. Diese Thatsachen lassen uns vermuthen, dass im Entstehungsprocess der Fruchtvariationen die Heterogenesis eine ebenso wichtige Rolle spielt, wie bei der Entstehung aller Varietäten überhaupt. vi. Wir haben in den vorhergehenden Kapiteln die verschiedenen Classen von Variationen betrachtet, welche auf heterogenetischem Wege entstehen. Aus den gesammelten Thatsachen geht vor Allenı hervor, dass die Heterogenesis gar nicht so selten vorkommt, wie man es glauben möchte, und dass die Aeusserungen derselben ziemlich mannigfaltig sind. Untersuchen wir jetzt näher, gestützt auf alle be- kannten Thatsachen, die Entstehungsbedingungen und die charak- teristischen Züge dieses Vorganges. Das Wesen der Heterogenesis. Das typische Bild der Hetero- genesis besteht darin, dass aus den Samen, die von normalen Exem- plaren irgend einer Art erhalten wurden, unter vielen (Hunderten 19) Chaenomeles japonica Lindl. — Dippel, Laubh. IA pag. 400. 2) Rev. hort. 1876 pag. 331; 1891 pag. 41. 8) Rev. hort. 1859 pag. 147. 4) Rev, hort. 1859 pag. 147. Flora, Egänzgsbd. 1901. 22 338 und Tausenden) Sämlingen irgend ein Individuum erscheint, welches sich in diesem oder jenem Merkmal, manchmal aber in einer ganzen Reihe solcher Merkmale, von allen anderen Individuen stark unter- scheidet. Ein solches Exemplar stellt eine heterogenetische Variation dar und seine charakteristischen Merkmale können als heterogenetische bezeichnet werden. Nachdem es ausgewachsen ist, erzeugt es eine Nachkommenschaft, welehe seine Eigenthümlichkeiten ganz oder theil- weise erbt und gibt somit einer heterogenetischen Rasse den Ursprung. Die Eigenthümlichkeiten der heterogenetischen Merkmale. Um die heterogenetischen Variationen nicht mit individuellen und anderen, bei den Organismen vorkommenden Veränderungen zu verwechseln, ınuss man Folgendes beachten: die heterogenetischen Merkmale stellen iinnmer mehr oder weniger bedeutende Abweichungen dar, während die individuellen sich durch geringfügige und wenig auffallende Differenzen auszeichnen. Freilich kann diese Definition nicht als genau gelten, denn der Begriff der grösseren und kleineren Merkmale ist ein sehr relativer. Aber auch ein anderer wesentlicher Zug kann angegeben werden. Die individuelle P’hysiognomie eines jeden In- dividuums wird durch die Combination geringfügiger Merkmale ge- bildet, weiche sich sümmtlich bei sehr vielen Individuen derselben Rasse, aber in etwas verschiedener Gruppirung wiederfinden. Daher wird sich unter normalen Bedingungen, d. I. bei Ausbleiben von Hybridation und Heterogenesis, zwar ein jedes Individuum der ge- gebenen Rasse von jedem anderen etwas unterscheiden, keines von ihnen wird aber aus der Masse der übrigen hervortreten. Bei der Heterogenesis aber ist dies letztere der Fall. Irgend ein Exemplar unterscheidet sich von allen anderen durch das Auftreten soleher Eigen- schaften oder Merkmale, die den typischen Vertretern der betreffenden Rasse vollständig fehlen. In wenigen Worten kann dieser Unterschied folgendermaassen formulirt werden: alle individuellen Variationen bleiben innerhalb der Grenzen des Typus, die heterogenetischen dagegen treten aus diesen Grenzen heraus und bilden eine Durchbrechung des Typus. Wie die heterogenetischen, so sind auch die individuellen Ab- weichungen von den Modificationen zu unterscheiden, d.h. von solchen äusseren Veränderungen des Organismus, welche in directer Abhängig- keit von den äusseren Bedingungen, wie Bodenart, Feuchtigkeit, Be- leuchtung, dichte oder dünne Aussaat u. s. w. stehen. Hieran schliessen sich auch die Veränderungen, die durch Qualität und Alter der Samen bedingt werden. Alle derartige Abweichungen sind von den Variationen anderer Art leicht zu unterscheiden, Erstens er- 339 strecken sie sich hauptsächlich auf die Dimensionen der Organe und nicht auf ihre specifischen Merkmale; zweitens umfassen sie in der Regel alle Exemplare, die sich unter den gegebenen Bedingungen entwickeln und nicht bloss einzelne Individuen; und drittens sind diese Veränderungen in einem höheren oder geringeren Grade ausgesprochen je nach der Intensität des entsprechenden Factors. Wenn beispiels- weise irgend eine Form im Schatten einen längeren Stengel und eine geringere Anzahl, dafür aber grösserer Blätter entwickelt, so sind bei einem geringeren Grade der Beschattung dieselben Merkmale in einem schwächeren Grade ausgebildet. Und wenn aus alten Samen (etwa achtjährigen Gurkensamen) schwächere, aber früher und reichlicher blühende Pflanzen hervor$ehen, so werden wir aus etwas weniger alten Samen (etwa aus vierjährigen) etwas stärkere, aber auch etwas später blühende Pflanzen erhalten, d. h, solche, die sich den aus frischen Samen gezogenen Exemplaren nähern. Infolge dieser Ab- stufungen ist es gewöhnlich leicht, die Ursache dieser Veränderungen, die wir als Modificationen bezeichnen, schon durch einfache Beobachtung zu constatiren, ausserdem aber auch auf experimentellem Wege nach- zuweisen. Endlich werden alle derartigen Veränderungen nicht vererbt. Es gibt noch eine Klasse von Veränderungen, die man streng unterscheiden muss, um den wahren Sinn der Erscheinungen nicht zu verkennen, das sind die Hybriden. Die Samen, die der Züchter aussäet und die er von typischen Pflanzen gesammelt hat, sind nicht selten von gemischter Herkunft, infolge des Transportes von Pollen einer anderen nahestehenden Art dureh Insekten, oder durch den Wind. Dann bemerkt man in der Aussaat unter den typischen Pflanzen Exemplare, die mehr oder weniger erheblich vom Typus ab- weichen, die aber nicht heterogenetischen Ursprungs sind. Folgende Anhaltspunkte gestatten uns den hybriden Ursprung der Abweichungen zu constatiren. Erstens gehen, wenn eine hybride Bestäubung der Blüthen wirklich stattgefunden hat, aus den Samen immer mehrere oder sogar ziemlich viele Hybriden hervor. Selten und nur ausnahmsweise erhält man in solchen Fällen nur ein Exem- plar des betreffenden Bastards.. Wenn ferner die abweichenden Exem- plare ihren Ursprung wirklich einer Kreuzung verdanken, so stellen sie in ihren Merkmalen das Mittel zwischen den beiden Eltern dar, d. h. der Mutterart einerseits und derjenigen, die den Pollen geliefert hat, andrerseits, Es muss folglich entschieden werden, welcher Art sich die erhaltenen Abweichungen nähern und ob die betreffende Art sich irgendwo in der Nähe befindet. Bei Gegenwart dieser Be- 22* 340 dingungen hat man vollen Grund, einen hybriden Ursprung der er- haltenen Variationen zu vermuthen. Es kann aber auch vorkommen, dass aus den Samen eine ziem- lich bunte Nachkommenschaft hervorgeht, in welcher sich viele mannig- faltige Abweichungen von der typischen Form finden. Solche That- sachen wurden und werden nicht selten beobachtet, aber nur dann, wenn die Samen von noch nicht gefestigten Formen hybriden oder heterogenetischen Ursprungs eingesammelt worden sind. Die Öseilla- tionen der Merkmale erfolgen dabei immer innerhalb gewisser enger Grenzen, die im Falle der Hybridation durch die Merkmale der Elternformen, im Falle heterogenetischer Entstehung durch die Merk- male des Typus oder der Varietät bestimmt werden. Gefestigte Rassen dagegen, welchen Ursprungs sie auch sein mögen, geben nie- mals eine solche gemischte Nachkommenschaft. Um also die Erscheinung der Heterogenesis in ihrer ungetrübten Form zu beobachten, muss man sie unter der Nachkommenschaft reiner, d. h. nicht hybrider, und normaler, d. h. in ihren Merkmalen gefestigter Arten suchen, dabei unter Umständen, die die Möglich- keit einer Hybridation ausschliessen. Samen, die von solchen Pflanzen erhalten werden, liefern gewöhnlich eine vollkommen gleichartige Nachkommenschaft, die ihren Eltern vollkommen ähnlich ist. Häufig vergehen viele Jahre, ja selbst Jahrzehnte, ohne dass in der alljähr- lich gemachten Aussaat irgend welche Abweichungen entstünden. Manchmal aber entsteht ganz unvermuthet unter der gleichartigen Nachkommenschaft eine heterogenetische Variation. In den hybriden Generationen beobachten wir im Allgemeinen eine sehr bunte Nach- kommenschaft, welche in ihren Merkmalen zwischen denjenigen der Eltern schwankt. Irgend welche neue Züge, die diesen letzteren fehlen, entstehen aber auch hier ebenso unvermuthet wie bei den reinen Arten, nämlich bei irgend einem einzigen Exemplar, das somit von allen übrigen, mit denen es gleicher Herkunft ist, abweicht. Die Seltenheit der Erscheinung. Wenn auch im Allgemeinen ziemlich viele Fälle von Heterogenesis bekannt sind, so bildet sie doch für jede einzelne Art eine äusserst seltene Erscheinung. Viele Pflanzen, die in grossen Mengen gepflanzt und immer durch Samen reprodueirt werden, liefern im Laufe von Jahrzehnten keine Variationen. So wurde Erythrina erista galli 1771 in die Cultur eingeführt, die erste Varietät wurde aber von ihr erst 1844 erhalten. Begonia semper- florens, die 1829 in die Cultur eingeführt wurde, lieferte erst zu Ende der 70er Jahre, also fast 50 Jahre später, die erste, durch rosarothe Bu 841 Blüthen ausgezeichnete Varietät. Nach weiteren 10 Jahren lieferte diese letztere eine Variation mit rothen Blüthen und ausserdem wurde eine kleinwüchsige Form erhalten; die Kreuzung dieser Formen lieferte dann noch mehrere Varietäten, die sich durch verschiedene Combination derselben Merkmale unterscheiden. Crambe maritima lieferte während mehr als fünfzigjähriger Cultur keine Variationen, Freilich beginnen andere Pflanzen sehr bald zu variiren, manchmal] schon in den ersten Jahren der Cultur, solche Fälle sind aber ziemlich selten. Jene Unmasse von Varietäten aber, die von manchen Arten in wenigen Jalıren ihrer Cultur erhalten wird, verdankt ihren Ursprung nicht der Heterogenesis, sondern der Hybridation mit anderen Arten. Nichts ist leichter als von zwei naheverwandten Arten eine ganze Reihe von Culturvariationen zu erhalten, bei denen die Merkmale der Stammarten in der mannigfachsten Weise combinirt sind. Neue Merkmale aber, die den Stammarten nicht zukommen, entstehen auch in solchen Hybridationscyklen fast ebenso selten wie von reinen Arten. Wenn wir die Abweichungen verschiedener Art im Einzelnen be- trachten, werden wir finden, dass die einen von ihnen seltener, die anderen häufiger vorkommen. Die partielle Chlorose kommt, wie es scheint, bei Sämlingen einiger Holzpflanzen ziemlich häufig vor. Häufig wird auch die Umwandlung der einen oder anderen Kronen- farbe in weiss oder wenigstens eine Veränderung der Nuancen der Blüthenfärbung beobachtet. Die Füllung der Blüthen wird als eine der gewöhnlichsten Veränderungen der Pflanzen im Culturzustande betrachtet, um aber die wirkliche Häufigkeit dieser gewöhnlichsten Erscheinung genauer zu beurtheilen, mögen folgende Angaben mit- getheilt werden. Die Petunien werden in den Gärten seit den 2uer Jahren des zur Neige gehenden Jahrhundert eultivirt, gefüllte Petunien wurden aber erst 1853 erhalten. Cyelamen persieum findet sich seit 1781 in Cultur; gefüllte Blüthen wurden bei ihm erst in den ö0er Jahren in Gent und im Jahre 1875 in Warschau beobachtet. Ipomaea purpurea existirt in den Gärten seit dem XVII. Jahrhundert; gefüllte Blüthen werden aber bei ihr erst 1845 in Paris und dann wieder 1895 bemerkt. Freilich wird Niemand wagen zu behaupten, dass ausser den registrirten Fällen bei diesen Pflanzen nicht noch andere Variationen mit gefüllten Blüthen entstanden waren, die von den Gärtnern nicht beachtet wurden. Man muss aber immerhin beachten in wie grossen Mengen diese Pflanzen in den grossen en aus Samen gezogen werden und mit welcher Sorgfalt die hai er jede Neuigkeit heraussuchen, um den Grad der Seltenheit auch dieser 342 so gewöhnlichen Variationen richtig zu beurtheilen. Von den übrigen Variationen aber wurden die meisten, .ja riehtiger gesagt, fast alle nur je einmal in den Annalen der Wissenschaft verzeichnet. So wird die gewöhnliche weisse Acazie (Robinia Pseudacacia) seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts in grosser Menge aus Samen gezogen; aber bis 1858 bemerkte Niemand bei dieser Art rosarothe Blüthen und doch ist dies ein Merkmal, welches nieht nur einem Gärtner, sondern auch jedem gewöhnlichen Sterblichen nicht entgangen wäre. Ebenso hatte trotz den umfangreichen Aussaaten der Erdbeere niemand ausser Duchesne weder vor noch nach ihm eine Erdbeere mit einfachen Blättern gefunden.!) Ist nun irgend eine Form erhalten worden, so bleibt sic bestehen, vermehrt sich und wird nicht selten ganz ge- wöhnlich. Man muss aber nicht vergessen, dass ihre Entstehung doch sozusagen ein ungewöhnliches Ereigniss gewesen ist und möglicher- weise eine einzig in ihrer Art dastehende, nicht mehr eingetretene Thatsache bildete, Wenn man auch von einigen Variationen sagen hört, sie seien zu wiederholten Malen entstanden, so muss man dabei doch nicht glauben, es sei zum zweiten Mal eine mit der früher schon bekannt gewesenen vollkommen identische Form entstanden. In Wirklichkeit kann in solchen Fällen nur vom wiederholten Auftreten eines gewissen Merkmals bei einer der Formen der betreffenden Art, nicht aber von eineın zweimaligen Erscheinen einer bestimmten Form die Rede sein. Selbst in dem Falle, wenn gleichartige Abweichungen von irgend einer ziemlich constanten Art stattfinden, wird eine genaue Unter- suchung entweder im Intensitätsgrade des Hauptmerkmals oder in den nebensächlichen Eigenschaften manche geringfügige Züge entdecken, welche die Varietät zu unterscheiden gestatten, wie das z. B. bei den purpurnen Variationen von Prunus cerasifera der Fall ist, von denen die eine in Persien, die andere in Deutschland entstanden ist. In der Mehrzahl der Fälle, in denen es sich um die wiederholte Ent- stehung einer gleichartigen Variation handelt, entsteht die zweite von einer ganz anderen Varietät, die aber zu derselben Art gehört. Diese Thatsache verdient vom wissenschaftlichen Standpunkt aus einige Beachtung, vom gärtnerischen aber ist sie belanglos, denn ist ein 1) Von einer der grossfrüchtigen Erdbeeren, nämlich Fraisier doeteur Nicaise, wurde einmal in den 60er Jahren eine ähnliche einblättrige Form in Vilmorin’s Gärtnerei erhalten. (Rev. hort. 1867 pag. 222) Es ist aber nicht bekannt, ob sie selbständig, oder durch Kreuzung mit Fragaria monophylla Duchesne’s ent- standen sei; letzteres scheint mir wahrscheinlicher. 848 gewisses Merkmal bei einer Varietät aufgetreten, so wird dasselbe durch Kreuzung mit anderen auf alle Varietäten übertragen. Es genügte bloss eine lilafarbige Petunie mit gefüllten Blüthen zu erhalten, un in kurzer Zeit gefüllte Petunien in allen damals bei diesen Pflanzen bekannten Blüthenfarben zu erhalten. Ebenso genügte es, ein Fxem- plar einer Petunie mit gezähnten Kronblättern zu ziehen, um dieses Merkmal sehr bald in Combination mit allen Blüthenfärbungen und mit allen anderen Merkmalen der verschiedenen Sorten des betreffen- den Kormenkreises zu erhalten. Ausserdem ist noch zu bemerken, dass ein wiederholtes Auftreten gleichartiger Variationen, wenn es auch zweifellos in der Natur statt- findet, doch lange nicht so häufig vorkommt, wie man es nach den Mittheilungen der. Gartenjournale glauben könnte. In allen Fällen, wo es sich um das Neuauftreten einer Variation handelt, die mit einer bereits existirenden identisch ist, müssen streng die Fragen untersucht werden: 1. woher die Samen bezogen wurden, aus denen die neue Variation hervorging, 2. ob nicht die bereits bekannte Form irgendwo in der Nähe, sei es in demselben Garten oder in einem benachbarten, gewachsen sei, und ob nicht ihr Pollen auf die Mutter- p9anze der neuen Variation übertragen worden sein konnte. Und sind diese Fragen nicht erörtert oder nicht genügend aufgeklärt, so sind wir berechtigt, die mitgetheilten Thatsachen anzuzweifeln und sie nicht durch Heterogenesis, sondern eher durch die Möglichkeit einer hybriden Bestäubung zu erklären. Nicht selten braucht nur irgend eine originelle Varietät zu erscheinen, da hört man von ver- schiedenen Gärtnern Erklärungen, auch sie hätten dieselbe Form und dazu noch ein Jahr oder zwei Jahre früher erhalten. Solchen Mit- theilungen gegenüber muss man immer misstrauisch sein, falls sie nicht von einer Beschreibung begleitet sind, welche uns über Entstehungs- weise und Stammform der betreffenden Variation belehren, oder nicht durch das Zeugniss irgend einer Autorität bestätigt werden. Zum Schlusse muss noch eine Frage berührt werden, ob nämlich die heterogenetischen Variationen immer ursprünglich nur in einem Exemplar erscheinen, oder ob sie auch in mehreren auf einmal auf- treten können. Darauf ist Folgendes zu antworten: In allen Fällen, in denen uns genaue und zuverlässige Beobachtungen vorliegen, ist immer von einem einzigen, von allen übrigen abweichenden Individuum die Rede. Dies ist eine so allgemeine Regel, dass die Zahl der Individuen gewöhnlich auch gar nicht erwähnt wird, sondern in Aen Fällen, wo von einer neuen Varietät berichtet wird, immer als selbst- 344 verständlich vorausgesetzt wird, dieselbe sei in einem Exemplar erhalten worden, welches auch die Bezeichnung „Originalexemplar“ für immer behält. Manchmal aber wird über ein gleichzeitiges Er- scheinen zweier, dreier oder selbst einer grösseren Zahl von Indi- viduen berichtet. Alle derartigen Berichte sind aber sehr zweifelhaft. Sie lassen uns immer eines von beiden vermuthen: entweder haben wir einen Hybrid vor uns, oder, wenn das nicht anzunehmen ist, dann hat vielleicht das heterogenetische Auftreten dieser Variation schon um eine Generation früher stattgefunden und ist damals unbeachtet geblieben. Jedenfalls sind mir entschieden keine genauen und Ver- trauen erweckenden Beobachtungen bekannt, durch welche das Er- scheinen irgend einer heterogenetischen Variation in mehr als einem Exemplar gleichzeitig bewiesen würde. Die äusseren Bedingungen der Heterogenesis. Es fragt sich nun, welche Factoren bedingen das heterogenetische Erscheinen neuer Formen? Darauf ist vorläufig nur die einzige Antwort zu geben, dass nämlich die Ursache der Heterogenesis nicht in den äusseren Entwickelungsbedingungen enthalten ist. Es ist auch nicht möglich, eine unmittelbare Einwirkung irgend welcher äusseren Factoren auf diese Erscheinung anzunehmen. Müssten doch diese Factoren ihre Wirkung auf alle oder wenigstens auf die Mehrzahl der Individuen ausüben. In Wirklichkeit aber kommt unter einer ungeheueren Zahl von Individuen, unter Hunderten und Tausenden, die zusammen unter völlig gleichen Bedingungen wachsen, nur bei irgend einem plötzlich eine heterogenetische Variation vor. Es ist einleuchtend, dass man nicht in den äusseren Bedingungen die Ursachen dieser Erscheinung zu suchen hat, dass es sich dabei um irgend welche innere Processe handelt, um irgend welche Veränderungen der Eizelle, von deren Wesen wir uns übrigens noch gar keinen Begriff machen können. Sind aber die äusseren Bedingungen nicht als unmittelbare Ursache der Heterogenesis aufzufassen, so können sie doch jedenfalls die Rolle eines prädisponirenden Elements spielen. In diesem Punkte stimmen die Ansichten fast aller Gärtner und Züchter überein. Sie nehmen namentlich an, dass zur Entstehung heterogenetischer Variationen folgende Umstände wesentlich beitragen: 1. eine Veränderung der Existenzbedingungen, 2. die Culturbedingungen, 3. wiederholte Aussaat in möglichst grossem Maassstabe. Auf die Bedeutung des Wechsels in den Existenzbedingungen weisen viele Gärtner hin. Eine Veranlassung zu dieser Meinung gaben nn nenn 845 die Beobachtungen an vielen Pflanzen, welche, in die Cultur eingeführt, sehr bald zu variiren begannen. Diese Schlussfolgerung ist aber zu einseitig, denn es wird dabei vorausgesetzt, dass die Pflanzen im wilden Zustande gar nicht oder nur sehr wenig variiren. Genauere Beob- achtungen lehren jedoch, dass auch die wild wachsenden Pflanzen sehr häufig Abweichungen liefern ; der Unterschied besteht aber bloss darin, dass diese Abweichungen der wilden Pflanzen gewöhnlich aussterben, während solche in der COultur aufgezeichnet und erhalten werden. Ausserdem sind einige Pflanzen bekannt, welche nach Einführung in die Cultur während mehrerer Jahrzehnte fast gar nicht variirten, dann aber plötzlich bedeutende Abweichungen lieferten, so z. B. Primula sinensis, Cyclamen persicum u. a. m. Hier hatte folglich die Verän- derung der Existenzbedingungen, die mit einem Uebergang aus dem wilden in den. Culturzustand verbunden war, keinen Einfluss auf die Variabilität der Pflanze gehabt; die Variationen begannen aber auf- zutreten, nachdem sich die Pflanze bereits viele Jahre in demselben Culturzustande befunden hatte. Was den Einfluss anderer Factoren derselben Kategorie anbetrifft, so z. B. der Veränderung des Bodens, der Temperatur, Feuchtigkeit u.s.w., so fand ich in der gärtnerischen Litteratur keine diesbezüg- lichen Angaben. Dabei sind doch in der Cultur die Lebensbeding- ungen aller Pflanzen mehr oder weniger gleich; specielle darauf ge- richtete Experimente sind aber meines Wissens nicht angestellt worden. In der freien Natur bieten die Existenzbedingungen eine ungeheure Mannigfaltigkeit dar, und der Einfluss dieser Mannigfaltigkeit auf die Variabilität wird von sehr vielen Forschern anerkannt, wenn auch hier zu Gunsten dieser Anschauung keine zwingenden Thatsachen dar- gebracht wurden. Jedenfalls haben wir bezüglich der Culturpflanzen keinen Grund, den Einfluss einer Veränderung in den Lebensbedingungen zur Erklärung des Auftretens heterogenetischer Variation heranzuziehen. Den Culturbedingungen, namentlich aber dem fruchtbaren Boden, dem ausgiebigen Bewässern und häufigen Verpflanzen wird mit Rück- sicht auf die Gewinnung neuer Varietäten von allen Gärtnern, die sich darüber äussern, ein immenser Einfluss zugeschrieben. Die Züchter nehmen an, eine reichliche Ernährung während einiger Generationen erzeuge gleichsam einen Ueberschuss an Lebensenergie, welche sich in der Bildung neuer Variationen äussert. Diese Anschauung hat meiner Ansicht nach gute Gründe, doch muss ich hier auf einige Seiten dieser Frage hinweisen, welche es vielleicht bedingen, dass die Gärtner die Bedeutung dieses Factors überschätzen. Erstens findet 346 reichliche Ernährung immer nur bei sorgfältiger Cultur statt; eine solche setzt aber eine gewisse Sorgfalt und Aufmerksamkeit von Seiten des Züchters voraus, der dabei alle auftretenden Abweichungen aufzeichnet. Schlechte Ernährung, schlechte Cultur ist gewöhnlich das Resultat der Fahrlässigkeit des Gärtners, bei welcher die auftretenden Variationen auch unbemerkt bleiben können. Zweitens erzeugt die reichliche Er- nährung schon an und für sich eine Reihe von Veränderungen in der Pflanze und dabei immer in einer für den Gärtner erwünschten Rich- tung. Die Pflanze wird grösser und schöner, die Blätter saftiger und glänzender, die Blüthen grösser. Solche Modificationen werden sogar häufig wie neue Sorten mit Namen bezeichnet, was übrigens bloss un- erfahrene oder gewissenlose Züchter zu thun pflegen, weil ja der- artige Veränderungen einfach Modificationen sind, die sich nicht ver- erben und mit der Bildung neuer Rassen nichts zu- thun haben. Drittens verlangt eine so weit verbreitete und von den Gärtnern geschätzte Abweichung, wie die Füllung der Blüthen, ihrer Natur nach nothwendigerweise eine reichliche Ernährung, wenn sie auch auf dem Boden der Heterogenesis entsteht. Viertens zeichnen sich viele neu entstehende heterogenetische Variationen dureh Schwächlichkeit und kleinen Wuchs aus, weshalb sie bei schlechter Ernährung zu Grunde gehen können, ohne die Blüthe erreicht oder Samen erzeugt zu haben, während sie bei sorgfältigerer Pflege Früchte tragen. Alle diese Angaben zeigen zur Genüge, warum alle Gärtner von der hohen Bedeutung der guten Culturbedingungen für die Gewinnung neuer Varietäten tief. überzeugt sind. Inwiefern aber diese gute Cultur den eigentlichen Vorgang des Auftretens heterogenetischer Variationen beeinflusst, bleibt immer noch wenig aufgeklärt. Was endlich den letzten Factor anbelangt, d. h. die wiederholte Aussaat, so braucht man darüber nicht viel Worte zu verlieren. Streng genommen dürfte er auch gar nicht in die Reihe der die Heterogenesis begünstigenden Bedingungen aufgenommen werden, denn es ist ja selbstverständlich, dass je häufiger und in je grösserer Menge irgend eine Pflanze gesät wird, desto grösser die Wahrschein- lichkeit wird, eine Abweichung zu erhalten, ähnlich wie in einer Lotterie einer um so mehr Aussicht auf Gewinn hat, je mehr Loose er gekauft hat. Die Thatsache aber, dass gerade die häufige und umfangreiche Aussaat von allen Koryphäen der Gärtnerei, wie Vil- morin, Decaisne, Poiteau, Verlot, Carriere, mit beson- Jderem Nachdruck betont wird, dass die erfolgreiche Gewinnung neuer Formen so oft durch den grossen Umfang der Culturen erklärt wird, 947 weist am besten auf die Unabhängigkeit der Erscheinung der Hete- rogenesis vom Menschen und auf die Ohnmacht aller übrigen Factoren hin, die die Wahrscheinlichkeit der Gewinnung heterogenetischer For- men nicht bedeutend zu erhöhen vermögen. Die Richtungen der Variabilität. Wir haben oben alle Haupt- richtungen der Variabilität aufgezählt, in denen die heterogenetischen Abweichungen bei den in Cultur befindlichen Pflanzen stattfinden. Zu denselben müssen noch jene Abweichungen hinzugefügt werden, welche ich als nebensächliche Merkmale heterogenetischer Variationen er- wähnt, aber nicht specieller betrachtet habe, wie z. B. die grössere oder geringere Widerstandskraft gegen Kälte oder Trockenheit, das frühere oder spätere Aufblühen, reichlichere oder kargere Blüthen- bildung, das Erscheinen von grösseren oder kleineren, von riechenden oder geruchlosen Blüthen, die Verfärbung des Stengels u. s. w. Be- rücksichtigt man ferner jene Culturvarietäten, über deren Entstehung keine genauen Angaben vorliegen, welche aber, wie man vermuthen kann, ebenfalls auf heterogenetischem Wege entstanden sind (so z. B. die gefüllten ungespornten Aquilegien), so ist es leicht zum Schluss zu gelangen, dass die Pflanzen fast nach allen möglichen Richtungen heterogenetische Variation zu liefern vermögen. Betrachtet man diese Abweichungen vom Standpunkt der wahr- scheinlichen Abstammung der betreffenden Art, so kann man die einen Variationen für regressive, d. h. für Aeusserungen des Atavismus halten, die anderen dagegen für progressiv, und andere wieder können vom Standpunkt der Evolution als indifferent betrachtet werden. Zur letzten Kategorie können beispielsweise die Variationen des Wuchses (Nanismus und Gigantismus) und die Veränderungen in der Form der Krone (Bildung von Pyramidal- und Trauerformen) gerechnet werden, weil wir keinen Grund haben, den niedrigeren oder höheren Wuchs für den normaleren, oder irgend eine Form der Krone für ursprüng- licher, eine andere dagegen für vervollkommnet zu halten. Man kann im Allgemeinen sagen, «ass sowohl die Trauer- als auch die Pyra- midalform (im bedingten Sinne, wie bei der Pyramidenpappel) der Krone anormal ist, da wir in der Natur hauptsächlich abgerundete, längliche oder unregelmässig geformte Baumkronen sehen, mit alleiniger Ausnahme einiger Nadelhölzer, denen eine kegelförmige Krone eigen- thünlich ist. In anderen Fällen aber können wir fortschrittliche Merk- male von rückschrittlichen unterscheiden. So ist beispielsweise die Bildung von Stacheln bei Pflanzen doch eine Complieirung ihrer Organisation, folglich ein Fortschritt. Die umgekehrte Erscheinung, x N 848 5 das Verschwinden der Stacheln, kann als Rückschritt, oder richtiger als Atavismus, d. h. Rückkehr zu dem Ahnentypus betrachtet werden. Bei heterogenetischen Formen beobachten wir häufig ein Schwinden der Dornen und Stacheln, das heterogenetische Auftreten von Dornen bei Formen, die sie vorher nicht hatten, wurde aber kein einziges Mal beobachtet. Uebrigens wurden von stacheligen Formen Variationen mit noch stärkerer Entwickelung der Stacheln erhalten, was als ein ge- wisser Fortschritt zu deuten ist. In Bezug auf die Blätter kann Folgendes bemerkt werden: Aus fiederigen oder dreizähligen Blättern wurden nicht selten auf hetero- genetischem Wege einfache erhalten, was selbstverständlich als. Aeusserung des Atavismus zu betrachten ist, denn die einfachen Blätter sind als die ursprünglichere und ältere Form aufzufassen. Ein umgekehrter Uebergang, d. h. von einfachen Blättern zu gefieder- ten oder dreizähligen, wurde kein einziges Mal beobachtet. Aber aus dreizähligen Blättern können fünfzählige hervorgehen, was schon eine gewisse Complication darstellt. Eine solche Thatsache wurde bei einer Varietät der Erdbeere beobachtet, welche unter dem Namen Fragaria quinquefolia!) beschrieben wurde. Anderseits sehen wir im Gebiete der kleineren Abweichungen Variationen sowohl in der Richtung des Fortschritts wie des Rück- schritt. Durch die Heterogenesis entstehen nicht selten aus ganz- randigen Blättern gezähnte, aus gezähnten gespaltene oder gelappte, und in gefiederten Blättern werden die Fiederblättehen gespalten oder gelappt. Umgekehrte Uebergänge im Sinne der Verringerung der Zahl und der Tiefe der Einschnitte finden ebenfalls nicht selten statt. Von den verschiedenen Färbungen der Krone kann die weisse Farbe als die einfachste und älteste betrachtet werden. Pflanzen mit irgendwie anders gefärbter Krone liefern sehr leicht weissblüthige Variationen. Von weissblüthigen Formen entstehen auch Varietäten mit anders gefärbter Krone, aber seltener. Die Veränderungen der übrigen Blüthenfarben (ausser der weissen) im Sinne einer gegen- seitigen Vertretung der einen Farbe durch die andere können von unseren Standpunkte aus als gleichgiltig betrachtet werden. Die Füllung der Blüthen wird gewöhnlich als regressive Meta- morphose betrachtet, das ist aber nur von rein morphologischem Ge- sichtspunkte aus richtig. Vom Standpunkte der Evolution kann die 1) Rev, hort. 1859 pag. 346, Diese Form wurde durch den bekannten eng- lischen Züchter Herrn Myatt gewonnen, Ihre Früchte ähneln derjenigen der Form British Queen.- 349 Füllung als gleichgiltige Abweichung und, wenn sie in einer Ver- grösserung der Zahl der Kronblätterkreise ohne Beeinträchtigung der Staubgefässe besteht, eher als progressives Merkmal betrachtet werden. Diese letztere Erscheinung kommt nicht selten vor. Ein umgekehrter Uebergang, d. h. von normal halbgefüllten Blüthen zu einfachen, ist nicht bekannt, zweifellos aus dem Grunde, weil es nur sehr wenige Pflanzen gibt, welche, wie etwa die Nymphaeaceen und Magnoliaceen, normal halbgefüllte Blüthen besitzen. Die scheinbare Füllung der Compositen, d. h. die Verwandlung von Röhrenblüthen in Zungen- blüthen oder in grössere Röhrenblüthen, ist vom Standpunkt der Evo- lutionstheorie gleichgiltig, da beide Formen in der betreffenden Gruppe der Compositen in einem und demselben Blüthenstande vorkommen. Die Verwandlung ganzrandiger Kronblätter in gezähnte oder die Entwiekelung von Auswüchsen ist offenbar ein progressives Merkmal, da es eine Complication der Organisation darstellt. In gleicher Weise ist die Verwandlung des Kelches zu einer Krone, d. h. die Caly- canthemia (bei Campanula, Mimulus, Primula u.a. m.) ein fortschritt- liches Merkmal. Der umgekehrte Uebergang der Krone in einen Kelch wird manchmal beobachtet, jedoch sehr selten.!) Die Bildung von Pelorien, d. h. die Verwandlung einer unregel- mässigen Krone in eine regelmässige, ist zweifellos ein Atavismus, da die regelmässige Form der Krone als die einfachere und folglich auch die ältere erscheint. Umgekehrte Uebergänge, d. h. einer regel- mässigen Krone in eine unregelmässige, wurde an sämmtlichen Blüthen eines Individuums niemals beobachtet.?) Die Verwandlung einer getrenntblättrigen Krone in eine ver- wachsenblättrige muss als fortschrittliches Merkmal betrachtet werden, ein Uebergang in umgekehrter Richtung, welcher häufiger beobachtet wird, als ein rückschrittliches. 1) Mast. Ter. pag. 320. 2) Dass ein solcher Uebergang aber sehr wohl möglich ist, zeigt eine Be- obachtung Hildebrand’s, die er kürzlich im Botan. Centralblatt (1899 v. LXXVI p. 177—179) veröffentlichte. Er fand nämlich auf einem Exemplar von Fuchsia eoceinea eine Blüthe mit scharf ausgesprochener Zygomorphie. Diese Blüthe war nicht abwärts, sondern schief aufwärts gerichtet. Von den vier Kelehblättern waren die beiden oberen viel grösser und bildeten gleichsam einen Helm; die beiden unteren kleineren waren abwärts gerichtet. Von den Kronblättern war das eine, obere, sehr gross und aufwärts gerichtet, das untere sehr klein, die beiden seitlichen von mittlerer Grösse, Die Staubfäden waren in normaler Zahl (8), aber von sehr ungleicher Länge: die oberen länger, die unteren kürzer. Es wäre ausser- ordentlich interessant zu verfolgen, ob diese Blüthe Samen liefern würde und ob sich die beobachteten Eigenthümlichkeiten nicht als erblich erweisen würden, 350 Die Vermehrung der Zahl der Fruchtknoten bei den Amygdala- ceen (Kirsche, Mandel) kann, wie es scheint, als ein Fortschritt, d. h. eine Complieirung der Organisation betrachtet werden, obwohl es in diesem Falle schwierig ist, sieh ganz bestimmt auszusprechen. Fassen wir das Gesagte zusammen, so können wir etwa zu fol- gendem Schluss gelangen: durch Heterogenesis entstehen Variationen, sowohl fortschrittliche, die eine weitere Vervollkommnung oder wenig- stens Complieirung des T'ypus darstellen, als auch rückschrittliche, die eine Rückkehr zu einfacheren und sehr wahrscheinlich auch älteren Formen äussern; in der letzteren Richtung aber, d. h. im Sinne des Atavismus, erfolgen bedeutend grössere Abweichungen (wie beispiels- weise das Hervorgehen einfacher Blätter aus gefiederten oder regel- mässiger Kronen aus unregelmässigen), wie sie in der fortschrittlichen Richtung nicht auf einmal stattfinden können. Die Eigenschaften der heterogenetischen Variationen. Die phy- siologischen Eigenschaften der auf heterogenetischem Wege entstan- denen Formen sind sehr mannigfaltig: sie äussern sich in gewissen Wachsthumseigenthümlichkeiten, in der Zeit und Dauer des Blühens und der Fructification, in ihren Beziehungen zu den klimatischen Factoren u. s. w. Jede dieser physiologischen Eigenschaften ist eigentlich ein ebenso gutes Merkmal, wie jedes morphologische Kenn- zeichen. Es kann ein solches ebenso unabhängig von den sonstigen Eigenschaften der Pflanze entstehen und sich vererben oder verändern. Es gibt aber doch einen Zug, welcher, wie es scheint, sich nicht unter diese allgemeine Kategorie subsumiren lässt, welchen man aber vielleicht richtiger als eine allgemeine, mit der Art und Weise ihrer Entstehung selbst verknüpfte Eigenschaft der heterogenetischen Varia- tionen zu betrachten hat. Diese Eigenschaft ist die verminderte Fruchtbarkeit, die sich manchmal bis zu einer völligen Zerrüttung des Sexualsystems steigert. Sie äussert sich darin, dass einige heterogenetische Formen gar nicht zur Blüthe gelangen, wie z. B. Broussonetia papyrifera var. dissecta, oder dass sie sehr selten und karg blühen, wie z. B. Robinia Pseudacaeia var, umbraculifera, Tilia platyphylos var. asplenifolia. Andere dagegen blühen zwar oft und reichlich, geben aber gar keine Samen, wie z. B. die ungespornte Pelorie des Leinkraut (Linaria vulgaris), oder liefern nur wenige und sehr schwächliche Samen (Biota orientalis var. flagelliformis, Robinia Pseudacacia var. monophylila, Fraxinus excelsior var. monophylla, Robinia Pseudacacia var. Decais- nesna u. a. mı.). 351 Solcher Beispiele könnte man noch ziemlich viel anführen, be- sonders aber in Bezug auf die Holzpflanzen.!) Ebenso sind auch unter den Kräutern Formen mit offenbar herabgesetzter Fruchtbarkeit, und selbst vollkommen sterile bekannt. Anderseits pflegen aber viele, ja vielleicht sogar die meisten heterogenetischen Variationen reichlich zu blühen und Samen zu tragen, ohne die Anzeichen einer verminderten Fruchtbarkeit zu zeigen. Selbst solche Variationen, wie die gefüllten Varietäten, bei denen das morphologische Hauptmerkmal unver- meidlich eine Atrophie des sexuellen Systems nach sich zieht, er- weisen sich als vollständig fruchtbar, falls nur nicht sämmtliche Fortpflanzungsorgane der Metamorphose anheimgefallen sind. Mit Rücksicht darauf erscheint es fraglich, ob denn wirklich die herab- gesetzte Fruchtbarkeit vieler heterogenetischer Variationen mit dem Vorgang ihrer Entstehung selbst verbunden sei? Ist diese nicht eher bloss einigen Formen eigen, deren charakteristischen Zug sie bildet, ohne jedoch eine allgemeine Bedeutung zu haben, wie es ja auch bei den anderen physiologischen und morphologischen Merkmalen der heterogenetischen Varietäten der Fall ist? Es ist zur Zeit noch nicht möglich auf diese Frage eine genaue, auf Thatsachen beruhende Antwort zu geben. Zu Gunsten der An- sicht, dass die verminderte Fruchtbarkeit eine allgemeine, mit der Heterogenesis innig verknüpfte Erscheinung darstellt, spricht haupt- sächlich die Analogie mit den bei Hybridation beobachteten That- sachen. Dass bei den Hybriden die Fruchtbarkeit im Allgemeinen herabgesetzt ist, und dass dies eine allen gemeinsame, mit der Ent- stehungsweise dieser Formen selbst verbundene Eigenschaft ist, gilt als allgemein anerkannte Thatsache. Es gibt einige Hybride, welche nieht einmal die Blüthe zu erreichen vermögen, oder aber sehr spärlich und selten blühen. Andere, und dazu gehört die Mehrzahl, blühen zwar reichlich, tragen aber keine Samen oder tragen sehr wenige, schlecht entwickelte Samen. Andere endlich blühen reichlich und tragen Samen, so dass eine Verminderung der Fruchtbarkeit bei ihnen gar nicht, oder fast gar nicht zu constatiren ist. Je mehr sich die Stammformen von einander unterscheiden, eine desto stärkere Er- schütterung erleidet das Kreuzungsprodukt, d. h. der Hybrid, und desto stärker unterscheidet es sich von der Mutterpflanze. In einem solchen Falle ist der Hybrid vollkommen *unfruchtbar oder nur sehr wenig frucht- bar. Je näher die Stammformen einander stehen, eine desto geringere 1) Vgl. darüber die Angaben Carridre’s bezüglich der Varietäten von Robinia (Rev. hort. 1872 pag. 109-111.) 852 Erschütterung erleidet der Bastard und dementsprechend leidet seine Fruchtbarkeit gar nicht oder nur sehr wenig. In grossen Zügen be- obachten wir dasselbe auch bei der Heterogenesis; bei Variationen, die stark vom Typus abweichen, leidet die Fruchtbarkeit sehr, bei schwächeren Abweichungen wird sie verhältnissmässig nur wenig geschwächt. Endlich ist zu bemerken, dass sich in den nachfolgen- den Generationen der Hybride die Fruchtbarkeit erhöht in dem Maasse, als sich mehr oder weniger constante Bastardrassen ausbilden. Es gibt Grund anzunehmen, dass dasselbe auch bei den heterogenetischen Variationen der Fall ist und dass die ursprünglich wenig fruchtbaren Variationen in den folgenden Generationen in dem Maasse, als ihre Constitution stabil wird, fruchtbarer werden. Einen Hinweis darauf gibt uns jener in die Augen springende Unterschied in der Frucht- barkeit, welcher zwischen den heterogenetischen Formen der Bäume einerseits und der Kräuter anderseits besteht. Die heterogenetischen Formen der Holzpflanzen zeichnen sich sehr häufig durch verminderte Fruchtbarkeit aus, wobei man sich immer dessen eingedenkt sein muss, dass wir es hier gewöhnlich mit den Theilen eines sich in der Cultur erhaltenden und auf ungeschlechtlichem Wege vermehrten Originalexemplars zu thun haben. Bei den Kräutern dagegen haben die heterogenetischen Varietäten eine normale Fruchtbarkeit, wir ver- stehen aber hier unter einer Varietät nicht die Originalvariation, son- dern eine Summe aufeinanderfolgender Generationen, deren Frucht- barkeit sich möglicherweise schon wieder erhöhte. Denn es sind viele heterogenetische Variationen von Kräutern bekannt, welche zu ver- schiedenen Zeiten entstanden, dann aber wieder verschwunden sind, ohne Nachkommen hinterlassen zu haben. Die verminderte Fruchtbarkeit der Hybride spricht sich am auf- fälligsten in der Entwiekelung des Pollens aus. Bei unfruchtbaren Formen sind die Staubbeutel häufig zusammengeschrumpft und ent- halten kein einziges Pollenkörnchen. Bei Formen mit verminderter Fruchtbarkeit entwickeln sich in den Antheren Pollen, neben den normalen Pollenkörnern finden sich aber auch viele unentwickelte. Diese letzteren finden sich auch im Pollen fruchtbarer Hybride etwa in 10—20°,, indem sie durch ihre Anwesenheit auf eine gewisse Zerrüttung des Sexualsystems hindeuten. Bei heterogenetischen Variationen finden wir dasselbe. Bei ” vollkommen unfruchtbaren Formen sind alle Antheren atrophirt, wie z. B. bei der ungespornten Pelorie des Leinkrauts (Linaria vulgaris), oder es entwickelt sich nur in wenigen Antheren eine geringe Menge Pollen, wie ich mich bei 368 Tilia asplenifolia überzeugen konnte. Wie es sich damit bei den anderen heterogenetischen Formen mit verminderter oder normaler Fruchtbarkeit verhält, darüber liegen leider keine Beobachtungen vor. Es ist übrigens zu bemerken, dass der schlechte Zustand des Pollens uns die Unfruchtbarkeit einiger Hybride oder heterogenetischen Formen noch nicht erklärt. Es bildet sich doch immer eine ziemlich bedeutende Quantität von Pollen, und wenn auch die Hälfte unent- wickelt bleibt, so müsste doch die übrige llälfte ausreichen, um die Bestäubung des Stempels zu sichern. Aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgen in Parallele damit auch im weiblichen Geschlechtsapparat, namentlich in der Eizelle, tiefgehende Veränderungen. Worin aber diese Veränderungen bestehen, ist nicht bekannt. In dieser Hinsicht liegen weder über heterogenetische Variationen noch über Hybride Untersuchungen vor. Auf Grund alles hier Gesagten kann man zum Schlusse gelangen, dass die Affieirung des Sexualsystems eine allgemeine, mit der Hetero- genesis im Zusammenhang stehende Erscheinung ist, wenn sie auch, wie übrigens auch bei den Hybriden, in verschiedenem Grade zum Ausdruck kommt. Sollten genaue Beobachtungen und Untersuchungen diese Analogie bestätigen, so wird man auch zu einer bestimmten Anschauung über die Ursachen dieser Verminderung der Fruchtbar- keit gelangen können, welche bis jetzt, so viel mir bekannt, unerklärt blieb. Man wird dann sagen können, dass jede Durchbrechung der Vererbung, jede Zerrüttung der Constitution der Art, mag sie als eine Folge der Kreuzung oder der Heterogenesis erscheinen, immer eine Afficirung des Sexualsystems mit sich bringt. Wenn sich aber in den folgenden Generationen aus der heterogenetischen Variation, resp. dem Hybrid eine constante Rasse ausbildet, dann ist es selbst- verständlich, dass auch das Sexualsystem allmählich zu seinem normalen Zustand zurückkehrt. . Von den anderen physiologischen Eigenschaften wäre noch eine Eigenthümlichkeit besonders zu beachten, die hauptsächlich bei Holz- pflanzen beobachtet wird. Sehr viele Varietäten dieser letzteren zeichnen sich nämlich im Vergleich zum Typus durch Schwäche des Wuchses und grössere Frostempfindlichkeit aus. Ganz abge- sehen von den buntblätterigen Formen, welche viel schwächer sind als die typischen, langsamer wachsen und durch Zartheit auffallen; bei ihnen sind diese Eigenschaften eine direete Folge der mangel- haften Chlorophylientwickelung. Aber auch andere Varietäten, die anscheinend keinen organischen Defect haben, erweisen sich sehr Flora, Ergänzgsbd, 1901. 23 354 häufig als schwächer als die gefestigten Rassen. So ertragen bei- spielsweise die purpurblätterigen Formen der gewöhnlichen Birke,') Haselnuss,?) des Feldrüsters (Ulmus eampestris)?) und des Spitzahorn (Acer platanoides) das Petersburger Klima nicht und verlangen eine Bedeckung über Winter. Unter den Formen mit eingeschnittenen Blättern ist Sambucus nigra var. laciniata noch zarter als der Typus und friert in Petersburg ohne Bedeckung vollständig aus.) Ebenso halten Acer platanoides var. dissectum, Tilia platyphylios var. laciniata,5) Ulmus campestris var. adiantifolia und ceueullata, Sambueus racemosa var. plumosa und serratifolia 6) in Petersburg den Winter ohne Bedeckung nicht aus, während die Typen vollkommen ausdauernd sind. Doch sind nach E. L. Regel?) Alnus glutinosa var. quercifolia laciniata und ineisa ebenso widerstandsfähig wie die typische Erle. Die sterile Varietät des gemeinen Schneeballs, die sog. Boule de Neige (Viburnum opulus v. roseum oder v. sterile), ist viel zarter als der Typus und verlangt einer Bedeckung über Winter (Umbinden mit Stroh),S) Weniger bemerkbar ist diese Erscheinung an den Trauerbäumen und pyramidalen Varietäten. Doch verlangen Ulmus montana var. pendula und fastigiata®) und Fraxinus excelsior var. pendula !%) eine Bedeckung über Winter, gar nicht zu sprechen von der pyramidalen Silberpappel (Populus alba Bolleana) und von der italienischen Pappel (Populus nigra pyramidalis), welche nur in der südlichen Hälfte von Russland wachsen. Die Ueberzeugung von der organischen Schwäche der Varietäten im Vergleich zu den Typen ist unter den Gärtnern und Züchtern sehr verbreitet und viele Autoren halten sie für eine gemeinsame Eigen- schaft aller Abweichungen.'!) Indem ich die diesbezüglichen That- sachen analysire, die ich zu sammeln vermochte, kann ich dieser Schlussfolgerung nicht beistimmen. Es muss aber doch zugestanden 1) Regel, Soder, Rast, (Die Pflege der Pflanzen, russisch) I pag. 142. 2) Regel, Dend. (russ.) pag. 53. 3) Ibidem pag. 100. 4) Ibidem pag. 153, 5) Nach einer Mittheilung von R, E. Regei, 6) Reg. und Kess., Kat. 1899 pag. 21 und 28. 7) Reg., Dendr. (russ.) pag. 47. 8) Ebenda pag. 156, 9) Ebenda pag 100. 10) Nach einer Mittheilung von R. E, Regel. 11) Reg., Soder, Teil I pag. 141, EV 355 werden, dass eine geringere Widerstandsfähigkeit und gewisse Consti- tutionsschwäche ziemlich häufig einen charakteristischen Zug hetero- genetischer Variationen darstellen und vielleicht auch nicht selten als Folge ihrer Entstehungsweise selbst zu betrachten sind. Da nun diese Eigenschaft sich namentlich bei Holzpflanzen und überhaupt mehrjährigen Pflanzen bemerkbar macht, die in der Cultur im Original- exemplar erhalten bleiben und bei einjährigen Pflanzen nicht beobachtet wird, so kann man annehmen, dass sie bei diesen letzteren in den nachfolgenden Generationen durch die geschlechtliche Fortpflanzung wieder wett gemacht wird. Die Erblichkeit der heterogenetischen Abweichungen. Alle auf heterogenetischem Wege entstandenen Abweichungen sind nicht nur bei vegetativer Vermehrung constant, sondern überliefern auch bei geschlechtlicher Fortpflanzung ihre Merkmale den Nachkommen. Dies ist eine ihnen allen gemeinsame Eigenschaft, die für diese Erscheinung gerade selır charakteristisch ist, wenn sie sich auch bei den verschie- denen Variationen in verschiedenem Grade äussert. So sind Formen bekannt, welche, wie beispielsweise Fragaria monophylla, Chelidonium laeiniatum und Begonia semperflorens var. rosea, sich sofort nach ihrer Entstehung als vollkommen samenbeständig erwiesen haben. Andere geben nur einen gewissen, bald grösseren, bald kleineren Procentsatz von Formen, die mit der Mutterpflanze identisch sind. Und endlich sind selten auch Fälle vorgekommen, wo die entstandenen Variationen ihre Merkmale in der Nachkummenschaft gar nicht re- produeirten. . Die Ursachen einer solehen Mannigfaltigkeit sind offenbar zweierlei Art. Erstens sind alle heterogenetischen Formen wenigstens in den ersten Generationen nach ihrer Entstehung geneigt, bei Fortpflanzung mittelst Samen theilweise zum Typus zurückzuschlagen. Selbst die stabilsten Rassen, wie z. B. Fragaria monophylia, geben doch immer einen geringen Procentsatz an Sämlingen, die mit der typischen Form identisch sind. Dasselbe wird auch bei anderen Formen in einem höheren oder geringeren Grade beobachtet. Zweitens können die heterogenetischen Variationen mit dem Pollen der typischen orm bestäubt werden und dann erhält man von ihnen eine gemischte Nach- kominenschaft, von der die einen Exemplare der Mutterpflanze en sind, die anderen einen Rückschlag zum Typus aufweisen und andere endlich mittlere Merkmale zwischen denjenigen der ersten und der zweiten Gruppe aufweisen. Erinnert man sich, dass die heterogene- nn : ıtstehen, 80 tischen Variationen immer in einem einzigen Exemplar eı 23* 356 wird es leicht verständlich, dass bei der grossen Verbreitung der Kreuzung in der Natur eine viel grössere Wahrscheinlichkeit vorhan- den ist von der betreffenden Form eine gemischte Nachkommenschaft zu erhalten, als eine reine. Und jene Unbeständigkeit der Resultate der Aussaat, auf die wir oben vielfach hinzuweisen Gelegenheit hatten, sind in der Mehrzahl der Fälle sehr leicht daraus zu erklären, ob in der Nähe der Varianten auch typische Individuen gewachsen seien oder nicht, d. h. wie gross die Wahrscheinlichkeit einer Bestäubung der Varietät durch den Pollen des Typus ist. Angesichts des Ausgeführten erscheint eher die Thatsache be- bewundernswerth, dass manche heterogenetischen Variationen sich von Anfang an als vollkommen beständig erwiesen haben, ohne eine ge- mischte Nachkommenschaft zu liefern und anscheinend ohne sich mit der typischen Form zu kreuzen. Dies lässt uns vermuthen, dass einige auf heterogenetischem Wege entstandene Variationen sich ihrer inneren Constitution nach so sehr von dem Typus unterscheiden, dass sie selbst zu einer Kreuzung mit demselben unfähig oder nur sehr wenig befähigt sind. Doch müsste diese Vermuthung, um als be- wiesen zu gelten, durch exacte Versuche und Beobachtungen ceon- trolirt werden, wie sie leider noch von Niemandem angestellt wurden. Es ist uns nicht bekannt, warum es beispielsweise nicht gelungen ist, aus Ulex europaeus var. inermis eine constante Rasse zu züchten, aber solche Kenner wie Verlot und Naudin erklärten den Miss- erfolg der Versuche nur durch ungenügende Nachhaltigkeit derselben und durch mangelhafte Isolation der Varianten. Wir wissen ausserdem, dass die Aussaat solcher Formen nieht immer von Erfolg gekrönt wird. Wenn sich aber die heterogenetische Varietät auch nur in einem ge- ringen Procentsatz in der Nachkommenschaft reproducirt, so gelingt es auf dem Wege der Zuchtwahl der reinsten Individuen und ihrer strengen Isolirung vom Typus immer, wenn nicht sofort, so doch nach einigen Generationen, die Varietät zu fixiren, d. h. eine samenbestän- dige Rasse zu erhalten. Die Ursache der Heterogenesis. Die Vererbung und die Varia- bilität kann man sich immer, und welches auch ihre realen Ursachen sein mögen, als zwei im Organismus verborgene Kräfte, als zwei anta- gonistische Tendenzen vorstellen. Unter den normalen Bedingungen, d. h. in gefestigten, nicht zerrütteten Rassen herrscht unbedingt die Vererbung vor, die die Identität der auf einander folgenden Generationen bedingt. Was aber die Tendenz zum Variiren anbetrifft, so äussert sie sich nicht stetig. Sie muss während vieler Generationen sozusagen 857 die nöthige Energie sammeln, um endlich die Kraft der Vererbung zu überwinden und einer heterogenetischen Rasse den Ursprung zu geben. Es fragt sich nun, welche Factoren einer solchen Anhäufung der Variationsenergie Vorschub leisten. Von allen äusseren Factoren, die wir oben betrachteten, begünstigt nur einer die Aeusserung der Variabilität, nämlich die gute Ernährung und ein blühender Zustand des Organismus überhaupt. Aehnlich wie in der Menschenwelt die schöpferische Thätigkeit, d. h. das Hervorbringen von etwas Neuem, aus dem Rahmen des Gewohnten heraustretenden, immer einen Energie- überschuss erfordert; ähnlich wie zur Geburt eines Genies nach einer bekannten Ansicht einige Generationen von gesunden und ge- setzten Leuten erforderlich sind, so scheint es auch für die Aeusserung der Heterogenesis erforderlich, dass einige vorausgehende Generationen günstige Entwickelungsbedingungen geniessen. Darin stimmen die Meinungen aller Züchter vollkommen überein. Was aber den Mechanismus der Erscheinung selbst anbetrifft d. h. die unmittelbare Ursache der Entstehung heterogenetischer Ab- weichungen, so wird man annehmen müssen, dass dieselbe in irgend welchen Veränderungen liege, die in den Geschlechtsprodukten der Mutterpflanze, also im Pollen oder in der Samenanlage, vor sich gehen. Anzunehmen, dass sich dieselben vor der Befruchtung abspielen, geht nicht an, denn dann müsste die Natur der entstandenen Variationen nur auf die Hälfte verändert sein (d. h. wenn die veränderte Samenanlage von normalem Pollen bestäubt wird oder umgekehrt); dem widerspricht aber der einheitliche und stabile Charakter vieler heterogenetischer Variationen. Folglich ist es wahrscheinlicher, dass die Veränderungen in der Samenanlage während oder nach der Be- fruchtung eintreten. Was aber die Ursache dieser Veränderung ist, und weshalb sie, während sie auf eine Samenanlage einwirkt, ihren Einfluss nicht auf eine andere, in demselben Fruchtknoten befindliche Samenanlage erstreckt, das bleibt völlig unbegreiflich, wie noch manches andere in dieser geheimnissvollen Erscheinung. Litteraturverzeichniss. Ait. Hort. Kew. Aiton W., Hortus Kewensis, or & Catalogue of the plants i in: — III, 1789. cultivated in the Royal Garden at Kew. v. I ‚ı Allg. Gartenzeit, Otto Fr. und Dietrich, Allgemeine Gartenzeitung. Berlin 1833 -—- 1856, Ann. sc. nat, Annales des sciences naturelles. Botanique, FA la physiologie et la classification des vögetaux vivants et fossiles. comprenant l’anatomie, 358 Ann, soc. hort. Paris. Annales de la socidt6 royale d’hortieulture de Paris et journal sp6&cial de l’&tat et des progrös du jardinage. Paris 1827—1884. Arbor. Musc. Petzold E. und Kirchner G., Arboretum Musoaviense. Ueber die Entstehung und Anlage des Arboretum $. Kgl. 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Künstliche Befruchtungen, welche an Zierpflanzen deshalb vor- genommen wurden, um neue Farbenvarianten zu erzielen, waren die Veranlassung zu den Versuchen, die hier besprochen werden sollen. Die auffallende Regelmässigkeit, mit welcher dieselben Hybridformen immer wiederkehrten, so oft die Befruchtung zwischen gleichen Arten geschah, gab die Anregung zu weiteren Experimenten, deren Aufgabe es war, die Entwickelung der Hybriden in ihren Nachkommen zu verfolgen. Dieser Aufgabe haben sorgfältige Beobachter, wie Kölreuter, Gärtner, Herbert, Lecocq, Wichura u. A. einen Theil ihres Lebens mit unermüdlicher Ausdauer geopfert. Namentlich hat Gärt- ner in seinem Werke „Die Bastarderzeugung im Pflanzenreiche* sehr schätzbare Beobachtungen niedergelegt, und in neuester Zeit wurden von Wiehura gründliche Ursuchungen über die Bastarde der Weiden veröffentlicht. Wenn es noch nicht gelungen ist, ein allgemein giltiges Gesetz für die Bildung und Entwickelung der Hybriden auf- zustellen, so kann das Niemanden Wunder nehmen, der den Umfang der Aufgabe kennt und die Schwierigkeiten zu würdigen weiss, mit denen Versuche dieser Art zu kämpfen haben. Eine endgiltige Ent- scheidung kann erst.dann erfolgen, bis Detailversuche aus den verschiedensten Pflanzenfamilien vorliegen. Wer die Arbeiten auf diesem Gebiete überblickt, wird zu der Ueberzeugung gelangen, dass unter den zahlreichen Versuchen keiner in dem Umfange und in der Weise durchgeführt ist, dass es möglich wäre, die Anzahl der ver- schiedenen Formen zu bestimmen, unter welchen die Nachkommen der Hybriden auftreten, dass man diese Formen mit Sicherheit in den 2) Die Abhandlung Mendel’s über Pflanzenhybriden, welche in den Sitzungen des naturw. Vereins in Brünn vom 8. Februar und 8, März 1865 vorgelegt, in den „Verhandlungen“ dieses Vereins (IV. Bd. 1865, erschienen 1866) gedruckt wurde, ist den Botanikern lange unbekannt geblieben. De Vries, Correns und Andere haben neuerdings die Mendel’sche Abhandlung so zu sagen neu entdeckt und auf die erhebliche Bedeutung derselben hingewiesen. Der Herausgeber der „Flora*, glaubt den Lesern derselben einen Dienst zu erweisen, indem er die Mendel’sch® Abhandlung zum Abdruck bringt. K. 6. 365 einzelnen Generationen ordnen und die gegenseitigen numerischen Verhältnisse feststellen könnte. Es gehört allerdings einiger Muth dazu, sich einer so weit reichenden Arbeit zu unterziehen; indessen scheint es der einzig richtige Weg zu sein, auf dem endlich die Lösung einer Frage erreicht werden kann, welche für die Entwickelungsge- schichte der organischen Formen von nicht zu unterschätzender Be- deutung ist. Die vorliegende Abhandlung bespricht die Probe eines solchen Detailversuches. Derselbe wurde sachgemäss auf eine kleinere Pflan- zengruppe beschränkt und ist nun nach Verlauf von acht Jahren im Wesentlichen abgeschlossen. Ob der Plan, nach welchem die ein- zelnen Experimente geordnet und durchgeführt wurden, der gestellten Aufgabe entspricht, darüber möge eine wohlwollende Beurtheilung entscheiden. Auswahl der Versuchspflanzen. Der Werth und die Geltung eines jeden Experimentes wird dureh die Tauglichkeit der dazu benützten Ililfsmittel, sowie durch die zweckmässige Anwendung derselben bedingt. Auch in dem vorlie- genden Falle kann es nicht gleichgiltig sein, welche Pflanzenarten als Träger der Versuche gewählt und in welcher Weise diese durch- geführt wurden, Die Auswahl der Pflanzengruppe, welche für Versuche dieser Art dienen soll, muss mit möglichster Vorsicht geschehen, wenn man nicht in Vorhinein allen Erfolg in Frage stellen will. Die Versuchspflanzen müssen nothwendig 1. constant differirende Merkmale besitzen ; 2. die Hybriden derselben müssen während der Blüthezeit vor der Einwirkung jedes fremdartigen Pollens geschützt sein oder leicht geschützt werden können; 3. dürfen die Hybriden und ihre Nachkommen in den auf einander folgenden Generationen keine merkliche Störung in der Fruchtbarkeit erleiden. Fälschungen durch fremden Pollen, wenn solche im Verlaufe des Versuches vorkämen und nicht erkannt würden, müssten zu ganz irrigen Ansichten führen. Verminderte Fruchtbarkeit oder gänzliche Sterilität einzelner Formen, wie sie unter den Nachkommen vieler Hybriden auftreten, würden die Versuche sehr erschweren oder ganz vereiteln. Um die Beziehungen zu erkennen, in welchen die Hybrid- formen zu einander selbst und zu ihren Stammarten stehen, erscheint 366 es als nothwendig, dass die Glieder der Entwickelungsreihe in jeder einzelnen Generation vollzählig der Beobachtung unterzogen werden. Eine besondere Aufmerksamkeit wurde gleich anfangs den Le- guminosen wegen ihres eigenthümlichen Blüthenbaues zugewendet. Versuche, welche mit mehreren Gliedern dieser ‚Familie angestellt wurden, führten zu dem Resultate, dass das Genus Pisum den ge- stellten Anforderungen hinreichend entspreche. Einige ganz selbst- ständige Formen aus diesem Geschlechte besitzen constante, leicht und sicher zu unterscheidende Merkmale, und geben bei gegenseitiger Kreuzung in ihren Hybriden vollkommen fruchtbare Nachkommen. Auch kann eine Störung durch fremde Pollen nicht leicht eintreten, da die Befruchtungsorgane vom Schiffchen enge umschlossen sind und die Antheren schon in der Knospe platzen, wodurch die Narbe noch vor dem Aufblühen mit Pollen überdeckt wird. Dieser Umstand ist von besonderer Wichtigkeit. Als weitere Vorzüge verdienen noch Erwähnung die leichte Cultur dieser Pflanzen im freien Lande und in Töpfen, sowie die verhältnissmässig kurze Vegetationsdauer der- selben. Die künstliche Befruchtung ist allerdings etwas umständlich, gelingt jedoch fast immer. Zu diesem Zwecke wird die noch nicht voll- kommen entwickelte Knospe geöffnet, das Schiffchen entfernt und jeder Staubfaden mittelst einer Pincette behutsam herausgenommen, worauf dann die Narbe sogleich mit den fremden Pollen belegt werden kann. Aus mehreren Samenhandlungen wurden im Ganzen 34 mehr oder weniger verschiedene Erbsensorten bezogen und einer zweijährigen Probe unterworfen. Bei einer Sorte wurden unter einer grösseren Anzahl gleicher Pflanzen einige bedeutend abweichende Formen bemerkt. Diese varlirten jedoch im nächsten Jahre nicht und stimmten mit einer an- deren, aus derselben Samenhandlung bezogenen Art vollständig überein; ohne Zweifel waren die Samen bloss zufällig beigemengt. Alle an- deren Sorten gaben durchaus gleiche und eonstante Nachkommen, in den beiden Probejahren wenigstens war eine wesentliche Abänderung nicht zu bemerken. Für die Befruchtung wurden 22 davon ausge- wählt und jährlich während der ganzen Versuchsdauer angebaut. Sie bewährten sich ohne alle Ausnahme. Die systematische Einreihung derselben ist schwierig und un- sicher. Wollte man die schärfste Bestimmung des Artbegriffes in Anwendung bringen, nach welcher zu einer Art nur jene Individuen gehören, die unter völlig gleichen Verhältnissen auch völlig gleiche Merkmale zeigen, so könnten nicht zwei davon zu einer Art gezählt werden, Nach der Meinung der Fachgelehrten indessen gehört die 867 Mehrzahl der Species Pisum sativum an, während die übrigen bald als Unterarten von P. sativum, bald als selbständige Arten angesehen und geschrieben wurden, wie P. quadratum, P, saccharatum, P. umbel- latum, Uebrigens bleibt die Rangordnung, welche man denselben im Systeme gibt, für die in Rede stehenden Versuche völlig gleichgiltig. So wenig man eine scharfe Unterscheidungslinie zwischen Species und Varietäten zu ziehen vermag, eben so wenig ist es bis jetzt ge- lungen, einen gründlichen Unterschied zwischen den Hybriden der Species und Varietäten aufzustellen. Eintheilung und Ordnung der Versuche. Werden zwei Pflanzen, welche in einem oder mehreren Merk- malen constant verschieden sind, durch Befruchtung verbunden, so gehen, wie zahlreiche Versuche beweisen, die gemeinsamen Merkmale unverändert auf die Hybriden und ihre Nachkommen über; je zwei differirende hingegen vereinigen sich an der Hybride zu einem neuen Merkmale, welches gewöhnlich an den Nachkommen derselben Ver- änderungen unterworfen ist. Diese Veränderungen für je zwei diffe- rirende Merkmale zu beobachten und das Gesetz zu ermitteln, nach welchem dieselben in den auf einander folgenden Generationen ein- treten, war die Aufgabe des Versuches. Derseibe zerfällt daher in eben so viele einzelne Experimente, als constant differirende Merkmale an den Versuchspflanzen vorkommen. Die verschiedenen, zur Befruchtung ausgewählten Erbsenformen zeigten Unterschiede in der Länge und Färbung des Stengels, in der Grösse und Gestalt der Blätter, in der Stellung, Farbe und Grösse der Blüthen, in der Länge der Blüthenstiele, in der Farbe, Gestalt und Grösse der Hülsen, in der Gestalt und Grösse der Samen, in der Färbung der Samenschale und des Albumens. Ein Theil der ange- führten Merkmale lässt jedoch eine sichere und scharfe "Trennung nicht zu, indem der Unterschied auf einem oft schwierig zu bestimmen- den „Mehr oder Weniger“ beruht. Solche Merkmale waren für die Einzelversuche nicht verwendbar, diese konnten sich nur auf Charaktere beschränken, die an den Pflanzen deutlich und entschieden hervor- treten. Der Erfolg musste endlich zeigen, ob sie in hybrider Ver- einigung sämmtlich ein übereinstimmendes Verhalten beobachten, und ob daraus auch ein Urtheil über jene Merkmale möglich wird, welche eine untergeordnete typische Bedeutung haben. Die Merkmale, welche in die Versuche aufgenommen wurden, beziehen sich: 868 1. Auf den Unterschied in der Gestalt der reifen Samen. Diese sind entweder kugelrund oder rundlich, die Ein- senkungen, wenn welche an der Oberfläche vorkommen, immer nur seicht, oder sie sind unregelmässig kantig, tief runzlig (P. quadratum). 2. Auf den Unterschied in der Färbung des Samen- albumens (Endosperms). Das Albumen der reifen Samen ist ent- weder blassgelb, hellgelb und orange gefärbt, oder es besitzt eine mehr oder weniger intensiv grüne Farbe. Dieser Farbenunterschied ist an den Samen deutlich zu erkennen, da ihre Schalen durch- scheinend sind. 3. Auf den Unterschied in der Färbung der Samen- schale. Diese ist entweder weiss gefärbt, womit auch constant die weisse Blüthenfarbe verbunden ist, oder sie ist grau, graubraun, leder- braun mit oder ohne violetter Punktirung, dann erscheint die Farbe der Fahne violett, die der Flügel purpurn, und der Stengel an den Blattachseln röthlich gezeichnet. Die grauen Samenschalen werden im kochenden Wasser schwarzbraun, 4. Auf den Unterschied in der Form der reifen Hülse. Diese ist entweder einfach gewölbt, nie stellenweise verengt, oder sie ist zwischen den Samen tief eingeschnürt und mehr oder weniger runzlig (P. saceharatum). 5. Auf den Unterschied in der Farbe der unreifen Hülse. Sie ist entweder licht- bis dunkelgrün oder lebhaft gelb gefärbt, an welcher Färbung auch Stengel, Blattrippen und Kelch theilnehmen.') 6. Auf den Unterschied in der Stellung der Blüthen. Sie sind entweder axenständig, d. i. längs der Axe vertheilt, oder sie sind endständig, am Ende der Axe gehäuft und fast in eine kurze Trugdolde gestellt; dabei ist der obere Teil des Stengels im Quer- schnitte mehr oder weniger erweitert (P. umbellatum). 7. Auf den Unterschied in der Axenlänge. Die Länge der Axe ist bei einzelnen Formen sehr verschieden, jedoch für jede insofern ein constantes Merkmal, als dieselbe bei gesunden Pflanzen, die in gleichem Boden gezogen werden, nur unbedeutenden Aende- rungen unterliegt. Bei den Versuchen über dieses Merkmal wurde der sicheren Unterscheidung wegen stets die lange Axe von 67 mit der kurzen von ®J, bis 1'/,° verbunden. 1) Eine Art besitzt eine schöne braunrothe Hülsenfarbe, welche gegen die Zeit der Reife hin in Violett und Blau übergeht. Der Versuch über dieses Merkmal wurde erst im verflossenen Jahre begonnen. 369 In zwei von den angeführten differirenden Merkmalen wurden durch Befruchtung vereinigt. Für den 1. Versuch wurden 60 Befruchtungen an 15 Pflanzen vorgenommen. 2. , „58 10 ” ” ” 3. , „8 n 10, n 4. , „40 „ 0, n 5. ” ” 28 » 5 „ ” 6, „3% „ 10, „ T. ” » 37 ” 10 n n Von einer grösseren Anzahl Pflanzen derselben Art wurden zur Befruchtung nur die kräftigsten ausgewählt. Schwache Exemplare geben immer unsichere Resultate, weil schon in der ersten Generation der Hybriden und noch mehr in der folgenden manche Abkömmlinge entweder gar nicht zur Blüthe gelangen, oder doch wenige und schlechte Samen bilden. Ferner wurde bei sämmtlichen Versuchen die wechselseitige Kreu- zung durchgeführt, in der Weise nämlich, dass jene der beiden Arten, welche bei einer Anzahl Befruchtungen als Samenpflanze diente, bei der anderen als Pollenpflanze verwendet wurde. Die Pflanzen wurden auf Gartenbeeten, ein kleiner Theil in Töpfen gezogen und mittelst Stäben, Baumzweigen und gespannten Schnüren in der natürlichen aufrechten Stellung erhalten. Für jeden Versuel wurde eine Anzahl Topfpflanzen während der Blüthezeit in ein Ge- wächshaus gestellt, sie sollten für den Hauptversuch im Garten als Controle dienen bezüglich möglicher Störungen durch Insekten. Unter jenen, welche die Erbsenpflanze besuchen, könnte die Käferspecies Bruchus pisi dem Versuche gefährlich werden, falls sie in grösserer Menge erscheint. Das Weibchen dieser Art legt bekanntlich seine Eier in die Blüthe und öffnet dabei das Schiffehen; an den Tarsen eines Exemplares, welches in einer Blüthe gefangen wurde, konnten unter der Loupe deutlich einige Pollenzellen bemerkt werden. Es muss hier noch eines Umstandes Erwähnung geschehen, der möglicher- weise die Einmengung fremden Pollens veranlassen könnte. Es kommt nämlich in einzelnen seltenen Fällen vor, dass gewisse Theile der übrigens ganz normal entwickelten Blüthe verkümmern, wodurch eine theilweise Entblössung der Befruchtungsorgane herbeigeführt wird. So wurde eine mangelhafte Entwickelung des Schiffchens beobachtet, wobei Griffel und Antheren zum Theil unbedeckt blieben. Auch ge- schieht es bisweilen, dass der Pollen nicht zur vollen Ausbildung gelangt. In diesem Falle findet während des Blühens eine allmähliche Flora, Ergänzgsbd. 1901, 24 370 Verlängerung des Griffels statt, bis die Narbe an der Spitze des Schiffehens hervortritt. Diese merkwürdige Erscheinung wurde auch an Hybriden von Phaseolus und Lathyrus beobachtet. Die Gefahr einer Fälschung durch fremden Pollen ist jedoch bei Pisum eine sehr geringe und vermag keineswegs (das Resultat im grossen Ganzen zu stören. Unter mehr als 10000 Pflanzen, welche genauer untersucht wurden, kam der Fall nur einige wenige Male vor, dass eine Einmengung nicht zu bezweifeln war. Da im Gewächs- haus niemals eine solche Störung beobachtet wurde, liegt wohl die Vermuthung nahe, dass Bruchus pisi und vielleicht auch die angeführten Abnormitäten im Blüthenbau die Schuld daran tragen. Die Gestalt der Hybriden. Schon die Versuche, welche in früheren Jahren an Zierpflanzen vorgenommen wurden, lieferten den Beweis, dass die Hybriden in der Regel nicht die genaue Mittelform zwischen den Stammarten darstellen. Bei einzelnen mehr in die Augen springenden Merkmalen, wie bei solchen, die sich auf die Gestalt und Grösse der Blätter, auf die Be- haarung der einzelnen Theile u. s. w. beziehen, wird in der That die Mittelbildung fast immer ersichtlich; in anderen Fällen hingegen be- sitzt das eine der beiden Stanımmerkmale ein so grosses Uebergewicht, dass es schwierig oder ganz unmöglich ist, das andere an der Hybride aufzufinden. Ebenso verhält es sich mit den Hybriden bei Pisum. Jedes von den sieben Hybridenmerkmalen gleicht dem einem der beiden Stamm- merkmale entweder so vollkommen, dass das andere der Beobachtung entschwindet, oder ist demselben so ähnlich, dass eine sichere Unter- scheidung nicht stattfinden kann. Dieser Umstand ist von grosser Wichtigkeit für die Bestimmung und Einreihung der Formen, unter welchen die Nachkommen der Hybriden erscheinen. In der weiteren Besprechung werden jene Merkmale, welche ganz oder fast unver- ändert in die Hybrideverbindung übergehen, somit selbst die Hybriden- merkmale repräsentiren, als dominirende, und jene, welche in der Verbindung latent werden, als recessive bezeichnet. Der Aus- druck „recessiv“ wurde deshalb gewählt, weil die damit benannten Merkmale an den Hybriden zurücktreten oder ganz verschwinden, jedoch unter den Nachkommen derselben, wie später gezeigt wird, wieder unverändert zum Vorscheine kommen. ‚Es wurde ferner durch sämmtliche Versuche erwiesen, dass € völlig gleichgiltig ist, ob das dominirende Merkmal der Samen- oder 371 Pollenpflanze angehört; die Hybridform bleibt in beiden Fällen genau dieselbe. Diese interessante Erscheinung wird auch von Gärtner hervorgehoben, mit dem Bemerken, dass selbst der geübteste Kenner nicht im Stande ist, an einer Hybride zu unterscheiden, welche von den beiden verbundenen Arten die Samen- oder Pollenpflanze war. Von den differirenden Merkmalen, welche in die Versuche ein- geführt wurden, sind nachfolgende dominirend: 1. die runde oder rundliche Samenform mit oder ohne seichte Einsenkungen; 2. die gelbe Färbung des Samenalbumens; 3. die graue, graubraune oder lederbraune Farbe der Samen- schale, in Verbindung mit violett-rother Blühte und röthlicher Mackel in den Blattachseln; 4. die einfach gewölbte Form der Hülse; 5. die grüne Färbung der unreifen Hülse, in Verbindung mit der gleichen Farbe des Stengels, der Blattrippen und des Kelches; 6. die Vertheilung der Biüthen längs des Stengels; 7. das Längenmaass der grösseren Axe., Was das letzte Merkmal anbelangt, muss bemerkt werden, dass die längere der beiden Stammaxen von der Hybride gewöhnlich noch übertroffen wird, was vielleicht nur der grossen Ueppigkeit zuzu- schreiben ist, welche in allen Pflanzentheilen auftritt, wenn Axen von sehr verschiedener Länge verbunden sind. So z. B. gaben bei wieder- holtem Versuche Axen von 1’ und 6° Länge in hybrider Vereinigung ohne Ausnahme Axen, deren Länge zwischen 6 und 7'j.“ schwankte. Die Hybriden der Samenschale sind öfter mehr punktirt, auch fliessen die Punkte bisweilen in kleinere bläulich-violette Flecke zu- sammen. Die Punktirung erscheint häufig auch dann, wenn sie selbst dem Stammmerkmale fehlt. Die Hybridformen der Samengestalt und des Albumens entwickeln sich unmittelbar nach der künstlichen Befruchtung durch die blosse Einwirkung des fremden Pollens. Sie können daher schon im ersten Versuchsjahre beobachtet werden, während alle übrigen selbstverständlich erst im folgenden Jahre an jenen Pflanzen hervor- treten, welche aus den befruchteten Samen gezogen werden. Die erste Generation der Hybriden. In dieser Generation treten nebst den dominirenden Merk- malen auch die recessiven in ihrer vollen Eigenthünnlichkeit wieder 24* 972 auf, und zwar in dem entschieden ausgesprochenen Durchschnittsver- hältnisse 3:1, so dass unter je vier Pflanzen aus dieser Generation drei den dominirenden und eine den recessiven Charakter erhalten. Es gilt das ohne Ausnahme für alle Merkmale, welche in die Ver- suche aufgenommen waren. Die kantig runzlige Gestalt der Samen, die grüne Färbung des Albumens, die weisse Farbe der Samenschale und der Blüthe, die Einschnürungen an den Hülsen, die gelbe Farbe der unreifen Hülse, des Stengels, Kelehes und der Blattrippen, der trugdoldenförmige Blüthenstand und die zwergartige Axe kommen in dem angeführten numerischen Verhältnisse wieder zum Vorscheine ohne irgend einer wesentlichen Abänderung. Uebergangsformen wurden bei keinem Versuche beobachtet. Da die Hybriden, welche aus wechselseitiger Kreuzung hervor- gingen, eine völlige Gestalt besassen und auch in ihrer Weiterent- wickelung keine bemerkenswerthe Abweichung ersichtlich wurde, konnten die beiderseitigen Resultate für jeden Versuch unter eine Rechnung gebracht werden. Die Verhältnisszahlen, welche für je „wei differirende Merkmale gewonnen wurden, sind folgende: 1. Versuch. Gestalt der Samen. Von 253 Hybriden wurden im zweiten Versuchsjahre 7324 Samen erhalten. Darunter waren rund oder rundlich 5474, und kantig runzlig 1850 Samen. Daraus ergibt sich das Verhältnis 2,96: 1. 2. Versuch. Färbung des Albumens. 258 Pflanzen gaben 8023 Samen, 6022 gelbe und 2001 grüne; daher stehen jene zu diesem im Verhältnisse 8,01: 1. Bei diesen beiden Versuchen erhält man gewöhnlich aus jeder Hülse beiderlei Samen. Bei gut ausgebildeten Hülsen, welche durch- schnittlich 6—9 Samen enthielten, kam es öfter vor, dass sämmtliche Samen rund (Versuch 1) oder sämmtliche gelb (Versuch 2) waren; hingegen wurden mehr als fünf kantige und fünf grüne in einer Hülse niemals beobachtet. Es scheint keinen Unterschied zu machen, ob die Hülse sich früher oder später an der Hybride entwickelt, ob sie der Hauptaxe oder der Nebenaxe angehört. An einigen wenigen Pflanzen kamen in den zuerst gebildeten Hülsen nur einzelne Samen zur Entwickelung, und diese besassen dann ausschliesslich das eine der beiden Merkmale; in den später gebildeten Hülsen blieb jedoch das Verhältniss normal. So wie in einzelnen Hülsen, ebenso varlirt die Vertheilung der Merkmale auch bei einzelnen Pflanzen. Zur Veranschaulichung mögen die ersten 10 Glieder aus beiden Versuchs- reihen dienen. 373 1. Versuch. 2. Versuch. Gestalt der Samen Färbung des Albumens Pflanze rund kantig gelb grün 1 45 12 25 11 2 27 8 32 7 3 24 7 14 5 4 19 10 70 27 5 32 11 24 13 6 26 6 20 6 7 88 24 32 13 8 22 10 44 9 9 28 6 50 14 10 25 7 44 18 Als Extreme in der Vertheilung der beiden Samenmerkmale an einer Pflanze wurden beobachtet bei dem 1. Versuche 43 runde und nur 2 kantige, ferner 14 runde und 15 kantige Samen. Bei dem 2. Versuche 32 gelbe und nur 1 grüner Same, aber auch 20 gelbe und 19 grüne. Diese beiden Versuche sind wichtig für die Feststellung der mitt- leren Verhältnisszahlen, weil sie bei einer geringeren Anzahl von Ver- suchspflanzen sehr bedeutende Durchschnitte möglich machen. Bei der Abzählung der Samen wird jedoch, namentlich beim 2. Versuche, einige Aufmerksamkeit erfordert, da bei einzelnen Samen mancher Pflanzen die grüne Färbung des Albumens weniger entwickelt wird und anfänglich leicht übersehen werden kann. Die Ursache des theil- weisen Verschwindens der grünen Färbung steht mit dem Hybriden- charakter der Pflanzen in keinem Zusammenhange, indem dasselbe an der Stammpflanze ebenfalls vorkommt; auch beschränkt sich diese Eigenthümlichkeit nur auf das Individuum und vererbt sich nicht auf die Nachkommen. An luxurirenden Pflanzen wurde diese Erscheinung öfter beobachtet. Samen, welche während ihrer Entwickelung von Insek- ten beschädigt wurden, variiren oft in Farbe und Gestalt, jedoch sind bei einiger Uebung im Sortiren Fehler leicht zu vermeiden. Es ist fast über- flüssig, zu erwähnen, dass die Hülsen so lange an der Pflanze bleiben müssen, bis sie vollkommen ausgereift und trocken geworden sind, weil erst dann die Gestalt und Färbung der Samen vollständig entwickelt ist. 3. Versuch. Farbe der Samenschale. Unter 929 Pflanzen brachten 705 violett-rothe Blüthen und graubraune Samenschalen ; 224 hatten weisse Blüthen und weisse Samenschalen. Daraus ergibt sich das Verhältniss 3,15: 1. 374 4. Versuch. Gestalt der Hülsen. Von 1181 Pflanzen hatten 882 einfach gewölbte, 299 eingeschnürte Hülsen. Daher das Ver- hältniss 2,95 :1. 5. Versuch. Färbung der unreifen Hülse. Die Zahl der Ver- suchspflanzen betrug 580, wovon 428 grüne und 152 gelbe Hülsen besassen. Daher stehen jene zu diesen in dem Verhältnisse 2,82:1. 6. Versuch. Stellung der Blüthen. Unter 858 Fällen waren die Blüthen 651 Mal axenständig und 207 Mal endständig. Daraus das Verhältniss 3,14 :1. 7. Versuch. Länge der Axe. Von 1064 Pflanzen hatten 787 die lange, 277 die kurze Axe. Daher das gegenseitige Verhältniss 2,84:1. Bei diesem Versuche wurden die zwergartigen Pflanzen be- hutsam ausgehoben und auf eigene Beete versetzt. Diese Vorsicht war nothwendig, weil sie sonst mitten unter ihren hochrankenden Ge- schwistern hätten verkümmern müssen. Sie sind schon in der ersten Jugendzeit an dem gedrungenen Wuchse und den dunkelgrünen dicken „Blättern leicht zu unterscheiden. Werden die Resultate sämmtlicher Versuche zusammengefasst, s0 ergibt sich zwischen der Anzahl der Formen mit dem dominirenden und recessiven Merkmale das Durchschnittsverhältniss 2,98: 1 oder 3:1. Das dominirende Merkmal kann hier eine doppelte Bedeu- tung haben, nämlich die des Stammcharakters oder des Hybriden- merkmales. In welcher von beiden Bedeutungen dasselbe in jedem einzelnen Falle vorkommt, darüber kann nur die nächste Generation entscheiden. Als Stammmerkmal muss dasselbe unverändert auf sämm!- liche Nachkommen übergehen, als Hybridesmerkmal hingegen ein gleiches Verhalten wie in der ersten Generation beobachten. Die zweite Generation der Hybriden. Jene Formen, welche in der ersten Generation den recessiven Charakter erhalten, variiren in der zweiten Generation in Bezug auf diesen Charakter nicht mehr, sie bleiben in ihren Nachkommen constant. Anders verhält es sich mit jenen, welche in der ersten Generation das dominirende Merkmal besitzen. Von diesen geben zwei Theile Nachkommen, welche in dem Verhältnisse 3:1 das dominirende und recessive Merkmal an sich tragen, somit genau dasselbe Verhalten zeigen, wie die Hybridformen; nur ein Theil bleibt mit dem domini- renden Merkmale constant. Die einzelnen Versuche lieferten nachfolgende Resultate: 375 1. Versuch. Unter 565 Pflanzen, welche aus runden Samen der ersten Generation gezogen wurden, brachten 193 wieder nur runde Samen und blieben demnach in diesem Merkmale constant; 372 aber gaben runde und kantige Samen zugleich, in dem Verhältnisse 3:1. Die Anzahl der Hybriden verhielt sich daher zu der Zahl der Con- stanten wie 1,93:1. 2. Versuch. Von 519 Pflanzen, welche aus Samen gezogen wurden, deren Albumen in der ersten Generation die gelbe Färbung hatte, gaben 166 ausschliesslich gelbe, 353 aber gelbe und grüne Samen in dem Verhältnisse 3:1. Es erfolgte daher eine Theilung in hybride und constante Formen nach dem Verhältnisse 2,13: 1. Für den einzelnen von den nachfolgenden Versuchen wurden 100 Pflanzen ausgewählt, welche in der ersten Generation das domi- nirende Merkmal besassen, und um die Bedeutung desselben zu prüfen, von jeder 10 Samen angebaut. 8. Versuch. Die Nachkommen von 36 Pflanzen brachten aus- schliesslich graubraune Samenschalen; von 64 Pflanzen wurden theils graubraune, theils weisse erhalten. 4. Versuch. Die Nachkommen von 29 Pflanzen hatten nur einfach gewölbte Hülsen, von 71 hingegen theils gewölbte, theils ein- geschnürte. 5. Versuch. Die Nachkommen von 40 Pflanzen hatten bloss grüne Hülsen, die von 60 Pflanzen theils grüne, theils gelbe. 6. Versuch. Die Nachkommen von 33 Pflanzen hatten bloss axenständige Blüthen, bei 67 hingegen waren sic theils axenständig, theils endständig. 7. Versuch. Die Nachkommen von 28 Pflanzen erhielten die lange Axe, die von 72 Pflanzen theils die lange, theils die kurze. Bei jedem dieser Versuche wird eine bestimmte Anzahl Pflanzen mit dem dominirenden Merkmale constant. Für die Beurtheilung des Verhältnisses, in welchem die Ausscheidung der Formen mit dem constant bleibenden Merkmale erfolgt, sind die beiden ersten Ver- suche von besonderem Gewichte, weil bei diesen eine grössere Anzahl Pflanzen verglichen werden konnte. Die Verhältnisse 1,98:1 und 2,13: 1 geben zusammen fast genau das Durchschnittsverhältniss 2: 1. Der 6. Versuch hat ein ganz übereinstimmendes Resultat, bei den anderen schwankt das Verhältniss mehr oder weniger, wie es bei der geringen Anzahl von 100 Versuchspflanzen nicht anders zu erwarten war. Der 5. Versuch, welcher die grösste Abweichung zeigte, wurde , s]tni : das Verhältnis wiederholt, und dann, statt des Verhältnisses 60:40, da 376 65:35 erhalten. Das Durchschnittsverhältniss 2:1 er- scheint demnach als gesichert. Es ist damit erwiesen, dass von jenen Formen, welche in der ersten Generation das dominirende Merkmal besitzen, zwei Theile den hybriden Charakter an sich tragen, ein Theil aber mit dem domiuirenden Merkmale constant bleibt. Das Verhältniss 3:1, nach welchem die Vertheilung des domini- renden und recessiven Charakters in der ersten Generation erfolgt, löst sich demnach für alle Versuche in die Verhältnisse 2:1:1 auf, wenn man zugleich das dominirende Merkmal in seiner Bedeutung als hybrides Merkmal und als Stammcharakter unterscheidet. Da die Glieder der ersten Generation unmittelbar aus den Samen der Hybri- den hervorgehen, wird esnun ersichtlich, dass die Hybriden je zweier differirender Merkmale Samen bilden, von denen dieeine Hälfte wiederdieHybridformentwickelt, während die andere Pflanzen gibt, welche constant bleiben, und zu gleichen Theilen den dominirenden und recessiven Charakter erhalten. Die weiteren Generationen der Hybriden. Die Verhältnisse, nach welchen sich die Abkömmlinge der Hybri- den in der ersten und zweiten Generation entwickeln und theilen, gelten wahrscheinlich für alle weiteren Geschlechter. Der 1. und 2. Versuch sind nun schon durch sechs Generationen, der 3. und 7. durch fünf, der 4., 5., 6. durch vier Generationen durchgeführt, ob- wohl von der 3. Generation angefangen mit einer kleinen Anzahl Pflanzen, ohne dass irgend welche Abweichung bemerkbar wäre. Die Nachkommen der Hybriden theilten sich in jeder Generation nach den Verhältnissen 2:1:1 in Hybride und constante Formen. Bezeichnet A das eine der beiden constanten Merkmale, z. B. das dominirende, a das recessive, und Aa die Hybridform, in welcher beide vereinigt sind, so ergibt der Ausdruck: A+24Aa--a die Entwickelungsreihe für die Nachkommen der Hybriden je zweier differirender Merkmale. Die von Gärtner, Kölreuter u. A. gemachte Wahrnehmung, dass Hybriden die Neigung besitzen zu den Stammarten zurückzu- kehren, ist auch durch die besprochenen Versuche bestätigt. Es lässt sich zeigen, dass die Zahl der Hybriden, welche aus einer Befruch- tung stammen, gegen die Anzahl der constant ‚gewordenen Formen und ihrer Nachkommen von Generation zu Generation um ein Be- PRESSEN 877 deutendes zurückbleibt, ohne dass sie jedoch ganz verschwinden könnten. Nimmt man durchschnittlich für alle Pflanzen in allen Ge- nerationen eine gleich grosse Fruchtbarkeit an, erwägt ınan ferner, dass jede Hybride Samen bildet, aus denen zur Hälfte wieder Hybriden hervorgehen, während die andere Hälfte mit beiden Merkmalen zu gleichen Thheilen constant wird, so ergeben sich die Zahlenverhältnisse für die Nachkommen in jeder Generation aus folgender Zusammen- stellung, wobei A und a wieder die beiden Stammmerkmale und 4a die Hybridform bezeichnet, Der Kürze wegen möge die Annahme gelten, dass jede Pflanze in jeder Generation nur vier Samen bildet. In Verhältniss gestellt: Generation A 4a @ A:da: a 1 1 2 i l: 2: 1 2 6 4 6 3: 2:38 3 28 8 28 1: 2:7 4 120 16 120 15: 2:15 5 496 32 496 81: 2:31 n 27 _1: 2:22 —1 In der 10. Generation z. B, ist 2”—1= 1023. Es gibt somit unter je 2048 Pflanzen, welche aus dieser Generation hervorgehen, 1023 mit dem constanten dominirenden, 1023 mit dem recessiven Merkmale und nur zwei Hybriden. Die Nachkommen der Hybriden, in weichen mehrere diferirende Merkmale verbunden sind. Für die eben besprochenen Versuche wurden Pflanzen verwendet, welche nur in einem wesentlichen Merkmale verschieden waren. Die nächste Aufgabe bestand darin, zu /untersuchen, ob das gefundene Entwickelungsgesetz auch dann für je zwei differirende Merkmale gelte, wenn mehrere verschiedene Charaktere durch Befruchtung in der Iiybride vereinigt sind. Was die Gestalt der Hybriden in diesem Falle anbelangt, zeig- ten die Versuche übereinstimmend, dass dieselbe stets jener der beiden Stammpflanzen näher steht, welche die grössere Anzahl von domini- renden Merkmalen besitzt. Hat z. B. die Samenpflanze eine kurze Axe, endständige weisse Blüthen und einfach gewölbte Hülsen ; die Pollenpflanze hingegen eine lange Axe, axenständige violett-rothe Blüthen und eingeschnürte Hülsen, so erinnert die Ilybride nur durch die Hülsenform an die Samenpflanze, in den übrigen Merkmalen stimmt sie mit der Pollenpflanze überein. Besitzt eine der beiden Stamm- 378 arten nur dominirende Merkmale, dann ist die Hybride von derselben kaum oder gar nieht zu unterscheiden. Mit einer grösseren Anzahl Pflanzen wurden zwei Versuche durchgeführt. Bei dem ersten Versuche waren die Stammpflanzen in der Gestalt der Samen und in der Färbung des Albumens verschieden; bei dem zweiten in der Gestalt der Samen, in der Färbung des Al- bumens und in der Farbe der Samenschale. Versuche mit Samen- merkmalen führen am einfachsten und sichersten zum Ziele. Um eine leichtere Uebersicht zu gewinnen, werden bei diesen Ver- suchen die differirenden Merkmale der Samenpflanze mit A, B, C, jene der Polienpflanze mit a, b, c und die Hybridformen dieser Merk- male mit Aa, Bb, Cc bezeignet. Erster Versuch: AB Samenpflanze, ab Pollenpflanze, A Gestalt rund, a Gestalt kantig, B Albumen gelb, b Albumen grün. Die befruchteten Samen erschienen rund und gelb, jenen der Samenpflanze ähnlich. Die daraus gezogenen Pflanzen gaben Samen von viererlei Art, welche oft gemeinschaftlich in einer Hülse lagen. Im Ganzen wurden von 15 Pflanzen 556 Samen erhalten, von diesen waren: 315 rund und gelb, 101 kantig und gelb, 108 rund und grün, 32 kantig und grün. Alle wurden im nächsten Jahre angebaut. Von den runden gelben Samen gingen 11 nicht auf und 3 Pflanzen kamen nicht zur Frucht- bildung. Unter den übrigen Pflanzen hatten: 38 runde gelbe Samen . . . nenn. AB 65 runde gelbe und grüne Samen . . Denn. ABb 60 runde gelbe und kantige gelbe Samen . . . . . AaB 138 runde gelbe und grüne, kantige gelbe und grüne Samen AaBb Von den kantigen gelben Samen kamen 96 Pflanzen zur Frucht- bildung, wovon 28 nur kantige gelbe Samen hatten . . . aB 68 kantige, gelbe und grüne Samen . . . aBb Von 108 runden grünen Samen brachten 102 Pflanzen Früchte, davon hatten: 35 nur runde grüne Samen. . . . .. . 4b 67 runde und kantige grüne Samen . . . - Aab Die kantigen grünen Samen gaben 30 Pflanzen mit durchaus gleichen Samen; sie blieben constant. . . 2 22... ab 379 Die Nachkommen der Hybriden erscheinen demnach unter neun verschiedenen Formen und zum Theile in sehr ungleicher Anzahl. Man erbält, wenn dieselben zusammengestellt und geordnet werden: 38 Pflanzen mit der Bezeichnung AB. 5, , „ Ab. 28 „ n n aB. 0, , , ab. 65 „ n » ABb. 8, , , aBb. 60 n n n AaB. 67 » n „ Aab. 138 AaBb. ” ” Sämmtliche Formen lassen sich in drei wesentlich verschiedene Abtheilungen bringen. Die erste umfasst jene mit der Bezeichnung AB, Ab, aB, ab; sie besitzen nur constante Merkmale und ändern sich in den nächsten Generationen nicht mehr. Jede dieser Formen ist durchschnittlich 33 Mal vertreten. Die zweite Gruppe enthält die Formen ABb, aBb, AaB, Aab,; diese sind in einem Merkmale con- stant, in dem anderen hybrid, und variiren in der nächsten Generation nur hinsichtlich des hybriden Merkmales. Jede davon erscheint im Durchschnitte 65 Mal. Die Form AaBb kommt 138 Mal vor, ist in beiden Merkmalen hybrid, und verhält sich genau so, wie die Hybryde, von der sie abstammt. Vergleicht man die Anzahl, in welchen die Formen dieser Ab- theilungen vorkommen, so sind die Durchschnittsverhältnisse 1:2: 4 nicht zu verkennen. Die Zahlen 33, 65, 138 geben ganz günstige Annäherungswerthe an die Verhältnisszahlen 33, 66, 132. Die Entwickelungsreihe besteht demnach aus neun Gliedern. Vier davon kommen in derselben je einmal vor und sind in beiden Merkmalen constant; die Formen AB, ab gleichen den Stammarten, die beiden anderen stellen die ausserdem noch möglichen constanten Combinationen zwischen den verbundenen Merkmalen A, a, B, b vor. Vier Glieder kommen je zwei Mal vor und sind in einem Merkmale constant, in dem anderen hybrid. Ein Glied tritt vier Mal auf und ist in beiden Merkmalen hybrid. Daher entwickeln sich die Nach- kommen der Hybriden, wenn in denselben zweierlei differirende Merk- male verbunden sind, nach dem Ausdrucke: Br AB-+ Ab+ aB-+ab+2 ABb+2aBb--2 AaB +2 Aab + 4 da . Diese Entwickelungsreihe ist unbestritten eine Combinationsreihe, in welcher die beiden Entwickelungsreihen für die Merkmale A und a, 380 B und 5 gliedweise verbunden sind. Man erhält die Glieder der Reihe vollzählig durch die Combinirung der Ausdrücke: A+24Aa-+ a B+2Bb+b Zweiter Versuch: ABC Samenpflanze, abc Pollenpflanze. A Gestalt rund, a Gestalt kantig. B Albumen gelb, b Albumen grün. € Schale graubraun, c Schale weiss. Dieser Versuch wurde in ganz ähnlicher Weise wie der voran- gehende durchgeführt. Er nahm unter allen Versuchen die meiste Zeit und Mühe in Anspruch. Von 24 Hybriden wurden im Ganzen 687 Samen erhalten, welche sämmtlich punktirt, graubraun oder grau- grün gefärbt, rund oder kantig waren. Davon kamen im folgenden Jahre 639 Pflanzen zur Fruchtbildung, und wie die weiteren Unter- suchungen zeigten, befanden sich darunter: 8 Pflanzen ABC 22 Pflanzen ABCc 45 Pflanzen ABbCe 14 n ABec 17 „ AbCe 36 „ aBbCe 9 n AbC 25 » aBCc 38 „ AaBCe 11 n Abc 20 » abCc 40 „ AabCe 8 „ aBC 15 n ABbC 49 » AaBhC 10 » aBe 18 » ABbe 48 ri AaBbe 10 „ abl 19 „ aBbC 7 » abe 24 „ aBbe 14 n AaBl 78 „ AaBbÜec 18 „ AaBe 20 „ AabC 16 Aabe ” Die Entwickelungsreihe umfasst 27 Glieder. Davon sind 8 in allen Merkmalen constant, und jede kommt durchschnittlich 10 Mal vor; 12 sind in zwei Merkmalen constant, in dem dritten hybrid, jede erscheint im Durchschnitte 19 Mal; 6 sind sind in einem Merkmale constant, in den beiden anderen hybrid, jede davon tritt durchschnitt- lich 43 Mal auf; eine Form kommt 78 Mal vor und ist in sämmtlichen Merkmalen hybrid. Die Verhältnisse 10:19:43:78 kommen den Verhältnissen 10:20:40:80 oder 1:2:4:8 so nahe, das letztere ohne Zweifel die richtigen Werthe darstellen. Die Entwickelung der Hybriden, wenn ihre Stammarten in drei Merkmalen verschieden sind, erfolgt daher nach dem Ausdrucke: ABC-+ ABc+ AbC+ Abe+ aBC-HaBe + ab + abe +2 ABCe+ 2 AbCe-+2aBCc+2abCce +2 ABbC+2% ABbe+2aBbC +2 aBbc+ 381 2 AaBC+2 AaBc+2AabC+2 Aabe +4ABbCe+4aBbCc+4AaBCc+ 4 AabCc + 4 AaBbC -H 4 AaBbe +8 AaBble. Auch hier liegt eine Combinationsreihe vor, in welcher die Ent- wickelungsreihe für die Merkmale A und a, B und b, € und e mit einander verbunden sind. Die Ausdrücke: A+2Aa-+a B+2Bb-+b C+2Ce-+e geben sämmtliche Glieder der Reihe. Die constanten Verbindungen, welche in derselben vorkommen, entsprechen allen Combinationen, welche zwischen den Merkmalen A, B, C, a, b, c möglich sind; zwei davon, ABC und abc gleichen den beiden Stammpflanzen. Ausserdem wurden noch mehrere Experimente mit einer geringeren Anzahl Versuchspflanzen durchgeführt, bei welchen die übrigen Merk- male zu zwei und drei hybrid verbunden waren; alle lieferten an- nähernd gleiche Resultate. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass für sämmtliche in die Versuche aufgenommenen Merkmale der Satz Giltigkeit habe: die Nachkommen der Hybriden, in welchen mehrere wesentlich verschiedene Merkmale vereinigt sind, stellen die Glieder einer Oombinationsreihe vor, in welchen die Entwickelungsreihen für je zwei diffe- rirende Merkmale verbunden sind. Damit ist zugleich er- wiesen, dass das Verhalten je zweier differirender Merk- male in hybrider Verbindung unabhängig ist von den anderweitigen Unterschieden an den beiden Stamm- pflanzen. Bezeichnet n die Anzahl der charakteristischen Unterschiede an den beiden Stammpflanzen, so gibt 3” die Gliederzahl der Combina- tionsreihe, 4° die Anzahl der Individuen, welche in die Reihe ge- hören, und 2” die Zahl der Verbindungen, welche constant bleiben. So enthält z. B. die Reihe, wenn die Stammarten in vier Merkmalen verschieden sind, 3* = 81 Glieder, 4* = 256 Individuen und 2*= 16 constante Formen; oder was dasselbe ist, unter je 256 Nachkommen der Hybriden gibt es 81 verschiedene Verbindungen, von denen 16 constant sind. Alle constanten Verbindungen, welche bei Pisum durch Combi- nirung der angeführten sieben charakterischen Merkmale möglich sind, wurden durch wiederholte Kreuzung auch wirklich erhalten. Ihre Zahl ist durch 2?’ —= 128 gegeben. Damit ist zugleich der fac- 282 tische Beweis geliefert, dass constante Merkmale, welche an verschiedenen Formen einer Pflanzensippe vorkommen, auf dem Wege der wiederholten künstlichen Befruch- tung in alle Verbindungen treten können, welche nach den Regeln der Combination möglich sind. Ueber die Blüthezeit der Hybriden sind die Versuche noch nicht abgeschlossen. So viel kann indessen schon angegeben werden, dass dieselbe fast genau in der Mitte zwischen jener der Samen- und Pollen- pflanze steht, und die Entwickelung der Hybriden bezüglich dieses e Merkmales wahrscheinlich in der nämlichen Weise erfolgt, wie es für die übrigen Merkmale der Fall ist. Die Formen, welche für Versuche dieser Art gewählt werden, müssen in der mittleren Blüthezeit wenig- stens um 20 Tage verschieden sein; ferner ist nothwendig, dass die Samen beim Anbaue alle gleich tief in die Erde versenkt werden, um ein gleichzeitiges Keimen zu erzielen, dass ferner während der ganzen Blüthezeit grössere Schwankungen in der Temperatur und die dadurch bewirkte theilweise Beschleunigung oder Verzögerung des Aufblühens in Rechnung gezogen werden. Man sieht, dass dieser Versuch mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden hat und grosse Aufmerksamkeit erfordert. Versuchen wir, die gewonnenen Resultate kurz zusammenzufassen, so finden wir, dass jene differirenden Merkmale, welche an den Ver- suchspflanzen eine leichte und sichere Unterscheidung zulassen, in hybrider Vereinigung ein völlig übereinstimmendes Verhal- ten beobachten. Die Nachkommen der Hybriden je zweier diffe- rirender Merkmale sind zur Hälfte wieder Hybriden, während die andere Hälfte zu gleichen Theilen mit dem Charakter der Samen- und Pollenpflanze constant wird. Sind mehrere differirende Merkniale durch Befruchtung in einer Hybride vereinigt, so bilden die Nach- kommen derselben die Glieder einer Combinationsreihe, in welcher die Entwickelungsreihen für je zwei differirende Merkmale vereinigt sind. Die vollkommene Uebereinstimmung, welche sämmtliche, dem Versuche uuterzogenen Charaktere zeigen, erlaubt wohl und recht- fertigt die Annahme, dass auch ein gleiches Verhalten den übrigen Merkmalen zukomme, welche weniger scharf an den Pflanzen hervor- treten, und deshalb in die Einzelversuche nicht aufgenommen werden konnten. Ein Experiment über Blüthenstiele von verschiedener Länge gab im Ganzen ein ziemlich befriedigendes Resultat, obgleich die Un- terscheidung und Einreihung der Formen nicht mit jener Sicherheit erfolgen kunnte, welche für correete Versuche unerlässlich ist, 388 Die Befruchtungszellen der Hybriden. Die Resultate, zu welchen die vorausgeschickten Versuche führ- ten, veranlassten weitere Experimente, deren Erfolg geeignet erscheint, Aufschlüsse über die Beschaffenheit der Keim- und Pollenzellen der Hybriden zu geben. Finen wichtigen Anhaltspunkt bietet bei Pisum der Umstand, dass unter den Nachkommen der Hybriden eonstante Formen auftreten, nnd zwar in allen Combinirungen der verbundenen Merkmale. Soweit die Erfahrung reicht, finden wir es überall be- stätigt, dass constante Nachkommen nur dann gebildet werden können, wenn die Keimzellen und der befruchtende Pollen gleichartig, somit beide mit der Anlage ausgerüstet sind, völlig gleiche Individuen zu beleben, wie das bei der normalen Befruchtung der reinen Arten der Fall ist. Wir müssen es daher als nothwendig erachten, dass auch bei Erzeugung der constanten Formen an der Hybridpflanze vollkommen gleiche Factoren zusammenwirken. Da die verschiedenen eonstanten Formen an einer Pflanze, ja in einer Blüthe derselben erzeugt werden, erscheint die Aunahme folgerichtig, dass in den Fruchtknoten der Hybriden so vielerlei Keimzellen (Keimbläschen) und in den An- theren so vielerlei Pollenzellen gebildet werden, als constante Combinationsformen möglieh sind, und dass diese Keim- und Pollen- zellen ihrer inneren Beschaffenheit nach den einzelnen Formen ent- sprechen, In der That lässt sich auf theoretischem Wege zeigen, dass diese Annahme vollständig ausreichen würde, um die Entwickelung der Hybriden in den einzelnen Generationen zu erklären, wenn man zu- gleich vorraussetzen dürfte, dass die verschiedenen Arten von Keim- und Pollenzellen au der Hybride durchschnittlich in gleicher Anzahl gebildet werden. Um diese Voraussetzungen auf experimentellem Wege einer Prüfung zu unterziehen, wurden folgende Versuche ausgewählt: Zwei Formen, welche in der Gestalt der Samen und in der Färbung des Albumens eonstant verschieden waren, wurden durch Befruchtung verbunden, Werden die differirenden Merkmale wieder mit A, B, a, b bezeich- net, so war: AB Samenpflanze, ab Pollenpflanze. A Gestalt rund, a Gestalt kantig. B Albumen gelb, b Albumen grün. Die künstlich befruchteten Samen wurden sammt mehreren Samen der beiden Stammpflanzen angebaut, und davon die kräftigsten Exem- plare für die wechselseitige Kreuzung bestimmt. Befruchtet wurde: 384 1. Die Hybride mit dem Pollen von AB. 2. Die Hybride „ „ „ „ ob. 3. AB vn „ der Hybride. 4, ab » m „ der Hybride. Für jeden von diesen vier Versuchen wurden an drei Pflanzen sämmtliche Blüthen befruchtet. War die obige Annahme richtig, so mussten sich an den Hybriden Keim- und Pollenzellen von den Formen AB, Ab, aB, ab entwickeln, und es wurden verbunden: 1. Die Keimzellen AB, Ab, aB, ab mit den Pollenzellen AB. 2. » AB, Ab, aB, ab n ab. 3. „ AB „ AB, Ab, aB, ab. 4. „ ab „ AB, Ab, aB, ab. Aus jedem von diesen Versuchen konnten dann nur folgende Formen hervorgehen: 1. AB, ABb, AaB, AaBb,. 2. AaBb, Aab, aBb, ab. 3. AB, ABb, AaB, AaBb, 4. AaBb, Aab, aBb, ab. Wurden ferner die einzelnen Formen der Keim- und Pollenzellen von der Hybride durchschnittlich in gleicher Anzahl gebildet, so mussten bei jedem Versuche die angeführten vier Verbindungen in numerischer Beziehung gleich stehen. Eine vollkommene Ueberein- stimmung der Zahlenverhältnisse war indessen nicht zu erwarten, da bei jeder Befruchtung, auch bei der normalen, einzelne Keimzellen unentwickelt bleiben oder später verkümmern, und selbst manche von den gut ausgebildeten Samen nach dem Anbaue nicht zum Keimen gelangen. Auch beschränkt sich die gemachte Voraussetzung darauf, dass bei der Bildung der verschiedenartigen Keim- und Pollenzellen die gleiche Anzahl angestrebt werde, ohne dass diese an jeder ein- zelnen Hybride mit mathematischer Genauigkeit erreicht werden müsste. Der erste und zweite Versuch hatten vorzugsweise den Zweck, die Beschaffenheit der hybriden Keimzellen zu prüfen, so wie der dritte und vierte Versuch über die Pollenzellen zu entscheiden hatte. Wie aus der obigen Zusammenstellung hervorgeht, mussten der erste und dritte Versuch, ebenso der zweite und vierte ganz gleiche Verbindungen liefern, auch sollte der Erfolg schon im zweiten Jahre an der Gestalt und Färbung der künstlich befruchteten Samen theilweise ersichtlich sein. Bei dem ersten und dritten Versuche kommen die dominirenden Merkmale der Gestalt und Farbe A und B in jeder Verbindung vor, und zwar zum Theile constant, zum Theile 385 in 'hybrider Vereinigung mit den recessiven Characteren a und b, weshalb sie sämmtlichen Samen ihre Eigenthümlichkeit aufprägen müssen. Alle Samen sollten daher, wenn die Voraussetzung eine richtige war, rund und gelb erscheinen. Bei dem zweiten und vierten Versuche hingegen ist eine Verbindung hybrid in Gestalt und Farbe, daher sind die Samen rund und gelb; eine andere ist hybrid in der Gestalt und constant in dem recessiven Merkmale der Farbe, daher die Samen rund und grün; die dritte ist constant in dem recessiven Merkmale der Gestalt und hybrid in der Farbe, daher die Samen kantig und gelb; die vierte ist constant in beider recessiven Merk- malen, daher die Samen kantig und grün. Bei diesen beiden Ver- suchen waren daher viererlei Samen zu erwarten, nämlich: runde gelbe, runde grüne, kantige gelbe, kantige grüne. Die Ernte entsprach den gestellten Anforderungen vollkommen. Es wurden erhalten bei dem l. Versuche 98 ausschliesslich runde gelbe Samen; 3. ” 94 ” ” » ” 2. Versuche 31 runde gelbe, 26 runde grüne, 27 kantige gelbe, 26 kantige grüne Samen; 4. Versuche 24 runde gelbe, 25 runde grüne, 22 kantige gelbe, 27 kantige grüne Samen. An einem günstigen Erfolge war nun kaum mehr zu zweifeln, die nächste Generation müsste die endgiltige Entscheidung bringen. Von den angebauten Samen kamen im folgenden Jahre bei dem ersten Versuche 90, bei dem dritten 87 Pflanzen zur Fruchtbildung; von diesen brachten bei dem Versuche 1. 3. 20 25 runde gelbe Sammen . . » 2... 0... AB. 23 19 runde gelbe und grüne Samen. . . ... .. . ABb. 25 22 runde und kantige gelbe Samen . . . . . . AaB. 22 21 runde und kantige, gelbe und grüne Samen . . AaBb. Bei dem zweiten und vierten Versuche gaben die runden und gelben Samen Pflanzen mit runden und kantigen, gelben und grünen Samen . . . 2 2 200 = AaBh. Von den runden grünen Samen wurden Pflanzen erhalten mit runden und kantigen grünen Samen Aab, Die kantigen gelben Samen gaben Pflanzen mit kantigen BR gelben und grünen Samen Flora, Ergänzgsbd. 1901. 25 386 Aus den kantigen grünen Samen wurden Pflanzen ge- zogen, die wieder nur kantige grüne Samen brachten. . . ab. Obwohl auch bei diesen beiden Versuchen einige Samen nicht keimten, konnte dadurch in den schon im vorhergehenden Jahre ge- fundenen Zahlen nichts geändert werden, da jede Samenart Pflanzen gab, die in Bezug auf die Samen unter sich gleich und von den anderen verschieden waren. Es brachten daher: 2. Versuch. 4. Versuch. 31 24 Pflanzen Samen von der Form AaBb. 26 25 n „ »n „ Aab. 27 22 n „ on „ aBb. 26 27 n n on » ab. Bei allen Versuchen erschienen daher sämmtliche Formen, welche die gemachte Voraussetzung verlangte, und zwarin nahezu gleicher Anzahl. Bei einer weiteren Probe wurden die Merkmale der Blüthen- farbe und Axenlänge in die Versuche aufgenommen, und die Auswahl so getroffen, dass im dritten Versuchsjahre jedes Merkmal an der Hälfte sämmtlicher Pflanzen hervortreten musste, falls die obige Annahme ihre Richtigkeit hatte. A, B, a, b dienen wieder zur Bezeichnung der verschiedenen Merkmale. 4 Blüthen violett-roth, a Blüthen weiss. B Axe lang, b Axe kurz. Die Form Ab wurde befruchtet mit ab, woraus die Hybride Aab hervorging. Ferner wurde befruchtet aB gleichfalls mit ab, daraus die Hybride aBb. Im zweiten Jahre wurde für die weitere Befruch- tung die Hybride Aab als Samenpflanze, die andere aBb als Pollen- pflanze verwendet. Samenpflanze Aab, Pollenpflanze aBb. Mögliche Keimzellen Ab, ab, Pollenzellen aB, ab. Aus der Befruchtung zwischen den möglichen Keim- und Pollen- zellen mussten vier Verbindungen hervorgehen, nämlich: AaBb-HaBb-+ Aab-+ ab. Daraus wird ersichtlich, dass nach obiger Voraussetzung im dritten Versuchsjahre von sämmtlichen Pflanzen die Hälfte violett-rothe Blüthen haben sollte (Au) . Glieder: 1.3 » weisse Blüthe (a) . . . 2 2 2 20. » 2.4 eine lange Axe (Bb). . . . 2.2 .. » 1.2 » eine kurze Axe (b) . . . 2... 3.4 Aus 45 Befruchtungen des zweiten Jahres wurden 187 Samen erhalten, wovon im dritten Jahre 166 PHanzen zur Blüthe gelangten. 987 Darunter erschienen die einzelnen Glieder in folgender Anzahl: Glied: Blüthenfarbe: Axe: 1 wviolett-roth lang . . . 47mal 2 weiss lang . . . 40, 3 violett-roth kurz . . . 38, 4 weiss kurz ... AM, Es kam daher die violett-rothe Blüthenfarbe (Aa) an 85 Pflanzen vor » weisse „ (a) „ 83 „ " „ lange Axe (B) „ 8 „ » n kurze n (6) „ 79 " n Die aufgestellte Ansicht findet auch in diesem Versuche eine ausreichende Bestätigung. Für die Merkmale der Hülsenform, Hülsenfarbe und Blüthenstellung wurden ebenfalls Versuche im Kleinen angestellt und ganz gleich stimmende Resultate erhalten. Alle Verbindungen, welche durch die Vereinigung der verschiedenen Merkmale möglich wurden, erschienen pünktlich und in nahezu gleicher Anzahl. Es ist daher auch auf experimentellem Wege die Annahme ge- rechtfertigt, dass die Erbsenhybriden Keim- und Pollen- zellen bilden, welche ihrer Beschaffenheit nach in gleicher Anzahl allen constanten Formen entsprechen, welche aus der Combinirung der durch Befruchtung vereinigten Merkmale hervorgehen. Die Verschiedenheit der Formen unter den Nachkommen der Hybriden, sowie die Zahlenverhältnisse, in welchen dieselben beobachtet werden, finden in dem eben erwiesenen Satze eine hinreichende Er- klärung. Den einfachsten Fall bietet die Entwickelungsreihe für je zwei differirende Merkmale. Diese Reihe wird bekanntlich durch den Ausdruck: A+ 2 Aa a bezeichnet, wobei 4 und a die Formen mit den constant differirenden Merkmalen und Aa die Hybrid- gestalt beider bedeuten. Sie enthält unter drei verschiedenen Gliedern vier Individuen. Bei der Bildung derselben werden Pollen- und Keim- zellen von der Form A und a durchschnittlich zu gleichen Theilen in die Befruchtung treten, daher jede Form zweimal, da vier Indivi- duen gebildet werden. Es nehmen demnach an der Befruchtung theil: die Pollenzellen A+A+a-+ta die Keimzelen A+A+ta-+ta Es bleibt ganz dem Zufalle überlassen, welche von den beiden Pollenarten sich mit jeder einzelnen Keimzelle verbindet. Indessen wird es nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit im Durchschnitte 25* 888 vieler Fälle immer geschehen, dass sich jede Pollenform A und « gleich oft mit jeder Keimzellform A und a vereinigt; es wird daher eine von den beiden Pollenzellen A mit einer Keimzelle A, die andere mit einer Keimzelle a bei der Befruchtung zusammentreffen, und ebenso eine Pollenzelle a mit einer Keimzelle A, die andere mit « verbunden werden. Pollenzellen A A a a N | Y EN Y Keimzellen A A a a Das Ergebniss der Befruchtung lässt sich dadürch anschaulich machen, dass die ‘Bezeichnungen für die verbundenen Keim- und Pollenzellen in Bruchform angesetzt werden, und zwar für die Pollen- zellen über, für die Keimzellen unter dem Striche. Man erhält in dem vorliegenden Falle: A Aw a, u Aratate Bei dem ersten und vierten Gliede sind Keim- und Pollenzellen gleichartig, daher müssen die Produkte ihrer Verbindung constant sein, nämlich A und a; bei dem zweiten und dritten hingegen erfolgt aber- mals eine Vereinigung der beiden differirenden Stammmerkmale, daher auch die aus diesen Befruchtungen hervorgehenden Formen mit der Hybride, von welcher sie abstammen, ganz identisch sind. Es findet demnach eine wiederholte Hybridisirung statt. Daraus erklärt sich die auffallende Erscheinung, dass die IHybriden im Stande sind, nebst den beiden Stammformen auch Nachkommen zu erzeugen, no: 2 ana. A die ihnen selbst gleich sind; — und geben beide dieselbe Ver- a bindung Aa, da es, wie schon früher angeführt wurde, für den Erfolg der Befruchtung keinen Unterschied macht, welches von den beiden Merkmalen der Pollen- oder Keimzelle angehört. Es ist daher A A a a uarztatrzrtt?Are So gestaltet sich der mittlere Verlauf bei der Selbstbefruchtung der Hybriden, wenn in denselben zwei differirende Merkmale ver- einigt sind. In einzelnen Blüthen und an einzelnen Pflanzen kann jedoch das Verhältniss, in welchem die Formen der Reihe gebildet werden, nicht unbedeutende Störungen erleiden. Abgesehen davon, dass die Anzahl, in welcher beiderlei Keimzellen im Fruchtknoten nn u vorkommen, nur im Durchschnitte als gleich angenommen werden kann, bleibt es ganz dem Zufalle überlassen, welche von den beiden Pollenarten an jeder einzelnen Keimzelle die Befruchtung vollzieht. Deshall müssen die Einzelwerthe nothwendig Schwankungen unter- liegen, und es sind selbst extreme Fälle möglich, wie sie früher bei den Versuchen über die Gestalt der Samen und die Färbung des Albumes angeführt wurden. Die wahren Verhältnisszahlen können nur durch das Mittel gegeben werden, welches aus der Summe mög- lichst vieler Einzelwerthe gezogen wird; je grösser ihre Anzahl, desto genauer wird das bloss Zufällige eliminirt. Die Entwickelungsreihe für Hybriden, in denen zweierlei differirende Merkmale verbunden sind, enthält unter 16 In- dividuen 9 verschiedene Formen, nämlich AB+Ab+aB-+ab+2ABb -2aBb+2AaB-+2Aab-+4AaBb. Zwischen den verschiedenen Merk- malen der Stammpflanzen A, a und B, 5 sind 4 constante Combinationen möglich, daher erzeugt auch die Hybride die entsprechenden 4 Formen von Keim- und Pollenzellen: AB, Ab, aB, ab, und jede davon wird im Durchscehnitte 4 Mal in Befruchtung treten, da in der Reihe 16 In- dividuen enthalten sind. Daher nehmen an der Befruchtung Theil die Pollenzellen: AB+ AB+ AB+AB+ Ab + Ab+Ab+ Ab+aB +aB+aB+aB+ab+ab+tab+tab. Keimzellen: AB+AB+AB+AB+Ab+Ab+Ab+Ab+aB +aB+aB+aB+ab+tab+ab+ab. Im mittleren Verlaufe der Befruchtung verbindet sich jede Pollen- form gleich oft mit jeder Keimzellform, daher jede von den vier Pollen- zellen AB einmal mit einer von den Keimzellarten AB, Ab, aB, ub. Genau ebenso erfolgt die Vereinigung der übrigen Pollenzellen von den Formen Ab, aB, ab mit allen anderen Keimzellen. Man erhält demnach: AB AB, AB, AB, Ab, Ab, Ab Ab «aß «eB | «B awtatatatnt na Tata aB ab ab ab ab — + — 27 —- +, oder r ab Tu TuRT DE ab AB-+- ABb-+ AaB-H AaBb + ABb+ Ab-+ AaBb + Aab-+ 4daB-+ AaBb-+ aB-+ aBb + AaBb + Aab-+ aBb +ab-+AB+ Ab+aB+ ab + 2 ABb+2aBb +2 AaB+ 2 Aab + 4 AaBb. In ganz ähnlicher Weise erklärt sich die Entwickelungsreihe der Hybriden, wenn in denselben d reierlei differirende Merkmale verbunden sind. Die Hybride bildet acht verschiedene Formen von 890 Keim- und Pollenzellen: ABC, ABe, AbC, Abe, aBC', aBe, abC, abe, und jede Pollenform vereinigt sich wieder durchschnittlich einmal mit jeder Keimzellform. Das Gesetz der Combinirung der differirenden Merkmale, nach welchem die Entwiekelung der Hybriden erfolgt, findet demnach seine Begründung und Erklärung in dem er'wiesenen Satze, dass die Hybriden Keim- und Pollenzellen erzeugen, welche in gleicher Anzahl allen constanten Formen entsprechen, die aus der Combinirung der durch Befruchtung vereinigte Merkmale hervorgehen. Versuche über die Hybriden anderer Pflanzenarten. Es wird die Aufgabe weiterer Versuche sein, zu ermitteln, ob das für Pisum gefundene Entwickelungsgesetz auch bei den Hybriden anderer Pflanzen Geltung habe. Zu diesem Zwecke wurden in der letzten Zeit mehrere Versuche eingeleitet. Beendet sind zwei kleinere Experimente mit Phaseolusarten, welche hier Erwähnung finden mögen. Ein Versuch mit Phaseolus vulgaris und Phaseolus nanus L. gab ein ganz übereinstimmendes Resultat. Ph. nanus hatte nebst der zwergartigen Axe grüne einfach gewölbte Hülsen, Ph. vulgaris hin- gegen eine 10—12° hohe Axe und gelb gefärbte, zur Zeit der Reife eingeschnürte Hülsen. Die Zahlenverhältnisse, in welchen die ver- schiedenen Formen in den einzelnen Generationen vorkamen, waren dieselben wie bei Pisum. Auch die Entwickelung der constanten Ver- bindungen erfolgte nach dem Gesetze der einfachen Combinirung der Merkmale, genau so, wie es bei Pisum der Fall ist. Es wurden erhalten: Constante Farbe der Form der Verbindung: Axe: unreifen Hülse: reifen Hülse: 1 lang grün gewölbt 2 » „ eingeschnürt 3 n gelb gewölbt 4 „ » eingeschnürt 5 kurz grün gewölbt 6 » » eingeschnürt 7 „ gelb gewölbt 8 „ » eingeschnürt. Die grüne Hülsenfarbe, die gewölbte Form der Hülse und die hohe Axe waren, wie bei Pisum, dominirende Merkmale. Ein anderer Versuch mit zwei sehr verschiedenen Phaseolusarten hatte nur einen theilweisen Erfolg. Als Samenpflanze diente Ph. nanus L., eine ganz constante Art mit weissen Blüthen in kurzen 891 Trauben und kleinen weissen Samen in geraden, gewölbten und glatten Hülsen; als Pollenpflanze Ph. multiflorus W. mit hohem windenden Stengel, purpurrothen Blüthen in sehr langen Trauben, rauhen, sichel- förınig gekrünmten Hülsen und grossen Samen, welche auf pfirsich- blüthrothem Grunde schwarz gefleckt und geflammt sind. Die Hybride hatte mit der Pollenpflanze die grösste Aehnlichkeit, nur die Blüthen erschienen weniger intensiv gefärbt. Ihre Frucht- barkeit war eine sehr beschränkte, von 17 Pflanzen, die zusammen viele hundert Blüthen entwickelten, wurden im Ganzen nur 49 Samen geerntet. Diese waren von mittlerer Grösse und besassen eine ähnliche Zeichnung wie Ph. multiflorus; auch die Grundfarbe war nicht wesent- lich verschieden. Im nächsten Jahre wurden davon 44 Pflanzen er- halten, von denen nur 31 zur Blüthe gelangten. Die Merkmale von Ph. nanus, welche in der Ilybride sämmtlich latent wurden, kamen in verschiedenen Combinirungen wieder zum Vorscheine, das Verhältniss derselben zu den dominirenden musste jedoch bei der geringen An- zahl von Versuchspflanzen sehr schwankend bleiben; bei einzelnen Merkmalen, wie bei jenen der Axe und der Hülsenform, war dasselbe indessen wie bei Pisum fast genau 1:3. So gering auch ber Erfolg dieses Versuches für die Feststellung der Zahlenverhältnisse sein mag, in welchen die verschiedenen Formen vorkamen, so bietet er doch anderseits den Fall einer merkwürdigen Farbenwandlung an den Blüthen und Samen der Hybriden dar. Bei Pisum treten bekanntlich die Merkmale der Blüthen- und Samen- farbe in der ersten und den weiteren Generationen unverändert hervor und die Nachkommen der Hybriden tragen ausschliesslich das eine oder das andere der beiden Stammmerkmale an sich. Anders verhält sich die Sache bei dem vorliegenden Versuche. Die weisse Blumen- und Samenfarbe von Ph. nanus erschien allerdings gleich in der ersten Generation an einenı ziemlich fruchtbaren Exemplare, allein die übrigen 30 PHlanzen entwickelten Blüthenfarben, die verschiedene Abstufungen von Purpurroth bis Blassviolett darstellen. Die Färbung der Samen- schale war nicht minder verschieden, als die der Blüthe. Keine Pflanze konnte als vollkommen fruchtbar gelten, manche setzten gar keine Früchte an, bei anderen entwickelten sich dieselben erst aus den letzten Blüthen und kamen nicht mehr zur Reife, nur von 15 Pflanzen wurden gut ausgebildete Samen geerntet. Die meiste Neigung zur Unfruchtbarkeit zeigten die Formen mit vorherrschend ‚rother Blüthe, indem von 16 Pflanzen nur 4 reife Samen gaben. Drei davon hatten eine ähnliche Samenzeichnung wie Ph. multiflorus, jedoch eine mehr 392 oder weniger blasse Grundfarbe, die vierte Pflanze brachte nur einen Samen von einfach brauner Färbung. Die Formen mit überwiegend violetter Blütbenfarbe hatten dunkelbraune, schwarzbraune und ganz schwarze Samen, Der Versuch wurde noch durch zwei Generationen unter gleich ungünstigen Verhältnissen fortgeführt, da selbst unter den Nachkommen ziemlich fruchtbarer Pflanzen wieder ein Theil weniger fruchtbar oder ganz steril wurde. Andere Blüthen und Samenfarben, als die ange- führten, kamen weiter nicht vor. Die Formen, welche in der ersten Generation eines oder mehrere von den recessiven Merkmalen er- hielten, blieben in Bezug auf diese ohne Ausnahme constant. Auch von jenen Pflanzen, welche violette Blüthen und braune oder schwarze Samen besassen, änderten einzelne in den nächsten Generationen die Blumen- und Samenfarbe nieht mehr, die Mehrzahl jedoch erzeugte nebst ganz gleichen Nachkommen auch solche, welche weisse Blüthen und ebenso gefärbte Samenschalen erhielten. Die roth blühenden Pflanzen blieben so wenig fruchtbar, dass sich über ihre Weiter- entwickelung nichts mit Bestimmtheit sagen lässt. Ungeachtet der vielen Störungen, mit welchen die Beobachtung zu kämpfen hatte, geht doch so viel aus diesem Versuche hervor, dass die Entwickelung der Hybriden in Bezug auf jene Merkmale, welche die Gestalt der Pflanze betreffen, nach demselben Gesetze wie bei Pisum erfolgt. Rücksichtlich der Farbenmerkmale scheint es allerdings „schwierig zu sein, eine genügende Uebereinstimmung aufzufinden. Abgesehen davon, dass aus der Verbindung einer weissen und purpur- ' rothen Färbung eine ganze Reihe von Farhen hervorgeht, von Purpur bis Blassviolett und Weiss, muss auch der Umstand auffallen, dass unter 31 blühenden Pflanzen nur eine den recessiven Charakter der weissen Färbung erhielt, während das bei Pisum durchschnittlich schon an jeder vierten Pflanze der Fall ist. Aber auch diese rüthselhaften Erscheinungen würden sich wahr- scheinlich nach dem für Pisum geltenden Gesetze erklären lassen, wenn man voraussetzen dürfte, dass die Blumen- und Samenfarbe des Ph. multiflorus aus zwei oder mehreren ganz selbständigen Farben zusammengesetzt sei, die sich einzeln ebenso verhalten, wie jedes andere constante Markmal an der Pflanze. Wäre die Blüthenfarbe 4 zusammengesetzt aus den selbständigen Merkmalen Aı-+ Aa-+ .. welche den Gesammteindruck der purpurrothen Färbung hervorrufen, so müssten durch Befruchtung mit dem differirenden Merkmale der weissen Farbe a die hybriden “Verbindungen Aa-+ Asa- ... 8% 398 bildet werden, und ähnlich würde es sich mit der correspondirenden Färbung der Samenschale verhalten. Nach der obigen Voraussetzung wäre jede von diesen hybriden Farbenverbindungen selbständig und würde sich demnach ganz unabhängig von den übrigen entwickeln. Man sieht dann leicht ein, dass aus der Combinirung der einzelnen Entwickelungsreihen eine vollständige Farbenreihe hervorgehen müsste. Wäre z. B. A= Aı + Ar, so entsprechen den Hybriden Aıa und Asa die Entwickelungsreihen ’ Aı + 2 Aıa + a As + 2 Asa + a. Die Glieder dieser Reihen können in neun verschiedene Ver- bindungen treten und jede davon stellt die Bezeichnung für eine andere Farbe vor: 1 Aı As 2 Aıa As 1 As a, 2 Aı Asa 4 Ara Asa 2 Asaa, 1A a 2 Aıaa la a. Die den einzelnen Verbindungen vorausgesetzten Zahlen geben zugleich an, wie viele Pflanzen mit der entsprechenden Färbung in die Reihe gehören. Da die Summe derselben 16 beträgt, so sind sämmtliche Farben im Durchschnitte auf je 16 Pflanzen vertheilt, Jedoch, wie die Reihe selbst zeigt, in ungleichen Verhältnissen. Würde die Farbenentwickelung wirklich in dieser Weise erfolgen, so könnte auch der oben angeführte Fall eine Erklärung finden, dass nämlich die weisse Blüthen- und Hülsenfarbe unter 81 Pflanzen der ersten Generation nur einmal vorkam. Diese Färbung ist in der Reihe nur einmal enthalten, und könnte daher auch nur im Durch- schnitte unter je 16, bei drei Farbenmerkmalen sogar nur unter 64 Pflanzen einmal entwickelt werden. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die hier versuchte Erklärung auf einer blossen Vermuthung beruht, die weiter nichts für sich hat, als das sehr vollständige Resultat des eben besprochenen Versuches. Es wäre übrigens eine lohnende Arbeit, die Farbenent- wickelung der Hybriden durch ähnliche Versuche weiter zu verfolgen, da es wahrscheinlich ist, dass wir auf diesem Wege die ausserordent- liche Mannigfaltigkeit in der Färbung unserer Zierblumen begreifen lernen. Bis jetzt ist mit Sicherheit kaum mehr bekannt, als dass die Blüthenfarbe bei den meisten Zierpflanzen ein äusserst veränderliches Merkmal ist. Man hat häufig die Meinung ausgesprochen, dass die Stabilität der Arten durch die Cultur in hohem Grade erschüttert 894 oder ganz gebrochen werde, und ist sehr geneigt, die Entwickelung der Culturformen als eine regellose und zufällige hinzustellen; dabei wird gewöhnlich auf die Färbung der Zierpflanzen, als Muster aller Unbeständigkeit, hingewiesen. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum das blosse Versetzen in den Gartengrund eine so durchgreifende und nachhaltige Revolution im Pflanzenorganismus zur Folge haben müsse. Niemand wird im Ernste behaupten wollen, dass die Entwickelung der Pflanze im freien Lande durch andere Gesetze geleitet wird, als am (artenbeete. Hier wie dort müssen typische Abänderungen auf- treten, wenn die Lebensbedingungen für eine Art geändert werden und diese die Fähigkeit besitzt, sich den neuen Verhältnissen anzu- passen. Es wird gerne zugegeben, dass durch die Cultur die Ent- stehung neuer Varietäten begünstigt und durch die Hand des Menschen manche Abänderung erhalten wird, welche im freien Zustande unter- liegen müsste, allein nichts berechtigt uns zu der Annahme, dass die Neigung zur Varietätenbildung so ausserordentlich gesteigert werde, dass die Arten bald alle Selbständigkeit verlieren und ihre Nach- kommen in einer endlosen Reihe höchst veränderlicher Formen aus einander gehen. Wäre die Aenderung in den Vegetationsbedingungen die alleinige Ursache der Variabilität, so dürfte man erwarten, dass jene Culturpflanzen, welche Jahrhunderte hindurch unter fast gleichen Verhältnissen angebaut wurden, wieder an Selbständigkeit gewonnen hätten. Das ist bekanntlich nicht der Fall, da gerade unter diesen nicht bloss die verschiedensggen, sondern auch die veränderlichsten Formen gefunden werden. Nur die Leguminosen, wie Pisum, Phaseolus, Lens, deren Befruchtungsorgane durch das Schiffehen geschützt sind, machen davon eine bemerkenswerthe Ausnahme. Auch da sind während einer mehr als 1000jährigen Cultur unter den mannigfaltigsten Ver- hältnissen zahlreiche Varietäten entstanden, diese behaupten jedoch unter gleich bleibenden Lebensbedingungen eine Selbständigkeit, wie sie wild wachsenden Arten zukommt. Es bleibt mehr als wahrscheinlich, dass für die Veränderlichkeit der Culturgewächse ein Factor thätig ist, dem bisher wenig Aufmerk- samkeit zugewendet wurde. Verschiedene Erfahrungen drängen zu der Ansicht, dass unsere Culturpflanzen mit wenigen Ausnahmen Glieder verschiedener Hybridreihen sind, deren gesetz- niässige Weiterentwickelung durch häufige Zwischenkreuzungen ab- geändert und aufgehalten wird. Es ist der Umstand nicht zu über- sehen, dass die cultivirten Gewächse meistens in grösserer Anzahl neben einander gezogen werden, wodurch für die wechselseitige Be- 395 fruchtung zwischen den vorhandenen Varietäten und mit den Arten selbst die günstigste Gelegenheit geboten wird. Die Wahrschein- lichkeit dieser Ansicht wird durch die Thatsache unterstützt, dass unter dem grossen Heere veränderlicher Formen immer einzelne ge- funden werden, welche in dem einen oder anderen Merkmale constant bleiben, wenn nur jeder fremde Einfluss sorgfältig abgehalten wird. Diese Formen entwickeln sich genau ebenso, wie gewisse Glieder der zusammengesetzten Hybridreihen. Auch bei dem empfindlichsten aller Merkmale, bei jenem der Farbe, kann es der aufmerksamen Beobachtung nicht entgehen, dass an den einzelnen Formen die Neigung zur Veränderlichkeit in sebr verschiedenem Grade vorkommt. Unter Pflanzen, die aus einer spontanen Befruchtung stammen, gibt es oft solche, deren Nachkommen in Beschaffenheit und Anordnung der Farben weit aus einander gehen, während andere wenig abweichende Formen liefern, und unter einer grösseren Anzahl einzelne getroffen werden, welche ihre Blumenfarbe unverändert auf die Nachkommen übertragen. Die eultivirten Dianthusarten geben dafür einen lehrreichen Beleg. Ein weiss blühendes Exemplar von Dianthus Caryophylius, welches selbst von einer weissblumigen Varietät abstammte, wurde während der Blüthezeit in einem Glashause abgesperrt; die zahlreich davon gewonnenen Samen gaben Pflanzen mit durchaus gleicher weisser Blüthenfarbe. Ein ähnliches Resultat wurde von einer rothen, etwas ins Violette schimmernden und einer weissen roth gestreiften Abart erhalten. Viele andere hingegen, welche auf dieselbe Weise geschützt wurden, gaben mehr oder weniger verschieden gefärbte und gezeichnete Nachkommen. Wer die Färbungen, welche bei Zierpflanzen aus gleicher Be- fruchtung hervorgehen, überblickt, wird sich nicht leicht der Ueber- zeugung verschliessen können, dass auch hier die Entwickelung nach einem bestimmten Gesetze erfolgt, welches möglicherweise seinen Aus- druck inderCombinirung mehrerer selbständiger Farben- merkmale findet. Schlussbemerkungen. Es dürfte nicht ohne Interesse sein, die bei Pisum gemachten Beobachtungen mit den Resultaten zu vergleichen, zu welchen die beiden Autoritäten in diesem Fache, Kölreuter und Gärtner, bei ihren Forschungen gelangt sind. Nach der übereinstimmenden An- sicht beider halten die Hybriden der äusseren Erscheinung nach ent- weder die Mittelform zwischen den Stammarten, oder sie sind dem Typus der einen oder der anderen näher gerückt, manchmal von 896 denselben kaum zu unterscheiden. Aus den Samen derselben gehen gewöhnlich, wenn die Befruchtung durch den eigenen Pollen geschah, verschiedene von dem normalen Typus abweichende Formen hervor. In der Regel behält die Mehrzahl der Individuen aus einer Befruch- tung die Form der Hybride bei, während andere wenige der Samen- pflanze ähnlicher werden und ein oder das andere Individuum der Pollenpflanze nahe kommt. Das gilt jedoch nicht von allen Hybriden ohne Ausnahme. Bei einzelnen sind die Nachkommen theils der einen, theils der anderen Stammpflanze näher gerückt, oder sie neigen sich sämmtlich mehr nach der einen oder der anderen Seite hin; bei einigen aber bleiben sie der Hybride vollkommen gleich und pflanzen sich unverändert fort. Die Hybriden der Varietäten verhalten sich wie die Specieshybriden, nur besitzen sie eine noch grössere Veränderlichkeit der Gestalten und eine mehr ausgesprochene Neigung, zu den Stammformen zurückzukehren. In Bezug auf die Gestalt der Hybriden und ihre in der Regel erfolgende Entwickelung ist eine Uebereinstimmung mit den bei Pisum gemachten Beobachtungen nicht zu verkennen. Anders ver- hält es sich mit den erwähnten Ausnahmsfällen. Gärtner gesteht selbst, dass die genaue Bestimmung, ob eine Form mehr der einen oder der anderen von den beiden Stammarten ähnlich sei, öfter grosse Schwierigkeiten habe, indem dabei sehr viel auf die subjective An- schauung des Beobachters ankommt. Es konnte jedoch 'auch ein anderer Umstand dazu beitragen, dass die Resultate trotz der sorg- fältigsten Beobachtung und Unterscheidung schwankend und unsicher wurden. Für die Versuche dienten grösstentheils Pflanzen, welche als gute Arten gelten und in einer grösseren Anzahl von Merkmalen verschieden sind. Nebst den scharf hervortretenden Charakteren müssen da, wo es sich im Allgemeinen um eine grössere oder geringere Aebnlichkeit handelt, auch jene Merkmale eingerechnet werden, welche oft schwer mit Worten zu fassen sind, aber dennoch hinreichen, wie jeder Pflanzenkenner weiss, um den Formen ein fremdartiges Aus- sehen zu geben. Wird angenommen, dass die Entwickelung der Hybriden nach dem für Pisum geltenden Gesetze erfolgte, so musste die Reihe bei jedem einzelnen Versuche sehr viele Formen umfassen, da die Gliederzahl bekanntlich mit der Anzahl der differirenden Merkmale nach den Potenzen von drei zunimmt. Bei einer verhältniss- mässig kleinen Anzahl von Versuchspflanzen konnte dann das Resultat nur annähernd richtig sein und in einzelnen Fällen nieht unbedeutend abweichen. Wären z. B. die beiden Stammarten in 7 Merkmalen ver- 397 schieden, und würden aus den Samen ihrer Hybriden zur Beurtheilung des Verwandtschaftsgrades der Nachkommen 100—200 Pflanzen ge- zogen, so sehen wir leicht ein, wie unsicher das Urtheil ausfallen müsste, da für 7 differirende Merkmale die Entwiekelungsreihe 16384 In- dividuen unter 2187 verschiedenen Formen enthält. Es könnte sich bald die eine, bald die andere Verwandtschaft mehr geltend machen, je nachdem der Zufall dem Beobachter diese oder jene Formen in grösserer Anzahl in die Hand spielt. Kommen ferner unter den differirenden Merkmalen zugleich dominirende vor, welche ganz oder fast unverändert auf die Hybride übergehen, dann muss an den Gliedern der Entwickelungsreihe immer jene der beiden Stammarten mehr hervortreten, welche die grössere Anzahl der dominirenden Merkmale besitzt. In dem früher bei Pisum “für dreierlei differirende Merkmale angeführten Versuche gehörten die dominirenden Charaktere sämmtlich der Samenpflanze an. Obwohl die Glieder der Reihe sich ihrer inneren Beschaffenheit nach gleich- mässig zu beiden Stammpflanzen hinneigen, erhielt doch bei diesem Versuche der Typus der Samenpflanze ein so bedeutendes Ueberge- wicht, dass unter je 64 Pflanzen der ersten Generation 54 derselben ganz gleich kamen, oder nur in einem Merkmale verschieden waren. Man sieht, wie gewagt es unter Umständen sein kann, bei Hybriden aus der äusseren Uebereinstimmung Schlüsse auf ihre ‚innere Ver- wandtschaft zu ziehen. Gärtner erwähnt, dass in jenen Fällen, wo die Entwickelung eine regelmässige war, unter den Nachkommen der Hybriden nicht die beiden Stammarten selbst erhalten wurden, sondern nur einzelne ihnen näher verwandte Individuen. Bei sehr ausgedehnten Ent- wickelungsreihen konnte es in der That nicht anders eintreffen. Für 7 differirende Merkmale z. B. kommen unter mehr als 16000 Nach- kommen der Hybride die beiden Stammformen nur je einmal vor. Es ist demnach nicht leicht möglich, dass dieselben schon unter einer geringen Anzahl von Versuchspflanzen erhalten werden; mit einiger Wahrscheinlichkeit darf man jedoch auf das Erscheinen einzelner Formen rechnen, die demselben in der Reihe nahe stehen. Einer wesentlichen Verschiedenheit begegnen wir bei jenen Hybriden, welche in ihren Nachkommen constant bleiben und sich ebenso wie die reinen Arten fortpflanzen. Nach Gärtner ge- hören hieher die ausgezeichnet fruchtbaren Hybriden: Aqui- legia atropurpurea-canadensis, Lavatera pseudolbia-thuringiaca, Geum urbano-rivale und einige Dianthushybriden; nach Wichura die Hybriden 398 der Weidenarten. Für die Entwickelungsgeschichte der Pflanzen ist dieser Umstand von besonderer Wichtigkeit, weil constante Hybriden die Bedeutung neuer Arten erlangen. Die Richtigkeit des Sach- verhaltes ist durch vorzügliche Beobachter verbürgt und kann nicht in Zweifel gezogen werden. Gärtner hatte Gelegenheit, den Dianthus Armeria-deltoides bis in die 10. Generation zu verfolgen, da sich der- selbe regelmässig im Garten von selbst fortpflanzte. Bei Pisum wurde es durch Versuche erwiesen, dass die Hybriden verschiedenartige Keim- und Pollenzellen bilden, und dass hierin der Grund für die Veränderlichkeit ihrer Nachkommen liegt. Auch bei anderen Hybriden, deren Nachkommen sich ähnlich verhalten, dürfen wir eine gleiche Ursache voraussetzen; für jene hingegen, welehe constant bleiben, scheint die Annahme zulässig, dass ihre Befruchtungs- zellen gleichartig sind und mit der Hybridengrundzelle übereinstimmen. Nach der Ansicht berühmter Physiologen vereinigen sich bei den Phanerogamen zu dem Zwecke der Fortpflanzung je eine Keim- und Pollenzelle zu einer einzigen Zelle,!) welche sich dureh Stoffaufnahme und Bildung neuer Zellen zu einem selbständigen Organismus weiter zu entwickeln vermag. Diese Entwickelung erfolgt nach einem con- stanten Gesetze, welches in der materiellen Beschaffenheit und An- ordnung der Elemente begründet ist, die in der Zelle zur lebensfähigen Vereinigung gelangten. Sind die Fortpflanzungszellen gleichartig und stimmen dieselben mit der Grundzelle der Mutterpflanze überein, dann wird die Entwickelung des neuen Individuums durch dasselbe Gesetz geleitet, welches für die Mutterpflanze gilt. Gelingt es, eine Keim- zelle mit einer ungleichartigen Pollenzelle zu verbinden, so müssen wir annehmen, dass zwischen jenen Elementen beider Zellen, welehe die gegenseitigen Unterschiede bedingen, irgend eine Ausgleichung stattfindet. Die daraus hervorgehende Vermittlungszelle wird zur 1) Bei Pisum ist es wohl ausser Zweifel gestellt, dass zur Bildung des neuen Embryo eine vollständige Vereinigung der Elemente beider Befruchtungszellen stattfinden müsse. Wie wollte man sonst erklären, dass unter den Nachkommen der Hybriden beide Stammformen in gleicher Anzahl und mit allen ihren Eigen- thümlichkeiten wieder hervortreten? Wäre der Einfluss des Keimsackes auf die Pollenzelle nur ein äusserer, wäre demselben bloss die Rolle einer Amme zugetheilt, dann könte der Erfolg einer jeden künstlichen Befruchtung kein anderer sein, als dass die entwickelte Hybride ausschliesslich der Pollenpflanze gleich käme, oder ihr doch sehr nahe stände. Das haben die bisherigen Versuche in keinerlei Weise bestätigt. Ein gründlicher Beweis für die vollkommene Vereinigung des Inhaltes beider Zellen liegt wohl in der allseitig bestätigten Erfahrung, dass es für die Gestalt der Hybride zleichgiltig ist, welche von den Stammformen die Samen- oder Pollenpflanze war, 399 Grundlage des Hybridenorganismus, dessen Entwiekelung nothwendig nach einem anderen Gesetze erfolgt, als bei jeder der beiden Stamm- arten. Wird die Ausgleichung als eine vollständige angenommen, in dem Sinne nämlich, dass der hybride Embryo aus gleichartigen Zellen gebildet wird, in welchen die Differenzen gänzlich und bleibend vermittelt sind, so würde sich als weitere Folgerung ergeben, dass die Hybride, wie jede andere selbständige Pflanzenart, in ihren Nach- kommen constant bleiben werde. Die Fortpflanzungszellen, welche in dem Fruchtknoten und den Antheren derselben gebildet werden, sind gleichartig und stimmen mit der zu Grunde liegenden Vermittlungs- zelle überein. Bezüglich jener Hybriden, deren Nachkommen veränderlich sind, dürfte man vielleicht annehmen, dass zwischen den differirenden Elementen der Keim- und Pollenzelle wohl insofern eine Vermittlung stattfindet, dass noch die Bildung einer Zelle als Grundlage der Hy- bride möglich wird, dass jedoch die Ausgleichung der widerstrebenden Elemente nur eine vorübergehende sei und nicht über das Leben der Hybridpflanze hinausreiche. Da in dem Habitus derselben während der ganzen Vegetationsdauer keine Aenderungen wahrnehmbar sind, müssten wir weiter folgern, dass es den differirenden Elementen erst bei der Entwickelung der Befruchtungszellen gelinge, aus der er- zwungenen Verbindung herauszutreten. Bei der Bildung dieser Zellen be- theiligen sich alle vorhandenen Elemente in völlig freier und gleiehmässiger Anordnung, wobei nur die differirenden sich gegenseitig ausschliessen. Auf diese Weise würde die Entstehung so vielerlei Keim- und Pollenzellen ermöglicht, als die bildungsfähigen Elemente Combinationen zulassen. Die hier versuchte Zurückführung des wesentlichen Unterschiedes in der Entwickelung der Hybriden auf eine dauernde oder vor- übergehende Verbindung der differirenden Zellelemente kann selbstverständlich nur den Werth einer Hypothese ansprechen, für welche bei dem Mangel an sicheren Daten noch ein weiterer Spiel- raum offen stände. Einige Berechtigung für die ausgesprochene An- sicht liegt in dem für Pisum geführten Beweise, dass das Verhalten je zweier differirender Merkmale in hybrider Vereinigung unabhängig ist von den anderweitigen Unterschieden zwischen den beiden Stamin- pflanzen, und ferner, dass die Hybride so vielerlei Keim- und Pollen- zellen erzeugt, als constante Combinationsformen möglich sind. Die unterscheidenden Merkmale zweier Pflanzen können zuletzt doch nur auf Differenzen in der Beschaffenheit und Gruppirung der Elemente beruhen, welche in den Grundzellen derselben in lebendiger Wechselwirkung stehen. 400 Die Geltung der für Pisum aufgestellten Sätze bedarf allerdings selbst noch der Bestätigung, und es wäre deshalb eine Wiederholung wenigstens der wichtigeren Versuche wünschenswerth, z. B. jener über “die Beschaffenheit der hybriden Befruchtungszellen. Dem einzelnen Beobachter kann leicht ein Differentiale entgehen, welches, wenn es auch anfangs unbedeutend scheint, doch so anwachsen kann, dass es für das Gesamntresultat nicht vernachlässigt werden darf. Ob die veränderlichen Hybriden anderer Pflanzenarten ein ganz übereinstim- mendes Verhalten beobachten, muss gleichfalls erst durch Versuche entschieden werden; indessen dürfte man vermuthen, dass in wichtigen Punkten eine prineipielle Verschiedenheit nicht vorkommen könne, da die Einheit im Entwiekelungsplane des organischen Lebens ausser Frage steht. Zum Schlusse verdienen noch eine besondere Erwähnung die von Kölreuter, Gärtner u. a. durchgeführten Versuche über die Um- wandlung einer Art in eine andere durch künstliche Befruchtung. Diesen Experimenten wurde eine besondere Wichtig- beigelegt, Gärtner rechnet dieselben zu den „allerschwierigsten in der Bastarderzeugung‘. Sollte eine Art A in eine andere B verwandelt werden, so wurden beide durch Befruchtung verbunden und die erhaltenen Hybriden abermals mit dem Pollen von B befruchtet; dann wurde aus den verschiedenen Abkömmlingen derselben jene Form ausgewählt, welche der Art B am nächsten stand und wiederholt mit dieser befruchtet, und sofort, bis man endlich eine Form erhielt, welche der B gleich kam und in ihren Nachkommen constant blieb. Damit war die Art 4A in die andere Art B umgewandelt. Gärtner allein hat 30 derartige Versuche mit Pflanzen aus den Geschlechtern: Aquilegia, Dianthus, Geum, Lavatera, Lychnis, Malva, Nicotiana und Oenothera durchge- führt. Die Umwandlungsdauer war nicht für alle Arten eine gleiche. Während bei einzelnen eine dreimalige Befruchtung hinreichte, musste diese bei anderen fünf bis sechs Mal wiederholt werden; auch für die nämlichen Arten wurden bei verschiedenen Versuchen Schwankungen beobachtet. Gärtner schreibt diese Verschiedenheit dem Umstande zu, dass „die typische Kraft, womit eine Art bei der Zeugung zur Ver- änderung und Umbildung des mütterlichen Typus wirkt, bei den ver- schiedenen Gewächsen sehr verschieden ist, und dass folglich die Perioden, innerhalb welcher und die Anzahl von Generationen, durch welche die eine Art in die andere umgewandelt wird, auch verschieden sein müssen, und die Umwandlung bei manchen Arten durch mehr, bei 401 anderen aber durch weniger Generationen vollbracht wird“, Ferner bemerkt derselbe Beobachter, „dass es auch bei dem Umwandlungs- geschäfte darauf ankommt, welcher Typus und welches Individuum zu der weiteren Umwandlung gewählt wird®, Dürfte man voraussetzen, dass bei diesen Versuchen die Ent- wickelung der Formen auf eine ähnliche Weise wie bei Pisum er- folgte, so würde der ganze Umwandlungsprocess eine ziemlich einfache Erklärung finden. Die Hybride bildet so vielerlei Keimzellen, als die in ihr vereinigten Merkmale constante Combinationen zulassen, und eine davon ist immer gleichartig mit den befruchtenden Pollenzellen. Demnach ist für alle derartigen Versuche die Möglichkeit vorhanden, dass schon aus der zweiten Befruchtung eine constante Form ge- wonnen wird, welche der Pollenpflanze gleichkommt. Ob dieselbe aber wirklich erhalten wird, hängt in jedem einzelnen Falle von der Zahl der Versuchspflanzen ab, sowie von der Anzahl der differirenden Merkmale, welche durch die Befruchtung vereinigt wurden. Nehmen wir z, B. an, die für den Versuch bestimmten Pflanzen wären in drei Merkmalen verschieden und es sollte die Art 4BC in die andere abe durch wiederholte Befruchtung mit dem Pollen derselben um- gewandelt werden. Die aus der ersten Befruchtung hervorgehende Hybride bildet acht verschiedene Arten von Keimzellen nämlich: ABC, ABec, AbC, aBC, Abc, aBc, abC, abe. Diese werden im zweiten Versuchsjahre abermals mit den Pollen- zellen abe verbunden und man erhält die Reihe: AaBbCe + AaBbe + AabCe + aBbCc+ Aabe + aBbe + abCc + abe. Da die Form abe in der achtgliedrigen Reihe einmal vorkommt, so ist es wenig wahrscheinlich, dass sie unter den Versuchspflanzen fehlen könnte, wenn diese auch nur in einer geringeren Anzahl ge- zugen würden, und die Umwandlung wäre schon nach zweimaliger Befruchtung vollendet. Sollte sie zufällig nicht erhalten werden, so müsste die Befruchtung an einer der nächst verwandten Verbindungen Aabe, aBbc, abCc wiederholt werden. Es wird ersichtlich, dass sich ein derartiges Experiment desto länger hinausziehen müsse, je kleiner die Anzahl der Versuchspflanzen und je grösser die Zahl der differirenden Merkmale an den beiden Stammarten ist, dass ferner bei den nämlichen Arten leicht eine Verschiebung um eine, selbst um zwei Generationen vorkommen könne, wie es Gärtner beobachtet hat. Die Umwandlung weit abstehender Arten kann immer- hin erst im fünften oder sechsten Versuchsjahre beendet sein, indem Flora, Ergänzgsbd, 1901, 26 402 die Anzahl der verschiedenen Keimzellen, welche an der Hybride gebildet werden, mit den differirenden Merkmalen nach den Potenzen von zwei zunimmt. Gärtner fand durch wiederholte Versuche, dass die wechsel- seitige Umwandlungsdauer für manche Arten verschieden ist, so dass öfter eine Art 4 in eine andere B um eine Generation früher ver- wandelt werden kann, als die Art B in die andere 4. Er leitet daraus zugleich den Beweis ab, dass die Ansicht Kölreuter’s doch nicht ganz stiehhaltig sei, nach welcher „die beiden Naturen bei den Bastarden einander das vollkommenste Gleichgewicht halten“. Es scheint jedoch, dass Kölreuter diesen Tadel nicht verdient, dass vielmehr Gärtner dabei ein wichtiges Moment übersehen hat, auf welches er an einer anderen Stelle selbst aufmerksam macht, dass es nämlich „darauf ankommt, welches Individuum zur weiteren Umwandlung gewählt wird“. Versuche, welche in dieser Beziehung mit zwei Pisum- arten angestellt wurden, weisen darauf hin, dass es für die Auswahl der taugliebsten Individuen zu dem Zwecke der weiteren Befruchtung einen grossen Unterschied machen könne, welche von zwei Arten in die andere umgewandelt wird. Die beiden Versuchspflanzen waren in fünf Merkmalen verschieden, zugleich besass die Art A sämmtliche dominirende, die andere B sämmtliche recessive Merkmale. Für die wechselseitige Umwandlung wurde A mit dem Pollen von B und um- gekehrt B mit jenem von A befruchtet, dann dasselbe an den beiderlei Hybriden im nächsten Jahre wiederholt. Bei dem ersten Versuche = waren im dritten Versuchsjahre für die Auswahl der Individuen zur weiteren Befruchtung 87 Pflanzen vorhanden, und zwar in den mög- lichen 32 Formen; für den zweiten Versuch 5 wurden 73 Pflanzen erhalten, welche in ihrem Habitus durchgehends mit der Pollen- pflanze übereinstimmten, jedoch ihrer inneren Beschaffenheit nach ebenso verschieden sein mussten, wie die Formen des anderen Versuches. Eine berechnete Auswahl war daher bloss bei dem ersten Versuche möglich, bei dem zweiten mussten auf den blossen Zufall hin einige Pflanzen ausgeschieden werden. Von den letzteren wurde nur ein Theil der Blüthen mit dem Pollen von A befruchtet, der andere hingegen der Selbstbefruchtung überlassen. Unter je fünf Pflanzen, welche für die beiden Versuche zur Befruchtung verwendet waren, stimmten, wie der nächstjährige Anbau zeigte, mit der Pollen- pflanze überein: 403 Erster Zweiter Versuch Versuch 2 Pflanzen _ ın allen Merkmalen 3 D) — "nn 4 ” —_ 2 Pflanzen „ 3 » Bu 2 ” ” 2 ” _ 1 Pflanze 1 Merkmal, ” Für den ersten Versuch war damit die Umwandlung beendet, bei dem zweiten, der nicht weiter fortgesetzt wurde, hätte wahrschein- noch eine zweimalige Befruchtung stattfinden müssen. Wenn auch der Fall nicht häufig vorkommen dürfte, dass die dominirenden Merkmale ausschliesslich der einen oder der anderen Stammpflanze angehören, so wird es doch immer einen Unterschied machen, welche von beiden die grössere Anzahl besitzt. Kommt die Mehrzahl der dominirenden Merkmale der Pollenpflanze zu, dann wird die Auswahl der Formen für die weitere Befruchtung einen geringeren Grad von Sicherheit gewähren, als in dem umgekehrten Falle) was eine Verzögerung in der Umwandlungsdauer zur Folge haben muss, vorausgesetzt, dass man den Versuch erst dann als be- endet ansieht, wenn eine Form erhalten wird, die nicht nur in ihrer Gestalt der Pollenpflanze gleichkommt, sondern auch wie diese in den Nachkommen constant bleibt. Durch den Erfolg der Umwandlungsversuche wurde Gärtner bewogen, sich gegen die Meinung derjenigen Naturforscher zu kehren, welche die Stabilität der Pflanzenspecies bestreiten und eine stäte Fortbildung der Gewächsarten annehmen. Er sieht in der vollendeten Umwandlung einer Art in die andere den unzweideutigen Beweis, dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag. Wenn auch dieser Ansicht eine be- dingungslose Geltung nicht zuerkannt werden kann, so findet sich doch anderseits in den von Gärtner angestellten Versuchen eine beachtenswerthe Bestätigung der früher über die Veränderlichkeit der Culturpflanzen ausgesprochenen Vermuthung. Unter den Versuchsarten kommen cultivirte Gewächse vor, wie Aquilegia atropurpurea und canadensis, Dianthus Caryophyllus, chinensis und japonicus, Nicotiana rustica und panieulata, und auch diese hatten nach einer vier- bis fünfmaligen hybriden Verbindung nichts von ihrer Selbständigkeit verloren. 26* Ueber farblose Diatomeen. Von G. Karsten. Hierzu Tafel V. Die Untersuchungen über Auxosporenbildung haben in den letzten Jahren zwar ein erhebliches Material hinsichtlich der verschiedenen Formen, in denen dieser interessante Vorgang verläuft, herbeigeschafft, doch herrscht, wie die folgende Uebersicht zeigen wird, noch sehr wenig Klarheit über die Bedingungen, durch welche diese oder jene Species genöthigt werden kann, die „Vergrösserung“ einzugehen. Miquel!), der am consequentesten die Auxosporenbildung an Reinculturen verschiedener Species durch stets von neuem angesetzte Culturserien zu beobachten sich bemühte, ist von dem Gedanken ge- leitet, dass die stete Grössenabnahme der Individuen schliesslich zur Auxosporenbildung führen muss. Es gelang ihm die Beobachtung bisher an acht verschiedenen Formen, die nach seinen Angaben alle dem asexuellen Typus angehören. In einem anderen Falle jedoch war nach dreijähriger Cultur Nitzschia linearis von 115,2» auf 33,61. mittlerer Länge in 71 Serienculturen verkleinert worden, ohne dass die Zellen zur Auxosporenbildung gelangt wären.®) Selbst wenn ich die Resultate Miquel’s für unanfechtbar hielte, so scheint mir doch das Ergebniss der langjährigen Arbeit in zu grossem Missverhältniss zu dem Aufwand an Zeit und Mühe zu stehen, als dass ich die befolgte Methode für nachahmenswerth erklären möchte. Gewiss sind die sorgfältigen und genau beschriebenen Maass- nahmen des Verfassers für die Untersuchungen physiologischer Art sehr zweckentsprechend. Man kann daher die Resultate über den Einfluss verschiedener Temperaturgrade, Trockenheit, Licht, verschie- dene Chemikalien etc. für hinreichend begründet halten. Für die Er- gebnisse der folgenden entwickelungsgeschichtlichen Beobachtungen kann ich das jedoch nicht ohne Weiteres zugeben. 2) P.Miquel, Recherches experimentales sur Ia physiologie, la morphologie et la pathologie des Diatomdes. Annales de micrographie. Paris 1892—1895, Separata 1-7. — Herrn Collegen W, Benecke in Kiel bin ich für die liebens- würdige Erlaubniss, seine Separata dieser schwer zu beschaffenden Publicationen benutzen zu dürfen, zu vielem Dank verpflichtet, 2) cf, 1. ec. Nr. 7 $ XII pag. 3. 405 In Betreff der Auxosporenbildung von Navicula elliptica und Nitzschia sigmoidea hege ich Zweifel, ob nicht, wie in so vielen Fällen, die Copulation übersehen worden ist. Zwar waren die Culturen') so eingerichtet, dass sie unter dem Mikroskope controlirt werden konnten, doch ist die Menge der in den feuchten Kammern gezogenen Zellen viel zu gross gewesen,?) um ein und dasselbe Individuum verfolgen zu können. Speciell bei Nitzschia sigmoidea®) sind offenbar nur mehr oder weniger fertige Auxosporen zur Beobachtung gelangt; gerade die ersten für Entscheidung der Copulation allein in Frage kommen- den Zustände fehlen. Da es mir gelungen war, gerade für Navicula und Nitzschia eine Anzahl von Species während der Auxosporenbildung zu beobachten ®) und eine Copulation dabei nachzuweisen, so möchte ich einstweilen diese beiden Fälle der Auxosporenbildung in den Angaben Miquel’s als zweifelhaft betrachten; ich komme später darauf zurück. Jedenfalls bildet also für Miquel die stete Verkleinerung der Individuen bei den aufeinander folgenden Theilungen die einzige Ur- sache der Auxosporenbildung. ?) Minder einfach liegen die Verhältnisse für diejenigen Autoren, welche neben der asexuellen Form dieses Vorganges auch sexuell verlaufende Typen beobachten konnten. Schon Pfitzer®) muss zu- geben, dass die von ihm aufgestellte und vertheidigte Regel, dass die Vergrösserung den hauptsächlichen Charakter und die eigentliche Be- deutung der Auxosporen ausmache, in einigen Fällen Ausnahmen zu erleiden scheine, da sich für einzelne Arten feststellen lasse, dass In- dividuen sehr verschiedener Grösse copuliren und Auxosporen bilden, während der Regel nach immer die kleinsten Zellen zur Auxosporen- bildung gelangen sollten. Die Zahl dieser Ausnahmen ist durch die neueren Untersuchungen erheblich vergrössert worden. So gibt Klebahn für Rhopalodia 1) P,Miquel, De 1a culture artificielle des Diatomöes. Le Diatomiste I, 166, Herr Dr. O. Müller in Berlin gestattete mir freundlichst die Benutzung der Ar- beit, wofür ich ihm auch hier meinen herzlichen Dank sage. 2) Ann, de mierogr. |. c. Nr. 4 pag. 20. 3)1 ec. Nr. 7 pag. 19. 4) G.,Karsten, Diatomeen der Kieler Bucht. suchungen, Kiel, Bd. 4 pag. 45 und pag. 120, 1899, 5) P, Miquel, Du retablissement de la taille et de la rectification de la forme chez les Diatomdes. Le Diatomiste II, 61. 6) E. Pfitzer, Bau und Entwickelung der Bacillariaceen. 1871, 161. Wissensch. Meeresunter- 408 gibba genauere Messungen an.!) „Die Länge der beiden Zellen eines copulirenden Paares ist in weit mehr Fällen erheblich verschieden als annähernd gleich; die grössere Zelle kann nahezu doppelt so lang on ne). Das Eintreten der Auxosporenbildung ist daher bei Rhopalodia gibba nicht an die Er- reichung eines gewissen Minimalmaasses der Zellen gebunden, sondern in ziemlich weiten Grenzen davon unabhängig. Es müssen also ausser der Grössenverminderung noch andere Factoren auf das Eintreten der Auxosporenbildung bestimmenden Einfluss haben.* Bei einer früheren Gelegenheit habe ich die bis dahin gewonnenen Resultate zusammengefasst und auf die Verschiedenheit der asexuell und der sexuell verlaufenden Auxosporenbildung hingewiesen.) Die asexuelle Auxosporenbildung wird „in der Regel wesentlich auf die vor- ausgegangene Verkleinerung der Zellen zurückgeführt werden können, wozu noch günstige äussere Wachsthumsbedingungen hinzutreten müssen. Die sexuelle Auxosporenbildung dagegen scheint kaum jemals oder jedenfalls nur äusserst selten durch den Zwang der übermässigen Jeilverkleinerung veranlasst zu werden. Es sind hier vielmehr äussere Factoren, im Wesentlichen Licht, Temperatur und Ernährungsmodi- fikationen, welche die Verbindung zweier Zellen zur Bildung von Auxosporen herbeiführen.* Die Verfolgung der Auxosporenentwick- lung von Cymatopleura hatte dann später ein unerwartetes Resultat ergeben.?) Während Pfitzer*) vor langen Jahren Oopulation zweier Zellen und Bildung einer Auxospore beobachtet hatte, konnte ich zwar Vorbereitungen zu einer Copulation feststellen, doch unterblieb in jedem zur genaueren Untersuchung gelangten Falle die sexuelle Vereinigung. Dementsprechend fanden sich stets zwei Auxosporen statt der erwarteten einen vor. Dieses Ergebniss führte zu der Fragestellung, ob etwa seit den Beobachtungen Pfitzer’s ein völliger Verlust der Sexualität hier eingetreten sei, oder ob eine Rückbildung in der Weise anzunehmen sei, dass je nach äusseren Lebensbedingungen aus den zusammen- lagernden Mutterzellen eine sexuell gebildete oder zwei asexuelle sein als die kürzere (Beispiele 1) H. Klebahn, Beiträge zur Kenntniss der Auxosporenbildung. I. Rhopa- lodia gibba (Ehrbg.) O. Müller. Pringsheim’s Jahrb. £. w, B. XXIX, 1896, 630. 2) G. Karsten, Diatomeen der Kieler Bucht 1. c. pag. 193. oo. 3) G. Karsten, Die Auxosporenbildung der Gattungen Cocconeis, Surirella und Cymatopleura. Flora 1900, 253. 4) E. Pfitzer, Bau und Entwickelung I, c, pag. 119, 1871. 407 Auxosporen hervorgehen? Die Entscheidung dieser Frage schien um so wichtiger zu sein, als darin vielleicht die Ursache liegen mochte, dass bei Untersuchung derselben oder naheverwandter Formen der eine Autor Copulation beobachtet hatte, während ein anderer sie nicht aufzufinden vermochte. Die oben mit Bezug aufMiquel’s Angaben angedeuteten Zweifel und viele andere Fälle würden damit ihre Er- ledigung finden können. Aus den schönen Untersuchungen von Klebs!) geht ja hervor, dass die verschiedensten Algen und Pilze lange Zeit eultivirt und dabei durch Aenderung der Culturbedingungen gezwungen werden können, je nach dem Willen des Experimentators geschlechtliche oder unge- schlechtliche Fortpflanzungsorgane zu bilden. Am meisten Aehnlich- keit mit den hier in Frage stehenden Diatomeen haben. von allen Versuchsobjecten, die Klebs anführt, die Conjugaten, insoferne als typische asexuelle Vermehrungsorgane auch ihnen fehlen, und nur vegetatives Wachsthum, d. h. Zellvermehrung durch Theilung, oder durch Copulation zweier Zellen Zygotenbildung möglich ist. Von besonderem Interesse für den Vergleich mit den Diatomeen ist es nun, dass eine geschlechtslose Spirogyraform vorhanden ist, welche zygotenähnliche Ruhesporen besitzt, wie wir bei Rhabdonema und den centrischen Diatomeen asexuelle Auxosporen kennen. Die von Klebs hier bevorzugte Auffassung, in dieser Spirogyra mirabilis den „einfachsten Typus einer noch nicht geschlechtlichen Art“ zu erblicken, „von der erst die conjugirenden Arten herstammen“, ist mir per- sönlich von Interesse, da auch ich diese Meinung für Rhabdonema arcuatum vertreten habe. Ausserdem konnte aber Klebs?) zwei zur Copulation bereits zusammengelagerte Zellen von Spirogyra wie von Desmideen durch Einwirkung von wasserentziehender Rohrzuckerlösung veranlassen, statt einer Zygote zwei Parthenosporen zu bilden. Nach Beobach- tungen von Klebahn?°) scheinen solche Parthenosporen häufiger vorzukommen. Wir hätten also darin ein völliges Gegenstück zu dem Verhalten von Cymatopleura (meiner Beobachtung) gegenüber dem- jenigen von Surirella (und Cymatopleura nach Pfitzer) — nur dass die bewirkende Ursache hier unbekannt ist. 1) G. Klebs, Die Bedingungen der Fortpflanzung bei einigen Algen und Pilzen. Jena 1896, 277 ff. 2) 1, ce. pag. 246 u. 260. . 3) H. Klebahn, Studien über Zygoten I. Die Keimung von Closterium und Cosmarium. Pringsheim’s Jahrb. f. w. B, XXU, 1890, pag. 429. 408 Schon bei Besprechung dieses Verhaltens in der genannten früheren Arbeit!) wurde auf die grosse Häufigkeit von Abschwächung oder Verlust der Sexualität in dem Kreise der Diatomeen hingewiesen. Die eigenartigen Lebensbedingungen, denen diese Organismen unter- worfen sind, konnten in einigen Fällen zur Erklärung für die That- sache benutzt werden, nämlich bei Planktonformen und den be- wegungslosen Arten. Betrachtet man aber auch nur die jetzt schon ihrer Auxosporenbildung nach bekannten Diatomeen näher, so bleibt eine Anzahl von Formen übrig, welche keiner der beiden genannten biologischen Abtheilungen angehören und doch eine Reduction ihrer Sexualität zeigen. Es gehören dahin Bacillaria paradoxa, Cyma- topleura Solea, Cymatopleura elliptica und nach den Angaben von Miquel Nitzschia palea, Nitzschia sigmoidea und Navicula elliptica. Für diese Gruppe hatte ich hypothetisch ganz oder theilweise saprophytische Ernährung als Ursache der Abschwächung ihrer Sexualität angenommen, ohne jedoch Beweise dafür liefern zu können. Bald darauf erschien ein Aufsatz von Möbius,?) betitelt: „Para- sitismus und sexuelle Reproduction“, welcher die darüber bekannten Thatsachen zusammenstellt. Er gebt dabei von der Hypothese aus, dass die saprophytische oder parasitische Ernährungsweise „dem eigent- lichen Wesen der Pflanzen derartig widerspricht, dass dadurch die Entwickelung der wichtigsten Organe“ (nämlich der Reproduktions- organe) „alterirt wird“. Dass mit diesem Satze eine „Erklärung“ für die von ihm angeführten Thatsachen gegeben sei, wird Möbius kaum annehmen wollen, somit kann die von Goebel dem Aufsatze angehängte Be- merkung, dass der zu vermuthende Zusammenhang zwischen Lebens- weise und Bau der Sexualorgane bis jetzt ganz dunkel sei, nur als zutreffend bezeichnet werden. Von den phanerogamen Pflanzen und den hochorganisirten Pilzen, auf welche sich die von Möbius herbeigebrachten Fälle in der Haupt- sache beziehen, einen Aufschluss in dieser Frage zu erhalten, ist höchst unwahrscheinlich; so schien es mir von Interesse zu sein, bei den verhältnissmässig einfach organisirten Diatomeen den Versuch zu machen, ob eine Beeinflussung der Lebensweise solche Differenzen, wie sie z. B. für die Auxosporenbildung bei Cymatopleura nach den 1) 6. Karsten, Coeconeis, Surirella, Cymatopleura ete,, 1. c. pag. 279. 2) M. Möbius, Parasitismus und sexuelle Reproduktion im Pflanzenreiche. Biolog. Centralblatt XX, Nr. 17, 1. Sept. 1900, und „Nachträgliche Bemerkungen“ etc. ibidem Nr. 23/24, 15. Dec, 1900. 409 vorliegenden Beobachtungen vermuthet werden müssen, herbeizuführen im Stande ist, ob also saprophytische Ernährung eine asexuelle, autotrophe Lebensweise eine sexuelle Auxo- sporenbildung begünstigen. Von diesem Gedankengange ausgehend versuchte ich verschiedene Diatomeen in organischen Nährlösungen zu cultiviren und ihr Ge- deihen und ihre Vermehrung von der Assimilationsarbeit der Chroma- tophoren unabhängig zu machen, denn das war die nothwendige Voraussetzung, wenn die andere Frage einer Beantwortung entgegen- geführt werden sollte. Wenn erst die Cultur von Diatomeen bei Ausschluss der Assimilation gelang, dann könnte man durch Vergleichs- eulturen assimilirender und nicht assimilirender Individuen feststellen, ob diese tiefgreifende Aenderung der Lebensbedingungen, speciell ihrer Ernährungsweise, Rückwirkung auf die Auxosporenbildung, auf Eintreten oder Ausbleiben sexueller Vereinigung ausübt. Dass viele Diatomeen bei Darbietung organischer Beimengungen zu ihrer Öulturflüssigkeit gut gedeihen, ist bereits durch Miquel!) festgestellt worden. Er fügte z. B. Kleie, Grashalmstücke, Moos, getrocknete Excremente von Nagern oder Wiederkäuern hinzu und bemerkt besonders: „on voit qu’il ne faut servir aux diatomdes que des substances d’une putrefaction lente et difficile et j’ajoute en quantite assez faible pour que l’eau oü elles sont immergees ne puisse pre- senter en aucun moment, surtout au debut, les phenomenes actifs de la putrefaction qui se manifestent par le louchissement de la maceration sous l’influence des bacteries*. Aus seinen Resultaten interessirt uns hier vor allem die Angabe,?) dass unter dem Einflusse von Kohlenhydraten, Glycerin, Alkohol und von Salzen organischer Säuren, die den Nährlösungen zugesetzt waren, die Diatomeen in der Regel farblos werden. Er schliesst daraus: „Il semble que les aliments hydrocarbones solubles fournis aux Dia- tomees leur permettent de vivre sans chlorophyli“. Auch an einer anderen Stelle werden, sehr kurz freilich, diese farblos werdenden Diatomeen von Miquel?®) erwähnt und hinzugefügt, dass auf ver- schiedene Weise die Entfärbung erzielt werden könne, und dass da- durch weder ihre Lebensfähigkeit noch ihre Vermehrung beeinträchtigt werde. Versuche, Diatomeen unter Lichtabschluss lediglich durch 1) Miquel P. De la culture artifieielle des Diatomees. Le Diatomiste I, 98, 1892. 2) l. c. pag. 170. 3) Recherches expörim. ete. I. c. Nr.1 pag. 15. 410 “ organische Nährlösung zu erhalten und zu vermehren, sind von Miquel nicht angestellt worden. Dagegen ist ausschliesslich saprophytische Ernährung für die von Cohn!) entdeckten, von Provazek?) und Benecke?°) ihrer un- verdienten Vergessenheit jüngst entrissenen, anscheinend chromato- phorenlosen Formen bereits von ihrem Entdecker und allen folgenden Beobachtern angenommen, von Benecke durch Culturen bestätigt worden. Beiderlei Formen, farblose und farblos gewordene, werden uns im folgenden ersten Theile dieser Untersuchungen hauptsächlich beschäftigen. Die Culturversuche. Um die Assimilationsthätigkeit der braunen Diatomeen aufzuheben, mussten Dunkelculturen angestellt werden. Dafür konnte ein grosser Thermostat benutzt werden, der zugleich in den Wintermonaten eine Temperatur herzustellen erlaubte, weiche derjenigen des Zimmers ent- sprach, an dessen Fenster die belichteten Controleulturen sich befanden. Zu den Versuchen benutzte ich als Ausgangsmaterial zunächst ausschliesslich eine Stammeultur, in der Nitzschia palea und Nitzschia amphioxys enthalten waren, und zwar die erstere in überwiegender Menge. Die grosse Vermehrungsfähigkeit dieser Forn ist bereits von Miquel*) hervorgehoben worden; sie eignet sich dieser Eigenschaft wegen für derartige Versuche besonders gut, Meine Exemplare der etwas variablen Art besassen eine schmal- lineale Schalenseite mit abgerundeter, meist ein wenig knopfartig ausgezogener Spitze. Die Dimensionen schwankten zwischen 37 und 421:3—4y. Zwei Chromatophoren einer Gürtelseite angelagert greifen mit ihren Rändern ınehr oder weniger weit auf die Schalen hinüber. Im normalen Zustande der Zellen bedecken sie die ganze Länge und lassen nur in der Mitte einen geringen Zwischenraum frei, in dem der Kern sich befindet. (Fig. 1 Taf. V.) Nitzschia amphioxys gehört zu der 'Untergattung Hantzschia; sie besitzt ungleichseitige Schalen und führt die Raphe beider Schalen an derselben Zellseite. Ihre Chromatophoren bestehen beiderseits des 1) Ferd. Cohn, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der mikroskop. Algen und Pilze, Verh. Leop, Carol. 1854. XXIV. 1. pag. 108 ff. 2) 8. Provazek, Synedra hyalina, eine apochlorotische Bacillarie. Oesterr. botan. Zeitschrift 1900, Nr. 3, 3) W. Benecke, Ueber farblose Diatomeen der Kieler Föhrde. Prings- heim’s Jahrb. f. w. B. XXXV. 1900, pag. 535. 4) Recherches experim, ete. I, c. Nr. 4 pag, 25. 411 Zellkernes aus je zwei den Gürtelseiten angelagerten Platten, die in der Mitte durch ein den Zellraum durchsetzendes Pyrenoid verbunden und zusammengehalten werden. Die Art ist erheblich grösser als Nitzschia palea, ich maass im Durchschnitt 664.:10p. Die Vermeh- rungsfähigkeit steht sehr zurück gegenüber derjenigen von Nitzschia palea. Die Versuche wurden theils in kleinen Glasdosen angesetzt, aus denen Proben zur Untersuchung durch Pipetten entnommen werden konnten, oder direct auf hohlgeschliffenen Objectträgern resp. meist in feuchten Kammern als Hängetropfenculturen. Zunächst mussten zahlreiche verschiedenartige organische Stoffe auf ihre Wirksamkeit als Nährstoffe geprüft werden, indem sie in Mengen von 2%, 1%, oder 0,5%, Knoop’schen Nährlösungen von 0,05—0,15 %, zugesetzt wurden. — In der Weise sind erprobt: Traubenzucker, Pepton 4 Traubenzucker, Dextrin, Harnstoff — Traubenzucker, Glycerin, Leuein + Traubenzucker, Alkohol, Glycocoll-+ Asparagin + Trauben- Asparagin, zucker, Pepton, ” Kalium eitrieum, Hämoglobin, Kalium malicum, Glyeoeoll, Kalium oxalicum neutrale, Harnstoff, Caleium laetieum, Leuein, Calcium butyrjeum, Glycocoll -4- Traubenzucker, Erbsenabkochung 1°, + 1°], Ci- Asparagin -- Traubenzucker, tronensäure (Zumstein).!) Nachdem durch viele und wiederholte Versuche die grössere oder geringere Brauchbarkeit festgestellt war, wurden Hängetropfeneulturen von den als geeignet befundenen Nährstoffen hergestellt und mit ein- zelnen Individuen oder doch mit einer genau festgestellten Anzahl beschickt, um durch tägliche Controle die Vermehrung zu erfahren und derart zahlenmässige Belege zu erhalten. Derartige Culturen werde ich als „Zähleulturen“ anführen. Es kam mir bei alledem nicht auf absolute Reinculturen an, die einen unerschwinglichen Auf- wand von Zeit erfordert hätten. Müssen doch auch an den natürlichen Standorten die Diatomeen die Coneurrenz besonders von Bacterien, grünen Algen, Cyanophyceen ete. ertragen. Doch lassen sich grüne und blaue Algen bei einiger Vorsicht leicht von den Culturen fern halten. 9» H.Zum stein, Zur Morphologie und Physiologie der Euglena gracilis Klebs, Pringsh, Jahrb. f. w. B. 834 pag. 149 ff. 1900. 412 Statt Knoop’scher Nährlösung wurde auch das Bonner Leitungs- wasser angewandt. Seine Zusammensetzung schwankt nach freund- licher Mitteilung des Herrn Kollegen Partheil je nach dem Wasser- stande des Rheins zwischen folgenden Grenzwerthen: 50, 80; | CaO | MgO Trocken- substanz | Wasser- Chlor | stand Datum 0.0175 | 0,0634 | 0,1615 | 0,0413 0,0055 | 0,0841 | 0,0605 | 0,0155 0,0082 | 0,0855 | 00700 | — 22.12. 1901 | 82cm | 0,7180 | 0,0888 9/3. 1901 | 450em | 0,2340 | 0,0195 22.3. 1901 | 316cm | 0,2710 | 0,0213 f 1 | \ | | | | | Natrium und Kalium sind nicht bestimmt worden; sie sind in dem sich ergebenden Fehlbetrage enthalten. Ergebnisse der Culturen. Als geeignetste Nährlösungen, welche Diatomeen zu einer mehr oder weniger starken Vermehrung im Dunkeln dienen können, er- gaben sich: Glycerin, Glycocoll und Traubenzucker, Asparagin und Traubenzucker. Gewiss würde sich Traubenzucker durch andere Kohlenhydrate ersetzen lassen. Günstiger als die bisher genannten möchte Pepton und Traubenzucker sein, doch ist bei dem Impfen der Hängetropfen ein Miteinimpfen yon Bacterien unvermeidlich und diese vermehren sich in peptonhaltiger Lösung sehr rasch, so dass die Diatomeen nicht dagegen aufkommen können. Das Glycocoll dagegen erwies sich als ein der Bacterienvermehrung ziemlich ungünstiger Stoff; ich benützte ihn deshalb auch bisweilen als Zusatz neben anderen Nährstoffen. Penieillium dagegen wuchs ausgezeichnet in mit Glycocoll angesetzten Nährlösungen. Die organischen Kalium- und Caleiumsalze traten meist der Ver- mehrung auch in den belichteten Culturen entgegen. So war z.B. in einer Kultur mit äpfelsaurem Kalium am Licht drei Wochen lang eine Zelle unfähig sich zu vermehren, obwohl sie völlig gesund aus- sah und lebhaft gefärbte Chromatophoren besass. Nur Calcium lac- ticum-Culturen wiesen unter Lichteinfluss starke Vermehrung auf. Durchaus schädlich für Diatomeen ist jegliche saure Reaction der Nährlösung, so dass das von Zumstein empfohlene Erbsenwasser mit Citronensäurezusatz sich als ungeeignet erwies; ohne diesen Zu- satz ist es den Bacterien allzusehr ausgesetzt. Bei Besprechung 413 specieller Fälle wird später auf Einzelheiten näher einzugehen sein; es wird dort auch zu zeigen sein, dass durchaus nicht alle Diatomeen- arten dazu zu bewegen sind, durch Aufnahme organischer Nahrung Vermehrung auch im Dunkeln zu zeigen, dass diese Fähigkeit viel- mehr verschiedenen Formen in sehr verschiedenem Maasse eignet, anderen gänzlich abgeht. In allen Fällen aber, in denen eine Diatomeenform sich als fähig erwies, organische Nährlösungen zu verarbeiten, waren charakteristische Veränderungen ihres äusseren Ansehens die Folge. Die erste Veränderung pflegt in dem Auftreten des „Speckglanzes* zu bestehen, der die ganze Zelle als ein hell glänzendes und stark lichtbrechendes Gebilde im Präparate hervortreten lässt und das Er- kennen von Einzelheiten, sei es an den Schalen, sei es im Zellplasma, ausserordentlich erschwert. Der Ausdruck ist von Schütt!) für Vacuolen eingeführt, die von dem Grundplasma der Peridineen durch einen „fast fettartigen Glanz“ abstechen. Derselbe Autor konnte auch einzelne Chaetoceras- und Rhizosolenia-Individuen durch ein solches Glänzen aus der Masse gleichartiger aber durchsichtiger Zellen leicht herausfinden. Von Benecke?) ist die Bezeichnung für seine farb- losen Diatomeen herübergenommen und mag deshalb auch hier Ver- wendung finden. Dieser Speckglanz ist über die ganze Zelle ausgebreitet und hebt sie im mikroskopischen Bilde deutlich hervor; beim Tode der Zelle geht er sofort oder doch nach kurzer Zeit verloren, Ihm ist es zu- zuschreiben, dass beim Zeichnen mit dem Zeichenapparat die Umrisse solcher Zellen leicht ein wenig grösser ausfallen als sie in Wirklichkeit sind. Der gleichmässige Glanz hindert nun aber nicht, dass grössere oder kleinere Tropfen von ebenfalls fettartigem Aussehen sich durch scharfe Umrissformen im Plasma bemerkbar machen. Die grösseren meist symmetrisch in der Zelle vertheilten Tropfen (Figg. 2—6) traten besonders stark bei Culturen in Asparagin- lösungen auf, ohne in anderen zu fehlen. Die Tropfen erwiesen sich als Hislich in abs. Alkohol, Chloroform ete. Sie färben sich mit Osmiumsäure dunkelschwarz und speichern lebhaft den Farbstoff aus Alkannalösung. Die Lebendfärbung durch Methylenblaulösung war stets nur bei kleinen und kleinsten Tröpfchen zu beobachten. Die verschiedene Reaction ist ja kaum wunderbar, da es sich offenbar 1) F. Schütt, Peridineen der Planktonexpedition 1895 pag. 44. 2) W, Benecke, |, c. pag. 550, 414 um ganz verschiedenartige in flüssiger Form aufgespeicherte Stoffe handeln dürfte. Ein etwas abweichendes Verhalten liessen die grossen Zellen der Nitzschia amphioxys erkennen. Statt der einheitlichen grossen Tropfen fand sich neben den ebenfalls sehr stark reducirten Chromatophoren eine Menge kleiner, durch feinste Plasmalamellen durchsetzter und zusammengehaltener Flüssigkeitskügelchen von fettartigem Aussehen, welche die Zelle völlig auszufüllen schienen. Diese Plasmalamellen waren an den lebenden Individuen völlig deutlich zu sehen. Eine ähnliche, aber erst durch Alkohol sichtbar zu machende Zerklüftung einheitlich erscheinender Fettmassen erwähnt auch Benecke!), Das „speckglänzende“ Aussehen trat also in belichteten wie in Dunkeleulturen als erste auffällige Erscheinung hervor, ohne einen Unterschied erkennen zu lassen. Nach längerem Aufenthalte in den betreffenden Nährflüssigkeiten machte sich dann eine langsame Ab- nahme der Chromatophorengrösse deutlich bemerkbar. Und zwar war dieseAbnahmebei den sichschnellvergrössernden und ihre Individuenzahl vermehrenden Lichteulturen erheblich stärker als bei den Dunkelceulturen. So sind z. B. in Fig. 2 und Fig. 3 Individuen einer Iproc. Glycerineultur ge- zeichnet, welche vor drei Wochen angesetzt war. Die entsprechende Dunkeleultur besass mindestens noch doppelt so grosse Chromato- phoren und auch eine Cultur in 2proc. Glycerin, den sich die Zellen erst langsamer anpassen können, hatte am Licht noch erheblich grössere Chromatophoren bewahrt. (Fig. 4) Nach weiteren acht Tagen fand ich in der ersterwähnten belichteten Iproc. Glycerineultur Individuen, bei denen die Chromatophoren zu kaum noch wahrnehmbaren Pünkt- chen (bei starker Vergrösserung 1000 :1!) redueirt waren. Inzwischen hatten sich auch die Zellen der 2proc. Cultur erheblich vermehrt und entfärbt und schliesslich kamen auch die Dunkelculturen zu starker Abnahme der Chromatophorengrösse. Dabei besassen diese farblos gewordenen Individuen die gleiche Beweglichkeit wie die normalen gefärbten Zellen der Ausgangseultur. “* Diesen Unterschied im Verhalten erkläre ich mir damit, dass bei den fortwährenden Zelltheilungen in den belichteten Culturen sehr viel häufiger Gelegenheit eintritt, an Neubildung der Chromatophoren- fläche zu sparen, als bei den sich erheblich langsamer vermehrenden Dunkeleulturen; denn die festgestellte „Verkleinerung“ kann doch 1) l. c. pag. 549. rmmmndn Sram nme nn eilt hi 415 wohl nur auf „Unterbleiben des regelmässigen Zuwachses“ der bei jeder Theilung sich halbirenden Chromatophoren geschoben werden. In keinem Falle ist es mir gelungen, ein völliges Schwinden der Chromatophoren zu erzielen. Auch nach mehr als vier Monaten waren kleine Chromatophorenreste in den fort- geführten, von Zeit zu Zeit mit neuer Nahrung versehenen Culturen zu erkennen, so dass also nach Ablauf von vier Wochen für belichtete, von ca. acht Wochen für Dunkeleulturen eine erhebliche weitere Aenderung nicht mehr eintritt. Wurden nun Individuen aus diesen organischen Nährlösungen in reine Knoop’sche Nährlösung oder in Leitungswasser gebracht und in Zähleulturen beobachtet, so konnte am Licht wie im Dunkeln eine Wiedervergrösserung der Chromatophoren beobachtet werden. In den belichteten Culturen trat dann nach kurzem Stocken normale Weiter- vermehrung ein, die Dunkeleulturen blieben unverändert, bis sie etwa ans Licht gebracht wurden.!) Es geht also hieraus hervor, dass irgend ein Umstand in den organischen Nährlösungen auf Verkleinerung der Chrematophoren hinarbeitet, respective den Nachwuchs getheilter Chromatophoren hindert, dass mit der Uebertragung in rein anorganische Lösungen dieser Umstand fortfällt. Bevor ich weitergehe, mögen hier einige Zahlenbelege aus den Zähleulturen folgen: Tabelle L — Nitzschia palea, Nährlösung a=1g Glyeocoll, 1g Traubenzucker, 100 Leitungswasser. Nährlösung b—1g Asparagin, 1g Traubenzucker, 100 Leitungswasser. Nährlösung ab = 1g Glycocell, 1g Asparagin, 1g Traubenzucker, 100 Leitungswasser. 1) Dass Diatomeen ohne Schädigung ihrer Chromatophoren eine wochenlange Verdunkelung ertragen können, hatte ich schon in Kiel häufiger erfahren, von Benecke l. c. pag. 562 ist dieser Umstand ebenfalls festgestellt worden. Aehnlich verhalten sich die Cyanophyoeen, Cf. R, Hegler, Untere. über d. Organisation d. Phycochromaceenzelle. Pringsheim’s Jahrb, f. w.B. 36. 291. Licht i Dunkel Licht Dunkel Datum | al a2 | a3 abi ab 2 ab3 29.j1. 4 21 16 2 3 10 30./1. 5 25 18 3 4 13 31.1. 7 Do Be 3 5 5 15 1.2. 8 Eu Be > j Tabelle I. — Nitzschia palea. Glycerin 1°/, mit Leitungswasser Belichtet Datum belichtet dunkel in Knoop 10), 1 2 3 a) 5 e | 7 8 21.1. 4 6 2 su 22./1. 4 6 3 8 13 23./1. 8 8 4 8 14 24./1. 12 14 4 8 14 7 1 14 25./1. 26 6 8 14 8 2 17 26./1. 34 16 8 14 14 4 31 27./1. 36 16 9 14 15 7 35 28./1. 40 16 9 14 29./1. 47 23 9 30.1. 62 26 10 s1./1. 66 31 10 1./2. 69 3 10 2.2. 69 31 10 14 Aus diesen beiden täglich controlirten Culturserien geht hervor, dass auf Kosten von Glycerin allein wie durch Glycocoll resp. Aspa- ragin + Traubenzucker eine Ernährung und Vermehrung unserer Nitzschia im Dunkeln stattfinden kann. Freilich leistet Glycerin allein darin‘ erheblich weniger als die eine bessere Kohlenstoffquelle und eine Stickstoffquelle daneben besitzenden Nährlösungen. Günstiger für den Nachweis der Vermehrung in Dunkeleulturen erwies sich eine kleine Navicula, die aus dem Weiher des Gartens stammte und als N. perpusilla Grun. bestimmt wurde. 417 Tabelle IH. Navicula perpusilla. Grun.!) Nährlösung a, | Datum belichtet | belichtet | belichtet | dunkel dunkel dunkel dunkel 1 2 | 38 4 5 6 7 T 25./2. 8 7 | 2 26./2. 3 7 2 27.2. 4 8 3 28./2. 6 9 12 8 3 10 13 1.]3. 7 11 17 8 3 7 13 2.8. 7 13 24 4 5 7 14 3./3. 21 24 5 8 12 14 4./8. 28 25 6 1i 15 18 5./8. 38 25 14 25 19 6./3. 64 30 19 32 24 Für weitere Zwecke mag noch folgende Tabelle hier angefügt sein, die in Verbindung mit den anderen einige Rückschlüsse auf das Verhalten der Nitzschia in den verschiedenartigen Nährlösungen ge- statten wird. Tabelle IV. — Nitzschia palea, (Lichteulturen.) Dat Culturen aus Nährlösung a entnommener Individuen m u in Knoop 1% | in Glycerin 20), KL | K, 6, G, G5 4./2. 5 38 44 5./2. 7 38 47 6.]2. 8 49 58 8 8 8 7.]2. 4 49 56 5 6 1 8./2. 4 65 5 6 1 9.]2. 4 85 8 7 2 10.2. 7 105 9 9 2 11.2. 8 140 8 10 2 12./2. 9 16 14 4 13.2. 13 18 19 4 14./2. 16 21 22 8 15./2. 16 24 24 8 16./2 16 25 27 8 17./2 15 26 28 9 18./2 15 27 31 9 19./2 18 27 31 9 20./2 24 28 31 14 21./2 25 27 82 16 22./2. 25 (Nährlösung erneuert.) 17 4 16 23./2. 29 4-& 26 6 26 24.]2 29 31 8 30 25./2 30 35 12 34 26./2 30 51 16 85 27.2 30 62 18 54 28./2 30 64 80 60 1) A. Grunow, Ueber neue oder ungenügend gekannte Algen. Verh, der k. k. zoolog. botan. Ges. X., 1860, pag. 552 Taf. II Fig. 7. Flora, Ergänzgsbd. 1901. 27 418 Wenn wir die aus Tabelle I-IV abzuleitenden Zahlen für die Vermehrung einstweilen bei Seite lassen, um diese unser Thema nicht so direct berührende Frage später an der Hand weiteren Materials zu behandeln, so lässt sich doch allerlei sonstiges für die Lebens- führung der Diatomeen ableiten. Zunächst ist zu sagen, dass Tab. I—III von Culturen gewonnen sind, die erst für Zwecke der Oultur in organische Nährlösung gebracht wurden. In allen Fällen sehen wir die Vermehrung schon nach 24—48 Stunden einsetzen und fort- schreiten. Die einzige Ausnahme ist in Tab. III Dunkelcultur 6, wo drei Zellen nach 24 Stunden abgestorben waren; sie hatten bei der Impfung, vermuthlich durch den heissen Platindraht, Schaden erlitten. Dagegen zeigt Tab. IV meist einen anfänglichen mehr oder minder starken Rückgang; es sind zahlreiche Zellen abgestorben und erst nach einigen Tagen kommt die Vermehrung in ein stetiges Fort- schreiten. Das ist nicht etwa Zufall, sondern ich fand das Resultat in oft wiederholten Versuchen immer bestätigt. In Worte übertragen heisst es: Eine aus anorganischer Nährlösung genommene Diatomeenzelle kann einen ihr plötzlich sich darbietenden Zufluss organischer Natur, so- weit er zur Ernährung geeignet ist, gut vertragen, vermag im Dunkeln aus ihm allein eine beträchtliche Vermehrung zu erzielen. Anderseits aber kann eine aus organischer Nährlösung stammende Zelle trotz andauernden Lichtgenusses in Knoop’scher Nährflüssigkeit nicht ohne Weiteres mit gleicher Vermehrung fortfahren. Es erfolgt ein mehr oder minder heftiger Rückschlag, bis der gewohnte Zuschuss aus der organischen Nährlösung verschmerzt werden kann. Auch Aenderung des organischen Zuschusses, wenigstens von Glycocoll und Traubenzucker zu Glycerin, also Verschlechterung, übt einen ähnlichen Einfluss aus. Es geht das besonders deutlich aus einem Vergleich des ersten Ansatzes der Culturen G,_,; in Tab. IV mit dem neuen Ansatz unter dem 21./22. Februar hervor. Das erste Mal mussten die Zellen sich zu 2°), Glycerin bequemen, während sie aus Glycocoll und Traubenzucker kamen, das zweite Mal wurde ihnen 2°/, Glycerin nach Erschöpfung der früheren Dosis wieder zu Theil. Auf die erste Aenderung antworteten sie mit mehr oder minder starkem Ausfall, das zweite Mal setzten die bei der Procedur erhalten gebliebenen Zellen sofort mit mehr oder minder starker Vermehrung ein. In- wieweit plasmolytische Einwirkungen der Nährlösung dabei mit in Betracht zu ziehen sind, ist freilich nicht olıne weiteres festzustellen und hier nicht berücksichtigt worden. 419 Jedenfalls aber werden die organischen Stoffe auch in den be- lichteten Culturen mit verarbeitet, denn nach ihrer Erschöpfung oder bei ihrer Entziehung lässt die von ihnen mit unterhaltene Ver- mehrungsthätigkeit bedeutend nach, Vergleichen wir jetzt einmal die beiden Versuchsobjecte Nitzschia palea und Navicula perpusilla, so zeigt sich, dass die auf gut Glück herausgegriffene Nitzschia nicht gerade die günstigste Form für unsere Zwecke ist. Die erst gegen Abschluss der Versuche gefundene kleine Navicula wäre besonders für die Dunkelversuche besser geeignet gewesen. Denn während Nitzschia palea auch bei bester Ernährung nur einen Bruchtheil der bei Licht stattfindenden Vermehrung zu leisten vermag (cf. Tab. I), sind diese Unterschiede bei Navicula per- pusilla vollkommen geschwunden; heterotrophe und mixotrophe Er- nährung ergeben in Bezug auf Vermehrungsintensität hier die gleichen Zahlen (ef. Tab. II). Es ist bereits darauf hingewiesen, dass Individuen, die bei mixotropher Ernährung ihre Chromatophoren hatten verkümmern lassen, dereif Oberfläche alsbald wieder vergrössern, wenn sie zu autotropher Ernährung zurückgebracht werden. Aber auch unter anderen Verhältnissen reagiren die Chromatophoren mit Vergrösserung oder Verkleinerung sehr seharf und prompt auf Aenderungen der Ernährung. Die hier folgende Tab. V mag dafür als Beispiel dienen, Von einer grösseren Anzahl Objeetträgereulturen, die aus einer älteren, mit Glycerin 2°, angesetzten Massencultur (in Glasdosen) in frische Nährlösung + Glycerin 2°, übergeimpft waren, blieben diese beiden hier als fı und fa bezeichneten übrig. fı war von vorneherein belichtet, fs wurde, als die Cultur im Dunkeln einzugehen drohte, ebenfalls ans Licht gebracht. Bei beiden war bereits in den ersten Tagen eine auffallende Vergrösserung der sehr kleinen Chro- matophoren zu bemerken; ein Anzeichen, dass diesen Organen in den neuen Verhältnissen grössere Arbeit zufiel als in der alten Cultur. Die Farbe der Chromatophoren wurde kräftiger gelb uud es war schliesslich wohl die Hälfte der Schalen wieder mit Chromatophoren- fläche bekleidet. Dann (10./2.) bemerkte ich Stillstand des Wachs- thums der Chromatophoren und wieder langsames Abnehmen ihrer Grösse und Farbenintensität, und zwar besonders stark nach Zufügung neuer Glycerin 1°, Nährlösung. Die Lösung dieses scheinbar regellosen Verhaltens glaube ich in folgenden bisher nicht erwähnten begleitenden Umständen zu finden. In allen Culturen, besonders in den Massenculturen, von denen aus 27* 420 Tab. V fı u, f, übergeimpft worden waren, liess sich eine Bac- terieninfection nicht vermeiden. Das „Glycerin 2°,“ wird daher hier in mehr oder weniger hohem Grade zersetzt worden sein und seine Zer- setzungsprodukte wurden von den Diatomeen aufgenommen. Als nun diese Individuen in eine frische Glycerin 2°), Nährlösung übergeimpft waren, fanden sie veränderte Verhältnisse vor, denen sie minder ge- wachsen waren. Sie antworteten mit Vergrösserung der stark redueirten Chromatophoren. Mit der Zeit ging aber auch in den neuen Öbject- trägerculturen eine Bacterienvermehrung und Glycerinzersetzung ‘von Tabelle V. — Nitzschia palea, Datum Farblos gewordene Individuen aus Glycerin 20/,, in Glycerin 20/,, isolirt f, belichtet | f, dunkel 23.]1. 13 12 24.j1. 18 12 25./1. 21 10 26./1. 30 8 27.1. 37 belicht. 27./1. 28./1. 40 Die kleinen blassen Chromatophoren 9 29.1. 42 werden bei f, wie f, gelber und grösser, 10 30./1. 46 bis schliesslich etwa die halbe Normal- 13 31/1. 57 grösse wieder erreicht ist. 20 1.]2. 65 Sneckel . leichzeitig ab 23 2.2. 78 peckglanz nimmt gleichzeitig ab, 25 3.j2. 29 Vom 10.2. ab starke Abnahme der 31 4.2. 90 Chromatophorengrösse wieder bemeık- 32 5.2. 106 bar. 40 6.]2. 116 45 1.2. 125 58 8./2. 127 60 9.]2. 138 62 u. 8. w, 7110./2. u 8. w. 20./2. beide im Entfärben begriffenen Culturen mit Nährlösung, Glycerin 10/,, neu versehen. 24.j2. Speckglanz und Entfärbung hat entschieden zugenommen; Chromato- phorengrösse bleibt jetzt constant =!/, der normalen, 5./3. Abreise halber abgebrochen, statten, die besonders nach Zufügung neuer Glycerinnahrung sich steigerte, da die Bacterien nicht entfernt worden waren. Eine er- neuerte Entfärbung der Diatomeen durch Verkleinerung und Ab- blassen ihrer Chromatophoren war die Folge. Die Diatomeenzellen waren dabei vielfach in eine Zoogloea- masse der Bacterien eingehüllt und solche Individuen zeigten die er- 421 wähnten Veränderungen der Chromatophoren und das speckglänzende Aussehen in besonders hohem Grade. Wenn man sich nun umsieht, wo etwa ähnliche Verhältnisse, wie sie hier in Culturgefässen hergestellt waren, in der freien Natur vor- kommen, so ist überall dort, wo Pflanzenreste faulen, wo also die Cellulose der Zellhäute und die Reste des Zellplasmas zersetzt werden, ein entsprechender Fall gegeben. Untersucht man den Bodensatz von Gewässern, die reiche Laubmassen im Herbste zugeführt erhalten und dabei für Entwickelung einer Diatomeenflora geeignet sind, so wird man die kleinen und kleinsten Nitzschia- und Naviculaformen meist als äusserst blasse, dabei aber lebhaft bewegliche, auch mehr oder minder speckglänzende Individuen finden. Dies Verhalten tritt oft besonders charakteristisch dort hervor, wo daneben eine Beggiatoa- vegetation geeignete Bedingungen findet und mit ihrem weisslichen Fadennetze kleinere Bodenpartien überzieht. Ich versuchte mir über das Zustandekonımen dieser blassen Färbung Rechenschaft zu geben und setzte Culturen an, die zunächst mit faulenden Blättern u. dergl. beschickt wurden. Zähleulturen waren hier natürlich ausgeschlossen, doch wurden neben grösseren Massenculturen in Glasdosen auch hier Objectträgereulturen einge- richtet, die einer täglichen Controle unterstanden. Es ergab sich nun einmal, dass bei solchen Fäulnisseulturen, die weitere organische Stoffe nieht zugeführt erhielten, die Vermehrung der Diatomeen bei Lichtabschluss voran geht und zwar ziemlich ener- gisch, wenn auch nicht in demselben Maasse wie in den belichteten Controlversuchen. Ferner tritt auch in diesem Falle der uns bekannte Speckglanz auf und eine Entfärbung der Individuen setzt in Licht- wie Dunkeleulturen auch hier ein. In der Art der Entfärbung war aber ein erwähnenswerther Unter- schied vorhanden. Während wir vorhin bei der Cultur in organischen Nährlösungen eine von Woche zu Woche fortschreitende Entfärbung durch Grössenverminderung der Chromatophoren fest- stellen konnten, war die weit schneller verlaufende Entfärbung hier wesentlich eine Abnahme der Färbungsintensität. Diese war allerdings nach längerer Dauer der Einwirkung meist von einer mehr oder minder auffallenden Grössenverminderung begleitet. Doch war schliesslich, auch wenn die Chromatophoren noch wie in Fig. 7 und 8 eine recht ansehnliche Grösse zeigten, ihre Färbung so ausserordent- lich schwach, dass sie ohne besondere Aufmerksamkeit nicht erkannt werden konnten. Dieses Stadium trat etwa eine Woche nach Auf- 422 nahme der Zeichnungen Fig. 7 und 8 ein, ohne von weiterer Grössen- reduction begleitet zu sein. Sie waren völlig entfärbt worden. Dabei besitzen solche farblose Zellen eine lebhafte Beweglichkeit. Sie ruhen dann dazwischen mit Vorliebe an den feinen Beggiatoafädchen aus, an welche sie sich mit den Schalenenden zeitweise festzusetzen pflegen. Derartig abgeblasste Individuen konnten nun durch Überführung in Knoop’sche Nährlösung oder auch in einfaches Leitungswasser stets wieder zu normaler Färbung und autotropher Ernährung über- geführt werden. Nach 2—3tägigem Aufenthalte in derartigen Flüssig- keiten waren sie von normalen Individuen kaum noch zu unterscheiden, Von einer besonders energischen Einwirkung, die geringe Mengen von Schwefelwasserstoff, wie sie in mit Beggiatoa durchsetzten Culturen stets vorhanden sind, auf die Entfärbung haben könnten, vermag ich nichts auszusagen, da meine daraufhin angestellten Ver- suche nicht zu einem klaren Ergebniss führten. Freilich scheint ja auch das reichliche Vorkommen kräftigst gefärbter Pleurosigmen!) in der Vegetation des todten Grundes gegen eine solche Vermuthung zu sprechen. Doch sind die dabei in Betracht kommenden Verhältnisse von sehr complieirter Art und nicht hinreichend geklärt. Und es braucht, was für eine Species festgestellt ist, durchaus nicht auch für andere zu gelten, Litteratur-Vergleichung. Vergleichen wir nun mit diesen Resultaten das bisher in der Litteratur vorliegende Material, so bieten sich die nächsten Beziehungen zu den bereits erwähnten Angaben Miquel’s?) dar. Wir haben ge- sehen, dass seine Vermuthung, die Diatomeen vermöchten ohne Chloro- phyli! zu leben auf Kosten organischer Stoffe, richtig ist, dass freilich die Chromatophoren niemals völlig verschwinden, sondern nur in Grösse oder Färbungsintensität sehr stark zurücktreten, so dass man bei schwacher Vergrösserung wirklich farblose Zellen vor sich zu haben glaubt, Sobald aber die gebotenen organischen Stoffe minder zu- sagen, so sind die so stark redueirten Chromatophoren im Stande, sich zu vergrössern und den Diatomeen eine bedeutende Vermehrungs- ziffer am Lichte zu gewährleisten, zu der die organische Nährlösung 1) A. Engler, Über die Pilzvegetation des weissen oder todten Grundes in der Kieler Bucht. Jahresber. d. Commission z. wiss. Unters. d. Deutsch. Meere in Kiel. VII-—XI, 1882, pag. 187, u. G. Karsten, Diatomeen d, Kieler Bucht Wissensch. Meeresunters. 1. c. 136. 2) Le Diatomiste I, 1. c, 170. . 428 je nach ihrer Beschaffenheit und nach der zum Versuche benutzten Diatomeenart mehr oder minder beiträgt. Bei weiterem Umblicken begegnen die Mittheilungen von Beyerincek!) betreffs seiner „Culturversuche mit Zoochlorellen“. Der wesentliche Unterschied nur ist hervorzuheben, dass seine Algen- zellen durch Cultur auf organischem Substrat nicht zum Schwinden der Chromatophoren veranlasst werden, sondern, wie die Tafel zeigt, äusserst lebhafte grüne Farbe behalten. — (Von den angeführten chlorophylifreien Schwärmern [l. c. 783] kann hier abgesehen werden, da sie abnorm waren.) Sehr nahe berühren uns die Angaben von W. Krüger?) über zwei aus Saftflüssen rein gezüchtete Algen. Diese von Krüger als Chlorella prototheeoides und Chlorothecium sacharo- philum bezeichneten Algen hatten die Fähigkeit, sich von organi- schen Substanzen zu ernähren und sich dabei besser zu entwickeln als im Wasser mit anorganischen Nährsalzen. Dabei trat die Aus. bildung des Chlorophylis ganz ausserordentlich zurück, so dass man in gewissen Fällen z.B. nicht im Stande war, die Chlorella proto- thecoides von einem völlig chlorophylifreien Organismus der Proto- theca Zopfii zu unterscheiden. Dieselbe Chlorella zeigte aber in anorganischer Nährlösung sehr wohl entwickelte Chromatophoren. Dunkelversuche scheinen von Krüger nicht angestellt zu sein. Ebenso sind die Resultate von Zumstein?) über die autotrophe, mixotrophe und heterotrophe Ernährungsmöglichkeit von Euglena gracilis für uns von grossem Interesse. Der hier besonders in Betracht kommende Theil der Untersuchungen lautet in der Zusammenfassung (pag. 195): „t. Euglena gracilis kann entweder rein autotroph oder hetero- troph ernährt werden.... 2. Bei Lichtabschluss sind die Chromatophoren in Form kleiner Leukoplasten, am Licht als grosse Chloroplasten ausgebildet... 3. Die farblose Form wandelt sich am Licht in die grüne Form um; gleichzeitig vertauscht sie die heterotrophe Ernährung mit der mixotrophen oder der autotrophen. OO DM.W.Beyerinck, Culturversuche mit Zoochlorellen, Lichenengonidien und anderen niederen Algen. Bot. Zig. 1890. 725 ff. 2) W. Krüger, Beiträge zur Kenntnis der Organismen des Saftflusses der Laubbäume. II. Ueber zwei aus Saftflissen rein gezüchtete Algen. Zopf’a Beitr. zur Physiologie und Morphologie niederer Organismen. Lpzg. 1894. IV, pag. 91. 3)H. Zumstein, Zur Morphologie u. Physiologie von Euglena gracilis Klebs, Pringshkeim’s Jahrb. £, w.B. 34, 149 ff. Lpzg. 1900. 424 4. Aus der grünen Form kann die farblose wesentlich auf zwei Arten entstehen: a) in organischen Nährlösungen durch Abschluss des Lichtes; b) am Licht in sehr reicher organischer Flüssigkeit.* Die Unterschiede im Verhalten unserer Diatomeen bestehen also darin, dass der Einfluss des Lichtes auch schon in ziemlich schwacher organischer Nährlösung ganz zurücktritt; es gebt die Umwandlung gelber in farblose Individuen vielmehr schneller am Licht vor sich als in Dunkeleulturen. Aehnlich scheinen auch die beiden Saftfluss- algen Krüger’s ihre Farben unabhängig vom Lichte zu ändern, denn es ist am genannten Orte niemals von einer Beeinflussung durch das Licht die Rede. Die Umwandlung farblos gewordener Diatomeenzellen in normal gefärbte durch Wiedervergrösserung der Chromatophoren ist in gewisser Weise ebenfalls unabhängig vom Lichte, denn nach Entnahme ein- zelner Individuen aus der organischen Nährlösung und Ueberführung in anorganische beginnt im Dunkeln wie am Lichte eine Vergrösserung der Chromatophoren. Freilich wird die normale Grösse erst wieder am Lichte erreicht, aber doch wohl nur deshalb, weil die in der kleinen Zelle vorhandenen Reservestoffe zum völligen Ausbau der Chromato- phoren unzureichend sind und, so lange der Lichtabschluss dauert, neue Stoffe aus der anorganischen Flüssigkeit nicht gewonnen werden können. Einen weiteren Unterschied würde man vielleicht darin finden, dass die Euglena über normale Leukoplasten verfügt, während wir die Nitzschiazellen meist durch eine aussergewöhnliche Grössen- minderung der Chromatophoren farbloses Aussehen gewinnen sahen. Da jedoch auch die Leukoplasten grüner Algen kleiner als die betreffenden Chloroplasten zu sein pflegen, während ich anderseits zeigen konnte, dass unter gewissen Umständen (in Fäulnissculturen) weniger die Grösse als die Farbe der Nitzschiachromatophoren beein- flusst wurde, ja völlige Farblosigkeit erzielt werden konnte, so scheint mir diese Differenz hinfällig und der Beweis für das Vorkommen von Leukoplasten bei den Diatomeen erbracht zu sein. Es ist das nicht weiter auffällig, da für die verwandten Peridineen das Vorkommen von Leukoplasten ja lange bekannt ist. ') So finden sich also innerhalb der Diatomeen offenbar alle Ueber- gänge zwischen autotropher, mixotropher und heterotropher Ernährung. Wie stets in solchen Verhältnissen wird die mixotrophe Ernäbrungsweise 1) ef. Schütt, Peridineen der Planktonexpedition, 1895, pag. 78. 425 der in der Natur am häufigsten vertretene Fall sein, der ja in sich unzählige Abstufungen birgt. Die ausschliessliche Heterotrophie wird einmal bei völliger Entfärbung der Chromatophoren auch am Licht, sonst vielleicht bei Formen zu finden sein, die im tiefen Schlamme verborgen den Lichtstrahlen unzugänglich sind, und in solchen Arten haben wir den Uebergang zu suchen, der von den facultativen zu den obligatorischen Saprophyten unter den Diatomeen, den „chromato- phorenlosen* Formen, hinüberleitet. Die schon einmal kurz erwähnten Veröffentlichungen von Provazek!)und Benecke?) legten es nahe, nach dem Vorkommen völlig farbloser Formen des Süsswassers zu suchen. Meine oft wieder- holten Versuche, in Grundproben derartige Organismen zu finden, sind bisher erfolglos geblieben. Dagegen war es bei einem Aufenthalt in Neapel leicht, sich von dem häufigen Vorkommen mindestens einer farblosen marinen Nitzschia zu überzeugen. Nitzschia putrida. Die gefundene farblose Nitzschia wechselte in ihrer Grösse von 26 -53j1:31; die meisten Individuen zeigten eine Länge von ca. 45, also der oberen Grenze etwas näher als der unteren. Der Kern befand sich in der centralen Plasmaansammlung. Der wandständige Plasmabelag war sehr dünn, nur an den Polen ein wenig stärker. (Fig. 9, 10.) Grössere und kleinere fettähnliche Tropfen fanden sich reichlich vertheilt. Zarte Plasmafäden wurden hin und wieder quer durch den Zellraunı ausgespannt gesehen. Die Individuen waren sämmtlich vollkommen ungefärbt, meist lebhaft „speckglänzend*. Alle Individuen waren lebhaft beweglich. Nach meiner Ueberzeugung handelt es sich um ein und dieselbe Form, welche Provazek, Beneeke (Nitzschia putrida) und ich vor uns hatten, die Grössen- unterschiede unserer Angaben von 264. — 1004 gehen nicht über das durch Auxosporenbildung ausgleichbare Maass hinaus. Die Form wäre also wohl als Nitzschia putrida (F. Cohn) ‚Benecke. zu be- zeichnen. In Neapel fand ich diese Art zunächst auf dem Sandfilter, welches das im botanischen Neubau cireulirende Meerwasser passiren muss. Nach den Angaben von Herrn Professor P. Mayer, der die Freund- 1) 8. Provazek, Synedra hyalina, eine apochlorotische Bacillarie. Öesterr. botan, Zeitschrift, 1900, Nr, 3, \ 2) W. Benecke, Ueber farblose Diatomeen der Kieler Föhrde. Prings- heim’s Jahrb. f. w. B. 35. 536 ff. 1900. 426 lichkeit hatte, mich auf diesen Fundort aufmerksam zu machen, be- fand sich das Filter seit sechs Monaten in Gebrauch. Die farblosen Individuen waren reichlich vorhanden; sie würden wohl mit steigender Temperatur — der März und Anfang April 1901 waren recht kühl in Neapel — eine erhebliche Zunahme erfahren haben, Aus dem „Vorto* eingeholter Schlickgrund wies dieselbe Nitzschia putrida ebenfalls ziemlich häufig auf. Dagegen war sie in dem von der „Mergellina“ stammenden Schlick nicht aufzufinden. Ich bezweifle jedoch nicht, dass zu wärmerer Jahreszeit das Vorkommen ein ganz allgemeines sein wird. Endlich hatte noch Herr Dr. Miehe die Freundlichkeit, mich auf Nitophyllum-Exemplare aufmerksam zu machen, die durch parasitische Eindringlinge verletzt waren und an diesen in langsame Fäulniss übergehenden Stellen von derselben Nitzschia putrida umschwärmt wurden. Auch die Angabe von Klebs') über farblose an faulenden Algen in Neapel beobachtete Diatomeen dürfte sich auf dieselbe Form beziehen. In vereinzelten Individuen bemerkte ich unter den übrigen Exem- plaren eine etwas abweichend geformte Nitzschia, deren Schalenum- risse an die Unterabtheilung Hantzschia erinnern, doch befanden sich die beiden Raphen in normaler Orientirung. Da erst genauere Unter- suchungen, die bei dem spärlichen Material nicht möglich waren, fest- stellen könnten, ob nur etwas abweichende Exemplare von Nitzschia putrida vorliegen, oder eine zweite saprophytische Form von derselben Grösse, so mag dieser Hinweis und die Fig. 11 und 12, welche die Form zeigen, genügen, Meine Hauptabsicht bei Untersuchung der farblosen Nitzschia putrida war gewesen, zu sehen, ob nicht unter gewissen Culturbe- dingungen Chromatophorenreste zum Vorschein kommen würden. Die Individuen wurden zu dem Zwecke in Objectträgerculturen im Hänge- tropfen isolirt, in reines Meerwasser oder in sehr verdünnte oder schliesslich in stärkere Nährlösungen verschiedener organischer Stoffe gebracht, In reinem Meerwasser gingen die Individuen stets bereits innerhalb 24 Stunden zu Grunde, Dagegen hielten sie sich auch in schwächeren Nährlösungen, die Traubenzucker, Asparagin, Glycocoll, Pepton, Glycerin enthielten, im Licht wie im Dunkeln ganz gut und zeigten mehr oder weniger lebhafte Vermehrung. Bei der ausserordentlichen Lebhaftigkeit 1) G.Klebs, Einige Bemerkungen zu „Schmitz’s Beiträge zur Kenntniss der Chromatophoren*. Bot. Ztg. 1884 pag. 572. . 427 und der geringen Auffälligkeit der Objeete waren die Zähleulturen hier nicht sehr lange durchführbar. Jedenfallsgelang es miraberin keinem Falle, irgend eine Andeutung über das Vor- handensein vonChromatophoren oder Leukoplasten zu finden. Dichtere Plasmaklümpeben, die ich bisweilen durch Eosin- färbung in der centralen Plasmamasse beiderseits des Kernes nachweisen und zunächst für Chromatophorenreste halten konnte, waren durchaus nicht regelmässig zu sehen. In Fig. 9 und 10 habe ich solche dichtere, resp. stärker tingirte Körperchen angedeutet, doch fand ich dergleichen bald nur auf einer Seite und sehr oft liess sich gar nichts von ihnen erkennen. So konnte ich keine Anhaltspunkte finden dafür, dass Gebilde, die mit Sicherheit Chromatophorenreste darstellen, regel- mässig in den Zellen der Nitzschia putrida vorkommen. Ich muss demnach Provazek und Benecke zustimmen, die mit mehr oder minder grosser Entschiedenheit die Nitzschia putrida als chromato- phorenlos bezeichnen. Die hier folgenden Resultate (Tab. VJ) der Zählculturen von Nitzschia putrida sind in mancher Beziehung interessant, sie zeigen eine sehr bedeutende Vermehrungsintensität. Zum Vergleiche gebe ich auch die Zahlen von zwei Chromatophoren führenden marinen Diatomeen, von denen die eine, Nitzschia Closterium (Tab. VII), sich als facultativ saprophytisch erwies und dabei alle früher für Nitzschia palea aufgeführten Merkmale zeigte. Die andere aber, Nitzschia dubia (Tab. VIID, widerstand allen Versuchen, sie zu heterotropher Ernährung zu bewegen; die in Tab. VIII in den Dunkeleulturen unter c4, ©, da angeführten Theilungen fallen ausnahmslos auf die ersten 24 Stunden und bringen nur eine bereits angelegte, wenn auch mikroskopisch nicht be- merkbar gewesene Theilung zum Abschluss, können also nicht als Zeichen von Vermehrung bei heterotropher Ernährung verwerthet werden. In den hier wiedergebenen Beobachtungen sind die Beweise ge- liefert, dass gewisse Diatomeenarten sich rein heterotroph oder sapro- phytisch ernähren lassen, dass sehr zahlreiche Arten eine in verschie- denem Grade abgestufte mixotrophe, wieder andere lediglich rein autotrophe Ernährungsweise besitzen. Es wird die Aufgabe eines zweiten Theiles dieser Untersuchungen sein, zu zeigen, ob die Auxo- sporenbildung einer gegebenen Art durch die jeweils autotrophe, mixo- trophe oder heterotrophe Ernährungsweise beeinflusst werden kann, oder ob die bei der Bildung der neueren grösseren Generation sich abspielenden Vorgänge unabhängig von der Ernährung stets gleich- artig verlaufen. 423 Tabelle VI. — Nitzschia putrida. Neapel. | 1 Asparag. 20| ; 1,5cem Asparag 20], ' ccm Asparag. 270 lcem Asparag. 20), Y 0 ı 0,5cemZucker 20, | Datum lecem Zucker 20), Datum ‚ 48cem Meerwasser Datum 49 ccm Meerwasser |" 48 ccm Meerwasser 1. 2]|3 41516 ı | 89 24,3.| 3 | 5) a ea; 2 2 2 jwa| ı 2 a 235.) 6 | zz la 5 | A 3 I13.J4.) 4 4 6 26.8 12 02: 14 Jaja) 14 7 5 Jıa/a.|lıo 15 | 14 27./3.| 27 s. viele 28 | | | 28./3. |8. viele| |s. viele i | Tabelle VIL — Nitzschia Closterium. Neapel. Nährlösung: 1 Glycocoll 1%, 1 Zucker 2%|,, 48 Meerwasser. 2 ve- | . In reinem Meerwasser: Dat. Nicht.) dunkel _ belichtet | I dunkel 'C4 1 0,70, Ic, | 01% | © ; ©, [1a |Crb are Dat. ard|cle|cıt 26.8] 9 | 19 | Tun 2 85a ala 1) 62 232 sis ai 2a 7 /5|w| 38) 274 116) 2 aaa | Bela 1) 30.78. En 5,6138 j44) 1 | 6:2 Tabelle VIII. — Nitzschia dubia. Neapel Nährlösung: 1 Zucker 2°|, 1 Glycocoll 1°], 48 Meerwasser i a) belichtet in Nährlösung b) belichtet in Meerwasser Datum . f Ra aa | a5 | b5 bu: bu, | by. bu be | 24, 1 | 1, 4 s; u 10 2 1 | | ı | 6 aaa 2) 09 6.20 2104 a; 20) 18 4ja. | Bl AaAı 2016| 4 4,12 | 8 | 20 4138 sa. uw sie sl.“ a Dunkeleulturen, T 7 mit Nährlösun, u nn " Datum, c) mi ährlösung d) in Meerwasser | © VB O0 0 Cd dd dE d, d, 2A 2 ı 2: a|ı 13] 5 a s|6. 2 aaa aan. 4j4.| 2 | 1 | —_ | 8 -|)5 lıjajı oc 2 3./4.| 2 1 -— |4ı8 | 5 ı 1 317,2 ae Pr 429 Die Vermehrungsgeschwindigkeit der Diatomeen. Unsere Kenntnisse über den Maassstab, in welchem die Ver- mehrung einzelliger Pflanzen erfolgt, sind sehr gering. Es wird ja auch, je nachdem es sich um grosse oder kleine Zellen handelt, für die Theilung eine ganz verschiedene Menge organischer Masse, eine verschieden grosse, der Theilung vorhergehende Assimilationsarbeit erforderlich sein, so dass die Vermehrungsgeschwindigkeit im Allge- meinen mit der zunehmenden Zellengrösse abnehmen muss, falls die Verhältnisse sonst vergleichbar bleiben. So wird sich die grosse Nitzschia sigmoidea voraussichtlich langsamer theilen als unsere Nitzschia palea, obwohl die grossen Chromatophoren der ersteren natürlich auch eine ganz andere Arbeitsleistung zeigen können, als die kleinen der letzteren. Immerhin schien es mir der Mühe werth, die genauen Daten der vorher gegebenen Tabellen einer eingehenderen Beachtung zu unterziehen. Genaue Berechnungen der Vermehrung sind bisher nur für Peri- dineen von Hensen!) vorgenommen worden, der auf Gyınd der Beobachtungen von Apstein die „Fruchtbarkeit des Wassers“ fest- zustellen versuchte. Hensen?) kommt zu dem Resultate: „Wenn man davon ausgeht, dass die Vermehrung der Peridineen durch Theilung hauptsächlich wegen der Zehrung durch die Thiere geringer erscheinen muss, als sie in Wirklichkeit ist, so kann man ein ange- nähertes Maäss für die wirkliche, d.h. die ohne Zehrung stattfindende Vermehrung berechnen. Die wirklichen Zuwachsprocente müssen nothwendig grösser sein als die grössten gefundenen Procente oder Vermehrungsfüsse. Die Zufälligkeiten spielen aber bei den in den Tabellen vorliegenden Zählungen noch eine zu sehr störende Rolle, als dass man sich auf den bis jetzt vorliegenden höchsten Befund: Zuwachsfuss — 1,28, also 28 Tagesprocent, verlassen dürfte. Ich habe daher ... die zehn grössten Vermehrungsfüsse zusammen- gestellt. Aus ihnen ergibt sich ein Mittel von nahe 1,15, das sicher nicht zu gross sein wird. Der wirkliche Vermehrungszinsfuss wird also grösser sein. Ich möchte ihn zu 1,2 annehmen, um sicher nicht zu hoch zu greifen. ... Dieser Vermehrungsfuss sagt also aus, dass jede Zelle sieh nach fünf Tagen durchschnittlich getheilt hat. Directe 1) V.Hensen und C. Apstein, Die Nordsee-Expedition 1895 des Deutschen Seefischereivereins, Ueber die Eimenge der im Winter laichenden Fische. Cap. VI, Ueber die Fruchtbarkeit des Wassers. Wissensch. Meeresuntersuchungen. Neue Folge II. 2. Kiel und Leipzig 1897. pag. 79 ff. 2) l. c, pag. 84. 430 Beobachtungen über die Dauer solcher Theilungsperioden habe ich in der Litteratur nicht finden können,‘ Bei einer Culturserie von Sceletonema costatum !) erlaubten ge- wisse Eigenthümlichkeiten der Zellen die Vermehrungszahl zu ermitteln und ich erhielt eine fast genaue Bestätigung der von Hensen berechne- ten Zahlen, nämlich eine Vermehrung von 1 auf 2,5 in 6 X 24 Stunden für normale Verhältnisse. Um jglie Zähleulturen hier berücksichtigen zu können, habe ich nach der von Hensen angegebenen Formel den Vermehrungsfuss pro Tag berechnet. Die Formel lautet Zeus — log w, wobei A das eingezahlte Capital, also die in die betreffende Cultur eingeimpfte festgestellte Individuenanzahl, C die Endsumme, n die Zahl der Ver- suchstage, w endlich den gesuchten Zinsfuss — Vermehrungsfuss be- deutet. Dabei sind die Versuchstage stets voll in Rechnung gebracht, wenn auch in den letzten Tagen etwa eine weitere Vermehrung nicht erfolgt ist, so dass der Vermehrungsfuss bisweilen in der Rechnung kleiner, niemals aber grösser ausgefallen sein wird, als der Wirk- lichkeit entspricht. Die Ergebnisse der so berechneten Tabellen nebst den zur Be- urtheilung nothwendigen jeweiligen Versuchsbedingungen folgen hier. Die Dunkelculturen sind durch stärkeren Druck kenntlich gemacht. Tab. I, II, IV, V Nitzschia palea. Tab.Icf. pag. 416. Nährlösung a resp. ab. Dauer 4 resp. 3 Tage. 21:1,26. 22:1,197. 23:1,095. abı :1,58. ab2:1,29. ab; :1,225. Tab.lIlef. pag. 416. Glycerin 1%, | 16 784 Tage, 6—8. Knoop | 234 5= 13 Tage. 1.:1,44. 2.:1,225. 8.:1,257. 4.:1,018. 5. :1,02. 6.:1,289. 7.:1,91. 8.:1,357. Tab. IlIef. pag. 417. Navicula perpusilla 1 sechs Tage, Nährlösung a. 2 zehn Tage, 1.:1,185. 2.:1,279. 3.:1,165. 3 sieben Tage, 4 acht Tage, 4.:1,17. 5.:1,36. 6.:1,214. 7.:1,108. 5—7T sieben Tage. 1) G& Karsten, Die Formänderungen von Sceletonema costatum (Grev.) Grun. und ihre Abhängigkeit von äusseren Factoren. Wissensch. Meeresunter- suchungen III, 2. pay. 12. 1898, 431 Tab. IVef.pag. 417. Nitzschia aus Nährlösung a Kı:1,078. K2:1,205. in Knoop 1°), gebracht = K. K; : 1,084. ebenso in Glycerin 2%), = G. G,:1,158 u. 1,247. Kı 25 Tage, K, 8 Tage, K, 4 Tage. G,:1,097 u. 1,399. 6 — 6; 16 Tage, dann Glycerin 2°, erneuert G3:1,047 u. 1,246. und weitere 7 Tage. Tab.Vef, pag. 420. Glycerin 29. Aı 18 Tage, fa (ab 27.j1.) 14 Tage. fi : 1,147. fa : 1,173. Nitzschia putrida. Tab. VIef.pag.428. 1.2.3.7. 8. 9. Asparagin +4 Zucker. 4. 5.6. Asparagin. Drei Tage (1. 3. vier Tage). 1.:2,08. 2.:2,236, 8.:1,913. 4.:2,646. 5.:1,87. 6.:1,58. - 7.:3,162. 8.:2,739. 9.: 1,87, Tab.VIL. ef.pag.428. Nitzschia Closterium. 4 Tage. Cl — Cl, Glycocoll—+ Zucker. Cla— Clce Meerwasser. Ch :1,98. C12:1,65. C1:1,60. C11:1,566. C15:1,58. Cls:1,68. 01: :1,414. Cla:1,65. Clb:1,26. Cle:1,842. Tab. VIllef.pag. 428. Nitzschia dubia. 4 Tage. a Zucker -- Glycocoll. b Meerwasser. 22:2,62. 33:2,00. 24:1,866. 85:1,97. as: 1,85. bı:2,00. b2:2,466. bs: 2,924. bu: 1,689. b5 : 1,587. be: 2,04. e: Dunkeleulturen in derselben Nährlösung wie a ergaben keine Vermehrung. Bei aufmerksamer Durchsicht der Zahlen fällt es auf, dass kurze ($—4tägige) Culturen höhere Vermehrungsfüsse aufweisen als länger dauernde. Ein Vergleich z. B. der Zahlen in Tab. IV Gı—G3 legt es nahe, den bald in dem kleinen Culturtropfen fühlbar werdenden Mangel an Nährsalzen dafür verantwortlich zu machen. Darauf weisen Ja auch schon die anfänglichen und mittleren Zahlen der Tabellen z. B. II 2. 3. den Schlusszahlen gegenüber hin. Somit werden wir im Allgemeinen den nicht zu lange fortgesetzten Culturen am ıneisten Zutrauen entgegenbringen müssen. Um die zufälligen auf individuelle Eigenthümlichkeiten zurückzuführenden Schwankungen auszugleichen, nehme ich im Folgenden stets den mittleren Werth der unter gleichen Bedingungen angestellten Culturen als Ausgangspunkt. Beschränken wir uns zunächst auf die Frage, wie stellt sich der Vermehrungsfuss von Individuen, die ohne organischen Nahrungszuschuss sich nur mittels ihrer Assimilationsarbeit vermehren konnten, so erhalten wir aus Tab, II 6—8 für Nitzschia palea den Werth 1,5, für Nitzschia 432 Closterium aus Tab. VII Cla—Cle:1,55, und für Nitzschia dubia aus Tab. VIII bı — bs : 2,117. Die Werthe für belichtete Culturen mit Zusatz organischer Stoffe, deren Verarbeitung nach den vorhergehenden Ausführungen sehr wahrscheinlich ist, sind — vielleicht nur zufällig — durchweg etwas niedriger ausgefallen; nämlich für Nitzschia palea 1,37 nach Tab. I aı abı und als, 1,30 für Glycerin 1°, nach Tab. IT 1-3. Der für Tab. V heraus kommende Vermehrungsfuss von 1,16 in Glycerin 2%, ist bei der langen QOulturzeit (18 u. 14 Tage) kaum direct vergleichbar, und es muss hierbei darauf hingewiesen werden, dass auch in Tab. II die 4tägige Cultur 1 einen erheblich höheren Vermehrungsfuss 1,44 aufweist als die zur Bildung der Mittelsumme mit herangezogenen Culturen 2 u. 3 von 13tägiger Dauer: 1,225 u. 1,257. -Für Nitzschia dubia ist ebenfalls ein Unterschied zu Gunsten der ohne organischen Zuschuss angesetzten Individuen vorhanden, denn wir erhalten für Tabelle VIIIa den Durchschnitt 2,06. Nur Nitzschia Closterium zeigt bei Zufügung organischer Stoffe eine beschleunigte Vermehrung, da wir nach Tabelle VII Cl hier den Vermehrungsfuss 1,98 finden, den die Form sonst nieht erreicht; leider ist nur eine derartige Cultur erhalten worden. Bei Vergleichung der Dunkeleulturen zieht dieselbe Form die Aufmerksamkeit auf sich, denn der lediglich auf Kosten organischer Stoffe erreichte Vermehrungsfuss übertrifft den auf Kosten der Assi- milation allein erreichten Stand um ein Geringes; wir erhalten 1,582 nach Tabelle VII Ch, — Cl,. Fast genau die gleiche Vermehrung für Assimilation bei organischer Stoffzufuhr und im Dunkeln erzielt Navicula perpusilla, welche für den ersteren Fall den Vermehrungsfuss 1,209, für den letzteren da- gegen 1,21 aufweist, wie Tabelle III ergibt. Sehr viel geringer dagegen ist die lediglich auf Kosten organischer Nahrung im Dunkeln zu erreichende Vermehrung für Nitzschia palea, welche nur 1,172, ja bei Glycerinernährung nur 1,019 zu leisten vermag. Einen an die Vermehrung der Bacterien erinnernden Ver- mehrungsfuss dagegen besitzt die den Baeterien auch in der Lebens- weise ähnelnde Nitzschia putrida, welche den Durchschnitt 2,233 er- reicht, ja, als höchste nachgewiesene Zahl in einem Falle, 3,162 aufweisen kann. — Ueberblicken wir die in diesem Capitel zusammengestellten Zahlen, so geht daraus hervor, dass die verschiedenen Formen auf Zuführung organischer Nährstoffe ausserordentlich verschiedenartig antworten. 433 Gewiss würde man bei weiterer Umschau Formen finden können, die zu einer grösseren Vermehrung zu bringen wären. Wenn wir uns nicht auf die Diatomeen beschränken, so ist in der Euglena graeilis z. B. bereits ein Organismus bekannt, der bei mixotropher Lebens- weise seine günstigsten Existenzbedingungen und seine grösste Ver- mehrung erfährt‘) Organismen mit derartigen Lebensbedingungen müssen es sein, welche die an Jauchezuflüssen reichen Dorfteiche zu den günstigsten Karpfenteichen?) machen. Die vorher erwähnte, von Hensen beobachtete Zahl 1,2 für den Vermehrungsfuss der Peridineen wird von den Ergebnissen meiner Zähleulturen vielfach erheblich übertroffen. Wenn wir anderseits aber in Betracht ziehen, dass für die Versuche natürlich nur schnell sich vermehrende Formen ausgesucht wurden, dass alle langsam wachsenden Formen vernachlässigt sind, so wird man die Zahl 1,2 als Ver- mehrungsfuss pro Tag für einen guten Mittelwerth der Vermehrung einzelliger Pflanzen halten dürfen. Bonn, Juni 1901. Figurenerklärung. Alle Figuren sind mit Zeiss apochr, 2mm Oc. 8 gezeichnet. Vergrösserung 1000: 1. Fig. 1-8. Nitzschia palea. » 1. In Theilung begriffenes Individuum von der Gürtelseite. Chromatophoren normal. » 2. In Theilung begriffene Zelle in der Gürtelansicht nach dreiwöchentlichem Aufenthalt in einer belichteten 10/,-Glycerineultur. » 8. Eine Zelle derselben Cultur in Schalenansicht am gleichen Tage aufge- nommen. » 4. Eine sich theilende Zelle von der Gürtelseite nach dreiwöchentlichem Aufenthalte in einer belichteten 20/,-Glycerincultur. » 5 und 6. Individuen aus einer belichteten 10/,-Glycerineultur nach vier- wöchentlichem Aufenthalte. 5 Gürtelseite. 6 Schalenseite. » T und 8, Individuen aus einer Cultur mit ziemlich starker Oellulosegährung nach zweiwöchentlichem Aufenthalte. 7 Gürtelseite. 8 Schalenseite. » 9 und 10. Nitzschia putrida in Schalen- und Gürtelansicht. » 11 und 12. Nitzschia putrida an spec. nov.? in Schalen- und Gürtelansicht. 1) of. Zumstein I. c. pag. 180, 2) ef.K. Brandt, Ueber den Stoffwechsel im Meere, Kiel 1899. Rectorats- rede. Anmerkungen pag. 27. 28. Flora, Ergänzgsbd. 1901. - 28 Beiträge zur Anatomie und Biologie der Laubmoose. Von Dr. Wilhelm Lorch. Hiezu 32 Abbildungen im Text. In meiner Inaugural-Dissertation „Beiträge zur Anatomie und Biologie der Laubmoose“, die im Jahrgang 1894 in dieser Zeitschrift erschien, habe ich die Entwickelungsgeschichte des Blattes von Leuco- bryum vulgare, Arthrocormus Schimperi und Octoblepharum albidum, die sämmtlich der Familie der Leucobryaceen angehören, ausführlich geschildert.‘) Die genannte Schrift gibt alsdann Aufschluss über den Bau des mehrschichtigen und des einschichtigen Blatttheils von Leuco- bryum vulgare und über die Perforationen der hyalinen Zellen der Leucobryaceen und der Gattungen Calymperes, Syrrhopodon und Encalypta aus der Familie des Pottiaceen. Hieran knüpft sich die Besprechung einer Anzahl von Vorrichtungen, die zum Auffangen, Festhalten und Speichern des Wassers dienen, und die Schilderungen einiger Anpassungen an äussere Bedingungen. Im Folgenden schliessen sich hieran an zunächst Ergänzende Bemerkungen zur Entwickelung des Blattes von Leuco- bryum vulgare. Bei der Darlegung der Entwickelungsgeschichte des Blattes ge nannter Art?) theilte ich mit, „dass die Entstehung der Chlorophyli- zellen sich gleichzeitig mit der Bildung zweier hyalinen Zellen voll- zieht.“?) Es versteht sich von selbst und braucht eigentlich nicht besonders hervorgehoben zu werden, dass der Ausdruck „gleichzeitig“ nicht wörtlich zu nehmen ist, denn das Wort „Entwickelungsgeschichte“ schliesst die Aufeinanderfolge der einzelnen Stadien in sich. Um nicht missverstanden zu werden, möchte ich betonen, dass auf Quer- schnitten durch die jugendliche Sprossspitze in der Regel diese drei Schichten deutlich nachzuweisen sind. Ich stellte mir die Aufgabe, einen noch weniger differenzirten Zustand in der Entwickelung zu ermitteln; zu diesem Zwecke führte ich Hunderte von Serienschnitten vermittelst des Mikrotoms aus, die über die jüngsten Stadien hin- reichend Aufschluss gaben. 1) Flora 1894 pag. 426 ff. 2) Flora 1894 pag. 429— 441. 3) Flora 1894 pag. 429, 435 Das junge Blatt wird zunächst durch eine Reihe antikliner Wände in eine nicht allzu grosse Zahl radiär gestreckter Zellen zerlegt (Fig. 1. Man muss sich die perikline Wand a vorläufig wegdenken.) Im weiteren Verlauf der Entwiekelung erfolgt die Aufführung der ersten periklinen Wand. (Fig. 1a.) Diese ist stets an die in der Symmetrie- ebene des jungen Blattes gelegene Zelle gebunden, die ja später in der Chlorophylizellenreihe eine besondere Stellung einnimmt.!) Fig. 2 zeigt den weiteren Gang der Entwickelung. Durch Aufführung einer zweiten periklinen Wand (a) kommt die erste Chlorophylizelle (b) zu stande. Aus dieser Figur ergibt sich ferner, dass zunächst die dor- salen Membranen c der späteren seitlichen Chlorophylizellenpartien angelegt werden; erst später kommen die ventralen Wände (Fig. 3 a) hinzu, womit der Chlorophylizellenzug annähernd seine Entwickelung abschliesst. Die äussersten Blattgrün führenden Elemente bleiben dagegen etwas, wie Fig. 3 zeigt, in der Entwickelung zurück, die ventralen Wände entstehen nämlich geraume Zeit später. Fig. 4. Auf die bei der Entwickelung des Blattes von Leucobryum vulgare sich geltend machende „wahrhaft verblüffende Symmetrie“ habe ich an geeigneter Stelle?) aufmerksam gemacht. Wie die Entstehung der jüngsten periklinen Wände beweist, wird das Blatt auch schon in den primitivsten Zuständen seiner Entwickelung von Einflüssen be- herrscht, welche in der Gesammtsymmetrie des Blattes begründet sind. Von der Entwickelung des Blattes von Arthrocormus Schimperi und Oetoblepharum albidum®) darf dasselbe gesagt werden; die Sym- metrieverhältnisse sind, obwohl viel complicirter, doch sehr klar, so 1) Flora 1894 pag. 426 Fig. 1d. 2) Flora 1894 pag. 438. 3) Flora 1894 .pag. 486 Fig. 18. 436 dass die Annahme wohl ihre Berechtigung hat, es bedinge auch hier, wie bei Leucobryum, das Gesammtwachsthum des Blattes die syın- metrische Anordnung der Membranen. Ungelöst muss noch das Rätsel der schiefen Stellung der seitlichen periklinen Wandpaare bleiben, welche im Verein mit je zwei antiklinen Membranen die Chlorophylizellen bilden.!) Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass in jüngsten Stadien der Blattentwiekelung sich diese periklinen Wände ebenfalls rechtwinklig an die antiklinen ansetzen. Hin und wieder habe ich solche Fälle beobachtet, wo ich thatsächlich eine Abweichung von der Reehtwinkligkeit beider Membrane nicht feststellen konnte; ich glaube deshalb bestimmt sagen zu können, dass nur secundäre Wachsthumsfaetoren die Schiefstellung der Wände hervorbringen. So viel ich beobachten konnte, verhält es sich damit folgendermaassen. Zur Erläuterung diene Fig. 4a und 4b. In 4a besitzt das Blatt eine Reihe antikliner Wände (e), das mediane peri- kline Membranpaar (ß) und eine Anzahl dorsaler perikliner Wände (y) der späteren lateralen Chlorophylizellenreihen. Die periklinen Wände bilden mit den antiklinen noch einen rechten Winkel. Je älter das Blatt wird, um so tiefer rückt es an dem Sprosskegel hinab. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass ein jüngeres Blatt mit seiner Basis einem Sprosskegel von kleinerem Radius angehören muss, als ein älteres. Die Peripherie in den oberen Theilen der Stämmchenspitze ist jedenfalls stärker gekrümmt als in den tiefer gelegenen Partieen. Fig. 4b soll darthun, wie die Schiefstellung der Wände zu Stande kommt. Das Blatt wächst in die Breite, rückt im Laufe der Entwickelung tiefer an der Sprossspitze hinab. Es gehört jetzt mit seinem Grunde einer grösseren, also schwächer gekrümmten Peripherie an. Die un- mittelbare Folge ist, dass die seitlichen Flügel (a) radial etwas nach aussen verschoben werden. Dadurch werden gleichzeitig die nach rechts (x) und links (y) von der Symmetrieebene gerichteten Ansatz- stellen der periklinen Wände in gleicher Weise verschoben, und so wird die Schiefstellung hervorgebracht. Die entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen boten hinreichend Gelegenheit, noch anderen interessanten Einzelheiten meine Aufmerk- samkeit zuzuwenden. Unbekannt blieb z. B. bisher die Entwiekelung der Schwiele an den Perforationen, die Zeit ihrer Entstehung und manches andere, das jetzt besprochen werden soll. Die Anlegung der Schwiele erfolgt schon in verhältnissmässig 1) Flora 1894 pag. 430 Fig. 3a. 487 jugendlichem Alter des Blattes. Schon an dreischichtigen und noch besser an vierschichtigen Blättern, deren Zellen noch dicht mit Inhalt gefüllt sind, lassen sich die Anfänge der Schwielenbildung beobachten. Sobald die später hyalinen Elemente sich zur Schwielenbildung an- schicken, nimmt der Inhalt der betreffenden Zellen eine körnige Structur an. ‘An der Stelle, wo später die Schwiele sich befindet, tritt eine Häufung des körnigen Inhalts ein, die sich als dunklerer Ring scharf von der übrigen Zellwand abhebt. (Fig. 5.) Wie man leicht feststellen kann, ist die Dichtigkeit des Inhalts am Innenrand (der späteren Schwiele) am bedeutendsten, sie nimmt nach aussen hin all- mählich ab. Der später in Wegfall kommende, von der Schwiele ein- gefasste Membrantheil weist zu dieser Zeit gleichfalls eine körnige Beschaffenheit auf, hebt sich jedoch als scharf umgrenzte hellere Scheibe von der übrigen Wand ab, Mit der Ausbildung der Schwiele vollzieht sich eine sehr bedeutende Volumenzunahme der betreffenden Fig. 5. Querschnitt durch ein dreischichtiges, junges Blatt von Leucobryum vulgare. Entstehung der Per- Fig. 6 forationen. Anlage der Schwiele. Zelle, ohne Zweifel wird der gesammte Inhalt mit Ausnahme des Zellkerns, der eine vollkommen passive Rolle zu spielen scheint, zur Vergrösserung der Zeilwände benutzt. Der Zelikern war nämlich selbst in weit fortgeschrittenen Stadien noch immer nachzuweisen, ist also wahrscheinlich das einzige Stück des Zellinhalts, das nach voll- endeter Ausbildung der hyalinen Zelle aus dieser durch die neu ent- standene Perforation entweicht. Erst nachdem die Schwiele ihre vollkommene Ausbildung erreicht hat, wird zur Resorption des be- treffenden Mermbrantheils geschritten., Es sei erwähnt, dass nicht immer die ganze von der Schwiele umgürtete Membranfläche fortfällt, sehr oft konnte ich beobachten, dass noch bedeutende Membrantheile am Innenrande der Schwiele haften blieben. Vielfach komınt es über- haupt nicht zur Resorption des Wandtheils, bei scharfer Beobachtung und guter Tinktion kann die persistirende Membran sehr häufig in ausgewachsenen (alten) Blättern nachgewiesen werden. 488 Die Gestalt der Schwiele konnte ich am besten an Längsschnitten durch die Stämmchenspitze studieren, als weniger geeignet erwiesen sich Blattquerschnitte. Erstere wurden in lückenlosen Serien ver- mittelst des Mikrotoms hergestellt, nachdem sie zuvor dem überaus Fig. 7. Fig. 9. mühevollen und umständlichen, aber vorzügliche Resultate liefernden Verfahren unterworfen worden waren, welches Strasburger in seinem „Practicum“ auf pag. 51 u. s. w. empfiehlt. 489 Fig. 6 bringt in sehr starker Vergrösserung einen ungefähr medien geführten Querschnitt durch eine Schwiele zur Darstellung, der von ihr eingeschlossene Membrantheil ist noch nicht in Wegfall gekommen. In keinem Falle wollte mir der Nachweis einer besonderen Mittel- lamelle gelingen, auf der sich die Schwiele als Verdickungsschicht abheben würde. Schwiele und Membran zeigten dasselbe optische Verhalten, eine trennende Linie war nicht wahrzunebmen. An hinreichend dünnen Längsschnitten konnte ich auch vorzüglich feststellen, dass die Blätter von Leucobryum vulgare wie die aller Laubmoose bei der Wachsthumsvertheilung den „basiplasten Typus“ befolgen, d. h. „die Streekung tritt in der ursprünglich gleichmässig embryonalen Blattanlage zuerst an der Spitze ein und greift dann nach unten hin um sich, bis das zunächst noch thätige Meristem ge- schwunden ist.“!) Fig. 7 mag dies erläutern. Der obere Theil des Blattes ist bereits vollständig fertiggestellt, die Perforationen sind in grösserer Anzahl vorhanden, die hyalinen Zellen haben ihre endgiltige Grösse erreicht. Nach der Basis des Blattes hin, ungefähr den mitt- leren desselben einnehmend, beobachtet man eine Gruppe weitlumiger Elemente ohne Schwielen und Perforationen, diese Zellen sind in der Entwiekelung zu hyalinen begriffen, das untere Drittel befindet sich noch in sehr jugendlichem Zustande, die Zellen sind im Vergleich zu den oberen verhältnissmässig klein und noch dicht mit Inhalt gefüllt. (Dieser ist in der Figur nicht gezeichnet.) Fig. 8 führt ein junges Blatt von der dorsalen Fläche betrachtet vor. Wir sehen, dass der obere Theil bis zur punktirten Linie seine Entwickelung vollendet hat (Schwielen und Perforation sind nicht gezeichnet). Der untere Theil dagegen ist noch in der Entwickelung begriffen und es gilt für ihn das bei Erläuterung von Fig. 7 Mitgetheilte. Das Studium des Blattanschlusses an Jas Stämmchen lieferte eine Anzahl interessanter Einzelheiten. A. a. O, erwälnte ich, dass die Blätter an der Basis mit drei Schichten (Fig. 9a, b, c) in das Stämm- chen übergehen. Die mittlere Reihe ist die Fortsetzung des Chloro- phylizellenzuges, in den tiefer gelegenen Partieen führen die Zellen jedoch kein Chlorophyli mehr. Auf tangentialen, durch den peripheri- schen Theil des Stämmchens geführten Längsschnitten heben sich die drei Zellenreihen, insbesondere aber der Chlorophylizellenzug, scharf von dem übrigen Gewebe des Stämmchens ab. Auffällig waren ausserdem die stark gebräunten und verdickten Membranen der Zellen des basalen 1) Goebel, Organographie U. Theil, 2. Heft, 1. Theil pag. 509. 440 Blatttheils und des Stämmchens. Die erste Zelle nun (Fig. 9d), welche dem Stämmchen angehört und den Anschluss an die Chlorophylizelle (Fig. 9e) bildet, ist von eigenartiger Gestalt. In ihrem oberen Theil, also an der Berührungsstelle mit der Chlorophylizelle (Fig. 9,f) besitzt sie einen geringen Durchmesser, dieser nimmt nach dem Stämmehen hin bedeutend zu, so dass man diese Zelle als eine cisternenförmige bezeichnen kann (Fig. 9d). Ihre Anlage erfolgt schon sehr früh, sie konnte in jugendlichen Blättern stets nachgewiesen werden, hier tritt die Cisternengestalt noch deutlicher hervor. (Fig. 10a.) Meines Er- achtens liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie er bei den Blättern höherer Pflanzen in die Erscheinung tritt. Obwohl von einem Palissaden- parenchym nicht die Rede sein und auch ein wirklicher Vergleich mit den Sammelzellen') des Blattgewebes nicht angestellt werden Fig. 11. Zelle aus dem peripherischen Theil des Fig. 12. Fig. 10, Stämmchens von Leucobryum vulgare. t Tüpfel, m Mittellamelle, s Tüpfel v. d. Fläche mit Schwiele, kann, so spricht doch die abweichende Gestalt der Zelle dafür, dass wir es mit einer analogen Bildung zu thun haben. Was im Meso- phyli des Blattes als Palissadenparenchym seitlich aneinander gelagert auftritt, ist im Blatte von Leucobryum vulgare in Fadenform angeordnet. Entsprechend der Zahl der Chlorophylizellen im Blattgrunde von Leucobryum vulgare haben wir also im peripherischen Theil des Stämmchens eine Reihe von „Sammelzellen“. Bemerkenswerthe Details bot ausserdem die anatomische Unter- suchung des Stämmechens. Die peripherische Partie setzt sich aus sehr diekwandigen Zellen zusammen, die zweifelsohne mechanisch wirken. 1) Strasburger, Bot. Praoticum, 3. Aufl, pag. 269. 441 Nach dem Innern hin werden die Membranen dünner und die Zellen weitlumiger. Was aber an den peripherischen Theilen am meisten auffällt, das ist die ungemein reiche Tüpfelung. Es reiht sich in diesen Zellen Tüpfel an Tüpfel, besonders gilt dies von den in peri- kliner Richtung verlaufenden Wänden, während an den antiklinen die Zahl der Tüpfel beschränkt ist. Fig. 11 zeigt eine solch reich getüpfelte Zelle. Nicht weniger als fünf Tüpfel sind an den peri- klinen Wänden sichtbar, die antikline, in der Ebene der Zeichnung liegende Membran besitzt dagegen nur einen Tüpfel. Das durch die Blätter aufgefangene und nach unten geleitete Wasser wird also durch die reich getüpfelten periklinen Wände leicht den Weg zum Inneren nehmen, die antiklinen Membranen kommen bei Wasser- transport bei weitem nicht so stark in Betracht; es erklärt sich also leicht die Thatsache, dass gerade die erstgenannten Wände eine reiche Tüpfelung besitzen. Was die Tüpfel selbst anbelangt, so erinnern sie lebhaft an die Hoftüpfel der Koniferen. Denken wir uns in Fig. 12 die von der Mittellamelle seitlich gelegenen Wand- theile mit ihren correspondirenden Enden noch etwas genähert, so fehlt nichts mehr an einem gehöften Tüpfel. Schliesslich sei noch auf den Diekenunterschied zwischen Mittellamelle und der ganzen Wand aufmerksam gemacht und erwähnt, dass eine wirkliche Per- foration an den Wänden des Stämmchens niemals beobachtet wurde. Entwickelung des Blattes von Encalypta streptocarpa. Anatomische Untersuchungen des Blattes von Encalypta ciliata und einigen Barbulaarten. Ohne Zweifel gehören die Arten der Gattung Encalypta zu den interessantesten Formen der Bryineen. Es ergibt sich dies schon aus den eigenartigen anatomischen Verhältnissen der Blätter; wir begegnen auch hier einer oberen assimilatorischen und einer davon scharf ge- trennten wasserspeichernden unteren Partie. Letztere war schon den älteren Anatomen bekannt; wir finden in der Litteratur hin und wieder Angaben über das Vorkommen von Perforationen, die jedoch viel an Genauigkeit und Vollständigkeit zu wünschen übrig lassen. Es sind rein descriptive Momente für die älteren Anatomen mass- gebend gewesen, das entwickelungsgeschichtliche trat stark in den Hintergrund. Es war zu erwarten, dass das Betreten des entwicke- lungsgeschichtlichen Weges recht ergiebige Funde liefern und die biologische Auffassung der in Frage kommenden Einrichtungen hin- reichende Klarheit schaffen würde. 442 Die ausschliesslich an das Vorkommen von Kalk gebundene Encalypta streptocarpa ist eine xerophile Art vom reinsten Wasser. Eine ganze Reihe von Einrichtungen zwingen den aufmerksamen Beobachter zu der Ueberzeugung, dass man sie einzig und allein als Anpassung an äussere Verhältnisse, z. B. Wasserversorgung, aufzu- fassen hat. Die meist in kalkhaltigen Mauerritzen wachsenden Rasen sind z. B. bei uns im Laufe eines Jahres sehr oft vollständigem Wasser- mangel ausgesetzt, der Fall der Lufttrockenheit tritt sehr häufig ein. Die einzelnen Stämmehen dieser Art nun tragen in ihrem oberen Theil einen deutlich von der übrigen Blattmasse sich abhebenden, aus dicht gedrängt stehenden Blättern gebildeten flachen Teller, der für sich allein schon einer kurzen Besprechung werth ist, Das Stämmchen ist nämlich überall mit einem sehr dichten, braunen Rhizoidenfilz überzogen, aus welchem die älteren, gleichfalls gebräunten Blätter nur mit der Spitze hervorschauen. Diese Blätter kommen für die Assimilation nicht mehr in Betracht. Es liegt auf der Hand, dass dieser Mangel einen Ersatz finden muss, und dieser wird durch den auffälligen, Aachen Blätterbecher an der Spitze des Stämmchens ge- schaffen. Diesen Blattbechern begegnet man nur bei solchen Moosen, deren untere Blätter, in einen dichten Filz versteckt, keine assimila- torische Thätigkeit mehr entfalten können. Die besten Beispiele bieten die an moorigen, wenig belichteten Waldstellen oder auch ın Sümpfen vorkommenden Arten von Mnium, Bryum, Cinclidium u. a. (Ich denke jetzt nicht an die männlichen Blüthenbecher.) In diesen flachen Blatttellern breiten die einzelne Theile nach allen Richtungen kin ihre, der Assimilation dienenden Flächen aus, sie strecken gleich- sam dem Lichte die Hände entgegen, denn nur der Blattgrün führende Theil wendet sich dem Lichte zu. Ungefähr in der Mitte nämlich sind die Blätter fast rechtwinklig umgebogen, der untere hyaline Theil taucht in den Feuchtigkeit bewahrenden Rhizoidenfilz. Die annähernd horizontal ausgebreitete obere Blattfläche ist zudem ausser- ordentlich stark papillös, die Papillen sind sogar mehrfach verzweigt. Dieser papillöse Ueberzug lässt dem Licht ungehinderten Zutritt zu dem Blattinnern, wirkt aber vorzüglich wasserspeichernd und gibt das feuchte Element nur sehr schwer wieder ab. In den systematischen Werken liest man: Die oberen Blätter zu einem flachen Becher ver- einigt, was nur eine diagnostische Bedeutung besitzt, im Uebrigen aber ganz werthlos ist. Die biologische Betrachtungsweise dagegen liefert die besten Aufschlüsse über die Bedeutung der Einrichtungen im Pflanzenreiche und gewährt einen Einblick in die Wirkungsweise 448 der Organe, wie ihn die starre systematische Beschreibung niemals zu eröffnen im Stande sein wird. Die Entwickelungsgeschichte des ganzen Blattes von Encalypta streptocarpa war nicht leicht zu verfolgen, weil die Blätter schon im zartesten Alter eine recht beträchtliche Dicke und Steifheit zeigen, so dass sie sich nicht durch Druck des Deckglases gegen den Objectträger flach ausbreiteten. Immerhin glaube ich jedoch, die wichtigsten Stadien der Entwickelung ermittelt zu haben. Fig. 13. Fig. 14, Sehr kleine Blätter schon waren in ihrem oberen Theil mit Papillen versehen, an weiter fortgeschrittenen konnte man sehr gut feststellen, dass auch der Papillenüberzug an der Spitze entsteht und allmählich bis zur Grenze der später hyalinen Partie fortschreitet. Fig. 13 führt eine grössere Partie meristematischen Gewebes aus dem rechten Blattwinkel vor. Die stärker ausgezogenen Linien be- zeichnen die älteren Wände. Wie aus der Figur ersichtlich ist, ent- stehen in der Regel aus einer Zelle nach einander deren drei bis vier (Fig. 13a) und zwar durch Aufführung antikliner Wände (Fig. 135), perikline Membranen (Fig. 13c) werden verhältnissmässig wenige erzeugt. Aus der Randzellenreihe (Fig. 13d) entwickelt sich der bei ausgewachsenen Blättern deutlich hervortretönde Rand; dieser 444 ist aus langgestreckten Zellen zusammengesetzt und auch schon in jüngeren Blättern nachweisbar (Fig. 14a). Die keiner weiteren “ Theilung fähigen Zellen (Fig. 13) erfahren alsdann eine bedeutende Streekung im Sinne der Längsachse. des Blattes, wie sich aus der Betrachtung der Fig. 14 ergibt, Die stärkeren und schwächeren Conturen der altersverschiedenen Membranen sind jetzt nicht mehr zu erkennen. Hieran schliesst sich die Ausbildung des hyalinen Systems. Die Anfänge desselben sind an keine bestimmte Stelle der unteren seitlichen Blattflächen gebunden, die hyalinen Zellen entstehen Fig. 15, Fig. 16, ganz regellos, doch immer so, dass stets eine grössere Anzahl gleich- zeitig ungefähr in der Entwickelung zum inhaltsfreien Gewebe be- griffen ist. Fig. 15 zeigt den unteren Theil eines ganzen Blattes. Die gestrichelte Linie gibt die Grenze zwischen dem Assimilations- und Wasserspeicherungssystem an. Die zu beiden Seiten der Rippe verlaufenden meist geschlossenen Linien umfassen die in der Ent- wickelung zu hyalinem Gewebe begriffenen Zelllächen. Fig. 16 liefert nun Einzelheiten der Entwickelung der Gewebepartie, die in Fig. 15 mit der Linie a umzogen ist. Wir sehen (Fig. 16), dass ein zartwandiges Gewebe (das der Fig. 14) umgrenzt wird von einem 445 Complex dickwandiger und grösserer Zellen. Dies sind die Anfänge zur Bildung hyaliner Elemente, in diesem Zustand sind Perforationen nicht vorhanden. Fig. 17 macht uns mit weiteren Feinheiten in der Entwickelung bekannt (Fig. 17 ist die in Fig. 16 rechts gelegene Partie). Die oberen Wände der Zellen erfahren, wie die Figur lehrt, eine Flächenvergrösserung; diese ist nicht unbedeutender, wie die zum Vergleich herbeigezogenen gestrichelten Linien, welche die ent- sprechenden Grenzen der unteren Zellwände darstellen, zu erkennen geben. Später wachsen auch .diese in die Fläche, die Perforationen treten auf, das hyaline Gewebe ist am Ende der Entwickelung angelangt. Einzig in ihrer Art sind wohl die Perforationen von Encalypta eiliata und anderen Arten derselben Gattung. Hier tritt nämlich der N Fig. 18. Fall sehr häufig ein, dass die Perforationen sich über mehrere seitlich an einander grenzende Zellen erstrecken, so dass ein Theil der trennenden Wand resorbirt werden muss. In Fig. 18 sind die trennen- den Wände weggelassen, nur die mit Schwielen versehenen Wand- durchbohrungen sind gezeichnet. Alle möglichen Formen werden vorgeführt. Wir sehen Perforationen der einfachsten und compli- eirtesten Art. Nicht weniger als fünf erstrecken sich über zwei, drei und sogar vier Zellenlängszüge. In Fig. 19 handelt es sich um eine Perforation, die nicht weniger als sechs seitlich an einander stossende Zellen in Anspruch nimmt. Klar wird unter den geschilderten Um- ständen jetzt auch die Sprödigheit der hyalinen Zellwände, nament- lich der starken Querwände von Trägerform. Soll das Wassersystem 446 seine Aufgabe erfüllen, so muss es gegen Zusammenfallen geschützt sein; dies geschieht durch die starken Wände, und dass solche bei den Encalyptaarten besonders nothwendig sind, lehrt die Beschaffen- heit der Perforationen. Die Membranen wirken hier wie das Draht- gestell bei einem Regenschirm. Erklärlich wird auch die Thatsache, dass stets die Perforationen quer über die Blattfläche verlaufen, dass z. B. nie zwei Perforationen von zwei Zellen, die in einem und dem- selben Zellenlängszug liegen, sich zu einer einzigen Durchbohrung vereinigen. Dadurch würden die Querwände geschwächt, denen ja gerade die Aufgabe zufällt, die spannende Wirkung in der Breiten- erstreckung des Blattes auszuüben. Betreffs des Vorkommens von Perfo- rationen an den Blättern von Arten der Gattung Barbula begegnet man in der Litteratur nur Andeutungen, keineswegs aber durchaus bestimmten Angaben. Meine Vermuthung, es möchten sich ge- rade an xerophilen, mit einem hyalinen Haar ausgestatteten Formen, wie Bar- bula ruralis, alpina u. a. Membran- lücken nachweisen lassen, bestätigte sich vollauf. Nach intensiver Färbung mit Methylgrün - Essigsäure oder anderen geeigneten Farbstoffen traten die Perfo- rationen scharf hervor. Solehe fand ich Fig. 20. ausserdem noch bei Barbula aciphylla, die auch schon Limpricht beobachtet haben will, und bei B. ruralis. Ganz besonders schön ist das wasserspeichernde Gewebe an den Blättern von Barbula alpina ausgebildet. Fig. 20 zeigt die Umrisse des Blattes dieser Art, Unter dem Mikroskop leuchten die scharf begrenzten hyalinen Partien schon bei schwacher Tinction deutlich aus dem übrigen Blattgewebe hervor. 447 Fig. 21 u. 22. stellt einen Theil des Wassersystems bei B. alpina bezw. B. ruralis dar. Drei der genannten Arten stehen sich systematisch sehr nahe, sie gehören alle der Gruppe Syntrichia!) an. Fig. 22, Zur Entwickelungsgeschichte des Sphagnumblattes, Anatomische Untersuchungen. Die Entwickelungsgeschichte des Sphagnumblattes ist seit langer Zeit bekannt,?} auch ist die Anatomie von Achse und Blatt se oft Gegenstand der Forschung gewesen, dass man annehmen sollte, es würden weitere Untersuchungen kein neues Ergebniss liefern. Trotzdem harrte noch mancher Punkt der Aufklärung, wie die folgenden Zeilen beweisen mögen, An Hand von Fig. 23, die einen Querschnitt durch die Stämmchen- spitze einer Sphagnumart vorführt, können wir alle Entwickelungs- stadien der Blätter studiren. Die innersten Blätter sind von einer Reihe antikliner Wände (Fig. 23a) in annähernd gleich grosse Zellen zerlegt. Je weiter wir nach aussen gehen, um so mehr tritt die An- näherung von je zwei antiklinen Zellwänden hervor (Fig. 235), diese begrenzen später die Chlorophylizellen mit den entsprechenden peri- klinen Membranen (Fig. 23c). Nach der Peripherie des Stämmchen- 1) Müller, Deutschlands Moose pag. 302. 2) W. Ph. Schimper, Histoire naturelle des Sphaignes. Hier auch genaue Litteraturangaben und historische Notizen. 448 querschnittes hin erfahren die sich schon scharf abhebenden Chloro- phylizellen eine Gestaltsveränderung, die bis zur endgiltigen Aus- bildung anhält. (Hinsichtlich Fig. 23 ist zu bemerken, dass die beiden äussersten Blätter noch nicht fertig sind, die Zellumrisse würden sonst andere sein.) Ersichtlich ist aus Fig. 23 ausserdem, dass die anfänglich parallel verlaufenden correspondirenden antiklinen Chlorophylizellen- wände (b links) im Laufe der Entwickelung, wie sie uns die mehr nach der Peripherie hin gelegenen Blattquerschnitte vor Augen führen, auf der nach dem Mittelpunkt hingekehrten Blattseite eine Ver- schiebung erfahren, welche ihre Gestalt bedingt. Die innere perikline Wand der Zelle erfährt eine bedeutendere Dehnung als die äussere, (Fig. 23d), dadurch werden die Ansatzstellen von je zwei antiklinen Membranen auf der Innenseite des Blattes in entgegengesetztem Sinne verschoben (siehe Pfeil). Hierbei hat man es in erster Linie wohl mit einer rein mechanischen Dehnung zu thun, die durch das Wachs- thum des Stämmchens selbst hervorgerufen wird. So viel ich übersehen 449 kann, liegt hier genau derselbe Fall wie bei den schief inserirten Wänden des jungen Leucobryumblattes vor, nur mit dem an und für sich werthlosen Unterschied, dass es dort um antikline und hier um perikline Membranen handelt. Die beiden äussersten Blätter weichen besonders dadurch von den nächstinneren ab, dass alle periklinen Wände nach beiden Seiten hin eine Ausbauchung erfahren haben. Was bei Blatt e sich noch als ungebrochene gekrümmte Linie zu erkennen gibt, ist bei Blatt / aus einer grossen Zahl längerer und kürzerer Bogen zusammengesetzt. Letzteres befindet sich auf der Entwickelungsstufe, wo die Ausbildung der Perforationen und Schwielen erfolgt. Obwohl die Blätter von Sphagnum nur aus einer Zellschicht be- stehen, so finden wir analog den Blättern höherer Pflanzen bei ihnen stets eine scharf ausgeprägte Dorsiventralität, die in dem durchaus verschiedenartigen Bau von Rücken- und Bauchseite begründet ist. Immer kommt die dem Stämmchen (bezw. Aesten) zugekehrte Fläche (Bauchfläche) einer Ebene näher, als die stark gebuckelte und an tiefen Furchen reiche Rückenfläche; die beiden Blaitseiten liefern dem- zufolge durchaus verschiedene Ansichten. Die reiche Gliederung der Rückenfläche beruht aber in einem Punkte auf reinem Schein, es zieht sich nämlich unterhalb der Chlorophylizellen und zwischen dessen Seitenlinien etwas als helleres, beiderseits scharf begrenztes Band hin, was als solches gar nicht existirt und nur auf eigenthümliches optisches Verhalten der betreffenden Membrantheile zurückzuführen ist. Fig. 24 zeigt dieselbe Zelle von der Ober- (a) und Unterseite (5). Denkt man sich 5 mit « zur Coincidenz gebracht, so verläuft das bei b mit c bezeichnete schmale Band zwischen den mit d bezeichneten Längs- wänden der Chlorophylizellen von Ansicht a hin. Von den Seiten Fiora, Ergänzgsbd. 1901. . 29 450 des vermeintlichen Bandes (Fig. 24c) gehen nach rechts und links die spannenden Schwielen oder auch bisweilen die Schwielen der Per- forationen aus (e). Bei ganz jungen Blättern ist von diesem Schein- band noch keine Spur vorhanden, es tritt erst dann auf, wenn die Wasserzellen sich zum letzten Stadium ihrer Entwickelung, zur Bildung von Perforationen, Schwielen und Ausbauchung ihrer Membranen an- schicken. Am besten lassen sich die einschlägigen Verhältnisse an solehen jungen Blättern verfolgen, deren obere Hälfte bereits fertig ist. Fig. 25 führt einen Theil eines halbfertigen Blattes vor, und zwar von der Unterseite. Die oberen hyalinen Zellen sind fertig, sie besitzen Schwielen und Perforationen, die unteren sind in der Um- bildung zu hyalinen Elementen begriffen. Die in Betracht kommende Doppellinie ist deutlich zu sehen (a). Wir erkennen sofort, dass sie Ü ! \ nalen IL-.4u. 2224. - in-i-- - Fig. 27. Fig. 29. weiter nichts als die Fortsetzung der mit 5 bezeichneten geknickten Linien sind. In Rücksicht zu ziehen sind aber noch die in Fig. 24a gezeichneten Wände der Chlorophylizellen. Die schematisch gehaltene Fig. 26, obwohl nur sehr unbedeutend von der Wirklichkeit abweichend, lässt uns in Verbindung mit Figg. 27 und 28 die Umwälzungen er- kennen, welche Chlorophyli- und hyaline Zellen in ihren letzten Ent- wiekelungsstadien durchmachen, auch ertheilen sie Aufschluss über die Entstehung des schmalen Bandes. Wir gehen aus von dem Theil eines Querschnitts durch ein halbfertiges Blatt, bei dem die antiklinen Doppelwände noch parallel verlaufen (Fig. 27a, auch Fig. 235 links). Denken wir uns. diesen 451 Abschnitt projieirt auf die Ebene des Gesichtsfeldes, so können nur einfache Conturen im Bilde entstehen. Anders liegt der Fall bei Blättern, deren Chlorophylizellen schon die in Fig. 275 gezeichnete Gestalt besitzen. Hier müssen bei der Projeetion auf eine Ebene die vorher einfachen Conturen sich verdoppeln. Nun wird auch die untere Flächenansicht des in Fig. 26 dargestellten jugendlichen Blatt- theils verständlich. Deutlich treten die beiden Arten von Linien hervor. Wir müssen uns nur die punktirten Doppellinien aus der Bibene vertical in einer zur Zeichnungsfläche parallel liegenden Fläche herausgehoben denken. Das Weitere ergibt sich aus einem Vergleich dieser Figur mit Fig. 275. Bemerkt sei, dass bei einem halbfertigen Blatt die Intensität der fraglichen Doppellinien nach der Basis immer mehr abnimmt, in den unteren Partien ist sie überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Hier erscheint sie erst, wenn das Blatt ungefähr zwei Drittel seines Gewebes vollständig ausgebildet hat. Für einen der wichtigsten Abschnitte in der Entwiekelung der hyalinen Zellen halte ich die Ausbauchung der dorsalen Wände, denn hierdurch werden die Volumina der Zellen sehr bedeutend vergrössert und diese zu mächtigen Wassersäcken erweitert. Zur Zeit der Aus- bauchung verdicken sich die Grenzwände sehr erheblich, man kann an der Wanddicke feststellen, ob diese hyaline Zelle fertig oder noch in Entwickelung begriffen ist. (Fig. 28a u. b.) Zur Wandverdickung gesellt sich dann noch die Aussteifung durch Schwielen. Auch ist der Membranverstärkung an der unteren periklinen Wand der Chloro- phylizellen (Fig. 28c) und der in diesen Theilen eigenthümlich sich gestaltenden Brechungsverhältnissen des Lichtes zuzuschreiben, dass das helle Band bei ausgebildeten Blättern noch deutlicher hervortritt. Den Austritt des Protoplasmas aus halbfertigen oder fertigen Zellen hyaliner Art habe ich niemals beobachtet. Wahrschein- lich ist auch eine Auswanderung des Plasmas durchaus nicht. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der Ausbau der ungemein sich vergrössernden hyalinen Zellen grosse Anforderungen an das Baumaterial stellt, so wird es uns klar, dass alles Plasma nöthig ist, um die Vergrösserung und Verdickung der Wände herbeizuführen und das Material für die Schwielen zu liefern. Auch bei den Blättern von Sphagnum entsteht die Schwiele zuerst, das von dieser ein- geschlossene Wandstück löst sich ganz los und kann leicht an ge- eigneten Stellen durch Deckglasdruck herausgehoben werden. An dieser Stelle können auch zwei fast allen Sphagnen zukom- menden Eigenthümlichkeiten, von denen ich annehme, dass sie im 29* 452 Leben jener Pflanzen eine hervorragende Rolle spielen, besprochen werden. Bekanntlich bilden die Sphagna mit wenigen Ausnahmen dichte Polster, deren Oberfläche je nach Art und Alter in Gestalt und Farbe wechselt. Dem Lichte gestatten diese massigen Schwammbildungen keinen, im günstigsten Falle nur sehr beschränkten Zutritt zu den inneren Partieen. Als Beispiel sei S. acutifolium angeführt. Die Oberfläche der Polster dieser Art ist so dicht, dass von einem Eintritt des Lichtes in das Innere gar nicht die Rede sein kann. Hiermit stehen folgende zwei Einrichtungen meines Erachtens im engsten Zu- sammenhang. Alle Sphagna tragen an ihrem Stämmchenende eine An- häufung von Aesten, die Aststellung an tieferen Stellen des Stämm- chens dagegen ist eine relativ sehr lockere, Bei 8. acutifolium stossen diese Astbüschel am Stämmehenende sehr dicht an einander. Die anatomische Untersuchung der Blätter, welche das Stämmchen an seinen Aesten und an sich selbst unterhalb des „endständigen* Ast- büschels trägt, ergibt für die Chlorophylizellen derselben eine grosse Armuth an Blattgrün. Ganz anders in den apikalen Astbüscheln. Hier herrscht ein grosser Reichthum an Chlorophyll im Assimilationssystem. Die gedrängte Anordnung der Aeste an den Stämmchenspitzchen schafft also einen genügenden Ersatz an assimilirenden Blättern für den grossen Ausfall, den das Stämmehen durch das Hinabrücken der Ast- und Stämmchenblätter in die lichtlose Sphäre des Polsters erlitten hat. In höchst einfacher und dennoch sehr vollkommener Weise gleicht das Sphagnumstämmchen den entstandenen Schaden durch dichte Ast- stellung an seinem oberen Einde aus. In gewissem Sinne kann diese Einrichtung als Correlation aufgefasst werden und zu dem berech- tigten Schluss führen, dass Function und Gestalt der Organe (hier ein Organcomplex) in engster Beziehung zu einander stehen. Ober- und Unterseite der Blätter sind, wie bereits oben bemerkt, durchaus verschieden. Ein Blick auf die obere Seite lehrt, dass hier die Chlorophylizellen mit einer unverhältnissmässig grösseren Fläche betheiligt sind, als an der Unterseite. Biologisch ist diese Thatsache nicht schwer zu verstehen. Die assimilirenden Zellen sind so orientirt, dass sie an der Bauchseite des Blattes, d.i. die Oberseite, eine mög- lichst grosse Fläche den einfallenden Lichtstrahlen entgegenstellen können. Die Verschiebung der Lage eines grossen Theils der hyalinen Zelle auf die Rückseite bat gleichfalls ihre grossen Vortheile. Jede derselben kann man eine Hängematte im Kleinen nennen, deren Ränder zwischen den Ohlorophylizellen aufgehängt sind. Durch diese 453 Lage der Wasserzellen wird jedenfalls die Schnelligkeit der Ueber- führung des Wassers in Dampfform herabgesetzt; eine unmittelbare Folge davon ist, dass die Chlorophylizellen länger von Flüssigkeit umgeben sind und ihre Assimilationsarbeit länger verrichten können. Als sehr lückenhaft erweisen sich unsere Kenntnisse bezüglich der Vertheilung der Membranlücken an den hyalinen Blattzellen. In den systematischen Werken ist nur Rücksicht genommen auf solche Perforationen, die sich ohne Weiteres dem Blick unter dem Mikro- skop darbieten. Der diagnostische Werth dieser Art der Blattbe- schreibung kann nicht in Abrede gestellt werden, die Angaben ent- sprechen aber in Wirklichkeit nicht den Thatsachen, denn überall da, wo die Schwielen fehlen, sind Poren vorhanden. Nach der Krypto- gamenflora von Schlesien, Band TI, sind z. B. die hyalinen Zellen der Fig. 32. Stämmchenblätter von Sphagnum squarrosum ohne Fasern und Poren, Ersteres trifft zu, letzteres nicht. Die Untersuchung lieferte vielmehr das Resultat, dass die Membranresorption so weit fortgeschritten ist, dass oft nur ein schmaler Saum oder überhaupt nichts mehr von der betr. Membran übrig geblieben ist. Hin und wieder trifft man auch eine Wand mit einer kleinen Durchbohrung. Ohne Uebertreibung darf behauptet werden, dass die Membranen der hyalinen Zellen zur Hälfte fehlen. Nach demselben Werk besitzen die Stämmchenblätter von Sph. acutifolium an ihren oberen Wasserzellen fast stets Fasern und Poren in spärlicher Anzahl. Durechaus richtig ist diese Angabe nicht. Die untere Partie wird in anderen Werken als poren- und faserlos bezeichnet, still- schweigend auch in der K.-Fl. von Schlesien. Ich habe nun gerade 454 diese Blätter genau untersucht und das Gegentheil gefunden. Ohne Tinetion gleicht der untere Theil der Stämmchenblätter einer hellen Fläche, die nur durch die Membranen der hyalinen und anderen Zellen in verschiedengestaltete Felder zerlegt wird. Andersartig wird das Bild nach einer geeigneten Tinetion. Je nach Grösse, Gestalt und Lage ändert sich der Umriss, der Umfang und die Zahl der Durch- bohrungen. Die Wände der grossen basalen Zellen waren oft auf einer und derselben Blattseite fast ganz resorbirt (Fig. 29), die wurm- förmigen, zum Blattsaum gerechneten Zellen hatten der Gestalt ent- sprechende Lücken (Figg. 30a u. b), Zellen aus der mittleren Partie wiesen auf Ober- und Unterseite des Blattes Perforationen der ver- schiedensten Gestalt und in veränderlicher Anzahl auf (Figg. 30e, d und 31), an anderen wieder waren fast alle Membranen einer Blatt- seite in Wegfall gekommen (Fig. 32), kurz, es herrschte eine Viel- gestaltigkeit in der Ausbildung der Membranlücken, wie man sie vor der Untersuchung nicht geahnt hatte. Gerade da, wo nach Angabe der systematischen Werke keine Perforationen vorkommen, sind sie in erhöhtem Masse zur Ausbildung gelangt. Herr Professor Dr. Goebel hat mir in vielfacher Weise bei dieser Arbeit freundlichst seine Unterstützung geliehen, wofür ich ihm meinen verbindlichsten Dank abstatte. Litteratur. Handbuch der systematischen Botanik von Dr. Rich. R. v. Wettstein. 1. Band mit 762 Figuren in 128 Abbildungen. Leipzig und Wien, Verlag von Franz Deuticke. 1901. „Das vorliegende Handbuch soll einen Ueberblick über die Formen des Pflanzenreiches mit besonderer Berücksichtigung unserer Kenntnisse betreffend die Phylogenetische Entwickelung derselben bieten. Dem erwähnten Zwecke soll eine thunlichst vollständige Besprechung der grösseren Formenkreise, eine Hervor- hebung der irgendwie wichtigen Einzelformen, sowie eine Beigabe von Illustrationen dienen; der zweiterwähnte Zweck soll durch eine entsprechende Anordnung des Stoffes, besondere Hervorhebung entwickelungsgeschichtlich richtiger Typen und eine zusammenfassende Behandlung der phylogenetischen Fragen angestrebt werden.“ Dass der Verfasser das Ziel, welches er sich in diesen Worten gesteckt hat, erreicht hat, lässt sich schon aus dem vorliegenden ersten Band erkennen. Besonders erwünscht ist der Allgemeine Theil, welcher behandelt: Die Aufgaben der systematischen Botanik, ihre geschichtliche Entwickelung, die Principien der phylogenetischen Systematik, die systematischen Einheiten, monophyletische und polyphyletische Entwickelung, Methoden der phylogenetischen Systematik und die Entstehung neuer Formen im Pflanzenreiche als Voraussetzung der phylogenetischen Entwickelung. Auf diese allgemeinen Fragen kann nicht oft genug hingewiesen werden, denn nur gar zu oft werden sie durch die erdrückende Fülle des syste- matischen Materials ganz und gar in den Hintergrund gedrängt. Hier wie bei der Einzeldarstellung wird die klare und trotz der gebotenen Knappheit reich- haltige Darstellung unterstüzt durch eine grosse Anzahl gut ausg@führter Abbil- dungen, wie sie gerade bei der Systematik besonders nothwendig sind. — Der II. Band soll nach einer Mittheilung auf dem Umschlag im Laufe des nächsten Jahres erscheinen und die höheren Pflanzen (von den Bryophyten an) enthalten. Das Verhalten des Polienschlauchs bei Alchemilla arvensis (L.) Scop. und das Wesen der Chalazogamie. Von $v. Murbeck. Mit 2 Taf. (8.-A. a, Lunds Universitets Arsskrifs Band 36, Afd. 1, Nr. 9.) Ref. hat die „Chalazogamie* stets als eine secundäre Erscheinung betrachtet, welche aus der ursprünglichen „Porogamie“ abzuleiten sei, also nicht, wie dies theilweise geschehen ist, als ein wichtiger systematischer Charakter betrachtet werden kann. Für diese Anschauung sind die in der vorliegenden interessanten Abhandlung mitgetheilten Thatsachen und Erwägungen eine wichtige Stütze. Murbeck zeigt, dass bei Alchemilla arvensis die Mikropyle verwachsen ist!) und dass der Pollenschlauch intercellular zum Eiapparat vordringt; er kommt zu dem Schlusse, dem ich mich nach dem Obigen durchaus anschliesse, das Vorhanden- sein der Mikropyle bei Casuarina und den ohalazogamen Amentaceen nebst der Thatsache, dass ein intercellularer Wachsthumsmodus des Pollenschlauches theils 1) Ein schon früher im hiesigen Institut beobachteter weiterer Fall bei einer anderen Dikotyle wird demnächst beschrieben werden, 456 bei einer Alchemilla, theils bei Plantago-Arten erwiesen worden ist, deuten darauf hin, dass die Porogamie die ursprüngliche Befruchtungseinrichtung der Angio- spermen und dass die Chalazogamie oder der intercellulare Wachsthumsmodus des Poilenschlauches eine Erscheinung späteren Datums ist. K, Goebel. Goethe und die Urpflanze. Von Dr. A. Bliedner. Frankfurt a. M., Litterarische Anstalt Rütten & Loennig. Der Verfasser meint im Vorwort, die Kritik werde sein Schriftchen „ad acta“ legen. In gewissem Sinne hat er damit wohl recht, insoferne nämlich, als er über Goethe’s botanische Anschauungen nichts wesentlich Neues vorbringt gegenüber 2. B. den kurzen Angaben in Sachs’ Geschichte der Botanik. Dass er recht hat, die Auffassung Häckel’s über Goeihe’s Urpflanze zu bekümpfen, und ebenso Kalischer’s ganz verfehlte Darstellung ist unbestreitbar. Aber im Ganzen dürfte es kaum mehr möglich sein, Goethe’s botanischer Thätigkeit neue Gesichtspunkte abzugewinnen, und es wird also besser sein, vorläufig die Acten darüber zu schliessen. KG. Möller A., Phycomyceten und Ascomyceten. Untersuchungen aus Brasilien. (9. Heft der Botanischen Mittheilungen aus den Tropen, herausg. von A. F.W. Schimper). Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1901. Das vorliegende Werk gibt zwar kein a0 einheitliches, in sich abgeschlossenes Bild merkwürdiger tropischer Pilzformen, wie die bekannten früheren Arbeiten des Verfassers (die Ameisenpilze, Brasilianische Pilzblumen, Protobasidiomycetes), sondern vereinigt Beschreibungen einer grösseren Anzahl der verschiedensten Ver- treter höherer und niederer Pilze. Der Verfasser hat sich aber bezüglich der Zahl der in den Bereich seiner Untersuchung gezogenen Formen weise Mässigung auferlegt und vorgezogen, eine beschränkte Anzahl von Arten nicht nur vom systematischen, sondern auch vom biologischen und entwiekelungsgeschichtlichen Standpunkt aus zu untersuchen, was ihm besonders dadurch ermöglicht war, dass er die betreffenden Pilze an Ort und Stelle künstlich cultivirte. Weitaus die meisten und interessantesten der vom Verfasser studirten Arten gehören des Familie der Hypocreaceen an, so die Bambuspilze (Mycoeitrus n. gen.), die wunderbaren und vielgestaltigen Cordycepsformen, und die Grasbewohner Ophiodotis, Balansia, Claviceps. Im Anschluss an den indischen Formen sehr nahe stehenden Algenpilz: Choanephora americana äussert der Verfasser seine Ansichten über das natürliche System der Pilze, wobei er sich als Schüler Brefeld’s vollkommen auf den Boden Brefeld’scher Auffassung stellt, welcher bekanntlich die Sexualität der höheren Pilze aufs entschiedenste bestreitet. Vorzügliche, zum Theil colorirte Tafelı von künstlerischer Ausführung erhöhen den Werth des interessanten Werkes noch bedeutend. Neger. FloraErg.Bd.z. Jahrg. 1901,89.Bd Jr Un Mi 77. AN )/ Sn ) 1.JTkomas Lich Inst, ‚Berlin 553 Taf.l. Taf. II. . SR Me Bannnaaana a, Ban sonononno ano 0a MB annafnnnnnanen = ER ME N Are 3 = = \“ FW ee & SL Flora,Erg.Bd.z. Jahrg. 1901.89.Bd. 23 N N > ® eo© "ane FR erw we nr ZJ Thomas.Zath Ist, Ber Flora,Erg.Bd.z.Jahrg.1901,89.Bd. . = Tall. Fa EN IM AR h at \ 27 LJT'hormas, hivv Inst, Berüun 5.53 Flora,Erg.Bd.2.Jahrg. 1901, 89.Bd. Taf.V. _Nlora,Erg.Bd.z. Jahrg. 1901,89.Bd. 1.].Thornas Zuch Inst BerinS 53 6. Karsten gez, N. 6. Eiwert’sche Verlagsbuchhandlung, Marburg. In unserem Verlage erschien: Pilanzenbiologische Schilderungen, Von K. Goebel. 2 Theile. Mit 31 Tafeln und zahlreichen Holzschnitten. Im Preise von Mk. 38.— auf Mk. 15.— ermässigt. Physiologische Notizen. Tells Sachs, Als Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Flora“ 1892 — 1806. herausgegeben und bevorwortet von R. Goebel. . Mit Bild von Julius Sachs. " Preis Mk. 4.50. Die Mechanik d der Reizkrümmungen. Ä Von F. G. Kohl. . Mit 19 Figuren im Text und 6 Tafeln. Preis Mk. 450: Anatomisch-physiologische Untersuchung der Kalksalze und Kieselsäure in der Pflanze. Ein Beitrag zur Kenntniss der Mineralstoffe im lebenden Pflanzenkörper. Von P.G. Kohl. _ Mit 8 Tafeln. Preis Mk. 18.—. Druck von Val. Höfliag, München, Lämmerstr. 1.