FLORA " ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG NEUE FOLGE. FÜNFTER BAND {DER GANZEN REIHE 105. BAND) HERAUSGEBER: DR K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN MIT 15 TAFELN UND 188 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1913 ing. Bot. Garden 1913 ALLE RECHTE VORBEHALTEN Inhaltsverzeichnis. ARNOLDI, W., Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms von Dietyonphaeria Mit Tafel VI und 23 Ab- bildungen im Text . . . . BRIGGS, L. und SHANTZ, H. L., Die relativen Welkngsastiinten verschiedener Pflanzen . BRUCHMANN, H., Zur Reduktion des Embryoträgers. bei Selaginellen. Mit 16 Abbildungen im Text . . . DIELS, 1, Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera, Untergatt. Perieliymenum. Mit Tafel VII—VII und 26 Ab- bildungen im Text . FE DOFOSCHEG-UHLÄR, J. Die Anisophyllie bei Sempervivam. Mit 8 Abbildungen im Text . nen GARTEANNE, A. J. M., Die Randzellen einiger Fungermannienblätter . GOEBEL, K., Archegoniatenstudien. XIV. Loxsoma und das Aystem der Farne. Mit 11 Abbildungen im Text en GOEBEL, K., Archegoniatenstudien. XV. Die Homologie der Antheridien- und der Archegonienhüllen bei den Lebermoosen. Mit 15 Ab- bildungen im Text . FE GOEBEL, K., Morphologische und biologische Bemerkungen. 21. Schein- wirtel. Mit 8 Abbildungen im Text EEE GOEBEL, K., Morphologische und biologische Bemerkungen. 22. Hyaro- thrix Gardneri. Mit 9 Abbildungen im Text Be LAKON, GEORG, Über eine Korrelationserscheinung bei Allium Cu L. Mit 2 Abbildungen im Text FE LOEW, OSCAR, Zur physiologischen Funktion des Caleiums. Mit 1 Abbildung im Text. . . . . . . B MAGNUS, WERNER, Die atypische Embryonalentwicklung. der Podo- stemaceen. Mit Tafel XI—XIV und 41 Abbildungen im Text... . . MONTESANTOS, NIKOLAUS, Morphologische und | Biologische Unter- suchungen üher einige Hydrocharideen. Mit Tafel I-V NORDHAUSEN, M., Über kontraktile Luftwurzeln. Mit 5 Abbildungen im Text... . . . Pa Seite 144— 161 2241—240 337—346 184—223 162—183 370-384 3352 53—70 11-8 88-10 241-245 347—348 275—336 1-32 101— 126 Inhaltsverzeichnis. SCHNEIDER, FRITZ, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsilia- ceen. Mit 18 Abbildungen im Text SCHNEIDER, WILHELM, Vergleichend - morphologische Untersuchung über die Kurztriebe einiger Arten von Pinus. Mit Tafel XV SCHOENAU, KARL vos, Laubmoosstudien I Die Verfärbung der Polytriehaceen in alkalisch vongieronden Flüssigkeiten. Mit Tafel IX . STEPHANI, F., Das Schicksal der Teones Hepaticarum on . v, WIESNER, J., Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproß- systemen. Mit 5 Abbildungen im Text . . ... . WISSELINGH, C. van, Die Kernteilung bei Eunotia major Rabenh. Achter Beitrag zur Kenntnis der Karyokinese. Mit Tafel X Heft I, pag 1-—126 erschien am 2. November 1912 ll. 10720 „ 4. Januar 1918 „ II „241-336 Fi „ 22. Februar 1913 „ WW „ 8337—448 „ » 9. Mai 1913. 347— 369 385—446 246—264 100 127—143 265 —274 ee „erreeR HERAUSGEGEBEN VON DER NEUE E FOLGE. FÜNETER BAND: “ (BER. GANZEN | R Inhaltsverzeichnis. MONTESANTOS, SIKOLAUS, „Morphelognche und ‚biologiselie Unter- Die „Flora“ (oder „Allgemeine botanische Zeitung‘) erscheint in zwang- losen Heften. Je 4 Hefte im Gesamtumfang von 30 Bogen (oder Ausgleich : durch Tafeln) bilden einen Band. Preis jedes Bandes: 20 Mark. R. Friedländer & Sohn in Berlin N.W. 6, Karlstraße 11. In unserem Verlage ist soeben erschienen ; A Manual Flora of Egypt by Dr. Zeno Muschler, Assistant at the Royak’Botanik Gardens Dahlem-Berliü; Corresponding Member of the „Institut Egyptfen“ etc. With a Preface by Prof. Paul Ascherson and Prof. Georg Schweinfurth. XII and 1312 pages in 3 volumes 8°, bound in cloth. Price 40 Mark (2 £, 50 ir) Nach jahrelangen Vorbereitungen wurde ‚die Drucklegung dieser ersten Flora Egyptens soeben zu Ende geführt, Dieselbe enthält die Aufführung und ausführliche |, Beschreibung aller in Egypten einheimischen Phanerogamen und Farne auf Grund eigener zehnjähriger Studien und der Sammlungen von Ascherson und Schweinfarth. . Verlag von Gustav Fisher.in Jena. Neae Veröffentlichungen: Studien über Gestalt und Leben des Efeus, seine Arten Die Gattung Bedera. und Geschichte. Von Friedrich Tobler, Mänater i. W. Mit 57 Abbildungen. 1912. Preis: % Mark 50. Pf. Kausale und konditionale Weltanschauung. 1912. ' Frae”i Mark. Vorwort: Der hier im Druck vorliegende Vortrag wurde zuerst am 21. Mat 1.412 bei der Begründung der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe :der' freien -Stadentenschaft in Bonn gehalten und am 13. Juni in der Sitzung des Ärztevereins yon Lima and Um- gegend mit einigen Erweiterungen wiederholt. -Es war meine Absicht, die konditionale Betrachtungsweise der Dinge, die ich seit einer Reihe von Jahren bei vergeliädetien ‚Gelegen- heiten zum Ausdruck gebracht babe, und deren Wert für die 66. Ber Probleme aller wissenschaftlichen Forschung allmählich immer schärfer hervorgetreten.Ist; einmal für sich besonders zu erörtern und zusammenfassend darzustellen, um vor allen. an einer Reihe von fundamentalen Problemen der Weltanschauung zu zeigen, wie der'Konditionismas, weit entfernt eine bloß äußerliche Darstellungsform zu sein, das gesamte Weltbild in; tief ein- greifender Weise bestimmt. Möchte der Vortrag, den ich biermit einem größeren Kreige ne lich mache, dazu beitragen, der konditionslen Weltbetrachtung zu den 3 auf verschiedenen Gebieten bereits erworben bat, neue Freunde zu a gewinnen! Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. Von Nikolaus Montesantos. (Mit Tafel I-V.) Die Hydrocharideen sind Sumpf- oder Wasserpflanzen, die man nach ihrer Lebensweise in drei Gruppen einteilen kann: 1. In unter- getauchte, 2. in schwimmende und 3. in solche, die in Sumpfboden oder seichtem Wasser leben und ihre Blätter an die Luft heraustreiben. Als untergetauchte Pflanzen weisen sie außer bandförmigen Blättern wie Vallisneria und Blyxa auch solche auf, die gestielt und mit großer Spreite versehen sind, wie es bei Ottelia der Fall ist. Bei den letzteren sind auch die bandförmigen Blätter vorhanden, dureh Übergangsformen geht die Pflanze aber zu herzförmigen über. Die schwimmende Stratiotes hat die bandförmige Blattgestalt beibehalten und die höher entwickelten Blätter unterscheiden sich durch das Vorhandensein von Spaltöffnungen. Hydrocharis bildet nur herzförmige Blätter, die auf dem Wasserspiegel schwimmen. Limnobium steht Hydrocharis sehr nahe und zeichnet sich bezüglich der Blattform dadurch aus, daß sie außer den Schwimm- blättern auch Luftblätter besitzt. Beide Blattiormen sind gestielt und mit herzförmiger Spreite versehen, die ersteren sind von rundlicher Gestalt und zwar so, daß die zwei Ränder an der Basis der Spreite auf- einander fallen und infolgedessen der Stiel nicht mehr am Rande, wie bei den Luftblättern sitzt, sondern fast bis in die Mitte verschoben wird. Ferner weist das Schwimmblatt eine schwammige Struktur an der Unterseite auf, und Spaltöffnungen sind nur auf der Oberseite wie bei Hydrocharis vorhanden, während die Luftblätter solche auf beiden Seiten aufweisen, der schwammigen Beschaffenheit dagegen vollständig ermangeln und eine Förderung des Xylems zeigen (Fig. 1, 2). Das erste schwimmt, das zweite ragt weit aus dem Wasserspiegel heraus. Diese Pflanze treibt zuerst die Schwimmblätter heraus und durch Übergangs- formen die hochdifferenzierten Luftblätter. Wenn sie dieses Stadium hinter sich hat, beginnt die Blütenbildung. j Bei den zwei ersteren untergetauchten Pflanzen, Vallisneria und Biyxa, unterbleibt die Stomatabildung vollständig. Die Spaltöffnungen Flora, Bd. 106. 1 2 N. Montesantos, treten erst bei Ottelia am Blattrande als Wasserspalten auf, und als echte Spaltöfinungen auf den Kelchblättern derselben Pflanze, die aus dem Wasser heraustreten. Bei den schwimmenden Hydrocharis und Stratiotes sind die Stomata zahlreich auf den hochentwickelten Blättern vorhanden. Die Gefäßbildung ist bei Vallisneria und Blyxa fast vollständig unterblieben, nur im Stamm sind einige mit netzförmigen Verdiekungen versehene Zellen vorhanden. Die Gefäße bei Ottelia zeigen zwar zarte, aber deutliche spiral-netzförmige Wandverdickungen. Bei den übrigen Stratiotes, Hydrocharis, Limnobium, ist der Gefäßteil hoch differenziert. Die Wurzel bei Vallisneria und Blyxa bleibt auf einer niederen Entwicklungsstufe, indem der axiale Strang, wie im folgenden ein- gehend beschrieben wird, nur aus einer Schicht von radial liegenden Zellen und einem mittleren Gefäß besteht: Ottelia zeigt eine höhere Entwicklung, indem außer dem zentralen Gefäß ein geschlossenes Peri- cambium und fünf peripherische Siebröhren vorhanden sind. Hier läßt sich die Wurzel von Elodea anschließen, bei der noch fünf peripherische Gefäße nachgewiesen sind. Höher entwickelt sind die Wurzeln von Stratiotes, Hydrocharis und Limnobiun. Die Befruchtung der Blätter geschieht in der Weise, daß die Blüten aus dem Wasser heraustreten, durch Verlängerung entweder des Blüten- stieles oder des oberen Teiles des Fruchtknotens, während der übrige Teil desselben tief untergetaucht bleibt. Die Samenreifung muß bei allen unter dem Wasserspiegel stattfinden, wobei entweder eine Krüm- mung des Blütenstieles, wie bei Limnobium, Ottelia, oder eine spiralige Einrollung derselben wie bei Vallisneria, oder eine Senkung der ganzen Pflanze, wie bei Stratiotes vorkommen kann. Damit will aber nicht gesagt sein, daß diese Vorgänge eine direkte Folge der Befruchtung sind. Wie schon oben erwähnt wurde, besitzen die Pflanzen Limnobium, Stratiotes zwei Blattformen, wenn man sie so auffassen will Diese Eigentümlichkeit veranlaßte die Annahme, daß sie Gebilde der direkten Anpassung an das Leben der Pflanze in verschiedenen Medien sind, so daß Constantin sogar angibt, daß ein und dasselbe Blatt, das sich unter dem Wasserspiegel befindet, sohald es an die Luft kommt, Spalt- öffnungen bildet. In dieser Arbeit will ich also zunächst einige morphologische Unter- suchungen über diese Pflanzen anstellen, dann meine Versuche an- schließen über-die oben erwähnte Frage: ob die Heterophyllie bei Lim- nobium und Stratiotes als Ursache die direkte Anpassung an die Um- gebung hat, mit anderen Worten: ob das Medium einen direkten Ein- Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 3 Muß auf die Pflanze ausübt und die Bildung der einen oder anderen Blattform verursacht, und schließlich einige Versuche beschreiben, die zur Erklärung der Senkung von Stratiotes aloides im Winter beitragen. L Limnobium Boseii. Zwei gegeneinander stehende Niederblätter N,N,, Fig. 3 um- hüllen die junge Ausläuferpflanze von Limnobium vollständig. Von diesen ist das erste steril, in der Achsel des zweiten N, entwickelt sich ein Höckerchen, das nach kurzer Zeit sich in drei Achselknospen: A, a, a’ unterscheiden läßt, und zwar in eine mittlere und zwei seitliche. Die mittlere ist die Anlage des ersten Ausläufers, indem sie das erste Nieder- blatt » und ihm gegenüber das zweite n, bildet. Der Vegetationskegel nimmt an Größe zu und in der Achsel dieses zweiten Niederblattes entstehen die Achselknospen ı4, A,, ı@', wovon die mittlere der nächsten Generation entspricht. Gleichzeitig fängt am Hauptvegetationspunkt V die Laubblattbildung an. Nachdem das Achselprodukt des zweiten Niederblattes sich in die drei Knospen «@, A, « getrennt hat, erscheint am Vegetationspunkt V das erste Laubblatt; indem die mittlere Knospe A ein rasches Wachstum der Länge nach zeigt, kommt sie höher zu stehen als die Anlage de ersten Laubblattes B. Das erste Blatt B steht zu dem zweiten Niederblatt N, in einem Winkel von etwa 144°, ebenso die nachfolgenden Blätter, so daß sie in einer ?/;-Divergenz am Vegetationspunkt angeordnet sind. Die Blätter N, B, B,, Bı usw. sind steril, so daß die Anordnung der fertilen Blätter N,, Bı, Ba, .... wieder eine Spirale von ?/, bildet. Mit dem Wachstum der neuen Pflanze streckt sich der neue Aus- läufer A und nimmt eine horizontale Stellung an, so daß er die gerade Fortsetzung des Ausläufers bildet, aus dem die Mutterpflanze sich ent- wickelt hat. Die Medianebene der zwei Niederblätter N und N, steht mit derjenigen der zwei Niederblätter » und 2, des Ausläufers A in einem Winkel von ca. 144°. In demselben Winkel stehen die zwei Ebenen der Niederblätter von den Ausläufern A und A, so daß jede neue Pflanze nicht an derselben Seite des Ausläufersystems (Sympodiums) heraus- kommt, sondern die Pflanzen zu den Ausläufern wieder in einer Spirale von ?/, angeordnet sind. Infolgedessen hat erst die sechste vegetative Generation dieselbe Riehtung wie die Mutterpflanze, durch Krümmung aber richten sich alle Generationen nach oben. Wie in der Achsel des zweiten Niederblattes wird dasselbe Knospen- system auch in der Achsel jedes fertilen Laubblattes angelegt. Der 1* 4 N. Montesantos, Unterschied zwischen dem ersten Ausläufer A und den späteren be- steht nur in dem raschen Wachstum und der Richtung. Kaum ist der zweite Ausläufer zum Vorschein gekommen, als der erste schon vier weitere vegetative Generationen gebildet hat. Die Kräftigkeit des ersten Aus- läufers hat zur Folge das Unterbleiben der Entwicklung der folgenden; sie stehen aber in Korrelation zueinander, so daß, wenn man den Haupt- ausläufer abschneidet, der zweite ihn ersetzt. Anders aber verhalten sie sich bei schlechten Ernährungsbedingungen, wie z. B. bei Kulti- vierung auf dem Lande, wovon wir weiter sprechen werden. Dann läßt sich ein gleiches Wachstum bei allen Ausläufern beobachten, so daß sie nach allen Richtungen hin neue Pflanzen erzeugen können. Das ist daraus zu erklären, daß der erste wegen der ungünstigen Bedingungen nicht zur vollen Entwicklung gelangt ist, weshalb sich der zweite ent- wickelt hat und dann der dritte usw. Das Wachstum der zwei seitlichen Achselknospen @ und «@ unter- bleibt und, wie wir weiter sehen werden, wird sich später die rechte und seltener die linke Knospe zur Infloreszenz entwickeln. Die andere bleibt unter normalen Verhältnissen unentwickelt. Die Wurzeln einiger Hydrocharideen (Hydrocharis morsus ranae, Limnobium Bose usw.) weisen eine Eigentümlichkeit auf. Sie besitzen nämlich bekanntlich anstatt einer Wurzelhaube eine Anzahl von einer Zellage dicken Kappen, die sieh von der Wurzel leicht trennen lassen, weshalb Udo Dammert), um die biologische Bedeutung dieser Kappen zu erklären, zu dem Schlusse gekommen ist, daß bei heftigem Regenguß, welcher das Wasser anschwellen macht, dank dem Bau ihrer Blätter die Pflanze in die Höhe getrieben wird und deswegen die Wurzeln aus dem schlammigen Boden ausziehen muß, indem sie die Wurzel wie den Finger aus dem Handschuh herauszieht, ohne daß die Wurzelspitze verletzt wird. Diese Erklärung scheint uns höchst unwahrscheinlich. Daß die Kappen als Schutzorgan für die Wurzelspitze dienen, unter- liegt keinem Zweifel. Doch ist vielmehr anzunehmen, daß diese Kappen nicht das Ausziehen, sondern das Eindringen in den Boden erleichtern. Eine solche Wurzel hat mit-den Kappen eine pfeilföürmige Gestalt. Die innere Kappe ist, wie wir weiter sehen werden, die größte. Beim Ausziehen der Wurzel würden natürlicherweise alle übrigen Kappen mit ihr im Boden bleiben. Wozu dann die große Anzahl der Kappen ? Unsere Versuche beim Herausziehen haben gezeigt, daß die Kappen sich nieht von den Wurzeln trennen. 1) pag. 14. Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 5 Über die Genesis dieser Kappen ist Dammer zu keinem Re- sultat gekommen. Janczewski?), der sich auch mit der Wurzel von Hydrocharis befaßt hat, schreibt: „la coiffe et l’Epiderme constituent deux tissus in- dependants. Il est cependant assez probable que leur göndse est commune“. Van Tieghem?) sagt: „la coiffe lui est &trangtre et ne peut ötre assimilde A la coiffe &pidermique des plantes ordinaires ....“ Strasburger®) schreibt, daß die Kappen ihrem Ursprung nach nicht zur Wurzel gehören, vielmehr aus einer die Wurzel bei ihrer An- lage umgebenden Hülle hervorgehen und demgemäß als Wurzeltaschen unterschieden werden. Unsere Präparate gewannen wir im Querschnitt von jungen Aus- läufern, wo in verhältnismäßig kleiner Ebene viele Wurzeln angelegt werden, so daß wir Längsschnitte von Wurzelanulagen bekamen. Die Fig. 4. zeigt einen solchen medianen Längssehnitt, der sehr deutlich die gemeinschaftliche Entstehung von Dermatogem und Periblem zeigt. Die Zellschicht, die sich direkt an Dermatogen anschließt, bildet die innerste Kappe. Da aber eine scharfe Abgrenzung zwischen den ver- schiedenen Schichten am Stamm nicht so deutlich ist, konnten wir nicht auch bei ganz jungen Anlagen die Genesis der Kappen unter- scheiden. Am besten konnten wir ganz junge Stadien von Wurzeln bekommen beim Längsschnitt von Wurzeln, die im Begriff waren, Wurzeln zweiter Ordnung zu bilden. An solchen Präparaten ist es uns gelungen, die Entstehung der Kappen bis zu einem gewissen Grade zu verfolgen. Eine solche Wurzel ist als haubenlos zu betrachten. Allem An- schein nach ist die Endodermis der Ursprung der Kappenbildung. Sie bildet im Jugendstadium eine Umhüllung der Wurzelanlage und teilt sich durch Längswände in zwei bis drei Schichten (Fig 5). Wir konnten nicht beobachten, ob die innere Schieht der Rinde bei der Kappenbildung auch teilnimmt. Bei den anderen Menokotylen bildet die Endodermis die Wurzeltasche, um die jungen Wurzelanlagen zu sehützen, und unterbleibt die weitere Entwicklung, wenn die Tasche zweischichtig ist. Hier aber geht der Vorgang noch weiter, indem sie sich in mehreren Zellschichten entwickelt und frühzeitig eine Auflösung des Zusammenhanges zwischen den aufeinander liegenden Schichten auftritt. Die innerste Kappe ist die größte, die äußerste die kleinste. Bei der Annahme, daß bei der Kappenbildung die Wurzel selbst keinen 6 N. Montesantos, Teil nimmt, dürfen wir entwicklungsgeschichtlich nicht von Alter sprechen, obwohl die Zellen der äußeren schon längst in Dauerzustand übergegangen sind, während die Zellen der innersten sich noch in Teilung befinden. Die Zellen der Kappen zeigen dieselbe Teilungsart wie Der- matogen. Die Dermatogenbildung scheint erst spät einzutreten, so daß bei jungen Wurzelanlagen ein Unterschied zwischen der innersten Kappen- schicht und Dermatogen nicht deutlich ersichtlich ist. Die vier Zell- schichten X (Fig. 4 und 6) entsprechen je einer Kappe, D bezeichnet Dermatogen, P Pierom und E Endodermis. Ein Querschnitt an der Basis einer älteren Wurzel (Fig. 7) zeigt nach außen eine Epidermis aus etwa viereckigen Zellen und von einer Cutieula überzogen. Daranf folgt die äußere Rinde aus zwei bis drei Zell- schichten, die aus rundlichen Zellen bestehen und zwischen denen kein Luftraum vorhanden ist. Die äußere Schicht der inneren Rinde besteht aus 13—17 radial liegenden, einschichtigen Zellreihen, wobei die Zellen länglich gestreekt sind. Diese Schicht bildet mit der innersten Schicht der äußeren Rinde die großen Luftkanäle. Diaphragmen sind in regel- mäßiger Entfernung von ca. 1 mm voneinander vorhanden, die wie bei den Blättern aug stärkereichen Zellen bestehen. Darauf sind einzelne größere Zellen ersichtlich, gänzlich ausgefüllt von einer rötlichen, nicht flüssigen Masse (Fig. 7c). Die Entstehung der Luftlücken hat Rohr- bach eingehend bei Hydrocharis beschrieben. Die radialen Zellreihen der Rinde enden nach innen in zwei Zellen und stoßen endlich an die aus rundlichen, mit verdiekten Wänden versehenen Zellen bestehende Stärke- scheide, die zweischichtig ist und zwischen je vier Zellen einen Iuft- raum besitzt. In der äußeren Schicht der inneren Rinde sind proto- plasmatische, stärkeführende Zellen vorhanden, die miteinander ver- bunden sind. Die Fig. 9 zeigt einen Längssehnitt einer Wurzel, in dem diese Zellen getroffen sind. Dieselben Zellen haben wir bei Hydrocharis- wurzel beobachtet (Fig. 9 rechts). Der axiale Gefäßstrang zeigt unter der Endodermis das Peri- cambium und direkt darauf die radial liegenden großen Ringgefäße. Die Zahl der Gefäßteile variiert zwischen drei und sieben. Der Siebteil liegt zwischen den Gefäßen. In der Mitte des Stranges sind die Zellen etwas größer und besitzen verdiekte Wände (Fig. 8). Die Wurzelanordnung bei Limnobium stimmt mit der von Hydro- charis einigermaßen überein. Bei Hydrocharis tritt sie stets an der Basis der in der Achsel des zweiten Niederblattes sich entwickelnden neuen Generation auf und durchbricht infolgedessen das zweite Nieder- Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 7 blatt. Deshalb ist uns die Angabe Rohrbach’s nicht ganz klar, der sehreibt: „Die Wurzel durchbricht dann frühzeitig je nach ihrer Stellung eines dieser Blätter“. Die erste Wurzel hat nämlich stets dieselbe Stellung an der Basis der neuen Generation und diese entsteht immer in der Achsel des zweiten Niederblattes; infolgedessen ist es unmöglich, daß sie das erste Niederblatt durchbricht, wohl aber ist dies der Fall bei der zweiten Wurzel, die an der Basis des ersten Laubblattes sich entwiekelt. Der Unterschied bei Limnobiun besteht darin, daß, bevor die das zweite Niederblatt durchbrechende Wurzel austritt, die sofort wegen ihres starken positiven Geotropismus und starken Wachstums (Fig. 11) er- kennbar ist, ein Kranz von neun oder mehr Wurzeln sich bildet und an der Basis jedes Laubblattes statt einer, wie bei Hydrocharis, deren drei bis vier. Eine Reduktion der Zahl der Wurzeln einer Ausläufer- pflanze haben wir hei einem Versuch beobachtet, wo die linke Achsel- knospe des zweiten Niederblattes zur Entwicklung kam, nachdem wir den Vegetationskegel und alle anderen Knospen abgesehnitten haben (Fig. 10). Der zuerst entwickelte Ausläufer dieser Knospe hat nur eine einzige Wurzel (Fig. 11) gebildet und zwar diejenige, die sich unter der mittleren Sproßgeneration in der Achsel des zweiten Niederblattes entwickelt und dieses durchbrochen hat. Diese Reduktion der Wurzel- zahl stellt eine Entwicklungshemmung dar, die allem Anschein nach der sehlechten Ernährung zuzuschreiben ist. Wie wir schon angedeutet haben, zeigen nicht alle Wurzeln von Limnobium dieselben Eigenschaften. Zunächst sind sie nicht alle gleich stark. Von den vier Wurzeln z. B., die an der Basis eines Laubblattes sich bilden, entwickelt sich stets die zu unterst liegende am kräftigsten und zeigt gleich nach dem Austritt aus dem Gewebe einen starken positiven Geotropismus, während die anderen nach allen Richtungen streben. Der Hydrotropismus ist allen Wurzeln gemeinsam. Außerden zeigt die erstere ein rascheres Wachstum und kann eine Länge von 0,55—0,60 m erreichen, während die letzteren nur 0,08—0,10 m lang werden. Nachstehende Tabelle zeigt das Wachstum beider Wurzeln während 31 Tagen. _ j | . 127. VL H 5. VIL ; 22. VII ! ! } | | Mittlere Wurzel 0018 | 0175 | 046} Seitliche Wurzel 0,083 | i j 8 N. Montesantos, Dasselbe Resultat erzielten wir in verschiedenen Medien. Anatomisch zeigen die Wurzeln keine wesentlichen Unterschiede. Bei den kräftigen sind die Lufträume viel größer, während bei den anderen die tagentialzentripetal an der äußeren Schicht der inneren Rinde auf- tretenden Teilungen teilweise unterbleiben, so daß sie nur aus zwei bis drei Zellreihen besteht. In dem axialen Zylinder findet eine Reduktion der Zahl der Gefäßteile bis auf drei statt, ferner zeigen die letzteren kurz nach dem Austritt aus dem Gewebe eine reichere Verzweigung. Über Limnobium bemerkt Riehard, daß er die Pflanze rein diözisch gefunden habe. Er hat aber Herbarmaterial von Bose unter- sucht und schreibt zugleich, nach den ihm von Bose gemachten Mit- teilungen scheine es, daß dieser letztere die Pflanze als monözisch be- trachtet habe. Chatin hält die Pflanze ebenfalls für diözisch mit Be- rufung auf Richard und bemerkt, daß die von ihm untersuchte Pflanze rein weiblich war. Die Pflanze, die wir untersucht haben, stammt aus Nordamerika. Anfänglich hielten wir die Pflanze auch für diözisch, da wir wirklich neben rein weiblichen Exemplaren auch solehe mit nur männlichen Infloreszenzen gefunden haben, während aber z. B. die Mutterpflanze nur männliche Blüten bildete, fanden wir bei einer von einem Ausläufer entwiekelten Tochterpflanze nur weibliche Blüten, bis wir plötzlich auf eine rein monözische Pflanze stießen (Fig. 12). Diese Beobachtungen und die von den oben erwähnten Autoren gemachten Angaben haben mich veranlaßt, die Blütenverhältnisse näher zu untersuchen. Wie bei der Beschreibung der Sproßverhältnisse oben gesagt wurde, entwickelt sich in der Achsel jedes zweiten Blattes von dem ersten Niederblatte ausgehend, drei Achselknospen. Die rechte, seltener die linke, ist diejenige, welche sich zur Infloreszenz entwickelt. Die erste Pflanze, welche wir untersucht haben, hat von den drei Achselknospen des zweiten Niederblattes die rechte als weiblichen Blütenstand gebildet, die rechte Knospe einer Sprossengruppe höherer Ordnung dagegen einen unentwiekelten männlichen Blütenstand. Die zweite Pflanze lieferte dasselbe Resultat. Die drei ersteren Achselknospen der dritten Pflanze waren unentwickelt, die rechte war männlich. Von den drei Achselknospen des zweiten Lanbblattes gelangten der mittlere vegetative Sproß und der linke zu keiner Entwicklung, wohl aber der rechte, der sich zu einem weiblichen Blütenstand entwickelte. Bei den drei nachkommenden fanden wir den rechten wieder zu einer weiblichen Infloreszenz entwickelt. Die übrigen untersuchten Pflanzen hatten meist die ersten Blütenstände weiblich, die höherer Ordnung männlich. Andere Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 9 Pflanzen wieder waren entweder rein männlich oder rein weiblich (Fig. 13). Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß wir es mit einer rein monöeischen Pflanze zu tun haben. Das Vorkommen von rein männ- lichen oder weiblichen Exemplaren beruht darauf, daß die zum anderen Geschlecht bestimmten Achselknospen sich noch nicht entwickelt haben. So lassen sich die verschiedenen Angaben erklären. Hier ist zu erwähnen, daß von 20 untersuchten Pflanzen bei 19 die rechts von dem vegetativen Sproß liegende Knospe sich zum Blütenstand entwickelt und nur eine Pflanze das Gegenteil gezeigt hat. Rohrbach!) hat bei Hydrocharis nie eine Infloreszenzknospe in der Achsel der Niederblätter beobachtet, während bei Limnobium, wie wir schon erwähnt haben, fast immer seitlich der neuen Generation in der Achsel des zweiten Niederblattes eine Infloreazenzknospe angelegt wird. Sie kommt nicht immer zur Entwicklung, läßt sich aber von dem gegenüber liegenden Laubsproß als solche unterscheiden. Der männliche Blütenstand ist ein cymöser Doppelwickel (Fig. 14). Die mittlere Blüte ist die älteste, ihr seitlich entstehen je sechs jüngere, so daß die zwei äußersten die jüngsten sind. In der schematischen Dar- stellung (Fig. 14 II) zeigen die Buchstaben B,, B,, Bs ... die Reihen- folge der einzelnen Blüten an. Der ganze Blütenstand ist in eine Spatha eingeschlossen, die aus zwei Hüllblättern besteht, zwischen den einzelnen Blüten sind zahlreiche Intervaginalschuppen vorhanden. Die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Blüten weicht nicht von der der Hydrocharisblüten ab. Wie bei dieser sind die Glieder aller Kreise in einer '/,-Divergenz angeordnet (Fig. 15). Zuerst entstehen die drei Kelehblätter, dann alternierend die drei Kronenblätter und unter dem zuerst entstandenen Kelchblatt das erste Staubblatt usw. Die Staubblätter bilden fünf Kreise von je drei Gliedern. Der fünfte Kreis besteht nicht immer aus drei und zwar fertilen Gliedern; bald fehlen zwei, bald eins, manchmal sind alle drei steril, manchmal zwei oder eins. Bei Hydrocharis sind nur vier Staubblattkreise vorhanden, deren letzter steril ist. Im weiblichen Blütenstand kommt eine Reduktion der Zahl der einzelnen Blüten bis zwei vor. Die Spatha vertreten hier zwei kleine Vorblätter, in deren Achsel die einzelnen Blüten entstehen. Die weibliche Blüte besteht aus drei Kelchblättern, drei etwas längeren Kronenblättern und damit alternierend 3 x 2 Staminodien, 1) pag. 79. 10 N. Montesantos, das Gynäceum aus sechs Fruchtblättern, die oben in je zwei gespaltene, papillöse, weiße Narben auslaufen. Der Fruchtknoten ist einfächerig und vollständig mit Schleim gefüllt. Die sechs Plazenten reichen fast bis in die Mitte des Fruchtknotens. Die Blüten treten über den Wasserspiegel heraus durch starkes Anwachsen des Blütenstieles. Während die männliche Blüte, nachdem sie ihre Funktion vollzogen hat, zugrunde geht, krämmt sich die weib- liche Blüte nach einem Aufenthalt von mehreren Tagen an der Luft nach unten. Es fragt sich nun zunächst, ob diese Krümmung eine Folge der Befruchtung ist. Zu diesem Zweek haben wir von verschiedenen Blüten, bevor sie sich geöffnet haben, den oberen Teil abgeschnitten, so daß eine Bestäubung ausgeschlossen war. Nach einigen Tagen trat wieder die Krümmung ein. Einen weiteren Versuch stellten wir an, indem wir eine Pflanze mit einer jungen weiblichen Blüte am Boden eines verhältnismäßig tiefen, mit Wasser gefüllten Gefäßes befestigten. Die junge Blüte zeigte zunächst das Bestreben, die Wasseroberfläche zu erreichen, und nachdem ihr dies nicht gelang, krümmte sie sich nach unten (Fig. 16). Abgesehen von der Unabhängigkeit der Krümmung von der Befruchtung zeigte der Versuch, daß ein Hydrotropismus, der diese Krümmung verursachen konnte, ausgeschlossen ist. Schließlich haben wir eine Pflanze mit einer weiblichen Blüte, deren Stiel schon im Begriff war, sich zu krimmen, umgestürzt, wie Fig. 17II zeigt. Anstatt, daß nun die schon angefangene Krüm- mung nach dem Topf zu sich fortsetzte, richtete sich der Frucht- knoten im Verlauf von einigen Tagen nach unten. Diesen Geotropismus zeigt jedoch der Fruchtkuoten nicht im älteren Zustand, wenn die Samenreifung sich schon vollzogen hat. Die Fig. 17 stellt eine Pflanze mit einem in diesem Stadium befindlichen Fruchtknoten dar. Dieser hat die zuerst angenommene Krümmung beibehalten. Die Samenanlagen sitzen, wie bei Hydrocharis, auf den Plazenten und teilweise auf den Fruchtwänden atrop und zeichnen sich dadurch aus, daß sie an beiden Enden verlängert sind, besonders der Funiculus, der eine Länge von ungefähr der Hälfte der jungen Samenanlage ein- nimmt. Der Embryosack wie die Embryobildung bietet keine besonderen Abweichungen dar. Zu erwähnen ist nur, daß die Antipoden von einer Protoplasmamasse umgeben sind und auf einer basalen Verschmälerung des Embryosackes sitzen. Die reifen Samen weisen eine eigentümliche Struktur der Samen- schale auf; sie besitzen nämlich eigentümliche kleine Auswüchse, deren Entwicklung wir in folgendem klar legen wollen. Sie sind im Verhältnis Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 11 zu der Samengröße lang und bestehen meistens aus zwei Zellen; nieht selten kommen jedoch auch solche mit einer oder drei Zeilen vor. Die Gestalt dieser Zellen zeigt die Fig. 19. Die Zellwände besitzen ring- förmige Verdiekungen, die von einem zwischen beiden Zellen belind- lichen dicken Stiel ausgehen. Es können drei nacheinander parallel liegende Zellen einen Auswuchs bilden, oder drei aneinander anstoßende, der dann, wie die Fig. 19/7 zeigt, einen verschiedenen Querschnitt besitzt. Diese Gebilde verdanken ihren Ursprung dem äußeren Integument und besonders dessen äußerer Zellschicht. Die länglich gestalteten Zellen dieser Schicht werden schon im Jugendzustand größer als die der inneren Schicht (Fig. 207), indem die Zellwände eigentümliche, zahnförmige, konische Verdiekungen zu bekommen anfangen; tatsächlich aber sind die Zellen ringförmig, nach innen stark, nach außen sehr schwach ver- diekt, so daß sie bei Längsschnitt ein kammförmiges Gebilde darstellen, dessen Zahnspitzen sich nach außen richten, wie die Fig. 19% zeigt. In folgenden Stadien treibt die in der Mitte zwischen zwei Zellen befind- liche Wand stark nach außen, so daß die Außenwände der beiden Zellen mitwachsen und schließlich werden sie auch ringförmig verdickt (b, c). Das ganze bildet ein Gerüst, das die Zellen vor jedem Druck, entweder von innen nach außen, wenn die Samen im Wasser liegen, oder von außen nach innen bei trockenem Zustande, schützt. Die innere Zellschicht dieses Integuments zeigt keine weitere Ent- wicklung und fungiert in reifem Zustande wahrscheinlich als Binde- gewebe zwischen der Epidernis und der harten Schale. In fertigem Stadium ist diese Schicht kaum zu sehen, wenn man die Entwicklung nicht von Anfang an verfolgt. Die harte Schale bildet sich hauptsächlich von dem inneren In- tegument und besteht wie dieses aus zwei Zellschichten. Schen früh- zeitig tritt eine gewisse Verdickung der äußeren und inneren Zellwände des inneren Integuments ein, während die Zwischenwände der zwei Zellschichten unverdiekt bleiben. Diese Verdickung gehört wahrschein- lich der Mittellamelle zu. Nach ihnen zeigen diese Zellwände eine eigen- tümliche Beschaffenheit. Es sitzt nämlich darauf eine gallertartige, dünne Schicht, die aus zahlreichen kleinen Partikelehen besteht. Die- selbe Beschaffenheit zeigen auch die verdiekten Wände der Auswüchse. Wenn diese Schicht mit Wasser in Berührung konımt, quillt sie stark auf und infolgedessen tritt eine große Spannung der Samenschale ein. die wahrscheinlich beim Öffnen der Schale eine große Rolle spielt. Be- handelt man einen Querschnitt der Schale mit Wasser, so sieht man, 12 N. Montesantos, wie die innere Schicht a (Fig. 20 II) sich nach innen krümmt. Das ist dem Vorhandensein der gallertartigen Schicht 4 zuzuschreiben, die durch das Aufquellen einen Druck nach innen ausübt. Die Keimung von Limnobium hat das Vorhandensein von Wasser zur Voraussetzung, auf dessen Grunde sie stattfindet. Wie wir schon gesehen haben, wird die Samensehale durch die Berührung mit Wasser gespannt, so daß der Druck des Embryowachstums genügt, daß sie der Länge nach mit dem Reißpunkt am Mikropylenende aufspringt. Durch Streckung des Kotyledons gelingt es dem Keimling, mit der Wurzel herauszukommen!). Nachdem der Keimling von der Samen- schale befreit ist, steigt er rasch an die Wasseroberfläche auf, indem er den Kotyledon und die Stammknospe auf den Wasserspiegel streckt und die Hauptwurzelanlage nach unten richtet. Dieses Aufsteigen des Keimlings gelingt durch die in den Interzellularräumen des Kotyledons vorhandene Luft. Wir haben beobachtet, daß die nach oben gerichtete Seite des Kotyledons keinen festen Zellenzusammenhang hat, sondern aus einem lockeren Gewebe besteht, in dem kleine, mit Luft gefüllte Interzellularräume vorhanden sind. Infolgedessen muß der Keimling die oben erwähnte Stellung einnehmen, in der er verbleibt, bis er das zweite Blatt treibt (Fig. 21). Der Kotyledon dreht sich dann langsam nach unten und die zwei Blätter streeken sich nun auf der Wasserober- fläche. Diese Krümmung des Kotyledons, die wahrscheinlich die Folge des Wachstums und Heraustreibens des zweiten Blattes ist, bewirkt eine Verschiebung der Wurzelachse und die senkrechte Richtung nimmt jetzt die erste Adventivwurzel an, die ihre Entstehung unter der zweiten Blattanlage hat. Sie zeigt ein starkes Wachstum, während die Haupt- wurzel zugrunde geht. Ein Vegetationskegel ist nicht erkennbar, wohl aber die Anlagen des zweiten und dritten Blattes, nachdem das erste Blatt herausgewachsen ist. Zugleich mit der zweiten Blattanlage wird auch die erste Adventivwurzel angelegt. An der Seite des dritten Blattes wächst auch die dritte Wurzel, d. h. die zweite Adventivwurzel heraus. In dem weiteren Entwicklungsstadium der Pflanze hört dieses Gesetz bezüglich der Zahl der Wurzeln auf, da jedem Blatt nicht nur eine, wie dies bei Hydrocharis auch weiter zutrifft, sondern eine Gruppe von drei bis vier Wurzeln entspringt, die aus einer in der Mitte unten liegenden und zwei bis drei seitlichen besteht, wie wir dies bei der Wurzelbeschrei- bung schon erwähnt haben. 1) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, pag. 269. Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 13 Im Jugendzustande schwimmt also die Pflanze eine Zeitlang, was für die Verbreitung von großem Vorteil ist, bis die Wurzeln den Boden erreichen. Befindet sich die Pflanze in seichtem Wasser, daß die Wurzeln in den Boden eindringen können, so befestigt sie sich und kommt zur vollen Entwicklung. Die ersten Keimblätter sind, wie die späteren, herzförmig, jedoch vie] kleiner und mit sehr kurzem Stiel versehen. Blyxa'). Richard hat über Blyxa Roxburghii und B. Auberti geschrieben?): Blyxa ist eine submerse einjährige Pflanze und bildet eine Rosette mit zahlreichen bandförmigen Blättern, die in ?/,-Divergenz angeordnet sind an einem kleinen ovalen Stamm. Sie sitzt auf dem Wassergrunde fest, durch ein Büschel von zahlreichen dünnen Adventivwurzeln sich haltend; der Vegetationspunkt liegt in einer Vertiefung der Stammspitze. Die Blätter sind lang und schmal, in der Gestalt an die Spreite von Gramineenblättern erinnernd, spitzig, an der Basis etwa dreikantig und am Rand mit Floßzähnen versehen (Fig. 22). Die ersten Blätter besitzen nicht nur am Rande, sondern auch auf der Unterseite am Mittelnerv solche Floßzähne. Letztere sind einzellige, kleine, spitzige Gebilde, am oberen Teil etwas verdickt. Ursprünglich bestehen die Blätter aus drei Zellagen, deren äußere ungeteilt bleiben. Durch tangentiale Teilungen der inneren, parenchyma- tischen Schicht entstehen die späteren Stadien mit mehreren Zellschichten. Große Luftkanäle sind vorhanden, die durch Diaphragmen in einzelne Lufträume geteilt werden, welche letztere wieder durch die in den Dia- phragmen vorhandenen Interzellularkanäle miteinander in Verbindung stehen. Die Diaphragmen zeigen sehr oft eine eigentümliche Beschaffen- heit. In der Mitte liegen nämlich langgestreckte Zellen, die eine gefäß- ähnliche Zellengruppe bilden. Dieses Bündel besteht aus fünf oder sechs Zellen, deren Wände verdickt sind. Eine Zelle davon, die obere, ist viel größer als die übrigen. Die Fig. 23/ zeigt einen Längssehnitt eines solchen Bündels. Der Schnitt wurde parallei der Blattfläche aus- geführt, während wir, um einen Quersehnitt des Bündels zu bekommen, den Schnitt der Länge nach und senkrecht zur Blattfläche ausführten 1) Untersucht wurde teils von Prof. Goebel 1885 in Ceylon gesammeltes Alkoholmaterial, teils frisches, welches aus Samen auskeimte, den Herr Direktor Willis aus Peradeniya zu senden die Güte hatte. 2) Mem. Inst. Fr. 1811. Mit dieser Gattung hat sich auch v. Maximowiez beschäftigt, ebenso Clarke in: The Journ. of the Linn. Soc. 1873, Vol. XIV. 14 X. Montesantos, (Fig. 23 II). Die Zellen besitzen außer der Wandverdickung Protoplasma- inhalt und bilden lange Röhren, die sich direkt an die der Länge nach laufenden Leitbündel schließen. Querwände sind vorhanden; die Zell- kerne besitzen längliche Gestalt. Wahrscheinlich haben die verdickten Wände den mechanischen Zweck der Aussteifung des zarten Blattes. In der Fig. 24 eines Querschnittes von einem jungen Blatte, wo ein Diaphragma getroffen ist, sieht man wie diese und die Diaphragma- zellen aus dem Mesophyll entstehen. Das Blatt durchlaufen der Länge nach ein mittlerer und je drei seitliche Nerven. An Querschnitten von jungen Blättern kann man sehr gut verfolgen, wie sie aus einer Zellreihe des Mesophylis entstehen. Es tritt zuerst eine Teilung der Mutterzelle in drei Tochterzellen durch zwei perikline Wände ein, deren mittlere wieder sich in drei oder vier Tochterzellen durch Querwände teilt. Die Fig. 25/, II zeigt diesen Vorgang. Durch weitere Teilungen der mittleren Zelle entsteht das Leitbündel, in dem keine Gefäße mit irgendwelchen Wandverdiekungen vorhanden sind. Darin liegt ein Interzellularraum, der gegen die Ober- seite des Blattes befindlich, von radial liegenden Zellen umgeben ist. Am Blattrande ist eine Gruppe von vier bis fünf nebeneinander liegenden Sklerenchymfasern (Fig. 24 II). Im Jugendzustand ist ein Randwachstum bemerkbar und wahr- scheinlich sind es die äußersten Zellen am Rande, die im Jugendzustande Schleim absondern, der zum Schutze dient. Die Blätter sind so dicht nebeneinander am Stamme angeordnet, daß man kaum von Internodien sprechen kann. Der Seitensproß scheint bei der Blyxa von derselben Wertigkeit wie die Stammspitze zu sein, wie es bei der Vallisneria der Fall ist?). Die Wurzel von Biyxa erinnert uns an diejenige von Vallisneria. Sie ist ebenso einfach gebaut wie die von den meisten Wasserpflanzen, die untergetaucht: leben, wodurch die Wasserleitungsbahnen überflüssig werden, da die Wasserzufuhr nicht mehr von den Wurzeln, sondern direkt von den Blättern besorgt wird. Die Vereinfachung der Wurzel ist bei Blyxa derart, daß im zen- tralen Zylinder außer dem axialen Gang, der, wie Fig. 26, 27 zeigt, aus einer Zeilreihe entstanden ist, durch Auflösung der Querwände, nur eine Reihe von radial liegenden Zellen vorhanden ist. In einigen dieser 1) Darüber haben Rohrbach, Warming und Müller geschrieben und alle sind derselben Meinung. Gewöhnlich bilden sich nur zwei Seitensprosse, und die Frage, ob sie durch Teilung des Vegetationspunktes entstehen, ist natürlich nicht leicht zu beantworten. Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 15 Zellen sind wohl perikline Wände zu schen, wie bei Vallisneria; wir wollen sie aber nicht als Siebröhren, sondern als wahrscheinliche An- deutungen derselben betrachten. Der axiale Gang zeigt eine Differenzierung von dem von Vallisneria. Bei dieser ist er einfach ohne Wandverdickungen gebaut, während bei Blyxa zwar sehr zarte, aber sehr deutliche spiralnetzförnige Ver- diekungen vorhanden sind. Entwieklungsgeschichtlich entsteht dieser Gang aus der Zellreihe g Fig. 26 durch Resorption der Querwände, während der ganze zentrale Strang aus der Zelle a seinen Ursprung hat. Die Wandverdiekungen treten wahrscheinlich später ein. J. Müller gibt zwei Abbildungen von Vallisneriawurzeln, wo dieser Gang durch drei Wände geteilt ist. Bei mehreren Präparaten, die wir von verschiedenen Wurzeln von Vallisneria spiralig gemacht haben, lassen sich diese Wände nirgends nachweisen. Stets ist der charakteristische Zentralkanal vorhanden und radial davon die dünn- wandigen Zellen. Van Tieghem!) betrachtet den axialen Gang als homolog dem Gefäß- und Siebteil der höher differenzierten Wurzeln und die um- gebenden Zellen als Pericambium. Ferner meint er, der ganze Wurzel- strang sei eine Hemmungsbildung. H. Schenck?) hat zuerst die Tagentialwände beobachtet und ver- tritt die Ansicht, daß diese Vereinfachung keine Hemmungsbildung darstellt, sondern durch Wegfall von Elementen bedingt ist. Auch meint er, die periklinen Wände teilen die drei Zellen in je eine Siebröhre und eine Geleitzelle. Siebplatten konnte er jedoch nicht mit Sicherheit nachweisen. Darnach betrachtet er den Wurzelstrang als triarch ge- baut und die zwischen den geteilt liegenden je zwei Zellen als den letzten Rest von Pericambium. Die Wurzel von Biyxa zeigt außer der Differenzierung des axialen Ganges noch eine solche bezüglich der Zahl der diesen Gang umgebenden dünnwandigen Zellen. Bei Vallisneria sind deren neun, bei Blyxa dagegen über 15 vorhanden, wovon fünf durch perikline Wände in je zwei Zellen geteilt sind. Die eine von diesen, stets die nach außen liegende, die sich direkt an die Endodermis anschließt, ist bedeutend größer und läßt sich auf den ersten Blick durch ihre Größe und ihr Lichtbrechungsvermögen von den anderen Zellen unterscheiden. Betrachtet man sie als Sieb- röhre, so ist der Wurzelstrang pentarch gebaut und die Wurzel nimmt 1) II, pag. 172, 2) pag. 62. 16 N. Montesantos, in der Phylogenie des Stranges die nächste Stufe nach der von Vallisneria ein und stellt einen Übergang zu den höher differenzierten Wurzeln von Wasserpflanzen dar. Die Blüte von Blyxa ist zwitterig, epigyn und typisch drei- zählig (A, P,, As, Ca, Fig. 28). Sie ist im Jugendzustand in eine Spatha eingeschlossen, die nach oben in zwei Spitzen ausläuft, welche nach innen gekrümmt sind, so daß die eine dicht unter der anderen liegt. Diese Spitzen bilden so eine feste Umhüllung, welche der jungen Blüte zum Schutze dient. Ursprünglich entsteht die Spatha aus zwei Vorblättern. Ana- tomisch läßt sich eine äußere, aus großen, und eine innere, aus kleineren Zellen bestehende Epidermis unterscheiden. Die dem Blatt entsprechende innere Schicht, das Mesophyll, beschränkt sich hauptsächlich auf die Stellen wo die Nerven durchlaufen; sonst ist es durch einzelne Skleren- chymfasern vertreten, die in gleiehmäßiger Entfernung voneinander liegen und mit den oberhalb der Nerven liegenden Sklerenchymfasern zum Aufrechterhalten der Spatha dienen. Außer den zwei am Rande liegenden großen Nerven sind noch vier kleinere, seitliche vorhanden. Die Gefäße weisen keine Wandver- dickungen auf. Die Kelehblätter sind länglich und schmal. Die Kronenblätter sind länger als die Kelchblätter und verdienen wegen ihres stark papil- lösen Aufbaues besondere Erwähnung. Sie sind ebenso schmal und spitzig und in geschlossener Blüte quer gefaltet. Auf der nach innen gekehrten Seite weisen sie drei Furchen auf, eine mittlere und zwei seitliche, wo die Papillen größer und etwas nach unten gekrümmt sind. Drei Staubblätter bilden das Andraeceum und damit alternierend liegen drei kleine Narben. Der Fruchtknoten ist einfächerig, läßt je- doch die drei kleinen, in zwei gespaltenen Plazenten unterscheiden. Außerdem ist er mit Schleim gefüllt, den die inneren Zellen des Frucht- knotens bilden. Das Emporsteigen aus dem Wasser geschieht durch Verlängerung des Blütenteiles, der sich zwischen Fruchtknoten und oberer Blüte befindet, während die Spatha mit dem in ihr eingeschlossenen Frucht- knoten untergetaucht bleibt und durch einen kurzen Stiel am Stamm sitzt. Nach der Befruchtung zeigt der Blütenstiel keinen nachträg- liehen Trepismus wie der von Limnobium. Eine eingehende Untersuchung verdient die Befruchtung, da wir wegen des ungenügenden Materials nicht feststellen konnten, um was für eine Art der Befruchtung es sich handelt. Morphologische und biolegische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 17 Kurz nach der Reife der Samen werden diese durch Abfaulen des Fruchtknotens frei wie bei Ottelia. Die Samenanlagen sitzen anatrop in den Fruchtknoten auf einem kurzen Funieulus. Die zwei Integumente bestehen je aus zwei Zellagen. Die Sehalenstruktur der Samen zeigt äußerlich eine gewisse Ähnlich- keit mit der von Limnobiumsamen. sie besitzt nämlich Auswüchse derselben Gestalt, weist jedoch den Unterschied auf, daß, während bei Limnebium der sog. Stiel der Auswüchse eine Verdickung der Zwischenwand ist, dieser bei Blyxa aus drei oder mehreren langgestreekten nebeneinander liegenden Zellen mit stark verdickten Wänden besteht und die Außenschicht nicht nur aus zwei oder drei verlängerten Zellen, sondern aus mehreren aufeinander liegenden. Diese äußeren Zeilen besitzen auch zarte, ringförmige Verdiekungen. Die übrigen Zellagen wandeln sich in hart- und diekwandige Zellen um, die am Rande mit Zähnen versehen und stark liehtbrechend sind (Fig. 29). Die Samen laufen in zwei große Fortsätze aus, die eine Länge von ca. 6 mm erreichen können, während die seitlichen Auswüchse kaum % mm groß sind. Die reifen Samen sind kaum 2 mm lang, ab- gesehen natürlich von den großen Fortsätzen. Über die biologische Bedeutung dieser Auswüchse scheint mir die Erklärung, nach der die Samen beim Austrocknen der Gewässer für die Verbreitung dureh Landtiere eingerichtet seien, unwahrscheinlich. Bei Blyxa ceylanica besitzen die Samen keine Auswüchse; diese bleiben unentwickelt als kleine Höckerchen. Die Keimung von Blyxa findet wie die von Limnobium am Wasser- grunde statt, indem die Samen zu Boden fallen und wegen des langen Aufenthalts im Wasser von Schlamm zugedeckt werden. Der Keimling kommt mit der Wurzelspitze heraus. Der Kotyledon wächst der Länge nach stark an, bis er eine ansehnliche Größe erreicht hat. Ein ent- spreehendes Wachstum zeigt das hypokotyle Glied, welches unter der Hauptwurzelanlage anschwillt und hier zahlreiche Haare bildet, welche die Bodenbefestigung des Keimlings bedingen, bis diese von den Ad- ventivwurzeln übernommen wird. Die spitzige Gestalt des Kotyledons und das starke Wachstum ermöglichen das Heraustreten der jungen Stammknospe aus dem schlammigen Boden, ohne daß eine Verletzung der Plumula eintritt. Meistens bleibt die Samenschale im Boden stecken, doch kommt es ziemlich oft vor, daß der Kotyledon sie mit sich zieht. Die Hauptwurzel geht frühzeitig zugrunde, während die erste Adventiv- wurzel an der Basis des Stämmchens und an der Seite des Kotyledons heraustritt und sieh sogleich abwärts krünmt (Fig. 30). Flora, Bd. 106. 2 18 - N. Montesantos, Dem Kotyledon gegenüber scheint das erste Blatt und erreicht eine Länge von ca. 5--6 mm, bis das zweite zum Vorschein kommt. Anatomisch zeigen die ersten Keimblätter keinen wesentlichen habituellen Unterschied von den höher entwickelten Blättern; sie be- sitzen jedoch nur an der Blattbasis Floßzähne und auch am Rande der Sklerenchymfasern, wie sie hoch entwickelte Blätter aufweisen. Ottelia alismoides !). Die Pflanze zeichnet sich aus durch ihre gestielten, mit großer Spreite versehenen, untergetauchten Blätter, welche herzförmig sind und eine Blattspreite von ca. 20 cm Durchmesser besitzen. Die Primär- blötier der Pflanze sind bandförmig und gehen durch Übergangsformen in höher entwickelte, herzförmige Blätter mit langem Stiel über. Die Fig. 31 zeigt die Übergangsformen, die sich nicht in der Weise vollziehen, wie dies in der „Natürl. Pflanzenfam.‘‘?) dargestellt ist. Sie entstehen nämlich durch allmähliche Erweiterung des Blattes, bis sie schließlich eine herzförmige Blattspreite bekommen. Obwohl auch die hochent- wickelten herzförmigen Blätter untergetaucht bleiben, gelangen sie doeh nahe bis zur Wasseroberfläche und die Blattspreite nimmt eine horizontale Stellung ein. Das Blatt besteht aus drei Zellschichten. Die zwei äußeren sind chlorophylireich; das Mesophyl], in dem die Leitbündel angelegt sind, besteht nur aus einer Zellage und ist mit großen Lufträumen versehen. Spaltöffnungen sind nicht vorhanden, wohl aber zahlreiche Wasser- spalten auf der Oberseite, besonders an der Blattspitze und am Blattrande oberhalb der Nervenenden. Der Blattrand weist viele Vertiefungen auf, die dem bloßen Auge nicht sichtbar sind. Zu beiden Seiten des Mittelnervs durchlaufen je fünf große Nerven das ganze Blatt und zwischen diese laufen wieder zahlreiche kleinere, die alle durch Anastomosen miteinander in Verbindung stehen. Floßzähne sind nur am Rande des dreikantigen Blattstieles vor- handen. Bezüglich der Blattstellung am Vegetationspunkt haben wir stets eine 2/,-Divergenz, wie die Fig. 32 zeigt. In späteren Stadien aber, bei der Entwicklung der Achselknospen, sind diese in sechs Orthostichen angeordnet, obwohl die neu am Vegetationspunkt entstehenden Blätter 1) Alkoholmaterial aus dem botanischen Garten in Kalkutta und lebende Pflanzen aus dem botanischen Garten in Rostock durch Herm Baum daselbst gesandt. 2) II. Teil, I]. Abt., pag. 256, Morphologische und ‚biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 19 die ursprüngliche Stellung behalten, so daß einerseits die sterilen, anderer- seits die fertilen Blätter zwei Spirallinien bilden. In der Fig. 33 ent- stehen die Blätter an den fünf Stellen «a, b, c, d, eam Vegetationspunkt. Das 19. und zugleich jüngste Blatt ist fertil, das nachkommende fertile Blatt wird in der Stelle a entstehen, das folgende in 5. Dieselbe Ent- stehungsart zeigen auch die sterilen Blätter, d. h. das nächste sterile Blatt wird sich in c bilden. Die spätere Anordnung der Achselknospen in sechs Orthostichen ist wahrscheinlich Verschiebungen zuzuschreiben. In zwei Spirallinien sind auch die Blätter von Stratiotes aloides angeordnet und zwar so dicht nebeneinander, daß erst das 17. Blatt auf das erste fällt, welche Anordnung Paul Schenke merkwärdiger- weise als !/,-Divergenz angesehen hat. Die Knospen sind bei Stratiotes in der Achsel der Blätter 1, 7, 13, 19... ., bei Ottelia dagegen, wie schon erwähnt, in der Achgel der Blätter 1, 3,5, 7...., so daß bei ersterer die Achselknospen in acht Orthostieben stehen. Die Wurzel von Ottelia erreicht eine höhere Entwicklung als die von Blyxa und besonders ist dies beim Wurzelstrang der Fall. Dieser steht auf derselben Entwicklungsstufe wie der von Elodea Er ist pentarch gebaut, indem sich fünf große Siebröhren unterscheiden lassen, die nicht direkt an die Endodermis stoßen wie bei Blyxa, sondern dureh das hier geschlossene, ringförmige Perikambium getrennt sind (Fig. 35 A). Außer dem mit spiral-netzförmigen Verdiekungen versehenen axialen, großen Gang, der manchmal in zwei geteilt ist (Fig. 35 37), sind wohl einzelne Gefäße zwischen je zwei Siebröhren zu sehen, doch konnten wir bei ihnen keine Wandverdickungen nachweisen. Bei Elodea hat van Tieghem solche gesehen. Das mittlere umgibt eine Reihe von parenehymatischen dünnwandigen Zellen, die es von den peripherisch liegenden trennt. Die parenchyniatischen Zellen, die auch zwischen Gefäßteil und Siebteil vorhanden sind, hat van Tieghem als Ver- bindungsgewebe bezeichnet. Die Außenwände der Epidermiszellen sind etwas kutinisiert. Die Haarbildung unterbleibt vollständig wie bei Blyxa. Das Rindparenehym zeigt bei beiden Wurzeln keine besondere Abweichungen von dem allgemeinen Typus der submersen Gewächse. Die Blüte von Ottelia ist zwitterig und sitzt auf einem langen Stiel. Der obere Teil derselben tritt über den Wasserspiegel heraus. Im Jugendzustande ist sie in eine Spatha eingeschlossen, die als Schutz- organ für die junge Blüte dient. Wie wir in der Entwicklungsgeschichte sehen werden, ist diese Spatha aus zwei Vorblättern entstanden, die im späteren Zustande nur an der Spitze getrennt bleiben. Sie besitzt 9 20 N. Montesantos, eigentümliche, flügelartige Gebilde, deren Zahl zwischen vier und acht variiert. Wie an den Blättern sind auch am Rande dieser Gebilde zahl- reiche Wasserspalten vorhanden. Eine zweite Umhüllung, die das Eindringen von Wasser in die innere Blüte im jungen Zustande vollständig verhindert, bilden die drei Kelehblätter. Sie sind gekrümmt und bestehen am Rande nur aus einer Zellschicht, deren Zellen in haarähnliche Gebilde auslaufen. Diese Haare gehen zugrunde, wenn die Blüte sich geöffnet hat. Allem Anschein nach sind diese Haare Schleimzellen, die wegen ihrer lockeren Be- schaffenheit den festen Zusammenhalt der gekrümmten Kelchblätter bezwecken und außerdem durch ihren Schleim das Heraustreten der Blüte aus der Spatha erleichtern dürften. Die Unregelmäßigkeit und Vielzelligkeit derselben lassen jedoch schwerlich den Schluß zu, daß sie den bei vegetativen Organen vorhandenen Floßzähnen entsprechen. Jedes Kelchblatt besteht aus vier Zellschichten. Die Zellen der äußeren Epidermis zeigen kutinisierte Außenwände. Spaltöffnungen sind auf dieser Seite, besonders oberhalb der Nerven, reichlich vorhanden. Drei Hauptnerven durchlaufen das Blatt; dieGefäße zeigen Spinalverdiekungen. Die drei Blumenblätter sind weiß, groß, breit, von rundlicher Gestalt und in geschlossener Blüte schön gefaltet. Sie bestehen wie die vegetativen Blätter aus drei Zellschiehten, wovon die Epidermis aus papillösen Zellen besteht. Im Mesophyli sind außer den Gefäß- bündeln Interzellularräume vorhanden. An der Basis jedes Kronen- blattes liegt nach innen eine große Nektardrüse. Die Staubblätter bestehen je aus vier Pollensäcken und einem dreikantigen, verhältnismäßig kurzen Filament, dessen Eekzellen papillös sind. Im Jugendzustand sind die Antheren extrors. Sie stehen in zwei Kreisen, deren ersterer aus drei Paaren besteht. Die Glieder jedes Paares sind durch das Nektarium des Kronenblattes getrennt. Der zweite, innere Kreis setzt sich aus drei einzelnen Staubblättern zu- sammen. Im älteren Entwicklungsstadium sind die Kreise nicht mehr zu unterscheiden, indem die einzelnen Glieder scheinbar zu einem Kreis gehören. Wie die Kronenblätter, sind auch sie an der Basis mit Nektar- drüsen ausgerüstet, die jedoch viel kleiner sind als die der ersteren. Neun bis zehn Fruchtblätter, die oben in entsprechende Narben auslaufen, bilden den Fruchtknoten. Die Plazenten sind in zwei ge spalten; sie reichen bis zur Mitte des Fruchtknotens, ohne daß es jedoch zu einer Verwachsung kommt. Der Innenraum ist vollständig mit Schleim gefüllt, welchen die innere Epidermis des Fruchtknotens mit Ausnahme der inneren Zellen der gespaitenen Plazenten, die ursprüng- Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrochariden. 21 lich zur äußeren Epidermis des Fruchtblattes gehören, absondert. Bei den Samenanlagen und direkt unter der Mikropyle derselben befindet sich eine Gruppe von Schleimzellen, die ein traubenförmiges Gebilde darstellen und wahrscheinlich den Zweck haben, den Pollenschlaueh in die Mikropyle zu leiten. Der Schleim färbt sieh mit Sodakorallin schön rot. Die Färbung hält nach der Waschung mit Sodalösung an, verschwindet aber nach längerem Verweilen darin. Im Wasser löst er sich schwer. Die Narben sind länger als die Staubblätter und bis zur Hälfte in zwei gespalten. Am Rande und innen sind sie stark papillös und stehen mit dem Innenraum des Fruchtknotens frei in Verbindung. Die Samenanlagen sitzen mittels eines kurzen Funiculus in großer Anzahl anatrop auf den Plazenten und inneren Fruchtwänden. Die zwei Integumente bestehen je aus zwei Zellagen. Im Reifezustande besitzt die Samenschale dünne, lange Haare, die dem Samen eine weiß- liehe Färbung geben und die charakteristischen Verdiekungen besitzen, jedoch nicht der Quere wie bei Limnobium und Blyxa, sondern der Länge nach. Sie bekommen wahrscheinlich durch nachherige Drehung ein spiralförmiges Aussehen. Das Vorhandensein von Längs- und nicht Querverdiekungen ist der Entstehung dieser Haare zuzuschreiben, in- dem hier nur die Außenwand der Epidermiszellen hinausgeschoben wird, ohne daß Innenwände wie bei Limnobium oder innere Zellen wie bei Blyxa daran teilnehmen. Eintwieklungsgeschichtlich bildet sich in der Achsel jedes fertilen Blattes ein Höckerchen und kurz darauf werden die zwei Blattanlagen, welche die spätere Spatha bilden, als längliche Ausschwellungen an- gelegt. Sie bleiben an der Basis verwachsen und umhüllen durch rasches Wachstum den Vegetationskegel, bevor die ersten Perigonblätter zum Vorschein kommen. Hierauf erfolgt ein Wachstum des Vegetations- kegels der Länge nach, so daß die Bildung des Blütenstieles im Innern der Spatha sieh schon vollzogen hat, während am Achselscheitel die drei äußeren Perigenblätter sich als längliche Auswüchse erkennen lassen, womit das Längswachstum des Scheitels aufhört. Die inneren Perigen- blätter treten alternierend mit den ersteren hervor und dann werden unter jedem Kelchblatte gleichzeitig zwei weit auseinander liegende Höckerchen bemerkbar. Es erhebt sich nun die Frage, ob sie ursprüng- lich aus einem Blatte entstanden sind. Das weite Auseinanderliegen derselben und das Auftreten der Staubblätter des nächsten Kreises direkt zwischen jedem Paare sprechen jedoch stark dagegen. Mit dem Auftreten des ersten Staubblattkreises beginnt durch rasches peri- 22 N. Montesantos, pherisches Wachstum die Vertiefung des Fruchtknotens, während der zweite Staubblattkreis angelegt wird. Dieser besteht aus drei Staub- blättern, wovon jedes als Höckerchen zwischen den zwei Staubblättern jedes Paares des ersten Kreises auftritt, so daß sie schließlich scheinbar zu demselben Kreise gehören. Manchmal kommt es vor, daß statt eines einzelnen Staubblattes dieses Kreises zwei auftreten, so daß auch die Zahl der Fruchtblätter wächst, die alternierend mit den Staubblättern als U-förmige Gebilde hervortreten. Die Fig. 86 zeigt drei Entwicklungs- stadien der Blüte. Zu erwähnen ist die Zahl der Fruchtblätter. Foskal, der auch die Pflanze entdeckt hat, setzt sie auf sechs, Schreber auf zehn, und mit ihm Willdenow und Person. Lechenault gibt neun an und Richard stellt nach seinen Beobachtungen die Zahl sechs auf. Bei drei Exemplaren, die ich untersucht habe, ist die Zahl der Staubblätter sowohl als der Fruchtblätter nicht konstant. Bei ein und derselben Pflanze haben wir bei manchen Blüten die Zahl neun, bei anderen zehn gefunden. Der Verfasser des „Prodromus Fl. N. Hollendiae“ hat eine neue Spezies von 9—12 Staubblättern beschrieben. Nach diesen ver- schiedenen Beobachtungen müssen wir also annehmen, daß die Zahl bei den verschiedenen Spezies von 6, 9—12 variiert mit den dazwischen liegenden Übergängen. . Der ganze Blütenaufbau, nämlich das Vorhandensein von Nek- tarien sowohl an Kronen-, als auch an Staubblättern einerseits, die Extrorsität der Antheren und die papillöse Beschaffenheit nur der nach innen zu gekehrten Seite der Narben andererseits beweisen, daß sie für eine fremde Bestäubung eingerichtet ist. Nach der Befruchtung fängt die Blüte an sich zu senken, was dureh Krümmung des Blütenstieles geschieht wie bei Limnobium, bis sie schließlich den Boden erreicht hat und gleich nach der Samenreifung von innen aus abzufaulen beginnt. Nachdem endlich auch die Spatha abgefault ist und nur deren flügelartige Gebilde übrig geblieben sind, werden dureh den Druck, welchen das starke Aufquellen des Schleimes verursacht, die Samen frei, bleiben am Schleim haften und gehen mit dem weiteren Aufquellen desselben auseinander, was für deren Ver- breitung von großem Vorteil ist. Denselben Vorgang haben wir bei Limnobium beobachtet, nur daß bei letzterem die Fruchtwände nicht gleieh nach der Samenreifung abfaulen, sondern die reifen Samen im Fruchtknoten überwintern. Die Keimung von Öttelia weicht nicht von der von Blyxa ab (Fig. 39). Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 28 I. In folgendem Abschnitt will ich mich mit der schon in der Ein- leitung erwähnten Frage der Heterophyllie von Limnobium und Stratiotes beschäftigen und zwar zunächst zur Beschreibung der von mir angestellten Versuche übergehen; den Schluß soll dann eine kurze Untersuchung bilden über die Ursache der Senkung von Stratiotes aloides im Winter. — Versuch I. In feuchter, loekerer Erde mit Beimischung von Säge- spänen wurde eine kräftige Pflanze eingesetzt, die nur im Besitze von Luftblättern war, da die Schwimmblätter schon abgefault waren. Die Pflanze wurde dann mit einer Glasgloeke zugedeckt. Das jüngste Blatt saß auf einem ca. 7 em langen Stiel und war auch auf der Unterseite mit zahlreichen Spaltöffnungen versehen. Nach Verlauf von 23 Tagen hatte die Pflanze zwei neue Blätter gebildet, das erste mit 0,04 m langem Stiel, das zweite mit einem solchen von 0,01 m. Die Färbung war an der Basis etwas rötlich. Auf der Unterseite besaßen beide Spaltöffnungen. Ferner hat die Pflanze zwei Ausläufer gebildet, wobei auffallend iet, daß, während die Pflanze in normalem Zustande mit der Bildung des ersten Ausläufers begnügt, sie in diesem Falle die Tendenz zeigt, alle Ausläufer zu entwickeln. Von diesen zwei Ausläufern bildete der erste zwei Pflanzen, deren erstere Blätter mit ca. 2—3 cm langem Stil besaß, das jüngste war an der Basis auf der Unterseite etwas schwammig. Die Zahl der Spaltöffnungen auf dieser Seite war sehr gering. Die Blätter der zweiten Pflanze von demselben Ausläufer zeigten eine schwammige Beschaffenheit und die Zahl der Spaltöffnungen war geringer?). Versuch II. Eine zweite Pflanze, die ieh auf dem Lande kultvierte, hatte nur Luftblätter mit einem 7—8& em langen Stiel. Das Landleben wirkte zunächst auf die Größe des Stieles. Die Länge des Blattstieles der zwei ersten neuen Blätter betrug noch ca.5em, sonst war die Beschaffen- heit dieselbe wie bei normalen Luftblättern; die schwammige Struktur trat bei dem nächsten Blatt auf der Unterseite ein, obwohl Spaltöffnungen noch in großer Anzahl vorhanden waren. Von dem ersten Ausläufer, den die Pilanze gebildet hat, ent- wiekelten sich vier neue Generationen. Die erste ließ eine allmähliche Verkürzung des Blattstieles von 4%—11, em Länge bemerken, ferner eine rötliche Färbung, die für die Schwimmblätter charakteristische schwammige Struktur und eine Verminderung der Zahl der Spalt- öffnungen auf der Unterseite. Aus dieser ersten Generation gingen 1) Die Pflanze ist dann zugrunde gegangen. 24 N. Montesantos, drei Ausläufer hervor. Erst die Blätter des dritten, ca. 11 em langen Ausläufers zeigten ein vollständiges Fehlen der Stomata auf der Unterseite. Die zweite Generation ist durch eine Pflanze von drei Blättern vertreten. Eine weitere Wirkung des der Pflanze nicht passenden Land- lebens ist nur beim dritten Blatte zu beobachten, wo die Stiellänge auf kaum 13 mm herabgesunken ist und Spaltöffnungen kaum noch vorhanden sind. Die dritte und vierte Generation wiesen keine weiteren neuen Erscheinungen auf. Zu den beiden oben besehriebenen Versuchen ist zu bemerken, daß das Zurücktreten der Stomatabildung auf der Unterseite erst nach längerer Zeit einsetzt, während bei dem folgenden Versuche die Stomata- bildung rasch aufhört. Versuch III. Eine Pflanze, die nur Schwimmblätter besaß und im Begriff war, Luftblätter zu bilden, wurde auf dem Lande kultiviert. Die zwei neuen Blätter (Fig. 407) folgten anfangs der Tendenz, die die Pflanze ursprünglich hat, nämlich Luftblätter zu bilden. Durch die Veränderung des Mediums, die naturgemäß eine schlechte Er-. nährung im Gefolge hatte, ist die Tendenz zur Bildung von Luftblättern, nachdem sie cben erst in Erscheinung getreten war rasch zurück- gegangen. Und zwar stellte das erste neugebildete Blatt den Übergang vom Schwimmblatt zum Luftblatt dar, indem die Unterseite spärliche Spaltöffnungen, aber doch noch eine schwammige Beschaffenheit auf- wies. Das zweite Blatt besaß einen längeren Stiel, die Unterseite war mit zahlreichen Spaltöffnungen verschen und nicht mehr schwammig. Bei den kommenden Blättern hörte die Fähigkeit zur Stomatabildung auf der Unterseite auf und rasch trat wieder schwammige Beschaffen- heit ein, so daß also alle nachkommenden Blätter die Struktur von Schwimmblättern hatten (Fig. 40IT). Ferner bildete die Pflanze drei Ausläufer, von diesen wieder der erste eine kräftige Pflanze mit drei Ausläufern, der zweite eine solche mit nur einem, während die Pflanze des dritten Ausläufers ohne jeg- lichen Ausläufer war. Bei allen diesen Pflanzen waren die Blätier schwammig und ohne Spaltöffnungen auf der Unterseite, d. h. sie be- saßen, abgesehen von der Größe, -- da sie alle kleiner waren — Eigen- schaften eines echten Schwimmblattes. Versuch IV. Auch eine Keimpflanze wurde als Landpflanze kultiviert Obwohl sie sehon ein volles Jahr auf vegetativem Weg weiter wächst, ist sie nieht zur Bildung von anderen als den Primärschwimm- blättern gekommen. Morphologirche und biologische Untersuchungen über einige IIydrocharideen. 95 Versuch V. Einer unter normalen Verhältnissen Jebenden Pflanze habe ich sämtliche Blätter und Ausläufer abgeschnitten, wodurch die Assimilation der Pflanze verhindert wurde. Sie war so beschaffen, daß sie alle Blattformen und Übergänge vom Schwimm- bis zum höchst- entwiekelten Luftblatt besaß. Auch dieser Versuch lieB mir dasselbe Resultat erzielen wie die vorigen. Nach drei Übergangsformen war das vierte Blatt der Pflanze ein echtes Schwimmblatt ohne Spalt- öffnungen auf der Unterseite mit kurzem Stiel und schwammiger Be- schaffenheit. Versuch VI. Als Schwimmpflanze in Viktoria regia Bassin bei ea. 0,60 m Wassertiefe und 30—31° Temperatur hat Limnobium infolge der ungünstigen Bedingungen, wahrscheinlich wegen der hohen Tempe- ratur, die Tendenz aller Achselknospen, auch die zu Infloreszenzen be- stimmten als Ausläufergruppen zu entwickeln, was ich aus der An- ordnung derselben nachweisen konnte. Die Pflanze hat durch Über- gangsformen schließlich die kleinen, mit kurzem Stiel versehenen Primär- blätter gebildet, wie dies bei der Landpflanze der Fall war. Versuch VIL Gänzlich davon verschiedene Resultate lieferte mir eine Pflanze unter besseren Lebensbedingungen im Limnantemum- bassin!). Wassertiefe 0,25 m und höchste Temperatur 26° C. Stamm und unterer Teil der Blätter waren untergetaucht und vom Wasser- grund ca. 20 em entfernt, während der andere Blatteil weit. aus dem Wasser hervorragte. Die Pflanze hat nur große Luftblätter gebildet und die stark positiv geotropischen Wurzeln sind kräftig gewachsen und in den Boden eingedrungen. Sie hat sich vegetativ durch Aus- läufer vermehrt, ist zu reicher Blütenentwicklung gelangt. Sie bildete im Herbst, anı Schluß der Vegetation, Schwinmblätter. Stratiotes aloides. M. J). Constantin schreibt: „Avce Stratiotes aloides Paetion du milieu aerien est &vidente pour une möme feuille qui etait au debut aquatique des que la pointe sort de l’eau les stomates aparaissent A Vextrömite“, Chatin findet keine Spaltöffnungen. Rohrbach?) bemerkt dazu: „(Ganz unbegreiflich aber ist mir die Angabe Chatin’s, daß die Blätter unserer Pflanze ohne Stomata seien... Im unteren, stets untergetauchten Teil fehlen sie allerdings, I) Im Viktoria-regia-Ifaus. 2) pag. 95. 26 N. Montesantos, im oberen aber, der immer frei aus dem Wasser hervorragt, sind sie beider- seits reichlich vorhanden“. Diese widersprechenden Angaben, sowie auch meine über Limno- bium angestellten Versuche haben mir Veranlassung gegeben, die Ab- hängigkeit der Stomatabildung von dem Medium bei Stratiotes aloides etwas näher zu untersuchen. Zunächst haben wir eine im hiesigen Botanischen Garten im Freien lebende Stratiotespflanze beobachtet. Sie war noch nicht ganz auf der Wasseroberfläche angelangt, sondern nur die Spitzen einiger Blätter, etwa ein Drittel, ragten aus dem Wasser frei in die Luft. Nach Constantin’s Angaben müßten nur diese Blatteile Spaltöffnungen besitzen. Es zeigte sich aber, daß die Blätter nieht nur am oberen Teil, sondern bis an die Basis mit Stomata versehen waren. Bei einem bis zur Hälfte untergetauchten, ca. 0,18 m langen Blatte z. B. besaßen nur die drei c. m. an der Basis keine Spaltöffnungen, die sonstigen Blatt- teile waren beiderseits mit solchen versehen. Beim nächstjüngeren Blatt, wovon nur die Spitze aus dem Wasser ragte, war der größte Teil auf beiden Seiten mit Stomata versehen. Die übrigen jüngeren Blätter waren vollständig untergetaucht und trotzdem waren Spaltöffnungen reichlich bis zur Biattbasis vorhanden. Versuch II. Im Viktoriahaus (Limnanthemumbassin) befestigten wir eine kräftige Pflanze am Wassergrund. Innerhalb 40 Tage hatte die Pflanze sehr große, lange Blätter gebildet, deren oberer Teil die Wasseroberfläche erreicht hatte und in die Luft emporragte. An den Blatteilen, die sich in der Luft befanden, waren absolut keine Spalt- öffnungen zu sehen, wohl aber konnten wir einen Übergang zur Stomata- bildung bei den unter Wasser befindlichen jungen Blättern beobachten, von denen das jüngste, also am tiefsten unter Wasser liegende, die größte Anzahl von Stomata aufwies. Mit dieser Pflanze zugleich ließ ich in demselben Bassin eine junge, mit der Mutterpflanze in Verbindung stehende Ausläuferpflanze schwimmen, die sich nach 10 Tagen zufällig von der Mutterpflanze los löste. Infolgedessen ist schlechte Ernährung eingetreten, so daß sie bis heute, d. h. nach 45 Tagen, noch keine mit Stomata versehenen Blätter gebildet hat, obwohl sie an der Wasseroberfläche schwimmt. Versuch IIL Eine mit Stomata versehene, kräftige Pflanze wurde in einem Topf mit Sand und in das Viktoriabassin eingesetzt, so daß die Blätter aus dem Wasser ragten. Die Pflanze konnte die hohe Temperatur wahrscheinlich nicht ertragen und ging nach einem Monat Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 27 zugrunde; die neuen, inzwischen gebildeten Blätter aber, die auch in die Luft ragten, waren schmal und ohne Spaltöfinungen. Daraus folgt, daß das Auftreten von Stomata nicht direkt ab- hängig von der Umgebung ist; das Medium hat keine direkte Wirkung auf die Pflanze. Die stomatalosen Blätter können wir als Primärblätter ansehen, die ein Gebilde schlechter Ernährung darstellen; die Bildung der höheren, mit Stomata verschenen Blätter kann unter ungünstigen Be- dingungen unterbleiben. Ich beobachtete nie Spaltöffnungen auf den Primärblättern von jungen Ausläuferpflanzen, obwohl sie meist am Wasserspiegel schwimmen und mehrere Blätter aus dem Wasser ragen. Ein Exemplar aus dem Weßlingersee (Herb. von Dr. v. Schönau) zeigte Blätter ohne Spaltöffnungen, obwohl die Pflanze mit Blüten ver- sehen war und nach Dr. v. Schönau’s Versicherung auf dem Wasser- spiegel schwamm. Die Pflanze wurde im Juli eingebracht. Das Fehlen von Spaltöffnungen habe ich auch bei einer aus dem Pilsensee gesammelten, mit Blüten versehenen Pflanze (Herbarmat.) beobachtet. Diese Erscheinungen erklären uns die Angabe von Chatin, der keine Spaltöffnungen gefunden hat. — Wie sehon in der Einleitung erwähnt wurde, senkt sich die Stratiotespflanze im Herbst, überwintert am Wassergrund und steigt im Frühjahr wieder an die Wasseroberfläche auf. Dieser Erscheinung will ich im folgenden eine Erklärung geben. — Schenk führt aus: „Nachdem die weibliche Pflanze verblüht, senkt sie sich, um ihre Früchte zu reifen, unter den Wasserspiegel; an einer anderen Stelle: „Zur Winterzeit senkt sie sich auf den Boden des Gewässers und entgeht so ihrer Vernichtung“. Daraus läßt sich schließen, daß die Ursachen der Senkung einer- seits in der Befruchtung andererseits in der niederen Temperatur zu suchen ist. Meiner Ansicht nach ist die Senkung ganz unabhängig von der Kälte und Befruchtung. Viele Wasserpflanzen und zwar hauptsächlich deren ausgewachsene Teile scheiden, wie bekannt, kohlensauren Kalk aus. Zu dieser Pflanze gehört auch Stratiotes aloides. Die Kalkablagerung tritt bei Stratiotes im Herbst ein, gerade dann, wenn sich die Pflanze zu senken anfängt, wenn die Pflanze den Wasser- grund erreicht hat, sind alle Pflanzenteile mit kohlensaurem Kalk be- deckt. Stehen nur diese beiden Erscheinungen — Kalkablagerung und 28 N. Montesantos, Senkung — in irgend einem Zusammenhang? Das sollen die in folgendem beschriebenen Versuche zeigen. Vers. I. Von einem mit Kalk bedeckten Blatte habe ich vorsichtig mit Salzsäure den Kalk vollständig entfernt, so daß das Blatt nicht be- schädigt wurde. Vor der Kalkentfernung senkte sich das Blatt, wenn ich es ins Wasser legte, ziemlich rasch zu Boden. Nach der Kalk- entfernung war dies jedoch nicht mehr der Fall; es blieb auf der Wasser- oberfläche. Vers. IL Ein anderes Blatt befreite ich zur Hälfte von Kalk. Ins Wasser gebracht, richtete es den kalkfreien Teil nach oben, den anderen, mit Kalk bedeckten nach unten. Die beiden Fälle zeigen also, daß bei einzelnen Blättern die Stellung auf der Wasseroberfläche oder am Wasser- grund hauptsächlich von Vorhanden- oder nicht Vorhandensein von Kalk abhängig ist. Vers. III. Von einer auf dem Wassergrund sitzenden Pflanze wurden fast alle mit Kalk bedeckten Blatteile abgeschnitten; die Folge war, daß die Pflanze zur Wasseroberfläche aufstieg. Damit ist eine Nähr- stoffablagerung im Stamm, die die Senkung verursachen konnte, aus- geschlossen. Von den angegebenen Versuchen läßt sich schließen, daß die Ursache der Senkung hauptsächlich in der Kalkablagerung liegt. Beim Erwachen der Vegetation im Frühjahr beginnt die Pflanze neue Blätter zu treiben, die kalkfrei und leichter als Wasser sind, während die alten, mit Kalk verschenen Blätter schwerer sind. Wenn die Zahl der neuen Blätter so groß geworden ist, daß die Pflanze dasselbe Gewicht hat wie Wasser, beginnt sie mit jedem frisch treibenden Blatt leichter zu werden als das Wasser und infolgedessen allmählich an die Wasserober- fläche aufzusteigen, bis sie endlich dieselbe erreicht hat. Schneidet man diese neuen Blätter ab, so senkt sie sich wieder. Umgekehrt findet dieser Vorgang im Winter statt beim Beginn der Kalkablagerung. Es ist merkwürdig, daß die Pflanze im Gewicht einen so kleinen Unterschied von Wasser aufweist, daß das Kalkgewicht ausschlaggebend ist, ob die Pflanze auf der Oberfläche schwimmt oder sich auf den Wasser- grund senkt. Meine über das Kalkgewicht angestellten Untersuchungen zeigten daß der Kalk häufig fast das doppelte Gewicht der festen Bestandteile des Blattes aufwies. Ist nun diese Kalkablagerung won der Befruchtung oder niederen Temperatur abhängig? Auch diese Frage können wir nicht bejahen. Eine Kalkablagerung haben wir auch bei einer jungen Ausläuferpflanze Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen, 29 im Viktoriahaus, also in höherer Temperatur, beobachtet, Dies erweckt den Anschein, als ob hierbei die schlechte Ernährung, die in der höheren Temperatur ihre Ursache hat, eine große Rolle spielte. Zusammenfassung. Die Wurzelkappen gehören ursprünglich nicht zur Wurzel. Sie entstehen durch weitere Entwicklung der \Vurzeltasche. Eine solche Wurzel ist als haubenlose zu betrachten. — Limnobium Boscii ist nicht, wie vielfach angegeben wurde, diözisch, ähnlich wie Hydrocharis, sondern rein monözisch. Die Krümmung des Stieles der weiblichen Blüte von Limnobium ist unabhängig von der Befruchtung. Sie beruht auf einem positiven Geotropismus derselben. Ebenso verhält sich der von Ottelia Blüte. Die Heterophyllie bei Limnobium hat als Ursache keineswegs die direkte Anpassung an das Land- oder Wasserleben. Die Schwimm- blätter sind Hemmungsbildungen, die bei schlechten Ernährungs- bedingungen auftreten. 1. Als Landpflanze hat sie andauernd Schwimmblätter gebildet, inden sie nieht zunı Blühen gekommen ist. Die Blätter sind klein ge- blieben und haben die Jugendform der ersten Keimblätter beibehalten. — 2. Als Schwimmpflanze im Viktoria-regia Bassin (höchste Tem- peratur 31°) hat sie wiederunı Schwimmblätter gebildet. Die Blüten- bildung ist unterblieben. 8. Eine mit Luitblätter versehene Pflanze bildet beim Eintritt der ersten Vegetation im Frühjahr zuerst Schwimmblätter, dann Luft- blätter und im Herbst wieder „Schwimmblätter“. 4. Dureh Absehneiden der Blätter und Ausläufer ist die Luftblatt- bildung zurückgegangen und wieder die Schwimmblattbildung einge- treten. — Die Angabe Constantin’s über Stratiotes aloides, wonach der Einfluß des Mediums genügt, daß ein und dasselbe Blatt, das unter- getaucht war, wenn es in Berührung nıit der Luft kommt, Stomata auf den außerhalb des Wassers befindlichen Teilen entwickelt, ist nicht zu- treffend. Die Spaltöffnungen sind nicht nur auf den in der Luft befind- liehen Blatteilen vorhanden, sondern auch auf den untergetauchten. Die jüngsten der nachfolgenden Blätter sind, obwohl sie tief unter dem Wasserspiegel liegen, mit den meisten Spaltöffnungen ausgerüstet. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die Stomatabildung auf günstigeren Er- nährungsverhältnissen beruht. 30 - N. Montesantos, Die Blütenbildung bei Stratiotes ist unabhängig von dem Vorhanden- sein der mit Stomata versehen Blätter. Die Senkung von Stratiotes im Herbst beruht auf der Kalkablagerung und das Wiederaufsteigen im Frühjahr ist der Bildung von nicht inkru- stierten Blätter, die das Übergewicht von kohlensaurem Kalk vermindern und schließlich aufheben, zuzuschreiben. — Bevor ich diese Arbeit schließe, möchte ieh meinem hoehverehrten Lehrer Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. Karl von Goebel, unter dessen Leitung diese Arbeit ausgeführt wurde, für seine Anregung und Unter- stützung meinen herzlichsten Dank aussprechen. Literaturverzeichnis. Chatin, Anatomie comparde des Vegetaux. Paris 1857-1862. Constantin, J., L’heredite acquise. Ders., Observations critiques sur l’&piderme des fenilles des vegetaux aquatiques. Bull. soc. bot. Fr. 1885, Tome XXXI, pag. 83- Clarke, The Journ. of die Linn. soe. 1873, Vol. XIV, pag. 8, t. 1. Dammer, U., Beiträge zur Kenntnis der veg. Organe von Limnobium stol. Diss. Freiburg, 1888. ö Engler und Prantl, Nat. Pflanzenfam., U. Teil, pag. 256. Flora austral., Vol. VI, pag. 258. Fiora of Britisch India, pag. 660. Flora of Ceylon, Part. IV. Goebel, K., Pflanzenbiologische Schilderungen, II. Teil. Ders, Experimentelle Morphologie der Pfianzen, 1908. Janczewski, E., Annales des Sciences nat., V. ser. Bot., Tome XX, pag. 168. Irmisch, Flora 1865, pag. 87 und 90. Lorenz, H., Beiträge zur Kenntnis der Keimung der Winterknospen von Hydro- charis usw. Diss. Kiel, 1903. Müller, J., Hanstein’s Bot. Abh. zu Bonn, 1878, pag. 44. Richard, Memoires Inst. Fr. 1811, pag. 77. Rohrbach, Beiträge zur Kenntnis einiger Hydrocharideen. Abh. der Naturforsch. Gesellschaft zu Halle, Bd. XI. Schenck, H., Vergleichende Anatomie der subm. Gewächse. Kassel 1886. Strasburger, E., Lehrbuch der Botanik, 1911. van Tieghem, Ph., Traite de Botanique, pag. 696. Ders, Ann. se. nat. Bot. 5, ser. XIII, 1870—71, pag. 172. Wacker, Jahrb. f. wissensch. Botanik, Bd. XXXIL. Morphologische und biologische Untersuchungen über einige Hydrocharideen. 31 9. . 10. ‚11 . 23. . 24. Figurenerklärung zu Tafel 1—V. Linnobium Boseii. Leitbündel im Querschnitt von dem Stiele eines Luftblatten. Leitbündel vom Schwimmblatte, Schematische Darstellung eines Querschnittes durch eine Ausläuferpflanze, 4, 4, ‚4 Ausläufer; a, a', ‚a, ja! die seitlichen Achselknospen; N, N, n, #, Niederblätier; 3—2, Laubblätter. Medianer Längsschnitt durch die Spitze einer Wurzelanlag.. Z Endo- dermis; ? Plerom; D Dermatogen; X Kappenschicht. Anlage einer Wurzel. EZ Endodermis; X zwei Kappen. Teil eines Längsschnittes durch eine junge Wurzel. Querschnitt durch eine ältere Wurzel. c Diaphragmazelle von rötlicher Masse angefüllt. Der Zentralzylinder stärker vergrößert. Z Protoplasmatische stärkeführende Zellen der inneren Rinde bei Lim- hobium und Hydrocharis. 4, a zwei Ausläufer der linken Achselknospe; N Narbe des abgeschnittenen ersten Ausläufers. 4 in normalem Zustand; 2 der bei Fig. 10; 4 Ausläufer; # die einzige Wurzel, die diesem entspricht. Limnobium mit zweierlei Blüten. & und ®@ Pflanze. Querschnitt durch einen & Blütenstand. II. Schematische Darstellung derselben. Zm, 1, 2... zeigen die Reihenfolge der einzelnen Blüten an. Querschnitt durch eine junge männliche Blüte. I. Diagramm. Pflanze mit 2 Blüte am Grund des Gefäßes hefestigt. Die unbefruchtete Blüte hat sich gekrümmt, Geotropismus des befruchteten Fruchtknotens. Limnobiumsamen. L 2, 5, c Entwicklungsstadien der Auswüchse der Samenschale. II. Im Querschnitt. Entwicklung der Samenschale aus den zwei Integumenten. I. Jüngeres Stadium; « Mittellamelle; & gallertartige Schicht. Stellung des Keimlings auf der Wasseroberfläche. # Hauptwurzel; W, erste Adventivwurzel; X Kotyledon. Biyxa. Floßzahn eines Blattes. Zellengruppe, die zur Aussteifung des Blattes dient. I. Im Längsschnitt, IE. Im Querschnitt. 1, II. Teile eines Querschnittes durch ein junges Blatt. 832 N. Montesantos, Morpholog. u. biolog. Untersuch. üb. einige Hydrocharideen. Fig. 25. Entwicklung eines Gefäßbündels. Fig. 26. Medianer Längsschnitt durch eine junge Wurzel. g Axialer Gang; E Endodermis; ?r Plerom; 2 Dermatogen; @ die Zelle, aus der der Zentralzylinder entsteht. Fig. 27. Entwicklung des Zentralzylinders.. g Axialer Gang. Fig. 28. Links Blüte von Blyxa, rechts deren Diagramm. Fig. 29. Anlage eines Auswuchses der Samenschale. Fig. 30. Verschiedene Keimungsstadien. Ottelia alismoides. Fig. 31. Übergangsformen von dem band- zu dem herzfürmigen Blatte, Fig. 32, 33. Querschnitt durch den Vegetationskegel. Blattanordnung. Fig. 34, 35. Zentralzylinder der Wurzel im (Juer- und Längsschnitt. Z Axiales Gefäß; s Siehröhre; 2 Siebplaite. Fig. 36. Entwicklungsstadien der Blüte, Fig. 37. Blütendiagramm. Fig. 38. Querschnitt durch den Fruchtknoten. Fig. 39. I, II. Keimung. 2, 2,, erstes und zweites Keimblatt; A Kotyledon; W Hauptwurzel; W, erste Adventivwurzel. Fig. 40. I. Luftblätter. IL Schwimmblätter von Limnobium. Archegoniatenstudien. Von K. Goebel. XIV. Loxsoma und das System der Farne. (Mit 11 Abbildungen im Text.) 1. „Keine Pflanze“ — sagt der Altmeister der Pteridologie!) — „hat das Interesse des Systematikers stärker erregt, als das rätsel- hafte Loxsoma Cunninghami R. Br. aus dem nördlichen Neuseelanıl. Heute noch ist die Stellung dieser seltsamsten aller Farn- gestalten ebenso umstritten, als zur Zeit ihrer Entdeckung durch Allan Cunningham.“ Schon die Synonyme zeigen, wie verschieden man die Pflanze beurteilte. Nach W. Hooker?) wurde die Pflanze von Cunningham als Davallia dealbata bezeichnet, von Harvey als Trichomanes coeno- pteroides. Wie Hooker hervorhebt, ist das leicht verständlich, weil das mit dem Blattrand „verwachsene“ Indusium an Davallia erinnert, die lange Placenta an Trichomanes, während andererseits der breite schiefe Ring an den der Cyatheaceen anklingt. Demgemäß schen wir (ie Pflanze bald den Hymenophyllaceen, bald anderen Farngruppen zugerechnet. Die meisten Autoren betonten wohl die Zugehörigkeit zu den Hymenophyllaceen. So Mettenius?), der meint, daß Loxsoma durch „den Bau ihrer mit Spaltöffnungen versehenen Blätter und durch die Bildung des Schleiers“ den Übergang von den Hymenophyllaceen zu anderen Farnen vermittle, obwohl er die Verschiedenheiten im Sporan- gienbau zwischen Loxsoma und den „übrigen Hymenophyllaceen“ her- vorhebt, unter denen nur Hym. sericeum Annäherungen an die Eigen- tümlichkeiten der Loxsomasporangien zeigen soll. 1) H. Christ, Loxsomopsis costaricensis noy. genus et n. sp. Bulletin de Y'herbier Boissier, 2tme ger., 1904, Tome IV, 2) W. Hooker, Species filicum 1846, Vol. I, pag. 86. Vgl. die historische Darstellung bei Bower, Studies on the morphology of spore produeing members, IV, pag. 47. 3) G. Mettenius, Über die IHymenophyllaceen. Ahh. d. Kgl. Sächs. Cies. der Wissensch. 1864, Bd. XT. Flora, Bd. 105. a 34 K. Goebel, Bei van den Bosch bildet Loxsoma die dritte Gruppe der Hymenophyllaceen. In der Synopsis filicum!) steht Loxsoma am An- fang der Hymenophyllaceen. Bommer?) meint, ähnlich wie Mettenius, Loxsoma bilde den natürlichen Übergang von den Hymenophyllaceen zu den Polypodia- ceen (durch die Davalliaceen). Diels®) betrachtet Loxsoma als eine „nur mit Zweifel den Hymeno- phyllaceen anzuschließende Gattung“, ebenso Christensen im „Index filicum“ (1906). Andererseits stellte Presi*) Loxsoma unter seine Helicogyratae und zwar als besondere Gruppe zwischen die Gleicheniaceen und Cyatheaceen, und bei Christ?) finden wir unseren Farn zwischen Davallia und Mierolepia. Besonders eingehend hat Bower‘) die Stellung der Loxso- maceen besprochen. Er vergleicht die Sporangien mit denen von Gleichenia, und findet, daß sie vom selben Typus, wenn auch in Einzel- heiten verschieden sind. In der Nachbarschaft von Gleichenia vermutet er die Ahnen vom Loxsoma und hält diese Gattung für den Repräsen- tanten einer eigenen Abteilung, welche die Gleichenia-Schizaea-Ver- wandtschaft mit dem Typus von Dennstaedtia und Microlepia verbindet. Die neuerdings entdeckte Gattung Loxsomopsis stellt Bower in (lie Nachbarschaft von Loxsoma und Thyrsopteris. Er sagt: From a comparative standpoint Loxsoma it one of the most interesting Ferns: it appears to be a „generalised“ type, while its rare and local occurence eountenances this view.“ Alle diese Ausführungen gründen sich auf die Beschaffenheit des Sporophyten. Daß auch der Gametophyt für die Erkennung ‚ler systematischen Verwandtschaft wertvolle Merkmale abgeben kann, habe ich früher an verschiedenen Beispielen zeigen können. So bei len Hymenophylleen, den Vittarieen, Anogramme’). Es kann hier auf die unten angeführte Literatur verwiesen werden. Es war deshalb 1) Hooker and Baker, Synopsis filicum, 2. edition, 1885, pag. 55. 2) Bommer, Monographie de la classe des fougöres 1867, pag. 100 3) In Engler-Prant!, Natürliche Pflanzenfamilien J, 4, 1902, pag. 112. 4) Presi, Hymenophyliaceae, Abh. d. Kgl. Böhm. Gesellsch, der Wissensch., d. Folge, Bd. III, pag. 90. 5) H. Christ, Die Farnkräuter der Erde, pag. 10 u. 307. Jena 1897. 6) F. OÖ. Bower, The origin of a land flora 1908, pag. 571. X) Vgl. Goebel, Morphologische und biologische Studien. Ann. du jardin. bot. de Buitenzorg 1887, Vol. VIL_ Über die Jugendzustände von Pflanzen. Flora 1889, Bd. UNXIX, p. 20 ff. Archegoniatenstudien VIII. Flora 1896, Bd. LXXXIE, pag. 67 Archegoniatenstudien. 35 mein Wunsch, auch bei Loxsoma die Frage nach der Verwandtschaft auf Grund der Untersuchung der Geschlechtsgeneration prüfen zu können. Aber bei meinem Aufenthalte in Neuseeland, bei welchem ich die Nordinsel, auf der allein Loxsoma vorkommt, nur flüchtig berührte, fand ich keinen Standort von Loxsoma, und in Europa versuchte Sporenaussaaten mißlangen. Durch die Vermittlung meines verehrten Freundes Dr. L. Cockayne wurde mir aber dennoch die Untersuchung von Prothallien ermöglicht, die, wie ich glaube, auch zur Entscheidung der Frage nach der Ver- wandtschaft der Loxsoma geführt hat. Ich erhielt zwei Sendungen von in Formolalkohol aufbewahrten Prothallien und Keimpflanzen. Die Prothallien wurden gesammelt von Dr. L. Cockayne unıl Mr. H. Carse, die sie Ende Dezember 1910 an einer Tonbank auf Fig. 1. Loxsoma Cunninghami. I. Stück der Blattunterseite des ersten Prinär- blattes einer Keimpflanze; die Spaltöffnungen liegen noch nicht vertieft. II. Stück der Epidermis einex späteren Primärhlattes; eine vertieft liegende Spaltöffnung sichtbar. III. Epidermis eines alten fruktifizierenden Exemplars. der Farm des letzteren bei Kaitaia (auf der Nordinsel) entileckten. Später fand Mr. Carse unweit der ersten Stelle eine zweite, die mit Loxsomaprothallien besetzt war. Auch von dieser sandte er mir freund- lichst Alkoholmaterial zu. Es sei mir gestattet, beiden Herren meinen Dank für ihre Freundlichkeit auch hier auszusprechen. Das übersandte Material war, als ob es einer Reinkultur entnommen worden wäre. Abgesehen von einigen Moosen und Lebermoosen waren nur Prothallien und Keimpflanzen einerlei Art vorhanden. Daß diese zu Lox- soma gehören, ist mir nicht zweifelhaft. Es bürgt dafür nicht nur die Beobachtung der beiden neuseeländischen Botaniker, sondern es stimmte auch der Blattbau der Keimpflanzen mit dem der Loxsoma-Pflanzen des Münchener Herbars durchaus überein. Zunächst zeigt sich dies in der 3* 36 K. Goebel, Verteilung und im Bau der Spaltöffnungen. Loxsoma gehört zu den Farnen, die einigermaßen xerophilen Bau aufweisen. Dies spricht sich nament- lich aus in dem Wachsreif der Blattunterseite und in der Versenkung der Spaltöffnungen, welche auf die Blattunterseite beschränkt sind (Fig. 1, II). Das erste Primärblatt der Keimpflanze zeigt die Spaltöffnungen noch nicht versenkt (Fig. 1, I), später aber ist dies der Fall (Fig. 1, ID). Die Primärblätter sind zwar, wie dies zu erwarten war, weniger derb und ihr Mesophyli ist lockerer als das der späteren Blätter aber sonst stimmen sie mit ihnen überein. Namentlich auch darin, daß die Endo- dermis der Leitbündel von Zellen mit (an Alkokol- und getrocknetem Material) dunkelbraunem (gerbstoffreichen?) Inhalt gebildet wird. Auch die „palese“ der Keimpflanzen stimmen mit denen alter Loxsomapflanzen überein. Sie treten auf zunächst als Zellreihen (Fig. 2, D), Fig. 2. „Haare“ der Sproßachse I. und Fig. 3. Prothallium einer unbestimmten M. einer Keimpflanze, II. einer alten Cyatheacee mit Schuppen. 5mal ver- Pflanze. größert. die später an der Basis Längsteilungen erfahren (Fig. 2, ID. Auch die alten Loxsomapflanzen besitzen in Zellreihen auslaufende schmale Paleae, die ebenso wie die der Keimpflanzen braun gefärbt sind. (Fig. 2, II). In beiden Fällen sind die Paleae nicht abgeflacht. Die Prothallien, aus weichen diese Keimpflanzen hervorgehen, stimmten durchaus mit den anderen überein. Auch saßen einigen jüngeren Pro- thallien noeh Sporenhäute an, welche mit denen von Loxsoma durch- aus übereinstimmten. Die Prothallien zeigten keinerlei Annäherung an die der, Hymeno- phyllaceen. Wie ich früher zeigen konnte, sind diese in zwei durch Übergangsformen verbundenen Typen ausgebildet. Einerseits liegt der Archegoniatenstudien. 37 Typus von Trichomanes rigidum vor: verzweigte Zellfüden mit kenlen- förmigen Archegoniophoren, andererseits der Hymenophyllum-Typus: ver- zweigte Zellflächen mit seiten- ständigen Archegongruppen. Mit keinem dieserTypen zeigen die Prothallien von Loxsoma die mindeste Ähnlichkeit, ebensowenig mit den hier nicht näher zu erörternden Über- gangsformen zwischen den beiden Typen. Schon daraus geht wohl'hervor, daß Loxsoma mitdenHymenophylleen nichts als eine Habitusähnlichkeit der Sori gemeinsam hat. Vielmehr sind die Prothallien (Fig. 4) wie die der meisten Farne herz- förmig und tragen die Arche- gonien auf dem Gewebepolster hinterdemMeristem.Siezeigen Fig. 4. Loxsoma. Prothallium (vergr.) von unten. S Schuppenhaare, 4 Archegonien. nun weiter ein Merkmal, wie es charakteristisch ist für die Cyatheaceen (im weitesten Sinne). Deren Prothallien sind bekanntlich ausgezeichnet durch den Besitz von mehrzelligen (als Zellreihen oder Zellflächen ent- wickelten) „Borsten* auf der Unterseite, teilweise auch auf der Oberseite des Prothalliums (Fig. 3, III). Diese treten meist erst in späterem Lebens- alter der Protballien auf und können deshalb dann, wenn frühzeitig Embryobildung ein- tritt, auch ganz unterdrückt werden. Auch Loxsoma besitzt solche Borsten, und zwar an älteren Prothallien auf der Un- terseite (Fig. 4, 5). Sie stehen rechts und linksvon den Arche- gonien, über die sie sich teil- weise hervorwölben und haben Fig. 5. Scheitelbucht eines Loxsoma - Prothal- ums (stärker vergrößert als Fig. 4). Z Blatt einer Keimpflanze. 38 K. Goebel, vielleicht eine biologische Bedeutung, indem sie Wassertropfen kapillar festhalten. Meist sind es Zellreihen, an deren Basis auch Längsteilungen auftreten können; sie stimmen also mit den Jugendstadien der oben- erwähnten „paleae* der Sporophyten überein. Diese Borsten entsprechen in ihrer Aushildung durchaus denen, welche z. B. bei Hemitelia capensis (deren Prothallien ich früher kulti- vierte) zuerst auf der Unterseite auftreten. Es bilden sich auch hier zunächst Zellreihen, später solche, deren Basalzeilen längs geteilt sind, erst später treten eigentliche Zellflächen auf. Loxsoma bleibt also auf einem Stadium der Borstenbildung stehen, das bei Hemitelia capensis als Durchgangsstadium auftritt. Wie bei den Cyatheaceen können auch bei Loxsoma die Borsten an frühzeitig Embryonen bildenden Prothallien fehlen. Andererseits waren an einem jungen Prothallium, welches noch keine Archegonien angelegt hatte, ausnahmsweise schon zwei Borsten vorhanden, an einem anderen fanden sich solche auch auf der Oberseite. Bei keiner Gleicheniacee oder Schizaeacee sind solche Borsten bekannt, sie sind beschränkt auf die Cyatheaceen und treten nur selten (als Ausnahmen) auch bei einzelnen Polypodiaceen auf. Die Cyatheaceen haben an ihrem Antheridium meist eine geteilte Deckelzelle. Solche traf ich nur dreimal an zwei der untersuchten Pro- thallien an. Eins trug ein besonderes kräftiges Antheridium, das andere zwei. An den anderen Prothallien war eine Teilung nicht wahrzunehmen. Nach den Untersuchungen von Schlumberger!) ist die Verschiedenheit der Antheridien der Cyatheaceen und der Polypodiaceen eine kleinere, als man früher annahm, immerhin können wir sagen, daß der Antheri- dienbau von Loxsoma von dem der Polypodiaceen nieht wesentlich ab- weicht. Nur Untersuchung eines größeren Materiales wird entscheiden können, ob gelegentlich eine Teilung der Deckelzelle vorkommt, oder ob die Prothallien, an welchen diese beobachtet wurden, einem anderen Farn angehören. An sich ist ein Schwanken in der Ausbildung der Deckelzelle durchaus nicht unwahrscheinlich, denn auch andere Eigen- schaften des Cyatheaceenprothalliums geben durch Reduktion in die des Polypodiaceenprothalliums über. Und bei Woodsia schwankt die Ausbildung der Deckelzelle innerhalb der Gattung, bei W. obtusa ist sie geteilt, bei W. ilvensis nicht. 1) 0. Schlumbherger, Familienmerkmale der Oyatheaceen und Polypodiaceen und die Beziehungen der Gattung Woodsia und verwandter Arten zu beiden Familien. Flora 1911, Bd. CII, Archegoniatenstudien. 30 Jedenfalls schließen sich die Prothallien von Loxsoma an die der Cyatheaceen-Polyporliaceenreihe an. Eine biologische Figentümlichkeit der Trothallien darf wicht unerwähnt bleiben. Es ist die, daß alle untersuchten Prothallien von einem Pilze bewohnt waren, den man, da ungegliederte Hyplien vor- lagen, wohl zu den Phycomyceten rechnen darf. Farnprothallien mit regelmäßiger Pilzinfektion habe ich früher mehrfach, so für Hymeno- phyllum !) und Polypodium obliquatum, erwähnt, auch von anderen ist dies später geschehen. Die Infektion ist aber in diesen Fällen eine im wesentlichen auf die Rhizoiden beschränkte. Bei Loxsoma ist sie eine viel weitergehende. Auch tritt sie schon sehr früh ein. Es wurden wiederholt junge Prothallien beobachtet, welche schon im Keim- faden Pilzhyphen zeigten. Zweifelsohne waren diese durch das erste Rhizoid eingedrungen. Man sieht die Rhizoiden oft von Pilzfäden um- sponnen und diese setzen sich weit in das Substrat fort. Von den Rhizoiden gelangen die Pilzhyphen in die Prothalliumzellen. Man erkennt schon an ganz jungen Prothallien die infizierte Region dadurch, daß sie als ein manchmal knöllchenförmiger Vorsprung über die Unter- seite der Prothallien hervorragt, und an ihrer Farbe. Der Zellinhalt erscheint dichter als bei den anderen Prothallienzellen, die Zellwände nehmen oft eine gelblich-braune Farbe an. Die Infektion ist indes beschränkt auf eine be- stimmte Zone des Prothalliums, die später hinter dem Archegonien-tragenden Polster sich befindet. Nie sahı ich den Pilz in dieses selbst eindringen. Ob der Pilz ein harmloser Parasit ist, oder den Prothallien Nutzen bringt, läßt sich nach Untersuchung von totem Material natürlich nicht entscheiden. Aber das frühe Eindringen des Pilzes, und seine Ausdehnung im Prothallium läßt den Verdacht einer „Symbiose“ als naheliegend erscheinen. Wenn man bedenkt, daß manche Farnsporen trotz aller Vorsichtsmaßregeln bis jetzt nicht zum Keimen zu bringen waren, so kann man dies vermutungsweise damit in Verbindung bringen, daß vielleicht, wie bei den Orchideenkeimpflanzen der Reiz eines sym- biontisch lebenden Pilzes notwendig ist, der in den Kulturen fehlte. Auch chlorophyllose, saprophytisch lebende Prothallien sind bei Farnen vielleicht vorhanden, es wäre z. B. bei Dipteris, deren Prothallien ganz unbekannt sind, «darnach zu suchen. 1) Goebel, Morphologische und biologische Studien. Ann. du jardin but. de Buitenzorg 1887, Vol. VII, pag. 102. . H. Campbell, The prothallium of Kanlfussia and Gleichenia (Ann. du jardin bot. de Buitenzorg 1908, Vol, VIID fand regelmäßige Pilzinfektion hei Kaulfussıa (und anderen Marattiaceen) und Gleichenia. 40 K. Goebel, Die Beschaffenheit des Prothalliums zeigte uns, daß keine Übereinstimmung mit dem der Hymenophyllaceen vorliegt, also die Auffassung von Mettenius u. a. über die Zugehörigkeit von Loxsoma zu diesen nicht zutrifft. Die Ähnlichkeit der Sorusbildung von Loxsoma mit der der Hymenophyliaceen war die Ursache, daß man sie mit letzte- ren in Verbindung brachte. Indes ist, wie unten weiter aus- geführt werden soll, das becherförmige In- dusium auch bei Cya- theaceen vorhanden. Namentlich sind die Unterschiede desLox- soma-Sorus von dem von Thyrsopteris, das zweifellos zu den Cyatheaceen gehört, nicht erheblich, und auch mit anderen Cyatheaceen beste- hen Anknüpfungs- punkte. So mit denen, bei welchen das In- dusium aus zwei ungleichen Hälften besteht. Ein Quer- schnitt (Fig. 6, ID) durch das Indusium von Loxsoma zeigt nämlich deutlich, daß He Lossoma, Cunminghami, I. Sorus (ca. 35mal ver- es nicht radiär ist; grö mit geöffneten Sporangien. Der untere Teil d Fi Placenta (2) schimmert durch das Indusium durch, P man kann eine etwas ein unreifes verkümmertes Sporangium. — 1I.. (Etwas derbere und längere schwächer vergrößert.) Querschnitt durch den en bi if = Teil eines Indusiums. 5 die Stelle, an welcher es weiter obere Hälfte von unten in den Blattrand übergeht. einer etwas kürzeren ı . unteren unterschei- den, wie dies — nur in gesteigertem Maße — bei Cibotium, auch bei Dennstaedtia u. a. der Fall ist. Archegoniatenstudien. 4 Auch Bower!) hält die Übereinstimmung mit den Hymenophylieen für keine große. „Ihe affinity with the Hymenophyllaceae is also unmistakable, though probaby not so close as has often been assumed; against it are the texture of the leaf, the mode of dehiscence, the structure of the spor- angium and the low output of very large spores.... .“ Wenn aber Bower weiter sagt: „The sporangium and its annulus and dehiscence point clearly towards the Gleicheniacese and Schizaeaceae“, so möchte ich mich dieser Ansicht nicht anschließen. Zunächst wird wohl kaum eine Meinungsverschiedenheit darüber bestehen, daß das Loxsoma-Sporangium einen reduzierten Ring hat. Wenn man die Sporangien von außen betrachtet (Fig. 6, I), fällt eine auf der Außenseite befindliche Reihe langer Zellen (deren Wände gebräunt sind) auf. Es ist aber längst bekannt, daß diesem Teil des. „Ringes“ nach unten hin sich Zellen anschließen, welche als rudimentäre Fortsetzung des Ringes zu betrachten sind; gelegentlich trifft man unter diesen Zellen auch noch solche mit etwas verdickten Seitenwänden an (Fig. 7,1. A,). Daß diese Ausbildung mit Fig. 7. IL Seitenansicht eines Spo- der Gestalt und der dichten Anein- rangiums von Loxsoma mit einem j Stück der Placenta (22). 4 der aus- anderlagerung der Sporangien zusam- gebildete, A, der reduzierte Teil des menhängt, scheint mir zweifellos. Es Annulus. Il. (Schematisch) ein Glei- bleibt nur eine verhältnismäßig kleine ehe wie das ‚gleiche Stellung Zone des Ringes ganz frei (Fig. 6, 1.), die aus den stark vergrößerten Zellen besteht, während die anderen gedeckten Ringzellen eine Rückbildung erfahren. Die Ähnlichkeit mit Gleichenia hat man teils in der Orientierung des Ringes, teils in der Art und Weise, wie die Öffnung erfolgt, finden wollen. In letzterer Beziehung scheinen mir aber die Verschiedenheiten größer zu sein, als die Ähnlichkeiten. Letztere fand man darin, daß die Sporangien sich durch einen Längsriß öffnen. Dieser liegt bei Gleichenia auf der dem Sporophyli 1) Studies, a. a. 0. p. 50. 49 K. Goebel, abgekehrten Seite!) und der Ring bleibt hier gewöhnlich ganz. Bei Loxsoma aber reißt der Ring gewöhnlich aunähernd in seiner Mitte entzwei und löst sich auch oft von der Sporangienwand ab, so daß an dieser Stelle ein Loch entsteht, aus welchem die Sporen her- ausfallen können. Einen regulären Längsriß wie bei Gleichenia habe ich bei Loxsoma trotz Untersuchung zahlreicher Sporangien nie ge- schen. Bower sagt: „The lengitudinal slit of dehiscence traverses the distant part of the annulus, following the median plane of the sporan- gium, and may extend some distance down the peripheral side of the Sporangium“. Er zitiert dabei eine Abbildung von Bauer. Wenn auch eine solche Öffnungsart gelegentlich vorkommt, so ist es doch nicht normal so. Und die Orientierung des Sporangiums ist meiner Ansicht nach eine andere als bei den Gleicheniaceen. Es tritt dies hervor, wenn man sich ein Gleicheniaceen-Sporangium in derselben Lage denkt wie das Loxsoma-Sporangium (Fig. 7, II). Man sieht daraus, daß der Ring auf der dem Sporophyli zugekehrten Seite entwickelt ist, bei Loxsoma aber mit der dem Sporophyll (resp. der Placenta) ab- gekehrten Seite. Der Ring ist bei den Gleicheniaceen annähernd quer zur Längsachse des Sporangiums, bei Loxsoma schief. Er stimmt viel mehr mit dem der Cyatheaceen überein, als mit dem von Gleichenia. Die Tatsache, daß der Ring von Loxsoma quer durchbricht, kann keine Übereinstimmung mit Gleichenia bedingen. Sie steht im Zusammenhang damit, daß der Ring hier überhaupt reduziert ist; eine Reduktion welche auch sonst z. B. bei Üeratopteris vorkommt. Es kann der Loxsomaring von dem der Oyatheaceen abgeleitet werden, bei welchem die Dehiscenz ursprünglich quer, resp. schief zur Längsachse erfolgt. Cyatheaceen-Sporangien haben bekanntlich einen fast vollständigen, schief zur Längsachse des Sporanginms orien- tierten Ring?) mit seitlich liegendem Stomium, Denkt man sich an diesem nur die obersten Zellen als Ringzellen ausgebildet, die anderen alle rückgebildet, so erhält man im wesentlichen die Verhältnisse, wie sie bei Loxsoma vorhanden sind. Man könnte in manchen Fällen hier sogar noch daran denken, die ursprünglich als Stomium funktio- nierenden Zellen (die etwas verdickte Wände haben) zu erkennen, da vielfach der rudimentäre Teil des Ringes auf einer Seite (der Stomium- seite) weniger differenziert ist als auf der anderen. Indes ist dies bei 1) Vgl. z. B. Goebel, Organographie, pag. 763, Fig. 507, II. 2) Diese Sporangien sind dorsiventral, aber asymmetrisch, sie haben eine vordere und hintere Seite und eine rechte und linke, die jeweils verschieden sind. Archegoniatenstudien. 43 der Unregelmäßigkeit, mit der im reduzierten Teil des Annulıs noch Verdickungen auftreten, zweifelhaft. Eine solche Reduktion des Annulus konnte eintreten, weil die Sporangien auf der Placenta über die Blattfläche herausgeschoben werten; (die Sporen können durch das Loch in der Sporangienwand leicht her- ausgeschüttelt werden. Die oben gemachte Annahme, daß bei Loxsoma ein modifi- zierter (rückgebildeter) Cyatheaceenring vorliege, erhält nun ferner eine große Unterstützung dadurch, daß in Loxsomopsis eine Gat- tung vorliegt, an deren Verwandschaft mit Loxsoma wohl nicht zu zweifeln ist, deren Sporangien aber einen Ring haben, der im wesent- lichen dem der Oyatheaceen entspricht, nur etwas weniger schief ver- läuft und sich dadurch dem der Polypodiaceen annähert. Zwar ist von Loxsomopsis die Sproßgestaltung und Anatomie nicht bekannt, aber der Sorus stimmt, namentlich auch betreffs der Haarbildungen an der Placenta so sehr mit dem von Loxsoma überein, daß wir an einer Ver- wandtschaft der beiden Formen vorläufig wohl nicht zweifeln dürfen. Christ!) sagt: Loxsomopsis costaricensis ist eine uralte Reliktenform, die sich in etwas anderem Aufbaue und anderem Sorus in Loxsoma Cunninghamii Neuseelands wiederholt ... . Das Sporangium, das bei Loxsoma an Gleichenia oder Schizaea mahnt, ist mehr mit Cyathea ver- gleichbar“ 1). Letzteres gilt aber, wie oben auszuführen versucht wurde, auch für Loxsoma. Loxsoma ist als von der Cyatheaceen- gruppe abgeleitet zu betrachten. Die Sporangien erschienen uns als stark reduzierte. Loxsoma ist also eine der von den Üyatheaceen ausstrahlenden zu den Polypodiaceen überleitenden Formen, wie sie inehrfach auftreten. Es sei erinnert an Dennstaedtia, Microlepia und die Woodsien?). Wenn wir dabei annehmen, daß die Geschlechtsgene- ration der Polypodiaceen eine Reduktion erfahren habe. ie sich im Aus- bleiben der „Borsten“ und dem Unterbleiben der Teilung der Deckel- zelle äußert, so spricht dafür folgendes: 1) H. Christ, Die Pflanzengeographie der Farne, pag. 288. In seiner eben zitierten Abhandlung über Loxomopsis (a. a. O. pag. 396) sagt Christ, daß Loxo- mopsis ein Polypodiaceensporangium aufweise, gemeint ist aber nach dem vorher- gehenden wohl ein Sporangium, welches dem der Polypodiaceen näher steht, al das von Loxsoma. 2) Vgl. betr. dieser Schlumberger, a, a. O. und Bower, Studies in the phylogeny of the Filicales IL Ann. of bot. 1912, Vol. XXVI. (Letztere Abhand- lung erschien, nachdem das Manuskript der vorliegenden schon alıgeschlossen war; es wird in Anmerkungen auf sie verwiesen.) 44 K. Goebel, 1. Die Bildung der Borsten kann auch bei den Cyatheaceen-Pro- thallien unterdrückt werden, wenn die Embryobildung vor der Borsten- bildung eintritt. 2. Sie tritt (wie ich früher beobachtete und Schlumberger be- schrieb) bei Woodsia obtusa noch in rudimentärer Weise auf. 3. Auch in der Bildung des Deckels der Antheridien sind die Prothallien der Polypodiaceen meist einfacher als die der Cyatheaceen. indem die Teilung der Deckelzelle meist unterbleibt, doch kann dies offenbar auch schon bei Cyatheaceen eintreten, wenigstens erwähnt Bauke einen derartigen Fall für Hemitelia spectabilis®). 4. Auch die bei manchen Cyatheaceen normal eintretende Ver- zweigung der Prothallien®) ist eine Eigentümlichkeit, die bei Polypo- diaceen nur gelegentlich noch auftritt. Loxsoma ist eine der Formen, welche, wie wir sahen, in der Pro- thallienbildung den Übergang zwischen Cyatheaceen und. Polypodiaceen vermitteln. Es ist wahrscheinlich, daß solche auch sonst vorkommen, z. B. beiden Dennstaedtiineen, deren Prothallienbildungaber meines Wissensnicht näher bekannt ist. Die kriechende Sproßachse von Loxsoma kann kein Grund sein, sie von den Cyatheaceen zu entfernen. Haben diese auch meist radiäre, orthofrope Sprosse, so kommen doch auch Arten mit kriechenden Achsen vor. Als solche führt Bower in seiner neuesten Arbeit Alsophila blechnoides und Lophosoria pruinata an, bei letzterer wird der Stamm später aufrecht. Bower meint sogar, daß der ortho- trope Stamm der Cyatheaceen ein sekundärer Charakter sei (a. a. O. pag. 293). Die Ergebnisse der anatomischen Untersuchung des Sporophyten von Loxsoma stimmen mit den aus Beobachtung des Prothalliums gewonnenen Resultaten überein. Gwynne-Vaughan®) findet, daß die deutlichste Übereinstimmung besteht mit den „Dennstaedtinae“, also einer gleichfalls den Cyatheaceen sich nahe anschließenden Gruppe, während er den Vergleich mit Gleichenia und den Hymenophylleen als einen bezeichnet, der von einer „zu spekulativen Natur sei, um mit der ausgesprocheneren Verwandtschaft mit den Dennstaedtinae in Weltt- bewerb treten zu können“, Tatsächlich liegt, wie wir oben sahen, kein 1) Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. X, pag. 71. 2) Vgl. z. B. die Figuren Bauke’s von Hemitelia Gigantea, Beilage zur bot. Zeitg. 1880, Bd. XXXVII, Taf, 6. Goebel, Organographie, pag. 412, Fig. 274. 3 Gwynne-Vaughan, Observations on the anstomy of solenostelic ferns. I Loxsoma. Ann. of bot. 1901, Vol. XIV. Archegoniatenstudien. 45 Grund vor, Gleichenia in nähere Verwandtschaft mit Loxsoma zu setzen und für die Hymenophyllaceen gilt im Grunde dasselbe, wenn sie auch den Cyatheaceen näher stehen, als den Gleicheniaceen. Wenn wir also Loxsoma auch nicht, wie dies in dem Lotsy’schen !) Stammbaum geschehen ist, als eine der „Mütter“ betrachten können, von denen die Cyatheaceen, Dicksonieen und Hymenophyllaceen aus- strahlen, sondern sie bezüglich ihres Sporangienbaues als eine reduzierte Form auffassen, so bleibt die Gruppe der Loxsomaceen doclı nach wie vor eine der merkwürdigsten unter den vielgestaltigen Farnen. I. Die Sorusbildung innerhalb der Gruppe der Cyatheaceen ist eine sehr lehrreiche, weil sie sich in Reihen anordnen läßt, die in ähn- licher Weise bei Polypodiaceen wiederkehrt. Wir können ausgehen von Thyrsopteris. Hier ist das Indusium becherförmig, nur am Anfang fand Bower eine schwache Andeu- tung zweilippiger Entstehung; es kann als annähernd radiär bezeichnet werden. Die Placenta geht aus dem Blattrand hervor, ebenso wie dies bei den Hymenophylieen der Fall ist. Wir sehen dann, daß das Indusium mehr und mehr dorsiventral und die Placenta stark ver j breitert wird. Weiter bildet sich das Indusium FIR eieder ur immer mehr zweilippig aus, und der Sorus randständigen Soris, die wird auf die Blattunterseite „verschoben“. In ee DEE chlagen (m der Gruppe der Cyatheaceen sind also die mit Dmal vergrößert). randständigem Sorus (mit becherförmigem oder zweiklappigem Indusium) versehenen wohl (was die Sorusbildunganbe- trifft) als die primitiveren anzusehen. Ihnen zunächst stehen dann die Hemi- telien mit dorsalem Indusiun, dessen Herumgreifen um den SorusbeiOyathea als ein abgeleiteter Vorgang erscheint. Ich halte es deshalb für nicht zweck- mäßig, die Cyatheaceen im engeren Sinne von den Cibotieen zu trennen, denn die „Verschiebung“ der Sorus-Sporangien auf die Unterseite ist ein Vorgang, der in verschiedenen Verwandtschaftskreisen wieder- kehrt, und deshalb nicht als systematisch besonders wichtig betrachtet werden kann. Nahe verwandte Formen können sich verschieden ver- 1) 3. P. Lotsy, Vorträge über botanische Stammengeschichte 1909, Bd. IT, pag. 664. 46 K. Goebel, halten): bei Aneimia sind die Sporangien randständig, bei Trochopteris (die vielfach generisch mit A. vereinigt wurde) flächenständig. Dabei finden sich alle möglichen Übergänge. Schon bei Cibotium (Fig. 8) sind «die beiden Indusiumklappen verschieden. Die untere wird braun, stirbt Fig.9. Mikrolepia platy- phylia. Stück einer Rlattfieder mit Soris{ver- größert). Jo oberer, mit der Blattfläche vereinig- ter Teil des Indusiums, J/% unterer Teil. ab und biegt sich weit nach außen zurück, die obere bleibt grünlich, sie hat im wesentlichen die Struktur der Blattspreite und verändert sich nicht. Denkt man sich die obere Klappe (Fig. 9 /o) ganz mit dem Blattrand vereinigt (oder, wie dies unten für Davallia dissecta anzuführen sein wird, in diesen auswachsend), so kommt das Verhalten von Microlepia zustande (Fig. 9). In etwas anderer Weise geschieht die „Verschiebung“ bei Saceoloma, Ja sie meist unrichtig angegeben wird, sei sie kurz erwähnt. Saccoloma ist eine Gattung, welche den Davallien angegliedert wird. Tatsächlich lassen siih die Sorusverhältnisse auch leicht von denen bei Davallia oder Microlepia ableiten. Es soll hier nur auf S. elegans hingewiesen werden- Bei Christ?) ist eine Zeichnung von Kunze wiedergegeben, nach welcher die Sori auf der Unterseite des Blattes am Ende eines Nerven sitzen würden, der äußere Teil des Indusiums soll aus dem „etwas vertieften Blattrand* ge- bildet sein. Eine ganz ähnliche Zeichnung findet sich auch in den „Natürlichen Pflanzenfamilien* (Fig. 113 2); es soll hier der Blattrand „kaum modifiziert sein“ Diese Figuren und Schilde- rungen treffen aber nicht zu. Was als „kaum modifizierter Blattrand“ bezeichnet wird, ist zu- sammengesetzt aus den einander berührenden äuße- ren Klappen der zweiklappigen Indusien. Diese äußeren Klappen (Fig. 10 /a) sind größer als die inneren. Man sieht die einzelnen Sori aber ‚deutlich abgegrenzt durch eine leistenförmige Erhöhung, so daß über die oben gegebene Deutung kein Zweifel obwalten kaun, um so weniger, 1} Vgl. Prant!, Untersuchungen zur Morphologie der Gefäßkryptogamen II, 1SS1. Goebel, Organegraphie, pag. 676, j 2) Christ, Farnkräuter der Erde, pag. 308. Archegoniatenstudien. 47 als die äußeren Indusien zwischen den Erhöhungen vielfach deutlich über den Rand sich vorwölben. Am auffallendsten tritt dies bei einzeln stehenden Soris hervor, bei ihnen kann man die Zugehörigkeit des äußeren Indusiumstückes zum inneren ohne weiteres erkennen. Das Verschmelzungsprodukt der äußeren Indusien als „Blattrand* zu be- zeichnen, ginge nur dann an, wenn dieses Gewebe anatomisch mit dem übrigen Blatt übereinstimmen würde. Dies ist indes nicht der Fall, auch Spaltöffnungen fehlen hier ganz. Wohl aber können wir uns R Ju do al l Fig. 10. Saccoloma ele- Fig. 11. Davallia dissecta J. Sm. I. Stück eines fertigen gang. Stück einer Blatt- Blaites mit vier Soris. Die obere Indusienwand (Jo) ist wie fieder mit Soris, an die Blatifläche ausgebildet; 7x unterer Teil des Indusiuns. denen die Sporangien II. Stück eines jungen Blattes mit vier Soris, an deren entfernt sind, um die Placenta (2) — welche bei zweien sichthar ist noch Indusien deutlicher her- keine Sporangien anfgetreten sind. I. Qnersehnitt durch vortreten zu lassen. ein Indusium, in welches zwei Leitbündel eintreten, deren Gefäßteile dunkel gehalten sind. leicht vorstellen. wie tatsächlich aus einem solchen Verschmelzungs- produkte ein wirklicher Blattrand hervorgehen kann; das innere Intusium bleibt dann allein übrig und wir erhalten einen Sorus, welcher dem von Nephrolepis davalloides entspricht. Daran schließen sich andere dann leicht an. . So die von Prosaptia zu den Davallien führende Reihe. Prosaptia eontigua!) sammelte ich vor Jahren in Ceylon; die tetraedrischen Y Sowohl Christ (Die Furnkräuter der Erde, p. 305) als auch Diels (Natür- liche Pflanzenfamilien I, 4, pag. 212) schreiben diesem Farn ein „aufrechtes Rhizem* zu. Ich fand es dorsiventral mit den Blattbasen auf der Oberseite, den Wurzeln auf der Unterseite. 48 K. Goebel, Sporen sind, wie früher mitgeteilt, dadurch von Interesse, daß sie schon innerhalb der Sporangien zweizellig werden. Das becherförmige Indu- sium ist auf der Ober- und der Unterseite annähernd gleich dick, wenn auch die Unterseite etwas weniger massig ist; beide sind chlorophyli- haltig. Vergleichen wir damit Davallia dissecta J. Sm. (Fig. 11, I), so ist bier deutlich ein auf der Blattunterseite stehendes dünnhäutiges Indusium vorhanden, während der obere Teil durch die chlorophyll- haltige (auf der Unterseite auch Spaltöffnungen führende) Blattfläche gebildet wird, in welche zwei Leitbündel hineintreten (Fig. 11, I u. ID. Betrachtet man aber jüngere Stadien (Fig. 11, ID, so sieht man, daß hier ein zweilippiges Indusium angelegt wird, dessen beide Lippen unten becherförmig zusammenhängen. Nur entwickeln sich der obere und der untere Teil des Indusiums recht ungleichartig: der obere verbreitert sich seitlich stark, und nimmt die Textur der Blattfläche an, der untere bleibt dünn und häutig. Die Übereinstimmung des oberen Indusiumteils mit der Blattfläche, spricht sich auch darin aus, daß rechts und links ein Leitbündel in ihm verläuft. Auch hier ist der Sorus von Anfang an stark verbreitert. Indes seiner Anlage nach stimmt er mit dem von Thyrsopteris, Cibotium u. a. überein. Es würde leicht sein, aus einem Sorus wie dem von Davallia disseeta auch den eines Asplenium abzuleiten. Indes sollte hier nur darauf hin- gewiesen werden, wie die Sori in den von den Cyatheaceen ausstrah- lenden Gruppen miteinander verknüpft sind, sowie darauf, daß aus derselben Sorusanlage je nachdem entweder der untere becherförmige Teil des Indusiums oder die zwei Lippen (und zwar diese entweder gleichmäßig oder ungleichmäßig) stärker wachsen, im fertigen Zustand ein sehr ver- schiedenes Gebilde zustande kommt. Es soll damit keineswegs gesagt sein, daß bei allen Farnen mit Sporangien auf der Blattunterseite derselbe Verschiebungsvorgang an- zunehmen sei. Vielmehr beschränken wir die oben ausgeführte An- nahme auf die mit Indusien versehenen Farne. Bei den Osmundaceen hat Osmunda, wie früher nachgewiesen wurde!), die Sporangien an den fertilen Blatteilen allseitig, Todea unterseitig. Es ist möglich, daß letztere Stellung durch Wegfall der Sporangien auf der Oberseite und am Rande zustande gekommen ist. Ähnliches mag auch für die Marat- 1) Vgl. Goebel, Entwicklungsgeschichte 1883, pag. 387. Es wurde dort auch betont, daß, wenn wenig Sporangien bei Osmunda vorhanden sind, sie auf der Interseite des Sporophylis sitzen —- eine Erscheinung, die mit der stärkeren vege- tativen Entwicklung solcher Blätter in deutlicher Beziehung steht. Archegoniatenstudien. 49 tiaceen gelten, nur daß wir hier keine lebende Form kennen, welche andere als unterseitige Sori besitzt. Wer die nicht oder doch nur nebensächlich assimilierenden Sporophylle für die ursprünglichere Blattform (den Laubhlättern gegen- über) hält, kann also derzeit folgende zwei Typen der „Verlaubung* aufstellen: 1. Die Stiele der Sori werden flach und zu Blattflächen, die In- dusien bilden sich ungleichmäßig aus, der obere Teil wird in die Blatt- fläche einbezogen, der Sorus dadurch auf deren Unterseite verschoben. Die Placenta wird reduziert (Oyatheaceen-Polypodiaceen = Leptosporan- giatentypus). 2. Der die Sporangien tragende Teil des Sporophylis selbst wird flach und blattartig, die Sporangien bleiben nur auf der Unterseite erhalten (Osmundaceen-Typus); vielleicht auch gültig für andere Formen. Hannig!) hat neuerdings darauf hingewiesen, daß auch die Aus- bildung der Sporenhüllen für die Systematik von Bedeutung sei. Es sei deshalb erwähnt, daß nach seiner Darstellung die Cyatheaceen eben- sowenig ein Perispor besitzen, als die Dennstaedtineen und Davalliaceen, Nur für die Aspleniaceen, Aspidiaceen und Acrostichaceen (mit Aus- nahme von Chrysodium) ist ein solches nachgewiesen. Wenn auch, wie Hannig hervorhebt, die verhältnismäßig geringe Zahl der auf die Perisporienbildung untersuchten Farne nicht ausreicht, um die syste- matische Bedeutung der Perisporienbildung sicher zu stellen, so ist es doeh sehr beachtenswert, daß die Cyatheaceen und die ihnen zunächst stehenden Farngruppen sich, was den Mangel eines Perispors betrifft, ebenso verhalten wie die Osmundaceen, Schizaeaceen. Gleicheniaceen und die Eusporangiaten. III. Es mag dieser Anlaß benutzt werden, um des Verfassers An- schauungen über die Gliederung der Farne kurz darzulegen. Die Bower'sche Einteilung der leptosporangiaten Farne in sim- plices, gradatae und mixtae stellt ein früher zu wenig beachtetes Ver- halten der Sorusentwieklung in den Vordergrund. Die Beziehungen der „gradatae" zu den „mixtae“ welche Bower selbst hervorhebt, sind aber offenbar so enge, daß sie nieht wohl voneinander getrennt und in besondere Gruppen untergebracht werden können. Ebensowenig 1) E. Hannig, Über das Vorkommen von Perisporien bei den Filieinen, nebst Bemerkungen über die systematische Bedeutung derselben. Flara 1411, Bd. CI, pag. 321. Flora, Bd. 105. tig. Bat, Rardan 4 1913 50 K. Goebel, wird sich die alte Einteilung nach dem Verlaufe des Ringes in „eatheto- gyratae“ (Polypodiaceen) und helicogyratae (Cyatheaceen, Hymeno- phylleen usw.) empfehlen. Denn diese beiden Gruppen stehen sich so nahe, daß sie besser nicht getrennt werden. Cyatheaceen und Hymenophylieen sind als zwei divergierende Gruppen an den Anfang der der Reihe leptosporangiaten Farne zu stellen, welche ich als die mit „breviciden“ Sporangien bezeichnen möchte, im Gegensatz zu der Gruppe der „Longiciden*“. An die Cyatheaceen schließen sich, wie oben mehr- fach betont, die Polypodiaceen (im weitesten Sinne) unmittelbar an. Auch der anatomische Bau der Sporophyten bietet keinen Grund zur Abtrennung der Polypodiaceen von den übrigen. Der Gametophyt zeigt, wenn man z. B. die Fadenprothallien mancher Trichomanes-Arten vergleicht, mit den herzförmigen Prothallien der Cyatheaceen und Poly- podiaceen scheinbar große Verschiedenheiten. Wie ich in einer Reihe früherer Arbeiten darzulegen versucht habe, bestehen indes Über- gänge, speziell wenn wir die Gestaltung der Hymenophyllumprothallien mit denen der Vittarieen vergleichen, welche ihrerseits durch Formen wie Gymnogramme sich an die übrigen Polypodiaceen anschließen lassen. Betreffs des Antheridienbaues sei auf das oben Gesagte ver- wiesen. Die Zusammengehörigkeit der Hymenophylleen-Cyatheaceen-Poly- podiaceen, hat auch schon in älteren Farnsystemen ihren Ausdruck ge- funden, es sind diejenigen Farne, welche Olaf Swartz (1806) als „gyratae* Willdenow (1810) als Filices im engern Sinne bezeichnet hat, Prantl!) später (1892) als „Pteridales“. Diese Bezeichnungen sind wohl kaum als zweckmäßig zu betrachten, keine davon hat sich Eingang zu ver- schaffen gewußt. Denn es liegt kein Grund vor, mit Olaf Swartz den Ring der Cyatheaceen, Hymenophyliaceen und Polypodiaceen als einen „echten“ (gyratae), den der Gleicheniaceen, Schizaeaceen usw. als einen „unechten“ (spurii gyratae“) bezeichnen, während Marattia- eeen und Ophioglossaceen als „agyratae“ zusammengefaßt wurden. Wenn dabei die „Gyratae“ als die typischen Farne betrachtet wurden, s0 war das offenbar dadurch bedingt, daß sie in Europa die häufigsten und deshalb der Untersuchung am ersten zugänglich waren. Prantl faßte die Schizaeaceen, Gleicheniaceen, Osmundaceen, Ophioglossen und Marattiaceen als „Osmundales“, die übrigen als Pteridales zusammen. In dieser Einteilung scheinen mir die eusporangiaten Farne (Marattia- I) Prant!, Das System der Farne. Arbeiten aus dem Kgl, bot. Garten in Breslan 1892, Bd. I, Heft 1, pag. 1. Archegoniatenstudien. 51 eeen und Ophioglosseen) den andern Gruppen zu nahe gerückt. Sie erscheinen uns heutzutage als die „primitiveren“; wenn ihnen auch die Osmundaceen nahe kommen, so halte ich die Einteilung in eusporangiate und leptosporangiate Farne doch immer noch für eine zweckmäßige. Die letzteren stellen offenbar eine Anzahl divergierender Reihen dar, in denen sich aber zwei Gruppen als aus verwandten Formen bestehend erkennen lassen. Man kann dies dureh folgende Bezeichnungen aus- drücken: Filiees leptosporangiatae: 1. Sporangiis longieidis (die Sporangien öffnen sich mit einem Längsspalt) Osmundaceen, Schizaeaceen, Gleicheniaceen. 2. Sporangiis brevieidis (ie Sporangien öffnen sich mit einem schief oder transversal zur Längsachse gestellten Querspalt!) (Cyathea- eeen, Hymenophyllaceen, Polypodiaceen). Die erste Gruppe schließt sich an die eusporangiaten Farne am nächsten an. Diese und die sämtlichen übrigen Pteridophyten haben longicide Sporangien, wo sie, wie die Sporangien bei Lyeopodium inundatum sich durch einen Querriß zu öffnen scheinen, läßt sich, wie früher?) gezeigt wurde, nachweisen, daß dies auf der „Verschiebung“ eines Längsrisses beruht. Die Porenöffnung der Sporangien von Kaul- fussia und Danaea aber ist offenbar nur eine Modifikation der longi- eiden Öffnungsart, wie sie auch sonst vorkommt. Es sei nur erinnert an die Porenkapsel bei Papaver. Die „typische“ Öffnungsart der Rhoeadinenfrucht ist die, daß die Placentarteile der Fruchtblätter stehen bleiben, die dazwischen gelegenen Teile aber als Klappen sich loslösen; bei Papaver löst sich jeweils nur ein oberes kurzes Stück des Peri- karps los und so entsteht eine Porenkapsel. So betrachte ich auch die „porieide* Öffnungsweise der Kaulfussia- und Danaea-Sporangien als eine Modifikation der longieiden, wie sie bei Angiopteris und Marattia vorhanden ist. . Wir können, wie mir scheint, auch die Beziehungen dieser Öffnungs- weise zu der Lage der Sporangien erkennen. Bei Angiopteris sind die Sporangien des Sorus bekanntlich der Hauptsache nach frei, jedes einzelne Sporangium kann also zur Entleerung der Sporangien, nach- dem es sich durch einen Längsriß geöffnet hat, eine Auswärtsbewegung seiner Wand ausführen, die sogar zu einer Sporenabschleuderung 1) Selbstverständlich kann dieser unter Umständen an sich länger sein als der Längsspalt der Longieiden, indes wird es kaum möglich sein, einen Namen zu finden, der ganz genau paßt. 2} Organographie, pag. 756. Ar 52 K. Goebel, Archegoniatenstudien. führen kann. Bei Marattia sind die Sporangien zu einem „Synangium* vereinigt, eine Einzelbewegung der Sporangien ist nicht mehr möglich, aber da die Sporangien in zwei Reihen „verwachsen“ sind, so kann jede Hälfte des Synangiums eine „Klaffbewegung“ ausführen, welche die Sporenaussaat erleichtert. Bei Kaulfussia sind die Sporangien ring- förmig verwachsen, es ist weder eine Auswärtsbewegung der Wand des (nicht gesondert hervortretenden) Einzelsporangiums, noch eine Klaff- bewegung möglich. Die Sporangien öffnen sich nicht durch eine Längs- spalte (die ja, wenn nicht eine besondere Einrichtung hinzutreten würde, sehr schmal wäre), sondern durch ein Loch am Scheitel. Ob die hier aufgestellte Reihe eine „phyletische“ ist, muß ganz und gar dahingestellt bleiben, sie sollte nur zeigen, daß die porieide Öffungsweise sich um- gezwungen der longieiden anschließen läßt, und daß zwischen ihr und der Lage der Sporangien im Sorus Beziehungen bestehen. Auch der Gametophyt der longieiden Leptosporangiaten zeigt Beziehungen zu dem der Eusporangiaten, und zwar speziell im Bau der Antheridien. Die Antheridien der Marattiaceenprothallien öffnen sich durch eine Deckelzelle. Dasselbe ist der Fall bei denen der Osmundaceen, Gleicheniaceen und unter den Schizaeaceen!) bei Lygodium, während Aneimia und Mohria (die auch sonst unter sich verwandt sind) ihre Antheridien nach dem Polypodiaceen-Typus öffnen, also dieselbe, ler hier vertretenen Ansicht nach auf Rückbildung beruhende, Erschei- nung, wie wir sie oben für die Cyatheaceen-Reihe anführten. Die Salviniaceen und Marsiliaceen wurden in der oben gegebenen Übersicht zunächst nicht berücksichtigt; bekanntlich hat das Leben im Wasser bei ihnen eine Reduktion der Sporangienausbildung insofern mit sich gebracht, oder ermöglicht, als sie keinen Ring besitzen. Auch ie Antheridienstruktur gibt keine Anhaltspunkte; die Sorusbeschaffen- heit nähert die Salviniaceen am meisten den am Anfang der brevieiden Leptosporangiaten stehenden Gruppen (Hymenophylieen, Cyatheaceen), da indes sonst bis jetzt keine genügenden Anhaltspunkte vorliegen, um sie hier einzureihen, wird es zweckmäßiger sein, sie als besondere Gruppe beizubehalten. 1) Vgl. Heim, Flora 1896, Bd. LXXXII, p. 369. Archegoniatenstudien. Von K. Goebel. XV. Die Homologie der Antheridien- und der Archegonienhüllen bei den Lebermoosen. {Mit 15 Abbildungen im Text.) Wenn man die Antheridien und die Archegonien miteinander ver- gleicht, so kommen in Betracht einmal der Gesamtaufbau dieser Or- gane, sodann ihre Anordnung an der Pflanze und endlich die Hüllen (im weitesten Sinne), mit denen sie bei den meisten Formen umgeben sind. Die Homologie im Gesamtaufbau wurde früher erörtert). Daß auch in der Anordnung, trotz mancher äußeren Verschiedenheit, doch eine prinzipielle Übereinstimmung besteht, suchte Verfasser bei Er- örterung des sexuellen Dimorphismus?) an einigen Beispielen zu zeigen. Die Frage nach der Bedeutung der „Hüllen“ konnte dort. aber nur kurz gestreift werden. Gerade sie bietet aber der vergleichenden Be- trachtung Schwierigkeiten, denn in bunter Mannigfaltigkeit treten hier z. B. um die Archegonien Hüllen auf, von denen die einen schon vor der Befruchtung ausgebildet, die anderen aber in ihrer Weiterentwick- lung oder selbst in ihrem ersten Auftreten von der Befruchtung ab- hängig sind. Wie verhalten sich diese beiden Hüllen zueinander? Sind die nach der Befruchtung auftretenden Neubildungen, etwa wie die Marsupien vieler marsupiferer Lebermoose und das Pseudopodium von Sphagnum und Andreaea, oder läßt sich eine Beziehung zwischen diesen Hüllen und denen der Antheridien nachweisen? Eine solche Beziehung wäre auch vorhanden, wenn es gelänge, nach- zuweisen, daß die Hüllen der beiderlei Sexuslorgane homolog sind, die Homologie aber dadurch verdeckt wird, daß die Entwicklung (oder Weiterentwieklung) der Archegonienhüllen an einen infolge der Be- fruchtung eintretenden Reiz gebunden ist. Ist diese Annahme zutreffend, dann wäre damit nicht nur eine einheitlichere Auffassung der Gestaltungsverhältnisse erreicht, sondern . 1) Goebel, Über die Homologie in der Entwicklung männlicher und weib- licher Geschlechtsorgane. Flora 1902, Bd. XC, pag. 27. 2) Goebel, Über sexuellen Dimorphismus bei Pflanzen. Biolog. Zentralbl. 1910, Bd. XXX, Nr. 20, 21, 22. 54 K. Goebel, auch ein weiterer Beitrag zur Erkenntnis der Homologie zwischen männlichen und weiblichen Sexualorganen gegeben. — Im folgenden sei deshalb die Frage kurz erörtert; bisher ist sie, soweit mir bekannt, nicht aufgeworfen worden. Wir können in der Anordnung der Antheridien und der Arche- gonien zweierlei Fälle unterscheiden. In dem einen (A) ist sie für beiderlei Sexualorgane eine übereinstimmende, wobei aber die Hüllen beider verschieden sein können. Im andern Falle (B) ist sie eine ver- schiedene, und zwar derart, daß die Antheridien am Vegetationskörper zerstreut, die Archegonien in eine Gruppe zusammen geordnet sind !). Der letztere Fall ist, wie ich früher darzulegen versucht habe‘), bio- logisch leicht verständlich. Der morphologischen Deutung aber setzt er Schwierigkeiten entgegen. A. Es soll zunächst von einem, wie mir scheint, besonders lehrreichen Einzelbeispiel ausgegangen werden. Unter den von Dr. v. Lützel- burg in Brasilien gesammelten Lebermoosen befand sich auch eine Fossombronia. Über diese Art sei zunächst einiges gesagt. Sie zeichnet sich namentlich da- durch aus, daß ihre Elateren sehr . reduziert sind. Sie übertreffen Fig. 1. A, Sporentetrade. B. Elatere von Fossombronia Luetzelburgiana (280 mal vergr.) an Länge oft nur wenig die C. und D. (schwächer vergrößert) Elatre Sporen (Fig. 1, A. B.), haben und Spore (nur im Umriß gezeichnet) aus ini ineförmi . einer Kapsel von „F. pusilla“ (Wondrazecki ‚war einige ringförmige Ver aus Gottsche und Rabenhorst, Hep. Eur.) dickungen (nur zweimal sah ich auch Andeutungen spiraliger Ver- diekung), kommen aber für die Sporenaussaat offenbar gar nicht in Betracht. Man hat einige Mühe, die Elateren in den reifen Kapseln les aufgeweichten Materials überhaupt aufzufinden, so unscheinbar sind sie. In der unreifen Kapsel sieht man, daß sie wie die „Nährzellen“ von Corsinia noch in einem bestimmten Entwicklungsstadium Chloro- phyl! und Baumaterialien enthalten, welch letztere wahrscheinlich haupt- sächlich für die Ausbildung der äußeren Sporenhüllen Verwendung 1) Es sei dabei abgesehen von den Fällen, in denen, wie z. B. bei Scapania, nicht einzelne Antheridien, sondern Antheridiengruppen am Vegetationskörper auf- treten. 2) Organographie, pag. 307. Archegoniatenstudien. 55 finden. Erst kurz vor dem Öffnen der Kapseln treten die ringförmigen Verdickungen auf. Mit diesem Stehenbleiben der Elateren steht in Verbindung das Kurzbleiben des Kapselstiels (Fig. 4); die Kapselwand zerfällt in Stücke wie bei anderen Fossonibronien !), aber die Sporenverbreitung wird hier — neben der Verbreitung durch die Luft — wohl hauptsächlich durch Fortschwemmen bei Regen usw. erfolgen. Da ich diese Fossombronia mit keiner der in Stephani’s Species Hepaticarum beschriebenen Arten identifizieren konnte, mag sie als Fossombronia Luetzelburgiana bezeichnet werden. Sie unterscheidet sich schon durch ihre reduzierten Elateren ohne weiteres von der ein- zigen Art (F. brasiliensis), welche Stephani aus Brasilien anführt. Bei dieser sind die Elateren, über deren Länge (welche bei den Fossombronia-Arten stark zu variieren pflegt) nichts angegeben wird, „semper 3—4 spiri“, also nicht mit ringförmigen Vertdickungen ver- sehen. Fossombronia Luetzelburgiana n. sp. Dioiea. Caulis ad 12 mm longus, angustus, postice productus. Folia quoad formam variabilia typica, apice truncata vel emarginata et duobus raro tribus dentibus uni- eelluraribus (rarissime bicellularibus) instructa (Fig. 2). Margo folii papillas muciferas nonnullas gerit. Peri- anthia turbinate, uno latere aperta, interdum in tres Fig. 2, Umriß zweier partes fissa. Capsula brevissime pedicellata 875 « Jong, Blätter von F. Luetzel- 812 a lata, pedicellus 125 « longus, Sporae reticula- burgiana (schwach vergr.). tim lamellatae 50 z. longae. Elateres brevissimi (40— 65 « longi) annulatim inerassati. Antheridia lacinia folium simulante tecta, Brasilia, Serra dos orgäos leg. Dr. Ph. v. Luetzelburg, 1911. Die Rückbildung der Elateren ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen Fossombronien. Diese besitzen wohl entwickelte, mit schraubenförmigen Verdickungsbändern versehene Elateren (Fig. 1, C.), welche an Länge innerhalb einer Kapsel beträchtlich variieren, aber die Sporen (Fig. 1, D.) an Länge stets bedeutend übertreffen. Wie bei F. pusilla früher gezeigt wurde), bewegen sich die Elateren hier zwar beim Austrocknen lebhaft, schleudern aber die Sporen (im Gegensatz zu anderen Jungermanniaceen) nur in ganz unbedeutendem Maße ab. Die Rückbildung der Elateren war mir von erheblichem Interesse, weil darüber hier wohl kein Zweifel bestehen kann, während man bei Sphaerocarpus, Riella und Corsinia die „sterilen Zellen“ lange für 1) Vgl. Goebel, Über Bau und Anlegung der Lebermoos-Elateren. Flora 1895, Bd. LXXX, pag. 32. 56 K. Goebel, „primitiv“ gehalten hat. Wie ich im XIII. Abschnitt dieser Studien ') ausgeführt habe, liegen aber auch hier, speziell nach der Wiederauf- findung von Monoselenium, überwiegende Gründe für die Annahme vor, Fig. 3. Antheridiums schimmern durch. bliebenes Archegonium. Links: Eine Schuppe, in deren Achsel ein An- theridium steht, von hinten gesehen; die Umrisse des Rechts (gegenüber der linken Figur um 90° gedreht): Archegonium mit jungem Embryo, das Perianth erhebt sich als eine einseitig an- gelegte. die Basis des befruchteten Archegoniums um- greifende Schuppe; rechts davon ein unbefruchtet ge- daß es sich gleich- falls um eine Rück- bildung handle. Diese Auffassung findet nunmehr eine Stütze dadurch, daß eine Elaterenrückbildung auch in der Junger- mannieenreihe nach- gewiesen werden konnte. Foss. Luetzelburg- jana ist diözisch. Die männlichen Pflanzen zeigen die Antheri- dien in den Achseln dorsaler Schuppen, welchehier besonders stark entwickelt sind (Fig. 3, links) und ganz den Eindruck kleiner Blätter machen. Fig. 4. Fast reife Kapsel mit Perianth von Yoss. Luetzelburgiana (etwa 15 mal vergr.). Jede Schuppe hat nur ein Antheridium in seiner Achsel. Die Archegonien stehen „pro more generis“ ohne Hülle auf der Rückenseite der Stämmchen, nur die befruchteten erhalten ein „Pe- rianth“ (Fig. 4. Dieses zeigte hier in allen untersuchten Fällen eine Eigentümlichkeit, welche auch bei anderen Arten nach den An- gaben von Leitgeb u.a. als Va- riante auftritt. Gewöhnlich ist das Perianth der Fossombronien glocken- förmig ausgebildet (vgl. z. B. Fig. 164 in Goebel, Organographie). Bei der in Rede stehenden Art ist es einseitig geöffnet, meist auf der nach vorn selienden Seite, aber gelegentlich auch auf der einer Blatt- 1) Ftora 1910, Bd. 101, pag. 43 ff. Archegoniatenstudien. 57 reihe zugewandten. Diese Öffnung wird, beiläufig bemerkt, das Heraus- schwemmen der Sporen erleichtern. Scheinbar stellt dieses Perianth eine Neubildung dar, wie es ja auch tatsächlich erst infolge der Be- frachtung sich ausbildet. Sieht man aber seine Entwicklung näher an, so kommt man zu der Auffassung, daß es in seiner Stellung zum be- fruchteten Archegonium’ ganz übereinstimmt mit der der Schuppe zu dem Antheridium, welches in ihrer „Achsel“ steht. Fig. 3, rechts, zeigt deutlich, daß auch hinter dem befruchteten Archegonium sich eine schuppenförmige Zellenwucherung erhebt, die nur dadurch sich von der Antheridienschuppe unterscheidet, daß sie um das Archegonium herumgreift, und auf einer Gewebewucherung der Fig. 5. Fossombronia sp. Ende eines Stämmchens, von oben gesehen; die Blätter künstlich auseinander gebogen. 4r entleerte Antheridien, 4r Archegonien. Diese stehen ursprünglich horizontal, richten sich dann auf und öffnen sich. Sie werden sehr frühzeitig im Scheitel angelegt. (Vergr.) Sproßachse, in welche der Embryo sich einbohrt, emporgehoben wird. Namentlich bei schlechter ernährten Sporangien aber tritt der Charakter des Perianths als „postice“ angelegte Schuppe sehr deutlich hervor, während er an besser ernährten mehr verdeckt sein kann. Es wäre aber ganz unzutreffend, zu sagen, das Perianth sei einseitig „aufge- schlitzt“. Vielmehr ist es von Anfang an einseitig entwickelt, während es 'bei anderen Fossombronia-Arten als Ringwall zu entstehen scheint. Es ist leicht zu verstehen, wie durch Zurückbleiben des hinteren Teiles der Perianthanlage der Ringwall entstehen kann, den Leitgeb bei F. pusilla (Wondrazecki) beschreibt. 58 K. Goebel, Meiner Auffassung nach sind also die Umhüllungen von Antheridien und Archegonien bei Fossombronia homologe Bildungen. Nur ist die Entwicklung des Perianths von der Befruchtung abhängig. Daß bei manchen Fossombronia-Arten die Hüllen der Antheridien verkümmert sind, ist bekannt. Fig. 5 zeigt die Oberansicht einer in Algier gesammelten Fossombronia, welche monözisch ist. Die Anthe- ridien (welche keine Hüllen besitzen) sind schon entleert. Sie stimmen in ihrer Stellung wit der der Archegonien überein, nur daß diese mehr der Mitte eines Blattes genähert sind. Dabei werden die Archegonien Fig. 6. Androeryphia. Links: Sproßende von oben (ca. 15mal vergr.) 4» Anthe- ridien, Ar unbefruchtet gebliebene Archegonien. Die Antheridien selbst sind eigent- lich nicht sichtbar, sondern nur ihre über das Stämmehen vorspringenden Hüllen. Rechts: Längsschnitt durch ein Sproßende mit Archegonien, drei Blättern (3,—2, in Flächenansicht) und einem Amphigastrium (C). sehr frühzeitig am Scheitel angelegt, sie stehen anfangs horizontal und richten sich erst später auf. Es ist zu beachten. daß die Blätter in der Abbildung am Scheitel künstlich auseinandergebogen sind. Ur- sprünglich umhüllen sie dicht die Sexualorgane, und man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß das Verkümmern der Antheridien- hüllen namentlich bei den Formen eintritt, bei welchen die Antberidier ihre Entwicklung unter dem Schutze der Blätter zurücklegen !). 1} Von einer derartigen Fossombroniaform können auch die Verhältnisse der foliosen Formen abgeleitet werden; die Antheridien brauchen nur noch etwas mehr Archegoniatenstudien. 59 Ganz analoge Erscheinungen treffen wir bei Androeryphia (Fig. 6). Von dieser Gattung konnte ich sowohl lebendes als totes Material, welches gleichfalls von Dr. v. Lützelburg in Brasilien gesammelt wurde, untersuchen!). Bekanntlich gleicht die Gattung habituell Fossombronia, von der sie aber durch die Kapselstruktur bedeutend abweicht. Die Anthe- ridien erschienen zeitlich vor den Archegonien, reifen aber ihre Sper- matozoiden erst in ziemlich beträchtlicher Entfernung vom Sproßscheitel, wobei die Antheridienwand gelblich gefärbt erscheint. Mit dieser lang- samen Entwicklung der Antheridien steht offenbar die Tatsache im Zusammenhang, daß jedes Antheridium von einer besonderen wallartigen Hülle umgeben ist, welche die lange frei auf der Oberseite des Stämm- chens stehenden Antheridien schützend umhüllt. Es sei bei- läufig bemerkt, daß die Sper- matozoiden außerordentlichlang und dünn (schätzungsweisenicht breiter als 2 x) sind. Die Archegonien haben keine be- sondere Hülle. Sie stehen mehr der Mittellinie der Stämmehen genähert 2) und öffnen sich inner- halb der vor den muschelschalen- förmig zusammenneigenden Blättern der Stammknospe ge- bildeten Umhüllung also früher Fig. 7. Blasia pusilla. Männliche Pflanze als die Antheridien. ji ezeichnet 13. Mai 1911) (ca. 25 mal vergr.). ridien. Dabei ist G Antheridienhöblen, 3 Seitenblätter, 7 der obere Teil des Archegonien- Mittellappen. halses ziemlich deutlich als Öff- hungskappe abgegrenzt. Ebenso wie bei Fossombronia entsteht um das befruchtete Archegonium eine Hülle, welche, wie Leitgeb nachgewiesen hat, von den Blättern ganz unabhängig ist. Ihre Entwicklung konnte ich nicht verfolgen, sie dürfte aber der von Fossombronia entsprechen. in die Blattachseln, die Archegonien noch näher an den Scheitel zu rücken. Das Erstere ergibt sich von selbst, wenn die dorsale Abflachung des Stämmchens fort- fällt. Jedenfalls aber kann man sagen, daß die Umhüllung der Antheridien um so eher fortfallen kann, je mehr sie durch die Blätter geschützt sind. 1) Androeryphia ist neuerdings auch besprochen worden von V. Schif fner, Zur Morphologie von Noteroelada. Österr. bot. Zeitschr. 1912, Bd. LXI, pag. 125. id 2) Sie können aber auch an derselben Stelle stehen wie sonst die Anthe- ridien. 60 K. Goebel, Lehrreich ist auch das Verhalten von Blasia.. Die Abbildung einer männlichen Pflanze (Fig. 7) dürfte um so weniger überflüssig sein, als diese — wie es scheint — verhältnismäßig selten sind. Die Antheridien stecken in Gruben (Fig. 8 A), deren Mündung schief nach vorne gekehrt ist. Ganz dasselbe gilt für die Archegonien, nur daß hier die Versenkung der Archegonien in eine mit enger Mündung ver- sehene Grube von der Befruchtung abhängig ist‘). Die Verhältnisse liegen also im Grunde ganz ähnlich wie bei Fossombronia und Andro- eryphia. B. . 1. Marchantiaceen-Reihe. Die Antheridien der Marchantiaceen sind in Gruben versenkt. Die Archegonien stehen in Gruppen und haben entweder nur eine gemeinsame Hülle, das „Peri- chaetium“, oder, wie bei Preissia und Marchantia, auch je ein, vor der Befruchtung |} nur als kurzer Ringwall vor- handenes, nach der Befruch- tung auswachsendes „Peri- anth“. Es scheint mir zweifel- los, daß das Perianth nichts anderes darstellt, als die Grubenbildung bei den An- theridien, nur daß die Gruben- wände sich bei den Arche- gonien frei, bei den Anthe- ridien miteinander im Zusam- Fig. 8. Dumortiera irrigua. Längsschnitt durch menhang ausbilden. Dagegen einen Archegonienstand zur Zeit der Befruch- * ; “2 a tung. Sp Schuppen der Thallusunterseite, A besitzen die Antheridienstände Archeganien, j Jede ‚grurpe, steckt in einer nichts dem Perichaetium ent- rube und ist umhüllt von dem Perichaetium . i das gebildet wird von einem dorsalen Auswuchs sprechendes; letzteres, nicht und dem fortwachsenden Thallus (:). das Perianth,erscheintalsNeu- bildung. Das Perichaetium besteht bekanntlich aus einem dorsalen Auswuchs des Thallus, welcher mit dem fortwachsenden Thallus (Fig. 8 x) eine Tasche oder Grube bildet. Wie Fig. 8 bei Dumortiera besonders deutlich zeigt, versehen die Ventralschuppen hier «lieselbe Rolle als kapilläre Wasserfänger, welche 2. B. den Auswüchsen des Perichaetiums bei Blyttia zukommt (vgl. Fig. 10). I) Vgl. Leitgeb, Untersuchungen über die Lebermoose 1. Archegoniatenstudien. 6 Die Marchantiaceen, welche noch ein Perianth haben, erscheinen uns demnach primitiver als die, bei denen es fehlt‘), und die Ver- legung der Abhängigkeit der Perianthentwieklung von der Befruchtung als eine sekundär entstandene. Das stimmt ganz überein mit Anschauungen, welche auf Grund anderer Erwägungen im XIII. Abschnitte dieser Studien vertreten wurden ?2). Eine der Marchantiaceen-Reihe angehörige Gattung — Sphaerocarpus — zeigt die Übereinstimmung zwischen Antheridien und Archegonien auch ohne weiteres, Bei Sphaerocarpus sind die Hüllen beiderlei Sexualorgane im wesentlichen gleich, ebenso wie ihre Stellung, während bei der verwandten Gattung Riella die Anthe- ridien am „Flügel“, die Archegonien am (reservestoffreichen) Stämm- chen stehen, eine Verschiedenheit, welche, wie a. a. O. ausgeführt, für die Ernährung von Embryonen von Be- ' deutung ist. Ganz analoge Verhältnisse treffen wir 2. beiden thallosen Jungermanniaceen, bei welchen die Archegonien zu Gruppen vereinigt sind; diese sind bedeckt von einer Schuppe, welche dem oberen Teil des Perichaetiums der Marchantiaceen entspricht. Die Gruben, in denen die Fig. 9. Monoelen Forsteri. Thallus Archegonien von Monoclea sitzen (Fig. 9 mit fünf Archegoniengruppen, von : oben. Die Archegoniengruppen 2. B.), entsprechen besonders deutlich entstehen in Höhlungen hinter denen von Dumortiera u.a. Wir können einem Thallusscheitel; der, sein i i Wachstum bald einstellt und zum auch hier Formen mit und solche ohne Mittellappen einer Verzweigungs- Perianth unterscheiden. stelle auswächst. a) Formen mit Perianth. Hierher gehören Blyttia und Hymenophytum. Sehen wir uns zunächst Blyttia an. Fig. 10 zeigt links auf der Thallusoberseite die vor der Befruchtung vorhandene Hülle einer Archegoniengruppe, das „Perichaetium“. Innerhalb derselben ist aber das „Perigon“ schon angelegt (/. J. Fig. 11), das später sich zu der das Perichaetinm bedeutend übertreffenden Hülle entwickelt, die in Fig. 10 rechts sichtbar ist. Die Antheridien stehen bei Blyttia einzeln 1) Früher (Organographie, pag. 310) glaubte der Verfasser, die Perianthien von Marchantia und Preissia den anderen Marchantiaceen gegenüber als Neubildung auffassen zu sollen. En 2) Goebel, Archegoniatenstudien XII, Monoselenium tenerum Griffith. Flora 1910, Ba. CI, pag. 43 ff. 62 K. Goebel, in der Achsel von Schuppen, ähnlich wie bei Symphyogyne (Fig. 13). Das Perichaetinm greift hier rings um die Archegoniengruppe herum. Das „Perianth“ ist wahrschein- lich nichts an- deres als eine innere, basal ver- wachsene Schup- penreihe — ent- sprechend den Schuppen, unter denen die An- theridien stehen —, deren wei- tere Entwick- lung von der Be- Fig.10. Biyttiasp. Thallusstück (vergr.). Rechts: Ein junges Sporo- fruchtung ab- gon, umhüllt von der Calyptra,dem Perianth und dem viel kürzeren, hängt, wie denn mit zahlreichen haarartigen Fortsätzen versehenen Perichaetium. Peri Links: Letzteres allein sichtbar. (Aus Goebel, Organographie.) auch das Peri- chaetium nach der Befruchtung sieh noch etwas vergrößert. Es würden hier also nur die äußeren Archegonienhüllen noch ausgebildet, ähnlich wie bei den B) EEE Fig. 11. Biyttia sp. Längsschnitt durch einen Archegonienstand. Außen das becherförmige Perichaetium, innerhalb die Anlage des Peri- antlıs (7.7). (Aus Goebel, Organographie.) Blütenköpfen mancher Kompo- siten nur die äußeren Blüten noch Deckblätter haben. Bei Hymenophytum gilt das- selbe. Für H.Phylianthus wurde früher!) nachgewiesen, daß das „Perianth“ vor der Befruchtung sichtbar ist in Gestalt einiger oben zerschlitzter schuppenför- miger Gebilde, die später durch interkalares Wachstum ihrer In- sertionszone emporgeboben wer- den. Es tritt also die Anlage des Perianths als distinkte Schuppen noch deutlich hervor. Bei H. fla- bellatum sind diese verkümmert, das Perianth ist zur Blütezeit überhaupt 1) Goebel, Archegoniatenstadien X. Flora 1906, Bd. XCVI, pag. 178. Archegoniatenstudien. 63 noch nieht wahrnehmbar, verhält sich also in dieser Beziehung ebenso wie das von Fossombronia. b) Formen ohne Perianth. Wie bei den Marchantiaceen betrachten wir diese als reduzierte. Es bleibt als Hülle nur die Perichaetialschuppe übrig. Das Verkümmern des Pe- rianths läßt sich auf ganz ähnliche Weise verstehen, wie dies früber für Gott- schea, eine foliose Form, gezeigt wurde. Hier bohrt sich der Embryo tief in das Stämmchen ein und ist dadurch geschützt. Bei den thallosen Formen kommt dies in zwei Modi- Fig. 12. Pellia epiphylla. Längsschnitt durch einen Thallus mit Archegoniumstand. Ein Archegoninm ist befruchtet und enthält einen jungen Embryo; 4 ein junges, noch nicht geöffnetes Archegonium. Unterhalb des Archegoniumstandes ist ein Gewebe (durch Punktierung abgegrenzt), in welchem nach der Befruchtung Teilungen eintreten und Anhäu- fung von Baumaterialien stattfindet. In dieses Gewebe bohrt sich der Embryo ein. ? Peri- ass chaetialschuppe. fikationen vor: pp a) Beim Pellia-Typus ist unter den Archegongruppen im Thallus selbst ein Gewebe vorhanden, in welchem nach der Befruchtung Teilungen auftreten. In die- ses bohrt sich der Embryo ein (Fig. 12). b) Beim Biyttia-Typus (welchem auch Symphyogyne angehört), ist dieses Gewebe nieht im Thallus selbst, son- dern in dem Gewebehöcker, welcher die Archegonien trägt. Dieser Höcker wächst nach der Befruchtung noch erheb- lich heran, infolgedessen ist dann die „Calyptra“ des Sporo- gons später mit den sterilen Archegonien besetzt (Fig. 14). Selbstverständlich soll mit. der obigen Ausführung nicht ge- sagt werden, daß das Einbohren des Embryos (das auch, wenngleich in weniger stärkeren Maße bei Formen mit Perianthien auftritt) die Ur- Fig. 13. Symphyogyne leptothele. Stück einer männlichen Pflanze mit Antheridien, die unter schuppenförmigen Auswüchsen stehen. 64 K. Goebel, sache der Rückbildung sei, sondern nur, daß diese Rückbildung deshalb ohne Schädigung stattfinden konnte, weil der Embryo anderweitig ge- schützt ist. 3.Die akrogynen Lebermoose bieten den thallosen gegenüber keine wesentlich verschiedenen Verhältnisse in der Umhüllung von Antheridien und Archegonien. In der Abhandlung über sexuellen Dimorphismus wurde auf Grund der von Leitgeb ermittelten entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen ausgeführt, daß bei ihnen Archegonien und Antheridien ursprünglich in ihrer Stellung überein- stimmen (Fig. 15), nur wird einerseits der Scheitel mit in die Archegonienbildung hin- eingezogen (und hier unter- bleibt dann selbstverständlich unterhalb der Archegonien die Blattbildung) andererseits sind die Blätter in deren „Achseln“, die Archegonien stehen miteinander „verwach- sen“, eine Erscheinung, die bei manchen foliosen Leber- moosen auch in der vege- tativen Zone auftritt. Diese verwachsenen Blätter bilden das Perianth, dessen Anlage vor der Befruchtung stattfin- Fig. 14. Jängsschnitt durch einen Archegonien- det, während die Weiterent- stand derselben Pflanze wie Fig. 13. S Peri- wicklung wie beiFossombronia ehaetenschuppe, ‚Sc Schleimpapillen. In das fl n . punktierte Gewebe bohrt sich der Embryo ein. meist (aber nicht immer) an die Befruchtung geknüpft ist. Der Vergleich mit den Antheridien läßt das terminale Auftreten eines Archegoniums aber deutlich als ein von der „axillaren“ Stellung abgeleitetes erscheinen. Zugleich bedingt die durch den Verbrauch der Scheitelzelle bedingte Sistierung der vegetativen Weiterentwicklung (welche nur durch Entwicklung von Seitensprossen wieder aufgenommen werden kann), daß die Assimilate des fertilen Sprosses alle dem Embryo zugute kommen. Wenn die hier dargelegten Anschauungen zutreffen, sohaben wir beiden Hüllen der Archegonien der Lebermoose zweierlei Formen zu unterscheiden. Archegoniatenstudien, 65 Einmal die „Perianthien“, welche homolog sind den Hüllen der Antheridien, aber in manchen Fällen — ebenso wie die letzteren — ganz verkümmern können. Ihre Weiterentwicklung — und im ex- tremsten Fall auch ihre erste Anlage — ist gebunden an einen durch die befruchtete Eizelle ausgeübten Reiz. Indes betrachten wir diese Tat- sache als eine abgeleitete und für die Homologiefrage keineswegs ent- scheidende. Solche Fälle sind auch sonst vorhanden, sie können gegen die hier angenommene Homologie nicht sprechen. Wir sehen auch bei höheren Pflanzen vielfach, daß bei der einen Form die Entwicklung eines Organs von einem bestimmten Reiz abhängig ist, während sie bei anderen auch ohne diesen erfolgt. Sehen wir ab z. B. von den Erscheinungen der „Parthenokarpie“, so sei auf folgende Beispiele hingewiesen. Die Entwicklung der Samenanlagen ist bei Quercus abhängig von dem Reize, welcher durch die Pollenschläuche ausgeübt wird, bei den Orchideen wenigstens die Weiterentwieklung der Sa- menanlagen. Ähnliches wäre auch von der Keimung der Orchideensamen, die in ver- schiedenem Grade von dem durch symbiontische Pilze aus- geübten Reize bedingt wird, zu sagen, oder von den Haft- scheiben der Ampelideen, die bei den einen Formen durch Fig. 15. Schema für gie Stellung der Sexual- Ri . organe bei einer anakrogynen Jungermannia. den Kontaktreiz entstehen, bei De Antheridien sind blattachselständig, auch anderen nur durch ihn ge- die untersten Archegonien. Die obersten ent- förd. 8 stehen unter Unterdrückung der Blattbildung, ördert werden. Es handelt bezw. aus der Scheiteizelle selbst. sich auch bei den Leber- moosen mit Perianthien also nur um eine Änderung im Auslösungs- reiz, der mit der Befruchtung verkuppelt ist. Außerdem finden sich „Perichaetien“, Diese erscheinen uns als Neubildungen, die sich ableiten lassen 1. von einer dorsalen Thallus- wucherung, deren Auftreten in Beziehung steht zu der Anordnung der Archegonien in Gruppen; 2. beteiligt sich daran der Thallus selbst, besonders deutlich dann, wenn sein Vegetationspunkt mit der Hervor- bringung der Archegonien sein Wachstum einstellt. Wir erhalten so Flora, Ba. 105. 5 66 K. Goebel, ein einheitliches Bild für die Hüllen der Archegonien und der Anthe- ridien. Außerdem stimmt diese Auffassung überein mit der früher dar- gelegten, wonach bei den Marchantiaceen die „compositae“ primitivere Gestaltungsverhältnisse aufweisen, als die Simplices, keine der letzt- genannten Formen hat mehr ein Perianth. Dessen Bildung ist nur auf einige Angehörige der Compositae beschränkt. Wenn andere Autoren zu anderen Anschauungen gelangt sind, so beruht dies wesentlich wohl darauf, daß man die Hüllen der Arche- gonienstände der verschiedenen Formen miteinander statt mit den Hüllen der Antheridien der betreffenden Formen verglich. Das letztere ist aber offenbar das Näherliegende und, wie mir scheint, auch das Frucht- barere. Man könnte gegen unsere Deutung dreierlei einwenden. Ein- mal könnte man die Archegoniengruppen, die wir den Antheridien- gruppen gegenüber als zusammengerückt betrachten, dadurch von der Einzelstellung ableiten, daß man annimmt, es habe sich unter dem einer Antheridienhülle entsprechenden Perichaetium statt eines Arche- goniums eine ganze Gruppe entwickelt, während die übrigen (zerstreuten) Archegonien nicht mehr zur Ausbildung gelangt seien. Dann wären die Perianthien Neubildungen verschiedenen morphologischen Cha- rakters. Eine solche Annahme ist aus folgenden Gründen eine weniger befriedigende: l. Läßt sie die deutlich wahrnehmbare und in vielen Fällen gerade bei Lebermoosen klar hervortretende Homologie von Antheridien und Archegonien außer Acht, 2. Kennen wir keine sicheren Beispiele von Vermehrung, wohl aber viele von Verminderung der weiblichen Organe gegenüber den männlichen (vgl. die Abhandlung über den sexuellen Dimor- phismus). 3. Ergibt sie an Stelle eines einheitlichen Bildes ein zer- stückeltes. Ein zweiter Einwand kann sich auf Blasia beziehen. Man kann einwerfen, daß Blasia — nach unserer Deutung — ein Perianth be- sitze, daß dies aber — abgesehen von seiner Abhängigkeit von der Befruchtung — doch ganz ähnlich geformt sei, wie das Perichaetium von Pellia u. a Dieser Einwand ist kein prinzipieller und deshalb auch kein sehr wichtiger, d. h. auch wenn man ihn als berechtigt an- erkennt, ändert sich die Auffassung nur für Blasia, nicht für die anderen Formen. Archegoniatenstudien, 67 Übrigens sei erinnert daran, daß Blasia auch in anderer Hinsicht (Blattbildung, Brutknospen u. a.) eine Sonderstellung einnimmt; ferner daran, daß die für unsere Auffassung des Blasia-Perianths maßgebende Homologie zwischen Antheridien und Archegonien sich auch bei anderen, oben nicht besprochenen Lebermoosen deutlich ausspricht; auch bei denen, bei welchen eszur Ausbildung besonderer Hüllen weder bei Anthe- ridien noch bei Archegonien kommt. So bei den Anthoceroteen: hier sind Archegonien wie Antheridien in den Thallus versenkt, die Anthe- vidien meist in Gruppen, die Archegonien einzeln. Die Umhüllung des Sporogons kommt hier durch eine epigame (nach der Befruchtung er- folgende) Thalluswucherung zustande. Sie entspricht in dieser Beziehung der Perianthıbildung anderer Lebermoose. Dabei tritt besonders deutlich hervor, daß der Embryo am Thallus eine Art Gallenbildung hervorruft, eine Gewebswucherung, in welche die zur Ernährung des Embryos not- wendigen Baumaterialien strömen, zugleich umgibt ihn diese Gewebs- wucherung als schützende Hülle, die auch beim „reifen“ Sporogon an dessen Basis wahrnehmbar ist. Bei den Calobryaceen sind Arehegonien wie Antheridien durch die Blätter geschützt, ohne daß diese eine von den anderen Blättern abweichende Ausbildung erfahren würden; ihre Stellung ist auch hier eine übereinstimmende. Dies tritt bei Calobryum!) ohne weiteres hervor, die Antheridien wie die Archegonien bilden hier an den orthotropen Sprossen terminale „Stände“. Verdeekter ist die Übereinstimmung bei Haplomitrium. Leitgeb?) hat gezeigt, daß die Antheridien das Segment, welches sonst zur Blattbildung benutzt wird, entweder ganz oder teilweise beanspruchen. Letzteres ist, wie meine Untersuchungen?) ergaben, auch bei den Arche- gonien der Fall; wie bei der Antheridienbildung können deshalb Blätter entstehen, die — da sie nur aus einem Teil des Segments hervor- gingen‘) — schmäler sind als die anderen. Die Antheridienbildung ist 1) Vgl. Goebel, Calobryum Blumei. Ann. du jardin bot. de Buitenzorg 1891, Ser. I, 9, 2) Leitgeb, Untersuchungen über die Lebermoose, Bd. II, pag. 72. %) Goebel, Calobryum Blumei, a. a. O. p. 22. 4) Diese Störung der Blattbildung durch Auftreten anderer Organe (wie sie auch bei der Verzweigung mancher folioser Lebermoose eintritt} könnte man mit als Grund dafür betrachten, daß die Blattbildung eine sekundär (an ursprünglich thallosen Formen) entstandene ist. — Wenn Antheridien und Archegonien von Haplomitrium als blattachselständig beschrieben werden, so ist das nur scheinbar der Fall, 5* 68 K. Goebel, eine reichlichere als die Archegonienbildung. Sie bildet zugleich den Übergang zu Calobryum. Denn wenn in einer Anzahl aufeinander- folgender Segmente der Scheitelzelle die ganze Segmentaußen- fläche zur Antheridienbildung verwendet würde, würden wir den Calobryum-Antheridienstand (und mutatis mutandis den Archegonien- stand) erhalten. Wir finden somit bei den verschiedenen Gruppen der Lebermoose eine Übereinstimmung zwischen Antheridien und Archegonien. Der dritte Einwand ließe sich darauf begründen, daß bei Blyttia, Symphyogyne und Hymenophytum Perichaetinm und Perianth einander (von dem Verhalten nach der Befruchtung abgesehen) recht ähnlich sind, und doch — nach den obigen Ausführungen -——- eine verschiedene „morphologische Bedeutung“ haben sollen. Wie früher ausgeführt!) wurde, könnte man in der Tat auch bei diesen Formen daran denken, das Perichaetium von zusammengerückten Schuppen — wie sie die Antheridien einzeln decken — abzuleiten. Wenn man indes das un- zweifelhaft dem der Marchantiaceen homologe Perichaetium von Monoclea (Fig. 9) bedenkt, dem sich das von Pellia epiphylla direkt anschließt, (während es bei P. calycina rings um die Archegoniengruppe herumgreift), so wird ein Anschluß des Perichaetiums auch der übrigen thallosen Formen an das des Marchantiaceentypus wahrscheinlicher. Zudem würde, selbst wenn man bei den mit doppelter Sporogonhülle versehenen Jungermannieen die beiden Hüllen als einander gleichwertig betrachtet, der Hauptpunkt unserer Ausführungen, die Homologie der Hüllen der Archegonien mit denen der Antheridien nicht verschoben werden, — ändern würde sich nur die Homologie des Perichaetiums dieser Formen mit dem der Marchantiaceen. Wenn nun auch bei den zahlreichen Parallelbildungen, wie sie gerade bei den Lebermoosen vorkommen, und bei dem subjektiven Moment, das allen Vergleichungen anhaftet, eine sichere Entscheidung oft nicht möglich ist, so scheinen mir doch die drei zuletzt vorge- brachten Einwendungen nicht gegen die oben aufgestellte Deutung zu sprechen. Die letztere begründet, freilich auf anderem Wege, die schon von Gottsche gegebene Unterscheidung von Perichaetium und Perianth und vereinfacht die Auffassung (der verschiedenen Hüllen. Die ein- fachere Auffassung braucht ja keineswegs die richtigere zu sein. Wir 1) Organographie, pag. 307. Archegoniatenstudien. 69 werden sie aber so lange festhalten müssen, bis entscheidende Gründe gegen sie geltend gemacht werden können. Auf phylogenetische Erwägungen soll nicht näher einge- gangen werden, zumal auch sie sich nur auf die vergleichende Be- trachtung stützen könnten. In der- Anmerkung auf 8. 58 wurde übrigens angedeutet, wie man sich betreffs Stellung und Hüllen der Anutheridien und der Archegonien den Zusammenhang zwischen akrogynen und anakrogynen Lebermoosen vorstellen kann, nämlich in folgenden Reihen: a) Thallose Formen mit Archegonien und Antheridien in gleicher Stellung. b) Die Entwicklung der weib- lichen Hülle wird von der Befruchtung abhängig, teilweise im Zu- sammenhang mit dem Auftreten eines Perichaetinms auch ganz unter- drückt. e) Das Auftreten der Blätter ist schon bei einigen anakrogynen Formen verbunden mit Unterdrückung der besonderen Antheridienhüllen (Arten von Fossombronia wie die in Fig. 5 abgebildete, Treubia). An- theridien und Archegonien treten in den Blattachseln auf, letztere rücken ganz an den Scheitel. Die letzten Blätter bilden das Perianth, das nun wieder in seiner Weiterentwieklung mehr oder minder von der Befruchtung abhängig wird. Wer die akrogynen Formen für die „primitiveren“ hält, mag diese Reihe umkehren. Darauf kommt es weniger an als auf die Anordnung der Gestaltungsverhältnisse in Reihen überhaupt. Zusammenfassung. 1. Es wird eine neue Fossombronia-Art beschrieben, deren Elateren sehr stark rückgebildet sind (F. Lützelburgiana); diese Rückbildung stellt einen Parallelfall zu der bei den Marchantiaceen vorkommenden dar, und unterstützt die Auffassung, daß die sterilen Zellen von Corsinia und Riella „stehen gebliebene“ Elateren seien. 2. Untersucht wird, inwieweit die Hüllen der Archegonien denen der Antheridien (Hüllen, welche unter bestimmten Umständen ganz verkümmern können) homolog sind. Es wird versucht, nachzuweisen, daß die Stellung der Antheridien und der Archegonien eine übereinstimmende ist. Kleine Verschiedenheiten treten nur auf durch die für die Befruchtung vor- teilhafte Zusammenrückung der Archegonien in Gruppen (so bei den akrogynen Jungermanniaceen an der Spitze der Stämmehen) — wie ein solches Zusammenrücken ja auch bei thallosen Formen üblich ist. Wo nur ein Archegonium vorhanden ist, liegt eine Reduktion vor, die nur 70 K. Goebel, Archegoniatenstudien, bei besonders günstigen Befruchtungsbedingungen ohne Nachteil mög- lich ist. Den Hüllen der Antlıeridien homolog sind die Perianthien der Archegonien sowohl bei thallosen wie bei foliosen Formen. Ihre Entwicklung (und zwar teils ihre Weiterentwicklung, teils ihre erste Anlage) ist aber an einen nach der Befruchtung auftretenden Reiz gebunden. Dagegen finden die „Perichaetien“ kein Analagon bei den Antheridienständen. Ihr Auftreten ist auf thallose Formen be- schränkt. Bei diesen kann die Perianthbildung auch ganz unterbleiben, so bei einer Anzahl Marchantiaceen mit kleinen durch das Perichaetium geschützten Sporogonen und bei Jungermannieen (Pellia, Blyttia, Symply- ogyne), bei denen das Sporogon sich tief in das unterhalb der Arche- gonien befindliche Gewebe einbohrt. Ähnliches gilt für einige akrogyne Formen. Auch die Weiterentwicklung des Perichaetiums kann übrigens von der Befruchtung abhängig sein‘). Nicht diese Abhängigkeit also, sondern der morphologische Vergleich ist für die Auffassung der Hüllen entscheidend. Diese entspricht auch den Auffassungen, die sich für den Zusammenhang der einzelnen Formen aus den früher (Archegoniaten- studien XIII) erörterten Gründen ergeben. 1) So bei Marchantiaceen, am auffallendsten bei Corsinia. (Vgl. Archegoniaten- studien XIH. Flora 1910, Bd. CI, pag. 90.) München, Mai 1912. Morphologische und biologische Bemerkungen. Von K. Goebel. 21. Scheinwirtel '), {Mit 8 Abbildungen im Text.) Wer die Versuche, die Mannigfaltigkeit der Pflanzengestalten auf ihre Ausgangsformen zurückzuführen verfolgt, dem wird aufgefallen sein, daß in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Vegetationsorgane gegen- über den Fortpflanzungsorganen auffallend in den Hintergrund getreten sind. Es mag dies damit zusammenhängen, daß man annahm, die ersteren seien durch „Anpassung“ so veränderlich, daß es sich nicht lohne, genetischen Zusammenhängen nachzugehen. Statt die Gestaltungs- verhältnisse innerhalb einer Gattung oder einer Familie zu verfolgen, 208g man auch vielfack vor, über den Zusammenhang der großen Gruppen untereinander zu spekulieren. Daß das aber ein Problem ist, das der Lösung viel größere — und einstweilen meist unübersteigbare — Hindernisse entgegensetzt, als das, die Gestaltung der Vegetationsorgane innerhalb einer kleineren systematischen Gruppe genetisch zu verstehen, ist klar. Die folgenden Untersuchungen möchten in der letzteren Richtung einen kleinen Beitrag geben, indem sie zeigen, wie die wechselnden Anordnungsverhältnisse der Blätter innerhalb einer Gattung zu- stande gekommen sind, Und zwar handelt es sich dabei zunächst um solche Blattstellungen, welche man bei ungenauer Betrachtung als Wirtel bezeichnet hat, ohne daß es sich doch in Wirklichkeit um echte Wirtel handelt. Es sind 1) Der Herausgeber dieser Zeitschrift teilte dem Verfasser mit, er trage Be- denken, eine Abhandlung über Blattstellungsverhältnisse in der „Flora“ zu ver- öffentlichen, da eine solche auf noch weniger Leser rechnen könne, als die zwei bis drei, die für sonstige morphologische Abhandlungen in Betracht kommen. Der Verfasser gab die Berechtigung dieses Einwands zu, meinte aber, daß man später sich für derartige Probleme wieder mehr interessieren werde, als jetzt, und daß eine Zeitschrift auch unmoderne Abhandlungen nicht ganz ausschließen dürfe. Diesen Gründen glaubte sich auch die Redaktion nicht verschließen zu sollen. Anm. der Redaktion. 72 K. Goebel, vielmehr „Nachahmungen“ von Wirteln oder Scheinwirtel. Ein scharfer Gegensatz zwischen „echt“ und falsch besteht freilich in manchen hier- her gehörigen Fällen nicht, die „Nachahmung“ kann bis zur wirklichen Übereinstimmung gehen, wie z. B. für Polygonatum verticillatum zu zeigen sein wird. Aber auch in diesem Falle handelt es sich — und darauf kommt es hier ja an — um eine nicht ursprüngliche, sondern abgeleitete Wirtelstellung der Blätter. Einige solche Scheinwirtel haben schon früher die Aufmerksam- keit auf sich gezogen. 1. Der am längsten bekannte Fall ist der der Stellaten, bei denen es sich freilich nur darum handelt, daß ein, eigentlich zweigliedriger, Wirte] einen mehrgliedrigen nachahmt, indem die Nebenblätter den Hauptblättern ganz ähnlich sich ausbilden. 2. Einigermaßen analog verhalten sich einige Limnophila-Arten '), deren Wasserblätter scheinbar in mehrzählige Wirtel angeordnet sind und auch so beschrieben wurden (z. B. in Hooker’s Flora indica), während, wie ich nachweisen konnte, nur zweizählige Wirtel mit tief geteilten Blättern vorliegen. 3. Aus einzelnen Blättern gehen Scheinwirtel hervor bei einigen andinen Alchemilla-Arten (Alch. nivalis u. a). Es kann auf das in den „Pflanzenbiologischen Schilderungen II“ (pag. 33) Gesagte und die Be- stätigung meiner Ausführungen durch Knut Bohlin2) verwiesen werden. 4. Dazu gesellt sich das hier zu beschreibende Verhalten a) einer Anzahl von Pflanzen mit „zusammengeschobenen“ Wirteln, so von Peperomia-Arten, P. verticillata, rubella, galioides u. a. In den systematischen Darstellungen dieser umfangreichen Gattung finden wir®) die Arten eingeteilt in solche mit „Folia alterna, F. opposita und F. vertieillata“. Das sind auffallende Verschiedenheiten. Es fragt sich, ob es nicht möglich ist, diese Verschiedenheiten genauer zu analysieren und miteinander in Beziehung zu bringen. Beginnen wir mit denen, die „Folia vertieillata“ haben sollen. 1} Goebel, Organographie, pag. 528. 2) Knut Bohlin, Morphologische Beobachtungen über Nebenblatt- und Ver- zweigungsverhältnisse einiger andinen Alchemilla- Arten. Ofversigt af Kongl. Vetenskaps-Akademiens fürhandlingar, No. 6. Stockholm 1899. 3) So bei C. de Candolle im Prodromus 16, I, pag. 392; ähnlich bei Engler in Engler-Prantl, Nat. Pflanzenfamilien III, 2. Morphologische und biologische Bemerkungen. 13 Peperomia vertieillata fiel mir auf, als ich nach Pflanzen mit mehr als zweigliedrigen Wirteln zu einer Vorlesungsdemonstration suchte. Sieht man sich diese Pflanze nur oberfächlich an, so scheint die Be- zeichnung der Systematiker zunächst gerechtfertigt, denn tatsächlich sieht man die Blätter in (meist fünfzähligen) Wirteln stehen (Fig. 1). Betrachtet man aber die „Wirtel“ ge- nauer, so sieht man, daß sie nicht regelmäßig mit- einander alternieren?), und auch sonst durch Schwankungen in der Zahl dereinenWirtel bildenden Blätter und anderen von typischen Wirteln abwei- chen. Auch die mikrosko- pische Betrachtung der Endknospe führt zu der Vermutung, daß hier eine Abweichung von der ty- pischen Wirtelbildung vorliegt. Man sieht deut- lich, daß die Blätter eines „Wirtels* ungleich alt sind und zwar so, daß sie sich in eine Spirale anordnen lassen, in der die aufeinanderfolgenden Fig. 1. Links: Peperomia vertieillate, Sproß mit Blätter allerdings nicht vierzähligen „Wirteln“, Rechts: P. blanda, mit drei- alle die gleiche Diver- zähligen Wirteln. In einem der Wirtel der letzteren genz haben. Übrigens ist links ein Blatt abgefallen. variiert, wie erwähnt, die Zahl der Blätter, welche einen „Wirtel“ zu- sammensetzen; an schmächtigen Sprossen sind. zuweilen dreizählige Wirtel vorhanden, an anderen vierzählige, fünfzählige, sechszählige. In einem beobachteten Falle standen z. B. drei vierzählige Wirtel an- nähernd jeweils übereinander (statt zu alternieren!) und jeder bestand aus einem größeren und einem kleineren Blattpaar, alle kleinen Blatt- 1) Bei Fig. 1, rechts, sind scheinbar alternierende dreizählige Wirtel vor- handen. Solche ergeben sich auch, wenn man bei einer #,-Blattstellung sich die Blätter 1,2, 3; 4, 5, 6; 7, 8,9 je auf gleicher Höhe stehend denkt. Die un- &leiche Divergenz der Blätter dieser „Wirtel“ tritt äußerlich wenig bervor. 74 K. Goebel, paare fielen übereinander. Bei Peperomia „galioides*“1) wurde unter anderem notiert: Exemplar mit fünfzähligen Wirteln, welche aber nicht die normale Alternation zeigen; ein anderes zeigte folgende Variationen: 1. vierzähliger Wirtel, welcher an einer Stelle eine weitere Lücke hat; 2. fünfzähliger Wirtel, von welchem ein Blatt einem Blatte des darunterstehenden Wirtels @ opponiert ist, während die anderen an- nähernd alternieren; 3. vierzähliger Wirtel mit einer Lücke; 4. fünfzähliger Wirtel; 5. desgleichen, die einzelnen Blätter deutlich ungleich groß und nicht normal mit dem vorhergehenden alternierend. Die Schilderung weiterer Einzelfälle dürfte kaum erforderlich sein, denn die kurz ange- führten genügen, um zu zeigen, daß hier jedenfalls eine Abweichung von den gewöhnlichen Blattstellungsverhältnissen vorliegt. Die Frage ist, ob diese Abweichung eine scheinbare oder eine wirkliche ist? Ich kam zu dem Resultat, daß hier keine normalen, sondern „zu- sammengeschobene“ Wirtel vorliegen, und zwar zweizählige Wirtel, so daß also diese Blattstellung sich von der ableiten läßt, welche die Peperomien mit opponierten Blättern aufweisen. Zunächst fragt es sich, ob sich diese Blattstellung, welche der hier vorgetragenen Annahme nach maskiert vorliegt, bei den genannten Peperomien in irgendeinem Lebensstadium noch nachweisen läßt. Keimpflanzen standen mir leider nicht zu Gebote. Ich erzog deshalb Adventivsprosse aus abgeschnittenen Blättern von P. verticillata und kultivierte diese in sehr feuchter Luft bei schlechter Ernährung der Wurzeln. Hier erhielt ich in der Tat Sprosse mit zweizähligen Wirteln, welehe miteinander etwas schief gekreuzt sind (Fig. 2). Es darf wohl angenommen werden, daß sie in der Blattanordnung mit den Keimpflanzen übereinstimmen. Ja, gelegentlich erhält man an den Adventivsprossen sogar zunächst ein einzelstehendes Blatt, auf das dann ein zweizähliger Wirtel folgt, eine Tatsache, die aus unten anzuführenden Gründen Erwähnung verdient, und bei längerer Kultur unter den an- geführten Bedingungen fand auch an der Sproßspitze vielfach ein Auseinanderrücken der Blätter des Wirtels statt. Bei einer Pflanze wie der in Fig. 2 abgebildeten kombinieren sich dann zweizählige Wirtel weiter oben zu vierzähligen, womit das Stellungsverhältnis er- reicht ist, das auch an älteren Pflanzen nicht selten vorkommt. 1) Für die Richtigkeit der Artbezeichnung kann ich keine Gewähr über- nehmen. Morphologische und biologische Bemerkungen. 75 Sind die vierzähligen Wirtel eigentlich paarweise zusammen- geschobene, so hat es nichts Auffallendes mehr, wenn sie nicht mit- einander alternieren, nach ‘den gewöhnlichen Blattstellungsgesetzen müssen sie dann übereinander fallen. Vergleichen wir damit die Beob- achtungen am Scheitel älterer Pflanzen, also solcher, die nur noch vier- oder fünfzählige Wirtel bilden, so stimmen auch diese mit der oben gemachten Annahme überein. In Fig. 3,II ist ein Knospenquerschnitt durch einen Sproß von Peperomia rubella mit dreizähligen Wirteln (weiter unten waren auch Fig.2. Blattbürtiger Adventiv- Fig.3. Knospenquerschnitte, I.von Peperomia galioides sproß von Peperomia verti- tmit vierzähligen Wirteln), II. von P. rubella (mit cillata. Die Blätter stehen in dreizähligen Wirteln), III. von P. angulata (mit zwei- Paaren, aber nicht genau zähligen Wirteln), 4 Achselsprosse. Die Knospen- opponiert. querschnitte sind verschieden stark vergrößert. vierzählige vorhanden) abgebildet. Die Blätter sind mit 1—8 be- zeichnet. 1 und 2 gehören paarweise zusammen (wobei 1 früher ent- steht als 2). Ebenso 3 und 4, 5 und 6, 7 und 8, Die Internodien- streckung aber findet so statt, daß jeweils 1, 2, 3 und 4, 5, 6 auf an- nähernd gleicher Höhe bleiben, scheinbar Einem Knoten eingefügt, die beiden Knoten werden durch das zwischen 3 und 4 eingeschobene Internodium auseinandergerückt. Es leuchtet ein, daß die dreizähligen Quirle hier annähernd alternieren, wie die von P. blanda (Fig. 1, rechts). Ebenso könnten fünfzählige Wirtel entstehen, indem 1-5, 6—10 auf gleicher Höhe stehen bleiben. Es ergeben sich aber keine deutlichen 76 K. Goebel, Orthostichen, weil die Blattpaare ja weder einander genau gegen- überstehen, noch sich rechtwinklig kreuzen. Fig. 4 stellt einen Quer- schnitt durch eine Knospe von Peperomia verticillata dar. Die Blatt- „paare“ sind mit a, dB; u, ds e, 5 8 As ı, k; Z, m bezeichnet. Die Blätter bleiben aber in zwei fünfzählige Wirtel angeordnet, die mit 1 und 2 bezeichnet sind. Die beiden Blätter eines „Paares“ teilen sich aber nicht gleichmäßig in den Umfang der Stengelperipherie. Auf der einen Seite bleibt eine weitere Lücke. In dieser tritt dann, der be- kannten Hofmeisterschen Regel folgend, das erste Blatt des nächsten „Paares“. Wenn man hier noch von „Paaren“ redet, so geschieht das im wesentlichen nur, weil man das Zustandekommen dieser Blattstellung aus der paarig gekreuzten nach- weisen kann. Da aber die Glieder eines Paares un- (k) gleichzeitig ent- N stehen unddurch 7) & Internodien- 57%) streckung zwi- schen ihnen auf verschiedene Knoten ausein- andergerückt Fig. 4, Querschnitt durch eine Knospe von Peperomia verti-_ werden können, cillata mit zwei fünfzähligen „Wirteln“. Betreffs der Be- Fi zeichnung vgl. den Text. so unterscheidet sich eine der- artige Blattanordnung nicht wesentlich von einer „zerstreuten“. Man kann in einer °/,-Stellung z, B, leicht. sich die Blätter zu an- nähernd schief gekreuzten Paaren zusammengerückt denken. Indes ist eine eingehende Behandlung dieser Frage namentlich auch eine Unter- suchung darüber, inwiefern es sich um konstante oder inkonstante Diver- genzen handelt, hier nicht beabsichtigt, vielmehr sollte nur gezeigt werden, daß die genannten Peperomia-Arten keine echten, sondern „zu- sammengerückte“ Wirtel besitzen, die sich schließlich von einer Spiral- stellung nicht mehr wesentlich unterscheiden. Wir sahen, wie aus einer und derselben Blattanordnung bald zweizählige annähernd gekreuzte, bald dreizählige anscheinend alternierende, bald vierzählige, bald fünf- zählige „Wirtel® zustande kommen, die wir als maskierte Wirte} be- Morphologische und biologische Bemerkungen. 17 zeichnen könnten. Die oben gestellte Aufgabe ist also für die „verti- . zillierten* Peperomien insofern formal gelöst, als wir zeigen konnten, daß sie sich von denen mit „folia opposita“ ableiten, ein Beweis, welcher sowohl entwicklungsgeschichtlich als auch experimentell geführt wurde. In dieser äußerlichen Nachahmung der Wirtelstellung eine für das Leben der Pflanze vorteilhafte Einrichtung zu finden, dürfte derzeit wohl kaum gelingen. Eher könnte man versuchen, die Ursachen dafür ausfindig zu machen, weshalb das Längenwachstum der Internodien hier stoßweiße vor sich geht, indem bei fünfzähligen Wirteln z. B. immer nur jedes sechste Internodium sich streckt. Es ist mir leider nicht gelungen, diese Frage zu beantworten. Da die Bildung der falschen Wirtel bei annähernd gleichbleiben- den äußeren Bedingungen erfolgt, wird man das periodische Unterbleiben der Internodienstreckung auf „innere Ursachen“ zurückführen müssen. Aber zweifellos sind diese ihrerseits in Abhängigkeit von bestimmten Außenbedingungen. Man wird zunächst an die Wirkung von Licht- und Wasserzufuhr denken. Die bei Liehtabschluß gezogenen Exemplare von Peperomia verticillata ertrugen den Liehtmangel schlecht. Wenn auch einige Sprosse etiolierten, so gingen sie doch bald zugrunde, ohne daß eine wesentliche Veränderung der Blattstellung wahrnehmbar gewesen wäre. Dagegen trat bei jungen Pflanzen, wie oben erwähnt bei Feucht- kultur, ein Auseinanderrücken der Blätter mehrfach ein, und es liegt wohl am Nächsten, das periodische Unterbleiben der Indernodienstreckung mit Schwankungen in der Wasserzufuhr in Beziehung zu setzen, ohne daß es derzeit möglich wäre die Ursachen dafür anzugeben. Einige Peperomia-Arten bringen nur Sprosse mit „dekussierter“ Blattstellung hervor. Es fragt sich, ob diese den oben erwähnten Jugend- formen von P. verticillata entsprechen. Es stand mir nur eine als P. angulata bezeichnete Art lebend zur Verfügung). Wie der Querschnitt, Fig. 3, III zeigt, entsprechen die Verhältnisse am Scheitel denen von P. vertieillata, galioides und rubella. Es sind die beiden Blätter jedes Paares ungleich alt und stehen einander nicht genau gegenüber, viel- mehr findet sich auf einer Seite ein größerer Abstand als auf der anderen, wenn auch nicht in dem Maße wie bei den oben besprochenen Pepe- romien. 1) Ich traf die Pflanze vor einigen Jahren in den an interessanten Pflanzen reichen Gewächshäusern des botanischen Gartens in Cambridge; Herr Kurator Lyneh stellte mir mit bekannter Liberalität, für welche ich auch hier danken möchte, Material zur Verfügung. 78 K. Goebel, Wir können zwei Faktoren unterscheiden: einmal den, welcher eine Zusammenschiebung der Blätter bedingt, und den, welcher für ihre Divergenz maßgebend ist. Der letztere steht zweifellos in Beziehung zu den am Vegetationspunkt herrschenden räumlichen Verhältnissen: bei einer unbestimmten Peperomia-Art mit zweizeilige Blattstellung (1/2) greift die Blattanlage frühzeitig um einen großen Teil des Vegetations- punktes herum, co daß eine neue Blattanlage erst weiter oben (und ihr gegenüber entstehen kann), während die anderen Peperomien viel schmäler inserierte Blattanlagen haben. Bei den mit zweizähligen Wirteln versehenen aber kommt in Be- tracht, daß der Sproßvegetationspunkt asymmetrisch wächst, die Lücke zwischen den Blättern ist auf der einen Seite größer als auf der anderen. Dadurch wird bedingt, daß hier die Blattanlage früher auftritt, als auf der gegen- überliegenden Seite. Diese geförderte „Lücke“ liegt so, daß die hier entstehenden Blätter ähnlich wie bei den Caryophylleen sich durch eine Schraubenlinie verbinden las- sen (Fig. 3, II), eine Erschei- nung, die ich früher als „Spiro- trophie* bezeichnet habe!). Sie tritt sowohl an Blüten, Fig. 5. Helianthus ammus. Querschnitt durch als an vegetativen Sprossen ee en ec KR“ hervor, Für letztere stellen ie den Blattwirtel) miteinander verwachsen. Caryophylleen ein bekanntes Beispieldar. Die Blätter stehen dekussiert, aber immer nur ein Blatt jedes Paares trägt einen Achselsproß, oder falls auch das andere einen hat, ist dieser schwächer als der des ge- förderten Blattes. Alle geförderten Blätter lassen sich durch eine Schrauben- linie miteinander verbinden. Nach Hofmeister?) soll das geförderte Blatt eines Wirtels auch früher auftreten als das andere. Indes konnte ich bei Dianthus caesius eine frühere Anlage des einen Wirtelblattes nicht feststellen. 1) Goebel, Über Symmetrieverhältnisse in Blüten. Wiesner- Fest- schrift 1907. 2) Allgemeine Morphologie 1868, pag. 471. Morphologische und biologische Bemerkungen. 79 Jedenfalls setzt die Spirotrophie hier also später ein, als bei Peperomia. Bei dieser geht durch die ungleichzeitige Entstehung der Blätter neuer „Wirtel“ die Blattstellung schließlich in eine spiralige über. Das ist eine Vorgang, wie er auch sonst vorkommt. So z.B. bei Helianthus annuust). Hier folgen auf die Kotyledonen zunächst ein oder mehrere zweizählige Wirtel. In Fig. 5 sind es zwei. Aber schon beim zweiten tritt auf der in der Abbildung nach unten gekehrten Seite der Sproßachse ein stärkeres Wachstum ein, es entsteht eine größere Lücke, in der ein Blatt auftritt, dem das nächstfolgende nicht mehr direkt gegenübersteht. Damit ist: die Spiralstellung eingeleitet. An- dere Sämlinge bilden eine größere Anzahl dekussierter Blattpaare (2--3) und manche Helianthus-Arten, z.B. H. Stru- marius behalten sie dauernd, d. h. bis zur Blütezeit bei. Es wird auf diese Erscheinung unten zurückzukommen sein. Gibt es eine Brücke auch zwischen den Peperomien mit Folia opposita und denen mit. zweizeiligen Blättern? Diese Frage wird wenigstens einiger- maßen beantwortet durch die in Fig. 6 dargestellte Erschei- nung. Ein Sproß einer nicht bestimmten Peperomia-Art mit zweizähligen gekreuzten Wir- teln ging plötzlich an seinem Ende zur 1/,-Stellung über — eine Änderung, die höchst- wahrscheinlich damit zusam- Fig. ‚6 Peperomia sp. Sproß, der unten de- menhing, daß der Sproß sieh kussierte, oben aweizeilige Blattstellung be- zur Infloreszenzbildung an- schickte, und in Verbindung damit am Vegetationspunkt schon vorher Änderungen in den räumlichen Verhältnissen eintraten, Veränderungen, 1) Vgl. A. H. Church, On the relation of phyllotaxis to mechanical laws. Part. II. Asymmetry and Symmetry, Oxford 1902. Auf diese bisher viel zu wenig beachtete Abhandlung sei hier besonders verwiesen. 80 K. Goebel, die offenbar den bei Peperomien mit zweizeiliger Blattstellung vorhandenen entsprechen. Somit ist die Mannigfaltigkeit der Blattstellung bei Peperomia nieht eine so große, wie es zunächst aussah. Wir leiten sie ab von der dekussierten. Diese wird entweder beibehalten (aber schon hier mit asym- metrischen Wachstum der Sproßachse) oder vermindert, wobei eine Zu- sammenschiebung in verschiedener Weise auftritt, oder die Blattstellung in die spiralige übergeführt wird. Wie lange die Peperomien mit spiraliger Blattstellung bei der Keimung etwa die Bildung zweizähliger Wirtel beibehalten, bleibt näher zu untersuchen -— möglicherweise wird die Spiralstellung sehr rasch — schon nach den Kotyledonen — erreicht. Die einzelnen Formen unter- scheiden sich nach dem obigen hauptsächlich darin, wie lange sie die dekussierte Blattstellung beibehalten. Dabei tritt hier wie überall deut- lich hervor, daß maßgebend für die Blattstellungsverhältuisse die Wachs tumsverhältnisse des Vegetationspunktes sind. Zusammengeschobene Wirtel sind auch sonst bekannt. So hat z. B. die Acanthacee Orossandra undulaefolia aus zweizähligen Wirteln zusammengeschobene vierzählige. Durch starkes Zurückschneiden konnte von den Seitensprossen das Auseinander- rücken dieser Wirtel hervorgerufen wer- den. Ähnlich verhält sich Impatiens Oliverii, deren Verhalten zum Ver- gleich mit dem von Peperomia hier an- geführt sein mag. Die Keimpflanzen zeigten zunächst einige durch Internodien getrennte zwei- zählige, alternierende Wirtel, dann traten dreizählige auf. Ältere Pflanzen haben = B as sechs- oder mehrzählige „Wirtel“. schnile durch eine Soma Man sieht aber deutlich, daß die Blätter eines „Wirtels“ ungleich hoch stehen, teilweise ist sogar eines der Blätter hoch emporgehoben. Die Betrachtung der. Stammknospe ergibt (Fig. 7), daß zunächst drei- zählige „Wirtel“ (1, 2, 3; 4, 5, 6; 7, 8, 9) vorhanden sind, diese ent stehen wie bei Peperomia offenbar dadurch, daß zwischen den Blättern eines zweizähligen Wirtels (1 und 2) eine große Lücke entsteht, in welche das erste Blatt des nächsten Wirtels (3) tritt. Die Blätter bleiben aber in verschiedener Höhe mit einander gruppiert, z. B. 1-5 Morphologische und biologische Bemerkungen. 8 zu einem Scheinwirtel dadurch, daß das Längenwachstum mancher Internodien ganz aussetzt. Die in den größeren Lücken stehenden Blätter sind 1, 3, 5, 7, 9, 11, denen eigentlich gegenüberstehen sollten 2, 4, 6, 8, 10. So läßt sich also auch hier verfolgen, wie aus der Blattanordnung der Keimpflanze die der älteren hervorgeht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch die nicht alternierenden Wirtel mancher fossiler Pflanzen, wie z. B. die der Sphenophylleen, auf ähnliche Weise zustande gekommen sind, wie die von Peperomia oder Impatiens Oliverii. b) Auf ganz andere Weise als die bisher beschriebene entstehen die Scheinwirtel einer merkwürdigen Wasserpflanze, der Hydrothrix Gardneri. Da diese aber auch sonst manche bemerkenswerte Eigen- tümlichkeiten zeigt, so mag sie den Gegenstand einer besonderen Mit- teilung bilden. ce) Als weitere Gruppe können wir die Pflanzen betrachten, welche zerstreute Blattstellung haben, bei denen aber die Blätter wirtelförmig zusammenrücken. So ist es z. B. bei Acacia vertieillata (vgl. die Abbildung in Organo- graphie pag. 502, Fig. 371), deren „Wirtel“ dadurch eigentümlich sind, daß nur ein Blatt eine Achselknospe trägt. Hofmeister!) glaubte deshalb hier ähnliche Verhältnisse wie bei den Stellaten annehmen zu sollen. Indes ergab eine eingehende Untersuchung, daß hier nur ein „Zusammenrücken“ (d. h. Unterbleiben der Internodienstreckung zwischen bestimmten Blättern) selbständiger Blätter stattfindet, von denen merkwürdigerweise Eines in der Entwieklung den anderen vorauseilt und dies Blatt ist auch das- jenige, welches eine Achselknospe hervorbringt, eine Auffassung, welche durch die Untersuchung von A. Mann?) bestätigt wurde. d) Auch bei Monokotylen finden sich analoge Verhältnisse, welche bis zur Bildung von wirklicher Wirtelstellung gehen können. So bei Polygonatum verticillatum. Unter den europäischen Arten der Gattung ist diese die einzige, welche Blattwirtel trägt. Die anderen haben alle zweizeilige Blatt- stellung. Es mag dies in biologischer Beziehung damit zusammen- hängen, daß die Laubsprosse der mit zweizeiliger Blattstellung ver- sehenen Arten plagiotrop sind. Die von P. verticillatum dagegen sind fast immer streng orthotrop, Nur an ganz schattigen Standorten traf ich plagiotrope Sprosse (mit entsprechenden Torsionen der Blätter) an. 1) Hofmeister, Allgemeine Morphologie 1867, pag. 52 f . 2) A. Mann, Was bedeutet „Metamorphose“ in der Botanik, pag. 23. Diss, München 1894. Flora, Bd, 105. 6 82 K. Goebel, Es läßt sich zeigen, daß die Wirtelstellung der Blätter von der zweizeiligen abzuleiten ist. Keimpflanzen!) zweizeilige Blattstellung haben. Zunächst tritt dies darin hervor, daß die Ferner beginnen die Seitensprosse (welche das Rhizomsympodium fortsetzen) mit zweizeilig gestellten Niederblättern. Fig. 8. Polygonatum verticillatum. I. Habitusbild eines austreibenden Sprosses (auf ?/, verkleinert). Auf ein scheidenförmiges Niederblatt folgt ihm gegenüberstehend ein breites Laubblatt (=), weiter oben ein „Wirtel“ aus drei schmäleren Blättern; das Diagramm (mit zwei Niederblättern) ist in IV. gegeben. II. Querschnitt durch die Blattknospe einer Keimpflanze, die Blattstellung ist zweizeilig. II. Querschnitt durch die Knospe einer älteren Pflanze mit drei fünfzähligen Wirteln; 9 Vegetationspunkt. Außerdem sehen wir auch am oberirdischen Sproßteil ein Schwanken in der Anordnung der Blätter. Oft ist eine Anordnung in alternie- rende Wirtel durchgeführt (ve. Fig. 8, IID, aber nicht selten rücken auch die Blätter, die einen Wirtel bilden sollten, aus- einander. Namentlich scheint mir beachtenswert die Tatsache, daß man im untersten (auf die Nieder- blätter folgenden) Wirtel zuweilen ein Blatt antrifft, das bedeutend breiter als die anderen ist, Dieses Blatt (vgl. Fig. 8, I.a und das Diagramm Fig. 8, IV.) steht dem letzten Nieder- blatt opponiert. Während das letztere aber die Sproßachse mit breiter Basis umgreift, ist dies bei den Laubblättern nicht der Fall. Diese nehmen an der Einfügungsstelle je- weils nur einen Bruchteil der Stengelperipherie in Anspruch. Damit hängt offenbar die Änderung der Blattanordnung zusammen und zugleich ist damit die Möglichkeit gegeben, daß auf einer Querzone der Sproßachse mehrere Blätter zu einem Wirtel zusammenrücken. 1) Ich verdanke sie der Güte des Herrn Dr. Kinzel in München. Morphologische und biologische Bemerkungen. 83 Einige Einzelbeispiele mögen die Variationen der Blattanordnung erläutern, die Anordnung wird dabei von unten nach oben geschildert. 1. Einzelnes Blatt, dann in 2 cm Höhe zwei Blätter auf fast gleicher Höhe. Sie gehören mit dem ersten zu einem „Wirtel“ zu- sammen. 13% cm höher ein einzelnes Blatt, 2 cm darauf in gleicher Höhe zwei Blätter (diese drei bilden eigentlich den zweiten „Wirtel“). Im Endschopf (des noch nicht ganz entfalteten Sprosses) fünfzählige Wirtel. 2. Einzelstehendes Blatt 4 em höher drei Blätter, dann ein vier- zähliger Wirtel, darauf fünf dreizählig.. Das Internodium zwischen dem untersten Blatte und den drei Blättern ist das längste der Pflanze. 3. Dreizähliger Wirtel, darauf zwei vierzählige (Sproß noch nicht ganz entfaltet). 4, Zwei Blätter auf gleicher Höhe, 3 em höher auf der gegenüber- liegenden Sproßseite zwei Blätter (beide Paare einem Wirtel entsprechend), 2 cm höher zwei Blätter, 1?/, cm weiter oben wieder zwei (zusammen dem zweiten „Wirtel* entsprechend), darauf drei dreizählige Wirtel und Endknospe. 5. Sechs dreizählige Wirtel (solche treten bei jungen, wenig kräftigen Sprossen auf). Selbstverständlich ist damit die Mannigfaltigkeit in der Blattan- ordnung nur angedeutet, nicht erschöpft. Aber das Gesagte dürfte doch genügen, um zu zeigen, daß die Wirtelbildung hier von der zweizeiligen abgeleitet ist, und an der Pflanze sozusagen noch nicht festsitzt, insofern das Unterbleiben der Internodienstreckung zwischen den zu einem Wirtel gehörigen Blättern noch nicht regelmäßig eintritt. Wenn es gelänge, die Faktoren, welche das „Zusammenrücken“ der Blätter be- diugen, näher zu analysieren, so wäre damit vielleicht auch die Mög- lichkeit gegeben, näher einzudringen in die Ursachen, auf denen dieser in den Blüten so häufig auftretende Vorgang beruht. Andere Monokotylen mit Wirtelstellung der Blätter, z. B. Paris Quadrifolia verhalten sich wahrscheinlich analog wie P. vertieillatum. Am Rbizom stehen die Blätter (Niederblätter) hier mit der Diver- genz ein Viertel durch Internodien getrennt. An den (axillären) Assi- Milationssprossen treten die auf das Vorblatt (oder vielmehr die zwei Vorblätter) folgenden Laubblätter zu Wirteln zusammen. Es wurde im Vorstehenden versucht für einige Pflanzen die Blatt- anordnung, wie sie im erwachsenen Zustand auftritt, als eine abgeleitete nachzuweisen. 6* 84 K, Goebel, Dafür liegen auch andere Beispiele vor. Es kann z. B. nicht zweifelhaft sein, daß die zweizeilige Blattstellung von Ulmus sich ab- leitet von einer anisophyli-vierzeiligen (unter Verkümmerung von zwei Blattzeilen), ebenso die der Cyriandree Klugia Notoniana!). Ebenso ist anzunehmen daß die zerstreute Blattstellung mancher isophyllen Sela- ginellen, wie $. spinulosa, S. rupestris sich ableitet von der dekussierten. Diese tritt in den Blüten von $. rupestris und bei etiolierten Sprossen von S. spinulosa wieder auf. Auch an der Keimpflanze finden sich zunächst Blätter, welche „paarweise“, meist aber nicht in gleicher Höhe einander gegenüberstehen 2). Wir finden hier also einigermaßen ähn- liche Verhältnisse wie bei Peperomia, bei welcher ja auch eine Anzahl von Arten die dekussierte Blattstellung beibehalten, andere zur Spiral- stellung übergehen. Eine Einsicht in das Zustandekommen der Blattanordnung ist auch bei den beblätterten Bryophyten erzielt. Hier ist unzweifelhaft die !/,-Stellung die ursprüngliche, welche bei den Laubmoosen vielfach durch „Scheiteltorsion“ verändert, bei einigen auch durch die "/,-Stellung er- setzt wird. Aus diesen Beispielen dürfte sich ergeben, daß eine vergleichende Betrachtung der Blattanordnungen auch sonst. vielfach noch zum Nach- weise des Zustandekommens derselben führen wird, ein soleher Nach- weis aber ist die erste Voraussetzung zu dem Versuche eines kausalen Verständnisses. Wenn für die Blattanordnung am vegetativen Sproß so ausgedehnte vergleichende Untersuchungen vorliegen würden, wie für die in den Blüten, so würde sich vielleicht ergeben, daß die Blattanordnung bei den Monokotylen ontogenetisch von der !/,-Stellung, bei den Dikotylen von den dekussierten ableiten läßt. Bezüglich der Monokotylen wurde oben für einen Fall (Polyg. verticillatum), in welchem innerhalb einer Gattung Abweichung von der 1/,-Stellung vorkommt, gezeigt, daß letztere offenbar das ursprünglichere Verhalten darstellt. Eine große Anzahl Monokotylen haben die !/,-Stel- lung dauernd beibehalten. So z. B. Gramineen, Irideen, viele Hae- modoraceen, Orchideen, Allium-, Tradescantia-Arten u. a. Bei anderen können wir deutlich verfolgen, wie ontogenetisch die 1/,-Stellung in eine andere übergeht. 1) Vgl. Goebel, Organographie, pag. 97 und Fritsch, Die Keimpflanzen der Gesneriaceen. Jena. 2) Vgl. H. Bruchmann, Untersuchungen über Selaginella spinulosa A. Br, pag. 59. Gießen 1897. Morphologische und biologische Bemerkungen. 85 Besonders lehrreich sind hier einige Blattsukkulenten, wie Gasteria und Aloe. Einige Aloe-Arten behalten die !/,-Stellung dauernd bei, so Al. plieatilis. Andere zeigen zwar im späteren Alter Spiralstellung, in der Jugend aber 1/,-Steilung. So A. ferox, A. Hanburyana, A. abessinica. Möglicherweise gilt dies sogar von allen Aloe-Arten, indes sind mir nur von den genannten derzeit die Keimpflanzen bekannt. Auch bei Agave scheinen ähnliche Verhältnisse vorzuliegen. Hier wird die Blattanordnung geändert durch Änderungen anı Vegetationspunkt („Scheiteltorsion“), welche schon vor dem Auftreten der Blätter eintreten kann, in an- deren Fällen wirken auch an nicht mehr embryonalem Gewebe ein- tretende Torsionen mit. Bei den Dikotylen ist, die dekussierte Blattstellung wohl die ver- breitetste. Sie schließt sich ja auch unmittelbar an die Stellung der Kotyledonen an. Es wurden oben schon einige Fälle angeführt, in denen wir verfolgen können wie die dekussierte Blattstellung in andere Anordnungsverhältnisse übergeht. Weitere Beispiele sind folgende: Bei Mesembryanthemum ist die dekussierte Stellung bei den meisten Arten vorhanden. Eine Ausnahme machen Arten wie M. linguaeforme, die scheinbar zweizeilige Blatt- stellung besitzen. Schon die früher von mir erzogenen, von Gentner‘) beschriebenen Keimpflanzen (welche dekussierte Stellung haben), sowie Gentner's entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zeigen, daß hier nur ein von der dekussierten Stellung abgeleiteter Fall vorliegt; für andere Mesembryanthemum-Arten darf wohl dasselbe angenommen werden. Bei Dorstenia, einer Gattung mit zerstreuter Blatistellung, die aber einem Verwandtschaftskreis angehört, der sonst dekussierte Stellung hat, zeigten die Keimpflanzen von D. Contrayerva, daß hier die ersten Blätter (die ungleichzeitig entstehen) mit den Kotyledonen gekreuzt sind, dann zerstreute Stellung eintritt. Auch bei Crassulaceen haben wir z. B. innerhalb der Gattung Sedum teils dekussierte, teils zerstreute Blattstellung — es ist zu vermuten, daß Keimpflanzen der letzteren Gruppe (z. B. Sedum reflexum) noch Dekussation zeigen. Hierher gehören auch einige schon von A. Braun?) angeführte Fälle. Er fand z, B. bei Cornus sanguinea, der gewöhnlich dekussierte 1) Gentner, Untersuchungen über Anisophyllie und Blattasymmetrie. Flora 1909, Bd. IC, pag. 296. 2) A. Braun, Vergleichende Unterauchungen über die Ordnung der Schuppen an den Tannenzapfen, pag. 144. 86 K. Goebel, Blattstellung hat, an einem Schößling gelegentlich ?/,-Stellung, bei Helianthus tuberosus und Punica Granatum statt der normal de- kussierten auch ?/,-Stellung, bei Linaria vulgaris an sehr schlanken und mageren Schößlingen zuweilen 1/,-Stellung (also wohl auseinander- gerückte zweigliedrige Wirtel!) als Einleitung zu ?/, und ®/,, außer- dem auch drei- und viergliederige Wirtel!). Derartige Pflanzen sind ohne Zweifel auch zu Versuchen besonders geeignet. Eine Ableitung von der dekussierten Stellung ist für die Centro- spermen geschehen durch Perey Groom?), sie gilt wahrscheinlich auch ” für die Plantagineen. Bei diesen ist bei einigen die dekussierte Stellung noch vorhanden (z. B. Pl. Psyllium) bei anderen findet sich Spiralstellung. Indes fand ich bei Pl. lanceolata die auf die Kotyledonen folgenden Blätter in vier Längsreihen angeordnet, eine Stellung, die sich von auseinandergerückten Blattpaaren ableiten läßt und zu der zerstreuten überführt. Man kann also sagen, daß bei einer Anzahl dikotyler Pflanzen die dekussierte Blattstellung längere oder kürzere Zeit nach der Keimung beibehalten, bei anderen früher oder später durch un- gleichzeitige Anlegung der Blätter eines Paares mit Scheiteltorsion (analog der vieler Moose) in die Spiralstellung übergeht. Die Blätter eines „Paares“ teilen sich ungleichmäßig in den Umfang der Sproß- achse, weil durch asymmetrisches Wachstum des Vegetationspunktes das erste Blatt jedes Paares (in der Richtung der „genetischen Spirale“) verschoben wird (vgl. Fig. 5) statt dekussiert zu stehen. Andererseits können, wie die oben angeführten und andere Beispiele zeigen, zer- streute Blätter wieder zu Wirteln zusammenrücken. Die Verfolgung dieser in buntem Wechsel auftretenden Vorgänge in formaler Beziehung ist notwendig, wenn wir einen Einblick in den Zusammenhang der Gestaltungsverhältnisse gewinnen wollen. Zusammenfassung. I. „Scheinwirtel“ können entstehen: 1. durch tiefe Teilung dekussiert stehender Blätter, 2. durch blattähnliche Ausbildung der Nebenblätter, 1) a.a. 0. pag. 131. Betr. Linaria vgl. die Angaben und Abbildungen von H. Winkler, Untersuchungen zur Theorie der Blattstellungen I. Jahrb. f. wissensch. Bot. 1901, Bd. XXXVI. 2) Percy Groom, Longitudinal symmetry in Phanerogamia. Phil. Trans- actions of the Royal Society of London 1908, Ser. B, Vol. CC. Morphologische und biologische Bemerkungen. 37 3. durch Zusammenrücken: a) von zweizähligen Wirteln resp. Gliedern solcher, b) von spiralig gestellten Blättern. II. Bei Peperomia ließen sich die untersuchten Arten mit „Fol. verti- eillata“ zurückführen auf solche mit Folia opposita, wobei eine spiro- trophe Förderung der Blattlücken eintritt. Formen mit „Folia opposita“ können ihre Blattstellung später zur zweizeiligen um- ändern, Ähnliche Verhältnisse finden sich bei Impatiens Oliverii. III. Bei Polygonatum vertieillatum leitet sich die „Wirtelstellung“ von der zweizeiligem ab. Hier wie sonst kommen zwei Faktoren in Betracht: der der Blatt-„Verkoppelung“ (durch Unterbleiben der Internodienstreckung) und der der Raum- resp. Wachstumsver- hältnisse am Vegetationspunkt. Die Ursachen der Verkoppelung sind nicht bekannt. Sie ist nicht immer eine feste, da sie bei Polyg. verticillatum gelegentlich unterbieibt und bei anderen wenigstens in einzelnen Fällen sich experimentell aufheben läßt, oder in den Jugendstadien nicht vorhanden ist. IV. Für eine Anzahl Monokotylen läßt sich die !/,- für eine Anzahl Dikotylen die dekussierte Blattstellung als Ausgangspunkt er- weisen. Die Änderung (d. h. das Auftreten anderer Blattstellungs- verhältnisse) kann auf sehr verschiedene Weise eintreten: durch Scheiteltorsion (unsymmetrisches Wachstum des Vegetationspunktes), durch wirkliche Torsion, durch Auseinanderrücken, durch Ver- kümmern bestimmter Blätter. Die Morphologie hat die Aufgabe, mehr als bisher die Abänderungen der Blattstellung, welche im Verlaufe der Einzelentwicklung auftreten, zu verfolgen und auf bestimmte Wachstumsfaktoren zurückzuführen. Morphologische und biologische Bemerkungen. Von K. Goebel. 22. Hydrothrix Gardneri. (Mit 9 Abbildungen im Text.) Es ist eine bekannte Tatsache, daß Wasserpflanzen vielfach sich durch sehr eigentümliche, von der sonst geltenden Norm abweichende Gestaltungsverhältnisse auszeichnen. Es sei nur erinnert an die Vege- tationsorgane der Lemnaceen und der Podostemaceen, die Wasser- Utrieularien und an die Blütenbildung von Ceratophyllum, Najas, Zostera — andere Beispiele ließen sich leicht anfügen. Einen neuen Beleg dafür bietet eine von Dr. v. Lützelburg in der Lagoa Tiririco in Brasilien (Bahia, 8. Bento) gesammelte Wasserpflanze. Da ich deren Familienzugehörigkeit nicht mit Sicherheit ermitteln konnte, wandte ich mich an Herrn Geh. Rat Urban in Berlin, der in Verbindung mit Herrn Prof. Pilger feststellte, daß es sich um die von Hooker im Jahre 1887 beschriebene Gattung Hydrothrix handle‘). Ich möchte beiden Herren für ihre freundliche Bemühung auch hier bestens danken. Daß es sich um eine nicht ganz leicht unterzubringende Pflanze handelt, geht aus Hooker’s Bemerkung deutlich hervor, Er sagt: „This remarkable plant has lain buried for just half a century in the many herbaria which possess Gardners collections, and probably in all, under the category of Plantae dubiae affinitatis.“ Der berühmte Botaniker gibt eine kurze Beschreibung der Pflanze, hebt aber ausdrücklich hervor, daß es sich handle um eine eigentüm- liche Pflanze „which in the matter of morphology and histology of its organs requires a more complete investigation“. 1) Sir J. D. Hooker, On Hydrothrix, a new genus of Pontederiaceae. Annals of botany, Vol. I, No. 2, Nov. 1887. Morphologische und biolegische Bemerkungen. 89 Die folgenden Zeilen mögen versuchen, dieser Aufforderung einigermaßen gerecht zu werden und zugleich mögen sie als ein kleines Zeichen der Verehrung für den unlängst von uns geschiedenen hoch- verdienten Forscher betrachtet werden. 1. Morphologie. a) Vegetationsorgane. Diese wurde von Hooker folgendermaßen beschrieben: „Herba Brasiliensis aquatiea, immersa, caespitosa, dichotoma, glaberrima, dense foliosa; caulibus graeilibus, radieibus densis- sime fibrosis. Folia fastigiatim verticillata, verticillis polyphyllis, basi vagina communi eireumdatis, filiformia flaccida, integerrima, nervis parallelis valde obscuris et canalibus resiniferis percursa; vagina infundibiliformi-cam- panulata, hyalina, basi folio elongato recurvo stipata, enervis.“ Für den Morphologen erhebt sich sofort die Frage: Wie können die Blätter in einem Wirtel (fastigiatim, d. h. mit gleiche Höhe erreichenden Spitzen) stehen und darunter eine „vagina communis“, an deren Basis sich ein anderes Blatt befindet? Daß tatsächlich ein solches Stellungsverhältnis — wenigstens scheinbar — vorhanden ist, geht aus Fig. 1 hervor. Hier ist 3 das Blatt mit Scheide (.S), dar- über steht der „Wirtel“ anderer Blätter fd). Die Beantwortung dieser Frage war von der Entwicklungsgesehichte zu erwarten. Frei präparierte Sproßspitzen zeigen einen massigen Vegetationspunkt (7 Fig. 2). Die Blätter (2 Fig. 2) werden nicht wie bei den y;, 1. Stückeines schmäch- meisten anderen Pontederiaceen zweizeilig an- tigen Sprosses mit Blatt(2), gelegt, ihre Divergenz wurde indes nicht be- dessen Scheie (Sun (6). stimmt. Die Blattanlage greift mit ihren (3 mal vergrößert.) Rändern bald um den ganzen Vegetations- punkt herum. Sie entwickelt eine Axillarstipel (, Fig. 2), welche sich an den scheidenförmigen Teil der Blattanlage ansetzt und mit ihm zusammen die häutige, über die Blattinsertion herübergreifende Bildung darstellt, welche an der Basis jedes Blattes sich befindet — eine Er- 90 K. Goebel, scheinung, die ja bei verschiedenen Pflanzen, sowohl Mono- als Diko- tylen sich vorfindet?). Die Blattanlage selbst biegt sich, wie in Fig. 2 bei 2x zu sehen ist, vom Vegetationspunkt weg. In der Achsel des Blattes entwickelt sich frühzeitig ein massiger Achselsproß (A Fig. 2). Fig. 2. Freipräparierte Sproßspitze. Y Vegetationspunkt, 3 die an ihm entstehen- den Blätter (2x stark nach außen zurückgebogen). 4 Achselsproß der Blätter (3). Er bildet sich zum Kurzirieb aus, an welchem die mit 5 bezeichneten scheidenlosen Blätter stehen. .S Scheiden der Langtriebblätter. Das eigentümliche, und meines Wissens bei keiner anderen Pflanze wiederkehrende Verhalten ist nun das, daß dieser axillare Vegetations- punkt ebenso wie sein Deckblatt um die Hauptachse herumgreift und 1) Vgl. z. B. die Abbildung von Caltha palustris in Goebel, Organographie, pag- 564. Morphologische und biologische Bemerkungen. 9 zu einem Kurztrieb sich entwickelt, der eine Anzahl von Blättern hervorbringt (5), die jene oben erwähnten Scheinwirtel darstellen. Dabei tritt der Kurztrieb als solcher äußerlich gar nicht mehr hervor, er stellt nur einen die Achse umgebenden Wulst dar, auf dem seine Blätter stehen, und zwar wie Fig. 3 zeigt, nicht in einem ein- fachen „Wirte“. Er hat also sozusagen seine Individualität voll- ständig aufgegeben und stellt nur eine blattbildende Zone dar, so daß man leicht auf die Ansicht kommen konnte, seine Blätter gehörten eigentlich der Hauptachse an. Diese Kurztriebblätter unterscheiden sich äußerlich namentlich dadurch von denen der letzteren, daß sie weder eine Scheide, noch eine Axillarstipel besitzen. Zwischen ihnen stehen Fig. 3. Teil eines Querschnittes durch den unteren TeileinerKnospe. 4 Zentralzylin- der der Hauptachse; der ihn umgebende Kurztrieb zeigt die Blätter (8) an ihrer Basis getroffen S,,.S, Blattscheiden. 7 In- travaginalschuppen des weiter nach außen liegenden Kurztriebes. Deckblätter der Kurztriebe nicht sichtbar. zahlreiche Fig. 4 sind sie nicht bezeichnet). Fig. 4. Halber Querschnitt einer anderen Knospe; nur ein Blattwirtel mit dem Kurztriebdeckblatt (2) gezeichnet. A Achselsproß (seitlicher Langtrieb). In den Kurztriebblättern sind die beiden großen Interzellularräume angedeutet. ö, Deck- blatt des Achselsprosses A. schleimabsondernde Intravaginalschuppen (U/ Fig. 3, in Außer diesen merkwürdigen Kurztrieben komınen auch Lang- triebe vor. Sie stehen offenbar in der Achsel einzelner Blätter der Kurztriebe (Fig. 4). In Fig. 4 wäre das mit ö, bezeichnete Blatt des Kurztriebes das, welches den axillaren Langtrieb (4) hervorbringt. An schmächtigen Trieben unterbleibt das oben erwähnte „Herum- greifen“ des Kurztriebes um den Langtrieb; die Blätter des ersteren stehen dann nur auf der dem Deckblatt zugewandten Seite. Die zahlreichen an den unteren Knoten entspringenden Wurzeln bedürfen keiner besonderen Beschreibung. 92 K. Goebel, b) Blüten. Die Blütenstände besitzen zwei Blüten, die von einer oberen Scheide ohne Laubblatt und einer unteren mit einem kürzeren Laubblatt umgeben sind. Die Blüten waren stets kleistogame, der Griffel so gebogen, daß die mit Haaren besetzte Narbe unmittelbar auf die Spitze der Antheren des einzigen vollständig entwickelten Staubblattes zu liegen kommt (Fig. 5, U). Wie es scheint öffnet sich die mit einem wohl entwickelten Endotheeium versehene Anthere, so daß die Bestäubung innerhalb der geschlossen bleibenden Blütenhülle, welche sehr zart ist, vor sich gehen kann, Außer dem einen wohlentwickelten Staubblatte sind noch ein bis zwei (meist zwei) Staminodien vorhanden. Die künstlich geöffnete () I. Il. Fig. 5. 1. Ausgebreitete Blüte mit einem Staubblatt Fig. 6. Querschnitt durch die und zweiStaminodien. II. Blütevonaußen, amGriffel einblütige Infloreszenz von und am Fruchtknoten sind die durch Myriophyilin- Heteranthera graminea. schläuche dunkel erscheinenden Stellen angedeutet. Blüte (Fig. 5, I) zeigt, daß an ihnen noch eine Anthere angedeutet ist, die Pollenbildung unterbleibt. Ehe auf die Deutung dieser Blüten eingegangen wird, sei zunächst die Blüte von Heteranthera besprochen, mit der die von Hydrothrix am meisten übereinstimmt; es wird daraus hervorgehen, wie richtig Hooker die Stellung von Hydrothrix erkannt hat. Heteranthera besitzt bekanntlich bei einigen Arten drei ungleich stark entwickelte Staubblätter, was mit der Dorsiventralität der Blüten im deutlichsten Zusammenhang steht. Das unterste Staubblatt ist das größte, es gehört dem äußeren Staubblattkreis an. Diesem rechnet Eichler!) auch die beiden kleineren Staubblätter zu. Indes kann es 1) A. W. Eichler, Blütendiagramme I, pag. 165, 1876. Morphologische und biologische Bemerkungen. 95 keinem Zweifel unterliegen, daß sie dem inneren Staubblattkreise zu- gehören. Dies geht ohne weiteres hervor daraus, daß sie je einer der drei Plazenten gegenüberstehen, also mit zweien der drei Fruchtblätter alternieren, während das größere Staubblatt dem unteren Fruchtblatt gegenübersteht. Der Schnitt durch die einblütige Infloreszenz von H. graminea (Fig. 6) zeigt dies deutlich. Es entspricht diese Förderung der unteren Staubblätter ebenfalls der Gesamtsymmetrie der Blüte; die drei Staubblätter sind hier übrigens an Größe kaum verschieden, im Gegensatz zu anderen Arten, namentlich zu H. zosteraefolia. Fig. 7. I. Querschnitt durch eine Infloreszenz von Hydrothrix Gardneri. I. Quer- schnitt durch eine Infloreszenz von Heteranthera zosteraefolia. In Fig. 7, II ist ein Querschnitt durch die Infloreszenz von H. zosteraefolia abgebildet. Diese ist wie die von Hydrothrix zwei- blütig. Die obere Blüte (die Primanblüte) ist tiefer getroffen als die untere, bei ersterer sieht man nur den Fruchtknoten und den ver- wachsenen Teil der Blütenhülle. In der unteren Blüte ist zufällig eines der drei Fruchtblätter fehlgeschlagen und zwar das auf der Ober- (der Minus) seite der Blüte stehende. Dies ist insofern von Interesse, als dies Fruchtblatt bei anderen Pontederiaceen (so bei Pontederia} normal fehlschlägt. Die beiden Staubblätter des inneren Staubblatt- 94 K. Goebel, kreises haben scheinbar nur zwei Pollensäcke. Dies rührt daher, daß zwei Pollensäcke jedes Staubblattes kürzer sind als die zwei anderen — auch ein Zeichen von Reduktion. Vergleicht man mit diesem Infloreszenzquerschnitt den von Hy- drothrix (Fig. 7, I), so tritt die Übereinstimmung ohne weiteres hervor, nur sind die Blüten etwas schräg nach außen orientiert; damit hängen einige Ungleichmäßigkeiten in der Ausbildung der einzelnen Blüten- teile zusammen. In der nach unten gekehrten Blüte (Fig. 6, I) ist das äußere Perigen durch die mit a,, @,, a, bezeichneten Blattzipfel dargestellt, wobei a, auffallend klein ist. Daß a, und a, das zwischen ihnen stehende sehr kleine Blatt des inneren Perigonkreises nicht decken, ist wohl nur zufällig (Verschiebung beim Schneiden). Das eine Staub- blatt steht a, gegenüber, ist aber auch etwas schief nach außen ver- schoben, ebenso das einzige Staminodium, das in jeder Blüte getroffen ist (häufiger sind je zwei vorhanden). Die beiden Blüten sind so be- schaffen, daß die Infloreszenz durch eine Teilungsebene in zwei spiegel- bildlich annähernd gleiche Hälften geteilt werden kann, ein Fall, der ja auch für andere Monokotylen bekannt ist. Hooker scheint übrigens Exemplare mit stärker entwickelten ge- stielten Infloreszenzen und kräftigerem Perigon, als sie meine Pflanzen besaßen, vor sich gehaht zu haben. Es ist wahrscheinlich, daß die Pflanze auch mit chasmogamen Blüten vorkommt, namentlich dann, wenn sie nicht tief untergetaucht wächst. Kleistogame Blüten sind für andere Pontederiaceen von Solms- Laubach beschrieben worden‘. Wenn er bei Heteranthera die drei hinteren Staubblätter als unterdrückt betrachtet (nicht die drei des äußeren Stammblattkreises wie Eichler), so stimmt dies ganz überein mit der oben gegebenen Darstellung. Bei Heteranthera Kotschyana und H. Potamogeton sind alle kleistogamen Blüten nur mit einem Staubblatt versehen. Der Verfasser sagt: „Ich vermute, daß dieses auf Sehwinden der beiden seitlich unteren Antheren des inneren Kreises beruht, kann mich aber nicht bestimmt darüber aussprechen“. Es dürfte das Vorkommen der Staminodien bei Hydrothrix wohl alle Zweifel über die Richtigkeit dieser Vermutung beseitigen. Inwieweit auch bei jenen Heteranthera-Arten Exemplare mit nur kleistogamen Blüten vorkommen, läßt sich nur durch Untersuchung einer großen Anzahl von Pflanzen feststellen. Daß die chasmogamen Blüten 1) H. Graf zu Solms-Laubach, Über das Vorkommen kleistogamer Blüten bei den Pontederiaceen. Bot. Zeitg. 1883, pag. 302. . Morphologische und biologische Bemerkungen. $)5] mancher Pflanzen durch bestimmte Umstände ganz unterdrückt werden können, ist bekannt, Bekanntlich sind bei den Pontederiaceen die Infloreszenzen ter- minal und werden dann durch einen Achselsproß zur Seite gedrängt. Es lag also nahe, dasselbe auch für Hydrothrix anzunehmen. Indes ergab sich, daß hier die Infloreszenz zwar nahe dem Scheitel aber deutlich axillär auftritt (Fig. 8, //). Es mag dies mit dem Vorhandensein von Kurztrieben zusammenhängen, die ja anderen Ponte- deriaceen fehlen. Die Infloreszenzen stehen an Stelle eines Kurztriebes. Von den beiden Blüten ist selbst- verständlich die eine als End-, die andere als Seitenblüte zu betrachten. Indes teilt sich der Vegetationspunkt der In- floreszenz in zwei anscheinend gleich- große Stücke, von denen jede zu einer Blüte wird. 2. Anatomie, Hydrothrix gehört zu den nicht zahl- reichen Wasserpflanzen, die — wenigstens Fig.8. Freipräparierte Sproßspitze. _ /f Junge Infloreszenz, 2 deren an den untersuchten Exemplaren gar Kr, 'S dessen Scheide, 9 keine Spaltöffnungen, auch keine Wasser- Vegetationspunkt des Langtriebes. spalten besitzen. Daß sie im übrigen die oft beschriebenen Eigentimlichkeiten submerser Gewächse auf- weisen, bedarf kaum der Erwähnung, noch weniger ausführlicher Schilderung. Bemerkt sei nur folgendes: Die Blätter besitzen ein einziges Leitbündel — (was Hooker unter den „Nervi paralleli valde obseuri“ meint, ist mir nicht klar ge- worden) — dessen Gefäßteil bald zerstört wird. Ihre Spitze wird — wie dies ja auch bei anderen Wasserpflanzen bekannt ist — früh- zeitig desorganisiert, die Zellen werden hier hyalin und verschwinden. Raphiden (von Hooker als Cystolithen bezeichnet, aber deutlich als Raphiden abgebildet) finden sich sowohl in den Blättern als in den Sproßachsen. Die Blätter wie die Sproßachsen sind durch Diaphragmen ge- kammert. In die Langtriebblätter tritt ein Leitbündel, das sich vom Zentralzylinder der Sproßachse abzweigt. Die Leitbündel der Kurz- triebblätter stehen an der Basis miteinander durch Queranastomosen in 96 K. Goebel, Verbindung und durch diese auch mit dem in das Langtriebblatt aus- biegende Leitbündel. Der Kurztrieb zeigt also seine Beschaffenheit als lediglich blattragender, sozusagen indifferenter Wulst auch ana- tomisch, man könnte aus seinem anatomischen Bau durchaus nicht seine Sproßnatur erkennen. Vom Bau der Sproßachse sei erwähnt, daß in dem Zentral- zylinder distinkte Leitbündel nicht zu unterscheiden sind. Man sieht wohl Gefäßgruppen, die später zerstört werden, und kleinzellige, wohl als Siebröhrenteile anzusprechende Zellgruppen, aber eine be- stimmte Lagenbeziehung zwischen beiden war nicht nachzuweisen. Auch das ist eine Erscheinung, die sich bei anderen submersen Ge- wächsen wieder findet. Besonders bemerkenswert sind die Sekretbehälter, welche Hooker als „resin canals“ bezeichnet — wohl wegen der dunklen Farbe, die ihr Inhalt beim Trocknen (und beim Alkoholmaterial) annimmt. Es handelt sich indes nicht um Harzgänge, sondern offenbar um Zellen, deren Inhalt die Raciborski’sche Myriophyllinreaktion®) gibt. Sie kommen auch bei anderen Pontederiaceen vor. Der Inhalt färbt sich mit Eisenchlorid braun, mit Vanillinsalzsäure tritt sofort Rotfärbung ein, auch mit Diphenylaminschwefelsäure (etwas erwärmt). Bei Heter- anthera graminifolia sind solche Myriophyllinzellen anzutreffen in der Epidermis (spärlich) und im Mesophyll in den Diaphragmen. Bei H. zosteraefolia nur im Mesophyll, bei Eichhornia azurea?) im Mesophyll. Allein nirgends treten sie in so großen Mengen auf wie bei Hydro- thrix, wo die Myriophyilinzellen am Alkoholmaterial durch ihren dunkel- braunen Inhalt sehr auffallen. Sie finden sich als ungemein lang- gestreckte Zellen in der Epidermis der Blätter (Fig. 9 47), auch am Stamm, in den Blattscheiden sind die Myriophyllinzellen viel kleiner. Am Griffel des Fruchtknotens stehen sie in solcher Menge zusammen, daß er stellenweise ganz dunkel erscheint. Wenn Hooker Hydrothrix als eine Sektion oder ein „aberrant, membran“ der Pontederiaceen betrachtete, so findet diese Auffassung durch die vorstehenden Mitteilungen lediglich eine Bestätigung; sowohl die Untersuchung der Blüten als die Myriophyliinbehälter sprechen durchaus für die Zugehörigkeit zu dieser Familie. Ebenso der Samen- bau, der ein stärkereiches Endosperm aufweist, in dessen Mitte der 1) Vgl. M. Raciborski, Über die Inhaltskörper der Myriophyllumtrichome. Ber. d. Deutsch. bot. Geselisch. 1893, pag. 348. 2) Hooker führt nach einer Mitteilung von Balfour an: „that reserroirs of a similar red resin are found in Eichhornia“, a. a. O. pag. 93, Morphologische und biologische Bemerkungen. 97 Embryo liegt. Die äußerste Schicht der Samenschale ist dünnwandig und schleimhaltig wie die vieler (vielleicht aller) Podostemaceen. Indes würde eine anatomische Schilderung des Samenschalenbaues kaum von Interesse sein. Außer den Übereinstimmungen mit den Pontederiacsen zeigt Hydrothrix auch einige Abweichungen und Besonderheiten. Sind diese oben beschriebenen Gestaltungsverbältnisse als „An- passungen“ verständlich? In gewissem Sinne ja. Was zustande kommt: das Auftreten zahl- reicher dünner, haarförmiger Blätter, von denen Hydrothrix ja ihren Namen hat, entspricht dem, was wir bei vielen anderen submersen Wasserpflanzen antreffen!), nur daß es sich bei diesen um fein zerteilte MM. M Blätter handelt, bei Eiydrothrix um Ein- hr R" zelblätter, die auf einem Kurztrieb stehen. Physiologisch wird die Wirkung aber in beiden Fällen dieselbe sein. Mor- phologisch ist sie auf ganz andere Weise zustande gekommen, und zwar wie oben bemerkt, ohne daß dafür sonst eine Analogie vorliegen würde. Das einzige andere ähnliche Beispiel, das man allenfalls heranziehen könnte, ist das der sonderbaren Kurztriebe von Weddelina oo squamulosa®), deren außerordentlich re- a nie Tanngoctneakten Myrio- duzierte Blätter gleichfalls denen der phyliinschläuchen. Langtriebe gegenüber ein Beispiel von Heterophyllie darstellen. Selbstverständlich handelt es sich nur um eine entfernte Analogie, denn wenn B. Clarke (wie Hooker anführt) anfangs an eine Verwandtschaft von Hydrothrix mit den Podostemaceen dachte, so konnte dies nur so lange der Fall sein, als man Hydro- thrix noch ganz unvollständig kannte. Hydrothrix stellt aufs neue ein Beispiel dafür dar, daß submerse Pflanzen aus den verschiedensten Abteilungen des Pflanzenreiches gemeinsame Züge in ihrem Baue aufweisen. So die Reduktion der Spaltöffnungen und der Gefäßbildung, sowie den Bau des Zentralzylinders des Sprosses. 1) Vgl. Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, pag. 306 ff. 2) Vgl. Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, pag. 350 und Wächter, Beiträge zur Kenntnis einiger Wasserpflanzen. Flora 1897, Bd. LXXXIN, pag. 386 ff. " Flora, Bd. 105. 7 98 K. Goebel, Betreffs der Spaltöffnungen habe ich früher!) eine Zusammen- stellung gegeben, welche sich leicht noch vervollständigen ließe?). Sie zeigt, daß die submersen Pflanzen sich zwar nicht alle gleich verhalten, daß aber eine Hemmung in der Ausbildung der Spaltöffnungen — die soweit gehen kann, daß die Fähigkeit Spaltöffnungen zu bilden, über- haupt verloren ist — außerordentlich verbreitet ist. Daß es sich dabei um Mutationen handeln soll, die ohne Beziehung zu den Lebens- bedingungen auftraten, erscheint äußerst unwahrscheinlich. Die Ein- wirkung des Mediums ist freilich keine so einfache und nach dem Nütz- lichkeitsprinzip verlaufende, wie man teilweise annahm®), wenn sie aber gar nicht vorhanden wäre, so wäre die Übereinstimmung so vieler den verschiedensten Pflanzengruppen angehöriger Wasserpflanzen einer der merkwürdigsten „Zufälle”, die man sich denken kann. Zum mindesten muß ınan — wenn man keine direkte Beziehung zwischen : Standort und Gestaltung gelten lassen will — annehmen, daß das Leben im Wasser eine Bedingung für das Auftreten der letzteren ist. Denn extrem „angepaßte“ Wasserpflanzen sind außerhalb des Wassers über- haupt nicht existenzfähig, sie können nicht, wie de Vriest) das für die xerophilen Pflanzen annimmt, an die Orte, wo für andere Pflanzen ungünstige Bedingungen herrschen, gewandert sein und dort sich er- halten haben, obwohl sie — menschlich gesprochen — eigentlich lieber wo anders wären. In den Blüten von Hydrothrix fanden wir eine Reduktion, spe- ziell im Androeceum, von der typischen Sechszahl der Staubblätter bis auf ein einziges. Es fragt sich, wieweit solche Reduktionen als nach- weisbare (nicht nur durch Vergleich erschlossene) Erscheinungen bei anderen Monokotylen auftreten. Dabei können die Liliifloren außer Betracht bleiben, da bei diesen wohl niemand die Ableitung der reduzierten Formen vom „typischen Monokotylendiagramm“ bezweifelt. Dagegen hat man bei anderen Reihen diesen Anschluß teilweise bezweifelt. So sagt z. B. Engler): es fehle bezüglich der einseitigen Entwicklung des Androeceums wie betreffs des endospermlosen Samens an jeglichem Mittelglied zwischen Orchideen und 1) Pflanzenbiologische Schilderungen, pag. 241. 2) Es sei namentlich auf die Angaben von Montesantos über Blyxa, Ottelia und Stratiotes verwiesen. Flora 1912, Bd. CV. 3) Vgl. darüber z. B. Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen, pag. 59. 4) de Vries, Plant breading, 1907, pag. 350. 5) A. Engler, Die systematische Anordnung der monokotyledonen Angio- spermen. Morphologische und biologische Bemerkungen. 99 Liliifloren. Nun hat aber schon Payer nachgewiesen, daß bei Ca- lanthe fünf Staubblätter angelegt werden (von denen nur eines aus- gebildet wird). Capeder!) fand bei Cypripedium barbatum sogar sechs, bei C. Calceolus fünf Staubblätter angelegt, bei den Ophrydeen sind außer dem einen fertilen Staubblatt des äußeren Kreises auch zwei des inneren Staubblattkreises als Rudimente vorhanden, ebenso bei Epipactis und Mierostylis. Bei Listera und Goodyera sind diese rudimentäre Staubblätter ganz unterdrückt, wie es denn bekanntlich alle Übergänge zwischen Verkümmerung und Nichtanlegung gibt. Besonders umstritten sind die Glumifloren. Sicher ist, daß sowohl bei Gramineen als bei Cyperaceen Formen existieren, welche das typische Monokotylendiagramm ganz oder mit nur kleinen Modifikationen aufweisen (bei den Gramineen Streptochaeta, bei den Cyperaceen z. B. Oreobolus). Schon die Reduktion der Samenanlagen auf eine einzige zeigt, daß auch diese Formen eine lange Geschichte hinter sich haben, die sich auch in den weiteren Schicksalen der Blüten bei den Gräsern verfolgen läßt und mit Formen endigt, bei welchen das Perigon (von der Palea superior abgesehen) zu den Lodiculae umgebildet, nur ein Staub- blattkreis erhalten ist (der auf das mediane Staubblatt weiter reduziert sein kann) und von den drei Fruchtblättern nur noch zwei zur Aus- bildung gelangen?). Viel weiter geht die Reduktion bei manchen Cyperaceen°); Die Blätenhülle verschwindet ganz, die männlichen Blüten bestehen nur aus einem Staubblait, die weiblichen aus einem Fruchtknoten,; daß diese Blütenverhältnisse sich von Zwitterblüten ableiten, ist unzweifelhaft; bei den Eriocaulaceen z. B. werden die getrenntgeschlechtlichen Blüten deutlich noch zwitterig angelegt®). Diese Reduktionen sind keine nur theoretisch angenommenen, sondern, wie die angeführten Beispiele zeigen, vielfach entwieklungs- geschichtlich oder durch Übergangsformen noch deutlich nachweisbaren. Sie legen die Annahme eines analogen Vorganges auch in solchen Fällen nahe, wo er nicht mehr direkt zu verfolgen ist. 1) Capeder, Beiträge zur Entwieklungsgeschichte einiger Orchideen. Flora 1898, Bd. LXXXV, pag. 368. 2) Vgl. Schuster, Über die Morphologie der Grasblüte (Flora 1909, Bd. C) und die dort angeführte Literatur. 3) Vgl. Goebel, Über den Bau der Ährehen und Blüten einiger jevanischen Cyperaceen. Ann. du jard. bot. de Buitenzorg 1888, Vol, VII, pag. 120 ft. 4) Vgl. Ronte, Beiträge zur Kenntnis einiger Tropenpflanzen. Flora 1891, Bd. LXXIV, pag. 517 #f. 7* 100 K. Goebel, Morphologische und biologische Bemerkungen. Zusammenfassung. I. Hydrothrix Gardneri besitzt sehr eigentümliche Kurztriebe, deren Sproßachse nur als die Hauptachse (an der die Kurztriebe stehen), umfassender Wulst ausgebildet ist. 2. Die Blätter von Lang- und Kurztrieben sind verschieden, erstere besitzen eine stengelumfassende, mit einer „Axillarstipel“ ver- einigte Scheide, letztere sind scheidenlos. 3. Die Infloreszenzen sind axillär, ihre beiden Blüten scheinbar monandrisch und kleistogam. Der Bau des Androeceums stimmt mit dem von Heteranthera überein, d. h. es sind ein Staubblatt des äußeren Kreises und zwei des inneren entwickelt, letztere hier aber nur als Staminodien, von denen eines auch fehlen kann. 4. Anatomisch zeigt Hydrothrix die typischen Bauverhältnisse submerser Pflanzen. Im Zentralzylinder der Langtriebe ließ sich die Zusammengehörigkeit bestimmter Gefäß- und Siebröhrenteile nicht mehr nachweisen. Bemerkenswert ist das reichliche Vorkommen von Myriophyllinzellen. 5. Die von Hooker erkannte Zugehörigkeit dieser merkwürdigen Wasserpflanze zu den Pontederiaceen findet durch die vorliegenden Untersuchungen Bestätigung. Das Schicksal der Icones Hepaticarum. Nachdem der Unterzeichnete an 500 Interessenten ein Zir- kular verschickt hat, welches zum Abonnement auf die geplanten Ab- bildungen der Hepaticae auffordert, haben sich auf diese Anregung hin 12 Interessenten zum Bezug dieses Werkes bereit erklärt. Es ist also gar kein Interesse für die Icones Hepaticarum vor- handen und das Unternehmen als völlig gescheitert zu betrachten. F. Stephani. Über kontraktile Luftwurzeln, Von M. Nordhausen, Kiel. (Mit 5 Abbildungen im Text.) Die Fähigkeit vieler Wurzeln, sich zu verkürzen, ist eine Er- scheinung, die im Pilanzenreich recht verbreitet: ist. Nachdem zuerst Stroewer (pag. 44) ihr weiteres Vorkommen bei verschiedenen Pflanzen festgestellt hatte, konnte Rimbach (II, pag. 4) auf Grund ausge- dehnter Beobachtungen 70 Spezies aufzählen, die den Mono- und Dikotylen angehören. Stets handelt es sich um krautige, meist aus- dauernde Gewächse. Bei Kryptogamen und phanerogamen Holzpflanzen sind sie bisher nicht festgestellt worden. Die Zugwurzeln der erwähnten Pflanzen sind stets Erdwurzeln }). Morphologisch besitzen sie bald den Charakter von Haupt-(Pfahl-) bzw. Seitenwurzeln, bald den von Adventivwurzeln. Sie können sich strecken- weise bis zu 70°, verkürzen, nehmen dabei aber nicht unbeträchtlich an Dicke zu, Wie zuerst de Vries?) nachwies, findet die Verkürzung außerhalb der eigentlichen Zuwachszone statt und wird hauptsächlich durch die innere Rinde, sowie bei fleischigen Dikotylenwurzeln auch durch das zartwandige Parenchym des sekundären Holzkörpers ver- ursacht, Die übrigen Teile verhalten sich passiv und stehen unter Druckspannung. Einzelne widerstandsfähigere Elemente, wie Leitbündel und Epidermis, werden unter Umständen weilig verbogen, in welch letzterem Falle die Wurzeloberfläche mit Querrunzeln bedeckt erscheint. Es ist verständlich, daß das Vorkommen größerer Mengen dickwandiger und verholzter Zellen im Innern der Wurzel die Verkürzung behindern muß und wie de Vries (pag. 40, 41) und Rimbach (Il, pag. 20) hervorheben, auch augenscheinlich vermieden wird. Von diesem gewöhnlichen Typus der Zugwurzeln weichen gewisse Wurzeln der Moracee Coussapoa Schottii Miq, denen nach meinen Beobachtungen die Fähigkeit, sich zu kontrahieren, ebenfalls zukommt, in einer Reihe von Punkten wesentlich ab, so daß man von einem be: sonderen Typus zu sprechen berechtigt ist. Zunächst handelt es sich 2) Vgl. pag. 124, 2) Ältere Literatur findet sich daselbst angegeben. 102 M. Nordhausen, nämlich um ein Holzgewächs, und zwar einen ansehnlichen Baum. Weiterhin sind die betreffenden Wurzeln typische Luftwurzeln. Sie führen ferner vom Beginn der Kontraktion an, sowie während ihres Verlaufes, der mit dem sekundären Diekenwachstum parallel geht, reichlich dickwandige und verholzte Zellelemente, besonders Holz- und Bastzellen. Am eigenartigsten ist aber der äußere Verlauf der Kon- traktion selbst. Dadurch, daß nämlich stets nur eine Längshälfte einer Wurzel an der Verkürzung teilnimmt, kommt es zur Bildung von mehr oder minder korkzieherartigen Windungen, wie wir sie z. B. bei vielen Banken zu sehen gewohnt sind (vgl. Fig. 4). Wie bei letzteren kommt dann auf indirektem Wege, nach dem Prinzip einer gespannten Spiral- feder, die eigentliche Spannung zustande, ohne daß jedoch, wie dort, eine Kontaktreizbarkeit mitspielte. Meine Beobachtungen stellte ich an zwei Gewächshausexemplaren unseres Palmenhauses an!). Es sind dies zwei Bäume von ca. 3,5 bzw. 4,5 m Höhe. Trotz ihres, offenbar durch die Kultur bedingten, relativ langsamen Wachstums — sie sind ca. 15-20 Jahre alt — 1) Bezüglich der Identifizierung unserer Pflanzen wurden einige Feststellungen nötig, die sich mangels Blüten und Früchten etwas umständlich gestalteten. Sie seien hier kurz wiedergegeben, wobei gleichzeitig den Herren Privatdozent Dr. E. Lehmann und Oberlehrer Dr. E. Pritzel für ihre freundliche Hilfe, sowie den Vorständen des Berliner und Münchener Museums, den Herren Geheimräten Prof. Dr. Engler und Prof. Dr, Radikofer für die leihweise Überlassung von Herbar- material mein verbindlichster Dank ausgesprochen sei. Pflanzen, die mit unseren Kieler Exemplaren durchaus übereinstimmen, wurden bzw. werden z. T. noch jetzt in verschiedenen botanischen Gärten unter ganz verschiedenen Namen kultiviert. Am häufigsten kehrt die Bezeichnung Bro- simum Alicastrums wieder, unter welchem Namen auch bis jetzt die Kieler Pflanzen gingen, ferner: Brosimum microcarpum (München, Berlin), Br. spurium (Petersburg), Ficus spuria (Berlin), Coussapoa Schottii Mig. (Tübingen) usw. Die Zugehörigkeit zu dem letzten, offenbar richtigen Namen (zu Brosimum gehören die Pflanzen nicht. Vgl. Swartz, pag. 17), der auch die Einordnung im Berliner und Münchener Herbar entsprieht, erscheint zunächst nicht ohne weiteres überzeugend, da die meisten der in ihrer Heimat Brasilien gesammelten Pflanzen x. T. recht erheblich von ihnen abweichen, allerdings auch unter sich stark variieren. Nur zwei Exem- plare zeigen eine weitergehende Übereinstimmung (Ule, Herb. Brasil. No. 4862 und Glazion No. 4983, bestimmt von Taubert). In letzter Linie geht die Bestimmung der Kulturpflanzen wohl auf Miquel, den Autor der C. Schottii, zurück, Neben einer var. lanceolata beschreibt er eine var. longifolia und nimmt dabei auf ein tebendes Exemplar des Münchener Gartens Bezug (Miquel, p. 137). Ein Stück eines solchen aus dem Jahre 1835 befindet sich noch jetzt im Münchener Herbar' und stimmt vollständig mit unserer Pflanze überein. — Maßgebend für die Be- Über kontraktile Luftwurzeln. 103 wachen sie mit ihrem glattrindigen Stamm und Ästen und deren regel- mäßiger Verzweigung ganz den Eindruck normal ernährter, durchaus nicht kümmerlicher Pflanzen. In ungefähr 1 m Höhe messen die Stämme 3,5 cm im Durchmesser. Hier liegt auch das Maximum ihrer Dicke, denn nach der Basis zu nimmt diese nicht unerheblich ab, so daß sie z. B. bei der einen Pflanze in ca. 30 cm Höhe nur noch 2 cm beträgt. In entsprechendem Maße sind aber eine größere Zahl kräf- tiger, stelzenartiger Luftwurzeln, die den Stamm stützen, hinzugetreten. Diese bilden nur einen Teil der uns hier näher interessierenden Luft- wurzeln, welche in sehr großer Zahl vorhanden sind und schon äußer- lich der Pflanze ein eigenartiges Gepräge geben. Namentlich im Sommer zeigen sie ein recht lebhaftes Längenwachstum und umkleiden in diehtem, eigenartig lockigem Gewirr den Stamm bis zu 1,25--1,50 m Höhe, gleichsam als ob ein tropischer Epiphyt sich auf ihm angesiedelt hätte (vgl. Fig. 1). Die Mehrzahl von ihnen ist sehr dünn und besitzt nur einen Durchmesser von ca. 0,3—0,8 mm, doch gibt es eine Anzahl dickerer Wurzeln, die einen Durchmesser von 8—10 mm, an ihrer Basis sogar über 15 mm aufweisen. Genauer betrachtet lassen sich, abgesehen von den eigentlichen Erdwurzeln, die in mächtigen Schöpfen aus den unteren Abfilußöffnungen der Kübel hervortreten, zwei Arten von Luftwurzeln unterscheiden. Es sind dies einmal lange Luftwurzeln, die ihren Ursprung direkt aus dem Stamm nehmen und anfänglich senkrecht zu diesem, sehr bald aber in vertikaler Richtung nach unten wachsen und ferner als deren Aus- zweigungen kürzere Seitenwurzein. Beide sind in den jungen Teilen dicht mit äußerst kurzen Wurzelhaaren bekleidet. Die hier nur kurz zu behandelnden Seitenwurzeln werden kaum länger als 10—20 cm und bleiben stets sehr dünn, d. h.0,3—0,6 mm. Sie wachsen in horizontaler Richtung; offenbar sind sie transversal- geotropisch, außerdem aber ausgesprochen negativ heliotropisch. Sie bilden die Hauptmasse des schon erwähnten Wurzelfilzes. Ein Teil von ihnen umklammert auch nach Art der Aroideen-Haftwurzeln den Stamm bzw. dessen Stützpfahl. Hydrotropismus, sowie eine recht weit- gehende Kontaktreizbarkeit, dürften in diesen Fällen ihre Wachstums- stimmung sind die einzelnen, zusammengerollten Stipeln, die eigenartige Behaarung und vor allem die Umrollung des Blattrandes an der Spreitenbasis, Merkmale, die bei unseren Pflanzen charakteristisch hervortreten. — Erwähnt sei noch, daß schon Miquel das Vorkommen von zahlreichen Luftwurzein an den Gewächshausexem- plaren hervorhebt, was auf den später noch genauer zu erwähnenden epiphytischen Charakter unserer Pflanzen hinweist. 104 M. Nordhausen, richtung bestimmt haben. Ohne Unterlage oder Zufuhr von Feuchtig- keit sterben sie bald ab, scheinen aber auch sonst kurzlebig zu sein. Die Stammbasis ist frei von ihnen. Anatomisch sind sie von den übrigen Luftwurzeln nicht merklich verschieden. Biologisch spielen sie wohl die Rolle von Haftwurzeln. Mehr interessieren uns die erstgenannten, längeren Luftwurzeln. Je nach der Höhe, in der sie in akropetaler Reihenfolge am Stamm, vereinzelt auch an der Basis eines Astes, entspringen, besitzen sie sehr verschiedene Längen; die längsten maßen 2,25 m. Normalerweise ge- langen sie bei vertikaler Wachstumsrichtung in den Erdboden, wo sie sich dann reichlich verzweigen. Tatsächlich wurde aber bei unseren Pflanzen dieses Ziel von einer größeren Zahl von Wurzeln überhaupt nicht, oder nicht direkt erreicht. Anscheinend war die nicht immer hin- reichende Luftfeuchtigkeit daran schuld, daß ihre Spitzen nicht selten beschädigt wurden und abstarben. Alsdann bildeten sich allerdings in nächster Nähe eine bis mehrere Ersatzwurzeln, die aber leicht dem- selben Schicksal verfielen, so daß häufig eine längere Wurzel sich aus einer Reihe sympodial verketteter Stücke aufbaut, ähnlich wie dies übrigens an Luftwurzeln infolge anderer traumatischer Einflüsse ver- schiedentlich beobachtet worden ist (vgl. Goebel und W. Docters von Leeuwen). Derartige Wurzeln erscheinen auch im Gegensatz zu den fast kahlen, langen, kräftigen Wurzeln!) als eine korrelative Folge ihres kümmerlichen Spitzenwachstums förmlich übersät von Neben- wurzeln und mit diesen verfilzt. Dabei dürften die Nebenwurzelu nur wenig an eine bestimmte Entstehungsfolge gebunden sein, denn selbst an älteren, sekundär verdiekten Wurzelstücken brachen sie zwischen schon vorhandenen älteren regelmäßig hervor. Physiologisch sind die langen Luftwurzeln stets durch ihr offen- bar positiv geotropisches Wachstum und das Fehlen einer merklichen heliotropischen Reaktion charakterisiert. Nur vereinzelt habe ich einen ganz schwach negativen Heliotropismus konstatieren können, und zwar besonders bei Ersatzwurzeln, was wohl als Rest des ursprünglichen Nebenwurzelcharakters zu deuten war. Außerdem vermögen sie aber auch erheblich in die Dicke zu wachsen, Wie schon früher erwähnt, sind sie ursprünglich sehr dünn, 0,6—0,8 mm, und bleiben es auch, so lange sie nicht mit Fenchtigkeit in Berührung kommen. Sobald sie sich aber im Erdboden eingewurzelt t) Reste von verkümmerten Nebenwurzeln lassen sich aber auch an ihnen stets nachweisen. Über kontraktile Luftwurzeln. haben, nehmen sie, namentlich in ihren Basalteilen, in augenfälliger Weise an Dicke zu. Am leichtesten und schnell- sten wird dies natürlich von den älteren, nahe am Erdboden ent- springenden Wurzeln erreicht, die dann auch ansehnliche Dicke auf- weisen und als Stelzwurzeln funktio- nieren. Letztere gehen übrigens, wiederum an gewisse Epiphyten er- innernd, häufig untereinander Ver- wachsungen ein, die durch das Dieken- wachstum und die dichtgedrängte Lage der Wurzeln an der Stammbasis be- günstigt wird. Eine gewisse Dieken- zunahme läßt sich aber auch dann feststellen, wenn sie zwar nicht in den Erdboden, wohl aber in den schon genannten dichten Wurzelfilz, der den Stamm umkleidet, ein- dringen, wo ihnen naturgemäß nur recht nährstoffarmes Wasser zur Ver- fügung steht. Zu bemerken ist noch, daß nicht selten die Seitenwurzein mehr oder weniger den Charakter der Mautter- wurzel annehmen können. Abgesehen von den früber erwähnten Ersatz- wurzeln geschieht dies regelmäßig, wenn eine längere Wurzel sich im Erdboden fixiert hat. Es entspringen dann nacheinander in einer Höhe von wenigen Zentimetern bis zu fast 1, m über dem Erdboden mehrere Seiten- Fig. 1. Stammpartie des einen Baumes. Eine Anzahl längerer Luftwurzeln und einige Zweige sind fortgelassen. Links einer der angestellten, noch unvollendeten Versuche; eine stärkere Seitenwurzel ist über den Rand des kleinen Topfes nach unten in die Erde des großen Topfes gewachsen. 105 106 M. Nordhausen, wurzeln, welche mehr oder minder steil abwärts in den Erdboden hineinwachsen !) und schnell an Dieke zunehmen, ja, bei günstiger Er- nährung sehr schnell den Spitzenteil der Mutterwurzel an Dicke über- holen (vgl. Fig. 1, Versuchswurzel. Daß sie zur Befestigung der Mutterwurzel wesentlich beitragen, bedarf kaum besonderer Erwäh- nung. Alle längeren Luftwurzeln — möge es ihnen nun gelungen sein, den Erdboden zu erreichen, oder nicht — haben die Eigentümlichkeit, sich von einem gewissen Zeitpunkt an in ihren basalen Abschnitten schein- bar regellos zu verbiegen; auch Seitenwurzeln, die den Charakter von Hauptwurzeln angenommen haben, können sich genau wie diese ver- halten. Dieser Vorgang, der den Wurzeln ein eigenartiges, locken- förmiges Aussehen gibt, erfolgt sehr langsam und erstreckte sich an unseren Pflanzen nachweislich über mehrere Jahre, so daß schon aus diesem Grunde von einer Kontaktreizbarkeit mit Rücksicht auf die äußere Ähnlichkeit mit Ranken nicht die Rede sein kann. An der Verbiegung beteiligt ist hauptsächlich eine Strecke von 1/,—1 m, doch ist eine scharfe Grenze gegenüber dem geraden apikalen Teile nicht zu ziehen. An diesen Stellen ist auch die Cambiumtätigkeit bzw. das sekundäre Dickenwachstum besonders lebhaft. Während beides aber an allen übrigen Teilen der Wurzeln in konzentrischer Weise verläuft, erfolgt es hier ganz einseitig, so daß Holzkörper und Rinde stark ex- zentrisch werden. Die Konkavseite ist die im Wachstum begünstigte bzw. die allein wachsende. Bevor wir auf weitere Einzelheiten eingehen, sei noch in Kürze ein Blick auf die innere Ausgestaltung der Wurzeln geworfen. Anatomisch lassen sich, wie schon gesagt, prinzipiell wichtige Unter- schiede zwischen Haupt- und Seitenwurzeln nicht feststellen?2). Ein Querschnitt durch das primäre Stadium einer längeren Luftwurzel zeigt einen 4—7strahligen Zentralzylinder, der von einer zarten Endodermis umgeben ist. Das Mark, das im Zentrum aus einigen zarteren, nach der Peripherie hin aber aus dickwandigen Zellelementen besteht, sowie der größte Teil der primären Rinde erweisen sich schon frühzeitig verholzt. Aus der Epidermis entspringen eine große Zahl kurzer 1) Nicht selten verfehlen sie ihr Ziel und wachsen über den Topfrand hinaus nach unten, wo sie, wenn möglich, an dem feuchten Boden des Gewächshauses weiterkriechen (vgl. Fig. 1). 2) Es mag darauf hingewiesen sein, daß Keller (pag. 29, 30) bei Brosimum Alicastrum nur geringe Unterschiede zwischen Luft- und Erdwurzeln fand, wie dies auch bei unseren Pflanzen der Fall ist. Über kontraktile Luftwurzeln. 107 Wurzelhaare. In nur wenig älterem Stadium beginnt bereits die Cambiumtätigkeit und erfolgt das Absterben der primären Rinde. Fassen wir zum Vergleich nunmehr eine diekere Wurzel ins Auge, so findet sich innerhalb des Cambiumringes inzwischen ein derber Holzkörper ausgebildet. Er besteht aus gruppenweise zusammen- stehenden, diekwandigen Holzfasern (Libriform), die meist kaum ein Lumen mehr erkennen lassen, ferner aus zerstreut liegenden, weitlumigen Gefäßen und reichlichen Mengen von diekwandigen Parenchymzellen (Holz- und Markstrahlparenchym), die ebenso wie das unverändert ge- bliebene Mark mit ziemlich großen Stärkekörnern voligepfropft sind (vgl. Fig. 2). Die Markstrahlen sind auf dem Querschnitt 1—3-, selten 4reihig. Alle diese Elemente sind verholzt. Außen ist die Rinde von Fig. 2. 8 8 Fig. 3. = Fig. 2, Zur Holzanatomie einer 3 mm dieken Wurzel. @ Teil eines Sektors, der von Markstrahlen begrenzt und einem solchen halbiert wird, Alle parenchymatischen Zellelemente sind farblos, das Libriform punktiert gezeichnet; G@ Gefäße. 2 Libri- formzellen, c Holzparenchymzellen bein stärkerer, doch unter sich gleicher Ver- Fig. 3. Querschnitt durch eine Krühmungssrelle einer ca. 10 mm dicken Wurzel, Periderm umgrenzt. Unter diesem liegen Steinzellen, z. T. als Phello- derm in geschlossenen Reihen, z. T. in lockeren Gruppen mit zart- wandigen Zellen untermischt. Weiterhin folgen nach innen außer Parenchym- und leitenden Prosenchymzellen dickwandige Bastzellen mit kaum sichtbarem Lumen. Wie schon angedeutet, zeichnet sich das Querschnittsbild einer ge- - krümmten Stelle vor dem eines gerade gebliebenen Stückes durch eine außergewöhnlich große Exzentrizität aus. Auf der Konvexseite hat das Cambium nach ganz geringfügiger Tätigkeit sein Wachstum definitiv oder doch zum mindesten für lange Zeit eingestellt. Dementsprechend besteht es nur aus ganz wenigen Zellagen: Libriform- und Bastzellen 108 M. Nordhausen, sind häufig nur durch eine einzige Cambiumzelle getrennt. Größere Gefäße fehlen hier im Xylemteil ganz. Da auf der gegenüberliegenden Konkavseite namentlich bei den in den Erdboden gelangten Wurzeln lebhafteste Cambiumtätigkeit herrscht, so nimmt entsprechend die Exzentrizität mit dem Alter dauernd zu. Bei einer 3,5 mm dicken Wurzel: betrug z. B. das Verhältnis des sekundären Holzzuwachses 8:1, bei einer 10 mm dicken Wurzel 40:1 (vgl. Fig. 3). Die entsprechen- den Werte für die sich im Prinzip ähnlich verhaltende Rinde waren 4:1 bzw. 15:1. Ob hierin später bei sehr dieken Wurzeln in der freien Natur ein Wandel eintritt, bleibe dahingestellt. Naturgemäß sind auf der Konkavseite viel mehr Bast- und Steinzellen vorhanden. Erstere, namentlich aber auch die zartwandigen Elemente der Rinde, zeigen häufig einen merklich größeren Querschnitt als die der Konvex- seite. Vor allem zeigen sich auch die Parenchymzellen in tangentialer Richtung gestreckt und mit nachträglichen Teilungswänden versehen. Auf die äußere Form des Querschnittes wirkt die Exzentrizität in ver- schiedener Weise. Jüngere und kümmerlich wachsende Wurzeln sind z. T. sogar recht erheblich abgeplattet. Kräftigere und ältere Wurzeln zeigen aber meist einen fast runden Querschnitt. Offenbar hängt es mit nachträglichen Torsionen der Wurzel zusammen, wenn nicht selten die Achse der Exzentrizität sich im späteren Verlaufe des Diekenwachs- tums etwas nach einer Seite umbiegt, wie dies an Fig. 3 in geringem Grade, in anderen Fällen schärfer hervortritt. Die Krümmungsstellen der Wurzeln beanspruchen nun auch weiterhin unsere besondere Aufmerksamkeit, da sie den Sitz der eigent- lichen Wurzelkontraktion darstellen. Es ist Klar, daß die ihnen zu- grunde liegenden Wachstumsvorgänge — und um solche kann es sich hier nur handeln — ähnlich wie bei Ranken eine elastische Verkürzung bzw. Zusammenziehung der ganzen Wurzel zur Folge haben müssen, die allerdings anfänglich infolge der großen Biegsamkeit der noch zarten Wurzel zu keiner größeren Spannung führt. Ganz anders, wenn die Wurzelspitze mit der Erde in Berührung geraten und durch Bildung von Erdwurzeln daselbst fixiert!) und somit auch besser ernährt ist. Jetzt treten erhebliche Spannungen auf. Die Wurzeln erscheinen voll- 1) Bei den wenig günstigen Raum. und Kulturbedingungen im Gewächshaus . gelingt dies durchaus nicht immer, zumal die Wurzel, wie ich mich überzeugen konnte, nicht genügend Steifheit besitzt, um sich direkt in den Erdboden einbohren zu können, vielmehr sich mit Hilfe von Wurzelhaaren und kleinen Seitenwurzeln erst ein Widerlager schaffen muß. Es kommt daher nicht selten vor, daß die Wurzeln sich wiederholt losreißen. Über kontraktile Luftwurzeln. 109 kommen straff, ja in ihrem unteren gerade gebliebenen Teil können sie direkt mit den gespannten Saiten eines Musikinstrumentes verglichen werden. Eine ungefähre Vorstellung von dem Maße der Spannung habe ich mir durch Messungen zu verschaffen gesucht. Es wurden einige Wurzeln unweit des Erdbodens durchschnitten bzw. durchsägt. Die Schnittflächen klafften sofort auseinander und es wurde das Ge- wicht bestimmt, welches, am unteren Ende befestigt, die Wurzel so weit wieder dehnte bis der Spalt ganz oder doch annähernd geschlossen war. Bei einer 3—5,5 mm!) dicken Wurzel von fast 2 m Länge, wovon ca. 1 m spiralig gewunden war, waren 700 g nötig, um den l em breiten Spalt zu verschließen. Eine andere 8-10 mm dicke und 1,60 m lange Wurzel (wovon die Hälfte gewunden war), klaffte 8 mm auseinander und 10,5 kg schlossen den Spalt nicht ganz voll- ständig. Da die Belastungsversuche stets mehrmals hintereinander mit gleichem Erfolge wiederholt werden konnten, so war die Elastizitäts- grenze nicht überschritten worden. Zweifellos entsprechen die soeben genannten Werte bei weitem noch keinem Maximum. Sie dürften sicher durch eine andere Wurzel derselben Pflanze, die in ihren Ab- messungen der zuerst genannten gleichkam, aber im Interesse der ganzen Pflanze ebenso wie noch andere nicht verletzt werden sollte, übertroffen werden. Ein 1,5 kg-Gewicht, welches am unteren Ende des gewundenen Teiles angehängt wurde, bewirkte absolut keine meß- bare Verlängerung des oberen oder eine Verkürzung des unteren Teil- stückes 2). Um das Auftreten der Spannungen zeitlich besser verfolgen zu können, wurden im Mai bzw. im Laufe des Sommers eine Reihe von Versuchen angestellt, in denen kleinere, mit Erde gefüllte Blumentöpfe an Holzstützen in einer solehen Höhe angebracht wurden, daß die Spitzen der ursprünglich noch freischwebenden Wurzeln bequem ein- gepflanzt werden konnten, diese selbst aber ganz lose blieben. Diese Wurzeln waren ca. 1-2 m lang und zeigten bereits zahlreiche Spiral- windungen. — Ganz junge Wurzeln standen mir zu wenig zu Gebote und hätten auch zeitlich eine zu weite Ausdehnung des Versuches er- fordert. — Die Spitzen bewurzelten sich in wenigen Tagen. Der Erfolg war, daß allmählich die ursprünglich nach dem Einpflanzen ganz lose und leicht beweglich hängenden Wurzeln im Laufe von 1,—%/, Jahr 1) Gemessen an der dünnsten und der dicksten Stelle. 2) Letzteres war zu dünn und biegsam, um etwa als Stütze zu wirken und damit das Resultat beeinflussen zu können, 110 M. Nordhausen, vollkommen straff gespannt waren. Die Verkürzung selbst läßt sich nun allerdings in Anbetracht der elastischen Dehnbarkeit kaum zahlen- mäßig angeben (vgl. pag. 119), doch genügt die Feststellung, daß z. B. in einem Falle der ganze Wurzelballen, der durch zahlreiche, aus der unteren Topföffnung hervorgetretene Erdwurzeln ziemlich fest mit dem Topf zusammenhing, um ca. 14, cm aus dem Topf herausgehoben worden war, bzw. der Holzstab, an dessen oberem Ende die Wurzel befestigt war (vgl. Fig. 1, links), gewaltsam aus seiner Lotstellung schief gezogen wurde. Inzwischen hatten die Wurzeln naturgemäß an Dicke zugenommen. Z. B. maß die letztgenannte Wurzel in ihren physikalisch unteren Teilen statt 0,8 jetzt 3,5 mm, an der Basis war sie jetzt 5,5 mm dick. Auch die Spiralwindungen hatten nach Ver- gleich mit früher angefertigten Skizzen etwas zugenommen, namentlich nach dem apikalen Ende zu, während in den mittleren Teilen ihre Krümmungsradien sich verkleinert hatten. Diese Beobachtuigen be- stätigen einmal das schon früher Gesagte, daß nämlich die Verkürzung sehr langsam erfolgt; sie lehren ferner, daß Wurzeln von einer Dicke bis zu 7 mm an ihrer Basis sich jedenfalls aktiv verkürzen, vermutlich aber noch weit dickere Wurzeln hierzu befähigt sind. Was die Art der Krümmungen anbelangt, so tritt diese an den straffgespannten Wurzeln besonders deutlich hervor. Es handelt sich um mehr oder minder regelmäßige Spiralen, deren Windungen in den mittleren Partien z. T. sehr eng beieinander liegen können, nach oben, vor allem aber nach dem apikalen unteren Wurzelende zu immer steiler und in größerem Abstande verlaufen, um schließlich kaum merklich in das gerade Stück überzugehen. Die Windungsrichtung bleibt nicht konstant, sondern wechselt an derselben Wurzel häufiger und ist dem- entsprechend durch Umkehrstellen unterbrochen, ähnlich wie dies bei Ranken hinlänglich bekannt ist (vgl. Fig. 4). Ob diese Umkehrstellen ausschließlich eine Folge der Fixierung der Wurzelspitze sind, wie nach Analogie mit den Ranken angenommen werden könnte, erscheint zweifelhaft. Freihängende Wurzeln zeigten sie auch, doch ist immerhin möglich, daß diese sich früher in dem Wurzelfilz etwas verfangen hatten und an Torsionen gehindert worden waren. Mit fortschreitendem Alter ändert sich das Bild einer straff- gespannten Wurzel. Die Fortdauer des exzentrischen Dickenwachstums auf der Konkavseite hat zur Folge, daß die Spiralwindungen auf ihrer Innenseite immer mehr ausgefüllt werden und schließlich ganz ver- schwinden müssen. Die Wurzel geht so einem Zustande entgegen, in welchem sie einem vollkommen zylindrischen, geraden, achsenförmigen Über kontraktile Luftwurzeln. il Organe gleicht. Bei der stärksten, von mir genauer untersuchten längeren Wurzel von 10 mm durchschnittlicher Dicke war dies strecken- weise schon eingetreten, wie aus Fig. 5 hervorgeht‘). Hier war die ursprüngliche Konvexseite nur noch als ein schmaler, glatter, etwas scharfkantig vorspringender Streifen zu erkennen, während auf der Konkavseite die Rinde infolge mecha- nischer Druckwirkungen mehr oder minder wulstartig gestaucht war. An anderen Stellen derselben Wurzel waren die Spi- ralen jedoch noch deutlich erkennbar?). Zunächst glaubte ich, daß diese Wurzel bereits als Stütze funktioniere, d. h. auf Druck in Anspruch genommen werde. Überraschenderweise war dies aber nicht der Fall, denn beim Durchsägen klafften, wie bereits auf pag. 109 angegeben, die Schnittfläcken um 8 mm auseinander. Daß tatsächlich aber die aktive Verkürzung und damit auch schließlich der Spannungs- 1) Diese Wurzel ist auf Fig. 1 nicht mit gezeichnet. 2) Auffällig erscheint es zunächst, daß die allerältesten Stelzwurzeln aus der unteren Stammhälfte, wie Fig. 1 zeigt, noch weit ent- fernt von einer Geradstreckung sind. Abgesehen von etwaigen gegenseitigen Verbiegungen wird man sich vergegenwärtigen müssen, daß diese Wurzeln inzwischen durch das mehrmals erfolgte Umpflanzen des Baumes nicht mehr ihre ur- sprüngliehe Anordnung aufweisen, sondern höchst- wahrscheinlich dabei mehrmals vom Erdboden losgerissen worden sind und Verbiegungen ange- nommen haben, die wegen der Größe ihrer Krüm- mungsradien nur sehr schwer und spät durch Dickenwachstum ausgeglichen werden können. In ähnlicher Lage befinden sich weiter oben am Stamm manche Wurzeln, die ihres kümmerlichen Wachs- tums wegen schon seit Jahren nicht den Erd- boden erreicht haben. Im übrigen wäre es denkbar, daß die ersten kurzen Luftwurzeln sich abweichend verhalten. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 4. Teilstück einer 1,5 m langen Wurzel. (?/, nat. Größe.) Es sind drei Umkehrstellen sicht- bar. Der primäre, einseitig an- haftende Rindenstreifen ist ge- waltsam entfernt worden. Fig. 5. Ein ziemlich gerades Teilstück einer ursprünglich spi- ralig gewundenen Wurzel. Die ehemalige Konvexseite ist als schmaler, etwas kantig vor- springender, glatter Streifen in Gestalt einer Spirale mit zwei Umkehrstellen noch zu erkennen. Die Konkavseite zeigt Querrun- zein und Wülste, sowie abschil- fernde Peridermfetzen. Links eine abgestorbene, merkwürdig nach oben gerichtete Seitenwurzel. 112 M. Nordhausen, zustand einmal verschwinden muß, ist nach allem eine unabweisbare Konsequenz. Ebenso kann es aber auch keinem Zweifel unterliegen, daß solche dicken Wurzeln, die nach der Martiusschen Abbildung (Tafel 29) im Freien recht beträchtlich dick werden können, später als Stützen fungieren. Es wird nunmehr die Frage zu erörtern sein, in welcher Weise die Verkürzung der Wurzel genauer zustande kommt. Wir waren von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Spiralwindungen der Wurzel deren indirekte Ursache darstellen. Die höchst unwahrscheinliche Mög- lichkeit, daß die ganze Wurzel oder mindestens der gerade gebliebene Teil sich als Ganzes zu kontrahieren vermöge, konnte leicht durch die folgende Messung erledigt werden. Es wurden nämlich gelegentlich der auf pag. 109 erwähnten Kontraktionsversuche beim Einpflanzen die gerade gebliebenen, apikal gelegenen Teile der Wurzeln nach Anbringung zweier möglichst weit voneinander entfernter Marken (im Maximum 98 cm) gemessen. Nach Ablauf von /,—®/, Jahren waren trotz nach- weislich sehr deutlicher Verkürzung keine merklichen Längenänderungen zu verzeichnen. Die Kontraktionsfähigkeit der Wurzeln konnte somit nur auf ihre basalwärts gelegenen Teile beschränkt gewesen sein, eine Eigentümlichkeit, die übrigens den meisten typischen Zugwurzeln zukommt. Unser Hauptaugenmerk hat sich demnach auf das Zustandekommen der Spiralkrümmungen selbst zu richten. Da kein Anhaltspunkt vor- liegt, etwa besondere physikalische Eigentümlichkeiten der derben Zell- membranen des Holzkörpers dafür verantwortlich zu machen, so bleibt allein die Annahme von typischen Wachstumsvorgängen übrig, für die die zartwandigen Gewebe der sekundären Rinde und vor allem des Cambiums in Betracht kämen. Hierauf deutet ja auch ohne weiteres die eigenartige Parallele zwischen Krümmung und regerer Cambium- tätigkeit, auf die schon früher hingewiesen worden war. Da den Krünmungen Längenänderungen zweier antagonistischer Seiten zugrunde liegen müssen!), so ergeben sich theoretisch drei Möglichkeiten: 1. Verlängerung der Konvexseite 2. Verkürzung der Konkavseite. 3. Kombination von 1. und 2. Am einfachsten, so sollte man meinen, wäre natürlich die Entscheidung durch direkte, exakte 1) Im Folgenden will ich mich nur auf dieses Problem beschränken, dagegen gewisse, für das Zustandekommen von Spiralwindungen zwar wichtige, aber sehr komplizierte Nebenfragen beiseite lassen. Als solche kämen z. B. in Betracht, in- wieweit die antagonistischen Flanken keine geraden Linien, sondern homodrome Spiralen darstelien, ob Torsionen vorkommen und wodurch sie bedingt sind usw. Über kontraktile Luftwurzein, 113 Messungen der beiden Seiten zu treffen gewesen. Berücksichtigt man aber, daß die hierfür anzubringenden Marken bei der zwischen ca. 1, und 1 mm liegenden Dicke der jungen Wurzeln ganz besonders genau sein, und, um überhaupt stärkere Krümmungen abzuwarten, daselbst ein bis mehrere Jahre hindurch verbleiben müßten, daß ferner die primäre Rinde mittlerweile abstirbt, so wird man diese Methode als unsicher und undurchführbar verwerfen. Indessen können wir auch auf andere Weise zu einer sicheren Entscheidung gelangen. Schon eine nähere Betrachtung der anatomischen Verhältnisse einer etwas älteren, gekrümmten Wurzel läßt eine Verlängerung und aktive Beteiligung der Konvexseite so gut wie ausgeschlossen erscheinen. Dieser Teil der Wurzel befindet sich andauernd seit dem primären Stadium in fast vollkommener Ruhe. Die nur kleine Zalıl von Rinden- und Cambiumzellen erscheint für größere Kraftleistungen durchaus un- geeignet und läßt selbst auf dem Längsschnitt keinerlei Spuren beson- ders regen Wachstums und Zellteilungen erkennen. Vor allem machen aber die vorhandenen Bastzellen und der hier dicht an die Peripherie herantretende Holzkörper eine erheblichere Verlängerung ganz unmög- lich. Wesentlich günstiger liegen die Verhältnisse dagegen auf der Konkavseite. Es ist ein mächtiges Rindengewebe vorhanden und das vielschichtige Cambium in regster Tätigkeit. Da es sich hier nur um eine Kontraktion handeln kann, so würden die allerdings ebenfalls vor- handenen Bastzellen insofern nicht stören, als sie zerstreut liegen und einem Druck in der Längsrichtung wenig Widerstand entgegenzusetzen vermögen. Genauere Schlußfolgerungen ermöglicht die Betrachtung der pri- mären Rinde. Wie schon erwähnt, stirbt diese sehr frühzeitig ab, bleibt aber noch lange an der Wurzel erhalten. Sobald nun das einseitige Diekenwachstum und damit auch die Krümmung der Wurzel einsetzt, platzt sie auf der Konkavseite auf und bleibt als aufgeschlitzte Röhre auf der Konvexseite sitzen. Infolge der ursprünglichen Verwachsung mit dem Zentralzylinder haftet sie hier noch lange recht fest. Selbst an ziemlich dieken und sehr stark gebogenen Wurzeln kann man sie daselbst noch in langen Streifen vorfinden; erst später wird sie schließ- lich ganz abgestreift. Diese Rindenstreifen bilden nun einen guten Maßstab für die ursprüngliche Länge des betreffenden Wurzelstückes. Aus ihrer äußerst labilen Gleichgewichtslage wären sie bei der ge Fingsten Spannungsdifferenz, wie sie notwendigerweise entstehen müßte, wenn die darunterliegende Konvexflanke der Wurzel sich nachträglich verlängerte, seitlich herabgeglitten, was übrigens an ganz besonders "Flora, Bd. 105, 8 114 M. Nordhausen, scharf gekrümmten Wurzelstellen auch tatsächlich eintreten kann, weil passive Spannungen sich naturgemäß immer etwas geltend machen. Allerdings ist dieser primäre Rindenstreifen streng genommen wohl kein ganz unveränderlicher Maßstab, denn er dürfte bei Wasserverlust, d. h. beim Absterben, die Tendenz haben, sich zu verkürzen, dagegen nicht, sich zu verlängern. Somit kann auch unbedenklich die Schluß- folgerung gezogen werden, daß die Konvexseite der gekrümmten Wurzeln sich seit dem primären Stadium nicht wesentlich und nicht aktiv verlängert hat. Weitere Belege liefert uns das anatomische Verhalten des Wurzel- körpers, Fertigen wir durch ein stark gekrümmtes Wurzelstück einen medianen Längsschnitt, so fallen an den peripher gelegenen Zellen, d. h. dem Periderm, Phellogen und der äußeren Rinde, sehr deutliche Längenunterschiede auf, die ungefähr dem Verhältnis der zugehörigen Krümmungsradien entsprechen: Auf der Konkavseite sind sie wesentlich kleiner als auf der Konvexseite. Beispielsweise zeigten an einer stark gekrümmten Wurzelstelle die Zellen der inneren Korkschicht eine durch- schnittliche Länge von 0,5 Teilstrichen auf der Konkav- und von 1,18 Teilstrichen auf der Konvexseite. Hierbei sei daran erinnert, daß die Peridermzellen denen des Phellogens an Längenausdehnung entsprechen, welch letzteres aus dem Pericambium hervorgegangen ist. Die darunter- liegenden Rindenzellen bzw. die später nach und nach entstandenen Steinzellen verhalten sich im Prinzip gleich; beide zeigen auf der Konkavseite bei unregelmäßiger Orientierung meist runde bis schwach ovale Umrißformen, während sie auf der Konvexseite gestreckten Vier- oder Sechsecken ähneln. Alle diese Unterschiede würden nun an und für sich noch nicht ausreichen, irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen, und ich kann daher auch nicht Baranetzky (pag. 193, 213) folgen, wenn er auf Grund ähnlicher Beobachtungen die geotropischen Krümmungen mehrjähriger Holzsprosse auf eine Verlängerung der Konvexrinde zurückführt. Wir müssen vorerst gerade Stücke desselben Organs, womöglich aus nächster Nähe der Krümmungsstelle, zum Ver- gleich heranziehen ). An unserer Wurzel zeigte das Periderm an den betreffenden Stellen, auf zwei gegenüberliegenden Seiten, durchschnitt- liche Zeilängen von 1,17 und 1,28, die Rindenzellen entsprechende Werte. Messungen dieser Art wurden verschiedentlich an mehreren Wurzeln mit gleichem Resultat wiederholt. Sieht man von den un- 1) Hierzu eignen sich sowohl die dickeren, basalwärts gelegenen Teile, als auch die mehr apikal gelegenen, dünneren Partien der Wurzel. Über kontraktile Luftwurzeln. 115 ausbleiblichen kleineren Differenzen ab, so folgt hieraus deutlich, daß die Zellen der Konvexseite gegenüber den gerade gebliebenen Wurzel- strecken sich nicht verändert haben, daß dagegen die Konkavseite sich mit ihren Zellen verkürzt hat. Etwa in letzterem Falle außergewöhnliche Zellteilungen anzunehmen, wäre durchaus unbegründet und zwecklos. Mit dem Vorstehenden stimmt durchaus überein, was auch äußerlich an dem Periderm zu beobachten ist. Auf der Konvexseite — bei dickeren Wurzeln in Gestalt eines schmalen Streifens — erscheint es vollkommen glatt, ohne die geringsten Spuren von Zerreißungen oder Abschilferungen zu zeigen, genau wie dies auch an dünneren, geraden Wurzelpartien der Fall ist (vgl. Fig. 5). Bei der bekannten geringen Elastizität der Korkmembranen, die nach Schwendener (pag. 140) durchschnittlich meist nur 2%, ausmacht, würde aber beides schon bei geringer Krüm- mung zu erwarten sein, wenn daselbst wirklich eine Längsdehnung stattgefunden hätte. Im Gegensatz hierzu sieht man auf der Konkav- seite schon mit bloßem Auge eine deutliche Ablösung feiner Kork- lamellen, die eine Folge der tatsächlich eingetretenen Kontraktion dar- stellt. Übrigens findet Borkenbildung nicht statt. Hinzu kommt noch, daß an stark gekrümmten, dickeren Wurzeln die Konkavseite mit zahl- reichen feinen Querrunzeln, ja selbst Querwülsten bedeckt ist, wie dies an den gewöhnlichen typischen Zugwurzeln so häufig beobachtet wird. Es beweist dies, daß zum mindesten in etwas älteren Stadien, wenn nicht überhaupt, die inneren Rindenschichten bzw. das Cambium sich stärker verkürzen als die äußeren Rindenschichten, die somit gleich- zeitig passiv etwas zusammengedrückt werden können. Dies ist eigent- lich insofern auch leicht verständlich, als das Periderm und die darunter sich allmählich immer mehr anhäufenden Steinzellen einen wachsenden passiven Widerstand leisten. Übrigens wiederholen die letzteren ziemlich genau das Verhalten des Periderms. Auf der Konkavseite, wo sie eine mehrschichtige Lage bilden, ist diese unter Umständen mehr oder weniger wellig verbogen, ja an besonders dicken Wurzeln (10 mm) schollenartig zerklüftet, wobei die einzelnen Teilstücke sich übereinander schieben oder ihre Ränder sich gegeneinander aufrichten können). Auf der Konvexseite dagegen ist nur eine wenige Zellagen tiefe, voll- kommen regelmäßig zusammenhängende Schicht vorhanden, die wie- derum keine Spuren einer stattgehabten Zerreißung, wie sie bekanntlich bei manchen Pflanzen tatsächlich beobachtet wird, erkennen läßt. 1) Sehr wahrscheinlich dürften in solchen Fällen einzelne Reihen des Phello- gens zugrunde gehen. gr 116 M. Nordhausen, Für genauere Messungen, wie sie oben ausgeführt wurden, eignen sich die übrigen Zellelemente der Wurzel wenig und zwar deshalb, weil sie meist Prosenchym darstellen bzw. sich direkt oder indirekt aus dem prosenchymatischen Cambium ableiten und daher zu gleitendem Wachstum und sekundären Längenänderungen befähigt erscheinen. Bei den Markstrahlen bot ihr selten gerader Verlauf Schwierigkeiten, längere zusammenhängende Reihen auf Radialschnitten zu erhalten. Im übrigen ist bemerkenswert, daß selbst an stark gekrümmten Wurzelstellen die einzelnen Elemente des Holzkörpers auf Quer- und Längsschnitten stets genau so gleichmäßig und regelmäßig angeordnet sind, wie an geraden Wurzeln. Verlagerungen oder Verbiegungen, speziell der Libriformzellen und Gefäße, wie sie bei einer aktiven Betätigung der parenchymatischen Holzelemente erwartet werden müßte, fehlen durch- aus. Dagegen gaben noch die Bastzellen einen gewissen Aufschluß. Fertigt man tangentiale Längsschnitte durch die innere Rinde in der Nachbarschaft des Cambiums an, so findet man die Bastzellstränge un- abhängig von dem Vorhandensein einer Wurzelkrümmung stets in Form eines Netzwerkes angeordnet, dessen Maschen ganz schmale und lang- gestreckte Rhomben darstellen. Liegen die Schnitte mehr peripher, so erscheinen z. B. auf der Konvexseite einer gekrümmten Wurzel die Rhomben deutlich breiter: als notwendige Folge der mit jedem Dicken- wachstum parallel gehenden tangentialen Ausdehnung. Auf der gegen- überliegenden Konkavseite dagegen erweisen sich die Maschen unter gleichen Umständen nicht nur viel breiter, sondern auch absolut kürzer und die einzelnen Baststränge häufig mehr oder minder verbogen. Es sind dies im Prinzip offenbar ähnliche Verbiegungen, wie sie besonders an den Gefäßsträngen innerhalb sich kontrahierender Gewebe von typischen Zugwurzeln häufig gefunden und als Beweismittel für die stattgehabte Verkürzung angesehen werden. Das Ergebnis unserer Beobachtungen läßt sich dahin zusammen- fassen, daß die Krümmung der Wurzel durch eine aktive Verkürzung der sekundären Rinde und vor allem des Cambiums auf der Konkav- seite zustande kommt, während die Konvexseite sich unverändert ver- hält, jedenfalls nicht aktiv an Länge zunimmt. Es wäre nun nicht unerwünscht gewesen, zur Kontrolle näheres über die in den ge krümmten Wurzeistellen bestehenden Gewebespannungen zu erfahren. Leider scheiterten dahingehende Versuche. Die Heterogenität der Ge- webe und die Schwierigkeit, längere Gewebestreifen einwandfrei zu isolieren, zeitigten so widerspruchsvolle Resultate, daß auf deren Wiedergabe verzichtet werden kann. Auch eine Prüfung des optischen Über kontraktile Luftwurzein, 117 Verhaltens der Zellmembranen ergab keine verwertbaren Anhalts- punkte. War im Vorstehenden die Tatsache der Gewebeverkürzung auf der Konkavseite der Spiralkrimmungen festgestellt worden, so entsteht nunmehr die schwierige Frage, wie die Verkürzung im Einzelnen zustande kommt. Eine definitive Auskunft werden wir allerdings in unserem Falle um so weniger erwarten dürfen, als selbst die viel einfacher liegenden, typischen Beispiele, wie sie de Vries und Rim- bach untersuchten, uns solche bisher nicht gebracht haben. Ein wichtiger Punkt darf jedoch auch für unsern Fall als geklärt betrachtet werden, nämlich, daß ebenso, wie in jenen Beispielen die Kontraktion mit einer Formänderung aktiv sich verkürzender Zellen, d. h. speziell einer Ausdehnung in der Querriehtung verknüpft ist‘), Auf dem Querschnittbilde war dies bei einzelnen Zellelementen unter Ver- gleich mit denen der Konvexseite durch Messung direkt feststellbar gewesen. Wenn solche Unterschiede in anderen Fällen, wie z. B. beim Periderm fehlten, so zeigt dies nur, daß durch nachträgliche Zell- teilungen die Zellgröße dauernd auf einem bestimmten Niveau gehalten wurde. Die Vergrößerung als solche ist natürlich schon allein mit der Vergrößerung des Wurzelquerschnittes durch die rege Cambiumtätigkeit der Konkavseite gegeben. Den Cambiumzellen und deren Nachbarn dürften übrigens nach früheren Angaben, sowie nach Analogie mit den de Vries’schen Beobachtungen an Dikotylen-Wurzeln gegenüber den übrigen Rindenzellen das größere Arbeitspensum zufallen. Auch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß in unserem Beispiel typische Wachstumsvorgänge und nicht etwa Herabsetzung des Turgors der Verkürzung der einzelnen Zellen zugrunde liegt. Theoretisch sind mit der hier vertretenen Anschauung die auf unseren speziellen Fall anwendbaren Erklärungsmöglichkeiten allerdings noch nicht erschöpft. Suchen wir nach anderen, etwa vergleichbaren Wachstumsvorgängen im Pflanzenreich, so dürften sich unverkennbare Beziehungen zu den geotropischen Krümmungen mehrjähriger Holz- sprosse ergeben. Wie von verschiedenen Seiten exakt nachgewiesen, handelt es sich dort wie in unserem Falle um nachträgliche Wachs- tumsvorgänge außerhalb der eigentlichen Zuwachszone und zwar in einem Stadium, wo ebenfalls im Innern reichliche Holzelemente vor- handen sind. Eine passende Erklärung liegt bis jetzt nicht vor, denn 1) Erinnernd an das Verhalten elastischer Körper, z. B. Kautschuk. Betreffs weiterer Literatur usw. vgl. Pfeffer, pag. 16. 118 M. Nordhausen, die Angabe Baranetzky’s (pag. 193), daß die Rinde der Konvex- (Unter)seite sich aktiv verlängere, wird, wie schon weiter oben be- sprochen wurde, durch seine Messungen nicht erwiesen. Dagegen hat Jost (pag. 22) die Vermutung ausgesprochen, daß Verlängerung des Cambiums') auf der einen und Verkürzung desselben auf der anderen Seite zu gleicher Zeit wirksam sein könnten. Uns interessiert hierbei, daß Jost bezüglich der Verkürzung ganz bestimmte Wachstums- vorgänge im Auge hat, die von ihm an ganz anderen Objekten näher studiert worden sind und hier kurz besprochen werden sollen. Das sekundäre Dickenwachstum der Holzgewächse bringt in den Winkeln ober- und unterhalb eines Astansatzes gewisse Komplikationen mit sich, die auf einen Platzmangel für die sekundär entstehenden Zellen, in erster Linie der Rinde, hinauslaufen und wie Jost nach- weisen konnte, vor allem durch eine entsprechende Flächenverkleinerung bzw. -verkürzung des Cambiums ausgeglichen wird. Praktisch kommt das letztere nach Jost (pag. 7) entweder durch Wellung des ganzen Cambiums oder durch Schief- bzw. Querlagerung seiner einzelnen Zellen oder durch Gleiten derselben aufeinander zustande. Die beiden ersten, anatomisch leicht nachweisbaren Fälle schalten für unsere Wurzeln ganz aus, dagegen bedarf die letztgenannte Möglichkeit einer Prüfung. Jost nimmt an, daß durch „gleitendes Wachstum“ der einzelnen Cambiumzellen diese sich in der Längsrichtung zwischen- einander zu schieben vermögen, wodurch das ganze Gewebe eine Ver- kürzung erfährt, die einzelne Zelle aber unter Umständen gleichzeitig an Länge zunehmen kann. Ausdrücklich wird bier die Frage offen ge- lassen, ob die einzelne Zelle nur an ihrer Spitze oder mit ihrer Gesamt- oberfläche zu gleiten vermag; meines Erachtens bleibt aber keine Wahl: Eine Gewebeverkürzung kann doch theoretisch nur durch eine Ver- schiebung bzw. ein Gleiten der ganzen Zelle auf ihren Längswänden bewirkt werden. Hiermit ist aber auch die Anwendbarkeit dieser Erklärung auf unser Wurzelproblem in negativem Sinne entschieden. Während dort die Verkürzung des Cambiums gewissermaßen als Folge äußerer Druckwirkungen, die durch den festen Widerstand von Ast und Stamm gegenüber den Ausdehnungsbestrebungen des Cambiums bedingt ist, also rein passiv zustande kommt, liegen in unserem Falle die Verhältnisse gerade umgekehrt. Die Verkürzung ruft die dem Astwinkel entsprechende Krümmung aktiv hervor und leistet dem- 1) Die Vermutung, daß das Cambium hierbei überhaupt eine aktive Rolle spielt, ist noch von verschiedenen Seiten ausgesprochen worden (vgl. Frank, pag. 471; Hartig, pag. 85). Über kontraktile Luftwurzeln. 119 entsprechend Arbeit. Hier würde die Kraftquelle fehlen, die ja im Gleiten nicht liegen kann, im Gegenteil durch dieses direkt gehindert würde. Sie muß demnach wo anders gesucht werden, eben in der be- schriebenen Kontraktion der einzelnen Zellen !). Die Ähnlichkeit zwischen den Kontraktionsvorgängen bei unseren Wurzeln und denen der typischen Zugwurzeln legt es nahe, einen zahlenmäßigen Vergleich über die Leistungsfähigkeit beider anzu- stellen. Hierbei muß aber in unserem Falle genau unterschieden werden zwischen der Verkürzung der Wurzel als Ganzes und der ein- seitigen Kontraktion der Konkavseite einer Krümmungsstelle. Wie weit die erstere gehen kann, lehrt eine einfache Messung der absoluten Länge einer Wurzel und der kürzesten Entfernung ihrer Endpunkte. Bei gespannten Wurzeln ist sie natürlick viel kleiner als bei frei- hängenden, fast spannungslosen Wurzeln. Im ersten Falle wurden 2. B. 23%, im zweiten Falle 57 %, Verkürzung nachgewiesen und zwar unter alleiniger Berücksichtigung des spiralig gewundenen Teiles. Selbstverständlich werden derartige Werte stets enorm variieren, denn die Art der Verkürzung hängt von dem Verlauf der Spiralkrümmungen 1) In Anbetracht der mehr passiven Rolle, welche die einzelnen, Cambium- zellen bezüglich des Gleitens in der Astwinkelfrage spielen, würden die Bedenken gegen ein solches auf der ganzen Zelloberfläche, welche ich gegenüber dem typischen gleitenden Wachstum von Libriformzelien, Gefäßen usw. in einer früheren Arbeit (N., pag. 48) erhoben hatte, wohl fortfallen können. Indessen möchte ich doch glauben, daß hier oder zum mindesten bei den aktiven Krümmungsvorgängen ver- holzter Sprosse, vorausgesetzt, daB bei ihnen, wie ich annehmen möchte, ebenso wie bei unserer Wurzel Gewebeverkürzungen nachgewiesen werden sollten, ein Gleiten mit Spitzenwachstum den Tatsachen besser gerecht wird, unter der Voraussetzung, daß gleichzeitig eine Zellverkürzung in dem früher behandelten Sinne angenommen würde. Die Möglichkeit einer Zellverkürzung bat zwar Jost Ipag. 5) für die Cambiumzellen ebenfalla erwogen, jedoch abgelehnt, als sich herausstellte, daß diese nach dem Verhalten der Gefäße bzw. Tracheiden zu schließen sich häufig trotz der Gesamtverkürzung des Cambiums sogar verlängert hatten. (Eine allmähliche Längen- zunahme von Gefäßen und Tracheiden [Kiefer] vom Zentrum nach der Peripherie des Holzkörpers wird auch an geraden Stammstücken beobachtet und beruht nach Jost offenbar auf gleitendem Wachstum seitens der Cambiumzellen.) Längen- wachstum und Verkürzung brauchen aber meines Erachtens durchaus »icht in Widerspruch miteinander zu stehen. Jede typische Zugwurzel zeigt, daß ein pflanzliches Organ sich verkürzen und trotzdem im ganzen recht erheblich an Länge zunehmen kann, wenn nur beides zeitlich oder räumlich getrennt voneinander erfolgt. Die Verlängerung der Cambiumzellen durch gleitendes Wachstum würde sogar die scheinbar paradoxe Möglichkeit zulassen, daß jede von ihnen sich im Laufe der Zeit um einen Betrag verkürzen kann, der, absolut genommen, ihre ur- sprüngliche Größe übertrifft. 120 M. Nordhausen, ab und wird dementsprechend nicht allein durch die Größe der je- weiligen Krümmungsradien, sondern auch durch andere, kompliziertere, mechanische Momente, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, bedingt. Im engeren Sinne vergleichbar mit den typischen Zugwurzeln sind aber erst die zweitgenannten Gewebekontraktionen. An unseren Wurzeln sind sie leicht zu bereelinen, wenn der Krümmungsradius und die Dicke des betreffenden Wurzelstückes bekannt und die Konvexseite gemäß früheren Beobachtungen als unveränderlich angenommen wird. Wählen wir z. B. eine etwas stärkere, jedoch noch nicht maximale Krümmung mit einem äußeren Krümmungsradius von 1 cm und einer Wurzeldicke von 25 mm, so ergibt dies eine Verkürzung von 25% auf der inneren Peripherie. In Anbetracht dessen, daß dieser Fall schon etwas oberhalb des Durchschnitts liegt, kann diese Leistung gegenüber der mancher Zugwurzeln mit Maximalleistungen von 70% zwar nur als mäßig, immerhin aber vielen anderen als ebenbürtig be- zeichnet werden. Lohnend wäre es gewesen, einen Vergleich über die Kraftleistungen beider Wurzelarten anzustellen. Leider fehlen Zahlenangaben für die typischen Zugwurzeln und stellen sich in unserem Falle ihrer Berech- nung z. T. sehr erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Einerseits hatten wir zwar festgestellt, welche Spannungen, in Gramm ausgedrückt, eine Wurzel als Ganzes annehmen kann (vgl. pag. 109), wobei es sich, wie angedeutet, nicht um Maximalwerte handelte. Andererseits müssen wir berücksichtigen, daß, entsprechend dem mechanischen Prinzip einer Spiralfeder, diese Spannungen nur einen Bruchteil derjenigen repräsen- tieren, die an jedem kleinen Teilstück der Wurzeln von den von uns genauer studierten Wachstumsvorgängen direkt oder indirekt über- wunden werden müssen. Letztere, die erst in engerem Sinne mit den Leistungen der typischen Zugwurzeln verglichen werden könnten, müssen also recht beträchtliche sein, um so mehr als der sich größtenteils wohl passiv verhaltende Holzkörper mit gebogen bzw. tordiert!) werden muß. Allerdings darf man gerade diese Leistung insofern nicht allzusehr überschätzen, als ein größerer Teil der Zellen des Holzkörpers bereits in einer der jeweiligen Krümmung der Wurzel angepaßten Größe aus dem Cambium hervorgeht und demnach späterhin nur wenig Wider- stand leistet. Im übrigen wissen wir aus der gewerblichen Praxis, daß Holz unter geeigneten Bedingungen sehr weitgehende Formänderungen 1) Torsionsspannungen spielen bekanntlich bei der Inanspruchnahme von Spiral-(Schrauben-) Federn eine hervorragende Rolle. Über kontraktile Luftwurzeln. 121 zuläßt und späterhin beibehalten kann, was auch bei unseren Wurzeln zutreffen dürfte. Auch läßt sich feststellen, daß der recht erheblichen Festigkeit des Holzes der Coussapoa-Wurzeln, wie sie beim Anfertigen mikroskopischer Präparate oder beim Durchschneiden einer Wurzel zum Ausdruck kommt, eine gewisse Biegsamkeit gegenüber steht, die auf der gruppenweisen Isolierung der Libriformfasern beruhen dürfte. Immerhin wird aber wohl von einer gewissen Dicke der Wurzel an der Widerstand des Holzkörpers mit die Ursache bilden, daß die Ein- krümmung schließlich einmal zum Stillstand kommt und die weiter an- haltende Cambiumtätigkeit auf der Konkavseite sich nur noch darauf beschränkt, die Krümmungen auszufüllen und die Wurzel zu einem geraden zylindrischen Organ zu machen. Notwendigerweise muß aber auch jetzt noch für längere Zeit hier die Verkürzung weiter anhalten, wobei sich ganz ähnliche Verhältnisse ergeben wie die von Jost stu- dierten Wachstumsvorgänge an den Astansätzen. Auch kann als Parallele an die Beobachtung Ursprungs (pag. 324) erinnert werden, wonach gekrümmte, mehrjährige Holzsprosse durch einseitig gefördertes Diekenwachstum die Konkavseite auszufüllen bestrebt sind. Zum Schluß wäre noch die biologische Bedeutung der Wurzel- verkürzung zu erörtern. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß den in Frage kommenden Luftwurzeln unserer Pflanze eine doppelte Be- deutung zukommt. Einmal fungieren sie als Nährwurzeln, worauf die ansehnlichen Gefäße, namentlich bei guter Ernährung, sowie die Fähig- keit, sich reichlich im Erdboden zu bewurzeln, hindeuten. Sodann dürften sie aber auch in mechanischem Sinne zur Festigung der Pflanze beitragen, ähnlich wie dies unter anderen z. B. bei der nahe verwandten Gattung Ficus in besonders auffälliger Weise durch Stützwurzeln ge- schieht. Für die unteren Luftwurzeln war dies ja an unseren Gewächs- hausexemplaren schon ohne weiteres zu erkennen: Als Stelzwurzeln dienen sie zur Unterstützung des nach unten sich verjüngenden Stammes und bilden durch teilweise Verwachsungen untereinander sogar ein festeres Gerüst. Die höher über dem Erdboden entspringenden, dem- entsprechend längeren und ganz frei verlaufenden Luftwurzeln sind allerdings der Mehrzahl nach noch zu dünn, um mechanischen An- sprüchen in bezug auf Druck zu gentigen, jedoch zeigten einige von ihnen, daß auch sie zu erheblicher Dicke gelangen können, die unter natürlichen Bedingungen, wie die schon zitierte Abbildung‘) von —_ 1) Für weitergehende Entscheidungen reicht diese Abbildung allerdings nicht aus, 122 M. Nordhausen, Martius lehrt, naturgemäß viel weiter geht und dementsprechend er- höhte Leistungsfähigkeit gegenüber den doch immerhin etwas kümmer- lichen Gewächshausexemplaren zur Folge hat. Größere Klarheit gewinnen wir, wenn wir die natürlichen Lebens- bedingungen unserer Pflanze, über die einigermaßen brauchbare An- gaben!) vorliegen, berücksichtigen. Nach diesen sind verschiedene Coussapoa-Arten, darunter C. Schottii, ansehnliche, baumartige Gewächse, die nach dem bekannten Beispiel vieler Ficus-Arten in der Jugend als Epiphyten sich auf anderen Bäumen ansiedeln und späterhin durch lange Nährwurzeln mit dem Erdboden in Berührung treten). Ein Teil von diesen umkleidet den Stamm der Wirtspflanze und bildet mittelst seitlicher Haftwurzeln und gegenseitiger Verwachsungen ein dichtes Gewebe, ein anderer Teil verläuft vollständig frei. In extremen Fällen wird die Wirtspflanze erstickt und der Baum ruht jetzt selbständig auf seinem als Stelzwurzeln dienenden Wurzelsystem. Speziell zu diesen sogenannten Baumwürgern gehört auch unsere C. Schotti. Eine ältere handschriftliche Notiz im Kieler Herbar (Herb. Lucae), die offenbar von dem Sammler Luschnath herrührt, stellt direkt in diesem Punkt die Ähnlichkeit mit den baumwürgenden Feigen fest®). Die Bedeutung der Wurzelkontraktion steht nun offenbar in engem Zusammenhange mit der Funktionsänderung der Nährwurzeln, indem diese gleichzeitig die Rolle von Stützwurzeln übernehmen. Von einer zweckentsprechenden Stütze müssen zum mindesten zwei Forderungen erfüllt sein: Biegungsfestigkeit und geradegestreckte Form ihrer Achse. Die erste Eigenschaft geht bekanntlich den Wurzeln im allgemeinen ab und findet sich nur in bestimmten Fällen, wie den übrigens nur kurzen und relativ dicken Stelzwurzeln des Mais, Pandanus usw. von vornherein verwirklicht. In unseren und ähnlichen Beispielen sind da- gegen die langen Luftwurzeln ursprünglich mehr oder weniger dünn und biegsam, ja bindfadenartig und können ihre Biegungsfestigkeit erst durch sekundäres Diekenwachstun allmählich erreichen. Zweifellos kommt aber auch den schon für unsere Pflanze erwähnten Verwach- 1) Diese Angaben dürften hinreichenden Ersatz für den Mangel eigener An- schauung bieten. 2) Schimper (I, pag. 343) bezeichnet sie als Hemiepiphyten. Übrigens wird Coussapoa von ihm gelegentlich genannt (I, pag. 16, 60). 3) Daß unsere Pflanze auch als selbständiger Baum gedeihen kann, wie unsere Gewächshausexemplare zeigen, darf nicht überraschen, denn diese Fähigkeit besitzt z. B. auch Fieus elastica. Man wird sich übrigens auch stets gegenwärtig halten müssen, daß unsere Gewächshauspflanzen zweifellos aus ehemaligen Steck- lingen erwachsen sind. Über kontraktile Luftwurzeln. 123 sungen der Wurzeln, die bei den Gattungen Ficus, Clusia usw, besonders typisch gefunden werden, in letzterer Hinsicht Bedeutung zu, insofern als diese ein biegungsfestes Gerüst bilden. Es wäre möglich, daß in unserem Falle die Spannung der langen Wurzeln durch ihre schnürende Wirkung die Verwachsung in gleicher Weise fördern, wie dies die Haftwurzeln tun. Die zweite Forderung hängt mit der Biegungsfestigkeit eng zu- sammen. Wenn z. B. eine Pandanuswurzel auf den Erdboden trifft, so gelingt es ihr leicht in diesen einzudringen, ohne ihre Form zu verändern. Sie kann auch sofort als Stütze fungieren. Anders bei solchen Pflanzen, deren Luftwurzeln bei großer Länge nur einen relativ kleinen Durchmesser habe. Berühren z. B. die dünnen Coussapoa- Wurzeln den Erdboden, so fehlt es ihnen an einem geeigneten Wider- lager, um direkt eindringen zu können; sie biegen sich um, um erst später nach Festheftung mit Wurzelhaaren und Seitenwurzeln ihr Ziel zu erreichen. Selbst wenn die Wurzel ursprünglich vollkommen gerade gewesen wäre, müßte sie jetzt, und zwar nicht nur in ihrem Spitzen- teil, sondern auch höher hinauf verbogen sein, in welcher Form sie niemals, auch nicht späterhin bei erheblicherer Dicke, die Funktion einer Stütze oder Strebe übernehmen könnte. Hier würde nun die Verkürzung bzw. die durch sie erzeugte Spannung korrigierend ein- greifen. Allerdings entstehen dabei, wie wir sahen, erneute Krüm- mungen in Gestalt von Spiralen, die aber infolge ihrer regelmäßigen Anordnung zur Längsachse der Wurzel durch die einseitige Tätigkeit des Cambiums leicht und vollständig ausgeglichen werden. Auf der anderen Seite bietet die Spiralfederkonstruktion insofern einen gewissen Vorzug, als mit einer relativ geringen Gewebeverkürzung ein unge- wöhnlich großer Gesamteffekt erzielt wird. Allerdings bleibt die Kraft- entfaltung in umgekehrtem Verhältnis zu dem zurückgelegten Wege entsprechend viel kleiner als dies bei einer gewöhnlichen Zugwurzel der Fall gewesen wäre. Hierauf kommt es aber auch erst in zweiter Linie an, da das Hauptziel in einer möglichst weitgehenden Verkürzung zur Geradestreckung der Wurzel bestehen würde. — Daß an unseren Gewächshauspflanzen ein beträchtlicher Teil von Wurzeln nicht den Erdboden erreicht und trotzdem Spiralwindungen gebildet hatte, ja bis zu einem gewissen Grade vielleicht durch sie daran verhindert wurde, kann natürlich unsere Auffassung nicht beeinflussen. Hier spielen eben Störungen mit, wie sie jede Gewächshauskultur zur Folge hat. Im Anschluß an die vorstehenden Ausführungen erscheint es nicht ohne Interesse, zu prüfen, ob Einrichtungen der gleichen oder im 124 M. Nordhausen, Prinzip ähnlicher Art bei den Luftwurzeln anderer Gewächse wieder- kehren, wobei hauptsächlich an Tropenbewohner zu denken wäre. Tat- sächlich existieren bald in unbestimmter, bald in präziserer Form An- gaben über das Vorkommen von Spannungen, über deren Bedeutung und Herkunft aber noch durchaus Unklarheit herrscht. So kehrt ganz allgemein in den Schilderungen tropischer Regenwälder die Angabe wieder, daß die langen, vertikal verlaufenden Nähr-(Luft)wurzeln vieler Epiphyten und Kletterpflanzen gleich stramm gespannten Drähten die Verbindung mit dem Erdboden herstellen (vgl. Schimper II, pag. 324). Andererseits hat aber Stroever (pag. 12) an den Luftwurzeln von Gewächshaus- Aroideen, welch letztere Familie ja in erster Linie in Betracht käme, keine Kontraktionen feststellen können ?) und zu gleichem Resultat scheint Went (pag. 19) durch seine Beobachtungen an Frei- land-Aroideen in Buitenzorg gelangt zu sein?). Woher die beobachteten Spannungen stammen, ob vielleicht ihre Ursachen ganz außerhalb der Wurzein liegen, ist also noch vollkommen unentschieden, auch können sie, da es sich allein um Nährwurzeln handelt, nicht in dem oben be- schriebenen Sinne gedeutet werden. Dies ist dagegen zweifellos mög- lich in bezug auf Spannungen, die Went an den Luftwurzeln einer nicht näher bestimmten epiphytischen Feigenart auf Java machen konnte, deren bekanntester Vertreter, der Banyanbaum, durch die prachtvollsten Säulenwurzeln ausgezeichnet ist. Die beobachteten Spannungen waren enorm groß. Wurden derartige Wurzeln, die sich im Erdboden ver- ankert hatten, in etwas über Meterhöhe über demselben durchschnitten oder durchsägt, so klafften sie unter allmählicher Erweiterung um mehrere bis zu 10 cm auseinander, bei einer Gesamtlänge von ca. 5 bis 11 m. Bei einer 17 mm dicken Wurzel brachten 226,5 kg noch nicht einmal die Hälfte der ursprünglichen Spannung hervor und bei einer 120 mm dicken Wurzel vermochte ein noch größeres Gewicht keine sichtbare Verengerung des Spaltes zu bewirken (Went, pag. 17/18). Über die Ursachen und Bedeutung der Spannung äußert Went keine bestimmte Ansicht. Er hebt nur hervor, daß der Turgor keine Rolle spielen dürfte, da isolierte Teilstücke beim Einlegen in Wasser keine Veränderungen erfahren und weist irgendwelche Beziehungen zu den von de Vries studierten Kontraktionswurzeln zurück. Begründet wird die letztere Behauptung nicht weiter und sie läßt sich auch mangels 1) Seine Methode, die in der Beobachtung von Verkürzungen der Wurzeln bei längerem Liegen in Wasser bestand, erscheint mir allerdings nicht für alle Fälle ausreichend. 2) Die Angaben Went's sind übrigens nach eigenen Worten lückenhaft. Über kontraktile Luftwurzein. 125 anatomischer Details nicht kontrollieren. Ebensowenig gestatten seine unvollständig gebliebenen Versuche zum Nachweis einer Gewebespannung zwischen Rinde und Holzkörper, wobei die erstere negativ, die letztere positiv gespannt ist, bestimmte Schlußfolgerungen. Vor allem müßte auch hier die Bedeutung aller Faktoren, die außerhalb der Wurzel liegen, klargestellt werden. Zwar war nach Went eine Streckung der Stützpflanze ausgeschlossen, aber auch ein sekundäres Diekenwachstum des Epiphytenstammes, sowie besonders des Tragastes der Wirtspflanze') wäre zu berücksichtigen gewesen. Am wichtigsten wäre aber zu prüfen, ob nicht die Erdwurzeln, mit denen sich die Luftwurzeln verankert haben, durch Kontraktion die Spannung hervorrufen können. Ganz unabhängig von den etwaigen Ursachen der Spannungen wärde aber ihre Deutung in dem oben beschriebenen Sinne durchaus plausibel bleiben, zumal die Dicke der Luftwurzel darauf hindeutet, daß sie späterhin als Säulenstützen fungieren. Genauere Prüfungen und Messungen an den typischen Beispielen von Ficus religiosa usw. dürften in dieser Hinsicht noch manche interessante Aufschlüsse geben. Beiläufig möchte ich noch erwähnen, daß die genauen Abbildungen und Beschreibungen Went’s (pag. 50) von jungen hemiepiphytischen Ficuspflanzen meiner Meinung nach erkennen lassen, daß die von ihm als Speicherwurzeln beschriebenen Organe höchstwahrscheinlich teilweise typische Zugwurzeln darstellen. Sie sind mehr oder minder knollig angeschwollen und fleischig und ähneln anatomisch den von de Vries beschriebenen Zugwurzeln durchaus. Vor allem zeigen sie auf dem Längsschnitt auch den charakteristischen, welligen Verlauf des zentral gelegenen Gefäßbündelstranges, als Folge stattgehabter Verkürzung. Diese, die nach Went’s Figur 21 auf Taf. IX von mir auf 8-10%, berechnet wurde, zweifellos aber höher ist, erwähnt Went zwar auch, bringt sie aber nur in Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten im Diekenwachstum. Daß diese Wurzeln, die übrigens morphologisch nichts mit den früher erwähnten Nährwurzeln zu tun haben, tatsächlich der Anheftung, d. h. mechanischen Zwecken dienen, hebt Went be- sonders hervor. Im übrigen ist es bekanntlich ein nicht seltener Fall, daß Zugwurzeln gleichzeitig Speicherfunktionen übernehmen oder um- gekehrt Speicherwurzeln sich zu kontrahieren vermögen. Die letztere Rigenschaft dürfte aber ökologisch für Epiphyten nicht minder bedeu- 1) Went (pag. 53) erwähnt gelegentlich Spannungen in adventiven Haft- wurzeln von Ficus, die doch wohl meines Erachtens sicher durch das Dickenwachs- tum des Wirtsstammes hervorgerufen sein dürften. 126 M. Nordhausen, Über kontraktile Luftwurzeln. tungsvoll sein wie die Speicherfunktion. Indessen fehlen bis auf die vereinzelte Beobachtung Berthold’s (pag. 607) über das Vorkommen kontraktiler Rhizoiden an einer epiphytischen Alge nähere Angaben hierüber. Literatur. J. Baranetzky, Über die Ursachen, weiche die Richtung der Äste der Baum- und Straucharten bedingen. Flora 1901, Bd. LXXXIX, pag. 138 f. 6. Berthold, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Meeresalgen. Jahrb. f. wissenschaft]. Bot. 1882, Bd. XHI. W. Docters van Leeuwen, Über die Ursachen der wiederholten Verzweigung der Stützwurzeln von Rhizophora. Ber. d. Dentsch. bot. Ges. 1911, Bd. XXIX, pag. 476. A. B. Frank, Lehrbuch der Botanik, Bd. I. Leipzig 1892. Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen, 1908, pag. 170. B. Hartig, Holzuntersuchungen, Altes und Neues. Berlin 1901. L. Jost, Über einige Eigentümlichkeiten des Cambiums der Bäume. Bot. Zeitg. 1901, Bd. LIX, pag. 1. L. Keller, Anatomische Studien über die Luftwurzeln einiger Dikotyledonen. Diss., Heidelberg 1889, Martius, Flora brasiliensis, Vol. I, 1. Tabulae physionomieae. München 1840 bis 1906. Miquel, Urtieineen in Martius, Flora brasil., Vol. IV, 1. München 1852-1863. M. Nordhausen, Zur Kenntnis der Wachstumsvorgänge im Verdiekungsringe der Dikotylen. Sep.-Abdr. aus Fünfstück’s Beiträgen zur wissenschaft. Bot- 1898, Bd. II. W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, Bd. II. Leipzig 1904. A. Rimbach, I. Die kontraktilen Wurzeln und ihre Tätigkeit. Fünfstück’s Bei- träge zur wissenschaftl. Bot. 1898, Bd. II. Ders, II Beiträge zur Physiologie der Wurzeln. Ber. d. Deutsch. bot. Ges. 1899, Bd. XVIL A. F. W. Schimper, I. Die epiphytische Vegetation Amerika’s. Bot. Mitt. a. d. Tropen, Heft II. Jena 1888. Ders., II. Pflanzengeographie. Jena 1898, S. Schwendener, Die Schutzscheiden und ihre Verstärkungen. Abhandl. d. Berl. Akad. d. Wissensch. 1882 (in gesammelten Mitteil.). Valentin Stroerer, Über die Verbreitung d. Wurzelverkürzung. Diss, Jena 1892. O. Swartz, Flora Indiae oceidentalis, Bd. I. Erlangen 1797. A. Ursprung, Beitrag zur Erklärung des exzentrischen Diekenwachstums. Ber. d. Deutsch. bot. Ges. 1%1, Bd. XIX. de Vries, Über die Kontraktion der Wurzeln. Landwirtsch. Jahrb. 1880, Bd. IX, pag. 37 f. F. A. F. ©. Went, Über Haft- und Nährwurzeln bei Kletterpflanzen und Epi- phyten. Ann. du jard. bot. d. Buitenzorg 1895, Vol. XII, pag. 1. Druck von Ant, Kämpfe, Jena. Flora, Band 105, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Montesantos. Flora, Band 105. Taf. H. Fischer ; Montrsantos. Verlag von Gusi® Fischer in Jena, Flora, Band 105. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Montesantos. Flora, Band 105. Taf. IV. Montesantos, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora, Band 105, Taf. V. Montesantos. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Verlag von Gustau Fisher in Jena. Vorträge, über botanische Stammesgeschichte, Schalten an der Reichs- Ein Lehrbach der Pflanzensystematik. Von J. P. Lotsy. Erster Band: Algen und Pilze. Mit 430 Abbild. im Text. 1907. Preis: 20 Mark. Zweiter Band: Chormophyta zoidogamia. Mit 553 Abbildungen im Text. 1909. Preis: 24 Mark. Dritter Band: Cormophyta siphonogamia. Erster Teil. Mit 661 Abbildungen im Text. 1911. Preis: 30 Mark, Naturwissenschaftl. Wochenschrift 1907, N. F. Bd. VI, Nr. 36: Wieder einmal ein Kompendium, das als reichfließende Quelle benutzbar ist, eine jener Zusammenfassungen, die für die heutige Wissenschaft mit ihrer unendlich zersplitterten Literatur sehr nützlich sind. Botanische Jahrbücher, Bd. XLIV: In den letzten Jahrzehnten hat das Studium der Archegoniaten teils durch ent- wicklungsgeschichtliche Untersuchungen zahlreicher Forscher, teils durch wertvolle palä- ontologische Entdeckungen so grofie Fortschritte gemacht, daß eine Gesamtdarstellung dieser in pbylogenetischer Beziehung uns ganz besonders interessierenden Pflanzen sehr wünschens- wert war. Lotsy hat nun mit weitestgehender Berücksichtigung aller einschlägigen Literatur und immer unter Verfolgung phylogenetischer Fragen uns ein Handbuch geliefert, das ent- schieden Anerkennung verdient und für jeden Fachbotaniker unentbehrlich ist, zumal ans den herangezogenen Schriften alle nur einigermaßen wichtigen Figuren kopiert sind. “ ; it besond Berüeksichtigun Vorlesungen über Deszendenztheorien fer yaranischen Seite der Frame gehalten au der Reichsuniversität zu Leiden. Von Dr. J, P, Lotsy. Zwei Teile. Mit 15 Tafeln und 225 Abbildungen im Text. 1906-1908. Preis: 20 Mark, geb. 22 Mark. Inhalt der 49 Vorlesungen: 1. u. 2. Einleitung (Religion und Wissen- schaft). 3. Evolution (Grundlegendes). 4. Morphogene Reize. 5- Theorie der direkten Anpassung. 6.—11. Erblichkeit (Eingehende Behandlung). 12. Rückblick und Überblick. 13. Die diskontinuierliche Variabilität. 14. Die de Vriesschen Mutanten. 15. Die Natur der Mutanten. 16.—21. Die Erolutionstheorien (Buffon, Leibniz, Cuvier, Erasmus, Darwin, Harvey, Goethe, Lamark, Haeckel, ‚Wasınann, Lyell, Hofmeister, Charles Darwin). 22. Illustration der Wirkung. der Zueht- wahl. 23. Die erste Vorbedingung zu Darwins Theorie: die Variabilität. 24. Über die Grenze zwischen kontinuierlicher und diskontinuierlicher Variabilität vack den Untersuchungen von Klebs. 25. Über Orthogenese. 26. Die zweite Vorbedingung zu Darwins Theorie: der Selektionswert. 27. Die dritte Vorbedingung zu Darwins Theorie: Der Kampf ums Dasein. 28. Das Vererbungsvermögen der Abweichungen. 29. Begründung der Aussage, daß Darwin gemeint hat, die Selektion arbeitet mit Mutanten, Varianten und Biaiometamorphosen. 30. Was erklärt Darwins Theorie? 31. Die Pflauzen- und Tiergeographie und die physischen Faktoren in früheren Erdperioden. 32. Die Pflanzen- und Tiergeographie und die biotischen Faktoren in früheren Perioden: Alte Floren und Faunen. 33. Die Pflanzen- und Tiergeographie und die Verbreitungsmittel der Pflanzen und Tiere. 34. Die Pflanzen- und Tier- geographie und die monotope oder polytope Entstehung von Arten, 35. Die jetzige Pflanzen- und Tierverbreitung über die ganze Erde, illustriert an der Hand der Verbreitung der Säugetiere. 36. Ein Beispiel einer Spezialuntersuchung auf dem Gebiete der Pflanzen- und Tiergeographie. 37. Ein Beispiel der Neubesiedelung eines entvölkerten Gebietes. 38. Ein von Darwin weniger beobachteter P unkt: die Bastardierungslehre. 39. Die Einwendung gegen Darwins Theorie. 40. Eine michtige Einwendung: die Frage der Isolierung der abweichenden Individuen. _ al—in je post-Darwinschen Theorien (Wallace, Naegeli, H. de Vries). 38. ‚Kurze © hara - terisierung der wichtigsten Evolutionstheorien und Beinerkungen über ihre Schwächen. 49. Die Lamarckistischen Theorien. Botanisches Centralblatt, Nr. 16, 1906: . BE Zusammenhängende Darstellung der Deszendensiehre von botanischer Seite existierten bisher kaum, während von zoologischer sehr zahlreiche vorliegen. Es ist deshall» mit ganz besonderer Freude zu begrüßen, daß Lotsy eine solche unternommen hat, die wenigstens zu beg! m. E. sehr wohl gelungen ist. . , i i önes Buch aus der Hand legen ohne mannigfachen Nutzen Niemand wird Lotsys schönes Buch aus gi a daraus geschöpft zu haben. Verlag von Gustav Fisher in Jena. Seit Januar 1912 erscheint: HANDWÖRIERBUCH DER NATUR- WISSENSCHAFTEN Herausgegeben von Prof. Dr. E. Korschelt-Marburg (Zoologie), Prof. Dr. G. Linck-Jena (Mineralogie und Geologie), Prof. Dr. F. Oltmanss-Freiburg (Botanik), Prof. Dr. R. Schaum- Leipzig (Chemie), Prof. Dr. H. Th. Simon-Göttingen (Physik), Prof. Dr. M. Verworn- Bonn (Physiologie) und Dr. E. Teichmann-Frankfurt a. M. (Hauptredaktion). Bis jetzt liegen vollständig vor: Band I: „Abbau bis Black“. Mit 631 Abb. im Text. Umfang: IX und 1163 Seiten Lex.-Format. Preis: 20 Mk., in Halbfranz geb. 23 Mk. Band VI: „Lacaze-Duthiers—Myriapoda“. Mit 1048 Abb. im Text. Umfang: VIII und 1151 Seiten Lex.-Form. Preis: 20 Mk., in Halbfranz geb. 23 Mk. Band II und VII befinden sich im Druck und erscheinen bis Ende 1912. Im Jahre 1913 erscheinen weitere 4 Bände, und noch in der ersten Hälfte des Jahres 1914 wird das ganze Werk fertig vorliegen, Mehr als 300 Mitarbeiter sind es, die ihr Bestes dazu beitragen, um eine Enzyklopädie der Natnrwissenschaften in bisher unbekannter Art zu schaffen. Die einzelnen Artikel sind von Gelehrten verfaßt, die gerade in dem von ihnen be- arbeiteten Spezialgebiet besonders bewandert sind. Die Beiträge sind mit einer großen Anzahl instruktiver Abbildungen ausgestattet. Zum ersten Male erscheint hier ein Werk, in welchem das Gesamtgebiet ler Naturwissenschaften so zusammengefaßt wird, daß alle Kreise, die für die Naturwissenschaften ein Interesse haben, Nutzen davon werden ziehen können. Es gilt das nicht etwa allein für den naturwissenschaftlichen Forscher, der sich auf den seiner eigenen Spezialwissenschaft benachbarten Zweigen Rat zu holen wünscht. In diesem Werke wird er ein Hilfsmittel jederzeit an der Hand haben, das ihm über jede naturwissenschaftliche Frage, die ihm zufällig be- gegnet, Aufschiuß verschafft. Neben diesen Gelehrten haben aber noch viel weitere Kreise der Gebildeten, sofern sie das Verlangen nach zuverlässiger naturwissenschaftlicher Belehrung empfinden, oft schon nach einem Mittel gesucht, das ihnen in möglichst, brauch- barer Fassung jederzeit dieses Verlangen zu erfüllen geeignet ist. Es sind das vor allen Dingen die weitesten Kreise der Lehrenden, die den Stoff für den Unter- rieht_ nirgends so gedrängt und übersichtiich beisammen finden werden wie hier. Das H. d. N. wird daher ebensowenig in der Bibliothek aller auf den Gebieten der Naturwissenschaften Arbeitenden fehlen dürfen wie in den Bibliotheken aller An- stalten nnd Schulen, in denen naturwissenschaftlicher Unterricht gegeben wird. Dann aber sind weiter auch namentlich die auf dem Boden naturwissenschaft- licher Erkenntnis fußenden Techniker und Ingenieure von der Wichtigkeit einer gründlichen Erkenntnis der biologischen und exakten Naturwissenschaften durch- drungen und können für viele ihrer Aufgaben einer solchen gründlichen Kenntnis auf die Dauer nicht, entraten. Nahe liegt es ferner für die Mediziner, selbst wenn sie als praktische Ärzte in den Aufgaben des Tages stehen, daß sie dauernd eine Quelle naturwissenschaftlicher Belehrung an der Hand haben müssen. Ja es gibt kaum einen Beruf mehr, der sich nicht häufig Fragen naturwissen- schaftlicher Art gegenübersieht, ganz abgesehen davon, daß die Kreise derer, die den Errungenschaften der modernen Naturwissenschaft Neigunzund Interesseentgegenbringen, sichvon Jahrzu Jahrerweitern. Überall in der ganzen gebildeten Welt wird dieses große Werk anf das größte Interesse rechnen dürfen. Um die Anschaffung zu erleichtern, kann das H.d. N, auch in Lieferungen bezogen werden, von denen 23 jetzt vorliegen und weitere stets in Abständen ron 3 Wochen folgen werden. Das ganze Werk wird etwa 80 Lieferunsen zum reise van je 2 Mark 50 Pf, umfassen bzw. in 10 Bänden voll- ständig werden. Der Gesamtpreis ist auf etwa 20 Mark, gebunden etwa 280 Mark angesetzt. Lieferung 1 zur Ansicht. — Probeheft kostenfrei, —— Druck ron’ Ant. Kämpfe in Jena. FLORA "ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG NEUE FOLGE. FÜNFTER BAND (DER GANZEN REIHE 105. BAND) ZWEITES HEFT HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN MIT 3 TAFELN UND 62 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1913 ERSCHIENEN AM 4. JANUAR 1913 EEE ste lese Inhaltsverzeichnis. Seite v. WIESNER, J., Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproß- systemen. Mit 5 Abbildungen im Text . ... 2.0... 127-143 ARNOLDI, W,, Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms von Dictyosphaeria. Mit Tafel VI und 23 Ab- bildungen im Tett. 2 on nennen nn 144-161 DOPOSCHEG-UHLÄR, J., Die Anisophyllie bei Sempervivum. Mit 8 Abbildungen im Tektt . . - 2 02mm e nenn. 162--183 DIELS, L., Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera, Untergatt, Perielymenum. Mit Tafel VII-VIH und 26 Ab- bildungen im Text.» 222 2 nn nenn nn nn 184223 BRIGGS, L. und SHANTZ, H. L., Die relatiren Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen . 2 > 22 20mm nn nn 224240 Die „Flora“ (oder „Allgemeine botanische Zeitung“) erscheint in zwang- losen Heften. Je 4 Hefte im Gesamtumfang von 30 Bogen (oder Ausgleich derch Tafeln) bilden einen Band. Preis jedes Bandes: 20 Mark. Verlag von Gustav Fischer in Jena Im amtlichen Auftrage herausgegeben von Prof. Hausschwammforschungen. Dr. A. Möller, Oberforstmeister, Direktor der Forstakademie und der mit ihr verbundenen Hauptstation des iorstlichen Ver- suchswesens zu Eberswalde. I. Heft: Denkschrift, die Ergebnisse der bisherigen Hausschwammforsehung und ihre zukünftigen Ziele betreffend. Von Dr. Richard Falck. — Bedingen Haussohwammwucherungen Gefahren für die Gesundheit der Bewohner des Hauses? Von Prof. Dr. C. Flügge in Breslau. — Hausschwammuntersuchungen. Von Prof. Dr. Alfred Möller in Eberswalde. Mit Tafel 1—5. — Wachstumsgesetze, Wachs- tumsfaktoren und Temperaturwerte holzzerstöreader Mycelien. Von Dr. Richard Falek. Mit 6 Kurven. 1907. Preis: 7 Mark 20 Pf. Il. Heft: Die Hausschwammfrage vom juristischen Standpunkte. (Erster Beitrag.) Von Prof. Dr. K. Dickel, 1910. Preis: 8 Mark. III. Heft: Die Lenzites-Fäule des Coniferenholzes, eine auf kultureller Grund- lage bearbeitete Monographie der Coniferenholz bewohnenden Lenzites-Arten. Von Dr. Richard Falck. Mit Zeichnungen von Olga Theomin. Mit 7 Tafeln und 24 Abbildungen im Text. 1910. Preis: 12 Mark. IV. Heft: Die bisher bekannten Mittel zur Verhütung von Pilzschäden an Bau- bölzern vor dem Einbau. Von Kgl. Baurat Brüstlein. — Die Sicherung des Holzwerkes der Neubauten gegen Pilzbildung. Von Prof. Dr. Chr. Nußbaum. — Die Bedeutung der Kondenswasserbildung für die Zerstörung der Baikenköpfe in Außenwänden durch holzzerstörende Pilze. Von Dr.-Ing. R. Niemann, Königs- berg i. Pr. 1911. Preis: ?2 Mark 50 Pf. V. Heft: Die Hausschwammfrage vom juristischen Standpunkte. (Zweiter Beitrag.) Won Prof. Dr. Karl Dickel. 1911. Preis: 2 Mark. Soeben erschien: v Heft: Die Merulius-Fäule des Bauholzes. Von Dr. Richard Falck. Mit Ze hnungen und farbigen Darstellungen von Olga Falck. Mit 17 Tafeln und 73 Abbildungen im Text. 1912, Preis: 24 Mark. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. Von }. v. Wiesner. (Mit 5 Abbildungen im Text.) Dem Andenken Eduard Strasburger’s gewidmet!) 1. Während die an das Licht angewiesene, also vor allem die chloro- phyliführende Pflanze unter natürlichen Verhältnissen an das gesamte Tageslicht oder an bestimmte Anteile desselben angepaßt ist, haben die Laubblätter, also die ausschließlichen oder doch vornehmlichsten Träger des Chlorophylis die Tendenz, soweit es für sie förderlich ist, eine bestimmte Lage zum Einfall des wirkenden Lichtes ein- zunehmen, wodurch eine zweckmäßige Regelung ihres Lichtbedarfes zustande kommt. Dieser Satz, welcher sich aus meinen langjährigen Studien über die Beziehung der Pflanze zum Lichte (1878 —1912) ergibt, bildet den Ausgangspunkt meiner Darlegungen, erfordert aber zu diesem Zwecke noch einige Erläuterungen. Die Anpassung der Pflanze an das gesamte Tageslicht wird nach meinem Vorschlage als Lichtgenuß bezeichnet. Derselbe soll zahlen- mäßig den Anteil angeben, den eine Pflanze zur normalen Entwicklung 1) Zur Feier des 70. Geburtstages E. Strasburger's war die Herausgabe einer Festschrift geplant, zu deren Ausführung neben zahlreichen Fachgenossen auch ich eingeladen wurde. Ich war rasch entschlossen, an dieser Ehrung eines so hochverdienten Kollegen Anteil zu nehmen und wählte zu diesem Zwecke das im obigen Titel benannte Thema. Die geplante Arbeit, welche ich sofort vorzubereiten begann, sollte eine kleine Erweiterung meiner photometrischen Untersuchungen auf Pflanzenphysiologischem Gebiete bilden, welchen Gegenstand Strasburger nach mündlichen und schriftlichen Äußerungen mit Interesse verfolgte. Leider hat sein von uns allen tief beklagtes Hinscheiden die Herausgabe der projektierten Fest- schrift zunichte gemacht. So möge diese kleine dem Lebenden als Huldigung zu- gedachte Schrift dem Andenken des Heimgegangenen gewidmet sein. Flora, Bd. 105. 9 128 J. v. Wiesner, und zur normalen Funktion vom Gesamtlicht empfängt. Um diesen Zweck zu erfüllen, drücke ich den Lichtgenuß aus als das Verhältnis der Intensität des Gesamtlichtes zur Intensität jenes Lichtes, welches die Pflanze auf ihrem natürlichen Standort empfängt. Diese beiden Lichtintensitäten werden photometrisch bestimmt). Die Fähigkeit des Blattes, durch die Lage zum einfallenden Lichte seinen Lichtbedarf zu regulieren, bezeichne ich als Photometrie des Blattes. Je nach dem Lageverhältnis des Blattes zum Lichteinfall unterscheide ich euphotometrische und panphotometrische Blätter. Das euphometrische Blatt ist dadurch ausgezeichnet, daß es sich genau senkrecht auf das stärkste diffuse Licht des ihm zufallenden Licht- areals stellt. Es dient also der möglichsten Ausnützung des ihm dar- gebotenen diffusen Lichtes, welches für ein solches Blatt das herrschende ist. Hingegen stellt sich das panphotometrische Blatt derart, daß das direkte Sonnenlicht von größerer Intensität möglichst abgewehrt wird, aber doch auch so, um möglichst viel diffuses Licht aufnehmen zu können. Die durch die Richtkraft des Lichtes bewirkte Lage des Blattes zum Lichteinfall entspricht entweder einem stationärem Zustande und ist eine Anpassung an mittlere Beleuchtungszustände (fixe Lichtlage)?), oder sie entspricht einem veränderlichen Zustande, indem das Blatt, je nach der Intensität des Außenlichtes, den euphotometrischen oder den panphotometrischen Charakter annimmt (variable Lichtlage)?). Bei großem Überschuß des äußeren Lichtes kann die Photometrie des Blattes, welche doch der ökonomischen Ausnützung des Lichtes für die Pflanze zu dienen hat, auch ganz aufgehoben sein. Derartige Blätter bezeichnete ich als aphotometrische. Das aphotometrische Blatt zeigt entweder gar keine Beziehung zum Lichteinfall (Pinus usw.) oder es ist doch eine Lagebeziehung zum diffusen Lichte vorhanden (insbesondere zum Oberlicht), welche aber gar nicht durch die Richt- kraft des Lichtes hervorgerufen wurde, dennoch ein für das Blatt günstiges Lageverhältnis darstellt. Solche aphotometrische Blätter habe ich als pseudophotometrische?) bezeichnet. Ich führe diesbezüg- lich ein eharakteristisches Beispiel an. Alle von mir untersuchten 1) Wiesner, Der Lichtgenuß der Pflanzen, Engelmann, Leipzig 1907. Da- selbst auch die einschlägige Literatur. 2) Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen, 1880, Bd. II. 3) Wiesner, Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1911, Bd. XXIX. 4) Wiesner, Über aphotometrische, photometrische und pseudophotometrische Blätter. Ber. d. Deutsch, bot. Ges. 1911, Bd. XXIX. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 129 Arten vonSedum hatten aphotometrische Blätter. Aber die Arten mit kurzen, eiförmigen oder stielrunden Blättern (8. album, acre, boloniense, reflexum usw.) sind spezifisch aphotometrisch, während die Arten, welche wie S. Telephium, S. Fabaria große flache Blätter besitzen, pseudophotometrisch ausgebildet sind. Dem Oberlichte aus- gesetzt erscheinen sie euphotometrisch; aber ihre zum Oberlicht senk- rechte Lage wird nicht durch das Licht hervorgebracht, sondern kommt durch Epinastie oder durch das Zusammenwirken von Epinastie und negativem Geotropismus zustande. Wie die der ganzen Pflanze zugute kommende Gesamtstrahlung mit der Lichtlage der Blätter, mit anderen Worten: wie der Lichtgenuß der Pflanzen mit der Photometrie der Blätter zusammenhängt, habe ich bereits in einer früheren Arbeit dargelegt). Es scheint mir aber zum Verständnis des nachfolgenden zweckmäßig, eines der dort mitgeteilten Hauptresultate hier in Kürze wiederzugeben. Das gesamte Tageslicht hat selbstverständlich in jedem Augenblicke eine ganz bestimmte Inten- sität; aber die Lichtstärke, welche dem einzelnen Blatte zukommt, hängt von der Lage derselben zum Lichteinfall ab. Dies gilt für beide Komponenten des Tageslichtes, sowohl für das nach unendlich vielen Richtungen strahlende diffuse Tageslicht, als für das direkte Sonnen- licht, Selbst beim Konstantbleiben des gesamten Tageslichtes hängt die jeweilige Stärke des auf das Blatt fallenden Lichtes von der Lage des Blattes zum Horizont ab. Ebenso einleuchtend wie dies ist die Tatsache, daß die Intensität des auf das Blatt fallenden Sonnenlichtes abhängig sein muß von der Lage des Blattes zur Richtung der Sonnen- strahlen, und daß die Intensität des auf das Blatt fallenden Sonnenlichtes schwanken wird vom Maximum, welches bei senkrechtem Lichteinfall eintreten wird, bis zum Werte=0, welcher sich bei parallelem Strahlen- einfall ergeben wird. Hieraus ergibt sich die Bedeutung der Blattlage für die Nutzbarmachung des Lichtes. 2. Der Grundbegriff des Lichtgenusses in der oben mitgeteilten und jetzt, wie ich glaube, allgemein akzeptierten Fassung würde es zu- lassen, nicht nur den Lichtgenuß der ganzen Pflanze, sondern auch den eines einzelnen Blattes oder eines Laubsprosses zu bestimmen. Bis jetzt hat sich aber nur die Bestimmung des Lichtgenusses der ganzen ren, . 1) Studien über die Richtung heliotropischer und photometrischer Organe im Vergleich zur Einfallsrichtung des wirksamen Lichtes. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1912, Bd. CXXI, Abt. I. ge 130 J. v. Wiesner, Pflanze bewährt, weil sie uns ein brauchbares Mittel an die Hand gibt, den Lichtbedarf einer bestimmten Pflanze festzustellen, wobei aber, zur Auffindung der Kardinalpunkte: Maximum und Minimum — die Bestimmung des Optimums wurde wegen Komplikation des sicheren Nach- weises bisher nur tastend vorgenommen — die Ermittlung des Licht- genusses bestimmter Blätter erforderlich ist. Aber an sich hat man dem Lichtgenuß des einzelnen Blattes bisher fast keine Aufmerksamkeit zugewendet, und es bietet auch dieses Problem, vornehmlich im Ver- gleiche zum Lichtgenuß der ganzen Pflanze wenig Interesse dar. Noch weniger Interesse hat es, den Lichtgenuß eines Laubsprosses eines Ge- wächses zu bestimmen, obgleich auch diese Aufgabe lösbar ist. Hingegen ist es nach meinem Dafürhalten keine unnütze Sache, an die Frage heranzutreten, wie sich die photometrischen Ver- hältnisse von Laubsprossen und Laubsproßsystemen ge- stalten. Einige naheliegende Tatsachen fordern förmlich zu solchen Studien auf. Betrachtet man einen plagiotropen Sproß der Tanne (Abies pec- tinata), so sieht man, daß alle Blätter desselben die Tendenz haben, in einer und derselben Ebene zu liegen. Jedes einzelne Blatt eines solchen ge- wöhnlich genau horizontal gerichteten Sprosses liegt horizontal und steht senkrecht zum stärksten diffusen Lichte, welches bei horizontaler Lage des Blattes das Zenitlicht ist. In diesem Falle befinden sich alle Blätter des Sprosses in horizontaler Lage und man kann hier vom ganzen Sproß sagen, er sei photometrisch, ja sogar er sei euphotometrisch. Wie ich weiter unten genauer auseinandersetzen werde, kommen solche euphotometrische Sprosse mit ganz einheitlichem Charakter häufig bei Laubbäumen vor, und in allen diesen Fällen han- delte es sich um jenen stationären Zustand, den ich mit dem heute wohl schon allgemein eingebürgerten Namen „fixe Lichtlage* be- zeichnet habe. Was die Frage der variablen Lichtlage betrifft, so handelt es sich da um ein wichtiges biologisches Verhältnis des Laubblattes, welches oben kurz charakterisiert wurde. Von einer variablen Licht- lage von Sprossen kann aber nicht gut die Rede sein, da die Sprosse in der Zeit, in welcher sie die zur variablen Lichtlage schon geeigneten Blätter tragen, keine Wachstumsbewegungen mehr durchzumachen im- stande sind. So wird es sich also in den nachfolgenden Mitteilungen bloß um die fixe Lichtlage von Laubsprossen und Laubsproßsystemen und um die hierbei stattfindenden photometrischen Verhältnisse handeln. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 131 3. Indem man an unsere Frage herantrit, muß man sich wohl sofort jener Sprosse erinnern, welche als Fiachsprosse (Phyllocladien, Cladodien) ausgebildet, chlorophylireich sind und die Funktionen der an den betreffenden Pflanzen nicht oder nur sehr mangelhaft ausge- bildeten Blättern übernehmen. Ich habe die Gattungen Colletia, Mühlenbeckia, Phyllan- thus und Ruscus in den Kreis meiner Untersuchung einbezogen. Von der Rhamnacee Colletia untersuchte ich die Spezies erueciata Gill. et Hook. (südamerikanischer Xerophyt)., Die Phyllo- eladien dieser Pflanze sind grün, aber dornig, gekreuzt-gegenständig. Die Pflanze bringt wohl Blätter hervor, dieselben sind aber sehr redu- ziert, klein und entschieden aphotometrisch, desgleichen die Phyliocladien. Colletia spinosa Lam., gleichfalls ein tropischer Xerophyt, bringt im Jugendzustande neben den Phyllocladien Laubblätter hervor. Ältere, zumal blütentregende Pflanzen sind gänzlich blattlos. Die Blätter der Jugendformen stehen in den Achseln der Dornsprosse. Im Oberlichte kultiviert stellten sich die Blätter horizontal, was auf die Vermutung führt, daß sie euphotometrisch sind. Da aber unter dem direkten Einfluß der Tropenzone nach bisherigen Beobachtungen nie- mais euphotometrische Blätter ausgebildet werden, so ist es wahr- scheinlicher, daß diese Blätter pseudophotometrisch sind. Dies müßte erst durch spätere Untersuchungen geklärt werden. Für unsere Be- trachtung hat der photometrische bzw. pseudophotometrische Charakter dieser Blätter aber doch nur ein ganz untergeordnetes Interesse. Für uns ist rücksichtlich Colletia nur wichtig zu wissen, daß die Phyllo- Cladien der untersuchten Spezies aphotometrisch sind. Weiteres untersuchte ich in bezug auf den etwaigen photometri- schen Charakter die Phyllocladien von Mühlenbeckia platyclada Meissn, (Polygonacee der Salomonsinseln). Die chlerophyllreichen Flach- sprosse dieser Pflanze sind stark aufgerichtet und erweisen sich gleich- falls als aphotometrisch. Die spärlich auftretenden Blätter von der im Oberlicht kultivierten Pflanze machen den Eindruck euphoto- imetrischer Organe, aber es bleibt auch hier zu untersuchen übrig, ob dieselben nicht pseudophotometrisch sind. Auch die von mir untersuchten Phyliocladien von Phyllanthus speciosus Jacq. (subtropischer Xerophyt) erwiesen sich als aphoto- metrisch, Eingehende Untersuchungen stellte ich an den Phyllocladien von Ruseus aculeatus an, welche Pflanze ich in den Lorbeerwäldern der 1323 I. v. Wiesner, adriatischen Küste (Abbazia, Brioni) in tausenden von Exemplaren vor mir hatte und dieselben auf ihre Lichtverhältnisse in ausgedehntem Maße prüfen konnte. Daß die grünen Assimilationsorgane von Ruscus Phyllocladien sind, wird wohl fast allgemein zugegeben. Doch ist in neuerer Zeit Velenovsky!) wieder für die Blattnatur dieser Organe eingetreten. Ich teile deshalb einige Beobachtungen mit, welche für die herr- schende Auffassung sprechen, die hauptsächlich dadurch gestützt wird, daß die fraglichen Organe Blüten hervorbringen. Ich ließ Ruscus aculeatus im Dunkeln treiben und fand, daß die etiolierten Phyllo- eladien sich nicht wie etiolierte Blätter, sondern wie etiolierte Sprosse verhielten. Die Blätter verkümmern im Etiolement gewöhnlich, während die Stengelglieder, welche die Blätter tragen, überverlängert sind. Ich fand nun, daß nicht nur die wnangezweifelten Stengel von Ruscus eine Überverlängerung zeigen, sondern auch die Phyllocladien: sie waren im Vergleich zu den normal erwachsenen im Durchschnitt um ein Drittel verlängert und hatten nur etwa ein Viertel der Breite der normalen Phyllocladien. Die zweite Beobachtung, welche ich machte, und die ebenfalls für die Phyllocladiennatur der fraglichen Gebilde spricht, war das Auftreten von je einem kleinen Phyllocladium, an dem den Sproß abschließenden Phyllocladium. Es entsprang etwa in der Mitte des Endphyllocladiums und hatte beiläufig die halbe Länge des letzteren. Diese Sprossung habe ich aber nur sehr selten beobachtet. Während Colletia, Mühlenbeekia und Phyllanthus Sonnen- pflanzen der warmen Erdgebiete sind, ist Ruscus aculeatus eine Schattenpflanze, die also das Licht viel haushälterischer benutzen muß. Und deshalb läßt sich vermuten, daß die die Laubblätter substituierenden Phyllocladien dieser Pflanze photometrisch sind. Die Pflanze gehört dem wärmeren Europa, insbesondere dem Mediterrangebiete an, wo sie im Schutze von südeuropäischen Eichen und anderen mediterranen Laubbäumen vorkommt. In Abbazia, wo ich die Pflanze eingehend im Frühherbst zweier aufeinanderfolgender Jahre untersuchte, tritt sie hauptsächlich im Lorbeerwald auf; ich sah sie dort aber auch noch unter Eichen, Fraxinus Ornus, Ostrya carpinifolia, Cornus san- guinea und Sorbus torminalis. Gemein hat Ruscus aculeatus mit den früher genannten Phyllo- eladien tragenden Gewächsen den xerophytischen Charakter, der so- 1) Velenovskyf, Zur Deutung der Phyllocladien der Asparageen. Beihefte 2. bot. Zentralbt. 1903, Bd. XV und Morphologie, 1907, Bd. II. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 133 wohl in der Lebensweise als im anatomischen Bau zum Ausdruck kommt. Wenn die Pflanze in südlichen Lagen den tiefen Schatten auf- sucht, so ist sie doch auch auf ihren mehr nach Norden vorgeschobenen Standorten (am Genfersee, wo sie hauptsächlich im Schatten von Acer monspessulanum auftritt), oder in einigen Gegenden Krains immer noch ein schattenliebendes Gewächs. Was den Lichtgenuß von Ruscus aculeatus anlangt, so habe ich in der Beobachtungszeit (anfangs September bis anfangs Oktober) zahlreiche Messungen vorgenommen, welche lehrten, daß der relative Lichtgenuß dieser Pflanze zwischen '/, und '/,, schwankt. Auf Brioni, wo ich Gelegenheit hatte, die Pflanze reichlich mit Efeu zu vergleichen, konnte ich konstatieren, daß letzterer tiefer in den Waldesschatten ein- dringt als Ruscus, daß also das Minimum des Lichtgenusses des letzteren höher gelegen sein muß als das des ersteren. Schon bei mittlerem Lichtgenuß und einseitiger Beleuchtung sind die Sprosse von Ruscus aculeatus heliotropisch und suchen sich eine größere Lichtstärke zu sichern. Aber gegen die untere Grenze des Lichtgenusses treten zwei merkwürdige Erscheinungen auf: nicht nur jedes einzelne seitliche Phyllocladium, mit Ausnahme des den Sproß abschließenden, welches zumeist in vertikaler Stellung verharrt, wird euphotometrisch, sondern der ganze Sproß, welcher dann zwei- zeilig beblättert erscheint. Jedes dieser seitlichen Phyllocladien steht senkrecht auf dem stärkeren diffusen Lichte des ihm zugewiesenen Lichtareals, es liegen auch — abgesehen von dem terminal gestellten — alle Phyllocladien desselben Sprosses in einer Ebene, so daß wir hier den Fall vor uns haben, daß nicht nur jedes einzelne Phyllocladium, sondern ein ganzes Sproßsystem euphotometrisch geworden ist. Die zweizeilige Anordnung der Phyllocladien, die immer mit Euphotometrie im Zusammenhange steht, ist früher schon beobachtet worden. In seiner noch im Erscheinen begriffenen vortrefflichen „Ulustrierten Flora von Mitteleuropa“ beschreibt der Verfasser, G. Hegi, im zweiten Bande, pag. 265, ausführlich Ruscus aculeatus und gibt bezüglich der Phyliocladien an, daß sie zweizeilig angeordnet sind. Dies ist nun nicht allgemein richtig, die Regel ist wohl die schraubige Anordnung dieser Gebilde; nur die im verhältnismäßig schwachen Lichte euphoto- metrisch gewordenen Sprosse zeigen die zweizeilige Anordnung. Durch die euphotometrische Anordnung seines Laubes im relativ schwachem Lichte wacht die Pflanze, wenn ich so sagen darf, die letzte An- Strengung, um sich möglichst viel Licht zu verschaffen. Es scheint aber zur normalen Entwicklung der Pflanze nicht mehr auszureichen. 134 3. v. Wiesner, indem die Blütenbildung unter diesen Verhältnissen schon sehr stark reduziert ist. Auch unterhalb des Minimums des Lichtgenusses hält sich die Pflanze noch einige Zeit. Durch starke Belaubung der den Mäusedorn überdachenden Bäume kann es geschehen, daß diese Pflanze in Licht- verhältnisse gerät, welche unterhalb des Minimums des Lichtgenusses gelegen sind. Die Pflanze erhält sich dann nur kümmerlich, erzeugt keine Blüten, reift keine Früchte und zeigt die Erscheinung beginnen- den Etiolements. In diesem Zustande habe ich die Pflanze bis zu einer Lichtstärke von Y/oo—"/s0 zu sehen Gelegenheit gehabt: im dicht- belaubten Walde, angelehnt an dicke Stämme, welche der Pflanze einen großen Teil des Lichtes raubten. Solche unterhalb des Minimums des Liehtgenusses befindliche Individuen sind, wie ich auch rücksichtlich anderer Pflanzen schon früher festgestellt habe, dem Untergange geweiht. Aber auch über dem Maximum des Lichtgenusses (bei L— 1, —1) habe ich die Pflanze gesehen. Es waren (die Individuen, welche unter normalen Lichtverhältnissen aufwuchsen, denen aber durch späteres Ab- holzen der Waldstelle, auf welcher sie erwuchsen, oder auf eine andere Art mehr Licht zugeführt wurde, als sie vertragen. Solche Pflanzen gehen noch rascher als die zu schwach beleuchteten zugrunde; denn diese haben die Fähigkeit, etwa wie die bekannte Aspidistra elatior in voller Finsternis eine Zeit, ohne normal zu funktionieren, auszuhalten. Aber die zu stark besonnten Ruscus-Pflanzen gehen dureh die direkte Wirkung der Sonne nach einiger Zeit zugrunde, Ich habe solche Pflanzen mehrmals gesehen: sie behielten nach dem Absterben ihre Form, waren aber schneeweiß geworden infolge einer vollständigen Ausbleichung der grünen Vegetationsorgane. 4. Ich komme nun zur Betrachtung der euphotometrischen Laub- sprosse. Hierunter verstehe ich jene Sprosse von Laub- und Nadel- bäumen, welche sich rücksichtlich ihrer fixen Lichtlage so verhalten wie ein gefiedertes euphotometrisches Blatt. Wie an diesem die einzelnen Fiederblätichen genau den gleichen euphotometrischen Charakter haben, nämlich alle senkrecht auf das stärkste ihnen zufallende diffuse Licht gestellt sind, so treten an einem euphotometrischen Sproß längs der Achse (die Laubblätter auf, alle in gleicher fixer Lichtlage. Hier stimmt also die fixe Lichtlage der ganzen Sprosse mit der fixen Lichtlage der einzelnen Blätter überein. In diesem Paragraphen fasse ich nur die Laubbäume ins Auge. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 135 Euphotometrische Sprosse finden sich bei der Linde, Buche und überhaupt bei allen jenen Laubbäumen, bei welchen die Laubblätter lateral nach !/, gestellt sind und die infolgedessen eine amphitrophe Verzweigung') aufweisen, bei welchen die Seitenzweige an beiden Flanken der Muttersprosse stehen und die Tendenz haben, in einer Ebene zu liegen, wenn auch eine mehrfache Verzweigung eintritt, nämlich Neben- achsen der zweiten, dritten . ... Ordnung gebildet werden. Diese euphotometrischen Sprosse und euphotometrischen Sproß- systeme treten sehr häufig in Verbindung mit horizontalem Wuchse auf, indem die tragenden Achsen im Zusammenwirken von Epinastie und negativem Geotropismus die horizontale Lage einnehmen?) Man begreift den Vorteil, den die horizontale Ausbreitung der Achsen den Pflanzen bietet: die euphotometrischen Blätter der ganzen Sprosse kommen gleichfalls in die horizontale Lage, denn das ganze — theoretisch genommen — in einer einzigen horizontalen Fläche gelegene Laub steht ja senkrecht auf dem stärksten diffusen Lichte des ganzen Himmels, auf dem Zenithlicht, und damit ist die größtmöglichste Ausnutzung des diffusen Tageslichtes seitens der Pflanze erreicht. Es kann ein Sproß bei jeder beliebigen Lage zum Horizont, eine ent- sprechende Beleuchtung und genügende photometrische Empfindlichkeit vorausgesetzt, sich euphotometrisch ausbilden, wie diesan vielen Sträuchern (Philadelphus coronarius, Symphoriearpus racemosa, Diervilla (Weigelia) rosea, Deutzia scabra usw.) zu beobachten ist. Aber einer aufmerksamen Beobachtung kann es nicht entgehen, daß bei all diesen Sträuchern die Sprosse, namentlich bei einseitiger Beleuchtung durch Vorderlicht, sieh möglichst genau horizontal zu stellen suchen, wo- durch wieder die möglichste Ausnutzung des diffusen Lichtes bewirkt wird. Bei allen diesen Sträuchern kommt die horizontale Lage der euphotometrischen Sprosse durch das Zusammenwirken von Epinastie und negativem Geotropismus zustande. Es ist nur die Frage, warum an demselben Strauch sich einzelne Sprosse vertikal oder in verschie- denem Grade geneigt gegen den Horizont stellen. Diese Erscheinung erklärt sich durch die von mir schon früher beschriebene „variable Epinastie“®), nämlich durch den Wechsel des Grades der Epinastie je nach der Wachstumsstärke. Bei mittlerer Wachstumsstärke stellt sich }) Wiesner, Anisomorphie. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1892, Bad. CI. 2} Wiesner, Ebenda 1902, Rd. CXI. 3) Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1892, Bd. X, pag. 321 ff. 136 F. v. Wiesner, ein Gleichgewichtszustand von Epinastie und negativem Geotropismus ein, welcher zur horizontalen Lage der Sprosse führt. Mit zunehmender Wachstumsstärke richten sich die Zweige wegen abnehmender Epinastie auf. Und auch mit abnehmender Wachstumsstärke ändert sich der Grad der Epinastie; eine Sache, die bei diesen Sträuchern im Einzelnen noch genauer zu studieren wäre. Die Tendenz dieser Sträucher, ihre Sprosse euphotometrisch auszubilden und sich durch Horizontalstellung die größte Stärke des Himmelslichtes zu sichern, ist überhaupt ein höchst interessanter Gegenstand, der eine weitere ein- gehende Untersuchung wert wäre. Ich will nur noch eine Bemerkung über diese Phänomen hier anführen. Die bei einseitiger Beleuchtung im Vorderlichte sich horizontal weiter entwickelnden euphotometrischen Sprosse der gesamten Sträucher werden offenbar heliotropisch nach vorn dirigiert, und zwar durch das Vorderlicht, welches viel schwächer ist als das Oberlicht, welches die Blätter dirigiert. Die horizontal ge- richteten euphotometrischen Sprosse werden also gleichzeitig durch Vorder- und Öberlicht beeinflußt, ein merkwürdiger Fall funktioneller Korrelation. den ich schon vor vielen Jahren an Keimlingen der Tanne zu konstatieren Gelegenheit hatte, wo die Blätter in der Ausbreitungs- ebene (sog. Kantenheliotropismus nach K.Linsbauer zeigend) nach dem Vorderlichte, die Blattflächen nach dem Oberlichte sich richten). So wie die Kotylen der Tanne unter dem Einfluß des Zenithlichtes sich horizontal stellen und in diese Horizontalebene die heliotropische Sichel- krümmung der Kotyledonen erfolgt; so bewegt sich ein horizontal wachsen- der euphotometrischer Sproß in einer Horizontalebene dem Vorderlichte, bzw. dem stärksten Vorderlichte zu. Der horizontalen Lage der Sprosse kommt wegen stärkster Ausnutzung des Tageslichtes eine hohe biologische Bedeutung zu, welche, wie wir gesehen haben, sowohl für Sträucher als für Bäume gilt. Mit bezug auf die Vorteile, welche die horizontale Sproßentfaltung dem Baume bietet, möchte ich noch folgende Bemerkung hier einschal- ten. Das Blatt kann unter dem Einflusse des Oberlichtes auch an vertikalen Sprossen die horizontale Lage einnehmen und wird daraus denselben Vorteil ziehen, wie wenn es an einem horizontalen Stengel stehen würde. Aber die Ausbreitung der Baumkrone wäre bei verti- kalem Wuchs der Sprosse sehr eingeschränkt. Gerade die horizontale Ausbreitung der Äste bewirkt die möglichste Ausbreitung der Krone 1) Heliotropische Erscheinungen, 1880, Bd. II, pag. 48. Daselbst auch eine Abbildung der gleichzeitig auf Ober- und Vorderlicht reagierenden Kotyledonen der Tannenkeimlinge. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen, 137 und die zweckmäßigste „Lichtraumnutzung“!‘. Wie gering ist beispiels- weise die Lichtraumnutzung bei der Pyramidenpappel, deren Äste die Tendenz zum vertikalen Aufstreben haben und die zudem mehr auf das relativ schwache Vorderlicht als auf das Oberlicht angewiesen sind. b. Nicht nur Laubbäume, sondern auch Nadelhölzer haben die Fähigkeit zur Ausbildung horizontal liegender euphotometrischer Sprosse und Sproßsysteme, insbesondere die tannenwüchsigen Koniferen und in vollendetster Weise die Tanne (Abies pectinata). Es ent steht aber die Frage, ob die uns so auffallend als euphoto- metrische Sprosse entgegen- tretenden Zweige der Tanne nicht den pseudophotometri- schen Charakter besitzen, d.h. daß die behufs Ausmützung des Lichtes so zweckmäßige Anordnung der Nadeln an solchen Zweigen gar nicht durch die Richtkraft des Lich- tes bedingt werde. Zu dieser Vermutung wird man durch die Tatsache geleitet, daß die „Scheitelung“ der Tannen- Fig. 1. Im Dunkeln erzogene, noch ganz junge i i Sprosse der Tanne, welche bereits die be- nadeln sich auch einstellt, ginnende Scheitelung der Nadeln zeigen. Der wenn ınan die Sprosse vonder im Bilde sichtbare Topfrand erklärt die Rich- i i - tung der photographischen Aufnahme: Man Knospe an a voller Finster sieht die Pflanze so, wie sie von oben be- nis sich entwickeln läßt. Wie trachtet erscheint. ich mich durch Versuche über- zeugte, tritt unter diesen Verhältnissen, insbesondere an der Unterseite, die Scheitelung der Nadeln immer ein, wenn auch nicht so vollständig wie dies an Lichtsprossen zu bemerken ist. Schon Frank?) hat die bei Lichtausschluß sich einstellende Scheitelung der Nadeln an den Taunensprossen gesehen und hat diese Erscheinung auf die Wirkung der Schwerkraft zurückgeführt. Diese Auffassung kann aber nicht 1) Wiesner, Lichtgenuß, 1907, pag. 7 und 89 ff. _ R 2) Die natürliche Richtung der Pflanzenteile, Leipzig 1870, Lehrbuch 1892, Pag. 916. Leipzig 1870. 138 J. v. Wiesner, richtig sein, weil sie bei jeder Zweigrichtung immer in gleicher Weise vor sich geht, nämlich die Richtung der Nadeln keine Beziehung zur Vertikalen hat, sondern stets nur zur Lage der Sproßachse, wobei die einzelnen Blätter die verschiedensten Lagen zum Horizont annehmen können. Es unter- liegt gar keinem Zweifel, daß man es hier, der Hauptsache nach, mit einer spontanen Fig. 3. Fig. 2. Im Dunkeln erzogene junge Sprosse von Abies Nordmanniana. Die Scheitelung erfolgt an der oberen und unteren Sproßseite. Im Bilde, welches die Pflanze in horizontaler Projektion wiedergibt, ist nur die Oberseite der jungen Sprosse zu sehen. Die Scheitelung erfolgte durch Plagionastie der Nadeln. Ansicht von oben (s. die Texterklärung bei Fig. 1). Fig. 5. Horizontal erwachsener Sproß von der Buche. Schon die aus der Knospe tretenden, noch aphotometrischen Blätter sind infolge von Plagionastie nach oben gewendet. Ihrer Anlage und ersten Entwicklung entsprechend müßten sie ohne plagionastische Bewegung im Profil zu sehen sein. Nutationsform zu tun hat, welche sich von der gewöhnlichen Epinastie der Blätter bloß durch die Richtung der Bewegung unterscheidet. Nach meinen Untersuchungen, die ich hier nur berühren kann, über Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 139 welche ich später ausführlich berichten werde, hat man es hier mit einer dem plagiotropen Sprosse eigentümlichen Nastie (Autonastie) der Blätter zu tun, welche ich als Plagionastie bezeichne. Bisher kannte man nur Formen von Orthonastien, das sind (autonome) Nastien mit einer, gewöhnlich vertikalen aber immer stationären Symmetrieebene (Epinastie und Hyponastie der Blätter), während aber die Plagionastie dadurch ausgezeichnet ist, daß sich während des Wachstums die Symmetrieebene der sich bewegenden Blätter fort- während ändert !). Die Scheitelung der Koniferennadeln beruht also nicht, wie Frank meinte, auf Geotropismus, sondern auf Plagionastie, welche allerdings mit Geotropismus kombiniert sein kann. Die Plagionastie, welche bei den Tannennadeln so klar ausge- sprochen ist, beherrscht auch die Blätter plagiotroper Laubsprosse. An horizontalen Buchensprossen sind die Spreiten der eben aus der Knospe kommenden Blätter schon nach oben gewendet, wenn. auch noch nicht wie das im Oberlicht herangewachsene Blatt horizontal gestellt (Fig. 3). Man sieht hier deutlich, daß die spätere photometrische Lage durch Plagionastie vorbereitet wird. Ich habe schon in einer früher veröffentlichten Arbeit?) den Nachweis geführt, daß die fixe Lichtlage des Blattes sich erst spät, aber selbstverständlich noch vor Beendigung des Wachstums des Blattes einstellt und durch Epinastie vorbereitet: wird, indem das anfänglich hyponastische Blatt sich durch Epinastie so wendet, daß seine Oberseite dem Lichte zugekehrt ist. Die fixe Lichtlage der Blätter tritt also spät ein und wird stets durch eine Autonastie (Epinastie oder durch Plagio- nastie) vorbereitet. Dies gilt auch für die Tanne, welche durch die im Dunkeln sich vollziehende Scheitelung der Nadeln gar keine Ausnahmestellung ein- nimmt, sondern so wie die Buche und alle anderen mit photometrischen Blättern versehenen Pflanzen sich verhält. Auch bei der Tanne erfolgt die fixe Lichtlage spät und wird an allen plagiotropen Sprossen durch Plagionastie vorbereitet. 1) Die Kürze, mit welcher ich oben die Plagionastie eharakterisierte, könnte zu der Meinung führen, daß an plagiotropen Sprossen keine Orthonastien auftreten können. Diese Auffassung wäre nicht richtig, denn es können die in der Sym- metrieebene des Sprosses gelegenen oberen und unteren Blätter auch ortho- Nastisch sein. 2) Weitere Studien über die Lichtlage der Blätter und über den Lichtgenuß der Pflanzen. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1911, Bd. CXX. 140 J. v. Wiesner, Man muß deshalb auch die Tanne in jene Kategorie von Ge- wächsen stellen, welche euphotometrische Sprosse und Sproßsysteme bilden. Ja die Tanne stellt den vollendetsten Typus solcher Gewächse dar, der höchst augenfällig ist, weshalb ich in obiger Darstellung (2) von diesem Falle ausging. 6. Man wird wohl jeden Sproß, welcher photometrische Blätter trägt, als photometrischen und jeden Sproß der nur aphotometrische Blätter trägt, als aphotometrischen Sproß bezeichnen dürfen. Der euphotometrische Sproß wurde oben bereits genau cha- rakterisiert und ausführlich erörtert. Was den panphotometrischen Sproß anlangt, so wird man denselben sehr häufig ausgebildet finden, 2. B. bei der Eibe (Taxus baccata), wo die der starken Wirkung der Sonne ausgesetzten Sprosse durchwegs panphotometrisch sind, während die Schattensprosse sich durchwegs als euphotometrisch zu erkennen geben‘). Damit ist schon gesagt, daß an einem und demselben Holzgewächse sowohl euphotometrische als panphotometrische Sprosse auftreten können; dies ist sogar häufig der Fall, indem an sehr vielen Holzgewächsen die peripheren Sprosse panphotometrische, die inneren euphotometrische Blätter tragen?). Die Tanne ist ein Beispiel für einen unter normalen Verhältnissen aus euphotometrischen Sprossen zusammengesetzten Baum. Wenigstens gilt dies für die plagiotropen Sprosse, welche, abgesehen von dem orthotropen Hauptsproß, den Baum aufbauen. Die Blätter des Hauptsprosses sind nicht euphotometrisch, sondern neigen mehr oder weniger stark zu panphotometrischer Ausbildung. Gewächse von durchaus panphotometrischem Charakter der Sprosse kommen gewiß vor, sind aber bisher nicht ermittelt worden, da sie wohl eine Seltenheit bilden. In meiner oben genannten Schrift („Weitere Studien über die Lichtlage der Blätter .. .*) habe ich nur einen einzigen, aber auch nur mit einer gewissen Einschränkung hierher gehörigen Fall angeführt, nämlich Olea europaea, bezüglich welcher ich zeigte, 1) Panphotometrische und euphotometrische Sprosse der Eibe sind abgebildet in meiner Schrift: Bemerkungen über den Zusammenhang von Blattgestalt und Lichtgenuß. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1908, Bd. CXVIL pag. 1270. 2) 8. hierüber Wiesner, Weitere Studien usw., wo für einzelne Gewächse der Lichtgenuß in Zahlen ausgedrückt ist, bei welchem das panphotometrische Blatt in das euphotometrische übergeht. Über die Photometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 141 daß der sog. kritische Punkt des Lichtgenusses (nämlich jener Wert, bei welchem der Umschlag des panphotometrischen Blattes in das euphotometrische eintritt) in der Nähe des Minimums des Lichtgenusses gelegen ist, „oder faktisch gar nicht erreicht wird!) In diesem letzteren Falle besteht der Baum faktisch nur aus panphotometrischen Sprossen. 7. Es scheint schon von vornherein einleuchtend, daß anisophylie Laub- sprosse, die fast durchweg photometrisch sind, den euphotometrischen Zu- stand nicht erreichen können. Denn an jedem anisophylien Sproß kann man obere und untere (bzw. äußere und innere), endlich seitliche Blätter unterscheiden, welche in der dekus- sierten Insertion verharren, mithin nicht in Eine Schicht gelegt er- scheinen, während es zum Charakter des euphotometrischen Sprosses ge- hört, daß alle seine Blätter, wie die Fiederblättchen eines gefiederten Blattes in einer Schicht gelegen sind. Es trifft dies auch faktisch in der Regel zu, wie man namentlich an großblätterigen anisophyllen Bäu- men (Negundo fraxinellifolium, Aesculus hippocastanum, Pau- Fig. 4. Schema der (lateralen) Aniso- lownia imperialis usw. leicht er- kennen kann. Aber bei manchen Acer-Arten mit kleinen oder mittel- großen Blättern und kurzen Inter- nodien, selbst bei unseren gewöhn- lichen Ahornen, sieht man nicht phyliie von Strobilanthes scaber nach Erreichung der fixen Lichtlage des Sprosses; also Umbildung eines anfäng- lich die dekussierte Blattanordnung zei- genden Sprosses in einen eben ausge- breiteten euphotometrischen Sproß. a kleines Blatt zwischen zwei großen Blättern 4,4. a’ kleines Blatt zwischen zwei großen Blättern 4, 4. selten eine gewisse Annäherung an die euphotometrische Sproßbildung, welche sogar einen geringen Grad von Schichtkronigkeit zur Folge hat. Die ungemeine Mannigfaltigkeit der Natur zeigt sich auch hier. Ich kann einen Fall von Anisophyllie anführen, welcher mit der Ausbildung von auf das vollkommenste ausgeprägten euphotometrischen Sprossen verknüpft ist. Ich habe diesen Fall vor Jahren schon beschrieben, aber verstand ihn damals noch nicht in jenen Zusammenhang zu bringen, welcher hier De pag. 166. 142 3. v. Wiesner, betont wird. Es handelt sich um Strobilanthes scaber Nees, welche Pflanze ich in Buitenzorg auf Java zu beobachten Gelegenheit hatte‘). Die Blätter sind dekussiert angeorilnet, die einzelnen Blattpaare ausgesprochen anisophyll. Später erfolgt eine Drehung der Stengelglieder und der Blätter in der Art, daß das ganze Laub in einer Fläche sich ausbreitet. Infolge der Anisophyllie bildet nunmehr das Laub des Sprosses jenes „Mosaik“, welches A. v. Kerner zuerst an Efeu und anderen Pflanzen be- schrieb, dessen Zustandekommen bei Strobilanthes scaber nunmehr klar geworden ist: durch Drehung der Internodien und der Blätter des aniso- phyllen Sprosses kommt zwischen je zwei großen Blättern, den Raum nahezu erfüllend, stets ein kleines Blatt zu liegen (s. Fig. 4). Soweit hatte ich damals die Sache erfaßt, nunmehr ist es mir klar geworden, daß hier ein Fall vorliegt, in welchem ein anisophylier Sproß auf der Höhe seiner Entwicklung den Charakter eines euphotometrischen Sprosses an- nimmt. Unter anderem ein Beweis, daß der euphotometrische Charak- ter eines Blattes erst in späten Entwieklungsstadien sich ausbildet, wo- rauf bereits oben die Aufmerksamkeit gelenkt wurde. Denn daß der im Lichte in eine Ebene sich ausbreitende Laubsproß damit die fixe Lichtlage erreicht, kann wohl keinem Zweifel unterliegen; ich habe diese Tatsache bereits in der zuletzt genannten Abhandlung festgestellt. Ich habe durch Anisophyllie bedingte euphotometrische Sprosse auch noch an Cytharexylon quadrangulata Jacq. (Verbenacee) und in schwacher Ausbildung auch beim Cornus sanguinea beobachtet. Figdor fand sie später auch bei Rhamnus anisophyllus Oliv. und bildete den Fall auch ab?). 8 Zuletzt habe ich noch eines merkwürdigen Falles zu gedenken, den ich an Tsuga canadensis Carr. beobachtete. Er besteht darin, daß bestimmte Blätter eines euphotometrischen Sprosses aphotometrisch ausgebildet sind. An den Sprossen dieser Konifere tritt Anisophyllie auf). Die in der Nähe der obersten Kante der plagio- tropen Sprosse entspringenden Nadeln sind auffallend kleiner als alle 1) Pflanzenphysiologische Mitteilungen aus Buitenzerg. V. Studien über die Anisophyllie tropischer Gewächse. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1894, Bd. CIII, pag. 639 ff. Dazu Tafel IV. 2) Figdor, Die Frscheinung der Anisophyllie, pag. 27 ff., Tafel VII, Fig. 3. Leipzig und Wien 1909. 3) 8. hierüber Figdor, I. c. pag. 43 und 117. Daselbst auch der Hinweis, daß bereits Frank die Anisophyllie von Tsuga canadensis im Jahre 1868 beobachtet hat, die Pflanze aher als Pinus canadensis anführt. Auch Kny (1882) kannte die Anisophyllie dieser Konifere. Über die otometrie von Laubsprossen und Laubsproßsystemen. 143 übrigen. Es ist nun sehr merkwürdig, daß diese kleinen Blättchen der Achse angedrückt bleiben, ihre ursprüngliche Richtung nicht verlassen haben, mithin keiner nachträglichen Epinastie unterlegen sind. Sie sehen mit ihrer weißlichen Unterseite nach oben, sind also zweifellos aphotometrisch, während die übrigen bei gleicher Lage des Sprosses normalen, also grün aussehenden Biätter euphotometrisch sind. Diese am ausgebildeten Sprosse um- gekehrt orientierten Blätter ‘sind nicht nur aphotometrisch, sondern auch, wenigstens in Rücksicht auf Assimilation, so gut wie funktionslos. Ich habe bemerkt, daß diese BlätterimDurchschnittefrüher als die normalen Blätter ab- geworfen werden, was mit ihrem Charakter als funktions- lose Organe im ursächlichen Zusammenhange steht. Manch- mal erhalten sie sich aber doch noch, und stehen, aller- dings schon abgestorben, noch im nächsten Jahr am Sprosse. Es scheint mir bemer- kenswert, daß auch die aphoto- Ri Pr Fig. 5. Horizontal ausgebreitetes Sproßsystem metrischen Blätter von Tsuga von Tauga Sanadensis. Jeder einzelne eanadensis nicht der Epi- Sproß ist im wesentlichen euphotometrisch i : : ausgebildet. Nur die an der obersten Kante nastie unterliegen, was ich an desselben stehenden Blätter (sie sehen mit ihren allen typisch aphotometrischen weißen Unterseiten nach oben) sind aphoto- isch. Blättern (nämlich solchen, metrise welche sich nicht, pseudophotometrisch ausgebildet haben) beobachtet habe, 2. B. an Sedum album, Pinus sp, Thuya sp., Grasblätter usw. Da, wie wir gesehen haben, die Epinastie (bzw. die Plagionastie) die Photometrie und damit die fixe Lichtlage der Blätter vorbereitet, so wird das Fehlen der Epinastie bei typisch aphotometrischen Blättern verständlich. Herr Privatdozent Dr. O. Richter, Adjunkt am k. k. pflanzen- physiologischen Institut der Wiener Universität, hatte die Güte, die photographischen Aufnahmen zu den Textfig. 1-3 und 5 dieser Ab- handlung auszuführen, wofür ich ihm meinen besten Dank ausspreche. Ende August 1912. Flora, Ba. 105, 10 Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. Il. Bau des Thalloms von Dictyosphaeria. Von W. Arnoldi. (Botanisches Institut der Universität Charkow.) (Mit Tafel VI und 23 Abbildungen im Text.) Die Gattung Dietyosphaeria, eine Vertreterin der Familie der Valoniaceen, ist weit verbreitet auf den Riffen der Tropenmeere, wo sie entweder als vereinzelte größere Thallome vorkommt oder als Rasen die Korallensteine überzieht. In der östlichen 'Tropenregion, namentlich in den Meeren des Malayischen Archipel, fand die bekannte holländische „Siboga“- Expedition drei Arten der Gattung Dietyosphaeria, deren Beschrei- bung im Journal La nuova Notarisia durch Mme Weber van Bosse veröffentlicht wurde. Die eine davon war bereits früher als D. favu- losa Ag. bekannt, zwei andere, nämlich D. Versluysi Web. v. Bosse und D. intermedia Web. v. Bosse, sind bei dieser Gelegenheit zum ersten Male beschrieben worden. D. Versiuysi ist ein gewöhnlicher Riffbewohner im Malayischen Archipel. In ihren Diagnosen weist Mme Weber van Bosse auf einige Angaben früherer Autoren über D. favulosa Ag. auf, welche dem wahren Bau dieser Algen widersprechen. Z. B. Wille und Schmitz finden im jugendlichen Thallom der D. favulosa Ag. ein dichtes vielzelliges Gewebe, welches darauf in einschiehtige Flächen zerrissen wird. Mme Weber van Bosse meint, es wären dabei irrtümlicherweise zwei Arten, D. favulosa Ag., welche in der Tat in erwachsenem Zustand aus einer Zellschicht besteht und eine neue Art, D. Versluysi Web. v. Bosse, die stets mehrschichtig bleibt, als eine einzige Spezies be- handelt worden. Zugunsten Mme Weber van Bosse’s sprechen auch die Abbildungen verschieden großer Thallome von D.favulosa Ag. im vorzüglichen Atlas japanischer Algen von Okamura (I). Kleine, junge Thallome sollen nach Weber van Bosse hohl und kugelig, die größeren ausgewachsenen, einschichtig und fadenförmig sein. Trotz wiederholter Studien blieb bis jetzt der feinere Dietyosphaeria-Bau un- aufgeklärt. Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 145 Indem ich an Korallenriffen des Malayischen Archipels Algen- material sammelte, fand ich eine große Anzahl von Dictyosphaeria- Thallomen. Ich fixierte das frische Material an Ort und Stelle namentlicb mit Flemmings Flüssigkeit. Die Bestimmung der Algen zeigte, daß ich es mit zwei Arten zu tun hatte, nämlich D. favu- losa Ag. und D. Versluysi Web. v. Bosse. Mme Weber van Bosse hatte die Liebenswürdigkeit, mir ihre drei Formen zur Verfügung zu stellen, was für mich eine um so größere Bedeutung hatte, als ich dieselben nun als kritisches Material bei meinen eigenen Bestimmungen verwenden konnte. Außerdem hatte Mme Weber van Bosse die Güte, mir einige von ihren Beobachtungen an den erwähnten Algen mitzuteilen, wofür ich der verehrten Erforscherin der Tropenalgen hier meinen innigsten Dank ausspreche. Die Literatur zur Familie der Valoniaceen ist in Oltmanns’ Handbuch (I. Teil), sowie in Wille’s Bearbeitung (I.—II.) angeführt. Leider konnte ich in den Besitz der Arbeit: Crosby, Observations on Dictyosphaeria (Minnesota Bot. Studies ser. 3, Part. I) nicht kommen, da aber diese Arbeit von Wille, Oltmann’s und Weber van Bosse erläutert wurde und den Gegenstand lange nicht erschöpft, so erlaube ich mir, auf nähere Besprechung der Schrift nicht einzugehen. Dietyosphaeria favulosa (Ag.) Deche ist als bekannteste Vertreterin der Gattung schon lange ein Gegen- stand algologischer Untersuchungen. Schon 1892 gibt George Murray (I) eine ausführliche Charakteristik dieser Art, sowohl auf Grund eigener Untersuchungen, als schriftlicher Mitteilungen solch eines Algenkenners wie Fr. Schmitz. Doch wie gesagt wirft Mme Weber van Bosse diesen Autoren die Verwechselung zweier Arten vor. Auch ist die An- schauung von Schmitz nicht begründet, das Wachstum von Dietyo- sphaeria komme dadurch zustande, daß ein verzweigter Chlado- phora-artiger Faden kongenital verwächst. Auch andere Angaben Murray’s sind lückenhaft. So fehlt fast durchgehends bei Murray und Okanura die Behandlung des Zellenbaues, also Zytologisches (histologisches). Erwachsene Thallome von D. favulosa Ag, welche gewöhnlich den Systematikern als Beschreibungsmaterial dienten, fand ich in größerer Zahl als Tellerchen mit eingeschlagenen Rändern (Fig. 1, 2) oder als große einschichtige Flächen von unregelmäßiger Form, die die Art ihrer Entstehung nicht verrieten. 10 146 W. Arnoldi, Neben diesen erwachsenen Thallomen fanden sich junge, welche eine ganz andere Form und Struktur zeigten. Diese kleinen Thallome zeigten eine birnartige Form und stützten sich auf dünne fußartige Fortsätze, welehe von der unteren dem Substrate zugewandten Seite abzweigten. Durch solche Thallome geführte Schnitte weisen einen von einer Zellschicht umgebenen Hohlraum auf. Mir gelang es nicht, bei dieser Art das ein- oder zwei- bis dreizellige Entwieklungsstadium zu finden, doch das weitere Wachstum der jungen Thallome erklärt in genügender Weise die Entstehung des Hohl- raumes und anderer Eigen- tümlichkeiten des Thallom- Bau. — Wie aus Fig. 3 und 4 zu sehen ist, ent- sprossen die fußartigen Fig. 1. Fortsätze aus denselben Zellen, die zur Wand des Hohlraumes gehören. In- dem sie in den Innen- raum einwachsen, ver- größern sie noch mehr den Hohlraum, Bleiben wir bei dem jungenThallom vonD.favu- losa. Fig.3 gibt uns einen Längsschnitt durch ein sol- ches Thallom. Sein äuße- rer Teil stellt eine Zell- Fig. 2. schicht dar, deren Zellen mit Fig. 1 u. 2. Photographische Aufnahme von Die- ihren Radialwänden einan- tyosphaeria favulosa. der begrenzen. In zwei Zellen siehtmanzweineben- einanderliegende Protoplasten, welche noch keine eigenen Zellhäute aus- geschieden ‚hahen. Längs der Peripherie sieht man stellenweise sehr deutlich die alte Zellwand, während der innere Teil von dünneren, ziemlich regelmäßig angeordneten Wänden durchquert wird. Es ist nicht schwer, ihre Richtung verfolgend, in ihnen die Zellwände jener Zellen wiederzuerkennen, die ihrerseits einige nebeneinander liegende Zellen bildeten. Es wäre nur zu antworten auf die Frage, warum denn die Überbleibsel der Protoplasten nicht zu sehen sind, während Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen, II. Bau des Thalloms usw. 147 nur die Zellhäute noch sind. Doch darüber unten; jetzt wollen wir die weiteren Zellteilungen und die Perlschnuren, die den Zellwänden aufgelagert sind, erläutern. Fig. 4 führt ein ziemlich großes Thallom vor mit einem großen Hohlraum, einige Zellen (als Flecke sichtbar) und stellenweise gut zu sehende Reste von Zellhäuten. Es ist interessant, die Form der nach oben gekehrten Zellen hervorzuheben. Sie sind an ihren Seiten zu- sammengepreßt, so daß eine Art Papillen resultiert, welche Haber- landt’s lichtbrechende Linse nachahmen. Nach Erreichung einer ge- wissen Größe zerreißt der Ball in seinem oberen Teile und rollt sich zu einer einschichtigen Fläche auf. Diese Form des erwachsenen Fig. 3. Dietyosphaeria favulosa, Längs- Fig. 4. Dietyosphaeria favulosa. Längs- schnitt durch den Thallus. Schwach vergr. schnittdurch den Thallusmit drei Fußzellen. Thalloms wird verständlich, wenn wir die Teilungsweise der Zelle ver- folgen. Die erwachsene Zelle von Dietyosphaeria favulosa führt einen Protoplasten, welcher aus einer dünnen wandständigen Protoplasma- schicht mit ihren Organen besteht und eine große Vakuole mit Zellhaft einschließt, durch dessen Turgor das Protoplasma der Zellwand aus- gedrückt wird. Während der Teilung schrumpft nun der Protoplast durch Plasmolysierung auf die Hälfte oder noch mehr seiner ursprüng- lichen Größe zurück (Fig. 5) und teilt sich in radiärer Richtung in zwei, vier, seltener mehr Teile. In Fig. 5 ist ein optischer Schnitt angeführt durch eine Zelle mit einem in zwei Hälften geteilten Proto- plasten, während Fig. 6 eine Reihe Zellen, von der Oberfläche gesehen, zeigt. Interessant ist dabei die Abtrennung des Protoplasten von der Zellwand und seine Teilung als zellhautloser Körper. Beide Zeichnungen 148 W. Arnoldi, zeigen die jungen Protoplasten als Körper von kugelförmiger oder elliptischer Form mit abgerundeten Ecken. Die Mutterzellwand be- teiligt sich an der Teilung keineswegs. Sie markiert nur die vorher- gegangenen Teilungen. Wenden wir uns nun zu der Fig. 3, so erscheint uns der in derselben wiedergegebene Bau des Thalloms begreiflich, ebenso wie das spätere, als Fig. 4 gezeichnete Stadium. Die Linien, welche Fig. 3 durchkreuzen, sind nichts anderes als Überbleibsel von Mutterzellen, weiche Tochterzellen den Ursprung gaben, während die in radiärer Richtung fortschreitenden Teilungen die Einschichtigkeit der Thallomwand bedingen. Doch findet diese radiäre Teilungsriehtung nicht immer statt im Thallom von D. favulosa. An erwachsenen, nunmehr einschichtigen zellartigen Thallomen sind nicht selten Fälle Fig. 7. Fig. 6. Fig. 5. Dietyosphaeria favulosa. Eine Zelle in der Teilung. F ig. 6. Dietyosphaeria favulosa. Die in der Teilung sich befindenden Zellen. Fig. 7. Dietyosphaeria favulosa. Ein Stück des Thallus mit sich teilenden Zellen. von Teilungen in tangentialer Richtung, wie es Fig. 7 zeigt: doch ver- ändert sich auch in diesem Falle der Charakter der Teilung nicht: beide Protoplasten sind von geringerem Umfange als der ursprüngliche. Dieselbe Teilungsweise erklärt die Anwesenheit einer alten Zellhaut an einem jungen, in Teilung begriffenem Thallom. Charakteristisch für den Dietyosphaeria-Bau sind specifische Zellen, die von Murray als tenaeula, von deutschen Autoren als Hapteren bezeichnet werden. Man könnte sie auch Stützzellen nennen. Diese Stützzellen sind verschieden bei jeder Dietyosphaeria-Art. Bei D. favulosa erscheinen sie sehr früh, noch im Anfange des Zell- wachstums und ihre Form ist von ihrem Entstehungsorte abhängig. Entspringen sie den Fußzellen, also ohne dem Drucke von Nachbar- Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 149 zellen ausgesetzt zu sein, so ist ihre Form eine andere, als wenn sie zwischen anderen Zellen entstehen. Die Gattung Valonia, die Dietyosphaeria nahe steht, führt nach den früheren Angaben Faminzin’s, Schmitz’s und den vollstän- digeren von Kuckuck zwei Arten von linsenförmigen Zellen, von denen die einen große blasenartige Zellen, die kleineren Verankerungsorgane die Hapteren bilden. Dictyophaeria besitzt nur kleine linsenförmige Zellen, welche an die Hapteren von Valonia erinnern. An den Fuß- IK Fig. 8. Dietyosphaeria favulosa. Eine Fig. 9. Dietyosphaeria favulosa. Eine Fußzelle mit rhizoidähnlichen Fortsätzen. Fußzelle mit Stützzellen. zellen entstehen diese Stützzellen als linsenartige Zellen, welche in die Länge wachsen, für gewöhnlich keine Verzweigungen bildend, wie aus Fig. 8 zu sehen ist. Sie erinnern dann eher an Rhizoiden, welche sich zu verankern suchen, in anderen Fällen (Fig. 9) zeigen sie von Anfang an unregelmäßiges Wachstum und fangen an, sich kräftig zu verzweigen, korallenartige Auswüchse bildend. Doch ihre größte Entwicklung er- reichen diese Stützzellen, indem sie an Thallom- zellen entstehen und dieselben gleichsam zusammen- fügen. Murray bildet solche Zellen bei Dietyo- sphaeria favulosa in Taf. VI, Fig. 24—c seiner Phycological Memoirs ab. Mit noch größerer Ausführlichkeit führt sie der Atlas O. Kamura’s vor (Pl. XL, Fig. 19-21). Deshalb werde ich . nicht weitere Aufmerksamkeit ihrem Bau schenken. Fig, a 2 nietyo- Ich erwähne nur, daß sie an den jüngsten Zellen Eine Thalluszelle mit entstehen und bei nächstfolgenden sich zu parallelen mehreren Reihen der Reihen anordnen, wie aus Fig. 10 zu sehen, wo eine Dietyosphaeria-Zelle abgebildet ist, die zwei Gürtel aus Stützzellen führt. In anderen Fällen, an jüngeren Zellen kann man sie nur an einem Ende, das dem Zellinneren zugewandt ist, gewahr werden. Zwischen den Zellen ihre Stellung einnehmend, wie aus Fig. 6 zu sehen ist, nehmen sie die Form von Zähnen an und verbinden die Zellen zu einem festen Verband. . 150 W. Arnoldi, Ihre Form hängt davon ab, ob die Zellen mehr oder weniger isoliert oder zusammengefügt sind. Ihre Form ist besonders gut bei Dietyosphaeria Versluysi ausgesprochen, zu deren Beschreibung ich mich nun wende. Dictyosphaeria Versluysi Web. v. Bosse. Die betreffende Literatur ist dürftig, sie beschränkt sich auf die Angabe von Weber van Bosse und jene Bemerkungen, die in der Arbeit Murray’s anzutreffen sind, der diese Alge zur nahe verwandten Art D. favulosa rechnete. Murray reproduziert {} sogar in Fig. 4 „internal projec- tions from cell-wall“ — also Zell- wandauswüchse, welche für D. Versluysi' so charakteristisch sind. Seine Fig. 1, gehört auch Fig. 11 u. 12. Dietyosphaeria Versluysii. eher zur genannten Art, als. zu Längsschnitt durch den Thallus. D. favulosa, wie im Text ge sagt wird. Die massiven Thallome von D. Versluysi bleiben ihr ganzes Leben lang feste Körper, worauf schon Mme Weber van Bosse hinweist. Ein Schnitt dureh das Thallom bei sehr kleiner Vergrößerung, ist in Fig. 11 abgebildet. Diese Zeichnung zeigt den gleich- artigen Bau des Thallom’s, dessen äußere Zellen mehr oder weniger polyedrisch, dessen innere Zellen mehr oder weniger abgerundet sind, und Interzellularräume entstehen lassen. [7 Fig. 11. Fig. 12 führt einen etwas —_— )\ anderen Typus vor. Die £\ Zellen sind sehr groß und 251 ihre Zahl, die das Thallom N ausgebildet, ist verhältnis mäßig kleiner als im ersten Falle. Die mittlere Größe in . . \ der Zelle des erwachsenen ante Junge Ent- Tpalloms erreicht 1,5 bis 1,8 mm. Der Unterschied im Ausbau der Thallome von D. favulosa und D. Versluysi findet seine vollkommene Erklärung in der Teilungs- und Wachstumsart des Thalloms, die für jede Alge charakteristisch ist. Fig. 13 zeigt ein Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 151 junges Entwicklungsstadium von D. Versluysi. Das Thallom besteht aus wenigen enganliegenden und einen Fuß bildenden Zellen. Dieses Thallom ist von der Seite aufgenommen worden, wobei es von unten ge- sehen, nicht einen vollständigen Zellverband zeigt, sondern die Stelle, wo sich verbindende Stützzellen einlagern, die hier wegen der Dicke der Zellen und ihrer Unklarheit nicht abgebildet wurden. Auf späteren Stadien vermehren sich die Thallomzellen durch Teilung, doch geht diese auf anderem Wege, als bei D. favulosa vor sich. Zwischen zwei Protoplasten entwickelt sich eine Querwand, welche die Zelle in zwei Hälften zerlegt und beide Schwesterzellen bleiben nebeneinander liegend. Dank einer derartigen Teilung des Thalloms bildet sich kein Hohl- raum, und es bleibt dicht und vielschichtig. Eine andere Eigen- tümlichkeit von D. Versluysi bilden deren Stützzellen und die zahl- reichen Zellwandauswüchse, welche in das Innere der Zellen eindringen. . Fig. 14. Fig. 14. Dietyosphaeria Versluysii. Die inneren Zellwandlamellen, Fig. 15. Dictyosphaeria Versluysii. Die x inneren Stützzellen. Fig. 15. Diese Auswüchse gleichen Stalaktiten und zeigen einen deutlich ge- schichteten Bau. An einigen von ihnen wird man eine gewisse Perio- dizität des Wachstums bemerken können, da die Schichten der Aus- wüchse oft durch Zwischenräume getrennt erscheinen. Außer den ge- wöhnliehen Auswüchsen kommen auch verzweigte vor. Es fällt schwer, die Funktion dieser Bildungen zu erklären. Sollten sie das Resultat von einem Übermaß von Zellwandstoffen sein, oder kommt ihnen eine mechanische Bildung zu? Sie kommen in sehr großer Zahl vor und Fig. 14 gibt einen kleinen Teil einer zwei Zellen scheidender Quer- wand wieder, die mit Auswüchsen überdeckt ist. Die Stützzellen von D. Versluysi zeigen eine charakteristische Form, welche durch ihren Entstehungsort bedingt wird. Wenn sie zwischen drei zusammentretenden Zellen gebildet werden, so bilden sie drei Fortsätze, die von einem Stiele abzweigen, wobei diese Fortsätze einmal kurz und dick, dann wieder stark verlängert und sehr deutlich 152 W. Arnoldi, sind (Fig. 15). In anderen Fällen liegen sie als lockere Reihe der Zellwand frei an und nehmen außerordentlich sonderbare Formen an, wie aus Fig. 16 zu sehen ist, deren Erklärung nicht leicht zu geben ist. Dort endlich, wo Zellen die dicht zusammengelagert sind, bekommen die Stützzellen einen charakteristischen Bau der vielfach an die Zähne eines Zahnrads erinnert: sie werden massiver und erscheinen kurz und dick gezähnt (Fig. 17). Fig. 16. Fig. 17. Fig. 16 w. 17. Dietyosphaeria Versluysii. Die inneren Stützzellen. Diese Merkmale berechtigen vollkommen die Zuzählung dieser Alge zu einer neuen Art, und natürlich ist es das beste, den durch Mme Weber van Bosse gegebenen Namen für diese Alge beizubehalten. Dietyosphaeria intermedia Web. v. Bosse wurde mir dureh den verehrten Autor überreicht und entstammt dem Material der Siboga-Expedition. Diese Art ist augenscheinlich seltener, Fig. 18. Dictyosphaeria intermedia. Längs- Fig. 19. Dietyosphaeria intermedia. schnitt durch den Thallus. Längsschnitt durch den Thallus. als vorhergehende. Bei Web. v. Bosse sind nur zwei Fundorte an- gegeben, der eine ist „Recif de D’jankar; ile de Java“; doch konnte ich die Alge daselbst nicht finden. Diese Art verbindet Merkmale beider obengenannten Dietyosphaerien. Auf den jüngeren Ent- wicklungsstufen stellt sie einen dichten Körper vor und wird aber später hohl und einschichtig. Dem :Baue der Zellen nach kommt diese Art der D. favulosa näher, als der D. Versluysi. Die durch das junge Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 153 Thallom von D. intermedia geführten Schnitte weisen Bilder wie Fig. 18 und Fig. 19 auf, welche bei verschiedenen Vergrößerungen aufgenommen sind. Fig. 18 führt einen vollständigen Schnitt vor, aus welchem er- sichtlich ist, daß das Thallom im Anfange dicht gebaut, darauf aber dank Zellteilungen nach Art der D. favulosa einen zentralen Hohl- raum freiläßt. An den Zellen dieses Thalloms entstehen gemäß Fig. 19 ebensolche Stützzellen, wie bei D. favulosa, deren Verzweigungs- charakter ebenfalls an diese Alge erinnert (Fig. 20). Die Art des Wachstums des Thalloms von D. intermedia rechtfertigt vollkommen den von Web. v. Bosse gegebenen Namen — es ist eben eine inter- mediäre Dietyosphaeria-Art. Bau des Protoplastes. Der Zellenbau bei den Dietyosphaeria-Arten ist bei allen drei ungefähr derselbe, so daß ich es unterlasse, weiter unten zu erörtern, welche Art mir als Untersuchungsobjekt diente. Was D. intermedia betrifft, so er- laubte leider die ungenügende Fixierung \ mit Alkohol nicht einen Einblick in den 52) \ Zellenbau dieser Alge zu gewinnen. Die =) meisten Thallome von D, favulosa und D. Versluysi wurden an Ort und Stelle \ mit Flemming’s Flüssigkeit fixiert, dann mit Wasser ausgewaschen und nach und Fig. 20. Dietyosphaeria inter- nach in 50°), Alkohol übergeführt. Ein media. Stützzellen. Teil der Thallome wurde an Rasiermesser- schnitten studiert, ein anderer wurde in Paraffin eingebettet und mit dem Mikrotom geschnitten. Die Zellwand der peripherischen Zellen des Thalloms von D. Vers- luysi oder die inneren und äußeren Tangentialwände des einschichtigen Thalloms der ausgewachsenen D. favulosa zeichnen sich durch beson- dere Mächtigkeit aus. Sie bestehen aus zahlreichen einander deckenden Schichten und zeigen außerdem eine deutliche Schraffierung, die in zwei gegeneinander rechtwinkeligen Richtungen bemerkbar ist. Ein ähnlicher Zellwandbau ist schon durch Faminzin für Valonia utrieu- laris beschrieben worden und wurde durch Kuckuck an V. maerophysa bestätigt. Die radiären Wände des einschichtigen Thalloms von ‚D. favulosa und die Wände der inneren Zellen von D. Versluysi sind bedeutend dünner und zarter, zeigen eine schwache Schichtung, während die Schraffierung an ihnen doch sichtbar ist. Chlorzinkjod übt nur 154 W. Arnoldi, eine schwache Wirkung aus, indem die Zellwände an ihren Rändern blau werden, wogegen andere auf Dietyosphaeria epiphytisch wach- sende Algen deutlich gefärbt werden. Es besteht also die Zellwand von Dietyosphaeria nicht aus reiner Zellulose. Der Protoplast stellt, wie erwähnt, einen den Zellsaft einschließenden Sack vor; das Protoplasma mit ihren Kernen und Chromatophoren ist nur eine dünne peripherische Schicht. Im Bau des Dictyosphaeria- Thalloms kommt eine gewisse Polarität zum Ausdruck. So sind die äußeren Zellen des Thalloms von D. Versluysi etwas anders gestaltet als die inneren, im Zellenbau der einschichtigen D. farulosa ist eben- falls ein Unterschied zwischen dem oberen und dem unteren Teil der Zelle und deren Mitte zu bemerken. Dieser Unterschied ist mit der Lage der Chromatophoren verbunden, welche andererseits von der Be- leuchtungsweise der Zellenteile abhängig ist. In der Tat zeichnen sich die Chromatophoren, die in den peripherischen Zellen der Außenwand angelagert sind, durch ihre erhebliche Größe aus. Sie stellen flache, in die Länge gezogene Körper mit unregelmäßigen Konturen dar, wie aus Taf. VI, Fig. 1 ersichtlich ist. Solche Körper sind nicht selten untereinander verbunden, doch ist wahrscheinlich diese Erscheinung auf Fixierungs-Perturbationen zurückzuführen. Häufiger kommen solche Chromatophoren, wie in Taf. VI, Fig. 2 vor, nämlich gleichmäßig nach allen Richtungen entwickelte, mit viereckigem Umriß. Diese Figur zeigt einige zusammengeschmolzene Chromatophoren, deren jeder von erheblicher Größe ist. Im Körper der Chromatophoren fallen vor allem auf die ansehnlichen mit Stärkesphären umgebenen Pyrenoide. Der vollkommen entwickelte Pyrenoid, wie das Taf. VI, Fig. 2 und Textfig. 22 u. 23 zeigen, ist polyedrisch von einem hellen Ringe um- geben, und rings herum nimmt die Stärke Stellung. An mit Flemmings Lösung fixierten und mit Eosin und Jod gefärbten Präparaten zeigen die Pyrenoide eine charakteristische Rosafärbung, während die Stärke sich violett färbt. Werden nun solche Präparate mit Heidenhains Eisenhämatoxylin überfärbt, so nehmen die Stärkekörner diese Farbe nieht auf, während der Pyrenoidkörper sehr intensiv schwarz gefärbt wird und mit Widerstreben diese Farbe beim Auswaschen abgibt. Die Fähigkeit des Pyrenoiden, Eisenhämatoxylin aufzunehmen, erlaubt ihn leicht zu entdecken und zu studieren. In Taf. VI, Fig. 2 sind einige Pyrenoide mit Stärkesphären abgebildet. Die einen sind wabig und rundlich, die anderen in die Länge gezogen und etwas gebogen, als wenn sie im Begriff wären, sich durchzuschnüren. Ein großer Pyrenoid in der Mitte zeigt einen geschichteten Bau. Dieses Bilden entspricht Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 155 vollkommen den Zeichnungen Chmieliewski’s, die Pyrenoide von Zygnema und von anderen Algen betreffend. Nur die Außenhüllen scheinen zu fehlen, doch ist wohl daran die Überproduktion von Stärke in den Pyrenoiden schuld. Diese Eigenschaften kommen an den erwachsenen Chromatophoren zum Augenschein, welche an den dem Lichte zugewandten Seiten der Zelle ihre Stellung einnehmen. Doch je weiter wir in das Innere des Thalloms eindringen, desto mehr verändert sich die Form der Chroma- tophoren. Leider wurden die Beobachtungen an fixiertem Material vorgenommen, so daß über die Intensität der Chromatophorenfärbung sich wenig sagen läßt. Wenn wir bei geringer Vergrößerung (500 mal) den Bau des Protoplasten der inneren Zellen des Thalloms von Fig. 21. Dietyosphaeria Versluysii. Proto- Fig. 22. Dietyosphaeria Versluysii. plasmawandbeleg mit zahlreichen Pyre- Protoplasma mit Kernen und Pyre- noiden und Kernen. Vergr. 500. noiden. Vergr. 1600. D. Versluysi studieren, so bekommen wir ein Bild, ähnlich der Fig. 21. Es ist ein Protoplasmanetz, in dem intensiv gefärbte Kerne in großer Anzahl zerstreut zu sehen sind und eine Menge von Körpern, welche durch Jod violett gefärbt werden, durch Färbung mit Eisenhämatoxylin einen mittleren dunklen Punkt zu erkennen geben, welche auf die Anwesenheit eines Pyrenoids hinweist. Unter Anwendung von homogenen Systemen kann man mit größerer Genauigkeit diese Teile des Protoplasten auseinandersetzen. Fig, 22 gibt den Protoplasten der inneren Zellen von D. Versluysi wieder. In der Protoplasmamasche sieht man zwei Kerne und einige Stärkesphären, welche um ihre Pyrenoide herum sich ausgebildet haben. Solche Stärkesphären werden in das Protoplasma eingeschlossen und zwischen ihnen und Plasma gibt es kein Zwischenorgan; nur zuweilen 156 W. Arnoldi, sieht eine größere Anhäufung von Protoplasma, doch ist auch diese Erscheinung keine konstante. In Fig. 22 sieht man um 2—3 Pyrenoiden eine Protoplasmaanhäufung, die übrigen Pyrenoiden sind in üblicher Weise angeordnet. Textfig. 23 und Taf. VI, Fig. 8, 9, 12, 14 be- stätigt noch mehr diese Beobachtung. Die Pyrenoide mit ihren Stärke- sphären entstehen im Protoplasma, welches weder Chormatophoren, noch andere Plastiden enthält. Eher könnte man auf eine gewisse Ab- hängigkeit des Auftretens des Pyrenoids von der Anwesenheit des Zellkerns oder auf ihre Wechselwirkung hinweisen. Der Pyrenoid ent- steht in unmittelbarer Nähe des Zellkerns, obgleich auch das sich nicht verallgemeinern läßt, da es Pyrenoide gibt, die von denselben mehr oder weniger entfernt sind. Indem wir von diesen tiefliegenden Teilen des Thalloms zu mehr peripherisch gelegenen Schichten heraufrücken, können wir beinerken, wie allmählich die Chromatophoren entstehen, Fig. 23. Dietyosphaeria Versluysii. Protoplasma mit Kernen und Pyrenoiden, Vergr. 1600. zuerst als schwach konturierte, dann immer deutlichere und festere Umrisse gewinnende Bildungen. Der Zusammenhang zwischen Chromato- phoren und Kernen wird zu dieser Zeit, sehr ausgesprochen. Ge- wöhnlich entspricht jedem Chromatophor sein Zellkern, wenn dieser Chromatophor geheilt wird, so nimmt daran auch der betreffende Zell- kern teil, wie aus Fig. 27 ersichtlich ist. Die Dictyosphaeriakerne zeigen folgende Eigentümlichkeiten. Fig. 21 zeigt die Verteilung der Kerne im Protoplasmianetz, und aus oben angeführter Beschreibung geht hervor, daß der Zusammenhang zwischen Chromatophoren und Kernen ein sehr enger ist; Bezirke von Protoplasma mit je einem Kern und einem Chromatophor stellen gleichsam Energiden der polyenergiden Dietyosphaeria dar. Die Form der Zelikerne ist rund, oval oder eiförmig. Die Größe schwankt zwischen 6—8 z in der Längsrichtung, 4—5 u in der Rich- tung der Querachse, doch in einzelnen Fällen erreicht sie 10 „. In Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw, 157 den vegetativen: Zellen ist der Kern deutlich wabig; Taf. IV, Fig. 6, 10, 11, 15 geben dies nur schematisch wieder, denn in Wirklichkeit ist der Bau weit regelmäßiger und ausgeprägter als die Zeichnung zeigt. Der Zellwand folgt der Inhalt des Kerns; dort, wo die Waben aufeinander stoßen, findet man knotenartige Verdickungen, die noch begieriger als das Netz selbst Eisenhämotoxylin aufnehmen. Das Netz macht den Eindruck von gefärbten Fäden, die in futteralartige Bänder eingeschlossen sind. Die Nukleolen fehlen gänzlich. Nicht alle Kerne zeigen solche Bilder, zuweilen treten die Maschen des Netzes nicht so deutlich hervor und der Kern bekommt eine schwammige Struktur. Selten kommt im vegetativen Kern auch der Nukleolus in Sicht oder auch ein heller Raum — vermutlich eine Vakuole. Die Kerne der Valoniaceae wurden von Schmitz und besonders Fairchild studiert, welcher den Teilungsprozeß bei Valonia utrieularis verfolgen konnte. Naeh ihm geht die Teilung sowohl amitotisch als mitotisch vor sich, doch zeigt auch die mitotische Teilungsweise viel Eigenartiges und geht im Innenraume der Mutterkernmembran vor sich, was auch von Kur- sanow beobachtet wurde bei Vaucheria-Arten. Leider fehlten mir bei Dietyosphaeria einige Teilungsstadien. Taf. IV, Fig. 13 weist auf ein Stadium das dem Fairchildschen in seiner Fig. 11 abgebildeten vorgeht und der Fig. 51 von Kursanow, die eine Bildung der Chromosomen vorführen soll, entspricht. Waren diese Stadien fast Ausnahmefälle, so war das in Taf. VI, Fig. 7 reproduzierte Stadium an meinen Präpa- raten oft anzutreffen. Diese nahe gegenseitige Lagerung der Kerne ist mir nicht verständlich, da doch bei jedem Teilungsmodus die Kerne einen gewissen Raum zwischen ihnen frei geben müssen. Die Fortpflanzung von Dietyosphaeria. Da nach allen Eigentümlichkeiten des Thalloms zu urteilen Dicty- ospbaeria Valonia nahe steht, so wäre natürlich auch auf einen ähn- lichen Fortpflanzungsvorgang bei einigen Algen zu schließen. Unter dem großen Material von D. favulosa und D. Versluysi, das mir zur Verfügung stand, gelang es mir, einige Zellen zu finden, welche entweder sich zur Fortpflanzung vorbereiteten oder schon bewegliche Elemente ausbildeten. Ein vollständiges Bild der Fortpflanzung konnte ich nicht erhalten, deshalb war ich gezwungen, mich auf einzelne Momente zu beschränken. Als erstes Vorbereitungsstadium zu einer Fortpflanzung könnte das in Taf. VI, Fig. 3 abgebildete gelten. Sie stellt einen Teil des 158 W. Arnoldi, Protoplasten der Zelle dar, in dem wesentliche Veränderungen im Vergleich zum normalen Bau eingetreten sind. Die Chromatophorlamellen erscheinen an fixierten Präparaten un- deutlich, es verschwinden auch die Stärkekörner und ihre Pyrenoide, das ganze Protoplasma nimmt eine gleichmäßig schaumige Struktur an, stellenweise erblickt man im Protoplasmanetz zerstreute, durch Osmium- säure gebräunte Körpereken, die besonders intensiv sich mit Hämatoxylin färben lassen und sehr deutlich treten zahlreiche Zellkerne hervor. Die Zellkerne sind 8—9 u groß, ihre Netzstruktur wird nunmehr undeutlich und in jedem Kern wird man einen sehr deutlichen Nukleolus gewahr. Solch ein Bild erinnert an ähnliche Stadien der Arbeit von Kuckuck (Fig. 8 und 9), Auf etwas späterem Stadium fängt der einförmige Protoplast an, sich in eine Reihe von kleinen Bezirken mit unregelmäßigem Umrisse zu zerlegen, welche sich perlschnurähnlich aneinander reihen und ein dichtes, dunkelgefärbtes Netz in der Zelle bilden. Taf. VI, Fig. 4 ist von einem derartig zerfallenden Protoplasten abgezeichnet. Im Innern jedes Protoplasmabezirks erblickt man einen dunklen Fleck, vermutlich einen Zellkern, im Protoplasma selbst sind gefärbte Körnchen verteilt. Dieses Stadium entsprieht dem, welches in Taf. III, Fig. 8 und Taf. IV, Fig. 5 der Arbeit Kuckuck’s über Halicystis und Valonia abgebildet ist. Auf späterem Stadium verwandeln sich diese Plasmabezirke in Schwärmzellen, ob es Zoosporen oder Gameten sind, läßt sich natürlich an meinem Material nicht entscheiden. Taf. VI, Fig. 5 gibt solche Sehwärmzellen bei einer 1500fachen Vergrößerung wieder. Sie sind 8—10 z. lang und birnförmig, ihr Vorderende scheint nicht körnig zu sein; der übrige Teil ist ausgesprochen körnig und erlaubt im Innern eine Verdichtung zu sehen, wahrscheinlich den Zellkern. Die Anzahl der Geißeln konnte ich an fixiertem Materiale nicht, ermitteln. Durch ihre Größe kommen die Schwärmzellen den Mikrozoosporen von Halieystis am nächsten, die eine Länge von 7—8,4 a bei einer Breite von 2—2,4 „ aufweisen; da aber die Schrumpfung erzeugende Wirkung der Fixierung hinzukommt, so könnte man eher an die Makro- z00sporen jener Gattung denken, deren Länge zwischen 12,3—14,2 # und deren Breite zwischen 6,5—7,9 » schwankt. Die Valonia-Zoosporen, die 16,3—20,4 „ lang sind, erscheinen also erheblich größer als die Schwärmzellen der Dietyosphaeria. Das eben geschilderte Wechselspiel zwischen Zellkern, Pyrenoid, Chromatophor und Stärkemehl verdient nach den Arbeiten Derschau’s Materialien zur Morphologie der Meoressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 159 und der von Lewitski aufgeworfenen Frage über die Entstehung der Chromatophoren aus Mitochondrien. Derschau in seiner kurzen An- merkung von 1904, von den durch Lidforss an Kinoplasmafäden zwischen Zellkern und Chromatophor angestellten Beobachtungen aus- gehend, schildert seine eigenen Beobachtungen an Pyrenoiden und Kernen bei Algen. Bei starker Vergrößerung konnte der Verfasser einen ameboiden Fortsatz, der vom Kern zum Pyrenoid ging, gewahr werden; dieser Fortsatz durchsetzte die Stärkesphäre. Die Eisenhäma- toxylin-Färbung zeigte keinen Unterschied zwischen Zellkern und Pyre- noid. Der Verfasser meint, beide Körper seien aus gleichem Material aufgebaut; dieses Material wird in den Chromatophor eingeführt, um Stärke entstehen zu lassen. In seiner anderen Arbeit (1910) wendet sich der Autor der Entstehung der Chlorophylikörner zu. Er weist auf den Zusammenhang von Zellkern und Plastiden hin und widmet seine letzte Arbeit (1911) der genaueren Beschreibung dieses Prozesses. Aus dem Kern entspringen kleine Auswüchse, welche ohne vom Kern abgetrennt zu werden, an ihren Enden ergrünen und von einem Gürtel Stärke umgeben werden, in ihrem Zentralteil chromatinisch bleiben. Taf. XXVI, Fig. 12 illustriert diesen Vorgang, wobei die kleinen Partikel von Kernsubstanz, die durch Hämatoxylin schwarz ge- färbt sind und von Stärke umgeben werden, auffallend an meine für Dietyosphaeria gegebenen Zeichnungen erinnern. Es ist augenschein- lich hier dieselbe Erscheinung eingetreten und der Chromatophor ent- steht gewiß aus dem Zellkern. Lewitski, in seinen vorzüglichen Sehriften, findet den Zusammenhang heraus, zwischen den verschie- denen als Mitochondrien und Chondriosomen bekannten Bildungen; nicht nur fixierte Präparate aus in lebendem Zustande photographierten Zellen, geben ein Beweismaterial. Doch will er keinen Zusammenhang zwischen diesen Bildungen und dem Zellkern sehen und schreibt ihnen protoplasmatischen Ursprung zu. Mir fiel stets der Zusammenhang zwischen Mitochondrien und Zellkernen auf (Taf. VI, Fig. 10, 11, 15). Früher führten mich dahin meine Beobachtungen der Ovogenese bei den Gymnospermen und auch jetzt bin ich geneigt zu glauben, daß unter dem Namen „Mitochondrien“ möglichst verschiedene, was Entstehung und Funktion anbelangt, Bildungen zusammengeworfen werden. Der Zukunft bleibt beibehalten, eine naturgetreue Klassifikation der pflanz- lichen Chromidialapparate zu geben. Als Beweis des Zusammenhangs zwischen Kern und Pyrenoid führe ich vier Fälle an, die mir an meinen Präparaten auffielen; nur die Spärlichkeit solcher Fälle hält mich von weiterer Verallgemeinerung ab. Taf. VI, Fig. 10, 11, 15 zeigen drei Flora, Ba. 108. 1 160 W. Arnoldi, Kerne, denen Chromatinsubstanz gleichsam entströmt. Ich verzichte auf die Terminologie Derschau’s, doch scheinen diese Fälle die theo- retische Forderung der Entstehung der Pyrenoide aus den Zellkernen (ein Gedanke, auf den die Lage des Pyrenoid in der Nachbarschaft des Zellkerns und die Reaktion bringt), zu bekräfigen. Als die vorliegende Arbeit schon beendigt und druckfertig war, bekam ich durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Fr. Borgesen seine Abhandlung: „Some Chlorophyceae from the Danish West Indies II", wo der bekannte Algenforscher recht interessante und neue Angaben über Morphologie von Dictyosphaeria-Arten mitteilt. In manchen Beziehungen stimmen unsere Angaben über Bau von Dietyo- sphaeria überein, in manchen vervollständigen sie einander. Ich ver- öffentliche meine Beobachtungen, da die Morpliologie der Meeres- siphoneen noch in manchen Beziehungen unklar bleibt und vieles zur Aufklärung fordert. Verzeichnis der Valoniaceen-Arten, die im Malayischen Meere von W. Arnoldi gesammelt wurden. 1. Valonia ventricosa J. Ag. Banda. 2. Valonia Forbesii Harvey Aroe: Pulu Karang. 3. Valonia vertieillata Kütz Aroe: Pulu Karang. 4. Valonia fastigiata Harv. Arao Mariri — verbreitet. 5. Dietyosphaeria favulosa Deen ($. Ag.) — sehr verbreitet. 6. Dietyosphaeria Versluysi Web. v. Bosse — sehr verbreitet. 7. [Dietyosphaeria intermedia Web. v. Bosse, nach den Angaben von Frau Prof. Web. v. Bosse]. Literaturverzeichnis. Murray, Phycological Memoirs, 1892-1895. Okamura, Icones of Japanese Algae, Vol. 1. Weber van Bosse, Note sur le genre Dictyosphaeria Deene. La nuoya XNotarisia. 1905. Kuckuck, Abhandlungen über Meeresalgen. Über den Bau und Fortpflanzung von Halieystis und Valonia. Bot. Zeitg. 1907. D. G. Fairehild, Ein Beitrag zur Kenntnis der Kernteilung hei Valonia Utri- cularis. Ber. d. Deutsch, hot. Gesellsch. 1894. Kursanew, Über die Teilung der Kerne bei Vaucheria, Biolog. Zeitschr, Bd. H. Moskau 1911. Materialien zur Morphologie der Meeressiphoneen. II. Bau des Thalloms usw. 161 Wille, Algen, Die natürlichen Pflanzenfamilien. Engler. v. Derschau, Zur Frage eines Macronukleus der Pflanzenzelle. Archiv zur Zell- forschung 1910. Levitsky, Über die Chondriosomen in Pflanzenzellen. Berichte d. Deutsch, bot. Gesellsch. 1910, 1911. Arnoldi u. Boenicke, Sur l’appareil chromidial chez quelques plantes Gymno- spermes et Angiospermes. Saertryk af Biologiske Arbeider. Eug. Warming. 1911. Figurenerklärung zu Tafel VI. Fig. 1. Diectyosphaeria Versluysii. Chromatophoren mit Pyrenoiden und Stroma- stärke. Vergr. 500. Fig. 2. Idem. Die großen Chromatophoren mit mehreren Pyrenoiden; zwei Kerne liegen bei. Vergr. 1500. Die Pyrenoidenzentren sind nach Haidenhain’s Verfahren gefärbt. Die Stärkehülle bleibt ungefärbt. Fig. 3. Vorbereitung zur Zoosporenbildung. Die Chromatophoren werden undeut- lich, die Zellkerne treten sehr zutage, es werden Kernkörperchen be- merklich. Fig. 4 u. 5. Weitere Stadien der Zoosporenbildung und fertige Zoosporen. Vergr. 1500. Fig. 6. Ein Zeilkern. Sehr stark vergrößert, 2250. Man sieht den Wabenbau. Fig. 7—9, 12, 14. Die Zellkerne in ihrer Beziehung zu den Pyrenoiden. Das Auf- treten der Pyrenoiden im Protoplasma außerhalb der Chromatophoren. Fig. 10, 11, 15. Die Zellkerne, die den Pyrenoidenzentren Ursprung geben. Vergr. 2250. Fig. 13. Ein Teilungsstadium des Zellkernes. Vergr. 2250. Fig. 16. Ein Zellkern, die bandförmige Verteilung des Chromatin zeigend. Vergr. 1500. ı11* Die Anisophyllie bei Sempervivum. Von 1. Doposcheg-Uhlär. (Mit 8 Abbildungen im Text,) Die Anisophyllie in der Gattung Sempervivum kennzeichnet sich dadurch, daß bei Rosetten, deren Achsen gegen den Horizont geneigt sind, die Blätter der Rückseite (physiologischen Oberseite) bis nahezu Lu 1 Fig. 1. Semperyivum Schottüi, Stark anisophylie Ausbildung. Die Pflanze war rechts und links von anderen Roseiten ein- geengt, hat daher geschlossenen Habitus. 4%, nat. Gr.) doppelt so lang werden können, als die in gleicher Höhe entspringenden Blätter der Vorderseite. Während ferner bei isophyllen Pflanzen die Blätter durch hyponastisches Wachstum eine leichte Krümmung aufweisen, sind die rückwärtigen längeren Blätter der anisophyllen Rosetten gerade aufgestellt, zeigen keine Krümmung; die vorderen kürze- ren Blätter aber sind abnorm nach einwärts gebogen, so daß sie im extremsten Falle sich ganz an die Knospe anschließen. Durch letzteren Umstand erscheinen diese Blätter noch kleiner, als sie tatsächlich sind, und der Eindruck der Anisophyllie wird viel ausgeprägter. Die Blätter der rechten und linken Flanke nehmen nach rückwärts an Größe zu, nach vorne werden sie kleiner. Durch die eben beschriebene Blattausbildung erhält die sonst radiäre Rosette einen stark dorsi- ventralen Habitus (Fig. 1, 2). Diese mir noch nicht bekannte Er- scheinung trat mir erstmals entgegen bei einer Mitte Juli 1910 unternommenen Exkursion in das Val di Genova— Ada- Die Anisophyllie bei Sempervivum. 163 mellogruppe-— Südtirol, an starken Pflanzen von Sempervivum arach- noideum. Da ich in den alpinen Anlagen des Münchener botanischen Gartens zur selben Zeit die Anisophyllie bei mehreren Sempervivum- Arten konstatieren konnte, anderseits jedoch in der Literatur über diese Er- scheinung erst in jüngster Zeit berichtet worden war, ohne daß hier- durch eine ge- . wisse Klärung des Problems geschaffen wurde, be- schloß ich, mich mit dem Stu- dium _dessel- ben zu be- schäftigen. Dessen bis- herige Resul- tate sind in Folgendem niedergelegt. I. Literatur. Die älteste Angabe über die vorliegende Tatsache fand ichbeiSchroe- Fig. 2. Sempervivum Schottii!). Wuchs auf einer Weinberg- ter (1908 pag. Mauer bei Krems in Niederösterreich. Geöffneter Habitus. Die in den Blattachseln entstehenden Tochterrosetten werden auf 594: „Oft ist langen Ausläufern hervorgesireckt. (?;, nat. Gr.) die Rosette bei einseitiger Anlehnung an Felsen schief entwickelt mit gestreckten hin- teren Blättern.* . \ Figdor (1909 pag. 63) geht zuerst auf das Problem näher ein, „Man kann oftmals, wenn die Pflanzen auf einer schiefen Ebene wachsen (ungefähr unter einem Winkel von 45° dem Horizonte gegenüber), be- merken, daß an der Hauptachse selbst die Blätter der morphologischen (dürfte wohl heißen „physiologischen“) Oberseite etwas länger sind als die der morphologischen Unterseite.“ 1) Diese Pflanze verdanke ich Herrn Dr. Hans Burgeff. 164 J. Doposcheg-Uhlär, „Die Anisophyllie erscheint demnach in umgekehrter Weise als gewöhnlich ausgeprägt.“ Das angeführte Beispiel für die Längendiffe- renzen 2,5:3,4 em zeigt, daß eine nicht sehr stark anisophylle Rosette vorgelegen war. Die Krümmungsunterschiede zwischen „Vorne“ und „Rückwärts“ werden konstatiert. „Die rechts und links von der Mediane gelegenen Blätter sind oft sichelförmig nach oben gekrümmt und Hand in Hand mit dieser Erscheinung sind die Blatthälften oft etwas asymmetrisch ausgebildet.“ Heinricher (1910, pag. 658) hatte sich — seit 1905 unab- hängig von Figdor — mit der Anisopbyllie der Semperviven be- schäftigt. Er beobachtete dieselbe bei $. tectorum, $. montanum und S. arachnoideum. — Sie ist von den bei anderen Pflanzen vorkommen- den Fällen darin abweichend, daß bei Sempervivum die nach oben stehenden Blätter in den Dimensionen bedeutend gefördert sind, die nach unten stehenden ihnen diesbezüglich weit zurückstehen. „Die Beobachtung, daß auf horizontaler Fläche stehende Rosetten, insbesondere, wenn kein Gestein ansteht, nie Anisophyllie zeigen und die Tatsache, daß nahezu stets die zenitwärts gekehrten Blätter die größeren sind, ließ die Annahme zu, daß wahrscheinlich der Geotropismus enger mit der Anisophyllie verknüpft sein möge.“ „Die daraufhin angestellten Versuche aber sprechen entschieden dagegen, und dafür, daß der Schwerkraft — wenn überhaupt irgend ein Einfluß, jedenfalls nur ein geringer und sekundärer zuzuschreiben sei.“ „Der eine der Versuche wurde unter Ausschluß des Lichtes bei alleiniger Wirksamkeit der Schwerkraft durchgeführt. Es wurden am 9. November 1905 einige Rosetten von Sempervivum tectorum an senkrecht hängenden Brettern, an der Rückwand des Gewächshauses (Warmhaus) in geeigneter Weise befestigt, die einen mit einem Holz- kasten lichtdicht zugedeckt, die anderen ohne solche Deckung belassen. In den Rosetten der Dunkelkultur trat keine Spur von Anisophyllie anf, wohl aber etiolierten einige und wuchsen zu den bekannten Sprossen mit gestreckten Internodien aus. An der dem Lichte aus- gesetzten Paralellkultur zeigte eine Rosette eine deutliche Vergrößerung der an einer Seite stehenden Blätter (4. April 1906) und zwar schien es die in der Beleuchtung begünstigte Seite zu sein. Doch waren es nicht die nach oben stehenden Blätter, sondern die der linken Flanke, die merkbar größer erschienen.“ Der zweite Versuch, die Wirkung des Lichtes zu studieren, bestand «darin, daß im Innsbrucker Versuchsgarten auf einer Felsengruppe an Die Anisophyllie bei Sempervivum. 165 den vier nach S, W, N, O orientierten geneigten Flanken derselben isophylle Rosetten von $. tectorum, Funki und arachnoideum ange- pflanzt wurden (17. Okt. 1905). Im Jahre 1909 trat die Anisophyliie in prägnanter Weise an 8. tectorum auf. Doch nur die Pflanzen der Westseite zeigten Aniso- phyliie, die der Ost-, Nord- und Südseite waren isophyll. „Der Umstand, daß hier (Südseite) eine Populus tremula mit dichter Krone Schatten warf und eine direkte Bestrahlung auf ein Minimum, wenn nicht vollends, einengte, erklärt das Verhalten der Pflanzen und bestätigt nur den Einfluß der Beleuchtung.“ — Indessen sei das Licht nur indirekt wirksam, der wesentlich wirkende Faktor sei die Wärme. „Durch die intensive Besonnung werden die anstehenden Fels- wände stark erwärmt und dies führt zu einer Wachstumsförderung der oberseits stehenden Blätter. Die unterseitigen stehen dem kühlen und feuchten Erdreich an oder sind eingezwängt zwischen benachbarten Rosetten und der Strahlung der erwärmten Felsen viel weniger aus- gesetzt.“ — Wenn auch vom Lichte abhängig, sei die Anisophillie nicht eine Photo-, sondern Thermomorphose. „Bei der durch die Wärme ausgelösten, starken Wachstumsförderung mag dann noch der Geotro- pismus wirksam werden und an der Steilstellung der vergrößerten Blätter Anteil haben.“ Il. Beobachtungen in der Natur. Bereits Ende Juli 1910 angestellte orientierende Versuche gaben keine positiven Resultate, da sie einerseits während des Monats August nicht kontrolliert werden konnten, andererseits der Versuchsbeginn wohl zu spät angesetzt war. — Ich konnte noch Ende Oktober dieses Jahres bemerken, daß im botanischen Garten fast nur isophylle Pflanzen vorhanden waren; Anisophyllie war bei wenigen Rosetten und in ge- ringem Maße ausgeprägt. Im folgenden Jahre (1911) begab ich mich Ende März nach Gries bei Bozen, da ich von früher wußte, daß auf den Südhängen des Guntschnaer Berges oberhalb der Grieser Kurpromenade Semper- viven in Gemeinschaft mit Opuntia vulgaris sehr zahlreich anzutreffen sind. Ich wollte einerseits die Pflanzen hinsichtlich ihrer anisophylien Entwicklung möglichst zu Beginn der großen Wachstunisperiode in der Natur studieren, andererseits mir frisches, durch längere Garten- kultur unbeeinflußtes Material für die neu anzustellenden Versuche verschaffen. 166 J. Doposcheg-Uhlär, Zu meiner großen Überraschung fand ich zu diesem Zeitpunkte eine reichliche Anzahl Rosetten von Sempervivum Schottii Baker U), S. arachnoideum L. und Bastarden derselben in lebhaftem Wachstum und stark anisophyllier Form vor, und ich hatte schon damals den Ein- druck (der bei späteren Besuchen auch bestätigt wurde), daß in dieser Gegend die anisophylle Rosettenform weit häufiger vorkomme als die isophylle. Das frühzeitige Wachstum erklärt sich wohl einerseits aus dem Umstande, daß im Winter auf diesem Berghange eine Schneedecke selten oder nur von ganz kurzer Dauer ist, daß andererseits bei der sonnigen, warmen Lage das Wachstum nach überstandener Ruheperiode schon sehr früh im Jahre einsetzen kann. Wenn ich auch bezüglich des Anfangsstadiums der anisophylien Ausbildung keine Feststellung machen konnte, so fiel mir doch auch schon damals auf, daß sehr viele, stark anisophylle Pflanzen dem Ge- steine nicht anstanden, daß sie auch auf geneigten Rasen und in eben- solchen Moospolstern wuchsen, daß ferner in ein und demselben Horste dichtgedlrängter Rosetten einzelne isophyll, andere wieder anisophyli waren, je nach der Neigung, welche ihre Achse mit dem Horizonte einschloß. Die Ansicht Heinricher’s (1910), daß die Anisophyllie zum großen Teile auf der stärkeren Erwärmung der Rückseite der Pflanzen seitens des dahinter anstehenden Gesteins beruhe, konnte ich nicht be- stätigt finden. Bei einem Besuche desselben Standortes Anfang März des fol- genden Jahres (1912) konnte ich hinsichtlich des Anfangsstadiums günstigere Beobachtungen machen. — Ich fand größtenteils nur iso- phylle Rosetten vor. — Die Tatsache der Labilität der Anisophyllie, die im botanischen Garten Ende Herbst des vergangenen Jahres kon- statiert wurde, konnte also auch in der Natur bestätigt werden. Einzelne geschlossene Rosetten zeigten eine schwach isophylie Aus- bildung. (Im allgemeinen waren die jüngeren Rosetten noch ge- schlossen, die älteren mehr oder weniger geöffnet.) Ob diese während der kälteren Wintermonate gleichfalls ganz geschlossen sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Im übrigen sind viele Rosetten durch 1) $. Schottii Baker wird normal als S. tectorum L. bezeichnet. — Nach Wettstein, der die Semperviven in Dalla Torre und Graf v. Sarnthein, „Flora von Tirol“ 1909, Bd. VI, II. Teil bearbeitete, kommt letztere Bezeichnung nur der Form mit Samenanlagen tragenden Antheren und charakteristisch geformten Blättern zu. Sie wurde in Tirol noch nicht beobachtet. Die Anisophyllie bei Sempervivum. 167 gegenseitigen Druck zu einem Zusammenschließen der Blätter ge- Zwungen. Wohl aber konnte ich an mehreren Stellen beobachten, wie sich bei geneigten und geschlossenen isophylien Pflanzen die rückwärtigen Blätter zuerst aufstellen. Insbesondere war an zwei Orten bei Sempervivum arachnoideum ganz charakteristisch zu sehen, wie die sich loslösenden rückwärtigen Blätter von der durch Drüsenhaare ganz ver- filzten Rosettenmitte mit ihren Spitzen die Fadenbündel wegziehen, während die vorderen Blätter noch fest angeschlossen sind und kein Wegziehen der Faden erkennen lassen. Eine dieser Gruppen war in einem Moosrasen eingebettet, wie dies auch aus Fig. 3 zu ersehen ist. Fig. 3. Sempervivum Schottii. Horst anisophylier Pflanzen vom Guntschnaer Berg bei Bozen. (/, nat. Gr.) Dieses Anfangsstadium wurde auch an zwei Stellen bei $. Schottü photographiert und bei einem Besuche Mitte April — 1'/, Monate später -— nochmals photographisch aufgenommen. Der Fortschritt im Wachstum der rückwärtigen Blätter kann aus der letzteren Aufnahme sehr deutlich ersehen werden. Bei dem ersten Besuche dieses Jahres konnte auch noch erkannt werden, daß die aufgestellten, noch keine deutlich erkennbaren Längen- unterschiede aufweisenden Blätter in diesem Stadium bezüglich des Lichtgenusses bedeutend im Vorteile sind gegenüber den vorderen, noch angeschlossenen Blättern. Sie erhalten zerstreutes Licht (und nur dieses kommt ja für das Gesamtwachstum in Betracht, Wiesner 1907, 168 J. Doposcheg-Uhlär. pag. 35) auf beiden Blattseiten und zwar bis hinunter an die besonders wachstumsfähige Blattbasis, während die Vorderblätter entweder nur auf der einen Außenseite, oder bei mäßiger Öffnung auch auf der Innenseite Licht bekommen, wobei dann aber die Außenseite durch Anschmiegen an den Boden wieder relativ weniger Licht (großenteils nur Unterlicht) zugemessen erhält. Ich beobachtete des Weiteren, daß auch bei bereits stark ani- sophylien Pflanzen, die jungen, der Knospe noch ganz anliegenden Blätter alle gleichmäßig lang sind, daß also die Anisophyllie am Vege- tationspunkte noch nicht induziert ist. Die Verlängerung der Blätter tritt erst nach dem Loslösen von der Knospe ein. Diese Tatsache kann man auch daraus ersehen, daß man im Frühjahre des öfteren Pflanzen findet, welche noch sämtliche Blätter der vergangenen Vege- tationsperiode in verwelktem Zustande an sich tragen, die deutlich das Zu- und Abnehmen der Länge erkennen lassen. Als Beispiel seien die Blattlängen (Zentimeter) einer stark ani- sophylien Rosette von $. Schottii angeführt, wobei natürlich die Grenzen zwischen den einzelnen Seiten nur dem Gefühle nach gezogen sind. 1. Vorderseite: 41 44 39 39 34 33. 2. Rückseite: 39 42 49 55 60 60 66 70 74 77 70 55 49 50. 3. Rechte Seite: 87 41 46 40 42 41. 4. Linke Seite: 36 39 5,5 48 45 83,8. Die Aufzählung der Blätter erfolgte von innen nach außen; die ersten sind die jüngsten und haben sich eben erst von der Knospe gelöst. Die große Anzahl der Blätter der Rückseite gegenüber der geringen Zahl auf der Vorderseite ist auffallend. Ein anderes Beispiel möge die Blattlänge an der Mittellinie, eben- falls von innen nach außen, zeigen: Vorderseite Rückseite 2,2 2,3 3,0 3,8 35 6,3 3,5 5,6 2,8 4,7 Ill. Beobachtungen im Garten. Die alpinen Anlagen des Münchener botanischen Gartens werden vor Eintritt des Winters mit Fichtenzweigen dicht überdeckt, um die Die Anisophyllie bei Sempervivum. 169 Pflanzen vor Frost zu schützen. — Diese Schutzdeeke bleibt oft bis Anfang April liegen, da gerade die Frühjahrsfröste das bereits durch warme Sonnentage angeregte Wachstum sehr gefährden. — Unter diesen Bedingungen (Wärme, Feuchtigkeit, Lichtmangel) etiolieren die Sempervivumpflanzen. Nach Wegnahme der Reisigdecke findet man die Rosetten mit vorstehender Mittelknospe ganz offen, die erwachsenen Blätter durch epinastisches Wachstum nach abwärts gekrümmt und dem Boden angeschlossen, wie dies ja für die Semperviven charak- teristisch ist (Abbildung bei Pringsheim 1912, pag. 114). Anisophylle Pflanzen konnte ich zu diesem Zeitpunkte in keinem der beiden Beobachtungsjahre finden; auch Pflanzen, welche im Spät- herbst noch schwach anisophyll waren und als solche gekennzeichnet wurden, waren isophyll. — Nun erst begann das normale Wachstum, in- dem die neuen Blätter hyponastisch ihre aufstrebende Lage einnahmen. Ausgeprägte Anisophyllie wurde bei folgenden Arten beobachtet: Sempervivum teetorum L., Schottii Baker, arachnoideum L., Funkii F. Braun, caleareum Jord., globiferum L. Doch waren die Differenzen zwischen den Blättern der Vorder- und Rückseite nicht so extrem, wie bei den aus Südtirol stammenden Pflanzen. Nur bei einer Gruppe nicht bezeichneter Semperviven, welche im Alpinum des kleinen Gartens in einer unter ca. 70° geneigten Fels- spalte wuchsen, konstatierte ich eine Blattdifferenz von 1,8:3,2. Da dieselben nicht zur Blüte kamen, konnte die Art nicht be- stimmt werden. Die Blätter sind mittelgroß, braungrün und tragen an ihren Spitzen Büschel mit Spinnhaaren, welche jedoch nicht unterein- ander verwoben sind. Diese Pflanzen gaben auch ein gut reagierendes Versuchsmaterial ab. IV. Versuche. Figdor (1909, pag. 28) sagt hinsichtlich der Versuche auf dem Gebiete der Anisophyllie folgendes: „Beim Studium der Anisophyliie mit Hilfe des Experiments wird es sich stets darum handeln, entweder an anisophyllen Sprossen die Ungleichblätterigkeit zu beheben, d. h. die ungleich großen Blätter gleich groß zu machen, oder den umgekehrten Weg einzuschlagen: an isophylien Sprossen den gleich großen Assimilationsorganen eine un- eleiche Größe aufzuzwingen.“ Wie weit diese Forderungen erfüllt werden konnten und inwiefern hierdurch das Problem geklärt wurde, soll in folgendem geschildert werden. 170 3. Doposcheg-Uhlär, Die Versuche wurden zum größten Teile in einem Kastenbeete angestellt, welches von allen Seiten ungehinderten Lichtzutritt hatte, und zwar sowohl mit Pflanzen des Gartens als auch mit Material aus Südtirol, das im allgemeinen besser reagierte. Ich verzichte darauf, die Versuchsprotokolle im Detail wieder- zugeben. Jeder Versuch wurde mit wenigstens vier Pflanzen gleich- zeitig angestellt, manche wurden zur Überprüfung wiederholt. Auch sind sie, günstige Lichtverhältnisse vorausgesetzt, sehr leicht nach- zumachen. A. Umwandlung anisophylier Rossetten in isophylle. Pflanzt man eine geneigt gewachsene, anisophylle Rosette der- maßen in einen Topf oder frei ins Beet, daß «die Rosettenachse senk- recht zu stehen und hierbei die anisophylie Seite mehr oder weniger horizontal zu liegen kommt, so ergibt sich folgende Reaktion: Die ge- streckten, längeren Blätter der früheren Rückseite krümmen sich nach aufwärts, wobei sich die Epidermis der Oberseite mit darunter liegenden Gewebeschichten in Falten legt. Die angeschlossenen Blätter der früheren Vorderseite senken sich nach abwärts und versuchen die sonst normal abstehende Blattstellung anzunehmen. Doch dauert der so erreichte Zustand nicht sehr lange, da die in dieser Weise abnorm beanspruchten älteren Blätter bald welken, sich dem Boden anlegen und zugrunde gehen. Alle sich nunmehr neu entfaltenden Blätter bleiben gleich lang — die Rosette ist isophyli geworden und zeigt während ihres weiteren Wachstums keine Tendenz zur Anisophyllie. Dieser Versuch, der in beiden Jahren mit verschiedenen Arten ausgeführt wurde, ergab immer dasselbe Resultat. Der Anstoß zur Umwandlung lag also nur darin, daß die Rosettenachse aus der gegen den Horizont geneigten Lage in die Vertikale gebracht worden war- Daß hierdurch nicht nur die geotropischen Richtkräfte in anderer Weise auf die Organe der Pflanzen einwirkten als vorher, sondern auch der Liehtgenuß der Blätter ein anderer wurde, ist zweifellos. Inwiefern aber (liese beiden Faktoren an der Umwandlung der Rosette teilnahmen, ließ sich aus dem Versuche nicht erkennen. B. Umwandlung der isophyllen Rosette in eine anisophylle- Zu diesem Zweeke wurden (18. April 1911) isophylle Pflanzen von $. tectorum, Schottii, arachnoideum, globiferum und calcareum Die Anisophyllie bei Sempervivum. 171 teils einzeln in Töpfe gepflanzt und mit einer Neigung von ca. 60° gegen Süd in das Beet gesetzt, teils wurden sie zwischen zwei mit Erde aufgefüllten Ziegelsteinen horizontal gelegt, so daß ihre Achsen ca. 90° Neigung gegen die Vertikale hatten. Nach 4 Wochen waren bei allen Pflanzen die rückwärtigen Blätter aufgestellt und gerade, während die vorderen sich gegen die Mitte zu gekrümmt hatten. Dieser Zustand blieb geraume Zeit erhalten, das Wachstum der Blätter schien gehemmt zu sein. Das Übersetzen der Pflanzen und das schlechte Wetter im Monat Mai dürfte hierfür die Ursache gewesen sein. Erst anfangs Juli, nach den sonnigen Juniwochen, trat besonders bei 8. calcareum in deutlich erkennbarer Weise eine Verlängerung der rückwärtigen Blätter ein und Ende Juli war bei den meisten Pflanzen eine Bevorzugung in den Dimensionen der Rückblätter gegenüber der Vorderblätter vorhanden. Doch war die Differenz keine große, das Verhältnis schwankte zwischen 1:1,3 und 1,5. In viel schönerem Maße zeigte sich an denselben Versuchsobjekten, nachdem sie über Winter an Ort und Stelle belassen worden waren, die anisophylle Reaktion im heurigen Jahre. Nach Entfernung der Schutzdecken Ende März waren sämtliche Pflanzen (Stammpflanzen als auch die zahlreichen Toehterrosetten) isophyll. Ende Mai war nach einem sehr günstigen Frühlingswetter die Anisophyllie der geneigten Stammpflanzen und auch der Tochterrosetten, insofern sie nieht durch Druck eine vertikale Lage erhalten hatten, schon sehr schön aus- geprägt, und Mitte Juni konnten bei mehreren Pflanzen Differenzen von 1:1,7 konstatiert werden. Am selben Standorte aufgestellte isophylle Kontrollpflanzen ohne Neigung zum Horizont waren in beiden Jahren isophyll geblieben. Auch in diesem Versuche war die Umwandlung nur durch die Veränderung der Lage der Pflanzen zum Horizont hervorgerufen worden. C. Umkehrung der Anisophyllie. Stark anisophylle Pflanzen von $. teetorum, Schotti und calea- reum wurden vertikal in Töpfe gepflanzt und unter einer Neigung von ca. 60° mit Front nach Süd aufgestellt, nachdem sie zuvor noch um 180° um ihre Längsachse gedreht worden waren, so daß die früher nach oben weisende anisophylle Rückseite nun mehr nach unten und vorne, «ie vordere kürzere nach rückwärts zu liegen kam. 172 J. Doposcheg-Uhlär, Die physiologische Oberseite wurde zur Unterseite und umgekehrt. Auf diese Umlagerung reagierten die Pflanzen in folgender Weise: Die langen, nach unten weisenden Blätter der physiologischen Unter- seite krümmten sich lebhaft nach aufwärts gegen die Rosettenmitte zu, wobei der Bogen, den einzelne Blattspitzen beschrieben, bis zu 120° betrug, während er bei derselben Bewegung in Versuch A nur ca. 80 ausmachte (Fig. 4). Diese starke Krümmung bedingte auch eine überaus reiche Fälte- lung der Epidermis auf der Oberseite der Blätter. In derselben Zeit begannen sich auch die kurzen Blätter der nunmehrigen physiologischen Oberseite aufzustellen, ähnlich wie im Versuche B, mit der Abweichung, daß auch hier die Blattspitzen einen größeren Weg zurückzulegen hatten, da die Blätter an die Rosettenmitte angeschlossen waren, während sie im Versuche B in normaler Weise abstanden. Diese stark beanspruchten älteren Blätter gingen wieder bald zugrunde. Es kam nun eine Periode, in der die Rosetten einen ziemlich isophylien Eindruck machten, wobei aber die rückwärtigen Blätter auf- gestellt und gerade, die vorderen Fig. 4. Sempervivum arachnoideum vom Guntschnaer Berg bei Bozen. Man sieht, - wie sich an den geneigten geschlossenen leicht gekrümmt waren. Rosetten die rückwärtigen Blätter zuerst ähli i loslösen und die Spinnfäden nach sich Allmählich setzte sich so- ziehen. (Nat. Gr.) dann das Wachstum in der in Ver- such B geschilderten Weise fort, indem die Blätter der Rückseite länger wurden als die der Vorderseite, so daß wieder anisophylle, aber um 180° gedrehte Rosetten vorhanden waren. Dieser Versuch gelang vergangenes Jahr (Anfang Mai bis Ende Juli) mit je sechs Pflanzen von 8. ealcareum und 8. globiferum (8. Sehottii reagierte schlecht) und wurde heuer mit vier stark anisophylien Pftanzen von $. Schottii aus Südtirol mit demselben positiven Resul- tate wie bei den erstgenannten Semperviven wiederholt (Mai bis Mitte Juli). Einen ähnlichen Umkehrungsversuch hat Kolderup-Rosenvinge (1889, zitiert nach Goebel 1898, pag. 220) bei horizontal umgekehrten Sprossen von Centradenia floribunda ausgeführt. Doch sagt hierzu Die Anisophyllie bei Sempervivum. 173 Goebel: „Die Umkehrung beweist noch nicht, daß die Schwerkraft der ausschlaggebende Faktor bei der Anisophyllie sei, da das Licht den Sproß ja gleichfalls in horizontaler Lage anders beeinflussen kann als in vertikaler.“ Boshart (1911, pag.106) konnte das Resultat dieses Umkehrungs- versuches übrigens nicht bestätigen. Daselbst auch Literatur für ähn- liche Versuche. Das in den letzten Versuchen wiederholt geschilderte charakte- ristische Aufstellen und Geradestrecken der Blätter der physiologischen Oberseite und das hyponastische Auf- biegen der Blätter der Unterseite kann man auch an den Endrosetten der plagio- tropen Zweige von Sempervivum ar- boreum!) sehr schön sehen. Doch scheint eine Vergrößerung der Blätter nicht einzutreten. Auch an geneigten Pflanzen von Agave americana konnte ich wiederholt dieselbe Beobachtung machen. D. Erzeugung einer anisophylien Rosette nach Beseitigung sämt- licher Blätter. Fig. 5. Sempervivum Schottii. Die . . stark anisophylle Pflanze war um Um das Entstehen der Anisophyllie 180° gedreht und geneigt nach Süd sus einer ganz jungen Knospo heraus AErknlur ar Armen ch zu beobachten, wurden (18. März 1912) nach aufwärts, die der Gegenseite an sieben isophylien, aus dem vorigen stellen sich auf. (, nat. Gr.) Jahre eingetopften Rosetten von 8. calecareum durch einen horizontalen Schnitt sämtliche Blätter entfernt, so daß am Stamme eine glatte Schnittfläche vorhanden war. Fünf der so behandelten Pflanzen wurden nach Süd geneigt auf- gestellt, zwei derselben dienten in vertikaler Lage als Kontrolle. Sie waren bis Ende April im Gewächshause, hernach im Freien. j Es zeigte sich bald, daß bei drei Pflanzen dieser Versuchsreihe (zwei geneigten und einer Kontrollpflanze) der Sehnitt zu tief ge- 1) Herr Albin Berger, Direktor des botanischen Gartens in La Mortola, hatte die Liebenswürdigkeit, mir durch Vermittlung des Herrn Dr. Burgeff, der daselbst die obige Beobachtung machte, eine Anzahl derartiger Rosetten zu senden, wofür ich den beiden Herren auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus- spreche, 174 J. Doposcheg-Uhlär, gangen und hierbei der Sproßvegetationspunkt entfernt worden war. Dies erkannte man daran, daß auf der Schnittfläche und tiefer am Stamme aus den Achseln der alten abgefallenen Blätter zahlreiche Adventivrosetten entstanden, so daß diese Pflanzen aus der Versuchs- reihe ausgeschaltet werden mußten. Bei den anderen vier Rosetten waren die Stammvegetationspunkte intakt geblieben und es entstanden aus ihnen neue Rosetten, wobei auch die Basen der abgeschnittenen Blätter zu neuen Blättern sich entwickelten. Sie waren daran kenntlich, daß sie an Stelle der Blatt- Fig. 6 Fig. 6. Sempervivum calcareum. Neubil- dung einer Rosette, nachdem sämtliche Blätter durch einen horizontalen Schnitt entfernt worden waren. An den äußeren Blättern fehlen die Spitzen. (Nat. Gr.) Fig. 7. Sempervivum calcareum. Dieselbe Pflanze wie in Fig. 6, ist in geneigter Lage zu einer stark anisophylien Pflanze herangewachsen. Rechts und links unten sind noch spitzenlose Blätter zu bemerken. (Nat. Gr.) Fig. 7. spitze die Schnittnarbe aufwiesen, die rechts und links vom jungen Gewebe halbkreisförmig umfaßt wurde (Fig. 6). Die geneigten Pflanzen wuchsen sehr schön zu anisophyllen Rosetten heran (2,2:4,2), ohne daß hierbei für die Beobachtung und Analyse ein neues Moment sich ergeben hätte (Fig. 7). Die vertikale Kontrollpflanze war isophyll geworden. E. Versuche, die Wirkung des Lichtes von der der Schwerkraft zu trennen. Aus den Resultaten der bisherigen Versuche erhellt, daß für das anisophylie Wachstum der geneigten Rosette nur die Schwerkraft und das Licht als die ursächlichen Faktoren anzusehen sind, da die sonstigen Kulturbedingungen unverändert geblieben waren, Die Anisophyliie bei Sempervivum. 175 Der negative Geotropismus, der wegen der Kürze der Sproßachse diese nicht aufrichten kann, würde bewirken, daß sich die Blätter, sowohl vorne als rückwärts, aufstellen. In dieser neuen Lage hätten sodann die rückwärtigen Blätter einen größeren Lichtgenuß als die vorderen, welcher Umstand zur Vergrößerung der ersteren führen würde, Doch könnte man auch der Ansicht Raum geben, daß das Licht an der Aufstellung der Blätter ebenfalls teilnehme, um sie in jJie neue „fixe Lichtlage“ zu bringen. Um diesbezüglich zu entscheiden mußte versucht werden, die beiden Faktoren Geotropismus und Licht von- einander zu trennen. 1. Hinsichtlich der Komponente Licht hatte schon Heinricher (1910, pag. 659) gefunden, daß es nicht möglich ist, dieselbe aus- zuschalten, da diese leichtempfindlichen Pflanzen ihre Blattrosetten im Dunkeln auflösen. Gleichwohl wurde, um das Verhalten der Rosetten zu studieren, ein diesbezüglicher Versuch unternommen. Es wurden (1. April 1912) auf einer unteren Etage eines Warm- hauses fünf eingetopfte Pflanzen von S. calecareum vertikal und ebenso viele geneigt gegen die Gewächshausmitte aufgestellt und mit einem dünnen schwarzen Vorhang, der von der oberen Etage auf die untere herunterfiel, umschlossen. Diese Verdunkelungsform wurde gewählt, um die übermäßig hohe Feuchtigkeit, die bei der Kultur in Papp- zylindern oder in kleinen dunklen Kästen herrscht und das Etiolement begünstigt (Wiesner 1893, pag. 326 und Brenner 1900, pag. 408), nach Möglichkeit einzuschränken. Innerhalb der nächsten 3 Wochen krümmten sich in beiden Ver- Suchsreihen die alten Blätter epinastisch zu Boden, die neu sich ent- wickelnden wurden schmäler, hatten kein Chlorophyll und legten sich ebenfalls um. Längenunterschiede konnten nicht beobachtet werden. Erst Ende April zeigte sich bei einer geneigten Rosette, welche in der vorderen rechten Ecke des dunklen Raumes stand, eine deutliche Ver- längerung der unteren Blätter (Fig. 5). Die Maße der letzteren waren von links nach rechts 3,6 2,6 3 gegen 2,3 2,1 2,2 der rück- wärtigen Blätter, Der Anstoß zu dieser auffälligen Verlängerung wurde darin ge- funden, daß an der genannten Ecke der Vorhang unten schlecht schloß. Er ruhte nicht ganz am Boden auf, so daß von unten vorne und rechts Licht eindringen konnte. . Daß diese Verlängerung tatsächlich durch das Licht bewirkt wurde, bestätigte ein dahin angestellter Versuch, indem zwei geneigte Flora, Bd. 105. 12 176 J. Doposcheg-Uhlär, Rosetten ganz an den Rand des etwas gehobenen Vorhanges gebracht wurden, zwei andere, ebenfalls geneigt, nach rückwärts gekehrt und hart an der (ewächshauswand aufgestellt wurden. — Derselbe Erfolg wie vorher, die von unten beleuchteten Rosetten verlängerten die unteren Blätter, bei den an die Wand gestellten Pflanzen trat keine Verlänge- rung ein. Wir haben hier demnach einen Beweis dafür, daß sich die Semper- viven in die Gruppe jener Pflanzen einreihen, bei denen mit zunehmender Beleuchtung eine Vergrößerung der Blattflächeeintritt (Jost 1908, pag. 371). Dieselbe Tat- sache kann auch daraus erkannt werden, daß man auf der Rückseite anisophylier Ro- setten zeitweise stark asymmetri- sche Blätter findet, mit einer verbrei- terten Längs- hälfte. An diesen Blättern kann man immer konstatie- ren, daß dieschmä- . . lere Hälfte längere Fig. 8. Sempervivum ealcareum. Die isophylie, im Dunkeln Zei ; geneigt aufgestellte Rosette verlängerte infolge Lichtreizes eit von einem von unten die Blätter der Unterseite. (Nat. Gr.) vorderen Blatte beschattet war, während die breitere sich im freien Zwischenraum zweier Vorderblätter unter günstigeren Lichtverhältnissen befunden hatte. Im übrigen wurde für die bei Anstellung des Versuches aufge- worfene Frage, wie sich geneigte Rosetten bei Ausschluß des Lichtes verhalten würden, keine weitere Klärung gefunden, da die Blattrosette sich bald auflöste. Hierbei nahmen die Achsen der vertikalen und der geneigten Pflanzen die vertikale Stellung ein. 2. War in dem eben angeführten Versuche durch ein Plus an Licht eine Vergrößerung der Blätter bewirkt worden, so ergab sich die Die Anisophyllie bei Sempervivum. 177 umgekehrte Versuchsanstellung, durch Beschattung eine Verkleinerung zu erzielen, von selbst. Es wurden (8. Mai 1912) vier isophylie Pflanzen von 8. Schottü vertikal und eine gleiche Anzahl geneigt in den Boden des Beetes ein- gesetzt und bei allen Pflanzen die untere Hälfte durch viereckige Ton- schalen beschattet, zwei vertikale Pflanzen ohne Beschattung dienten als Kontrolle. In der Folge legten sich die Blätter der beschatteten Seite epinastisch um, auf der belichteten Seite blieben die Blätter der verti- kalen Pflanzen in ihrer normalen Lage, die der geneigten stellten sich auf, eine wesentliche Größendifferenz zeigte sich nicht (31. Mai). Ende Juni war in der allgemeinen Lage der Blätter, mit zwei später zu erörternden Ausnahmen, keine Veränderung eingetreten, wohl aber waren auf der beschatteten Seite die neu zugewachsenen Blätter etio- liert; sie waren viel schmäler und nicht so ausmodelliert wie die Licht- blätter. Bedeutende Längenunterschiede waren auch nun nicht aufgetreten und waren auch in der Folge nicht mehr zu beobachten. Es war demnach als Versuchsresultat nicht die erwartete Längen- differenz, sondern eine Differenz in der Blattgröße überhaupt zu ver- zeichnen. Daß ein genauer Ausschlag nicht eintrat, muß wohl auf die etwas einfache Versuchsanstellung geschoben werden einerseits, andererseits ist zu berücksichtigen, daß auf der Schattenseite der Rosetten auch die Transpiration eine andere ist, als auf der Lichtseite, daß hierbei Korrelationsverhältnisse mehrfacher Art in Wirksamkeit treten dürften. Bei zwei Pflanzen konnte der Einfluß des Lichtes in anderer Weise konstatiert werden. Es trat nämlich bei ihnen an einer Flanke, dort, wo sich die Grenze zwischen Beschattung und voller Belichtung befand, ein asymmetrisches Blatt auf, und zwar war die Asymmetrie dadurch entstanden, daß die der Schattenseite zugewandte Blatthälfte stärker wuchs, so daß das Blatt eine sichelförmige Gestalt annahm. Dadurch neigte sich das ganze Blatt der Rückseite zu und kam aus dem Bereiche des verminderten in den des erhöhten Lichtgenusses. Diese Sichelbildung wurde, wie sehon oben erwähnt, von Figdor in der Natur beobachtet. Ich konnte sie ferner heuer an einem Blüten- sproß einer geneigten anisophyllen Pflanze von 8. calcareum kon- statieren, welcher, wohl unter der Last seiner zahlreichen Blüten, die ursprünglich geneigte Lage nicht verändern konnte. (Andere aus aniso- phyllen Rosetten entstandene Blütensprosse hatten sich in die Richtung der Schwerkraft gestellt.) R 19* 178 J. Doposcheg-Uhlär, An dieser Achse drehten sich die Blätter der beiden Flanken, die nach Süd und Nord gelegen waren, nach aufwärts, wobei sie eben- falls Sichelform angenommen hatten. Das Bestreben der seitlichen Blätter einer geneigten Rosette, sich tunlichst nach rückwärts anzuschließen und sich senkrecht zur Richtung des größten’ Lichteinfalles zu stellen, vorausgesetzt, daß der nötige Raum vorhanden ist, zeigt auch die Rosette in Fig. 2. Ein Beispiel von Sichelbildung findet sich auch bei Nordhausen (1902, pag. 49) an einem Kurztrieb von Pseudolarix Kaempferi Gord. mit dem Unterschiede, daß hier die Anisophyllie auf der Unterseite ausgeprägt ist und die asymmetrischen Flankenblätter sich sichelförmig nach abwärts krümmen. 3. Wenn auch die „fixe Lichtlage“ der Blätter einer normal ge- wachsenen Rosette eine derartige sein dürfte, daß im Verlaufe eines Tages beide Blattseiten gleichviel Licht empfangen, tauchte doch die Frage auf, ob nicht etwa eine Differenz in der Lichtempfindlichkeit zwischen Ober- und Unterseite bestünde, die dann bei der geneigten Rosette sich fühlbar machen könnte. Anatomische Unterschiede konnten nicht konstatiert werden. Es wurden deshalb an mehreren Pflanzen einzelne junge Blätter auf der Ober- oder Unterseite teils mit schwarzem, teils mit durch- scheinendem Papier belegt, welches mit Bindfaden befestigt wurde. Doch scheiterte dieser Versuch daran, daß es bei den wechselnden Witterungsverhältnissen im Freien nicht möglich war, den Papierbelag dauernd zu erhalten, — bei der Kultur im Glashause schlugen sich einzelne auf der Oberseite belegte Blätter um, doch konnte daraus kein Schluß gezogen werden, da bei den geringen Lichtverhältnissen während der Versuchszeit die Glashauspflanzen überhaupt zu etiolieren be- gannen. 4. Waren die letzteren Versuche daraufhin angestellt worden, die Wirksamkeit des Geotropismus bei möglichstem Ausschluß des Lichtes kennen zu lernen, so sollte durch folgenden Versuch der Einfluß des Lichtes auf die Wachstumsform der geneigten Rosette bei Ausschaltung der geotropischen Richtkraft erforscht werden. Es wurden (27. Juli 1912) zwei eingetopfte Pflanzen von S. Schottii (eine normal, die andere anisophyll gewachsen) derart auf den Klinostaten gesetzt, daß die Rosettenachse parallel zur horizontalen Umdrehungsachse zu liegen kam. Die beiden Apparate wurden in der Mitte eines leerstehenden Gewächs- hauses so aufgestellt, daß das Licht von allen Seiten freien Zutritt hatte. — Eine isophylie Pflanze in vertikaler Stellung diente als Kontrolle. Die Anisophyllie bei Sempervivum. 179 Schon nach einer Woche zeigte es sich, daß die älteren Blätter sich senkten und dem Erdboden anlegten, und in der Folge krümmten sich auch die jüngeren Blätter durch epinastisches Wachstum nach abwärts. . Die Kontrollrosette war Ende August wohl etwas geöffneter als zu Begimm des Versuches, infolge des geringen Lichtgenusses im Glas- hause zumal bei dem sonnenlosen, regnerischen Augustwetter, doch waren die Blätter keinesfalls dem Boden angelegt und zurückgeschlagen, wie bei den am Klinostaten sich drehenden Pflanzen: Letztere Er- scheinung muß also nur durch den Anschluß des Geotropismus hervor- gerufen worden sein. Hinsichtlich der Wirkungsweise des Lichtes auf die Ausbildung der anisophylien Rosette gab also auch dieser Versuch keinen Aufschluß. Doch zeigte sich die interessante Tatsache, daß durch die Aus- schaltung des geotropischen Reizes am Klinostaten die „autogene Epi- nastie“ ebenso zur überwiegenden Wirkung gelangte, als bei der Aus- schaltung oder Verminderung des Lichtreizes. Pfeffer (1904, pag. 688) sagt von der autogenen Epinastie, daß sie sich darin kundgebe, daß sich die aktionsfähigen Blätter zurück- schlagen, wenn sie nach Eliminierung der Schwerkraft am Klinostaten in die autogene kampylotrope Gleiehgewichtslage übergehen. Auch für das Freiwerden der Epinastie durch Liehtwirkung kennen wir Beispiele (Pfeffer 1904, pag. 487 und die dort zitierte Literatur). „Blätter von Taraxacum offieinale, Plantage media, Primula elatior nehmen an schattigen Orten eine aufstrebende, bei stärkerer diffuser Beleuchtung aber eine mehr oder minder horizontale Lage ein, so daß zuweilen die Blattrosette dem Boden angepreßt ist. Demgemäß wird bei den Blättern dieser und vieler anderer Pflanzen durch Beleuchtung die epinastische, durch Verdunkelung die hyponastische Wachstumstätigkeit gefördert. Umgekehrt wird bei den Blättern von Impatiens, Helianthus, Ceratophylium, Myriophyllum durch Verdunkelung eine Förderung der epinastischen Wachstumstätigkeit und dadurch eine mehr oder weniger ansehnliche Rückwärtskrümmung der Blätter verursacht.“ Wir können uns also auf Grund der Versuche dieses Abscehnittes vorstellen, daß unter normalen günstigen Wachstumsbedingungen die Lage der Rosettenblätter bei Sempervivum die Resultierende aus drei Kräften ist: Negativer Geotropismus (G), Lichtreiz (L) (dieser kann tropisch und nastisch sein) und autogene Epinastie (E). Hierbei über- windet die Summe der beiden ersten den Einfluß der letzten (Pfeffer 1904, pag. 686). Sobald jedoch aus der genannten Summe eine der 180 J. Doposcheg-Uhlär, beiden Größen eliminiert oder die Größe (L) verkleinert wird (I), (wie weit wäre noch festzustellen), so überwiegt die Epinastie. G+L>E E>6, E>L E>6+l V. Weitere Beobachtungen und Versuche. Das häufige Vorkommen anisophylier Rosetten kann man, günstige Liehtverhältnisse vorausgesetzt, mit der den Semperviven eigentümlichen vegetativen Vermehrung in Beziehung bringen. Sie erzeugen nämlich aus den Blattachseln ihrer unteren Blätter Tochterrosetten, die sie ent- weder mit langen Ausläufern von sich strecken (Fig. 2), oder es bleiben die jungen Rosetten ohne Ausläuferbildung ganz an der Mutterrosette, so daß sie dieselbe oft kranzartig umschließen ($. arachnoideum). In beiden Fällen bekommen die jungen Rosetten auf diese Weise schon von Anfang an eine Neigung zum Horizont, welche dann bei Raum- mangel durch gegenseitigen Druck vergrößert oder vermindert wer- den kann. Durch gegenseitigen Druck kann es auch geschehen, daß in größeren Rasen einzelne Rosetten Neigung nach verschiedenen Himmelsrichtungen erhalten, so daß die Anisophyllie nicht nur nach S, sondern auch nach 0, W und N zum Ausdruck kommt. Ich machte diese Beobachtung (1911) im Alpinum des Münchener Gartens an einem Rasen von 8. calcareum und an einem Polster von $. arachnoideum aus Süd-Tirol, welchen ich in einem Topf im Freien kultivierte, der sich so geformt hatte, daß in der Mitte eine große, vertikale, isophylle Rosette und rund um dieselbe anisophylle Pflanzen entstanden waren. Durch Druck kann es aber auch vorkommen, daß die Blätter einer Rosettenflanke aufgestellt werden und dadurch in eine bessere Lichtlage kommen, so daß die Anisophyllie auf einer Flanke zur Er- scheinung gelangt, eine Tatsache, welche auch Heinricher beobachtet hatte, sie aber auf einseitige Erwärmung seitens des anliegenden Ge- steins zurückführte (1910, pag. 662). Diese Beobachtung veranlaßte mich, den Versuch zu machen, an vertikalen Rosetten durch konstanten Druck die Anisophyllie auf be- liebiger Seite hervorzurufen. Zu diesem Zwecke wurden (22. Aprit 1912) acht gleichgroße isophylle Rosetten von $. caleareum (die vegetativen Nachkommen zweier Pflanzen des vorigen Jahres) vertikal ins Beet ge- setzt. Ende Mai, nachdem anzunehmen war, daß sich die Rosetten im Boien genügend verankert hatten, wurden an jeder Rosette die Blätter Die Anisophyliie bei Sempervivum. 181 einer Seite — und zwar in verschiedenen Richtungen — durch Unter- legen eines Steines in die Höhe gedrückt und sodann dauernd in dieser Lage erhalten. Bis Ende August war Anisophyllie an drei Rosetten aufgetreten: Bei zweien auf der Ostseite (1,3—2,4 und 1,5—2,2 cm), bei einer auf der Südseite (1,2—1,7 em), so daß die längere Seite nach W und N gerichtet war. Daß sich das Resultat nur bei zwei Pflanzen zeigte, mag einer- seits an den schlechten Lichtverhältnissen des heurigen Sommers ge- legen sein, andererseits kann die Vergrößerung auch von dem Maße des Anpressens abhängen. Zu starker Druck dürfte dieselbe verhindern, anstatt zu fördern. Hinsichtlich des dorsiventralen Habitus anisophylier Rosetten haben Untersuchungen an älteren Pflanzen ergeben, daß sich die Dorsiventralität auch auf die Achse erstrecken kann. Auf Längs- und Querschnitten des von alten Blattresten eingehüllten Stammes kann man ersehen, daß die Oberseite desselben stärker ausgebildet ist als die Unterseite. Nachdem aber anisophylie Rosetten auch mit radiärer Achse zu finden sind und die Versuche unabhängig von der Gestalt der Achse ausge- führt wurden, kann man die Dorsiventralität derselben nur als eine Folge der Anisophyllie ansehen. Durch die größere Ernährungstätig- keit auf dieser Seite erhält in Wechselwirkung der Stamm eine Ver- stärkung, zumal dann, wenn die anisophylie Pflanze mehrere Vegetations- perioden an derselben Stelle und unter der gleichen Neigung die aniso- phylie Entwicklung wiederholt. Die Labilität der Anisophyllie muß noch etwas näher besprochen werden. Es wurde oben ausgeführt, daß die Ungleichblättrigkeit in der Natur und im Garten am Ende der Vegetationsperiode zurückgeht und mit Beginn der neuen wieder einsetzt. Man darf für das Abklingen der Anisophyllie im Herbst wohl die abnehmende Wachstumsfähigkeit und den Wechsel in der Quantität des Lichtgenusses verantwortlich machen. Wiesner (1893, pag. 328) weist auf die große Lichtempfindlich- keit der Semperviven hin — „der normale Habitus dieser sonnigen Pflanze geht schon bei einer relativ hohen Lichtintensität verloren“. — „Mit steigender Lichtintensität nimmt die Blattgröße zu, dann aber wieder ab“ (pag. 326). Auch mit Abnahme der Temperatur sinkt die Größe des Blattes. — Auch Goebel (1898, pag. 216) führt aus, „daß bei stark beleuchteten Zweigen der Tanne die Anisophyllie fast ver- schwunden, bei schwach beleuchteten dagegen stark ausgeprägt. ist“. Man könnte also der Anschauung zuneigen, daß die Vergrößerung der 182 J. Doposcheg-Uhlär, Blätter auf der Oberseite nur bis zu einer gewissen Lichtintensität möglich sei, daß während des größten Lichtgenusses die neu entstehen- den Blätter keine Differenzen aufweisen, und daß während der Periode nun fallender Lichtintensität die Länge infolge der sonstigen Wachs- tumshemmungen nicht mehr ansteigen kann. Doch liegen mir zu wenig Beobachtungen vor, um diese Ansicht genügend stützen zu können. Der Rostpilz Endophylium Sempervivi, der bei verschiedenen Arten Blatthypertrophien hervorrufen kann, hat auf die Anisophyllie keinen Einfluß, da dieselbe bei pilzbefallenen und pilzfreien Pflanzen zur Aus- prägung gelangt. Heinricher (1910, pag. 661) wies auch darauf hin, daß bei den durch den Pilz hervorgerufenen Vergrößerungen die Blätter nicht nach einer Seite hin orientiert sind. VI Ergebnisse. Die Anisophyllie verschiedener Sempervivum-Arten ist nur durch die Neigung der Rosettenachse gegen den Horizont bedingt. Infolge dieser Neigung wirken Schwerkraft- und Lichtreize derart ein, daß sich zuerst die Blätter der physiologischen Oberseite aufstellen und gerade richten, die der Unterseite gegen die Mitte zu krümmen. In weiterer Folge dieser Stellungsveränderung vergrößern sich die oberseitigen Blätter, wahrscheinlich durch günstigere Belichtungsverhältnisse. Die Anisophyllie ist also eine Geo-Photomorphose und keine Thermomorphose im Sinne Heinricher’s (1910, pag. 661). Es gelang, isophylle Pflanzen in anisophylle zu verwandeln, ebenso anisophylle in isophylle, nur durch Veränderung des Neigungswinkels der Achse. Ebenso konnte an anisophylien Pflanzen die größere Seite um 180° veriegt werden. Die versuchte Trennung der Wirkungssphäre des Schwerkraft- reizes von der des Lichtreizes gelang nicht. Durch Ausschluß oder Herabsetzung des Lichtreizes sowohl, als auch durch Ausschaltung des Schwerkraftreizes am Klinostaten, wird die autogene Epinastie der Blätter frei, sie krümmen sich in beiden Fällen nach abwärts. Die Anisophyllie der Semperviven ist labil; sie verschwindet am : Ende der Vegetationsperiode, um im Frühjahr neuerdings in Erscheinung zu treten. Die anisophylie Ausbildung der Blätter kann in korrelativer Weise die Dorsiventralität (Epitrophie) des Stammes zur Folge haben. Die Anisophyllie bei Sempervivum. 183 Herrn Geheimrat Prof. Dr. von Goebel habe ich meinen er- gebensten Dank abzustatten für die liebenswürdige Überlassung von Literatur und der reichen Mittel des botanischen Gartens und des pflanzenphysiologischen Instituts, nicht minder für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte. München, Ende August 1912. Literatur. 1) Boshart, K., Beiträge zur Kenntnis der Blattasymmetrie und Exotrophie. Flora 1911. 2) Brenner, W., Untersuchungen an einigen Fetipflanzen. Flora 1900. 3) Dalla Torre und Graf v. Sarnthein, Flora von Tirol 1909, Bd. VI, II. Teil. 4) Figdor, W., Die Erscheinung der Anisophyllie. 1909. 5) Goebel, K., Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Blattes. Botan. Zeitg. 1880. 6) Ders., Organographie der Pflanzen. 1898—1901. 7) Heinricher, E, Beiträge zur Kenntnis der Anisophyllie. Ann. du Jard. Bot. de Buitenzorg 1910, 2e Ser., Suppl. IL 8 Jost, L., Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. 1908. 9 Kolderup-Rosenvinge, Influence des agents exterieurs sur l’organisation polaire et dorsiventrale des plantes, Revue generale de Bot. 1889. 10} Nordhausen, M., Untersuchungen über Asymmetrie von Laubblättern höherer Pflanzen nebst Bemerkungen zur Anisophyllie. Pringsh. Jahrb. 1902. 11) Pfeffer, W., Pflanzenphysiologie IL. 1904. 12) Pringsheim, E. G., Die Reizbewegungen der Pflanzen. 1912. 13) Schroeter, C., Das Pflanzenleben der Alpen. 1908. 14) Wiesner, J., Photometrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Ge- biete. Sitzungsber, d. kais. Akad. d. Wissensch., mathem.-naturwiss. Klasse, Wien 1893. 15) Ders, Der Lichtgenuß der Pflanzen. 1907. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von IH. VI. VI. VII die Mannigfaltigkeit der Gestaltung. Lonicera Untergatt. Periclymenum. Von L. Diels. (Mit Tafel VII—VIII und 26 Abbildungen im Text.) Inhalt. . Einführung . . Historisches . F Phänologische Momente. _ _ Phänologie der Lonicera- Arten; der Sipho- coryne. Beziehungen beider , Deformation der reifen Blüten . . . Progressive Deformation der Blütenanlagen 1. Kelch 2. Krone 3. Gynaeceum FE Dimensionen des Ovariums. Länge des Griffels. Störungen der Samenanlage. Empfindlichkeit der 2 Sphäre. 4. Androeceum . Pa EEE Stylolyse. Basifixie der Anthere.. Flügelung des Filaments. Ver- kümmerung der Sporangien. 5. Staminoide Griffel . De Vermännlichung der Griffel. Griffelantheren. Zwei Zyklen stami- noider Griffel. Blüte rein g. Parallelen bei Tieren. 6. Totale Petalodie und Phyliodie FE Übersicht der progressiven Deformation. . . 2-2... 00 Regressive Deformation der Blütenanlagen Vier Fälle von Rekonvaleszenz. Ursachen der Deformation — Wirkung von Siphocoryne. Ausdehnung der Infektionswirkung. Verlust an Assimilaten. Schädigung d. Genera- tiven. Empfindlichkeit d. Weiblichen Normale Organbildung und Deformation . Krone. Staubblätter. Griffel. Androgenie. Geschlechtswandel | im "Kom- plex der Sporophylie, im Einzelsporophyll, im einzelnen Sporangium. Pathologisch-physiologische Parallelen. 1. Einführung. Seite 184 185 187 190 191 191 192 193 197 201 288 214 218 Als ein bezeichnendes Merkmal der „organoiden Gallen“ ') gilt „Für viele von ihnen“, sagt Küster ) „muß der Mangel an spezifischer Gestaltung, die Inkonstanz 2 Küster i in Biolog. Zentralbl. 1910, Bd. XXX, pag. 124. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 185 der bei ihrer Bildung sich kombinierenden Gestaltungsprozesse geradezu als wesentliche Eigentümlichkeit in Rechnung gezogen werden“. Das Wesen und die Bedingtheit dieser Mannigfaltigkeit sind bisher wenig untersucht. Die Vermutungen darüber, die man in der Literatur findet, gehen auseinander. Peyritsch?) erkannte als wichtig den Ent- wieklungsgrad, z. B. der Blütensprosse zur Zeit der Infektion, die An- zahl der infizierenden Parasiten und die „Empfindlichkeit der Pflanze auf den tierischen Angriff“. Die jeweilige Gestaltung der Deformations- erscheinungen denkt er sich bedingt durch die spezifische Wirkung von Exkreten des Parasiten: „es wird nun im allgemeinen ganz von der Natur des von der Pflanze absorbierten Sekrets abhängen, welche Form der betreffende Pflanzenteil durch die eingetretene Störung in der Ent- wicklung annimmt.“ Die Unsicherheit dieser Anschauung hat Küster bereits mit Recht hervorgehoben. Fortschritte auf diesem Gebiete sind von dem ontogenetischen Studium typischer Krankheitsfälle, am besten künstlich hervorgerufener Erkrankungen, zu erwarten. Auf den ontogenetischen Zusammenhang kommt es dabei an; es darf nicht, wie es gewöhnlich geschah, die ein- zeine Blüte aus der Reihe gesondert werden, sonst kann sie über wich- tige Dinge keine Auskunft geben. In mancher Hinsicht schien mir die bekannte Siphocoryne-Infektion von Lonicera Periclymenum ein geeignetes Objekt zu näherer Untersuchung. Denn dieses Geisblatt erzeugt bei uns monatelang Blütenstände und gewährt die Möglichkeit, die Morphogenie der In- floreszenzen unter verschiedenen Bedingungen zu verfolgen. Mein Material stammt von Marburg, teils von den Lahnbergen bei der Stadt, wo die Pflanze auf Buntsandsteinunterlage sehr ver- breitet ist, teils aus dem botanischen Garten der Universität, der auch verwandte Spezies heranzuziehen und künstliche Infektionen vorzunehmen erlaubte. Die Figuren auf Tafel VII und VIII sind direkt nach meinen Zeich- nungen wiedergegeben, die mit dem Prisma nach Mikrotomschnitten hergestellt sind. Die Textbilder habe ich nach den lebenden Objekten gleichfalls mit dem Apparat entworfen und sie dann von Herrn Zeichner J. Pohl in Berlin durch genaue Kopie zur Reproduktion bringen lassen. IL. Historisches. Die Literatur kennt nur Teilerscheinungen aus der Geeidogenie von Lonicera Periclymenum. (Gewisse Formen der Anomalie 1) Pringsheim’s Jahrb. 1882, Bd. XIII, pag. 21. 186 L. Diels, fanden eine gute Beschreibung bei Morren 18501). Er stellt sie als Muster hin für die Verschiedenheit von Vergrünung und Verlaubung und erörtert sie in dieser speziell formalen Hinsicht. Ein Vergleich der einzelnen Formen ist nicht durchgeführt, auf die Entwicklungs- geschichte wird nicht eingegangen; die sexuellen Abnormitäten und die Frage nach den Ursachen bleiben unberührt. Marchand (in Adansonia IV [1864], 170) schildert dann eine Serie von Anomalien vom formalmorphologischen Standpunkt und be- tont die Übergänge von Epigynie zur Hypogynie (unrichtig!), von „Gamopetalie zur Dialypetalie* und von Regelmäßigkeit zur Unregel- mäßigkeit der Korolle, die er an ein und demselben Individuum be- obachtete. Seiner Beschreibung nach hat er eine typische Siphocoryne- Infektion vor Augen gehabt. Ähnlich benutzt Garein?) einige Ano- malien zu naheliegenden Spekulationen über die Phylogenie der Zygomorphie bei der Lonicera-Blüte. Masters (Pflanzen-Teratologie, deutsche Ausgabe [1886], 289, 387) bespricht die Vireszenz und er- wähnt auch die rudimentäre Beschaffenheit der Geschleehtsblätter. Penzig’s Buch (1894) enthält einen ausführlichen Abschnitt über Lonicera. Abgesehen von den vermännlichten Griffeln wurden schon alle wichtigeren Formen der Anomalie erwähnt (II, 329). 1904 brachte dann Daguillon (in Rev. gener. bot. 1904, Tome XVI, pag. 373—385) eine ziemlich zutreffende Beschreibung der an- therentragenden „Griffel“. Etwa gleichzeitig beschreibt P. Vuillemin die Deformationen, und zwar viel ausführlicher als die Früheren. Der Titel seiner Ab- handlung) „La castration femelle et l’androg@nie parasitaires du Loni- cera Perielymenum“ zeigt schon, daß er wesentliche Züge richtig auffaßt. Die Beschreibung stützt sich auf 24 Blüten aus drei In- floreszenzen, die sämtlich in Diagrammen wiedergegeben sind. In allem Tatsächlichen kann sie als zuverlässig bezeichnet werden. Aber schon die Form der Illustration verrät, daß es sich um eine formal ver- gleichende Betrachtung der fertigen Zustände handelt. Und als solche führt sie zu Deutungen, die sich nicht bestätigen, sobald der morpho- genetische Prozeß im ganzen betrachtet wird. 1) Les virescences distinetes des phyllomorphies et cas particulier d’une virescence du chövrefeuille. Bull. Acad. Roy. Belg. 1850, Tome XVII, 2, pag. 125 2 131, mit Tafel. 2) Soc. Bot. I,yon. Bull., 2. Ser, Tome VII, pag. 60. 3) Bull. mens. Soc. seiene. Nancy 1904, Ser. 3, Tome V, pag. 129147 pP.LH. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 187 Die Beziehung der Mißbildungen zu ihrem Erreger konnte den Gallenkennern nicht entgehen. Die Entomologen zwar be- merkten gewöhnlich nur die an der Belaubung des Geisblattes von dem Parasiten hervorgebrachten Mißbildungen. Aber schon 1891 bezeichnet Paul Magnusi), wohl als erster, Aphis xylostei Schrk. als die Ursache der Deformation, als er dem Botanischen Verein der Provinz Brandenburg infizierte Lonicera- Blüten vorlegte. Eine Klärung der Ätiologie versuchten F. Gueguen und F. Heim. Was sie darüber veröffentlicht haben >), ist ein kurzgefaßter Artikel wesentlich theoretischen Inhalts. Es geht daraus hervor, daß sie nur Teilerscheinungen der ganzen Krankheit berücksichtigt haben. Es wird später darauf zurückzukommen sein. Es ergibt sich aus der Literatur aufs deutlichste die Mannigfaltig- keit der Erscheinungen, welche die eecidogene Anomalie der Lonicera Periclymenum als echte „organoide Galle“ bietet. Aber aus dieser Mannigfaltigkeit wurden entweder einzelne Formen rein deskriptiv vor- geführt, oder sie diente zu formal morphologischen Vergleichungen. Es muß nun der Versuch gemacht werden, die einzelnen Formen in gene- tische Beziehungen zu setzen und als Ausdruck einer einheitlichen Morphogenie zu beurteilen. III. Phänologische Momente. Wesen und Vielseitigkeit der Anomalieformen hängt, wie bei allen pathogenen Erscheinungen, zunächst: von zwei variablen Faktoren ab, von der „Disposition“ des Wirtes, die wesentlich von seinem Ernährungs- zustand und seinem Alter bestimmt ist, und von der Entwicklung des Parasiten. Dieser in der Phytopathologie besonders von Sorauer so nachdrücklich betonte Zusammenhang ist speziell für Gallenbildungen mehrfach von Thomas aufgezeigt worden®). Für verschiedene Fälle hat er in dieser Hinsicht die Bedeutung von „phänologischen Momenten“ hervorgehoben. 1) Verhandl. Bot. Ver. Prov. Brandenburg 1891, Bd. XXXII, pag. vor 2) Variations florales teratologiques, d’origine parasitaire, chez le chövrefenille. Etude de Paphidoeecidie florale du Lonicera perielymenum L., produite par Rho- palosiphon xylostei Schrk. Compt. rend. Assoc. Frang. avanc, se. 30me session, I, Paris 1901, pag. 130, 131. j 3) 2. B. bei der von Cecidomyia pseudococcus, Zool. bot. Ges. Wien 1880, Bd. XL, pag. 301--306. — von Urophlyctis hemisphaerica, Mitt. Thür. bot. Ver. 1912, N. F. Bd. XXIX, pag. 20—23. 188 L. Diels, Sehr bezeichnend dafür sind die Unterschiede, die die Verwandten von Lonicera Perielymenum, d.h. die Arten der Untergattung Perielymenum L.!) untereinander bieten. In der Marburger Gegend treten diese Unterschiede z. B. Anfang Mai klar hervor. Um diese Zeit hat Lonicera Perielymenum noch sehr junge Blütenknospen, L. italica etwas weiter fortgeschrittene, L. Caprifolium und L. sempervirens die am meisten entwickelten. Lonicera Perielymenum blüht selten vor Mitte Juni; L. italica in den ersten Tagen des Juni, ist etwa am 8. in Vollblüte; L. Capri- folium blüht bereits am 25. Mai und ist am Schluß der ersten Juni- woche in der Regel völlig verblüht. L. sempervirens endlich öffnet ihre ersten Blüten schon Ende Mai, fährt aber mindestens 4 Wochen fort, zu blühen. Sehr ungleich ist die Fähigkeit, laterale Infloreszenzen zu er- zeugen: bei L. Caprifolium fehlt sie ganz, bei L. italica®) ist sie sehr schwach. Bei L. sempervirens tritt sie bedeutend stärker hervor, wenn auch diese Lateralstände gewöhnlich nieht mehr zur An- these gelangen, sondern abtrocknen. L. Perielymenum treibt am kräftigsten solche Lateralinfloreszenzen, bei ihr ist die Zahl der „neogenen“ Blüten im Sommer und Herbst sehr bedeutend, und sie gelangen von Juli bis eventuell Anfang November zu vollkommener Entwicklung. Dieser Abstufung entspricht auch die Reaktion der vier Arten auf künstliche Entfernung der terminalen („archigenen“) Infloreszenz. L. Caprifolium und L. italica kompensieren sie niemals oder nur ausnahmsweise, L. sempervirens ziemlich leicht, L. Perielymenum am allgemeinsten. Ob dies Verhalten bei jenen Arten spezifisch ist oder klimatisch bedingt, bliebe zu untersuchen. Zunächst beanspruchen meine Angaben natürlich nur für Hessen Gültigkeit, Ich möchte sogar annehmen, daß in anderen Gegenden manches sich anders und zu anderen Zeiten ab- spielt. Natürlich hängt davon auch der Verlauf der Infektion und damit die äußeren Formen der Krankheit zusammen. Denn auch der Para- sit wird in seiner Lebensweise und seiner Infektionskraft stark von außen bestimmt, und zwar wahrscheinlich nicht ganz gleichsinnig wie Lonicera. 1) Vgl. A. Rehder, Synopsis of the Genus Lonicer.. 14. Ann. Rep- Missouri Bot. Gard. 1903. 2) Nebenbei bemerkt, scheint mir die Bastardnatur dieser Form, entgegen Rehder, ]. c. pag. 192, nicht erwiesen. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 189 Neuere Angaben über das Verhalten von Siphocoryne xylostei Schrk. verdankt man A. Mordwilko!). Seine Beobachtungen bei War- schau führten ihn zu der Vermutung, daß die Aphidine auf dem Wege sei, sich zu einer migrierenden Art zu entwickeln; denn sie sei im- stande, im Hochsomner auf Umbelliferen (z. B. Conium maculatum) als Zwischenwirte überzugehen. Ebenso gibt schon Kaltenbach in seiner Monographie der Pflanzenläuse (Aachen 1872) an, sie lebe auch in den Dolden von Conium. Aber von einer regelmäßigen Migration habe ich bei Marburg bis jetzt nichts wahrgenommen. Hier können von Anfang Mai bis in den November hinein auf Lonicera andauernd fortpflanzungsfähige ungeflügelte Weibehen gefunden werden. Allerdings trifft auch in Hessen zu, was Mordwilko über den Häufigkeitszustand sagt. Es habe den Anschein, als ob Siphocoryne xylostei im Hoch- sommer sich auf Lonicera weniger gut fortpflanze als im Frühjalır und im Anfang des Sommers. Es mag in dem kontinentaleren Klima Polens diese Erschwerung sehr empfindlich sein und zur Migration auf die saftigeren Umbelliferenstauden geführt haben. Aber auch bei Mar- burg wird im Laufe des Sommers die Zahl der Läuse sichtlich viel geringer, von den meisten Achsen verschwinden sie ganz. Zum Teil liegt das auch hier an dem Mangel geeigneter zarter Triebe, mehr aber noch an den Verheerungen, die durch tierische Feinde angerichtet. werden; besonders Forficula aurieularia und verschiedene Spinnen räumen stark unter den Läusen auf. Doch alle diese Momente sind natürlich, wie bei den Pilzen, sehr verschieden, je nach den Standorten und je nach der Witterung der einzelnen Jahre, und schon deshalb fällt die Epidemie mit ihren gallenbildenden Folgen nie ganz gleich aus; z. B. sah ich in dem abnorm trockenen Sommer 1911 schon Ende Juni an Lonicera italica viele geflügelte Weibchen, die in der Regel erst später zahlreich werden und bei uns am stärksten im Oktober auftreten, um die Neuinfektionen zu vollziehen. Schon vorher, Ende September und Anfang Oktober, läßt sich an Lonicera Perielyme- num oft eine herbstliche Zunahme der Aphidine feststellen. Die überwinterten Tiere sieht man bei geeignetem Wetter schon im April hervorkommen; um diese frühe Zeit sah ich sie z. B. an L. sempervirens und L. Caprifolium sehr vereinzelt. Nach sehr mildem Winter traf ich auch an L. Pericelymenum schon am 29. April 1912 ein einzelnes Muttertier mit mehreren Jungen; eine stärkere Vermehrung aber findet gewöhnlich erst von Anfang Mai an statt. 1) Beiträge zur Biologie der Pflanzenläuse. Biolog. Zentralbl. 1907, Bd. XXVIL, pag. 797, 812, 813. 190 L. Diels, Setzt man mit diesen Tatsachen die „Phaenologie“ der Loniceren in Beziehung, so wird die verschiedene Disposition dieser Pflanzen zur Vergallung ohne weiteres klar. In der kritischen Zeit, vor Mitte Mai, wo Siphocoryne als Infizient wirksam wird, sind bei allen vier Spezies die meisten archigenen Blütenknospen über ihre stärker defor- mierbare Periode hinaus. Deshalb beobachtet man bei den frühesten, L. Caprifolium und L. italica, niemals natürliche Deformationen; und weil diese beiden auch nach künstlichem Eingriff laterale Inflore- szenzen nur ganz selten bilden, so liefern sie überhaupt nur ausnahms- weise einmal Anfänge von deformierten Blüten. Bei Lonicera semper- virens entstehen Anfang Mai ausnahmsweise auch spontan noch laterale Blüten; aber sehr leicht lassen sie sich künstlich, durch Entfernung der Terminalknospen, hervorlocken; und auf diese Weise erhält man ex- perimentell unschwer tief deformierte Blüten. Bei Lonicera Perielymenum endlich können bereits späte archigene Infloreszenzen angegriffen sein. Ihre ältesten Blüten zwar zeigen nur die zuerst auf- tretenden Störungen, die jüngeren können auch schon stärker beeinflußt sein. Eine derartige vergrünte „archigene“ Blüte sah ich z. B. schon am 14. Juni (1910). In normalen Jahren ist die Zahl so früher Oeei- dien jedoch gering, nach meiner Zählung kaum mehr als 1°%/,. Dagegen legt L. Periclymenum nun im Spätfrühling und während des Sommers viele Lateralinfloreszenzen an, z. T. gerade zur Zeit des Hochstandes der Invasion. Daher ist das Erscheinen zahlreicher Deformationen hier ein gewöhnliches Vorkommnis, ja wenn Siphocoryne überhaupt anwesend ist, eine Naturnotwendigkeit. Dabei kommt es öfters vor, daß die Läuse freiwillig oder durch Absterben von den beeinflußten Achsen längst verschwunden sind, wenn die deformierte Infloreszenz aufblüht. Und das hat, ähnlich wie bei den Chloranthien von Torilis, Trifolium und vielen anderen veranlaßt, daß die Anomalien selbst viel früher bekannt wurden, als ihre parasitäre Ursache. Vof den Arten der Untergattung Perielymenum wird noch Lo- nicera implexa als Wirtspflanze der Siphocoryne xylostei genannt (C. Massalongo in Marcellia VI [1907]); wie sie sich dabei verhält, habe ich nicht feststellen können, da mir diese Spezies in Marburg nicht zur Verfügung stand. IV. Deformation der reifen Blüten. Die direkte Infektion von mehr oder minder ausgebildeten Knos- pen führt natürlich zu keinen wesentlichen Umbildungen. In freier Natur kommt sie bei den Lonicera Perielymenum von Marburg Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 191 übrigens weniger häufig vor, weil zur Zeit der nahenden Anthese die Läuse die blühenden Sprosse oft schon verlassen haben und auf die jünge- ren zarteren, rein vegetativen Fortsetzungssprosse übergegangen sind. Beim künstlichen Versuch aber kann man natürlich derartige Spät- infektionen ausführen Sie veranlassen dann sowohl bei L. Periely- menum wie bei L. sempervirens unmittelbaren Nahrungsmangel und damit lokale Hemmungen im Wachstum. Im Gegensatz zu den Früh- infektionen sind die Erfolge daher sehr ungleichmäßig. Es entstehen Wachstumsdifferenzen und Spannungen, die zu mannigfachen Krüm- mungen der Blütenphyllome führen. Sehr gewöhnlich beobachtet man Stillstand an der Korolle. Filamente oder Griffel können zugleich noch weiter wachsen und erleiden dann infolge des Widerstandes der ge- hemmten Krone starke Verbiegungen. Aber die Sporangien sind normal, und darin liegt der entscheidende Unterschied von den nach Frühinfektion sich abspielenden Deformationen. Weiter findet man an der Korolle mindestens stellenweise die definitive Färbung unterbleiben; die Rötung kann völlig fehlen. Kurz, es treten an den verschiedensten Stellen Störungen und Hemmungen der letzten Entwicklungsvorgänge ein. Diesen Phänomenen entsprechen der großen Mehrzahl nach die bekannten von Peyritsch!) künstlich erzielten Chlorantbien bei Arabis. Denn er infizierte stets nur die Infioreszenzen; und wenn auch deren Entwicklung bei den Cru- eiferen wohl häufig schneller abläuft als bei Lonicera, so ist doch klar, daß es sich bei Peyritsch fast nur um Spätinfektionen han- delt. Der Charakter der von ihm erzielten Anomalien beweist das deut- lich. Deshalb ist durch seine Versuche durchaus nicht bewiesen, daß es sich bei der I. c. pag. 13f. beschriebenen, aber experimentell nicht erzeugten (offenbar tiefer gehenden) Deformation wirklich um etwas spezifisch Verschiedenes, etwas „ganz Heterogenes“?) handelt. Und damit fällt ein wichtiges Argument für seine Spezifitätsannahme einst- weilen weg. V. Progressive Deformation der Blütenanlagen. 1. Kelch. Der Kelch bleibt fast stets normal. Unter den Hunderten von beobachteten Blüten fand ich nur einmal, bei einer völlig vergrünten, auch eine Deformation des Kelches. Ein Sepalum stand herabgerückt, 1) Pringsheim’s Jahrb. 1882, Bd. XHI, pag. ff. 2) 1. ce. pag. 21. Flora, Bd. 106. 13 192 L. Diels, ein zweites war hypertroph und petaloid, die drei übrigen wie gewöhn- lich ausgebildet. Schon Morren?) erwähnt diese „permanence“ des Kelches, ebenso haben sie Masters, Cavara und Vuillemin hervorgehoben. In der Tat ist sie wichtig. Denn sie zeigt, daß auch bei tiefen Infektionen keine einheitliche Deformation aller Blüteneyklen stattfindet, daß viel- mehr die Blütenhülle nur korrelativ beeinflußt wird; daher der am wenigsten beteiligte Kelch kaum jemals. Dieser Zusammenhang lag Morren bei seiner Betrachtungsweise natürlich fern, und so sieht er einen höchst sonderbaren Widerspruch darin, daß das zur laubigen Veränderung scheinbar geeignetste Organ sie gerade nicht erleidet! 2. Krone. In der Regel bleibt bei stärkeren Deformationen die Krone auf früherem Stadium stehen, und da die normale Zygomorphie erst spät zu entscheidendlem Ausdruck kommt, so sieht sie mehr radiär aus, wenngleich die charakteristische ?/,-Stellung der Petalen selten ganz verwischt wird. Die Fünfzahl der Blumenblätter bleibt stets erhalten. Der Tubus ist meist verkürzt, in sehr extremen Fällen schwindet er ganz. Niemals sah ich an den Petalen Antheren auftreten, wie es Cavara!) als so häufig bei seinen Lonicera-Chloranthien beschreibt und abbildet. Auch eine Abweichung des Androeceums von der normalen Zahl, oder Verwachsungen seiner Glieder unter sich?) oder mit den Griffel, die Cavara®) als gewöhnlich bezeichnet, habe ich nur ausnahmsweise an- getroffen. Überhaupt bieten jene in Bologna beobachteten Anomalien fast sämtlich so erhebliche Verschiedenheiten von meinen Wahr- nehmungen, daß sie wohl kaum auf Siphocoryne-Parasitismus*) zurückzuführen sind. Sonst müßten die Änderungen im Vegetations- cyklus der Loniceren, die das Klima Oberitaliens bedingt, einen über- raschend veränderten Gang der Morphogenese veranlassen. Das Wachstum der Krone und ihr Färbungszustand sind übrigens stark von äußeren Bedingungen abhängig, und zwar auch noch in späteren Stadien. Daher kommt es, daß diese Seiten der Organbildung nicht proportional zu einander oder zu der sexuellen Defor- 1) Bull. Acad. Roy. Belg. 1850, Tome XVII, 2, pag. 129. 2) Vuillemin sah diese Erscheinung oft. Bull. Soc. sciene. Nancy 1904, 3. Ser, Tome V, pag. 9. 3) N. Giorn. Bot. Ital. 1886, Vol, XVII, pag. 54, Tav. III 4) Cavara sagt nichts darüber. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 193 mation sind. Die Krone ist fähig, selbst bei tiefgehender Mißbildung der Geschlechtsblätter eine nahezu normale Entwicklung zu erfahren, wenn die Wachstumsbedingungen dies begünstigen. Und ebenso kann sie bei nur schwacher sexueller Affektion ihrerseits stark mißbildet aussehen. Ich habe vergrünte Kronen gesehen, deren Tubus nur 3, der Saum nur 7 mm maß, und die doch noch ungelöste Griffel ein- schlossen. Daneben beobachtete ich auch solche mit 10 mm langem Tubus und 15 mm langem Saum, bei denen die Stylolyse sich erst in den Anfängen zeigte. Andererseits kann man beideriei Größen vereint mit völliger Phyliodie beider Geschlechtsblätter beoabachten. Diese Plastizität der Korolle ist ein ergiebiger Faktor für die große äußer- liche Mannigfaltigkeit der Lonicera-Cecidie. 3. Gynaeceum. Sehr früh verraten sich die ceeidogenen Störungen in der Ent- wicklung des Gynaeceums. Schon äußerlich tritt dies hervor in den Dimensionen des Ovariums und in der Länge des Griffels. Bei der normalen Blüte verhält sich Länge und Breite des Ovariums un- gefähr wie 1:1; der Griffel erreicht in allen Stadien das Niveau der Antherenspitzen, bis er zuletzt sich darüber hinaus verlängert. An den deformierten Blüten wird das Ovarium länger und schmäler (Fig. 1), der Griffel verkürzt sich. An diesen beiden Merkmalen lassen sich frühe Stadien der cecidogenen Deformation am einfachsten erkennen. Und es ist leicht, innerhalb einer Infloreszenz ihre Zunahme zu beob- achten. 27. Juni 1910. Eine „archigene“ Infloreszenz von Lonicera sempervirens besteht aus drei je sechsblütigen Wirteln, in der Altersreikenfolge a, ß, y. Die Knospen bieten folgende Maße in mm: Wirtel Ovarium Korolle a 13—14 x 3 ß 11x27 Y 6x2 Bei « und £ sind Staubblätter und Griffel anscheinend noch normal, Bei y bleibt der Griffel bereits im Längenwachstum zurück. Die Hauptunterschiede aber werden im Ovarium wahrnehmbar. Wenn man ausgeht von der normalen Samen- anlage (Fig. 24; Taf. VII, Fig. 1), so stellt sich für a und f eine Hypertropbie des Funiculus (Fig. 2 #—D; Taf. VIII, Fig. 8 und 9) beraus, während bei > die Samenanlage (Fig. 2Z, Fig. 3; Taf. VII, Fig. 10) schon völlig umgestaltet, rein vegetativ geworden erscheint. 13* 194 L. Diels, Einen ähnlichen Fall zeigte Lonicera Periclymenum an einer archigenen Blüte (14. Juni 1910). Die Korolle war völlig vergrünt, ihre Röhre 8, die Abschnitte 6 mm lang. Im verlängerten Ovarium (8—6 mm lang, 1,8 mm breit) waren die Samenanlagen verkümmert, Fig. 2. Fig. 1. 4 normale Knospe. 3 cecidogene Knospe, Vergr. 8, Fig. 2. (Schematisch.) Lonicera sempervirens. Fig 1 A Samenanlage einer normalen Blüte. #—.D Samen- 8. anlage mit hypertropbischem Funiculus. Z rein vegetativ gewordene Samenanlage, aber ihre Funiculi mit Drüsenhaaren besetzt, gestreckt bis zu 2,5 mm, ja z. T. noch länger, und dann wegen Raummangel sich in einer Schlinge krümmend. Bei den jüngeren Knospen derselben Infloreszenz waren die Samenanlagen nicht mehr ausgegliedert, der Griffel stärker vergrünt, Fig. 3. Abor- tierende Samen- anlage mit Drü- senhaaren be- setzt. auch die Staubblätter zeigten beginnende Mißbildung. Über die zeitlichen Umstände derartiger Entwick- lung gibt der Versuch Aufschluß. Am 2, Mai 1912 wurde eine Familie der Siphocoryne von L. sempervirens auf völlig intakte L. Periclymenum übertragen und zwar unterhalb einer Terminalinfloreszenz; am 6. Mai war sie normal übergegangen; amı 10. Mai zeigte sich starke Invasion des einen der beiden Stützblätter. Am 4. Juni war das Paar der Stützblätter infiziert, die drei unteren Blatt- paare des Sproases intakt, Die Infloreszenz wurde untersucht. Im äußeren Quirl maß das Ovar 2,5 mm, die Korolle 6-7 mm, die Staubblätter waren normal, der Griffel solid, aber etwas kürzer. Die Samenanlagen begannen zu verblatten. Der innere Quirl maß 7,5 mm, die Korolie 5 mm, der Griffel war stärker verkürzt. Die Samenanlagen hatten keinen Nucellus mehr und waren dicht mit Drüsenhaaren besetzt (Fig. 3). Die auffällige Hypertrophie des Funiculus teilt die Lonicera- Cecidie mit der von Aphis (?) anthrisci auf Torilis Anthriscus hervorgerufenen. Mit dieser hat sie ferner gemein eine anomale Haar- bildung an den Innenwandungen des Ovariums, den Plazenten und Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 195 Samenanlagen, d. h. Orten, die normal niemals Haare bringen (Taf. VIII, Fig. 9—11). Man wird dergleichen Übereinstimmungen morpho- genetischer Prozesse als einen Hinweis auf die verwandtschaftlichen Beziehungen der Umbellifloren und der Caprifoliaceen betrachten dürfen. Es sind solche gleichartig verlaufenden Reaktionen, die eine nahe innere Verwandtschaft zum Bewußtsein bringen können, wenn eine augenfällige Mannigfaltigkeit der Formen das Gefühl dafür abzustumpfen droht. Alle diese Veränderungen gehen Hand in Hand mit den Störungen der Samenanlage. Und zwar fallen die formativen Äußerungen in den verschiedenen Teilen des Gynaeceums zeitlich so sehr zusammen, daß es mir nicht gelungen ist, an der Folge der Erscheinungen hier das etwa Primäre von dem et#a korrelativ Sekundären zu scheiden. Doch habe ich den Eindruck gewonnen, daß die störenden Bedingungen gleichzeitig in den verschiedenen Sphären des Gynaeceums morphotisch zu wirken beginnen. Die reife Samenanlage der Lonicera Perielymenum (Taf. VII, Fig. 1) folgt dem Sympetalentypus. Sie hat ein sehr diekes Inte- gument, der Nucellus ist bis auf einen Rest von der Makrospore ab- sorbiert. Der Eiapparat ist viel kräftiger entwickelt als die gewöhnlich sehr undeutlichen Antipoden. So weit meine Erfahrungen reichen, geht allerdings schon bei normaler Lonicera Periciymenum die Verdrängung des Nucellus nicht so schnell von statten, wie bei der (freilich der anderen Unter- gattung angehöiigen) L. Standishii, die von Guignard!) kurz beschrieben wurde. Denn dort grenzt schon während der ersten Teilung des Ma- krosporenkernes der Sack direkt an das Integument (vgl. Ann. se. nat. Bot., Ser. 6, Tome XIII, pl. VII, Fig. 150); bei L. Perielymenum da- gegen können schon die weiteren Teilungen vollzogen sein, wenn der Embryosack eben erst die äußere Schicht des Nucellus anzugreifen beginnt (Taf. VII, Fig. 2). In den cecidogen gestörten Samenanlagen nimmt zuerst die Ex- pansionskraft des Embryosackes ab; die Verdrängung des Nucellus ge- lingt ihm nur noch zum Teil. Die Polkerne sind dabei dem An- schein nach noch normal. Der Eiapparat aber zeigt Symptome der Schwächung. Die Umhäutung der Zeilen unterbleibt, die Kerne sind kleiner und weniger stark tinktionsfähig. Taf. VII, Fig. 4 hält diesen 1) Ann. seiene. nat. Botan. 1882, 6. Ser, Tome XII, pag. 174, pl. vn, fig. 147— 152, 196 L. Diels, Zustand fest. Das Bild ist etwas schematisiert, namentlich wurden die Kerne aus verschiedenen Niveaus in eine Ebene projiziert. Ein ganz ähnliches Stadium lieferte ein künstlicher Infektions- versuch im Sommer 1911. Da wurde am 29. Juni ein intakter Zweig belegt und die Terminalinfloreszenz dekapitiert. Die Läuse gingen gut über. Die bereits angelegten Lateralinfloreszenzen ent- wiekelten sich und hatten am 19. Juni 0,5 mm lange Knospen. Das Ovarium an ihnen war leicht deformiert, der Griffel sichtlich ver- kürzt. Die Samenanlagen (vgl. Taf. VII, Fig. 6) hingen an gestreckten Funieulis. Der Nucellus (Taf. VII, Fig. 5) war nur zum kleineren Teile absorbiert, im Embryosack blieb der Polarkern auch hier noch anscheinend normal, die Kerne des Eiapparates schienen kleiner als gewöhnlich. Mit derartigen Samenanlagen zusammen finden sich im selben Ovarium auch solche, bei denen die Verkümmerung des Embryosackes schon weiter fortgeschritten ist. Überhaupt ist entsprechend ihrem un- gleichen Alter die Degenerationsstufe der einzelnen Ovula innerhalb desselben Fruchtknotens recht ungleich, und es läßt sich auch daraus ermessen, daß schon geringe Altersdifferenzen starke Unterschiede in dem Grade der Deformation bedingen. Taf. VIII, Fig. 7 zeigt eine Samenanlage, bei der die Makrospore sich nicht mehr entwickelt hat. Bei Fig. 8 ist sie auf dem Stadium stehen geblieben, wo im Nucellus die Mutterzelle der Makrospore schon vorhanden, die Integumente aber erst in der Entwicklung begriffen sind. Schließlich bildet sich auch der Nucellus nicht mehr aus. Die „Samenanlage“ ist sozusagen rein vegetativ und beweist das daran, daß sie, wie oben schon erwähnt, samt den Innenwandungen der Frucht- knotenhöhle sowohl einfache wie Köpfchenhaare hervorbringt (Taf. VIII, Fig. 9—11, vgl. Fig. 3), sich also in einer Entwicklungsrichtung be- wegt, die auch bei anderen ÜCecidien sozusagen vom Generativen hinwegführt. Die Hemmung der Makrospore, Verkümmerung der Samen- anlagen und Schwinden der Plazenten sind bei Lonicera Peri- elymenum die ersten Stadien der cecidogenen Deformation. Es ist also die Q Sphäre, welche zuerst nach der Infektion gestört, geschwächt und vernichtet wird. Jedenfalls leidet sie erheblich früher als die 5 Sporangien. Zwei Beispiele mögen diesen wichtigen Punkt noch belegen, beide von L. Perielymenum. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 197 9. August 1910. Korolienröhre gegen die normale um 5—6 mm verkürzt. Griffel um die Hälfte verkürzt. Plazenten geschwunden. & Sporangien mit gut ausgebildeter Faserschicht, 19, Juli 1911. Äußerlich wenig verbildet. Korollenröhre 16 mm. Griffel aufgelöst (vgl. pag. 198, 200), 2 mm lang. Samenanlagen fehlen. & Sporangien mit Faserschicht. Pollenkörner getrennt voneinander, normal. Neben den Ergebnissen der mikroskopischen Prüfung zeigt also jeder genauere Vergleich der Deformationsstadien das Versagen der Q Teile als die erste Wirkung der Infektion. Es ist unverständlich, wie Gueguen und Heim die Ansicht gewinnen konnten, „es seien die Gameten, die dazu neigten, ihre Individualität am längsten zu be- wahren“, Vielmehr bietet die Empfindlichkeit des weiblichen Organs gegen den Siphocoryne-Parasitismus den eigentümlichsten Zug der Lonicera-Cecidie. Denn in den meisten sonst bekannten Fällen greifen die teratogenen Deformationen auf das Gynaeceum gerade zu- letzt über, oft bleiben sie dort am unbeträchtlichsten. Im zusammen- fassenden Rösum& seiner „O&cidies florales“ sagt Molliard!) geradezu, innerhalb einer Blüte widerständen die weiblichen Keimzellen im all- gemeinen leichter als die männlichen den cecidogenen Einflüssen. Von dieser Regel macht Lonicera also eine Ausnahme. Denn hier bildet gerade die Atrophie des Q Organs die erste Phase in der ganzen Folge der Deformationen. Es ist aber vielleicht nicht ohne Bedeu- tung, daß Atrophien in der Q@ Sphäre bei den Caprifoliaceen ja auch „normal“ sehr verbreitet sind. Bei Viburnum fehlen an ’den bekannten sterilen Blüten die © Anlagen sehr oft vollkommen). Und Gattungen wie Symphoricarpus, Dipelta und Linnaea, unzweifel- hafte Verwandte von Lonicera, kennzeichnen sich geradezu durch die partielle Sterilisierung ihres Gynaeceums. Allerdings sind die Formen, in denen sich dort diese Sterilisierung vollzieht, nach dem, was Fa- miller®) darüber mitteilt, bedeutend verschieden von dem cecidogenen Verlauf bei Lonicera. 4. Androeceum. Die folgenden Stadien lassen sich am besten beurteilen, wenn man neben dem Studium des Gynaeceums zugleich das Verhalten der 1) Ann. sciene. nat. Bot. 1895, Ser. VIII, Tome I, pag. 231. 2) Goebel in Pringsheim’s Jahrb. 1886, Bd. XVII, pag. 293. 3) In Flora 1896, Bd. LXXXII, pag. 157 ff. 198 L. Diels, Staubblätter im Auge behält. In den bisher betrachteten Fällen zeigt sich weder äußerlich am Staubblatt, noch im Innern der An- theren eine Wandlung. Tritt die Infektion jedoch früher ein, so beginnt auch im Androeceum dieAblenkungder normalen Entwicklungsich zuäußern. Ein derartiges Stadium, das von den vorigen her natürlich durch zahlreiche Abstufungen erreicht wird, ist in Fig. 4 wiedergegeben. Der Griffel beginnt sich in drei Stücke Fig. 4. Knospe einer deformierten Blüte mit be- zu lösen, welche durch ginnender Stylolyse. 4—C Staubblätter, 4 und 3 _ ihr: iche zung mit mit Filamentzähnen. 2 die sich lösenden Griffel. jhre reich Boset ung Verge. 8%,. drüsenlosen Trichomen und drüsigen Haaren sehr auf- fällig von dem kahlen „Normal“-Griffel abweichen, der eben einen Griffelkomplex darstellt (Fig. 4.2). Das normale Staubblatt ist kahl, der Faden fast drehrund, die Anthere dorsifix, d. h. an der Basis über die Insertion hinausgewachsen. In dem vorliegenden Stadium der beginnenden Stylolyse unterbleibt die basale Ausdehnung des Antherenteiles, die sonst schon in 5 mm langen Knospen mehr als die Hälfte des Organes ausmacht: sie sind basifix geworden. Statt dessen nimmt der sterile Teil zu; er wird re- lativ breiter, zuweilen sind seine Ränder schmal geflügelt, besonders häufig aber gewinnt die obere Partie und dehnt sich mit zwei zahn- artigen Auswüchsen neben der Antherenbasis aus. Fig. 5 A und 3 zeigen diesen Vorgang im Beginn. In fortgeschrittenen Fällen der Sporangienverkrümmung wird diese laterale Förderung des Filamentes noch stärker (Fig. 5 Z}. Die Etappen dieses Vorganges hat Vuille- min?) bereits beschrieben, seine Angaben sind leicht zu bestätigen. Auch Garcin?) hatte vermutlich extreme Fälle solcher Bildungen be- obachtet, aber irrig gedeutet. Er beschreibt die Staminodien als drei- lappige Gebilde, wie auch ich sie gelegentlich antraf. „Jeder der Seiten- Jappen“, sagt er, nimmt genau die Stelle je einer Theca ein und der Mittellappen die des Konnektivs. Man könnte also sagen: das Staub- 1) Bull. Soc. sciene, Nancy 1904, Ser. III, Tome V, pag. 8. 2) Soc. Bot. Lyon Bull, 2. Ser., Tome VII, pag. 62. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Ionicera uw. 199 blatt ist ein an der Spitze dreilappiges Blatt, das Konnektiv stellt den Endlappen, die Antheren die Seitenlappen dar.“ Seinen sonstigen An- gaben nach hat Garein allem Anschein nach Siphocoryne-Deformation vor sich gehabt; die Homologien an seinen dreilappigen Staminodien dürften also sicher denen entsprechen, die oben dargestellt wurden. Übrigens kommen diese stipularähnlichen Seitenlappen unterhalb der Antherenbasis auch bei Pilzeecidien vor. Die Figur, die Molliard (Ann. sc. nat. Bot. VIE. ser., I, 104 pl V., Fig, 7) von den durch Cy- stopus mißgebildeten Staubblättern der Sinapis arvensis gibt, erinnert stark an unsere Lonicera. In beiden Fällen liegt darin der Ausdruck einer somatischen Hypertrophie im Staubblatt bei germinaler Schwächung, entspricht also Fig. 5, Staubblätter deformierter Blüten mit seitlicher Ausdehnung des Filamentteiler. CF stammen aus einer einzigen Blüte, deren Korolle 12,5 mm lang war. Vergr. 5. etwa der oben mitgeteilten Überverlängerung des Funieulus an der Samenlage. Bekanntlich ist auch bei sogenannten normalen Staminodien gerade dieser Form der Sterilisierung nicht ungewöhnlich, ja man kennt sie auch bei anscheinend funktionstüchtigen Staubblättern, wie von Mahonia, Deutzia, Albuca u. a. Sehr häufig verknüpft sich die beginnende Schwächung der An- there mit Haarbildung. Die sonst kahlen Staubblätter und Antheren bedecken sich mit Haaren, also genau wie die weiblichen Blätter es tun (vgl. pag. 198). Solche Trichosis ist den Ceeidiologen geläufig. Mol- liard berichtet sie z.B. bei Aphidoceeidien von Arabis, bei Phytopto- ceeidien von Bromus (l. e. pag. 211). Besonders genau aber wieder- holt sich die Behaarung der vergrünten Antheren abermals bei der Deformation von Torilis Anthriseus durch Aphis? anthrisei?), die 1) Molliard, Ann, scienc. nat. Bot. 1895, Ser. VII, Tome I, pag. 154, pl. XIL, fig. 9. 200 L. Diels, ja schon im Gynaeceum so starke Übereinstimmung mit der von Loni- cera erkennen ließ (vgl. pag. 194). Die weitere Schwächung der Anthere gibt sich schon äußerlich im Schwinden der Fächer kund. Der Vorgang ist verschieden abge- Fig. 6. Blüte von etwa gleichem Deformationsgrad wie Fig. 4, doch etwas älter. 4A Staubblat 2 Stylolyse, © Teil des Sporangiums im Querschnitt, schematisch. Tetradenteilung vollzogen, aber eine Mutterzelle desorganisiert, stuft. Oft zeigt eine Anthere ihre Sporangien teils noch normal zur Tetradenteilung gelangt, teils im Archesporium völlig desorganisiert. Der Form nach besteht große Ähnlichkeit mit den Erscheinungen, die bei „normalen“ und „hybriden“ Sterilisierungen gewöhnlich sind. Figuren, wie sie z. B. Janczewski!) von Ribes-An- theren — hybriden und „reinen“ — mitteilt, fanden sich oft in meinem Lonicera-Material. Nicht selten Fig. 7._Deformierte Blüte mit fortgeschrittener Umbildung Kommt es dabei im Androeceum (4—D) und Gynaeceum (E). vor, daß die Des- organisation in- nerhalb des Sporangiums partiell bleibt, indem neben obliterierenden Mutterzellen noch solche liegen, die zu normaler Teilung schreiten (Fig. 60). 1) Sur les anthöres st6riles des groseilliers. Bull. Acad. sciene. Cracovie 1908, pl. NXIV. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 201 Fig. 7 stellt einen wiederum fortgeschrittenen Fall dar. Die Gliederung des Staubblattes ist zurückgeblieben, die Lösung der Griffel reicht weiter. Hat die Infektion früh genug gewirkt, so erscheint der normal stets als einheitlicher Körper angelegte Griffel!) von vornherein voll- kommen gelöst (Fig. 8C). Dabei bewahren in diesen jüngsten Zu- ständen die Antherenan- lagen noch anscheinend das normale Aussehen (Fig. 8A, 2). Wie die Figuren leh- ren, verhalten sich alle diese Degenerationsvorgänge in j 5 TBangı B Fig. 8. Aus einer jungen Knospe. 4, 3 junge denselben Cyelen nieht Staubblätter. C’ die drei gelösten Griffel. gleich, ja nicht einmal in denselben Sporangien. Es zeigt sich also auch hier das gleiche wie in Formenkreisen, die „normal“ zu Abort geneigte Sexualblätter besitzen 2. A 5. Staminoide Griffel, Auf die Lösung der Griffel, welche wir eben (Fig. 7 &, 8C) wahr- nahmen, folgt in vielen Fällen eine sehr eigentümliche Phase, die man mit Vuillemin’s®) Ausdruck als Androgenie bezeichnen kann und die sich in Antherenbildung an den Griffeln kundgibt. Ein Ende August 1911 untersuchter Blütenstand von Lonicera Pericly- menum ergab folgende Stadien, die Maße in mm: Griffel a 24, normal [3 9,5 65 12,5, Stylolyse beginnt (Fig. 94) z 9 6 8-9 Stylolyse fortgeschritien, 6 6 6 10-—13 $ Androgenie (Fig. 93, C) ‚ö 11--14, Griffelantheren etwas dorsifix . 9 ö ’ (Fig. 9 D) D) Vgl. dazu, wie überhaupt über die normale Entwieklung der Blüte Payer's Organogsnie 1857, pag. 615, pl. 127. j 2) Vgl. z.B. J. Familler, Biogenetische Untersuchungen über verkümmerte oder umgebildete Sexuslorgane. Flora 1896, Bd. UXXXIL, pag. 133 ft. . 3) La castration femelle et l'androgenie parasitaires du Lonicera Peri- elymenum. Bull. mens. Soc. scienc, Nancy 1904, Ser. III, Tome V, pag. 129-147. 202 L. Diels, Ein ähnlicher Fall wurde im Knospenzustand untersucht. Der älteste Wirtel der Infloreszenz (Blüten etwa 10 mm lang) befindet sich del Fig. 9. Bildung staminoider Griffel (vgl. Text). 4 Griffelkomplex des Wirtels ß, 3 des Wirtels y, C des Wirtels ö, D des Wirtels =. Vergr. 5. in dem Stadium völliger Stylolyse. Das äußerste Glied des Gynaeceums (a) zeigt drüsige Behaarung wie etwa bei Fig. 7 Z; das nächst innere (5) aber ist staminoid geworden, und an der nächstfolgenden noch winzig kleinen Anlage (c) sieht man bereits, daß die Prävalenz des d Faktors durchgreift. Der nächste Quirl{Blü- ten etwa 8 mm lang, Fig. 10 2) zeigt Symptome stärkerer Defor- mation: das Fila- Lig. 10. Junge, Kinospe de defornierten Blüte 4 drei ment wächst aus, Staubblätter und gelöste Griffel: « noch styloid, 3 antheroid, ivi junge Anlage c ebenfalls anıhereid. 3 stärker deformiert, das Konnektiv ist Griffel alle petaloid. Vergr. 8. auf der Innenseite behaart, die Griffel verlauben. Der jüngste Quirl endlich bildet auch die Staubblätter stark zurück. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 208 Über die Beziehung dieser staminoiden Griffel zu den benach- barten Phasen des Deformationsprozesses geben zeitlich verfolgte Fälle klare Auskunft. Lonicera sempervirens. Die Knospe der Terminalinfloreszenz am 9. April 1912 abgeschnitten. Die Lateralknospen am 20. April mit Siphocoryne belegt; am 10. Mai ausgetrieben und mit Läusen dicht besetzt. Am 4. Juni der Lateralzweig unter- sucht. Drei Blattpaare, alle etwas blaßgrün. Knospen des Blütenstandes 7 mm lang. Ovar 2,5 mm lang. Korolle 4,5 mm lang. Staubblätter in fortgeschrittener Verblattung, die Sporangien teils noch sichtbar, teils völlig geschwunden. Griffel völlig verblattet. In einer Blüte aber, wo die Staubblätter die Sporangien noch deutlich zeigten, zeigen auch die äußeren Griffel noch Andeutungen von Antherenbildung (Fig. 11). Diese staminoiden Griffel in verschiedenen Stufen der Vollkommen- heit sind ein durchaus gewöhnlicher Ausdruck gewisser Phasen der von Siphocoryne veranlaßten Deformation. Als fertige Zustände sind sie schon von französischen Autoren beschrieben worden; ungefähr gleich- zeitig, im Jahre 1904, haben Daguillon und Vuillemin davon gehandelt. Der Zustand in unserem Wirtel & entspricht z. B. dem von Daguillon in Rev. göner. Bot, Tome XVI, pag. 375 in Fig. 54 abgebildeten Falle. Auch fand ich bei Marburg andere von ikm und von Vuillemin beschriebene Erscheinungen: so das Fig. 11. Äußere Griffel Auftreten von zwei oder gar drei ineinander nalen Text) geschachtelten trimeren oder dimeren Kreisen solcher Antherengriffel, die allerdings nach innen zu häufig (nicht immer!) geschwächt erscheinen. So sah ich im Juli 1912 an Sträuchern guten Ernährungszustandes nicht selten Blüten mit zwei trimeren Cyclen solcher staminoider Griffel, welche in ihren basifixen Antheren (morphologisch) völlig normale Pollenkörner erzeugt hatten. Von diesem vermännlichten Zustande befanden sich besonders zahlreiche Fälle in Vuillemin’s Material. Unter seinen 24 Blüten sind (pag. 15) die Griffel: „pollentragend“ bei 18, staminoid doch pollenlos bei 1, petaloid bei G. Von denselben Blüten besaßen 14 noch einen fünften Kreis, und in diesem sind die Antheren mitunter sogar besser organisiert als im dritten und vierten. Ein bezeichnender Fall derart (pag. 16, pl. I, Fig. 3) zeigte im dritten Kreis: zwei völlig petaloide Phyllome, drei petaloide Phyl- lome mit rudimentären Pollenfächern; im vierten Kreis: drei völlig antherifere Phyllome, aber die Antheren basifix; 204 L. Diels, im fünften Kreis: eine Anthere dorsifix, eine dorsifix und s-förmig ge- krümmt, die zwei anderen klein und durch Pressung gedreht, doch pollenführend. Die relativ bedeutende Zahl solcher Fälle in seinem nicht sehr umfangreichen Material ließ Vuillemin in dieser „Ändrogenie* der inneren Kreise einen wesentlichen Zug der ganzen Cecidie erblicken. Der Zustand seiner Objekte verleitete ihn auch, diesen inneren Kreisen allgemein eine einwärts zunehmende Neigung zur „Antheriferie‘ zu- zusprechen. „Die Glieder des fünften Kreises“ sagt er (pag. 18), „sind als Staubblätter organisiert; sie sind zwar oft reduziert, haben aber wenig Anlage petaloid zu werden. Und wenn das Wachstum der Achse die Entwicklung von Kreisen noch höherer Ordnung als des fünften erlaubt, so sind diese aus Staubblättern gebildet.“ Wir werden sehen, daß dieser Satz nur für gewisse Fälle paßt. In der Regel hat er keine Geltung und trifft keinesfalls das Wesentliche. Die Androgenie der inneren Kreise ist nur eine Phase in der Morphogenese des Deformationsprozesses. Denn es läßt sich zeigen, daß über dieses staminoide Stadium die Erkrankung zur Sterilisierung weiterführt; und umgekehrt, daß es bei der Gesundung als Rekonvaleszenz-Etappe auftritt. In diesem Zusammenhang wird es uns weiterhin beschäftigen (s. pag. 210ff.). Trotzdem behält natürlich gerade diese Phase ihre hohe theore- tische Bedeutung. In ihrem Höhepunkt kann die Blüte zu einer (frei- lich oft nicht völlig ausreifenden) rein d geworden sein. Es ist ein Zustand, wie er z. B. von Giard!) bei der Diptere Tipula palu- dosa geschildert wird, bei der alle von Entomophthora arrenoc- tona befallenen Individuen äußerlich vollkommen d aussehen. Man wird auch erinnert an das Schicksal des Seesterns Amphiura squamata bei Orthonectiden-Parasitismus; da atrophieren zwar die ? Anlagen vollkommen, doch der Hoden entwickelt sich weiter, und sogar stärker als unter normalen Verhältnissen. Eine größere Widerstandskraft der g Potenzen gegen die parasitären Einflüsse ist also da charakteristisch, wie bei unseren Loniceren. Diese Überlegenheit. scheint bei der Siphocoryne-Infektion von L. Perielymenum ganz typisch. Mit ihr hat der Experimentator ein sicheres Mittel in der Hand, in einem Blütenquirl, der normal aus- nahmslos weiblich determiniert ist, die Bildung von Keimzellen des anderen Geschlechtes hervorgerufen, d.h. also für die Sporophylie einen 1) Vgl. Ch. Julin, La castration parasitaire. Rev. gender. science. 1894, Tome V, pag. 601 ff. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 205 Geschlechtswandel herbeizuführen; Bedingung des Erfolges ist nur das geeignete, „kritische“ Entwicklungsstadium des zu infizierenden Sprosses. Es gelingt hier also eine normal vollkommen feste Korrelation zu be- seitigen; ebenso wie Ustilago violacea die Korrelation beseitigt, weiche den Diözismus bei Melandryum album bedingt. 6. Totale Petalodie und Phyllodie. Bei hinreichend frühzeitiger Infektion entwickeln die Anlagen aller Geschlechtsblätter keine Sporangien mehr, sie bleiben entweder phyl- lodisch oder erlangen petaloide Ausgestaltung. Ein sehr junges Stadium solch totaler Sterilisierung gibt Fig. 12. Ältere Stadien zeigen verschiedenes Verhalten. Oft stellt sich im An- Fig. 12. Junge Knospe. 4 Geschlossen. Von den fünf Fig. 13. ‚Petalodisch wer- Kelchblättern vier sichtbar. 2 Dieselbe ausgebreitet. dende Griffel. Vergr. 3'),. Kelch entfernt. Fünf Blumenblätter, fünf Staubblätter (Vgl. Text.) und drei Griffel von ungleicher Größe. Vergr. 11. droeceum wie im Gynaeceum Petalodie ein. Dabei bieten sich, was Vuillemin (l. c. pag. 9) schon erwähnt, wiederum ungleiche Stufen des Vorganges in demselben Kreise. In Fig. 13 ist Blatt = dicklich, grün, drüsenreich, 3 dünner, heller, etwas weniger drüsig, c länger, am Ende fast petalodisch, weiß, kaum drüsig. Bei derartiger Richtung der Entwicklung tritt bei Lonicera Peri- elymenum und L. sempervirens wiederum, wie in der Phase der staminoiden Griffel, am physiologisch inaktiv gewordenen Gynaeceum eine unverkennbare Neigung zur Pleiomerie hervor. Sehr häufig bilden sich mindestens zwei Kreise aus. Die Anlage dazu konnte ich bei aus- reichend früher Infektion leicht hervorrufen. Am 15. Mai 1911 wurden zwei paarige intakte Seitenknospen mit Länsen belegt und durch gleichzeitige Entfernung des Terminalsprosses zur Entwicklung befähigt. Sie trieben aus und behielten an ihren je drei Blattpaaren die Parasiten bis zum Juni, Aus den Blütenständen wurden am 14. Juni die ältesten Blüten, die Imm lang waren, untersucht. Die Geschlechtsblätter boten dort das in Fig. 144 206 L. Diels, wiedergegebene Bild. Am 28, Juni enthielt eine entsprechend weiter entwickelte Knospe bereits deutlich das dizyklische Gynaeceum (Fig. 14 2). Ältere Stadien (Fig. 15) zeigen die beteiligten Phyllome am Grunde noch styloid verwachsen. Der äußere Kreis ist dreizählig, der innere hat zwei bis drei Blättchen, die gewöhnlich ungleich groß sind, und im ganzen schwächere Entwicklung verraten als der äußere Kreis. Eiumal wurde allerdings auch der um- gekehrte Fall beobach- tet: der äußere erreichte 5 mm, der innere 8 mm Länge. Wie bei ge- füllten Blüten) deutet sich also mit diesen innersten Phyllomen ein neu begonnener Carpell- kreis an, doch erfolgt gleichzeitig damit schon der Übergang zur völli- gen Aufgabe der zykli- schen Anordnung, zur „medianen Prolifika- tion“, wie sie ja so oft beschrieben ist‘). Fig. 14. Fig. 15. , Fig. 14. 4 Junge Knospe, am 14. Juni 1911 unter- Einen rasch fort- sucht (vgl. Text); Kelch, Krone und 2 Staubblätter ent- schreitenden Prozeß der fernt. Griffel gelöst. 3 derselbe Blütenstand, Knospe Petalisi 6 am 28. Juni untersucht; 6 völlig gelöste Griffelanlagen, etalisierung der Ge- Vergr. 80. schlechtssphäre bekun- Fig. 15. Drei Griffel, phyllodisch; innerhalb davon det die in Fig. 16 ver-. zwei jüngere. Vergr. 3, . ® ® anschaulichte Folge der Blüten eines bestimmten Blütenstandes. Man sieht das Schwinden der Sporangien im Staubblatt, seine zunehmende und dann wieder schwin- dende Behaarung, und entsprechend am Griffelkomplex Behaarung, Lösung und Petalodie, Phyliome wie bei D bilden vollkommen gefüllte Blüten, wie sie die Teratologen von unseren Pflanzen schon da und dort erwähnt haben. Doch wenn Morren°) sagt, es käme bei der „immense majorit& 1} z.B. Viola, vgl. Goebel in Jahrb. f. wissenschaftl. Bot. 1886, Bd. XVII, pag. 233. 2) Bull. Acad. Belg. 1850, Tome XVII, 2, pag. 128. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 207 des jleurs“ zu dieser vollkommenen Petalodie, so gilt das nicht zu jeder Zeit und nicht für jeden Ort. An meinen hessischen Standorten ist es geradezu eine Ausnahme, mag aber bei dem milderen Klimä in Belgien, oder bei Nancy, wo Vuillemin im September untersuchte, häufiger vorkommen. Es schien nämlich solche weitgehende Petalodie der inneren Kreise bei Marburg durch günstige Witterung des späteren Sommers (feuchtwarmen August) befördert zu werden. Ähnlich also wie bei frostbeschädigten Individuen spätere gute Pflege die Entwick- lungshöhe der Anomalien günstig beeinflußt. Klebs®) hat die Mannig- faltigkeit der Blüten- anomalien auf die so mannigfach abgestuften Konzentrationsverhält- nisse der Nährstoffe zurückzuführen ver- sucht. Die Abstufung der Petalodie bei un- serer Cecidie scheint mir ein Beispiel solcher Be- ziehungen zu sein. Das Gegenstück zu den völlig korolli- nischen Füllungen bietet di Pgrü- . ai ° totale Vergrü Fig. 16. Staubblatt (s2) und Griffelkomplex (g) bei nung, die Phyllodie. fortschreitender Petalodie eines infizierten Blüten- Die „Blüte“ besteht dann standes. 4 die älteste, D die jüngste Blüte. Vergr. 2. aus lebhaft grün ge- . färbten Phyllomen mit deutlich vortretendem Mittelnerv. Ihre Ähnlich- keit mit vegetativen Knospenblättern ist sehr groß. Und es liegt hier einer der vielen Fälle vor, wo es unmöglich wird, zwischen „Phylio- morphie“, wo „echte Blätter die Stelle anderer Organe einnehmen“, und „Vireszenz“, bei der die affizierten Organe nur die grüne Farbe des Laubblattes annehmen, ohne Form und Struktur zu ändern, die von Morren®) geforderte Unterscheidung vorzunehmen. Daß es gerade unsere Lonicera war, an der der belgische Teratolog zuerst jene Differenzierung aufstellte, an der er die Vireszenz als „bien distincte* von der Phyliomorphie zu erkennen glaubte, das ist ein sprechender i) Abhandl. d. Naturforsch. Gesellsch. Halle 1906, Bd. XXV, pag. 117. 2) Bull. Acad, Belg. 1850, Tome XVII, 2, pag. 125 ff. 4 Flora, Bd. 105, i 208 L. Diels, Beweis für die erhebliche Variationsweite, die hier die Deformation umfaßt. Übersicht des progressiven Deformationsprozesses. Mit dem normalen Ablauf verglichen, besteht also die ceeidogene progressive Deformation in einem Entwicklungsprozeß, der die Ge- schlechtsblätter schrittweise desorganisiert. Folgendes Schema erläutere seine Phasen. Ovarium: Griffel: Staubblätter: Ovariun verlängert Griffelkomplex verkürzt Funiculus verlängert Embryosack gehemnit Embryosack geschwunden Griffel behaart Staubblätter behaart Nucellus geschwunden Griffel Z Sporangien Anthere basifix Samenanlagen, Plazenten tragend Filament auswachsend und Ovarhöhle behaart . - Samenanlagen, Plazenten Griffel gelöst Sporangien verkümmernd und Ovarhöhle ge- Griffel phıyllodisch Sporangien geschwunden schwunden Griffel petalodisch Staubblätter phyllodisch Staubblätter petalodisch Diese lineare Darstellung ist nicht imstande, alle Kombinations- möglichkeiten zu veranschaulichen. Auch ist das zeitliche Zusammen- fallen der einzelnen Formen schon deswegen nicht überall das darin angedeutete, weil den einzelnen Kreisen eine bedeutende Selbständigkeit voneinander zukommt. Das synchrone Niveau ist also nicht starr, sondern verschiebbar. Aber im großen und ganzen bestehen die Zu- sammenhänge, welche das Schema kurz zusammenfassen will. Es geht daraus hervor, wie abhängig die formativen Erfolge von dem Zustand der Blüte bei Eintritt der Infektion sind. Diese Ab- hängigkeit, mit anderen Worten die zeitliche Folge der Vorgänge, läßt sich bei künstlicher Infektion mit Deutlichkeit verfolgen. Als Beispiel diene folgender Fall. Lonicera Periclymenum. Am 29. April 1912 wurde eine kleine Familie von Siphocoryne auf das jugendliche Endstück einer Infloreszenzachse über- tragen. Am 6. Mai hatte sie sich etwas vermehrt, am 10. Mai nach einem schwülen, warmen Tage erwies sich die Vermehrung beträchtlicher, alie benachbarten jungen Blätter waren infiziert. Am 4. Juni wurde folgender Befund ermittelt (vgl. Fig. 17). Die schraffierten Blätter sind intakt, die unschraffierten oberseits mit Länsen besetzt gewesen. z. T. noch besetzt und mehr oder minder blaßgrün. Die Blütenteile an den Knospen verhalten sich ungleich je nach dem Alter der Infloreszenz: Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 209 a b Infloreszenz (terminal) (lateral, untere) Ovarium 1,5 mm Samenanlagen abortiert Korolienröhre 1 mm (45 mm 1,6 mm » -zipfel 2 mm Antheren 2 mm, etwas behaart 0,7 mm Griffel 2-2,3 mm, lebhaft | gelöst, die Phyllome grün, drüsig, an der Spitze etwas gelöst mehr als 3, z. T. etwas staminoid (Fig. 18) c (lateral, obere) 0,8 mm 0,3 mm völlig gelöst, Phyl- lome völlig blattig VI. Regressive Deformation der Blütenanlagen. Die Beobachtung zumal organoider Gallen lehrt, daß nach Auf- hören der parasitären Eingriffe auch die formativen Erfolge ausbleiben, Ebenso hatsich gezeigt, daß die „parasitäre Kastration“ der Zoologen mit ihren Folgen nur stattfindet, so lange der Parasit wirkt. Giard hat dies z.B. mit seinem allerdings unvollständi- gen — Versuch an Eupagu- rus Bern- hardus durch Phryxus pa- guri ermittelt. Da der DU OH, 7771 Fig. 17. CHI, WW u Fig. 17. Fig. 18. Schema des am 29. April infizierten Sprosses (vgl. Text). Fig.18. Griffel der Knospen aus der Infloreszenz 6; ge- löst, mehr als drei, zum Teil staminoid werdend. Vergr. 30. Umfang der Epidemie bei Lonicera im Ausgang des Frühjahres oder im Sommer gewöhnlich stark abnimmt {pag. 189), so ließ sich erwarten, daß man bei L. Periclymenum mit ihren zahlreichen Sommerinfloreszenzen (pag. 188) den Rekonvaleszenzprozeß werde ver- folgen können. Folgende vier Fälle mögen meine Wahrnehmungen darüber illustrieren. 14* 210 L. Diels, I. Lonicera Perieclymenum. 23. August 1930. Dreiästige Infloreszenz (Fig. 19), die terminale Achse «a, die paarigen Seitenachsen 5, 5. Die Blätter der Fig. 19. Schema des Sprosses I, untersucht am 23. August 1910 (vgl. Text). Die schraf- fierten Blätter sind frei von Läusen und normal grün. Hauptachse tragen alle Merkmale starker Infektion, sind aber jetzt frei von Läusen, Die Blätter der Seiten- achsen zeigen keine Spur von In- fektion. Terminalachse. Älteste Blüten a total vergrünt. Ovarium stielartig, 6 mm lang. Korollenröhre 6 mm lang, Saumabschnitte J0 bis 12 mm lang. Staubblätter oft drei- lappig, kapuzenartig, 9-—-14 mm lang; Griffel den Staubblättern sehr ähn- lich, phyliodisch. Die Petala von den Sexualblättern nur durch die * -Verwachsung verschieden. Bis zum Cymenrirtel $ Staub- blätter und Griffel noch durchaus phyliodisch (Fig. 20.4, 2). Im obersten jüngsten e zeigen die Staubblätter Anzeichen von Sporo- genie, ebenso auch die Griffel (Fig. 20 C-E). Lateralachsen. Cymen- wirtel a: Blüten noch phyllodisch, Anzeichen von Sporogenie treten jedoch auf (Fig. 21 4, 2). Einen ähnlichen Fall stellt Fig. 22 4—C dar. Fig. 20. A, 3 zwei phylloide Staubblätter aus dem Wirtel 8 c6D i Staub- blätter mit Anzeichen von Sporogenie aus dem Wirtel , Z Griffelkomplex. us dem- selben Wirtel z, mit 5 Sporangien. Vergr. 11. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 21 Cymenwirtel $,: Sporogenie fortgeschritten. Staubblätter den normalen ähn- licher, die drei Griffel staminoid (Fig. 22 2), Cymenwirtel y, und ö, ähnlich £,. In e, die Staminoidie der Griffel weniger nachweisbar; aber die Anlagen treten noch getrennt auf. "IE. Lonicera Perielymenum. 23. August 1910. Terminalachse. Staubblätter noch basifix, sonst nahezu schon normal (Fig. 23 4). Griffel zwei bis vier, & Sporangien tragend (Fig. 23 2). In anderen Blüten (Fig. 24) werden die Griffelantheren sogar dor- sifix (Fig. 24 4), und es kommt inihren Sporangien zur Ausbildung der Faser- schicht. In noch anderen bleiben die Griffel schon _ bis auf die Spitzen vereint (Fig. 25), wobei sie in dem konnaten Teile noch die & Sporangien bewahren und bis zur Sonderung der Pollenzellen fortschreiten. Der Durchschnitt eines solchen interessanten „Griffelsynandriums“ (Fig. 25 3) zeigt drei Thecae mit sechs Sporangien. Faserverdickung bleibt hier aus. Fig. 21. A, 3 Anlagen von Staubblättern einer Blüte des Wirtels o,. € Blatt des äußeren, D des inneren Griffel- kreises. Vergr. 11. Fig. 22. 4, 2 junge Staubblattanlagen einer Blüte des Wirtels a,. € Griffelanlagen derselben Blüte, D Anlage der fünf Staubblätter und der drei (Staminoid-) Griffel im Wirtel ,. Das wesentliche ist, daß diese Gestalten nun in eine Reihe gebracht sind: als Ausdruck verschiedener Phasen eines einheitlichen Prozesses er- wiesen sind. Denn dadurch werfen sie Licht auf die ähnlichen Gebilde, wie sie namentlich von Sempervivam und von geschlechtlich um- schlagenden Salix öfters beschrieben sind. Vielfach entsprechendes bietet z. B. die von H. Müller (Bot. Zeitg, Bd. XXVI, [1868], pag. 843-845, Taf. XIII B) dargestellte Umbildung der Karpelle von Salix cinerea. Da vollzieht sich die Abnahme des stigmatösen Cha- rakters und die Zunahme der Pollenbildung unter gleichen Formen, und zwar in manchen Kätzchen ebenfalls progressiv. Bei derselben 212 L. Diels, Spezies, wie auch bei Salix aurita und cinerea, beobachtete dann ©. v. Seemen!) eine ähnliche Vermännlichung der ? Kätzchen. Unter Fig. 23. Fig. 23. Lonicera Perielymenum II, 23. Aug. 1910. Blüte von der Terminalachse. 4 Staub- blätter. 2 Griffelkomplex. zwei ältere, teil- weise mit J Sporangien, zwei jüngere. Vergr.8. Fig. 24. Lonicera Pericelymenum II, 23. Aug. 1910. Blüte von der Terminalachse. 4 Staub- blatt. 2, © Komplex der Staminoidgriffel. Vergr. 3. Fig. 24. den Figuren, die er davon gibt, findet man unter 6d, 7d, 9e über- raschende Seitenstücke zu unserer Fig. 25 A. Und die Wiederholung derselben bei Salix fra- gilis?) zeigt die weite Geltung des Vorgangs bei den Weiden. Die Samenanlagen sind hier anfangs offenbar noch nicht so weit redu- ziert wie bei Lonicera. Ob sie jemals normal sind, wird nicht mitgeteilt, da- “ gegen für die fortgeschrit- Fig.25. 4 Staminoidgriffel hoch verwachsen. Vergr.4. 5 _ 8 Ajuerschnitt durch den verwachsenen Teil bei Fa tensten Falle von Stami schematisch, Mikrosporen nur angedeutet. Vergr. 30. nodie, bei denen einzelne Antheren sich bereits öff- nen, erwähnt, „unterhalb der Staubbeutel ist hier und da noch ein Eirudiment zu finden“ ®). 1) Verhandi. Bot. Ver. Prov. Brandenburg 1886, Bd. XXVII, Taf. I. 2) W. Zimmermann in Kneucker’s Allgem. bot. Zeitschr. 1911, pag. 55. 3) H. Müller, L ec. pag. 844. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 213 Insofern wird man an die viel weniger regelmäßige Antheriferie der Carpelle erinnert, die Cavarat) von Lonicera punicea beschrieben hat. Er bildet pollenerzeugende Komplexe nicht nur in der Griffelzone ab, sondern auch in den oberen Teilen der Fruchtknotenhöhle, wo sie ein „perturbamento generale“ anrichten; gleichzeitig sind dort stets noch Samenanlagen mindestens in Anlage nachweisbar. Das gilt auch von den bekannten Karpid-Antheren bei Sempervivum, die Klebs vor wenigen Jahren noch?) in so mannigfaltigen Formen beschrieben hat Ob die geschlechtswandelnde Anomalie bei Salix, wie de Vries®) unter Berufung auf Wichura und Kerner angiebt, „fast ausschließlich auf Bastarde be- schränkt und bei reinen Weidenarten äußerst selten“ ist, auch ob sie „vererbt“ ist, bedarf der Untersuchung. Ein Weidenkenner wie O. v. Seemen, ebenso H. Müller und W. Zimmermann glaubten jedenfalls in der großen Mehrzahl der Fälle reine Arten vor sich zu haben, als sie jene Mißbildungen beobachteten. Nach dieser Abschweifung kehren wir zu unserer regressiven Deformation zurück und wenden uns zu den Lateralachsen der pag. 211 beschriebenen Infloreszenz II. Lateralachsen. In manchen älteren Blüten werden die Griffel bereits zum Teil stigmatös (Fig. 26). In jüngeren vollends sind die Staubblätter normal, die Griffel ohne Spur von Androgenie, wenn auch noch an der Spitze klaffend. Zuletzt tritt im Ovarium die Bildung von Samenanlagen ein, und der Griffel erreicht die Normalform. IM. Lonicera Perielymenum. 27. August 1910. Ähnlich Fig. 26. wie II. Stark infiziert gewesener, jetzt aphidenfreier Zweig. Griffel oben . halb anthero- Terminalachse. Die unteren Blüten zeigen den Über- iq, halb. stig- gang von Petalodie zur Antheriferie, die mittleren totale Antheriferie „matoid. auch an den Griffeln, die obersten lassen diese Griffel an der Vergr. 11. Spitze bereits teilweise stigmatös werden. Lateralachsen. Einfache Stylolyse, einige Griffel schon normal. Solche Prozesse wurden mitunter auch frühzeitiger im Jahre, z. B. am 8. Juli 1912 festgestellt: 1) N. Giomn. Bot. Ital. 1886, Vol. XVII, tav. IV. 2) Über künstliche Metamorphosen. Abhandl. d. Naturforsch. Gesellsch. Halle 1906, Bd. XXV, S.-A., pag. 50-54, Fig. 13—15. 3) Mutationstheorie 1903, Bd. II, pag. 17. 214 L. Diels,. IV. Lonicera Perielymenum. Kräftiger Infloreszenzzweig, Terminal- infloreszenz nicht ausgebildet, dagegen zwei ältere, a, und zwei jüngere Lateral- zweige, 2, fertil, mit je zwei bis drei Paaren infiziert gewesenen, jetzt verlassenen Blattpaaren, Infloreszenz a, aufgeblüht, a, unterer Wirtel a. Ovar drehrund, 6-7 mm lang, Korolle 22 mm, gelblich- weiß. Androeceum und Gynoeceum völlig petalodisch. " a, Wirtel 8. Etwa wie a. a, Wirtel y. An den Staubblattpetaloden Andeutungen von Sporangien. Infloreszenz 6, noch Knospenzustand. db, a Staubblätter noch petalodisch, aber die Antheren deutlicher. 5, y Antheren der Staubblätter schon fast normal, basifix, kahl. Griffel drei größere und zwei bis mehr kleinere, petalodisch, behaart. ö, 5 Ovar 3,5 mm. Korolle 6 mm, grün. Staubfäden 1,5 mm, Antheren normal, etwas dorsifix, 3,5 mm lang, kahl. Griffel 1 mm lang verwachsen, antherifer, Anthere 2,5 mm lang (etwa wie in Fig. 10.2). Es bedarf der Erwähnung, daß von derartigen Mustern auch Ab- weichungen, ja scheinbare Ausnahmen in der Natur beobachtet werden. Soweit sie nicht auf irrtümlichen Annahmen über das relative Alter der untersuchten Teile zurückgehen, beruhen sie gewöhnlich auf Oszil- lationen des parasitären Faktors. Sicherheit bietet daher nur die ge- genaue Kontrolle und Registrierung der Vorgänge innerhalb eines be- stimmten Infektionsherdes, wie sie für die unter I—IV aufgeführten Fälle geübt wurden. Dann läßt sich ein Ablauf wie in diesen Beispielen bei Lonicera Periclymenum häufig beobachten. In der Terminalachse führt die Er- krankung rasch über Stylolyse zur Petalodie, in den Lateral- achsen tritt wieder Genesung und Normalform ein. Diese Tat- sachen sind natürlich von besonderer Wichtigkeit für die Ätiologie des ganzen Prozesses. Sie zeigen, daß irgendeine dauernde Beeinflussung des Plasmas nicht stattfindet, daß also auch hier anscheinend tiefgehende formative Erfolge bei innerlich intaktem Plasma eintreten können!) VIL Ursachen der Deformation. Die parasitische Tätigkeit der Siphocoryne geht während der kritischen Periode des Jahres, in den Frühlingsmonaten, von der Oberseite der Laubblätter aus. Diese ist, als die innere der Knospen- 1) Vgl. Beyerinck, Über das Cecidium von Nematus Capreae auf Salix amygdalina. Bot. Zeitg. 1888, Bd. XLVI, pag. 7 ff. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicera usw. 215 lage, die anfangs zartere und daher wohl dem Einstich des Tieres leichter zugängliche. An späteren (vegetativen) Trieben sind umgekehrt die jungen Blätter oft nach außen umgerollt, da liegt die Unterseite nach innen, und dann trifft man Siphocoryne auch unterseits an. Doch kommt das für die deformierten Blütenzweige nur selten in Betracht. An ihnen ist es, wie gesagt, die obere Blattseite, wo die Gewebs- elemente die erheblichsten Störungen und Hemmungen erfahren: die Epidermis bleibt dort dimensional beengter, die Pallisadenschicht nie- driger. In stärkeren Fällen zeigt die Abblassung der Chloroplasten die durch Licht- und Stoffentzug komplexen Wirkungen des Parasiten. Da die Unterseite weniger leidet, wird sie zur konvexen, ihre Fläche ge- langt mehr nach außen, es wird also die Verdunstung vielleicht stärker sein als im normalen Blatt. Siphocoryne xylostei entnimmt ihre Nahrung unmittelbar dem Leit- bündel: die Einstichstellen liegen stets auf einem der stärkeren oder feineren Nerven. Da ihre Eingriffe schon im jugendlichen Zustande des Blattes beginnen, so ist klar, daß der aufsteigende (zugleich den Infloreszenzen zuströmende) Saft die stärkste Modifikation erleiden muß. Dadurch beschränkt sich die Wirkungssphäre des Parasiten nicht auf den engsten Ort der Infektion‘). Vielmehr reicht sie von dort weiter auf die jüngeren Bezirke des Sprosses. Bei mehreren Peri- elymenum-Arten sind die Knospen im kritischen Stadium von außen überhaupt, noch unzugänglich, da sie von den älteren Blüten und ihren eigenen Deck- und Vorblättern dieht abgeschlossen sind. Schon aus diesem Grunde ist eine frühe Einzelinfektion, wie sie bei Peyritsch’s Cruciferen und Valerianen vielleicht stattfand, bei manchen Lonicera gar wicht möglich. Auch ist die regelmäßige Ontogenese der Defor- mation innerhalb der Infloreszenz nur unter einer allgemein auf sie wirkenden Bedingung denkbar. Man vergleiche, wie sich Sinapis ar- vensis bei Cystopus-Infektion verhält: wenn das Myzel von der Achse her gleichmäßig jugendliche Blüten angreift, beherrscht eine große Regelmäßigkeit die Deformation; bei Individualinfektion der ein- zelnen Blüten dagegen zeigt sich eine große Vielseitigkeit des Resul- tats?). Ihrer Mehrzahl nach also gehören die aphidogenen Deformationen an Lonicera zu den auf Fernwirkung beruhenden Mißbildungen, einer 1) Dafür liefert ein schönes Beispiel die Hormomyia tanaceticola- Galle, die Molliard, ]. ec. pag. 185 beschreibt. 2) Vgl. Molliard, 1. c. pag. 100, 101. 216 L. Diels, Klasse, die sich von den übrigen später vielleicht schärfer sondern lassen wird. Dies ist das rein Tatsächliche, welches zur Ätiologie unserer Defor- mation beigebracht werden kann. Über die näheren Umstände sind nur gewisse Annalımen zu erörtern. Die einzige bisher geäußerte An- sicht, die hergehört, stammt von Guöguen und Heim. Es ist nur ein kurzer Abriß ihres Gedankenganges, den sie veröffentlicht haben‘). Danach wollen sie überwiegend positive Wirkungen der Infektion an- nehmen. Die Läuse veranlassen einen gesteigerten Verbrauch des Nähr- saftes. „Daher stellt sich eine gesteigerte Saftzufuhr ein in den In- floreszenzen, die am Scheitel noch in der Entwicklung begriffen sind. Das plötzliche Verschwinden des verbrauchenden Parasiten stört plötz- lich die Gleichgewichtslage, die sich zwischen Verbrauch und Zufuhr der Nährsäfte hergestellt hatte, die Störung vollzieht sich zugunsten der Zufuhr: und so erklärt sich durch einen teratogenen, allmählichen, mittelbaren und auf Entfernung wirkenden Einfluß eine ganze Reihe von Verdoppelungen, Phyllodien, Petalisationen, Synanthien, die der Reihe nach alle Blütenquirle erfassen.“ Diese Vorstellung konnte nur entstehen. weil man auf die Ent- wicklungsvorgänge nicht achtete. Denn Phyllodie, Synanthie usw. sind fast stets in der Anlage schon lange vorhanden, bevor jenes „plötzliche Verschwinden“ der Parasiten stattfindet. Das Wesentliche also über- sieht die Theorie, und rechnet mit Zusammenhängen, die gar nicht vor- liegen. Auch das Eingreifen irgendeines formativ wirkenden Exkretes des Parasiten ist nicht bemerkbar. Gu&guen und Heim reden zwar von einer „diastase stimulante“, haben sie aber nicht nachgewiesen, sondern nur vorausgesetzt. Was Büsgen?) über Aphidinen-Exkre- tionen gefunden hat, spricht andererseits durchaus dagegen, daß sie den Stoffwechsel des Wirtes tiefer beeinflussen. Bei Lonicera zeigt sich, wie gesagt, in den morphotischen Reaktionen nicht ein einziges Merk- mal, das den Eintritt fremder Substanzen andeutete oder ihre Annahme verlangte. Soweit sich schätzen läßt, führt hier die parasitische Betätigung der Aphidine unmittelbar zu einem Verlust an Assimilaten, mittelbar 1} Compt. rend. Assoe. Franc. avanc. scienc,, 30me Sess., Paris 1901, Tome I, pag. 330, 331. 2) Der Honigtau, pag. 43 ff. Jena 1891. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 217 zu einer Schwächung der C-Assimilation, möglicherweise — durch Tran- spirationssteigerung — zu einer Beschleunigung des Wasser- und Nähr- salzstromes. Das Gesamtverhältnis ist also zu ungunsten der Assimilate verschoben. Es sind die Bedingungen vorhanden, welche nach den vorliegenden Erfahrungen die vegetativen Bildungsvorgänge befördern, die generativen hemmen, und welche den meisten sichergestellten Be- funden nach die $ Sphäre früher benachteiligen als die d. Der tatsächliche Ablauf der Deformatien scheint das Vorhanden- sein jenes Bedingungskomplexes zu bestätigen. Einmal nämlich leidet sicher das Generative zuerst. Bei unseren Geisblatteeeidien ist häufig sexuelle Reduktion nachweisbar, ohne daß die vorangegangenen Quirle der Blütenhülle irgendeine wesentliche Mißbildung erfahren, während das umgekehrte nie beobachtet wird: man sieht nie Kelch oder Krone beeinträchtigt, ohne daß sich Sterilität mindestens im Beginn fände, Da aber die Infektionswirkung unter Um- ständen regressive Tendenz hat (s. pag. 209), und die Blütenhülle früh- zeitiger angelegt wird, so müßte das der Fall sein, wären eben nicht die generativen Elemente die empfindlicheren. Zweitens ist es nun der Annahme entsprechend wirklich die weib- liche Sphäre, welche ein größeres Maß dieser Empfindlichkeit beweist und stets die ersten Entwieklungsstörungen erkennen läßt. Denn der zeit- liche Entwieklungsabstand zwischen den 2 und d Homologen ist so gering, daß sich darauf die so häufige Beeinträchtigung des Gynae- ceums bei normaler Beschaffenheit des Androeceums nicht zurückführen läßt. Vielmehr sehen wir, die in der 2 Sphäre keimvernichtende Kraft wirkt nicht immer zugleich in der d ebenso zerstörend. Ja, sie kann sie sogar korrelativ stärken, dann entstehen d Komplexe an den Frucht- blattanlagen. Oder wenigstens, es finden dort die vorher latenten d Potenzen keine ? Gegner mehr, die ihnen beim normalen Ablauf im Gynaeceum überlegen sind. Ob sie dabei ihrerseits wirklich — auch germinal — vollwertig sind, ob nicht in ihnen ebenfalls schon Schädigungsprozesse begonnen haben, das ist eine andere Frage, die hier unerledigt bleiben mag. Eine Verschiebung der Kräfte ist jedenfalls unbestreitbar. Und für die ernährungsphysiologische Bedingtheit dieses sexuellen Kraftwechsels, in dem Sinne, wie wir oben annahmen, spricht wohl das Ergebnis von Kulturen, das Klebs bei seinen Sempervivum- Versuchen beobachtete 4, Er erhielt antherifere Karpelle besonders 1) Archiv f, Entwicklungsmechanik der Organ. 1907, Bd. XXIV, pag. 85. 218 L. Diels, „bei den kleinen Stecklingen mit sehr reichlichem Wasser- und Nähr- salzzufluß, und unter Umständen iin roten Häuschen infolge Schwächung des Lichtes“. Daß gleichzeitig eine Steigerung der vegetativen Potenzen auch bei der Lonicera-Blüte sehr wohl eintreten kann, beweisen die zahlreichen petalodischen Erscheinungen und die Vorgänge, die zur Füllung führen. VIII. Normale Organbildung und Deformation. Was das Verhältnis von „Normalem“ zur Deformation angeht, so trifft unsere Betrachtung überein mit der Anschauung Goebel’s, wie er sie z. B. in der „Organographie“, pag. 153 ausspricht: „was bei einer Pflanze das Normale ist, werden wir bei einer anderen als anormal zu bezeichnen oft nicht anstehen.“ Es ist dies ein Satz, der auch um- gekehrt seine volle Berechtigung behalten muß, wenn er von richtigen Prinzipien ausgeht. Die normale Organbildung durchläuft zahlreiche Stufen. Jede Stufe steht unter besonderen Bedingungen. Die Folge der Stufen ist fest geregelt für den normalen Ablauf, ebenso also die der Formen — wir sagen „durch Korrelation“. Aber innerhalb gewisser Schranken, die teils z. B. alle Angiospermen umfassen, teils ihren systematischen Ver- bänden höherer und niederer Ordnung spezifisch zukommen, gilt eine bestimmte Korrelation nur für eine bestimmte Art. Bei verschiedenen Arten sind jene Bedingungen und jene Folgen nicht gleich. Bedingungen, die der einen Ontogenie fremd sind, sind bei einer anderen normal. Somit können auch Formen, die der einen Ontogenie fremd sind, bei einer anderen als normal erscheinen. Und Abweichungen der Beding- ungen einer Normalfolge können infolgedessen der Normalen anderer Spezies gleich werden. Von den einzelnen Deformationsphasen bei den Arten von Loni- cera Subgen. Periclymenum treten in der Tat nicht wenige in ihrer Verwandtschaft als normale und definitive Gestaltungen auf. Und noch viel häufiger sind sie in anderen Gruppen der Angiospermen als ‚solche anzutreffen. Die schwache Färbung der Korolle, das Ausbleiben des Antho- eyans ist bei vielen Lonicera normal: z. B. L. parvifolia mit weißer, L. Glehnii mit gelbgrüner Blüte. Die geringe Tubuslänge tritt sehr häufig in der Untergattung Chamaecerasus auf; aber auch unter den Perielymenum hat beispielsweise L. hispidula einen relativ Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 319 kurzen Tubus. Die Abstufung der Zygomorphie umfaßt einen weiten Spielraum. Der Saum von L. sempervirens selbst und der meisten übrigen Phenianthi ist nur wenig zygomorph, die Sekt. Isoxylosteum ist geradezu durch Aktinomorphie gekennzeichnet; an manchen Stellen ist das Merkmal so labil, daß es nicht einmal für die Umgrenzung kleinerer Verbände brauchbar ist. Behaarte Staubblätter gibt es schon bei den Arten der Unter- gattung Periclymenum; bei Chamaecerasus finden sie sich oft sehr typisch (z. B. L. alpigena, L. iberica, L. Tschonoskii), Auch auf die Anthere greift die Behaarung über z. B. bei L. chrysantha. — Daß übrigens Trichosis bei vielen „normalen“ Staminodien eintritt, ist be- kannt (z. B. Verbaseum, Pentastemon). — „Zahn“bildung an Fila- menten ist gleichfalls bei sterilen und fertilen Staubblättern verbreitet; einige Fälle wurden schon oben angeführt (s. pag. 199). Das gleiche gilt natürlich von der Basifixie der Antheren. Kurze Griffel, und zwar nicht etwa als Merkmal von Blüten- dimorphismus, sind bei Lonicera. durchaus verbreitet; doch fehlt es mir an Material, um das Verhalten der Arten der Untergattung Peri- elymenum in dieser Hinsicht hinreichend zu vergleichen. Bei Chamae- cerasus faßt Rehder als Microstylae eine Reihe von asiatischen Arten zusammen, bei denen der Griffel nur halb so lang als der Tubus wird; auch bei L. mexicana ist der Griffel sehr kurz, Behaarung am Griffel ist noch häufiger als an den Staubblättern; sie kommt schon in Untergattung Perielymenum bei einzelnen Arten vor (z. B. L. glaucescens, L. Sullivantii, L. implexa), sehr verbreitet ist sie bei Chamaecerasus. Dagegen ist mir Lösung der Griffel bei Lonicera als Norm nicht bekannt, überhaupt neigen die Lonicereae normalerweise nicht dazu, mit Ausnahme von Microsplenium, die der Beschreibung nach einen zweispaltigen Griffel besitzt. Wohl aber ist jene Lösung bei Viburnum und Sambucus typisch. Schließlich bedarf die „Androgenie“, das Vorkommen stami- noider Griffel, der Besprechung im Hinblick auf etwaige „normale“ Vorkommnisse. Die nähere Verwandtschaft von Lonicera verspricht, dabei geringe Ausbeute, weil sie eine sehr feste sexuelle Ordnung, einen strengen Hermaphroditismus besitzt. Verfolgt man aber die „Androgenie“ bei anderen Gruppen, so lassen sich doch gewisse Vor- stellungen entwickeln. Wenn Karpidanlagen zu Staubblättern werden oder umgekehrt, so beruht dies interessante Phänomen auf sexuellem Kraftwechsel. Ein solcher kann sich in sehr wechselnden Formen vollziehen, aber sie 220 L. Diels, scheinen bei den Phanerogamen in stets gleichartiger Stufenfolge wieder- zukehren. Die vielen Belege dafür, die man der teratologischen Literatur entnehmen kann, will ich hier nieht zusammenstellen. Es soll genügen, auf die nächsten Parallelen zu dem Fall von Lonicera hinzudeuten, den Wandel weiblicher Anlage zu männlicher Bildung. Er kann er- folgen im ganzen Komplex der Sporoplylle, im Einzelsporophyli oder im einzelnen Sporangium. Wenn er im ganzen Sporophylikomplex ein- tritt, so wird die 3 Blüte zunächst morphologisch rein d, wie z. B. bei monströsen Petunien !), oder bei der „Verbildung“ des Allium Schoeno- prasum, die schon Alex. Braun?) zu allgemeinen Betrachtungen an- regte. Bei Diklinen wandelt sich die ? Blüte zur d, wie es Strasburger‘) bei einem sonderbaren Exemplar der Mercurialis annua beobachtete. Diesem Individuum „gelaug auch die Ausbildung & Blüten, aus denen die Fruchtblätter ganz beseitigt waren, Blüten, die entweder ganz fertile oder mehr oder minder vergrünte Staubblätter besaßen“. Mit besonderer Schärfe sieht man am einzelnen Sporophyli das Gegenspiel der beiden Kräfte. Halten sie sich noch gerade die Wage, so resultieren Blätter, die an der Basis Ovula, an der Spitze Antheren tragen, wie sie seit Agardh, Roeper usw. öfters beschrieben, wenn auch selten genauer untersucht wurden; am weitesten bekannt sind sie wohl von Sempervivum, wo entsprechende Bildungen auch bei den Versuchskulturen von Klebs auftraten. Häufiger natürlich sind die Kräfte ungleich, das eine Geschlecht gelangt schließlich dazu, das andere zu „opprimieren“. Die oben pag. 211ff. erörterten Reihen bei Salix zeigen die Verschiebung besonders deutlich, in der Zwitter- blüte unserer Lonicera aber tritt derselbe Vorgang zutage. Bekannt ist endlich, daß sogar erstinnerhalb des Sporangiums jener Wandel sich durchsetzen kann. Die früheren Beobachtungen an Rosa, Passiflora, Begonia®, Petunia), denen Strasburger‘) neulich noch entsprechende an Mereurialis annua zufügte, stimmen darin, daß innerhalb der Samenanlage statt der Makrospore Pollenkörner gebildet werden können, Daß darin nur ein Spezialfall des allgemeinen Phaenomens liegt, zeigen die zahlreichen Gestaltungsübergänge zu den 1) Vgl. Goebel in Jahrb. f. wiss. Bot. 1886, Bd. XVII, pag. 257. 2, Verjüngung, 1851, pag. 104. 3) Jahrh. f. wiss. Bot. 1910, Bd. XLYIII, pag. 475. 4) Goebel in Jahrb. f. wiss. Bot. 1886, Bd. XVII, pag. 246. 5) Molliard in Rev. göner. }896, Tome VII, pag. 49—58. 6) Jahrb. £. wiss. Bot, 1910, Bd. XLVII, pag. 474. Der Formbildungsprozeß bei der Blütencecidie von Lonicerz usw. 221 vorher erörterten Fällen. Sie bestätigen ihrerseits, daß die Regulation der sexuellen Potenzen bei den meisten Phanerogamen im Soma vor sich geht, daher also exogenen Einfüssen zugänglich sein muß, wie es sich z. B. bei Lonicera oder, selbst für einen Diöeisten, bei der berühmten Mykoceeidie von Melandryum album tatsächlich herausstellt. Auch der neulich von Figdor‘) mitgeteilte Fall von verzwergten Humulus japonicus scheint solche exogene Regulation vorauszusetzen. Im „normalen“ Ablauf kennen wir die Rolle der exogenen Ein- flüsse nicht, und führen die Erscheinungen auf „endogene“ zurück. Was darunter zu verstehen ist, braucht hier nicht erörtert zu werden. Wohl aber ist auf die Wesensgleichheit der äußerlich sichtbar werden- den Formen hinzuweisen. Es geht daraus hervor, daß auch im nor- malen Ablauf jeder Blütenstand, jede Blüte und jedes Sporophyll poten- tiell hermaphrodit sind, natürlich nur in ihrer merismatischen Phase. Wie labil die Zustände sein können, zeigte z. B. neulich D. $. Johnson an Piper betel L. var. monoicum DC.2). Und wenn wir erst die namentlich in den Tropen so zahlreichen polygamischen Arten genauer in dieser Hinsicht kennen, wird sich solche Labilität wohl als sehr verbreitet herausstellen. Und es ist durchaus wahrscheinlich, daß sich dann gewisse „nor- male“ Erscheinungen als Analoga zu Stadien der Lonicera-Cecidie her- ausstellen. Die Phase der staminoiden Griffel z. B. beruht auf einem gewissen Bedingungskomplex; bei jenem ceeidogenen Prozeß ist es ein rasch vorübergehender und weicht bald einer neuen Konstellation, die sich im neuen Formen äußert. Aber es ist nicht unmöglich, daß „endogen“ ein entsprechender Bedingungskomplex sich befestigt und in „normalen“ Bildungen hervortritt. Ich denke an Fälle, für die Sym- plocos als Beispiel dienen kann. Hier ist die Polygamie nicht selten; in den S Blüten sind meist 10 Staubblätter mehr vorhanden, als in den ® (z. B. S. lanceolata, S. revoluta, 8. dasyphylla). „Das Prinzip ist unverkennbar“, sagt der Monograph der Familie ®), „daß für den fehlenden Stempel“ — es sind 5 bis 2 Karpelle beteiligt — „LO Staubblätter mehr ausgebildet werden“. Daß derartige Fälle zahl- | I) Übergangsbildungen von Pollen- zu Fruchtblättern bei Humulus j aponicus Sieb. et Zuee. und deren Ursachen. Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wissensch. Wien, math.-naturw. Kl., Juni 1911, Bd. OXX, Abt. I. 2) Journ. experim. Zool. 1910, Bd. IX, pag. 715-749. 3) A. Brand, Symplocacese. In „Pflanzenreich“ 1901, Rd. IV, 242, pag. 6. ” 229 L. Diels, reich vorkommen, ist schon den Beschreibungen zu entnehmen. Für näheren Einblick aber genügen meistens die Angaben nicht; nur an hinlänglich großem Material kann für jeden einzelnen Aufklärung ge- schaffen werden. Eins aber scheint sicher. Es vollzieht sich der Geschlechtswandel physiologisch in sehr ähnlichen Formen wie pathologisch, gerade so wie die allmähliche Vernichtung der generativen Kräfte bei „normalen“ Ste- rilisierungen in gleichen Formen vor sich geht, wie bei pathogenen. Dieser Parallelismus der Erscheinungen hat zu unhaltbaren Vorstellungen verführt. Wenn Giard z. B. die Diöcie phyletisch aus cecidogenen Erscheinungen ableiten will, so ist das natürlich verstiegen und un- annehmbar. Vielmehr scheint es bei unserem heutigen Wissen geboten, derartige physiologisch-pathologische Parallelen auf gleiche Bedingungen, auf — hier exogene, dort endogen regulierte — Ernährungsmodifikationen zurückzuführen. Und in dieser Hinsicht werfen die Verbildungen doch ein gewisses Licht auf die normalen Organe. Freilich ist es eine andere Klärung, als die formale Interpretation der teratologischen Tatsachen erstrebte. Und daher versteht man die an sich verwunderliche Tatsache, daß seinerzeit ein Peyritsch, der doch gerade die Bedingtheit der Deformationen zu untersuchen aufforderte, zum Verständnis der nor- malen Blüten nichts von ihnen erwartete. Figurenerklärung zu Tafel VII und VI. Fig. 1. Normale Blüte kurz vor der Anthese. 18. Juni 1912. Der Nucellus ist fast ganz vom Embryosack absorbiert. Vergr. 41. Fig. 2. Normale Blütenknospe einer Lateralinfloreszenz. 18. Juni 1912. Der Embryosack beginnt die äußere Schicht des Nucellus an der Mikropylen- seite zu absorbieren. Vergr. 400. — Wie in den folgenden Figuren, ist nur in den Zellen des Nucellus der Kern eingezeichnet. Fig. 3. Dieselbe Blütenknospe wie bei Fig. 2, Ganze Samenanlage. Vergr. 41. Fig. 4. Blüte mit deformiertem Ovarium. 12. Juni 1911. Schematisiert. Der Nucellus ist nur zum Teil absorbiert. Im Embryosack sind die Polkerne vor ihrer Verschmelzung noch sehr deutlich. Die Kerne des Eiapparates aus ihren Niveaus in die Figur hineinprojiziert. Vergr. 290. Fig. 5. Blüte mit deformiertem Ovarium. 19. Juli 1911, nach künstlich herbei- geführter dreiwöchentlicher Erkrankung. Ähnliches Stadium wie Fig. 4 Der Eikern ist sichtbar. Vergr. 290. Fig. Fig. 11. Flora, Bd. 108. Der Formbildungsprozeß bei der Blütenceeidie von Lonicera usw. 223 Blüte von Fig. 5. Ganze Samenanlage. Vergr. 41. Blüte mit deformiertem Ovarium, verkürztem Griffel und vergrünter Ko- rolle. 26. Juni 1911, nach mindestens vierwöchentlicher Erkrankung. Der Nucellus ist vollständig erhalten, der Embryosack nicht entwickelt. Vergr. 290. Dieselbe Blüte wie Fig. 7, stärker deformierte Samenanlage. Der Funi- eulus ist stark hypertrophisch, der Nucellus im Stadium der Embryosack- mutterzelle anscheinend normal stehengeblieben, die Integumente am Beginn der Entwicklung stehengeblieben. Schnitt nicht ganz median. Vergr. 41. Deformierte Blüte. 29. Juni 1911. Längsschnitt durch das Ovarium. Samenanlage mit verlängertem Funiculus. An der Wand der Ovarien- fächer und den Plazenten sind Haare entwickelt. Vergr. 30. Dieselbe Blüte wie Fig. 9, stärker deformierte Samenanlagen. An der Wand der Ovarienfächer und den Plazenten sind einfache und Drüsen- haare entwickelt. Vergr. 30. Dieselbe Blüte. Partien der Ränder zweier Samenanlagen, die eine mit einfachem, die andere mit einem Drüsenhaar. Vergr. 465. Die relativen Welkungskeeffizienten verschiedener Pflanzen. Von L. J. Briggs und H, L. Shantz. Die weiten Unterschiede des Feuchtigkeitsgehaltes verschiedener Böden zur Zeit des Welkens der Pflanzendecke scheinen zuerst von Sachs?), 1859, deutlich erkannt worden zu sein. Spätere Forscher, welche sich in diese Untersuchungen vertieften, schlossen, daß die Böden nicht nur breite Variationen in bezug auf das Vermögen, Feuchtigkeit fest zu halten, zeigen, sondern auch, daß die verschiedenen Pflanzengruppen sich sehr verschieden verhalten in bezug auf ihr Vermögen den Feuchtigkeitsgehalt eines bestimmten Bodens zu ver- mindern. So deuten die Versuche von Heinrich :) (1894), Gain %) (1895), Hedgeock) (1902) und Clements*) (1905) alle daraufhin, daß beträcht- liche Variationen im Feuchtigkeitsgehalt des Bodens zur Zeit des Welkens verschiedener Pflanzen, bestehen, eine Tatsache, der man die Deutung gab, daß manche Pflanzen den Feuchtigkeitsgehalt eines bestimmten Bodens mehr zu verringern vermögen als andere. Dieser Schluß heißt in anderen Worten, daß die „unverwertbare Feuchtigkeit“ je nach der Art der Pflanze, welche man als Indikator benutzt, variiert. Tatsächlich ist diese Anschauung gewöhnlich in vielen der Handbücher der Pflanzenökologie anzutreffen. 1) Besum& der Publikation: The Wilting Coeffizient for Different Plants and its indirect Determination, von L. J. Briggs und H. L. Shantz, Bul. 230, Bureau of Piant Industry, U. S. Department of Agriculture, 1912. 2) Sachs, J., Berichte über die physiologische Tätigkeit an der Versuchs- station in Tharandt. Landw. Versuchsstat. 1858, Bd. I, pag. 235. 3) Heinrich, R., Zweiter Bericht über die Verhältnisse und Wirksamkeit der landwirtschaftlichen Versuchsstation zu Rostock 1894, pag. 29. 4) Gain, E., Action de l’eau du sol sur la vegetation, Rev. Gen. Bot. 1895, Tome YII, pag. 73. 5) Hedgceock, G. G., The relation of the water content of the soil to certain plants, principally Mesophytes. Rotanical Survey of Nebraska, Vol. VI; Studies in the Vegetation of the State 1902, Vol. II, pag. 5—79. 6) Clements, F. E., Research Methods in Eeology 1906, pag. 30. Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 225 Die Unterschiede, welche in dieser Beziehung von den ver- schiedenen Pflanzen gezeigt werden, hat man als wichtigen Faktor bei der Widerstandsfähigkeit gegen das Eintrocknen angesehen, da man sich vorstellte, der größere Wasservorrat, welcher dadurch manchen Pflanzen verfügbar ist, genüge, um es diesen Pflanzzu ermöglichen, die Zeit der Dürre zu überstehen, während andere Pflanzen infolge der Dürre eingehen. Von diesen Überlegungen ausgehend, unter- nahmen die Verfasser eine größere Reihe von Bestimmungen an einer Anzahl Pflanzen, mit besonderer Berücksichtigung einheimischer Pflanzen aus Halbwüsten und Wüstengegenden. Die Ergebnisse dieser Unter- suchungen führten die Verfasser zu dem Schlusse, daß die bei ver- schiedenen Pflanzen zu konstatierenden Unterschiede weit geringer sind, als man bisher annahm, und daß sie unbedeutend im Vergleich zu den großen Unterschieden im Wasserzurückhaltungsvermögen der verschiedenen Böden sind. Der Welkungskoeffizient. Das im Boden zur Zeit des Welkens der Pflanzendecke noch ent- haltene Wasser ist von früheren Autoren als „nichtverwertbare Feuchtig- keit“ bezeichnet worden. Die Entfernung des Wassers aus dem Boden dauert aber noch lange nach dem Welken weiter. Tatsächlich konnten die Verfasser feststellen, daß diese Wasserabgabe vom Boden an die Luft durch das Pflanzengewebe selbst nach dem Tode der Pflanzen fortbesteht. Das im Boden zur Zeit des Welkens noch enthaltene Wasser kann daher nicht als vollkommen unverwertbar angesehen werden; und es haben die Verfasser die Bezeichnung „Welkungskoeffizient* benutzt, um ganz speziell den Wassergehalt zur Zeit des Welkens zu bezeichnen. Man kann also den Welkungskoeffizient als denjenigen Feuchtig- keitsgehalt des Bodens, in Prozenten des Trockengewichts ausgedrückt, definieren, bei welchem die Blätter der in diesem Boden wachsenden Pflanze zuerst eine permanente Verringerung ihres Wassergehaltes er- leiden infolge der Änderung des Bodenfeuchtigkeitsvorrates. Unter permanenter Verringerung des Wassergehaltes wird verstanden ein Zustand von dem sich die Blätter in einer mit Wasserdampf gesättigten Amosphäre nicht erholen können, ohne daß Wasser dem Boden zu- gegeben wird. Bei den meisten Pflanzen ist das Welken von einer Verringerung des Wassergehaltes der Blätter begleitet und bietet also einen Maßstab zur Bestimmung des Welkungskoeflizienten des Bodens für diese Pflanze. Die Definition, wie sie hier angegeben, ist auch auf 15* 226 L. J. Briggs u. H. L. Shantz, diejenigen Pflanzen anwendbar, welche infolge von anatomischen Eigen- tümliehkeiten die Verringerung des Wassergehaltes der Blätter nicht augenscheinlich anzeigen. Zwei unabhängige Variablen nehmen an dem „Welkungskoeffizient“ Teil: Die Fähigkeit des benutzten Bodens Feuchtigkeit zurückzuhalten und die zum Anzeigen des Welkungspunktes benutzte Pflanzenart. Eine jede Bestimmung muß also als Welkungskoeffizient des benutzten Bodens für die als Indikator benutzte Pflanzenart betrachtet werden. Methoden. Drei Methoden wurden bei den in dieser Publikation veröffent- lichten Resultaten benutzt und zwar: 1. Die Wachsverschlußmethode, 2. die Methode der gleichzeitigen Kulturen, 3. die Balanziermethode, 1. Die Wachsverschlußmethode. Bei der Wachsverschlußmethode') wird in einem wasserdichten Topf die Oberfläche des Bodens mit einer Lage Wachs überzogen, so daß jede direkte Verdampfung vom Boden in die Luft verhindert wird. Töpfe aus Glas nit einem Inhalt von 250 g Boden werden benutzt. Man gibt acht, daß der Boden vor dem Gebrauche gleichmäßig be- feuchtet wird, um sehr nasse oder sehr trockene Stellen zu vermeiden. Während des Wachstums der Pflanzen werden die Töpfe in ein Bad eingetaucht, durch welches Wasser von annähernd der Durchschnitts- temperatur des Zimmers fließt. Dadurch wird das Kondensieren der Bodenfeuchtigkeit an der Innenwand des Topfes, welches sonst bei plötzlichem Temperaturwechsel stattfinden würde, vermieden. Ein Wachs aus 80%), Paraffin (Schmelzpunkt 45° C) und 20% Petrolatum stellte sich bei gewöhnlichen Temparaturen als sehr brauch- bar heraus. Die exakte Zusammenstellung ist nicht von Belang. Beim Gebrauche soll das Wachs nur wenig über den Schmelzpunkt erhitzt und der Überschuß schnell abgegossen werden. Der Schmelzpunkt und die Wärmeleitung sind so niedrig, daß man dieses Wachs ohne Schaden in einen Topf um die zartesten Keimlinge gießen kann. Bei 1) Briggs, L. J. and Shantz, H. L,, The Wax Seal Method for Determi- ning the Lower Limit of Available Soil Moisture. Bot. Gaz. 1911, Vol. LI, pag- 210-219, Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 297 Monocotyledonen fanden wir, daß der Wachsverschluß sofort nach dem Pflanzen der Samen angebracht werden kann. Beim Keimen wachsen die Pflanzen durch das Wachs, welches einen tadellosen Verschluß um den Stamm bildet. Lüftung (wenn nötig) erzielt man dadurch, daß man den Verschluß an zwei Stellen durchsticht und gesättigte Luft mittels eines Aspirators durch den Boden saugt. Der wahrscheinliche Fehler des Durchschnittes einer Reihe von 12 Bestimmungen des Welkungskoeffizienten nach dieser Methode ist ungefähr ein Teil auf 200 bei Lehm- und Tonböden. 2. Die Methode der gleichzeitigen Kulturen. Bei der Methode der gleichzeitigen Kulturen werden zwei ver- schiedene Pflanzenarten gleichzeitig in demselben Topfe gezüchtet und die relative Zeit des Welkens beobachtet. Ein wasserdichter Topf wird auch hier benutzt. Durch diese Methode wird jede durch Ungleich- mäßigkeit des Bodens verursachte Unsicherheit vermieden. Fehler in- folge von ungleichmäßiger Verteilung der Wurzeln bestehen hier wie bei der ersten Methode, 3. Die Balanziermethode. Pflanzen mit oberirdischen Wasserreservoirgeweben, wie solche mit dicken schweren Blättern, haben keinen scharf ausgeprägten Welkungs- punkt. Verff. haben aber eine Methode ausgearbeitet, welche es ermöglicht, selbst bei solchen Pflanzen den Welkungskoeffizienten zu bestimmen. Betrachtet man eine fleischige Pflanze, z. B. einen Caetus, dessen Wurzeln gut in einer Erdmasse verteilt sind, in einem wasserdichten Topf, dessen Bodenoberfläche verschlossen ist, so geht Feuchtigkeit nur durch die Transpiration der Pflanze verloren. Denkt man sich dieses System an Messerkanten auf beiden Seiten des Topfes hängend, und denkt man sich das System durch geeignete Gegengewichte so ausbalanziert, daß es sich in stabilem Gleichgewicht befindet, wenn die Pflanze eine horizontale Lage einnimmt, aber derartig, daß der Schwer- punkt hoch genug liegt, um dem System eine gewisse Empfindlichkeit zu erteilen, so wird auf Anstoß das System um den Gleichgewichts- Punkt schwingen. Fängt nun die Pflanze an infolge von Transpiration Wasser abzugeben, so wandert Wasser aus dem Boden, um den Wasserverlust der Pflanze zu decken. Das Bodenende des Systems wird leichter und hebt sich infolgedessen. Dieser Vorgang wiederholt sich, so oft man das Gleichgewicht wieder herstellt und auf den Null- punkt einstellt, bis schließlich der Boden nicht mehr imstande ist, der 228 L. 3. Briggs u. H. L. Shantz, Pflanze Wasser mit einer Geschwindigkeit abzugeben, die die Tran- spiration deckt. Dann wird die Pflanze anfangen aus ihren Reserve- geweben Wasser zu verlieren und die Pflanzenseite des Systems wird nun leichter. Die Folge davon wird sein, daß sich nun die Pflanze hebt; sie bewegt sich nun in der entgegengesetzten Richtung als früher. Der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens an diesem Punkte ist der Welkungs- koeffizient. Zwischen diesen extremen Verhältnissen gibt es eine kurze Periode, während der Boden etwas Wasser an die Pflanze abgeben kann, aber nicht genug, um die Verluste zur Zeit der größten Transpiration zu decken. Zu dieser Zeit ist das Balanziersystem träge und unsicher in seinen Bewegungen, als ob keine Veränderungen des Wassergehaltes stattfänden. Wägung des ganzen Systems beweist aber, daß Wasser verloren geht!). Wir haben die Methode der simultanen Kulturen mit der Balanzier- methode kombiniert. Benutzt man als ein Mitglied des Systems eine Pflanze, welche leicht welkt, so findet die Umkehrung der Richtung der Bewegung gleichzeitig mit dem Welken der Indikatorpflanze statt. Vorläufige Bestimmungen. Ehe an den Vergleich des Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen herangetreten wurde, wurden Versuche angestellt, um den Einfluß des Alters der Pflanzen, sowie gewisser Zustände der Um- gebung auf den Welkungskoeffizient festzustellen. Es wurden ein wenig geringere Werte für alte Weizenpflanzen als für Keimlinge ge funden. Die Durchschnittsunterschiede betrugen 2 + 1 Teile auf Hundert. Es wird dieser Unterschied der geringeren Entwicklung der Wurzeln der Keimlinge zugeschrieben. Pflanzen, die ununterbrochen in trockener oder in feuchter Atmo- sphäre gezüchtet waren, gaben denselben Welkungskoeffizienten. Dies steht in Einklang mit der Tatsache, daß das Verhältnis von Wurzel zu oberirdischen Teilen bei in trockener Atmosphäre gezüchteten Pflanzen größer ist. Auch ist es allgemein bekannt, daß sich unter diesen Umständen der Bau des Blattes derartig modifiziert, daß die Transspiration vermindert wird. 2 Es ist möglich, bei einem derartig balanzierten System zwischen Absorption und Transpiration zu unterscheiden, dadurch, daß man den Gewichtsverlust bestimmt und auch das Gewicht, welches zum Centroid des Bodens (oder der Pflanze) zu- gefügt werden muß, um das Gleichgewicht des Systems wieder herzustellen. Dies wird ausführlich in einer anderen Arbeit besprochen, Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 223 Die Abschwächung des Lichtes auf die Hälfte des Normalen ist ohne Einfluß auf den Wert des Welkungskoeffizienten. Auch wurde festgestellt, daß der Wassergehalt des Bodens während der vorher- gehenden Wachstumsperiode ohne Einfluß auf den Welkungskoeffi- zienten bleibt. Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. In den in folgender Tabelle zusammengesteilten Beobachtungen sind mehr als 1300 Bestimmungen eingeschlossen, welche an in 20 ver- schiedenen Bodentypen wachsenden Pflanzen gemacht wurden. Die tatsächlich beobachteten Welkungskoeffizienten schwanken von weniger als 1°/, bei dem Dünensandboden, bis 17%, bei dem Lehmton. Um die Resultate dieser Beobachtungen auf eine vergleichbare Basis zu reduzieren, wurde das Verhältnis jeder einzelnen Be- stimmung zum Durchschnitt aller mit dem betreffenden Boden ge- machten Bestimmungen festgestellt und somit der relative Welkungs- koeffizient bestimmt. Ist der Welkungskoeffizient für eine besondere Pflanze höher als der Durchschnitt, so ist das Verhältnis größer als eins. Ist dagegen eine Pflanze imstande den Feuchtigkeitsgehalt mehr als andere Arten zu reduzieren, ehe Welken stattfindet, so ist das Verhältnis geringer als eins. Auf diese Art ist es möglich, alle an verschiedenen Böden gemachten Beobachtungen zu kombinieren und festzustellen, bis wie weit unterhalb dem Punkte, bei dem andere Pflanzen welken, eine bestimmte Pflanze imstande ist, die Boden- feuchtigkeit zu vermindern. (s. Tabelle I, pag. 233—233.) Betrachtet man nur alle Pflanzen, an denen mindestens sechs Bestimmungen gemacht wurden, so sieht man an Tabelle I, daß die Grenzwerte des Welkungskoeffizienten bei 0,92 für japanischen Reis und 1,13 für Colocasia liegen. Letztere Pflanze besitzt ein äußerst grobes Wurzelsystem, da die feinen faserigen Wurzeln, die so charak- teristisch für die Gräser sind, vollkommen fehlen. Eine Pflanze mit einem derartigen Wurzelsystem vermindert den Wassergehalt des Bodens nicht gleichmäßig. Zurzeit des Welkens der Pflanze enthält der Boden, der am entferntesten von den Wurzeln ist, mehr Wasser als der ‚Boden in der unmittelbaren Umgebung der Wurzeln. Daher liefert die Be- stimmung des Feuchtigkeitsgehaltes der ganzen Bodenmasse zur Zeit des Welkens einen zu hohen Wert für den Welkungskoffizienten. Von der Colocasia abgesehen, lieferte eine Maisvarietät den höchsten relativen Welkungskoeffizienten, nämlich 1,06. 230 L. J. Briggs u. H. L. Shantz, Tabelle I. Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. fa 5382| 25085 ag | .2 233813385 85 85 9255 9mS3 23 35 138,2,53°3 CB} © Aam s2 |? j8288 8335 Tea mays Boone Co. white| UnitedStatesse- y lection 119 | 33 | 1,00 | + 0,007 | + 0,038 Esperanza M. 66 16 | 1,06 | + 0,013 | 40,052 Minn. 13 UnitedStatesse- lection 133 3 | 1,03 Hopi A. 7 3 | 1,05 United States selection 165 4 | 1,00 Indian flint _ 3 | 1,08 North Western dent _ 4 | 1,09 Laguna _ 4 [1,05 Chieo M.72 2 }1,06 Iowasilvermine _ 3 | 1,06 Chinese S.P.L 22308 3 11,08 Andropogon sorghum White durra S.P.1. 24997 17 1094 | +0,012 5 9,052 Dwarf milo 8.P.1. 24 970 17 | 0,994] + 0,017 | 4 0,072 Red amber 8.P.1. 17543 | 7 | 0,94 | 0,007 | + 0,044 Black amber Minn. 341 12 }1,00 } + 0,026 | 4 0,089 Red kafir 8.P.I. 24.985 3 /101 Biackhull kafır | S.P.I. 24 975 3 | 1,03 Dagdi durra S.P.L 9856 3 [1,02 Blackhull kow- liang @. I. 310 3 | 1,03 Brownkowliang| S.P.I. 24.993 1 )104 Chaetochloa italica Kursk 8.P.I. 22420 | 27 | 0,954| + 0,008 | 40,040 Common 8.P.1. 22423 | 6 |096 | + 0,011 | + 0,027 Siberian 5.P.1.21076 | 6 1,01 | + 0,009 | :E 0,023 German S.P.1. 26 845 3 | 1,00 Chaetochloa ita- lica 8.P.I. 21073 3 | 104 Panieummilia- ceum Proso 6.1.78 3 | 0,99 Triticum du- rum Kubanka 6.1.1440 \593 | 1,00 ! 4 0,0021) + 0,051 Kubanka G. 1. 1354 3 1094 Kubanka 6. I. 2246 3 10,97 Yellow gbar- novka 8.P.1. 26.008 3 1094 Yellow ghar- novka G.1. 1444 3 10,96 Pelissier 6.1. 1584 3 | 0,97 Tritieum vul- gare Bluestem Minn. 1698 | 28 | 0,96 | -+0,0066) -+ 0,035 Turkey red @. I 1558 12 | 099 | $ 0,0116) + 0,038 Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 231 Tabelle I (Fortsetzung). nn ” . ih ’ u Pr ab | .8 13332 3588 55 |38 S285328835 Pflanze Nummer =2 |8= e-53| 9-55 23 |#5 |@3 25 8283 Sic B2s8|2253 Triticum vul- gare Fretes 8.P.1. 19239 3 | 0,94 Power’s fife G. 13025 3 | 0,95 Triticum di- coccum Spring emmer | S.P.I. 19.907 3 ; 1,07 Avena sativa | Kherson G. 1.459 15 | 1,03 | +0,0149| + 0,058 Swedish select | S.P.1. 24877 | 13 | 0,984] + 0,009 | + 0,033 Canadian S.P.]. 12880 3 | 0,96 75 day G. 1. 337 3 7102 60 day G. I. 639 3 | 1,04 Big 4 6. L 558 3 | 1,08 Burt S.P.L. 24 670 3 10,98 Red rust proof G. I. 458 3 |092 Hordeum di- stichon White smyrna 6. 1. 195 3 | 0,94 Hannchen 6. 1. 581 18 10,98 | +0011 ! + 0,047 Unknown _ 16 1098 | £ 0013 | £ 0.038 Hordeum vul- gare Beldi €. 1190 12 | 0,97 | +0018 | + 0,054 Telli 6. I. 194 3 | 0,92 Marriut 6. I. 261 3 | 0,95 Oderbrucker S.P.L 26 105 2 10,92 Hull-less 8.P.1. 12709 1109 Secale cereale | Giant winter _ 19 1094 | +0,011 | + 0,049 Oryza sativa | Japan 6.1 1642 15 |0,82 | +0,014 | + 0,054 Carolina golden G.L 1645 3 | 0,96 Honduras G.1. 1643 3 1,03 Gramineae Bromusinermus _ 33 1094 | +0,005 | 40,028 Agropyron smithü _ 12 |1,03 | +0,013 | + 0,043 Agropyron te- Terum _ 15 |0,9 | + 0,013 | + 0,052 Agropyron cri- tatum _ 6 |0,96 | +0,013 | + 0.032 Elymus cana- densis _ 3 | 1,00 Stipa vaseyi _ 3 |0,99 Sitanion hystrix _ 3 1097 Aristida longi- seta _ 2 |1,00 Boutelouaoligo- stachya _ 1,101 Leguminosao | Medicago sativa| S.P.I. 25695 | 33 | 0,98 | + 0,006 | 40,035 Vieja villesa | S.P.I. 25985 | 17 | 1,04 | +0013 | 40,053 Vicia faba SBL 15428 | 28 |102 | 006 | r 0078 Pisum arvense | 8.P.I. 19389 | 28 | 1,05 | + 9,012 wa Melilotus alba | S.P.1. 21216 | 8 [1,08 | +0012 | 40,03 L. J. Briggs u. H. 1. Shantz, Tabelle I (Fortsetzung). Pflanze Leguminosae Cucurbitaceae Iycopersicon esculentum Colocasia Mesophyten Xerophyten Art Vicia fulgens Vieja atropur- purea Vieia ervilia Cicer arietinum Vigna ungui- culata Trifolium pra- tense Onobrychis vi- ciaefolia Lupinus pusil- lus Cucurbita pepo Cucumis sativa Cucumis melo Livingston Stone Ipomoea pur- purea Plantago lan- ceolata Citrus limonum Abutilon stri- atum Gossypium hir- sutum Coleus Lactuca sativa Solanım tube- rosum Fagopyrum vul- gare Beta vulgaris Linum usatissi- mum Brassica napus Amaranthus re- troflexus Grindillia squarrosa Vernonia mar- ginata Artemisia gna- phalodes S.P.I. 21502 S.P.T. 18132 S.P.L 16137 S.P.L 24322 S.P.L 26.497 S.P.L. 24931 S.P.1. 21190 Zahl der Be- | obachtungen - „mann m 0 ww wuw © ww - [7 van nm mw w zo w a ww 3 Mittels- “ verhältnis | Sm R-I= [<23] 1,06 licher Fehler des Mittels- Wahrschein- + 0,018 +00 + 9,015 verhältnisses ı Wahrschein- licher Fehler einzelnerBe- obachtungen + 0,043 +0,056 Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 233 Tabelle I (Fortsetzung). u gr Gmıalıcngem es e ao| ESR5 Ad .n Bas Bad x 55 |28 |s232l=888 Pflanze Art Nummer E 2 | 33 BE Sa gr=: 3 5% 153878] 23%3 a3 "721233515383 Ss BES2|E2575 Xerophyten Pachyphytum aduncum _ 1 1,03 Echeveria pu- bescens _ ı 1,10 Nopalea cocei- nellifera _ 1 1,03 Hydrophyten | Ranunculussep- tentrionale _ 2 10,898 Juncus balticus _ 1 1,07 Nasturtium 3 | 1,03 Isoetes saccha- rata _ 2 1,33 Die verschiedenen Maissorten unterschieden sich ein wenig von- einander, da die Sorte „Boone County White“, welche in nassen Gegenden zu Hause ist, den niedrigsten Wert ergab. Mexikanische Sorten, in troekenen Gegenden zu Hause, lieferten keinen Beweis, daß sie imstande sind, die Bodenfeuchtigkeit mehr zu vermindern, als andere Sorten. Nur ganz geringe Unterschiede ergaben die rela- tiven Welkungskoeffizienten der verschiedenen Sorghum-Sorten (Andro- pogon Sorghum), die doch in Halbwüsten weitgehend gebaut werden. Der relative Welkungskoeffizient der zwei untersuchten Sorten war 0,94, was darauf hindeutet, daß diese Sorten die Bodenfeuchtigkeit zur Zeit des Welkens etwas mehr ‘vermindern können als Mais. Die Unterschiede im Welkungskoeffizienten der Kleingetreidearten, Hirse, Weizen, Hafer, Gerste sind gering, da die extremen Werte für die vier Ernten bei 0,95 und 1,08 liegen. Der für Roggen gefundene Wert des Welkungskoeffizienten war 0,04, für japanischen Reis 0,92. Der niedrige Wert dieser Pflanze ist beachtenswert in bezug auf die Tat- sache, daß man es allgemein für nötig erachtet, die Reisfelder während des größten Teils der Wachstumsperiode zu überschwemmen. Die verschiedenen Gräser, die meistens Bewohner der „Great Plains“ der Vereinigten Staaten sind, zeigten Verhältnisse, die sich nur wenig untereinander und von den Kleingetreiden unterscheiden. Die Leguminosen dagegen, sowie manche der grobwurzeligen Pflanzen der „Great Plains“, geben als Welkungskoeffizienten etwas höhere Werte. Die Verfasser glauben, daß diese hohen Werte eher der unvollkommenen 234 L. J. Briggs u. H. L. Shantz, Verteilung der Wurzeln zuzuschreiben sind, als etwa einer den Pflanzen selber zukommenden Unfähigkeit die Bodenfeuchtigkeit in demselben Maße zu vermindern als die anderen Pflanzen. Die verschiedenen Pflanzen, an denen nur einige Bestimmungen ausgeführt wurden, sind im letzten Teil der Tabelle als Hydrophyten, Mesophyten und Xerophyten zusammen gruppiert. Die Wasserpflanzen lieferten einen etwas höheren Welkungskoeffizienten als die anderen Gruppen aus dem Grunde, daß in diese Gruppe Isoetes mit ein- geschlossen ist. Von dieser Art wurden untergetauchte Exemplare aus dem Wasser entfernt und in der Luft gezüchtet, ohne daß man ihnen erlaubte, neue Blätter zu bilden. Auch hatte diese Pflanze eine kümmerliche Wurzelverteilung. Läßt man Isoetes aus dem Spiel, so liefern die Hydrophyten einen mittleren Welkungskoeffizienten, der mit dem der Mesophyten identisch ist. Die untersuchten Xerophyten lieferten ein mittleres Verhältnis, welches zwischen Hydrophyten und Mesophyten liegt. Dies deutet darauf hin, daß trockene Gegenden bewohnende Pflanzen nicht imstande sind, zur Zeit des Welkens die Bodenfeuchtigkeit mehr zu vermindern als andere Pflanzen. Tabelle IL. Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. Wahrschein- | Wahrschein- Pflanze Zahl der Mittels- | licher Fehler | licher Fehler tungen verhältnis] des Mittels- einzelner Be- verhältnisses | obachtungen _—— an en ll 108 | #008 | +0,02 Chaetochlon 0,98 = 0,008 + 0,082 Triticum . 0,9 + 0,006 + 0,035 Aal: 0,994 + 0,002 +0,09 Ayanı nen 0,995 0,007 0.04 Hordeu ee 0,97 = 0,006 + 0,047 Ova III. 0,94 + 09011 + 0,049 ne IL 0 | 20012 | 008 Leguminomae = 20... 0897 # 0,005 + 0,040 Gucurbitacene a + 9.005 # 008 “ , E00 , Ggemenen U U 0200: 108 | tom | £000 Hydrophytes j 113 # 0,005 + 0,086 Miso h vie rn 110 + 0,087 #010 Eee 1,02 #000 | +0088 Serpaytes 1,06 +0008 | +0032 n Zahl der Beobachtungen - - - - ss | — _ _ Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 235 Die Ergebnisse bei den verschiedenen Pflanzen sind in Tabelle II ohne Bezugnahme auf die Varietäten zusammengestellt. Das Studium der Tabelle zeigt, daß nur geringe Unterschiede in bezug auf das Vermögen die Bodenfeuchtigkeit vor dem Welken zu vermindern, be- stehen. Sorghum, Hirse, Weizen, Hafer und Gerste und die Gräser verhalten sich annähernd gleich. Roggen und Reis scheinen etwas geringer als der Durchsehnitt zu sein; Mais und die Leguminosen da- gegen ein wenig höher. Indirekte Methoden zur Bestimmung des Welkungskoeffizienten. Macht man die Annahme, daß das Wachstum annähernd aufhört, wenn die Pflanzen in einen dauernd welken Zustand übergehen, so zeigt der Welkungskoeffizient die unterste Grenze an, bei der die Feuchtigkeit eines bestimmten Bodens zum Wachstum noch verfügbar ist. Diese Bestimmung wird daher wichtig bei allen kritischen Unter- suchungen über das Verhältnis zwischen Vorrat an Bodenfeuchtigkeit und Entwieklung der Ernte, da der Welkungskoeffizient die Data liefert, aus denen man die zum Wachstum verfügbare Bodenfeuchtigkeit be- rechnen kann. Die direkte Bestimmung des Welkungskoeffizienten erfordert mehrere Tage dauernde Beobachtungen. In Anbetracht der Wichtig- keit solcher Bestimmungen bei agronomischen und ökologischen Unter- suchungen, versuchten Verfasser festzustellen, ob der Welkungskoeffi- zient sich nicht durch eine indirekte Methode, beruhend auf dem Ver- hältnis der Bodenfeuchtigkeit, am Welkungspunkte zur Retention der Bodenfeuchtigkeit durch rein physikalische Methoden festgestellt, be- stimmen läßt. Zur Bestimmung der Haftkraft der Feuchtigkeit an den Boden wurden vier verschiedene Methoden benutzt. 1. Die Feuchtigkeitsäquivalentmethode. Der Feuchtigkeits- äquivalent?) ist die Menge Wasser, in Prozenten ausgedrückt, welche von einer 1 em dicken Bodenschicht zurückgehalten wird nachdem diese einer 1000 mal so starken Zentrifugalkraft als die Schwerkraft (der Erde) ausgesetzt worden ist. In folgender Tabelle (III) sind Welkungskoeffizient und Feuchtigkeitsäquivalent einer Reihe Böden zusammengestellt. Diese Böden bilden eine Serie von grobem Sand bis zum Ton, —___ 1} Briggs, L. J. and Mc Lane, J. W., Moisture equivalent determinations and their application. Proc. Amer. Soc. of Agronomy 1910, Vol. II, pag. 138147. 256 L. J. Briggs u. H. L. Shantz, Tabelle LIT. Die Beziehung des Welkungskoeffizienten zum Feuchtigkeits- äquivalent in von Sand bis auf Ton variierenden Boden. n Welkungskoeffizient| Verhältnis des Feuchtig- |- [” Feuchtigkeits- No. Bodenarten keits- |Zahl der! äquivalent läquivalent| Bestim- ! Mittel :z. Welkungs- mungen | koeffizient 7 Grober Sand - » - - - - 1,6 ı 0,9 1,78 2 Feiner Sand 5 4,7 16 2,6 1,81 8 B „ 5,5 3 3,3 1,67 9 » Doreen 67 2 3,6 1,86 3 Sandiger Lehm - - - 9,7 9 4,8 2,02 10 » Bonner 11,9 3 6,3 1,89 4 Feiner sandiger Lehm 18,1 13 9,7 1,87 12 Lehm - - 200. 18,9 3 10,3 1,83 A Sandiger Lehm - - - - - 19,6 1 9,9 1,98 B Feiner sandiger Lehm - - 19,9 1 10,8 1,84 c „ „ won 22,1 1 11,6 1,90 5 Lehm : .» 2... 25,0 12 13,9 1,80 D Doreen 270 1 152 1,78 13 Toniger Lehm - - - - - 27,4 2 14,6 1,88 14 „ nornene 29,3 4 16,2 1,81 E » Borerene 30,0 1 16,5 1,82 6 ” Doreen 302 16 16,3 1,85 1,84 Wahrscheinlicher Fehler des Mittelsverhältnisses + 9,013, Die Feuchtigkeitsäquivalente obiger Tabelle sind in jedem Falle Mittelwerte zweier Bestimmungen. Das Bedeutungsvolle der in dieser Tabelle niedergelegten Resultate ist die Tatsache, daß trotz den breiten Variationen der Wasserzurückhaltung der untersuchten Böden das Ver- hältnis des Feuchtigkeitsäquivalentes zum Welkungskoeftizienten inner- halb der experimentellen Fehlergrenzen konstant zu sein scheint. Mit anderen Worten, zwei Bestimmungen der Haftkraft der Feuchtigkeit an den Boten, die eine eine physikalische, die andere eine physiologische, zeigen ein geradliniges Verhältnis, welches von der Beschaffenheit des Bodens unabhängig ist. Dieses Verhältnis kommt in folgender Formel zum Ausdruck: Feuchtigkeitsäquivalent 18440018 2. Die Methode des Hygroskopiekoeffizienten. Der Koef- fizient der Hygroskopie ist der Prozentsatz Feuchtigkeit, welchen trockene Erde von einer bei 20° O gesättigten Atmosphäre, aufnimmt. Ein Vergleich des Hygroskopiekoeffizienten mit dem Welkungskoeffizienten derselben Reihe Böden ist in folgender Tabelle (IV) niedergelegt: Welkungskoeffizient — Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 237 Tabelle IV, Die Beziehung des Welkungskoeffizienten zum Hygroskopie- koeffizient in von Sand bis auf Ton variierenden Boden. Welkungskoeffizient Verhältnis des Hyero- I —— —— | Hygroskopie- No. Bodenarten Ko Zahl der koeffizient Zient | Bestim- | Mittel |z. Welkungs- mungen koeffizient 7 Grober Sand - » - + - - 0,5 1 0,9 0,556 2 Feiner Sand - : - +: - 15 16 2,6 0,577 8 „ FE 2,3 3 3,3 0,898 9 " rn 23 2 3,6 0,639 3 Sandiger Lehm - - : - - 3,5 9 4,8 0,729 10 » or 44 3 63 0,699 4 Feiner sandiger Lehm - - 6,5 13 9,7 0,670 12 Lehm » - en... 7,8 3 10,3 0,257 A Sandiger Lehm - - - - - 6,3 1 939 0,636 B Feiner sandiger Lehm - - 6,6 1 10,8 0,611 c „ » » 7,5 1 11,6 0,646 5 Lehm - - - 2... 9,8 12 13,9 0,705 D Wo 9,6 1 15,2 0,631 13 Toniger Lehm - : - - - 11,8 2 14,6 0,808 14 » RE EEE 13,2 4 16,2 0,815 E n re 11,2 1 16,5 0,679 6 „ Dornen 11,4 16 16,3 0,700 0,680 Wahrscheinlicher Fehler des Mittelsverhältnisses + 0,012. Die Hygroskopiekoeffizientenbestimmungen der Tabelle sind Mittel doppelter Bestimmungen. Wie man sieht, ist das mittlere Verhältnis des Hygroskopiekoeffizienten zum Welkungskoeffizienten 0,68, bei einer Fehlergrenze von +0,012. Ist der Hygroskopiekoffizient bekannt, so bietet dieses Verhältnis folgendermaßen eine zweite Methode zur Be- stimmung des Welkungskoeffizienten: Hygroskopiekoeffizient 0,68 £ 0,012 3. Die Wasserkapazitätsmethode. Unter Wasserkapazität versteht man die maximale Menge Wasser, welche von einer 1 cm hohen Bodensäule gegen die Schwerkraft zurückgehalten wird. Ein Vergleich der Wasserkapazität mit dem Welkungskoeffizienten einer Reihe von 15 Böden ist in folgender Tabelle (V) niedergelegt. Wie man an dieser Tabelle sieht, ist das Verhältnis der Wasser- kapazität zum Welkungskoeffizienten nicht konstant; doch erhält man ein annähernd konstantes Verhältnis, wenn man der Wasserkapazität erst 21 abzieht. Das Verhältnis der Wasserkapazität minus 21 zum Welkungskoeffizient = 238 L. J. Briggs u. H. L. Shantz, Tabelle V. Die Beziehung des Welkungskoeffizient zur Wasserkapazität. Verhältnis der Wasser- Welkungs Wasserkapazität No. Bodenart kapazität ient — 21 zum zien Welkungs- Prozent | Prozent | Koeffizienten 7 Grober Sand. - 00. 23,2 0,9 2,44 2 Feiner Sand - - - 0... 29,9 2,6 3,40 8 » Pa 28,5 3,3 2,27 9 „ Vorne. 31,4 3,6 2,84 F Sandiger Lehm - - + - 44,9 83 2,88 6 „ ten 50,1 9,5 3,06 H Lehm: - vorne 55,9 11,0 3,17 I Doreen 58,6 11,6 3,24 J Pa EEE EEE 59,8 11,7 3,30 [3 Toniger Lehm - - - : 2 .. 542 13,8 2,40 K „ Bortennenen 58,2 14,7 2,52 L " ern 63,2 14,9 2,83 M ” Dornen 1,3 15,0 3,85 N „ Pe 672 15,7 2,94 0 Fa EEE 69,5 16,7 2,90 2,% Wahrscheinlicher Fehler des Mittelsverhältnisses -4- 0,06. Welkungskoeffizienten ist, bei den 15 untersuchten Böden, 2,90 + 0,06; und das Verhältnis läßt sich durch folgende Formel ausdrücken: Wasserkapazität — 21 29006 4. Die Methode der mechanischen Analyse. Bei dieser Methode werden der Sand-, der Schlamm- und der Tongruppe der Teilchen ein Koeffizient des Wasserzurückhaltungsvermögens erteilt, unter Benutzung der Methode des kleinsten Quadrates. Bei dem Ver- suche, eine Korrelation zwischen der mechanischen Zusammensetzung, wie sie durch mechanische Analyse gefunden wird und dem Welkungs- koeffizient zu ermitteln, benutzten wir dieselben relativen Werte für Sand, Schlamm und Ton, welche von Briggs und McLane‘) erhalten wurden. Die tatsächlichen Werte der Koeffizienten wurden so gewählt, daß die besten berechneten Werte des Welkungskoeffizienten erhalten wurden. Wir benutzten folgende Formel: Welkungskoeffizient—= 0,01 Sand + 0,14 Schlamm -+ 0,57 Ton. Welkungskoeffizient — 1) The Moisture Equivalent of Soils. United States Department of Agri- eulture, Bureau of Soils, Bulletin 45, 1907, Die relativen Welkungskoeffizienten verschiedener Pflanzen. 239 In dieser Formel bedeutet „Sand“ das Gewichtsprozent der Teil- chen von 2—0,05 mm Durchmesser, „Schlamm“ dasjeniger solcher von 0,05—0,005 mm Durchmesser und Ton dasjenige solcher von einem Durchmesser geringer als 0,005 mm. Folgende Tabelle (VI) enthält die mechanische Zusammensetzung eines jeden Bodentypus, den aus obiger Formel berechneten Welkungskoeffizienten, den beobachteten Wert des Welkungskoeffizienten, die Differenz zwischen den beobachteten und den berechneten Werten und das Verhältnis der beobachteten zum be- rechneten Werte, Tabelle VI. Vergleich des beobachteten Welkungskoeffizienten mit dem bei der Berechnung aus der mechanischen Analyse gefundenen. u en Du ı5 5 amar! ; Welkungs- 8 £88 nung am Ton | kntiinn 8 | 85 i —- 3 2-7 No. Bodenarten. 0,05 : i ; | 8 la5& 2 bis O25Lis| Dis |0,005, Be | Ber | & 1388 =; = pn: rech- jobach-| = =853 0,25 i 0,05 | 0,005 | bis O net | tet ı & E38 num | mn | mm | mm | | “ 15833 71 Grober Sand - - - 60,4 5 37,1: 08 | ! 09 | + 0,9 | 0,50 2| Feiner Sand - - - | 2821644 : 4,7 | 26 14051084 8 „ Pan Er PEN BER 33 | -08| 0,92 9 3 2] 299: 567: 5,0 3,6 | +02| 0,85 3} Sandiger Lehm - - | 33.1:50,0 :° 86! 48 | -+ 0,1: 0,98 4 | Feiner sandiger i j Lehm... - 28 | 59,8 302 | 97 1207109 12| Lehm - - .. .- 34 55,5 21,8 ; | 10,3 1 —08| 1,08 A | Sandiger Lehm - - 32,41288 26,7 | 9,9 0,0 | 1,00 B| Feiner sandiger ! j Lehm. 2. : 15,8 142,4 ; 28,7 1108 | —0,1| 101 C | Feiner sandiger | | | 1 Lehm. - . - - 19,2 | 35,6 ı 30,6 ! !118 | —021 1,02 5| Lehm»... 2,0 | 488 | 377 139 | —04]| 1,03 D Boten 3,6 | 35,2 | au 115,2 | — 0,6 | 1,04 14 | Toniger Lehm 5,1 | 27,0 | 35,2 1162 | —17| 1,12 las ‚165 | 051! 1083 6 ” „| 441205 | 52,6 16,3 | +0,31 0,98 Mittelsverhältnisse - - - een 1,00 Wahrscheinlicher Fehler des Mittelsverhältnisses + 0,025 Das in der letzten Spalte der Tabelle angegebene Verhältnis des beobachteten zum berechneten Werte des Welkungskoeffizienten liefert eine Grundlage zum Vergleich in Bezug auf Genauigkeit mit den anderen physikalischen Messungen. Das Mittelverhältnis ist 1,00 bei einer Fehlergrenze von + 0,025. Ist die mechanische Analyse gegeben, so hat man also folgende Formel zur Bestimmung des Welkungskoffizienten: 12 Schlamm +0,57 Ton Welkungskoeffizient 901 Sand + On = 505 + 16 2340 L.J. Briggs u. H.L. Shantz, Die relativen Welkungskoeffizienten versch, Pflanz. Es ergibt sich also ein geradliniges Verhältnis zwischen Welkungs- koeffizient und den verschiedenen physikalischen Messungen des Wasser- haltungsvermögens insofern sie geprüft wurden. Diese Verhältnisse’) sind in folgenden Tabellen zusammengestellt. Durch den zweiten ein- geklammerten Ausdruck ist der aus den Beobachtungen berechnete wahrscheinliche Fehler des Verhältnisses angegeben: un, Feuchtigkeitsäquivalent Welkungskoeffizient 1, A000) tan __ Hygroskopiekoeffizient Welkungskoeffizient = -- 0,68 1 E00) tan __ Wasserkapazität — 21 Welkungskoeffizient — I 1ER 0,01 Sand +0,12 Schlamm -+ 0,57 Ton, (1 # 0,036) Zum ersten Male wird durch diese Formeln ein Verhältnis zwischen den verschiedenen physikalischen und physiologischen Messungen des Wasserhaltungsvermögens des Bodens festgestellt. Sollten infolge weiterer Forschung die Welkungskoeffizienten vielleicht etwas modi- fiziert werden, so glauben Verfasser doch, daß diese nun festgestellten Verhältnisse bei Studien über den Feuchtigkeitsbedarf von Pflanzen, praktischen Wert erlangen werden, auf dem Felde sowie im Labora- torium. Ganz besonders bietet die Feuchtigkeitsäquivalentmetkode ein schnelles und zweckmäßiges Hilfsmittel zur Bestimmung des Welkungskoeffizienten. Ist dieser unbekannt, so können Messungen der Bodenfeuchtigkeit nicht gedeutet werden. Welkungskoeffizient 1) Für eine ausführlichere Darstellung siehe „Indirect Methods for Measuring the Wilting Coeffieient of Seils“, L. J. Briggs and H. L. Shantz, Bot. Gaz. 191), Vol. LIIL Weitere Tatsachen sind auch angegeben in Bulletin 230, Bureau of Plant Industry, U. 8. Department of Agriculture, 1. c. Bureau of Plant Industry U. 8. Dept. of Agriculture Washington D.C. Druck von Ant. Kämpfe, Jena, Taf. Flora,Band 105. # Berin aa Zuch Ir a = Verlag von Gustav Fischer in Jena, Taf. Ak Art Flora Band 105. Plane, Lh. Ksehrir. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Flora Band 105. ) TarılE. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben wurde vollständig: Zoologisches Wörterbuch. Erklärung der zoologischen Fachausdrücke. Zum Gebrauch beim Studium zoologischer, anatomischer, entwicklungs- geschichtlicher und naturphilosophischer Werke Verfaßt von Prof. Dr. E. Bresslau und Prof. Dr. H. E. Ziegler in Straßburg i. E. in Stuttgart unter Mitwirkung von Prof. J. Eichler in Stuttgart, Prof, Dr. E. Fraas in Stuttgart, Prof. Dr. K. Lampert in Stuttgart, Dr. Heinrich Schmidt in Jena und Dr. J. Wilhelmi in Berlin revidiert und herausgegeben von Prof. Dr. H. E, Ziegler in Stuttgart, Preis: 18 Mark, geb. 19 Mark. Die erste Auflage des „Zoologischen Wörterbuches“ erschien 1907—1910. Wenige Monate nach der Vollendung war das Werk im Buchhandel schon ver- griffen. Diese Tatsache beweist die Brauchbarkeit und Nützlichkeit des Buches. Die nene Auflage enthält über 5500 Artikel. Zentraiblatt f. Biochemie u. Biophysik, 1912, 1. Sept.-Heft: Das vorliegende \Vörterbuch darf mit Fug auf äußerste Gründlichkeit Anspruch er- heben. Davon gibt schon die Vorrede Kunde, in welcher der leitende Gedanke und der Plan des Ganzen ausführlich dargelegt werden. Es sollten hier in möglichster Vollständig- keit und Präzision außer den wichtigen zoologischen systematischen Fachausdrücken auch alle Termini technici der aligemeinen Zoologie, der Deszendenztheorie und der Biologie auf- geführt werden. DaB diese Aufgabe glänzend erfüllt wurde, lehrt eine Betrachtung dieser beiden Lieferungen, denen eine dritte zur Vervollständigung des Werkes folgen wird (ist inzwischen erschienen. Der Verlag.) Mit großer Sorgfalt wurde jeder Begriff analysiert und die Herausgeber ließen sich anch die Mühe nicht verdrießien, zur Erteichterung des Verständnisses eine möglichst detaillierte etymologische Ableitung der Begriffe zu geben. So finden wir beispielsweise dem Begriffe Kern die Ableitung von etwa 15 Hilfsbegriffen aus dem Lateinischen und Griechischen beigegeben. In solcher Vollständigkeit ist dies bisher bei keinem naturwissenschaftlichen Werke geschehen. Dabei wirkt diese etymologische Zugabe durchaus nicht als Ballast, sondern wird dem Benutzer zur Orientierung und zur Unterstützung des Gedächtnisses höchst willkommen sein. Dasselbe ist von der Auswahl der Abbildungen zu sagen. Eine Empfehlung dieses Wörterbuches an dieser Stelle rechtfertigt sich damit, daft ja in allen biologischen Forschungen mit Begriffen operiert wird, die dem großen Gebiete der Zoologie und verwandter Gegenstände entlehnt sind, aber vielfach nur tote Begriffe bleiben. Ein Wörterbuch, wie das vorliegende, wandelt sie in lebendige Anschaulichkeit. In der Ausstattung des Werkes ist sich der bewährte Verlag im besten Sinne treu geblieben, " Robert Lewin, Naturwissenschaftl. Wochenschr., Nr. 44 vom 3. Nov. 1907: In der Tat erscheint uns das Buch für diesen Zweck ganz vorzüglich ge- eignet: Es wird handlich sein und doch findet der Lehrer der Natur- wissenschaften, der nicht speziell Zoologe ist und seinkann, derStudierende der Zoologie, der Arzt etc. in demselben alles, was beim Studium allgemein zoologischer Bücher alsbekanntvorausgesetzt wird, Auch der belesenste Zoologe wird übrigens vieles aus dem Buche ersehen können. Dahl. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Leitfaden für das mikroskopisch-zoologische Praktikum. Von Dr. Walter Stempell, Prof. der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Westfäl. Wilhelms-Universität in Münster i. W. Mit 71 Abbildungen im Text. 1911. Preis: 2 Mark 80 Pf. Inhalt: Kurze Anleitung zum Gebrauche des Mikroskops. — 1. Praktikum: Ciliate Infusorien. — 2. Praktikum: Oiliate Infusorien, Suktorien. — 3. Praktikum: Flagellaten. — 4. Praktikum: Flagellaten, Sarkodinen. — 5. Praktikum: Sporozoen. - 6, Praktikum: Porifera, — 7 Praktikum: Hydrozoen. — 8. Praktikum: Syphono- phoren, Scypbozuen. — 9. Praktikunı: Anthozoen, Ctenophoren, Turbellarien, Trema- toden. — 10. Praktikum: Trematoden, Cestoden. — 11. Praktikum: Oestoden. — 12. Praktikum: Cestoden, Nemertinen, Rotatorien, Acantocepbalen, Chaetognathen. — 13, Praktikum: Nematoden. — 14. Praktikum: Nematoden, Anneliden. — 15. Prak- tikum: Echinodermen. — 16. Praktikum: Entomostraken. — 17. Praktikum: Ento- mostraken, Malacostraken. — 18. Praktikum: Arachnoiden, Myriapoden, Insekten. — 19. Praktikum: Insekten. — 20. Praktikum: Insekten, Bryozoen. — 21. Praktikum: Mollusken, Tunikaten. -— 22./24. Praktikum: Vertebraten. — Register. Naturwissenschaftliche Rundschau, Nr. 43 vom 26. Okt. 1911: Der vorliegende Leitfaden soll dem bisher herrschenden Mangel an einem zoologisch- mikroskopischen Praktikum für den Anfänger abhelfen. Das Ziel des Büchleins ist einmal, den Praktikanten mit dem feineren Bau der tierischen Organismen bekannt zu machen, dann aber auch, ihn in die wichtigsten Methoden der mikroskopischen Technik einzuführen. Nach einer kurzen Anleitung zum Gebrauch des Mikroskopes, in welcher auch das Wichtigste über den Strahlengang und die Bilderzeugung gesagt ist, folgen die 24 nach dem zoologischen System geordneten Praktika. Die Auswabl der Untersuchungsobjekte ist geschickt getroffen, so daß der Praktikant nicht nur mit einer Fülle histologisch und morpbologisch wichtiger Tatsachen bekannt wird, sondern auch biologisch interessante Gebilde zu sehen bekommt. Die zahlreichen in den einzelnen Kursen mitgeteilten praktischen Winke zur Be- schaffung geeigneten Untersuchungsmaterials und zur Anfertigung mikroskopischer Dauer- Präparate werden auch dem Fortgeschritteneren förderlich sein. r Zwölf gemeinverständliche Vorträge über die Doszen- Die Abstammungslehre. denztheorie im Lichte der neueren Forschung. Ge- halten im Winter-Semester 1910,11 im Münchener Verein für Naturkunde. Mit 325 teils farbigen Abbildungen im Text. 1911. Preis: 11 Mark, geb. 12 Mark- . , Inhalt: I. Einleitang in die Abstammungslehre. Von Geh. Rat Prof. Dr. Richard Hertwig, München. — IT. u. III. Die Artbildung im Lichte der neueren Erblichkeitsiehre. Von Prof. Dr. Riehard Goldschmidt, München. — IV. Können erworbene Eigenschaften vererbt werden? Von Prof. Dr. Richard Semon, München. — V. Zuchtversuche zur Abstammungslehre. Von Privatdozent Dr. Paul Kammerer, Wien. — VI. Die Stellung der modernen Wissenschaft zu Darwins Auslesetheorie. Von Prof. Dr. Franz Doflein, Müncben. — VII. Tier- geographie und Abstammungslehre. Von Prof. Dr. August Brauer, Berlin. —_ VIH, Paläontologie, Systematik und Deszendenzlehre. Von Dr. Edgard Dacqud, München. — IX. Die Bedeutung der fossifen Wirbeltiere für die Ab- stammungslehre. Von Prof. Dr. O. Abel, Wien. — X. Die Tatsachen der ver- gleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte und die Abstammungslehre. Von Prof. Dr, Otto Maas, München, — XT, Anzeichen einer Stammesentwieklung im Entwicklangsgang und Ban der Pflanzen. Von Prof. Dr. Karl Giesen- hagen, München. — XII. Die Stellung des Menschen im Naturganzen. Von Prof. Dr. Hermann Klaatsch, Breslau. — Register. Bei diesen Vorträgen handelt es sich — im Gegenteil zu den hegreiflicherweise immer stark subjektiv gefärbten Schrifien einzelner Gelehrter über diesen Gegenstand — um eine Beleuchtung der interessanten Probleme von den verschiedenen Seiten. Hervorragende Forscher auf dem Gebiete der Zoologie, der Botanik, der Paläontologie, der Anatomie und Anthropologie sind es, die in diesen Vorträgen ihre Ansichten über die Abstammungslehre niederlegten. Deshalb werden diese in München unter außerordentlichem Zudrang gehaltenen Vorträge berufen sein, in Buchform weit über den Ort ihres Ursprungs hinaus Beachtung in weitesten Kreisen zu finden. . I Diesem Hefte liegt ein Lrospekt von der Verlagsbnehhandlung Gustav Fischer in Jena bei, betr, „Handwörterbuch der Natarwissenschaften“. Ant, KÄMPFE, BUORDAUCKEREN, JENA, FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER { KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG NEUE FOLGE. FÜNFTER BAND l (DER GANZEN REINE a6. BAND) DRITTES HEFT | HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN MIT 6 TAFELN UND 43 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1913 ERSCHIENEN AM 22. FEBRUAR 1913 I ST mn Inhaltsverzeichnis. Seite LAKON, GEORG. Über eine Korrelationserscheinung bei Allium Cepa I. Mit 2 Abbildungen im Text FE SCHOENAU, KARL von, Laubmoosstudien I. Die Verfärbung der Polytrichaceen in alkalisch reagierenden Flüssigkeiten. Mit Tafel IX Deren WISSELINGH, C. vax, Die Kernteilang bei Eunotia major Rabenh. Achter Beitrag zur Kenntnis der Karyokinese. Mit Tafel N 265-274 MAGNUS, WERNER, Die atypische Einhryonalentwicklung der Podo- stemaceen. Mit Tafel NI--XIV und 41 Abbildungen im Te oo eennn 278836 241—245 246-264 FLORA alle Jahrgänge, speziell die aus den ı850°r Jahren und Jahr- gang 1874 und 1875, zu kaufen gesucht. Auch für andere botanische wissenschaftliche Literatur habe stets Verwendung. W. Junk, Verlag und Antiquariat für Botanik Berlin, W. 15. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Die Bakterien im Wein und Obstwein und die dadurd) verursachten 5 Von Prof. Dr. Müller-Thurgau, Direktor der Schweizerischen Veränderungen. Versuchsanstali für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädenswil, und Dr. A. Osterwakler, Adjunkt der Schweizerischen Versuchsanstalt für Obst, Wein- und Crartenbau in Wädenswil. Mit 3 Tafeln. (Abdr. aus dem „Zentralblatt für Bakteriologie. 2. Abt., Bd. 36.) 1913. Preis: 6 Mark. Inhalt: I. Die bisherigen Kenntnisse von den durch Bakterien im Wein verursachten Veränderungen. }. Das Vorkommen von Bakterien im Wein. 2. Die durch diese Bakterien verursachten Veränderungen. Der Essigstich. Der Milchsäurestich. Die Mannitgärung. Das Zähe- oder Lindwerden. Der Röckser Das Unsschlagen (Ia tourne et la ponsse). Das Miuseln. Das Bitterwerden. Der Buttersäurestich. Der Säureabbau. — If. Reinpiehtung und Kultur von Wein- bakterien. — TIL Untersuchungen fiber 4 von uns reingezüchtete Weinbakterien- arten, Morphologie, Physiologie und Systematik. 1. Gruppe des Bacterium wannitopeeum. (Morphologisches und physiologisches Verhalten.) 2. Gruppe des Bacterium gracile. (Morphologisches und physiologisches Verhalten.) 3. Miero- eoceus-Gruppe. (Morphologisches Verhalten. Physiologisches Verhalten von Mier. acidovorax und Mier. variococeus.) 4. Diagnose und systematische Stellu:g der untersuchten 4 Bakterien-Arten. — IV. Die durch Bakterien verursachten Ver- änderungen im Wein, beurteilt auf Grund der mit Reinkulturen gewonnenen Ergebnisse. 1. Der Säureabbau. 2. Milcheäurestich und Mannitgärung. 3. Der Mäuselgeschmack. 4. Das Umschlagen der Weine. — V. Anwendung der ge- 2 wonnenen Versuchsergebnisse bei der Beurteilung von Weinen. — Literatur. . Von der Erwägung ausgehend, daß es in erster Linie notwendig ist, die in kranken Weinen auftretenden Organismen im morphologischen, namentlich aber in ihrem physio- logischen Verhalten gründlich zu erforschen, und daß man gestützt auf die so gewonnenen Ergebnisse sicherer dazu gelangen wird, das Wesen der Weinkrankheiten zu versteben und dann auch die praktischen Ziele zu erreichen, haben die in Fachkreisen bekannten und geschätzten Verfasser die vorliegende Arbeit durchgeführt: als Beitrag zur Lösung dieser Aufgaben. Die Arbeit wird daher außer in den Kreisen der Gärungsphysiologen, Baktero- Iogen und technischen Mykologen auch bei großen Weinproduzenten besonderes Inderesse Inden. Über eine Korrelationserscheinung bei Allium Cepa L. (Vorläufige Mitteilung.) Von Georg Lakon (Tharandt). (Mit 2 Abbildungen im Text.) Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß ein Organ. sobald es in irgend einer Weise außer Funktion gestellt wird, für gewöhnlich dem Verfall geweiht ist. Wird z. B. ein Blatt seiner Spreite beraubt, so fällt der funktionslos gewordene Blattstiel ball ab; wird ein Stengel seiner Organe beraubt und ist eine Regeneration letzterer unmöglich, so trocknet der betreffende Stengel bis zu dem nächsten Knoten, wo Organe vorhanden sind, ab, und somit wird der funktiouslose Stengel- teil abgestoßen )). Nach diesen Erfahrungen wäre auch bei dem Blütenstengel der gemeinen Zwiebel (Allium Cepa L.) ein Zugrundegehen zu erwarten, sobald er seiner Blütenanlagen beraubt würde, denn die physiologische Funktion des Blütenstengels ist das Tragen der Blüten und das Leiten der für die letzteren bestimmten Nährstoffe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der dekapitierte Stengel bleibt vollständig gesund am Leben erhalten, zum mindesten so lange, als wenn er intakt geblieben wäre. Der korrelative Zusammenhang zwischen Blütenstengel und Blüten bleibt aber keinesfalls aus. Der ttekapitierte Blütenstengel wächst nämlich in die Dicke kräftig weiter, viel kräftiger, als wenn er intakt geblieben wäre. Insbesondere ist die mittlere Partie des Stengels derjenige Teil, welcher das am meisten lebhafte Wachstum zeigt und stark bauchförmig anschwillt. Schlieklich hekommt (ler Stengel ein abnormes. keulenförmiges Aussehen, wie es Fig. 1 demonstriert. Das Längenwachstum des dekapitierten Stengels wird dagegen ball nach der Dekapitation sistiert. 1) Vgl. I. Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysinlagie. pag. 103. Jena 1901 (Fischer). Flora, Bd. 105. 16 242 Georg Lakon, Diese Folgen der Dekapitation treten stets regelmäßig auf, wenn die betreffenden Blütenstengel sich zur Zeit der Operation in wachs- tumstätigem Zustand befinden. Wenn man die derart deformierten, bauchförmig angeschwollenen Blütenstengel öffnet, so sieht man, daß sie eine große Höhlung bergen; die Wände dieser Höhlung sind sehr stark entwickelt und die innere Reihe der Gefäßbündel ragen fast frei in das Innere hinein. Diese Gefäßbündel sind mit der größten Leichtigkeit als ziemlich dicke Fäden los- zulösen. Fig. 2 zeigt die anatomische Struktur eines solchen, infolge der Dekapitation stark verdick- ten Blütenstengels. Nach der mit zahlreichen Spaltöffnungen versehenen Epidermis folgt das Assimilationsgewebe, und nach diesem die erste, äußere Reihe von kleinen Gefäßbündeln. Die- sen folgt das mächtig entwickelte, farblose, aus großen paren- chymatischen Zellen bestehende Grundgewebe, In den äußersten Partien dieses Gewebes sind die großen, inneren Gefäßbündel ein- gebettet. Außerhalb dieses in- Fig. 1. Zwei Pflanzen von Allium CepaL. neren Gefäßbündelringes ist das Die linke Pflanze trägt einen intakten, nor- - mal entwickelten Blütenstengel. Die rechte Grundgewebe stark zusammen Pflanze trägt einen infolge der Dekapitation gefallen. An den Stellen zwischen der Dicke nach kräftig entwickelten und sßhii i i - hauchförmig angeschwollenen Blütenstengel. den Gefäßbündeln ist dieses Ge (ea. '/, nat. Größe.) webe außerdem vielfach zer- I rissen; dadurch kommt ein freies Hineinragen der Gefäßbündel in die Höhlung des Stengels zustande. Bei den normal entwickelten Blütenstengeln ist die Wandung in ihrer Gesamtheit schwach entwickelt. Auch die einzelnen Gewebe und Gewebeelemente weisen eine schwache Entwicklung auf, der charak- teristische Unterschied liegt jedoch vor allem in der sehr schwachen u u Über eine Korrelationserscheinung bei Allium Cepa L. 243 Entwicklung des Grundgewebes. Die beiden Gefäßbündelringe liegen daher viel näher aneinander als bei den «dekapitierten Stengeln. Zudem hat dieses Gewebe hier eine festere Beschaffenheit, ist weder zu- sammengefallen noch zerrissen und schließt die Gefäßbündel lückenlos um; letztere ragen daher nicht in das Innere der Stengelhöhlung hinein. Nach den besprochenen Verhältnissen muß man annehmen, daß nach der Entfernung der Blütenanlagen, d. h. der Verbrauchsstelle von ansehnlichen Mengen von Nährstoffen, letztere «en Zellen des Blüten- stengels zugute kommen. Daß der in der besprochenen Weise entwickelte dekapitierte Blütenstengel die Funktion eines Blattes erfüllt, scheint mir sicher, Fig. 2. Querschnitt dureh den infolge der Dekapitation bauchförmig angeschwollenen Blütenstengel von Alliun Cepa L. Z Epidermis; 4 grünes Assimilationsgewebe; 7? parenehymatisches Grundgewebe. Unten im Grundgewebe vier kleine Gefäß- bünde] (äußerer Gefäßbündelring). Oben in der Mitte ein großes Gefäßbündel des inneren Gefäßbündelringes. Vergr. 30. denn sein Bau entspricht demjenigen eines Blattes. Dafür spricht auch der Umstand, daß die dekapitierten Stengel allmählich eine intensiv grüne Farbe annehmen, während «die normalen hell gelblichgrün er- scheinen. Diese Anhäufung von Chlorophyll spricht entschieden für eine assimilatorische Tätigkeit; andererseits entspricht die starke Ent- wicklung des parenchymatischen Grundgewebes und der inneren Höhlung der Tendenz zu einer Erhöhung des Gasaustausches. Die Vergrößerung der Oberfläche des Organs entspricht ebenfalls seiner neuen Tendenz zu einer assimilatorischen Tätigkeit. Für die Transpiration kommt diese Oberflächenvergrößerung nicht wesentlich in 16* 244 Georg Lakon, Betracht, da, wie ich feststellen konnte und auch zu erwarten war, eine Vermehrung der Zahl der Spaltöffnungen nicht stattgefunden hat. Eine andere Funktion, als die eines Blattes, ist natürlich ausge- schlossen und die Annahme des Wachsens und Gedeihens eines - funktionslosen Organs widerspricht wiederum den sonstigen Erfahrungen. Die Erscheinung ist für den korrelativen Zusammenhang von Or- ganen sehr instruktiv und bei seiner leichten Herstellung als Vor- lesungsdemonstrationsobjekt sehr geeignet. Sie demonstriert in unver- kennbarer Weise die Korrelation zwischen Blüten und Blütenstengel: sobald das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Organen gestört wird, ändert der Blütenstengel Form und Funktion und bleibt in dieser Weise am Leben erhalten. Die beschriebenen Folgen der Dekapitation bleiben, wie schon erwähnt, nie aus, wenn die Operation in einer Zeit vorgenommen wird, in welcher der Blütenstengel in wachstumstätigem Zustand sich befindet. Im Gegensatz dazu ist die Entwicklung der intakten Blütenstengel nieht immer die normale. Abnormitäten, welche eine gewisse Ähnlich- keit mit den dekapitierten Stengeln aufweisen, sind keine allzugroßen Seltenheiten. Gewöhnlieh ist bei solchen Abnormitäten der ganze Stengel ab- norn stark entwickelt; auch die Tendenz zu einer bauchförmigen An- schwellung ist oft bei denselben ziemlich deutlich, doch habe ich nie einen in der Weise deformierten Blütenstengel gesehen, der die charak- teristische bauchförmige Anschwellung in solchem Maßstabe aufwies, so (daß er zur Seite eines infolge ıler Dekapitation deformierten Stengels zu stellen wäre. Die anatomische Struktur dieser ohne Dekapitation entstandenen Abnormitäten ähnelt ebenfalls «erjenigen der dekapitierten Blütenstengel, nur die Farbe derselben ist meistens, im Gegensatz zu derjenigen der dekapitierten, eine hellgrüne, noch heller als bei den normal entwickelten Stengeln. Diese abnormen Fälle tun der Erscheinung durchaus keinen Ab- bruch, sie sind im Gegenteil berufen. einen tieferen Einblick in diese Verhältnisse zu verschaffen. Sie zeigen nämlich, daß die in den Blüten- stengeln schlummernde Tendenz zur Deformation auch durch andere Mittel als durch Dekapitation erweckt werden kann. Als solche Mittel scheinen diejenigen äußeren Faktoren in der Natur von Wirksamkeit zu sein, welche für die Blütenbildung und weitere Entwicklung un- günstig sind. Als solche Faktoren scheinen z. B. der Lichtmangel sowie große Feuchtigkeit (Unterdrückung der Transpiration) in Betracht zu Über eine Korrelationserscheinung bei Allium Cepa L. 245 kommen, wie ich durch die Beobachtung feststellen konnte. Sehr kräftig entwickeln sich z. B. diejenigen Stengel, welche an beschatteten, zwischen anderen Pflanzen wachsenden Individuen entstanden sind. Sie wachsen aber auch sehr kräftig in die Länge, sie sind stark vergeilt. Die blütenhemmenden Faktoren wirken gleichsinnig wie Dekapi- tation, nur viel schwächer als letztere. Die Verhältnisse leuchten ohne weiteres ein, denn eine Hemmung (ler Blütenbildung und der weiteren Blütenentwicklung bedeutet auch eine Herabsetzung der normalen Funktion des Blütenstengels, ähnlich wie eine Dekapitation die vollständige Aufhebung der Funktion des- selben bedeutet. Die Ursache ist gleicher Natur, nur der Grad der Wirkung ist ein verschiedener. Die Folgen beider Wirkungen sind daher gleicher Natur, sie weichen nur in bezug auf den Grad voneinander ab. Es ist ja auch zur Genüge bekannt, daß die Folgen der vollständigen Entfernung eines Organs auch durch Eingipsen desselben zu erzielen sind. Das Eingipsen hebt die Funktion des betreffenden Organs vollständig auf, die Wirkung der ungünstigen äußeren Faktoren nur teilweise. Es ist ferner wahrscheinlich, daß auch andere Eingriffe denselben Effekt auszulösen vermögen. Vielleicht auch das Entfernen sämtlicher Blätter zur Zeit der Blütenbildung wird zu einer Deformation des Blüten- stengels führen. Diesen Eindruck machten mir Individuen, bei welchen die Blätter größtenteils stark beschädigt waren. Hier wäre der Mangel der für die weitere Entwicklung der Blüten nötigen Nährstoffe der Grund zu einer blattartigen Veränderung des Blütenstengels. Eine genaue experimentelle Feststellung der Wirkung der für die Blütenbildung ungünstigen äußeren Faktoren und Eingriffe auf die Ge- staltung des Blütenstengels der Zwiebel behalte ich mir für das nächste Jahr vor und hoffe, durch diese Versuche einen tieferen Einblick in Jen korrelativen Zusammenhang zwischen Blütenstengel und Blüten zu ge- winnen. Die große Plastizität des Blütenstengels der Zwiebel macht denselben überhaupt für solche experimentell-morphologischen Studien sehr geeignet. In der Literatur konnte ich einen ähnlichen Fall nicht finden’). 1) Über Veränderungen der vegetativen Teile im allgemeinen infolge der Unterdrückung des Blühens vgl. H. Vöchting, Untersuchungen zur experimentellen Anatomie und Pathologie der Pflanzen, Tübingen 1908, und A. Hansen, Referat in Bot. Ztg. II, 1909, Bd. LXVII, pag. 201—212. Laubmoosstudien |. Die Verfärbung der Polytrichaceen in alkalisch reagierenden Flüssigkeiten. Von Karl v. Schoenau, München. (Mit Tafel IX.) Die in folgenden Zeilen geschilderte Erscheinung der Verfärbung der Polytrichaceen in alkalisch reagierenden Flüssigkeiten wurde be- obachtet bei dem Versuche, diese Moose untergetaucht in Leitungs- wasser, destilliertenn Wasser und in (meist 0,25 %/,igen) Lösungen ver- schiedener Salze zu kultivieren, um so Veränderungen des normalen Wachstums und «der Gestaltung der vegetativen Organe zu erhalten. Als Versuchspflanzen dienten Polytrichum commune, formosum, strietum und juniperinum, sowie Catharinaea undulata; die Stämmehen wurden mit destilliertem Wasser gründlich abgewaschen und nach Möglichkeit von anhaftenden Humusteilchen und Fremdkörpern gereinigt. Der unterirdische, rhizomartige Teil wurde stets ganz entfernt, die basale Partie des oberirdischen Sprosses von Polytrichum strietum des mit Fremdkörperchen innig vermengten Rhizoidfilzes beraubt. Die kräftigen Polytrichum-Stämmchen kamen, zu Büscheln vereint, in Glaszylindern aufrecht in Kultur, die schwächeren Catharinaea-Sprosse liegend in die Flüssigkeit. Bei Auftreten von Pilzen und Bakterien war zuweilen eine Erneuerung der Lösung notwendig. Die Kulturen standen in einem Gowächshaus des botanischen Gartens, ziemlich hoher Temperatur (Wasserwärme in den Sommermonaten von 16—28° C schwankend) und Belichtung ausgesetzt. Kontrollversuche an einem Nordfenster des Instituts mit der gleichmäßigen Temperatur von 18—19° C. Die Versuche wurden ausgeführt im pflanzenphysiologischen In- stitut in München; Herrn Geheimrat v. Goebel möchte ich an dieser Stelle für sein stetes liebenswürdiges Entgegenkonmen meinen innigen Dank zum Ausdruck bringen. Die in morphologischer Hinsicht gewonnenen Ergebnisse sollen, la die Versuche nicht vollständig abgeschlossen sind, erst später zur Mitteilung gelangen. Laubmoosstudien I 247 Voranszuschicken sind einige Bemerkungen über den Bau des Polytrichum-Blattes und die Struktur seiner Zellen, deren Kenntnis für den Vergleich mit den in den Versuchen auftreten- den Erscheinungen wissenswert ist. Das Polytrichum-Stämmchen ist in seinem oberen Teil von allseitig abstehenden, dunkelgrünen Blättern besetzt; nach unten, gegen die Basis des Sprosses hin, sterben die Blätter allmählich ab und nehmen dann eine hell- bis dunkelbraune Farbe an. Das Blatt gliedert sich in zwei Hauptteile, in einen unteren, nur in der Jugend Chloroplasten führenden, im fertigen Zustande vollständig hyalinen, dem Stämmchen dicht anliegenden und es teilweise umfassenden Scheidenteil und in den grünen, turgeszent abstehenden bis zurückgekrümmten Blatteil. Während bei den meisten Laubmoosen das Blatt eine einschichtige Zellfläche darstellt, die nur in ihrer Mitte von einer schmalen mehrschichtigen Rippe durchzogen werden kann, nimmt bei den Polytrichum-Arten die Rippe den größten Teil der Blattfläche ein und die eigentliche Spreite stellt eine einschichtige, bei manchen Arten, wie z. B. Polytrichum com- mune und formosum, nur einige Zellen breite, bei anderen Arten (Polytriehum strietum, juniperinum u. a.) breitere, aber dann chlorophylI- lose Randzone dar. Auf der Rippe entspringen jene charakteristischen, mehrere Glieder hohen, aber nur eine Zelle breiten Zellplatten, die Lamellen, die in der Längsrichtung des Blattes laufen und das Assi- milationsgewebe darstellen, sowie auch der kapillaren Leitung und Festhaltung von Wasser dienen'). Wenn daher der Bau der Blattzellen einzusehen ist, so genügt es bier nicht, das Blatt ausgebreitet auf den Objektträger zu bringen, da dam nur die Zellen der Blattspreite und die des Scheidenteils der Untersuchung zugänglich sind. Ich verfuhr einfach in der Weise, daf ich mit einem scharfen, senkrecht zur Blattfläche gestellten Spatel die Lamellen abschabte und deren Zellen in der Seitenansicht beobachtete; nach Entfernung der Lamellen sind dann auch die Epidermiszellen des Blattes in der Oberflächenansicht zu sehen. Die Zellen der Lamellen erscheinen, von der Seite gesehen, von parenebymatischer polygonaler Gestalt und in Reihen angeordnet. Bei manchen Arten weichen die Zellen der obersten Reihe von den übrigen gestaltlich ab und zeigen, vor allem im Blattquerschnitte gesehen, eine charakteristische, je nach der Art verschiedene und deshalb auch systematisch als Unterscheidungs- 1) Näheres über den Bau des Blattes und der Lamellen siehe bei Lorch, Die Polytrichaceen, eine biologische Monographie. Abhandl. der K. bayr. Akad. der Wiss, Kl. IL, Bd. XXIII, Abt. 3, pag. 460ff. 1908. 248 karl v. Schoenau, merkmal verwendete Form. Bei Polytrichum communne erscheinen sie, von der Seite betrachtet, länglich und zwar aufrecht gestellt. Die Wände, mit denen «die Lamellenzellen aneinander grenzen, sind im nor- malen Zustand glänzend hyalin und kräftig entwickelt; besonders stark ist die Vertdiekung au den Außenwänden (der Lamellenendzellen. In jeder Lamellenzelle finlen wir einige wenige, aber große, teilweise sogar klampige, scharf begrenzte, tief grüne Chloroplasten, in den Epidermiszellen des Blattes sind kleine, rundliche Chlorophylikörper, aber in größerer Zahl vorhanden. Bei Polytrichum strietum enthält das Blatt selbst nur sehr wenig Chlorophyll und die Assimilations- tätigkeit ist ganz den Lamellen übertragen. Die Blattscheide enthält nur im Jugendstadium des Blattes kleine Chloroplasten in ihren Zellen. Zur Herbeiführung der Plasmolyse, die mir als Erkennungs- zeichen «des Iebens der Blattzellen diente, wurde stets 10°%),ige Kali- salpeterlösung verwendet; die Abhebung des Zellinhaltes erfolgt dann sofort und in typischer Weise. Sie ist in den abgeschabien Lamellen und den Zellen der einschichtigen Spreite ohne weiteres zu sehen, etwas schwieriger hingegen zu beobachten in den Epidermiszellen der Blattober- und unterseite. Den Eintritt der Plasmolyse (das Abheben der Plasmamembran in den Zellecken) beobachtete ich bei ausgewachsenen Blättern von Polytrichum commune im Januar bei Einwirkung von 6 7"/,iger Kalisalpeterlösung, bei Polytrichum formosum im Frühling sehon bei 5%/,iger Lösung, so daß sich entweder die einzelnen Arten an und für sich schon oder je nach der Jahreszeit verschieden ver- halten. Endlich haben wir noch den Absterbeerscheinungen der Blattzellen einige Betrachtung zu schenken. Schon bei der Unter- sttehung von normal grünen Blättern fallen uns einzelne Zellen auf, deren Chloroplasten keine scharfe Begrenzung mehr zeigen, eigentüm- lich grannliert erscheinen und an Stelle ihrer früheren intensiv grünen Farbe ein blaßgrünes Kolorit angenonmen haben. Vorzüglich be- obaehten wir diese Erscheinung in den länglich-rechteckigen Epidermis- zellen ler Blattoberseite, die die mittlere Partie der Blattrippe bedecken. In derartigen Zellen ist oft schon keine Plasmolyse mehr zu finden. Sschreitet lie Schädigung fort, so sind die Chloroplasten nicht mehr als einzelne Körper zu erkennen. sondern die ganze Zelle erscheint von einer gleichartigen, blaßgrünen, stark granulierten Masse erfüllt; Tlasmolyse tritt in solchen Zellen zumeist nicht mehr ein. In diesem Stadium oder auch schon früher treten stark lichtbrechende, daher hellglänzende Tröpfehen auf, (lie als Zerfallsprodukte des Chlorophylls Laubmoosstudien I. 249 anzusehen sind!). Zu ihnen gesellen sich kleine Körperchen von kupferroter Farbe, die oft zu mehreren beisammen in lebhafter Mole- knlarbewegung begriffen sind; sie wurden auch in abgestorbenen Blättern von Funaria hygrometrica von Gr. Kraus 1369°) beobachtet. Abgesehen von diesen Zerfallsprodukten sehen wir die Zelle leer, und nur bei Zusatz von Jod oder Methylenblau und anderen Färbemitteln werden kleine schwache Inhaltskörperchen sichtbar. Das Verhalten von Polytrichum im Leitungswasser be- schreibt Goebel in seiner experimentellen Morphologie wie folgt: „Stellt mau einen Rasen des Laubmooses Polytrichum eommune in Wasser, so sterben die an der Luft gebildeten Blätter bald ab, was sich «durch Schwarzwerden kundgibt. Die Spitze des Sprosses wächst aber weiter und bildet grünbleibende, dem Wasserleben angepaßte Blätter“®. Die Wiederholung dieses Versuches mit Polytrichum com- mune, formosum, strietum und mit Catharinaea undulata bestätigte die eben angeführte Beobachtung: Es trat eine starke, bis ins Schwarze gehende Bräunung der Blätter ein, was ich gleichfalls als Zeichen ihres Todes betrachtete. Die dann am Gipfeltrieb neu auftretenden Blätter zeigten eine frisch grüne Farbe (Taf. IX, Fig. 3 stellt die apikale Partie einer solchen Pflanze dar). Ein ganz anderes Bild als die im Leitungswasser untergetauchten Exemplare zeigen in destilliertem Wasser versenkte Pflanzen. Der auffallende Unterschied, der Pflanzen in Leitungswasser auf den eısten Blick von solchen in destilliertem Wasser kennen läßt, liegt darin, daß die starke Schwärzung, die im Leitungswasser die Blätter befällt, im destillierten unterbleibt und die Pflanzen ihr natürliches frisch grünes Aussehen beibehalten. Die Verfärbung der Blätter im Leitungswasser ist, wie schon aus der eben zitierten Stelle oebel’s hervorgeht, eine so intensive, daß man die Blätter olıne weiteres für tot halten muß. Nur die jüngeren Blätter am Vegetationspunkt be- halten ihre grüne Farbe bei und frisches Grün ist auch die Farbe der 1) Daß es sich bei diesen Tröpfehen nicht, wie Letzerich (Über die Ent- wicklungsgeschichte der Lamellen auf der inneren Biattfläche der Polytrichaceen. Wiesbaden 1861) meint, um ein die Stärke ersetzendes Fett handelt, geht wohl schon daraus hervor, daß die 'Tröpfehen nur in kranken, niemals aber in gesunden Zellen gefunden werden konnten. ‚ 2) Gr. Kraus, Einige Beobachtungen über den Einfluß des Lichtes und der Wärme auf die Stärkeerzeugung im Chlorophyli. Jahrb. f. wiss. Bot, Bd. VI. pag. 511. “ 3) Goebel, Experimentelle Morphologie der Pflanzen, pag- 36, Teubner 1908. 250 Karl v. Schoenau, Blätter an den im Wasser auftretenden Neutrieben. Es lag also die Annahme nahe, daß bei Versenkung in Leitungswasser eine starke Schädigung der Pflanzen eintritt, die sich im Absterben der Land- blätter kundgibt, daß aber diese Schädigung überwunden wird und ılann ein Fortwachsen des Sproßgipfels und Bildung neuer, den ver- änderten Verhältnissen angepaßter Blätter stattfindet. Die nähere Untersuchung eines derartig braun gewordenen Blattes ergibt aber eine interessante Tatsache: Schon bei genauerer Betrach- tung fällt uns ein wenn auch nur schwach wahrnehmbarer, grüner Schimmer auf der Blattoberseite auf; die Zellen der Lamellen des sehwarzbraunen Blattes enthalten nämlich. wie auch die Mehrzahl der Zellen des Blattes selbst, vollständig normale Chloroplasten; mit Jod- jodkalium lassen sich in ihnen deutlich Stärkekörper nachweisen. Bei Zusatz von 10®/,iger Salpeterlösung tritt sofort Plasmolyse ein. Das gleiche ist auch in den Blattzellen geschwärzter Catharinaea-Blätter zu beobachten. Die Zellen sind demnach lebend und ihr Inhalt unterscheidet sich in keiner Weise von dem der Zellen von Pflanzen im destillierten Wasser). Den besten Beweis für das Leben dieser Blätter bringt aber die Tatsache, daß ihnen gleich den grünen Blättern im destillierten Wasser die Fähigkeit zukommt, aus den Zellen ihrer Lamellen Protonemafäden zu entwickeln, an denen dann zarte junge Pflanzen (blattbürtige Adventivtriebe) entstehen (Taf. IX, Fig. 1 und 2). Diese [ürscheinung wird uns später noch eingehend be- schäftigen?); hier sei nur erwähnt, daß sie bei den Blättern von Catharinaea nicht beobachtet wurde. Während also das Innere der Blattzellen nicht in wahrnehmbarer Weise verändert ist, erscheinen die Zeilwände des ganzen Blatteils, der Rippe, der Spreite wie der Lamellen stark gebräunt. Die ins Schwarze gehende Verfärbung des Blattes ist somit lediglich auf die starke Bräunung der Zeilmembranen zurückzuführen. Um in den sich hier abspielenden Vorgang einen Einblick zu gewinnen, müssen wir dem chemischen Aufbau der Zellmembranen bei den Laubmoosen, speziell bei den Polytrichaceen eine Betrachtung widmen. Die chemische Struktur der Zellmembranen der Laub- moose ist, soweit ich die Literatur überblicken kann, nur von drei Forschern einer eingehenderen Untersuchung unterzogen worden, näm- 1) Bei Entnahme des Blattes aus dem Lbasalen Teil des Stämmchens trifft man natärlich die oben geschilderten Absterbeerscheinungen in den Zellen an. 2) In Il., morphologischen Teil dieser Studien. Laubmoosstudien 1. 251 lich 1895 von Gjoki@), 1900 von v. Derschau®) und vor allem 1x99 von Ozapek®. Es sei mir gestattet, einen kurzen Überblick über unsere Kenntnis auf diesem Gebiete zu geben. Zellulose ist nach Gjokie bei den Lebermoosen stets direkt und in allen Zellwänden nachweisbar, eine Angabe, die nach Czapek sich auf allzu geringes Untersuchungsmaterial gründet und nicht all- gemein zutrifft. Bei den Laubmoosen wurde eine direkte Zellulose- reaktion nur in vereinzelten Fällen beobachtet, so z. B. von Gjokie im Stämmchenquerschnitt von Catharinaea undulata, in den Zellen um den Zentralstrang und den dünnen Querwänden der Zentralstrangzellen in jüngeren Teilen des Polytrichumsprosses, in den Zellen der Sporogon- wand und der Kolumella mancher Moose, von v. Derschau als vorübergehendes Stadium bei der Peristomentwicklung. In der Regel tritt die Zellulosereaktion erst nach Vorbehandlung, so mit Schulze’scher Mischung oder Chromsäure (Gjokid), nach kürzerem oder längerem Kochen in Natronlauge (Özapek) oder nach 24stündigem Liegen in Eau de Javelle (v. Derschau) ein, dann aber in typischer Weise und in allen Zellen. In Kupferoxydammoniak ist diese Zellulose nur schwer löslich: Gjokie fand, daß Schnitte darin wohl stark quellen, aber sich nicht vollständig lösen; Kamerling?) stellte ihre schwere Löslichkeit in den Membranen der Marchantiarhizoiden fest, wo Zellulosereaktion schon ohne Vorbehandlung eintritt. Nur aus den jungen Peristom- zähnen konnte v. Derschan die Zellulose ausziehen. Aus all dem geht hervor, daß die Zellulose nicht rein, sondern in inniger Verkettung mit anderen Substanzen in der Membran enthalten ist. Kutin wurde von v. Derschau in den Zähnen und Ringzell- membranen an älteren Entwicklungsstadien des Peristoms, von Bastit‘) in der Epidermis des Polytrichumstämmchens nachgewiesen. Charakteristisch für die Zellwände der Laubmoose ist, daß sämt- liche Reaktionen auf „Holz* ein vollständig negatives Resultat ergeben. 1) Gjokid, Über die chemische Beschaffenheit der Zellhäute bei den Moosen. Österr. bot. Zeitschr., Tahrg. 45, pag. 330. 2) v. Derschau, Die Entwicklung der Peristomzähne des Laubmoossporan- giums. Bot. Zentralli., Bd. LXXXII, pag. 19. 3) Czapek, Zur Ühemie der Zeilmembranen bei den Laub- und Leber- moosen. Flora, Bd. LXXXVI, pag. 361. 4) Kamerling, Zur Biologie und Physiologie der Marchantiaceen. Dissert.. Jena 1897, pag. 9. . 5) Bastit, Recherches anatomiques et physiologiques sur Ja tige et la fewille des mousses. Berue gener. de Boten. 1891, Tome XXX. 252 Karl v. Schoenau, Gjokie untersuchte die Membranen von Rhizoiden, von Stamm, Blatt. Seta, Peristom und Sporogenwand der verschiedensten Laubmoose, auch von Polytrichum und erhielt nirgends eine Ligninreaktion. Er kommt daher zu dem Ergebnis, daß in den Membranen der Laul- moose kein Lignin (Hadromal bzw. Vanillin) enthalten ist und sie als vollkommen unverholzt zu bezeichnen sind, ein Resultat, das sowohl Czapek wie auch v. Derschau vollauf bestätigen konnten. Obwohl nun schon Gjokiö darauf hinweist, daß es demnach nicht richtig ist, die Ausdrücke „Holz“ und „verholzt“ bei Moosen zu verwenden, so kehren diese Bezeichnungen doch stets in systematischen Werken wieder (z. B. Warnstorf, Sphagnologia universalis, pag. 8, wo vom Holzzylinder des Sphagnumstämmchens die Rede ist und Roth, Die europäischen Laubmoose, Bd. I, pag. 7, wo die Polytrichumsprosse zu den „am meisten verholzten Stengeln“ gerechnet werden). Ich möchte daher nochmals darauf hinweisen, daß der Ausdruck „Holz“ weder in chemischem Sinn (Hadromaleinlagerung in die Membran) noch im anatomischen Sinn (das vom Kambium beim sekundären Dicken- wachstum nach innen zu erzeugte Gewebe) bei den Moosen ver- wendbar ist. Pektin scheint bei den Laubmoosen überall vorzukommen; so konnte es Gjokie stets mit Rutheniumsesqmichlorür nachweisen, v. Derschau fand in den Peristomzähnen starke Pektininkrustierung und Czapek schreibt den Pektinsubstanzen einen beientenden Anteil am Aufbau der Membranen zu. Snberin, von v. Derschau im Peristom gesucht, konnte nicht gefunden werden. Von besonderem Interesse und für die Zellmembranen der Moose äußerst charakteristisch sind aber zwei Substanzen, deren genauere Kenntnis wir Czapek verdanken und die beide sowohl zusammen in einer und (derselben Membran sich vorfinden, wie auch gegenseitig sich in ihrem Vorkommen ausschließen können. Die eine Substanz, deren Vorhandensein durch die Millon’sche Reaktion angezeigt wird, bezeich- nete Czapek als Sphagnol, da er sie bei den Torfmoosen in beson- ders reichlichem Maße fand und auch aus diesen extrahierte. Sie besitzt phenolartigen Charakter und ist, wie schon aus der Tatsache . hervorgeht, daß nach ihrer Extraktion die Zellulosereaktion zu er- halten ist, in chemischer Bindung mit der Zellulose vorhanden. Sie wurde auch von v. Derschau in den älteren Peristomzähnen kon- statiert. Taubmoosstudien I. 253 Die zweite den Moosen eigentümliche Membransubstanz, die sich durch starke Eisenreaktion als Gerbstoff kundgibt, und, da sie beson- (ers reichlich bei Dieranaceen vorkommt, von Czapek die Bezeichnung „Dieranumgerbsäure“ erhielt, ist allen Anzeichen nach gleich dem Sphagnol an die Zellulose gebunden, da auch erst nach ihrer Extrak- tion eine Zellulosereaktion zu erzielen ist. Sphagnol und Gerbstoff können sich, wie schon erwähnt, gegenseitig ausschließen, und dies scheint für die Mooskapsel zuzutreffen, wo v. Derschau nur Sphag- nol fand 2). Endlich sind noch Fette anzuführen, die ebenfalls am Aufbau der Membranen teilnehmen, wie Jönsson-Olin gezeigt haben >). Wie steht es nun mit den Zellwänden des Polytrichaceen- Blattes? Direkte Zellulosereaktion mit Chlorzinkjod beobachtete Czapek nur bei den Membranen der Blattgrund-(= Blattscheide-?) zellen, bei Catharinaea erhielt er mit dem gleichen Reagens zwar eine starke Quellung der Membranen, aber nur an den Randzellen eine schwache Violettfärbung. Eine solche konnte ich auch in den Verdiekungen der Lamellenendzellen bei Polytrichum mit Chlorzinkjod erhalten. Eine deutliche Reaktion tritt aber bei Polytrichum wie Catharinaea erst dann ein, wenn man das Blatt mehrere Stunden (am besten über Nacht) in Eau de Javelle legt, gut auswäscht und Chlorzinkjod zusetzt: Die Wände färben sich sofort, schön hellviolett, wobei stets (in den Lamellen, am Blattrand wie im Scheidenteil des Polytrichum-Blattes und in der Spreite bei Catharinaea) eine ziemlich breite, sich nicht färbende Mittel- lamelle hervortrit. Auch nach Kochen des Blattes mit Kalilauge ist Zellulosereaktion zu erhalten. Die durch die Einwirkung des Leitungs- wassers gebräunten Blätter zeigen nach Eau de Javelle-Behandlung in gleicher Weise die Zellulosereaktion, ein Anzeichen dafür, daß die Zellulose durch die Verfärbung keine Veränderung erlitten hat. Die oben erwähnte schwere Löslichkeit der Zellulose in Kupferoxydammoniak komm? auel den Blättern von Polytrichum zu. — Die Färbung der l) Czapek fand bei den von ihm geprüften Dieranum-Arten nur Gerbsäure und kein Sphagnol. Bei Dieranum undulatum konnte ich aber deutliche Millon’sche Reaktion in den Zellwänden des Blattes feststellen; es scheinen somit die einzelnen Arten sich verschieden zu verhalten. . . >) Jönsson-Olin. Der Fettgehalt der Moose. Lunds Univers. Ärsskr., Bd. XXXIY, Afd. 2, Nr. 1, 954 Karl v. Schoenan, Pektine mit Rutheniumrot tritt allenthalben in den Membranen des Blattes auf. Hinsichtlich des Sphagnols und des Gerbstoffes gehören die Polytrichaceen zu denjenigen Moosen, wo beide Stoffe zusammen vor- kommen. Die Millon’sche Reaktion der Wände wurde schon 1886 von Krasser') an den Blattzellen beobachtet und Correns?) wie Czapek bestätigen diesen Befund. Sie tritt auch noch bei Blättern ein, die monatelang in absolutem Alkohol, hingegen nicht mehr in solchen, die in Eau Je Javelle gelegen hatten. Gerbstoff wurde von Czapek mittels Eisenreaktion bei Catharinaea „allenthalben“, bei Polytrichun: „im oberen Teile der Blätter und in den Rippen“ gefunden). Zur Reaktion auf Gerbstoff verwendete ich die von Behrens‘) empfohlene ätherische Eisenchloridlösung in einer Konzentration von 1:10, in die ich die ganze Pflanze eintauchte: es tritt dann sofort intensive Schwärzung ein. Diese beruht aber lediglich auf einer Schwarzbraunfärbung der Membranen, der Zellinhalt wird durch das Reagens zwar verändert, zeigt jedoch keine Farbreaktion. Wässerige Eisenehloridlösung (ebenfalls 1:10!) wirkt bedeutend lang- samer ein; die basalen Blätter färben sich am ebesten schwarz, lange bevor die oberen Blätter eine Verfärbung aufweisen. Was weitere Gerbstoffreaktionen betrifft, so müssen wir von vornherein damit rechnen, daß, da es sich um einen in der Zellmembran enthaltenen Gerbstoff handelt, manche von ihnen versagen werden; so war die Anwendung von Chromsäure und der Tinctura ferri acetiei ohne Erfolg5). Ein positives Resultat ergab Ferrosulfat (nach Loew-Bokorny") besonders nach vor- hergehendem Aufkochen der Blätter in Wasser, sowie die von Dufour angegebene Reaktion mit Salzsäure und Osmiumsäure?), die in einer Blau- violettfärbung der Membranen®) sich zeigte. Auf den Gerbstoffgehalt l) Krasser, Untersuchungen über das Vorkommen von Eiweiß in der pflanzlichen Zellhaut. Sitzungsber. Akad. Wien, Dezember 1886, Rd. XCIV, Abt. 3, pas. 146. 2) dahrb. f. wiss. Botan. 1894, Bd. XXVI, pag. 628. Sy) Le pag. 31. 4) Behrens, Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten. Leipzig 1908. 5) Zimmermann, Die botanische Mikrotechnik, pag. 111u.113. Tübingen 1892. 6) Zimmermann, |. ce. pag. 111. x) Zimmermann, |. c. pag. 113. 8) Führt man die Dufour’sche Reaktion in vitro mit Tannin- oder Gallus gerbsäurelösung aus, so tritt eine tiefblaue Färbung bzw. Ausfall tiefblauer Kör- pereben ein; der in der Polytriehummembran hervortretende ins rötliche spielende Farbenton fehlt. Laubmoosstudien I. ahn deutet ferner hin die Braunrot- bis Braungelbfärbung der Wände, die bei längerem Liegen des Blattes in Kalilauge eintritt!), sowie ihre intensive Blaufärbung bei Einwirkung von wässeriger Methylenblaulösung®). Bei den mit Eau de ‚Javelle behandelten Blättern unterbleibt die Gerbstoff- reaktion, denn diese Lauge löst in gleicher Weise Sphagnol wie Gierb- stoff aus ihrem Verbande mit der Zellulose, und dadurch wird das Eintreten der Zeilulosereaktion ermöglicht. Mit Osmiumsäure allein behandelt färbt sich das Blatt schwärzlich: seine Membranen nehmen eine lila oder schmutziglila Färbung an; ob und inwieweit damit Fette angezeigt werden, wage ich nicht zu ent- scheiden. Mit Cyanin, das Jönsson-Olin zum Nachweis der Fette verwendeten, tritt eine intensive Färbung der Membranen ein. Bei Anwendung der wässerigen Lösung von Ferrichlorid, sowie auch bei längerem Verweilen der Pflanze in sehr verdünnter Lösung (nur einige Tropfen der wässerigen Eisenchloridlösung im Liter Aqua destillata) tritt eine eigentümliche Erscheinung zutage, die darin besteht, «laß das Polytrichum-Blatt anfangs nur an einer bestimmten Stelle — auch für die jungen Blätter trifft dies zu — sich schwärzt, während seine übrigen Partien noch lange Zeit vollständig grün und unverändert bleiben. Diese schmale querliegende Zone, die sich scharf von dem nichtverfärbten Sproßgewebe abhebt, befindet sich am Grunde des Blatteils, «ort, wo dieser in den der Achse sich anschmiegenden Scheiden- teil übergeht, gehört aber noch gänzlich dem Blatteile an. Hier ruft das Eisensalz eine starke Bräunung der Membranen in Rippe und Spreite, auch in den an dieser Stelle noch niedrigen Lamellen hervor; der Scheidenteil selbst erscheint hyalin (Taf. IX, Fig. 4). Wenn wir Polytrichum in 0,25 % ige Kaliumkarbonatlösung bringen, die in gleicher Weise wie das Leitungswasser, nur viel schneller, die Membranver- färbung hervorruft, so können wir schön beobachten, daß die Bräunung der Blätter zuerst in der eben beschriebenen Zone einsetzt. Die gleichen Zellen sind es auch, deren Membranen das in sehr stark ver- dünnter wässeriger Lösung gebotene Methylenblau besonders begierig aufnehmen. Diese Zone bezeichnet gerade diejenige Stelle des Blattes, an der das Schwellgewebe liegt, jenes Gewebe, das durch die Flächen- vergrößerung seiner Zellen «lie eigentümlichen hygroskopischen Be- wegungen des Blattes herbeiführt®); die Fähigkeit hierzu berulit, wie 1) Czapek, Biochemie der Pflanzen, Bd. II, pag. 577. 2) Strasburger, Botan. Praktikum, 4. Aufl, pag. 102. . 3) Stoltz, Zur Biologie der Laubmoose. Flora 1902, Bd. XU. pag. 305. 256 Karl v. Schoenau, aus den Ausführungen von Lorch!) hervorgeht, in erster Linie auf der Beschaffenheit der Zellmembranen in dieser Blattpartie. Der Aufbau der Membranen ist offenbar ein anderer als der bei den übrigen Zellen. Die Prüfung auf Zellulose und Sphagnol ergab jedoch keinen Unterschied. Wir dürfen daher, gerade im Hinblick auf die Quellungsfähigkeit, wohl aunehmen, daß die in Rede stehen- den Membranen keine verschiedene chemische Zusammensetzung, je- doch eine abweichende physikalische Struktur besitzen, die sie be- fähigt, das Reagens viel rascher als die übrigen Zellwände in sich aufzunehmen. Daß im Polytrichum-Blatt zwischen den einzelnen Zellen Ver- schiedenheiten im Aufbau der Membranen bestehen, auf diese Tatsache hat kürzlich Lorch?) hingewiesen. Derartige Unterschiede treten ge- rade bei der Ausführung der Reaktionen hervor. Am auffallendsten ist wohl das eben geschilderte Verhalten der basalen Zellen des Blatt- teils. Aber auch die Membran der Blattzähne, auf die gerade Lorch aufmerksam macht und auf deren abweichendes optisches Verhalten er hinweist), hat ihre Besonderheiten: An Polytrichum-Blättern, die eine halbe Stunde in destilliertem Wasser gekocht worden waren und dann mit Osmiumsäure behandelt wurden, waren die Zellwände im allgemeinen schmutzigiila, die der Randzähne jedoch tiefviolert gefärbt. Legt man Blätter in Cyanin, so nehmen die Wände tiefblaue Farbe an, die Rand- zähne hingegen bleiben ungefärbt. In wässeriger Eisenchloridlösung zeigen (lie Membranen der Zähne wie auch die der austretenden Spitze (Granne) der Reaktion sich leichter zugänglich als die übrigen Zell- wände (von der Schwellgewebezone abgesehen. Auch der violette Schimmer, der in den Verdickungen der Lamellenendzellen bei Chior- zinkjodreaktion (ohne Vorbehandlung des Blattes!) sichtbar wird und «len anderen Wänden fehlt, ist hier anzuführen. Es erübrigt noch einen Blick auf den Ausfall «ler Reaktionen bei jungen, nicht ausgewachsenen Blättern zu werfen: Die Gerbstoffreaktion tritt erst ein, wenn (die Zellen ein bestimmtes Alter erreicht haben; sie ist daher an den jungen, den Vegetationspunkt umhüllenden Blättchen 1) Lorch, Der feinere Bau und die Wirkungsweise des Schwellgewebes bei den Blättern der Polytrichaceen. Flora 1910, Bd. CH, pag. 373. 2) Lorch, Über eine eigenartige Form sklerenchymatischer Zellen in den Stereomen von Polytrichum eommune. Ber. Deutsch. bot. Gesellsch. 1911. Bd. XXIX, pag. 590. 3) Flora, Ba. Ci, pag. 381. L.auhmoosstudien 1. 257 nur in den ausgewachsenen bzw. älteren Partien zu finden, also in deren apikalem Teile, besonders in der austretenden Blattrippe und den Zähnen (Taf. IX, Fig. 5); die Reaktion erfolgt auch langsamer und ist weniger stark als beim ausgewachsenen Blatt. Die basale Blatteilzone, die an den älteren Blättern in so auffallender Weise die Reaktion zeigt, wird erst, was ja bei dem interkalaren Wachstum des Moosblattes ohne weiteres einleuchtet, verhältnismäßig spät fertig gestellt und tritt daher an jüngeren Blättern nicht hervor. In den jüngsten Blättchen ist über- haupt keine Gerbstoffreaktion wahrzunehmen. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Reaktionen auf Sphagnol. Beide Substanzen werden also erst mit zunehmendem Alter in die Membranen eingelagert, wobei jedoch die Beobachtung zu machen ist, daß wiederum die Wände (er Randzähne und der Zeilen des Blattrandes überhaupt sowie die. der in der Mediane der Rippe gelegenen Zellen gegenüber Jen anderen Zell- membranen bevorzugt sind und in ihnen die Reaktion stärker hervor- tritt als in den Membranen der anderen gleichalterigen Zellen. Man könnte nunmehr erwarten, daß die jüngsten Blätter, die noch keine Gerbstoff- und Sphagnolreaktion ergeben, direkte Zellulosereaktion auf- weisen; dem ist aber nicht so und infolgedessen ist anzunehmen, daß schon in ihnen keine reine Zellulose vorhanden ist. Durch die Veränderung der Außenbedingungen, die Polytrichum commune an und für sieh schon durch das Untertauchen, danı aber noch durch den Zusatz der verschiedenen Substanzen erfährt, wird auch die Form des Blattes betroffen: es ergeben sich hierbei zwei Extrem- formen von Blättern, von denen die eine, schmal und spitz zulaufend, der Normalform des Polytrichum commune-Blattes sehr nahe steht, die andere aber von der Normalform durch Rückbildung von Rippe und Lamellen und dafür breitere Ausbildung der Spreite abweicht. An diesen „Wasserblättern“ ist vor allem bei Anwendung von wässeriger Eisenchloridlösung das Fehlen jener basalen, die Reaktion am ersten und stärksten zeigenden Zone des Blatteils zu Konstatieren; «lie Aus- bildung des Schwellgewebes unterbleibt nämlich schon bei Blättern, die in einer wasserdampfsatten Atmosphäre gewachsen sind!). Im übrigen stimmen sie mit den Landblättern überein, nur daß bei breiterer Aus- bildung der Spreite die Reaktion in dieser nicht sonderlich hervortritt wegen der Dünne der Wände der nur in einer Schicht liegenden Zellen. In den jüngeren „Wasserblättchen* finden wir die Reaktion auf Gerbstoff ebenfalls nur in den Zellen der Blattspitze, von wo sie 1) Lorch, Abhandl. Bayr. Akad. Wiss. I. ce. pag. 582. Flora, Bd. 105, 17 258 Karl v. Schoenau, sich nach unten ausbreitet und auch hier wiederum in den Zähnen des Blattrandes besonders deutlich. Die Ursache der Zellwandbräunung. Wir haben Zellulose, Pektin, Fett, Sphagnol und Gerbstoff als die die Zellmembranen der Polytrichaceen-Blätter aufbauenden Substanzen kennen gelernt; es fragt sich nunmehr, welche von ihnen bei dem oben geschilderten Vorgange der Verfärbung der Zellwand im Leitungs- wasser ausschlaggebend ist. Es kann dies nur der Gerbstoff sein, denn von den Gerbstoffen wissen wir, daß sie in alkalischer Lösung durch Oxydation eine braun- rote Farbe annehmen !). Unser Leitungswasser zeigt im frischen Zustande keine alkalische Reaktion, bekommt diese aber bekanntlich dadureh, daß es bei längerem Stehen Kohlendioxyd verliert und infolgedessen die in ihm enthaltenen sauren primären Karbonate sich in die basisch reagierenden sekun- dären umwandeln. Deshalb sehen wir die Bräunung der Polytrichum- Blätter auch nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit eintreten. Daß durch die Assimilationstätigkeit der untergetauchten Pflanzen (Verbrauch von CO,) die Alkalisierung erheblich beschleunigt wird, zeigt sich schon, wenn wir den Zeitpunkt des Eintrittes der alkalischen Reaktion bei Leitungswasser, in dem Pflanzen unter- getaucht sind, und bei solchem ohne Pflanzen feststellen. Außer- dem wird durch die Assimilation Sauerstoff frei, der sofort auf den Gerbstoff der Wände einwirken kann. wodurch ebenfalls der Prozeß der Bräunung stark gefördert wird. Dementsprechend tritt auch bei Versuchen im Dunkeln, wo die Assimilation ruht, die Verfärbung der Blätter bedeutend später ein. — Auf den Gerbstoff, als den Träger der Membranverfärbung weist auch das Verhalten der im Leitungswasser an Gipfel- wie Seitentrieben neu gebildeten Blätter hin: Diese sind zunächst rein grün; mit zunehmendem Alter werden aber auch sie von der Verfärbung ergriffen. Die Bräunung befällt zuerst den obersten Teil der Rippe, die austretende Granne und die apikalen Zähne, geht von da nach unten, besonders in den Zähnen des Blattrandes und in der Rippe hervortretend und greift schließlich auch auf Spreite und Scheide über: sie breitet sich also genau in der Reihenfolge aus, in der wir vorhin bei den „Wasser“blättern die Einlagerung des Gerb- stoffes in die Membranen verfolgen konnten. So zeigen schließlich im 1) Czapek, Biochemie der Pflanzen, Bd. II, pag. 577. Taaubmoosstudien T. 259 Leitungswasser auch die neugebildeten Blätter braun gefärbte Wände, nur mit dem Unterschiede, daß diese Farbe bei ihnen nicht so stark wie bei den Landblättern hervortritt, da infolge der zarten Ausbildung ihrer Wände der Zellinhalt mit seinen grünen Chloroplasten beim Gesamt- kolorit des Blattes mehr zur Geltung kommt. Wenn die Oxydation des Gerbstoffes und damit «lie Bräunung der Blätter im Leitungswasser mit dessen alkalischer Reaktion in Zusammen- hang steht, so muß diese Erscheinung überall dort eintreten, wo Koly- trichum in alkalische Lösungen untergetaucht wird, also in Lösungen von a natura stark basischen Salzen oder von neutralen Salzen, die in wässeriger Lösung (2,5:1000) alkalisch reagieren; hingegen muß das Moos die natürliche grüne Farbe seiner Blätter beibehalten in neutral und sauer reagierenden Flüssigkeiten, wie in destilliertem Wasser und den Lösungen neutral oder sauer reagierender Salze. Dies trifft auch in der Tat zu: Polytrichum (und auch Catharinaea) behält sein normales Aussehen bei in destilliertem Wasser, ın schwach angesäuertem Leitungs- wasser, in den Lösungen von Sulfaten (so Kalium-, Magvesium-, Ammonium- und Aluminiumsulfat), von Chloriden (z. B. von Kalium-, Magnesium- und Ammoniumchlorid, sowie Zinkehlorid, letzteres in der Konzentration 0,5:1000 gereicht) und von Monokaliumphosphat. Die Bräunung tritt außer im Leitungswasser auf in destilliertem, aber «durch Kaliumhydroxyd oder Ammoniakzusatz schwach alkalisch gemachten Wasser, in den Lösungen der Karbonate, z. B. von Ammonium- und Kaliumkarbonat, von Di- und Trikaliumphosphat. Je stärker die alka- lische Reaktion der Lösung, desto raseher erfolgt die Bräunung der Blätter. Eine Ausnahme scheinen die Nitrate zu machen: Es tritt nämlich in den 0,25%, ,igen Lösungen von Kaliumnitrat wie von kal- ziumnitrat die Bräunung der Blätter, wenn auch langsam, ein, wiewohl die Lösungen genannter Salze neutrale Reaktion aufweisen. Dies ist wohl damit zu erklären, daß die Pflanze das Salpetersäureion aufnimmt und verbraucht, so daß dann das alkalische Kalium- bzw. Kalziumion momentan überwiegt und auf den Gerbstoff der Membranen bei Gegen- wart von Sauerstoff seine bräunende Wirkung ausüben kann. Ein nur „momentanes“ Überwiegen der alkalischen Ionen ist deshalb anzunehmen. weil mit Phenolphtalein keine alkalische Reaktion der Lösung zu finden war; man muß sich daher vorstellen, daß das durch Aufnahme des Säureions im Überschuß befindliche Alkaliion stets vom (Grerbstoff ge- bunden und so die neutrale Reaktion wieder hergestellt wird. In Ammoniumnitratlösung bleibt Polytriehum vollständig unverfärht, die Lösung selbst reagiert sauer. 17* 260 Karl v. Schoenau, Die Erscheinung der Farbenänderung der Polytricha in alkalischen Flüssigkeiten stellt eine Parallelerscheinung zu dem bei Sphagnum rubellum von Paul!) beobachteten Farbenwechsel dar, das in Alkalien seinen roten Farbstoff in einen blauen verwandeit. Auch hier handelt es sich nach Katic?) um gerbstoffartige, in der Zellmembran ent- haltene Farbstoffe®). Während aber bei Sphagnum die Verfärbung ılen Tod der Pflanze anzeigt, läßt sich bei Polytrichum daraus noch keiy Schluß auf Leben und Tod der Zellen tun, was ja schon daraus hervorgeht, «aß derartige Blätter noch die Fähigkeit der Bildung von Protonema und von Adlventivtrieben haben, was nicht nur im Leitungs- wasser, sondern auch in Versuchen mit anderen alkalisch reagierenden Flüssigkeiten der Fall war. Saure Reaktion der Polytricha: Anhangsweise sei erwähnt, daß die Polytricha, wenigstens die von mir untersuchten Arten commune, formosum und strietum gleich den Sphagnen sauer reagieren und ihnen fest angedrücktes blaues Lackmuspapier röten. Diese Säure kann auch zur Neutralisierung geringerer Mengen Alkali dienen; wenn man z. B. Polytrichum eommune in 0,25 %iger, «durch Zugabe von KOH schwach alkalisierte Kaliumnitratlösung versenkt, so ist schon nach etwa 12 Stunden (lie alkalische Reaktion verschwunden, olne daß der Gerbstoff der Membranen sich verfärbt hat; die Kontrollösung ohne Pflanzen behält ihre Reaktion bei. Ein ähnlicher Versuch zeigte, daß der Säuregehalt der einzelnen Arten verschieden stark ist. Ein Liter durch Zusatz von Kalilauge ziemlich stark alkalisch wemachtes_ destilliertes Wasser wurde in gleichen Mengen in drei je einen Liter fassende Zylindergläser ver- teilt, und diese dann mit destilliertem Wasser voll gefüllt; die Flüssig- keit zeigte auch in ihrer nunmehrigen Verdünnung noch starke Reaktion mit Phenolphtalein. In dem einen Glas wurde Polytrichum strietum, I) Pant, Die Kalkfeindlichkeit der Sphagna und ihre Ursache, nebst einem Anhang über die Aufnalmefähigkei der Torfmoose für Wasser. Mitteil, der K. hayer. Moorkulturanstalt, Heft 2, 1908. 2) Katie, eyan) in den vereta 1g zur Kenntnis der Bildung des roten Farbstoffes (Antbo- ven Organen der Phanerogamen. Dissert. Halle a. 8. 1905. 3) Nach Jönsson (Recherches sur la respiration et Vassimilation chez les Mousses, Compt. rend. des seances Acad. Paris, Tome CXIX) liegen der Braun- bis Braunrotfärbung. die manche Moose an sonnigen Standorten annehmen, ebenfalls Membranfarbstoffe zugrunde; dies ist jedoch nicht allgemein zutreffend. So fand ich bei Bryum pallens einen im Zellsafte gelösten himbeerroten Farbstoff, der zusammen mit den Chlorophylikörpern den Blättern ihre tief braunrote Farbe verleiht. Lanbmoosstudien T. 261 im zweiten Polytrichum formosum versenkt. Während (lie im dritten Glase enthaltene Flüssigkeit, die keine Pflanze enthielt, die Reaktion unverändert beibehielt, war im Glase mit Polytrichum strietum schon nach 24 Stunden die alkalische Reaktion verschwunden: Polytrichum formosum hingegen brauchte zum Neutralisieren der Lösung 4 Tage. Daraus ergibt sich, daß das hochmoorbewohnende Polytrichum strietum bedeutend saurer ist als das waldbewohnende formosum. Allgemeines Verhalten gegen Alkalien und Säuren: Gleich den Sphagnen erweisen sich auch die Polytricha gegen Alkalien sehr empfindlich. Alkalische Lösungen wirken je nach dem Grad ilırer Alkaleszenz mehr oder minder giftig, während der Schädlichkeitsgrad saurer Lösungen ein viel geringerer ist. Diese Tatsache erinnert an die von Paul bei seinen Untersuchungen über die Torfmoose er- haltenen Resultate. Wenn die alkalische Reaktion eine gewisse Grenze überschreitet, wie z.B. in den Lösungen von Trikaliumphosphat, Kalium- karbonat, Ammoniumkarbonat oder bei Zusatz von zuviel Kaliunhydroxyd oder Ammoniak zu destilliertem Wasser, so tritt außer der Bräunung der Wände auch eine intensive Schädigung des lebenden Zellinhaltes ein, die zum Tode der Pflanze führt‘). Das gleiche ist auch der Fall bei einer anfangs nicht schädlich wirkenden, alkalisch reagierenden Flüssigkeit, wenn die Pflanze allzulange in ihr verweilt, so z. B. in Leitungswasser nach einigen Monaten. Die Absterbeerscheinungen stimmen mit den eingangs geschilderten überein (Granulation und Zer- fall der Chlorophylikörper. Auftreten öliger und kupferroter Tröpiehen. Farbloswerden des übrigen Zellinhaltes); die abgestorbenen Teile er- scheinen dunkel- bis schwarzbraun gefärbt. Sauer reagierenden Lösungen gegenüber zeigen sich die Polytricha viel unempfindlicher als gegen die Alkalien; keine einzige von ihnen rief eine so rasche und schwere Schädigung hervor, wie sie lei &leicher Konzentration bei den vorhin erwähnten alkalischen Salzen zu beobachten ist, Versuche über die Widerstandsfähigkeit von Laubmoosen gegen Säuren sind meines Wissens nur mit Sphagnen gemacht worden?,; deshalb möchte ich meine mit Polytrichum gemachten Versuche hier kurz anführen, obwohl sie nur Vorversuche darstellen und stark lücken- 1) Durch Zusatz von Kaliumchlorid zur Trikaliumphosphatlösung (1 g jedes Salzes : 1000 ccm H,O) läßt sich die tödliche Wirkung des letzteren Salzes verzögern, da durch das sauer reagierende Chlorid die Alkaleszenz abgeschwächt wird. 2) Vergleiche Paul, 1. c. pag. 79. 202 Karl v. Schoenau, haft sind. Verwendet wurde 98°/,ige Schwefelsäure. Bei 1 cem (lieser Säure im Liter destilliertem Wasser zeigte Polytrichun commune alsbald intensive Schädigung und innerhalb eines Tages schon waren die Pflanzen abgestorben. Auch 5/,, cem wirkten schädlich und erst bei ca. */,, eem im Liter blieben die Blätter frisch grün, doch waren auch dann noch keinerlei Wachstumserscheinungen an den Pflanzen zu beobachten; die Gipfelregion war bei ihnen erkrankt und fiel samt den umgebenden Blättern bei Berührung ab!) Polytrichum strietum erwies sich gegen die Säure als viel resistenter: Bei 1 cem Säure im Liter H,O trat die Schädigung 12 Stunden später hervor als bei commune, bei 5/,, ccm war sogar Gipfelwachstum und Austreiben von Seitensprossen fest- zustellen. Diese größere Wilerstandsfähigkeit entspricht der An- passung der Pflanze an ihren Standort: Polytrichum strietum, im Hochmoor in Gesellschaft der sauren Torfmoose wachsend, ist an viel mehr Säure angepaßt als das vorzüglich in Wäldern wachsende und nur ab und zu weiter ins Hochmoor vordringende Polytrichum commmune. Tritt eine Schädigung der Polytricha durch Säuren ein, also z. B., wie wir eben gesehen, bei Zusatz von Säuren zu Aqua destillata oder in den Lösungen sauer reagierender giftiger Salze wie 0,03 %/, iger Zinksulfatlösung usw., so ist das Aussehen der Pflanzen völlig ab- weichend von dem der an zuviel Alkali leidenden. Säuren üben im Gegensatz zu den dunkel färbenden Alkalien eine bleichende Wirkung aus: Die Zellwände bleiben vollständig hyalin, die Chloroplasten, anfangs noch grün oder schmutzig-(bräunlich-)grün, erscheinen stark granuliert, bleiben aber oft noch lange als eigene Körper erhalten oder sie zer- fließen auch hier in eine. gemeinsame granulierte Masse. Sie verlieren dann ihre Farbe und nehmen eine schmutzig-gelbgrüne bis fahlgelbe Färbung an. schließlich werden sie ganz farblos. Auch die lichtbrechen- den Tröpfehen und die kupferroten Gebilde sind zu beobachten. Die ganze Pflanze erscheint gebleicht, die Blätter zeigen ein schmutziges helles Gelbgrün als Farbe, das von dem entfärbten Zellinhalt und nicht von den Zellwänden herrührt. In der freien Natur finden wir die abgestorbenen Blätter und Sproßteile meist mehr oder minder stark gebräunt; sie schwanken zwischen einem hellen Gelbbraun, fast Ockergelb, bis zu Dunkel- und Schwarzbraun. Dementsprechend erscheinen ihre Zellwände fast noch hyalin_oder sie zeigen alle möglichen Tönungen von Ocker- bis Dunkel- 1) Näheres über diesen Vorgang im I. Teil dieser Arbeit. Laubmoosstudien I. 263 braun. Der Grad ihrer Bräunung hängt ab von der Menge Alkali, mit der die absterbenden Blätter in Berührung kamen. Im allgemeinen tritt im Freien stets Bräunung ein, da von den auftretenden Fäulnis- bakterien, wie bekannt, Ammoniak abgeschieden wird. Zusammenfassung der Resultate. 1, Bei Einwirkung alkalisch reagierender Flüssigkeiten tritt bei den Polytrichaceen eine intensive Bräunung der Blätter ein; sie beruht auf der Verfärbung des in «den Zellmembranen vorhandenen Gerbstoffes durch Oxydation’). Mit diesem Vorgange braucht keine Schädigung der Zelle selbst verbunden zu sein, wie aus deren normalem Inhalt, dem Eintritt der Plasmolyse und der Fähigkeit der gebräunten Blätter, Adventivtriebe zu bilden, hervorgeht. 2. Die Polytrichaceen sind im allgemeinen jedoch sehr empfindlich gegen Alkalien; zu starke alkalische Reaktion der Lösung führt zum Tode «der Pflanzen. 3. Sauer reagierende Lösungen erweisen sich zumeist als viel weniger schädlich; infolge von Säurewirkung abgestorbene Polytricha zeigen fahlgelbes Aussehen. 4. Die Polytricha zeigen gleich den Sphagnen eine saure Reaktion. 1) Da auch Dicranum ähnlich wie Polytrichum im Leitungswasser die Ver- färbung zeigte, dürfte vielleicht dieser Satz auf alle Laubmoose, soweit sie Gerbstoffe in der Membran enthalten, auszudehnen sein. Figurenerklärung zu Tafel IX. Polytrichum commune. Eig. 1. Die Pflanze war 62 Tage (Oktober bis Dezember) in J ®;,iger Ammonium- nitratlösung untergetaucht: Bei der supraoptimalen Konzentration der Lösung ist der Sproßgipfel abgefallen und die Pflanze zeigt keinerlei Wachstumserscheinungen. Die Blätter sind sämtliche grün geblieben. Daraufhin wurde die Pflanze in Leitungswasser untergetaucht: Hier tritt zunächst die Verfärbung der Blätter ein, die eine schwarzbraune Farbe annehmen. Auf den apikalen Blättern erfolgt eine üppige Entwicklung blattbürtiger Adventivtriebe, die, zartgrün, in lehhaftem Kontrast zur dunklen Farbe der ganzen Mutterpflanze stehen. Später treiben noch ruhende Astanlagen im Basalteil wie auch im Laubblatteil des Sprosses 264 Karl v. Schoenau, Laubmoosstudien I. zu Innovationstrieben aus, die wiederum basal zwei- bis dreimal verästelt sind; auch sie sind grün gefärbt. / Innovationssprosse. Fir. 2. Ein apikales Blatt dieser Pflanze mit Adventivtrieben. Adventivtriebe hell- grün, Blatt schwarzbraun, Scheidenteil des Blattes graubräunlich. Vig. 3. Oberer Teil einer in Leitungswasser untergetauchten Pflanze. Die „Land“- hlätter werden schwarzbraun, die Pflanze wächst am Gipfel fort unter Bildung zunächst frisch grüner „Wasser“blätter, die mit zunehmendem Alter sich ebenfalls bräunen. Die Bräunung beginnt an der Blattspitze, dem ältesten Teil des Blattes. Fig. 4. Normales Blatt in wässeriger Eisenchloridlösung. Die Gerbstoffreaktion tritt in einer bestimmten Zone an der Basis des Blatteils äußerst intensiv ein; diese Zone (s) hebt sich, tiefschwarz geworden, von dem übrigen grün- gebliebenen Teil des Blattes und dem hellgrauen Scheidenteil ab. Junges Blatt, dem Sproßgipfel entnommen, obere Hälfte. Reaktion auf Gerbstoff mit ätherischer Eisenchloridlösung: Bräunung der Blattspitze sowie der Randzähne im oberen Teil des Blattes. So Fig. Nachtrag. Leider habe ich die Arbeit Karl Müller’s, Beiträge zur Chemie niederer Pflanzen (Dissert. Freiburg i. Br. 1905), die sich ebenfalls mit der Zusammensetzung der Zellmembran der Laubmoose beschäftigt, erst nach Drucklegung der vorliegenden Arbeit kennen gelernt und deshalb nieht mehr auf ihre Resultate eingehen können. Die Kernteilung bei Eunotia major Rabenh. Achter Beitrag zur Kenntnis der Karyokinese. Von C. van Wisselingh (Groningen). (it Tafel X). Historisches. Vor der Veröffentlichung der ausführlichen Untersuchungen von Lauterborn') über Bau, Kernteilung und Bewegung der Diatomeen war unsere Kenntnis der Kernteilung bei diesen Wesen noch sehr ge- ring. Von einigen Untersuchern, Lüders?), Dippel®), Schaar- sehmidt#), Pfitzer?) und Schütt®), waren bei verschiedenen Spezies einige Beobachtungen gemacht. Schütt konnte unter anderem bei Chaetoceros feststellen, daß beim Anfang der Karyokinese der Nukleolus verschwand. Im allgemeinen aber haben diese Beobachtungen nur wenige Einzelheiten des Kernteilungsprozesses an den Tag gebracht, welcher Prozeß meistens als eine einfache Durchschnürung vorgestellt wurde. Die oben erwähnten Untersuchungen von Lauterborn haben in unserer Kenntnis der Kernteilung bei den Diatomeen plötzlich einen völligen Umschwung verursacht. Lauterborn hat bei verschiedenen Geschlechtern und Arten ein sehr vollständiges Studium der Kern- teilung gemacht und als Resultat seiner Untersuchungen ergab sich 1) R. Lauterborn, Untersuchungen über Bau, Kernteilung und Bewegung der Diatomeen. 1896. 2) J. E. Lüders, Beobachtungen über die Organisation, Teilung und Kopu- lation der Distomeen. Bot. Zeitung 1862, Jahrg. 20, Nr. 6, 7, 8 und 9. 3) L. Dippel, Beiträge zur Kenntnis der in den Soolwässern von Kreuznach lebenden Diatomeen usw. 1870. 4) J. Schaarschmidt, Beiträge zur näheren Kenntnis der Teilung von Synedra Ulna (Nitzsch) Ehrenb. Magyar növenytani Lapok 1883, Jahrg. 7, pag. 49 (Ung.). Ref. Bot. Jahresber., Bd. XI, pag. 224. 5) E. Pfitzer, Untere. über Bau und Entwicklung der Bacillariacsen (Diatomaceen). Bot. Abhandl. aus dem Gebiete der Morph. und Physiol. Heraus- gegeben von J. Hanstein, 1891, Heft 2, pag. 37. 6) F. Schütt, Über die Diatomeengattung Chaetoceres. Bot. Zeitung 1888. Jahrg. 46, Nr. 11 u. 12. 266 C. van Wisselingh, überall (das Vorhandensein einer karyokinetischen Teilung des Kerns. Die Karyokinese ist nicht weniger kompliziert als bei (den höheren Pflanzen; in gewisser Hinsicht zeigt sie bedentende Abweichungen. Lauterborn beobachtete, daß während der Karyokinese überall ein Körper auftrat, der bei diesem Prozeß eine sehr bedeutende Rolle spielte, nämlich die Zentralspindel, ein Körper, der bei höheren Pflanzen nicht vorkommt, sondern speziell bei Diatomeen gefunden wird. Die Zentralspindel ist bei Surirella calearata ein fein gestreifter, zylindrischer Körper mit einer Wand. Sie kommt außerhalb des Kerns zur Entwicklung und dringt in die Kernhöhle. Während der Karyo- kinese verschwindet der Nukleolus und die Kernmembran. Das Kern- gerüst bildet einen Knäuel und daraus entstehen durch Segmentation die Chromosomen. Diese bilden in der Mitte um die Zentralspindel einen Ring. Aus diesem Ring entstehen durch Teilung zwei Ringe, die längs der Zentralspindel auseinanderweichen. Jeder dieser Ringe besteht aus den halbierten Chromosomen. Aus den beiden Ringen entstehen die Tochterkerne. Lauterborn erwähnt noch eine Anzahl Einzel- heiten über die Teilung der Chromatophoren, über die Rolle, welche das Centrosom bei der Karyokinese spielt, über das Verschwinden der Kernmembran, über die Chromosomen, über die Zentralspindel, über Strablungen im Cytoplasma, über die Querwandbildung und über die Entwicklung der Tochterkerne. Andere Spezies, Nitzschia sigmoidea, Pleurosigma atte- nuatum, Pinnularia oblonga und Pinnularia viridis stimmen, was die Kernteilung anbetrifft, im wesentlichen mit Surirella calca- rata überein. Bei Nitzschia kommen mehrere Nukleolen vor. Bei den drei erstgenannten Spezies ziehen die Chromosomen sich nicht so zusammen wie bei Surirella und bilden keinen Ring. Bei Pinnu- laria viridis dagegen wohl. Bei Nitzschia, Pleurosigma und Pinnularia oblonga ist die Zentralspindel von einem tonnenförmigen Spindel umgeben, um welche die Chromosomen sich ordnen. Bei Nitzschia fand Lauterborn 16 Chromosomen und bei Surirella noch mehr. Die Chromosomen sind bei den verschiedenen Spezies, wie die Abbildungen von Lauterborn zeigen, lang und gut entwickelt. Kurz nach Lauterborn hat Klebahn!) über die Kernteilung von Rhopalodia gibba eine Mitteilung gemacht. Er beobachtete oft 1) H. Klebahn, Beiträge zur Kenntuis der Auxosporenbildung, I. Rhopn- olia gibba (Ehrenb.) O. Müller, Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. XÄIX, pag. 505. Die Kernteilung bei Bunotia major Rabenh. 267 sich teilende Zellen. aber schr selten Kernteilungen. Nur einmal fand er ein deutliches Kernteilungsstadium, das dem Dyasterstadium ent- sprach, zwei Tochterkerne durch einen Strang, den Rest der Zentral- spindel, verbunden. Jeder Tochterkern hatte fünf oder sechs Clhromo- somen, die kornförmig und in einen Kranz gestellt waren. Bei der Untersuchung über die Bildung der Auxosporen fand Klebahn auch noch ein paar Teilungsstadien mit ähnlichen, sehr kurzen Chromo- somen. Einige Jahre nach dem Erscheinen der Arbeit von Lauterborn hat Karsten'; in Einzelheiten die Kernteilung von Surirella saxo- nica beschrieben. Im allgemeinen stimmen seine Resultate mit denen von Lauterborn überein, in gewisser Hinsicht weichen sie aber ab. Die Chromosomen fand Karsten ganz anders als Lauterborn. Sie sind kurz, nicht genau stabförmig, aber ungleichmäßig. Die Zahl konnte nicht bestimint werden. Karsten meint im Gegensatz zu Lauter- born, daß die Zentralspindel hohl ist. Über die Untersuchungen von Lauterborn bemerke ich, daß dieser Untersucher, was die Zusammensetzung des Kerngerüstes an- betrifft, sich auf den Standpunkt Strasburger’s stell. Er nimmt an, daß es aus Linin und Chromatin besteht. Im Durchschnitt scheint es netzförmig. In den Knoten befinden sich (ie Chromatinkörner; das Übrige besteht aus Linin. Obgleich das Kerngerüst netzförmig zu sein scheint, glaubt Lauterborn, daß es in der Wirklichkeit ein Wabenwerk ist. Schon im Jahre 1309 habe ich?) anläßlich meiner Untersuchungen bei Fritillaria und Leucojum nachgewiesen, daß die Unterscheidung von Chromatinkörnern und Lininfäden im Kern- gerüst nicht durch hinreichende Gründe gestützt war. Von Gregoire und Wygaerts®) ist das später bei Trillium bestätigt worden. Der von diesen Untersucheru eingenommene Standpunkt wird noch immer von Gr6goire*) aufrecht erhalten, während ich selbst auch keinen Grund habe meine Meinung zu ändern. 1) 6. Karsten, Die Auxosporenbildung der Gattungen Coceoneis, Surirella und Cymatopleura. klora 1900, Bd. LXXXVII, pag. 253. 2) C. van Wisselingh, Über das Kerngerüst. Zweiter Beitrag zur Kenntnis der Karyokinese. Bot. Zeitung 1899, Jahrg. 57, Abt. 1, pag. 155. 3) Vietor Gregoire et A. Wygaerts, La reconstitution du noyau et ta formation des chromosomes dans les einöses somatiques. Extrait de la Revue „La Ceilule“ 1903, Tome XXI, ler fase., pag. 14. 4) Vietor Grögoire, Les fondements cytologiques des theories evurantes sur (’heredit6 Mendelienne. Extrait des Annales de la soc. royale Zoolog. et Mala- colog. de Belgique 1907, Tome XLII, pag. 54 (3201. 268 C. van Wisselingh, Material. Im Oktober 1903 fand ich in einem Graben bei Steenwyk eine Eunotia-Spezies. Bei näherer Untersuchung und nachdem ich Kenntnis genommen hatte von den Beschreibungen und Abbildungen der ver- schiedenen Spezies des Genus Eunotia!), nahm ich an, daß die ge- fundene Art Eunotia major Rabenh. war. An den Enden waren die zu Bändern vereinigten Exemplare verdickt, wie solches nach Dippel auch bei Eunotia major der Fall ist. In der Mitte waren sie auch verdickt, nämlich an der Bauchseite und bisweilen an der Rückenseite. Derartige Verdickungen kommen auch bei Varietäten von Eunotia pectinalis Rabenh. vor, aber diese Art ist an den Enden verdünnt. In dem gesunden, aber nieht reichlichen Material beobachtete ich zahlreiche Kernteilungsstadien. Da die Kernteilung von Eunotia noch nicht beschrieben war, entschloß ich mich die Gelegenheit zu benutzen dieselbe zu studieren. Methode. Die Untersuchung fand erst an dem lebenden Objekt statt und darauf an dem mit Flemming’schem Gemisch fixiertem Material. Un die Kernteilungsfiguren genau studieren zu können, behandelte ich das fixierte Material mit 20 %/,iger Chromsäurelösung. Verschiedene Inhalts- bestandteile lösen sich hintereinander darin auf und, wenn die Zellen kein fettes Öl enthalten, bleibt zuletzt nur das Kerngerüst, oder was aus demselben hervorgegangen ist, in dem Kieselskelett der Zellwand zurück. Die Präparate kann ınan mit Wasser auswaschen und färben, z. B. mit Brillantblau extra grünlich. Über die angewandte Methode will ich mich nicht verbreiten. Die Vorteile, die sie gewährt und worauf man bei ihrer Anwendung besonders achten muß, habe ich schon früher erwähnt?). Ruhender Kern. Wie andere Diatomeen hat auch Eunotia major einen Kern. Derselbe befindet sich in der Mitte der Zelle. Er ist von Cytoplasma 1) L. Dippel, Diatomeen der Rhein-Mainebene, 1905, pag. 125. — Van Heurck, Trait& des Diatomees, pag. ‘298, 2} Über den Nukleolus von Spirogyra (Bot. Zeitung 1898, Jahrg. 56, Abt. I, pag. 199). — Über das Kerngerüst (Bot. Zeitung 1899, Jahrg. 57, Abt. I, pag. 155). — Über die Karyokinese bei Oedegonium (Beih. z. Bot. Zentralbl. 1908, Bd. XXIII, Abt. I, pag. 138ff.). — Über die Kernstruktur und Kernteilung bei Closterium (Beih. z. Bot. Zentralbl. 1912, Bd. XXVIL, Abt. I, pag. 414). Die Kernteilung bei Eunotia major Rabenh. 269 umgeben, das in verschiedener Richtung Stränge aussendet. Der Kern (Fig. 1 und 2) zeigt von der Gürtelseite gesehen eine ovale, von der Seite gesehen eine runde Gestalt. Er hat eine Membran und zeigt demzufolge eine scharfe Kontur. Das Kerngerüst besteht aus durch feine Plasmafäden miteinander verbundenen Körnern. In der Mitte des Kernes befindet sich der Nukleolus. Dieser löst sich in Chrom- säure schneller auf als das Kerngerüst. Besondere fadenförmige Organe, wie man sie bei Spirogyra im Nukleolus findet, habe ich bei Eunotia mit Hilfe von Chromsäure nicht in demselben unterscheiden oder aus demselben absondern können. Der Nukleolus stimmt mit dem höherer Pflanzen überein. Karyokinese. Die Zellen, in welchen bald Karyokinese auftritt, sind breiter als andere und enthalten vier lappenförmige Chromatophoren. Wenn man terartige Zellen von der Gürtelseite betrachtet, beobachtet man den Kern inmitten der vier großen Chromatophoren, von denen zwei in der Epitheca und zwei in der Hypotheca liegen. Wenn eine Zelle sich geteilt hat, befinden sich in jeder Tochterzelle zwei Chromatophoren. Diese ändern ihre Form und ihre Stellung. Sie verdoppeln ihre Länge und stellen sich in der Epitheca und Hypotheca einander gegenüber. Darauf bekommen sie in der Mitte eine Einschnürung, welche stärker wird und schließlich hat jedes Chromatophor sich entzwei geteilt. Dieser Prozeß, die Teilung der Chromatophoren, geht also der Kern- und Zellteilung vorher. Die ersten Erscheinungen der Karyokinese zeigen Übereinstim- mung mit denen anderer Pflanzen; das Kerngerüst bekommt allmählich ein grobkörniges Ansehen; an vielen Stellen zieht es sich zusammen und bildet Klümpchen (Fig. 3), die sich später zu größeren Massen vereinigen, welche mehr oder weniger Ähnlichkeit mit kurzen Fäden zeigen. Die Zahl dieser diekeren Teile des Kerngerüstes habe ich nicht bestimmen können. Dieselben bleiben durch feine Fädchen mit- einander verbunden. Die dickeren Teile sind Chromosomen gleich zu stellen. Gut entwickelte Chromosomen in Gestalt gleichmäßig dicker Fäden, wie solche allgemein im Pflanzenreich vorliegen, kommen bei Eunotia nicht vor. Die Kernwand verschwindet und infolgedessen verliert der Kern seine scharfe Kontur; der Kern und die Plasmamasse, in welcher er sich befindet, kann man dann nicht mehr voneinander unterscheiden. Auch verschwindet der Nukleolus. 270 C. van Wisselingh. Soweit liefert die Karyokinese bei Eunetia nichts Besonderes, aber der weitere Verlauf des Prozesses ist ganz anders als bei höheren Pflanzen. Mitten in der Plasmamasse, in welcher der Kern sich be- findet, kann man bald ein Organ unterscheiden, daß bis jetzt nur bei Diatomeen wahrgenommen wurde. Nieses Organ hat man Zentral- spindel genannt. Es ist ein Plasimastrang, dessen Enden nach den beiden Schalen gerichtet sind. Anfangs bildet die Zentralspindel ein kurzes Stäbchen, das ich in der Mitte der Plasmamasse beobachten konnte. Bei späteren Entwicklungsstadien streckt sie sich durch die ganze Plasmamasse aus (Fig. 4). An den beiden Emden konnte ich ein paar knospenförmige Verdickungen unterscheiden (Fig. 5: Zentral- spindel mit Kernplatte, mittels Chromsäurelösung isoliert). Bine faserige Struktur habe ich bei der Zentralspindel nicht wahrgenommen. Ihren Ursprung habe ich nicht studieren können. Es gelang mir nicht festzustellen. ob sie vor er Karyokinese schon anwesend war und von außen her in den Kern drang, wie Lauterborn und Karsten bei Diatomeen gefunden haben. Die Quantität des Materials, über welches ich verfügte, reichte nicht aus zur Lösung dieser Fragen. Um die Zentralspindel zieht das Kerngerüst sich zusammen. Auf diese Weise entstelit die Kernplatte, welche bei Eunotia ringförmig ist (Fig. 6: Kernplatte, mittels Chromsäurelösung isoliert, noch in horizon- taler Stellung Fig. 7: Kernplatte umgefallen). Der Ring teilt sich in zwei dünnere Ringe oder Kernplattenhälften (Fig. 8: Sich teilende Kernplatte. Fig. 9: Dieselbe umgefallen), die, während sie auseinander- weichen, über die Zentralspindet hinschieben (Fig. 10. Fig. 11: Kern- plattenhälften mit der Zentralspindel, mit Hilfe von Chromsäurelösung isoliert. Fig. 12: Kernplattenhälften nach Auflösung der Zentralspindel, ‚die eine noch in horizontaler Stellung, die andere ungefallen). Ich habe nicht, wie Lauterborn bei Surirella calcarata. konstatieren können, daß die Zentralspindel, während die Kernplatten- hälften auseinandergehen, sich bedeutend verlängert (Fig. 10 und 13). Vor der Teilung der Kernplatte (Fig. 4 und 5) fand ich für die Länge der Kernspindel 9 .. und, nachdem die Kernplattenhälften 5!/, « oder mehr auseinander gewichen waren (Fig. 10, 11 und 13), 11 x. Während und nach der Teilung der Kernplatte scheint die Zentralspindel sich also nur wenig zu verlängern. Die Kernplatten- hälften weichen so sehr auseinander, daß sie sich schließlich an den Enden «er Zentralspindel befinden. Gleichzeitig hiermit teilt sich die Plasmamasse, in welcher die Kernplattenhälften liegen, entzwei. So- wohl die ganze Plasmamasse als die beiden Teile schicken in ver- Die Kornteilung bei Ennotia major Rahenh. 371 schiedene Richtung in (lie Zelle Plasmastränge aus und anfangs sind auch die beiden Teile durch Plasmastränge miteinander verbunden. Die ganze Figur (Fig. 10) ist einer gewöhnlichen Kernspindel ähnlich; Spindelfasern habe ich jedoch nimmer unterscheiden können. Die primäre Scheidewand ist indessen zur Entwicklung gekommen; sie breitet sich allmählich aus und naht der Kernfigur. Die Plasma- verbindungen zwischen den Kernplattenhälften weichen nach der Zentral- spindel zurück (Fig. 13). Darauf wird diese durch (die Scheidewand entzwei geteilt und schließlich verschwindet sie. Die Tochterkerne geraten jetzt in der Nähe von der Scheidewand; darauf weichen sie wieder auseinander und kommen in die Nähe der Epitheca und Hypo- theea. Zuletzt erhalten sie eine Stelle in der Mitte der Tochterzellen. Bei der Entwicklung der ringförmigen Kernplattenhälften zu Tochterkernen ereignen sich dieselben Erscheinungen, wie bei der Bildung der Kernplatte aus dem ruhenden Kern, aber in umgekehrter Reihenfolge. Die Ringe zerteilen sich in Klümpchen (Fig. 14) oder kurze, fadenförmige Stücke, die durch Plasmafädehen verbunden sind. Die Zerteilung geht so weit, daß das Kerngerüst wieder dem eines ruhenden Kernes ähnlich ist. Die Kerne bekommen wieder eine scharfe Kontur, was gewiß mit der Bildung der Kernwand zusammenhängt. Auch erhalten sie wieder Nukleolen. Bei vollwüchsigen Kernen fand ich einen Nukleolus, bei unerwachsenen oft zwei. Wahrscheinlich fließen auch bei Eunotia die Nukleolen, welche in den Tochterkernen entstehen, zu einem Nukleolus zusammen. Die oben erwähnte primäre Scheidewand ist eine in verdünnter Chromsäurelösung leicht lösliche Lamelle. Die Kieselsäure enthaltenden Schalen kommen später zur Entwicklung. Das Charakteristischste der Kernteilung der Diatomeen ist die Erscheinung der Zentralspindel. Es kommt mir vor, daß die physio- logische Bedeutung dieses Körpers mehr oder weniger dieselbe ist. wie in anderen Fällen die der Kernspindel. Bei Spirogyra fand ich‘) auf Grund physiologischer Versuche, daß die Kern- spindel das Auseinanderweichen der Tochterkerne regelt und beför- dert. Bei Spirogyra wird die Kernspindel während des Auseinander- weichens der Tochterkerne weiter und länger. Bei Eunotia dagegen verlängert sich die Zentralspindel während des Auseinanderweichens der Kernplattenhälften nur wenig. Darum halte ich es für walrschein- I) Zur Physiologie der Spirogyrazelle (Beih. z. Bot. Zentralbl. 1908, Bd. XXIV, Abt, I, pag. 149). 272 C. van Wisselingh, lich, daß bei Eunotia die Zentralspindel nicht zunächst zur Beförderung des Auseinanderweichens der Kernplattenhälften dient, sondern zumal zur Regulierung dieses Prozesses, nämlich zur Bestimmung des Weges, den die Kernplattenhälften zurücklegen müssen. Wie bei Spirogyra müssen physiologische Experimente angestellt werden, um dieses zu beweisen. Ein Zentrosom habe ich bei Eunotia nicht gefunden. Ein der- artiges Organ ist bei einigen Diatomeen entdeckt worden; nämlich von Lauterborn?) bei Surirella und Pinnularia und von Karsten?) bei Surirella; bei anderen Diatomeen ist von Lauterborn ver- geblich nach demselben gesucht worden. Wie schon oben erwähnt, wurde das Material, das ich für die Untersuchung der Kerne von Eunotia benutzte, mitdem Flemming’schen Gemisch fixiert und nach genügender Härtung mit einer 20°/,igen Chromsäurelösung behandelt. Während dieser Behandlung verhielt das Kerngerüst und was aus demselben zur Entwicklung kommt sich wieder auf dieselbe Weise, wie bei anderen Pflanzen. Es leistete länger Wider- stand als das andere Plasma. Nach Auflösung des Cytoplasmas, der Kernwand und des Nukleolus lag das Kerngerüst schließlich ganz frei in der leeren Zelle. Untersuchte ich Zellen mit einer Kernplatte oder mit Kernplattenhälften, so leisteten diese wieder länger Widerstand als der übrige Zellinhalt; sie fielen dabei um und ich konnte dann deutlich einen oder zwei Ringe in den Zellen wahrnehmen (Fig. 6, 7 und 12). Bei mehr fortgeschrittenen Teilungsstadien kann man bei den umgefallenen Kernplatienhälften wahrnehmen, daß die Ringe sich in einige (ungefähr sechs) Klümpehen geteilt haben, die durch dünnere Teile miteinander verbunden sind (Fig. 14). Klebahn®) hat ähnliche Entwicklungsstadien untersucht und sich sehr viel Mühe gegeben die Tochterkerne auf mechanischem Wege in horizontale Stellung zu bringen, um sie auch in dieser Stellung untersuchen zu können, was ihm aber nur einmal gelang. Mit der Chromsäuremethode wird dasselbe ohne Mühe erreicht, was ein bedeutender Vorteil dieser Methode ist. Die Widerstandsfähigkeit der Zentralspindel Chromsäure gegen- über ist größer als die des Cytoplasmas (Fig. 5 und 11), aber weniger als die der Kernplatte oder der Kernplattenhälften. Die beiden Kern- plattenhälften bleiben also in der Chromsäurelösung noch während 1) le. pag. 54. 2) 1. e. pag. 253. 3) 1. e. pag. 615. Die Kernteilung bei Eunotia major Rahenh. 273 einiger Zeit durch die Zentralspindel miteinander verbunden, wenn das umgebende Plasma schon aufgelöst ist (Fig. 11). Wenn man die Chromsäure wegwäscht und die Präparate mit Brillantblau extra grün- lieh färbt, erhält man sehr lehrreiche Präparate. Von der Wand ist nur das Kieselgerüst übriggeblieben und von dem Inhalt das Kerm- gerüst, die Kernplatte oder die Kernplattenhälften wit oder ohne 7entralspindel, was von der mehr oder weniger starken Finwirkung der Chromsäure abhängt. Während das Kieselskelett durchaus nicht gefärbt wird, werden das Kerngerüst und die ringförmige Kernplatte und Kernplattenhälften schön blau gefärbt. Resultate. Bei Eunotia major teilt der Kern sich auf karyokinetischem oder mitotischem Wege, gleichwie bei anderen Diatomeen, wo es von Lauterborn und Karsten festgestellt ist. Bei Eunotia major erscheint auch eine Zentralspindel, ein Körper, der offenbar bei der Karyokinese eine bedeutende Rolle spielt und charakteristisch ist für die Kernteilung der Diatomeen, wie obengenannte Untersucher auch schon nachgewiesen haben. (ut entwickelte Chromosomen kommen bei Eunotia major nicht vor. Das Kerngerüst bildet kleine, kurze Körperchen unbestimmter Foru, welche sich um die Zentralspindel zu- sammenziehen und die ringförmige Kernplatte bilden, die sich in zwei tingförmige Kernplattenhälften teilt, die längs der Zentralspindel aus- einanderweichen und sich zu den Tochterkernen entwickeln. Was die Chromosomen betrifft, bemerke ich, daß meine Resultate mit denen von Klebalın und Karsten übereinstimmen, aber nicht mit denen von Lauterborn. Lauterborn fand bei Surirella calcarata und anderen Diatomeen sowohl im Mutterkern als in den Tochter- kernen lange, gut entwickelte Chromosomen, deren Zahl er bestimmen konnte (16 und mehr). Klebahn hat bei Rhopalodia gibba und Karsten bei Surirella saxonica derartige Chromosomen nicht wahrnehmen können, sondern ebenso wie ich bei Eunotia major, nur einige kurze, dieke Körperchen, deren Form verschieden und nicht genau anzudeuten und deren Zahl nicht zu bestimmen war. Hierbei muß man berücksichtigen, daß die verschiedenen Resultate bei ver- schiedenen Spezies erhalten sind. Groningen, Oktober 1912. Flora, Bd. 106. 15 274 Fig. 1 vie. 2 Fig. 3 Fig. 18. Fig. 14. €. van Wisselingh, Die Kernteilung bei Eunotia major Rabenh. Figurenerklärung zu Tafel X. Ruhender Kern. Ruhender Kern, während der Chromsäureeinwirkung umgefallen, Kernwand aufgelöst. Anfang der Karyokinese, das Kerngerüst fängt an sich zusammenzuziehen, umgefallener Kern, Kernwand aufgelöst. Plasmamasse mit der Zentralspindel und der ringförmigen Kernplatte. Kernplatte mit Zentralspindel, mittels Chromsäurelösung isoliert. Kernplatte, mittels Chromsäurelösung isoliert. Umgefallene Kernplatte. Sich teilende Kernplaite, mittels Chronisäure isoliert. Umgefallene sich teilende Kernplatte. Kernteilungsfigur nit der Zentralspindel und den beiden ringförmigen Kernplattenhälften. Zentralspindel mit den beiden Kernplattenhälften, mittels Chromsäure isoliert. Die Kernplattenhälften, mittels Chromsäure isoliert, die eine noch in horizontaler Stellung, die andere umgefallen. Die Kernplattenhälften in der Nähe von den Enden der Zentralspindel. Die Kernplattenhälften fangen, an sich zu Techterkernen zu entwickeln; die umgefallenen Ringe sind aus einigen zusammenhängenden Massen zusammengesetzt. Die atypische Embryonalentwicklung der Podo- stemaceen. Von Werser Magnus unter Mithilfe von Elisabeth Werner. (Mit Tafel XI--XIV und 414 Abbildungen im Text.) Die auffallenden vegetativen Organe der in tropischen Strom- schnellen lebenden Pordostemaceen haben besonders in den klassischen Intersuchungen Warming’s wiederholte und gründliche Bearbeitung in morphologischer und anatomischer Richtung gefunden. Ihre Biologie und zumal die Keimungsgeschichte der Samen wurde dann von Goebel und Willis klargelegt. Willis konnte sie auf Ceylon, in unmittelbarer Nähe seines Laboratoriums, im Royal Botanical Garden in Peradeniya bei Hakinda in den Stromschnellen des Mahaweli Ganga an meist leicht zugänglicher Stelle im Leben studieren. Dort finden sich sechs Arten, die fünf Gattungen angehören, in üppigster Entwicklung (Lawia zeylanica Tul., Podostemon subulatus Gardn., Dicraea stylosa Wight., D. elongata Tul., Hydrobrium olivaceum (Gardn.) Tul., Farmeria metz- gerioides (Trimen) Willis). — Hier kamen sie im Dezember 1908 bei meinem Aufenthalt in Peradeniya beim Sinken des Flusses im Anfang «ler trockenen Jahreszeit in Blüte. Dr. Willis machte mich in licbens- würdigster Weise darauf aufmerksam und zeigte mir die besten Stand- orte der einzelnen Arten. Da die Embryologie der Podostemaceen aus Cario’s und War- ming's Darstellungen nur lückenhaft bekannt war, sich aber annehmen ließ, daß Pflanzen, die so wesentlich in ihrem vegetativen Aufbau von der normalen Gestaltung abweichen, auch in ihrer generativen Sphäre interessante Abweichungen zeigen würden), entschloß ieh mich, ihre Blüten für eine embryologische Untersuchung zu konservieren. 1) Dies ließ sich auch aus einem Vortrag von Wettstein in der Gesell- schaft deutscher Naturforscher und Ärzte, Abteilung Botanik in Stuttgart 1906 über die Entwicklung der Samenanlagen und Befruchtung der Podostemaceen (ref. Naturw. Rundschau 1906, XXI, pag. 615) folgern. Die Arbeit ist Yisher nicht ver- öffentlicht worden, doch befindet sich die Originalabbildung einer Samenanlage von Apinagia Warmingiana in dem Handbuch der systematischen Botanik, 2. Aufl. 1911. 18* 276 Werner Magnus, Nach kursorischer mikroskopischer Untersuchung im Fremden- laboratorium in Peradeniya wurden die mir geeignet erscheinenden Entwicklungsstadien herauspräpariert und in Flemming’scher Lösung fixiert. Sie wurden nach 24 Stunden ausgewaschen und sukzessive in 70 °%/,igen Alkohol überführt, in dem sie aufbewahrt blieben. Anderes Material wurde in größeren Stücken in absolutem Alkohol konserviert. Das Sammeln und Präpieren geschah unter Mithilfe meiner Frau an drei Tagen: 12. 14. und 17. Dezember 1908. So konnte ich hoffen, die wesentlichsten Entwicklungsstadien gefunden zu haben. Ebe noch nach meiner Rückkehr mit einer Bearbeitung des Ma- terials begonnen werden konnte, bekam ich Kenntnis von der vor- läufigen Mitteilung von Went I über die Embryologie der Podostema- ceen, die über eine ganze Reihe von Besonderheiten in der Entwicklung der Samenanlagen berichten konnte. Da der Verfasser eine ausführ- liche Mitteilung versprach, wurde die Untersuchung meines Materials anfänglich mehr zur eigenen Orientierung vorgenommen. Die Resultate deckten sich in mancher Hinsicht mit der inzwischen erschienenen Arbeit Went’s II, die eine ausführliche Bestätigung und Erweiterung der Resultate der vorläufigen Mitteilung bringt. Dennoch glaubten wir, auch so genügend Grund zu haben, unsere Untersuchungen fort- zusetzen. Es ist dabei für uns maßgebend gewesen, daß Went für seine Untersuchungen nur in Alkohol konservierte Pflanzen verwenden konnte, während uns sorgfältig fixiertes Material zur Verfügung stand, las allein eine einwandsfreie Lösung mancher unsicherer und unklarer Punkte gestattet. Weiter sind aber die von Went untersuchten Formen der westindischen Podostemaceen ziemlich eng miteinander ver- wandt und repräsentieren eine bestimmte Gruppe der Familie, die Unterfamilie der Lacideae (Warming). Von den von uns untersuchten ostindischen Formen gehört hingegen eine, Lawia zeylanica, einer ziem- lich isoliert stehenden Gruppe der. Chlamydatae (Tristicheae [War- ming]) an, die wegen ihres ursprünglicheren Blütenbaues mit Blütenhülle als Ausgangspunkt der weiteren Entwicklung der Podostemaceen an- gesehen wird, während die anderen derjenigen Gruppe angehören (Eu- podostemeae [|Warming]), welche wohl die extremste Ausbildung in Jieser Entwicklungsreihe darstellen. Unter ihnen befindet sich dann noch eine Form, Farmeria metzgerioides, die durch Ausbildung von nur zwei Samenanlagen sich wesentlich von den übrigen Podostemaceen mit zahlreichen Samenanlagen unterscheidet. Dazu kommt, daß, wie be- kannt, die ostindischen Formen der Podostemaceen in ihrem vegetativen Aufbau besonders weit reduziert sind. — Die Untersuchung dieser Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceon. 277 Pflanzen muß also zusammen mit den von Went untersuchten darüber Aufschluß geben können, ob die Embryonalentwicklung in der ganzen Familie einheitlich oder auch in ihr etwa Entwieklungsreihen in «ler einen oder anderen Hinsicht vorliegen. Da auch die Mikrosporen- bildung bei den einzelnen Angehörigen der Familie nach Warming erhebliche Unterschiede aufweist, erscheint dies von vornherein sehr wohl möglich. — Auf Grund der gefundenen Tatsachen war dann auch die Möglichkeit gegeben, theoretische Erwägungen über die ökologische und pbylogenetische Bedeutung des von den normalen Dikotylen ab- weichenden Verhalten anzustellen, die auch für das Verständnis des normalen Embryosackes der Dikotylen nicht. bedeutungslos sein dürften. Spezieller Teil. I. Tristicheae. 1. Lawia zeylanica Tul. Den Angaben von Willis entsprechend wurde diese Pflanze am Rande sehr schnell fließender Wasseradern aufgefunden. Hier bedeckt sie als einzige Art oder öfters auch mit Hydrobrium olivaceum unter- mischt mit ihrem flechtenartigen, dem Substrat fest anliegenden Thallom glatte Felsen. Während einige geöffnete Blüten schon beim ersten Sammeln gefunden wurden, waren erst beim letzten Male größere Flächen der Pflanze durch das weitere Sinken des Wassers der Luft ausgesetzt und in voller Blüte. Am noch von Wasser bespritzten Uferrande oder noch ganz unter Wasser fanden sich die jüngeren Ent- wieklungsstadien. Reife Früchte wurden dementsprechend von dieser Spezies nicht aufgefunden, obgleich nach Willis schon eine Woche nach dem Aufblühen die Samen völlig gereift sind. Die Blüten der Gattung Lawia, ebenso die von Tristicha, mit der es die Untergruppe der Tristicheen bildet, besitzen einen radial symmetrischen Blütenbau ohne Andeutung von Zygomorphie. Sie sind klein und unansehnlich. Einem verwachsenblättrigen dreigespaltenen häutigen Perianth folgen drei, mit den Kelchzipfeln alternierende, in- trorse Staubblätter mit dem wieder die Karpelle des dreifächerigen Fruchtknoten abwechseln. Seiner dicken zentralen Plazenta, die jedoch nur die Mitte des Faches einnimmt, sitzen zahlreiche kleine anatrope Samenanlagen auf. Der Fruchtknoten trägt drei kurze papillöse Narben- lappen. — Die jüngsten zur Untersuchung gelangten Blütenknospen saßen an der noch vom Wasser bedeckten Pflanze. Sie stehen einzeln in fast allen Vegetationspunkten der Spitze resp. des Randes der 273 Werner Magnus, dorsiventralen, dem Boden fest anliegenden Aclıse, sehr selten inmitten der Spreite und sind von einer mit kleinen Blättchen bedeckten Kupula unıschlossen. Sie hatten Perianth, Staubfäden und Fruchtknoten völlig entwickelt. Da nach Willis noch in den ersten Wochen des Novembers an diesem Standort noch keine Spur von Blütenanlagen vorhanden ist, müssen sie sich während der Zeit des Hochwassers gebildet haben. Auch die Samenanlagen waren = zumeist schon ausdifferenziert und ließen nur in u u wenigen Blüten jüngere Entwicklungsstadien er- £ { j 2 kennen. Der terminale jugendliche Nuzellus der SNUTE 7 schon der Plazenta zugekehrt ist, besteht aus Fig. 1. Lavwia. einer zentralen Zellreile, die von einer einschich- Jugendliche Samen- tigen Hülle umgeben ist. Die E.M.Z.!) ist noch anlage. DA “ nicht deutlich zu unterscheiden. — Das äußere In- tegument hat sich schon entwickelt, während die Stelle, wo das innere Integument entsteht, durch eine Zellenhervorwöl- bung an der Basis «les Nuzellus zu erkennen ist (Fig. 1). In der jugendlichen Samenanlage ist Stärke nicht vorhanden, wenig in der sich verdickenden Plazenta, sehr reichlich in der Fruchtknotenwandung. — In diesem Entwieklungsstadium sind die einzelnen Pollenkörner in der geschlossenen Anthere schon mit der Pollenmembran umgeben. Sie sind noch ein- kernig und enthalten keine Stärke, die reich- lich in der Antherenwandung, wie im Staub- faden, enthalten ist. — Die Samenanlage ist in dem folgenden zur Beobachtung gelangten Entwieklungsstadium fast fertig entwickelt. — Ihr Bau entspricht in seinen Hauptzügen dem von Warming geschilderten typischen Bau bei den Poclostemaceen (Fig. 2). Ein äußeres zwei- bis dreischichtiges Integument ist mit dem inneren Integument nur mit wenigen Zellen Bir >. Lawia Stadium an der Chalaza verwachsen. Vom Funikulus der EMLZ. Vergr. ca.300. Nebt es sich überhaupt nicht ab und bildet mit ihm zusammen das enge Exostom der Mikro- pyle. Dieses führt direkt auf den oberen stark angeschwollenen Teil des Nuzellus, der aus dem inneren Integument weit herausragt. Das innere Integument besteht aus zwei Zellreihen. Seine Außenhaut ist rings etwas verdickt und deutlich schon in diesem Stadium kutinisiert. 1) EM.Z. = Embryosackmutterzelle. Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 279 Es umschließt den sehr langgestreckten unteren Teil des Nuzellus, «ler aus einer Zentralreihe von etwa fünf großen und langgestreckten Zellen besteht, die von einem einschichtigen Epithel gleichartiger Zellen um- geben werden, die, wie Querschnitte zeigen, aus sechs bis sieben Zell- reihen bestehen (Fig. 3). Sie besitzen große, ziemlich inhaltsarme Zell- kerne, einen dünnen Protoplasmaschlauch und nur ganz vereinzelte kleinkörnige Stärkekörner. Der zentralen Zellreihe des verschmälerten unteren Teiles des Nuzellus schließt sich unmittelbar der obere zwischen Exostom und Endostom liegende verbreiterte Teil an. Er enthält eine etwas in die Länge gestreckte sehr große Zentralzelle, die die Fort- setzung des mittleren Zellstranges des verschmälerten Teiles bildet. Durch ihren Plasmareichtum und großen Zellkern gibt sie sich als E.M.Z. zu erkennen. Von der sie umgebenden einschichtigen Zell- hülle sind die der Mikropyle zugekehrten Zellen auseinander gerückt und durch die wachsende E.M.Z. platt gedrückt (Taf. XT, Fig. 1). In diesem Entwieklungsstadium enthält («das er äußere Integument und der Funikulus sehr reichlich & Stärke; das innere Integument im wesentlichen in seiner Vig.3. Lawia. äußeren Schicht, während seine innere viel weniger Stadium der Pr A un: . R ; E.M.Z.,Quer- Stärkekörner aufweist. Die Plazenta, ebenso wie die „nit durch Fruchtknotenwandung ist mit Stärke prall gefüllt. — Nucellus und Die Pollenkörner in den Antheren, die ihren vegetativen on und generativen Zellkern in typischer Weise gebildet haben, Vergr. ca. 300. sind mit Stärke voll gepfropft, während sie aus dem An- therengewebe zu verschwinden beginnt. — Das erste Teilungsstadium der E.M.Z. zeigt die gewohnten Bilder einer heterotypischen Kern- teilung in der Anordnung der Chromosomen (Taf. XI, Fig. 2). Es wurden mit einiger Sicherheit an verschiedenen Spindeln 10 gezählt. Dies wäre also als die haploide Zahl der Chromosomen anzusehen. — Die aus der Teilung hervorgegangenen Kerne rücken an die entgegen- gesetzten Enden der E.M.Z., während sich die Protoplasten fast symmetrisch voneinander trennen (Taf. XI, Fig. 3). Die untere der beiden Zellen wächst heran, während die der Mikropyle zugekehrte mehr und mehr zusammengedrückt wird. Schließlich ist sie nur noch als eine sehr deutliche Kappe sichtbar (Taf. XI. Fig. 4). Da hier noch die Reste der degenerierten Zellen der Nuzellarhülle liegen, sieht es dann aus, als lägen zwei Kappen übereinander. Es darf also aus solchen Bildern nicht etwa auf eine doppelte Zellteilung der E.M.Z. geschlossen werden. Diese Kappe, die bis zur Fertigstellung des Embryosackes un- verändert bleibt, besitzt schließlich eine eigentümliche Struktur. Bei 280 Magnus Werner, Oberflächenansichten erscheint sie in dem gefärbten Präparat siebartig mit sich nicht färbenden Partien durchsetzt (Taf. XT, Fig. 7). Bei Längsschnitten sind diese Stellen oft als ein nach unten gezackter Rand erkennbar (Taf. XI, Fig. 5 u. 10). Gegen konzentrierte Schweiel- säure erweist sie sich sehr resistent. — Der Nuzellus ist jetzt vollkommen stärkefrei, sonst aber un- verändert. Aus der Fruchtknotenwandung beginnt die Stärke in der Richtung von innen nach außen und von oben nach unten zu ver- schwinden, so daß sie in der Nähe «der Narbenpapillen stärkefrei ist, weiter nach unten nur noch in den äußeren Schichten Stärke enthält, während am unteren Ende noch alle Zellen bis auf die innere Epidermis des Fruchtknotens mit Stärke gefüllt sind. Diese beginnt ihre stark in der Querrichtung gedehnten Zellen zu verdicken und zu kufinisieren und so zur Kapselwand umzuwandeln. Der Zellkern der unteren Zelle des Makrosporangiums teilt sich in zwei gleich große Kerne (Taf. XI, Fig. 5), zwischen beiden teilt sich der Protoplast nicht, doch sind die Andeutungen einer Zellplatte auf den Spindelfasern erkennbar. Während der untere Kern anfänglich un- verändert bleibt, wächst der obere heran (Taf. XI, Fig. 6). Er teilt sich, indem die Teilungsebene mehr oder weniger senkrecht zur Haupt- achse der Samenanlage steht (Taf. XI, Fig. 9). Hier konnten bei Quer- schnitten durch die Samenanlage die fast kugeligen Chromosomen mit ziemlicher Sicherheit zu 10 gezählt werden (Taf. XI, Fig. 8). Der untere Kern hat inzwischen an Größe abgenommen und sein Netzwerk sich zu stark färbbaren Körnern zusammengeballt. Zwischen ihm und den oberen Kernen des Embryosackes hat sich eine große Vakuole heraus- gebildet (Taf. XI, Fig. 10). Auch die beiden oberen Kerne können durch eine kleinere Vakuole auseinandergerückt werden (Taf. XI, Fig. 10). Beide Kerne teilen sich dann entweder gleichzeitig (Taf. XI, Fig. 11) oder indem die Teilung des einen vorausgeht. Jedoch steht stets die Spindel des an weitesten zur Mikropyle gelagerten Kernes senkrecht zur Hauptachse der Samenanlage, während die des anderen Kernes ihr fast genau parallel verläuft. also senkrecht zur anderen Spindel ge- richtet ist. Durch diese Teilung werden drei Kerne nach dem Mikro- pylenende geführt, während der vierte mehr nach dem Chalazaende zugekehrt liegt. Hier liegt außerdem noch der sich stark färbende Kern, der inzwischen weiter an Volumen verloren hat. Nunmehr zer- fällt das Protoplasma in vier Teilstücke (Taf. XI, Fig. 13). Die drei oberen Protoplasten liegen nebeneinander an der Mikropyle (Taf. XI, Fig. 13). Von ihnen besitzen zwei an der von der Mikropyle ab- Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 281 gewandten Seite unter dem Kern eine große Vakuole, während die «dritte keine deutliche Vakuole besitzt. Der vierte Protoplast enthält zwei Zellkerne, einen größeren, der durch eine Vakuole von dem sehr kleinen sich stark färbenden unteren Kern getrennt ist. Die nach Fertigstellung des Embryosackes befruchtungsfähig gewordene Samen- anlage hat inzwischen etwas an Größe zugenommen (Fig. 4). Die Zellen des inneren Integuments haben sich ziemlich stark gedehnt, stärker außen wie innen, so daß das ursprünglich gerade Integument etwas bogig verläuft. Seine ganze Außenhaut, also sowohl nach der Seite des äußeren Integuments wie nach innen zu, ist jetzt mit einer starken Kutikula bedeckt. Auch die Querwände, besonders der inneren Zellschicht, sind gegen konzentrierte Schwefelsäure sehr resistent. Ihr Protoplasma färbt sich stärker an. Der so entstandene erheblich ver- größerte Innenraum wird von den ge- dehnten Zellen des Nuzellus erfüllt, deren sehr dünne Wände aber noch deutlich zu erkennen sind. An sie legen sich die ganz dünnen Proto- plasmaschläuche eng an. Ihr großer Saftraum enthält keine festen In- haltsbestandteile und ihre Kerne sindsehr klein und inhaltsarn (Quer- fig. 5. Lawia. Be- schnittsbild (Fig. fruchtungsfähige Sa- 5, D Nuzel menanlage. Quer- d. er Nuzel- schnitt. Vergr.ca.300. lus ist so zum allergrößten Teil von der Kutikula des inneren Integuments um- schlossen und steht nur durch einige schmale plasmareiche Zellen mit größeren Zellkernen an der Chalaza mit der übrigen Samen- anlage in Verbindung. Auch diese Zellen sind stärkefrei, ebenso wie jetzt die ihr unmittelbar anstoßende Zellregion der Chalaza stärke- frei geworden ist. Nur die äußerste Zellschicht der Samenanlage ist auch hier mit Stärke gefüllt. Ebenso das ganze äußere und, wenn auch etwas weniger, das innere Integument und der Funikulus. Da auch die Plazenta mit Stärke angefüllt ist, fällt außer der stärkefreien Zone an der Chalaza noch eine eng umschriebene stärkefreie und plasma- reiche Zellschicht auf, die sich stets neben dem Embryosack vorfindet, die ganze Ansatzstelle des Funikulus an die Plazenta einnehmend. — Fig. 4. Lawia. Befruchtungsfähige Samenanlage. Vergr. ca. 300. 282 Werner Magnus, Auch die ganze Plazenta ist mit einer starken Kutikula überzogen, während sie sich auf dem Funikulus und dem äußeren Integument kaum nachweisen läßt. — Bemerkenswert erscheint eine Anomalie, die bei Lawia sehr selten auftritt, häufiger hingegen bei Farmeria. An manchen Samenanlagen, die einen längeren Funikulus besitzen, bleibt der erweiterte Teil des Nuzellus mit dem Embryosack nicht zwischen Endostom und Exostom, sondern schiebt sich weit aus der Mikropyle heraus. Dennoch sind die Zellen der äußeren Hülle in gleicher Weise degeneriert (Fig. 6). Es ist anzunehmen, daß die Erscheinung in ur- sächlichem Zusammenhang steht mit dem Abrücken der Mikropyle von der Plazenta, der sie sonst eng aufliegt. Ob aus einer solchen Samen- anlage ein normaler Samen entstehen kann, vermag ich nicht anzugeben. — Die reifen Samenanlagen finden sich in den Blüten, die auf den der Luft ausgesetzten Pflanzen unter Streckung des Blütenstieles gerade die schützende Hülle der Spatha durchbrechen. In diesen Blüten, die vom Periantlı noch eng umschlossen sind, sind in den Antheren die Pollenkörner vielfach ausgekeimt. Schon während der weiteren Blütenentwicklung innerhalb der Spatha hatten sie die anfänglich reichlich vorhandene Stärke verloren. Dann treiben sie aus zahlreichen, die Exine durch- setzenden Keimporen kurze Schläuche, die ihnen ieh . ein morgensternartiges Aussehen verleihen (Taf. Fig. 6. Lawia, Anor- ; * F male Samenanlage mit XI, Fig. 20a und 5). Einer von diesen aus demExostom heraus- Schläuchen hat in «den Antheren eine oft bis gewachsenen Nuzellus- ri Pr = kopf. Vergr. ca. 300. fünffache Länge des Pollenkornes erreicht und enthält meist zwei Kerne. Es handelt sich hier- bei sicherlich um autogan:e resp. kleistogame Anpassungserscheinungen. In der Tat kommen nach Willis bei Lawia an gewissen Standorten kleistogame Fruchtentwicklungszustände vor. — Die Befruchtung der normalen empfängnisfähigen Samenanlage verläuft folgendermaßen: Der Pollenschlauch, der auf der Oberseite der Plazenta entlang wächst, dringt von bier aus durch die ihr anliegende Mikropyle ein, wächst um die den Embryosack bedeckende Kappe herum und erreicht so den Embryosack. Eine der oberen Zellen, mit der der Pollenschlauch in Berührung tritt, nimmt sofort ein homogenes Aussehen an und speichert stark Farbstoffe. Es entsteht hierdurch ein für das Befruchtungs- stadium sehr charakteristischer hakenförmiger Schlauch (Taf. XI, Fig. 14)- Während eine weitere Veränderung noch nicht sichtbar wird, legen Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 283 sich in dem unteren Protoplasten «des Embryosacks die beiden Kerne aneinander und verschmelzen. Die Vorgänge in der homogen ge- wordenen Zelle lassen sich nicht genau feststellen. Ihr Kern scheint sich sehr bald aufzulösen, ebenso sind die Kerne des Pollenschlauches nicht sicher unterscheidbar. Sie liegen vermutlich an der Spitze des Schlauches in zwei Hervorwölbungen mit «dunklerem Inhalt. Denn wenn sie verschwunden sind, ist in dem Protoplasten, der ganz mit. Protoplasma erfüllten oberen Zelle ein neuer kleiner, sich anfangs stark färbender Kern sichtbar. Es ist die Eizelle, in die der männliche Kern eingedrungen ist (Taf. XI, Fig. 15). Die Vereinigung (dieser Kerne konnte in zahlreichen Bildern verfolgt werten (Taf. XI, Fig. 15, 16, 17). Der männliche Kern, der etwas an Volumen zugenommen Fig. 8. Fig. 7. Lawia. Befruchtete Samen- anlage. (Juerschnitt in der Höhe dex Endostoms. Vergr. ca. 625. Fig. Lawia. Befruchtete Samen- anlage, Querschnitt durch Nucellus und inneres Integument. Vergr. ca. 625. hat, plattet sich zu einer Kalotte amı größeren Kern ab (Taf. XI. Fig. 17). An der breiten Berührungsfläche findet die Vereinigung statt. Amch noch nach der Abrundung des Doppelkernes läßt sich die männliche Seite noch längere Zeit an dem dichten Chromatin- gerüst erkennen. Zu gleicher Zeit ist aber auch in den un- teren Protoplasten ein weiterer Kern eingetreten (Taf. XI, Fig. 15). Er verschmilzt mit dem vereinigten Kern, der dann seine Ent- stehung aus drei Teilstäcken deutlich erkennen läßt. Erst jetzt de- generiert die andere obere Zelle und wird durch die schnell heran- wachsende befruchtete Eizelle zusammengedrückt. — Bis zu dieser Zeit haben Veränderungen in der übrigen Samenanlage nicht stattgefunden. Nunmehr wächst das innere Integument unter dem befruchteten Embryo- 984 Werner Magnus, sack etwas weiter nach innen aus, indem es den dem Embryosack unmittel- bar angrenzenden verschmälerten Teil des Nuzellus weiter zusammen- preßt (Taf. XI, Fig. 18), dessen Zellen dabei unter Dunkelfärbung des 7ellkernes degenerieren. Gleichzeitig hat sich die die Verengung be- grenzende innere Membran des Integuments stärker verdickt und weiter kutinisiert (Querschnitt Fig. 7). Die weiter nach unten gelegenen Nuzellarzellen sind womöglich noch plasmaärmer geworden, ebenso ihre Kerne noch inhaltsärmer, Ihre Wände sind, wie sich gut aus Quer- schnitten verfolgen läßt, äußerst «dünn aber noch deutlich erhalten (Fig. 8. Die das Nuzellargewebe nach unten fortsetzenden ver- schmälerten Zellen haben ihre Wände stärker verdickt und kutinisiert, während gleichzeitig ihre Kerne in Degeneration begriffen sind (Fig. 9). Da, wie wir oben sahen, auch die ganze Außenwand des inneren Integuments stark kutinisiert ist, ist jetzt das ganze Gewebe der großen wasserreichen Zellen des Nuzellus nach allen Seiten von den übrigen lebenden Zellen abgeschlossen. Jetzt, wäh- rend die ersten Teilungen des Embryo ein- setzten, beginnen sich die dünnen Wände aufzulösen und schließlich ist der ganze Nuzellarraum erfüllt von der aus dem Zell- saft stammenden Flüssigkeit, in der keine Spur von Zellkern oder Protoplasma nach- Fir. 9. Lawin Befruchtete gewiesen werden kann. Samenanlage, Querschnittdurch Die erste Teilungsebene der stark Hypostase. Vergr. ca. 625. vergrößerten befruchteten Bizelle steht senk- recht zur Samenanlage (Taf. XI, Fig. 18). Im Zellkern des unteren Protoplasten des Embryosackes finden keine Teilungen statt. Vielmehr wird er durch den heranwachsenden Embryo nach der Chalazaseite des Embryo gedrängt und hier schließlich zu einer sich stark färbenden Kalotte zusammengepreßt (Taf. XI, Fig. 19). Der Kern der obersten Embryozelle teilt sich nochmals und scheidet eine schmälere Zelle nach dem Chalazaende zu ab. Sie dehnt sich stark aus und führt die untere Zelle zwischen den auseinander getrie- benen Zellen in das sich auflösende Nuzellargewebe hinein (Taf. XI, Fig. 20). II. Eupodostemeae. Alle Podostemaceen der ostindischen Flora, «ie nicht den mehr oder weniger ursprünglichen Charakter der Tristicheae zeigen, gehören der in ihrer vegetativen Entwicklung am weitesten von dem normalen dikotylen Typus abweichenden Gruppe der Eupodostemeae an, unter Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 285 denen sie wiederum die am weitesten abweichenden Formen darstellen. Von ihnen besitzen die Gattungen Podostemon, Dieraea und Hydrobrium einen so ähnlichen Blütenbau, daß sie lange Zeit in einer Gattung ver- einigt wurden, während Farmeria durch die Reduktion der Anzalıl der Samenanlagen auf zwei stärker abweicht. Die Blüte ist bis zu ihrer vollständigen Ausbildung in einer festen Hülle (Spatha) eingeschlossen. Wird durch Sinken des Wasser- spiegels die Blütenknospe der Luft ausgesetzt, so wird die Spatha durch den sich streckenden Blütenstiel und die aufblühende Blüte unregel- mäßig zerrissen. Die Blüte ist perianthlos, abgesehen von zwei fast haarartigen Gebilden, die zu beiden Seiten des gemeinsamen Antheren- stieles stehen. Dieser befindet sich auf der dem Thallus zugekehrten Seite der Blüte inseriert und trägt auf kurzen Teilfilamenten zwei An- theren. — Der Fruchtknoten besteht aus zwei Karpellen mit dünnen Septen und dicker axiler Plazenta, der zahlreiche kleine anatrope Samenanlagen inseriert sind. 2. Podostemon subulatus Gardn. Die durch ihre langen, im Wasser flutenden, falenförmigen Blätter auffallenden Pflanzen wurzeln, wie Willis mit Recht hervorhebt, nur in dem ruhigeren Wasser der seitlichen Ausbuchtungen der Strom- schnellen. Werden sie beim Sinken des Wasserspiegels der Luft aus- gesetzt, vertrocknen die der stark verkürzten Achse aufsitzenden Blätter und die zwischen ihnen stehenden Blüten durchbrechen die Spatha und blühen auf. Die jüngsten zur Untersuchung gelangten Blüten, die noch völlig unter Wasser liegen, haben innerhalb der Spatha schon ihre wesentliche Entwicklung erfahren. Immerhin war die Samenanlage nur als wenig differenzierter Höcker auf der anfänglich nur schwach verdickten Pla- zenta sichtbar und in den Theken fanden sich die verschiedenen Ent- wicklungsstadien des sporogenen Gewebes. Dies gab die erwünschte Gelegenheit, die Bildung der für die meisten Podostemaceen so charak- teristischen zu zweien vereinigten Pollenkörner (Taf. XIII, Fig. 42) zu untersuchen. Pollenentwicklung. Trotz der Bemerkung Warming’s, daß solche Bildungen bei Wasserpflanzen häufig sind, wurde in der Literatur kein anderer nor- maler Fall aufgefunden, in dem zwei Teilkörner aneinanderhaften. während von Wille einige solche Fälle als Abnormitäten geschildert sind. Stets werden sonst die zusammengesetzten Pollenkörner von 286 Werner Magnus, wenigstens vier Teilkörnern gebildet, die der aus der Pollenmutterzelle hervorgegangenen Tetrade entsprechen. Da nun, wie wir schon bei Lawia sahen, eine so wesentliche Abweichung resp. Reduktion von der normalen Teilung des dikotylen Einhryosackes vorliegt, lag der Gedanke nahe, ob nicht auch bei der Pollenbildung aus der Pollenmutterzelle solche Reduktionen auftreten möchten und ob etwa das aus zwei Teil- körnern bestehende Pollenkorn direkt aus der Pollenmutterzelle hervor- gehe. — Die dicht aneinandergedrängten Pollenmutterzellen besitzen einen großen Kern, der vielfach das für reifende Geschlechtszellen charakteristische Stadium der Chromosomenverlagerung aufweist (Taf. XIIL, Fig. 37). Von einer Teilung wurde nur das Endstadium in der Bildung der Tochterkerne beobachtet (Taf. XIII. Fig. 38). Das Plasma teilt sich in zwei Protoplasten (Taf. NIIE, Fig. 39). Diese beiden Hälften (der Pollenmutterzelle sind sehr häufig zu beob- achten. Jeder Protoplast enthält zuerst nur einen großen, im Ruhe- stadium befindlichen Kern. Doch konnten in ihnen auch deutliche Kernteilungsfiguren, besonders auch typische Kernspindeln, beobachtet werden (Taf. XIIL, Fig. 39). Für die Trennung der Protoplasten und Bildung der Pollenkörner gaben Präparate von Hydrobrium sehr instruktive Bilder, die deshalb gleich an dieser Stelle beschrieben werden sollen (Taf. XII, Fig. 40a u. d). Auf Freihandschnitten durch in Flemming'scher Flüssigkeit fixiertem Material, die in Choralhydrat etwas aufgehellt wurden, liegen die vier aus einer Pollenmutterzelle hervorgegangenen Teilprotoplasten noch zu- sammen. Die aus dem letzten Teilungsschritt hervorgegangenen trennen sich nun nieht wie bei der gewohnten Pollenbildung, sondern umgeben sich mit einer gemeinsamen Membran und bilden so das zusammen- gesetzte Pollenkorn (Taf. XII, Fig. 40 a u. 5). Es besteht also kein Zweifel, daß auch bei der Bildung des zusammengesetzten Pollens dieser Podo- stemaceen normale Tetradenbildung eintritt. In der Tat ist, nachdem Strasburger auch für Asclepias die Bildung der Tetraden nachgewiesen hat, kein Fall bekannt, wo sie bei der Pollenkörnerbildung unter- bleibt. — Die frei in der Anthere liegenden Pollenkörner enthalten anfänglich nur einen Kern und füllen sich reichlich mit Stärkekörnern (Taf. XII, Fig. 41). Ihre Exine besitzt keine deutlichen Keimporen und ist mit feinen Wärzchen besetzt. Noch vor der Ausbildung des Embryosackes ist die der Pollenkörner beendet, sie haben ihre Stärke wiederum ver- loren und nach einer Kernteilung hat sich die generative Zelle abge- sondert (Taf. XIII. Fig. 42). Bemerkenswert ist die Berührungswand beider Pollenkörner. Sie ist besetzt mit Tüpfeln, die besonders am Rand Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 287 dichtgedrängt stehen (Taf. XIII, Fig. 43). Sie dienen augenscheinlich dazu, einen Stoffaustausch zwischen den Körnern zu erleichtern. — Wie schon Warming beobachtet hat, sind beide Teilkörner fähig, Pollen- schläuche zu treiben, und wurden so auch von mir auf den Narben aufgefunden und auch auf Fließpapier, das mit Flußwasser ohne Zucker- zusatz befeuchtet war, zum Auskeimen gebracht. Sehr häufig sieht man aber auch, daß nur eines, (das den Narbenpapillen unmittelbar an- liegende Pollenkorn, gekeimt ist. So erscheint es zweckmäßig, daß in diesem Falle «las keimende Korn durch die Poren hindurch imstande ist, von dem nicht keimenden Nahrung zu beziehen. Entwicklung der Samenanlage. In den jungen Entwicklungsstadien der Samenanlage, die nach den undifferenzierten Plazentarhöckern zur Beobachtung gelangten, sind schon alle wesentlichen Teile deutlich erkennbar (Fig. 10; Taf. XII, Fig. 21 u. 22). Das dickere äußere Inte- gument ist über dem Nuzellus ge- wölbt, ohne sich noch zum Exostom zusammenzuschließen, während das innere Integument erst am Grunde des Nuzellus hervorsprießt. Der Nu- zellus besteht aus einer zentralen Zellreihe, die von einem einschich- tigen Zellmantel umschlossen wird. Die oberste Zelle der Zentralreihe ist stärker vergrößert und reichlich mit Plasma angefüllt. In ihrem Kern lassen sich alle für die Sporenmutter- Kig. 10. Podostumen. Tugendliche zelle charakteristischen Veränderungen "Samenanlage. Vergr. ca. 5W. erkennen. Die Zusammenziehung des Chromatins an einer Seite der Kernwandung (Taf. XII, Fig. 21), die Ausbildung eines feinen Kernfadens, in denen vielfach zwei Windungen dicht nebeneinander liegen (Taf. XII, Fig. 22). Schließlich die Wieder- ausbreitung eines einheitlichen Kernfadens durch den ganzen Kern. Auch am Plasma treten nach der Mikropyle zu eigentümliche, für dieses Stadium häufiger beschriebene plasmatische Strukturen auf, die hier am besten mit Spiralen oder Locken verglichen werden können (Taf. XII, Fig. 22). Die an die E.M.Z. nach unten anschließen- den Zellen der 7entralreihe des Nuzellus (Fig. 10) sind. tafelförnig ’ 288 Werner Magnus, ebenso wie die sie umgebenden Zellen der äußeren Hülle. Durch Dehnung dieses Teilungsgewebes findet die erhebliche Längsstreckung des Nuzellus statt, die in der unmittelbar an der E.M.Z. anstoßenden Zellregion beginnt (Fig. 11) und sich bald weiter nach unten fortsetzt (Fig. 12). Von Lawia unterscheidet sich jetzt die Samenanlage dadurch deutlich, daß über der E.M.Z. die Nuzellarhülle nicht degeneriert, sondern sie lückenlos umschließt und so bis zur Befruchtung erhalten bleibt. (Fig. 11; Taf. XII, Fig. 30). Auch in der Verteilung der Stärke ist ein Unter- schied bemerkenswert. Neben den Integumenten, von denen das innere nur relativ wenige feinkörnige Stärke enthält, enthält hier auch die ganze Fig. 11. Podostemon. Stadium der Fig. 12. Podostemon. Stadium der ge- E.M.7. Vergr. ca. 400. teilten E.M.Z. Vergr. ca. 400. zentrale Zellreihe des Nuzellus anfangs reichlich ziemlich feinkörnige Stärke (Taf. XII, Fig. 24), während die Außenzellschicht ganz stärke- frei ist. Nur in der die E.M.Z. umhüllenden Schicht treten ein- zelne Stärkekörner auf. — Ganz wie bei Lawia ist auch bier die Außenhaut des inneren Integuments schon deutlich kutinisiert. Die erste Teilung der E.M.Z verläuft nach dem gewohnten heterotypen Schema. Die Chromosomen zu zählen, gelang nicht, da sie sehr eng aneinander kleben (Taf. XII, Fie.23). Die scharf zugespitzteSpindel erstreckt sich bis fast an die Hautschicht. Individualisierte Zentrosomen treten nicht auf, Die aus der Teilung resultierenden Zellen sind anfänglich gleich- Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 989 groß mit gleichgroßem Kern (Taf. XII, Fig. 24). Bald wächst die untere heran, während gleichzeitig die oberean Volumen abnimmt und der Kern sich unter stärkerer Farbspeicherung verkleinert (Taf. XII, Fig. 25). Schließ- lich wird die ganze Zelle als eine sich stark färbende Kappe am oberen Ende abgelagert (Taf. XII, Fig. 26). Die folgende Zellteilung zu beobachten gelang nicht, nur «lie aus der Teilung hervorgegangenen, sich schon abrundenden Kerne, wurden gesehen, die noch durch einige Spindelfasern miteinander verbunden sind (Taf. XII, Fig. 27). Sie liegen an der oberen und der unteren Seite der Zelle. Eine Protoplasmateilung findet nicht statt. Beide Kerne sind ganz gleich groß und der untere läßt auch in der Folge keinerlei Degenerationserscheinungen. wie wir sie bei Lawia sahen, erkennen. — Etwa in diesem Stadium, etwas früher oder später, hat sich die oberste. den Embryosack unmittelbar anstoßende Zelle der Zentralreihe «des Nuzellus wesentlich ge- streckt, ebenso wie die sie umhüllenden Zellen, während die nach dem Chalazaende zu gelegenen kaum gewachsen sind. Gleichzeitig ist die Stärke der zentralen Zellreihe fast verschwunden, wäh- rend die umhüllenden Zellen jetzt wenige Stärke- körner enthalten. Alle Zellen sind sehr plasma- arm und besitzen große Zellkerne, die aber sehr arm an färbbarer Substanz sind (Fig. 13; Taf. XII, Fig. 27). Auch die Zellwände sind sehr dünn, aber deutlich zu erkennen. — Nunmehr teilen sich beide Kerne im Embryosack gleich- Fig. 13. Podostemon. zeitig, wie sich aus dem zur Beobachtung ge- Stadium des zweikerni- langten gleichzeitigen Knäuelstadium beider Kerne 5% unbeyonckon. ergibt (Taf. XII, Fig. 28). - Die aus der Teilung hervorgegangenen vier Kerne liegen so in der Zelle, daß die zwei der Mikropyle zugekehrten nebeneinander, die der Chalaza zugekehrten untereinander liegen (Taf. XII, Fig. 29. Die Teilungsspindel des oberen Kerns stand also senkrecht zur Achse der Samenanlage, die des unteren ihr parallel. Sehr bald findet eine Ab- grenzung der Protoplasten statt, die bei der durch die Fixierung ver- ursachten Plasmolyse sich scharf voneinander ablösen (Taf. XII, Fig.30). Auf diese Weise ist der zur Befruchtung fertige Embryosack gebildet. In den beiden oberen Zellen treten meist sehr deutliche, von der Kappe ausgehende Streifungen auf, die an den Fadenapparat in den Syner- giden einiger anderer Dikotylen erinnern. — Die Ausbildung des Eınhryo- Flora, Ba. 106, 19 290 Werner Magnus, sackes unterscheidet sich also von der von Lawia dadurch, daß die der Kappenbildung folgende Teilung bei Lawia einen bald degenerieren- den Kern entstehen läßt, während er bei Podostemon erhalten bleibt und teilungsfähig ist. Während aber bei Lawia nunmehr der obere Kern eine zweimalige Teilung erfährt, so daß aus ihm vier Kerne ent- stehen, teilt er sich bei Podostemon nur einmal zu zwei Kernen, während der untere gleichfalls zwei Kerne ausbildet. Bei Lawia liegen im reifen Embryosack drei Protoplasten an der Mikropylenseite, von denen einer der Eikern ist und darunter ein weiterer Protoplast mit einem größeren und einem in Degeneration begriffenen Kern. Bei Podostemon liegen an der Mikropylenseite nur zwei Protoplasten. Der darunter liegende Fig. 14. Podostemon. Befruchtungs- Fig. 15. Podostemon. Junger Embryo. fühige Samenanlage. Vergr. ca. 180. Vergr. ca. 625. ist das Ei, während an der Chalazaseite ein einkerniger Protoplast liegt. — Während dieser Zeit haben sich die Zellwände des inneren In- tegument noch stärker kutinisiert. Ebenso sind die Wände der zwischen ihnen gelegenen schmalen Zellen der Chalaza stark kutinisiert. Alle diese Zellwände färben sich mit Kalilauge gelb und sind gegen kon- zentrierte Schwefelsäure sehr resistent. Holzreaktion geben sie nicht. — Der von ihnen umsehlossene bisher von den vergrößerten Nuzellar- zellen eingenommene Raum ist jetzt nicht mehr durch Zellwände ge- kammert. Er enthält von festen Bestandteilen nur sehr geringe Reste des Protoplasma der aufgelösten Zellen und deren Zellkerne, welche noch größer und ärmer an färbbarer Substanz geworden sind (Fig. 14). Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 291 Wärend ganz wie bei Lawia auch hier neben dem Embryosack im Funikulus eine stärkefreie Zone sich von den sonst mit Stärke er- füllten Integumenten und der Plazenta abhebt, sind nur die sich kutini- sierenden schmalen Zellen der Chalaza stets stärkefrei, während die angrenzenden bei Lawia stärkefreien Zellen, wie die übrigen Zellen des Integuments Stärke enthalten. Zur Befruchtung muß sicli der Pollenschlauch seinen Weg zwischen den Zellen der den Embryosack umhüllenden Nuzellarschicht bahnen (Taf. XII, Fig. 31), die von einer deutlichen Cuticula bedeckt ist. Bei seinem Eindringen in den Embryosack degenerieren beide oberen Zellen und es werden im Protoplasma zwei kleine Kerne sichtbar, von denen einer mit dem Eikern verschmilzt (Taf. XII, Fig. 31—33). Öfters treten in dem verschmolzenen Kern eigentümliche Chromatinballungen auf (Taf. XII, Fig. 34). Eine Verschmelzung mit dem Zellkern des unteren Protoplasten konnte nicht beobachtet werden. Diese Zelle wird, während die befruchtete Eizelle heranwächst, mehr und mehr zusammengepreßt (Taf. XII, Fig. 32) und degeneriert zuletzt (Taf. XI, Fig. 33). Dann teilt sich der befruchtete Eikern (Taf. XII, Fig. 85). Auch bei dieser Spindel konnte nicht mit Sicherheit die Zahl der Chromosomen festgestellt werden, die aber auf etwa 20 Doppelehromosomen geschätzt werden kann. Von den so entstehenden zwei Zellen des Embryo verlängert sich die untere in den mit wässe- riger Flüssigkeit erfüllten Hohlraum (Taf. XII, Fig. 36). Dieser ist nicht wie bei Lawia durch die gegeneinander wachsenden Integumente noch weiter vom oberen Teil des Nuzellus getrennt worden. Immerhin hat der Proembryo augenscheinlich einen gewissen Widerstand der tren- nenden Wand zu überwinden. Denn öfters dringt er zuerst mit einem Fortsatz an der Seite ein, wobei auch noch jetzt die degenerierte un- terste Zelle des Embryosackes als sich dunkel färbende Kappe vor- handen ist (Taf. XIT, Fig. 36). Bei der weiteren Entwicklung des Embryos wächst die oberste Zelle stark heran, indem sie unter Auflösung der äußeren Nuzellar- hülle den Raum des ganzen oberen Teiles des Nuzellus ausfüllt. Sie enthält stets zwei Kerne. Ihr schließt sich an eine schmale Zelle und der langgestreckte Embryoträger, der an seiner Spitze die Embryonalkugel trägt (Fig. 15). Während der: Embryo so seine erste Teilung im unteren Hohlraum erfährt, sind hier die letzten Reste fester Inhaltsbestand- teile, Kern und Protoplasma, vollständig verschwunden. — Der Embryo schwimmt also in einem mit Flüssigkeit gefüllten Holl- raum. der rings durch Cuticula von der übrigen Samenanlage ge- 19* 292 Werner Magnus, trennt ist. — Für die weitere Entwicklung stand mir Material nicht zur Verfügung. 3. Dieraea elongata Tul. Die stielrunden Thalli dieser Pflanze fluten oft mehrere Dezi- meter lang an ziemlich schnell fließenden Stellen. Sie sind mit kleinen Blättern berleekt und tragen an dem (dem Substrat zugekehrten Ende reichlich Blütenknospen. Je nachdem die einzelnen Teile des Thallus der Luft ausgesetzt sind, blühen die Blüten auf, so daß an einem Thallus- stück sich ziemlich alle Entwicklungsstadien befinden können. Die Spezies zeigte sehr junge Entwicklungsstadien der Blüte; in ihnen erscheinen die jungen Samenanlagen als leicht gekrümmte Hervor- wölbungen der Plazenta. die aus einer zentralen Zeilreihe und der einschichtigen Hülle bestehen (Fig. 16), Während dann aus der der Fig. 16. Dieraea. Embryo- Fig.17. Dieraea. Jugend- Fig. 18. Dieraes. Jugend- nalhöcker der Samenanlage. licheSamenanlage. Vergr. liche Samenanlage (etwas Vergr. ca. 400. ca. 400. älter). Vergr.,ca. 400. Raphe abgewandten Seite das äußere Integument hervorwächst, treten in der einschichtigen Zellhülle des Nuzellus Zellteilungen auf (Fig. 17). An der dem äußeren Integument unmittelbar anschließenden Zone ent- wickelt sich das innere Integument (Fig. 18). Eine weitere Schicht tafelförmiger Zellen entsteht durch wiederholte Zellteilung in der Zone unterhalb der obersten sich stark vergrößernden Zelle der zentralen Zellreihe, der E.M. Z., und bildet die Streckungszone des Nuzellus (Fig. 19). Nuzellus, ebenso wie das innere Integument, sind zu dieser Zeit ganz stärkefrei, während das äußere Integument, ebenso wie Pla- zenta und Fruchtknotenwand mit Stärke angefüllt sind. Die fertig ausgebildeten Pollenkörner mit vegetativrem und generativem Zellkern sind stärkefrei. Hingegen enthält die Antherenwand etwas, der Staub- faden reichlich Stärke. Die der E.M.Z. unmittelbar anstoßende Zelle der Zentralreibe des Nuzellus dehnt sich sehr halıl (Fig. 20), wobei die Zellen der Hüll- Die atypiscke Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 293 schicht stark zusammengerrückt werden. — Gleichzeitig hat sich die E.M.Z. stark gestreckt. Sehr deutlich sind in ihrem oberen und wnteren Teile Protoplasmaballungen, wie sie schon für Podostemon beschrieben wurden. — Zwischen diesem Entwicklungsstadiun und dem reifen Embryosack konnten nicht alle Zwischenstadien aufgefunden werden. immerhin genügend, um die Entstehung der Zellteilungen im reifen Embryosack mit Sicherheit feststellen zu können. — In dem jüngsten dieser Entwicklungsstadien liegt am mikropylen Ende des Embryosackes eine kappenförmige Zelle mit homogenen Inhalt. Ihr schließt sich eine große Zelle mit großem Zellkern an, der am Chalazaende eine kleinere Zelle mit kleinerem Zellkern folgt (Taf. XIII, Fig. 44). Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß ganz wie bei Podostemon sich zuerst die obere Zelle aus der E.M.Z. abge- trennt hat, während die untere Zelle das Produkt eines zweiten Teilungs- schrittes ist. Bei dem nächsten Stadium sehen wir die obere Zelle zu einer kleinen dunkel ge- färbten Kappe reduziert, während in der darunter liegenden Zelle eine Kern- teilung erfolgt ist, bei Fig. 19. der die Kernspindel in Fig. 19. Dieraea. Jugendliche Samenanlage (noch der Ri ä _ älter). Vergr. ca. 500. 7 Richtung der Längs Fig. 20. Dieraea. Kaadiumn der E.M.Z. Vergr. ca. achse der Samenanlage 500. liegt. Die Kerne sind . . noch durch Spindelfasern miteinander verbunden (Taf. XIIL. Fig. 46). Während nunmehr die obere Kappe bis zu einem ganz kleinen dunkel gefärbten Gebilde zusammenschrumpft, hat sich der Protoplast zwischen den beiden Kernen geteilt, so daß jetzt drei Protoplasten im Embryo- sack übereinander liegen. von denen die beiden obersten einen gleich- großen Zellkern, der unterste einen kleineren Kern besitzt (Taf. XL, Fig. 47). Nunmehr teilt sich auch der untere kleinere Kern (Tat. XII, Fig. 49, Querschnittsbilder des Embryosackes) und es kann eine Trennung der Protoplasten stattfinden (Taf. XIIL, Fig. 48 u. 50). Diese Protoplasten können entweder genau nebeneinander liegen (Taf. XII, Fig. 48) oder etwas schräg nach der Längsachse des Embryosackes verschoben 294 Werner Magnus, sein (Taf. XIII, Fig. 50). Ihre Kerne sind ausgezeichnet durch den Besitz sich stark färbender Chromatinballen. — Die Entwicklung der übrigen Samen- anlage verläuft folgendermaßen: Schon während der ersten Teilung der E.M.Z. haben sich die zwischen dem inneren Integument gelegenen Zellwände der Zellen des Nuzellus aufgelöst. Der so entstandene Hohlraum ist mit dem Protoplasma und den Zellkernen dieser Zellen erfüllt (Fig. 21). Diese Zellkerne liegen öfters in dichten Klumpen geballt (Taf. XIII, Fig. 45). Direkte oder indirekte Kernteilungen kommen aber nicht vor. Die Kerne färben sich anfangs ziemlich stark mit Anilinfarbe (Taf. XIII, Fig. 45), werden aber bald inhaltsärmer (Fig. 22). Weder in dem den Hohlraum erfüllenden Protoplasma ist Stärke vorhanden, noch enthielten die Nuzellarzellen zu irgendeiner Zeit Fig. 22. Fig. 21. Dieraea. Stadium der geteilten E.M.Z. Vergr. ea, 350. Fig.22. Dieraea. Stadium der geteilten E.M.Z- u Querschnitt durch Nuzellarhöhle und inneres Fig. 21. Integument. Vergr. ca. 625. Stärke, ebensowenig wie die sie nach der Chalaza begrenzenden Zellen. Alle übrigen Zellen des äußeren und inneren Integuments ebenso wie die der Plazenta sind mit Stärke gefüllt. Auch die Fruchtknotenwand ent- hält reichlich Stärke, bis auf die innerste Zellreihe, die schon groß und kutinisiert sich zur Fruchtschale umbildet. Die Außenhaut des inneren Integuments ist sehon deutlich kutinisiert. Während der weiteren Ausbildung des Embryosackes wächst die Samenanlage beträchtlich heran, wobei gleichzeitig der Hohlraum an Länge und Breite erheblich zunimmt (Fig. 23). Die Samenanlagen mit fertigem Embryosack enthalten in ihm nur noch wenige Reste vom Protoplasma mit schwach färbbaren Zellkernen. Die ihn an der Cha- laza begrenzenden unteren Zellen sind jetzt stark verdickt und ku- Die atypische Embryonatentwieklung der Podostemaceen. 205 tinisiert (Fig. 23°, wie sich auch deutlich auf Querschnittsbildern er- kennen läßt (Fig. 24), Da auch die Wände des inneren Integuments stark kutinisiert sind, ist der innere Hohlraum schon jetzt von den Zellen der übrigen Samenanlage abgeschlossen. Unmittelbar nach der Befruchtung sind im noch etwas vergrößerten Hohlraum auch die letzten Reste von Protoplasma und Zellkern verschwunden (Fig. 25). — Während also der Bau der übrigen Samenanlage dem der bisher beschriebenen Podostemaceen im wesentlichen gleicht und nur in der Entwicklungs- folge Unterschiede aufweist, unterscheidet sich der fertige Eimbryosack sehr wesentlich von den bisher beschriebenen. Denn bei Dicraea folgt unterhalb der noch völlig erhaltenen umhüllenden Zellschicht des Nu- Yig.423. Dieraea. Befruchtungs- Fig.24. Dieraea. Befruch- Fig. 25. Dieraea. fähige Samenanlage. Vergr. ca. tungsfähige Samenanlage. Befruchtete Sa- . Querschnitt durch Hypo- menanlage. Vergr. stase. Vergr. ca. 375, ea. 150. zellus auf den geringen Rest einer kappenförmigen Zelle ein mit dichtem Protoplasma gefüllter Protoplast mit einem großen fast ho- mogen erscheinenden Kern, weiter ein Protoplast mit großen Kern mit deutlicherem Chromatinnetz; sein Protoplasma ist stark vakuolig. Auf den Chromatinreichtum der Kerne, der sich nach unten an- schließenden kleinen Protoplasten, die sich vielleicht nicht immer zu trennen brauchen, wurde schon hingewiesen. In den Hunderten zur Untersuchung gelangten reifen Samenanlagen wurde der Embryosack stets in genau gleicher Anordnung der Zellen angetroffen. Der Unterschied zu Podostemon liegt hauptsächlich darin, daß hier die Spindel bei der Teilung des oberen Zellkernes in der Achse der 296 Werner Magnus, Samenanlage liegt, während die des unteren Kernes senkrecht zu ihr steht, während bei Pocdostemon gerade umgekehrt die Kernspindel des oberen Zellkernes senkrecht zur Achse der Samenanlage und die des unteren ihr parallel steht. Noch größer ist aber der Unterschied, wenn wir die Herkunft des Eikernes in Betracht ziehen. Während bei Podo- stemon der Eikern aus der Kernteilung des unteren Kernes hervor- geht, geht er bei Dieraea aus der Kernteilung des oberen Zellkernes hervor. — Wie nämlich die folgenden Entwicklungsstadien zeigen, ist der Eikern der untere aus (der Teilung des oberen hervorgegangene Kern. Im reifen Embryosack ist also die Eizelle der zwischen dem oberen großen und den unteren kleinen Protoplasten gelegene Proto- plast. — Nachdem der Pollenschlauch durch die Zellhülle der Spitze des Nuzellus sich hindurch gezwängt hat, degeneriert die obere Zelle und Fig. 26. Dieraea. Zweizelliger Embryo. Fig. 27. Dieraea. Junger Embryo. Vergr. 375. Vergr. 375. die befruchtete Eizelle wächst stark heran. Die beiden unteren Zellen sind noch deutlich an ihrer Basis zu erkennen (Taf. XIII, Fig. 51). Auch am zweizelligen Embryo läßt sich noch der Pollenschlauch, die degenerierte obere Zelle und (die Reste der unteren Zellen erkennen, die wie eine Hülle die Spitze des jungen Embryo umgeben (Fig. 26). Die nächsten Stadien der Embryonalentwicklung decken sich mit der für Podostemon beschriebenen. Die Stelle der degenerierenden Nu- zellarkappe nimmt jetzt die große Trägerzelle ein, die stets zwei große dicht aneinander liegende Kerne enthält. Sie hat seitliche Hervor- wölbungen getrieben. mit denen sie sich in das Gewebe des äußeren Integuments und des Funikulus hinein zu zwängen beginnt (Fig. 27)- Ihr folgen zwei ungleich lange Zellen des Embryoträgers, denen sich die noch ungeteilte Embryonalkugel anschließt. — Während nun Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemareen. 297 die Embryonalkugel sich teilt und weiterhin der entstehende Embryo den vorgebildeten Hohlraum zwischen dem Integument ausfüllt, hat die obere große Zelle mit ihren beiden großen Zeilkernen zahlreiche lange fadenförmige Fortsätze seitlich in das Gewebe des äußeren Integument. und des Funikulus hineingesendet. Sie verlaufen fast genau in der Längs- richtung der Samenanlage nach der Chalaza zu, so daß sie das ganze innere Integument umspinnen. Auf Mikrotomschnitten lassen sich nur die Anfänge der Fortsätze erkennen (Taf. XII, Fig. 52). Bei vorsich- tiger Präparation des Alkoholmaterials in konzentrierter wässeriger Kali- lauge gelingt es aber, die ganze Zelle frei zu bekommen. Sie hat quallenförmige Gestalt (Taf. XIII. Fig. 54). Die Zahl der Arme schwankt zwischen 8 und 10. Die Fertigstellung des Samens erfolgt durch Umbildung der äußeren Zellschicht des äußeren Integuments in eine Schleimschicht. Es quillt zu diesem Zwecke die äußere Zellhaut in das Innere der Zellen vor und drückt das Lumen mit seinen wenigen Stärkekörnern halbmondförmig zusammen (Taf. XIII, Fig. 52). Bei der Quellung werden in dieser Schicht radiär zur Außenseite verlaufende Poren sichtbar (Taf. XIII, Fig. 532), die, von der Oberfläche gesehen, wie runde Tüpfel erscheinen (Taf. XII, Fig. 53@). Unmittelbar über der Haustorialzelle an der Mikropylenseite unterbleibt ihre Bildung oder ist wenigstens sehr gering (Taf. XIII, Fig. 52). Die inneren Zellen des äußeren Integuments werden zusammengedrückt durch die etwas vergrößerte und stark verdickte äußere Zellschicht des inneren Integu- ments, die sich auch dem Embryoträger fest anlegt Sie enthält noch immer etwas Stärke, ebenso wie die innere Schicht, die im reifen Samen meist auch zerdrückt ist. 4. Hydrobrium olivaceum (Garden.), Tul. Wie Willis eingehend in der Lebensbeschreibung der Podostema- ceen ausführt, werden die den Felsen eng anliegenden und sie fast lückenlos überdeckenden Thallome der Pflanzen an den Rändern sehr schnell strömender Adern «der Stromschnellen gefunden. — Wohl bei keiner Form läßt sich so deutlich die Abhängigkeit des Aufblühens vom Sinken des Wasserspiegels und der damit verbundene Übergang zum Luftleben erkennen. Während an dem vom Wasser überfluteten Teil die Blüten noch von der schützenden Spatha umschlossen sind, entfalten sich die kurz gestielten Blüten dicht daneben an den Stellen, welche vom Wasser nicht mehr erreicht werden. Vielleicht nur wenige Zentimeter weiter vom Wasserrand entfernt, stehen die reifen Früchte. 298 Werner Magnus, die nicht größer sind als die Fruchtknoten der cben entfalteten Blüte. — $o konnte auch leicht Material von fast allen wesentlichen Ent- wicklungsstadien eingesammelt werden. Dennoch bereitete die Unter- suchung auf Mikrotomschnitten durch den sehr spröden Fruchtknoten ziemliche Schwierigkeiten. — Die junge hakenförmige Samenanlage besteht genau wie bei den übrigen Podostemaceen aus einer, von einer einschichtigen Hülle umschlossenen zentralen Zellreihe (Fig. 28). Ihr Bau läßt sich auch auf Querschnitten gut verfolgen, die senkrecht zur Krümmung verlaufen und so die zentrale Zellreihe mit den umhällenden Zellen zweimal durchschneiden (Fig. 29). Das innere Integument wölbt sich ziemlich weit oben an dem jugendlichen Nuzellus hervor, zu einer Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Fig. 28. Ilydrobrium. Embryonalhöcker der Samenanlage. Vergr. ca. 375. Fig. 29. Hydrobrium. Embryonalhöcker der Samenanlage. Querschnitt. Vergr.ca.375. Fig. 30. Hydrobrium. ‚Jugendliche Samenanlage. Vergr. ca. 300. Fig. 31. Hydrobrium. Jugendliche Samenanlage (etwas älter). Vergr. ca. 300. Zeit, wo (las äußere Integument eben fertig gebildet ist ‚Fig. 30). Sonst gleicht «die jugendliche Samenanlage mit der E.M.Z. durchaus der der übrigen Podostemaceen (Fig. 31). Auch hier beginnt dann die der E.M.Z. unmittelbar anschließende Zelle der zentralen Zellreihe sich zu strecken, ebenso wie die sie umgebenden Zellen der Nuzellarhülle, während gleichzeitig die E.M.Z. sich dehnt. Ehe noch aber in ihr irgendwelche Teilungen sichtbar werden, beginnen bereits die gestreekten Zellen nebst einigen benachbarten ihre Zellwände aufzulösen (Fig.32;, Taf. XIV, Fig.55). Ihre, wie ein Qnerschnitts- biid zeigt (Fig. 33), anfangs noch getrennten Protoplasten enthalten sehr. Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 299 chromatinreiche Zeilkerne. Sehr bald aber vereinigen sie sich zu einer einheitlichen Protoplasmamasse, indem sich ibre Kerne in der Mitte des sich beim weiteren Wachstum der Samenanlage vergrößernden Hohlraumes zu einem Klumpen zusammenballen (Fig. 34). Hier bleiben sie auch während des weiteren Wachstums des Hohlraumes liegen, indem sie entweder fest aneinander gepreßt einen fast traubenartigen Körper bilden (Taf. XIV, Fig. 61) oder mehr oder weniger lose durcli Plasma miteinander verbunden sind (Taf. XIV, Fig. 60). Irgendwelche auf Kerntei- lung schließende Bilder wurden nie beobachtet. — Zur Bildung des Embryo- sackes scheidet die E.M.Z. eine bald kappenartig degenerierende Zelle Fig. 32. Hydrobrium. Stadium der E.M.Z. Vergr. - ca. 800. Fig. 33. Hydrobrium. Stadium der E.M.4. Vergr. ca. 800. Fig. 34. Hydrobrium. Stadium der zweikernigen E.M.Z. Vergr. ca. 275. Fig. 32. nach dem Mikropylenende ab und teilt sich dann parallel zur Längsachse der Samenanlage (Taf. XIV, Fig. 56). Zwischen den beiden Kernen findet eine Protoplastenteilung nicht statt. Sie rücken an beide Seiten des sich weiter verlängernden Embryosackes und teilen sich dort noch einmal (Taf. XIV, Fig. 57). Diese so entstandenen vier Kerne liegen anfänglich im ungeteilten Protoplasma. Seine Teilung in einzelne Protoplasten findet dann so statt, daß die beiden am Mikropylenende liegenden Kerne an Volumen abnehmen und ihre getrennten Protoplasten mehr oder weniger halbmondförmig um den darunter liegenden Protoplasten mit großem Zellkern gruppieren (Taf. XIV, Fig.58). Diesen schließt sich nach unten ein 300 Werner Magnus, kleiner Protoplast mit sehr stark verkleinertem Zellkern mit starkem Chromatingehalt an. Der stark vergrößerte Hohlraum ist zu dieser Zeit noch ziemlich reichlich mit Protoplasma erfüllt und auch der Kernballen besteht aus chromatinreichen Kernen (Fig. 35). Bei der Befruchtung konnte nur die Vereinigung eines männlichen Kernes mit ılem Eikern beobachtet werden (Taf. XIV, Fig. 62). Auch hier beginnt die Fmbryonalentwicklung in gewohnter Weise mit der Bildung einer Haustorialzelle mit zwei Zellkernen. Bald entwickeln sich seitliche Fortsätze, die in das Gewebe des äußeren Integuments und des Nuzellus eindringen (Fig. 36). In den reifen Samen, deren Samenschalenstruktur der von Dieraea durchaus gleicht, lassen sich in konzentrierter Kali- lauge die Spuren dieser Haustorienarme von der degenerierten Zelle bis weit über die Mitte des Samens nach der Cha- laza zu verfolgen. 5. Farmeria metzgerioides (Trimen), Willis. Wie Willis mit Recht hervorhebt, sind die Stellen, wo Farmeria im Mahaweli - Ganga gefunden wird, sehr charakteri- stisch. Sie wer- den meist nicht ‚ direkt von den ig. 35. Hydrobrium. Be- fruchtungsfähige Samenanlage. Sonnenstrablen Fig.36. Hydrobrium. Junger Vergr. ea. 275. getroffen, sondern Embryo. Vergr. ca. 550. sind durch über- hängende Steine oder Uferpflanzen beschattet. Die Blüte gleicht in ihrer Gestalt im ganzen «dem der übrigen untersuchten ostindischen Eupodostemeen, doch wird nur ein Staubfaden gebildet. Sie bleibt zum größten Teil in der Spatha eingeschlossen und nur Griffel- und Staubfäden sehen hervor. — Wesentlich weicht der Bau des Frucht- knotens von dem anderer Podostemaceen ab. Statt zahlreicher Samen- anlagen euthält er nur zwei, die links und rechts an der Basis der mächtigen Plazenta in dem oberen Fach des zweifächerigen Frucht- knotens inseriert sind. Das dem Substrat zugekehrte Fach ist ganz reduziert und nach dem Griffelende zu verschoben. Die Samenanlagen Die atypische EmbryonalentwickIung der Podostemaceen. 301 sind sehr groß. Sie übertreffen in ihrer Länge die von Podostemon um fast das Doppelte. — Nur eine einzige Blüte enthielt jüngere Stadien der Embryosackentwicklung. In beiden Samenanlagen befand sich am Mikropylende eine Kappe von zwei zusammengefallenen Zellen (Taf. XIV. Fig. 63 u. 64). Der primäre Kern des einen Embryosackes war ungeteilt, während sich der andere soeben parallel der Längsrichtung der Samen- anlage geteilt hatte (Taf. XIV, Fig. 64). Sonst gelangten nur reife Samen- anlagen zur Beobachtung. Ihr äußeres Integument, das ebenso wie die Plazenta mit Stärke vollgepfropft ist, ist besonders mächtig ent- wickelt. Es ist vielschichtig. während es bei den übrigen Porostema- ceen zwei- bis dreischichtig ist. — Sehr auffallend ist auch der große Unterschied der einzelnen Zellen und Zellkerne zu dem der anderen Podostemaceen, während die Größe der den Embryosack umgebenden Nuzellarküllzel- len in radialer Ausdehnung bei Hydrobrium ca. 6 u beträgt, erreicht sie hier eine Größe von ca. 12 u. Dem- entsprechend ist auch die Größe des Embryosackes, seiner Zellen und Zellkerne. Der Embryosack gleicht sonst sehr demjenigen von Hydro- brium (Taf. XIV, Fig. 65). Auch hier folgen unter einem Fig. 37. Farmeris. Befruchtungsfähige Samen- Kappenrest zwei _Proto- anlage. Vergr. en. 150. Plasten mit kleineren Zell- kernen, die, wie die manchmal noch sichtbaren verbindenden Spindel- fasern zeigen, aus einer Zelle hervorgegangen sind. Sie umschließen mehr oder weniger halbmondförmig einen Protoplasten mit sehr großem Zellkern. An diesen schließt sich wiederum ein kleinerer Protoplast mit ziemlich kleinem Zellkern an. Doch ist dieser Protoplast lange nicht so reduziert wie der entsprechende bei Hydrobrium. — Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Entwicklung in gleicher Weise wie dort erfolgt ist. -- Der sich an ılen Embryosack anschließende Hohl- raum enthält nicht gar zu reichlich Protoplasma, und durch den ganzen 302 Werner Magnus. Raum zerstreut, meist in Gruppen zu zwei oder drei vereinigte sehr große aber ziemlich chromatinarme Zellkerne (Fig. 57 u. 38). Der Hohlraum ist ganz. stärkefrei, ebenso die unmittelbar anstoßenden Zellen an der Chalaza- region, während noch zwei weitere anstoßende Zellschichten sehr kleine Stärkekörner enthalten. Stärkefrei ist auch hier wieder die Stelle, wo ‚ter Funikulus der Plazenta ansetzt. — Die den Hohlraum begrenzende -Wand des inneren Integuments, ebenso wie deren äußere Haut ist mit einer starken Cuticula bedeckt, die stärker ist als z. B. die den Fruchtknoten an der Außenseite überziehende. — Die großen Zellen, der inneren Zellschicht des inneren Integuments sind zum größten Teil mit einer schleimigen Substanz erfüllt, (lie die Reaktionen des „Zellu- Fig. 38. Fig. 38. Befruchtungsfähige Samenanlage. Querschnitt durch Nuzellarhöhle und inneres Integument. Vergr. , ca. 150. Fig. 39. Farıneria. Befruch- tete Samenanlage. Vergr. ca. 150. Fig. 40. Farmeria. Befruch- tete Samenanlage. Quer- schnitt. Vergr. ca. 150. Fig. 41. Farmeria. Samen- anlage mit abgestorbenen Sexnalzellen. Querschnitt durch die auswachsenden Yellen des inneren Integu- ments, Vergr. ca. 150. Fig. 40. loseschleims* zeigt. Stärke liegt in diesen Zellen hauptsächlich der inneren Zellwand an. — Die Fruchtknotenwand ist ganz stärkefrei. Die Embryonalentwicklung erfolgt genau wie bei den übrigen Podo- stemaceen. Die Entstehung des Doppelkerns in der großen Haustorialzelle (Taf. XIV, Fig. 66) konnte durch die Beobachtung einer Teilungsfigur fest- gestellt werden. Die Kernteilung verläuft in normaler Weise nur wird die Wand zwischen den Zellkernen nicht ausgebildet (Taf. XIV, Fig. 67). Nach der Befruchtung wächst «die Samenanlage noch erheblich heran (Fig. 39 und 40) und es lassen sich jetzt nur noch Reste des Proto- plasmas und der noch substanzärmer gewordenen Zellkerne nachweisen. — Auffallend viele Samenanlagen waren unbefruchtet und ihre Embryo- Die atypische Embryonalentwicklung der Podastemaceen. 303 säcke in Degeneration begriffen. In diesen Fällen wachsen die Zellen des inneren Integuments in «len Hohlraum hinein (Fig. 41). Die den Hohlraum nach der Chalaza begrenzenden Zellen entlialten sehr große, sich tief färbende fast homogene Kerne und reichliches Protoplasma. Sie haben etwas verdickte Wände, sind aber noch nicht kutinisiert, wie zu dieser Zeit die entsprechenden Zellen der anderen Podostemaceen, aber auch nicht nachweisbar verholzt. — Reife Früchte konnte ich nicht auffinden. — Nach Willis bleiben die Samen im Fruchtknoten innerhalb der Spatlıa, wo sie unter Durchbrechung derselben auskeimen. Allgemeiner Teil. L Vergleichende Ernbryologie der Podostemaccen. Die Embryonalentwicklung der Podostemaceen scheint auf den ersten Blick eine recht gleichförmige zu sein, während sie sich in sehr wesentlichen Punkten von der der anderen Angiospermen unterscheidet. Im einzelnen ergeben sich aber in den untersuchten Formen mannig fache Unterschiede, so laß eine vergleichende Übersicht zugleich unter Berücksichtigung der für die Unterfamilie der Lacideae von Went gefundenen Resultate zu ihrem Verständnis beitragen dürfte. Die erste Entwicklung der Samenanlage ist in ihren wesentlichen Zügen schon von Warming erkannt und von Went für Oenone Imthurni genau beschrieben worden. Sie verläuft für alle Podostemaceen sehr ähnlich. Die erste Anlage der Samenanlage besteht aus einer zentralen Zell- reihe, die von einer einschichtigen Hülle umgeben wird (Fig. 16). Durch eine hakenförmige Krümmung scheidet sich Raphe und Nuzellus (Fig. 28). An seiner Basis differenziert sich das äußere zwei- bis dreischichtige Integument (Fig. 17). Gleichzeitig treten nahe der Basis des jugendlichen Nuzellus etwas schräg verlaufende Teilungs- wände auf. Sie wölben sich hervor und differenzieren sich zu dem inneren Integument. -- Ein deutlicher Unterschied macht sieh hier in der zeitlichen Entwieklungsfolge zwischen den einzelnen Arten geltend. Während sich bei Lawia (Fig. 1) das innere Integument schon kurz nach der Anlage «les äußeren bildet und nach der von Cario ge- gebenen Abbildung für Tristicha hypnoides ihre Bildung fast gleich- zeitig erfolgt, hat bei Dicraea (Fig. 18) das äußere Integument schon fast den Gipfel des Nuzellus erreicht, ehe sich das innere Integument hervor- wölbt und bei Hydrobrium (Fig. 30) hat sich das äußere Integument schon zur Mikropyle zusammengeschlossen, wenn das innere Integument sieh noch nicht gebillet hat. Oenone Imthurni scheint nach Wents Dar- 304 Werner Magnus. stellung in diesem Verhalten zwischen Lawia und Dicraea zu stehen. — Die oberste Zelle der zentralen Zellreihe des Nuzellus vergrößert sich jetzt stark unter gleichzeitiger Kernvergrößerung und Plasma- ansammlung und wandelt sich so zur E.M.Z. um. Ihrera Wachstum in die Breite folgend. schwillt das vordere Ende des Nuzelius knopf- förmig an (Fig. 19). Gleichzeitig teilen sich in dem darunter liegenden verschmälerten Teil des Nuzellus, der von dem jugendlichen inneren Integument umschlossen wird, die der E.M.Z. zunächstliegenden Zellen (Fig. 1 u. 18). Sie bilden die Wachstumszone des Nuzellus. — Jetzt wächst die Samenanlage erheblich in die Länge, wobei das äußere und das innere Integument und der Nuzellus stark gedehnt werden. Das innere Integument bleibt dabei stets unterhalb der knopfartigen Verdickung, so daß diese zwischen äußerem und innerem Integument liegen bleibt (Fig. 2 u. 31). — Das innere Integument ist schon sehr früh sowohl an seiner Innen- wie Außenseite mit einer deutlichen Cuticula über- zogen, während Nuzellus und änßeres Integument keine nachweisbare Cuticula besitzen. — Die in der knopfförmigen Verdiekung liegende stark vergrößerte E. M.Z. weist alle für eine solche charakteristischen Ver- änderungen auf: Zusammenziehung des Chromatin an einer Seite (Taf. XU, Fig. 21), Verdoppelung des Chromatinfadens (Taf. XII, Fig. 22), ebenso im Plasma eigentünlich lockenförmige Strukturen (Taf. XII, Fig. 22). Bei Lawia werden die Zellen der die E.M.Z. umgebenden Hülle an der Spitze früh degeneriert, so daß die E.M.Z. unmittelbar an das Ge- webe des Funikulus anstößt (Fig. 2; Taf. XI, Fig. 1). Bei allen übrigen untersuchten Formen bleibt die Hülle bis nach der Befruchtung er- halten. — Größere Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Formen weist der verschmälerte Teil des Nuzellus auf. Bei Lawia dehnen sich die Zellen der zentralen Reihe und der umhüllenden Schichten gleichmäßig in die Länge und stehen in der fertigen Samen- anlage zu 4 bis 5 übereinander (Fig. 2 u. 2. Bei Podosteımon dehnt sich stärker nur die oberste dem Embryo- sack unmittelbar anstoßende Zelle, während die unteren bald im Wachs- tum stehen bleiben (Fig. 13). Bis zur Fertigstellung des Embıyosackes resp. bis zum beendeten Größenwachstum der Samenanlage bleiben diese Zellen, deren Plasma mehr und mehr verschwindet, erhalten und lösen sieh erst dann auf. Bei Dieraea und Hydrobrium dehnt sich ausschließlich die oberste dem Embryosack unmittelbar anstoßende Zelle sowohl der zen- tralen wie der umhüllenden Zellreihe (Fig. 20 und 31). Ehe aber noch das erste Längenwachstum «er Samenanlage beendet ist, haben Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 305 sich die Wände dieser Zellen und der ihnen benachbarten auf. gelöst (Fig. 32; Taf. XIV, Fig. 55) und die freigewordenen Proto- plasten verschmelzen bald zu einer einheitlichen Protoplasmamasse (Fig. 34), in der die Zellkerne der aufgelösten Zellen enthalten sind. Sie erfüllt einen Hohlraum, der an der Seite begrenzt wird von der Cuticula des inneren Integuments, am oberen Ende von der E.M.Z. resp. der sie umgebenden Hülle, nach unten zu, also an der Chalaza, durch etwas langgestrekte Zellen mit ziemlich großen Kernen und reich- lichem Protoplasma. Durch weiteres Wachstum der Samenanlage wird dieser Hohlraum in die Länge gestreckt. Dabei nimmt er bei Dicraea an Protoplasma erheblich ab und die Zellkerne werden chromatinärmer (Fig. 23), während bei Hydrobrium noch im reichlichen Protoplasma stark färbbare Kerne liegen, die sich in der Mitte des Hohlraumes zu einem Klumpen zusammenballen (Fig. 35; Taf. XIV, Fig. 60 u. 61), Oenone Imthurni und Mourera fluviatilis dürften sich nach Went’s Darstellung im ganzen ebenso verhalten, wenn auch Went die Frage offen läßt, ob etwa mehrere übereinander liegende gedehnte Zellen bei der Bildung des Hohlraums mitwirken. — Für die Teilung der E.M.Z. ist es charakteristisch, daß der fertige Embryosack kaum größer ist als die ursprüngliche E.M.Z. In allen Fällen teilt sich ihr Kern mit einer Spindel, die in der Richtung der Samenanlage steht (Taf. XI, Fig. 2 und Taf. XII, Fig. 23). Die Teilung ist eine heterotypische; nur für Lawia konnten die Chromosomen- paare mit einiger Sicherheit als 10 gezählt werden (Taf. XI, Fig. 2). Der obere der beiden sich bildenden Protoplasten verkleinert sich und rückt immer weiter an das Mikropylenende (Taf. XI, Fig. 3 und Taf. XI, Fig. 25), wo er sich schließlich zu einer Kappe umformt (Taf. XI, Fig. 4 und Taf. XII, Fig. 26). Diese ist recht umfangreich bei Lawia und späterhin von eigentümlicher Struktur. Sie ist wie von poren- artigen verdünnten Stellen durchsetzt (Taf. XI, Fig. 7), die ihr auf dem Querschnitt ein zackiges Aussehen verleihen (Taf. XI, Fig. 10). Ziem- lich groß ist diese Kappe noch bei Podostemon (Taf. XII, Fig. 30), etwas kleiner bei Farmeria (Taf. XIV, Fig. 63 u. 64), während sie bei Dieraea (Taf. XII, Fig. 50) und besonders Hydrobrium (Taf. XIV, Fig. 59) ein im fertigen Embryosack noch gerade nachweisbares dunkel gefärbtes rundliches Gebilde darstellt. Oenone und Mourera verhalten sich nach Went hierin etwa wie Lawia. —- In dieser Zelle kann nach Went eine weitere Kernteilung eintreten. Dementsprechend wurden bei Farmeria zwei Kappenzellen beobachtet, bei allen übrigen Arten jedoch niemals eine Kern- oder Zellteilung. Flora, Bd. 106. 20 306 Werner Magnus, Bei allen Podostemaceen folgt eine weitere Teilung der unteren Zeile in gleicher Richtung (Taf. XI, Fig. 5, Taf. XII, Fig. 27 und Taf. XIV, Fig. 56). — Weiterhin treten nun nacheinander so viele Verschiedenheiten in den Teilungen und dem Verhalten der Kerne und Protoplasten auf, daß schließlich die fertigen Embryosäcke eigentlich für jede einzelne Art sehr charakteristisch, untereinan- der aber recht verschieden sind. — In dem weiteren Verhalten der beiden zuerst gebildeten Zellen steht Lawia und ebenso Oenone und Mourera im Gegensatz zu den übrigen Arten. Während bei jenen die untere Zelle sich sehr schnell verkleinert und nicht weiter teilungsfäbig ist, geht sie bei den anderen Formen noch eine weitere Teilung ein. Während aber bei ersteren die obere Zelle noch zwei weitere Teilungen erfährt, teilt sie sich bei den letzteren nur noch einmal. Es wird nun der weitere Vergleich verschieden ausfallen, je nachdem man die aus dem zweiten Teilungsschritt der E.M.Z. hervor- gegangenen Kerne in allen Embryosäcken als identisch ansieht oder annimmt, daß die beiden Kerne in der letzteren Gruppe dem ersten weiteren Teilungsschritt des oberen Kernes der ersteren Gruppe ent- sprechen. — Im ersteren Falle können eigentlich nur die Glieder der ersten Gruppe unter sich verglichen werden, nämlich Lawia und die von Went untersuchten Lacideae, die sich nach ihm in dieser Beziehung alle gleich verhalten. Bei Lawia teilt sich der am Mikropylenende der Samenanlage gelegene Kern zuerst so, daß seine Spindel mehr oder weniger senkrecht zur Längsrichtung des Nuzellus steht (Taf. XI, Fig. 8 und 9). Eine Protoplastenabgrenzung findet nicht statt. Einer der Kerne wird dann weiter nach dem unteren Ende des Embryosackes hingeführt (Taf. XI, Fig. 10). Bei der folgenden zumeist gleichzeitigen Teilung dieser Kerne (Taf. XI, Fig. 11) scheinen die Kernspindeln stets mehr oder weniger senkrecht zueinander zu stehen, indem die des oberen Kernes senk- recht zur Längsachse des Embryosackes, die des unteren ihr parallel verläuft. Die so entstandenen Kerne liegen anfänglich frei im Proto- plasma (Taf. XI, Fig. 12). Bei Mourera fluviatilis und vermutlich in gleicher Weise bei den übrigen von Went untersuchten Lacideae teilt sich der obere Kern stets mit einer Spindel in der Richtung der Längsachse der Samenanlage. Bei der folgenden Kernteilung stand, wie sich aus der Lage der Tochterkerne schließen läßt, gleichfalls die Spindel des oberen Kernes senkrecht zur Längsachse des Embryosackes, die untere ihr parallel. Während bei der ersten Kernteilung eine Trennung der Protoplasten nicht erfolgt, glaubt Went annehmen zu dürfen, daß beim zweiten Teilungsschritt der Kernteilung unmittelbar eine Teilung der Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 307 Protoplasten folgt. In dem nunmehr fertigen Embryosack liegen daher zwei Protoplasten nebeneinander an der Mikropyle und zwei darunter hintereinander gelagert. Von ihnen ist der obere ziemlich groß, der untere sehr klein mit kleinem Zellkern und enthält außerdem noch den letzten Rest des degenerierten Kernes vom zweiten Teilungsschritt der E.M.Z. — Bei Lawia hingegen rücken von den vier anfänglich frei im Protoplasma liegenden Zellkernen drei an das Mikropylenende und erst jetzt findet eine Protoplastensonderung statt (Taf. XI, Fig. 13). Unterhalb der drei an der Mikropyle gelegenen Zellen liegt eine große vierte Zelle, welche außer einem normalen Kern gleichfalls den kleinen stark degenerierten Kern des zweiten Teilungsschrittes der E.M.Z. enthält. Zwischen dem Schicksai dieses Kernes bestehen also zwischen Lawia und den Lacideae keine Unterschiede. — Wie sich aus der weiteren Entwicklung ergibt, ist bei Lawia eine der drei am Mikropylenende gelegenen Zellen die Eizelle, so daß im Anschluß an die gewohnten Verhältnisse im normalen Embryosack die beiden anderen neben ihr liegenden Zeilen als Synergiden anzusprechen sind, während der vierte der gleichen Kerntetrade angehörende Kern dann als oberer Embryosackkern zu bezeichnen wäre. — Bei den Went- schen Laeideae ist die Zelle, die unterhalb der beiden der Mikropyle anliegenden liegt, die Eizelle. So steht auch Went nicht an, diese beiden Zellen als Synergiden zu bezeichnen und dementsprechend den unter der Eizelle liegenden verkleinerten Kern als oberen Polkern an- zusehen. — Sieht man dann, was zunächst liegt und auch von Went geschehen ist, den degenerierten Kern des Chalazaendes als nicht weiter geteilten Kern des Antipodenapparates an, so wird der Hauptunterschied zwischen den fertigen Embryosäcken von Lawia und der Lacideae darin liegen, daß sich das obere Ende des Embryosackes bei Lawia von dem eines normalen weder durch Bildung noch Anordnung unterscheidet, abgesehen vielleicht davon, daß eine etwas deutlichere Trennung der Protoplasten stattfindet, während bei den Lacideae sich hierin einige Abweichungen ergeben; nämlich in der Richtung der Spindel beim ersten Teilungs- schritt der Kerntetrade, in der dem zweiten Teilungsschritt folgenden Protoplastenteilung, in der dadurch bedingten abweichenden Lagerung des Eikernes von dem Mikropylarende entfernt und schließlich in der starken Reduktion des darunter gelegenen oberen Polkernes. — Von der zweiten Gruppe in der Embryosackentwicklung der von uns untersuchten Arten, bei denen sich beide aus dem zweiten Teilungssehritt der E.M.Z. hervorgegangenen Kerne teilen, und zwar je einmal, läßt nur Dieraea einen Vergleich mit denen der ersten Gruppe zu, wenn wir 20* 308 Werner Magnus, diese Kerne als gleichwertig ansehen. — Dieraea zeigt gegenüber allen zur Untersuchung gelangten Podostemaceen die Besonderheit, daß zwischen diesen Kernen bereits eine Protoplasmateilung eintritt (Taf. XIII, Fig. 44). Bei ihr tet sich der obere Kern genau wie bei den Lacideae mit einer der Längsrichtung des Embryosackes gleichlaufenden Spindel (Faf. XIII, Fig. 46), der aber auch hier sofort die Protoplastenteilung folgt (Taf. XIII, Fig. 47). Ohne weitere Teilung entwickelt sich aus dem unteren Kern der Eikern, während der obere, gleichfalls ungeteilt, als Synergide funktioniert (Taf. XIII, Fig. 48), — Aus der nicht mit dem oberen Kern synehron verlaufenden Teilung des kleineren unteren Kernes gehen zwei stark fürbbare Kerne hervor, die sich mit ge- trennten Protoplasten umgeben (Taf. XIIL, Fig. 50), oder wohl auch ungeteilt bleiben können. Nach der für den „Antipodenapparat“ von Lawia und den Lacideae vorläufig gemachten Annahme wäre also der Unterschied zwischen Dieraea und ihnen der, daß der Antipodenapparat von Dieraea noch nicht ganz so weit zurückgebildet ist und noch den ersten Teilungs- schritt eingeht. — Ein derartiger Vergleich unter Identifizierung des unteren, aus dem zweiten Teilungsschritt der E.M.Z. hervorgegangenen Kernes mit den übrigen Arten der zweiten Gruppe ist nieht möglich, denn hier geht aus dem unteren Kern der Eikern hervor. — Große Ähnlichkeit weisen aber diese Pflanzen mit den Embryosäcken der ersten Gruppe auf, wenn wir annehmen, daß der zur Bildung des Anti- podenapparates führende Teilungsschritt hier ganz unterblieben ist. Nehmen wir das an, so verhalten sich die Kernteilung und Bildung des fertigen Embryosackes bei Podostemon genau entsprechend der der Laeideae, während zwischen Hydrobrium (wahrscheinlich auch zwischen Farmeria) und Lawia insofern Ähnlichkeiten bestehen, als keine unmittelbare Protoplastenteilmg der Bildung der Kerntetrade folgt (Taf. XIV, Fig.57) und gleichzeitig der Eikern nicht direkt unter den Synergiden liegt, sondern ınehr oder weniger von ihnen umschlossen wird (Taf. XIV, Fig. 65) und so der Mikropyle näher rückt. Der untere Kern verkleinert sich wie bei den Lacideae, am stärksten bei Hydrobrium (Taf. XIV, Fig. 59). Die befruchtungsfähige Samenanlage hat bei allen Podostemaceen einen sehr ähnlichen Bau. Nur Lawia unterscheidet sich von den übrigen dadurch, daß noch zur Zeit der Befruchtung die Zellwände des Nuzellus erhalten sind (Fig. 4), während bei Podostemon sie zu dieser Zeit aufgelöst werden und bei Hydrobrium, Dieraea, Farmeria und den Lacideae der Hohlraum zwischen den inneren Integumenten schon Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 309 früher gebildet worden ist. — Da aber kurz nach der Befruchtung auch bei Lawia die Zellen sich auflösen, handelt es sich wiederum nur um eine zeitliche Verschiebung des gleichen Prozesses, der bei Lawia erst in der fertig ausgebildeten Samenanlage nach der Befruchtung, bei Hy- drobrium schon vor der Teilung der E.M.Z. einsetzt. — Das Verhalten der Stärke bei der Entwicklung der Samenanlagen wurde bei unserer Untersuchung näher berücksichtigt, weil, wie wir noch sehen werden, dadurch eine ökologische Deutung des ungewöhnlichen Baues der Samenanlage erleichtert wird. Verhält sich auch die Stärke in allen untersuchten Formen sehr ähnlich, lassen sich doch gewisse Unterschiede feststellen. Allen gemeinsam ist ihre reichliche Aufspeicherung im äußeren Integument der noch jugendlichen Samenanlage, während gleichzeitig auch Plazenta und Fruchtknotenwand mit ihr erfüllt sind. Aus dieser kann sie im Laufe der weiteren Entwicklung verschwinden, so bei Lawia, wobei zuerst eine Abnahme der Stärke am oberen Ende der Fruchtknotenwand und von außen nach innen stattfindet. In an- deren Fällen kann sie aber noch in der Wand des reifen Fruchtknotens enthalten sein, so z. B. bei Farmeria. Nach dem äußeren Integument füllt sich sehr bald das innere Integument. Podestemon unterscheidet sich hierin etwas von den übrigen, indem das innere Integument bis ziemlich spät nur relativ wenige und sehr kleine Stärkekörner enthält. Dafür führt anfänglich die Zentralreihe des Nuzellus reichlich Stärke und später treten auch einige Stärkekörner in den umhüllenden Zellen auf. Vereinzelt kommt sonst nur noch Stärke im Nuzellus von Lawia vor, während bei den anderen Arten der Nuzellus stets stärkefrei bleibt. — Mit sehr auffallender Regelmäßigkeit findet sich bei allen unter- suchten Formen eine stärkefreie Zone am Funikulus am Ansatz an die mit Stärke vollgepfropfte Plazenta neben dem oberen knopfförmigen Teil des Nuzellus. — Eine weitere stärkefreie Zone findet sich bei Lawia anfänglich in den der Chalaza zunächst liegenden Zellen, während bei den anderen Formen dies nur die Chalazazellen selbst oder höchstens bei Farmeria noch eine benachbarte Zellschicht: ist. Bei Podostemon wurde etwas Stärke in der Nuzellarhülle, und bei Farmeria Stärke im Embryosack aufgefunden. — Sehr auffällig ist bei allen Podostemaeeen die Cutieularisierung der Oberhaut des inneren Integuments, die sehr früh einsetzt; sehr bald sind auch die den Grund des Nuzellus einnehmenden Chalazazellen euticularisiert. Auch bei ihnen tritt dieser Prozeß verschieden früh ein, am frühesten wohl bei Dieraea, bei der dann die Zellwände sich noch stärker ver- dicken, am spätesten bei Farmeria und Lawia, erst nach der Befruch- 310 Werner Magnus, tung. In allen Fällen, früher oder später, wird aber der Innenraum durch cutieularisierte Schichten von den übrigen Geweben der Samen- anlage getrennt und steht nur noch mit dem Embryosack in Zusammen- hang. Bei Lawia wird er anfänglich auch gegen diesen dadurch nach oben abgeschlossen, daß das innere Integument ziemlich dicht gegen- einander wächst und sich an dieser verengten Stelle noch verdickt. — Bei Farmeria enthalten «die inneren Zellschichten des inneren Integu- ments große Schleimmassen. Auch bei den anderen Podostemaceen zeichnet sich das Protoplasma dieser Zellen durch stärkere Färbbarkeit aus. — Die Befruchtung konnte ich nur bei Lawia eingehender ver- folgen. Überall scheint sich aber der Inhalt des Pollenschlauches zuerst in eine Zelle (Synergide) zu ergießen, die dann degeneriert. Ein männlicher Kern verschmilzt mit dem Eikern, der zweite bei Lawia mit dem unteren Kern des Embryosackes, der aus der Verschmelzung des kleineren degenerierten Kernes und des Embryosackkernes ent- standen ist. Bei den übrigen konnte der zweite männliche Kern nicht aufgefunden werden. — Auch bei Mourera fluviatilis glaubt Went zwei generative und einen vegetativen Kern im Pollenschlauch fest- stellen zu können, die sich in eine der Synergiden ergießen. Nur ein generativer Kern dringt dann in das amöhoide Fortsätze aus- sendende Ei. Ich habe solche Formveränderungen nicht beobachten können, indes liegt der Gedanke an Schrumpfungen im Fixierungsmittel nahe — Die befruchtete Eizelle zerdrückt bei ihrem Wachstum die übrigen Zellen des Embryosackes, ebenso wie die der Nuzellarhülle. Sie scheidet nach unten eine Zelle ab, aus der durch weitere Teilungen Embryoträger und Embryokugel entstehen. In der oberen Zelle findet schließlich eine Kernteilung statt, der eine Zellteilung nicht folgt. Die zweikernige Zelle, die bei allen Formen in gleicher Weise aufgefunden werden konnte, entsendet Fortsätze in den Funikulus und in das äußere Integument und funktioniert so augenscheinlich als Haustorium (Taf. XII, Fig. 54). Der wachsende Embryo füllt die ganze vorgebildete Höhlung aus. Die Samenschale bildet sich aus den verdickten Zellen des inneren Integuments, während aus den äußeren Zellen des äußeren Integuments eine Schleimschicht gebildet wird. Nach Goebel erfolgt die Samenreife sehr rasch, nach Willis kaum 10 Tage nach der An- these. Die reife Frucht ist nicht größer wie der Fruchtknoten, die Samen selbst kaum größer wie die reife Samenanlage. Il. Ökologische Deutung. Man könnte sich nun vielleicht damit begnügen, die geschilderten Besonderheiten in der Embryonalentwieklung der Podostemaceen, ihre Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 311 Abweichungen von dem normalen Bau der Angiospermen-Samenanlage und wiederum die aufgefundenen Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Arten als Tatsachen hinzunehmen, deren Bedeutung nicht weiter feststellbar. Oder man könnte vielleicht noch an eine korrela- tive Beziehung zwischen der starken Reduktion des vegetativen Auf- baues und einer Reduktion in der generativen Sphäre denken. — Dennoch schien es untersuchenswert, ob nicht diese Besonder- heiten in gleicher Weise wie die des vegetativen Aufbaues als zweck- entsprechende Anpassungen an die extremen Lebensbedingungen der Podostemaceen auzusehen sind. — Denn Befruchtung und Samen- entwicklung verläuft unter Umständen, die nicht weniger von den nor- malen Lebensbedingungen abweichen, wie die der vegetativen Organe, allerdings in gerade entgegengesetzter Richtung. Die ganze Pflanze ist während ihres vegetativen Lebens stets von Wasser bedeckt. Ihr Bau ist dementsprechend auch der für Wasserpflanzen typische. Der völlige Mangel an Spaltöffnungen korrespondiert mit einer weitgehenden Re- duktion des Leitungssystems. — Diese dem Leben im feuchten Medium angepaßte Pflanze wird nun beim Sinken des Wassers oft fast plötzlich der größten Trockenheit ausgesetzt. Schon in kurzer Zeit müssen die dem nackten Felsen anhaftenden Thallome, wenn auch vielfach mit dicken Zellwänden versehen, unter der Hitzewirkung der tropischen Sonne aus- dörren. Zu dieser Zeit ist aber die Blüte eben erst entfaltet und jetzt erst findet die Befruchtung statt. — Die Samenentwicklung ist also die eines extremen Xerophyten. Etwas früher oder später, jedenfalls sehr bald, vermag der vegetative Teil kein Wasser und damit auch keine Nährstoffe mehr zu liefern. — Im Blütenstiel scheint außerdem für die Wasserleitung wenig Vorsorge getroffen zu sein. Denn wie schon Cario für Tristicha zeigt, werden die im Knospenzustand vorhandenen Gefäßanlagen bei der Streckung schnell zerstört. Es entsteht dort ein Interzellularraum, in dem dann die Reste der Gefäße, wie Willis (vel. Taf. IX) richtig angibt, ähnlich wie im Interzellularraum des Mais- gefäßbündels liegen. Auch Goebel I sah diese Interzellularen mit Luft gefüllt. — Nur spärliche Gefäßbündel verlaufen auch in der Plazenta, die nach der Samenanlage zu keine Auszweigungen besitzen, geschweige denn, daß sich Gefäßbündel, wie es sonst häufig der Fall ist, durch den Funikulus bis zur Chalazagegend hinzögen — Die Embryoentwicklung wird also nur dann ermöglicht sein, wenn erstens alle Nährstoffe, be- sonders auch Wasser dem sich entwickelnden Embryo lokal zur Ver- fügung stehen und er zweitens gegen Vertrocknung geschützt ist resp. die Gefahr der Vertrocknung durch sehr schnelle Reifung herabgesetzt 312 Werner Magnus, wird. — Wir wollen sehen, ob diesen Voraussetzungen durch den Bau der Samenanlage entsprochen wird. — Ihre auffälligste Unregelmäßigkeit ist zweifellos der Hohlraum, welcher sich früher oder später unterhalb des E.S. durch Auflösung des Nuzellargewebes bildet und in den der Embryo kurz nach der Be- fruchtung bineinwächst. Zu dieser Zeit ist bei allen Podostemaceen der Hohlraum mit Flüssigkeit erfüllt und enthält keine oder kaum nennens- werte Reste von Protoplasma und Kernen. Von dem benachbarten Ge- webe ist er völlig abgeschlossen, denn er wird begrenzt von den stark kutinisierten Innenwänden des inneren Integuments und durch die ver- korkten Zellen an der Chalaza. Nur nach der Seite des sich entwickelnden Embryos ist er geöffnet. So stellt er für ihn ein ideales Wasserreservoir dar. Er scheint noch speziell gegen Wasserverlust dadurch geschützt zu sein, daß die benachbarten Zellen des inneren Integuments bei Farmeria deutlich Schleim enthalten, während die eigentümliche Farbstoff- speicherung dieser Zellen auch bei den anderen Arten auf eine Ver- schleimung des Protoplasmas hindeutet, — Die bei der Bildung des Hohl- raumes auftretenden Verschiedenheiten dürften im Zusammenhang mit den übrigen Unterschieden in der Samenanlagenentwieklung gleichfalls viko- logisch verständlich zu machen sein. Wie sich aus der vergleichenden Entwieklungsgeschichte ergab, findet die Bildung des Hohlraumes zu verschiedenen Zeiten der Eimbryonalentwieklung statt. Am spätesten bei Lawia, nämlich erst nach der Befruchtung. Hier werden die großen wasserspeichernden Zellen des Nuzellus anfänglich auch nach der Seite des Embryos hin durch Zusammenschließen der verkorkten Wände des inneren Integuments geschützt (Fig. 7). Dies dürfte im Zusammenhang stehen mit der frühzeitigen Auflösung der Nuzellarkappe des Embryo- sackes. Bei Podostemon wird der Nuzellus nicht mehr durch viele Zellteilungen gekammert und seine Auflösung erfolgt schon zur Zeit ler Fertigstellung des E.S., noch früher bei Dieraea und Hydrobrium und wohl auch bei Farmeria und den Lacideae nach Went. Damit Hand in Hand geht die immer frühzeitigere Ausbildung der um- schließenden Integumente., Bei dieser vor der Fertigstellung des Embryosackes stattfindenden Auflösung der Nuzellarzeilen fallen nun Plasma und Zellkerne nicht sogleich der Auflösung anheim, sondern bleiben wie bei Dieraea bis zur Befruchtungszeit erhalten oder können sogar im extremen Fall, wie bei Hydrobrium, zu dieser Zeit noch zu einem Klumpen geballt im ziemlich dichten Plasma eingebettet liegen. Zun Verständnis dieser verschiedenen Modifikationen werden wir die Versorgung des sich entwickelnden Embryosackes mit Nährstoffen zu Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 813 untersuchen haben. — Im Normalfalle wird bei den Angiospermen der sich entwickelnde Embryosack durch den Nucellus von der Chalazaseite her ernährt. Bei Lawia läßt sich ein Gleiches aus der Verteilung der Stärke schließen. Während das äußere Integument mit großkörniger Stärke vollgepropft ist, fehlt sie oder tritt in Form der für Wander- stärke charakteristischen kleinen Stärkekörner in den für Nährstoffleitung wohl geeigneten langgestreckten Zellen des Nuzellus und rings um ihre Ansatzstellen an der Chalaza auf. Dennoch scheint nicht ausschließlich auf diese Weise die Ernährung zu erfolgen, denn unmittelbar neben dem sich entwickelnden Embryosack findet sich im Funikulus eine stärkefreie plasmareiche Zone, die auf einen Stoffverbrauch an dieser Stelle hinweist. Nur noch von hier aus erfolgt die Ernährung, wenn die Nuzellarzellen zu wasserspeichernden Zellen angeschwollen sind und durch die Verkorkung der Chalazaregion von dem Stoffaustausch mit den umgebenden Zellen abgeschnitten sind. Bei Podostemon ist die Ernährung durch den Nuzellus noch weiter beschränkt. Hier zeigt die große Mittelzellreihe des Nuzellus durch ihren hohen Stärkegehalt, daß sie für die Fortleitung der Kohlenhydrate weniger in Betracht. kommt, ebenso sind auch schon die der Chalaza zunächst liegenden Zellen mit Stärke vollgepfropft, also nicht mehr an ihrer Fortleitung beteiligt. Da auch die Auflösung der Nuzellarzellen und der Abschluß der ge- bildeten Höhlung durch Cuticularisierung der Chalazaregion bald er- folgt, wird schon sehr früh der Hauptstrom der Ernährung durch die stärkefreie Stelle des Funikulus geleitet. — Wenn sich bei Dicraea und Hydrobrium schon in einer sehr frühen Entwicklungsstufe der Nuzellus auflöst, kann es nicht wundernehmen, daß der sich bildende Embryosack auch noch von der Höhlung her eine gewisse Nahrungszufuhr erfährt. Unzweifelhaft werden vom Embryosack die in ihrem Protoplasma und Kernen aufgespeicherten Stoffe verwendet. So kommt dann im ersten Anfang der Embryoentwieklung zu der Hauptfunktion der Wasser- speicherung mehr als Nebenfunktion die der Nährstoffspeicherung hinzu. — Noch einen Schritt weiter ist wohl die Entwicklung bei Farmeria gegangen, indem hier durch den ziemlich lange mit den Kernen der auf- gelösten Zellen erfüllten Hohlraum auch die Leitung der Kohlenhydrate erfolgen dürfte. Das läßt sich wenigstens mit einiger Sicherheit aus dem Fehlen der Stärke an der Chalazaregion und dem langen Aus- bleiben ihrer Verkorkung schließen. — Die Wasserspeicherung kann aber für Farmeria auch nicht die gleiche Bedeutung wie für alle übrigen untersuchten Podostemaceen besitzen, da Farmeria einerseits aus- schließlich an schattigen Stellen vorkommt, andererseits die in der 314 Werner Magnus, Spatha eingeschlossenen Fruchtknoten einen viel stärkeren Transpirations- schutz genießen. — Im engsten Zusammenhang mit diesen Aufgaben des Hohlraums läßt auch die weitere Besonderheit der Podostemaceen- samenanlage, nämlich die starke Reduktion in der Embryosackausbildung, ebenso wie die dabei auftretenden Modifikationen der einzelnen Arten eine ökologische Ausdeutung zu. Die Rückbildung des Embryosackes gegenüber der normalen Angio- spermensamenanlage erstreckt sich, ganz allgemein gesprochen, hauptsäch- lich auf den Antipodenapparat. Bei Lawia und den Lacideae unterbleibt die gewohnte Vierteilung des Kernes am Chalazaende des Embryosackes und dieser Kern degeneriert bald. Bei den übrigen Arten wird er über- haupt nicht mehr gebildet — Alle Untersuchungen, die sich mit der physiologischen Bedeutung des normalen .Antipodenapparates befassen, scheinen darin übereinzustimmen, daß ihnen bei der primären Ernährung des Embryoapparates resp. des befruchteten Eies große Bedeutung zu- kommt. Es mag dahingestellt bleiben, ob es sich dabei im einzelnen um (ie Verarbeitung und Umwandlung der dem Embryosack zugeführten Stoffe oder unter Umständen um die Auflösung und Resorption des Nuzellus oder um eine spezielle Ausbildung und Wirkung als Haustorien- zelle handelt. Auch ändert es an der ernährungsphysiologischen Be- deutung nichts, wenn, worauf Huss Wert legt, die oft enorme Größen- entwicklung der Antipoden entwicklungsmechanisch durch ihre Lage oberhalb der Zuleitungsbahn des Embryosackes zu erklären ist. Denn schon in den ersten Stadien der Embryoentwicklung werden auch sie aufgelöst und ihr reicher protoplasmatischer Inhalt dient dem Em- bryosaek als Nahrung. Die entwieklungsmechanische Deutung schließt keineswegs die ernährungsphysiologische aus. — Wenn nun bei den Podostemaceen (ie Ausbildung des Antipodenapparates sehr reduziert ist oder ganz nnterbleibt, so scheint daraus zu folgen, daß für ihn eine ernährungsphysiologische Aufgabe nicht mehr vorhanden ist. Dies steht mit der angenommenen Hauptfunktion des Hohlraumes als Wasser- speicher in bester Übereinstimmung. Eine Nahrungszufuhr zur Zeit. der Befruchtung von der Chalazaseite kann nicht mehr erfolgen und (lie Ausbildung des Antipodenapparates daber unterbleiben. — Im ein- zelnen ergeben sich aber sogar noch weitergehende Beziehungen zwischen der Ausbildung des Embryosackes und des Nuzellarhohl- raum, — Bei Lawia, wo der bis nach der Befruchtung erhaltene Nu- zellus noch die größte Übereinstimmung mit der normalen Angio- spermenanlage zeigt, bleibt der eine Antipodalkern bis zur Vierkernbildung des Eiapparates an der Chalaza erhalten (Taf. XI, Fig. 11). Er degeneriert Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 315 erst bei der Umformung des Nuzellus zum typischen Wassergewebe (Taf. XI, Fig. 12) und, indem er mit dem oberen Polkern und dem zweiten generativen Kern bei der Befruchtung verschmilzt, dient er als ganz rudimen- täres Endosperm dem Embryo mit als erste Nahrung (Taf. XI, Fig. 15). Noch früher scheint er bei den Laeideae nach Went zu verschwinden. Wissen wir auch hier nichts Genaueres über die Entstehung des Hohl- raumes, wird er jedenfalls früher wie bei Lawia gebildet. — Bei Podo- stemon, wo nur anfangs eine ganz geringe Nahrungszufuhr durch den Nuzellus erfolgt und zur Zeit der Befruchtung ein fast inhaltsleerer nuzellarer Hohlraum vorhanden ist, wird ein Antipodenapparat überhaupt nicht mehr gebildet. Aber auch der unmittelbar an dem Hohlraum lie- gende Polkern ist wenig entwickelt (Taf. XII, Fig. 30) und degeneriert sehr bald (Taf. XII, Fig. 32), wie es auch Went für den Polkern der Lacideae angibt. — Gut ausgebildet ist hingegen der Polkern bei Far- meria, da hier neben der Wasserspeicherung auch wieder eine geringe Ernährung des Embryo durch den Hohlraum hindurch erfolgen dürfte. — Sehr eigentümlich ist, wie wir sahen, der Embryosack bei Dieraea ausgebildet. Hier liegen von den vier Zellen des reifen Embryosackes zwei Protoplasten mit kleinen, stark chromatinhaltigen Kernen un- mittelbar dem Nuzellarhohlraum an (Taf. XIII, Fig. 48 u.50). So ähneln sie in ihrer Lage und Aussehen den Antipoden des normalen Embryosackes und es dürfte ihnen in der Tat eine entsprechende Funktion zuzu- schreiben sein. Denn der sehr früh gebildete nuzellare Hohlraum enthält anfänglich reiches Protoplasma und Zellkerne, die unter Mitwirkung dieser antipodenartigen Kerne zur Ernährung des Eies mit verwendet werden. Anfänglich reichlich Protoplasma enthält auch der Nuzellarhohl- raum bei Hydrobrium, dennoch ist hier der Polkern nur ziemlich rudimentär entwickelt. Dafür finden wir aber ein ungewohntes Ver- halten der Kerne der Zellen, die zur Bildung des Hohlraumes auf- gelöst werden. Sie besitzen starken Chromatingehalt und treten zu einem dichten Klumpen in der Mitte des Hohlraumes zusammen, wo sie bis nach der Befruchtung erhalten bleiben. Somit liegt es nahe, ihnen die Funktion zuzuschreiben, bei der Ernährung des Eies und auch noch des ganz jugendlichen Embryos mitzuwirken. Da sie somit Antipodenfunktion haben, ist es angängig von ihnen als „Ersatzantipoden“ zu sprechen (Wettstein), wobei aber nicht die Hauptfunktion des Hohlraumes als Wasserspeicher vergessen werden darf. — Die Reduktion des Embryosackes wird noch weiter verständlich, wenn die Notwendigkeit.der schnellen Embryoentwicklung mit berücksichtigt wird. In einer normalen Angiospermensamenanlage verläuft die Entwicklung 316 Werner Magnus, so, daß der Embryosack in den sich auflösenden Nuzellus hineinwächst und sich der Embryo in ihm fast stets unter Vermittlung des Endo- sperms ernährt. Zweifellos ist nun mit der Ausschaltung des Endosperms resp. des ganzen Embryosackes und seiner vermittelnden Tätigkeit ein Zeitgewinn gegeben. Ein solcher Zeitgewinn ist besonders deutlich in dem Fall, wo gleich Anfangs, wie bei Hydrobrium im Hohlraum reich- lich Protoplasma vorhanden ist. Hier können schon die „Ersatzantipoden“ in Tätigkeit treten zu einer Zeit, wo erst die Teilungen in der Makro- spore einsetzen. Indem so die Eizelle mehr oder weniger direkt vom Sporophyten ernährt wird, haben wir bei dem Podostemaceen, wenn man so will, die Endentwicklung des Phanerogamenstammes. Während in seinem Beginn die Ernährung im Archegonium durch die Vermitt- lung des wohlentwickelten Prothalliums erfolgt, wird dieses immer weiter reduziert, bis in der Angiospermensamenanlage die Ernährung durch die freien Zellen der Antipoden und des nach der Befruchtung sich entwickelnden Endosperms erfolgt. Bei den Podostemaceen werden Embryosack und Antipoden ausgeschaltet und das Ei sogleich nach seiner Bildung durch den Sporophyten ernährt. — Dieser direkten Ernährung ist auch die weitere Eigentümlichkeit der Podostemaceen- samenanlage dienstbar, das Heraustreten des die Makrospore enthalten- den knopfförmigen Nuzellarteiles aus dem inneren Integument. Denn hierdurch wird sie in unmittelbare Berührung mit dem Funikulus gebracht, durch den, wie wir sahen, die Haupternährung erfolgen muß. — Un- mittelbar nach der Befruchtung wird dann die obere Zelle des jugend- lichen Embryo zu einer typischen Haustorialzelle. Ihr reicher Proto- plasmagehalt und die Vermehrung der Kernsubstanz durch eine Kern- teilung, der eine Wandbildung nicht folgt, ist die charakteristische Struktur nahrungsvermittelnder Zellen. Es mag hierfür nur auf die häufig zwei Kerne enthaltenden Tapetenzellen der Antheren oder auf die zwei Kerne in den Suspensoren der Leguminosenembryonen (Guignard I) oder auf die vieler Antipoden hingewiesen werden. Die bald entstehenden zahlreichen fadenförmigen Auswüchse durchwachsen das ganze äußere Integument und den Funikulus. Auch durch diese „Embryonalhaustorien® vermag ohne Vermittlung des Embryosackes der Embryo direkt dem Sporophyt seine Nahrung zu entnehmen. — Für diese direkte Ernährung steht in der in allen Blütenteilen und besonders in der dicken Plazenta aufgespeicherten Stärke reichliches Material zur Verfügung. Schon Willis weist darauf hin, daß „to this is to be aseribed the very great rapidity with wich the plant is able to open its flowers and to ripe its seeds“. Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 317 Aus unserer Erörterung dürfte unzweifelhaft folgen, daß sich wohl alle aufgefundenen Besonderheiten der Podostemaceensamenanlage unter dem Gesichtspunkt zweckentsprechender Anpassung an eine mög- lichst beschleunigte Samenentwicklung unter xerophytischen Lebens- bedingungen verstehen lassen. — Übrigens dürften auch die für viele Podostemaceen charakteristischen zu zweien vereinten Pollenkörner als Anpassungen an diese extremen Bedingungen aufzufassen sein. — Da ihre Trennungswände stark getüpfelt sind und häufig nur ein Korn keimt, kann das Nahrungsmaterial des anderen, besonders aber sein Wassergehalt, mit bei dem Auskeimen in der ausdörrenden Sonne Ver- wendung finden. — Mag nun auch vielleicht bei Nachuntersuchungen am lebenden Material die eine oder andere Einzelheit in der öko- logischen Ausdeutung der Samenanlage sich verschieben, kann doch als nachgewiesen gelten, daß der bekannten Organisation der vegetativen Sphäre der Podostemaceen, die mit den extremen Standortsbedingungen im Einklang steht, eine gleich zweckentsprechende Organisation der generativen Sphäre an die Seite zu stellen ist; und es kann ganz all- gemein gefolgert werden, daß die generative Sphäre, falls die Lebens- bedingungen es mit sich bringen, in nicht geringerem Grade ver- änderungsfähig ist, wie die vegetative, daß, mit anderen Worten, der von Nägeli geprägte scharfe Unterschied zwischen Organisations- und Anpassungsmerkmale der Organismen zu verschwimmen beginnt. Gewiß mag hinzukommen, daß auch in gewissem Sinne für die generative Sphäre Geltung hat, was Goebel von der vegetativen der Podostema- eeen sagt: „Daß die große Mannigfaltigkeit in der Gestaltung der Vegetationskörper nicht auf eine Anpassung sich zurückführen läßt, sondern darauf, daß an einem pflanzliche Mitbewerber und viele tierische Feinde ausschließenden Standort die durch den „Gestaltungs- trieb* entstandenen Formen sich größtenteils erhalten konnten.“ Den- noch geht Went viel zu weit, wenn er in Ablehnung des von Wett- Stein gebrauchten Ausdruckes „Ersatzantipode“ jede teleologische Aus- deutung der Podostemaceensamenanlage verwirft und meint: „Die ein- zig mögliche Erklärung im naturhistorischen Sinne muß eine kausal- mechanische sein.“ Die Berechtigung anatomische Verhältnisse unter ihrer ökologischen resp. physiologischen Bedeutung für den Gesamtorganismus dem Ver- ständnis näher zu bringen, dürfte kaum zu bestreiten sein, aber auch ebensowenig durch Vergleich, wie wir es taten, innerhalb einer Ver- wandtschaftsreihe die Stufen ihrer Entwicklung zu verfolgen. Damit ist natürlich nach keiner Richtung hin ausgesagt, durch welche Faktoren 318 Werner Magnus, diese Entwicklung ermöglicht wird und sicherlich kann unter Umständen, wie Went an einer anderen Stelle sagt „eine nützliche Eigenschaft gerade so gut ganz unabhängig von irgendeinem Vorteil für die Pflanze ent- standen sein und dieser erst nachher in irgendeiner Weise genützt haben“. Aber selbst in diesem alle ist es durchaus berechtigt, diesen Nutzen klar für die Pflanze hervorzuheben, denn nur dieser Vorteil ermöglicht viel- leicht unter den gegebenen Bedingungen ihre Existenz. Ich würde nicht an- stehen, dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch folgend, diese vorteilhafte Organisation als „Anpassungsmerkmal“ zu bezeichnen. Denn als An- passungsmerkmal ist zu bezeichnen das „Angepaßtsein“ der Ökologismus im Sinne Detto’s und es wird damit nichts darüber ausgesagt, wie er zustande gekommen ist, über seine „Ökogenese.“ Ebensowenig natür- lich ein Vergleich der Ökologismen und der Feststellung der wahr- scheinlichen Stufen ihrer Entwicklung irgendetwas über die Art, in welcher die „Ökogonese“ zustande gekommen ist, aussagt. Damit wird die Berechtigung einer kausal-mechanischen Betrachtungsweise nicht geläugnet und es ist z. B. Went’s Hinweis beachtenswert, daß in der Organisation der Podostemaceen die Tendenz zur Bildung lysigen ent- stehender Hohlräume gegeben ist. Das mag in der Tat die Ent- stehung der Ökologie der Samenanlage erleichtert haben. Wider- sprechen möchte ich aber, wenn er meint, „vielleicht wird sich also eine Erklärung finden lassen, wenn man die letztere Eigenschaft als ge- geben nimmt und jetzt die lokalen Bedingungen in der Samenanlage in ihren Folgen auf die dort gelegenen Zellen studiert“ oder wenn er sagt, daß „die Einflüsse, welche bedingen, daß der Embryosack unter gewöhnlichen Verhalten zu einem so großen sackartigen Gebilde wird, hier auf andere Zellen wirken“. Warum vergrößert sich der Embryo- sack nicht, wie so sehr häufig, in den sich auflösenden Nuzellus hinein? Warum ist er so weitgehend anders gebildet und was bedeuten alle seine Modifikationen? Alles Fragen, die nicht der kausal-mechanischen aber wohl der ökologischen oder, wie sie Haberlandt nennt, der physiologisch-anatomischen Betrachtungsweise zugänglich sind. II. Morphologische Deutung. Die Samenanlagen der Podostemaeeen unterscheiden sich in ihrer allgemeinen Ausbildung ebenso wie in ihren Besonderheiten wesentlich von den übrigen Angiospermen-Samenanlagen. Scheint so auch ihr Bau, den wir ökologisch verständlich machen konnten, im ersten Augen- blick recht isoliert zu stehen, muß doch der Versuch unternommen werden, ihn zu der gewohnten Morphologie der Angiospermen-Samen- Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 319 anlage in Beziehung zu bringen. Auf diese Weise wird sich feststellen lassen, inwieweit wirklich die Samenanlage der Podostemaceen neuartige Bildungen enthält oder nur durch geringe Umformung die bekannten Merkmale der Angiospermen-Samenanlage ihren Zwecken dienstbar macht. Als ökologisch äußerst wichtig wurde die Umhülhung der Nuzellar- höhle durch eine vom Wasser nur schwer passierbare Hülle angesehen. Sie kommt durch die Cutieularisierung des inneren Integuments und der Verkorkung der Chalazaregion zustande. — Daß das innere In- tegument schon frühzeitig eine starke Cuticula besitzt, wird von Ikeda für die Liliacaee Trieyrtis hirta und von Juel für Saxifraga granulata berichtet. Ein weiterer Fall scheint in der Literatur nicht beschrieben zu sein), abgesehen von den gleich näher zu besprechenden Serophu- lariaceen. Ist nun eine solche frühe Umhüllung des Nuzellus mit einer eutieularisierten Haut in der normalen Samenanlage wirklich so selten? Daß sie bisher bei der Darstellung der Samenanlage meist nicht er- wähnt wurde, könnte einen guten Grund haben. Man ist olıne weiteres von der Ansicht ausgegangen, daß eine solche Cuticula immer nur die erste Andeutung für die Ausbildung der Samentegumente darstellt, also auch hierin „der Bau der Samenanlage mit dem fertigen Samen in Beziehung steht“. Da nun die Bedeutung der Samentegumente in der Ökologie des reifen Samens gesehen werden muß, in seiner Ver- breitung, seiner Ruheperiode oder Keimung, wurden die sehr frühzeitig während der Embryonalentwicklung auftretenden Zellhautmodifikationen, besonders Cuticularbildungen, vernachlässigt. Nach ihrer ganzen An- ordnung müssen sie aber für Embryosack und wachsenden Embryo von größter Bedeutung sein. Dabei kommt es dann erst in zweiter Linie darauf an, ob die Cuticula ausschließlich hierzu dient, oder, wie in vielen Fällen, späterhin bei der Ausbildung der Samenanlage mit- wirkt. — Für die physiologische Wirkung ist es bedeutungslos, ob diese verkorkte, den Embryosack einhüllende Haut an den Integumenten ge- bildet wird oder außen am Nuzellus oder gar in seinem Innern. In der Tat wird für die Crassulaceen von Rombach die sehr frühzeitige Umhüllung des Nuzellus von einem dickwandigen und bleibenden, später stark liehtbrechenden Häutchen beschrieben. Diese ist, wie ich feststellen konnte, gleichfalls eine stark eutieularisierte Haut. — Obgleich nun diese Bildungen eine eingehendere monographische Behandlung erforden, mag im Vergleich zu den Podostemaceen auf einige typische -—__. 1) Auch die eingehende Zusammenstellung von Coulter und Chamberlain erwähnt nur Tricyrtis. 320 Werner Magnus, Fälle hingewiesen sein. Ein sehr auffälliges Beispiel bietet die die Innenseite des inneren Integuments bedeckende Cuticula bei den Cruzi- feren (Raphanus, Arabis). Sie ist schon sehr früh stark verdickt rings um den Nuzellus, der späterhin- von dem wachsenden Embryosack er- füllt wird. Sie ist hingegen sehr dünn an der Nuzellusspitze, wo sich der junge Embryosack und bald die große Suspensorzelle befindet, die als Haustorium zu betrachten ist. Dies Verhalten ähnelt den Podo- stemaceen, bei denen der junge Embryosack und später die Haustorial- zelle nicht von Cuticula umgeben sind, während der sich entwickelnde Embryo in die von dicker Cuticula umgebene Höhle hineingeführt wird. — Schon sehr früh mit Cutieula bedeckt ist die Innenseite des inneren Integuments bei vielen anderen Choripetalen, so bei Violaceen (Viola cornuta), Malvaceen (Lavatera), Leguminosen (Phaseolus), Gera- niaceen (Pelargonium, Erodium), Saxifragaceen (Sedum maximum). Unter den Monokotylen mit gleichem Verhalten seien die Alismaceen (Buto- mus) erwähnt. Bei den Oxalideen ist die Innenseite des äußeren In- teguments, wie auch Billings angibt, schon früh kutinisiert und um- schließt sackartig den Nuzellus und das innere Integument, dessen Cuticula sehr dünn bleibt. Bei den Ranunculaceen (Delphinium conso- lida und Clematis) ist der Nuzellus sehr früh von einer dicken Cuticula umschlossen, die aber der Außenhaut des Nuzellus angehört. Oster- walder ist diese Outicula auch bei Aconitum aufgefallen und Huss irrt, wenn er meint, daß dies selbstverständlich wäre und dafür Haber- landt anführt, der sagt, daß die Cuticula, aus der äußersten ceutinreichsten Membranlamelle bestehend, als dünnes ununterbrochenes Häutehen die ganze Außenfläche der Epidermis überzieht und niemals fehlt. Die den Nuzellus der Ranunculaceen überziehende Cuticula ebenso wie die übrigen hier beschriebenen Cuticularbildungen heben sich stets von den übrigen Außenwänden der Samenanlagen in ihrer Ausbildung aufs schärfste ab. — Die Herkunft der den Embryosack an der Mikropyle umhüllenden Cutieula bei den Umbelliferen (Foenieulum capillaceum) soll vorläufig dahingestellt bleiben. — Für das einzige meist dicke In- tegument der Sympetalen ist eine besondere Ausbildung der Innen- epidermis, die nach der frühzeitigen Auflösung des Nuzellargewebes meist direkt an den Embryosack anstößt, vielfach beschrieben worden. Besonders die eingehenden Arbeiten der Schüler Goebel’s haben über ihre tafelartigen, plasmareichen Zellen, auch Tapeten genannt, berichtet, die von Goebel als „Epithel“ bezeichnet werden. Dies Epithel ist nicht auf die Sympetalen beschränkt, sondern tritt auch bei einigen Chori- petalen, wie Geraniaceen und Linaceen, auf. Bei den Scerophulariaceen Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen, 3231 Digitalis, Linaria und Scrophularia hatte aber schon Balicka-Iwa- nowska erwähnt, daß der Embryosack von einer Cuticula bedeckt ist, die die Mikropyle, wo auch die Tapete nicht mehr gebildet wird, frei läßt. Schmid stellt dann die Verbreitung dieser Cuticula bei allen Serophulariaceen fest und ihre Ausbildung in sehr jugendlichen Ent- wicklungsstadien. Sie erfährt noch eine spezielle Bestätigung für Eu- phrasia durch Wurdinger. — Bei allen übrigen untersuchten epithel- besitzenden Sympetalen wird aber die Cutieula weder von Balicka- Iwanowska, noch von Billings in ihren sonst so gründlichen Untersuchungen erwähnt, ebensowenig, soweit ich sehe, in den anderen die Embryologie dieser Familien behandelnden Arbeiten, von denen nur als neueste die über die Kompositen von Lavialle angeführt sein mag. — In allen von mir untersuchten Fällen ist das Epithel schon sehr früh von einer oft dicken Cutieula bedeckt. Als sehr demonstratives Bei- spiel sei auf die Campanulaceen hingewiesen (Campanula rotundifolia), wo in Schwefelsäure die schlauchförmige, den ganzen Embryosack um- gebende Cuticula sich scharf abhebt und nur nach der Mikropyle zu an Dicke abnimmt. Eine sehr deutliche Cutieula an der Integument- innenwand besitzen weiter die Dipsaceen (Scabiosa), Compositen (Chry- santhemum indieum, Achillea ptarmica), Plumbaginaceen (Armeria), Globulariaceen (Globularia cordifolia). In allen Fällen ist nur der eigent- liche Embryosack umgeben, während etwa vorhandene Haustorien stets von der dicken Haut frei bleiben. Diese Beispiele zeigen zur Genüge, daß die frühzeitige Ausbildung einer Outicularhülle um den Nuzellus resp. Embryosack eine weit verbreitete Erscheinung bei den Angio- spermen ist. Wenn also diese Outicula, die als physiologische Einheit vielleicht einen eigenen Namen, etwa Embryodermis, verdient, keine Besonderheit der Podostemaceen-Samenanlage darstellt, dürfte auch eine scharfe Grenze zwischen ihren Funktionen nicht zu ziehen sein. Können auch die Einzelheiten ihrer Bedeutung in der normalen Angiospermen- Samenanlage hier nicht untersucht werden, dürften sie doch im allge- meinen die gleichen sein, wie sie sonst die im Innern von Geweben auftretenden verkorkten Schichten besitzen, nämlich gegenüber der ge- wöhnlichen Zellulose, neben größerem mechanischem Widerstand, be- sonders eine Stoffe schwer passierbare Scheide zu bilden. Nehmen wir dies als gegeben an, so liegt die Deutung nahe. Es sollen die dem Embryosack zugeleiteten und dort besonders im Endosperm verarbei- teten Nährstoffe von der Abwanderung in die umhüllenden Teile der Samenanlage geschützt werden, ganz ebenso wie bei den Podostemaceen hauptsächlich der wichtigste Nährstoff, das Wasser, geschützt wird. Flora, Bd. 106. ai 322 Werner Magnus, Da nun vielfach die Cuticula die Außenwand des „Epithels“ ist, wird noch ganz kurz auf dessen Bedeutung einzugehen sein. Balicka- Iwanowska weist ihm eine fermentative Tätigkeit zu, indem es einer- seits dazu dienen soll, das zur Ernährung der wachsenden Makrospore verwendete Gewebe einzuschmelzen, andererseits Baustoffe in sie über- zuführen. „Elles entourent les parties en voi d’aceroissement rapide ayant par consequent besoin d’une nutrition active“ Billings und Goebel II schließen sich dieser Meinung an, wenn auch letzterer her- vorhebt, daß diese Funktion bisher nur aus äußerlichen Betrachtungen erschlossen werden kann. Guignard legt auf die verdauende Be- deutung Wert. Ed. Schmid, indem er sich auf das Vorkommen der Cuticula bei den Scrophulariaceen stützt, meint, daß eine solche Cuti- cularisierung nur eine Hemmung ihrer vermeintlichen Funktion als eine die Makrospore ernährende Schicht sein würde. Er kann daher in der besonderen Gestaltung der Tapetenschieht keine ernährungsphysiologische Bedeutung weder zum Embryosack noch zum Endosperm erblicken. Andererseits glaubt er aber auch, die verdauende Tätigkeit des Tape- tums ablehnen zu müssen, er betrachtet es vielmehr als embryonales Gewebe, mit ausgeprägt interkalarem Wachstum, das geeignet ist, dem Wachstum der Samenanlage zu folgen. Die meist dieke Cutieula der Serophulariaceen führt Schmid dazu, auf die von Hegelmaier für das Kompositenepithel geäußerte Ansicht zurückzugreifen. Hegel- maier will diese Schicht als ein Schutzmittel für das zarte Endosperm auffassen. „Es sei zwar schwierig“, meint er, „eine ganz bestimmte Vorstellung von der Art der schädlichen Einflüsse, welche fern zu halten sind, und damit auch von der eventuellen Wirkung der Schutz- richtung zu gewinnen, eher als an die Abhaltung eines mechanischen Druckes ist an die chemischen Schädlichkeiten vonseiten des ver- schleimenden Gewebes zu denken.“ So meint auch Wurdinger, daß es wirklich schwer sei, einzusehen, wozu das Endosperm eines Schutzes bedarf. — Obgleich nun die von Hegelmaier angenommene Schutz- wirkung eine ganz andere, wie die von uns erörterte, zeigt doch der von ihm gewählte Name Endodermis, daß auch ihm die Ähnlichkeit mit der Wurzelendodermis aufgefallen ist. — Es dürfte somit das Epithel nur als ein Spezialfall der weit verbreiteten Embryodermis auf- zufassen sein und eine nahrungszuleitende Funktion jedenfalls nicht besitzen. Im Gegenteil scheint gerade dort, wo eine sehr typische Embryodermis oft mit Epithelausbildung den Embryosack umgibt, korrelativ die Ausbildung der Haustorien gefördert zu sein. Die Haus- torien müssen dem Endosperm Nahrung herbeischaffen, welcher die Embryo- Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 323 dermis, ebenso wie sie ihren Austritt hindern soll, ihren seitlichen Zutritt erschweren muß. Es steht somit die Embryodermis der Podo- stemaceen in ihrer Morphologie und Funktion keineswegs isoliert da, sondern besitzt Analoga zu zahlreichen anderen Angiospermen. Der Unterschied zwischen ihr und diesen liegt nur darin, daß sie bei den Podostemaceen ganz besonders frühzeitig angelegt wird. — Ehe noch die Befruchtung stattgefunden hat, beginnt sich das ganze innere In- tegument zur festen Samenschale umzuformen, also nur gleichfalls ver- früht ein für die übrigen Angiospermen häufiger Vorgang. — Zum völligen Abschluß der Nuzellarhöhle verkorken bei den Podo- stemaceen die an der Chalaza zwischen den Ansatzstellen des inneren Inte- guments gelegenen Zellen. Es ist num schon lange bekannt, daß sich bei sehr vielen Angiospermen unterhalb der Chalaza Zellen vorfinden, die sich durch starke Lichtbrechung und oft gelbliche Färbung ihrer Membran auszeichnen. Sie sind oft unregelmäßig verdickt, zeigen meist deutliche Holzreaktion und sind gegen Säurewirkung resistent. Diese Zellregion ist von van Tieghem ausführlich bearbeitet worden und hat den Namen Hypostase erhalten. Ihre Bedeutung sieht van Tieghem darin, daß sie dem wachsenden Embryosack ein unüberwindliches Hindernis entgegensetzt, gegen die Basis der Samenanlage vorzudringen. Da sie ganz unverdaulich ist, bildet sie zumeist die allein bei der Samenreife bestehenbleibende Basis des Nuzellus. — Diese Deutung vermag aber einer unbefangenen Beobachtung nicht stand zu halten. Schon Modilewsky meint, daß ihr wahrscheinlich eine ganz andere Rolle zuzuschreiben ist. Ich möchte nach ihrer ganzen Anordnung nicht anstehen, in ihr der Nahrungszufuhr dienende Zellen zu sehen, wie es wohl auch Huss für die Ranunculaceen annimmt. Das ist in manchen Fällen deutlich aus ihrer Anordnung zu erkennen. Bei den Umbelliferen z. B. bilden sie eine direkte Verbindung langgestreckter Zellen zwischen dem Leitungsgewebe des Funikulus und dem Embryo- sack. Sie werden nicht aufgelöst, sie sind unverdaulich, weil es von größter Wichtigkeit ist, daß die Verbindung zwischen dem leitenden Gewebe des Funikulus und dem Einmbryosack niebt durch absterbende Zellen gestört werde. Erst beim Aufhören der Leitung nach Aus- bildung der Samenschale gehen sie zugrunde und werden dann viel- fach selbst verkorkt und zu einem Teil derselben umgebildet, wie es 2. B. für Saxifraga granulata von Juel beschrieben worden ist. — Bei den Podostemaceen dienen diese Zellen nur sehr kurze Zeit der Leitung und meist noch vor der Befruchtung sterben sie ab, werden verkorkt und bilden dann einen Teil der Höhlenwandung. Sie ähneln somit 21* 334 Werner Magnus, durchaus den homologen Zellen der gewohnten Angiospermenanlage, nur durchlaufen sie ihre Entwicklung viel rascher und erreichen viel frühzeitiger ihre endgültige Ausbildung. Auch die Auflösung des Nuzellargewebes und seine Umwandlung in einen mit Flüssigkeit erfüllten Hohlraum läßt sich leicht zu bekannten Erscheinungen in Beziehung setzen. Die Auflösung des Nuzellus durch den wachsenden Embryosack dürfte als die gewöhnliche Art der Ernährung anzusehen sein und gar nicht selten schon vor der Befruch- tung, wie z. B. bei den Kompositen, stößt der Embryosack direkt an das innere Integument an. Auch das anfängliche oder dauernde Er- halten einer Kappe an der Mikropyle kommt häufig vor, wofür als ein sehr typisches Beispiel auf die stark verdickten Zellen der Crassulaceen (Hubert und Rombach) hingewiesen sein mag. Nur in recht wenigen Fällen bleibt ein größerer oder geringerer Teil des Nuzellus- gewebes bis zur Samenreife erhalten und dient dann fast stets, indem er sich mit Reservestoffen füllt, als Nährgewebe des keimenden Samens (Perisperm). Juel weist nun mit Recht darauf hin, daß eigentlich kein prinzipieller Unterschied besteht zwischen der Ausbildung des Nährgewebes im Nuzellus für den Embryo im keimenden Samen. und für den sich bildenden Embryo. Er spricht in diesem Sinne von einem transitorischen Perisperm bei Saxifraga und vermutet, daß es bei vielen Angiospermen vorkommt. — Die Auflösung des Nuzellus der Podo- stemaceen ist also wiederum nur ein spezieller Fall einer verbreiteten Erscheinung. Hier wird ein Wachstum des: Embryosackes nicht abge- wartet, sondern der Nuzellus löst sich zumeist in einem sehr frühen Stadium der Samenentwieklung selbständig auf. Beide Prozesse sind, wie Rombach sagt, voneinander unabhängig geworden. Wiederum tritt also ein gewohnter Vorgang in einem verfrühten Stadium der Entwicklung, die Auflösung des Nuzellus vor dem Auswachsen des Embryosackes, auf, das dann ganz unterbleibt. Der Hinweis von Rombach ist beachtenswert, daß bei den wegen anderer Umstände in die Verwandtschaft der Podostemaceen gesetzten Crassulaceen das Nuzellusgewebe schon sehr frühzeitig einen sehr lockeren Bau besitzt. — Bei Lawia speichert der Nuzellus für den wachsenden Embryo in seinen Zellen besonders den wichtigsten Nährstoff, das Wasser, und bildet so ein transitorisches Perisperm, bei den übrigen Podostemaceen löst er sich noch früher auf und an seine Stelle tritt der Wasser und bis zu einem gewissen Grade auch andere Nährsubstanzen speichernde Hohlraum. Bis zu dieser Zeit findet genau in gleicher Weise, wie bei den anderen Angiospermen, durch die langgestreckten Zellen des Nu- Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 325 zellus die Leitung des Nährmaterials resp. Speicherung von Stärke, wie bei Podostemon, statt. — Die Samenanlage enthält aber noch außerdem in den meisten anderen Zellen reichliche Stärke und das Nährmaterial, das den Samenanlagen im allgemeinen erst im Laufe der Entwicklung langsam zugeführt wird, ist hier schon auf einem sehr frühen Entwicklungsstadium abgelagert. So erfolgt auch nur kurze Zeit die Zuleitung der Nährstoffe zum Embryosack vom Nuzellus her. Unmittelbar nach der Befruchtung bildet sich die Haustorialzelle des Embryo und nunmehr werden die Nährstoffe von der Mikropylarseite her zugeleitet. — Es bedarf kaum des Hinweises, wie verbreitet diese Art der Embryonalernährung ist und wie sie an den mannigfaltigsten Stellen in der Angiospermenreihe auftritt. Hierher gehören besonders alle diejenigen Fälle, in denen Mikropylarhaustorien des Embryosackes gebildet werden. Sehr ähnlich dem von Merz für Utricularia beschrie- benen Nährgewebe an der Basis des Funikulus, finden wir auch bei den Podostemaeeen an der gleichen Stelle ein Zellgewebe, das sich als nahrungsvermittelndes deutlich zu erkennen gibt. — Um das abweichende Verhalten der Embryosackentwicklung der Podostemaceen einer morphologischen Deutung zu unterziehen, muß man sich die beiden Hauptpunkte der normalen Entwicklung des Angiospermen-Embryosackes vergegenwärtigen. 1. Die E.M.Z. teilt sich in vier Makrosporen, wobei in einer heterotypischen und folgenden homoiotypischen Teilung die Chromosomenzahl reduziert wird. 2. Nur eine dieser Makrosporen entwickelt sich weiter und aus ihr werden durch dreimalige Teilung zwei polar an der Mikropyle und an der Chalaza angeordnete Vierergruppen von Kernen gebildet. — Aus ihnen differenziert sich 1. die an der Mikropyle gelegene zum Eiapparat, be- stehend aus der Eizelle und den beiden Synergiden, 2. die an der Chalaza zu dem aus drei Energiden bestehenden Antipodenapparat, 3. die zwischen beiden Kerngruppen gelegenen Polkerne, von denen einer der Mikropylen-, der andere der Chalaza- Vierergruppe ent- stammt und die schon vor der Befruchtung zum sekundären Embryo- sackkern verschmelzen können. — Dieser typische Entwicklungsgang der ganzen Gruppe der Angiospermen ist so regelmäßig, daß die wenigen bisher bekannt gewordenen Fälle eines atypischen Entwicklungsganges um so mehr auffallen. Sie sind in den letzten Jahren verschiedentlich zusammengestellt worden), so daß hier nur auf die im Vergleich zu 1) Coulter and Chamberlain, Ernst II, Me Allister, Went II, Smith, Brown and Sharp. 326 Werner Magnus, den Podostemaceen interessierenden Fälle hingewiesen werden braucht. — Die Makrosporenbildung braucht von der Teilung im Embryosack nicht scharf geschieden zu sein. Es braucht der Embryosackbildung nur ein Teilungsschritt voranzugehen, oder die E.M.Z. kann sich direkt zum Embryosack umwandeln. In diesen Fällen finden also die Re- duktionsteilungen teilweise oder ganz während der Embryosackbildung statt. Daß nun wirklich die vier Makrosporen zur Bildung eines Embryosacks zusammentreten können, ergibt sich neben anderen Bei- spielen aus den Beobachtungen von Me Allister an Smilacina, wo die ursprünglich durch typische Tetradenbildung entstandenen Makro- sporen nach Auflösung ihrer Wände und folgender Zweiteilung einen normalen Embryosack zu bilden imstande sind. Bei Epipactis kann nach Brown und Sharp sowohl ein normaler Embryosack aus einer. Makrospore gebildet werden, wie in anderen Fällen aus zwei ursprünglich getrennten Makrosporen. Unter den untersuchten Podostemaceen wird bei Lawia, ebenso wie bei den von Went untersuchten Laeideae von der Tochterzelle der E.M.Z. durch einen weiteren Teilungsschritt nach der Chalaza zu eine Zelle abgeschieden. Da sie bei den Lacideae sehr schnell degeneriert, konnte Went nicht entscheiden, ob sie, wie er vermutet, dem chalazalen Teil des normalen Embryosacks homolog zu setzen ist oder eine durch eine weitere Tetradenteilung entstandene Makrospore darstellt. Smith will nur letztere Möglichkeit. gelten lassen. Bei Lawia, wo dieser Kern noch im fertigen Embryosack vor- handen ist und späterhin mit dem oberen Polkern fusioniert, dürfte es unzweifelhaft sein, daß es sich entsprechend Went’s Vermutung wirk- lich um den nicht weiter geteilten Kern des Antipodenapparats handelt. — Entsprechende Fälle, in denen die Bildung des Antipodenapparats auf dem Einzellenstadium stehen bleibt, sind von einigen anderen Pflanzen bekannt. Von der Balanophoree Helosis (Chodat und Bernard) bei der der Kern sehr frühzeitig degeneriert und von der Alismacee Limnocharis (Hall), bei der er sich zu einem einkernigen haustorienartigen Gebilde umwandelt. Nicht ohne Analoga ist aber auch der Fall, daß überhaupt die ganze Bildung des Antipodenapparats ausfällt und nur der obere Teil eines normalen Embryosacks gebildet wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn im übrigen die Umwandlung der mikropylaren Vierergruppe normal verläuft und insbesondere der Eikern der Schwesterkern des nach der Chalaza zu gelegenen, also des einen Polkerns ist. So ist es bei Cypripedium (Pace) und bei Oeno- thera (Geerts) und anderen Onagraceen (Modilewsky) und der Campanulaceae Clintonia (Smith) gefunden worden. Das Gleiche gilt Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 327 nach unserer Beobachtung für Podostemon, Hydrobrium und Farmeria. Nur unterscheiden sie sich von den Onagraceen und Clintonia dadurch, daß bei diesen drei früher oder später degenerierende Makrosporen am Chalazaende liegen, denen dort sicherlich im gewissen Sinne eine Anti- podenfunktion zufällt. — Ganz ohne Analogon scheint hingegen der Fall von Dicraea zu sein, bei der die Eizelle die Schwesterzelle der an der Mikropyle gelegenen Zelle, also einer einzigen Synergide ist, während sich zwei weitere Kerne an der Chalaza entwickeln. Hier kann man mit gleichem Recht sagen, der mikropylare und chalazale Teil des Embryosacks sind beide auf dem Zweizellenstadium stehen geblieben und das Ei ist nur durch eine Teilung des Mikropylenkerns des zwei- kernigen Sackes hervorgegangen oder aber auch: hier wird, wie bei Podostemon, Hydrobrium und Farmeria nur der Eiapparat gebildet, aber ein vom Normalen abweichender Kern der Vierergruppe wandelt sich zum Eikern um oder aber schließlich auch hier wird der gewohnte Kern zum Eikern, nur daß die Anordnung der Kerne um 180° ge- dreht ist. Indem man aber diese Möglichkeiten erwägt, wird man ganz un- willkürlich dazu geführt, die Berechtigung einer solchen Fragestellung zu prüfen. Kann denn überhaupt eine so weitgehende morphologische Unterscheidung der im Embryosack vorhandenen Energiden vorge- nommen werden? Die Voraussetzung einer solchen Unterscheidung scheint die Annahme, daß in der E. M.Z. resp. in der Makrospore eine ganze bestimmte Kernteilungsfolge vorgezeichnet ist und aus diesen Kernteilungen ganz oder zum Teil ungleichwertige Energiden hervor- gehen. Die Regelmäßigkeit der Embryosackentwicklung in der ganzen Angiospermenreihe gibt dieser Anschauung einen hohen Grad von Wahr- scheinlichkeit, andererseits haben wir schon gehört, daß in der gleichen Pflanze zur Ausbildung eines normalen Embryosackes manchmal eine, manchmal mehrere Makrosporen verwendet werden können, also die Zellteilungsfolge resp. die Differenzierung der entstehenden Energiden nicht genau vorher bestimmt ist. Auch wissen wir von Rosenberg, daß in dem apogamen Embryosack von Taraxacum irgendeine Zelle des Somatophyten, also sogar unreduzierte Kerne, zum normal ge- stalteten Embryosack auswachsen können. Dennoch kann ich Brown und Sharp darin nicht folgen, die hieraus schließen wollen, daß über- haupt nicht von einer Spezialisierung der Kerne im Embryosack ge- sprochen werden kann und besonders nicht von einer morphologischen Bewertung der einzelnen Energiden. — Der Embryosack ist ein Organ der Pflanze wie jedes andere. Auch ein Drüsenhaar kann aus einer 328 Werner Magnus, ganz bestimmten Anzahl von Zellen bestehen, die unter sich wiederum genau spezialisiert sind. Dennoch kann das Haar aus irgendeiner beliebigen peripher gelegenen Zeile gebildet werden, sei es aus der Epidermis, sei es aus einem tiefer gelegenen Gewebeteil, falls dieses nur meristematisch genug ist, sich regenerativ zu einer Epidermis um- zubilden. Und wie wir die einzelnen Teile unterscheiden können, die aus einer bestimmten Zellteilungsfolge hervorgegangen sind, kann auch bei der morphologischen Ausgestaltung der Makrosporenteilung von der Wertigkeit der Energiden des fertigen Embryosackes und den dazu führenden Kernteilungen gesprochen werden. — Besteht nun aber wirklich eine solche morphologische Wertigkeit der einzelnen Zell- elemente des Embryosackes? Diese Frage wird ohne weiteres bejaht von einer Reihe von Forschern, die eine Homologisierung der Ele- mente mit den in den Makrosporen der Gymnospermen auftretenden morphologischen Differenzierungen vorgenommen haben. Als ein Bei- spiel soll hier nur auf die geistreiche Hypothese von Porsch hin- gewiesen werden, der in den beiden Vierergruppen des normalen Em- bryosackes zwei Archegonien sieht. Von den an der Mikropyle ge- legenen setzt er die Synergiden gleich den Halszellen eines einfachen Gymnospermenarchegoniuns, während er dem Polkern dem Bauch- kanalkern gleich setzt. Dieser soll aber als reduzierter Eikern be- trachtet werden, da es in der Tat bekannt ist, daß er zuweilen, z. B. bei Thuja, befruchtet werden kann und einen kleinen Gewebekörper hervorbringt. Dieser wird dem aus der doppelten Befruchtung hervor- gegangenen Endosperm an die Seite gestellt. Das untere Archegon soll durch Überernährung vegetativ werden und sich so zu den Anti- poden umbilden. Diese Theorie hat vielfach Anklang gefunden, zumal sich durch sie auch die atypischen Embryosäcke erklären lassen. Beim Fehlen des Antipodenapparates wird die Bildung von nur einem Arche- gonium angenommen. In der Bildung der vielkernigen Embryosäcke wird die Bildung überzähliger Archegonien gesehen, da sich hier, wie besonders bei Euphorbia von Modilewsky II gezeigt wurde, Kern- tetraden polar anordnen. — Sicherlich lassen sich nun aber diese Fälle auch anders deuten. Bei dem vielkernigen Embryosack unterbleibt die normale Teilung der E.M.Z. und es ist leicht verständlich, wie ver- schiedene Makrosporen sich zu einem großen vereinigten Embryosack ausbilden. — Die Entstehung der reduzierten Embryosäcke sehen wir deutlich in der Reihe der Podostemaceen, wobei bei Lawia und den Laeideae der für den Antipodenapparat bestimmte Kern noch gebildet wird, während er bei den anderen gar nicht mehr zur Ausbildung ge Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 329 langt. Sind wir auch hier der Ansicht, daß die Rückbildung stattfindet, weil eine Ausbildung der Antipoden physiologisch nutzlos wäre, ließe sich auch hier solange die Fiktion eines einzigen Archegoniums auf- recht erhalten, als wirklich, worauf Porsch großen Wert legt, bis- her stets zwei „Halszellen“ aufgefunden wurden. Nun zeigt uns Dieraea, daß dies keineswegs notwendig zu sein braucht, sondern auch einmal eine Vierergruppe im Embryosack gebildet werden kann, bei der Eikern und Synergidenkern Schwesterkerne sind. Ich glaube, daß gerade durch das Beispiel von Dieraea klar ge- zeigt wird, wie wenig eigentlich mit dem Homologisieren des Angio- spermen-Embryosacks erreicht wird. Die Brücke, die Porsch von den Gymnospermen zu den Angiospermen über Ephedra baut, scheint recht locker gefügt zu sein. Nach wie vor fehlt das wesentlichste Bindeglied, nämlich das Verschwinden des Prothalliums. Es würde die Gleichsetzung des Antipodenapparates mit einem zweiten Archegonium wohl erst dann berechtigt sein, wenn irgendwo in der ganzen Reihe der Angiospermen mit ihren so vielfach modifizierten Samenanlagen seine Befruchtung einträte. Das findet aber auch dort nicht statt, wo, wie bei der Chalazogamie der Pollenschlauch in seine Nähe geführt wird. Ich glaube, der einzig mögliche Standpunkt für die Homo- logisierung des Embryosacks ist der, den Porsch selbst bei der Dentung des Endosperms einnimmt. „In dem Endosperm“, sagt er, „gegenwärtig noch den Charakter eines Embryo zu finden, ist phylo- genetisch ebenso vergeblich, als in dem historisch wohl sicher einen Phyliom entsprechenden Kronenblatt der Angiospermen Blattscheide, Blatt- stiel und Lamina hineindeuten zu wollen. Beide Bildungen sind eben, obwohl phylogenetisch gleicher Herkunft, im Detail gegenwärtig nicht mehr vergleichbar.“ In ganz gleicher Weise scheint die Homologisierung der beiden Vierergruppen mit Archegonien „to be pressing morpho- logy to an absurdity“ (Coulter und Chamberlain). Die acht freien Energiden haben in der normalen Angiospermensamenanlage be- stimmte physiologische Funktionen übernommen. Fallen diese fort, können auch wie bei Dicraea ganz neue Kernfigurationen gebildet werden. Bei Tulipa silvestris (Guignard III) und zum Teil bei Juglans (Karsten) wurde keine bestimmte Lage der Kerne fest- gestellt. Bei Peperomia und bei Ornithogalum (zit. nach Coulter und Chamberlain) liegt gleichfalls nur eine Synergide neben dem Eikern. Hier wie bei Dieraea wäre es eine Absurdität, eine morphologische Wertung hineindeuten zu wollen. Damit soll keineswegs der An- schauung Beifall gezollt werden, die da meint, den Angiospermen- 330 Werner Magnus, Embryosack nun von den mit zahlreichen freien Energiden versehenen Embryosack der Gnetaceen ableiten zu müssen. Diese Bewertung hätte nicht mehr innere Wahrscheinlichkeit. — Das Einzige, was wir sicher von dem Angiospermen-Embryosack aussagen können, ist, daß er eine Tendenz hat, Vierergruppen von Kernen zu bilden, eine Ten- denz, wie sie zahlreichen anderen Gametangien auch zukommt. So dürfte vielleicht mit Dangeard es am zweckentsprechendsten sein, den Angiospermen-Embryosack als ein Gametangium anzusehen, ohne dabei zu vergessen, daß er historisch der gekeimten Makrospore der Gymnospermen mit Prothallium und Archegonium entspricht. ‘ Die der ziemlich normal verlaufenden Befruchtung folgenden Stadien der Embryonalentwicklung sind nach zwei Richtungen hin un- gewöhnlich: Es wird kein Endosperm gebildet und der Embryo durchbricht kurz nach der Befruchtung den Embryosack, indem er durch den Suspensor in die Nuzellarhöhle geführt wird, und die große Haustorial- zelle mit zahlreichen Fortsätzen in das Gewebe des Funikulus und des äußeren Integuments eindringt. Offenbar stehen beide Vorgänge in engster Beziehung. Da eine Ernährung des jugendlichen Embryos durch das Endosperm nicht stattfindet, entzieht er seine Nahrung direkt dem mütterlichen Organismus und diese Ausschaltung der vermittelnden Rolle des Endosperms ergibt, wie wir oben ausführten, einen weiteren Zeitgewinn für die Samenreife. -—— Es ist sehr merkwürdig, daß eine gleich gerichtete Entwicklung an einer ganz anderen Stelle in der Angiospermenreihe auftritt, nämlich bei den Orchideen. Auch hier wird oft kein Endosperm gebildet, und gleichzeitig wächst an der Mikropyle der Embryo zu den mannigfach gestalteten Haustorien aus, wie sie von Treub I, II eingehend beschrieben wurden. In der Orchideenreihe läßt sich noch ihre Entstehung aus der gewohnten Embryonalent- wicklung verfolgen, denn es kommen sowohl Formen mit geringer Endospermentwicklung, wie solche ohne Embryohaustorien vor. In- wieweit auch hierbei spezielle ökologische Anpassungen mitsprechen, läßt sich ohne genau darauf gerichtete Untersuchung nicht sagen. Treub I meint, „man könnte sich vielleicht den Nutzen dieser Differen- zierung für den Embryo vorstellen, indem man voraussetzt, daß die Embryonen, welche einen speziellen Absorptionsapparat besitzen, dadurch in den Stand gesetzt sind, die ersten Stadien ihrer Entwicklung unter dem Schutze einer ziemlich dicken Cuticula (des Embryo) durchzumachen. Es wäre außerdem möglich, daß die Cuticula, die eine längere Zeit hat, sich zu verdicken und zu verstärken, den erwachsenen Embryo mehr vor schädlichen Einflüssen schützt, denen die von Listera und Epipactis, Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 331 die immer ohne Suspensoren sind, nicht ausgesetzt sind.“ Es bleibt zu prüfen, ob nicht auch hier die Schnelligkeit der Samenreife, bewirkt durch direkte Ernährung, als wesentlicher Faktor anzusehen ist. — Daß der Embryo während seiner Entstehung Haustorien in die Mutter- pflanze entsendet, scheint sonst nur noch bei Tropaeolum vorzukommen, bei der lange, vielzellige Haustorien den Fruchtknoten durchziehen. Die älteren Angaben, daß auch Tropaeolum des Endosperm ganz entbehre, scheinen unrichtig zu sein. Es bleibt aber zu untersuchen, inwieweit die Ernährung durch den Embryosack stattfindet (vgl. Leidicke). Bei einer orientierenden Untersuchung fiel mir auf, daß schon in sehr jugend- liehem Entwicklungszustand der Embryo in einer lufterfüllten Embryonal- höhle liegt. Die Entwicklungstendenz der höheren Pflanzen wird mit Recht in einem immer weiteren Zurücktreten des Gametophyten gegenüber dem Somatophyten, der Generation mit einem x-Chromosomen gegenüber der mit zwei x-Chromosomen, gesehen. Wenden wir dies für die Podo- stemacaeen und Orchideen und vielleicht auch für Tropaeolum konsequent an, so hätten wir in ihnen eine Fortentwicklung zu sehen, die über das gewohnte Verhalten der Angiospermen hinausführt. Während dort der neue Somatophyt während der Embryonalentwicklung durch die Ver- mittlung des Gametophyten im Embryosack ernährt wird, tritt er hier unmittelbar nach der Befruchtung mit dem mütterlichen Somato- phyten in direkte Berührung; die eine Generation ist völlig ausgeschaltet. Die Orchideen mit ihren weitgehenden Anpassungserscheinungen an Insektenbesuch werden durch ihren ganzen morphologischen Aufbau wohl mit Recht als eine der höchst entwickelten Pflanzenformen an- gesehen. Es dürfte somit kein Zufall sein, daß gerade bei ihnen der über die Angiospermenreihe hinausgehende Fortschritt in der Reduzierung des Gametophyten auftritt. Wenn wir nun in der Podostemaceenreihe, die sicherlich an einer ganz anderen Stelle der Angiospermen entstanden ist, gleiche fortschreitende Entwieklungstendenzen vorfinden, wird man dazu geführt, auch in ihnen nicht, wie man leicht durch den vegetativen Aufbau geneigt ist, rückgebildete Formen zu sehen, sondern im Gegen- teil Formen, die unter extremen Lebensbedingungen neben weitgehen- den Anpassungen der vegetativen Sphäre einen Anstoß zur Fortent- wicklung der generativen Sphäre erfahren haben, die weit über das normale Maß der Angiospermen hinausgeht. Ich halte daher auch die Vorstellung von Rombach für verfehlt, die eine Rückkehr der Podo- stemaceen zur Landform in den Crassulaceen sieht. Ich würde es, 339 Werner Magnus, wenn man eine Verwandtschaft annehmen will, für eher denkbar halten, daß die im allgemeinen xerophytische Anpassung der Crassulaceen, die sich auch auf die generative Sphäre erstreckt (vgl. d’Hubert), die Möglichkeit gegeben hat, für die Anpassung an die generativ-xerophy- tische Lebensweise der Podostemaceen, die, wie sich aus unserer Dar- stellung ergibt, nicht weniger extrem ist, wie die Anpassung der vegetativen Teile an das Leben in Stromschnellen. — Hat unsere Unter- suchung auch keinen Anhalt dafür gegeben, die systematische Stellung der Podostemaceen näher zu begründen, dürfte sie doch auf allgemeine phylogenetische Probleme ein gewisses Licht werfen. Der Anstoß zur Fortentwicklung der generativen Sphäre wird hier zweifellos durch die extremen Lebensbedingungen gegeben. — Der Fortschritt gegenüber der gewohnten Embryonalentwicklung der Angiospermen, der direkten Er- nährung des Embryo aus dem Somatophyten gegenüber der indirekten durch den Gametophyten, ist kaum geringer, als der von den Gymnospermen zu den Angiospermen, von der Haupternährung durch das Prothallium zu der durch das Endosperm. Liegt es nicht nahe, anzunehmen, daß auch hier der Übergang in einer besonders extremem Verhalten ange- paßten Gruppe stattgefunden hat, die dann, unter normale Verhältnisse zurückversetzt, diese Merkmale beibehalten hat? Wer vermag zu sagen, ob nicht vor unseren Augen in der Fortentwicklung der Podostemaceen zur direkten Ernährung des Embryo der Anfang neuer Pflanzenstänme in Jahräonen gegeben ist? Literaturverzeichnis. Me Allister, The developpment of the embryosac of Smilacina stellata. Bot. Gaz. 1909, Vol. XLVIII. Balieka-Iwanowska, Contribution a P’6tude du sac embryonaire chez certains Ga- mopetales. Flora 1899, Bd. LXXXVI. Billings, Beiträge zur Kenntnis der Samenentwicklung. Flora 1901, Bd. LXXXVIIL Brown and Sharp, The embryosac of Epipactis. Bot. Gaz. 1911, Vol. LII, Dee. Cario, Anatomische Untersuchungen von Tristicha hypnoides Spreng. Bot. Zeitung 1881. Chodat et Bernard, Sur le sac embryonaire de I’ Helosis gujanensis. Journ. d. Bot. 1900, Tome XIV. Coulter and Chamberlain, Morphology of Angiosperms. New York 1903. Ernst, A., I. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung des Embryosackes und des Embryo von Tulipa. Flora 1901, Bd. LXXXVIII. Ders,, II. Zur Phylogenie des Embryosackes der Angiospermen. Ber. d. d. bot. Ges. 1908, Bd. XXVlIa, Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. 333 Geerts, J. M., Beiträge zur Kenntnis der Cytologie und der partiellen Sterilität von Oenothera lamarkina. Rec. d. trav. bot. n&col, Tome V. Goebel, I. Pflanzenbiologische Schilderungen, 2. Teil, 1893. Marburg. Ders., II. Organographie der Pflanzen. Jena 1898—1901. Goldfuss, M., Sur la structure et les fonctions de l'assise &pithöliale et des anti- podes chez les composdes. Journ. d. Bot. 1898—1899. Guignard, L., I. Embryogenie des Legumineuses. Ann. d. se. nat. Bot., Ser. VI, 1881, Tome XII. Ders., II. Recherches sur le developpement de la graine et en particulier du t&gu- ment s&minal. Journ. d. Bot. 1893, Tome VII. Ders. III. L’appareil sexuel et la double fecondation dans les tulipes. Ann. sc. nat. Bot. 1900, Ser. VII, Tome XI. Hall, An embryological study of Limnocharis emarginata. Bot. Gaz. 1902, Vol. XXXI Hegelmaier, F., Über den Keimsack einiger Kompositen und dessen Umhüllung. Bot. Zeit. 1889. d’Hubert, Recherches sur le sac embryonnaire des plantes grasses. Ann. des sc. nat. Bot. 1896, Ser. VIII, Tome II. Huss; Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Antipoden. Beih. z. bot. Zentralbl. 1906, Bd. XX, 1. Abt. Ikeda, F., Studies in the physiological functions of antipodals and related pheno- mena of fertilisation in Liliacea, 1. Trieyrtis hirta. Bull. of the coll. of agric. Tokyo imp. univers. 1902, Vol. V. Juel, H. O., Studien über die Entwicklungsgeschichte von Saxifraga granulata. Nova acta regiae societatis seientiarum upsaliensis 1907, Ser. IV, Vol. I, No. 9. Karsten, Über die Entwicklung der weiblichen Blüte bei einigen Juglandacese. Flora 1902, Bd. XC. Lavialle, P,, Recherches sur le developpement de l’ovaire en fruit chez les com- posdes. Ann. d. sc. nat. Bot. 1912, IX. ser, Tome XV. Leidicke, 5. W., Beiträge zur Embryologie von Tropaeolum majus L. Inaug.-Dies. Breslau 1908. Lötscher, Bau und Funktion der Antipoden in der Angiospermensamenanlage. Flora 1905, Bd. XCIV. Lotsy, Vorträge über botanische Stammesgeschichte. Jena 1911, Bd. III, 1. Teil. Merz, Untersuchungen über Anatomie und Samenentwicklung der Utricularien und Pinguicula. Flora 1897, Bd. LXXXIV. Modilewsky, J., I. Zur Samenentwicklung einiger Urtieifloren. Flora 1908, Bd. XCVII. Ders, II. Zur Embryobildung von Euphorbia procera. Ber. d. bot. Ges. 1909, Bd. XXVIL Ders., III. Zur Embryobildung einiger Onagraceen. Ber. d. deutschen bot. Ges. 1909, Bd. XXVIL Osterwalder, Beiträge zur Embryologie von Aconitum Napellus. Flora 1898, Bd. LXXXV. Pace, Lulu, Fertilisation in Cypripedium. Botanical Gaz. 1907, Vol. XLIV. Porsch, O., Versuch einer phylogenetischen Erklärung des Embryosackes und der doppelten Befruchtung der Angiospermen. Vortrag 1907. Jena. 334 Magnus Werner, Rombach, Die Entwicklung der Samenanlage bei den Crassulaceae. Rec. d. trav. bot. Neerland 1911, Vol. VIII. Rosenberg, O, Experimental and cytological studies in the Hieracia (Ostenfeld and Rosenberg). II. Cytologieal studies on the apogamy in Hieracium. Botanisk tidsskrift, 28. Bind. Kebenhavn 1907. Schmid, Eduard, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Scrophulariaceae. Bei- hefte z. Bot. Zentralbt. 1906, Bd. XX, Abt. 1. Smith, The tetranucleate Embryosac of Glintonia. Bot. Gaz. 1911, Vol. LH. v. Tieghem, Sur l’hypostase. Ann. d. sc. nat. Bot., ser. 8, Tome XVH. Treub, M., I. Notes sur Pembryologie de quelques Orchidses. Naturh. Verhandl. d. Königl, Akad. 1879, Deel 19. Ders., II. Notes sur l’embryon, le sac embryonnaire et l’ovule. Ann. d. Jardin. de Buitenzorg 1883, Vol. III. Went, F.A. F. C,, I, The development of the ovule, embryosac and egg in the Podostemaceae. Rec. trav. bot. Neerland 1909, V. Ders., II. Untersuchungen über Podostemaceae. Verhandl. d. Königl. Akad. d. Wet. Amsterdam 1910, 2 Sect., Deel XVI, 1. Warming, I. Podostemaceae in Engler u. Prantl: Natürl. Pflanzenf. 1890. Ders, II. Familie Podostemaceae I-VI. Kgl. Danisch Videns Selk. Skr. 1881 —1%01. Westermaier, M., I. Zur Embryologie der Phanerogamen, insbesondere der so- genannten Antipoden. Nova acta Acad. Leopold. Carol. Acad, 1890, 57, 1. Ders., II. Zur Physiologie und Morphologie der Angiospermen-Samenknospe. Bei- träge zur wiss. Botanik 1896, I, 2. Willis, J. C., Studies of the Morphologie and Ecology of the Podostemaceae of Ceylon and India. Ann. of the Royal Botanic Gardens, Paradenia 1902, Vol. I, part. 4. Wurdinger, Bau und Eniwicklungsgeschichte des Embryosackes von Euphrasia. Denksehr. Wiener Akad. 1910, Figurenerklärung zu Tafel XI—XIV. Tafel ZT. Lawia zeylanica Tul. Fig.l. E.M.Z. Vergr. ca. 1550. » 2. E.M.Z. in heterotypischer Kernteilung. Vergr. ca. 2050. 3. E.M.Z. geteilt. Obere Zeile kleiner wie die untere. Vergr. ca. 1550. 4. E.Z. Obere Zelle zur Kappe zusammengedrückt. Vergr. ca. 1550. » 5. Emüryosack. Erste Kernteilung. Vergr. ca. 1550. » 6. Oberer Kern stärker vergrößert. Vergr. ca. 1550. „ 7. Tüpfelstruktur der Kappe. Vergr. ca. 2050. » 8 Kernspindel des oberen Kernes. Querschnitt. Vergr. ca. 2050. „ 9 Oberer Kern soeben geteilt. Vergr. ea. 1550. „ 10. Ein Kern rückt in die Mitte des Embryosackes. Vergr. ca. 1550. „11. Spnehrone Teilung der oberen Kerne. Vergr. ca. 1550. ” 25. Die atypische Embryonalentwieklung der Podostemaceen. 335 Fertiger Embryosack mit Mikropyle. Vergr. ca. 1550. Protoplastenabgrenzung im Embryosack. Vergr. ea. 1550. Befruchtungsstadium. Pollenschlauch fusioniert mit einer Synergide. Ver- einigung der unteren Embryosackkerne. Vergr. ca. 1550. Ein männlicher Kern in der Eizelle, der zweite verschmilzt mit dem Embryosackkern. Vergr. ca. 1550, Ein männlicher Kern in der Eizelle. Querschnitt. Vergr. ca. 1550. Eizelle mit Kernverschmelzung. Querschnitt. Vergr. ca. 2050. Teilung des befruchteten Eies. Degeneration des Embryosackkernes. Vergr. ca. 1550. Zweizelliger Embryo oberhalb des verengten Endostoms. Vergr. ca. 1550. Embryo dringt in den unteren Teil des Nuzellus. Vergr. ca. 1550, Tafel XIX Podostemon subulatus Gardn. E.M.Z. im Synapsisstadium. Vergr. ca. 1550. E.M.Z. mit lockiger Protoplasmastruktur. Vergr. ca. 2050. E.M.Z. in heterotypischer Kernteilung. Vergr. ca. 2050. E.M.Z. geteilt. Zentrale Zellreihe des Nuzellus mit Stärkekörnern er- füllt. Vergr. ca. 1550, E.Z. Obere Zelle sich zur Kappe umformend. Vergr. ca. 1550. E.Z. mit Kappe. Vergr. ca. 1550. Embryosack. Erste Kernteilung. Nuzellus mit inhaltsarmen Zellkernen. Vergr. ca. 1550. Synchrone Teilung der Kerne. Vergr. ca. 1550, Vierkernstadium. Obere Protoplasten noch ungesondert, Vergr. ca. 1550. Fertiger Embryosack. Vergr. ca. 1550. Befruchtungsstadium mit zwei männlichen Kernen. Vergr. ca. 1550. Befruchtungsstadium. -Pollenschlauch in einer Synergide. Vergr. ca. 1550. Verschmelzung der generativen Kerne. Vergr. ca. 1550. Befruchteter Eikern. Vergr. ca. 2050. Kernspindel im befruchteten Ei. Vergr ca. 1550. Zweizelliger Embryo dringt in den Nuzellarhohlraum. Vergr. ca. 1550. Tafel XIII. Fig. 37-39, 41-—-43: Podostemon subulatus Gardn. Pollenmutterzelle. Vergr. ca. 850. Pollenmutterzelle. heterotypische Kernteilung. Vergr. ca. 850. Pollenmutterzelle in zwei Protoplasten geteilt. Vergr. ea. 850. Hydrobrium olivaceum (Gardn.) Tul. Pollenmutterzelle mit zu- sammengesetzten Pollenkörnern. Freihandschnitt. Vergr. ca. 850. Pollenkorn mit Stärke. Vergr. ca. 850. Reifes Pollenkorn. Vergr. ca. 850. Querwand des Pollenkornes mit Tüpfeln. Vergr. ca. 1900. Fig. 44—54: Dieraea elongata Tul. Embryosack mit zwei Kernen. Vergr. ea. 1550, Kernballen im jugendlichen Nuzellarhohlraum. Querschnitt. Vergr. ea. 1550. 336 Werner Magnus, Die atypische Embryonalentwicklung der Podostemaceen. Fig. ” Fig. ” » » » ” ” Fig. ” ” ” 46. 47. 48. 49. Kernteilung des oberen Kernes. Vergr. ca. 1550. Oberer Kern geteilt, unterer Kern ungeteilt. Vergr. ca. 1550. Fertiger Embryosack. Untere Kerne nebeneinander. Vergr. ca. 1550. Fertiger Embryosack. Querschnitte. a oberer, 5 mittlerer, c untere Kerne. Vergr. ca. 1550. Fertiger Embryosack. Untere Kerne etwas übereinander. Vergr. ca. 1550. Befruchtetes Ei. Vergr. ca. 1550. Fast reifer Samen. Doppelkernige Haustorialzelle. Vergr. ca. 800. Schleimzellen der Samenschale. «@ Oberflächenansicht, & Querschnitt, Vergr. ca. 800. Embryo mit quallenförmiger Haustorialzelle. Vergr. ca. 350. Tafel ZIV. Fig. 55—62: Hydrobrium olivaceum (Gardn.) Tul. E.M.Z. im Nuzellus. Bildung des Nuzellarhohlraumes. Vergr. ca. 750. Embryosack mit geteiltem Kern. Vergr. ca. 2050. Embryosack mit vier Kernen. Vergr. ca. 2050. Fertiger Embryosack. Vergr. ca. 1550, Fertiger Embryosack. Unterer Protoplast abgetrennt. Vergr. ca. 1550. u. 61. Kerne in der Nuzellarhöhle. Vergr. ca. 1550. Befruchtungsstadium. Verschmelzung der generativen Kerne. Vergr. ca. 1550. Fig. 63-67: Farmeria metzgerioides (Trimen) Willis, E.Z. Vergr. ca. 1550. Embryosack mit geteiltem Kern. Vergr. ea. 1550. Fertiger Embryosack. Nuzellarhohlraum mit inhaltsarmen Kernen. Vergr. ca. 1550. Embryo mit drei Zellen. Kernteilung in der Haustorialzelle. Vergr. ca. 1550. Embryo mit zweikerniger Haustorialzelle. Vergr. ca. 650. Druck von Ant. Kämpfe, ‚Jena. Taf. IX. Flora Band 105. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Schoenan, Korea Bund W3, Taf \ 4 6} eh. U 0 8 9 20 % [2 B ıi ® 6 r [9 5 " undba 2 Ri Verlag von Gustav Fischer in Jena Flora Band 105. Taf. 16 ' > er PgF20 Zamia Verlag von Gustav Fischer in Jena, Tacıl. Flora Band 105. Verlag vor Gustav Fischer in Jena, Flora Band 105. Tar.Xxil Eifer ie Fig. 37- 43 Podosteimen. Rg.yy.54 Dieraea. Fluch „bst Fran Verlag von GustarPischer in Jena 5 Flora Band 10 39.35-62 Bgdrobrian PG3-G7 aymeri, SB de Verlag von GustAr Fischer in Jena, Soeben erschien: Vererbungslebre mit besonderer Berücksichtigung des Menschen, für Studierende, Ärzte und Züchter Von Dr. Ludwig Plate Prof. der Zoologie und Direktor des Zoolog, Instituts und des Phyletischen Museums der Universität Jena Mit 179 Abbildungen und Stammbäumen in Text und 3 farbigen Tafeln (Handbücher der Abstammungslehre, Band II) VI und 520 Seiten. gr. 8° Preis: geheftet Mk. 18.—, gebunden Mk. 19.— Ausführlicher Prospekt über das Buch mit genauer Angabe des Inhalts und der in Vorbereitung befindlichen Bände der Hand- bücher der Abstammungsliehre steht kostenfrei zur Verfügung Wilhelm Engelmann, Verlagsbuchhandlung, Leipzig Verlag von Gustav Fischer in fena. Soeben erschien: Pi 2lLe “ Von Dr. Franz Lafar, Prof. an der k. k. Teehn. Die Essigsäure-Gärung. Hochschule in Wien. Mit 4 Abbildungen. (Sonder- abdruck a. „Handbuch der techn. Mykologie“, Bd. V. 1913. Preis: 2 Mark 50 Pf. ug als Lebensvorgang. — Systematik der - und Weinessig-Bakterien. — 4. Die Schnell- Bakterien und der Schleimfluß der Bäune. — 6. Chemismus der Essigsäure-Gärung. — 7. Die Säurebildung aus einwertigen Alkoholen. — 8. Die Oxydation mehrwertiger Alkohole. — 9. Die Bildung von Säuren aus Kohlenhydraten. — 10. Der Einfluß anorganischer Gifte und des Lichtes. — 11. Verhalten zu organischen Giften. — 12. Der Reinzucht-Betrieb im Orleans- Verfahren. — 13. Die biologischen Verhältnisse im Bildner beim deutschen Ver- fahren. — 14. Die Essig-Arten. — 15. Essig-Säurebakterien als Schädlinge in den Gärungsbetrieben. — Literatur. — Sachregister. Soebeu erschien: Fr ; «. Publie la Soeiete Recueil des Travaux Botaniques Möerlandais. notanigue Neerlandaise. Sous la Redaction de MM. M. W. Beyerinck,J. W. Moll, Ed. Verschaffelt, Hugo de Vries, Th. Weevers ei F. A. F. C. Went. Volume IX. Livraison 3. Avec 21 figures dans le Texte et 1 planche. 1913. Inhalt: C. E. B. Bremekamp. Die rotierende Nutation und der Geotro- pismus der Windepflanzen. Mit 21 Abbildungen im Tezt. — W. und J. Docters van Leeuwen—Reijnvaan. Beiträge zur Kenntnis der Gallen auf Java 4. Uber einige von Ceeidomyiden an Gräsern gebildeten Blattscheidegallen. (Mit Tafel VI Der Preis für den ganzen Band ist 12 Mark 50 Pf. Verlag von uustav Fischer in Ion. Soeben erschien: Streifzüge an der Riviera Von Eduard Strasburger 0. ö, Professor an der Universität Bonn "Dritte gänzlich umgearbeitete Auflage ” Ilustriert von Louise Reusch Mit 85 farbigen Abbildungen. (XXVI, 582 S.) 1913. Preis: elegant broschiert 10 Mark, in Leinen gebunden 12 Mark, in Geschenkband (Halbleder) 13 Mark. Urteile über die zweite Auflage: Frankfurter Zeitung ... Den Reisenden, die gern auch über die ihnen dort neu entgegentretenden Formen der Vegetation belehrt wären, kann schwerlich ein besserer Führer empfohlen werden, als das vorliegende Buch des Bonner Botanikers, das aber auch denen, die zu Hause bleiben müssen, eine lebhafte Vorstellung von den Herrlichkeiten der Riviera zu geben vermag, um so mehr als jetzt, in der neuen Auflage, die Schilderungen durch zahl- reiche bunte Abbildungen unterstützt sind. . . . So möge man denn an der Hand des be- rühmten Gelehrten, der so viel Sinn hat für die Schönheit der Natur und eine so gewandte Feder, sie zu schildern, seine Reise an die Riviera machen, sei es in Wirklichkeit, sei es in der Phantasie. Münchner medizinische Wochenschrift: Der berühmte Botaniker gibt in dem schmucken vorliegenden Band in bald farben- Prächtiger, bald schlichter Darstellung Reiseerinnerungen, Natur- und Vegetationsschilderungen gemischt mit literarischen, historischen, technischen Notizen und kulturgeschichtlichen Ab- schweifungen über die Riviera, wobei die östliche und die westliche Hälfte gleichmäßig berücksichtigt sind. Das Buch soll kein Reiseführer sein; aber es wird jedem, der das Glück hat, in den paradiesischen Gegenden zu weilen, die uns der Verfasser so anschaulich schildert, über vieles Auskunft geben, worüber ihn die Reisebücher im Stich lassen, ganz besonders vermitteln aber 70 wohlgelungene, zum Teil etwas künstlerisch stilisierte farbige Pflanzenbilder einen Einblick in das Pflanzenteben der Riviera in der glücklichsten Weise. Auch als Geschenkbuch für Rivierareisende oder solche, die nur in der Phantasie die Reise machen können, empfiehlt sich das vielseitige Anregung spendende hübsche Buch. Hamburger Nachrichten: Ein herrliches Werk von etwa 500 Seiten Umfang, welches in ganz eigenartiger Weise die paradiesischen Gebiete der Riviera schildert. ... . Das Buch, welches in erster Linie allen Besuchern der Riviera fast unentbehrlich sein, aber auch jedem anderen Leser einen hohen Genuß bereiten dürfte, da es eine unglaubliche Fülle der interessantesten Details bietet, und nicht nur die Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch die Schicksale der Ortschaften sowie der vielfach in Trümmern liegenden Festen von den ältesten Zeiten her in meisterhaftester, spannender Art schildert, ist unzweifelhaft eine Zierde unserer Literatur zu nennen, Prometheus: Der Verfasser versteht nicht nur meisterhaft, die an Naturschönheiten reiche Gegend zu schildern, sondern ihm ist es auch gelungen, die zahlreichen Beobachtungen über Pflanzen so geschickt in den Text einzufügen, daß sich das Werkchen ohne Ermüdung von jedem Gebildeten, ohne daß er Botaniker zu sein brauchte, lesen läßt. Ein besonderer Reiz ist dem Buche durch seine farbige Illustrierung verliehen. . . . Das anziehend und fasselnd ge schriebene Buch wird diejenigen, die die Riviera aus eigener Anschauung kennen, in ihrer Zu- neigung zu diesem herrlichen Laude bestärken und ihm im übrigen viele neue Freunde zuführen. bruck von Ant. Kämpfe in Jena. FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG NEUE FOLGE. FÜNFTER BAND (DER GANZEN REIHE 105. BAND) VIERTES HEFT HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN MIT 1 TAFEL UND 35 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1913 ERSCHIENEN AM 9. MAI 1913 Inhaltsverzeichnis. Seite BRUCHMANN, H, Zur Reduktion des Embryoträgers bei Selaginellen. Mit 16 Abbildungen im Text en BB7—346 SCHNEIDER, FRITZ, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsilia- 42308 en BAT BEL ceen. Mit 18 Abbildungen im Text GARJEANNE, A. I. M., Die Randzellen einiger Jungermannienblätter . 370—384 SCHNEIDER, WILHELM, Vergleichend - morphologische Untersuchung über die Kurztriebe einiger Arten von Pinus. Mit Tafel XV 385—446 LOEW, OSCAR, Zur physiologischen Funktion des Calciums. Mit 1 Abbildung im Text . 347—348 Hahnsche Buchhandlung in Hannover. Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten konnte ausgegeben werden: Lehrbuch der Pflanzenkunde von Dr, A. Voigt. Il. Teil, Schulflora oder Systematik und spezielle Botanik der Farn- und Samenpflanzen in analytischer Bekandlungsweise mit besonderer Berücksichtigung der Flora Deutschlands, zugleich ein Hilfsmittel zum Pflanzenbestimmen. 8%. Mit 177 Textabbildungen. (X, 403 8) 7 M. in Leinwand gebunden. Der infolge komplizierten Satzes relativ hohe Preis wird der Einführung dieses ausgezeichneten Lehrbuchs in Schulen hinderlich sein. Desto mehr wird es von Lehrern und zur selbständigen Fortbildung benutzt werden, denn seine Vorzüge, Zuverlässigkeit und Übersichtlichkeit dürften kaum von einem der bestehenden Lehrbücher erreicht werden. Teil I (1.80 M.) erschien 1906; Teil LEI (2.80 M.) 1908. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: ange . j ; . . b ieben, Tech- Einführung in die botanische Mikrotechnik. No” Hubert Sichen, Teon- stitut der Universität Bonn, Mit 19 Abbildungen im Text. (VIIL, 96 S, kl. 8°) 1913. Preis: 2 Mark, geb. 2 Mark 60 Pi. Inhalt: Zur Einführung. Von Prof. Fitting. — Einleitung. — 1. Fixieren. (Zweck des Fixierens. Vorprüfung des Materials, Zeitpunkt des Fixierens. All- gemeine Maßregeln für das Fixieren. Fixiermittel. Fixiergemische.) — 2. Das Auswaschen. — 3. Das Aufbewabren der Objekte. — 4. Entwässern. — 5. Das Durchtränken mit Paraffin. — 6. Das Einbetten in Paraffin. — 7. Einbettung sehr kleiner Objekte. — 8. Das Mikrotom. — 9. Die Herstellung der Schnitte. — 10. Das Aufkleben der Schnitte. — 11. Befreien der Schnitte vom Paraffin. — 12. Das Färben {Kaminfarben, Hämatoxylinfarben. Teerfarben. Zeitlich getrennte Färbungen. Fär- bungen mit Farbgemischen.). — 13. Das Konservieren der gefärbten Präparate. — 14. Umfärbung. — 15. Praktische Anweisungen für den Anfänger. — Anhang: Tabellarische Übersicht der wichtigsten Fixier- und Färbemittel. Instrumentarium des Arbeitstisches,. — Sachregister. Der Verfasser stellt in diesem Büchlein die ins Bonner botanischen Institut seit Jahrzehnten bewährten Verfahren der Mikrotomtechnik sehr genau und allgemeinverständlich dar, so daß auch der wenig Geübte und der Anfänger die Handhabung versteht und zu- gleich eine Reihe von Rezepten und Vorschriften bekommt, die ihn mit der technischen Seite der botanischen Cytologie bekannt machen. Die weitesten Kreise der botanischen Interessenten werden dieses Büchlein gern als Führer gebrauchen. Zur Reduktion des Embryoträgers bei Selaginellen. Von H. Brachmann. (Mit 16 Abbildungen im Text.) Im Dienste der ersten Entwicklungsvorgänge bei den Embryonen höherer Gewächse tritt meist ein als Embryoträger oder Suspensor (auch als Vorkeim und Aufhängefaden) bezeichnetes Organ hervor, welches nicht nur bei den Phanerogamen, sondern auch bei einigen Abteilungen der Gefäßkryptogamen nachgewiesen ist, nämlich bei den Selaginellen und den Lycopodien. Selbst bei einigen Botrychium-Arten bringt nach Lyon!) die sich teilende Eizelle einen längeren, mehrzelligen Embryoträger hervor. Für die Selaginellen, die uns hier besonders beschäftigen, war Mettenius2) in seiner Beschreibung der Keimung und Bildung des Embryos in der großen Spore von Selaginella involvens der erste, der hier einen Embryoträger angab. Seine Untersuchungen aber beziehen sich in Wirklichkeit auf S. Kraussiana, welche Art mit S. involvens verwechselt wurde. Es ergibt sich dies besonders aus den Abbildungen der Prothallien mit dem „Diaphragma“ (Taf. I, Fig. 5-8) und denen der Embryonen (Taf. II, Fig. 33 u. 34 und Taf. III, Fig. 2). Diese Darstellungen können sich nur auf eine artikulate Form dieser Gattung beziehen, welche mit Sicherheit nur die so häufig verwechselte S. Kraussiana sein kann). 8. Kraussiana erzeugt aber in Wirklichkeit keine derartigen Embryoträger, wie dies Mettenius angibt, was im weiteren nachge- wiesen werden soll. Mettenius hielt ein dem Embryoträger zwar physiologisch entsprechendes, aber in seinem morphologischen Werte hiervon ganz verschiedenes Organ des Embryos für einen Träger, und ist somit nicht der erste Entdecker des Suspensors bei den Selaginellen. I) Lyon, Bot. Gaz. 1905, Vol. XI, pag. 455. 2) Mettenius, Beiträge zur Botanik, Heft 1. Heidelberg 1850. 9) Pfeffer, Die Entwicklung des Keimes der Gattung Selaginella, pag. 3, Anm. 2, Flora, Bd. 105. 22 238 H. Brachmann, Hofmeister!) stellte zwar darauf an Zeichnungen von Em- bryonen derselben Art, die von ihm als S. denticulata angeführt wird, auch irrtümlich lange, gegliederte Embryoträger dar, doch dehnte er seine Untersuchungen auch auf $S. Martensii aus, welche Art echte Embryoträger erzeugt, und zeichnete deren Embryo auf Taf. XXIV, Fig. 8 mit einem Träger. Somit hat er bei den Selaginellen den ersten Embryoträger gesehen. Von Pfeffer ist dann bei der S8. Martensii der Embryoträger entwicklungsgeschichtlich gekennzeichnet, und auch von mir konnte dieses Organ bei $. spinulosa, 8. denticulata und S. rubricaulis in verschiedener Ausbildung nachgewiesen werden. Der Embryoträger ist stets ein aus einem Teile der Eizelle ent- wickeltes Organ des Embryos, welches zwar nur wenige Teilungen erleidet, sich aber meist durch ein ansehnliches Wachstum in die Länge aus- zeichnet, und steht im Dienste der ersten Entwicklungsvorgänge des Embryos. Durch die Streckung des Embryoträgers wird der Embryo tiefer in das Nährgewebe der Spore geschoben und in eine solche Lage gebracht, die für seine Ernährung zweckmäßig erscheint, auch dient der Träger dem Embryo als erstes Ernährungsorgan (als ein Haustorium), was namentlich bei der embryonalen Entwicklung der S. Martensü deutlich hervortritt. Daß der Embryoträger der Selaginellen zu seiner Ausbildung bei den zur Gruppe der 8. Martensii gehörigen Arten die ganze hypobasale Eihälfte aufbraucht, bei denen anderer Gruppen aber aus einem geringeren Teile der Eizelle seinen Ursprung nimmt, kann aus meinem embryologischen Studium an dieser Gattung ersehen werden?) Auffällig erscheint es nun, daß solch ein für die ersten Entwiek- lungsvorgänge des Embryos als überaus wichtig erkanntes Organ bei einigen Arten (dieser Gattung auch in rudimentärer Form vorkommt. 8. Galeottei, eine deutlich ausgesprochene artikulate Form, bot das erste Beispiel dieser interessanten Embryoentwicklung mit rudimentärem Embryoträger dar?), und es lag nahe, diese Erscheinung bei allen Arten der ganzen Gruppe vorauszusetzen. Bei den Phanerogamen, z. B. bei den chlorophylifreien Schma- rotzern und Humusbewohnern, werden zwar auch Embryonen ohne Träger angetroffen, aber bei einer Ausbildung wenig zelliger, ganz un- vollständiger Embryonen ohne jede Organanlage überhaupt. Auch sind hier solehe Gruppen der Phanerogamen, die durch eine Entwicklungs 1) Hofmeister, Vgl. Untersuchungen höherer Kryptogamen. Leipzig 1851. 2) Bruchmann, Zur Embryologie der Selsginellacen. Flora 1912, Bd. CIV. 837 Zur Reduktion des Embryoträgers bei Selaginellen. 239 hemmung veranlaßt werden, unvollständige Embryonen zu erzeugen, nicht zum Vergleich heranzuziehen. Denn, wie ich es für $. Galeottei darlegte, beschränkt sich die Ausbildungshemmung nur auf den Embryo- träger allein, wogegen die übrigen Organe des Embryos, überhaupt der ganze Keimling, in der besonders großen und mit Nährstoffen reich ausgestatteten artikulaten Spore eine überaus günstige Förderung er- fährt. Auch entbehrt dieser Embryo für seine ersten Entwicklungs- Stadien keineswegs derjenigen Fürsorge, die bei anderen Arten ein Embryoträger ausübt, Die Nährgründe der Spore erschließen ihm zwar nicht ein seinem Körper zugehöriges, sondern ein erborgtes Ersatz- organ, ein Ernährungs- oder Embryoschlauch. Wir lernen durch $. Galeottei einen ganz neuen Pfad der embryonalen Entwicklung kennen, welcher notwendig noch bei den anderen Arten ihres Verwandtschafts- kreises zu prüfen ist. Man kennt bis jetzt etwa 60 artikulate Arten der Selaginellen, die zum größten Teile der amerikanischen Flora angehören und nur durch einzelne Arten in Asien und Afrika vertreten sind. Leider be- schränkt sich die Kultur solcher Arten in den europäischen Gewächs- häusern bis dahin hauptsächlich auf $. Kraussiana, seltener trifft man noch 8. Poulteri und 8. Galeottei an. Es fanden sich zwar in einigen Tauschkatalogen der Universitätsgärten, z. B. in denen von Lille und Krakau, auch die artikulate S. stolonifera Spring. angeführt, und mir wurde aus diesen Gärten auf meine Bitte die unter solchem Namen kultivierte Pflanze bereitwilligst zugesandt. Von Krakau erhielt ich in liebenswürdigster Weise auch Sporenstände dieser Art. Bei näherer Prüfung erwies sich diese Selaginella jedoch als eine falsch- benannte, nicht artikulate Form. Sie ist zwar einstelig, doch sind ihre Blätter von denen der echten $. stolonifera sehr verschieden und ihre Makrosporen nur von geringer Größe, mit feingranulierter Oberfläche. Große Makrosporen mit Netzreliefleisten, welche ein Hauptmerkmal der Artikulaten bilden, fehlten. Die gut ausgereiften Sporen der in Frage stehenden Art keimten nach 6 Wochen und entwickelten einen Embryo genau nach dem Typus der $. Martensii, Somit gehört diese fragliche Art zur Gruppe der zuletzt genannten Form und bietet kein Material zum Studium artikulater Selaginellen dar. Es muß sich daher meine Untersuchung leider auf die beiden Arten $. Kraussiana und S. Poulteri beschränken. Die südafrikanische S. Kraussiana ist die verbreitetste, daher be- kannteste ihrer Gattung und wird in den europäischen Gewächshäusern 22* 340 H. Bruchmann, sehon über ein Jahrhundert kultiviert. Sie bietet daher ein leicht zu- gängliches und allezeit bereites Untersuchungsmaterial dar, welches auch wiederholt Gegenstand der Studien, aber ebenso oft auch Ursache von Irrungen wurde‘). Diese Pflanze ist dadurch ein historisch interessantes Studienobjekt geworden. Namentlich konnte ihre embryologische Ent- wicklung, über die sie des öfteren befragt wurde, wegen ihrer unge- wöhnlichen Eigenart, nicht richtig erkannt werden, da gerade die maß- gebenden, allerersten und sehr versteckten Entwicklungszustände von allen sich damit befassenden Forschern übersehen wurden. Ich werde hier zunächst das Ergebnis .einer nochmaligen Untersuchung dieser Verhältnisse darlegen und dann auf die bereits dieses Thema behan- delnden Arbeiten kurz eingehen. 8. Poulteri, die ıms hier gleichfalls beschäftigen soll, gehört der Flora der Azoren an. Wenn sie auch in ihrer äußeren Form mit 8. Kraussiana nicht verwechselt werden kann, so besitzen doch beide die seltene Form der Wurzelträger mit radiärem Bündelbau und als echte Artikulaten die großen Netzreliefsporen. Sie sind die bis jetzt einzigen bekannten Arten mit den interessanten Diaphragmaprothallien, auch ist ihre embryonale Entwicklung die gleiche. Da nun auch in der Embryo- fürsorge die Reduktion des Embryoträgers und der Ersatz dieses Organs übereinstimmenden Ausdruck findet, so ist es nicht nötig, diese Arten in der nun folgenden Schilderung zu trennen. Das weibliche Prothallium dieser beiden Arten, welches dem von einer starken Wand umschlossenen großen Endospermraum der Spore aufsitzt, erzeugt die Archegonien in der bei den Selaginellen gewöhn- lichen Bauart. Diese ergibt bekanntlich einen Hals von acht, in zwei Etagen aufeinandergeschichteten Zellen, unter weichen die Zentralzelle in (die drei Zellen, die Halskanal-, die Bauchkanal- und die Eibehälter- zelle, d. i. die das Ei einschließende Zelle, zerlegt wird. Letztere nannte ich bei der Darstellung der gleichen Verhältnisse für S. Galeottei „Eirutterzelle“. Sie wird meist als Eizelle bezeichnet, allein die „Be- fruchtungskugel“, d. i. der Kern dieser Zelle mit dem ihn umgebenden Protoplasma, stellt schon die nackte Eizelle dar, und ihre Umhüllungs- membran, die hier in der Embryofürsorge eine besondere ökonomische Bedeutung erhält, sollte in dem Namen für diese geschlechtliche Zelle einbegriffen werden. 1) Man vergleiche: A. Braun, Monatsbericht der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 27. April 1865. Pfeffer, Die Entwicklung des Keimes der Gattung Selaginella, pag. 3, Anm. 2. Bonn 1871. Zur Reduktion des Embryoträgers bei Selaginellen. 34al Die befruchtete Eizelle findet man bei diesen Arten anfangs als ein auf ein verhältnismäßig kleines Volumen zusammengedrängtes und mit feiner Membran umkleidetes Kügelchen in ihrer Mutterzelle vor (Fig. 1). Sie besitzt ein gleichartiges, dichtes Plasma mit deutlichem Zellkern, der sich bald verdoppelt, womit zugleich der junge, kugelige Embryo eine länglich eiförmige Gestalt erhält und vielfach auch seine erste Teilung eingeht, die stets quer zu seiner Längsachse gerichtet ist (Fig. 2). In anderen Fällen tritt diese Teilung später auf. Der junge Embryo vermag nun mittelst Ausscheidung von Se- kreten auf seine Umgebung einzuwirken. Die ihn umschließende Mem- bran der Eimutterzelle wird zunächst erweitert (Fig. 2), und darauf beginnt sie sich nach dem Innern der Spore zu auszustülpen und mit dem jungen Embryo am Grunde schlauchartig aus- 1. zutreiben. Nach einer Auflösung von i—3 Zellen des Prothalliumgewebes stößt in diesem Prothallium aber die den Embryo führende, haustorienartige Ausstülpung, bei ihrem Streben nach dem Sporeninnern, auf das sogenannte Diaphragma,d.i. die verdickteZwischen- wand in der Spore, welche den jungen Embryo, wie eine Mauer Utopiens, von Fig. 1 u. 3. 8. Poulteri. Fig. 2 den Reservestoffen des Sporeninneren =. 4 S. Kraussiana. Archegonion trennt. Doch mit Leichtigkeit wird Ti nee Anl ae ann dieses Hindernis durch eine enzyma- tische Auflösung an der entgegenstehenden Stelle genommen. Der Embryo in seinem Schlauche gelangt unschwer durch diese Schranke in das eigentliche Nährgewebe der Spore. Fig. 3 stellt den Zustand dieser Entwicklung dar, in welchem der junge Embryo in seinem Vehikel die entgegenstehende Diaphragmawand gerade durehdringt, und Fig. 4, wie er darauf die Gefilde der Reservestoffe soeben erreicht hat, Schon während dieses ersten Teiles der Reise unseres Embryos in das Sporeninnere fällt es auf, daß der Embryoschlauch außer dem kleinen Embryo, den er an seinem Grunde umschließt, noch eine mit dem Embryo in Berührung stehende Plasmasäule enthält. Dieselbe schmiegt sich stets an den Embryo einseitig an und reicht von dort meist bis an das Archegonium hinauf (Fig. 4). Einen Zellkern habe ich in diesem Schlauchplasma nicht finden können, dennoch dürfte dieses 342 H. Bruchmann, Plasma nicht zufälliger, sondern funktioneller Inhalt des Schlauches sein. Ich nehme an, daß dieses Schlauchplasma unter der Direktion des Embryos während dessen Abwärtssteigen in das Endosperm für denselben physiologisch tätig ist. Auch in der aufgetriebenen Eimutterzelle, also beim Beginn der Versenkung des Embryos, bemerkt man schon das Vorhandensein einer geringen Plasmamenge, welche sich einseitig dem ovalen Embryo an- schmiegt (Fig. 2) und darauf bei zunehmender Länge des Schlauches wächst (Fig. 3). Der junge Embryo vermag hier, so erscheint es mir, wie ein Zellkern zu wirken. Wie z. B. im Embryosack höherer Pflanzen gewisse Zellkerne sich mit Plasma umgeben und sich dieses dienstbar machen, so dürfte hier der kleine ein- bis zweizellige Embryo, im In- teresse seiner Fahrt in das Endosperm der Spore, Plasma von außerhalb heranziehen und wirksam beeinflussen zu können. DieVerrichtung dieses Schlauchplasmas würde dann unter anderem darin bestehen, dem Embryo Stoffe für die Erzeugung von Enzymen zu- zuführen und Baustoffe für E Vergrößerung des Embryo- ig. 5 u. 7. S. Kraussiana. Fig. 6. 8. Poul- schlauches zu liefern. ve a m ambeyoschlauch, (er) und Nachdem der Embryo mit seinem Tauchorgan das Diaphragma glücklich durchbrochen hat, scheint seine Weiterreise in die Tiefen des Endosperms leicht und schnell von statten zu gehen. Wie bei einem fortstrebenden Pollenschlauch, werden auch hier die entgegenstehen- den Zellen desorganisiert, in ihrem Verbande gelockert und auseinander- gedrängt. So wird der Embryo in einem ungeteilten Schlauche von ansehnlicher Länge in das Endosperm auf etwa ein Drittel der Sporen- tiefe hinabgeschoben (Fig. 5-7). Der plasmatische Inhalt des Schlauches nimmt mit seinem Wachstum zu und hat immer Berührung mit dem Embryo, tritt aber vom Archegonium mehr und mehr zurück (Fig. 5—D- Die Endospermzellen der Umgebung des Schlauches erscheinen heller als die anderen, da ihre Auflösung eingeleitet wird. Zur Bildung einer Zur Reduktion des Embryoträgers bei Selaginellen. 343 Höhlung aber, wie in dem Prothallium von $. Galeottei, kommt es hier anfangs noch nicht. Der Embryo bleibt während seiner Reise vom Archegonium bis in die Tiefe seiner Nährgefilde sehr klein und ist meist nur zweizellig (Fig. 8). In einigen Fällen fand ich ihn auch als einzelligen Körper am Ziel vor (Fig. 6). Wahrscheinlich werden seine Kräfte für die Versenkung in das Endosperm so aufgebraucht, daß sie nicht zugleich für seine körperliche Weiterbildung reichen. Der Embryo hat in diesem Entwicklungszustande länglich-ovale Form. Seine erste, stets quer zu seiner Längsachse gerichtete Teilungswand halte ich für die Basalwand. Die stumpfere Embryohälfte ist dann die epibasale mit dem Sproßpol, die spätere die hypobasale mit dem Embryoträgerpol. Ganz so deutlich, wie bei S. Galeottei, sind hier anfangs die beiden entgegen- gesetzten Embryohälf- ten nicht charakteri- siert, (dennoch aber zu unterscheiden. Der Embryo liegt in dem Schlauche, der ihn vom Archegonium fort- führt, anfangs, bei langsamer Fortbewe- Fig. 8 8. Kraussiana. Medianer Längsschnitt durch gung, quer im erwei- ein Prothallium mit jungem Embryo (e) im Embryo- terten Schlauche (Fig. schlauch. Vergr. 175. 2 u.%. Bei der schnelleren Fahrt durch das Endosperm erscheint er im engen Schlauche aufgerichtet und kehrt in solcher Stellung seine hypobasale oder auch seine epibasale Hälfte dem Prothallium zu (Fig. 5 bis 9), wie ich dies schon bei $. Galeottei fand. Auffallend erscheint mir das körnchenfreie, hyaline Plasma des Embryos mit den einfachen Zellkernen während dieser Entwicklungsphase. Die Reife der Archegonien unserer Prothallies und deren Be- fruchtung tritt ein, wenn das Endosperm der Spore, von der Peripherie des Diaphragmas ab, nach dem Innern der Sporenhöhlung zu bis auf etwa ein Drittel des Sporenraumes durch Zellgewebe aufgeteilt ist. In dieses Zellgewebe taucht der junge Embryo in seinem Beförderungs- mitte] bis an den Rand (Fig. 8). Wenn nun auch die Zeichnung eines Prothalliumlängsschnittes diese embryonale Entwieklungsphase deutlich zeigen kann (Fig. 8), so erscheint sie in Wirklichkeit, inmitten der mit 344 H. Bruchmann, dichtem Inhalt angefüllten Endospermzellen sehr versteckt und wird selten in der übersichtlichen Darstellung der Fig. 8 anzutreffen sein. Es ist demnach auch in der embryologischen Entwicklung bei S. Kraussiana und $. Poulteri, wie bei $. Galeottei, an Stelle eines Embryoträgers ein ihm physiologisch gleichwertiges Organ tätig, welches ich Embryoschlauch nannte. Obgleich dieses Organ morphologisch dem Einbryoträger völlig ungleichwertig ist, so hat doch die äußere Ähn- lichkeit beider zu ihrer Ver- wechselung ge- führt, wie es namentlich die Literatur über 8. Kraussiana bekundet. Und die hiermit dar- gelegte erste Entwicklungs- phase gibt den Schlüssel zu einer neuen Auffassung dieser Embryo- logie. Der Em- bryo nimmt die weiteren und leichter auf- findbaren Pha- 2. 25. Fig. 9, 11, 13, 15 u. 16. $. Kraussiana. Fig. 10, 12 u. 14. . $. Poulteri. Entwicklungsstadien des Embrycs. 5 Basalwand, sen seiner Ent- et rudimentärer Embryoträger, / Fuß, «s Embryoschlauch, Hypo- wicklung am kotyl. Fig. 9—15 Vergr. 225. Fig. 16 Vergr. 45. Rande des in Zellen aufgeteilten Endospermgewebes vor, und während er hier gute Fortschritte macht, wird die Ausfüllung des Endosperms der Spore mit Zeilgewebe fortgesetzt und allmählich beendet, in welchem dann der wachsende Embryo durch Auflösen der Zellen des Nährgewebes um sich herum eine Höhlung bildet. Der Embryo beginnt zunächst in seiner weiteren Entwicklungs- phase sehr aufzutreiben. Fig. 9 stellt eine solche Übergangsform dar. Durch seine Ausdehnung wird der umfassende Schlauch gesprengt, Zur Reduktion des Eimbryoträgers bei Selaginellen. 345 dessen plasmatischer Inhalt sich darauf verliert, und die beiden Zellen des Embryos erhalten größere Zellkerne und vakuoliges Plasma. Ob nun bei den schnell aufeinanderfolgenden weiteren Teilungen die zweite Wand die Transversalwand ist, gelang mir nicht mit Sicherheit festzustellen. Wie ich schon beim ersten Studium dieser Verhältnisse hervorhob, sind die Embryonen dieser beiden Arten für eine spezielle Darlegung der Entwicklung ihrer Organe und deren Zurückführung auf die Eisegmente sehr undankbare Objekte‘). Aber es läßt sich beim Vergleich der Fig. 9-—-15 leicht erkennen, daß eine scharfe Trennung zwischen der durch die Basalwand (3) geschiedenen hypobasalen und epibasalen Embryo- hälfte ausgebildet ist. Erstere übernimmt haustoriale Funktion, stellt den Fuß vor, besteht aus großen Zellen und erscheint immer durch eine lebhafte Entwicklung stark und sehr unregelmäßig aufgetrieben. Eine über die Peripherie des Fußes etwas hervortretende Zelle darf als Rudiment des unausgebildeten Embryoträgers angesehen werden (Fig. 10—15). In den beigegebenen Zeichnungen sind die Embryonen, entgegen der früheren Auffassung, in abgeschlossener Umgrenzung dem anhängenden Schlauche gegenüber dargestellt. Aus der epibasalen Embryohälfte gehen Hypokotyl, Keimblätter und Sproß hervor. Dann entstehen auch die drei Keimwurzelträger aus dem Grunde des Hypokotyls. Näheres hierüber entnehme man meiner früheren Darstellung‘). Man gewinnt aus dieser Embryologie einen Typus (Fig. 16), der dem der S. Galeottei nahe kommt und ihm gleicht, wenn es sich noch erweisen sollte, daß dessen Hypokotyl auch epibasalen Ursprung hätte. Zu dieser nochmaligen Aufnahme der embryonalen Entwicklung von $. Kraussiana und S. Poulteri!) wurde ich, wie schon hervor- gehoben, durch den eigenartigen Entwicklungsgang der S. Galeottei geführt und komme auf ein übereinstimmendes Ergebnis. Im Dienste der embryonalen Entwicklung erscheint auch bei S. Kraussiana und 8. Poulteri der Embryoträger ausgeschaltet. Für ihn wird in der Embryofürsorge als Ersatzorgan ein Embryoschlauch ausgebildet und daher der nicht aktive Embryoträger nur in reduzierter Form ent- wickelt. Diese Auffassung widerspricht aber allen bis dahin von den gleichen Objekten vorgelegten Angaben. Der Forschungen von Met- 1) Bruchmann, Vom Prothallium der großen Spore und der Keimesent- wieklung einiger Selaginella-Arten. Flora 1908, Bd. XCIX. 346 H. Bruchmann, Zur Reduktion des Embryoträgers bei Selaginellen. tenius und Hofmeister über den Embryoträger von 8. Kraussiana habe ich schon einleitend gedacht, und ihre Arbeiten sind an anderer Stelle ausführlich besprochen worden'). Campbell?) hebt von 8. Kraussiana hervor: Er habe die früheren Stadien des Embryos über die erste Teilung der Eizelle hinaus zwar nicht verfolgt, aber er schließe aus den späteren Stadien, daß auch die ersten denen von $. Martensii gleichen. Seine Figuren (pag. 517, Fig. 298 A u. G) geben für den Embryo einen langen Embryoträger an. In meiner ausführlichen Arbeit!) habe ich zwar hervorgehoben, daß sowohl S. Kraussiana, wie auch $. Poulteri in den anfänglichen und späteren Stadien der embryonalen Entwicklung sich sehr von 8. Martensii unterscheiden und beide überein einen neuen Typus vor- stellen. Dennoch kin auch ich, wie die angeführten Autoren, bei dem Irrtum geblieben, daß der bei den Embryonen dieser Arten hervor- tretende Schlauch ihrem Körper entstamme und ihnen organisch als Embryoträger zuzurechnen sei. Unter den aus geeigneten Längs- schnitten von Prothallien freipräparierten Embryonen sind jugendliche Entwicklungszustände außerordentlich schwer zu erhalten. Diese nun mit dem anhängenden Schlauche oder auch verwachsenen Endosperm- zellen unter dem Deckglase in verschiedene Lagen gebracht, sind für mannigfache Deutungen zugänglich, sie sind wahre Trugobjekte, und haben unter der Voraussetzung, daß man es hier mit einem Embryoträger za tun habe, zu willkürlichen und unhaltbaren Vorstellungen geführt. Möchten doch solche verschiedene Auffassungen in der Entwick- lung dieser Arten zur erneuten Prüfung anregen. Mit Pfeffer nahm man die embryologische Entwicklung der S. Martensii als eine für die ganze Gattung gültige an, was sich aber nicht als richtig erwies. So einförmig uns auch die erwachsenen Arten dieser Gattung entgegen- treten, so haben sich doch in der Ausbildung ihrer Prothallien und Embryonen auffallende Unterschiede ergeben, welche einmal nach aus- gedehnteren Untersuchungen für die Gewinnung von natürlichen Gruppen in dieser Gattung systematische Wichtigkeit beanspruchen werden. l) Bruchmann, Vom Prothallium der großen Spore und der Keimesent- wicklung einiger Selaginella-Arten. Flora 1908, Bd. XCIX. 2} Campbell, The Structure and Development of Mosses and Ferns. New York 1905. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. Von Fritz Schneider. (Mit 18 Abbildungen im Text.) Einleitung. Die Marsiliaceen sind schon wiederholt Gegenstand eingehender entwicklungsgeschichtlicher Untersuchungen gewesen. Vor allem ist die Embryologie von verschiedenen Autoren ausführlich geschildert worden. Die Entwicklung der Seitenorgane wird behandelt in Arbeiten von v. Hanstein (1865) für Blatt, Blattstiel und Blattspreite, von Nägeli und Leitgeb (1858, 1868) für die Wurzel und ihre Seitenwurzeln, mit denen sich auch van Tieghem und Douliot (1888) beschäftigt haben. Die neuesten Arbeiten sind die von Johnson (Marsilia 1898, Pilularia 1898), der die Blatt- und Sporokarpentwieklung studierte und zu wert- vollen Ergebnissen gelangte. Über die Entwicklung des Stammscheitels ist jedoch außer den Angaben über die Form der Scheitelzelle und ihre Segmentierung nichts bekannt. Dieser Mangel und die sich oft wider- sprechenden Ergebnisse der Autoren, die über den Gegenstand ge- arbeitet haben, lassen eine neue entwieklungsgeschichtliche Untersuchung berechtigt erscheinen. Methodisches. Das Material stammt aus dem Königlichen Botanischen Garten zu Berlin-Dahlem. Pilularia globulifera L. wuchs in einem fast ständig unter Wasser gehaltenen Bassin. Die untersuchten Marsilia-Arten (M. quadrifolia L. ed. 1, M. hirsuta R. Br, M. strigosa W., M. aegyp- tiaca W., M. Drummondü A. Br, M. elata A. Br, M. diffusa Lepr.) waren meist in Töpfen untergebracht, die nicht sehr feucht gehalten wurden. M. quadrifolia erhielt ich außerdem aus einem Beet mit sehr feuchter, oft unter Wasser gesetzter Heideerde. Alle Arten von Marsilia hatten nur Luftblätter gebildet. Die Fixierung wurde mit Juel’scher Flüssigkeit (Zinkehlorid 20 g, Eisessig 20 ccm, Alkohol 50% 960 cem) oder Chromessigsäure (Chrom- 348 Fritz Schneider, säure 5 g, Eisessig 15 cem, Wasser 1000 g) vorgenommen, und zwar 18-30 Stunden lang. Chromessigsäure war zwar schwer auszuwaschen, gab aber bei weitem bessere Resultate als Juel’sche Flüssigkeit. Die Objekte wurden dann durch Alkoholstufen von 10 zu 10%, steigender Konzentration in absoluten Alkohol und durch vier Alkohol-Chloroform- bezw. Alkohol-Xylolstufen in Paraffin übergeführt und verblieben 3 bis 14 Tage lang im Thermostaten. Es mußte wegen der Härte der Objekte zur Erzielung guter Serien Paraffin vom Schmelzpunkt 60° angewandt werden. Gefärbt wurde meist mit Heidenhain’schem Hämatoxylin- Eisenalaun, und, um die Zellwände gut sichtbar zu machen, mit Eosin- Nelkenöl stark nachgefärbt. Die Schnittdieke betrug 6, 10 und 13 u. Erster Teil. Die Entwicklung der Achse. 1. Allgemeine Orientierung, Scheitelwachstum und Segmentierung. Die Marsiliaceen, vertreten durch die Gattungen Marsilia, Regnel- lidium und Pilularia, stimmen in ihrem Aufbau weitgehend überein. Sie besitzen eine dünne, auf dem Boden kriechende Achse, die aus kurzen Knoten und gestreckten Internodien besteht. Die Internodien werden gegen den Scheitel zu kürzer. Am Scheitel selbst kann man nur erkennen, daß sich die jüngsten Blätter ihm anlegen und ihn zu- sammen mit den zahlreich vorhandenen Haaren völlig bedecken. Die Knoten tragen je ein Blatt, einen Seitenzweig, eine Haupt- und meist mehrere Adventivwurzeln. Die fruktifizierenden Exemplare besitzen ein oder mehrere Sporokarpien an den Blattstielen. Die Blätter stehen in zwei Reihen, abwechselnd links und rechts von einer durch die Achse gelegt gedachten Medianen. Unter jeder Blattbasis entspringt eine Seitenachse, die ihrerseits dieselben Verzweigungsverhältnisse zeigt wie die Hauptachse. Die Wurzeln stehen in zwei Reihen, links und rechts von der Medianen, auf der ventralen Seite der Achse. Sitzt das Blatt auf der linken Seite des Sprosses, so sitzt auch die Wurzel links, sitzt es rechts, so sitzt auch die Wurzel rechts von der Medianen. Diese Verhältnisse sind bereits von verschiedenen Autoren klargelegt (Bower 1884, Campbell 1905, Lotsy 1909, Mettenius 1846, Meunier 1887). Im großen ganzen ist der Aufbau außerordentlich regelmäßig und gleich bei allen untersuchten Marsilia-Arten und bei Pilularia. Es lag somit die Vermutung nahe, daß diese Übereinstimmungen entwieklungs- geschichtlich begründet seien. Ich will vorausschicken, daß sich diese Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 349 Annahme bestätigt hat. Die folgenden Betrachtungen gelten für die oben angegebenen Marsilia-Arten und für Pilularia. Zur allgemeinen Orientierung mögen die Figuren 1 und 11 dienen. Sie stellen einen vertikalen Längsschnitt dar, der die Pilanze in zwei ungefähr symmetrische Hälften zerlegt. Es N ‚Sch fällt auf, daß die ganze Scheitelregion stark i “2 aufgekrümmt ist, und zwar oft um mehr als 90°. Die Spitze des Sprosses wird von einer Scheitelzelle eingenommen, von der die ganze Entwicklung ausgeht. Etwas oberhalb der Mitte des Bildes verläuft un- gefähr horizontal eine Ziekzacklinie (Fig. 11). Die sie zusammensetzenden Geraden bilden in der Nähe des Scheitels fast rechte Fig. 1. Marsilia quadrifotia. Winkel miteinander. Nach rückwärts werden Vertikaler Längsschnitt durch die Winkel größer und erreichen bald den et, rk ren Betrag von 2 Rechten, so daß sich die s= Scheitelzelle, 7 Interzellu- Zickzaeklinie mit zunehmender Entfernung laren- Die zestrichelte Linie vom Scheitel mehr und mehr ausreckt und Fig. 11 dar. Vergr. 42. schließlich in eine Gerade übergeht. Im allgemeinen läßt sie sich nur ein Stück weit, bis zu einem größeren Internodium, verfolgen. Hier tritt sie aus der Ebene heraus (Fig. 1}, da die Achse in der Horizontalebene schwach ziekzackförmig hin und her gebogen ist. Die konvexe, 5 dem Boden zugekehrte Seite, möge als die ventrale, die kon- kaye als die dorsale bezeichnet werden. Ich will nun die Vorgänge am Stammscheitel beschreiben. Äufschluß über die Gestalt der Scheitelzelle erhalten wir auf einem ungefähr horizontalen Längsschnitt, der ja wegen der ü . Fig. 2. Schema für die Aufteilung eines Aufkrämmung des Stammes die Stammsegments, Typus 3. (Erklärung im Scheitelregion quer trifft. Da Test.) der Grad der Aufkrümmung für . die verschiedenen Scheitel ganz verschieden ist, und sich in keinem Fall makroskopisch feststellen läßt, weil die Seitenorgane der jungen Knoten und die Haare ihn decken, so muß es dem Zufall überlassen 350 Fritz Schneider, bleiben, daß man den gewünschten Schnitt erhält. Die Scheitelzelle hat in der Aufsicht die Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks, ist also dreischneidig. Ihre körperliche Gestalt ist die einer dreiseitigen Pyramide mit gewölbter Grundfläche. Ihre Lage ist so, daß eine plane Fläche dem Boden zugekehrt ist, und die dieser Fläche gegenüberliegende Kante in die Mediane der dorsalen Seite fällt. Der Winkel, unter dem je zwei Kanten der Pyramidenspitze gegeneinander geneigt sind, beträgt bei Marsilia 50—70°. Bei Pilularia ist er meist etwas kleiner. In der Scheitelzelle entstehen durch ebene Wände, die abwechselnd parallel den drei Seitenflächen der Pyramide, der unteren und den beiden seitlichen, eingeschaltet werden, keilförmige Segmente. Die der Scheitelzelle zugekehrte dreieckige Fläche sei die obere (Fig. 2, ABC), die abgekehrte die untere Grundfläche (Fig. 2, DZ), die beiden seit- lichen mögen Seitenflächen, und die Gerade, in der sie sich schneiden (Fig. 2, AD), die Innenkante des Segments genannt werden. Nach der Abgliederung vergrößert sich jedes Segment und schreitet, bald zur Zerlegung in Zellen, während die Scheitelzelle zu ihrem ursprünglichen Volumen heranwächst und sich von neuem teilt. 2. Die Zerlegung der Segmente in Zellen. Die Art der Aufteilung innerhalb der einzelnen Segmente ist im großen ganzen dieselbe für die lateralen und die ventralen Segmente. Diese, die wegen der Krümmung der Achse länger sind, schieben nur einige Querwände mehr ein (Fig. 11, Wand a, 2, ec, Segment XD. Um die ziemlich verwickelten Verhältnisse, die schon bei der Ausbildung der ersten Wände auftreten, klarzulegen, verweise ich auf die schematischen Figuren 2—4. Figur 2 zeigt, daß nach einigen Aufteilungen das Segment aus einer zentralen und vier paarweise neben- und übereinander liegenden Zellen besteht. Dieser Zustand kann auf verschiedene Weisen erreicht werden. 1. Typus: Figur 32 und 5. Die zuerst aufgetretene Wand ist die Sextantwand (s,). Sie verläuft von der Mitte der Außenwand bogen- förmig zur einen Seitenwand; das Segment besteht aus zwei neben- einander liegenden, ungleich großen Zellen (Fig. 3«). Von der größeren schneidet die nun folgende Wand 1 eine zentrale Zeile ab. Das Seg- ment besteht nunmehr aus einer zentralen und zwei gleichgroßen peri- pheren Zellen. In diesen erfolgt durch Wand 2 und 2‘, die den Grund- flächen parallel verlaufen, eine Aufteilung in zwei Etagen. Wand 1 kann auch folgenden Verlauf haben (Fig. 35): In der größeren der durch die Sextantwand gebildeten Zellen tritt eine Bogen- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 351 wand 1 auf, und auf sie stößt Wand 1‘, wodurch wiederum eine zen- trale Zelle gebildet ist. Gleichzeitig hat aber Wand 1 die ursprünglich größere Zelle in zwei Etagen zerlegt. In der ursprünglich kleineren erfolgt derselbe Vorgang durch Wand 2‘, die wie in Figur 2« verläuft. Fig. 3e. Fig. 32. Fig. 3a u. 5. Schema für die Aufteilung eines Stammsegments, Typus 1. (Erklärung im Text.) 2. Typus: Figur 42 und 5. Die ersten Teilungswände sind gegen- über denen des Typus 1 um 90° gedreht. Figur 4a. Die zuerst auftretende Wand s, schneidet senkrecht zur Wand s, der Figur 32 ein. Das Segment besteht aus zwei über- Fig. 4a. Fig. 48. Fig. 4a u. 5. Schema für die Aufteilung eines Stammsegments, Typus 2. (Erklärung im Text.) einander liegenden ungleich großen Zellen. Aus der größeren werden durch Wand 1 eine zentrale und eine periphere Zelle gebildet. Durch Wand 2 und 2’, die senkrecht zu den ebenso bezeichneten der Figur 3a verlaufen, wird der in Figur 2 angegebene Zustand hergestellt. 352 Fritz Schneider, Figur 45 zeigt, daß bei der Abgrenzung der zentralen Zelle in der größeren Zelle die Teilungen in einer der Figur 35 entsprechen- den Weise verlaufen können. 3. Typus: Die Figur 2 stellt einen dritten Typus dar. Er ist gekennzeichnet durch das Fehlen der Sextantwand. Die zuerst ab- geschnittene Zelle ist die Zentrale. Die Aufteilungen in den peri- pheren Zellen erfolgen durch drei Wände (s,, 2, 2"). Es kann noch der der Fall eintreten, daß das Segment durch eine der Grundfläche parallele Wand in zwei gleiche übereinander liegende Zellen geteilt wird. Jede Hälfte verhält sich bei ihren weiteren Aufteilungen wie ein selbständiges Segment. Die weiteren Teilungen vollziehen sich zunächst in den peri- pheren Zellen. Sie zerfallen in vier Etagen. Jede Etage wird durch Fig. 5a. Fig, 52. die Sextantwand oder die ihr entsprechende, in zwei nebeneinander liegende Hälften zer- legt. Wand 3, 4 und5 teilen jede Hälfte in fünf Zellen (Fig. 9), so daß eine Etage aus 10 Zellen besteht. Im Verlauf der Wände Fig. 5a u. 2 Marsilia quadrifolia. Transversaler Läng- 3—6 treten dieselben schnitt. @ bei hoher, 5 bei tiefer Einstellung. .ScA ; i Scheitelzelle; 4, 77, 27 = 1., 2., 3. Segment; 7 Wand Unterschiede „in der (3. Segm.) nach Typus 1 oder 3. Geht die Teilung nach zeitlichen Aufeinander- Typus 1, so kann sie als s,, oder als 1 (Fig. 3a . _ bezeichnet werden. Durch Wand 2 erfolgt Ge Bl folge und in der An legung in zwei Etagen. Vergr. 583. ordnung auf, wie sie im Typus 1—3 für die zuerst auftretenden Wände beschrieben wurden. (Vgl. Fig. T—13.) Bevor ich zum Beweis dieser Ansichten durch die nach Präparaten angefertigten Zeichnungen schreite, mache ich darauf aufmerksam, daß an einem Schnitt, sei er nun längs oder quer, in keinem Falle etwas über den räumlichen Verlauf der Wände ausgesagt werden kann. Figur 3a und 5 stimmen in der Aufsicht unter sich und mit Figur 45 völlig überein. Die Längsschnitte, in denen der Wandverlauf im großen ganzen so ist, wie er auf den Seitenflächen der Figuren 2—4 zum Ausdruck kommt, zeigen oft dieselben Bilder, wie man sich leicht durch Vergleich der Figuren 2 mit 3@ und 5 überzeugen kann. Im Zusammen- hang damit weise ich darauf hin, daß die Bezeichnungsweise der Wände Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 353 bei den Figuren 5—13 und 18 eine mehr oder weniger willkürliche ist. Es ist eben nicht zu entscheiden, ob z. B, einer Wand nach den schematischen Figuren die Bezeichnung s oder 1 oder 1’ zukommt. Um mediane Schnitte durch die Achse zu erhalten, kann man wegen der Aufkrüm- Fig. 6a. Fig. 62. mung auf zwei Weisen Sch verfahren. Man kann zunächst die Achse parallel zur Symme- trieebene, die vertikal steht, in Schnitte zer- legen (Fig. 1, 11 und 13) [vertikaler Längs- schnitt]. Schneidetman fig. G@u.3. Marsilia quadrifolia. Transrersaler Längs- senkrecht zu dieser schnitt. a bei tiefer, > bei hoher Einstellung. Bildung . P P der ersten Wand s, nach Typus 2. Vergr. 583. Richtung in den jungen aufgekrümmten Teil der Achse, so trifft man — von der ventralen zur dorsalen Seite fortschreitend — zuerst das ventrale und schließlich die beiden dorsalen Segmente [transversaler Längsschnitt]. Der Winkel, den die Seitenflächen eines eben abgeschnittenen Segmentes miteinander bilden, ist naturgemäß so groß, wie der zwischen den entsprechenden Flächen der Scheitel- zelle und beträgt 50—70°. Nachdem das Segment etwas herangewachsen ist, schreitet es zur ersten Teilung, die nach einem der oben beschriebenen Typen verläuft. Der Unterschied zwischen den schematischen Figuren und den dar- gestellten Objekten besteht lediglich darin, Fig.7. Pilularia globulifera. Trans- daß in ihnen hier und da schon weitere, versaler Längsschnitt ‚durch „aie sekundäre Teilungen aufgetreten sind, A hnitten äurch Wand t. sc, die im Schema nicht mit berücksichtigt Sextantwand (Typus I). Vergr. 583. wurden. Die Bezeichnungsweise der Fig.s Pilularia globulifera. Trans Wände ist dieselbe für die Figuren und Yes ss Sextantwand(Typusl), die daraus abgeleiteten Schemata. Man 3, 3, Pleromwand. Vergr. 583. vergleiche an ihrer Hand die Querschnitte bzw. Aufsichten (Figuren 5—10), mit den Längsschnitten (Figuren 11—13). Es lassen sich dann die oben geschilderten Verhältnisse verfolgen. Wenn das in Schema Figur 2 dargestellte Stadium erreicht ist (Fig. 11, Segment IV), hat sich das Segment fast noch nicht verbreitert. Flors, Bd. 106. 2 Fig. 7. Fig. 8. 354 Fritz Schneider, Figur 9 zeigt noch einen Winkel von etwa 50°. Bald wachsen jedoch die Zellen heran, und in Figur 10 erkennt man, daß das Segment bereits den Umfang eines Drittelkreises erreicht hat. Durch die Aufkrümm- ung ist eine Verschiedenheit in der Ausbildung der dor- salen und ventralen Segmente bedingt. Die dorsalen Seg- mente liegen mit einer Seiten- fläche in der Region stärkster Krümmung. Diese Fläche ist dann entsprechend kürzer, wie die der ventralen Seite zu- gekehrte. Aus Figur 10 geht Fig. 9a u. 3. Pilularia globulifera. Transver- saler Längsschnitt durch die Achse. Dasselbe Aeutlich der Unterschied zwi- Segment bei hoher (fig. 9«) und tiefer (Fig.95) schen den beiden Kanten, in Einstellung. s, S gextantwund nach Typus I. genen die dorsale und ven- a trale Fläche geschnitten sind, hervor. Figur 18 stellt ein ventrales Segment dar, und es ist dem- entsprechend keine Längenverschiedenheit der Kanten festzustellen. Auch die Längsansicht (Fig. 11) zeigt, daß die Ziekzacklinie, in der sich die Segmente berühren, nach der Rückenseite zu verschoben ist. Fig, 9a. 3. Die Begrenzung und Ausbildung der Ge- webe. Bevor ich zur Schil- derungderVorgänge schrei- te, die zur Begrenzung und Ausbildung der Gewebe Fig, 10. Maraili Arifot " führen, will ich kurz ihre ig. 10. arsilia quadrifolia. uerschnitt durch x R die Achse. Zu beachten die zahlreichen sekun- allgemeine Anordnung im dären Aufteilungen. Vergr. 583. ausgebildeten Stamm be- sprechen (Potoni6 1887, Russow 1872). An die Epidermis grenzen mehrere Schichten Rinden- parenchym. Darauf folgen 20-30 mehr oder weniger große Inter- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 855 zellularen (bei den von mir untersuchten Landformen durchweg sehr klein), die mit ebensovielen radialen Trägern!) abwechseln. Dann kommen viele Schichten stark verdickter, oft stärkehaltiger Zellen, die durch eine Endodermis gegen das konzentrische Gefäßbündel abgegrenzt Fig. 11. Marsilia quadrifolia, Vergleiche mit Fig. 1. Vertikaler medianer „Längs- schnitt. Zu beachten die Aufteilungen nach Kombinationen von Typus L bis 3. — @, &, c Segment XI, Erklärung im Text. Die übrigen Bezeichnungen wie bei den vorhergehenden Figuren. ?r Haar. Vergr. 466. 1) Als Träger bezeichne ich der Kürze des Ausdrucks wegen die zwischen den Interzellularen befindlichen Parenchymlamellen, die zur Aussteifung der Rinde dienen, aber gelbstverständlich mit den I-Trägern des mechanischen Systems in biegungsfesten Organen nicht zu verwechseln sind. 93° 356 Fritz Schneider, sind. Dieses besteht aus zwei konzentrischen Leptomringen, die einen ebenfalls konzentrischen — an den Stellen, wo keine Seitenorgane an- setzen, völlig herumlaufenden — Ring aus Hadromelementen einschließen. Innerhalb des inneren Leptomringes liegt, abermals von einer Endodermis, der inneren Endodermis, umgeben, ein massiver Zylinder gestreckter, oft verdickter Elemente, das Mark. Der erste Schritt zur Bildung eines inneren Zellkomplexes geschah durch die Bildung der zentralen Zelle (Fig. 5—9; Längsschnitte Fig. Fig. 12. Marsilia strigosa. Transversaler Längsschnitt durch die Achse. Bezeich- nungen wie in Fig. 11 u. 13. Vergr. 466. 11—13). Diese Längsschnitte lassen erkennen, daß damit das Mark abgegrenzt ist (Wände 1, 1‘, ss). An denselben Schnitten und an dem Querschnitt (Fig. 18) sieht man, daß die Wände 3, 3° die Grenze für das äußere, das Gefäßbündel liefernde, Plerom bilden. Die Mutterzelle für die Epidermis und die ihr anliegenden Zellen wird relativ spät durch Wand 7 (Fig. 10—13 und 18) abgegliedert, während die primäre Rinde mit den radialen Trägern von den durch Wand 5 (s. dieselben Figuren) gebildeten beiden Zellen geliefert wurde. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 357 Es treten nunmehr zahlreiche weitere Teilungen auf, die außen ungefähr kubische Zellen erzeugen. Die äußersten bilden die Epidermis. Die Epidermiszellen gliedern durch eigenartige Wände die Haarmutter- zellen ab, ganz in derselben Weise, wie es Johnson (1898} für das Blatt beschrieben hat. Die primäre Rinde erzeugt in ihrer innersten Schicht die Endo- dermis; es läßt sich dies an den Schnitten Figur 12, 13 und 18 er- kennen, wo die Wurzelmutterzelle außerhalb und angelehnt der Plerom- wand liegt. Bekanntlich gehen ja bei den Gefäßkryptogamen die Wurzeln aus der Endodermis hervor. Die an die Endodermis nach außen an- schließenden Schichten werden — wie schon bemerkt wurde — stark verdickt. Die äußersten Schichten liefern die radialen Träger durch Einschieben zahlreicher perikliner Wände. Die Interzellularen entstehen in der von Johnson für das Blatt beschriebenen Weise. Das Plerom spaltet sich in zahlreiche Zellen auf. Auf dem Längs- schnitt (Fig. 11) zeigt es sich, daß seine Elemente eine starke Streckung in der Längsrichtung erfahren. Die Art der Anlage von Protohadrom und Protoleptom wurde zuerst von Russow (1872) festgestellt. Zweiter Teil. Die Entstehung und Ausbildung der Seitenorgane. 1. Das Blatt. Die Entstehung und Ausbildung der Blätter ist besonders in zwei Arbeiten von Johnson (Pilularia 1898, Marsilia 1898) ausführlich geschildert worden, und auch bei v. Hanstein finden sich Angaben darüber. Meine Beobachtungen stimmen mit denen von Johnson bis auf eine prinzipielle Abweichung, die Lage der Blattscheitelzelle am Stamm, überein, und ein Teil unserer Figuren deckt sich innerhalb der Grenzen der individuellen Abweichung völlig. 1. Die Anlage der Blattscheitelzelle. Die Blätter entstehen aus den lateralen Segmenten. Es sollen nun die Teilungen in den Segmenten, die einem Blatt den Ursprung geben, geschildert werden. Ich muß zunächst darauf eingehen, wie die Orientierung der Schnitte sein muß, um günstige Bilder zu liefern. Ein völlig medianer vertikaler Längsschnitt, wie ihn Fig. 11 zeigt, trifft keine Anlagen von Seitenorganen. Er geht auf der dorsalen Seite des Sprosses gerade durch die Grenze der beiden lateralen Segmente, und auf der ventralen 358 Fritz Schneider, Seite schneidet er keine Wurzeln an, da die Anlager dieser Organe — wie noch gezeigt werden wird — links oder rechts von der medianen Sextantwand des ventralen Segments entstehen. Weicht jedoch der Schnitt — wie das meist der Fall ist — etwas von der Medianen ab, so werden oft Anlagen von Blatt und Wurzel getroffen. Da sich in der Nähe des Scheitels die Segmentgrenzen und der Verlauf der ersten Teilungswände im Segment noch bestimmen lassen, so besteht die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen der Segmentierung und Blatt- Fig. 13. Marsilia strigosa. Vertikaler Längsschnitt durch die Achse. Nicht völlig median. Sch Blattscheitelzelle; #7, 377 Blattsegmente 1 und 2; WSck Wurzel- scheitelzelle. Die übrigen Bezeichnungen wie in den vorhergehenden Figuren. Vergr. 466. stellung festzustellen. Die Fig. 13 stellt einen Längsschnitt dar, der Blatt- und Wurzelanlagen getroffen hat. Es gibt aber noch einen anderen brauchbaren Weg, sich über den Ort der Blattanlagen Klarheit zu verschaffen. Man stellt transversale Längsschnitte durch die aufgekrümmte Region der Achse her, in der meist schon Blattanlagen vorhanden sind, indem man das Messer senk- recht zur Richtung der ausgebildeten Achse führt. Man trifft dann, von (ler ventralen zur dorsalen Seite fortschreitend, zuerst auf die An- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 359 lagen der Wurzeln, und nachdem das ventrale Segment durchschnitten ist, erhält man Schnitte, die rechts und links die Anlagen junger Blätter zeigen. Man sieht dann folgendes: Das Segment wird nach einer der oben beschriebenen Teilungsweisen zerlegt, bis der in Fig. 2 dargestellte Zustand erreicht ist. Wand 6 (Fig. 13) bildet aus jeder Etage zwei, so daß vier übereinander liegende Zellen vorhanden sind. Nachdem noch Wand 5 aufgetreten ist, und außerdem schon zahlreiche sekundäre Teilungen stattgefunden haben, schreitet eine der zwei mittleren Etagen direkt zur Bildung der Blattscheitelzelle, durch abwechselnd gegen den Scheitel und die Basis geneigte Wände. In Fig. 13 ist es die obere der mittleren Etagen, in zahlreichen anderen Fällen, von denen keiner abgebildet ist, die untere. Dieser Vorgang vollzieht sich immer in der dorsalen Hälfte des Segments. Die Scheitelzelle ist zweischneidig. Es bestätigen sich also die Angaben von Meunier (1887) und John- son (1898), entgegen denen von Campbell (1893), der für das Blatt eine dreischneidige Scheitelzelle angibt. Auf Längsschnitten durch den Stammscheitel sieht man, daß die Längsachse der Grundfläche der Blattscheitelzelle quer zur Längs- richtung des Stammes liegt. Diese Angaben widersprechen denen von Bower (1884) und Johnson (1898). Es kann jedoch nach meinen zahlreichen Präparaten kein Zweifel sein, daß die Lagerung so ist, wie oben angegeben wurde. Das junge Blatt wächst dadurch, daß von der Scheitelzelle ab- ‚wechselnd nach dem Scheitel und der Basis des Sprosses Segmente abgeschnitten werden, die sich strecken. Alsbald wölbt es sich als kleiner Höcker über das umgebende Gewebe empor. Das Wachstum schreitet relativ schneller fort als das des Stammscheitels, und bald ragt. das kleine konische Organ über den Stamimnscheitel hinaus. Dabei voll- zieht sich das Wachstum nicht in einer Ebene, sondern es treten Drehungen auf, und nachdem die Einrollung an der Spitze begonnen hat, bekommt man auf einem Querschnitt durch den Stamm ein Bild, wie es Johnson in seiner Figur 24 (Marsilia) darstellt, und wonach es den Anschein hat, als ob die Längsachse der Grundfläche der Blatt- scheitelzelle in der Richtung des Stammes liege. 2. Die Zerlegung der Segmente in Zellen. Über die Zerlegung der Segmente in Zellen liegen eingehende Beobachtungen von Johnson vor (1898, Pilularia und Marsilia), die ich bestätigen kann. Eine unwesentliche Abweichung ergab sich nur 360 Fritz Schneider, beim Marsiliablatt. Ich glaube jedoch, das dies lediglich davon herrührt, daß Johnson Wasserblätter und ich Luftblätter untersuchte. Ich muß ganz kurz auf die Art und Weise der Aufteilung ein- gehen, um die von mir beobachteten Abweichungen beschreiben zu können. Ich halte mich dabei an die Arbeiten von Johnson, und ver- weise auf sie betreffs der Einzelheiten, die dort sehr genau beschrieben sind. Die nach rechts und links abgeschnittenen, im Querschnitt halb- kreisförmigen Segmente treffen sich in einer Zickzacklinie, die John- son „median wall“ (Fig. 14 =) netint. Von dieser ausgehend erfolgt die weitere Zerlegung in der Weise, daß in den einzelnen Segmenten die „sections“ von Johnson abgeschnitten werden. Die erste „section* ist dabei doppelt so groß wie die folgenden. Im Blatt von Pilularia treten drei solcher Wände auf, und das ganze Seg- ment ist damit in vier Teile zerlegt. In der „section“ 1 tritt eine nochmalige Aufspaltung ein, und jeder der so ent- standenen fünf Abschnitte liefert — nach- dem durch perikline Wände Plerom und Dermatogen abgetrennt sind — einen radialen Träger. Das ausgebildete Blatt von Pilularia zeigt also zweimal fünf Fig. 14. Marsilia diffuss. Quer- radiale Träger (Fig. 6—8 von Johnson. schnitt durch ein junges Blatt. Pilularia) Bezeichnungen nach Johnson: ) FR mw median wall; 22 plerom wall; Im Blatt von Marsilia treten außer sp ao wall. den oben beschriebenen drei „section“ Bu Wänden nach Johnson noch zwei weitere auf, bevor die Marginalzelle durch eine perikline Wand zerlegt wird, so daß dem ausgebildeten Blatt 14 radiale Träger zukommen. Ein anderer Unterschied gegenüber Pilularia besteht darin, daß die erste in der „section“ 1 auftretende Wand (Fig. 14 Zw) nicht die Grenze für das Plerom bildet, sondern daß erst eine zweite perikline Wand (Fig. 14 u. 155/40) diese Grenze darstellt. Diese Beobachtung konnte ich bestätigen (vgl. Fig. 7—10 von Johnson. Marsilia.). Der Unterschied, den ich fand, besteht nun darin, daß bei den von mir untersuchten Marsilien außer den von Johnson beobachteten fünf „section“ Wänden immer noch zwei weitere auftraten, so daß die Zahl der radialen Träger 18 betrug, Im übrigen können in diesen Trägern sekundär noch Aufspaltungen stattfinden (Fig. 10, Johnson. Marsilia), so daß eine größere Anzahl entsteht. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 361 Es galt noch festzustellen, wodurch die Einrellung des Blattes zustande kommt. Sie hat dieselbe Ursache, wie die Aufkrümmung des Stammes. Es findet auf der Seite, wo die „seetion® 1 liegt, ein Fig. 15, Marsilia diffusa. Längsschnitt durch das Blatt parallel der „median wall“, ir Haar. Sonstige Bezeichnungen wie vorher. Zu beachten, daß auf der dorsalen Seite bedeutend mehr Wände, als auf der ventralen gebildet werden. Vergr. 466. stärkeres Längenwachstum statt, im Verlauf dessen in horizontaler Richtung einige Wände mehr eingeschoben werden. 362 Fritz Schneider, 3. Die Spreitenbildung. Die Frage nach der Art der Spreitenbildung ist im Prinzip durch die Arbeiten von v. Hanstein (1865), A. Braun (1870) und John- son (Marsilia 1898) gelöst. Ein wichtiger Punkt, der in diesen Arbeiten diskutiert, aber in keiner gelöst wurde, ist der nach dem Schicksal der Blattscheitelzelle. Johnson spricht zwar die Vermutung aus, daß sie durch eine perikline Wand aufgeteilt werde, sich also verhalte, wie die Scheitelzelle des Sporokarps, aber es gelang ihm nicht, Präparate davon zu erhalten. Meine Figur 16 stellt einen Schnitt dar, der erkennen läßt, daß Johnson mit seinen Vermutungen Recht hat. Im einzelnen vollzieht sich der Vorgang der Spreitenbildung so, daß in den Segmenten der Blattanlage, die zur Spreitenbildung schreiten, Fig. 16. Fig. 17. Fig. 16. Marsilia spec.? Aufsicht auf das obere Fiederpaar (07). Sc% Scheitel- zeile des Blattes (aufgeteilt). Vergr. 583. Fig. 17. Marsilia hirsuta. Aufsicht auf zwei Fiederpaare. 7 untere Fieder, 07 obere Fieder. Vergr. 583. „section“ 7 nicht durch eine perikline Wand aufgeteilt wird, sondern fortfährt, abwechselnd parallel den älteren „section“ Wänden Wände ein- zuschieben (Fig. 20 u. 21 Johnson, Marsilia, Querschnitt). In der Auf- sicht auf die Fläche der jungen Spreite kann man die Anzahl der Seg- mente feststellen, die an der Spreitenbildung beteiligt sind, und außer- dem das abwechselnde Auftreten perikliner und antikliner Wände sehen, durch deren Tätigkeit die fächerartige Verbreiterung der Spreite zu- stande kommt. Nachdem auf diese Weise das ältere, untere Fieder- paar gebildet ist, wird beiderseits ein Segment übersprungen, und in Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 363 den scheitelwärts folgenden Segmenten vollziehen sich dieselben Er- scheinungen, wie die, welche zur Bildung des unteren Fiederpaares geführt haben. Im Verhalten der Blattscheitelzelle ist zu dieser Zeit eine Änderung noch nicht eingetreten. Sie liegt in einer tiefen Bucht zwischen den sich vorwölbenden beiden oberen Fiedern. Erst jetzt tritt eine perikline Wand auf, womit die Tätigkeit der Scheitelzelle be- endet ist. Die äußere der beiden Tochterzellen wird dann meılian antiklin halbiert (Fig. 16). Bei Pilularia war in Blättern, die schon zwei Spiralwindungen ausgeführt hatten, noch keine Aufteilung der Scheitelzelle zu beobachten. Wie schon oben bemerkt wurde, erfolgt die Vergrößerung der Fiedern durch das abwechselnde Auftreten perikliner und antikliner Wände (Fig. 17). Johnson’s Figuren 20 und 21 (Marsilia) lassen außer- dem erkennen, daß in der Abgrenzung der Gewebe ein Unterschied zwischen Fieder und Blattstiel vorhanden ist, insofern als in der Fieder die die Rindenschichten abgrenzenden Wand zuerst auftritt. Jedes Fiedersegment liefert drei Schichten nach oben und nach unten. Aus den inneren Schichten werden kleinere oder größere Gefäß- bündel, aus den mittleren auf der Oberseite durch einmalige Teilung die langen schlauchförmigen Pallisaden und eine Lage von Sammel- zellen; auf der Unterseite erfährt die mittlere Schicht ebenfalls eine Teilung und liefert zwei Schichten Schwammparenchym. Die Epidermis ist auf ihrer Ober- und Unterseite mit zahlreichen eingesenkten Spalt- öffnungen versehen, deren Mutterzellen durch bogige Wände von den betreffenden Protodermzellen abgegliedert werden. Zwischen der Epi- dermis und dem unter ihr liegenden Gewebe bilden sich kleinere, im Assimilationsgewebe größere Interzellularen. Die Lage der Gefäb- bündel steht nicht in bestimmter Beziehung zur Lage der Segmente. Die Bündel verzweigen sich dichotom, jedoch so, daß der eine Ast mehr oder weniger gefördert wird. Die Blattfiedern sind so angeordnet, daß das obere jüngere Paar einen kleineren Divergenzwinkel besitzt als das ältere untere. Daher hüllen die unteren Fieder die oberen ein. ll. Der Seitenzweig. Die Anlage eines Seitenzweiges erfolgt in derselben Höhe der Achse wie die des zugehörigen Blattes, jedoch erst, nachdem das Blatt schon einige Segmente gebildet hat. Es war sehr schwierig, einen 364 Fritz Schneider, Schnitt zu erzielen, der in diesem Stadium die Segmentgrenzen noch erkennen ließ. Es gelang nicht, auf einem Längsschnitt die Verhältnisse klarzulegen. An Querschnitten erkennt man, daß je ein Blatt aus der dorsalen Hälfte eines lateralen Segments gebildet wird, während die ventrale den Seitenzweig liefert. Auf die Pleromwand der Achse setzt sich eine schief nach außen gehende Wand auf, und auf diese stoßen zwei weitere Wände, von denen durch den Schnitt nur eine getroffen werden kann. Damit ist die dreischneidige Scheitelzelle ausgebildet, und nach Einschiebung neuer Wände wölbt sich der junge Seitenzweig bald hervor. Er schreitet sehr früh zur Bildung einer Wurzel, und die zweite Wurzel, die an dem Knoten steht, gehört meist ihm an. Die Ausbildung der Segmente und der Seitenorgane am Seitenzweig ist dieselbe, wie Fig. 18. Marsilie quadrifolia. Ältere Achse quer. WSck Wurzelscheitel, WAZ Wurzelhaube. Vergr. 466. bei der Hauptachse. Das erste Blatt steht immer in der Achsel gegen den Sproßscheitel zu, so daß ein Seitensproß der linken Seite sein erstes Blatt rechts, einer der rechten Seite das seine links hat. IIL Die Wurzel. 1. Die Anlage der Wurzelscheitelzelle. Führt man einen Schnitt so, daß er durch die aufgekrümmte Scheitelregion geht, so erblickt man die Außenflächen der ventralen Segmente, oder man erhält Schnitte parallel diesen Flächen. Die Wurzelanlagen stehen abwechselnd links und rechts von der die Außen- fläche halbierenden Sextantwand. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 365 Bevor ich zur Beschreibung der Teilungsvorgänge im einzelnen übergehe, verweise ich auf Fig. 18. Sie zeigt uns, daß zur Bildung der Wurzelmutterzelle ein geringerer Teil des Segmentquerschnittes verbraucht wird, als zur Blatt- und Seitenzweigbildung. Jedes dieser beiden Organe beanspruchte die Hälfte der Segmentbreit. Aus dem oben Gesagten geht außerdem hervor, daß die Wurzelmutterzelle in aufeinanderfolgenden Sproßsegmenten abwechselnd links und rechts von der das Segment halbierenden Sextantwand liegt. Außerdem kann die Wurzel oberhalb (Fig. 12, Segment XI) oder unterhalb (Fig. 13) der Wand 2 angelegt werden. Die Teilungen der ventralen Segmente gehen so vor sich, daß zunächst der in Fig. 2 dargestellte Zustand erreicht wird. Es erfolgt dann (Fig. 13) eine weitere Aufteilung in vier Etagen (Wand 6), und es vollziehen sich die Abgrenzung von Plerom und Rinde, sowie weitere sekundäre Teilungen. Die Wurzel wird aus einer der zwei mittleren Etagen gebildet. In dieser unterbleibt an einer Stelle (Fig. 18) die Ausbildung von Wand 5. Diese Zelle ist die Wurzelmutterzelle. Es treten Teilungen in ihr auf, die direkt zur Bildung der dreischneidigen Scheitelzelle führen. Auf Wand 1 der Wurzelanlage (Fig. 13, 18) folgt eine zweite Wand und eine dritte in der Ebene der Zeichnung, und damit ist die Scheitelzelle gebildet. Sie schiebt abwechselnd parallel den drei Seitenflächen und der Basis Wände ein. Die nach der Basis zu abgeschnittenen bilden die Wurzelhaube, die seitlichen den Wurzel- körper. Die Segmente sind im allgemeinen nicht so stark aufgerichtet, wie die des Stammes, und man kann schon in verhältnismäßig jungen Stadien auf dem Querschnitt feststellen, daß je zwei Seitenflächen unter einem Winkel von 120° zusammenstoßen. 2. Die Zerlegung der Segmente in Zellen. Hierüber haben schon Nägeli und Leitgeb (1858 und 1868) und Douliot und van Tieghem (1888) eingehende Beobachtungen veröffentlicht. Die zuerst auftretende Wand ist die Sextantwand (Nägeli und Leitgeb [1868]. Dann wird die Rinde abgegrenzt, wie schon van Tieghem und Douliot (1888) entgegen Nägeli und Leitgeb (1868) feststellten. Diese beiden Forscher nahmen an, es werde zuerst die Pleromwand gebildet. Die Bildung dieser Wand erfolgt aber erst an zweiter Stelle. Im ausgebildeten Zustand besteht die Epidermis aus einer Lage; auf sie folgt noch eine Schicht. Dann kommen die radialen 366 Fritz Schneider, Träger, die mit der gleichen Zahl großer Interzellularen abwechseln, und schließlich die übrigen Rindenlagen mit ihrer innersten Schicht, der Endodermis. Sie besteht auf dem Querschnitt aus 10 Zellen, von denen zwei einander gegenüberliegende die übrigen an Größe bedeutend übertreffen. Es sind die Mutterzellen für die Seitenwurzeln (rhizogene Zellen). Jeder Endodermiszelle entspricht ein radialer Träger, den Mutterzellen der Seitenwurzeln deren zwei, so daß die Gesamtzahl der Träger sich auf 12 beläuft. Die Ausbildung des Gefäßbündels erfolgt in einfachster Weise durch einige antikline und perikline Wände. Die ersten Hadromelemente entstehen in den Sextanten, die auch die rhizogenen Zellen liefern, die Leptomelemente in den übrigen Sextanten. Die junge Wurzel bleibt in einer Tasche, gebildet von der Epi- dermis des Stammes, eingeschlossen. Schließlich werden diese Schichten zerrissen, und sie tritt aus dem Gewebe der Achse heraus. Sie spreizt nicht immer unter einem Winkel von 90° von ihr ab; meist wurde beobachtet, daß sie sich in der Längsrichtung der Achse gegen den Stammscheitel zu etwas aufbog, und oft fast parallel der Richtung der Achse orientiert war, Über die Teilungen der Wurzelhaube möge bei Nägeli und Leitgeb (1868) nachgelesen werden. Hier sei nur bemerkt, daß die ersten Wände kreuzweise angeordnet sind. Schlußbemerkungen. I Die Verzweigung. Es wurde lange versucht festzustellen, ob eine bestimmte Be- ziehung zwischen Segmentierung und Blatt-, Seitensproß- und Wurzel- stellung bestehe, etwa wie bei Salvinia nach Pringsheim (1863) und Zawidzki (1912), oder bei Azolla nach Strasburger (1873). Es ge laug nicht, dies nachzuweisen. Scheinbar liefert jedes Segment der ventralen Seite eine Wurzel. Damit stimmt die Beobachtung überein, daß auf der dorsalen Seite je links und rechts ein Segment bei der Blattbikdung übersprungen wird. Aufschlüsse über diese Verhältnisse zu erlangen, gelingt nur auf transversalen Längsschnitten. Solche Sehnitte lassen selten mehr als zwei Knoten erkennen, und dabei liegen die Segmentverhältnisse meist unklar. Es muß einer noch- maligen — meiner Ansicht nach fast aussichtslosen — Untersuchung überlassen werden, Klarheit in diese Verhältnisse zu bringen. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 367 II. Abnormitäten. Unter den beobachteten Stammscheiteln befanden sich drei, «ie eine Abweichung in der Form der Scheitelzelle zeigten, Bei einem von ihnen lagen die Verhältnisse ganz klar. Die dreischneidige Scheitel- zelle war durch eine Wand, die auf einer ihrer Flächen bogenförmig ansetzte und sie in bogigem Verlauf wieder erreichte, in eine zwei- schneidige übergegangen. Die Verhältnisse lagen genau so, wie hei dem von Klein in Figur 9 (1884) abgebildeten Scheitel. Segmente hatte die zweischneidige Scheitelzelle nicht gebildet. Die beiden an- deren Fälle lagen nicht klar genug, um eine Entscheidung treffen zu können. Die Schneide der Blattscheitelzelle lag nicht immer genau quer zur Längsrichtung des Stammes. Es traten kleine Verschiebungen auf. In einem Falle scheint es sogar zu einer Drehung um 90° gekommen zu sein. Doch war dies nicht sicher zu entscheiden. Zusammenfassung. 1. Untersucht wurden einige Marsilia-Arten (s. S. 1) und Pilularia globulifera L. Sie zeigen eine große Übereinstimmung im anatomischen Bau und weichen nur in unwichtigen Merkmalen voneinander ab. Es ist anzunehmen, daß auch die anderen Arten von Marsilia und Pilularia, sowie Regnellidium (Lindman [1901]) dieselbe Entwicklungsgeschichte haben. 2. Die mit ihrer Spitze stark aufgekrümmte Achse wächst mit dreischneidiger Scheitelzelle, die so orientiert ist, daß sie eine Seiten- fläche dem Boden zukehrt. Es sind also eine ventrale und zwei dorso- laterale Segmentreihen vorhanden. 3. Es gelang, die Aufteilung der Segmente genau zu verfolgen, und die Grenzen der Gewebe auf die ältesten Wände zurückzuführen. Bezüglich der Einzelheiten muß auf den Text und die Figuren ver- wiesen werden. 4. Die zweischneidige Blattscheitelzelle entsteht in der dorsalen Hälfte einer der mittleren Etagen eines dorsalen Stammsegmentes; sie wird dann gebildet, wenn das Segment aus vier Etagen besteht und nimmt ein Achtel der Segmentoberfläche ein. 5. Die Blattscheitelzelle liegt so, daß die Längsachse ihrer Grund- fläche quer zur Längsrichtung des Sprosses orientiert ist. 368 Fritz Schneider, 6. Nach erfolgter Spreitenbildung wird die Blattscheitelzelle von Marsilia durch eine perikline Wand aufgeteilt und so außer Funktion gesetzt. Bei Pilularia konnte dies nicht beobachtet werden. 7. Der Seitenzweig entsteht aus der ventralen Hälfte derjenigen dorsalen Segmente, die auch ein Blatt bilden. Er wird in gleicher Höhe wie das Blatt angelegt. 8. Die Wurzeln werden aus den ventralen Segmenten gebildet und stehen abwechselnd links und rechts von der Medianen. Die Wurzelmutterzelle bildet sich zu der Zeit, in der das Segment aus vier Etagen besteht, und zwar in einer der mittleren Etagen. Sie entsteht aus einem kleineren Teil des Segmentumfanges wie Blatt und Seiten- zweig. 9. Es war nicht möglich, eine bestimmte Beziehung zwischen der Stellung der Seitenorgane und der Lage der Segmente festzustellen. Es soll jedoch hiermit nicht gesagt sein, daß keine vorhanden ist. Die Arbeit wurde im pflanzenphysiologischen Institut der Uni- versität angefertigt. Herrn Geheimen Regierungsrat Haberlandt und vor allem Herrn Prof. Dr. P. Claussen fühle ich mich für manche Anregung und Unterstützung zu Dank verpflichtet, desgleichen der Direktion des botanischen Gartens zu Berlin-Dahlem für die Über- lassung des Materials. Berlin NW 7, Dorotheeustr. 6. Im April 1912. Literatur. 18%. Andrews, M. W., Apical growth in roots of Marsilia quadrifolia and Equi- setum arvense. Bot. Gaz., Vol, XV. 1884. Bower, F. O., Comparative morphology of the leaf of the vascular Crypto- gams and Gymnosperms. Philosophical Transactions, 175. 1870. Braun, A., Über Marsilia und Pilularia. Monatsber. d. Berliner Akad. 1888. Campbell, D. H, The development of Pilularia globulifera L. Ann. of Bot., Vol. II. 1893. Ders, The development of the sporocarp of Pilularia americana. Bull. Torrey Bot. Club, Vol. XX (zitiert nach Johnson). 1905. Ders. The structure and development of Mosses and Ferns. New-York. 1865. v. Hanstein, J., Die Befruchtung und Entwicklung der Gattung Marsilia. Pringsheim’s Jahrb., Bd. IV. 1866. Ders,, Pilulariae globuliferae generatio cum Marsilia comparata. Bonn. 1898, 1898, 1884. 1901. 1909. 1846. 1887. 1858. 1868. 1887. 1863. 1872. 1873. 1888. 1912. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Marsiliaceen. 369 Johnson, D. $, On the leaf and Sporocarp of Marsilia quadrifolia. Ann. of Bot., Vol. XII. Ders., The leaf and Sporocarp of Pilularia. Bot. Gaz., Vol. XXVI. Klein, L., Vergleichende Untersuchungen über Organbildung und Wachs- tum am Vegetationspunkt dorsiventraler Farne. Bot. Ztg., Nr. 42. Lindmann, €. A. M., Regnellidium, nov. gen. Marsiliacearum. Arkiv för Botanik, Bd. III. Lotsy, J. P., Botanische Stammesgeschichte. Bd. II. Jena. Mettenius, Beiträge zur Kenntnis der Rhizocarpeen, Frankfurt a. M. Meunier, A, Etude anatomico-gönstique du sporocarpe chez la Pilularia globulifera. La Cellule, Tome IV. Nägeli, C. und Leitgeb, H., Beiträge zur wissenschaftlichen Botanik. Heft 4, pag. 54 ff. Ders., Ebenda, Heft 4, pag. 73 ff. Potonie, H., Aus der Anatomie lebender Pteridophyten und von Cycas revoluta. Abhandlung zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den Thüringischen Staaten, Bd. VIL Pringsheim, N., Gesammelte Abhandlungen, Bd. II. Zur Morphologie der Salvinia natans. Russow, E., Vergleichende Untersuchungen der Leitbündel-Kryptogamen. Me&moires de l’Acad&mie Imperiale de Saint-Pötersbourg, Tome XIX. Strasburger, E., Über Azolla. van Tieghem, Ph. et Douliot, H,, Recherches comparatives sur ’origine des membres endogenes dans les plantes vaseulaires. Ann. d. Se. nat. 7e Serie, Tome VIIE. Zawidzki, $., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Salvinia natans. Beih. z. bot. Zentralbl., Bd. XXVIII. Plora, Bd. 105. Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. Von A. J. M. Garjeanae in Venlo. Den Laubmoosblättern gegenüber sind die Lebermoosblätter relativ einfache Gebilde. Mit den zahlreichen Anpassungen der Lebermoose geht zwar eine reiche morphologische Gliederung zusammen, aber anatomisch bleibt doch das Jungermannienblatt immer eine einfache Zellplatte, welche nur in seltenen Fällen und dann noch an bestimmten Stellen zwei oder mehr Zellen dick, in anderen Fällen auf einige Zell- reihen reduziert ist. Bei den (mitteleuropäischen) Arten zeigen die Bläfter häufig Unterschiede in der Form des Blattrandes und im Bau der Blattzellen. Man kann alle Übergange beobachten zwischen völlig ganzrandigen, gezahnten, gewimperten, zwei- und mehrteiligen Blattspreiten, während Zellgröße und Zeilwandstruktur manch wichtiges Bestimmungsmerkmal abgeben. Bei den Laubmoosen sind eben die Randzellen sehr häufig ver- schieden von den übrigen Blattzellen, es sind hauptsächlich mechanische Elemente. Bei den beblätterten Jungermannien unterscheiden sich die Randzellen häufig kaum oder nicht von den übrigen Blattzellen und sogar wenn sie deutlich verschieden sind, ist die mechanische Be- deutung der Strukturen bei weitem nicht so deutlich wie bei den Laubmoosen. Dennoch funktionieren die Randzellen häufig auf andere Weise als die Spreitenzellen. So geht die Bildung der Brutkörmer in sehr vielen Fällen von den Randzellen aus; bei vielen Arten zeigen die Randzellen Verdickungen, Zähne usw., wodurch sie als mechanische Elemente angesehen werden müssen. Untersucht man Blätter von Chiloscyphus polyanthus, so findet man, wenn die Chlorophylikörner in den Spreitenzellen hauptsächlich an den Querwänden gelagert sind, die Außenwandung der Randzellen häufig nicht mit Chlorophyll besetzt. Bei Lophocolea bidentata und cuspidata sehen wir, auch an intakten Blättern, einzelne Randzellen sich hervorwölben und zu Rhi- zoiden oder einfache Schleimhaare auswachsen und bei Verletzung des Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 371 Blattes sind diese und die von Kreh!) ausführlich beschriebenen Re- generationserscheinungen besonders leicht zu beobachten. So sind noch andere Fälle zu nennen, worin die Randzellen in irgendwelcher Hinsicht eine andere Rolle spielen, als die Spreitenzellen. Es fragt sich, ob die Randzellen vielleicht auch dann eine etwasab- weichende Struktur oder Inhalt haben, wenn sie, bei oberflächlicher Beobachtung, den übrigen Blattzellen gegenüber nur Größenunterschiede zeigen. In den folgenden Zeilen werden einige Beobachtungen über solche Randzellen mitgeteilt. Das Material stammt aus der Umgebung von Venlo und wurde immer frisch eingesammelt und bisweilen kürzere Zeit im Arbeitszimmer weiter kultiviert. Die in Betracht kommenden Arten sind folgende: Haplozia crenulata; Chiloseyphus polyanthus; Lopho- colea bidentata, cuspidata und heterophylla; Lophozia inflata; Diplophyllum albicans; Alicularia Scalaris, Frullania dilatata, Cephalozia bieuspidata, Ptilidium eiliare und Seapania curta. Von diesen Arten sind aber besonders Lophocolea bidentata und Chiloseyphus polyanthus genauer untersucht worden, weil dies, aus weiter unten zu nennenden Gründen, interessant erschien. Eine willkürliche Spreitenzelle des Lebermoosblattes hat zwei „freie Zellwände, namentlich die obere und die untere. Diese sind aber mit einer Cuticula bekleidet, welche sich hauptsächlich dadurch von der Cuticula vieler anderen Pflanzen unterscheidet, daß sie für Wasser durchlässig ist, was mit der chemischen Zusammensetzung in Beziehung steht. Die Randzellen sind aber nicht zweiseitig, sondern dreiseitig von der Cuticula überzogen und dadurch können sie zwar etwas leichter Wasser aufnehmen, werden es aber auch wohl leichter abgeben, wenn nicht auf irgend einer Weise für das Festhalten des Wassers Sorge getragen ist. Solch ein Festhalten des Wassers kann natürlich bedingt sein durch besondere Eigenschaften des Zellinhaltes oder durch den Bau der Zellwand oder auch durch beide Ursachen zusammen. Von den untersuchten Arten machen besonders die bekannten großen Rand- zellen bei Haplozia crenulata den Eindruck, daß sie vielleicht als Wasserspeicher Dienste leisten können. Besonders an ziemlich trockenen Standorten sind diese Randzellen sehr groß, ihre Wände sind ansehn- 12) W. Kreh, Über die Regeneration der Lebermoose. Nova Acta Acad. Caes. Leop. Carol. 1909, T. XC, Nr. 4. 94 372 A, J. M. Garjeanne, lich und gleichmäßig verdickt und dann und wann (bei den Hüllblättern des Perianths regelmäßig), sind sie durch eine Querwand in zwei Teile verteilt. Der Zellinhalt ist wasserreich, chlorophyllreich und mit der- selben oder einer geringeren Ölkörperzahl versehen wie die Spreitenzellen. Untersuchen wir die Randzellen plasmolytisch, so ergibt sich, daß die Plasmolyse bei den Randzellen zwar etwas schneller eintritt, als bei den Spreitenzellen, wenn die Salpeterlösung am Deckglasrande zu- gesetzt wird, aber daß dieser Unterschied kaum zu beobachten ist, wenn die Blätter ganz in die Salpeterlösung eingetaucht werden. Die Plasmolyse ist mit 10°/,iger Salpeterlösung (KNO,) schon sehr stark und tritt dann sofert ein, sogar tritt bei einigen Spreitenzellen dann sehon abnormale Plasmolyse ein. Der osmotische Druck ist somit bei den Haplozia erenulata-Blättern kein außergewöhnlich großer und die Plasmolyse tritt bei den Randzellen fast so leicht ein, wie bei den Spreitenzellen. Dasselbe gilt auch für die übrigen untersuchten Arten. Die Randzellen unterscheiden sich osmotisch nicht von den Spreitenzellen und, wenn auch bisweilen die Plasmolyse etwas früher eintritt, so kann das auf Rechnung der Tatsache gestellt werden, daß die Randzellen dreiseitig und bei gezahnten Blatträndern auf viel größerer Oberfläche von der plasmolysierenden Lösung bespült werden. Der Vakuoleninhalt der Randzellen ist also wohl von keiner be- sonders großen Bedeutung beim Festhalten des Wassers, ein Unter- schied den Spreitenzellen gegenüber läßt sich nicht scharf beobachten. Da fragt es sich, ob vielleicht die Zellwand Wasser speichert. Dies ist nach Goebel!) in der Tat der Fall, die Zellwandverdickungen quellen bei Wasserzutritt auf, schrumpfen bei Wasserverlust. Natür- lich steht diese biologische Funktion neben der rein mechanischen Be- deutung der Zeilwandverdickungen. Es läßt sich leicht beobachten, daß die Hygrophyten unter den obengenannten Arten viel weniger stark verdickte Zeliwände besitzen wie die Xerophyten und es ist bekannt, daß viele Standortvarietäten sich u. a. unterscheiden durch die mehr oder weniger verdickten Wände ihrer Blattzellen. Hauptsächlich zeigen die Wandverdickungen uns eine kollenchy- matische Struktur. Und in einigen Fällen läßt sich ein Unterschied zwischen den Verdickungen der Rand- und Spreitenzellen nicht be- obachten. Die Hygrophyten zeigen uns aber, daß die Randzellen hänfig dentliche Verdiekungen haben, während dieselben bei den Spreiten- 1) Goebel, Archegoniatenstadium 5. Die Blattbildung der Lebermoose usw. Flora 1893, pag. 449 und Fußnote. Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 373 zellen nicht oder kaum zu beobachten sind. So waren die Eckverdick- ungen bei den Blättern eines Lophocolea bidentata-Rasen, der sehr feucht und zwischen dichten Polstern von üppigem Hypnum cuspidatum gewachsen war, nicht ausgebildet; die Ranıdzellen zeigten aber an den Antiklinen deutliche Verdiekungen. Bei Alicularia scalaris, zwischen anderen Moosen (Dicranella) gewachsen an einem feuchten Abhang, waren die Verdickungen der Randzelien deutlich stärker als diejenigen der Spreitenzellen. Die Wandverdickungen der Randzellen bei Haplozia erenulata sind (abgesehen von einigen Standortvarietäten) sehr viel stärker als die der Spreitenzellen. Dagegen sind fast keine Verdickungen zu sehen an den Zeilwänden bei feucht gewachsenen Chiloseyphus polyan- thus; bei Ptilidium eiliare sind die Verdiekungen der Randzellen und der Zilien schwächer als bei den Spreitenzellen. Die letztgenannte Art benutzt ihre Zilien wohl zur Aufnahme des Wassers, das von den Zilien aus den übrigen Blattzellen zugeleitet wird. Wir sehen denn auch die Durchlaßstellen zwischen den Zellen als unverdickte Partien der Querwände. Solche Durchlaßstellen werden bisweilen durch Krümmungen der Wand noch vergrößert, z. B. Alicularia scalaris, in anderen Fällen findet sich zwischen zwei Eckverdiekungen noch eine verdickte Mittel- partie, wodurch einige Ähnlichkeit mit der Schließhaut der Hoftüpfel entsteht, z. B. Frullania dilatata. Bei allen zuletzt genannten Arten sind die Randzellen weniger reich an Protoplasma, Chlorophylikörnern und Ölkörpern als die Spreiten- zellen. Bei einigen anderen, so bei Diplopkyllum albicans, sind viele Randzellen überhaupt ohne protoplasmatischen Inhalt. Bei den ganz jungen Blättern sind die Randzähne noch mit dem normalen Inhalt gefüllt, später aber bildet sich eine nur mit Wasser gefüllte, einfache oder doppelte Zellreiie am Rande. Diese Randzellen sind meistens gleichmäßig verdickt, und ihre Verdickungen sind nicht deutlich stärker als die der Spreitenzellen. Auch findet man Formen mit unverdickten Außenwänden der Randzähne. Die meisten der obengenannten Strukturen würde man als aus- gezeichnet in mechanischer Hinsicht ansehen, wenn nicht für viele Lebermoose solche mechanischen Elemente von sehr geringer Bedeutung sein möchten. Bekanntlich werden die zarten Blätter nicht von sehr kleinen Tieren gefressen, auch von Schnecken werden sie verschmäht und gegen eventuelle Feinde unter den größeren Tieren nutzen die jedenfalls noch zarten Zeilwandverdiekungen doch nichts. 374 A. 3. M. Garjeanne, Fast ebensowenig haben die Lebermoosblätter zu befürchten von fallenden Regentropfen. Sehr viele Arten wachsen zwischen anderen Moosen oder unter anderen Pflanzen, an mehr oder weniger steilen Abhängen usw., wo sie gegen den direkten Anprali der Regentropfen geschützt sind. Aber auch die ganz frei auf horizontalen Boden wach- senden Arten werden fast nicht durch den Regen geschädigt. Das er- gibt sich u. a. aus einem Versuch, welcher im Sommer 1910 mit einer Kultur von Calypogeia trichomanis angestellt wurde. Die zarten Pflänzchen waren auf einem flachen Ziegel kultiviert worden, und, wenn sie auch einen ausgedehnten Rasen gebildet hatten, so waren die Exem- plare doch schwächer als die meisten in der freien Natur gewachsenen Calypogeiapflanzen. Am Sonntag, den 3. Juli 1911 fiel in Venlo von 11 Uhr vormittags bis 12 Uhr 30 Min. ein heftiger Regen, und von 12 Uhr 15 Min. bis 12 Uhr 30 Min. war es ein gewaltiger Platzregen, so stark, daß mehrere Blätter einer kräftigen Lilie, die vor einem Fenster meines Arbeitszimmers stand, zerknickt wurden. Die Calypogeiakultur wurde von etwa 12 Uhr bis 12 Uhr 30 Min., also während des stärksten Regens, dem Gewalt der Regentropfen aus- gestellt. Bei Untersuchung der Blätter zeigten sich fast keine Ver- letzungen, nur etwa ein Dutzend Blätter waren eingerissen worden. Wenn also die zarten Zellwände der Calypogeia imstande sind dem Anprall der Regentropfen zu widerstehen, so können die Wand- verdickungen der Rand- und Spreitenzellen wohl nicht als Anpassungen in dieser Richtung angesehen werden. Dazu kommt noch, daß Caly- pogeia durch die horizontal ausgebreiteten Blätter noch ungünstiger davorsteht als z. B. Haplozia erenulata Nehmen wir nun Chiloseyphus polyanthus, der an sehr feuchten Stellen, sogar fast submers lebt, so sehen wird da keine Eck- verdickungen. Bei Lophocolea bidentata, welche ebenfalls an sehr feuchten Orten eingesammelt wurde, findet man keine nennens- werte Verdiekungen bei den Spreitenzellen, dagegen deutliche, auf op- tischem Querschnitt dreieckigen Verdickungen an der Außenwandung der Randzellen. Diese Verdiekungen befinden sich au der Ansatzstelle der antiklinen Wandungen. Alicularia scalaris, ein Mesophyt, hat sehr deutliche Eckverdickungen; an den Außenwänden sind sie meist er- heblich stärker. Ptilidium eiliare, von mehr xerophytischer Struktur, zeigt dünne Außenwände, aber auch hier sind die Ansatzstellen der antiklinen Wände sehr verdickt, Wenn wir also sehen, daß eben bei Arten, die stärkeren Wasser- wechsel ausgesetzt sind, gerade Jie Ansatzstellen der antiklinen Wände Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 375 in den Randzellen eine deutliche Verdickungsleiste bilden, so liegt die Ursache wohl in der Tatsache, daß diese Stellen stark in Anspruch genommen werden bei Änderungen des Wassergehalts. Die Oben-, Unten- und Außenseite bilden gleichsam ein Gewölbe, dessen Träger eine verstärkte Randleiste besitzen. Zunahme des Wassergehalts führt zu Ausdehnung der Außenwände, weil Änderungen der Innenwände nicht so gut möglich sind. Daß wirklich solche Vorstülpungen der freien Außenwand vor- kommen, läßt sich bei Lophocolea bidentata ziemlich häufig beobachten. Bei dieser Art?) finden wir zwischen den Spreitenzellen bisweilen solche, welche erst verschleimen und später ganz aufgelöst werden. Auch mechanische Verletzungen können das gänzliche Verschwinden einer oder mehrerer Zellen herbeiführen. Die umgebenden Zellen nehmen dabei eine andere Gestalt an, und wir sehen deutlich, wie die an dieser Seite unverdickten Zellen sich konvex in die entstandene Öffnung hervorwölben. Etwas Ähnliches fand sich beim einzigen, von mir beob- achteten Fall einer wirklichen Regeneration. Ein Riß in einem Lopho- coleablatt war wieder von Zellen ausgefüllt, welche der Hauptsache nach mit. den Zellen der Umgebung übereinstimmten. Nur waren sie in der Länge sehr gestreckt?). Auch hier zeigten einige Blattzellen eine deutliche Hervorwölbung der freien Außenwand. Drei Zellen wurden neugebildet; auf der linken Seite waren die Wände der Spreitenzellen hervorgewölbt, die stärkeren Eckverdickungen ließen die gestreckten Zellen als Randzellen erkennen. Vielfach sind Hervorwölbungen der Randzellen auch dann zu beobachten, wenn diese Randzellen zu Rhizoiden, kurzen Schleimpapillen oder zu Regenerationsgebilden auswachsen sollen. Bei Lophocolea läßt sich das leicht beobachten,auch finden wir Ab- bildungen z. B. bei Schostakowitsch®) und Kreht). Dürfen wir also wohl schließen, daß die Verdiekungen an den Ansatzstellen der antiklinen Wandungen mit Spannungen, die von Änderungen im Wassergehalt herrühren, in Beziehung stehen, so läßt 1) Auch sehr häufig bei Scapania nemorosa. . 2) Durch ihre Armut an Protoplasma, Chlorophyll u. a. unterschieden von den von Kreh beschriebenen und I. c. Taf. II, Fig. &, 4, 5, 7 usw. abgebildeten Regenerationszellen. . . 3) Schostakowitsch, Über die Reproduktions- und Regenerationserschei- nungen bei den Lebermoosen. Flora 1894, Fig. 2, 3, 24. . . 4) Kreh, 1. c. Taf. I, Fig. 22, Taf. IV, Fig. 4g (hier auch die stärkeren Verdickungen) usw. 376 A. J. M. Garjeanne, sich doch auch eine Bedeutung der Verdickungen als rein mechanische Verstärkung des Zellnetzes nicht verkennen. Es würde zu weit führen, hier all die Strukturen zu beschreiben. Einige eigentümliche Fälle mögen jedoch Erwähnung finden. Die Randzellen von Diplophyllum albieans sind meistens gleichmäßig verdickt. Dabei ist der Zellverband derartig, daß die Gefahr des Zerreißens eine sehr geringe ist. Merkwürdiger aber sind die sehr starken Verdickungen, welche man bisweilen unter dem Blatt- rande beobachten kann. Unter einer relativ sehr großen Randzelle liegt dann eine größere Zellwandmasse, von strahlenförmig gruppierten Zellen umgeben. Solche Verdiekungen sind nicht gerade selten und speziell an üppig gewachsenen Pflanzen zu finden. Bei Haplozia cerenulata sind die Wände der Randzellen, be- sonders bei Exemplaren von trockenem Standort, sehr verdickt. Werden solche Blätter in Wasser unter Deckglas gelegt und wird das Deck- glas unter ziemlich starkem Druck hin und her geschoben, so bleibt doch die Randzellreihe intakt, einige wenige Fälle ausgenommen. Die übrige Blattspreite zerreißt bei obiger Behandlung gerade sehr häufig. Wie aber schon bemerkt wurde, können solche Strukturen neben mechanischer Bedeutung auch eine solche mit Beziehung auf Wasser- speicherung haben. Bei Cephalozia bicuspidata (und bei einigen Cephaloziellen) fehlen die Eckverdickungen sowohl den Randzellen wie den Spreitenzellen oder sie sind doch nur äußerst schwach ausgebildet. Im allgemeinen wird die Ökologie dieser zarten, auf nackter Erde wachsenden Pflänzchen eine andere sein, als die der oben besprochenen größeren Lebermoose Durch Schleimbildung, Verpilzungen, Zusammenleben mit Algenkolonier und durch die Bildung von dichten, verworrenen Rasen sind diese Pflänzchen sowohl mechanisch als auch gegen totale Austrocknung geschützt. \ Die Zusammensetzung der -Zellwände ist bei den Lebermoosen eine ziemlich wechselnde, aber nur in selteneren Fällen bestehen sie, wie schon Czapek!)} beobachtet hat, aus reiner Zellulose. Bei den ver- schiedensten Arten ist das Vorkommen von besonderen Wandbestand- teilen konstatiert worden (Dieranumgerbsäure und Sphagnol), während später K. Müller?) gezeigt hat, daß in den Zellwänden einiger Leber- 1) F. Gzapek, Zur Chemie der Zellmembranen bei den Laub- und Leber- moosen. Flora 1899, pag. 361 ff. 2} K. Müller, Die chemische Zusammensetzung der Zellmembranen bei ver- schiedenen Kryptogamen. Zeitschr. physiol. Chem, 1905, Bd. XLV, pag. 265 ff. Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 377 mnoose neben gewöhnlicher Zellulose noch Xylosezellulose und Arabinose- zellulose vorkommen. Wenn die gewöhnlichen Zellulosereaktionen nicht oder schwierig gelingen, so stellt Müller das auf Rechnung von Bei- mengungen. Die Verbreitung seiner Dieranumgerbsäure und des Spbagnols ist von Czapek bei sehr zahlreichen Lebermoosen untersucht worden und es wäre wohl überflüssig, die lange Liste Czapeks noch mit einigen wenigen Arten zu verlängern. Es wurde aber schon von Czapek be- obachtet, daß die Reaktion der Randzellen in einigen Fällen eine andere ist als die der Spreitenzellen. So gibt er z. B. an: „Sarcos- cyphus emarginatus. Direkte Bläuung mit Chlorzinkjod hier und da schwach an den Randzellen.“ So zeigt auch die von Czapek nicht untersuchte Haplozia erenulata deutliche Zellulosereaktion in den Randzellen. Bei den übrigen von mir untersuchten Arten ist eine deutliche Verschiedenheit der Reaktion mit Chlorzinkjod zwischen Rand- und Spreitenzellen nicht nachzuweisen. Einige andere Verschiedenheiten gibt es aber doch. So quellen die Zeilwände der Spreitenzellen bei Lophocolea bidentata in kochender Kalilauge stark wabig auf; die antiklinen Wandungen der Randzellen zeigen eine sehr viel geringere Quellung mit erst viel später eintretender Schaumstruktur. Ähnliches gilt für Chiloseyphus polyanthus. Diese Art gibt Bläuung mit Chlorzinkjod hauptsächlich im Basalteil der Blattspreite, die blaue Farbe geht nach längerer Einwirkung des Reagenz in eine grünliche über. Diese grün- liche Farbe konnte auch bei Lophocolea beobachtet werden, während eine direkte, wirkliche Blaufärbung kaum nachweisbar war. Nur bei Lophoecolea bidentata und Chiloseyphus polyanthus wurde mit FeCl, -aq. und K,Cr,O, -aq. auf Gerbsäure reagiert. Auch nach längerer Einwirkung war meist keine Färbung der Zellwände zu beobachten, dagegen zeigte der Inhalt eine blasse und etwas grünliche Blaufärbung, was gewiß auf Rechnung der Gerbsäure in den Ölkörpern gesetzt werden kann. Auch Czapek nennt bei Lophocolea biden- tata die Gerbsäurereaktion der Zellwände nicht. Ebenso negativ war das Resultat einer Untersuchung auf Zucker in dem Zellinhalt. Bekanntlich gelten doch die Blätter der Junger- mannien als „Zuckerblätter‘ und es war der Mühe wert, zu unter- suchen, ob vielleicht der Zuckergehalt, der Randzellen ein anderer war, wie derjenige der Spreitenzellen. Mit Kupfersulfat, Kalilauge und Seignettesalz konnte aber in den Zellen kein Zucker nachgewiesen werden. Es geschah einige Male, daß eine gelbliche Färbung eintrat, 378 A. J. M. Garjeanne, aber nicht in, sondern außerhalb der Zellen. Diese „extrazellulare* Zuckerreaktion rührt wahrscheinlich von nach außen diffundierten Mem- branprodukten, welche durch Einwirkung der kochenden Kalilauge ent- standen waren. Wenn aber doch in einigen Fällen (Chiloseyphus, Alicularia, Diplo- phyllum) eine schwachgelbe Färbung in den Zellen eintrat, so geschah das doch nur oder fast nur in den Spreitenzellen und nicht in den Randzellen. Speicherung einer größeren Zuckermenge in den Rand- zellen wäre auch, teleologisch betrachtet, fast eine Torheit des Leber- mooses! Die Mittellamelle der Zellwände besteht aus Pektinstoffen. Sie zeigen in einigen Fällen, so bei Lophocolea bidentata, auch die Biuret- reaktion, aber die Randzellen werden dabei kaum violett gefärbt. Die eigentümlichsten Reaktionen erhält man mit wässeriger Me- thylenblaulösung und mit wässeriger Silbernitratlösung. Die Methylen- blaulösung darf nicht zu konzentriert sein; am besten war eine Lösung brauchbar, die als blaue Tinte zu blaß sein würde, aber dennoch dunkel- blau aussah. Stärkere Lösungen färben zu schnell und lassen die ‚unten zu beschreibenden Differenzen nicht mehr hervortreten; auch sehwache Lösungen färben weniger kontrastreich. Die Konzentration der Silbernitratlösung ist von geringerer Bedeutung; die benutzten Lösungen variierten zwischen 2 und 5°/,iger Stärke. Bekanntlich färbt Methylenblau Pektin, Schleim, Gerbstoffe, auch das lebendige Protolasma. Wird nun z. B. ein Jungermannienblatt in starker Methylenblaulösung gefärbt, so nimmt das ganze Blatt dunkel- blaue Farbe an. Besonders stark sind z. B. die Mittellamellen der Zellwände gefärbt, ebenso füllen sich Zellen, deren Inhalt abgestorben ist, bald mit der blauen Lösung. Ganz anders wird das Bild, wenn man die oben genannte, nicht zu starke Methylenblaulösung benatzt. Es zeigt sich dann, daß sich die Randzellen bei Lophocolea bidentata in fast alten untersuchten Fällen stärker tingieren als die Spreitenzellen. Ein etwa Zentimeter langes Stück der frischen Pflanze wird abgespült, etwa 5—15 Sekunden in der Methylenblaulösung belassen, abermals in Wasser abgespült und in Wasser untersucht. Wir sehen dann etwa folgendes: Das ganze Blatt zeigt eine bläuliche Farbe, gegen welche aber das Grün der Chlorophylikörner sich noch deutlich abhebt. Proto- plasma und Ölkörper sind noch sehr schwach oder gar nicht gefärbt. Einzelne abgestorbene Zellen sind mit Methylenblaulösung gefüllt, die abgestorbenen Plasmareste sind dunkelblau gefärbt. Auch die Mittel- Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 379 lamellen der Zellwände sind blau. Die Randzellen aber und bisweilen, nach längerer Einwirkung der Färbelösung auch die übrigen Zellen der Blattzipfel, sind immer stärker blau gefärbt als die Spreitenzellen. Besonders bei schwacher Vergrößerung fällt der blaue Saum sofort auf. Die blaue Färbung rührt in diesem Falle nicht von Gerbstoffen her, denn, wie auch Czapek angibt, ist Lophocolea bidentata kein Gerbstofflebermoos. Sogar nach stundenlangem Verbleiben in Ferri- cehloridlösung und längerem Eintrocknen an der Luft, wurden die Pflänzchen nicht deutlich blau und war jedenfalls auch keine Differenz zwischen Rand- und Spreitenzellen zu beobachten. Ebensowenig ist die stärkere Methylenblaufärbung verursacht durch die Pektinlamelle der Zellwände, denn nicht nur dieMembran, sondern der ganze Vakuolen- inhalt der Randzellen wird gefärbt. Auch Schleim ist kein Randzellen- stoff, wenn auch der Inhalt nicht reich an Protoplasma ist. Da die Färbung durch Eintauchen in die Methylenblaulösung statt- fand, und also alle Blattzellen gleichzeitig und gleichstark von der Lösung benetzt werden, kann die stärkere Tinktion der Randzellen nicht dadurch erklärt werden, daß sie vielleicht eher mit der Färbelösung in Kontakt gekommen sind. Die Randzellen müssen also bei Lopho- colea bidentata wohl einen besonderen Stoff enthalten, der stark Methylenblau speichert. Bei Eintauchen in Safranin, Gentianaviolett, Methylgrün, Methyl- orange, Methylviolett 5B und Fuchsin (alles in wässeriger Lösung) konnte ein Unterschied zwischen Randzellen und Spreitenzellen meistens beobachtet werden. Bei Einwirkung von Eosinlösung (also einer sauren Anilinfarbe) gelingt die Differenzierung nicht. Bevor wir aber auch das Verhalten der übrigen untersuchten Arten, Methylenblau gegenüber beschreiben, muß folgendes bemerkt werden. Am prägnantesten gelang die Differenzierung der Randzellen bei Lophocoleapflanzen sofort nach der Einsammlung. In der Kultur geht die scharfe Reaktion etwas verloren, indem bisweilen auch Zellen der zweiten und dritten Reihe sich stärker blau färbten. Auch beobachtet man nicht selten, daß Zelikomplexe oder einzelne Zellen der eigent- lichen Blattspreite stärker blau gefärbt werden. Schließlich muß be- merkt werden, daß meine Beoachtungen in den Monaten September und Dezember gemacht wurden und es jedenfalls nieht unmöglich ist, daß Lophocolea sich im Frühjahr etwas anders verhält. Eingeschnittene oder eingerissene Lophocoleablätter zeigen auch eine deutliche Blaufärbung der Wundränder; die Methylenblaulösung hat zu diesen zerrissenen Zellen freien Eintritt und färbt die Reste des 380 A. J. M. Garjeanne, Protoplasten alsbald ziemlich stark. Doch ist die Färbung der Rand- zellen immer noch gleich stark oder sogar stärker. Ähnliche Resultate liefert die Untersuehung von Chiloseyphus polyanthus. Meine Exemplare wurden in einem halb versumpften Bäch- lein eingesammelt. Es waren üppig gewachsene, frisch grüne Pflanzen, weiche auch in der Kultur kräftig weiter wuchsen. Werden in der oben beschriebenen Weise, Stücke in Methylenblaulösung getaucht, so sehen wir auch hier eine sehr deutlich stärkere Tingierung der Rand- zellen. Daneben aber sind regelmäßig (bei Lophocolea bidentata nur dann und wann) Zellkompiexe der Blattspreite mitgefärbt; speziell an der Blattbasis sind die Zellen öfters kräftig blau gefärbt. Wie bei Lophocolea ist auch hier das Resultat, der eigen- tümlichen Plastizität der Lebermoose entsprechend, nicht immer gleich. Einzelne Pflanzen sind schwerer tingierbar und schließlich führt die längere Einwirkung der Farbstoffe zu einer starken Blaufärbung, mit Ausnahme einiger weniger Zellen. Diese, mehr diffuse, Einwirkung der Methylenblaulösung finden wir auch bei den übrigen untersuchten Arten, nur ist dort die Eigenschaft der Randzellen Farbstoffe zu speichern, noch schwächer ausgebildet. Eine Übersicht gibt. folgende Tabelle: Haplozia crenulata: Nach längerer Einwirkung die Randzellen stärker blau als die Spreitenzellen. Lophocolea bidentata: Oben beschrieben. „ euspidata: Wie vorige Art. heterophylla: Die Randzellen meist stärker blau als die meisten Spreitenzellen. Chiloseyphus polyantlus: Oben beschrieben. Lophozia inflata: Rand- und Spreitenzellen fast gleichstark blau gefärbt. Dipiophylium albicans: Erst färben sich die Ränder, später auch die Zeilen . der Mittelrippe blau. Alieularia sealaris: Randzellen etwas stärker blau. Frullania dilatata: Fast alle Zellen gleichstark gefärbt. Cephalozia bieuspidata: Fast alle Zellen gleichstark gefärbt. Ptilidium ciliare: Resultate sehr wechselnd. Scapania eurta: | Randzellen stärker blau. Die stärkere Blaufärbung der Randzellen von Diplophyllum albi- cans wird wohl dadurch verursacht, daß diese Zellen zum größten Teil ihren plasmatischen Inhalt verloren haben und sich schnell mit der Me- thylenblaulösung vollsaugen. " Ähnliche Resultate wurden, wie oben angegeben, mit Silbernitrat- lösung erhalten. Werden z. B. Sproßstücke von Chiloseyphus poly- anthus auf den Objektträger mit der Silbernitratlösung benetzt und Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 3831 nach einiger Zeit untersucht, so zeigen sie eine deutliche Braun-, Purpurbraun- oder sogar Schwarzfärbung der Randzellen, während da- neben auch einzelne bis mehrere Spreitenzellen dunkel gefärbt worden sind. An der Blattbasis findet man gewöhnlich ein graubraun gefärbtes Zeil- komplex; auch am apikalen Rande sind außer den Randzellen auch einige Zellen, sogar einige Zellreihen braun gefärbt. Die Membrane quellen dabei etwas auf; die Eckverdickungen, welche bei Chiloscyphus doch nur äußerst schwach entwickelt sind, treten deutlicher hervor. Der Zellinhalt ist nicht gleichmäßig dunkel gefärbt, einzelne dunkle Partien heben sich hervor und zeichnen sich durch zentrale Lagerung aus. Zellen, deren Inhalt abgestorben ist, werden nicht gefärbt. Bei Lophocolea bidentata und L. cuspidata ist die dunklere Färbung der Randzellen zwar nicht so deutlich, aber dennoch werden sie etwas stärker braun als die Spreitenzellen. Nach längerer Ein- wirkung der Silbernitratlösung findet man die Randzellen schwach braun gefärbt, in den Spreitenzellen beobachtet man zahlreiche kleine schwarze Körnchen und einzelne Zellen oder Zellkomplexe sind bläulich braun. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß die Zellen, welche sich mit Methylenblau stärker blau färben, auch mit Silbernitratlösung stärker gebräunt werden. Aus dem Mitgeteilten geht schon hervor, daß die Methylenblau- färbung bei Lophocolea und Chiloscyphus eine schärfere Differenzierung ergibt als die Silbernitratreaktion. Das gleiche gilt auch für die üb- rigen untersuchten Arten; bei Cephalozia bicuspidata z. B. färben sich alle Blattzellen und die äußere Schicht der Stengelzellen braun. Sogar bei Exemplaren aus derselben Kultur wechselt die Intensität der Farbe erheblich. Es scheint also, daß die Gegenwart der die Färbung bedingenden Stoffe sehr von äußeren Umständen abhängig ist. Doch können wir sagen, daß im großen Ganzen die Randzellen von Lopho- eolea bidentata (und cuspidata) und von Chiloscyphus polyanthus sich mit Methylenblaulösung und mit Silbernitrat stärker färben als die üb- rigen Blattzellen, und daß bei den anderen untersuchten Arten die Rand- zellen nur schwach oder gar nicht bevorzugt werden. Diese Resultate stimmen nun recht gut mit den Untersuchungen von Kreh über die Regeneration der Lebermoose. In seiner Arbeit!) sagt er, daß die Regenerationssprosse von Lophocolea bidentata, 2) W. Kreh, I. c. pag. 258 u. 259. 382 A. J. M. Garjeanne, cuspidata, Radula complanata und Lejeunea serpyllifolia fast ausnahnıslos aus den Randzellen entstehen. Bei Lopho- colea bidentata entstanden z. B. auf 36 Blättern 297 Regenerationssprosse, davon bildeten sich 287 aus den Randzellen. Werden die Randzellen bei Lophocolea weggeschnitten, so ent- stehen die Regenerationssprosse nicht am neuen Rande, sondern regel- los über die Blattfläche zerstreut. Werden die Randzellen veranlaßt, Rhizoiden zu bilden (durch Auflegen der meistens gebogenen Blätter mit der konkaven Seite auf das Substrat), so entstehen Sprosse aus den Spreitenzellen. Bei vielen anderen Jungermannien entstehen die Regenerations- sprosse regellos; als Übergang nennt Kreh: Chiloseyphus polyanthus und Lophocolea heterophylla. Bei der genannten Lophocolea entstehen noch viele Sprosse aus Randzellen, bei Chiloscyphus entstehen zwar nicht viel Sprosse am Rande selbst, aber die Randzonen werden doch bevorzugt, Vergleichen wir diese Resultate Krehs mit den Methylenblau- und Silbernitrattinktionen, so sehen wir, daß eben die Zellen oder die Zellenkomplexe, welche hauptsächlich Regenerationssprosse- zu bilden im stande sind, durch die genannten Reagentien gefärbt werden. Da die Neubildung von Sprossen wohl durch eine Anhäufung von Nahrungsstoffen bedingt wird), können wir uns die Sache vielleicht so vorstellen, daß in den regenerierenden Zellen oder Zellkomplexe beson- dere Nahrungsstoffe angehäuft werden. In vielen Lebermoosblättern sind es speziell die Randzellen, worin sich diese Stoffe befinden; wenn aber die Blätter behufs Erzeugung der Regenerationssprosse verwundet werden, so verteilen sich die Stoffe mehr oder weniger auf die Spreiten- zellen. Bei Lophocolea bidentata und cuspidata findet diese verteilung nicht statt. (Radula und Lejeunea konnten nicht unter- sucht werden.) Daß in den regenerierenden Blättern chemische Umsetzungen statt- finden, zeigt uns auch die Methylenblaureaktion. Die regenerierenden Partien färben sich z. B. bei Lophocolea bidentata nicht mehr blau, sondern grün.) Wie oben beschrieben worden ist, gelingt die Differenzierung der Randzellen bei Lophocolea bidentata mit Silbernitratlösung nicht immer 1) Vgl. Goebel, Organographie I, pag. 40. 1898. 2) Nach Beobachtungen an in der Natur angetroffenen regenerierenden Blättern ! Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. 383 so gut, wie mit Methylenblau. Im allgemeinen ist die Braunfärbung deutlicher an älteren, weniger frischen Blättern als an jüngeren und kräftigeren zu beobachten. Eben an solchen absterbenden Blättern findet man in der Natur meistens die Regenerationssprosse. Schließlich hat Kreh nachgewiesen, daß einige Jungermannien ihre Regenerationssprosse nur oder fast nur an der Blattbasis bilden. Als solche nennt er Diplophyllum albicans und Cephalozia bieuspidata. Die letztgenannte Art färbt sich mit AgNO, -aq. wie schon bemerkt, fast ganz braun, mit Ausnahme der zentralen Zellen des Stämmchens; bei Diplophyllum färbt Methylenblaulösung erst die Randzone, dann meist die Rippenzellen und die Basalzellen des Blattes. Die Blaufärbung der Randzellen wird, wie schon erwähnt, dadurch ver- äursacht, daß sie sich alsbald mit der blauen Lösung füllen. Die Blätter, welche sich unten am Stämmchen befinden, haben häufig ihren Inhalt ganz verloren und färben sich denn auch fast gleichmäßig blau. Da- gegen färben sich die Rippenzellen mit Silbernitrat vor den übrigen Zellen. Es scheint also, als ob bei Cephalozia bicuspidata zwar alle Zellen die besonderen Nahrungsstoffe erhalten, daß aber hier beim Ab- schneiden des Blattes noch ein Transport nach der Basis stattfindet, und hier die Regeneration hervorruft. Bei Diplophyllum albicans sind die Rippenzellen auch durch ihre Form als Leitzellen ausgezeichnet, eine Stoffwanderung in der Richtung der Basalzellen kann hier wohl leichter stattfinden. Zum Schluß ist es angebracht, hier nochmals zu betonen, daß die oben beschriebenen Beobachtungen von September bis Ende De- zember gemacht sind. Über das Verhalten der genannten Lebermoos- arten in anderen Jahreszeiten kann zurzeit noch nichts mitgeteilt werden. Auch ist es mir noch nicht gelungen, die Ursachen der In- haltsverlagerungen in den Randzellen, z. B. von Chiloseypkus, fest- zustellen, welche aber, soweit ich beobachten konnte, nicht allein durch das Licht verursacht werden. Doch genügt das jetzt Mitgeteilte schon, um den Eindruck zu festigen, daß die Randzellen oder die Randzone vieler Jungermannien, auch dann, wenn sie anatomisch kaum von ihren Nachbarzellen zu unterscheiden sind, funktionelle Verschiedenheiten den meisten Spreiten- zellen gegenüber zeigen. Die Randzone der Jungermannienblätter ist nicht völlig gleichwertig mit den übrigen Blattzellen, wenn auch der Unterschied nur selten scharf ausgebildet ist. Auch bei den anakro- gynen Jungermannien dürfte etwas ähnliches sich ergeben; die Rand- 384 A. J. M. Garjeanne, Die Randzellen einiger Jungermannienblätter. zellen des Thallus sind bei mehreren Arten von den übrigen Zellen wenigstens durch die Form verschieden, meistens der Länge nach ge- streckt. (Blasia, einige Metzgerien usw.) Fassen wir jetzt noch kurz zusammen, so finden.wir u. a.: 1. Die Verdickungen der Randzellen vieler Jungermannien und besonders die Verdickung der Ansatzstelle der Antikline sind stärker, wenn die betreffenden Pflanzen einem stärkeren Wechsel des Wasser- gehalts ausgesetzt sind. 2. Die Randzellen zeichnen sich, außer durch ihre Form und ihre Verdickungen, meistens aus durch geringen Protoplasmagehalt, eine kleinere Zahl von Ölkörpern und von Chlorophylikörnern. 3. Sie unterscheiden sich häufig von den Spreitenzellen durch stärkere Tingierbarkeit mit wässeriger Methylenblaulösung (und mit anderen basischen Anilinfarben). 4. Auch werden sie häufig mit Silbernitratlösung gebräunt und zwar eher oder stärker als die meisten anderen Blattzellen. 5. Die sich stärker färbenden Zellen sind im allgemeinen auch die, woraus Regenerationssprosse entstehen können. Die stärkere Tinktion wird nicht von Gerbstoffen verursacht; die Zellen enthalten Stoffe, welche für das Entstehen von Regenerationssprossen von Be- deutung sind. Doch ist ein Transport dieser Stoffe sehr wohl möglich und Regenerationsfähigkeit kommt wohl allen lebendigen Blattzellen zu. Vergleichend-morphologische Untersuchung über die Kurztriebe einiger Arten von Pinus. Von Wilhelm Schneider. (Mit Tafel XV.) 1. Die Aufgabe. Über das Variieren der Blattzahl am Kurztrieb bei der Gattung Pinus liegt bereits eine große Anzahl von Beobachtungen vor. Aber nur für P. silvestris (Kronfeld) !) sind die Mitteilungen nahezu er- schöpfend. Kronfeld!) hat eine zusammenfassende Übersicht über die von ihm und anderen Forschern an zahlreichen Pinusarten gemachten Be- obachtungen gegeben. Aus seiner Tabelle entnehme ich für die einzelnen nach der normalen Zahl der Nadeln unterschiedenen Typen folgende Zahlen: für normal 5-nadelige Arten Kurztriebe mit 3, 4, 5, 6, » Pe: BR ” „ » 2334, mon 2» „ „ „2,3 und für P. silvestris solche mit 2, 3, 4, 5 Nadeln. Einnadelige Kurz- triebe bei zweinadeligen Arten sind darin nicht verzeichnet, obwohl sie schon vorher von Strasburger?) gefunden worden sind. In der neueren Literatur sind kurze Notizen über Nadelvermehrung und Ver- minderung ziemlich häufig. Sie gehen aber nicht über die von Kron- feld gemachten Mitteilungen hinaus. Meine Beobachtungen sind unten pag. 436 (Tabelle, Spalte 8) angegeben und gleichzeitig die aufgefunde- nen Nadelverwachsungen (Spalte 7) bei den einzelnen Arten beigefügt. Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß die häufigst in Deutschland an- gepflanzten Pinusarten zu einer starken Änderung der Nadelzahl be- fähigt sind. Von anderen Spezies standen mir größtenteils nur einzelne Gartenexemplare, an denen die Abweichungen fast immer sehr gering waren, zur Verfügung. Vermutlich kommen aber auch bei ilınen oder wenig- stens bei einem großen Teil von ihnen größere Unregelmäßigkeiten vor. Im Vergleich zu den bis jetzt mitgeteilten Zahlen über das Variieren der Zahl der Nadeln am Kurztrieb sind Beobachtungen über Verwachsungen von Pinusnadeln auffallend gering. Stras- burger?) bildet eine Verwachsung der beiden Nadeln eines Kurz- — 1) M. Kronfeld, Bemerkungen über Coniferen. Botan. Zentralbl. 1899, Bd. I, pag. 68. | 2) Strasburger, Coniferen und Gnetaceen, pag. 387. Jena 1872. 3) Strasburger, 1. c. Taf. XXVI, Fig. 11 u. 12. Flora, Bd. 108. 25 386 W. Schneider, triebes von P. Pumilio ab. Anßerdem gibt Beissner') solche für die Nadeln von P. Thunbergi monophylla Hort., P. Cembra monophylia Carr. und P. excelsa monophylla Carr. an. Hier sind jeweils sämtliche Nadeln der einzelnen Kurztrieve mehr oder weniger fest miteinander verschmolzen. Über Verwachsungen eines Teiles der Nadeln bei fünf- nadeligen Kieferarten fehlen jegliche Notizen. Mitteilungen über Verkümmerungen von Nadeln am Kurztrieb habe ich nirgends gefunden. Die Autoren begnügen sich zumeist mit einer Registrierung der abweichenden Zahlen. Darüber, wie diese anatomisch zustande kommen, sind keine Angaben gemacht. Ich habe deshalb in der vorliegenden Arbeit versucht, diese Lücke durch eine eingehende anatomische Untersuchung der abweichend benadelten Kurz- triebe auszufüllen. Es ergab sich dabei, daß eine Reduktion der Bündel- bzw. Nadelzahl — (jeder Nadel kommt ein Bündel zu, das sich sekundär teilen kann) — einmal dadurch zustande kommen kann, daß entweder eine geringere Anzahl von Einzelbündeln von vornherein im Kurztrieb gebildet wird, oder aber, daß ein Teil der Bündel im Kurztrieb verkümmert und schließlich noch dadurch, daß zwei, drei oder gar vier Nadeln eines Kurztriebes miteinander verwachsen. Nadel- vermehrung tritt ein durch Ausbildung einer größeren Zahl von Einzel- bündeln oder durch eine Metamorphose von Niederblättern. 2. Wichtige Gesichtspunkte. Esistunmöglich, den Entwicklungsgang abweichend benadelter Kurz- triebe zu studieren, sondern man ist allein auf die fertig ausgebildeten angewiesen. Man muß deshalb an diesen Objekten nach Anhaltspunkten für die Erklärung des Zustandekommens der Abweichungen in Gestalt und Zahl der Nadeln suchen, und als solche haben sich in erster Linie die Ursache der morphologischen Gestaltung der Pinusnadeln und die Be- ziehungen zwischen Nadelzahl und Leitbündelverlauf im Kurztrieb erwiesen. Für die eigenartige Gestaltung der Pinusnadeln ist der Raum innerhalb der Niederblattscheide des Kurztriebes maßgebend. Dieser ist bei der Gattung Pinus zylindrisch. Die Nadeln werden bei ihrem interkalaren Längenwachstum durch diesen Hohlzylinder hindurch- geschoben, der «damit ausschlaggebende Bedeutung für die Gestaltung der Blätter erhalten muß. Bei solchen sehr beschränkten Raumverhält- nissen und dem Bestreben der Blattanlagen sie vollständig auszunutzen, kommt es nun dazu, daß die Summe der Volumina der Nadeln eines 1) L. Beissner, Handbuch der Nadelholzkunde, pag. 249, 280 u. 286. Berlin 1891. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 387 Kurztriebes in der Regel gerade das Volumen eines Zylinders ausmacht. Daher die Zylinderform der Nadeln von P. monophylia Torrey et Fre- mont, die halbzylindrische Ausbildung der Nadeln des Kurztriebes zwei- nadeliger Kiefernarten und die prismatische Gestalt der Blätter drei- und fünfnadeliger Spezies. Diese letzteren sind von zwei radiär ge- stellten Prismenflächen und einem Drittel bzw. einem Fünftel Zylinder- mantel begrenzt. So kommt es, daß bei dreinadeligen Kurztrieben der Winkel der Prismenflächen der Nadeln etwa 360:3—= 120° und bei fünfnadeligen etwa 360:5 — 72° beträgt. Diese einfache Beziehung zwischen der Nadelzahl am Kurztrieb und der Querschnittsform der Nadeln hat Eichler) in eine Regel gefaßt, nach der die Querschnitte der Nadeln Kreissektoren sind, deren Zentriwinkel sich dadurch er- mitteln lassen, daß man die 360 Bogengrade des Kreises mit der An- zahl der Nadeln am Kurztrieb dividiert. Die Querschnittsform ist also eine einfache Funktion des in der Niederblattscheide verfügbaren Raumes. Diese Regel hat weitgehende Gültigkeit. Man findet sie bei normalen Kurztrieben allenthalben bestätigt. Nur bei einem Teile der variierenden Kurztriebe erfährt sie eine Einschränkung, von der unten noch die Rede sein wird. In Übereinstimmung mit Eichler’s Regel ist die naturgemäße Ein- teilung der Pinusarten nach der normalen Anzahl der Nadeln am Kurztrieb in die vier Typen des ein-, zwei-, drei- und fünfnadeligen Kurztriebes (vgl. Zang)?2). Aus praktischen Gründen ist diese Einteilung der Reihen- folge in der Besprechung der einzelnen Arten nicht zugrunde gelegt. Als wesentlicher wie die eben gemachten Ausführungen über das Zustandekommen der Querschnittsform der Kiefernnadeln erwiesen sich für die folgenden Untersuchungen die Beziehungen zwischen Nadelzahl und Leitbündelverlauf im Kurztrieb. Sie lassen sich leicht durch einen Vergleich des Bündelverlaufes in den Kurztrieben zwei-, «rei- und fünfnadeliger Kiefernarten feststellen. Die in einem zwei Nadeln tragenden Kurztrieb einer normal zweinadeligen Spezies an der Basis des Kurztriebes, also in nächster Nähe der Ansatzstelle am Langtrieb, zu einem geschlossenen Hohl- zylinder vereinigten Bündelelemente treten etwa in der Mitte des Kurz- triebes in zwei Bündel — Vollbündel — auseinander. Diese teilen sich ihrerseits ebenfalls im Kurztrieb noch einmal in je zwei kleinere Bündel, die ich Halbbündel nennen will, da sie durch sekundäre 1) Engler-Prantt, Die natürlichen Pflanzenfamilien, 1889, Bd. II, pag. 30. 2) W. Zang, Die Anatomie der Kiefernnadel und ihre Verwendung zur systematischen Gliederung der Gattung Pinus. Dissert. Gießen 1904, pag. 12. 25* 388 W. Schneider, Zweiteilung aus einem größeren, einem primären Vollbündel, hervor- gegangen sind, das seinerseits die Summe der einer normalen Nadel zukommenden Bündelelemente enthält. Diese beiden Halbbündel sind dann auch in der Nadel, wenigstens bis in die Nähe der Nadelspitze, wo sie sich in der Regel wieder zu einem einzigen Bündel vereinigen, anzutreffen. Es entspricht also den Bündelelementen jeder Nadel des zweinadeligen Kurztriebes die Hälfte der Elemente des Bündelverbandes an der Basis des Kurztriebes. Genau das Gleiche gilt auch für die abnormal zweinadeligen Kurztriebe von P. monophylla, nur daß bei diesen die sekundäre Spaltung der Vollbündel unterbleibt. Die gleichen Verhältnisse wie bei normal zweinadeligen Arten zeigen sich auch bei den dreinadeligen, nur daß hier die Dreiteilung der Bündelelemente im Kurztrieb entsprechend dem Vorhandensein von drei Nadeln am Kurztrieb an Stelle der Zweiteilung tritt. Eine sekun- däre Spaltung jedes einzelnen dieser drei primär gebildeten Vollbündel tritt ebenfalls auf, so daß jede Nadel auch zwei Halbbündel in einer gemeinsamen Endodermisscheide besitzt. Nur bei P. edulis fehlt wie bei P. monophylia diese Aufteilung. Bei allen fünfnadeligen Pinusarten erfolgt im Kurztrieb eine Fünfteilung des Bündelzylinders, und jede Nadel wird von einem einzigen Leitbündel, einem Vollbündel, durchzogen. Sekundäre Teilung in Halbbündel findet nicht statt. Es ist also daraus zu erkennen, daß für zweinadelige Kiefern- arten eine Spaltung der an der Basis des Kurztriebes zu einem ge- schlossenen Hohlzylinder vereinigten Bündelelemente in zwei, für drei- nadelige Arten in drei und für fünfnadelige in fünf Vollbündel charakteristisch ist. Eine einfache Nadel erhält also nie die Gesamtheit der im Kurztrieb vorkommenden Bündelelemente, sondern stets nur einen Teil, höchstens die Hälfte derselben. Das gilt auch für die Nadel von P. monophylla Torrey et Fremont, wie gleich des Näheren gezeigt werden wird. 3. Pinus monophylia Torrey et Fremont. Obgleich bei P. monophylia der einnadelige Kurztrieb das normale Verhalten dieser Art darstellt, erwies sich eine ausführliche Behandlung desselben als notwendig. Es stellte sich nämlich heraus, daß der ein- nadelige Kurztrieb vom zweinadeligen abzuleiten ist, und außerdem sind die Nadeln dieser Art hinsichtlich ihrer Wertigkeit noch von ganz besonderem Interesse, Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 389 Diese Nadeln besitzen eine scharfe, dornige Spitze und sitzen einzeln an den Kurztrieben. Man war nun lange der Ansicht, daß sie das Ergebnis einer Verwachsung zweier Nadeln seien, und Lauche') vertritt auch noch diesen Standpunkt. Strasburger?) hatte schon vorher die Frage nach der Wertigkeit der Nadeln von P. monophylla auf Grund der Erscheinung, daß sich „der Bündelkreis im Kurztrieb einseitig öffnet und als einfaches und einfach bleibendes Bündel in die die Achse scheinbar unmittelbar fortsetzende Nadel eintritt“, dahingehend beantwortet, daß es sich um ein einfaches Blatt handele. Zu dem gleichen Resultat kam Thomas?®). Nach seiner Ansicht lassen „das einfache Leitbündel mit deutlichem oben und unten und die Stellung der Harz- kanäle keinen Zweifel darüber. daß man es mit einer einzigen allein zur Entwicklung kommenden Nadel zu tun hat“. (Vgl. auch Anrakg. 4 u.5.) Für die Beurteilung der Wertigkeit der Nadel von P. monophylla ausschlaggebend ist die Frage nach dem Zustandekommen der Dorsi- ventralität des einfachen Leitbündels, das den Nadeln dieser Art zukommt. Nach Strasburger?) soll sie, wie schon erwähnt, das Resultat des ein- seitigen Öffnens des Bündelringes im Kurztrieb sein, und Zang°) gibt an, daß sich parenchymatisches Gewebe keilförmig zwischen die Bündel- elemente des Kurztriebes schiebt, und daß durch Zunahme der Keildicke nach oben das Leitbündel seine definitive Gestalt erhält. Beides entspricht nicht ganz den Tatsachen. Ein wichtiges Moment wurde von beiden Forschern übersehen, nämlich die Verkümmerung 1) Lauche, Deutsche Dendrologie, 1880. 2) Strasburger, 1. c. pag. 389. 3) F. Thomas, Zur vergleichenden Anatomie der Coniferenblätter. Prings- heims Jahrb. 1865, pag. 24. 4) Auch Beissner*) schließt sich dieser Ansicht an. 5) Auf eine weitere Auffassung, die sich bei Bertrand **) findet und über- haupt den Blatteharakter der Pinusnadel leugnet, will ich nicht näher eingehen, da diese Frage für die vorliegende Untersuchung nicht von Bedeutung ist. Außerdem ist die Tatsache, daß die Pinusnadel ein Blatt ist, nicht im geringsten zu bezweifeln. Das zeigt am deutlichsten das pag. 422 u. f. beschriebene nachträgliche Auswachsen von Niederblättern der Niederblattscheide des Kurztriebes in Nadeln, die den primär entstandenen völlig gleichen. Auch Zang +) hat ohne Kenntnis dieser Tatsache unter Zubilfenahme von Untersuchungen Goebels ff) gezeigt, daß die Pinusnadel wirklich ein Blatt ist. 6) Zang, ]. c. pag. 38. *) Beissner, 1. c. pag. 254. , ‚ **) C. E. Bertrand, Anatomie comparse des tiges et des feuilles chez les Gnetacses et les Coniferes. Annales des sciences naturelles, V. Serie, Bot, XX (1874), pag. Tl. 3 7) Zang, l. c. pag. 13. tr) K Goebel, Orgenographie der Pflanzen, pag. 547. Jena 101. 390 W. Schneider, der einen Hälfte der Bündelelemente im Kurztrieb, die allerdings mehr oder weniger den Anschein eines einseitigen Öffnens erweckt. In jedem einnadeligen Kurztrieb von P. monophylla ist an der Basis des Kurz- triebes der gleiche geschlossene Bündelring anzutreffen (Taf, XV, Fig. 1, 7) wie bei allen übrigen Arten. Dieser Bündelring, der etwa in der Mitte des Kurztriebes noch vertreten ist, beginnt dann einseitig schwächer zu werden (Taf. XV, Fig. 1,2). Aus der geschwächten Partie verschwinden nach oben einzelne Teile (Taf. XV, Fig. I, 3) und schließlich nach und nach die ganze eine Hälfte des Bündelzylinders. Die Tracheiden dieses Teiles endigen blind und keilen sich in diekwandiges Parenchym ein, und auch die Siebröhren gehen in Parenchymzellen über. Auf diese Weise erhält das eigentliche Nadelbündel seine definitive Gestalt (Taf. XV, Fig. 1,2. Ein Vergleich dieses Bündelverlaufes mit dem im zweinadeligen Kurztrieb (vgl. pag.388) zeigt nun aufs deutlichste, daß die Elemente des geschlossenen Bündelzylinders an der Basis des Kurztriebes zwei Vollbündeln ent- sprechen. Diese sind im einnadeligen Kurztrieb an der Basis auch noclı angelegt, aber «die Bündelelemente für das eine Vollbündel ver- bleiben im Kurztrieb, wo sie früher oder später in Parenchym über- gehen. Es verkümmert also das Bündel für die zweite Nadel und damit auch die Nadel selbst. Es ist also kein bloßes einseitiges Öffnen, sondern es findet im Kurztrieb eine deutliche Reduktion der an der Basis angelegten zwei Vollbündel auf ein einziges statt, das dann als einfaches dorsiventrales Leitbündel die Nadel durchzieht. Damit ist die Einwertigkeit der Nadel des einnadeligen Kurztriebes von P. monophylla zwar schon sichergestellt. Es lassen sich aber noch andere von früheren Forschern nicht genügend order gar nicht berücksichtigte Momente ver- wenden. Hierher gehört aber nicht die ausnahmslose Einspitzigkeit der Nadel. denn ich habe bei P. silvestris und P. Pumilio einnadelige Kurz- triebe gefunden, deren Nadeln ohne Zweifel trotz ihrer Einspitzigkeit eine Verwachsung von zwei Nadeln darstellen. Wohl aber kann die Dorsiventralität des Leitbündels ohne Berück- sichtigung der Art ihres Zustandekommens durch die Verkümmerung des zweiten Nadelbündels dafür in Anspruch genommen werden; denn es ist kaum anzunehmen, daß bei der Voraussetzung einer Verwachsung zweier Nadeln alle Elemente des Bündelzylinders des Kurztriebes als dorsiventrales Leitbündel in die Nadel eintreten sollen. Das ein- fachste und nach den im zweinadeligen Kurztrieb von P. monophylla vorliegenden Verhältnissen einzig denkbare wäre dann, daß dieser ge- sehlossene Bündelzylinder entweder als Ganzes oder nach einer Auf- Vergleichend-nmorphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 391 teilung in zwei Halbzylinder in die Nadel eintreten würde. Da aber in der Nadel nur ein Halbzylinder als dorsiventrales Leitbündel ver- treten ist, so ist dies ein Beweis für ihre Einwertigkeit. Außerdem liefert ein Vergleich der anatomischen Ver- hältnisse des Erstlingsblattes mit der Nadel eine weitere Stütze. Mohl) hat diesen bei seinen Untersuchungen über Sciadopytis ebenfalls mit Erfolg verwendet. Er fand, daß das einwertige auf die Kotyledonen folgende Erstlingsblatt von Sciadopitys vertieillata stets nur von einem einzigen Leitbündel durchzogen ist, und daß die definitive Nadel stets von zwei vollständig getrennten Bündeln, deren jedes seine eigene Endodermisscheide besitzt, durchsetzt wird. Diese Tatsache war mit auschlaggebend für seine Folgerung, daß es sich bei Seiadopitys um eine Doppelnadel ?2) handele. Bei P. monophylla besteht nun ein der- artiger Unterschied im Typus zwischen Erstlingsblatt und Nadel nicht. Beide haben ein Leitbündel in kreisförmiger Scheide. Die Unterschiede sind nur quantitativer Art. Das Erstlingsblatt hat schwächer verdickte Epidermiszellen; das Hypoderm ist einschichtig, selten stellenweise zwei- schichtig, oder es kann auf kurze Strecken ganz fehlen, während das der definitiven Nadel in der Regel mehrschichtig (zwei- bis dreischichtig) ist und sich zwischen den Spaltöffnungsreihen keilförmig in das Assi- milationsparenehym vorschiebt. Zang?°) gibt für die Nadel von P. monophylia stets einschichtiges Hypoderm an; das trifft nach meinen Beobachtungen nur bei nicht vollständig ausgebildeten Nadeln zu, bei denen dies allerdings häufig vorkommt. Die Spaltöffnungen des Erst- lingsblattes sind nur wenig kleiner als die der Nadel, und im Assimi- lationsgewebe ergeben sich keine Unterschiede. Das Leitbündel des Erstlingsblattes besitzt weniger Elemente im Holz- und Siebteil und die Zellen der Endodermis sind gewöhnlich etwas kleiner wie bei der Nadel. Qualitativ besteht also kein Unterschied zwischen beiden, und diese Übereinstimmung ist eine weitere Bestätigung der Auffassung, daß die zylindrische Nadel von P.monophylla wirklich nur ein einziges Blatt ist. Auch die entwieklungsgeschichtliche Prüfung bestätigt diesen Befund. Zunächst möchte ich eine kurze Skizze der Entwicklung des benadelten Kurztriebes zwei-, drei und fünfnadeliger Pinusarten vorausschicken, da diese das für die Gattung Pinus typische Verhalten 1) H. v. Mohl, Morphologische Betrachtungen der Blätter von Sciadopytis. Botan. Ztg. 1871, pag. ?. . 2) Goebel (l. c. p. 628) ist anderer Ansicht. Er hält sie für ein Phyllo- eladium. 3) Zang, l. c. pag. 19. 392 W. Schneider, zeigen, von dem P. monophylla in einigen Punkten etwas abweicht. Die Arten des zwei-, drei- und fünfnadeligen Typs verhalten sich in allen wesentlichen Punkten gleich, so daß die folgende Schilderung für P. Pumilio ohne weiteres auch auf die übrigen angewendet werden kann. Sehr frühzeitig entstehen in den Achseln der Knospenschuppen der die Langtriebe abschließenden Gipfelknospen die Vegetationspunkte der Kurztriebe. Bei diesen „überzieht eine kontinuierliche Dermatogen- schicht zunächst den Scheitel: unter derselben befindet sich eine doppelte Lage Periblem und das spitz nach oben zulaufende Plerom: die beiden letzteren nur schwach voneinander geschieden“ (Strasburger)'). Dieser Vegetationspunkt schnürt nun eine größere Anzahl von Nieder- blättern seitlich ab und zwar so, daß man auf Längsschnitten stets Neubildungen verschiedenen Alters trifft. Nach Beendigung der Nieder- blattbildungen entstehen die Nadelanlagen als kegelförmige Erhebungen um den Vegetationspunkt des Kurztriebes, der seinerseits an seiner ur- sprünglichen Stelle bleibt und auch an völlig ausgebildeten Kurztrieben und am Ende’ der verkürzten Achse II. Ordnung stets als unschein- barer kleiner Höcker anzutreffen ist. Die Nadelanlagen wachsen nun rasch in die Länge und bilden je eine Spitze aus, die die Fähigkeit zur weiteren Streekung bald einbüßt. Der übrige Zuwachs erfolgt interkalar von der basalen Zone der jungen Nadel zus. Bei P. monophyllia ist der Entwicklungsgang des Kurz- triebes im wesentlichen der gleiche. Nur ein wichtiger Unterschied tritt dabei zutage. Es bleibt kein Kurztriebvegetationskegel an der Nadelbasis, sondern alles embryonale Gewebe, das nicht an der Bildung von Niederblättern beteiligt war, geht restlos in der einzigen Nadel- anlage auf. Bei einem Vergleich der Erscheinung, daß der Vegetationspunkt, am Ende des Kurztriebes verschwunden ist, mit der gleichen bei Scia- dopitys verticillata scheint es sich auf den ersten Blick um etwas ähn- liches wie bei dieser Art zu handeln, das eher für eine Nadelverwachsung spricht wie dagegen. Bei Seiadopitys wird nämlich der Vegetations- punkt der sekundären Achse von den verschmolzenen Nadelanlagen mit in die Höhe gehoben, was der Umstand klar beweist, daß man Durch- wachsungen ?) der Doppelnadel von Sciadopitys beobachtet hat. Das Doppelblatt hatte sich gespalten und zwischen seinen Teilhälften war eine kleine Achse entstanden, die an ihrem Scheitel einen Wirtel neuer Doppelnarleln trug. 1) Strasburger, 1. c. pag. 384 u. 385, Taf. XXIII, Fig. 15. 2) Vgl. Strasburger, I. c. pag. 388. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 398 Wenn dieser Fall dem von P. monophylla homolog wäre, so müßte zwischen den Nadeln der zweinadeligen Kurztriebe von P. monophylla der Vegetationspunkt des Kurztriebes noch vorhanden sein. Davon, daß das aber nicht der Fall ist, kann man sich leicht auf jedem Längs- schnitt durch den Kurztrieb und den proximalen Teil der Nadeln über- zeugen. In keinem Falle habe ich bei zweinadeligen Kurztrieben den Vegetationspunkt des Kurztriebes noch vorgefunden. Es muß daher hier ebenfalls alles embryonale Gewebe bei der Bildung der beiden Nadeln aufgebraucht worden sein. Die Strasburger’sche!}) Angabe, daß der verschrumpfte Vegetationskegel des normalen Kurztriebes von P. monophylla an der Basis der Nadel häufig noch nachzuweisen sei, konnte ich nicht bestätigen. Man kann sich in der Tat bei beiläufigen Untersuchungen, wie sie die Strasburger’s ist, sehr leicht täuschen, da die Niederblätter auf kleinen Erhebungen stehen, die einem Kurz- triebvegetationspunkt nicht unähnlich sind, wenn die Blätter sich mit einigermaßen glatter Oberfläche Ilosgelöst haben. Man Jarf deshalb diese Untersuchung nur an jungem Material ausführen, an dem wenigstens die jüngsten Niederblätter noch vollzählig erhalten sind. In diesem Falle zeigt jeder Längsschnitt, daß alle diese Erhebungen Niederblätter tragen. Dieser Vergleich hat ergeben, daß bei P. monophylla ganz andere Verhältnisse vorliegen als bei Seiadopitys verticillata Wenn man weiter daraus auch nicht direkt einen Schluß auf die Wertigkeit der fraglichen Pinusnadel ziehen darf, so war der Vergleich in diesem Zusammenhang doch nicht minder interessant. Man könnte nun auf Grund der Tatsache, daß an der Basis jedes Kurztriebes von P. monophylla die Bündelelemente für zwei Nadeln ver- treten und zweinadelige Kurztriebe auch relativ häufig sind, annehmen daß eine zweite Nadelanlage an einem in ausgebildeten Zustand ein-’ nadeligen Kurztrieb gelegentlich vorkommen könne. Das konnte ich jedoch nicht ein einziges Mal beobachten. Stets setzte die Nadel, ohne eine weitere Anlage irgendwelcher Art am Ende der sekundären Achse zurückzulassen, letztere direkt fort. Aus den vorstehenden Ausführungen geht also hervor, daß die Nadel des einnadeligen Kurztriebes von P. monophylla ein einfaches Blatt ist. An der Basis des Kurztriebes dieser Art sind zwar die Bündelelemente für zwei Nadeln vertreten. Aber die einem Vollbündel 1) Strasburger, 1. c. pag. 389. 394 W. Schneider, entsprechende Hälfte des Bündelzylinders verkümmert im Kurztrieb, und daraus resultiert der einnadelige Kurztrieb. Dieser leitet sich also eigentlich vom zweinadeligen durch Verkümmerung eines Nadel- bündels ab. 4. Einnadelige Kurztriebe bei normal zweinadeligen Kiefern. Einnadelige Kurztriebe bei normal zweinadeligen Kiefern sind ziemlich häufig. Ich habe sie bei allen von mir darauf abgesuchten Arten gefunden. (Vgl. Tabelle pag. 436.) In der Art der Verringerung der Nadelzahl ergaben sich bei den einzelnen Spezies keinerlei Verschiedenheiten. Bei allen kommt die Reduktion entweder durch eine Verkümmerung einer Nadel oder durch eine Verwachsung beider zustande; es müssen also Kurztriebe mit einer einwertigen und solche mit einer zweiwertigen Nadel unter- schieden werden. a) Kurztriebe mit einer einwertigen Nadel. In vielen Fällen sind die einwertigen Nadeln auf den ersten Blick als solche erkennbar. Aber oft muß man noch die mikroskopische Untersuchung zu Hilfe nehmen, die in allen diesen Fällen Reduktion der Nadelzahl durch Bündelverkümmerung ergibt. Die Nadeln sind entweder halbzylindrisch wie die normale Nadel oder auf dem größten Teil ihrer Länge zylindrisch und nach der Spitze zu halbzylindrisch werdend, oder sie zeigen auf der dem Holzteil des Leitbündels zu- gekehrten Seite eine mehr oder weniger tiefe Furche, und schließlich können sie auch vollständig zylindrische Gestalt wie die Nadel von P. monophylla haben, was aber nicht häufig vorkommt. Die Zylinderform ist die einzige des einnadeligen Kurztriebes, die Eichler's Regel ganz entspricht. Daß gerade diese — wie schon er- wähnt — bei zweinadeligen Spezies selten vorkommt und die anderen Möglichkeiten der Ausbildung einwertiger Nadeln nach der Zahl vor- herrschen, erscheint auf den ersten Blick unverständlich. Aber es lassen sich überall Anzeichen finden, die Mittel an die Hand geben, diese Abweichungen von der Norm in einfacher Weise zu erklären. Den einfachsten Fall bietet also die zylindrische Nadel des einnadeligen Kurztriebes. Ihr kreisförmiger Querschnitt läßt sich aus der Tatsache erklären. daß keine zweite Nadel ihr den zur Verfügung stehenden Raum in der Niederblattscheide streitig gemacht hat. Solche Nadeln habe ich bei P. Pumilio gefunden. Anatomisch zeigten sie gegenüber den normalen keine Unterschiede. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 395 Eine Abart der eben beschriebenen Form wird durch diejenige zylindrische Nadel repräsentiert, die nach der Spitze zu sich allmählich einseitig abflacht und in die halbzylindrische Gestalt übergeht. Ob ein einseitiger Druck in einem jugendlichen Stadium diese Ausbildung veranlaßt hat, oder ob es sich um eine starke Anlehnung an das normale Aussehen der Nadeln zweinadeliger Kurztriebe handelt, wie es bei P. Cembra häufig vorkommt (s. pag. 428), kann nicht festgestellt werden. Vielleicht ist es aber auch darauf zurückzuführen, daß an der Spitze überhaupt eine größere oder geringere Variabilität der Ge- staltung möglich ist. Bei P, Cembra und namentlich bei P. Pumilio habe ich häufig Nadeln gefunden, die ihre Querschnittsform an der Spitze nach dem Kreis bzw. nach der Ellipse mehr oder weniger stark verschoben hatten. Sehr viel Ähnlichkeit mit den beiden beschriebenen Formen hat eine dritte. Sie erscheint auf dem größten Teil ihrer Länge zylindrisch und nur in der Nähe der Spitze wird eine Furche deutlich erkennbar. Diese setzt sich aber, wie die mikroskopische Betrachtung ergibt, stets bis zur Nadelbasis fort. Über den Umstand, der diese eigentümliche Ausbildung veranlaßt, geben Längsschnitte, die senkrecht auf den die Furche bildenden Flächen stehen und das obere Ende des Kurztriebes treffen, Auskunft. Man findet, daß in dieser Furche der Vegetations- kegel des Kurztriebes eingeschlossen ist. Es hat also offenbar in diesem Falle die Nadelanlage nicht vermocht, den Kurztriebvegetationskegel bei Seite zu schieben, wie es in den beiden erstgenannten Fällen ge- schehen ist. Dieses Unvermögen hat an der Nadelbasis dazu geführt, daß sich der Vegetationskegel sozusagen in die ursprünglich zylin- drische Nadelanlage hineingekeilt hat, wodurch naturgemäß auf dieser Seite eine Furche zustande kommen mußte, da ja der basale Teil der Nadel die Zone darstellt, von der das ganze Längenwachstum ausgeht. Daß die gegebene Erklärung richtig ist, zeigt auch jeder Querschnitt (Taf. XV, Fig. II) durch die Nadel. Beim Anblick eines solchen Bikles gewinnt man in der Tat sofort den Eindruck, als ob diese Einbuchtung durch einen einseitigen Druck auf die Oberfläche eines Zylinders ent- standen wäre. Der ganze zentrale Teil hat eine starke Einknickung erfahren, so daß die beiden Leitbündel ungefähr um 150° zueinander gedreht erscheinen, also in einem wesentlich größeren Winkel wie in der normalen Nadel, wo er 90° nicht zu übersteigen pflegt. Beide Bündel sind, wie bei allen einwertigen Nadeln, von einer einzigen Endodermisscheide umschlossen. Die Harzkanäle sind, wie bei zylin- rischen Nadeln, gleichmäßig über die Peripherie verteilt. 396 W, Schneider, Die halbzylindrische Nadel zeigt keinerlei Verschiedenheiten im Vergleich zur normalen Nadel zweinadeliger Kurztriebe. Diese starke Abweichung vom typischen Verhalten einnadeliger Kurztriebe ist nun in allen derartigen Fällen auf die Anwesenheit deutlicher Rudimente der zweiten Nadel zurückzuführen, die an diesen Kurztrieben stets in der verschiedensten Ausbildung vorhanden sind. Die Nadel teilt sich mit dem Rudiment in den Raum der zylindrischen Niederblattscheide nahezu gleichmäßig, und damit erklärt es sich, daß sie nur etwa die Hälfte (les Zylindervolumens einnimmt. Genau dieselbe Rolle, die der Vegetationspunkt des Kurztriebes bei der gefurchten Nadel spielt, kommt hier dem Nadelrudiment zu. Es beeinflußt ebenfalls in der allein zur Streckung in die Länge befähigten Region die Gestaltung des ganzen Organs. Der Vegetationskegel des Kurztriebes bleibt zwischen Nadel und Nadelrudiment am oberen Ende des Kurztriebes zurück. Die Verkümmerung der Leitbündel für die zweite Nadel erfolgt in den vier beschriebenen Fällen in genau derselben Weise. Sie stimmt vollständig mit der für P. monophylla geschilderten typischen Art überein. Die Verschiedenartigkeit in der Gestaltung einwertiger Nadeln erklärt sich dadurch, daß andere oder gleichartige Elemente den Nadeln den Platz in der Niederblattscheide streitig machen. b) Kurztriebe mit einer zweiwertigen Nadel. Verwachsungen beider Nadeln am Kurztrieb zweinadeliger Pinusarten sind nicht so häufig wie einwertige Nadeln. Aber trotzdem sind sie nicht gerade selten und bei aufmerksamem Absuchen wird man auch immer welche finden. Ein Teil derselben ist ohne Schwierigkeit als Verwachsung beider Nadeln mit unbewaffnetem Auge zu erkennen. Diese besitzen eine sehr große Ähnlichkeit mit den einwertigen zylindrischen gefurchten. Aber sie sind in der Regel doch schon makroskopisch von letzteren zu unterscheiden; denn sie spalten sich in der Nähe des oberen Endes gewöhnlich vollständig auf, so daß jedes dieser Gebilde zwei Spitzen als äußerliches deutliches Zeichen der Zweiwertigkeit erhält. Verfolgt man nun hier den Verlauf der Blattspuren im Kurztrieb, so ergibt sich im Vergleich zum normalen Verhalten des zweinadeligen Kurztriebes kein Unterschied. Sämtliche im Kurztrieb vertretenen Bündel- elemente treten in Gestalt von zwei Vollbündeln, die sich in je zwei Halbbündel aufspalten, in die Nadel ein, so daß ein Zweifel an ihrer Zweiwertigkeit nicht bestehen kann. In dem Gebilde sind also vier Leitbündel (Taf. XV. Fig. III) vorhanden und zwar je zwei in einer Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 397 gemeinsamen Endodermisscheide, deren Längsrichtung im Quersehnitts- bild der der normalen Nadeln eines zweinadeligen Kurztriebes ungefähr entspricht. Beide Nadeln sind nur mehr oder weniger mit ihren flachen, dem Holzteil der Leitbündel zugekehrten morphologischen Oberseiten verschmolzen. Diese Verwachsung schreitet höchstens bis etwa in die Mitte dieser Seiten fort, so daß die übrigen freien Teile der Oberseite der Nadeln eine längsverlaufende Furche bilden. Nach dem oberen Ende löst sich diese Verschmelzung, wie schon erwähnt, wieder auf, so daß jeder Nadel eine freie Spitze zukommt. Strasburger'!) hat einen Querschnitt durch eine solche Nadel abgebildet. Er führt diese Art der Verschmelzung als homolog zur Verwachsung der beiden Nadeln der sekundären Achse von Seiadopytis an, indem hier wie bei Sciadopytis der Vegetationspunkt des Kurztriebes von den verschmolzenen Nadeln mit in die Höhe gehoben werden soll. Daß das aber nicht der Fall ist, konnte an Längsschnitten durch Nadelbasis und Kurztrieb leicht festgestellt werden. An allen diesen Kurztrieben war der Vege- tationskegel am oberen Ende des Kurztriebes anzutreffen, eingeschlossen in die Furche der Doppelnadel?. Ich habe Kurztriebe mit derartig verwachsenen Nadeln gefunden, bei denen beide Nadeln bis über die Hälfte ihrer Länge vollständig frei waren, bis zu solchen, deren Zwei- spitzigkeit undeutlich war, aber bei allen konnte der Vegetationspunkt des Kurztriebes mit großer Sicherheit an der Ursprungsstelle der zwei- wertigen Nadel am Kurztrieb nachgewiesen werden. Alle diese Tat- sachen zeigen deutlich, daß diese Art der Verwachsung so locker ist, daß sie kaum mit als Beweis für die kongenitale Verwachsung der Nadeln von Sciadopitys herangezogen werden kann. Es fehlt aber auch wieder nicht an einer kongenitalen Ver- wachsung der beiden Nadeln des zweinadeligen Kurztriebes, die ihrer- seits wohl als homologes Gebilde der Doppelnadel von Seiadopytis an die Seite gestellt werden darf (Taf. XV, Fig. IV). An diesen konnte ich den Vegetationspunkt des Kurztriebes an der Basis der Nadel und an der Spitze nicht mehr nachweisen, so daß er also in der Doppelnadel aufgegangen sein dürfte. Ich habe solche Nadeln nur bei P. silvestris und P. Pumilio gefunden. - Man wird diese bei makroskopischer Be- 1) Strasburger, 1. c. pag. 387 und Taf. XXVI, Fig. 11 u. 12. 2) Die Vermutung Goebel’s (Organograpbie, pag. 628), daß die Verwachsung der beiden Nadeln des zweinadeligen Kurztriebes von P. Pumilio auch zustande kommen könne, wenn der Vegetationskegel des Kurztriebes an seiner ursprünglichen Stelle zurückbleibt, wird damit bestätigt, d. h. wenigstens für den von Strasburger beschriebenen Fall. Allgemein trifft das jedoch nicht zu (siehe unten). 398 W. Schneider, trachtung stets für einfache Blätter halten, denn sie sind den normalen gegenüber nicht «durch besondere Merkmale, die direkt auf eine Ver- wachsung hindeuten, ausgezeichnet. Es ist stets nur eine einzige Spitze ausgebildet, und im Innern sind zwei Leitbündel von einer gemein- samen Endodermisscheide umgeben. Es könnte nach einem Vergleich mit Seiadopytis höchstens das Auftreten zweier Längsfurchen auf den dem Xylem und dem Phlo&m zugekehrten Seiten dafür in Anspruch ge- genommen werden. Aber die dem Siebteil zugekehrte Furche fehlt öfters und ist — wenn vorhanden — nur schwach ausgebildet. Sie reicht in der Regel nur bis zur Mitte der Nadel oder nur wenig darüher hinaus. Furchenbildung ist aber bei Pinus kein typisches Zeichen für Nadelverwachsungen, denn sie kommt auch bei einwertigen Nadeln (s. pag. 395) vor. Aber jede Serie von (uerschnitten zeigt klar und deutlich, daß hier keine einwertige Nadel vorliegt. Der Bündelzylinder an der Basis des Kurztriebes teilt sich wie beim normal zweinadeligen Kurztrieb in zwei Bündel. Diese ändern ihre gegenseitige Lage durch Drehung derart, daß ihre Markstrahlen einen Winkel von etwa 90° bilden. So treten sie in die Nadel ein, ohne eine vorherige sekundäre Spaltung in Halbbündel. Die beiden einfachen Bündel in dieser Nadel sind also Vollbündel, obwohl sie in einer einzigen Eindodermisscheide verlaufen; denn jedem einzelnen derselben kommt die Hälfte der Elemente des Bündelzylinders an der Basis des Kurztriebes zu, also die gleiche Anzahl wie einer normalen Nadel eines zweinadeligen Kurztriebes. Dieser Fall ist übrigens auch bei Nadelverwachsungen von P. Cembra nicht selten (vgl. pag. 406). Schließlich deutet noch ein weiterer Befund an der Doppelnadel von P. Pumilio die Zweiwertigkeit an. Die beiden Vollbündel ver- einigen sich nämlich nicht vor ihrer Auflösung in das Transfusions- gewebe, wie es für die Halbbündel der einwertigen Nadeln des zwei- nadeligen Kurztriebes die Regel ist. Dieses Kriterium gilt aber nur für P. Pumilio, da bei P. silvestris in normalen Nadeln auch gewöhnlich diese Verschmelzung unterbleibt. Die Ähnlichkeit der Querschnitte (dieses Typus der Pinusdoppel- nadel mit der von: Seiadopitys ist sehr groß. Bei Anwesenheit von zwei Furchen zeigt sie dieselben Umrisse wie das Doppelblatt von Sciadopytis. Die Furche auf der dem Holzteil zugekehrten morpho- logischen Oberseite ist auch in der Regel etwas tiefer als die der Unterseite. Nur kann man bei diesen Gebilden nicht in allen Fällen feststellen, daß die eigentliche Oberseite (dieses Blattgebildes nach Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 399 unten gekehrt ist, wie das bei Sciadopitys stets der Fall is. Durch diese Konstanz ist auch die Symmetrieebene der Doppelnadel von Seiadopytis genau festgelegt. Sie fällt mit einer Meridianebene zu- sammen. Die Symmetrieebene der Pinusdoppelnadel ist dagegen nicht genau fixiert. Sie kann auch eine verschieden starke Drehung aus der Medianen nach der Transversalen hin erfahren und zeigt damit das gleiche Verhalten wie die normalen Kurztriebe. Das Auseinander- weichen der beiden Vollbündel im Kurztrieb ist bei Pinus eben an keine unabänderlich bestimmte Richtung gebunden. Ein wichtigerer Unterschied gegen Sciadopytis ist die Tatsache, daß bei dieser Pinus- doppelnadel beide Leitbündel in einer einzigen Endodermisscheide ver- laufen, während sie bei Sciadopytis stets scharf voneinander getrennt, sind und jedes von seiner eigenen Endodermis umgeben ist. Die Endodermis der Pinnusdoppelnadel erfährt nur an den Stellen, wo die Furchen verlaufen, eine unbedeutende Einbuchtung, die auf der morpho- logischen Unterseite auch dann vorhanden ist, wenn die entsprechende Furche fehlt. Aus dem Vergleich mit Seiadopitys ist also ersichtlich, daß die Verwachsung dieser Pinusnadel noch viel weiter geht als bei Scia- dopitys. Dafür spricht außerdem noch das Vorhandensein einer ein- zigen Spitze bei der Pinusdoppelnadel, während das Doppelblatt von Seiadopitys stets deren zwei besitzt und dadurch seine Zweiwertigkeit schon äußerlich verrät. 5. Pinus Cembra. Es seien nunmehr die bei P. Cembra bei dem Variieren der Blatt- zahl am Kurztrieb auftretenden Verhältnisse erörtert; denn bei keiner der übrigen von mir untersuchten Arten war die Regelmäßigkeit so groß und auffallend wie gerade bei P. Cembra. Kurztriebe mit anormaler Nadelzahl sind bei dieser Art keine Seltenheit und zwar besonders drei- und viernadelige. Auch sechs- und siebennadelige trifft man an sonst ganz normalen Zirbelkiefern öfters an. Dagegen wurden die Kurztriebe mit mehr als sieben und weniger als drei Nadeln fast nur an einem Jer vier Exemplare des Kieler botanischen Gartens gefunden. Von diesem stammen auch alle unten näher beschriebenen Nadelverwachsungen. a) Kurztriebe mit einfachen Nadeln. Fast alle mehr- oder wenigernadeligen Kurztriebe lassen sich bei P. Cembra von dem normalen fünfnadeligen und dem zehnnadeligen 400 W. Schneider, Kurztrieb ableiten. Ich unterscheide deshalb zwei Subtypen, den fünf- nadeligen und den zehnnadeligen. Als Vertreter des fünfnadeligen Subtyps sind außer der Grund- form vier-, drei-, zwei- und einnadelige Kurztriebe zu nennen. Bei diesen tritt zunächst stets die für den normalen Kurztrieb typische Aufteilung des Bündelzylinders in fünf Vollbündel auf, von denen beim fünfnadeligen Kurztrieb je eins eine Nadel versieht. Bei einer Reduktion der Blattzahl am Kurztrieb beginnt erst nach dieser Fünfteilung die Verkümmerung einzelner Bündel. Sie nehmen an Größe nach oben ab und treten dabei etwas schräg nach außen, so daß sie auf dem Querschnitt halblängs oder gar längs getroffen werden, was bei P. Cembra in der Regel ein typisches Zeichen für die Bündelverkümmerung ist. Tracheiden und Siebröhren machen einem dickwandigen Parenchym Platz und sind am Ende der sekundären Achse vollständig geschwunden. Beim zehnnadeligen Kurztrieb spalten sich vom Bündelzylinder des Kurztriebes, der seine Gestalt übrigens vorher in ein fünfseitiges Prisma umgewandelt hat, zunächst fünf Leitbündel ab. Diese treten etwas weiter nach außen und stellen den äußeren Bündelkreis vor (Taf. XV, Fig. VD. Es bleiben nach der Trennung der Außenkreis- bündel von diesem Bündelprisma fünf Bruchstücke für den inneren Kreis übrig. Diese vereinigen sich merkwürdigerweise stets noch einmal zu einem geschlossenen Bündelzylinder, der nach erneuter Prismen- bildung zu den Gliedern des Außenkreises alternierend fünf Innenkreis- bündel liefert, an deren Bildung diesmal die Elemente des Bündel- prismas restlos beteiligt sind (Taf. XV, Fig. V, z). Die Innenkreisbündel und damit auch die zugehörigen Nadeln stellen den eigentlichen Stamm- kreis dar, während der Außenkreis als abgeleiteter Bündelkreis an- zusprechen ist, was sich ohne weiteres daraus erklärt, daß die Nadeln des Außenkreises nachträglich umgewandelte Niederblätter!) sind, ihre Bündel also ursprünglich Niederblattbündel waren, die durch ent- sprechende Vergrößerung zu Nadelbündein geworden sind. Die Nadeln beider Kreise zeigen anatomisch keine Unterschiede. Vom zehnnadeligen Kurztrieb leiten sich durch Bündelverkümme- rungen alle Kurztriebe mit mehr als fünf Nadeln (vgl. Taf. XV, Fig. V, 7 u. 2) mit noch zu besprechenden wenigen Ausnahmen, außerdem ein kleiner Teil fünf- und viernadeliger und vereinzelt auch dreinadelige Kurztriebe ab. Verkümmerungen treten in weitaus der größten Mehrzahl der Fälle in beiden Kreisen auf. Das ist für acht-, sieben- 1) Der Beweis dafür wird pag. 422 u. f. erbracht, Vergleiekend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 401 und viernadelige Kurztriebe die Regel. Selten sind sie auf einen Kreis und zwar dann gewöhnlich den Außenkreis beschränkt. In ihm können auch alle Bündel verkümmern, was natürlich nur bei fünf- und weniger als fünfnadeligen Kurztrieben möglich ist. Bei den drei- und fünfnadeligen Kurztrieben, die sich vom zehnnadeligen Subtyp ab- leiten, war dies stets der einzig beobachtete Fall. Ihre Nadeln ent- stammten also alle dem Innenkreis. Bei viernadeligen Kurztrieben habe ich jedoch mehrfach gefunden, daß ein Teil ihrer Nadeln auch dem Außenkreis angehörte. In zwei Ausnahmefällen tritt eine Vermehrung der Zahl der Bündel im Stammkreis ein. Im äußeren Kreis habe ich derartige Abweichungen nie konstatieren können, sondern nur im inneren. Die erste dieser beiden Möglichkeiten besteht darin, daß im Bündelzylinder eine einfache Sechs- oder Siebenteilung an die Stelle der normalen Fünfteilung der Bündelelemente tritt, und immer die entsprechende Zahl von Nadeln zur Entwicklung kommt. Bei derartigen Kurztrieben kann der Außenkreis fehlen oder vorhanden sein. Das letztere habe ich jedoch nur ein einziges Mal bei einem elfnadeligen Kurztrieb beobachtet. Es kommt also hier einfach im Stammkreis eine größere Anzahl von Blättern zur Entwicklung als an normalen Kurz- trieben, und wegen der engen Anlehnung dieser Art der Nadelvermehrung an das normale Verhalten habe ich sie primäre Vermehrung genannt, im Gegensatz zur sekundären, die stets mit einer Metamorphose einer anderen Blattgattung und der Bildung abgeleiteter Kreise verbunden ist. Als Beispiele für letztere sind bereits der zehnnadelige Kurztrieb von P. Cembra und seine Abkömmlinge beschrieben. Bevor ich auf den zweiten stark abweichenden Fall der Bündel- mehrung im Stammkreis eingehe, sei zunächst die von mir an den einzelnen Kurztrieben beobachtete Verteilung der ausgebildeten Nadeln auf die beiden Nadelkreise in folgender Zusammenstellung wiedergegeben. 1nadeliger Kurztrieb 1 2 5 ” 2 3. “ 3 0+3 FR " 4 0+4 143 2+2 Don » 5 0+5 6, " 6 2+4 3+3 7 » . 7 3724 4+3 8 0 „ 3+5 4+4 9, , 415 5+4 un % „ 5-5 1, " 5-+6 Die für den Stammkreis gültigen Zahlen sind darin durch besondere Größe und stärkeren Druck ausgezeichnet. 26 Flora, Bd. 106. 402 W. Schneider, Die weitere Möglichkeit der Bündelvermehrung im Stammkreis besteht in der Zweiteilung einzelner Bündel (vgl. Taf. XV, Fig. VIII, 2 u. 3). Diese habe ich bei Kurztrieben mit einfachen Nadeln nur ein einziges Mal bei einem viernadeligen Kurztrieb, bei solchen mit verwachsenen Nadeln dagegen häufiger beobachtet. Dieser viernadelige Kurztrieb leitete sich vom zehnnadeligen Subtyp ab. Die Bündel des Außenkreises verkümmerten sämtlich und außerdem zwei im Innenkreis. Eines der drei übrigbleibenden Nadelbündel nahm nun mit der zu- nehmenden Verkümmerung der beiden anderen Bündel an Größe zu und teilte sich schließlich sekundär in zwei gleichgroße Hälften, von denen jede eine Nadel versah. Dieses Bündel hatte in seiner Nachbar- schaft die beiden anderen bleibenden Nadelbündel, so daß die Annahme, daß seine Vergrößerung auf Kosten der Elemente der verkümmernden Bündel geschehen sei, ausgeschlossen sein dürfte. Die beiden Nadeln, die diese beiden aus der Zweiteilung hervorgegangenen Bündel erhielten, zeigten keinerlei Abweichungen von den beiden anderen und vom normalen Verhalten. Es liegt hier der merkwürdige Fall vor, daß Nadeln nur von Halbbündeln (s. pag. 387) durchzogen sind. Aber es besteht zwischen diesen Bündeln und einem Vollbündel nicht der geringste Größen- unterschied, da das Vollbündel vor seiner Teilung auf die einem Doppel- bündel entsprechende Größe gebracht wurde. Die Bündel, die nun aus diesem hervorgehen, besitzen also die einem Vollbündel ent- sprechenden Bündelelemente, so daß die Teilbündel entwicklungsgeschicht- lich wohl Halbbündel sind, aber an Größe den Vollbündeln völlig gleichen. b) Nadelverwachsungen. Nadelverwachsungen fand ich bei P. Cembra nur an dem schon erwähnten Exemplar des Kieler botanischen Gartens und zwar solche von zwei Nadeln in großer Zahl. Daneben kamen auch Ver- schmelzungen von drei und vier Nadeln vor, waren aber im Vergleich zu ersteren selten. An einem und demselben Kurztrieb war gewöhnlich nur eine Verwachsung zu finden, vereinzelt aber auch deren zwei. An der Bildung verwachsener Nadeln sind, abgesehen von einem speziellen Falle, der pag, 404 besprochen ist, nie Bündel des Außen- kreises beteiligt, obwohl dieser nach meinen Beobachtungen immer vor- handen war, sondern stets nur Bündel des Innenkreises. Die Bündel, die die miteinander verschmelzenden Nadeln durchsetzen, sind im Kurztrieb stets benachbart und meist deutlich voneinander getrennt. Vergleichend-morpbol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 403 Vereinzelt konımt es jedoch auch vor, daß sie nur eine unvollkommene Trennung erfahren und auch in diesem Zustand in die Nadeln eintreten. Die bei den Kurztrieben mit einfachen Nadeln vertretene Regel- mäßigkeit in der Bildung fünfgliederiger Bündelkreise ist hier auch vorhanden, aber Abweichungen verschiedenster Art kommen dabei doch vor. Die Kurztriebe mit Nadelverwachsungen ließen sich alle vom zehnnadeligen Subtyp ableiten. Eine Vermehrung der Nadelbündel im Stammkreis ist jedoch auf verschiedene Weise möglich und ist auch häufiger anzutreffen. Der einfachste Fall ist durch die Kurztriebe repräsentiert, die in zwei Kreisen je fünf Nadelbündel besitzen. Im Innenkreis sind bei diesen merkwürdigerweise Verkümmerungen selten, während sie im Außenkreis die Regel sind. Der Verlauf und die Verkümmerung der Bündel im Kurztrieb unterscheidet sich gegenüber denen mit einfachen Nadeln in den meisten Fällen nicht. Nur eine Ausnahme in der Art der Verkümmerung von Innenkreisbündeln habe ich an zwei Kurz- trieben beobachtet. Sie erfolgte nämlich in der für P. monophylla typischen Weise (s. pag. 390). Eine Nadelvermehrung im Stammkreis ist bei Kurztrieben mit Nadelverwachsungen weit häufiger, als bei solchen mit einfachen Nadeln. Sie erfolgt auf dreierlei Art, und zwei von diesen Möglich- keiten sind uns schon bei Kurztrieben mit einfachen Nadeln begegnet. Die erste, die primäre Nadelvermehrung, ist ziemlich selten und liefert meist sechs- bis siebengliederige Stammkreise. In einem Falle waren es sogar acht Bündel, von denen aber eins ver- kümmerte. Häufiger ist die zweite Art der Vermehrung der Stammkreis- bündel. Sie erfolgt durch die bereits erwähnte sekundäre Auf- teilung einzelner Bündel im Kurztrieb (Taf. XV, Fig. VIII, 2 u. 3) (s. pag. 402). Sie kommt nur bei Stammkreisbündeln vor, und die dureh Aufteilung eines Leitbündels gebildeten (Halb-) Bündel durchsetzen in allen Fällen eine Nadelverwachsung (Taf. XV, Fig. VIII, 3 u.4). Im Außenkreis können Nadeln vorhanden sein, es kommt aber auch vor, daß alle Bündel verkümmern. Die Aufteilung der Leitbündel erfolgt wie bei dem beschriebenen viernadeligen Kurztrieb erst nach voraufgegangener Vergrößerung. Sie ist aber oft nicht so vollständig wie dort. Die Holzteile der Teilbündel sind zwar in der Regel voneinander getrennt (Taf. XV, Fig. VIII, 3), aber die Siebteile bleiben oft miteinander in Verbin- dung. Sie treten dann so in die Nadelverwachsung ein, wo wieder eine stärkere Vereinigung erfolgt (Taf. XV, Fig. VIII, 2). Die Holzteile pflegen 20* 404 W. Schneider, ebenfalls wieder zu verschmelzen und die beiden Bündel erhalten eine Endodermisscheide. In der Nähe der Nadelspitze erfolgt aber wieder eine Trennung, die immer vollständig ist. Jedes Leitbündel erhält seine eigene Endodermis und diese Spaltung zeigt sich auch äußerlich in der Ausbildung zweier getrennter Nadelspitzen an. Die Aufteilung des Leitbündels kann in vereinzelten Fällen beim Eintritt in die Nadel- verwachsung nocht nicht erkennbar sein. Sie tritt aber auch dann stets an der Spitze in der geschilderten Weise auf, so daß die Zahl der ausgebildeten Nadelspitzen bei diesen Verwachsungen das sicherste Merkmal für die Bestimmung ihrer Wertigkeit ist. Gleich häufig wie die eben beschriebene Art der Bündelvermehrung ist eine andere. Sie liefert im Stammkreis stets sechs Leitbündel, und diese Vermehrung geschieht auf Kosten der Bündel des Außen- kreises. Es treten hier nicht fünf Bündel wie bei dem normalen zehnnadeligen Subtyp in Winkelabständen von 360:5—]172°, sondern nur vier in genau den gleichen Abständen in den Außenkreis Es müssen also in diesem Bündelring zwei Bündel um einen Winkel von etwa 272 = 144° zueinander liegen, und das ist an der Stelle, an der theoretisch das fünfte Bündel zu ergänzen ist. Das für den Innen- kreis nach Austritt der Außenkreisbündel übrig bleibende Bruchstück an dieser Stelle ist in typischen Fällen etwa dreimal so groß als jedes der drei übrigen und zeigt dadurch, daß seine Elemente drei Vollbündeln entsprechen. In Übereinstimmung damit kann man stets feststellen, daß sich nach der Wiedervereinigung aller Bruchstücke zu einem neuen Bündelzylinder aus diesem nicht fünf, sondern sechs Bündel differenzieren. Eines dieser sechs Bündel ist seiner Stellung nach als fünftes Bündel des Außenkreises aufzufassen, und damit erklärt sich auch sofort das Fehlen der sonst bei P. Cembra ausnahmslos auf- tretenden Bündelverkümmerung bei der Verringerung der Zahl der Bündel in einem der beiden Kreise, wie sie ja hier im Außenkreis vorliegt. Dieses Bündel ist nach meinen Beobachtungen immer an der Bildung von Nadelverwachsungen beteiligt, und jedenfalls ist gerade das der Grund der Erscheinung, daß es so eng an den Innenkreis gebunden ist. Der in Taf. XV, Fig. VIL, r—z, abgebildete Kurztrieb zeigt die erwähnten Tatsachen in sehr anschaulicher Weise. Hier liefert der Außenkreis vier einfache Nadeln (Taf. XV, Fig. VII, z) und der innere drei einfache und eine dreiwertige. Diese schiebt sich gerade an der Stelle, an der man das fünfte Bündel des Außenkreises er- gänzen muß, nach außen zwischen die Nadeln des Außenkreises (Taf. XV, Fig. VII, 2 u. 9). Das in dem Innenkreis gerückte Bündel ist das Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 405 mittlere der drei Nadelbündel dieser Verwachsung. In anderen Fällen, die durch das Hinzukommen von Bündelverkümmerungen im Außenkreis kom- pliziert werden, ist es oft nicht leicht, mit Sicherheit das in den Stammkreis gerückte Außenkreisbündel als solches zu identifizieren und festzustellen, daß es die Nadelverwachsung mit versieht. Aber beides war sehr oft doch möglich. In dem auf diese Weise sechsgliederig gewordenen Innen- kreise wurden Verkümmerungen nicht beobachtet. Auf eine andere Erscheinung muß in diesem Zusammenhang noch hingewiesen werden. Ein einziges Mal habe ich nämlich auch das Auftreten eines dritten Bündelkreises beobachtet. In ihm ver- kümmerten allerdings alle Bündel, so daß es praktisch dabei zu keiner Nadelvermehrung kam. Dieser Kurztrieb trug acht Nadeln, darunter zwei Doppelnadeln, so daß die Gesamtwertigkeit zehn betrug. Der Außenkreis bildete sich in der üblichen Weise, war fünfgliederig und lieferte auch fünf einfache Nadeln. Der nach dem Austritt dieses Kreises aus den übriggebliebenen Bündelelementen entstehende ge- sehlossene Ring zeigte nun in der Bildung der beiden anderen Kreise eine sehr bemerkenswerte Abweichung. Die fünf Bündel des mittleren Kreises verkümmerten nämlich sozusagen in statu nascendi. Sie hatten nicht die übliche Größe und traten gleich schräg nach oben und außen. Mit diesen zugleich begann auch die Verkümmerung von zwei Bündeln des Innenkreises, Es war also vor der Bildung desselben nicht erst wieder zu einer Ringbildung gekommen, sondern das Austreten der verkümmernden Bündel des mittleren Kreises bedingte direkt die Bildung der Bündel des Innenkreises., Durch diese Vorgänge werden im Außenkreis fünf und im Innenkreis drei definitive Nadelbündel ge- liefert. Die Summe der Nadelwertigkeiten betrug aber zehn. Die fehlenden zwei Valenzen wurden nun durch die sekundäre Aufteilung zweier Leitbündel im Innenkreis ersetzt. Dadurch war die Zahl der Bündel im Stammkreis wieder auf fünf zurückgebracht, und je zwei aus einem Bündel hervorgegangenen Teilbündel versahen die beiden Nadel- verwachsungen (Taf. XV, Fig. VIII, -— 3). Die verwachsenen Nadeln zeigen in der Regel einige Be- sonderheiten. So kommt allen die Eigentümlichkeit zu, daß stets so viele freie Spitzen ausgebildet werden, als Nadeln an der Ver- wachsung beteiligt sind, und zwar sind diese Spitzen der Länge nach bei allen im großen und ganzen wenig oder gar nicht voneinander verschieden. Die Verschmelzung erfolgt längs eines größeren oder geringeren Teiles der planen Prismenflächen und darin zeigt sich auch im allgemeinen der Grad der Verwachsung an. Der geringste Grad 406 W. Schneider, läßt z. B. äußerlich noch deutlich die Grenzen der einzelnen Nadeln mit bloßem Auge erkennen. Bei inniger Verschmelzung sind diese dagegen überhaupt nieht mehr oder nur noch mikroskopisch festzustellen. Dieser Unterschied im Grade der Verwachsung zeigt sich fast in allen Fällen auch an den Leitbündeln. Im ersten Falle sind diese scharf voneinander getrennt. Jedes hat seine eigene Endodermis und ist auf seiner ganzen Länge von dem benachbarten durch Parenchym isoliert (Taf. XV, Fig. IX), während bei inniger Verwachsung auch die Leitbündel gewöhnlich miteinander verschmolzen und von gemeinsamer Endodermis umgeben sind (Taf. XV, Fig. VIO, 4). In der Nähe des oberen Endes tritt aber auch hier, bedingt durch das Vorhandensein freier Nadelspitzen, eine vollständige Aufspaltung in Einzelbündel auf (Taf. XV, Fig. VII, 5). Auch Kombinationen zwischen den beiden eben beschriebenen Möglichkeiten des Bündelverlaufes kommen vor, wenn mehr als zwei (drei oder vier) Nadeln an der Verwachsung beteiligt sind (Taf. XV, Fig. X). Im allgemeinen kommt es bei allen Verwachsungen von Nadeln zu einer Reduktion der Zahl der Spaltöffnungsreihen. Diese Tatsache ist auch leicht verständlich; denn die Nadeln verschmelzen stets mit zwei benachbarten Prismenflächen, die ja bei den Arten des fünf- nadeligen Typs allein die Spaltöffnungen tragen. Durch die Ver- ringerung der Größe der Oberfläche dieser Flächen ist ohne Zweifel die Abnahme der Spaltöffnungen bedingt, denn eine Reduktion der Spaltöffnungsreihen ist nur an diesen zu konstatieren. Einige zahlen- mäßige Beispiele seien in folgender Tabelle gegeben: Verwachsung von Es sollten vorhanden sein ') Es sind vorhanden | | | | 2 Nadeln (lose) 2.8—= 16 10 2 (stark) 2.8= 16 j g 3 PR lose) 3:-8— 24 i 12 Io {stark} 3.8 = 24 i 9 4 {lose} 41:8 = 32 | 16 Ähnlich steht es mit den Harzkanälen. Ihre Zahl ist stets kleiner als die Summe der wesentlichen Harzkanäle 2) der Nadeln, die an der 1} Jede der beiden Prismenflächen der normalen Nadeln besitzt im Durch- schnitt vier Spaltöffnungsreihen. . 2) Wesentliche Harzgänge sind diejenigen, die am frühesten in der Nadel beginnen und am spätesten unter der Nadelspitze endigen. Es sind für alle Arten Vergleiehend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus 407 Verwachsung beteiligt sind. Die Abnahme kommt in der Regel nicht durch Verschmelzen mehrerer Harzgänge zustande, sondern dadurch, daß nicht alle als wesentlich bezeichneten in dem Nadelgebilde auf- treten. Nur vereinzelt scheint eine Verschmelzung vorzuliegen, und dann erfolgt gewöhnlich auch nach der Nadelspitze zu eine Aufspaltung. Unabhängig von den wesentlichen Harzgängen treten häufiger als bei normalen Nadeln akzessorische Harzkanäle auf. Die Zahl aller Harz- gänge in Nadelverwachsungen ist meist nur zwei, bei Verschmelzung von drei und vier Nadeln ist sie jedoch auch oft größer und beträgt vereinzelt fünf, 6. Pinus Strobus. Häufiger als bei P. Cembra habe ich das Variieren der Nadelzahl am Kurztrieb innerhalb weiterer Grenzen bei P. Strobus beobachtet. Vier-, sechs- und siebennadelige Kurztriebe sind an sonst ganz normalen Weymouthskiefern öfters zu finden. Eine stärkere Nadelvermehrung beobachtete ich dagegen nur an ausnehmend kräftig benadelten Exem- plaren in einigen jüngeren, 10 bis 20 Jahre alten Beständen. Diese zeigten aber noch eine auffallende Erscheinung. Sie besaßen durchweg eine große Neigung zur Bildung von Scheidenknospen. Das Auswachsen des Vegetationskegels des Kurztriebes zur Scheidenknospe wird außer durch günstige Bodenverhältnisse auch durch Beschädigungen der End- knospen der Langtriebe bedeutend gefördert, und gerade diesen Um- stand glaube ich mit dafür verantwortlich machen zu müssen, denn ein großer Teil dieser Exemplare hatte unter Verbeißen durch Wild zu leiden. Die Exemplare von P. Cembra in einem dieser Bestände, die dort ebenfalls ausgezeichnete Vegetationsbedingungen zu haben schienen und auch teilweise verbissen waren, hatten dagegen nur ganz ver- einzelt Scheidenknospen gebildet. Die Scheidenknospenbildung ist bei P. Strobus für die sekundäre Nadelvermehrung von Wichtigkeit. Bei Durchmusterung einer größeren Zahl mehrnadeliger Kurztriebe fällt sofort auf, daß zwischen den Nadeln der verschiedenen Kreise ein Unterschied im Alter besteht. Man sieht, daß die Anßenkreisnadeln stets fertig entwickelt sind, während die anderen in den Fällen, wo sie ihre definitive Ausbildung noch nicht erreicht haben, zunächst einmal kleiner und dünner sind und sich dann auch noch in der Farbe von den Außenkreisnadeln unterscheiden. So fand ich sie im März frisch zwei. — Als akzessorische Harzgänge werden alle übrigen bezeichnet. Sie sind in ihrem Verlaufe meist nur auf den mittleren Teil der Nadel beschränkt (vgl. Zang, 1. c. pag. 30). 408 W. Schneider, gelblichgrün, so daß sie also deutlich gegen das Blaugrün der älteren abstachen. Dieser Altersunterschied deutet darauf hin, daß die Innen- kreisnadeln nachträglich entstanden sind. Es fragt sich nun, welcher Teil des Kurztriebes für diese Neubildung verantwortlich gemacht werden kann. In erster Linie ist da natürlich an den Vegetations- kegel des Kurztriebes zu denken, denn er ist am benadelten Kurztrieb das einzige embryonale Gewebe, von dem außerdem bekannt ist, daß es unter Umständen zu einer stattlichen Weiterentwicklung befähigt ist. Und diese Vermutung bestätigt sich auch in allen Fällen. Der Vege- tationspunkt hat an diesen Kurztrieben stets mit seiner Entwicklung zur Scheidenknospe begonnen, und aus den untersten der von ihm gebildeten Knospenschuppen dieser Knospen gehen die Nadeln durch Metamorphose und Bildung abgeleiteter Kreise (P. Cembra!) hervor. Die Scheidenknospe dieser Kurztriebe wächst manchmal nach Abschluß der Metamorphose der Knospenschuppen zu einem Langtrieb aus. Es ist dies aber weit seltener als bei normalen Kurztrieben, deren Vege- tationspunkt zur Scheidenknospe geworden ist. Beim größten Teil der Kurztriebe mit Nadelvermehrung, die von der Metamorphose der Knospen- schuppen herrührt, bleibt die Scheidenknospe sitzen, wächst also nicht zum Langtrieb aus. Die Ansatzstellen der neuentstandenen Nadeln am Kurztrieb sind infolge ihres Ursprunges vom Vegetationspunkt des Kurztriebes weiter nach dem Zentrum desselben hin gelegen als die Stammkreisnadeln. Der Stammkreis wird damit Außenkreis und die abgeleiteten Kreise werden Innenkreise. Es ist also gerade umgekehrt wie bei P. Cembra. Die Bündel und somit auch die Nadeln verschiedener Kreise alternieren — soweit das möglich ist — stets miteinander, d. h. es kommen die Nadeln eines Kreises im allgemeinen nicht vor die des benachbarten zu stehen, sondern zwischen dieselben. P. Strobus zeigt nun P. Cembra gegenüber eine Reihe von Ver- sehjedenheiten. Zunächst ist bei Kurztrieben mit einer größeren Zahl von Nadeln die Bildung mehrerer abgeleiteter Kreise (eins bis drei) auf- fallend. Dann fehlen in allen Kreisen — auch im Stammkreis — Bündelverkümmerungen vollständig, und die Zahl der Bündel in einem Kreise schwankt zwischen eins und acht (Stammkreis drei bis acht, abgeleitete Kreise eins bis sechs, Es löst sich stets nur gerade die der vorhandenen Zahl von Nadeln entsprechende Anzahl von Leit- bündeln vom Verbande der Bündelelemente los. Ein geringerer Teil der Bündelelemente ist nicht an der Bildung der Nadelbündel beteiligt, Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 409 sondern versieht die mehr oder weniger entwickelten Scheidenknospen dieser Kurztriebe. Für den Stammkreis aller Kurztriebe von P. Strobus ist die Fünfzahl der Leitbündel charakteristisch. Daneben sind aber auch durch primäre Vermehrung sechs und sieben, ja sogar acht Nadeln nicht selten. In entsprechender Weise erfolgt die Bildung drei- und viernadeliger Kurztriebe. Es entsteht von vornherein im Kurztrieb eine geringere Anzahl von Einzelbündeln. Diese Art der Nadelverringerung wurde wegen ihrer Identität mit der primären Vermehrung primäre Verringerung genannt. An Kurztrieben, die durch sekundäre Nadel- vermehrung abgeleitete Kreise gebildet. hatten, besaß der Stammkreis mindestens fünf Nadeln. Fünfgliederige Innenkreise sind auch häufig, aber es läßt sich nicht sagen, daß sie öfter vorkämen als vier- und dreinadelige Kreise. Eine und zwei Nadeln wurden ausschließlich im innersten Kreise an- getroffen, was vielleicht darauf hindeutet, daß hier die Vermehrung noch nicht abgeschlossen sein mag. Für die Bündelbildung gelten die gleichen Verhältnisse wie bei P. Cembra, nur daß die Zahl der Bündel in einem Kreise von fünf verschieden sein kann. Am besten lassen sich die beobachteten Schwankungen der Zahl der Kreise und der Anzahl der Nadeln in denselben bei den ver- schiedenen Kurztrieben tabellarisch veranschaulichen. 3nadeliger Kurztrieb 3 1 „ „4 In » 5 6 ” 6 5+1 Don » 7 642 8, ” 8 5-3 6+2 7+1 9 5 „ 5-14 7+2 1 or Bi 5-5 uU, » 5--6 7+4 5--4+2 2, » 54542 654443 13 » ” 5+5+3 “4. „ 541445 5 „ ” 55-5 16 5 M 5444512 7 , " 5+5+5-+2 Die für den Stammkreis gültigen Zahlen sind wieder durch Größe und stärkeren Druck hervorgehoben. Nadelverwachsungen habe ich bei P. Strobus nur ganz selten gefunden. In nur vier Exemplaren lagen mir solche vor. Es waren entweder zwei oder drei Nadeln zu einer verschmolzen. Sie unter- schieden sich anatomisch nicht von den bei P. Cembra vorkommenden. 410 W. Schneider, Größere Unregelmäßigkeiten scheinen an solchen Kurztrieben ebenfalls vorzukommen, jedoch kann ich mir wegen der unzureichenden Zahl von Beobachtungen darüber kein bestimmtes Urteil erlauben. 7. Kurztriebe von Pinus silvestris mit mehr als zwei Nadeln. Bei P. silvestris ist eine Vermehrung der Nadelzahl am Kurztrieb sehr häufig zu beobachten. Wie schon erwähnt sind an gut ernährten Kiefern fast immer dreinadelige Kurztriebe in größerer oder geringerer Zahl zu finden. Viernadelige Kurztriebe sind schon weit seltener. Sie treten vereinzelt zwischen zwei- und dreinadeligen auf und wurden auch stets nur an Exemplaren gefunden, die eine sehr starke Neigung zur Bildung mehrnadeliger Kurztriebe besaßen. Fünf-, sechs- und siebennadelige Kurztriebe fand ich nur an drei etwa fünfzehn- jährigen Kiefern von ungefähr 2,50 m Höhe, größtenteils mit drei- und viernadeligen vergesellschaftet. Zweinadelige traten an diesen Exem- plaren stark in den Hintergrund. An einzelnen Zweigen fehlten sie ganz, an anderen waren sie nur in geringerer Zahl vertreten. Fünf- und sechsnadelige Kurztriebe waren an manchen Jahrestrieben etwa ebenso häufig wie drei- und viernadelige oder auch sogar in der Überzahl; an anderen traten sie jedoch mehr zurück. Siebennadelige Kurztriebe habe ich nur zwei gefunden, die beide in anatomischer Hinsicht besondere Fälle darstellen. Bei allen mehrnadeligen Kurz- trieben waren die Nadeln durchweg sehr stark entwickelt. In der Art der Bildung mehrnadeliger Kurztriebe sehließt sich P. silvestris direkt an P. Strobus an. Durch primäre Nadelvermehrung entstehen drei- oder viernadelige Stamnmkreise und bei sekundärer Nadelvermehrung wird der Stammkreis ebenfalls zum Außenkreis (Taf. XV, Fig. XTs) und der hier einzige abgeleitete Kreis zum Innenkreis (Taf. XV, Fig. XIe). Auffallend war an diesen Kurztrieben, daß Scheidenknospen viel seltener zur vollen Entfaltung kamen als bei P. Strobus. Aber der Kurztriebvegetationspunkt hatte sich doch immer stärker ausgebildet und mindestens eine größere Zahl von Niederblättern produziert. und aus einem Teil derselben waren die Nadeln des Innenkreises entstanden. Die Zahl der Glieder in den einzelnen Kreisen ist ähnlichen Schwan- kungen unterworfen wie bei P. Strobus. Die Alternanz der Nadeln in beiden Kreisen ist nicht immer durchgeführt. Einige Abweichungen verdienen besondere Beachtung. Zunächst ergibt sich in der Bündelbildung ein kleiner Unterschied. Die Leitbünlel der Nadeln beider Kreise entstehen nämlich gleichzeitig aus einem Bündelring und ordnen sich dann in zwei Kreisen an. Auch Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 418 die Spaltung der Vollbündel erfolgt öfters sofort bei der Bündelhildung. so daß sie den Anschein erweckt, als ob sich aus dem Bündelzylinder direkt 2x Bündel differenzierten, wenn x die Zahl der Nadeln am Kurztrieb ist (Taf. XV, Fig. XII. Dann boten die beiden siebennadeligen Kurztriebe eigenartige Verhältnisse. An der Basis des einen war der Bündelring im Quer- schnitt nicht kreisförmig, sondern langgestreckt elliptisch. Diese Ellipse spaltete sich in zwei kreisförmige Bündelringe. Der eine von ihnen lieferte drei und der andere vier Vollbündel. Die sieben Nadeln dieses Kurztriebes waren von einer einzigen Niederblattscheide umgeben. Dieser Umstand zeigt, daß zur Zeit der Entstehung der Niederblätter nur ein Vegetationspunkt an diesem Kurztrieb vorhanden war, der alle Niederblätter seitlich um sich herum abgeschnürt hat. Es liegt also hier ein einfacher Kurztrieb vor und nicht etwa eine Verwachsung von zweien, wie man nach der Aufteilung in zwei Bündelringe annehmen könnte. Wäre dies der Fall, so müßten zwei Vegetationspunkte vor- handen sein, deren jeder eine selbständige Niederblattscheide für jeden Nadelkreis gebildet hätte. Daß aber nur ein Vegetationspunkt vor- handen ist, konnte ich an zwei viernadeligen Kurztrieben von P. Laricio, die die gleiche Spaltung des Bündelzylinders zeigten, auf Längsschnitten direkt feststellen (vgl. Taf. XV, Fig. XIII, - u. 2, viernadeliger Kurz- trieb von P. Laricio). Die Nadeln dieses einfachen Kurztriebes gehören nun auch zwei Kreisen an, die sich aber hinsichtlich ihrer Entstehung nicht von- einander unterscheiden. Beide sind Stammkreise. Es liegt also hier ein merkwürdiger Fall primärer Nadelvermehrung vor, bei dem an einem Kurztrieb zwei Stammkreise auftreten. Vielleicht handelt es sich dabei um eine Fasziation. Der andere siebennadelige Kurztrieb trug seine Nadeln in drei Kreisen. Der äußerste war durch eine einzige Nadel repräsentiert, die durch Metamorphose aus einem Niederblatt der Niederblattscheide ent- standen war. Das Bündel dieser Nadel war das einzige Niederblatt- bündel, das eine Vergrößerung erfahren hatte. Die übrigen sind un- scheinbar geblieben, so daß auch in der Bildung abgeleiteter Nadel- kreise aus den Niederblätteru der Niederblattscheide des Kurztriebes Unterschiede bei den einzelnen Arten aufzutreten scheinen, wie ein Vergleich mit P. Cembra vermuten läßt. Der Stammkreis und der aus Knospenschuppen hervorgegangene Innenkreis dieses Kurztriebes wurden von je drei Nadeln gebildet. 412 W. Schneider, Eine weitere bemerkenswerte Ausnahme lieferte ein dreinadeliger Kurztrieb. Sein Bündelring teilte sich nämlich in vier Leitbündel, von denen ‚eins in statu nascendi verkümmerte. Es ist der einzige Fall, wo ich bei mehrnadeligen Kuztrieben von P. silvestris und allen anderen Arten des zweinadeligen Typs in einem Bündelkreise eine Verkümmerung beobachtet habe. Ein Nadelrudiment habe ich daran nicht gefunden. Zum Schlusse sei noch eine Zusammenstellung über die Ver- teilung der Nadeln auf die einzelnen Kreise der mehrnadeligen Kurz- triebe gegeben, wobei wieder die Zahlen für den Stammkreis durch Größe und Stärke des Druckes ausgezeichnet werden sollen. 3nadeliger Kurztrieb 3 4 4a 2+2]) 341 =, . 312 oe. : 313 4+2 7 j 3449 1473+3 An allen übrigen zweinadeligen Pinusarten, bei denen ich mehrnadelige Kurztriebe gefunden habe, habe ich nur primäre Ver- größerung der Nadelzahl im Stammkreis beobachtet. Die eigentümliche Spaltung in zwei Bündelzylinder bei zwei viernadeligen Kurztrieben von P. Larieio ist schon genügend berücksichtigt. 8. Pinus aristata. Zwischen P. Cembra einerseits und P. Strobus und P. silvestris andererseits steht P. aristata. Bei ihr kommt, wie auch bei P. edulis (vgl. pag. 414), Reduktion der Nadelzahl durch Bündelverkümmerung und durch primäre Nadelverringerung vor. Vier- und dreinadelige Kurztriebe leiten sich etwa zur Hälfte von den fünfnadeligen durch Verkümmerungen ab, die nach dem für P. monophylia beschriebenen Typus erfolgen, und die andere Hälfte entsteht durch primäre Ver- ringerung der Bündelzahl im Kurztrieb. Die sekundäre Nadelvermehrung erfolgt nach demselben Typ wie bei P. Strobus. Ich habe aber nur einen einzigen aus Knospenschuppen der Scheidenknospe bervorgegangenen Innenkreis beobachtet, in dem eine bis vier Nadeln zur Entwicklung kamen. Fälle von primärer Nadelvermehrung habe ich nicht gefunden, jedoch dürfte reichliches Beobachtungsmaterial auch solche ergeben. 9. Normal dreinadelige Arten. (P. Jeffreyi, P. ponderosa, P. rigida.) Bei normal dreinadeligen Kiefernarten sind Schwankungen in der Zahl der Nadeln am Kurztrieb ebenfalls nicht selten. Zweinadelige 1) u. 2) Wahrscheinlich fasziierte Kurztriebe. [1) P. Laricio.] Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 413 Kurztriebe habe ich an allen mir zur Verfügung stehenden Exemplaren dreinadeliger Arten gefunden, vier- und mehrnadelige, von denen erstere in Kronfeld’s!) Tabelle verzeichnet sind, dagegen aus Mangel an Beobachtungsmaterial nicht, Die zweinadeligen Kurztriebe dieser Arten trugen zwei halb- zylindrische Nadeln, die von der normalen nur in der Form des Quer- schnittes verschieden waren. Eine Bündelverkümmerung habe ich in keinem Falle beobachtet. Eine Verringerung der Nadelzahl erfolgte stets primär. Aus den Ausführungen Kronfeld's) ist an dieser Stelle noch wichtig, daß die viernadeligen Kurztriebe dieser Arten primäre Vermehrung im Stammkreis zeigen. 10. Pinus Parryana, Pinus edulis und Pinus monophylia. P. monophylla, P. edulis und P. Parryana 2) sind drei sehr nahe verwandte Arten. Sie zeigen weitgehende Übereinstimmungen in den Einzelheiten des Baues der Geschlechtsorgane und im anatomischen Verhalten der Nadeln, wenn man von der Form des Querschnittes absieht. Deshalb sollen sie auch zusammen behandelt werden, obwohl sie verschiedenen Typen angehören und sich im Variieren nicht ganz gleichen. P. monophylla und P. edulis weichen von den übrigen Vertretern mit drei und weniger als drei Nadeln am Kurztrieb dadurch ab, daß ihre Nadeln von einem einzigen Leitbündel, einem Vollbündel, durch- zogen sind, während jene stets zwei Halbbündel in der Nadel besitzen. Auch bei P. Parryana ist nur ein einziges Bündel in der Nadel vor- handen. Das ist jedoch nicht auffallend, da das für alle fünfnadeligen Arten zutrifft, und P. Parryana ist diesem Typus anzuschließen, wie unten noch des näheren gezeigt werden wird. Nach Beissner®) hat P. monophylla ein-, zwei- und drei- nadelige Kurztriebe. Zweinadelige sind auch relativ häufig, An dem Exemplar im botanischen Garten zu Kiel waren etwa 2°, aller Kurz- triebe zweinadelig. Dreinadelige Kurztriebe sind dagegen sehr selten. Ich habe sie an den beiden einzigen mir zur Verfügung stehenden Exemplaren nicht gefunden. . P. edulis trägt drei- und zweinadelige Kurztriebe etwa in gleicher Zahl und vereinzelt zwischen diese verteilt auch einnadelige. Diese 2) Kronfeld, 1. c. pag. 68 u. 69. . . 2) Als vierte Art gehört hierher noch P. cembroides. Leider hatte ich davon kein Material, weshalb ich diese Art unberücksichtigt gelassen habe. 3) Beissner, 1. c. pag. 254 u. 255. 414 W. Schneider, Spezies ist dem dreinadeligen Typ zuzurechnen, da sich zwei- und einnadelige Kurztriebe vom dreinadeligen ableiten lassen. P. Parryana hat Kurztriebe mit fünf, vier, drei und zwei Nadeln. Nach Beissner‘) sind viernadelige Kurztriebe am. häufigsten, und nach Mayr sind auch manchmal zweinadelige in der Überzahl. Sie ist dem fünfnadeligen Typ anzuschließen. Allerdings ist dies nicht auf den ersten Blick klar, da die anatomische Untersuchung wegen des vollständigen Mangels an Bündelverkümmerungen keinen Aufschluß darüber gibt, ob der fünfnadelige Kurztrieb das typische Verhalten darstellt, oder sich von einem wenigernadeligen durch primäre Nadel- vermehrung ableitet. Aber für die Angliederung an den fünfnadeligen Typ sprechen die folgenden Tatsachen. Zunächst habe ich beim zwei- und dreinadeligen Typ nie beobachtet, daß fünf Nadeln in einem Kreise stehen, und dann sind die Nadeln von P. Parryana alle von einem einzigen Leitbündel durchzogen, was nur bei Arten des fünfnadeligen Typs die Regel ist. Es besteht also ein engeres Verhältnis zweifels- ohne zum fünfnadeligen Typ. Sie ist in der Tabelle (pag. 436) an letzter Stelle angeführt, da sie gewissermaßen doch schon in der Be- nadelung zu den Typen mit weniger Nadeln überleitet. Der fünf- nadelige Kurztrieb ist also der Normaltyp, aus dem die übrigen durch primäre Verringerung hervorgehen. Auf andere Weise kommt die Reduktion der Zahl der Nadeln am Kurztrieb bei P. edulis zustande. Der dreinadelige Kurztrieb ist hier der normale, von dem sich die übrigen durch Bündelverkümmerungen ableiten. Etwa in der Mitte des Kurztriebes ist noch ein vollständig gleichmäßiger, geschlossener Bündelring vorhanden. Dieser — anfangs im Querschnitt kreisförmig -— verändert seine Begrenzung in ein gleich- seitiges Dreieck. Es beginnt damit auch das allmähliche Schwinden der Bündelelemente an einer oder zwei Seiten dieses Dreieckes, je nach der Zahl der verkümmernden Bündel. Beim zweinadeligen Kurztrieb würden somit die durch die Bündel der beiden Nadeln radiär hindurchgelegten Achsen einen Winkel von etwa 120° bilden müssen. Das ist aber nur der Fall, wenn das Rudiment der dritten Nadel mit den beiden ausgebildeten um den Platz in der Niederblatt- scheide konkurriert. Sind keine Reste verkümmerter Nadeln vorhanden, so verändern die beiden Bündel nach der Verkümmerung des dritten ihre gegenseitige Lage derart, daß die oben erwähnten Achsen in einer Geraden zusammenfallen. Solche Nadelrudimente sind bei P. edulis 1) Beissner, |. c. pag. 254 u. 255. Vergleichend-morphol. Uutersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 415 übrigens sehr häufig und zwar besonders an einnadeligen Kurztrieben. Die Nadeln dieser sind nach meinen Beobachtungen alle mehr oder weniger halbzylindrisch und weisen dadurch äußerlich schon auf das Vorhandensein von weiteren Raum beanspruchenden Anlagen hin (Taf. XV, Fig. XIV). Mehrfach habe ich bei P. edulis auch primäre Verringerung der Zahl der Nadeln im Stammkreis, wie bei P. Parryana gefunden. Auf diese Art kamen nach meinen Beobachtungen aber nur zweinadelige Kurztriebe zustande; die einnadeligen leiteten sich ohne Ausnahme durch Bündelverkümmerung vom dreinadeligen ab. Über den normalen Befund bei P. monophylla ist schon berichtet. Sie soll im folgenden nur mit in den Vergleich des Verhaltens dieser drei Arten im Variieren der Nadelzahl hineingezogen werden. Sie stimmt darin weitgehend mit P. edulis überein. Bei P. monophylla wäre allerdings dann der zweinadelige Kurztrieb als Stanımform, von der sich der einnadelige ableitetet, aufzufassen. Reduktion der Blatt- zahl durch Verkümmerung ist hier das Charakteristikum. Anders ist das P. Parryana. Dieser Art fehlen jegliche Spuren von Bündel- verkümmerungen. Primäre Verringerung der Zahl der Nadeln im Stammkreis ist hier das Typische. Damit zeigt sich aber wieder in gewisser Beziehung eine Anlehnung an P. edulis. Bei dieser Species habe ich dieselbe Verringerung an den zuletzt beschriebenen zwei- nadeligen Kurztrieben mehrfach konstatiert. Vermutlich besteht nun die gleiche Annäherung auch zwischen P. Parryana und P. monophylia in den dreinadeligen Kurztrieben dieser Art. Bei diesen erfolgt die Vermehrung jedenfalls primär im Stammkreis. Es ist nicht anzunehmen, daß die dritte Nadel in einem abgeleiteten Kreise steht, denn ich habe drei Nadeln in zwei Kreisen bei keiner anderen Pinusart gefunden. Außerdem treten bei zweinadeligen Kurztrieben nie Rudimente eines dritten Nadelbündels auf. Damit ist es sicher, daß der zweinadelige Kurztrieb sich nicht durch Verkümmerung eines Leitbündels von drei- nadeligen ableitet. Die Vermehrung muß daher primär sein. Es sind also Übergänge in dem Verhalten bei dem Varieren der Nadel- zahl am Kurztrieb zwischen den drei Arten vorhanden, wenngleich sich P. Parryana durch den gänzlicben Mangel von Bündelveikümme- rungen stärker von P. edulis und P. monophylla unterscheidet. In diesem Zusammenhang sei noch das Verhalten des Vege- tationskegels des Kurztriebes erwähnt. P. Parryana zeigt darin keine Abweichung im Vergleich zu den Arten des fünf-, drei- und zweinadeligen Typs, d. h. der Vegetationspunkt des Kurztriebes ver- 416 W. Schneider, bleibt am Ende der sekundären Achse zwischen den Nadeln als kleiner aber deutlich erkennbarer Höcker. Anders ist das bei P. edulis und P. monophylla. Hier ist von ihm nichts mehr zu sehen. Bei P. mono- phylla ist er in der Bildung der Nadel mit aufgegangen. Ob bei P. edulis die gleichen Verhältnisse vorliegen, oder ob er nur an Größe so stark abgenommen hat, daß er auf Längsschnitten nicht mehr sichtbar ist, vermag ich nicht zu entscheiden. 11. Nadelrudimente. Von Wichtigkeit ist im Hinblick auf das Vorkommen der als Bündelverkümmerung gedeuteten Erscheinung die Frage, ob ein Zu- sammenhang zwischen dieser und der Reduktion der Nadelzahl in der Tat besteht, d. h. ob der Bündelverkümmerung wirklich die Bedeutung zukommt, daß sie das Unterbleiben der Ausbildung der diesen Bündeln entsprechenden Nadeln anzeigt, oder ob es sich nur um einen besonderen Fall von primärer Nadelverringerung handelt, bei dem der Verbleib der Eiemente für einen Teil der Bündel im Kurztrieb nichts weiter zu bedeuten hat. ° Mit großer Sicherheit läßt sich nun feststellen, daß das erstere zutrifft; denn in vielen Fällen findet man zu den verkümmernden Bündeln gehörige Reste von unzweifelhaft echten Nadeln, und gerade die Zu- gehörigkeit eines Nadelrudimentes zu einem verkümmerten Bündel ist der beste Beweis, daß die Reduktion der Nadelzahl aufs Engste mit der Verkümmerung der Leitbündel im Kurztrieb verbunden ist. Solche Rudimente habe ich in mannigfacher Ausbildung bei P. Cembra, edulis, silvestris, Pumilio und Laricio gefunden, aber nur an Kurztrieben, die deutliche Bündelverkümmerungen zeigten. Bei den normal zweinadeligen Arten und bei P. monophylla ist nun «die Bündelverkümmerung viel schwerer zu erkennen als bei P. Cenbra, da die Tracheiden nicht schräg nach außen treten, also auch auf dem Querschnitt nicht längs oder halblängs getroffen werden (vgl. Taf. XV, Fig. I, 7—4 u. VIII 7). Gerade hier zeigt das Auftreten eines Nadelrudimentes am dentlichsten, daß das zweite Bündel auch wirklich verkümmert. Eine Folge davon muß natürlich sein, daß auch die zugehörige Nadel eine Reduktion erfährt. Diese kann dabei selbst- verständlich auch ihren unteren Grenzwert, Null, erreichen, so daß dann jegliche Andeutung von dem Vorhandensein einer Nadel fehlt, und das ist der gewöhnliche Fall. Reste verkümmerter Nadeln lagen mir von den genannten Arten in sehr mannigfacher Ausbildung vor. Sie hatten alle einen mehr oder Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 417 weniger großen Einfluß auf die Gestaltung der übrigen ausgebildeten Nadeln des Kurztriebes. In ihrer Ausgestaltung glichen diese Rudimente bald kleinen Höckern und bald verwelkten Miniaturnadeln (Taf. XV, Fig. XIV). Übergänge aller Art zwischen diesen sind ebenfalls vor- handen. Ein einziges Mal habe ich bei P. silvestris ein Rudiment ge- funden, das innerhalb der Niederblattscheide dieselbe mattgelbgrüne Farbe zeigte, wie die Nadel selbst. Nur seine Spitze war verwelkt und sah über die Blattscheide hinaus. Die Bündelverkümmerung war hier im Kurztrieb nicht so weit vorgeschritten wie in den anderen Fällen. Es trat zwar auch ein einseitiges Schwächerwerden des auf dem Querschnitt anfangs gleichmäßig erscheinenden Ringes von Bündel- elementen auf, aber es führte nicht bis zum vollständigen Schwund. Bei der folgenden Teilung der Bündelelemente ging die eine sozusagen halbverkümmerte Hälfte nach der einen und die andere ungeschwächte nach der anderen Seite. Diese versah die eigentliche Nadel. Erstere ließ schon auf ihrem Verlauf bis zur Nadelbasis ein weiteres Schwinden erkennen, so daß in das Rudiment nur noch winzige Leitbündel ein- traten. Diese lösten sich schon in geringer Höhe über der Basis in das Transfusionsgewebe auf, und gleich darüber begann die durch das Absterben verursachte Schrumpfung der Gewebe dieses Rudimentes. Interessant wäre noch die Frage, ob auch bei P. monophylla der- artige Reste verkümmerter Nadeln vorkommen können. Am normalen Kurztrieb ist das, wie die Entwicklungsgeschichte zeigt, offenbar nicht der Fall. Wohl aber ist es bei in ihrer Anlage zweinadeligen Kurz- trieben denkbar. Es ist wohl möglich, daß die eine der beiden Nadel- anlagen in ihrer Ausbildung stark gehemmt wird und dann nach be- endeter Entwicklung der anderen nicht sehr von ihrem unteren Grenz- wert, Null, verschieden ist. 12. Das Niederblatt und seine Metamorphose zum Laubblatt bei Pinus. Niederblätter treten bei der Gattung Pinus am Kurztrieb und am Langtrieb als Schutzorgane für deren Vegetationspunkte auf. Am Kurztrieb bilden sie nach Abschluß seiner Entwicklung eine Scheide um die Basis der Nadeln, die bei einer Reihe von Arten abfällt und bei anderen persistiert. .Die Niederblätter am Vegetationskegel des Langtriebes funktio- nieren bei der weiteren Entfaltung desselben zur Gipfelknospe als Knospenschuppen. Diese werden beim Auswachsen der Knospen zu Langtrieben zu den Tragblättern der Kurztriebe. Flora, Bd. 106. % 418 \W. Schneider, a) Stellung der Niederblätter. In den Kapiteln über P. Strobus, P. Cembra u. a. wurde schon festgestellt, daß die Nadeln, die aus Niederblättern hervorgehen, eben- falls in Kreisen angeordnet sind. Danach sollte man wohl annehmen, daß die Niederblätter am Kurztrieb und die Knospenschuppen der Scheidenknospen wirtelig angeordnet seien. Für letztere trifft das bestimmt nicht zu, wie aus der Tatsache der spiraligen Anordnung der in ihren Achseln entspringenden Kurztriebe am Langtrieb ohne weiteres erkennbar wird. Aber auch die Niederblätter des Kurztriebes stehen nicht in Kreisen. In der Literatur ist vielfach die Behauptung zu finden, sie ständen dekussiert, und nur bei Strasburger?) ist erwähnt, daß neben der dekussierten Blattstellung auch 2/,-Stellung der Niederblätter vor- kommt. Die Auffassung, daß sie dekussiert, also in zweigliedrigen alternierenden Kreisen stehen sollen, ist aber nicht zutreffend; denn man trifft, wie die Entwicklungsgeschichte des Kurztriebes ergibt, auf medianen Längsschnitten durch den jungen Kurztrieb nie Blätter gleichen Alters, sondern das folgende Niederblatt wird stets erst angelegt, wenn das vorhergehende deutlich vorhanden oder schon ansehnlich groß ge- worden ist (Taf. XV, Fig. XV). Die Gleichaltrigkeit der beiden Blätter eines Kreises ist aber Bedingung der dekussierten Blattstellung. Daß die Niederblätter überhaupt nicht in Kreisen angeordnet sind, zeigt schon die makroskopische Betrachtung an einigen hierzu besonders geeigneten Objekten, wie z. B. der jungen Kurztriebe von P. Cembra. An Kurztrieben aller Pinusarten, bei denen die Nadeln gerade die Niederblattscheide durchbrechen, sind auf Querschnitten alle Details der Blattstellung zu fixieren. Bei allen von mir unter- suchten Spezies lagen die gleichen Verhältnisse vor. Auch an Kurz- trieben ein und derselben Art, die in der Benadelung variierten, war die Blattstellung der Niederblätter konstant. In allen Fällen traten fünf Geradzeilen auf und nach zwei Umgängen der Spirale kam das sechste Niederblatt direkt vor das erste usw. zu stehen (Taf. XV, Fig. XV). Zur Bestimmung der Blattstellung sind auch Serienschnitte durch manche Kurztriebe, wie z. B. der mehradeligen von P. silvestris und P. Cembra, geeignet. Die Niederblattbündel dieser Kurztriebe sind teilweise sehr kräftig entwickelt. Die kräftigsten unter ihnen sind mit so starken Bündeln ausgerüstet, daß man deren Verlauf im Kurztrieb 1) Strasburger, 1. c. pag. 388. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus, 419 mit Leichtigkeit an Querschnitten verfolgen kann. Auf dünnen Serien- schnitten zeigt sich die spiralige Anordnung stets in der Aufeinander- folge des Austreteus der kleinen Leitbündel aus dem Bündelzylinder des Kurztriebes. Es löst sich zunächst ein Niederblattbündel los und tritt in radialer Richtung nach außen. In einem Winkel von etwa 360 x 2/;,—=144% dazu folgt etwas höher das zweite und in den gleichen Abständen auch die anderen. Das dritte Bündel kommt dabei neben das erste, das vierte zwischen das erste und das zweite und das fünfte zwischen das zweite und das dritte zu stehen. Weiter läßt sich das aber meist nicht verfolgen. Zur Bestimmung der Blattstellung würde es ja auch genügen, aber die hier vorhandene Lücke, das Fehlen der weiteren Bündel, wird durch den zehnnadeligen Kurztrieb von P. Cembra sehr schön ausgefüllt (vgl. Taf. XV, Fig. XVII); denn hier repräsentieren die fünf Außenkreisnadeln die fünf letzten Niederblätter der Niederblattspirale. Die Bündel der übrigen Niederblätter, sind meist so kräftig, daß sie auf Querschnitten deutlich zu erkennen sind. Sie stehen stets vor den Bündeln der Außenkreisnadeln, so daß also das sechste Niederblattbündel wieder deutlich vor dem ersten, das siebente vor dem zweiten usw. steht. Diese Anordnung entspricht der 2/,-Stellung der Hauptblattstellungsreihe. Interessant ist die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Stellung der Niederblätter und der der Nadeln am Kurz- trieb besteht. Um sich dieses Verhältnis klar zu machen, muß man vom fünfnadeligen Kurztrieb ausgehen. Hier findet man, daß die Niederblätter fast immer direkt vor den Nadeln stehen (Taf. XV, Fig. XVD. Die Nadeln setzen also die Niederblattorthostichen un- mittelbar fort. Sie wiederholen in zwei sehr stark gestauchten Win- dungen einer Spirale, die sich von einem Kreise nicht mehr unter- scheidet, die Stellung der Niederblätter. Es kommt dabei die erste Nadel vor das erste (oberste der Spirale) und sechste Niederblatt, die zweite vor das zweite und das siebente usw. In wenigen Fällen kommen Abweichungen davon vor, und zwar stets dann, wenn Niederblätter in Nadeln übergehen (Taf. XV, Fig.XVI]). Die aus Niederblättern hervorgegangenen Außenkreisnadeln setzen dann die Orthostichen der unteren Niederblätter des Kurztriebes, die an der Metamorphose der oberen (vgl. pag. 422—425) in keiner Weise be- teiligt sind, also auch keine Platzänderungen erfahren haben können, direkt fort, wie sich an jungen Kurztrieben leicht feststellen läßt, und diese Orthostichen alternieren mit den Stammkreisnadeln. Es ist nun nicht anzunehmen, daß dieses Verhalten auf eine sekundäre Verschiebung 27% 420 W. Schneider, zurückzuführen ist; denn die Außenkreisnadeln sind bei ihrer Entstehung aus Niederblättern nicht aus den Niederblattgeradzeilen herausgerückt. Außerdem zeigen Kurztriebe mit sehr jugendlichen Stadien der Meta- morphose zur Nadel schon diese Alternanz, und schließlich dürfte auch eine nachträgliche Verschiebung der Stammkreisnadeln ausgeschlossen sein, da die Glieder des Stammkreises schon ansehnlich entwickelt sind, wenn die Niederblätter die Umwandlung zur Nadel beginnen. Niederblattorthostichen und Nadeln wurden also jedenfalls an den Stellen angelegt, an denen sie am ausgebildeten Kurztrieb anzutreffen sind. Es sind also bei fünfnadeligen Arten zwei Möglichkeiten der Stellung der Niederblätter im Vergleich zu den Nadeln. Einmal setzen die Nadeln die Niederblattspirale direkt fort (normales Verhalten), und das andere Mal (sekundäre Nadelvermehrung) alternieren sie mit den Niederblattgeradzeilen. Bei allen Arten mit weniger als fünf Nadeln am Kurztrieb scheint ein Zusammenhang zwischen der Stellung der Niederblätter und der der Nadeln nicht vorhanden. Diese Tatsache wird sofort verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß, wie in dem Kapitel über die Phylogenie der Gattung Pinus noch näher auszuführen sein wird, alle weniger als fünfnadeligen Arten höchstwahrscheinlich von fünfnadeligen abzuleiten sind. Durch den Ausfall beliebiger Nadeln bei der Reduktion der Nadelzahl am fünfnadeligen Kurztrieb entstehen Verschiebungen im Nadelkreis, da die Nadeln den Raum in der Nieder- blattscheide gleichmäßig und vollständig auszunutzen bestrebt sind. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß die Niederblätter die um den Vegetationspunkt des Langtriebes und auch des Kurz- triebes bein Auswachsen desselben zum Scheidentrieb stehen, nicht nach 2/,-, sondern nach /,,-Stellung angeordnet sind. Sie zeigen die gleiche Anordnung wie die Kurztriebe, was sich ja in einfacher Weise daraus erklärt, daß diese Niederblätter später zu den Tragblättern der Kurztriebe werden. b) Anatomie des Niederblattes. In anatomischer Hinsicht zeigt das Niederblatt im Typus An- näherung an die Nadel, wenngleich es im einzelnen an erheblichen Abweichungen nicht fehlt. Die Niederblätter haben im Querschnitt sichelförmige Gestalt, sie greifen bisweilen auf dem größten Teil ihrer Länge weit um die Basis der Nadeln herum, so daß sich manchmal ihre freien Ränder auf Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 421 kürzere Strecken sogar noch überdecken. Ihre Größe ist verschieden. Bei den Arten mit abfälliger Blattscheide sind die äußersten klein und schmal, und nur die inneren sind stärker entwickelt. Bei den Arten mit persistierender Niederblattscheide sind dagegen die Größenunter- schiede mehr oder weniger verwischt. In diesen häutigen Niederblättern sind dieselben Gewebesysteme in der gleichen gegenseitigen Lagerung wie bei der normalen Nadel vertreten, und darin zeigt sich die Annäherung an die Nadel. Die Zellen der Epidermis der nach außen gekehrten morphologischen Unter- seite sind nach außen bedeutend stärker verdickt als nach innen und mit einer kräftigen Cuticula überzogen. An der Innenseite sind die Oberhautzellen viel schwächer verdickt. Spaltöffnungen habe ich trotz eifrigen Suchens nicht gefunden. Es ist daher anzunehmen, dad — sofern sie überhaupt vorkommen — sie sehr selten sind. Unter der Epidermis liegt das gewöhnlich einschichtige aus schwach verdickten Zellen bestehende Hypoderm. Daran schließen sich in der Regel zwei Harzkanäle an, die ebenfalls von sklerenchymatischen Elementen um- geben sein können. Das Parenchym besteht aus großen zylindrischen Zellen. Diese sind entweder ganz mit Plasma angefüllt und düm- wandig, oder das Plasma ist auf einen Wandbeleg reduziert, und die Zellwand ist schwach verdickt. Einige der mit reichlich Plasma ver- sehenen Zellen besitzen Chlorophyll, wodurch der schwachgrünliche Schimmer der jungen noch lebenden Niederblätter hervorgerufen wird. Besonders auffallend sind die großen Interzellularen in diesem Gewebe. In dem Parenchym liegt das kleine Leitbündel, das aus einer geringen Zahl von Siebröhren und Schraubentracheiden besteht. Transfusions- gewebe fehlt ihm vollständig und ebenso die Endodermis. Die wesent- lichsten Unterschiede im Vergleich zur Anatomie der normalen Nadel sind also der Mangel an Spaltöffnungen in der Epidermis, das Fehlen der tafelförmigen Anordnung des Assimilationsparenehyms und der Wandfalten in demselben, Fehlen der Endodermis und des Transfusions- gewebes. Auf den bestehenden Größenunterschied unter den einzelnen Nieder- blättern habe ich schon hingewiesen. Er äußert sich vor allem in der Ausbildung und der Größe der Leitbündel. Bei Arten mit abfälliger Niederblattscheide sind die Leitbündel der äußeren und ältesten Nieder- blätter vollständig rudimentär. Sie bestehen oft nur aus etwa drei bis fünf Schraubentracheiden. Die Leitbündel der inneren Niederblätter sind dagegen ansehnlicher. Überhaupt scheinen die jüngsten und innersten Blätter der Niederblattscheide in der Größe des Leitbündels 493 W. Schneider, bei allen Pinusarten bevorzugt. Auf Querschnitten durch Kurztriebe sind in der Regel nur die Bündel dieser zu sehen und auch auf Schnitten durch die Niederblätter selbst ist an noch lebendem Material der Größenunterschied unter den Leitbündeln im allgemeinen sehr deutlich zu erkennen. c) Die Metamorphose zum Laubblatt. Unter geeigneten Bedingungen können diese Niederblätter in Laub- blätter übergehen. Hierzu sind die Niederblätter der Niederblattscheide des Kurztriebes und die Knospenschuppen der Scheidenknospen in gleicher Weise befähigt. Es führt aber bei verschiedenen Arten in der Regel nur entweder die eine oder die andere Blattgattung diese Meta- morphose aus. Nur an einem einzigen Kurztrieb habe ich eine Aus- nahme davon beobachtet (pag. 411). a) Auswachsen der Niederblätter der Niederblattscheide. Die Metamorphose der Niederblätter der Blattscheide des Kurz- triebes ist bei P. Cembra die Regel. Es ist hierzu stets nur eine be- schränkte Anzahl der vorhandenen Niederblätter befähigt, und zwar sind es im Maximum fünf. Es sind die fünf obersten und ihrer Entstehung nach auch die jüngsten der Niederblattscheide.e Nach ihrer Umbildung stellen sie den abgeleiteten Außenkreis dar, in dem die Zahl der aus- gebildeten Nadeln zwischen eins und fünf schwanken kann. Die auf- fälligste Erscheinung ist hierbei die Regelmäßigkeit, mit der in zwei alternierenden Bündelkreisen je fünf gleichgroße Leitbündel auftreten (vgl. Taf. XV, Fig. V, z). Die fünf Bündel des Außenkreises sind durch eine entsprechende Vergrößerung aus Niederblattbündeln zu Nadel- bündeln geworden. Ungeachtet der Zahl der Außenkreisnadeln erfährt stets die gleiche Anzahl von ursprünglichen Niederblattbündeln diese Größenzunahme, und darin drückt sich am deutlichsten die bevorzugte Stellung in bezug auf die Fähigkeit zur Umwandlung in Nadeln, die den fünf jüngsten Niederblättern der Niederblattspirale zukommt, aus. Die Metamorphose des Niederblattes wird durch Wachstums- vorgänge vollzogen. Bei gleichzeitigem Längenwachstum wölbt sich zunächst die innere morphologische Oberseite des Niederblattes vor (Taf. XV, Fig. XVIIL z u. 2) und setzt dieses solange fort, bis die Nadel ihre definitive prismatische, von zwei planen und einer gewölbten Fläche begrenzte Gestalt besitzt (Taf. XV, Fig. XVII, 5). An den Seiten sind dann zunächst noch die seitlichen häutigen Teile des weit um die Nadelbasis greifenden Niederblattes vorhanden. Diese ver- Vergleichend-morphol. Untersuehung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus, 493 trocknen und werden bei der weiteren Ausbildung der Nadeln schließ- lieh abgeworfen (Taf. XV, Fig. XVII, 4). Nur vereinzelt bleiben sie als kleine Fortsätze erhalten. In der anatomischen Struktur werden die bei der Niederblatt- anatomie hervorgehobenen Unterschiede von der Nadel vollständig aus- geglichen. Die Epidermis der planen Prismenflächen bildet je vier bis fünf Reihen von Spaltöffnungen, während die der gewölbten Außenseite wie bei der Nadel spaltöffnungsfrei bleibt. Die Spaltöffnungen') ent- stehen in derselben Weise wie bei der jungen Nadel. Es treten an Niederblättern, die in der Metamorphose nicht ganz bis zur Ausbildung der prismatischen Gestalt vorgeschritten sind, zweierlei Reihen von Epidermiszellen auf den Prismenflächen auf: Reihen mit langgestreckten und solche mit quadratischen Zeilen. Diese sind durch rasch aufeinander folgende Querteilungen entstanden. Einzelne von ihnen wachsen nun wieder in die Länge, während die dazwischen liegenden kurz bleiben. Erstere sind die Schließzellenmutterzellen. Aus ihnen entstehen die Schließzellen durch eine einfache Längsteilung mit darauf folgender Auf- spaltung. Durch Überwachsen benachbarter Epidermiszellen wird der Vorhof gebildet, und die Atemhöhle entsteht gewöhnlich aus einer Zelle, die U-förmige Gestalt annimmt. Das Hypoderm begleitet in einer einzigen Schicht die ganze Epidermis. Die Zellen des Assimilations- parenchyms ordnen sich gruppenweise tafelförmig an, bilden die cha- rakteristischen Wandfalten aus und erhalten alle Chlorophylikörner. Um das größer gewordene Leitbündel herum, das nun alle dem Pinus- leitbündel eigenen Elemente besitzt, ist ein Transfusionsgewebe ent- standen, in das reichlich parenchymatische Zellen eingestreut sind. Das Leitsystem hat sich außerdem von dem eigentlichen Mesophyll durch eine Endodermis abgegrenzt. Damit stimmen Außenkreis- und Innenkreisnadeln in allen ana- tomischen Einzelheiten überein, und nur in seltenen Fällen entstehen kleine Abweichungen durch die Harzkanäle. Diese sind bei den Stamm- kreisnadeln von P. Cembra in das Parenchym eingebettet, beim Nieder- blatt dagegen mit dem Hypoderm in Verbindung. Es kommt nun manchmal vor, daß bei den Wachstumsvorgängen die Loslösung vom Hypoderm unterbleibt und die Harzgänge dadurch mit dem Haut- gewebe verbunden sind. Dies ist die einzige Abweichung, die ich be- obachtet habe. Unterschiede sind also im allgemeinen nicht vorhanden, und wo sie vorhanden sind, sind sie äußerst geringfügig. 1) A. Mahlert, Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Laubblätter der Coniferen usw. Botan. Zentralbl. 1885, Bd. XXIV, pag. 54. 424 W. Schneider, Mit dem so beschriebenen Entwicklungsgang der Außenkreisnadeln ist also der Beweis erbracht, daß die Nadeln der mehrnadeligen Kurz- triebe von P. Cembra im Außenkreis aus den Niederblättern der Nieder- blattscheide des Kurztriebes entstanden sind. Der Außenkreis muß deshalb auch als abgeleiteter Kreis in Anspruch genommen werden im Gegensatz zum inneren, dem Stammkreis, der die einem normalen Kurztrieb allein zukommenden Nadeln trägt. Die gleiche Erscheinung der Umwandlung von Niederblättern in Laubblätter kommt auch bei anderen Kiefernarten in dem sogenannten Ergrünen der Niederblätter der Niederblattscheide des Kurz- triebes!) vor. Ich habe es aber leider nur bei P. Strobus gefunden und zwar auch nicht häufig. Aber es war doch eine Beurteilung dieser Metamorphose möglich. Sie gleicht den bei P. Cembra gefundenen Verhältnissen fast vollständig, nur daß die Entwicklung zum Laubblatt nicht so weit nach der Nadel hin vorschreitet und die ergrünten Niederblätter sozusagen fertige Gebilde darstellen, während die gleichen Entwicklungsstufen beim Auswachsen zur Nadel die eingeleitete Meta- morphose noch weiter fortsetzen und zu Ende führen. Die ergrünten Niederblätter stehen nicht in Kreisen, und es erfahren nur die Nieder- blattbündel eine Vergrößerung, die solche ergrünten Niederblätter ver- sehen. Die ergrünten Niederblätter bleiben in der Regel kurz und kommen kaum über eine Länge von 3 em hinaus. Bisweilen können sie aber auch einer bedeutenderen Streckung fähig werden. Ich habe in mehreren Fällen solche Niederblätter gefunden, die bis zu 6 cm lang waren, also schon die Größe einer kleinen Stammkreisnadel von P. Strobus erreicht hatten. In diesem Falle kann man von einer ähn- lichen Vollendung der Umwandlung des Niederblattes in die Nadel sprechen, wie sie bei P. Cembra vorliegt. In der Form des Querschnittes kommen sie den fichtennadel- ähnlichen Erstlingsblättern der jungen Pinuspflanze nahe (Taf. XV, Fig. XX). Sie können aber auch manchmal ausgebildeten Nadeln außerordentlich ähnlich werden (Taf. XV, Fig. XXI). Anatomisch er- geben sich den normalen Nadeln gegenüber nur sehr geringfügige meist quantitative Unterschiede. Die Metamorphose der Niederblätter ist also beim Ergrünen in bezug auf die Ausbildung der Gewebesysteme die- selbe wie beim Auswachsen zur Nadel. Es unterbleibt im allgemeinen 1) Vgl. Goebel, 1. c. pag. 184. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 495 dabei nur eine stärkere Streckung und die Ausbildung der definitiven Querschnittsform, so daß also eigentlich die Bildung von Nadeln, die den Stammkreisnadeln gleichen, nur ein Spezialfall des Ergrünens der Niederblätter darstellt. Ein einziges Mal habe ich auch bei P. Strobus eine Verwachsung von Niederblättern gefunden. Es waren zwei solcher ergrünter Nieder- blätter mit ihren benachbarten seitlichen Kanten verschmolzen (Tat. XV, Fig. XXID. Dieses Doppelblatt besaß vier Harzkanäle und zwei Leit- bündel, je eins in einer Endodermisscheide. Am oberen Ende war ‚eine Aufspaltung in zwei Spitzen aufgetreten. f) Auswachsen der Knospenschuppen der Scheidenknospen. Sehr viel Ähnlichkeit mit der Metamorphose der Niederblätter der Blattscheide hat die der Knospenschuppen der Scheidenknospen, die bei P. Strobus, aristata und silvestris die sekundäre Nadelver- mehrung hervorruft. In den Achseln der aus diesen hervorgegangenen Nadeln unterbleibt ‘die sonst übliche Kurztriebbildung. Der Vegetations- punkt ist jedoch immer ein verschieden stark ausgebildeter Höcker, der in seiner Ausbildung dem Vegetationspunkt am oberen Ende des Kurz- triebes der meisten Pinus-Arten nicht unähnlich ist. Die Knospen- schuppen sind scheinbar stärker zur Metamorphose befähigt, wie die Niederblätter der Blattscheide. Gewöhnlich ist die Zahl der aus ihnen hervorgegangenen Nadeln zwar auch nicht größer als fünf. Zwei, drei und vier herrschen bei weitem vor. Aber es kommt bisweilen zu einer ‚erheblichen Vergrößerung der Anzahl solcher Nadeln. Der 17nadelige Kurztrieb von P. Strobus hatte deren 12, also eine Zahl, die das doppelte der normalen Nadelzahl noch übersteigt. Die Ausbildung der einzelnen Gewebesysteme bei der Metamor- Phose erfolgt in genau derselben Weise, wie bei der vorbeschriebenen Umwandlung des Niederblattes der Niederblattscheide in die Nadel. Es wäre nur noch etwas über die Form des Querschnittes und ihre Veränderung im Laufe der Umwandlung zu sagen. Es wölbt sich bei gleichzeitigem Längenwachstum die Außenseite der Knospenschuppe «Taf. XV, Fig. XIX, 7 u. 2) und nicht die Innenseite wie bei dem Niederblatt durch Längsteilungen der Zellen stärker vor und bildet nach außen zwei plane Flächen. Die Nadel erhält also Keilform, und dadurch, daß die Keilschneide nach außen gerichtet ist, kann sie sich bequem zwischen die Nadeln des Außenkreises hineinschieben. Die dritte der Scheidenknospe zugekehrte Begrenzungsfläche dieser keil- förmigen Gebilde war bis jetzt schwach gewölbt oder seltener nahezu 426 W. Schneider, ganz eben, so daß die Form des Umrisses nur ganz unwesentlich von der der Nadel abweicht (Taf. XV, Fig. XIX, = u. 5). Aber trotzdem liegen hier im großen und ganzen, was die Anordnung der Begren- zungsflächen in bezug auf die Lage zum Leitbündel anbelangt, gerade die umgekehrten Verhältnisse vor wie bei der normalen Nadel (vgl. Taf. XV, Fig. XIX, 5). Hier ist dem Siebteil die gewölbte spalt- öffnungslose Teilfläche des Zylindermantels zugekehrt, und die planen Prismenflächen liegen zu beiden Seiten des Holzteiles, während dort die Begrenzungsflächen in ihrer Lage zum Leitbündel sozusagen eine Drehung um 180° erfahren haben. Die prismatischen Flächen liegen zu beiden Seiten des Siebteiles und die gewölbte (manchmal auch ebene), die allein Spaltöffnungen besitzt» vor dem Holzteil. Haben diese Nadeln eine Länge von etwa 4—6 cm erreicht, so beginnt ihre Quer- schnittsform sich allmählich zu verändern. Die seither schwach gewölbte- Fläche verstärkt ihre konvexe Krümmung bedeutend (Taf. XV, Fig. XIX, 4). Gleichzeitig verschwindet die mehr oder weniger scharfe: Schnittkante der planen Flächen, und diese gehen dadurch ebenfalls in eine konvex gekrümmte Fläche über. Bei weiterer Streckung in die Länge wird die Krümmung dieser schwächer, während die der anderen zunimmt, aber bald dentlich erkennen läßt, daß sie nur einer Bildung prismatischer Flächen vorausgegangen ist. Es ist also eine allmäbliche Verschiebung des Umrisses der Innenkreisnadeln eingetreten, so daß er sich von dem der normalen Nadel nicht mehr unterscheidet (Taf. XV, Fig. XIX, 5). Die Veränderung vollzieht sich fast auf der ganzen Länge der Nadel; nur die Basis ist in der Regel davon aus- geschlossen. Häufig bleibt der eben beschriebene Ausgleich der anfänglichen Verschiedenheit in der Anordnung der Begrenzungsflächen auf halbem Wege stehen, oder es treten andere Formveränderungen, die durch Druckwirkungen hervorgerufen werden, auf. Auf beide Arten ent- stehen Nadeln mit polygonalem Querschnitt (vgl. Taf. XV, Fig. XIX, 2). Solche Nadeln werden meistens von vier symmetrisch gelegenen ebenen oder schwach gewölbten Flächen begrenzt; aber häufig, namentlich wenn Druckwirkungen eine Rolle spielen, ist der Umriß auch ganz unregel- mäßig und manchmal auch von mehr als vier Seiten gebildet. Die Metamorphose der Knospenschuppen der Scheidenknospen ließ sich also ebenfalls ontogenetisch verfolgen. Damit ist auch be- wiesen, daß die Innenkreise der Kurztriebe mit sekundärer Nadelver- mehrung bei P. Strobus, aristata und silvestris abgeleitete Kreise sind und der Außenkreis der Stammkreis, Dadurch, daß die Neubildung‘ Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 427 von Nadeln innerhalb des Stammkreises vom Vegetationspunkt des Kurztriebes ausgeht, kommen in bezug auf die gegenseitige Lage von Stammkreis und abgeleiteteten Kreisen gerade die umgekehrten Ver- hältnisse zustande wie bei P. Cembra, bei der ja der Außenkreis aus den Niederblättern der Niederblattscheide hervorgeht. Auch an Langtrieben kommt bisweilen ein ähnlicher Über- gang der Tragblätter der Kurztriebe in Laubblätter !) vor. Diese gleichen den Erstlingsblättern der Pinuskeimpflanzen. Sie sind besonders an den Langtrieben, die aus Scheidenknospen von Kurztrieben hervor- gegangen sind, häufiger anzutreffen. Gewöhnlich treten sie zur in den unteren Partien der Jahrestriebe auf und in ihren Achseln kommen Kurztriebe nur selten zur Entwicklung. Nach oben machen sie häutigen Gebilden, die benadelte Kurztriebe stützen, Platz. Dieses Verhalten erinnert lebhaft an die Erstlingsblätter der jungen Kiefern und es liegt die Annahme nahe, daß letztere eigentlich auch nichts anderes sind als derartige stark entwickelte und assimilatorisch tätige Trag- blätter von Kurztrieben, denn in ihren Achseln entspringen die ersten benadelten Kurztriebe, die in der ontogenetischen Entwicklung der Pinuspflanzen auftreten. Sie sind also morphologisch mit den an Lang- trieben älterer ‚Pflanzen gelegentlich auftretenden metamorphosierten Deckblättern vollständig identisch. 13. Eichler's Regel bei abweichend benadelten Kurztrieben. Die von Eichler aufgefundene Beziehung zwischen der Quer- schnittsform und der Blattzahl an normalen Kurztrieben der Gattung Pinus erfährt nun bei der größten Mehrzahl der Kurztriebe, die in der Benadelung variieren, eine oft nicht unerhebliche Einschränkung. Im allgemeinen hat sie für den Stammkreis aller Arten, wenigstens in gewissen Entwicklungsphasen, Geltung, und am deutlichsten ist sie bei den Arten durchgeführt, bei denen die Zahl der Nadeln in diesem Kreise einfachen Schwankungen unterliegt. Die vorhandenen Nadeln nutzen den verfügbaren Raum bei gleichmäßiger Verteilung ganz aus, und dadurch erhält jede die Form eines Teilzylinders, dessen Winkel der planen Flächen sich auf die bekannte Weise (s. pag 387) er- mitteln läßt. . . Nicht immer ist das bei den Arten möglich, bei denen sich die verringerte Zahl der Nadeln durch Bündelverkümmerungen von der 1) Goebel, 1. c. pag. 18. 428 W. Schneider, normalen ableiten läßt. Es trifft dann in der Regel nur zu, wenn keine Nadelrudimente als Platzkonkurrenten in der Niederblattscheide auftreten. Ist das der Fall (Taf. XV, Fig. XIV), so erhält das Rudiment ebenfalls Anteil am Zylindervolumen und die Nadeln teilen sich nur in den übrig bleibenden Raum. Aber ähnliche Abweichungen kommen auch vor, wenn Nadel- rudimente nicht vorhanden sind, so vor allem bei P. Cembra. Die Nadeln der einnadeligen Kurztriebe dieser Art liefern z. B. ein ähn- liches Querschnittsbild wie die normalen Nadeln, ohne daß Nadel- rudimente an diesen Kurztrieben beeinfiussend auf die Gestaltung ein- gewirkt hätten. An der Ansatzstelle am Kurztrieb ist der Querschnitt auch nahezu kreisförmig. Er verschiebt sich aber sofort in die pris- matische Gestalt mit einem Prismenwinkel von ungefähr 70°. Dasselbe gilt auch für die Nadeln zweinadeliger Kurztriebe, und an Kurztrieben mit mehr als fünf Nadeln ist diese Querschnittsform ebenfalls häufig. Vor allem zeigen sie alle Nadeln, die aus Niederblättern hervor- gegangen sind, einerlei wie groß ihre Zahl im Außenkreis ist, und häufig haben auch die Stammkreisnadeln ungeachtet ihrer Zahl im Kreis diesen Querschnitt. Die Innenkreisnadeln sind nun, wenn Nadel- rudimente fehlen, nicht im geringsten durch die Außenkreisnadeln in der vollständigen Ausnutzung des Raumes in der Niederblattscheide gehemmt, denn die Metamorphose der Niederblätter beginnt nach meinen Beobachtungen erst, wenn die Stammkreisnadein etwa die Niederblattscheide durchbrechen. Beim ein- und zweinadeligen Kurz- trieb sind ja auch gar keine Außenkreisnadeln zur Entwicklung ge- langt und trotzdem haben die Nadeln die gleiche Gestalt erhalten wie die normale. Diese auffallende Erscheinung ist nur verständlich, wenn man den Nadeln von P. Cembra die Neigung zur Bildung dieser für die Nadeln des normalen Kurztriebes typischen Querschnittsform zuschreibt. Diese Neigung zur Annahme einer bestimmten Querschnittsform kommt übrigens allen sekundär entstandenen Nadeln zu. Auch die aus Knospenschuppen entstandenen Innenkreisnadeln von P. Strobus, aristata und silvestris nehmen durchweg bei unbeeinflußter, vollständiger Metamorphose prismatische Gestalt mit nahezu konstantem Prismen- winkel an. Dieser Winkel beträgt für die beiden ersten Arten 70—80° (Taf. XV, Fig. XVII, 4 u. XIX, 5) und für die letzigenannte wenig über 90% An älteren mehrnadeligen Kurztrieben von P. Strobus und P. silvestris habe ich jedoch eine merkwürdige Abweichung hiervon konstatieren können. Ihre Nadeln zeigten nämlich fast alle das Be- Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 429 streben zum Übergang in eine etwas flachgedrückte halbzylindrische Gestalt. Die Kante der beiden Prismenflächen wurde dabei undeut- licher und verschwand schließlich ganz. Hierher gehören auch die Fälle, in denen die Nadeln polygonalen Querschnitt annehmen. Dieses ist bei abgeleiteten Innenkreisnadeln nicht selten (vgl. pag. 426). Es kommt aber auch hie und da bei Stammkreisnadeln vor, wofür natür- lich nur Druckwirkungen verantwortlich gemacht werden können. An der Basis der Innenkreisnadeln von Kurztrieben mit mehreren Nadelkreisen kommt es in der Regei zu einer weiteren Gestalts- änderung. Die Nadeln der Innenkreise keilen sich nämlich zwischen die Nadeln des Außenkreises ein und nehmen deshalb an der Basis gewöhnlich Keilform an (Taf. XV, Fig. V, 2), wobei die Keilschneide nach außen gerichtet ist. Bei P. Cembra erfahren die Stammkreis- nadeln, die ja zur Zeit des Beginnes der Niederblattmetamorphose schon recht ansehnlich sind, die gleiche Gestaltsveränderung durch die Druckwirkungen, die die Niederblätter bei ihrer Umwandlung auf diese ausüben. 14. Was bestimmt die Schwankungen in der Benadelung? Die bisher gemachten Ausführungen beschränken sich auf die morphologischen und anatomischen Verhältnisse der anormal benadelten Kurztriebe. Eine kausale Erklärung des Zustandekommens der Ab- weichungen ist damit natürlich nicht gegeben. Es wäre noch die Frage zu diskutieren, ob nicht einige der Befunde geeignet sind, eine Ver- mutung über die Ursache des Variierens der benadelten Kurztriebe zuzulassen und zu begründen. Bei Tubeuf:) finde ich, daß Nadelvermehrung ein Zeichen be- sonderer Üppigkeit sei. In der Tat waren in verschiedenen Beständen an Exemplaren mit überaus kräftig entwickelten Nadeln mehrnadelige Kurztriebe reichlich vertreten. Die Unterschiede gegen die normalen Nadeln sind bisweilen außerordentlich groß, wie der in folgender Tabelle enthaltene zahlenmäßige Vergleich zeigt. Unter I. sind darin die Ab- messungen der Nadeln von Exemplaren eingetragen, deren Benadelung keine Abweichungen zeigte, und unter II. die der eben erwähnten Exemplare mit kräftig entwickelten Nadeln, von denen eine große Zalıl ohne Auswahl gemessen wurde. 1) v. Tubeuf, Teratologische Bilder; I. Zapfen- und Verbänderungssucht bei der Kiefer, P. silvestris. Naturwiss. Zeitschr. f. Land- u. Forstwirtsch. 1910, Ba. VIII, pag. 271. 430 W. Schneider, Art Länge in Zentimetern|Breite in Millimetern| Mittel der Breite LP. Strobus . . 6—10 0,6—0,8 0,68 I. b) 6—14 0,7—1,5 13 I. P. silvestris.. . 3—4,5 1,0-—1,5 1,2 IL y 5-10 123,5 23 Diese kräftige Ausbildung der Nadeln der meisten mehrnadeligen Kurztriebe spricht zwar sehr für günstige Ernährungsbedingungen. Beachtet man weiter die Tatsache, daß bei P. silvestris drei- und mehr- nadelige Kurztriebe in größerer Zahl nur an Exemplaren mit kräftig entwickelten Nadeln, dagegen einnadelige Kurztriebe an solchen mit schwach und mittelmäßig entwickelten häufig waren, mehrnadelige da- gegen dort kaum vorkamen, so gewinnt die Ansicht, daß Mehrnadelig- keit auf üppige Ernährung zurückzuführen ist, sehr an Wahrschein- lichkeit. Aber ich halte es für zweifelhaft, ob das in allen Fällen zutrifft; denn an einem Exemplar von P. Cembra im Kieler Botanischen Garten kamen mehrnadelige Kurztriebe in großer Zahl vor, und daneben waren auch wenigernadelige und solche mit Nadelverwachsungen nicht selten. Die Nadeln dieses Baumes — (der 4 m hoch, etwa 50 Jahre alt ist, aber noch keine Geschlechtsorgane produziert) — waren aber ganz normal in bezug auf Länge und Breite. Genau das Gleiche gilt auch für Nadeln der Kurztriebe mit erhöhter Nadelzahl bei P. aristata. Es erscheint mir nun fraglich, ob diesen Exemplaren an ihren Standorten besonders günstige Bodenverhältnisse geboten waren, die man für die Nadelver- mehrung verantwortlich machen könnte. Es wäre dann schwer ein- zusehen, warum die Exemplare in nächster Nähe derselben (Abstand 10 bis 15 m), die doch die gleichen Lebensbedingungen haben, ganz normal sind. Ähnliche Beobachtungen habe ich auch an einigen Exemplaren der gemeinen Föhre in einem größeren jungen Bestande gemacht. Die Benadelung der Bäumehen war ganz normal und nur vereinzelte zeigten eine größere Neigung zur Bildung mehrnadeliger Kurztriebe. Anfänglich war ich geneigt in den zuletzt beschriebenen Fällen ılas abweichende Verhalten vereinzelter Exemplare für eine Krank- 1) Messungen wurden an Nadeln von Kurztrieben mit normaler und erhöhter Nadelzahbl vorgenommen, bei letzteren sowohl an Stammkreisnadein — auch an Nadeln mehrnadeliger Kreise — wie an sekundär entstandenen Innenkreisnadeln. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinua. 431 heitserscheinung zu halten. Aber da sich sonst keinerlei Symptome vorfanden und ein Krankheitserreger nicht festgestellt werden konnte, müssen wahrscheinlich innnere Ursachen für die Neigung zur Bildung abweichend benadelter Kurztrieve bei diesen Kiefern angenommen werden. Das Gleiche gilt meiner Ansicht nach auch für das Variieren der Nadelzahl überhaupt, wenngleich im allgemeinen den Bodenverhält- nissen eine Rolle dabei zuzufallen scheint. 15. Zusammenfassung. In der folgenden Zusammenfassung habe ich versucht die all- gemeineren Ergebnisse der vorliegenden Arbeit herauszuheben. Im normalen Kurztrieb aller Pinusarten erfolgt eine Auf- teilung des Leitbündelzylinders in ebensoviele Bündel als Nadeln vor- handen sind. Die Gesamtheit der Bündelelemente einer Nadel ent- spricht einem Vollbündel, das noch im Kurztrieb eine sekundäre Auf- spaltung in zwei Halbbündel erfahren kann. Die Nadeln eines Kurztriebes sind normalerweise unter sich gleiche Teilzylinder, die zusammen das Volumen eines Vollzylinders ausmachen, da sie bei ihrem Längenwachstum die zylindrische Nieder- blattscheide des Kurztriebes passieren müssen. Abweichungen irgend- welcher Art von dieser Gestalt kommen bei normalen Kurztrieben kaum vor, bei variierenden sind sie dagegen relativ häufig und werden im allgemeinen durch Druckwirkungen, die von weiteren Raum bean- spruchenden Anlagen in der Niederblattscheide herrühren, hervorgerufen. In anderen Fällen besitzen die Nadeln gewisser Kurztriebe die eigen- tümliche Neigung zur Ausbildung einer gewissen Querschnittsform, deren Zentriwinkel bei den einzelnen Arten nahezu konstant ist, ohne daß Druckwirkungen dafür verantwortlich gemacht werden können. Ins- besondere gilt das für alle durch sekundäre Nadelvermehrung entstan- denen Nadeln. Der einnadelige Kurztrieb von P. monophylla trägt eine ein- wertige Nadel, wie sich aus dem Verhalten des Bündelzylinders im Kurztrieb ergibt. In der Bildung derselben geht alles embryonale Ge- webe des Kurztriebes auf. Sie setzt die sekundäre Achse, ohne eine Anlage irgendwelcher Art an ihrer Basis zurückzulassen, direkt fort. Die Dorsiventralität ihres einfachen Leitbündels ist das Ergebnis eines Schwundes der einen Hälfte des Bündelzylinders im Kurztrieb. Letzterer entspricht zwei Vollbündeln, die in den Nadeln zweinadeliger Kurztriebe auch anzutreffen sind. Eines derselben verkümmert normalerweise im Kurztrieb und daraus resultiert der einnadelige Kurztrieb. 432 W. Schneider, Ergänzend zu den früheren Beobachtungen über das Variieren der Nadelzahl am Kurztrieb habe ich bei den in Deutschland als Wald- bäume häufig angepflanzten Pinusarten sehr starke Abweichungen fest- stellen können. (Vgl. Tabelle S. 436, Spalte 8). Die anatomische Untersuchung der variierenden Kurztriebe hat nun ergeben, daß eine Nadelvermehrung primär — d.h, daß der Bündelzylinder des Kurztriebes simultan in eine die normale über- schreitende Zahl von Einzelbündeln zerfällt — oder sekundär durch eine Metamorphose von Niederblättern zustande kommen kann. Die Nadel- verringerung erfolgt ebenfalls auf zwei Arten. Die eine ist der pri- mären Vermehrung analog. Die Aufteilung des Bündelzylinders liefert eine hinter der Normalzahl zurückbleibende Anzahl von Einzelbündeln. Im zweiten Falle erfolgt sie durch Bündelverkümmerungen im Kurztrieb. Die primäre Nadelvermehrung ist häufiger als die sekundäre. Letztere wurde nur bei vier Arten beobachtet. Bei drei von diesen kamen beide Möglichkeiten der Vergrößerung der Nadelzahl zusammen vor. Die beiden Arten der Nadelverringerung treten meist getrennt bei verschiedenen Arten auf. Nur bei P. edulis und P. aristata kommen beide vor, aber an verschiedenen Kurztrieben. Bei primärer Vermehrung und Verringerung der Bündelzahl — einfache Schwankungen — ist mit dem Auftreten der abnormen Nadel- zahl und einigen wenigen dadurch bedingten Eigentümlichkeiten die Verschiedenheit vom normalen Befund erschöpft. Dagegen verdienen die Einzelphasen bei der Bündelverkimmerung und der sekundären Nadelvermehrung eine weitere Betrachtung. Bündelverkümmerungen verknüpfen stets die normalen Kurz- triebe mit den wenigernadeligen. Das ist z. B. bei der Bildung ein- nadeliger Kurztriebe der zweinadeligen Arten, bei P. monophylla, edulis, aristata und Cembra der Fall. Sie erfolgen nach zwei Typen. 1. Der Bündelzylinder an der Basis des Kurztriebes erfährt zunächst eine ein- seitige Schwächung, die schließlich zum vollständigen Schwund der den verkümmernden Bündeln entsprechenden Elemente führt. Die Trache- iden und Siebröhren dieser Teile gehen in Parenchym über. Dieser Typ ist bei allen genannten Arten außer P. Cembra vertreten. — 2. Der zweite wurde nur bei P. Cembra gefunden. Hier differenzieren sich aus dem Bündelzylinder an der Basis des Kurztriebes stets ent- weder fünf Bündel in einem Kreise oder zehn in zwei alternierenden Kreisen. Die Bündel sind vollständig getrennt und der Größe nach kaum unterschieden. Die verkümmernden unter ihnen treten schräg nach oben und außen, so daß sie auf dem Querschnitt durch den Kurz- Vergleichend-merphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 433 trieb längs oder halblängs getroffen werden, was bei P. Cembra ein typisches Zeichen für Bündelverkümmerung ist. Die Elemente dieser Bündel verbleiben. im Kurztrieb. An zwei Kurztrieben habe ich Bündelverkümmerungen in statu nascendi beobachtet, d. h. die Bündel waren kleiner und traten gleich vor der definitiven Abspaltung der übrigen nach außen und oben. Für P. Cembra ist noch besonders hervorzuheben, daß auch in dem durch sekundäre Nadelvermehrung gebildeten zweiten Bündelkreise, der hier Außenkreis ist, Bündelverkümmerungen vorkommen, ein Fall, der nur bei dieser Art beobachtet wurde. Dadurch ergaben sich bei dieser Art zwei Typen, von denen sich alle abweichenden Kurztriebe ableiten ließen: der fünfnadelige und der zehnnadelige. Bei den Abkömmlingen des letzteren treten Bündelverkümmerungen meist in beiden Kreisen auf. Nur im Außenkreis kommt es vor, daß die Bündel sämtlich verkümmern. Im Zusammenhang mit der Bündelverkümmerung steht das Auf- treten von Nadelrudimenten (P. Cembra, edulis, silvestris, Pumilio und Laricio). Dieses Vorkommen beweißt, daß es sich bei dem Ver- bleib des zum Rudiment gehörigen Bündels im Kurztrieb auch tat- sächlich um eine Verkümmerung handelt, und dasselbe gilt natürlich auch in den Fällen, in denen auch das Rudiment nicht mehr vorhanden ist, d. h. seinen unteren Grenzwert, Null, nicht überschritten hat. Hinsichtlich der sekundären Nadelvermehrung ergeben sich bei den einzelnen Arten Verschiedenheiten, die ihren Grund in dem verschiedenen Ursprung der Nadeln, die die sekundäre Vermehrung hervorrufen, haben. All diese Nadeln sind aus Niederblättern hervor- gegangen. Bei P. Cembra sind sie aus den Niederblättern der Nieder- blattscheide des Kurztriebes entstanden. Bei P. Strobus, aristata und silvestris sind es umgewandelte Knospenschuppen der Scheidenknospen der benadelten Kurztriebe, also ebenfalls metamorphosierte Niederblätter. Ursprünglich waren diese Schutzorgane des auswachsenden Vegetations- kegels des Kurztriebes, und erst bei der stärkeren Entfaltung desselben zur Scheidenknospe sind sie zu Knospenschuppen geworden. Die aus diesen hervorgehenden Nadeln. bilden ebenfalls Kreise (1 bis 3), die also aus sekundär entstandenen Nadeln bestehen. Sie wurden deshalb abgeleitete Kreise und der ursprüngliche, der die eigentlichen einem normalen Kurztrieb allein zukommenden Nadeln besitzt, im Unterschiede dazu Stammkreis genannt. Die abgeleiteten Kreise, die also aus solchen Knospenschuppen hervorgehen, kommen natürlich innerhalb des schon vorhandenen Stammkreises zu stehen. Die abgeleiteten Kreise 28 Flora, Bd. 105, 434 W, Schneider, sind also Innenkreise und der Stammkreis ist Außenkreis (P. Strobus, aristata, silvestris). Genau umgekehrt ist das bei P. Cembra, bei der die Nadeln des hier einzig vorhandenen abgeleiteten Kreises aus den Nieder- blättern der Niederblattscheide des Kurztriebes hervorgehen. Hier müssen naturgemäß die Nadeln des abgeleiteten Kreises den Außen- kreis und der Stammkreis den Innenkreis vorstellen. Wie aus dieser Darstellung schon ersichtlich ist, pflegen die beiden Möglichkeiten der sekundären Vergrößerung der Nadelzahl getrennt bei verschiedenen Arten aufzutreten. Nur ein einziges Mal habe ich beobachtet, daß an einem siebennadeligen Kurztrieb von P. silvestris an demselben Kurztrieb sekundär entstandene Nadeln vorkamen, die zum Teil aus Niederblättern der Niederblattscheide und zum Teil aus Knospenschuppen der Scheidenknospe entstanden waren. Die Entwicklung dieser Niederblätter verläuft in beiden Fällen ungefähr gleich. Die vorher bestehenden morphologischen und ana- tomischen Unterschiede zwischen Niederblatt und Nadel einerseits und Knospenschuppe und Nadel andererseits — Niederblatt und Knospen- schnppe sind in der anatomischen Struktur nicht verschieden — werden dabei vollständig ausgeglichen. Dieser Ausgleich besteht im wesent- lichen in folgendem: Ausbildung der typischen äußeren Gestalt, Bildung von Spaltöffnungsreihen in der Epidermis, Bildung von Wandfalten im Assimilationsparenchym und etagenförmige Anordnung desselben, Ver- größerung des Leitbündels und Abgrenzung desselben nach dem Meso- phyli durch eine Endodermis. Die Entstehung von Nadeln aus den Niederblättern der Blatt- scheide ist nur ein Spezialfall des viel häufigeren Ergrünens der Nieder- blätter. Die Metamorphose ist dabei genau die gleiche, nur daß sie nicht so weit nach der Nadel vorschreitet. Diese Gebilde sind gewöhnlich klein und erreichen nur ganz vereinzelt ungefähr die Größe einer Nadel. Größere Unregelmäßigkeiten zeigten im allgemeinen die Kurz- triebe von P. Cembra, die Nadelverwachsungen trugen. An diesen wurde der abgeleitete Außenkreis stets beobachtet. Aber nur in einem Falle, der allerdings ziemlich häufig vorkam, war eines der Außenkreis- bündel an der Bildung von Nadelverwachsungen beteiligt. Dieses war dann auch stets in den Innenkreis gerückt und versah mit einem oder mehreren Innenkreisbündeln die Verwachsung. Die innige Verbindung dieses Bündels mit dem Stammkreis hat ihren Grund höchstwahrschein- lich in der Tatsache, daß es das aus der Verschmelzung hervorgegangene Nadelgebilde mit versieht. — Außer dieser Art der Bündelvermehrung Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinns. 435 im Stammkreis, die auf Kosten der Zahl der Bündel des Außenkreises erfolgt, und der primären Vergrößerung der Zahl der Nadeln im Stamm- kreis fand sich noch eine dritte stark abweichende häufiger vor. Sie wurde durch sekundäre Aufspaltung einzelner Stammkreisbündel be- werkstellig. Es verkümmerten gewöhnlich ein oder mehrere Bündel des Stammkreises, und dieser Verlust wurde ganz oder teilweise auf diese Art ergänzt, so daß also hier eigentlich ein dritter (seltener) Typ der Nadelvermehrung vorliegt. Ein einziges Mal habe ich diese Er- scheinung auch an einem Kurztrieb, der nur einfache Nadeln trug, be- obachtet. Dieser Fall ist deshalb besonders interessant, weil hier Nadeln nar von Halbbündeln durchzogen sind, die sich aber hinsichtlich der Größe nicht von Vollbündeln unterscheiden. Einige Besonderheiten der Nadelverwachsungen seien hier noch angeführt. Ein allen mit einer einzigen Ausnahme (s. pag. 397 u, f.) zukommendes Merkmal ist die Ausbildung so vieler freier Nadelspitzen, als Nadeln an der Verwachsung beteiligt sind. Der Grad der Ver- wachsung zeigt sich gewöhnlich schon äußerlich an und bedingt auch die kleinen anatomischen Abweichungen der verschiedenen Nadelver- wachsungen untereinander. Die oben erwähnte Ausnahme, die nur eine einzige Spitze aus- bildet, ist eine kongenitale Verwachsung der beider Nadeln des Kurz- triebes von P. silvestris und P. Pumilio. Sie ist besonders interessant im Hinblick auf die homologe Verschmelzung der beiden Blattanlagen der sekundären Achse von Sciatopytis vertieillata, die bei dieser Pinus- doppelnadel sogar noch inniger ist als bei der von Sciatopytis. Erwähnenswert ist schließlich noch die Tatsache, daß die Nieder- blätter der Niederblattscheide des Kurztriebes spiralig nach 3-Stellung, also nicht dekussiert, wie vielfach angegeben, stehen. Bei fünfnadeligen Kurztrieben wiederholen im allgemeinen die Nadeln in zwei stark ge- stauchten Windungen, die von einem Kreise nicht mehr zu unterscheiden sind, diese Blattstellung. An Kurztrieben mit weniger als fünf Nadeln ist das nicht mehr zu erkennen. Als Grund hierfür möchte ich an- nehmen, daß sich phylogenetisch wahrscheinlich alle wenigernadeligen Kurztriebe schließlich von dem fünfnadeligen ableiten. Die ursprüng- liche gegenseitige Lage von Nadeln und Niederblättern wird verwischt, da die Nadeln der Kurztriebe mit weniger als fünf Blättern sich gleich- mäßig in den ganzen Raum der Niederblattscheide teilen. Zum Schlusse sei noch in einer Tabelle die Verteilung auf die verschiedenen Arten und die Ergebnisse der einzelnen Möglichkeiten des Variierens zusammengestellt. 28* W. Schneider, Dunukkkumemedm Ki 436 Zahl der abgeleiteten Art und Typ Kreise Aus Verkümmerungen von Bündeln resultierende Nadelzahlen Aug primärer Verringerung rı Vermehrung und esultierende Nadel- ahlen Daraus Ad _ [resultierende Nadelvor- | Nagelzahlen *)| ON Im Stamm- kreis In abgelei- teten Kreisen Strobus - . Lambertiana - aristataı «9 - Parryana - ° - edulis - > - + + Jeffreyi 5 ponderosa - - rigida + densiflora - - silvestris - - Pumilio » + + Laricio : * - - - Pinaster . Murrayana - - - monophyila HVvovwouowunuoaor Im Stamm- kreis wachsungen®)|) yon Kurz- trieben In abgeleiteten Kreisen 2,1%, 1% 13, 1 1-11 3—17 5u.6 3-8 2—5 1—3 2—4') 2—4) 2—44) 23 1-7 1-3 1-4 1-3 lu.2 1-3®) 6543,31 43,23,1 1) Abgeleiteter Kreis aus den Niederblättern der Niederblattscheide des Kurziriebes, 2) Aus Knospenschuppen der Scheidenknospen hervorgegangene abgeleitete Kreise. 3) Als Symbol ist 1x gewählt, wobei der Exponent angibt, wieviel Nadeln zu einer verschmolzen sind. 4) Kronfeld, l.c. pag. 68. 5) Vgl. pag. 412 . 6) Beissner, }. c. pag. 254. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 437 Anhang. Zur Phylogenie der Gattung Pinus. Einleitend zu meinen eigenen Ausführungen über die Phylogenie der Gattung Pinus, die, wie gleich erwähnt werden möge, sich auf die in der Ontogenie auftretenden Abweichungen in der Benadelung bei verschiedenen Kiefernarten stützen, seien die Ergebnisse, die die paläontologische Forschung auf dem gleichen Gebiete gezeitigt hat, vorausgeschickt. Im Vordergrunde steht hier eine Untersuchung Jeffrey’s). Das wichtigste aus seinen Ausführungen sei hier kurz mitgeteilt. Der Ver- fasser geht davon aus, daß die Struktur der Blätter der Gymnospermen von großer Wichtigkeit für die Phylogenie dieser Gruppe ist. Er stützt die Ergebnisse seiner Untersuchungen auf die eigentümlichen anatomischen Verhältnisse der fossilen Kurztriebe und Nadeln und kommt zu dem Resultat, daß die Pinusarten der Kreide, die die Vor- läufer unserer rezenten Arten sind, von Prepinus statenensis ab- zuleiten seien. Die von ihm untersuchten Prepinuskurztriebe ent- stammen der mittleren Kreide von Kreischerville, Staten Island, also einer geologisch jüngeren Schicht wie die ältesten uns bekannten Kurztriebe der Gattung Pinus, die schon in der unteren Kreide ge- funden worden sind. Aber es ließ sich feststellen, daß Prepinus statenensis identisch ist mit den jurassischen Arten Leptostrobus Heer und Pinitis Solmsi. Sie hatten vor den älteren Resten voraus, daß ihre Kurztriebe viel besser erhalten waren und deshalb ein genaueres Studium der morphologischen und anatomischen Verhältnisse ge- statteten. Die Wurzel der ältesten Pinusarten geht also mit Prepinus bis in den Jura hinunter. Wichtig ist an den Ausführungen Jeffrey’s ferner, daß Prepinus Kurztriebe besaß, deren Nadeln in großer Zahl — etwa 25 — spiralig den Vegetationskegel des Kurztriebes umgaben. In der anatomischen Struktur weichen sie erheblich von denen der rezenten Kiefern ab, stimmen aber weitgehend mit denen der Pinusarten der Kreide überein, die sich also ebenfalls in einer Reihe von anatomischen Merkmalen von den rezenten unterscheiden. Den Kiefernarten der Kreide war aber schon eine genau fixierte Anzahl von Nadeln am Kurztrieb (ö, 3 oder 2) und die wirtelige Anordnung derselben eigen. 1) Jeffrey, On the Structure of the Leaf of Cretaceons Pines. Annal. of Bot. 1908, Vol. XXII, pag. 207—220 (Plates XIII u. XIV). 438 W. Schneider, Jeffrey war es nun nicht darum zu tun, den Anschluß der heutigen Arten an die der Kreidezeit im einzelnen zu geben, sondern er beschränkt sich darauf, die Gattung Pinus, die also in sicher be- stimmbaren Resten erst aus der Kreide bekannt ist, auf geologisch ältere Vertreter aus der Klasse der Coniferen zurückzuführen. Und das dürfte ihm durch seine Untersuchungen in ausgezeichneter Weise gelungen sein. Er geht dabei auf Cordaites zurück und leitet Prepinus von Cordaites ab. Der allmähliche Ausgleich der anatomischen Unter- schiede der Blätter bzw. Nadeln von Cordaites über Prepinus und die Pinusarten der Kreide bis zu den rezenten Kiefern läßt es wahr- scheinlich erscheinen, daß diese Reihe auch dem tatsächlichen Ent- wicklungsgang entspricht. Auch an einem Versuche, einzelne rezente Vertreter von solchen älterer Formationen direkt abzuleiten, hat es nicht gefehlt. Etting- hausen!) hat sich bemüht, die in Österreich einheimischen Arten P. Laricio, silvestris, Pumilio und Cembra auf eine einzige tertiäre Wurzel, P. Palaeo-Strobus, zurückzuführen. Der Zusammenhang der Arten wird durch die Übergänge in Nadeln, Samen, Blütenkätzchen und Zapfen dargestellt. In den ältesten tertiären Schichten zu Häring konmt nur die Hauptstammform, P. Palaeo-Strobus, vor, die sich in den jüngeren Schichten in zwei Reihen spaltet, deren eine die Kiefern mit zwei Nadeln, die andere die mit drei bis fünf Nadeln in einer Scheide enthält. Am Anfang der ersteren steht P. Palaeo-Larieio, aus der P. Laricio, silvestris und Pumilio hervorgegangen sind, und die zweite Reihe beginnt mit P. Palaeo-Cembra, aus der P. Cembra ihren Ursprung genommen haben soll. Aber für diese letzte Reihe ist die Beweisführung nach meinem Dafürhalten nicht überzeugend, denn sie ist eigentlich nur auf Unterschiede in Länge und Breite der fossilen Nadeln gegründet. Wie stark aber gerade diese beiden Faktoren an rezenten Arten wechseln, zeigen am besten die pag. 430 gemachten Angaben über P. Strobus und P. silvestris. Interessant ist die Be- obachtung, daß ein Vergleich fossiler Reste mit den analogen Teilen rezenter Arten zeigt, daß an letzteren atavistische Erscheinungen vor- kommen. Erwähnung verdienen hier noch einige Angaben Zeiller’s?). Nach 1) v. Ettinghausen, Beiträge zur Erforschung der Phylogenie der Pflanzen- arten. Denkschriften der Wiener Akademie, mathem.-naturwiss. Klasse, 1878, Bd. XXNXVII, pag. 65-80 (10 Tafeln). 2) Zeiller, Elöments palaeobotaniques, 1900, pag. 278 u. 279. Progr. rei bot. 2, 1908, pag. 171-226, bes. 212—214. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 439 diesen sollen in der unteren Kreide die drei Haupttypen, also fünf-, drei- und zweinadelige Arten und außerdem auch Bindeglieder ver- schiedener Art, gleichzeitig aufgetreten sein. Dieses Vorkommen von Bindegliedern hat natürlich für die Phylogenie ganz besonderes Interesse, Leider hat Zeiller keine näheren Angaben darüber gemacht. Aber die Tatsache, daß die einzelnen Sektionen durch Übergänge miteinander verbunden sein sollen, läßt erkennen, daß auch die verschiedenen Typen, die man hinsichtlich der Benadelung unterscheiden kann, stammesgeschichtlich in direktem Zusammenhang stehen; denn den einzelnen Sektionen kommt im allgemeinen eine fixierte Zahl von Nadeln am Kurztrieb zu. Solche Übergänge zwischen einzelnen Typen kennt man nun tatsächlich schon unter den ältesten Pinusresten. Es gehört hierher der viernadelige Kurztrieb bei Jeffrey!) und die Nadel des zweinadeligen Kurztriebes, die nur ein einziges Leitbündel besitzt). In dem Fehlen der bei den zwei- und dreinadeligen Arten der Kreide allgemeinen sekundären Aufspaltung des Vollbündels in zwei Halb- bündel zeigt diese Nadel deutliche Beziehungen zum fünfnadeligen Typ. Ähnliche Übergänge in der Benadelung zwischen einzelnen Typen sind auch aus dem Tertiär bekannt (Ettinghausen). Bei den rezenten Kiefern sind nun solche Übergänge bei allen Typen durchgängig vorhanden. Am besten sind sie aus einer Zusammen- stellung wie der Kronfeld’s2), dessen Zahlen teilweise noch durch die pag. 436 (Tabelle Spalte 8) mitgeteilten ergänzt werden, zu erkennen. So verrät P. monophylla ihre Beziehungen zum zweinadeligen Typ dureh das relativ häufige Auftreten zweinadeliger Kurztriebe. Die zweinade- ligen Arten zeigen Beziehungen nach oben und unten. Durch ein- nadelige Kurztriebe sind sie mit dem einnadeligen verbunden und durch die häufige Dreinadeligkeit mit dem dreinadeligen. Das gleiche gilt auch für den dreinadeligen Typ. Auch er zeigt Übergänge zum zwei- und fünfnadeligen. Bei letzterem kommt nun ebenfalls Verringerung und Vermehrung der Nadelzahl vor. Und diese Steigerung der Zahl der Nadeln über fünf, die auch bei P. silvestris konstatiert ist, würde dann allerdings, wenn für diesen Typ dasselbe gilt wie für die übrigen — und das ist wohl anzunehmen — auf eine Form hindeuten, deren Kurztriebe mehr als fünf Nadeln trugen. Über diese vergleiche unten. Nach den Ausführungen Ettinghausen’s haben nun eine Reihe zweinadeliger Arten ihren Ursprung von einer fünfnadeligen unter Re- 1) Jeffrey, 1. e. Taf. XIV, Fig. 17 u. 19. 2) Kronfeld, 1. e. pag. 68. 440 W. Schneider, duktion der Nadelzahl am Kurztrieb genommen. Die gleiche Erschei- nung tritt nun auch an der rezenten P. monophylla zutage. An der Basis eines jeden normalen Kurztriebes dieser Art sind die Elemente für zwei gleichwertige Vollbündel vertreten und erst aus der allmäh- lichen Verkümmerung eines dieser beiden Vollbündel resultiert der ein- nadelige Kurztrieb. Es kommen bei dieser Art aber auch zweinadelige Kurztriebe vor. Bei diesen unterbleibt die Verkümmerung des zweiten Vollbündels im Kurztrieb, und dieses versieht die zweite Nadel. Diese Tatsache zeigt, daß der zweinadelige Kurztrieb der ursprünglichere ist, von dem sich der einnadelige ontogenetisch und höchstwahrscheinlich auch pbylogenetisch ableitet. Bei dieser letzten Annahme, daß die ein- nadeligen Kurztriebe auch stammesgeschichtlich aus den zweinadeligen entstanden sind, muß man notwendig der in der Ontogenie bei dieser Art auftretenden Reduktion der Nadelzahl eine große Bedeutung für die Phylogenie zuschreiben. Die gleiche Bedeutung wird man dann aber auch den bei anderen Arten vorkommenden Reduktionen beimessen dürfen, denn diese erfolgen in genau derselben oder doch einer ganz ähnlichen Weise. Überall ist ein kontinuierlicher Übergang mehrnade- liger Kurztriebe in wenigernadelige zu finden, wobei teilweise der Zu- sammenhang mit dem normalen Kurztrieb noch erkenntlich ist, ja sogar durch Nadelrudimente unter Umständen dem bloßen Auge deutlich wird. Schließlich zeigen die sehon erwähnten Übergänge in der Be- nadelung zwischen den einzelnen Typen, daß phylogenetisch ein Zu- sammenhang zwischen diesen besteht. Nimmt man nun an, wie es hier geschehen soll, daß also die Nadelverringerung in der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Gattung Pinus ein wichtiges Moment darstellt, so wird man nach dem Gesagten auch folgern dürfen, daß in deren Verlauf wenigernadelige Arten aus mehrnadeligen entstanden sind. Das zeigt übrigens auch direkt das Beispiel von P. monophylla. Die Vergrößerung der Nadelzahl über fünf deutet nun — wie schon erwähnt — auf Formen hin, deren Zahl der Nadeln am Kurz- trieb größer ist als die aller rezenten Vertreter der Gattung Pinus. Diese fehlen nun unserer heutigen Flora, haben aber in älteren Floren tatsächlich existiert, wie die Paläontologie gezeigt hat. In erster Linie ist hier an Prepinus zu denken. Außerdem sind Übergangsformen zwischen Pinus und Cedrus!) (Strobo-Cedrus und Cedro-Cembra) in den Arten P. Heerii, P. depressa und P. Toilezzi Coeman bekannt. Das 1) v. Zitteli, Handbuch der Paläontologie. Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 441 Auftreten dieser birgt nun eine Berechtigung zu der Annahme in sich, daß sich beide Gattungen auf den Entwicklungsstufen, in denen diese Übergänge vorkamen, ähnlicher waren als heute, sich also auch in der Benadelung näher kamen. Und diese dürfte wiederum kaum von der der rezenten Gattung Cedrus unterschieden gewesen sein, denn Cedrus ist schon lange vor Cedro-Cembra und Strobo-Cedrus in ihrem heutigen Typus bekannt. Die Nadelvermehrung in der Ontogenie würde also auf mehrnadelige Vorläufer, die in der Benadelung Cedrus ähnelten (vgl. Prepinus!), hindeuten und somit eine atavistische Er- scheinung darstellen. Die phylogenetische Entwicklung wenigernadeliger Arten aus mehr- nadeligen darf also nach dem Gesagten wohl angenommen werden. Diese Entwicklungsrichtung wäre dann gleichzeitig auch die progressive. Das zeigt in deutlicher Weise einmal der normale Kurztrieb von P. monophylla und dann aber auch der dreinadelige Kurztrieb von P. silvestris, der sich vom viernadeligen durch Bündelverkümmerung ableitete (vgl. pag. 412). Er deutet nämlich darauf hin, daß wenigstens bei P. silvestris der dreinadelige Stammkreis ursprünglich aus einem höhernadeligen hervorgegangen ist und nicht durch primäre Nadelver- mehrung aus dem zweinadeligen. — Die entgegengesetzte Annahme, wonach Nadelvermehrung der progressiven Entwicklung entsprechen würde, wird nun — ganz abgesehen von dagegen sprechenden anatomischen Eigen- tümlichkeiten — schon durch das jüngere geologische Alter des ein- nadeligen Typs, dessen einziger Vertreter erst aus den jüngsten Perio- den der Erdgeschichte bekannt ist, unwahrscheinlich. Außerdem hätten sieh dann jedenfalls auch schon aus den fünfnadeligen Arten der Kreide- zeit Vertreter der Gattung Pinus entwickelt, deren typische Zahl der Nadeln am Kurztrieb größer als fünf wäre. Das Fehlen dieser Formen in unserer heutigen Flora und ihr Vorkommen in geologiseh älteren Schichten, aus denen echte Pinusreste noch nicht bekannt sind oder zum ersten Male auftreten, verschafft der Annahme, daß die Nadel- verringerung der progressiven Entwicklungsrichtung entspricht, einen ge- nügenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Wie nun die ersten typischen Kiefern an die mehrnadeligen Vor- läufer anzureihen sind, ist im einzelnen nicht einwandfrei zu bestimmen. Immerhin scheint mir eine in der Ontogenie bei allen rezenten Pinus- arten auftretende Konstanz die Vermutung zu rechtfertigen, daß alle eigentlichen Kiefernarten ihren Ausgang von einer fünfnadeligen Art genommen haben, die ihrerseits dann von einem mehrnadeligen Vor- läufer abzuleiten wäre. Alle Kurztriebe der rezenten Vertreter der 443 W. Schneider, Gattung Pinus sind nach 5/,-Stellung am Langtrieb angeordnet, und die Stellung der Niederblätter der Niederblattscheide des Kurztriebes ist bei allen Arten die ?/;-Stellung. Diese Konstanz in der Ontogenie ist nun sicher durch die stammesgeschichtliche Entwicklung der Pinus- kurztriebe bedingt. Vergegenwärtigt man sich nun weiter, daß die Nadeln der Arten des fünfnadeligen Typs die Niederblattspirale in der Regel fortzusetzen pflegen (vgl. pag. 419), so liegt die Annahme durch- aus sehr nahe, daß die Entwicklung der Kiefern von einer Stammform ausgegangen ist, die diese Eigentümlichkeiten zeigte, und das ist natür- lich eine fünfnadelige. Die Veränderungen bei der Entstehung wenigernadeliger Arten aus dieser würden sich dann wie auch in der Ontogenie nur auf den Nadel- kreis beschränkt haben. Sie erfolgten wahrscheinlich durch den Ausfall beliebiger Nadeln. Die gestörte gegenseitige Lage von Niederblättern und Nadeln bei Kurztrieben mit weniger als fünf Nadeln ist wenigstens dadurch in sehr einfacher Weise erklärt. Der Stammbaum würde sich also folgendermaßen gestalten: Die Urstammform ist eine vielnadelige Art, die in der Benadelung an Cedrus erinnert. Nach Jeffrey ist es die jurassische Prepinus state- nensis. Von dieser wäre die fünfnadelige Stammform aller Kiefern- arten — jedenfalls unter Einschaltung von Zwischengliedern mit ab- nehmender Nadelzahl — abzuleiten. Daraus haben sich wohl zunächst die fünfnadeligen Sektionen Strobus, Cembra und Pseudostrobus ent- wickelt, und entweder aus diesen oder auch aus der Stammform direkt sind Arten mit vier- und dreinadeligen Kurztrieben hervorgegangen. Ob es in Wirklichkeit viernadelige Arten in dem Sinne, wie wir z. B. von fünfnadeligen sprechen, gegeben hat, ist zwar nicht mehr zu ent- scheiden. Aber es ist immerhin sehr wichtig, daß schon aus der mittleren Kreide unter den ältesten Pinusresten viernadelige Kurztriebe bekannt sind. Für die Phylogenie sind sie auf alle Fälle als Binde- glieder zwischen fünf- und dreinadeligen Kurztrieben von großem Interesse, und dabei spielt es auch keine Rolle, ob sie an fünf- bzw. dreinadeligen Arten als Abkömmlinge von deren normalen Kurztrieben oder als Repräsentanten eines neuen Typs aufgetreten sind. Die gänz- lielle Ausschaltung viernadeliger Kurztriebe in der stammesgeschichtlichen Entwicklung wäre unverständlich. Aus Arten mit vier- und drei- nadeligen oder auch fast ausschließlich dreinadeligen Kurztrieben sind wiederum zweinadelige hervorgegangen. Diese können aber auch teil- weise direkt aus fünfnadeligen Spezies entstanden sein, die in ihrer Benadelung mit P. Parryana Ähnlichkeit hatten. Es ist leicht denkbar, Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus. 443 daß fünf-, vier- und dreinadelige Stadien in ähnlicher Weise weniger deutlich ausgeprägt wurden und schließlich die zweinadeligen Kurz- triebe vorherrschten, wie das an der rezenten P. Parryana bisweilen auch der Fall ist. Es verbleibt dann zum Schluß noch P. monophylia als einziger Vertreter des einnadeligen Typs, der seinen Ursprung aus einer zweinadeligen Art genommen hat (vgl. pag. 440). P. mono- phylla oder richtiger einnadelige Kiefernarten sind die Endglieder der phylogenetischen Entwicklungsreihen innerhalb der Gattung Pinus. Wie nun im einzelnen die Arten in ihrer Entwicklung zusammen- gehören, kann ich nicht entscheiden, da dazu sehr eingehende Studien der anatomischen Verhältnisse der vegetativen und auch der genera- tiven Organe, welch letztere in dieser Arbeit ganz außer acht gelassen sind, gehören. Es soll im folgenden nur eine kurze Anwendung auf die drei Arten P. Parryana, P. edulis und P. monophylla gegeben werden, da diese dazu durch ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Typen bei weitgehendster Übereinsimmung in allen anatomischen Einzel- heiten besonders geeignet erscheinen. Die Stellung dieser drei Arten im System ist ein unzweideutiges Zeichen ihrer direkten phylogenetischen Zusammengehörigkeit. Alle drei Arten sind höchstwahrscheinlich auf eine fünfnadelige Stammform zurückzuführen. Aus dieser sind zunächst wohl P. Parryana und eine dreinadelige Art, von der P. edulis und P. monophylla ihren Ausgang genommen haben, hervorgegangen. Ob beides unter Einschaltung von Zwischengliedern geschehen ist, oder ob die Entwicklung direkt ge- gangen, ist natürlich nicht zu entscheiden. Es sollen deshalb auch unten in dem Versuch einer schematischen Darstellung des Stamm- baumes dieser drei Arten an den Stellen, an denen der direkte Zu- sammenhang unsicher ist, solche Zwischenglieder durch punktierte Linien angedeutet werden. Daß für P. edulis und P. monophylla eine dreinadelige Art als gemeinsamer Vorläufer anzunehmen sein wird, zeigt folgende Erwägung. Für P. edulis ist das ganz außer Frage, denn sie ist typisch dreinadelig. Anders ist das bei P. monophylia, denn sie zeigt in der Entstehung ihrer normalen Kurztriebe deutliche Beziehungen zum zweinadeligen Typ. Aber es kommen bei P. edulis auch Anklänge an diesen Typ vor, in einer wene auch nicht großen Anzahl zweinadeliger Kurztriebe, die durch primäre Verringerung der Nadelzahl entstanden sind. Solche zweinadeligen Kurztriebe sind nun auch bei P. monophylla häufig. Sie sind sogar hier der Typus, von dem sich alle einnadeligen ableiten. Aus den dreinadeligen, die bei P. monophylia auch vorkommen, sind sie auf (dieselbe Weise entstanden, wie 444 W. Schneider, die eben erwähnten zweinadeligen Kurztriebe von P. edulis. P. mono- phylia tritt damit also auch dem dreinadeligen Typ näher. Außerdem. ist bei beiden Arten die Übereinstimmung in der Reduktion der Blatt- zahl am Kurztrieb sehr groß, weicht dagegen von der bei P. Parryana vorkommenden etwas ab, so daß man wohl für die beiden ersteren einen gemeinsamen Vorläufer annehmen darf, und zwar einen drei- nadeligen, denn durch das Vorkommen dreinadeliger Kurztriebe tritt P. monophylla auch mit dem dreinadeligen Typ in Verbindung. Das. Schema des Stammbaumes dieser drei Arten würde also etwa folgender- maßen aussehen: Vielnadelige Urstammform Fünfnadelige Stammform aller Kiefernarten P, Parryana Dreinadeliger Vorläufer von P. edulis. und P. monophylla P. edulis Zweinadeliger Vorläufer- von P. monophylla ” P. monophylia. Über die übrigen rezenten Arten ergeben sich keine näheren Anknüpfungspunkte.e Man wird aber wohl auch für alle Arten mit weniger als fünf Nadeln am Kurztrieb schließlich fünfnadelige Vorläufer annehmen dürfen. In den Nadeln fünfnadeliger Arten ist nun stets nur ein einziges- Leitbündel vertreten und bei den Arten des drei- und zweinadeligen Typs dagegen in der Regel zwei. Das war nun schon bei den ersten uns bekannten Arten dieser Typen aus der unteren Kreide der Fall. Es muß also mit der Vergrößerung des verfügbaren Raumes für die: einzelnen Nadeln, der ja bei der Gattung Pinus von ausschlaggebender Bedeutung für die Verteilung der Blattelemente über den Querschnitt. ist, eine Aufteilung des;Nadelbündels mit folgendem Auseinanderweichen der beiden Halbbündel erfolgt sein. Daß das nun wirklich möglich. ist, zeigt die mehrfach von mir beobachtete Andeutung einer Spaltung des Nadelbündels bei P. aristata und P. Parryana durch breite mehr- reihige Markstrahlen Jängs einer größeren Strecke in der Nadel. Diese Erscheinung gewinnt vielleicht noch besonderes Interesse da- durch, daß bei diesen Arten gewöhnlich eine größere Zahl weniger- Vergleichend-morphol. Untersuchung üb. d. Kurztriebe einiger Arten v. Pinus, 445 nadeliger Kurztriebe vertreten zu sein pflegt. Beide Tatsachen weisen darauf hin, daß P. aristata und P. Parryana sich gegenwärtig in einem phylogenetischen Übergangsstadium zu befinden scheinen. Ver- mutlich gilt das gleiche auch für alle Kiefernarten, bei denen neben normalen Kurztrieben eine größere Anzahl solcher mit verringerter Nadelzahl vorzukommen pflegt, wie das z. B. auch bei P. edulis u. a. der Fall ist. Die Urstammform aller Kiefernarten ist also eine vielnadelige Art, nach Jeffrey Prepinus statenensis. Aus dieser ging wohl noch unter Einschaltung von Zwischengliedern mit abnehmender Nadelzahl die fünfnadelige Stammform der eigentlichen Kiefern hervor. Daraus haben sich dann jedenfalls die fünfnadeligen Arten der Kreide ent- wickelt, und entweder von diesen oder auch von der ersteren direkt haben die dreinadeligen und wohl auch zweinadelige Arten ihren Ursprung genommen. Letztere sind wahrscheinlich zum Teil auch aus dreinadeligen entstanden. P. monophylla, die einzige einnadelige Art, leitet: sich von einer zweinadeligen ab. Vorliegende Arbeit wurde im botanischen Institut der Universität Kiel angefertigt. Herrn Geheimrat Prof. Dr. Reinke und Herrn Prof. Dr. Schroeder fühle ich mich für die Anregungen und Ratschläge, durch die sie mich in meiner Arbeit unterstützten, zu Dank verpflichtet, desgleichen Herrn Geheimrat Prof. Dr. Schenck, Darmstadt, und Herrn Prof. Dr. Wüst, Kiel, für Material und Literatur. Figurenerklärung zu Tafel XV.') Fig. I, r—4. Entstehung des dorsiventralen Leitbündels bei P. monophylia. Ver- kümmerung der einen Hälfte des Bündelzylinders des Kurztriebes. Fig. II. P. silvestris. Einwertige, zylindrische, gefurchte Nadel. Fig. III. Lockere Verwachsung der beiden Nadeln eines zweinadeligen Kurztriebes {P. silvestris). Fig. IV. Kongenitale Verwachsung der beiden Nadeln eines zweinadeligen Kurz- triebes (P. silvestris). Fig. V, zu. 2. P. Cembra. Neunnadeliger Kurztrieb. Fig. VL _P. Cembra. Außenkreis und Bündelring, der die Innenkreisbündel liefert. 1) Die Figuren (außer XV) sind Querschnitte. Fig. I Vergr. 45; Fig. II bis XXI Vergr. 20—25. 446 W. Schneider, Vergleichend-morphol, Untersuchung über die Kurztriebe usw. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. VII. P. Gembra. Bündelvermehrung im Innenkreis auf Kosten der Zahl der Bündel im Außenkreis bei Kurztrieben mit Nadelverwachsungen. VII, z. P. Cembra. 3 Bündelkreise; der mittlere Kreis und zwei Bündel des inneren Kreises verkümmern. — Fig. VII, 2. Innenkreis dieses Kurztriebes: Vergrößerung zweier Leitbündel. — Fig. VIII, 3. Teilung (bier unvollständig) derselben. — Fig. VI, 4. Doppelnadel dieses Kurz- triebes in der Mitte. — Fig. VIII, 5. Doppelnadel dieses Kurztriebes an der Spitze. IX. P. Gembra. Lockere Verwachsung dreier Nadeln eines Kurztriebes. X. P. Cembra. Kombination zwischen lockerer und innigerer Verwachsung bei einer dreiwertigen Nadel. XL P. silvestris. Fünfnadeliger Kurztrieb. s Stammkreis; «a abgeleiteter (Innen-) Kreis. XII. P. silvestri.. Bündelbildung bei mehrnadeligen Kurztrieben. XI, r u 2. P. Larieio. Viernadeliger Kurztrieb (zwei Stammkreise). XIV. P. edulis. Einnadeliger Kurztrieb mit zwei Nadelrudimenten. XV. Junger Pinnskurztrieb (Ls.). XVL P.Cembra, Fünfnadeliger Kurztrieb. Nadeln und Niederblätter in ihrer gegenseitigen Lage. Niederblätter in 2/,-Stellung. XVoO. P. Cembra. Junger zehnnadeliger Kurztrieb, die Alternanz von Nadeln und Niederblattorthostichen bei sekundärer Nadelvermehrung zeigend. XVIIL r—4. P. Cembra. Metamorphose des Niederblattes der Niederblatt- scheide des Kurztriebes zur Nadel. XIX, 2—5. P. Strobus. Metamorphose der Knospenschuppe der Scheiden- knospe des Kurztriebes. XX. P. Strobus. Ergrüntes Niederblatt der Niederblattscheide. XXL P. Strobus. Ein solches, das einer normalen Nadel sehr ähnlich ge- worden ist. XXI. P. Strobus, Zwei verwachsene ergrünte Niederblätter, Flora Band 105. Taf. XV. Verlag von Gustav Fischer in Jena. W. Schneider. Verlag von Neue Veröffentlichungen. Beiträge zur entwicklungsmecdanishen Anatomie der Pilanzen. Von Prof. Dr. Ernst Küster. 1. Heft: Zonenbildung in kolloidalen Medien, Mit 52 Abbildungen im Text. (X, 111 8. gr. 8%.) Preis: 4 Mark. Inhalt: I. Aquidistante Zonen. }, Entstehung der Liesegangschen Zonen in Gelatine. 2. Chemisch-physikalische Erklärung ihres Zustandekommens. 3. Kapillarversuche. 4. Große und kleine Rhythmen. 5. Polarität der Zonen. 6. Bildung von Zwischenlinien. 7. Peingsheim-Phänomen. 8. Abstand zwischen den Zonen. 9. Kristallisationszonen. 10. Selbstdifferenzierung der Chromatplatten. 11. Panaschierte Pflanzenorgane. 12. Gestreifte Blätter. — II. Frakturen, Ver- werfungen u.a. 13. Anastomosen in den Liesegangschen Zonen. 14. Oberfläche und Glasseite der Gelatine. 15. Doppelringsysteme. 16, Zickzackketten und ähn- liches. 17. Spiralen. 18. Wirkung der Fremdkörper. 19. Wirkung mechanischer Spannungen in der Gelatine. 20. Radialstreifung der Diffusionsjehler. 21. Kristalli- sationszonen. 22. Membranverdickungen der Gefäße und Tracheiden. 23. Form- katalysatoren. 24. Schraubige Zeilen und Zellenorgane. 25. Gestreifte Blätter. Ge- fächertes Mark. 26. Caleinmoxalatkristalle und ihre Verteilung. 27. Zonen im Phlo&m und Xylem. 28. Diekenwachstum der Lianen. 29. Pigmentierung des Koniferenholzes. 30. Leitbündel in den „Staarsteinen“, 31. Jahresringe. 32. Hexenringe der Pilze. 33. Zonenbildung an Thallopbyten. — III. Exzentrische Ringsysteme und polyzentrische Diffusionsfelder. 34. Erzeugung exzentrischer Ring- systeme. 35. Entstehung und Form der Verarmungszonen und polyzentrische Diffusionsfelder. 36. Kristallisationezonen. 37. Zeichnung der Bohnen. 38. Tüpfel- gefäße. 39. Zellenteilang und Zellennetz. 40. Sphärokristalle. 41. Stärkekörner. 42. Paramylonkörner. 43. Zellulose- und Gallertschichten. 44. Dickenwachstum der Sprosse und Wurzeln. 45. Hexenringe der Pilze. 46. Membranskulptur bei Diatomeen. — IV. Zoologische Betrachtungen. 47. Mikroskopische Befunde. 48. Schnecken. 49. Schmetterlinge. 50. Fische. 51. Vögel. 52. Reptilien. 53. Säuge- tiere. — Schluß: Erklärungsmöglichkeiten für das Zustandekommen eines „inneren Rhythmus“. — Namen- und Sachregister. Das vorliegende Heft bildet das erste einer auf wenige Stücke berechneten Reihe von „Beiträgen zur entwicklungsmechanischen Anatomie der Pflanzen“. Die Arbeit be- richtet von des Verfassers neuen Untersuchungen auf Grund des J.iesegangschen Phänomens, bei welchem sich herausgestellt hat, daß sich eine stattliche Reibe von Prozessen aus der Onto- genie der Pflanzen mit Hilfe des letzteren kausal erklären läßt. Der Verfasser bringt mit seinen Mitteilungen nicht nur neue Beiträge zur Morphologie der Gele, sondern macht vor allem den entwicklungsmechanisch interessierten Botaniker auf neue Erklärungsmöglich- keiten aufmerksam. Von demselben Verfasser erschien früher: ; :, In ihren Grundzügen dargestellt. Mit Pathologische Pflanzenanatomie. 131 'Abbiläungen im Toxt. (IL, 312 8. gr. 8%) 1908. ’ Preis: 8 Mark. Inhalt: Einleitung. — 1. Restitution. — 2. Hypothere. — 3. Meinplasie. — 4. Hypertropbie. Anhang. — 5. Hyperplasie. Anhang. —- 6. Allgemeine Betrachtungen über die Ätiologie und Entwicklungsgeschichte pathologischer Pflanzengewebe. Fragestellungen der allgemeinen Pathologie. — Theoretisches. — Register, Botanische Zeitung, Nr. 17 vom 1. Sept. 1903: \ Das vorliegende Buch wird jedermann zur Orientierung in dem behandelten Gebiet erwünscht und angenehm sein, weil es eine Reibe von Dingen im Zusammenhang bespricht, über die man sonst nur sehr zerstreute Einzeluntersuchungen findet, und weil es eine ausgedehnte und sorgfältige Verarbeitung der einschlägigen Literatur enthält. Es kann als ein unentbehrliches Handbuch bezeichnet werden, . R j 13 Cie _ Anleitung zı Selbst- Das botanische Praktikum von Ed. Strasburger. schdium der mikro- skopischen Botanik für Anfänger und Geübtere, zugleich ein Handbuch der mikroskopischen Technik. Bearbeitet von Dr. Eduard Strasburger +, 0.ö. Prof. der Botanik an der Universität Bonn, und Dr. Max Koernicke, et. Prof. der Botanik an der landwirtschaftl. Akademie Bonn-Poppelsdorf, a. o. Prof. au der Universität Bonn. Fünfte Auflage. Mit 246 Holzschnitten im Text. (XXVI, 8608. gr. 8°.) 1913. Preis: 24 Mark, in Halhfranz geb. 26 Mark 50 Pf. Von K. K. Hofrat Dr. Julius Stoklasa, 0. ö, Professor an der K. K. böhmischen Technischen Hochschule und Direktor der Chemisch-plysiologischen Versuchsstation der böhm. Sektion des Landes- kultarrstes für das Königreich Böhmen, Prag. Mit 12 Tafeln. (Abdruck aus dem „Zentralblatt für Bakteriologie, IL Abt.“ 1911. Preis: 6 Mark. Monatshefte für Landwirtschaft, IV. Jahrg., Heft 10, Oktober 1911: In überaus umfangreichem Maßstabe und mit Hilfe der modernsten chemischen und biologischen Technik hat J. Stoklasa dieses Problem in Angriff genommen, welches für praktische Landwirtschaft und für die Ernährungsphysiologie von gleicher Wichtigkeit ist, und hat die wichtigen Ergebnisse der mit einer Reihe von Mitarbeitern angestellten Versuche in einem Werke niedergelegt, welches in eingebendster Weise das Zusammenspiel der zahlreichen Vorgänge beleuchtet, die sich bein biochemischen Kreis- lauf des Phospbat-Ions im Boden vereinigen, Österreich-ungarische Zeitschr. f. Zucker-Industrie und Landwirtschaft: Der wissenschaftlich äußerst tätige, publizistisch ungemein fruchtbare, in allen Fachkreisen bekannte Verfasser hat in vorliegender Schrift die Resultate seiner jahre- langen Studien, Forschungen und experimentellen Untersuchungen über die Bedeutung des Phosphors für das Pflanzenleben niedergelegt, aus denen er namentlich bezüglich der Bakterienwirkungen beim Phosphorkreislauf äußerst interessante Folgerungen zieht und die er in geistreicber Weise darzustellen sucht. Nicht nur für den Biologen vom Fach, sondern für jeden, der dem Pflanzen- und Ackerbau näher steht, dürfte die Lektüre vorliegenden Buches von großem Interesse sein, und daher kann dasselbe auch allen diesen bestens empfohlen werden. Wochenschr.d.Ceniralvereines f. Rübenzucker-Industrie, Wien, 11.0kt.1911: Die Arbeit, die mit zahlreichen sehr sorgfältig ausgeführten Demonstrationstafeln ausgestattet ist, enthält so viel Interessantes und Belehrendes, daß die Lektüre derselben einem jeden Chemiker, insbesondere dem im Dienste der Agrikultar stehenden, auf das beste anzuraten ist. (0, Fallada.) Internat. Mitteilungen für Bodenkunde, 19i2, Bd. I, Heft 5: . Unter den ersten dieser Forscher zählt entschieden Julius Stoklasa, der schon früher über die Metamorphose der Stickstoffverbindungen im Boden lehrreiche Arbeiten lieferte und erst wieder kürzlich die Resultate einer großen Reihe von Experimentalunter- suchungen in seinem jüngst erschienenen, obigen Titel führenden Buch niedergelegt hat, Bulletin de P’Institut Pasteur, Nr. 4 vom 29. Februar 1912: Le memoire de Stoklasa presente en somme un grand interet au point de vue de la physiologie generale, de la microbiologie et de l’agronomie. Blätter für Zuckerrübenbau, XVII. Jahrg. Nr. 15 vom 15. Augest 1911: Dem gebildeten fortschrittlichen Chemiker bietet das Buch sowohl in praktischer als rein wissenschaftlicher Hinsicht einen gan: neuen Einblick in die Entstehung orga- nischer Substanzen überhaupt, auch klärt es ihn ganz besonders über die bis jetzt nicht geahnte Bedeutung des Phosphors für das Pflanzenleben auf. Jedermann findet in dieser Arbeit ganz Neues, ja Überraschendes speziell in bezug auf das Bakterien- leben im Boden. Die Wissenschaft und die Praxis kann dem hocbgeschätzten Forscher nur Dank wissen für seine Arbeiten, von denen man nicht weiß, ist die Literaturkenntnis oder die praktische langwierige Arbeit des Verfassers mehr hervorzuheben. Die Arbeit ist keine Alltagsarbeit, die nur leider bei den Rübenversuchen so oft beanstandet werden muß, sondern die Arbeit dauerte 10 Jahre, natürlich mit Hilfe seiner hervorragenden Assistenten. Das Buch ist nicht bloß für die wissenschaftliche Forschung ein Stolz österreichischer Forscher, sondern gewiß auch der cbemisch-physiologischen Versuchsstation der böhmischen Sektion des Landeskulturrates. — Das Buch enthält ungemein viel An- regendes für zukünftige Forschungen. (A. Briem.) Diesen Heft liegen 3 Prospekte bei: 1.) vom Verlag der Umschau, betr. Bechhold, „Handlexikon der Naturwissenschaften-und Medizin“; 2.) vom Bibliographischen Institut in Leipzig und Wien über die im Erscheinen begriffene allgemeinverständliche Botanik „Die Pflanzenwelt“, von Prof. Dr. Otto Warburg. 3 Bände in Halbleder gebunden zu je 17 Mark; 3.) von Gustav Fischer, Verlag in Jena, betr. „Mycologisches Centralblatt“, "Ant. Kämpie, Buchgruckere), Jene,