Ba Tan 4 be Au u . F u SR a . \ ok 495 D' , Aıo Ps ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. RAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG, Be (NEUE FOLGE. ERSTER BAND. 1 «(DER GANZEN REIHE 101. BAND.) - HERAUSGEBER: DR K. GOEBEL ’ PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. MIT 4 TAFELN UND 224 ABBILDUNGEN IM TEXT. VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 1910, Igor Lu Fe Chun ig11 ALLE RECHTE VORBEHALTEN Inhaltsverzeichnis. BRUCHMANN, H., Die Keimung der Sporen und die Entwieklung der Prothallien von Lycopodium clavatum L., L. annotinum L. und L. Selago L. Mit 35 Abbildungen im Text . BRUHN, WALTER, Beiträge zur experimentellen Morphologie, zur Bio- logie und Anatomie der Luftwurzeln. Mit 30 Abbildungen im Text. FLASKÄMPER, PAUL, Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- und Sklerenchymbildung von äußeren Faktoren nebst einigen Bemerkungen über die angebliche Heterorhizie bei Dikotylen. Mit 21 Abbildungen im Text FREUND, YELLA. Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen GOEBEL, K., Archegoniatenstudien. XIII. Monoseleniun tenerum Griffith. Mit 45 Abbildungen im Text . HEILBRONN, ALFRED, Apogamie, Bastardierung und Erblichkeits- verhältnisse bei einigen Farnen. Mit 43 Anbildungen im Text HORI, S., Haben die höheren Pilze Kalk nötig? .. JACOBI, HELENE, Über den Einfluß der Verletzung von Kotyledonen auf das Wachstum von Keimlingen. Mit 2 Abbildungen im Text . . nn LORCH, WILHELM, Der feinere Ban und die Wirkungsweise des Schwellgewebes bei den Blättern der Folyirichaesen. Mit 10 Abbildungen im Text. . MÜLLER-THURGAUT, H. und SCHNEIDER- ORELLI, 0, Beiträge ; zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen, 1 Mit 3 Abbildungen im Text . NIENBURG, WILHELM, Die Oogenentwicklung bei Oystosira und Sar- gassum. Mit Tafel I u. II und 9 Abbildungen im Text PASCHER, ADOLF, Über einen Fall weitgehender, postnuptialer Kelch- vergrößerung bei einer Solanacee Mit Tafel III und 3 Ab- bildungen im Text . . Ders, Über Gitterkelche, einen neuen biologischen Kelchtypus der Nacht- schattengewächse. Mit Tafel IV und 1 Ahbildung im Text WIRZ, HANS, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. und von Epirrhizanthes elongata BL Mit Tafel IV und 22 Ab- bildungen im Text . en Heft I, pag. 1-—166 erschien am 7. Mai 1910 » I „167-308 » „» 10. Juni 1910 „ I, „ 809--394 » „ 15. August 1910 „» WW, „ 395 —448 » „ 12. November 1910. Seite 220—267 98—166 181—219 290---308 43-97 1—42 447—448 279-289 373—394 309—372 167—180 268--273 273—278 395-446 ETTERTTRREERFRRTFR FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. : FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. NEUE FOLGE. ERSTER BAND. {DER GANZEN REIHE 101. BAND.) ERSTES HEFT. HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. MIT 118 ABBILDUNGEN IM TEXT. VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 1910. ERSCHIENEN AM 7. MAI 1910. Inhaltsverzeiehnis. Seite HEILBRONN, ALFRED, Apogamie. Bastardierung und Erblichkeits- verhältnisse bei einigen Farnen. Mit 43 Abbildungen im Text 1-42 GOEBEL, K., Archegoniatenstudien. XTII. Monoselenium tenerum Griffith. Mit 45 Abbildungen im Text . . . 48-97 BRUHN, WALTER, Beiträge zur exper imentellen Mor Dhologie, zur r Bio- logie und Anatomie der Laftwurzeln. Mit 30 Abbildungen a Verlag von aus TAY FISCHER in Jena, Soeben erschien: Die Geographie der Farne. Von H. Christ, Basel. Mit einem Titelbild, 129 Abbildungen (meist nach Originalphotographien) im Text und 3 Karten. Preis: 12 Mark. Von demselben Verfasser erschien 1897: Die Farnkräuter der Erde. Beschreibende Darstellung der Geschlechter und wichtigeren Arten der Farnpflanzen. Mit besonderer Berücksichtigung der Exotischen. Mit 291 Abbildungen. Preis: 12 Mark. Soeben erschien: Untersuchungen an Blattgelenken. Von Dr. Adolph Sperlich, Privatdozent der Botanik an der Universität Innsbruck. Erste Reihe Mit 7 Tafeln und 7 Abbildungen im Text. (Ausgeführt mit Benützung der von Prof. Heinricher von seiner Studienreise nach Java mitgehrachten Materialien.) Herausgegeben teilweise mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaft in Wien aus dem Legate Scholz. Preis: S Mark. Früher erschien: Mathematische und mikroskopisch-anatomische Studien über Blattstellungen nebst Betrachtungen über den Schalenbau der Miliolinen. Von Dr. G. van Iterson jun., Prof, in Delft. == Mit 16 Tafeln und 110 Abbildungen im Text. 1907. =———_- Preis: 20 Mark. # ® E F: Bun) GEBE u Be EEE er Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. Von Alfred Heilbronn. {Mit 43 Abbildungen im Text.) Die Untersuchungen, deren Resultate ich in den folgenden Seiten mitteilen will, nahmen ihren Ausgang von zwei Problemen: einmal war es mir darum zu tun, die seit vielen Jahren schwebende Frage nach der Natur des Aspleninum germanicum ihrer Lösung näher zu bringen, zum andern gedachte ich zu untersuchen, ob und inwieweit verschiedene in unseren botanischen Gärten kultivierte Farnformen erblich sind. Bei beiden Reihen von Untersuchungen ergab sich eine Anzahl interessanter Beobachtungen, welche vor allem die Geschlechtsgeneration verschiedener Farne betrafen. Einem besonders glücklichen Umstand verdanke ich dabei die Entdeckung einer neuen Form von Cystopteris fragilis, die durch ihr eigentümliches Verhalten wohl weiteres Interesse erwecken dürfte und die ich deshalb auch zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung gemacht habe. Demnach gliedert sich die vorliegende Arbeit in drei Teile, deren erster dem Studium jener merkwürdigen Oystopteris fragilis gewidmet ist, deren zweiter sich mit der Frage der Bastardnatur des Asplenium germanicum beschäftigt und deren dritter die Erblichkeitsverhältnisse verschiedener Farnformen ins Auge faßt neben jeweils einer kurzen Betrachtung ihrer Lebensgeschichte !). I. Cystopteris fragilis Bernhardi forma polyapogama m. - In einer Kultur, in der Sporen von Asplenium Ruta Muraria aus Südtirol (Schlerngebiet) ausgesät waren, entwickelten sich nach einiger Zeit unter den erwarteten Prothallien andere, welche sich schon durch ihren Habitus von denen des Asplenium Ruta Muraria unterschieden. Sie hatten am Rande zahlreiche Drüsenhaare, die zum Teil auf kleinen, lappigen Vorsprüngen des Prothalliums saßen. Außerdem entwickelten sich diese Prothallien im Gegensatze zu den anderen zu stattlicherer Größe. Auffallend waren an ihnen auch die großen Kerne ihrer Zellen, die so deutlich waren, daß man Teilungsfiguren am lebenden Prothallium 1) An dieser Stelle will ich gleich erwähnen, daß ich die Ausdrücke: Form und Varietät fernerhin stets im Darwin’schen Sinne gebrauchen werde. Fiora, Bd. 101. ı 2 Alfred Heilbronn, beobachten konnte. Die Archegonien der Prothallien von Asplenium Ruta Muraria zeigten sich nach einiger Zeit normal befruchtet, während die Prothallien, welche sich später als Cystopteris fragilis zugehörig er- wiesen, obgleich sie anscheinend normale Antheridien und Archegonien hervorgebracht hatten, keinerlei Befruchtungserscheinungen zeigten. Die Antheridien entließen anscheinend normale Spermatozoiden, die Arche- gonien öffneten sich zwar, starben jedoch unbefruchtet ab. Gekeimt waren sämtliche Prothallien Anfang Januar, im März wurden die Prothallien von Cystopteris von den anderen isoliert. Anfang Mai aber erschienen auf diesen Prothallien, und zwar auf der Unterseite, zahlreiche, dicht aneinander gedrängte, rundliche Höcker (Fig. 1), deren Fig. 2. Oystopteris fragilis f, polya- pogama. Prothallium mit 2 Höcker- Fig. 1. CGystopteris fragilis f. polya- gruppen. Beide haben schon Primär- pogama. Prothallium mit 13 Höckern. blätter entwickelt. größte einen Durchmesser von 0,8 mm hatten. Nach abermals ungefähr einem Monat entwickelten sich aus diesen Höckern zahlreiche, junge Farnblätter (Fig. 2). Offenbar also stellten die Höcker apogame Gebilde dar, analog denen, die Heim!) bei Doodya caudata beobachtet hatte, Bevor wir uns nun mit dem weiteren Schicksal der Höcker be- fassen, handelt es sich darum, ihre Entwicklungsgeschichte genauer zu verfolgen. Zahlreiche Schnitte durch jugendliche Stadien der Höcker lehrten, daß es für deren Entstehung dreierlei Möglichkeiten gibt: 1. unregelmäßige Zellwucherungen treten an beliebigen Stellen des Prothalliums, meist an dem oft verbreiteten Mittelpolster auf und führen zur Höckerbildung; 1) Heim, Untersuchungen über Farn-Prothallien. Flora 1896. I Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 3 2. umgebildete Antheridien und 3. umgebildete Archegonien werden zu apogamen Höckern. Die Umwandlung dieser Sexualorgane in solche apogame Gebilde erfolgt nicht in einem sehr frühen Stadium ihrer Entwicklung. Bei den aus Antheridien entstehenden Höckern vollzieht sie sich in folgender Weise (Fig. 3—5): In der Antheridium-Mutterzelle entsteht ganz normal!) die Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 3. Cystopteris fragilis f. polyapogama. Antheridium in der Umbildung zum Höcker begriffen, Spermatozoiden noch vorhanden. Fig. 4 Desgleichen. Umgebildetes Antheridium, späteres Stadium; der Inhalt der Trichterzelle desorganisiert bei Z, und Z, junges Teilungsgewebe. Fig. 5. Desgleichen. Umgebildetes Antheridium, von oben gesehen. trichterförmige Wand, welche die Zelle im eine äußere und eine innere teilt; auch die zweite Ringzelle, durch. welche. die Wandzelle ab- geschnitten wird, und selbst die Deckelzelle erscheinen in der Regel in normaler Ausbildung. Nun aber tritt in der eigentlichen Antheridium- Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 6. Cystopteris fragilis f. polyapogama. Sehnitt durch einen umgebildeten Archegonienhals; Kranzzellen! %» — Halskanalzelle. Fig. 7. In der Umbildung begriffenes Archegonium; das Haar (%) deutet bereits auf die Veränderung hin. Fig. 8. Archegonium in optischem Längsschnitt, Die Halskanalzellen weisen be- reits einige Längsteilungen auf. j Mutterzelle, der inneren Trichterzelle also, eine Wand auf parallel zur Basis. Die untere der so entstandenen Zellen erfährt zahlreiche Längs- und Querteilungen, desgleichen die Wandzelle und auch die Ringzelle, 1) Goebel, Organographie, pag. 393. j* 4 Alfred Heilbronn, welche die Trichterzelle umgibt. Gleichzeitig beginnen auch die unter dem Antheridium gelegenen Prothallienzellen sich lebhaft nach allen Richtungen des Raumes hin zu teilen. Die Trichterzelle selbst bleibt meist von all diesen Teilungen unberührt; in der Regel wird ihr Inhalt desorganisiert, doch finden sich zuweilen auch anscheinend normale Spermatozoiden darin, die natürlich absterben, ohne ausschlüpfen zu können. In den auf solche Weise entstandenen Höckern kommen manchmal vereinzelte Tracheiden vor, jedoch ist deren Auftreten keineswegs immer zu beobachten. Hat so der Höcker eine Größe von mindestens 0,4-—-0,5 mm er- reicht, so erscheinen an verschiedenen Stellen seiner Oberfläche deutlich charakterisierte, zweischneidige Scheitelzellen. In diesem Stadium sind die aus Antheridien entstandenen Höcker von solchen, die einem Arche- aan. Cr «5 oo 6 Sn 8 (6) IR N) Fig. 10. Fig. 9. Umgebildetes Archegonium, Längsschnitt... Der Hals stark verbreitert, die ehemalige Eizelle desorga- nisiert, von lebhaft sich teilenden Zellen umgeben. Fig. 10. Höcker, aus einem Archegonium entstanden. Fig. 9. a = ÖÜberflächenansicht, 5 — optischer Längsschnitt, das - Innere desorganisiert. gonium entstammen, nicht mehr zu unterscheiden. Auf die Entwicklung der letzteren wollen wir jetzt unser Augenmerk richten, um später wieder auf die beiden Arten von Höckern gemeinsame Weiterentwicklung zurückzukommen (Fig. 6—10). Bei der Umbildung des Archegoniums sehen wir in der Regel schon gleich nach Entstehung der vier Zellen, aus denen normalerweise sich der Hals entwickelt, eine Abweichung vom gewöhnlichen Schema. In diesen vier Zellen treten nämlich eine unbestimmte Zahl antikliner Wände auf, so daß wir auf einem Querschnitt (Fig. 6) durch ein etwas späteres Stadium die Halskanalzelle von einem einschichtigen Zellkranz umgeben sehen. Ganz wie sonst die Halszellen teilen sich diese „Kranz- zellen“ weiter. Innerhalb derselben scheint sich zunächst eine Eizelle. und eine Halskanalzelle abzugliedern. Während nun aber die „Kranz- Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 5 zellen“ und die Basalzellen des Archegoniums üppig weiter wuchern, geht die Eizelle und die Halskanalzelle zugrunde, und man findet statt ihrer auf Längsschnitten durch dieses Stadium des Höckers eine struktur- lose, desorganisierte Masse. Nun treten auch auf diesem Höcker an verschiedenen Stellen der Oberfläche zweischnei- dige Scheitelzellen auf. Der hier angegebene Modus der Entwick- lung ist kein starrer. Nicht selten nehmen die Teilungen einen anderen Verlauf. So ist es beim Antheridium manchmal allein die Basal- zelle, welche durch fortgesetzte Teilungen einen yig. 11. Antheridium, Höcker liefert, dem schließlich das Antheridium dessen Basalzelle meh- _ ganz intakt aufsitzt (Fig. 11); so finden sich hals- io en m lose eingesenkte Archegonien, und das Wachstum der dasselbe umgebenden peripheren Schicht führt zur Entwicklung apogamer Höcker. Wo endlich solche Höcker an beliebigen Stellen des Prothalliums ohne Beziehung zu Sexualorganen auftreten, da sehen wir diese Bildungen immer eingeleitet durch kreuzweise Teilungen mehrerer, ®. Fig. 12. Unregelmäßige Teilungen im Prothallium, die zur Höckerbildung führen. ?, erstes Stadium, /, zweites Fig. 13. Übersichtsskizze der Lage apo- Stadium, {, drittes, #, # und # ältere gamer Höckergruppen am Prothallium. Stadien. h = Höckergruppen, a —= Antheridien. nahe nebeneinander liegender Zellen (Fig. 12). Nie bildet sich in diesem 6 Alfred Heilbronn, Falle ein einzelner Höcker aus, sondern stets ist das entstehende Ge- bilde zwei- bis dreiteilig (Fig. 13) und sieht in einem späteren Stadium wie ein Archegonienbauch ans, dem drei Hälse divergierend aufsitzen. Auffallend ist bei diesen Gebilden das kranzförmig angeordnete, zen- trale meristematische Gewebe (Pig. 14—15), besonders deshalb, weil es Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 14. Umgebildetes Archegonium mit kranzförmiger Basis. «= von oben, d= im optischen Längsschnitt. Fig. 15. Dreiteiliger Höcker mit kranzförmigem, zentralem Meristem. Vgl. Fig. 14. Fig. 16. Scheitelzelle an einem Höcker, von der Seite. sich ja auch häufig da findet, wo ein einzelnes Archegon sich zum apo- gamen Höcker umbildet. Bei der weiteren Ent- wicklung der Höcker be- obachten wir folgendes: Mehrere der in größerer Anzalıl an jedem solchen Gebilde vorhandenen Scheitelzellen (Fig. 16) ent- wickeln je ein Primärblatt, und zwar tritt diese Ent- wicklung bei allen aktiven Scheitelzellen (es finden sich nämlich hie und da auch Scheitelzellen, die ohne Entwicklung wieder zugrunde gehen) eines Höckers ungefähr gleich- Fig. 17. Fünf Höcker haben gleichzeitig hoch- zeitig auf, so daß nach organisierte Primärblätter entwickelt. einiger Zeit das Prothallium Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 7 eine ganze Anzahl — bis zu 12 — gleichalteriger und auf gleicher Entwick- lungsstufe stehender Primärblätter trägt (Fig. 17). Diese gleichzeitige Ent- wicklung vieler Primärblätter tritt aber nur dann auf, wenn bei feuchter Kultur den Pflanzen reichlich mineralische Nährstoffe zur Verfügung stehen, während bei trockener Kultur oder bei Kultur auf mit Wasser- leitungswasser begossenem Filtrierpapier sich stets nur ein oder zwei Blätter entwickelten. Das gleiche zeigte sich merkwürdigerweise auch bei Kulturen auf Torf, wobei vielleicht vor allem das stets vorhandene Sphagnol und organische Säuren als entwicklungshemmende Substanzen anzusehen sind. Dafür dient zum Beweis, daß solche Filtrierpapier- kulturen sich normal verhielten, wenn sie mit von der ÜCrone’scher Nährlösung begossen wurden, daß sie dagegen sich kümmerlich ent- wiekelten, wenn dieser Nährlösung ein gleicher Teil Torfextrakt zu- gesetzt war. Beim Vergleich dieser apogamen Primärblätter mit auf sexuellem Weg entstandenen der Normalform von Cystopteris fragilis zeigte es sich, daß diese Blätter schon eine Organisationshöhe besaßen, wie sie die Normalform erst mit dem 6. bis 8. Blatt zu erreichen pflegt; nur an Größe stehen sie weit hinter ihnen zurück. Sie sind nicht größer als normale Primärblätter. Diese Tatsache scheint mir eine Bestätigung für Goebel’s!) An- sicht zu sein, welche ja die. Primarblätter als Hemmungsbildungen auf- faßt. In unserem Fall werden die jungen Blätter durch die in den Höckern als Reservematerial reichlich aufgesparte Stärke sehr gut er- nährt. Die Entwicklungshemmung durch unzureichende Ernährung ist also im Vergleich zu einem normalen Prothallium eine sehr geringe, folglich die Gliederung des jungen Blattes eine relativ hohe. Hatte schließlich ein Primärblatt eine Höhe von 0,3--0,5 cm er- langt, so entwickelte sich an der Basis seines Stieles sekundär der Stammhöcker mit der charakteristischen, dreischneidigen Scheitelzelle, und die weitere Entwicklung der übrigen Blätter nahm vom Stamm- höcker aus ihren gewohnten Verlauf, Dies ist der normale Entwicklungsgang der apogamen Cystopteris- Pilänzchen, und ich möchte diese Form der Apogamie, bei der einer- seits auf einen Prothallium mehrere Höcker und andererseits auf jedem Höcker wieder gleichzeitig mehrere junge Pflänzchen entstehen, als Polyapogamie bezeichnen. Obgleich ich an späteren sporentragenden Wedeln dieser Form von Cystopteris fragilis weder bestimmte morphologische noch anatomische 1) Goebel, Organographie, pag. 131. 8 Alfred Heilbronn, Unterschiede gegenüber der gewöhnlichen Cystopteris beobachten konnte, so muß ich doch aus den bisherigen und den später zu erwähnenden Gründen annehmen, daß wir hier eine besondere Rasse vor uns haben. Zum Unterschied von der Normalform möchte ich darum diese Rasse als Cystopteris fragilis forma polyapogama bezeichnen. Ob die Apogamie bei dieser Form erblich ist, konnte ich noch nieht untersuchen, weil die Wedel beim Abschluß dieser Arbeit zum ersten Male reife Sporen trugen; ich habe natürlich auch Vergleichs- kulturen der normalen Cystopteris fragilis angestellt, und dieselben Fig. 19. Mehrteiliger Höcker mit fünf Adventiv- Fig. 18. Höcker „zylindrisch‘ Prothallien, 7, bis 2, ausgewachsen, mit Adventiv - Pro- thallien. zeigten ein in keinem Punkte von dem gewöhnlichen Gang der Farn- entwicklung abweichendes Verhalten. Was ich bisher schilderte, war der Normalentwicklungsgang der Prothallien unserer polyapogamen Cystopteris; es ist der Entwieklungs- gang, den 70°/, der beobachteten Pflänzchen durchmachten. Die übrigen 30°/, hatten im Mai wohl auch Höcker hervorgebracht, gleich den anderen, allein auf diesen Höckern entwickelten sich keine Blättchen, sondern die Höcker selbst nahmen eine Zeitlang an Dicke zu, trieben unregel- mäßige Auswüchse von annähernd zylindrischer Form, die manchmal eine Länge bis über 3 mm erreichten. So ging es bis Anfang Oktober; um diese Zeit entstanden an den zylindrischen Auswüchsen adventiv neue Prothallien (Fig. 18 u. 19), und zwar ausnahmslos an dem ganzen ° Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 9 beobachteten Material! Diese Prothallien wiesen aber ganz normale Antheridien und Archegonien auf, und merkwürdigerweise entstanden auf einer großen Anzahl von ihnen Embryonen aus befruchteten Ei- zellen. Daraus entwickelten sich ganz normale Pflänzchen, deren Pri- märblätter genau die gewöhnliche niedrig entwickelte Hemmungsform darstellten und denen einer normalen Cystopteris fragilis vollständig glichen. Da die zylindrischen Gebilde, an denen diese Prothallien auf- getreten waren, noch gesund erschienen, schnitt ich sie von ihren Adventiv-Prothallien bzw. von den daran entstandenen jungen Pflänzchen ab und kultivierte sie auf einem sterilisierten Gemisch von Torf und Erde weiter. Sie setzten ihr unregelmäßiges Wachstum fort, ohne noch einmal Adventiv-Prothallien zu bilden. Da bemerkte ich Mitte April nächsten Jahres, daß an einzelnen dieser Gebilde wiederum apogam junge Blättehen entstanden, ganz wie jene, die ursprünglich an den Höckern der aus den Sporen entstandenen Pro- thallien sich gebildet hatten. Wiederum trennte ich von den jungen Blättern die noch gesunden Stücke der zylin- drischen Körperchen ab und und isolierte sie, um sie . . R Fig. 20. Prothallium; auf der Oberseite weiter zu kultivieren. Die vier sexuell entstandene Primärblätter 5, Lebenskraft dieser Gebilde auf der Unterseite apogame Höcker 7. schien nun aber ziemlich erschöpft zu sein, denn im Laufe des Sommers erlagen sämtliche bis auf sieben den Cyanophyceen, welche die Kultur reichlich überwucherten. Die sieben Exemplare, die ich retten konnte, bildeten abermals im Spätherbst Adventiv-Prothallien, auf denen normale Embryonen sich entwickelten; außerdem aber bildeten zwei der entstandenen Adventiv-Prothallien später wieder ihre Sexual- organe zu apogamen Höckergruppen um. Ein drittes der Adventiv-Prothallien erzeugte auf der Oberseite normal aus einer Eizelle einen Embryo, und nachdem diese junge Pflanze bereits das dritte Blatt hervorgebracht hatte, trat auf der Unterseite des noch vollständig gesunden Prothalliums eine ganze Anzahl apogamer 10 Alfred Heilbronn, Höcker auf neben einigen abortierten und zugrunde gegangenen Archegonien (Fig. 20). Wir sehen also, daß Cystopteris fragilis forma polyapogama die Fähigkeit hat, sich sowohl sexuell wie apogam fortzupflanzen, wir sehen ferner, daß eine Beziehung besteht zwischen Fortpflanzungsmodus und Jahreszeit, deren tiefere Gründe wahrscheinlich in der Verschiedenheit der Lichtintensität im Sommer und im Winter zu suchen sind. Die Unterschiede zwischen den Höckerbildungen von Cystopteris fragilis forma polyapogama und denjenigen Gebilden, welche in den sonst beobachteten Fällen (Farlow, de Bary, Heim, Bower, Yama- nouchi, Farmer and Digby) die Apogamie einleiteten, sind so große, daß die Frage naheliegt, ob den Höckern vielleicht sonst eine besondere Bedeutung zufalle, Zur Klärung dieser Frage sollen die einfachen, experimentellen Untersuchungen dienen, die in folgenden Zeilen ge- schildert sind. Im Januar 1908 wurde eine kleine Anzahl von Prothallien, die noch junge Höcker aufwiesen, zerschnitten, und es wurden Einzelhöcker, Höckergruppen und Prothallienstücke getrennt auf sterilisiertem Torf- erdegemisch ausgelegt. Ebenso geschah mit jungen Wedeln, und zwar sowohl apogam als sexuell entstandenen. Als Vergleichskultur dienten unter gleichen Bedingungen ausgelegte Primärblätter der Normalforım von Öystopteris fragilis. Resultate: 1. Ein größeres Prothalliumstück, welches noch einen Höcker trug, entwickelte unter Bildung eines neuen Meristems ein neues voll- ständiges Prothallium. Der dem alten Teile aufsitzende Höcker nahm ein wenig an Größe und Dicke zu, seine Farbe wurde tief-dunkelgrün, dann bildete er, wie zu erwarten war, apogam eine Anzahl hochent- wickelter Primärblätter. 2. Zwei einzeln ausgelegte Höcker wuchsen eine Zeitlang zylin- drisch fort und erzeugten schließlich auf ihrer Oberfläche mehrere normal ausgebildete Antheridien. Archegonien jedoch waren nicht vor- handen, und auch ein Teil der Antheridien starb ab, ohne sich geöffnet zu haben. Schließlich entwickelten sich apogam wenige Blättchen. 3. Die ausgelegten Höckergruppen zeigten sehr langsames zylin- ırisches Wachstum. Sexualorgane konnte ich auf ihnen während des ganzen Kulturjahres nicht beobachten, im Herbst jedoch entsprossen ihnen einzelne Adventiv-Prothallien, die normale Antheridien und Arche- gonien trugen und auch einige normale Embryonen entwickelten. Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 41 4. Die jungen Blätter der f. polyapogama, die ausgelegt waren. entwickelten in der Mehrzahl Adventivknospen in den Achseln der Seitenfiederchen erster Ordnung. Selbst junge Wedel, die schon eine Länge von 12 cm erreicht hatten, trieben noch solche Knospen. Bei zwei Exemplaren trat die Knospe an der Basis der Rachis 1—2 mm oberhalb der Abschnittstelle auf. Die Knospen entwickelten sich zu jungen Pflanzen, deren erste Blätter schon die nämliche hohe Differen- zierung aufwiesen, wie die aus Höckern apogam entstandenen. Auch hier entwickelte sich die Stammknospe erst nach dem Auftreten des ersten Blattes. Ein Unterschied in dem Verhalten der apogam und tlg er N) g = NR Rn, A NH HD, N) 2 S SS N N IQ x II III rSS II, Iy > Rn 1) HIN Y L. = 2 TI a Fig. 22. Stiel eines ausgelegten Primärblattes mit daran entstandenen Rhizoiden. . Prothallium mit „Dauerknöllehen® (2). der sexuell entstandenen Primärblättchen war in dieser Beziehung nicht zu konstatieren. Auch auf sexuell entstandenen Primärblättchen traten Knospen auf, die sich weiter entwickelten, und die beiden Arten von jungen Pflänzchen zeigten die gleiche Blattform. Der Vergleich mit Cystopteris bulbifera liegt natürlich hier sehr nahe, allein bei keiner der von mir beobachteten Pflänzchen von Cysto- opteris fragilis f. polyapogama traten spontan Adventivknospen auf, son- dern nur an abgetrennten Blättchen konnte man diese beobachten. 12 Alfred Heilbronn, Präparierte man die Knospen sorgfältig ab, so entwickelten sie sich trotzdem zum Blatt; ein typischer Rückschlag zum Prothallium wurde nie beobachtet. Nur ein einziges Blatt entwickelte aus den Epidermiszellen seines Stieles eine große Anzahl von Rhizoiden, ging aber bald darauf ein (Fig. 21). Fig. 235. Fig. 24. Fig.23. Das Knöllchen von (a) oben und (5) im optischen Querschnitt; S= Scheitel- zellen, in der Nähe@finden sich jeweils junge Haare. Fig. 24. Prothallium mit langem zylindrischem Fortsatz, der mit einem Höcker- büschel endigt. 5. Die vergleichsweise ausgelegten Primärblätter der normalen Cystopteris fragilis gingen bis auf zwei Exemplare ohne Bildung von Adventivknospen zugrunde. Diese beiden Blättchen aber bildeten ganz im Gegensatz zur f. polyapogama randbürtige Knospen; die auf diesem entstehenden Blätter wiesen aber weder in ihrem äußeren noch in ihrem anatomischen Bau irgendwelche Unterschiede von den Blättern der vorigen Kultur auf. Vergleichen wir die Resultate von 1, 2 und 3 miteinander, so müssen wir zu der Ansicht kommen, daß diese Höckerbildungen noch keine bestimmte apogame Induktion besitzen. Sie stellen indifferente prothalloide Gebilde dar, die nur durch die in ihnen aufgespeicherten en ee Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 13 Reservestoffmassen und durch ihre häufige Entstehung aus abortierten Sexualorganen ihre Sondernatur beweisen. Je nach den Lebensbedin- gungen, unter denen sie sich befinden, entwiekeln sie die geschlecht- liche und die ungeschlechtliche Generation. Durch die lange Ruhe- periode (es wurden Zeiträume von über zwei Monaten beobachtet), die sie durchmachen können, ohne eine Spur von Wachstum zu zeigen, erinnern sie an die Dauerknölichen von Anogramme chaerophylla 4); diesen Eindruck erweckt noch stärker das Pflänzchen, welches die Ab- bildung (Fig. 22) zeig. Nur durch einen 4—5 Zellreihen starken kurzen Zellfaden ist das kugelige Gebilde mit dem Prothallium in Ver- bindung. Sechs Wochen lang wurde es am Prothallium belassen; während der ganzen Zeit zeigte es keinerlei Wachstum oder sonst irgend eine Veränderung. Dann wurde es abgeschnitten und aufgehellt. Auf‘ der Oberfläche sowohl wie im optischen Querschnitt konnte man je eine Scheitelzelle sehen, deren starke Zellwände aber schon darauf hinwiesen, daß das Meristem augenblicklich in Ruhe war (Fig. 23a u. d). Es scheint also in der Tat nicht ausgeschlossen, daß wir es bei den Knöllchen wirklich wie bei Anogramme chaerophylla mit einer Schutz- vorrichtung gegen ungünstige Lebensbedingungen zu tun haben. Leider ist es mir nicht gelungen, über die Zahlenverhältnisse der Chromosomen einen Aufschluß zu gewinnen; es läge ja nahe, anzu- nehmen, daß die Zellen des Höckers selbst die X-Zahl der Chromo- somen in ihren Kernen aufweisen und daß die Bildung einer Scheitel- zelle analog den Farmer and Digby’schen?) Beobachtungen durch eine Verschmelzung zweier somatischer Kerne eingeleitet werde, allein ich konnte auf keinem der untersuchten Schnitte eine solche Kern- verschmelzung wahrnehmen. Der oben erwähnte Fall des gleichzeitigen Auftretens der Höcker und aus Eizellen entstandener Pflanzen auf dem nämlichen Prothallium könnte ja eigentlich nur durch die Annahme einer Verschmelzung zweier somatischer Kerne seine Erklärung finden, Ein annäherndes Analogon wäre Yamanouchi’s?) Apogamie bei Nephro- dium. Aber auch an Schnitten durch losgetrennte Höcker dieser Pflanze konnte ich nicht eine Kernverschmelzung beobachten. Wir haben also wohl hier einen Fall von „generativer Apogamie“ nach der Winkler’schen ) Definition vor uns, und es bleibt die Frage offen, „ob 1) Goebel, Organographie, pag. 427. 2) Farmer and Digby, Studies in Apospory and Apogamy in Ferns. Ann. of Botany, Vol. XXI, pag. 161-199. _ 3) Yamanouchi, $h., Apogamy in Nephrodium. Botan. Gazette 1907, Vol. XLIV, pag. 142—146,. 4) Winkler, Parthenogenesis und Apogamie im Pflanzenreiche, 1908. 14 Alfred Heilbronn, bei der Entwicklung des apogam entstandenen Sporophyten die Chromo- somenzahl regenerativ verdoppelt wird oder nicht“. Daß wir keine somatische Apogamie vor uns haben, dafür ist der Umstand beweisend, daß unsere Prothallien ja auch aus anscheinend normalen Eizellen Embryonen entwickeln können. Einige Worte bleiben nun noch zu sagen über das Pflänzchen, welches die Fig. 24 darstellt. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es, als ob hier die Spreite eines apogam entstandenen Blattes in eine Reihe von Höckern umgewandelt sei, allein ein Querschnitt durch den vermeintlichen Blattstiel, der nur ganz vereinzelte Tracheiden und keinerlei Gefäße aufweist, belehrt uns, daß wir hier nur einen Höcker vor uns haben, der zu einem abnorm langen, „zylindrischen Gebilde“ -ausgewachsen ist und an seinem Ende neue Höcker entwickelt hat. Wahrscheinlich ist die große Verlängerung des Primärhöckers durch eine heliotropische Reizung zustande gekommen. Das Pflänzchen wuchs nämlich ganz am Rande einer ziemlich tiefen Schale, so daß es von seitlicher Beleuchtung gar nicht getroffen wurde, und das Längenwachs- tum erfolgte in der Richtung nach der Schalenmitte zu. Die Rhizoiden selbst waren an der Tonwand des Topfes locker angeheftet. Das verschiedene Verhalten der Kulturen 4 und 5 gibt noch ein- mal eine Bestätigung für die oben gemachte Annahme, daß die von mir untersuchte Cystopteris wirklich eine eigene Halbrasse (de Vries) darstelle; das Resultat dieser Kulturen zeigt, daß auch in der Organi- sation des Sporophyten der 2x- Generation Unterschiede vorhanden sind, zwischen Cystopteris fragilis Bernhardi nnd Cystopteris fragilis f. polyapogama. Auch ist es wahrscheinlich, daß diese Rasse eine ziemlich seltene ist, denn sonst wären diese Erscheinungen bei einem so häufig vor- kommenden Farn wie Cystopteris fragilis längst beobachtet worden. Noch eine Frage, die sich aus den bisher geschilderten Erschei- nungen ergab, bedurfte der experimentellen Klärung: die Frage, woher dieser eigentümliche, im Zusammenhang mit der Jahreszeit stehende Turnus der Entwicklung der Höcker unseres Farnes komme; die Frage, wo die Gründe dafür zu suchen seien, daß im Spätherbst und Winter die Entwicklung der normalen Prothallien mit Sexualorganen und regulär entstehenden Sporophyten bevorzugt werde, während im Frühjahr und Sommer die Neigung zu apogamer Fortpflanzung die Oberhand gewinne. Trotzdem es von vornherein nicht wahrscheinlich erschien, daß Temperaturunterschiede dafür verantwortlich gemacht werden konnten, ılenn die Kulturen wurden ja im Arbeitssaale des Institutes ausgeführt, DV EN NE EEN BE ER e Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 15 so erschien es mir doch interessant, nachzusehen, ob gesteigerte Tempe- ratur von Einfluß auf die Höcker und Prothallien sei. Da es mir dar- auf ankam, die Wärmekulturen mit unter gewöhnlichen Umständen befindlichen zu vergleichen, so wurden dieselben in einem Glasschrank gemacht, der neben den anderen Kulturen am Fenster stand und durch ein untergesetztes, geheiztes Wasserbad auf einer Temperatur von 27 bis 29°C gehalten wurde. Es zeigte sich, daß diese erhöhte Tempe- ratur keinen direkten, merklichen Einfluß auf die Kulturen hatte. Sie entwickelten sich etwas langsamer und schwächer, als die bei normaler Temperatur gehaltenen Vergleichskulturen, aber im übrigen diesen analog. Sehr lange aber konnten diese Versuche nicht fortgesetzt werden, denn die Wärme begünstigte außerordentlich das Wachstum der Cyanophyceen und anderer Algen, und nach kaum anderthalb Monaten hatten diese eine Üppigkeit erreicht, daß sie die Farnkultur vollständig zugrunde richteten. Wendete man zur Kultur höhere Temperaturen (34--36°C) an, so gingen die Prothallien überhaupt nach ganz kurzer Zeit zugrunde. Wenn also diese Versuche bestätigten, daß es unrichtig sei, die Sommer- und Wintertemperatur für das Alternieren der Kultur verant- wortlieh zu machen, so gewann andererseits die Annahme an Wahr- scheinlichkeit, daß die Verschiedenheit der Lichtverhältnisse von Einfluß auf die Entwicklung im apogamen oder normalen Sinne sei. Ein ein- facher Versuch lieferte hierfür die Bestätigung. Im Sommer 1908 wurden einige Höcker, die bereits mehrere Sporophyten trugen, von letzteren losgetrennt, auf sterilisierte Erde gelegt; die Kultur wurde mit einer Glasplatte bedeckt und unter einen Tisch gestellt, wo nur ganz wenig Licht den Pflänzchen zur Verfügung stand. Schon 3 Wochen später saßen zahlreiche Adventiv-Prothallien auf dem Höcker. Dieses Resultat hat übrigens wenig Überraschendes an sich, denn einerseits haben wir gesehen, daß die Höcker Gebilde sind, denen die Fähigkeit zur Bildung von Sporophyten ebenso innewohnt, wie die zur prothalloiden Sprossung; andererseits ist bekannt, daß das Prothallium. welches ja häufig in dunklen Felsspalten und Mauerritzen lebt, in bezug auf Licht viel anspruchsloser ist wie der Sporophyt; also ist dieser Zu- sammenhang zwischen verschiedener Beleuchtung und verschiedenartiger Entwieklung ein sehr natürlicher. Auch die Deutung der Höcker als Schutzvorriehtung harmoniert mit dieser Darstellung. Nun drängt sich einem leicht der Gedanke auf: Vielleicht ist es überhaupt möglich, durch intensive Beleuchtung Prothallien beliebiger Farne zur Höckerbildung bzw. zur Apogamie zu veranlassen. Die Ver- 16 Alfred Heilbronn, suche, die ich zu diesem Zwecke mit Cystopteris fragilis Bernhardi und Asplenium Ruta muraria bei starkem Licht (nur direktes Sonnenlicht war durch dünnes Fließpapier gedämpft) anstellte, zeigten aber durchweg ein negatives Resultat. Welchen Einfluß direktes Sonnenlicht auf Farn- prothallien hat, darauf werde ich später gelegentlich der Besprechung einer Sonnenkultur von Aspidium filix mas var. grandiceps zurückkommen. Il. Zur Frage der Bastardnatur von Asplenium germanicum, Weiß. In seiner Systematik der Farnpflanzen spricht sich Luerssen‘) über die Natur des Asplenium germaniecum dahin aus, daß wir in ihm wahrscheinlich einen Bastard zwischen Asplenium septentrionale und Asplenium Triehomanes vor uns hätten, zu welchem Schluß ihn außer dem gemeinsamen Funde der drei Farne am gleichen Standort und ge- meinsamen anatomischen Merkmalen im Bau des Rhizoms und Blatt- stieles vor allem die Tatsache zu berechtigen scheint, daß die Sporen von Asplenium germanicum bei dem von ihm untersuchten Material fast durchgehends abortiert waren. Den gleichen Standpunkt wie Luerssen vertritt Ascherson?), während Bory de St. Vincent) es als Bastard zwischen Asplenium Ruta muraria und Asplenium septentrionale anspricht, eine Ansicht, der auch Heufler*) zuneigt, Reichhardt’) nimmt sogar an, daß Asplenium germanicum sich mit Asplenium Tricho- manes noch einmal zu einem Bastard vereinigt habe, den er als Asplenium Häufleri bezeichnet. Für die Entstehung eines solchen wäre natürlich eine normale Sporenbildung des Asplenium germanicum unumgänglich. In der Literatur findet sich aber keine Angabe, daß es jemals gelungen sei, Asplenium germanicum aus Sporen zu erzielen. Nur Lowe®) schreibt von Asplenium germanicum var. acutidentatum Moore: „An interesting form raised from spores by Mr. Sim of Foots Cray“. Allein es scheint fraglich, ob.diese var. acutidentatum wirklich zum Asplenium germanicum gehörte. Ich konnte von dieser Pflanze leider kein Exemplar erhalten, folglich war mir auch die Nachprüfung obiger Angabe unmöglich. Zur Untersuchung der Sporenentwicklung von Asplenium germanicum diente mir Material aus den verschiedensten Gegenden, und zwar: Ba. a Chr., Die Farnpflanzen, Rabenhorst’s Kryptogamen-Flora, 2) Aseherson, Flora der Provinz Brandenburg, pag. 916. 3) Bory de St. Vincent, L’institut T. V. 280, 4) Heufler, Asplenii Spee. Europ., pag. 297. 5) Reichhardt, Verhandl. d. Zool.-Bot. Gesellsch, Wien 1863, pag. 93. 6) Lowe, Native Ferns, Vol. II, pag. 160, Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 17 1. aus dem Fichtelgebirge. bei Berneck (oberhalb der Kolonnaden), wo es in zahlreichen großen Stöcken zum Teil dicht verwachsen mit Asplenium Trichomanes vorkommt; Asplenium Ruta muraria und Asplenium septentrionale finden sich in größerer Menge in der Nähe; . aus dem Ötztal (oberhalb Ötz). Dort fand sich nur Asplenium Ruta muraria und Asplenium septentrionale in der Nähe vor; 3. von Moos im Seebertal (Tirol), wo es an der Kirchhofsmauer gemeinsam mit vielen Pflanzen von Asplenium Ruta muraria wächst; . 4. aus dem Gebiete des Schlerns (Südtirol), und .5. verfügte ich über einige Exemplare, die aus der Nähe von Christiania (Norwegen) stammten), Diese letzteren waren die einzigen, welche in ihren Sporangien eine größere Anzahl anscheinend normaler Sporen trugen; nach deren Aussaat entstanden wohl einige Prothallien mit normalen Sexualorganen, aber es waren zu wenige, so daß keine Befruchtung eintrat. An den Prothallien selbst war natürlich nicht zu erkennen, ob sie wirklich Asplenium germaniecum zugehörten oder nicht vielleicht aus herein- gellogenen Sporen anderer Farne entstanden waren. In den Sporangien der sämtlichen anderen Exemplare fanden sich nur ganz vereinzelt schein- bar normale Sporen. Die Stöcke wurden in Töpfe gepflanzt und im Gewächshaus weiter kultiviert. Dabei zeigte es sich, daß in der Kultur die Zahl der normale Sporen führenden Sporangien zu ungunsten der abortierenden zunahm. Die Entwicklung des Sporangiums nimmt bis zur Trennung von Wandzellen und Archespor allgemein den für Polypodiaceen charak- teristischen Verlauf. In dem Stadium aber, wo gleichzeitig mit der Bildung der Tapetenzellen das Archespor gewöhnlich in vier Segmente zerfällt, unterbleibt bei Asplenium germanicum in der Regel diese letztere Teilung. Das Protoplasma des Archespors kontrahiert sich, löst sich von den tetra&drischen Wänden los, der Kern wird undeutlich und seine chromatische Substanz verteilt sich regellos in dem Protoplasma- klumpen. Während die Ausbildung der Wandschicht und die Differen- zierung des Annulus weiter fortschreitet, zerfällt die Substanz des Archespors in eine große Anzahl unregelmäßiger, krümeliger Gebilde. Häufig unterbleibt die Auflösung der Tapetenzellen vollständig, und das W 1) Für deren freundliche Überlassung bin ich Frl. cand. phil. von der Planitz zu Dank verpflichtet. Flora, Bd. 101. 2 18 Alfred Heilbronn, Sporangium stirbt ab, ohne sich geöffnet zu haben. Diese Erscheinung läßt darauf schließen, daß die Auflösung der Tapetenzellen in der Regel veranlaßt wird durch ein von den Sporenmutterzellen ausgeschiedenes Enzym; wenn dann deren Ausbildung unterbleibt, so kann natürlich auch die Auflösung der Tapetenzellen nicht stattfinden. Nun muß ja dieses; hypothetische Enzym nicht gerade von den Sporenmutterzellen selbst gebildet werden, nur verläuft eben die Entstehung dieses eyto- lytischen Fermentes synchron mit der Bildung der Sporenmutterzellen. Das ist der normale Verlauf der im Freien vor sich gehenden Sporenverkümmerung. Manchmal allerdings kommt es auch zur Bildung der Sporenmutterzellen und sukzessiven Auflösung der Tapetenzellen; auch wurde in nicht seltenen Fällen Weiterentwicklung bis zur Sporen- reife beobachtet. Allein die entstandenen Sporen waren fast stets ver- schrumpft, das Exospor ganz unregelmäßig verdickt und der Inhalt desorganisiert. Einzelne Sporen hatten ein ganz glattes, dünnes Exo- spor und in ihrem Innern einen großen Fettropfen, der sich in Äther leicht auflöste oder in Osmiumsäure sich tiefschwarz färbte; Seifen- kristalle nach Einwirkung von Natriumalkohalat waren jedoch selbst im Polarisationsmikroskop nicht zu bemerken, so daß der Fettnachweis als nicht absolut einwandfrei gelten kann. Wie schon erwähnt, treten in der Kultur aber eine größere An- zahl scheinbar normal entwickelter Sporangien auf. Leider war bei Abschluß dieser Arbeit die Reife der Sporen noch nicht so weit fort- geschritten, daß ich ihre Keimfähigkeit hätte untersuchen können. Sollte es aber wirklich glücken, eine normale Fortpflanzung zu erzielen, dann wäre es ja auch nieht unwahrscheinlich, daß eine solche in der Natur an geschützten Standorten hie und da vorkommt, und damit fjele eines der Argumente, welches bisher für die Bastardnatur des Asplenium germanicum angeführt wurde, und die seltene Entwick- lung normaler Sporen wäre zugleich eine Erklärung für das immerhin ziemlich seltene Auftreten dieses Farnes. Die einwandfreie Bestätigung der Annahme, daß das Asplenium germanicum ein Bastard sei, kann natürlich nur durch das Experiment erfolgen. Um den verschiedenen Hypothesen über die Art der Ab- stammung Rechnung zu tragen, wurden die Kreuzungsversuche nach dreierlei Richtungen hin angestellt. Es wurde versucht, einen Bastard zu erzielen: 1. zwischen Asplenium Ruta muraria und Asplenium septentrionale; 2. zwischen Asplenium Ruta muraria und Asplenium Trichomanes; 3. zwischen Asplenium septentrionale und Asplenium Trichomanes. Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. 19 Als Kulturboden für diese und alle folgenden Versuche diente entsprechend der Angabe von Druery!) eine möglichst kalkfreie Garten- erde, verinischt mit wenig Quarzsand. Töpfe und Kulturböden wurden vor der Aussaat in strömendem Dampf sterilisiert. 1. Kulturreihe. Sporen von Asplenium Ruta muraria, Asplenium septentrionale und Asplenium Triehomanes wurden paarweise gemischt, und von den er- haltenen drei Mischungen wurden Aussaaten gemacht. Das Resultat der drei Kulturen war: in der ersten eine üppige Entwicklung von Asplenium Ruta muraria, in der letzten eine ebenso üppige von Asplenium Trichomanes und in der mittleren eine gute gemeinsame Entwicklung von A. Ruta muraria und A. Trichomanes. A. septentrionale ent- wickelte sich in der ersten und letzten Kultur sehr dürftig und in wenigen Exemplaren; es zeigte sich, daß der Grund hierfür in der Beschaffenheit des Münchener Wasserleitungswassers, das sich durch großen Kalk- reichtum auszeichnet, zu suchen war. Auch schien das Substrat für die Entwicklung des A. septentrionale nicht günstig zu sein. Deshalh wurden diese beiden Kulturen auf sterilisiertem Torf wiederholt, der statt mit Wasser mit von der Crone’scher Nährlösung begossen wurde. Diese letztere Kulturmethode kam in der Folge bei allen Kulturversuchen von A. septentrionale zur Verwendung. Es entwickelten sich nun auch die bei den ersten Versuchen fehlgeschlagenen Mischkulturen, allein bei allen gehörten die entstandenen jungen Sporophyten einer der genannten ausgesäten Arten an. Kreuzbefruchtung trat nie ein. 2. Kulturreihe, Diese ging von dem Gedanken aus, einerseits durch sehr gute Ernährung und schattige Kultur möglichst rein weibliche Prothallien, andererseits durch weniger gute Ernährung, Dichtkultur, intensivere Beleuch- tung und häufiges Zerschneiden der Prothallien nur Antheridien tragende zu erzeugen. Dies gelang auch bis zu einem gewissen Grade, vor allem da, wo es sich um Hervorbringung rein männlicher Kulturen handelte. Ich hielt diese letzteren sehr trocken. Um nun eine Kreuzbefruchtung herbeizuführen, nahm ich ein Büschel junger, mit Antheridien übersäter Prothallien einer Art aus der Kultur heraus und bespritzte sie auf einem Blatt Papier mit einigen Tropfen Wasser. Der Erfolg war eine reichliche Entleerung von Spermatozoiden. Die mit Spermatozoiden gesättigte Flüssigkeit übertrug ich nun mittels einer Pipette auf die 1) Druery, Choice British Ferns. I* 20 Alfred Heilbronn, ziemlich rein weiblichen Prothallien der anderen Arten. Indem ich diese Befruchtungsversuche für jede der drei obigen Arten nach beiden Rich- tungen ausführte, erhielt ich sechs Kulturen. Trotz der großen Wahr- scheinlichkeit, die in diesem Falle für eine Kreuzbefruchtung vorgelegen hätte, trat eine solche zunächst nicht ein. Vielmehr entwickelte sich in jeder Kultur der Farn,. dessen Prothallien ursprünglich in derselben vorhanden waren. Die Bespritzung mit den andersartigen Spermato- zoiden hatte in dieser Reihe keinen Einfluß auf die Entstehung der Sporophyten. Daß trotzdem auf diesem Wege eine Kreuzbefruchtung zu erreichen ist, wenn die Umstände entsprechend günstig sind, werden wir später bei einer vierten Kulturreihe sehen. 3. Kulturreihe. Nachdem die vorhergehenden Versuche gezeigt hatten, daß im normalen Zustande die Eizellen der einen Art der Befruchtung durch Spermatozoiden einer anderen ‘Art sichtlichen Widerstand entgegen- setzten, wiederholte ich die letzte Versuchsreihe, nur mit dem Unter- schied, daß ich die hauptsächlich Archegonien tragenden Prothallien vor dem Kreuzungsversuch mit einer großen Glasglocke überdeckte und unter die Glocke gleichzeitig ein mit einer Mischung von Äther und Chloroform gefülltes Schälchen brachte, das zur rascheren Verdunstung außerdem noch einen dieken Wattebausch enthielt. Ich hoffte, daß die Eizellen in diesem Zustande der Narkose dem Eindringen fremdartiger Spermatozoiden nicht widerstehen könnten, vielleicht sogar polysperme Befruchtung zuließen. Allein auch diese Versuchsreihe zeitigte ein ne- gatives Resultat. Einiges Interesse gewinnen diese Versuche allerdings durch die Art und Weise, in der die Prothallien auf die Narkose rea- gierten. Es zeigte sich, daß die Narkotika zunächst entwicklungshem- menıl auf das alte Meristem einwirkten, andererseits aber zu einer neuen, von bisher somatischen Zellen ausgehenden, adventiven Prothallium- sprossung Anlaß gaben. Die Prothallien stellten nämlich ihr normales Wachstum ein, und aus einer Anzahl von Zellen der Oberseite und des Randes entwickelten sich Adventiv-Prothallien in großer Anzahl. Diese aber trugen reichlich Antheridien, und die entschlüpften Spermatozoiden befruchteten normal die Archegonien der noch immer gesunden Mutter- prothallien. Vom teleologischen Standpunkt aus könnte man diesen Versuch vielleicht so deuten, als ob das Prothallium alle ihm zu Gebot stehenden Hilfsmittel anwende, um doch noch eine Befruchtung innerhalb der Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältuisse bei einigen Farnen. 21 Art herbeizuführen; kausal dagegen betrachtet stellt sich der Versuch wohl folgendermaßen dar: Die jungen, noch embryonalen Zellen der Herzbucht können der Giftwirkung des Narkotikums nicht widerstehen; durch ihre dünnen Zellwände diffundieren die Äther- und Chloroformdämpfe rasch hin- durch und wirken tödlich; nun muß aber der Transport mineralischer Nährstoffe, der bisher von den Rhizoiden aus in der Richtung nach dem jetzt getöteten Meristem geleitet ‚wurde, andere Wege nehmen. Die Nährstoffe häufen sich infolgedessen in anderen Zellen an und wirken auf diese entwicklungsanregend. Vielleicht wird diese Anregung unter- stützt durch die Narkotika selbst, welche ja, wie aus den Versuchen von Kegel!) und Johannsen?) hervorgeht, in geringen Dosen stimu- -lierend auf Assimilation und Wachstum wirken. 4. Kulturreihe. Die oben beschriebenen Versuche waren in den Jahren 1907 und 1908 ausgeführt worden; Ende des letzteren Jahres haben sich nun, wie dies ja häufig der Fall ist, in einer größeren Anzahl von Kulturschalen wiederum Prothal- lien entwickelt aus Sporen, welche in den Fig. 25. Blatt von As- Fig. 26. Blatt des Fig. 27. Blattfieder von As- plenium septentrionale. Bastards. plenium Ruta muraria. Vorjahren nicht aufgegangen waren. Dieses mir zu Gebote stehende Prothallienmaterial benutzte ich, um die gleichen Versuche noch einmal vor allem nach der zweiten Art auszuführen. Bei fast allen neuen Kulturen blieben diese wiederum erfolglos; nur in einer Schale, in welcher sich vornehmlich weibliche Prothallien von Asplenium septen- trionale befanden und die ich wiederum mit Spermatozoiden von As- 1) Kegel, W., Über den Einfluß von Chloroform und Äther auf die Asi- milation von Elodea. Diss., Göttingen 1905. 2) Johannsen, Das Ätherverfahren. beim Frühtreiben, 22 Alfred Heilbronn, plenium ruta muraria bespritzt hatte, zeigten sich im Frühjahre 1909 eine größere Anzahl von Sporophyten, die von Asplenium septentrionale merklich verschieden waren. Schon spätere Primärblätter fielen durch weniger tiefe Fiederspaltigkeit auf. Die ausgewachsenen Blätter (Fig. 33), die selbst Ende Oktober des Jahres noch steril waren, erinnern in ihrem Habitus sehr an Asplenium ‚germanicum (Fig. 30). Sie unter- scheiden sich von ihm vor allem durch einen etwas dickeren Stiel und durch die geringere Anzahl der Segmente. [Zu Vergleichszwecken füge Fig. 28. Blatt von Asplenium germanicum. . Fig. 30. Junge Pflanze von Asplenium ger- Fig. 29. Blatt von Asplenium manicum, aus einem Rhizomstück gezogen. trichomanes. ich die photographischen Abbildungen von ebenfalls im Gewächshaus kultivierten Asplen. Ruta muraria (Fig. 32) und Asplen. septentrionale (Fig. 31) bei.] Die genaue Diagnose lasse ich jetzt folgen; man ersieht daraus, ebenso wie aus den beigegebenen (Fig. 25—29) Nervaturskizzen, daß der Bastard zwischen den beiden Eltern, Asplenium septentrionale und Asplenium Ruta muraria, steht, mehr eigentlich noch zwischen A. septen- trionale und A. germanicum (vgl. Fig. 34). Diagnose: Wurzeln dünn, dunkelbraun, nicht sehr dieht mit Spreuschuppen bedeckt; die letzteren ohne Scheinnerv bis 3 mm lang, Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse Dei einigen Farnen. >53 ';, mm breit, lineal lanzettlich, mit vereinzelten, langen, gegliederten Wimpern, diese wieder in der Jugend mit Drüsenhaaren endend. Im übrigen sind die Spreuschuppen nicht gezähnt, sondern ganz glatt. Fig. 31. Zweijährige Pflanze von Asplenium septen- trionale, aus Sporen gezogen. Fig. 32.. Asplenium Ruta muraria, eine hreite und eine sehmalblättrige Form, nach 2"/, jähriger, gemein- samer Kultur. Stiel bis zur Spreite mit kurzen, keulenförmigen, einzelligen Haaren besetzt, an der Spreite selbst finden sich solehe vereinzelt; die Basis des Stieles nur bis zur Höhe von ®/,—1 em braun, im übrigen grün. Fibrovasalstrang fast zylinderisch. Spreite 4 em lang, bis 1 cm breit, 24 Alfred Heilbronn, mit drei, höchstens vier wechselständigen Segmenten. Letztere sind 12—15 mm lang, 3—6 mm breit, undeutlich einfach fiederspaltig; Ner- vatio Sphenopteridis ohne deutliche Mittelrippe, und stumpf-rundlich gezähnt. Fig. 33. Der Bastard, 9 Monate alt. Fig. 34. Asplenium septentrionale, Aspi. germanicum und dazwischen der Bastardl. Man beachte die Ähn- lichkeit mit Asplenium germanicum. Über die Sexualverhältnisse konnte ich natürlich noch keinen Aufschluß gewinnen, weil bei Beendigung dieser Arbeit (Ende Oktober 1909) die Wedel noch steril waren. Möglich ist ja, daß sie es über- Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farmen. 25 haupt bleiben, wenn nicht, so werde ich in einer späteren Veröffent- liehung darauf zurückkommen. Mit Asplenium germanicum ist mein Bastard offenbar nicht iden- tisch. Die große Ähnlichkeit spricht aber für eine nahe Verwandtschaft, und es wäre vielleicht denkbar, daß eine umgekehrte Kreuzung (Asple- nium ruta muraria weiblich Asplenium septentrionale männlich) Asple- nium germanicum ergeben könnte, wenn dies auch den bisherigen Er- fahrungen nicht recht entspricht. Ill. Fortpflanzungs- und Vererbungsverhältnisse einiger Farnformen. Aspidium filix mas var. grandiceps — Lastraea filix mas Lowe var. grandiceps Wollaston. Von dieser reichgegabelten Farnvarietät, deren charakteristisches Merkmal darin liegt, daß die Gabelung nur sehr hoch am Wedel, aber dort sehr üppig, und ebenso an den Enden der Seitenfiedern erster Ordnung auftritt, wurden zwei Reihen von Kulturen angesetzt, und zwar solche, deren Sporen dem unteren, nicht gegabelten Teil des Wedels entstamm- ten, und solche, die von reichlich ver- zweigten Wedelabschnitten gewonnen waren. Es geschah dies zur Kontrolle der von Lowe?) gemachten Angaben, daß Sporen von der Gabelungsstelle Fig. 35, Aspidium filix mas f, solcher Farne die gegabelte Form und grandiceps. Teil eines Prothalliums solche vom unteren ungegabelten Teil mit Haaren auf lappigen Vor- . . sprüngen sitzend. die normale Stammform reproduzierten. Ich will hier gleich vorwegnehmen, daß diese Angabe in keinem Falle Bestätigung fand, sondern daß die beiden Reihen von Kulturen in der Folge in allen Punkten sich gleich verhielten. Die Prothallien entwickelten sich zunächst normal und produzierten bald massenhaft Antheridien, allem nur auf ganz wenigen Exemplaren vereinzelte Archegonien. Dabei zeigten die Prothallien stets eine leb- hafte Neigung zur Bildung von fadenförmigen Adventivprothallien, welch letztere stets mit Antheridien übersät waren. Schon im äußeren Habitus unterschieden sich die Prothallien merklich von denen des nor- malen Aspidium filix mas. Wie die Fig. 35 zeigt, tragen sie äußerst zahlreiche Drüsenhaare am Rande auf lappigen Ausbuchtungen, ganz 1) Lowe, E. J., Fern Growing, 1895, pag. 26. 26 Alfred Heilbronn, ähnlich den Prothallien von Cystopteris fragilis f. polyapogama: jedoch nicht nur am Rande finden sich solche Haare, sondern auch mitten im Prothallium, wenigstens oberseits auf der vorderen Hälfte desselben. Vier Monate nach der Keimung erzeugt jedes Prothallium je ginen apogamen Höcker (Fig. 36), in der von de Bary!) für Pteris eretica beschriebenen Weise. Auch hier entwickelte sich der Stamm- höcker kurz nach Entstehung des Blatthöckers, und das zweite Blatt nahm normal seine Entwicklung vom Stammhöcker aus. Gleichzeitig mit der Anlage des ersten Blattes stellte die Herzbucht ihr Wachstum Fig. 36. Prothallium (schematisch) Fig. 37. Prothallium mit zwei apogamen mit apogamem Blatt und Stamm- Höckern; 2, und 6, Blatthöcker, S, und höcker. S, Stammhöcker. ein, und das Prothallium starb in der Folge ab. Ein Fall wurde je- doch beobachtet, in welchem nach Entstehung des ersten Blattes der rechte Prothalliumlappen (von oben gesehen) ein neues Meristem er- zeugte, infolgedessen weiter sproßte und dann in seiner Mitte einen neuen apogamen Sproß hervorbrachte. Nicht ganz analog zu diesem Fall ist ein zweiter, bei welchem auf einem Prothallium ebenfalls zwei selbständige apogame Höcker auftraten (Fig. 37), aber fast unmittelbar hintereinander auf dem Mittelpolster. Beide entwickelten in der Folge 1) De Bary, A., Über apogame Farne und die Erscheinung der Apogamie im allgemeinen. Bot. Ztg. 1878, Bd. XXXVL 27 Fig. 38. Prothallium mit zwei apogamen Höckern, jüngeres Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. Stadium; 2, d, Blatthöcker, S, S, Stammhöcker. Fig. 39. Prothallium mit drei jungen apogamen Höckern. 28 Alfred Heilbronn, je einen Stammhöcker und künstlich, voneinander getrennt, wuchsen sie zu kräftigen Pflanzen heran. Bei einem dritten Prothallium, welches, ähnlich wie das letzte, ebenfalls nahe beieinander zwei Höcker trug, bei welchem aber die beiden auf dem Prothallium belassen wurden, starb der vordere kurz nach Anlage des Stammscheitels wieder ab. Daß bei dem oben zuerst erwähnten Prothallium zwei Höcker sich zu apogamen Pflanzen entwickeln konnten, steht mit dem letzten Resultat in keinerlei Widerspruch. Dem Wesen nach haben wir ja oben zwei Prothallien, wie sich aus dem Vorhandensein zweier Meristeme schließen läßt, und jedes von diesen zweien, allerdings zusammenhängenden Pro- thallien ernährt eben seinen eigenen, jungen Sporophyten. Ein einziges Prothallium scheint, wie aus dem dritten Fall hervorgeht, bei Aspidium fix mas nicht imstande zu sein, zwei apogame Pflanzen zu ernähren; wir haben oben bei Cystopte- ris gesehen, daß es jedoch möglich ist, wenn das Prothallium vorher durch starke Verdickung für Re- servematerial gesorgt hat. Ein viertes Prothallium endlich, welches ebenfalls zwei apogame Höcker auf- wies, wurde zum Zwecke Eu An Na Hr . . der Untersuchung aufge- Fig. 40. Die Hocker ‚des vorigen, stärker ver- hellt (Fig. 38), ebenso ge- schah mit einem fünften, welches sogar drei Höcker nahe beieinander trug. Dieselben unterscheiden sich aber in nichts von den übrigen apogamen Höckern (Fig. 39/40). Von allen untersuchten Prothallien des hier behandelten A. filix mas konnte ich nur in ganz wenigen Fällen das Vorkommen von Tracheiden beob- achten, und selbst in diesen wenigen Fällen fanden sich nur einzelne, “höchstens drei, kleine Tracheiden. Da ich bei Aspidium filix mas var. grandiceps nie normale Befruchtung angetroffen habe, trotz vereinzelten Vorkommens von Sexualorganen, versuchte ich, ob es nicht möglich wäre, unter veränderten Kulturbedingungen normale sexuelle Fort- pflanzung zu erreichen. Große Feuchtigkeit, erhöhte Temperatur (28 CO), rotes und blaues Lieht, direktes Sonnenlicht und starke Dunkelheit waren die Faktoren, Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverkältnisse bei einigen Farnen. »9 deren Wirkung ich junge Prothallien, die noch keine Anzeichen von Apogamie aufwiesen, aussetzte. In allen Fällen war das Resultat negativ. Die Mehrzahl der Prothallien entwiekelte sich überhaupt nur kümmer- lich, starb teilweise sogar ab. In den Fällen aber, wo ein Sporophyt entwickelt wurde, entstand derselbe jedesmal apogam. Von diesen verschiedenen Kulturen verdient nur die Sonnenkaultar einiges Interesse; schon deshalb, weil wir hier Bedingungen vor uns haben, die eventuell in der freien Natur für unseren Farn auch ge- geben sein konnen. Aus diesem Grunde will ich deren Resultate kurz mitteilen: Die Prothallien waren dem direkten Süd- und Südwestlicht ausgesetzt. Nach wenigen Tagen der Insolation bräunte sich die Mehr- zahl und starb ab. Von einem Vertrocknen konnte nicht die Rede sein, denn die Kulturschalen standen in einem Gefäß mit Wasser und waren außerdem zur Vermeidung allzugroßer Transpiration mit einer dicht- schließenden Glasglocke überdeckt. Diejenigen Prothallien, welche nicht abstarben, zerfielen gegen den Rand hin.in bis zu 30 Zellen lange und nur 1—2Zellreihen breite Fäden. Selten fand sich ein vereinzeltes Arche- gonium, der apogame Höcker jedoch entwickelte sich; aber merkwürdiger- weise Blatt- und Stammscheitel gleichzeitig nebeneinander, nicht nacheinander, wie unter normalen Bedingungen. Das erste Primärblatt blieb sehr kümmerlich, und rasch überholte das zweite Blatt das erste. Kräftig wurden diese Sonnenpflanzen aber nur dann, wenn sie wiederum in normale Bedingungen zurückgebracht wurden, sonst blieben sie bleich und zart und starben auch bald ab. Interessant war auch zu beobachten, wie der junge, apogame Höcker sich gegen zu starke Be- sonnung schützte. Die Spreuschuppen, die normalerweise vereinzelt an ihm auftreten, gewannen an Zahl und Mächtigkeit und, den Höcker ganz in grauen Filz hüllend, entzogen sie die jungen Scheitelzellen vollständig den schädlichen Einwirkungen der direkten Insolation. Die ersten entstehenden Wedel sind in der Regel noch ungegabelt, erst später, vom vierten bis fünften Blatte an, zeigten sie die Bifurkation. die für „grandiceps“ charakteristisch ist, dann aber tritt dieses Merk- mal konstant bei allen folgenden Wedeln auf. Aspidium filix mas var. grandiceps ist also eine echte Varietät. Bei einer größeren Anzahl anderer gegabelter Formen von Aspi- dium filix mas wurde die Konstanz und Erblichkeit der Merkmale hauptsächlich von englischen Züchtern beobachtet. Es lag nun nahe, nachzusehen, wie sich die Sporen solcher Wedel der Normalform ver- halten, an denen spontan Bifurkationen aufgetreten sind. Derartige 30 : ‚ Alfred Heilbroun, Wedel findet man zuweilen zwischen normalen von Aspidium filix mas, und ich verdanke ein solches Exemplar der Güte des Herrn Geheimrat von Goebel, der es in Ambach am Starnbergersee als einziges an einem sonst regulären Stocke fand. Sori, Sporangien und Sporen waren genau so ausgebildet wie sonst. Die Aussaat lieferte normale Prothallien, und unter den sexuell entstandenen Sporophyten zeigte sich kein einziges gegabeltes Exemplar. Der gleiche Versuch wurde im nächsten Jahre wiederholt; das Material, welches die Sporen lieferte, waren wiederum gegabelte Wedel von Aspidium filix mas, welche im Münchener Botanischen Garten im Sommer 1908 an im übrigen normalen Stöcken in größerer Anzahl aufgetreten waren. Das Resultat war das gleiche wie vorher. Alle Sporen repro- duzierten die ungegabelte Stammform. Solche spontan aufgetretene - Merkmale sind also, wie man sieht, nicht erblich. Interessant wäre es gewesen, diese Gabelungen künstlich zu er- zeugen, wie dies ja schon von einigen Fällen in der Literatur bekannt. ist. Zu diesem Zwecke wurden in ganz junge, noch im Boden ver- steckte Blattknospen Einschnitte gemacht, der Erfolg war aber ein negativer. Entweder gingen die so behandelten Blätter überhaupt zu- grunde oder die Schnitte vernarbten, und das entstehende Blatt hatte ein unregelmäßig verkrüppeltes Aussehen. Im Freien scheinen solche Gabelungen häufig durch den Stich von Insekten hervorgerufen zu werden. So beobachtete ich im Sommer 1907 im Ötztal eine größere Anzahl von Woodsia-Pflanzen, die, durch Insektenstiche veranlaßt, un- regelmäßige, büschelige Gabelungen erzeugt hatten. Dementsprechend injizierte ich einige junge Blattknospen von Aspidium filix mas mit stark verdünnter Ameisensäure: die Blätter verkrüppelten, ohne zu bifurkieren. Es scheint demnach nicht leicht möglich zu sein, durch einfache, che- mische Eingriffe Gabelungen hervorzurufen. Aspidium aculeatum, var. eruciato-polydactylum, Jones. Aus den ausgesäten Sporen entstanden zunächst Prothallien von normaler Form. Vereinzelt fanden sich auf diesen Antheridien, Arche- gonien fehlten selbst drei Monate nach der Keimung fast vollständig- In diesem Alter noch wiesen die gut entwickelten Prothallien die be- kannte Herzform auf. Jetzt trat aber eine Entwicklung ein, welche schon das makroskopische Bild derselben vollständig veränderte, indem nämlich die beiden vorderen Lappen oder wenigstens einer derselben sich stark vergrößerte, während die Mitte im Wachstum zurückblieb (Fig. 41, 42). Die mikroskopische Untersuchung lehrte, daß die Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen larnen, 31 Herzbucht ihre meristematische Funktion eingestellt hatte, während gleichzeitig auf einem oder beiden der vorderen Lappen neue Meristeme “ aufgetreten waren. Die lebhafte Tätigkeit dieser letzteren bewirkte die erwähnte Veränderung im Hakitus unserer Prothallien. Hand in Hand mit der Ausbildung der eben erwähnten neuen Meristeme ging eine starke Streckung der Zellen des Mittelpolsters, und alsbald erschienen im letzteren zahlreiche Tracheiden, die ungefähr in der Mitte zwischen dem Ende der Rhizoidenzone und der Herzbucht einsetzten und in der Richtung des Mittelpolsters verliefen. Jetzt be- gann das Prothalliumgewebe in der Region des hinteren Endes der Tracheiden lebhafte Teilungen nach allen Richtungen des Raumes hin auszuführen, deren Resultat die Entstehung eines apogamen Höckers war. Die Entwicklung des jungen Sporophyten war insofern die bei Apogamie gewöhnliche, als auch hier der Stamm- scheitel erst nach Anlage des Primärblattes auftrat. Merk- würdig allerdings war in diesem Falle die außerordent- lich kräftige Entwicklung der Fig. 41. Aspidium aculeatum var. eru- ciato polydaetylum. Prothallium mit ab- gestorbener Herz- bucht (4), Trache- iden (£), apogamen Höcker (a) u.2 neuen Meristemen (7) Fig. 42, Prothallium des gleichen Farnes mit nur einem neuen Me- ristem. Wurzel; es fand sich sogar einmal der extreme Fall, daß, während vom Blatt nur ein einziger, kaum 1 mm großer Höcker zu sehen war, aus demselben schon eine Wurzel entsprang, die bereits eine Länge von 2!/, mm aufwies. Wurden junge apogame Höcker von dem ernährenden Prothallium losgetrennt und auf sterilisiertem Torf ausgelegt, so gingen sie in den meisten Fällen zugrunde; bei wenigen Ausnahmen entwickelte sich trotztem ein junger Sporophyt, jedoch von einfacherer Blattform, als die am Prothallium selbst entstandene. Es zeigt sich also auch hier, daß schlechte Ernährung merklich die Blattform beeinflussen kann. Außer- dem lehrt der Versuch, daß bei der besser gegliederten Form, welche das am Prothallium sitzende Primärblatt erreicht, die Ernährung des- selben durch das erstere, welche ja durch die Tracheiden noch be- deutend erleichtert wird, eine große Rolle spielt. Die apogamen Höcker von Aspidium aculeatum var. erueiato poly- daetylum erreichen nicht den vierten Teil der Größe der Oystopteris- 32 Alfred Heilbronn, Höcker; im Gegensatz zu jenen zeigen sie bei einem Querschnitt einige wenige Tracheiden, umgeben von unregelmäßigen Zellen, die nur mit sehr spärlichem Reservematerial angefüllt sind. Auf der Oberfläche stehen zahlreiche Drüsenhaare und junge Spreuschuppen. Die ersten Blätter des Sporophyten zeigen wiederum noch nicht die charakteristischen Formmerkmale. Vom sechsten Blatt an treten sie aber durchweg auf und bleiben konstant. Rückschlagsbildungen oder andere Abweichungen von dem Typus der Mutterform treten nie auf. Nachdem die Pflanze einmal eingezogen hatte, glichen schon die ersten, im Frühjahr auftretenden Blätter der von Jones beschriebenen Stamm- form: Aspidium aculeatum var. cruciato polydacetylum ist also eine echte Varietät. Aspidium angulare forma grandidens Moore, Die Bezeichnung dieses Farns ist heute noch keine ganz einheit- liche; während Luerssen!) ihn als Aspidium lobatum anspricht, be- zeichnet ihn Druery als Aspidium aculeatum und Lowe ebenso wie Moore als Aspidium angulare. Mit der von Lowe?) gegebenen Ab- bildung stimmt meine Pflanze nicht ganz überein. Im Gegensatz zu ihr zeichnet sich die Form in erster Linie durch die Reduktion der’ Seitenfiederchen zweiter Ordnung zu stumpfen Zähnen aus. Ferner durch eine mehrfach gabelige Verzweigung an der Spitze des Wedels und sämtlicher Seitenfiedern; es tritt also zu dem „grandidens“-Merkmal noch das charakteristische von „polydactylum“. Die Bezeichnung „As- pidium angulare forma grandidens“ behalte ich nur deshalb bei, weil ich den Farn unter dieser Bezeichnung im Münchener Botanischen arten fand und es immerhin möglich, wenn auch nicht gerade wahr- scheinlich ist, daß wir es mit einem mutierten Abkömmling jener eng- lischen Form zu fun haben. Sehr charakteristisch für diesen Farn ist auch die stark lederartige Konsistenz seiner Wedel, die es ihm sogar ermöglicht, zu überwintern, ohne einzuziehen. In normalen, sehr zahlreichen Sporangien, die aber immer nur auf einzelnen Wedeln des Stockes vorhanden sind, während eine große Anzahi anderer gleichaltriger Blätter steril bleiben, finden sich viele normal ausgebildete Sporen. Ihre Aussaat liefert Prothallien, die zu- nächst Antheridien und Archegonien hervorhringen. In den spärlich vorhandenen letzteren kommen wahrscheinlich Befruchtungen vor, als deren Erfolg Embryonen sich fanden. Die weitaus größere Mehrzahl saß Luerssen, Chr., Die Farnpflanzen. Rabenhorst’s Kryptogamenflora, pag. 330. 2) Lowe li. e., Bd. I, pvag. 85. Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen. der Prothallien erzeugte aber überhaupt keine Archegonien, dageg . zeigten sich nach kurzer Zeit in der Mediane des Prothalliums Trach den, zunächst vereinzelt, später in größerer Anzahl. Sie traten n 1—2 mm hinter der Herzbucht auf und verliefen zu derselben h Merkwürdigerweise lagern diese Tracheiden nicht in einem mehrschic tigen Gewebepolster, sondern in einer einschichtigen Zellplatte, u: waren, da sie sich durch geringere Dicke von den übrigen Zellen unt« schieden, im Vergleich zu der Oberfläche der umgebenden Schicht etw eingesenkt. : Kurz nach Entstehung der Tracheiden begannen an ein weiter rückwärts gelegenen Stelle einige Zellen des Prothalliums oh: erkennbare Beziehung zu diesen Tracheiden oder zu Sexualorganı unregelmäßige Teilungen auszuführen, die wiederum die Entstehm eines apogamen Blatthöckers veranlaßten. Der weitere Verlauf d Entwicklung des Sporophyten war dann der gewöhnliche. Das Au treten der Tracheiden in dem Prothallium weist schon auf eine Neigur zur Apogamie hin. Dafür beweisend scheint mir auch der Umstan daß die wenigen Prothallien, welche wahrscheinlich sexuell einen Embry entwickelten, keine Tracheiden aufwiesen und daß ferner alle Prothallie welehe Tracheiden hatten, früher oder später — man mochte die Kultu bedingungen so variieren, so sehr man wollte — apogame Höcker e zeugten. Die Primärblätter der apogam und der aus Eizellen entstandene Pflanzen zeigten keinerlei Unterschiede. Ebensowenig förderte d spätere Entwicklung der Pflanzen eine solehe zutage. Es dauerte außergewöhnlich lange, bis die charakteristischen Mer] male der Form an jungen Wedeln auftraten: frühestens beim siebente Blatt zeigten sich reduzierte Seitenfiedern zweiter Ordnung, frühesten beim zehnten die Vielfingrigkeit, die merkwürdigerweise auch nicht zı erst an der Spitze, sondern an Seitenfiedern auftrat. Im weitere Verlauf der Kultur erschienen zahlreiche Rückschlagsbildungen auf di Normalform von Aspidium angulare. Überhaupt waren die Blätter be deutend zarter ausgebildet wie bei der Mutterpflanze und waren des halb im Gegensatz zu letzterer weder im Freien noch im Warmhau fähig, zu überwintern. Wir dürfen diesen Farn, wie aus dem Ge schilderten hervorgeht, wohl nicht als gute Varietät ansprechen un wollen ihn deshalb als Aspidium angulare forma grandidens poly dactyla bezeichnen. Monströse Formen von Athyrium filix femina, Hiermit wenden wir uns der Betrachtung einiger aus Englanı stammender Formen von Athyrium filix femina zu und wollen konsta Flora, Bd. 101. 3 34 Alfred Heilbronn, tieren, ob und inwieweit deren Merkmale erblich sind. Gelegentliche Nebenbeobachtungen, die ich bei den Kulturen machte, werde ich gleich- falls hier anführen. Die Mehrzahl der mir zu Gebote stehenden Athyrien ließ eine Konstatierung ihrer Erblichkeitsverhältnisse gar nicht zu, da sie keine Sporen trugen. Als solche Formen erwähne ich die folgenden: Athyrium filix femina f. acrocladon Clapham; do. erispum Moore; do. doodioides Lowe; do. Elworthii Moore; do. Frizelliae eristatum Lowe; do. Pritehardii Stansfield; do. Vernoniae Clapham; do. Victoriae Moore. Fertil dagegen und der Untersuchung infolgedessen zugänglich waren die Formen: Athyrium filix femina f. corymbiferum Moore; do. clarissimum Bolton; do. multifidum Moore; do. multifidum minus Moore; do. multifidum Mapplebeckii Lowe; do. purpureum Lowe; do. laeciniatum Moore; do. Fieldiae Moore. An dieser Stelle sei es mir vergönnt, Herrn Prof. Rosenstock in Gotha, welcher die große Freundlichkeit hatte, die von mir untersuchten Formen nachzu- bestimmen, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Athyrium filix femina var. corymbiferum Moore. Das Charakteristikum dieser Form liegt in der büscheligen Gabe- lung an der Spitze des Hauptwedels und am Ende der Seitenfiedern. Dabei erfahren die unteren, äußeren Partien des Büschels ein stärkeres Wachstum als die inneren; so kommt es, daß schließlich die sämtlichen Spitzen der einzelnen Gabeläste in einer Ebene liegen (corymbus )). Die Art der Verzweigung ist deutlich aus der von Lowe!) gegebenen Abbildung ersichtlich. Die von Lowe erwähnte Rotfärbung der Rachis ist kein charakteristisches Merkmal dieser Form, sie tritt hie und da und dann nur am oberen Teile auf und zeigt sich durch verschiedene Ernährung stark beeinflußbar. 1) Lowe l.e, Bd. I, Taf. XXXVIL Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsrerhältnisse bei einigen Famen. Die Prothallien dieser Form erzeugen sehr spät erst Archegonie nachdem die Antheridienbildung längst aufgehört hat. Sie zeigen dar abnorm kräftiges Wachstum, werden stark wellig, dick, dunkelgrü füllen sich mit Reservestoffen und erreichen eine Länge bis zu 21 m: und eine nur wenig geringere Breite. Dabei tragen sie aber imm« reichlich Archegonien. Das Mittelpolster, auf dem allein die letztere standen, erreichte eine Dicke von fast 2 mm. Um eine Befruchtun herbeizuführen, zerschnitt ich eine Anzahl solcher Riesenprothallier bald traten an diesen Stücken reichliche Adventivprothallien auf, di viele Antheridien erzeugten, und nun vollzog sich die Befruchtung i normaler Weise, Interessant ist hier die bei sonst sexuell entstandenen Sporc phyten nie beobachtete reiche Gliederung der ersten Blätter. De Grund hierfür liegt offenbar in der mächtigen, an Reservestoffen reiche) Ausbildung des Prothalliums, und es glückte auch leicht, hierfür de experimentellen Nachweis zu erbringen. Als ich nämlich ein eben be fruchtetes Archegonium von dem größten Teil seines zugehörigen Pro thalliums abschnitt, zeigte es sich, daß das entstandene Primärblat das normale einfache Aussehen der gewöhnlichen ersten Atlıyrium blätter hatte. ; Vom sechsten bis achten Blatt an begannen die charakteristischei Merkmale der Varietät aufzutreten, zunächst an der Spitze des Wedels die Seitenfiedern folgten bei späteren Blättern nach. Schon im ersteı Jahre der Kultur erreichte die Pflanze vollkommene Ähnlichkeit mi der Mutterpflanze: kein neues Merkmal trat hinzu, kein vorhandene: schlug zurück. Athyrium filix femina var. corymbiferum Moore ist eine echte Varietät. Athyrium filix femina var. clarissimum Bolton. Die Lebensgeschichte dieses merwürdigen apogamen und aposporer Farnes ist durch die eingehenden Arbeiten von Farmer and Dighy', genugsam bekannt. An dieser Stelle will ich nur erwähnen, daß die Form in allen ihren morphologischen und biologischen Merkmalen erb. lich ist, daß sie also eine echte Varietät darstellt. Erwähnenswert ist vielleicht die Tatsache, daß es nicht gelang ausgelegte Primärblätter zur Bildung von A«lventivknospen zu ver- anlassen, ebenso glückte es bei den wenigen Fällen, in denen das Vor- D) Farmer and Digby, Studies in Apospory and Apogamy in Farns Annals of Botany 1907. 2 3* 36 Alfred Heilbronn, handensein von normalen Antheridien und Archegonien am Prothallium konstatiert wurde, nicht, eine Befruchtung durch Zusammenbringen ver- schiedener, Sexualorgane tragender Prothallien in einem wenig Wasser enthaltenden Glasröhrchen zu erzielen; eine Beobachtung, die sich gleichfalls mit denen von Farmer und Digby deckt. Athyrium filix femina, var. multifidum, Moore. Charakteristische Merkmale dieser Form sind: Verzweigungen in einer Ebene, Hauptwedel an der Spitze gegabelt, jeder der Gabeläste mehrfach verzweigt, desgleichen die Seitenfiederchen erster Ordnung. Die Lebensgeschichte ist eine vollständig normale, Sporen, Prothallien, Antheridien und Archegonien unterscheiden sich in nichts von dem ge- wöhnlichen Athyrium filix femina. Die ersten Primärblätter sind normal, vom fünften an tritt Dichotomie auf, und zwar an der Spitze; bei späteren Blättern auch an den mittleren Seitenfiedern, während der basale und der unmittelbar unter der apikalen Verzweigung liegende Teil bei allen Jugendblättern noch ungegabelt bleibt. Erst bei älteren, schon fertigen Wedeln tritt die Gabelung durchgehends auf beiden Seitenfiedern auf. Tragen die Pflanzen einmal Sporen, so sind sie von der Mutterpflanze nicht mehr zu unterscheiden, und unter 25 Exemplaren fand sich keine einzige Rückschlagsbildung. Auf Torf ausgelegte Primär- blätter erzeugen keine Adventivknospen. Die vollständige Erblichkeit seiner Merkmale stempelt Athyrium filix femina var, multifidum Moore zu einer echten Varietät. Athyrium filix Temina, f. multifidum minus, Moore. Diese Form unterscheidet sich von der vorigen durch ihre geringe Größe und etwas zartere Ausbildung der Blattfläche. Bei der Kultur zeigte es sich jedoch, daß es gelang, durch gute Ernährung die aus Sporen gezogenen Pflanzen zu einer Größe zu erziehen, die hinter jener des vorher erwähnten Athyrium filix femina var. multifidum kaum zurückstand. Immerhin erwies es sich, daß eine Neigung zur Aus- bildung einer kleineren Form bestand. Demnach scheinen wohl geringere Unterschiede im Idioplasma beider Formen vorhanden zu sein, aber das Merkmal der geringeren Größe tritt entschieden nur unter besonderen Bedingungen hervor. Wir können hier also nicht gut von einer be- sonderen Varietät sprechen. Athyrium filix femina, f. multifidum Mapplebeckii, Lowe. Das Sporenmaterial entstammt einer Pflanze, die im allgemeinen Habitus der Lowe’schen Abbildung!) entspricht. Allein der eine Wedel, 1) Lowe l. ce, Bd. II, pag. 19, Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen, der die Sporen zur Aussaat lieferte, trug an der Basis zwei Fied paare, bei denen jeweils das obere, erste Seitenfiederchen zweiter O: nung eine etwas stärkere Ausbildung erfahren hatte. Die entstandenen jungen Pflanzen reproduzierten im ersten Jal ihrer Eintwicklung größtenteils das allgemeine „multifidum“-Merkm nur waren ihre Seitenfiederchen breiter und gedrungener, die Gal lungen kürzer und spärlicher. Nach einmaliger Überwinterung jedo zeigten sich unter 24 Pflanzen folgende drei Typen: 1. Zwei Exemplare waren vollständig zurückgeschlagen auf ( Stammform Athyrium filix femina; ein einziger gegabelter Wedel faı sich bei der einen Pflanze unter neun normalen. Ein drittes Exempl dagegen wies neben sechs zurückgeschlagenen fünf „multifidum“-Wedel aı 2. 14 Exemplare produzierten Wedel, die nicht von den gleie zeitig kultivierten Athyrium filix femina var. multifidum Moore ; unterscheiden waren. 3. Die übrigen sieben Pflanzen endlich glichen alle mehr odı minder genau dem Wedel der Mutterform. Sie wiesen sämtlich nebe dem „multifidum“-Merkmal an der Basis zwei bis vier Fiederpaare au bei denen jeweils die erste, obere Seitenfieder zweiter Ordnung d: erwähnte starke Vergrößerung erfahren hatte. Häufig wurde dabei di zugehörige Seidenfieder erster Ordnung nach abwärts gedrängt, so da diese Wedel an der Basis sich dem „eruciatum“-Typus näherten, wi er bei der später zu erwähnenden forma Fieldiae Moore zur charal teristischen Ausbildung gelangt. Bei ganz jungen Wedeln, die noe nieht dieses Merkmal trugen, machte ich den Versuch, durch Abwärts biegen einer ganzen Seitenfieder erster Ordnung die Vergrößerung de zugehörigen ersten Seitenfieder zweiter Ordnung künstlich herbeizv führen. Allein der Versuch blieb resultatlos. Ausgelegte Primärblätte zur Knospenbildung zu veranlassen, gelang auch nicht. Über die Lebensgeschichte dieser Form ist nichts zu sagen; si entspricht ganz der allgemeinen Norm. Es ist anzunehmen, daß Athy rium filix femina var. multifidum Mapplebeckii eine echt Varietät ist. Allerdings scheint sie hybridogenen Ursprungs zu sein. Vielleich haben wir einen Bastard Athyrium filix femina var. multifidum mi einer der von Druery erwähnten, „erueiatum“-Formen vor uns. Athyrium filix femina, var. laciniatum, Moore. Das Exemplar, von dem die Sporen stammen, entspricht der voı Lowe!) gegebenen Abbildung. Charakteristisch ist die Verkürzung 1) Lowe l. c, Bd. II, Taf. XXXIX. 38 Alfred Heilbronn, der Seitenfiederchen zweiter Ordnung. Dieselben erreichen nur eine Länge von 2,5—3 mm, sind an der Basis stark verbreitert und tragen daselbst meist nur einen großen Sorus. Vorne sind die Fiederchen zweiter Ordnung nicht, spitz, sondern ziemlich breit, aber stark gezackt. Sporangien und Sporen sind normal. Die aus letzteren hervorgöhenden Prothallien bringen entweder durch Befruchtung Sporophyten hervor oder sie gehen in ein Wachstum über, das schließlich eine ähnliche Erscheinung wie den von Lang!) ‚beschriebenen „Cylindrical process“ herbeiführte. Der Vorgang dabei war folgender: Das Meristem der Herzbucht führte zunächst einige Teilungen aus, die eine kleine Vor- wölbung des mittleren Teiles bewirkten. Gleichzeitig starb rechts und links davon je eine kleine Zellgruppe ab, so daß jetzt die Verbindung des Meristems nit den beiden Flügeln des Prothalliums abgeschnitten war. Das weitere Wachstum betraf infolgedessen nur die Mittelpartie, die sich jetzt auch stärker verdickte. Auf diesem Polster saßen in der Regel zahlreich Archegonien, doch gab es welche, die ganz frei von Sexualorganen waren; Haarbildungen konnte ich nie auf ihnen beob- achten. Gerade das Fehlen dieser letzteren ließ es vornherein trotz einer gewissen äußeren Ähnlichkeit mit ausgewachsenen apogamen Höckern nicht als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß wir es hier mit solchen zu tun hätten, wogegen auch das recht häufige Vorkommen von Archegonien auf ihnen entschieden gesprochen hätte. . Ein Schnitt durch solch einen „zylindrischen Fortsatz“ zeigte ihn aus Zellen zu- sammengesetzt, die nur durch etwas geringere Größe sich von den ge- wöhnlichen Prothallienzellen unterschieden. Der Gehalt an Stärke war vermehrt, Tracheiden nie vorhanden. Überließ man diese Prothallien ihrem Schicksal, so setzten sie das zylindrische Wachstum langsam fort; noch heute, zwei Jahre nach der Sporenaussaat, besitze ich einige solcher Prothallien mit zylindrischen Fortsätzen, deren längster 51/, mm lang war und Archegonien trägt. Wurde solch ein Fortsatz zerschnitten und die Stücke ausgelegt, so entstanden an ihnen rasch Adventivpro- thallien mit Antheridien. Die ausgeschlüpften Spermatozoiden befruch- teten entweder ein Archegonium des „process“ oder die Adventivpro- thallien entwickelten selbst normale Archegonien, die in der Folge be- fruchtet wurden. Auch unter den Adventivprothallien befanden sich wieder solche, die später wie der zylindrische Fortsätze entwickelten und sich den obigen analog verhielten. Nie aber wurde beobachtet, 1) Lang, An Apogamy and the Development of Sporangia upon Farn- Prothalli. London 1898. Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farmen. 39 daß solch ein Fortsatz apogam einen Sporophyten erzeugt hätte. Schon am dritten Primärblatt zeigten sich die Fiedern charakteristisch für „laeiniatum“ ausgebildet, und unter den 30 kultivierten Pflanzen fand sich in der Folge nie eine Rückschlagsbildung. Bei zwei ausgelegten Primärblättern gelang es, achselständige Knospen zu erzeugen, und die so entstandenen Pflanzen unterschieden sich nicht von den sexuell ent- standenen. Von allen untersuchten Athyriumformen vererbt die eben be- handelte ihre Merkmale am reinsten: Athyrium filix femina var. laeiniatum ist eine echte Varietät. Athyrium filix femina, var. purpureum, Lowe. Das einzige Merkmal dieser Form ist die rotgefärbte Rhachis. Eigentümlicherweise trat diese Rotfärbung im ersten Jahre an keiner aus Sporen gezogenen Pflanze auf. Auch bei den ersten nach der Über- winterung entstandenen Blättern blieb die Spindel grün, aber vom vierten bis sechsten Blatt ab trat im zweiten Jahre die Rotfärbung durchgehends zutage und erhielt sich trotz verschiedener Kulturbedingungen. Fragen wir uns, woher es kommen mag, daß die Rotfärbung der Rachis noch nicht bei dem ersten, sondern erst bei den späteren Wedeln auftritt, so ist die Antwort wohl darin zu suchen, daß der rote Farb- stoff wahrscheinlich ein Produkt kräftiger Assimilation ist, zu dessen Erzeugung die ersten Wedel, die ja immer unter ungünstigeren Be- dingungen ihr Leben fristen, als die späteren, noch nicht die nötigen Stoffe assimiliert haben. Vermutlich gehört der rote Farbstoff in die Anthocyangruppe; nach Overton’s!) Ansicht steht ja das Auftreten von rotem Farbstoff im Zellsaft in enger Beziehung zu dessen Zucker- gehalt. Nun ist es wohl denkbar, daß die während des ersten Winters im Rhizom angehäufte Stärke bei beginnender Blattentwieklung im Früh- jahr verzuckert wird und so zur Rotfärbung der Rachis Anlaß gibt. Immerhin muß die Fähigkeit zur Anthoeyanbildung dem Idioplasma dieser Form eingeprägt sein, denn sie trat bei allen Pflanzen in gleicher Weise auf. Wir können auch hier wieder von einer echten Varietät sprechen. Athyrium filix femina var. Fieldiae Moore. Die Lowe’sche2) Abbildung gibt ein ziemlich getreues Bild der Fiedern des Wedels, von dem das Aussaafmaterial stammte. Das eharakteristische Aussehen ist dadurch zustande gekommen, daß sich 1) Overton, Jahrb. f. wissensch. Botanik 1899, Bd. XXXIIL. 2) Lowell c., Bd. II, Fig. 342. 40 Alfred Heilbronn, jeweils die erste obere Seitenfieder zweiter Ordnung zur vollen Größe der zugehörigen Seitenfieder erster Ordnung entwickelt hat, wobei letztere gleichzeitig nach unten gedrängt wurde. Die beiden, nun in einem rechten Winkel voneinander abstehenden Fiedern erreichen keine sehr große Länge; selten kommen Größen über 3 cm vor, und es ist immer nur die erste Seitenfieder zweiter Ordnung, die zu solcher Länge heranwächst; die übrigen sind im Vergleich zum. normalen Athyrium filix femina verkürzt, etwas verbreitert, die Zähne stumpfer und weniger tief eingeschnitten. Fig. 43. Athyrium filix femina var. Fieldiae Moore: die verschiedenen Ausbildungsformen des Wedels. Nur durch eine kleine, zunächst scheinbar recht unbedeutende Abweichung unterschied sich meine Pflanze von der Lowe’schen Ab- bildung. Die Enden mancher Fiedern zeigten nämlich eine ganz schwache Gabelung, auch der Apex zeigte Ansätze zur Verzweigung. Bei den aus Sporen gezogenen Pflanzen trat nun eine derartige Reichhaltigkeit der Veränderung zutage, wie sie nur durch die Ab- bildung (Fig. 43) gezeigt werden kann. Die sämtlichen hier photo- graphierten Wedel traten jeweils an einem einzigen Stock auf. Da finden sich nebeneinandor die Merkmale von „multifidum“, „eorymbi- ferum“, „erueiatum® und „Fieldiae“ selbst. einzeln und in Kombinationen miteinander. Diese große Variabilität der Form hängt aber nicht etwa zusammen mit besonders günstiger Ernährung; dafür ist beweisend, daß auch auf sterilen Flußsand gepflanzte Exemplare die gleiche Mannig- faltigkeit zeigten; auch ist es ohne Einfluß, ob die Pflanzen im Freien oder im Gewächshause, in dunklem oder hellem Licht kultiviert werden. Äußere Faktoren sind es also nicht, die diese Organisation beeinflussen, und die bestmögliche Erklärung dafür scheint mir die zu sein, daß wir in der Mutterpflanze nicht eine Varietät, sondern einen multiplen Bastard verschiedener Athyrium-Varietäten vor uns haben. Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsyerhältnisse bei einigen Farnen. 41 Zusammenfassung der Resultate. 1. Cystopteris fragilis f. polyapogama entwickelt Prothallien, welche die Fähigkeit zur Entwicklung von Sporophyten aus Eizellen und auf apogamen Wege nacheinander, im Einzellfalle sogar nebenein- ander aufweisen. 2. Die Frage, ob Asplenium germanicum ein Bastard zweier rezenter Formen sei, ist noch nicht geklärt, jedoch wurde durch Kreu- zung von Asplenium septentrionale (weiblich) und Asplenium Ruta.muraria (männlich) eine Pflanze erzielt, welche dem Aspleninm germanicum näher steht, als irgend ein anderer bis jetzt bekannter Farn. 3. Einige Farnformen, von denen es bis heute noch nicht bekannt war, haben sich als apogam herausgestellt; die verschiedenen, aus Eng- land stammenden Formen von Athyrium filix femina sind teilweise erb- lich, teilweise zeigen sie Rückschlagsbildungen; durch künstliche Ein- griffe Gabelungen hervorzurufen, gelang nicht, spontan aufgetretene sind nicht erblich. Die Arbeit wurde ausgeführt in den Jahren 1907/1909 im Kgl. Pflanzenphysiologischen Institut München. Es sei mir auch an dieser Stelle vergönnt, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geheimrat Professor Dr. von Goebel, unter dessen Leitung die vorliegenden Untersuchungen ausgeführt wurden, meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das stete Wohlwollen, das er mir dabei entgegenbrachte und für seine immerwährende Unterstützung mit Rat und Tat. Literaturverzeichnis. De Bary, Über apogame Farne und die Erscheinung der Apogamie im allge- meinen. Bot. Zeitung 1878. Digby, On the Cytology of Apogamy and Apospory. II. Preliminary Note on Apospory. Proc. Royal Soc. London, Vol. XLVI, 1905. Druery, J., A resume of fern-phenomena discovered in the 19th. century. Gard. Chron., 3. ser., Vol. XXIX. . Ders., Choice British Ferns: Their Varieties and Culture. London 1888. Farlow, W. G., An Asexual Growth from the Prothallus of Pteris cretica. 1874. Quarterly journal of mierose. Science, Vol. XIV. Farmer, Moore and Digby, On the Cytology of Apogamy and Apospory. I. Pre- liminary Note on Apogamy. Proc. 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Pag. 50-79. Ist die beschriebene Form wirklich Griffith’s Monoselenium? Pag. 79-85. Die Bedeutung von Monoselenium für die Gesamtauffassung der Marchan- tiaceen-Reihe. Pag. 85-96. Übersicht, der Ergebnisse. Pag. 96. zPpomNDm Einleitung. Eine der Hauptschwierigkeiten, welche sich der phylogenetischen Betrachtung entgegenstellen, ist bekanntlich die, daß, selbst wenn es gelungen ist, die Gestaltungsverhältnisse in „natürliche“ Reihen anzu- ordnen, die Entscheidung darüber, ob diese Reihen aufsteigende oder absteigende sind, oft unsicher bleibt. Die Ansichten darüber wechseln denn auch: was der eine für rückgebildet hält, erscheint dem andern als primitiv. Es braucht nur erinnert zu werden an Angiospermen wie die Cupuliferen, Casuarinen und andere. Bald sind sie auf dem ansteigenden Aste der Kurve phylogene- tischer Betrachtung, bald auf dem absteigenden. Besser daran schien man bei den Lebermoosen zu sein. Hier haben wir bei den „Marchantiales“ eine sehr natürliche Reihe, deren Anordnung zunächst gegeben ist durch die Gestaltung der Sprosse, welche die Sexualorgane tragen. Bei Marchantia, Preissia u. a. sehen wir die Antheridien und Archegonien auf Sprossen begrenzten Wachs- tums in „Stände“ vereinigt; dadurch, daß sich die fertilen Thallusäste verzweigen, bilden sich bekanntlich die eigentümlichen „Infloreszenzen“, „Receptacula“ .oder „Stände“ dieser Gattungen. Bei anderen, z. B. Plagio- chasma (Fig. 1) stehen die Sexualorgane zwar in Gruppen auf besonderen, der Rückenseite des Thallus entspringenden „Trägern“. Aber der Scheitel des Thallus setzt sein vegetatives Wachstum fort, er wird nicht in die Bildung der „Stände“ mit einbezogen. Endlich bei Riceia fehlt auch die Gruppierung der Sexualorgane in „Stände“, sie stehen zerstreut auf dem Thallus. 2) Ein Zufall gab Veranlassung, den früheren Absrhnitten dieser, eigentlich abgeschlossenen, Untersuchungen einen weiteren hinzuzufügen. 44 K. Goebel, Die Deutung dieser Reihe schien einfach und unzweideutig. Riccia erschien als primitiv, als Anfang der Reihe, Marchantia als abgeleitet, als ein Endpunkt. Das war um so einleuchtender, als auch das Verhalten der Sporogonien damit übereinzustimmen schien. Bei Riccia werden bekanntlich mit Ausnahme der Wandzellen alle Teilungsprodukte der befruchteten Eizelle zu Sporenmutterzellen. Das Sporogon hat also weder einen „Fuß“ (ein Haustorium) noch Ela- teren. Bei Corsinia ist ein Fuß vorhanden, aus dessen Streckung bei anderen Formen ein Kapselstiel } sich ableiten läßt, und außer den Sporen bringt die Kapsel sterile Zellen (Fig. 45, Ib), welche zwar noch nicht als Elateren funktionieren (wie dies bei den höheren Formen der Fall ist), aber doch als deren Vorläufer betrachtet werden können. Also auch die Sporogone schienen darauf hinzudeuten, daß Riccia am Anfang, Marchantia und Verwandte am Schlusse der Reihe stehen. Anderweitige Deutungsversuche, einzelner in diese Reihe gehören- der Gestaltungsverhältnisse, glaubte Leitgeb widerlegt zu haben. Bo war Hofmeister‘), welcher, . Man amt . Goebel, Ongmnograpkie) Habitmehtid "ec besonders hervorhebt, nur einer männlichen Pflanze, etwa achtmal spärliches Material untersuchen Sind inf Antheridienstinde. die beiden 0, u der Ansicht gelangt, daß jüngsten (vordersten) sind noch ganz von die „Stände“ der Marchantiaceen den Hirllschuppen bedeckt. Am ältesten Sprosse seien, selbst dann, wenn sie, sieht man deutlich die halbmondförmige 0% 27: x Gestalt. wie die Antheridienstände von Re- boulia als Polster auf der Thallus- oberseite auftreten; er führt als Grund dafür namentlich an, daß „ihre Außenseite häufig rudimentäre Blätter?) trägt“. Leitgeb:) wendet sich zunächst gegen die Anschauung, daß „alle Formen der männlichen wie weiblichen Stände durch Metamorphose eines 1) Hofmeister, Vergleichende Untersuchungen (1851), pag. 60. 2) So bezeichnete Hofmeister die Ventralschuppen. 3) Leitgeb, Untersuchungen über die Lebermoose, VI, pag. 21. Archegoniatenstudien. 45 Zweiges entstanden“ seien. Diese (Hofmeister’sche) Deutung sei völlig willkürlich für jene Formen, bei denen der Träger vom Rande entfernt mitten auf dem Thallus inseriert ist. Eine dorsale Aussprossung — und darin wird man ihm wohl allgemein beistimmen — könne hier nicht vorliegen, da solche bei Lebermoosen überhaupt nicht vorkommen. Viel- mehr sei dann, wenn die Stände wie bei Plagiochasma, Reboulia S usw. rein dorsal stehen, der Sproßscheitel nicht mit zur Bildung des Standes verwendet worden. Besonders deutlich sei dies bei Plagiochasma, wo (wie auch Fig. 1 zeigt) oft mehrere „Stände“ hintereinander auf der Thallus- rückseite stehen. Er konstruiert also die schon erwähnte aufsteigende Entwick- Iungsreihe, deren niederste Vertreter die Rieeien mit dorsal auf unbe- grenzt wachsenden Thallusästen stehenden Sexualorganen sind. Dann sammeln sich die letzteren Gruppen (Corsinia, Plagiochasma), auf einer höheren Stufe wird das Scheitelwachstum sistiert, und schließlich treten Verzweigungssysteme auf, wie die bekannten „Schirme“ vieler Marchan- tiaceen; z. B. Marchantia und Preissia, während bei Sauteria, Fim- briaria, Duvalia, Grimaldia, Reboulia das weibliche Receptaculum ebenso wie bei Plagiochasma und Clevea das Produkt einer dorsalen Wuche- rung unmittelbar hinter dem Scheitelrand sei; der Scheitel selbst aber nicht in die Bildung des Receptaculum einbezogen werde und unter Umständen (z. B. bei Reboulia) seine vegetative Tätigkeit wieder auf- nehmen könne. Ganz einfach liegen freilich die Sachen auch bei dieser Deutung nicht. Im 4. Heft seiner Untersuchungen: über die Lebermoose sagt Leitgeb (p. 75) bei Sauteria und Peltolepis entspringe der gemein- same F'ruchtstiel immer aus einer Laubbucht, sei also ausnahmslos die unmittelbare Fortsetzung der Sproßachse und zeige daher auch immer eine (oder zwei) Ventralfurchen; später aber (p. 76) führt er an, daß es bei anderen Marchantiaceen, z. B. Fimbriaria (auch bei Sauteria hier und da) vorkomme, daß mitten auf dem Thallus sterile Fruchtböden gefunden werden... „Wir sehen aus dieser monströsen Bildung, daß die Anlage des Fruchtbodens auch bei Sauteria alpina ganz unabhängig vom Scheitel erfolgt, also auch hier als dorsale Wucherung aufzufassen und somit die Einbeziehung des Scheitels erst ein späterer Vorgang ist.“ Diese Auffassung ist aber nur dann möglich, wenn es sich bei diesen dorsalen Ständen um verkümmerte Bildungen handelt, welche es nicht zu einer Verzweigung bringen. Wo eine solche eintritt, ist dies natürlich nur unter Einbeziehung des Scheitels möglich. Wir werden nun sehen, daß solche Fälle tatsächlich vorkommen. 46 K. Goebel, Aber auch abgesehen davon stehen der Leitgeb’schen Deutung von vornherein zwei Schwierigkeiten entgegen. Einerseits würden bei Formen wie Grimaldia und Reboulia die männlichen und weiblichen „Stände“ einen verschiedenen „morpho- logischen Wert“ haben. Die Antheridienstände wären nämlich dorsale Thalluswucherungen, «die Archegonienstände dagegen sind hier zweifellos Verzweigungssysteme. Bei Marchantia, Preissia und anderen dagegen stimmen die Antheridien- und die Archegonienstände miteinander überein. Eine solehe Verschiedenheit innerhalb einer natürlichen Reihe ist um so unwahrscheinlicher, als, wie später ausgeführt werden soll, auch bei allen anderen Lebermoosen die Träger der beiderlei Sexualorgane homologe Gebilde sind. Andererseits müßten bei den dorsalen Ständen, z. B. Plagio- chasma, die Schuppen eine andere Bedeutung haben als an denen, welche Verzweigungssysteme darstellen. Bei den letzteren sind die Sehuppen nichts anderes als die auf der Thallusunterseite an den vegetativen Sprossen auftretenden Ventralschuppen. Hofmeister bezeichnete diese als Blätter, und das Auftreten dieser „Blätter auch an den lorsalen Ständen war für ihn offenbar der Hauptgrund, auch letztere als „Sprosse* zu bezeichnen. Freilich könnte man nach den in der Literatur vorhandenen Abbildungen glauben, daß solche Schuppen auch auf dem der Oberseite entsprechenden Teile der Sitiele, z. B. von Marchantia-Ständen vorkommen. In diesem Falle würden also selbst hier die Schuppen als dorsale Neubildungen auftreten, wie sie an sterilen: Sprossen von Marchantieen sich sonst nie finden. Die Untersuchung einiger Marchantia- Arten mit schuppenbesetztem Stiel ergab Fig. 2. Marchantia foliacen. aber, daß diese Ansicht nicht zutrifft, die Querschnitt durch den Stiel Schuppen vielmehr der Thallusunterseite einer weiblichen „Infloreszenz“., N 1 Die Oberseite schraffiert, auf angehören )). der Unterseite zahlreiche Quersehnitte durch den Stiel lassen Schuppen. In der Mitte ein : ‚Sei 7 : Strang von Leitungsgewebe. die Oberseite, welche der Thallusoberseite zugekehrt ist, an ihrem Bau wenigstens im oberen Teil des Stieles leicht erkennen (Fig. 2), denn dort sind Luft- kammern mit Atemöffuungen ausgebildet. Dieser Teil ist abgeflacht und 1) Sachs (Über orthotrope und plagiotrope Pflanzenteile, Ges. Abhandlungen, IL, pag. 1008) bezeichnet die Träger als durch Einrollung fast „radiär“, und meint pag. 1026 „die dünnen Stiele der Fruchiträger sind ja annähernd etwas Ähnliches, Archegoniatenstudien. 47 trägt keine Schuppen. Diese gehören vielmehr zweifellos der Stielunter- seite an und sind den Ventralschuppen der Thallusunterseite homolog. Dabei ist es für unsere Betrachtung ohne Bedeutung, ob man den ganzen konvexen Teil des Stieles (mit Ausnahme der abgeflachten Seite) als Unterseite betrachten oder annehmen will, daß in ihm sich außer den zwei Rhizoiden führenden Rinnen noch weitere gebildet haben, in denen nur Ventralschuppen sich befinden. In diesem Falle also sind die Schuppen Ventralschuppen, und dasselbe gilt auch für Fälle wie Plagiochasma, wenn man nicht an- nehmen will, daß hier eine Umkehrung der Dorsiventralität stattgefunden habe, wie sie bei den Marchantiaceen sonst nicht bekannt ist. Be- kanntlich ist die Dorsiventralität hier, sobald sie einmal aufgetreten ist, eine „inhärente“, man kann durch Umkehrung weder die Bildung von Schuppen noch die von Rhizoiden auf der Thallusoberseite hervorrufen. Nun gelingt allerdings der Pflanze in manchen Fällen eine Um- kehrung der Dorsiventralität, welche wir mit künstlichen Mitteln bis jetzt nicht haben erreichen können), aber immerhin wird man einen solchen Vorgang bei den Marchantiaceen zunächst nicht für wahrscheinlich halten. Die andere Alternative könnte annehmen, die Schuppen auf der Oberseite seien aus einer Verbreiterung von haarähnlichen An- hängseln entstanden, wie sie sich z. B. auf der Oberseite des Thallus mancher Riceien und in den Schleimpapillen der Brutknospenbehälter von Marchantia vorfinden. Eine solche Annahme wäre aber nur berechtigt, wenn die andere, viel näher liegende sich als unhaltbar erweisen sollte. Trotz dieser Schwierigkeit hat die Leitgeb’sche Theorie, daß die Reihe Riceia-Corsinia-Plagiochasma eine aufsteigende sei, in welcher sich eine immer frühzeitiger eintretende Einbeziehung des Scheitels wie ein zusammengerollter Thallus; freilich so, daß dabei noch deutlich die eine Längshälfte als Unterseite, die andere als Oberseite erscheint“. Nach dem im Texte oben Mitgeteilten ist vielmehr der Stiel deutlich dorsiventral mit über- wiegender Entwicklung der Stielunterseite, eine „Binrollung“ findet nicht statt. Die Sachs’sche Anschauung war wohl beeinflußt von seiner allgemeinen Auffassung betreffs der Beziehungen zwischen der Struktur und der Richtung der Pflanzen- organe, Anschauungen, welche in der Form, die sie damals erhielten, wohl nicht haltbar sind. Dorsiventrale Pflanzenteile sind so geworden, weil sie plagiotrop sind, nieht umgekehrt (vgl. Organographie, pag. 56) und können, wie gerade die Träger der Marchantiaceen-Stiele zeigen, auch orthotrop werden. 1) So bei Selaginella, vgl. Goebel, Sporangien, Sporenverbreitung und Blütenbildung bei Selaginella. Flora, Bd. 88 (1901), pag. 225. 48 K. Goebel, in die Bildung der „Stände“ nachweisen lasse, allgemeine Zustimmung gefunden; sie wird als die einzige zu Recht bestehende vorgetragen. Erst neuerdings sind von einzelnen Autoren (aber aus anderen Gründen), Zweifel an der primitiven Stellung der Riccien geäußert worden. Indes ist die Leitgeb’sche Theorie meiner Ansicht nach nichts weniger als sicher begründet. Dieser Widerspruch gründet sich auf die Untersuchung einer merkwürdigen Marchantiacee, welche eines der seltenen Beispiele eines „eonneeting link“ darbietet. Diese Form kam zufällig zu meiner Kenntnis. Der Münchener botanische Garten erhielt vor zwei Jahren durch das deutsche Konsulat in Kanton eine Theepflanze mit Erde. Die Theepflanze kam leider tot an, ich ließ aber die Erde feucht halten, um etwa darin enthaltene Keime zur Entwicklung zu bringen. Es bildete sich auch nach einiger Zeit eine üppige Vegetation von Moosen (Physcomitrium u. a.), aueh Farne, (Lygodium, Aspidium), ferner eine Oxalis u. a. traten auf. Namentlich fielen mir aber einige Pellia-ähnliche Lebermoose auf. Es gelang aus dem anfangs sehr spärlichen Material auf Lehm, welcher mit Glasglocken bedeckt war, allmählich eine Anzahl üppiger Kulturen heranzuziehen. Außerdem wurde die Zahl der Pflanzen durch Sporenaussaat vermehrt, so daß schließlich ausreichendes Untersuchungsmaterial vorlag. Die genauere Untersuchung führfe mich zu dem Resultat, daß hier eine Marchantiacee vorliegt, welche mit der von Griffith vor langer Zeit beschriebenen, seither gänzlich verschollenen Gattung Monoselenium identisch oder ihr doch nahe verwandt ist. Um diese Behauptung zu stützen ist es not- wendig, zunächst auf Griffith’s Angaben näher einzugehen. 2. Eine verschollene Lebermoosgattung. In dem nach Griffith’s Tode herausgegebenen „Notulae ad plan- tas asiaticas“t) wird im II. Teil Monoselenium beschrieben, Der Freund- lichkeit von Colonel Dr. Prain verdanke ich eine Abschrift der in Kew befindlichen handschriftlichen Bemerkungen von Griffith, welche im folgenden wiedergegeben sei. Der Name wird erklärt „nomen ob pe- dunculum unisulcatum“, Die Beschreibung in Griffith’s Manuskript lautet: 1) Posthumous papers. Notulae ad plantas asiaticas, Part II (1849), pag. 341. Archegoniatenstudien. 49 „No. 2. Monosolenium. — Iconogr. Assam, t. 39, t. 2. Asgregata, caespites densos informes formans. Frondes depressae, amoene virescentes, tenerae, membranaceae, spathulatae, simplices vel divisae, subrepandae, apice bilobae, infra radicantes praesertim secus venam unicam centralem erassam purpurascentem. Anatomia cellulosa, cellulis!) laxis rotundatis oblongisve, paginae inferioris in radieulas saepe elongatis. Cuticula?) prorsus nulla. Radiculae longae, simplices saepe undulatae, hyalinae, teniores vacuae granulas numerosäs conti- nentes, his receptaculi intra involuera ortis et in pedunculi suleum de- eurrentibus. Receptaculum peltatum, breviter peduneulatum,. lobatum, supra eoncavum et punctis®) multis albis opaeis notatum, marginibus erectis undulatis inflexis- infra plicato-convexum,. Pedunculus linealis, supra vel postice sulcatus, sulco radiculas receptaculi foventes. Thecae globosae, tot quot lobi receptaculi et iis alternantes, brevissime stipitatae sitae (et reconditae) in fundo cavitatis e duplicatione frondis ortae, extror- sum hiantes, oris margine supero truncato, stylo theca duplo breviore apice dilatato, medio spacelato coronata, e membrana cellulosa. Theca interna membranacea, tenuissima, e cellulis lineari-angulatis, cellularum vestigiis hine illine adhaerentibus.. Sporula junior £luido _ mucilaginoso immersa, filis irregularibus grumosis immixta, constantia e cellulis ovatis massam grumosam continentibus, Involuerum e duplicatura frondis ortum -—- supra planum, infra plieato-convexum — extrorsum hians oris margine supero truneato. In receptaculi pagina inferiore insidentes vidi corpora bina approximata theeiformia, e cellulis irregularibus superimpositis singulis seriebus. Juneturis seriei elevatis et plicam quasi referentibus. apiee planiuseulo e cellulis radiantibus, his disei minimis obovatis. Dehiscunt lapsu hujus membranae tumque theca apice multidentata. Cellularım serie quaque cellulam unicam fibre spirali donatam referente — Nuda tantum vidi. Legit Wallichius primo in agris arenosis Cheikwar cum Anthero- ceroti arctissime mixtum. Postremum reperi in sylvis Theae in humidis copiose vigentem. Sporula maturiora e nueleo 3-nato rarius 4-nato grumoso in cellula eontent. mixta cum cellularam vestigiis quam maxime irregularibus. 1) Venae cellulis elongatis densis, 2) Unter Cuticula verstand Griffith die Epidermis (efr. a. a. O. pag. 324), er teilt die Marchantiaceen ein in „Cuticulosae und Eeutieulosae“, zu letzteren ge- hört Monoselenium (G.). 3) Punctis e presentia receptaeulorum Muidi mueilaginosi. Flora, Bd. 101. 50 K. Goebel, Flos maseulus epiphyllus in nervo sessilis et infra flor. foemineum carnoso-rotundat. depressus, superficie papillosus. Antherae celllulosae nucleum grumosum eontinentes in excavationibus floris reconditae. Gemmae nullae. Flores foeminei an solitarii. Als besonders charakteristisch sei aus dieser Beschreibung hervor- gehoben: 1. Monosolenium ist eine Marchantiacee mit einem sehr einfachen Thallusbau, ohne Luftkammern, die Farbe des Thallus wird später oft dunkelrot. 2. Sie besitzt eine monoecische Verteilung der Träger der Sexual- organe. Die männlichen stehen hinter den weiblichen, erstere stehen ohne Stiel] auf der Thallusmitte, letztere sind kurz gestielt. Der Stiel hat auf dem Querschnitt eine Furche, der Hut ist oben vertieft, gelappt und mit weißen Punkten besetzt. — Auf andere Merkmale wird später einzugehen sein, zunächst sei die Pflanze selbst beschrieben. Es sei nur noch erwähnt, daß ge- trocknete Exemplare der Griffith’schen Pflanze weder in Kew noch (nach freundlicher Mitteilung von Capt. Gage) in Kalkutta vorhanden sind. Auch in anderen Herbarien habe ich vergeblich darnach gesucht. 3. Beschreibung der Pflanze aus Kanton, Es wurde oben schon bemerkt, daß ihr Habitus (auch durch die heligrüne Färbung) an den der Pellia-Arten erinnert. Nur ist der Thallus dünn und durchscheinend, so daß man von oben den Verlauf der der Thallusunterseite angeschmiegten Zäpfchenrhizoiden erkennen kann. Diese können auf den ersten Blick den Anschein erwecken, als ob hier eine rudimantäre Felderung vorkäme, wie sie bei Dumortiera auftritt. Indes ist eine solche, wie wir sehen werden, überhaupt nicht vorhanden. Namentlich an trocken gehaltenen Kulturen sieht man dem Thallus nahe den Rändern nicht selten kleine weiße Körper aufliegen. Die naheliegende Annahme, sie möchten aus Caleiumearbonat bestehen, 'be- stätigte sich nicht. Wahrscheinlich entstammen sie den Schleimpapillen der Ventralschuppen, welche am Vegetationspunkt nach der Thallus- oberseite übergreifen. . Außerdem ist der Thallus (ebenso wie das weibliche Receptaculum). mit zahlreichen weißen Punkten versehen. Diese sind aber nicht durch die Schleimzellen bedingt (wie Griffith annahm), sondern durch die Ölzellen, welche bei auffallendem Lichte hell, bei durchfallendem dunkel * Archegoniatenstudien. 51 erscheinen. Da die Ölzellen seit Stahls Untersuchungen wohl mit Recht als Schutzmittel des Thallus gegen Tierfraß betrachtet werden, sei erwähnt, daß sie bei Monosolenium — wenigstens unter den hiesigen Verhältnissen — nur einen ungenügenden Schutz darbieten. " Meine Kulturen waren nicht selten bös zerfressen. Namentlich waren die Spitzen der Thallusäste abgenagt. Vielleicht leiden sie des- halb mehr, weil hier die Ölzellen noch nieht ganz fertig sind, und das Gewebe besonders zart ist. Wenn man die Töpfe ganz unter Wasser taucht, kommt der Schuldige -—— eine kleine Nacktschnecke — zum Vorschein und kann dann vertilgt werden. Möglich, daß im Vaterland der Pflanzen solche Nacktschnecken entweder nicht vorkommen, oder andere Pflanzen vor- finden, die ihnen mehr zusagen als Monoselenium, auf welches sie in den Reinkulturen der Töpfe allein angewiesen waren. Auch Monoclea leidet übrigens in unseren Kulturen stark von Schneckenfraß, während Marchantia, Corsinia u. a. meist ganz verschont bleiben. Übrigens erholten sich nach Tötung der Schnecken die Mono- seleniumkulturen rasch. Sie trieben unterhalb der zerstörten Scheitel ventrale Sprosse aus, welche in verhältnismäßig kurzer Zeit auf dem lehmigen Boden kräftig heranwuchsen. Obwohl der Nachweis, daß es sich um Monoselenium handelt, erst später geführt werden kann, sei doch die Pflanze jetzt schon so bezeichnet. Monoselenium ist eines der raschwüchsigsten Lebermoose, welche ich kenne. Die kleinen Thallusstücke, die ich ursprünglich ge- funden hatte, ergaben in einigen Wochen eine aus reich verzweigten großen Pflanzen bestehende Kultur. Auch die Keimung erfolgt sehr rasch: am 18. März ausgesäte Sporen hatten am 27. April schon einen mit bloßem Auge sichtbaren, meist schon gegabelten Thallus entwickelt. Diese Raschwüchsigkeit wird mit bedingt durch die hygrophile Aus- bildung des dünnen Thallus, wir finden sie ja namentlich auch bei Wasserpflanzen, Was die Größenverhältnisse anbelangt, so sei erwähnt, daß der Thallus eine Breite von etwa 0,6 cm, eine Länge von über 4 cm mißt und sich wiederholt gabelt (Fig. 8), selbstverständlich sind die Größen- verhältnisse je nach der Ernährung schwankend. Die Farbe ist gewöhnlich das eigentümlich helle Grün (laete viridis der Systematiker) wie es für Pellia und Moerkia unter den thallus- losen Lebermoosen charakteristisch ist. Doch fanden sich auch, namentlich bei Pflanzen, welche dem Rande der Tonschalen angeschmiegt wuchsen, solche, welche das dunklere Grün aufweisen, welches für die meisten 4* 52 K. Goebel, Aneura-Arten bezeichnend ist. An älteren Thallustrieben findet sich eine dunkelrote Färbung, welche gewöhnlich zunächst auf die Mittel- region des Thallus beschränkt ist, sich aber auch weiter seitlich — “schließlich auf die ganze Thallusbreite — erstrecken kann. Sie beruht, wie bei anderen derartigen Fällen, auf einer Farbstoffeinlagerung in die Zellenmembranen hauptsächlich der Thallusunterseite, aber auch im oberen Teil kann später dieselbe Färbung auftreten und sogar die Zellenwand der Rhizoiden!) (meist die der Zäpfchenrhizoiden) zeigt sich oft schön violettrot gefärbt, während sie normal farblos sind. Ventralsprosse wurden an unver- letzten Pflanzen nicht beobachtet. Daß ef aber die Fähigkeit solche zu bilden vorhanden ist, zeigt nicht nur die oben angeführte Beobachtung an ? Pflanzen, welche ihren Scheitel ver- loren hatten, sondern auch die, daß Ventralsprosse an Pflanzen, deren : weibliche Stände keine Embryonen ! gebildet hatten, in oft erstaunlicher ! \ Fülle auftreten. Sie bilden sich hier MA meist in Mehrzahl (bis fünf) dicht Fig. 3. Schnitt durch einen Thallus, ZUSammen, s0 daß sie teilweise aus auf welchem ein Antheridienstand (J) gemeinsamer Basis zu entspringen und nden. Arhegonienstand (3) sich scheinen. Diese Sprosse gehen in zwei Ventralsprosse (4.4) entstanden, ihrem Scheitel rasch zur Bildung von Be a au Bade yaiblicht Ständen“ über, meist sind. es weib- größert). liche, seltener männliche, auf welche dann meist sofort ein weiblicher folgt. Auf die „androgynen“ Stände wird unten zurückzukommen sein. Der kurze vegetative Teil dieser Ventralsprosse ist vielfach etwas abnorm gestaltet, der Flügel fehlt zum Teil, namentlich unten, die Basis erscheint dann stielartig?), ist stellen- weise einseitig entwickelt oder in einzelne Lappen geteilt. Daß diese Ventralsprosse so rasch zur Bildung von Sexualorganen übergehen, erinnert an die Erscheinung, daß auch bei Adentivsprossen, welche aus Blättern blühender Pflanzen entstehen, in manchen Fällen 1) Bekanntlich finden sich gefärbte Rhizoiden normal bei einigen Junger- maniaceen, z. B. Fossombronia-Arten. 2) Derartige Stände können leicht Anlaß zu der irrigen Annahme geben, als ob Monoselenium zu den Marchantiaceen gehöre, welehe gestielte Stände besitzen. Archegoniatenstudien. 53 die Blütenbildung rascher eintritt, als an den anderen Blättern ent- stammenden. Die eigentümliche Ventralsproßbildung an den männlichen Ständen wird unten zu schildern sein. Als Veranlassung der reichlichen Ventralsproßbildung dürfen wir wohl die Anhäufung von Reservestoffen in den zur Fruktifikation schreitenden Thallusästen betrachten. Finden diese Baustoffe keine Verwendung bei der Embryobildung, so tritt Ventralsproßbildung ein, welche an besonders gut ausgestatteten Ständen auch trotz der Bildung von Embryonen eintreten kann. Der anatomische Bau!) des Thallus ist ein für eine Marchantiacee sehr einfacher. Vor allem fehlt die Luftkammerschicht voll- ständig. Sie wird auch am Scheitel nicht angelegt?). Es erinnert dies sofort an das freilich mit dem angeführten nicht ganz überein- stimmende Verhalten von Dumortiera. Indes sollen die Beziehungen zu dieser Gattung erst später erörtert werden. Ein Querschnitt durch Fig. 4. I. Querschnitt durch einen Thallıs schwach vergr.) nach Behandlung mit Jodjod- kalium. Die stärke- speichernden Zellen schraffiert. II. (stärker vergr.) Querschnitt durch den Thallusflügel. I. den Thallus zeigt, daß die Chlorophylikörper in der obersten und untersten Zellschicht des Thallus vorzugsweise vorhanden sind. Die mittlere Partie des Thallus. dient einerseits der Stoffspeicherung, anderer- seits der Stoffleitung. Behandelt man einen Querschnitt durch einen älteren Thallusteil mit Jod-Jodkalium (Fig. 4, 7), so tritt das Vorhanden- sein von Reservestärke (in großen zusammengesetzten Körnern) auf- fallend hervor. Nur eine zentrale Partie des Thallus führt, wie Fig. 4, 7 zeigt, keine Stärke. Es ist dies das durch engere, langgestreckte Zellen 1) Von diesem soll nur das für Monoselenium Charakteristische hervor- gehoben werden. Die so oft beschriebene Marchantiaceenanatomie hier nochmals anzuführen liegt kein Grund vor. 2) Der Satz „Ventralschuppen, Luftkammerschicht, Assimilationsgewebe und Atemöffnungen fehlen keiner zu den Marchantiaceen gehörigen Pflanze vollständig“ (Ernst, „Untersuchungen über Entwieklung ... von Dumortiera“, Ann. du Jardin botanique de Buitenzorg, II. Ser, Tome YII, pag. 154) hat also keine Gültigkeit mehr. Monoselenium ist eine unzweifelhafte Marchantiacee, hat aber keine Spur von Luftkammerschicht, Assimilationsgewebe und Atemöffnungen. 5A K. Goebel, ausgezeichnete Leitungsgewebe. Der diekere mittlere Thallusteil, welcher nach einigen Zählungen etwa 11 Zellen von oben nach unten aufweist — die Zahl mag aber, je nach den Ernährungsverhältnissen, etwas schwanken —, geht ganz allmählich in die Flügel über, welche auf einer ziemlich großen Strecke nur aus drei Zellschichten bestehen, dann, wie Fig. 4, // zeigt, in zwei und schließlich am Rande in eine Zell- schicht übergehen. Eine so starke Verdünnung der Thallusfllügel, die ja auch ihre Durchsichtigkeit erklärt, ist bei den untersuchten Du- mortiera-Arten nicht vorhanden, sie bedingt ja auch das „durchscheinende“ Aussehen des Thallus. Außer den erwähnten Assimilations-, Speicher- und Leitungszellen finden sich im Thallus noch zahlreiche Schleimzellen und Ölzellen. Beide sind gewöhnlich vereinzelt zwischen die übrigen Zellen eingestreut, die Schleimzellen fanden sich nie in der äußeren Zellage des Thallus, während die Ölzellen auch hier auftreten können; sie fehlen selbst der „Calyptra“ der Sporogonien nicht. Die Schleimzellen sind besonders charakteristisch und namentlich auch deshalb von Interesse, weil sie der Gattung Dumortiera nach den vorliegenden Untersuchungen ganz fehlen!, Der Schleim liegt der Zellmembran als dicker Belag auf. Die Zahl der Schleimzellen ist eine beträchtliche. Auf der Unterseite des Thallus befinden sich die Ventralschuppen und die Rhizoiden. Erstere sind in der Mittelregion des Thallus in großer Zahl vor- handen. Auf dem Querschnitt des Thallus erscheinen sie nur als niedere Leisten. Obwohl sie von zarter Textur und schmal sind (vgl. den Flächenschnitt Fig. 5, in welchem die Ventralschuppen meist quer ge- troffen sind), schützen sie den Vegetationspunkt, über den sie sich — ohne Ausbildung eines besonderen „Spitzenanhängsels“ — herbiegen, doch in ausgiebiger Weise. Namentlich auch dadurch, daß der Vege- tationspunkt durch sie mit einer Schleimkappe bedeckt wird. Der Schleim wird abgesondert von zahlreichen am Rande, teilweise auch in der Nähe des Randes auf der Fläche der Schuppen stehenden Schleim- papillen. An Keimpflanzen sind die Schuppen im Grunde nichts anderes als Schleimpapillen, deren Basalzellen sich zu einer kleinen Zellfläche entwickelt (Fig. 39, ZZ, ZZT). An älteren Pflanzen sind die Zellen der Schuppen chlorophylihaltig, was wohl mit der Dwurchsichtigkeit des Thallus zusammenhängt. Stärke ist in den Zellen der den Scheitel be- 1) Vgl. Ernst, Untersuchungen über Entwicklung, Bau und Verteilung der Infloreszenzen von Dumortiera. Annales du jardin botanique de Buitenzorg, IL Ser., Tome VII, 1908, Archegoniatenstudien. 55 deekenden Schuppen vorhanden. Sie liefert wohl auch das Material für die Schleimbildung. Nicht chlorophylihaltig sind die Schleimpapillen und die in den Schuppen befindlichen Ölzellen!). Auch die Seitenteile des Monoseleniumthallus besitzen Schuppen, aber in geringerer Zahl und Größe (vgl. Fig. 6, 7). Wie bei anderen Marchantiaceen können auch bei Monoselenium aus den Schuppen Zäpfehenrhizoiden entspringen. Die meisten aber ent- stehen direkt an der Unterseite des Thallus und verlaufen dem Thallus angeschmiegt nach der Mittelrippe hin, wo sie sich zu einem Strange vereinigen. Sie erreichen eine Länge von über 2 cm, und sind von Fig. 5. Fig. 5, Optischer Flächenschnitt durch die Scheitel- bucht eines Thallus, Zahlreiehe quergetroffene Ven- tralschuppen (welche sich über den Vegetationspunkt herlegen) sichtbar. Vergr. Fig. 6. Stärker vergrößert als Fig. 5. I. Flächen- ständige Schuppe der Thallusunterseite. Aus der Fir. 6 (in der Figur nach oben gekehrten) Basis entspringen 8». . Zäpfchenrhizoiden. II, Über den Vegetationspunkt herüberragendes Stück einer Ventralschuppe. Die Chlorophylikörper sind schematisch angedeutet, die Ölzellen durch Schraffierung ihres Ölkörpers. Die hellen Zellen am Rande sind Schleimpapillen. variablen Durchmesser. In manchen sind die zäpfchenförmigen Wand- verdiekungen ganz klein, punktförmig in anderen stärker entwickelt. Sie erreichen aber nie die starke Ausbildung, wie sie z. B. bei Marchantia sich findet. Die glatten Rhizoiden dringen meist direkt in den Boden ein, Trotz seines hygrophilen Baues hat also Monoselenium ein recht ausgiebiges Rhizoidensystem, dessen Vorhandensein mit das üppige und rasche Wachstum der Pflanze bedingen dürfte. Außerdem erfordert ein so leicht gebauter Thallus ein Verhältnis zu der viel „solideren“ 1) Bei Dumortiera sind nach Ernst die Zellen der Ventralschuppen ohne Chlorophyll (a. a. O. pag. 108). Indes ist solches hei dünnen Thalluszweigen von D. hirsuta vorhanden. 56 “_K. Goebel, Konstruktion eines Marchantiathallus natürlich auch weniger Baumaterial und kann deshalb rascher. aufgebaut werden. Die Träger der Sexualorgane. Monoselenium hat männliche und weibliche „Stände“ in monoe- eischer Verteilung. Und zwar stehen die männlichen Stände hinter den Fig. 7. Thallus mit Antheridienstand (»2} und Archegonienstand (77). Letzterer ist unbefruchtet geblieben. Es hat sich ein Ventralsproß (=) entwickelt, welcher einen neuen Archegonienstand hervorgebracht hat. Vergr. weiblichen auf der Rückenseite des Thallus, entweder unmittelbar (Fig. 7) (und zwar meist so dicht, daß viel- fach der dem männlichen Stand an- liegende Teil des weiblichen in seinem Ö QO Wachstum gehemmt wird) oder durch ein Thallusstück von ihnen getrennt [7 d (Fig. 9), wenn sich der Thallus vor dem männlichen Standpunkt gabelt, kommt das in Fig. 3 wiedergegebene Bild zustande, daß ein männlicher Stand hinter zwei weiblichen steht; Fig. 8. Thallus mit einem dorsalen seltener finden sich zwei unmittelbar Antheridienstand (J) und zwei termi- . 4: nalen Archegonständen (9). Vergr, Nebeneinander stehende Antheridien- stände. Die weiblichen Stände bilden gewöhnlich den Abschluß eines Thalluszweiges, doch können auch sie dorsal am Thallus auftreten, Die männlichen Stände sind bedeutend kleiner (etwa 2 mm im Durchmesser) als die weiblichen (welche einen Durchmesser von 7 mm « Archegoniatenstudien. 57 erreichen können) und mit zitzenförmigen Hervorragungen!) bedeckt, welche die Mündungsstellen der Gruben bilden, in welche die Anthe- ridien versenkt sind. Die Antheridienstände sind anfangs sitzend, später zuweilen ganz kurz gestielt, wobei der stielartige Teil ausgebaucht zu sein pflegt, etwa wie der Stiel eines Boletushutes. Zuweilen findet sich auf der Thallusoberseite eine langgestreckte zur Anheftung des Antheridienstandes hin verlaufende Erhebung (Fig. 9 s2), welche ganz so aussieht, als ob der Stiel des Antheridienstandes mit der Thallusoberseite ver- wachsen wäre. Ich er- wähne diese Erscheinung, weil unten gezeigt werden soll, daß der Stiel der An- theridienstände in der Marchantiaeeen-Reihe eine so starke Rückbildung er- fährt, daß er schließlich ganz verschwindet. Dies ist auch bei Monoselenium der Fall. Gelegentlich aber treten Fälle auf, wie die erwähnten, in welchen es noch sozusagen zum Ver- suche einer Stielbildung kommt. Übrigens fehlt dem Stiele in diesem Falle Fig. 9. Thallus mit Antheridien- und Archegonien- Fur - izoid- stand, beide durch ein Thallusstück von einander : chen- und Rhizoid getrennt. Der Antheridienstand sitzt einer mit bildung, dem Thallus verschmolzenen stiellörmigen Er- i ;_ hebung (s2) an. Rechts unten ist der Thallus Ehe auf die Beschrei nk hen Antheridienstandes im (Querschnitt bung der Hüte näher ein- dargestellt. gegangen wird, sei noch erwähnt, daß gelegentlich auch androgyne Hüte vorkommen, und zwar solche, welche in ihrem vorderen Teile Archegonien, in ihrem hinteren Antheridien trugen (Fig. 10). Solche androgyne Stände sind bei Preissia und Dumortiera schon länger bekannt, und neuerdings von Ernst eingehend untersucht werden. Besonders eigentümlich ist zuweilen die Geschlechtsverteilung in .den an Adventivsprossen entstandenen weiblichen Ständen. Hier fanden 1) Ihre Größe ist indes sehr verschieden, bei manchen Antheridienständen treten sie kaum hervor. 58 K. Goebel, sich nämlich mehrmals Antheridien in den Archegoniengruppen (Fig. 11). Die Antheridien stehen dann ebenso wie die Archegonien frei auf der Thallusoberseite. Ob sie zur Reife gelangen, vermag ich nicht zu sagen, da ich in diesen Ständen keine ganz reifen Antheridien antraf; in manchen Fällen starben sie jedenfalls vor der Reife ab. Indes liegt auch kein Grund vor anzunehmen, daß dies stets eintreten werde. Wer der Pilanze „Zielstrebig- keit“ zuschreibt, wird dann vielleicht in diesen einge- sprengten Antheridien ein Auskunftsmittel erblicken, um die Befruchtung auch an diesen, sonst ja meist rein weiblichen Ständen zu ermöglichen. Bei der Seltenheit der Erscheinung ist aber das Mittel jeden- Fig. 10. Längsschnitt durch einen androgynen falls kein sehr wirksames. Stand. 77 unterer Teil der Hülle, welche später Ähnliches wird später von die Archegonien umgibt. Corsinia zu berichten sein. Bau und Entwicklung der Stände bedürfen einer genaueren Schilderung, da sie nicht nur für die Gattungscharakteristik sehr wichtig, sondern auch für die oben erwähnte Frage nach der Gesamtauffassung der Mar- chantiaceen von ausschlaggeben- der Bedeutung sind. Fig. 11. Archegoniengruppe eines weib- lichen Standes von unten. Links befindet Antheridienstände. sich in dieser Gruppe ein Autheridium. , . Außerdem sind 10 Archegonien darin (eins Die erste Andeutung der ist nicht sichtbar). der unter der 14 a neere, Jo der Bildung von Sexualorganen war in meinen Kulturen, welche den Sommer über steril üppig weiter gewachsen waren, in der ersten Hälfte des Oktober sichtbar. Man kann aus dem Verhalten in der Kultur selbstverständlich keinen sicheren Schluß auf das an den natürlichen Standorten ziehen. Immerhin aber erscheint es wahrscheinlich, daß auch an diesen die Entwicklung der Sexualorgane periodisch erfolgt, etwa im Oktober beginnt und die Sporenreife einige Monate darauf (in der Archegoniatenstudien. 59 Kultur waren Mitte Januar reife Sporogone vorhanden), etwa von Januar bis April erfolgt. Es ist dies von Interesse, weil Ernst!) von den von ihm in Java untersuchten Dumortiera-Arten angibt, daß sie keine Periodizität auf- weisen, er fand bie beiden dort wachsenden Arten in den Monaten November bis Juli stets fruktifizierend. . Von D. irrigua wird angegeben, daß in Irland die Früchte sich im März zeigen, aber erst im April und Mai des nächsten Jahres reifen ?). Eis wäre von Interesse zu erfahren, ob bei dieser Art eine erb- liche oder eine direkt induzierte Periodizität vorliegt. Die männlichen Fruchtscheiben entstehen in der Scheitelbucht des Thallus (Fig. 12). An der Oberflächenansicht zeigt sich, daß ebenso Fig. 12. Fig. 13. Fig. 12. Thallusscheitel mit jungem Antheridienstand. In I. von oben, in II. von unten. 4A Anlage des Ventralsprosses, welcher den Thallus fortsetzt. Fig. 13. Älterer Antheridienstand von oben. Die ältesten Antheridien sind mit Kreuzchen bezeichnet. 7 Scheitelbucht des Thallus. wie bei Dumortiera (vgl. Ernst a. a. O. p. 175) die Reihenfolge der Antheridienentwicklung, wenn man einen Antheridienstand mittlerer Entwicklung (Fig. 13) betrachtet, die ist, daß die ältesten Antheridien etwa in der Mitte der Scheibe liegen und von hier aus nach dem Rande hin jüngere Stadien sich finden. Am Rande bleibt die Scheibe länger embryonal. Hier entstehen demzufolge neue Antheridien. Diese lassen sich ebensowenig wie bei Dumortiera in einzelne Gruppen einordnen, von denen jede einem der Thallusvegetationspunkte 1) Ernst a. a. O. pag. 109. 2) Nees von Esenbeck, Naturgeschichte der europäischen Lebermoose, IV (1838), pag. 159. In den hiesigen Dumortierakulturen treten die Stände der Sexualorgane nicht das ganze Jahr auf, im Sommer waren z. B. keine vorhanden. Möglicherweise liegt das an der zu hohen Temperatur, 60 " K. Goebel, entsprechen würde, die sich am Aufbau des Antheridienstandes be- teiligen. Denn eine Ausgliederung solcher Vegetationspunkte findet hier nicht mehr statt. Doch ist der Rand der Scheibe zuweilen mehr oder minder stark gelappt. Die Lappen entsprechen wohl den Mittel- lappen, welche an den weiblichen Hüten so charakteristisch ausgebildet sind, sie wären dann an den männlichen Hüten als eine Art Rück- schlagsbildung zu betrachten. Für die Deutung der Hüte ist wichtig, daß sich auf ihrer Unterseite Zäpfchenrhizoiden und Ventralschuppen finden, wenn auch gegenüber andern Gattungen an Zahl und Größe sehr reduziert (Fig. 14.). % Namentlich aber ist; auch die oben erwähnte Entstehungsfolge der Antheridien von Bedeutung. Schon in seinen ersten Veröffent- lichungen über „Die Infioreszen- zen der Marchan- tiaceen“ hob Leit- geb als charak- teristisch!) für die ausVerzweigungs- systemen gebil- Fig. 14. Männlicher Stand, welcher ausnahmsweise einen detenAntheridien- gelappten Rand hat, von unten. Man sieht auf der Unter- ständehervor, daß seite Rhizoiden und Ventralschuppen. . 2.73 die Antheridien nicht mehr vom hinteren Ende des Standes nach vorn zu jünger wer- den, sondern daß eine zentrale Anordnung hervortrete. Im Zentrum befinden sich die ältesten Antheridien, von hier aus verlaufen gegen den Rand hin Gruppen sukzessiv jünger werdender Antheridien. Das stimmt auch für Monoselenium. Erwähnen wir schließlich noch, daß die Antheridienscheiben namentlich in der Jugend oft deutlich eine Aus- buchtung zeigen (Fig. 12) und sich so der für die Antheridienstände von Plagiochasma, Duvalia u. a. charakteristischen Halbmondform nähern. 1) Sitzungsber. der k. k. Akademie der Wissensch. in Wien 1880, pag. 7 des 8.-A. Archegoniatenstudien. 61 Besonders eigentümlich ist ihre dorsale Stellung. Es fragt sich, entstehen die Antheridienstände von vornherein in dieser Lage oder werden sie erst nachträglich .auf die Rückenseite verschoben? Mir ist es nicht zweifelhaft, daß sie terminal entstehen und sekundär auf die Thallusoberseite zu liegen kommen, dadurch, daß ein frühzeitig ent- stehender Ventralsproß sich bildet, welcher gemeinsam mit dem Thallus, welcher den Antheridienstand hergebracht hat, weiter wächst. Betrachtet man einen Sproß mit- Antheridienstand wie den in Fig. 12 abgebildeten von unten, so sieht man unterhalb des Antheridien- standes einen kleinen Vorsprung —. (A), welcher in der Flächenan- sicht in der Mitte weiter hervor- ragt als am Rande und sich an die noch embryonalen Seitenteile des Thallus ansetzt. Dieser Vorsprung ist in ganz Jungen Stadien noch nicht vor- handen, kann aber auf etwas schief verlaufenden Schnitten leicht durch die alsdann ge- troffenen Seitenteile des Thallus vorgetäuscht werden. Er überbrückt später die Scheitelbucht unterhalb der Scheibe, setzt sich an die noch R L hnitt durch ei . 2: ri ig. 15. Längsschnitt durch einen ganz jungen meristischen Thallusränder neben Antheridienstand. x Unterer Rand des ver- dem Antheridienstand an und breiterten Vegetationspunkts, » Stelle, an der verschiebt mit ihnen fortwachsend der ventrale Seitensproß später auftritt, die Scheibe auf die Thallusoberseite. Mit anderen Worten, es bildet sich unterhalb des Antheridienstandes sehr frühzeitig ein ventraler Seitensproß, welcher sich in die Verlängerung des Thallus einstellt. Diese Auffassung wird bestätigt durch die Untersuchung von Längsschnitten. Das jüngste beobachtete Stadium ist in Fig. 15 abge- bildet. Der Vegetationspunkt des Thallus hat hier eine Verdickung erfahren. Es ist eine deutlich in der Längsrichtung des Thallus liegende Hervorwölbung entstanden, in der fächerförmig divergierende Antiklinen bemerkbar sind. Der Scheitel lag ursprünglich bei x, er ist gegenüber der Unterseite des Thallus etwas hervorgewölbt. In der bei » liegenden Einbuchtung treten lebhafte Zellteilungen auf, hier bildet sich der Scheitel des Ventralsprosses, welcher den 62 K. Goebel, Thallus fortsetzt. In späteren Stadien ist die Trennung des Antheridien- standes vom Thallus eine deutlichere, schon deshalb, weil am ersteren allmählich eine Verbreiterung des oberen Teiles hervortritt, wodurch Fig. 17. Fig. 16 u. 17. Tängsschnitte durch junge Antheridien- stände (vergr.). Erklärung im Text. der untere dann als Einschnürung (Stiel- anlage) erscheint (Fig. 16, 17). Gleich- zeitig tritt der Vege- tationspunkt des Ven- tralsprosses deut- licher 'hervor ( Fig. 16, 17). In Fig. 16 ist eine Ventralschuppe des Antheridienstan- des getroffen, welche der 'Thallusoberseite zugekehrt ist. Es ist ja der ganze Rand der Antheridien- scheibe meristisch. In Fig. 18 ist schon im wesent- lichen die dorsale Stellung erreicht, von welcher wir aus- gingen, der Ventral- sproß hat sich ganz in die Verlängerung des Thallus gestellt, aus dessen Ende der Antheridienstand hervorging. Er schreitet entweder sofort zur Bildung eines AÄrchegonien- standes oder wächst zunächst vegetativ weiter und bildet den Archegonienstand erst später. Archegoniatenstudien. 63 Solche Ventralsprosse sind ja bei Marchantiaceen durchaus nicht selten. Namentlich finden sie sich auch an Infloreszenzen, vielfach nicht nur bei solchen, welche abortieren, sondern auch bei normal funktio- nierenden. So z. B. bei Preissia. Fig. 19 stellt ein Thallusstück dar mit einem weiblichen Stande /,. An dessen Basis hat sich ein Ventral- sproB N gebildet, welcher aber mit dem alten Thallus, dessen Abschluß J: bildet, nur durch eine schmale Ansatzstelle zusammenhängt. Dies erklärt sich ohne weiteres dadurch, daß der Ventralsproß, wie der Längsschnitt Fig. 20 zeigt, hier erst viel später entsteht, resp. sich viel langsamer entwickelt als bei Mo- noselenium. Denkt man sich aber in Fig. 19 die bei Z mit selbstän- digen Flügeln versehenen Thalli statt dessen miteinander vereinigt, . . so erhält man einen scheinbar auf der ne Hi I ae enicklung in Thallusoberfläche entspringenden welchem Antheridien schon angelegt Stand. Es ist also der Antheridien Tr hr ernen des Akiher stand von Monoselenium keine dor- ridienstandes. sale Wucherung, wie es zunächst Fig. 19. Fig. 20. Fig. 19. Preissiana commutata. Thallus von oben, vgl. Text. Zweimal vergrößert. Fig. 20. Längsschnitt durch einen Thallus von Preissia commutata mit jungem Archegonienstand. 4r. Archegonium, Ad, Anlage eines Ventralsprosses. den Anschein hat, sondern er entspricht einem aus Scheitelverzweigung hervorgegangenen Sproßsystem, welches frühzeitig durch Bildung eines Ventralsprosses auf die Thallusoberseite verschoben wird. Es wird auf die meiner Ansicht nach für die Gesamtauffassung der Marchantiaceen und Riceien wichtige Bedeutung dieses Verhaltens unten ein Zusammen- hang mit anderen einzugehen sein. — Hier sei nur noch folgendes hervorgehoben. Einmal die Tatsache, daß auch in den Ständen anderer 64 K. Goebel, Marchantiaceen die bei Marchantia, Preissia u. a. so auffallend hervor- tretende Zusammensetzung mit verschiedenen, durch Gabelung ent- standenen Strahlen sehr zurücktritt. So z. B. bei Fegatella, wo sie bei den männlichen und weiblichen Ständen zwar entwicklungsgeschicht- lich noch zu erkennen, aber so schwach ausgeprägt ist, daß Leitgeb im Zweifel war, ob er diese Gattung seinen „Compositae“ zuzählen solle. Nach den Untersuchungen von Cavers und Bolleter ist aber daran nicht zu zweifeln. Für Dumortiera wurde schon erwähnt, daß dort die Teilung der männlichen Stände in einzelne Vegetationspunkte ebenso verwischt ist, wie bei Monoselenium, in beiden Fällen ist die zentri- fugale Entwicklungsfolge der Antheridien noch der letzte Rest, der auf die ursprüngliche Zusammensetzung des Standes hindeutet. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 21. Thallus mit dorsalem Lappen. 7 Vegetationspunkte, Fig. 22. Thallus mit kümmerlichem dorsalem Archegonstand. .S Ventralschuppen. Zweitens ist, wenn die männlichen Stände, wie hier nachzuweisen versucht wurde, den weiblichen homolog sind (während das bei der Leitgeb’schen Auffassung bei den pag. 46 angeführten, mit Mono- selenium übereinstimmenden Marchantiaceen nicht der Falle wäre), fol- gendes verständlich: 1. Das Vorkommen androgyner Hüte. Wären die männlichen Stände dorsale Thalluswucherungen, so würden diese androgynen Hüte in ihrem hinteren Ende solche dorsalen Auswüchse, in ihrem vorderen Archegoniatenstudien. 65 Verzweigungssysteme darstellen, während sie nach der hier vorge- tragenen Auffassung einheitlich organisiert sind. 2. Die Tatsache, daß auf der Unterseite der männlichen Mono- seleniumstände Ventralschuppen sich finden, welche zwar in geringerer Zahl und Größe als sonst auftreten, aber mit den normal auf der Thallusunterseite vorkommenden Ventralschuppen ganz übereinstimmen, Ebenso finden sich, wenngleich spärlich, Zäpfehenrhizoiden an der Unterseite (und am Rande) männlicher Hüte. Auf: dorsalen Thallus- wucherungen sind aber Rhizoiden nicht zu erwarten. 3. Das gelegentliche Vorkommen von sterilen, ihr Wachstum bald einstellenden aber mit einigen Rhizoiden versehenen grünen Lappen Fig. 23. Metzgeria furcatı. 4 Querschnitt durch einen männlichen, 3 durch einen weiblichen Sproß. auf der Thallusoberseite (Fig. 21). Diese sind offenbar abortierte männliche Stände, bei welchem infolge frühzeitiger Hemmung der Anthe- ridienbildung eine vegetative Entwieklung eintrat. Das Wachstum wurde aber bald eingestellt und durch den Ventralsproß weitergeführt. Diese Auffassung wird gestützt durch das Vorkommen ganz kümmerlicher Antheridienstände, welche aber noch einige (in einem Fall) drei Anthe- ridienanlagen haben. 4. Die Tatsache, daß zuweilen auch die — unzweifelhaft terminal angelegten — Archegonienstände in derselben Weise dorsal verschoben werden (Fig. 22). Damit ist nachgewiesen, daß Antheridien- und Archegonienstände von Monoselenium einander homolog sind, So ist es auch bei allen Flora, Bd. 101. 5 66 K. Goebel, anderen thallosen Lebermoosen, wenn auch die Tragsprosse der ver- schiedenen Leistung entsprechend verschieden ausgebildet sind. So zeigt z. B. Fig. 23 A u. 3 je einen Querschnitt durch einen männ- lichen und einen weiblichen Thallusast von Metzgeria furcata. Arche- gonium und Antheridium stehen an derselben Stelle der Thallusober- seite, nur ist im weiblichen Aste die Mittelrippe viel entwickelter als im männlichen; hier kann eine ausgiebige Stoffzufuhr und Stoffablagerung für die Embryonen stattfinden, während die männlichen Äste nach Ent- leerung der Antheridien zugrunde gehen. Die stärkere Entwicklung der Mittelrippe hat wohl die des Flügels korrelativ gehemmt. Dasselbe gilt für alle andern thallosen Jungermanniaceen, überall stimmen Antheridien und Archegonien in ihrer Stellung überein, selbst da, wo die antheridientragenden Äste eine so starke Rückbildung erfahren haben, wie bei Hymenophytum flabellatum !). Da, wie oben erwähnt, auch bei einer Anzahl Marchantiaceen dieselbe Homologie männlicher und weib- 7 licher Stände klar her- > vortritt — eine Homo- logie, die sich auch darin ausspricht, daß die Archegonien ebenso wie die Antheridien auf der Thallusoberseite entstehen, obwohl sie im fertigen Zustand Fig. 24. Nicht ganz medianer Längsschnitt durch iel j auf einen Thallus mit Antheridienstand und Archegonien- vielfach scheinba r stand. Im Antheridienstand ist durch den Schnitt der Unterseite sich fin- ein Antheridium herausgerissen worden, es zeigt seinen den —- so wäre es ver- langen, gebogenen Stiel, . . a BR wunderlich, wenn bei anderen eine Ausnahme sich finden sollte. Bei Monoselenium liegt eine solche Ausnahme nach dem oben dargelegten nur scheinbar vor. Die Antheridienstände entsprechen vielmehr Verzweigungssystemen, obwohl sie dorsal auf dem Thallus stehen. Das wird die Möglichkeit bieten, später auch andere scheinbare Ausnahmen als abgeleitete Bildungen zu erkennen. Das Antheridium weicht in seiner Gestaltung wie in seiner Ent- wicklung von dem der übrigen Marchantiaceen einigermaßen ab. Ge- wöhnlich zeichnen sich die Marchantiaceen-Antheridien aus durch keulen- 1) Goebel, Archegoniatenstudien, X. Flora 1906, Bd. 96, pag. 115. Archegoniatenstudien. 67 förmige Gestalt (während die der Jungermanniaceen mehr der Kugel- form sich nähern) und durch einen kurzen Stiel. Die von Monoselenium nähern sich der Jungermanniaceenform. Sie sind verglichen mit Mar- chantia, Fegatella u. a. mit einem kürzeren Körper und einem längeren Stiel versehen (Fig. 24). Letzterer besteht aus einer Zellreihe, deren Zahl 6 erreichen kann; öfters, aber nicht immer, sind die Stielzellen der Länge nach geteilt; da die Antheridien in Höhlungen eingeschlossen liegen), welche eine Geradestreckung des Stieles nicht immer gestatten, so ist dieser öfters gekrümmt. Zum Vergleich ist in Fig. 25,2 der massive Stiel eines Antheridiums von Dumortiera irrigua dargestellt; Fig. 25, z zeigt den sonderbaren schnabelförmigen Fortsatz der Wand, welcher sich in den engen Kanal des Ausmündungsganges der Anthe- ridienhöhle eindrängt und ihn für die Spermatozoiden offen hält. Wie bei allen Marchantiaceen, stehen auch bei Monoselenium die Antheridien in Gruben. Ursprünglich ragt die Anthe- ridienmutterzelle über die Ober- fläche des Trägers etwas hervor (Fig. 26, r), später wird sie in eine Grube versenkt, aus deren Wand im unteren Drittel außer- dem einige Schleimpapillen zu entspringen pflegen) (Fig 26,7). I Während nun bei den übrigen _ " on 1 Line. Marchantiaceen der Körper des EI, 2°, Dumas Ara, Ware Antheridiums aus einer Anzahl sehieht eines Antheridiums. Il. Dessen von Querscheiben entsteht, in Stiel. (Vergr.) denen Quadrantenteilung und dann Sonderung von Wandschicht und Innenzellen stattfindet®), schließt sich die Antheridienentwieklung von Monoselenium der von Sphaerocarpus an, indem der Anthe- ridienkörper gewöhnlich aus zwei (selten aus drei Fig. 26, zo, oder auch aus einer) Zellen am Ende der Antheridiumanlage hervorgeht (Fig. 26, 5, 7). In diesen findet dann die übliche Quadrantenteilung statt (Fig. 26, zz). Aber nicht selten ist die Teilung auch eine weniger 1) Gewöhnlich ist in jeder Grube nur ein Antheridium, mehrmals traf ich auch zwei an. 2) Diese können auch zu — sogar verzweigten — Zellreihen werden, ge- wöhnlich sind sie aber einzellig. 3) Goebel, Organographie, yng. 240. 68 K. Goebel, regelmäßige und nähert sich der, welche für die meisten Junger- manniaceen charakteristisch ist. Für diese gilt bekanntlich die Regel, daß in der Antheridiummutterzelle eine Längsteilung auftritt, welche die Zelle halbiert. In jeder Tochterzelle treten nun zwei Wände auf, welche schief zur Außenwand verlaufen. Ich habe früher!) die Ansicht zu be- gründen gesucht, daß diese Wände verschobene Quadrantenwände seien, wobei ein Quadrant steril bleibt, und zur Bildung der Antheridienwand benutzt wird. Die Entwieklung der Monoseleniumantheridien scheint mir diese Auffassung zu stützen. Außer Antheridien, welche die normale Quadrantenteilung zeigen (Fig. 26, 5, 9, zz) finden sich hier nämlich solche, die im Querschnitt vollständig, oder in einer Hälfte dem Jungermanniaceen-Antheridium gleichen (Fig. 26, $, zz, 75), indem die Wand xx sich nicht rechtwinklig, sondern schief zur Außenwand ansetzt. 8. Fig. 26. Längsschnitte durch Antheridien verschiedener Entwieklungsstadien. Vgl. den Text. Außerdem sehen wir die sonst median verlaufende erste Längs- wand gleichfalls nicht selten schief zur Längsachse orientiert (Fig. 26, 2, 3, 6). Schon hier kommt also ein ungleiches Verhalten der beiden Schwesterzellen vor, von welchen wahrscheinlich gelegentlich die kleinere sich nur an der Wandbildung beteiligt. Es kommen sogar Teilungen vor, die an die der Laubmoosanthe- ridien erinnern (Fig. 26, 6). Also teils normale Quadrantenteilung wie bei Marchantiaceen, teils eine Übereinstimmung mit den Jungermanniaceen, ein Verhalten, welches 1) Goebel, Über Homologien in der Eintwieklung männlicher und weib- licher Sexualorgane. Flora 1902, Bd. 90, pag. 201. Archegoniatenstudien, 69 den Schluß rechtfertigen dürfte, daß das Verhalten der letzteren aus dem der ersteren abgeleitet ist. Auch in. betreff der Antheridien- entwicklung nimmt also Monoselenium eine gewisse Mittelstellung ein. Freilich ist nicht zu vergessen, daß bei der Schwierigkeit, welche die Verfolgung des Zellenaufbaues bietet, man bei anderen Formen sich ge- wiß vielfach mit der Feststellung besonders klarer typischer Fälle be- gnügt hat, die zuweilen wohl nur die Mittellinie bilden, um welche herum die Abweichungen sich gruppieren. Aber die Plastizität ist zweifellos eine ungleiche. Bei den Laubmoosen z. B. wird die Zellen- anordnung so weit bis jetzt bekannt ist (mit Ausnahme von Sphagnum) starr festgehalten, bei den Lebermoosen finden wir, wie die oben an- geführten Fälle zeigen eine viel größere Variationsbreite. Die älteren Antheridien zeigen eine starke Vergrößerung der Wandzellen, namentlich an der Spitze der Antheridien tritt diese schon frühzeitig ein, und erweitert auch den vorher engen Kanal der Anthe- ridiumgrube. Auch die Zellen, welche die Antheridienkammer aus- kleiden, nehmen später an Größe bedeutend zu, wahrscheinlich enthalten sie Schleim. Zweifellos erfolgt die Entleerung des .‚Spermatozoidenbaues durch den Druck, welchen die Wand auf den Inhalt ausübt, und zwar ist kaum zu bezweifeln, daß der Inhalt heransgespritzt wird, wie bei anderen Marchantiaceen mit sitzenden Antheridienscheiben. Da die Archegonienhälse, und mit ihnen die Ventralschuppen des Archegonien- standes nach oben gebogen sind, können sie dann leicht in Be- rührung mit spermatozoidhaltigen Tropfen kommen. Jedenfalls war die Embryobildung in meinen Kulturen eine sehr reichliche. Daß die weiblichen Stände aus der wiederholten Gabelung eines Thallus hervorgegangen sind, ist auch auch ohne entwicklungsgeschicht- liche Untersuchung klar. Die Archegoniengruppen, deren Zahl von 4 (an schwächlichen, als Adventivsprosse entstandenen Ständen) bis 10 schwankt, sind ge- trennt durch die Mittellappen, welche früh schon über den Rand der Scheibe vorspringen. Die Archegonien treten in jeder Gruppe in größerer Zahl auf (bis zu 12). Später wachsen diese Mittellappen zu den oben erwähnten nach außen verbreiterten Lappen aus (Fig. 27), deren Ränder nach unten ge- bogen sind. Sie tragen zahlreiche, nach der Mitte des Standes zu ge- richteten Rhizoiden, auch gelegentlich Ventralschuppen. Die Arche- gönien sind wie bei Dumortiera ohne Spur eines Perianths (Fig. 28) die Hülle, in welcher sie stecken, besteht aus zwei Teilen, einem unteren, welcher sich an die nach unten geschlagenen Ränder der Mittellappen 70 K. Goebel, ansetzt (/.o. Fig. 28) und einem oberen (.o. Fig. 28). Der untere Teil der Hülle geht aus dem weiter gewachsenen Thallusaste, welcher die Archegonien trägt, hervor, der obere stelit eine dorsale Wucherung dar. In Fig. 31 ist ein Längsschnitt durch eine ganz junge Arche- Fig. 27. Stück eines Hutes von oben. Man sieht zwei schon in einer taschenförmigen Hülle steckende Gruppen von Archegonien. S Ventral- schuppen, welche sich nach der Oberseite des Hutes hin biegen und Wasser festhalten. Bei dem zentralen Mittel- lappen ist der Verlauf der auf seiner Unter- seite entspringenden Rbizoiden durch Punktierung angedeutet. (Vergr.) goniengruppe gezeichnet. .‚S' ist der später zum untern Teil der Hülle aus wachsende Scheitel, an der mit /.o. bezeichneten Stelle entsteht später die Überwölbung. Fig. 28. Längsschnitt durch einen weiblichen Hut (Querschnitt durch einen Thallus). J.o. oberer, /.z. unterer Teil der Hülle. Man sieht bei dem geöffneten Archego- nium, daß sich die Zellen der Öffnungskappe isolieren. Demgemäß ist der untere Teil der Hülle (welcher wie Fig. 11 zeigt, zunächst im Wachstum gegenüber dem oberen zurückbleibt) später mit Ventralschuppen und Rhizoiden ausgestattet, welche an dem oberen selbstverständlich fehlen. Archegoniatenstudien. 71 . Auch bei Dumortiera hirsuta (vor 20 Jahren in Venezuela ge- sammelt) fand ich auf dem unteren Teil der Hülle Ventralschuppen. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse auch bei anderen Marchantiaceen, nur ist /.o. hier manchmal sehr dünn, /.. bei Marchantia z. B. verhält- nismäßig kurz!). Fig. 30 zeigt einen Querschnitt durch die Hülle von Fimbriaria africana, die zwar ebenso zustande gekommen ist wie die von Monoselenium aber eine beträchtliche Verschiedenheit des oberen und unteren Teils der Hülle zeigt, der erstere ist ein massiger Gewebs- körper, der letztere nur eine Zellschicht dick. Bei anderen Lebermoosen liegen ganz ähnliche Vorgänge vor, nur ist z. B. bei Monelea und noch auffallender bei Pellia /.z. der Thallus selbst, /.o. ein kleiner Auswuchs desselben. Fig. 30. Fimbriaria africana. Quer- schnitt durch die Hülle einer Arche- gongruppe. Z unterer Teil der Hülle, P Perianth eines (nicht gezeichneten) Archegoniums. Fig. 29. Längsschnitt durch eine junge Archegonien- gruppe (vgl. Text). Die Hülle von Monoselenium wird vor der Befruchtung angelegt, wächst aber nach dieser noch beträchtlich heran (Fig. 31 u. 32). dabei springen die Seitenteile der Mittellappen in mittleren Stadien oft be- deutend über /.z. vor, die Mündung der Hülle nach außen erscheint dann besonders weit. Die Fig. 32 zeigt auch, daß der weibliche Stand einen Stiel be- sitzt. Dieser bleibt aber äußerst kurz. Er tritt äußerlich gar nicht 1) Das „Perichaetium“ entspricht den nach unten eingeschlagenen Rändern der Mittellappen, welche häutig ausgewachsen sind, indes sind diese Ränder nach dem Stiel zu durch einen entsprechenden Answuchs des Vegetationspunktes ver- einigt. Vgl. die treffliche Abbildung von Sachs (Goebel, Grundzüge der Syste- mafik usw., Fig. 115, pag. 178). 72 K. Goebel, hervor, denn er verlängert sich auch nach der Befruchtung nicht. Es ist deshalb nicht ganz leicht über seine Beschaffenheit ins klare zu kommen, auch scheint diese nicht stets gleich zu sein. Fig. 31. Ein weiblicher Stand (mit Embryonen mittlerer Eintwieklung) von oben; etwa 12fach vergrößert. Fig. 32. Fig. 32. Desgl. von unten. in einer Hülle an, häufiger aber nur eines, wurde nicht im einzelnen verfolgt. Es sei deshalb nur hingewiesen auf die Abbildungen Fig. 35, -—3, welche zeigen, daß der Embryo anfangs schlank, fast spindelförmig ist, später aber mehr in die Breite sich entwickelt. Eine regelmäßige Quadrantenteilung tritt im Embryo Ein Querschnitt, wie der in Fig. 33,1 abge- bildete, zeigt eine Über- einstimmung mit der Beschaffenheit der zwei- rinnigen Stiele anderer Marchantiaceen (z. B. von Dumortiera, Fig. 35, III) darin, daß auch hier zwei durch eine mittlere Erhebung (welche gegen die An- satzstelle des Stiels hin schwächer wird Fig. 33, I getrennte Fur- chen. In diesen ver- laufen Rhizoiden, aber die Furchen sind im Gegensatz 2. B wu denen von Marchantia, Preissia u. a. weit offen, und die Rhizoiden ver- hältnismäßig spärlich. Sie entspringen übri- gens auch an anderen Stellen des Stieles. Von den Archegonien einer Gruppe werden öfters mehrere befruch- tet (Fig. 34) und man trifft auch nicht selten mehr als ein Sporogon Die Embryoentwicklung Archegoniatenstudien. 13 jedenfalls nicht immer auf, es verlaufen die ersten Längswände häufig schief. Er hat untere Zellen, die durch ihren dichten Inhalt sich als Fig. 33. I. und I. Querschnitte durch den Stiel eines weiblichen Standes von Mo- noselenium, TII. eines solchen von Dumortiera hir- suta, ein Haustorium bildend kennzeichnen, auch die dem Haustorium gegen- überliegenden Zellen der Kalyptra sind in ihrer Beschaffenheit von den yonen (2). Auf dem unteren Teil der Hülle sind Ventralschuppen und Rhi- zoiden getroffen Fig. 34. Querschnitt durch die Hülle eines rchegonienstandes mit 4 Embr Schleimzellen. A R% anderen verschieden (Fig. 35, 2). Die Nährstoffe, auf deren Kosten der Embryo lebt, werden zunächst, wenigstens teilweise, in dem unteren Teil des Archegonienbauchs gespeichert. Der Archegoniumbauch wächst g0- bei 4. die yo im Längs- ringförmigen Verdickungen ein- ; 2. befruchietes Arche präparierter Em- o im Längsschnitt; y r, frei —9, Elateren; 4. Fig. 35. 1. Embr schnitt ’ ’ nijum mit Embr 3. ältere bryo getragen. 74 K. Goebel, heran und wird bis über den Embryo hinaus mehrschichtig. Die Reife der Sporogonien zeigt sich durch das Dunkelwerden der durch die Hülle hindurchschimmernden Kapseln an, die zuletzt als schwarze, fast kugelige Körper (von ca. ®/,—1 mm) Durchmesser erscheinen. Wenn mehr als eine Kapsel aus einer Archegoniumgruppe hervorgeht, zeigen die weniger gut ernähr- ten nicht selten eine Verzwerg- ung, ihre Größe sinkt auf einen Bruchteil der normalen Kapseln herab. Namentlich erscheint der „Fuß“ der Kapseln dann nur noch als ein kleines Anhängsel (Fig. 36 rechts), was wegen des Fig. 36. Zwei fast reife Kapseln aus einer Vergleichs mit Sphaerocarpusu.a. Hülle im Längsschnitt. c Calyptra (nicht von Interesse ist. Die Sporen ganz median getroffen); s2 Stiel. gelangen trotzdem normal zur Reife, Die Kapseln zeigen einen sehr merkwür- digen Bau namentlich insofern, als hier eine Mitwirkung der „Ela- teren“ zur Sporenver- breitung nicht statt- findet, sondern die Ela- teren so stark rückge- bildet sind, daß sie unmittelbar den Über- gang zu den „Nähr- zellen“ von Corsinia, Riella und Sphaerocar- Fig. 37. Sporentetrade und „Elateren“ aus einer pus vermitteln. Be- fast reifen Kapsel. Vergr. kanntlich sind die Ela- teren der „typischen“ Lebermoose im reifen Zustand tote Zellen mit einer oder zwei schraubig gewundenen dunkelgefärbten Verdickungsleisten, gelegentlich kommen auch ringförmige Verdickungen vor. Diese Elateren übertreffen bei den sonstigen Lebermoosen die Sporen um ein vielfaches an Länge. Bei Monoselenium sind sie erstens Archegoniatenstudien. 75 verhältnismäßig sehr kurz und zweitens noch bei der Sporenreife mit lebendem Inhalt versehen (Fig. 37). Als durchschnittliche größte Länge der Sporen, welche in ihren Dimensionen wenig varüeren, fand ich 61 u. Viele „Elateren“ sind nicht länger, manche sogar etwas kürzer als die Sporen. Andere erreichen 70, 82, 95, 122 u. In einem extremen Falle betrug die Länge etwas über 160 a, so daß sie also schwankt. etwa zwischen 58 und 160 u. Nicht selten zeigen die Elateren auch Ansätze zu Verzweigungen (Fig. 38, 4-7). Das kommt ja auch bei anderen Lebermoosen vor. Immerhin ist es nicht überflüssig anzuführen, daß Griffith (a. a. O., Pl. LXXVB) solche Auszweigungen auch für sein Monoselenium abbildet. Nicht weniger schwankend als die Länge ist auch die innere Be- schaffenheit der Elateren. Daß sie lebenden Inhalt besitzen, wurde schon angeführt. Sie zeigen Chlorophylikörper (wie die „sterilen Zellen“ von Corsinia) und Stärke (aber in geringerer Menge als in unreifen Kapseln, in welchen auch die Sporenmutterzellen Stärke führen); auch der Zellkern ist deutlich wahrnehmbar. Viele haben gar keine Wandverdickungen, bei anderen treten sie in Gestalt einer zarten, farblosen Schraubenlinie, seltener von Ringen (Fig. 35, 4) auf. Vielfach ist die Verdickungsleiste so dünn, daß sie kaum wahrnehmbar ist. Nur verhältnismäßig wenige bringen es zu einer Braunfärbung ihrer schraubenförmigen Verdickungsleiste. Unter den zahlreichen untersuchten Elateren hatten zwei schraubenlinige Ver- diekungsleisten. Aber auch diese können wegen ihrer geringen Größe bei der Sporenverbreitung keine aktive Rolle spielen, man kann im physiologischen Sinne hier von „Elateren“ also eigentlich nicht mehr sprechen. Die Gestaltung dieser Zellen ist sehr bemerkenswert. Denn wir finden bei Monoselenium in einer und derselben Kapsel sterile Zellen („Blateren“) wie sie sonst auf verschiedene Marchantiaceen-Gattungen verteilt sind. Einerseits chlorophyllhaltige Zeilen ohne Wandverdickung, wie sie z. B. für Corsinia charakteristisch sind, andererseits solche, welche in ihrem Bau dem der „Elateren“ von Funicularia (Boschia) entsprechen. Über diese nur sehr wenig untersuchte Gattung liegen nur die An- gaben und Abbildungen von Leitgeb!) vor. Demnach scheinen die Elateren mit denen von Monoselenium in der Länge ziemlich überein- zustinmen (60—90 u). Aber „lebende“ Rlateren scheinen in der Kapsel 2) A. a. 0. IV, pag. 57. 76 K. Goebel, nicht vorzukommen, sondern nur solche mit wohlentwickelter Wand- verdickung. Funieularia ist, wie auch der Bau der Kapselwand zeigt, eine weniger stark rückgebildete Form als Monoselenium. Bei dieser Gattung zeigt die Betrachtung der „Elateren“ deutlich, daß sie gegen- über denen anderer Marchantiaceen als Hemmungsbildungen zu be- trachten sind. Sie behalten ihren lebenden Inhalt, zeigen hier und da noch Wandverdickungen, aber sehr reduziert. Sie bleiben also auf einem Stadium stehen, das für die Elateren anderer Marchantiaceen ein Durehgangs-, nicht das Endstadium ist, während die Sporenmutterzellen sich weiterentwickeln und verhältnismäßig bedeutende Größe erreichen. Der Inhalt an Chlorophyll, Stärke usw. den die reduzierten Elateren führen zu einer Zeit, in welcher die Sporen schon fertig sind, geht mit ihnen — anscheinend nutzlos — zugrunde, Die Sporen sind tetraödrisch. Sie hängen in ganz reifen Kapseln vielfach noch in Tetraden zusammen, was bekanntlich bei einigen Sphaerocarpus-Arten regelmäßig der Fall ist. Übrigens tritt bei den isolierten Sporen die Gestalt eines Kugeltetraöders nicht immer deutlich hervor, da die drei der gewölbten Grundfläche aufgesetzten Seiten nicht sehr hoch und die Kanten nicht verdickt sind; vielfach ist auch eine dieser Flächen kleiner als die beiden andern, was mit der nicht stets ausgeprägt-tetraödrischen Teilung der Sporenmutterzellen zusammen- hängt. Die Sporen fallen auf durch ihre Größe und ihre dunkelgefärbte, mit Netzleisten verdiekte Außenwand. Sie führen als Reservestoff namentlich Feft und sind unmittelbar nach der Reife keimfähig. Daß sie auch eine Ruheperiode durchmachen können, ist nach ihrem ganzen Bau wahrscheinlich. Der unter der Kapsel liegende sterile Teil des Sporogons streckt sich bei der Reife etwa auf das dreifache, aber hebt die Kapsel nicht auf einem Stiele über die gesprengte Calyptra empor, er wird zu einem zapfenförmigen Gebilde; die Kapsel ragt nur in ihrer oberen Hälfte über die gesprengte Calyptra heraus, so daß die Sporen nicht über den Rand der Scheibe hinaus gelangen würden, wenn sie nicht durch Wasser, Wind oder kleine Tiere fortgeschafft werden. Sie werden wohl durch Regengüsse fortgeschwemmt werden. Sollte das Substrat, auf welchem die Pflanze lebt, etwa zeitweilig austrocknen, so können sie natürlich auch mit dem Staub weiter geweht werden. Be- sondere Einrichtungen zur Übergabe der Sporen an die Luftströmungen besitzt die Pflanze aber, wie aus dem oben mitgeteilten hervorgeht, nicht. Denn weder erhebt sich der Stiel der Scheibe, an welcher die Sporogonien sitzen, noch hat letzterer einen deutlichen Stiel, noch wirken die Elateren bei der Sporenaussaat mit. Archegoniatenstudien. 77 Daß in den reifen Kapseln viele Sporen noch als Tetraden zu- sammenhängen, ist nicht nur des Vergleiches mit Sphaerocarpus !) wegen erwähnenswert, sondern auch deshalb, weil sich darin gleichfalls ein Stehenbleiben auf einem Entwicklungsstadium ausspricht, das andere Lebermoose in der reifen Kapsel schon hinter sich haben, es ist die Auflösung der Wände der „Spezialmutterzellen“ in diesem Falle unter- blieben. Dem entspricht auch der Bau der Kapselwand. Dieser ist an den ganz reifen Kapseln nicht ganz leicht zu untersuchen, weil diese außer- ordentlich leicht zerfallen; vielleicht verquellen die Mittellamellen nach längerer Befeuchtung. Wie bei anderen Marchantiaceen ist die Kapsel- wand einschichtig, nur am Scheitel mehrsehichtig. Sie ist dadurch aus- gezeichnet, daß ihre Zellen (ebenso wie die Elateren) bei der Reife noch Inhalt besitzen (der sogar schwach grüne Chromatophoren auf- weist). Dagegen fanden sich bei mehreren der untersuchten Kapseln keinerlei Wandverdickungen. Nur in dem am Scheitel liegenden mehr- schichtigen Teil der Kapselwand traf ich gelegentlich kleine Membran- strecken etwas verdickt und bräunlich gefärbt an. Bei anderen Kapseln traten aber noch Wandverdickungen auf, und zwar im oberen Teile. Wie bei den Blateren ist aber auch in der Kapselwand die Aus- bildung der Verdickungsleisten eine schwankende. In selteneren Fällen waren in den Kapselwandzellen fünf bis sechs ringförmige, sogar etwas braun gefärbte Verdickungsleisten. Öfter waren die letzteren farblos und in geringerer Zahl (ein bis zwei in der Zelle), auch nicht als voll- ständige Ringe ausgebildet. Zuweilen sieht man nur die Ansatzstelle des Ringes oder Halbringes, dieser selbst aber fehlt. Es ist also die Ausbildung der Zellen der Kapselwand — den anderen Marchantiaceen gegenüber — als eine rückgebildete zu be- zeichnen. Jedenfalls nimmt Monoselenium durch diesen einfachen Kapsel- bau eine Sonderstellung ein. Wie erwähnt, zerfällt die Kapselwand in einzelne Fetzen, teilweise sogar — aber seltener — lösen sich einzelne Zellen los. Die Sporenkeimung soll nur kurz besprochen werden (vgl. Fig. 38). Bekanntlich entsteht bei den typischen Marchantiaceen vom Ende eines Keimfadens eine „Keimscheibe“, die sich rechtwinklig zur Längs- achse des Keimfadens abplattet und am Rande zum Thallus auswächst. Daß diese Keimscheibe nicht etwa etwas Besonderes, einen von der 2) Vel. Fig. 214, pag. 321 in Goebel, Organographie, 178 K. Goebel, eigentlichen Pflanze unterscheidbaren Vorkeim“ darstelle, habe ich früher nachzuweisen versucht!). Auch bei Monoselenium tritt dies hervor. Aus der Spore entwickelt sich — und zwar in den beobachteten Fällen nicht an dem Scheitel, sondern seitlich (Fig. 38, 7) — ein sehr kurzer Keimschlauch; dieser bildet ein nicht durch eine Querwand ab- getrenntes Rhizoid?) (Fig. 38, r). Es ist auch später an seinem Chloro- phylimangel leicht erkennbar. Eine von diesem Keimschlauch deutlich abgesetzte Keimscheibe kam nicht zur Beobachtung, wenn auch manche Bilder durchaus an die bei andern Marchantiaceen beobachteten Stadien erinnern (Fig. 38, 7). Es zeigt der Keimschlauch meist frühzeitig eine (positiv hydro- tropische?) Krüm- mung, welche die an seiner Spitze ent- stehende junge Pflanze in horizon- tale Lage bringt (Fig. 38, 7, 9). Fig. 38, & zeigt ihn in Seitenansicht. Die Verbreiterung zu einer Fläche findet frühzeitig statt. Eine „zweischneidige“ Scheitelzelle, wie sie vorausgehend beiden Fig. 38. Keimung der Sporen in verschiedenen Marchantiakeim- Entwicklungsstadien. pflanzen gebildet wird, tritt bei Monoselenium jedenfalls nicht. regelmäßig auf. Man könnte in Fig. 38, 3, 5 eine solche annehmen, in Fig. 38, ro ist aber bei x offen- bar schon das Scheitelmeristem vorhanden, ohne daß eine zweischneidige Scheitelzelle vorangegangen wäre. Im übrigen möchte ich auf die Figuren verweisen, da eine eingehende Diskussion der Zellenanordnung kein besonderes Interesse darbieten würde. Auf die Entwicklung der Ventralschuppen an der Keimpflanze wurde schon früher aufmerksam gemacht (vgl. Fig. 39, II, II). Daß 1) Organographie, pag. 334; Archegoniatenstudien XT. Flora 1907, Bd. 97, pag. 219. 2) Vgl. das übereinstimmende derselben von Sphaerocarpus a. a. O. Archegoniatenstudien. 79 zunächst nur glatte, erst später Zäpfchenrhizoiden auftreten, ist eine wohl allen Marchantiaceenkeimpflanzen eigene Erscheinung. 4, Ist die beschriebene Form wirk- lich Griffith’s Monoselenium ? Das von Griffith als Mono- selenium beschriebene Lebermoos ist, wie oben erwähnt, seither voll- ständig verschollen, ebenso wie dies lange mit Calobryum der Fall war. Schon Mitten!) führt es in seiner Zusammenstellung der ostindischen Lebermoose als von ihm nicht ge- sehen an. In Stephani’s „species hepa- Hearum“) und in den „Natürlichen Fig. 39. I. Keimpflanze nach der ersten Pflanzenfamilien“3) wird es mit. Gabelung; Y Vegetationspunkte. II. und sinem Fragezeichen zu Cyathodium I as Yankmachuunen een Koi: gestellt, von Stephani speziell zu stärker vergrößert als 1, C. aureo-nitens. Das ist aber, wie die Angaben und Abbildungen von Griffith zeigen, ganz ausgeschlossen. Cyathodium hat im Thallus große Lufthöhlen, von Monoselenium gibt er ausdrücklich an, daß es keine „Epidermis“ habe (vgl. pag. 49). Es Fig. 40. Nach Griffith (!/, des Originals), links Längsschnitt durch einen Thallus mit männlichem und weiblichem „Stand“; rechts Längsschnitt dureh einen männ- lichen Stand. ist doch nicht anzunehmen, daß einem Beobachter wie Griffith ein so grober Irrtum untergelaufen sein sollte, daß er Cyathodium aureo- nitens (von ihm als Synhymenium aureo-nitens bezeichnet) zweimal unter verschiedenen Namen beschrieb. 1) W. Mitten, Hepaticae Indiae orientalis. Proceed. of the Linnean Society, Vol. V. 2) I, pag. 63. 3) 1,3, 1, pag. 27. 1) K. Goebel, Zweitens sitzen, wie Griffith’s Beschreibung und Zeichnung (Fig. 40) zeigt, die Antheridienstände von Monoselenium dorsal auf dem Thallus. Bei Cyathodium sind sie dagegen ventralen Ursprungs und stimmen auch in ihrer äußeren Gestalt nicht mit denen von Monoselenium überein (vgl. die Kopie der Griffith’schen Abbildung) (Fig. 42). Ebenso fehlen bei Cyathodium die Schleimzellen. Daß man Monoselenium vermufungsweise zu Oysthodium s stellte, ist aber wohl nur durch die Abbildung 11 und 12 bei Griffith be- gründet, welche zwei „Körper“ darstellt, die er auf der Unterseite der Receptaeulum fand (vgl. die Angaben auf pag. 49). Sie zeigen einen eigentümlichen Zellenbau und öffnen sich wie eine „Theca apice multi- dentata“, nachdem eine „Membran“ am Scheitel abgefallen ist. Das erinnert einigermaßen an die Cyathodium-Sporogonien, deren Wand nach Abfall des Deckelstückes oben acht Zähne zeigt. Aber diese „Corpora“ gehören meiner Ansicht nach gar nicht zu Monoselenium, was Griffith auch gar nicht behauptet. Denn er unterscheidet zwischen den theeae (Sporogonien) des Monoselenium, deren Lage er ganz zutreffend beschreibt (sie sitzen im Grund einer aus einer Duplikatur des Frons gebildeten Höhlung) und diesen auf der unteren Fläche des Trägers gefundenen „corpora theciformia“. Es ist dabei zu beachten, daß es sich bei Griffith nicht um eine ausgearbeitete Beschreibung handelt, sondern um posthum herausgegebene Notizen, und in der Figurenerklärung wird (Fig. 11) eines der corpora theciformia — bezeichnet als „curious thing adhering to the receptade“ — was die hier dargelegte Auf- fassung, daß sie sich nicht auf Monoselenium-Sporogonien bezieht, weiter als zweifellos erscheinen läßt. Die Vermutung, daß Griffith’s Monoselenium zu Cyathodium zu ziehen sei, ist also nicht aufrecht zu erhalten. Dagegen stimmt die oben beschriebene Marchantiacee so sehr in vielen Beziehungen mit Monoselenium überein, daß ich es als mit ihm identisch bezeichnen möchte. Da kein Vergleichsmaterial zur Verfügung steht‘), ist man allerdings auf einen Indizienbeweis angewiesen, der nicht als absolut sicher bezeichnet werden kann. 1) Das einzige Mittel, um Griffith’s Pflanze auch jetzt noch zu erlangen, wird also sein, daß man an den von ihm angegebenen Standorten darnach sucht. Ist die dort gefundene Pflanze mit der hier beschriebenen identisch, so dürfte das ein weiterer Beweis für die hier vorgetragene Auffassung sein. Kapt. Gage, der Direktor des botan. Gartens in Kalkutta, war so freundlich, Nachforschungen an ersterem in Aussicht zu stellen. Archegoniatenstudien. 81 Wenn man aber Griffith’s Beschreibung (pag. 49) mit der Schil- derung, welche oben von mir gegeben wurde, vergleicht, so sieht man, daß folgende besonders charakteristische Eigenschaften übereinstimmend): Beide Lebermoose haben Thallusäste, welche als „amoene virescentes, tenerae, membranaceae bezeichnet werden müssen, beide venam unicam centralem crassam purpurascentem“ Beide „receptaculum peltatum breviter pedunculatum, lobatum, et punctis multis opacis notatum, marginibus erectis undulatis inflexis-infra pli- cato-convexum. Bei beiden sitzen die Sporogonien „tot quot lobi receptaculi et iis al- ternantes“ und sitzen in einer nach außen weit klaffenden Hülle. Die Beschaffenheit der Kapselwand und der Elateren hat Griffith, welcher nur junge Kapseln hatte, nicht untersucht, hier kann also kein Ver- gleich stattfinden. Schließlich ist auch nicht ohne Bedeutung, daß sowohl Griffith’s Monoselenium als das hier beschriebene Lebermoos in Thee- pflanzungen gefunden wurden, wo sie offenbar nicht selten sind. Die einzige Differenz, welche man anführen könnte, liegt in der Beschaffenheit des Stiels des Archegonienstandes. Davon, daß er „unisulcatus“ ist, also im Querschnitt annähernd halbmondförmig, stammt ja der Gattungsname, der insofern nicht sehr bezeichnend ist, als es andere Marchantiaceen mit nur einer Stielfurche gibt. Eine so tiefe Furche, wie Griffith sie a.a. O., Pl. LXXVB. Fig.2, zeichnet, habe ich nicht gesehen, wohl ist der Stielgquerschnitt im unteren Teil annähernd halbmondförmig (Fig. 33), ent- hält aber zwei Rinnen mit Rhizoiden. Indes ist der Vorsprung zwischen den beiden Rinnen hier ein verhältnismäßig unbedeutender; namentlich nach der Basis des kurzen Stieles hin wird er noch kleiner; einmal fand ich auch nur ein Rinne. Es ist wegen der Kürze des Stiels nicht ganz leicht einen befriedigenden Querschnitt durch ihn zu erhalten, so daß mir die Annahme, daß Griffith das Vorhandensein zweier Furchen übersehen haben könnte, gerechtfertigt erscheint. Seine Zeichnung kann mich von dieser Annahme nicht abhalten. Abgesehen davon, daß ja in Ausnahmefällen auch einfurchige Stiele vorkommen, kann sie auch in anderer Beziehung nicht ganz richtig sein. Man sieht (a. a. 0. Fig. 2) statt der Ventralschuppen auf der Hutunterseite sechs Bündel von Gebilden, welche genau Staubblättern gleichen). 1) Die besonders in Betracht kommenden Eigenschaften sind hier dureh Sperrdruck hervorgehoben. 2) Es ist mir nachträglich klar geworden, wie diese sonderbare Zeichnung zustande gekommen sein wird. Griffith zeichnete offenbar die auf der Unterseite des Hutes nach dem Stiel hin ausstrahlenden Rhizoiden. Diese sind mit breiterer Flora, Bd. 101. 6 83 K. Goebel, Ich kann also, gegenüber den zahlreichen anderen Übereinstim- mungen, die Stielbeschaffenheit nicht als ausschlaggebend für die Nicht- übereinstimmung der vorliegenden Pflanze mit Griffith’s Monoselenium betrachten. Wenn ich ihr keinen neuen Namen gebe, so bewegen mich dazu in erster Linie die oben angeführten sachlichen Gründe, anderer- seits die hohe Achtung vor den Arbeiten von W. Griffith, und der Wunsch nicht einen Namen zu schaffen, der später doch als Synoym zu Monoselenium gezogen werden könnte. Sollte sich — was mir aber sehr unwahrscheinlich ist — je herausstellen, daß Griffith und ich verschiedene Pflanzen vor uns gehabt haben, so kann ja dann immer noch ein neuer Namen gebildet werden. Es fragt sich aber, ob Monoselenium überhaupt als selbständige Gattung berechtigt, oder etwa in eine der schon bestehenden einzu- reihen ist. Dabei wird man in erster Linie an Dumortiera denken, auf welche oben auch schon mehrfach hingewiesen wurde. Namentlich erinnert ja der merkwürdige Thallusbau von Monoselenium noch am meisten an den von Dumortiera. Bekanntlich ist auch bei Dumortiera eine eigenartige Reduktion des Thallusbaues den übrigen Marchantiaceen gegenüber zu beobachten; wie zuerst Leitgeb') zeigte, wird am Scheitel die Luftkammerschicht zwar noch angelegt, aber frühzeitig rückgebildet. In den „Pflanzen- biologischen Schilderungen“ 2) wurde auf die Beziehung dieser Erscheinung zu der Lebensweise der Pflanze hingewiesen und gezeigt, daß die Rück- bildung bei den verschiedenen Arten ungleich weit gehen kann. Es findet sich nämlich bei manchen noch ein Rest des den Luft- kammern entsprossenden Assimilationsgewebes, während andere davon nichts mehr aufweisen®). Die Luftkammerschicht wird aber auch bei den untersuchten Formen am Scheitel stets noch angelegt, wenn sie auch später am Thallus verschwindet. Zu denselben Resultaten gelangt später Ernst (a. a. O.): D. velu- tina zeigt noch ein deutliches Assimilationsgewebe, bei D. trichocephala sind nur noch wenige papillenförmige Assimilationszellen vorhanden, Basis dem „Mittellappen“ eingefügt. Diese Verbreiterung wurde bei der Wieder- gabe der Zeichnung zur Anthere, die Rhizoiden zu Filamenten! 1) Leitgeb, Über die Marchantiaceengattung Dumortiera, Flora 1880, Bd. 63, pag. 309; ferner Untersuchungen über die Lebermoose, VI, pag. 14, 1881. 2) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, II, pag. 222, 1898. 3) Die a. a. O. besprochene Dumortiera aus Ceylon dürfte wohl zu D. trichocephala gehören, von der wahrscheinlich auch Formen vorkommen, bei denen die Reste des Assimilationsgewebes ganz verschwunden sind. Archegoniatenstudien. 83 die an älteren Teilen des Thallus ganz verschwunden sind. Auch hier aber wird die Luftkammerschicht am Scheitel noch angelegt. Campbell!) fand bei D. triehocephala von den Sandwichs-Inseln dagegen auch am Scheitel keine Spur mehr von Luftkammerbildung und Assimilationszellen 2). Diese Form würde also mit Monoselenium übereinstimmen. Ob es tatsächlich verschiedene Formen von D. tricho- cephala gibt, welche unter denselben äußeren Bedingungen, eine verschieden weitgehende Reduktion ihres anatomischen Baues zeigen, bedarf der näheren Feststellung. Es könnte ja bei D. tricho- cephala ein ähnlicher Fall vorliegen, wie Giesenhagen?) ihn für Asplenium obtusifolium nachgewiesen hat, eine Sammelspezies, welche teils Formen mit Spaltöffnungen und Intercellularräumen, teils solche ohne diese — also mit hygrophiler Rückbildung aufweist. Andererseits könnte die von Campbell untersuchte Form von D. trichocephala möglicher- weise auch eine Standortsmodifikation sein, welche unter anderen Be- dingungen noch Andeutungen von Luftkammerbildung zeigt. Da die Pflanze, wie mir Herr Prof. D. Campbell mitzuteilen die Freundlichkeit hatte, seiner Erinnerung nach steril auf Hawai ge- sammelt wurde, so ist es auch möglich, daß sie mit dem hier näher beschriebenen Monoselenium zusammenfällt. Es dürfte von Interesse sein, bei Untersuchung der Lebermoosflora von Hawai auf diese Frage zu achten, zumal Monoselenium zweifellos eine der merkwürdigsten Forneen der Marchantiaceenreihe darstellt. Sollte sie auf Hawai vor- kommen, so würde ihre bis jetzt bekannte Verbreitung also sein: Assam, Südchina (Kanton) und Hawai. Nehmen wir aber an, daß bei Dumortiera die Vereinfachung des Thallusbaues auf dieselbe Stufe wie bei Monoselenium zurücksinken könne, so genügt dies selbstverständlich noch nicht, um letztere Gattung in erstere einzureihen, ebensowenig wie man des übereinstimmenden Blattbaues wegen z. B. Todea (Leptopteris) superba zu den Hymeno- phylleen stellen wird. 1) D. H. Campbell, The structure and development of mosses and ferns, pag. 49 (Newyork 1905). . . 2) Bei Adventivsprossen von D. hirsuta war in meinen Kulturen die Anlage der Luftkammerschicht und der Assimilationszellen noch ganz unterblieben, nach- dem sie eine Länge von 5 mm, eine größte Breite von 4 mm erreicht hatten, während an normalen Sprossen die spinnwebeartigen Reste der Luftkammerschicht deutlich hervortreten. — Die Ventralschuppen waren bei den erwähnten Adventiv- sprossen übrigens chlorophylihaltig, offenbar auch hier wegen der Dünnheit des Thallus. 3) Giesenhagen, Über hygrophile Farne. Flora 1892, Bd. 76, pag. 157181. 6* 84 K. Goebel, Zwischen Monoselenium und Dumortiera sind folgende Unter- schiede vorhanden: Monoselenium. Hat Schleimzellen. Hat dorsale Antheridienstände. Die Antheridienstände haben kei- nen oder nur einen ganz wenig ent- wiekelten Stiel. . Dieser ist unge- furcht. Die weiblichen Hüte sind ganz kurz gestielt, der Stiel verlängert sich auch dann nicht, wenn Sporo- gonien gebildet werden. Die Archegoniengruppen wech- seln mit den „Strahlen“ des Hutesab. Die Elateren sind kurz und stark rückgebildet. Die Kapsel Öffnet sich unregel- mäßig, ringförmige Wandverdik- kungen können noch auftreten, sind aber zuweilen ganz rückgebildet. Dumortiera. Hat keine Schleimzellen )). Hat terminale- Antheridienstände. Die Antheridienstände besitzen einen Stiel, welcher zwei Rinnen hat, wie der der Archegonstände. Der Stiel der weiblichen Hüte ist gut entwickelt. Er verlängert sich bei der Sporenreife und er- reicht nach Ernst bei D. tricho- cephala und D. velutina eine Länge von 5—10 cm. Die Archegoniengruppen liegen unten den Strahlen. Die Elateren sind normal aus- gebildet. Die Kapsel hat ein Deckelstück und eine Wand mit meist ring- förmig verdickten Zellen. Der Bau der Kapsel ist speziell bei Dumortiera irrigua durch die Untersuchungen von Andreas?) näher bekannt; es ist wohl anzunehmen, daß die anderen Arten sich ebenso verhalten. Charakteristisch ist, daß ein aus mehreren Zellschichten bestehendes „Deckelstück“ am Scheitel der Kapsel sich vorfindet, das bei der Reife als unregelmäßig begrenzter Deckel sich abhebt, worauf die Kapsel- wand in Lappen sich teilt. Die Zellen der Kapselwand sind teils mit quergestellten ringförmigen, teils mit schraubenförmigen Verdickungen versehen. Bei Monoselenium dagegen ist der Bau der Kapsel, wie oben nachgewiesen wurde, ein viel einfacherer; man kann im oberen mehr- schichtigen Teil der Kapselwand noch eine Andeutung des „Deckel- 1) Wenigstens sind solche bei keiner Art bis jetzt nachgewiesen. 2) Andreas, Über den Bau der Wand und die Öffnung des Lebermoos- sporogons. Flora, 86. Bd. (1899), pag. 176. — Ernst (a. a. O. pag. 178) gibt bei den von ihm untersuchten Arten nichts über das von Andreas nachgewiesene „Deckelstück“ an. Archegoniatenstudien. 85 stückes“ sehen. Aber die Verdickung der Zellwände ist zuweilen bis auf kleine Reste geschwunden. Es dürfte demnach die generische Selbständigkeit von Mono- selenium keinem Zweifel unterliegen, wenn man sie auch als mit Dumortiera nahe verwandt bezeichnen kann. Die Unterschiede beider Gattungen aber sind bedeutend größer als z. B. die zwischen Marchantia und Preissia. 5. Die Bedeutung von Monoselenium für die Gesamtauffassung der Marchantiaceen-Reihe. Wenn in der obigen Darstellung die Gestaltungsverhältnisse von Monoselenium etwas eingehender geschildert wurden, so geschah dies hauptsächlich ihrer theoretischen Bedeutung wegen. Daß Monoselenium eine rückgebildete Form darstellt, tritt in mehreren Beziehungen deutlich hervor. Es ist dabei charakteristisch, daß hier, wie bei.andern Fällen von Rückbildung, ein Schwanken im Grade der Rückbildung stattfindet, wofür oben mehrfach Beispiele an- geführt wurden. Die Rückbildung ist deutlich zunächst bezüglich der „Stände“. An diesen sehen wir gegenüber Dumortiera reduziert die Stiele, sie treten an den männlichen Ständen gar nicht mehr oder nur sehr wenig entwickelt auf, und bleiben bei den weiblichen auch nach der Be- fruchtung ganz kurz. Ebenso zeigt die Gestalt und Stellung namentlich der männlichen Stände deutlich eine Rückbildung. Dadurch wird aber Monoselenium wichtig für die Beantwortung der ober (pag. 45) aufgeworfenen Frage. Wir können sie jetzt «dahin beantworten, daß in der Marchantiaceen-Reihe eine Reduktion der aus Scheibe und Stiel bestehenden „Stände“, welche die Sexualorgane tragen, in folgenden Richtungen stattfindet: 1. Die Scheibe zeigt ursprünglich sowohl bei den männlichen als bei den weiblichen Ständen deutlich ihre Zusammensetzung aus einzelnen Zweigen. Die Antheridien und Archegonien bilden demgemäß besondere Gruppen je hinter einem der Vegetationspunkte der Scheibe (Fig. 41, 77), so z. B. bei Marchantia. Der nächste Schnitt ist, daß die Trennung der einzelnen Vegetationspunkte der Scheibe nieht mehr deutlich hervor- tritt. Die Scheibe zeigt aber ihre ursprüngliche Zusammensetzung aus einem Sproßsystem noch dadurch, daß die Antheridien vom Zentrum der Scheibe nach dem Rande hin sich entwickeln (Fig. 41, 7/7). So ist es schon bei den männlichen Ständen von Preissiat), an (leren nn nn 1) Leitgeb a. a. O,, VJ, pag. 111. 86 K. Goebel, Homologie mit den weiblichen wohl niemand zweifeln wird, bei denen von Dumortiera und noch ausgesprochener bei Monoselenium. Übrigens handelt es sich dabei im wesentlichen um ein Stehenbleiben auf einem Entwicklungsstadium, welches auch die Scheiben anderer Marchantiaceen durchlaufen. Allerdings sind wir über die Entwicklung der „Stände“ trotz der zahlreichen Abhandlungen über diese Gruppe immer noch sehr lückenhaft unterrichtet, namentlich fehlt ganz die Entwicklungsgeschichte der Antheridienstände aus- ländischer Formen, bei wel- chen (wie z. B. bei denen von Marchantia chenopoda) der Aufban aus einzelnen Thallusästen ganz besonders deutlich hervortritt. Es mag sein, daß bei diesen die Ent- stehung wirklich auch durch sukzessive Gabelungen erfolgt. Bei anderen aber, z. B. bei den weiblichen Hüten von Fig. 41. Schema für die Reduk- tionen in der Marchantiaceen- Reihe. 1-5 betreffs der Stände. Die Archegonien sind durch Striche angedeutet, » Ventralsproß, 1 ent- . spricht dem Verhalten von Preissia, 2 u. 3 dem von Monoselenium, 4 dem von Corsinia, 5 dem von Riceia. I, U, III Männliche Scheiben von Ö oben, Reduktion der Strahlen (hinter welchen eigentlich die An- a theridiengruppen gezeichnet sein sollten), TV Reduktion der Elateren und Größenzunahme der Sporen; a entspricht dem Verhalten der Mehrzahl der Jungermanniaceen und Marchantiaseen, 5 dem mancher Marchantiaceen, c dem von Monoselenium, & dem von Fig. 41. Corsinia, e dem von Sphaero- carpus. Marchantia polymorpha und Preissia ist, wie es scheint, die Entwicklung der Hüte schon dahin abgekürzt, daß sie zunächst einen einheitlichen meristematischen Rand haben, an welchem dann einzelne -—— den Mittel- lappen entsprechende — Stellen in Dauergewebe übergehen. Dieser letztere Vorgang unterbleibt bei den genannten männlichen Ständen, ebenso bei den weiblichen von Plagiochasma. Archegoniatenstudien. 87 2. Die Stielentwicklung wird an den männlichen Ständen reduziert (so z. B. bei Lunularia, Fegatella u. a. Am Stiele unterbleibt weiter- hin die Bildung der Furche (bzw. der Furchen) und der Rhizoiden. So bei Monoselenium (falls der Stiel überhaupt entwickelt wird). Auch die Ventralschuppen werden spärlich oder in vereinfächter Gestalt ent- wickelt. Schließlich wird die Stielbildung ganz unterdrückt, der Stand sitzt dem Thallus unmittelbar auf. So meist bei Monoselenium Jg, nament- lich aber auch bei Plagiochasma (d und 2). Bei Plagiochasma sind auch die bei Monoselenium an den männlichen Ständen noch vorhan- denen Rhizoiden verschwunden. Aber an den weiblichen Ständen ist die Übereinstimmung mit den „compositae“ noch deutlich erkennbar. Denn die Archegonien stehen in vier Gruppen. Diese können auf ein Archegon reduziert sein und werden ganz ähnlich umwallt, wie es bei den anderen Marchantiaceen der Fall ist. In Fig. 42, 7 würden z. B. die mit 37 bezeichneten Teile des Standes dem Mittellappen entsprechen, nur daß es bier nicht mehr zur deutlichen Aussonderung zwischen den Vege- tationspunkten und den Mittellappen kommt, was oben ja auch für die männlichen Stände von Monosele- nium nachgewiesen wurde. Es fällt dann selbstverständlich auch die Notwendigkeit weg, den bei Fig. 42. Plagiachasma erenatum. Plagiochasma erst nach der Be- I. Flächenschnitt durch einen Arche- fruchtung entstehenden Stiel der gonienstand. IL. Längsschnitt. Vgl. Text. Träger als dem Stiel der Mar- chantiafruchtträger nicht homolog zu betrachten (etwa s0, wie das Pseuilo- podium von Sphagnum nicht homolog ist mit der Seta der Laubmoos- sporogonien). Die ganze Auffassung wird eine viel einheitlichege. 3, Es ändert sich die Stellung der „Stände“. Dies ist berlingt durch ein zeitlich früheres Auftreten der bei manchen Formen an (den Ständen auftretenden Ventralsprosse (Fig. 43, 1—3); wenn ein solcher Ventralsproß sehr frühzeitig auftritt, so wird dadurch der Stand auf die Rückenseite des Thallus verschoben, wie dies oben für Monoselenium nachgewiesen wurde (Fig. 43, 2, 3). 1) Eine Reduktion der Stielbildung findet sich merkwürdigerweise schon innerhalb der Gattung Marchantia, bei March. acaulis St., einer sehr merkwürdigen Form, über welche ich später Näheres mitteilen zu können hoffe, 88 K. Goebel, 4. Der „Stand“ verliert schließlich auch den Charakter eines be- sonders ausgebildeten Trägers der Sexualorgane. So bei Corsinia (Fig. 41,4). Hier stehen die Antheridien und Archegonien in Gruppen auf der Thallusoberseite. Die Antheridien sind in Gruben eingesenkt, und irgendeine Schuppenbildung um die Stände findet nicht mehr statt. Bei den weiblichen Ständen sind zahlreiche zarte Schuppen vorhanden, welche wir wohl auch hier als ursprünglich den Ventralschuppen homolog betrachten dürfen. Zunächst sei auf die Geschlechtsverteilung eingegangen. Leitgeb') sagt „Oorsinia wird als streng dröcisch angegeben. Dies ist sie aber nicht. So fand ich gar nicht selten vor Antheridienständen Fruchthöhlen angelegt und es schloß sich die Archegongruppe fast unmittelbar an die vordersten Antheridien an. Ob auch das Umgekehrte stattfinden An. An- age der Hülle. Stände. Fig. 43. Corsinia marchantioides. theridium, 47. Archegonien, Z. Anl Längsschnitte dureh androgyne kann, ob nämlich anfangs weibliche Sprosse später männliche Organe ausbilden können, weiß ich nicht, mir kam dieser Fall nie vor.“ Bei den von mir untersuchten, im Münchener Garten kultivierten Pflanzen war der von Leitgeb vermißte Fall nicht selten. Die weib- lichen Pflanzen zeigten Antheridien in den Archegonienständen in ver- schiedener Verteilung. Mit dem von Leitgeb beschriebenen Verhalten männlicher Pflanzen stimmte noch am meisten überein der, daß ein Antheridium, normal in die „Höhle“ versenkt, am hinteren Einde eines Archegonstandes sich fand (Fig. 437). Aber die Antheridien können 1) A. a. O0. IV, pag. 48, 1879, re Ber ne nn Archegoniatenstudien. 89 merkwürdigerweise auch frei, d. h. nicht versenkt, auf der Thallusober- seite stehend, zwischen den Archegonien auftreten 1) (Fig. 43,77). Zwischen- formen zwischen Antheridien und Archegonien, wie sie bei Laubmoosen bekannt sind, wurden nicht gefunden. Die befruchteten Archegonien sind außen von einer, oft schuppen- förmig erscheinenden „Hülle“ umgeben, welche Lindenberg zuerst ge- nauer beschrieben hat?). Er bezeichnet sie als „Perichae- tium“. Leitgeb>) sagt, daß die Hülle ein Gebilde sei, wel- ches sich mit der Entwicklung der Früchte aus dem Fruchtboden erhe- be, also den soge- nannten Perianthium bei Marchantia ent- spreche®). Ich fand bei zahl- reichen untersuchten Pflanzen, daß die Anlage der „Hülle“ schon in Archegon- i ständen erfolgt, in & denen kein Arche- II N gonium befruchtet 1 j Ü i - Fig. 44. Corsinia marchantioides. Flächenschnitte ist. Über ihre Ge durch Archegonienstände #. Hülle, IV. androgyner stat geben am Stand mit 3 Antheridien. besten Flächen- . . schnitte durch den Thallus Auskunft. Man sieht in den meisten Fällen 1) Freie Antheridien beobachtete Leitgeb in androgynen Hüften von Preissia (Untersuchungen über die Lebermoose, VI, pag. 112-113). 2) Flora 1833, pag. 166. 3) A. a. O., IV, pag- 50. 4) Später (Heft VI, pag. 28) scheint Leitgeb seine Ansicht geändert zu haben, er sagt dort: Der zwischen den Archegonien stehende Höcker sei das Ana- logon der den Blütenboden vieler Marchantiaceen bildenden Scheibe, während die aus seinem Rande sich entwickelnden Lamellen ihr Aquivalent in den Randteilen ihrer Hüllen finden. 90 K. Goebel, einen Gewebehöcker, der meist mit kleinen Lufthöhlen von dem für den Corsinia-Thallus charakteristischen Bau versehen ist, zuweilen ist er mehrarmig (Fig. 44, /7) und wenn, wie dies einigemale beobachtet wurde, zwei getrennte Höcker vorkommen, so beruht dies wohl auf der Unterdrückung der beide verbindenden Gewebepartie‘). Diese Höcker wachsen nach der Befruchtung heran und bilden die Hülle. Diese kann aber nicht als „Perianth“ bezeichnet werden. Es sind, wie mir scheint, nur zwei Deutungen möglich. Entweder kann man in der Hülle eine Thalluswucherung sehen, welche die Antheridien ähnlich, nur nicht so vollständig umwallt, wie dies bei den Antheridien der Fall ist, oder die Hülle stellt einen, verspätet auftretenden und seine Weiterentwick- lung erst nach der Befruchtung erreichenden „Stand“ dar oder vielmehr dessen mittleren Teil. Dann kann man den Corsinia-Archegonstand be- trachten als entstanden aus einem sehr stark abgeflachten Plachiochasma- ähnlichen Stand, dessen Mitte sich erst später erhebt (Fig. 41, Z/V). Die Schuppen, welche in großer Zahl die Archegonien umgeben, sind dann, wie schon oben bemerkt wurde, von Ventralschuppen abzuleiten. Die „Hülle“, in welche der Stand auswächst, aber entspricht dann nicht, wie Leitgeb zuerst meinte, einem Perianth von Marchantia, sondern, gemäß der Bezeichnung Lindenberg’s, einem Perichaetium. Beweisen läßt sich eine solche Auffassung nicht. Man kann sie nur als eine, aus vergleichenden Gründen wahrscheinliche Vermutung bezeichnen, welche sich in eine, mit großer Deutlichkeit wahrnehm- baren Reihe einfügt; namentlich entspricht ihr auch die Bildung steriler Zellen im Corsiniasporogon. Dieselbe Erscheinung, die bei Corsinia auftritt, daß die männ- lichen Stände stärker rückgebildet sind, als die weiblichen, sahen wir auch bei Monoselenium und einer Anzahl von Marchantiaceen (z. B. Exormotheca?), Reboulia) die Stellung der Antheridien entspricht hier im Wesentlichen derjenigen, welche bei Riccia auch die Archegonien haben, d. h. sie stehen in der Mittellinie des Thallus in akropetaler Reihenfolge. Nur wird bei Riceia schließlich auch die Gruppenbildung aufgegeben. ° 1) In Rabenhorst’s Kryptogamenflora, Bd. VI, Lebermoose, 4. Lief. (1907), pag. 226, heißt es, daß die Archegonien von zahlreichen Hüllschuppen umgeben seien, die „Hand in Hand mit der Sporogonenteilung herauswachsen“. Dies ist offenbar ein Mißverständnis, die zarten Schuppen der Archegoniengrube sind wohl mit den Hüllen verwechselt; erstere werden weiter oben als „gegliederte Haar- zellen“ bezeichnet, 2) Vgl. Goebel, Flora 1905, Bd. 95, pag. 247, Fig. 3. rn m Archegoniatenstudien. 91 Während bei Monoselenium die Verschiebung der Stände auf die Thallusrückenseite noch als eine frühzeitig eintretende Sympodien- bildung erkennbar ist, wächst in den anderen genannten Fällen der Thallus nach Anlage der Stände direkt weiter. Es bedarf dazu, wie ein Blick auf die Figuren 15—18 zeigt, nur einer ganz geringen Änderung. Von Sywpodien abgeleitete Monopodien kennen wir auch sonst. Es sei nur an die früher viel erörterten Beispiele der Boragineenblüten- - stände, der Vitaceen u.a. erinnert, auch die Entwicklung vieler Farn- blätter könnte hier angeführt werden. In all diesen Fällen handelt es sich, wie der Vergleich zeigt, um eine Abkürzung der Entwicklung. Die Pflanze nimmt sich sozusagen nicht mehr die Zeit, erst die ur- sprünglich vorhanden gewesene sympodiale Entwicklung im einzelnen durchzuführen, sie geht zur monopodialen über. Eine Rückbildung ist auch nachweisbar in den Sporogonien, und zwar sowohl im Bau der Sporogonienwand, als in dem der Elateren, Monoselenium bildet eine deutliche Mittelstufe zwischen den Marchantiaceen, welche sich (in für die einzelnen Gattungen charak- teristischer Weise) Öffnende Sporogonien besitzen und denen, bei welchen die Sporogonien geschlossen bleiben und die Sporogonwand bei der Reife verwittert (Corsinia) oder schon vor der Reife zu- grunde geht (Riceia), Die Zellen der Kapselwand zeigen nur noch Reste schwacher Verdieckungen, bei den meisten sind diese wie bei Oorsinia ganz geschwunden. Vor allem aber sind die „Elateren“ eigen- tümlich. Wir sahen, daß diese auffallend kurz, chlorophylihaltig und entweder mit gar keiner oder einer nur schwachen oft ungefärbt bleiben- den Verdickungsleiste versehen sind. Sie stimmen also überein mit den chlorophylihaltigen, den Elateren homologen „Nährzellen* von Cor- sinia, Riella und Sphaerocarpus und haben keine Bedeutung mehr für Ausschleuderung der Sporen. In Fig. 45 sind bei derselben Ver- ar größerung Sporen und Elateren gezeich- 8 net einerseits von einer foliosen (nicht MR Ih näher bestimmten) Jungermanniacee ® {IITa, IITb), andererseits von Mono- In. d. 2 selenium //7a, Z/5) und von Corsinia EEE (/a, Ib). Es tritt ohne weiteres her- Find 128 (mit gefelder Fa ig. 45. Spore {mi Bider- vor, daß Sporen und Elateren in ihrer kom Epispon), Th „Elatore« yon Ausbildung sich umgekehrt proportional Corsinia marehantiacea, IIa, IIb dergleiehen von Monoselenium, verhalten: je größer die Sporen, desto IILa, IILb von einer unbestimmten kleiner sind verhältnismäßig die Elateren, foliosen Jungermanniacee. 92 K. Goebel, bis sie schließlich ganz verschwinden. Ohne Zweifel wird dieser Satz in einzelnen Fällen auch Ausnahmen erfahren können‘). Aber er trifft auch z. B. innerhalb der Gattung Dumortiera zu. Bei Dumortiera trichocephala gibt Stephani für die Sporen 25 ı, für die Eateren 600 « an. Bei Dumortiera hirsuta 34 « und 380 u. Nach Ernst (a. a. O. pag. 170) haben die Elateren bei den von ihm untersuchten zwei Dumortiera-Arten eine Länge von 440—820 u, die Sporen eine Länge von 45—60 „ und eine Breite von 25—40 u. Bei Monoselenium sind die Sporen 60 u lang, die Elateren 60-150 x. Auch bei den Laubmoosen dürften die kleistokarpen, durch Rück- bildung entstandenen Formen im allgemeinen die größten Sporen haben), wie denn ja auch ihre Zahl eine weit geringere ist, als in den mit einem Ausstreuungsmechanismus versehenen Kapseln. Die Sporen der Polytrichaceen z. B. haben 8—-10 u Durchmesser, die von Ephemerum (Kleistokarp) 50—70 u, die von Archidium (Kleistokarp) 160—200 u. Die Beziehungen zur Art der Sporenaussaat sind ja in beiden Fällen klar. Ebenso, daß es sich bei beiden Reihen um eine Rückbildung, nicht um eine aufsteigende Entwicklung von kleistokarpen zu höheren Sporogonien handelt. Bei den Laubmoosen ist bekannt, daß kleisto- karpe Formen in den verschiedensten Verwandtschaftskreisen auftreten; sie werden jetzt wohl allgemein als rückgebildet betrachtet; läßt sich ja doch die Rückbildung des Peristoms und des Annulus vielfach in verschiedenen Stufen wahrnehmen. Bei den Lebermoosen dagegen sind Formen, wie Riceia, unter Leitgeb’s Einfluß als primitiv betrachtet worden. Nun liegt aber in Monoselenium, wie mir scheint, eine so 1) Eine solche wäre z. B. vorhanden, wenn die von Solms-Laubach (die Marchantiaceae Cleveideae und ihre Verbreitung, Bot, Zeitung 1899, Heft II) für die Sporen von Clevea, Peltolepis und Sauteria angegebenen Maße richtig wären, (für erstere wird eine Breite von 450-500 u, für letztere ein Durchmesser von etwa 600 u angegeben). Es dürfte dabei je eine Null zu viel sein. Denn Stephani (Species hepaticarum I, 1900) gibt für Sauteria alpina 50 » (Klateren bis 200 m), für Clevea hyalina Sporen 51. x, Elateren 98 u, für Cl. Rousseliana Sporen 51 m, Elateren 180 «a an, für Peltolepis Sporen 50 a, Elateren 205 u. Diese Zahlen stimmen mit der oben vorgetragenen Anschauung überein. Selbstverständlich ist eine strenge Korrelation von Sporen- und Blaterengröße nicht zu erwarten, das geht ja schon daraus hervor, daß bei annähernd gleicher Sporengröße die Länge der BElateren variiert, wie dies schon bei Monoselenium hervortritt. Die größten Sporen kommen unter den Lehermoosen vor bei den kleistokarpen Formen: Oxymitra, Corsinia, Rieeia, hier sind Sporen von 120 « Länge gemessen. Die einzelnen Riccia- Arten verhalten sich aber verschieden, manche haben auch viel kleinere Sporen; das dürfte auf einer sekundär eingetretenen Minusvariation beruhen. 2) Vgl. z. B. die Angaben von Schliephacke, Flora 1888, pag. 40. Archegoniatenstudien. 93 deutlich für Rückbildung sprechende Gattung vor, daß die Wagschale sich ganz nach der anderen Seite senkt. Vielleicht wird es auch nicht an der Meinung fehlen, Monoselenium habe „werdende“ Elateren, sei also eine nach oben weisende Form. Diese Auffassung näher zu er- örtern, scheint mir indes nicht geboten. Denn die bei Monoseleninm sich findenden Verhältnisse stimmen so sehr überein mit zahllosen andern Beispielen, in denen wir ein Organ von bestimmter Funktion diese ver- lieren und damit in Verbindung auch eine Hemmung in der Ausbildung eintreten sehen, daß wir auch hier an einer Rückbildung wohl nicht zweifeln können. Zudem ist ja auch im Thallusbau eine Rückbildung, wenn wir die verwandte Dumortiera berücksichtigen, deutlich wahrnehmbar. Nur eine Frage sei hier noch kurz berührt. Wir sahen, daß bei den Kapseln die Rückbildung der Elateren Hand in Hand geht mit einer solchen der Kapselwand und des Kapsel- fußes (Stiels.. Ein solches charakteristisches Zusammenwirken scheint zunächst sehr rätselhaft, daß es zweckmäßig ist, braucht ja kaum betont zu werden. Es scheint mir aber auch die Möglichkeit einer kausalen Auffassung zu bestehen. Die Menge der einem reifenden Sporogon zur Verfügung stehenden Baumaterialien ist eine begrenzte. Denken wir nun, daß die Sporenmutterzellen frühzeitig mehr davon in Anspruch nehmen als bei anderen Formen, so kann dadurch die Entwicklung der Elateren wie der Kapselwand korrelativ gehemmt werden. Es würde diese Annahme auch damit übereinstimmen, daß die Sporen bei diesen Formen eine besondere Größe erreichen. Daß zeitliche Verschiebungen im Entwicklungsgang tiefgreifende Änderungen herbeiführen können, sehen wir ja auch sonst. Bei Mono- selenium beginnt die Kapselbildung wie bei anderen Marchantiaceen. Aber die Entwicklung der Sporen wird frühzeitig gefördert, die des Stieles, der Elateren und der Kapselwand gehemmt. Fragen wir uns, welche Folgerung für die systematische Gliede- rung der Marchantiaceen sich aus den oben dargelegten Tatsachen er- geben, so zeigt sich zunächst, daß eine Einteilung dieser Gruppe nach den „Ständen“ nur zwei Abteilungen ergibt, die Compositae und die Simplices. Letztere sind gebildet von den Targioniaceen (einschließlich Cyathodium), welches eine schwacher Lichtintensität angepaßte Rück- bildung darstellt, erstere umfassen den Rest, einschließlich der bisher nicht dazu gestellten Formen. Der Stand der „Simplices“ entspricht bekanntlich Einem Strahl desjenigen der Compositae. Welche von beiden Gruppen man als die 94 K. Goebel, „primitivere“ betrachten soll, ist nicht leicht zu entscheiden, man kann ja ebensogut die Compositae durch Eintreten der Verzweigung von den Simplices ableiten, als umgekehrt die letzteren durch Unterbleiben der Verzweigung aus ersteren. Die männlichen Sprosse von Targionia und Cyathodium aber tragen jedenfalls deutlich den Charakter der Reduktion an sich — sie er- scheinen als ventrale Anhängsel des Thallus, welche bei Targionia zu- weilen noch einen schmalen Saum von vegetativem Gewebe haben, der bei Cyathodium ganz verloren gegangen ist. Eine ähnliche Reduktion der männlichen Äste kommt ja auch bei Jungermanniaceen vor, z. B. bei Hymenophytum. Dies würde eher dafür sprechen, daß die Simplices eine reduzierte Abteilung der Composifae darstellen. Lassen wir diese Frage indes offen, so könnte man die weitere daran anknüpfen, ob man die Riceien von den Simplices oder den Compositae ableiten soll. Es könnte ja auch bei den ersteren der Thallus nach Anlegung der Sexual- organe vegetativ weiter wachsen, und dann weiterhin die für Riceia eigentümliche Verteilung eintreten. Bedenken wir indes den schönen Übergang der durch Monoselenium zwischen den Compositae und Corsinia hergestellt wird, so neigt sich die Wagschale der Wahrscheinlichkeit auch hier dazu, die Compositae als die Gruppe zu betrachten, von der die Riecien als reduzierte Formen ausstrahlen. Alle diese Folgerungen können selbstverständlich nur als wahrscheinlich, nicht als sicher in Betracht kommen. Es scheint mir aber gerade in dieser Reihe eine Reihe von so wertvollen Anhaltspunkten für die vergleichende Be- trachtung vorzuliegen, wie sie sonst im Pflanzenreiche sich nur sehr selten findet. In dem oben Mitgeteilten ist versucht worden darzulegen, daß wir es bei der Marchantiaceen-Riccienreihe mit einer absteigenden, nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, mit einer aufsteigenden zu tun haben. Ich habe früher!) darauf hingewiesen, weshalb absteigende Reihen für uns leichter erkennbar sind, als aufsteigende. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Die ersteren sind ja meistens zweifellos jünger als die letzteren. Es wird also mehr Aussicht darauf vorhanden sein, daß Zwischenstufen sich noch erhalten haben, als bei den aufsteigenden Reihen. Es sei erinnert z. B. an die schönen Zwischenformen, welche bei den Scerophulariaceen zwischen den mit fünf Staubblättern und den mit 1) Organograpbie, pag. 51. Archegoniatenstndien. 95 zwei Staubblättern versehenen Blüten bekannt sind, ein Beispiel, dem sich zahlreiche andere anschließen ließen, namentlich auch das hier dargelegte. Es lassen sich an Monoselenium leicht noch weitere Betrach- tungen anknüpfen. Vor allem wird das Beispiel einer Marchantiacee, welche die Luftkammerbildung vollständig entbehrt, die Berechtigung, Formen wie Sphaerocarpus und Riella den Marchantiales anzugliedern'), noch mehr hervorheben. Daß die genannten Lebermoose tatsächlich hierher, und nicht wie Leitgeb meinte, zu den Jungermanniaceen ge- hören, habe ich in dem vorhergehenden Abschnitte dieser Studien nach- zuweisen gesucht. Was den vegetativen Aufbau betrifft, so brauchen bei Monoselenium ja nur die Zäpfehenrhizoiden ihre Verdickungen zu verlieren, und die Ventralschuppen weiter vereinfacht zu werden, um die Übereinstimmung mit Sphaerocarpus herzustellen; fast dasselbe gilt für Monoclea. Letztere Gattung aber hat in der starken Entwicklung der Sporogonstiele ein Merkmal, das mit den thallosen Jungermanniaceen übereinstimmt. Indes soll hier nieht erörtert werden, ob man berechtigt ist, die thallosen Jungermanniaceen von den Marchantiaceen abzuleiten; ohne daß bestimmte Zwischenformen vorhanden sind, ist über mehr oder weniger unsichere Hypothesen doch nicht hinauszukommen. Doch sei daran erinnert, daß die Struktur der Antheridien bei den Marchantia- ceen eine primitivere ist als bei den Jungermanniaceen, und daß sich die letztere von ersterer ableiten läßt. Dafür spricht ja auch die oben erörterte Variation in der Entwicklung der Antheridien von Monoselenium. Die frühere Annahme dagegen, daß die Gestaltung der Sporogonien bei einigen Gliedern der Marchantiaceenreihe (Riccia, Corsinia) eine primitive sei, erscheint nunmehr als sehr unwahrscheinlich. Es ist damit die Theorie, daß bei der Entwicklung der Moossporogonien ein Sterilwerden ursprünglich fertiler Zellen stattgefunden haben, noch nicht als unhaltbar erwiesen. Aber diese Annahme ist jedenfalls nur eine von verschiedenen Möglichkeiten. Man kann z. B. gegenüber der Auf- fassung, daß bei den Sporogonien der Bryophyten ein Sterilwerden be- stimmter Zellen eingetreten sei, auf welcher die Bildung der Columella der Laubmoose und bei Anthoceros beruht, auch die Columella als relativ primitiv betrachten‘), und als ihre Reste die Elaterenträger von Aneura, Pellia und Gottschea splachnophylla; während die Elateren aus 1) Goebel, Archegoniatenstudien XII. Flora 1908, Bd. 98, pag. 321. 2) Vgl. H. Schenck, Über die Phylogenie der Archegoniaten und der Characeen. Engler’s Botan. Jahrb. 1908, Bd. XLIL 96 . K. Goebel, Bildungen, wie sie die „trabeculae* der Isoetessporangien darstellen (und bei Anthoceros tatsächlich vorkommen), abgeleitet werden können. Solche Möglichkeiten sind indes zunächst nur insofern nützlich, als sie die Unsicherheit phylogenetischer Ableitungen dartun können und vor einseitigen Theorien warnen. Die in neuerer Zeit oft einen so großen Raum einnehmenden phylogenetischen Spekulationen verhalten sich doch da, wo Zwischenstufen fehlen, meist nur wie die Gewürze, die wir unseren Speisen zusetzen. Einen Nährwert haben sie nicht, sie machen aber die Tatsachen schmaekhafter. Nur in seltenen Fällen erheben sich unsere phylogenetischen Spekulationen über die Aufstellung mehr oder minder vager Vermutungen und zwar, wie zu zeigen versucht wurde, namentlich dann, wenn es sich um Rückbildungsreihen handelt. Dafür bieten auch die Marchantiaceen ein Beispiel, denn die regressive Ge- staltung der Marchantiaceenreihe scheint mir durch Monoselenium so fest begründet zu sein, als es überhaupt bei solchen Reihen möglich ist. Von Formen wie Marchantia führt ein fast lückenloser Übergang hinunter zu solchen wie Rieecia. Eine kleine Lücke besteht aber zwischen der Sporogonbildung dieser Gattung und der von Üorsinia und Sphaerocarpus. Vielleicht wird auch diese Lücke sich noch aus- füllen lassen. Zusammenfassung. 1. Mit Griftfith’s verschollener Lebermoosgattung Monoselenium tenerum (welche nicht synonym ist mit Oyathodium) stimmt in den Grundzügen überein, eine aus Kanton stammende sehr merkwürdige Marchantiacee, welche deshalb in der vorliegenden Abhandlung als Monoselenium bezeichnet ist. 2. Sie zeichnet sich aus durch absoluten Mangel von Luftkammern, was, wie der Vergleich mit Dumortiera zeigt, auf einer Rückbildung be- ruhen dürfte. Sie ist aber von Dumortiera durch eine Reihe von Merk- malen unterschieden. 3. Die Geschlechtsorgane stehen in Ständen, die sie zu den „Com- positae“ stellen; Antheridien und Archesonienstände werden nachein- ander gebildet. Bei den Antheridienständen treten die Teilungen der Scheibe und die Schuppenbildung aber zurück, sie werden durch früh- zeitige Ventralsproßbildung auf die Thallusoberseite verschoben, was gelegentlich auch mit den weiblichen Ständen geschieht. 4. In den Sporogonien ist die Elaterenbildung so reduziert, daß die chlorophylihaltigen, für die Sporenverbreitung nicht mehr in Be- Archegoniatenstudien. 97 tracht kommenden „Elateren“ einen direkten Übergang zu den „Nähr- zellen“ von Corsinia, Sphaerocarpus und Riella bilden. 5. Die Formen der Riccien-Marchantiaceen-Reihe, welche dorsale „Stände“ oder auch dorsale, nicht in Stände gruppierte Antheridien und Archegonien haben, sind nicht, wie seit Leitgeb angenommen wurde, primitiv sondern reduziert. Dasselbe gilt höchst wahrscheinlich auch für die Sporogone von Riceia, welehe den bei Monoselenium, Corsinia, Sphaerocarpus und Riella begonnenen Vorgang der Elaterenrückbildung bis zum vollständigen Verschwinden der Elateren durchgeführt haben. Dabei zeigt sich, daß die männlichen Stände der Reduktion früher unterliegen als die weiblichen, sie verlieren den Charakter der Selbst- ständigkeit bei manchen Formen, bei welchen ihn die weiblichen Stände noch haben. 6. „Androgyne“ Stände fanden sich nicht nur bei Monoselenium (in verschiedener Ausbildung) sondern auch bei Corsinia; die Trennung der Geschlechter ist also, wie die schon länger bekannten Beispiele von Preissia, Dumortiera u.a. zeigen, bei Marchantiaceen eine ziemlich labile. Herrn Kustos Dr. Kupper möchte ich für die Überwachung der Kulturen, Herrn Dr. Wolpert für Ausführung von Mikrotomschnitten bestens danken. Flora, Bd. 101. Beiträge zur experimentellen Morphologie, zur Biologie und Anatomie der Luftwurzeln. Von Walter Bruhn. (Mit 80 Abbildungen im Text.) Von einer eingehenden historischen Darstellung unserer Kennt- nisse über die Luftwurzeln und einer genauen Aufzählung aller der Forscher, die sich mit den anatomischen, physiologischen und entwick- lIungsgeschichtlichen Verhältnissen dieser Organe beschäftigt haben, glaube ich absehen zu können, da sie bereits in letzter Zeit in er- schöpfender Weise von Richter!) gegeben wurde Nur den einen Gedanken möchte ich hervorheben, der sich einem unwillkürlich beim Lesen der reichhaltigen Literatur aufdrängt: Während die beschreibende Anatomie in so überaus schnellem Maße durchgeführt wurde, ist auch hier die biologische Forschung vollständig zurückgedrängt, trotz der in dieser Hinsicht durch ihre zahlreichen Anpassungen so interessanten und auffallenden Gruppe der Epiphyten, an denen die Luftwurzeln meistens auftreten. Vor allem gilt dies von den experimentellen Unter- suchungen; abgesehen von gelegentlichen, daher immerhin nun un- sicheren Beobachtungen in der Natur sind nirgends einwandfreie An- gaben einer exakten experimentellen Prüfung der Verhältnisse vor- handen. Genauere Kenntnis der Lebensverhältnisse der Luftwurzeln, der Funktion und des Entwicklungsganges dieser Organe verdanken wir Forschern, wie Schimper?), Goebel), Went‘®) u. a. War es auch das Ziel dieser Forscher, uns in erster Linie eine Schilderung der epiphytischen Vegetation zu geben, so mußten doch auch in ihren Werken den Luftwurzeln hin und wieder längere Ab- schnitte gewidmet werden, da sie vielfach zur Einteilung der Epiphyten benutzt wurden. Eine allgemeine Definition oder Üharakteristik der 1) Richter, Physiologisch-anatomische Untersuchung über Luftwurzeln mit besonderer Berücksichtigung der Wurzelhaube. Bibliotheca Botanica 1900, Heft 54. 2) A. F. W. Schimper, Über Bau und Lebensweise der Epiphyten West- indiens. Bot. Zentralbl. 1884, XVII. 3) K. Goebel, Organographie der Pflanzen. Ders., Pflanzenbiologische Sehilderungen, I u. II. Ders., Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen, 1908. 4) F. A. F. C. Went, Über Haft- und Nährwurzeln der Kletterpflanzen und Epiphyten. Annales du jardin botanique de Buitenzorg., Vol. XII. u Walter Brulin, Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 99 Luftwurzel zu geben, wie sie noch Leitgeb®), Chatin 2), Janzcewski?), van Tieghemt) aufgestellt haben, ist nach dem heutigen Stande der biologischen Forschung unmöglich, da die Grenze zwischen Luft- und Erdwurzeln vielfach verwischt ist und die Luftwurzeln sich den ver- schiedensten Funktionen angepaßt haben. An Sumpf- und Wasser- pflanzen sind sie als Atemwurzeln, bei einigen Palmen, bei Dioscorea- Knollen oder bei der von Treub?) untersuchten Myrmecodia als mecha- nische Schutzorgane, als Dornen, bei Pandanaceen als Stelzwurzeln entwickelt. Besonders tiefgreifende Veränderungen in den anatomischen und morphologischen Eigenschaften des Wurzelsystems hat die epiphy- tische Lebensweise hervorgerufen. Es kam zur Ausbildung von humus- sammelnden Nestwurzeln, von Luftwurzeln, die mit einem wasserauf- nehmenden Velamen versehen sind, von dorsiventralen abgeplatteten Assimilationswurzeln, die die Tätigkeit der Blätter unterstützen oder ersetzen. Außer Haftwurzeln, die ausschließlich zur Befestigung am Substrat dienten, wurden sog. Nährwurzeln entwickelt, die unter mög- lichst geringem Materialaufwanıd eine Verbindung mit dem Boden her- stellen zur hinreichenden Zufuhr des Wassers und der Nährsalze. Wir sind also über die Bedeutung der Anpassungsfähigkeit für das Leben der Pflanze und die damit erfolgende Funktionsänderung der Wurzel jetzt ziemlich genau unterrichtet. Was aber bei den meisten Pflanzen noch fehlt oder nur unvollkommen untersucht ist, ist die Be- antwortung der Frage, inwiefern die bestinımten Eigenschaften, die spezifische Ausbildung der Wurzel, eine Anpassung an äußere Ver- hältnisse und von der Einwirkung äußerer Faktoren abhängig ist. Die in den Tropen reisenden Forscher berichten meistens direkt das (re- sehene, das bereits fertig Ausgebildete;. sie wurden größtenteils durch Mangel an Zeit verhindert, die Abhängigkeit der Gestalt von äußeren Bedingungen eingehender Prüfung zu unterziehen, vielfach fehlte es auch wohl an einer exakten Fragestellung und den nötigen Hilfsmitteln. Diese Umstände lassen also hier ein weites Feld experimenteller Tätigkeit sich öffnen. In letzter Zeit hat Goebel‘) bereits gezeigt, 1) H. Leitgeb, Die Luftwurzeln der Orchideen. Denkschrift der Kaiserl. Akad. d. Wiss., Mathem.-naturw. Klasse. Wien 1865, XXIV. 2) A. Chatin, Anat. des plantes a@riennes de Vordre des Orchidees. Mem. de la Soc. Imperiale des Sciences Naturelles de Cherbourg 1856, Tome IV. 3) E. Janzceewski, Organisation dorsiyentrale dans les racines des Orchi- dees. Annales des Sciences Naturelles, Ti®me Serie. Botanique 1885, Tome II. 4) Van Tieghem, Recherches sur la strueture des Aroidees. Annales des Seiences Naturelles 5itme Serie. Botanique 1866, Tome VI. 5) Treub, Annales du jardin botanique de Buitenzorg, 1883, Tome III. 6) K. Goebel, Experimentelle Morphologie. + 100 Walter Bruhn, wie sich auch an Gewächshauspflanzen vielfach für die Beurteilung des biologischen Verhaltens einigermaßen günstige Resultate erzielen lassen und, um das Ergebnis dieser Arbeit gleich vorweg zu nehmen, handelt es sich im folgenden auch größtenteils um eine Bestätigung und ein- gehendere experimentelle Untersuchung der von Goebel angeschnittenen Fragen. Zu meinen Versuchen habe ich nur Pflanzen benutzt, deren Kultur- zustand im Münchener Botanischen Garten ein derartiger war, daß ich im voraus von ihnen einigermaßen klare Resultate erhoffen konnte. Da ich aber unter den sich verwandtschaftlich nicht nahestehenden Familien des Pflanzenreichs in vielen Punkten eine überraschende Über- einstimmung hinsichtlich der Einwirkung verschiedener Faktoren fest- stellen konnte, wie sich im Verlauf der Arbeit zeigen wird, so glaube ich, daß man manche der vorliegenden Resultate auch auf eine große Zahl der Pflanzen anwenden kann, die ich aus leicht ersichtlichen Gründen, teils wegen Materialmangels, teils wegen schlechten Kultur- zustandes, keiner genauen Untersuchung unterziehen konnte. Noch einmal aber möchte ich hervorheben, daß man bei allen weiteren Unter- suchungen, die nicht in den Tropen gemacht werden, stets berücksich- tigen muß, daß sich das betreffende Material in unseren Gewächshäusern trotz der günstigsten Bedingungen, die wir ihm anscheinend bieten, doch noch gewissermaßen in einem Zustand der „Indisposition“ befindet. Wir dürfen also von hiesigen Versuchspflanzen keineswegs mit absoluter Sicherheit darauf schließen, daß sie den Verhältnissen der Heimat entsprechen. Vorliegende Arbeit wird sich in zwei Hauptteile gliedern, von denen der erste sich mit den lediglich als Haftorgane dienenden Luft- wurzeln — den Haftwurzeln — beschäftigen soll; der zweite wird Untersuchungen, ebenfalls experimenteller und anatomischer Natur, der von ihnen deutlich unterschiedenen, größtenteils für die Nahrungszu- fuhr in Betracht kommenden Nährwurzeln enthalten. An diese Teile werde ich jeweils Abhandlungen über die Wurzeln anschließen, die sich ihnen nach meinen Untersuchungen am meisten nähern, in vielfacher Beziehung ihnen gleichen oder doch gewisse übereinstimmende Ver- hältnisse aufweisen. Hedera Helix ist die einzige Pflanze unserer Flora, welche typische Luftwurzeln bildet. Ich sehe hier ab von den von einigen Forschern zu den Luftwurzeln gezählten latenten Wurzelanlagen an Sproßachsen von Salix viminalis, pruinosa u. a., Lycium barbarum, Solanum dul- j Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 101 camara, Tradescantia, Vinca, Cardamine amara, Equisetum !), deren Ent- wicklung durch Einwirkung äußerer Faktoren, z. B. durch Feuchtigkeit und Dunkelheit hervorgerufen wird, die aber an den oberirdischen Trieben gewöhnlich nicht auswachsen und keine bestimmte Funktion erfüllen. Die wichtigsten biologischen Eigenschaften eines Wurzelkletterers sind bei Hedera sehr deutlich ausgeprägt. Die zu Haftwurzeln um- gebildeten Luftwurzeln entstehen normal auf der ventralen Flachseite des Efeusprosses unterhalb der durch die zweizeilige Blattinsertion gebildeten Knoten. Sie dienen zur Befestigung der negativ heliotro- pischen, dorsiventralen Sprosse des Wurzelkletterers an der von Bäumen, - Mauern usw. gebildeten Stütze oder Unterlage. Sie erfüllen diesen Zweck durch ihr flaches Anliegen und durch inniges Verwachsen mit dem Substrat, durch Härte und Zugfestigkeit in so ausgezeichneter Weise, daß es schwer ist unverletzte Haftwurzeln zu erhalten, wenn man nicht die Unterlage, z. B. die Baumrinde, mit abschält. Obwohl diese Araliacee, die nach Schenck?) eine der in unserer Flora vorhandenen wenigen Lianen mit holzigen Stämmen ist, sich ver- hältnismäßig häufig in unseren Breiten findet und durch ihre an tropische Pflanzen, z. B. Aroideen, erinnernde Haftwurzelbildung die Aufmerksamkeit auf sich lenken muß, ist sie in dieser Hinsicht wenig eingehend untersucht, und die verschiedenen, sich widersprechenden Angaben über Auftreten und Ausbildung der Haftwurzeln fordern eine genaue Nachuntersuchung. Leitgeb®) findet, daß ihr Auftreten von einem durch die Unter- lage auf die Epidermis des Sprosses ausgeübten Reiz abhängig ist, daß sie aber andererseits an dem im Gewächshaus gezogenen Efeu an Stellen, z. B. an der Blattbasis entstehen, die nicht mit einer Unter- lage in Berührung kommen. Franke) dagegen ist der Ansicht, daß die Haftwurzeln, erst infolge mangelhafter Beleuchtung angelegt, sich 1) K. Goebel, Organograpbie, pag. 476. Fr. Regel, Die Vermehrung der Begoniacsen aus ihren Blättern. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaften, Bd. X, pag. 468. J. Schuch, Ist der Efeu die einzige Pflanze, welche bei uns Luft- wurzeln bildet? Bot. Zeitung 1876, pag. 817. 2) H. Schenck, Beiträge zur Biologie und Anatomie der Lianen. Sehimper's Bot. Mitteilung aus den Tropen, pag. 32. 3) H. Leitgeb, Die Haftwurzeln des Efeu. Sitzungsberieht der mathem.- naturw. Klasse der Kaiserl. Akad. .d. Wiss. Wien 1858, Bd. XXIX. ö 4) M. Franke, Beiträge zur Kenninis der Wurzelverwachsungen. Gohn's Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. III, pag. 320, 102 Walter Bruhn, ohne Ordnung und Lokalisation auf der vom Licht abgewandten Stengel- seite entwickeln. Nach Royer!) ist die Ausbildung von Haftwurzeln sogar nur auf den mittleren Teil des Internods beschränkt, während in seinen Kulturen sich an den Knoten Adventivbildungen — pseudorhizes — entwickelten, eine Behauptung, die sich nur auf irrtümliche Deu- tung der durch ein an und für sich nicht ganz einwandfreies Experiment erhaltenen Resultate zurückführen läßt. (Genaue Beobachtung zeigt, daß es sich bei der Haftwurzelbildung nicht um einen von der Unterlage ausgeübten Reiz handeln kann. Ich fand an vielen Sprossen, die sich nieht anlegen konnten, ebenfalls Haftwurzeln. Zur weiteren Prüfung . der Reizwirkung leitete ich Internodien auf Rohkork, konnte aber, im Gegensatz zu Kulturen auf angefeuchtetem Torf, keine Haftwurzelbildung an den anliegenden Stellen bemerken. Für die Ausbildung und Ent- wicklung der Haftwurzeln ist, wie für jede Wurzelbildung, ebenfalls ein bestimmtes Maß von Feuchtigkeit, sei es der Luft, sei es der Unter- lage notwendig; inwieweit auch das Licht als Faktor in Betracht kommt, wird sich aus den folgenden Versuchen ergeben. Die Haftwurzeln entspringen an den plagiotropen Sprossen nur an der Unterseite. Kultiviert man aber abgeschnittene oder in Ver- bindung mit der Mutterpflanze stehende Sprosse im feuchten, dämme- rigen bis dunklen Raum, oder hüllt man die jungen Sproßspitzen mit schwarzem Papier ein, so entwickeln sich auch auf der dorsalen Flach- seite, an einer Stelle, wo sie normal nicht auftreten, teilweise auch rund um den Sproß, Haftwurzeln. (Ich gebrauche hier der Einfachheit halber noch die Bezeichnung „Haftwurzel“, obgleich diese Wurzeln, sowohl der Funktion nach, als auch im Habitus und anatomischen Bau, nicht mehr typischen Haftwurzeln entsprechen.) Die Fig. 1 zeigt deutlich, daß die Induktion der Sprosse hinsichtlich der einseitigen Ausbildung der Wurzeln eine sehr labile ist. Schon durch einfache Feuchtkultur bei . geringerer Lichtintensität läßt sich künstlich an jungen Sprossen Um- stimmung hervorrufen, wie man auch an der Mutterpflanze selbst beob- achten kann, wenn junge Sprosse im dichten Gewirr liegen. Ältere Sprosse sind bedeutend schwerer zu dieser Ausbildung der Wurzeln zu bringen. Ein weiterer Beweis für die Beeinflussung der Wurzelbildung durch das Licht dürfte eine Tatsache sein, auf die bereits Leitgeb?) und Goebel?) hinweisen, nämlich, daß an älteren Pflanzen die ganze 1) Royer, Flor. de la Cöte d’Or, pag. 218. 2) Leitgeb, 1. ce. pag. 355. Sep.-Ahdr,, pag. 8. 3) Goebel, Organographie, pag. 198, Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 103 Sproßoberfläche mit zahlreichen Wurzeln bedeckt ist. Nach Schenck’s!) Beobachtung treten sie am stärksten an beschatteten, nicht, oder weniger an den vollem Licht ausgesetzten Stämmen auf. Ihre Aus- bildung beginnt, sobald der Stamm mit einer diehten Korkschicht über- zogen ist, die, wie das unter ihr liegende chlorophyllhaltige Rinden- parenchym zeigt, doch für das Licht nicht völlig undurchlässig ist. ' Immerhin wird der vorhandene Lichtmangel, unter sonst günstigen Ernährungsbedingungen, Wurzelbildung hervorrufen. Auch in dieser Fig. 1, Hedera Helix. Fig. 2. Hedera Helix. Bei geringerer Lichtinten- In Wasser kultivierter Steck- sität kultivierter Steckling ling, bei 4 ausgewachsene mit Wurzelbildung auf der Haftwurzelanlage, bei 3 an beleuchteten Seite. — der Schnittstelle entstandene (Verkl.) Wurzeln. (Verkl.) Hinsicht wurden Experimente gemacht. Ich entfernte von einem ca. 2 cm starken Efeusproß sorgfältig den Rindenkork; es bildeten sich in der Tat keine Wurzeln. Zur Kontrolle wurden junge Sproßinternodien, die keine Wurzelbildung zeigten, mit schwarzem Papier umhüllt. Wenn es auch nicht gelang, Wurzelbildung längs der ganzen Strecke hervor- zurufen, wobei wohl die schlechteren Nahrungsverhältnisse der jungen 1) Schenck, 1. c. pag. 9. 104 Walter Bruhn, Sprosse in Betracht 'zu ziehen sind, so trat sie doch rings um den Knoten auf und zeigte sich teilweise auch weit über das Internod ver- schoben. Bessere Resultate erhielt ich, wenn ich die Internodien voll- ständig mit feuchtem Sphagnum umwickelte und dann zur Verhinderung der Verdunstung mit schwarzem Kautschukpapier umhüllte. Schon mehrfach war es mir bei diesen feucht gehaltenen Kulturen aufgefallen, daß die sich aus den Haftwurzelanlagen entwickelnden Wurzeln in Größe, Form und Farbe von den normalen Haftwurzeln bedeutend abwichen, eine Erscheinung, die bisher vollständig’ übersehen wurde und die, wie ich später zeigen werde, zu vielen irrtümlichen anatomischen Beschreibungen der Haftwurzel Anlaß gegeben hat. Da auch schon Went!) bei der Untersuchung der Aroideenluftwurzeln Mittelbildungen zwischen Haft- und Nährwurzeln aufgefunden hatte, so beschloß ich diese Frage der etwaigen Umbildungsfähigkeit der Wurzeln hier an einer Pflanze mit typischen Haftwurzeln experimentell zu unter- suchen. Trecul?) sieht in der Haftwurzel des Efeu nur „des racines destinees non pas & nourrir Ja plante mais A la fixer“. Leitgeb?) gesteht den von ihm untersuchten Wurzeln auf Grund seiner Experi- mente schon einen geringen Anteil an der Ernährung der Pflanze zu, - während Royer ausdrücklich auf den nicht modifizierbaren Unterschied von Haft- und Nährwurzeln hinweist. Am einfachsten schien die Unter- suchung dieser Angaben durch die Beobachtung eines Experiments, das die Natur selbst in großem Maßstabe vollführt, nämlich durch die Früfung des Verhaltens der auf dem Waldboden kriechenden Efeu- sprosse, deren Haftwurzeln ja gleich mit dem feuchten Boden in Berührung sind. Kerner‘) gibt von diesen Sprossen an, daß sie auf der vom Licht abgewendeten Seite eine Menge von Haftwurzeln bilden, mit denen sie sich an der Unterlage festhalten. Ich fand jedoch an allen unter- suchten Sprossen, an Stelle der hiernach zu erwartenden Haftwurzeln, lange, reich verzweigte, positiv geotropische Wurzeln, die, vielfach tief in den Boden eingedrungen, klar erkennen ließen, daß sie sicher zur Ernährung der Pflanze dienten. Der das Auswachsen der Wurzel- anlagen bedingende Faktor ist, wie aus den daraufhin von mir ange- 2) Went, I. ec. pag. 1—72, spez. pag. 41. j 2) Trecul, Origine des racines. Annales des Seiences Naturelles XIII, Serie Botanique, Tome VI, pag. 319, 3) Leitgeb, pag. 10 u. 11 des Sep.-Abdr. 4) Kerner, Pflanzenleben, Bd. II, pag. 476. Sn 53 Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 105 setzten Kulturen hervorgeht, die hohe Feuchtigkeit der umgebenden Luft oder der Unterlage. Es wurden Efeusprosse, deren Haftwurzeln nocht nicht ausge- wachsen waren, sondern unterhalb der Blattinsertion als kleine Höcker erkennbar waren, abgeschnitten und teils frei im Wasser oder wasser- dampfreicher Atmosphäre, teils in feuchtem Sphagnum, teils in Erde oder auf feuchtem Torf kultiviert. In allen Fällen gelang es diese Anlagen zum Auswachsen zu bringen. In Wasser wie in Erde ent- wickelten sich, bis zur Unterbrechung des Versuchs, einige reichverzweigte Wurzeln zu einer Länge von 25—-30 em, in Sphagnum von 8—-12 em, bei einer Dicke von 1,75 mm, während typische Haftwurzeln nur 4 bis Fig. 3. Hedera Helix. Steckling auf feuchten Torf, die Haftwurzein sind völlig zu Nährwurzeln geworden. Fig. 4. Hedera Helix. Steckling, an dem durch Feuchtkultur bei @ und 5 Haftwurzeln, die zur Befestigung an " die Rinde dienen, ausgewachsen sind. Fig. 4. 7 mm lang werden. Diese Entwicklungsänderung steht im Zusamımen- hang mit einer Funktionsänderung, die durch die Einwirkung äußerer Faktoren bedingt wird. — Einen sicheren Beweis, daß diese Wurzeln vollständig die Ersährung des Sprosses — soweit sie durch die Wurzel geschieht — übernehmen können, glaube ich dadurch zu erbringen, daß ich von der Kultur auf feuchtem Torf stets alle in der Nähe der Schnittstelle sich bildenden Adventivwurzeln entfernte. Die Aufnahme des Wassers und der anorganischen Salze geschah also bei dem gut gedeihenden Sproß ausschließlich durch die dieser Funktionsänderung unterzogenen ursprünglichen Haftwurzeln (Fig. 3). Man könnte bei diesen Versuchen einwenden, daß es sich ja größtenteils um dem (rewächshaus entnommene Sprosse handelt, die 106 Walter Bruhn, eventuell durch die besonders günstige Ernährung in der Wurzelanlage und Ausbildung beeinflußt sind. Doch läßt sich dieser berechtigte Vorwurf leicht: entkräften. Die Fig. 4 zeigt einen Efeusproß), der sich mit seinen Haftwurzeln fest auf die Eschenrinde geheftet hatte und mit dieser Unterlage abgetrennt und in Wasser kultiviert wurde. Bei # und 5 sind nun zwei der kleinen Haftwurzeln bereits ausge- wachsen, und auch die oberen jüngeren haben frischwachsende Spitzen. Dasselbe Resultat erhielt ich bei einigen Sprossen, die ich mit den Haftwurzeln sorgfältig von einer Mauer abgelöst hatte. Besonders charak- teristisch für die Wirkung des Substrats dürfte es sein, daß es mir durch spätere Trockenkultur der betreffenden Wurzeln gelang, sie gewissermaßen auf dem Stadium großer, der Unterlage dicht anliegen- der Haftwurzeln zu erhalten und ihr weiteres Auswachsen, sowie die Ausbildung der Seitenwurzeln zu unterdrücken. Sie nahmen infolge der ringsum eintretenden Korkteilungen braune Farbe an, sämtliche Gewebeelemente zeigten infolge des plötzlich veränderten, für die Er- nährung und Ausbildung ungünstig gewordenen Substrats einen Still- stand und teilweise auch eine Rückbildung in der Entwicklung. Fig. 4 läßt aber auch erkennen, daß bei weitem nicht alle Haft- . wurzeln zu Nährwurzeln ausgewachsen sind. Nur die jungen Anlagen erweisen sich, wie aus zahlreichen Versuchen hervorgeht als umbildungs- fähig, während ältere Wurzeln, die ihre ursprüngliche Funktion als Haftwurzeln bereits ausgeübt haben, nicht mehr in derselben Weise reagieren. Offenbar handelt es sich hier um eine frühzeitige Induktion der Haftwurzelanlagen, da mir bis jetzt die Umwandlung nur gelang, wenn die Wurzelanlage außerhalb der Durchbruchstelle die Länge von ea. 1 mm noch nicht überschritten hatte. Bei älteren Wurzeln, die, wie sich nachher bei der Besprechung der anatomischen Verhältnisse deutlich zeigen wird, typische Hemmungsbildungen sind, ist infolge der mangelnden Feuchtigkeit die Differenzierung der Gewebe in allen Teilen, besonders an der Spitze, schon zu weit vorgeschritten; sie haben in- folgedessen ihre Reaktionsfähigkeit eingebüßt. Daraus erklären sich auch Royer’s?) Mißerfolge. Die Haftwurzeln haben zu ihrer Bildung jedenfalls ein bestimmtes Maß von Feuchtigkeit nötig; wird dieses, was an der relativ trockenen 2) Fräulein E. Ohmann, durch deren freundliches Entgegenkommen ich diese sterilen und andere fertile Sprosse erhielt, sage ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank. 2) Royer, l. c. pag. 218, ge Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 107 Baumrinde allerdings selten vorkommt, überschritten, so können sie zu Nährwurzeln umgebildet werden. Eine Korrelation in dem Sinne, daß die Erdwurzeln die Weiter- entwicklung der Haftwurzeln hemmen, und daß diese Hemmung durch das Abschneiden der Sprosse aufgehoben wird, besteht nicht. Mit gleichem Erfolge wie in den Steeklingskulturen gelang es mir auch, an den in Verbindung mit der Mutterpflanze stehenden Sprossen die Weiterent- wicklung der Haftwurzeln zu veranlassen. Zwischen den sich an der Schnittstelle neu bildenden Regene- rationswurzeln und den, wie schon vorher erwähnt, normal auf der ventralen Seite unterhalb des durch. die Blattinserfion gebildeten Knotens auswachsenden Haftwurzelanlagen sind jedenfalls Korrelationen vorhanden (Fig. 2). Es wuchsen die Wurzeln bei A schlechter, sobald die bei B in größerer Menge gebildet wurden, eine Erscheinung, die wohl infolge der Polarität des Sprosses auftritt und mit den für die Wurzelbildung hauptsächlich nach unten geleiteten Baumaterialien in Zusammenhang zu bringen ist. Nur in wenigen Fällen konnte ich be- obachten, daß Absterben des Steeklings an der Basis und die dadurch eingetretene Schädigung der unteren Teile eine stärkere Entwicklung am Knoten zur Folge hatte. Wurden die Wurzen am Knoten ent- fernt, so trat nur zuweilen Neubildung an dieser Stelle auf, wurden je- doch die Wurzeln an der ursprünglichen Schnittfläche entfernt, z. B. durch Abschneiden der Sproßbasis, so zeigten die unterhalb des Blattes befindlichen Wurzeln zwar besseres Wachstum, doch traten nach kurzer Zeit infolge der Nachwirkung der Polarität an der Basis Neubildungen auf. Die jungen Haftwurzeln entstehen, wie Tr&cul!), Leitgeb?), van Tieghem®), Regel‘) und Franke’) ziemlich übereinstimmend an- geben, an der Seite eines Gefäßstranges aus der Cambialregion unter Beteiligung der angrenzenden Parenchymzellen. Schon mehrfach wurde hervorgehoben, daß die Wurzeln zuerst hauptsächlich in Reihen unter- halb der Blattinsertionen entstehen, also am oberen Ende eines Inter- nods, an einer anderen Stelle, als die Polarität verlangt. Goebel®) weist nun bereits darauf hin, daß nicht alle Stellen eines Sprosses zur 1) Treeul, 1. ce. pag. 319. 2) Leitgeb, 1. c. pag. 354. Sep.-Abdr., pag. 7. 3) Van Tieghem, Symötrie de Structure des plantes. Annales des Sciences Naturelles, V. Serie, Tome XII, pag. 231. 4) Regel, ]. ce. pag. 468. 5) Franke, 1. c. pag. 319. 6) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 226. 108 Walter Bruhn, Ausbildung von Wurzeln gleich geeignet sind. Bei den Gräsern findet normal eine örtliche Begrenzung durch innere Verhältnisse, durch eine in den Knoten sich geltend machende Stauung der Leitungsbahnen statt. Wie die anatomische Untersuchung an Querschnitten unterhalb der Blattansatzstelle von Hedera beweist, sind auch bier tatsächlich die Leitungsbahnen der Assimilate für die Anlage der Wurzeln ausschlag- gebend. Mit Chlorzinkjod behandelte Objekte zeigten, daß auf der der An- lage entsprechenden Strecke das Markgewebe, sowie die Holzparenchym- zellen und zahlreiche Rindenparenchymzellen viele Stärke aufgespeichert hatten, während an anderen Stellen des chlorophylihaltigen Sprosses dieses Assimilationsprodukt in geringerer Menge auftrat. Durch die aus dem Blatt abgeleiteten Assimilate werden die unterhalb der Basis gelegenen Teile besser ernährt; hier kommt es zu einer relativen An- häufung von Baumaterialien und dadurch zur Wurzelbildung. Die Gefäßbündel des Blattes schließen sich ohne Drehung oder Kreuzung an das Gefäßsystem des Stammes an. Ich möchte deshalb für diesen Fall auch die Richtigkeit der Angaben Fockens!) „daß die gedrehte oder verschlungene Richtung der Gefäße an einigen Stellen des Stammes eine ungleiche Anhäufung von Säften hervorruft, wodurch die Wurzeln am leichtesten gebildet werden“, bezweifeln. Auch in den von ihm be- obachteten Fällen, es handelt sich hauptsächlich um Orchideen und Aroideen, war die Ableitung der Assimilationsprodukte der für die Wurzelbildung ausschlaggebende Faktor. Die Beeinflussung durch die Blattinsertion macht sich, eine nur unklar ausgesprochene Vermutung Kraus?) vollauf bestätigend, durch die ganze Länge des Internods bemerklich, ja, sie zieht sich in der Richtung der Orthostichen bis zum nächsten Knoten als deutliche Nach- wirkung hin. Es gelingt auf verhältnismäßig einfache Weise den Be- weis zu erbringen, daß der Sproß gewissermaßen in bestimmter Richtung induziert ist. Hedera-Sprosse wurden oberhalb eines Knotens abge- schnitten und dann als Stecklinge noch einige Zentimeter über den nächsten Knoten in Gartenerde gesteckt oder in Wasser kultiviert. Bei der Kontrolle zeigten die in der Nähe der Schnittstelle entstandenen Regenerationswurzeln in vielen Fällen eine Entwicklung in zwei ent- gegengesetzten Reihen oder Zonen, die mit geringen Abweichungen mit der Verlängerung der Linie der Blattinsertion zusammenfielen. Auf- 1) J. Fockens, Über die Luftwurzeln der Gewächse. Inaug.-Dissert., Göt- tingen 1857, pag. 12. 2) GC. Kraus, Untersuchungen zum Geotropismus von Hedera. Flora 1880. — Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 109 tretende Unregelmäßigkeiten fanden durch eine Drehung der Sproß- achse ihre Erklärung. Noch deutlicher trat diese Bevorzugung zweier Seitenam Knoten der Erdkulturen hervor. Hier hatten sich, entsprechend der mehrreihigen Anordnung der Primärgefäße, einzelne Reihen von Nährwurzeln entwickelt, und zwar auf der, der betreffenden Blattbasis entsprechenden Seite am stärksten; auf der gegenüberliegenden Seite hatten sich ebenfalls Wurzeln gebildet, offenbar in Zusammenhang und Beziehung mit dem nächst höheren Blatt, doch infolge der größeren Entfernung der Assimilationsquelle weit spärlicher und schwächlicher. Bei dem normal wachsenden Efeu werden hier die Wurzeln sonst überhaupt nicht ausgebildet. Auf der zwischen der Basis und dem Knoten - gelegenen Strecke des Internods hatten sich nur wenige Wurzeln entwickelt. Auch hier trat deutlich eine Bevorzugung der durch die Blattinsertion gebildeten „Dispositionslinien“ hervor. Auch in der von Gentner') erwähnten stärkeren Wurzelbildung an der Ober- seite des Begoniensprosses und der Sproßstecklinge von Elatostemma sessile, die in der Ausbildung der Gefäßbündel ebenfalls die bevorzugte und durch die nach oben verschobene Blattinsertion auch die besser ernährte ist, sehe ich eine weitere Bestätigung der ersterwähnten Ab- hängigkeits- und Beeinflussungsverhältnisse. Leitgeb:) hat nun die Beobachtung gemacht, daß sich Haft- wurzeln sowohl auf der konvexen wie auf der konkaven Seite eines ge- krümmten Sprosses entwickeln. Ich konnte bei einer Nachprüfung dieser eigentümlichen Erscheinung nicht zu dem gleichen Ergebnis kommen und glaube, daß es sich bei den Leitgeb’schen Versuchen nicht um eine bloße Krümmung, sondern um eine direkte Knickung des Sprosses handelte, die, ähnlich wie eine Ringelung wirkend, Neu- bildung von Wurzeln hervorrief. Sachs?), Goebelt) und Vöchting’) haben dieselbe Erscheinung ebenfalls experimentell an Weiden und anderen Pflanzen hervorgerufen. Auch bei Hedera gelang es mir leicht, durch eine Anhäufung abwandernder Assimilate infolge künstlicher Unterbrechungen der Leitungsbahnen des Rindenparenchyms und der Siebröhren, Wurzelbildung an einer Stelle zu erzielen wo sie an Sprossen, 1) &. Gentner, Untersuehungen über Anisophyllie und Blattasymmetrie. Flora 1909, Bd. XCIX, pag. 290. 2) Leitgeb, 1. c. pag. 10, Sep.-Abdr, 3) Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen 1865, pag. 332. 4) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 223 u. £. 5) Vöchting, Über Organbildung im Pflanzenreich. Bonn 1878. 110 Walter Bruhn, die sich nicht anheften, normalerweise nicht auftritt. Ich entfernte durch tiefgehende Flächenschnitte die ursprünglichen Wurzelanlagen unterhalb des Blattes und umwickelte dann die Knoten mit feuchtem Sphagnum. Nach kurzer Zeit zeigten sich vereinzelt unterhalb, ober- halb oder seitlich der Schnittfläche Wurzeln, die jedenfalls Anlagen entstammten, die nicht mit fortgeschnitten waren. In zahlreichen Fällen aber war aus den oben angeführten Gründen Verschiebung der Wurzel- bildung auf die basale Strecke des nächst höheren Internods auige- treten. Die anatomische Untersuchung zeigte, daß die Schnitte bis tief in den Holzteil des Sprosses geführt waren, und daß die aus dem Blatt kommenden Leitungsbahnen, da auch sie vielfach geschädigt waren, neue Anschlüsse oberhalb des Knotens gebildet hatten. Infolgedessen war es hier zu einer Stauung in der Stoffleitung gekommen, die, noch dureh die Feuchtigkeit begünstigt hier starke Wurzelbildung veranlaßte (Fig. 5). Ich will hier einige Experimente und Kulturen einfügen, die in ihrem Endresultat — soweit davon überhaupt die Rede sein kann — weniger mit der vorliegenden Arbeit zu tun haben. Immerhin ver- dienen sie angeführt zu werden, teils, um zu weiteren Untersuchungen zu veranlassen, teils, weil sie ihren Ausgang nahmen von den Ver- suchen, an blühbaren, orthotropen Efeusprossen Wurzelbildung zu er- halten. Wie nach Schenck’s Beobachtungen bei den meisten Wurzel- kletterern, tritt auch bei Hedera ein Dimorphismus der Sprosse, der sich in der Blattbildung in auffälliger Weise äußert, auf. Fertiler Efeu zeigt eine von der normalen zweizeiligen abweichende Beblätterung nach der Blattstellung 2/5 (auch 5/8, 8/13 jedoch seltener), die Blatt- form ist von der drei- bis fünflappigen in eine mehr eiförmig zuge- spitzte, mit größter Breite in der Mitte der Spreite, übergegangen. Genaue Beobachtung, die ich an zahlreichen alten Efeustämmen zu Rothenburg o.d. T. machte, zeigte nun, daß, im Gegensatz zur Schenck- schen Angabe, die Haftwurzelbildung unterhalb der Blattinsertion eines Sprosses auch dort noch stattfindet, wo der dorsiventrale Sproß bereits orthotrop geworden und die Blätter teils die abweichende Form, aber noch nicht die für die fertilen Sprosse charakteristische, radiäre 2/5 Anordnung angenommen. Jedenfalls unterblieb die Bildung der drei- bis fünflappigen Blätter wohl nicht deshalb, weil, wie in vielen popü- lären Werkchen erklärt wird, diese blühbaren Sprosse sie nicht mehr 2) Schenck, 1. e. pag. 98. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 111 gebrauchen, da das mosaikartige Nebeneinanderlegen der Spreiten zur Ausnutzung des Raumes ohne Überdeekung benachbarter Spreiten hier unmöglich ist. An typisch radiären Sprossen konnte ich auch keine Wurzelbildung auffinden. Ich versuchte sie nun künstlich an ihnen hervorzurufen. Schon Hoffmann!) hatte beobachtet, daß sich diese orthotropen Sprosse nur sehr schwer bewurzelten, und da Goebel?) als wahrscheinlichen Grund für die Änderung der Blattform fertiler Sprosse allseitige, intensive Be- leuchtung und Anhäufung von organischer Substanz in diesen Teilen angibt, so lag die Vermutung nahe, für das Ausbleiben der Bewurze- lung ebenfalls diesen Faktor als bewirkende Ursache heranzuziehen. Es wurden nun bewurzelte „Efeubäumchen“ zur Verminderung der organischen Substanz längere Zeit im halbdunklen, feuchten Raum kultiviert, um eventuell unterhalb der Blattinsertion, sei es am Knoten oder Internodium, Wurzelbildung zu erhalten. Einzelne Stämmehen wurden mit feuchtem Sphagnum umwickelt; doch ist ein Erfolg bis jetzt nicht eingetreten. Nieht besser ging es mit einer anderen Kulturreihe von verdun- kelten Stecklingen, denen ich größtenteils auch noch die Blätter weg- schnitt. Es bewurzelten sich relativ viele, doch entsprangen die Wur- zeln nicht unterhalb des Blattansatzes, sondern aus dem Internodium, nachdem der Sproß oberhalb der Schnittstelle etwas gefault war. Wurzelbildung an oberirdischen Sprossen ließ sich nieht herbeiführen, ebensowenig wie sie an älteren, ®/,—1 cm starken Sprossen, die rings- herum starke Korkbildung zeigten, auftritt. Es besteht hier also eben- falls ein Gegensatz zu dorsiventralen Stammteilen, die, sobald Kork- bildung eingetreten ist, ringsherum Wurzeln entwickeln. Im Anschluß an diese Versuche suchte ich den experimentellen Nachweis zu bringen für Goebel’s®) Beobachtung, daß alte fünfzeilige, blühbare Efeusprosse an der Spitze wieder in zweizeilige übergingen. Hoffmann‘) ist mit Kulturen, wobei er jedoch nicht mit dem Ein- flusse organischer Substanz auf die Blattgestalt rechnete, bereits zu dem gegenteiligen Ergebnis gekommen, daß nämlich Sprosse aus der 1) H. Hoffmann, Kulturversuche über Variation. Botan. Zeitung 1884. pag. 213. 2) K. Goebel, Organographie, pag. 138. Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 13 u. 81, u. auch Kraus, I. c pag. 484, 3) K. Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 81. 4) H. Hoffmann, 1. c. pag. 214. 112 Walter Bruhn, Blütenregion ihren einmal angenommenen morphologischen und physiolo- gischen Wert oder Rang ziemlich vollständig beibehalten. Ich beobachtete mehrfach fertile Sprosse, an denen zwischen den radiären Blättern sich auch drei- bis fünfeckig gelappte fanden. Zu den Kulturversuchen wurden Sprosse mit abgeschnittenen Spitzen benutzt, die eine Zeitlang verdunkelt und dann im halbdunklen, feuchten Raum zum Treiben gebracht wurden. Aus den Blattachselknospen entwickelten sich bei einigen Stecklingen — viele gingen ein, da, wie schon erwähnt, die orthotropen Sprosse in der Kultur sehr empfindlich sind — kleine Fig. 5. Hedera Helix. Durch Wegschneiden der ursprünglichen Anlagen x wurde die Wurzelbildun; auf die basale Strecke des nächst höheren Internods verschoben. (Verkl.) Triebe, deren Blätter nicht mehr eiförmig zugespitzt, sondern lappig waren und den jungen Blättern dorsiventraler Sprosse auffallend glichen. Leider gelang es mir nicht, die jungen Sprosse weiter zu kultivieren, um an ihnen auch noch Abänderung der 2/5-Blattstellung, wodurch der Versuch erst völlig beweiskräftig ist, herbeizuführen. Charakteristisch für die Beeinflussung der Blätter durch eine relative Anhäufung organischer Stoffe ist auch die Beobachtung, daß nach den Fig. Ga u. 5. Hedera Helix. a Hoaft- wurzeln quer geschnitten; 5 Stück eines Haftwurzelquerschnitts, 1 mm hinter der Spitze. 1864, pag. 236 u. Taf. IX. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 113 Endosperms entwickelnde Keimling im ersten Jahre Blätter besitzt, die als ursprüngliche und phylogenetisch ältere Form denen radiärer Sprosse auffallend gleichen und erst allmählich in die drei- bis fünfeckige des Klettersprosses übergehen. Schenckt) erblickt in der Blattform des Klettersprosses eine Anpassung und hält sie für vorteilhaft zunächst wegen der, nach meinen Beobachtungen jedoch keineswegs stets oder sehr ausgeprägt auftretenden, Mosaikanordnung der Blätter und der damit verbundenen Lichtausnutzung. Dann soll aber auch durch die größere basale Verbreiterung der Blattspreite eine Bedeckung der jungen, noch zarten Adventivwurzelchen mit einer vor dem Austrocknen schützenden Hülle stattfinden. Mag dies für andere tropische Wurzelkletterer, 2. B. Marcgraviaceen, die Asclepiadee Oonchophyllum imbricatum Bl. oder die Aroidee Pothos celatocaulis?), wo allerdings den kurzgestielten Jugendblättern diese Funktion des Schutzes zufällt, zutreffen, für Hedera kann ich es nicht bestätigen, da die jungen Blätter des Hederasprosses anfangs zu klein und später sehr bald zu lang gestielt sind, um die längs des Internods entstehenden Haftwurzeln decken zu können (vgl. Fig. 4). Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zum Hauptgegen- stand der Untersuchung der Wurzelbildung zurück. Bei, den Haft- -, wurzeln von Hedera unterliegt also, wie ich nachgewiesen habe, nicht nur die Stellung dieser Organe äußerer Beeinflussung, sondern auch die Art und Weise der Ausbildung. Diese Piastizität der Wurzeln ist die Ursache davon, daß die verschiedenen Forscher bei der anatomi- schen Untersuchung der Wurzeln, die sie fälschlich noch für Haft- wurzeln hielten, zu so verschiedenen Ergebnissen gekommen sind. Leitgeb?) findet an den Wurzeln von verschiedenen Unterlagen nur geringe Unterschiede, die sich hauptsächlich auf den Bau der Epider- miszellen und ihr Auswachsen zu Wurzelhaaren beziehen. Eine typische Haftwurzel hat er jedenfalls nicht untersucht, wie aus seinen Zeichnun- gen hervorgeht. Franke‘) untersuchte dann im Anschluß an van Tieg- hem’s®) Angaben Haftwurzeln, die er im feuchten Raume mehrere Zentimeter lang sich hatte entwickeln lassen, und die, wie auch in diesem Fall die Zeichnungen beweisen, natürlich keine ursprünglichen Haft- wurzeln mehr waren. Um nun hierin Klarheit zu schaffen und auch 1) Sehenck, 1. c. pag. 9. 2) Goebel, Organographie, pag. 136. 3) Leitgeb, I. c. pag. 351. Sep.-Ahdr., pag. 4. 4) Franke, |. e. pag. 319 u. Taf. XVII. Fig. 12. 5) Ph. van Tieghbem, L c. Pl, 7, Fig. 54 u. pag. 231 u. 248, Fiora, Bd, 101. & 114 Walter Bruhn, die Frage zu beantworten, welche anatomischen Veränderungen mit der Umwandlung der Haftwurzeln sich in diesen Organen vollziehen, unter- suchte ich Wurzeln, die teils sich an Bäumen, Mauern usw. festgeheftet hatten, teils durch Kultur in Erde, Wasser, Torf, Sphagnum oder frei zur Entwieklung gebracht waren. Durch Schnitte in verschiedener Länge der Wurzeln gelang es mir, ein vollständiges Bild ihrer anato- mischen Entwicklung zu erhalten. doch will ich mich darauf beschränken, hier in Kürze eine allgemeine Übersicht zu geben und bei den einzelnen Wurzeln die Gewebe vergleichend zu berücksichtigen, die durch die ent- sprechende Kultur eine andere Ausbildung erfuhren. Die bräunlich gefärbten Haftwurzeln von Hedera erreichen eine Länge von 6—8 mm, sind unverzweigt ageotropisch und schmiegen sich, zuweilen miteinander verwachsend, in großer Zahl der Unterlage fest an, so daß dadurch haftscheibenähnliche Körper zustande kommen (Fig. Ga u. 65). Infolge dieses Anliegens zeigen sie auf dem Quer- schnitt dorsiventralen Bau, verbunden mit exzentrischer Lagerung des Zentralzylinders. Auf der Unterseite sind die Epidermiszellen in großer Zahl zu unförmig verknäulten Wurzelhaaren ausgewachsen, was bereits Malpighi!) bekannt war. Ihre Membran färbt sich mit Phloroglucin- salzsäure rötlich, ist also verholzt. Daß sie nicht infolge von Kontaktreiz gebildet werden, sondern infolge der Feuchtigkeit der Unterlage, geht aus ihrem Auftreten auf der Oberseite der Wurzel hervor, sobald diese etwas feuchter gehalten wird. Das Rindenparenchym der Oberseite besteht aus fünf bis acht Schichten unregelmäßig angeordneter Zellen wechselnder Größe, das der Unterseite aus drei bis fünf Reihen kleiner, oft etwas verdrückter Zellen, die in beiden Fällen frühzeitig verholzen. Der Zentralzylinder läßt nur im jugendlichen Zustand die primären Gefäßgruppen deutlich erkennen, er zeigt triarchen bis pentarchen Bau, den man auch an älteren Wurzeln durch die sich mit Phlorogluein stärker rot färbenden Vasalprimanen noch feststellen kann. Es tritt bei der Haftwurzel schon 1 mm hinter der Spitze eine vollständige Verholzung des Zentralzylinders ein, nur wenige Ringgefäße sind in ihm erkennbar, das übrige Gewebe wird von stark verdickten Holz- fasern mit einfachen Durchbrechungen gebildet. Der Siebteil ist nur sehr gering entwickelt und vielfach desorganisiert. Die geringe Ent- wicklung der Stoffleitungsbahnen dürfte auch erklären, weshalb die 1) M. Malpighi, Opera omnia, 'Tom. I, altera pars 1687, pag. 140 und auch Gasparrini, Ricerehe sulla natura degli suceiatori e la escrezione delle radiei anno 1816, T. IL. Fig. 19, pag. 38. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 115 Wurzel frühzeitig ihr Wachstum einstellt und später auch nicht .mehr umbildungsfähig ist. Aber noch ein anderer Faktor, nämlich die starke Ausbildung verkorkter Elemente wird neben dieser frühen Verholzung mit in Betracht zu ziehen sein. Eine Endodermis ist an den Haft- wurzeln nicht deutlich erkennbar, dagegen beginnt schon früh rings um den Zentralzylinder eine starke Korkbildung, auf der Oberseite stärker als auf der Unterseite; auch in den Zellen der Rinde finden Kork- teilungen statt, die teilweise zum Ersatz der beschädigten oder abge- stoßenen Epidermis dienen. Ich untersuchte nun auch eine Wurzel, die sich frei im Zimmer entwickelt hatte (Fig. 7). Sie zeigt schon einige Abweichungen von der eben beschriebenen Haftwurzel. Die Zellen des Rindenparenchyms sn Fig. 7. Fig. 7. Hedera Helix. Stück aus dem Querschnitt einer Wurzel, die frei in der j Luft gewachsen, 2 mm von der Spitze. . Fig. 8. Iedera Helix. Stück aus dem Querschnitt einer in Sphagnum gewachsenen Wurzel, 3 cm von der Spitze, der radiär gebauten Wurzel waren regelmäßiger angeordnet, auch war eine durch ihre Verholzung auffallende, den (efäßbündelecken folgende Endodermis vorhanden. Der Zentralzylinder verholzt frühzeitig, doch zeigte sich auf Längssehnitten schon bessere Gefäßausbildung: außer Ringgefäßen und Holzfasern einzelne Spiralgefäße und Tracheiden mit Hoftüpfeln. Der Siebteil zeigt ebenfalls stärkere Entwicklung. Die Verholzung der Rinde beginnt unterhalb der Epidermis sowie auch oberhalb der Endodermis, während der den Zentralzylinder im Alter umgebende Korkmantel unterhalb der Schutzscheide angelegt wird. Ich habe vorher die Haftwurzeln von Hedera als Hemmungs- bildungen bezeichnet inı Vergleich ihrer äußeren Entwicklung zu der gr 116 Walter Bruhn, der kräftiger entwickelten Sphagnum-Erd- und Wasserwurzeln und dies dadurch bewiesen, daß ich sie unter günstigen Bedingungen zum Aus- wachsen brachte. Es zeigt sich die Einwirkung des Substrats und der dadurch bedingten besseren Ernährungsverhältnisse aber auch im Bau der Wurzeln. Die Epidermis der Sphagnumwurzeln ist häufig zu Papillen und Wurzelhaaren ausgewachsen, das Rindenparenchym ist sehr stark ent- wiekelt und besteht aus etwa 12 Reihen regelmäßig angeordneter, mit Interzellularen aneinander stoßender Zellen, von denen nur die’ äußer- sten im Alter verholzen (Fig. 8. Die den Zentralzylinder in der Jugend in der Form eines Penta- oder Hexagons umgebende Endo- dermis nimmt später eine mehr kreisrunde Gestalt an. Sie ist anfangs nur auf den radialen Wänden, später erst. einseitig hufeisenförmig ver- diekt und läßt dann zum ungehinderten Wasseraustausch zwischen der primären Rinde und dem Zentralzylinder kleine Gruppen von Durch- laßzellen erkennen. Bei dieser Wurzel tritt eine Korkbildung unterhalb der Schutzscheide nur in seltenen Fällen auf; es ist ein gut entwickeltes Perieambium vorhanden, das den Ursprung der zahlreichen Seitenwurzeln bildet. In den Winkeln des Gefäßbündelsterns liegt der durch seine Größe auffallende Siebteil. Eine völlige Verholzung des Zentralzylinders tritt erst einige Zentimeter von der wachsenden Spitze ein. Die Wurzel zeigt im (egensatz zu der Haftwurzel deutlich sekundäres Dicken- wachstum. Der innere, dem Mark und den ersten Gefäßanlagen ent- sprechende Teil ist stärker verholzt als der später gebildete äußere, dessen Gefäße auch ein weiteres Lumen zeigen. Die Gefäßausbildung ist infolge besserer Ernährung weiter fortgeschritten. Es sind hier Ringgefäße, Spiralgefäße, Tüpfelgefäße, Tracheiden und vereinzelte Holz- fasern vorhanden. Erd- und Wasserwurzeln (Fig. 9 u. 10) wiederholen in ihren Grundzügen den Aufbau der Sphagnumwurzel, zeigen aber noch deut- licher wie sehr die Ausbildung von dem umgebenden Substrat beein- flußt wird. Es kommen ja allerdings bei denselben Wurzeln immer geringe Abweichungen vor, die vielfach wohl darauf zurückzuführen sind, daß die inneren Verhältnisse, die „Form“ einer Wurzel, auch unter denselben äußeren Bedingungen. nicht die gleichen sind. Um mich nicht immer wiederholen zu müssen, will ich Erd- und Wasserwurzeln hier zusammen besprechen. Ich glaube dies um so eher tun zu können, da sie im anatomischen Verhalten ziemlich ähnlich sind und ihre Hauptunterschiede: die bei der Erdwurzel frühzeitig in der primären Rinde auftretende Korkbildung und das ebenfalls bei ihr Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 117 sehr frühzeitig beginnende sekundäre Dickenwachstum, hauptsächlich durch das Substrat, in dem sie wachsen, bedingt sein dürften. Erstere ist ein vorzüglicher Schutz gegen zu große Wasserverdunstung und mechanische Verletzung durch Druck usw., letztere ist eine infolge der ausgiebigen Nahrstoffaufnahme und des wahrscheinlich langsameren Wachstums auftretende Erscheinung. Bei einer Wasserwurzel konnte ich sekundäres Dickenwachstum an einer 5!/, cm langen Wurzel erst 4 cm, an einer 28 cm langen Wurzel erst 22 em von der wachsenden Spitze feststellen, während eine 25 cm lange Erdwurzel den Zuwachs durch kambiale Tätigkeit bereits 3 cm von der wachsenden Spitze zeigte. Die Gewebe, die wir bei der Haftwurzel schon sehr frühzeitig a Fig. 10. Fig. 9. Fig. 9. Hedera Helix. « Querschnitt einer Erdwurzel; 5 Stück aus dem Querschnitt einer in Erde gewachsenen Wurzel, 2,3 em von der Spitze. Fig. 10. lledera Helix. Stück aus dem (Querschnitt einer in Wasser gewachsenen Wurzel, 3 cm von der Spitze. in den Dauerzustand übergehen sahen, z. B. das Grundgewebe des Zentralzylinders, beginnen hier erst sehr spät mit der Verholzung, ja teilweise fällt sie z. B. in vielen Schichten des Rindenparenehyms, wie auch andere Gewebeausbildungen überhaupt weg. Die innerste Zell- reihe des sieben- bis neunschichtigen, regelmäßigen Rindenparenchyms bildet eine deutliche Endodermis, unter der ein Pericambium vorhanden ist. Durch das Dickenwachstum werden diese Schichten jedoch bald verdrückt und die stark entwickelten Siebteile aus den Winkeln des Gefäßbündelsterns rausgedrängt. Die Erdwurzel zeigt in der Jugenl, 118 Walter Brulin, dem tetrarchen bis hexarchen Gefäßbündel folgend, rautenförmigen bis sechseckigen Umriß. Die Wasserwurzel ist, wenn auch ihre Endodermis anfangs den Gefäßecken folgt, mehr rund gebaut und besitzt zahlreiche lange Wurzelhaare. Es ist dies ein neuer Fall, wo entgegen der Frank Schwarz’schen Angabe‘), daß für Landpflanzen die Haarbildung unter- bleibt, sobald die Feuchtigkeit eine gewisse Grenze überschreitet, sobald die Wurzel im Wasser wächst, doch Wurzelhaare gebildet werden. In beiden Wurzeln sind die ursprünglichen Zentralzylinder von dem sekundären gefäßereichen Zuwachs durch stärkere Verholzung aus- gezeichnet. , Auf einem Längsschnitt tritt hier im Gegensatz zu der an der Luft wachsenden Haftwurzel besonders deutlich hervor, wie sehr guter Boden und ausgiebige Wasserversorgung die Ausbildung der Leitungs- balınen beeinflussen. Es sind zahlreiche Gefäße: Ringgefäße, Spiral- gefäße, Tüpfelgefäße, Tracheiden mit Hoftüpfeln und vereinzelte Holz- fasern vorhanden. Da letztere bei der Erdwurzel überdies fast alle lebenden Inhalt, nämlich Stärke führen, so sind sie als Ersatzfasern zu bezeichnen. Die Stärkekörner liegen oft zu großen Haufen zu- sammengeballt in der Zelle und werden später bei der Anlage zahl- reicher Nebenwurzeln wieder verbraucht. Im Anschluß an die voraufgehenden Untersuchungen gebe ich jetzt einige Tabellen, die in allerdings nur relativen Werten einen zahlenmäßigen Überblick über die besprochenen Verhältnisse gestatten und wohl ohne eingehendere Erklärung verständlich sind: Tabelle I. Haftwurzel, an Mauer gewachsen (vol. Fig. 6a). Expl. | Schnitt bei | Zentral- Kork Rinde zylinder |“unterseits | oberseits unterseits oberseits I. 0,5 mm 110 Teilstr)2 Teilstr. |3 Teilstr.| 5 Teilstr.\10—11 Teilstr. 1önm 10 „| „170.18 „u „ 4 mm 11 ” 8 ” 9 ” 7 EZ, 10 ” 1L.]I05mm 10 „12 » 3—4 „ 8-10 ,„ 114 » 2 mm 1 „ 18-4, I5-6, |8 „ 13-14 „ IM|ı mm lo „ 184, |5-6, 110 »„ Is-17 „5 2 mm 110 „ 14 F 7 ri 8 „ 17-18 , Die Tabelle zeigt deutlich, daß die den Zentralzylinder bildenden Gewebe kein oder nur ein sehr geringes nachträgliches Wachstum er- !) Frank Schwarz, Die Wurzelhaare der Pflanzen. Ein Beitrag zur Biologie und Physiologie dieser Organe. Untersuchungen aus dem botan. Institut zu Tübingen, Bd. I, pag. 160. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 119 fahren, daß die allmähliche Entwicklung des Korkmantels vielfach mit einem Stillstand oder Rückgang der Ausdehnung der Rindengewebe verbunden ist. Tabelle IL In Sphagnum gewachsene Wurzel. Schnitt bei | Zentralzylinder Rinde lem 25-27 Teilstr. |27—35 Teilstr. 3 cm 27—28 » 24—31 » 5 cm 28 9 25-28 „ 6 cm 33 3 18—24 » Mit der Entwicklung der Gewebe des Zentralzylinders tritt eine langsame, allmähliche Reduktion und Verdrückung des Rindengewebes ein. Tabelle III. In Wasser gewachsene Wurzel. Expl. | Schnitt bei | Zentralzylinder Rinde I. 0,5 cm 13 Teilstr.|14—15 Teilstr. 2 cm 12 3 11-—-13 FR 5 cm 12326 „ 8 » 8 cm 323—40 ,„ 1—12 ,„ M. 05cm [2-3 „ |M-I5 ,„ 2 cm 14 » 12 r 5 cm 26 ” 10 ” 85 em [46 „ 6-10 5 Tabelle IV. In Erde gewachsene Wurzel (vgl. Fig. 9a). Rinde von der Diagonale Höhe des Pentagonecke Größte Kork 7 ®&. | Zentralzylinders bis zur Rindenstärke Zentralzylindörs Verkorkung I. Expl. (pentarch.) l cm 123 Teilstr. | 11 Teilstr. | 7-8 Teilstr. | 6— 7 Teilstr. | 2 4 em I23 F 20 » 78, 6-7 „ 4 10 cm |27 F 22 » 12 r 16-24 „ 5 15 cm |29-30 ,„ 28 ” 14 2 18—19 „ 45 20 cm |31 2» PD 15 „ 20 » 45 I. Expl. (tetrarch.) 0,5 em 25 Teilstr. 5 Teilstr. 3 2,5 cm 2 j 9-10 ,„ 4—5 4,5 cm 22 % 9 ” 4—5 85 cm 27 12—15 , 4—5 ? * 13,5 cm 39, 23 " 23 120 Walter Bruhn, Diese beiden letzteren Tabellen III—IV lassen besonders deutlich den sekundären Zuwachs und die Entwicklung der sekundären Rinde hervortreten. Überblicken wir nosh einmal die an Querschnitten von Hedera gewonnenen Resultate, so macht sich von der Haftwurzel bis zur aus- gewachsenen Erdwurzel ein allmählicher Rückgang in der Verholzung und Ausbildung sklerotischer Zellen, entsprechend der abgeänderten Funktion, ein Fortschritt in der Entwicklung der Gefässe und Siebteile bemerkbar. Ein weiterer Teil der Untersuchungen beschäftigte sich mit der Ausbildung der Wurzelhauben und der Differenzierung der leitenden Gewebe in den verschiedenen Wurzelspitzen. Auch hier wurden je nach dem Substrat bemerkenswerte Unterschiede gefunden. Fig. 11. : Fig. 12, Fig. 11. Hedera Helix. Längsschnitt durch die Wurzelspitze einer Haftwurzel. Fig. 12. Hedera Helix. Längsschnitt durch die Wurzelspitze einer in Sphagnum gewachsenen Wurzel. Die Haftwurzeln müssen in ihrer ersten Entwicklung eine gewisse Ähnlichkeit mit den Spitzen von Erd- und Wasserwurzeln haben, da sie sich ja zu diesen umbilden lassen. Man kann in der Tat in jün- geren Stadien deutlich eine Wurzelhaube und meristematisches Gewebe erkennen. Nach kurzer Zeit, sobald die Wurzel sich der Unterlage fest angelegt hat, zeigt sich mit der schwindenden Plastizität ein wesentlich verändertes Bild (Fig. 11). Die ganze Wurzel hat eine Hemmung des Wachstums erfahren, die sich in der Organisation der Gewebe aufs schärfste bemerkbar macht. Es hat die schon bei den Querschnitten besprochene Korkbildung begonnen. Doch wird das Einstellen des Wachstums nicht, wie man leicht anzunehmen geneigt ist, durch einen den Vegetationspunkt umgebenden Korkmantel ver- ursacht. Auch bei alten Wurzeln konnte ich wohl Korkteilungen bis nahe zur Stütze erkennen, ohne daß jemals ein völliges Herumgreifen Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 121 erfolgte. Wohl aber scheinen die Zellen in der Nähe des Vegetations- punktes verkorkt zu sein, so daß man hier zwischen Korkgewebe und Zellen mit Korkeinlagerung zu unterscheiden hätte. Mit der Hemmung des Wachstums infolge Trockenheit des Substrates erfolgt eine völlige Verholzung des Zentralzylinders und ein Vertroeknen der Wurzel- haubenzellen, die im Gegensatz zu den anderen untersuchten Wurzeln keine Schleimreaktion zeigten. Die Ringgefäße werden auch nicht bis in die Nähe des Vegetationspunktes ausgebildet, sondern durch skeren- chymatische Zellen mit einfachen / Durchbrechungen ersetzt, ein Zeichen, daß das Wachstum der Wurzel nicht lange anhält. Der Haftwurzel am nächsten stehen im Sphagnum gewachsene Wurzeln, die, sei es, daß das Sub- strat hin und wieder austrocknet, sei es, daß sie mit der ‚Spitze aus der Umhüllung herauswuchsen, teil- 7 eg ı === m . Fig. 14. Hedera Helix. Fig. 132 u. 5. Hedera Helix. a Längs- Längsschnitt durch die schnitt durch die Wurzelspitze einer in Wurzelspitze der in Erde Wasser gewachsenen Wurzel; 5 Stück gewachsenen Wurzel. aus der Wurzelhaube. weise mit der Luft in Berührung gekommen waren (Fig. 12). Hier war eine der Größe und Stärke der Wurzel entsprechende Haube vor- handen, deren äußere, heller gefärbte Schichten abgestoßen wurden und Schleimreaktion zeigten. Darunter lagen dunkle, braun gefärbte Schichten, aus verholzten und verkorkten Zellen bestehend, die jedenfalls gerbstoff- ähnliche Stoffe enthalten. Sie färbten sich z. B. mit FeCl, grau- schwarz bis schwarz, ohne irgendwelche bestimmte Farbe blau oder grün, die auf Gerbstoffe hindeutet, erkennen zu lassen. Stärke konnte ich nur in geringen Mengen, in einzelnen Körnern in den Zellen der Wurzelhaube nachweisen, die auch die braunen Inhaltsstoffe enthalten. 122 Walter Bruhn, Die Differenzierung des Zentralzylinders, speziell die Ausbildung der Gefäße und Tracheiden, geht ziemlich bis in die Nähe des Vegetations- punktes und deutet auf langsames Wachstum hin, was ja, da die . Wurzel sich zuweilen aus den oben angegebenen Gründen unter ähn- lichen ungünstigen Verhältnissen wie eine an der Luft wachsende Haft- wurzel befand, in der Tat zutrifft. Die Wasserwurzel zeigt deutlich die Wirkung des veränderten Substrats, sie besitzt ebenfalls eine sich durch Neubildung von Zellen beständig regenerierende Wurzelhaube, ohne das jedoch die älteren Schichten vollständig abgestoßen werden (Fig. 13). Verholzte oder ver- korkte Zellen waren nicht vorhanden, auch waren außer einer mit Eisen- chlorid eintretenden dunkleren Färbung Gerbstoffe nicht nachzuweisen. Die äußeren Partien der Wurzelhaube sind verschleimt (Fig. 132) ebenso einzelne zwischen den verschiedenen Kappen liegende Schichten, während die inneren Teile zwar auch Schleimreaktion zeigten, aber außerdem noch einigermaßen Zellstruktur erkennen lassen. In den unterhalb der meristematischen Schicht der Wurzelhaube liegenden Teilen und den seitlich des Pleroms liegenden Periblemschichten der Spitze ist sehr viel Stärke vorhanden. Die Differenzierung des Zentralzylinders ist infolge des schnellen Wachstums noch nicht so weit vorgeschritten wie bei der Sphagnum- oder Erdwurzel, die doch im Boden eine ge- wisse Hemmung des Wachstums erfährt. Die zarten Gewebe des Vegetationspunktes der Erdwurzel werden durch eine Wurzelhaube geschützt, deren äußere Zellmembranen durch Verschleimung das Vordringen im Boden erleichtern (Fig. 14). Die inneren, im Gegensatz zu den verquollenen, mehr farblosen, mehr hell- gelb gefärbten Zellen enthalten sehr viel Stärke. Eine Verkorkung der Wurzelhaubenzellen war nicht nachweisbar. Ringgefäße sind ziem- lich weit nach unten entwickelt, aber bis zum Vegetationspunkt bleibt doch noch eine bedeutende Zone meristematischen Gewebes, auch ist das Mark unverholzt. Die Wurzel konnte in Funktion und Aufbau vollständig der gewöhnlichen Erdwurzel gleichgesetzt werden und zeigte, wie alle die besprochenen Experimente und die anatomischen Unter- suchungen beweisen die direkte Abhängigkeit der Gestaltung von äußeren Bedingungen. Da es interessant war festzustellen, ob sich auch tropische Ge- wächse ähnlich verhalten, setzte ich auch in dieser Richtung zahlreiche Versuche an. Haftwurzeln finden sich ja bei einer ganzen Anzahl von Kletterpflanzen der tropischen Urwälder: Aroideen, Clusiaceen, Artro- Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 123 carpeen, Moraceen, Bignoniaceen, Aselepiadaceen. Vor allem schienen sich die Haftwurzeln einiger Ficus-Arten, deren Sprosse in üppigem Wachstum die Wände eines Gewächshauses des Münchener Botanischen Gartens mit einem dichten grünen Teppich überzogen oder frei in der Luft hingen, sehr zur Nachprüfung und Vervollständigung der an He- dera gewonnenen Resultate zu eignen. Viele Fieus-Arten heften sich außerordentlich fest mit ihren Wurzeln an, wie daraus hervorgeht, daß sie nicht infolge der starken negativen Spannung der Nährwurzeln von ihrer Stütze herabgezogen werden, trotzdem nach den Went’schen!) Belastungsproben der Zug ein außerordentlich großer ist. Bei vielen Arten ist es zu einer Arbeitsteilung der Wurzeln in Haft- und Nähr- wurzeln gekommen. Die von mir untersuchten Fieus scandens Linn. und Ficus pumila Roxbg. hatten insofern große Ähnlichkeit mit Hedera, als bei ihnen an oberirdischen Teilen gewöhnlich keine Nährwurzeln gebildet werden, sondern der Sproß die Leitung des Wassers und der anorganischen Stoffe beibehalten hat. Auch findet sich hier der Dimor- phismus des Sprosses mit plagiotropen Langtrieben, die mir für meine Untersuchungen als die in den Gewächshäusern häufigeren ausschließlich zur Verfügung standen, und den orthofropen Blütensprossen. Die Haft- wurzeln entstehen normal auf der ventralen Seite des abgeplatteten 'Sprosses in Längsreihen unterhalb eines Knotens, die bei Ficus pumila kürzer sind, während sie bei Ficus scandens sich häufig weiter als über die Hälfte des Internods erstrecken. Die Bildung dieser Wurzeln, abweichend von der Polarität des Sprosses unterhalb eines Knotens, sucht Massart?) auf noch unbekannte innere Reize zurückzuführen, da nach seinen Untersuchungen die ana- tomische Beschaffenheit des Sprosses in der Nähe der Knoten und längs des ganzen Internods die gleiche ist. Durch Aufhellen junger Sproßspitzen und älterer Sproßteile von Ficus pumila in Chloralhydrat gelang es mir jedoch, deutlich zu erkennen, daß die letztere Annahme keineswegs zutrifft. Vielmehr zeigte sich in der Nähe des Knotens ein außerhalb des normalen Gefäßbündelstrangs peripherisch verlaufen- der halbkreisförmiger Leitungsring, der von den aus dem Sproß in das Blatt eintretenden Leitungsbahnen gebildet wird. Durch beständiges Entfernen der sich an der Spitze neu bildenden Blätter konnte ich feststellen, daß bei Fieus pumila die Wurzelanlage unabhängig von der 1) Went, l. ec. pag. 6 wu £. 2) J. Massart, Sur L’hritabilit6 des plantes superieures, T. LXII des M6- moires couronnes et aufres M&moires publies par V’Academie royale de Belgique 1902, pag. 52. 124 Walter Bruhn, Assimilation des Blattes oder der anfangs kräftig entwickelten Neben- blätter unter dem Einfluß der dem Blatt und der Sproßspitze zuge- leiteten Stoffe erfolgt. — Wir werden in einem anderen Teil der Arbeit noch eine Pflanze — Vitis pterophora — kennen lernen, bei der der umgekehrte Fall vorliegt, und die assimilatorische Tätigkeit des Blattes und die anatomische Struktur der ableitenden Bahnen ausschlaggebend sind für die Entstehung der Luftwurzeln. Durch die obenerwähnte anatomische Figentümlichkeit der aus dem Sproß abzweigenden Zu- führungsbahnen wird es vielmehr unterhalb des Knotens zu einer Stauung der Baustoffe kommen, die die Wurzelbildung an diese Stelle lokalisiert. Es kommen also für ihre Entstehung unterhalb eines Knotens ebensowenig wie für die vom Knoten ab gewissermaßen in zentri- fugaler Richtung erfolgende Ausbildung in Längsreihen „unbekannte innere Reize“ in Betracht. Massart!) gibt nun für die von ihm untersuchten Ficus repens usw. eine Entstehung der Haftwurzeln „dans le pericyele au devant les faisceaux* an, während bereits van Tieghem2) und Lemaire?) einen Ursprung ähnlich wie bei Hedera an der Seite der Fibroversalstränge und vor den Markstrahlen beobachtet haben. Auch bei Ficus scandens und pumila entstehen nach meinen Untersuchungen die Wurzeln stets seitlich der Gefäße, und zwar wird ihre reihenförmige Anordnung durch ihre Anlage seitlich der Primärgefäße bedingt, die auf einem Quer- schnitt gitterartig in einzelnen Gruppen beisammen liegen. Es wird dann sehr bald eine Verbindung mit den Primärgefäßen hergestellt, wie man aus den ringförmigen Verdiekungen mancher in ihrer Nähe liegender Zellen sehen kann. Massart#) ist der Ansicht, daß die Haftwurzeln von Ficus solange weiter wachsen, bis sie auf einen Gegenstand, an den sie sich anheften können, gestoßen sind. Ich kann diese Beobachtung nicht bestätigen, Die von mir untersuchten Haftwurzeln erreichten selten eine größere Länge als 1 cm. Dann hatten sie ihr Wachstum völlig eingestellt und waren, nachdem eine starke Verholzung der Gewebe eingetreten war, vertrocknet, ohne sich an eine ganz in der Nähe befindliche Mauer anzuklammern. Auch wenn die Wurzeln an einem Stamm oder Ge- 1) Massart, 1. e. pag. 32. 2) van Tieghem, 1. e. pag. 231—234. 3) Lemaire, Origine et developpement des racines laterales. Annales des Sciences Naturelles, VIL Serie botanique, Tome TII, pag. 224. 4) Massart, 1. c. pag. 60. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. - 125 mäuer wirklich als Haftwurzeln in Funktion treten, erreichen sie infolge der Trockenheit der Unterlage immer nur beschränkte Größen. Nach dem Eintritt des sekundären Dickenwachstums, das ja fast ausschließlich auf der vom Licht abgewandten Seite des Fieus-Sprosses stattfindet, entstehen die später gebildeten Wurzeln bei Ficus scandens nicht, wie Massart bei seinen Untersuchungen, trotz richtiger Zeiehnung, angibt, „a la limite de l!’ombre et la lumiere“, sondern ihre Bildung tritt zuerst in zwei Längslinien seitlich der Stelle ein, wo der sekundäre Zuwachs und der auf dem primären Stadium verharrende, als deutlich mediane Kammlinie erkennbare Teil des Sprosses aneinander stoßen. Auch konnte ich vielfach Bildung dieser später auftretenden Haftwurzeln an der dem Substrat aufliegenden Seite beobachten, so daß ihre Ent- stehung keineswegs, wie Massart vermutet, durch Kontakt verhindert wird. Die Wurzeln entstanden ebenfalls deutlich vor den das sekundäre Holz durchziehenden Markstrahlen. Durch Umhüllen jüngerer wie auch älterer Sprosse mit feuchtem Sphagnum, das durch Kautschukpapier gegen Austrocknung geschützt war, gelang es mir leicht, ähnlich wie bei Hedera, die ursprünglichen Haftwurzeln zu langen verzweigten Nährwurzeln umzubilden. Einpflanzen von abgeschnittenen Stecklingen, Einleiten von Sprossen in Wasser oder feuchte Erde, Wachsenlassen der Wurzeln an sehr feucht gehaltener Kalkmauer oder Torfplatte hatten denselben Erfolg. Nachdem die Um- bildung der Wurzel erfolgt war, konnte ich die Verbindung mit der Mutterpflanze aufheben, ohne daß die neuen Stecklinge irgendwelche Störung der Entwicklung zeigten. Daß lediglich auch hier die Feuch- tigkeit des Substrats und die damit ermöglichte Nahrungsaufnahme für die Funktionsumbildung «der ursprünglichen Haftwurzeln in Be- tracht kommen, zeigten Kulturen auf trockenem Kork, Stein usw, wo die Wurzeln ihren Charakter als typische Haftwurzeln unverändert bei- behielten. Diese Umbildung gelang mir auch dann noch, wenn die Haftwurzeln bereits eine Länge von mehreren Millimetern (ca. 4—6 mm) erreicht hatten. Es’ist in unseren Gewächshäusern, wo der Feuchtigkeitsgehalt der Luft stets ein relativ hoher ist, die Plastizität der Wurzel eine größere, länger ausdauernde, wie man schon äußerlich bei der Betrach- tung der frischen hellgelben, oft von Wurzelhaaren bedeckten Wurzel- spitze sehen kann. Bei Ficus scandens ist es verhältnismäßig leicht die Dorsiventra- lität der jüngeren Sprosse hinsichtlich der Wurzelentstehung zu ändern. Ein Beleuchtungsunterschied, der genügt um eine Drehung der Blatt- 126 Walter Bruhn, spreite aus der Vertikalen in die Horizontale herbeizuführen, bewirkt hier bereits Wurzelbildung auf der Unterseite wie auf der Oberseite des Sprosses. Gleiche Resultate erhielt ich bei Kulturen im Dunklen, wozu ja auch die Umwicklungsversuche mit Sphagnum zu rechnen sind. Die Dorsiventralität des Fieus scandens tritt also hauptsächlich in der Abplattung seines Sprosses zutage. Bei Ficus pumila dagegen konnte ich trotz vieler Versuche keine direkt entgegengesetzte, sondern nur seitliche Verschiebung der Wurzelentwicklung herbeiführen. Offenbar ist die Dorsiventralität hier, wie auch Massart!) für Fieus repens an- gibt, sehr schwer veränderbar, wenn nicht gar erblich fixiert. Auch an hängenden Zweigen, die ihre ventrale Seite starkem Licht zukehrten, erfolgte die Wurzelkildung stets auf dieser Seite. Ebenso wie bei Hedera sind auch hier die Haftwurzeln als Hem- mungsbildungen aufzufassen, deren Umwandlung und weitere Entwick- lung bei geeignetem Substrat sehr leicht erfolgt. Eine genaue Unter- suchung der anatomischen Verhältnitse betreffs der verschiedenartigen Ausbildung der Haftwurzeln und der zu Nährwurzeln umgewandelten Wurzeln werde ich erst in einer anderen Arbeit geben. Ich will hier nur im allgemeinen die Unterschiede erwähnen, die mir an den unter- suchten Exemplaren bis jetzt hauptsächlich aufgefallen sind, und die uns einigermaßen einen Eimblick in die durch die Funktion begründete anatomische Ausbildung dieser Wurzeln gewähren. Während bei der Haftwurzel Wurzelhaare hauptsächlich auf der Substratseite gebildet werden und durch ihr pseudoparenchymatisches Gewirr sehr zum festen Anklammern beitragen, wachsen die Epidermiszellen der Nährwurzeln infolge der allseitigen Feuchtigkeit ringsherum zu Haaren aus. Der Zentralzylinder der typischen Haftwurzeln, die durch das Anliegen etwas abgeplattet ist, hat vielfach eine exzentrische Verschiebung seiner Lage erfahren, bei der in Wasser oder Erde befindlichen Wurzel liest er zentral. Die unter günstigen Ernährungsbedingungen wachsende Wurzel zeigt dementsprechend eine viel reichlichere und größere Ausbildung der Gefäße und Siebteile als die trocknem Substrat aufliegende Wurzel. In- folge des langandauernden Wachstums, das sich ja schon in der Länge, die die der Haftwurzel um das 10—20fache übertrifft, und in der zahl- reichen Seitenwurzelbildung äußert, geht die Verholzung des Zentral- zylinders nicht so frühzeitig vor sich. Vielfach tritt sogar im Alter sekundäres Dickenwachstum auf, das sich bei der unter ungünstigeren Außenverhältnissen wachsenden Wurzel nicht einstellt. Die Zellen des 1) Massart, Le pyag. dd wm f. en nn Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 127 Rindenparenchyms sind besser und regelmäßiger entwickelt, und in ihren Membranen sind im Gegensatz zu denen der Haftwurzeln keine sich mit Phloroglueinsalzsäure rot färbenden Holzstoffe eingelagert. Auch bei diesen Haftwurzeln zeigt sich deutlich, daß sie morpho- ‚logisch wie anatomisch Hemmungsbildungen sind, deren Plastizität je- doch keineswegs verloren, sondern die unter günstigen Außenbedingungen wohl zur Weiterentwicklung gebracht werden können. In der Gestaltung mancher Organe von Pflanzen der verschieden- sten systematischen Gruppen herrscht vielfach eine große Überein- stimmung, die eben nur durch den Einfluß äußerer Reize und die durch sie in bestimmte Bahnen gelenkte Entwicklung erklärbar ist. Das be- weisen auch auf das Deutlichste die bei den Aselepiadaceen, z. B. an Hoya!) auftretenden Haftwurzeln, deren Untersuchung im folgenden näher besprochen werden soll. Hauptsächlich wurde mit Hoya carnosa R. Br. experimentiert; doch verhält sich Hoya Cumingiana Deene. in vielen Beziehungen gleich. Die Haftwurzeln von Hoya carnosa wurden zuerst von Fockens?), dann auch von Franke) und Keller‘) beschrieben. Eingestreut in diese rein anatomischen Untersuchungen finden sich einige biologische Bemerkungen, die, da sie nur gelegentlich erwähnt und meist weit entfernt vom Thema der betreffenden Arbeiten lagen und auch nicht experimentell festgelegt sind, wohl kaum für die Beurteilung der Haft- wurzeln maßgebend sein können. Die Wurzeln werden im Cambium des Stammes angelegt und durchbrechen den den Siebteil umgebenden Ring von Stereiden und das Rindenparenchym. Bei der Entstehung der ersten jungen Wurzeln macht sich sicher eine gewisse Beeinflussung von (den aus den großen fleischigen Blättern abgeleiteten Assimilaten geltend, da ich die ersten Wurzeln sehr häufig, in Übereinstimmung mit der Went’schen®) Angabe, an den Knoten unterhalb der Blatt- insertion beobachten konnte, Später wird die Anlage der Wurzel je- dloch vollständig vom Licht beeinflußt. Sie werden nur auf der vom Licht abgewandten Seite gebildet, die ja in den meisten Fällen als der Unterlage anliegend auch die feuchtere ist. Doch treten die Wurzeln zuweilen auch auf der Oberseite auf, z. B. dann, wenn die Licht- 1) Went, l. e. pag. 6l. 2) Franke, Le. pag. 323. 8) Fockens, 1. ce. pag. 62 u. £. 4) Keller, Anatomische Studien über die Luftwurzeln einiger Dikotylen. Dissert. Heidelberg 1889, pag. 8-10, 5) Went, le. pag. 61, 128 Walter Bruhn, intensität auf ihr durch ein darüberliegendes Blatt bedeutend abge- schwächt wird. Mit Sphagnum umhüllte Sprosse zeigten allseitige Ent- stehung der Wurzeln. Wie sehr das Licht als die Entstehung der Wurzeln in bestimmter Weise beeinflussender Faktor in Betracht kommt, konnte ich durch ein Experiment sehr gut nachweisen. Ein Steckling von Hoya carnosa wurde derartig gebogen, daß mehrere Internodien eine starke Krümmung er- fuhren, deren offener Bogen nach unten lag. Es befand sich also die wachsende Spitze der Erde zugekehrt. Das Licht fiel von oben teil- weise auch etwas seitlich (jedoch nnr von der einen Seite) auf den Sproß. Die nach einiger Zeit entstandenen Wurzeln hatten sich nur auf der vom Licht abgewandten konkaven Seite entwickelt, sowohl direkt unterseits als auch etwas seitlich verschoben. Die anatomische Unter- suchung junger Sprosse ergab, daß die Wurzeln wohl schwerlich schon vorher in dieser örtlichen Verteilung angelegt waren. Es handelt sich’ vielmehr um eine Lichtwirkung, die in diesem Falle so stark auftritt, daß die nach den sonstigen Erfahrungen auftretende Ausbildung ge- hemmt wird. Hat doch Noll!) an (vor Entwicklung der Seitenwurzeln) gebogenen Hauptwurzeln Seitenwurzeln nur an der konvexen Seite er- halten und diese Erscheinung auf „Morphästhesie® zurückgeführt. Goebel?) hat dann an Ligustrum vulgare und Equisetum Schaffneri nachgewiesen, daß auch eine Biegung des Sprosses in bestimmter Weise auf die Entwicklung der Seitenorgane wirkt, so daß die konvexe Seite als die in der Leitung der Stoffe bevorzugte und besser ernährte, eine Förderung, die konkave jedoch eine Hemmung erfährt. Im vorliegenden Falle haben wir es also mit einer durch das Licht ausgeübten, starken hemmenden Wirkung zu tun, die jedoch nicht vereinzelt dasteht,. da wir an einem anderen Beispiel später noch sehen werden, daß in ähn- licher Weise auch die Feuchtigkeit als hemmender Faktor in Betracht kommt. Die Haftwurzeln von Hoya carnosa erreichen sehr verschiedene Größen. Während einige, nur wenige Millimeter lang, im Wachstum still stehen, erreichen andere freiwachsend eine Länge bis ea. 2'/, em. Es hängt dies damit zusammen, daß die in unseren Gewächshäusern sich bildenden Wurzeln meistens keine spezifischen Haftwurzeln sind, 1) Noll, Über den bestimmenden Einfluß der Wurzelkrümmungen auf Ent- stehung und Anordnung der Seitenwurzeln. Landwirtschaftliche Jahrbücher 1900, pag. 145. >) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 82 u. f£. Vgl. auch Vöch- ting, Organbildung, IL, pag. 41, Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 129 da infolge der Kultur und des Anbindens der Pflanzen am Spalier sich ihnen vielfach keine günstige Gelegenheit zum Anheften bietet. Ferner trägt das häufige Bespritzen der Pflanze dazu bei, teils die Plastizität der typischen Haftwurzel zu erhöhen, teils, wie bei den im Gewächs- haus kultivierten Efeupflanzen, direkte Übergangsstadien zu den in feuchter Luft ausgewachsenen Wurzeln zu bilden. Es gelang mir in- folgedessen auch hier, Wurzeln, die bereits die Länge von 11/,—2 em erreicht hatten, durch Kultur im feuchten Sphagnum oder in mit Wasser gefüllten Reagenzrohren zu weiterem Auswachsen zu bringen. Die in Fig. 15. Fig. 16. Fig. 15. Hoya carnosa. In Wasser ausgewachsene Haftwurzel, links oben: x ur- sprüngliche Haftwurzeln. Bei 4 ringföürmige Einschnürung. (Verkl.) Fig. 16. Hoya carnosa. Regeneration einer alten, im Wasser ausgewachsenen Wurzel. (Verkl.) Fig. 15 abgebildete Wurzel mußte sogar, nachdem sie im Reagenz- röhrchen eine beträchtliche Größe erreicht hatte, in einem weitbauchigen Glasgefäß weiter kultiviert werden. Sie hatte, als ich sie zur ana- tomischen Untersuchung abschnitt, bei einer Dicke von 31/,—4 mm die Länge von 23 cm erreicht. Wie die daneben ausgebildeten Haft- wurzeln zeigen, war sie habituell vollständig von ihnen verschieden durch Größe, überaus reichliche Seitenwurzelbildung und Entwicklung Fiora, Bd. 101. y 130 Walter Bruhn, zahlreicher Wurzelhaare, die die Wurzeln mit einem dichten Pelz um- geben und jedenfalls für ausgiebige Wasseraufnahme sorgten. Daß die Wurzel vollständig zur Nährwurzel geworden, sieht man sehr deutlich an der bei A befindlichen, dureh einen Draht verursachten Einschnü- rung, welche die ursprüngliche Stärke des Sprosses vor der Funktions- änderung der Wurzel bezeichnet. Durch die fortgesetzte Wasserauf- nahme und die damit verbundene Zuleitung darin gelöster organischer Stoffe ist es zu dieser Anschwellung der Sproßachse gekommen, die, wie die anatomische Untersuchung lehrt, sowohl durch das Wachstum. des Holzkörpers, als auch durch Vermehrung des Rindenparenchyms bewirkt wurde. Es wurde an dieser Wurzel auch die Regeneratiorisfähigkeit im Alter geprüft und zu diesem Zwecke die Wurzel nach Entfernung sämt- licher Seitenwurzeln und Abschneiden der Hauptwurzel auf 5 em in Wasser kultiviert (Fig. 16). Nach einiger Zeit hatten sich in der Nähe der Schnittfläche drei Ersatzwurzeln gebildet, die sich im Verlauf des weiteren Wachstums, in der Ausbildung von Seitenwurzeln ebenso wie die ursprüngliche Hauptwurzel verhielten. Diese Beobachtung stimmt völlig überein mit dem von mir an einer Phaseoluswurzel beobachteten Resultat. Die Wurzel hatte in Nährlösung die Länge von 53 em er- reicht, war dann auf 5 em abgeschnitten, der obere dieke Wurzelstumpf wurde in Erde kultiviert und hatte nach einiger Zeit mehrere neue Seitenwurzeln gebildet, die für die Ernährung der ohnehin nur schwäch- lichen Pflanze ausreichten. Wir werden in einem anderen Teil dieser Arbeit sehen, daß auch ältere, durch Eindringen in den Boden zu Nähr- wurzeln gewordene Luftwurzeln, die bis in die Nähe ihrer Ansatzstelle abgeschnitten waren, in derselben Weise reagieren. — Die Hemmung der ursprünglichen Haftwurzel war also hier durch günstige Ernährungs- verhältnisse aufgehoben, und die Wurzel war in jeder Beziehung zu einer gewöhnlichen Nährwurzel umgebildet. Der nun folgenden anatomischen Untersuchung von Haft- und Nährwurzeln muß ieh voraufschieken, daß die von mir untersuchten Haftwurzeln jedenfalls zu denen gehörten, die infolge der hohen Luft- feuchtigkeit des Glashauses und der mangelnden Anheftungsgelegenheit die Differenzierung einer typischen Haftwurzel bereits überschritten hatten, so daß der spezifische Hemmungsgrad nicht mehr prägnant zum Ausdruck kam. Doch standen mir vorläufig keine anderen Wurzeln zur Verfügung, besonders da die auf rauhe Korkplatten geleiteten Sprosse zunächst in der Ausbildung der Haftwurzeln versagten. Ich glaube aber, daß die aus den von mir untersuchten Haftwurzeln erhaltenen I Z Zn Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 131 Resultate ziemlich sichere Schlüsse auf die wirklichen Verhältnisse ge- statten und den natürlichen Voraussetzungen und den an den vorauf- gehenden Wurzeln gemachten Beobachtungen entsprechend, die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben. Die Epidermiszellen der Haftwurzeln wachsen an der dem Sub- strat anliegenden Seite häufig zu Wurzelhaaren aus. Unter der Epi- dermis liegt ein deutlich ausgebildetes, einreihiges, aus verhältnismäßig großen Zellen bestehendes Hypoderm, das früher infolge einer auf dem Längsschnitt auftretenden anatomischen Eigentümlichkeit der Exodermis der Luftwurzeln der epiphytischen Orchideen gleichgesetzt wurde,‘ wobei die Epidermis als Rest eines Velamens gedeutet wurde‘). Epidermis- und Hypodermiszellen sind verkorkt. Dann folgt das sechs- bis acht- Fig. 17. Fig. 17. Hoya carnosa. Stück aus dem Querschnitt einer Haft- wurzel, ', cm von der ö Spitze. Fig. 18. Hoyacarnosa. Stück aus dem Querschnitt einer in Wasser ausgewachsenen Wurzel, 2"), em von der Spitze. Fig. 18. schichtige Rindenparenchym. Es besteht aus kleineren und größeren Zellen, von denen manche morgensternförmige Drusen von Cäleium- oxalatkristallen enthalten. Im Rindenparenchym treten schon frühzeitig allseitig stark verdickte Zellen auf, deren verholzte Wände von ein- fachen Kanälen durchbrochen sind. Sie erreichen zuweilen die viel- fache Länge der sie umgebenden Parenchymzellen, liegen anfangs einzeln oder zu kleinen Gruppen vereinigt, werden mit dem Alter immer stärker 1) De Bary, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane der Phanero- gamen und Farne, pag. 241. y%* 132 Walter Bruhn, verdickt, zahlreicher und machen schließlich in Gruppen von 10—25 Steinzellen einen Hauptbestandteil der Rinde aus. Unterhalb der Hypo- dermis setzt frühzeitig, nachdem die Epidermis vielfach verdrückt ist, eine Korkbildung ein, die später die Haftwurzel mit einem dichten, aus 8—10 Reihen tafelförmiger Zellen bestehenden Mantel umgibt. Die Endodermis hebt sich zwar als solche, erkennbar durch kleinere und etwas regelmäßiger angeordnete Zellen, von dem umgebenden Gewebe deutlich ab, ist aber nicht besonders differenziert (Fig. 17). Sie folgt den Umrissen des tri- bis pentarchen Gefäßbündelsterns. Auch hier sind zuweilen den Zentralzylinder, ähnlich wie bei der Hederahaftwurzel, umgebende Korkteilungen bemerkbar. Unter der Endodermis, die an einigen Stellen Gaspary’sche Punkte erkennen läßt, liegt ein ein- schichtiges Pericambium. Der größte Teil des Zentralzylinders besteht aus sklerotischen Zellen. Er verholzt frühzeitig, so daß bereits !/, cm von der wachsenden Spitze die Ecken der Xylemplatten aneinander stoßen. Zwischen ihnen, also der Zahl der Xylemstrahlen entsprechend, liegen die durch hellglänzende Wände auffallenden Siebteile. Die Ge- fäße sind sehr klein und heben sich auf dem Querschnitt nieht scharf von den ebenfalls stark verholzten Zellen des Füllgewebes ab. Doch erkennt man auf dem Längsschnitt deutlich, daß die stark verholzten Elemente aus Ringgefäßen, einigen Tracheiden mit ring- und spiral- förmigen Verdickungen und Holzfasern ähnliche Zellen mit poren- förmigen Durchbrechungen bestehen. In der Nähe der Wurzelspitze sieht man häufig verholzte, lang gestreckte, parenchymatische Zellen und Übergänge von prosenchymatischem zu parenchymatischem Gewebe. Da mit zunehmendem Alter auch eine Verholzung der unterhalb der Siebteile gelegenen Zellen und zuweilen, aber nur an, sehr wenigen Stellen und wahrscheinlich im Zusammenhang mit den vorhin ange- führten Ursachen, ein geringes sekundäres Diekenwachstum erfolgt, geht die ursprünglich sternförmige Gestalt des Zentralzylinders in. die mehr länglich ovale über. Auf die habituellen Unterschiede der Haft- und Nährwurzeln hatte ich bereits hingewiesen. Hand in Hand mit ihnen und vielfach durch sie bedingt gehen die anatomischen. Die Epidermiszellen sind allseitig zu Wurzelhaaren ausgewachsen, so daß keineswegs hierin zwischen beiden Wurzeln die Übereinstimmung herrscht, wie sie Keller‘) an- gibt. Ebenso wie die Epidermis ist die darunter liegende hypodermale Schieht verkorkt. Das Hypoderm ist großzelliger und tritt, namentlich 1) Keller, ]l. e, pag. 10. Se 'r Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 133 sobald die Wurzel etwas älter geworden, durch die an die Epidermis stoßende dickere Zellwand, die mit Phloroglucinsalzsäure Einlagerung von Holzstoffen zeigt, stark hervor. Das Rindenparenchym ist acht- bis zehnschichtig und besteht aus ungleich großen Zellen, die mit Inter- zellularen aneinander stoßen. Es sind auch hier Zellen mit Caleium- oxalat-Drusen vorhanden. Doch finden sich die bei der Haftwurzel so zahlreichen Steinzellen bedeutend später und in geringerer Anzahl. Bei 5 cm Entfernung von der wachsenden Spitze konnte ich sie vereinzelt als Zellen mit schwach verholzten Wänden beobachten, und erst in den älteren Teilen der Wurzel (bei ca. 13 cm) treten sie in Gruppen von vier bis zehn Zellen auf. Keller!) bat eine ähnliche Beobachtung gemacht an den von ihm untersiWehten Erdwurzeln und 'sprieht die Ansicht aus, daß die Haftwurzeln „der Sklerenchymzellen als Festigungs- elemente bedürfen“. Ich habe aber dieselben Zellen in ebenso großer Zahl in Haftwurzeln gefunden, die frei in der Luft wuchsen und keines- wegs auf Zug in Anspruch genommen wurden. Die Korkausbildung unterhalb der Hypodermis beginnt, den veränderten Außenbedingungen entsprechend, ebenfalls bedeutend später. Bei 8 cm hatten nur ganz vereinzelt Korkteilungen stattgefunden und bei 18 em hatte sich die Zahl erst auf drei- bis vier tafelförmige Korkzellen erhöht. Die wohl- ausgebildete Endodermis (Fig. 18) ist schon in der Jugend durch ihre regelmäßigen Zellen mit den Caspary’schen Punkten sehr deutlich erkennbar. Das darunter liegende Pericambium ist ein-, selten zwei- schichtig. Die Verholzung des Zentralzylinders steht, wie bei allen untersuchten Nährwurzeln, weit hinter der des gleichen Schnittes der Haftwurzel zurück. Die frühe Ausbildung der sklerenchymatischen Be- standteile, die bei der Haftwurzel die genaue Gefäßbestimmung un- möglich macht, fällt hier fast vollständig fort. Es sind einige Vasal- primanen vorhanden, und daran anschließend folgt die Ausbildung größerer Gefäße. Auch sind der Siebteil und das ihn umgebende parenchymatische Gewebe stärker entwickelt als bei der Haftwurzel. Das Füllgewebe des Zentralzylinders bleibt lange Zeit hindurch unverholzt. — Auf einem Längsschnitt zeigt sich sehr deutlich, wie die bessere Ernährung der Wurzel günstig auf die Ausbildung der wasserleitenden Elemente ge- wirkt hat. Ring-, spiral- und leiterförmige Gefäße, sowie Tracheiden mit gehöften Tüpfeln und verholzte Parenchymzellen mit porenförmigen Durchbrechungen ermöglichen eine ausgiebige Wasserversorgung des ganzen Sprosses. Die Keller’sche Ansicht?), daß die größeren Gefäße 1) Keller, le pag. 10, 2) Ders., Ebenda. 134 Walter Bruhn, auf ein größeres Durchlüftungssystem der Erd- bzw. Nährwurzel schließen lassen, ist mir unverständlich, da die Gefäße doch nur, wie bereits Stephen Hales!) in seinen klassischen Versuchen nachgewiesen, als wasser- und nährsalzleitende Stränge in Betracht kommen. Schon frühzeitig, bereits 5. cm von der wachsenden Spitze, setzt das sekundäre Dickenwachstum ein, wodurch die Siebteile nach außen verschoben werden, schließlich auch der durch die verdiekten Radial- wände stark hervortretende Endodermisring gesprengt und das Rinden- parenchym vielfach verdrückt wird. Durch diesen starken sekundären Zuwachs ist hauptsächlich der gegenüber der Haftwurzel beträchtlich vergrößerte Durchmesser der Nährwurzel bedingt. Bei einem Vergleich der beilen untersuchten Wurzelarten zeigt sich, daß zwischen ihnen vielfach nur graduelle Unterschiede vorhanden, die eben durch die ganz verschiedene Ernährung bedingt sind. Es bildet keine Wurzel, mit Ausnahme größerer Gefäße und direkt der Wasserleitung dienender Elemente und der bei der Haftwurzel auf- tretenden schwachen Korkbildung unterhalb oder in der Nähe der Endo- dermis um den Zentralzylinder, bestimmte Zellen oder Gewebe aus, _ die nur der einen Wurzel eigentümlich sind. Es fanden sich z. B. die Ausbildung des Korkes und die Steinzellen in der Rinde der Haftwurzel eher und zahlreicher als bei der Wasserwurzel. Doch ist diese be- sondere Ausbildung kein Spezifikum der Wurzel, sondern wie durch Untersuchung von älteren Teilen der Wasserwurzel hervorgeht, handelt es sich in diesem Fall nur um eine abgestufte Differenzierung, bedingt durch ungleich schnelles Wachstum der Wurzeln und abhängig von der Ernährung. Bei der Haftwurzel ist auch hier eine starke Hemmung des Wachstums eingetreten, die bei einer typischen Haftwurzel jeden- falls noch beträchtlieher sein dürfte. Diese Hemmung zeigt sich auch bei der anatomischen Untersuchung der Wurzelspitzen, bei denen wir hier ähnliche Verhältnisse wie bei den Hederawurzeln antreffen. Je nach dem Medium ist die Diffe- renzierung der leitenden Gewebe und auch der zum Schutz dienenden Wurzelhaube verschieden. Die Gefäßausbildung und Verholzung im Innern des Zentralzylinders geht auch bei jungen noch wachsenden Haftwurzeln bis in die Nähe des Vegetationspunktes und deutet darauf hin, daß die wachsende Region nur sehr kurz ist (Fig. 19). Die Spitze und das meristematische Gewebe der Wurzelhaube werden von einer starken 1) Stephen Hales, Statical essays, London 1727, u. Haberlandt, Physio- logische Pflanzenanatomie, pag. 264, Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 135 Schicht verkorkter, vielfach kollabierter oder verdrückter Zellen bedeckt, die sukzessive aus dem außerordentlich regelmäßig gebauten Meristem hervorgehen. Diese Schutzschieht ist schon durch ihre graugelblich bis braune Farbe deutlich vom Meristem und von den anderen noch nicht desorganisierten Zellen abgehoben. Stärke war in der Wurzelhaube nicht nachweisbar, wie denn die Wurzeln auch keinerlei geotropische Reaktion zeigen, sondern nach den verschiedensten Richtungen des Raumes hin wachsen. Die äußere Korkschicht wird allmählich abge- schülfert, zieht sich aber noch eine Strecke über die Epidermis hin, die sich ebenso wie die Hypodermis bald aus ihrem Ursprungsgewebe heraus differenziert. In diesen jungen Stadien ist von einer Diffe- renzierung der Hypodermis in größere und kleinere Zellen, die in regel- Fig. 20. Fig. 19. Hoya carnosa. «@ Längsschnitt durch die Wurzelspitze der Haftwurzel; 5 Stück der Wurzelhaube, Fig. 20. Hoya carnosa. Längsschnitt durch die Wurzelspitze einer in Wasser Fig. 19. gewachsenen Wurzel. mäßiger Abwechslung konisch zwischen erstere geschoben sind, was hauptsächlich zur Annahme einer der der Monokotylen ähnlichen Exo- dermis und einer unvollkommenen Forn von Velamen bei Hoya geführt hat, nichts zu sehen. Alle Zellen sind vielmehr gleichmäßig quadratisch ausgebildet, der Größenunterschied tritt erst später auf und wird dann, wie Keller angibt, im Alter wieder ausgeglichen, Sobald durch das Auftreten anderer als der bisher obwaltenden Faktoren die Entwicklung der Wurzel in neue Bahnen gelenkt wird, finden auch in der Wurzelspitze, Gestalt- und Strukturveränderungen statt. Die Wurzelspitze der Wasserwurzel (Fig. 20) ist schlanker gebaut, läuft viel spitzer zu als bei der vorigen Wurzel. Die Differenzierung der Gefäße und die Verholzung des Zentralzylinders und seines Füll- gewebes tritt hier nicht so frühzeitig ein, wie bei einer Wurzel be- 136 Walter Bruhn, grenzten Wachstums. Das meristematische Gewebe der Wurzelhaube ist besser entwickelt. Es findet ebenfalls eine Abstoßung der äußeren, kollabierten Zellschiehten statt, doch ist die Verkorkung dieser des- organisierten Zellen eine schwächere als bei der Haftwurzel, außerdem erhielt ich an ihnen mit Ruthenrot eine deutliche Schleimreaktion. Auch bei den an diesen Wurzeln gemachten Beobachtungen hat sich also deutlich der das Wachstum und die Ausbildung der einzelnen Organe oder Gewebe teils beschleunigende, teils verlangsamende, immer aber auf die Gesamtentwicklung hemmend einwirkende Einfluß der Luft gezeigt. Es ist ferner auch für tropische Pflanzen der Beweis gebracht worden, daß Schimper’s!) Auffassung, daß zwischen den Haft- und Nährwurzeln keine Übergänge bestehen, und daß eine Haft- wurzel, die zufällig in ein feuchtes Substrat gelangt, zwar Verzweigungen bildet, die jedoch in Bau und Eigenschaft mit der Haftwurzel überein- stimmen, nicht zutreffend ist. Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, daß nicht nur Luftwurzeln und speziell Nährwurzeln, wie Goebel in seiner experi- mentellen Morphologie bereits näher untersucht, imstande sind, sich bei genügender Feuchtigkeit zu verzweigen, sondern daß auch die kleinen Haftwurzeln unter vielfachem Verlust oder teilweiser Aufgabe ihrer ur- sprünglicehen Funktion sich zu reichverzweigten Nährwurzeln entwickeln können. Es bilden alle diese Luftwurzeln eine, von der durch Wakker?) gemachten Beobachtung, daß die Wurzeln der Landpflanzen in Wasser gehemmtes Wachstum zeigen, abweichende Gruppe. Wie bei der Aus- bildung aller Organe, so macht sich auch bei den Haftwurzeln einer Pflanze eine Bestimmung und Beeinflussung durch äußere Faktoren geltend, die sich je nach den wirkenden Einflüssen als Hemmung oder Fortschritt in der Entwieklung zeigt und vielfach den Charakter der Nützlichkeit an sich trägt. Gestalt und Funktion der Organe hängen — ein Satz, dessen volle Gültigkeit Goebel durch so zahlreiche Experi- mente nachgewiesen — auch hier auf das innigste zusammen, eines ist (durch das andere bedingt. 1) Sehimper, 1. c. pag. 285. 2) J. Wakker, Die Beeinflussung des Wachstums der Wurzeln durch das umgebende Medium. Jahrb. f, wissenschaft. Botanik 1898, Bd. XXXII, pag. 91. Anm. Auch die Behauptung Sachs, „daß die Eigenschaften der Luftwurzeln im Vergleich zu den gewöhnlichen Erdwurzeln nichts wesentlich Neues enthalten, sondern nur als weiter ausgebildete Eigenschaften der Erd- wurzeln“ zu betrachten sind, trifft in diesem Falle, wie auch aus einer Angabe Go ebel’s hervorgeht, nicht zu. Flora, 77. Jahrg., 1893, pag. 5 d. Abhäle.: Über latente Reizbarkeiten, 5 we- Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 187 Worin liegt nun die Bedeutung der von mir experimentell nach- gewiesenen Umwandlungsmöglichkeit der Haftwurzeln in Nährwurzeln? Abgesehen von der in der Praxis des Gärtners wohl bereits bekannten leichten und schnellen Vermehrung der Pflanzen mit Haftwurzeln durch abgeschnittene Stecklinge, da die kleinen vorhandenen Adventivwurzel- anlagen sehr gut auswachsen, und der eventuell durch sie gewährleisteten besseren Ernährung der Pflanze, scheint mir das Ergebnis hauptsächlich wichtig für die phyloge«etische Ableitung der Wurzelkletterer und weiter der Epiphyten. Schenek'), Schimper?2), Went?) und Goebel?) haben sich hauptsächlich mit der Frage der Abstammung der Epiphyten be- schäftiet und sind ziemlich übereinstimmend zu derselben, durch zalıl- reiche Beispiele gestützten, Hypothese gekommen, die, da den natür- lichen Voraussetzungen entsprechend, auch die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Wurzeikletterer werden einerseits abgeleitet von kletternden oder windenden Pflanzen, die wie z. B. die Composite Gynura aurantiaca im feuchten Urwald leicht Adventivwurzeln bilden, andererseits dürfte die biologische Stammform wohl der meisten Wurzelkletterer in Ge- wächsen mit auf dem Boden kriechenden gestreckten Stengeln, deren Knoten sich mit Wurzeln fest heften, zu suchen sein, oder in solchen, die ein Rhizom besaßen und am Grunde der moosigen Stämme oder Felsen ihre Existenzbedingungen fanden. Noch jetzt sind einige Ficus- arten, Aroideen und Orchideen auf dieser Stufe stehen geblieben. Von diesem Standorte aus, der das Auftreten der Wurzelkletterer in gewisser Weise lokalisiert, können die erstgenannten Pflanzenfamilien höher emporwachsen. Die vorhandenen Adventivwurzeln werden nach und nach zu Haftwurzeln differenziert, um die Pflanzen vollends zu typischen Wurzelkletterern zu machen. Zu dem bereits vorhandenen negativen Heliotropismus und der von Mohld) und besonders Sachs‘) genauer erkannten und anderen Forschern nachgewiesenen Reaktion auf Kontakt- 1) Schenck, 1. ce. 2) Schimper, l. ce. 3) Went, 1. c. 4) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderung, I, pag. 149—236. Ders., Organograpbie, pag. 488. 5) Mohl, Über den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen. Tübingen 1827, pag. 48. 6) Sachs, Über das Wachstum der Haupt- und Nebenwurzeln. Arbeit. d. Betan. Instituts in Würzburg 1873, pag. 437 und auch Treub, Ann. d. jardin botanique de Buitenzorg 1883, Vol. IIL, pag. 178. 138 Walter Bruhn, reiz, die an der feuchteren Substratseite auch die einseitige Ausbildung der zur Befestigung dienenden Wurzelhaare mit sich brachte, kamen der das Wachstum hemmende Einfluß der Luft, vielfach auch der des Substrats, sowie Verlust des positiven Geotropismus. Diese Faktoren bewirkten die allmähliche Herausbildung typischer Haftwurzeln, die aus- schließlich zur Festheftung einer Pflanze an eine Stütze dienen. Diese Warzeikletterer sind, wie Went!) und Goebel?) an mehreren Beispielen, z. B. an der Pandanacee Freycinetia mit allen Stufen der Anpassung und ihren Übergängen bis zum vollendeten Epiphyten, nachweisen, die Ursprungsform der Wurzelkletterer mit Nährwurzeln, der Pseudo-, Hemi- und Ganzepiphyten geworden. Haben sich viele Nährwurzeln gebildet, so hört oft die Leitung des Wassers und der anorganischen Stoffe im unteren Teil des Stengels auf, er stirbt ab, und die Pflanze wird zum Pseudoepiphyten. Leichte Verbreitung der Samen oder der Früchte wird dann die Hauptbedingung, um eine Pflanze zum Hemi- epiphyten zu machen, der nur in der Jugend die anorganische Nahrung der Baumrinde usw. entnimmt, bald jedoch den Boden erreichende Nähr- wurzeln treibt. Durch Reduktion der Nährwurzeln und völlige Anpassung an die oberirdische Lebensweise wird sich leicht der wahre Epiphyt — der Ganzepiphyt — herausbilden können. Dadurch, daß es mir gelungen ist, die Haftwurzeln wieder zur Aufgabe ihrer unter den Einflüssen äußerer Faktoren angenommenen Funktion zu zwingen und wieder zu gewöhnlichen Adventivwurzeln resp. zu Nährwurzelti umzubilden, erhält die eben in kurzen Zügen ent- wickelte Theorie eine neue, auf dem Experiment basierende positive Stütze und gewinnt durch sie sehr an Wahrscheinlichkeit. Wenden wir das erhaltene Resultat speziell auf den typischen Wurzelkletterer unserer Flora, auf Hedera Helix an: Dort, wo der Pflanze keine Ge- legenheit zum Anklammern geboten ist, finden wir sie mit lang- ausgewachsenen Adventivwurzeln an den Knoten, z. B. auf feuchtem Waldboden kriechend. Hat die Araliacee eine Stütze erreicht, so erfolgt an ihr ausschließlich die Ausbildung von Haftwurzeln. Doch ist es ver- hältnismäßig leicht, eine solche Pflanze zum Wurzeikletterer mit Nähr- wurzeln auszubilden, da sich an einem Baum, der stellenweise mit einer Humuslage oder mit feuchtem Moos bedeckt ist, wieder zahlreiche Nähr- wurzeln entwickeln. Durch Abschneiden des unteren Sproßteiles würde Hedera, vorausgesetzt, daß der obere Teil auf günstigem Substrat wächst, 1) Went, 1. c. pag. 47. 2) Goebel, Organographie, pag. 488. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 139 zu einer Art von Pseudoepiphyt gemacht werden können. Er würde sich jedoch von dem wirklichen Pseudoepiphyten im Sinne Went’s da- durch unterscheiden, daß er seine Nährwurzeln wie eine terrestre Pflanze direkt in das Substrat schickt, ohne daß sie, erst eine Strecke durch die Luft wachsend, in den Boden eindringt. Durch experimentelle Ein- griffe ist es mir aber auch gelungen, umgewandelte Haftwurzeln erst längere Zeit in der Luft wachsen zu lassen, also gewissermaßen zu Luftwurzeln zu machen und dann. in den Boden eindringend, ihre Herausbildung zu wirklichen Nährwurzeln herbeizuführen (Fig. 21), so daß also Hedera Helix unter entsprechenden Bedingungen sehr wohl als Pseudoepiphyt kultivierbar ist. Doch steht der natürlichen Aus- Fig. 22. Fig. 21. Hedera Helix. Ausgewachsene Haftwurzelanlagen, die sich hauptsächlich erst beim Ein- dringen in den Boden ver- zweigen. (Verkl.) Fig. 22. Anthurium ellipticum. Negativ geotropische Nestwurzel in ver- schiedenen Stadien der Reak- tion. bildung zum völligen Halbepiphyten oder wahren Epiphyten die schwere Verbreitung der Samen und das in unseren Vegetationsbedingungen nur in den seltensten Fällen günstige Substrat entgegen. Andere Pflanzen aus dieser Familie der Araliaceen, z. B. Paratropis- und Heptapleurum- arten, haben sich ja schon von Wurzelkletterern zu Pseudoepiphyten entwickelt. Went!) gibt sogar bereits an, daß er mehrmals nicht näher bestimmbare, durch dieke Nährwurzeln mit dem Boden verbundene Araliaceen im Urwald gefunden, die nicht den Eindruck machten, als ob sie ursprünglich auf dem Boden gekeimt, also keine Pseudoepiphyten, sondern Halbepiphyten waren. Es geht hier mit der leichteren Ver- 1) Went, l. ce. pag. 56. FG 140 Walter Bruhn, breitung «der Samen, also .auch die Anpassung an andere Verhältnisse, Hand in Hand. i Ähnlich wie bei Hedera und den anderen Araliaceen scheinen mir die Verhältnisse bei vielen, nicht näher untersuchten, Wurzelkletterern, z. B. Orchideen (Cirrhopetalum Stramineum, Sarecochilus-, Rhenanthera- und Vanillaarten), Piperaceen (Cubebe und Chavicaarten), Moraceen, Solaneen, Bignoniaceen und hauptsächlich Aroideen zu liegen, die in ihrer höchsten Entwicklung oder Adaption bereits typische Hemiepi- phyten gebildet haben. Leider stand mir zur Zeit, besonders von der letzten Familie, nicht das günstige Material zur Verfügung um auch an diesen Wurzeln die Umbildung, an deren Möglichkeit ich nicht zweifle, experimentell herbeizuführen. Deutet doch schon das Auftreten von Zwischenformen zwischen Haft- und Nährwurzel bei Seindapsus maran- taefolius!) darauf hin, und bei Moraceen und Asclepiadaceen habe ich sie ja im Laufe dieser Untersuchung bestimmt nachgewiesen. Die Philodendron-, Raphidophora- und Anthuriumarten der hie- sigen Glashäuser hatten keine typischen Haftwurzeln entwickelt, jeden- falls weil sie nicht unter den natürlichen Bedingungen ihrer Heimat, an Baumrinden u. dgl. wuchsen, sondern teils frei, teils an einer rauhen Mörtelwand befestigt, bei geringer Luftfeuchtigkeit ihr Leben friste- ten. Einige Exemplare aber zeigten, da sie unter höherer Temperatur und größerer Feuchtigkeit des Substrats kultiviert wurden, sehr gün- stiges Wachstum und hatten mehrere Meter (ca. 6-9 m) lange, große und starke Luftwurzeln gebildet. Da ich auch an diesen Pflanzen keine typischen Haftwurzeln finden konnte, wohl aber verschiedene schwächere Nährwurzeln, so möchte ich die Vermutung aussprechen, die allerdings noch experimentellen Beweises bedarf, daß hier unter günstigen Er- nährungsbedingungen sich bereits die Haftwurzeln zu Nährwurzeln ent- . wickelt hatten. Führt doch auch Linsbauer?) bei seinen Wachstums- ımessungen mehrere Fälle von Aroideenluftwurzeln an, deren Charakter als Nähr- oder Haftwurzein nicht erkennbar ist. Nur einzelne, 'sich infolge. positiven Hydrotropismus an die Wand anschmiegende Lufi- wurzeln bildeten kleine, allenfalls Haftwurzeln in morphologischer und anatomischer Ausbildung ähnliche, Nebenwurzeln. Doch genügten diese Wurzeln immerhin, um die Unrichtigkeit der Keller’schen®) Annahme 1) Went, l. c. pag. 43. 2) K. Linsbauer, Über Wachstum und Geotropismus der Aroideen-Luft- wurzeln. Flora 1907, Bd. XCVIL pag. 276. 3) L. Keller, I. e. pag. 48. Kommen Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 141 festzustellen, daß die Wurzeln der Monocotylen zum Unterschied von denen der Dycotylen bei äußerlich gleichem, durch dauernde Berührung mit der Mauer usw. verursachtem, dorsiventralem Bau stets einen kreis- runden Zentralzylinder aufweisen. Die Wurzeln zeigten, wie auch aus den Abbildungen Schimper’s!) und Went’s?) von Querschnitten typischer Haft- und Nährwurzeln von Carludovica Plumieri und Syn- gonium album hervorgeht, teilweise ovale Gestalt des Zentralzylinders. Ich füge hier die Untersuchungen einiger Wurzeln an, die zwar nicht als Haftwurzeln ausgebildet werden, aber mit ihnen insofern Ähn- lichkeit haben, als es sich um Wurzeln begrenzten Wachstums handelt, die sich bei genauerer experimenteller Prüfung der Erdwurzel, oder den in anderen Medien gewachsenen Wurzeln gegenüber, ebenfalls als Hemmungsbildungen herausstellen. Es handelt sich zunächst um die bei einigen Orchideen'und Aroideen auftretenden sog. Nestwurzeln, deren erste genaue biologische Beobachtung wir Schimper®°) verdanken, und deren Vertreter er zu seiner dritten Gruppe der Epiphyten ver- einigt hat. Goebel‘) gibt dann im Anschluß an seine Beschreibung der Einrichtungen zum Humussammeln, der Nischen- und Mantelblätter einige Farne, eine Schilderung des von ihm auf Java beobachteten Grammatophyllum speeiosum Bl. und zählt auch noch andere, sich ähn- lich verhaltende Orchideen, denen Raeiborski°) noch einige hinzu- gefügt hat und eine Aroidee Anthurium Hügelii auf. Analoge Verhält- nisse konnte ich an mehreren sehr kräftigen Exemplaren von Anthurium ellipticum im Münchener Botanischen Garten beobachten. Diese Pflanzen wurden nicht als Epiphyten, sondern mit gutem Erfolge vollständig als terrestre Pflanzen in großen Kübeln bei genügender Luftfeuchtigkeit (im Viktoriahaus) kultiviert. Deshalb konnte ich an ihnen auch nicht die sich der Baumoberfläche durch negativen Heliotropismus anschmiegen- den und dadurch zur Befestigung am Substrat dienenden Haftwurzeln beobachten. Leider war es mir nicht möglich, so junge Pflanzen zu erhalten, um zu erkennen, ob diese ursprünglichen Wurzeln in der Kultur oder Aufzucht aus Samen vollständig zu Nährwurzeln umge- 1) Sehimper, 1. «. Taf. IH, Fig. 2 u. 4. 2) Went, I. c, Taf. V seiner Abhandlung, Fig. 10a u. 102. 3) Schimper, ]. e, pag. 292 u. £, 4) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderung. TI, pag. 235, u. Organographie, pag. 484. 5) M. Raeiborski, Biologische Mitteilg. aus Java, Flora 1898, Bd. LXXXV, pag. 352, 142 Walter Bruhn, bildet werden können und dann erst, was ja das Wahrscheinlichere ist, nach Erstarkung der Pflanze die Ausbildung der Humus sammelnden Nestwurzeln beginnt. Gibt doch auch Schimpert!) für Keimpflanzen von Anthurium Hügelii an, daß zuerst Haftwurzeln gebildet werden, die für die erste Zeit auch die Ernährung der Pflanze besorgen. Die Nestwurzeln bedeckten, unterhalb, oberhalb und seitlich der Blattbasen entstehend, die ganze untere Stammregion mit einem umfangreichen, nestähnlichen, dichten Geflecht von schwammartiger Struktur. Staub- teile und alle möglichen pflanzlichen Fragmente, angewehte Blätter, kleinere Zweigstückehen usw. werden hier leicht festgehalten, vermodern unter dem Einfluß und der Mitwirkung des Regens und des von der Baumoberfläche herabfließenden Wassers sehr schnell und bilden einen humusreichen Detritus, der von den Nestwurzeln und den an ihnen entstehenden zahlreichen Seitenwurzeln durchzogen und ausschließlich für die Ernährung des eine beträchtliche Größe erreichenden Epiphyten, ausgenutzt wird. Natürlich stellen sich, wie ich auch an den hiesigen Gewächshausexemplaren beobachten konnte, sehr bald noch andere Mit- bewohner dieser Humusmassen ein, z. B. Moose, Farne und überhaupt Pflanzen, deren Sporen und Samen leicht verbreitet werden können. Die Nestwurzeln von Anthurium elliptieum sind relativ dünn und steif, infolge ihres eigenartigen Wachstums leicht gebogen, so daß die konvexe Seite vom Stamm abgekehrt ist, durch eine negativ geotropische Wurzelspitze sind sie nach oben gewandt. Wie die Figuren zeigen, ist der Geotropismus stark ausgeprägt. Horizontal gebogene Wurzeln zeigten bereits nach 24 Stunden deutliches Aufrichten der wachsenden Region, das sich nach 2—3 Tagen zu einer stark hakenförmigen Krüm- mung und allmählichen Rückkehr der Wurzelspitze in die alte Lage ge- steigert hatte (Fig. 22). Die Verzweigung der Wurzeln erfolgt jedenfalls infolge großer Feuchtigkeit, sei es des Substrats, sei es der umgebenden Luft. Raei- borski?) hat an den Cymbidiumarten, die in den während des Ost- mossuns trockenen Ebenen Javas vorkommen, eine analoge Beobachtung unverzweigter Nestwurzeln gemacht. Unverzweigte Nestwurzeln von Anthurium ellipticum zeigten häufig in der Nähe des Stammes, also dort, wo unter unseren Verhältnissen die Feuchtigkeit am stärksten war, kleine kuppenförmige Erhebungen als Erstanlagen kleiner Seiten- wurzeln. An einem anderen Exemplar, das in einem kühleren Haus 1) Schimper, 1. ce. pag. 319. 2) Raciborski, 1. e. pag. 334. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 143 überwintert wurde, konnte ich beobachten, wie nach dem Transport in das feuchtwarme Aquarium zahlreiche, ebenfalls negativ geotropische Seitenwurzeln gebildet wurden, und:-zwar erfolgte ihre Bildung fast. ausschließlich auf der dem Licht zugewandten, konvexen Außenseite der Mutterwurzel. Die Fig. 23 zeigt deutlich, wie sehr die Wurzeln durch diese ihre Anlage die Funktion der Mutterwurzel in hohem Maße zu verstärken geeignet sind. Offenbar handelt es sich hier um den schon vorher einmal bei der Anlage seitlicher Organe am Hauptsproß erwähnten Einfluß der Krümmung auf die Entstehung der Seiten- wurzeln.. Kraus!) hat bereits nachgewiesen, daß die Zellen der Konvexseite gekrümmter Organe wasserreicher als die der konkaven Seite sind — eine Beobachtung, die durch die Angaben von Pollock?), der die Vorgänge bei der Wurzelkrümmung genauer untersuchte, ge- stützt wird. Mac Dougal?) hat bereits einige Jahre vorher auf die in den Zellen der konvexen und konkaven Krümmungslinien bestehenden anatomischen Differenzen hingewiesen. Noll‘) führt nun die von im entdeckte Tatsache der Seitenwurzelentstehung an der Konvexseite der gekrümmten Hauptwurzel auf eine der Pflanze innewohnende „Reizbarkeit auf Grund der Wahrnehmung von Reizen, die von der Form und Haltung des eigenen Körpers einschließlich der Lage der Körperteile zueinander ausgehen“, zurück. Goebel) hält das Vorhandensein einer „Morph- ästhesie“ für ausgeschlossen. Vielmehr ist auf Grund obiger Angaben die Stoffverteilung in der Hauptwurzel, deren innere Beschaffenheit auch mit der Form so verändert wurde, daß auf der einen Seite eine Hemmung, auf der anderen eine Förderung der Wurzelbildung eintritt, bei der Entstehung und Anordnung der Seitenwurzeln der ausschlag- gebende Faktor. In der Tat erhielt ich als Bestätigung dieser An- nahme an gerade gebogenen, unter völlig gleichen Bedingungen wachsenden Nestwurzeln, die ich mit feuchten Sphagnum umhüllte oder in Wasser oder feuchte Erde leitete, regelmäßig eine allseitige Ausbildung zahlreicher Seitenwurzeln. Schwerkraftswirkungen kommen bei der einseitigen Anlage an horizontal liegender, gekrümmter Haupt- 1) 6. Kraus, Über die Wasserverteilung in der Pflanze, Il. Der Zellsaft und sein Inhalt. Sonderabdruck aus den Abhandlungen der naturforschenden Gesellsch. zu Halle 1880, 15, pag. 1—72. 2) James Pollock, The mechanism of root curyature. Botanical Gazette 1900, Vol. XXIX. 3) Mac Dougal, The ceuryature of roots. Botanieal Gazette, Vol, XXIH, pag. 307-366. 4) Noll, 1. c. pag. 145. 5) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 85. 4 144 Walter Bruhn, wurzel (vgl. Fig. 23), wie ich durch verschiedene Biegungsversuche, bei denen die konvexe Seite bald nach unten, bald nach oben lag, fest- stellte, nicht in Betracht. Bei Dekapitierung einer Nestwurzel erfolgt wohl stets die Bildung eines seitlichen Organs an der Spitze und Einstellung des Regenerates in die Richtung des entfernten Hauptteils (Fig. 23). Da die Pflanze aber bei uns mit Eintritt kühlerer Witterung in eine Ruheperiode ein- tritt, so findet diese Reaktion oft erst in der im Mai des nächsten Jahres beginnenden Wachstumsperiode statt, in der dann auch zahl- reiche neue Nestwurzeln und Seitenwurzeln an den älteren Teilen ge- bildet werden. Direkten Ersatz der Wurzelspitze konnte ich mit Sicher- ID 28. April mn BR N 25. April Fig. 23. Fig.23. Anthurium ellipticum. Nest- wurzel mit Seitenwurzeln und Ersatz der Spitze. Fig.24. Anthurium ellipticum. Posi- 1. Mai tiv geotropische Nährwurzel a in den verschiedenen Stadien der Reaktion. Fig. 24, heit nicht nachweisen. Zuweilen fand ich an der Wurzel eigenartige, ringförmige Einschnürungen, ähnlich wie sie Goebel!) für Taeniophyllum nachgewiesen, die jedenfalls durch eine periodische Unterbrechung des Wachstums verursacht wurden. Manchmal erschien, äußerlich betrachtet, ein direkter Ersatz, eine Neubildung der Wurzelspitze, vorzuliegen, doch hatte es bei genauerer anatomischer Untersuchung, da die Anschlüsse an den alten Zentralzylinder und die übrigen Gewebe ohne jede Unter- brechung stattgefunden hatten, mehr den Anschein, als ob bei der De- kapitierung nur ein kleines Stück der Wurzelhaube ohne Verletzung der Initialen des Pleroms, des Pericambiums, des Periblems entfernt war. Die Frage, ob die entfernte Spitze durch direkte Neubildung des 1) Goehel, Pfianzenbiologische Schilderung. I, pag. 196, Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 145 Vegetationspunktes, wie sie zuerst Ciesielski!) gelegentlich seiner Untersuehungen über den Geotropismus beobachtet hat, regeneriert wird, möchte ich an diesem Falle vorläufig unentschieden lassen. Haben doch auch nach N&me&s?) und Goebel’s?) Beobachtungen die Luftwurzeln einiger Orchideen negative Resultate gegeben. Auch bei den Simon- schen?) Versuchen, der hei seinen Untersuchungen ebenfalls einige Aroideenluftwurzeln benutzte, konnte ich keine genaue Angabe finden, ob nur Teile der sehr großen Wurzelhaube, oder wirklich Teile des meristematischen Gewebes des Zentralzylinders entfernt worden waren, und dadurch Spitzenregeneration veranlaßt wurde. Während sonst die Nestwurzeln an den hiesigen Exemplaren nur eine Länge von 10—15 cm erreichen, einige wenige Seitenwurzeln bilden, dann im Wachstum stillstehen und die wachsende Spitze ihr frisches Aussehen verliert, unter dem Einfluß der Luft grau und unscheinbar wird, vielfach wohl sogar vertrocknet, gelang es mir durch Einleiten herabgebogener Nestwurzeln in Wasser, feuchtes Sphagnum oder Erde diese bis zur Unterbrechung des Versuchs bei Bildung zahlreicher Seitenwurzeln zu einer Länge von ca. 25—30 cm heranzuziehen. Es handelt sich, wie auch aus der anatomischen Untersuchung hervorgeht, bei den erstgenannten Wurzeln also lediglich um Hemmungsbildungen, bedingt durch das umgebende Medium und die damit verbundene schlechtere Ernährung. Ich beobachtete an allen Exemplaren dieser Pflanze noch andere Wurzeln, die entweder bis jetzt vollständig übersehen worden sind, wenigstens konnte ich bei keinem der vorher genannten Forscher irgend- welche diesbezüglichen Angaben finden, oder an den übrigen Nest- wurzeln bildenden Orchideen und Aroideen nicht auftreten. Schim- per?) spricht sogar in seiner Abhandlung nur von den negativ geo- tropischen Nestwurzeln als alleinige Nährwurzeln, im Gegensatz zu den den Epiphyten befestigenden Haftwurzeln, und betont ausdrücklich die vorzügliche Anpassung dieser Wurzeln zur Verwertung des namentlich oberhalb des Wurzeikörpers befindlichen Substrats und der Nieder- 1) Ciesielski, Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen 1872, Bö. ], 2, pag. 21. Prantl, Untersuchungen über Regeneration des Vegetationspunktes Angio- spermen-Wurzeln. Arbeiten des Bot. Instituts zu Würzburg 1874, Bd. I, pag. 546. 2) Nömed, Studien über die Regeneration. Berlin 1905. 3) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 211. 4) 8. Simon, Untersuchungen über die Regeneration der Wurzelspitze. Jahr- bücher f. wissenschaftl. Botanik 1904, Bd. XL. 5) Schimper, 1. e. pag. 292. Flora, Bd. 101. 10 146 j Walter Bruhn, schläge. Zwischen den Nestwurzeln waren, allerdings in bedeutend ge- ringerer Zahl, noch andere Wurzeln vorhanden, die sich äußerlich schon durch ihr Wachstum und ihren Geotropismus von ersteren unterscheiden. Sie sind stärker und kräftiger entwickelt und reagieren, wie aus zahl- reichen Versuchen hervorgeht, wobei die wachsende Spitze völlig frei horizontal schwebte, ausgesprochen positiv geotropisch. Jedoch ist ihr (vgl. Fig 24) geotropisches Reaktionsvermögen, was bereits Linsbauer?) für die Nährwurzeln zahlreicher Aroideen nachgewiesen, nicht so stark ausgeprägt, daß schon nach wenigen Stunden oder Tagen ähnlich den gewöhnlichen Bodenwurzeln ihre Einstellung in die Vertikale erfolgt. Immerhin konnte mah nach 24 Stunden eine deutliche Krümmung bemerken, die trotz ihres flachen Verlaufs nach ca. 6—8 Tagen bereits einen Winkel von 45° Ab- lenkung von der horizontalen Geraden bildete, der sich im Verlaufe des weiteren Wachstums noch ver- größerte. Wäbrend nun die Hauptwurzel positiv geo- tropisch nach unten wächst, verhalten sich die in der Luft unter steter Bevorzugung der konvexen Seite entstehenden, nicht gerade zahlreichen Seiten- wurzeln wie die Nestwurzeln (Fig. 25). Sie wachsen negativ geotropisch nach oben und bleiben dann nach einiger Zeit im Wachstum stehen. Fig. 25 zeigt zeigt aber deutlich — und das ist eine Erscheinung, . . für die ich bisher kein weiteres Beispiel gefunden Fig. 25. Anthurium . . . elliptieum. In den Habe, und die ohne eingehendere experimentelle Bodeneingedrungene Untersuchung auch nicht zu lösen sein wird —, Nährwurzel mit nega- . >: . . tiv und positiv geo- (daß die Hauptwurzel, sobald sie in die Erde ein- iropisehen a) gedrungen ist, einige transversalgeotropische Seiten- wurzel bildet, und daß die dann bei weiterem Eindringen entstehenden Seitenwurzeln meistens unter dem den Seiten- wurzeln eigenen Neigungswinkeln positiv geotropisch weiterwachsen und sich wie normale Seitenwurzeln einer terrestren Pflanze verhalten. Diese Beobachtung würde übereinstimmen mit dem von Sachs?) gefundenen, je nach dem Ursprungsort verschiedenen, geotropischen Rigenwinkel 1) Linsbaner, ]. c. pag. 286. 2) J. Sachs, Über das Wachstum der Haupt- und Nebenwurzeln. Arbeiten des Bot. Instituts Würzburg, Bd. I, pag. 584 u. 506 u. £. Ders., Physiologische Notizen: Über latente Reizbarkeiten. Flora 1898, 17. Jahre, pag. ®. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 147 der Seitenwurzeln erster Ordnung, der bei den oberen der Wurzelbasis nahestehenden sich 90° nähert, bei den weiter nach unten entstehenden kleiner und spitzer wird. Auch führt dieser Forscher bereits die Tat- sache an, daß geotropische Wurzeln, wenn sie ohne Benetzung in Luft wachsen, ihren Geotropismus ganz oder teilweise verlieren!) Weitere experimentelle Belege der eigenartigen Erscheinung, daß die an der Luft entstehenden Seitenwurzein einer positiv geotropischen Hauptwurzel negativ geotropisch nach oben wachsen, andere Seitenwurzeln dagegen transversal-, und noch andere positiv geotropisch sind, kann ich leider nieht bringen, da ich diese Beobachtung erst machte, als die Arbeit be- reits größtenteils abgeschlossen war. Es dürften nach meiner Vermutung hier jedenfalls auch der Heliotropismus und Hydrotropismus, sowie das unter gewissen Bedingungen eintretende jeweilige Überwiegen des einen oder des anderen dieser Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Die in der Erde auswachsenden Seitenwurzeln erreichen unter dem Einfluß besserer Ernährungsbedingungen naturgemäß eine Größe, welche die der in der Luft unverzweigt bleibender Seitenwurzeln um das Vielfache übertrifft: sie bilden häufig noch Seitenwurzeln zweiter und dritter Ordnung, sind also völlig zu Nährwurzeln geworden, während die anderen die humussammelnde Funktion der Nestwurzeln unterstützen. Ich habe bei beiden Wurzelarten vergleichende Wachstumsmessungen ange- stellt. Doch sind, wie aus dem den Tabellen zugrunde liegenden Zahlen- material ersichtlich ist, keine wesentlichen Unterschiede hervorgetreten. Nährwurzeln. Zone| urspr. Teilung in Zonen von5mm Zuwachs pro Zone in 24 Stdn, I. 3 1,75 4 3,0 1,8 HD. 1 0,5 3 2,5 1 IL 0 0 0,5 0,5 0,3 IV. 0 0 0 0 0 Gesamtzuwachs 4 2,25 75 6,5 31mm Wachsd. Zone| 10 10 15 15 19 Zuwachs in ®j, d. Wachstumszone| 40 22,5 50 43,3 20,6 Nestwurzeln. Zone| urspr. Teilung in Zonen vonömm Zuwachs in 24 Stdn. L 2 2 1,5 3,5 3,5 3,5 I. 1 1,3 1,3 2,5 3 2 ILL 01 0 d 0,5 1 0,5 IV. 0 0 0 N) 0 0 Gesamtzuwachs 3,1 3,3 2,8 6,5 7,5 6 Wachsd. Zone) 15 10 10 15 15 15 Zuwachs in ’/,d. Wachstumszone| 20,6 33 28 AT, 56,6 40 1) J. Sachs, 1. ce. und Goebel, Organographie, pag. 478. 10* 148 Walter Bruhn. Die Werte, die Linsbauer!) für die Wachstumszone der Nähr- wurzeln angibt, werden von diesen Wurzeln nicht erreicht, was ja immerhin mit dem Gewächshausleben der Pflanzen zusammenhängen mag, dagegen die der Haftwurzeln etwa inne gehalten, wie auch der (sesamtzuwachs etwa denen der Haftwurzeln entspricht. Schon der bei heilen Wurzeln sich einstellende flache Verlauf des geotropischen Krümmungsbogens beweist, daß das Wachstum mit der den Luftwurzeln eigentümlichen Gleichmäßigkeit ohne starkes Hervortreten einer maxi- malen Zuwachszone erfolgt. ' Was die anatomischen Differenzen anbetrifft, so entsprechen sie hier in gewisser Weise, wenn auch infolge des feuchten Substrats nicht so ausgeprägt, (len schon früher für Haft- und Nährwurzeln angegebenen Verhältnissen. Sowohl bei Nest- als Nährwurzeln ist ein mehrschichtiges Velamen vorhanden, das zu der, für die Epiphyten immerhin schwierigen, Wasserversorgung dient. Die Ausbildung der zahlreichen Wurzelhaare, lie die Wasseraufnahme ausgezeichnet unterstützen, erfolgt bei den Nestwurzeln auf der vom Licht abgewandten Seite, die ja gleichzeitig auch die feuchtere ist. In den Boden eingedrungene Wurzeln oder solehe, die bei ringsum gleichmäßiger Feuchtigkeit kultiviert wurden, zeigten allseitige Ausbildung. Schon vorher habe ich erwähnt, daß die Nährwurzeln, noch ehe sie in den Boden eingedrungen, kräftiger ent- wickelt sind als die Nestwurzeln; das beweisen (die stärkere Ausbildung des Rindenparenchyms und die des Zentralzylinders. Ich fand in letzterem 12—16 Gruppen großer, wohl ausgebildeter Gefäßbündel, während die Nestwurzeln nur 3—10 Gruppen kleinerer Gefäßbündel mit englumigen Elementen enthielten. Da diese Wurzeln auch eher in den Dauerzustand übergehen, so erfolgte die ganze Ditferenzierung sowie die Ausbildung der sklerenchymatischen Bestandteile hier etwas frühzeitiger. Bei den Nestwurzeln, «die ich in mit Wasser gefüllte Reagenzröhr- chen geleitet hatte. die also zu Nährwurzeln geworden waren, konnte ich ebenso wie bei solchen, die in feuchtem Boden gewachsen, nur (die für die Nestwurzeln gewöhnliche Anzahl der Gefäßbündelgruppen fest- stellen: wohl aber hatte eine viel stärkere Ausbildung der einzelnen Elemente sämtlicher Gewebe, besonders der wasserleitenden, stattge- funden. Die Wurzeln näherten sich also in dieser Beziehung wie auch in der schwächeren Ausbildung früh verholzter Bestandteile den typi- schen Nährwurzeln. Wie ist nun der hier auftretende Dimorphismus der Nest- und Nährwurzeln zu deuten? Viele Nestwurzeln werden ja, nachdem sich l) Liusbauer, le pag. 274 u. f. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 149 größere Humusmassen angesammelt haben, unzweifelhaft zu Nährwur- zeln, «da sie in der Nähe des Stammes zahlreiche Seitenwurzeln in das Nährmaterial schicken. Ich habe selbst durch Ierabbiegen. Auflegen auf den Boden oder Einleiten in Wasser usw. diese Umbildung leicht experimentell durchführen können. Da die späteren Nährwurzeln aber gleich mit den Nestwurzeln angelegt werden und sich infolge besserer Ernährnng stärker entwickeln, so ist es nicht gut möglich, sie von Nest- wurzeln abzuleiten, die infolge vitaler Lastkrümmung, wie sie Wiesner!) vielfach für nickende Blüten nachgewiesen, nach unten wachsen. Da- gegen sprechen der positive Geotropismus und das «damit in Zusammen- hang stehende, doch mit aktiver Kraft erfolgende Eindringen in den Boden. Vielmehr neige ich der Ansicht zu, daß es sich bei den nicht gerade sehr stark entwickelten Nährwurzeln?) von Anthurium ellipticum um das Ausklingen einer verwandtschaftlichen Beziehung zu den Aroideen handelt, die als Halbepiphyten mit Nährwurzeln versehen sind, durch die sie eine Verbindung mit dem Boden zur Aufnahme (es Wassers und der anorganischen Nährsalze herstellen. Anthurium ellipticum ist, verglichen mit den ebenfalls Nestwurzeln bildenden Orchideen, ein neues ausgezeichnetes Beispiel dafür, «dab Pflanzen, die unter gleichartigen äußeren Verhältnissen leben, auch wenn sie dem System nach zu den verschiedensten Familien gehören, gleichartige Anpassungen zeigen, die ihnen das verleihen, was Schimper als „Standortshabitus“ bezeichnet hat. Den Nestwurzeln der Anthurien und der genannten Orchideen ähnlich, jedoch nicht zum Humussammeln, sondern als mechanische Schutzorgane, zu Dornen ausgebildet, sind Wurzeln, die sieh teils in der oberen Stammregion z. B. bei der Palme Acanthoriza aculeata Wendl., teils in der unteren 7. B. bei Iriartea und anderen Monoco- tylen finden. Die Dornwurzeln der erstgenannten Palme sind anato- misch bereits ausführlich, wenn auch nicht mit völlig gleichem Ergeh- nis, von Friedrich?) und von Gillain‘) untersucht. Was aber von 1) J. Wiesner, Studien über den Einfluß der Schwerkraft auf die Riehtung der Pflanzenorgane. Sitzungsber. d. Kaiserl. Akad. d. Wiss.. Mathem.-naturw. Klasse, Wien 1902, Bd. CXI, I. Abt. 2) Sie mögen ja immerhin an epiphytischen Exemplaren des Urwalds besser und stärker ausgebildet werden. . 3) Friedrich, Acta Horti Petrapolitani. Tom. VIL Uber eine Eigentüm- lichkeit der Luftwurzel von Acunthoriza aculeata, Wendl, pag. 55— 540. 4) Gust. Gillain, Beiträge zur Anatomie der Palmen- und Pandanareen- wurzeln. Bot. Zentralbl. 1900, Jahrg. XXI, Bd LNNXII, Nr. 39. pag. 315. 150 Walter Brulim. heiten Forschern. weil vielleicht außerhalb des Bereichs der Arbeit liegend, nicht genügend berücksichtigt worden ist, sind vergleichende Untersuchungen der Dorn- und Erdwurzeln, die Beantwortung der Frage, ob sich auch hier ähnlich wie zwischen Haft- und Nährwurzeln Differenzen in Form, Bau- und Wachstumseigentümlichkeiten finden. Da mir im hiesigen Botanischen Garten zwei ziemlich kräftige Exem- plare der in Gewächshäusern sonst seltenen Acanthoriza aculeata Wendl. zur Verfügung standen, habe ich im Anschluß an die bereits vorauf- gehenden experimentellen Untersuchungen der anderen Pflanzen der Beantwortung «dieser Frage meine Aufmerksamkeit gewidmet und auch einige für den Eintwicklungsgang dieser Organe bisher nicht bekannte Tatsachen feststellen können. Die Natur der harten und spitzen Dornen als metaphorphosierte Luftwurzeln hat man bereits frühzeitig erkannt, da die Wurzeln keines- wegs von vornherein granbraun und stark verholzt, sondern in der Jugend und überhaupt in der wachsenden Region frisch hellgrün, wasser- reich und mit deutlich wahrnehmbarer, bräunlichweißer Wurzelhaube versehen sind, die keineswegs, wie Friedrich!) annimmt, frühzeitig durch mechanische Ursache abgeworfen wird und verloren geht, sondern häufig noch an Wurzeln von 10—14 cm Länge erhalten bleibt. Dies hängt jedenfalls mit den Feuchtigkeitsverhältiiissen des betreffenden (iewächshauses zusanımen. Im ausgewachsenen Zustand, der oft erst bei einigen 20 em, ja oft erst bei JO cm erreicht wurde, ist jedoch keine Wurzelhaube mehr vorhanden. Die Entwicklungsperiode dieser Wurzeln liegt hauptsächlich im Juni und Juli. Sie entstehen dann ziemlich zahlreich zwischen und unterhalb der Blattbasen und brechen aus dem eng verworrenen Filz, der sich in mehr oder weniger Fasern auflösenden, Stamm umfassenden Blattscheiden hervor. Wie ich durch Umhitllen verschiedener Teile desStammes mit feuchtgehaltenem Sphagnum feststellen konnte, wird die Entstehung und das Wachstum der Wurzeln durch die Feuchtigkeit sehr günstig beeinflußt; auch deutet ihr besonders zahlreiches Entstehen in den feuchteren Blattscheiden darauf hin. Ich abe bereits darauf aufmerksam gemacht, daß die Dornen im jugend- lichen Zustand zahlreiches, weiches, meristematisches Gewebe enthalten. Obwohl diese Gewebe durch eine sie rings umgebende, früh verholzende, sklerenchymatische Schicht — also der Funktion nach eine Art natür- licher Schutzhülle — bedeckt werden, erleiden sie, da sie sich zwischen den alten Dlattansätzen sozusagen herausschieben müssen, an der Basis 1) Friedrich, ic. pag. DU. 73 Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 151 einen so starken Druck, daß sie hier platt, bandförmig zusammengedrückt werden, und der kreisförmige Umfang völlig in «den ellipsoiden über- geht, wobei der Durchmesser sich oft bis um die lIälfte verkürzt. Während Friedrich!) zwischen verzweigten und unverzweigten Dornwurzeln unterscheidet, und sein Untersuchungsmiaterial im günstigsten Falle eine Länge von etwas mehr als 10 cm erreichte, konnte ich bei (len hiesigen Exemplaren diese Differenzen nicht auffinden, jedenfalls infolge der günstigen Kulturbedingungen und des besseren Wachstums der betreffenden Pflanzen, worauf ja auch die bereits angegebenen maximalen Längen der Dornwurzeln hinweisen. Sämtliche Dornwurzeln besaßen wohl ausgebildete, oft mehrere Zentimeter lange, in akropetaler Reihenfolge entstehende Seitenwurzeln. Doch konnte ich an den Dorn- wurzeln weitere, bisher nicht bekannte Eigentümlichkeiten beobachten, die noch keine sichere Deutung gefunden haben. Nach den Friedrich- schen?) Angaben wachsen die Dornwurzeln, im Gegensatz zu den normal in die Erde eindringenden Wurzeln der unteren Stanmimregion, stark nach oben gerichte. Durch meine mehrfach nachgeprüften Unter- suchungen Konnte ich feststellen, daß auch die Dornwurzeln. (deren Dicke und Länge ja häufig variieren, verschiedenartiges Wachstum auf- weisen. Einige, und zwar die diekeren und kräftigeren, wachsen unter- halb «les Blattansatzes wagerecht. ja sogar unter einem sehr stumpfen Winkel vom Stamme fort, andere dünnere dagegen von vornherein in einem mehr oder minder spitzen Winkel nach oben. Unter diesen dünnen, offenbar weniger gut ernährten Wurzeln, fand ich vielfach solche, die, nur 1'/),—3 cm lang, teils ihre Wurzelhaube bereits ver- loren, teils ohne makroskopisch sichtbare Haube wuchsen und eine harte durch sklerenchymatische Zellen der äußeren Rinde gebildete dornige Spitze besaßen, während doch bei den anderen das Abwerfen der Wurzel- haube und die Verdornung (der Spitze erst relativ spät erfolgten. Zu ihnen bilden anscheinend dünne, kleine, mit gut ausgeprägter Wurzel- haube versehene, auch im Habitus der Spitze etwas stumpfere Dornen einen Übergang. Diese morphologischen Differenzen im Wachstum der Wurzeln zeigen in gewisser Weise einen Anklang an «die bei Anthurium ellip- tieum aufgefundenen Verhältnisse. Ich versuchte auch bier eine Um- bildung der Dornwurzeln zu Wurzeln, die durch Aufnahme von Wasser usw. ‚ler Pflanze Nährstoffe zuführen sollten, und leitete Wurzeln verschiedener 1) Friedrich, ]. ec. pag. 534. 2) Ders.. 1. e. pag. 335. 192 Walter Bruhn, Länge und Dicke. vor allem die für «den Versuch voraussichtlich am besten geeigneten, stärkeren und wachstumsfähigeren in Wasser, Erde oder feuchtes Sphagnum. Doch erhielt ich in keinem Falle ein be- stätigendes Resultat!). Wahrscheinlich dürfte es damit in Zusammen- hang zu bringen sein, daß die für das Experiment benutzten Wurzeln, obwohl äußerlich frisch grüngelb und mit Wurzelhaube versehen, bereits alle zu alt, in allen Teilen zu stark als Dornwurzeln differenziert sind. Es ist also auch hier die Induktion als Dornwurzel zu weit fortge- schritten. sie ist stabil geworden, und, wie wir aus zahlreichen Unter- suchungen Goebel's?) — ich erinnere nur an die Umbildungsursache der Lateralität der Sproßformen von Phyllanthus lathıyroides und der Araucaria excelsa — wissen, hält es nach den bis jetzt experimentell angewandten Methoden schwer ausgebildete Teile mit weniger labil induziertem Vegetationspunkt zur Aufgabe der Funktion und der da- mit verbundenen Gestaltsveränderung zu zwingen. Hat doch Raci- borski®) bei Tylosepalum aurantiacun die Umbildungsmöglichkeit der beiden Sproßformen festgestellt, solange der Unterschied zwischen Haupt- und Nebenachse nur in der Blattanordnung, nicht in der Blattausbildung besteht und ähnliche Fälle labiler und stabiler Induktion sind mutatis mutandis auch für «las Einstellen vorhandener Seitenwurzeln als Ersatz der abgeschnittenen oder sonst irgendwie inaktivierten Hauptwurzeln bekannt. Neben dem Alter als wirkender Faktor wird auch noch die Tat- sache in Betracht zu ziehen sein, daß die Wurzeln vielfach beim Ein- leiten gekrümmt und geknickt wurden, wodurch auch eine Störung und Schädigung in den Ernährungsverhältnissen verursacht wurde. Daß aber hauptsächlich die bereits eingetretene Differenzierung der (Giewebe für das Ausbleiben der Weiterentwicklung einer Dornwurzel ausschlag- gebend ist, geht aus später zu besprechenden Versuchen mit den in die Erde eindringenden Luftwurzeln hervor, eine Behauptung, die noch ıladurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, daß es mir nicht gelang, nach etwa 16 Monate langer Kultur einer etwa 20 em langen, braunen, allerdings stark verholzten Dornwurzel Weiterentwicklung der Spitze 1) Anmerkung. Um Verwechselungen vorzubeugen, möchte ich bemerken, dab in der Luft auch an den Stützwurzeln bisher nicht beachtete Dornwurzeln als seitliche Organe auftreten, deren Umwandlung mir, wie wir später schen werden, völlig gelungen ist. Fig. 286. 2) Goebel, Experimentelle Morphologie, par. 87 u. f. >») Raeiborski, Morphogenetische Versuche. Flora 1900. Bd. LXXXVIL, pay. 0. FE Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 153 oder der zahlreichen Seitenwurzeln herbeizuführen. Mit dem Schwinden (ler meristematischen Bestanidteile erlischt an diesen alten Wurzeln, wie vorauszusehen war, jede Wachstumsfähigkeit. Wegen der sich den Ver- suchen in der praktischen Ausführung entgegenstellenden Schwierig- keiten wurde mit ganz jungen und kurzen Wurzeln noch nicht experi- mentiert. Trotz des langsamen Wachstums wurde auch die Regenerations- fähigkeit dieser Dornwurzeln einer eingehenden Prüfung unterzogen. Hauptsächlich handelte es sich hierbei um die Entscheidung der Frage, ob die an der Wurzel auftretenden dornigen Seitenwurzeln imstande sind, bei Verlust der Spitze der Mutterwurzel «diese zu ersetzen, sich ungefähr in ihre Richtung einzustellen — ein ähnlicher Fall wie ihn Sachs!) und Goebel?) für Vicia Faba und andere Pflanzen aufge- funden — oder ob es sich bei den, wie auch aus der Fig. 26 ersicht- lich, ziemlich zahlreich auftretenden Regeneraten ausschließlich um Neu- bildungen der Wundfläche, um eine reproduktive Nebenwurzelbildung im Sinne Simon’s?) handelt. Zu diesem Zwecke wurden mehrere Wurzeln in verschiedener Entfernung von der wachsenden Spitze de- kapitiert. Es wurden indessen keine, je nach der Größe (des von der Spitze der Hauptwurzel entfernten Stückes, verschiedene Reaktion wahr- genommen. Eine direkte Regeneration der entfernten Spitze wurde nie- mals beobachtet, und auch ein Einstellen der vorhandenen Seitenwurzeln fand nicht statt. Die Fig. 26 zeigt vielmehr deutlich, daß die ebenfalls dornigen Seitenwurzeln als stabil induzierte Organe in ihrer bisherigen Richtung, fast im rechten Winkel von der Insertionsstelle weiter ge- wachsen sind, und daß sich an oder unmittelbar oberhalb der Schnitt- stelle Ersatzwurzeln, deren Anzahl zwischen eins bis vier schwankt, gebildet haben. Es kann sieh ja schließlich in einzelnen Fällen um das Auswachsen kleiner. normal hier angelegter Seitenwurzeln handeln, was aber immerhin durch die Art und Weise des Entstehens und der Anlage sehr unwahrscheinlich wird. Der Annahme, daß auch größere Seitenwurzeln umbildungsfähig sind, steht entgegen, daß «doch wohl kaum Organe, die wie die in Frage kommenden vielfach ihre Wurzel- haube bereits abgeworfen und vor der völligen Verholzung stehen, wieder die meristematische Wurzelspitze und die Wurzelhaube, wie sie loch diese Bildungen aufweisen, regenerieren und zu wachsenden Wurzeln sich umbilden werden. Daher werden sie natürlich auch nicht 1) Sachs, Wachstum der Haupt- und Nebenwurzeln, 1. e. 2) Goebel, Experimentelle Morphologie. pag. 85 u. Sb. 3) 8. Simon, l. ec. pag. 141. tö4 Walter Bruhn, imstande sein, die bereits innegehabte Waechstumsrichtung so plötzlich zu ändern, dab sie die Funktion der Mutterwurzel übernehmen können. Obwohl diese Neubildungen eine Länge von mehreren Zentimetern erreichen — ich fand solche bis zu 3 em — und auch wieder kleine ddornige Nebenwurzeln bilden, bleibt eine Wurzel, «deren Spitze «durch eine Regenerat ersetzt wird, besonders wenn «die Dekapitierung in der Jugend erfolgt, sehr viel kleiner als eine normal wachsende. Noch eine andere Beobachtung will ich nicht unerwähnt lassen, da ihr bis Jetzt bei Wurzeldekapitationen wohl zu wenig Beachtung ge- schenkt wurde. Es handelt sich bei diesen Dornwurzeln um ein be- $ \ Fie. 26. Fir. 26. Acanthoriza aculeata. Regenerationen der Dornwurzelspitze. (Verkt.) 5n . an . Fig. 27. Aecantlıoriza aculeata. Stück aus dem Querschnitt einer Dornwurzel 1’/, cm von der Spitze. stimmtes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Wachstum der Haupt- und Seitenwurzeln, ähnlich wie es Goebel!) ja bereits für die Haupt- und Seitensprosse mancher Pflanzen nachgewiesen hat. Es trat nämlich nach dem Absterben der Spitze zunächst keine Regeneration, sondern ein stärkeres Wachstum der Seitenwurzeln auf. Offenbar strömten ihnen jetzt die sonst für das Wachstum der Spitze in Betracht kommenden Baustoffe in erhöhtem Maße zu nnd begünstigten ihre sehnelle Entwicklung. Während bei einer Wurzel, die 61/, em lang war und eine unversehrfe Wurzelspitze hatte, die Seitenwurzeln erst 1) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 70 u. f. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 155 1--1'/), mm lang waren, hatte eine kaum + em lange Wurzel, deren Spitze 2 mm abgetragen war, 6 Seitenwurzeln von 4--13 mm Länge gebildet, und zwar waren die dem Stamme am nächsten liegenden die größten. Es tritt also hier eine deutliche Korrelation zutage, die sicher auf Ernährungsdifferenzen beruht, für deren genauere Ursachen wir aber bis jetzt keine Erklärung gefunden haben. Die Anatomie der Dornwurzel ist ja bereits ziemlich eingehend untersucht. Immerhin bestehen zwischen den Angaben Friedrichs?) und Gillains?) einige Widersprüche, die der Klärung bedürfen, und außerdem mußte eine neue Untersuchung, der vorliegenden Arbeit entsprechend, unter Berücksichtigung anderer Gesichtspunkte als bisher erfolgen. Gillain kann die von Friedrich angegebene, die Wurzel bedeckende „Schutzhülle“ nicht bemerken, wohl aber einen breiten Sklerenechymring. Eben dieses sich durch starke Verdickung und Ver- holzung auszeichnende Gewebe wird von Friedrich aber als „Schutz- hülle“ bezeichnet. Es handelt sich also nicht, wie Gillain zu glauben scheint, hier um eine, wie bei vielen Wurzeln auftretende, einschichtige, schützende Exodermis. Dieser starke Schutz ist um so notwendiger, da die Epidermis, «deren Zellen ihren größten Längendurchmesser auf einem Wurzelquerschnitt erreichen, und die neben der Verkorkung noch Einlagerung von Holzstoffen zeigen, sehr bald abgeworfen werden. Auf «das aus mehreren Schichten von Sklerenchymfasern bestehende Gewebe folgen 2—3 Zellschichten unverholzten oder weniger verholzten Rindenparenchyms, und da darunter wieder stark verholzte Zellen der Rinde liegen, so kommt es bei Anfertigung eines Querschnittes hier oft zu einem Zerreißen der Gewebe, zu einer Ringbildung. Die Ver- holzung des Rindenparenchyms geht nicht regelmäßig vor sich. Während nach außen hin dureh Verholzung ganzer Zellverbände sehr bald ein geschlossener Ring gebildet wird. sind mehr im Innern häufig nur einzelne Zellen verholzt. Sie haben vielfach sklerenchymfaserähnliehen Charakter und entstehen aus den ziemlich langgestreckten Parencehym- zellen. Weiter nach dem Innern zu hört diese. «die Funktion der Schutzhülle verstärkende Verholzung auf, und das Rindenparenchym bleibt unverdickt. Der Zentralzylinder (Fig. 2%) wird umgeben von einer wohl ausgebideten. aus sechseckigen, etwas verdickten Zellen be- stehenden Endodermis, die bereits auf Schnitten durch jugendliche Teile der Wurzel deutlich sichtbar ist. Unter ihr liegt das ein- zuweilen I) Friedrich, |. ce. pag. 538. 2) Gillain, l. e. pag. 34. 156 Walter Brulin. auch zweischichtige Pericambium. Im Zentralzylinder sind, im Kreise angeorinet und mit kleinen Phloömteilen alternierend, etwa 25 Gefäß- gruppen vorhanden. Außerhalb des Zentralzylinders liegende, verkehrt konzentrisch gebaute Gefäßbündel, wie sie Gillain beobachtet hat, konnte ich bei keiner «der untersuchten Wurzeln auffinden. Die Ge- fäße bestehen aus Ring-, Spiral- und Netzgefäßen. Sie sind nicht sehr zahlreich und relativ englumig, da sie nicht zur Wasserleitung in andere Teile der Pllanze in Anspruch genommen werden und nur die Ver- sorgung der wachsenden Teile der Wurzel ihnen zufällt. Sie sind stark verholzt, wie ich überhaupt im Zentralzylinder der Dornwurzel, ver- glichen mit dem «der in die Erde eindringenden Wurzeln, ein viel früh- zeitigeres Verholzen, besonders der die Gefäße umgebenden paren- chymatischen Zellen (Holzfasern) und des Markes konstatieren konnte. 2 em von der wachsenden Spitze konnte ich bei Dornwurzeln schon deutliche Verholzung erkennen, während sie bei der Erdwurzel kaum erst bei 5 cm auftrat. Mit zunehmendem Alter gehen sämtliche Ge- webe der Wurzel, mit Ausnahme der unverholzt bleibenden Siebteile in den Dauerzustand über. Gerade in dieser frühen Verholzung, —n « die die Haftwurzeln als Befestigungsorgane so geeignet machte und die Dornwurzeln zur Funktion des Schutzes so befähigt, und in der geringen Entwicklung der wasserleitenden Elemente liegen gewisse Züge übereinstimmender Ausbildung mit den Haftwurzeln. Ich möchte sie deshalh ebenfalls als eine unter dem Einfluß der Kir. 2S. Nennthoriza aenleatı. Luft und der geringen Nahrstoffzufuhr a in der Luft ausgewachsene entstehende Art von Hemmungsbildung Seitenwarzel der in die Erde ansprechen. umsomehr, als mir die Um- dringenden Luftwurzel: 2 in . . . der Erde ausgewachsene Seiten- Dildung eines Dorns zu einer Nährwurzel wurzel. (Verkl.) bei den in die Erde eindringenden Wurzeln, wie die Fig. 282 zeigt, völlig gelungen ist. Bei Acanthoriza entstehen in der unteren Stammregion ılie schon mehrmals erwähnten stärkeren Wurzeln, für die eigentlich die Bezeich- nung „Luftwurzel® schlecht angebracht ist, da sie ja sehr bald in die Erde eindringen und unter besonders günstigen Umständen ja direkt im Boden entstehen können. Es handelt sich hier genauer betrachtet um „Stützwurzeln", wie sie ähnlich auch bei zahlreichen Chamaeuloreaarten auftreten, und wie wir sie in charakteristischer Weise bei den durch ww Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 157 Trag- und Biegungsfestigkeit ausgezeichneten, strebepfeilerartigen Wur- zeln der Pandanaceen finden. Die Farbe der aus dem Stamm hervor- brechenden. frisch wachsenden Wurzeln ist hellgelblich grün, doch geht sie bei zunehmendem Alter und Eindringen in den Boden in braungelh bis dunkelbraun über. Die braungelben Wurzelhauben dieser Wurzeln, die etwa im Durchmesser 1/,—°/, em stark sind, blättern in ähnlicher Weise ab, wie die der später zu besprechenden Pandanusarten. Auch besteht insofern eine weitere Übereinstimmung, als «ie zuerst von Russow!) an Pandanus beobachteten, normal oft nur wenige Milli- meter großen, an Gewächshausexemplaren als solche nicht erkennbaren, kleinen dornigen Seitenwurzeln, hier an diesen Wurzeln auch vorhanden sind, und zwar wachsen die an den Stützwurzeln ganz unregelmäßig auftretenden, ursprünglich kleinen, unscheinbaren und harten Aus- wüchsen sehr oft zu mehreren Zentimeter langen Dornen aus (Fig. 28«), (die zuweilen noch wieder kleine Seitenwurzeln bilden. Häufig jeden- falls dann, wenn die Bedingung der Entwicklung — ein bestimmtes Maß von Feuchtigkeit -— nicht gegeben ist, bleibt aber auch der Aus- wuchs klein und läßt nur auf der kuppenförmigen Erhebung eine Wurzelhaube erkennen. Die bessere Ernährung der Stützwurzel, die besonders deutlich in der anatomischen Ausbildung hervortritt, zeigt sich auch in der An- lage der Seitenwurzeln, die mit breiterer Basis inseriert, auch eine be- deutendere Größe als die Seitenorgane der Dornwurzeln erreichen. Da bei der Anlage «der Seitenwurzeln ebenfalls mehrere Gefäßbündel be- teiligt sind, so erhalten wir hier ein weiteres Beispiel für die von Rywosch?), der in letzter Zeit die Entwicklung von Seitenwurzeln an Monoeotylen untersucht hat, festgestellten Tatsachen. Bei der Bildung ıles Seitenorgans einer typischen Dornwurzel war der Anschluß von etwa 6 Gefäßgruppen erfolgt, während bei der wachstumskräftigeren Stützwurzel 10 - 12 Gefäßbündel sich an der Wasserversorgung der Nebenwurzel beteiligten. Auch sind die Anlagen der jungen Wurzeln noch dadurch erwähnenswert, daß die Anschlüsse nicht nur zu den Primärgefäßen laufen. sondern daß die Verbindung durch tracheidale Zellreihen, weiter um das Gefäßbindel herumgreifend, auch zu den sekundär gebildeten Gefäßen. die teilweise noch gar nicht verholzt sind, erfolgt. 1) Russow. Über Pandantıs odoratissimus. In dessen vergleichenden Tnter- suchungen. 2) Rywoseh, Untersuchung der Seitenwurzelentstehung. Zeitschr. f. Bot. I. Jahre., V. Heft. 158 Walter Bruhn. Es ist also die Bildung dormiger Wurzeln keineswegs auf den oberen Teil des Stammes beschränkt, sondern der «das Wachstum hem- mende Einflnß der Luft macht sich auch bei den Seitenwurzeln der Stützwurzeln geltend und zwar so stark. daß die Verholzung_ dieser Wurzeln in gleicher Entfernung von der wachsenden Spitze vielfach noch stärker ist, als bei der gewöhnlichen Dornwurzel. Da es bei diesen Wurzeln experimentell einfach war, ganz junge an «der Luft wachsende Wurzelanlagen in feuchte Erde zu leiten, so wurden auch hier zahl- reiche Versuche angestellt. Das Resultat war durchaus günstig und lieferte den Beweis, daß bei der mißlungenen Umbildung der typischen Dornwurzel wohl hauptsächlich die mit dem Alter schon zu weit fort- geschrittene Differenzierung der Wurzel in Betracht zu ziehen ist. Leitete ich eine an der Luft wachsende Stützwurzel, deren seitliche Organe teils als junge Dornen von geringer Länge, teils nur als kleine kuppenförmige Auswüchse erkennbar waren, in Erde, so erfolgte nach einiger Zeit die Entwicklung dieser Organe zu einer längeren Eril- wurzel (ea. 7 em) mit gut ausgebildeten Seitenwurzeln zweiter Ordnung, (deren Habitus, wie auch die Fig. 285 zeigt, sich wesentlich von dem des in der Luft wachsenden Dorns (Fig. 28a) unterscheidet, und die sicher als Nebenwurzel durch Wasserversorgung zur Ernährung der Pflanze beiträgt. Erreichen die Wurzeln an der Luft nur eine Länge von 2—4!/, em, so hatten sich in der Erde manche zu einer Größe von 6—8, ja auch 10 em entwickelt und zahlreiche Seitenwurzeln ge- bildet. Häufig konnte man an der umgebildeten Wurzel die Stelle deutlich erkennen, wo unter dem Einfluß des geänderten Substrats das Wachstum als Erdwurzel eingesetzt hatte, und der Entwicklungsgang in andere Bahnen gelenkt wurde. Damit ist der Beweis erbracht, «daß es sich bei diesen Dornwurzeln um einen Fall labiler Induktion handelt und um eine «direkte Abhängigkeit der (Gestaltungsverhältnisse von äußeren Bedingungen. Ich füge hier gleich eine anatomische Untersuchung an, (die, da kurz vor Abschluß der Arbeit gemacht, in aller Kürze nur die quali- tativen Unterschiede beider Wurzeln hervorhebt. Wie den Befunden an unmgebikleten Haftwurzeln entsprechend vorauszusehen war, konnte es sich als Hauptdifferenz infolge besserer Ernährung nur um die Aus- bildung verholzter Bestandteile und der für die Stoffleitung in Betracht kommenden Elemente handeln. In der Tat hatte die in der Erde aus- gewachsene Wurzel dem in der Luft entstandenen Dom gegenüber beilentend größere und zahlreichere Gefäße, besser ausgebildete Sieb- teile und ein viel geringer entwickeltes Sklerenehym. sowohl im Zentral- Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 159 zylinder, als auch außen in den Rindenschichten, die großzelliger und reicher an Interzellularräumen waren. Die Zahl der Gefäßgruppen, die in der Dornwurzel etwa durchschnittlich 10---15 betrug, hatte sich auch in der umgewandelten Wurzel nicht erhöht. Auch an diesen großen und starken Stützwurzeln suchte ich die Frage zu entscheiden, ob beı Dekapitierung der Hauptwurzel wohl eine der vorhandenen kleinen Seitenwurzelanlagen durch stärkeres Wachstum und Einstellung in die Richtung, wie bereits vorher erwähnt Sachs und Goebel!) für Vieia, Phaseolus usw. konstatieren konnten, zum Ersatz des abgeschnittenen Stückes befähigt ist. Ich entfernte zu diesem Zweck verschiedene Wurzelspitzen in der Weise, daß oberhalb der Schnittstelle vorhandene und sichtbare Anlagen in erster Linie als Ersatz in Betracht kommen mußten. Fig. 292 aber zeigt deutlich, dab ebensowenig wie bei der typischen Dornwurzel die kleinen dornigen Seitenorgane die verlorene Spitze ersetzen konnten, hier auch diese Nebenwurzelanlagen zum Ersatz der Mutterwurzel befähigt sind. Die vorhandenen dornigen Wurzeln sind als solche weiter gewachsen — also auch hier der Fail stabiler Induktion ---, und in ihrer unmittel- baren Nähe haben sich, dem kräftigen Wachstum der alten Wurzel entsprechend, mehrere Regenerate gebildet, von «denen ein oder zwei, zuweilen aber drei bis fünf, sich völlig in die ursprüngliche Wachstuns- richtung einstellen und die verlorene Wurzelspitze ersetzen. Da diese Neuanlagen gleich mit breiterer Basis —- an ihrer Bildung beteiligten sich etwa 17—25 Gefäßgruppen der alten Wurzel — inseriert sind, so entsprechen sie auch im Habitus gleich der Mutterwurzel und sind leicht von den viel schwächeren, ursprünglich vorhandenen, seitlichen Anlagen zu unterscheiden. Einen etwas anderen Fall, den ich relativ selten aufgefunden habe, zeigt die Fig. 296. Hier hat sich ein der Schnittläche nahegelegener Dorn jedenfalls unter (der günstigen Ein- wirkung der Feuchtigkeit, und da ihm eine Zeitlang sehr viel Nähr- stoffe, die sonst der Spitze zugeführt wurden, zuströmten, kräftiger entwickelt, ja die Wurzel hat sogar die sonst den Seitenorganen eigene Wachstumsrichtung etwas verändert. Die dekapitierte Spitze der Wurzel aber konnte sie nicht ersetzen, wie das an der konvexen Außenseite bei 1 entstehende, jetzt noch kleine Regenerat deutlich beweist. Bei einer anderen Stützwurzel hatten sich sogar zwei seitliche Dornwurzeln in der angegebenen Weise verändert, waren 5— 6 cm lang, kräftig aus- 1) Goebel. Experimentelle Morphologie, pag. 85 u. 86; vgl. auch W. F. Bruck, Untersuchungen über den Einftuß von Außenbedingnngen auf die Orien- tierunge von Seitenwurzeln. Zeitschr. f allg. Physiol 1904. Bd. HI. HM. IV. 160 Walter Bruhn, gewachsen, ohne jedoch korrelativ auf die Bildung der Regenerate an der Spitze einzuwirken. Höchstens kann man in der geringen Anzahl der Neuanlagen — es handelt sich fast stets nur um eine Ersatzwurzel — ein gewisse gegenseitige Beeinflussung, eine Korrelation erblicken. Die anatomische Beschaffenheit der Stützwurzel wiederholt in großen Zügen den bereits bekannten Aufbau der Dornwurzel; nur ist unter dem Eintluß der vielfach veränderten Bedingungen die Aus- bildung der einzelnen Teile in etwas andere Bahnen gelenkt. Die Wurzeln sind nieht so sehr dem hemmenden Einfluß der Luft ausge- setzt, und durch die spätere Verholzung der Rindenschichten ist die Fig. 29. Fig. 30. Fig. 20. Acanthoriza aculeata. a und 5 Regeneration der in die Erde eindringenden Stützwurzeln. (Verkl.) Fig. 30. Acanthoriza aculeata. Stück aus dem @uerschnitt einer in die Erde dringenden Stützwurzel, 1';, em von der Spitze. Stoffzufuhr zu den äußeren Gewebepartien anhaltender; daher bleibt auch die Epidermis an ihnen länger erhalten. Ein Auswachsen ihrer Zellen an den in den Boden eingedrungenen Teilen der Wurzel zu Wurzelhaaren konnte ich nicht bemerken. Unter ihr liegt der viel schwächer entwickelte, bei der Dornwurzel als „Schutzhülle“ bezeichnete Ring sklerenchymatischer Zellen. Auch hier finden sich in der Rinde verholzte, ineinander gekeilte, lang gestreckte, von einfachen Tüpfeln durchbrochene Zellen, die. obwohl ihre Verholzung nicht so stark ist, wie bei der Dornwurzel, doch als Verstärkung der Schutzhülle in Be- Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 161 Betracht kommen. Die Zellen des Rindenparenchyms sind bei dieser Wurzel sehr regelmäßig angeordnet. größer und zahlreicher. Das Ge- webe wird von Interzellularräumen «durchsetzt, die bei der Dornwurzel nicht in der Größe und Menge auftraten. Die Endodermis (Fig. 30) ist schon frühzeitig entwickelt und durch die Verdickung auf den radi- alen Wänden leicht erkennbar, sie verholzt später unregelmäßig, doch lange nicht so stark wie bei den in der oberen Stammregion entwickel- ten Wurzeln. Ein Hauptunterschied aber liegt in der sehr starken Ent- wickelung «des Zentralzylinders dieser Stützwurzeln, die ja durch die im Gegensatz zu den Dornwurzeln außerordentlich günstigen Ernährungs- verhältnisse und durch das Wegfallen des durch die Luft auf das Wachstum ausgeübten Hemmungsreizes erklärbar ist. Hier tritt be- sonders der Unterschied in der Verholzung, auf den ich bereits mehr- mals hingewiesen. und den wir im Verlauf der Arbeit ja überall als wichtigen Faktor für das Vorhandensein einer Wachstumshemmung oder Förderung, des Stillstands oder der Entwicklung einer Anlage kennen gelernt haben, auf. Das Pericambium ist in ein bis zwei oft sehr großen Zellreihen entwickelt. Im Zentralzylinder sind fast doppelt so viel - etwa 40 — Gefäßgruppen und dementsprechend doppelte Anzahl Sieb- teile vorhanden als bei der Dornwurzel. Wie ferner die Fig. 30 zeigt. sind hier, verglichen mit der aus Fig. 27 ersichtlichen völligen Ver- holzung der Gefäßgruppen. in gleicher Entfernung von der wachsenden Spitze nur die Primärgefäße verholzt. Die einzelnen Gefäße, besonders (die später erfolgenden Anlagen, sowie die Gewebe der Siebteile sind bedenteni größer. Dieser ganzen Ausbildung entsprechend, tritt auch die Verholzung des Markes und des (iefäßparenchyms viel später ein. Sie geht bei der Stützwurzel sehr langsam und unregelmäßig vor sich und zeigt anfangs nur einzelne verholzte Zellgruppen, während sie bei der Dornwurzel sehr regelmäßig zentripetal erfolgte, so daß das ganze Innere von einem sich mit Phloroglueinsalzsäure gleichmäßig rot färben- den Gewebe erfüllt ist. Zusammenfassung. Heldera Helix. 1. Die normal auf der ventralen Flachseite des Efeu unterhallı der durch die zweizeilige Blattinsertion gebildeten Knoten entstehenden Haftwurzeln werden nicht infolge eines Kontaktreizes gebildet. 2. Die Induktion des Sprosses hinsichtlich der einseitigen Aus- bildung der Haftwurzeln ist sehr labil, da sie sich. wie auch aus der Beobachtung älterer Efeustämme hervorgeht. durch Kultur bei gerin- Flora, Bd, 101. 1 162 Walter Bruhn. gerer Lichtintensität zu einer allseitigen. d. h. auch auf der beleuchteten Seite erfolgenden, umgestalten läßt. 3. Es unterliegt aber nicht mar die Stellung der Haftwurzein äußerer Beeinflussung, sondern auch die Art und Weise der Anus- bildung. Die Haftwurzeln sind typische Hemmungsbildungun, (die man durch Kultur in feuchten Substraten sehr leicht zum Auswachsen, zu einer Entwicklungsänderung und einer damit im Zusammenhang stehen- len Funktionsänderung zwingen kann. 4. Nur junge Haftwurzelanlagen sind umbildungsfähig, da bereits frühzeitig eine Induktion «der Anlagen dadurch eintritt, daß eine hoch- gradige Differenzierung aller Gewebe stattfindet. 5. Zwischen den sich an der Schnittstelle neu bildenden Regene- rationswurzeln und den unterhalb der Knoten auswachsenden Haft- wurzelanlagen konnte ich gegenseitige Wachstumsbeeinflussungen kon- statieren. 6. Die Entstehung «der Haftwurzeln am oberen Ende eines In- ternods, abweichend von (er Polarität, erklärt sich durch eine die Wurzel- bildung begünstigende Anhäufung von Assimilationsprodukten an dieser Stelle unterhalb der Blattinsertion, wodurch es längs des Sprosses zur Bildung bestimmter. für die Anlage der Wurzeln ausschlaggebender „Dispositionslinien® konmt. i. Durch Wegschneiden «der vorhandenen Anlagen und durch künst- lich herheigeführte Stauung in der Stoffleitung gelingt es, die Wurzel- bildung auf die basale Strecke des nächst höheren Internods zu ver- schieben. 8. An typisch radiären Efeusprossen gelang es nicht, irgend- welche Wurzelbildung an oberirdischen Teilen hervorzurufen, wie auch eine Bewurzelung der in Erde gesteckten, orthotropen Sprosse schwie- riger eintrat. . Der bei Hedera auftretende Dimorphismus in der Blattform ist von einer Anhäufung organischer Substanzen in den fertilen Sprossen abhängig. (la es mir durch entsprechende Kultur gelang. die eiförmige Blattform teilweise wieder in «ie lappige überzuführen. 10. Die sich morphologisch im ganzen Habitus, in der viel ge- ringeren Entwicklung überhaupt. sowie im Fehlen seitlicher Organe aussprechende Wachstumshemmung tritt sehr deutlich auch in der ana- tomischen Beschaffenheit der Wurzel hervor. Von der Haftwurzel bis zur ausgewachsenen Erdwurzel macht sich ein allmählicher Rückgang in der Verholzung und Ausbildung sklerotischer Zellen, und entspre- Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 163 chend der abgeänderten Funktion, ein Forschritt in der Entwicklung der Gefäße und Siebteile bemerkbar. 11. Auch in der Ausbildung der Wurzelhauben hinsichtlich der Verkorkung und Verschleimung und der Differenzierung der leitenden (sewebe in den verschiedenen Wurzelspitzen wurden, je nach dem Sub- strat, bemerkenswerte Unterschiede gefunden. Die an Hedera gewonnenen Resultate wurden an Ficusarten und anderen Kletterpflanzen des tropischen Urwalds einer Nachprüfung unterzogen, die durchweg dieselben günstigen Resultate ergab. Fieus. 12. Für die Entstehung der Haftwurzeln auf der ventralen Seite unterhalb eines Knotens kommen hier Stauungen und Anhäufungen ler dem Blatt und der Sproßspitze zugeleiteten Stoffe in Betracht. 13. Die reihenförmige Bildung der Haftwurzeln erfolgt in der Jugend seitlich der Primärgefäße, später an älteren Teilen des Sprosses in zwei Längslinien seitlich der Stelle, wo primärer Teil des Sprosses und sekundärer Zuwachs zusammenstoßen, und auch auf der «dem Substrat anliegenden Seite. 14. Auch hier gelang der Nachweis, daß es sich um Hemmungs- bildungen handelt, deren Plastizität jedoch nicht verloren ist, sondern lie unter dem Einfluß der Feuchtigkeit zum Auswachsen und zur Bildung seitlicher Organe zu veranlassen sind. 15. Durch Änderung der Beleuchtungsintensität gelingt es, die Wurzelbildung, vorausgesetzt, dab die Dorsiventralität des Sprosses nicht erblich fixiert ist, auf die Oberseite zu verschieben. 16. Auch hier handelt es sich bei den anatomischen Differenzen zwischen Haft- und Nährwurzeln hauptsächlich um die sich durch die Funktion ergebenden Unterschiede in der verschiedenen Verholzung und Ausbildung der leitenden Gewebe. Hoya carnosa. 17. Während bei Hoya die erste Anlage der Haftwurzeln unter lem Einfluß der abwandernden Assimilate erfolgt, entstehen die späteren Anlagen nur auf der vom Licht abgewandten Seite. 18. Diese hemmende Wirkung des Lichts ist so stark, daß durch sie eine Wurzelbildung auf der besser ernährten konvexen Seite eines gekrümmten Sprosses vollständig unterdrückt wird. 19. Es gelingt bei (lieser Pflanze, jedenfalls infolge der «durch ılas Gewächshausleben schon veränderten Bedingungen, auch verhältnis- mäßig große Haftwurzeln zur Weiterentwicklung zu bringen. 17% 164 Walter Brulin, 20. Diese Nährwurzeln, an denen die Abhängigkeit der Gestal- tung von äußeren Bedingungen wohl am deutlichsten hervortritt, stimmen, was Regenerationsfähigkeit im Alter anbetrifft, überein mit normalen Erdwurzeln anderer Pflanzen. 21. Vergleiche zeigen deutlich, daß zwischen diesen Haft- und Nährwurzeln nur graduelle Unterschiede vorhanden sind, die eben durch die ganz verschiedene Ernährung und durch das dadurch er- folgende ungleich schnelle Wachstum bedingt sind; die sonstigen ana- tomischen Differenzen sind den bereits früher bei den anderen Pflanzen angegebenen ähnlich. 22. Sobald durch das Auftreten anderer als der bisher obwalten- den Faktoren die Entwicklung der Wurzeln in neue Bahnen gelenkt wird, finden auch in der Wurzelspitze Gestalt- und Strukturverände- rungen statt. 233. Dadurch, daß es gelungen ist. die Haftwurzeln wieder zur Aufgabe ihrer Funktion zu zwingen und zu Nährwurzeln umzubilden, erhält die Theorie der Abstammung der Epiphyten, speziell der typischen Wurzelkletterer. eine auf dem Experiment basierende positive Stütze. Es wurden auch die Wurzeln anderer Pflanzen untersucht, die zwar nicht als Haftwurzeln entwickelt waren, die sich bei genauerer experimenteller Prüfung aber ebenfalls als Hemmungsbildungen heraus- stellten. Anthurium elliptieum. 24. Die Verzweigung der negativ geotropischen Nestwurzeln von Anthurium ellipticum ist auf Einfluß der Feuchtigkeit zurückzuführen. die an der konvexen Außenseite der gekrümmten Wurzeln entstehenden Seitenwurzeln sind ebenfalls negativ geotropisch. 25. Bei Dekapitierung einer Nestwurzel erfolgt wohl stets die Bildung eines seitlichen Organs an der Spitze und Einstellung des Regenerates in die Richtung des entfernten Hauptteils. Direkter Ersatz der Wurzelspitze konnte mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden. 26. Durch Vergleich gewöhnlicher Nestwurzeln mit solchen, die in feuchtem Substrat kultiviert waren, konnte ich feststellen, daß erstere in morphologischer und anatomischer Beziehung Hemmungsbildungen sind, bedingt durch das umgebende Medium und die damit verbundene schlechtere Ernährung. 27. Außer den humussammelnden Nestwurzeln finden sich bei Anthurium ellipticum auch noch positiv geotropische Nährwurzeln, «deren seitliche Organe je nach dem Medium. in dem sie wachsen, verschiedenen (reotropismus zeigen. Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. 165 23. Messungen ergaben, (laß Nest- und Nährwurzeln von Anthurium elliptieum in ihren Wachstumszonen etwa die von laftwurzeln der Aroideen bekannten Werte innehalten, wie auch die Gesamtzuwächse etwa denen der Haftwurzeln entsprechen. 29. Die anatomischen Unterschiede zwischen Nest- und Nähr- wurzeln entsprechen etwa den schon früher für Haft- und Nährwurzeln angegebenen \Verhältuissen, sie beziehen sich hauptsächlich auf Größe und Zahl der Gefäßgruppen. sowie auf die Ausbildung der skleren- chymatischen Bestandteile. Acanthoriza aculeata. 30. Die in der oberen Stammregion von Acanthoriza aculeata ent- stehenden, aus metamorphosierten Wurzeln hervorgehenden Dornen sind ihrer Entwicklung und ihren Aufbau nach typische Hemmungsbildungen. 31. Die bisherigen Umbildungsversuche der typischen Dornwurzeln sind mißlungen, da die Gewebe bereits zu frühzeitig differenziert sind, als daß sich durch den später einsetzenden Einfluß äußerer Reize die Entwicklung in andere Bahnen lenken läßt. 32. Die dornigen Seitenorgane dieser Wurzeln sind nicht zum Er- satz oder zum Einstellen in die Richtung der abgeschnittenen Spitze befähigt. Es erfolgte stets Ersatz durch sich an der Schnittfläche neu bildende Regenerate. 33. Zwischen dem Wachstum der Haupt- und Seitenwurzeln be- steht ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis dergestalt, daß bei De- kapitation häufig. ehe Neubildung des Regenerates auftrat, stärkeres Auswachsen der Seitenorgane erfolgte. 34. Die an den Stützwurzeln der unteren Stammregion als Seiten- organe auftretenden Dornwurzeln sind unter dem Einfluß der Luft ent- stehende Hemmungsbildungen, die im jugendlichen Zustande sich leicht zu Nährwurzeln umbilden lassen. 35. Ebensowenig wie bei der Dornwurzel sind die kleinen seit- lichen Auswüchse der Stützwurzel befähigt, bei Dekapitierung der Mutter- wurzel die verloren gegangene Spitze zu ersetzen; auch hier entstehen stets neugebildete Regenerate. 36. Was die anatomischen Differenzen anbetrifft, so sind für die Dornwurzel die frühzeitig auftretende Verholzung und die geringe Ent- wicklung der leitenden Elemente charakteristisch. bei der Stützwurzel ist allgemein die Gewebeentwicklung eine stärkere. die Zahl der Gefäß- gruppen eine größere; die Wurzel zeigt, in ähnlicher Weise wie eine 166 Walter Bruhn, Beiträge zur experimentellen Morphologie usw. Nährwurzel im Vergleich zur Haftwurzel, einen starken Rückgang in der Verholzung und eine bedeutend bessere Entwicklung der Stoff- leitungsbahnen. In dem zweiten Teil der Arbeit werde ich mich hauptsächlich mit Wachstumseigentümlichkeiten der Nährwurzeln von Orchideen, Aroideen, Pandanaceen und der Vitacee: Vitis pterophora beschäftigen. Speziell handelt es sich bei den Untersuchungen um zahlreiche Versuche, die in das Gebiet der experimentellen Morphologie fallen, um Beeinflussung der inneren Organisation durch äußere Faktoren, ähnlich den hier an- geführten, um Wachstumsmessungen, Regenerations- und Verzweigungs- versuche. Vorliegende Untersuchungen, sowie der noch unveröffentlichte Teil wurden ausgeführt auf Veranlassung und unter Leitung des Herrn Geh. Hofrats Prof. Dr. v. Goebel im Königl. Pflanzenphysiologischen Institut der Universität München in den Jahren 1907—-09. Meinem verehrten Lehrer sage ich auch an dieser Stelle für das stetige Interesse, mit dem er die Arbeiten verfolgte, für die vielfachen Anregungen, für seine Ratschläge und Unterstützung meinen besten Dank. m re nn an Verlag von GUSTAVT FISCHER in Jena. Soeben erschien: Illustrierte Flora von Nord- und Mitteldeutschland. Von Prof. Dr. H, Potonie, Vorsteher der Paläobotanischen Abteilung der Kgl. Preuß. Landesanstalt. Fünfte vollständig umgearbeitete Auflage. . In 2 Bänden in Taschenformat (Text und Atlas). Mit rund 150 Einzelabbildungen im Text und den Abbildungen von rund 1500 Arten und Varietäten im Atlas. Preis für den Text: 3 Mark 50 Pf. geb. 4 Mark. Preis für den Atlas: 2 Mark 50 Pf.. geb. 3 Mark. . Potonies bekannte „Illustrierte Flora® erscheint hier in neuer inhalt- lich vollständig ungearbeiteter Auflage. mit durchaus neuen Abbildungen und in vänzlich verändertem Gewande. — Jeder Band ist einzeln käuflich. Organographie der Pflanzen insbesondere der Archegoniaten und Samenpflanzen. Von Dr. K. Goebel, Prof. an der Universität in München. Erster Teil: Allgemeine Organographie. Mit 130 Abbildungen im Text. 1898. Preis: 6 Mark. Zweiter Teil: Spezielle Organographie. 1. Heft: Bryophyten. Mit 128 Abbildungen im Text. 1898. Preis: 3 Mark SU Pf. 2. Heft: Pteridophyten nnd Samenpflanzen. Mit 280 Abbildungen im Text. 10900, 1901. Preis 12 Mark. Preis des vollständigen Werkes: 21 Mark 80 Pf. Naturwissenschaftliche Wochenschrift 1902, Nr. 24. Das Goebelsche Werk ist eine Fundgrube gut disponierten zuverlässigen botanischen Materials, das insbesondere denjenigen Forschern zugute kommen wird, die sich ein Bild von der Entstehung nnd allmählichen Herausbildung des Pflanzenkörpers zu machen be- strebt sind. Simon Newcombs Astronomie für Jedermann. Eine allgemeinverständl. Darstellung der Erscheinungen des Himmels. Nach der Übersetzung von F. Gläser bearbeitet von Prof. Dr. R. Schorr, und Dr. K. Graff, Direktor Observator der Hamburger Sternwarte. Zweite Auflage. Mit einem Titelbild, 3 Tafeln. 3 Sternkarten nnd 71 Abbildungen im Text. 1910. Preis: kartoniert 3 Mark. geb. 4 Mark. Neue Hamburger Zeitung, Nr. 586. 11. Dez. 107: Das von F. Gläser aus dem Engl. übertragene Werk, das Jer Direktor der R, Schorr und sein Assistent Dr. A. Graff auf scine Hamburger Sternwarte Prof. Dr. A c j hen haben, darf als die beste Einführung in die wissenschaftliche Exaktheit durchgese Himmelskunde belobt werden. Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena. r N Eine Monographie. Von Dr. &. Giesenhagen, Die Farngattung Niphobolus. Prof. der Botanik in München. Mit 25 Ab- bildungen. 1901. Preis: 5 Mark 50 Pf. Hedwigia, Heft 1 vom 5. März 1902: Die ganze Monographie ist musterhaft durchgeführt nud man möchte nur wünschen, daß der Verfasser recht bald seine monographischen Studien auch noch auf andere, besonders die artenreichen Gattungen, ausdehnen möge. Untersuchungen über die Vermehrung der Laubmoose durch ı Von Dr. Marl Correns, a. ö. Prof. der Bo- Brutorgane und Stecklinge. tanik in Tübingen. Mit 187 Abbildungen. 1899. Preis: 15 Mark. Elemente der exakten Erblichkeitslehre. Deutsche, wesentlich erwei- erte Ausgabe in 25 Vor- lesungen. Von W. Johannsen, ord. Prof. der Pflanzenphysiologie an der Univ. Kopenhagen. Mit 31 Abbildungen im Text. 1909. Preis: 9 Mark, geb. 10 Mark. Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. © Pr. Ludwig Jost, a. o. Prof. an der Universität Straßbure. Zweite Auflage. 1908, Preis: 14 Mark, geb. 16 Mark. Lehrbuch der Pharmakognosie. \." Pr. George Karsten, Prof. an der Universität Halle und Friedrich Oltmanns, Prof. an der Universität Freiburg i. Br. Zweite vollständige umgearbeitete Auf- lage von G. Karstens Lehrbuch der Pharmakognosie. Mit 512 großenteils mehr- farbigen Abbildungen im Text. 139. Preis: 9 Mark, gels 10 Mark. Willkürliche Entwieklungsänderungen bei Pflanzen. Ein Beita- logie der Entwicklung. Von Dr. Georg Klebs, Prof. in Halle. Mit 28 Abbildungen im Text. 1903. Preis: 4 Mark. Pathologische Pfianzenanatomie. In ihren Grundzügen dargestellt von Dr. Ernst Küster, Dozent für Botanik an der Universität zu Halle a. 8. Mit 121 Abbildungen im Text. 1903. Preis: S Mark. Tuhalt: I. Restitution. — 11. Hypoplasie. — III. Metaplasie. — IV. Hyper- - trophie. — V. Hyperplasie. — VI Allgemeine Betrachtungen über Ätiologie und Entwicklungsgeschichte pathologischer Pflanzengewebe. Tragestelluugen der allge- meinen Patliologie. Theoretisches. Zeitschrift der Pflanzenkrankheiten, XIII, 1903: Die Daistellung ist klar, die Abbildungen zeigen «deutlich die Verhältnisse, die charakterisiert werden sollen. Die Literatur ist eingehend berücksichtigt und dem Leser ein willkommenes Hilfsmittel. Das Buch ist wirklich wissenschaftlich wertvoll. N Handbuch der Morphologie, Entwicklungsgeschichte System der Bakterien. und Systematik der Bakterien. Von Dr. W. Migula. a. 0. Prof. an der technischen Hochschule zu Karlsruhe. Erster Band. Allgemeiner Teil. Mit 6 Tafeln. 1897. Preis: 12 Mark. — Zweiter Band. Spezielle Systematik der Bakterien. Mit 18 Tafeln und 25 Abbildungen im Text. 1000. Preis: 40 Mark. Deutsche med. Wochenschrift vom 20. Oktober 1898: In eingehender und erschöpfender Bearbeitung behandelt Migula die schwierigen und verwickelten Fragen der Systematik, Morphologie und Entwicklungsgeschichte der Bak- terien vom Standpunkte des bierzu ın erster Linie berufenen Fachmannes, des Botanikers.... E Sechs Tafeln, davon fünf mit trefflichen, von Obernetter wiedergegebenen Mikrophotogrammen machen den Beschluß des Werkes, das in jedem Teile, im ganzen wie ım einzeln. die höchste Anerkennung verdient. Umfangreiches und gediegenes Wissen, vuhige und sachverständlich- Kritik, fesselnde und geschickte Darstellung vereinigen sich hier zu einer wahrhaft ausgezeichneten Leistung, die alle anderen Veröffentlichungen auf ‚lem gleichen Grebiete um Haupteslänge überragt und daher jedem Fachgenossen zu ein- gehendem Studium aufs wärmste empfohlen werden kann. Ant. Kampfe, Buchdruckeres, Jena. FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. NEUE FOLGE. ERSTER BAND. (DER GANZEN REIHE 101. BAND) ZWEITES HEFT. HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. MIT 2 TAFELN UND TI ABBILDUNGEN IM TEXT. VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN IENA. ° 1910. ERSCHIENEN AN 10. JUNE Tele Inhaltsverzeichnis. Seite NIEXNBURG, WILHELM. Die Öogonentwicklung bei Cystosira und Sar- gassum. Mit Tafel lu. I und d Abbildungen im Text . . 107-180 FLASKÄMPER. PAUL. Tntersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- und Sklerenehymbildung von äußeren Faktoren nebst einigen Bemerkungen über die angebliche Heterarhizie hei Dikotyten. Mit 21 Abbildungen im Text . .. 151-210 BRUCHMANN. H., Die Keimung der Sporen und die Entwieklung dor Prothallien von Lyeopodinm elavamın L.. L. anneotinum L. und L. Selago L. Mit 35 Abbildungen im Text... 220 267 PASCHER, ADOLF, Über einen Fall weitgehender, postnuptialer Kelch- vergrößerung bei einer Solanacee. Mit Tafel TIT und 3 Ah- bildungen im Text . ... . . 268-973 Ders. Über itterkelehe, einen neuen biologischen Kelehtypus der Nacht- sehattengewächse. Mit Tafel IV und 1 Abbildung im Text „ 273-258 JACOBT. HELENE. Über den Einfinß der Verletzung von Katyledonen auf das Wachstum von Keimlingen. Mit 2 Abbildungen im Test... AN 2SH FREUND, YELLA, Untersuchungen über Polarität hei Pflanzen 2 290 BUN Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena. Soeben erschien: Rosenkrankheiten und Rosenfeinde. Eine Anleitung die Krankheiten und Feinde der Rosen zu erkennen und zu bekämpfen. Von Dr. Richard Laubert und Dr. Martin Schwartz. Mit I farbigen Tafel. =. m Preist | Mark, non Vor kurzem erschien: Leitfaden für gärtnerische Pflanzenzüchtung. Von Max Löbner, Inspektor am Kul. botanischen Garten u. der pflanzenphysiol. Versuchsstation zu Dresden. Mit 19 Abbildungen im Text. Preisschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Kgl. Preuß. Staaten. Preis kartoniert: 1 Mark 5U Pf. TE re Die Oogonentwicklung bei Cystosira und Sargassum. Von Wilhelm Nienburg. (Mit Tafel I u. II und 9 Abbildungen im Text.) Die Veranlassung zu der hier folgenden Untersuchung war eine im Jahre 1906 erschienene Arbeit von E. B. Simons®), die die Kon- zeptakel- und Oogonentwicklung von Sargassum Filipendula Ag. behan- delte. Die Beobachtungen der Verf. zeigten, daß die ersten Stadien der Konzeptakelbildung bei dieser Alge etwas anders verlaufen, als Bower!) und Oltmanns}) das für andere Gattungen angegeben hatten. Da ich die Konzeptakelentwicklung der Fucaceen später in einer be- sonderen Mitteilung schildern zu können hoffe, will ich hier nur er- wähnen, daß ich bei Sargassum linifolium (Turn.) Ag. und Cystosira barbata Ag. die Angaben von Simons vollständig bestätigt fand. Dieses Ergebnis war bei der lückenlosen Beobachtungsreihe, (die die Verf. gegeben hatte, von vornherein wahrscheinlich. Überraschender und weniger Vertrauen erweckend waren dagegen ihre Mitteilungen über die Oogonentwicklung. Nach ihr soll bei Sargassum der Oogon- kern gleich zum Eikern werden. Die drei Teilungen, die Oltmanns’) auch bei den Fucaceen gefunden hatte, die später weniger als 8 Eier ausbilden, sollen hier sämtlich unterbleiben. Das war um so auffallender, als schon die Arbeiten von Strasburger”) sowie von Farmer unıd Williams*) es höchst wahrscheinlich gemacht hatten, daß während der ersten beiden dieser Kernteilungen die Chromosomenreduktion vor sich geht, eine Auffassung, die durch eine jüngst erschienene Publikation Yamanouchy’s!!) glänzend bestätigt wurde. Wo sollte nun bei Sar- gassum die Reduktion erfolgen, und wie sollte sich diese Gattung in den zuerst von Strasburger®) entwickelten und dann von Yama- nouchy!!) aufgenommenen Vorstellungskreis einfügen, wonach die Teilungen im Oogon die reduzierte x-Generation im Entwicklungszyklus der Fucaceen darstellt? Diese Fragen verlangten dringend eine Ant- wort, und ich beschloß deshalb, die Oogonentwicklung von Sargassum und der verwandten Gattung Cystosira, über die nur eine veraltete Arbeit von Dodel-Port?) vorliegt, noch einmal zu untersuchen. Mein Material stammte teilweise aus Neapel, wo ich selbst an der zoologischen Station im Frühjahr 1907 Cystosira barbata fixierte, und teilweise aus Triest, von wo Herr Dr. Pilger im September 1908 die große Liebens- 12 Flora, Bd. 101. 108 Wilhelm Nienburg. würdigkeit hatte, mir Material von Sargassum linifolium mitzubringen. Als Fixierungsmittel wurde Chromessigsäure von folgender Zusammen- setzung benutzt: 0,5 cem 50°, Chromsäure, 1,0 cem 98°/, Essigsäure, 100 ccm Seewasser. Gefärbt wurde teils mit (Grentianaviolett-Eosin nach der Methode von Gram und teils mit Safranin-Gentianaviolett-Orange. Ich beginne mit. der Schilderung meiner Beobachtungen an Cysto- sira barbata Ag. Die Oogonentwicklung beginnt mit der Vorwölbung einer Zelle der Konzeptakelwand, die sich durch dichteren Plasmagehalt und einen größeren Kern von den Nachbarzellen auszeichnet (s. Fig. 1, Taf. D. Der Kern teilt sich in einen größeren oberen und einen kleineren unteren Tochterkern, während gleichzeitig Chromatophoren im Plasma bemerkbar werden, die vorher noch nicht zu schen waren (s. Fig. 2). Zwischen den beiden Kernen bildet sich eine Wand, (die das eigentliche Oogon von der Stielzelle trennt (s. Fig. 3). Die Stiel- zelle ist bei Cystosira ganz in die Konzeptakelwanid eingebettet, so dab sie ihren, auf «die Verhältnisse bei Fucus bezüglichen Namen hier zu Unrecht trägt. Der Oogonkern ist inzwischen gewachsen, hat aber seine Struktur wenig verändert; man sieht einen großen Nucleolus und zahl- reiche kleine Chromatinkörnchen durch den ganzen Kernraum verteilt, ohne daß sich eine besondere Struktur feststellen ließe. Erst wenn das Oogon etwa halb ausgewachsen ist (s. Fig. 4a), geht eine Verände- rung vor sich, Die Chromatinkörnchen sammeln sich zu einer ge- ringeren Zahl größerer Körner, von denen hellere Fäden ausgehen, die häufig verzweigt sind, und einzelne der Körner miteinander verbinden (s. Fig. 46). Während das Oogon weiter wächst (s. Fig. De), vergrößert sich auch der Kern und die Fadenstruktur des Chromatins bildet sich weiter aus (s. Fig. 55 u. 6). Die Fäden treten gegenüber den Körnern stärker hervor und färben sich kräftiger. Manchmal hat man den Ein- druck, als ob sich einzelne Fadenstücke zu einem (doppelt so dicken zusammengelegt hätten oder auch, als ob Jdiekere gespalten wären. Ob (las Chromatin in diesem Stadium einen einzigen vielfach verschlungenen Faden bildet oder eine Anzahl kleiner, konnte ich nieht mit Sicherheit entscheiden. Gleichzeitig mit diesen Vorgängen im Innern des Kerns zeigt sich außen an der Wandung ein einzelnes Centrosom mit deut- licher Strahlung (s. Fig. 7, die das Teilstück eines Kernes in der Auf- sicht wiedergibt). Leider ist Cystosira barbata für die Beobachtung der Centrosomen nicht besonders günstig, so daß es mir nur selten gelungen ist, Centrosom und Strahlung deutlich voneinander zu diffe- renzieren. Das Oogon hat jetzt seine definitive Größe fast erreicht und wächst während der folgenden Vorgänge nur noch wenig. Das Die Oogonentwicklung bei Cystosira und Sargassım. 169 nächste, was ich beobachten konnte, war eine starke Zusammenziehung des Kerninhaltes auf einer Seite, also eine typische Synapsis (s. Fig. 8). Das Chromatin hat jetzt seine Struktur erheblich verändert, man sicht nicht mehr die dünnen Fäden, sondern ein Knämel von schr dicken, die einen mehr oder weniger zusammenhängenden Eindruck machen. Außerdem fällt an vielen Stellen die perlschnurartige Segmentierung auf. Der Nucleolus zeigt bisher noch keine Anzeichen von Auflösung. Auf dem folgenden Stadium (s. Fig. 9) ist das Chromatin wieder ziem- lich gleichmäßig durch den Kernraum verteilt, die Fäden haben den Perlschnurcharakter verloren und zeigen an manchen Stellen gespaltene Enden. Von dem Nucleolus haben sich Teile abgelöst, und seine Va- kuolisierung beginnt. Damit sind die Prophasen der ersten Kernteilung abgeschlossen. Die Fig. 10a und 5 gibt nach zwei aufeinander folgenden Schnitten (lie Metaphase in der Profilansicht wieder. Die Spindel ist intranuklear, der Nucleolus ist verschwunden, Centrosomen sind vorhanden und die Chromosomen zeigen nur durch ihre Größe, aber nicht durch die häufig für die heterotypische Teilung charakteristische Spaltung ihre Doppelwertigkeit an. Leider habe ich von der ersten Teilung keine Polansicht gefunden, so daß ich die Chromosomen in diesem Stadium nicht zählen konnte. In der Telophase der ersten Teilung (s. Fig. 11) verschwinden die Centrosomen allmählich. Darauf folgt das Zweikern- stadium (s. Fig. 12), während dessen das Chromatin nicht völlig zur Ruhe kommt, sondern sich nur in den Zustand der frühen Prophase zurückbildet. Im Vierkernstadium (s. Fig. 13) sind die Kerne wie die Ecken eines Tetraäders angeordnet, so daß in einem Schnitt höchstens drei davon zu sehen sind. Beim dritten Teilungsschritt (s. Fig. 14. Taf. II) ist die Spindel wieder intranuklear, aber man sieht das um- gebende Plasma schon in der Metaphase in den Kernraum eindringen. In diesem Stadium konnte ich in der Polansicht 13—20 Chromosomen. zählen (s. Fig. 15). Zum Vergleich wurden in Fig. 16 und 17 vege- tative Teilungen in Profil- und Polansicht dargestellt. Wenn sich auch bei diesen die Chromosomen nicht zählen lassen, so zeigen diese Figuren doch, daß man es bei den Teilungen im Oogon mit der redu- zierten Chromosomenzahl zu tun hat. Die Fig. 18 gibt die Anaphase der letzten Teilung wieder. Die fertigen 8 Kerne liegen dann dicht beieinander in der Mitte des Oogons (s. Fig. 19). Keiner ist vor (den anderen irgendwie ausgezeichnet. Darauf beginnt die Ausstoßung der sieben Kerne aus dem Oogeon, «lie überflüssig sind, weil Cystosira nur ein Ei ausbildet. In Fig 20a sieht man den zum Eikern bestimmten 19* 170 Wilhelm Nienhurg, in der Mitte liegen, während die anderen an den Rand der Plasma- masse gewandert sind, ohne bisher sich in ihrer Gestalt und Struktur wesentlich verändert zu haben. Dagegen ist mit denı zukünftigen Eikern eine auffallende Wandlung vor sich gegangen (s. Fig. 205). Er liegt in emem hellen Hof, der nur mit schwach gefärbten Chromatophoren angefüllt ist, während die übrige Plasmamasse durch zahlreiche Inhalts- körper dunkel gefärbt ist. Am interessantesten ist aber die Gestalts- veränderung des Kernes. Seine Umrißlinie ist nicht mehr rundlich wie gewöhnlich, sondern gelappt, und von den Lappen gehen zahlreiche pseudopodienartige Fäden aus, die sich manchmal verzweigen und all- mählich im Plasma zwischen den Chromatophoren verlieren. Gleich- zeitig ist der Nucleolus verschwunden und das Chromatin zeigt eine unregelmäßige flockige Struktur. Ich habe diese merkwürdige Gestalt des Eikerns so häufig beobachtet — und zwar nur in dem Stadium, wo die übrigen Kerne auszuwandern beginnen, aber den Plasmakörper noch nicht verlassen haben — daß ich die Annahme für ausgeschlossen halte, es könne sich hierbei um ein durch die Fixierung veranlaßtes Kunstprodukt handeln. Nach einiger Zeit bekommt der Kern wieder seine normale Gestalt (s. Fig. 21), der Nucleolus ist regeneriert und las Chromatin ist in einzelnen Körnern gesammelt, die durch zarte Fäden verbunden sind. Dafür ist in der nächsten Umgebung eine auffallende Veränderung vor sich gegangen. Das Plasma ist dort frei von Chromatophoren und in ihm hat sich eine Strahlungsfigur ausge- bildet, die wie eine Corona den ganzen Kern umgibt. Überall sieht man zarte Strahlen radial vom Kerne ausgehen, von denen die kräf- tigsten bis weit in das Cytoplasma hinein zu verfolgen sind. Auch die Strahlungsfigur zeigt der Eikern, während die übrigen noch nicht völlig ausgestoßen sind. Wenn diese als degenerierfe dunkle Massen in dem freien Raum liegen, der durch Schrumpfung beim Entwässern entstanden ist (s. Fig. 227), kommt der Eikern endlich zur Ruhe (s. Fig. 222). Die Corona ist verschwunden, ebenso der Hof um den Kern und das Chromatin hat sich auf eine Anzahl größerer und kleinerer Körner zusammengezogen. Damit ist das Oogon zum Ei geworden und die Entwicklung, soweit ich sie verfolgen konnte, abgeschlossen. Ich habe nur noch einen anormalen Fall zu erwähnen. Es kommt manchmal vor, laß man in einem völlig entwickelten Ei zwei Kerne findet (s. Fig, 23@ und 2). Ich habe dann niemals mehr als sechs degenerierte gefunden, so daß es wahrscheinlich ist, daß die beiden Eikerne Oogon- kerne vorstellen, die nieht ausgewandert sind. Es ist allerdings auch möglich, daß sie durch Teilung aus dem ursprünglichen Eikern hervor- Die Oogonentwicklung bei Gystosira und Sargassum. 171 gegangen sind, denn «die Zählung der degenerierten Kerne ist nicht immer genau durchzuführen, da beim Färbeprozeß häufig einzelne von ihnen fortgespült werden. Über das weitere Schicksal dieser doppel- kernigen Eier habe ich nichts Sicheres ermitteln können. Einmal sah ich «die Kerne dicht aneinander gepreßt, als ob sie miteinander ver- schmelzen wollten (s. Fig. 24). Da es mir wesentlich nur darum zu tun war, zu konstatieren, ob bei Cystosira die für die meisten Fucaceen bekannten acht Kerne vor- handen sind, so habe ich die eigentlichen karyokinetischen Vorgänge nicht eingehend verfolgt, zumal diese seit der Arbeit von Yamanouchy'') über Fucus genau bekannt sind. Trotz der Lückenhaftigkeit meiner Ergebnisse scheint es aber doch notwendig, sie mit denen von Stras- burger’), Farmer und Williams‘) sowie Yamanouchy!!) zu ver- gleichen. Diese Autoren haben verschiedene Arten der Gattung Fucus als Untersuchungsmaterial benutzt. Alle stimmen darin darüber über- ein, daß die erste Teilung im Oogon als die Reduktionsteilung zu be- trachten ist, aber nur Yamanouchy ist es gelungen, diese durch alle Stadien zu verfolgen. Er beobachtete hierbei, daß in den Prophasen ein einzelner Chromatinfaden entsteht. Dieser wird in der Synapsis so angeordnet und gefaltet, daß ziemlich regelmäßige, von einem Punkte der Kernwand ausgehende Schlingen gebildet werden, deren Zahl genau der halben Chromosomenzahl entspricht. Aus jeder solcher Schlinge geht durch Verkürzung und Verschmelzung ein doppelwertiges Chro- mosom hervor, das während der Metaphase wieder in seine beiden Bestandteile zerlegt wird. Nach Yamanouchy legen sich also bei Fucus «die Chromosomen in den ersten Prophasen der Reduktionsteilung nicht neben-, sondern hintereinander, und erst in «der Synapsis ent- stehen durch Einfaltung des Chromatinfadens die Doppelchromosomen. An der Richtigkeit dieser Beobachtungen ist wohl nicht zu zweifeln, und es fragt sich also, wie damit meine Firgebnisse bei Cystosira in Einklang zu bringen sind. Die frühen Prophasen stimmen in beiden Gattungen überein. Zwischen seiner Fig. 40 und meiner +5 einerseits, sowie seinen Figg. 41a, 415 und meinen 55, 6 und 7 besteht kein wesentlicher Unterschied. Auch bei Fucus gibt es dünnere und dickere Fäden, die an einzelnen Stellen doppelt erscheinen und hier und da verzweigt sind. Übereinstimmend ist ferner, daß in beiden Fällen auf diesem Stadium das Centrosom auftritt. Das, was ich nicht habe beob- achten können, ist die Schlingenbildung bei der Synapsis. Da aber nach ‘den bisherigen Untersuchungen die karyokinetischen Vorgänge bei alien Fucaceen im wesentlichen übereinstimmend verlaufen, so kann ich 172 Wilhelm Nienburg. nicht glauben, daß sich bei der Reduktionsteilung prinzipielle Unter- schiede finden sollten. Ich nehme deshalb an, daß die Stadien, die Yamanouchy in seinen Figg. 42—45 abbildet, auch bei Cystosira vor- kommen, aber nicht zu den Zeiten, in denen ich mein Material fixierte. Es ist mir erst später bekannt geworden, daß die Mitosen bei den Fucaceen sehr von äußeren Bedingungen abhängig sind, und infolge- dessen habe ich nicht genug Wert darauf gelegt, Material zu allen Tages- und Nachtzeiten und direkt am Standort zu fixieren. Auch Yamanouchy scheint es nicht gelungen zu sein, die hierher rührenden Schwierigkeiten völlig zu überwinden. Wenigstens verinisse ich unter seinen Figuren «das Stadium, in dem die beiden Hälften jeder Schlinge miteinander verschmolzen sein und je einen längeren Faden bilden müßten. Auf seine Figg. 44 u. 45, in denen die Schlingenhälften noch deutlich getrennt sind, folgt gleich die Fig. 46, in der jede Schlinge zu einem rundlichen Klumpen zusanmmengezogen ist. Vielleicht bin ich in diesem Punkte glücklicher gewesen als er, denn meine Fig. 8 entspricht ungefähr dem Bilde, das die miteinander verschmolzenen Schlingenhälften abgehen müßten. Neu hinzu tritt hier nur die perl- schnurartige Anordnung der Chromatinelemente. Dieses für die Reduk- tionsteillung der höheren Pflanzen Ja bekannte Stadium hat Yamanouchy nicht erwähnt, daß es aber auch bei Fucus vorkommt, zeigt die Fig. 3 von Farmer und Williams), Schwieriger dürfte es sein, meine Fig. 9 in Einklang mit Yamanouchy’s Beobachtungen zu bringen. Eine geringe Anzahl dicker Fäden, die an manchen Stellen gespalten erscheinen, zieht sich durch die ganze Kernhöhle. Bevor ich die Arbeit von Yamanouchy kannte, hielt ich dieses Stadium für den Anfang ler Diakinese, da aber ein entsprechendes bei Fucus offenbar fehlt, weiß ich augenblicklich keine voll befriedigende Deutung dafür zu geben. Die weiteren Stadien der verschiedenen Teilungen stimmen, soweit ich sie verfolgen konnte, in allen Einzelheiten mit den Beobachtungen an anderen Fucaceen überein. Unbekannt sind dagegen bisher die Strahlungs- vorgänge am Eikern, die ich in Fig. 205 u. 21 darstellte. Sie machen den Eindruck, als ob Elemente des Kerns an das Cytoplasma abge- geben würden. Da in dem Stadium der Fig. 205 der Nucleolus ver- schwunden ist, könnte man meinen, daß es sich dabei um Nukleolar- substanz handelt. Dem widerspricht aber erstens die Tatsache, daß in Fig. 21, wo die Strahlung doch erst ihren Höhepunkt erreicht hat, der Nucleolus bereits wieder regeneriert ist, und zweitens, daß sie sich beim Dreifarbenverfahren nicht wie der Nucleolus, sondern wie das Chromatin färbt. Die Herkunft der Corona muß also ebenso unerklärt Die Oogonentwieklung bei Cystosira und Sargassıum. 173 bleiben wie ihre Bedeutung, wenn ich es auch für wahrscheinlich halte, daß sich hierin irgend eine Einwirkung des Fikerns auf das umgebende Cytoplasma ausdrückt. Daß aus dem Kern unter Umständen Substanzen austreten können, dafür gibt es ja besonders in der zoologischen Chro- midienliteratur zahlreiche Angaben. Aber auch für botanische Objekte fehlt es nicht an Ähnlichen Beobachtungen, ich will hier nur eine neuer- dings erschienene Arbeit von Digby?) zitieren, weil man dort ein eingehendes Literaturverzeichnis über (diese Frage findet. Was schließlich die Frage der mehrkernigen Eier betrifft, so ist zu erwähnen, dab bereits Farmer und Williams?) sowie Strasburger?) solche bei Fucus beobachtet haben. Ob die Kerne dort verschmelzen, ist wie bei Cystosira unbekannt. Strasburger ist geneigt, es anzunehmen und die große Zahl der Chromosomen, die man manchmal in jungen Keim- lingen findet, auf solche ungewohnte Kernverschmelzungen zurückzu- führen. Yamanouchy!!) hat auch Keimlinge mit überzähligen Chro- mosomen beobachtet, führt diese Fälle aber auf das Eindringen von mehreren Spermatozoiden in den Eikern zurück. Ich komme jetzt zu der Entwicklung des Oogons von Sargas- sum linifolum Ag. Die ersten Stadien verlaufen genau so, wie Simons‘) das für Sargassum Fili- pendula geschildert und in ihren Figg. 29 u. 30 abgebildet hat. Die Stiel- zelle ist noch tiefer ein- gebettet als bei Cysto- sira, und auch das Oogon bleibt während Be. Konzentikuil ee eh fnmson Doronie seiner ganzen Ent- 18. . konzepta SO > vorn jungen Vgonten. wicklung größtenteils in die Konzeptakelwandung eingebettet, da die umgebenden Zellen sich seinem Wachstum entsprechend teilen. Auf Stadien, wie sie (die Textfig. 1 darstellt, ist die Stielzelle nicht mehr von den Konzep- takelzellen zu unterscheiden. Der Kern ist stark gewachsen, aber noch im Ruhestadium. Die mitotischen Vorgänge habe ich bei Sargassım nicht verfolgt, da Teilungsfiguren in meinem Material so gut wie gar nicht vorhanden waren. Nur in den völlig ausgewachsenen Oogonien 174 Wilhelm Nienburg, (s. Textfig. 2) konnte ich eine synaptische Zusammenziehung der Chro- matinmasse im Oogonkern beobachten. In diesem Stadium waren dann die Chromatophoren dicht um den Kern zusammengeballt. Weiter scheint die Entwicklung, solange die Oogonien im Konzeptakulum bleiben, nicht fortzuschreiten. Simons hat daraus geschlossen, daß überhaupt keine Kernteilungen im Oogon mehr vorkämen. Tatsache ist, daß die Oogonien ungefähr zu diesem Zeitpunkt aus dem Konzeptakulum schlüp- fen und dann, von einer dicken Membran und den Resten der zer- rissenen Konzeptakelzellen bekleidet, außen am Rezeptakulum kleben bleiben. Simons nimmt nun an, daß hier sofort der zum Eikern ge- Fig. 2. Zwei Oogonien dicht vor dem Ausschlüpfen. 150 :< vergr. wordene Oogonkern befruchtet wird und die Keimung beginnt. Die ddieke Membran braucht dafür kein Hindernis zu sein, da Thuret!®) beobachtet und abgebildet bat, daß auch bei Pelvetia die Spermatozoiden (die dicke Oogonmembran ohne Schwierigkeit passieren. Simons ist in ihrer Meinung noch dadurch bestärkt worden, daß sie an der Außenwand der Receptakula ziemlich weit entwickelte Keimlinge hängen sah. Nun zeigen aber diese Keimlinge, die ieh auch be- obachtet habe und auf deren Entwicklung ich noch zurückkomme, niemals mehr als zwei Kerne in einer Zelle. Mit anderen Worten, Die Oogonentwicklung bei Cystosira und Sargassum. 175 auf jede Kernteilung folgt bei ilınen sofort eine Zellteilung. Ich habe auf diesen Punkt genau geachtet und niemals eine Ausnahme gefunden. Mit diesen Beobachtungen ließ es sich nicht in Einklang bringen, dab es häufig außenliegende Oogonien gab mit vier und acht freien Kernen. Um die ersten Teilungen im Keimling konnte es sich hierbei nicht handeln, weil keine Wände zwischen den Kernen gebildet waren. Der Schluß war also unabweisbar, daß ich hier die von Simons vermibte reduzierte X-Generation vor mir hatte, die bei Sargassım erst gebildet wird, wenn das Oogon das Konzeptakulum bereits verlassen hat. Text- fig. 3 gibt dieses Stadium wieder, vier Kerne liegen im Schnitt, «die übrigen vier in den vorhergehenden und folgenden. Es fragte sich nun, wie die Degeneration und Ausstoßung der überflüssigen Kerne vor sich Fig. 3. Oogon vor der Öffnung des Konzeptakulum. Von den acht Kernen sind vier im Schnitt. 150 :< vergr. geht. Bei Cystosira war das Charakteristische an diesem Vorgang, dab (die sieben Kerne fast gleichzeitig nach außen wandern, aber. solange sie sich noch im Cytoplasma befinden, keine Zeichen von Degeneration auf- weisen. Bei Sargassum ist das etwas anders. hier tritt die Degene- ration schon innerhalb des Cytoplasmas ein. Textfig. + zeigt z. B. einen Schnitt mit einem normalen und zwei degenerierten Kernen, die noch nicht ausgestoßen sind. Außerdem geht «die Degeneration nicht gleieh- zeitig bei allen überflüssigen Kernen vor sich. Man findet selten ein Oogon mit einem normalen und sieben degenerierten Kernen. In dem in Textfig. 4 zur Darstellung gebrachten waren in den verschiedenen Schnitten vier normale und vier degenerierte vorhanden. Wahrschein- lich sind einige von den überzähligen schon ausgestoßen, ehe die letzten 176 überhaupt angefangen haben zu (degenerieren. Wilhelm Nienburg, Ich habe vergeblich ver- sucht, den Prozeß des Auswanderus selbst, der bei Sargassum offenbar Besonderheiten aufweist, genau zu verfolgen. Bei den von Oltmanns?) Kir. +. Ausgeschlüpftes Oogon mit teil- weise degenerierenden Kernen. 150 x verer. untersuchten Fucaceen und auch bei Cystosira wird den austretenden Kernen, obwohl sie ja rudimentäre Eier sind, „kein Protoplasma oder nur Spuren davon“ zugeteilt. Für Sargassum gilt dies wahrscheinlich nicht. Ich habe hier bei allen älteren Oogonien, in (denen sich der Eikern bereits deutlich ausgebildet hatte (s. Textfig. De), an einer be- stimmten Stelle der Wandung sich stark tingierende Plasmamassen ge- sehen, in denen manchmal noch Kerne nachgewiesen werden konnten {s. Texttig. 52). Da ich an anderen Stellen (ler Wandung niemals de- generierte Kerne habe liegen sehen, so nehme ich an, daß sie mit den erwähnten Plasmanuassen zusammen ausgestoßen werden. Diese werden später wahrscheinlich wieder resorbiert. Wenn meine Auffassung richtig Y Fig. D. Pie. 5. @ Schnitt durch ein reifes Ei. in der Mitte der Befruchtungskern. & Ein Schnitt durch dasselbe Ei, ausge- stoßenes Plasına mit einem degenerierten Kern zeigend. 150 >< vergr. b ist, so häften wir in Sargassum einen etwas weniger vollkommenen Typus der Pireduzierung vor uns, als z. B. in Cystosira, denn ılort werden wertvolle Plasmateile geopfert, während hier nur die über- Die Oogonentwicklung bei Cystosira und Sargassum. LT flüssigen Kerne verschwinden. Daß sich der Cystosiratyp auf dem bei Sargassum noch angeteuteten Wege entwickelt hat, ist wohl wahrschein- lich. Die allmähliche Reduktion hätte man sich «dann so vorzustellen, daß zunächst auch noch die rudimentären Pier ausgebildet wurden, daß sie aber auf Kosten der oder des übrigbleibenden resorbiert wurden, wie die Abkömmlinge der Embryosackmutterzelle bis auf den Embryo- sack geopfert werden. Später unterblieb dann die Wandbildung zwischen den rudimentären und dem vollentwickelten Ei, so daß nur ein Plasma- klunpen mit den Kernen resorbiert zu werden brauchte. Dieser wurde allmählich immer kleiner, und schließlich wurden nur noch die Kerne ausgestoßen. Fig. 6. Keimling im Zweizell- Fig. 7. Keinling im Dreizellstadium. stadium. 150 x vergr. 150 < vergr. Ich muß diesen Angaben über «die Oogonentwicklung noch einige Bemerkungen über die ersten Teilungen im Keimling hinzufügen, da ich Simons) Beobachtungen hierüber etwas ergänzen kann. Sie bildet nur ein älteres Stadium ab, in dem bereits mehrere hundert Zellen vorhanden sind, und sagt über die Keimung: „The first division of the egg in Sargassum does not differentiate a rhizoidal region, as in Fucus and Ascophyllum. Instead, a many-celled ellipsoidal structure is for- med, the divisions oceurring with mathematical preeision. Rhizoids then develop at one end ... .“ Die Teilungen verlaufen aber doch etwas gesetzmäßiger, als es hiernach scheinen könnte. Der Keimling hat eine birn- oder eiförmige Gestalt. Das Vorderende ist abgerundet und das hintere etwas zuge- 178 Wilhelm Nienburg, spitzt. Die erste Wand steht senkrecht zur Längsachse (s. Textfig. 6). Die zweite steht senkrecht auf der ersten und teilt das Vorderende in zwei gleiche Hälften (s. Textfig. 7). Darauf wird von der unteren Spitze durch eine Wand, die der ersten parallel ist, eine schmale Rhi- zöidzelle abgeschnitten (s. Textfig. 8). Damm erst wird die größere Hälfte des unteren Teils durch eine Längswand geteilt, während gleich- zeitig der obere Teil durch Querwände zerlegt wird (s. Textfig. 9). Später werden in der Rhizoidzelle durch parallele Längswände die Rhi- zoiden gebildet, und aus dem übrigen Teile entsteht durch zahlreiche Längs- und Querwände der Zellkörper des Keimlings, der noch längere Zeit in die Wandung des Oogoniuns eingeschlossen bleibt. Ich brauche Fig. 8. Fig. 9. Fig. S Keimling mit alıgeschnittener Rhizeidzelle. 150 x vergr. Fig. 9. Älterer Keimling. 150 x vergr. auf diese Vorgänge nicht näher einzugehen, da sie aus der Simons- schen Abbildung klar hervorgehen. Aus meinen Untersuchungen ergibt sich wohl mit Sicherheit fol- gendes: Auch Cystosira und Sargassum weisen die bekannten drei Kernteilungen im Oogon auf, bei der ersten von diesen erfolgt die Chromosomenretduktion, und die beiden Gattungen durchbrechen infolge- dessen nicht «die anscheinend für alle Fucaceen geltende Regel, wonach in ihrem Entwieklungszyklus eine in das Oogon eingeschlossene X-Ge- neration mit einer 2 X-Generation abwechselt. Es fragt sich schlieb- lich noch, wie eine sorgfältige Beobachterin wie Miß Simons zu einer anderen Meinung kommen konnte. Darauf giht vielleicht eine kurze Mitteilung von Tahara’) Auskunft. Dieser Autor hat in Misaki an Die Öogonentwicklung bei Cystosira und Sargassum. 179 (der japanischen Küste beobachtet, daß Jie Eier von Sargassum in be- stimmten I4tägigen Perioden entlassen werden. Einige Tage bleiben sie an der Außenwand des Rezeptakulums hängen und fallen dann ah. 14 Tage darauf wiederholt sich dasselbe Schauspiel. Das zeigt, daß man das Material zu ganz bestimmten Zeiten fixieren muß, wenn man ein bestimmtes Stadium finden will. Wahrscheinlich ist mein Material zufällig im günstigen Augenblick fixiert worden, während Miß Simons ein solcher glücklicher Zufall nicht zu Hilfe gekommen ist. Möglich ist aber auch, daß in der Adria, woher mein Material stamnite, wegen der geringen Flutschwankungen, die Periodizität nicht so stark ausgeprägt ist, wie an den ozeanischen Küsten. Zitierte Literatur. 1) Bower, F. O., On the development of the eonceptacle in the Fucaceae. (uart. Journ. Mier. Seiene. 1880, XX, pag. 36-49, Tab. 5. 2) Dieby, L., Observations on „chromatin bodies“ and their relation to the nu- eleolus in Galtenia candicans Deesne. Ann. of Botany 1909, par. 491. 3) Dodel-Port, A., Biologische Fragmente, I. Teil. Cystosira barbata, ein Bei- trag zur Entwicklungsgeschichte der Fucaceen. Taf. I—X. Kassel und Berlin 1885. 4) Farmer, 4. B. and Williams, J. Ll., Contributions to our knowledge of the Fucaceae, their life-history and eytology. Phil. Transaet. Roy. Soc. 1898, CNC, pag. 623—645, Taf, XIX—AXIV. 5) Oltmanns, F., Beiträge zur Kenntnis der Fucaceen. Bibl. Batan, Kassel 1808. 6) Simons, E. B, A morphelogical study of Sargassım Filipendula. Bot. Gaz. 1906, XLIN, pag. 161-182, Taf. X u. XI 7) Strasburger, E., Kernteilung und Befruchtung bei Fuceus. ‚Fahrl. f. wiss. Bot. 1897, XXX, pag. 351-374, Taf. XVIT u. XVII. Ders., Zur Frage eines Generationswechsels bei den Phaeopliyeeen. Bot. Zte. 1906, LAIV, pag. 2—7. 9) Tahara. M.. On tlıe periodieal liberation of the oospheres in Sargassıım, Bot. Mag. of Tokyo 1909, XXIIE, pag. 151-159. 10) Thuret, Etudes phycologiques. Paris 1878. 11) Yamanouchy, Sh., Mitosis in Fucus. Bot. Gaz. 1909. XLVIL par. 173-197, Taf. VIH—XI. Ss Figurenerklärung zu Tafel I u. II. Die Figuren wurden mit Hilfe der Zeiehenkamera unter einem Zeiss - Apo- ehromaten 2 ınm mit Kompensationsoknlar 4 entworfen, ausgenommen die Figuren ir, 5a, 2a, 22a. 23a, bei denen Kompensationsokular 2 benutzt wurde. ‚Da, 2a. . Fig. 1. Oogonmutterzelle. Fig. 2. Oogonmutterzelle mit zwei Kernen, 180 Wilhelm Nienburg, Die Öogonentwicklung bei Gystosira und Sargassun. Fig. Fig. Fie. Fir. Fie. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. big. Fir. 3. Junges Oogon mit Stielzelle. 4a u. d. Halb ausgewachsenes Oogon mit Kern in früher Prophase. Da u. d: Fig. 6. Ausgewachsenes Oogon mit Kernen im Spiremstadium. ‘. Polstrahlung an einen Kern im gleichen Stadium. &. Synapsis. d. Beginn der Diakinese ? Ida u. 5. Zwei Schnitte durch die Metaphase der ersten Teilung. ll. Telophase der ersten Teilung. 12. Zweikernstadiun. 13. Vierkernstadium. 14. Metaphase der dritten Teilung. 15. Eine Metaphase der dritten Teilung in der Polansicht. 16. Vegetative Teilung in der Profilansicht. 17. Vegetative Teilung in der Polansicht. 18. Anaphase der dritten Teilung. 19, Achtkernstadiunı. 20a u. d. Differenzierung des Eikerns, 21. Goronabildung un den Eikern, 22an. 2. Befruchtungsfähiges Ei mit degenerierten Kernen. 23a u. 2. Zweikerniges Ei. 24. Zwei Kerme in solchem Ei, die anscheinend verschmelzen. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- und Sklerenchymbildung von äußeren Faktoren nebst einigen Bemerkungen über die angebliche Heterorhizie bei Dikotylen. Von Paul Flaskämper. (Mit 21 Abbildungen im Text.) Mit Hypertrophie bezeichnete Virchow in der pathologischen Ana- tomie des Menschen das Größerwerden eines Organs infolge starken Gebrauchs; «das bekannteste Beispiel hierfür ist die alltägliche Er- scheinung,. daß die Muskeln des Menschen «durch intensive Tnanspruch- nahme an Stärke zunehmen, histologisch gesprochen, daß „der (uer- sehnitt des Muskelprimitivbündels wächst, indem sich zwischen den alten neue, quergestreifte Primitivfibrillen ausbilden“). Von E. Küster?) wurden ähnliche Begriffe in die Botanik ein- geführt. Küster unterscheidet zwischen Aktivitätshypertrophie und Aktivitätshyperplasie, indem bei jener verstärkte Inanspruchnahme eine Vergrößerung der Zellen, bei «dieser eine Vermehrung derselben her- vorrufen soll. Es waren besonders zwei Gewebe, bei denen man cine derartige Vermehrung oder Verstärkung ihrer Elemente vermutete: las Leitungsgewebe und das mechanische Gewebe. Besonders (al eine mechanische Inanspruchnahme die Pflanze zu einer vermehrten Protluktion von Sklerenchym oder Kollenchym oder zu einer stärkeren Ausbildung der Wandvertickung ihrer mechanisch wirksamen Elemente zwingen würde, hielt man nach Analogie mit den oben erwähnten Ver- hältnissen beim tierischen Muskel] für sehr wahrscheinlich. Hegler glaubte nun in der Tat eine derartige selbstregulatorische Anpassung (lureh mechanische Beanspruchung und zwar auf Zug gefunden zu haben. Seine Untersuchungen sind von Pfeffer in einer vorläufigen Mitteilung in den Sitzungsberichten der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig?) mitgeteilt worden. Ilegler behauptete bei verschiedenen Pilanzen, Keimpflanzen von IIelianthus annuus, Blattstielen von Ielle- borus und anderen eine Zunahme der Tragfähigkeit gefunden zu haben. 1) Iertwig, O., Allgemeine Biologie, ‚Tena 1906, pag. 439. 2) Küster, E., Pathologische Pflanzenanatomie, 1903, pag. 65. 3) Berichte der Kgl. Sächs. Gesellsch. d. Wissenseh. zu Leipzig. mathen.- plysik. Klasse 1801, pag. 638. 182 Paul Flaskämper, (lie bedingt war durch eine Zunahme der Zahl oder der Wandverdickungen der mechanisch wirksamen Zellen, also des Kollenchyms oder des Skleren- chynıs: im Blattstiel von Helleborus niger glaubte er sogar eine Neu- bildung von dickwandigen Sklerenchym aus dünnwandigen Phloemele- menten konstatiert zu haben. Man mußte also aus den Versuchen Hegler’s schließen, daß die Pflanze in ähnlicher Weise wie das Tier auf mechanische Inanspruch- nahme reagiere. Diese Angaben, die auch in die 2. Auflage von Pfeffer's Pflanzenphysiologie aufgenommen worden sind), wurden später durch eine gründliche Arbeit von Ball?) widerlegt. Doch vor Ball hatten schon andere sich mit dieser Frage beschäftigt, über («deren Untersuchungen ich kurz berichten will. Im Jahre 1902 hatte Vöchting?) mit Brassica oleracea f. gongylo- des, Beta vulgaris und Helianthus, die am Blühen verhindert wurden und deshalb eine starke Zunahme ihres vegetativen Wachstums zeigten, Versuche gemacht. Er hatte sie auf Druck beansprucht durch Belastung bis zu 20 ke. Er erhielt jedoch nur negative Resultate. Im Jahre 1903 machte Wiedersheim?®) Versuche an Trauerbäumen. Er be- lastete die herabhängenden Zweige dieser Varietäten mit Gewichten und verglich sie mit unbelasteten Zweigen. Er erhielt bei den Trauer- varietäten von Fagus silvatica, Sorbus aucuparia und Fraxinus excelsior keine positiven Resultate, nur bei Corylus Avellana erhielt er eine Hyperplasie (der Bastelemente im Sinne Küsters. Dieses eine Resultat kann jedoch bei allen übrigen negativen nicht ins Gewicht fallen, da individuelle Schwankungen und andere Einflüsse mit im Spiel gewesen sein können. Ball, «dessen Arbeit oben erwähnt wurde, experimentierte sowohl mit denselben Pflanzen wie Hegler, als auch mit einigen anderen. Er kommt nun zu dem Ergebnis, daß die Pflanze sich der Beanspruchung auf Zug nicht anpaßt durch Erhöhung ihres Tragver- mögens. daß also von einer Verstärkung oder Vermehrung des Kollen- I) Pfeffer, Pflanzenphysiologie, II, 1904, page. 148. Im XI. Kapitel, pag. 125, das offenbar später bearbeitet ist, nachlem die Resultate Ball's bekannt geworden waren, widerruft er diese Angabe jedoch. 2) Ball, Osear Melville, Der Einfluß von Zug auf die Ausbildung von Festigungsgewebe. Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot, Bd. XXXIX, pag. 305. 3) Vöchting, Zur experimentellen Anatomie. Nachr. d. Kgl. Gesellsch. d. Wissenseh. zu Göttingen, mathem.-physik. Klasse, 1902. 4) Wiedersheim, Walther, Über den Einfluß der Belastung auf die Aus- bildung von Holz- und Bastkörper bei Trauerhäumen. Jahrb. f. wissensch. Bot.. Bd. XNNVIH, page 41. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 183 chyms oder Sklerenchyms geschweige von einer Neubildung desselben keine Rede sein kann. Ähnliche Untersuchungen stellte Keller!) an mit Fruchtstielen. Er verstärkte das Eigengewicht von Früchten durch Anhängen sehr beträchtlicher Gewichte, ohne eine Umbildung der Gewebe zu erhalten. Indem ich die Arbeit von Wildt, auf die ich weiter unten zu sprechen kommen werde, zunächst übergehe, erwähne ich noch kurz die von Hibbard*®). Er untersuchte den Einfluß von Druck und Zug auf die Sprosse verschiedener Pflanzen, erhielt jedoch negative oder nur schwach positive Resultate: Er sagt selbst: „The increase was not great“. Er hat nun auch zum ersten Male mit Wurzeln experimentiert und erhielt dabei sehr schwache positive Resultate. Seine wenigen Ergebnisse, die für eine Anpassung der Pflanze an mechanische Inanspruchnahme zu sprechen scheinen, sind aber ebensowenig entscheidend wie das oben erwähnte Ergebnis Wiedersheim’s bei Corylus Avellana var. pendula. Die Annahme individueller Variationen reicht völlig zur Erklärung aus. Ehe ich nun zur Besprechung der beiden Arbeiten übergehe, die für den Ausgang der vorliegenden Untersuchung von Bedeutung sind, nämlich einer Arbeit von Wildt und von Vöchting, möchte ich einige allgemeine Bemerkungen machen. Selbst wenn man sich auf den vita- listischen Standpunkt stellt, daß die Pflanze auf eine Änderung ihrer Umgebung innerhalb gewisser Grenzen in zweckmäßiger Weise reagiert, ist es unwahrscheinlich, daß sie durch eine Beanspruchung auf Zug ge- zwungen wird, ihr mechanisches Gewebe zu verstärken. In der nor- malen Pflanze nämlich ist eine so große Menge mechanisch wirksamer Zellen vorhanden, daß dieselbe einen bedeutenden Zug oder Druck aus- halten kann, ohne ihr mechanisches Gewebe verstärken zu müssen. Keller (l. c.) z. B. konnte ohne Nachteil für die Pflanze das Gewicht der Früchte von Smilacine um das 390fache, von Aconitum um das 1600fache, von Reseda um das 1800fache erhöhen. Ich selbst habe bei meinen Versuchen derartige Verhältnisse gefunden, über die ich unten berichten werde. Bei Helianthus hat Vöchting?) die Zug- und Druckfestigkeit gemessen. Er fand, daß ein Stamm der Sonnenrose mindestens 115 kg tragen kann, ohne zu zerknicken, während er in 1) Keller, Heinrich, Über den Einfluß der Belastung und Lage auf die Ausbildung des Gewebes in Fruchtstielen. Inaug.-Diss., Kiel 1904. 2) Hibbard, The influence of tension on the formation of mechanical tissue in plants. Botanical Gazette, Vol. XLIII, pag. 361. 3) Vöchting, Zur experimentellen Anatomie und Pathologie des Pflanzen- körpers. Tübingen 1908, pag. 274. Flora, Bd. 101. 13 184 Paul Flaskämper, der Natur ein relativ geringes Gewicht zu tragen hat. Er erklärt diese ungeheure mechanische Leistungsfähigkeit nicht für überflüssig, sondern zur Erreichung der nötigen Biegungstestigkeit für erforderlich. Jeden- falls geht aus diesen Angaben hervor, daß es selbst vom vitalistischen Standpunkte aus gar nicht zu erwarten ist, daß die Pflanze auf eine mechanische Inanspruchnahme durch eine Verstärkung des mechanischen (ewebes antwortet. Andererseits ist es wieder schwer vorstellbar, daß eine derartige starke Veränderung der Lebensbedingungen der Pflanze, wie es der Zug z. B. ist, ohne Wirkung sein soll. Es sind auch schon verschiedene derartige Wirkungen konstatiert worden. So ist z. B. ein Einfluß auf das Wachstum und die Richtung der Zellwände von Kny!) festgestellt worden. Er sagt: „Das Wachstum wird, soweit nicht andere Kräfte entgegenwirken, im Sinne des Zuges und senkrecht zur Richtung des Druckes gefördert. Bei Zellteilungen suchen sich die Scheidewände in die Richtung des Druckes und senkrecht zur Richtung des Zuges zu stellen“ 2). Eine Hemmung der kambialen Tätigkeit und ein Kleiner- bleiben der Zellen infolge von Druck konnte Prein?) feststellen. Ich komme auf diese Arbeit im Laufe meiner Untersuchungen noch einmal zu sprechen. Auch auf das Längenwachstum ist ein Einfluß des Zuges festgestellt worden. Durch Untersuchungen von Baranetzky‘), Scholz) und Hegler*) ist nachgewiesen worden, daß der Zug zu- nächst hemmend auf das Längenwachstum wirkt. Nach einer anfäng- lichen Hemmung tritt dann nach den Untersuchungen der oben ge- nannten Forscher eine Beschleunigung des Wachstums ein. Doch dies nur nebenbei. Wichtiger ist für uns eine Hemmung der Gewebeaus- bildung, die sich in einigen Fällen nachweisen läßt, wovon ich jedoch weiter unten sprechen werde. 1) Kuy, Über den Einfluß von Zug und Druck auf die Richtung der Scheidewände in sich teilenden Pflanzenzellen. Jahrh. f. wiss. Bot, Bd. XXXVII, pag. 55. 2) 1. c. pag. 96. 3) Prein, Rudolf, Über den Einfluß mechanischer Hemmungen auf die histologische Entwicklung der Wurzeln. Diss, Bonn 1908. 4) Baranetzky, J., Die tägliche Periodizität im Längenwachstum der Stengel. Mem. de l'acad. imp. des sciences de St. Petersbourg, VII. Serie, 1879, pag. 20 (zitiert nach der folgenden Arbeit von Scholz). 5) Scholz, Max, Über den Einfluß von Dehnung auf das Längenwachstum der Pflanzen. Cohn's Beiträge zur Biologie der Pflanzen, IV, Heft II, pag. 323. 6) Hegler, Rob., Über den Einfluß des machanischen Zuges auf das Wachs- tum der Pflanze. Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen, VI, Heft III, pag. 383. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 185 Die negativen Ergebnisse der Versuche, die Pilanze durch Zug oder Druck zu einer Verstärkung ihres mechanischen Apparates zu bringen, machen es auch äußert unwahrscheinlich, daß die mecha- nischen Gewebe phylogenetisch durch äußere Einflüsse mechanischer Art, wie Wind, Regen usw. entstanden sind, wie Nägeli!) wollte. Es erhebt sich aber nun die Frage. von welchen Faktoren die Ausbildung dieser Gewebe abhängt. Daß allein die Vererbung maßgebend ist, ist nicht anzunehmen, wenn man die beträchtlichen individuellen Schwan- kungen bedenkt, die das mechanische Gewebe in den verschiedenen Individuen ein und derselben Pflanzenart zeigt. Es existieren nun in der Tat in der Literatur Angaben, die beweisen, daß äußere Faktoren einen maßgebenden Einfluß auf die Ausbildung dieser Gewebe ausüben. Alle diese Angaben lassen letzten Endes mehr oder weniger auf die Abhängigkeit von Ernährungsverhältnissen schließen. Es ist z. B. be- kannt, daß die Wasserformen amphibischer Pflanzen weniger Gefäße und verholzte Elemente aufweisen als die entsprechenden Landformen ?). Keller®) weist darauf hin, daß die Fruchtstiele von Aquilegia und Podophyllum in trockenen Sommern mehr mechanisches Gewebe aus- bilden, als in feuchten Sommern. Die gründlichsten Untersuchungen in dieser Beziehung sind von den französischen Anatomen gemacht worden. Laurent‘) z. B. gibt an, daß hoher Wassergehalt der Pflanze (z. B. bei Wasserkulturen) die Verholzung herabsetzt, Kulturen auf Glukose und anderen Kohlehydraten aber sie erhöhen. Ferner gibt er an, daß etiolierte Pflanzen sich auszeichnen „par la reduction de l'appareil de soutien, c’est A dire des tissus lignifies*; als Grund gibt er Mangel an Kohlehydraten an, der durch die Verhinderung der Assimilation entstanden ist. Einen Fall, der besonders deutlich die Abhängigkeit der Sklerenchymbildung von der Transpiration zeigt, eine Beziehung, auf die ich auch im weiteren Verlauf meiner Arbeit noch mehrmals hinweisen werde, will ich noch kurz erwähnen. Goebel?) fand bei Exemplaren von Festuca ovina var. glauca, die er in feuchter 1) v. Naegeli, C., Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungs- lehre. München u. Leipzig 1884. pag. 146. 2) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, II, Marburg 1893, pag. 232. 3) Keller, Heinrich, Über den Einfluß der Belastung und Lage auf die Ausbildung des Gewebes in Fruchtstielen. Diss., Kiel 1904. 4) Laurent, J., Les facteurs de la structure chez les vegetaux. Revue gen. de Bot., Tome XIX, pag. 129. 5) Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen. Leipzig u. Berlin 1908, pag. 28. 13* 186 Paul Flaskämper, Luft unter einer Glasglocke, also bei stark gehemmter Transpiration, kultivierte, daß die Wandverdickung der Sklerenchymfasern in den Blättern stark rückgebildet, teilweise auch die Anlegung der letzteren unterblieben war. Auch das mechanische Gewebe in den Gallen gehört hierher!). Denn der entweder durch das eierlegende Insekt oder wie in den meisten Fällen die aus den Eiern sich entwickelnde Larve aus- geübte Reiz, der wahrscheinlich auf der Wirkung von Enzymen beruht, beeinflußt die Ernährungsverhältnisse in bestimmter Weise, wenn auch hier die Beziehungen nicht so klar sind, wie in anderen Fällen. Es kann nach allen diesen Angaben keinem Zweifel unterliegen, daß die Ausbildung der mechanischen Gewebe abhängig ist, abgesehen von einer Vererbung, von Ernährungsverhältnissen, nicht aber von mecha- nischer Inanspruchnahme. Scheinbar im Widerspruch mit dieser Be- hauptung stehen nun die Ergebnisse zweier Untersuchungen, die Vöch- ting und Wildt angestellt haben und von denen meine Untersuchungen ausgehen. Vöchting?) kultivierte Kürbisse am Boden liegend und freihängend und fand, daß die Fruchtstiele der letzteren Früchte mehr Sklerenchym enthielten, als die der ersteren. Er schließt daraus, daß das Gewicht eines zur Pflanze gehörigen Organes die Reaktion auszu- lösen imstande sei, die ein angehängtes Gewicht als Fremdkörper nicht auslösen könne. Die andere Arbeit von Wildt®) beschäftigt sich mit Wurzeln, die eine Anpassung an den Zug zeigen sollen. Die letztere besteht zwar nicht in einer Vermehrung oder Verstärkung der mecha- nisch wirksamen Bestandteile, sondern in einer anderen Anordnung derselben, die er als zugfestere Konstruktion betrachtet. Er geht dabei aus von einer Unterscheidung der Wurzeln in Ernährungs- und Be- festigungswurzeln, die von Tschirch®) eingeführt worden ist. Da diese Heterorhizie, wie Tschirch diese Erscheinung nennt, die Basis der Wildt’schen Arbeit bildet, muß ich zunächst etwas ausführlicher von letzterer sprechen und meine eigenen Untersuchungen in dieser Frage anführen. Dann werde ich die Ergebnisse der Wildt’schen Arbeit 1) Vergl. besonders E. Küster, Beiträge zur Kenntnis der Gallenanatomie. Flora 1900, Bd. 87, pag. 117. 2) Vöchting, Untersuchungen zur experimentellen Anatomie und Pathologie des Pflanzenkörpers. Tübingen 1908, pag. 287. 3) Wildt, Willi, Über die experimentelle Erzeugung von Festigkeits- elementen in Wurzeln und deren Ausbildung in verschiedenen Nährböden. Diss., Bonn 1906. 4) Tschirch, A. Über die : Heterorhizie bei Dikotylen. Flora 1905, Bd. 94, pag. 69. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 187 näher beschreiben und diskutieren. Wir werden sehen, daß die Vöch- ting’schen und Wildt’schen Resultate dem oben ausgesprochenen Satze betreffs der Abhängigkeit des mechanischen Gewebes von den Faktoren der Ernährung nicht widersprechen. Tschirch, der den Begriff der Heterorhizie einführt, glaubte näm- lich bei einer ganzen Reihe dikotyler Pflanzen eine Differenzierung ihres Wurzelsystems in zwei ganz verschiedenen Funktionen, nämlich der der Ernährung und der der Befestigung, angepaßte Typen gefunden zu haben. Seine eigenen Worte. sind: „Diese Heterorhizie ist, wie unsere Untersuchungen lehren, eine bei den Dikotylen weit — man kann fast sagen allgemein verbreitete Erscheinung. Der Fall ist relativ selten, wo eine und dieselbe Wurzel sowohl der Ernährung, wie der Befestigung dient')“. Sehen wir einmal zu, worin sich die beiden Typen unterscheiden sollen und prüfen wir zunächst, ob diese ana- tomischen Differenzen überhaupt ayf eine derartige Arbeitsteilung schließen lassen. Den Unterschied gibt Tschirch folgendermaßen an: Die Befestigungswurzeln zeigen entweder „einen zentralen Holzkörper ohne Libriform oder einen zentralen Libriformzylinder (meist mit ein- gestreuten Gefäßen) oder einen zentralen Holzkörper mit Libriform- streifen. Mark pflegt den Befestigungswurzeln zu fehlen. Die Er- nährungswurzeln dagegen zeigen in der Regel keinerlei mechanische Elemente und besitzen stets ein mehr oder weniger großes Mark*2). Sieht man von dem Vorhandensein oder Fehlen der mechanischen Elemente ab, die ja Tschirch selbst nur bei einigen der von ihm untersuchten Pflanzen gefunden hat, so besteht der wichtigste Unter- schied zwischen den beiden Typen nach obigem Zitat von Tschirch und nach seinen Abbildungen in dem Fehlen oder Vorhandensein von Mark und in der geringeren Entwicklung des Holzkörpers bei den Er- nährungswurzeln und der größeren Entwicklung desselben bei den Be- festigungswurzeln. Es ist aber klar, daß eine Wurzel, gleichgültig, ob sie in der Mitte des Zentralzylinders Mark enthält oder nicht, dieselbe mechanische Leistungsfähigkeit haben kann, wenn nur die Zahl und Stärke der Gefäße bei Abwesenheit anderer mechanisch wirksamer Be- standteile dieselbe ist; denn „die Zugfestigkeit hängt einzig und allein von der Größe des Querschnittes der widerstandsfähigen Elemente ab“). Bei Valeriana offieinalis haben nun beide Typen ein Mark; der Unter- 1) Tschirch, 1. ce. pag. 7. 2) Tschirch, 1. c. pag. 78. 3) Schwendener, $.. Das mechanische Prinzip im Bau der Monokotylen. Leipzig 1874, pag. 116. 188 Paul Flaskämper, schied besteht also lediglich in der Entwicklung des Holzkörpers. Da aber die Gefäße doch nicht nur zur Befestigung, sondern vor allem zur Stoffleitung, d. h. zur Ernährung dienen, ist nicht recht einzusehen, inwiefern die Wurzeln mit starkem Holzkörper nur der Befestigung dienen sollen, nicht auch der Ernährung, ja sogar noch mehr als die Wurzeln mit geringerem Holzkörper, die Tschirch Ernährungswurzeln nennt. Auf das Fehlen oder Vorhandensein mechanischer Elemente, sowie andere Einzelheiten im anatomischen Bau dieser beiden Typen komme ich unten näher zu sprechen. Doch ich will die weiteren An- haltspunkte, die sich aus der bloßen Betrachtung der anatomischen Bilder für die ungeeignete Bezeichnung der beiden Typen ergeben, nicht weiter verfolgen. Wir wollen uns vielmehr die Frage vorlegen, ob die Behauptung Tschirch’s richtig ist, daß Ernährungs- und Befestigungs- wurzeln zwei so scharf getrennte Typen sind wie z. B. die Haft- und Nährwurzeln mancher Epiphyten, daß sie also für gewöhnlich durch keinen Übergang verknüpft sind. Meine Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, daß diese Ansicht irrig ist. Schon bei Betrachtung der Tschirch’schen Abbildungen, namentlich der von Valeriana officinalis, kann man sich der Vermutung nicht erwehren, daß die Befestigungs- wurzeln nichts weiter sind als ältere Stadien der Ernährungswurzeln. Diese Vermutung wurde auch im Verlaufe meiner Untersuchungen be- stätigt. Ich konnte beobachten, daß Ernährungs- und Befestigungs- wurzeln nicht streng geschiedene Typen sind, sondern durch zahlreiche Übergänge kontinuierlich verbunden sind; andererseits konnte ich sehen, daß Wurzeln, die an der Basis das typische Bild einer Befestigungs- wurzel zeigten, nach der Spitze zu allmählich in Ernährungswurzeln übergingen. Zu ähnlichen Resultaten gelangte v. Alten!) in einer kürzlich erschienenen Arbeit. Er faßt seine Untersuchungen über diese Frage zusammen in den Worten: „Wir sehen also, daß bei krautigen Pflanzen die älteren Wurzeln sukzessive durch jüngere ersetzt werden. Beide Wurzelsorten sind in ihrem anatomischen Bau verschieden, aber dieser Unterschied wird nicht durch eine verschiedene physiologische Funktion, sondern lediglich durch das ungleiche Alter bedingt. Auch die jüngeren Wurzeln (die Ernährungswurzeln Tschirch’s) gehen im Alter in einen Bau über, wie ihn zu derselben Zeit schon die älteren „Befestigungswurzeln“ zeigen“?). Ich gehe jetzt dazu über, die von I) v. Alten, Hermann, Wurzelstudien. Botan. Ztg. 1909, I. Abteilung, Heft 10 11. 23) v. Alten, Hermann, ]. e. pag. 183. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 189 mir auf Heterorhizie untersuchten Fälle zu beschreiben, soweit sie be- sonders für unsere Zwecke Interesse bieten. Bei Valeriana offieinalis, das Tschirch als erstes Beispiel mit besonderer Ausführlichkeit behandelt, fand ich folgende Verhältnisse. Die Anfang November aus dem System des Münchener botanischen Gartens entnommenen Wurzeln zeigten nur den von Tschirch als Ernährungswurzel bezeichneten Typus. Schon diese Tatsache mußte mir die Bedeutung der sogenannten Befestigungswurzeln zweifelhaft machen, da die Pflanze ohne den Besitz derartiger Wurzeln der nötigen Festigkeit im Boden entbehrt hätte. Ich vermutete den Grund für das Fehlen der Befestigungswurzeln darin, daß die Ernährungswurzeln als die jüngeren im Laufe des Sommers angelegt werden und in diesem Zustande überwintern, um im nächsten Jahre zu „Befestigungswurzeln* weiter zu wachsen, die dann im Laufe der Vegetationsperiode absterben. Im Winter konnten also nur die von Tschirch als Ernährungswurzeln bezeichneten jüngeren Stadien angetroffen werden. Die aus der phar- mazeutischen Sammlung unseres Instituts entnommenen Exemplare zeigten dieselben Verhältnisse wie jene aus dem botanischen Garten, d.h. es ließen sich nur Ernährungswurzeln finden. Es hängt dies damit zu- sammen, daß die Droge, Radix Valerianae, „besteht aus höchstens 5 cm langen Rhizomen, welche die Endknospe und meist einige kürzere Zweige tragen“!). Die Ausläufer oder Rhizome, die im Laufe der Vegetationsperiode gebildet werden und deren Endknospen im nächsten Jahre die Blüten tragen, können natürlich nur junge Wurzeln haben. Auch wird die Droge im September eingesammelt?), zu einer Zeit also, wo die alten Wurzeln schon abgestorben sind. Ich untersuchte dann im Sommer des folgenden Jahres im Freien gesammeltes Material. Hieran mußte ich nun, wenn die oben ausgesprochene Vermutung richtig war, beide von Tschirch aufgestellte Typen finden. In der Tat gelang mir das auch. Ich konnte aber auch bei Betrachtung einer größeren Anzahl von Wurzeln sämtliche Übergänge je nach dem Alter der Wurzel finden. Noch wichtiger aber ist die Tatsache, daß eine Wurzel, deren Querschnittsbild an der Basis einer Befestigungswurzel glich, weiter nach der Spitze zu in eine Ernährungswurzel überging. Ich konnte diese Beobachtung sehr oft machen. Ich will zur besseren Anschauung einige Zahlen hierfür geben. Der Übergang von dem einen Typus in 1) Berg u. Schmidt, Atlas der offizinellen Pflanzen, Bd. I, Leipzig 1893, pag. 26. 2) Hager, H, Kommentar zum Arzneibuch für das Deutsche Reich, Bd. II, Berlin 1896, pag. 49. 190 Paul Flaskämper, den anderen war vollendet einmal in einer Entfernung von 5 cm von der Basis, einmal in einer Entfernung von 6 cm, einmal in einer Ent- fernung von 9 cm. Je älter die Wurzel ist, desto länger ist natürlich die Strecke von der Basis aus gerechnet, während welcher sie den Typus der Befestigungswurzel beibehält. Von Alten nennt nun in seiner oben zitierten Arbeit „das durch ungleiches Alter bedingte verschiedene Ver- halten“!) Dimorphismus. Er beruft sich dabei auf Freidenfelt?). Vom Dimorphismus scheidet er streng die Heterorhizie, unter der er die ver- schiedene Ausbildung von Haupt- und Nebenwurzeln versteht. Hetero- rhizie in diesem Sinne habe Tschirch überhaupt nicht beschrieben nach der Meinung von Altens, sondern nur Dimorphismus. Beide Be- griffe halte ich für überflüssig, denn die Erscheinung, daß eine Wurzel in verschiedenen Entwicklungsstadien ein verschiedenes anatomisches Bild zeigt, bedarf ebensowenig eines besonderen Begriffes wie der Unter- schied zwischen den Haupt- und Nebenwurzeln verschiedener Ordnung. Die Nebenwurzeln sind immer anatomisch einfacher gestaltete Formen, charakteristisch durch ihre Reduktion der Rinde, der Zahl der Gefäße und der Gefäßstrahlen und des Marks im Zentralzylinder. Eine von mir untersuchte Nebenwurzel von Valeriana officinalis hatte nur acht bis neun Zellschichten in der Primärrinde außer der Epidermis, während die Zahl derselben bei den Hauptwurzeln zwischen 18 und 20 schwankt. Die übrigen von mir untersuchten Pflanzen haben nun zu dem- selben Resultat geführt, nämlich, daß sich Übergänge finden zwischen den beiden Typen, sowohl an einer und derselben Wurzel in verschiedener Entfernung von der Basis als auch an der Basis verschiedener Wurzeln. Eine Differenzierung in zwei verschiedenen Funktionen angepaßte Formen ist also nicht vorhanden. Ich konnte dies bestätigt finden bei folgen- den von Tschirch angeführten Pflanzen: Ranuneulus acer, Artemisia vulgaris, Aconitum Napellus, Aconitum japonicum. Ausführlicher möchte ich noch sprechen über Aconitum japonicum. Mir schien der Unterschied zwischen „Ernährungs- und Befestigungs- wurzel“ hier besonders interessant, weil bei den Befestigungswurzeln Sklereiden in Mark und Rinde vorkommen sollten, nicht aber in den Ernährungswurzeln. Die Mitte Oktober oder etwas später untersuchten Pflanzen, die aus dem Münchener botanischen Garten stammten, zeigten zunächst nur Ernährungswurzeln im Sinne Tschirch’s, d. h. meist 1) v. Alten, Hermann, I. c. pag. 184. 2) Freidenfelt, T., Studien über die Wurzeln krautiger Pflanzen. Flora 1902, Bd. 91, pag. 115. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 19] hexarche Wurzeln ohne merkliches sekundäres Diekenwachstum und mit gewöhnlichen parenchymatischen Zellen im Mark und in der primären Rinde, also ohne irgendwelche Sklereiden. Da alle an der Pflanze befindlichen noch lebenden Wurzeln dasselbe Bild zeigten, vermutete ich, daß die Verhältnisse hier ähnlich wie bei Valeriana officinalis lagen, d. h. daß die Wurzeln in diesem Zustand überwintern, um im nächsten Jahre durch Ausbildung von Sklereiden sich in „Befestigungswurzeln“ umzuwandeln. Da nun an den mir zur Verfügung stehenden Pflanzen sich noch die im Vorjahre gebildete Knolle mit den Wurzeln, wenn auch in abgestorbenem Zustand befand, so mußte sich an diesen Wurzeln, wenn meine Vermutung richtig war, der Tschirch’sche Typus der Be- festigungswurzel nachweisen lassen. In der Tat konnte ich an ihnen, obgleich sie nur noch in kurzen Stücken vorhanden und schon ganz braun und teilweise verfault waren, das Vorhandensein von Sklereiden nachweisen. Starkes sekundäres Dickenwachstum war allerdings nicht eingetreten, findet also bei den Wurzeln dieser Pflanze jedenfalls nicht in ausgiebiger Weise statt. Der exakte Nachweis, daß die Befestigungs- wurzeln von Aconitum japonicum ältere Stadien der Ernährungswurzeln sind, wäre allerdings erst dann erbracht, wenn an einer und derselben Wurzel der Übergang beider Typen zu verfolgen wäre, wie es bei Valeriana officinalis und anderen gelungen ist. Da die abgestorbenen Wurzeln zu kurz waren, konnte diese Frage an meinem Material nicht mit absoluter Sicherheit entschieden werden; ich zweifle aber nicht an dem entsprechenden Ergebnis der Untersuchung, die im Laufe des Sommers anzustellen wäre. Die Hauptwurzel, die die Fortsetzung der Knolle darstellt, zeigt keine Sklereiden; auffallend ist ihr großer Zentral- zylinder mit vielem Parenchym und wenig Gefäßen und die kleine primäre Rinde. In einem Falle war der Durchmesser des Zentralzylinders der Hauptwurzel 130 Teilstriche des Okularmikrometers breit, während die Dicke der primären Rinde nur 11—13 Teilstriche betrug, also un- gefähr den zehnten Teil des Zentralzylinders. Bei den „Ernährungs- und Befestigungswurzeln“, die verschieden alte Stadien der Neben- wurzeln 1. Ordnung darstellen, — starke Verzweigung findet in dem Wurzelsystem dieser Pflanze überhaupt nicht statt — betrug der Durch- messer des Zentralzylinders 15—18 Teilstriche, die Dicke der Rinde schwankt zwischen 12 und 20 Teilstrichen. Der für die als Speicherorgane dienenden knöllchenförmig ver- dickten Wurzeln charakteristische Reichtum an parenchymatischen Zellen zeigt sich auch bei Ranunculus Ficaria. Die als Speicherzellen funktio- nierenden parenchymatischen Zellen, die dicht mit Stärke gefüllt sind, 192 Paul Flaskämper, finden sich hier aber nicht wie bei Aconitum im Zentralzylinder, sondern in der Rinde. Der Hauptunterschied zwischen den Wurzelknöllchen und den gewöhnlichen Wurzeln bei Ranunculus Ficaria besteht in der mächtigen Entwicklung der Rinde. Doch konnte ich die von Irmisch') gemachte Behauptung, daß der anatomische Bau beider Organe „im wesentlichen derselbe sei“ und die Gefäßteile bei beiden „meist deut- lich getrennt sind“, nicht bestätigen. Ich fand bei den Knöllchen meist pentarchen Bau, wobei die Gefäßteile in der Mitte fast oder ganz zu- sammenstoßen. Die gewöhnlichen Wurzeln haben dagegen meist einen triarchen Bau und die Gefäße stoßen immer im Mittelpunkt zusammen. Bei Ranunculus Ficaria wollte ich nun auch versuchen, ob ich die knöllchenartige Form der Wurzel in die gewöhnliche umwandeln könnte. Ich pflanzte Stücke der Pflanze mit Knöllchen in Erde ein und wollte die letzteren zum Weiterwachsen und dadurch zur Umwandlung in gewöhnliche Wurzeln bringen. Leider mißlangen die Versuche, da die Pflanzen sehr bald zugrunde gingen. Ich will die übrigen von Tschirch angegebenen Pflanzen nicht weiter besprechen, da sich überall im wesentlichen die gleichen Ver- hältnisse ergeben haben. Auch sind derartige Untersuchungen in der oben zitierten Arbeit von von Alten ausführlicher dargestellt. Zwei Pflanzen möchte ich aber noch besprechen, die sich zwar nicht in der Aufzählung von Tschirch befinden, die aber besonders inter- essante Einzelheiten zeigen und die ich näher untersucht habe. Ich meine Thalietrum aquilegifolium und Primula. Bei Thalictrum aquilegi- folium lagen die Verhältnisse folgendermaßen: Die Wurzeln sind meist tetrarch. Doch kommen auch triarche und pentarche, auch hexarche vor. Es kommt jedoch auch vor, daß die Zahl der Gefäßstrahlen von der Basis nach der Spitze abnimmt; eine Wurzel z. B, (Fig. 1 u. 2)2) war an der Basis pentarch, nach 5 cın bereits tetrarch. Ich mache auf diese Tatsache, die sich auch sonst bei Pflanzen in der Natur findet, besonders aufmerksam, da es mir gelungen ist, dieselbe bei Vicia Faba experimentell hervorzurufen, worauf ich weiter unten noch eingehen werde. Im ausgewachsenen Zustande enthalten diese Wurzeln eine überraschend große Menge mechanischen Gewebes. Betrachtet man 1) Irmisch, Thilo, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Pflanzen, Halle 1854 (I. Ranunculus Ficaria), pag. 5. 2) Diese und die übrigen mikrophotographischen Abbildungen sind nach mit Phlorogluein-Salzsäure gefärbten Handschnitten angefertigt. Bei der Herstellung war mir Herr Dr. Wolpert behilflich, wofür ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 193 nun eine Reihe von Wurzeln, indem man Querschnitte an der Basis macht, so findet man ähnliche Unterschiede, wie sie Tschirch bei seinen Pflanzen als „Ernährungs- und Befestigungswurzeln“ abbildet. Fig. 1. Thalietrum. aquilegifolium. ‚ i Wurzel an der Basis geschnitten (pentarch). Fig. 2. Thalietrum aquilegifolium. - Dieselbe Wurzel wie Fig. 1, 5 cm tiefer (tetrarch). Diejenigen Entwicklungsstadien, die den letzteren entsprechen, haben vor den primären Gefäßteilen, die sehr schwach entwickelt sind, mächtige Bündel mechanischen Gewebes. Bei genauerer Betrachtung zeigt: sich, daß das letztere beim sekundären Dickenwachstum entstandenes Gewebe 194 Paul Flaskämper, ist, das zum Holz gehört, also als Libriform bezeichnet werden muß. Das sekundäre Dickenwachstum geht nämlich bei dieser Pflanze in etwas merkwürdiger Weise vor sich. Während sich nämlich vor dem Fig. 3. Thalietrum aquilegifolium. Querschnitt einer Wurzel an der Basis. Fig. 4. Thalietrum aquilegifolium. Dieselbe Wurzel wie Fig. 3, 2 cm tiefer geschnitten. Vasalprimanen die eben erwähnten Libriformbündel entwickeln, entstehen zwischen denselben, also auf demselben Radius wie die Siebteile, die Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 195 Gefäße; aus den Abbildungen (Fig. 1—6) geht das deutlich hervor. Verfolgt man nun eine derartige Wurzel nach der Spitze hin, so wird die Menge des Libriforms vor den Gefäßteilen immer geringer; dafür Fig. 5. Thalietrum aquilegifolium. Wurzel an der Basis geschnitten. Fig. 6. Thalietrum aquilegifolium. Dieselbe Wurzel wie Fig. 5, 5 cm tiefer. tritt in der Mitte des Zentralzylinders Sklerenchym auf, das weiter nach unten auch verschwindet (Fig. 1 u.2, 3u.4, 5 u. 6). Vergleicht man 196 Paul Flaskämper, nun verschiedene Wurzeln an der Basis, so bekommt man dieselben Bilder, die man an älteren Wurzeln in verschiedener Entfernung von Fig. 7. . Primula offieinalis.. Wurzel ‘an der Basis geschnitten. „Befestigungswurzel“ im Sinne Tschirch’s. Fig. 8. Primula offieinalis. Dieselbe Wurzel wie Fig. 7, 1 cm tiefer. der Basis erhält. Also auch hier wieder täuschen verschieden alte Wurzeln eine Differenzierung in verschiedene Typen vor. Mit Thalic- . Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 197 trum wollte ich nun auch Versuche anstellen, um den Einfluß der Er- nährungsverhältnisse zu untersuchen. Ich zog Pflanzen aus jungen Rhizomknospen und entfernte die sich entfaltenden Blätter, um die Pflanzen am Assimilieren zu verhindern, in der Erwartung, dadurch eine Reduktion der Zahl und Wandstärke der mechanischen Elemente, also der Libriformfasern, zu erhalten. Da die Pflanzen sich jedoch nur langsam bewurzelten und den operativen Eingriff der Entblätterung nicht vertrugen, gingen sie bald zugrunde. Bei Primula machte ich jedoch entsprechende Versuche, die zu einem positiven Resultate führten. Ich komme weiter unten darauf zu sprechen. Bei der Gattung Primula liegen die Verhältnisse bei den ver- schiedenen Arten verschieden. Primula elatior zeigt in ausgewachsenen Wurzeln immer Sklerenchym in der Mitte des Zentralzylinders, das aber nach der Spitze zu bald aufhört. Bei meinen Wurzeln war das- selbe in einer Entfernung 2—21!/, cm von der Basis verschwunden. Noch nicht so alte Wurzeln zeigen dagegen an der Basis kein Skleren- chym oder nur eine geringe Entwicklung desselben. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Primula officinalis (Fig. 7—9). Auch hier hört das Sklerenchym in einer kurzen Entfernung von der Basis auf. Einige Zahlen mögen dies veranschaulichen. Eine Wurzel hatte an der Basis reichliches Sklerenchym, 1 cm tiefer bedeutend weniger, noch reichlich 1 cm tiefer hatte das Sklerenchym ganz aufgehört. Andere Wurzeln dagegen, die noch nicht so alt sind, zeigen schon an der Basis kein Skleren- chym („Ernährungswurzeln“ im Sinne Tschirch’s; vgl. Fig. 10). Von den Nebenwurzeln habe ich nur wenige untersucht; sie zeigten die ge- wöhnlichen Reduktionserscheinungen. Ihr Zentralzylinder war diarch. Primula farinosa und Primula auricula zeigen überhaupt kein Skleren- chym. Ich verglich Exemplare von Primula auricula von feuchten Standorten (Dachauer Moor bei München) mit solchen aus dem Gebirge, in der Vermutung, daß der trockene und sonnige Standort des Gebirges die Pflanze zur Bildung von Sklerenchym veranlaßt hätte. Diese Ver- mutung bestätigte sich jedoch nicht. Die Pflanze ist eben zu wenig plastisch und die äußeren Bedingungen haben auf die Entstehung des mechanischen Gewebes weniger Einfluß als die erblichen Anlagen. Mit Primula elatior und offieinalis machte ich auch einige Versuche. Ich schnitt von im Freien gesammelten Pflanzen Rhizomstücke von knapp 1 cm Länge, die vorn die ausgetriebene Knospe enthielten, ab und entfernte an ihnen sämtliche Wurzeln. Auch von den Blättern wurden die meisten, namentlich die größeren abgeschnitten oder wenigstens stark beschnitten, um die Pflanze vor allzu großer Transpiration zu . 198 Paul Flaskämper, schützen, da ihr die Wasseraufnahme aus dem Boden in ihrem wurzel- losen Zustand fast unmöglich gemacht wurde. Zur weiteren Herab- Fig. 9. Primula officinalis. Dieselbe Wurzel wie Fig. 7 und 8, 2 cm unter der Basis. Fig. 10. Primula offieinalis. Wurzel an der Basis geschnitten. „Ernährungswurzel“ im Sinne Tschirch’s. setzung der Transpiration wurden die Pflanzen wenigstens im Anfang mit einer Glasglocke bedeckt. Um ihnen im übrigen möglichst günstige Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 199 Wachstumsbedingungen zu verschaffen, wurden die Kulturen im Früh- beet aufgestellt. Ich kultivierte sie nun fast während des ganzen Sommers unter normalen Bedingungen und außerdem bei anormal hohem Feuchtigkeitsgehalt des Bodens und bei großer Trockenheit des- selben. Während sich aber herausstellte, daß die Feuchtigkeitsverhält- nisse ohne Einfluß auf die Menge des Sklerenchyms blieben, war ein anderer Versuch von positivem Erfolg. Ich wollte die von dem fran- zösischen Anatomen (s. Einleitung) gefundenen Beziehungen zwischen Kohlensäureassimilation und Sklerenchymbildung prüfen, indem ich die Pflanze durch Entblättern am Assimilieren hinderte. Ich führte den Versuch in der Weise aus, daß ich alle sich entfaltenden Blätter, sobald sie eine gewisse Größe erreichten, abschnitt; die assimilierende Ober- fläche war dadurch fast null geworden. In der Tat konnte ich bei diesen Kulturen, die hinter den normalen im Wachstum natürlich sehr zurückblieben, eine beträchtliche Reduktion des Sklerenchyms nach- weisen. In der Mitte des Zentralzylinders, wo sich normal ziemlich beträchtliche Bündel von Sklerenchymfasern finden, war keine Spur von solehen oder nur vereinzelte zu sehen. Natürlich wurden immer Wurzeln von im übrigen gleicher Entwicklung verglichen. Nachdem wir nun die von Tschirch behauptete Differenzierung, die er als Heterorhizie bezeichnet, kennen gelernt haben, können wir zur Kritik der oben erwähnten Wildt’schen Arbeit!) übergehen. Wildt legt sich die Frage vor, ob die vermeintliche Differenzierung, an der er nicht zweifelt, autonomer oder aitionomer Natur sei, d. h. ob die Anlage von Ernährungs- und Befestigungswurzeln erblich fixiert sei, etwa wie die verschiedene Ausbildung der Luftwurzeln epiphytischer Gewächse in Nähr- und Haftwurzeln 2), oder ob beide Formen durch verschiedene äußere Faktoren hervorgerufen werden. Unter den letz- teren kommt nach ihm besonders in Betracht die Einwirkung mecha- nischer Kräfte und die chemische Beschaffenheit des umgebenden Mediums, also des Bodens. Da nach dem vorhergehenden die Be- festigungswurzeln nur ältere Stadien der Ernährungswurzeln sind, ist es selbstverständlich, daß in allen Medien, gleichgültig ob Gartenerde, Lehm, Sand oder Nährlösung, Befestigungswurzeln neben Ernährungs- wurzeln sich finden werden. Die Wildt’schen Versuche ergeben auch beide Formen nebeneinander in sämtlichen eben genannten Medien. 1) Wildt, Willi, Über die experimentelle Erzeugung von Testigkeits- elementen in Wurzeln und deren Ausbildung in verschiedenen Nährböden. Diss., Bonn 1906. 2) Goebel, Organographie der Pflanzen, Jena 1898—1901, pag. 487. Flora, Bd. 101. 14 200 Paul Flaskänper, Da in Nährlösung eine mechanische Beanspruchung der Wurzel gänzlich ausgeschlossen ist, aber trotzdem sich der Typus der Befestigungswurzel fand, schloß Wildt, daß Befestigungswurzeln neben Ernährungswurzeln auch autonom auftreten könnten. Wildt glaubte aber auch durch mechanischen Zug Ernährungs- in Befestigungswurzeln umgewandelt zu haben. Er faßt die letzteren auf „als Anpassungsformen an die Wirkung mechanischer Kräfte (Zugkraft)“!). Da wir uns aber im vorhergehenden Kapitel von der Unhaltbarkeit der Tschirch’schen Theorie der Hetero- rhizie überzeugt haben, muß es uns zweifelhaft vorkommen, daß der Einfluß, den der Zug nach Wildt auf die Wurzel ausübt, eine der- artige Anpassung ist, ja, daß er überhaupt mit Heterorhizie, die doch auf Altersunterschiede zurückzuführen ist, etwas zu tun hat. Meine Nachprüfungen der Wildt’schen Versuche, sowie meine nachher zu erwähnenden Untersuchungen haben auch gezeigt, daß die Ver- änderung, die eine Wurzel durch den Zug erleidet und auf die ich gleich zu sprechen kommen werde, mit der Tschirch'schen Hetero- rhizie nichts zu tun hat, daß sie, um das Resultat vorweg zu nehmen. eine Hemmungsbildung darstellt. Bevor ich die Beweise meiner Be- hauptung anführe, will ich kurz die Methode und die Resultate der Wildt'schen Arbeit schildern. Die Wurzel wurde (Fig. 11) bei A und B eingegipst und zwar in der Weise, daß sie durch eine Öffnung einer Pillenschachtel durchgeführt wurde, die dann mit Gips ausgegossen wurde. Die Pillenschachtel 2 liegt unter einem Widerlager W, so daß sie bei longitudinalem Zuge gegen dasselbe gedrückt wird; in der Pillenschachtel 4 ist außerdem noch eine Drahtschlinge eingegipst, an der ein Faden befestigt werden kann, der über eine Rolle % geführt, am anderen Ende die Gewichte G trägt. Die ganze Versuchsanordnung befindet sich bis zu den Kotyledonen in gewöhnlicher Erde. Aus der Anordnung geht ohne weiteres hervor, Jaß nur die Strecke zwischen 4 und 3 dem Zuge ausgesetzt ist, da die darüber und darunter liegenden Teile der Wurzel nicht gezogen werden. Diese Anordnung hat den Vorteil, daß gezogene und nichtgezogene Stellen an ein und derselben Wurzel verglichen werden können und individuelle Schwan- kungen ausgeschlossen sind. Es ist natürlich notwendig, daß sich unter B nur ein kleiner Teil der Wurzel befindet, damit möglichst junges Gewebe dem Zuge ausgesetzt wird, da älteres nicht mehr in dem Maße oder gar nieht mehr umbildungsfähig ist. Das Resultat. das Wildt am Ende des Abschnittes über den Einfluß des Zuges aufstellt, daß I) 1. e. pao. 34. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 201 die Wurzeln im Gegensatz zu den Stammorganen auf Zug reagieren und sich völlig anders ausbilden als ohne Einwirkung der Zugkraft, ist richtig, die Deutung aber, daß aus Ernährungswurzeln Befestigungs- wurzeln entstanden seien, ist irrig. Die Nachprüfung bei Vicia Faba besonders ergab die Richtigkeit der Wildt’schen mikrophotographischen Abbildungen. Der wesentliche Unterschied der gezogenen Strecke der nichtgezogenen gegenüber ist ein Zusammenrücken der Gefäßteile des Zentralzylinders nach der Mitte und damit verbunden eine Reduktion des Marks. Vermehrung der mechanisch wirksamen Bestandteile, der Gefäße oder Sklerenchymfasern, oder eine Verstärkung ihrer Wand- verdickungen kann Wildt nicht nachweisen. In der veränderten Fig. 11. Schematische Darstellung der Wildt- schen Versuchsanordnung zum partiellen Zug von Wurzeln. (Erklärung der Buchstaben im Texte.) A Fig. 12. Erklärung siehe im Texte. 3 Fig. 11. Fig. 12. anatomischen Anordnung des Gefäßteiles erblickt er eine Anpassung an den Zug (zugfeste Konstruktion). Die Deutung der durch Zug ver- änderten Struktur als Anpassung. wie Wildt es will, ist ausgeschlossen. Schwendener!) sagt über „zugfeste Einrichtungen“, wie schon oben erwähnt: „Die Zugfestigkeit hängt einzig und allein von der Größe des Querschnittes der widerstandsfähigen Elemente ab; die Anordnung der- selben ist theoretisch vollkommen gleichgültig, sofern nur der Zug gleichmäßig auf alle widerstandsfähigen Elemente einwirkt.“ Um nun diese gleichmäßige Wirkung herzustellen, verteilt man in der Praxis 1) Schwendener, $., Das mechanische Prinzip im Bau der Monokotylen, Leipzig 1874, pag. 116. 14* 202 Paul Flaskämper, die mechanischen Elemente meist in der Mitte; bei der Pflanze sind „physiologische Rücksichten“ maßgebend, einen mechanisch wirksamen Zentralzylinder zu schaffen, der zwecks Wasseraufnahme von der Rinde und ihrer Epidermis umgeben sein muß. Für die Zugfestigkeit ist es gleichgültig. ob die mechanisch wirksamen Bestandteile in unserem Falle hauptsächlich die Gefäße des Zentralzylinders in einem Ring an- geordnet sind, der ein zentrales Mark umgibt, oder ob die Gefäßteile in der Mitte zusammenstoßen. Wenn also Jdas Verschwinden oder wenigstens die Reduktion der Markzellen mechanisch ohne Vorteil für (die Pflanze ist, so kann von einer Anpassung an die Inanspruchnahme durch Zug keine Rede sein, die ganze Erscheinung muß vielmehr als eine Hemmungsbildung betrachtet werden. Dafür will ich noch ver- schiedene andere Beweise liefern. Nachgeprüft habe ich die Wildt’schen Versuche an Phaseolus und besonders an Vicia Faba; ich konnte dabei die Wildt’schen Resul- tate im allgemeinen bestätigen. Im folgenden will ich die aus der Kultur mit Vicia Faba gewonnenen Resultate anführen. Es handelt sich um eine Kultur, die vom 7. September bis zum 25. September, also 18 Tage gewachsen war. Ich wollte dabei auch feststellen. bis zu welcher Grenze ich die Gewichte vermehren könnte, ohne daß eine Zer- reißung der Wurzel eintritt. Es gelang mir eine Steigerung derselben bis zu 2040 g (Wildt wandte ein Gewicht von nur 670 g an), bei welchem Zuge die Wurzel zerriß. Es ist selbstverständlich, daß nicht das ganze (sewicht zur Wirkung kam, daß etwa die Zerreißungsgrenze erst bei 2040 g liegt; die Wirkung wurde natürlich dadurch geschwächt, daß die Wurzeln mit einer großen Anzahl von Nebenwurzeln im Boden festsitzen und außerdem durch die Reibung der Erde. Über die eigent- liche Zerreißungsgrenze oder die Zugfestigkeit wird weiter unten be- richtet werden. Die anatomischen Quegschnittsbilder der gezogenen und der nichtgezogenen Strecke ergaben Übereinstimmung mit denen von Wildt. Von einer Zunahme der mechanischen Elemente oder ihrer Wandverdickungen in der gezogenen Zone war natürlich, wie ja auch Wildt selbst zugibt, nichts zu sehen. Bezüglich der Zahl der Gefäße und Sklerenchymfasern ergaben aber genaue Zählungen, die in der folgenden Tabelle und Kurve (Fig. 13) zusammengestellt sind, Resultate, die nur «die Deutung der Erscheinung als Hemmungsbildung zulassen. Zum Verständnis der in der Tabelle und Kurve gebrauchten Abkür- zungen will ich noch folgende Erklärung geben. Ich bezeichne mit O die Schnitte über der gezogenen Stelle, mit U die unter ihnen und mit Z die Schnitte innerhalb der gezogenen Stelle. Die Bedeutung der den Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 203 Buchstaben beigefügten Zahlen gehen aus obiger schematischen Figur hervor (Fig. 12). — - i Zahl der Gesamtdurchschnitt Durchschnitt der Sehnitt !Zahl der Gefäße; Sklerenchym- der Wurzeln 1! Zentralzylinder fasern in Millimeter | in Millimeter zZ, 253 646 4,32 | 2,28 zZ, 216 436 3,56 1,72 Z, 188 348 3,19 | 1,51 Z, 168 348 3,52 | 1,30 Z, 135 216 3,25 1.25 2, 66 120 2,82 0,92 U, — 123 2,53 | 0,91 U, _ 129 2,30 0,82 U, _ 88 2,28 0,86 Die erstaunlich rasche Abnahme der Sklerenchymfasern von 646 auf 120, wie sie durch den Teil der Kurve von A bis 2 deutlich ver- anschaulicht wird, im Vergleich zu dem allmählichen Abnehmen der Sklerenchymfasern unter der gezogenen Strecke (Kurve von 2 bis C) zeigt, wie der Zug eine hemmende Wirkung auf die Gewebsneubildung ausgeübt hat. Eine ähnliche Kurve würde sich auch zeigen, wenn man die Zahl der Gefäße berücksichtigen würde. Auch den Durchmesser sowohl der ganzen Wurzel als auch des Zentralzylinders habe ich ge- messen (vgl. obenstehende Tabelle und die Kurve in Fig. 14). Es er- N | | N _ r— ZEDERHLLUUGN N Fig. IH. Fig. 14. Kurve zur Veranschanlichung der Ab- 3 S nahme der Dicke des Zentralzylinders inner- halb und unterhalb der gezogenen Strecke. 2 ZA 2AZLZAZUU GL Fig. 13. Kurve zur Veranschaulichung der Ab- Fie. 13 nahme der Sklerenchymfasern innerhalb und 18 29 unterhalb der gezogenen Strecke. gaben sich dabei dieselben Resultate Am schlagendsten aber kann man wohl die Erscheinung als Hemmungsbildung nachweisen, wenn man die Zugfestigkeit der Wurzel selbst an den verschiedenen Stellen prüft. Es geschah dies in der bekannten, von Schwendener') ange- gebenen Weise. Die Wurzel wurde oben zwischen zwei Holzklötze 1) Schwendener, 1. c. pag. 9. 204 Paul Flaskämper, fest eingeklemmt, ebenso unten. An die unteren Holzklötze wurde eine Wagschale befestigt, auf die die Gewichte gelegt wurden. Bei diesem Versuche zeigte sich zunächst, daß die Rinde leicht vom Zentralzylinder abrutschte; ich prüfte deshalb den Zentralzylinder allein, der ja für die mechanische Leistungsfähigkeit auch nur in Be- tracht kommt. Die Gewichte wurden allmählich gesteigert. Es ergab sich nun, daß die gezogene Strecke einen Zug von 125 g noch aus- hielt, aber bei 145 g zerriß, die darunter liegende Strecke hielt einen Zug von 155 g noch aus und zerriß bei 165 g; bei der darüber liegenden Strecke waren die entsprechenden Zahlen 235 g und 245 g. Daß die darüber liegende Strecke zugfester ist, ist selbstverständlich, da es sich ja um älteres Gewebe handelt; daß aber die darunter liegende Strecke nicht nur keine schwächere Ausbildung zeigt, sondern sogar eine etwas stärkere, beweist deutlich, daß wir es in der gezogenen Strecke mit einer Hemmungsbildung zu tun haben. Da das Fehlen oder die Rückbildung des Marks in den Wildt- schen Versuchen eine große Rolle spielt, ebenso bei den Tschirch- schen Wurzeln mit Heterorhizie, so war es mir interessant, daß ich diese Erscheinung auch auf andere Weise experimentell hervorrufen konnte. Es gelang mir das dadurch, daß ich Keimpflanzen von Vicia Faba und Phaseolus unter schlechte Ernährungsverhältnisse brachte, indem ich ihnen die großen mit Reservestoffen gefüllten Kotyledonen abschnitt. Goebel berichtet in seiner Experimentellen Morphologie!) von der- artigen Versuchen, die nach ihm schon von Maipighi im 17. Jahr- hundert angestellt wurden. Wenn er die Kotyledonen vor der Keimung abschnitt, so gingen die meisten Pflänzchen zugrunde. Ich machte mir deshalb die dort angegebene Erfahrung zunutze, daß die Entfernung der Kotyledonen in einem Alter, in dem die Wurzel der Pflanze bereits einige Zentimeter lang war, das Weiterwachsen nicht mehr hindere. Ich schildere nun die Versuchsanordnung bei Phaseolus: Keimpflanzen, deren Wurzeln eine Länge von ungefähr 6—7 cm erreicht hatten (die jeweilige Länge wurde immer gemessen und notiert), wurden in der angegebenen \Veise behandelt und weiter kultiviert. Die Pflanzen er- trugen mit einigen Ausnahmen diese Operation, wenn ihr Aussehen auch ein kümmerliches war im Vergleich zur normalen Kontrollkultur. Während von den Keimpflanzen ohne Kotyledonen kaum die gegen- ständigen. ungeteilten Primärblätter entfaltet waren, hatte die Kontroll- pflanze schon einige dreigeteilte, kräftige Folgeblätter getrieben; nicht 1) Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen. Leipzig u. Berlin 1908, pag. 16. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 205 also die in den Kotyledonen aufgespeicherten Reservestoffe allein, sondern auch die baldige Möglichkeit zu kräftiger Assimilation hatten die Kontroll- pflanzen vor den operierten voraus, Der Hemmung in der äußeren Entwicklung entsprach auch eine Hemmung der anatomischen Aus- bildung der Wurzeln, die allein untersucht wurden. Die Hemmung war eine doppelte, eine auffallende Verringerung der Zahl der Gefäße und was besonders interessant ist, eine Reduktion der Markzellen bis zu deren völligem Verschwinden. Ich will die Resultate einer Kultur be- schreiben. Es handelt sich um eine Kultur, die am 27. April angesetzt und am 7. Juni ausgetopft wurde. Eine Pflanze hatte während dieser Zeit außer den beiden ungeteilten gegenständigen Primärblättern nur zwei dreiteilige Folgeblätter ganz und eines fast entfaltet. Die primären Blätter waren bei fast allen Exemplaren etwas verdorrt, ein Beweis für die geringe Widerstandsfähigkeit dieser Pflanzen. Das Wurzelsystem zeigte bei diesen Pflanzen eine auffallend geringere Ver- zweigung als bei den Kontrollpflanzen. Um die Reduktion in der Zahl der Gefäße zu beweisen, bringe ich folgende Tabelle: Zentimeter Ohne Normal Zentimeter von der Spitze Kotyledonen von der Spitze 1 16 46 1 6 17 38 5 11 29 64 10 Wenn die Reduktion auch nicht überall so weit vorschreitet wie hier, so ist eine Reduktion gegenüber den normalen Pflanzen unver- kennbar. Wichtiger als diese ist jedoch für unsere Betrachtungen die Reduktion der Markzellen. Ich gebe wieder eine Beschreibung der Ergebnisse. Die Pflanzen, deren Kotyledonen in einem Stadium ab- geschnitten wurden, in dem die Wurzeln eine Länge von 5—7 em be- saßen, wurden nicht sehr lange weiter kultiviert und ergaben folgendes Resultat. Der Zuwachs der Wurzel betrug nur wenige Zentimeter, gewöhnlich 1-2 em. Es konnte an diesem Material an der Spitze in der zugewachsenen Zone deutlich eine Reduktion der Markzellen bis zu deren völligem Verschwinden konstatiert werden. Man kann all- gemein sagen, daß nach ungefähr 1 cm das Mark verschwunden ist. Es drängte sich mir die Frage auf, ob diese Hemmung («er Mark- zellenbildung aufhören würde, sobald die Pflanze wieder unter günstige Ernährungsverhältnisse gebracht würde. Das letztere mußte ja im Laufe der Entwicklung von selbst entstehen, sobald sich eine genügende Menge Blätter entfaltet hatten, die als Assimilationsapparat die Pflanze unabhängig von den Reservestoffen des Samens machten. Zu diesem Zwecke wurden die Versuche nochmals in größerem Maßstabe und 206 Paul Flaskämper, längere Zeit hindurch ausgeführt. Ich gebe zunächst eine genaue Be- schreibung der Versuche. Eine Keimpflanze, deren Wurzel die Länge von nicht ganz 6 cm erreicht hatte, wurde ihrer Kotyledonen beraubt. Am Ende des Versuchs, der fast 6 Wochen dauerte, betrug die Länge der Wurzel 26 cm. Ich untersuchte die Wurzel nun, indem ich von der Basis nach der Spitze zu von Zentimeter zu Zentimeter Schnitte machte. Bis zu 5 cm zeigte sich dabei das gewöhnliche Bild einer Phaseoluswurzel: ein tetrarcher Zentralzylinder mit reichlichem Mark in der Mitte. Schon bei 6 cm oder etwas darüber zeigte sich eine Reduktion des Marks bis auf Spuren, bei 7 cm war dasselbe vollständig verschwunden. Die darunter liegenden Schnitte ergaben immer dasselbe Bild der gehemmten Gewebeausbildung bis zu einer Entfernung von 20 cm von der Basis, wo dann wieder deutlich Mark auftritt, das auch bis zur Spitze erhalten bleibt. Fig. 15. Vieia Faba, Wurzelquerschnitt. Die Markzellen im Zentralzylinder sind verschwun- den infolge des Abschneidens der Kotyledonen. Diese Hemmungserscheinung stimmt vollständig überein mit dem Ergebnis der Wildt’schen Arbeit. Daß die durch Zug bewirkte Veränderung der Gewebe, die Wildt als Anpassung an den Zug auf- faßt, eine typische Hemmungsbildung ist, geht daraus besonders deut- lich hervor. Etwas ähnliches ergaben die Experimente mit Vicia Faba. Nach ungefähr 1 cm Zuwachs fand auch hier ein Verschwinden der Markzellen statt. Ich will eine Abbildung (Mikrophotographie) einer Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 207 Wurzel mit reduziertem Mark geben wegen der Übereinstimmung mit den bei dem Wildt’schen Zugversuche erhaltenen Bildern (Fig. 15). Noch etwas Bemerkenswertes konnte ich bei diesem Experimente an Vieia Faba konstatieren, nämlich eine Reduktion der Gefäßstrahlen im Zentralzylinder. Während die Reduktion der Markzellen aber schon nach ungefähr 1 cm eintritt, findet die letztere erst nach ungefähr 3 cm statt, wieder ein deutlicher Beweis, wie die Zahl nicht nur der Gefäße, sondern auch der Gefäßstrahlen von Ernährungsverhältnissen abhängt. Die Reduktion der Gefäßstrahlen trat jedoch nicht immer auf. Be- sonders aber dann, wenn die Wurzel hexarch war; sie wurde dann pentarch und blieb nach der Spitze zu so oder wurde schließlich tetrarch. Bei Phaseolus hatte ich etwas derartiges nicht konstatieren können: es ist dies jedenfalls darin begründet, daß deren Wurzeln ziemlich kon- stant tetrarch sind; äußerst selten trifft man eine pentarche. Ein Aus- einanderweichen der Gefäßstrahlen und Bildung von Mark dazwischen, also ein Rückgängigmachen der Hemmungserscheinung, trat bei Vicia Faba weiter nach der Spitze zu ziemlich bald ein, eher als bei Pha- seolus, bei einer Wurzel z. B. nach 5—6 cm. Im Anschluß an die in meinem Experiment aufgetretene Reduktion des Marks im Zentral- zylinder möchte ich darauf hinweisen, daß diese Erscheinung auch in einer anderen meiner Kulturen, scheinbar unabhängig von äußeren Fak- toren aufgetreten ist. Ich kultivierte zu einem bestimmten Zwecke Vieia Faba in Wasserkultur; bei einigen Pflanzen derselben war das Mark der Wurzel auf einige Zentimeter unterdrückt. Nach obigem Resultate handelte es sich auch hier wohl zweifellos um Störung in den Ernährungsverhältnissen, deren Art sich im einzelnen nicht weiter er- kennen ließ. Bei Vieia Faba achtete ich noch auf das Verhalten eines anderen Gewebes bei meinen operierten Pflanzen, nämlich des Sklerenchyms. Eine normale Vieia Faba fängt nämlich einige Zentimeter, meist 3—, von der Spitze der Wurzel entfernt, an, Sklerenchym zu bilden, das nach oben rasch an Zahl seiner Elemente sowie Stärke der Wand- verdickungen zunimmt. Bei den operierten Pflanzen dagegen begann die Sklerenchymbildung erst viel später. Ein Beispiel möge das zeigen. Die Wurzel, die ich jetzt im Auge habe. hatte noch bei 17 em keine Spur von Sklerenchym, bei 18 cm waren in einigen Bastsicheln einzelne Sklerenchymfasern ausgebildet, nach der Basis nahm das Sklerenchym zu, aber viel langsamer als bei normalen Pflanzen. Für die Abhängig- keit der Sklerenchymbildung von Ernährungsverhältnissen ist also hier ein deutliches Beispiel gegeben. Das gleiche Resultat der Rückbildung 203 Paul Flaskämper, des Sklerenchyms konnte ich auf andere Weise erreichen, ebenfalls durch ungünstige Ernährungsverhältnisse. Ich verhinderte Pflanzen von Vieia Faba an der Kohlensäureassimilation, und zwar auf zweifache Weise, einmal, indem ich sie im Dunkeln zog, das andere Mal, indem ich ihre assimilierende Oberfläche auf ein Minimum beschränkte durch Abschneiden der Blätter (der Chlorophyligehalt der Stammoberfläche kommt im Vergleich zu dem der Blätter kaum in Betracht). Das. Resultat war in beiden Fällen das gleiche. woraus hervorgeht, daß bei den etiolierten Pflanzen der Mangel an Licht nicht direkt die Skleren- chymbildung hemmt, sondern indirekt durch Beeinflussung der Assimi- lation und damit der Ernährung überhaupt. Die etiolierten Kulturen wurden in der Weise angesetzt, daß in Sägeniehl angekeimte Samen, deren Blätter noch nicht entfaltet waren, in Gartenerde gebracht wurden und nun unter ständiger Verdunkelung kultiviert wurden, bis ihre Wurzeln eine Länge von 16--25 cm erreicht hatten. Einige Zahlen mögen die Resultate erläutern. Bei einer Wurzel, die eine Länge von 16 cm erreicht hatte, begann die Sklerenchymbildung schon bei 5 em, bei einer Wurzel mit einer Länge von 21/, cm aber erst zwischen 10—11 em, bei einer Wurzel mit einer Länge von 19 cm in ähnlicher Entfernung. Es sind diese Reduktionen ja bei weitem nicht so groß wie jene, die durch Entfernung der Kotyledonen erreicht wurden; das. Beschneiden der Kotyledonen ist eben eine in das Leben der Pflanze tiefer eingreifende Schädigung. Trotzdem wurden auch bei den etio- lierten Pflanzen solche gefunden, bei denen das Mark eine Reduktion erfahren hatte, wenn auch nicht so auffallend wie in den oben be- sprochenen Kulturen. Auch eine Reduktion der Gefäßstrahlen und der: Gefäße überhaupt konnte beobachtet werden, wenn auch nicht mit der Regelmäßigkeit wie in den genannten Kulturen. In der Absicht, die von Wildt gefundenen (sewebeveränderungen der Wurzeln durch Zug, die ich als Hemmungsbildung erkannt und bewiesen habe, auf eine noch weitere Basis zu stützen, unternahm ich noch einige Versuche, die ebenfalls eine Hemmung der Gewebe erwarten ließen, z. B. gipste ich die wachsende Zone der Wurzeln ein. Es geschah dies in der Weise, daß ich die Wurzeln der Pflanzen — es handelte sich wieder: um Vieia Faba und Phaseolus — mit Ausnahme eines knapp 1 mm großen Stückes der Wurzelspitze in einen Gipsmantel einhüllte, der sich bis auf einige Zentimeter hinter der Spitze erstreckte. Das Wichtigste, (das sich bei diesem Versuche ergab, war zunächst eine Reduktion der Zahl der Gefäße, nicht aber «der Gefäßstrahlen und des Zentralzylinders.. Einige Zahlen mögen dies erläutern: Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 209 Zahl Dicke der Zentralzylinder der Gefäße in Teilstr. d. Okularmikrosk. Wurzel I. oberhalb 340 126 innerhalb d. Eing. 137 73 unterhalb 146 83, Wurzel II. oberhalb | 233 94 innerhalb d. Eing. 132 61,, unterhalb 133 84, (Die Zahlen sind einer Kultur von Vicia Faba entnommen). Es ergibt sich aus dieser Tabelle, daß die Zahl der Gefäße, die in der eingegipsten Zone eine Hemmung erfahren haben, unterhalb dieser Zone nur wenig oder fast gar nicht zunimmt. Anders der Zentral- zylinder: er dehnt sich nach der in der eingegipsten Zone erlittenen Einschnürung gleich wieder aus, wenn auch nicht sofort auf das ur- sprüngliche Maß. Dieses Resultat der Verringerung der Zahl der Ge- fäße durch Eingipsung, also durch mechanische Hemmung steht in Widerspruch mit den Ergebnissen einer Arbeit von Rudolf Prein'), sa 8, Fig. 16. e Fig. 16. Zellen aus dem Zentralzylinder der Wurzel von Phaseolus; g& aus der eingegipsten Zone, = aus der darunter befindlichen Zone. uU Fig. 17. Zellen aus dem Zentralzylinder der Wurzel von Vicia Faba; g aus der eingegipsten, oe aus der darüber, z aus der darunter befindlichen Strecke. Fig. 17. die sich mit derartigen Versuchen beschäftigt. Allerdings experimen- tierte der Verfasser mit einer anderen Pflanze, nämlich einer Varietät von Raphanus sativus. Er fand bei seinen Versuchen Konstanz der Zahl der Gefäße trotz mechanischer Hemmung, die er dadurch erzeugte, daß er seine Pflanzen zwischen zwei Schieferplatten oder in einer engen Glasröhre wachsen ließ. Eine andere Erscheinung, die Prein bei seinen Hemmungsversuchen beobachtete, konnte ich bei meinen Kulturen auch beobachten, nämlich ein Kleinerbleiben der Zellen in der mechanisch 1) Prein, Rudolf, Über den Einfluß mechanischer Hemmungen auf die histologische Entwicklung der Wurzeln. Inaug.-Diss., Bonn 1908. 210 Paul Flaskänper, gehemmten, bei mir also eingegipsten Zone. Die Figuren (Fig. 16 u. 17) mögen dies veranschaulichen. Da sich die Entfernung der im Samen aufgespeicherten Reserve- stoffe als ein tief eingreifender Faktor erwiesen hatte, der eine be- trächtliche Hemmung der Gewebeausbildung bewirken konnte, ver- suchte ich diese Methode auch einmal auf eine monokotyle Pflanze aus- zudehnen. und zwar auf Zea Mays. Es konnte sich hierbei natürlich nicht um Entfernung der Kotyledonen handeln, sondern um eine Ent- fernung des dieselben physiologisch vertretenden Endospernis. Bei einer im Sommer angesetzten Kultur ergab sich nun folgendes: Schon der äußere Habitus zeigte wieder wie bei den Kulturen von Vicia Faba und Phaseolus die Hemmung in der Entwicklung. Das Endo- spernı wurde entfernt, nachdem die Hauptwurzel eine Länge von 31/,—4!/, cm erreicht hatte und außerdem sich ungefähr 2—3 Neben- wurzeln von 2—4 cm Länge entwickelt hatten. Nach Beendigung des Versuchs war die Hauptwurzel der operierten Pflanze nur wenig ge- wachsen, bis zur Länge von ungefähr 10 cm, während die Kontroll- kulturen solche von 05 cm aufwiesen. Dasselbe zeigte sich in der Länge und Zahl der Neben- und Adventivwurzeln. Die Unterschiede in den beiden Kulturen erstreckten sich sowohl auf Hauptwurzel als auch auf Neben- und Adventivwurzeln. In der Wurzel sah man vor allem eine geringere Verdieckung der Endodermis, die sich mit Phloro- glueinsalzsäure rot färbte und der die Gefäße umgebenden Zellen. Die Zahl der Gefäße und Gefäßstrahlen schwankt bei Zea Mays zu sehr, als daß man daraus sichere Schlüsse hätte ziehen können, auch schienen die Veränderungen keine so bedeutenden zu sein, wie bei den unter- suchten Dikotylen, da ja bei den Gräsern das Wurzelsystem durch Adventivwurzeln bald ein sehr reiches wird und die Hemmung sich deshalb vielleicht mehr in einer Reduktion der Zahl und Länge der Wurzeln als der Histologie derselben ausdrücken wird. Nachdem ich nun so durch vergleichende Beobachtung die Halt- losigkeit der von Tschirch behaupteten Differenzierung in Ernährungs- und Befestigungswurzeln festgestellt hatte und damit die Grundlage für die Wildt’schen Experimente hinfällig geworden waren, die letzteren aber auch durch meine Untersuchungen als Hemmungsbildung und nicht als Anpassung an mechanische Inanspruchnahme gedeutet worden waren, blieb als Beispiel einer Aktivitätshypertrophie noch der von Vöchting gefundene Fallan Fruchtstielen von Cucurbita Pepo übrig. Auch Vöchting ist durch die Untersuchungen von Wiederstein und Ball zu der Über- zeugung gekommen, daß die von Hegler behauptete Anpassung an den Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 211 Zug durch qualitative und quantitative Vermehrung der mechanisch wirksamen Zellelemente irrig sei. In seiner experimentellen Anatomie!) nun schildert er einen Versuch, aus dem er die Abhängigkeit der Bildung mechanischer Zellen von Korrelationsverhältnissen schließt. Durch Unterdrückung der Geschlechtstätigkeit bei Phyllocactus und Wirsing erhielt er hypertrophische Achsen, die sich durch den Mangel an Sklerenchymelementen auszeichneten. Pilanzte er nun in solche hypertrophische Pflanzen ein Reis einer normalen Pflanze ein, so be- kam die erstere normales Gewebe mit Sklerenchym. Da aber die Korrelationsverhältnisse letzten Endes auch wieder auf Ernährungs- verhältnissen beruhen, so stimmen diese Resultate mit den obigen Aus- führungen und Anschauungen überein. Vöchting geht nun von dieser Abhängigkeit der Sklerenchymbildung von Korrelationen aus und stellt sich die Frage, ob nicht auch Korrelationen anderer Art dasselbe her- vorrufen könnten. Er sagt?): „Also eine dem Körper angehängte be- liebige Last hat keinen oder nur geringen Einfluß auf den fraglichen Vorgang; gilt dasselbe von dem Eigengewichte? Wäre es nicht mög- lich, daß der Körper dies als Reiz empfände und infolgedessen mecha- nische Zellen erzeugte?“ Der Gedanke ist sehr befremdend. Denn es ist nicht recht einzusehen, inwiefern ein Gewicht, das ich äußerlich an die Pflanze anhänge, anders auf dieselbe wirken sollte, als das Eigen- gewicht eines Organs. Mit den mit Ernährungsverhältnissen zusammen- hängenden Korrelationen hat dies nichts zu tun, wie Vöchting meint. Aus der Nachprüfung der Wildt’schen Versuche hat sich ja sogar eine Schädigung und Hemmung der Gewebeausbildung in manchem Falle bei Zug ergeben. Doch gehen wir zur Erörterung und Nach- prüfung des Vöchting’schen Versuches über. Er kultivierte Früchte von Cucurbita Pepo an der Erde liegend und freihängend. Bei letzterer fand er eine quantitative und qualitative Zunahme der mechanisch wirksamen Zellen. Die Versuchsanordnung ist aber, wie man nach einigem Überlegen erkennen wird, nicht einwandfrei. Denn in den beiden Parallelversuchen ist nicht nur die mechanische Inanspruch- nahme eine verschiedene, sondern auch die Ernährungsverhältnisse sind es. Es ist ohne weiteres verständlich, daß der auf der Erde liegende Kürbis infolge des Feuchtigkeitsgehaltes der Erde und der ihn be- schattenden Blätter in der Transpiration und Assimilation bedeutend gehemmt ist im Vergleich zu dem freihängenden, zu dem die Sonnen- 1) Vöchting, Hermann, Untersuchungen zur experimentellen Anatomie und Pathologie des Pflanzenkörpers. Tübingen 1908, pag. 283. 2) Vöchting, ]. c. pag. 286. 212 . Paul Flaskämper, strahlen ungehemmten Zutritt haben und ebenso der die Transpiration befördernde Wind. Von den beiden Faktoren, der Transpiration und Assimilation, scheint mir der erstere der weitaus wichtigere, wenn nicht maßgebende zu sein. Es wird dies aus den weiter unten angeführten Experimenten hervorgehen. \on diesen Erwägungen ausgehend, stellte ich folgende Versuche mit Kürbissen an. Ich kultivierte wie Vöchting einen Kürbis unten an der Erde, einen in der Höhe freihängend, einen dritten in der Höhe, aber unterstützt. War nun die Vöch- ting’sche Anschauung richtig. daß eine Pflanze, wenn sie das Gewicht eines Organs zu tragen hat, mit dem sie für gewöhnlich nicht belastet ist, mit einer Verstärkung ihres Sklerenchyms antwortet, so mußte sich ein Unterschied zeigen einerseits zwischen dem am Boden liegenden und dem in der Höhe befindlichen unterstützten, andererseits dem in der Höhe freihängenden. Waren jedoch die Ernährungsverhältnisse maßgebend, so mußten die beiden in der Höhe befindlichen, der unter- stützte sowohl wie der freihängende, gleich ausgebildet sein und der an der Erde liegende davon verschieden. Leider gingen die am Boden liegenden Früchte zugrunde oder reiften nicht ganz aus wegen der Un- gunst der Witterung des Sommers 1909. Doch kann ja über die Richtigkeit der Vöchting’schen Theorie auch an den beiden in der Höhe befindlichen Früchten, der unterstützten und der freihängenden, entschieden werden. Wenn Vöchting recht hatte, so mußten die beiden verschieden ausgebildet sein, waren jedoch die Ernährungsverhältnisse maßgebend, so mußten beide gleich sein. Diese beiden Früchte wuchsen zu ziemlich kräftigen Exemplaren heran. Am 6. Oktober wurden sie abgenommen. Der freihängend kultivierte wog mit Stiel 5,542 kg, davon betrug das Gewicht des Stieles 42 g; der unterstützt kultivierte wog mit Stiel 4,597 kg, der Stiel allein 65,5 g. Ehe ich zu den Resultaten der anatomischen Untersuchung übergehe, möchte ich kurz die Vöchting'schen Angaben besprechen. Dieser Forscher behauptet, daß der an der Erde kultivierte und der freihängende Kürbis sich unterscheiden durch die verschieden starke Ausbildung der Wand- verdickungen, einerseits der parenchymatischen Elemente zwischen den einzelnen Gefäßbündeln und zwischen dem rindenständigen Siebteil der Gefäßbündel und dem Kollenchymringe, der sich unter der Rinde be- findet !), andererseits der Sklerenchymfasern in den Bastsicheln. Da bei meinen Exemplaren die eben genannten parenchymatischen Elemente 1) Über die anatonıiischen Einzelheiten im Bau des Fruchtstieles der Cucur- bitaceen vergleiche A. Fischer, Untersuchungen über das Siebröhrensystem der Cueurbitaceen. Berlin 1384, pag. 77 und Taf. VI. Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenchymbildung usw. 213 keine nennenswerten Wandverdickungen hatten, sondern von ziemlich zartwandiger Beschaffenheit waren — es handelte sich bei mir zweifellos um eine andere Rasse — so blieben zum Vergleiche vor allem (ie Sklerenchymfasern übrig. Diese weisen nun bezüglich ihrer Wand- verdickungen bei Vöchting ziemlich erhebliche Unterschiede auf; man vergleiche Fig. 14 und 19 auf Taf. X. Ich habe bei meinen zwei Kürbissen ebenfalls auf die Wandverdickungen der sklerenchymatischen Elemente geachtet und habe sie auch gezeichnet. Fig. 18 stellt einige Stellen aus dem Sklerenchym des freihängend, Fig. 19 aus dem Skleren- chym des unterstützt kultivierten Kürbisses dar. Eine stärkere Ver- dickung auf Seiten des Kürbis, der sein eigenes Gewicht tragen mußte, ist nicht im geringsten wahrzunehmen. Man könnte beim Betrachten der Zeichnungen eher zu dem Schlusse kommen, daß die Stärke der Verdickung bei dem unterstützt kultivierten Kürbis eine größere sei. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 18. Zellen aus zwei verschiedenen Bastsichen des Stieles der freihängend kultivierten Frucht von Cucurbita Pepo. Fig. 19. Zellen aus zwei verschiedenen Bastsicheln des Stieles der unterstützt kultivierten Frucht von Cucurbita Pepo. Doch schwankt dieselbe an den verschiedenen Stellen einer Bastsichel und in den verschiedenen Sicheln zu sehr, als daß man daraus sichere Schlüsse ziehen könnte. Ich versuchte deshalb die Ausdehnung, also die Menge des Sklerenchyms in den beiden Fruchtstielen zu vergleichen. Es geschah dies in der folgenden Weise. Ich färbte die Schnitte mit Phloroglucinsalzsäure, um die Bastsicheln deutlich hervortreten zu lassen und zeichnete sie dann einzeln bei schwacher Vergrößerung — bei starker Vergrößerung wäre eine einzelne Sichel nicht in ihrer ganzen Ausdehnung ins Gesichtsfeld des Mikroskops gekommen. Die so er- haltenen Zeichnungen wurden dann mit Hilfe eines Pantographen vier- fach vergrößert, auf sehr starkes Papier übertragen. ausgeschnitten und gewogen. Die Wägung ergab für den freihängend kultivierten Kürbis 5,9 g, für den unterstützt kultivierten 10 g. Die Untersuchung ergibt also ein überraschendes Resultat; nach der Vöchting’schen An- schauung sollte man das Gegenteil erwarten. Die Unhaltbarkeit der 214 Paul Flaskämper, letzteren geht daraus mit besonderer Deutlichkeit hervor. Auffallend bleibt aber immerhin der große Unterschied in der Menge des Skleren- chyms in den beiden Fruchtstielen (in dem einen Falle fast das doppelte wie in dem anderen). Da nach dem vorhergehenden mechanische Fak- toren ausgeschlossen sind, müssen wir nach anderen Ursachen suchen. Am nächsten liegt es ja. an das Vorhandensein individueller Schwankungen zu denken. Beim Betrachten der Maße der Fruchtstiele, die in fol- gender Tabelle zusammengestellt sind, fiel mir die bedeutend größere Länge des Fruchtstieles der freihängend kultivierten Frucht auf. freıhängend unterstützt kultiviert kultiviert Länge des Stieles . . . . . knapp 15 cm 8 cm Umfang des fam Fruchtansatz 113 „ 118 „ Stieles am Stengelansatz 6,3 „ 6, Bildet man nun das Verhältnis der Länge des Stieles des frei- hängend gezogenen Kürbis zu der des unterstützt gezogenen, also 15 zu 8, so ergibt sich die Zahl 1,8—1,9; bildet man dann das Ver- hältnis der Menge des Sklerenchyms in der unterstützt gezogenen Frucht zu der in der freihängend gezogenen Frucht, also 10 zu 6, so ergibt sich eine ähnliche Zahl, nämlich 1,7. Da nun der Umfang des Stieles bei beiden Früchten ungefähr der gleiche ist, wie sich aus obiger Tabelle erkennen läßt, so ist das Verhältnis der Längen identisch mit dem der Massen der beiden Stiele. Um so viel größer bei dem einen Stiel die Masse ist, so viel kleiner also ist die Menge des Sklerenchyms auf dem Querschnitt, oder die Gesamtmasse des Sklerenchyms ist bei beiden Stielen gleich groß. Diese Deutung hat viel Wahrscheinlichkeit für sich: so viel geht aber aus den obigen Versuchen und Messungen mit unzweifelhafter Klarheit hervor, daß die Vöchting’sche Anschauung, daß eine Pflanze, die das Gewicht eines Organs zu tragen hat, mit dem sie für gewöhnlich nicht belastet ist, mit einer Verstärkung ihres mechanischen Apparates antwortet. unhaltbar ist und daß die geringere Ausbildung «des Sklerenchyms des am Boden liegenden Kürbis in dem Vöchting’schen Versuche als Hemimungsbildung zu erklären ist, be- dingt durch die geschwächte Transpiration. Um den Einfluß der Ernährungsverhältnisse noch mehr zu prüfen, stellte ich noch andere Versuche an. Einmal ließ ich einen Kürbis freihängen, also sein eigenes Gewicht tragen, hüllte ihn aber in wasserdichtes Guttaperchapapier und außerdem in lichtundurchlässiges schwarzes Papier ein, so daß er also in seiner Transpiration und Assi- milation gehindert war. Außerdem mußte ich diesen Kürbis noch durch eine Pappschachtel bedecken, um ihn vor den heißen Sonnen- Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- ı. Sklerenchynibildung usw. 215 strahlen zu schützen, da das Guttapercha sonst teilweise weich geworden wäre. Dieses Experiment führte jedoch zu keinem Ergebnis, da sich (das Einhüllen in Guttaperchapapier als ein zu schwerer Eingriff in das Leben der Pflanze erwies. Der am 2. September angesetzte Versuch mußte am 17. September beendet werden, da die Frucht stark ver- kümmert war — sie hatte ein gelbliches Aussehen und besaß eine runzliche Oberfläche — und der Stiel bei der Berührung abbrach. Daß die verhinderte Assimilation hierbei nicht in Betracht kommt, geht be- sonders aus dem gleich zu erwähnenden Sachs’schen Versuch hervor, wobei ein ganzer Zweig mit Früchten etioliert wurde, die Frucht aber trotzdem kräftig gedieh. Die unterdrückte Atmung, an die man auch denken könnte, kommt jedoch nicht in Betracht, da Guttapercha für Sauerstoff und Kohlensäure durchlässig ist. Für das Verkümmern des eingehüllten Kürbis kann also nur die unterdrückte Transpiration ver- antwortlich gemacht werden. Wenn aber die Transpiration einen so erheblichen Einfluß auf die Ausbildung der Frucht hat, so ist es leicht verständlich, daß eine mehr oder weniger beträchtliche Hemmung der- selben, wie sie im Vöchting’schen Versuche den an der Erde liegenden Kürbis trifft, einen Einfluß auf die Gewebeausbildung hat. Wissen wir ja, daß auch sonst verminderte Transpiration die Bildung der Ge- füäße und verholzten Elemente hemmt. Ich erinnere nur an das oben erwähnte Beispiel von Festuca ovina var. glauca!), wo auch das in der feuchten Atmosphäre unter der Glasglocke kultivierte Exemplar, das in seiner Transpiration stark gehindert war, keine oder fast keine Skleren- chymfasern ausbildete. Ein anderer Versuch, der den Einfluß der Er- nährungsverhältnisse in anderer Weise dartun sollte, ging leider «durch die Ungunst der Witterungsverhältnisse zugrunde. Ich wollte die ganze Sproßachse, an der sich der Kürbis befand, unter schlechte Ernährungs- bedingungen bringen. Ich benutzte dazu eine Methode, wie sie Sachs?) zu einem anderen Zwecke anwandte. Er leitete den Gipfel eines Zweiges (durch ein enges Loch in einen allseitig liehtdicht geschlossenen Kasten. Er wollte dabei demonstrieren, daß das Licht zum Wachstum nicht dirckt, sondern nur wegen der durch dasselbe vermittelten Assimilation nötig ist. Die in dem Kasten belassenen Zweige entwickelten sich fast normal, da sie ihre Nährstoffe von den Blättern außerhalb des Kastens bekamen. Auch Früchte konnte er erzielen, nachdem die Blüten vorher künstlich 1) Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen. Leipzig u. Berlin 1908, pag. 28. 2) Sachs, Julius. Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Leipzig 1582. pag. 42T. Flora, Bd. Wi. 15 216 Paul Flaskämper, befruchtet worden waren. Eine Hemmung zeigte sich jedoch z. B. in der Flächenentwicklung der Blätter, «die nur ?/,—?/, der normalen be- trug. Es mußte deshalb interessant erscheinen, einmal zu prüfen, ob vielleicht die histologische Ausbildung Hemmungen erfahren würde, be- sonders «die des Fruchtstieles. Leider blieb, wie sehon erwähnt, der Versuch ohne Erfolg. Da «ie Experimente an Cucurbito Pepo wegen Mangel an Material nicht weiter ausgedehnt werden konnten, machte ich Versuche mit anderen Cucurbitaceen, die in den Gewächshäusern les Münchener botanischen Gartens kultiviert wurden, mit Benincasa cerifera, Momordica fragrans und Luffa aegyptiea. Mit letzterer machte ich nur den schon bei Cucurbita Pepo erwähnten und auch bei Benin- easa und Momordica ausgeführten Versuch, die Einhüllung in schwarzes Papier und Guttaperchapapier. Doch gingen diese Versuche alle zu- grunde; die Früchte entwickelten sich in der TTülle nicht weiter, wurden gelb und schrumpften, der Stiel brach «dann, zuletzt beim Berühren ab. Es beweist mir dies eben, daß der Ausfall des Versuches bei Cuenrbita Pepo kein Zufall war und daß die Transpiration für die Ausbildung der Früchte von erheblicher Bedeutung ist. Es wurden dann einige Ver- suche zur Beantwortung der Frage gemacht, ob ein an die Frucht ge- hängtes Gewicht, eine stärkere Ausbildung des Sklerenchyms hervor- rufen könne. Ich wandte Gewichte von 1--2 kg an. Der Erfolg war natürlich, wie nach allem vorhergehenden zu erwarten ist, sowohl bei Momordica wie bei Benincasa ein negativer. Dann machte ich einige Versuche im Sinne Vöchting’s. Zwar hängen bei Benincasa und Momordica normal alle Früchte frei in der Luft. Doeh durch Unter- stützung konnte auch hier des Einfluß des Eigengewichtes ausgeschaltet werden. Der Gegensatz von an der Erde liegenden und an der Tran- spiration gehemmten Früchten einerseits, und frei in der Luft befind- lichen andererseits wie bei Cucurbita Pepo war also hier nicht vorhanden. Es mußten «demnach, wenn unsere Theorie richtig war, keine Unter- schiede zu verzeichnen sein, gleichgültig, ob ich die Früchte unterstützte oder nicht. Die Versuche mit Momor-dica fragrans ergaben nun folgen- des. Am 1. Oktober wurden die ausgewachsenen Früchte abgenommen und zwar drei Stück: Eine unterstützt und zwei freihängend kultivierte; von den zwei letzteren war eine aus unbekannten Ursachen chlorotisch geblieben. Ich gebe zunächst die Zahlen für die Gewichte dieser Früchte, sowie die Längen ihrer Stiele: Gewicht der Frucht Länge des Stieles freihängend (normal) . ...... 1358 11.5 cm freihängend (chlorotisch) . . . 1705 8 12 cm unterstützt 2.202 020202020.4165 I ii cm Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- n. Sklerenchymbildung usw. 217 Es ergab sich aus diesen Versuchen ganz eindeutig und in Übereinstimmung mit denen von Cucurbita Pepo, daß die Pflanze, gleich- gültig ob sie das Gewicht ihrer Frucht zu tragen hatte oder nicht, ihren Fruchtstiel gleich ausbildet. Ja in dem Falle der unterstützten Frucht war sogar mehr Sklerenchym ausgebildet. Es liegen also indivi- duelle Schwankungen vor, die natürlich unabhängig von mechanischer Inanspruchnahme sind. Interessant ist es auch, daß zwei der unter- suchten Früchte aus einem unbekannten Grunde chlorotisch waren, also an der Assimilation verhindert waren. Trotzdem war keine Re- duktion des Sklerenchyms zu beobachten. Es folgt daraus, was ja schon von vornherein sehr wahrscheinlich war, daß in diesem Falle die Assimilation wenigstens der Frucht von untergeordneter Bedeutung für St er Ä G3 Fig. 20. Fig. 21. Fig. 20. Querschnitt durch den Stiel der im Kalthaus gewachsenen Frucht von Benincasa cerifera (schematisch). 8 — Sklerenchym, £& -= Gefäßteil, “> Siebteil der Leitbündel. Fig. 21. Querschnitt durch den Stiel der im Victoria regia- Haus gewachsenen Frucht von Benincasa cerifera (schematisch). = Sklerenchym, #4 Gefäßteil, 3 = Siebteil der Leitbündel. die Bildung des mechanischen Gewebes ist. Für «die große Bedeutung ler Transpiration, für die schon die Experimente der Einhüllung mit (uttaperchapapier beweisend sind, sprach auch noch eine Beobachtung an Benincasa cerifera. Betreffs des Einflusses der Unterstützung ge- langte ich zu denselben Resultaten wie bei den übrigen Pflanzen, d. h. (lie mechanische Inanspruchnahme isi gleichgültig für die Ausbildung von Sklerenchym. Ich verglich aber zwei Früchte miteinander, von (lenen die eine im Kalthaus, die andere im Vietoria regia-Haus des Botanischen Gartens gewachsen war. Wie die beiden Abbildungen 157 218 Paul Flaskämper. (Fig. 20 u. 21) zeigen, hat die Frucht im Kalthaus, obgleich sie nicht wesentlich schwerer war (vgl. Tabelle), erheblich mehr Sklerenchym, sowie mehr Gefäße gebildet als die im Vietoria regia-IIaus. Aus dem Victoria regia- Haus Aus dem Kalthaus Gewicht der Frucht . . . . 114g 1%0 8 Gewicht des Stieles . . . . 4,58 6.8 Länge des Stieles . . . . . 8,5 cm 6,5 cm Bedenkt man, daß die Luft des Vietoria regia-Hauses außer seiner Wärme sich durch einen hohen Feuchtigkeitsgehalt auszeichnet, was beim Kalthaus nicht der Fall ist, so ist es verständlich, daß die durch den hohen Feuchtigkeitsgehalt herabgesetzte Transpiration in erster Linie die geringere Ausbildung «des Sklerenchyms und der Gefäße be- dingt hat. Am Schlusse meiner Untersuchungen angelangt, möchte ich im folgenden eine Zusammenstellung der Resultate geben. Als allgemeinstes Ergebnis kann man wohl die Tatsache betrachten, daß die Frnährungs- verhältnisse, deren großen Einfluß auf die Entwicklung und Ausbildung der äußeren Gestaltung der Pflanze von Goebel in so ausgiebiger Weise gezeigt worden ist, auch für die Histologie der Pflanze von großer Bedeutung sind. Zusammenfassung der Resultate. 1. Die von Tschireh behauptete Differenzierung der Dikotylen- wurzel in Ernährungs- und Befestigungswurzeln, die sog. Heterorhizie, ist eine nur scheinbare und beruht auf Altersunterschieden. Es gibt Übergänge zwischen beiden Typen, sowohl an der Basis verschiedener Wurzeln, als auch in verschiedener Entfernung von der Basis ein und derselben Wurzel. 2. Durch ungünstige Ernährungsbedingungen (Dunkelkultur, Ab- schneiden der Blätter, Abschneiden der Kotyledonen) konnte eine Re- (duktion der Zahl der Gefäße und der Sklerenchymfasern in den Wurzeln erreicht werden. 3. Durch «lieselben Faktoren konnte bei Viecia Faba auch eine Reduktion «der Zahl der Gefäßstrahlen in den Wurzeln konstatiert werden. 4. Ebenso bei Vieia Faba und Phaseolus eine Reduktion der Mark- zellen in «der Mitte des Zentralzylinders der Wurzel bis zu deren völ- ligem Verschwinden. Diese Hemmungserscheinung wurde bei Eintritt günstigerer Ernährungsbedingungen wieder rückgängig gemacht durch Ausbildung von Markzellen. Tintersuchungen über die Abhängigkeit der Gefäß- u. Sklerenehymbildung usw. 219 5. Die von Wildt behauptete Anpassung an den Zug bei Wur- zein muß als Hemmungserscheinung aufgefaßt werden, weil a) der anatomische Bau der gezogenen Wurzel gar keine zug- festere Konstruktion darstellt, als der «der normalen; b) die Zahl der Gefäße und Sklerenchymfasern und die Dicke, der ganzen Wurzel sowohl als auch des Zentralzylinders, in der gezogenen Zone rascher abnimmt als normal; ce) (lie Reduktion der Markzellen durch 4. als eine typische Hemmungsbildung nachgewiesen ist; d) die Zugfestigkeit der gezogenen Strecke nicht zugenommen hat, sondern sogar etwas abgenommen. 6. Die von Vöchting vertretene Anschauung, dab eine Pflanze, die ein Organ zu tragen hat, mit dem sie für gewöhnlich nicht belastet ist, zu einer Mehrbildung von Sklerenchym veranlaßt wird, ist nicht zutreffend. Die Mehrbildung von Sklerenchym bei dem freihängend kultivierten Kürbis in dem Vöchting’schen Versuch beruht auf den günstigeren Ermährungsverhältnissen, vor allem der stärkeren Transpi- ration. 7. An die Pflanze angehängte Gewichte haben, wie auch schon bekannt, keinen Einttuß im Sinne einer Selbstregulation. Ich möchte diese Arbeit jedoch nicht schließen, ohne Herrn Ge- heimrat von Goebel, unter dessen Leitung sie ausgeführt wurde, für seine Anregung und Unterstützung meinen besten Dank auszu- sprechen. Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien von Lycopodium clavatum L., L. annoti- num L. und L. Selago L. Von H. Bruchmann. (Mit 35 Abbildungen im Text.) Inhalt. Einleitung (pag. 220). Zur Biologie der Sporen (pag. 223). Die Sporen- aussaaten (pag. 227). Die ersten Keimungszustände der Sporen von L. clavatum und L. annotinum (pag. 225). Die ersten Keimungszustände der Sporen von L. Selago (pag. 231). Wei- tere Kulturen der jungen Prothallien (pag. 233). Weitere Entwick- lung der Prothallien des Typus L. elavatum (pag. 235). I.rste Entwicklungsstufe (pag. 235). Der Endophyt in derselben (pag. 237). Zweite Entwieklungsstufe (pag. 238). Der Endophyt in derselben (pag. 2-12). Dritte Entwieklungsstufe (pag. 243). Der Endophyt in derselben (pag. 245). Weitere Entwicklung des Prothalliums von L. Seiago (pag. 247). Erste Entwicklungsstufe (pag. 247). Der Endophyt in derselben (pag. 247). Zweite Entwicklungsstufe (pag. 249). Die Rlıyzoide und der Endo- phyt (pag. 250). Dritte Entwicklungsstufe (pag. 254). Der Endophyt (pag. 259). Die Sexualorgane und der Embryo (pag. 262). Zusammen- fassung (pag. 265). Die vielen vergeblichen Bemühungen um die Keimung der Sporen einiger Lycopodien, welche bis in das 18. Jahrhundert zurückreichen, ergeben eine nicht uninteressante Literatur, aus der ich hier nur einiges Hauptsächliche anführen will. Vor Hofmeister’s Entdeckung des Generationswechsels (1851)}) konnten die Forscher zu keiner Klarheit über die zu erwartenden Er- gebnisse der Keimung solcher Sporen gelangen. Man faßte die feinen Sporen aller Kryptogamen als Samen auf, aus denen, wie bei höheren Pflanzen, die Keimlinge direkt zu entstehen hätten. Noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts sprach man den Kryptogamen eine geschlechtliche Fortpflanzung ganz ab (z. B. Willdenow?) 1810, Bischoff?) 1828). Auch Spring’) mit seinen sich auffallend wider- sprechenden Angaben zeigte noch völlige Unklarheit in dieser Frage. 1) Hofmeister, Vergleichende Untersuchungen der Keimung und Frucht- bildung höherer Kryptogamen. Leipzig 1851. 2) Bischoff, Die kryptogamischen Gewächse, Nürnberg 1828, pag. 121 n. 126. 3) Spring. Monographie de la famille des Lycopodiacdes, I, 1842, pag. 16. H. Bruchmann, Die Keimung der Sporen usw. 29} Einmal behauptet er «durch eine Sporenaussaat von L. clavatum und L. complanatum verschiedene junge Pflanzen erhalten zu haben, und bald darauf!) gesteht er, daß die Keimung der Sporen von Lycopo- dium nicht bekannt und wissenschaftlich bewiesen sei, und stellt hierauf fußend die sehr hinfällige Hypothese auf, nach welcher die jetzt lebenden Gattungen der Lyeopodiaceen (Lycopodium, Psilotum und Tmesipteris) nur männliche Formen seien, die weiblichen aber durch geologische Katastrophen oder andere Ursachen verloren gingen, weshalb man Kei- mungsergebnisse solcher Sporen nicht erwarten könne, Hofmeister brachte Lieht in diese Fragen und gab uns den Schlüssel zum Verständnis der Fortpflanzungserscheinungen der höheren Pflanzen. Durch seine Untersuchungen wurde bekanntlich die charakte- ristische Tatsache festgestellt, daß die Entwicklung sämtlicher höherer Pflanzen zwei unterschiedliche, scharf auseinander zu haltende Genera- tionen zu durchlaufen hat. Die erste, die aus der Keimung der Sporen entsteht, ist die Geschlechtsgeneration (Prothallium, Gamophyt). weil sie Geschlechtsorgane erzeugt. Durch eine Befruchtung erst geht aus dieser ılie zweite, die ungeschlechtliche oder sporentragende Generation (Sporo- phyt) hervor. Hofmeister verfolgte auch die Keimung der Sporen von einer Anzahl verschiedener Pteridophyten-Gattungen. Er hatte aber mit wieder- holten Aussaaten der Sporen von L. clavatum, L. inundatum und L. Selago nur Mißerfolge?). Seine Annahme, daß von solchen Sporen zu- nächst Prothallien gebildet würden, welche Antheridien und Archegonien trügen, hat dureh die Prothallienfunde einer Anzahl Arten von Lyeo- podium in neuerer Zeit von Fankhäuser, Treub, Goebel, Lang und dem Verfasser volle Bestätigung gefunden. De Bary°) beobachtete den ersten Fall einer Sporenkeimung von L. inundatum und verfolgte die ersten Entwicklungsstadien dieses Pro- thalliums bis zu einem elfzelligen Zellkörper, was ihm durch folgende Kulturversuche gelang: Er säte die Sporen dieser Art auf einige vom Standort mitgenommene Bodenstücke aus, die in flache Gefäße ausge- breitet wurden und kultivierte die Aussaaten während eines Winters teils im Gewächshause, teils im Zimmer. Während die Mehrzahl der Sporen unverändert blieb, erhielt er doch schon 9 Tage nach der Aus- 1) Spring, a. a. O., II, 1819, pag. 317 u. 318. 2) Hofmeister, a. a. O. pag. 126. 3) De Bary, Über die Keimung der Lyeopodien. Ber. d. naturf. Ges. zu Freiburg i. B. 1858. 2223 H. Bruchmann, saat ein siebenzelliges, chlorophyllhaltiges Prothallium. Bei wiederholten Versuchen wurden noch etwa 25 Keimungszustände gefunden. Diese gelangten bis zur Entwieklungsstufe eiförmiger chlorophyliführender Zellkörper von nicht über 11 Zellen und starben dann ab. Alle Be- strebungen aber, weitere Entwicklungsstadien zu erhalten, blieben er- folglos und zwar, wie man jetzt annehmen darf, deswegen, weil zu einer Weiterentwicklung der Prothallien die Beihilfe eines symbiotischen Pilzes nötig war, der in der Kultur fehlte. Beck!) hatte Sporen von L. inundatum, annotinum, elavatum, alpi- num und Selago in Wasser und auf Torf ausgesät und unter verschie- dener Temperatur und Beleuchtung kultiviert. Während diese Aus- saaten bei fast allen Arten erfolglos waren, brachten aber die von L. inundatum (einige in 6 Wochen, andere in 6 Monaten) zahlreiche Kei- mungszustände hervor, von denen die größten 10 Zellen ausmachten, worauf dann ein Absterben eintrat. Es gestaltete sich also alles bei dieser Art wieder so, wie es vorher schon von de Bary dargestellt war. Von L. clavatum beobachtete Beck noch, daß nach einer zwei- jährigen Kultur dieser Sporen in Gartenerde einzelne angetroffen wurden, (deren Exosporium unregelmäßig zerrissen oder abgestreift war, und welche zahlreiche Chlorophylikörner enthielten. Letztere Angaben (ürften wohl, wie auch Beck vermutet, einen unnormalen Zustand dieser Sporen darstellen, da, wie ich gefunden habe, die Sporen von L. elavatum nicht schon nach zwei Jahren keimen, auch bei ihrer Keimung das Exo- spor weder unregelmäßig zerreißen noch abstreifen und auch chlorophyll- frei bleiben. Luerssen’s?); kurze Angabe, daß er in dem aufgerissenen Exospor der Sporen von L. clavatum, welche fast zwei Jahre in der Erde lagen, nur vereinzelt kleine, bis dreizellige Vorkeime beobachtete, entzieht sich der näheren Beurteilung, da keine Zeichnungen über solche Zustände vorliegen. Einen weiteren Fortschritt in der Frage nach der Keimung solcher Sporen brachte Treub3) in seiner wichtigen Abhandlung über das Pro- thallium von L. cernuum, einer in den Tropen sehr verbreiteten Form. In dem botanischen Garten zu Buitenzorg säte er Sporen dieser Art auf toniger Erde aus und kultivierte seine Aussaat in einem Zimner. Nach ungefähr 4—6 Wochen erhielt er eine große Anzahl der ersten 1) Beck, Einige Bemerkungen über den Vorkeim von Lycopodium, Österreich. bot. Zeitschr. 1880, pag. 341—344, 2) Luerssen, Handb. d. syst. Bot. I, pag. 633. 3) M. Treub, Ftudes sur les Lycopodiacees, Annales du Jard. bot. de Buitenzurg 1884, Vol. IV, pag. 107 ff, Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 227 Phasen der Keimung und konnte die Entwicklung dieser auch chlorophyli- haltigen Prothallien auf eine weitere Höhe verfolgen, wie die Forscher, welche das demselben Prothalliumtypus zugehörige von L. inundatum beobachteten. Aber in einer gewissen Entwicklungsstufe, in welcher einzelne junge Prothallien sogar ein erstes kleines Antheridium ent- wickelten, starben sie ab. Doch wurde es Treub möglich, dureh die im Freien gefundenen Formen den ganzen Entwickluugsgang_ dieses Prothalliums bis zu den geschlechtsreifen Formen lückenlos zur Kenntnis zu bringen. Dann hat Treub!) ferner noch von einer zweiten Lycopodium- form, welche er an einem Orte des Berges Salak bei Buitenzorg fand und mit dem Namen L. salakenze Treub belegte, die Sporenkeimung bis zur Entwicklung vollkommener Prothallien verfolgt. Diese Art ist der von L. cernum nahe verwandt. Auch ihre sexuelle (Generation gehört dem Typus von L. cernuum an, welcher Form sie auch näher kommt als der unserer einheimischen Art von L. imundatum. Die Sporen von L. salakense säte Treub im Laboratorium des botanischen (rartens von Buitenzorg auf Torfstücke im Januar 1886 aus. Die Keimung begann einige Tage nach der Aussaat, und es bildeten sich eine Anzahl Prothallien in der ersten Keimungsphase, wie die von L. cernuum und L. inundatum aus. Hierauf trat aber ein langer Still- stand in der Entwicklung ein, welche dann erst 6 Monate später wieder aufgenommen wurde und nun auch zu unvollkommenen, mit Geschlechts- organen ausgestatteten, pilzfreien Prothallien führte. So sind denn bis dahin die Vorgänge der Keimesgeschichte nur dreier Lyeopodium-Arten mit chlorophyliführenden Prothallien bekannt geworden, einer pilzfreien (L. salakense), und zweier leicht verpilzter Formen (L. cernum und L. inundatum), und durch diese Kenntnis ist uns nur ein Prothalliumtypus, welchem diese drei Arten angehören, näher getreten, nämlich der von L. cernuum. Die vielen Bemühungen aber um «die Enträtselung der Keimesgeschichte solcher Arten, welche den ganzsaprophytischen Typen: L. Plılegmaria, L. clavatum, L. com- planatum und L. Selago angehören. hatten bisher nur Mißerfolge zu verzeichnen. Zur Biologie der Sporen. Die Sporen der Lycopolien, namentlich die des L. elavatum. sind volkstümlich und unter Namen wie „Hexenmehl“, „Blitzpulver“, „Semen I,ycopodii“, „gelbes Streupulver“ der Apotheken u. a. m. allgemein be- 1) Annales 1885, Vol. VII, pag. I141—MHE. 224 H. Bruchmann, kannt. Sie werden als Heilmittel, bei physikalischen Versuchen, auch in der Technik verwendet, und alljährlich werden Tausende von Zentnern zumeist von Rußland ausgeführt. Diese äußerst kleinen, staubfeinen Sporen von kugel-tetraödrischer Form haben etwa 0,05 mm Durchmesser. Also messen erst 33 Stück in eine Reihe gelegt zusammen I mm. Ihre Oberfläche ist mit einem Leistennetz besetzt, welches enge unregel- mäßige Maschen bildet (vgl. Fig. 1). Die Sporen von L. annotinum sind von gleicher Form, nur etwas srößer (Durchmesser 0,04 mm) und ihre Exine besitzt ein Leistennetz nit weiteren Maschen (vgl. Fig. 2), welches auch, wie bei den Sporen von L. clavatum auf der gewölbten Grundfläche am besten ausgebildet, auf den drei Pyramidenflächen aber nach den Sporennähten zu undeut- lich wird und verschwindet (Fig. 1 u. 2). Diese beiden Sporenarten sind also der Beschaffenheit ihrer Oberflächen nach Leistennetzsporen, welchen die Sporen von L. Selago als Tüpfelsporen gegenüber stehen (vgl. Fig. 3). L. Selago ist die einzige europäische Art, die Tüpfelsporen er- zeugt. Diese Sporen sind zwar, wie die der anderen Arten, von radiä- rem, tetraödrischem Bau, aber mit wenig gewölbter Grundfläche und geringer Achsenhöhe, im Querschnitt dreieckig mit abgerundeten Ecken (Durchm. 0,04 mm). Das Exosporium erscheint mit zahlreichen rund- lieh-tüpfeligen Gruben unregelmäßig besetzt, namentlich an der basalen Fläche, nach dem Sporenscheitel hin verlieren sie sich. Unterhalb der Basis jeder Sporennaht befindet sich eine kurze, quere Schloßleiste, (lie an ihren Enden nach dem Grunde der Spore zu hakig gekrümmt ist. Weitere Leisten fehlen. Wir haben hier also die Keimung zweier verschiedener Sporen- typen der Lyeopodien der Netzrelief- und der Tüpfelsporen zu verfolgen. Da ich die Prothallien dieser Arten mehrfach und zwar als unter- irdisch wachsende Saprophyten fand, zuerst solche von L. annotinum 15840), so lag es nahe zu prüfen, wie diese Sporen vermöge ihrer physikalischen Eigenschaften zur Entwicklung Iıypogäischer Prothallien in den Boden gelangen konnten. Ich stellte fest?), daß diese Sporen leicht vom Luftstrom fortgetragen werden, aber auch so fest fremden Körpern anhaften, daß selbst eine starke Luftbewegung sie nicht ab- treibt, «dann aber von Wassertropfen, welche zum benetzbaren Körper 1) Bruchmann, Das Prothalliun von L. annotinum. Bot. Zentralbl. 1885, pag. 23. 2) Bruchmann. Über die Prothallien und die Keimpflanzen mehrerer euro- päischer Lyeopodien, Gotha 1508, pag. 5—8, Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 9925 größere Adhäsion als zu den unbenetzbaren Sporen haben, abgelöst un zu Boden geführt werden können. Auch wies ich nach, daß die Luft, welche sie in den bienenzellartigen Vertiefungen ihres Netzreliefs fest- halten, die Ursache ihrer Unbenetzbarkeit ausmacht, welehe aber durch Alkohol aufgehoben werden kann. Die Tüpfelsporen schließen Luft in den Tüpfeln der Exine ein. Daß diese Lufthülle der Sporen nicht nur „ein geeignetes Flieg- und Schwimm-, also Verbreitungs-, sondern aueh ein Bestattungsmittel“ sei, erläuterte ich dureh Versuche, bei welchen ein Frühjahrsregen (1896) den Sporen Erdstücke des Waldbodens zu durch- dringen half, auf welchem Wege sie ihre Lufthülle abstreiften und be- netzbar wurden, also so für eine Keimung Bestattung erlangten. Lüstner!) will in seiner Sporenbiologie die Oberflächenbeschaffen- heit «der Sporen von einer Anzahl Kryptogamen mit ihren Entwicklungs- beiingungen in Einklang bringen und unterscheidet drei Sporentypen, welche den drei in jener Zeit bekannten Prothallientypen der Lyco- podien entsprechen. 1. Typus des Lycopodium annotinum: Netzsporen mit stark ent- wickeltem Leistenrelief. Ihre Unbenetzbarkeit befähigt sie unter Bei- hilfe des Wassers tief in den Boden zu gelangen, wo sich aus ihnen chlorophyllose, saprophytische Prothallien entwickeln. (Mehrere ein- heimische Arten, z. B. L. clavatum und L. annotinum.) 2. Typus des Lycopodium cernuum: Sporen mit fast verschwun- (lenem, undeutlichem Netzrelief. Sie besitzen nicht die Fähigkeit, Boden- tiefe zu erreichen, und keimen ohne Sporenruhe an der Erdoberfläche. wo reich mit Chlorophyll ausgestattete Prothallien aus ilinen hervor- gehen. (Nur eine einheimische Art: L. inundatum.) 3. Typus des Lycopodium Phlegmaria. Die Tüpfelsporen mit Chlorophyll weisen auf eine schnelle Wasseranfnahme nnd rasch ein- tretende Keimung hin. (Nur eine einheimische Art: L. Selago). Die Unbenetzbarkeit der Netzreliefsporen erklärt Lüstner:) in nieht richtiger Weise. Er gibt an, daß die Leisten derselben nicht frei seien, daß sie vielmehr nach außen von einem feinen Jläutchen über- zogen würden und so sich zahlreiche Kammern bildeten, welche lie Luft eingeschlossen hielten. Erst beim Durchdringen des Bodens würde das Außenhäutchen allmählich durehgerieben, und nun erst sei «die Spore benetzbar. Auch sollen nach Lüstner?) einmal benetzbar gewordene Sporen diese Eigenschaft für immer behalten. 1) Lüstner, Beiträge zur Biologie der Sporen. ‚Jenaer Inauge.-Diss 1898. 2) Lüstner, a. a. O. pag. 12. 3) a. a. 0. pag. 18. 226 H. Bruchmann, Meine Bemerkungen zu Lüstner’s Ansichten habe ich bereits in meiner Abhandlung über die Prothallien mehrerer europäischer Lyco- podien ausgesprochen!) und brauche sie daher nicht zu wiederholen. Großes Interesse für die Sporen der Lycopodien bekundet auch Burgeff. In dem Abschnitt seines Werkes über Samenbiologie?) hebt er hervor, daß die Samen eimheimischer Orchideen eine Oberflächen- struktur besitzen, welche an das Leistennetz der Sporen der Lycopo- dien erinnern, auch in bezug auf ihre Benetzbarkeit dieselben Versuchs- ergebnisse bringe. Aber die Unbenetzbarkeit solcher Samen und Sporen sei kein Vorteil für eine gute Bestattung. Denn eine Nachuntersuchung der Verhältnisse mit den Sporen von L. clavatum brachte Burgeff ein Resultat, das dem von mir und Lüstner gefundenen entgegensteht. Es lautete: Eine Unbenetzbarkeit der Sporen verhindert ihr Eindringen in den Boden, statt es zu fördern. Mithin könnten leichtbenetzbare Sporen (z. B. die von L. inundatum und L. Selago) auch leicht eine gute Bestattung erhalten. Burgeff deutet dann im weiteren die Unbenetzbarkeit der Sporen zunächst als eine Einrichtung zum leichteren Austrocknen in der Kapsel der Mutterpflanze und zu einer damit verknüpften begünstigten Abtragung durch den Wind. Ferner stehe mit der hohen Unbenetzbarkeit noch eine zweite wichtige Funktion im Zusammenhange, nämlich die ihrer Keimung. Die Kei- mung der Netzsporen habe Analogie mit der der terrestrischen Orchideen- Samen, bei beiden löse ein Pilz die Keimung aus. Und die Ausbil- dung der Unbenetzbarkeit sei als eine „Abwehr gegen die zu rasche Abgabe chemotropisch auf den Pilz wirkender Stoffe zu deuten“. Die Leistenreliefs seien also Merkmale für eine pilzabhängige, eine mykotrophe Keimung. Die leicht benetzbaren Tüpfelsporen seien chlorophyllführende und raschkeimende Sporen, welche die Keimung selbständig ohne Pilz begännen, und der Endophyt infiziere das junge Prothallium erst. Mit dieser Hypothese Burgeff’s aber läßt sich mein Keimungs- befund der Sporen von L. clavatum, L. annotinum und L. Selago, also solcher von Netz- und Tüpfelsporen, nicht in Einklang bringen. Diese drei Arten beginnen ihre Keimung ohne eine Pilzinfektion und sind einer selbständigen Entwicklung bis zu einem gewissen, wenn auch ge- ringerem, Grade wie bei L. inındatum und L. cernuum, fähig. I) a. a. O0. pas. 103-106. 2) Burgeff, Die Wurzelpilze der Orchideen, Jena 1909, p. 1418— 107. - Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 297 Die Sporenaussaaten. Die Prothallien von L. clavatum, L. annotinum und L. Selago, um (deren Entwicklung es sich hier handeln soll, sind, wie bekannt, unterirdisch wachsende Ganzsaprophyten und stellen zwei verschiedene Typen dar, den von L. clavatum, wozu auch das Prothallium von L. annotinum gehört, und den von L. Selago. Die Funde (dieser Prothallien veranlaßten mich, auch Versuche über die Keimung der Sporen derselben Arten anzustellen. Zu diesem Zwecke suchte ich mir zunächst Bestände älterer Pflanzen, von welchen ich während mehrerer Jahre das nötige Sporenmaterial ernten konnte. Die Sporenreife hängt sehr von «er Witterung («des Sommers ab. Die Sporen von L. clavatum reifen in höhergelegenen Gebieten «des Thüringer Waldes im September bis Oktober. Die von L. annotinum streuen meist Ende Oktober, bei Eintritt des ersten Frostes aus, und die von L. Selago nie in dem Jahre ihrer Entstehung, sondern erst im «larauf- folgenden Frühling. Die reifen, abgeschnittenen Ähren ließ ich, zwischen Zeitungspapier gelegt, sich ihrer Sporen entledigen. Auch schnitt ich frische Ähren in Stücke und mischte beide Produkte mit leichter Topferde, nämlich einem (Gremisch von Heide-, Laub-, Misterde und Sand. Im Walde aber, beim Eimbetten der Sporenaussaaten fügte ich dem Gemenge noch Walderde bei und grub es dann in Löcher von etwa 10 cm Tiefe. Auch füllte ieh solche Erdgemische mit den Sporen in Blumentöpfe, denen ich den Boden ausgeschlagen, und versenkte sie in den Walıl- boden. Solche Aussaaten wurden gekennzeichnet und in weiteren Jahren «urch neue Anlagen von Aussaaten an verschiedenen Waldstellen vermehrt. Ich wählte im Thüringer Walde meist bei Oberhof (S00 m ü. d. M.) für die Aussaaten solche Wealdstellen aus, an welchen ich schon Prothallien gefunden hatte oder die solchen Fundstellen gut entsprachen. Natürlicher wäre es wohl gewesen, wenn ich «ie Sporen auf die Bodenfläche des Waldes gestreut und dem Regen (die Ein- bettung überlassen hätte, dann wäre aber eine Entführung der Sporen durch Wind und Wasser nicht ausgeschlossen gewesen. Die Kontrolle der Aussaaten wurde meist nur einmal im Jahre, zuletzt noch seltener vorgenommen und bestand darin, daß ein kleines Ertdstück solcher Aussaatstelle entnommen und von Teilchen (dieser Erdprobe die ihr untermischten Sporen sorgfältig mikroskopisch ge- ‘prüft wurden. Meine Geduld im Warten anf die Keimung wurde dabei auf eine sehr harte Probe gestellt. Es keimten aber endlich die Sporen einiger DDR H. Bruchmann, Aussaaten und zwar die von L. Selago nach 3 bis 5 und die von L. clavatum und L. annotinum nach 6 und 7 Jahren; weitere Jahrgänge soleher Aussaaten dieser Arten bestätigten solche ungewöhnlich lange Sporenruhe. Für eine lange Wartezeit waren manche meiner Aussaaten nicht genügend kenntlich gemacht, auch durch Änderungen im Forst- betriebe vernichtet oder in dem inzwischen aufgewachsenen Dickicht unzugänglich und unauffindbar geworden. Am besten bewährten sich für eine Gewinnung geschlechtsreifer Prothallien, auf welche ich bei L. Selago etwa 6 bis 8 Jahre und bei IL. elavatum und L. annotinum etwa 12 bis 15 Jahre zu warten hatte, die Aussaaten in Blumentöpfen. Sie gaben jederzeit genau umgrenzt den mit Sporen durchmischten Erdballen für eine Kontrolle an, und hatten sie auch Ährenstücke erhalten, so ließen die lange der Fäulnis widerstehenden, nierenförmigen Sporangienschalen mit ihrem Inhalte beyuem eine große Menge Sporen für eine Prüfung finden. Solch eine Kontrolle mit Zuhilfenahme von Sporangien lehrte auch erkennen, daß die meisten Sporen aus dem Inhalte eines Sporangiums von L. elavatum und L. annotinum nicht keimfähig sind. Nur wenige, in einzelnen Fällen kaum 5°/,, zeigten sich mit Plasma ausgestattet. erschienen bei mikroskopischer Prüfung dunkel, keimten endlich und auch dann noch unregelmäßig. In solcher späten Keimung der Sporen mit so geringen Keimprozenten, ferner noch in der unregelmäßigen und langsamen Entwicklung der Prothallien, besonders dieser beiden Arten, scheint mir ein großer Grad von Rückständigkeit seinen Aus- druck zu finden. Von L. Selago aber fand ich, daß sämtliche Sporen eines Sporangiums keimfähig sind, sie keimten aber auch unregelmäßig. Die ersten Keimungszustände der Sporen von L. clavatum und L. annotinum. Die Vorgänge der Sporenkeimung sind bei diesen beiden Arten so übereinstinimend, «daß ich sie nicht für jede Art besonders zu be- schreiben nötig habe. Die dureh ihren plasmatischen Inhalt dunkel erscheinenden Sporen dieser Arten sind kurz vor ihrer Keimung kugelig aufgetrieben und sprengen nach einer langen Sporenruhe endlich ihre Sporenschale, welche vom Scheitel her in den drei Nähten regelmäßig dreilappig aufreißt, aus welcher Öffnung das Sporeninnere als kugelige Blase hervortritt (Fig. 1). Die erste Teilung in der Spore ist schon vor deren Aufbruch vor sieh gegangen und bei deren Öffnung erkennbar. Es zeigt sich dann, daß an dem Winkel einer der drei Exosporenrisse, nach der Basis der Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 990 Spore hin, durch eine schwachgekrümmte Wand eine kleine Zelle von (der Peripherie der Sporenzelle abgetrennt ist, welche die Form einer bikonvexen Linse hat (7 in Fig. 1 u. 2). Diese kleine linsenförmige Zelle wird an dem Spalt des Exospors nur zu einem kleinen Teile siehtbar. Ihr größerer Teil wird vom unteren Teile des Exospors ge- deckt. Durch eme Drehung der Spore in eine Seitenlage gebracht, wird sie am besten erkannt (? u. C in Fig. I u. 2); auch unterstützt eine Färbung der keimenden Spore z. B. mit Jodgrün-Fuchsin u. a. m. ihr Auffinden. Den Zeitpunkt der Entstehung dieser Zelle konnte ich nieht feststellen. ‚Jedenfalls wird sie nicht lange vor dem Anfspringen der Schale in der Spore abgegliedert. Nur in einigen Fällen sah ich Fig. 2. Fig. 1. Keimende Sporen von L. elavatum. — Fig. 2. Desgl. von L. annotinum. . A Yrühes Keimungsstadium, 7 weiteres Entwicklungesstadium. € Letzteres im optischen Durebschnitt gesehen. In allen Darstellungen bezeichnet 7 die linsenförmige Zelle, 5 die Basalzelle, s% die Sporenschale und s die Scheitelzelle des jungen Prothalliums. Vergr. 580. einen kleinen Zellkern und ein wenig Plasma in ihr. Meist erscheint sie inhaltsarm, ja später ganz leer. Auch vergrößert sie sich nicht weiter; nır eine sekundäre Verdiekung, namentlich an ihrer äußeren Membran, wird später bemerkbar. An «der keimenden Spore von L. elavatum ist diese linsenförmige Zelle sehr klein und nicht leicht zu entilecken (7 in Fig. 1). an der von L. annotinum wird sie etwas deut- licher (r in Fig. 2), gut erkennbar aber an der von L. Selago (r in Fig. 3). Wälzt man solche Sporen unter Druck mit dem Deekglas so, daß ihre Schale abgesprengt wird und das Sporeninnere ohne Schale gesehen werden kann, so überzeugt man sich, daß hier nieht etwa eine Faltung in der Sporenhaut die linsenförmige Zelle vortäuscht. Auch kann diese 230 Hl. Bruchmann, Zelle später noch an der Basalzelle junger Prothallien erkannt werden, wie ich dies beispielsweise an dem Prothallium von L. complanatum nachwies!). (Man vergleiche auch diese Zelle in den weiteren Figuren.) Wie aus den Nachweisungen Belajeff’s hervorgeht?), ist diese Zelle, welche in gleicher Form und an übereinstimmender Stelle der Spore bei den männlichen Prothallien aller Wasserfarne und denen von Selaginella und Isoötes vorkommt, als eine rudimentäre Rhizoidl- zelle aufzufassen, welche den ersten Rhizoiden der echten Farne homolog ist. Diese bedeutungsvolle Zelle wird aber in den Darstellungen der keimenden Sporen von L. inundatum durch de Bary und Beck und von L. cernuum, auch L. salakense «durch Treub nicht angegeben, da sie leicht übersehen werden konnte, sicher aber bei jeder keimenden Sporenart «dieser Gattung vorkommt. Die bei unseren keimenden Sporen aus den Exosporenspalten hervorgewölbte Sporenzelle zeigt sich arm an plasmatischem Inhalt. Sie enthält eine geringe Anzalıl kleiner, auch einige größere Körnchen. die sich als Stärke, Eiweiß und Ölkörper ausweisen. Die zweite Teilung (an anderen Arten bisher als erste angesehen) erfolgt gleich nach dem Aufbrechen der Sporenschale durch eine Ebene, die in der Richtung der Sporenachse vom Scheitel bis zur Sporenbasis führt (1 in Fig. 1 u. 2). Diese Wand, welche die Sporenzelle in zwei Ialbkugeln zerlegt, kehrt stets die eine Fläche der kleinen, linsenför- migen Zelle zu. Die Halbkugel dieser Seite liegt in jedem Falle unter dem Schalenspalte der Linsenzelle, sie teilt sich nicht weiter und wird einschließlich der Linsenzelle zur Basalzelle des Prothalliums (2 in Fig. 1 u. 2). Die Zelle der anderen Seite liegt unter zwei Sporen- spalten und ist die Scheitelzelle des jungen Vorkeims (s in Fig. 1 u. 2). Bei den vielen keimenden Sporen dieser beiden Arten, die ich unter- suchte, fand ich keine Verschiedenheit in dieser ersten Teilungsweise. Bei diesen beiden Arten wird also nicht der Scheitel der Spore, son- (dern eine unter zwei Spalten der Exine liegende Seite der Sporenzelle zur Scheitelzelle des Prothalliuns. Anders melden es die Keimes- geschichten von L. inundatum, L. cernuum und L. salakense, bei welchen einmal die „erste* Scheidewand in veränderlieher Richtung zur Sporen- !) Bruchmann, Das Prothallium von Lyeopodium eomplanatum. Bot. Ztg. 1908, p. 170, Fig. 2. 2) Belajeff, Über die männlichen Prothallien der Wasserfarne. Bot. Zte. ISOS, par. THE. Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 9231 achse auftreten kann (bei L. salakense sogar senkrecht zu ihr) und dann auch der Scheitel der Sporenzelle Scheitel des Prothalliums wird. Die halbkugelförmige Scheitelzelle teilt sich sehr bald durch eine vom Grunde der Spore her schief zur zweiten Teilungswand geneigte Wand, die dritte in der Entwicklung (Fig. 12 und 22), und die so abgeteilte, keilförmige Gliederzelle wird darauf durch eine zu ihrer Außenfläche parallele Wand in zwei ungleiche Zellen, in eine achsile und eine peripherische zerlegt (Fig. 1C u. 2C). Nur in einzelnen Fällen sah ich, daß bei beiden Arten die keilförmige Gliederzelle durch eine vom Scheitel der Spore her führende Wand, also aus entgegen- gesetzter Richtung, der Scheitelzelle abgeschnitten wurde. Nach solcher Entwicklungshöhe eines kugeligen Zellkörpers von fünf Zellen, nämlich der Basalzelle mit linsenförmiger Zelle, des in zwei Zellen zerlegten keilförmigen Segmentes und der Scheitelzelle. tritt bei beiden Arten übereinstimmend ein Ruhezustand in der Ent- wicklung des jungen Prothalliums ein, der über 1 Jahr dauern kann. Das Prothallium hat aber eine Vorstufe der Entwicklung voll- ständig selbständig vollbracht. Sowohl die Keimung der Spore als auch die erste Entwicklung ist ohne Beihilfe eines Pilzes vor sich gegangen. Das vollständige Fehlen der Chloroplasten in unseren jugen(d- lichen Prothallien ist ja selbstverständlich, da ihre Entwicklung voll- ständig unterirdisch vor sich ging; allein, wenn ich solche Formen auch dem Lichte aussetzte, wurde Chlorophyll dennoch nicht erzeugt. Die ganze Entwicklung verlief vielleicht nur auf Kosten vorhandener spär- licher Reservestoffe. Denn eine Absorption von Humusstoffen schien mir deswegen nicht vor sich zu gehen, da der Zelleninhalt immer ärmlich war. Die ersten Keimungszustände der Sporen von L. Selago. Bei der Keimung dieser Tüpfelsporen beginnt der hyaline Inhalt, wie auch der homogene, stark lichtbrechende Kern, kernige Struktur anzunehmen. Bevor noch das Exosporium gesprengt wird, gliedert sich in einer Sporenecke, also am (irunde einer der «rei Sporennähte. lie schon an den anderen Arten hervorgehobene kleine unscheinbare Zelle ab (r in Fig. 3A), welche wir als erste, aber rudimentäre Rhizoid- zelle dieser Prothallien deuten. Nach «dem Aufbrechen der Sporen- schale wird hier die linsenförmige Zelle deutlicher als bei den anderen beiden Arten. Doch verschwinden auch hier Zellkern und Zellinhalt meistens bald, und ihre Membran erscheint später schwach getüpfelt win Fig. 3A1—7). Flora, Bd. 101. I6 239 HM. Bruchmann, Die Sporenschale der keimenden Spore reißt an ihren drei Nähten auf (Fig. 32), und das heraustretende Sporeninnere quillt konisch ab- gerundet. hervor, also nicht kugelförmig, wie hei den behandelten beiden Arten (Fig. 3 C— 7), die Sporenzelle erscheint arm an Inhalt. Die zweite Teilungswand (erste Hauptwand) hat auch hier eine bestimmte Richtung, «die aber stets schief zur Sporenachse gestellt wird (Fig. 3C u. 7) und dabei die eine Seite der linsenförmigen Zelle zukehrt, nach der sie die Basalzelle des Prothalliums abgliedert (6 in Fig. 32 u. 7). Die basale Zelle dieses Prothalliums nimmt also mehr von dem basalen Teile der Spore in sich auf als bei den beiden anderen Arten. Auch wird hier «der ganze Scheiteltel der Spore zur Scheitelzelle des Prothalliums gewonnen (s in Fig. 32). So- mit werden schon beim Beginne der Entwicklung durch die Richtung der ersten Hauptwand die beiden Prothalliumtypen unterschieden. Die folgende Wand, welche von («er Scheitelzelle die erste keilförmige Gliederzelle abson- dert, erscheint von der Spore aus schief zur jüngsten Wand gestellt (Fig. 3%) Der Abson- derung (dieser Zelle folgt auclı bald ihre Zerlegung in die halb- Fig. 3. Keimende Sporen von L. Selagn. ringförmige peripherische unıd „und R frühe Keimungsstadien. C und £ (lie achsile Zelle (Fig. 3 7), und weitere Entwieklungsstadien, D und 7 die . . . . , letzteren im optischen Durchschnitt gesehen. hierauf tritt ein Stillstand in In allen Abbildungen bezeichnet r die linsen- (ler Weiterentwicklung ein. förmige Zelle, ö die Basalzelle, s$ die Sporen- schale und s die Scheitelzelle des jungen Somit haben wir auch hier Prothalliums. Vergr. 580. . Eu: . . in selbständiger Entwicklung ei- förmige, fünfzellige Prothallien erhalten. welche etwa 2 Jalıre früher als die kugelförmigen von I. elavatum und L. annotinum, aber auch ohne Beihilfe eines Pilzes solche Entwieklungshöhe erreichten. . Die Keimung der Sporen und die Entwieklung der Prothallien usw. 9353 Weitere Kulturen der jungen Prothallien. Da ich bei der Kontrolle meiner Sporenaussaaten («diese zunächst nicht über die Entwicklung der oben beschriebenen fünfzelligen Pro- thallien hinauskommen sah, versuchte ich solehe Keimlinge durch eine Kultur im Zimmer zu fördern. Ich säte keimende Sporen aus, welche mir immer aus meinen Waldaussaaten in reicher Anzahl die leicht auffind- baren nierenförmigen Sporangien lieferten, sofern ich seinerzeit Ähren- stücke in den Boden eingebettet hatte. Die keimenden Sporen aus den Sporangien unserer drei Arten breitete ich auf gut ausgekochte Torfstücke aus. tränkte (diese Aus- saaten mit Nährlösung und kultivierte sie unter Glasglocken teils in diffusem Lichte, teils ganz dunkel. Gegen 2 Jahre erhielten sich solche Kulturen. In keinem Falle aber brachte ich die jungen fünfzelligen Prothallien auf höhere Entwicklung. Sie blieben chlorophylllos. erhielten sich über 1 Jahr in gleicher Form und starben dann ab. Noch un- geöffnete keimfähige Sporen von demselben Alter keimten in solehen Kulturen und gingen auch nur die bekannten wenigen Teilungen ein. Somit erfuhr ich, daß unsere Prothallien einer selbständigen Ent- wicklung nur bis zu einem Jugendstadium, das ist zur Höhe eines fünfzelligen Körpers fähig sind und über diese Stufe weder «dureh eigene Assimilation noch durch eine selbständige saprophytische Lebens- weise hinauskommen. Von hier ab bedürfen sie zur Weiterentwieklung ıler Beihilfe eines Pilzes. Auf eine Infektion durch ihren Pilzgenossen können sie aber längere Zeit, sogar über I Jahr, in gesundem Zu- stande warten. Hätte ich diesen jungen Keimlingen in solcher Entwicklung zu einer Vereinigung mit ihrem Symbionten in der Weise verhelfen können, wie es uns zuerst die Experimente Bernard's für die Sämlinge von Orchideen gezeigt haben !), so dürfte eine künstliche Weiterentwicklung unserer Prothallien sicher erzielt worden sein. Ich versuchte auch. um eine Infektion dieser Jugendstadien zu erreichen, sie mit älteren Prothallien zusammen zu kultivieren. Leider verhinderte ein Vertrocknen ılieser Kultur den Erfolg. Für eine Reinkultur des FEndophyten vom Prothallium des L. clavatum gab ich ältere Formen dieser Art an Burgeff ab?) Leider wurden dessen Versuche nicht mit Erfolg gekrönt. Auch frische Sporen 1) Bernard. Noöl, Le champignon endophyte des Orchidees. 1904. Auch weitere Publikationen desselben Antors von 1905, 1906. 1908 1.1909. 2) Burgeff. Die Wurzelpilze der Orchideen, Jena 1900. pag. 164. 16” 234 IM. Bruchmann, dieser Art kultivierte ich. behufs einer Anregung zur schnelleren Keimung, längere Zeit mit älteren Prothallien, jedoch ohne Erfolg zu- sammen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie einzellige Sporen, wenn sie vom Pilze infiziert worden sind, keimen können. Wie aus einer Anzahl Beobachtungen an vom Pilze infizierter Zellen hervorgeht, können solche sich wohl noch vergrößern, aber keine Teilungen mehr eingehen. Demnach müßte ja jede unserer einzelligen Sporen, auch wenn sie von dem befreundeten Pilzgenossen befallen wird, absterben. Bei den Kontrollen meiner Aussaaten habe ich auch des öfteren von Pilzen befallene und abgestorbene Sporen angetroffen. Wie nun aus «dem Vorstehenden hervorgeht, konnte ich dem natürlichen Verlaufe der Entwicklung dieser Prothallien nicht vorgreifen, sondern mußte abwarten, was das Schicksal im Schoße des Waldbodens weiter über meine Sporenaussaaten verfügte. Eine Anzahl (derselben und selbst solche, welche ich an Fundstellen von Prothallien angelegt hatte. brachten selbst nach 15 und mehr Jahren keine Resultate. Eine mikroskopische Prüfung von solchen Bodenproben zeigte vielfach ge- öffnete, aber leere Sporenschalen. Die Sporen waren also nach ihrer Keimung abgestorben. weil ihnen ihr symbiotischer Pilz zur weiteren Entwicklung gefehlt hatte. Vielleicht darf man aus solcher Erfahrung schließen, daß die für die Entwicklung von Lyeopodiumprothallien nötigen Pilze im Waldboden nicht überall gegenwärtig sind, selbst da auch wieder verschwinden können. wo sie schon einmal waren. Ob vielleicht der Boden von ihnen ausgebraucht werden kann, oder auch ihre spezifischen toxischen Ausscheidungen ihr weiteres Wachstum auf Jahre hemmen können, wird man wissen. wenn man diese Pilze genauer kennt. Von einigen meiner Waldkulturen gewann ich geschlechtsreife Prothallien, auch solche mit Keimpflanzen. Von L. clavatum und L. annotinum zuerst von Aussaaten, die ich im Jahre 1894 angelegt hatte, welche dann 1900 die Anfangsstadien der Sporenkeimung zeigten und 1906 junge, geschlechtsreife Prothallien ergaben. Auch weitere Aus- saaten der Sporen (ieser Arten bestätigten mir, daß ich auf ihre ersten Keimungsstadien 6 Jahre und auf eine Entwicklung bis zu Jungen, ge- sehlechtsreifen Prothallien weitere 5—6 Jahre warten müsse Und vergleicht man noch «diese kleinen Prothallien dieser Art (Fig. 15 u. 16) mit den größeren Formen meiner Prothallienfunde (Fig. 17 u. 18), so wird man letztere vielleicht noch 6--10 Jahre älter schätzen dürfen. Die Sporen von L. Selago keimen nicht nur früher, wie die vor- genannten Arten, auch ihre Prothallien entwickeln sich in kürzerer Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 935 Zeit. Eine erste erfolgreiche Aussaat vom Jahre 1000 hatte schon 1906 auf vollkommen entwickelte Prothallien mit zwei- und dreiblätterigen Keimpflanzen geführt. Jugendliche Entwicklungsstadien der Prothallien dieser drei in Frage stehenden Arten las ich mit einiger Mühe aus jüngeren Aus- saaten heraus; so wurde es mir möglich, ihre Entwicklung zu ver- folgen. Bemerken will ich hier noch folgendes. Bei meinen Topf- kulturen machte ich die Beobachtung, daß «die beste Tintwicklung der Prothallien immer an der Peripherie des Topfballens stattfand. Im Inneren desselben blieben sie mehr und mehr zurück und fehlten in der Mitte ganz. Auch zeigte sich an der Peripherie (des Frdballens sowie an den Wänden der Blumentöpfe eine starke Myzelentwicklung von vielleicht befreundeten Pilzen. Das Bedürfnis nach atmosphärischer Luft oder speziell nach dem Sauerstoff derselben. welches diese (ie- wächse, wie auch alle Saprophıyten in hohem Grade haben, dürfte diese Erscheinung hervorrufen. Weitere Entwicklung der Prothallien des Typus L. clavatum. Schon früher habe ich die Prothallien von L. clavatum und L. annotinum nach Form und Bau übereinstimmend gefunden und «aher zu einem Typus, zu dem von L. clavatum zusammengefaßt. Auch die Entwicklung dieser Gebilde ist bei beiden Arten die gleiche. weshalb sie auch hier nicht getrennt aufzuführen sind. Im Laufe der Entwicklung wechseln diese Prothallien dreimal ihre Wachstumsweise. Daher kann man an ihrem Aufbau ganz ungezwungen drei Entwicklungsstufen untergeheiden. Die erste selbständige Entwicklung zu einem fünfzelligen Prothallium war nur eine Vorstufe oder eine Ein- leitung zu einer bis an das Lebensende unselbständigen, nämlich zu einer mit einem Pilzgenossen im harmonischen Bunde stehenden Entwicklung. Erste Entwicklungsstufe. Ein Fadenpilz mit unseptierten Hyphen, welcher ein unserem jungen Prothallium benachbartes Humnsteilchen ausbeutet, sendet eine einzelne Hyphe, welche vielleicht chemotropisch durch osmotische Stoffe vom Prothallium angelockt war, demselben zur Infektion zu. Oder ein an einem solehen Prothallium vorbeiwachsendes Myzel zweigt einen einzelnen Faden zum Eintritt in dasselbe ab. Nie befällt der Pilz die Scheitel- zelle, meist zuerst die Basalzelle, aber auch durch die äußere Zelle des ersten keilföürmigen Segmentes nimmt er seinen Eingang in das Pro- thallium (Fig. 4—7). Er rüttelt es aus dem Ruhezustand auf und be- dingt seine dauernde Entwicklung. 256 H. Bruchmann. Schon in der Eintrittszelle, welche also «lie älteste Pilzzelle des Prothalliums wird. beginnt sogleich die Deformierung der Hyphe. Sie wächst zu sehr feinen, vielfach verzweigten Fäden aus, die den sich vergrößernden Zellkern knäuelartig umspinnen, ohne der Zelle Schaden zuzufügen. Schon die Ausbreitung des Pilzes in der ersten Zelle er- weist sich sogleich für die Weiterentwicklung des Prothalliums förder- lich. Die vorhandenen Zellen vergrößern sich und die Scheitelzelle findet zu weiteren Teilungen Anregung. Sie gliedert zunächst durch eine schiefe Wand ein zweites keilförmiges Segment von der dem ersten entgegengesetzten Seite ab, welches sich auch durch eine Wand parallel zur äußeren Fläche in zwei Zellen, in eine äußere und eine innere zerlegt (Fig. 4). Während nun der Endophyt von der Basis des Pro- Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 1—7. Junge, von einem Pilze infizierte Entwicklungsstadien der Prothallien von 1. clavatum (4 u. 6) und L. annotinum (5 u. 7) im achsilen Längsschnitt. In diesen Figuren bezeichnet » die linsenförmige Zelle, > die basale Zelle, s die Scheitelzelle, sö die Sporenschale und 5 den Pilzgenossen. Vergr. 470. thalliums her sich ausbreitet, schneidet die Scheitelzelle in weiterer Folge. wie sie begonnen, durch abwechselnd nach den Seiten geneigte Wände mehrere keilförmige Segmente ab (Fig. 5 u. 6). Auch teilen sich (liese in der schon angeführten Weise in äußere und innere Zellen, welche auch noch weitere Teilungen erleiden können (Fig. 4—7). Mithin entsteht zunächst auch hier bei beiden Arten aus (dem Wachstun mit der Scheitelzelle ein eiförmiger Zellkörper in ganz der- selben Weise, wie er uns von de Bary zuerst für das Anfangsstadium ddes Prothalliums von L. inundatum festgestellt wurde und durch Beck Bestätigung fand, ferner auch durch Treub an L. cernuum und L. salakense hervorgehoben wurde. Die vorliegenden Zeichnungen der ersten Entwicklungsperiode dieser Prothallien sind, abgesehen von der Richtung der ersten Hauptteilung in der Spore, ganz übereinstim- mend. Auch Beck's unveröffentlichte Zeichnungen über die Zustände ıles Prothalliums von L. inundatum, welche er mir gütigst zur Einsicht übergab. unterschieden sich nicht von denen de Bary’'s. Ferner läßt =] Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 93 noch «lie Anordnung der Zellen in dem Bau der Spitze des Prothalliuns von L. complanatum einen gleichen ersten Entwieklungsverlauf erkennen. Man darf daher wohl annehmen, daß die erste Entwicklungsstufe, deren Aufbau (durch eine zweischneidige Scheitelzelle vor sich geht, bei allen Prothallien-Arten von Lycopodium übereinstimmend angetroffen werden wird. In der Anzahl der Segmente, welche die Scheitelzelle abgibt, bevor für sie eine andere Wachstumsweise eintritt, dürften wohl die einzelnen Arten, wie auch die Individuen sich nur unwesentlich unter- scheiden. Bei L. inundatum sind vier solcher Teilungen der Scheitel- zelle durch abwechselnd geneigte Wände beobachtet, bei L. cernuum etwa drei bis vier, bei L. salakense desgleichen. Bei L. clavatum und L. annotinum aber bringt es die Scheitelzelle auf etwa fünf bis sieben Segmente, bevor sie für ein anderes Scheitelwachstum zerteilt wird (Fig. 7). Bei letzteren wird auch (diese erste Entwicklungsstufe zum größeren Teile in Abhängigkeit von einem Pilze gewonnen, was andere Arten selbständig vollbringen. Der Endophyt in der ersten Entwieklungsstufe. Bei vielen Orchideen tritt der Pilz in den Zellen deutlich in zweierlei Formen auf. W,. Magnust), der solche differenzierte Verpilzung zuerst an Neottia Nidus avis beobachtete, unterschied Zellen mit degenerierten Pilzhyphen: „Verdauungszellen“ von solchen mit nicht degenerierten Hyphen: „Wirtzellen“. Darauf sind auch noch die „Einlaßzellen“ mit ihren den Pilz anlockenden Eigenschaften bekannt geworden (.cellules de passage“ nach Janse?). Eine solehe Differenzierung ist in der Verpilzung unserer Prothallien nicht nachzuweisen. Beide Arten be- wohnt der gleiche Pilz, der hier Typuspilz ist, für welchen keine be- sonderen Einlab- und Wirtzellen eingerichtet werden. Der aus dem Substrat kommende Pilzfaden füllt sogleich «lie Eintritts- sowie jeie weitere Zelle mit gleichen, feinen und dichten Knäneln an (Fig. 4—7). Die Kerne der befallenen Zellen vergrößern sich zwar etwas, erleiden aber sonst keine Veränderung. Auch die Knäuel in den Zellen werden nicht vollständig verdaut, so daß noch «die ältesten Pilzzellen von aus- gewachsenen Prothallien ‚gesund und Anilinfarben gut speichern an- getroffen werden. Diese Knäuelzellen entsprechen wohl den „Ver- dauungszellen“ der Orchideen. Es bleibt aber bei ihnen eine vollständige Verdauung und eine Bildung von „Pilzklumpen* aus. Die Pilzzellen 1) W. Magnus, Studien an der endotrophen Myeorrliza von Neottia Nidus Jahrbücher für wissenschaftl. Botanik, Bd. XXXV, Heft 2. 2) Janse, Les endophytes radicaux de (uelyues plantes javanaises. Ann. Jard. Bot. Buitenzorg, XIV, pag. 43. avis L. 238 H, Bruchmann, unserer Protliallien töten den eingeschlossenen Pilz nicht, sondern er- halten ilm für ihre Lebenszeit ausnutzbar. Der Nutzen, den der eben in die jungen Prothallien eingetretene Pilz bringt, wird an der auffallenden Vermehrung von Stickstoff- verbindungen, namentlich aber von Kohlenhydraten in Form von Stärke bemerkbar. Schon wenn der Pilzgenosse nur erst ein oder zwei Zellen les jungen Gamophyten bezog, wird sehon mit einer Speicherung solcher Stoffe ein Anfang gemacht (Fig. 4—#). Die Verteilung der Endophyten ist schon in dem jungen Pro- thallium einer strengen Ordnung ohne Ausnahme unterworfen. Der Pilz verbreitet sich von seiner Eintrittsstelle aus nur über die scheitel- fernen peripherischen Zellen und meidet stets alle zentralen, auch schon die erste der Basalzelle angrenzende dieser Art (Fig. 4-7). Es müssen die Zellen somit die Macht besitzen, den Pilz in seinem Wachsen viel- leicht durch anlockende oder abweisende Inhaltsstoffe zu beherrschen. So formiert denn der Endophyt in unserem eiförmigen Prothallium mit seinen dichten Myzelknäueln in den peripherischen Zellen einen Pilz- hbecher um die zentralen (Fig. 7), und solch ein ganzsaprophytischer Ptlanzenkörper stellt eine der denkbar einfachsten Formen von Symbiose dar. von welchem wir genau wissen, daß er nur durch Anregung und unter Mithilfe des Pilzgenossen wachsen kann. Den morphologischen Aufbau dieser ersten Entwicklungsstufe des Gamophyten beeinflußt der Piz nicht, denn dieser wurde selbständig ohne Pilz begonnen und mit ihm so, wie bei anderen ohne Pilz wach- senden Arten weiter geführt. Die Einwirkung des Endophyten hat hier lediglich physiologische Bedeutung und bezieht sich auf die Nutzbar- machung der Humusstoffe des umschließenden Bodens. In welcher Weise dies hier und bei anderen Ganzsaprophyten geschieht, harrt noch der experimentellen Darlegung. Hypothesen sind hierüber schon mehr- fach aufgestellt. Was ich für die Symbiose des Prothalliums von Lycopodium schon früher bemerkte), kann auch für solche von der Ausbildung ıter Fig. 7 gelten. Der ununterbrochene Pilzmantel befindet sich in (den peripherischen Zellschichten, also in solchen, welchen die Aufnahme der Nährstoffe zukommt. Aus der erfolgreichen Gewinnung und Speicherung soleher Baustoffe in den inneren Zellen ist zu erkennen, daß die Gegenwart des Pilzes solche Tätigkeit begünstigt. Es stellt ıler pilzbeherbergende Mantel unserer Prothallien eine Verdauungsschicht I) a. a. 0. pag. 26, % Die Keimung der Sporen und die Entwieklung der Prothallien usw. 250 « vor, welche die von außen eintretenden Humusstoffe zu passieren haben. um hier in brauchbare Bildungsstoffe Umsetzung und im Inneren Speicherung zu finden. Eine gleiche Hypothese hat auch Magnus bei seinen Studien an der Neottia Nidus avis gewonnen. Die in den zen- tralen Zellen gespeicherten Stoffe dürfen sicher vom Plasma dem Myzelmantel entnommen werden, und sie können hier immer aufs nene Ergänzung finden. Wie dies geschieht, ist nieht klar, entweder durch die Pilzverbindung mit dem Humusmyzel oder durch die ganze Ober- fläche (des Prothalliums, vielleicht sind auch beide Zufuhrwege im Gebrauch. Das Myzel unserer Prothallien hat während der ersten TEnt- wieklungsperiode nur durch die eine Eintrittshyphe Verbindung mit dem Substrat, auch in der Form von Fig. 8 mit nicht mehreren. Ob (diese einzelne Kommunikationszuleitung zunächst genügen mag, wenn man sich noch vergegenwärtigt, daß solche Entwicklungsstufe sehr langsam erzielt wird, und vielleicht eine ganze Vegetationsperiode in Anspruch nimmt? Vielleicht aber dürfte auch von dem Endophyten der Erwerb von brauchbaren organischen Stoffen durch osmotische Energie und enzymatische Ausscheidungen nach außen vor sich gehen. Ich verweise noch auf die neueren Auffassungen der Orchideensymbiose von Bernard und Burgeff. Zweite Entwicklungsstufe. Nachdem die Scheitelzelle unserer Prothallien eine seringe An- zahl Segmente abgegeben hat, wird sie antiklin in mehrere Zellen zer- Fig. 8. Fie. 9. Fig. 8. ‚Junges Prothalliun von L. annotinım mit imeristematischem ‚Scheitel- wachstum im Längsschnitt gesehen. 5? Sporenschale, » Iinsenförmige Zelle und > der Pilzgenosse. Vergr. 216. Fig. 9. Junges Prothallium von IL. elavatum in Oberflächenansicht mit den ersten Rhizoiden. s£ Sporenschale. Vergr. 160. 240 H. Bruchmann. legt (Fig. 7), wodurch die zweite Form des Scheitelwachstums eingeleitet wird. Diese ist ein Wachstum «durch ein Scheitelmeristem mit Initialen (Fig. 8). ähnlich dem Scheitelwachstum der Sporenpflanze. Bei dieser Wachstumsweise verbreitert sich der Scheitel, und das Prothallium geht nunmehr von einem eiförmigen Zellkörper in einen birnförmigen über. Die innere Differenzierung bleibt zunächst noch die vorige, nur die Rindenzellen vermehren sich (Fig. 8). und dann wachsen auch bald aus ler Oberflächenschicht die ersten Rhizoide aus (Fig. 9). Letztere ent- stehen aus den Meristemzellen der Epidermis, bevor noch der Pilz in diese Zone gelangt, und werden nur in mäßiger Anzahl entwickelt, können aber dafür in großer, den Durchmesser des Prothalliums mehrere Male übertreffender Länge in das Substrat auswachsen. Solange die Rhizoide jung sind, bleibt ihnen der Pilz fern, später aber nimmt er durch einige von ihnen gern seinen Aus- und Eingang. Die erste jugendliche Prothalliumform macht später an älteren, vollständig erhaltenen die nach abwärts gerichtete Spitze eines Kegels aus (2. B. Fig. 12 u. 14). ,„Tubercule primaire* nennt Treub den ältesten Teil seiner Prothallien, welche Bezeichnung aber für unsere Formen, die immer in einer „Spitze“ auslaufen, nicht zutrifft. Schon früher habe ich von solchen Spitzen unserer einheimischen Prothallien von Iycopodium-Arten hervorgehoben, daß sie vielfach gekrümmt, ja manchmal hakig gebogen vorkommen. Die Verfolgung ihrer Entwick- lung erklärt diese Erscheinung durch eine Einwirkung des Geotropismus in der zweiten Entwicklungsperiode. Von der keimenden Spore aus, gleichviel in welcher Lage sie sich befindet, wächst das junge Prothallium zunächst der Richtung seiner Scheitelzelle nach, was nach allen Raumrichtungen geschehen kann. (ribt aber das Prothallium sein Wachstum mit der Scheitelzelle auf, und tritt ein Scheitelmeristem an deren Stelle, so wird nunmehr von hier ab seine Wachstumsrichtung dem negativen Geotropismus unter- worfen. Das Prothallium lenkt allmählich in die aufrechte Richtung ein und beharrt in ihr. So entsteht dann je nach der anfänglichen Abweichung von solcher Richtung an dem primären Teile eine mehr oıler weniger gekrümmte Spitze. Ich bemerke noch, daß auch Treub bei der Kultur der Prothallien von L. cernuum nach der Entwicklung ihrer „ersten Phase“ einen ziemlich ausgesprochenen negativen Geo- tropismus bei dem Weiterwachsen eintreten sah). Anfänglich läßt das Prothallium nur zwei auseinander zu haltende (ewebeschichten. die peripherische und die zentrale, unterscheiden, was 1) a. a. 0. pag. 119, AV Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 24] auch ein Querschnitt durch die Spitze einer älteren Form zeigt (Fig. 11). In dieser zweiten Entwicklungsperiode aber kommt noch eine dritte (sewebeschicht dazu, welche zwischen der Rinde uud dem zentralen oder Speichergewebe eingeschoben erscheint, und von mir schon früher als „Palisadenschicht“ hervorgehoben wurde. Die Zellen derselben werden mit ihrer Längsrichtung senkrecht zur Oberfläche des Pro- thalliums gestellt (Fig. 10, 12 u. 14) und lassen dadurch ihre Aufgabe, dem Zellkörper gegen seitlichen Druck Festigkeit zu verleihen. er- kennen. Diese einzellige Schicht erreicht hier aber nur bescheidene Ausbildung, und es bleiben ihre Zellen in der Länge weit hinter denen Fig. 11. Fig. 11. Querschnitt dureh den spitzen, d. i. ältesten Teil eines Prothalliums von L. annotinum. ca Intrazellularer Endophyt der äußeren Zellreihen, «7 interzellularer Endophyt des zentralen Gewebes und 7% Rhizoid mit ausstrah- lenden Pilzhyphen. Verer. 180. Fig. 10. Junges Prothallinın von L. clavatum im imedianen Längsschnitt mit meristematischem Scheitelwachs- Fig. 10. tum 07). 5 Basale Zelle, Verer 108. ler Palisadenschicht des Prothalliums von L. complanatum zurück. Auch beherbergt sie den Pilz, wie «die Rindenzellen. nämlich intra- zellulär, während die gleichnamige Schicht bei L. complanatum als Stoffspeicher dient und den Endophyten interzellulär führt. Man kann die Differenzierung dieser Schicht bis in das Scheitelmeristem hinauf verfolgen und finden, daß der Pilz schon recht früh in ihr Wohnung nimmt. Auch das Scheitelwachstum zeigt noch amı Ende dieser Entwick- lungsstufe eine bemerkenswerte Änderung in seinem Meristemwachstum. Es begann mit einem großzelligen, ungeschichteten Scheitelmeristem (Fig. 8) und führt bei zunehmender Größe des Prothalliums auf ein geschichtetes, kleinzelliges (Fig. 10), mit dem es gewiß dem ansehnlichen 242 H. Bruchmann, Pflanzenkörper vorteilhafter im Frdreich vorzudringen und Raum zu gewinnen möglich wird. Man erkennt an dem birmmförmigen, noch ganz vegetativen, radiär gebauten Zellkörper, wie ihn «die Fig. 10 im Längs- sehnitt zeigt. einen Vegetationspunkt, dessen äußere Zellreihen sich meistens antiklin teilen und seitlich zur Erzeugung mehrerer Rinden- schichten auch periklin. Unterhall des in Zellreihen formierten Scheitel- meristems findet sich am Gipfel des zentralen Gewebes ein nicht auf- gereihtes und in Allwärtsteilung stehendes Meristem, von welchem die zentralen und Palisadenzellen abstanımen. Der Endophyt in der zweiten Entwicklungsstufe. Die Wohnungsordnung des Pilzes in dieser Entwicklungsphase ist «durch Fig. 10 gezeigt. Der Pilz füllt mit seinem feinen und gleichen Knänuel- myzel Zelle für Zelle der Rindenschichten, einschließlich der epiderni- dalen Zellen, aus. Im oberen Teile erst beginnt er die Epidermis zu meiden. Nach dem Inneren Jdes Prothalliums hin schließt seine intra- zelluläre Wohnungsweise mit «den Palisadenzellen scharf ab. In der Speicherschicht, welche bei solcher Entwicklungshöhe den zentralen Körperteil ausmacht, beginnt sich der Pilz interzellular einzurichten, was an den ältesten zentralen Zellen am besten bemerkt wird. Ilier breitet er sich zwischen den Zellwänden zuweilen so aus, daß er sie aus ihrer Ordnung verdrängt (Fig. 11). Die gleiche Beobachtung hat auch Treub an dem primären Teile des Prothalliums von L. cernuum hervorgehoben. Auch die Speicherschicht des Prothalliums von L. com- planatum beherbergt zwischen den Zellen einen Pilz. So bewohnt also der Pilz in zwei verschiedenen, scharf gesonderten Behausungsformen das ganze junge Prothallium und folgt dem fort- wachsenden Meristem in gemessener Entfernung. Aus den frisch in- fizierten Zellen verschwindet alsbaltl ihr körniger Inhalt, namentlich die Stärke, und die befallene Zelle verliert ihre Teilungsfähigkeit. Während wir am Beginn dieser Entwicklungsstufe nur eine einzige Kommunikation des Endophyten mit dem Substrate kannten (Fig. 8), entstehen im weiteren Wachstum nach der Eintwicklung von Rhizoiden deren mehrere. Durch einige Rhizoide entsendet er Hyphen in den Humus, welche diese meist ihrer ganzen Länge nach durchziehen. Aber solche Pilzausstrahlungen sind nur spärliche und unregelmäßige Verbindungen des Endophyten nach außen, welche nur, wenn man an die sehr langsame Entwicklung des Prothallinms denkt, für eine Nahrungs- aufnahme in Frage kommen könnten. Gewiß aber sind die langen Rhizoide von dem Prothallium nicht zwecklos angelegt und dürften hier in erster Reihe für die Nahrungszufuhr in Betracht kommen. Bei Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 943 den ganz jungen, noch rhizoidlosen Formen waren die ihnen unmittel- bar angrenzenden Humusstoffe für ihre Ernährung ausreichend. Die größeren Prothallien aber senden für eine Ausbeutung auch entfernter Bodengebiete Rhizoide aus. Und der Erfolg der Bemühung um die Humusschätze findet durch eine sehr reiche Speicherung von Baustoffen in der zentralen Zellschicht deutlichen Ausdruck. Da nun dieser Speicher von dem (dichten Pilzmantel des Endephyten, durch welchen die wert- vollen Baustoffe ihren Eingang nehmen müssen, eng umschlossen wird, so kann dieser Endophyt ohne physiologische Mitarbeit an der (ie- winnung der Speicherstoffe nicht gedacht werden. So hat denn unser Prothallium in seiner fortschreitenden Entwick- lung und dem Wechsel (des Scheitelwachstums einen soliden ratliären Grundbau mit einer für solche Pflanzen ungewöhnlichen Gewebelliffe- renzierung und starker Speicherung von Baustoffen aufgeführt in Lebens- gemeinschaft mit einem Endophyten, der einen geordneten Wolnsitz in ihm einnimmt (Fig. 10). Dritte Entwicklungsstufe. Nachdem das Prothallium in einer Anzahl von Jahren seinen Grundbau vollendet hat, tritt es in seine letzte Entwicklungsperiode, in welcher es endlich blüht, also Antheridien und Archegonien ent- wickelt, auch Embryonen und Keimpflanzen erzieht, und wieder kann es eine Reihe von Jahren in solchem blühfähigen Zustand beharren. Auch diese Entwicklungsstufe wird durch eine neue Wachstumsweise, nämlich durch ein meristematisches Randwachstum mit «dorsiventraler (iewebeflächenausbildung charakterisiert. Figur 12 stellt ein Prothallium dar, das «den Übergang zwischen einer ganz vegetativen Form mit meristematischem Scheitelwachstum (Fig. 10) und einer blühfähigen mit ausgesprochenem Randwachstun (Fig. 14) bildet. Der Übergang in die blühfähige Gestalt wird am Umbau des Scheitels bemerkbar; derselbe verbreitert sich allmählich, und der birnförmige Zellkörper wird in eine Kegelform übergeführt. Die Meristemzellen der Scheitelmitte verlieren ihre ergiebige Teilungs- weise und hören auf, ein vegetatives Meristem zu sein, um, wie sich später zeigt, den Charakter eines generativen zu erhalten. Sie werden großzellig, teilen sich seltener, sind aber, namentlich in der äußeren Schicht. plasmareich. Der vegetative Bildungsherd weicht allmählich von der Scheitelmitte und drängt ringsum zentrifugal nach außen, und das Prothalliun wächst in einem Ringwall mit bilateralem Randwachs- tum, welches ich schon früher an größeren Formen beschrieh. 244 H. Bruchmann. Es wird auf der verbreiteten und nach oben gerichteten Prothal- linmfläche ein Blütenboden gewonnen, und zugleich in der Prothallium- achse zwisehen der trichterförmig ausweichenden Speichersehicht in konischer Form ein neues zentrales Gewebe eingebaut (ein Zentral- gewebe der Blütenform). welches an seiner tiefsten Stelle mit wenig Zellen der ursprünglich zentralen Speicherschicht aufgestellt ist. aufwärts gr STINE ET ORT mM = N og: ES = R ) iS 3 = N Fig. 12 u. 19. I. clavatunı. ; Fig. 12. Medianer Längsschnitt ; 22 durch ein in den blühfähigen Zu- SS stand übergehendes Prothallium. ” % Die basale Zelle, »7 das Rand- und g77 das generative Meristem. = _ Fig. 13. Eine frühe Antheridien- entwicklung, wie sie öfter auf solehen noch unreifen Prothallien in der Form der Pig. 12 empor- getrieben wird. Verer. 108. Fig. 12. mit «der Verbreiterung des Prothalliums Schritt hält und allseitig vom Randmeristem her mit dem peripherischen generativen (rewebe zugleich ergänzt wird. Dieses für das blühfähige Prothallium neue zentrale tiewebe hat zumeist weitere. auch längere Zellen wie die anderen Ge- webe. erscheint arm an Inhalt und ganz pilzfrei. Es dürfte der genera- tiven Fläche, also dem Blütenboden, zur Leitung von Stoffen dienen, welche aus der angrenzenden Speichersehicht gelöst und in der Lei- tungsschieht aufwärts dem generativen Meristem zugeführt werden. Zuweilen beginnen schon bei solchen Entwicklungsformen, die eben (len Blütenboden (differenzieren (Fig. 12), einige Zellen des generativen Oberflächenmeristems in lebhaften Teilungen aufzutreiben und kleine Antheristienköpfehen mit wenig Antheridien von der Form der Fig. 13 auszubilden. Meist aber erst nach einer größeren Ausdehnung des N Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 24m Blütebodens, namentlich bei Beginn einer Vegetationsperiode. wird das generative Meristem der Scheitelmitte von einem einheitlichen Antrieh heseelt, Geschlechtsorgane zu entwickeln. und zwar zunächst von einer Art, meist männliche (Fig. 14), seltener weibliche. Solche Jugend- nn RR, z Fig. 14. Fig. 14a. Fie. 14. Medianer Längsschnitt durch ein junges, noch diözisches Prothallium von T.. elavatum mit erster Antheridienblüte. 5 Die basale Zelle, » das Rand- meristem. ar Antheridien und Ze kleine Paraphysen. Vergr. 410. Fig. 14a. Ein Rhizoid (7%) mit Sporangienbildung des Endophyten (2). Vergr. 235. formen, mit ihrem ersten Blütenschmuck aufschäumenden Bechern vergleichbar (Fig. 15). sind zunächst «iözisch, wie ich das auch von dem jungen Prothallium von L. complanatum hervorhob. Haben junge Prothallien bereits eine Keimpflanze zu ernähren, so waren sie weib- liche Formen, «denen «dann benachbarte männliche frühe Befruchtung brachten (Fig. 16). Ältere Formen sind monözisch. Von der Entwicklung der Antheridien und Archegonien, ferner auch der des Embryos habe ich früher schon ausführlich berichtet. Der Endophyt in dieser bilateralen Wachstumsperiolde, in welcher Pilzbehausung und Stoffspeicherung immer aneinander grenzen, ist an alten Prothallienformen genügend gekennzeichnet. Bemerken will ich nur noch, daß ich wenige Fälle antraf, in welchen dieser Endophyt in einzelnen Rhizoiden zur Sporangienbildung geschritten war (Fig. 14). 246 H. Bruchmann, Oh solche einzeln an den Enden der Myzeläste auftretende Sporangien- anlagen ausreichen. um Fischer's!) Angaben zu bestätigen, daß der Fndophyt der Prothallien von L. inundatum, L. cernuum und L. anno- tinum „zweifellos“ ein Pythium sei und zwar P. de Baryanum, lasse ich dahingestellt. Fig. 15. Br Fig. 15-18. Geschlechtsreife Prothallien von L. elavatum (Fig. 15 u. 17) und 1. anno- tinum (Fig. 16 u. 18). Vergr. 2. Die nach abwärts gerichteten Spitzen stellen ihren radiär gebauten ältesten Teil dar. Fig. 15 junges männliches, Fig. 16 junges weihliches Pro- thallium mit Keimpflanze. Fig. 17 uw. 18 ältere monözische Formen, Fig. 18 mit zwei Jungen Keimpflanzen. Die interessante Mannigfaltigkeit der älteren Formen unseres Pro- thalliumtypus, welche sich aus ihrem sehr ungleichen Ranıwachstum ergeben, habe ich schon durch eine Anzahl Figuren belegt?). Ilier stelle ich nur zwei geschlechtliche jugendliche Formen, welche von ihrer Pilzinfektion an gerechnet 5—6 Jahre oder von der Sporenaussaat an etwa 12 Jahre alt sind, zwei älteren Formen in gleicher Vergrößerung gegenüber. Gewiß wird man nun gern die größeren Formen 5—8 Jalıre älter einschätzen mögen, wodurch man genötigt wäre, die Lebensdauer solcher Formen auf etwa 20 Jahre zu bemessen. Auf die Abhandlung von Lang: The Prothallus of Lycopodium elavatunı L. (Ann. of Botany, Vol. XII, No. L, June 1899) möchte ich an (dieser Stelle noch aufmerksam machen. Sie erschien ein Jahr nach meiner Arbeit: Über die Prothallien und die Keimpflanzen mehrerer europäischer Lyeopodien (Gotha 1898) und wurde infolge eines glück- lichen Fundes von sieben Prothallien in Glen Dol (England) nieier- geschrieben. Lang konnte durch seine Untersuchung alle von mir ge- maehten Angaben bestätigen und durch Abbildungen belegen. Nur den primären Teil des Prothalliums, die Spitze. welche als der raıliäre und in «der Entwicklung besonders hervortretenie wichtig ist, konnte er nicht finden (a. a. OÖ. pag. 281, Anm.). Weiter ist nieht bekannt geworden. ob noeh andere Forscher diese eigenartigen Gamophyten der Lyeopodien mit Erfolg gesucht haben. I) Rabenhorst’s Kryptogamenflora. Bd. IL Pilze, IV. Abteilung, pag. 405. 2)... 0. Taf lu I. Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 247 Weitere Entwicklung des Prothalliums von L. Selago. (Die Figuren 19 bis 35 betreffen sämtlich das Prothallium von 1. Selago.) Das Prothallium von L. Selago stellt bekanntlich einen nach Form und Bau ganz eigenartigen Typus dar, welcher dem der exotischen Art von L. Phlegmaria näher steht als denen unserer anderen ein- heimischen Arten. Dennoch gibt die Entwicklung dieses Gamophyten sanz zwanglos die drei dem vorigen Typus parallelen Stufen wieder. Erste Entwicklungsstufe. Die Einzelheiten dieser Entwicklungsstufe im Aufbau des eiför- migen Zelikörpers sind genau die gleichen wie bei den Prothallien von L. clavatum und L. annotinum. Auch hier hat ein Fadenpilz, der in das auf ihn wartende fünfzellige Prothallium eintritt, Anregung und Hilfe für das fernere Wachstum zu bringen. Die Scheitelzelle solches infizierten Prothalliums gibt nur wenige Teilungen in bekannter Weise ab, und der sich entwickelnde kleine, eiförmige Zellkörper gleicht dem aller bekannten Formen (Fig. 19), geht aber recht bald durch Zer- legung der Scheitelzelle in die zweite Wachstumsweise über (Fig. 20). Fig. 19. Junges, eiförmiges Prothallium mit Scheitelzelle s. sd Sporenschale, & basale Zelle mit erster rndimentärer Rhizoidzelle », 2 eintretender Faden- pilz, der in den Zellen teils Myzelfilz, teils Sporangiolen bildet. Vergr. 470. Fig. 20. Junges Prothallium, welches dureh eine Zerlegung seiner Scheitelzelle in die zweite Entwicklungsstufe eintritt. sd Sporenschale, 5 der Pilzgenosse. Verer. 470. Fig. 19. Der Endophyt dieses Prothalliums tritt in ihm von Anfang an mit ganz anderen Eigenschaften auf, wie der in den vorigen Arten. und gehört gewiß einer anderen Pilzart an. Die bekannten Pils- knäuel fehlen hier, «dafür bildet der Pilz in einigen Zellen ein Gewirr von feinen, dichten, die ganze Zelle ausfüllenden Myzelfälen, also eine filzige Pilzmasse, welche ich in meiner früheren Darstellung (lieses Prothalliums „geknudelte und geballte Pilzklumpen“ nannte!). In den meisten Zellen des Prothalliums aber finden sich einige feine und ver- zweigte Fäden, die meist eine größere Anzahl rundlicher Körperchen von verschiedener Größe und granuliertem Inhalte an ihren Enden tragen?). Diese eigenartigen Pilzkörper. welche ich früher „Sphaerome* Da... 0. pag. WM. >) a.a. 0. vgl. Fig. 30 auf Taf. VII. Flora, Bd. 101. 248 H. Bruchmann, nannte!), haben ganz den Charakter der von Janse zuerst und in einer großen Anzahl von Pflanzen gefundenen Pilzgebilde, die er mit dem Namen „Sporangiolen* bezeichnete?). Unser Endophyt ist daher den Sporangiolen-Pilzen zuzurechnen, der sich in einigen Zellen des Prothalliums mit seinem filzigen Gewebe gleichsam fundiert, um von solcher Basis aus in anderen Zellen auf verzweigtem Myzel seine traubenförmigen Sporangiolen zu entwickeln. In mehreren Zellen finden sich auch beide Pilzformen vor. Den Anfang in dieser Pilzgenossenschaft macht das uns schon bekannte fünfzellige, eiförmige Prothallium (Fig. 3 77), welches in seinem Ruhezustand wohl über 1 Jahr auf seinen Pilzgenossen warten kann. An dieses tritt aus dem Humus ein äußerst feiner, etwa 0,4 # messen- der Pilzfaden als Nothelfer und nimmt ganz unauffällig, wie auch (der Endophyt in den jungen Prothallien des vorigen Typus, seinen Eingang in die Basalzelle oder in «lie ihr benachbarte erste peripherische Segment- zelle, und erfüllt (diese zuerst infizierte Zelle sogleich mit feinem, filzigem Myzel. Der Kern dieser Zelle vergrößert sieh etwas und er- leidet selten auch eine auffällige Formveränderung. Sogleich aber mehren sich die Inhaltsstoffe in den anderen Zellen, besonders treten kleine Stärkekörner und Fettkörperchen hervor, und die unterbrochenen Teilungen in der Scheitelzelle werden wieder aufgenommen. In diesem Prothallium nun, welches sich ganz so wie auch die anderen weiter entwickelt, befällt aber der Pilz in seiner ferneren Aus- breitung von der Basis her Zelle für Zelle und hält sich nur vom Scheitel respektvoll zurück. Schon in der zweiten Zelle, die er bezieht, schreitet er zur Sporangiolenentwicklung, zuweilen auch in der dritten; auch bildet er darauf wohl beide Wuchsformen zugleich oder nur dichten Filz in der nächsten Zelle. Es ist ersichtlich, daß’ dieser Sporangiolen- pilz in seinem Prothalliumquartier zunächst weder an eine bestimmte Wohnordnung noch an eine Regel in der Entwicklung seiner Wuchs- formen gebunden ist. Dieses anfängliche Auftreten (der Sporangiolen in den jungen Pro- thallien. sogar in der Basalzelle und anderen peripherischen Zellen steht aber im auffallenden Gegensatze zu den Resultaten, die Janse aus der Untersuchung der Wurzelpilze einer großen Anzahl sehr verschie- ‚dener Pflanzen gewonnen hat, welche lehrte, daß der Endophyt nur in den tieferen Zelllagen der Wurzel, in seiner dritten, der tiefsten Be- 1) a. a. 0. pag. D4. 2) Janse, Les endophytes radieaux de quelques plantes Javanaises. Ann. ‚Jard. Bot. Buitenzore XIV. 1596. Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 2409 hausungsregion Sporangiolen hervorbringt!). Vom Anfang der Infektion an bis zu einem höheren Alter des Prothalliums tritt unser Endophyt in der Sporangiolenform amı häufigsten auf. In den frisch befallenen Zellen treten zunächst an feinverzweigten Hyphenenden nur kleine, kugelförmige Anschwellungen hervor, die sich je nach Umständen mehr oder weniger schnell vergrößern und auch gegeneinander gepreßt un- regelmäßige Formen annehmen. Die Zellkerne solcher Sporangiolen- zellen lassen keine Veränderung erkennen, und in den Zellen entstehen mit dieser Pilzform zugleich Stärkekörner und Fettkörper, «ie auch nach weiterer Ausbreitung des Pilzes in ihnen kaum ganz verschwinden. Auch scheitelwärts in den noch unbefallenen Zellen zeigen sich Bau- stoffe im Überfluß, für welche zunächst noch eine besondere Speicher- schicht im jungen Prothallium fehlt. Dieses neue und übersichtliche Bild der jungen Genossenschaft, welches die Figuren 19 und 20 veranschaulichen, «dürfte für eine Deutung leicht erscheinen. Auch dieser Pilz, der das junge Prothallium aus seiner Lethargie zu reißen vermochte, wird in seinen beiden intra- zellulären Wuchsformen ein notwendiger Helfer bei der Zubereitung des Baumaterials sein, dessen Rohstoffe noch nicht durch Absorbierungs- haare, sondern mittels der Obertläche des Pflanzenkörpers endosmotisch aufgenommen werden. Auch dürfte ja die einzelne Infektionshyphe durch eine Zuleitung nötiger Stoffe Dienste leisten. Die beiden Pilz- formen in den Zellen sind auch in alten Prothallien nicht abgetötete und aufgebrauchte Verdauungsformen. Daß die Filzmassen den IIyphen- knäueln anderer Gamophyten von Lycopodium analog sind, liegt nahe. Aber auch die Sporangiolen dürften solche Pilzorgane vorstellen, durch welche dem Zellplasma gelöste organische Substanz in brauchbaren Ver- bindungen überliefert wird. Zweite Entwicklungsstufe. Dureh ein Wachstum mittels eines Scheitelmeristems wird diese Entwicklungsperiode auch hier charakterisiert. Eine Zerlegung der Scheitelzelle leitet diese neue Wachstumsweise ein (Fig. 20). und es bildet sich nunmehr am Scheitel des Prothalliums ein ungeschichtetes Meristem, durch dessen anti- und perikline Teilungen bei deutlichem Initialwachstum ein birnförmiger Zellkörper von radiärem Baue ge- wonnen wird (Fig. 21). Solch junges Prothallium besitzt in seinem Innern ein Parenehym von unregelmäßigen polyedrischen Zellen, dem jede Differenzierung fehlt. Aber an der Peripherie des Prothalliums 1) a.a. 0. page. 150. 1 250 HM. Bruchmann, macht sich bei seinem weiteren Wachstum allmählich eine beachtens- werte Sonderung einer einschichtigen, flachzelligen Epidermis bemerkbar, welche in zunehmender, reicher Anzahl Rhizoide entwickelt (Fig. 22 u. 23). Auch ist noch die Differenzierung einer zweiten einzelligen peripherischen Schicht, einer Hypodermis, hervorzuheben, die nament- lich an älteren Formen deutlich hervortritt (vgl. Fig. 25 u. 27) und als besonders charakterisirte Pilzwohnung auffällt. Fig. 21. Junges, birnförmiges Pro- thallium mit den ersten Rhizoiden. f Eine Fersenzelle des Rhizeiden- fußes, 6 Basalzelle Vergr. 170. Fig. 22 u. 23. Junge, birnförmige Prothallien der zweiten Entwick- lungsstufe in Oberflächenansicht. Verer. 122. Diesen sich zuerst aufbanenden ältesten Teil des Prothalliums trifft man häufig an größeren Formen als gekrümmte Spitze an (vgl. 2. B. Fig. 23, 34 u. 35), und wir wissen nun schon, daß auch an dieser Art bei Beginn der zweiten Entwieklungsperiode der Geotropismus sich (reltung verschafft und (iesen jungen Gewebekörper nunmehr im Boden senkrecht aufwärts führt. Die größere oder kleinere Abweichung der Wachstumsrichtung von der Senkrechten in der ersten Entwicklungs- periode bringt also auch hier die mehr oder weniger hervortretende Spitzenkrümmung hervor. Rkhizoid und Endophyt. Die Rhizoide dieses Gamophyten ver- «dienen als sehr interessante Organe unsere besondere Aufmerksamkeit. Die Keimung der Sporen und (die Entwicklung der Prothallien usw. 35] Jedes Wurzelhaar zeigt, im radiären Längsschnitt des Prothalliums ge- sehen, einen auffallend konstruierten, in zwei Zellen geteilten Haarfuß (Fig. 242). Bleibt man bei dem Bilde, welches diesen basalen Teil mit einem Fuße vergleicht, so ist der stets scheitelwärts gerichtete basale Rohrteil ein vorderes geringeres Fußstück, die Fußspitze (2), und die stets nach abwärts zeigende untere und größere Zelle die Sohl- und Fersenzelle (/). Dieser immer gleich gebaute Fußteil der Rhizoide gibt nur in solcher Seitenansicht der Fig. 24D ein richtiges Fig. 24. 4—7 Rhizoide, die in radialen Längsschnitten des Prothalliums ge- zeichnet sind. - Epidermis, A Hypodermis, »7 das Rhizoid, / die Fersen- oder Provokations-, auch Pilzausführungszelle des Haarfußes, 5 der aus- strahlende Pilz. -1 Erste Entwieklungsstadien des Rhizeids. 2 Junges Haar, dessen Fersenzelle / noch pilzfrei ist. C Ein Haar, von dem aus seiner Basis ausgetretenen Pilze umsproßt. 7 Ifaarfuß eines älteren Haares mit einer Verbiegung am Haarrohre. Z Solches in Oberflächenansicht, +7 das Haarrohr ım Querschnitt und a die Austrittsmarke des Endophyten. 7 Iaar- basis ohne eine Entwicklung der eigentlichen Haarröhre. Verer. 270. Bild und wird in anderen Schnittansichten unklar. Man erkennt nun an solcher Aufnahme (Fig. 24 79), daß der weit m das Substrat reichende absorbierende Teil, also das Haarrohr, die von ihm im Humus aufge- nommenen Stoffe noch direkt der «darüberliegenden Epidermiszelle zur weiteren Verbreitung und Verarbeitung zuleiten kann. Die andere stets in der Wachsrichtung («des Prothalliums abwärts zeigende größere Zelle, die Sohl- und Fersenzelle (/ in Fig. 24), hat in jedem Falle nach 252 H. Bruchmann, außen und nach «dem Haarrohr hin, besonders aber in der ihm an- grenzenden Ecke eine starke, sekundäre Verdickung ihrer Membran aufzuweisen. Anderen Epidermiszellen fehlen verdickte Außenwände. Der Inhalt dieser Haarfuß-Zelle erscheint durch die sekundär vertdickte Zellulose-Membran nach außen hin sowohl gegen die absorbierten Stoffe des eigentlichen Haares als auch gegen einen direkten Eintritt der Humus- stoffe für seine besondere physiologische Aufgabe abgestaut oder ab- gesperrt zu sein. Keine dieser Haar-Fersenzellen ist ohne Pilzmyzel, und immer erkennt man, daß Pilzfäden aus einer angrenzenden ver- pilzten Hypodermiszelle (2 in Fig. 24) in sie eintreten, sich in ihr, wie in einer Wirtszelle, zu kräftigem, verzweigtem, auch unregelmäßig ver- tliektem Pilzmyzel entwickeln und stets durch den stärksten Teil der Zellulosemembran. d. i. an der dem Haarrohr angrenzenden Zellecke, in mehreren Fäden auswandern. Diese physiologisch höchst bedeutungsvolle Haarfußzelle erscheint somit als eine Animier- oder Provokationszelle, welche einmal «den Pilz, vielleicht mit gewissen Enzymen, aus dem Innern des Prothalliums zur Einkehr reizt, ihn dann gut pflegt und. nachdem die Reizstoffe im Zell- innern aufgebraucht, dureh solehe, mit «denen ihre verdickte Zellwand imprägniert ist, zur Auswanderung durch diese in das Substrat zwingt. Diese Pilzexpeditionszelle, wie sie in Fig. 24 2—/ dargestellt ist, fehlt keinem Rhizoid des Prothalliums. Ein solcher Haarfuß, von oben gesehen, läßt deutlich das Haarrohr im (Querschnitt erkennen (rk in Fig. 24Z) und von der Enxpelitionszelle / fällt besonders das Aus- trittsmal des Pilzes, der Pilzkrater (a in Fig. 242), als eine rundliche, matte Stelle auf, von welcher die Pilzenzyne die primäre Membran verschwinden ließen. Das Haarrohr aber ist stets pilzfrei. Die Entwicklung dieses eigenartigen Organs kann nur in radiären Längsschnitten unseres Saprophyten richtig erkannt werden. Nahe dem Meristem wölbt sich eine Epidermiszelle zur Haarentwicklung etwas hervor (77, in Fig. 244) und teilt sich darauf durch eine schiefe nach Innen scheitelwärts etwa auf die Mitte der Antikline geführte Wand in eine obere, die eigentliche Haarzelle, und in eine untere, die Sohl- und Fersenzelle oder auch Pilzexpedierzelle des Haarfußes (7%, in Fig. 241). Während darauf das Haar auszuwachsen beginnt, erhält die andere Zelle als einzige unter allen übrigen Epidermiszellen die sekundäre Zelluloseverdiekung an ihrer Außenwand und dadurch ihre Abstauung. Auch wird sie für ihre Funktion mit größerem Zellkern und dichtem Plasma ausgerüstet (Fig. 242). Damit erscheint dieser Zellagent- provokateur für seine Aufgabe fertig zu sein. Seine geheime Aus- Die Keimung der Sporen und «die Entwicklung der Prothallien usw. 253 rüstung ist Geschäftsgeheimmnis. ITat dann im Inneren des Prothalliums der Endophyt in der Hypodermisschicht die Höhe einer fertig ent- wickelten Provokationszelle erreicht, so nehmen sogleich einige seiner Fäden aus ihr, sicher einer chemotropischen Reizung folgend, Eintritt in eine solche Haarfußzelle. Daß die übrigen Epidermiszellen pilzfrei bleiben, wurde schon hervorgehoben. Nur einige unregelmäßige Ver- zweigungen geht der Pilz in dieser Zelle ein und eilt, nahe dem Haar- rohr, durch die stärkste Membranverdickung in einer Anzahl sehr feiner Fäden hinaus. Hier verzweigt sich das Myzel vielfach filzig und umspinnt mit seinem Filze das junge, in Funktion getretene Haar und durchwächst auch das Substrat (Fig. 24C). Es sei hierbei noch be- sonders hervorgehoben, daß die beiden sehr verschiedenen Absorptions- organe, die gewiß auch dem Humus verschiedene Stoffe abgewinnen, getrennte Zuleitung zum Prothallium besitzen. Wenn auch die Ausbildung des Haares nicht immer gerät, die der Expeditionszelle schlägt nie fehl. Man trifft Fälle an, bei welchen es bei einer Rhizoidanlage nur zur Auswölbung der Epidermiszelle kam, dann verdickte diese Zelle ihre Außenwand und setzte darauf eine Pilzauswanderung mit Erfolg in Szene. Fig. 247 zeigt einen Fall, bei welchem die Teilung in der Rhizoidmutterzelle wolıl eintrat, allein das Auswachsen der Haarrohrzelle unterblieb und nur die Ausbildung und die Funktion der Pilzausführungszelle, wie es scheint der wichtigste Teil der Haaranlage, war gediehen. Auf das reiche Vorkommen der Rhizoide an unserem Prothallium wird besser später, bei dem Studium der älteren Forınen aufmerksam zu machen sein. Hier soll nur noch folgendes bemerkt werden: (da jedes Wurzelhaar mit einer Pilzexpeditionszelle verbunden ist, so dürfte die Funktion beider Organe im besonderen ursächlichen Zusanmenhange mit einander stehen. Die reiche Pilzdurchfilzung des Substrates in der Umgebung des jugendlichen Haares von seinem Fube her (Fig. 24C) könnte vielleicht dafür sprechen, daß in dem Bereiche der endosmotischen Stoffe des Rhizoids der Pilz sich gut ausbreiten und Beute machen kann, und die Ausbeutung des Humus in solcher Rhizoid-Pilz-Kom- pagnie besonders vorteilhaft für beide Symbionten sein werde. Bei den in Funktion stehenden Haaren haftet das Vilzgeflecht mit den Humusteilchen fest dem Haarrohre an, bei älteren ist dies nieht mehr der Fall. Bei meiner ersten Darstellung des Prothalliums von L. Selago habe ich leider den interessanten Bau der Rhizoidfüße übersehen, da ich solche hauptsächlich an Querschnitten eingehend prüfte und zeichnete. 254 H. Bruchmann, in welcher Ansicht sie aber unklare Bilder geben (man vgl. a. a. Tafel 7 Fig. 39). Treub!) hat an den Rhizoiden des Prothalliums von L. Phleg- maria einen ähnlichen, wenn auch nicht gleichen, dennoch sehr be- inerkenswerten Haarfuß gefunden. Es schneiden die Haare hier «durch eine zu ihrer Längsrichtung quere Wand ihren ganzen basalen Teil für die Fußzelle ab, und es verdickt die eigentliche Haarzelle ihre nach (der Fußzelle gerichtete Wand. Der Endophyt des Prothalliums, welcher im Inneren desselben nur Knäuel aus dichten Fäden bildet, nimmt Pintritt in die Fußzelle, und ein oder zwei Fäden treten an der Seite der Haarfußzelle ins Substrat und umspinnen das Haarrohr. Diese Erscheinung ist auch an diesem Prothallium ganz beständig, und jeder Haarfuß hat seine Pilzexpedition. Allein die Absorptionsstoffe des eigentlichen Haares scheinen nur einen indirekten und durch die Ab- stauung mangelhaften oder vielleicht keinen Zutritt zum Prothallium erlangen zu Können. In dem Prothallium von L. Selago fährt der Endophyt zunächst in der Weise, wie er begonnen, fort, mit seinen beiden Wohnformen Zelle für Zelle auszufüllen. Doch mit der eintretenden Differenzierung einer Epidermis meidet er diese äußere Schicht bis auf ihre Haarfersen- zelle, und die zweite, die Hypodermis, bezieht er nur noch mit seinem Filzmyzel. Dritte Entwicklungsstufe. Ganz wie in der entsprechenden Entwicklungsstufe der oben be- schriebenen Prothallien wird auch hier eine nochmalige Änderung des Scheitelwachstums vorgenommen. Das Scheitelwachstum geht in ein Randwachstum über. womit endlich auch eine Differenzierung eines neuen achsilen Gewebes Hand in Hand geht (Fig. 23). Der kleine Prothalliumkörper beginnt beim Eintritt in (diese Entwicklungsstufe sich scheitelwärts allmählich zu verbreitern, und das erstere sich fleißig teilende, kleinzellige Meristem, welches die kurzen polygonalen Zellen des Pilzquartiers schuf, drängt mit seiner Tätigkeit aus (ler achsilen Scheitelstellung ringsum achsifugal zur Seite (»2 in Fig. 25) und überläßt einem größerzelligen, sich seltener teilenden sekundären Meristem die Scheitelmitte (97 in Fig. 25), welches nun ein neues zentrales Zellgewebe, das Leit- und Speichergewebe, dem Prothallium einbant. la. 0. I, 86. PL NK Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 9255 So wächst das Prothallium in tieferem und festem Erdreich, wo es schlecht ernährt wird, in enger und mehr gestreekter Form, aber zunächst in radiärem Bau aufwärts. Dagegen entsteht unter günstigen Bedingungen in lockerem Erdreich, namentlich nahe der Erdoberfläche, eine konische, recht verbreitete radiale Oberflächenform in lebhafter Ergrünung, wie ich solche schon früher (durch die Figuren 12, 25 und 37 auf Taf. VI ver- anschanlichtt habe. Das zentrale Gewebe solcher Formen hat gute Ausbrei- tung erfahren; seine stets pilzfreien Zellelemente sind gestreckt und weitlumig und speichern Stärke im Überfluß (a. a. O. Fig. 37 auf Taf. VD. Das sich emporarbeitende Meristem dles zentralen Gewebes, welches für seine Erwei- terung vom Randineristem Fig. 25. Medianer Längsschnitt dureh ein junges Fr Prothallium im Beginn seiner dritten Entwiekhinus- { € 7 r Fon nach Bedarf Ergänzung stufe. 55 Sporenschale. # Basalzelle, 7 filzige- findet, zeigt sich dann end- Pilzmyzel und o Sporangiolen in den Zellen. ho: F . rh Rhizoidröhre und £ Fersenzelle eines Haarfußes. lich in seiner generativen » Randmeristem, gr generatives Meristem. Die Eigenschaft. Es entwickelt reiche Ausstattung des zentralen Gewebes mit Archegonien, Antheridien Stärkekörnern ist nur angedeutet. Vergr. 122. und Paraphysen in reicher Anzahl (siehe a. a. O. Fig. 37 auf Taf. VD). Kommt es dann bei solchen Formen zur Entwicklung eines Embryos, so empfängt derselbe durch die im generativen und abwärts im zen- tralen Leitgewebe aufgespeicherten Baustoffe eine vorzügliche Versorgung. In meinen Topfkulturen gewann ich die gedrungenen, änßerlich den jungen Prothallien von L. clavatum und L. annotinum ähnlichen Formen nicht. Ich erzielte nur die gestreckten Formen, wie sie («lie Figuren 32—35 darstellen. Aber auch solche besitzen immer in ihrem unteren Teile den radiären Bau, wie ihn die Fig. 26 mit dem zentralen (sewebe im Querschnitt darstellt. Dieses Bild zeigt allerdings die schöne, 256 H. Bruchmann, auffallende Differenzierung nicht, welche z. B. eine gleiche Aufnahme des Prothalliums von L. complanatum darbietet (vgl. Bot. Zeit. 1008, pag. 170, Fig. 6). Wenn auch die Epidermis besonders durch ihre ge- streckten, pilzfreien Zellen gut hervortritt, so ist doch das weitere, bis an das zentrale reichende innere Gewebe ein parenchymatisches, gleich- förmiges Pilzquartier. Eine Palisadenschicht fehlt, weil dieses Prothallium einer Entwicklung in tieferen Bodenschichten nicht angepaßt erscheint. Fig. 26. (merschnitt durch einen oberen, radiär gebauten Prothallinmteil mit pilz- freiem. zentralen Gewebe, ringsumgeben von den Schichten des Pilzuartiers. Die pilzfreie Epidermis zeigt sich durch pilzführende Haarfußzellen unter- brochen. Vergr. 130. Die im Bodeninneren wachsenden gestreckten Prothallienformen führen bald nach kürzerem oder längerem, weiterem oder engerem radiären Wachstum durch ein Vorstreben des Randmeristems von einer Seite in ein dorsiventrales über. In Fig. 32 auf Taf. VI meiner früheren Abhandlung über dieses Prothallium habe ich eine derartige Form in Öberflächenansicht bei 5Ofacher Vergrößerung dargestellt. Man sieht an dieser Zeichnung, daß dieser Gamophyt über dem kurzen, ringsum nit Rhizoiden besetzten Teile auf einmal beginnt, auf der einen Seite einzelne oder in Gruppen gestellte Antheridien zu erzeugen, welche mit kleinen oder größeren Paraphysen umstellt werden. Solcher deutlich erkennbaren generativen Seite ist die andere mit Rhizoiden besetzte als vegetative gegenüberzustellen. Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 257 Die Gelegenheit, dieses Prothallium noch einmal zur Besprechung zu bringen, benutze ich, um seine gestreckten Formen auch in medianen Längsschnitten zu veranschaulichen. Figur 27 zeigt soleh ein Beispiel seiner Überführung aus der radialen in die dorsiventrale Form. Da- durch, daß das Randwachstum des Prothalliums an einer Seite ganz eingestellt wurde, konzentrierte es seine Kraft, um in der dorsiventralen Form leichter vorzudringen. In solcher Ansicht kann (die vegetative Seite mit dem Pilzquartier und den Rhizoiden von der generativen von Anfang an ganz deutlich unterschieden werden (Fig. 27). Denkt man Se SE 27, TA, a“ ni 1 65 a > = 2 x 25 en: Bea KR FE SE I iR: Er SS =. Fig. 27. Längsschnitt durch ein älteres Prothallium, der seinen radiär gebauten Teil im Übergange zu dem dorsi- ventralen zeigt. 5 Basal- zeile, g das Pilzquartier. Die generative Seite zeigt ein leeres Antheridium und Paraphysen. Aus jeder z Haarfuß-Fersenzelle treten I SANS BER = Pilzfäden heraus. Vergr. 250. Ey en E05 er Zee] 12» EX = 2% Fr 3. 1%) r ER IR SE a x, ERDE Sch a 63 3, A >ar FR Fig. 2%. sich den dorsiventralen Teil der Figur 27 in der Weise, wie er begonnen, nach aufwärts weiter entwickelt, und endlich sein Scheitelende so ab- geschlossen, wie es (die Figuren 28, 30 oder 31 zeigen. so hat man ein vollständiges Bild des ganzen, in gestreckter Form und dorsiventraler Ausbildung wachsenden Gamophyten. Treub kennt eine dorsiventrale Ausbildung des Prothalliums von L. Phlegmaria nicht, obgleich dies einzelne seiner Darstellungen (z. B. IHR H. Bruchmann, Fig. 1u.2 auf PILXIX und Fig. 1 auf Pl. XX) fast vermuten lassen: auch unterscheidet er vegetative und generative Zweige an ihm. Hier aber sind alle Auswüchse und Auszweigungen, wie letztere auch zu- weilen vorkommen (vgl. Fig. 35 u. auf Taf. VI meiner früheren Ab- handlung Fig. 4, 10, 16, 17, 31 u. 33) bilateral und generativ. Solche zylindrischen Pro- thallienteile werden scheitelwärts von einem ungeschichteten Me- ristem beherrscht (72 in Fig. 28), welches nach der generativen Seite hin meristematische Zellen abgibt, von denen schon hoch am Scheitel Geschlechtsorgane und Paraphysen Anlage und Entwicklung finden, auf welche auch das Gewebe der ganzen generativen Seite zurückzuführen ist. Dann entsteht weiter vom Scheitelmeristem nach der Mitte . . . . des gestreckten Zellkörpers hin Fig. 28. Medianer Längsschnitt durch ein Antheridien entwickelndes dorsiventrales U Weit-, auch langlumiges Sproßende eines Protballiunss mit az An- Zentralgewebe, welches unter Iheridien und aa en der gene- günstigen Umständen reich mit zeiden an der vegetativen Seite. = Das Stärke angefüllt erscheint (man Meristeın. Vergr. 250. vergleiche die Wiedergabe solches bilateralen Teiles im Querschnitt a. a. O. auf Taf. VI Fig. 38). An das zentrale Gewebe schließt sich nach der Rückseite, gipfelfern in scharfer Abgrenzung, das kleinzellige Parenchym des Pilzquartiers an (y in Fig. 28 u. 29), und peripherisch läßt die Rückenseite zwei, meist lang- gestreckte einfache Zelllagen unterscheiden, eine hypodermale und eine epitermale, welch letztere die in unserer Saprophytenwelt einzig da- stehenden Rhizoide entwickelt. Die Rhizoide treten an den bilateralen Prothallienteilen, nament- lich, wenn sie schwach und dürftig sind, in geringerer Anzahl als an den radiären auf. Aber an stärkeren Sprossungen, namentlich an solchen. welche Archegonien erzeugen und sich auf die Entwicklung des Embryos einrichten, kommen sie dicht gestellt vor und erreichen ansehnliche Länge (Fig. 30 C). Unter den einheimischen Prothallien von Lycopodium vermag ıliese Art die bestentwickelten Paraphysen aufzuweisen, welche denen Die Keimung der Sporen und die Entwieklung der Prothallien usw. 959 von L. Phlegmaria nicht nachstehen. An dürftigen Sprossen sind sie zwar kurz und einzellig, aber an stärkeren wachsen sie zu weiten und mehrzelligen Zellreihen in üppigen Formen aus. Auch verzweigte Formen, welche Treub hervorhebt und abbildet, traf ich, wenn auch selten, an (man vgl. Fig. 30 C und 31 mit Treubs Abbildungen a. a. O. auf Pl. XIX). Das Auswachsen der Spitzen dieser Haare zu Brut- knospen habe ich bis jetzt nur in einem Falle angetroffen. Es wäre vielleicht eine empfehlenswerte Aufgabe, der vegetativen Vermehrungs- weise (dieses Prothalliums experimentell nachzuforschen. Der Endophyt gewährt in dem erwachsenen Prothallium einen vollständigen Überblick seiner ganzen Ausbreitungsweise. Wie Fig. 27 erkennen läßt, ist ihm ein großes Gebiet, das gesamte kleinzellige Haut- parenchym, zur Wohnung gegeben, welchem die Funktion der Aufnahme und Zubereitung der Nahrung bei unserem Ganzsaprophyten zusteht und welches äußerlich durch Rhizoide gekennzeichnet ist. In dem radiär gebauten Teile macht das Pilzquartier den größten Teil des Zellkörpers aus (man vgl. Fig.26 u. 27), wo es das geringere, zentrale Leitgewebe, (das er meidet, trichterförmig umgibt. In dem dorsiventralen Teile nimmt es die ganze vegetative Seite ein, wo es (das Leitgewebe ein- seitig rinnig umfaßt (man vgl. die Querschnittaufnahme a. a. O. Fig. 38 auf Taf. VII). Nur die Epidermis dieses infizierten Prothalliumgebietes bleibt pilzfrei. mit Ausnahme der Rhizoidfersenzellen, durch deren jede der Pilz in Gesellschaft der Rhizoide seine Verbindung mit dem Sub- strat erlangt. Als dieser so reichzellig untergebrachte und gut mit üppigen Pilzformen eingerichtete Endophyt einstmals als ein sehr schlichter Pilzfaden seinen Eingang in das Prothallium nahm, war es mit letzterem dürftig bestellt. Es vermochte nur ein paar basale Zellen zur Auf- nahme für den Genossen zu bereiten, die es zwar selbständig schuf, aber damit das Ende seines selbständigen Könnens erreichte. Die Vereinigung mit dem Genossen brachte sogleich gute Ernährung und rüstigen Weiterbau durch das Meristem. In dem basalen Prothalliumteile gefiel es dem Pilze anfangs in jeder Zelle. Er bezog mit seinen Organen zunächst alle Zellen. unıl Sporangiolen konnten sogar in peripherischen Zellen vorkommen. Als darauf das Prothallium aber weiter fortschreitend mit der Differen- zierung einer Epidermis begann, trat auch zugleich einige Ordnung in der Besiedlungsweise des Pilzes ein. Er meidet «die Epidermis und deren Haarröhren bis auf die Expeditionszellen der Rhizoide. und die zweite peripherische Schicht bezieht er nur mit Filzmyzel. Von da 260 H. Bruchmann, aber nach dem Innern bis an das Zentralgewebe zeigt seine intra- zellwläre Bewohnung beide Besiedlungsformen durcheinander (man vgl. Fig. 26 u. 27). Mit dem Filzmyzel, dessen Zellen in unregelmäßigen, aneinanderschließenden Zügen das Pilzquartier durchziehen, dürfte der Endophyt in seinem Wohnsitz eine sichere Grundlage gewinnen, von welcher er die feinen, einfachen oder verzweigten Fäden zur Bildung der Sporangiolen in benachbarte Zellen aussendet. An Baustoffen ist selbst im Pilzquartier kein Mangel. Auch die mit Filzmyzel erfüllten Zellen lassen oft noch kleine Stärkekörner nach- weisen. und in den mit Sporangiolen besetzten Zellen finden sich Fett- körper und größere zusammengesetzte Stärkekörner in reicher Zahl. Bei dem Fortwachsen (des Pilzes dem Meristem des Prothalliums zu, eilt er in der Hypodermis den übrigen Zellen des Pilzquartiers voraus, von wo aus er dann in der Höhe neuentstandener absorbierender Haare in deren Fersenzelle tritt und darauf im Substrat sein Absorp- tionsmiyzel äußerlich dem Haare zugesellt (Fig. 24C). Dies dürfte zu einer Ausbeutung des Humus in nutzenbringender Wechselwirkung dieser Organe und einer Zuleitung (der von jedem nach seiner Eigenart gewonnenen Stoffe an die Mantelschicht des Prothalliums führen, wo eine weitere Verarbeitung vor sich geht. Von der Hypodermis, aber auch vom Inneren der Pilzbehausung aus, folgt die Besiedlung weiterer Zeilen zögernd nach. Und in dem reichen Inhalte der Zellen, in welchen der Pilz sich eben einnistet. werden zunächst feine, verzweigte Fäden sichtbar, die durch ein schnelleres Waehstum als Filzmyzel- und durch langsameres als die Sporangiolen- form erkennbar werden. Ganz kleine, kugelige Anschwellungen an den Myzelenden verraten die Entstehung der Sporangiolen, welche je nach Umständen in kräftigen Prothallien schnellere, in dürftigen langsame Vergrößerung finden. Das Zusammenleben zwischen Pilz und Prothallium kann auch an dieser Form als ein durchaus gutartiges gedeutet werden, da selbst hei älteren Formen selbst in ihren ältesten basalen Zellen weder eime Verdauung des Pilzes noch ein Absterben der Zellkerne bemerkbar wird. Zur Biologie der Symbiose der Örchideen sind neuerdings von Bernard und Burgeff sehr wertvolle Arbeiten erschienen, welche gute Fortschritte zum Mykorrhizaproblem liefern und auch Licht auf die Symbiose der Lyeopodienprothallien werfen dürften. So z. B. könnte die von Burgeff experimentell ermittelte Tatsache, daß bei den Orchideen- pilzen ein großes Bedürfnis nach atmosphärischem Sauerstoff besteht, auch für den Pilz des Prothalliums von L. Selago Geltung haben, und Die Keimung der Sporen und die Entwieklung der Prothallien usw. 96] würde die kümmerliche Entwicklung dieser Prothallien in tieferen und festeren Erdschichten verständlich machen. Wir bleiben aber «der allgemeinen Mycorrhizafrage fern und be- schränken uns hier lediglich auf das vorliegende schöne Beispiel eines Ganzsaprophyten. Wir erinnern uns zunächst der hilflosen Jugendform (dieses Prothalliums, welche ohne Pilzinfektion zugrunde gehen mußte, und sehen darauf seine guten Erfolge in der Pilzgenossenschaft. Die Unterkunft des Pilzes in dem ganzen Rindengewebe ist seiner Aufgabe entsprechend geschehen; auch erscheint «der regelmäßig wiederkehrende Zwang an den Pilz, jedem Absorptionsorgan des Prothalliums auch die Seinigen zu zweckmäßiger Wechselwirkung zugesellen zu müssen, ihn als Vasallen zu kennzeichnen. Gutes Weiterwachsen und eine reiche Speicherung von Baustoffen erzielt das Prothallium, eine üppige intra- zelluläre Pilzeinrichtung erreicht aber auch dieser Endophyt, welcher in der selbständigen Humusausbeutung nur sehr feine, sich verzwei- gende Hyphen bildet. Das Laboratorium der Baustoffbereitung ist (las ganze Rindenparenchym. In den vielen kleinen Arbeitszellen des Pilz- quartiers geht die Zerlegung und Umformung (der herbeigeführten Humusstoffe durch den Pilzgenossen unter Einwirkung des Zellplasmas vor sich. In diesen Zellen etabliert der Pilz unter dem Reize des Plasmas seine leistungsfähigen Humusumformungsmaschinen, (die Filz- myzele und Sporangiolen, welche scheitelwärts immer aufs neue Ver- mehrung finden. Für eine gute Zuleitung des Humusmaterials sorgen die zahlreichen Rhizoide mit den regelmäßig an ihren Füßen hervor- tretenden Absorptionshyphen des Pilzes, ferner auch die Epidermis, deren äußere Wände ohne Verdickungen bleiben. Und die erste Speicherung der Arbeitserträge geschieht bereits im Pilzquartier selbst, besonders in den Sporangiolenzellen, darauf in den gestreckten pilz- freien achsilen Zellen. Auch bei diesem Prothallium komme ich zu der gleichen Auf- fassung seiner Symbiose, wie ich sie schon früher annahm!) und auch für den Typus L. clavatum wiederholt habe. Hinzufügen möchte ich hier noch, daß ich in Gesellschaft aller Prothallien von L. Selago, auch wenn sie verschiedenen Fundstellen entstammten, einen Fadenpilz vorfand, der mit kräftigem, etwa 3 u starken, sich vielfach verzweigendem Myzel, welches reich an Schnallen- bildung war, auch zuweilen Fusionen zeigte, ganz nahe den Prothallien- körpern den Humus durchzog. ohne eine Gemeinschaft mit den Pro- thallien einzugehen. 1) aa. 0. par. 26. 262 H. Bruchmann. Die Sexualorgane und der Embryo. Wie wir wissen. erreicht auch dieses Prothallium in seiner dritten Entwicklungsstufe seinen blühfähigen Zustand, und wir haben die ge- (lrungenen blühenden Formen. welche an der Erdoberfläche entwickelt sind, von «en gestreckten, im Inneren des Erdreichs wachsenden zu unterscheiden. Wie aus einer in Figur 25 dargestellten radiären Form (lie Gieschlechtsreife (siehe Figur 37 auf Tafel VI meiner früheren Ab- handlung) gewonnen wurde, ist schon besprochen worden. Bei den bilateralen Prothallien trifft man zumeist Antheririen an, (die in akropetaler Folge einzeln bei dürftigen Prothallien auch unvollkommen ausgebildet oder an stärkeren in Gruppen fortgesetzt entwickelt werden (siehe Fig. 32 auf Taf. VI). folglich finden sich meist immer reife Spermatozoiden vor. Dagegen entwickeln dann endlich solche Prothallien in günstigen Bodenverhältnissen na- mentlich nahe der Erd- oberfläche unter Zu- nahme ihres Umfangs eine reiche Anzahl von Archegonien und stellen nach der Entwicklung eines Embryos ihr End- wachstum ein (Fig.30 C). Ein Längsschnitt, durch solche Prothallienschei- tel geführt, kann je Fig. 20. Archegonien a bis e in den verschiedenen nach «(den Umständen Eintwieklungsstadien im Längsschnitt gesehen. " . n Vergr. 270. Zustände einer vollstän- digen Entwicklung der Antheridien (Fig. 28) oder der Archegonien (Fig. 29) bringen. Antheridien sowohl wie Archegonien entstehen, wie bekannt, aus einer einzigen peripherischen Zelle im Meristem der generativen Seite, und es läßt sich hier gut verfolgen, daß die durch eine Perikline ab- getrennte peripherische Zelle bei (len Antheridien der meist einschich- tigen Deckelschicht und bei den Archegonien nicht periklin geteilten Halszellen den Ursprung geben. Die zweite innere Zelle von der An- lage «der Geschlechtsorgane läßt dann bei den Antheridien die Spermato- zoiden-Mutterzellen. bei den Archegonien die Halskanalzellen und das Ei entstehen. «Gmt entwickelte Antheridien sowie auch Archegonien Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien usw. 263 erhalten vom inneren, diese Organe umgebenden Gewebe eine Um- scheidung. Bei meiner früheren Darstellung dieses Prothalliums hatte ich eine besondere Abbildung der Archegonien unterlassen, die ich durch Fig. 29 nachtrage. Es soll damit neben anderen Gleichheiten, welche (dies Prothallium mit dem von L. Phlegmaria finden läßt, gezeigt werden, daß ihre Archegonien mit Ausnahme der Zahl der Halskanalzellen mit Fig. 30. A und 2 junge Entwicklungsstadien des Embryos im Längsschnitte. et Embryoträger, / die Basalwand, 7/ die Transversalwand und /17 die die Stammetage vom Fuße (dem Epibasal) trennende Wand, s die Scheitelseite und # die des Keimblattes. Vergr. 240. € Medianer Längsschnitt dureh ein stärkeres, Archegonien besitzendes, auch einen Embryo entwickelndes Prothalliumende. ar Ein Antheridium, ar Archegonien und a Paraphysen auf der generativen, Wurzelhaare und das Pilzquartier g auf der vegetativen Seite. Der eingeschlossene Embryo ist im Sinne der Figur 2 aufgenommen. Vergr. 96. (len einfachen, achsial ungeteilten Formen gut übereinstimmen. Nament- lich ist an unserem Prothallium auch der tiefere Einbau der Eizelle in das generative Gewebe hervorzuheben, der namentlich aber bei dem von L. complanatum neben der großen Anzahl (der Halszellen beson- ders auffällt. Zur Darstellung der Entwicklung des Eınbryos, die mir mein früheres Material nicht vollständig zu verfolgen gestattete, will ich, gestützt auf die Figuren 30 und 31, noch einiges (zur Vervollständi- gung) nachtragen. Mehr noch wie bei L. Phlegmaria findet hier die Flora, Bd. 101. 18 264 H. Bruchmann, Entwicklung des Embryos einen klaren Ausdruck. So ist von der Aufführung des Grundbaues die durch Wand IV erfolgte Gliederung des Embryos in die Fuß- und Sproßetage später noch an erwachsenen Keimpflanzen auffindbar (man vgl. Fig. 303,C, 31 und a. a. O. auf Taf. VII, Fig. 42 u. 43). Der Fuß des monokotylen Embryos wird der schwachen Pro- thalliumform entsprechend wenig umfangreich und bleibt hinter der Größe der voluminösen, kugelig hervorgewölbten Saugorgane der großen Prothallientypen von L. clavatum und L. annotinum sehr zurück. Nur wenig wölbt er sich in das Prothallium vor und wird an dieser kon- vexen Stelle auch etwas papillös, aber nicht so stark, wie bei dem ent- sprechenden Organ des L. Phlegmaria. Die Eizelle wird nach ihrer Befruchtung eine verhältnismäßig große, zartwandige Zelle, bevor sie ihre Teilung eingeht. Die erste Teilungs- wand (Basalwand, I in Fig. 30) schneidet von der Eizelle nach «dem Archegoniumhalse hin «den Embryoträger (e2 in den Figuren) ab, welcher, soweit ich gesehen, immer einzellig bleibt und noch an erwachsenen Keimpflanzen als erste größte Zelle des Fußes am Mutterarchegonium _ her- vortritt (man vgl. alle be- züglichen Figuren). Daß nun die Wände II und III (Transversal- und Median- wand) die bekannten achsilen Längsteilungen, welche die Oktanten er- geben, und die Epibasal- wand (die quere Teilung (derselben unternehmen und den Grundbau vollenden, sind bekannte, aber hier besonders gut hervortre- on , u tende Tatsachıen. Auch die a ln mit nee; — Zurteklührung der einzel- Die Scheidung zwischen Fuß- und Sproßetage ist nen Organe des Embryos ent erkennbar. w Anlage der ersten Wurzel, auf die Teile des Grund- _ Sproßscheitel und 4 das erste Keimblatt. Verer. 96. baues erscheint hier mög- Die Keimung der Sporen und die Entwicklung der Prothallien nsw. 205 lich. Das ganze zwischen Wand I und IV liegende epibasale Glied wird zur Fußetage (Fig. 30.2), die halbkugelige, über Wand IV sich aufbau- ende Sproßetage ergibt in dem dieser Wand angrenzenden Teile das Iypokotyl (vgl. Fig. 30 3 mit BD). Die Stammknospe selbst geht aus (den beiden oberen, an der konkaven Seite der Transversalwand liegen- den Oktantenteilen hervor, und die beiden Oktanten der konvexen (der vorgewölbten Fußseite) geben dem Keimblatte den Ursprung. Früh schon nimmt der Embryo im Prothallium die durch den (reotropismus bedingte aufrechte Richtung an und erhält dabei die L. Selago und L. Phlegmaria eharakterisierende Form (Fig. > Ru. C). Eine Kalvptra, welche, wie in dem Prothallium von L. Phlegmaria. den Embryo haubenartig überwächst, fehlt hier. Der Embryo streckt sich im Prothallium sein Gewebe absorbierend vor, zersprengt endlich dasselbe und wächst dann, je nach seiner Lage zur Erdoberfläche, mit einer mehr oder weniger interkalaren Streekung seines IIypokotyis dem Lichte zu, wo er ein tiefes Grün annimmt. Die erste Wurzel tritt spät am Grunde des IHypokotyls nahe der Fußetage hervor. Über ihre Anlage, sowie über die weitere Entwicklung der Keimpflanze ver- Fir. 22, 3 f, weise ieh auf ineine frühere Dar- Er stellung. Die zum Schluß noch bheige- füsten Abbildungen einiger blühen- (den und Keimpflanzen entwiekeln- len Prothallienformen von L. Se- lago (Fig. 32—35) sind Ergebnisse meiner Topfkulturen. Dieselben Fie.34. Fig. brachten mir nicht die Mannig- Fig 3255. Vier gestreckte Prothallien- . , . formen von L. Selago in verschiedener faltigkeit der Formen. welche die Stärke und Größe. 4 Eine junge Keini- in Freien gefundenen wohl darzu- pflanze, Ihre erste Wurzel. bieten vermögen (man vgl. a. a. nn ©. Fig. 1-32 auf Taf. VD. Dennoch habe ich ihre Entstehung als eine solche, die zum ersten Male aus einer eigenen Kultur gewonnen wurde, freudig begrüßt. Zusammenfassung. Wenn hiermit auf die lange vergeblich gestellte Frage nach der Keimung der Sporen einiger einheimischer Lyeopodium-Arten eine erste IS’ 266 H. Bruchmann. Antwort gebracht wird, so kann diese bei solcher Materie nicht voll- ständig ausreichend ausfallen und sollte zu weiteren Prüfungen anregen. Auffallend erscheint zunächst die ungewöhnlich lange Zeit (der Sporenruhe besonders bei L. clavatum und L. annotinum. Ob diese vielleicht dureh eine Einwirkung unbekannter Reizmittel verkürzt werden könnte? Erfahrungen an «den Sporen von L. Selago lassen (lies fast vermuten, «da solche in einigen Fällen schon im dritten Jahre keimten, in anderen aber, z. B. solchen, bei welchen Sporen im Rohlumus aus- gesät waren, erst im siebenten Jahre. Ungewöhnlich sind auch die geringen Prozente der keimenden Sporen von L. clavatum und L. annotinum, «ie «doch bei L. Selago normal erscheinen. Es fragt sich nun, ob diese große Rückständigkeit auch den Sporen dieser Arten in anderen Waldgebieten zukommt. Die hier in Frage stehenden Netzrelief- und Tüpfelsporen ge- hören ganz extremen Formen der Gattung Lycopodium an und erzeugen auch unterschiedliche Prothalliumtypen. Dennoch lassen sich auffallende Übereinstimmungen in der Entwicklung der Prothallien erkennen. Beide Sporenarten keimen selbständig, vom Pilze unabhängig, und haben auch eine bis zu einem fünfzelligen Prothallium unab- hängige Entwicklung. Darauf tritt bei dem Prothallium für das ganze fernere Leben desselben eine Abhängigkeit von einem Pilzgenossen ein. Als erstes wichtiges Erzeugnis «lieser Sporenkeimung ist eine kleine linsenförmige Zelle hervorzuheben, welche in solcher Form auch bei anderen Pteridophytengruppen bekannt ist und als rudimentäres Rhizoid gedeutet wurde. Die erste Entwicklungsstufe unserer Prothallien führt, wie bei allen bisher bekannten Arten dieser Gattung, auf die Ilerstellung eines eiförmigen Zellkörpers, der unter «der Herrschaft unı Teilungs- weise einer zweischneidigen Scheitelzelle steht. In dem weiteren Entwicklungsgange unterscheiden sie sich von allen bekannten Formen, unterliegen aber auch einer Einwirkung (des (reotropismus. In der zweiten Entwicklungsstufe gewinnen unsere beiden Formen einen radiären. birnförmigen Zellkörper, welcher durch ein Scheitel- meristem wächst. Dasselbe ist bei L. Selago ungeschichtet, bei L. elavatum und L. annotinum nur anfangs ebenso und führt auf ein ge- schiehtetes über. Auch in dem inneren Bau dieser Zellkörper und in «der Entwick- lung «der Rhizoide ergeben sich wesentliche Unterschiede. In dem L.- Die Keimung der Sporen und die Entwieklung der Prothallien usw, 267 clavatum-Typus baut sich in langsamerem Fortschritte ein für eine lange Lebenszeit aufgeführte hochdifferenzierte und widerstandsfähige Pro- thalliumform auf, die für L. Selago einfacher ausfällt, schneller entstelit und vergeht: Die dritte (letzte) Entwicklungsstufe bringt bei den Typen zuerst die Überführung des meristematischen Scheitelwachstums in ein Ranı- wachstum hervor, womit zugleich «er Einbau eines achsilen Leitgewebes von einem sekundären Meristem der Scheitelmitte her verbunden ist. Schließlich geht die Scheitelmitte in generatives Gewebe und zur Ent- wicklung der Geschlechtsorgane über und findet dann ringsum oder auf einer Seite von dem Meristem (durch eine «dorsiventrale Wachstums- weise Ergänzung. Diese Entwieklungsstufe zeigt die Prothallien Blüten tragend und Keime entwickelnd. In beiden Prothallien-Typen bewohnt der Pilzgenosse das ganze an «das achsile anschließende Rindengewebe, bei dem L.-clavatum-Typus in den äußeren Schichten intra-, in den inneren interzellulär, dagegen bei dem L.-Selago-Typus nur intrazellulär. Auch in der Wohnform sind die Endophyten bei beiden Typen verschieden. In dem L.-clavatum-Typus bildet der Pilz nur Knäuel in seinen Zellquartieren und nimmt scheinbar unregelmäßigen fakulta- tiven Aus- und Eintritt. In dem L.-Selago-Typus bezieht der Pilz- genosse in Form von Filzmyzel und Sporangiolen die Zellen seines Quar- tiers, eine erste, einmalige Infektion ist für die ganze Lebenszeit des Prothalliums ausreichend, aber an jeder Fersenzelle des Rhizoidfubes erreicht der Pilz regelmäßige Verbindungen mit dem Substrat. Die Pilzgenossenschaft führt bei beiden Typen auf einen guten Erwerb an Nährstoffen, namentlich auf eine reiche Speicherung (er Stärke. Für den Typus des L. clavatum findet man nur bei dem von I. complanatum Ähnlichkeiten. Auch zeigt die Form ihrer Embryonen Übereinstimmendes. Der Typus von L. Selago hat mit dem von L. Phlegmaria Verwandtschaft, und lie embryonale Entwicklung erscheint bei beiden fast in allen Einzelheiten übereinstimmend. Über einen Fall weitgehender, postnuptialer Kelch- vergrößerung bei einer Solanacee. (Kleine Beiträge zur Kenntnis der Solanaceen Xr. 2.) Aus dem botanischen Institute der deutschen Universität zu Prag. Von Adolf Pascher. {Mit Tafel III und 3 Abbildungen im Text.) Kelchvergrößerungen sind bei den Nachtschattengewächsen häufig. Weniger bekannt sind «ie pränuptialen Vergrößerungen des Kelches. die schon im Knospenzustande vorhanden sind und die ıneist irgendwie len Schutz der kleinen unentwickelten Kronenknospen zu besorgen haben, wie es schön zu sehen ist bei „I/roßanfhe und Arzsodus, die ich in einem der folgenden kleinen „Beiträge zur Kenntnis der Solanaceen“ zu besprechen gedenke. Bekannter sind die Fälle, bei denen ein weiteres sekundäres Wachstum des Kelches erst nach der Befruchtung bzw. während er Fruchtbiltlung eintritt. Das insbesondere wegen der roten Verfärbung bekannteste Beispiel dafür ist PAysals, speziell die Arten PAysalıs Ukekengr und die als Zierptlanze verwendete PR. Franchetti!), Der- artige meist postnuptiale Vergrößerungen sind nun für viele Solanaceen- Sattungen charakteristisch: ich erwähne hier Nirandra, /ochroma, Phrodus. Latua, ITchrcladus. wo er von der Frucht weit absteht, AZargarantinıs, die im Fruchtkeleh PAysalzs ähnelt, Cacabus wo der Fruchtkelch weit aufgeblasen ist, Prysochlaina, wo er speziell in der Sektio Veszcedosar weit blasig ist und häutig wird und bis zu einer Größe von 7 cm heran- wächst. //yosceyamus, Chamaesaracha und Alhenaea, dann die paläo- tropische IWVrfhania, Saracha, Aelissaca und noch andere. Hierbei liegt der vergrößerte Fruchtkelch der Frucht entweder dicht an und schließt sie mehr oder weniger ein (Zyoseyamus, Physochlaina sect. Orientales, Jochroma a. a) oder steht locker blasig weit ab (Pysalis, Phyrochlaina seck. Vesiculosac, Withanıa, Margaranthus u. a.) oder ist unter der Frucht weit, oft sogar radförmig ausgebreitet (IZelissea. Vlebecladus. Saracha), kurz es wiederholen sich bei «den Solanaceen alle Modifikationen von Kelchvergrößerungen, die sonst nur einzeln bei einzelnen Familien auftreten. Im allgemeinen sind sie bei den Nacht- sehattengewächsen ungemein häufig, während sie sonst speziell in unserer heimischen resp. europäischen Flora relativ selten sind (Sieze, Alck- I) Die Gattung Zvsalis wäre einer eingehenden neuerlichen Bearbeitung wert, da sie in ihrem jetzigen Umfang sicherlich gar nicht einheitlich umgrenzt ist. Adolf Pascher, Über einen Fall weitgehender Kelchvergrößerung usw. 2650 forolophus, Pedicularis, ilnthyllis telraphylla, Pedicularis, Pulmonaria, Primsda, zahlreiche Labiaten u. a.). Ich möchte nun hier eine postnuptiale Kelchvergrößerung be- sprechen, wie ich sie derart weitgehend bei keiner anderen Solanacee gesehen und die in der erreichten extremen Größenzunahme wohl über- haupt vereinzelt dastehen dürfte. Prsewalskia tangutica, deren eigentümlichen Sproßaufbau ich in dem ersten «dieser „Kleinen Beiträge zur Kenntnis der Solanaceen“ be- sprochen habe, weist zur Zeit der Anthese in ihrer Blüte nach keiner Hinsicht etwas besonders auffälliges auf. Die stark protogyne Blüte, die ungefähr 31/,—4 em in der Länge mißt, hat einen relativ kleinen, in keiner Weise auffälligen Kelch von eiförmiger Gestalt und 7--8 mm Länge und 4—-5 mm Durchmesser, der sowie «die Krone dicht mit kurzen Drüsenhaaren besetzt ist. Die schmale Blumenkronröhre er- weitert sich vorn zu einer kurz trichterförmigen Mündung, «die mit den fünf grellgelben Kronlappen besetzt ist. Auch die Krone ist dicht drüsig: das Androeeium ist bis zur Mündung herauf mit der Röhre verwachsen. Fertile Blüten finden sich nicht an allen Stöcken vor. Die Hälfte der Stöcke hat, soweit ich das Herbarmaterial sah, kleine verkünmerte, sterile Blüten. Von den fertilen Blüten werden lange nicht alle be- fruchtet; ich halte es fast für ausgemacht, daß hier die gar zu weit- gehende Protogynie schädigend mitspielt. Kommt es aber zur Befruchtung. so bildet sich eine wohlaus- gebildete Deckelkapsel, vollkommener als bei Scoolia und ZP’ryso- chlaina, doch nicht so sehr differenziert wie bei //yoseyamus. Mit dieser Fruchtreifung setzt aber eine kolossale Förderung des Kelchwachstums ein. Der Kelch, der bis zur Antliese in keiner Weise abweichende Größenverhältnisse zeigte, beginnt sich zu dehnen: er bleibt lange grün und wächst nun mächtig in die Länge, wird zuerst mehr eilänglich, um sich dann auszuweiten und immer mehr eiellipsoitisch zu werden. Das Wachstum setzt sich aber noch lange fort, aus dem durch die reichlichen Drüsenhaare gelblichgrünen Laube, das büschelig der Erde aufruht, neigen sich schließlich die blasenförmigen grünen Frucht- kelehe zur Erde, die vorher von der Größe eines Zaunkönigeies bis zur Größe eines Hühner-, ja sogar eines Gänseeies heranwachsen. Dabei verstärkt sich das Stranggewebe beileutend. Die vordem zarten Maschen (les Nervennetzes verstärken sich. werden zäh nnd derb und verticken sich insbesondere an den gegen (den Kelchgrund gerichteten Partien. 270 Adolf Pascher, Ganz unglaubliche Größendimensionen werden erreicht. Maß der Kelch bis zur Fruchtzeit 7-9 mm in der Länge, so wird er nach der Fruchtzeit bald 4 em, 8 em lang, und ich sah sogar Fruchtkelche von 11/, em Länge, also mit einer Längenzunahme um das 14-—-17fache. Damit wächst auch die Oberfläche: als Durchschnittsoberfläche ergab sich für den Blütenkelch aus nur annähernden Berechnungen 100-- 110 mm?: ein Fruchtkelch, den ich annähernd ausmaß, hatte eine Oberfläche von 20000 —22000 mm, also von 200-220 cm?, — eine Öberflächenzunahme annähernd um das 200—220 fache. b Fig. 2. Querschnitte des Blütenkelches z und des Fruchtkelches 5 vergleichsweise nebeneinander gestellt. (Die scheinbare Sechskantigkeit des Kelches kommt da- von her, daß der Schnitt zufällig die Fig. 1. weiteste Ausbiegung des Seitennerven a Blüte zur Zeit der Befruchtung; eines der fünf Hauptnerven traf.) 5 Blüte kurz nach der Befruchtung: c halbreifer Fruchtkelch; d Umriß eines reifen Fruchtkelches. Beide Figuren um ein Drittel kleiner als natürliche Größe. Und auch (lie Volumszunahme ist ganz bedeutend; der Kelch, der vor der Befruchtung annähernd 100 mm? ausmißt, mißt zur Fruchtzeit 2400 — 3000 mal mehr aus, — die annähernde Berechnung des Volumens eines Fruchtkelches ergab ein Volumen von 290000300000 mm}, oder 290--300 em?, — also mehr als ein Viertelliter. Und derartig große Formen werden allem Anscheine nach nicht selten erzeugt, denn das immerhin spärliche Material der Petersburger Herbarien weist relativ viele und große Fruchtkelche auf. Über einen Fall weitgehender. postnuptialer Kelchvergrößerung usw. 971 Dieses abnorm weitgehende sekundäre Kelchwachstum setzt allem Anscheine nach gleich nach der Befruchtung ein, denn Blüten, die die Krone noch gar nicht weitgehend desorganisiert hatten, zeigten schon ganz bedeutende Zunahmen. Ich verweise diesbezüglich, sowie über (die relativen (Größen- verhältnisse am besten auf die beigegebenen Figuren und die Tafel. Auf Fig. 1 und 2 habe ich Kelche in ihrer Entwicklung von der Anthese an bis zum Fruchtkelche nach Herbarmaterial im Umriß gezeichnet. In der Fig. 3 gab ich schematische Übersichten über die Zunahmen, wobei ich bemerken möchte, daß die einzelnen Schemata nicht im selben Verhältnis gezeichnet sind. Um die Flächenausdehnung in entsprechendes Verhältnis zum Schema für die lineare Ausdehnung zu bringen, müßte die Fläche eine annähernd so lange Seite haben, — analog dazu (er Würfel eine Seitenkante, die um die Hälfte länger ist als die Seiten- kante des gezeichneten. Immerhin geben diese Schemata eine an- nähernde Vorstellung von der Größe dieses abnormen sekundären post- nuptialen Kelchwachstums. zu Fir. 3. Schematische Darstellung der relativen Größenverhältnisse von Blütenkeleh (a % 0) und Fruchtkelch (a’ 5° c’). a—a’ Verhältnis der Längen; #—2° Verhältnisse der Oberflächen: -—ec’ Verhältnis des Rauminhaltes; & Oberfläche der Spreite des untersten Laubblattes eines Sympodiums. ins Verhältnis gesetzt zur Oberfläche des Fruchtkelches #°. — Die Größenverhältnisse entsprechen den um ein Drittel ver- kleinerten natürlichen Größen. a’ Zur Reifezeit liegen allem Anscheine nach (ie vergrößerten blasigen Kelche, die die Größe eines Gänseeies erreichen, dem Boden an. -- Den Eindruck, den Przewalskia in diesem Zustande macht, die relativ dicklichen grünen Blattbüschel, die aus der Erde herausragen und sich 272 Adolf Pascher, Über einen Fall weitgehender Kelchvergrößerung usw. kaum 19— 15 em hoch über sie erheben, und die großen blasigen, schließ- lich häutigen Fruchtkelche, die diese kleinen Blattbüschel oft zu mehreren tragen, muß höchst überraschend sein. — Soviel über die Morphologie dieser Fruchtkelche. In biologischer Hinsicht scheint der vergrößerte Fruchtkelch als Assimilationsorgan von Bedeutung zu sein. Die Fläche eines Frucht- kelches, die lange grün und assimilationsfähig bleibt, ist relativ groß, sie beträgt 200-300 em? Verschwindend klein dagegen ist die Ober- fläche eines assimilierenden Blattes. Ich erwähnte bereits im ersten Bei- trag zur Kenntnis der Solanaceen, daß die Blätter von Przewalskıa langgestielt sind und eine längliche Form haben. Die untersten Blätter der Sympodieu sind die größten, die oberen nehmen jäh ab und über- ragen nie das unterste Laubblatt. Ein derartiges unteres größeres Laubblatt hat im Durchschnitt bei kräftigen Exemplaren eine Oberseite von annähernd 25 em? Der Kelch hat demnach eine 8—12mal größere assimilationsfähige Oberfläche als ein Laubblatt, ja seine Oberfläche ist viel größer als die Laubblattfläche eines ganzen Sympodiums, die in einigen Fällen 55-65 em?, also noch immer nur '/, oder '/, der Kelch- oberfläche beträgt. Wir haben uns daher aller Wahrscheinlichkeit nach bei Prsewalskra den Kelch als ein hervorragendes, für die Assimilation ungemein bedeutungsvolles Organ vorzustellen, dessen Tätigkeit für die Fruchtbildung von eminenter Bedeutung ist. Leider läßt sich die Sache bei dieser Pflanze nicht experimentell verfolgen: /rzewalskıa ist, soweit ich erfahren konnte, in keinem bota- nischen Garten in Kultur, und ist auch nicht direkt zu erhalten; sind doch die Originalbelege für die Gattung nur in Form einiger weniger, allerdings sehr vollkonmener Exsiecaten vorhanden. Meines Wissens findet sie sich überhaupt nur in den Herbarien von Petersburg und eventuell in Kew. Ich mache aber bereits seit Jahren Versuche bei anderen Solanaceen über «ie Bedeutung des Kelches als Assimilations- organ, die bis jetzt ergaben, dab der Kelch dabei in bedeutender Weise tätig sei. Nebenbei möchte ich noch kurz zwei andere Fälle postnuptialen Kelehwachstums erwähnen. Die Gattung Z%ysochlaina bildet bei den Angehörigen der Sektion Veszerrlorac ebenfalls derartige blasige Kelche au>, «ie völlig denen von PArysalis gleichen, doch meist aufrecht stehen um weißhäutig sind. Die Zunahme ist ebenfalls eine bedeutende, und insbesondere Physochlama dahıurica Miers et Pascher bildet kugelig- eiförmig-blasige Fruchtkelche von einem Durchmesser bis 7 cm aus. Liegeu bei Prsewalsken diese Fruchtkeleche der Erde auf, so stehen Adolf Paseher, Über Gitterkelehe nsw. 275 sie bei Prysochlaina aufrecht: P’rysochlaina hat. einen terminalen schein- doldigen Blütenstand an der Spitze des Stengels. Die Fruchtkelche bilden einen großen leichten, raschelnden Ballen. Bedeutende Kelchvergrößerungen zeigt aueh „brzsodas, inbeson- dere Arisodus tanguficus Pascher. Ilier ist aber der Fruchtkeleh nicht blasig aufgetrieben, sondern mehr walzlich verlängert: die Mem- bran ist auch nicht häutig, sondern wird derb, in den ersten Stadien fast Heischig, die Nerven verdicken sich zu ganz vorspringenden Wülsten. Aber weder bei Prysochlama noch bei »Lrisodas finlet sich eine derart weitgehende Vergrößerung des Kelches wie bei Przemwalskra, bei der sich Blütenkelch und Fruchtkeleh in ihrer Größe verhalten wie eine Walnuß und ein Kürbis von annähernd 60 em Länge. Über Gitterkelche, einen neuen biologischen Kelchtypus der Nachtschattengewächse. (Kleine Beiträge zur Kenntnis der Solanaceen Xr. 3.) Aus dem botanischen Institute der deutschen Universität zu Prag. Von Adolf Pascher. (Mit "Tafel IT und 1 Abbildung im Text.) Im vorstehenden „Kleinen Beitrage zur Kenntnis der Sokinaceen" „über einen Fall weitgehender postnuptialer Kelchvergröße- rung bei einer Solanacee* berichtete ich von dem ganz abnormen sekundären Wachstum «des Kelches bei Prsewalskra tfangıdica, das nach der Befruchtung einsetzt und Fruchtkelche erzeugt. die 8--1Tmal »o lang sind als die Blütenkelche, eine 200 —300mal größere Oberfläche und ein 2000—3000mal größeres Volumen als «die Blütenkelehe be- sitzen. Diese Fruchtkelche stellen schließlich eine ziemlich dünnwandige., hühner- bis gänseeigroße. ellipsoidische Blase dar: «die Nerven haben sieh vertdiekt und treten deutlich vor — und so hängen diese Gebilde von der niedrigen büscheligen, kaum spannhohen Pflanze herab und liegen der Erde auf. Das Gewebe des Kelchrandes vertrocknet all- mählich, auch der Fruchtstiel dorrt aus und bricht leicht ab, so dal nun die leichte Kugel am Boden dahin rollen kann. Ich möchte nun hier auf die Biologie dieser Fruchtkelche ein- gehen. um so mehr, als sie einen biologisch ganz eigenartigen Kelch- typus darzustellen scheinen. a4 Adolf Pascher, Merkwürtdigerweise sind diese Fruchtkelche von /rscwalskia vorn fast. völlig geschlossen. Bei der exzessiven Vergrößerung neigen die ebenfalls vergrößerten Kelchzähne derart zusammen, daß ein Austreten ler Samen durch diesen vorderen Verschluß der Kelchmündung zum nindesten sehr erschwert wird. daher nur selten und unregelmäßig statt- findet. Auf diese Weise wird diese Form der Kelchvergrößerung, die durch Zusammenneigen der Kelchzähna schließlich fast zum völligen Verschluß des Kelches führt, direkt hinderlich für die Verbreitung der Samen. Wir stehen hier vor der Kombination zweier biologisch bedeut- samer Momente, die sich gegenseitig nicht zum Vorteile gereichen. Einerseits eine kompliziert gebaute Frucht, eine Trockenkapsel. die sich mit einem wunderschön sich abhebenden Deckel öffnet, sicher- lich ein vollkommener Mechanismus, die reifen Samen austreten zu lassen; andererseits eine weitgehende Vergrößerung des Kelches, der die Kapsel einhüllt. eine Vergrößerung, die an und für sich vielleicht bedeutungslos, schließlich zum fast völligen Verschluß des Kelches führt, so daß die aus der Deckelkapsel austretenden Samen in (den lohlraum des Kelches fallen. Für eine biologische Erklärung erscheint (liese Kombination fast hoffnungslos. Bei /rsewalskia kommt nun aber folgender günstige Umstand dazu. Die (srewebepartien, die zwischen den strang- artig verdickten Nerven des Fruchtkelehes liegen, trocknen immer mehr aus, werden immer dünner und häutiger. Schließlich brechen sie ganz aus oder verstäuben. Dieses Ausbrechen resp. Verstäuben der Zwischennervenpartien wird wesentlich dadurch erleichtert, daß der Wind die großen Fruchtkelche, «die eigentlich nichts als eine leichte Blase darstellen und über- dies bei sehr geringem (sewichte eine grobe Angriffsfläche darbieten. aufnimmt . , und nur zum Teil über den Boden dahin- Fir. Längsschnitt FTIR a rollt oder direkt aufwirbelt und eine Strecke tisch, vergl. die Photographien.) (durch die Luft trägt. um sie dann wieder- Um ein Drittel verkleinert: holt sinken zu lassen. Jedenfalls ist diese passive Bewegung mit mannigfachen mecha- nischen Angriffen auf die trockenen Gewebepartien zwischen «lem Über Gitterkelehe usw. 275 Nervennetz verbunden, wodurch ein Stückchen Gewebe nach «dem anderen herausbröckelt, so daß als Rest nur das Gitterwerk «des Nervengeflechts überbleibt. Der Kelch besteht in der Tat schließlich nur mehr aus dem Stranggewebe, «dem Nervengitter und sieht kleinen mazerierten Skeletten von Luffafrüchten nicht unähnlich. Häufig beginnt (dieses Gitterigwerden bereits an der Pflanze, indem b>im Austrocknen die Zwischenpartien infolge Spannungsdifferenzen zer- reißen. Diese leichten, schließlich nur mehr aus dem Maschenwerk der Nerven bestehenden Gitterkelche werden vom Wind auf weite Strecken über die Steppen Nordehinas hin verschleppt — und nun fallen bei (diesem Tanzen und Springen vor dem Winde. dem Emporgewirbelt- werden im Sturme, die Samen «durch das übriggebliebene Netz aus. Natürlich werden sie dabei weithin zerstreut. An winistillen Orten sammeln sich diese leichten luftigen Gitterwerke in größerer Menge an, ein Umstand, der wohl auch Przewalski, dem Entdecker dieser auch nach anderer Hinsicht merkwürdigen Pflanze, aufgefallen sein mag. Denn ich kann mir nur vorstellen, daß Maximowiez, auf Grund Przewalski’scher Angaben, (den folgenden Satz. in seine Diagnose über die neue Gattung Prezrwalskıa aufnahm: .... cabycibus fruchferis — fmaxime accrescenttbus) — 4 pollicaribus, facıle abruptis, ventagur se commiftentibus longingue ilinera suscipientfibus, Lum denigue in franguillo magna grege colligentibus. (regione Tangut ». gr. ad summum fl. Hoangho, nee non in Tiheto deserto boreali freguens.) So bilden aller Wahrscheinlichkeit nach diese leichten Gitterkelche von Przewalskia, welche eine im Aussterben begriffene monotypische Gattung ist, eine für die tibetanischen und nordehinesischen Steppen charakteristische Form von Steppenläufern, jenen Ansammlungen trockener ganzer Pflanzen, Fruchtstände oder Früchte. die durch den Wind über weite Strecken hingetrieben werden. Um über die Samenverbreitung durch diese Gitterkelche näheres zu erfahren, machte ich folgende Probe. Ein Fruchtkeleh. der bis auf las Gitterwerk der Nerven verstäubt war!), wurde, da er infolge des 1) Ich bin der Direktion des Kaiserl. botan. Gartens zu St. Peters- burg. Herrn Geheimrat Prof. Dr. v. Waldheim, für die Liebenswürdigkeit, mit der sie mir die Entnahme eines Fruchtkelehes ans dem kostbaren Materiale we- stattete, recht zu Dank verpflichtet. 26 Adolf Pascher. Pressens und Konservierens gequetscht war, sorgfältig aufgekocht. in (lie normale, eiähnliche Form gebracht und durch Eintauchen in eine heiße Gelatinelösung und rasches Trocknen fixiert. Da es an der ge- nügenden Samenmenge gebrach, wurden aus Paraffin Körperchen gemacht, die in der Morphologie annähernd. in der Größe genau den Samen von Prsezwalskia glichen. Durch einen seitlichen Schlitz in die Kelehwand. der nachträglich wieder vernäht wurde, wurde eine Anzahl soleher Samenimitationen eingeführt. Es war nun unglaublich, mit welcher Leichtigkeit sich diese Frucht- kelche auf einer Ebene fortbewegen ließen. Das leiseste Anblasen ge- nügte, um sie ins Rollen zu bringen nnd bei einem mäßig heftigen Luftstoß tanzten sie nicht selten über die ganze Länge des Versuchs- tisches. Troztdem die Maschen des Kelchgitters relativ groß, aber auch ziemlich unregelmäßig waren, so war es doch auffallend, wie wenig Samen aus «dem dahinrollenden Kelehe ausfielen: größtenteils rollten sie an den Maschen selber ab, und nur vereinzelt fielen sie durch die Maschen hindurch. Jedenfalls werden die Samen bei der passiven Fortbewegung des Gitterkelehes über relativ große Flächen zerstreut: fanden sich doch bei der geringen Geschwindigkeit des am Tische rollenden Kelches über einer Strecke von ungefähr 3% m. meist nur ein oder zwei Samen aus- gefallen, Wir können uns daher wohl vorstellen, daß diese vom Steppen- wind fortgetragenen Kelche, bei ihrem geringen Gewichte und ilrer großen Angriffsfläche ein vorzügliches Mittel zur Verbreitung und Zer- steuung der Samen sind, umsomehr, als ja bei rascher Bewegung des Kelches der Ausfall der Samen durch die Gittermaschen spärlicher erfolgt als bei langsanıer. So wird als bei Prsewalszra die ursprünglich unvorteilhafte Kom- bination, Deekelkapsel und mehr oder weniger geschlossener Frucht- keleh «durch sekundäre äußere Momente biologisch wieder verwertbar. Es wird sich Gelegenheit finden. zu zeigen. daß bei einer anderen Solanaceae derartige sekundäre günstige Momente zu einer ähnlichen unglücklichen Kombination nieht hinzutreten. Diese (ritterkelche, die bei /rzewalskıa in ganz einzig schöner Weise auftreten, finden sieh auch. wenn in weniger vollkommener Form auch bei anderen Solanaceen. Bedeutende Kelehvergrößerungen zeigen auch Physochlarma wud ‚Lrrsorzs, beide asiatische Gattungen, die erste von Kleinasien durch Üher Gitterkelche usw. 377 Zentralasien bis nach China reichend, die letztere auf den Himalaya und Tibet beschränkt. Die Fruchtkelche von PAysochlaina gleichen völlig den Frucht- kelchen von PAysalzs, nur sind sie ungefärbt und tragen am Grunde keine Beere, sondern eine Deckelkapsel. Da der Blütenstand eine Scheindolde ist, so sitzt der Pflanze zur Fruchtzeit ein dichter Strauß trockener, kugeliger Kelche auf, die nach dem Ausfall der Samen in den trockenen, blasigen Fruchtkelch ein ganz merkwürdiges, singeniles Rascheln erzeugen, ähnlich wie bei unserem Klappertopf, nur hundert- mal verstärkt, ein Umstand der ebenfalls zu dem merkwürdigen Fin- «druck beiträgt, den diese Pflanze zur Fruchtzeit macht, wo ihren dunkelgrünen Blättern terminal ein bis kleinkinderkopfgroßer Ballen diehtgehäufter, weißseidiger Fruchtkelche aufsitzt. Bei diesen Physo- ehlainen sind die Fruchtkelehe vorn gewöhnlich offen. doch finden sieh auch geschlossene Auch bei Prysochlaina erfolgt nicht selten ein Ausbrechen «der Gewebepartien zwischen den Nerven. Es werden aber nie so schöne Gitterkelche wie bei Przewalskia gebildet, da hier «die Verstärkung der Kelchnerven nicht weit geht. Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, daß sowohl «lie los- gelösten Einzelkelche von Physochlaina, wie auch die ganzen doldigen abgebrochenen Fruchtstände, die einen Durchmesser von 15-20 em besitzen und aus zahlreichen, bis 7 cm messenden kugeligen Frucht- kelchen bestehen, von Winde aufgenommen werden und als Steppen- läufer dahin tanzen, wobei das Rascheln der Samen in «den trockenen blasigen Kelchen den absonderlichen Eindruck der Erscheinung wohl sehr verstärken mag. Ähnliche Gitterkelehe fanden sich auch bei Azzsodas. Hier aber brechen «die Zwischennervenpartien, ob der insbesondere bei „Tarzsodirs tanguticus weitgehenden Derbheit der Gewebe, nur selten, une dann nur mehr in der Mitte oder gegen den Grund des Fruchtkelehes zu aus, dabei aber schöne regelmäßige Maschen bildend. Ich sah emen besonders schönen Kelch an einem sonst unbestimmbaren Bruchstück. Leider ist es schwer, über die Verbreitung von Gitterkelehen bei Anisodus Näheres anzugeben. In unseren botanischen Gärten!) am Kontinent setzt Ansiodus schlecht an und reift zum mindesten schlecht 1) Nur aus St. Petersburg erbielt ich durch die besondere Liebenswürtdig- keit des Direktors, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Fischer. v. Waldheim, dem ich zu herzliehsten Danke verpflichtet bin. sehöne ausgereifte Früchte von „Dura Fischeriauns,. A. Teridus und tangnticus. Unansgereifte Früchte erhielt ieh an Kew. für deren Zusendung ich Herm Dr. Stapf sehr danke, DIN Adolf Pascher, Über Gitterkelche usw. aus, und in den Herbarien ist gewöhnlich unentwickeltes Material vor- handen. Jedenfalls halte ich die Gitterkelche bei den Hyoseyamineen für weiter verbreitet und die genauere Erforschung des einen Entwicklungs- zentrums (der Hyoseyamineen, der zentralasiatischen Steppe, wird uns sicherlich bessere Kenntnis dieses biologisch interessanten Kelchtypus verschaffen. Prag, Mitte Dezember 1909. Erklärung zu Tafel Il. Ein Blütenkelch (1) und verschiedene Entwicklungsstadien der Fruchtkelche bei Przewalskia tangutica (nach Herbarmaterial). ti. Blütenkelch zur Zeit der Befruchtung. 3, Junger Fruchtkelch. 3. Beginnendes Herausbröckeln des Gewehes zwischen den Nerven. 4., 5. Mehr oder weniger ausgereifte Fruchtkelche. Zwischen 4 und 5 ein reifer Same. Die Kelehzähne wurden durch das Zusammenqnetschen bei der Aufpräpa- rierung des lebenden Materiales von einander getriehen, außerdem an der Spitze (5) teilweise umgebogen und lädiert. Über den Einfluß der Verletzung von Kotyledonen auf das Wachstum von Keimlingen. Von Helene Jacobi. Aus der biologischen Versuchsanstalt in Wien. {Mit 2 Abbildungen im Text.) Es ist aus Arbeiten von Sachs!), van Tieghem?), Marek) und anderen Forschern bekannt, «daß Keimlinge, wenn Teile ihrer Reservestofforgane entfernt werden, den normalen Keimlingen gegen- über im Wachstum zurückbleiben und zwar um so mehr, je weniger Reservestoffe ihnen verblieben. Diesem Verzwergen geht jedoch eine kurze anfängliche Wachs- tumszeit voraus, während welcher die beschädigten Keimlinge eine Wachstumsbesehleunigung gewöhnlich in derselben Weise erfahren, als sie später im Wachstume zurückbleiben. F. Haberlandt) hat diese Erscheinung an Weizen-, Hafer- uni Gerstenkeimlingen beobachtet. Den Samen (dieser Pflanzen waren vor der Aussaat verschieden große Stücke des Endosperms abgeschnitten worden. Portheim?) untersuchte Keimlinge von Phaseolus vulgaris, denen !/,, 1 ganzer oder 1'/, Kotyledonen abgenommen wurden. Am 3. Tage waren (die Keinlinge mit 1Y/,, 1 oder !/, Kotyledo länger, als die mit 2 Kotyledonen, welehe am 5. Tage die anderen überholten. Später blieben die verletzten Keimlinge um so mehr im Wachstum zurück, je weniger Reservestoffe man ihnen gelassen hatte. 1) Sachs, J., Physiologische Untersuchungen über die Keimung der Schmink- hohne (Phaseolus multiflorus). Gesammelte Abhandiungen über Pflanzenphysio- logie 1892, pag. 596. 2) Van Tieghem, Ph. Recherches physiologiques sur ia germination. Annales des seiences natnrelles. V. Ser.. Botanique, 1879, T. NVIL pag. 205. 3) Marek, €, Das Saatgut und dessen Einfluß anf Menge und Güte der Ernte. „Wien 1875, pag. ET. 4) Haberlandt, F., Verschiedene Beobachtungen und kleine Versuche, aus- geführt im Gewächshause der Lehrkanzel des Pflanzenbaues. Wissensehaftlich- praktische Untersuchungen auf dem Gebiete des Pflanzenbanes. Mitteilungen aus ‚lem landwirtschaftlichen Laboratorium der k. k. Hochschule für Bodenkultur in Wien, 1875, Bd. I, pag. 234. 5) v. Portheim, L., Über Formveränderungen durch Ernährungsstörungen bei Keimlingen mit Bezug auf das Etiolement. Aus dem Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie d. Wissenschaften in Wien, mathem.-natnrw. Klasse. Bd. UXVL Abteil. I, Juli 1907. Flora, Bd. 101. 18 280 Helene Jacobi. Es soll nun an einer Reihe von Versuchen ausgeführt werden, wie sich das Wachstum von Keimlingen, welchen ebenfalls nur Teile (der Kotyledonen verblieben, unter verschiedenen Bedingungen, und zwar vorerst im Licht und im Dunkeln, verhält. Zu den Untersuchungen wurden nicht allein Pflanzen herangezogen, welche über eine größere Menge von Reservestoffen verfügen, sondern auch solche, die in ihren Kotyleıonen geringere Mengen (dieser Reservestoffe aufspeichern. Die Versuche der ersten Gruppe, der an Reservestoffen reichen Pflanzen, beziehen sich auf Phaseolus multiflorus, die der zweiten Gruppe, der reservestoffärmeren, auf Cueurbita Pepo, Pinus sil- vestris und Picea excelsa. Es wurden zur Beobachtung Wasserkulturen und Topfkulturen benutzt. Bei Phascolus multiflorus entfielen die letzteren. Die \Wasserkulturen waren in folgender Weise eingerichtet: Die mit Brunnen(Hochquellen)wasser gefüllten Gläser wurden mit Organtin bespannt. Die Keimlinge staken mit den Wurzeln in den Maschen des Gewebes. Um gleiche Licht-, Feuchtigkeits- und Wärmeverhält- nisse herzustellen, kamen die mit den Versuchspflanzen beschickten (Häser und Töpfe einer Versuchsreihe, unter einen Glas- bzw. Dunkelsturz. Nur die Topfkulturen der Koniferen blieben außer- halb «des Glassturzes, da sie in größerer Feuchtigkeit leicht zugrunde gingen. Die Messung der Keimlinge erfolgte jeden 2. oder 3. Tag, oft auch täglich. Versuche mit Phaseolus multiflorus. Zuerst wurden Wasserkulturen im Dunkeln beobachtet, da von Interesse war. zu untersuchen, oh an ihnen die Tendenz der Verlänge- rung «der Epikotyle überhaupt und ob stärker als im Lieht zu schen ist. Eine tabellarische Übersicht eines der fünf ausgeführten Versuche soll den Verlauf derselben zeigen (Tabelle D. Bezüglich der Tabellen sei erwähnt, daß für die Bezeichnung der an «den Keimlingen verbliebenen Kotyledonen der Kürze halber nur ihre Anzahl '/,, 1, 2 steht. In der ersten Gruppe der Zahlenkolonnen sind die Durchschnittsgrößen der betreffenden Organe in Zentimetern angegeben: in der zweiten stehen die Wachstumsintensitäten, wie sie von einem Versuchstag zum anderen erhalten werden. Aus Tabelle I ist zu ersehen, daß diejenigen Keimlinge, welche nur einen halben Kotyledo haben, bei Beginn des Versuches die größte Wachstumsintensität besitzen: dann folgen die Keimlinge mit 281 Über den Einfhuß der Verletzung von Kotyledonen usw. = mm SsFlced GEOEFE CE SFEFEFT SHOT SL wel wualr ae SL = Ts 0ED TO Jejan YMSIOA N dc — VOUDPpoLAJoy THE EEE BE ER GE u Ga a ee Br NR: Fa Furumoy — 2-on oo _ - men - - mom mm umgwef NOPLOALIEN WHIPOLIHH] 'Z winıpowaogu] °[ apnloyida U9Zan A‘ op q! 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Von da ab vergrößert sich die Wachstums- intensität der unverletzten Keimlinge, so daß am 5. Tage die nor- malen am längsten sind und es auch ferner bleiben. Die gleiche Erscheinung zeigt das erste Internodium, während beim zweiten Internodium die normalen Keimlinge gleich mit der srößten Wachstumsintensität einsetzen. Zur Zeit des Auftretens der zweiten Internodien sind aber auch schon alle Reservestoffe aus den Kotyledonen verbraucht, was sich bei den Keimlingen mit nur einem halben Kotyledo zuerst geltend macht. Am Schlusse des Versuches sind jene Keimlinge kleiner, denen weniger Reservestoffe verbleiben, ihre Stengel dünner, die Blattspreiten schmäler. Die anderen vier Versuche zeigten denselben Verlauf. Die Untersuchung des Wachstums der Keimlinge von Phaseolus multiflorus im Licht unter sonst gleichen Versuchsbedingungen wie die der vorigen wurden nur einmal ausgeführt. Das Resultat stimmt nämlich nicht nur mit dem schon erhaltenen überein, sondern auch mit jenem, welche v. Portheim!) bei seinen Untersuchungen über Phaseolus vulgaris erhielt. Tabelle II zeigte, daß die Keimlinge mit nur einem halben und mit 1'/, Kotyledonen am 3. Tage die größte Wachstumsintensität be- sitzen, daß aber am 5. Tage die normalen Keimlinge wieder die größten sind. Versuche mit Cucurbita Pepo. Es wurden sowohl Wasser- als auch Topfkulturen beobachtet. Beide Kulturen einer Versuchsreihe kamen unter einen Glassturz. Sowohl Gläser als Töpfe waren mit je fünf Keimlingen beschickt. Der Versuch, die Pflanzen auch im Dunkeln zu ziehen, führte zu keinem Resultate, da «die verletzten Keimlinge rasch faulten. Die an allen Versuchen gemachten Beobachtungen sollen an der Tabelle eines Versuches nachgewiesen werden (Tabelle III). Bemerkt sei noch, daß bei den Keimlingen mit 11/, Kotyledonen, stets der un- verletzte gemessen wurde: nur bei einen Versuche zur Kontrolle auch der verletzte, I) I. v. Portheim I. e. Über den Einfluß der Verletzung von Kotyledonen nsw. "ISISFS7UR UABUIWIOM € Ina syonsteAa 9 Us u or 20a oz weloort 00'T 00LELE EEE SEEOT 30T IOTTHFE OS9 Oat2lBo‘L OL EOTLIFL LO OUN Z SET AUT sort EEE TSLL 20°L o0erE DEE DEELIT 6O°L CO°TOE"L E29 902BOTELLOLILSO 079 9% 3 SFT SET LTE 00T ONE [BOT FLST TOTST'E 208 ORSROST ELT CO'TFI9 CO 02080 ILTZI TED ER Cor. = ET OST SET MEST OT OR DOT TOT HOLSO'E 89°2 HEEISTTTHLILSTLIEC zus Frol00°T 22T ZI T98°e Ss°r zero B 02'087 029 11 LU EZ HT FEST FO 90ELIT Ze SEHTTTE HEY OCIeRSE Dr PSTLISTC SEE PIC > rat = 00 er — - rel — — OECTOYISFI 3 = 00er = usuopaıkjoy a Wr la Gr ıla Sr ııza Sııla ııla ala ran sl | $ |sgjest ade x aru] sur Pinpord SOPPAUIDM SOU Oaagg | soyujqumay souio odurj | og " | eozun, aM B »4 Ex En *(„U950299 pr wı pay ur odag ertqunany Ay oo, OISIZFNR UOSUIMON Cr ur ofansia‘ G uapıma Spt ern get os LorzIsh. 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Tage bei jenen Keimlingen am größten ist, welche am wenigsten Reservestoffe besitzen. Diese Er- scheinung tritt bei den anderen Versuchen zwischen dem 3.—b. Tage auf. Jedoch ist die Wachstumsbeschleunigung eine sehr geringe und verschwindet in der Regel rasch, während die verstärkte Wachstums- intensität der Kotyledonen sich stark bei den Keimlingen mit nur einem, bzw. 1'/, Kotyledonen, bemerkbar macht. Am 3. oder 4. Tag sind die unverletzten Kotyledonen_ «dieser Keimlinge den normalen im Wachstume voraus und werden von letz- teren frühestens am 7., oft auch erst viel später überholt. Die in Erde gezogenen Keimlinge (Tabelle IV) zeigen dieselben Erscheinungen im verstärkten Maße, da diese Pflanzen kräftiger wachsen, als die Wasserkulturen. Wie schon früher erwähnt, wurde bei einer Versuchsreihe auch ler halbe Kotyledo gemessen. Dieser zeigte jetzt (die größte Wachs- tumsintensität, wahrscheinlich durch den Wundreiz verursacht. Versuche mit Koniferenkeimlingen. Um noch andere Pflanzen mit geringeren Reservestoffmengen zu beobachten, wurden Koniferenkeimlinge der Kontrolle unterzogen. Ver- suchspflanzen waren Picea excelsa und Pinus silvestris. Die Versuche wurden wie (die vorigen angeordnet: Licht- und Dunkelversuche mit Wasser- und Topfkulturen. Es kamen Keimlinge mit möglichst gleicher Kotyledonenanzahl zur Verwendung. Dies war bei den Wasserkulturen leicht durchführbar. Bei den in Erde ge- zogenen Pflanzen mußte dicht gesät werden, um durch Entfernung der ungeeigneten, eine entsprechende Anzahl möglichst gleicher Keinlinge zu erhalten. Die Kotylelonen wurden in einem sehr frühen Wachs- tumsstadium entfernt und zwar so, «daß Keimlinge eines Versuchs- gefäbes (die gleiche Anzahl der Keimblätter hatten. In den Tabellen ist nur die Zahl der verbliebenen Kotyleionen angegeben. Es ist für je eine ganze Folge von Beobachtungen unter gleichen Versuchsbedingungen immer nur die Tabelle eines Versuches beigelegt. Die anderen stimmen mit diesem einen überein. Das Wachstum der Fichten- und Kiefernkeimlinge in den Wasser- gefäßen verlief während der Versuchsdauer folgendermaßen (Tabelle VYaundl VD: Über den Einfluß der Verletzung von Kutyledonen usw. "AISISSOZUV UOZURIKT HHT TU Oonsayy C Uopına sp (2 — "NIOFOBUR USZURLLE OST HU oyonsanı q uepanan ssp (1 Tel enı YO OL CET | DOT 00T 001 8 ct OL ot 001 Sl _ 10T FO 120 060 FTT | &01 10T I01 | 88a 182 |EOT or z co UT 190 980 Frı | aut 001 00T | 822 s’e | 10T 09T 00 E SETZT BEL SED Co IL | OOTSOOL TOT | 11% 8273 I900'L 20T 001 _ MIzEI BEI 5 Senn sen | ZOLL 00T WL It’z tie [to or on =" = 070.00, 800 180 SPO | 10T I0°1 FOL | 20° 232 1001 201 01 £ | 201 E07 OL 1 667 ges | 001 EL zo => | ZUT ZELL EOT | tSL re 08a | POL EOT SO = l STTLITTIET | 2cı ar BL a Eur Burg Kr = | u Fe a = usuopa[fJoy sw rt € | Eee Zu sw rg | Kae om pP gg uno‘ ._- umpech pi Ah Jar SISU] usuopaÄjoy 21.40 ta TOP NRZ ‘(1980293 Jydı um AOSSEMUST[ONnbIPOH UT AP "IA ofoqwl eartlero zro Fr erobol 00,1 00T OOLRHT 2er 091 124001 00° OD Hs‘ sıt = ITTOrO Oro FO EFOWOT OO°T 00° 001297 2ET 09T Leit 00T 001 rl Sl = 221680 280 OFO LEONOT O0°T O0°T TOTEIT 2ET 09T LEIjIOT OT O0 OT O8 re z EPTBEO 220 080 KENT TOT 00° TO'TONT 2ET 09° GHTEOT O0°I KO OT IS E IL) 3 = 07T TMETOSTO TO OTNEOT OOT COT ON'LOET ECT 09T 99100 EO'L ZU 09°1.69°8 Ge ger Go E | @0T OUT 801 EOTGHT SCT zer 9o1FO Eu 00% 100) 2 S | OTL IET IT ZUTORT IT Hr 00°1le08 EUT 70 STE I A BET IT ET TETZZT IE LET SEITE ETT ZUISEN go regt 2 z = m 860 BOT BO SO = m FoR [FAR IR 1 ES vweuopejÄroy Br Salem r zer 8 Zlewr 8 zlemr ge 2 Emma „3 s32 Por Te "uauopgf Polo nn .., ogodip “ 2 = & 5 (11850298 JyarT WI dossemuoppenbiporf um 3914 "A STIOAEL 286 Helene Jacobi, Die Hypokotyle beider Arten zeigten gewöhnlich am 3. 4. oder 5. Tag eine um so größere Wachstumsintensität, je weniger Keimblätter sie hatten. Allerdings ist der Unterschied in der Wachstumsintensität nur ein geringer, ja in vereinzelten Fällen war er gar nicht zu kon- statieren. Um so deutlicher kann man zur gleichen Zeit die Verstär- kung der Wachstunsintensität an den zurückgebliebenen Kotyledonen wahrnehmen. Der Größenunterschiel der Keimblätter blieb bei den Wasserkulturen bestehen, da diese unter ungünstigeren Verhältnissen als die Erdkulturen geliehen. Die Kotyledonen der normalen und der an Keimblättern reicheren Pflanzen erreichten an Größe die der Re- servestoffe stark be- raubten, bei Kiefer niemals, bei Fichte selten (Fig. 1). Die verstärkte Wachstumsbeschleu- nigung der verletzten Ikeimlinge erstreckt sich auch auf die ersten Blätter. Die in Erde ge- zogenen Keimlinge beider Koniferen- arten zeigen bezüg- lich der Wachstuns- intensität ein den Wasserkulturen a b & gleiches Verhalten Fig. 1. Kiefernkeimlinge, denen 3 (a), 4 (5) und (Tabelle VII u. VII). alle (c) Kotyledonen verblieben.! Der Größenunter- schied der Kotyle- donen, wie er durch die anfängliche stärkere Wachstumsbeschleunigung der reservestoffarmen Keimlinge hervorgerufen wurde, erscheint am Schlusse dies Versuches in der Regel ausgeglichen. Die Ernährungsverhältnisse sind bei Topfkulturen eben günstigere, als bei Wasserkulturen. Die Dunkelversuche waren nur von kurzer Dauer, da die Keim- linge, insbesondere die von Pinus bald zugrunde gingen. Doch zeigten sie auch in der kurzen Versuchszeit deutliche Resultate, Es stellt sich bei demselben wieder eine stärkere Wachstumsinten- sität der Hypokotyle und Kotyledonen an den Keimlingen mit geringerer 287 Über den Einfluß der Verletzung von Kotyledonen usw. NISOAMEe Uodumune‘y OFI HU oonsaoa + vopana sy (Q vr ‚080 ee) TO 908 015 oT erel il "GL E I 00 OLO 080 20 01 oT ere| Il 01 ol Z 0071.90 vo Fo as 60 00T re) ITS FH 5" — .00 €0°0 10°0 ws vu 001 srel In °C "I io \ t0°2 80% 10°1 erel Ir 'E 6 2” N 181 Ns co“ erg) IL 2 ” 12T E61 901 OFEI OL SE F E3 | ER Bar A sel or ce 1 = uouopagfJoy 7 u Po 1 Pe a OB ge fer Ele» vr elw rg ES g hung u UONODanEn dayaıs[ su DE usuopafsjioy — u rloyodid - PIE Op [UuZ [OJsodpne u YFULLUNOM 2 U080298 dorf ur Opa ur aaa IITA opfogpL OST RU BgONStWOA C Uopana sy (1 0a ed Kr 9ro[ovtı aofL er T eo 0oLlorr sıc| 9 95 ‘08 _ TOT £0%1 991 ESLISOT 0 301 09% 901 el 5‘ 007 1071 SyT O8 IVO OL Qu 04T 9 "I Z OL TON EI HLIEOTL ZOLL OL [och 9°C 6 2 Pa 207 Bet srl LLC ae 2 & | 01 er IL EELBOT 601 Zu 05 IT G = =. 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Kotyledonen = 1.85. 10.1496 4,61! — — [0,933 087) — — 3 1. 27. 1014,15 3,70) — — [116 105) — — E 3.27. 1045.74 5,55 | 1,15 1,20 10,97 0,97 1.11 5 3. 129. 10.|4,62 4.22 | 1,11 1,14! 1,17 1,05 11,00 1.00 3 5.129. 10.16.28 5,84 1,09 1,05 11,08 1.06 1,09 2 6. | 2. 1115.20 4,50 |1,12 1,06) 1,28 1,13 1.09 1,07 E s.| 2. 11.|6.50 6,00 1.03 1,02|1.10 1,11 1,04 © 8. | 4. 1145,46 4,93 11,18 1,1111,45 1,36 1,13 1,19 2 10.| 4. 11.16.06 6.37 | 1,03 1.0611,15 1,11 1.00 2 2 12.| 6. 11.16.73 6,42, 1,01 1,001,15 1.11 1,00 2 u 15.) 9. 11.6,85 6.62 | 1,01 1,03[1.18 1.17 1,05 u = 17.111. 11.16.92 6,68 11.01 1,0011.18 1,18 1,00 & = 20.|13. 11.|6,92 6,68 | 1,00 1,0011,18 1,18 1,00 S Tabelle XI. Fichte in Erde im Dunkeln). Tabelle XII. Kiefer in Erde im Dunkeln). zunı der E " S Hypokotyle Kotyledonen kahl der £ & EI Hypokotyle Kotyledonen teten % = = Fa I det 25 j Ta N a u Keimlinge® | 3 | + Mel a atels alle | 4 alle Keimtineed | 5 |3 alle| 3 alle | 3 alle Kotyledonen nn nn . Kotyledonen ' 1.8. 1014.79 5014| -—- — 1087 0090| — — f 1.11. 101242 416) — — [09 _ ä 5.12. 11.16,14 5.52 11.29 1.09 | 0,98 1,06 1,12 1,07 & 2,| 2. 1043,70 4221,08 1.011 1,0 111 7S 7.| 4. 1116,38 636 1,03 1,1511,06 1.111,08 1,04 EL 4.14. 10[4,50 4,46 11,24 1,05|1.33 1,10 1.24 1.06 =z£E | %./6.1116,49 6551,01 1,02|1,08 1,13 11,01 1.01 == | 6. | 6. 10)4,50 3.70 1,00 1.051,33 1,16, 1,00 1,05 =& | 11.9 116,72 6.66 1.08 1,01|1.10 1.13 1.01 1.00 a = 13.11. 116.78 6.67 ,1.00 1,00| 1,10 1.13 | 1,00.1.00 5 N - 15.113. 11.)6,78 6,67 | 1,00 1,00] 1,10 1,13..1.00 1.00 ze) 5 1) Es wurden 5 Versuche mit 100 Keimlingen aufgestellt. — 2) Es wurden 5 Versuche mit 100 Keimpflanzen aufgestellt. — 3) Es wurden 5 Versuche mit 100 Keimlingen aufgestellt. — 4) Es wurden 5 Versuche mit 100 Keimpflanzen aufgestellt. Über den Einfluß der Verletzung von Kotyledonen usw. DR Keimblätteranzahl ein. Jedoch überwiegt hier nicht die der Kotyledonen, sondern die Wachstumsintensität ist bei beiden so ziemlich gleich oder an den Hypokotylen stärker (Tabelle IX, X, XI u. XID. Zusammenfassung. Der Verlauf (ler mitgeteilten Versuche bestätigt, laß eine Verringe- rung der Reservestoffe ler Kotyledonen bei Keimlingen in der ersten Vege- tationszeit eine Beschleunigung des Wachstums hervorruft. Das Ver- halten, welches die einzelnen Pilanzenorgane (ahei zeigen, ist jedoch bei verschiedenen Arten und unter verschiedenen Wachstumsbedingungen nicht gleich. Bei Phaseolus multiflorus, einer Pflanze, die größere Mengen von Reservestoffen in ihren Kotyledonen aufspeichert, hat «die Wachstuns- beschleunigung sowohl im Licht als auch im Dunkeln eine Verlängerung der Stengelorgane zur Folge. Bei Cucurbita Pepo und Koniferenkeimlingen, deren Keim- blätter ärmer an Reservestoffen sind, findet im Lichte eine stär- kere Vergrößerung der Kotyle- donen statt; die Stengelorgane er- fahren nur eine geringere Beschleu- nigung des Wachstuns. Bei den im Dunkeln gezogenen Koniferen- keimlingen hat es jedoch den An- schein, als ob die Stengelorgane eine stärkere Wachstumsbeschleu- nigung aufwiesen als die Reserve- stofforgane. Es kann wohl daraus ge- schlossen werden, daß die Keimlinge, wenn sie auf «ie Reservestoffe ange- wiesen sind, eine Förderung des Wachstums der Achsenorgane erfahren, während die Wachstums- förderung «der Kotyledonen, also der Blattorgane, nur im Lichte eine besonders intensive ist. Daß die Beschleunigung des Wachstums der Kotyledonen ihre Ursache nur in den verminderten Reservestoffen und nicht in einem Wundreiz hat, konnte in einem Falle an einem Kiefernkeimlinge beob- achtet werden, welcher von Natur aus eine geringe Kotyledonenanzahl besaß. Die Keimblätter dieses Keimlings waren größer als die jener Plänzchen, welche viele Kotyledonen hatten (Fig. 2). Fig. 2. Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. Von Yella Freund. Aus der Biologischen Versuchsanstalt in Wien. Vöchting!) hat an Zweigen von Weiden und anderen holzigen Pflanzen, aber auch au einigen krautigen Gewächsen, Regenerations- versuche gemacht und gefunden, daß überall eine Polarität der Wurzel- und Sproßbildung vorhanden ist. die besonders bei jungen Zweigstücken deutlich hervortrit. — Von äußeren Bedingungen war es vor allem der Wasserkontakt, der die Wurzelbildung förderte, während sie durch trockene Luft gehemmt wurde. Kontakt mit festen Körpern scheint ohne Finfluß, wirksam soll nur «die zwischen den Sandpartikelchen vor- handene Feuchtigkeit sein. Dunkelheit begünstigt die Wurzelbildung. Auch die Schwerkraft ist von deutlichem Einfluß: wirkt sie mit der Polarität gleichsinnig, so wird die Wurzelbildung begünstigt, bei ent- gegengesetzter Einwirkung wird sie gehemmt. Bei verkehrt stehenden Stecklingen nehmen die Wurzein meist einen größeren Teil des Steck- lings ein als bei normalen. Klebs?) konstatierte an Versuchen mit Salix alba vitellina pendula, daß durch Wasserkontakt an beliebigen Stellen Wurzelbildung hervorgerufen werden könne. Vöchting®) stimmt dem bei, betont aber, daß die Wurzelbildung abhängig sei vom Orte der Entstehung: je weiter die wurzelbillende Stelie vom Wurzelpol entfernt ist, desto kürzer und weniger zahlreich sind die Wurzeln. In einem Fall, bei Salix elegantissima®), wurde durch direkten Wasserkontakt die Wurzelbildung gehemmt, Kontakt mit feuchtem Sand begünstigte sie —- ein Versuchsergebnis, das von den übrigen abweicht. (oebel>) bespricht die Polaritätserscheinungen an Blättern, Wurzeln, Zweigen, Rhizomstücken höherer Pflanzen, ferner an Farnprothallien und an Moosen. 1) Vöchting, H., Über Organbildung im Pflanzenreiche, I. Teil, pag. 23 ff., IST8. >) Klebs, G. Willkürliehe Entwicklungsänderungen bei Pflanzen, pag. 96. 3) Vöchtine, IL. Uber Regeneration und Polarität bei höheren Pflanzen. Botanische Zeitung 1906, IL VI-VIL 4) Ders, le 1906, pag. 116. 5) Gosbel, K., Örganographie der Pflanzen, 1808, pag. 35 ff. und Einleitung in «lie experimentelle Morphologie, 1908, pag. 215 ft. Yella Freund, Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 291 Er schreibt die Hauptwirkung beim Zustandekommen (der Polarität (den veränderten Ernährungsverhältnissen zu und meint, daß die Schwer- kraft hierbei nur in geringem Maße beteiligt sei. Küster!) fand in seinen Versuchen über Polarität, daß Sauer- stoffmangel einen hemmenden Einfluß auf die Ausbildung von Kallus und Wurzeln an Zweigstücken ausübt. Über den Ort der Wurzel- bildung unter verschiedenen äußeren Bedingungen machte er Versuche mit Ribes. An Stecklingen dieser Pflanze, die in seinen Versuchen am basalen Ende von Wasser umgeben waren, während der übrige Teil sich in feuchter Luft befand, rückte die Wurzelbildung bis gegen den Sproßpol hinauf. Salix pentandra und S. vitellina pendula in Wasserkultur bringen in der Nähe der Wasseroberfläche die ersten und meisten Wurzeln hervor. Die Kallusbildung wird an dem Ende, das sich in feuchter Luft befindet, begünstigt. Andere Versuche Küsters zeigten, daß «das Zentrifugieren auf die Wurzelbildung einen hemmenden Einfluß ausübt. Im Anschluß an die erwähnten Versuche obiger Autoren habe ich gleichfalls Untersuchungen über die Beeinflussung der Polarität dureh äußere Faktoren angestellt, wobei besonders «ie Wurzelbildung berücksichtigt wurde. Zur Verwendung gelangten (lie IHIypokotyle (bei Phaseolus multiflorus Epikotyle) von jungen Keimpflanzen krautiger Gewächse, mit welchen meines Wissens noch keine ausführlicheren Ver- suche vorliegen?) Die Hypokotyle meiner Versuchspflanzen bieten in (diesem Stadium manche Vorteile: Es waren hier wohl noch gar keine Wurzelanlagen vorhanden, so daß alle Wurzeln, die zur Ent- wicklung gelangten, als Neubildungen zu betrachten waren; ferner ent- halten die Hypokotyle der Keimlinge eine genügende Menge von Reservestoffen, um während längerer Zeit eine ziemlich große Anzahl von Neubildungen hervorzubringen. Von verschiedenen zur Verwen- dung gelangten Arten ergaben Helianthus annuus, Cucurbifa Pepo, Rieinus communis, Mirabilis jalapa und Epikotyle von Phaseolus multiflorus die deutlichsten Resultate. Die Samen der !) Küster, E., Beiträge zur Kenntnis der Wurzel- und Sproßbildung an Stecklingen. Jahrbücher für wissensch. Bot. 1904, XL, pag. 279. 2) Über Wurzelbildung an verletzten Keimlingen von Frera faba, s. Goebel. K., l. e.. 1908, pag. 175. Von Portheim wurden Versuche über Beeinflußbarkeit der Polarität an Keimlingen von Phaseolus vulgaris ausgeführt, deren Resultate mit den von mir erzielten im großen und ganzen übereinstimmen. Vortrag. Zentralbl. f. Physiol.. XI. Nr. 9. 292 Yella Freund. genannten Pflanzen wurden, nachdem sie 24 Stunden gequollen waren, in Keimschalen auf feuchtem Filtrierpapier im Dunkeln ausgekeimt. Es wurden immer nur ctiolierte Pflanzen verwendet, so daß ein even- tuelles Ergrünen nur während der Versuchsanstellung eintreten konnte. Aus «den Hypokotylen wurden in dem Stadium, als noch keine epikotylen Glieder entwickelt waren, Stecklinge von 6--8 cm Länge geschnitten, welche dem Teil knapp unterhalb der Nutation entnommen waren: ebenso wurden die Stecklinge aus den Epikotylen von Phaseo- lus multiflorus vor Entwicklung des ersten Internotiums geschnitten). Diese Stecklinge wurden zun Teil in Sand-, zum Teil in Wasserkulturen beobachtet, um die eventuellen Verschiedenheiten der Wurzelentwieklung in den beiden Medien zu konstatieren. Bei den Sandkulturen wurden die Stecklinge bis zur Hälfte ihrer Länge in Gartengeschirre eingesetzt, welche mit einem Gemenge von feinem Flußsand und Holzkohle gefüllt waren. Bei (den Wasserknlturen wurden sie in derselben Weise in Einsiedegläser gesteckt, die mit Hochquellwasser gefüllt und mit großmaschigem Or- gantin bespannt waren. Es wurden meist 20 Stecklinge verwenilet, 10 aufrecht, 10 verkehrt eingesetzt. Die Kulturen wurden anfänglich im Vermehrungskasten eines Glashauses mit OÖberlicht untergebracht; da sich aber bald herausstellte, daß unter diesen Umständen (das Wurzelwachstum sehr gering war, mußten die Geschirre noeh überdies mit Glasstürzen bedeckt werden, da im Hinblick auf die Untersuchungen Vöchting’s?) angenommen werden konnte, daß es die geringe Luft- feuchtigkeit sei, «lie hemmend wirke. Tatsächlich zeigte sich, wie unten noch ausführlicher besprochen wird, im feuchten Raum ein sehr gün- stiger Einfluß auf das Wurzelwachstum. Die Versuche wurden alle 2—3 Tage gelüftet, die Sandkulturen bei dieser Gelegenheit gespritzt. Die Versuchsrösultate für die einzelnen Pflanzen sind in den nun folgenden Tabellen zusammengestellt. Der Übersichtlichkeit halber werden von jeder Pflanzenart nur wenige, besonders markante Versuchs- reihen veröffentlicht. In den Tabellen ist verzeichnet: die Zahl der wurzelbildenden Pflanzen, Durchschnittszahl der gebildeten Wurzeln, Durchschnittslänge der Wurzeln; Zahl der Pflanzen mit Wurzelhöckern {Pusteln), Durehschnittszahl der Pusteln. 1) Wurden die Steceklinge aus Pflanzen genommen, deren Epikotyl schon ziemlich entwickelt war so zeigte sich eine deutliche Hemmung in Aushildune und Wachstum dev Wurzeln, was vielleicht auf Mangel an Reservestoffen zurück- zuführen ist. >) Vöchtine. H. Le 1578, pag. 119 ff. 293 Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 9ArL aaligpyaa ur g2 pun opmmou ur uodumrddIy 0, Ar Ifelsadjfur udyteasypnsoa g Wopama uazund ug ([ = 10 ort e 108 | kausnsa "LEUTOUT ATDUE JUITU — — — = — III nm Uozanay UsFuvdgd vpunasnz SBurfy4o3Ig y es AN) G € u “op ö BEN A eıne -SNIIAY nn us| 0 | 8 210 21.9. Iwiezlı = = = = | = u 76°0 & | € 5 = = z = = a ne — a II — = 080 Sn | a ge) En Bu uU I [9 a) EL III U 20 21.09 ]RRSSEER | [ — - — = | s = — | wo € R n) u = — = zu — = — = = III zu m ve & L g L co © 6 [Hl a 2 9 11787 a a a 9 |.» Fix = - |< — = ze C2‘0 © ji ı = = — — = = z = — IIL = — el’d & L . 6 L 260 © 6 Il 6 G st’o F 8 "Irre G 8 er‘o 9 9 IX TI 'IzJ0s88U19 JuyeyloA ‘A — — en u ı L — = — —_ _ I] soyusıoA — — a — ’ = — &6°0 & & u | op du = ui as F & IL fe & KAMIN) & 6 IX ESII | Sspragay upsjsng | ujogsng | upszanıy | upezanay dSumypars| Ze | upessug | upajsug | upszan | upszany |e8uparg| Fer ı3p [yez yıu aop dur]: aop [yez | uspuap }-sdung| ap (yez yıur ap adugf| aap [yez | uspuap |-sdun -sprumos adupg3ajg| -sIIruyas | -Spprumps |-[gfozana] -yoR | -SYruyDs aduryaors| -syrruyds | -SIHTUyJOS |-[rqjozana| -yor -yand] op gez | -Wang | -pang |.aop qeZ | -qoog | -yandq !aep yez | -yomaq | -yancg |A8p Iyez | -q0ag ufagsug ujpzam A ujajsnd ujazun A 5 sost Ir sa Tier (a 2061 °IXTEZ Sa NZ yonsoa | areydsouyy asjypnay ur aımydsowspy A9USNJ0OA} U 3zj0sa8urs [Eon 'Y °( usanyjnypuwg 'snnuue snyjuerioH 294 Yelln Freund, Die Buchstaben a, b usw. in den Horizontalreihen zeigen (die Ver- suchsreihe an. Um die zahlenmäßige Darstellung der Wurzelbildnng zu erleichtern, wurde die Hälfte des Steeklings vom Wurzelpol bis zur Grenze des Mediums in drei Teile geteilt, welche in der Tabelle mit I-—III bezeichnet sind, wobei I bei aufrecht und verkehrt eingesetzten ılas dem Wurzelpol nächste Drittel bedeutet. Unter der Rubrik G sind diejenigen Wurzeln und Pusteln verzeichnet, welche sich knapp ober- oder unterhalb der Mediunsgrenze entwickelt hatten. Helianthus annuus, Sandkulturen '). Die erste Entstehung der Wurzeln konnte bei Sandkulturen nur an verkehrten Steeklingen beobachtet werden, bei «den normalen kann natürlich nur das Bild bei Abbruch des Versuches besprochen werden. Im Laufe der ersten Versuchswoche bilden sich bei «den ver- kehrten Stecklingen kurze Wurzeln aus, die in der nächsten Woche etwas weifer wachsen und, je nach ihrem Entstehungsort, verschieden schnell zugrunde gehen. Die meisten Wurzeln und Pusteln sind bei aufrechten und verkehrten Hypokotylen am Wurzelpol vorhanden, weniger im II. und II. Drittel. Bezüglich der Wurzellänge ist vor allem zu beobachten, daß die normalen erhehlich längere Wurzeln bilden, als die verkehrten. Hier fällt ein deutlicher Unterschied zwischen den inversen Stecklingen der Kulturen in trockener und feuchter Luft auf: Bei den Troekenkulturen entstehen Wurzeln und Pusteln vom Pol bis in die Nähe des Sandes, wobei die Zahl vom Pol gegen die Mitte ab- nimmt. Alle diese Wurzeln bleiben sehr kurz und gehen bald zugrunde. Vereinzelte Wurzeln aber, die ganz nahe der Mediumsgrenze entstehen, er- reichen, an der Oberfläche des Sandes verlaufend, eine beträchtliche Länge und bleiben bis zum Abbruch des Versuches frisch. Bei den Feuchtkul- turen gelangen am basalen Ende viele Wurzeln zur Ausbildung, die länger werden als in trockener Luft, im IT. und III Drittel nur ganz vereinzelte kurze, an der Sandgrenze gar keine. Bei den aufrechten Stecklinge ist keinerlei Beeinflussung durch den Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu bemerken. Die meisten nnd weitaus längsten Wurzeln ent- stehen am Pol, wenige, kürzere im II. und III. Drittel. Die Zahl der wurzelbildenden Stecklinge aller Versuche war bei normalen und ver- kehrten ungefähr gleich. (Von 70 normalen bildeten 53 Stecklinge, von TO verkehrten 54 Stecklinge Wurzeln aus.) Es zeigte sich auch eine Polarität des Ergrünens: die aufrecht eingesetzten Stecklinge ergrünen am Sproßpol ca. 1’/, em weit: in der t) Hierza Tabelle pag. 2953. Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen, 295 Nähe der Schnittfläche ist die Färbung am stärksten, weiter unten wird sie immer lichter. Bei den verkehrten ist am Wurzelpol keine Spur von Grünfärbung zu sehen. Helianthus annuus, Wasserkultur'). - j In feuchter Atmosphäre . u A. Normal eingesetzt ® Versuchsdauer 14. bis 26. I. 1909 = Wurzeln Pusteln I) Beob-| Zahl der| Durch- | Durch- | Zahl der| Durch- ach- | wurzel- | schnitts- | schnitts- |Steeklinge| schnitts- tungs- |bildenden| zahl der ‚länge der mit zahl der tag |Steeklinge| Wurzeln Wurzeln | Pusteln | Pusteln Abbruchstag 1 26.71. 10 6 0,75 8 3 des Versuches u 3 5 0,18 _ — - B. Verkehrt eingesetzt I j19. 1. 5 4 0,16 — _ 11 1 1 0,20 _ — I 26. 1. 10 6 0,34 5 5 Abbruchstag II 1 4 0,50 > > des Versuches 11 1 1 0,30 1 1 G _ —_ —_ 1 3 Helianthus annuus, Wasserkultur?). Wasserkulturen in trockener Luft ergaben besonders schlechte Resultate. Bei verkehrt eingesetzten Hypokotylen entstehen nur ganz vereinzelte stumpfartige Wurzeln, die nach kürzester Zeit vertrocknen, von normalen bilden bloß ganz wenige Exemplare einzelne, etwas längere Wurzeln aus. Ein derartiger Versuch ist nicht verzeichnet. Bessere Resultate wurden in feuchter Atmosphäre erzielt und zwar gelangt von den normalen Stecklingen eine größere Anzahl zur Wurzel- bildung, als von den verkehrten. (Von 50 Stück normalen bei 41 St. Wurzelbildung, von 50 St. verkehrten bei 22 St. Verhältnis = 1,86: 1.) Die meisten Wurzeln werden bei normaler und verkehrter Aufstellung am basalen Ende hervorgebracht, wenige werden im IL und ganz ver- einzelte im III. Drittel gebildet. An der Wasseroberfläche kommen gar keine Wurzeln zur Ausbildung. Die ersten Wurzeln entstehen schon nach 4 Tagen. An Länge gewinnen die der normalen bald einen starken Vorsprung. Die Längenabnahme der Wurzeln vom Pol gegen die Mitte ist hier nicht so deutlich ausgedrückt wie bei den Sand- 1) Es waren 7 Versuchsreihen aufgestellt, 60 Stecklinge normal, 60 verkehrt. 2) Hierzu Tabelle pag. 295. Flora, Bd. 101. 2U Cacurbita Pepo, Sandkulturen‘). Yella Freund, 296 A. Normal eingesetzt in trockener Atmosphäre in feuchter Atmosphäre & Versuch a) 28./XII. 07 bis 16,1. 08 b) 20./T. bis 4./II. 08 z Wurzeln Pusteln. Wurzeln Pusteln [el PB. 2 Beob- | Zahl der| Durch- | Durch- | Zahl der| Durch- | Beob- | Zahl der | Durch- Durch- | Zahl der) Durch- ach- Iwurzelbil-| schnitts- | schnitts- [Stecklinge! schnitts- | ach- |wurzelbil-| schnitts- schnitts- [Stecklinge) schnitts- tungs- | denden | zahl der jlänge der| mit zahl der Itungs- | denden | zahl der |länge der| mit zahl der tag |Stecklinge, Wurzeln Wurzeln | Pusteln | Pusteln | tag |Stecklinge Wurzeln | Wurzeln | Pusteln Pusteln una | A TEE. 5 A a,81 21 2 4.11. 8 ö 0,55 _ _ Abbruls | 6 0.1 1 2 | 5 3 u -- Versuches m 2 2 0,60 u _ 3 1 0,50 —_ _ " "16 i 3 0,850 2 T 2 1 0,95 _ — B. Verkehrt eingesetzt ıl 8.1 ı 1 0,10 7 3 21.1] 5 4 0,34 3 1 I 1 1 0,10 4 3 4 3 0,22 3 2 III 1 1 0.10 2 2 1 4 042 1 1 114.1 1 1 0.10 - 75 l[esal 0 | 6 0,54 3 ) Mi 1 1 0.10 4 : 8 3 0,582) 1 2 II l 4 0,10 1 1 4 2 0,7 _ — G 1 4 1.20 _ — 3 2 1,30 _ _ Abbruchs- 1 16.1. vertrocknet _ _ 4.11. vertroeknet _ -- tag des | ” _ u ” u _ Versuches |; f 4 | 120 _ — 6 | 5 0.4 _ _ 1) Es wurden 9 Versuchsreihen aufgestellt, 75 Stecklinge normal, 5 verkehrt. 2) Diese Wurzeln im II. und III. Drittel sind gegen den Sand zu gewachsen und erreichen, an dessen Oberfläche verlaufend, eine größere Länge. Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 297 kulturen. Die verkehrten Stecklinge gehen früher zugrunde als die normalen. Bezüglich des Ergrünens zeigt sich dieselbe Erscheinung wie in Erde. Der Sproßpol ergrünt etwa 1\/, em weit, nahe der Schnitt- fläche am intensivsten, weiter unten schwächer werdend. Auch unter Wasser läßt sich bei den verkehrten Hypokotylstücken das Ergrünen beobachten, die Färbung ist meist viel schwächer als in der Luft, nimmt aber gleichfalls vom Sproßpol gegen die Mitte an Intensität ab. In keinem Fall trat am Wurzelpol Ergrünen auf. Cucurbita Pepo, Sandkulturen !). Bei den ersten Versuchen (im Vermehrungskasten ohne Stürze) bilden wenige verkehrte Hypokotyle Wurzeln in sehr geringer Anzahl, diese bleihen ganz kurz und vertrocknen bald wieder. Pusteln ent- stehen in großer Menge, vom Pol gegen (lie Mitte an Zahl abnehmend. Bei den normalen treten die Wurzeln etwas zahlreicher auf und werden länger. In trockener Luft sind die ersten Wurzeln erst nach etwa 1 Woche zu sehen, in feuchter nach 3—4 Tagen. — Die meisten Wurzeln werden bei normal und verkehrt eingesetzten Stecklingen in unmittelbarer Nähe des Wurzelpols gebildet, weniger im IL, am we- nigsten im III. Drittel. In betreff der Länge ist ein deutlicher Unter- schied zwischen normal und verkehrt zu bemerken: Bei aufrechten Steeklingen stehen immer die längsten Wurzeln am Pol, gegen die Mitte zu werden sie kürzer; bei verkehrten ist «dies nirgends klar aus- gesprochen, häufig sogar Längenzunahme in der Nähe der Mitte zu vermerken. In «den meisten Versuchen, sowohl in trockener als in feuchter Luft, bilden sich in der Nähe der Sandgrenze wenige, oft be- sonders lange Wurzeln aus, die (bei verkehrten) bis zum Ende des Versuches deutliches Längenwachstum zeigen, während (die in der Nähe (les Pols meist schon vertrocknen. Besonders klar zeigt sich dies bei Versuch . — Die Zahl der wurzelbildenden Hypokotyle ist von 75 normalen 42 Stück, von 75 verkehrten 44 St. Verhältnis = 1: 1,06. Polarität des Ergrünens: die aufrecht eingesetzten Stecklinge zeigen am Sproßpol deutliche Grünfärbung, die in der Nähe der Schnittläche am stärksten ist, dann 1'/, em weit immer lichter wird. Bei schr gutem Licht ist schon nach einem Tag deutliche Grünfärbung zu bemerken. Cucurbita Pepo, Wasserknulturen ?). Vor allem sind deutliche Unterschiede zwischen Wasser- und Sandkulturen zu bemerken. Im Wasser konnte bei einer viel größeren 1) Hierzu Tabelle pag. 296. — 2) Hierzu Tabelle par. 298. 20* Yella Freund, Cucurbita Pepo, Wasserkulturen '). A. Normal eingesetzt in trockener Atmosphäre in feuchter Atmosphäre i Versuch a) 3. bis 21..XT. 1907 b) 22. I. bis 9. IL 1908 E Wurzeln Pusteln Wurzeln Pusteln Beob- [Zahl der | Durch- | Durch- | Zahl der| Durch- | Beob- | Zahl der | Durch- | Durch- |Zahl der | Durch- ach- |wurzelhil- schnitts- | schnitts- |Stecklinge! schnitts- | ach- \wurzelbil- schnitts- | schnitts- |Stecklinge| schnitts- tungs- | denden | zahl der länge der mit zahl der Jtungs-| denden | zahl der | änge der| mit zahl der tag |Stecklinge, Wurzeln | Wurzeln Pusteln | Pusten | tag |Stecklinge) Wurzeln | Wurzeln Pusteln | Pusteln Abbruchs- | 121. /XIL T 6 0,35 _ — 9.1. 10 9 0.19 _ — tag des 1 5 2 0.30 _ — S 2 0.23 1 1 Versuches JIII 4 | 1 0.78 a 5 2 0.27 — _ E | ! 2 B. Verkehrt eingesetzt l um ee u nıo.xı) 3 2 | 010 ı | 1 feorn|l mw | 00 | 1 ) 1 _ FE I 6 2 on 11 000 - | _ ! So PR Ablruehs- tl16G. X. 6 5 011 10008 3.TL Stoeklinge gefault. Versuches N 1 ' 9,10 — —_ Wurzeln vertrocknet. 1) Es wurden # Versuchsreihen aufgestellt. 60 Stecklinee normal. 10 verkehrt. Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 299 Anzahl von Stecklingen Wurzelbildung beobachtet werden als im Sand: bei aufrechter Stellung ist «as Verhältnis Wasser : Erde = 4:3, bei verkehrter = 5:3. — Anfrechte Hypokotylstücke bilden am basalen Ende in Wasser mehr und kürzere Wurzeln als in Sand, bei ver- kehrten ist kein wesentlicher Unterschied vorhanden. In trockener Luft (Versuch a) bilden sich an «den verkehrten Stecklingen wieder nur bei wenigen Pflanzen ganz kurze Wurzeln, die bald zugrunde gehen, hei normalen mehr und längere, besonders lang in der Nähe der Wasseroberfläche. Die Zahl nimmt vom Pol gegen die Mitte ab. Die Versuche in feuchter Luft zeigen ein ganz anderes Verhalten: Die meisten Wurzeln werden auch hier bei normalen und verkehrten am Pol gebildet, gegen die Mitte zu immer weniger: die Wurzeln am basalen Ende sind aber die kürzesten: je näher der Wasseroberfläche die Wurzeln entstehen, um so größere Länge zeigen sie. Die Wurzeln der inversen Stecklinge übertreffen die der nor- malen bedeutend an Länge Die Wurzeln sind wenig widerstands- fähig; bei Abbruch des Versuches sind sie bei den verkehrten Hypokotylen häufig schon vertrocknet. — Verkehrte und aufrechte Stecklinge er- grünen am Sproßpol; die Färbung verläuft ca. 1 em weit und bleibt meist sehr licht. Epicotyle von Phaseolus multiflorus, Sandkultur!y, . u A Normal eingesetzt . in feuchter Atmosphäre . > _ Versuchsdauer 36. 3 III. bis 17. Iv. 1009 . © w uzen _ Pusteln u Fan on oe — un le Beob-| Zahl der‘ Durch- | Durch- | Zahl der. Durch- ach- | wurzel- * sehnitts- , schnitts- |Stecklinge schnitts- tungs-| bildenden: zahl der länge der mit zahl der tag |Steeklinge, Wurzeln | Wurzeln | Pusteln | Pusteln Abbruchstag - ur | ß | 37 des Versuches I IFETV. u | 2 | al a nu —. . . ___B. Verkehrt eingesetzt nn ne en nn ılav| 3) 020,08 10001 ılsıv.| a 00210168 ı 10a I 114.W. [in j 2 3,16?) _. —_ Abbruchstag d. Versuches: I] [17. IV. 6 i 2» | 3,26 —_ — Epicotyle von Phaseolus multiflorus, Sandkultur®). Versuche bei geringer Luftfeuchtigkeit. wurden nicht aufgestellt. — Diese Versuchspflanze unterscheidet sich von den vorhergehenden darin. DES wurden 6 Versnchsreihen aufgestellt, 60 normale, 60 inverse Sterklinge. 2) Diese besonders langen Wurzeln sind am Pol entstanden, aber nach ab- wärts gewachsen ınd verlaufen an der Oberfläche des Sandes. 3) Hierzu Tabelle pag. 23. 300 Yella Freund. daß nur in unmittelbarer Nähe der basalen Schnitttläche Wurzeln ge- bildet werden. Die Zahl der wurzelbildenden Stecklinge ist bei auf- recht und verkehrt eingesetzten ungefähr gleich, auch in der Zahl und Länge der Wurzeln ist kein großer Unterschied. Die Wurzeln sind meist lang, bei den verkehrten wachsen einige schräg nach abwärts bis zur Sandoberfläche, einzelne erreichen, an dieser verlaufend, Längen bis zu 10 em. — Zu Ende der ersten Woche sind meist schon Wurzeln bis zu I em entwickelt. Auch in bezug auf die Färbung sind hier Abweichungen von den bisher untersuchten Pflanzen zu bemerken. Die Grünfärbung, die viel intensiver ist als bei Helianthus und Cueur- bita, tritt bei den normalen Stecklingen auf der ganzen Strecke vom Sproßpol bis zur Sandoberfläche auf. Meist ist sie am Pol besonders stark und wird in der Nähe des Sandes schwächer, aber es kommen auch Fälle vor. bei denen sich kein Unterschied konstatieren läßt. Auch die verkehrten sind meist schwach grün gefärbt. aber nur in der Nähe des Sandes, weiter oben gegen den basalen Pol zu sind sie weiß- lich. Bei dieser Versuchspflanze war noch eine weitere interessante Färbungserscheinung zu bemerken: An den meisten inversen Epiko- tylen trat gleich in den ersten Tagen nach Aufstellung des Versuchs eine Ansammlung eines roten Farbstoffes auf, der sich als Anthokyan erwies; in den folgenden Tagen wurde die Färbung immer intensiver. Bildeten sich an solchen Pflanzen Wurzeln, was aber nicht immer der Fall war, so waren diese manchmal an ihrem basalen Teil ebenfalls rötlich gefärbt und die Färbung des Pols schien schwächer geworden. Häufig war ein Längsstreifen des Epikotyls in nächster Umgebung der Wurzel auf eine kurze Strecke entfärbt. Gegen Ende des Ver- suches, wenn die Epikotyle zugrunde zu gehen anfingen, schlug die rötliche Färbung häufig in eine bläulichgrüne um. Auch bei den auf- recht eingesetzten Stecklingen war am Wurzelpol im Sand manchmal eine schwache Anthokyanfärbung wahrzunehmen. Öfters war zu be- merken, daß verkehrt eingesetzte Epikotyle, an denen kein Anthokyan auftrat, früher Wurzeln bildeten als die übrigen. — Erwähnenswert ist auch, daß häufig eine starke Kalluswucherung auftrat, aber fast aus- schließlich auf der basalen Schnittfläche der verkehrt eingesetzten Steck- linge. Am Wurzelpol der aufrechten Stecklinge war in vereinzelten Fällen eine schwache Andeutung von Kallusbildung zu sehen. Epicotyle von Phaseolus multiflorus, Wasserkulturen !). Alle Wurzeln entstehen anı basalen Ende. Etwas über die Hälfte der verwendeten Epikotyle bilden Wurzeln, bei den normalen in etwas 1) Ilierzu Tabelle par. 301, 301 HUNG Aayayada ge pun Afgwaoı gC ffarseßjn® Uolloisyansio‘ G Uopana sy (1 Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. | | | SOYMSIO A, © 21.180 a Er En 5 ROH Be — g ol I sp iu | | ' SSHONMIGIV a. a Lo: 02 e wa] ı I £20 3 6 1 En — — - | , a yo I {9 "A798 I I gg°0 @ & IX’ I 7zy9sa3uro Jayayıaıa 'g | SOLOUSAO A & i & ra G & AST & v 18°0 & 8 Wer 2] Sop du | -syonagqy u[olst.g . ugolsu,] [| ufozm A ujozunyy unysarg| Fu | ugeasug | upegsng | upzuma | upzun a jodunpers| Fu op [BZ tw Jap adupg) dep Timrz uapuop |-sZung] zop [yez yı |.1ap odurf| aap [yuz | uapuep | -sZun -sprugos oRupyoorg| -SNuos | -Stuyas -projazanm] you | -spruos edunmoorg| -spiuyas | -spruyas -Trgpozana| 1 yaancg | OP TqeZ | pam | tpnd op mez wrez |-qgoog | -yoanq | op Iyez | -yaangq | -yanag | ep qez | -qoaq A LER N I ic BE upogsu] | uppzmy hr ujsjsng upzma 2; u —— 2 . 6OB1 TA SL SU AST nu B06T "LUCL SU SO6T TIN/EL (BR yonsıor aımydsowyy aeıyanazJ ul +zJ9s88u1r0 Jeunıon "Y -(‚usanyınyıosse y ‘SUIOFFFTNUr EnjoeseyT MoA orfjoyrdzg 302 Yella Freund, größerer Anzahl als bei den verkehrten. Bezüglich der Länge ist kein deutlicher Unterschied zu sehen. Das Wurzelwachstum geht langsamer vor sich als in Sandkulturen. Nach 10 Tagen sind erst Wurzeln von 0,6 cm Länge ausgebildet; normale und verkehrte Stecklinge ergrünen sehr intensiv, die Färbung ist am apikalen Ende am dunkelsten, in der Nähe der Wurzeln schwächer. Auch hier ist am Wurzelpol eine Anthokyanansammlung zu bemerken, die bei Ausbildung der Wurzeln allem Anscheine nach schwächer wird. Im Wasser ist die Färbung mehr bräunlichrot. Rieinns communis, Sandkultur‘). A. Normal eingesetzt in feuchter Atmosphäre Versuchsdauer 29. I. bis 5. IV. 1908 21 an nn m 3 Wurzeln Pusteln Beob-| Zahl der! Durch- | Durch- | Zahl der | Durch- ach- | wurzel- | schnitts- | schnitts- Pflanzen | schnitts- tungs- |bildenden| zahl der |länge der nit zahl der tag |Stecklinge| Wurzeln | Wurzeln | Pusteln | Pusteln ! Abbruchstag - des Versuches T 5.10. 4 | 6 1,81 u — B. Verkehrt eingesetzt. i II7z/M. 2 2 0,28 —_ — I 119/11 7 3 0,37 — _ Abbruchstag d. Versuches! I 5./I11. 7 3 0,45 — _ Rieinus communis, Sandkultur 2). Der Einfluß der Trockenkultur zeigte sich darin, daß die Wurzeln (die nur am basalen Pol entstehen) bei den verkehrten Stecklingen besonders kurz blieben. Ein derartiger Versuch wurde in der Tabelle nicht verzeichnet. — Auch in den Versuchen in feuchter Luft bilden sich Wurzeln nur in nächster Nähe des Wurzelpols. Die Zahl der wurzelbildenden Hypokotyle ist bei normalen viel größer, wie bei ver- kehrten: normal: von 57 St. bilden 25 St. Wurzeln verk.: „55T 038 N Verhältnis = 2:1. ” ” Bei den normalen gelangen auch mehr Wurzeln zur Ausbildung, die eine bedeutend größere Länge erreichen als bei den verkehrten. — 1) Es wurden 6 Versuchsreihen aufgestelit, 57 Stecklinge normal, 57 verkehrt. 2) Hierzu Tabelle pag. 302. 121 Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 303 Grünfärbung tritt hier fast niemals auf. Viele der Pflanzen sind schon beim Aufstellen des Versuches «durch Anthokyan, welches sich hier bereits an den intakten Keimpflanzen im Dunkeln bildet, ihrer ganzen Länge nach rötlich gefärbt. Bei «en verkehrten Stecklingen war nun regelmäßig folgendes zu beobachten: Die Wurzeln traten meist in größerer Anzahl einige Millimeter unter «ler basalen Schnittfläche auf. Das Stück oberhalb der Wurzeln bis zur Schnittfiäche wurde immer gänzlich entfärbt. Manchmal war dann der basale Teil der Wurzeln deutlich rot. — Kallusbildung war häufig zu beobachten und zwar trat immer nur auf der basalen Schnittfläche der verkehrt eingesetzten Stecklinge ein dieker Wulst auf. Ricinus communis, Wasserkultur'). “A. Normal eingesetzt in feuchter Atmosphäre ® Versuchsdaner 6./II. bis 22.;1V. 1909 z Wurzeln Pusteln Fi re m | PERF Beoh-| Zahl der| Durch- | Durch- | Zahl der! Durch- ach- | wurzel- | schnitts- ' schnitts- | Pflanzen | schnitts- tungs-|bildenden| zahl der ;länge der mit zahl der tag | Pflanzen | Wurzeln | Wurzeln | Pusteln | Pusteln Abbruchstag 09 uw - des Versuches I e2.IV. ? 9 0,18 » 4 'B. verkehrt eingesetzt . I |14.’IV. 5 4 0,66 _ _ Abbruchstag.d. Versuches] I 22.,1V. 5 4 0,73 _ — Ricinus communis, Wasserkultur?). Die Versuche waren sämtlich in feuchter Luft aufgestellt. Die Stecklinge dieser Pflanze sind in Wasser schwerer zu kultivieren, als die der anderen, weil sie, wie es scheint, der Fäulnis stark ausgesetzt sind und meist nach kurzer Zeit zugrunde gehen. Etwas mehr als (die Hälfte der Hypokotylstücke bilden Wurzeln, die bei den aufrechten Stecklingen zahlreich aber sehr kurz sind; an den verkehrten entstehen sie in geringerer Anzahl, erreichen aber meist größere Längen. Die Wurzeln gelangen fast ausschließlich am Wurzelpol zur Ausbildung. —- Auch hier ist, ebenso wie bei den Sandkulturen. das Verschwinden 1) Von den zahlreichen Versuchsreihen, die aufgestellt wurden, kam es nur bei zweien (20 Stecklinge normal, 20 verkehrt) zur Wurzelbildung. 2) Ilierzu Tabelle pag. 303. Yella Freund, 304 Mirabilis jalapa, Sandkulturen '). j j " A. Normal eingesetzt in fenchter Atmosphäre Versuch a) 6. bis 24. IIT. 1908 b) 21./IV. bis 4.,V. 1909 S a ng — nn nm & Wurzeln Pusteln Wurzeln Pusteln Beob- | Zahl der| Durch- | Dureh- |Zahl der | Durch- Zahl der| Durch- | Durch- |Zahl der | Durch- ach- Iwurzelbil-| schnitts- | schnitts- |Steeklinge| schnitts- natun wurzelbil-! schnitts- | schnitts- [Stecklinge| schnitts- tungs- | denden | zahl der länge der mit zahl der um| denden | zahl der länge der| mit zahl der tag |[Stecklingel Wurzeln | Wurzeln | Pusteln | Pusteln Stecklinge) Wurzeln | Wurzeln | Pusteln | Pusteln Abbruchs- | 124.11. 6 2 0,90 _ _ 4.V. 5 1 1,29 1 1 tag des | I _ _ _ _ _ 1 l 0,60 _ _ Versuches | . 7° B. Verkehrt eingesetzt 1/19. 1. 3 2 0,55 _ _ 27.,1V. 1 1 0,40 1 1 nl _ _ _ _ _ 1 2 0,30 _ _ 1/24. II. 5 2 1.069 _ _ 4,V. 4 1 0.40 1 1 u _ = 0 - a 1 2 0,30 _ — Abbruchstag |]11 _— \ _ — _ ! Pan — _ — ] ı a. Versuches | 1) Es wurden 5 Versuchsreihen aufgestellt, 45 Stecklinge normal, 45 verkehrt. Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 305 der Rotfärbung am Wurzelpol beim Auswachsen der Wurzeln zu be- obachten. Besonders markant war ein Fall bei einem verkehrten Steck- ling, an dem sich eine Wurzel etwa 1 cm unterhalb der basalen Schnitt- fläche entwickelt hatte. Hier war ein schmaler Streifen vom Wurzel- pol bis zur Entstehungsstelle der Wurzel vollständig entfärbt. Mirabilis jalapa, Sandkultur?). Bei normaler Aufstellung bilden mehr Stecklinge Wurzeln, als bei verkehrter: normal: von 45 St. bei 24 St. Wurzelbildung verkehrt: „ 45 „ „160 „ „ Fast alle Wurzeln entstehen am Wurzelpol in unmittelbarer Nähe der Schnittfläche, einzelne Wurzeln und Pusteln auch im II. und III. Drittel. Die Wurzeln der aufrechten Pflanzen werden immer merklich länger als die der verkehrten, welche auch früher zugrunde gehen. — Die normal eingesetzten Stecklinge ergrünen nur bei sehr starkem Licht und auch dann verläuft die Färbung nur !/, cm vom Sproßpol nach ab- wärts und bleibt sehr licht. Mirabilis jalapa, Wasserkultur?). } Verhältnis = 3:2. A. Normal eingesetzt in fenchter Atmosphäre ö Versuchsdauer: 11.—23./IV. 1908 3 Wurzeln Pusteln u —_ Beob- | Zahl der; Durch- | Durch- [Zahl der | Durch- ach- |wurzelbil-; schnitts- | schnitts- |Stecklinge, schnitts- tungs- | denden | zahl der |länge der| mit zahl der tag |Stecklinge! Wurzeln | Wurzeln | Pusteln | Pusteln Abbruchstag Erw 9 — des Versuches I |23/1V. 2 3 0,28 — oo B. Verkehrt eingesetzt I }21./IV. 2 1 0,50 _ _ Abbruchstag o 53 5 _ | —_ des Versuches I Je3.1V. “ ! 0,55 Mirabilis jalapa, Wasserkultur). Die Wasserkultur erweist sich für diese Hypokotylstücke als sehr ungünstig. Sowohl von normalen als von inversen Stecklingen bilden nur ganz wenige Exemplare vereinzelte Wurzeln. Von 50 normalen n Hierzu Tabelle pag. 304. 2) Es wurden 5 Versuche aufgestellt, 50 Stecklinge normal, 50 verkehrt. 3) Hierzu Tabelle pag. 305. 306 Yella Freund, und 50 verkehrten Stecklingen bilden je 3 Stück Wurzeln. — Alle Wurzeln stehen am basalen Ende. Die Versuchsexemplare faulen schnell und zwar beginnt die Fäulnis immer unter Wasser. Die Grün- färbung, welche sich auch hier am apikalen Ende konstatieren läßt, bleibt äußerst schwach, oft kaum merklich und immer auf eine ganz kurze Strecke am Sproßpol beschränkt. Zusammenfassung. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß bei allen verwendeten Arten (lie Polarität schr deutlich zum Ausdruck kommt, indem sowohl bei den aufrecht als bei den verkehrt eingesetzten Stecklingen am basalen Pol sich zuerst und am meisten Wurzeln und Wurzelanlagen bilden. Doch zeigt sich eine Abhängigkeit und Beeinflußbarkeit der Wurzelbildung durch äußere Faktoren. Der Einfluß der Schwerkraft konnte nicht mit Sicherheit konsta- tiert werden; man wäre zwar versucht, eine Schwerkraftwirkung darin za schen, daß in den meisten Fällen — Helianthus in Sand- und Wasserkulturen, Cueurbita in Sand, Ricinus in Sand, Mirabilis jalapa in Sand — die Wurzeln der verkehrten Stecklinge gegenüber ılenen «der normalen bedeutend an Länge zurückbleiben; es muß jedoch weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, festzustellen, ob (diese Wirkung der Schwerkraft oder anderen Faktoren, etwa dem Lichtein- uß oder einem Unterschied im Feuchtigkeitsgehalt zwischen Luft und Kulturmedium zuzuschreiben ist. Bedeutend ist ja die Wirkung, die der Feuchtigkeitsgehalt der Luft auf die Entwicklung der Wurzeln ausübt. Die ersten Versuche, mit Hypokotylen von Helianthus in Sand und Wasser, Cucurbita in Sand und Wasser, Rieinus in Sand, die im Vermehrungskasten ohne Glasstürze, also in verhältnismäßig trockener Luft aufgestellt waren, zeigten alle «dieselbe Erscheinung: am Wurzelpol (und bei einigen Ver- suchspflanzen im II. und III. Drittel) entstanden bei den verkehrten Stecklingen nur ganz kurze. stumpfartige Wurzeln, die bald wieder zu- grunde gingen und eine Menge Wurzelanlagen, «die gar nicht zur Weiter- entwicklung gelangten. Die wenigen Wurzeln aber, die knapp an der Sand- oder Wassergrenze entstanden, zeigten infolge der größeren Feuchtigkeit starkes Längenwachstum und blieben bis zum Abschluß des Versuches frisch. — Sowie die Versuche jedoch in feuchter Atmo- sphäre aufgestellt wurden, erreichten die Polwurzeln der verkehrten Stecklinge größere Längen, die Anlagen wuchsen aus und in tieferen Regionen kam es seltener zur Ausbildung von Wurzeln. An der Basis verkehrt eingesetzter Epikotylstücke von Phaseolus multiflorus ent- Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. 307 wickelten sich bedeutend längere Wurzeln als bei normal eingesetzten. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Wurzeln zur Oberfläche des Sandes hinabwuchsen und an dieser weiter verliefen. Der direkte Kontakt mit flüssigem Wasser wirkt nur bei Heliantluus fördernd auf das Wurzelwachstum, bei den meisten anderen Arten: Cueurbita, Rieinus, Mirabilis jalapa ist in Wasserkulturen den Sandkulturen gegenüber eine bedeutende Hemmung zu beobachten. Die Ursache dafür kann vielleicht in «dem geringen Sauerstoffgehalt des lange stehenden Wassers liegen; dafür spricht das Vorkommen vereinzelter langer Wurzeln in der Nähe der Wasseroberfläche bei Helianthus und Cueurbita; eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre die, daß die Gewebe der Hypokotyle, von Wasser injiziert, für Infektion durch Pilze und Bakterien zugänglich geworden sind. Ob der Kontakt mit Sand «das Wurzelwachstum begünstigt, läßt sich vorläufig nicht mit Sicherheit feststellen; die Tatsache, daß bei einem Versuch mit Phaseolus multiflorus, bei dem «die Epikotyl- stücke in einer Glaswanne im gleichmäßig dunstgesättigten Raume auf- gehängt waren, die Wurzeln «der normal hängenden Stücke niemals die der normal eingesetzten bei den Sandkulturen an Länge erreichten, genügt noch nicht, um daraus auf eine günstige Wirkung des Kon- taktes mit einem festen Körper zu schließen. Sehr deutlich ausgesprochen und in keinem Fall durch äußere Faktoren beeinflußt ist die Polarität des Ergrünens'). Bei Ilypokotylen von Helianthus und Cucurbita in Sandkulturen ergrünen die nor- malen Stecklinge, in Wasserkulturen auch die verkehrten am Sproßpol 1—1!/, em weit, wobei die Färbung von der Schnittfläche gegen die Mitte an Intensität abnimmt, um schließlich in gelblichweiß überzugehen. Mirabilis jalapa zeigt dieselbe Erscheinung in bedeutend schwächeren Grade, aber auch hier ist die Grünfärbung nur auf den apikalen Pol beschränkt. Bei den Epikotylen von Phaseolus multiflorus, welche, wie erwähnt, auf ihrer ganzen Länge bis in «lie Nähe der Wurzeln ergrünen, äußert sich «das polare Auftreten «des Chlorophylis immerhin sehr deutlich darin, daß die Färbung vom Sproßpol gegen den Wurzel- pol zu allmählich an Intensität abnimmt. — Rieinus ließ, freilich nur sehr selten, deutliches Ergrünen erkennen, wenn «ie Chlorophylibildung nicht «durch Anthokyangehalt der verwendeten Iypokotyle verdeckt wurde. Die Grünfärbung verlief vom Apikalpol gegen die Mitte etwa 2 cm weit. 1) Ähnliches hat auch v. Portheim anläßlich seiner Untersuchungen an Hypokotylstücken von Zhaseolus vulyarıs gefunden. 308 Yella Freund, Untersuchungen über Polarität bei Pflanzen. Eine polar auftretende Erscheinung ist auch die Anthokyanfärbung, die sich bei Phaseolus multiflorus-Epikotylen in Sand und Wasser zeigt; sie dürfte durch Stauung der Nährstoffe am Wurzelpol entstehen '). Dafür spricht, daß die Färbung bei Ausbildung der Wurzeln an ein- zelnen Stellen in deren Nähe schwächer wird oder ganz verschwindet. Kommt es nicht zur Wurzelbildung, so wird die Färbung eine Zeitlang immer stärker und bleibt dann bis zum Ende des Versuches unver- ändert. — Bei den Stecklingen von Rieinus, die häufig schon beim Aufstellen des Versuches Anthokyanfärbung aufwiesen, verschwand (diese regelmäßig beim Auswachsen der Wurzeln auf der entsprechenden Strecke am Wurzelpol; auch (dies spricht dafür, daß die Entfärbung tatsächlich durch die Wurzelbildung hervorgerufen wird. Die Kallusbildung, welche bei einigen Arten — Epikotylen von Phaseolus multiflorus in Sand- und Wasserkulturen, Hypokotylen von Rieinus communis in Sandkulturen — häufig zu beobachten war, trat regelmäßig nur am Wurzelpol der inversen Stecklinge auf. Am Wurzelpol normal eingesetzter Stecklinge war nur in sehr wenigen Fällen in Sandkultur ein ganz schwacher Kallus zu beobachten, am apikalen Pol niemals, weder bei inverser, noch bei normaler Auf- stellung. Dies stimmt mit den Beobachtungen von Küster?) überein, ıler an Stecklingen von Populus u. a. fand, daß feuchte Luft für die Kallusbildung viel günstiger ist, als Erd- oder Wasserkontakt. Während sich aber bei Küster’s Versuchspflanzen die Polarität meist nur in einer starken Reduzierung «der apikalen Kalluswucherung äußerte, war bei meinen Versuchen in keinem einzigen Fall eine Spur von Kallus am apikalen Pol zu sehen. Es erübrigt mir noch Herrn Leopold R. v. Portheim, dem ich die Anregung zu vorliegender Arbeit verdanke, für sein stets reges Interesse auch hier den besten Dank auszusprechen. 1) Linsbauer, L., Einige Bemerkungen über Anthokyanbildung. Österr. botan. Zeitschrift, Jahrg. 1901, Nr. 1. 2) Küster, E., Pathologische Pflanzenanatomie, Jena 1905, pag. 167 ff. Druckfehlerberichtigung. In der Abhandlung von K. Goebel über „Mono- selenium tenerum“ muß es pag. 75 Z. 22 u. 23 von oben heißen: „Unter den zahl- reichen untersuchten Elateren hatten zwei zwei schranbenlinige Verdickungsleisten“. Durch den Ausfall des einen „zwei® ist der Sinn des Satzes entstellt, er bezieht sieh nur auf die seltenen Fälle doppelter schraubenliniger Verdiekungsleisten. einfache sind. wie aus den vorhergehenden Sätzen sich ergibt, häufie. " IErBE, Flora, Band 101. For reg 70a. ElIane Luh Inst Berlin. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora,Band 10Ye 9 8 ® ELaue Ih Inst. Berlin. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora, Bd. 101. Taf: II, Pascher, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena, Soeben sind erschienen: Die Geographie der Farne. Von H. Christ, Basel. Mit einem Titelbild, 129 Abbildungen (meist nach Originalphotographien) im Text und 3 Karten. Preis: 12 Mark. Untersuchungen an Blattgelenken. Von Dr. Adolph Sperlich, Privatdozent der Botanik an der Universität Innshrmck. Erste Reihe Mit 7 Tafeln und 7 Abbildungen im Text. (Ausgeführt mit Benützung der von Prof. Heinricher von seiner Studienreise nach Java mitgebrachten Materialien.) Herausgegeben teilweise mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaft in Wien ans dem Legate Scholz. Preis: S Mark. Von Dr. Ernst Stahl, Professor an der Universität Jena, sind erschienen: Uber sogenannte Kompaßpflanzen. Mit 1 Tafel. Zweite unveränderte Auflage. 1855. Preis: 73 Pf. Über den Einfluß des sonnigen oder schattigen Standortes auf die Ausbildung der Laubblätter. Mit 1 Tatel. 1887). Preis: 1 Mark 50 Pf. Pflanzen und Schnecken. Eine biologische Studie über die Schutzmittel der Pflanzen gegen Schneckenfrass. 1885. Preis: 2 Mark 50 Pf. Die Schutzmittel der Flechten gegen Tierfraß. 1904. Preis: 2 Mark 50 Pf. Laubfarbe und Himmelslicht. Vergilbung und Etiolement. Mit 1 Hthographischen Tafel und 4 Abbildungen im Text. 1909. Preis: 4 Mark. Verlag von GUSTAY FISCHER in Jena. Bandbuc der technischen Mykologie für technische Chemiker, Nahrungs- mittelchemiker, Gürungstechniker, Agrikulturchemiker, Landwirte, Kulturingenieure, Forstwirte und Pharmazeuten unter Mitwirkung der hervorragendsten Gelehrten herausgegeben von Dr. Franz Lafar, o. ö. Prof. der Gärungsphysiologie und Bakteriologie an (ler K. K. technischen Hochschule zu Wien. Zweite, wesentlich erweiterte Auf- lage von „Lafar, Technische Mykologie“. In fünf Bänden. Bisher sind erschienen: . Bd. I. Allgemeine Morphologie und Physiologie der Gärungsorganismen. Mit 2 Tafeln und 95 Abbildungen im Text. 1961—1907. Preis: 24 Mark, geb. 25 Mark 50 Pf. on . ı Bd. II. Mykolegie der Nahrungsmittelgewerbe. Mit 37 Abbildungen im Text. 1005 — 1908. Preis: I7 Mark, geb. 18 Mark 50 Pf. . . Bd. III. Mykologie des Bodens, des Wassers und des Düngers. Mit 10 Tafeln und 90 Abbillungen im Text. 1906. Preis: 18 Mark, geb. 19 Mark 50 Pf, Bd. IV. Spezielle Mykologie und Physiologie der Hefen- und Schimmelpilze. Mit I Tafel, 1 Tabelle und 123 Abbildungen im Text. 1005-1907. Preis: 17 Mark, geb. 15 Mark 50 Pf. Die Wurzelpilze der Orchideen Ihre Kultur und ihr Leben in der Pflanze. = Von Dr. Hans Burgeff, Assistent am bota- nischen Institut der Universität Jena. Mit 3 Tafeln und 38 Abbildungen im Text. 1909. Preis: G Mark 50 Pf. Untersuchungen über die Vermehrung der Laubmoose durch Brut- ; Von Dr. Karl Correns, a. ö. Prof. der Botanik organe und Stecklinge. in Tübingen. Mit 187 Abbildungen. 1899. Preis: 15 Mark. Eine Darstellung der Naturgeschichte der Lehrbuch der _Protozoenkunde. Protozoen mit besonderer Berücksichtigung der parasitischen und pathogenen Formen. Zweite Auflage der „Protozoen als Parasiten und Krankbeitserreger“. Von Dr. F. Doflein, a. o. Prof. der Zoo0- logie an der Universität München. Mit 825 Abbildungen im Text. 1909. Preis: 24 Mark, geb. 26 Mark 50 DE Untersuchungen über den Bau der Cyanophyceen und Bakterien. Von Dr. Alfred Fischer. a. 0. Prof. der Botanik in Leipzig. Mit 3 Tafeln. 1897. Preis: 7 Mark. Vorlesungen über Bakterienenzyme Von Dr. Franz Fuhrmann, Privat- - ddozent für technische Mykologie an der technischen Hochschule und Bakteriologie an der Universität zu Graz. Mit 9 Abbiklungen u. > graphischen Darstellungen im Text. 1907. Preis: 3 Mark 50 Pf. Leitiaden der Mikrophotograpie in der Mykologie. Yon pn Franz Privatdozent für technische Mykologie an der technischen Hochschule und Bak- teriologie an der Universität zu Graz. Mit 3 Tafen und 32 Abbildungen im Text. 1908, Preis: 3 Mark. Dunkelieldbeleuchtung und Ultramikroskopie » der Biologie und in der Metlizin. Von N. Gaidukov. Mit 13 Abbildungen im Text, 3 Lichtdruck- und 2 chromolithogr, Tafeln. 1010. Preis: S Mark. Inhalt: T. Einleitung. — II. Die Struktur der Kolloide. — III. Ultramikro- >kopische Untersuchungen von Sera und von Lösungen des Eiweißes und der Kohle- hydrate. IV, Untersuchungen des Blutes, der Tierzellen, der Spermien, der Augen- imernbranen usw. — V. Bakteriologische Untersuchungen. — VI Eigene Unter- suchnngen botanischer Objekte. — VIL Über die Kolloide der Pflanzenzellen. — VIIL Untersuehungen der Spinnfasern, — IX. Zusammenfassung. — X. Ultramikro- »kopische Literatur. Allgemeine Biologie. Von Prof, Dr. Oscar Hertwig, Geh. Rat, Direktor des 2 - anaton.-biologischen Instituts für Entwicklungsgeschichte in Berlin, Dritte umgearbeitete und erweiterte Anflare. Mit 435 teils farb. Abbild. In Text. 1909. Preis: 16 Mark, in Halbfr. geb. 18 Mark 50 Pf. BEE Diesem Hefte liezt ein Pruspekt hei von Gustav Fischer, Verlagsbuch- handlına in Jena, betr. „Handbuch der vergleichenden Physiologie“. Ant. Kämpfe, Buchdruckerei, Jena. FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. NEUE FOLGE. ERSTER BAND. (DER GANZEN REIHE 101. BAND) DRITTES HEFT. HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. MIT 13 ABBILDUNGEN IM TEXT. VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 1910. ERSCHIENEN AM 15. AUGUST 1910. Inhaltsverzeichnis. Seite MÜLLER-THURGAT, H. und SCHNEIDER-ORELLI, O., Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen, I. Mit 3 Abbildungen im Text De 309—372 LORCH, WILHELM, Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes bei den Blättern der Polytrichaceen. Mit 10 Abbildungen im Text. . 2 22 2 nn nenn nn. 3073—394 Verlag von GUSTAY FISCHER in Jena. Soeben erschien: Die Eisenbakterien von Prof. Dr. Bans Molisch Direktor des pflanzenphysiologischen Instituts der K. K. Universität in Wien. Mit 3 farbigen Tafeln und 12 Textfiguren. Preis: 5 Mark. Von Prof. Dr. H. Molisch ist ferner erschienen: Das Wanda in a a Den Die Purpurbakterien Yinnesune Ay taten 1007, Dres am. Leuchtende Pflanzen. 1, rien soon Dice a an Studien über den Milchsaft u. Schleimsaft der Pflanzen. Mit 33 Holzschnitten ım Text. 1901. Preis: 4 Mark. Untersuchungen über das Erfrieren der Pflanzen. Mit ıı Holzschnitten im Text. 1897. Preis: 2 Mark 5o Pf. Die Pflanzen in ihren Beziehungen zum Eisen. Eine physiologische Studie. Mit ı Tafel. 1892. Preis: 3 Mark. Grundriß einer Bistochemie der pflanzlichen Genuß- mittel. Mit ı5 Holzschnitten. 1802. Preis: 2 Mark. Soeben erschien: Der Begriff des Instinktes einst und jetzt. Eine Studie über die Geschichte u. die Grundlagen der Tierpsychologie. Von Dr. Heinrich Ernst Ziegler, Prof. der Zoologie an der Technischen Hochschule in Stuttgart, der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart und der Landwirtsehaftlichen Hochschule in Hohenheim tfrüber Prof. an den Universitäten Freiburg i. B. und Jena). Zweite, verbesserte nnd vermehrte Auflage. Mit einem Anhang: Die Gehirne der Bienen und Ameisen. Mit 16 Abbildungen im Text und 2 Tafeln. — Preis: 3 Mark. ee > Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen, 1.' Über den Einfluß des Vorerwärmens und einiger anderer Faktoren. Von H. Müller-Thurgau und 0. Schneider-Orelli, (Mit 3 Abbildungen im Text.) Die Ruheperiode (der Pflanzen ist eine so interessante Erscheinung, daß sie immer wieder die Aufmerksamkeit der Pflanzenphysiologen er- regen wird. Die bisherigen Versuche, eine Erklärung für diesen Still- stand im Entwicklungsgang der Pflanzen zu finden, haben bekanntlich noch nicht zu einem befriedigenden Resultate geführt: es dürfte vor- aussichtlich auch eine vollständige Erkenntnis der Ursachen der Ruhe- perioden auf große Schwierigkeiten stoßen, «da wir es hier wie bei so manchen anderen Lebenserscheinungen hauptsächlich mit „inneren Eigenschaften (des Protoplasmas zu tun haben. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß die Aufgabe einer Er- forschung einzelner Teilerscheinungen der Ruheperiode ganz hofinungs- los sei; im Gegenteil ermutigen die Erfolge, durch äußere Beeinflussung «die Ruheperiode zu unterbrechen, dazu, die inneren Vorgänge in ruhenden Pflanzenteilen vor, während und nach der Ruhe einer Unter- suchung zu unterwerfen und dabei namentlich auch zu berücksichtigen, inwieweit die erwähnten äußeren Einflüsse auf diese inneren Lebens- vorgänge einwirken. Im Nachfolgenden sind wir in der Lage, eine Reihe von Ver- suchsergebnissen mitzuteilen, die aus einer diesbezüglichen, von uns begonnenen Untersuchung hervorgingen. Sie beziehen sich zur Haupt- sache auf den Erfolg des Ätherisierens und einer vorübergehenden Erwärmung auf den Atmungsprozeß und auf chemische Umsetzungen, sowie in einigen Fällen auch auf die Enzyrmbildung. Die Versuche wurden nicht nur mit ruhenden Pflanzenorganen angestellt, sondern auch mit solehen, die schon aus dem Ruhezustande getreten waren. Es kam uns bei «diesem ersten Vorgehen hauptsächlich darauf an, festzustellen, ob jene Einflüsse überhaupt auf Atmung und chemische Umsetzungen direkt einwirken. . A. Ätherisieren von Kartoffelknollen. Als bekannt können wir die schönen Versuche betrachten, die W. Johannsen anstellte, um durch Ätherwirkung eine Unterbrechung der Ruheperiode herbeizuführen. Sein Ätherverfahren beim Früh- in Wädenswil. ) Flora, Bd. 101. 2] 310 li. Müller-Thurgau and OÖ. Schneider-Orelli, € treiben !) verschiedener Zierpflanzen hat bei den Gärtnern ziemlich aus- gedehnte Anwendung gefunden. Kartoffeln, mit denen wir uns bei den nachfolgend beschriebenen Versuchen zunächst beschäftigen, hat er nicht näher in «den Bereich seiner Untersuchungen über das Früh- treiben gezogen: er erwähnt nur, daß er mit Knollen fast nicht ge- arbeitet und wenig versprechende Resultate bekommen habe. Wenn wir bei den Versuchen dieser und der nächstfolgenden Gruppe gerade Kartoffelknollen verwendet haben, so geschah dies teils aus dem Grunde, weil dieses Material leicht und zu jeder Zeit in be- liebiger Menge beschafft werden kann, eine «durchgehends gleiche Be- schaffenheit zeigt und verhältnismäßig leicht zu verarbeiten ist; sodann auch, weil «die neuen Versuche mit solchen, die einer von uns früher anstellte, in Beziehung gebracht werden konnten. Versueh 1. In einer größeren wissenschaftlichen Abhandlung hat Johannsen?) nebenbei «den Einfluß des Ätherisierens auf den Atmungsvorgang frischer, nieht süßer Kartoffeln behandelt und dabei auch die chemischen Umsetzungen berücksichtigt. Er fand, daß das Ätherisieren eine wenn auch schwache Atmungssteigerung herbeiführt. Doch ergibt sich bei einer kritischen Durehsieht der betreffenden Tabellen, namentlich wenn man noch die nie vollkommene Übereinstimmung der Atmungsgröße selbst bei gleich aussehenden Kartoffeln berücksichtigt, daß (die At- mungssteigerung bei diesem Versuche nur eine geringfügige war. ‚Johannsen fügt selbst bei, daß die geringe Wirkung vielleicht auf eine zu schwache Ätherisierung zurückzuführen sei. Auch der Zucker- gehalt wurde durch das Ätherisieren nicht oder nur unbedeutend ver- ändert. Allerdings hatte bei einem Versuche (39) der Zuckergehalt der ätherisierten Knollen etwas weniger abgenommen als derjenige (der nieht ätherisierten, im folgenden Versuche (40) ist aber ein solches Resultat nicht deutlich zu erkennen. Als ein weiteres Ergebnis stellte er fest, daß der Amidstiekstoff bei seinen Versuchen infolge des Ätherisierens zugenommen hat. Um durch Beschaffung eines reichlichen direkt zur Verfügung stehenden Atmungsmateriales den Einfluß des Ätherisierens vielleicht I) W. Johannsen, Das Ätherverfahren beim Frühtreiben, 2. Auflage, ‚Jena 1906. 2) W. Jahannsen, Studier over Planternes periodiske Livsyttringer (Me- moires de VAcadeimie Royale des Sciences et des lettres de Danemark. Kopen- hagen 1847, par. 359). Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 311 deutlicher zur Erscheinung bringen zu können, verwendeten wir bei unseren Versuchen Kartoffeln, die man durch längeres Verweilen bei 0° süß werden ließ. Von 16 gleichartig beschaffenen Knollen wurden 8 während 24 Stunden ätherisiert, und zwar kamen je zwei in Glasbehälter von 2 Liter, in welche je 2 g Äthyläther zur Verdunstung gebracht wurden. Die Gläser standen in einem Raum mit 19° C und daneben befanden sich auch die Behälter mit den nicht ätherisierten Kartoffeln. Sowohl (die ätherisierten als auch die nicht ätherisierten Knollen halbierte man nun der Länge nach und reduzierte je «die etwas größer ausgefallenen Hälften, bis beide ungefähr gleiches (Grewicht besaßen. Acht Hälften der ätherisierten Knolien wurden sofort auf ihren Zuckergehalt unter- sucht, während «die übrigen acht zur Atmungsbestimmung benutzt wurden. Ebenso verfuhr man mit den nicht ätherisierten Hälften. Zu den Atmungsversuchen erwiesen sich die Enz’schen Gär- zylinder als sehr geeignet. Sie sind in verschiedener Größe zu be- ziehen und bestehen aus einem Glaszylinder mit breitem, geschliffenem Rand und einem auf diesem Rande aufgeschliffenen Glasdeckel, in dessen Mitte sich ein Tubus befindet. Durch den in diesen einge- setzten Gummistopfen führen ein Zuleitungs- und Ableitungsrohr für den durchzuleitenden Luftstrom. Frsteres reicht nur bis unter den Stopfen, letzteres, der Wand «des Gefäßes nach geführt, bis auf dessen Boden. Nachdem bei den Versuchen die Früchte in den Apparat einge- setzt worden waren und man den Deckel uftdicht aufgesetzt hatte, wurde ein konstanter Luftstrom «durchgeführt. In Gefäßen mit Kali- und Barytlösung befreite man die zutretende Luft von Kohlensäure: (die austretende wurde erst in einem U-Rohr mit konzentrierter Schwefel- säure getrocknet und hierauf dureh einen Liebig’schen Kaliapparat und ein weiteres U-Rohr mit Schwefelsäure geführt. Die Gewichtszunalime dieser beiden Apparate ergab «ie Menge der von den Knollen ansge- schiedenen Kohlensäure. Versuchstemperatur 16-—-18°9 C. (Tabelle siehe nächste Seite oben.) Die Gesamtmenge der in diesen 7 Tagen ausgeatmeten Kohlen- säure betrug bei den nicht ätherisierten 2,78 g, bei den ätherisierten 322 g. Für nicht keimende Kartoffeln sind die hier gefundenen Atmungsgrößen sehr bedeutend; während sonst I kg Kartoffeln pro Stunde 10-15 ng ausatmet, ist hier die Kohlensäureabgabe auf das 4--Dfache gestiegen. Es ist dies zwei Umständen zuzuschreiben: es sind süße Kartoffeln verwendet worden (Zuckergehalt 2,4°,). die nach 21° 312 II. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Kohlensäurenusscheidung pro 1 kg und 1 Stunde Datum Versuchsdauer nicht ätherisiert ätherisiert mg mg 4.—5. April 26 Stunden 72,6 70,0 3.6 21 r 79.6 75,8 06.8. „ 42 » 59,7 66,0 8.9... 24 FR 44,3 5 58,7 g -10. u 24 » 35,8 58,2 10.—11. „ 24 ri 33,0 55,7 N. R \ s 36,6 54,2 früheren Versuchen Müller-Thurgau’s stärker atmen als nicht süße, und hierzu kommt dann noch der Wundreiz, von dem schon Böhm!) bei Kartoffeln nachgewiesen hat, daß er eine beträchtliche Atmungs- steigerung hervorzurufen vermag. Da nun aber im vorliegenden Ver- suche Zuckergehalt und Verletzung bei den ätherisierten und den nicht ätherisierten Kartoffeln in gleichem Maße einwirkten, so muß wohl die stärkere Atmung bei den ätherisierten Hälften der vom Äther aus- geübten Reizwirkung zugeschrieben werden. Allerdings ist auch bei unserem Versuche der Unterschied kein sehr großer, aber doch so be- deutend, daß er als beweisend für die Wirkung des Ätherisierens be- trachtet werden kann. Sowohl der Zuckergehalt als der Wundreiz wirken während längerer Versuchsdauer nicht immer gleich stark, sondern bei beiden Einwirkungen ist nach wenigen Tagen schon ein Nachlassen zu be- merken. lierauf kann nun auch die allmählige Abnahme der Kohlen- säureproduktion bei den nicht ätherisierten Hälften zurückgeführt werden. Bei den ätherisierten Hälften vermochte zwar der Ätherreiz in den beiden ersten Tagen die durch die anderen beiden Wirkungen so bedeutend gesteigerte Atmung nicht noch weiter zu erhöhen. In der nachfolgenden Zeit aber, als jene Wirkungen nachließen, kam der Eintlaß des Ätherreizes deutlich zum Ausdruck, indem die Rückkehr zu normalen Atmungsverhältnissen bei den ätherisierten Hälften merk- lich verzögert wurde. Die am Schluß des Versuches vorgenommene Zuckerbestimmung ergab fast vollkommene Übereinstimmung, 0,67 °/, Gesamtzucker in den nicht ätherisierten und 0,60 °/, in den ätherisierten Knollen, also sogar einen kleinen Überschuß in den ersteren. Es ist daher der Unter- schied in der Atmungsintensität in den letzten Tagen nicht auf eine 1) Baehm, J.. Über die Rtespiration der Kartoffel. Botan. Zeitung 1887, Nr tt 42. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 315 Verschiedenheit des Zuckergehaltes zurückzuführen, sondern als eine Folge des Ätherisierens zu betrachten. Die Ergebnisse der bei Beginn und wieder nach Abbruch der Atmungsbestimmungen, also am 4. und am 11. April vorgenommenen chemischen Untersuchung sind m folgender Tabelle zusammengestellt'). Die Zahlen geben die Zuckergehalte in 100 g wrsprünglicher Frisch- substanz der Kartoffeln. tersuel | direkt | er Rohr (jesamt Ver- | Sonst. ver- Hälften tersuch reduzierender] ’ cker zucke _ | atmeter |schwundener am Zucker \ UORer Zucker Zucker 9% Yu gr nicht ! a 4. April 1.82 0,60 2 45 > _ ätherisiert\ b | 11. „ 0,50 O6 | O6 I 0% 821. b16 ätherisiong Ja |, April 1,55 05 | 2 —_ | Pu Eu EEE 0,47 0,13 | 0,60 030, 101 Der Zuckergehalt in süßen Kartoffeln zeigt auch bei sorgfältiger Auswahl gleichartig aussehender Individuen doch ziemlich große Unter- schiede. Um diese einigermaßen auszugleichen, wurde der Versuch je mit acht Kartoffeln in jeder Gruppe durchgeführt. Trotzdem zeigten sich bei der anfänglichen Bestimmung noch kleine Unterschiede, indem 7. B. die nicht ätherisierten an Gesamtzucker etwa 0,1°%/, melır ent- hielten als die ätherisierten. Da jedoch nicht die ätherisierten mit den nicht ätherisierten direkt verglichen werden, sondern je die korrespon- (lierenden Teile der gleichen Hälften vor und nach dem Versuch, so kommt der erwähnten Differenz keine Bedeutung zu. Frühere Ver- 1) Die Kartoffelhälften wurden fein zerrieben; dann preßte man den Saft dureh ein Leinwandtuch ab, feuchtete den Rückstand zu wiederholten Malen an und preßte ihn wieder aus, bis erfahrungsgemäß weitere Auszüge keinen Zueker mehr enthielten. Von diesem filtrierten Saft wurde ein Teil zur direkten Zucker- bestimmung nach den üblichen Methoden benutzt: Behandlung mit Bleiessig, Neu- tralisieren mit Sodalösung und Bestimmung des Zuckers nach dem gobräuchliehen gewichtsanalytischen Verfahren. Ein weiterer Teil wurde mit verdünnter Salzsäure während einer halben Stunde auf dem Wasserbad erwärmt (', cem Salzsänre vom spezifischen Gewicht 1,125 auf 100 cem Auszug). Die Zuckerbestimmung in dieser Flüssigkeit ergab dann den direkt reduzierenden Zucker und dazu noch denjenigen, ler durch Inversion aus Bohrzucker und vielleicht noch anderen Verbindungen entstand. Die Differenz der ersten und zweiten Bestimmung würde demnach die Menge der durch Inversion in reduzierenden Zucker übergeführten Sulstanz an- geben. Auf Grund früherer Untersuchungen haben wir angenommen, es handle sich hier hauptsächlich um Rohrzucker und haben so den indirekt bestimmten Invertzucker auf Rohrzucker umgerechnet. >14 H. Müller-Thurgau und ©. Selneider-Orelli. suche!) erwiesen zur Genüge, daß die Längshälften der gleichen Kar- toffeln im Zuckergehalt vollständige Übereinstimmung zeigen; es haben also die am 11. April untersuchten Teile der nicht ätherisierten Hälften am 4. April genau den Zuckergehalt besessen wie die an diesem letz- teren Tage untersuchten Teile der gleichen Kartoffeln und ebenso war es bei den ätherisierten Knollen. Während das Ätherisieren auf den Atmungsverlauf einen deut- lichen Einfluß ausübte, sind die durch die Zuckerbestimmungen fest- gestellten Vorgänge in den Kartoffelknollen durch das Ätherisieren nicht merklich beeinflußt worden; wenigstens möchten wir aus den gefundenen kleinen Unterschieden keine weitergehenden Schlüsse ziehen. Hierzu ist zu bemerken, daß ja auch die Kartoffeln im April sich nicht mehr im Ruhezustand befanden und daß daher das Ätherisieren auch keine fördernde Wirkung auf das Triebwachstum mehr ausgeübt hätte. Bei der Bedeutung dieser Feststellung wurde noch ein zweiter Versuch mit gleichbeschaffenen Kartoffeln ausgeführt. Versuch 2. %s wurde im ganzen in gleicher Weise verfahren wie bei Ver- such 1, nur ließ man den Äther statt einen Tag zwei Tage lang ein- wirken. Von den nicht ätherisierten Knollen wogen «die sofort unter- suchten Hälften 309,7 g, die nach dem Versuch untersuchten 310,8 g; von den ätherisierten Knollen «ie sofort untersuchten Hälften 300,2 g, die am Schlusse untersuchten 302,6 g. Der Verlauf der Atmung bei einer zwischen 19 und 20° © schwankenden Temperatur war der folgende: —,——— Kohlensäureausscheidung pro ] kg und 1 Stunde Datum Versuchsdaner nn nieht ätherisiert ätherisiert mg | mg 15..- 16. April 22 Stunden 96,8 72,6 18.1 on 24 ni 99,6 | 101,2 ITS, 24 75,9 96,9 ISA. 5 4, | 55,6 85,9 19.20.05 22 | 47.8 62,3 m. Bo) 15.5 54.0 22,23 , 24 » ) 45,1 49,3 Das Ergebnis des Versuches stimmt mit demjenigen des ersten im ganzen überein: die etwas größeren Kohlensäuremengen sind wohl der höheren Versuchstemperatur zuzuschreiben, da der anfängliche ty) Müller-Thnreau, MH. Über Auckeranhäufung in Pflanzenteilen infolge niederer Temperatur. Landwirtsch. Jahrbücher 1882, pag. 764. 4. 751-828 . Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 315 Zuckergehalt der Kartoffeln «der gleiche wie im ersten Versuche war. Etwas deutlicher als dort tritt die durch das Ätherisieren verursachte Depression der Atmung am ersten Tage hervor, was wohl mit der längeren Dauer der Äthereinwirkung im Zusammenhang steht. Man hat es hier vielleicht mit der Folge einer das Ätherisieren etwa einen Tag überdauernden Narkose der Protoplasten zu tun. Wie bei dem ersten Versuche, so vermochte auch hier die nach- trägliche Ätherwirkung die Atmungsintensität nicht höher zu steigern. als dies durch den hohen Zuckergehalt und den Wundreiz zusammen bei den nieht ätherisierten Knollen der Fall war. Dagegen trat dann im weiteren Verlauf, als diese beiten Reize nachließen, die AÄther- wirkung wieder deutlich zutage, indem die Atmungsintensität lang- samer sank als bei den nicht ätherisierten. Die Gesamtmenge der ausgeatmeten Kohlensäure war deshalb in den 3 Versuchstagen «och etwas höher als bei den nicht ätherisierten, nämlich 41 g gegen- über 3,7 8. Wie beim vorigen Versuche wurden auch hier von den zusammen- gehörigen Kartoffelhälften die einen bei Beginn des Atmungsversuches, die anderen am Schlusse desselben auf Zucker untersucht. Die Ergeb- nisse sind in folgender Tabelle zusammengestellt: \ | direkt . | Ver- Sonst ver- Hälften ERSTEN anzieronder Roh Gesamt. atmeter !|schwundener “ Zucker j Zucker Zucker [23 0, 0; H 0. 0 Oo u) 10 :0 0 nicht fa |15. April 2,05 0 2,41 | _ _ ätherisiert\b_[23.. |. 064 | 011 1055| 082 0.84 ätherisierr @ 1 D- Aprill 2,04 O4 50247 _ _ ätherisiert \n |23 | 00 002 | 02 0.92 0.83 Hier zeigten die nicht ätherisierten und ätherisierten Kartoffeln anfänglich eine fast vollständige Übereinstimmung in den Zucker- gehalten. so daß der Versuch bezüglich der Zuckerumsetzungen noch etwas genauer beweisend ist als der vorhergehende. Wie eine frühere Untersuchung ergab'), wird beim Süßwerden der Kartoffeln auch Rohrzucker aufgespeichert, beim Verweilen der Kartoffeln in höherer Temperatur aber auch bald wieder umgesetzt. Auch hier zeigte sich letztere Erscheinung und zwar bei den ätherisierten in etwas höheren Grade als bei den nicht ätherisierten. Da nur beim Zuekerverbrauch 1) Müller-Thurgau, IL. Über die Natur des in süßen Kartoffeln sich vor- findenden Zuckers. Landwirtsch. Jahrbücher 1882, par. 900. 316 H. Müller-Thurgan und O. Schneider-Orelli, zur Atmung ein Unterschied zwischen den verschieden behandelten Kartoffeln sich einstellte, nicht aber beim sonstigen Verbrauch, so hängt wohl das verschiedene Verhalten des Rohrzuckers irgendwie mit der Atmung zusammen. Wie im vorigen Versuch wird auch hier im Ver- hältnis zum veratmeten Zucker keine große Zuckermenge zu Stärke rückgebildet, nur ungefähr die gleiche Quantität; es hängt dies mit dem Alter der Knollen zusammen. Bei Beginn des Winters wird beim ‘Lagern süßer Kartoffeln im warmen Raum etwa viermal mehr Zucker rückverwandelt, als die Knollen zur Atmung verbrauchen. Im übrigen zeigt die Tabelle, daß das Ätherisieren auf die inneren Umsetzungen, il. h. speziell auf die Verarbeitung des Zuckers nur einen geringen Einfluß ausübt (gegenüber dem weiterhin untersuchten Vorerwärmen), und es ist also nicht angängig, aus einer Änderung der Atmungsinten- sität jeweils auf entsprechend große Änderungen in den sonstigen Um- setzungen innerhalb der Pilanzenorgane zu schließen. B. Vorübergehende Erwärmung (Vorerwärmen) von Kartoffelknollen. Mit Rücksicht auf den geringen Einttuß des Ätherisierens haben wir ein größeres Gewicht auf Versuche über den Einftuß « einer vorüber- gehenden Erwärmung gelegt. Bekanntlich stammt die Beobachtung, daß ein vorübergehender Aufenthalt in warmem Wasser in vielen Fällen das Austreiben ruhender Pflanzenteile stark zu beschleunigen vermag, aus Gärtnerkreisen. Die erste Mitteilung über die Anwendung des warmen Wassers in der Frühtreiberei findet sich in Möller’s Gärtnerzeitung vom Jahre 1909. Paulig berichtet dort, daß er das Verfahren in einer russischen Gärtnerei kennen lernte und daß Convallariakeime, die 12—16 Stunden in Wasser von 35° lagen, beim Treiben einige Tage früher blühten als die nicht behandelten. Durch diese Mitteilung wurden die Praktiker zu weiteren Versnehen angeregt, und schon im folgenden Jahre konnte Öbergärtner Hoffmann in Mannheim mitteilen, daß sich das neue Verfahren auch beim frühen Treiben der Flieder ausgezeichnet bewährt habe. Weitere Versuchsergebnisse veröffentlichten zu Anfang des Jahres 1907 Leiien und bald darauf Löbner, welch letzterer sich auch seither mit dieser Frage weiter beschäftigte. Es lag deshalb im Winter 1906.07 für uns nahe, auch die Einwirkung einer vorüber- gehenden Erwärmung auf die Lebensvorgänge der Pflanzen in den Kreis unserer Untersuchungen zu ziehen. Wenn auch seitdem, vor allem dureh die 1908 und 1909 erschienenen Veröffentlichungen des Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 317 Pflanzenphysiologen Molisch'), der die Wirksamkeit dieser nenen Treibmethode an etwa 50 Pflanzenarten erprobte, zahlreiche neue Einzel- heiten darüber bekannt wurden, so wissen wir bisher doch nichts über den Einfluß des Verfahrens auf (die inneren Vorgänge, auf Atmung. Stoffwandlungen, Enzymgehalt usw. Versuch 3. Ein im Februar 1907 angestellter Versuch, bei welchem Kartoffeln in Wasser, welches während einer Stunde auf 39--40°% gehalten wurde, weilten, andere dagegen in Wasser von 13°, ergab keinen merklichen Einfluß auf die Atmung. Von vornherein mußte angenommen werden, daß die Wärme nur langsam in die Knolle eindrang, und da man die Kartoffeln nach der Erwärmung in Wasser von 15° abkühlte, so konnte die Temperatur von 40° voraussichtlich nur ganz kurze Zeit einwirken. Um hierüber für die weiteren Versuche Gewißheit zu erhalten, wurde noch ein Vorversuch angestellt über den Gang der Temperatur inner- halb einer Kartoffel, die man in Wasser von 40° bringt und hierauf auch wieder in kaltem Wasser abkühlt. Bei einer Kartoffel von zirka 100 g, die man mit 12° Innen- temperatur in Wasser brachte, das dauernd auf 40° erhalten wurde, stieg das Quecksilber des in die Mitte versenkten Thermometers nach 10 Minuten auf 26° nach 20 Minuten auf 34°", nach 30 Minuten auf 33° und erst nach 40 Minuten auf nahezu 40°. Brachte man die Kartoffel, nachdem sie vollständig auf 40° er- wärmt war, in Wasser von 12°, so sank die Innentemperatur in 10 Minuten auf 27°, nach 20 Minuten auf 18,5% nach 30 auf 14,99 und nach 40 auf 13,2%. Ein halbstündiges Verweilen in Wasser von 40° reicht also nicht vollständig aus, eine Kartoffel mittlerer Grüße auf eine gleiche Temperatur zu erwärmen; wohl aber ist dies nach etwa 40 Minuten der Fall, während beim Verbringen in kaltes Wasser die Temperatur einer solchen Kartoffel dann rasch sinkt. Am 16. Dezember 1907 wurde nun ein definitiver Versuch be- gonnen, bei dem «ie Einwirkung einer längerdauernden Erwärmung der Kartoffeln geprüft werden sollte. Von vier Kartoffeln ä ca. 100 g wurden je zwei direkt dem Keller entnommene Knollen zunächst in 1) Molisch, H., Über ein einfaches Verfahren, Pflanzen zu treiben (Warmbad- methode). I. Teil. Sitzungsber. der kaiserl. Akad. der Wiss. in Wien, matlhen.- naturwiss. Kl, Bd. LAXVIL 1908. — I. Teil. Tbiden, Bd. LXVII, 1909. Ders., Das Warmbad als Mittel zum Treiben der Pflanzen. Tena 1909, Gustav Fischer. 318 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelh, Atmungsapparate gebracht, um zuerst zu bestimmen, ob sie ohne ver- schiedene Behandlung in der Atmungsintensität miteinander überein- stimmten: nach 6 Tagen brachte man (die Kartoffeln des einen Apparates in Wasser, das sorgfältig auf einer Temperatur von 39—40° erhalten wurde. Nach 5 Stunden kamen sie sodann in Wasser von 19'/,", um während einer Stunde auf diese Temperatur abgekühlt zu werden. Die Kartoffeln des andern Apparates hielt man während der ganzen Zeit in Wasser auf 19'/,°% Die ausgeschiedenen Kohlensäuremengen pro Stunde und Kilogramm «les Frischgewichtes bei Versuchsbeginn sind in folgender Tabelle zusammengestellt. Die Versuchstemperatur schwankte zwischen 17 und 19° Bei diesem und allen folgenden Versuchen standen die Atmungsapparate des gleichen Versuches stets nebenein- ander im gleichen Raum, so daß alle Versuchskartoffeln genau den gleichen Wärmegraden ausgesetzt waren. Die Temperaturbestimmungen wurden durch einen neben den Atmungsgefäßen stehenden Thermo- graphen ausgeführt. I. Kartoffeln während 6 Stunden m Wasser von 19’, 9, II. “ “ 5 409, 2 „| Kohleusäureausschei- = Kohlensänreansschei- Datum 2 ‚lung pro] kg u. 1 Stde, Datuin «dung pro Ikgu. 1 Stile. - en IL. -. | ion | | Steh. mi | ng Ss mg | mg Vor der Behandlung rl 15 11,6 | 26.4 1sı j : 25.—20. XII. 24 11,3 21.6 eb) 9 154 DB a N u | 9 | 149 EST T Ba Bas 7 ae Tu oa a aa u ae BB 31: 128 129 28.23. XI. 25 89.132 TE? 159 20-B0.NTT BI | 88 | 122 2'934 1129 30.--31. XI. 127 9A: 136 = Dun i 3L.XIL-2.LH5 | 106 | 136 Nach der Behandlung 2_3 L 24 | 8,9 13,0 Da] 126 | 208 BL Mi 88 | 182 23 a. x 15 I 126 1289 4.—5.1 23, 8.8 13,4 uno) 111) 308 Da Pau = Bar BER Ze ee 7 Nachdem die anfänglichen Schwankungen, teils verursacht durch tax Verbringen vom Keller in den wärmeren Raum, teils durch ziemlich starke Temperaturschwankungen in den ersten Versuchstagen, vorüber waren, zeigten die Kartoffeln in den beiden Abteilungen I und II kon- stante und übereinstimmende Atmungsgrößen. Nach der vorübergehen- den, d.h. 5 Stunden dauernden Erwärmung in Wasser von 40° stellte sich nun ein ganz bedeutender Unterschied ein. Bei den nicht er- Beiträge zur Kenntnis ıler Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 319 wärnten Kartoffeln hat offenbar der Aufenthalt im Wasser keinen Einfluß auf die spätere Atinungsenergie ausgeübt. eine Steigerung trat nicht ein: im Gegenteil hat «ie Atmung allmählich abgenommen, was bei Kartoffeln, die aus dem kühleren Keller zu höherer Temperatur gebracht werden, regelmäßig eintritt. Bei den anderen Kartoffeln wurde dagegen «ie Atmung ganz beileutend, auf mehr als das Doppelte, ge- steigert, und zwar (dauerte «liese starke Steigerung etwa 5—+ Tase. Aber auch später, als sie allmählich nachließ, blieb die Atmung noch während der ganzen Versuchsdauer, also noch 10 Tage weiterhin merk- lich höher als bei den nicht erwärniten. Hier ist mit Sicherheit eine Steigerung «ler Atmung «dureh vorhergehende Erwärmung, soviel uns bekannt, zum ersten Male nach- gewiesen. Da, wie oben bewiesen wurde, («die einstündige Erwärmung einen solchen Erfolg nicht hatte, obgleich die Temperatur nachge- wiesenermaßen gegen (len Schluß hin auf 40° gestiegen war, so muß geschlossen werden, daß nicht die Temperaturschwankung als solche allein «lie nachher eintretende Atmungssteigerung verursacht, sondern daß es dabei hanptsächlich auf die Dauer der Einwirkung der hohen Temperatur ankommt. Versuch & Um die Richtigkeit dieses Resultates nachzuprüfen, wurde folgender Versuch angestellt. 6 Kartoffeln der Sorte Masmum bonum wurden in 5 Gruppen gebracht und wogen I== 208,9, II = 180,1, III = 177,5 g. Die Kartoffeln, die am 31. Dezember dem Keller entnommen wurden, blieben bis zum 6. Januar bei Zimmertemperatur liegen, worauf man sie in die Atmungsgefäße einschloß, um ihre Kohlensäureausscheidung zu bestimmen. Am 9. Januar fand sodann die verschiedene Behand- lung statt; die Kartoffeln I blieben 10 Stunden lang in Wasser von 15° liegen, die Kartoffem II brachte man 7'/, Stunden in Wasser von 15°, hierauf 1'/, Stunde in Wasser von 40° und schließlich 1 Stunde in Wasser von 15° zum Abkühlen. Die Kartoffeln IIT kamen zuerst 1'/, Stunde in Wasser von 40°, dann 1 Stunde in solches von 15°, (dann wieder 1'/, Stunde in Wasser von 40° usf., und schließlich noch 1 Stunde in Wasser von 15°; im ganzen verweilten sie 4><1!/, Stun- den in Wasser von 40°. Die Kohlensäureabgaben, pro Stunde und 1 ke anfängliches Frischgewicht der Kartoffeln bereehmet, sind in fol- sender Tabelle zusammengestellt. Das Frischgewicht der Kartoffeln hat sich übrigens während des Versuches nur unwesentlich, höchstens um einige Dezigramm geändert. 320 H. Müller-Thurgau und OÖ. Schneider-Orelli, I. Kartoffeln nicht erwärmt (siehe oben!) I. n einmal 1'/, Stunde lang auf 40° erwärmt. 111. “ viermal 11%. 2 40° „ 5 0 Kohlensäureausscheidung Datum Versuchs- pro 1 kg und 1 Stunde Temperatur dauer FERIEN j | u | IR Stunden mg | mg | mg Grad Vor der Behandlung 6.—7. 1. 15 10,9 | 13,8 | 11.2 16—17 7.1. 7 8,6 | 8.3 | 8A 16 7.8. 1. 24 84 | 8,6 \ 88 15 — 16 8.—9. 1. 15 8,3 | 82 | 78 15 Nach der Behandlung 9.—10. T. 15 10,8 17,5 | 31,0 16—17 10. 1. 7 9,3 17.4 32,9 16— 18 10.11. 1. 17 8,5 14,5 31,7 15—16 11.1. s 7,9 13,6 31,7 15—16 11.—12. 1. 17 77 11.4 26.5 16— 17 12.--183. 1. 23 6,7 | 15.4 18,1 11-16 IL B 88 | 158 15 Die einmalige Erwärmung auf 40° hat «diesmal einen Einfluß auf (lie Atmung ausgeübt: allerdings dauerte die Erwärmung im Innern der Kartoffel mindestens 1 Stunde, also erheblich länser als in «dem unter Versuch 3 kurz angedeuteten Falle. Weitaus stärker machte sich der Einfluß einer mehrmaligen Erwärmung geltend; wahrscheinlich kommt hier in erster Linie die längere gesamte Erwärmungstauer zur Geltung: doch wäre ja nicht ausgeschlossen, daß der mehrmals vorge- nommene Wechsel niederer und höherer Temperatur einen atmungs- steigernden Reiz auszuüben vermochte, Daß dieser letzte Faktor aber wenig wirksam ist und gegenüber der Dauer der Wärmewirkung kaum in Betracht kommt, geht aus folgendem Versuch hervor. Versuch 5. Bei «diesem Versuche wurden Kartoffeln der gleichen Sorte ver- wendet wie vorhin, die man aber vorher durch Lagern bei 0° während eines Monats süß gemacht hatte. Zwei Kartoffeln ılesselben Vorrates enthielten zu dieser Zeit 3,01 %/, «direkt reduzierenden Zucker und 0,57%, Rohrzucker, zusammen 3,61 %/, Zucker als Invertzucker be- rechnet. Aus dem (dauernd auf 0° abgekühlten Raume wurden die Kartoffeln sofort zum Versuche verwendet und in 3 Gruppen zu je 2 Knollen gebracht. Gruppe I kam in sorgfältig auf 15° gehaltenes Wasser, Gruppe II gieich in Wasser, das auf 40° gehalten wurde, nach einstündigem Verweilen bei (lieser Temperatur wieder in Wasser von Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 3921 15°, dann wieder auf 40° usf. und in der 8. Stunde wieder auf 15°, also im ganzen 4><1 Stunde in Wasser von 40% Gruppe III kam zuerst 3 Stunden in Wasser von 15°, dann 4 Stunden in solches von 40° und zum Schlusse 1 Stunde in Wasser von 15°, so dab am Ende der 8. Stunde alle Kartoffeln die Temperatur von 15° besaßen und nun in die Atmungsapparate gebracht werden konnten. IT — 252,1 g, dauernd in Wasser von 15°, II = 246,1 g, intermittierend viermal je 1 Stunde in Wasser von 40° und 15®, Il == 235,9 g, 4 Stunden andauernd in Wasser von 40°, sonst bei 15°. Die Mengen der nach dieser Behandlung ausgeatmeten Kohlen- säure sind in folgender Tabelle zusammengestellt. v N Kohlensäureausscheidung Datum ar pro 1 kg und | Stunde | Temperatur I | u | I Stunden Mg | mg mg Grad 14.—15. 1. 16 31,9 | 49.1 | 62,7 15—18 15. 1. , 321 382 | 13,9 1518 15.16. 1. 16 14 | 342 39,1 15-18 16. 1. Ss 29.6 | 26.7 33,2 15—17 16.—17. I. 16 273 | 22.8 241 15—17 17.1 8 28,7 | 18,7 18,9 15—18 Die bedeutende Atmungsintensität der nicht auf höhere Tempe- ratur erwärmten Kartoffeln hängt mit ihrem hohen Zuckergehalt zu- sammen. Eine Woche vorher haben nicht süße Kartoffeln der gleichen Sorte (Versuch 4) nur 8--9 mg Kohlensäure pro Stunde und Kilo- eramm ausgeatmet bei gleichen Temperaturverhältnissen. Die Einwirkung (der intermittierenden Erwärmung auf 40° ver- mochte zwar eine merkliche Steigerung der Atmung herbeizuführen; loch etwas beträchtlicher war «diese noch bei Gruppe III, bei der die Erwärmung nur einmal, aber dann während 4 Stunden stattfand. Das Resultat kann nicht überraschen, da ja bei der intermittierenden Er- wärmung die Kartoffeln wohl 4 Stunden in Wasser von 40° lagen, im Innern aber nicht ganz (dieser Zeit entsprechend auf 40° erwärmt waren. Das Gewebe in «der Mitte konnte in der betreffenden Stunde jeweils nur etwa während 15-—-20 Minuten auf 40° erwärmt sein, in (den vier Erwärmungsperioden also etwa 60—80 Minuten, währen (die Kartoffeln von Gruppe III in Wasser von 40° «diese Temperatur nach 40-45 Minuten annalımen. aber «dann etwa 3'/, Stunden lang unver- ändert beibehalten konnten. Bei allen mehr nach außen gelegenen Sehiehten war natürlich die Differenz der Erwärmungsdauer nicht so groß. Auch hier läßt sich deutlich erkennen. dab nicht «die öftere 399 IH. Müller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli. Wiederholung an und für sieh die atmungssteigernde Wirkung ausübt. sondern die Dauer der Erwärmung. Anffallenı erscheint der schnelle Rückgang der Atmung in den beiden erwärmten Gruppen gegenüber den nieht erwärmten, es ver- anlaßte uns diese Erscheinung, den Versuch zu wiederholen. Versueh ©. Es wurden bei (dieser Wiederholung Kartoffeln vom gleichen in Eis gelagerten Vorrat wie im vorigen Versuch verwendet, nur brachte man «liesmal die Kartoffeln der Gruppe II nicht aus dem Eis direkt in Wasser von 40% sondern zuerst 1 Stunde in solches von 15°; da- durch wurde die Vorbehandlung «ler Kartoffeln auf 9 Stunden ausge- dehnt, während welcher «die Kartoffeln dieser Gruppe sieh also befanden je 1 Stunde in Wasser von 15, 40, 15, 40, 15. 40, 15, 40, 15°. Die Kartoffeln I lagen während der ganzen Zeit in Wasser von 15°, die- jenigen der Gnuppe III zuerst 4 Stunden in Wasser von 15°. «dann + Stunden in solehem von 40° und zum Schlaß wie (die anderen noch 1 Stunde bei 15% I = 226,1 g, dauernd in Wasser von 15%, II = 212,5 g, intermittierend je 1 Stunde in Wasser von 15 und 40", II = 209,4 8, 4 Stunden andauernd in Wasser von 40°, sonst bei 15°. Das Ergebnis der sofort in Gang gesetzten Atmungsbestimmungen war folgendes: Versuch Kohlensäureausscheidung ersuchs- . . Datum daner bw j ke und I Stunde Temperatur I Il | I Stunden DIRG ! mg | mg Grad 2]..-03, 1, 151, 35,6 | 714 833,4 21-22 gt s 237 0 A| a0 21 2. = I. 16 24.5 46.7 AAA 20-21 op 5 2330| 38.6 | 36.7 20-21 2.- a. l. In 23,0 32.4 28,6 1920 , Ba 1. Ss 22,4 24,2 20,3 19-20 24-25. 1 16 23,0 22,1 17,6 1920 Die Resultate dieses Versuches stimmen mit denen «des vorigen ziemlich überein: doch zeigt ein Vergleich von Kolonne II und II. dab die auf ungleiche Wirkungsdauer der Wärme bei intermittierender und andauernder Vorerwärmung zurückzuführende Atmungsdifferenz keine erhebliche sein kann und die diesbezüglichen kleinen Unterschiede in diesem und dem vorigen Versuche nicht von Bedeutung sind. Da- gegen ergab sich auch diesmal, daß die durch viermal wiederholte Er- a Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 3923 wärmung und Abkühlung verursachten Temperaturschwankungen als solche keine wesentliche Steigerung «der Atmung herbeizuführen ver- mögen. Die noch beträchtlichere Kohlensäureausscheidung in diesem Ver- suche hängt mit dem höheren Zuckergehalt zusammen. Die Kartoffeln haben eben noch eine Woche länger bei 0° verweilt, als (die zu Ver- such 5 verwendeten. Die bedeutende Atmunesintensität der Kartoffeln der Gruppe II und TII ist also hier wie im vorigen Versuche zwei Einflüssen zuzuschreiben. einmal dem hohen Zucekergehalt und so- dann der der Atmwngsbestimmung vorausgehenden kurzen Erwärmung. Gerade bei «diesen verhältnismäßig früh und bei der szünstiesten Teniperatur, nämlich 0°, süß gemachten Kartoffeln äußert sieh der Einfluß der Erwärmung neben dem (des Zuckergchaltes in ganz her- vorrauender Weise. Die außerordentlich starke Kohlensänreausschei- dung in den ersten 15 Stunden müssen wir, gestützt auf andere Versuche, wohl zum Teil einer Aufspeicherung von Kohlensäure in den Kartoffeln während ihres Aufenthaltes in Wasser zusehreiben; naturgemäß hat diese Speicherung beim Aufenthalt in warmem Wasser in höherem Grade als bei den in kühlem Wasser verbliebenen statt- eefunden. Diese Bemerkung hat auch Gültigkeit für das erste Atmungs- resultat bei Versuch 5. Daß «durch diesen Unistand die Atmung der nachfolgenden Stunden nicht mehr wesentlich beeinflußt wird, zeigen unsere Versuche 7 und S mit Erwärmen in Luft, und es ist übrigens auch aus Versuch 4 deutlich zu ersehen, indem hier ja die Atmungs- eröße nach den ersten 15 Stunden nicht abnalım, sondern sogar noch bedeutender wurde. Wenn auch in diesem Versuche die Atmung bei den beiden er- wärmten Gruppen ebenfalls rasch und zum Schlusse sogar ein wenig unter die der nieht erwärmten sank. so ist der Unterschied im Ver- halten der erwärmten und «der nicht erwärmten Kartoffeln doch lange nieht in dem Maße hervorsetreten wie m Versuch 5, er soll daher vorläufig nieht zu weiteren Schlußfolgerungen benutzt werden. Versueh 7. Bei den vorhergehenden Versuchen wird man sieh fragen. inwie- weit der lange Aufenthalt in Wasser und die dadurch herbeigeführte intramolekulare Atmung von Einfluß auf das Versuchsergebnis waren und ob nicht dureh einen gleich langen Aufenthalt in warmer Luft dieselbe Atmunessteigerung erreieht werden könnte. Der Ausführung eines solehen Versuches stand aber hinderlich entgegen. daß so massige 324 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Organe wie Kartoffeln in Luft von anderer Temperatur sich nur sehr langsam erwärmen oder abkühlen. Es wurden daher die Versuchs- kartoffeln zuerst dureh 1%/, ständigen Aufenthalt in Wasser auf die gewünschte Temperatur gebracht und dann erst dem längeren Einfluß von warmer oder kalter Luft ausgesetzt. Man verwendete wiederum Kartoffeln der Sorte Bodensprenger aus dem Keller, und zwar für jede Gruppe zwei. Kartoffeln I wogen 218,1 & II 171,3 und III 1982 ge. Nachdem vorläufig ihre Atmungs- intensität festgestellt war, wurde Gruppe I 1’/, Stunde in Wasser von 16° gebracht und «dann 3'/, Stunden in Luft von 16°; «die Kartoffeln II zuerst in Wasser von 0° und dann 34, Stunden in Luft von 0° und III zuerst 11/, Stunde in Wasser von 40° und «dann 31/, Stunden in Luft von dieser Teinperatur. Zum Schlusse legte man alle drei Gruppen, um sie auf gleiche Temperatur zu bringen, während einer Stunde in Wasser von 16° Während der verschiedenen Behandlung in Luft wurde diese in allen Fällen dureh feuchtes Filtrierpapier wassergesättigt erhalten und so eine Differenz in der Transpiration verhindert. Der durch den Wärmeeinfluß verursachte Unterschied in der Atmung der verschiedenen Kartoffeln gleicht sich. wie schon die bisherigen Versuche ergaben, allmählieh wieder aus, doch dauert es ziemlich lange, bis ein vollständiger Ausgleieh stattgefunden hat. Um auch diesen Punkt zu erledigen, wurde «diesmal bei «en Kartoffeln nach der Behandlung längere Zeit die ausgeatmete Kohlensäure bestimmt. Als nach 9 Tagen die Atmungsenergie noch nicht genau die gleiche war, unterbrach man den Versuch während 7 Tagen. um nachher nochmals mit den Be- stimmungen fortzufahren. In dieser Zwischenzeit, vom 13.— 20. Februar, wurden die Kartoffeln in feuchten, mit Filtrierpapier ausgeschlagenen Doppelschalen aufbewahrt. (Tabelle siehe nächste Seite oben.) Aus den obigen Zahlen ergiebt sich aufs Deutlichste, daß die Tenperatursehwankung als solehe eine erhehliche Atmungsverstärkung nicht zu erzielen vermag. Die Kartoffeln der Gruppe II, die von 16° auf 0° abeekühlt und dann wieder auf 16° erwärmt wurdan. zeigten entweder gar keine oder doch nur eine so geringe Atmungssteigerung. tab sie kaum in Betracht fällt. Ganz anders verhielten sieh (die Kar- toffeln. die von 16° auf 40° erwärmt und dann wieder auf 16° abge- kühlt wurden und hierauf eine so beträchtliche Atınungssteigerung auf- wiesen. Wir haben die Überzeugung, «daß letztere nicht der Tempe- raturveränderung als solcher. sondern direkt der Einwirkung des holen Wärmegrades von 40° bei längerer Dauer zuzuschreiben ist. Ein Ver- Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 325 in Wasser in Luft in Wasser I=1!/, Stde. 16° 3'/, Stde. 16° 1 Stde. 16° H=l,, ,„ 0° Da Fe 0° 1, 16° er 40° Fe Fa 40° I. 16° , Kohlensäureausscheidung Datum Versuchs- pro 1 kg und 1 Stunde Temperatur auer a I | II | ın Stunden mg mg | mg Grad Vor der Behandlung 1.—3. IL 47 76 7,3 87 15—18 3.—4. II. 24 6,2 6,0 6.8 14—16 Nach der Behandlung 4.5. I. 16%, 6,3 | 7,3 20,7 15--17 5.—6. I. 24 5,6 6,6 26,6 15—17 6.—7. I 25 5,7 7,3 17,3 15—16 7.8. I. 23 5,6 77 12,2 16—17 8.—10. II. 48 6,0 7,3 10.7 18 10.—11. II. 24 6,1 6,9 10.1 19 11.—12. II. 24 5.6 3,5 7.6 16— 19 12.—13. 1. 24 9,8 6,5 8.0 16—18 20.—21. I. 24 6,9 8A 91 19—20 21.—22. U. 22 64 75 7,6 19—21 22.—24. 1. 42 6,3 8,0 89 20—21 24. II. 8 77 88 93 19—21 gleich der Ergebnisse dieses Versuches mit denen von Versuch 3, bei welchen die Kartoffeln während genau der gleichen Dauer der Wärme- einwirkung in Wasser sich befanden, ergibt, daß die Einwirkung der warmen Luft nahezu die gleiche Atmungssteigerung verursachte wie diejenige in Wasser. Beim Vergleich («der beiden Tabellen ist zu be- rücksichtigen, daß man es mit verschiedenen Kartoffelsorten zu tun hat. Die Boiensprenger von Versuch 5 zeigten auch ohne Behandlung eine geringere Atmungsstärke als die Magnum bonum von Versuch 3. Außerdem wird ein direkter Vergleich der Zahlen etwas erschwert, weil bei Versuch 7 direkt nach der Wärmeeinwirkung die Kohlensäure- abgabe in größeren Zeitintervallen bestimmt wurde als bei Versuch 3. Aus den Originalzahlen berechnet ergibt sich bei (diesen beiden Versuchen für die ersten Zeiten: Kohlensäureabgabe pro 1 Stunde und 1 kg Nach Behandlung nicht erwärmt erwärmt Differenz Versuch 3 (in Wasser) 43 Stunden 11,9 28,3 16,4 Versuch 7 (in Luft) 40'/, Stunden 5,8 24,2 18,4 Die vorstehenden Zahlen, welche die Atmung währen der ersten Zeit nach der Erwärmung angeben, lassen deutlich erkennen, dab die Erwärmung in Luft (Versuch 7) eine eben so große Atmungssteigerung Flora, Bd. 101. 22 326 H. Müller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli, zu verursachen vermochte wie die vorübergehende Erwärmung in Wasser in Versuch 3; ja scheinbar ist die Steigerung noch etwas größer; allein es ist zu berücksichtigen, daß in der Zeit von 43 Stunden statt nur 40%/,, wie bei Versuch 3, die Wirkung von 2!/, Stunden inbegriffen ist, wo (die Atmung schon ganz bedeutend vermindert war (vergleiche in der Tabelle die Atmung vom 6.—7. Februar). Auch waren die Tem- peraturen in den beiden Versuchen nicht so übereinstimmend, daß ein genauer Vergleich zulässig ist. Das Hauptergebnis wird aber hierdurch keineswegs beeinflußt. Vergleicht man obige Kohlensäureausscheidungen in den ersten 43 bzw. 40!/, Stunden in ihrem gegenseitigen Verhältnis, so ist sie in Versuch 3 dureh die 5stündige Erwärmung um das 24fache, bei Versuch 7 um (das 42fache gesteigert worden; diese relativ stärkere Steigerung bei Versuch 7 wird man wohl weniger dem Einfluß der Luft zuschreiben können als vielmehr der anderen Be- schaffenheit der Kartoffeln, die sich in einer anfänglich geringeren Atmung erkennen läßt. Bei den während der ganzen Dauer der Wärmeeinwirkung in Wasser eingetauchten Kartoffeln von Versuch 3 hat wohl während (dieser Zeit intramolekulare Atmung stattgefunden, während dies bei den größtenteils in Luft erwärmten von Versuch 7 zweifellos weniger der Fall war. Dieser Umstand hat jedoch auf das eigentliche Versuchs- resultat so gut wie nicht eingewirkt, was für die Beurteilung unserer mit Warmwasserbehandlung ausgeführten Versuche von Bedeutung ist. Während der langen Dauer des Atmungsversuches und der Zwischen- zeit vom 13.20. Februar begannen die Kartoffeln zu keimen; doch hat dieser Vorgang, wenigstens in seinen ersten Anfängen, wie wir in verschiedenen Versuchen beobachteten, keinen nennenswerten Einfluß auf die Atmung; erst wenn die Keime größer werden, etwa 1 mm lang, zeigt sich eine geringe, allmählich zunehmende Atmungssteigerung. Es sind (demnach in obiger Tabelle die Angaben bis zum 13. Februar von ıliesem Umstand noch kaum beeinflußt. Am 20. wurden die Keime gemessen; ihre Gesamtlänge betrug bei Gruppe I 29 mm, II 72 mm und III 30 mm. Auf die Atmungsgrößen vom 20.--24. kann diese Verschiedenheit einen kleinen Einfluß ausgeübt haben, und es ist wohl damit die etwas stärkere Atmung (der Kartoffeln II gegenüber I in Zusammenhang zu bringen. Versuch 8 Dieser Versuch ist eine Wiederholung von Versuch 7, nur mit dem Unterschiede. daß als Ausgangspunkt für die Gruppe I 20° ge- Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 327 wählt wurde, um so die Temperaturschwankung bei der Abkühlung auf 0° und Wiedererwärmung auf 20° und andererseits bei der Erwärmung von 20 auf 40° und Wiederabkühlung genau gleich groß zu gestalten. Ferner dauerte die Erwärmung bzw. Abkühlung 8 statt 5 Stunden. Die Behandlung der 3 Versuchsgruppen zu je 2 Kartoffeln (gleiche Sorte wie 7, ihre Anfangstemperatur 20°) war folgende: : In Wasser In Luft In Wasser Gewicht 9—10 Uhr 10-5 Uhr 5—6 Uhr I 200,3 8 20° 20° 20° u 179,4 g 0° 0° 20° 11 180,0 g 40° 40° 20° Die ausgeschiedenen Kohlensäuremengen waren pro 1 Stunde und 1 kg folgende: Y h Kohlensäureausscheidung Datum onen pro 1 kg und 1 Stunde Temperatur I | 1 1 Stunden mg mg mg Grad Vor der Behandlung 14.—15. I. 231, 73 8,3 8,9 18—20 15.—17. I. 41 7,8 81 82 19—20 Nach der Behandlung 17.—18. I. 141, 77 85 25.6 18—19 18. II. 8 7A 8,2 35,4 19 18.—19. HD. 16 6,5 77 24,7 18—19 19. 1I. 8 7A 81 16,8 19—20 19. 20. II. 16 6.3 6,6 13,8 18--19 20. II. 8 5,7 6,6 11,1 18—19 24,—25. 11. 16 6,9 7,7 7,7 20--21 25.—26. 11. 24 72 8,3 9,2 20-22 26.—27. II. 24 6,8 77 82 19—21 Im ganzen bestätigen diese Ergebnisse (liejenigen von Versuch 7. Die Temperaturschwankung von 20° auf 0° und dann wieder auf 20° hatte so gut wie keinen atmungssteigernden Einfluß. Dagegen äußerte sich der Einfluß der Erwärmung auf 40° in ausgesprochener Weise, sogar noch stärker als bei Versuch 5, wohl infolge der länger andauern- (len Erwärmung. Allerdings lassen sich die Zahlen, weil auf verschieden lange Zeiten sich beziehend, nicht «direkt vergleichen, und man hätte auch bei Versuch 7 bei häufigerer Wägung in den ersten Tagen sicher ein höheres Ansteigen der Kurve beobachten können, wenn auch nicht so hoch wie bei Versuch 8. Selbst wenn wir die etwas höhere Ver- suchstemperatur im letzteren Versuche berücksichtigen, gelangen wir doch dazu, der um 3 Stunden längeren Dauer der Wärmeeinwirkung 22* 328 H. Müller-Thurgau und OÖ. Schneider-Orelli, einen nachweisbaren Einfluß zuzuschreiben. Aber jedenfalls ist «der Einfluß der Wärme hier nicht proportional der Dauer ihrer Einwirkung. Versuch 9. Es war von Interesse, zu prüfen, inwieweit auch «die kurzdauernde Einwirkung von Temperaturen unter 40° imstande ist, eine Erhöhung der Atmung herbeizuführen. Da die Kartoffelsorte der früheren Ver- suche jetzt ziemlich stark zur Keimung neigte, wurden solche von der Sorte Schneeflocken aus einem anderen Keller verwendet, deren Knollen wohl infolge der kühleren Lagerung noch keinerlei Anzeichen des Aus- treibens zeigten. Allerdings waren (diese Kartoffeln, wie sich später zeigte, etwas süß geworden, eben gerade infolge (der kühlen Lagerung. Es wurden wiederum 3 Versuchsgruppen zu je 2 Kartoffeln ge- bildet, die, nachtem ihre Atmungsgröße bestimmt war, folgender Be- handlung unterworfen wurden: . In Wasser In Luft In Wasser Gewicht 8-9 Uhr 9-4 Uhr 4—5 Uhr I 1995 g 20° 20° 20° u 203,4 g 35° 35° 20° II 199,7 g 40° 40° 20° Die Atmungshestimmungen vor und nach dieser Behandlung er- gaben folgendes: Versuchs Kohlensäureausscheidung u Datun auer u polkg und 1 Stunde Temperatur I | u m Stunden mg | mg | mg Grad Vor der Behandlung 27.28. II. 24 23,9 24,0 21,7 19—20 28.--20. II. 24 24,9 24,8 25,7 18—21 2. 11.2. IM. 48 23,3 22,8 22,0 17—19 2.—3. IL 24 21,4 19,6 19,4 17—19 3.—5. II 48 21,1 18,7 18,7 18—20 3.6 IH. 24 18,8 17.2 15,7 17—18 6.7. MM. 24 19,7 17,0 16,9 17—18 7.9. 11. 46, 20,4 19,2 17,0 20-21 Nach der Behandlung 9.—10. IM. 15 18,4 18,1 23,8 20—21 10. IIL. 8 18,9 17,8 25.1 20--22 10.—11. III. 21 16,1 15,8 19,4 19—21 11-12. 11. 19 16,0 15,4 16,3 19—21 12.— 13. IT. 24, 16,6 15,9 15,4 20—21 Die anfänglich schon hohe Atmungsintensität kann als Folge des erhöhten Zuckergehaltes der süß gewordenen Kartoffeln betrachtet wer- den. Die Sstündige Erwärmung auf 35° hat keinen deutlich bemerk- Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 329 baren Einfluß ausgeübt. Aber auch die Atmungssteigerung, die (der 8stündigen Erwärmung auf 40° folgte, hat bei weitem nicht denjenigen Betrag erreicht wie bei den vorhergehenden Versuchen. Es mag dies zum Teil daran liegen, daß die Atmungsintensität schon ohnehin sehr hoch war, es mögen aber auch andere, vorläufig nicht. bekannte Gründe hier mitgewirkt haben. Daß sich diese Kartoffeln von anderen auch sonst etwas abweichend verhielten, zeigt die langsame Abnahme der Atmung beim Entsüßen vor der Behandlung und auch das Ergebnis einer später anzuführenden chemischen Untersuchung. Versuch 10. Obgleich diese Kartoffelsorte sich gegenüber der Einwirkung höherer Temperatur wenig empfindlich zeigte, so wurden damit doch noch zwei weitere Versuche angestellt, da die anderen Sorten schon gekeimt hatten. Es sollte zunächst geprüft werden, ob noch höhere Wärmegrade, soweit sie die Kartoffeln nicht schädigen, wirksamer sind als 40°. Die Behandlung der 3 Gruppen zu je 2 Kartoffeln nach voraus- gegangener Bestimmung der Atmungsgröße war folgende: ı: In Wasser In Luft In Wasser Gewicht 910 Uhr 10-5 Uhr 5-6 Uhr I 2lldg 200 20° 20° I 206,3 g 40° 40° 20° IT 2049 8 42° 190 20° Die Atmungsbestimmungen ergaben folgende ausgeschiedene Kohlensäuremengen: Kohlensäureausscheidung Datum Versuchs“ m u kg und I Stunde” | Temperatur I | 160 III Stunden mg | mg mg Grad Vor der Behandlung 13.— 14. II. 24 20.1 18,6 | 16,6 20 14.—16. III 42 21A | 18,7 | 16,9 18—20 16.— 17. III. 24 21,8 | 19,9 | 17,1 19 17.—18. ID. 24 22.2 i 21,5 | 18.2 19 —20 Nach der Behandlung 18.—19. III. 15 19.0 28,7 28.2 19-20 19. III. 8 18.9 28,4 l 31.2 19-20 19.—20. IM. 16 18.1 27,5 ! 29.8 19-20 20. II. 8 18.0 24,4 | 28,4 19 20.21. II. 16 18,1 22,9 | 24,8 19—20 21.—23. II. 48 17.5 18,5 19.0 19—21 23.—24. ID. 24 18,2 20,4 19,5 26.—27. II. 24 14.6 19,1 17,5 19—20 27.—28. TII. 24 14.2 20.0 | 18.0 19 | 330 H. Müller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli, Um wieder einmal die Genauigkeit der Methode festzustellen, wurde, nachdem die Apparate längere Zeit funktioniert hatten, der Ver- such unterbrochen, man entnahm die Kartoffeln den Gefäßen und leitete nun den Luftstrom während 2 Tagen durch. Die stündliche Gewichts- zunahme war folgende: Datum Versuchsdauer I II II 24.—25. III. 24 Ol mg 0,25 mg 0,12 mg 25.—-26. II. 16 0.1 mg 0,08 mg 0,07 mg Die in der Methode liegenden Fehlerquellen sind also so klein, durchschnittlich 0,1 mg, daß sie nicht den geringsten Einfluß auf die Versuchsergebnisse ausüben; selbst die größere Zunahme bei Apparat II am ersten Tage, die auf einen kleinen Rest im Apparat zurückgebliebener, von Kartoffeln produzierter Kohlensäure herrührte, ist ohne Belang. Die Ergebnisse dieses Versuches bestätigen zum Teil die früheren, indem sich wiederum zeigte, daß durch Erwärmung der Kartoffeln auf 40° die Atmung in der darauffolgenden Zeit beträchtlich gesteigert wird, und zwar während des ganzen, etwa 10 Tage dauernden Versuches, allerdings gegen den Schluß hin mit abnehmender Intensität. Doch war auch am Schlusse des Versuches der Unterschied in der Atmung noch so groß, 20 und 14,2 mg, daß ein vollständiger Ausgleich jeden- falls erst nach längerer Zeit stattgefunden hätte. Ferner hat sich er- geben, daß eine gleich lang dauernde Erwärmung auf 42° eine noch bedeutendere Steigerung zu erzielen vermag. Soweit die Zahlen Schlüsse erlauben, würde sich diese Mehrsteigerung gegenüber 40° nur auf etwa 6 Tage erstrecken. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß die Kar- toffeln III vor der Behandlung stündlich etwa 2 mg weniger atmeten als die Kartoffeln II und daß dies dann auch am Schlusse des Ver- suches wiederum der Fall war. Die Abnahme der Atmung auch bei den nicht. erwärmten Kartoffeln ist der allmählichen Entsüßung zuzu- schreiben. Versuch 1l. Da eine andauernde Erwärmung in Luft offenbar nicht so nach- teilig wirkt wie in Wasser, wurde versucht, eine noch höhere Tempe- ratur, 44°, einwirken zu lassen. Außerdem wollte man gleichzeitig feststellen, ob nicht auch Temperaturen unter 40° wirksam sein könnten; denn es war doch eine etwas auffällige Erscheinung, daß in Versuch 7 die Erwärmung auf 35° keine deutlich bemerkbare Atmungssteigerung zur Folge hatte. Es wurden nun Temperaturen von 38, 41 und 44° gewählt. Zur Verwendung gelangten Kartoffeln der gleichen Sorte, Schneeflocken aus demselben Vorrat wie in Versuch 9 und 10. Da Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen, 331] diese Kartoffeln durch Lagerung in dem kalten Keller süß geworden waren, lagerte man die zum Versuch bestimmten Knollen während einer Woche unter leicht gelüfteter Glassehale im Dunkelraum bei 20°. Nach Feststellung der ursprünglichen Atmungsgröße wurden die 3 Gruppen zu je 2 Knollen folgendermaßen behandelt: Gewicht In Wasser In Luft In Wasser 5 9--10 Uhr 10—5 Uhr 5—6 Uhr I 186,0 g 38° 38° 20° I 18768 41° 41° 20% 11 179,6 g 44° 44° - 20° Die Kohlensäureausscheidung der Kartoffeln war folgende: Kohlensäureausscheidung Datum Versuchs- pro 1 kg und 1 Stunde Temperatur auer I 101 1m Stunden mg mg mg Grad Vor der Behandlung 28.—29. II. 21 14,0 12,8 12,8 19 29.—30. II. 24 14,7 14,3 15,8 19 30.—31. II. 24 15,8 15,6 16,9 20 31. IIl.bis1.IV. 21V, 15,7 15,5 15,8 16-20 Nach der Behandlung 1,2. IV. 15 18,5 26,2 30,2 19-20 2. IV. 8 18,0 27,6 34,0 19 2.—3. IV. 17 17,6 26,0 36,0 19 3. IV. Di 17,5 23,0 35,7 19—20 3.—4. IV. 17 14,9 19,8 31,5 20 4.6. IV. 48 13,3 15,0 23,8 20—21 6.—7. W. 24 11,6 12,8 18,0 19—21 7.—8. IV. 24 10,7 11,6 18,5 19—20 8.9. IV. 25 11,7 12,1 17,3 19 9.—10. IV. 23 11,0 11,2 18,1 18-19 10.—11. IV. 24 11,5 11,5 17,3 18-19 11.—13. IV. 48 11.2 11,3 16,4 18-19 13.—14. IV. 24 11.5 11,8 17,1 18-19 Die vorübergehende Erwärmung auf 38° hat einen unzweifelhaften Einfluß auf die nachfolgende Atmung ausgeübt, wenn auch die Steige- rung nicht. sehr bedeutend ist. Da man die Kartoffeln während einer Woche im warmen Raum gelagert hatte, waren sie, wie angestrebt wurde, nicht mehr so süß wie diejenigen von Versuch 10. Daß während einer Lagerung solcher Kartoffeln bei 20% eine Abnahme des Zuckers erfolgt, war schon früher erwiesen; wir wollten aber durch einen spe- ziellen Versuch noch zeigen, in welchem Grade diese Abnahme bei der hier verwendeten Sorte Schneeflocken eintritt, da sie sich auch bezüglich (ler Atmungsvorgänge von den anderen etwas unterschied. Diese Kar- toffeln waren durch langes Lagern in einem kalten Keller bei ca. 5° und gelegentlich darunter süß geworden, 332 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Sechs Knollen wurden der Länge nach halbiert und die Hälften gleich gemacht, die Hälften I (238,5 8) wurden wieder in den Keller zu nunmehr 6° zurückgebracht, die Hälften II (238,7 g) kamen in las Dunkelzimmer zu 20°; beide Gruppen wurden in feucht gehaltenen Doppelschalen aufbewahrt. Nach genau 7 Tagen betrug der direkt reduzierende Zucker in den bei 6° aufbewahrten 2,14°/,, in den bei 20° aufbewahrten 1,64%. Rohrzucker wurde weder in den einen, noch in den anderen gefunden. Sowohl dieser Umstand als auch die geringe Abnahme weisen darauf hin, daß diese Kartoffeln eine eigen- artige, von den anderen zu solchen Versuchen verwendeten Kartoffeln abweichende innere Beschaffenheit besaßen, vielleicht verursacht durch die monatelange Lagerung in einem kalten Keller. Da die Kartoffeln von Versuch 11 ebenfalls vor Beginn des Ver- suches während einer Woche bei 20° gelagert hatten, so besaßen sie zu dieser Zeit nur etwa 1,6°/, Zucker, also weniger als die von Ver- such 10, die nach Entnahme aus dem Keller sofort Verwendung fanden; dementsprechend war nun auch die Atmung der ersteren geringer, nur ca. 15 mg pro Kilogramm und Stunde, und sank dann während des Versuches noch weiter bis auf 11,5. Durch eine vorausgehende Er- wärmung auf 38° hat immerhin eine maximale Steigerung um etwa 3 mg stattgefunden. Bei 41° war die Atmungssteigerung, wie zu er- warten stand, beträchtlich höher, etwa 12 mg, und 44° vermochte die nachträgliche Atmung noch bedeutend weiter zu steigern, um 20 mg. COz Trägt man diese Größen in ein 2 Koordinatensystem (Fig. 1) und verbin- pP ww; det die Endpunkte, so erhält man eine ’ Linie, die begreiflich erscheinen läßt, 10 + daß die Einwirkung von 35° wenigstens j bei diesen Kartoffeln keinen atmungs- s 2 steigernden Einfluß auszuüben vermochte er PIECE, (Versuch 9). Es schien von Interesse, ig. 1. Höchste Steigerung der neben dieser Kurve auch die bei 40 Atnung fiber die normale, ver- und 42° erzielten Atmungssteigerungen ursacht durch eine Vorerwär: ; B : R anf 38. und 410 (bei Ver einzutragen, «die bei der gleichen Kar- such 1 al Fix. 2) und auf 40 toffelsorte, allerdings 2 Wochen früher, und 42° (bei Versuch 10). ohne vorhergehende Entsüßung der Kar- toffeln erzielt wurde. Bemerkenswert ist bei diesem Versuch, daß sowohl die auf 38° als auch die auf 41° erwärmten Kartoffeln nach etwa 8 Tagen so ge- ringe Atmung zeigten, wie es in dieser Jahreszeit sonst bei nicht süßen Beiträge zur Kenntnis der Lebensvoreänge in rnhenden Pflanzenteilen. 33: ins a3 D € Kartoffeln der Fall ist; bei den auf 44° erwärmten Kartoffeln war da- gegen ein solches Sinken der Atmung selbst nach 14 Tagen noch nicht zu beobachten. Es scheint, daß diese hohe Temperatur nicht nur stärker, sondern auch in anderer Richtung auf die Stoffmetamorphose in der Kartoffel eingewirkt hat. Deutlicher als aus «der Tahelle lassen sich «diese Erscheinungen aus nachfolgender graphischer Darstellung erkennen (Fig. 2). ” S hs 77 20 a un En nun un = 15 + Sy 28.29. 30.3171. 2. 3.4.5.6.789 MW 12.131 Fig. 2. CO,-Ausscheidung von nicht süßen Kartoffeln: Vom 28.—31. IH. ohne Vor- erwärmung bei ca. 19%; am 1. IV. 8 Stunden Vorerwärmung; vom 2.—14. IV. CO,-Ausscheidung bei ca. 19° bei den auf 38° „anf 419... —, auf 44° - — - vorerwärnten Kartoffeln. Faßt man die in vorstehenden Versuchen beschriebene Einwirkung einer vorübergehenden Erwärmung auf die Atmung in der nachfolgen- den Zeit als eine Reizwirkung auf, so wird man in Berücksichtigung anderer Reizwirkungen erwarten können, daß das Maximum der Reiz- wirkung nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit auftritt. In der Tat lassen unsere Versuche ein solches anfängliches Ansteigen der Wirkung deutlich erkennen, und es scheint uns von Interesse zu sein, daß dieses Ansteigen um so länger (dauerte, je stärker der Reiz war. Im vorliegenden Versuche lag das Maximum der Reizwirkung offenbar in den ersten 15 Stunden, bei 41° erst in der zweiten Bestimmungs- periode, ca. 20 Stunden nach Beendigung der Reizeinwirkung, und bei 44° in der dritten Beobachtungsperiode, und zwar nahe an der vierten, etwa 35 Stunden nach beendigter Einwirkung der hohen Temperatur. Die vorhergehenden Versuche zeigen ein ähnliches Verhalten. In Versuch 10 fällt bei Vorerwärmung auf 4O° das Maximum in die ersten 15 Stunden. aber offenbar gesen den Schluß hin; bei 42° in die zweite Periode, und zwar etwas näher an (lie (lritte als an die erste, etwa auf die 20. Stunde nach Beendigung der Wärmeeinwirkung; bei Versuch 9 kommt das Maximum von 40° in die zweite Periode, aber nahe an die erste, etwa in die 18. Stunde. C. Zusammenwirken von Vorerwärmung und Wundreiz. Um weitere Aufschlüsse über die im Vorstehenden aufgetretenen Fragen zu erhalten, wurden auch Zuckerbestimmungen in den zu den 334 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Versuchen verwendeten Kartoffeln ausgeführt. Da nun nach früheren Versuchen die Kartoffeln selbst der gleichen Sorte in der Zuckerbildung einerseits und in der Atmung und Rückbildung in Stärke andererseits unter sich ziemlich große Verschiedenheit zeigen können, sollten die Zuckerbestimmungen, um brauchbare Resultate zu ergeben, jeweilen in gleich beschaffenen Hälften oder Vierteln der gleichen Knollen vorge- nommen werden. Das bedingt aber andererseits, daß zu den folgenden Atmungsversuchen nicht mehr ganze Knollen, sondern nur Teile von solchen zur Verwendung kommen konnten, und es tritt damit ein neues Moment in die Versuche ein, das nicht unberücksichtigt bleiben darf, nämlich der Einfluß des Wundreizes auf die Atmung. Versuch 12. Da in Kartoffelknollen verschiedene Vorgänge nebeneinander statt- finden, so ist es nicht immer leicht zu entscheiden, welche von denselben nach einer vorübergehenden Erwärmung eine Änderung zeigen. Von der Atmung ist dies in vorstehenden Versuchen zur Genüge nach- gewiesen. Es erschien nun von Interesse, festzustellen, ob auch der Vorgang der Zuckerbildung beeinflußt wird. Da bei höheren Tempe- raturen die Zuckerbildung durch Atmung und Stärkerückbildung aus- geglichen wird, erachteten wir es als zweckmäßig, nicht süße Kartoffeln nach einer vorübergehenden Erwärmung auf ca. 40° bei 0° zu lagern und zu beobachten. wie nun bei dieser Temperatur, bei der Atmung und Stärkerückbildung sehr gering sind, die Zuckerspeicherung statt- findet im Vergleich zu derjenigen solcher Knollen, die vorher nicht erwärmt worden waren. Zu diesem Zwecke wurden am 13. November 1908 vier nicht süße Kartoffeln der Sorte Magnum bonum aus dem Keller der Länge nach halbiert; die Hälften der ersten beiden zu Atmungszwecken, die dder (dritten und vierten zu Zuckerbestimmungen benutzt. Alle Kar- toffeln wurden zuerst während emer halben Stunde in Wasser von 12° gebracht, hernach der Länge nach geteilt und die Hälften gewogen; ılie Hälften a der vier Kartoffeln kamen während 8 Stunden in Luft von 12°, die Hälften b in Luft von 40—41°. Sodann brachte man alle Hälften in Holzkistchen in den Kälteraum von 0°. Von Zeit zu Zeit wurden die Hälften la und 2a in einen Rezipienten des Atmungs- apparates eingeschlossen, die Hälften Ib und 2h ebenfalls in einen solchen. Diese beiden Atmungsgefäße wurden dann mit geschlossenen Gummischlauchverbindungen in den Kälteraum von 0° gestellt und jeweilen nach ein oder mehreren Tagen herausgenommen und die darin Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 335 aufgespeicherte Kohlensäure bestimmt, wobei das Atmungsgefäß von Eis umgeben, auf 0° erhalten blieb. Die Hälften 3a und 4a kamen zusammen im ein Holzkistchen eingeschlossen ebenfalls in den Kälteraum von 0° und ebenso die Hälften 3b und 4b. In diesen wurde nach Verlauf von 25 und 47 Tagen der mittlerweile aufgespeicherte Zucker bestimmt. Die Atmungsversuche ergaben folgendes Ergebnis: Hälften 1a—= 99,6 g und 2a = 99,2 g, vorbehandelt bei 12°, „1b = 100,1 g und 2b = 99,1 g, . bei 40410, Kohlensäureausscheidung Datum Versuchs“ pro 1 kg und 1 Stunde | Temperatur la und 2a | ib und 2b Stunden mg mg Grad 16.—19. X1. 73 2,0 1,9 0 8.—10. X. 58 4.1 3,7 0 21.—22. XH. 32 5,4 | 4,8 9) Ein direkter Einfluß der vorausgehenden Erwärmung auf 40° konnte sich hier kaum zeigen, da ja die Atmung außerordentlich gering ist und die erste Bestimmung erst einige Tage nach jener Einwirkung vorgenommen wurde. Dagegen zeigt sich deutlich, daß die Atmung selbst bei 0° mit dem allmählich steigenden Zuckergehalt der Kartoffeln zunimmt, und zwar bei den vorher auf 40° erwärmten etwas weniger, entsprechend ihrem geringeren Zuckergehalt (siehe folgende Zusammenstellung). Datum . “Nach Direkt der Untersucht Erwärmung |reduzierender | Rohrzucker Gesamt, Untersuchung auf Zucker zucker r 5) % ' 9 % 8 X. 25 Tagen 12° 2% T 1,08 401 Be 1,92 1.0998 2,95 30. XI. 47 Tagen 12° 2,93 2,95 6,03 41° 2,28 2,04 4,43 Als erstes Resultat tritt uns entgegen, daß die vorausgehende Erwärmung auf 40--41° hemmend auf die Zuckerspeicherung bei 0° einwirkte; diese Hemmung ist sowohl in der ersten Periode von 25 Tagen als auch in der zweiten von 22 Tagen relativ gleich stark zur Geltung gelangt. Von dem am Schlusse des Versuches aufgespeicherten (re- samtzucker sind sowohl bei den erwärmten als bei den nicht erwärmten Kartoffelhälften zwei Drittel in der ersten und ein Drittel in der zweiten Periode aufgespeichert worden. 336 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Vergleicht man aber das Verhalten der verschiedenen Zucker- arten, so bemerkt man sofort, daß die Bildung des direkt reduzieren- den Zuckers und diejenige des Rohrzuckers zwei verschiedene, nicht parallel miteinander verlaufende Vorgänge sind. Bei den nicht er- wärmten Kartoffeln hat der direkt reduzierende Zucker in der zweiten Periode nicht mehr zugenommen. wohl aber fand nun noch eine ganz bedeutende Ansammlung von Rehrzucker statt, mehr sogar als in der ersten Periode. Es erweckt den Anschein, als ob der schon aufge- speicherte reduzierende Zucker (der weiteren Umbildung von Rohrzucker in solehen entgegenwirkt. Auch bei den vorher auf 40° erwärmten Kartoffeln ist die Bildung von reduzierendem Zucker in der zweiten Periode nur noch unbedeutend. Da die Speicherung noch nicht so groß war, konnte offenbar noch solcher gebildet werden, wenn auch nur in beschränktem Maße. Dementsprechend hat auch hier eine stärkere Speicherung von Rohrzucker stattgefunden, nämlich 1,06 %/,, wenn auch lange nieht in dem Maße, wie bei den nicht erwärmten, wo sie 1,37%, betrug. Vergleicht man (die Rohrzuckergehalte der erwärmten und nicht erwärmten Kartoffeln am 8. Dezembor. so ist der Unterschied nur sehr klein, wie wenn die vorausgegangene Erwärmung auf die Bildung dieses Zuckers nur sehr wenig Einfluß ausübte. Erst in der zweiten Periode, nachdem in der ersten eine ungleiche Speicherung von Invertzucker eingetreten ist, beginnt die stärkere Speicherung des Rohrzuckers in den nicht erwärmten Hälften. Von Interesse erscheint jedenfalls auch die lange Nachwirkung der Vorerwärmung, indem die erwärmten Kar- toffeln auch in der zweiten Periode weniger Gesamtzucker aufspeicherten als die nicht erwärmten. Die weiteren Versuche haben uns zu folgender Anschauung über diesen hemmenden Einfluß der Vorerwärmung auf die Zuckerspeiche- rung geführt. Die wenn auch nur wenige Stunden dauernde Erwärmung auf eine so hohe Temperatur vermag das Protoplasma zu schwächen oder doch vorübergehend etwas zu lähmen, so daß, wenn wir vorläufig von «der Atmung absehen, (die übrigen Stoffwechselprozesse nach einer solchen kürzeren Wärmeeinwirkung weniger energisch stattfinden. Geht man nun von der Anschauung aus, daß das Süßwerden bei 0° zustande kommt. weil bei dieser Temperatur eine noch ziemlich rege Zucker- bildung statttindet. der reversible Vorgang, die Rückbildung des Zuckers in Stärke bei so niedriger Temperatur aber nur sehr gering ist, so würde die Schwächung bzw. Lähmung des Protoplasmas eine gleich- mäßige Hemmung beider Vorgänge und damit auch eine Verminderung der Zuckerspeicherung zur Folge haben. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 337 Um dies durch Zahlen etwas anschaulicher darzustellen, sei an- genommen, die Zuckerhildung bei 0° sei bei den nicht vorerwärmten Kartoffeln 9, die Rückbildung 3, so würde dies eine Zuckerspeicherung von 6 ergeben. Werden durch die Vorerwärmung auf 40° beide Vor- gänge um ein Drittel herabgedrückt, so wäre die Zuckerbiklung = 6, die Rückbildung = 2 und die Zuckerspeicherung dementsprechend nur noch 4. Versuch 13. Weitere Aufschlüsse über die inneren Vorgänge ließen sich er- warten mit schwach süßen und stark süßen Kartoffeln, wenn gleichzeitig Wärmereiz und Wundreiz einwirken konnten. Zu diesem Zwecke wurden am 10. Februar 1907 nicht süße Kartoffeln der Sorte Bodensprenger zu 0° gebracht. Am 22. Februar wählte man sodann 8 möglichst gleiche Kartoffeln aus und brachte 4 während 3'/, Stunden in Wasser, das auf 39—40° gehalten wurde, und 4 andere in Wasser von 18°. Nach dieser Zeit wurden die erwärmten Kartoffeln in Wasser auf 18° ab- gekühlt; sodann wurden alle Kartoffeln gleichzeitig dem Wasser ent- nommen und nach dem Abtrocknen der Länge nach halbiert. Wie bei sämtlichen dieser Versuche brachte man durch Abschneiden an der schwereren Hälfte die beiden Hälften jeder Kartoffel ungefähr auf das gleiche Gewicht. Von den auf 39—40° erwärmten Kartoffeln wurden die einen vier Hälften zunächst zu Atmungsversuchen benutzt und erst nach deren Beendigung auf «den Zuckergehalt untersucht. Die bei Zimmertemperatur ausgeführten Atmungsversuche ergaben folgendes Resultat: I. 4 Hälften 168,5 g, Vorbehandlung in Wasser von 18°, I. 4 „ 1 80,0 5 ” ” „ ” 39—40 , Vers Kohlensäureausscheidung Datum | nuer | Pr 1 he und 1 Stunde I | I Stunden mg mg 22.—23. 11. 24), 66.2 93,7 23.—25. 1. 48 38.3 40,2 25.—26. I. 24 33,2 31.5 26.—27. II. 24 30.1 38,4 27.—28. 11. 231, 26,0 38,3 Gegenüber den bisherigen Versuchen ist die Atmung sowohl bei den erwärmten als auch bei den nicht erwärmten sehr energisch; zum Teil mag diese Erscheinung dem höheren Zuckergehalt zugeschrieben 338 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, werden, allein da dieser in den 12 Tagen bei 0° doch nicht sehr be- deutend werden konnte, so kommt wohl dem Verwundungsreiz hier eine Hauptrolle zu. Am ersten Tage hat sich auch der Einfluß der vorübergehenden Erwärmung bemerkbar gemacht, doch ist dieser rasch zurückgetreten. Gegen den Schluß zeigt sich immerhin ein Unterschied in der Weise, daß bei den vorher erwärmten die Atmung nicht in gleichmäßiger Weise und gleich tief sank wie bei den nicht erwärmten. Die Bestimmung des Zuckergehaltes in den Kartoffelhälften vor und nach diesem Versuche ergab folgendes. Die Zahlen beziehen sich auf die ursprüngliche Frischsubstanz. Diese betrug bei den sofort untersuchten Hälften der auf 18° erwärmten Kartoffeln 168,7 g, bei den auf 40° erwärmten 180,7 g; die Anfangsgewichte der nach der Atmung untersuchten Hälften sind beim Atmungsversuch angegeben. Voraus- var . . Veratmeter Zucker gehende Er- Analysiert Direkt reduz.| Rohr- Gesamt- ausder Kohlensäure- a am Zucker zucker zucker wärmung auf abgabe berechnet % do % %o 18° 22.1. 0,57 0,24 0,83 _ 28. U. 0,37 0,06 0,43 0,38 40° 22.11. 0,51 0,16 0,68 — 28, II. 0,53 0,27 0,79 0,46 Der anfängliche Zuckergehalt war gering, daher auch der kurz- dauernde Einfluß desselben auf die Atmung. Obgleich die bei 18 und 40° vorbehandelten Kartoffelhälften vom 22.—28. Februar genau bei der gleichen Temperatur und überhaupt unter gleichen äußeren Ver- hältnissen sich befanden, sind doch die inneren Umsetzungen wesentlich verschieden. Die ungleiche Vorerwärmung hat also unzweifelhaft einen Einfluß auf die chemischen Umsetzungen in der Kartoffel ausgeübt. Bei einer Diskussion der Ergebnisse wird man sich vergegenwärtigen müssen, daß in (den Kartoffelhälften mehrere Vorgänge nebeneinander stattfinden. Zweifellos ist in den 6 Tagen die Umwandlung von Stärke in Zucker weiter geschritten; es hat sowohl in den bei 18° wie in den bei 40° vorbehandelten Kartoffeln eine Bildung von direkt reduzieren- dem Zucker stattgefunden, und zwar wahrscheinlich mit der Bildung von Rohrzucker als Zwischenprodukt. Außerdem ist direkt reduzierender Zucker infolge der Atmungsvorgänge verschwunden, „veratmet* worden, und end- lich hat eine Rückbildung von reduzierendem Zucker in Stärke statt- gefunden. wahrscheinlich wieder mit Rohrzucker als Übergangsprodukt. Leider ist uns die Größe der Zuckerbildung unbekannt. Sie kann aber Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 339 1 bei den auf 40° erwärmten nicht weniger als 0,59%, betragen haben. selbst wenn wir vorläufig annehmen würden, daß keine Rückbildung von Zucker in Stärke stattgefunden hätte; denn der Gesamtzucker dieser Kartoffeln hat noch um 0,11 °/, zugenommen und 0,46 °/, sind “veratmet. worden. Schon nach Versuch 12 wissen wir nun, daß bei nicht vorerwärmten Kartoffeln diese Zuckerbildung jedenfalls noch bedeutender war. An- genommen, sie betrug 0,8 °,,, dazu noch der anfängliche Zucker 0,83%, hinzugezählt, ergibt 1,65 °/, Zucker, wovon der am Schluß vorhandene und der veratmete, zusammen 0,81 °/,, abzuziehen sind, und so bleiben 0,3 °%/,, die auf andere Weise, nach unserer Ansicht durch Rückbildung in Stärke, verschwunden sein müssen. So wie wir bei dieser Berech- nung annehmen, daß auch die auf 40° erwärmten Kartoffeln noch etwas Zucker in Stärke zurückzubilden vermochten, so steigert sich mindestens um den gleichen Betrag auch die Rückbildung in den nicht erwärmten. Es ist durch den vorstehenden Versuch auf alle Fälle erwiesen, daß durch die Vorerwärmung auf 40° die Fähigkeit des Protoplasmas, Zucker zurückzuverwandeln, vermindert wird. Die nebeneinander verlaufenden Vorgänge der Zuckerbildung und Rückbildung sind auch die Ursache, daß in süßen Kartoffeln bei längerer Lagerung in einem wärmeren Raume der Zuckergehalt allmählich ab- nimmt; bei höheren Temperaturen überwiegt eben der letztere Vorgang. Durch die vorausgehende Erwärmung auf 40° werden zwar nach unserer Vorstellung beide Vorgänge abgeschwächt, allein die Entsüßung schreitet doch langsamer vorwärts, wenn diese Abschwächung in relativ gleicher Weise stattfindet. Ähnlich wie bei vorigem Versuche kann man dies an einem Zahlen- beispiele verdeutlichen. Angenommen, die Zuckerbildung in den süßen Kartoffeln betrage in der Zeiteinheit 12, «lie Stärkebildung 16, so würde dadurch, abgesehen von der Atmung, eine Zuckerabnahme um 4 verursacht. Denkt man sich nun in den vorher auf 40° erwärmten Kartoffeln diese beiden Vorgänge auf «drei Viertel der ursprünglichen Größe herabgesetzt, so betrüge die Zuckerbildung nur noch 9, die Rückbildung 12 und die Zuckerabnahme nur 3, statt wie in den nicht vorerwärmten Kartoffeln 4. Dieses Vorwalten der Rückbildung über die Zuckerbildung, das bei höheren Temperaturen das Entsüßen der Kartoffeln verursacht, würde schließlich ein vollständiges Verschwinden des Zuckers zur Folge haben müssen; allein es ist begreiflich, daß mit dem Schwinden des Zuckervorrates der Rückbildungsprozeß abnimmt, so daß schließlich 340 H. Miüller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli, ein gewisser Zuekerrest übrig bleibt. Zuckerbildung einerseits sowie Rückbildung und Atmung andererseits stehen dann im Gleichgewicht. Dieser Gleichgewiehtszustand ist bei verschieden alten Kartoffeln nicht derselbe, Je älter die Kartoffeln, «desto weniger vollständig ist das Protoplasma imstande, «(en Zucker zu verarbeiten, (desto größer also jeder in nicht süßen Kartoffeln befindliche Zuekerrest'), Es scheint nun, daß im vorliegenden Versuche die vorübergehende Erwärmung auf 40° einen ähnlichen Einfluß verursachte wie das Altern, daß die Schwächung bzw. Lähmung des Protoplasmas dieses verhinderte, den Zucker soweit zu erschöpfen, wie es bei den nicht vorerwärmten Kar- toffeln der Fall war. So würden wir uns erklären, daß der Gesamt- zucker bei den vorerwähnten Kartoffeln sogar noch etwas höher war als am Anfang des Versuches. Versuch 14. Die interessanten Ergebnisse des vorigen Versuches ließen eine Wiederholung desselben wünschenswert erscheinen, und zwar sollten, um die besprochenen Vorgänge noch deutlicher zur Erscheinung zu bringen, zuckerreicher gemachte Kartoffeln verwendet werden, und zu- dem schien es wünschenswert, die Vorerwärmung länger einwirken zu lassen. Am 20. März wurden 8 Kartoffeln desselben Vorrates wie beim vorigen Versuch, die seit dem 10. Februar, also nun 38 Tage lang, bei 0° gelagert hatten, ausgewählt; 4 von morgens 8 Uhr an während 5!/, Stunden in Wasser von 15—16°, andere 4 in Wasser, Jas auf 39-——40° erhalten wurde, erwärmt. Hierauf fand eine Abkühlung sämt- licher Kartoffeln in Wasser von 14° statt. Die Kartoffeln wurden wiederum der Länge nach in gleiche Hälften geteilt und jeweils die einen 4 Hälften zur sofortigen chemischen Untersuchung und die 4 korrespontlierenden zu Atmungsversuchen benutzt und in diesen letzteren 4 Hälften dann erst am Ende des Versuches der Zucker bestimmt. Auf 15—16° erwärmt 4 Hälften 186,7 g, sofort untersucht, „ 15-—-16° 04 “186,3 g, zuerst zu Atmungsbestimmungen verwendet. I „ 39--40° “4 „ 183,1 8, sofort untersucht, 39-40" „4 „ 184,7 g, zuerst zu Atmungsbestimmungen verwendet. II Die Atmungsversuche, die wiederum bei Zimmertemperatur aus- geführt wurden, ergaben folgendes: 1) Müller-Thurgau. H.. Beitrag zur Erklärung der Ruheperioden der Pflanzen. Landwirtsch. Jahrbücher 1885, pag. Sbb. ._ Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 341 v h Kohlensäureausscheidung ersuchs- 1k d 1 Stund Datum lauer pro gun unde I II Stunden mg ng 20.—21. II 1717, 72,7 110,4 21.--22. III. 24 87,6 77,8 22,—-23. II. 24 82.4 73,4 23.—24. TI. 24 66,4 AA,T 24.—25. IL. 24 49,1 46,5 25.—26. II. 24 40,4 46,8 26.— 27. II. 24 35,0 A2A 27. II. 6 38,6 AA,A Auch hier sind «die höheren Atmungsgrößen dem Zucker zuzu- schreiben, «deutlich tritt dann aber, und zwar auch bei den nicht vor- erwärmten, die Wirkung des Wundreizes hervor, indem am zweiten und zum Teil am dritten Tage die Atmung noch energischer stattfindet als in den ersten 17 Stunden. Die starke Kohlensäureausscheidung der vorerwärmten Kartoffeln ist wenigstens in den ersten Stunden sicher darauf zurückzuführen, daß die während der Vorerwärmung im Wasser in den Kartoffeln aufgespeicherte Kohlensäure nun rasch entweichen konnte. Ob die durch die Atmung in den ersten 17'/, Stunden selbst erzeugte Kohlensäure nach Abzug dieser aufgespeicherten noch be- trächtlicher wäre als bei den nieht vorerwärmten, ließ sich hier nicht feststellen; nach Versuch 15 erscheint es nicht wahrscheinlich. Jeden- falls sank aber die Atmung in den vorerwärmten Kartoffeln rasch unter die «der nicht vorerwärmten, wie wenn die Wirkung der vorgängigen Erwärmung diejenige des Wundreizes abzuschwächen oder ganz auszu- schalten vermöchte. Die geringere Atmung der nicht vorerwärmten Hälften in den letzten Tagen des Versuches ist wohl ihrem merklich geringeren Zuckergehalt zuzuschreiben. Im folgenden sind die Ergebnisse «der Zuckerbestimmungen in Prozenten der Frischsubstanz zusammengestellt. Norausn, Analysiert |Direktreduz.| Rohr- Gesanit- eratmeter Zucker gehende KT am Zucker zucker zucker [Aus cer Kontensäure- wärmung auf abgabe berechnet Grad ee % ° v 16 2v. IT. 1,87 1,45 3,40 _ 27. I. 0,58 0,60 1,21 0,69 40 20. TI. 1,65 ‚5 2,86 _ 27. IM. 0.92 0.87 1,84 0,89 Flora. Bd. 101. 23 342 H. Müller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli. Die am Schlusse des vorigen Versuches angeführten Darlegungen finden durch die Resultate dieser Zuckerbestimmungen eine Bestätigung. Vor allem tritt hier noch deutlicher der Vorgang der Rückbildung zu- tage; selbst wenn man von der Annahme auseinge, es hätte während der 7 Versuchstage keine weitere Zuekerbiklung stattgefunden, so würde doch der Vorgang der Rückbildung zu erkennen sein: denn bei den nicht vorerwärmten Kartoffeln sind im ganzen 2,199, Zucker ver- sehwunden, wovon nur 0,59%, „veratmet” wurden. Es müssen also 1.5°/, rückgebildet worden sein. Bei den auf 40° vorerwärmten sind 1,02%, Gesamtzueker verschwunden, hiervon wurden 0,69, „veratmet” und nur 0,33 %/, rückgebildet. Es wurde also durch «die Vorerwärmung ıder Vorgang der Zuekerrückbildung entschieden abgeschwächt. Nun ist. während «der 7 Versuchstage selbstverständlich auch Zucker gebildet worden, aber wie wir auf Grund von Versuch 12 wissen, bei den vor- erwärmten Kartoffeln weniger als bei «en anderen. so daß hierdurch das soeben ausgesprochene Ergebnis nicht beeinträchtigt. sondern noch verschärft wird). Versuch 15. Das eigentümliche Verhalten des Wundreizes bei den erwärmten Wartoffeln veranlaßte uns, in einem weiteren Versuche die beiden Ein- tlüsse nochmals zusammenwirken zu lassen. Hierzu wurden Kartoffeln der Sorte Magnum bonum verwendet, «die von Mitte Dezember 1907 bis 27. Januar 1908 bei 0° lagen, also süß gemacht worden waren. Vier Kartoffeln wurden ausgewählt, davon zwei während 5 Stunden in Wasser von 15° gelegt, die zwei anderen zuerst während einer Stunde 1) Zu diesem und dem vorhergehenden Versuche ist zu bemerken, daß während der vorübergehenden Erwärmung auf 40" wohl eine Zuekerabnahme statt- fand, daß dieselbe aber nach einem zu diesem Zwecke ausgeführten Versuche nur sehr gering sein konnte. Bei einer 9 Stunden andauernden Erwärmung auf 40° betrug der Verlust an Gesamtzucker 0,4°,, das würde bei der 3", stündigen Er- wärmung bei Versuch 13 etwas über 0,1", bei der 5%, stündigen Erwärmung in Versuch 14 etwas über 0,2°,, ausmachen. Der anfängliche Unterschied der vor- erwärmten und nicht vorerwärmten Kartoffeln ist also nicht hierdurch verursacht, sondern durch individuelle Verschiedenheiten der Kartoffeln: durch diese konnten aber die von uns gezogenen Schlußfolgerungen nicht beeinflußt werden, weil die Veränderungen jeweils bei Hälften der gleichen Kartoffeln festgestellt wurden. Auch eine nennenswerte Aufnahme von Wasser hat bei der Vorbehandlung der Kartoffeln nicht stattgefunden; diese wurden eben noch unzerschnitten in das ver- schieden erwärmte Wasser verbracht. In einem speziellen Fall betrug die Zunahme bei 4stündigem Verweilen in Wasser von 40° und hernach 4 Stunden in solchem von 20° nur O2 2 pro 1UO g Frischsubstanz. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in mihenden Pflanzenteilen. 343 in Wasser von 15° und sodann 4 Stunden lang in Wasser, das auf 40° erhalten wurde. Zum Schlusse brachte man noch alle Kartoffeln während 2 Stunden in Wasser von 15°. Nach dieser Behandlung wurden sämtliche Kartoffeln dureh radiale Längsschnitte in je acht gleiche Stücke geteilt und von den zwei nicht erwärmten Kartoffeln 14 solcher Längsschnitze in einen Atmungsapparat gebracht und ebenso 14 Längsstücke von den zwei vorerwärmten Kartoffeln. I = 1685 8, in Wasser von 15° und hernach geteilt. 11-1898. n «40°. “ Die Ergebnisse der Atmungsversuche sind folgende: s Kohlensänreausscheidung Datum Nersuchse pro 1 kg und 1 Stunde Temperatur I | IL Stunden mg mg Grad 27.1. 2 122.8 i 226.8 20-2] 27.28. 1. 151, 71,1 71.2 20-2] 28. 1. S 79,0 67,9 21-22 28.—24. 1. 16 88.7 ’ 61.5 21-22 29.1. 8 99,8 56,0 2 29.30. 1. 16 97.5 | 46.8 20-2] 30. I. v 99,4 | 48,7 20-2] 30.—31. 1. 16 86,1 47,2 19-20 37. S 82,4 | AA.Ah 1920 .L-LI. 16 73,8 | 42,8 PN) Die auffallend hohen Kohlensäureausscheidungen in «den zwei ersten Stunden sind auch hier auf die während des Aufenthaltes in Wasser in den Knollen angehäuften Kohlensäuremengen zurückzuführen. Die bedeutende Atmungsenereie in den auf die zwei ersten Stunden folgenden Zeiten ist zum Teil dem höheren Zuckergehalt. zum Teil aber dem Einflusse des Wundreizes zuzuschreiben. Das allmähliche Ansteigen der Atmung bei den Kartoffelstücken I bis zum zweiten und dritten Tage stimmt mit den schon bekannten Folgeerscheinungen (der Verwundung bei verschiedenen Pflanzenteilen überein. Auffällig erscheint das Verhalten der vorerwärmten Kartoffeln II. Wenn man von den zwei ersten Stunden absieht, so hat die Vorerwärmung nieht nur keine Steigerung der Atmung verursacht. sondern es macht vielmehr «den Eindruck, als habe «die Vorerwärmung die atmungssteigernde Wirkung des Wundreizes zum Teil aufgehoben. Vielleicht daß die dureh die Vorerwärmung etwas geschwächten oder gelähmten Protoplasten nicht imstande waren, mit gleicher Energie auf den Wundreiz zu reagieren wie in normalen Zustand bei den nieht vorerwärmten Stücken. 3% 344 H. Müller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli, Auch hier schien es in Anbetracht des interessanten Versuchs- ergebnisses erwünscht, den Versuch zu wiederholen. Versuch 16. Es wurde ähnlich verfahren wie beim vorigen Versuche, nur sollten mit den zerschnittenen Kartoffeln auch noch unzersehnittene verglichen werden, um den Einfluß des Wundreizes auf die Atmung besser beurteilen zu Können. Sechs ungefähr gleich große Kartoffeln der Sorte Schneeflocken wurden aus einem Vorrat, den man vom 27. Februar bis 14. April bei 0° gelagert hatte, ausgewählt. (Kartoffeln aus dem gleichen Vorrat enthielten am 27. April 2,91 %, direkt reduzierenden Zucker und 1,75 °%, Rohrzucker) Von diesen süß gewordenen Kartoffeln wurden zwei während 9 Stunden in Wasser von 20° gelegt, das Wasser hier wie in den folgenden Fällen sorgfältig auf der bestimmten Temperatur gehalten; zwei weitere Kartoffeln wurden ebenso behandelt, aber am Ende der 9 Stunden je in acht Längsstücke (Schnitze) zerlegt. Die zwei folgen- den brachte man zunächst !/, Stunde in Wasser von 20°, dann 7, Stunden in solches von 40° und endlich 1 Stunde in solches von 20°, worauf sie ebenfalls in je acht Längsschnitze zerlegt wurden. Die Kartoffeln kamen dann nach halbstündigem Verweilen in Luft in die Atmungsgefäße. I = 187,8 g, Kartoffeln auf 20° erwärmt, nicht zerschnitten. I = 2022 g, n „20° “ zerschnitten. II —= 201,0 9, “ „40° ri y (Tabelle siehe nächste Seite oben.) Die Resultate dieses Versuches und besonders deren graphische Darstellung in Fig. 3 zeigen aufs deutlichste. daß der hohe Zucker- gehalt der Kartoffeln wohl eine erhöhte Atmung verursacht, daß aber der Wundreiz noch eine weitere und bedeutendere Steigerung herbei- führt. Wie die im nächsten Versuch angeführten Zuckerbestimmungen bei Kartoffeln der nämlichen Sorte und aus dem gleichen Vorrate be- weisen, besitzen solche Knollen selbst nach 7tägiger Atmung auch im zerschnittenen Zustande noch etwa 2°), Zucker, und es ist vielleicht hierdurch zu erklären, daß bei den unzerschnittenen Kartoffeln (I) die Atmungsenergie so langsam abnalım. Bei jugendlicheren Kartoffeln, d. h. solchen, die schon Anfang Winter süß gemacht und entsüßt wer- den, schreitet letzterer Vorgang rascher voran. Übrigens haben auch in «diesem Versuche die unverletzten Kartoffeln vom 11. Tage an eine Abnalme der Atmung gezeigt und es ist diese am Schluß auf 14 mg Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 345 , Kohlensäureausscheidung Datum Y ersuchs- pro 1 kg und 1 Stunde Temperatur 1 il II Stunden mg mg mg Grad 14.—15. IV. 14 19,5 66,4 117 15—19 15. IV. 9 25.7 76.6 68,7 19 15.—16. IV. 15 23,4 77,0 61.4 18—19 16. IV. 7 28,3 97,1 62,5 18--19 16.—17. IV. 18 29,8 91,6 58,5 19—21 17.—18. IV. 23 31,3 91,3 57,6 17—21 18. IV. 7 28,2 73,2 60.9 17—19 18.--19. IV. 18 32,0 76,3 63,8 18--20 19.—20. IV. 24 32,3 67,6 80,3 20 20.—21. IV. 23 30,5 52.6 70,9 19—20 21.—22. IV. 24 30,9 46,3 i 65,2 18—19 22.—23. IV. 24 29.7 39,7 66,9 18-19 23.24. IV. 25 — 36.4 65,4 15—19 24.25. IV. 23 29,1 36.2 : 48,9 19—20 25.—27. IV. 48 23.1 36,4 43,8 18—20 2.—4.V. 46 16.5 ! 28.9 42,8 _ 4.—6. V. 48 16.4 28,2 42,5 _ 6.—-8. V. 48 14,0 23,3 372 — gesunken. Die Schnitze der nicht vorerwärmten Kartoffeln lassen die Wirkung des Wundreizes nicht nur in der bedeutenden Atmungs- steigerung erkennen, sondern auch in dem eigentümlichen Verlauf dieser Steigerung, in der allmählichen Zunahme bis zum 2. Tage und dem nach- folgenden langsamen Sinken. Selbst 3 Wochen später, bei Beendigung des Versuches, atmeten diese Kartoffelteile noch bedeutend stärker als (lie im übrigen gleich behandelten unverletzten Kartoffeln. Ganz eigenartig ist nın aber wiederum der Verlauf der Atmung hei den Stücken der zwei COz mg =, 90 Lem 7 80 7 uN ja At T Eu R . or um Fig.3. CO,-Ausschei- In A A ee dung von süßen Kar- co nz + > toffeln bei ca. 19°: er R nicht vorerwärmt, un- 50 S “L verletzt ——-- , nieht \ + vorerwärnt, Zer- N - 0 Bi >, sehnitten - ++ —., 30 >. vorerwärmt und zer- zn ti schnitten -— - —. 20 u 10 I. 15. 16.17 18. 19. 20.21. 22.23.24. 25.2602. 3. 4 5. 6. 7V. a4 H. Müller- Thurgau und ©. Sehmeider-Orelli. vorerwärmten Kartoffeln. Wie schon bei früheren Versuchen. vermochte auch hier «ie vorausgegangene Erwärmung auf 40° nicht etwa noch eine weitere Steigerung der Atmung herbeizuführen, sondern man erhält ılen Eindruck, daß «dieser Einfluß demjenigen des Wundreizes entgegen- wirkt. Der Verlauf der Atmung zeigt eine eigentümliche Verschiebung gegenüber derjenigen der nieht vorerwärmten Kartoffeln. Während bei diesen die Atmungsgrößen, graphisch dargestellt, eine anfangs aufstei- eende und allmählich gleichmäßig fallende Kurve darstellen (Fig. 5). fällt «diese Atmuneskurve bei den Stücken der vorerwärnten zuerst, um am 4. Tage zu steigen und hernach wieder zu fallen. wie wenn die Wirkung des Wundreizes in den ersten Tagen gehemmt worden wäre und nun erst nachträglich zu besserer Geltung gelangen konnte. Wenn überhaupt, so wäre jedenfalls die Atmung der vorerwärmten Stücke erst nach langer Zeit auf (die ursprüngliche Ilöhe gesunken, denn selbst nach 3 Wochen ist sie noch 21/,mal größer als bei den nicht ver- letzten Kartoffeln. Diese Erscheinung ist wenigstens zum Teil der Vorerwärmung zuzuschreiben, wenn auch die Verletzung in ähnlichem Sinne wirkte, wie das Verhalten der nieht vorerwärmten Stücke zeigt. \Wenn man die Einwirkung der Vorerwärmung auf die Atmung als Reizwirkung betrachten wollte, so würde man es hier mit einer Art Folgeerscheinung zu tun haben, wie sie bis jetzt bei Reizerscheinungen nicht beobachtet wurde. Es führt daher auch dieser Versuch eher zu der Anschauung, dab die Vorerwärmung auf 40° eine Art vorüber- gehender Lähmung oder Betäubung verursacht. der «ann eine länger- tlanernde Schwächung folgt. Der Betäubung würde im vorliegenden Falle die Depression der Atmungskurve bis zum 5. Tage zuzuschreiben sein, der andauernden Schwächung dagegen die geringere Fähigkeit der Stärkerückbillung und die andauerni gesteigerte Kohlensäureausscheidung gegenüber den nicht erwärmten. Versuch 17. In mehreren Kartoffeln bei der säureausscheidung. Umstand zu, daß der vorgängigen Versuche zeigten die vorerwärmten ersten Atmungsperiode eine auffallend hohe Kohlen- Wie bereits erwähnt. schreiben wir dieselbe dem die Kartoffeln während des Aufenthalts in warmem Wasser die bei «der intramolekularen Atmung entstehende Kohlensäure nieht oder nur zum geringen Teil nach außen abgeben konnten und dab dies erst bei dem Aufenthalt in der Luft des Atmungsapparates geschehen ist. Bei ganzen Kartoffen würde sich diese nachträgliche Kohlensäureabgabe aufeinen etwas längeren Zeitraum verteilen, immerhin Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 347 nach etwa 10 Stunden beendigt sein. während bei zerschnittenen Kar- toffeln die Ausscheidung naturgemäß rasch vor sich ginge und nach wenigen Stunden beendigt wäre (vgl. Versuch 15). Um («diesen Ver- suchsfehler zu vermeiden, wurden diesmal die Kartoffeln zerschnitten und in feuchter Luft erwärmt. Gleichzeitig wollte man noch einmal die Folgen der Erwärmung auf den inneren Stoffwechsel untersuchen; man verfuhr dabei folgendermaßen: Es wurden am 11. Mai von 10 Kartoffeln (Schneeflocken). die vom 25. Februar an bei 0° verweilten, 2 ganz gelassen, (lie.übrigen 8. nachdem sie während !/, Stunde durch Aufenthalt in Wasser von 20° etwas erwärmt waren, zunächst halbiert in «ie Längshälften A und B, jede «lieser Hälften wurde nochmals der Länge nach geteilt und die beiden Viertel A unter sich gleich gemacht, ebenso die Viertel B unter sich. Alle Viertel A, bildeten nun zusammen eine Gruppe, die in (Gewicht und innerer Beschaffenheit mit den 8 Vierteln A, vollständig übereinstimmte. Ebenso waren die Gruppen B, und B, unter sich gleich und, weil von (den gleichen Kartoffeln, wie die Gruppen A stammend, jedenfalls auch von diesen nicht wesentlich verschieden. Es wurden nun die nicht zerschnittenen 2 Kartoffeln sowie (die Gruppen A, und A, während ® Stunden in einem feuchten Raume bei 20° ge- lagert, (lie Gruppen B, und B, während der gleichen Zeit in feuchter Luft von 42%, zum Schlusse wurden letztere dann noch in Luft von 20° während 1 Stunde abgekühlt. Nach dieser Behandlung wurden die Gruppen A, und B, sofort zum Zwecke der chemischen Unter- suchung verarbeitet. Die 2 ganzen Kartoffeln, sowie die S$ Stücke A, und die 8 Stücke B, wurden in Atmungsapparate eingeschlossen und (diese Stücke erst anı Schlusse des Atmungsversuches untersucht. Diese befanden sich während der ganzen Versuchsdauer in einem sog. Brutraum. «essen Temperatur konstant auf 20° erhalten werden konnte. Die Ergebnisse der Atmungsversuche waren folgende: I =: ganze Kartoffeln . 176.0 0, 9 Stunden in Luft von 20° IT = 8 Längsstücke . . Pl, 9 r yon „20° I = Ss » .. 147g 9 s EEE 32 (Tabelle siehe nächste Seite oben.} Diese Ergebnisse zeigen im ganzen Übereinstimmung mit «denen (les vorhergehenden Versuches. Die Abweichungen sind teils darauf zurückzuführen, daß «die Atmung während der ersten 9 Stunden nach (len Zerschneiden nicht bestimmt wurde, daher z. B. der Wegfall «der hohen Atinungszahl bei III in der ersten Atmungsperiode (vgl. TIT in Versuch 16). Sodann bedingt es selbstverständlich einen Unterschied, 348 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Kohlensäureausscheidung Datum Versuchs- pro 1 kg und 1 Stunde dauer en nn I | u Bi Stunden mg | mg | mg 11.—12. V 131, 29,7 75.7 | 49,4 12. V. 8 31.3 79,3 58,7 12.—13. V. 15 28.2 | 1A 59,6 13. V. 9 26.6 | 83,2 | 59,0 13.14. V. 15 33.7 76,0 | 65.6 14.— 15. V. 33 29.8 | 74.0 55,7 15.--17. V. 48 29.2 ! 54.7 55,5 17.—18. V. 16 25,9 \ 45:6 50,9 ob die Kartoffeln erst zerschnitten und dann dem Einfluß ler verschieden hohen Temperaturen ausgesetzt wurden oder ob das Zerschneiden erst nach «der Temperaturwirkung stattfindet, wie in Versuch 16. Wie in diesem, so hat auch in Versuch 17 der Wundreiz eine ganz bedeutende Atımungssteigerung verursacht, die dann etwa vom 5. Tage an abnahm. Wundreiz und vorhergehende Erwärmung auf 42° haben (agegen zu- sammenwirkend die Atmungsintensität nicht auf die nämliche Höhe gebracht. Während bei ganzen Kartoffeln eine vorhergehende Erwärmung auf 41 und 44° unzweifelhaft eine Atmungssteigerung verursachte, hat eine derartige Erwärmung (42°) bei zerschnittenen Kartoffeln die durch den Wundreiz herbeigeführte Atmungssteigerung bedeutend zu ernie- drigen vermocht. Von der Zeit an. wo die Wirkung des Wundreizes nachläßt, sinkt bei den nicht vorerwärmten Kartoffelstücken II die Atmung ständig (vgl. auch Versuch 16), während sie bei den vorerwärmten viel langsamer abnimmt und für längere Zeit auf einer bedeutenden Höhe verbleibt. In diesem Versuche wurden die Atmungsbestimmungen nur wäh- rend 7 Tagen ausgeführt, um bezüglich der inneren Vorgänge möglichst klare Resultate zu erhalten. Die Ergebnisse der chemischen Unter- suchung sofort nach der Erwärmung auf 20 und 42° und sodann i Tage später in den zu den Atmungsversuchen benutzten Stücken er- gaben die in folgender Tabelle zusammengestellten Resultate. Hierzu sei nochmals bemerkt, daß die vier verschiedenen Portionen von den sleichen Kartoffeln stammten, also unter sich direkt vergleichbar und nicht durch individuelle Verschiedenheiten beeinflußt sind. {Tahelle siehe nächste Seite oben.) Obgleich die auf 20 und 42° vorerwärmten Kartoffelstücke von den gleichen Kartoffeln stammten, also vor der Erwärmung gleich be- schaffen waren, zeigten sie bei der nach 9 stündiger Wärmeeinwirkung Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 349 8 @ ‘ Voraus- - „| Direkt x Veratmeter Zucker Stücke |gehende Er- Analysiert reduz. „ehr. Gesamt“ aus der Kohlensäure- wärmung auf Zucker “ abgabe berechnet a "ig Yo 9, o A, 20° 11. V. 3,76 0,96 4.77 _ A, 18. V. 1,60 0,34 1,95 0,71 B, 42° 11. V. 3,26 1,12 4,75 _ B, 18. V. 2,07 0,68 2,75 0,60 durchgeführten Untersuchung doch schon einen Unterschied. wenn auch weniger im Gesamtzucker, als vielmehr in einem hohen Gehalt an Rohr- zucker bei den auf 42° erwärmten Stücken. Diese Verschiedenheit machte sich dann auch 7 Tage später bei den zur Atmung benutzten Stücken noch geltend und es kann wohl diese Erscheinung als eine so- fortige und auch andauernde Folge der Erwärmung auf 42° betrachtet werden. Während der 7 Tage, da «ie Kartoffelstücke in den Atmungs- apparaten verweilten, betrug die Gesamtmenge der ausgeatmeten Kohlen- säure bei den auf 42° vorerwärmten Kartoffelstücken etwas weniger als bei den nicht vorerwärmten, nämlich 1,11 gegenüber 1,24 &. Dem- entsprechend ist auch der Unterschied im veratmeten Zucker nicht groß, so daß man meinen könnte, die Vorerwärmung auf 42° hätte auf den Stoffwechsel keinen großen Einfluß ausgeübt. Die chemische Untersuchung ergibt aber das Gegenteil, und es mag schon hier hervor- gehoben sein, daß (die Atmungsgrößen allein keinen richtigen Maßstab für die übrigen Vorgänge abgeben. Während bei den nur auf 20° vorerwärmten Stücken der direkt reduzierende Zucker um 2,16°/, ab- genommen hat, betrug diese Abnahme bei den auf 42° erwärmten nur 1,19°/, und auch das Verhalten des Rohrzuckers war ein ähnliches. Sowohl bei den auf 20 als bei den auf 42° vorerwärnten Stücken betrug die Abnahme an Gesamtzucker bedeutend mehr als der ausge- atmeten Kohlensäure entspricht; es muß also ein Teil des Zuckers anderswie verwendet, nach unserer Ansicht in Stärke oder eine ähn- liche Substanz rückverwandelt worden sein. Und zwar fand diese Rückverwandlung bei den auf 42° C erwärmten in merklich geringerem Maße statt als bei den anderen; sie betrug: 20° 42° Abnahme an Gesamtzucker . . . . 2... 2,82%, 23,00%, Bei der Atmung verbrauchter Zucker . . . 0,71%, 0,80%, Zur Rückbildung verwendeter Zucker . . . 311°, 1,40%, 350 H. Müller-Thureau und O. Selmeider-Orelli, Der Rückhildungsprozeß war in Wirklichkeit noch bedeutender. da in den 7 Tagen auch Zucker neugebiklet wurde. Dieses Resultat stimmt mit dem von Versuch 14 auf pag. 342 beschriebenen überein und läßt wiederum erkennen, daß die kurzdauernde Erwärmung auf eine solche Temperatur eine gewisse Schwächung der Protoplasten ver- ursacht. Als Folgeerscheinungen dieser Schwächung wären zu be- trachten: 1. die geringere Fähigkeit der Zellen, auf den Wundreiz (durch gesteigerte Atmung zu reagieren. 2. ein geringeres Vermögen der Zuckerbildung aus Stärke (Versuch 12); 3. eine geringere Fähigkeit, ılen aufgespeicherten Zucker in Stärke zurückzuverwandeln. und 4. die langsame Rückkehr zu den vor Einwirkung von Wärme und Wundreiz obwaltenden Atmungsverhältnissen. Eine zusammenfassende Besprechung dieser Versuche wird am Schlusse der Abhandlung folgen. D. Einfluß der Vorerwärmung auf das Austreiben. Bei den früher mitgeteilten Atmungsversuchen wendeten wir unsere Aufmerksanıkeit natürlich auch einem etwaigen Einfluß des Vorerwär- mens auf das Verhalten der Knospen der Kartoffeln zu. Eine Be- schleunigung des Auskeimens durch vorausgehende Einwirkung hoher Temperaturen konnte hier jedoch in keinem Falle beobachtet werden, im (regenteil schien eher eine Hemmung einzutreten. Um die Frage näher zu untersuchen, wurden einige Versuche angestellt. Versueh 18 Am 1. Oktober wurden zwei gleich beschaffene Portionen von Kartoffeln zu 10 Stück im September geerntete Magnum bonum dem Keller entnommen. Portion A erwärmte man während 3 Stunden in Wasser auf 35°, Portion B während der gleichen Zeit in Wasser von 15°. Hierauf kamen beide Portionen in eine große Holzkiste mit (rartenertde, die im Laboratoriumskeller bei 8S—10° aufgestellt und mit Brettern zugedeckt wurde. Am 30. Oktober zeigte sich bei (den auf 35° vorerwärmten Knollen noch keine Spur von Keimung, während von den nur auf 15° erwärmten Kartoffeln 6 Stück je 1- 4 Keime von höchstens 4 mn Länge, 2 Knollen je einen 2 em langen Keim besaßen: eine weitere Kartoffel hatte einen 1,5 em laugen und 3 kleinere Keime, die letzte einen I2 cm und einen I cm langen Kein. Es hatte aber beim Vorerwärmen der Knollen auf 35" nicht etwa ein Absterben der Knospen stattgefunden; denn Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 35] nicht nur war keine Spur einer äußerlichen Beschädigung nachzuweisen, sondern es zeigte sich überdies bei einer weiteren Kontrolle am 11. No- vember, daß auch die vorerwärmten Kartoffeln nın gekeimt hatten. Versuch 19. Hier sollte neben der Temperatur von 35° auch diejenige von 30° geprüft werden; sodann war zu untersuchen, ob «die Vorbehandlung in Luft von 15° gegenüber Wasser von 15° einen Unterschied bedingt und endlich, wie sich süß gewordene Kartoffeln bei der Vorerwärmung verhalten. Die Kartoffeln gehörten dem gleichen Vorrat wie die des vorigen Versuches an, und es wurde mit dem Versuch am 30. Oktober begonnen, dabei verfahren wie in Versuch 18 und das Fortschreiten der Keimung am 11. November und am 15. Februar notiert. nn Kontrolle vom 11. November "Kontrolle vom 15 ). Februar Je 8 Stunden in Zahl der | er: Zahl | Gesa i Giesamt- | Zahl 1 der | Zahl | | Gesamt- gekeimten der :länge der|gekeimten! der länge der Kartoffeln! Keime | Keine Kartoffeln Keime | Keime an a) Wasser von 35°. 9) 9 24 ' 236 b) „ „30°. 4 N 10 | 25 509 e) 5°. 10 | M 103 10 a BE d) Luft von 15°...| 10 | 9,8 IB e) Süß; Wasser von | | 35° 0 I1|.0 1.0 49 | 5u Es hat also auch hier eine Vorerwärmung auf 35° genügt, das Austreiben der Knospen zurückzuhalten, und zwar sowohl bei den nicht süßen als auch bei den süßen Kartoffeln. Außerdem haben die am 11. November angestellten Beobachtungen sogar eine hemmende Wir- kung der Vorerwärmung auf 30° deutlich gezeigt, wenn die Hemmung auch nicht so beträchtlich war wie bei 55°. Ob die Kartoffeln bei der Vorbehandlung in Wasser oder in Luft von 15° verweilten, vermochte eine verschiedene Wirkung nicht hervorzubringen. Es ist die hemmende Wirkung des Wassers von 30° demnach nicht der Berührung mit Wasser, sondern der Erwärmung zuzuschreiben. Beim weiteren Wachs- tum haben sich dann die Unterschiede zwischen den verschieden vor- behandelten Kartoffeln einigermaßen ausgeglichen. Ganz auffällig war das Verhalten der süßen, auf 35° vorerwärmten Kartoffeln. Obgleich zwei Exemplare schon bei der Entnalme aus dem Eis Faulstellen zeigten und in der Erde dann ganz verlarben, hat diese Gruppe, (lie bis zur ersten Beobachtung nicht austrieb (Folge der Vorerwärmung) bei der zweiten Beobachtung weitaus am meisten Keime aufgewiesen, 352 H. Müller-Thurgan und O. Schneider-Orelli, auf 10 Kartoffeln berechnet, viermal mehr Keime als die bei 15° be- handelten. Auch in der Gesamtlänge der Keime übertrafen (diese Kartoffeln alle übrigen. An diesem nachträglichen starken Keimen und Wachstum dürfte der höhere Zuckergehalt mitgewirkt haben. Daß am 11. November auch die süßen, auf 35° vorerwärmten Kar- toffeln noch nieht ausgetrieben hatten, weist darauf hin, daß es sich hier um eine direkte hemmende Einwirkung auf die Protoplasten der Knospen handelt, «die «das Wachstum zurückhält, obgleich Zucker im Kartoffelgewehe reichlich vorhanden war. Wie aus den Versuchen 18 und 19 hervorgeht. wirkte die Vor- erwärmung bei Kartoffeln also nicht fördernd auf das Austreiben ein. wie man nach den oben mitgeteilten Erfahrungen in der Flieder- und Maiblumentreiberei hätte erwarten können, sondern direkt hemmend. Doch ist dieses Ergebnis hei näherem Zusehen nicht so auffällig, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Die zitierten Arbeiten von Johannsen und Molisch haben nämlich gezeigt, daß überhaupt nicht alle Pflanzen. «die man daraufhin untersuchte, durch Ätherisieren oder Warm- bad im Austreiben gleichmäßig gefördert werden. Aber auch bei jenen Pflanzen, welche sich für die Behandlung mit Äther oder warmem Wasser zur Frühtreiberei ausgezeichnet eignen, kann je nach der Tiefe der Ruheperiode zu verschiedenen Zeiten ein und dieselbe Art der Vor- behandlung fördernd oder hemmend auf das Austreiben der Knospen einwirken oder auch ohne sichtbaren Einfluß sein. Demnach kann uns ılas verzögerte Austreiben «der vorerwärmten Kartoffeln nicht weiter überraschen: spätere Versuche müssen zeigen, in welcher Weise die Vorerwärmung das Austreiben solcher Knollen beeinflußt, die noch früher als die bisherigen untersucht werden. E. Diastatische Enzyme in Kartoffeln. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß bei den Stoffwechselvor- gängen in Kartoffeln diastatische Enzyme eine Rolle spielen, und es lag daher nahe zu untersuchen. ob die Abkühlung auf 0° beim Süß- werden, ob ferner eine Vorerwärmung auf 35, 40 usw. Grad in erster Linie die Bildung von Enzymen und erst dadurch den eigentlichen Stoffwechsel zu beeintlussen vermögen. Bevor jedoch diese eigentlichen Fragen in Angriff genommen werden konnten, waren zunächst die Me- thoden zur Gewinnung und Prüfung der Enzyme, speziell für Kartoffeln, noch genauer zu erforschen, und es zeigten sich hierbei nun so be- deutende Schwierigkeiten. daß wir vorläufig bezüglich der aufgeworfenen Fragen nur wenige Versuche mitteilen können. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvoreänge in ruhenden Pflanzenteilen. 353 Zur Gewinnung (des diastatischen Enzyms aus Kartoffeln schlossen wir uns den Versuchen von Grüß!) an. Mit Rücksicht auf die Hemmung, welche Gerbstoff auf die diastatische Wirkung ausübt, schlug dieser vor, Kartoffelknollen fein zu zerreiben und mit Glyzerin auszuziehen. Ließ er eine solche Mischung 5 Tage lang stehen, so war der nun gewonnene Auszug imstande, eine diastatische Wirkung auf Stärkekleister auszuüben. In Scheiben zerschnittene Kartoffeln, direkt mit Glyzerin ausgezogen, ergaben (dagegen kein Enzym. ebenso nicht, wenn die Scheiben vorher durch Alkohol getötet worden waren. Allerdings fand Grüß auch mit der ersten Methode nur eine verhältnis- mäßig schwache Wirkung. Bei unseren im nachfolgenden beschriebenen Versuchen verfuhren wir im wesentlichen derart, daß «die Kartoffeln auf einer feinen Feile in Glyzerin zerrieben wurden. In der Regel wurden 200 g Kartoffeln und 150 cem konzentriertes Glyzerin verwendet. Dem Ganzen wurden darauf 3 cem Toluol zugesetzt und nun gründlich vermischt. Ein so bemessener Zusatz von Toluol ist geeignet, das Auftreten von Bak- terien zu verhindern (Buchner)?), ohne die Wirkung des diastatischen Enzyms zu beeinträchtigen ®). Diesen Brei ließ man nach dem Vorgehen von Grüß gewöhnlich 5 Tage lang bei 12—15° C in zugedeckter Schale stehen; vielleicht hätte auch eine etwas kürzere Zeit zum Ausziehen genügt, doch lag es nicht in unserer Absicht. diese Nebenfrage näher zu untersuchen. Nach dieser Zeit wurde der Brei durch ein dichtes Tuch aus- gepreßt und der so gewonnene Auszug in emem Meßzylinder während einiger Zeit stehen gelassen zum Absetzen noch vorhandener fester Bestandteile. Die schon klar gewordenen Schichten wurden dann zum Versuche verwendet, in einigen Versuchen direkt, in anderen nach Filtra- tion usw. In den ersten Versuchen glaubten wir «die Einwirkung (lieses Auszuges auf Stärkekleister mittelst der Jotreaktion verfolgen zu können: (liese Methode erwies sich aber bald als ungeeignet, indem einerseits die diastatische Wirkung des Kartoffelsaftes doch nur eine schwache ist und andererseits die durch Oxydasewirkung verursachte Braun- färbung der Säfte kleinere Farbenunterschiede verdeckt. Man war daher genötigt, die Einwirkung der Enzyme dureh chemische Bestimmung des Zuckers nachzuweisen. 1) Grüß, J., Über das Verhalten des diastatischen Enzyms in der Keim- pflanze. Jahrbücher f. wiss. Bot. 1894. Bd. XXVI, page. 388. 2) Buchner. Ed. in „Zymasegärung“. München u, Berlin 1903, pag. 177. 3) Eisenberg, Elfriede. Beiträge zur Kenntnis der Entstehungsbeding- ungen diastatischer Enzyme in höheren Pflanzen. Flora 1907, Bd. 97, pag. 350. 354 H. Müller-Thurgau und O. Scehneider-Orelli. Zu diesem Behufe wurden jeweilen abgemessene Mengen des Kartoffelauszuges und eines 1°/,igen Stärkekleisters aus löslicher Stärke gemischt, dureh einen weiteren Toluolzusatz «der Toluolgehalt wieder auf 1°, gebracht, bei eimer bestimmten Temperatur aufgestellt und ılann auf Zucker untersucht. In einer ganz gleich hergestellten Probe wurde «er Zucker gleich anfangs bestimmt, um den schon von der Kartoffel herrührenden oder während des Ausziehens entstandenen Zucker in Abzug bringen zu können. Bei dieser Zuckeruntersuchung wurde so verfahren, daß eine Portion «direkt mit Bleiessig behandelt, hernach filtriert, mit Sodalösung neutralisiert und zum Schlusse noch- mals filtriert wurde. In der so gewonnenen Lösung bestimmte man len (Gehalt an direkt reduzierendem Zucker. Ein anderer Teil (der Lösung wurde vor (der Behandlung mit Bleiessig mit '/, ®/, einer Salz- säurelösung vom spezifischen Gewicht 1,125 während !/, Stunde auf dem Wasserbad erwärmt. Meist ergab die so behandelte Lösung einen etwas höheren Zuckergehalt als «die «irekt verwendete. Welcher Art nun aber dieser Zucker ist, bzw. welchem Vorgange die Zunahme der Kupferverbindung reduzierenden Fähigkeit zuzuschreiben ist, entzieht sieh unserer Beobachtung. Der Umstand, daß in süßen Kartoffeln Rohrzucker nachgewiesen wurde), berechtigt nieht, ohne weiteres anzu- nehmen, daß auch hier die Zunahme an reiduzierendem Zucker infolge der Behandlung mit Säure ausschließlich einem Gehalt an Rohrzucker zuzuschreiben sei. Auf Grund dieser Bedenken und des weiteren, daß, wie Vorversuche schließen ließen, bei der auch nur kürzeren Ein- wirkung von Salzsäure der Stärkekleister «och etwas angegriffen wer«len könnte, führen wir «die Befunde von nach Säureeinwirkung gefundenem Zucker hier nicht an. Versuch 2%. In mehreren Versuchen wollten wir feststellen, ob bei längerem Verweilen von Kartoffeln bei 0° ihr Enzymgehalt verändert wird, d.h. ob vielleicht das Süßwerden zurückzuführen wäre auf eine wesentliche Zunahme eines diastatischen Enzyms oder aber auf einen verminderten Verbrauch des Zuekers zur Atmung und zur Stärkebildung. In einem ersten Versuche, in dem die Kartoffelauszüge nur 6 und 24 Stunden mit dem Stärkekleister vermischt waren, ergah sich so cut wie keine (diastatische Wirkung: man ließ daher Jetzt den Kartoffelauszug 48 unıl 6 Stunden einwirken. Verwendet wurden Kartoffem Magnum bonum I) Siebe Anmerkung pag. 315. » Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 355 des gleichen Vorrates, die zum Teil in einem guten Hauskeller lagerten (nicht süße), zum Teil seit 9. November in eimer von Eis umgebenen Kiste bei 0° (süße Kartoffeln) aufbewahrt wurden. Am 15. Januar wurden nun je 2 süße und nieht süße Kartoffeln durch Abschneiden auf 200 g reduziert und in der beschriebenen Weise zerrieben und mit Glyzerin ausgezogen. Am 21. Januar ver- imischte man sodann je 3 Proben von 40 eem «des gewonnenen Saftes mit 60 eem Kleister, eine Probe wurde sofort untersucht, «die anderen stellten wir in verschlossenen Kolben in den Brutraum zu 25°. Mit der nun ausgeführten chemischen Untersuchung gingen Hand in Hanıl öfters vorgenommene Versuche, mit Hilfe der Jorprobe das Verschwin- den der Stärke nachzuweisen: aber wie schon erwähnt, lieferten (diese Versuche hier sowohl wie auch späterhin nur unzuverlässige Resultate, so daß wir nicht weiter «darauf eingehen wollen. Zur chemischen Untersuchung wurden von der Mischung des Kartoffelauszuges mit dem Stärkekleister jeweilen 40 cem benutzt, sie erfuhren bei der Behand- lung mit Bleiessig eine Verdünnung auf 83,3, wovon dann 25 cem zur Reduktion benutzt wurden. In dieser und der nachfolgenden Zusammen- stellung ist nun der Zuekergehalt der jeweils zur Untersuchung be- nutzten 25 cem in Milligramm ausgedrückt. Auf eine Ausrechnung auf die Kartoffelsubstanz haben wir, weil doch nicht genau durchführbar. verziehtet: übrigens geben die mitgeteilten Zahlen, da immer gleich verfahren wurde, genügende Auskunft. Das Ergebnis dieses Versuches war folgendes: Nicht süße Kartoffeln Süße Kartoffeln Direktreduz.!, ... Direkt reduz.| „ Zucker Zunahme Zucker Zunahme mg mE mg I me Vor der Einwirkung des Enzyıns 23.4 — 113,8 - Nach 48stündiger Einwirkung des ' Enzyms. 2 20002 55.0) 31,6 200282 Nach 96stündiger Einwirkung des Enzyms. 2. 220 42,6 19,2 147,1 33.5 Der Versuch hat unzweifelhaft ergeben, daß «ie Kartoffeln ein zuckerbildendes Enzym enthalten, und zwar sowohl süße als nicht süße Kartoffeln. Während der 48stündigen Einwirkung der Kartoffelauszüre auf Stärkekleister hat der direkt reduzierende Zucker bei beiden fast in gleicher Weise zugenommen. In den folgenden 48 Stunden machte sich nun allerdings ein Unterschieil bemerkbar, indem bei dem Saft aus süßen Kartoffeln nur noch eine kleine Zunahme eintrat, bei «lem aus nicht 356 H. Müller-Thurgau und ©. Schneider-Orelli, süßen aber geradezu eine Abnahme. Auf letztere bei einigen weiteren Versuchen sich wiederholende Erscheinung soll dort näher eingetreten werden. Versuch 21. Am 19. Februar wurde ein ähnlicher Versuch mit gleichen Kar- toffeln, und zwar mit 200 g süßen und 200 g nicht süßen ausgeführt. Dabei sollte aber die Frage beantwortet werden, welchen Einfluß ver- schiedene Temperatur auf «ie diastatische Wirksamkeit des Kartoffel- saftes ausübt. Der bei einigen Versuchen gefundene Rückgang des Zuckers bei längerdauernder Einwirkung, und zwar regelmäßig nur bei hoher Temperatur, veranlaßte uns, zum Vergleich O und 12° zu benutzen und «die Mischungen von Stärkekleister und Kartoffelsaft bei diesen beiden Temperaturen 3 und 7 Tage lang zu erhalten. Das Ergebnis war folgendes: Nieht süße Kartoffeln Süle > Kartoffeln. Direkt reduz.| . ___|Direkt reduz. , Zucker Zunahme Zucker Zunahme mg mg mg mg Vor der Einwirkung des Enzyms 13,0 — 70,8 _ Nach Stägiger Einwirkung des En- zyms bei 0° . 17,0 4,0 «4,5 3,7 Nach Ttägiger Einwirkung des En- zyns bei 0°. 2. 2 2 20. 28,6 15,6 80,9 10,1 Vor der Einwirkung des Enzyms 13,0 _ 10,8 _ Nach 3tägiger Einwirkung des En- zynis bei 12°, . 33,4 20,4 86,7 15,9 Nach © tägiger Einw irkung des En- zyms bei 12%. 00.2 020202. 50,7 37,7 102,4 31,6 Auch dieser Versuch beweist das Vorhandensein eines diastatischen Fermentes in den Kartoffeln. Ein wesentlicher Unterschied zwischen süßen und nicht süßen Kartoffeln hat sich dagegen nicht herausgestellt; die kleine Differenz zugunsten der nicht süßen muß individuellen Ver- schiedenheiten der Kartoffeln zugeschrieben werden; denn bei einem 2) Tage später vorgenommenen Versuch (22) mit gleichen Kartoffeln zeigte der Auszug aus den nicht süßen Kartoffeln eine geringere dia- statische Wirkung als derjenige süßer Kartoffeln. Nur bei Überein- stimmung der Resultate hätte man auf einen Mehrgehalt der süßen Kartoffeln schließen können. Wir ziehen daraus die Schlußfolgerung, dal (lie Zuckerspeicherung der Kartoffeln bei 0° nicht etwa einer ver- mehrten Bildung von diastatischem Enzym zuzuschreiben ist, sondern vielmehr einer sehemmten Verarbeitung des entstehenden Zuckers. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 357 Aus dem Versuch geht ferner hervor, daß das diastatische Fer- ment bei 12° energischer wirkt als bei 0°, daß aber auch bei 0° eine deutlich nachweisbare Zuckerbildung stattfindet. Gerade letzteres Re- sultat scheint mit Rücksicht auf das Süßwerden der Kartoffeln von In- teresse zu sein. Wenn bei 12° die Kartoffeln nicht süß werden, ob- gleich die Enzymwirkung bei dieser Temperatur beträchtlicher ist, so führt dies doch zu der Annahme, daß hier andere Vorgänge in be- trächtlichem Maße in gegenteiliger Richtung wirken, d. h. Zucker ver- brauchen. Versuch 22. Am il. März wurde der vorige Versuch, da die Methode eine Bestätigung des Ergebnisses wünschenswert erscheinen ließ, in gleicher Weise wiederholt. Das Resultat war folgendes: Nicht süße Kartoffeln Süße Kartoffeln Direkt reduz. Direkt reduz. Zucker Zunahme Zucker Zunahme mg mg mg mg Vor der Einwirkung des Enzyms 14,9 _ 116,3 _ Nach 3tägiger Einwirkung des En- zyms bei 0° . 17,2 2,3 120,9 4,6 Nach 7 tägiger Einwirkung des En- zyms bei 0° . . 20,9 5,9 126,7 10,4 Vor der Einwirkung des Enzyms 14,9 — 116,3 —_ Nach 3tägiger Einwirkung des En- zyms bei 12°. . 21,7 6,8 128,8 12,5 Nach 7tägiger Einwirkung di des En- zyms bei 12°. . 28,0 13,1 143,6 27,3 Obgleich dieser Versuch genau in der gleichen Weise wie der vorige angestellt wurde, zeigte nun diesmal der Auszug aus den süßen Kartoffeln die größere diastatische Wirkung, so daß wir wohl berech- tigt waren, diese Unterschiede der individuellen Verschiedenheit der Kartoffeln zuzuschreiben. Im übrigen sind («die Resultate eine volle Bestätigung derjenigen des vorigen Versuches. Versuch 23. Der entgegengesetzte Vorgang des Süßwerdens bei Kartoffeln findet statt, wenn man schon süß gewordene in einen Raum von höherer Temperatur bringt. Nachgewiesenermaßen verschwindet dann der Zucker, und zwar rascher bei Kartoffeln, die noch nicht so weit von der Ruhe- periode entfernt sind. Inwieweit bei diesem Verschwinden von Zucker sog. Stärkebildner tätig sind oder nur eine enzymatische Umwandlung Flora, Bd. 101. 24 358 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, des Zuckers in dextrinartige Körper oder Übergangsglieder zur Stärke wirksam sind, ist zurzeit nicht festgestellt. Es schien uns nun von In- teresse, zunächst nachzuweisen, ob bei diesem Vorgang des Entsüßens die diastatischen zuckerbildenden Fermente verschwinden, um den rück- bildenden Vorgängen nicht entgegenzuwirken, und ferner zu beobachten, ob vielleicht die Wirkung inversibler Fermente sich bemerkbar mache. Zu diesem Zwecke wurden süße Kartoffeln des gleichen Vorrates, wie diejenigen des vorigen Versuches, vom 17.—22. März in einen Keller- raum mit 11—12° verbracht und am letzten Tage 200 g dieser ent- süßten und 200 g der im Eise verbliebenen Kartoffeln in der bis- herigen Weise untersucht. Es stellte sich nun heraus, daß bei dieser Temperatur von 11—12° eine bemerkenswerte Zuckerabnahme nicht stattgefunden hatte; auch das Verhalten der Auszüge mit Stärkekleister ergab nichts Neues Es wurde dieser Versuch daher nochmals aus- geführt, die Kartoffeln aber vom 10.—15. April in den Brutraum zu 25° gebracht und hierauf diese Kartoffeln zusammen mit direkt dem Eis entnommenen zum Versuch verwendet. Wie nachfolgend zusammen- gestellte Resultate erkennen lassen, hat nun in diesen 5 Tagen ein nennenswertes Entsüßen stattgefunden. Die Mischungen von Kartoffel- saft und Stärke ließ man diesmal bei 0° und bei 12° wirken. Entsüßte Kartoffeln Süße Kartoffeln Direkt reduz. Direkt reduz. Zucker Zunahme Zucker | Zunahme mg mg mg | mg Vor der Einwirkung des Enzynis 21,4 —_ 63,9 _ Nach 3tägiger Einwirkung des En- zyms bei 0° . 24,5 3,1 65,0 1,1 Nach 6tägiger Einwirkung des En- - zyms bei 0° . 28,0 6,6 69,9 6,0 Vor der Einwirkung des Enzyms 21,4 — 63,9 — Nach 3tägiger Einwirkung des En- zyms bei 20°. . 28,8 7,4 69,6 5, Nach 6tägiger Einwirkung des En- ’ j u zyms bei 200. 0200000. 37 | 148 38 | 199 Ein grundsätzlicher Unterschied im Verhalten der Säfte der süßen und der entsüßten Kartoffeln hat sich nicht gezeigt. Bei der Ver- schiedenheit der einzelnen Kartoffeln darf auf den Unterschied von 5 mg am 6. Tage nicht viel Gewicht gelegt werden. Jedenfalls ist aber «lurch diesen Versuch erwiesen worden, daß auch in Kartoffeln, bei denen (die Rückbildung des Zuckers in vollem Gange sich befindet, bei plötzlichem Unterbruch dieses Vorganges und sofortiger Verarbeitung. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 359 der Kartoffeln der Saft diastatisches Enzym enthält. Zuckeranhäufung und das Verschwinden von Zucker beim Entsüßen läßt sich also nicht etwa zurückführen auf das Auftreten und Verschwinden zuckerbildender und -rückbildender Enzyme, sondern ist wohl eher dadurch zu erklären, daß diese Enzyme durch verschieden hohe Temperaturen und andere Umstände in ungleicher Weise beeinflußt werden. Da auch der Saft aus süßen Kartoffeln im Gemisch mit Stärkekleister in der Regel noch an Zucker zunimmt, könnte man allerdings denken, daß ein zucker- rückbildendes reversibles Ferment im Kartoffelauszuge sich nicht findet, daß es entweder sich nicht ausziehen läßt oder daß die bei höherer Temperatur vorwiegende reversible Wirkung nicht durch ein eigent- liches Enzym, sondern durch geformtes Protoplasma (Leukoplasten, Stärkebildner) vollzogen wird. Immerhin lassen einige unserer Versuche die Vermutung aufkommen, es könnten doch im Saft der Kartoffeln auch reversible Fermente sich vorfinden, wenn sie auch vielleicht schwie- riger auszuziehen sind als die diastatischen Enzyme. Einer dieser Versuche möge im nachfolgenden noch beschrieben werden. Versuch 24. Am 8. Februar wurden den seit 3 Monaten im Eis liegenden Kartoffeln 3 entnommen und 400 g ihrer Substanz mit 300 cem Glyzerin zerrieben, der Saft nach 4 Tagen abgepreßt und bei 5—6° C filtriert. Von diesem filtrierten Saft wurden nun Mischungen mit Stärkekleister hergestellt, ein Teil der Proben bei 0°, ein anderer bei 25° aufgestellt. Die chemische Untersuchung ergab folgendes: Enzymwirkung bei 0° | Enzymwirkung bei 25° Direkt reduz. Direkt reduz. Zucker Zunahme Zucker Zunahme mg mg mg mg Vor der Einwirkung des Enzyms 30,8 _ 30,8 _ Nach 6tägiger Einwirkung des Enzyms. . 2.222200. 45,3 14,5 59,3 28,5 Nach I12tägiger Einwirkung des Enzyms. nn 48,6 17,8 49,0 18,2 Bei diesem Versuche konnte das ungleiche Verhalten der Aus- züge aus verschiedenen Kartoffelindividuen keine Trübung (des Resultates verursachen; denn alle Proben waren mit Teilen (desselben Auszuges angestellt. Bei 0° zeigte sich in den ersten 6 Tagen eine deutliche ddiastatische Wirkung, die auch in den folgenden 6 Tagen noch etwas weiter ging. Anders bei den bei 25° aufgestellten Proben. Allerdings war in den ersten & Tagen bei dieser Temperatur die diastatische 24* 360 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Wirkung bedeutender, zirka doppelt so groß wie bei 0°, aber in den nachfolgenden 6 Tagen fand keine Zunahme des Zuckers mehr statt. im Gegenteil eine Abnahme, eine Erscheinung, die wir auf die Tätigkeit eines reversiblen Fermentes zurückführen möchten. Versuch 25. Bei unseren sämtlichen bisherigen mitgeteilten Versuchen konnte die Anwesenheit eines diastatischen Enzyms mit Sicherheit festgestellt werden; allerdings handelte es sich dabei um Kartoffeln, die schon längere Zeit im Keller gelagert hatten. Es erschien daher von In- teresse, noch zu prüfen, wie sich vor kurzem dem Boden entnommene Kartoffeln in dieser Beziehung verhalten. Kartoffeln der Sorte Mag- num bonum, vom gleichen Landwirte wie die früheren, wurden Ende September bezogen, am 18. Oktober nach dem gleichen Verfahren, wie in den früheren Versuchen, auf die Anwesenheit eines diastatischen Enzyms untersucht. und es ergab der ausgepreßte Saft folgenden Einfluß auf Stärkekleister. Zuckergehalt der Mischung: Direkt reduz. Zunahme mg mg Vor der Einwirkung des Enzyms . . 14,0 — Nach 48stünd. Einwirkung des Enzyms bei 20° 22,8 8,8 „96 „ ” „» » „ 20° 25,8 11,8 Wenn auch diese Kartoffeln nicht sofort nach der Entnahme aus der Erde zur Untersuchung kamen, so können sie doch als frische, nur kurz gelagerte angesehen werden. Es hat der Versuch unzweifelhaft ergeben, daß auch der Saft solcher Kartoffeln diastatisch wirksam ist, und zwar war hier die Wirkung nicht geringer als bei Versuch 23, wo «ie Zuekerzunahme bei entsüßten Kartoffeln ebenfalls bei 20° nach 3- und 6tägiger Einwirkung des Enzynis 7,4 und 14 mg betrug. F. Einfluß des Vorerwärmens auf die diastatischen Enzyme der Maiblumenkeime. Wir beabsichtigten nun, durch Versuche zu entscheiden, ob durch eine Vorerwärmung im Enzymgehalt von Kartoffeln eine nachweisbare Veränderung eintritt und ob die Wirkungen des Vorerwärmens auf die Atmung und die sonstigen Stoffwechselvorgänge hiermit in einem ge- wissen Zusammenhange stehen. Die Versuche ergaben vorläufig keine entscheidende Auskunft, und es wurde daher ein anderes Versuchs- material gewählt, und zwar mit Rücksicht auf die schönen Erfolge, die ein Vorerwärmen auf das Austreiben ergibt, die Keime von Convallaria Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in rulenden Pflanzenteilen. 361 majalis. Leider war die Zeit schon etwas vorgerückt, so daß schon bald nach Beginn dieser Versuche die Ruheperiode beendigt war. Zwei der Versuche mögen im nachfolgenden mitgeteilt sein. Versuch 26. Da die mit Glyzerin gewonnenen Auszüge beim Filtrieren usw. ziemliche Schwierigkeiten bereiten, wurde durch einige Vorversuche zu- nächst festgestellt, ob es angängig sei, bei den Maiblumenkeimen einen wässerigen Auszug zu gewinnen und daun dessen diastatische Wirkung zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurden 50 Maiblumenkeime zunächst so präpariert. daß man sämtliche Wurzeln entfernte und ebenso das Rhizom, mit Ausnahme eines !/, em langen Stückes unterhalb der Ansatzstelle (les äußersten Hüllblattes der Knospe. Es wurde so ver- fahren wegen der außerordentlichen Verschiedenheit der tiefer liegenden Rhizomteile, die keine große Hoffnung auf vergleichbare Resultate auf- kommen Jießen. Diese verkürzten Keime wurden gewogen und über Nacht in einer Kältemischung zum Erfrieren gebracht und am Morgen, nachdem sie aufgetaut waren, in einem Mörser mit Sand und Wasser zerrieben. Die ganze Masse wurde dann auf ein dichtes Tuch gebracht, öfters mit Wasser ausgepreßt und die gesammelten Auszüge auf 500 cem gebracht. Ein mit solchem Saft angestellter Versuch ergab beim Zu- sammenbringen mit Kleister die Anwesenheit eines «diastatischen Enzyms, indem in den Proben nach 2 Tagen durch Jod sich keine Stärke mehr nachweisen ließ. Mit Rücksicht auf solche Resultate verziehteten wir nun bei den Maiblumenkeimen auf die Anwendung von Glyzerin und stellten die Auszüge immer mit Wasser in der oben beschriebenen Weise her. Wir waren uns dabei wohl bewußt, daß wegen (des auch hier vorhandenen Gerbstoffes auf (diese Weise nicht alles (diastatische Enzym zu gewinnen bzw. zur Wirkung zu bringen war; allein bei diesen Versuchen lassen sich ja ohnehin keine absoluten Werte ge- winnen, und wir gingen von der Annahme aus, daß der hierdurch verursachte Fehler in den verschiedenen Fällen sich ausgleichen werde und daß deshalb die relativen Zahlen genügend beweisen sein würden. Bei der Bestimmung der (liastatischen Wirkung wurden von den 500 eem Saft 250 cem mit der gleichen Menge 1°,igem Kleister ver- mischt und 1°/,=5 cem Toluol zugesetzt. Bei der Zuckerbestimmung fand dann bei «der Behandlung mit Bleiessig und Soda eine Verdünnung dieser Mischung von 100 zu 121 ccm statt und hiervon wurden je 25 cem direkt verwendet und ergaben jeweils die in den nachfolgenden Tabellen aufgeführten Zuckermengen. 362 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, 250 Maiblumenkeime wurden am 7. Dezember in fünf möglichst gleiche Gruppen gebracht, wovon 3 > 50 in Wasser von 33—34° während 9 Stunden vorerwärmt und 2 >< 50 während der gleichen Zeit in Wasser von 14—15° liegen gelassen wurden. Nach der Vor- erwärmung verwendete man eine Portion ä 50 sofort zur Untersuchung, die beiden anderen vorerwärmten Proben und die beiden nicht vor- erwärmten wurden in der üblichen Weise in Töpfe eingepflanzt und zum Vortreiben in den Treibraum des Gewächshauses verbracht, dessen Temperatur zwischen 20 und 25° schwankte. Nach 13 Tagen wurde je eine Portion vorerwärmte und nicht vorerwärmte Keime der Erde ent- nommen, in der oben beschriebenen Weise eingekürzt und untersucht. Die noch in der Erde verbliebenen Portionen dienten zu Beobachtungen über das Austreiben. Es möge bier gleich bemerkt sein, daß die Vor- erwärmung hier nur einen geringen Einfluß auf das Austreiben hatte, wohl weil die geeignetste Zeit hierfür schon vorüber war. Es trieben nicht nur die vorerwärmten, sondern auch die nicht vorerwärmten bald kräftig aus. Ein kleiner Unterschied zugunsten der vorerwärmten war anfangs noch zu bemerken, wurde aber bald ausgeglichen. Mehr als in der Wachstumsgeschwindigkeit der Blütenstiele und Blätter zeigte sich ein Unterschied hinsichtlich der Zahl der austreibenden Blätter, indem diese bei den nicht vorerwärmten Keimen geringer war. Die Untersuchung des Einflusses der gewonnenen Auszüge aus Rleister ist in folgendem zusammengestellt: Gewicht der Direk Zunahme Je 50 zugeschnittene Keime zur |Pirekt redu- auf gleiches Maiblumenkeime Zeit der aierender Zunahme Frischgewicht Untersuchung ucker umgerechnet 8 mg mg mg a) Sofortnach I9stündigem Warmbad untersucht . 37,7 _ _ — Vor der Einwirkung des Enzyms . _ 11,3 —_ — Nach Sstündiger Einwirkung des Enzyms . . —_ 77,8 60,5 160,3 b) 13 Tage im Treibraum j nach 9stündigem Warm- bad... 45,6 — _ — Vor der Einwirkung des Enzyms _ 17,9 —_ — Nach SstündigerEinwirkung des Enzyms . . _ 99,5 81,6 179,5 ec) 13 Tage im Treibraum ohne Warmbad. . . 43,8 _ —_ — Vor der Einwirkung des Enzyms . _ 14,6 _ _ Nac hSstündiger Einwirkung des Enzyms . —_ 94,5 9,9 182.4 Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 363 Bis zum 13. Tage hatten sich die Knospen schon bedeutend ge- streckt, dementsprechend waren sie auch mit dem !/, cm langen Rhizom- stück zusammen etwas schwerer geworden als die 50 in gleicher Weise zugeschnittenen Keime, die gleich nach der Vorerwärmung untersucht wurden. In vorstehender Tabelle sind deshalb nicht nur die relativen Zuckermengen für je 50 Keime angegeben, sondern auch in der letzten Kolonne diese Größen auf ein gleiches Gewicht der Keime umgerechnet worden. Diese Kolonne läßt somit den prozentualen Gehalt der Keime an diastatischem Ferment erkennen, die zweitletzte Kolonne den Gehalt einer bestimmten Anzahl von Keimen an solchem. Die Zahlen ergeben nun, daß der Gehalt von 50 Keimen an dia- statischem Enzym während des 13tägigen Aufenthaltes im Gewächshaus zugenommen hat; doch war dies nicht etwa nur im Verhältnis der Größenzunahme der Fall, sondern sie sind auch prozentual reicher an Enzym geworden, Zwischen (den vorerwärmten und nicht vorerwärmten war jedoch ein nennenswerter Unterschied nicht zu beobachten; das Warmbad hat bei diesem Versuche das nachträgliche Verhalten der Enzyme nicht beeinflußt '). Versuch 27. Der Zeitraum vom Vorerwärmen bis zur Untersuchung erschien im vorigen Versuche etwas lang, es wurde «daher am 3. Januar ein ähnlicher Versuch durchgeführt, bei dem man die Keime schon 4 Tage nach der Vorerwärmung auf den Enzyıngehalt untersuchte. Da es sich für uns nur darum handelte, den Unterschied zwischen vorerwärmten und nicht vorerwärmten Maiblumenkeimen festzustellen und nicht die allmähliche Zunahme des Enzyms beim Austreiben darzutun, so wurde direkt nach der Behandlung keine Probe untersucht. Das Ergebnis der im übrigen ganz gleich wie im vorigen Versuche vorgenommenen Be- stimmungen war folgendes: (Tabelle siehe nächste Seite oben.) In Übereinstimmung mit dem vorigen Versuche hat sich auch hier ergeben, daß die Maiblumenkeime reich an zuckerbildenden En- zymen sind. In diesem Versuche ist die Enzymwirkung sogar noch stärker hervorgetreten, inden schon nach 5stündiger Einwirkung des Preßsaftes auf Kleister die Wirkung beträchtlicher war als in Versuch 26 nach 8stündiger Einwirkung. Zwischen dem Saft aus den vorerwärmten 1) Ähnlich scheint es sich mit dem Einfluß des Ätherisierens auf den Enzym- gehalt von Weizenkeimlingen zu verhalten. Vgl. Elfriede Eisenberg in „Flora“ 1907, Bd. XCVIL, pag. 361. 364 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, Zunahme . Gewicht Direkt redu- f Je 50 zugeschnittene zur Zeit der | zierender [Zunahme auf gleiches Maiblumenkeime r Frischgewicht Untersuchung! Zucker umgerechnet g mg mg mg a)4 Tage im Treibraum nach Y9stündigem Warm- bad. : 2 2 2 2 nn 38,1 —_ — —_ Vor der Einwirkung des Enzym ...0.0.. _ 12,6 _ — Nach 5stündiger Einwirkung des Enzyms . . . . . _ 97,8 85,2 223,6 b) 4 Tage im Treibraum ohne vorhergehendes Warmbad . . .... 36,6 _ _ _ Vor der Einwirkung des Enzym ..2.00.200.0% _ 13,8 _ — Nach 5stündiger Einwirkung des Enzyns . . 2... _ 103,6 89,8 245,2 Keimen und den nicht vorerwärnten war jedoch auch hier ein beträcht- licher Unterschied nicht zu beobachten. Immerhin hat der Auszug aus den nicht vorerwärmten Keinen etwas kräftiger gewirkt. Oder mit anderen Worten, die Vorerwärmung scheint hier die Bildung von zucker- bildendem Enzym etwas herabzusetzen. Übrigens spielen bei diesen Vorgängen in den Maiblumenkeimen Glykoside eine nicht unbeträcht- liche Rolle, und es wird zweifellos auch die Umwandlung solcher Gly- koside den Zuckergehalt beeinflussen. Wenn nun auch durch die im obigen mitgeteilten Versuche die Stoffwechselvorgänge in den Maiblumen- keimen nicht vollständig klargelegt sind, so dürften sie doch ausreichen, um darzutun, daß durch das Warmbad, durch welches unter Umständen das Austreiben gefördert werden kann, nicht etwa, wie man vielleicht vermuten möchte, direkt eine Steigerung der Zuckerproduktion aus Stärke, dem Hauptbestandteil der Reservestoffe, herbeigeführt wird. G. Zusammenfassung. Die Untersuchung, deren erste Resultate im vorstehenden mit- geteilt wurden und die wir fortzusetzen gedenken, bezweckt zunächst, festzustellen, inwieweit die durch das sog. Warmbad und das Ätheri- sieren erreichte Wachstumsförderung mit der Beeinflussung der übrigen Vorgänge in den betreffenden Pflanzenorganen in Zusammenhang steht. Wenn nun auch die Versuche abschließende Resultate in dieser Richtung noch nicht ergeben haben, so dürften sie doch geeignet sein, zur weiteren Aufklärung der komplizierten Vorgänge beizutragen. Zu- lem haben speziell diejenigen mit Kartoffeln Tatsachen von allgemeiner ‚ fee Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 365 physiologischer Bedeutung zutage gefördert, so daß dieser Teil der Untersuchungen ziemlich abgeschlossen ist und veröffentlicht werden kann. In der weiteren Verfolgung der Untersuchung gedenken wir uns nunmehr mit jenen PHlanzenorganen zu beschäftigen, bei denen das Vorerwärmen eine unzweifelhafte Förderung des Austreibens verursacht. Für die von uns bis jetzt gelösten Fragen waren die Kartoffeln aller- dings sehr geeignet, und mit Rücksicht auf die Gleichartigkeit und leichte Verarbeitbarkeit des Materials und namentlich auch darauf, daß die inneren Vorgänge so gründlich wie kaum bei einem anderen Pflanzenorgan schon erforscht sind, hätten wir es vorgezogen, dieses Material auch für die Beantwortung ler weiteren Fragen zu benutzen; allein die Kartoffeln scheinen entweder gar nicht oder nur kurze Zeit in solchem Zustand der Ruheperiode sich zu befinden, wo das Warmbad einen günstigen Einfluß auf das Austreiben auszuüben vermag, wie dies übrigens auch bei verschiedenen anderen Pflanzen zu beobachten ist. Die Ergebnisse der vorstehend mitgeteilten Versuche lassen sich wohl in der Weise am übersichtlichsten darstellen, daß der Reihe nach zusammengefaßt werden der Eintluß des Ätherisierens und des Warm- bades auf die Atmungsvorgänge, dann die Einflüsse, welche die Bildung und Rückverwandlung von Zucker in den ruhenden Organen betreffen, hierauf der Einfluß des Vorerwärmens auf die Wundheilung und end- lich jener auf das Austreiben der Knospen. Die Intensität des Atmungsvorganges hängt bei Kartoffelknollen, wie schon frühere Versuche zeigten, auch wesentlich vom Alterszustand der Zellen ab, indem sie bei sonst gleich beschaffenen Knollen gegen das Frühjahr hin bis zum Mehrfachen gesteigert werden kann gegen- über frisch geernteten Knollen. Es darf wohl angenommen werden, daß in solchen älteren Knollen die Protoplasten nicht mehr die gleiche Lebensenergie besitzen wie in jungen, «daß also die gesteigerte Atmung hier als eine Teilerscheinung des Alters zu betrachten ist, die vielleicht direkt oder indirekt zusanımenhängt mit der Unfähigkeit der Zellen. den entstehenden Zucker wieder zurückzuverwandeln und so gewisser- maßen als Reservematerial sich zu erhalten. Unsere Versuche haben nun übereinstimmend ergeben, daß durch «das Ätherisieren von Kar- toffelknollen der Atmungsvorgang eine länger andauernde Steigerung erfährt (vgl. pag. 312). Es hätte also einen ähnlichen Einfluß wie das Altern, nur mit dem Unterschiede, daß letzteres als ein nieht mehr rückgängig zu machender Vorgang dauernd wirkt. Dementsprechend kann man wohl auch den Einfluß des Atherisierens auf den Atmungs- 366 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli. vorgang als eine Folge vorübergehender Schwächung oder Betäubung der Protoplasten betrachten. Die bei den Versuchen mit Ätherisieren beobachtete anfängliche starke Atmung hat mit diesem Einflusse nichts zu tun, sondern ist eine Folge des höheren Zuckergehaltes der verwendeten Kartofieln. Eine Vorerwärmung der Kartoffelknollen auf höhere Temperaturen beeinflußt die Atmung, und zwar gestaltet sich dieser Einfluß ver- schieden, je nachdem noch andere Einflüsse (Süßsein, Wundreiz) mit- wirken oder nicht. Der höhere Zuckergehalt süßer Kartoffeln führt für sich allein eine Steigerung der Atmung herbei, und zwar eine um so erheblichere, je bedeutender der Zuckergehalt ist. Auch ist diese Atmungssteigerung relativ beträchtlicher bei frischen als bei lang gelagerten süßen Kar- toffeln. Bei den Atmungsbestimmungen nimmt daher in dem Maß- stabe, wie der Zucker verschwindet, auch die Atmung ab, was bei Ver- suchen 5, 6 und 13—17 zu berücksichtigen ist. Wie schon früher nachgewiesen wurde, führt auch der Wundreiz eine Atmungssteigerung herbei, und zwar macht sich derselbe meist in der Weise bemerkbar, daß die Atmung am ersten Tage ansteigt, am zweiten Tage oder auch später einen Höhepunkt erreicht, um dann allmählich wieder zu sinken. In verschiedenen unserer Versuche, wo es darauf ankam. Teile der gleichen Kartoffeln in verschiedener Weise zu behandeln, um genau vergleichbare Resultate zu erhalten, ist diese Einwirkung des Wundreizes zu berücksichtigen (Versuche 12—17). In einigen Fällen wurden die Kartoffeln absichtlich geteilt, um den Wund- reiz zu studieren. Wirken Wundreiz und höherer Zuckergebalt bei süßen Kartoffeln zusammen, so summieren sich die Wirkungen beider Einflüsse bis zu einem gewissen Grade (Versuch 13—17), Vorübergehende Erwärmung auf höhere Temperatur führt für sich allein ebenfalls eine Atmungssteigerung herbei, 35° vermochte zwar in dem betreffenden Versuche eine solche noch nicht zu bewirken, wohl aber 38°, doch ist sie hier noch gering. Schon deutlich war sie bei 46, 41 und 42°, am stärksten aber bei Erwärmung in Luft auf 44°. Höhere Temperaturen, die Schädigungen hervorrufen könnten, wurden . nicht geprüft. Bei dieser Einwirkung der Vorerwärmung auf die Atmung ließen sich in einigen Versuchen deutlich zwei Folgeerscheinungen erkennen; die erste, gewissermaßen eine Reizwirkung, äußerte sich als allmähliches Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 367 nicht sehr starkes Steigen und darauf folgendes Sinken der Atmung innerhalb der ersten 2—4 Tage, und zwar wurde bei Versuch 11 der Höhepunkt bei 38° schon innerhalb der ersten 15 Stunden erreicht, bei 41° erst in den darauf folgenden 8 Stunden und bei 44° noch später, in den nachfolgenden 17 Stunden, also erst am 2. Tage nach der Wärmeeinwirkung. Die zweite Wirkung der Vorerwärmung tritt erst nach dem Zurückweichen der ersten deutlich zutage und zeigt sich darin, daß die Atmung nicht mehr auf das ursprüngliche Niveau herabsinkt. Es hat vielleicht durch diese Erwärmung eine dauernde Schwächung der Protopiasten stattgefunden, ähnlich wie beim Altern. Diese zweite Wirkung begleitet nicht immer die erste; am deutlichsten ist sie zutage getreten bei der Erwärmung auf 44° in Versuch 11, sodann auch bei 40° in den Versuchen 3, 4 und 16. Bei dieser letzteren Temperatur tritt die Schwächung nicht immer auf, es scheint dabei auf die ver- schiedene Empfindlichkeit der Knollen anzukommen. Ob die Erwärmung in warmem Wasser oder in warmer Luft stattfindet, ist nicht von wesentlichem Einfluß, vorausgesetzt, daß die Temperaturerhöhung im Innern gleich lang dauert (Versuch 7). Nicht die Erwärmung von einer niederen Temperatur zu einer höheren, z. B. von O auf 40°, übt an und für sich den atmungs- steigernden Reiz aus, sondern die Einwirkung der höheren Temperatur selbst (Versuch 3). Eine mehrmalige Erwärmung und Abkühlung zwischen O und 40° war daher nicht von bedeutenderer Wirkung als ein einmaliges Er- wärmen, wenn die Knollen dabei nur während gleicher Zeit auf 40° erwärmt blieben (Versuch 4 und 5). Eine längere Einwirkung einer hohen Temperatur, z. B. von 40°, vermag die nachfolgende Atmung mehr zu steigern als eine kurz- andauernde Erwärmung auf die gleiche Temperatur; so war die atmungs- steigernde Wirkung in Versuch 8 größer als bei Versuch 7. Ein überraschendes Resultat ergab die Einwirkung der Vor- erwärmung auf zerschnittene süße Kartoffeln. Hier, wo schon durch den erhöhten Zuckergehalt und den Wundreiz die Kohlensäureproduk- tion beträchtlich gesteigert war, wurde sie durch die Vorerwärmung nicht noch weiter erhöht, sondern im Gegenteil beträchtlich herabgesetzt. Es hat also hier nicht eine Summierung der Reizwirkungen stattgefun- den, «diese haben sich vielmehr gegenseitig zum Teil aufgehoben: eine Erscheinung, die in dieser Form unseres Wissens noch nicht nach- 368 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Örelli, gewiesen wurde). Die Versuche 15, 16 und 17 sind hierfür unzweifel- hafte Beweise (vgl. Fig. 3 auf pag. 345). Diese Herabsetzung der Atmung durch die Vorerwärmung dauert nur während einiger Tage an, also in der Zeit, in welche die Hauptwirkung des Verwundungsreizes und des Wärmereizes fallen würde. Wenn alsdann in den nicht vor- erwärmten Kartoffeln die Atmung beträchtlich und andauernd sinkt, teils wegen der Abnahme des Zuckergehaltes, teils wegen Ausklingens des Verwundungsreizes, dann bleibt die Atmung der vorerwärnten Kartoffeln auf beträchtlicher Höhe erhalten, wohl teilweise deswegen, weil nun die zweite Wirkung der Vorerwärmung, die Schwächung, zu- tage treten kann. Es ist dies schon in Versuch 17 deutlich zu er- kennen, noch deutlicher in Versuch 16 (Fig. 3), wo selbst nach 23 Tagen die vorerwärmten zerschnittenen Kartoffeln stärker atmeten als die nicht vorerwärmten zerschnittenen. Daß auch (die letzteren noch mehr Kohlensäure produzierten als die unverletzten, zeigt wiederunı, daß starke Verletzungen ebenfalls einen andanernden Einfluß auf die Atmung ausüben können ?). Sowohl durch das Ätherisieren als durch das Vorerwärmen wird die chemische Zusammensetzung der Pflanzenteile beeinflußt 3). Viel bedeutender als beim Ätherisieren war in dieser Hinsicht der Einfluß des Vorerwärmens. Während 8 Stunden auf 40—41° vorerwärmte Kartoffeln, die man nachher bei 0° lagert, zeigen eine beträchtlich geringere Zucker- speicherung als die nicht erwärmten Kontrolikartoffeln (Versuch 12). Da die Atmung bei dieser niederen Temperatur sehr gering ist und bei den verschieden behandelten Kartoffeln keinen nennenswerten Unter- schied zeigt (Versuch 12), und da ferner durch das Vorerwärmen auch die Rückbildung des Zuckers in Stärke vermindert wird, so ist damit der Beweis erbracht, daß durch die Vorerwärmung auf 40° der Vor- gang der Zuckerbildung in den Kartoffeln herabgesetzt wird. Es kann dies wiederum als ein Zeichen der Schwächung der Protoplasten ge- (deutet werden. 1) Die von Euler (Grundlagen und Ergebnisse der Pfianzenchemie, 3. Teil, Braunschweig 1909, pag. 169) zitierte Arbeit von Palladin in den Berichten der Deutsch. bot. Gesellschaft 1905, pag. 240 enthält nicht, wie Euler angibt. den Be- weis, daß nach äußerer Verletzung sich die Atmung nicht länger durch Äthernarkose beschleunigen lasse. 2) Vergleiche auch die Versuche von Richards. 3) Man vergleiche bezüglich des Ätherisierens auch die interessante Abbhand- lung von Johannsen, Studier over Planternes periodiske Livsyttringer (Memoires de l’Acad&mie royale des sciences et des lettres de Danemark), Kopenhagen 1897. Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 369 Wird von den Hälften einer süßen Kartoffel die eine vorerwärmt und die andere nicht, so verschwindet der Zucker in der vorerwärmten Hälfte bedeutend langsamer als in der anderen (Versuch 14 und 17); es haben die Zellen durch die Vorerwärmung die Fähigkeit, Zucker zurückzuverwandeln, teilweise eingebüßt, ganz ähnlich wie es auch beim Altern der Fall ist; denn im Frühling vermögen süße Kartoffeln, die man bei 20° lagert, ebenfalls nur langsamer sich zu entsüßen, als dies im Anfang des Winters geschieht. Es weist dies wieder darauf hin, daß die andauernde Wirkung des Vorerwärmens einer Schwächung gleicht. Wenn auch der Atmungsvorgang in gewissem Sinne abhängig ist vom Zuckergehalt des Kartoffelgewebes, so kann doch die Atmungs- intensität nicht als direkter Maßstab für die zuckerspeichernden Vor- gänge gelten; das erhellt schon daraus, daß Umstände, die die Vor- gänge der Zuckerspeicherung hemmen, wie vorausgehendes Ätherisieren oder Erwärmen auf 40°, eine vorübergehende Steigerung der Atmung verursachen können. So besteht andererseits auch kein Widerspruch darin, daß bei länger gelagerten Kartoffeln die Atmung allmählich in- tensiver wird, während andererseits Zuckerbildung und Stärkerückbildung eine Hemmung erfahren. Überblicken wir unsere Versuche, so glauben wir erkennen zu können, daß die Atmung aus zwei Gründen gesteigert werden kann, einmal mehr vorübergehend durch Einwirkung von Reizen und sodann durch Abnahme der Lebensenergie beim Altern. Inwieweit nun diese letztere Atmungszunahme alternder Kartoffeln im Zusammen- hang steht mit dem Ausklingen der Ruheperiode, mit der deshalb ab- nehmenden Fähigkeit, die Reservestoffe in nicht löslicher Form zurück- zubehalten, und anderen Änderungen des Stoffwechsels, soll hier nicht näher erörtert werden. Diastatisches Enzym wurde in austreibenden Kartoffeln schon früher nachgewiesen). In ruhenden Kartoffeln konnte die Anwesenheit solcher Enzyme erst später durch Grüß?) mit verbesserter Methode dargetan werden. Unsere Versuche ergaben ebenfalls in ruhenden (Versuch 25) und austreibenden Kartoffeln die Anwesenheit eines En- zyms, das aus Stärkekleister direkt reduzierenden Zucker und zudem eine lösliche Substanz bildet, die erst nach Behandlung mit verdünnter Säure in die Zuckerbestimmung eintritt. Mit Rücksicht auf die vor- handene Stärkemenge könnte die festgestellte Enzymwirkung als gering 1) Von Payerund Persoz, sowie Baranetzky,Krauch. Müller-Thurgau, Landwirtschaftl. Jahrb. 1882, pag. 814, woselbst die übrige Literatur angegeben ist. - 2) Grüß, J., Über das Verhalten des diastatischen Enzyms in der Keim- pflanze. Jahrb. f. wiss. Botanik 1894, Bd. XXVI, pag. 388. 370 H. Müller-Thurgau und O. Schneider-Orelli, erscheinen, allein der Verbrauch der Stärke bei einer austreibenden Knolle erstreckt sich über eine lange Zeit. Auf 0° abgekühlte, süßwerdende Kartoffeln und bei gewöhnlicher Kellertemperatur lagernde nicht süße zeigten bezüglich des Gehaltes an solchem Enzym keinen wesentlichen Unterschied (Versuch 20). Enzymhaltiger Kartoffelsaft vermag auch bei 0° in Stärkekleister Zucker zu bilden, doch ist die Wirkung bei höherer Temperatur be- trächtlicher (Versuch 21 und 22). Wenn in Kartoffeln, die bei gewöhnlicher Kellertemperatur lagern, keine Zuckerspeicherung stattfindet, so hat dies also seinen Grund nicht in einem geringeren Gehalt an diastatischem Enzym (gegenüber Jen bei 0° befindlichen) oder in einer geringeren Wirksamkeit desselben als bei 0°, vielmehr muß der sogar in vermehrtem Maße entstehende Zucker eine sofortige Verwendung finden (Atmung und Rückbildung). Aus süßen Kartoffeln, die, in einen wärmeren Raum gebracht, im vollen Entsüßen begriffen sind, ließ sich ebenfalls diastatisches Enzym ausziehen (Versuch 23), Es ist dies ein Beweis, daß in demselben Organ gleichzeitig zuckerbildende und Zucker in Stärke rückbildende Vorgänge stattfinden können. Zunahme und Abnahme des Zuckers sind darauf zurückzuführen, daß die Enzyme durch verschieden hohe Temperaturen und andere Umstände in ungleicher Weise beeinflußt werden. Inwieweit die Rückbildung durch geformtes Protoplasma (Stärke- bildner) oder durch die Wirkung eines reversiblen Enzyms vollzogen wird, ist noch nicht endgültig entschieden; wahrscheinlich sind beide Vorgänge wirksam. Versuch 24 macht die Mitwirkung eines rever- siblen Enzyms wahrscheinlich. Bei den Versuchen mit Convallaria-Keimen, die sich beträchtlich reicher an Enzym erwiesen, hat sich gezeigt, daß ein 9stündiges Vor- erwärmen auf 33—34° keine Nachwirkung auf den Gehalt an zucker- bildendem Enzym ausübt; im Gegenteil schien der Enzymgehalt bei den vorerwärmten Keimen eher etwas geringer zu sein als bei den nicht vorerwärmten (Versuch 26 und 27). An den Wundflächen von Kartoffelstücken finden zwei V orgänge statt, die Verkorkung schon vorhandener Zellhäute und die Bildung eines Wundperiderms. Mit zunehmendem Alter der Kartoffeln nimmt die Fähigkeit zur Bildung eines Wundverschlusses allmählich ab, und zwar läßt sich dies bei der Bildung des Wundperiderms stets beob- achten, während die Fähigkeit der Verkorkung der Zellwände lange erhalten bleibt. Auch auf diese Vorgänge übt die Vorerwärmung einen bemerkbaren Einfluß aus, und zwar wiederum im gleichen Sinne wie Beiträge zur Kenntnis der Lebensvorgänge in ruhenden Pflanzenteilen. 371 das Altern. Wenn auch der Einfluß einer $stündigen Vorerwärmung auf 41° Anfang Februar kein tiefgreifender war, so konnte doch beob- achtet werden, daß bei den Stücken vorerwärnter Kartoffeln die Zell- teilungen etwas später auftraten und auch etwas später verkorkten als bei den nicht vorerwärmten. Auf die schon pag. 316 erwähnten Versuche verschiedener Autoren, durch eine Vorerwärmung die Ruheperiode bei einer Reihe von Zier- pflanzen abzukürzen, die wir zu unserer Orientierung wiederholten, wollen wir hier nicht näher eingehen. Von den Versuchsanstellern wurden häufig auch Temperaturen von 35—40° angewendet, ausnahms- weise mit gutem Erfolg noch 45°, welch letztere Temperatur jedoch bei zahlreichen empfindlichen Pflanzen schon schädlich wirkt. Im all- gemeinen dürften die das Treiben günstig beeinflussenden Temperaturen unter 40° liegen. Wenn auch nach unseren Versuchen etwas höhere Temperaturen nicht gerade eine Schädigung bewirken, so ist ihr Einfluß doch zu tiefgreifend, und es tritt dann anstatt einer Förderung eine Hemmung des Wachstums ein. Selbstverständlich hängt der Einfluß des Vorerwärmens auf das Austreiben zudem von der Zeitdauer ab; damit in Übereinstimmung haben unsere Versuche ergeben, daß auch die Beeinflussung der Atmung und der chemischen Umsetzungen bei länger dauernder Einwirkung eines bestimmten Temperaturgrades weitergehend ist als hei kurzer Dauer. Beim Warmbad dürfte nach unserer Überzeugung die Haupt- wirkung der Wärme und nicht dem Wasser zukommen; wenigstens werden die inneren chemischen Vorgänge durch eine Vorerwärmung in Luft in gleicher Weise beeinflußt wie bei einer gleich lang andauernden in Wasser, wobei allerdings berücksichtigt werden muß, daß in warmer Luft namentlich massige Pflanzenteile im Innern viel langsamer den gewünschten Wärmegrad annehnıen als in warmem Wasser. Beim praktischen Betrieb wird die Anwendung des warmen Wassers, weil leichter zu handhaben, wohl stets vorgezogen werden. Für denjenigen, der die Fortschritte der Physiologie in den letzten Jahrzehnten verfolgt, erscheint es wohl selbstverständlich, daß der Still- stand des Wachstums während der Ruheperiode und der Austritt der Knospen aus derselben nicht in einer direkten Abhängigkeit von der Menge des vorhandenen Baumaterials steht, sondern daß hier in erster Linie andere uns noch unbekannte Faktoren maßgebend sind. Man würde aber wohl mit der Annahme zu weit gehen, daß zwischen den 372 H. Müller-Thurgau u. O. Schneider-Orelli, Lebensvorgänge in Pflanzenteilen. Wachstumsvorgängen und den chemischen Umsetzungen gar kein Zu- sammenhang besteht und daß Untersuchungen, welche sich auf diese beziehen, bedeutungslos für die Erkenntnis des Wesens der Ruhe- periode seien. Dementsprechend betrachten wir unsere im vorstehenden mitge- teilten Versuchsergebnisse durchaus nicht als eine auch nur annähernde Lösung der Aufgabe, dagegen geben sie uns doch Anhaltspunkte für den bei den weiteren Untersuchungen einzuschlagenden Weg. Bezüglich der von uns in erster Linie in Betracht gezogenen chemischen Vorgänge hat sich gezeigt, daß die Vorerwärmung teils als kurzdauernder Reiz (bei der Atmung) wirken kann, teils als an- dauernde Schwächung, ähnlich wie sie beim Altern eintritt (bei der Atmung, sowie bei der Zuckerbildung und -rückbildung). Wenn wir nun diesen Nachweis einer Schwächung als erbracht betrachten, so liegt es nahe, ihn auch auf das Wachstum der Knospen zu übertragen, so daß vielleicht auch hier neben einer vorübergehenden Reizwirkung eine andauernde Schwächung durch die Vorerwärmung bewirkt wird!). Tritt diese Schwächung bei schon aus der Ruheperiode ausgetre- tenen Pflanzenorganen ein, seien es die Knospen von Kartoffeln oder von Maiblumen, Flieder usw., so wird sie das Wachstum ungünstig beeinflussen, und in der Tat ist bei solchen Pflanzenorganen durch das Warmbad keine Wachstumsförderung zu erzielen; im Gegenteil wirkt es regelmäßig ungünstig ein, wie es schon frühere und auch unsere hier nicht näher beschriebenen Versuche mit Treibpflanzen ergaben. Es liegt nun nahe, anzunehmen. daß die Vorerwärmung auch zur Zeit der Ruheperiode selbst einen ähnlichen Einfluß ausübt, daß aber hier die Schwächung gerade jene inneren Faktoren betrifft, die den Stillstand des Wachstums verursachen; ein früherer Austritt aus der Ruheperiode würde dann die Folge sein. März 1910. 1) Man vergleiche übrigens auch Johannsen, Das Ätherverfahren beim Frühtreiben (Gustav Fischer, Jena 1906), der bezüglich der Einwirkung des Äthers zu ähnlichen Schlußfolgerungen gelangte. Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwell- gewebes bei den Blättern der Polytrichaceen. Von Wilhelm Lorch. (it 10 Abbildungen im Text.) Firtsch') hat wohl zuerst auf Grund anatomischer Untersuchungen eine Erklärung der höchst eigentümlichen Bewegungserscheinungen zu geben versucht, die zum Schutze gegen übermäßige Transpiration von den Blättern der meisten Polytrichaceen ausgeführt werden. Genannter Forscher studierte eingehend die mechanischen Einrichtungen des Blattes von Polytrichum juniperinum Wild. und erblickte in dem verschieden- artigen (QQuellungs- und Schrumpfungsvermögen der beiden Sklerenchym- platten die Ursache für die Bewegung des Blattes in die Feucht- und Trockenstellung. Firtsch hatte auch schon beobachtet, daß die Blatt- bewegungen in keiner Weise beeinträchtigt werden, wenn durch Schaben vermittelst des Skalpells das an der Blattoberseite befindliche Assimi- lationsgewebe, worunter in erster Linie die Lamellen verstanden werden müssen, beseitigt werden, auch soll sich ein Unterschied materieller Art an den Membranen der beiden Sklerenchymplatten auf Grund chemischer Reaktion (Chlorzinkjod) nachweisen lassen. Stoltz?) hält jenen von Firtsch angestellten Versuch {Besei- tigung der Lamellen) nicht für beweiskräftig, indem er darauf hinweist, daß auch nach Beseitigung der Lamellen und des unter ihnen liegenden parenchymatischen Gewebes immer noch die Säume des Blattes übrig- bleiben, die bei Wasserverlust sich nach oben einrollen und eine Auf- wärtsbewegung des Blattes in die Troekenstellung herbeiführen können, denn sonst nicht verletzte, aber der Lamellen und Säume beraubte Blattnerven verhalten sich nach Stoltz bei Verlust des Wassers wesentlich anders als unverletzte Blätter, „vor allen Dingen werden die Bewegungen viel schneller und intensiver ausgeführt. Dei der Wielderbenetzung des gekrümmten Nerven wird zunächst die Bewegung ziemlich schnell über die gestreckte Lage hinaus fortgesetzt bis zu 1) Firtsch in „Berichte der Deutschen Botan. Gesellschaft“, Berlin 1883, Bad. 1. 2) Friedrich Stoltz, Zur Biologie der Laubmoose. Nach dem Tode des Verfassers veröffentlicht von K. Giesenhagen, München. In .„Ilora®, Bil. XC., Heft 2, pag. 305—315, München 1902. Flora, Bd. 101. 25 374 Wilhelm Lorch, einer starken Überkrümmung im entgegengesetzten Sinne, welche dann erst allmählich wieder aufgehoben wird“. Die Richtigkeit dieses Tx- periments wird durch die Ergebnisse zahlreicher, von mir angestellter Versuche bestätigt. Daß die isolierten Lamellen bei künstlicher Wasser- entziehung sich in demselben Sinne wie unverletzte Blattflächen krümmen -—- also an den Außenrändern der Lamellen, an deren meist abweichend gestalteten End- zellen — ist auch schon von Stoltz') be- obachtet worden (Fig. 1). Wie es scheint, war es Firtsch vor Fig. 1. Lamellensticke von j . in Polytriebum commune L. allem darum zu tun, die Krümmungs- a Nach Verlust des Wassers. erscheinungen am oberen Teil des Blattes, 5 Im targeszenten Zustand, . . . n den wir als Spreite bezeichnen können, also mit Ausschluß (des scheidenartigen basilaren Teils, ausreichend zu erklären, denn seine Darlegungen genügen durchaus nicht, um die ge- lenkartige Bewegung der Spreite am oberen Scheidenende dem Ver- ständnis näher zu bringen. Wenn aber Stoltz einwendet, (daß das Assimilationsgewebe, worunter er doch in erster Linie die Lamellen begreift, nicht bis zur Gelenkstelle hinabreiche, so beruht diese Angabe, wie ich zeigen weride, auf einem Irrtum. Außer Firtsch ist Bastit?) den Gründen für die Bewegungs- erscheinungen nachgegangen. Er führt sie auf Turgorschwankungen in ılen Zellen der ventralen Epidermis und der weitlumigen Elemente der Mittelrippe, also auf ganz bestimmte Gewebekomplexe, zurück. Mit ılieser Erklärung ist aber kein Schritt vorwärts getan und es heißt, auf eine ausreichende Erklärung verzichten, sobald man zu «dem .„be- liebten“ Turgor seine Zuflucht nimmt. Bastit unterscheidet longituldi- nale und transversale Bewegungen, diese letzteren sollen in sechs der Mediane des Blattes parallel verlaufende Gelenkachsen vor sich gehen. Bastit berührt hier einen Punkt, auf den ich mehrfach hinwies, der aber von anderer Seite geflissentlich totgeschwiegen wurde, weil er mit einer gewissen Theorie nicht recht in Einklang zu bringen ist. Deshalb bleibt aber (die Tatsache, daß bei den Blättern zahlreicher Polytricha- ecen in der Mitte der «orsalen Sklerenchymplatte eine Gelenkstelle vor- handen ist, trotzdem bestehen. Nach Bastit sollen, da die sklero- . 1) Lorch, Die Polytrichaceen. Abhandlungen der Kgl. Bayer. Akad. der Wissenseh., München 1908, pag. 487. I aut] r » R = B - 2) Bastit, Recherehes anatomiques et physiologiques mr la tige et la fenille des Mousses. Revue generale de Botanique, Tome I, 1891 Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. By) sierten Hypodermschichten an der Unterseite des Blattes häufiger sind als an der Oberseite, an dieser eine ausgiebige Wirkung des Turgors in Gestalt einer größeren Flächenausdehnung zustande kommen, eine ganz willkürliche Annahme, für die aber wieder der Turgor als Retter in der Not in Anspruch genommen wird. Das Verdienst, den wahren Grund für die gelenkartige Blatt- bewegung gefunden zu haben, gebührt Stoltz, der die Existenz eines Schwellgewebes an der Übergangsstelle von Scheide zu Spreite nach- wies. Was mich von der auf pag. 312 und 313 der Stoltz'schen Ab- handlung mitgeteilten Details besonders interessiert, ist die Angabe, daß (die Flächenvergrößerung der Schwellgewebezellen nicht als eine Folge von Turgorschwankungen angesehen, sondern auf die Wasserauf- nahme durch die Zellwände, also auf deren Quellung zurückgeführt wird. Unter den Versuchen, die ich, ohne noch einmal den Inhalt der Stoltz’schen Arbeit studiert zu haben, mit Polytrichumblättern anstellte, finden sich nun einige, die Stoltz bereits vor mir ausgeführt hat. Ich brauche also nicht etwas, was Stoltz bereits vor mir veröffentlichte, als das Firgebnis meiner Bemühungen zu publizieren, habe auch nicht nötig, im Gegensatz zu den Gepflogenheiten eines meiner Opponenten, zu behaupten, ich hätte das, was Stoltz vor mir beobachtete und der Drucklegung übergab, schon vor ihm gefunden. Der Vollständigkeit halber werde ich die Versuche von Stoltz kurz aufführen. In einigen Punkten weiche ich von Stoltz ab. Er meint u. a. daß den seitlichen Teilen des Schwellgewebes keine aktive Bedeutung an dem Zustande- kommen der Blattbeugung zugeschrieben werden dürfe, weil sieh (liese auch einstelle, wenn man jene Partien wegschneidet. Beseitigt man näm- lich die Mittelrippe bis über das Schwellgewebe. so tritt trotzdem die Beugung der Spreite ein, was darauf hindeutet, daß bei der Bewegung das ganze Schwellgewebe beteiligt ist. Stoltz schildert auch das Verhalten der Polytrichaceenblätter bei Zuführung wasserentziehender Reagentien. Er legte turgeszente Stämm- chen in absoluten Alkohol und fand, daß die Gelenkbewegung so lange ausbleibt, als der Alkohol wirkt, daß auch die transversale Bewegung nicht eintritt, die Zurückkrümmung der Spreite aber «dauernd bei- behalten wird. Dieser letzte Passus kann zu der irrtümlichen Auf- fassung führen, als ob die Zurückkrümmung der Blattfläche den natür- lichen Zustand darstelle und dieser sich nicht ändere, sobald das Stämmehen in den absoluten Alkohol versenkt wird. Tatsächlich findet beim Fin- tauchen eine starke Rückwärtskrümmung statt, so daß man eine forma syuarrosa vor sich zu haben glaubt. An dem Ergebnis des von Stoltz 25* 376 Wilhelm Lorch, ausgeführten Versuches fällt nun vor allem auf. daß der absolute Alkohol als wasserentziehendes Mittel nicht eine Gelenkbewegung ver- ursacht, während Glyzerin diese unter sonst gleichen Uniständen doch sogleich hervorruft. Alkohol und Glyzerin werden seit jeher in der botanischen Mikrotechnik als wasserentziehende Mittel benutzt, ersterer ılient, besonders in seiner absoluten Konzentration. aber auch zur Ver- treibung von Luft und vor allem zur Härtung und Fixierung von Ob- jekten. Wird ein turgeszentes Polytrichumstämmehen, dessen Blätter also «die Feuchtstellung einnehmen, in absoluten Alkohol gebracht, so muß dieser, um ins Zellinnere vordringen zu können, erst «ie Mem- branen durchwandern. Auf seinem Wege mag er wasserentziehend wirken, in erster Linie härtet er aber das, was er durehilringt, und das sind die Wände. Er versetzt die Membranen, ohne sie zur Kontraktion kommen zu lassen, in einer Art Starrezustand. Die Art und Weise, wie sich die Schwellgewebezellen bei Wasserverlust verhalten, setze ich als bekannt voraus. Wenn aber die zarten Membranparticen des Schwell- gewebes, auf deren Nachgiebigkeit die Annäherung der stärkeren Wände größtenteils beruht, durch den eindringenden Alkohol in einen Starre- zustand übergeführt werden, so bleibt die Kontraktion des Sehwell- gewebes und damit «die Gelenkbeugung aus. Wenn nun, wie Stoltz zeigte, bei Stämmcehen. «die aus dem ab- soluten Alkohol in Glyzerin übergeführt wurden, «die Blätter in die Trockenstellung übergingen, wenn sich die Ränder einrollten, so möchte ich diesen Vorgang folgendermaßen erklären: Das Glyzerin hebt den (dureh den absoluten Alkohol geschaffenen Starrezustand auf, es wirkt. auf die Membranen wasserentziehend — denn absoluter Alkohol ent- hält auch Wasser, dazu kommt noch «das Wasser der Stämmehen selbst — und führt die Blätter in die Trockenstellung über. Für die richtige Deutung kommen später eintretende Rückwärtskrümmungen, Auf- rollungen und Übergang in die Feuchtstellung nicht in Betracht, das wesentliche der Erscheinung besteht in der Wirkung, die sich zuerst zu erkennen gibt. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der anfängliche Zustand der Rückwärtskrümmung, wie er sich beim Eintauchen in absoluten Alkohol zeigt, nicht erhalten bleibt. Die Unterseite der Spreite verliert allmäh- lich sehr bedeutend an Konkavität, schließlich tritt der Dauerzustand ein, das Blatt gleicht dann einem Haken, denn nur der obere Spreifen- teil ist gekrümmt. Verdünnt man den Alkohol, so nimmt auch der (‚rad der Krümmung ab, und bei starker Zufuhr von Wasser tritt überhaupt keine Krümmung mehr ein. Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 377 Beim Eintauchen eines turgeszenten Stännmchens von Polytrichum vommune L. 2. B. findet eine außerordentlich starke Luftblasenentwick- lung statt. Objekte, die ich in verdünnten Alkohol einführte, ent- wiekelten weit weniger Luftblasen, und diese waren überhaupt nicht mehr wahrzunehmen, sobald ein gewisser Grad der Verdünnung des Alkohols erreicht war. Aus «diesen Versuchen ziehe ich den Schluß, dab die Größe (der Rückwärtskrümmung von der Stärke des Alkohols abhängig ist. Bringt man Stämmchen, die in absoluten Alkohol gelegen haben, an die Luft, so führen tie Blätter in kürzester Zeit die Bewegung in die Trockenstellung aus (Versuch von Stoltz). Mit der Verflüchtigung des Alkohols hat die (rewebestarre der Schwellzellen zu existieren auf- gehört, letztere können sich wieder betätigen, d. h. die Membranen können in eigentümlicher Weise durch Kontraktion und Faltung sich in eine Lage bringen, als «deren unmittelbare Folge die Aufrichtung («der Spreiten angesehen werden muß. An den Gedanken, dab neben den Wänden auch dem Zellinhalt eine aktive Rolle zufalle, kann ich mich nicht gewöhnen. Die Frage, wie sich wohl die Blätter turgeszenter Stänmchen verhalten würden, nachdem die Protoplasten getötet worden waren, lag nahe, Ich kochte solche 15 Minuten lang in Wasser und darf wohl annehmen, daß «ladurch alle Protoplasten ihres Lebens beraubt wurden. In kochendem Wasser war an den Stämmchen keine Veränderung zu beobachten. An die Luft gebracht, verhielten sich die Blätter genau so wie solche unter natürlichen Umständen. Sogar Stämmchen, die ich in verdünnter Säure längere Zeit kochte, hatten die Fähigkeit, «ie Aufwärtsbewegung auszuführen, nieht eingebüht. Aus diesen Versuchen ergibt sich für mich, daß nur «die Mem- branen für die Deutung «der Erscheinung in Betracht kommen. Auch (die transversalen Bewegungen vollziehen sich bei gekochten Stämmehen genau so wie bei ungekochten. Wie ganze Stämmchenstücke verhielten sich auch die Blätter, die Verbindung der letzteren mit der Achse übt also keinen Einfluß aus. Wie schon erwähnt, führt Stoltz „die Flächenvergrößerung“ (des Schwellgewebes „hauptsächlich auf @uellung der Zellwände* zurück. Er schließt dies aus dem Vorhandensein von Luftblasen „in «den Zellen des Schwellgewebes im Blattgelenk.“ In der Tat läßt sich bei An- wendung gewisser Reagentien das Erscheinen und Austreten grober Luftbiasen sehr gut feststellen. Sie schaffen Platz für die sich bei Wasserverlust nähernden Membranen. BYE, Wilhelm Lorch, Versuche. Wollte man beliebige Stücke aus einem lose auf dem Objektträger liexenden Blatt von Polytrichum commune herausschneiden, so stellten sich diesem Vorhaben sehr erhebliche Schwierigkeiten in «den Weg. Da Scheide und Spreite des turgeszenten Blattes einen Winkel bilden — mit trockenen Blättern war gar nichts anzufangen — so konnten ver- mittelst eines Skalpells keine zum Experiment tauglichen Objekte erzielt werden, weil beim Ansatz des Messers (das Blatt fast stets aus der ge- wünschten Lage herausrückte. Ich nahm deshalb zu einer anderen Methode meine Zuflucht, (ie sich gut bewährte. Auf einem Objektträger ließ ich ein wenig Paraffin zergehen und verteilte es darauf als dünne Schicht. Zuvor wurde ein Stämmchen von Polytrichum commune quer durchschnitten, es fielen geeignete un- beschädigte Blätter in genügender Anzahl ab. Reißt man dagegen Blätter, indem man sie mit der Pinzette an (der Spreite faßt, ab, so erhält man stets lädierte Objekte. Während nun mit der linken Hand las Paraffin über einer Flamme verflüssigt wurde, legte ich sofort ein noch turgeszentes Blatt so auf die flüssige Masse, daß die ventrale Seite nach unten zu liegen kam, und indem ich das Objekt an den Objektträger andrückte und möglichst auszubreiten versuchte, brachte ich durch Anblasen das Paraffın schnell zur Erstarrung. Es mußte, dla die losen Blätter rasch durch Verdunstung des Wassers schrumpften, ılas Auflegen in kürzester Zeit vorgenommen werden, denn angefeuch- tete Blätter ließen sich aus naheliegenden Gründen nicht verwenden. Von dem adhärierenden Paraffın wurden die Schnitte dureh längeres Verweilen in Xylol befreit. Alsdann gelangten sie in Wasser, worin sie ball ihre Turgeszenz wiedererlangten. A. Versuche mit Teilen des ganzen Blattes. 1. Versuch. Durch Längsschnitte zu beiden Seiten der Rippe wurden die Laminarpartieen der Spreite und Scheide bis über das Schwellgewebe hinaus aus dem Verbande der Rippe gelöst, so daß der untere Blatteil in drei nebeneinander liegende Abschnitte zerfiel. Das Verhalten dieser drei Teile konnte nun bei Eintrocknung leicht beobachtet werden. Zuerst führten die einschichtigen Scheidenteile, indem sie sich gleichzeitix etwas nach außen bewegten, die Drehung nach oben aus. In diesem Zustand bildeten die Scheidensäume sowohl mit der Rippe, als auch diese mit «ler Spreite einen Winkel. Später führte auch die lippe eine entsprechende Bewegung aus. Hiernach scheint es, daß bei der Aufwärtsbewegung des Blattes die Rippe verzögernd wirkt, da Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 379 aus ihr als einer größeren Zellmasse das Wasser langsamer entweicht, als aus (den beiden einsehichtigen Säumen. Jedenfalls steht fest, «daß die Flanken sich um eine Achse (drehen, die aus Schwellgewebe besteht. H. Versuch. Nach der angegebenen Methode wurden größere Laminarpartieen, aus Scheide und Spreite bestehend, mit Ausschluß des oberen Drittels der Spreite, seitlich an der Rippe weggeschnitten. Der Austrocknung überlassen, trat die Streckung beider Teile ein, sie drehten sich um das Schwellgewebe als Gelenk. Sie schrumpften als hin- und hergebogene Flächen zusammen. Biegungen von ganz gesetz- mäßiger Art, wie sie unverletzte Blätter bei Eintrocknung ausführen, traten also nicht ein. Aus dem Verbande der Rippe gelöst, verhalten sich die Laminarteile demnach ganz abweichend. Die Rippe wirkt dem- nach gestaltgebend. III. Versuch. Nach Beseitigung der Scheide wurden aus den breiteren unteren Teile der Spreite durch Kratzen die Lamellen, sowie das tiefer gelegene Gewebe beseitigt, so daß nur die starke Epidermis der Rückenseite mit aufstehenden Wänden übrig blieb. Das Objekt rollte sich zu einem Hohlzylinder zusammen, dessen Längsachse der des Blattes entsprach. Also tie inhomogene Wand für sich allein führte eine Zusammenrollung aus. Andere Wände und Protoplasma waren nicht erforderlich. Die Kohäsionsmechanik versagt vollständig. B. Versuche mit Teilen der Spreite. I. Versuch. Vom lamellenlosen, einschichtigen Saume eines frischen Blattes schnitt ich einen sehr schmalen Streifen ab, legte ihn in Wasser und überließ ihn «darauf der Austrocknung. Er rollte sich sehr stark spiralig zusammen, oft so, daß zwei volle Spiralen vorhanden waren. Der geringste Hauch genügte, um die Bewegung teilweise rückgängig zu machen, d. h. «das Objekt dem früheren gestreckten Zu- stand entgegenzuführen. Es ist nun auffällig, daß die Zuführung von Wasserdampf in Form eines Hauches genügt, um die Aufrollung zu bewirken. Es ist nicht anzunehmen, daß das durch den Hauch zuge- führte Wasser erst seine Wirkung äußerte, wenn es bis zum Zellinneren vorgeilrungen war. Die Membranen werden zuerst getroffen und rea- gieren sofort. Es ist also nicht einzusehen, warum zur Erklärung der Erscheinung irgen« welche Kräfte, die im Innern der Zellen ihren Sitz haben sollen, herangezogen werden müssen. ]l. Versuch. Dem zusammengerollten Blatteil wurde Wasser zugeführt. Mit der soeben mitgeteilten Tatsache, daß die Membranen die kontrahierenden Kräfte enthalten, schien dieser Versuch insofern in SO Wilhelm Lorch, Widerspruch zu stehen, als bei Zusatz von Wasser zunächst eine wei- tere, sehr beträchtliche Zusammenrollung und erst später die Aufrollung in die Anfangslage stattfand. Durch das Eindringen des Wassers wer- den nach meiner Ansicht die Wände nacheinander infiltriert, und da die äußeren Teile der letzteren einen Vorsprung besitzen, so gibt sich dieser zunächst in einer stärkeren Zusammenrollung zu erkennen. Erst, wenn das Wasser überall in den Membranen vorhanden ist, kommt. die verschiedene Quellungsfähigkeit derselben zur Geltung, als deren Folge die Rückkehr in (lie normale Lage anzusehen ist. An eine Beteiligung des /ellinneren, an Adhäsionskräfte wud solche anderer Art glaube ich nicht. Aus diesen beiden letzten Versuchen geht meines Erachtens aber auch hervor, daß Teile, die aus dem Verbande des Blattes von Poly- triehum eommune herausgenommen werden, sich anders verhalten, als im Verbande selbst. Es sind also Zellen oder Gewebe vorhanden, die es verhindern, daß eine Bewegung über eine gewisse (irenze hinaus eintritt. Ich zweifle nicht daran, daß die starken Stereome «les Blattes sich hindernd in den Weg stellen, denn die unversehrte Spreite rollt sich auch nieht im entferntesten so stark zusammen, wie ein entsprechend langes Fragment. III. Versuch. Schneidet man nämlich aus der Spreite ein der Achse parallel gehendes Stück, das auch Teile der Stereome enthält, heraus, so treten wohl bei Wasserverlust Verbiegungen ein, niemals aber kommt es zu einer Zusammenrollung. IV. Versuch. Lufttrockene Objekte, wie sie bei Versuch III zur Verwendung kommen, verhalten sich bei Zuführung von Wasser genau wie «die bei Versuch II benutzten. Es findet also auch hier zunächst eine Zusammenrollung, dann aber die Rückkehr zur normalen Lage statt. V. Versuch. Mediane Längsschnitte durch die Spreite, die außer Lamellen Teile der beiden Sklerenchymplatten enthalten, ließ ich auf dem Objektträger austrocknen. Den Verbiegungen nach der Seite ge- sellen sich noch Drelungen um die Längsachse hinzu. Es ist unmög- lieh, einen Schnitt zu erhalten, der außer den Sklerenchymplatten nur eine unversehrte Lamelle besäße, der Sehnitt ist also immer ein wenig schief und enthält Abschnitte mehrerer Lamellen. Darauf ist die se- kundäre Achsendrehung zurückzuführen. Bereckt man einen frischen Längsschnitt mit einem Deckglase, so adhäriert er meist so fest am Glase, daß er bei Eintrocknung ein ganz anderes Bild darbietet, als wenn er unbedeckt der Austrocknung überlassen wird. Um nun zu erfahren, nach welcher Seite ein solcher Schnitt ansbiegt, um also die Torsion um die Längsachse auszuschalten, Der feinere Bau nnd die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 381 wurde er in frischem Zustand so auf den Objektträger gebracht. daß das ihn bedeekende Deckglas eiwas über des letzteren Rand hinaus- ragte. Das Deckglas konnte so leicht mit einer Nadel gehoben und fallen gelassen werden. Nachdem durch geringe Erwärmung das Wasser verflüchtigt war, ließ ich im geeigneten Augenblicke «das Deckeglas fallen, wodureh dem Objekt gleiehsam eine seitliche Bewegung aufgezwungen wurde. Es zeigte sich, dab der Schnitt an der Rückenseite eine Aus- buchtung erhielt. Die Lamellen für sich verhalten sich bei Eintrock- nung Ähnlich, nur liegt bei ihnen der Bogen an der entgegengesetzten Seite, also da, wo die Endzellen einen starken Saum bilden. Der La- mellenbogen wirkt zweifellos der Konkavität des ganzen Sehnittes an der Rückenseite entgegen, denn lamellenlose Schnitte führen sehr starke seitliche Krümmungen, wie Versuche ergaben, nach der dorsalen Kante aus. Unverletzte, am Stämmehen befindliche Blätter sowohl, als auch losgelöste, ebenfalls (die Spreite für sich allein lassen aber bei Verlust ıdes Wassers zunächst eine durchaus gleichmäßige Krümmung an der Blattoberseite erkennen, ein Moment, das mit dem Ergebnis des zuletzt. geschilderten Versuches in Widerspruch zu stehen scheint. Tatsächlich ist aber solcher nicht vorhanden, denn meiliane Blattlamellen der Spreite müssen sich anders verhalten als ganze Spreiten, weil bei diesen noch (die besondere Wirkung des Blattsaumes und auch (ie des gefestigten Blattrandes in Rücksicht zu ziehen ist. Sobald die Eintrocknung be- ginnt, stellt sich auch «lie transversale Bewegung ein, die es verhindert, daß die Spreite sich nach der Rückenseite hin umbiegt. Wir erhalten bei eintretenden Wasserverlust «durch die Aufbiegung der Seitenteile des Blattes einen Hohlzylinder, dessen Öffnung nach oben liegt und aus naheliegenden Gründen eine Rückwärtsbiegung des Blattes ver- hindert. Ich möchte hier noch besonders auf das optische Verhalten der Randbezahnung hinweisen. Die aus einer, zwei oder selbst drei Zellen gebildeten Zähne leuchten bei gekreuzten Nicols bei einer be- stimmten Stellung mit den Wänden «der Nachbarzellen sehr hell auf, was von den übrigen benachbarten Membranen nicht gesagt werden kanı. Die Zähne erscheinen also wirklich in einem „eigentümlichen Lichte“, das geeignet ist, über ihre Bedeutung Licht zu verbreiten. Nach der Scheide nehmen die Lamellen — und dies gilt für alle Polytrichaceen — ganz allmählich ab, d. h. sie werden niedriger und verschmelzen schließlich mit den Zellen des Schwellgewebes, über das sie nie nach unten hinausgehen, woraus ich schließe. daß die Lamellen und das Schwellgewebe in einer mechanischen Beziehung zueinander stehen. Es darf auch «ie Tatsache, daß die seitlichen Lamellen unten 382 Wilhelm Lorch, nach beiden Seiten hin auseinanderweichen und auf die lateralen Schwellgewebepartien übergehen, nicht übersehen werden. Zweifellos erhalten die Lamellen dadurch einen größeren Aktionsradius und werden in den Stand gesetzt, auch die in den seitlichen Schwellgewebemassen ruhenden Kräfte auf die oberen Blatteile zu übertragen. Wenn also die Schwellgewebezellen ihr Lumen verringern, so werden auch die auf ihnen stehenden Lamellen bzw. deren Endzellen gezwungen, an dieser Bewegung, die eine Verkürzung bedeutet, teilzunehmen. Es lassen sich zwei Ausbildungsformen des Schwellgewebes unter- scheiden, ein solches im engeren Sinne, wie es uns bei allen einhei- mischen Polytrichum- und Pogonatum-Arten, außerdem bei sämtlichen Dawsonia- und Lyellia-Formen, bei Rhacelopus und «den meisten Poly- triehadelphus-Spezies entgegentritt, und ein solches im weiteren Sinne, wie es hauptsächlich bei sehr zahlreichen Iıygrophilen Polytrichaceen feuchtwarmer Gegenden der Erde anzutrefien ist. Während die Ver- treter der ersten Kategorie eine sehr deutliche Trennung des Blattes in zwei Teile, in eine bewegungsfähige Spreite und eine das Stäinmchen als Halbzylinder umfassende Scheide, an deren Übergang zur Spreite sich «das typische Schwellgewebe einschiebt, unterscheiden lassen, ist dies bei den zur zweiten Kategorie gehörigen Formen nicht der Fall. Man kann im Grunde genommen nicht behaupten, daß die in die erste Kategorie zu stellenden Arten einen höheren Grad der Organisation in bezug auf das Schwellgewebe besäßen, denn sie geileihen unter ganz anderen klimatischen Bedingungen, als die in der zweiten Kategorie zu vereinigenden Formen. Alle sind also in ihrer Art vollkommen und den äußeren Verhältnissen in jeder Beziehung vortrefflich angepaßt. Das typische Schwellgewebe unserer einheimischen Polytrichuni- und Pogonatum-Arten ist stets aus mehreren Zellschichten aufgebaut. Von Dawsonia, Lyellia, zahlreichen Polytrichadelphus-Arten gilt dasselbe. Auch «die meisten, in der ersten Kategorie unterzubringenden Formen, von denen ich viele untersucht habe, besitzen ein mehrschichtiges Schwellgewebe. Wesentlich anders verhalten sich die Vertreter der weiten Kategorie, bei denen nur eine Schicht schwellgewebeähnlicher Zellen sich nachweisen läßt. Es darf nieht unerwähnt bleiben, daß die Zellen «der Spreitensäume, also die nicht mit Lamellen bedeckten Ab- schnitte, durchaus einen schwellgewebeähnlichen Charakter zeigen. Man kann sich leicht durch einen einfachen Versuch von der Sprödigkeit des echten Schwellgewebes überzeugen. Führt man ver- Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 383 Se mittelst eines scharfen Messers Schnitte in das Schwellgewebe aus, so ist dieser Vorgang stets mit einem eigentümlichen Geräusch, das auf die große Sprödigkeit der Wände schließen läßt, verbunden. Legt man ein ganzes Blatt so auf die Öhjektträger, daß die Oberseite nach oben gerichtet ist, und zwingt man durch Auflegen eines Deckglases Scheide und Spreite in eine unnatürliche Lage — denn im wasser- durchlrängten Zustand bilden Scheide und Spreite einen Winkel — so zeigen sich oft Quer- und Längsrisse, die nicht auftreten würden, wenn die Membranen weniger spröde wären. Ich habe früher darauf hingewiesen, daß die Sprödigkeit des Gewebes an tiefer gelegenen Blättern größer ist, als an den der Stämmcehenspitze zunächst gelegenen, daß auch das Schweilgewebe an unteren Blättern eine bräunliche Farbe besitzt, während es an den oberen Blättern noch grünlich schimmert. Die Zellen des Schwellgewebes sind durchweg in Reihen ange- ordnet, «die der Blattachse gleichgerichtet sind. Die Einheitlichkeit des Gewebes wird aber sehr oft durch eigentümliche Zellgruppierungen gestört, von denen ich annehme, SS UL dab ihnen bei Eintrocknung eine besondere Rolle ) zufällt, die darin besteht, daß sie abweichend von dem übrigen Schwellgewebe nicht in longitudinaler, UN) sondern in transversaler Richtung wirken (Fig. 2 u. 7). ® Am deutlichsten tritt die reihenförmige Anordnung v der Schwellgewebezellen hervor, wenn man Glyzerin . ir FB unlletän die zusetzt, das eine Kontraktion bis zum vollständigen Fig. 2. Polytriehum Schwund des Lumens veranlaßt. Heller aufleuch- commune L. ; En va Anormale Anord- € A [28 tende, aus den dicken W änden bestehende Züge nung von Sehwell- zeigen sehr deutlich die reihenförmige Anordnung gewebszellen. (siehe Fig. 8). Stellt man bei Anwendung mittelstarker Objektive auf die (dor- salen Außenwände der an das scharf abgesetzte Schwellgewebe stoßen- den, chlorophyllarınen, gestreckten, hellen Zellen der Scheide em. so treten bei Polytrichum commune zahlreiche Wandverdiekungen auf, die in der Längsrichtung der Wand verlaufen und an Zahl nach dem Schwellgewebe hin zunehmen. Bei dieser Art sind ca. 5—6 Zellen, vom unteren Rande «les Sshwellgewebes ab gerechnet, mit derartigen Membranverdickungen ausgestattet. Nicht nur die Zahl, sondern auch die Breite der Wandverstärkungen nimmt auf das Schwellgewebe hin zu. Bei Polytrichadelphus croceus finden wir an den entsprechenden Membranen eine außerordentlich große Zahl punktförmiger Verdickungen, man hat den Eindruck, als ob sehr viele Sandkörnchen auf die Wände 384 Wilhelm Lorch, gestreut worden seien, An der Epidermis der gegenüberliegenden Seite ist aber von derartigen Membranverstärkungen nichts zu bemerken. Bei dem Übergang zum Schwellgewebe scheinen die Verdiekungen zu verschwinden, an manchen Stellen ist aber auch oline irgendwelche Authelhing oder Färbung festzustellen, dab diese Membranverstärkungen sich in das Schwellgewebe fortsetzen. Durch Einstellung auf die Ober- und Umterseite des Schwellgewebes — die Mehrschichtigkeit desselben erschwert «die Beobachtung außerordentlich — sieht man, daß in erster Linie die Außenfläche der Rückenseite mit einem System starker, paralleler Wandverdliekungen versehen ist. Ganz besonders deutlich treten (diese Verdiekungen z. B. an den Wänden der schwellgewebeähnlichen Zellen von Polytrichum purpurascens hervor. Man hat zuerst den Eindruck, als oh Plasmodesmenverbindungen vorlägen. Bei gekreuzten Nicols und voraufgegangener Tinktion mit irgend einem Farbstoff sieht man, wie eine Anzahl schwärzlicher Linien über die Fläche dahinzieht. Poly- trichum piliferum. nano-globulus (Fig. 3), tubereulosum und viele andere 2 > oc Ah Fig. 3. Polytrichum nano- C_) C elobulus ©, M. , a Schwellgewebezellen, ein- gestellt auf die Mitte. & Schwellgewebezellen bei hoher Einstellung. AR habe ich genau untersucht und überall die gleichen Verhältnisse vor- gefunden. Anus alledem ergibt sich, daß die Ober- und Unterseite des Schwellgewebes erheblich voneinander abweichen. Die Annahme, dab bei Eintrocknung beide Flächen sieh durchaus verschieden verhalten, hat also sehr viel für sich. Ich nehme an, daß diese Verdickungen dem Schwellgewebe den Rücken stärken, so daß die stärkeren Kon- traktionen, «die größere Annäherung der Wände an der Oberseite des Schwellgewebes vor sich geht. Da es sich um recht winzige Diffe- renzen handelt, so kann man sich von Messungen nichts versprechen, ein geringes Plus an der Oberseite reicht aus, um eine Aufwärts- bewegung des Blattes in die Trockenstellung hervorzurufen. Auch die Anordnung der Zellen im mehrschichtigen Schwellgewebe ist eine höchst eigenartige. Über die einschlägigen Verhältnisse orien- tiert man sich am besten, wenn man vom einschichtigen Rande her Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 385 diie Zunahme der Schichten nach der Rippe hin beobachtet. Als Unter- suchungsobjekt eignet sich vortrefflich Polytrichum commune. Legt man ein Blatt dieser Art mit der Rückenseite auf den Objektträger, so entstehen zu beiden Seiten «er Gelenkstelle zwei starke Falten, die von den oberen Teilen des einschichtigen Gewebes der Spreite gebildet werden. Es wäre aber durchaus verfehlt, wenn man aus der Existenz der Falten bei einem flach auf dem Objektträger ausgebreiteten Blatte, das unter dem Drucke des Deckelases steht, irgend einen Schluß betreffs der Mechanik «der Spreitenbewegung herleiten wollte, denn die geschilderte Lage entspricht nicht den natürlichen Verhältnissen «des Blattes, das. wie bekannt, in seinem scheidigen Abschnitt die Gestalt eines halben Hohlzylinders besitzt. Der untere Rand des zu beiden Seiten der Rippe gelegenen Schwellgewebes ist ebenfalls halbkreisförmig und ver- hältnismäßig scharf. Es gelingt leicht, das Stämmehen so zu durch- schneiden, «daß man ein vollständig freistehendes Blatt erhält, an dem sich, sobald das Wasser verdunstet, unschwer feststellen läßt, daß jene Falten normalerweise nicht zustandekommen. Unter «der Lupe erscheint das Schwellgewebe als fettig glänzende Schieht, es ist an seiner Oberfläche gewölbt und macht durchaus den Eindruck eines schwieligen Wulstes. An den Rändern ist es krempen- artig umgebogen. Die untere Fläche des Schwellgewebes springt, was für die Wirkungsweise desselben sehr ins Gewicht fällt, dagegen nirgends vor, sie ist vollkommen glatt, von einer Vorwölbung an der Blatt- rückenseite ist also nichts zu bemerken (Polytrichum commune). Da, wo die Ränder von Scheide und Spreite sich nähern, ist ein Zwickel sehr zartwandigen, einschichtigen, chlorophylifreien Gewebes eingeschoben. Stoltz'!) hatte sich durch den Versuch davon überzeugt. dab die Gelenkbewegung auch vor sich geht, wenn man die seitlichen Schwellgewebeschichten beseitigt. Er erblickt „die Bedeutung des seit- lichen Schwellgewebes hauptsächlich darin, daß es für die auszuführende Bewegung (den nötigen Spielraum schafft“, denn, so folgert er weiter, „ebensowenig als ein rinnenförmiges Blechstück oder Kartenblatt quer eingeknickt werden kann, ohne Deformation oder Zerreißung, ebenso- wenig würde das rinnig gerollte und mit der rinnenförmigen Scheide fest verbundene Blatt durch den Druck an «der Oberseite «der Mittel- rippe geknickt werden können, wenn nicht das die Verbindung mit der Scheide vermittelnde Blattgewebe (durch selbständige Flächenvergrößerung dem Zuge der sich beugenden Mittelrippe nachgäbe“. Obwohl diese 1) Flora 1902, Heft 2, pag. 313 n. 3H. 386 Wilhelm Lorch, Darlegung sehr viel Bestechendes in sich trägt, so habe ich doch mancherlei Bedenken gegen sie. Vor allen Dingen bleibt es noch immer unaufgeklärt, wie es mög- lich ist, daß in der Mittelrippenpartie die Drehung zustande kommt. Stoltz ist der Meinung, „daß «das Vorhandensein eines Schwellgewebes die wirkefide Ursache“ der Gelenkbewegung ist, womit gesagt sein soll, laß diese Bewegung in der Übergangsgegend von Scheide zu Spreite sich ändert, sobald «as Schwellgewebe fehlt. Beobachtet man nun mit starker Lupe ein frei am Stämmchen stehendes, der Austrocknung ent- gegengehendes Blatt, so sieht man. daß die Blattränder, die zuerst ihre Feuchtigkeit einbüßen, sich nach oben und innen umschlagen in der Weise, daß der Vorgang von der Spitze nach der Spreitenhasis sich vollzieht, indem sich gleichzeitig eine sehr starke Krümmung an der Blattoberseite bemerkbar macht. Die Spreite nähert sich also bei Ver- lust des Wassers immer mehr der hohlzylindrischen Form der Scheide, die dauernd erhalten bleibt. Nach meiner Ansicht wird nun hierdurch bereits ein auf die Gelenkhewegung wirkender, günstiger Einfluß aus- geübt, indem auch hier mehr die hoblzylindrische Gestalt zur Geltung gelangt. Es dürfen aber auch folgende Punkte nicht außer acht ge- lassen werden. Es ist zu berücksichtigen, daß sich nach unten hin, besonders aber von «er Gelenkstelle ab, die Stärkeverhältnisse der beiden Sklerenchymplatten in der Weise sich ändern, daß der Umfang der dorsalen Platte sich beieutend verringert. Als weiteres Moment kommt in Betracht, daß die Lamellen sich über die Gelenkstelle der Rippe fortsetzen, während («ie seitlichen schon weit oben in die seit- lichen Schwellgewebsmassen, also in großer Entfernung von der Ge- lenkstelle ihr Finde erreichen. Die Kontraktion der Sehwellgewebezellen, verbunden mit der im den Fndzellen der Lamellen liegenden Kraft, reicht wohl nun aus, um an dieser geschwächten Gelenkstelle «ie Über- biegung zu vollbringen. Ich möchte also «doch, im Gegensatz zu Stoltz, eine rein mechanische Überbiegung im Rippenteil annehmen. Die Aufgabe der seitlichen Schwellgewebemassen muß «doch eine andere als die von Stoltz vermutete sein, denn es ist nieht einzu- sehen, warum ein Gewebe von vanz besonderer Art, wie es doch das Schwellgewebe ist, nun diese Rolle des Ausgleichs übernehmen soll. Durch den Versuch ist festeestellt, daß Länesschnitte dureh (die Seiten- teile des Blattes sich an der Gelenkstelle bei Wasserverlust strecken. An der Aufwärtsbewegung des Blattes ist es sicher beteiligt, wenn auch wohl nur in geringerem Maße. Die seitlichen Schwellgewebe- partieen Begen nun zum überwiegend größten Teile im Spreitenabschnitt Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 387 des Blattes. Seine Zellenzüge erstrecken sich, von («den Lamellen her betrachtet, in radialer Richtung nach der Gelenkstelle hin. Es sieht so aus, als ob es die in ihm liegenden Kräfte durch «die Lamellen auf (lie Blattspreite übertrüge. Ich will aber hiermit nur eine Vermutung ausgesprochen haben, denn einen experimentellen Nachweis zu erbringen, halte ich mit Rücksicht auf die Kleinheit (les Objekts für sehr schwierig, wenn nicht gar für ausgeschlossen. Die Zusammenziehung, welche das Schwellgewebe bei Eintrocknung in seitlicher Richtung erfährt, ist aber eine sehr geringe, darf auch nur eine solche sein, weil sonst der Halb- zylinder der Scheide in seinem oberen Teile zusammengezogen würde, was aus anderen Gründen nieht als vorteilhaft angesehen werden kann. Ich bin «der Ansicht, «daß die seitlichen Schwellgewebezellen vor der über der Rippe liegenden in Funktion treten. Aus der Rippe entflieht das Wasser erst schr viel später als aus den seitlichen Blattpartien, wie man ja leicht an der Bewegung der dünnen Laminarteile der Spreite u. a. erkennen kann. Da die Ränder der seitlichen Schwellgewebepartien, wie bereits erwähnt, krempenartig umgebogen sind, so ist es unmöglich, über die Anordnung der Zellen ins Klare zu kommen, wenn man nicht kleinere Komplexe herausschneidet und sie unter dem Drucke des Deckglases beobachtet. Bei Polytriehum ceommune bildet ein aus ein bis ca. drei Zellreihen zusammengesetztes einschichtiges (sewebe (en Rand (les Schwellzellenkomplexes (Fig. 4); die Saunızellen bieten kein besonderes Interesse dar, «die Gegend. wo (das _( Schwellgewebe be- III ginnt, ist sofort an o.= a der wechselnden ® SÖIID Dicke der Membra- ) nen und an der = O5 eigentümlichen Lage, welche die Zellen zu einander einneh- N) ) A, Kir . ig. 5. men, leicht zu er- SI) Polytriehum kennen (Fig. 4). Hin ® N eommune L. . " . Blattrand in und wieder schließt () der Schwell- sich auch eine zwei- Fig. 4. Polytrichum eomnmne IL. schichtige Zellage an Blattrand in der Schwellgewebezone. R on Einschichtiger Rand aus mehreren Zell- den aus einer Zell- reihen bestehend (3). weiter nach rechts reihe aufgebauten Schwellgewebezeilen. geweberegion. 388 Wilhelm Lorch, Rand an. Stellt man nun höher und tiefer auf das Objekt ein, so läßt sich unschwer feststellen, daß die oberen Zellen des zweischichtigen Komplexes etwas über die Zellen des einschichtigen Randes übergreifen, und zwar so, daß je eine der oberen Zellen zwei Randzellen zum Teil bedeekt (Fig. 5). Verschiebt man das Objekt langsam in der Richtung anf die Rippe hin, so kann man bei weiterer Schichtenzunahme eine ähnliche Lagerung der oberen Zellen konstatieren. Die Lage der Schwellgewebezellen zu einander, in erster Linie aber «die Beschaffenheit der Membranen, setzt das Schwellgewebe in den Stand, die Bewegungen auszuführen, die wir bei Verlust der Feuchtigkeit beobachten. Die im Mikroskop auftauchenden Bilder können ohne Schwierigkeit in einer Zeichnung festgehalten, die Wirkungsweise ler Membranen im Einzelfall jedoch nicht beschrieben werden, wenn man der Natur keinen Zwang antun will, denn es ist unmöglich, fest- zustellen, daß in einem gegebenen Falle die eine Wand sich in dieser, die andere sich in jener Richtung verkürzt. Das ganze Schwellgewebe ist mit einem äußerst komplizierten Gebäude zu vergleichen, das sehr zahlreiche größere und kleinere Zimmer besitzt, dessen Wände, die zweifellos auch materiell verschieden sind, alle bei Wasserverlust einen Zug aufeinander ausüben, so dab im Zustand der Trockenheit alle Räumlichkeiten des (ehäudes gestaltlich in nichts mehr an den früheren Zustand erinnern. Wie es scheint, werden aber («die einzelnen Stock- werke «des Schwellgewebegebäudes bei der Kontraktion nicht gleich- mäbig in Anspruch genonmen. In meiner Schrift „Einige Bewegungs- und Sehrumpfungserscheinungen usw.® habe ich auf pag. 95 hinsichtlich (les Schwellgewebes von Polytrichum conmune, das in seiner größten Dicke 4—5 Zellschiehten erkennen läßt, darauf hingewiesen, «daß wohl nur die oberen Zellen als Schwellgewebe in Betracht kämen. Diesen Standpunkt muß ich aber auf Grund neuerer Beobachtungen verlassen und dahin korrigieren, daß auch die übrigen Zellen an der Zusammen- ziehung beteiligt sind. Die größeren Zellen in der Mittelschicht des Schwellgewebes dieser Art (siehe Fig. 19 pag. 95) können als Analogon zu den weitinmigen Deutern «der Blattrippe aufgefaßt werden, eine Ver- mutung über ihre Funktion möchte ich aber nicht äußern. Auf einen anatomischen Unterschied im Bau der oberen und unteren Epidermis des Schwellgewebes habe ich bereits früher hinge- wiesen. Es ist noch naehzutragen, daß die untere Epidermis die obere an Dicke meist. nicht unbedeutend übertrifft, zu den schon erwähnten Wandverdiekungen tritt also noch «ie Membran selbst als tissu de re- Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 3809 sistance hinzu. Auch sind die Lumina der dorsalen Epidermiszellen weit größer, als die der oberen. Bei Polytrichum usambarieun Broth. ist ein typisches Schwell- gewebe nieht ausgebillet. Scheide und Spreite sind nicht, wie z.B. bei Polytrichum commune L. als besondere Blattabschnitte zu unter- scheiden. Es ist aber ein Gewebe vorhanden, das man als schwell- gewebeähnlich bezeichnen kann. Dieses Gewebe nimmt eine beileutende Fläche der unteren Blattpartie ein und unterscheidet sich, was die Ge- stalt der Zellen anbelangt, «nrchaus nicht von «den Elementen, welche die einschichtigen Säume der oberen Laminarteile zusammensetzen. (segenüber wasserentziehenden Reagentien, 7. B. Glyzerin, verhält es sich genau so wie das echte Schwellgewebe von Polytrichum eommune. piliferum, von Dawsonia, Lyellia u. a. Die Kontraktion erfolgt aber hier, wie man unter dem Mikroskop seutlich verfolgen kann, vornehm- lich in der Richtung senkrecht zur Längsachse, also im Gegensatz zu der von Polytrichum eommune u. a, das sich, wie bekannt, in (der Richtung «ler Längsachse zusammenzieht. Es läßt sich aber auch bei Polytrichum usambaricum eine weniger bedeutende Zusammenziehung parallel zur Längsachse konstatieren. _ 4 Polytrichum usam- baricam Broth. x a Gewebe im ge- H schrampften IN ? Zustand. 5 Gewebe im feuch- ten Zustand. Die entsprechenden Zellen sind dureh übereinstimmende Zeichen kenntlich oO gemacht. [“ Eine Vergleichung der Fig. 6@ und 5 mag ılartun. daß mit der Schrumpfung eine sehr bedeutende Verkleinerung und Gestaltänderung des Zellumens verbunden ist. Ohne weiteres ersieht man aus Fig. 6. daß die Querkontraktion, verglichen mit der Zusammenziehung in der 26 Flora, Bd. 101. 390 Wilhelm Lorch. Längsachse des Blattes, überwiegt. Man wird erstaunt sein darüber, daß die zuvor viel schmäleren Membranen nach Einbuße des Wassers an Breite ganz bedeutend gewonnen haben. Bei verschiedener Ein- stellung an frischem Material beobachtet man, daß die Wände nach der Unterseite hin nicht unbeträchtlich an Dicke zunehmen. Dasselbe Resultat ergibt sich, wenn man das Objekt umdreht und nun die Stärke der Membranen an der Unterseite mit der an der Oberseite vergleicht. Die Membranen schrumpfen, wie es sich von selbst versteht, besonders nach zwei Richtungen zusammen, in seitlicher Richtung und von oben nach unten. Au der Rückenseite liegen aber die schon früher er- wähnten parallel der der Längsachse des Blattes verlaufenden Ver- dickungsstreifen, die verhindern, daß am Rücken eine ebenso große — Kontraktion wie an der Oberseite I er stattfindet, einer seitlichen Zusammen- ziehung bieten jene Membranleisten N N aber kein Hindernis dar. Ob die ) Epidermiswände der Rückenseite nicht DI stärker sind als die ventralen, habe ich aus Mangel an Material nicht fest- > stellen können. Auch bei dieser Art beobachtet man im Schwellgewebe — () Zellenkomplexe, deren Zellen durch ihre Größe, Gestalt und sehr eigen- ) __) tümliche Orientierung der Wände von den benachbarten Elementen abweichen (siehe die mittleren zwei Zellreihen von Fig. 7). = Es schien mir von Interesse zu 07 sein, etwas Näheres über das Verhalten . des Schwellgewebes im polarisierten Fig. © Polytrichum usambaricum Lichte und über die Lage der opti- schen Elastizitätsellipsen der Schwell- gewehezellwände und anderer Membranen in Erfahrung zu bringen, zumal erwartet werden durfte, daß beim Auftreten von Additions- und Subtraktionsfarben die Anisotropie der Membranen besonders klar hervortreten werde, eine Vermutung, deren Richtigkeit ich durch die Untersuchung nach jeder Richtung hin bestätigt fand. Stärkekörner der Kartoffel, des Weizens, der Bohne u. a. sind bekanntlich doppeltbrechend, bei Anwendung der Interferenzfarbe Rot > Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. 391 I. Ordnung liefern sie, fall» «das Gipsplättehen mit den Polarisations- ebenen einer der gekreuzten Nicols einen Winkel von 45° bildet, ein «dunkles Kreuz, das in der Lage seiner beiılen Balken mit den Polari- sationsebenen «der gekreuzten Nieols koinzidiert. Die Zwischenräume zwischen den Ästen «des Kreuzes erscheinen abwechselnd in der Addi- tionsfarbe Blau und in der Subtraktionsfarbe Gelb. Die Richtung der blauen Quatlranten der Stärkekörner ist nun die Richtung der längeren, ılie Richtung der gelben (madranten die Richtung der kürzeren Achse der Elastizitätsellipse des Gipsplättchens. Die Wänie der Schwellgewebezellen, die diekwandigen Membranen der Blattstereome stimmen. was (ie Lage der Rlastizitätsellipsen anbe- langt. nicht mit den Stärkekörnern überein; es gilt für sie, was Stras- burger in seinem „Praktikum“ auf 8. 239 u. 240 über das Verhalten des Kiefernholzes im polarisierten Lichte sagt. Es ist nämlich „die längere Achse der optischen Elastizitätsellipse tangential, die kürzere radial gerichtet“, während für die Stärkekörner das Umgekehrte zutrifft. Bei manchen, hesonders etwas tiefen Einstellungen erscheinen z. B. die Zellen der Sklerenehymplatten durchaus stärkekornähnlich, ein dunkles Kreuz tritt sehr scharf hervor, seine Zwischenräume sind von den nicht Fig.8. Polytrichum nano-globulus C. M. a Schwellgewebezellen in polarisierten Fig. 9. Polytrichum nano-globu- Lichte bei gekreuzten Nicols. lus ©. M. \ 5 Bei gewöhnlicher Belenchtung. Zwei Schwellgewebezellenzüge. Die Mittellamellen der Querwände sind Sehematisch. nicht gezeichnet. gleichmäßig aufleuchtenden Membranschichten erfüllt. Bei Verwendung von Rot I. Ordnung stellen sich die Adılitions- und Subtraktionsfarben ein, wodurch der Eindruck eines Stärkekorns noch erhöht wird. Wo wir bei dem Stärkekorn der Bohne Adulitionsfarbe Blau sehen, erblicken wir bei den Zellen der Sklerenchymplatten die Subtraktionsfarbe Gelb und umgekehrt. or 392 Wilhelm Lorch, Bei Polytrichum nano-globnlus €. M., «das ich sehr genau unter- suchte, ist das Schwellgewebe sehr scharf vom Gewebe der Scheide abgesetzt. Im polarisierten Liehte gewährt es unter bestimmten Stel- lungen den Eindruck, wie ihn die etwas schematisierte Figur 8a wierler- eibt. Wir sehen die Querwände in mattgoldenem Liehte schimmern, während «die Längswände sich in Form einer Schlangenlinie hinziehen. Die Querwände erscheinen als vergoldete Sprossen einer sonst schwarz sefärbten Leiter. Das ist aber nicht das Wichtigste. Was am meisten in die Augen fällt, ist die Differenz in der Konturierung zwischen «den Qmerwänden der Figuren 8 u. 9: hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß die zwischen je zwei gabelartigen Auszweigungen gelegenen Teile der Querwände im polarisierten Lichte meist nieht zur Geltung gelangen, also dunkel erscheinen. Die gabelartigen Auszweigungen von matteoldener Färbung gehen nun in der Weise auseinander, daß sie in je zwei benachbarte Wellentäler der hin und her gebogenen Längswände hineingreifen. Dasselbe gilt von seitlich gelegenen benachbarten Zeilen. Je zwei Gabeläste gehen also in den Winkel von je zwei Gabelästen einer daneben liegenden Zelle. Durch das Verhalten der Querwände ‚lem polarisierten Lichte gegenüber ist erwiesen, daß jene nach den beiden Enden hin sieh verschieden verhalten. Wenn man die Finger beitler Hände mit ihren Spitzen aufeinandersetzt und darauf mit. gleichen um entgegengesetzt gerichteten Kräften sie gegeneinander drückt, s0 tritt keine Bewegung ein. Setze ich aber die Finger der einen Hand um ihre eigene Breite ungefähr zur Seite, so verschieben sich, wenn ich obige Kräfte wirken lasse, «die Finger beider Hände zwischenein- ander. Würde ich in letzterem Falle zuvor ein Stück Tuch zwischen (die Finger legen, so legt es sich in Falten, sobald ich die Finger m zedachter Weise verschiebe. Das gefaltete Tuch ist in der Figur 9 (dureh die Schlangenlinie wiedergegeben. Es ist also, noch bevor die Fintroeknung eintritt, schon im turgeszenten Gewebe die Faltung der in longitudinaler Riehtung verlaufenden Wände vorhanden, sie braucht also nieht erst noeh hervorgerufen zu werden, wenn der Wasserverlust sieh vollzieht. worauf ich großes Gewicht lege. Daß sich die Faltung verstärkt, sobald die Membranen ihr Wasser verlieren, versteht sich von selbst. Es ist dies aber eine Sache für sich, die unseren Einblick in den Mechanismus «der Schwellgewebezellen um keinen Sehritt fördert. Im polarisierten Lichte bei gekreuzten Nicols zeigen die Mem- braunen das entgegengesetzte Verhalten, vorausgesetzt. daß die Lage des Olsjekts keine Anderung erfährt. Fntfalten die Querwände des Schwell- Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwelleowebes usw. 3093 gewebes ihren hellsten Glanz, so bleiben die entsprechenden Membranen ıler Scheide dunkel (Fig. 10). Diese erscheinen, vanz abweichend von den gewöhnlichen Verhältnissen, als dunkle Kreise oder Ellipsen. deren Mittellamellen, im Gegensatz zu denen der Sehwellgewebezellen, hell aufleuchten. An diese helle Mittellinie stoßen beiderseits dunkle Linien an, auf diese folgen wieder hellere Partieen, die nach der Peripherie allmählich in Schwarz übergehen. Auch den Längswänden der Scheiden- zellen scheint, verglichen mit denen des Schwellgewebes, ein entgegen- gesetztes optisches Verhalten zu- zukommen. Sie besitzen eine dunkle Mittellamelle und hell auf- leuchtende _ Verdiekungsschichten. sei den Längswänden der Schwell- gewehezellen kommt wegen der Mehrschichtiekeit das Tell und Dunkel nicht zur Geltung. In (er Übergangszone von Scheide zu Spreite kann man nur eine aller- dings anscheinend regellose Ver- teilung von Hell und Dunkel fest- Fie. 10. Polytriehum nano-giobulns €. M. a Zellen aus dem oberen Teil (er Scheide bei gewöhnlicher Beleuchtung. d Im polarisierten Lichte bei gekreuzten Nieols. stellen. Diese Zellen vereinigen ce Querwand. gleichsam die Gegensätze, «lie wir an «den Membranen von Scheide und Spreite beobachten. Auch die Epidermiswände beider Teile haben ein abweichendes Verhalten. Dreht man das Objekt, so verdunkeln sich im Schwellgewebe die Auben- wände, während sie in der Scheide heller werden, bei weiterer Drehung tritt der umgekehrte Fall ein. Sobald der Wasserverlust des Schwellgewebes begimnt. treten unter normalen Umstäden große Luftblasen aus «diesen hervor, gleichzeitig erfolgt eine Annäherung der Querwände, die sieh, wie bereits hervor- sehoben, so weit steigern kann, daß das Lumen vollständig verschwindet. Man sieht auch deutlich, wie die zarteren Teile der Längswände nach- geben und sich stärker falten. man hat «den Eindruck, als ob hier der Wasserverlust am größten sei, daß hier also «die Wancdteile am stärksten schrumpfen, um eine Annäherung der Querwände zu ermöglichen. Es sind aber noch die Epidermiswände und andere Wandteile zu berück- sichtigen, ohne deren gleichzeitige Schrumpfung die Kontraktion nicht vor sich gehen kann. Eine Faltung der Epidermiswand babe ich nicht 394 W. Lorch, Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes usw. beohachten können, wahrscheinlich erfährt sie aber doch eine beträcht- liche Zusammenziehung. Nachdem das Schwellgewebe sich zum Teil zusammengezogen hat, sieht man nämlich im Lumen (der Zellen höchst eigenartige Streifen in großer Menge nebeneinander auftreten, die der größten Achse des Lumens parallel laufen, in der Regel also in der Querrichtung des Blattes sich erstrecken. Ich habe mich bemüht, die Ursache dieser Erscheinung zu ermitteln, bin aber zu keinem befrie- digenden Ergebnis gelangt. Es muß dahingestellt bleiben, ob es sich, was das Wahrscheinlichste ist, um zarte Faltungen der Außenwand handelt oder ob Veränderungen im Zellinnern der Erscheinung zu- grunde liegen. Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena. Soeben sind erschienen: Die Palaeobotanische Literatur. Bibliographische Übersicht über die Arbeiten aus dem Gebiete der Palaeobotanik. Herausgegeben von W. J. Jongmans. Erster Band: Die Erscheinungen des Jahres 1908. Preis: 7 Mark. Das System der Biologie in Forschung und Lehre. Eine historisch-kritische Studie. Von Dr. phil. S. Tschulok, Zürich. Preis: 9 Mark. Inhaltsübersicht. I. Die Entwicklung der Anschauungen über Aufgabe und System der Botanik und Zoo- logie, vom 16. Jahrhundert bis 1869. ı. Die Botanik bis 1732. 2. Die Botanik von 1732 bis 1813. 3. Das System A. P. De Candolle (1813— 1842), 4. M. J. Schleiden. 5. Die zoologischen Systeme bis 1866. 6. E. Haeckels System der Biologie (1866-69). — II. Versuch eines neuen Systems der biologischen Wissenschaften. ;. Verschiedene Arten die Biologie zu klassifizieren. 8. Einteilung der Biologie nach der Forschungsmethode. 9. Einteilung der Biologie in Biotaxie und Biophysik. 10. Die sieben materiellen Gesichtspunkte der biologischen Forschung. ıı. Allgemeine und spezielle Botanik, resp. Zoologie. 12. Zusammenfassung. Einwände. 13. Kritik einiger Systeme der Biologie (aus der Zeit von 1853— 1907). — III. Die Auffassungen vom System der Biologie in den modernen Lehr- büchern. 14. Die modernen Lehrbücher der Botanik. ı5. Der Begriff der „Biologie im engeren “ Sinne“, 16. Einige zoologische Lehrbücher. — Anmerkungen und Zusätze. Die Aufzucht und Kultur der parasitischen Samenpflanzen Von Prof. Dr. E. Heinricher Direktor des botanischen Institutes und des botanischen Gartens an der Universität zu Innsbruck. Mit acht Abbildungen im Text. Preis: 2 Mark. - Entwurf eines neuen Systemes der Coniferen von F. VIERHAPPER. Mit 2 Abbildungen. Nach einem bei der 8ı. Versammlung Deutscher Naturforscher und Arzte in Salzburg gehaltenen Vortrage. (Abhandlungen der K. K. Zool.-Botan. Gesellschaft in Wien. Band V, Heft 4.) Preis: 2 Mark 50 Pf. Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena. In meinem Verlage erscheint seit kurzem: Handbuch der vergleichenden Physiologie. Bearbeitet von . E. Babäk (Prag). S. Baglioni (Rom), W. Biedermann (Jena, R. du Bois Reymond (Berlins, F. Botazzi (Neapelj, R. Burian (Neapeli, &- J. Carlson (Chicago), I. Frederiegq (Lüttich), R. F. Fuchs (Erlangen. S. Garten 1Gießen), E. Godlewski (Krakau), A. Kreidl (Wien), J. Loeb (New York, E. Mangold (Greifswald), W. Nagel (Rostock. H. Przibram (Wien), O. zur Strassen (Frankfurt), R. Tigerstedt (Helsingfors), E. Weinland (München, H. Winterstein (Rostock). Herausgegeben von Hans Winterstein in Rostock. Vier Bände. Die Ausgabe erfolgt in etwa 30 Lieferungen zum Preise vonje 5 Mark. (Jede Lieferung enthält ı0 Bogen.) Die Lieferungen 1—3 sind soeben erschienen. Inhaltsübersicht für das ganze Werk: L BAM. Physiologie der Körpersäfte, Physiologie der Atmung, Die Körpersäfte . F. Bottazzi (Neapel. Die Bewegung der Körpersäfte . .......2...&. J. Carlson (Chieago). Die physikal.-chein. Erscheinungen der Atmun& H. Winterstein (Rostock). Die Mechanik und Innervation der Atmung . E. Babäk (Prag. HU. BAND. Physiologie des Stoffwechsels. Physiologie der Zeugung. 1. Hälfte: Die Aufnahme, Verarbeitung und Assimilation der Nahrung . _ 2020202. W. Biedermann (Jena). 2. Hälfte, Die Sekretion von Sehutz- und Nutzstoffen L Die Exkretion 2... R Der alleomeine Stoflwechsel . 2. 202002000 BE E Physiologie der Zeugmg En II. BAND. Physiologie der Energieproduktion. Physiologie der Form. 1. Hälfte: Physiologie der Bewerung 2202020. . R. du Bois-Reymond (Berlin. Physiologie der Stütz- und Skelettsubstanzen W. Biedermann (Jena). 2. Hälfte: Die Produktion von Wärme u. der Wärmehausbalt Die Produktion von Elektrizität S, Garten (Gießen). Die Produktion von Licht En E. Mangolil (Greifswald). Die Produktion von Tönen und Geräuschen . A. Kreidl (Wien). Physiologie der Formhildung . nn H. Przibram (Wien). Die Anhangsgebilde des Inteenments und die Körperfärbung . . Frederiegq tLättich). . Burian (Neapel. . Weinland (München). . Godiewski (Krakau). R. Tigerstedt (Helsingfors). oe nın,o BR F. Fuchs (Erlangen). IV. BAND. Physiologie der Reizaufnahme. Reizleitung und Reizbeantwortung. Grundlagen der vergleichenden Physiologie des Nervensystems und der Sinnesorgane Physiologie des Nervensystems \ Tropismen Instinkte Niedere Sinne rn Gehörssinn und statischer Sinn . * Gesichtssinn nn. ©. Heß (Würzburg). Physiologie der Sinne 2 22 02200 W. Nagel (Rostock). . Baglioni (Rom. Baglioni (Rom). Loeb (New York‘. . zur Strassen (Frankfurt). . Baglioni (Rom). KIROCHNE Diesem Hefte liezt ein Prospekt bei von der Verlagsburhhandiung 4. F. Schreiber in EBlingen und München, betreffend „Bilder-Atlas des Pflanzen- reichs" von Dr. Moritz Willkomms. FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. NEUE FOLGE. ERSTER BAND. (DER GANZEN REIHE 101. BAND.) VIERTES- HEFT. HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. MIT 1 TAFEL UND 22 ABBILDUNGEN IM TEXT. VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 1910. ERSCHIENEN AM 12. NOVEMBER 1910. Inhaltsverzeichnis. Seite WIRZ, HANS, Beiträge zur Entwieklungsgeschichte von Seiaphila spec. und von Epirrhizanthes elongata Bl. Mit Tafel IV und 22 Ab- bildungen im Text. . 2 22 2m nn nn BMA HORI, S., Haben die höheren Pilze Kalk nöie? . . 2 22 2020.20. 417448 Soeben wurde vollständig: Progressus rei botanicae. Fortschritte der Botanik. — Progrös de la Botanique. — Progress of Botany. Herausgegeben von der Association Internationale des Botanistes. Redigiert von Dr. J. P. Lotsy in Leiden. Dritter Band. Mit 13 Abbildungen im Text. 1909/1910. Preis: 18 Mark (für Mit- glieder der „Association Internationale des Botanistes“: 13 Mark). Inhaltsverzeichnis. Henry II. Dixon, Transpiration and the Accent of Sap. Mit 7 Abbildungen im Text. — E. Zacharias, Die chemische Beschaffenheit von Protoplasma und Zellkern. — €. Fruwirth, Die Entwicklung der Auslesevorgänge bei ılen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. Mit 6 Abbildungen im Text. - I. Christian Bar, Bibliographies of Botany. — H. Wheldale, Plant oxydascs and the chemical interrelationships of colourvarieties. -- J. Pavil- lard, Etat actuel de la Protistologie vegetale. Die „Progressus“ erscheinen in zwanglosen IHleften. die in Zwischenräunen von etwa 4 Monatın zur Ausgabe kommen sollen. Die Hefte werden zu Bänden von etwa 40 Druckbogen vereinigt, so daß jährlich ein Band erscheint. Die Mitglieder der Association erhalten die Progressus zu dem Vor- zugspreis von 13 Mark. Bestellungen zu diesem Vorzugspreise sind seitens der Herren Mitglieder direkt an die Verlagsbuchhandlung oder an den Generalsekretär der Association, Herrn Dr. J. P. Lotsy in Leiden, zu richten. Bestellungen, welche durch den Buchhandel aufgegeben werden (auch solche seitens der Mitglieder der Association), können nur zu dein Preise für Nichtmitglieder, welcher ı8 Mark für den Band beträgt, Erledigung finden. \ Soeben erschien: _—_ [00 VEROMCA PROSTRATA L., TEUCRIUM L., UND AUSTRIACA L. NEBST EINEM ANHANG ÜBER DEREN NÄCHSTE VERWANDTE VON DR BRUNO WATZL IAUS DEM BOTANISCHEN INSYITUT DER UNIVERSITÄT WIEN). MIT 14 TAFELN UND 1 TEXTFIGUR (ABHANDLUNGEN DER K. K. ZOOL.-BOTAN. GESELLSCHAFT IN WIEN BAND V, HEFT 5) PREIS: 7 MARK. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. und von Epirrhizanthes elongata Bi. Von Hans Wirz, (Laboratorium für allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie der Universität Z ürich.) (Mit Tafel IV und 22 Abbildungen im Text.) Einleitung. Die beiden Pflanzen, deren Embryologie in vorliegender Arbeit geschildert werden soll, gehören zur biologischen Gruppe der Ver- wesungspflanzen, die bekanntlich in ihrer Lebensweise und dement- sprechend auch in ihrem Bau und ihrer Entwicklung oft recht interessante und eigentümliche Verhältnisse zeigen. Das Untersuchungsmaterial wurde von Professor Dr. Ernst während seines Aufenthaltes auf Java (1905/06) gesammelt und mir in gütiger Weise zur Verfügung gestellt. Zur Fixierung der Objekte waren Alkohol, Sublimatalkohol, das Drei- säurengemisch nach Flemming und die Pfeiffer’sche Lösung verwandt worden. Am günstigsten für die Untersuchung erwies sich das Material, das mit Chromessigsäure nach Pfeiffer behandelt worden war. Die Schwärzung der Gewebe, die sich bei der Fixierung mit Chrom-Osmium- Essigsäure eingestellt hatte, ließ sich bei Einwirkung von Wasserstoff- superoxyd so weit heben, daß sie die Färbung nicht beeinträchtigte. Am häufigsten verwendete ich zur Färbung der Schnitte das Hämat- oxylinverfahren nach Haidenhein, in zweiter Linie auch Delafield- sches Hämatoxylin. In beiden Fällen ließ ich eine Nachfärbung mit Magdalarot folgen, das von den Kernkörperchen intensiv gespeichert wird und dem Plasma einen rötlichen Ton gibt. Auch die Flemming- sche Dreifachfärbung wurde häufig angewendet und ergab teilweise gute Resultate. I. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Epirrhizanthes elongata Bl. Eßirrhisanthes elongata Bl., deren Blüten- und Samenentwicklung in den folgenden Abschnitten besprochen werden soll, gehört zur Fa- milie der Zolygalaceen. In Engler und Prantl: „Die natürlichen Pflanzenfamilien“!) ist die Gattung Zirrhrzanthes unter dem Namen Salomonia aufgeführt. Außer Zfirrhizanthes elongata Bl. ist auch 1) Engler u. Prantl, „Die natürlichen Pflanzenfamilien“, IH. Teil, Abt. 4. pag. 342, Leipzig 1897. o- Flora, Bd. 10t. zu 396 Hans Wirz, Eßirrhizanthes cylindrica Bl. untersucht worden. Da indessen die beiden Arten in ihrer Entwicklung fast vollständig übereinstimmen, ist eine gesonderte Betrachtung nicht nötig. Ich werde mich daher im folgenden in der Hauptsache auf eine Darstellung der Verhältnisse bei Eßirrhisanthes elongata Bl. beschränken und auf etwaige Abweichungen bei Aßirrhizanthes cylindrica, von der mir auch weniger Material zur Verfügung stand, hinweisen. 1. Morphologie der Blüte. Penzig!) gibt in seiner Arbeit: „Beiträge zur Kenntnis der Gattung Zpirrhisanthes Bl.“ eine eingehende Schilderung der äußeren Morphologie der Blüten von Zpirrhizanthes cylindrica und elongata. Ich kann mich daher in diesem Kapitel auf wenige Angaben, (die zum Verständnis der folgenden Ausführungen notwendig erscheinen, be- schränken. Wie bei den meisten Polygalaceen stehen auch bei der Gattung Ebirrhizanthes, die nach Penzig (l. ce. pag. 146) nur die beiden oben angeführten Arten umfaßt, die Blüten in endständigen, dichten Ähren. Die einzelnen Blüten sind zwitterig und entstehen in akropetaler Reihen- folge in den Achseln von länglichen, zugespitzten, konkaven Bracteen. Ihre Stiele sind sehr kurz. Die Kelchblätter treten in der für die Peolygalaceen charakteristischen Zahl von fünf auf und sind am Grunde etwas miteinander verwachsen. Im innern Perianthkreis ist die Zahl der Glieder reduziert. Es treten nur drei Blumenblätter auf, von denen das vorderste, die Carina, eine besondere Ausbildung zeigt und kahn- förmig ausgehöhlt ist. Die fünf Staubblätter (bei anderen Polygalaceen treten gewöhnlich ihrer acht auf) sind mit ihren Filamenten zu einem Staubfadenbündel, der sog. Staminalröhre, verwachsen. Die Mitte der Blüte wird von dem zweikarpelligen, von den Seiten her schwach zu- sammengedrückten Fruchtknoten eingenommen. Er trägt einen langen Griffel mit ungeteilter, papillenbedeckter Narbe. Jeder Fruchtknoten enthält zwei Samenanlagen in schwach anatroper Lage. 2. Entwicklung der Blüte. Auf einem Querschnitt durch den obersten Teil des Blütenstandes erscheint die Ahrenspindel noch drehrund. Um diese als Zentrum sind die Bracteen sehr regelmäßig in neun Reihen angeordnet (Text- 2) Penzig, O., „Beiträge zur Kenntnis der Gattung Epirrhizanthes Bl.“ Ann. dit jard. bot. de Buitenzorg, 1901, Vol. XVII, pag. 158—160. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 397 figur 1a). Sie stellen sich im Querschnitt als wenigschichtige, leicht gebogene Gewebestreifen dar. Im Wachstum eilen sie ihren Achsel- knospen, den zukünftigen Blüten um ein Bedeutendes voraus und die obersten bilden einen, den Vegetationskegel des Blütenstandes über- ragenden Schopf. Wenig unterhalb des wachsenden Scheitels tritt in der Spindelachse eine Differenzierung in ihrem Gewebe auf. Es Jdiffe- renziert sich in einen zentralen Zylinder aus größeren, wenig plasma- reichen Zellen und einen peripheren Mantel aus Zellen mit dichtem, plasmatischem Inhalt. Aus diesem Gewebering, der wohl aus Periblem und Dermatogen sich aufbauen mag, sehen £ wir, je mehr wir uns Pr a8 S\ FD der Basis des Blüten- (7 PEN standes nähern, die VE N Blüten sich ent- 77 7? wickeln. Ihre ersten « Anlagen erscheinen 5 ne) [53 als wulstige Protu- —_e beranzen, die, je wei- Nu] ‚7 ter der Querschnitt 7 ations- Fig. 1. Zöprrrhizanthes elongata Bl. a Querschnitt durch vom Vegetations den Blütenstand unterhalb des Vegetationskegels. Die punkt entfernt liegt, jüngsten Anlagen der Blüten erscheinen als Ausbuch- j - tungen der Spindelachse. Bracteenquerschnitte in radialen um so deutlicher her Reihen. Vergr. 40/1. 5 Längsschnitt durch eine Blüten- vortreten. In den anlage. Die Kelchblätter beginnen sich zu bilden. Vergr. oberen Teilen der 70/1. c Die Kelchblätter überwölben die Blüte. Vergr. 70/1. Ähre lassen sich, ent- sprechend den neun radialen Reihen von Bracteen, ebensoviele Blüten- anlagen auf einem Querschnitt nachweisen. Dieses Verhältnis verwischt sich später infolge der Streckung der Ährenspindel. Die wulstförmigen Gewebe- höcker, die den zukünftigen Blüten entsprechen, heben sich durch ihre intensive Tinktion, bedingt durch den reichen Plasmagehalt, vom übrigen Gewebe deutlich ab. An ihnen entstehen im Verlaufe der Entwicklung, in Form papillenförmiger Ausstülpungen, zunächst die Kelchblätter, die sich rasch verlängern und über den primären Gewebehöcker hinüber- wölben (Textfigur 15 u. c). Ihnen folgen in der Anlage die Petalen und bald auch die Staubblätter. Das Gynäceum erscheint zuletzt und entwickelt sich am langsamsten. Es zeigt noch keinerlei morphologische oder anatomische Differenzierung, während man an den Staubblättern schon deutlich die Antheren erkennen kann. Die Anlage und Ent- wicklung der Blütenglieder erfolgt somit in akropetaler Reihenfolge. 7* 398 Hans Wirz, 3. Entwicklung und Bau der Antheren und der Pollenkörner. Wie schon erwähnt, werden die Staubblätter in Fünfzahl angelegt und eilen den Karpellen in der Entwicklung bedeutend voraus. Text- figur 2a@ zeigt einen Querschnitt durch die junge Blüte von Zpirrhez- anthes elongata. Die Antheren sind in einem nicht ganz geschlossenen Kreise um den rundlichen Gewebehöcker, der die erste Anlage des Gynäceums darstellt, angeordnet und um diese Zeit von den eben ge- bildeten Petalen kaum zu unterscheiden. In ihrem Gewebe ist noch keine Differenzierung eingetreten. Als erster Schritt zu einer solchen macht sich in der Folge die Abhebung einer distinkten Lage von Epi- dermiszellen bemerkbar. Die Antheren zeigen schon jetzt die länglichrunde Gestalt, die sie während ihrer ganzen Entwick- lung beibehalten. Die Entste- hung und der innere Ausbau der Pollensäcke vollziehen sich in der für die meisten Dikotyle- donen typischen Weise. Sub- epidermal treten Zellen im Ge- webe der Antheren auf, die sich durch ihrbedeutenderesVolunien, durch die Größe ihres Kernes und den dichten Plasmagehalt von ihren Nachbarzellen unter- Fig. 2. Zpirrhizanthes elongata. a Quer- scheiden (Textfigur 25). Es sind schnitt durch eine junge Blüte. Vergr. 70/1. die Urmutterzellen der Pollen- & Querschnitt durch eine Antherenhälft A ; nach Bildung der Pollenmutterzellen. Y erg. körner. Jede derselben gliedert 570,1. ec Querschnitt durch eine Antheren- durch eine i i hälfte. Pollenmutterzelle. Kernteilung in tangentiale Teilung einer subepidermalen Zelle. Vergr. 57071. eine neue subepidermale Zelle % — Kelchblätter. == Staubblätte, ab und wird dann direkt, ohne c = Kronblätter, 5 — Bractee. weitere Teilung, zur Pollen- mutterzelle. Die Zahl der letz- teren ist demgemäß im Innern des Pollensackes der Antheren von Epirrhizanthes eine geringe. Ich traf nie mehr als drei oder vier in einem Pollensack, und da die Anthere nur zwei Loculi aufweist, kann sie im reifen Zustande höchstens 32 Pollenkörner enthalten. Durch perikline Teilungen der subepidermalen Zellage kommt es zur Aus- bildung der vierschichtigen Antherenwandung. Bei der ersten Teilung Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 399 entstehen die Tapetenschicht, die die Pollenmutterzellen unmittelbar umschließt, und eine äußere Zellage. Diese letztere erzeugt durch er- neute perikline Teilung die subepidermale „fibröse Schicht“ und die nach innen auf die eben genannte Zellage folgende „zu verdrängende Schieht“. Textfigur 3c zeigt die der ersten periklinen Teilung einer subepidermalen Zelle vorausgehende Kernteilung. Während in der angegebenen Weise die Ausbildung der Antheren- wandung vor sich geht, zeigen auch die Pollenmutterzellen ein inten- sives Wachstum. Auf den Schnitten erscheinen sie unregelmäßig vier- bis sechseckig, meist in einer Richtung etwas stärker gestreckt. Ihr Inhalt ist nicht dichter als derjenige der Nachbarzellen, die während der Größenzunahme der Pollenmutterzellen lebhafte Teilungen zeigen. Der Kern der Pollenmutterzellen übertrifft dagegen an Größe diejenigen der vegetativen Zellen um ein Bedeutendes. Die chromatische Sub- stanz ist in Gestalt intensiv sich färbender Körnchen peripher der Kern- wandung angelagert. Das in Einzahl vorhandene Kernkörperchen ist innerhalb eines hellen Hofes meist etwas exzentrisch gelagert. In seinem Inneren treten gewöhnlich Vakuolen auf, die bei Zprrrhizanthes cylin- drica eine ansehnliche Größe erreichen. Auch das Plasma der wachsen- den Pollenkörner zeigt oft feinwabige bis deutlich vakuolige Struktur. Die Vakuolen sind dabei manchmal in einem Kreis um den Kern an- geordnet und zeigen wiederum bei Zpirrhizanthes cylindrıca ein be- tleutenderes Volumen. " Von den peripher gelagerten Chromatinkörnchen beginnen mit der Zeit zarte Lininfäden sich auszuspinnen gegen das Kernkörperchen zu, das sich entsprechend dem Wachstum des Kernes vergrößert. Der helle Hof um den Nukleolus wird enger und schließlich von einem feinmaschigen Netz achromatischer Substanz erfüllt. Während das Linin- netz den Kernraum durchspinnt, ist die chromatische Substanz anfangs noch zum großen Teil an der Kernwand gelagert. Später tritt sie auf das Kernnetz über und findet sich alsıann hauptsächlich in den Ecken der Maschen, den Kreuzungspunkten der Lininfäden, in Gestalt dichter Körnchen (Taf. IV, Fig. 1). Der Kern hat um diese Zeit seine größte Ausdehnung erreicht und nimmt etwa ein Drittel des Zellumens ein. Den Vorgang der Synapsis konnte ich bei Zperrhizanthes sehr oft in allen seinen Phasen innerhalb der Pollenmutterzellen beobachten. Das Fadennetz löst sich zunächst von der Kernwand los und beginnt sich zu kontrahieren. Zuweilen sieht man das kontrahierte Kernnetz in einem kranzförmigen Ringe um das im Zentrum des Kernraumes liegende Kernkörperchen angeordnet. Einzelne Fäden des Kerngerüstes 400 Hans Wirz, scheinen mit der Kernmembran fester verbunden zu sein. Sie haften ihr noch an, wenn sich der übrige Teil des Kernnetzes einseitig an einer Stelle der Kernwand anzulegen beginnt. Das Chromatinnetz zieht sich zu einem immer dichter werdenden Knäuel zusammen, der, wenn die Synapsis ihren höchsten Grad erreicht hat. seine feinere Struktur nicht mehr erkennen läßt. Aus dem halbmondförmigen Knäuel wird der Nukleolus ausgestoßen (Taf. IV, Fig. 2), liegt demselben jedoch stets dieht an. Während der Synapsis treten gewöhnlich neben dem einen großen noch mehrere kleine Kernkörperchen auf. Die Pollen- wutterzellen sind zu dieser Zeit in der Regel noch nicht aus dem gegenseitigen Verbande gelöst. Im gleichen Pollensack. in der nämlichen Anthere finden sich die Pollenmutterzellen stets im selben Stadium der Entwicklung. Verdoppelung und Segmentierung des Kernfadens konnte ich nicht beobachten. Nach Beendigung des Synapsisstadiums ihrer Kerne weichen die Pollenmutterzellen auseinander und runden sich ab. Der Kern, der vorher meist eine exzentrische Lage gezeigt hatte, rückt in die Mitte der Zelle. Sehr oft fanden sich in meinen Präparaten die beiden Teilungen, die zur Entstehung der Pollenkörner führen. Die Chromatinsubstanz war auf den ersten postsynaptischen Stadien, die zur Beobachtung ge- langten, in Gestalt intensiv sich färbender Körperchen, die in Gruppen, wie es schien, oft zu vieren beisammen lagen, über den ganzen Kern- raum verteilt. Da die Zahl dieser Gruppen oder Zentren chromatischer Substanz, die durch zarte Fäden miteinander verbunden sind, offenbar eine konstante ist, so ist nicht daran zu zweifeln, daß sie den Chromo- somen identisch sind oder wenigstens Vorstufen derselben bilden. Die Zahl dieser Chromatingruppen schwankte nach meinen Zählungen zwischen 20 und 24, doch kann mit aller Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß 24 ihre wirkliche Zahl ist (Taf. IV, Fig. 3). Gleich nach dem Auseinanderweichen und Abrunden der Pollen- mutterzellen zeigt sich in ihrem Plasma eine eigentümliche Verdichtung. Sie beginnt an der Peripherie zunächst in einer schmalen Zone und rückt allmählich gegen innen vor. Auf dem Querschnitt erscheint die Verdichtung als anfangs schmaler, dann immer breiter werdender Ring (Taf. IV, Fig. 3). Bis zum Kern schreitet indessen die Verdichtung nicht vor. Um ihn bleibt stets eine Zone helleren Plasmas von körniger Natur erhalten. Der Plasmaring bleibt auch während der ersten Kern- teilung, wenn die Kernwand sich auflöst, erhalten (Taf. IV, Fig. 4). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 401 Über seine Bedeutung vermag ich nichts auszusagen. Eine besondere faserige Struktur konnte ich an ihm nicht wahrnehmen, doch handelt es sich jedenfalls auch nicht um eine bloße Kontraktionserscheinung infolge der Präparation. Das regelmäßige Auftreten dieses Ringes nach der Abrundung der Pollenmutterzellen und der Teilung ihres Kernes vorausgehend, sein konstantes Fehlen noch während der Synapsis läßt eine solche Erklärung kaum zu. Nach der Bildung der ersten beiden Tochterkerne scheint die Plasmaverdichtung für eine Zeitlang zu verschwinden, um bei der zweiten Teilung, die zur Entstehung der Enkelkerne führt, wieder aufzutreten (Taf. IV, Fig. 5). Vor der ersten Teilung streckt sich die Pollenmutterzelle nach einer Richtung etwas und nimmt dadurch eine ovale Form an. In dem von dem besprochenen, dichten Plasmaringe umschlossenen, plasma- ärmeren, hellen Hofe erscheint die verhältnismäßig lange Kernspindel, die mit ihren beiden Polen den peripheren Plasmaring berührt. Die äquatoriale Kernplatte und das Auseinanderweichen der Chromosomen konnte öfters beobachtet werden. Die letzteren sind sehr klein und stäbchenförmig. Nachdem der Kern der Pollenmutterzellen sich in die vier Tochter- kerne geteilt hat, erfolgt auch der Zerfall des Plasmas in vier tetraedrisch oder quadrantenförmig angeordnete Plasmapartien, die sich bald mit einer Membran umgeben (Taf. IV, Fig. 6 u. 7). Von einer Plasma- verdichtung, entsprechend jener an der Peripherie der Pollenmutter- zellen, ist nichts mehr wahrzunehmen, hingegen sind die vier einer Pollenmutterzelle entstammenden Pollenkörner unmittelbar nach ihrer Bildung von einer gelblichen, lichtbrechenden Hülle umgeben, die der ursprünglichen Wand der Pollenmutterzelle oder Plasmaresten ihren Ursprung verdanken mag. Die sich abrundenden und an Größe rasch zunehmenden Pollenkörner sind nach Penzig (l. c. pag. 159) im aus- gewachsenen Zustande: „verhältnismäßig groß, elliptisch-tonnenförmig mit etwa 14—15 Längsbanden und einem deutlichen Querreifen in der Mitte“. An der gleichen Stelle gibt Penzig auch die Maße für die Pollenkörner von Apirrhisanthes cylindrica (}. ec. pag. 159). Er fand ihre Länge zu 48—51 u, ihre Breite zu 30—32 u. Mit diesen An- gaben stimmen meine eigenen Messungen genau überein. In einigen Fällen fand ich für die Pollenkörner Längen bis zu 54 u. Hingegen fand ich für die Pollenkörner von Zpirrhizanthes elongata andere Werte als Penzig. Er bestimmte ihre Länge zu 33 bis 35 u, ihre Breite zu 27—28 „; während nach meinen Messungen 4092 Hans Wirz, die Pollenkörner von Zperrhisanthes elongata, sowohl was ihre Länge als auch was ihre Dicke anbetrifft, denjenigen von Zfirrhisanthes cylindrica nichts nachstanden, sondern die gleichen Maßverhältnisse zeigten. Ich bestimmte sodann auch die Größen der Pollenkörner für die erstere Art auf verschiedenen Entwicklungsstadien. Kurz nach der Tetradenteilung betrug ihre Länge ca. 19. ihre Breite ca. 14 a. Für die einkernigen Pollenkörner, zur Zeit wo noch die Tapetenschicht der Pollensäcke vorhanden war, fand ieh den Längsdurchmesser zu 26, len Breitendurchmesser zu 19 » und ein Pollenkorn, bei dem eben der Schlauch den Keimporus durchsetzte, zeigte eine Länge von 50, eine Dicke von 35 u. Die Längsstreifen. die man an der Wandung der Pollenkörner wahrnimmt, entsprechen, wie man an Querschnitten leicht feststellen kann, Fältelungen der Membran. Im Bereich des äquatorialen Querreifens ist die Exine verdünnt. Hier liegen auch die Austrittsstellen für den Pollenschlauch. Ihre Zahl kommt derjenigen der Längsriefen gleich. Unmittelbar nach der Tetradenteilung ist in den einzelnen Kernen die chromatische Substanz in Gestalt von Körnchen über den ganzen Kernraum verteilt. Das in Einzahl vorhandene Kernkörperchen zeigt in seinem Innern kleine Vakuolen. Wenn das Pollenkorn nach Aus- bildung von Exine und Intine seine definitive, tonnenförmige Gestalt bekommen hat, trifft man den Kern regelmäßig auf der Höhe des äquatorialen Querreifens. Er hat mit der Größenzunahme seiner Zelle Schritt gehalten; dagegen erscheint er jetzt heller, ein Zeichen, daß sich «ie chromatische Substanz nicht in gleichem Maße vermehrt hat. Die letztere hat eine periphere Lagerung angenommen und von den wandständigen Chromatinkörnchen spinnt sich auch hier wieder ein feines Netz über den ganzen Kernraum aus. Unterdessen wandert der Kern an den einen Pol des Kornes, wo alsdann seine Teilung stattfindet. Die Kernspindel steht dabei etwas schief zur Längsachse des Pollen- kornes (Taf. IV, Fig. 8), wie ich in mehreren Fällen beobachten konnte. Durch diese Teilung entstehen die beiden für die Angiospermen charakte- ristischen Kerne, der vegetative und der generative Kern. Der letztere wird durch eine zarte, uhrglasförmige Membran vom übrigen Raume des Pollenkornes abgetrennt. Es entsteht die linsenförmige, generative Zelle. Ihr Kern zeigt oft entsprechend den beschränkten, räumlichen Ver- hältnissen eine länglich-ovale Gestalt. Helligkeitsdifferenzen zwischen gene- rativem und vegetativem Kern, hervorgerufen durch größeren Chromatin- gehalt und dementsprechend intensivere Tinktion des ersteren, konnte Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 403 ich nicht konstatieren. Der vegetative Kern ist stets rund und nimmt im Gegensatz zum generativen, bald nach seiner Entstehung bedeutend an Größe zu. Anfänglich liegt er noch eine Zeit lang der generativen Zelle an, später wandert er nach der Mitte des Pollenkornes. Er zeigt einen einzigen Nukleolus von bedeutender Größe, Sein Chromatin ist in Gestalt von Körnchen der Kernwand angelagert (Taf. IV, Fig. 9). Das eben entstandene Pollenkorn ist mit dichtem Plasma gleich- mäßig erfüllt. Später, mit zunehmender Größe, tritt eine große, fast das ganze Zellumen einnehmende Vakuole auf, seltener entstehen zwei kleinere Vakuolen. Das Plasma bildet dann nur einen dünnen Wanll- beleg, der an dem Pol, wo die Teilung stattfindet, etwas dichter ist. Im reifen Pollenkorn konnte ich nach gleichzeitiger Einwirkung von Jod und Chloralhydrat reichlich Stärkekörnchen nachweisen, die später auch in den auswachsenden Pollenschlauch übertreten. Die Tapetenzellen sind neben den reifenden Pollenkörnern noch eine Zeit lang sichtbar. Sie zeigen plattenförmige Gestalt und, solange sie als ernährende Organe fungieren, dichtes Plasma. Ihr Kern ist um diese Zeit sehr reich an Chromatin und hebt sich infolgedessen von den Kernen der übrigen Antherenwandzellen durch intensive Tinktion ab. Wenn die Tapetenzellen funktionslos geworden sind, werden sie voll- kommen resorbiert. Die ihnen nach außen folgende Schicht hat schon vorher dasselbe Schicksal erfahren. Es bleiben somit nur die beiden äußersten Schichten bestehen, die wohl auch Penzig meint (l.e., pag. 159, wenn er von den Antberen bei Ziirrhizanthes cylindrica sagt: „Ihre Wandung ist nur aus zwei Schichten von Zellen, d. h. der Epidermis und einer Schicht Purkinje’scher Zellen gebildet.“ Letztere zeigen in ihrer definitiven Ausbildung an ihren radialen Wänden Verdickungen. Auf jeder Radialwand treten drei stäbchenförmige Leisten auf, eine mittlere, gegen welche zwei seitliche (nach unten zu) konvergieren, an der reifen Anthere kollabieren die Epidermiszellen stark, die Außen- wände legen sich den Innenwänden an und sind nur um die Reste der Kerne noch bucklig vorgewölbt. Vor dem Aufspringen des Staub- beutels beginnt auch die die beiden Pollensäcke trennende Zwischenwand zu schrumpfen und an einer Stelle zu reißen. Sie ist auch in ihrer vollen Ausbildung nur wenige Zellagen dick. Zur Ausbildung eines Leitbündels kommt es in ihr niemals. 4. Entwicklung des Embryosackes. Im Abschnitt über die Blütenentwicklung wurde schon darauf hingewiesen, daß die Anlage und Ausbildung des Gynäceums später 404 Hans Wirz, und langsamer erfolgt als diejenige der Staubblätter. Während bei jenen schon die Pollenmutterzellen das Synapsisstadium erreicht haben, bildet dieses noch einen einfachen Gewebehöcker, an dem sich weder Fruchtknotenwandung noch Plazenta und Samenanlage unterscheiden lassen. Durch einen im Querschnitt halbkreisförmig erscheinenden Riß hebt sich alsdann die Samenknospe vom übrigen Gewebe des Frucht- blattes ab, und bald darauf ist auch die Archesporzelle sichtbar. Sie entsteht in der subepidermalen Zellschicht des Nuzellus und unter- scheidet sich zunächst von ihren Nachbarzellen nicht wesentlich durch ihre Größe. Ihr Kern dagegen ist schon jetzt umfangreicher als der- jenige der angrenzenden Nuzelluszellen. Seine chromatische Substanz ist in Gestalt von Körnern, zwischen denen ein Nukleolus sichtbar ist, über den ganzen Kernraum gleichmäßig verteilt (Textfigur 3a). Wenn an der Peripherie des Nuzellus die Anlagen des inneren Integumentes sichtbar werden, teilt sich die Archesporzelle in eine neue Fig. 3. a Eßirrhizanthes cylindrica. Samenanlage mit subepider- maler Archesporzelle. Vergr. 570,1. b Epirrhizanthes elongata. Kernteilung in der Archesporzelle, die zur Bil- dung einer subepidermalen Zelle (Tapetenzelle) und der Embryosackmutterzelle führt. Vergr. 570/1. ce Zpir- rhizanthes elongata. Embryo- sackmutterzelle und Inte- gumente. Vergr. 570/1. d Epirrhizanthes elongata. Erste Teilung der Em- bryosackmutterzeile. Vergr. 70/1. subepidermale Zelle (Tapetenzelle) und die Embryosackmutterzelle, die sich bald in der Richtung der Längsachse zu strecken beginnt. Ihr plasmatischer Inhalt ist dicht und stark färbbar, so daß sie sich deut- lich vom umgebenden Gewebe abhebt. Die ausgewachsene Embryo- sackmutterzelle zeigt eine länglich-rechteckige Form und ist oft an ihrem oberen Ende dachförmig zugespitzt. Ihr Kern, der ebenfalls bedeutend an Größe zugenommen hat, liegt anfangs in der Mitte des Zellraumes, später wandert er in dessen obere Hälfte. Sein Chromatin ordnet sich, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 405 ähnlich wie wir es schon für die Pollenmutterzelle nachgewiesen haben, zunächst in Gestalt von Körnchen gleichmäßig an die Kernmembran an, und wie dort ist der Nukleolus von einem deutlichen, bellen Hofe umgeben. Die Ausbildung des feinen Fadennetzes erfolgt ungefähr zu der Zeit, wo in den Antheren schon die einkernigen Pollenkörner vor- handen sind. Alsdann kontrahiert sich der Kernfaden zu dem der Kernwand einseitig anliegenden Synapsisknäuel, aus dem das Kern- körperchen ausgestoßen wird. Auf dem Stadium der Synapsis scheint der Kern längere Zeit zu verweilen, wenigstens fand ich dasselbe sehr häufig und viel öfter als die übrigen Entwicklungszustände des Kernes. Wie Textfigur 3 d zeigt, erfolgt die erste Kernteilung der Embryosack- mutterzelle an der Spitze. In dem hier dargestellten Falle haben sich schon die beiden Tochterkerne mit kleinem Kernkörperchen gebildet. Zwischen beiden sind noch die Reste der Kernspindel sichtbar. Ob durch diese erste Kernteilung die Embryosackmutterzelle in eine vordere, kleine und in eine hintere, größere Tochterzelle zerlegt wird, kann ich nicht sagen. Die Lage der Kernspindel legt eine solche Vermutung nahe, doch kamen mir entscheidende Stadien nicht zu Gesicht. Die Tetradenbildung scheint überhaupt sehr rasch vor sich zu gehen, wenigstens konnte ich an den zahlreichen Präparaten den eigentlichen Kernteilungsvorgang, die Differenzierung der Chromosomen, ihre An- ordnung zur Kernplatte und ihr Auseinander- weichen nie beobachten. Im übrigen kommt es in der bekannten Weise zur Ausbildung einer axialen Reihe von vier Tochterzellen,vondenen Fig. 4. Zöirrhizanthes elongata. a Makrosporentetrade : R Zellen in einer Reihe angeordnet). Vergr. 255 1. die unterste sich zum | Bildung der Mikropyle nur durch das innere Inte- Embryosack entwickelt gument. Vergr. 285.1. (Texttigur 4a). Die drei oberen werden zusammengedrückt und resorbiert. Ihre Reste sind indessen noch sichtbar, wenn die Embryosackzelle schon in das Zweikern- stadium eingetreten ist. Während der Tetradenteilung wölben sich die Integumente, die in Zweizahl zur Ausbildung kommen, allmählich über dem Scheitel (les Nuzellus zusammen. Das äußere Integument stellt sein Wachstum 406 Hans Wirz, etwas früher ein. Durch den breiten Kanal, der von demselben um- schlossen wird, wächst das innere Integument aufwärts, das allein an ıler Bildung der Mikropyle beteiligt ist (Textfigur +5). Im einkernigen Embryosack nimmt der Kern bald eine zentrale Lage ein. Er ist länglichoval und enthält ein kleines Kernkörperchen. Seine Längsachse fällt mit derjenigen «des Embryosackes zusammen. Das Plasma ist noch gleichmäßig über den ganzen Zellraum verteilt. Den Verlauf der ersten Kernteilung im Embryosack konnte ich nicht verfolgen. Die daraus resultierenden Kerne liegen an den Polen der nunmehr tonnenförmig gewordenen Zelle, je in einer dichten Ansamm- lung von Plasma. Der größte Teil des Zellumens ist von der einen, großen Vakuole eingenommen (Textfigur 5a). Beim zweiten Teilungsschritt stehen die beiden Kernspindeln schief zur Längsachse des Embryosackes. Aus «dieser Tatsache läßt sich die Lagerung der Kerne während desVierkernstadiuns leicht erklären. Zwei von ihnen sind näm- lieh in den beiden Enden des Embryo- sackes gelagert, während die beiden anderen (Textfigur 55) an den Seiten- wänden etwas gegen die Mitte der Zelle zu vorgeschoben sind und einander schief gegenüber stehen. Fig. 5. apirehizanthes Aongara. a Zweikerniger Embryo- Alle vier Kerne sind sack. Am oberen Pole die Reste der drei degenerierten äneli Tetradenzellen. Vergr. 3901. 5 Vierkerniger Embryo- län glichrund und sack. Vergr. 560,1. c Achtkerniger Embryosack kurz Welsen ein stark nach dem dritten Teilungsschritt. Vergr. 390;1. färbbares Kernkör- j perchen auf. Von den beiden polaren Kernen liefert wohl derjenige des Mikro- pylarendes die beiden Synergiden, der untere zwei Antipoden; von den beiden mittleren der obere den Eikern und den oberen Polkern, der untere den dritten Antipodenkern und den unteren Polkern. Kern- teilungen, die diese Vermutungen bestätigten, konnte ich indessen nicht Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 407 auffinden; ebenso wenig begegnete mir das Stadium der acht freien Kerne, dagegen eine nur wenig ältere Entwicklungsstufe, wo im acht- kernigen Embryosack eben um einzelne Kerne sich zarte Plasmawände zu bilden beginnen, eine deutliche Differenzierung des zukünftigen Ei- apparates in Synergiden und Eizelle aber noch nicht eingetreten ist (Textfigur 5c). In Taf. IV, Fig. 10 u. 11 sind die Elemente des befruchtungs- fähigen Embryosackes dargestellt. Am oberen Ende findet sich die große Eizelle. Ihr Kern liegt an der Spitze in eine dichte Plasma- schicht eingebettet. Er ist rundlich und weist ein einziges, nicht sehr großes Kernkörperchen auf. Chromatische Substanz enthält er recht wenig. Der basale Teil der Eizelle wird fast vollständig von einer einzigen, großen Vakuole eingenommen (Taf. IV, Fig. 11) oder es treten zahlreiche kleinere Vakuolen auf, die durch schmale Cytoplasmaschichten voneinander getrennt sind. Die beiden flaschenförmig gestalteten Synergiden stehen der Ei- zelle zumeist an Länge nicht viel nach. Die Vakuole, an deren Stelle auch hier mehrere kleinere treten können, liegt, wie dies bei den Synergiden gewöhnlich der Fall ist, am Scheitel. Sie kann, wie Taf. IV, Fig. 10 zeigt, sehr groß werden und nahezu zwei Drittel des Zellumens in Anspruch nehmen. Der Kern der Synergiden liegt in deren basalem, von dichtem Plasma angefüllten Teile und steht dem Eikern an Größe kaum nach. Die beiden Polkerne trifft man meist in der Nähe der Eizelle einander dicht anliegend. Sie sind kugelrund, platten sich aber an den Stellen, wo sie sich berühren, ab (Taf. IV, Fig. 11). Am häufigsten sieht man die beiden Kerne in einem die Antipoden mit dem Eiapparat verbindenden Cytoplasmastrange senkrecht untereinander liegen (Taf. IV, Fig. 10). Die acht Kerne des Embryosackes sind kurz nach ihrer Entstehung gleich groß. Im befruchtungsfähigen Embryosacke aber zeigen sie ziem- liche Größenunterschiede. Das stärkste Wachstum haben die Polkerne erfahren, namentlich aber ihre Kernkörperchen, welche diejenigen der übrigen Embryosackkerne an Volumen bedeutend übertreffen (Taf. IV, Fig. 10 u. 11). Die chromatische Substanz tritt in den Polkernen wenig deutlich hervor. In einem Falle fand ich die beiden Polkerne stark in die Länge gezogen und an einem Ende leicht keulig erweitert. In der keulig angeschwollenen Partie lag das Kernkörperchen. Diese eigentümlich gestalteten Polkerne befanden sich in der Mitte des Embryo- sackes der Länge nach nebeneinander liegend (Taf. IV, Fig. 12). 408 Hans Wirz, Die Antipodenzellen zeigen weder nach Größe noch in ihrer Gestalt auffallende Merkmale. Ihre Anordnung richtet sich nach den räumlichen Verhältnissen des Embryosackes. Sie können in einer Reihe nebeneinander liegen, wenn der letztere an seinem unteren Pole breit gerundet ist. In den meisten Fällen läuft aber der Embryosack an seinem unteren Ende ziemlich spitz zu und in dieser schmalen Spitze findet meist nur eine Antipodenzelle Platz, während die beiden anderen etwas weiter oben inseriert sind (Taf. IV, Fig. 10). Die chromatische Substanz tritt in den Kernen der Antipodenzellen, besonders auf älteren Entwicklungsstadien, viel schärfer hervor als in denjenigen der übrigen Embryosackelemente. Sie zeigt dieselbe Anordnung, wie in den Kernen ıler vegetativen Gewebe, d. h. sie ist in Gestalt von Körnchen gleich- mäßig über den Kernraum verteilt. Im Plasma der Antipodenzellen, besonders an deren Spitze, treten zuweilen Vakuolen auf, die bei Z/rr- rhizanthes cylindrica eine ansehnliche Größe erreichen. Die Degene- ration der Antipoden tritt verhältnismäßig früh ein. Schon vor dem Eindringen des Pollenschlauches beginnen ihre Zellen zu schrumpfen. Die Reste der degenerierenden, intensiv sich färbenden Kerne sind in- dessen noch längere Zeit sichtbar. Eine Funktion bei der Zuleitung der Nährstoffe, welche zur Entwicklung des Endosperms und des Embryos notwendig sind, wird man somit den Antipodenzellen auch bei der Gattung Zirrhizanthes nicht zuschreiben können. 5. Die Bestäubung. Wie in dem Abschnitt über die Entwicklung der Antheren be- schrieben worden ist, wird die die beiden Pollensäcke trennende Wand durchbrochen, und zwar geschieht dies an der Stelle, wo sie an die gegen den Griffel gerichtete Antherenwandung anstößt. Das Öffnen der Staubbeutel geschieht intrors durch einen über beide Pollensäcke sich hinziehenden Längsriß. Schon Penzig vermutet für Zpirrhizanthes Selbstbestäubung (l. c. pag. 159): „Die Bestäubung erfolgt höchstwahr- scheinlich autogamisch durch Abstreifen der großen, schweren Pollen- körner an der gleich hoch gelegenen Narbe. Nichts in der Organisation deutet auf Fremdbestäubung.“ Meine eigenen Beobachtungen können die Richtigkeit dieser Vermutung vollkommen bestätigen. Die An- theren und die kopfförmige Narbe sind stets, auch während der Anthese, von der kahnartigen Carina umhüllt. Die Keimung der Pollenkörner findet innerhalb der Anthere statt, aber erst nach dem Auftreten des introrsen Längsrisses. Textfigur 62 zeigt ein Pollenkorn, das schon innerhalb des Pollensackes einen Schlauch von ansehnlicher Länge ge- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 409 trieben hat. An der Spitze des letzteren findet sich eine keulige An- schwellung, wie ich sie auch anderwärts, z. B. an Schläuchen, die im Griffelgewebe wuchsen, beobachten konnte, Aus dem weit klaffenden Längsriß sieht man die Pollenschläuche oft in größerer Zahl heraus- wachsen. Bei Zfirrhizanthes cylindrica waren die sich öffnenden Staub- beutel, der Narbe, der sie sich von oben her anlegen, stets dicht an- geschmiegt; bei Zfirrhizanthes elongata standen sie dagegen oft in einigem Abstande von derselben und die Pollenschläuche mußten, um zur Narbe zu gelangen, diesen Zwischenraum überbrücken. Da konnte es leicht vorkommen, daß sie die Narbe überhaupt nicht erreichten, und in der Tat begegneten mir Schläuche, die auf ziemlich lange Strecken zwischen der sog. Staminalröhre und dem Griffel frei abwärts gewachsen waren. Auch bei Zferrhizanthes elongata kann teilweise ein unmittelbares Anlegen der Antheren an die Narbe konstatiert werden (und zwar geschieht dies im Gegensatz zu Zperrhisanthes cylindrica immer von der Seite her); häufig ist es indessen so, daß nur zwei oder drei der Staubbeutel die Narbe berühren, während die anderen etwas tiefer liegen (Textfigur 6 2). Auf jüngeren Entwicklungszuständen der Blüte überragt der Griffel die Staminalröhre und wird von dieser in der Länge erst erreicht, wenn im Innern der Staubbeutel die Pollenkörner ihre Reife erlangt haben. Die Austrittstellen für die Pollenschläuche befinden sich, wie schon früher erwähnt wurde, auf jenem äquatorialen Gürtel des Pollenkornes, der auf Längsschnitten als seitliche Ausbuchtung, die bei Z/. elongata stärker hervortritt als bei der Art cy/ndrica, sich darstellt. Unmittel- bar nach seinem Austritt durch den engen Keimporus erweitert sich der Schlauch bedeutend (Taf. IV, Fig. 13), Sein Plasma ist sehr dicht und färbt sich infolgedessen intensiv. Er enthält zahlreiche Körnchen von derselben Gestalt, wie sie im ruhenden Pollenkorn sich finden. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind es Stärkekörner. In dem dichten Schlauchinhalt sind die Kerne nicht leicht zu sehen. Wahrscheinlich verläßt zuerst der generative Kern das Pollenkorn, wenigstens sah ich in einem Falle in einiger Entfernung hinter der wachsenden Pollen- schlauchspitze die beiden Spermakerne, denen der vegetative Kern un- mittelbar nachfolgte. Die Bildung der Spermakerne durch Teilung des Kernes der generativen Zelle erfolgt erst, nachdem die Pollenkörner zu keimen begonnen haben. In einem Pollenschlauch, der noch nicht aus dem Pollensack herausgewachsen war, konnte ich die Teilung (des generativen Kernes beobachten. Die Kernspindel stand dabei parallel 410 Hans Wirz, zur Längsachse des Schlauches. Die entstehenden Spermakerne sind sehr klein und zeigen eine länglich-stabförmige Gestalt (Taf. IV, Fig. 14). Die kopfförmige Narbe ist mit zahlreichen langen Papillen besetzt. Bei Zpirrhizanthes cylindrica trägt sie noch ein besonderes, napf- förmiges Anhängsel (Penzig l.c. pag. 160). Die Narbenpapillen sind von Plasma dicht erfüllt. Nur an ihrer Spitze treten kleine Vakuolen auf. e Fig. 6. Zpirrkisanthes elongata. a Pollenkorn, das im Inneren der Anthere gekeimt hat. Vergr. 3901. 2 Pollenschläuche, aus den Antheren der Narbe zu wachsend. Vergr. 10/1. € Pollenkorn, das auf der Narbe gekeimt hat. Vergr. 390/j1. e Längs- schnitt durch das Griffelgewebe. Vergr. 560/1. — Zpirrhizanthes cylindrica. dPollen- schlauch, in den Embryosack eindringend. Vergr. 590/1. Der Kern hält sich gewöhnlich in der Mitte des Zellraumes. Diese Papillen scheiden ein reichliches Sekret aus, das wohl klebriger Natur ist. Es sitzt ihnen in Form kappenartiger Ansammlungen auf, die eine eigentümliche Struktur zeigen. Wo diese Kappen den Papillen anliegen, bildet ihre Substanz eine homogene, dichte Schicht; im übrigen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 411 zeigen sie ein mehr schwammiges Gefüge. An ihrer Peripherie sind die „Sekretkappen“ anscheinend von einer (dichteren Haut umgeben. Ein Ineinanderfließen der Sekretmassen benachbarter Papillen findet offenbar nicht statt. Diese beiden letzteren Tatsachen legten unwillkürlich die Frage nahe, ob vielleicht eine Abhebung der Cuticula der Narbenpapillen von den übrigen Wandschichten stattgefunden habe und die Absonderung des Sekretes in den so entstandenen Raum hinein erfolgt sei, wie es bei gewissen Drüsenhaaren, z. B. an denen von Pelargonium zonale, der Fall ist. Entwicklungsstadien, die ein all- mähliches Abheben der Cuticula zeigten, konnte ich indessen nicht auf- finden. Über den scharf abgegrenzten Sekretkappen tritt zur Zeit, da die Pollenkörner keimen, ein schaumiges Gerüstwerk (Taf. IV, Fig. 15) ıder gleichen Substanz auf, das oft den ganzen Zwischenraum von der Narbe bis zur kuppelförmigen Wölbung der Carina hinauf erfüllt. In den mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten hat das Narbensekret keine Färbung angenommen. Es erscheint hier gelblich und stark licht- brechend. Wenn das Dreifarbenverfahren nach Flemming angewendet wurde, nahmen die „Sekretkappen“ (vom Safranin) einen rötlichen Farbenton an. Die Pollenschläuche dringen zwischen den Narbenpapillen hindurch (Textfigur 6.) ins Innere des Griffels ein und durchwachsen interzellulär dessen Leitungsgewebe. Dieses wird bei beiden Arten der Gattung Epirrhisanthes gebildet von einer Säule meist langgestreckter Zellen, die den Griffel von oben bis unten durchsetzt. Vom umgebenden Griffelgewebe heben sich die Zellen des leitenden Stranges deutlich durch ihr größeres Volumen ab. Das zentrale Leitungsgewebe ist von einem mehrschichtigen Mantel langgestreckter, schmaler, aber plasma- reicher Zellen umgeben, an den sich nach außen die Epidermis an- schließt. Auch da, wo der Griffel in den Fruchtknoten übergeht, findet sich leitendes Gewebe, das sich aus langgestreckt rechteckigen Zellen zusammensetzt, deren Längsdurchmesser aber hier senkrecht zur Griffel- achse steht. Ein Bild des anatomischen Aufbaues des Griffels gibt Textfigur 6e. Die Pollenschläuche verlaufen im Griffel nicht gerade nach unten, sondern winden sich zwischen den Zellen hindurch der Samenanlage zu. Das Eindringen in die Mikropyle und das Vordringen des Pollen- schlauches durch dieselbe gegen den Embryosack zu, konnte ich mehr- fach beobachten. Textfigur 64 zeigt einen Pollenschlauch von Zprr- rhızanthes cylindrica, der eben das Nuzellusgewebe über dem Eiapparat durchsetzt und im Begriffe ist, in den Embryosack einzudringen. Mit Flora, Bd. 101. 28 412 Hans Wirz, seinem zugespitzten Ende scheint er sich der einen der beiden Syner- giden zuzuwenden. Daß er seinen Inhalt in eine derselben ergießt, ist wahrscheinlich. In einem Falle sah ich nämlich den Inhalt der einen Synergide so dicht mit Plasma gefüllt und infolgedessen so intensiv gefärbt, daß in ihrem Innern irgendeine Struktur nicht mehr zu erkennen war, während die daneben liegende Eizelle noch die ursprünglichen Ver- hältnisse zeigte. 6. Entwicklung des Embryos. Den Befruchtungsakt, das Verschmelzen des einen Spermakernes mit dem Kern der Eizelle einerseits, des zweiten mit dem sekundären Embryosackkern andererseits konnte ich nicht beobachten. Dennoch scheint mir die Befruchtung sehr wahrscheinlich zu sein. Dafür spricht das regelmäßige Eindringen des Pollenschlauches in den Embryosack; dann auch der Umstand, daß die aus den ersten Teilungen des sekun- dären Embryosackkerns hervorgehenden Endospermkerne deutlich drei Fig. 7. a EPirrhizanthes elongata. Sich teilender Endospermkern, neben der noch einkernigen Keimzelle. Vergr. 390,1. 5 Zpirrhizanthes elongata. Zweizelliger Embryo. Vergr. 390,1. c Zpirrhizanthes cylindrıca. Kernteilung in der basalen Zelle. Vergr. 390/1. @ Zpirrhisanthes cylindrica. Kernteilung in der distalen Zelle des dreizelligen Embryos. Vergr. 390/1. e Epirrhizanthes elongata. Siebenzelliger Embryo; das distale Segment ist durch zwei vertikale Wände vierzellig geworden. Im zweiten Segment hat sich die erste Vertikalwand gebildet. Vergr. 390,1. Nukleolen, zwei größere und einen kleineren, besitzen. In dieser Rich- tung kann vielleicht auch das Auftreten eines zweiten, kleineren Kern- körperchens in der Eizelle, die vor dem Eindringen des Pollenschlauches nur einen Nukleolus besitzt, gedeutet werden. Die erste Teilung der Eizelle erfolgt in der für die meisten Angio- spermen typischen Weise. Die Kernspindel liegt eingebettet in das dichte Plasma (des Zellscheitels. Ihre Längsachse fällt mit derjenigen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 413 der Eizelle zusammen. Durch die im Anschluß an diese erste Kern- teilung sich bildende horizontale Wand wird das an Plasma reichere distale Ende der Zelle von einem größeren, plasmaärmeren Basalteile abgetrennt (Textfigur 75). Die Synergiden werden, schon bevor die Eizelle zur ersten Teilung schreitet, resorbiert. Die zweite Teilung erfolgt in der Basalzelle, die durch eine horizontale Wand in zwei übereinander liegende Zellen zerlegt wird (Textfigur 7c). Die weiter nun folgenden Kern- und Zellteilungen führen zur Ausbildung verti- kaler Wände. Die erste vertikale Wand tritt in der Scheitelzelle des dreizelligen Embryos auf (Textfigur 7). Eine zweite Vertikalwand bildet sich senkrecht zur ersten, so daß die ursprüngliche Scheitelzelle des Embryos in vier Tochterzellen zerlegt wird. Der gleiche Vorgang wiederholt sich etwas später in dem zweiten, unterhalb der Scheitel- zelle gelegenen Segmente. Die weiteren Teilungen, die beim raschen Wachstum des Embryos aufeinander folgen, finden hauptsächlich an seinem kugeligen Scheitel statt. Der junge Embryo ist birnförmig: mit zunehmender Größe verändert er aber seine Gestalt. An seinem distalen Ende treten die Anlagen der Keimblätter immer deutlicher hervor. Am ausgewachsenen Embryo haben sie die Gestalt regelmäßig gerundeter Lappen, zwischen denen der Vegetationskegel als schwacher Höcker angedeutet ist(Textfigur 80). Die Zellen des letzteren heben sich durch dichteres Plasma und etwas kleinere Kerne vom übrigen Ge- Mehrzellizer £ Fig. 8. Epirrhisanthes elongata. a Mehrzelliger Em- webe des Embryos ab. bryo mit zweizelligem Suspensor. Vergr. 285/1. 5 Viel- Durch einen zweizelli- zeiliger Embryo, die beiden Kotyledonen sind als : schwache Vorwölbungen am distalen Ende angedeutet. gen Suspensor ist der Vergr. 285/1. — Zpirrhisanthes cylindrica. c Embryo Embryo an der Wand aus fast reifem Samen mit den beiden Kotyledonen. des Embryosackes be- Vergr. 5/1. festist (Textfigur 8a u. 5). Die Anlage der primären Wurzel konnte ich an den von mir he- obachteten Embryonen nicht nachweisen. Der wachsende Embryo verdrängt und resorbiert das anfänglich den ganzen Embryosack ausfüllende Endo- spermgewebe. Um einen Einblick zu bekommen in das Wachstum des Embryosackes während seiner Entwicklung, wurden einige Messungen ausgeführt, deren Resultate in der folgenden Tabelle wiedergegeben 23* 414 Hans Wirz, sind. Bestimmt wurde der Längsdurchmesser auf verschiedenen Alters- stadien des Embryosackes. Kleinste | Größte Länge Länge Zweikerniger Embryosack . . . . 2... 42 u 45 u Vierkerniger Embryosackk . . 22 20... 45 u 57 u Achtkerniger Embryosack . . Du 120 u Embryosack nach Beginn der Endospermbildung : 120 u 120 u Aus den obigen Zahlen geht hervor, daß das Wachstum während des zwei- und des vierkernigen Stadiums ein geringes ist. Die Länge der zum erstenmal sich teilenden Embryosackmutterzelle beträgt 40 u, wird also vom zweikernigen Embryosack an Ausdehnung nur wenig übertroffen. Während des achtkernigen Stadiums verdoppelt der Embryosack seine Länge. Dieselbe beträgt zur Zeit der ersten Teilung des sekun- dären Embryosackkernes 120 u, im reifen Samen hat sie den Betrag von 720 u erreicht. Es nimmt somit der Längsdurchmesser während der Ausbildung von Embryo und Endosperm um das Sechsfache zu. 7. Entwicklung des Endosperms und der Samenschale. Noch vor dem Eindringen des Pollenschlauches verschmelzen die beiden Polkerne in unmittelbarer Nähe der Eizelle zum sekundären Embryosackkern. Er ist von beträchtlicher Größe und vollkommen rund. In seinem Innern haben sich die beiden Nukleolen zu einem einzigen großen Kernkörperchen vereinigt, das einen bedeutenden Teil des Kernraumes einnimmt und vakuolige Struktur zeigt. Die chroma- tische Substanz tritt im ruhenden Kern nicht deutlich hervor. An seiner Peripherie hat sich das Cytoplasma in dichter Schicht gesammelt, und das den größten Teil des Embryosackes einnehmende Vakuolen- system ist um ihn als Zentrum angeordnet. Die Vereinigung des sekundären Embryosackkerns mit dem zweiten Spermakern konnte nicht aufgefunden werden. Seine erste Teilung findet im unteren Teile des Embryosackes, und zwar stets vor der ersten Teilung der Eizelle statt. Die Kernspindel stand in dem von mir beobachteten Falle senk- recht zur Längsachse des Embryosackes. Textfigur 7a zeigt einen sich teilenden Endospermkern neben der noch einkernigen Eizelle. Die ersten Teilungen der Endospermkerne erfolgen lanssam. Man trifft schon vielzellige Embryonen zu einer Zeit, wo erst eine geringe Zahl von Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 415 Endospermkernen vorhanden ist. Sie sind anfangs rund oder länglich- rund und von bedeutender Größe. In ihrer Umgebung sammelt sich das Cytoplasma meist in größerer Menge an. Um einen ca. 20zelligen Embryo zählte der Wandbeleg des Embryosackes erst etwa 15 Endospermkerne, die sich offenbar gerade zur Teilung anschickten, denn die chromatische Substanz, die sonst in den Endospermkernen wenig deutlich hervortritt, war in Gestalt scharf umschriebener Körnchen wahrnehmbar. Die Teilungen der Endosperm- kerne im Wandbelege der verhältnismäßig kleinen Embryosäcke erfolgen gleichzeitig. Ein Unterschied in den Phasen entfernt voneinander- liegender Kerne läßt sich nicht konstatieren. sekanntlich wird bei den Angiospermen das Endosperm auf zweier- lei Weise gebildet, entweder durch einfache Teilung oder Fächerung des Embryosackraumes oder dann durch freie Kernteilung mit nachfolgender simultaner Zellbildung. Zirrhrzanthes gehört dem letzteren Typus der Endospermbildung an. Es bildet sich ein cytoplasmatischer Wand- beleg mit freien Endospermkernen. Die Ausbildung einer peripheren Schicht von Endospermzellen durch simultane Zellbildung konnte ich allerdings nicht beobachten. Die Endospermzellen stellen ein groß- maschiges Gewebe dar, das anfangs den ganzen Embryosack erfüllt und den jungen Embryo rings umhällt. Sie enthalten stets nur einen Kern, der diejenigen des Embryos und des Nuzellus an Größe über- ragt. Er nimmt ungefähr die Mitte des Zellraumes ein und ist mit der Zellwand durch strahlig angeordnete Protoplasmafortsätze verbunden. Im Laufe der Entwicklung treten in den »anfangs inhaltsarmen Zellen kleine Vakuolen auf, die auf den ersten Blick den Eindruck von Fett- tröpfchen machen. Mit der Zeit nehmen dieselben an Zahl und Größe zu und in den größeren wird bald ein vier- bis fünfeckiges Kristalloid. daneben ein deutliches Globoid sichtbar. Wir haben es also mit Protein- körnern zu tun, wie sie in den Kotyledonen und im Endosperm vieler Pflanzen, in schöner Ausbildung z. B. bei Rizinus, auftreten. Die Proteinkörner treten aus leicht ersichtlichen Gründen zuerst in den- jenigen Endospermzellen auf, die der Chalaza zunächst liegen, später in den weiter oben gelegenen und schließlich auch in den Geweben des Embryos. Wie schon erwähnt wurde, resorbiert der Embryo während seines Wachstums einen großen Teil des ursprünglich den ganzen Embryosack ausfüllenden Nährgewebes. In den reifen Samen umgibt das Endosperm den Embryo seitlich nur noch mit einer einzigen Zellage. während es 416 Hans Wirz, am Grunde des Embryosackes noch in einer Stärke von zwei Schichten auftritt. Während der Entwicklung des Embryos und des Endosperms erfahren die übrigen Bestandteile der Samenanlage mancherlei Ver- änderungen. Durch den sich ausdehnenden Embryosack wird der Nucellus nach außen gedrängt. Er umgibt den Embryosack während der jüngeren Entwicklungsstadien in seinen oberen und mittleren Partien in zweischichtiger in seinen basalen Partien in dreischichtiger Lage. Von diesen Schichten wird zunächst die innerste resorbiert. Die äußerste bleibt am längsten bestehen und ihre, an das innere Integument an- grenzende Membran, erfährt eine starke Verdickung und Kutinisierung. Diese kutinisierte Haut ist noch nachweisbar, wenn der Same schon ganz ausgereift ist und die übrigen Bestandteile des Nucellusgewebes völlig resorbiert worden sind. Sie umgibt alsdann das den Embryo umhüllende Endosperm in seiner ganzen Ausdehnung als feste Membran. Das innere Integument wird schon früh zerdrückt und in der Folge vollständig resorbiert. Am meisten Interesse verlangt die Entwicklung des äußeren Integumentes. Wie das innere besteht es aus zwei Zellschichten, die aber in ihrer weiteren Ausgestaltung sich ganz verschieden verhalten. Die Elemente der inneren Schicht strecken sich zur Zeit, da der Pollen- schlauch durch die Mikrophyle dringt, in der Richtung senkrecht zur Längsachse des Embryosackes und vermehren gleichzeitig ihre Zahl durch Längsteilungen ungefähr auf das Doppelte. Diese innere Zellage des äußeren Integumentes erinnert auf diesem Stadium, das Taf. IV, Fig. 17 wiedergegeben ist, an die Entwicklung der innersten Integument- schicht bei den Serophulariaceen!) des sog. „Tapetums“. Die Kerne sind in der Mitte des Zellraumes gelagert. Die Zellen zeigen ziemlich dichtes Plasma, das sich um die Kerne etwas stärker ansammelt. Taf. IV, Fig. 18 zeigt ein bedeutend weiter fortgeschrittenes Stadium aus der Entwicklung der „Tapetenzellen“. Sie haben sich in radialer Richtung stark gestreckt, so daß ihr Längsdurchmesser nun ungefähr das Vier- fache ihrer Breite erreicht. Damit haben die „Tapetenzellen“ ihre definitive Größe erlangt. Sie sind um diese Zeit von gleichmäßig dichtem Plasma erfüllt. Die Kerne haben eine Lageveränderung er- fahren und finden sich der äußeren Querwand angelagert. Sie zeigen rundliche bis ovale Gestalt. Die chromatische Substanz tritt in Gestalt von kleinen Körnchen deutlich hervor. Die „Tapetenzellen“ zeigen im 1} Schmid, E, „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Scrophulariaceen“, Inangural-Diss. Zürich, Labor. f. allgem. Bot. 1906, pag. 5, Fig. 1 f. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 417 allgemeinen eine schwache Biegung, deren Konkavseite gegen das Mikropylarende der Samenanlage zu gerichtet ist. Die weitere Ent- wicklung des „Tapetums“ führt zu einer stetig zunehmenden Verdickung der Zellmembranen, namentlich der Längswände und der an das Endo- sperm angrenzenden Querwand, während die zweite Querwand, welcher der nunmehr länglichovale Kern anliegt, und auch die an sie anstoßenden Partien der Längswände unverdickt bleiben (Tafel IV, Fig. 19). Der Zellraum wird infolgedessen immer enger, das Protoplasma mehr und mehr zurückgedrängt. Auf den fortgeschrittensten Entwicklungsstadien ist vom ursprünglichen Zellumen nur noch eine schmale Spalte übrig geblieben. Protoplasma und Kern verschwinden zuletzt vollständig (Taf. IV, Fig. 20). Hand in Hand mit der morphologischen Umwandlung der Wand der Tapetenzellen geht auch eine chemische, die sich schon äußerlich durch eine Änderung in der Farbe dokumentiert. Die ver- holzten und kutinisierten Membranen werden allmählich gelb, dann zeigen sie eine immer dunkler werdende braune Farbe, die zuletzt in ein intensives Braunschwarz übergeht. Zu gleicher Zeit wird das Tapetum hart und spröde und zersplittert beim Schneiden leicht. Die Grenzen der an seinem Aufbau beteiligten Elemente sind fast nicht mehr nachweisbar. An der reifen Frucht schimmert das schwarze Tapetum durch das zarte, nicht verholzende Perikarp durch (s. auch Penzig, l. e. pag. 160). Die äußere Zellage des äußeren Integumentes erleidet wenig Veränderungen. Ihre Zellen folgen dem Wachstum des Embryosackes durch Größenzunahme, nicht durch Vermehrung der Zellenzahl. Sie sind meist länglich-rechteckig, trapezförmig oder fast kubisch und bleiben viel länger lebensfähig als die Tapetenzellen. Wenn in den letzteren schon eine vollkommene Resorption des Inhaltes erfolgt ist, zeigen Kern und Plasma in den Zellen der äußeren Schicht noch keinerlei Spuren von Degeneration. Während das „Tapetum“ bei Zprrrhizanthes clongata gegen das Mikropylarende der Samenanlage gleichmäßig spitz zuläuft (Textfigur Ja), zeigt dasjenige von Zpirrhisanthes cylindrica in seinem oberen Teile eine scharfe Einknickung (Textfigur 9 2). Das Tapetum umgibt indessen den Embryosack nicht auf allen Seiten in ununterbrochener Schicht. In der Gegen«d der Chalaza zeigt es eine Lücke. Es ist dies ja leicht begreiflich, denn an dieser Stelle dringt der Nährstoffstrom durch den Nuzellus gegen den Embryosack vor, und für ihn würden die stark verdickten Tapetenzellen ein großes Hindernis bedeuten. Es bleibt also an der genannten Stelle ein Durch- gangstor offen (Taf. IV, Fig. 21), das gebildet wird von dünnwandigen, 418 Hans Wirz, parenchymatischen Nuzelluselementen mit dichtem Plasma und kleinen Kernen. Später, wenn der Zufluß der Nährstoffe von der Chalaza her auf- hört, wird diese Durchtrittsstelle geschlossen. Es geschieht dies in interessanter Weise. In den Nuzelluszellen. die an der Stoffleitung be- teiligt waren, treten stark liehtbreehende Körn- chen auf. Sie erscheinen anfangs spärlich, dann in immer reichlicherer Anzahl, bis das Zellumen davon angefüllt ist. Mit m der Zeit zeigt sich auch g.9. a Zpirrhizanthes elongata. Schnitt durch den jes ö i ; . : an diesen Körnchen ein noch nicht reifen Samen. Das Endosperm nimmt noch “ " fast den ganzen Embryosackraum ein. Vergr. 70,1. Farbenumschlag von 6 Eßirrhizanthes cylindrica. Längsschnitt durch den } ; i N 4 . helle ein reifen Samen. Der Embryo hat- einen großen Teil m Gelb in des Endosperms resorbiert. Vergr. «0.1. dunkles Braun, wie wir Eb Embryo; Erd Endosperm; » Nuzellus; 7’ Tapetum. jhn bei den Tapeten- zellen verfolgen konnten. Die ehemalige Durchtrittsstelle für den Nährstofistrom im Tapetum ist indessen auch am reifen Samen noch deutlich zu erkennen. Es macht den Eindruck, als ob hier ein Pfropfen zum Verschluß einer früheren Öffnung nachträglich eingeschoben worden sei. Bei der Bil- dung (dieses „Verschlußpfropfens“ handelt es sich wohl um eine Um- wandlung körnigen Plasmas in Membransubstanz. Il. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. 1. Morphologie der Blüten. Der Besprechung der morphologischen Blütenverhältnisse möchte ich einige Bemerkungen über die systematische Stellung der hier be- handelten Pflanze vorausschicken. Die Gattung ‚Sciaphila gehört zur Familie der Triuridaceen, (deren Platz im System noch unsicher ist. Bei Engler u. Prantl!) ist die Frage, ob diese Familie den Mono- kotyledonen oder den Dikotyledonen beizuzählen sei, offen gelassen. In 1) Engler u. Prantl, „Die natürlichen Pflanzenfamilien“, I. Teil, 1. Abt. pag. 342, Leipzig 1880. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 419 Englers!) Syllabus der Pflanzenfamilien nehmen die Trzuridaceen als die selbständige Reihe der Trzurıdales zwischen Zelobine und Glumi- Aoraec ihre Stellung ein. Zumeist werden sie jetzt in der Nähe der Alsmataceen untergebracht, doch äußert sich Paulsen?) in einer Arbeit über 7riures major dahin. daß diese Familie ebensogut in die Nähe der Ranunculaceen gestellt werden könne. In einer neueren Studie über Scraphıla nana Bl. läßt derselbe Autor®) die Frage, ob die Trieridaceen zu den Ranunculaceen oder zu den Alismataceen zu rechnen seien, unentschieden. Eine genaue Bestimmung der im nachfolgenden besprochenen Art war mir auf Grund der zur Verfügung stehenden Literatur nicht mög- lich, indessen scheint sie der Gruppe Hyalisma Champ.*) anzugelören und in dieser wiederum der Sczaphzla Andajensis Becc. am nächsten zu stehen, Die Blüten sind eingeschlechtig und stehen in traubigen Blüten- ständen, deren Gipfel von vier bis fünf männlichen Blüten eingenommen wird. Darunter folgen in geringem Ab- stande die weiblichen Blüten, meist in etwas größerer Zahl, auf ziemlich langen Stielen. Die männlichen Blüten sind sehr klein. Ihr Durchmesser beträgt kaum mehr als ein Millimeter. Das Perianth ist sechs- zählig, seine Zipfel tragen an ihrer Spitze jenen keulenförmigen Appendix aus plasma- reichen Zellen, den Beceari auch für Scza- Pala Andajensıs und andere Arten dieses Fig. 10. a Längsschnitt durch Genus beschreibt (l. ec. pag. 330): „peri- ein Staubblatt mit zahnförni- anthium lobis lanceolatis apice appendicula a entknoten elongata et clavata (in alabastro inflexa) mit Griffel. Vergr. v0 1. praetlitis“. Die Staubblätter sind in der Dreizahl vorhanden. An ihrem Grunde findet sich auf der Innenseite an der Stelle, wo bei Sezaphıla Andajensıs die sog. Pistillodien ent- springen, je ein kleiner Höcker von zahnförmiger Gestalt, der vielleicht als letzter Rest eines Pistillodiums zu deuten ist (Textfigur 10a). Die 1) Engler, A., „Syllabus der Pflanzenfamilien“, Berlin 1907. pag. 82. j 2) Poulsen, V. A., „Zrier:s major Spec. nov.“, Botan. Tidsskr., Bd. XV, 1890, pag. 305. j 3) Poulsen, V. A., „Sciaphtla nana Bl.“, Meddel. fra den naturh. Foren i. Kbhvn. 1906, pag. 14. 4) Beccari, O., „Malesia“, Vol. TIL. Firenze-Roma 1886—189. 420 Hans Wirz, Frage, ob diese Auswüchse der Antheren wirklich als Pistillodien zu - betrachten seien, läßt übrigens Beccari noch offen (l. e. pag. 340): „Questo corpo ha l’apparenza di un rudimento di pistillo, ma forse deve come nella Seiaphila erinita Bece. considerarsi come una produ- zione del connectivo delle antere“. Die weiblichen Blüten, die ein ebenfalls sechszähliges Perianth aufweisen, bestehen aus einer großen Anzahl apokarper Fruchtblätter. Der Griffel ist seitlich, ziemlich nahe der Basis des Karpells inseriert, während er bei Scraphrla Andajensis und überhaupt bei der Gruppe Hoalısma nach Beccari eine mehr apikale Lage hat (l. c. pag. 330): „ovaria in stylum filiforme ad apicem attenuata“. Er ist fadenförmig und übertrifft den Fruchtknoten an Länge ungefähr um das Doppelte (Textfigur 105). Seine Epidermis ist wie diejenige des Karpells kaum papillös. Männliche und weibliche Blüten stehen in der Achsel von Trag- blättern. 2. Entwicklung und Bau der Antheren und der Pollenkörner. Die männlichen Blüten erscheinen in ihren ersten Anlagen als kegelfürmige Gewebehöcker, über die sich das Tragblatt helmförmig Fig. 11. «a Erste Anlage der männlichen Blüte in Form eines kegelförmigen Gewebehöckers. Vergr. 70/1. ö Das Perianth beginnt sich als ringförmiger Wulst an- zulegen. Vergr. 70/1. c Erste Anlage der Antheren als undifferenzierter Gewebe- höcker. Vergr. ‘0/1. @ Das gleiche Stadium im Quer- schnitt. Vergr. ”O/l. eAn- theren keulenförmig. Dif- ferenzierung in ein kurzes Filament und in eine An- there, Vergr. 70/1. /Längs- schnitt durch eine männ- liche Blüte mit reifen Antheren. Vergr. 70,1. hinüberlegt (Textfigur 11a). Letzteres ist zweischichtig. Die morpho- logisch untere Zellschicht ist stärker entwickelt, die sie zusammen- setzenden Zellen sind größer, weisen stärker verdickte Wände auf und scheinen mit Körnern einer eigentümlichen, hell lichtbrechenden Substanz, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 421 der wir im folgenden noch des öftern begegnen werden, angefüllt zu sein. Auf einem etwas späteren Stadium zeigt ein Längsschnitt durch die männliche Blüte seitliche Gewebewucherungen, die sich auf halber Höhe des ursprünglich kegelförmigen Gewebehöckers bemerkbar machen (Textfigur 11). Subepidermale Zellen teilen sich senkrecht zur Längs- achse der embryonalen Blütenanlage und treiben die Epidermis, die sich als deutliche Zellage vom übrigen Gewebe abzuheben beginnt, nach außen bauchig vor. Dem raschen Wachstum der unter ihr liegenden Gewebe folgt sie durch zahlreiche Zellteilungen. Die auf dem Längsschnitt als seitliche Ausbuchtungen der Blüten- achse erscheinenden Gewebewülste umgeben dieselbe in Form eines äquatorialen Ringes, aus dem sich das Perianth entwickelt. Seine sechs Lappen wachsen rasch empor, den übrigen Bestandteilen der männlichen Blüte um ein Bedeutendes vorauseilend, und wölben sich über dem noch kuppelförmigen Ende des Kurztriebes zusammen. Auch diese Perianthblätter bestehen aus zwei Zellschichten, die anfangs gleiche Ausbildung zeigen. Später erscheinen wieder in den Zellen der Unter- seite jene eigentümlichen, körnigen Bildungen stark lichtbrechender Substanz. Innerhalb der Perianthblätter nimmt das anfangs kuppel- förmige Ende der Sproßachse durch seitliches Auswachsen die Gestalt. eines ovalen, plattgedrückten Polsters an, von dem sich im weiteren Gange der Entwicklung drei peripher gelegene Gewebehöcker erheben. Während diese randständigen Gewebepapillen sich rasch vergrößern, behält das Polster in seinem inneren, zentral gelegenen Teil die ur- sprüngliche Dicke bei. Es kommt so eine Mulde zustande, in die sich die Zipfel der Perianthblätter hineinsenken und sich so dicht aneinander legen, daß man auf den ersten Blick den Eindruck erhält, sie seien miteinander verwachsen. Diese in der Knospe eingeschlagenen („in alabastro inflexa“, Beccari l. c. pag. 330) Enden der Blütenhülle ent- sprechen den späteren keuligen Anhängseln („appendicula elongato clavata“, Beccari I. c. pag. 330) der Perianthblätter, auf die schon im Abschnitt über die äußere Morphologie der Blüte aufmerksam gemacht wurde (Textfigur 11c). Einen Querschnitt durch die männliche Blüte auf dem eben geschilderten Entwicklungsstadium zeigt Textfigur 11. Die drei Gewebehöcker zeigen eine länglichovale Gestalt. Ihr Längs- durchmesser steht tangential zur Längsachse des Blütensprosses. Aus jedem der besprochenen Gewebehöcker bildet sich in der Folge eine Anthere. Eine Differenzierung verschiedener Gewebekon- plexe ist auf dieser Entwicklungsstufe noch nicht eingetreten. Alle 422 Hans Wirz, Zellen sind noch gleichförmig parenchymatisch. Kaum beginnen sich die Epidermiszellen etwas deutlicher vom übrigen Gewebe abzuheben (Texttigur 12a). Mit der Zeit werden die runden Gewebehöcker keulen- förmig, indem sie sich am Grunde etwas einschnüren. Es entsteht eine Partie, die dem auch im ausgewachsenen Zustande sehr kurzen Fila- ment entspricht; aus dem keuligen Ende entwickelt sich natürlich die Antliere (Textfigur Ile). Der Entwicklungsgang der letzteren ist fol- gender. Subepidermale, durch dichten Plasmainhalt ausgezeichnete Zellen strecken sich in radialer Richtung und teilen sich als- dann periklin. Dadurch ent- stehen unter der Epidermis zwei Zellschichten von spezi- eller Bedeutung. Die äußere, neue subepidermale Zellage liefert den größten Teil der späteren Wandung der Pollen- säcke, die innere Schicht er- Fig. 12. @ Längsschnitt durch ein junges Staub- Zeugt durch weitere Teilungen blatt vor der Differenzierung in Filament und die Pollenmutterzellen. Durch Anthere. Vergr. 285/l. 5 Stück einer älteren . r Anthere nach Ausbildung der vierschichtigen diese Vermehrung der Ge- Wand und der Pollenmutterzellen. Vergr. 41071. r N H : . R c Stück der Wandung einer reifen Anthere aus webe wird die Epidermis deı Epidermis und fibröser Schicht bestehend. Anthere an vier Stellen über Vergr. 310.1. den vier sich bildenden Ar- chesporkomplexen vorgewölbt und dadurch die Entstehung von vier Loculi auch äußerlich, wenn auch nur schwach, angedeutet. Verfolgen wir zunächst die Bildung der Antherenwandung. Die neue, subepidermale Zellschicht erzeugt durch zweimalige perikline Teilung drei Zellagen, deren Zellen zunächst durchwegs gleiche Größe und Gestalt zeigen. Ihr tangentialer Durchmesser übertrifft den radialen an Länge um das Zwei- bis Dreifache. Die Kerne sind dementsprechend länglich-oval. Ihre Längsachse fällt mit derjenigen der zugehörigen Zelle zusammen. Die Zellen der drei subepidermalen Wandschichten liegen in radialen Reihen und lassen dadurch ihre Abstammung von einer gemeinsamen Mutterzelle deutlich erkennen. Mit der Zeit gewinnt die innerste Zellage ein etwas anderes Aus- sehen. Ihre Elemente strecken sich ein wenig in radialer Richtung und füllen sich mit einem feinkörnigen, dichten Plasma. Sie bilden sich zu den Tapetenzellen um. die sich durch ihre intensive Tinktions- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 493 fähigkeit sofort von den übrigen Wandzellen der Anthere abheben und ein Ernährungsgewebe für die sich teilenden Archesporzellen bilden. Der Kern ist in den Tapetenzellen immer in Einzahl vorhanden und etwas in der Richtung des tangentialen Zelldurchmessers gestreckt. Die Tapetenschicht bleibt ziemlich lange erhalten. Die sie zusammen- setzenden Zellen sind noch in unveränderter Gestalt vorhanden, wenn sich die einkernigen Pollenkörner gebildet haben. Später ergießt sich ihr Inhalt, wie ich an mehreren Präparaten beobachten konnte, in der noch geschlossenen Anthere zwischen die Pollenkörner. In der Tat fanden sich denn auch die letzteren im Pollensack in ein Substrat von schleimartiger Konsistenz eingebettet, das bei der Nachfärbung mit Magdalarot eine schwach-rötliche Tinktion annahm. Auf späteren Ent- wicklungsstadien war diese eigenartige Substanz nicht mehr nachweisbar. Die auf die Tapetenzellen unmittelbar nach außen folgende zweite Schicht der Antherenwandung wird bald zusammengedrückt. Ihre Reste sind indessen, der äußeren Tangentialwand der Tapetenzellen anliegend als schmale, intensiv sich färbende Lamellen noch eine Zeitlang sichtbar. Die subepidermalen Zellen der Antheren entwickeln sich zu mechanischen Elementen und bilden die sogenannte „fibröse Schicht“. Sie erfahren zu diesem Zwecke eine Streckung senkrecht zu ihrem Längsdurchmesser und auf ihren Radialwänden bilden sich Verdickungs- leisten, welche in radialer Richtung von der inneren Tangentialwand zur äußeren verlaufen. Die Zahl dieser festigenden Reifen ist ver- schieden und schwankt zwischen drei und fünf. Oft sind diese Ver- dickungsleisten gabelig verzweigt (Textfigur 122). An den reifen Antheren sind nur noch die beiden äußeren Wanıl- schichten erhalten, die Epidermiszellen und die darunterliegende „fibröse Schicht“. Erstere sind vielfach geschrumpft und kollabiert, weshalb die Epidermisschicht an vielen Stellen unterbrochen scheint. Tapetenzellen und die zu „verdrängende Schicht“ sind spurlos verschwunden. In den Antheren finden sich regelmäßig vier sporogene Gewehe- komplexe. In einem Falle konnte ich nur drei konstatieren. Nach den Untersuchungen von Hemsley!) scheinen dagegen bei Scraphzla fenella Bl. trilokuläre Antheren die Regel zu sein. Jeder dieser Komplexe enthält zahlreiche sporogene Zellen von regelmäßiger, mehr oder weniger kubischer Gestalt. Der Kern nimmt einen großen Teil des Zellumens ein und übertrifft diejenigen der Antherenwandzellen an 1) Hemsiey, B. W., Two new Triuridaceae, with some remarks on the genus Sciaphila Bl.“, Ann. of Bot.. Vol. XXI, 1907, pag. °>. 424 Hans Wirz, Größe um ein Bedeutendes. Er unterscheidet sich auch von ihnen durch seine vollkommene Rundung. In seinem Innern finden sich, von einem hellen Hofe umgeben, zwei bis drei kleine Kernkörperchen. Die chromatische Substanz erscheint auch im ruhenden Kerne in Form kleiner Körnchen, die durch zarte Fäden miteinander verbunden sind. Während der Vorbereitung der Pollenmutterzellen zur Tetraden- teilung konnte ich das Stadium des regelmäßigen Fadennetzes nicht beobachten, wohl aber den Vorgang der Synapsis in seinen verschiedenen Phasen vom lockeren bis zum dichten, kugelförmigen Knäuel, der keine Struktur mehr erkennen ließ. Die Teilung der Pollenmutterzellen ist eine sukzessive, nach der ersten Teilung kommt es zur Ausbildung einer Trennungswand und zur Entstehung zweier Tochterzellen, die sich unabhängig voneinander weiter teilen und die Pollenkörner liefern. Die Pollenentwicklung verläuft also bei Scraphzla ganz nach Art der Monokotylen. Es ist dies ein Grund mehr, die Familie der Trzurzdaceen in der Klasse der Monokotyledonen, in der Nähe der Adismataccen und nicht bei den Dikotyledonen unterzubringen. Die der Teilung der Pollenmutterzellen vorangehenden Stadien der Verdoppelung und Segmentierung des Kernfadens konnte ich nicht auffinden. Ebensowenig gelang es mir mit Sicherheit die Zahl der Chromosomen festzustellen, ich vermute aber, daß sie nach der Reduktion zwölf betrage. An vegetativen Kernen ist die Zahl der Chromosomen deshalb schwer zu bestimmen, weil sie ziemlich lang und während der Teilungsphasen vielfach hin- und hergebogen sind. Die aus der Tetradenteilung hervorgehenden Pollenkörner sind vollkommen rund und von einer verhältnismäßig dicken, ganz glatten Exine umhüllt. Keimporen für den Pollenschlauch konnte ich nie wahrnehmen. Der Kern der eben entstandenen Pollenkörner zeigt nur wenig chromatische Substanz, die in Gestalt kleiner Körnchen an der Peripherie angeordnet ist. Die Tochterkerne, die durch seine Teilung entstehen, erscheinen anfangs als dunkeltingierte, bohnenförmige Körper. Zunächst ist nicht zu erkennen, welcher derselben zum generativen Kern wird. Mit zunehmender Größe wird aber der eine heller, während der andere durch seinen reicheren Gehalt an Chromatin sich als Geschlechtskern kundgibt. Von einer größeren vegetativen und einer kleineren generativen Zelle kann man kaum sprechen. Das plasmatische Septum teilt den 19) enko Ss W O eiche Te l F u 3, Taf. I 2 )- fe) le ( 18 22 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 435 Die Teilung des generativen Kernes in die beiden Spermakerne findet schon innerhalb des Pollenkornes statt. Die Spermakerne sind länglich, zuweilen schwach kommaförmig gebogen und besitzen ein intensives Tinktionsvermögen (Fig. 24, Taf. IV). In den kugeligen Pollensäcken entwickeln sich die Pollenkörner, entsprechend den vielen Pollenmutterzellen, in großer Anzahl. Der Durchmesser der reifen Pollenkörner beträgt 15 #. Nachdem die Septen, die die vier Loculi voneinander trennen, resorbiert worden sind, das Innere der Anthere somit von einem einzigen Hohlraum einge- nommen wird, öffnet sie sich durch den für die Gattung Sciaphıla charakteristischen Längsriß. Auch um diese Zeit schließen die Perianth- blätter immer noch über den Staubblättern zusammen (Textfigur 11/). Eigentlich geöffnete männliche Blüten, mit deutlich ausgebreiteten Perianthblättern, traf ich in meinem Untersuchungsmaterial nicht an. Eine Keimung von Pollenkörnern innerhalb der geöffneten, aber noch nicht entleerten Antheren, konnte ich nicht beobachten. 3. Entwicklung und Bau der weiblichen Blüte. Die weiblichen Blüten nehmen die mittleren und unteren Partien der traubigen Infloreszenzen ein. In ihren ersten Anlagen sind sie von «en männlichen wenig verschieden. Wie dort, so bildet auch hier der Scheitel des Kurztriebes einen rundlichen Höcker, der von Perianth- blättern überwölbt wird (Textfigur 13«). Bald dehnt er sich aber stark in die Breite und nimmt die Form einer flachen Scheibe an, auf der zuerst an der Peripherie, dann immer mehr gegen das Zentrum zu die Fruchtblätter entstehen. Während ich vorliegende Untersuchungen ausführte, kam mir die schon an früherer Stelle zitierte Arbeit von Poulsen zur Hand, in der die eigentümliche Fruchtknoten- und Griffelbildung bei Scraphıla nana Bl, die an jener Pflanze in ganz gleicher Weise verläuft wie bei der von mir bearbeiteten Sciaßkıla-Art, eingehend beschrieben ist (l. ce. pag. 3). Ich möchte daher im folgenden die Entwicklung der Carpelle nur kurz resümieren und im übrigen auf die anschauliche Schilderung des eben erwähnten Autors hinweisen. Durch lebhafte Teilungen in der Periblemschicht wächst die Spitze der Fruchtblattanlage neben dem an der letzteren eben sich bildenden Nuzelluskegel empor, überholt ihn rasch im Wachstum, wölbt sich über seinen Scheitel hinüber und wächst auf der gegen das Zentrum der Blütenachse zu gerichteten Seite der Nuzelluspapille wieder dem blüten- boden zu (Textfigur 135 u. c). So bildet das Fruchtblatt eine ge- 496 Hans Wirz, schlossene, helmförmige Hülle um den Nuzellus herum. An einer Stelle vleibt indessen längere Zeit eine quergestellte, spaltenförmige, dem < ® 5 c > Fig. 13. a Längsschnitt durch die junge Anlage einer weiblichen Blüte vor der Bildung der Carpelle. Vergr. 40,1. 5 Am Rande der flach-tellerförmigen Blüten- achse erheben sich die Anlagen der Carpelle mit den Nuzellushöckern. Vergr. 40.1. ec Auf der ganzen Oberfläche des nunmehr gewölbten Fruchtbodens haben Helmvisier vergleichbare Öffnung, die sogenannte Akropyle, bestehen. In Poulsen’s eben zitierter Arbeit gibt Fig. 14 Taf. VI ein klares Bild dieser Verhältnisse. Mit der Zeit wird die Akropyle immer enger. Während der Tetradenbildung im Nuzellus ist sie auf einem Längs- schnitt durch den Fruchtknoten nur noch als schmale Spalte nach- weisbar (Textfigur 14«). Zur Zeit der Endospermbildung ist die Akro- pyle vollständig geschlossen, doch ist ihre ehemalige Lage an der Ver- wachsungslinie ihrer Ränder noch erkennbar (Textfigur 142). Während das Carpell in der geschilderten Weise sich über den sich Carpelle gebildet. Vergr. 40/1. Nuzelluskegelhinüberbiegt, schreitet es zur Bildung des Griffels, die sich in gleicher Weise vollzieht wie bei .Sciaphrila nana Bi. Die wachsende Spitze des Fruchtblattes verbreitert sich fußförmig (Text- figur 15). Die gegen das Zentrum der Blüte gerichtete „Fußspitze“ zieht sich mehr und mehr zu einem drehrunden, säulenförmigen Fort- satz aus, der sich gegen die Spitze zu etwas verjüngt. Der so ent- standene Griffel richtet sich aus seiner anfangs horizontalen Lage mehr und mehr auf. In seiner vollen Ausbildung ist er mehr oder weniger über den Fruchtknoten hinüber, gegen den Rand der Blüte zu bogig gekrümmt. Ein ähnliches Verhalten zeigen die Griffel von Scraphıla erinıta (Beccari 1. ec. Taf. XLII, Fig. 12) und anderer Arten dieser Gattung. Der Griffel zeigt bei der hier besprochenen Art eine schwach papillöse Oberfläche. Er baut sich auf aus langgestreckten, zartwandigen Zellen. Eine Differenzierung seines Gewebes in einen zentralen, leiten- den Strang für die Pollenschläuche und einen peripheren Mantel an der Leitung nicht beteiligter Zellen konnte ich so wenig nachweisen wie Poulsen für Seraphila nana Bl. (. e. pag. 10). Auf einem Längs- schnitt dureh den Griffel erscheinen alle seine Elemente gleichgestaltet. Kaum heben sich die peripheren Zellen durch etwas reicheren Plasma- en fr sol: . ale . Beiträge zur Entwieklunesgeschiehte von Selaphila spee. usw. 427 gehalt und dureh Einschlüsse körniger Natur, wie sie (en meisten Epidermiszellen zukommen, etwas ab. Poulsen konnte an den Griffel- papillen von ‚Scrapırla zanea Bl. auch beileben- den Pflanzen nie kei- mende Pollenkörner be- obachten und möchte aus dieser Tatsache anf eine partlienogenetische A Entwieklung der Eizelle \ schließen (l.e. pag. 12). Auch ich traf nie «dem Griffel anhaftende Pol- lenkörner. Fbensowenig a konnte ich jemals einen _. ‘ Fig. 14. a „Akropyle“ zur Zeit da sieh im Nuzellus Pollensehlaueh im Grif- die axiale Tetradenreihe gebildet hat. Verer, 2401. felgewebe wahrnehmen. > „Akropyle zur Zeit der Iindospermbillung (ve- schlossen). Ihr ehemaliger Verlauf ist dureh die Die (riffelpapillen sind stärker ausgezogene Linie angedentet. Verer. 24071. an der vorliegenden Selaphila- Art viel schwächer ausgebildet als bei Seraphrla nana DL. ferner ist. der Griffel als Granzes viel schmächtiger als bei jener Art, so daß ein Zweifel an seiner Funktions- fähigkeit noch eher berechtigt erscheint als dort. Die Wandung des Frucht- knotens besteht aus «rei bis vier Zellsehiehten. Die einzelnen Zel- len sind länglich rechteckig. in dder äußersten Zellage viel größer als in den «rei inneren. Da- dureh fällt die Epidermis sofort auf und noch mehr durch die eigentünnliche, stark liehthreehen- de Substanz, die in ihren Zellen in besonders reichlicher Menge und typischer Ausbildung auf- tritt. Auf den ersten Blick er- scheinen die Zellen mit stärke- kornartigen Einsehlüssen dieht angefüllt. Zelle meist von ungefähr gleicher Größe. Fiora, Bd. 101. Fig. 15. Das sich über den Nuzellus hin- überbieeende Fruechtblatt hat sieh an seiner Spitze fubförmig verbreitert. Der in der Figur nach links sehende Teil des Kubes wächst später zum Griffel aus. Vergr. 385 1. Die Körner sind in derselben Ihr Volumen kann aber in Run 428 Hans Wirz, unmittelbar nebeneinander liegenden Zellen stark variieren. Eine ge- nauere Untersuchung zeigt, daß es sieh nieht um frei in der Zelle liegende Substanzpartikelchen handelt, daß vielmehr «lie Zellwände, (die mit (diesem stark lichtbrechenden Stoffe imprägniert sind, oft sehr regelmäßige, körnchenartige Verdickungen aufweisen. Die Ausscheidung der besagten Substanz erfolgt schon früh. Noch ehe sich das Carpell um den Nuzellus völlig geschlossen hat, erscheinen in den epidermalen Zellen, unmittelbar hinter der wachsenden Spitze, jene körnigen Membranverdickungen. Ihr Lichthrechungsvermögen ist anfangs nicht so intensiv, wird aber stärker, je weiter «(ie Epitermis- zelle von der Spitze der Carpells entfernt ist. Auch die Kerne (der Fpidermiszellen imprägnieren sich mit der lichtbrechenden Substanz. Sie verlieren dabei mehr und mehr ihre Tinktionsfähigkeit, werden zuletzt gleich stark liehtbrechend wie die Zellmembranen, lassen aber ihre Form noch deutlich erkennen. Auch (das Ikernkörperchen ist an den so veränderten Kernen noch deutlich wahrzunehmen. Wahrscheinlich geht die Ausscheidung der besprochenen Substanz Hand in Hand mit dem Absterben der Zellen. Aber nicht alle ab- gestorbenen Zellen sind mit ihr imprägniert. Vielmehr ist ihre Aus- scheidung auf die peripher gelegenen Zellen beschränkt. Das Vor- kommen dieser Substanz als Ausscheidung innerhalb der Memlman ließ an Gerbstoffe denken, doch ergab sie bei Einwirkung von Eisensalz- lösungen nicht die für jene charakteristischen Reaktionen. Mit Phloro- gluein-Salzsäure und schwefelsaurem Anilin erfolgen auch nicht die für Verholzung typischen Färbungen. In konzentrierter Schwefelsäure war die besagte Substanz auch bei längerer Einwirkung unlöslich. Allem Anschein nach handelt es sich also um eine Kutinisierung. 4. Entwicklung des Embryosackes. Während sich das Fruchtblatt über den Nuzellus hinüberwölbt, wird am Scheitel des letzteren eine subepidermale Zelle sichtbar, die sich von ihren Nachbarzellen durch ihr größeres Volumen unterscheidet. Es ist die Archesporzelle. Ihr Plasma ist anfangs wenig dichter als dasjenige der übrigen Nuzelluszellen. Der Kern nimmt einen großen Teil des Zellraumes in Anspruch. Die chromatische Substanz tritt in Fornı kleiner Körnchen, die durch feine Fäden miteinander verbunden sind, nicht stark hervor. An Größe übertrifft der Kern der Archespor- zelle «diejenigen der Nachbarzellen bedeutend (Textfigur 162). Die ausgewachsene Archesporzelle hat eine länglich-rechteckige (iestalt. Der Kern liegt stets in ihrer oberen Hälfte und macht hier Beiträge zur Entwieklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 429 ılie seiner Teilung vorausgehenden Veränderungen durch. Von den an seiner Peripherie gelegenen Chromatinkörnchen spinnt sich ein zartes, nicht sehr diehtmaschiges Netz von Lininfäden aus, auf das später (die chromatische Substanz hinaustritt (Fig. 25, Taf. IV). Alsdann ballt sich dieses Kerngerüst zu einem dichten Knäuel zusammen, der einseitig der Wand anliegt (Textfigur 16c u. d). Der Fig. 16. «a Junge, noch aufrechte Samenanlage; Archesporzelle subepidermal. Vergr. 285/1. d Beginnende anatrope Krümmung der Samenanlage. Vergr. 285/1. c Die Samenanlage hat sich um 90° gedreht; Archesporzelle mit beginnender Synapsis. Vergr. 285/1. d Embryosackmutterzelle im Stadium des dichten Synapsisknäuels ihres Kernes. Vergr. 285/l. e Tetradenbildung. Die Samenanlage hat eine nahezu anatrope Lage angenommen. Vergr. 285/1. Synapsisknäuel ist kugelförmig und läßt, wenn er seine höchste Aus- bildung erreicht hat, keinerlei Struktur mehr erkennen. Die Kern- körperchen werden ausgestoßen und verschwinden bei der Ausbildung der Kernspindeln. Letztere traf ich mehrmals im Längsschnitt. Text- figur 17a zeigt ein solches Stadium der ersten Kernteilung in der Archesporzelle. Das Plasma hat sich an den Spindelpolen zu dichteren Massen angesammelt, während es im ührigen Zellraum nur spärlich 29° 430 Hans Wirz. vorhanden ist. Die Chromosomen haben die Gestalt kurzer, dieker Stäbchen. Ihre Zahl konnte ich auch hier nicht feststellen. Den Verlauf des zweiten Teilungsschrittes der Tetradenteilung konnte ich nieht beobachten, wohl aber traf ich oft «die axiale Reihe der vier Tetradenzellen. Die sie trennenden Wände sind häufig nicht parallel, woraus man schließen muß, daß die Kernspindeln der Teilungen, die zur Bildung der Tetrade führen, sieh nicht immer genau in die Längsachse ihrer Zellen einstellen (Textfigur 16°). Von den vier Tetradenzellen entwickelt sich die unterste zum Imbryosack weiter, inden sie sich stark verlängert und ihre Schwesterzellen verdrängt. Fig. 17. a Erste Teilung der Archesporzelle. Vergr. 410/1. 6 Übersichtshild einer älteren, anatropen Samenanlage. Vergr. 285/1. Auch am Nuzellus gehen, während die Embryosaekmutterzelle die geschiklerte Entwicklung durehmacht, verschiedene Veränderungen vor sich. An seiner Peripherie bildet sich nahe der Basis ein ringförmiger Wulst — die Anlage des inneren Integumentes —, der während des Synapsisstadiums, das auch hier, wie in den Pollenmutterzellen ziemlich lange dauert, deutlicher hervortritt und um den Nuzelluskegel als ge- sehlossener Wall emporwächst. Fast gleichzeitig erscheint als zweiter Gewebewalst, wenig unterhalb des ersten, die Anlage «des äußeren Integumentes. Während des Tetradenstadiums wächst das innere Inte- sument über den Nuzellusscheitel empor bis an die kuppelförmige Wölbung des Fruchtblattes und die anfangs vorhandene Mikropyle- be- Beiträge zur Entwieklimgsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 431 ginnt sich bald zu verengern. Poulsen (l. c. pag. 13) gibt auch für ‚Seraphila nana Bl. zwei Integumente an, und wie dort ist auch bei ıler hier vorliegenden Sciaßhila- Art das äußere Integument kürzer und seine Ränder kommen nicht zum Schluß, so daß die Mikropyle, die sich übrigens mit der Zeit vollkommen schließt, vom inneren Inte- sument allein gebildet wird. Beide Integumente sind zweischichtig. Das innere zeigt während der Entwicklung des Embryosackes in seinen Zellen starken Plasmagehalt und sticht infolgedessen vom äußeren auf den ersten Blick durch dunklere Färbung ab. Das äußere Integument beteiligt sich, wie später gezeigt werden soll, am Aufbau der Samen- schale. In seiner peripheren Schicht zeigen die Zellen reichlich, die an früherer Stelle besprochenen, stark lichtbrechenden Ausscheidungen. Die Samenanlage ist ursprünglich orthotrop, später wird sie anatrop. Das allmähliche Umbiegen innerhalb der Fruchtknotenhöhle läßt sich hei ‚Sezaphrla sehr schön verfolgen. Es geht zu gleicher Zeit wie die Ausbildung der Integumente vor sich. Wenn sich «ie Archesporzelle zum ersten Male teilt, hat (die Samenanlage schon ihre definitive anatrope Stellung erreicht. Die Richtung der Drehung ist der Biegung des Fruchtblattes um den Nuzellus herum gerade entgegengesetzt. Sie kann vielleicht als eine zentrifugale, dem Rande des Fruchtbodens zu- gewandte, bezeichnet werden. Die „Akropyle“ befindet sich auf der Punikularseite der Samenanlage. Einige Stadien aus dem Verlaufe dieser Umbiegung sind in der Textfigur 16@—e wiedergegeben. Auch Poulsen (l. e. pag. 13) macht bei ‚Seraphıla nana Bl. auf diesen Übergang der anfangs orthotropen Samenanlage in die anatrope Lage aufmerksam. In der sich stark verlängernden untersten Zelle der Tetradenreihe liegt der Kern in der Nähe der oberen Querwand. Seine Teilung konnte ich nicht beobachten, wohl aber mehrmals den zweikernigen Embryo- sack, an essen Polen die beiden Kerne gelagert sind. Die letzteren sind wenig größer als die Kerne des umgebenden vegetativen (rewebes und enthalten zwei bis drei Nukleolen. Der Plasmagehalt des Embryo- sackes ist um diese Zeit gering. Um die beiden Kerne lagert sich Plasma in etwas größerer Menge an, an dlen Längswänden ist ein Belag kaum wahrnehmbar. Eine kleine dunkle Kappe am oberen Pol ent- spricht den Resten «der degenerierten Tetradenzellen (Textfigur INe). Die Zellen des den Embryosack in einer einzigen Schicht umgebenden Nuzellus erscheinen schon jetzt zusammengerdrückt und beginnen zu ılegenerieren. Sie werden später vollständig resorbiert. Schon auf dem vierkernigen Stadium zeigt der Embryosack (lie langgestreckt-keulige Gestalt, die er bis zur Endospermbildung beibehält. 432 Hans Wirz, Er läuft gegen das Antipodenende spitz zu und verbreitert sich allmählich gegen sein oberes Ende. Später wird diese keulige Form durch Ver- änderungen in benachbarten Geweben modifiziert. Beim zweiten Teilungsschritt, der zur Entstehung des vierkernigen Embryosackes führt, nehmen die Kernspindeln eine Stellung ein, wie sie Fig. 182 zeigt. Die am breiteren Pole, dem späteren Eipol gelegene steht etwas schief zur Längsachse des Embryosackes. Demgemäß findet man in der Folge den einen der beiden dieser Teilungsfigur entstam- menden Kerne, (lem obe- ren Ende des Embryo- sackes anliegen; während der andere etwas tiefer der Seitenwand sich an- lagert. Die im spitzen Ende liegende Spindel- figur stellt sich in die Richtung der Längsachse des Embryosackes ein. Die beiden Kerne, die sie liefert, liegen daher stets senkrecht unter- einander, während die beiden Kerne des oberen Poles oft auch nebenein- ander getroffen werden. Es erklären sich diese verschiedenen gegenseiti- Fig. 18. a Zweikerniger Embryosack. Vergr. 41911. gen Stellungen der Kerne b Vierkerniger Embryosack. Vergr. 410/1. ce Vier- Ja leicht aus den räum- kerniger Fimbryosack (offenbar abnormaler Verlauf lich v slen: der Entwicklung). Vergr. 410/1. d Achtkemniger Nehen erhältnissen. Einbeyosack kurz nach Verlauf der dritten Kern- Beim dritten Tei- eilung. Um die Kerne des Eiapparates und der l . : Antipoden haben sich noch keine Zellen gebildet. ungsschritt, der zur Aus- Vergr. 410/1. bildung des achtkernigen Embryosackes führt, ste- hen von den vier Kernspindeln je zwei zusammengehörige senkrecht aufeinander. u Die beiden, dem oberen und unteren Pol direkt anliegenden Teilungsfiguren stellen sich senkrecht zur Längsachse des Embryo- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 433 sackes. Sie liefern wahrscheinlich einerseits die Synergiden, andererseits zwei der Antipoden. Die beiden anderen, mehr gegen (die Mitte des Embryosackes zu liegenden Teilungsfiguren fallen in ihrer Richtung mit der Längsachse des Embryosackes zusammen und liefern wohl die (dritte Antipode und den unteren Polkern, ferner den oberen Polkern und den Eikern. Textfigur 182 zeigt die durch den dritten Teilungsschritt ge- bildeten acht Kerne kurz nach ihrer Entstehung. Um die einzelnen Kerne haben sich noch keine Membranen gebilde. Am breiten Eipol liegen die drei Kerne, die den Eiapparat liefern werden. Die beiden Polkerne haben sich in der Nähe des Antipodenendes einander genähert. Die acht Kerne haben ungefähr gleiche Größe und übertreffen diejenigen der umliegenden Gewebe kaum an Volumen. Sie sind in der Ei- region vollkommen rund: der eine der beiden Poilkerne zeigt etwas längliche Gestalt. Die Nukleolen sind in der gleichen Zahl vorhanden wie in den vegetativen Zellen und von einem weiten, hellen Hofe üm- geben. Die chromatische Substanz zeigt die glei- che Anordnung wie dort und tritt auch nicht in größerer Menge auf. In der Umgebung des Embryosackes sind, durch sein starkes Wachstum weit ausein- andergerückt, die dun- kel-tingierten Reste der Fig. 19. « Embryosack mit Eiapparat und sekundärem Nuzelluszellen sichtbar, Embryosackkern. Vergr. 285/1. 6 Eiapparat aus Bi- die ihn ehemals um- zelle und einer Synergide. Vergr. 285/1. gaben. Der Eiapparat liegt am breiteren Pole des Embryosackes. Die Eizelle ist gewöhnlich etwas länger als die beiden Synergiden. Auf- fallend ist ihre Plasmaarmut. Ihr Lumen wird fast vollständig von einer einzigen großen Vakuole eingenommen. Nur an ihrem Scheitel. ddem der Kern anliegt, zeigt sich ein etwas dichterer Plasmabelag. Der Kern ist rund und nicht größer als derjenige der Synergiden und wie diese cher kleiner als die Kerne des inneren Integumentes. Die Syner- giden selbst zeigen keinerlei Besonderheiten. Sie sind länglich-sack- förmig gestaltet. Ihr vorderes Ende wird von einer groben Vakuole eingenommen, die oft fast die Hälfte des Zellraumes in Anspruch nimnit. 434 Hans Wirz, Im basalen. mit «liehtem Plasma erfüllten Teile liegt der Kern. In einem Palle fand ich nur eine Synergide ausgebildet. die aber viel größere Dimensionen aufwies. Sie war so lang und fast doppelt so breit als die benachbarte Eizelle. Der Kern allerdings wies nicht größeren Umfang auf als unter normalen Verhältnissen (Textfigur 19). Kurz nach der Ausbildung der acht freien Kerne im Embryosack findet man die beiden Polkerne in der Antipodenregion einander ge- nähert. Iiier findet auch die Verschmelzung statt. Das Verschmelzungs- produkt, der sekundäre Bimbryosackkern. wandert alsdann gegen den Kiapparat hinauf. Der sekuntläre Embryosackkern zeigt meist nur ein einziges. ansehnliches Kernkörperchen (Textfigur 19a). Er ist anfangs vollkommen rund: später nimmt er eine länglichovale Gestalt an. Von ihm aus strahlen schwache Protoplasmastränge. Die Antipodenzellen sind klein und unbedeutend. Ihre Lage Ist, in Anpassung an die räumlichen Verhältnisse, eine verschiedene. Oft findet man sie in dem engen Sacke in einer Reihe senkrecht überem- ander liegen. In anderen Fällen hat die eine der Antipoden in dem spitzen Eimde Platz gefunden, während die beilen anderen etwas höher, wo der Embryosack sich zu erweitern beginnt, nebeneinander inseriert sind, so daß eine dreieckige Gruppe zur Ausbildung kommt (Text- feur 20.9). Schon früh beginnen die Antipodenzellen zu degenerieren. Ihre Kerne schrumpfen und der übrige Zellmhalt wird stark lichtbreehend. Die Reste der Antipodenzellen sind indessen noch zu einer Zeit sicht- bar, wo sieh schon zahlreiche freie Endospernikerne gebildet haben (Testfigur 20.7). Fine Funktion bei der Zweitung der Nährstofle wird man also den Antipoden kaum zuschreiben können: zudem zeigen die den Embryosack begrenzenden Elemente zuerst gerade am Antipoden- pol eine Verdiekung und Verholzung ihrer Membranen. Eher dürfte (lem inneren Integument als Ganzem eine Rolle bei der Ernährung des Embryosackes zukommen, worauf der starke Plasmagehalt seiner Zellen hindeuten mag. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Maßverhält- nisse des Embryosackes während verschiedener Entwicklungsstadien. Kleinste Größte | länge Länge kuelkentiser Imbryosack . | Au! 58a ierkermiger Embryosack ....2020202020201.09 a Du Achtkeruiser Imbrvosack ı 123 u ih Embryossaek nach Beginn der Emdospermbildung : 210 u 40H Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 435 Br Aus obiger Zusammenstellung geht zunächst hervor, daß der Embryosack nicht ein während seiner ganzen Entwieklung gleichmäßig fortschreitendes Wachstum zeigt; es scheint vielmehr, daß auf späteren Stadien sein Wachstum intensiver wird. Während des zweikernigen Stadiums ist die Längenzunahme ganz unbedeutend, ebenso wälrend des Uberganges zum vierkernigen Stadium und auch innerhalb der Dauer des letzteren ist eine Verlängerung kaum bemerkbar. Etwa 120 beträgt die Länge «les Embryosackes kurz nach der dritten Kernteilung. Es muß also während der letzteren oder kurz ılaranf eine starke Streckung stattgefunden haben, denn der längste vierkernige Embryosack maß uur 75 za. Als höchsten Betrag für den Längsdurch- messer eines achtkernigen Embryosackes fand ich 176 a. Es nimmt der achtkernige Embhryosack während seines Bestehens an Länge um ein Bedeutendes zu. Die höchsten Werte erreicht aber das Wachstum nach der ersten Teilung des sekundären Embryosackkernes während der Entwicklung des Endosperms. Zurzeit, da sich eben die beiden ersten Eindospermkerne gebildet haben, beträgt die Länge des Eimbryosackes 210 u. Wenn die Zahl der Endospermkerne auf ca. 10 angestiegen ist, mißt der Längsdurchmesser 250 «, und wenn Embryo und Enılo- sperm ihre vollkommene Ausbildung erreicht haben, beträgt die Längen- ausdehnung vom Ei- bis zum Antipodenpol ca. 430 u. Es hat sich somit in der Zeit vom Beginn bis zur Vollendung der Eudosperm- bildung die Länge des Embryosackes gerade verdoppelt. Auch im ausgewachsenen Samen zeigt der Embryosack eme Ver- jüngung gegen den Antipodenpol hin, allerdings nieht mehr im so be- deutendem Maße wie auf jüngeren Stadien. 5. Entwicklung des Embryos und des Endosperms. Irgendwelehe Anzeichen von Befruchtung konnte ieh an der unter- suehten Seiaphila-Art nicht auffinden. Pollenschläuche waren weder im Gewebe des Griffels noch im Inneren der Samenanlage zu beobachten. Die Mikropyle der letzteren bleibt, wie dies auch Poulsen (I. c. pag. 13) für Seiaphila nana Bl. angibt, stets fest geschlossen und ist zudem von der Ansatzstelle des Griffels an der Basis des Fruchtknotens durch len Funieulus getrennt. Die Eizelle entwickelt sich also vermutlich parthenogenetisch oder apogam. Auf dem Stadium, das in der Textfigur 20a wiedergegeben ist, hat die Eizelle an Größe schon beträchtlich zugenommen. Sie zeigt immer noch geringen Plasmagehalt. Nur am Scheitel, in der Nähe (les Zellkernes, bildet das Cytoplasma einen etwas dichteren selag. Die 436 Hans Wirz, Synergiden sind schon stark in Degeneration begriffen. Es sind von ihnen nur noch die beiden Kerne und ein kleiner Plasmarest sichtbar. In der Nähe der Eizelle liegt der große sekundäre Embryosackkern. Er ist in der Längsrichtung des Embryosackes etwas gestreckt. An- zeichen einer baldigen Teilung sind an ihm noch nicht sichtbar. Die erste Teilung des Eikerns kam mir nicht zu Gesicht. Da- gegen fand ich ein Stadium, wo die Keimzelle zwei Kerne enthielt, Fig. 20. a Eizelle, daneben die degenerierten Synergiden. Vergr. 410/1. 5 Keim- zelle mit zwei Kernen. Vergr. 410/1. c Embryosack mit neun Endospermkernen. Im äußeren Integument haben sich die Zellen der inneren Schieht schon stark ge- streckt. Vergr. 1251. d Antipodenende des Embryosackes zur Zeit der Eindosperm- bildung. Reste der Antipodenzellen. Vergr. 410/1. zwischen denen eine Wand noch nicht deutlich wahrnehmbar war. Die beiden Kerne zeigten eine länglichovale Gestalt und lagen quer zur Längsachse der Eizelle (Textfigur 20 2). Weitere Stadien aus der ersten Entwicklung des Embryos begegneten mir nicht. Ich fand ihn immer erst in seiner vollen Ausbildung, rings von Endospermgewebe um- geben, wieder. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 437 Poulsen gibt in seiner Arbeit über ‚Sczaphıla nana Bl. eine Abbildung eines dreizelligen Embryos, der genau am Scheitel des Em- bryosackes inseriert ist (l. ec. Taf. VI, Fig. 23). Der ausgewachsene Embryo ist keulenförmig. Sein kurzer Stiel wird von zwei Suspensorzellen gebildet. Von seiner Umgebung hebt er sich infolge der starken Färbbarkeit seiner Kerne und durch seine kleinen Zellen, die den Endospernizellen an Größe bedeutend nach- stehen, deutlich ab (Taf. IV, Fig. 26). Er ist klein, wenigzellig und ungegliedert. In seiner Form stimmt er mit dem Embryo von Scia- prnla Schwakeana‘) überein. Auch für jene Art gibt Johow einen Suspensor an (l. c. pag. 517: „Der Embryo ist wie bei den Burmannia- ccen rudimentär und ungegliedert, er besteht aus einer größeren Anzahl von Zellen als bei irgend einer bekannten Art dieser Familie und ist ferner auch durch den Besitz eines kurzen Trä- gers ausgezeichnet.“ Der Inhalt der Trägerzellen stirbt auf älteren Stadien ab und wird resorbiert. Sie sind dann oft nicht leicht nachzuweisen, und bei oberflächlicher Be- trachtung bekommt man Fig. 21. «a Querschnitt durch Emhryo und Endo- Eindr Is Hi sperm, nahe der Insertionsstelle des ersteren. Vergr. den Eindruck, als liege 175/1. 5 Schnitt durch Emhryo und Endosperm, der Embryo ganz isoliert näher dem Scheitel des Embryos. Vergr. 175/1. im Inneren des Endo- sperms. Die scheinbar laterale Insertion des Embryos an der Embryo- sackwandung ist die Folge einer Gestaltveränderung, die der Embryosack durch das Auswachsen von Zellen des äußeren Integumentes erleidet. Der Embryo selbst erhält durch diese Wachstumsprozesse außerhalb des Embryosackes liegender (iewebe eine exzentrische Lage im Eindo- sperm, wie sie aus der Textfigur 21a u. 6 ersichtlich ist. Die in un- mittelbarer Umgebung des Embryos liegenden En«dospermzellen sind beieutend kleiner als die weiter entfernten. Auch ihre Kerne haben geringere Dimensionen als diejenigen der übrigen Zellen des Endo- spermgewebes. Sie sind etwa von der Größe der Kerne des Embryos und sind noch zu Teilungen befähigt, wenn sich die Wände der übrigen 1) Johow, F., „Die chlorophylifreien Humuspflanzen“, Pringsheim’s Jahr- bücher, Bd. XX, 1889, pag. 517. 458 Haus Wirz, Eindospermzellen schon verdiekt haben und ihre Kerne in den Ruhe- zustand getreten sind. Durch diese Teilungen der dem Embryo he- wachbarten Zellen werden kleine „Füllzellen® gebildet, denen vielleicht die Funktion zukommt, kleinere Lücken, die zwischen Embryo und Eindospermgewebe übrig bleiben, zu schließen. Die Kerne dieser „Füll- zellen" zeigen intensives Tinktionsvermögen und sind zu einer Zeit noch sichtbar, wo diejenigen der eigentlichen Endospermzellen ver- sehwunden sind (Taf. IV, Fig. 26). Die erste Teilung des sekundären Embryosackkernes konnte ich nicht beobachten. Immerhin ist es sicher, daß sie vor der ersten Tei- lung des Eikernes erfolgt. In dem um diese Zeit stark in die Länge wachsenden Embryosack bildet sich in normaler Weise ein regelmäßiger Wandbelag mit freien Endospermkernen. Letztere sind größer als die Kerne der umliegenden Gewebe, rund oder länglichrund und enthalten mehrere Kernkörperchen. Teilungen der Endospermkerne konnte ich vielfach beobachten. Sie erfolgen im ganzen Embryosack gleichzeitig. Taf. IV, Fig. 27 zeigt zwei Endospermkerne in Vorbereitung zur Tei- lung begriffen. Ob die Weiterentwicklung des Tindosperms durch simultane Zell- bildung im Wandbeleg und nachfolgende tangentiale Teilungen der so entstandenen Zellen vor sich geht, kann ich nicht sagen. Das Endo- spermgewebe bildet ein regelmäßiges, großmaschiges Zellennetz. Die Wände sind anfangs dünn, verricken sich aber mit der Zeit. Nament- lieh werden die freien (nicht an andere Endospermzellen anstoßenden) Membranen der peripheren Endospermzellen stark ausgebildet, so dab der ganze Kndospermkörper auf Quer- oder Längsschnitten von einer ıieken Leiste umrahmt erscheint (Tafel IV, Fig. 26). Bei Einwirkung von Chlorzinkjod färben sich «liese Endospermwände violett, in 50", Schwefelsäure quellen sie auf und werden in konz. Schwefelsäure vollkommen gelöst. Sie bestehen also aus einer Zellulose, die wohl »päter vom Keimling gelöst und aufgezehrt wird. Mit Eosin färben sich diese Endospermwände rot, bei Anwendung von Orange nehmen sie eine intensiv gelbe Tinktion an. Auch im Inneren der Endospermzellen gehen während des Reifungsprozesses der Samen mancherlei Veränderungen vor sich. Ihr Plasma zeigt zunächst wenige, grobe Vakuolen, die um den zentralen Kern angeordnet sind. Sie lösen sich später in ein Netz kleinerer Vaknolen auf (Taf. IV. Fig. 28). Das plasmatische Gerüstwerk zwischen den Vakuolen vertlichtet sich stellenweise zu kompakten Körnchen. die nit der Zeit zu größeren, intensiv sich färbenden Klunpen zusammen- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spee. usw. 439 fließen. Die anfangs zackige Kontour dieser Klumpen rundet sich später ab. Sie werden dadurch tropfenförmig (Taf. IV, Fig. 29 und 30). Bei Einwirkung von Salpetersäure nehmen diese Reservestoffkörper deutlich eine gelbe Färbung an, bestehen also wohl aus Eiweißsubstanzen. Während der Bildung besagter klumpiger Reservestoffkörper degeneriert der Kern der Endospermzellen. Er verliert seine regel- mäßig gerundete Form und erscheint an seiner Peripherie in spitze Fortsätze ausgezogen, wodurch er oft eine sternförmige (iestalt erhält und den Eindruck erweckt, als wolle er sich in dem umgebenden Plasma auflösen. Im völlig reifen Endosperingewebe lassen sich keine Kerne mehr nachweisen. 6. Entwicklung der Samenschale. Nehen der Ausbildung des Embryos und des Endosperms gehen Wachstumsvorgänge und Gestaltsveränderungen im Bereiche (der sie umgebenden Gewebe einher. Das innere Integument hat keinen Anteil am Aufbau der Samen- schale. Zu einer Zeit, wo im protoplasmatischen Wandhelege erst wenige Entdospermkerne auftreten, sind seine Zellen schon zusammen- gedrückt und in Degeneration begriffen. In der Folge werden sie vom heranwachsenden Endosperm resorbiert. Am reifen Samen ist vom inneren Integument nichts mehr vorhanden. An das Endosperm schliebt sich nach auben direkt das äußere Integument an. Fitwas anders scheinen die Verhältnisse bei Seraphila Schwakeana zu liegen. Nach einer Zeichnung Johow’s (l. ce. Taf. XXTI, Fig. 22), die einen Längsschnitt durch die Frucht der genannten Pflanze gibt, schieht sieh zwischen Endosperm und Integument noch eine weitere Zellage ein. Der ge- nannte Autor sagt davon (l.e.p.517): „Die einfache, zusammengedriückte Zellage, welche den kleinzelligen Körper im Innern umgibt. gehört dem Nuzellus an, wie aus dem Vergleich mit den von Poulsen ab- gebildeten jüngeren Zuständen unzweifelhaft hervorgeht“. Es würde also nach diesen Angaben bei Sciaphila Schwakrana, die den Embryosack umhüllende Nuzellussehicht, auch im reifen Samen persistieren, während für die uns vorliegende Art eine frühzeitige Degeneration derselben übrigens bei der Deutung der nachgewiesen wurde. Johow geht aus, daß bei der Gattung erwähnten Zellschicht von der Annahme Sciaphıla nur ein Integument zur Ausbildung komme. Er stützt sich dlabei auf die Angabe Poulsen’s, dab Seraphrla candata nur em Integument besitze. Auf Grund seiner neneren Untersuchungen an Sciaphila nana Bl. erklärt aber der letztgenannte Forscher selbst die 440 Hans Wirz, Frage nach der Zahl der Integumente in der Gattung Scraphila als der Revision bedürftig (. e. pag. 14). Im Gegensatz zum inneren spielt das äußere Integument eine große Rolle bei der Bildung der Samenschale, namentlich ist es die innere der beiden Zellschichten, die sich in hervorragender Weise daran betejliet. Sie unterscheidet sich schon früh von «der äußeren Zellage, in erster Linie dureh die Zahl der Zellen, die sie zusammensetzen. Auf eine der langgestreckten Zellen der äußeren Schieht kommen ca. zwei der inneren, Uni diese Zellen der inneren Zellage zeigen noch «das normale Aussehen und lebenden Inhalt, während diejenigen der äußeren Zellschicht schon abgestorben sind und ihre Wände sich mit der gelblichen, hell lichtbrechenden Substanz bedeckt haben. Die spe- zifische Ausbildung der Zellen «der inneren Schicht setzt ein mit (den ersten Teilungen der Emdospermkerne innerhalb des Embryosackes. Um diese Zeit beginnen sie sich in radialer Richtung senkrecht zur Längsachse des Embryosackes zu strecken. Diese Streekung geht während der Entwicklung des Eindosperms weiter, bis die besagten Zellen das Drei- bis Vierfache ihrer Länge erreicht haben. Im übrigen strecken sich nicht alle Zellen der inneren Schicht gleich- mäßig. Am stärksten verlängern sich diejeni- gen, die auf halber Höhe (les Embryosacks liegen; gegen die Pole zu nimmt das Streekungsvernö- gen ab. Textfigur 222 gibt diese Verhältnisse wieder. Aus jener Zeich- EEG Längschnitt durch Frucht und Samen. nung geht auch hervor, nn N ar. Don. Fuel und Bamen. daß nur auf der einen Seite der Frucht, und zwar auf der gegen den Rand (des Fruchtbodens gerichteten, diese Streckungsvorgänge stattfinden. Auf der Funikular- seite werden die Zellen des äußeren Integumentes zusammengedrückt und lassen weder ihre Form noch ihr Lumen mehr erkennen. Aus der gleiehen Figur ist ersichtlich, daß auch die Form des Embryosackes durch dieses starke Auswachsen der Zellen des äußeren Integumentes eine Motlitikation erlitten hat. Das früher breit gerundete Ende ist in Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. 44] eine scharfe Spitze ausgezogen worden, wobei der ursprüngliche Scheitel les Embryosackes eine Verschiebung erlitt, so daß der Embryo seitlich zu liegen kommt. Einen (uerschnitt durch die reife Frucht gibt Textfigur 225 wieder. Das Endosperm zeigt in dieser Ansicht ungefähr bohnen- förmige Gestalt. Gegen die stark verlängerten Integumentzellen hin ist der Endospermkörper abgeflacht. Eine ähnliche Entwicklung des äußeren Integumentes hat auch Johow {l. e. Taf. XXIL, Fig. 22) für Scraphlla Schwakrana konsta- tiert. Zum Unterschied von der hier untersuchten Art haben dort die Zellen beider Schichten des äußeren Integumentes eine radiale Streekung erfahren. Johow möchte die Vergrößerung der gestreckten und später mit Luft erfüllten Integumentzellen mit der Verbreitung der Samen in Zusammenhang bringen. Gegen das Endosperm hin bilden alle an dasselbe angrenzenden Integumentzellen eine dicke Wand aus, die sich «durch Farblosigkeit und starkes Lichtbrechungsvermögen von den übrigen Membranpartien, die einen braunschwarzen Farbenton zeigen, deutlich abhebt. In kon- zentrierter Schwefelsäure ist diese verdickte Membran unlöslich. Mit Sudan III nimmt sie eine Örangefärbung an, sie ist also kutinisiert. Wie wir früher gesehen haben, umgab das Fruchtblatt die Samen- anlage als eine «rei bis vier Zellagen dicke Hülle, in deren aufsteigenden Aste Poulsen bei Scraphila nana Bl. (l. ec. Taf. VI, Fig. I) einen schwachen Tracheidenstrang nachweisen konnte. Solche leitende Kle- mente werden bei der hier untersuchten Art im Fruchtblatt nicht mehr ausgebildet, doch fand ich auch hier im aufsteigenden Teile des Carpells, und nur in ihm, in den Zellen Stärkekörner, woraus man wohl schließen darf, daß auch bei vorliegender Art die Zuleitung «der Nährstoffe zum Griffelgewebe durch den aufsteigenden Ast besorgt wird, obschon auch der absteigende sekundär mit dem Fruchtboden verwächst. An der reifen Frucht ist die Wandung am gerundeten Scheitel zwei-, an der Basis dreischichtig. In der innersten Schicht zeigen die Wände Verdickungen, die an (diejenigen gewisser Gefäße erinnern, und nehmen mit Phlorogluein und Salzsäure eine schwach rötliche, mit schwefelsaurem Anilin eine gelbliche Färbung an, sind also offenbar verholzt. Die Frucht ist gedrungen-keulenförmig. Sie ist an ihrer Ansatz- stelle am Fruchtboden am schmalsten und verbreitert sich allmählich gegen das distale, abgerundete Ende zu. Nahe der Basis sieht man ihr oft noch die verdorrten Griffelreste ansitzen. 442 Hans Wirz, Die Verhreitung der Samen soll nach Beccari (l. « pag. 32%) durch Regenwürmer resp. Vögel, denen diese Tiere zur Beute werden, erfolgen. Eine Verfrachtung dureh den Wind. wie sie Johow dl. c. pag. BIT) auf Grund des Bauex der Samenschale annehmen möchte, sei nach den Standorten der Pflanzen auf windgeschütztem Waldboden nicht zu erwarten. Die gleiche Verhreitungsweise schreibt Beccari (l. e. pag. 315) auch anderen Saprophyten. die unter ähnliehen Be- dingungen wachsen. so 7. B. auch «der vorher besprochenen Gattung Epirrhrsanthes, In. Zusammenfassung der Resultate. a) Epirrhizanthes elongata. 1. In der zwitterigen Blüte entwickeln sich die Glieder m akropetaler Reihenfolge. In den Antheren werden die Pollenurmnutterzellen nach Abeliederung einer subepidermalen Zelle direkt zu den Pollenmutterzellen Die Zahl der letzteren beträgt gewöhnlieh drei bis vier. Sie liefern dureh simultane Zellbildung «die Pollentetraden. Auf den ersten postsvnaptischen Stadien ist die chromatische Sub- stanz in körnigen Gruppen über den ganzen Zellraum verteilt, die jedenfalls den späteren Chromosomen identisch sind. Ihre Zahl beträgt wahrscheinlich 24. Während der Kernteilungen im Innern der Pollen- mutterzellen tritt an ihrer Peripherie eine eisentümliche Verdichtung des Protoplasmas auf. 2. Die in der subepidermalen Zellschicht des Nuzellus auftretende Archesporzelle wird nach Abgliederung einer Tapetenzelle zur Embryo- sackmutterzelle. Von den vier Teträdenzellen entwickelt sieh die unferste in normaler Weise zum Embryosack. Die Polkerne verschmelzen vor dem Eindringen des Pollenschlauches zum sekundären Embryo- sackkern. Die Antipodenzellen degenerieren früh und sind an der Zu- leitung des Nährstoffstromes nieht beteiligt. Die Mikropyle wird allein vom inneren Integument zebildet. 3. Die Antheren öffnen sich dureh einen introrsen Längsriß, durch ılen die schon innerhalb der Pollensäcke keimenden Pollenkörner die > a Pr 7 . Were x . . . Pollenschläuche zur Narbe entsenden. Es findet somit Autogamie statt. Die Teilung «des generativen Kernes findet erst innerhall» des Pollen- schlauches statt. Der letztere wächst «durch ein Griffeleewebe inter- zellulär der Samenanlage zu, in die er durch die Mikropyle eindringt. Für die Wahrseheinlichkeit einer Befruchtung spricht das regelmäßige Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spee. usw. 443 Eindringen des Pollenschlauches in den Embryosack, das Auftreten von zwei größeren und einem kleineren Kernkörperchen in den Teilungs- produkten des sekundären Embryosackkerns, ebenso das Auftreten eines zweiten Kernkörperchens im Kern der Eizelle. 4. Der Embryo entwickelt sich in normaler Weise. Er zeigt im ausgewachsenen Zustande zwei deutliche Cotyledonen, zwischen denen der schwach gewölbte Vegetationskegel sichtbar is. Er ist an der Wand des Embryosackes mittels eines zweizelligen Suspensors befestigt. 5. Die erste Teilung des sekundären Embryosackkernes findet statt vor der Zweiteilung der Eizelle. Die Endospermbildung erfolgt durch freie Kernteilung und nachfolgende simultane Zelibildung. Das Endosperm bildet ein großmaschiges Gewebe, das zum größten Teil von heranwachsenden Embryo resorbiert wird. Es enthält als Reserve- stoff Proteinkörner mit Eisweißkrystalloiden und Globoiden. 6. Das Nuzellusgewebe wird während der Samenentwicklung bis auf geringe Reste, das innere Integument voliständig resorbiert. Das äußere Integument ist an der Bildung der Samenschale in hervor- ıagender Weise beteiligt. Es liefert das „lapetum.“ In der Chalaza- region zeigt das „Tapetum“ eine Durchtrittsstelle für den Nährstoffstrom, die nach Sistierung des letzteren verstopft wird. b) Sciaphila spec. 1. In den traubigen Blütenständen wird die Spitze von wenigen (4—5) männlichen, die mittlere Partie und die Basis von den weiblichen Blüten eingenommen. 3. An den anfangs kegelförmigen Anlagen der männlichen Blüten entwickeln sich zunächst das sechszählige Perianth, dann in der Drei- zahl die Staubblätter, welche an der Basis einen zahnförmigen (sewebe- höcker zeigen, der vielleicht als letzter Rest eines Pistillodiums zu deuten ist. Aus dem vielzelligen. sporogenen Komplexe entwickeln sich durch suecedane Teilung der Mutterzellen die Pollenkörner. Die Pollen- bildung verläuft somit im Rahmen der Monokotylen. Die kleinen, runden Pollenkörner weisen eine dicke Exine auf, Keimporen sind nicht vorhanden. Das Perianth bleibt auch nach der Öffnung der Antheren, die durch einen extrorsen Längsriß erfolgt, geschlossen. 3. Auf dem anfangs flachen, scheibenförmigen Fruchtboden ent- stehen die Carpelle in akropetaler Reihenfolge. Die wachsende Spitze des Fruchtblattes überwölbt den kegelförmigen Nuzellus, sie verbreitert sich dabei fußförmig. Die Spitze des Fußes wächst zum fadenförmigen Griffel aus, der kein Leitungsgewebe für Pollenschläuche ausbildet. 30 Flora, Bd. 101. 444 Hans Wirz, 4. Die subepidermal im Nuzellus entstehende Archesporzelle wird direkt zur Embryosackmutterzelle. Während ihrer Entwicklung dreht sich die anfangs orthotrope Samenanlage innerhalb des Fruchtknotens und geht in anatrope Stellung über. Von den vier Tetradenzellen wird die unterste zum Embryosack. Dieser zeigt eine keulenförmige Gestalt. Der Eiapparat liegt am breiteren Ende, Die Antipoden sind klein und degenerieren frühzeitig. 5. Anzeichen einer stattfindenden Befruchtung ließen sich nicht auffinden. Pollenschläuche fanden sich weder im Griffelgewebe noch in der Samenanlage. Die Eizelle entwickelt sich vermutlich parthenogenetisch. Der ausgewachsene Embryo ist keulenförmig, aus wenigen, kleinen Zellen bestehend, ungegliedert und durch einen zweizelligen Suspensor an der Wand des Embryosackes befestigt. Die Teilung des sekundären Embryosackkernes erfolgt vor der ersten Teilung der Eizelle. Die Endospermbildung geschieht durch freie Kernteilung mit nachfolgender simultaner Zeilbildung, Im reifen Endosperm sind die Zellwände stark verdickt und bestehen aus Zellulose. 6. Die den Embryosack umschließende, nur eine Zellage dicke Nuzellusschicht wird frühzeitig zerdrückt und resorbiert: das gleiche Schicksal erleidet später das innere Integument. Das äußere Integument persistiert und liefert die Samenschale. Literaturverzeichnis. 1) Beecari, O., „Malesia“. Vol. III. Firenze-Roma 1886-1890. 2) Engler, A., „Syllahus der Pflanzenfamilien®. Berlin 1907. 3) Engler u. Prant]. „Die natürlichen Pflanzenfamilien“ II. Teil, 1. Abt, Leipzig 1889, 4) Ders., „Die natürlichen Pflanzenfamilien“, III. Teil, 4. Abt,, Leipzig 1897. 5) Hemsley, B. W., „Two new Triuridaceae with some Remarks on the genus Seiaphila Bl.“. Ann. of Bot., 1907, Vol. XXL 6) Johow, F., „Die chlorophyllfreien ITumuspflanzen«. Pringsheim's Jahrbücher. 1559, Bd. XIX. ) Penzige, O.. „Beiträge zur Kenntnis der Gattung Epirrhizanthes BL“, Ann. du jard. bat. de Buitenzorg, 1901, Vol. XVII, Ser. 2, Vol. II. 5) Poulsen, V. A., „Triuris major spec. nov.®. Bot. Tidsskr., 1890, Bd. XVII 9% Ders. „Seiaphila nana BL“. Meddel. fra den naturh. Foren i. Kbhwn. 1906. 10) Schmid, E.. „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Scrophulariaceen“ Inaug.-Diss. Zürich. Labor. f. allg. Bot. 1906, Fig. Fig Fig Fig. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Sciaphila spec. usw. 445 Erklärung der Tafel IV. 1. Zpirrhizanthes cylindrica. Pollenmutterzelle. Stadium des regelmäßigen Kernnetzes. Vergr. 1080/1. . 2. Zpirrhizanthes cylindrica. Pollenmutterzellen. Synapsisstadium. Vergr. 620,1. . 3. Zpirrhizanthes elongata. Pollenmutterzellen mit peripherer Plasmaverdichtung. Chromatingruppen. Vergr. 1080/1. .4. Eßirrhizanthes elongata. Pollenmutterzelle. Dispiremstadium. Periphere Plasmaverdichtung. 1080/1. Fig. 5. Zpirrhizanthes elongata. Pollenmutterzelle nach der ersten Teilung des er) 2} Kernes. In der Nähe der Tochterkerne haben sich aufs neue Zonen ver- dichteten Plasmas gebildet. Vergr. 1080/1. ig. 6. Zpirrhizanthes elongata. Pollenmutterzelle Stadium der Tetradenbildung. Das Plasma noch nicht in 4 Portionen zerfallen. Vergr. 620/1. Fig. 7. Zpirrhisanthes elongata. Pollentetrade. Vergr. 620/1. Fig. 8. Zpirrhizanthes elongata, Pollenkorn. Erste Teilung des Kernes. Vergr. 620/1. Fig. 9. Zperrhizanthes elongata, Pollenkorn. Generative und vegetative Zelle, Vergr. 620/1. Fig. 10. Zpirrhizanthes elongata. Achtkerniger Embryosack. Vergr. 62071. Fig. 11. Zöirrhizanthes elongata. Eizelle, in ihrer Nähe die aneinander gelagerten und an der Berührungsstelle sich abplattenden Polkerne. Vergr. 620/1. Fig. 12. Zpirrhisanthes elongata. Länglich-keulenförmig gestaltete Polkerne. Vergr. 62071. Fig. 13. Zpirrhizanthes elongata. Keimendes Pollenkorn. Vergr. 430,1. Fig. 14. Zpirrhizanthes elongata. Pollenschlauchspitze mit den beiden Sperma- kernen. Vergr. 1080/1. Fig. 15. Zpirrhizantkes elongata. Narbenpapillen mit Sekretkappen von schwammig- vakuoliger Struktur. Vergr. 190/1. ie. 16. Zpirrhizanthes elongata, Endospermkern mit zwei größeren und einem kleineren Nukleolus. Vergr. 620/1. ie. 17. Zöirrhisanthes elongata. „Tapetenzellen“ zu Beginn der Längsstreckung. Vergr. 62011. ie. 18. Zpirrhisanthes elongata. „Tapetenzellen“ auf ihre definitive Länge ge- streckt; Kerne an die äußere Querwand gerückt. Vergr. 620 1. ig. 19. Zfirrhisanthes elongata. „Tapetenzellen“, an den Längswänden stark ver- diekt. Vergr. 620/1. . 20. Epirrhizanthes elongata. „Tapetenzellen“ in ihrer völligen Ausbildung, Zellraum auf eine schmale Spalte reduziert. Vergr. 6201. ‚21. Epirrhisanthes elongata. Zuleitungsgewebe am Chalazaende der Samen- anlage. Darüber am Grunde des Embryosackes einzelne Endospermzellen. Vergr. 360,1. io. 22. Seiaphila spec. Pollenkorn kurz nach der ersten Kernteilung. Vergr. 1080 1. 93. Sciaphila spec. Pollenkorn mit (dunklem) generativem und vegetativem Kerne. Vergr. 1080/1. 24. Sciaphila spec. Pollenkorn mit dem vegetativen und den beiden genera- tiven Kernen. Vergr. 108071. 30* 446 Hans Wirz, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Seiaphila spec. usw. Fig. 25. Sciaphrla spec. Archesporzelle kurz vor der Synapsis. Vergr. 620’1. Fig. 26. Sczaphila spec. Embryo mit Suspensor und Endospermgewebe. Vergr. 62071. Fig. 27. Sciaphila spec. Freie Endospermkerne in Vorbereitung zur Teilung be- griffen. Vergr. 1080/1. Fig. 28. Sceraphila spec. Junge Endospermzelle mit zahlreichen Vakuolen. Vergr. 620/1. Fig. 29. Scraphila spec. Etwas ältere Endospermzelle. Inhalt teilweise zu kom- pakten Klumpen verdichtet. Vergr. 620/1. Fig. 30. Seiaphila spec. Die zackigen Klumpen haben sich an der Peripherie ab- gerundet und tropfenförmige Gestalt angenommen. Vergr. 620/1. Haben die höheren Pilze Kalk nötig? Von S. Hori, Tokio. Es existiert bekanntlich ein großer Unterschied in bezug auf das Kalkbedürfnis höherer und niederer Algen; jene haben Kalksalze zu ihren physiologischen Funktionen absolut nötig, diese aber nicht (Molisch, OÖ. Loew). Es entstand nun die Frage, ob bei der höheren Differen- zierung der Form die höheren Pilze auch Kalksalze benötigen, gegen- über den niederen Pilzformen, welche des Kalks nicht bedürfen. Um dieses zu entscheiden, konnte man zwei Wege einschlagen: entweder man stellte für die zu prüfenden Pilze absolut kalkfreie Nährmedien her, eine nicht leicht zu erfüllende Bedingung, wenn es sich um gute, chemisch höherstehende Nährstoffe handelt, oder man setzte zu den Nährmedien ein oxalsaures Salz, wodurch sämtliche Kalkspuren, die noch vorhanden waren, in schwerlösliches, nicht assimilierbares Kalzium- oxalat'!) übergeführt wurde. Wenn dann doch ein Pilz in einem solchen Medium ebensogut wuchs wie in der Controlflasche, so konnte man wohl schließen, daß der Pilz Kalk nicht bedürfe. Zudem hat O. Loew gezeigt, daß für solehe Organismen, die Kalk benötigen, oxalsaures Kali auch Gift ist, für diejenigen, die Kalk nicht benötigen, aber nicht und daß bei jenen unter dem Einfluß kalkfällender Mittel zuerst der Zell- kern, dann das Chlorophyliband angegriffen wird. In dieser Beziehung war eine frühere, unerklärte Beobachtung von Klebs von Interesse, daß nämlich Oxamid sich als Gift für Sapro- legnia erwies. Da aber Oxamid durch Wasseraufnahme leicht in oxal- saures Ammoniak übergehen kann, mag eine Giftwirkung durch vom Pilze selbst aus Oxamid erzeugtes Oxalat vorgelegen haben. Die von mir angestellten Versuche sind folgende: I. Junge Agaricus, ca. 4 cm hoch, wurden in Lösungen von 0,5 und 0,25 %/, oxalsauren Kalis, Natriumfluorid, Kaliumsulfat, Kalium- nitrat und Natriumacetat gesetzt. Es zeigte sich ein Absterben durch Natriumfluorid ?) nach einem Tage und durch oxalsaures Kali nach vier Tagen, während die Pilze durch die anderen Lösungen noch längere Zeit keine Schädigung erfuhren. II. Zu einer 3°/, Stärkekleister enthaltenden Bouillon wurde einer- seits 0,5 °/, Kaliumoxalat, andererseits 0,5 °/, Kaliumsulfat als Kontrolle 1) Jene leisen Spuren Kalziumoxalat, welche etwas in Lösung gehen konnten, hätten höchstens auch nur spurweise Entwicklung ermöglichen können, falls Kalk- bedürfnis vorlag. 2) Fiuornatrium hat eine doppelte Wirkung, siehe 0. Loew, Flora 1905, pag. 330. Es ist ein starkes Gift für höhere Algen, aber nur ein schwaches für niedere. +48 S. Hori, Haben die höheren Pilze Kalk nötig? zugesetzt. Die sterilisierten Mischungen wurden mit Myzel von Hy- pochnus sp., welche zu den Hymenomyceten gehört und als Parasit auf dem Maulbeerbaum lebt, infiziert. Es zeigte sich in beiden Fällen ein gleich üppiges Wachstum; die Entwicklung des Myzels wurde oflen- bar durch Oxalat nur geringfügig verzögert. Sklerotien werden in beiden Flaschen gebildet. ]II. Es wurde nun eine 2°/,ige Lösung von Ame, ein süßes Produkt von Honigkonsistenz, welches in Japan aus Reis durch Ein- wirkung von Malz erzeugt wird, in Bouillon verwendet. Die Lösung wurde teils ohne weiteren Zusatz (A). teils mit Zusatz von 0,5%, Kaliumsulfat (B) und teils mit Zusatz von 0,5%, Kaliumoxalalat (C) verwendet. Die Resultate sind aus folgender Tabelle ersichtlich: | . Lösung B \ Lösung 6 ang x Pilyos ö { J ° | ‘ 5 Name des Pilzes Lösung A | mit Sulfat | mit Oxalat | | Aspergillus niger | | y flavus Günstige Entwiekl. ‚Günstige Entwickl. Günstige Entwickl. Penieillium glaueum' | | Gephalotheeium ro- | Günstige Entwickl., [Günstige Entwickl., Keine Spur Entwick- seum Corda | mit Sporen mit rötlich gefärb-. lung ne | ten Conidiosporen Fusarium roseum Günstiges Wachstum, do. 'Kiimmerlich. Wachs- Link. mit Sporenbildung | tum, Sporen sehr , selten | Rhizapus nigrieans | Gutes Wachstum Gutes Wachstum, Nur an der Glaswand Elhrenb. | Conidiophoren, | gutes Wachstum | größer als in A. | . | Ramularia Citri | Bestes Wachstum |Gutes Wachstum, mit! Kümmerlich. Wachs- Penzig. | vielen Sporen ' tum, geringe Spo- renbildung Botrytis tenella Sace. Gutes Wachstum, mit Gutes Wachstum, Sehr verzögertes Sporen ; später Sporen Wachstum, geringe : Sporenbildung | Selerotinia Liber- Gutes Wachstinn. mit|Grutes Wachstum, mit Kümmerlich. Wachs- tiana Fuck. Sklerotien Sklerotien : tum, keineskle- N rotien Entomophthora sp. } Gutes Wachstum, mit|Fast ebenso wie in A Keine Entwieklung I roten Conidio- sporen Diese Beobachtungen zeigen allerılings bei gewissen Pilzen einen Einfluß von Oxalat, was die Unentbehrlichkeit von Kalk für manche höhere Pilze wahrscheinlich macht. Weitere Mitteilungen sollen folgen. Landwirtschaftl. Versuchsstation Tokio. Druck vun Ant. Kämpfe ın Jena. Flora, Band 101. Taf. IV, Ve Verlag von Gustav Fischer inJina. 5 VERLAG VON GUS. "AV FISCHER IN JENA Soeben erschien: Der Begriff des JInstinktes einst und jetzt. Eine Studie über die Geschichte u. die Grundlagen der Tierpsychologie. Von Dr. Heinrich Ernst Ziegler, Prof. der Zoologie an der Technischen Hochsehule in Stuttgart, der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart und dep Landwirtschaftlichen Hochsehule ın Hohenheim (früher Prof. an den Umiversitäten Freiburg i. B. und Jena). ZAweite, verbesserte und vermehrte Auflage. Mit einem Anhang: Die Gehirne der Bienen und Ameisen. Mit 16 Abbildungen im Text und 2 Tafeln. 1910. Preis: 3 Mark. Inhalt: Einleitung. -.- I. Die Tierpsychologie im Altertum. Heraklit, Pytha- goräer. Empedokles. Die Atomisten und Piutarch. Plato, Aristoteles und die Stoiker. Neuplatoniker, -- 11. Der Instinktbegriff der Kirchenlehre. Anhang: Der Trichterwickler. — Ill. Die Gegner der kirchlichen Lehre vom Instinkt. — IV. Der vitalistische In- stinktbegriff. —- V. Darwin. — VI. Die Lamarckisten (Hacckel, Preyer, Wundt, Senmon u. a... Ankang: Der Neolamarckismus. — VII. Die neuere Tierpsychologie (\Veismann, Ziegler, Lloyd Morgan, K. Groos, zur Strassen u. a. Die Kenner der Inscktenstaaten: v. Buttel-Reepen, A. Forel, Wasmann, Escherich u. a.). Anhang: Die modernen Neo- vitalisten,. — VIII. Anhang: Die Unterschiede der instinktıven und der verstandes- mäßigen Handlungen. Anhang: Die Beschränktheit der Instinkte, — IX. Die Frage des Bewußtseins und des Gefühls. Anhang: Das Bewußtsein des Zweckes. — X. Die histologische Grundlage. Anhang: Die alimähliche Ausbildung der Bahnen des Gehirns bei weißen Ratten. — N1. Die Unterschiede der Tierseele und der Menschenseele. Die Unterschiede der Gehbirme. Die Instinkte beim Menschen. Die Ideen. — Anhang: Die Gehirne der Bienen und Ameisen. Register der Autoren-Namen. Zeitschrift für Botanik herausgegeben von Ludwig Jost Friedr. Oltmanns Hermann Graf zu Solms-Laubach Straßburg i. E. Freiburg i. Br. Straßbure i. RE. Zweiter Jahrgang. 1910. Preis (pro Jahrgang = 12 Heften: 24 Mark. Verzeichnis der Öriginalaufsätze aus Heft I--10 (Jannar bis Oktuber 19107: Winkler, H., Über die Nachkommenschaft der Solanum-Pfropfbastarde und die Chro- mosomenzahlen ıhırer Keimzellen. — Oes, A, Neue Mitteiurpen über enzymatische Chro- matolvse, — Kurssanow, Zur Sexualität der Rostpilze, — \kerman, .\ke, Über die Chemo- taxis der Marchantia-Spermatozoiden. -- Jacobsen, H.C., Kulturversuche mit tinigen niederen Yolvocaeeen. — Fitting, Hans, Weit-re envricklungsphysiolögische Untersuchungen an Ötchi- deenblüten. — Giltay. E., Einige Bewmnehtungen und Versuche über Grundfragen beim Gro- Über den Einfluß de» Lichtes auf das Öffnen und tropismus der Wurzel. —- Stoppel, Rose, 1 1 | i Schließen einiger Blüten. — Nordhausen, M.. Über die Perzeption der Lichtrichtung durch Über die in den Kalksteinen des Culm von die Blatispreite. — Graf zu Solms-Laubach, H.. U! \ Glätzisch-Falkenberg in Schlesien erhaltenen stukturbietenden Pflanzenreste IV. -- Lehmann, Ernst, Über Merkmalseinheiten in der Veronika-Sektion Alsinebe. -- Ohno, N., Uber leb- hafte Gasausscheidung aus den Blättern von Nelumbo nucifera Gaertn. Sochen erschien: Die Entwicklung des menschlidyen Geistes. Ein Vortrag von Max Verworn, Bonn. Preis: 1 Mark. Von demselben Verfasser erschien: i i is Fünfte nen bearbeitete Auflage. Mit 319 Abbil- Allgemeine Physiologie. dungen. 1109. Preis: 16 Mark, geb. 18 Mark. Die Bewegung der lebendigen Substanz. Eine vergleichend-physiologische Untersuchung der Kontraktions- erscheinangen. Mit 19 Abbildungen. 1892. Preis: 3 Mark. Beiträge zur Physiologie des Zentralnervensystems. Erster Teil. Die sogenannte Hypnose der Tiere. 1898. Preis: 2 Mark 50 Pf. Das Neuron in Anatomie und Physiologie. Vortag, gehalten in der all- gemeinen Sitzung der nerli- zinischen Hauptgruppe der 72. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte zu Aachen anı 19. September 1900. Preis: ] Mark 50 Pf. Die Aufgaben des physiologischen Unterrichts. ee, gehalten bei Be- ginn der physiologischen Vorlesungen an der Universität Göttingen im April I901. Preis: 60 Pf. i n Eine kritisch-experinentelle Studie über die Vorgänge Die Biogenbypothese. in der lebendigen Substanz. 1903. Preis: 2 Mark 50 Pf. Die Lokalisation der Atmung in_der Zelle. Abdr- aus der Ferschritt siebzigsten (reburts- tage von Ernst Haeckel, herausgegeben von seinen Schülern und Freunden. 1904. ar. 4°. Preis: 2 Mark. Prinzipientragen in der Naturwissenschait. 1905. Preis: 80 Pf. Die Arforschung des Lebens. Ein Vortrag. 1907. Preis: 80 Pf. [Vergriffen.] i imiti Abdr. aus der Naturwissenschaft- Zur Psychologie der primitiven Kunst. lichen Wochenschr. N. F., VI. Bd., der ganzen Reihe XXI. Bd, Nr. 44, 1007. Mit 35 Abbildungen im Text. 1908. Preis: 80 Pf. pP si lo i i für Mediziner. Mit 141 Abbildungen in Text. by 010g sches Praktikum 1907, Preis: 6 Mark, geb. 7 Mark. Die fragen nach den Grenzen der Erkenntnis. Ei" Vortrag. u Die Anfänge der Kunst. Fin Vortrag. Mit 3 Tafeln und 32 Abbildungen im Text. 1909. Preis: 2 Mark 50 Pf. den höheren Schulen. Von W. Detmer (Jena), R. Hertwig (München), - — M. Verworn (Göttingen), H Wagner (Göttingen), J. Wagner (Leipzig, J. Walther (Jena), gesammelt und herausgegeben von Max Verworn 1904. j Preis: 1 Mark 50 Pf. _ Diesen Hefte liegen zwei Prospekte bei von der Verlagsbuchhandlung Gustav Fischer in Jena, betreffend „H. Christ, Die Geographie der Farne“ und „Nene botanische Erscheinungen seit 1909“. “Ant, Kämpfe, Buchdruckerei, Jena.